Vorlesungen über die Philosophie der Religion. Teil 2: Die bestimmte Religion 9783787326167, 9783787311170

Die Vorlesungen über die Philosophie der Religion bilden die letzte, die abschließende Disziplin des Hegelschen Systems.

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Vorlesungen über die Philosophie der Religion. Teil 2: Die bestimmte Religion
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GEORG WILHELM FRIEDRICH HEGEL

Vorlesungen über die Philosophie der Religion

Teil2

FELIX MEINER VERLAG HAMBURG

GEORG WILHELM FRIEDRICH HEGEL

Die bestimmte Religion Neu herausgegeben von W alter Jaeschke

FELIX MEINER VERLAG HAMBURG

PHILOSOPHISCHE BIBLIOTHEK BAND 460

Diese Edition beruht auf dem Text der kritischen Ausgabe G. W. F. Hegel, Vorlesungen. Ausgewählte Nachschriften und Manuskripte, Band 4a, herausgegeben von Walter Jaeschke.

Im Digitaldruck »on demand« hergestelltes, inhaltlich mit der ursprünglichen Ausgabe identisches Exemplar. Wir bitten um Verständnis für unvermeidliche Abweichungen in der Ausstattung, die der Einzelfertigung geschuldet sind. Weitere Informationen unter: www.meiner.de/bod

Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliogra­phi­­sche Daten sind im Internet über ‹http://portal.dnb.de› abrufbar. isbn 978-3-7873-1117-0 ISBN eBook: 978-3-7873-2616-7

© Felix Meiner Verlag GmbH, Hamburg 1994. Alle Rechte vorbehalten. Dies gilt auch für Vervielfältigungen, Übertragungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen, soweit es nicht §§  53 und 54 URG ausdrücklich gestatten. Gesamtherstellung: BoD, Norderstedt. Gedruckt auf alterungsbeständigem Werkdruck­ papier, hergestellt aus 100 % chlor­frei gebleich­tem Zellstoff. Printed in www.meiner.de Germany.

VORBEMERKUNG

Vor einem Jahrzehnt hat _die Neuausgabe von Hegels Vorlesungen über die Philosophie der Religion in der Reihe »Hegel: Vorlesungen. Ausgewählte Nachschriften und ManuskripteErkenne dich selbst« eben als Aufforderung zu solcher Selbsterkenntnis des Geistes versteht.

Einleitung · Entwicklung der Konzeption

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11. Zur Entwicklung der religionsgeschichtlichen Konzeption (1) Die Konzeption seiner religionsphilosophischen Vorlesungen hat Hegel in den beiden Jahrzehnten zwischen 1801 und 1821 - also vom Beginn seiner Jenaer Dozentur bis zum Zeitpunkt seines ersten Kollegs - in den Grundzügen entworfen; im Verlauf der vier von ihm gehaltenen Kollegien hat er sie ausformuliert.4 Die Erarbeitung seiner Konzeption der Religionsgeschichte verläuft hierzu im wesentlichen parallel- jedoch mit zwei"Akzentverschiebungen am Anfang und am Ende dieser Entwicklung: Auch nachdem Hegel das begriffliche Fundament der Religionsphilosophie bereits gelegt hat (im ersten Kolleg 1821) und die systematische Durchbildung seiner Konzeption allmählich mit den Grundlinien seines Systems konvergiert und dadurch Festigkeit gewinnt (in den Kollegien 1824 und vor allem 1827), bleibt seine Konzeptualisierung der Religionsgeschichte noch weitgehend im Fluß. Und noch bevor Hegel die Religionsphilosophie als eigenständigen Teil seines Systems konzipiert, kommt dem Blick auf die Religionsgeschichte bereits eine wichtige Funktion für den Abschluß des Systems zu. Deshalb wäre es nicht ganz angemessen zu sagen, Hegel habe die Religionsgeschichte in seine Religionsphilosophie einbezogen. Die Entwicklungsgeschichte seines Denkens zeigt vielmehr, daß der Primat bei der Religionsgeschichte liegt: Die systematisch verfaßte Religionsphilosophie ist gleichsam erst aus Hegels historischer Betrachtung der Religion erwachsen. Diejenigen Partien der Religionsphilosophie, die mehr und etwas anderes umfassen als die philosophische Interpretation der wirklichen Religionen, kristallisieren sich erst später- nämlich erstmals in den Berliner Vorlesungen- aus der ursprünglichen Konzeption heraus. In den Jenaer Jahren umfaßt Hegels Religionsphilosophie zunächst nicht mehr als die Abhandlung der geschichtlichen Gestalten der Religion. Allerdings geht diese Abhandlung schon damals - sosehr sie bereits Elemente einer Siehe hierzu die knappen einführenden Bemerkungen in der Einleitung zu Teill dieser Ausgabe sowie die ausführliche Darlegung vom Verf: Die Vernunft in der Religion. Studien zur Grundlegung der Religionsphilosophie Hegels. Stutegart-Bad Cannstatt 1986. 4

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Walter Jaeschke

vergleichenden Religionsgeschichte enthält - keineswegs in einer rein geschichtlichen Darstellung auf. Sie thematisiert die Religionen immer schon im Kontext einer Entwicklung des Geistes, der sein Wissen von sich sowohl in einem historischen wie in einem systematischen Gang vollendet. Auch die frühe, noch nicht zur Religionsphilosophie im umfassenden Sinne erweiterte Thematisierung der geschichtlichen Religionen erfolgt also im Rahmen einer Metaphysik der Religionsgeschichte. Noch eine zweite Eigentümlichkeit hebt Hegels Jenaer Konzeption von derjenigen der Berliner Vorlesungen ab: Die Jenaer Schriften kennen nicht die architektonische Abtrennung der christlichen Religion von einer ihr vorausliegenden Religionsgeschichte, wie sie später in der Unterscheidung der Teile 2 und 3- »bestimmte Religionall-Tod< heißt, insofern Gott in der menschlichen Gestalt angeschaut wird; und so ist das Moment des Todes hoch zu achten, nicht als Bestimmung des Endlichen als solchen, sondern als Inhalt Gottes selbst, immanent dem Wesen sdbst. Es ist dies ein Zeichen, daß fortgegangen ist zur bewußten Geistigkeit, zum Wissen der Freiheit, die in Gott ist. Dies Moment der Negation ist absolut wahrhaftes Moment Gottes; dieser natürliche Tod ist dann diese eigentümliche spezifische Form, in wdcher I die Negation an der Gestalt 604 Wesen selbst.] W folgt Ho: Wesen. Zur ... kommt. Ho: Denn zur Selbstbestimmung gehört das Moment der inneren, nicht äußerlichen Negativität, wie dies schon im Worte >Selbstbestimmung< liegt. Der Tod, der hier zur Erscheinung kommt, ist daher auch nicht wie der Tod des Lama, des Buddha. Denn diese sind die reine Substanz abstrakten Insichseins, denen die Negativität eine äußerliche ist und als äußerliche Macht an sie kommt. 607-610 ist ... an] so Gr mit Pa; De: diese eigentümliche spezifische Form muß in GrW: ist dann eigentümliche, spezielle Form, in welcher die Negation an der Gestalt erscheint; wegen der göttlichen Totalität ((W1: und) der höheren Religionen muß das Moment auch an Wz: muß auch in den höheren Religionen das Moment der unmittelbaren Gestalt an)

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erscheint; wegen der göttlichen Totalität der höheren Religionen muß das Moment auch an der göttlichen Idee vorgestellt, gewußt werden, denn ihr darf nichts fehlen. Das Moment also der Negation ist es hier, das immanent dem göttlichen Begriff, wie er wesentlich in seiner Erscheinung ist, zukommt. Es ist das nicht ein solches Sterben wie das des Lama oder Buddha. In diesen Religionen haben wir gesehen, daß das Wesen Gottes nur erst bestimmt ist als abstraktes Insichsein, absolute Substantialität seiner selbst; dies Moment des Todes ist nicht Moment immanent der Substanz, sondern dieser sein Tod gilt nur für akzidentelle, äußere Form, in der der Gott sich zeigt. Daß dies ein Geschehen sei, das dem Gott selbst widerfährt, nicht bloß dem Individuum, worin er sich präsentiert, tritt hier nicht hervor. Es ist also das Wesen Gottes in dieser Bestimmung zu fordern. Damit hängt nun zusammen die dritte Bestimmung, daß Gott sich wiederherstellt, wieder aufersteht. Der unmittelbare Gott ist nicht Gott. Geist ist nur dies, was als frei in sich durch sich selbst ist, was I sich selbst setzt. Dies in und durch sich selbst Sein enthält das Moment der Negation. Die Negation der Negation ist das Zurückkehren in sich, und der Geist ist das ewig in sich Zurückkehrende. Hier ist denn so auf dieser Stufe der Vermischung, daß das Negative vorgestellt wird als außer dem Wesen Seiendes, als das Böse, der Tod, das aber überwunden wird, als Typhon. Der Geist ist das [die] Negation Aufhebende, [das] den Tod - als Negation erscheinend - überwindet, die Sphäre der Negation; der Gott ist damit wiederhergestellt, und so ewig in sich wiederkehrend ist er der Geist. Eine nähere Bestimmung ist, daß dieser Wiedergeborene dann zugleich als Abgeschiedener vorgestellt ist, als Gott der Unterwelt; er ist aber nicht nur Herrscher im Reich des Amenthes, sondern auch Herrscher der Lebendigen, muß noch bemerkt werden; als erster ist er dann Richter der Toten nach Gerechtigkeit und Sittlichkeit. Erst in der Bestimmung der subjektiven Freiheit, da tritt die sittliche Bestimmung überhaupt ein; dagegen fehlt beides in dem Gott der Substantialität; so ist denn hier das Moment der Herrschaft noch Gerechtig-

629 der Vermischung) so Pa; Gr: die Versöhnung

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keit, Bestrafen, und der Wert des Menschen tritt hervor, der nach der Rechtlichkeit, Sittlichkeit sich bestimmt. Das ist dieses Moment. Wir haben nun gehabt die Bestimmung des Subjekts, das sich selbst bestimmt, das Rechte, Zwecke hat, daß ferner an diesem Gegenstand auch die I Entwicklung der Subjektivität erscheint. Indem nun so die Bestimmungen als solche gesetzt sind, die an der Subjektivität erscheinen, so ist sie zunächst unterschieden von der Natur, von der natürlichen Welt, von Individuen, vom Menschen usf.; es wird insofern ein Verhältnis der Herrschaft begründet, aber in dieser Vermischung ist dieses Subjekt zugleich vorgestellt als die Substanz, und [das] Subjekt hat so noch die Bedeutung der Substantialität. Es ist nicht verschieden von den natürlichen Gegenständen, sondern was dem Subjekt zukommt, das ist dann zugleich die Geschichte der Substanz; zunächst ist es die Geschichte des Subjekts und der Substanz, insofern sie partikularisiert ist; oder so: Das Subjekt ist zunächst ein besonderes; an ihm geht die allgemeine Geschichte vor, die in einem Subjekt ist, und diese ist zugleich die Geschichte dessen, was substantiell ist, also auch die Geschichte der Substanz, und indem die Substanz partikularisiert ist, so hat jenes Subjekt auch die Bedeutung der partikularisierten Gegenstände, und seine Geschichte ist die Geschichte dieser partikularisierten Gegenstände. So ist dann also die Geschichte des Subjekts, sein Leben, Kämpfen gegen das Böse, seine Taten, sein momentanes Überwundenwerden von dem Bösen diese Geschichte ist denn auch die allgemeine Geschichte der natürlichen Gegenstände. I So ist die Geschichte des Gottes, die bekannt ist, [die] diese Stufe ausdrückt, die in der ägyptischen Religion zur Erscheinung kommt, die Geschichte des Osiris; die hat zugleich die Bedeutung der Geschichte der Sonne, die Geschichte des Nils, des Jahreslaufs zu sein. Der Nil fließt, vertrocknet durch den Typhon, durch die Hitze; die Sonne trocknet [ihn], sofern sie feindlich ist, aus. Die Sonne entfernt sich, ihre Kraft erstirbt und wird wiedergeboren, nachdem sie sich entfernt hatte; dies hängt dann mit den Jahreszeiten zusammen. Ebenso hat die Geschichte des Gottes die Bedeutung des Lebens der Pflanze, des Samens. Er wird in die Erde gesetzt, stirbt und verwest, aber erhebt sich wieder. So ist denn diese Geschichte des Subjekts auch die der Substanz in der Natur und so die Geschichte der interessierenden Naturgegenstände und umgekehrt.

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Diese subjektive Geschichte hat die ausdrückliche Bedeutung der natürlichen Dinge. Alles kann hier Bedeutung sein oder die Darstellung selbst. Man kann sagen, die Geschichte der Sonne, des Nils liege zum Grunde der Sage des Gottes; aber auch ungekehrt, was als Gestalt genommen worden ist, kann auch als das Innere genommen 685 werden, daß dieses zur Bedeuttmg hat die Natur, das Freie, das Geistige. Alle diese Bestimmungen sind hier in einer vereint, weil unmittelbar das Subjekt auch Substanz ist. Weil so Fürsichsein und Ansichsein vereinigt sind, so ist der Gegenstand, Gott, das alles in sich Befassende, und das, was ihm geschieht, ist das, was die allge690 meine Geschichte ist. Insofern sind alle Momente in ihm vereinigt. Umge !kehrt ist in dieser Vermischung, wo die Subjektivität sich noch nicht frei darstellt, aber auch das Andere vorhanden, daß diese vereinten Momente auch zersplittert dargestellt sind als Gestalten besonderer Art, auseinander vorgestellt werden als selbständige 695 Götter für sich. So ist es bei den Ägyptern. Osiris ist nur der Hauptgott; in späterer Zeit verschwinden die übrigen Götter vor ihm früher sind sie neben ihm -, und er wird die Hauptgestalt, sobald das Denken Interesse hat; aber neben ihm sind die Momente der Intelligenz, die in ihm vereinigt sind, als verschiedene Götter vorhanden, 100 und so ist Vielgötterei, die von vielfach modifizierten Umständen weitere Bestimmung erhält; es sind teils Natur-, teils Lokalgötter, die an sich Totalltäten sind. Zur Vollendung der subjektiven Gestalt gehört dann noch dieses: Sie ist als Totalität betrachtet, aber die Momente erhalten auch be7os sondere Gestalten und sind so äußerliche Götter; zur vollständigen Totalität gehört aber, daß der Hauptgott nach der ganz äußerlichen Seite vollständig bestimmt ist. Nach der äußerlichen Seite ist er daher eine besondere Existenz, die nach allen Seiten bestimmt ist. Der besondere Gott eines Landes, der besondere Gott eines Volkes tritt in 110 der lokalen Landesbeschränktheit nach dieser I Seite hervor. Dies sind die Hauptmomente. Endlich ist noch ein Verhältnis zurück, das zu den wichtigsten 680

681 Dinge] so De; Pa: Religion 686 in einer vereint] so Pa; Gr: verwirrt

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gehört. Nämlich, der Gott ist hier zuerst Macht an sich, zweitens Naturgott; noch zu bemerken ist ein drittes Verhälmis; dies ist das Verhälmis zum Selbstbewußtsein, [und dies] begreift Kultus überhaupt in sich, weil dies eben erst auftritt damit, daß der Gott als ein Subjektives bestimmt ist; dies neue Verhälmis ist aber der Standpunkt der Kunst, der schönen Kunst; es ist hier der eigentümliche Ort, wo die Kunst in der Religion hervortreten muß und notwendig ist. Die Kunst kann zwar auch Nachahmung sein, aber nicht allein; sie kann jedoch dabei stehen bleiben, dann ist sie aber nicht schöne, wahrhaft göttliche Kunst, noch auch das wahrhafte Bedürfnis für die Religion; sondern, wo sie das ist, wo sie wesentlich hervortritt, da gehört sie dem Begriff Gottes selbst an. Dieser Zusammenhang ist näher zu betrachten. Die wahrhafte Kunst ist religiöse Kunst; diese ist nicht Bedürfnis, insofern der Gott eine Naturgestalt hat, z. B. der Sonne, des Lichts, oder eines Flusses; sie ist noch nicht Bedürfnis, insofern die Realität Gottes die Gestalt eines Menschen oder eines lebenden Tieres hat; sie ist I auch nicht Bedürfnis, wenn die Weise der Manifestation das Licht ist, oder die menschliche Gestalt zwar weggefallen ist, wie bei Buddha, aber in der Einbildung noch existiert, also bei der Einbildung der göttlichen Gestalt. Hier ist die Gestalt nur eine eingebildete, beim Buddha. Die menschliche Gestalt ist, nach der Seite eben, daß sie die Erscheinung der Subjektivität ist, erst dann wahrhaft Bedürfnis, vorgestellt zu werden, wenn erst Gott als wahrhaftes Subjekt bestimmt ist. Das Bedürfnis, durch die Kunst das Subjekt vorstellbar zu machen, kann erst dann eintreten, wenn 713-714 zweitens Naturgott] so Pa; Gr: hat Subjektivität 716-717 weil ... ist] so Pa mit De; Gr: dieser hat in dieser Vermischung beider Sphären denselben Inhalt als der Gott selber 730 oder die] W: sie fängt an, wenn die präsente vgl. Ho: Bedürfnis ist sie [sc. die Kunst] nicht, wo [die Religion] Gott in der Gestalt eines Natürlichen hat, sei es Sonne oder Licht oder Fluß oder die unmittelbare Menschengestalt, ebenso wie sie dort nicht eintritt, wo Gott unmittelbar als Gestalt vorgestellt wird, wie bei Buddha. 732 der göttlichen Gestalt] so Gr; Pa: in das Gegenständliche 732-733 Hier ... Buddha.] W: z. B. in Bildern von Buddha, (W1: so auch in den Lehren seiner Nachfolger. Wz: aber hier zugleich auch noch in den Lehrern, seinen Nachfolgern.) (Va? No?)

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das Moment der Natürlichkeit, der Unmittelbarkeit überwunden ist im Begriff durch das Moment der Freiheit - wenn das Wesen Gottes anfängt, wesentlich frei, wesentlich sich bestimmendes zu sein, d. h. auf dem Standpunkt, worauf wir uns befinden. Indem die Weise des Daseins durch das Innere bestimmt ist, so reicht die bloß natürliche Gestalt dann nicht mehr zu, noch auch die Gestalt, die bloß der Nachahmung derselben angehört. Alle Völker exklusive der Juden und Mohammedaner, die haben Götzenbilder, aber diese gehören nicht zur schönen Kunst, sondern sind nur Zeichen der bloß vorgestellten, eingebildeten Subjektivität, wo die Subjektivität noch nicht als immanente Bestimmung des Wesens selbst ist. Die I Vorstellung hat in der Religion eine äußerliche Form, und es ist wesentlich, zu unterscheiden, was bloß vorgestellt wird oder was gewußt wird als dem Wesen Gottes angehörig. Daß Gott Mensch geworden ist, kommt auch in der indischen Religion vor, und alle Momente, die in der letzten wahrhaften Religion vorhanden sind, kommen so vor. Die Totalität ist im Geist immer vorhanden, aber ob diese Momente angesehen werden als angehörend dem Wesen oder nicht, das ist der Unterschied. Es ist also, wie gesagt, nur dann Bedürfnis, den Gott durch die schöne Kunst darzustellen, wenn das Moment der Natürlichkeit überwunden ist, wenn er sein soll als freie Subjektivität durch geistige Selbstbestimmung, so daß seine Manifestation, seine Erscheinung nicht bloß sei eine natürliche, nicht ein bloßes Zeichen, sondern daß seine Erscheinung in seinem Dasein durch den Geist von innen bestimmt ist, den Charakter geistiger Produktion an sich zeigt. In Ansehung des Hervortretens der Kunst sind besonders zwei Momente zu bemerken: 1. daß Gott in der Kunst vorgestellt wird als ein sinnlich Anschaubares; 2. daß der Gott als Kunstwerk ein durch Menschenhände Produziertes ist. - Unserer Vorstellung ist es bekannt, I daß beides Weisen sind, die unserer Idee Gottes nicht ent746 Zeichen] W: Personifikation der Vorstellung, Zeichen (1831) 763 zeigt.] W folgt Ho: zeigt. Erst ... ein. Ho: Erst also, wenn Gott selbst die Bestimmung hat, die Unterschiede, unter denen er erscheint, aus seiner eigenen Innerlichkeit zu setzen, erst dann tritt die Kunst für die Gestaltung des Gottes als notwendig ein.

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sprechen. Die Manifestation auf sinnliche Weise, auf diese anschaubare Weise, entspricht unserer Idee von Gott nicht, nämlich vorgestellt auf die Art, daß dieses die einzige Weise sei; denn zu bemerken und uns bekannt ist, daß Gott auch, aber nur als verschwindendes Moment, Anschaubarkeit gehabt hat. Hier ist die sinnliche Anschaubarkeit die allgemeine Art und Weise, wie er für das Selbstbewußtsein ist, das Ganze der Weise der Manifestation, wie er für das Selbstbewußtsein ist. Das zweite, daß Gott als Kunstwerk von Menschen produziert ist, ist ebenso unserer Idee von Gott nicht angemessen. Inwiefern beide Momente nun mangelhaft sind, ist näher zu betrachten. Also es tritt hier die Kunst hervor. Dies Hervortreten hängt damit zusammen, daß Gott als geistige Subjektivität gefaßt ist; die Natur des Geistes ist es, sich selbst zu produzieren, sich zu setzen, sich Gestalt des Daseins zu geben. Dies ist in der Kunst vorhanden überhaupt - nicht nur allgemeine Vorstellung, sondern dies, daß er erscheint, sich manifestiert, sich bestimmt. Das andere ist dann, daß diese Weise des Daseins eine von dem Geist gesetzte ist, eine Entäußerung, die durch sich selbst gesetzt ist, nicht durch zufällige Natürlichkeit, durchaus dem Gedanken entsprechend. Daß das Subjekt sich setzt, sich manifestiert, sich bestimmt, daß die Weise des Daseins eine vom Geist gesetzte ist, das ist in der Kunst überhaupt vorhanden. Also I das sinnliche Dasein, in welchem der Gott angeschaut wird, ist seinem Begriff entsprechend, ist nicht Zeichen, sondern drückt in jedem Punkt das aus, von innen heraus produziert zu sein, ganz dem Gedanken, dem inneren Begriff entsprechend zu sein; das wesentliehe Moment ist nun aber dabei, daß dies Dasein noch eine sinnlich anschaubare Weise ist. Das Allgemeine, das unterschieden bestimmt sei, diese Bestimmung ist schlechthin durch den Begriff gesetzt; aber daß diese Weise, in welcher das Subjekt sich setzt, sinnlich ist, dies ist

773 hat.) W folgt Ho: hat. Die ... notwendig. Ho: Die Kunst ist auch

nicht die letzte Weise unseres Kultus. Aber für die Stufe der noch nicht begeistigten Subjektivität, die also selbst noch unmittelbar ist, ist das unmittelbar anschaubare Dasein angemessen und notwendig. 795-796 das wesentliche Moment) W: der wesentliche Mangel (Ed? No?)

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soo das Mangelhafte. Dieser Mangel kommt daher, daß es erst die erste Subjektivität ist, der erste freie Geist; aber sein Bestimmen ist sein erstes Bestimmen, und so ist in dieser Freiheit selbst noch natürliche, unmittelbare, erste Bestimmung, d. h. das Moment der Natürlichkeit, der Sinnlichkeit überhaupt - freilich durch den Geist geboren, 8os aber immer noch ein Sinnliches. Das andere ist dann, daß das Kunstwerk ein durch Menschen Produziertes ist. Nämlich das Su~jekt produziert sich selbst, aber das, was von ihm produziert ist, ist seine Bestimmung, ist zugleich als unterschiedenes Sein; das abstrakte Produkt ist nur >Ich= IchGott< I und das Prädikat >EinerSchöpfunggroß< springt man über zu >absolutGefühl der Abhängigkeit< usf. nennt. Im Gegenteil, diese Furcht des Herrn hebt alle Abhängigkeit auf. Der Mensch ist vom Besonderen abhängig; der freie Mensch ist frei von aller Abhängigkeit; die Furcht des Herrn ist so die Befreiung von allen besonderen Interessen. Wenn ausgesprochen wird, daß die Seligkeit der Zweck des Individuums sei, so ist dies sich zum Zweck Setzen, dies ist damit nicht Abhängigkeit, sondern das ist dies Befreitsein, die Befreiung von aller Abhängigkeit. Die Furcht des Herrn ist diese Negation der eigenen Negativität, das Aufheben aller Abhängigkeit. Aus dieser und in dieser Furcht des Herrn entspringt dann das Affirmative; eben diese unendliche, in sich zurückgehende Negativität ist die reine Affirmation. Das Affirmative ist dann das, was die absolute Zuversicht heißt oder der unendliche Glaube. Diese unendliche Zuversicht ist das Aufgegebenhaben des Besonderen, Eigenen, und sich in den Herrn Hineinversenken, dies Eine zu seinem Gegenstand und Wesen 664 das ... Kraft] so Pa; Gr: mit dem Bewußtsein alle eigene Kraft 686-687 Negation ... Abhängigkeit] so Pa; Gr: absolute Negation alles Besonderen, alles Fürsichseins

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Haben. Auf einer anderen Stufe kann diese Zuversicht I die Form haben, daß das Selbstbewußtsein sich in sich versenkt, auf sich beruht, seiner Seelenstärke, seinem Mut vertraut, ganz auf dieses Abstrakte reduziert ist - die stoische Freiheit. Hier aber hat diese Freiheit in sich noch nicht die Form der Subjektivität des Selbstbewußtseins, sondern diese Zuversicht ist die Affirmation, mit dem Einen identisch zu sein, substantielle Einheit zu sein; aber dies Eine, mit dem ich identisch bin, wird zugleich vorgestellt als das eine Andere, der mein Herr ist, die absolute Macht Gottes ist. Es ist in der Einheit also diese Abstoßung, aber dann zugleich auch diese Einheit. Das ist im jüdisehen Kultus das erste Moment der Gesinnung. Das zweite Moment des Kultus ist die konkrete Vermittlung, zunächst die Folge dieser Zuversicht. Die Zuversicht hat eine Folge; sie ist zunächst ganz abstrakt, hat alles aufgegeben, ist zunächst selbst nur der Zweck, das, was schlechthin an und für sich sein soll, der Glaube; aber sie hat zugleich auch Folgen, sie geht auch in ihr Gegenteil über. Es ist dies dasselbe Umschlagen von der abstrakten unendlichen Macht und Weisheit in das besondere Reale, was wir schon früher bemerkt haben; die Zuversicht geht unmittelbar in das Bestimmte, in das Erhalten, Behalten, Gesetztsein eines besonderen Daseins über. Diese Zuversicht ist das Be Iwunderungswürdige, was in den Schriften desjüdischen Volkes vorkommt [und] was unter anderem bei so vielen großen Siegen bewährt wird, die auch im Christentum hervorgehoben werden. Dieser Glaube des Abraham, diese Zuversieht ist es, die die Geschichte dieses Volkes erweitert [und] die auch die Wendung im Hiob macht. Sein Zustand ist eigentlich allgemein; die ganze Geschichte steht eigentlich außerhalb des Volkes Gottes, geht nicht auf dem Boden innerhalb dieser Religion vor. Hiob wird auf diese Weise unglücklich. Da kommt es dazu, daß Hiob seine Unschuld und seinen unsträflichen Wandel preist, und insofern findet 700-704 diese ... Einheit.] W 2 : das Selbstbewußtsein hat sich hier in den Einen zu versenken, dieser aber als das Andere vorgestellt ist wieder das Prinzip der Abstoßung, in welcher das Selbstbewußtsein seine Selbstgewißheit wiedergewinnt. (Va) 704 diese Einheit] so PaDe; Gr: die unendliche Zuversicht

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[er] das ungerecht, daß es ihm so gehe. Hier wird also das, was Zweck für Gott sein sollte, [so] angegeben, daß es dem Guten, Gerechten, Frommen gut gehe. Die Gerechtigkeit des Menschen soll der Zweck an sich für Gott sein; er soll durch die Macht realisiert werden, d. h. der Mensch soll glücklich werden. Hiob sagt Kapitel 730 31: •Was gibt mir Gott zum Lohn von oben! Und was für ein Erbe der Allmächtige von der Höhe 1 Sollte nicht billiger der Ungerechte solch Unglück haben und ein Übeltäter so verstoßen werden 1 Siehet er nicht meine Wege und zählet er nicht meine Gänge !« Die ande- * ren, die mit ihm rechten, nehmen dasselbe Prinzip an: •Siehe, eben m daraus schließen wir wider dich, daß du nicht recht bist; denn Gott ist mehr, denn ein Mensch. I Denn Gott tut dies, daß er den Menschen von seinem Vornehmen wende und beschirme ihn vor Hoffart.« Gott spricht dann selbst nur seine Macht aus aus einem Wetter * und antwortet Hiob: »Wer ist der, der so fehlet in der Weisheit und 740 redet so mit Unverstand 1 Gürte deine Lenden wie ein Mann, ich will dich fragen, lehre mich. Wo warst du, da ich die Erde gründete 1 Sage mir' s, bist du so klug. Oder worauf stehen ihre Füße gesenket 1 usf. Wer ist so weise, der die Wolken zählen könnte!« usf. Die Macht * Gottes wird hier prädiziert. Endlich antwortet Hiob: •Ich erkenne, 745 daß du alles gemacht, und kein Gedanke ist dir verborgen. Es ist ein unbesonnen Mann, der seinen Rat meinet zu verbergen, darum bekenne ich, daß ich habe unweislich geredet, das mir zu hoch ist und [ich] nicht verstehe, usf. Und der Herr wendete das Gefängnis Hiob tmd gab ihm zweifältig so viel, als er gehabt hatte.« * Die Unterwerfung, das Verzichtleisten ist es dann, die Hiob rechtfertigt, eben weil Hiob anerkennt die Macht Gottes, die grenzenlose Macht Gottes, und die anderen werden zurechtgewiesen. Nur diese reine Zuversicht, diese reine An Ischauung seiner Macht, die er vor sich hat, auf diese folgt, daß Hiob zu seinem vorigen Glück wieder 755 gebracht wurde. Wir sind dabei stehengeblieben, daß die Anschauung der absoluten 734-735 Die ... •Siehe,] W: Seine Freunde antworten in demselben Sinne; nur daß sie es umkehren: Weil du unglücklich bist, (1831) 743-745 Sage ... prädiziert.] W: Da kommt eine sehr schöne, prächtige Beschreibung von Gottes Macht, und (1831)

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Macht überschlägt in die absolute Zuversicht. Diese Zuversicht ist das erste, hat aber die Folge des zeitlichen Glücks. Das Nähere ist also, daß die abstrakte Vermittlung, die Zuversicht, eine konkrete Gestalt erhält. Die Zuversicht ist Zuversicht des Selbstbewußtseins, das nun wesentlich das in sich bestimmte Selbstbewußtsein ist. Der Begriff ist hier der Begriff der Subjektivität, die den Zweck in sich hat, die in sich bestimmt ist. Indem es diese Zuversicht hat, ist das Individuum zugleich schlechthin konkret in sich bestimmt, und diese seine konkrete Bestimmtheit tritt ein in die Zuversicht, ist untrennbar von der Zuversicht. Es ist nicht so wie im Brahm, wo die innere Andacht, die sich absondert, alle Lebendigkeit, Würdigkeit, alles Dasein fallen läßt; hier ist die Zuversicht dies reine Moment des bei sich selbst seienden Bewußtseins, wesentlich so bestimmt, so daß seine wesentliche Bestimmtheit eintritt in das göttliche Verhältnis, in die Idee, in das Allerheiligste dieser Wirklichkeit sozusagen - daß die Bestimmtheit absoluten, wesentlichen Wert in sich erhält, in das Heiligtum der göttlichen Innigkeit hineingesetzt wird. Diese Bestimmtheit ist das, was wir gesehen haben, die Familie, die empirische Existenz des Volkes, die Fortdauer der Familie, und zur Existenz der Familie gehört ein Gut, ein Land. Der Besitz eines Landes also, die Fortdauer und Subsistenz der Familie, das ist das, was dies Selbstbewußtsein von seinem Gott erhält. Jene Zuversicht ist I eben damit der absolut beschränkte Inhalt der einzelnen Familienexistenz. Dieser Besitz und die Verehrung ist identisch, unzertrennlich. Das ist das, was auch als Bund Gottes mit dem Volke ausgedrückt wurde. Gottes Volk besitzt Kanaan. Gott hat einen Bund mit Abraham gemacht, dessen eine Seite dieser Besitz ist, die affirmative Seite in dieser Sphäre empirischer Besonderheit. Beides ist also damit unzertrennlich - der Besitz und die Zuversicht, die Fröm762-763 Der ... Subjektivität] so Pa, ähnlich Gr; De: Was in dieser Sphäre zum Grunde liegt ist durchaus Subjektivität 780-781 Familienexistenz.] W folgt Ho: Familienexistenz. Eben ... um. Ho: Aber eben weil der Mensch in dieser absoluten Negativität des sich Aufgebens im schlechthin Positiven und somit wieder in der Unmittelbarkeit ist, schlägt die Zuversicht als das aufgegebene endliche Interesse in das Aufgeben dieses Aufgebens, in das realisierte endliche Individuum, in sein Glück um.

(in Ho als Übergang zur Geschichte Hiobs, entsprechend 345,721)

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Bestimmte Religion (1824)

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migkeit, Verehrung. Der Besitz erhält damit eine unendliche absolute Berechtigung, eine göttliche Berechtigung, die aber zugleich nicht die Gestalt eines Rechts hat, nicht die Gestalt eines Eigentums; dies vom Besitz Unterschiedene ist hier nicht anzuwenden. Das 790 Eigentum hat die Persönlichkeit, diese Freiheit des einzelnen Individuums zu seiner Quelle, und der Mensch ist wesentlich Eigentümer, insofern er Person ist; aber der Besitz als solcher, diese empirische Seite des Besitzes ist ganz frei, dem Zufall preisgegeben; was ich besitze ist zufällig, gleichgültig; nur wenn ich als Eigentümer aner- 795 kannt bin, bin ich freie Subjektivität; der Besitz, das ist die äußerliche Weise, freie Weise; ich kann es einem anderen geben, verkaufen usf. Hier hingegen ist dieser Besitz als solcher ungetrennt identisch mit der Zuversicht, und es ist dieser Besitz, der diese absolute Bevorrechtigung hat. Es I tritt nicht zwischen beiden die Bestim- 800 mung des Eigentums ein. Gott, die absolute Idee, der freie Geist, und dann das Eigentum und der Besitz sind drei verschiedene Stufen; hier fällt die bindende Mitte, das Eigentum, weg, und es ist unmittelbar der Besitz aufgenommen in den göttlichen Willen; dieser empirische einzelne Besitz ist von Gott gewollt, und dieser Besitz ist es, der als eos solcher gelten soll. Die Willkür ist unendlich, zum Göttlichen gemacht. Die zweite Seite ist der affirmativen Seite entsprechend, wodurch diese Familie nach ihrem empirischen Dasein schlechthin als aufgenommen vorstellt wird. Dieser Affirmation des empirischen Daseins 810 entspricht die Negation dieses Verhältnisses. Die Anerkennung der Macht muß ebenso als die negative Seite auch empirisch äußerlich nach Einzelheit bestimmt sein. Das besondere Handeln, reale Benehmen muß ebenso seine negative Seite haben als die Anerkennung

789 Rechts) W: juridischen Rechts (1831? No?) 801 Eigentums) W: Eigentums, auch (Wz: nicht) Willkür darin (1831? No?) 806 solcher) W1: solcher und als solches Wz: solcher und als so Berechtigtes (1831? No?) 806 soll.) Wz: soll und der freien Bestimmung des Einzelnen, der ihn nicht verkaufen, sondern nur für einige Zeit, immer bis zum Jubeljahr, verpfänden kann, entzogen ist. (1831? Co?)

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des Herrn; es muß ein Dienst sein, nicht bloß diese Furcht, sondern ein Dienen. Das ist die andere Seite des Bundes, daß einerseits das Volk den Besitz habe und andererseits aber auch den Dienst leiste. Wie die Knechte dieses Landes zu Knechten gebunden sind unter dieses Volk, so ist das Volk ebenso gebunden unter den Dienst des Gesetzes. Dieses Gesetz nun [hat] einerseits sittliche Verhältnisse zu seinem Inhalt, Familiengesetze, Familienverhältnisse, aber die Hauptsache ist I andererseits, daß das, was sittlich in sich ist, als ein rein positives Gesetz beobachtet werde, und daran ist dann natürlich eine Menge äußerlicher zufälliger Zustände angeknüpft, die schlechthin gehalten werden sollen. Der V ernunftlosigkeit des Besitzes entspricht die Vernunftlosigkeit des Dienens; es ist ein ebenso abstrakter Gehorsam, der keine Innerlichkeit in Ansehung der Bestimmtheit in sich zu haben braucht, als es eine abstrakte Berechtigung ist. Das Halten dieser Gebote, der Gehorsam in diesem Dienst, der Gehorsam gegen Gott, ist schlechthin verbunden mit der Erhaltung des Zustands und Daseins des Volkes; das Erhalten dieser Gebote ist die Bedingung seiner Erhaltung. Dies ist die andere Seite des Bundes. Die Abweichung von den Gesetzen durch die Willkür der Menschen ist möglich; an diesen Ungehorsam ist die Strafe gebunden, die ebenso ein Verlust des äußerlichen Besitzes ist, oder die Schmälerung, die Verkümmerung dieses äußerlichen Besitzes. Die Strafen, welche angedroht sind, sind sinnlich äußerlicher Natur und auf den ungestörten Besitz des Landes sich beziehend. Ebenso wie der Gehorsam nicht geistig sittlicher Art ist, sondern nur der bestimmte, blinde Gehorsam, nicht von sittlich freien Menschen, so sind auch die Strafen

815 bloß diese] so Pa; Gr: das Aufgeben der 816 Dienen] Wz: Aufgeben im Besonderen (Va) 828 ist.] W 2 : ist. Weil Gott absolute Macht ist, so sind die Handlungen an sich unbestimmt und deswegen ganz äußerlich, willkürlich bestimmt. (1831? Co?) 834 an ... ein] Wz: das ist aber nur eine Abweichung von den Geboten und vom Zeremoniendienst, nicht eine Abweichung vom Ursprünglichen, denn dieses gilt als solches wie es sein soll. Demnach ist auch die Strafe, die an den Ungehorsam geknüpft ist, nicht die absolute Strafe, sondern nur ein äußeres Unglück, nämlich der (1831? Co?)

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äußerlich bestimmte. Die Gesetze, Gebote sollen nur w1e von I Knechten befolgt, ausgerichtet werden. Merkwürdig ist es, diese Strafen zu betrachten, die in fürchterlichem Fluchen angedroht werden, wie denn dies Volk eine ordentliche Meisterschaft im Fluchen erlangt hat; diese Flüche treffen aber nur das Äußerliche, nicht das Innere, Sittliche. Im dritten Buch Mosis im 26. Kapitel heißt es: »So ihr meine Satzungen verachtet und nicht tut alle meine Gebote und meinen Bund lasset anstehen, so will ich euch heimsuchen mit Schrecken, Schwulst und Fieber, daß euch die Angesichte verfallen und der Leib verschmachte. Ihr sollet euren Samen umsonst säen, und eure Feinde sollen ihn fressen, und die euch hassen, sollen über euch herrschen, und ihr sollt fliehen, da euch niemand jaget. So ihr aber über das mir noch nicht gehorchet, so will ich's noch sieben Mal mehr machen, euch zu strafen. Und will euren Himmel wie Eisen und eure Erde wie Erz machen, und eure Mühe und Arbeit soll verloren sein, daß euer Land sein Gewächs nicht gebe, und die Bäume ihre Früchte nicht bringen. Und wo ihr mir entgegen wandelt und mich nicht höret, so will ich' s noch sieben Mal mehr machen, auf euch I zu schlagen, um eurer Sünde willen. Und will wilde Tiere unter euch senden, die sollen eure Kinder fressen und euer Vieh zerreißen, und eurer weniger machen, und eure Straßen sollen wüste werden. Werdet ihr euch aber damit noch nicht von mir züchtigen lassen und mir entgegen wandeln, so will ich euch noch sieben Mal mehr schlagen. Und will ein Racheschwert über euch bringen, das meinen Bund rächen soll. Und ob ihr euch in eure Städte versammlet, will ich doch die Pestilenz unter euch senden und will euch in eurer Feinde Hände geben. Dann will ich euch den Vorrat des Brots verderben, daß zehn Weiber in einem Ofen backen, und euer Brot soll man mit Gewicht auswägen, und wenn ihr esset sollet ihr nicht satt werden. Werdet ihr aber dadurch mir noch nicht gehorchen, so will ich auch euch im Grimm entgegen wandeln und will euch sieben Mal melrr strafen, daß ihr eurer Söhne und Töchter Fleisch fressen sollt. Und will eure Höhen vertilgen und eure Bilder ausrotten und will eure Leichname auf eure Götzen werfen und meine Seele wird an euch Ekel haben, und will I eure Städte wüste machen und eures

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Heiligtums Kirchen einreißen, und will euren süßen Geruch nicht riechen. Also will ich das Land wüste machen, daß eure Feinde, so darinnen wohnen, sich davor entsetzen werden. Euch aber will ich unter die Heiden streuen und das Schwert ausziehen hinter euch her usf. usf. - so will ich euch nur wieder annehmen, wenn ihr anerkennt, daß ich ein Gott bin.« Also es ist die Unzertrennlichkeit in dieser Abstraktion des Selbstbewußtseins; diese Ungetrenntheit aber ist ebenso unzertrennlich in diesem empirischen Dasein. Die dritte Seite des Kultus ist die Versöhnung. Die Versöhnung kann eigentlich nur besondere Fehler einzelner Individuen betreffen, und diese geschieht durch Opfer. Schon früher ist von den Opfern bemerkt, daß bei denselben etwas aufgezehrt wird, das Individuum etwas von seinem Eigentum, etwas, was zur realen Existenz gehört, aufopfert und so in der Tat beweist, daß man also einen anderen anerkenne, vor welchem das Eigentum als ein Nichtiges betrachtet werde. Besonders ist damit näher das verbunden, daß man gleichsam die verdiente Strafe, die verdiente Manifestation der Nichtigkeit dessen, der in der Sünde sich geltend gemacht hat, daß die Strafe übertragen werden könne auf diesen Teil, der aufgeopfert wird. Hierbei ist besonders das Blut geopfert worden an dem Altar des 893 werde.] Wtfolgt Ho: wird. Die ... werden. Ho: Dies ist die Sünde. Sie muß gesühnt werden 896 wird.] W folgt Ho: wird. Dies ... setzt. Ho: Dies ist das Opfer. Das Individuum manifestiert die Nichtigkeit seines Geltens. Dadurch wird Gott versöhnt, und es kommt die Anschauung herein, daß die verdiente Manifestation der Nichtigkeit des Sünders auf das Opfer übertragen wird, indem Gott das Opfer anerkennt und somit das Selbst wieder positiv oder in ihm seiend setzt. 897-904 Hierbei ... werden.] W2: Damit hängt es auch zusammen, daß besonders das Blut geopfert, an den Altar gesprengt wird. Denn soll die Lebendigkeit als das Höchste des Besitzes aufgegeben werden, so muß wirklich Lebendiges hingegeben werden, und das Blut, in dem das Leben des Tieres sei, wird dem Herrn zurückgegeben. Bei den Indern wurde noch das ganze Tier verehrt; hier ist nun diese Verehrung zurückgenommen, aber das Blut ist noch als ein Unantastbares, Göttliches geachtet, respektiert und darf vom Menschen nicht verzehrt werden. Der Mensch hat noch nicht das Gefühl seiner konkreten Freiheit, vor welcher das bloße Leben etwas Untergeordnetes ist. (Co)

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Herrn, die Lebendigkeit aufgegeben; so wird auch das Lebendige aufgegeben, in die Wüste geschickt als das, I was die Sünde des Volkes tragen soll. Das Blut spielt vornehmlich eine Rolle, da es als das gilt, was nicht von Menschen verzehrt werden soll, indem darin nach der jüdischen Vorstellung das Leben des Tieres ist; also diese Seele soll der Mensch nicht verzehren, vernichten, sie soll respektiert werden. 898 aufgegeben;) W 1 folgt Ho: aufgegeben als ... Besitzes, Ho: weil das Lebendige das Höchste des Besitzes ist, 904 werden.) itz W 1 folgt hier, dem Gang des Kollegs 1831 entsprechend, die Darstellung der »Religion des Schmerzes«, die in Wz der Naturreligion zr~geordnet ist; eine Seite zuvor, im Anschluß an das Bibelzitat 351,883, derfolgetzde Übergang 110n der Religion der Erhabenheit zur Religion des Schmerzes: W: Wir haben schon gesehen, daß bei den Juden das Böse in den subjektiven Geist fällt, und der Herr ist nicht im Kampf mit dem Bösen, aber er straft das Böse: Es erscheint somit dasselbe als ein äußerlicher Zufall, wie es in der Vorstellung des Sündenfalls von außen herkommt, indem der Mensch von der Schlange verführt wird. Gott straft das Böse, als welches nicht sein soll, es soll nur das Gute, das der Herr gebietet, sein. Es ist da noch keine Freiheit vorhanden, auch nicht die Freiheit zu untersuchen, was göttliches und ewiges Gesetz sei. Die Bestimmungen des Guten, die allerdings auch Bestimmungen der Vernunft sind, gelten als Festsetzungen des Herrn, und der Herr straft die Übertretung derselben: Das ist der Zorn Gottes. In diesem Verhältnis des Herrn ist nur ein Sollen: Was er gebietet, das soll sein, ist Gesetz. Dem Herrn fällt die strafende Gerechtigkeit anheim: In das Subjekt als Endliches fällt der Kampf des Guten und des Bösen: Es ist so in ihm der Widerspruch vorhanden, und es tritt damit die Zerknirschung, der Schmerz ein, daß das Gute nur Sollen ist. Wz: Die Bestimmung des Kampfes und des Sieges über das Böse ist von uns soeben betrachtet worden; diesen Kampf als Schmerz nun haben wir als nächstes Moment zu betrachten. Der Kampf als Schmerz scheint ein oberflächlicher Ausdruck zu sein; es liegt aber darin, daß der Kampf nicht mehr nur äußerer Gegensatz, sondern in Einem Subjekt und in dessen Selbstempfindung ist W: (W1 : Der Fortschritt ist Wz: Der Kampf ist dann) die Objektivierung des Schmerzes. Der Schmerz ist aber überhaupt der Verlauf der Endlichkeit (W1: Die Bestimmung des Kampfes und des Sieges über das Böse ist von uns betrachtet worden, wir haben aber nicht zu vergessen, daß diese Bestimmung ein Moment in der Natur des Geistes ist. Es kann dieses nicht fehlen in der Fortbestimmung der Geistigkeit: Wz: und subjektiv die Zerknirschung des Gemüts. Dieser Verlauf der Endlichkeit, des Schmerzes, Kampfes, Sieges ist ein Moment in der Natur des Geistes, und es kann nicht

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ß) Die Religion der Schönheit Die Religion der Schönheit ist in der Existenz die griechische Religion. Diese Religion selbst ist nach ihrer äußeren Seite ein unendlicher, unerschöpflicher Stoff, bei dem man wegen seiner Freundlichkeit, Lieblichkeit, Schönheit gern verweilt; hier können wir jedoch fehlen in dieser Sphäre, in welcher sich die Macht zu geistiger Freiheit fortbestimmt.) Der Verlust seiner selbst, der Widerspruch des Beisichseins mit dem Anderen, der sich zur unendlichen Einheit (es kann hier nur von der wahrhaften Unendlichkeit die Rede sein) aufhebt, das Aufheben des Gegensatzes - das sind wesentliche Bestimmungen in der Idee des Geistes, welche jetzt eintreten. Wir sind uns nun zwar der Entwicklung der Idee bewußt, ihres Ganges wie ihrer Momente, deren Totalität den Geist konstituieren: Aber diese Totalität ist noch nicht gesetzt, sondern ausgelassen in Momente, die sich nacheinander in dieser Sphäre darstellen. (W1: Von dem Verhältnis des Herrn und des Dieners gehen wir weiter zum Schmerz des Dieners, indem er sich seiner Unfreiheit bewußt wird.) (WJ: Was weiter die Form dieses Momentes betrifft, so ist es, da es W2: Da der Inhalt) noch nicht in den freien Geist gesetzt ist, indem die Momente noch nicht in die subjektive Einheit resumiert sind, (W2: so ist er) in unmittelbarer Weise und in die Form der Natürlichkeit hinausgeworfen: (W1: Dieses Moment W 2 : Er} wird in einem natürlichen Verlauf dargestellt, der aber wesentlich als symbolisch gewußt wird und somit nicht nur Verlauf der äußerlichen Natur, sondern allgemeiner Verlauf ist. (W1: Wir haben noch nicht den Geist, sondem die abstrakte Macht, die nur herrschend ist, wogegen der subjektive Geist nur dienend. Das Moment des Konfliktes ist nun das 906 Die] (W1 : Der Punkt, zu welchem wir nun kommen, ist die Bestimmung Gottes als des freien Geistes. Zuerst war Gott als substantielle Macht rein für sich bestimmt; dann sahen wir diese Macht als schöpferisch; Gott war hier der W 2 : Wir befmden uns zwar hier überhaupt in der Sphäre der freien Subjektivität, aber diese Bestimmung ist in der Religion der Erhabenheit noch nicht durch die Totalität des religiösen Bewußtseins hindurchgeführt. Gott war als die substantielle Macht für den Gedanken be~timmt und als der Schöpfer, aber als dieser ist er zunächst nur der) Herr seiner Geschöpfe. Die Macht ist so die Ursache, die (W1: absolut) sich teilt, das (W1: von ihr Gesetzte ist aber nur beherrscht, der W2: aber, worin sie sich teilt, nur beherrscht. / Der) weitere Fortschritt besteht nun darin, daß dies andere ein Freies, (W2 : Entlassenes) ist und Gott der Gott freier Menschen wird, die auch in ihrem Gehorsam gegen (W1: Gott W2: ihn für sich) frei sind. Dieser Standpunkt, wenn wir ihn abstrakt betrachten, enthält folgende Momente in

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nicht auf die Einzelheiten eingehen, sondern müssen uns bloß an die strenge Bestimmung des Begriffs halten. nächste in der Idee. W2: Gegen den Standpunkt, auf dem wir bisher noch standen und wo nicht der Geist, sondem die abstrakte Macht das Herrschende ist, ist das nächste in der Idee das Moment des Konflikts.) Der Geist ist wesentlich dies, aus seinem Anderssein und aus der Überwindung dieses Andersseins, durch die Negation der Negation zu sich selbst zu kommen; der Geist bringt sich hervor: Er macht die Entfremdung seiner selbst (Wt: durch, das Zurückkommen aus der Entfremdung ist W2: durch. Da er aber noch nicht als Geist gesetzt ist, so ist dieser Verlauf der Entfremdung und der Rückkehr noch nicht ideell, als Moment des Geistes gesetzt, sondern) unmittelbar und darum in der Form der Natürlichkeit. Diese Bestimmung, wie wir sie gesehen, hat die Gestaltung erhalten in der phönizischen und den vorderasiatischen Religionen überhaupt. In diesen Religionen ist der angegebene Prozeß enthalten: Das Unterliegen, die Entfremdung Gottes und das Wiederauferstehen desselben ist vornehmlich in der phönizischen Religion herausgehoben. Die Vorstellung vom Phönix ist bekannt: Es ist ein Vogel, der sich selbst verbrennt und aus seiner Asche geht einjunger Phönix in neuer Kräftigkeit hervor. sich: Gott ist der freie Geist für sich und manifestiert sich, indem er sein Anderes sich gegenübersetzt. Dies von ihm Gesetzte ist sein Ebenbild, denn das Subjekt schafft nur sich selbst und dasjenige, zu dem es sich bestimmt, ist wieder nur es selbst; damit es aber wirklich als Geist bestimmt sei, muß es dies Andere negieren und zu sich selbst zurückkommen, denn erst, indem es im Anderen sich selbst weiß, ist es frei. Weiß sich aber Gott im Anderen, so ist damit ebenso das Andere für sich und weiß es sich frei (Wt: für sich. Wir haben hier noch dieselbe Entlassung eines Anderen, aber dies Andere ist frei. -Gott bleibt zunächst dasselbe: die schaffende Macht. W2: / Es ist dies die Entlassung des Anderen als eines Freien, Selbständigen: Die Freiheit fällt so zunächst in das Subjekt, und Gott bleibt in derselben Bestimmung der Macht, die für sich ist und das Subjekt entläßt.) Der Unterschied oder die weitere Bestimmung, die hinzugekommen ist, scheint demnach nur darin zu bestehen, daß die Geschöpfe nicht mehr bloß dienend sind, sondern im Dienste selbst ihre Freiheit (Wt: haben und so frei sind. W2: zu haben./) Dies 911 halten.] W: halten./ Es ist also A. der Begriff dieser Sphäre anzugeben, (Wt: sodann B. die Art und Weise des Gottes und C. der Kultus zu betrachten, als das Verhältnis des endlichen Subjekts zu diesem seinem wesentlichen, absoluten Subjekt. W2: dann B. die Gestalt des Gottes und C. der Kultus als die Bewegung des Selbstbewußtseins im Verhältnis zu seinen wesentlichen Mächten zu betrachten.) (Ed?)

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[1.] Was den Begriff im allgemeinen anbetrifft, so ist unser Grund-

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begriff die Bestimmung der Subjektivität, sich selbst bestimmende Macht. Wir haben diese Subjektivität, diese weise, sich selbst bestimmende Macht gesehen, einerseits als den Einen in sich schlechthin Diese Entfremdung, dieses Anderssein als natürliche Negation bestimmt, ist der Tod, aber der Tod, der ebenso aufgehoben wird, indem daraus ein verjüngtes AuAeben eintritt. Der Geist ist ewig dies, sich abzusterben, sich endlich zu machen in der Natürlichkeit, aber durch die Vernichtung seiner Natürlichkeit kommt er zu ihm selbst. Der Phönix ist dies bekannte Symbol, es ist nicht der Kampf des Guten mit dem Bösen, sondern ein göttlicher Verlauf, welcher der Natur Gottes selbst angehört (Wz: und der Verlauf an Einem Individuum). Die nähere Form, in welcher dieser Verlauf gesetzt ist, ist der Adonis, welche Gestalt auch nach Ägypten und Griechenland übergegangen ist, auch in der Bibel wird er unter dem Namen: Thammus (1~111!:1) Ezech. 8,14 erwähnt: •und siehe, daselbst saßen Weiber, die weineten über den Thammus.« Im Frühling wurde ein Hauptfest des Adonis gefeiert; es war eine Totenfeier, ein Fest der Klage, welches mehrere Tage dauerte. Zwei Tage hindurch wurde Adonis mit Klagen gesucht; der dritte Tag war das Freudenfest, wo der Gott wieder auferstanden war. Das ganze Fest hat den Charakter einer Feier der Natur, die im Winter erstirbt und im Frühling wieder erwacht (Wt: aber dieser Verlauf ist symbolisch zu nehmen; es ist nicht bloß eine ReAexion über den Gang der Natur gemacht, sondern Moment der Freiheit der Subjekte, für welche Gott ist (Wt: haben wir abstrakt in dem gesehen, Wz: welches dem betrachteten Standpunkte der Religion der Erhabenheit fehlt, haben wir bereits auf einer niedriger stehenden Stufe, in der Sphäre der Naturreligion, nämlich in der syrischen Religion gesehen, und auf der höheren Stufe, zu der wir nun übergehen, ist dasjenige, was dort noch in natürlicher, unmittelbarer Weise angeschaut wurde, in den reinen Boden des Geistes und in dessen innere Vermittlung umzusetzen. Dort, in der Religion des Schmerzes sahen wir,) daß Gott sich selbst verliert, daß er stirbt und nur ist vermittelst der Negation seiner selbst. Diese Vermittlung ist das Moment, das hier wieder aufzunehmen ist: Der Gott stirbt, und aus diesem Tode steht er wieder auf. Das ist die Negation seiner, die wir einerseits fassen als das Andere seiner, als die Welt, und er stirbt sich, welches diesen Sinn hat, daß er in diesem Tode zu sich selbst kommt. Dadurch aber ist nun das Andere als frei für sich gesetzt, und die Vermittlung und Auferstehung fällt demnach auf die andere Seite, auf die des Geschaffenen. So scheint sich nun der Begriff Gottes selbst nicht zu verändern, sondern nur die Seite des Anderen. (W1 : Es tritt hier die Freiheit ein. Gott stirbt in seinem Anderssein, im Endlichen, aus dem Endlichen geht aber dann das Göttliche wieder hervor. Wz: Daß hier nämlich die Freiheit eintritt, daß

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Unbestimmten, der aber eben wegen dieser Abstraktion in seiner Realität umsch~ägt in den allereinzelsten, allerbeschränktesten Zweck. Die nächste Stufe ist, daß diese Subjektivität, diese weise es wird dieser Verlauf als Moment des Absoluten, Gottes gewußt. Dieser Übergang ist auch beim ägyptischen Kultus zu erwähnen gewesen; auch finden sich besonders Spuren davon im griechischen Mythus vom Adonis. Nach diesem W 2 : Einerseits ist dies also ein Naturverlauf, andererseits aber ist er symbolisch zu nehmen als ein Moment des Gottes, das Absolute überhaupt bezeichnend. I Der Mythus des Adonis ist selbst mit der griechischen Mythologie verbunden. Nach dieser) war Aphrodite die Mutter des Adonis, sie hielt ihn als zartes Kind in einem Kästchen verborgen und brachte dieses zur Ais; Persephone wollte dann das Kind, wie es die Mutter verlangte, nicht wieder herausgeben. Zeus entschied den Streit also, daß jede der beiden Göttinnen den Adonis ein Dritteil des Jahres behalten durfte; das letzte Dritteil war seiner eignen Wahl überlassen; er zog es vor, auch diese Zeit bei der allgemeinen Mutter und der seinigen, Aphrodite, zuzubringen. Es bezieht sich zwar dieser Mythus nach seiner (W2: nächsten) Auslegung auf den Samen unter der Erde, der dann heraufwächst. Der Mythus von Kastor und Pollux, die abwechselnd sich in der Unterwelt und auf der Erde aufhalten, bezieht sich auch darauf. (Wt: Die Bedeutung davon ist W2: Seine wahre Bedeutung ist aber) nicht bloß die Veränderung der Natur, sondern der Übergang überhaupt von der Lebendigkeit, dem affirmativen Sein, zum Tode, der Negation und wiederum die Erhebung aus dieser Negation- die absolute Vermittlung, die wesentlich zum Begriff des Geistes gehört. W2: Dieses Moment des Geistes ist also hier zur Religion geworden. (1831) diese Seite frei wird, ist darin enthalten, daß im Endlichen dies Anderssein Gottes erstirbt und also das Göttliche im Endlichen wieder für sich hervorgeht.) So wird das Weltliche als solches gewußt, das das Göttliche an ihm habe, und das Anderssein, welches zunächst nur die Bestimmung der Negation hat, wird wiederum negiert und ist Negieren der Negation an ihm selbst. Das ist die Vermittlung, die zur Freiheit gehört: Freiheit ist nicht bloße Negation, eine Flucht und Aufgeben, das ist noch nicht die wahre und affirmative, (W2: sondern nur die negative) Freiheit. (W1 : Das Natürliche negiert sich, und so geht die affirmative Bestimmung der Freiheit hervor. Die Welt oder das endliche Bewußtsein ist das Andere, das Anderssein; die Knechtschaft, Akzidentalität desselben wird negiert: Diese Vermittlung haben wir soeben gesehen. Wz: Erst die Negation der Natürlichkeit, insofern diese selbst schon als das Negative ist, ist die affirmative Bestimmung der Freiheit. Indem das Andere, nämlich die Welt, das endliche Bewußtsein und 916 der) Wz: dessen Zweck vgl. Ho: die weise Macht, deren Zweck

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Macht oder mächtige Weisheit, J sich besondert überhaupt. Diese Stufe ist eben damit einerseits das Herabsetzen der Allgemeinheit, das Herabsetzen der abstrakten Einheit, der unendlichen Macht, das Herabsetzen zur Beschränkung, in einen Kreis von Besonderheit; die Knechtschaft und Akzidentalität desselben negiert wird, so liegt in dieser Vermittlung die Bestimmung der Freiheit.) Die Erhebung des Geistes ist nun diese Erhebung über die Natürlichkeit, aber eine Erhebung, in der, wenn sie Freiheit sein soll, der subjektive Geist auch für sich frei ist. Dies erscheint also zunächst nur am (W1: Subjekt, aber fällt auch ebenso W2: Subjekt: »Gott ist der Gott freier Menschen.« I Aber die Fortbestimmung fällt auch ebensosehr) in die Natur (W1: des Geistes; W2: Gottes.) Gott ist Geist, aber er ist dies wesentlich nur, indem er so gewußt wird, daß er an ihm selber die Diremtion seiner ist, das ewige Erschaffen, so daß eben diese Erschaffung des Anderen eine Rückkehr zu sich ist, in das Wissen seiner selbst: So ist Gott ein Gott freier Menschen. (W!: Das Menschliche überhaupt ist das Andere; indem Gott in diesem Anderen bei sich ist, indem dies Menschliche eine Bestimmung Gottes selbst ist, so weiß der Mensch, daß das Menschliche in Gott ein Moment des Göttlichen selbst ist W2: Indem dies zur Bestimmung Gottes selbst gehört, daß er an ihm dies ist, das Andere seiner selbst zu sein, und daß dies Andere eine Bestimmung an ihm selbst ist, so daß er darin zu sich selbst zurückkehrt und dies Menschliche mit ihm versöhnt ist: so ist damit die Bestimmung gesetzt, daß die Menschlichkeit in Gott selbst ist, und so weiß der Mensch das Menschliche als ein Moment des Göttlichen selbst) und ist nun in seinem Verhalten zu Gott frei. Denn das, zu dem er sich als zu seinem Wesen verhält, hat die Bestimmung der Menschlichkeit in ihm selbst, und darin verhält sich der Mensch einerseits als zur Negation seiner Natürlichkeit, andererseits zu einem Gott, in dem das Menschliche selbst affirmativ, eine wesentliche Bestimmung ist. Also ist der Mensch in diesem Verhalten zu Gott frei (Wz: Was im konkreten Menschen ist, das ist vorgestellt als etwas Göttliches, Substantielles, und der Mensch ist nach allen seinen Bestimmungen, nach allem, was Wert für ihn hat, in dem Göttlichen gegenwärtig. Aus seinen Leidenschaften, sagt ein Alter, hat der Mensch seine Götter gemacht, d. h. aus seinen geistigen Mächten.) ... (Wz: Dies ist das Ganze dieses Verhältnisses, welches jetzt in den religiösen Geist eingetreten ist:) Gott ist an ihm selber die Vermittlung, die der (W1: Geist W2: Mensch) ist, der Mensch weiß sich in Gott, und Gott und der Mensch sagen voneinander: Das ist Geist von meinem Geist (W!: beide sind Geist;) Der Mensch ist Geist wie Gott, er hat zwar auch die Endlichkeit an ihm und die Trennung, aber in der Religion hebt er seine Endlichkeit auf, da er das Wissen seiner in Gott ist. (W1 : Das ist die Religion der Menschlichkeit, Freiheit. Das ist zunächst das Allgemeine dieser Stufe, aber Wz: I Wir treten nun also zur Religion der Menschlichkeit und Freiheit. Aber) die erste

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andererseits ist aber diese Stufe zugleich eine Erhebung der beschränkten Einzelheit des realen Zwecks, der Allgemeinheit entgegengehoben. In dem Besonderen, was sich hier zeigt, ist beides. Also dies ist die allgemeine Bestimmung; dann haben wir zu betrachten, daß einerseits der bestimmte Begriff, der Inhalt der sich selbst bestimmenden Macht - der ein besonderer ist, denn er ist im Element der Subjektivität-, daß dieser besondere Inhalt sich in sich subjektiviert; er hat besondere Zwecke, und diese besonderen Zwecke, diese Elemente der Subjektivität, subjektivieren sich zunächst für sich, geben einen Kreis für eine Menge eigener göttlicher Subjekte; es tritt damit überhaupt reale Sittlichkeit ein, denn das Göttliche in die bestimmten Form dieser Religion ist selbst mit der Unmittelbarkeit und Natürlichkeit behaftet, und so werden wir das Menschliche an Gott selbst noch auf natürliche Weise sehen. Das Innere, die Idee ist zwar an sich das Wahrhafte, aber noch nicht aus der ersten, unmittelbaren Gestalt der Natürlichkeit herausgehoben. Das Menschliche an Gott macht nur seine Endlichkeit aus, und es gehört so diese Religion ihrer Grundlage nach noch zu den endlichen Religionen. Sie ist aber eine Religion der Geistigkeit, weil die Vermittlung, (W1: hier sich in ihre Momente auslegt und W2: die in ihre Momente auseinandergelegt und zerfallen die vorhergehenden Übergangsstufen bildet, nun als Totalität zusammengefaßt) ihre Grundlage ausmacht. (1831) 932 Subjekte;] W folgt Ho: Subjekte. Die ... Subjekt. Ho: Denn die Subjektivität als Zweck ist die Selbstbestimmung, und somit hat sie die Besonderung an ihr, und zwar der Besonderung als Besonderung, als eine Welt daseiender Unterschiede, welche aber das Göttliche selbst, Subjektivitäten als göttliche Gestaltungen sind. Denn die Subjektivität in der Erhabenheit hat schon einen bestimmten Zweck, die Familie, das Volk. Aber dieser Zweck wird nur erfüllt, insofern der Dienst des Herrn nicht versäumt wird. Durch diese Forderung der Aufhebung des subjektiven Geistes, für den der bestimmte Zweck ist, wird der bestimmte Zweck ein allgemeiner. Und wenn also andererseits durch das Auseinanderschlagen der einen Subjektivität in eine Viellieit der Zwecke die Subjektivität zur Besonderheit herabgesetzt wird, so ist andererseits die Besonderheit der Allgemeinheit entgegengehoben, und diese Unterschiede werden dadurch göttliche, allgemeine Unterschiede. Diese Besonderheit der Zwecke ist daher das Zusammenkommen der abstrakten Allgemeinheit und Einzelheit des Zweckes, ihre schöne Mitte. Diese Besonderheit macht den Inhalt der allgemeinen Subjektivität aus; insofern er in dem Element der Subjektivität gesetzt ist, subjektiviert er sich selbst zum Subjekt.

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Verhältnisse des wirklichen Geistes eindringend, sich bestimmend nach der substantiellen Einheit, die bestimmten Verhältnisse ist das Sittliche. Also einerseits betrifft die Besonderung den Inhalt; das Göttliche setzt besonderen Inhalt in sich, der ein sittlicher wird. Die zweite Bestimmtheit ist die der Form, des Gegensatzes des wesentlichen Selbstbewußtseins gegen das endliche I Selbstbewußtsein, des wesentlichen Geistes gegen diese Endlichkeit. Hier in dieser Bestimmtheit der Form tritt dann die Weise der Erscheinung in der natürlichen Gestalt der Subjektivität ein; die Subjektivität wird in natürlicher Gestalt gebildet, so daß diese natürliche Gestalt eingebildet wird von dem endlichen Selbstbewußtsein in die Göttlichkeit, aber gleichsam dem Selbstbewußtsein gegenübersteht. Es tritt damit die reale Freiheit der Subjektivität ein. Der bestimmte Inhalt ist gemeinschaftlich dem endlichen Subjekt mit seinem Gott; sein Gott hört auf, ein Jenseits zu sein, hat bestimmten Inhalt; er ist nach seiner bestimmten Seite in die Wesentlichkeit gehoben, nicht nur eine Einzelheit, sondern eben das Auseinandergehen der Einzelheit. Das ist, was den Begriff dieser Sphäre betrifft. [2.] Das zweite ist die Vorstellung des Inhalts oder die Art und Weise des Gottes in dieser Sphäre, und das dritte der Kultus, das Verhältnis des endlichen Subjekts zu diesem seinen wesentlichen, absoluten Subjekt. In dieser Vorstellung Gottes haben wir zweierlei zu betrachten: a) den Inhalt selbst, den bestimmten Inhalt selbst, die Bestimmtheit, Besonderung als Inhalt des Gottes, als das, was er ist, seine Qualität überhaupt; b) die Bestimmtheit, insofern sie Gegenstand des einzelnen Selbstbewußtseins I ist, d. h. die Gestalt des Gottes. a) Der Inhalt des Gottes. Die Verschiedenheit dieses Inhalts des Göttlichen bei den Griechen und Römern überhaupt gegen den der früheren Religionen ist das, was uns zunächst auffällt, und dies drükken wir so aus, daß diese Religion eine Religion der Menschlichkeit ist, indem der konkrete Mensch nach dem, was er ist, nach seinen Bedüdnissen, Neigungen, Leidenschaften, Gewohnheiten, nach Be950-951 nicht ... Einzelheit] so Pa; Gr: ist durch das Aufheben der un-

mittelbaren Einzelheit ein wesentlicher Inhalt geworden

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stimmung seines Geistes, nach seinen sittlichen, politischen Bestimmungen, nach allem, was darin gilt und wesentlich ist, Pflichten und Rechten des Menschen - daß der Mensch auch in diesen sich gegen- 970 wärtig ist in seinen Göttern, oder daß seine Götter diesen Inhalt haben, der zugleich der Inhalt des konkreten Menschen ist. Diese Menschlichkeit der Götter ist das, was nach einer Seite, nach seinem äußerlichen Extrem als das Mangelhafte erscheint, aber zugleich auch das Bestechende ist in dieser Religion, so daß in dieser Religion 975 nichts unverständlich, nichts unbegreiflich ist; es ist kein Inhalt in dem Gott, der dem Menschen nicht bekannt ist, den er in sich selbst nicht finde, nicht wisse. Hier haben wir wieder mehrere Bestimmungen zu unterscheiden, erstens den besonderen Inhalt, das eigentlich Gehaltvolle, die Besonderheit des Inhalts; aber zweitens, über 9Ro diesem besonderen Inhalt, über diesem Kreis der Götter bleibt das Eine, das über ihrer Besonde lrung schwebt; dies macht sie zu Beschränkten. Dies Eine schwebt darüber, die einfache Notwendigkeit, das Fatum, das die bestimmungslose und darum begrifflose N otwendigkeit ist, die unabwendbare, unnahbare Notwendigkeit; wie in 985 dem Gott der Mensch sich selbst hat, so ist über beiden die Notwendigkeit. Das dritte ist dann die ganz zufällige Vereinzelung, das Entgegengesetzte vom zweiten - das Herabsinken der Gestalt in einen Inhalt, der ganz zufällig, äußerlich, willkürlich erscheint. Das erste ist also die Vorstellung des Gottes in dieser Sphäre; der 990 Inhalt ist zunächst ein besonderer; der Eine, diese Macht, diese Weisheit muß sich auftun, aufschließen, bestimmen; dies ist das wesentliche Moment, wobei wir stehen; es ist innere Bestimmung dieses Einen. Diese Besonderung muß dann ferner selbst die Weise der Subjektivität erhalten; die Bestimmungen müssen zu selbständigen 99~ Göttern werden, denn die Besonderung des Begriffs, die Subjektivität, ist die reale Besonderung, deren Momente zu Ganzen der Subjektivität werden. Sie besteht nicht in Eigenschaften, vielen Bestimmtheiten; diese sind nicht der eigentliche Inhalt; sie I drücken teils Beziehungen auf andere aus und gehören teils der Stufe der 5 äußeren Reflexion an. Die Realisierung der Subjektivität, die Be-

990-994 Das ... Einen. so Gr

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sonderung, ist hier die Totalität; so in sich reflektiert, wird sie zu selbständigen Göttern. Die nächste Frage ist nun, wo kommt dieser Inhalt her, von weleher Art soll, kann dieser Inhalt sein! Der Inhalt kann kein anderer sein als wie er dem Bewußtsein überhaupt vorliegt, als der Stoff der natürlichen und der geistigen Welt, und zwar nicht als der ganz zufällige, momentane, nur empirische Inhalt, sondern der Inhalt nach seiner W esenhaftigkeit. Es soll Inhalt nach dem Begriff sein, und so muß er, obgleich besondere, doch in seiner W esentlichkeit aufgefaßt werden. Dieser Inhalt sind so die allgemeinen Mächte, die Elemente des physischen und geistigen Lebens. Alle Mächte treten als dieser wesentliche Inhalt auf; so ist es Himmel, Erde, Flüsse, Berge, Tag und Nacht, Zeiteinteilung; es ist dann ferner das Sittliche, die Gerechtigkeit, der Eid, die Familie, Ehe, Tapferkeit, Wissenschaft, Kunst, Ackerbau, politisches und Staatsleben. Die Tapferkeit besteht vorzüglich darin, die wilden Tiere aus Izurotten. Diana hat so nicht vorzugsweise den Sinn, die Bedeutung der Jagd, sondern wesentlich die der Jagd auf reißende Tiere. Diese Tiere, welche in anderen Sphären als absolut geltend respektiert werden, wie bei den Indern, Ägyptern usf., werden hier durch die Tapferkeit der geistigen Subjektivität erlegt, getötet zum Gebrauch. Ein Alter hat gesagt: »Aus den Leidenschaften der Menschen hast du deine Götter entnommen.• Aus dem Geiste, was mächtig als Leidenschaft, als wesentliches Interesse, als Recht, ist solcher Inhalt entnommen. Wir haben so zunächst zweierlei Inhalt, natürlichen und geistigen. 28 den ... Menschen] Ho: deinen Leidenschaften, Mensch, 31-51 Wir ... Seite.] Wz: Die neuen Götter sind aber auch wieder das

Gedoppelte selbst und vereinigen in sich das Natürliche und Geistige. Für die wesentliche Anschauung des Griechen war allerdings das Naturelement oder die Naturmacht nicht das wahrhaft Selbständige, sondern nur die geistige Subjektivität. Die inhaltsvolle Subjektivität als solche, die sich nach Zwecken bestimmt, kann nicht einen bloßen Naturgehalt in sich tragen. Die griechische Phantasie hat daher auch nicht die Natur mit Göttern bevölkert, wie den Indern aus allen natürlichen Gestalten die Gestalt eines Gottes hervorspringt. Das griechische Prinzip ist vielmehr die subjektive Freiheit, und da ist das Natürliche allerdings nicht mehr würdig, den Inhalt des Göttlichen auszumachen. Andererseits ist aber diese freie Subjektivität noch nicht die

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Aber hier ist eben die Grundbestimmung geistige Subjektivität überhaupt, und insofern nun ist es nicht das Naturelement oder die Naturmacht, die für sich als wesentlich gelten kann, sondern es ist wesentlich nur die geistige Subjektivität, geistiger Entschluß. Wenn das natürliche Element oder die Naturmacht auch vorgestellt wird als ein Subjekt, als die Naturgötter, so ist die Gestalt dieses natürlichen Inhalts, seine Subjekti lvität, nur ein Geliehenes, nur etwas Phantastisches, nichts Wahrhaftes. Die Subjektivität als solche, welabsolut freie, nicht die Idee, die sich als Geist wahrhaft realisiert hätte, d. h. sie ist noch nicht allgemeine unendliche Subjektivität. Wir sind nur auf der Stufe, die dahin führt. Der Inhalt der freien Subjektivität ist noch besonderer; er ist zwar geistig, aber da der Geist sich nicht selbst zum Gegenstande hat, so ist die Besonderheit noch natürliche und selbst als die eine Bestimmung an den geistigen Göttern noch vorhanden. (Co) 32 Aber] W1: Zwar einerseits zerfallen; aber (No? Ed?) 39 Subjektivität] W 1 : inhaltsvolle Subjektivität (No? Va? t'gl. die vorletzte Fußnote) 39-63 Die ... Vereinigung.] W folgt Ho: Indem ... Geistes. Ho: Und indem die Grundbestimmung die geistige Subjektivität ist, kann die Naturmacht nicht für sich als das Wesentliche gelten. Aber sie ist eine der Besonderheiten und als die unmittelbare die erste, durch deren Aufhebung erst die anderen geistigen Mächte entstehen. Denn wir sahen, daß die Macht des Einen, seine für sich seiende Erhabenheit erst aus der Schöpfung resultierte. Diese Eine Grundlage als das Selbst des Absoluten fehlt hier. Der Ausgang also ist der vom Kreise der unmittelbaren Natürlichkeit, welche hier nicht als von dem Einen geschaffen erscheinen kann, sondern als unmittelbar erscheint. Oder die Einheit, in welcher diese Besonderheiten, die Naturmächte noch ruhen, ist nicht geistige, sondern eine selbst natürliche Einheit, das Chaos. •Zuerst von allen«, singt Hesiodus, »aber ward Chaos.« Somit ist das Chaos selbst ein Gesetztes. Was aber das Setzende sei, ist nicht gesagt. Es heißt nur •Es ward«. Denn die Grundlage ist nicht das Selbst, sondern das Selbstlose der Notwendigkeit, von der nur •sie ist« gesagt werden kann. Das Chaos ist die bewegende Einheit des Unmittelbaren, es selbst ist selbst aber noch nicht Subjekt, Besonderheit, daher wird nicht von ihm gesagt: >es zeugt«, sondern wie es selbst nur •wird•, •wird« auch aus ihm wieder diese Notwendigkeit: die •weitgebreitete Erde«, •Tartaros Grauen«, Erebos und Nacht sowie Eros •geschmückt vor den Ewigen allen mit Schönheit«. Wir sehen die Totalität der Besonderheit entstehen: die Erde das Positive, die allgemeine Grundlage; Tartaros, Erebos die Nacht, das Negative, und Eros, das Verbindende, Tätige. Die Besonderheiten selbst nun sind schon Gebärende: Die Erde erzeugt aus sich den Himmel, sie gebiert die Gebirge, ohne

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ehe hier Grundbestimmung ist, die kann nicht bloß einen Naturgehalt in sich haben; also es ist nicht, daß die griechische Phantasie die Natur mit Göttern bevölkert hätte, wie den Indern aus allen natürlichen Gestalten, aus diesem Vogel, Berg, Fluß die Gestalt des Gottes befruchtende Liebe den verödeten Fontos; aber mit dem Himmel verbunden den Okeanos und seine Beherrscher, ferner gebiert sie die Zyklopen, die Naturgewalten als solche, während die früheren Kinder die natürlichen Dinge selbst als Subjekte sind. Erde und Himmel also sind die abstrakten Mächte, welche sich befruchtend die Kreise des natürlichen Besonderen hervorgehen lassen. Das jüngste Kind ist der unerforschliche Kronos. Die Nacht, das zweite Moment, gebiert alles, was von natürlicher Seite her das Moment des Negativen in sich hat. Drittens verbinden diese Besonderheiten [sich] wechselweise und erzeugen Positives und Negatives. Alle diese werden später durch die Götter der geistigen Subjektivität besiegt, nur Hekate allein bleibt, als das Schicksal von der natürlichen Seite her. Die Macht zunächst, das Herrschende über diesen Kreis der Naturgewalten, ist die Abstraktion überhaupt, aus der sie entstanden, Uranos, und indem er nur Macht ist als Setzen seiner Abstraktion als das Geltende, so drängt er alle seine Kinder zurück. Aber das Resultat des Himmels ist die unerforschliche Zeit, dasjüngste Kind. Dies besiegt den Uranos durch die List der Erde. Denn alles ist hier in Gestalt subjektiven Zweckes, und die List das Negative der Gewalt. Aber indem jetzt diese besonderen Gewalten sich frei und geltend machen, nennt sie Uranos mit •strafendem Namen Titanen, deren Unbill einstens geahndet wird«. Das erste Moment in diesem natürlichen Kreise ist nun also das Chaos mit seinen Momenten, durch die abstrakte Notwendigkeit gesetzt; das zweite die Periode der Erzeugung unter Uranos' Herrschaft, wo diese abstrakten, aus dem Chaos hervorgegangenen Momente das Gebärende sind; das dritte ist die Herrschaft des Kronos; die besonderen, selbst schon geborenen Naturmächte gebären. Dadurch ist das Gesetzte selbst das Setzende und der Obergang zum Geiste gemacht. Dieser Obergang zeigt sich näher an Kronos dadurch, daß er sich selbst den Untergang gebiert. Er ist überhaupt durch Aufhebung der unmittelbaren Gestalten Herrscher. Er selbst aber ist unmittelbar und dadurch der Widerspruch, an ihm selbst unmittelbar das Aufheben der Unmittelbarkeit zu sein. Er erzeugt aus sich die geistigen Götter; doch insofern sie zunächst nur natürlich sind, hebt er sie auf, verschlingt sie. Sein Aufheben aber der geistigen Götter muß selbst aufgehoben werden und geschieht wieder durch List gegen die Naturgewalt des Kronos. Zeus, der Gott geistiger Subjektivität lebt. So tritt dem Kronos sein Anderes gegenüber, und es entsteht der Kampf überhaupt der Naturmächte oder der Kinder des Uranos und der Gaia mit denen des Kronos und der Rhea oder der Götter des Geistes.

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hervorgeht, sondern das griechische Prinzip ist vielmehr die subjektive Freiheit des Geistigen; das Natürliche ist nicht mehr würdig, für sich den Gehalt, Inhalt eines solchen Gottes auszumachen. Aber zweitens ist diese freie Subjektivität noch nicht die absolut freie, nicht die Idee, die sich als Geist wahrhaft in sich realisiert hätte. Wir sind nur auf der Stufe dazu; der Inhalt, den die freie Subjektivität gibt, ist als besonderer überhaupt, aber geistig. Aber weil er als Geist Besonderer ist, so ist die Besonderheit zugleich eine natürliche Seite. In dem Gott der besonderen Subjektivität sind so zwei Bestimmungen vorhanden; die wesentliche Grundbestimmung also ist, daß er geistiger Art sei; die andere Bestimmung aber, die wegen der Besonderheit der Geistigkeit hineinkommt, ist die Bestimmung der Natürlichkeit. Das Subjekt ist so Einheit einer geistigen und einer natürlichen Macht, hat einen geistigen, aber auch einen natür jlichen Inhalt, so daß das geistige Prinzip das Herrschende ist, das Natürliche unterworfen hat. Das sind also diese Grundbestimmungen des Got-

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In Ansehung dieses Prinzips finden nun zunächst zwei Verhältnisse statt. Das eine Mal das Unterschiedensein des Natürlichen und Geistigen und das zweite Mal ihre wahrhafte Vereinigung. Die geistige Subjektivität ist nur als der Triumph über das Natürliche, als Resultat, das sich hervorgebracht hat, als überwältigend das Natürliche. Insofern erscheinen nun zweierlei Götter; auch das Natürliche erscheint als selbständig, als Unterschied von dem Geistigen, ob es gleich nur ein unterworfenes Moment ist. Dies ist der wichtigste Punkt in der griechischen Mythologie. Wir haben die alten Götter bei den Griechen, die Titanen Köos, Krios, Hyperion, Japetos, Okeanos, Kronos, Uranos, Helios, Selene usf.; das sind Naturwesen, das sind keine geistigen Wesen; es ist

48 realisiert hätte.) W1: (Gr: verwahrt hält,) allgemeine, unendliche Subjektivität. (No?) 49 Inhalt) W1: geistige, sittliche Inhalt (No?) 50 geistig) W1: bleibt geistig (No? Ed?) 51 ist2) W1: hat (Ed? No?) 63--65 Die ... Natürliche. so Gr 68--69 Dies ... Mythologie. so Gr

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bloßer Naturinhalt, ohne geistige Bestimmung. Der wesentliche Punkt ist, daß diese Titanen unterjocht sind, daß über die Naturreligion das geistige Prinzip gesiegt hat. Sie werden vom Thron gestoßen, sind verwiesen worden an den Saum der Erde, der Welt des Selbstbewußtseins, in die Dämmerung, an die Grenze I des Nächtlichen überhaupt. Sie sind besiegt worden von den neuen Göttern, an deren Spitze Zeus steht. Diese habenjetzt die Herrschaft; das sind die Götter des freien Geistes, aber individuell besonders bestimmte, noch nicht des Geistes, der sich weiß nach seiner absoluten Freiheit. Sie müssen wohl unterschieden werden von den ersten. Der Kampf der Titanen mit den neuen Göttern ist ein Hauptmoment der griechischen Mythologie; der Sieg über sie ist so, daß sie auch noch ihre Ehre behalten, aber daß sie die Herrschaft verlieren; sie sind Naturmächte, aber nicht die höchsten sittlichen, geistigen, wahrhaften Mächte. Bei ihnen ist noch zweierlei zu bemerken und zu unterscheiden. Die einen sind bloße Macht, wie Helios, Uranos, Köos usf., die anderen die bloß in sich seienden Mächte, die auch geistig sind, aber weil sie die bloß insichseiende Geistigkeit enthalten, und die rohe abstrakte Geistigkeit, so sind sie den alten zugerechnet - so der Eid, der Styx, die Eumeniden, die Dike, die nur innerlich richtet, gehören zu den alten Göttern. Im Reiche der neueren Götter, des Zeus, da gilt das politische Leben, da gelten offene Gesetze und ein Recht I nach bekannten Gesetzen, nicht ein Gesetz des Gewissens, wohin der Eid gehört, nicht die verborgene Gerechtigkeit der Nemesis, Dike, da diese das Oberflächliche ist, das Große klein zu machen - die das Erhabene herunterstürzt, dessen Unrecht nur darin besteht, ein Erhabenes zu sein, welches nicht ein sittliches Unrecht ist. Dieser Unterschied der alten und neuen Götter also ist ein sehr wichtiger und notwendiger Punkt in der griechischen Mythologie. Diese Stufenfolge der Götter findet sich z. B. in den Eumeniden des Aeschylus, wo im Anfang die Pythia sagt: »Verehre mit deinem Gebet die Gäa, die Orakelgeberin«, auf welche dann die Themis folgt, die als zweite nach der Mutter Erde in diesem Mocv-r&i:ov ihren

92 der Styx,] Ho: dem Styx, dem Orkus, 104 Orakelgeberin] Ho: 7tpw-r6!LotV't"LV

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Sitz hat; sie ist so die Dike, ein Geistiges, ein Recht, aber noch dieses unbestimmte Recht. Die dritte Besitzerin des Orakels ist eine Titanis, Phoebe, welche endlich das Orakel dem Phoebus, dem neuen Gotte, übergibt, der jetzt hier seinen Sitz hat. Pindar spricht auch von dieser * Sukzession der Götter, die Orakel gaben. Er macht die Nacht zum 110 ersten, dann folgt die Themis und dann Phoebus. Dies ist so überhaupt der Übergang von den Naturgestalten zu den neuen I Göttern. Die neuen Götter nun sind das Gedoppelte selbst, indem das natürliche Prinzip in ihnen vorkommt. Einmal ist Phoebus der Wissende, und dann auch Helios, die Sonne, die alles bescheint. So ist Zeus das m Firmament, was der Uranos ist - vornehmlich die Kraft der Veränderung der Atmosphäre, die Kraft des Meteorologischen, der Donnerer, »sub Iove frigido«, die Atmosphäre in ihrer Veränderung; * aber außer dem, daß er dieses natürliche Prinzip ist, ist er aber auch der Vater der Götter und Menschen. Er ist es, dem wesentlich die 120 Politie gehört; er ist die Macht der Freundschaft, Gastfreundschaft, eine vielseitige sittliche Macht überhaupt. Ebenso sind auch andere Götter bestimmt. Poseidon ist auch das Meer, der Okeanos, aber wesentlich die Wildheit des Meeres beibehaltend, aber wesentlich [zugleich) als geistiges Subjekt vorgestellt. Es ist in ihnen noch dieser 12s Nachklang der Naturelemente, der zugleich veredelt ist, indem das Vorherrschende die geistige Bestimmtheit ist. Es ist jedoch vollkommene Konsequenz gar nicht darin zu suchen. Das eine Element tritt einmal stärker, das andere Mal schwächer hervor. Prometheus wird auch den Titanen zugezählt. Er hat den * Menschen das Feuer gegeben, er hat I sie opfern gelehrt, und zwar so, daß sie auch etwas vom Opfer haben; man betrügt Zeus, indem man bloß dem Zeus die Knochen gibt und diese mit der Haut überzieht und sie so opfert, während die Menschen aber das Fleisch behalten, das Fleisch zum Gebrauch verwenden. Er hat sie also Fleisch m essen gelehrt und ihnen ferner noch andere Künste beigebracht. Diese Künste und eben diese Erfmdungen aber, die zur Bildung des Menschen gehören, das sind eben Künste nur für das Leben; es sind keine sittlichen Gewalten, keine sittlichen Gesetze usf. Diese kom124-125 aber ... vorgestellt.] W: ist aber auch aufgenommen unter die neuen Götter (Ed? No?)

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men teils dem Zeus zu, teils der Demeter - Ackerbau, Stiftung der Ehe. Das Sittliche ist nicht titanisch, sondern [das,] was den neuen Göttern wesentlich angehört. Unter den Göttern kann noch einer besonders ausgezeichnet werden - dies ist Hercules; er wird vornehmlich vorgestellt, daß er als Mensch gelebt [habe] und als Mensch gestorben sei, der unter die Götter versetzt sei. Hercules ist von menschlicher Individualität, der es sich hat sauer werden lassen; er hat im Dienst gestanden und sich

142 angehört.] in Ho folgt: Aber eben weil Prometheus noch Titan ist und das Titanische lehrt, wird er von Zeus gestraft. 143-146 Unter ... sei.] Wfolgt Ho: Sind ... Herakles. Ho: Sind nun aber die Götter die geistige Besonderheit von seiten der Substanz aus, welche in sie sich auseinanderreißt, so (Ho: sehen wir andererseits durch den Dienst des Menschen im vorigen den Menschen sich dem Gott entgegenheben und dem (Ho: den) göttlichen Zweck gemäß machen. Wz: ist eben damit andererseits die Beschränkung des Besonderen der substantiellen Allgemeinheit entgegengehoben). Dadurch erhielten wir die Einheit von beidem, den göttlichen Zweck vermenschlicht und den menschlichen zum göttlichen erhoben. Dies gibt die Heroen, Halbgötter. Besonders ausgezeichnet in dieser Rücksicht ist die Gestalt des Herkules. 147-162 er ... können.] W folgt Ho: durch ... Göttern. Ho: durch seine Tugend hat er den Himmel errungen. Die Heroen daher sind nicht unmittelbar Götter, sondern sie sind an sich göttlichen Ursprungs und müssen erst durch die Arbeit sich in sich das Göttliche setzen. Denn die Götter geistiger Individualität, obgleich jetzt ruhend, sind doch nur durch den Kampf mit den Titanen. Dies ihr Ansich ist in den Heroen gesetzt. So steht die geistige Individualität der Heroen höher als die der Götter selbst, sie sind, was die Götter an sich sind, wirklich, die Betätigung dieses Ansieh; und wenn sie auch in der Arbeit erringen müssen, so ist dies eine Abarbeitung der Natürlichkeit, welche die Götter noch an sich haben. Die Götter kommen von der Naturmacht her, die Heroen aber von den Göttern. in W angeschlossen: Indem so die geistigen Götter das Resultat durch Überwindung der Naturmacht, aber nur erst durch diese sind, so haben sie ihr Werden an ihnen selbst und zeigen sich als konkrete Einheit. Die Naturmächte sind in ihnen als ihre Grundlage enthalten; wenn auch dies Ansich in ihnen verklärt ist. In den Göttern somit ist dieser Nachklang der Naturelemente, (W1: aber die Hauptsache ist ihre geistige Bestimmtheit. Wz: ein Nachklang, den Herakles nicht hat. Daß dieser Unterschied auch den Griechen selbst zum Bewußtsein gekommen ist, davon gibt es mehrere Zeichen.) (1831)

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durch seme menschliche Arbeit den Himmel errungen. In dem Hercules z. B. ist dieses rein geistige Naturelemcnt. Er hat keinen Anklang von Naturmacht mehr in sich, wie Apoll; er hat rein geistige Individualität als solche zum Prinzip, als Mensch. Diese geistige Individualität des Menschen steht höher als die des Zeus und Apollo, denn die menschliche Geistigkeit ist diese freie, reine, abstrakte Subjektivität, ohne Naturbestimmung. Er ist dies Subjekt und hat ein natürliches I Leben, und darin sind eben die Arbeiten und Tugenden des Hercules. Aber dieses natürliche Leben, diese Bedingtheit, diese Abhängigkeit von dem natürlichen Leben ist die Endlichkeit überhaupt; diese ist zugleich abstrakte Endlichkeit, der Punkt der Einzelheit, der allen Naturinhalt in sich gefaßt hat, aber als geistiges Subjekt sich davon befreien kann und befreit ist. Die anderen Götter sind nicht so frei; sie haben noch einen natürlichen Inhalt in ihrem Wesen, ohne sich davon reinigen zu können. Zeus ist die Dauer, das Firmament usf. Dies, daß die Griechen auch diesen Unterschied gesehen, [daß er] auch vor ihrem Geist gewesen ist, davon sind viele Spuren vorhanden. Nämlich eben Hercules wird sehr hoch von ihnen gestellt. Bei Aeschylus sagt Prometheus, daß er seinen Trost in seinem Trotz darin finde, daß dem Zeus ein Sohn geboren werden würde, der ihn vom Thron werfen würde; hierbei bezeichnet er den Hercules. Dies kommt im Aristophanes auch vor, aber auf seine Weise im Scherz, indem Bacchus den Hercules preist als Erben des Zeus, wenn dieser stirbt. Über diesen schwebt dann die allgemeine Macht; dies ist das zweite. Indem so viele Besondere sind, so müssen diese Bestimmtheiten unter einer Einheit stehen. Diese ist I zunächst die Einheit unter ihnen selbst, worin sie selbständig bleiben; dies ist Zeus, so eine hausväterliche patriarchalische Regierung, worin der Regent am Ende immer nur das tut, was die anderen auch wollen, die zu allem, 169-171 Dies ... stirbt.] W 2 : Dieselbe Weissagung vom Sturz der Herrschaft des Zeus und durch die gesetzte Einheit des Göttlichen und Menschlichen, die in den Heroen liegt, ist bei Aristophanes ausgesprochen. Da sagt Bacchus zum Herakles: Wenn Zeus mit Tode abgeht, beerbst du ihn.- (Co) 169 Aristophanes] Ho: Aristophanes in den Fröschen 177 auch] Wz: im ganzen auch (Va)

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was geschieht, ihren Senf geben. Aber diese Herrschaft ist nicht ernsthaft; die Einheit ist also etwas viel Ernsthafteres; die wahre Herrschaft, das ist, daß die absolute Macht über ihnen steht, dies ist die absolute Einheit. Diese Macht ist noch nicht die erfüllte; die Erfüllung, der Inhalt ist wesentlich nur auf besondere Weise an diese vielen Götter verteilt. Die Einheit, die über ihnen steht, ist deshalb die zwecklose Einheit, zweckloses Prinzip, subjektivitätslose Einheit, denn das Subjekt ist hier nur mit einem besonderen Inhalt, als Besonderes bestimmt. Das Höhere ist so die abstrakte Notwendigkeit, die über den schönen Göttern ist- eine Notwendigkeit ohne Zweck, nicht zu begreifen, eine begrifflose Notwendigkeit, weil sie die Bestimmung nicht in sich selbst enthält; es ist außereinander seiende Besonderung. Über dieser schönen Götterwelt steht die Notwendigkeit; sie ist das Verschwinden der besonderen Mächte; es ist die Trauer der Notwendigkeit über das Verschwinden der hier berechtigten I Gewalten, Mächte. Das ist das eine Extrem gegen diese Mitte, und sie haben so ein Extrem; die Mitte ist noch nicht die absolute Vereinigung; die Einheit ist ein Extrem gegen sie; sie ist außer ihnen, weil sie noch nicht die an und für sich schlechthin gehaltvolle Einheit ist. Das andere Extrem ist das Extrem der Einzelheit, und diese Einzelheit ist ebenso noch nicht aufgenommen in die Mitte; deshalb ist sie Extrem; sie ist außer dem Begriff. Außer der Vereinung ist zufälliges Wesen überhaupt, äußerliche Zufälligkeit. Diese äußerliche Zufälligkeit ist nicht gemäßigt durch die Idee, noch nicht darin aufgenommen. Die Notwendigkeit hat nicht ein Maß der Weisheit in sich selbst und hat noch nicht die Bestimmung, noch nicht den Inhalt für sich; deshalb ist die eine Seite losgebunden, zufällig den Einfällen preisgegeben. Es ist daher an diesen Göttern eine Menge äußerer Seiten, eine Menge ganz zufälligen Inhalts, der außen herumspielt und diese letzte Spitze hinzufügt, wodurch sie diese sind; dies ist noch nicht identisch mit der Einheit des Begriffs. Zu bemerken ist, daß bei den Griechen die zwölf Hauptgötter des Olympos nicht durch den Begriff geordnet sind; sie sind unterschieden in besondere Gestalten; es ist eine vergebliche Mühe, sie in ein System bringen zu wollen. Mehr oder I weniger spielt ein wesentliches Moment der Idee in ihnen an, aber es ist nicht als durchgeführt

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anzusehen; außer diesem ist an einem jeden zufälliger, besonderer 21s Inhalt. Über diese Zufälligkeit des Inhalts kann das erinnert werden. Jede solche Gestalt ist eine absolut individuelle Gestalt; deshalb hat sie nicht bloß einen abstrakten Inhalt oder ein abstraktes Tun, sondern als Subjekt kommt ihnen von dem Reichtum der subjektiven Eigenschaften auch zu. Wäre nur eine Eigenschaft in einem Gotte 220 herrschend, so daß er danach aufzufassen wäre, so wäre er ein Abstraktum, ein Allgemeines, wie die Gerechtigkeit, der Eid und dergleichen; das sind abstrakte Eigenschaften, die dann in ihrer Gestaltung, indem sie zur subjektiven Gestaltung fortgebildet, formelle Gottheiten werden, so sind das nur Allgemeine. Der Gott ist so eine m Form, der der Inhalt, wie Gerechtigkeit usf., nicht entspricht. Pallas ist so die Weisheit, aber auch der Krieg ist darin usf., die technische Weisheit, das Maß, und [sie] hat auch noch andere Qualitäten, eben weil die Subjektivität nicht mehr bloß äußere Form ist, sondernjeder Gott ist ein Reichtum von Bestimmungen selbst. Sie haben Unter- 230 schiede gegeneinander, aber diese sind gar nicht so abstrakt bestimmte Unterschiede. Eine andere I Quelle derBesonderungist dann: In diesen Göttern ist ein Naturelement; dies hat für sich vielfache, besondere Bestimmungen; z. B. die Sonne geht auf, geht unter, wird so oder so. Die 235 Einteilungen in Jahre, in Monate, Tage, Stunden sind so vielfache Bestimmungen an einem Abstraktum, der Zeit. Dies Naturelement, das darin ist, hat vielfache Bestimmungen. Aber indem hier die Indi233-251 In ... Philosophemen.] W2: Wenn aber auch aufgehoben, ist das Naturelement doch noch eine Bestimmtheit der besonderen Mächte, und indem es in die Gestalt der selbstbewußten Individuen aufgenommen ist, ist es ein reichhaltiger Quell zufälliger Bestimmungen geworden. Die Zeitbestintmung, das Jahr, die Monatseinteilung spielt noch so sehr an den konkreten Göttern herum, daß man es sogar, wie Dupuis, versucht hat, sie zu Kalendergöttern zu machen. Auch die Anschauung vom Erzeugen der Natur, vom Entstehen und Vergehen ist noch in mannigfachen Anklängen im Kreis der geistigen Götter wirksam gewesen. Aber als erhoben in die selbstbewußte Gestalt dieser Götter erscheinen jene natürlichen Bestimmungen als zufällig und sind sie zu Bestimmungen selbstbewußter Subjektivität verwandelt, wodurch sie ihren Sinn verloren haben. Das große Recht ist zuzugeben, daß in den Handlungen dieser Götter nach sogenannten Philosophemen gesucht wird. (Co)

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vidualität, Subjektivität die Hauptbestimmung ist, so werden solche Bestimmungen, worin der Anklang des Naturelements vorhanden ist, verwandelt zu Bestimmungen selbstbewußter Subjektivität; so verwandelt in diese haben sie ihren früheren Sinn, ihre Bedeutung verloren und erscheinen als zufälliger Inhalt. Dupuis hat die griechisehen Götter zu Kalendergöttern, Kalenderbestimmungen gemacht. Solche Bestimmungen kommen der Zeit, insofern sie sich in der physischen Veränderung hat, zu. Aufgenommen in die Gestalt der selbstbewußten Individuen haben sie nicht mehr diese Bestimmung, sondern erscheinen als zufällig und müssen veredelt werden; es ist kein Respekt vor ihnen zu haben; dieses oder jenes wird daraus gemacht. Da ist also das große Recht einerseits, daß in diesen Göttern nachgesucht wird nach I den sogenannten Philosophemen. Zeus schmauste mit den Göttern zwölf Tage bei den Athiopiern, hing Juno zwischen Himmel und Erde auf usf.; das ist etwas Zufälliges. Solche Vorstellungen haben ihre Beziehungen, Quellen in irgendeiner abstrakten Vorstellung, die etwas Regelmäßiges, Wesentliches, aber prosaisch bezeichnet. Man hat das Recht, danach zu forschen. An diesen Subjektivitäten sind noch solche Spuren vorhanden, aber sie sind herabgesetzt zu zufälligen Gestalten, es ist kein Gebot vorhanden, dergleichen Vorstellung zu reflektieren. Das Selbstbewußtsein macht sich nichts aus solchen Bestimmtheiten der Natur. Die Göttergestalten in ihrer Reinheit, da sind sie die plastischen Göttergestalten usf. ; weiter in der Poesie vorgestellt, in das reine Feld der Vorstellung aufgenommen, so kommen mannigfaltige Geschichten an ihre Stelle. Sie haben ihre erste Quelle in besonderen Naturverhältnissen, die aber nicht rein sind, sondern in Formen verwandelt, die der subjektiven Weise angemessen sind. Die unendlich 243-250 Dupuis ... gemacht. so Gr 254-260 ihre ... Natur.] W2: allerdings ihre erste Quelle in einer abstrakten Vorstellung, die sich auf Naturverhälmisse, Naturkräfte und auf das Regelmäßige und Wesentliche in derselben bezogen, und man hat also das Recht, nach dergleichen zu forschen. Aber diese natürlichen Beziehungen sind zugleich zu Zufälligkeiten herabgesetzt, da sie nicht ihre Reinheit behalten haben, sondern in Formen verwandelt sind, die der subjektiven menschlichen Weise angemessen sind. Das freie Selbstbewußtsein macht sich nichts mehr aus solchen natürlichen Bestimmungen. (Co)

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vielen Liebschaften des Zeus haben darin ihre Quelle; das Erzeugen der Natur, das Entstehen hat hier seine Form. Eine zweite Quelle ist das I Geistige selbst, die geistige Individualität. Dem Menschen wird der Gott manifestiert in diesen seinen eigenen Schicksalen, in diesen Schicksalen eines Staats, in dieser oder jener Begebenheit, welche als Tat, Wohlwollen oder Feindschaft des Gottes angesehen wird; dies gibt so einen unendlich mannigfaltigen Inhalt. Wie der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs dem Volke dies Land Israel gegeben, sie aus Ägypten geführt hat, so hat ein griechischer Gott dies oder jenes getan, was einem Volke widerfährt und was es als göttlich anschaut. Diese Taten, Äußerungen, haben eine lokale, zeitliche Beziehung. Die Priester erklären die Begebenheit, das Glück oder Unglück für Tat des Gottes. Dies gibt Stoff zu einer näheren, äußeren Bestimmung der Handlungen des Gottes. Dies ist also der besondere Stoff der unendlichen Menge von Zufälligem, Unbestimmten, das nicht in sich der Sache widersprechend ist; es ist Dichtung. Dichten ist etwas anderes als Erdichten oder Lügen. Das, woraus gedichtet wird, diese prosaische Begebenheit, die von den Propheten für eine göttliche erklärt wird, gibt dann so viele zufällige Bestimmungen von dem Tun und Sein Gottes. Dies ist also das andere Extrem überhaupt. Das Allgemeine, indem es in die Besonderheit tritt, läßt diese als nebeneinander, außereinander bestehen, und so tritt die Zufälligkeit ein. Dies ist die wesentliche Bestimmung in Ansehung des I Inhalts des objektiven Gottes. b) Das zweite, was zur Vorstellung des Gottes gehört, ist seine Gestalt. Das erste ist, daß die Subjektivität sich in sich bestimmt, Inhalt hat, das zweite ist, daß dieser objektive Inhalt sich kehrt gegen das, was wir das endliche Selbstbewußtsein nennen. Da ist die Besondenmg nicht das Innere des Inhalts, wodurch ein Himmel voll Göt268 Quelle] W2: Quelle zufälliger Bestimmungen (Co) 269 Individualität] W2: Individualität und deren geschichtliche Entwicklung (Co) 273 mannigfaltigen Inhalt.] W2: mannigfaltigen, aber auch zufälligen Inhalt, wenn eine Begebenheit, das Glück oder Unglück zur Tat eines Gottes erhoben wird und dazu dient, die Handlungen des Gottes näher und im einzelnen zu bestimmen. (Co) 276 göttlich] W2: göttlich oder als Selbstbestimmung des Göttlichen (Co)

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ter produziert wird, sondern das, wodurch die Gottheit eine Seite ist und das endliche Selbstbewußtsein, für welche sie ist, die andere Seite. Dies ist eine geistige Form - die Diremtion des unendlichen Begriffs, daß der Geist sich teilt; da er für sich selbst ist, so ist er für ein Anderes; dieses Andere ist er selbst; dadurch ist er erst für sich; hier istjedoch dies Andere die endliche Welt. Dies Andere, daß er ist für sich als äußerlicher, endlicher, das ist die Weise seiner Gestaltung, Erscheinung. Der Gott erscheint also, d. h. er hat Gestalt, und es ist nun zu bestimmen die Art und Weise dieser Gestalt. Dies Erscheinen nun oder das Gestalten hat zwei Seiten. Der Gott erscheint, ist für ein Anderes; er tritt in die Äußerlichkeit. Es tritt damit eine Teilung herein, ein Unterscheiden, das sich so bestimmt, daß es zwei Weisen des Erscheinens sind. Die eine Weise ist die, die dem Gott als solchen zukommt, die zweite die, die dem endlichen, ihm gegenüberstehenden I Geiste, Bewußtsein zukommt. Erscheinen ist das nach außen gegen ein Anderes Gekehrtsein; darin sind zwei Momente; das eine Moment ist das, was vorgestellt wird, daß der Gott selbst tut, das andere das, was das Bewußtsein tut, für welches es ist. Die eine Seite des Erscheinens, welche vorgestellt wird als dem Gott an sich zukommend, das ist sein Sichoffenbaren, sein Sichzeigen, die Tätigkeit des Erscheinens, dem Gott als solchen zugeschrieben. Nach dieser Seite kommt das Selbstbewußtsein nur zu der Empfindung des passiven Aufnehmens von etwas, das sich ihm zeigt, und etwas, das ihm gegeben wird. Diese Weise des Zeigens findet vornehmlich statt für den Gedanken; das, was ewig an und für sich ist, das zeigt sich, das wird gelehrt, das wird empfangen, erscheint als nur ein Gegebenes. So ist auch hier eine Seite der Erscheinung des Gottes; er zeigt sich im Traume, wird durch Tradition gelehrt. Das Selbstbewußtsein nimmt dies auf als durch die Götter gegeben. Bei den Orakeln wird ebenso das, was sich zeigt, dem Gott selbst zugeschrieben. Die Griechen haben darin alle möglichen Formen gehabt, 322-323 das3 ... Gegebenes] W2: gegeben und ist nicht durch die Willkür des Einzelnen gesetzt. (Co) 325-327 Bei ... zugeschrieben.] W2folgt Ho: Der ... Erscheinungen. Ho: Traum, Orakel sind solche Weisen des Erscheinens;

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unter anderen auch die eines Götterbildes, welches ein vom Himmel gefallener Stein war, ein Atmosphärile. I Die andere Seite ist ebenso wesentlich, daß das Erscheinen Produkt des Selbstbewußtseins ist, dem der Gott erscheint. Die Erscheinung ist die Grenze beider, die sie scheidet und sie bezieht, worin beide sind, worin beiden die Tätigkeit zukommt, und das ist eben das, was einen sehr schwierigen Punkt macht. Späterhin im Christentum erscheint dies als die Gnade Gottes, als der Geist Gottes, der in dem Menschen wohnt; das [eine) Extrem ist, daß der Mensch bloß als das Passive, bloß der passive ist, der wie ein Stein dabei steht, indem der Geist in ihm wirkt; das andere aber, daß es seine eigene Tätigkeit ist. Hier das Erscheinen ist die eine Seite, die dem Gott zukommt; die andere Seite, daß es die Tätigkeit des Selbstbewußtseins ist. Es ist dabei wesentlich, daß hier in der Vorstellung beides als unterschieden erscheint. In der Spekulation muß diese gedoppelte Tätigkeit als eine Tätigkeit erscheinen, die ebenso zusammenfällt; hier aber erscheinen zwei Tätigkeiten, die eine von der einen Seite kommend, die andere Seite als ein Hervorbringen durch die Tätigkeit der anderen Seite, die des Selbstbewußtseins. Dieser Standpunkt I enthält noch den Unterschied, den Standpunkt der Besonderheit. Es sind vom Menschlichen beide Seiten im Göttlichen; der Mensch hat die An-

328-329 unter ... Atmosphärile.] Wz: so ist z. B. ein Götterbild vom

Himmel gefallen, oder ein Meteor oder Donner und Blitz gilt als Erscheinung des Göttlichen. (vgl. Ho und die Vorlesung 1827 (547)); Ho: ein Götterbild ist vom Himmel gefallen; Demeter hat den Ackerbau und die Gesetze gelehrt, Apoll ist unter den Hirten umhergewandert. 332-357 worin ... gestaltet.] W 2 : Im Grunde aber kommt die Tätigkeit beiden Seiten zu, welches wahrhaft zu fassen freilich große Schwierigkeit macht. Diese Schwierigkeit kommt auch später bei der Vorstellung von der Gnade Gottes wieder vor. Die Gnade erleuchtet das Herz des Menschen, sie ist der Geist Gottes im Menschen, so daß der Mensch bei ihrem Wirken als passiv vorgestellt werden kann, so daß es nicht seine eigene Tätigkeit ist. Im Begriff ist aber diese gedoppelte Tätigkeit als Eine zu fassen. Hier auf der gegenwärtigen Stufe ist diese Einheit des Begriffs noch nicht gesetzt, und die Seite der produktiven Tätigkeit, die auch dem Subjekte zukommt, erscheint als selbständig für sich in der Art, daß das Subjekt die Erscheinung des Göttlichen mit Bewußtsein als sein Werk hervorbringt.(Co)

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schauung seiner selbst in Gott, zuvörderst als Inhalt; das sind die Taten in ihm, die wesentlichen Mächte seines Geistes. Die andere Seite ist die Form gegen diesen Inhalt, die Tätigkeit, die Produktion; beide Seiten sind noch unterschieden, weil es hier noch der Standpunkt des Endlichen ist. Ebenso ist dann also auch ferner in der Gestalt, im Erscheinen ebenso eine Seite, daß dem Gott die Erscheinung zugeschrieben wird; die andere Seite ist die Produktion des endlichen Selbstbewußtseins. Diese Seite der Produktion des Selbstbewußtseins ist das, daß der Mensch sich seinen Gott macht, ilm sich gestaltet. Herodots Grundworte sind: »Homer und Hesiod haben den Griechen ihre Götter gemacht.« Und so sind es die Künstler immer gewesen, die die Gestaltung der Götter hervorgebracht haben. Ihre Gestalt ist ein von der subjektiven Seite, von dem endlichen Geist Gesetztes. Das Erscheinen ist wesentlich Produkt des bewußten W ollens; die endliche Seite, das Gesetzte mit dem Bewußtsein, daß es ist, ist das, was die Gestalt hervorbringt. Hier hat dann die Kunst vornehrnlich ihre Wirklichkeit. I [Das zweite ist,] daß darin ein natürliches Moment ist, weil die Gestalt eine sinnliche Seite hat. Es ist hier noch nicht die Sphäre, daß

349-350 zuvörderst ... Geistes] so Pa; Gr: die wahrhafte Wesenheit seiner, die wesentliche Macht seiner 360-362 Ihre ... Gesetztes] so Pa; De: Das Absolute wird in dieser Sphäre gewußt als vom Selbstbewußtsein Gesetztes 366 [Das zweite ist]] Pa: 2) 366-392 [Das ... Inhalt] Ho: Was nun drittens das Kunstwerk anbetrifft, so ist es das Gesetztsein der gedoppelten Tätigkeit des sich Offenbarens des Gottes und des Gestaltetseins durch den Menschen. Das Kunstwerk ist daher das Produkt. Aber auf dieser Stufe der Differenz überhaupt ist das Kunstwerk gegen den ansichseienden Gott und den menschlichen Geist ein Anderes. Der ansichseiende Gott kehrt aus seiner Besonderheit nicht in sich zurück, dies sahen wir aus dem Begriff dieser Stufe. Die Einheit ist selbstlos, der Prozeß nur der der Notwendigkeit. Daher ist das Kunstwerk nicht selbst Geist, nicht fürsichseiender Gott, sondern nur selbst wieder Ansich des Fürsichseins, Für-Anderes-Sein als solches, welches sowohl das Fürsich als das Ansich enthält, aber unvermittelt, als abstraktes Resultat, dem die Vermittlung außerhalb fällt. Die Seite des Daseins geht also nicht so weit, daß der Gott als Kunstwerk Wissen seiner selbst wäre, das Wissen fällt außer ihm, in den menschlichen subjektiven Geist.

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der reine absolute Geist für den Geist ist, daß Gott im Geiste und in der Wahrheit verehrt wird, der reine Gedanke für den reinen Ge- * danken. Darum ist es nicht der Fall, daß das Erscheinen, die Seite des 370 Daseins fortgeht bis zur unmittelbaren Wirklichkeit, Gegenwart eines diesen Bewußtseins, Gegenwart eines diesen Menschen. Die wahrhafteste, eigentümlichste Gestalt ist notwendig die, daß der absolut für sich seiende Geist fortgeht, als ein einzelnes empirisches Selbstbewußtsein sich zu zeigen. Hier ist diese Bestimmung noch 375 nicht vorhanden; es ist ein natürliches Moment in der Erscheinung vorhanden; [sie] hat eine sinnliche Seite, die aber nicht bis zum sinnlichen Diesen fortgeht. Diese Seite ist also ein von dem Menschen Gemachtes, und zugleich so, daß dies Gemachte, worin die Göttlichkeit erscheint, eine sinnliche Seite hat. Diese sinnliche Seite wird 3so notwendig angemessen geschaffen dem Begriff, dem Inhalt der Göttlichkeit, die dadurch ausgedrückt werden soll. Die Gestalt soll das Göttliche vorstellen; das Natürliche, das Sinnliche hat sozusagen noch die Weichheit, dem Inhalt ganz angemessen gemacht werden zu können, den es ausdrücken soll. Erst wenn die Besonderung in 385 Gott zur absoluten Grenze fortgeht, [wenn Gott] als Mensch in dieser Gestalt, als unmittelbares Bewußtsein hervortritt, dann ist sozusagen diese Äußerlichkeit, diese Sitmlichkeit als Sinnlichkeit freigelassen; d. h. die Zufälligkeit, die Bedingtheit der Äußerlichkeit kommt an dem I Gott zum Vorschein. Hier hat die Materie, das 390 Sinnliche, noch nicht diese Eigentümlichkeit; es hält sich getreu diesem seinen Inhalt. 384 Inhalt] W2: erscheinenden Inhalte (Va) 389 Äußerlichkeit] W2: Äußerlichkeit und ihre Unangemessenheit zu dem Begriff (Va) 392 Inhalt.] W folgt Ho; Wt: Der ... selbst. W2 (verkürzt): Wie ... geschlagen. Ho: Was nun in Ansehtmg der Gestalt des Kunstwerks zu sagen wäre, ist, daß sie muß die des Selbsts sein, de1m der Gott ist das göttliche besondere Selbst, eine geistige allgemeine Macht. Aber diese Macht kommt von der Natürlichkeit her, die sie als gesetzte hat, deshalb muß sie selbst noch zu ihrem Element der Gestaltung das Natürliche haben, und zur Erscheinung muß kommen, daß eben das Natürliche die Weise des Ausdrucks des Göttlichen ist. Der Gott erscheint im Stein, das Sinnliche hält sich noch als das Angemessene für den Ausdruck des Gottes als Gottes. Erst wenn der Gott

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Die Gestalt nun, in der das Sinnliche das Göttliche ausdrückt, ist schlechthin die menschliche Gestalt, denn es gibt keine andere leibliehe Gestalt, die eine Verleiblichung des Geistigen wäre; aber sie ist nicht die eines empirischen Menschen, nicht eine Gestalt, die zugleich auch der Zufälligkeit des Daseins angehörte, die unmittelbar Wirklichkeit an sich ausdrückt, sondern sie ist so ein Ideal, wesentlich schöne Gestalt, und die wesentlich schöne Gestalt, das ist die wesentliehe Ausdrückung des geistigen Charakters, die bestimmte Vorstellung vom Geistigen, die der Bildner hat und ausdrückt. Goethe sagt: Die Bedeutsamkeit ist es, was den Charakter der klassischen Kunstwerke ausmacht; die Bedeutsamkeit, d. h. daß an jedem Zug die Gestalt den bestimmten Charakter ausdrückt. An der Gestalt des empirischen Menschen, da ist gar nicht diese Bedeutsamkeit des Geistigen, sondern auch Zufälligkeit, Einwirkung des Natürlichen, Zufälligen; es sind Formen, Gestalten, die nicht bloß bedeutsam sind in Hinsicht des Geistes und nicht bloß ausdrücken die substantielle Geistigkeit, die Grundlage des göttlichen Begriffs. Das ist das Gesetz der Erscheinung. Diese schöne Gestalt ist allgemeines Gesetz. Die schöne Gestaltung macht gleichsam das Organ I des Verstehens der Welt aus. selbst als dieser Einzelne erscheint offenbarend: der Geist, das subjektive Wissen vom Geiste als Geist sei die wahrhafte Erscheinung des Gottes, dann erst wird die Sinnlichkeit frei, d. h. sie ist nicht mehr dem Gott vermählt, sondern zeigt sich seiner Gestalt als unangemessen. Die Sinnlichkeit, unmittelbare Einzelheit wird ans Kreuz geschlagen. Der Geist als allgemein, die Gemeinde ist der Boden für die Erscheinung Gottes. Die Erscheinung ist absolut, ihr Element der Geist selbst. 398 ausdrückt,] Wt folgt Ho: ausdrückt. Die ... Geist. Ho: Die Poesie zwar ist auch eine vergeistigte Erscheinung, aber doch hat sie zu ihrem Material noch den Ton, die zwar sich aufhebende Materialität, aber dennoch Ton, Gebärde, Maske usf., überhaupt Sinnliches ist die Existenz des Gottes, nicht der sich selbst wissende Geist. 401 ausdrückt.] Wt folgt Ho: ausdrückt. Die ... Charakters. Ho: Die Gestalt in diesem sinnlichen Stoffe ist die menschliche Gestalt. Denn der Gott ist durch den Menschen gesetzt. Aber dies Gesetztsein ist durch die Aufhebung des einzelnen Selbsts vermittelt, die Gestalt daher ist nicht die des einzelnen Menschen als solchen, sondern die allgemeine, die wesentlich schöne, und auf diese Weise Ausdruck des geistigen Charakters.

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Wir erklären menschliche Begebenheiten und Naturbegebenheiten; die erklären wir, geben einen Grund, die Ursache davon an; dies ist etwa eine innere Kraft oder eine Abstraktion der Reflexion überhaupt. Hier ist nicht so ein Abstraktum. So etwas Prosaisches, Verständiges ist hier nicht die Gestalt dessen, woraus erklärt wird, sondern die Gestalt dessen, woraus erklärt wird, ist die schöne Gestalt. Bei den Griechen ist alles in diese Gestalt gebracht. So entstanden die hunderttausend anmutigen Geschichten, die den Grund von diesem und jenem ausmachen sollen, die unendliche Menge der Fabeln der Griechen. Es sind Phantasiegestalten, die die Begebenheiten erklären. Beim Homer z. B.; Achill will sein Schwert ziehen, er faßt sich aber. Nestor, Kalchas der Priester, oder der Dichter selbst erklärt, Athene habe ihn zurückgehalten. Das Hervorbringende ist so immer ein Schönes, Anmutiges. Das sind die Grundbestimmungen in der objektiven Weise des Gottes und der Götter, teils ihrem Inhalt nach, teils wie er sich nach außen kehrt, gegen das endliche Selbstbewußtsein. 3. Der Kultus ist das Verhältnis, wodurch die Äußerlichkeit des vorgestellten I Gottes, seine Objektivität gegen das subjektive Bewußtsein aufgehoben wird und wodurch die Identität beider zu Stande kommt und das Selbstbewußtsein zu dem Bewußtsein der Einwohnung des Göttlichen in ihm kommt. [a)] Was die Gesinnung in diesem Kultus ausmacht, so ist das erste Moment hier das, daß die Götter anerkannt, geehrt werden; sie sind die substantiellen Mächte, der wesentliche Gehalt des natürlichen und

428-429 Selbstbewußtsein.J W folgt Ho: Ist ... erinnert. Ho: Ist nun aber das Kunstwerk das sich Offenbaren des Gottes und der Produktivität des Menschen als Setzen dieser Offenbarung durch Aufhebung seines besonderen Wissens und Wollens, so liegt im Kunstwerk andererseits ebenso das Aufgehobensein des Menschen und Gottes als einander fremder. Das Setzen (Ho: dieses Ansichseins des Kunstwerks ist W2: dessen, was im Kunstwerk an sich ist, ist nun) der Kultus; er daher ist das Verhälmis, wodurch die äußerliche Objektivität des Gottes gegen das subjektive Wissen aufgehoben und die Identität beider vorgestellt wird. Dadurch also ist das äußerliche göttliche Dasein als ein Getrenntsein vom Dasein im subjektiven Geiste aufgehoben und somit der Gott in die Subjektivität hinein erinnert.

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geistigen Universums, das Allgemeine. Dies erkennt der Mensch an, weil er denkendes Bewußtsein ist, also die Welt nicht mehr nur für ihn vorhanden ist auf äußerliche, zufällige Weise, sondern auf wahre Weise; diese allgemeinen Mächte erkennt er an. Wir verehren so die Pflichten, Gerechtigkeit, Wissenschaft, politisches Leben, Staatsleben, Familienverhältnisse; diese Wesenheiten sind das Wahrhafte; sie sind die Bande, die die Welt zusammenhalten, und nicht nur das, sondern sie sind das Substantielle, worin das andere besteht. Dieser Inhalt ist also anzuerkennen und zu verehren als das Wesentliche, Geltende, als das, was allein aushält gegen die Zufälligkeit, Selbständigkeit, die ihm entgegenhandelt. Dieser hilialt ist zweitens das Objektive, aber im wahrhaften Sinn, nämlich das an und für sich Geltende, Wahre überhaupt; es ist das Objektive I auch in dem Subjekt. Es sind diese Mächte so die eigene Sitte der Menschen, ihre Sittlichkeit, ihre vorhandenen und geltenden Rechte, ihr eigener Geist, ihre eigene Substantialität, ihre eigene W esentlichkeit, nicht eine äußere Wesenheit und Substantialität. So ist Athene die Stadt und auch die Göttin; der Gott, das ist der Geist dieses Volkes, nicht der Schutzgeist oder dergleichen, sondern der lebendige, wirkliche, gegenwärtige Geist dieses Volkes in seiner W esentlichkeit, Allgemeinheit vorgestellt. Die Erinnyen, das sind nicht die Furien, so [als] ein äußerlich Objektives vorgestellt, sondern die eigene Tat mit ihren Folgen, was wir das Gewissen nennen, so z. B. die Erinnye Oedips, der Fluch des Vaters gegen den Sohn. Eros,

438 Dies] W2: Diese allgemeinen Mächte, wie sie der Zufälligkeit entnommen sind, (Va) 456 derl] W: ein äußerlicher Geist, (1831) 457-458 wirkliche ... vorgestellt.] W: gegenwärtige, wirklich im Vollse lebende, dem Individuum immanente Geist, der als Pallas vorgestellt wird nach seinem Wesentlichen. (1831) 460 Folgen,] in W folgt im Kontext der Vorlesung 1827 ein Satz nach Ho: Die ... Fackel. Ho: So ist auch die Erinnye die nicht nur äußerliche Furie, die den Muttermörder Orestes verfolgt, sondern es ist seine eigene Tat; der Geist des Muttermordes schwingt über ihm seine Fackel. 460-461 so ... Sohn.] W: Im Oedipus auf Kolonos sagt Oedip zu seinem Sohne: Die Eumenide des Vaters wird dich verfolgen. (1831) 461-474 Eros ... Bewußtsein] W folgt Ho: Eros ... und Ho: Eros ist so

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das ist das Objektive, aber Eros ist ebenso die Liebe als Empfindung, als Pathos des Subjekts. In dieser Anerkennung und Verehrung des wesentlich Substantiellen sind also die Verehrer frei, unmittelbar bei sich selbst; sie haben ihr reales Leben, sie wissen ihr eigenes reales Leben darin. Es ist daher nicht ein Bewußtsein von einem Jenseits ihrer Realität, ihrer Wirklichkeit, sondern ihr religiöses Bewußtsein ist, daß ihre eigene konkrete Subjektivität eben noch die Wesentlichkeit derselben ist. Sie sind in dieser Anerkennung I frei, also die Anerkennung ist eine heitere freie Anerkennung, Verehrung von Mächten, die ihnen hold sind, denn sie wohnen in ihnen; durch die Subjektivität werden die allgemeinen Mächte in der Tat verwirklicht. Dieser Charakter der Freiheit also im religiösen Bewußtsein macht die Grundbestimmung dieser Gesinnung überhaupt aus. Es ist die Gesinnung der Freiheit, der Heiterkeit, des unmittelbaren Befriedigtseins in dieser Anerkennung. Aber es gibt über dieser Gesinnung auch noch eine Gesinnung, die sich auf die Notwendigkeit bezieht, und es steht der Heiterkeit der ersten Seite diese Trauer der anderen Seite gegenüber. Die Notwendigkeit hat ihre eigene Sphäre; sie bezieht sich nur auf das Besondere der Individualität, insofern eine Kollision der geistigen

nicht nur das Objektive, der Gott, sondern ebenso die innerliche Empfindung. Anakreon beschreibt einen Kampf mit Eros. »Ich auch, sagt [er], will jetzt lieben; schon längst gebot mirs Eros, doch ich wollte nicht folgen. Da griff mich Eros an. Bewaffuet mit Harnisch und Lanze widerstand ich. Eros verschoß (Ho: verschloß) sich, doch dann schwang er sich selbst mir ins Herz. Was hilft da, so schließt er, Pfeil und Bogen, der Kampf ist mitten in mir.• In dieser Anerkennung und Verehrung ist also das Subjekt schlechthin bei sich, die Götter sind sein eigenes n;!X!lo.;. Das Wissen von den Göttern ist kein Wissen nur von ihnen als Abstraktionen jenseits der Wirklichkeit, sondern es ist ein Wissen zugleich von der konkreten objektiven Subjektivität des Menschen selbst, denn die Götter sind ebenso in ihm (Ho: ihnen}. Auf dieseWeise zeigt sich das Anerkennen als frei; die Mächte sind [dem] Menschen freundlich und hold, sie wohnen in seiner eigenen Brust, er verwirklicht sie und weiß ihre Wirklichkeit zugleich als die seinige. Dieser Hauch der heiteren Freiheit durchweht diese ganze Welt und 482 Individualität] so GrDe; Pa: göttlichen Individualität

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Macht möglich ist, insofern sie in ihrem äußerlichen gegenwärtigen Dasein der Zufälligkeit, den Begebenheiten unterworfen ist. Nach dieser Seite werden sie von der Notwendigkeit berührt und sind ihr unterworfen. Diese Individuen sind besonders der Notwendigkeit unterworfen und dann vornehmlich tragisch, die sich erheben über den sittlichen Zustand und die etwas Besonderes für sich ausführen wollen; wie denn so die Personen in den Tragödien sind, die deswegen auch Heroen heißen, die durch eigen Itümliches Wollen von den übrigen unterschieden sind; sie haben ein Interesse, das über den ruhigen Zustand des Waltens, der Regierung der Götter geht. Die anderen, der Chor, der ist diesem Schicksal entnommen; er bleibt in dem sittlichen gewöhnlichen Lebenskreis beschränkt und erregt keine der Mächte gegen sich, so daß sie ihm feindselig wäre. Diese, die dem Chor, dem Volke angehören, die sind dem gemeinen Lose der Sterblichen ausgesetzt, Unglück usf. zu haben, umzukommen; sie sterben auf diese oder jene Weise, aber solcher Ausgang, das ist das gemeine Los der sterblichen Menschen, und dieser allgemeine Gang, das ist selbst der berechtigte, und daß das Individuum zufälliges Unglück hat, stirbt, das ist in der Ordnung. · Wir sehen beim Homer den Achill weinen über seinen frühen Tod, und seine Pferde weinen ebenfalls darüber. Homer konnte dem Achill ein solches Bewußtsein beilegen. Bei uns wäre dies töricht von einem Dichter. Aber einen Griechen, einen Achill kann es wohl traurig machen, aber nur momentan; es gilt hier für ihn, es ist so, aber daß dies so ist, dies berührt ihn dann weiter im übrigen nicht; er kann wohl traurig, aber nicht verdrießlich werden. Verdruß ist die Empfindung der modernen Welt; Verdrießlichkeit setzt einen Zweck voraus, der etwas erfordert, eine Forderung überhaupt, die unsere moderne Willkür zu machen sich ermächtigt, berechtigt hält. Insofern nun ein solcher Zweck nicht erfüllt wird, I so nimmt dann der moderne Mensch leicht die Wendung, daß er nun auch für das übrige den Mut sinken läßt und nun auch das andere seiner Bestim483-484 sie ... ist) so Pa; Gr: die Besonderheit, die Begebenheiten der Zufälligkeit unterworfen sind 504 beilegen.) W2: beilegen, denn es kann in seinem Sein und Tun nichts ändern; es ist so für ihn, und außerdem ist er, was er ist. (Va)

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mung nicht will, was er sich sonst zum Zweck machen könnte; er gibt seine übrige Bestimmung auf und tut das nicht, zerstört mit Willen, um sich zu rächen, seine eigene Bestimmung, seinen eigenen Mut, seine eigene Tatkraft, die Zwecke des Schicksals, die er sonst noch erreichen konnte. Dies ist also die Verdrießlichkeit. Diese Verdrießlichkeit aber macht nicht den Charakter der Griechen, der Alten aus, sondern die Trauer über die Notwendigkeit; diese ist nur einfache Trauer. Die Griechen haben keinen Zweck als absolut, als wesentlich vorausgesetzt, der gewährt werden soll; die Trauer ist deshalb ergebene Trauer. Es ist reiner einfacher Schmerz, eine einfache Trauer, die deshalb in sich selbst diese Heiterkeit hat; es geht dem Individuum kein absoluter Zweck verloren; es bleibt auch hierin bei sich selbst; auf das, was nicht erfüllt wird, kann es renoncieren. Es ist so, so hat es sich in die Abstraktion zurückgezogen und nicht diesem sein Sein entgegengestellt. Die Beruhigung dabei ist diese abstrakte Einigkeit selbst des subjektiven Willens mit dem, was so ist; das Subjekt ist frei, freilich nur auf abstrakte Weise. Dies ist der Charakter der Gesinnung. [b)] Das zweite, was den Kultus anbetrifft, kann als Dienst ausgedrückt werden. Der Dienst betrifft I das Verhalten des konkreten Bewußtseins zu seinem bestimmten konkreten Gegenstand, die Vorstellung eines Gegenüberstehens, Gegenübergestelltseins beider, und der Gottesdienst besteht dann in der Wechselseitigkeit des Gebens und Empfangens. Das Göttliche gibt und das Endliche empfängt; die Gesinnung ist hier die Form der inneren Vermittlung, des inneren Verhaltens. Der äußere Gottesdienst ist dann die Vermittlung des äußeren Verhaltens. Es kann hierbei mehreres unterschieden werden. [ot)] Fürs erste erhellt, wenn das Göttliche und Menschliche gegen534-537 Der ... dcr1] Wz: Kommt es nun darauf an, daß die Subjektivität sich mit Bewußtsein die Identität mit dem gegenüberstehenden Göttlichen gebe, so müssen beide Teile von ihrer Bestimmtheit aufgeben: Gott steigt herab von seinem Weltenthron, gibt sich selber preis, und der Mensch muß beim Empfang der Gabe die Negation des subjektiven Selbstbewußtseins leisten, d. h. den Gott anerkennen oder die Gabe mit der Anerkennung der Wesentlichkeit, die darin ist, in Empfang nehmen. Der (Co) 538-550 Das ... Existenz.] Wz: Jede Seite läßt von der Besonderheit, die sie voneinander scheidet, ab. (Co)

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überstehen und ihre Vereinigung soll hervorgebracht werden, so müssen sich beide nähern, und beide müssen so ablassen von ihrer Selbständigkeit, die sie gegeneinander haben. Es ist nicht nur ein Geben von der einen Seite gesetzt, sondern auch das endliche Selbstbewußtsein muß aufgeben, ablassen von seiner Besonderheit; das, was sich scheidet, ist eben diese Selbständigkeit, die besondere Form gegeneinander, und beide Teile müssen ablassen von der Weise ihrer Existenz. Das nächste äußerliche Verhältnis beider gegeneinander ist dann, daß der Gott, wie wir ihn hier haben, ein Naturelement in sich hat, und indem er hier als Selbständiges dem subjektiven Bewußtsein gegenübersteht, so ist sein Dasein eine äußere natürliche Erscheinung. Der Kultus ist nicht die Stufe, in der die Vorstellung des I Gottes hervorgebracht wird, sondern in dem Kultus ist dies das unmittelbare Selbstbewußtsein, das Stehen und Gehen der Menschen, wie sie sind, und ihnen gegenüber erscheint dieser Gott, der ein Naturelement in sich hat, diesen Menschen, wie sie unmittelbar sind, auch in der Weise des natürlichen Daseins, natürlich - der eine Gott mehr, der andere weniger. Das erste Verhältnis kann also gefaßt werden als ein Verhältnis der Menschen zu den Naturgöttern. In diesem Verhältnis, da ist dann der Gottesdienst einerseits die Anerkennung, daß diese natürlichen Dinge ein Wesen in sich sind, eine gegen den Menschen selbständige, wesentliche Naturidee, Naturbestimmung; es ist also die Anerkennung ihrer W esentlichkeit als eigentümliche, beharrende Mächte. Das andere ist dann, daß diese Naturmächte, indem sie erscheinen, sich selbst preisgeben, sich selbst opfern; der Gott opfert sich selbst; er ist dies, sich hinzugeben an das endliche Bewußtsein, sich von ihm in Besitz nehmen zu lassen, sich selbst zu opfern, und das Tun des Menschen ist dann, dies Geopferte in Besitz zu nehmen, zugleich mit der Anerkennung der W esentlichkeit, die darin ist. Die äußerlichste Weise ist dann das Opfer überhaupt, daß das Opfer noch nicht versöhnendes Opfer ist. Bei den Griechen hat Essen und Trinken, Schmausen, opfern geheißen, und das Op Ifer ist nichts anderes gewesen. Ceres und Bacchus, Brot und Wein haben sie ge566-567 Naturmächte, indem sie] so De; Pa: Naturmächte Gr: Naturmacht, in der die Götter

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gessen und getrunken, und diese Ceres, das ist eine Naturmacht und darin geistige zugleich; diese Naturmächte sind anerkannt, aber diese Ceres und dieser Bacchus, die geben sich preis und werden von Menschen verzehrt, die opfern sich selbst, und der Mensch erkennt darin die W esentlichkeit an; diese Anerkennung der Allgemeinheit wird dadurch ausgedrückt, daß er einiges nicht genießt, einige Tropfen von dem Becher Wein ausgießt, einiges Mehl, die Stirnhaare, das Eingeweide, das Fett verbrennt - das verbrennt, was er nicht gebrauchen kann. Sie umwickelten das Fleisch mit Fett und verbrannten dies - gerade wie es die Köche noch heute machen; da wird der Braten mit Fett begossen. [ß)] Die Götter geben sich so preis, und der Kultus ist so der assimilierende Genuß, zugleich verbunden mit der Anerkennung der Macht, denn die Götter als Mächte erhalten sich. Das weitere ist das Verhalten des Subjekts zu den Göttern nach ihrer geistigen Seite. Hier ist das Verhältnis des Subjekts einerseits wieder die Assimilation, den Gott in sich und durch sich gegenwärtig zu machen, ihn zur Erscheinung an sich, nämlich an dem Subjekt zu bringen. Es bleibt jedoch dabei eine Seite, nach welcher der Gott, die bewußte Subjektivität des Göttlichen, ein Jenseits bleibt und wonach sich das menschliche Bewußtsein verhält I als ein nur empfangendes, zu demselben gekommenes. Es ist also die zweite Seite, das Verhalten zu den Göttern als den geistigen, sittlichen Mächten überhaupt. Der Dienst ist hier freilich ein unpassendes Wort, und besonders hier auf dieser Stufe ist kein Dienst, keine Knechtschaft; der Kultus zu diesen substantiellen, wesentlich sittlichen, geistigen Mächten ist dann wieder die Anerkennung dieser W esenheiten der geistigen und natürlichen Welt überhaupt und das Vorstelligmachen derselben in Preisen, Festen, Triumphen, Schauspielen, Dramen, Gesängen usf., wohin dann die Kunst gehört. Es wird damit diesen Göttern ihre Ehre bewiesen; diese besteht vornehmlich in den genannten Festen, in Spielen; die Götter werden so geehrt. Geehrt wird jemand überhaupt, insofern man eine hohe Vorstellung von ihm hat und zugleich diese hohe Vorstellung von demselben vorstellig macht, durch sein Betragen erscheinen macht. 588-590 Die ... sich. so Gr

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Es ist also die Vorstellung, die Anerkennung der Götter, die die Gemeinde zu bezeugen hat, so daß hier diese Vorstellung des Göttlichen die Gemeinde an ihr selbst erscheinen läßt. In der Ehre der Gesänge, Feste usf.läßt das Subjekt die Vorstellung des Göttlichen an sich erscheinen, hat den Kultus an ihm selbst; d. h. der Mensch zeigt in seinen Festen seine Vortrefflichkeit, I er zeigt von sich das Beste, was er hat, als das, wozu er fähig gewesen ist, sich zu machen; der Mensch schmückt also hier sich selbst, also kostbare Geräte, Gepränge, Kleidung, Schmuck, Tanz, Gesang, Kämpfe - alles das gehört dazu, den Göttern Ehre zu bezeigen; der Mensch zeigt seine geistige und körperliche Geschicklichkeit, seine Reichtümer; er stellt sich selbst in der Ehre Gottes dar und genießt damit diese Erscheimmg Gottes an dem Individuum selbst. Dies gehört zu den Festen wie noch heutzutage, wo die Menschen an Festtagen ihren Reichtum, ihren Putz, ihr Talent sehen lassen. Diese allgemeine Bestimmung kann genügen, daß der Mensch die Vorstellung der Götter an ihm durch sich erscheinen lasse, daß er sich aufs Vortrefflichste darstelle und so seine Anerkennung der Götter zeige. Erinnert [werden] kann hier an die hohe Ehre, die den olympischen Siegern zu Teil wurde; sie waren die Geehrtesten des Volks, saßen bei feierlichen Gelegenheiten neben dem Archonten, und es ist selbst geschehen, daß sie bei Lebzeiten als Götter verehrt wurden, indem sie so das Göttliche an ihnen zur Erscheinung brachten, durch die Geschicklichkeit, die sie bewiesen hatten. Auf diese Weise machen die Individuen das Göttliche an sich erscheinen; im Praktischen ehren die Individuen die Götter, sind sittlich; das, was der Wille der Götter ist, das sind die sittlichen Gebote. Im praktischen Leben bringen sie das Göttliche zur Wirklichkeit. I Das atheniensische Volk, das am Fest der Pallas seinen Aufzug hielt, war die Gegenwart der Athene, der Geist des Volks; dies Volk ist der belebte Geist, der alle Geschicklichkeit, Tat der Athene, Minerva, an sich darstellt. Wenn so auf prak612-613 die Gemeinde] W: das Volk (No? Ed?) 614 In] W: in den Produktionen der Kunst, in (No? Ed?) 621-624 der ... selbst. so Gr 626-629 Diese ... zeige. so Gr 639-642 Das ... darstellt. so Gr

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tische Weise die Individuen Gott ehren an sich selbst, so ist es ein anderes mit der theoretischen Weise oder mit dem Bewußtsein. Also der Mensch kann sich diese Göttlichkeit zu der seinigen machen; die Gegenwart des Göttlichen kann ihn erfreuen, aber es bleibt eine jenseitige Seite zurück, nämlich innerhalb des Kreises der Zufälligkeit, innerhalb dessen, was den Menschen begrenzt, was ihm widerfährt, was er beschließen, beraten kann; hier kann der Mensch sich nicnt selbst zum substantiellen Wissen machen. Er kann den Gott an sich praktisch hervorbringen, aber das Wissen als göttliches steht ihm gegenüber. Innerhalb dieses Kreises ist das Wissen zufällig; dieses Wissen bezieht sich nicht auf das Ethische, wahrhaft Substantielle, Pflichten des Vaterlands, des Staates usf.; dies weiß der Mensch; er weiß, was die Gesetze seines Staates, seines Vaterlands sind; aber dies Zufällige weiß er nicht, kann er nicht wissen. Es gibt aber auch ein Bedürfnis, das Zufällige zu wissen, tmd dies Bedürfnis liegt in der Stufe des Selbstbewußtseins, wie wir es hier betrachten. Es ist eine häufige Erfahrung, daß die Menschen gern wissen möchten, wie diese Unternehmung ausschlagen würde. Dieses Bedürfnis hat auf dieser Stufe des Selbstbewußtseins eine wesentliche Bestimmung, I denn das Selbstbewußtsein ist noch [nicht) freie Individualität, noch nicht die in sich unendliche Subjektivität, welche sich getraut, den letzten Entschluß zu fassen in Absicht des Äußeren; es ist noch nicht die Subjektivität, die eine absolute, moralische Berechtigung in sich weiß; es ist nur freie Subjektivität des unendlichen

646 erfreuen] W1: anfeuern (Ed) 652 Innerhalb] Wz: Nach den Umständen, die ich kenne, kann ich mich zwar entschließen, aber außer diesen mir bekannten können auch andere vorhanden sein, durch welche die Realisierung meines Zweckes zunichte gemacht wird. Bei diesen Handlungen bin ich also in der Welt der Zufälligkeit. Innerhalb (Co) 656 wissen] Wz: wissen. Die Entschließung kann somit insofern nichts Festes, nichts in sich Begründetes sein, sondern indem ich mich entschließe, weiß ich zugleich, daß ich von Anderem, Unbekanntem abhängig bin. Da nun weder im Göttlichen noch im Individuum das Moment der unendlichen Subjektivität vorhanden ist, (Co) 661-662 eine wesentliche Bestimmung] so Pa; Gr: eine wesentliche Stelle W1: einen wesentlichen Einfluß (Ed)

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Selbstbewußtseins. Also so entschließt es sich, handelt und überläßt das iibrige Gott. Aber das tiefere Selbstbewußtsein hat diese Kraft, diese Gewalt in sich, den Entschluß zu fassen. Hier ist die Objektivi670 tät des Selbstbewußtseins nicht diese unendliche Gewißheit in sich selbst; daß das Selbstbewußtsein sie erhält, gehört einer höheren, gehaltvolleren Berechtigung an, nämlich dem Glauben an die Vorsehung, an die absolute Weisheit, Güte, welcher auch das einzelne Selbstbewußtsein als solches Zweck ist. Indem nun hier das Indivi675 duum noch nicht die Unendlichkeit seiner Freiheit in sich gefaßt hat, so ist für dasselbe diese Subjektivität, dieser letzte Punkt des Entschließens etwas, was außer dem Subjekt liegt. [y)] Dies ist die dritte Seite des Kultus, die Orakel; [sie sind] durchaus wesentlich in dieser Sphäre. Das letzte Wollen, die letzte 6so Entschließung, heute eine Schlacht zu liefern, heute zu reisen, zu heiraten, dies nimmt dieses Selbst Ibewußtsein noch nicht aus sich selbst; Entschließen nämlich ist diese Willkür, dieses Wollen, dieses Entschließen des Individuums. Als dieses Individuum hat es hier noch nicht diesen Wert, diese Berechtigung, ist noch nicht als unendliche 685 Subjektivität an ihm selbst gesetzt. Dies ist ein Punkt, der bei der griechischen Freiheit wesentlich in Betracht gezogen werden muß. Das Individuum, welches heiraten, dieses oder jenes unternehmen will, befragt das Orakel um Rat; aber auch der Feldherr, der ganze Staat selbst holt sich die letzte Bestimmung von außen her. Es wird 690 also irgendeine äußere Erscheinung gefordert, die bestimme. Diese äußere Erscheinung ist ein Ton, Klang, eine Stimme. Bei den Orakeln wurde keine artikulierte Antwort gegeben. Die Alten sagten: Die Stimmen der Dämonen, cx.t cpwvcx.t -rwv 8cx.tfL6vwv, sind * unartikuliert. So waren denn auch die Orakel also unbestimmter Ton 695 und andere Weise, besonders das Rauschen von Bäumen, Quellen * usf. In Dodona waren drei Arten: der Ton, den die Bewegung der Blätter der heiligen Eiche hervorbrachte; das Murmeln einer Quelle; und der Ton eines ehernen Gefäßes, das durch den Wind zum Tönen gebracht wurde. Von der anderen Seite stand eine Rute, die schlug 698-700 das ... ging.] W2: an welches der Wind eherne Ruten schlug. (Va) Ho: indem der Wind eine Rute bewegte, die eine eherne Statue in der Hand hielt.

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an das eherne Becken an, wenn ein Wind ging. Auch in Deiphi war * der Wind, der aus einer Schlucht hervorging, und das Getön des Windes, [der] am ehernen Dreifuß ausströmte, ein Hauptmoment. Später erst mußte die Pythia durch Dämpfe betäubt werden, I die dann in der Raserei Worte ohne Zusammenhang von sich ausstieß, und der Prophet war es erst, der solche unartikulierte Stimme auszu- 705 legen hatte. Er deutete auch die Träume. Auf diese Weise verhielt das Bewußtsein sich nur empfangend. In [der Höhle des Trophonius] * waren es Gesichte, die der Fragende sah. In Achaia, erzählt Pausanias, * war eine Statue des [Merkur] auf dem Markte; man zündete Weihrauch an und sagte dem Gott eine Frage ins Ohr und lief dann zum no Markt hinaus m.it verstopften Ohren, und das erste Wort, welches man hörte, nachdem man die Ohren geöffnet hatte, war die Antwort, die dann durch Deutung in Zusammenhang mit der Frage gebracht wurde. Hierher gehört auch das Befragen der Eingeweide der Opfertiere, die Deutung des Vogelflugs usf. und mehrere solche 715 bloßen Äußerlichkeiten. Man schlachtete Opfertiere, bis man eine * äußere objektive Bestätigung hatte, [eine] Entscheidung für etwas Äußerliches, dieses Äußerliche, irgendeine Äußerung. Bei den Orakeln gab es zwei Momente, die Entscheidung durch etwas Äußerliches und durch die Erklärung. Nach dieser Seite verhielt das 720 Bewußtsein sich nur empfangend, wie es im vorhergehenden die Götter an sich erscheinen machte. 700 Auch in] W folgt Ho: In ... in Ho: Auch in Delos rauschte der Lorbeer, in 708 sah] W folgt Ho: sah und ihm gedeutet wurden Ho: Gesichte, welche gedeutet wurden 718-722 Bei ... machte. so Gr 719-720 gab ... durch] W: gaben zwei Momente die Entscheidung, das Äußerliche und (Ed) 721 empfangend,] Wz: empfangend, nach der anderen Seite aber ist er als deutend selbsttätig, denn das Äußerliche an sich ist unbestimmt (Va) 722 machte.] W folgt Ho; W1: machte. Die ... Seiten. Wz: Aber ... Seiten. Ho: Aber diese Orakel als konkreter Ausspruch des Gottes sind doppelsinnig. Nach ihnen handelt der Mensch, indem er sich eine Seite herausnimmt. Dagegen tritt dann die andere auf. Der Mensch gerät in Kollision und ist jetzt sich selbst schuldig. Die Orakel sind dies, daß der Mensch sich als unwissend, den Gott als wissend setzt. Unwissend nimmt der Mensch den

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[c)] Die dritte Bestimmung des Gottesdienstes ist eine weit ernstere Bestimmung. Die erste war die Gesinnung, die zweite der Kultus, das konkrete Verhältnis, wo aber die Negativität als solche, ein selbständiges Verhalten beider Seiten, noch nicht einigetreten ist. Der dritte Gottesdienst ist der ernste, innere Gottesdienst, näher der Gottesdienst des Versöhnens. Das Göttliche soll hier an dem Inneren, an der Seele, dem Subjekt realisiert werden. Die Seele ist da vorausgesetzt als selbständig dem Göttlichen gegenüber, als negativ bestimmt gegen das Göttliche, als entfremdet dem Göttlichen. Das Einswerden kann nicht auf die unmittelbare Weise geschehen, wie in der vorhergehenden Form, sondern erfordert eine Vermittlung, worin Wesentliches, solches aufgeopfert werden muß, was sonst als fest und selbständig gilt. Dies Negative, was aufgeopfert werden muß, um die Entfremdung, die Entfernung zwischen beiden Seiten aufzuheben, dieses Negative kann betrachtet werden in gedoppelter Art. Erstens ist nämlich die Seele, als unbefangene, natürliche Seele schon ein Negatives gegen den Geist; das zweite Negative ist dann ein positives Negatives, ein Unglück überhaupt und besonders ein moralisches Unglück oder Verbrechen, und das höchste Unglück, die höchste Entfremdung des subjektiven Selbstbewußtseins gegen das Göttliche [ist] ein Verbrechen. Was das erste anbetrifft, so ist die natürliche Seele nicht, wie sie sein soll, denn sie soll freier Geist sein; Geist ist erst die Seele durch Aufhebung des natürlichen Willens, der Begierde überhaupt. Dies Aufheben, dies sich Unterwerfen unter das

Spruch des wissenden Gottes auf. Er ist somit nicht Wissen des Offenbaren, sondern Nichtwissen desselben. Er handelt nicht wissend nach der Offenbarung des Gottes, welcher als allgemein die Bestimmtheit nicht in sich [hat] und somit in ihrer Möglichkeit beider Seiten doppelsinnig sein muß. Sagt das Orakel: •Gehe hin und der Feind wird überwunden!«, so sind beide Feinde •der Feind«. Diese Offenbarung als göttlich ist allgemein und muß allgemein sein; der Mensch deutet sie als unwissend, er handelt nach ihr. Die Tat ist die seinige, so weiß er sich als schuldig. Dieser Vogelflug, das Rauschen der Eichen sind allgemeine Zeichen. Auf die bestimmte Frage gibt der Gott, der allgemeine, eine allgemeine Antwort, denn nur das Allgemeine, nicht das Individuum als solches ist der Zweck der Götter. Das Allgemeine aber (Ho: ist W: ist unbestimmt, ist) doppelsinnig, denn es enthält beide Seiten. 724-725 Kultus) W: Kultus als Dienst (Ed)

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Sittliche und ferner das Angewöhnen daran, daß das Sittliche, Geistige die zweite Natur des I Individuums wird - dies ist überhaupt Werk der Erziehung, Werk der Bildung. Aber diese Erhebung, diese Rekonstruktion des Menschen muß auf diesem Standpunkt zum Bewußtsein kommen, so daß diese Umkehrung als erforderlich erkannt wird, denn es ist dieser Standpunkt selbstbewußter Freiheit überhaupt. Wenn diese Bildung und Umkehrung als wesentliche Momente und als wesentlich Lebendiges vorgestellt werden, so gibt dies die Vorstellung von einem Wege, den die Seele zu durchlaufen hat, und hat zur Folge eine Anstalt, daß die Seele ihn auf konkrete Weise, substantiell im Leben durchlaufe und abstrakt im Inneren. Einerseits gehört dazu die Anschauung dieses Weges. Die Seele muß an ihr diesen Weg durchmachen, muß ergriffen werden von dieser Anschauung, muß verzichten auf ihre Natürlichkeit und emporkommen aus dieser Negation. Dies sind dann die Mysterien der Alten. Sie hatten zu ihrem Inhalt, daß dieser Weg, diese Umkehr, dies Sterben ein geistiges, notwendiges ist. Clemens von Alexandrien sagt: Die8e Mysterien seien voll von Götterschlachten, Taten der Götter, ihrem Begrabenwerden, aber auch ihrem Auferstehen. Der Seele ist daraus die Gewißheit ihrer Einigkeit mit dem Gott erwachsen.

756-758 daß ... Weges.] Wz: in welcher ihr die Anschauung dieses Weges gegeben wird. Soll aber für die Anschauung dieser Gang des sich Umkehrens, sich Negierens und Absterbens als absolut und wesentlich gegeben werden, so muß er in den göttlichen Gegenständen selbst angeschaut werden. Diesem Bedürfnis wird nun in der Tat durch einen Prozeß abgeholfen, der in der Anschauung der Götterwelt sich in folgender Weise ausgeführt hat. (1831? Co?) 761-763 der ... ist.] HoW: Darstellungen der Notwendigkeit dieses Weges des Geistes. 764-765 Diese ... Auferstehen.] so Pa mit Gr; Gr: die Mysterien seien ein Volk von lebenden Göttern, die Götter sterben, werden begraben und auferstehen. Ho: •Der Tod, das Begrabenwerden und Auferstehen der Götter kam in den Mysterien vor.« 765-767 Der ... erwachsen.] Wtfolgt Ho mit Gr: Was ... Gott. Ho: Was der Geist überhaupt sei wird dargestellt, und so erwuchs der Seele, indem sie sich selbst zum Geiste reinigt, die Einigkeit mit Gott.

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Der Mensch als natürliche Seele ist nicht Geist, ist nicht, wie I er sein soll, wie auch Gott als Vater nicht ist, wie er sein soll; Geist ist er 110 erst durch die Konversion; die Anschauung derselben ist wohl der Gegenstand der Mysterien gewesen, und das Subjekt, indem es diese Anschauung an sich durchmachte, sich ihr überließ, ging das Schrekken, die Furcht durch, vor der sein natürliches Wesen zurückflieht und wodurch die Freiheit des Geistes selbst hervorgeht. 775 Diese Mysterien waren geheim, aber deswegen doch schon bekannt; in die eleusinischen Mysterien waren alle Athenienser eingeweiht; sie waren geheim, mystisch in einem anderen Sinne, wie die offenbaren Lehren des Christentums Mysterien genannt worden sind, obgleich sie die Gottheit offenbarten. Das Innere, das Spekulative ist 1so das Mystische. Diese Lehren waren dann geheim, aber, wie gesagt, dies war weiter nichts als daß sie nicht zum Gegenstand des Geschwätzes, der Reflexion, der willkürlichen Phantasie gernacht werden, nicht dem Organ der Zufälligkeit, der Veränderung anheim fallen durften; [sie mußten] ein Unveränderliches, Unantastbares

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772-773 ging ... natürliches] Gr: ging das Schrecken, die Furcht durch, in die sein natürliches Pa: so ging diese Schrecken durch, der im natürlichen 777-786 sie ... Mythen.] Wz: Aber nicht in dem Sinne warenjene Anschauungen mystisch, wie die offenbaren Lehren des Christentums Mysterien genannt worden sind. Denn bei diesen ist das Mystische das Innere, das Spekulative. Geheim mußten jene Anschauungen hauptsächlich nur deshalb bleiben, weil die Griechen von ihnen nicht anders als in Mythen, d. h. nicht ohne das Alte zu verändern, hätten sprechen können. (Co) 784 durften;] Wt folgt Ho: durften. Der ... Werden. Ho: Der griechische Geist überhaupt kommt vom Orient her; den Weg, den er durchzumachen gehabt hat, stellt er sich in den Mysterien selbst vor. Er setzt sich sein Werden. in Wt.folgt ferner: Man muß nicht glauben, daß tiefe Geheimnisse dahinter verborgen gewesen seien; wobei die Vorstellung zu Grunde liegt, daß die Priester Betrüger gewe.sen seien und selbst etwas Besseres gewußt hätten; diese Meinung ist besonders von Voltaire und anderen Franzosen aufgeregt worden; aber erstens kann ein Volk im religiösen Glauben nicht angelogen und betrogen werden, denn die religiöse, ewige Wahrheit liegt im Geiste desselben, und dann sind die Priester selbst nicht über den Geist ihres Volkes hinaus. Aeschylus soll in einer seiner Tragödien etwas von den Mysterien verraten haben, nämlich Ceres sei die Tochter der Diana: Auf solches Mysterium ist weiter kein besonderes Gewicht zu legen. Das wenige, was von den

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sein. Die Griechen, wenn sie davon hätten gesprochen, so hätten sie nicht anders davon sprechen können als in Mythen. Aber der Inhalt ist gerade keine Sache für die Reflexion, für den Verstand, und auch nicht für die Phantasie. Das andere, damit Zusammenhängende ist, daß der Inhalt dieser Mysterien offenbar Vorstellungen, Traditionen der alten Naturreligionen gewesen sind; es mögen pelasgische, indisehe, ägyptische usf. Vorstellungen gewesen sein. Solche Vorstellungen sind symbolisch, d. h. die Bedeutung ist eine andere als die äußere Darstellung. Die I griechischen Götter sind nicht symbolisch; sie haben nicht eine andere Bedeutung als sie zeigen; sie sind, was sie darstellen, wie das der Begriff des Kunstwerks ist, das auszudrücken, was gemeint ist, nicht daß das Innere ein anderes sei als das Äußere. Wenn die griechischen Götter auch einen Anfang genommen haben von solchem alten Bedeutenden, so ist doch das, wozu die Poeten und andere Künstler sie gemacht haben, das Kunstwerk gewesen, welches das vollkommen ausspricht, was es sein soll. Vielfältig, besonders durch Creuzer, hat man nach dem geschichtlichen Ursprung und der Bedeutung, welche zum Grunde liegt, der griechischen Mysterien uns aufbewahrt, ist am besten durch die Franzosen Sainte-Croix und Silvestre de Sacy zusammengestellt. Allerdings scheinen in den Mysterien altertümliche Vorstellungen aufbewahrt gewesen zu sein, und der Mensch hat oft die größte Ehrfurcht vor dem, was er nicht versteht, aber eben diese Vorstellungen gehören nicht der höheren griechischen Klarheit an, sondern es sind Phantasiebilder, die sich noch nicht zur Vollkommenheit ausgebildet haben. - In den Eleusinischen Mysterien wurden besonders bildliehe Darstellungen aufgeführt, unter anderem: die Einführung der Seele in eine Wesenheit, die entfernter von ihr liegt, die Vorstellung eines Weges, den die Seele zurückzulegen hat: worin die Forderung des Abtuns von der Natürlichkeit, die Darstellung der Reinigung der Seele und die Aufnahme derselben in ein hohes mystisches Wesen zu Grunde liegt; dies scheint der Hauptinhalt der Mysterien gewesen zu sein; daranknüpft sich auch die Vorstellung von der Unsterblichkeit der Seele. Sokrates ist vom Orakel für den weisesten Griechen erklärt worden: Von ihm aus schreibt sich die (Wz: eigentliche) Umkehrung des Selbstbewußtseins der Griechen; dieser Angel des Selbstbewußtseins war nicht in die Mysterien eingeweiht; sie standen tief unter dem, was er zum Bewußtsein der denkenden W e!t gebracht hat. - der letzte Satz auch in Wz; davor in Wz: Daher kam es auch, daß die Mysterien dem Selbstbewußtsein der Griechen nicht die wahrhafte Versöhnung geben konnten. (1831)

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Götter geforscht. Wenn aber dann der Gott Gegenstand der Kunst ist, so ist nur das ein gutes Kunstwerk, was ihn darstellt. In der ägyptischen Religion ist dies geheim; da ist ein Inneres, ein Symbol. Osiris ist ein Symbol der Sonne, ebenso Hercules; seine zwölf Arbeiten beziehen sich auf die Monate. Insofern Hercules Symbol der Sonne ist [wie] Osiris, so ist das ein anderes Sein des Hercules, so ist es symbolisch; er ist so Kalendergottheit und nicht das, was er als Kunstwerk ist, nicht mehr der moderne griechische Gott. In den Mysterien, da ist also solcher Inhalt gewesen, der wesentlich symbolischer Art war; vornehmlich waren es Ceres, Demeter, Bacchus und deren Geheimnisse; wie Ceres, die ihre Tochter verloren hatte und sie sucht - das Fruchtkorn, das der Unterwelt übergeben wird, prosaisch der Saame, der ersterben muß, um sein Ansich zu erhalten und ins Leben zu bringen -, so ist der Vorgang mit dem [Einsenken] des Samens in die Erde und das Sprossen wieder selbst etl was, das symbolisch ist, detm dieser Vorgang hat dann die höhere Bedeutung, wie in der christlichen Religion, von Auferstehung, oder man kann den Sinn des Geistigen dabei haben. Dies wirft sich so herum; einmal hat dieser Inhalt die Bedeutung einer Vorstellung, eines Vorgangs, und sie selbst, die Bedeutung, kann ein anderes Mal selbst das Symbol sein für andere Bedeutung. Z. B. Osiris ist der Nil, der von der Sonne und dem Typhon, dem Glutwind, ausgetrocknet wird, aber dann wieder neu erzeugt wird; er ist aber auch Symbol der Sonne, eine allgemein belebende Naturmacht. Osiris ist aber endlich auch eine geistige Gestalt, tmd da ist denn der Nil selbst und das Wiedergeborenwerden der Sonne wieder Symbol für das Geistige. Der Inhalt der Mysterien sind solche symbolischen Darstellungen, alte Naturmächte, wo diese vorgestellt wurden- ein Vorgang, dem zugleich die notwendige geistige Bewegung entspricht. Dergleichen Symbole 804 darstellt.] W2: darstellt als das, was er ist; (Va) 805 Symbol.] W folgt Ho: Symbol, weil ... soll. Ho: Die ägyptischen Götter jedoch haben Geheimes, weil eben ihre Gestalt nicht den Sinn, der in ihr liegt, offenbart, sondern nur offenbaren so II. 813 wie] so auch W2; Gr: die 820 des ... haben.] W2: dabei haben, daß es vom Geiste gelte, dessen Ansich erst durch die Aufhebung des natürlichen Willens Blüte tragen kann. (Va)

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sind von Natur geheim. Das Innere ist noch unklar, ist erst als Sinn, Bedeutung, die noch nicht zur wahrhaften Darstellung gekommen ist. Dies ist die erste Form der Versöhnung. Die zweite Form, das andere Negative, kann dann bestimmt werden als das Unglück überhaupt, als Krankheit, Teuerung, andere Unglücksfälle. Dies Negative ist dann erklärt worden von den Propheten und in das Verhältnis einer Schuld gestellt worden, daß etwas verbrochen worden sei. Solch Negatives erscheint zuerst im Physischen, im Äußerlichen, Krankheit, Teuerung. Agamernnon hatte unJ günstigen Wind, dieser physikal.ische Zustand ist erklärt, angesehen worden als ein solches, das einen geistigen Zusammenhang hat, und also als ein Unglück, als einen Unwillen, einen Zorn der Götter, hervorgebracht durch eine Verletzung, gegen die Menschen in sich schließend. Der Blitz, Donner, Erdbeben, die Erscheinung von Schlangen usf. ist als ein solches Negatives erklärt worden, das an sich [sittlich] sei, das einer höheren, geistigen, sittlichen Macht zukomme. In diesem Fall ist diese geschehene Verletzung aufzuheben gewesen durch Opfer, daß, wenn etwas verbrochen worden ist, daß man dies wieder gutmacht, so daß der seinerseits einen Verlust übernimmt, der durch das Verbrechen sich übermütig gemacht hat; denn alles Vergehen ist ein Übermut, ist die Verletzung einer geistig höheren Macht, der dann die Demut etwas aufzuopfern hat, um sie zu versöhnen. Bei den Griechen scheint dies mehr etwas Altertümliches gewesen zu sein, wenn Agamernnon ein Menschenopfer veranstaltet, um günstigen Wind zu erhalten, daß er seine Tochter opfert. Auch 834 ist.) W folgt Ho: ist. Die ... herauszukommen. Ho: denn die Gestalt drückt den Inhalt nicht vollkommen aus, so daß er teilweise unausgedrückt zu Grunde liegen bleibt, ohne in die Existenz herauszukommen. 854 versöhnen.] W2.folgt Ho: versöhnen ... wiederherzustellen. Ho: Um das Ebenmaß herzustellen ist nach dem Übermut die Demut des Aufgebens notwendig. 855-856 wenn ... opfert.] W folgt Ho: Als ... Jungfrau. Ho: Als die Griechen wollten von Aulis abfahren und ungünstige Winde sie zurückhielten, erklärte Kalchas den Sturm für den Zorn des Poseidon, der Agamemnans Tochter als Opfer fordere. Agamernnon ist sie dem Gotte hinzugeben bereit. Diana rettet die Jungfrau. 856-857 Auch ... vor,] Ho: Bei Oedip, bei Agamenmon fmden wir sie;

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beim Sophokles kommt ein Menschenopfer vor, aber später scheint dergleichen nicht mehr vorzukommen. Während der berühmten Pest zu Athen im Peloponnesischen Krieg ist bei Thukydides nichts von Opfer, von Gottesdienst die Rede, sondern nur von einer Weissagung I von dem Aufhören, und gerade dieses Weissagen, das enthält in sich das Antiquieren solchen Opfers oder solcher Art und Weise, sich das Göttliche günstig zu machen. So wurde der Erfolg dieser Pest angesehen als etwas, was hat geschehen sollen, als eine Sache der Notwendigkeit, Sache des Schicksals, wobei dann weiter keine Versöhnung stattfinden konnte. Man sah es nun als ein Unabwendbares an. Die dritte Form der Versöhnung ist, daß das Negative ein eigentliches Verbrechen ist, so angesehen und ausgesprochen ist, nicht ein solches, worauf man erst durch die Erklärung eines äußeren Unglücks kommt. Ein Mensch also hat ein Verbrechen begangen, oder der Staat und ein Volk; so ist menschlicher Weise die Strafe die Versöhnung des Verbrechens, in Form der Rache. Hier aber hat der freie Geist das Selbstbewußtsein seiner Majestät, das Geschehene ungeschehen zu machen, in sich; äußere Begnadigung usf. ist etwas anderes; aber daß er das Geschehene in sich selbst ungeschehen machen kann, das ist das höhere Vorrecht des freien Selbstbewußtseins, wo das Böse als solches seinen Sitz hat, nicht nur die Tat ist, sondern fest ist, wirklich ist in der sündigen Seele. Die freie Seele kann sich in sich reinigen von diesem Bösen. Diese Anklänge an diese innere Umkehrung kommen in der griechischen Darstellung vor, doch ist der Charakter der Versöhnung mehr der Charakter von äußerlicher Reinigung. Auch dies aber erscheint bei den Griechen als etwas Altertümliches; von Athen sind so ein paar solcher Reinigungen I bekannt.

W2: Im Oedipus Tyrannus des Sophokles wird eine Krankheit verhängt, durch welche die Tat des Vatermörders enthüllt wird. (1831) 861 Weissagen] HoW: Appellieren an Orakel 862-863 oder ... machen.] W folgt Ho: Wird ... angesehen. Ho: Wird nämlich das Orakel um Rat gefragt, so wird der Erfolg der Pest als von Gott selbst bestimmt, als notwendig angesehen, 873 Rache.] W2jolgt Ho: Strafe ... Rache. Ho: Die menschliche Weise der Sühnung des Verbrechens ist die Strafe und roher die Rache.

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Ein Sohn des Minos war frei nach Athen gekommen und da erschlagen worden; wegen dieses Verbrechens ist eine Reinigung vorgenommen. Später wurde ein Gesandter des Epimenides namens ChiIon ebenso ermordet; da brachte sich Cratinus, ein Jüngling, freiwillig zum Opfer dar, um seine Stadt zu reinigen. Aeschylus erzählt, den Orest haben die Furien verfolgt; der Areopag habe den Orest freigesprochen; der Stein der Athene kam ihm zugute. Die Versöhnung erscheint hier als äußere Weise, nicht als innere Konversion. Aber von dieser inneren Umkehrung, die mehr auf das Christliche anspielt, da ist eine Vorstellung von Oedipus auf Kolonos, wo dieser alte Oedipus, der seinen Vater erschlagen und seine Mutter geheiratet und mit ihr Kinder erzeugt hatte und von seinen Söhnen aus der Stadt verjagt war, daß ihm sein Inneres klar wurde, [und] eine Stimme der Götter ihn selbst gerufen habe, zu kommen. Dies klingt mehr als eine reine Versöhnung des Geistes, als ein Aufnehmen in die Gnade gleichsam, wie in der christlichen Religion. Andere Opfer gehören noch mehr der äußeren Weise an, so die Totenopfer [des] Achill auf dem Grab des Patroklos. Er schlachtet so eine Anzahl Trojaner, um die Manen des Patroklos zu versöhnen durch das Blut der Feinde. Es ist, um die Gleichheit des Schicksals beider Seiten wiederherzustellen. Dies sind die Hauptzüge der Religion der Schönheit. I

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885 Ein ... gekommen] Ho: Als Theseus mit Androgeos (Ho: Andro-

theus) nach Athen kam 887 Gesandter J so Gr; Pa: 8oxijn:c; 897-898 daß ... kommen.] so Pa; Gr: bei den Göttern zu Ehren kommt, die Götter berufen ihn zu sich Ho: Sein Inneres wie sein Auge wird klar. Er wird zum Ort des Todes durch Götterstimme gerufen. 900 Religion.] in Ho folgt: aber Oedip behält noch seinen Charakter. Er verweigert dem Kreon seine Bitte, er belastet den Sohn mit seinem Fluch. 904-905 Es . . . wiederherzustellen.] Ho: Durch das Verbrechen überhaupt sind die Götter verletzt; die Herstellung dieser Versöhnung (Ho: Verletzung) ist die Anerkennung (der Verletzung Ho: derselben) und die Auslöschung durch die Reinigung. 906 Schönheit.] in W findet sich als Übergang von der Religion der Zweck-

mäßigkeit zur christlichen Religion die folgende Passage, die wahrscheinlich 1831 den Übergang von der Religion der Schönheit zur Religion der Zweckmäßigkeit gebildet hat: W: (W1: Wir haben den Olymp, diesen Götterhimmel, einen

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y) Die Religion der Zweckmäßigkeit

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In der Religion der Schönheit haben wir zwei Momente gesehen, die abstrakte, leere Notwendigkeit und außerhalb dieser die besonderen Mächte des Rechts und der Sittlichkeit, die allgemeinen Substantialitäten. Außerdem sind diese besonderen Mächte keine Abstrakta, sondern individuelle Geister, Götter, und so als individuelle Götter sind sie diese besonderen Volksgeister, wie die Athene für Athen, Bacchus für Theben, auch Familiengötter, die zugleich mitteilbar sind, zugleich auch den Charakter weiterer Allgemeinheit in sich haben und eben deshalb mitteilbar sind, auch von anderen Völkern Kreis der schönsten Gestaltungen, die je von der Phantasie aufgefaßt worden sind, betrachtet. Der Kreis dieser schönen Wesen hat W2: Der Olymp, dieser Götterhimmel und dieser Kreis der schönsten Gestaltungen, die je von der Phantasie gebildet worden sind, hatte) sich uns zugleich als freies sittliches Leben, als freier, aber noch beschränkter Volksgeist gezeigt. Das griechische Leben ist in viele kleine Staaten zersplittert, (W1: das sittliche Leben ist beschränkt auf W2: in) diese Sterne, die selbst nur beschränkte Lichtpunkte sind. (W1: Die freie Geistigkeit kann allein dadurch erreicht werden, daß diese Beschränktheit aufgehoben wird und das Fatum, welches über der griechischen Götterwelt in der Feme schwebt, an dem griechischen Staatsleben sich geltend macht, so daß diese W2: Damit die freie Geistigkeit erreicht werde, muß nun diese Beschränktheit aufgehoben werden und das Fatum, das über der griechischen Götterwelt und über diesem Volksleben in der Feme schwebt, an ihnen sich geltend machen, so daß die Geister dieser) freien Völker zu Grunde gehen. Der freie Geist muß sich als den reinen Geist an und für sich erfassen: Es soll nicht mehr bloß der freie Geist der Griechen, der Bürger dieses und jenen Staates gelten, sondern der Mensch muß als Mensch frei gewußt werden, und Gott ist der Gott aller Menschen, der umfassende, allgemeine Geist. Dieses Fatum nun (W1: ist die Zucht über die besonderen Freiheiten: Es wird dadurch realisiert, daß einer der Volksgeister sich zur allgemeinen Macht erhebt, zum Fatum über die anderen, W2: welches die Zucht über die besonderen Freiheiten ist) und die beschränkten Volksgeister unterdrückt, so daß (Wt: sie W2: die Völker den Göttern abtrünnig werden und) zum Bewußtsein ihrer Schwäche und Ohnmacht kommen, indem ihr politisches Leben von (W1: einer höheren W2: der Einen, allgemeinen) Macht vernichtet wird- dieses Fatum war die römische Welt und ihre Religion. 910-911 die allgemeinen Substantialitäten) so PaDe; Gr: und natürliche Mächte, die allgemeine, geistige, sittliche Substantialität

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verehrt werden. Es sind damit auch die Gegenstände solcher Götter besondere Städte, Staaten, besondere Zwecke, deren eine Menge sind. Die nächste Forderung des Gedankens, die nähere Notwendigkeit im Begriff ist, daß jene abstrakte Notwendigkeit sich vereinige mit dieser Besonderheit der Zwecke. Die Notwendigkeit, das Schicksal ist zwecklos; der allgemeinen Notwendigkeit, dieser Macht, der soll der Zweck, die Weisheit, Vorsorge, die in sich Bestimmung setzende Individualität gleich werden, oder jene Macht selbst I soll das Wollende sein. In der ersten Religion dieser Sphäre, in der Religion der Erhabenheit, da haben wir abstrakte Weisheit, die allgemeine Macht und Weisheit gehabt, wo die Erfüllung ein ganz einzelner Zweck, ein ganz einzelnes Volk ist, die Familie ausschließend gegen andere. In der zweiten Religion dieser Sphäre, der Religion der Schönheit, da ruhen im Schoße der Götter die vielen besonderen Mächte, und die vielen besonderen Realitäten nehmen an der Gottheit selbst teil; die vielen realen Volksgeister haben ihr Gewähren darin und sind Zwecke darin; es ist gleichsam die göttliche Aristokratie. Das dritte ist, daß ein realer Zweck es sei, der von der Macht ausgeführt werde. Zuerst ist also ein ausschließender Zweck, dann viele, und diese vielen sollen nun erweitert werden zu einem allgemeinen Zweck; dieser eine reale Zweck soll selbst Notwendigkeit, Höchstes werden. Dies ist der Begriff dieser dritten Religion. [1.] Die Notwendigkeit, das Fatum, die Macht ist das Herrsehende, und das, was mit ihm zunächst identisch gesetzt wird, ist ein Zweck selbst, aber zunächst ein empirischer Zweck, selbst äußerlicher Zweck, wie bei der Religion der Erhabenheit, aber so ein Zweck, der zunächst erhoben ist zu einer umfassenden Realität. Er ist seinem Inhalte nach empirisch; die nächste Weise der Allgemeinheit, die unvollkommene abstrakte Allgemeinheit, I ist die Erweiterung des empirischen Zwecks zur äußeren Realität. Dieser Zweck ist auf diese Weise allgemeiner weltlicher Zustand, Herrschaft der Welt, 927-929 da ... andere.] Ho: war die Einheit schlechthin (Ho: schlecht) nur mit sich selbst erfüllt und dadurch ihr realer Zweck der schlechthin einzelne (der dritte ist die Weissagung der Versöhnung, daß der Schlange der Kopf solle zertreten werden, die Verkündigung des Messias).

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Universalmonarchie. Es muß dieser Zweck sehr unterschieden werden von dem Zweck, den man auch in der mohammedanischen Religion sieht; auch in der mohammedanischen Religion ist die Herrschaft über die Welt der Zweck, aber das, was herrschen soll, ist der Eine des Gedankens. Eben wie in der christlichen Religion gesagt wird, daß Gott will, daß alle Menschen zur Erkenntnis der Wahrheit kommen sollen; auch hier ist der Zweck allgemeine Verwirklichung, aber der Zweck ist geistiger Natur, und jedes Individuum ist als solches darin als denkend, geistig, frei; es ist gegenwärtig in diesem Zweck; der ganze Zweck hat an ihm einen Mittelpunkt, ist kein äußerlicher Zweck. Es nimmt so den ganzen Umfang des Zwecks in sich selbst. Hier ist dieser Zweck dagegen noch ein äußerlicher empirischer Zweck, umfassender Zweck, aber nach empirischer Realität, also eine Herrschaft der Welt. Der Zweck, der darin ist, ist dem Individuum ein äußerer und wird es immer mehr, je mehr sich dieser Zweck realisiert, ein äußerlicher wird, so daß das Individuum nur diesem Zweck unterworfen ist, diene. Es ist zunächst an sich darin enthalten die absolute Vereinigung der allgemeinen Macht und der Einzelheit in jedem Sein, aber es ist sozusagen nur eine rohe, geistlose Vereinigung; die Macht ist nicht I Weisheit, ihre Realität ist nicht an und für sich göttlicher Zweck. Es ist nicht der Eine, mit sich selbst Erfüllte; es ist nicht im Reiche des Gedankens, daß diese Erfüllung gesetzt ist; es ist weltliche Macht, nur Herrschaft, die Weltlichkeit nur als Herrschaft; die Macht ist darin unvernünftig an ihr selbst. Zu gleicher Zeit zerfällt diese Macht des Besonderen überhaupt an sich, weil das Besondere nicht auf ver949 Es ... sehr] W2: Wie diese Bestimmung der äußerlichen Zweckmäßigkeit von der sittlichen Substantialität des griechischen Lebens und von der Identität der göttlichen Mächte und ihres äußerlichen Daseins unterschieden ist, eben so muß auch diese Herrschaft, Universalmonarchie, dieser Zweck (Ed? Co?) 953 Gedankens] W: Gedankens von der israelitischen Religion her (Ed) 954 zur Erkenntnis] W2: zum Bewußtsein 967 Einzelheit ... Sein] W 1 : allgemeinen Einzelheit in jedem Sein (Ed) W2: allgemeinen Einzelheit (Ed) 973-974 Zu ... sich,] so Pa; Gr: Gegen die Macht zerfällt darum das Besondere,

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nünftige Weise darin aufgenommen ist; es ist außer jener Einheit, ein 975 ungöttlicher Inhalt, Selbstsüchtigkeit des Individuums und Befriedigung in ungöttlicher Weise, in besonderen Interessen. Sie ist außer der Vernw1ft; die Herrschaft steht kalt, selbstsüchtig auf einer Seite und auf der anderen ebenso das Individuum. Dies ist der allgemeine Begriff dieser Religion; es ist darin die 980 Forderung des Höchsten an sich gesetzt, Vereinigung des reinen Insichseienden und des Zweckes der Besonderheit in seiner Bestimmtheit, aber diese Vereinigung ist diese ungöttliche, rohe. 2. Das zweite ist die Gestaltung des Gottes und der Götter hier. Es ist hier eine Religion der Zweckmäßigkeit und eines Zweckes, der 985 nicht an und für sich der göttliche, der I geistige ist; die Zweckmäßigkeit ist deswegen eine äußere Zweckmäßigkeit überhaupt. In der Anschauung des Wesenhaften ist die Ernsthaftigkeit ein Grundzug gegen die Heiterkeit der vorhergehenden Religion, denn ein wesentlicher Zweck ist die Inhaltsbestimmung. Bei den vorher- 990 gehenden Göttern, der abstrakten Notwendigkeit und den besonderen schönen göttlichen Individuen, ist Freiheit der Grundcharakter, die diese Heiterkeit, Seligkeit ist. Sie sind nicht an einzelne Existenz gebunden; sie sind wesentliche Mächte und sind zugleich die Ironie über das, was sie tun wollen; an dem einzelnen Empirischen 995 ist ihnen nichts gelegen. Die Ernsthaftigkeit, welche aus dem Zweck hervorgeht, ist ein Grundzug in Ansehung der römischen Religion. Dionysius von Halikarnaß (Creuzer: Symbolik Band 2) vergleicht * die griechische und römische Religion; er preist die religiösen Einrichtungen Roms und zeigt den großen Vorzug der altrömischen 5 Religion vor der griechischen. Sie hat Tempel, Altäre, Gottesdienst, Opfer, Gottesfrieden, Feste, Symbole usf. mit der griechischen gemein, aber ausgestoßen sind I die Mythen mit den blasphemischen Zügen, den Verstümmelungen, Gefangenschaften, Kriegen, Händeln usf. der Götter. Diese gehören aber zur Gestaltung der Heiterkeit der to Götter; sie geben sich preis; es wird mit ihnen Komödie gespielt, aber sie haben darin ihr unbekümmertes, sicheres Dasein. Beim Ernst 977 in besonderen Interessen] so Gr; Pa: äußerlich vereinzelte Zwecke 990-1 Bei ... gelegen. so Gr 7-14 mit ... gemäß, so Gr

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muß auch die Gestalt, die Handlungen, Begebenheiten heraustreten, dem Prinzip gemäß; hingegen in der freien Individualität, da sind noch keine solchen festen Zwecke, solchen Verstandesbestimmungen; die Götter enthalten das Sittliche, sind aber nicht eine einseitige, sittliche Verstandesbestimmung, sondern sie sind zugleich in ihrer Bestimmtheit; sie haben einen Hauptzug in ihrem Charakter, sie sind reiche Individualitäten, sind konkret. In dieser reichen Individualität, da ist das, was die Ernsthaftigkeit des Charakters heißt, keine notwendige Bestimmung; die reiche Individualität ist vielmehr frei in der Einzelheit ihrer Äußerung; sie kann sich auf leichtsinnige Weise in allem herumwerfen und bleibt, was sie ist. Die Geschichten, welche als unwürdig erscheinen, spielen an auf allgemeine Ansichten der Natur der Dinge, der Erschaffung der Welt usf.; sie haben ihren Ursprung in I alten Traditionen, in abstrakten Ansichten über den Prozeß der Elemente. Das Allgemeine der Ansicht ist verdunkelt, aber es wird darauf angespielt, und in dieser Äußerlichkeit, Unordnung, wird der Blick in das Allgemeine der Intelligenz erweckt. In einer Religion dagegen, wo der bestimmte Zweck die Macht ist, da verschwindet diese Rücksicht auf alle theoretischen Gesichtspunkte der Intelligenz. Dergleichen Theogonien usf. und was daraus entsprungen ist, dergleichen Allgemeines fmdet sich in der Religion der Zweckmäßigkeit nicht. Das zweite ist nun, daß der Gott hier einen bestimmten Inhalt hat, und dieser ist angegeben als die Herrschaft der Welt; es ist empirische Allgemeinheit, die nicht eine sittliche, eine geistige ist, sondern eine reale Allgemeinheit, die nicht geistig ist, wie in der christlichen und mohammedanischen Religion. Der Gott ist hier das Herrsehende, das die Welt Beherrschende, und er hat seine Realität an diesem Volk; dies ist erfüllt, begeistert für diesen Gott. Es ist nur eine abstrakte Herrschaft; es ist nur eine kalte Herrschaft; es ist nur Macht als solche. Dies ist also die römische Religion; deren Bestimmungen haben wir in ihrem Geiste hier vor uns. Diese Herrschaft, dies Herrsehende, das ist I nur die Roma überhaupt, und die Herrschaft, das ist 23-29 Die ... erweckt. so Gr 32-33 Dergleichen ... ist,] so Pa; Gr: Theorien Ho: Diese Theogonie verschwindet hier ebenfalls.

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die Notwendigkeit oder das Glück. Es war in Rom ein Tempel der Fortuna publica gewidmet. Dies Herrschende hat auch die Gestalt des Jupiter; er hat aber eine andere Bedeutung als Zeus; er ist wesentlich Jupiter capitolinus. Der Zeus, der ist Herrscher der Götter und der Menschen überhaupt, aber dieser Jupiter capitolinus ist der so reale Herrscher der existierenden Menschen; er ist also im realen Sinn der Herrscher. Dies ist die allgemeine Grundbestimmung, der das übrige unterworfen ist. Das zweite ist dann, daß auch die besonderen Mächte hervortreten. Es ist schon vorher bemerkt, daß die abstrakte Herrschaft des 55 römischen Staates die göttliche Notwendigkeit ist. Das Besondere, das Konkrete überhaupt ist deshalb außerhalb dieser abstrakten Herrschaft. Dieses Besondere erscheint zum Teil in der Weise, wie die griechischen Götter erscheinen, aber wir fmden sie hier nicht in ihrer schönen freien Individualität, nicht auf diese unbefangene heitere 60 Weise, sondern gleichsam grau, weil man noch nicht weiß, wo sie herkommen, oder weil man weiß, daß sie bei bestimmten Gelegenheiten entstanden sind. I Sie haben hier keinen rechten Sinn, und besonders müssen wir unterscheiden, wie sie von den späteren Dichtem aufgenommen worden sind in ihrer gemachten Poesie, wie bei 65 Vergil, Horaz. Bei Vergil scheinen die griechischen Vorstellungen ganz nachgemacht, knechtisch leblos nachgeahmt, und so erscheinen sie entlehnt, mehr oder weniger geistlos; sie treten auf wie eine Ma- * schinerie, wie sie auch in den neueren Machwerken der Franzosen als lederne Gestalten, Maschinen vorkommen. Es hat deshalb die römi- * sehe Gestalt die Neueren mehr angesprochen als die griechischen Götter, weil sie mehr als leere Verstandesgötter auftreten, die der herabgesetzten, nicht mehr freien, nicht mehr lebendigen Phantasie angehören. Andere Besonderheiten, die zweite Weise der Besonderheiten, sind ein Inhalt, der dem gemeinen Bedürfnis des Lebens ganz 75 angehört. Außer jenem allgemeinen Zweck, diesseits desselben, liegendie besonderen Zwecke der Individualität, der Häuslichkeit, und die Bedürfnisse der Häuslichkeit, dies so als ein Wesenhaftes vorgestellt, erscheint als ein Gott, dessen Inhalt aber mehr eine praktische Nützlichkeit ist. Es sind so die gemeinen Bedürfnisse, die Künste des so Verstandes als etwas Wesentliches, als Götter angesehen worden, mit einem Inhalt, der ganz untergeordnet ist und sich auf das tägliche

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Leben bezieht, woran das I Religiöse dann nur die Form ist, daß diese Zwecke die leere Gestalt von W esentlichkeiten erhalten haben. Etwas besser in dieser Sphäre sind die Laren und Penaten, die Familiengeister. Sonst sind es die gemeinen Bedürfnisse überhaupt, die hier den Inhalt für die Götter abgeben. Es muß erinnert werden, daß der Staat, die Herrschaft der Welt, die eine Seite ist; dies ist die abstrakte Macht, welche drückend, lastend für die Individuen ist, sie aufzehrt, aufopfert; gegenüber, wo das Individuum zu einer Subjektivität, zu einem freien, sich selbst genießenden Bewußtsein kommt, da ist dann ein einfach ungebildeter Naturzustand. So ist auf der einen Seite der harte Staat und auf der anderen ein ungebildeter Zustand. So schwebt in dieser Religion die Zeit des Saturnus vor und Beschäftigungen, die einem solchen Zustand angehören, die sich auf einen solchen Naturzustand beziehen. Die Zeit des Saturnus ist ein seliges, glückliches Naturleben. Eine Menge ihrer Feste beziehen sich darauf, Saturnalien, Lupercalien, bäuerisches, ländliches Leben, und die Bedürfnisse, Künste usf., die in diesem Zustand Platz haben, sind dann wesentliche Zustände, wesentliche Zwecke, die zu einem göttlichen erhoben worden sind. So haben die Römer eine Menge Fruchtbarkeits- und Gewerbsfeste I und -Götter gehabt, z. B. Jupiter pistor. Jupiter ist überhaupt nomen appellativum; es gibt dreihtmdert bis vierhundert des Namens, ebenso Juno; Jupiter stator, capitolinus usf. Jupiter pistorist der Gott der Bäcker, indem die Kunst zu backen eine göttliche Wohltat war. So hatten sie eine Göttin Fornax, die Ofengöttin, die Kunst, das Getreide im Ofen zu dörren; so eine Göttin Vesta, welche das besondere Feuer beim Brotbacken war. Sie hatten Schweine-, Schaf- und Stierfeste, Palilia, Feste der Göttin des Viehfutters. Auch in Beziehung auf den Staat wurden solche Nützlichkeiten als wesentlich verehrt, so Juno moneta, indem das Münzen ein solches Wesentliches ist. Merkur hat dann eben solche Bestimmungen. Der politische Gott ist der Jupiter capitolinus. So gibt es den Jupiter latialis, insofern er Latium beschützt, den Jupiter stator, der die Römer auf der Flucht stehen machte. Die Vorstellung der Zeit des Saturnus wurde beson109-110 Sie ... Stierfeste,] Ho: ebemo sind Ambarvalien, Suovetaurilien

Feste,

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ders in den Festen, Saturnalien gdeiert, worin der Unterschied von Armen und Rei~hen aufgehoben war. Hieran knüpften sich noch andere Gottheiten an, schädliche Mächte und auch allgemein nützliche Mächte, Zustände überhaupt, die in der Form von selb Iständigen Göttern gefaßt und so verehrt wurden. Ein Inhalt, der eben so phantasielos ist, ist die Göttin Pax, Tranquillitas, ein prosaischer Inhalt; die Göttin Vacuna, die nichts zu tun hat, alsdann schädliche Mächte, wie Febris, das Fieber, auch Robigo, der Brand im Korn, die Pest, Sorge und Kummer. Es ist für uns schwer zu fassen, wie dies göttlich verehrt werden kann. Es ist irgendein Inhalt, der jedoch für das gemeine Bedürfnis wesentlich erscheint, ein Zustand, der ohne Phantasie aufgdaßt und für sich mit Verlust aller Idee, aller lebendigen Phantasie festgestellt worden ist. An diesen prosaischen Zustand der Macht knüpft sich, daß die Römer auch ihre Kaiser späterhin als Götter verehrt haben. So ein Individuum, der Kaiser, war allerdings eine Macht über sie, wichtig und mit mehr Wirkung als Febris, Robigo usf., konnte einen schlimmeren Zustand als diese Mächte hervorbringen. Dies ist die Weise der Gestaltung. Hinzuzufügen ist noch, daß alle diese Gestaltungen der allgemeinen, realen Macht unterworfen sind; sie treten zurück gegen die allgemeine, schlechthin wesentliche Macht der Herrschaft, der Größe des Reichs, die sich über die ganze bekannte gebildete Welt ausdehnt; in dieser allgemeinen Macht ist das Schicksal dieser zur Göttlichkeit erhobenen Besonderungen die I Notwendigkeit, daß sie in dieser abstrakten Allgemeinheit obmittiert werden, untergehen, ebenso wie auch die lebendigen individuellen göttlichen Geister - daß diese erliegen, erdrückt werden unter dieser einen abstrakten Herrschaft. Rom wird zum Pantheon, wo alle Götter aller Völker nebeneinander aufgestellt werden und sich so gegenseitig auslöschen; alle stehen unter dem einen Jupiter capitolinus, dieser einen Notwendigkeit, oder unter der einen Rorna, Fortuna. Dies kommt auch in einzelnen mehr empirischen Zügen vor; bei Cicero, da fmden wir diese kalte Reflexion über die Götter. Diese kalte Reflexion ist hier die subjek123 Vacuna ... hat,) Ho: Paounia ( !) (Zustand der Beschäftigungslosigkeit) 148 Cicero) Ho: Cicero (De natura Deorum III)

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tive Macht über sie. Er macht eine Zusammenstellung ihrer Genealogie, ihrer Schicksale, Taten usf., zählte viele Vulcane, Apollo, Jupiter auf und stellt sie zusammen; dies ist die Reflexion, die Vergleiche anstellt und dadurch, was sonst feste Gestalt hat, zweifelhaft und schwankend macht. Die Nachrichten, welche er in der Abhandlung De natura Deorum gibt, sind in anderer Rücksicht von der größten Wichtigkeit, z. B. in Rücksicht auf das Entstehen der Mythen, aber zugleich werden die Götter damit durch die Reflexion über sie herabgesetzt, und die bestimmte Darstellung geht verloren; Unglaube und Mißtrauen wird gesetzt. Wir sehen die Römer I so Großgriechenland, Sizilien erobern, die Tempel plündern und zerstören und ganze Schiffsladungen von Göttern nach Rom schleppen. In Rom ist diese Toleranz; alle Religionen kommen da zusammen und werden vermischt, syrische, ägyptische, jüdische, christliche, griechische, persische Religion, Mithrasdienst - nach allem diesen greifen sie, und eben in dieser Vermengung geht das Gestalten selbst, diese Partikularität, die der Kunst, der Phantasie angehört, verloren, und es ist damit auch gesetzt ein Suchen nach etwas Festerem. 3. Kultus. Die Momente desselben sind näher zu betrachten. Das erste ist die Gesinnung. Was wir in dieser Religion haben, sind empirisch vorhandene Zwecke; der eine große Zweck ist die Herrschaft der Welt; das Pathos im Subjekt für diese Herrschaft ist das, was die Römertugend, die Gesinnung genannt worden ist. Dies ist das einzige Interesse; alles Lebendige, alle Eigentümlichkeit des sittlichen Lebens muß dieser einen Herrschaft aufgeopfert werden, der Notwendigkeit; und das Subjekt hat nur Wert, insofern es sich [als] das, was es ist, diesem widmet, darauf konzentriert - die Erhaltung des Staates. Dies ist die sogenannte Römertugend; sie sind darin frei; das ist es, was ihr wahrer Wille ist, worin das Subjekt als solches sich selbst findet, Gesinnung überhaupt. Aber diese Gesinnung ist sozusagen politisch, nicht unmittelbar religiöse Gesinnung als solche, das Höchste I der Gesinnung der Wirklichkeit. Religiöse Gesinnung als solche ist, daß das Allgemeine überhaupt, die Herrschaft den Göttern verdankt werde, der Fortuna, Juno, dem Jupiter, einer an und für sich seienden Macht angehört, darin anerkannt und verehrt ist. Das zweite Moment in der Gesinnung ist, daß außer dieser einen Herrschaft, außer diesem Zweck der Mensch als Konkretes noch

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viele andere Zwecke, Interessen, Wünsche hat, und hier, daß der reale weltliche Zweck eingebildet ist in das Unendliche, daß die Macht als zweckmäßig wirkend, die realen Zwecke wollend vorgestellt wird; so hat die Gesinnung Zwecke; es sind empirische Zwekkc, bedingte, endliche, weltliche, äußere Zwecke, nicht an und für sich seiende. Diese bedingten äußeren Zwecke haben eine Macht hinter sich, in sich, die diese Zwecke dem einzelnen Menschen in einzelnen Fällen gewähren kann; es finden daher Bitten, Anrufungen an die Götter und Dankbarkeit gegen dieselben in Fällen der Gewährung statt. Dann ist diese Religion eine Religion der Abhängigkeit; das Gefühl derselben, der Unfreiheit ist das Herrschende. In jener Herrschaft weiß der Mensch sich frei, aber es ist doch so ein dem Individuum äußerlich bleibender Zweck; auch die Römertugend ist so ein äußerlicher Zweck, nicht ein Zweck, den er in seinem Geist konkret realisieren kann. Noch mehr aber sind dies die besonderen Zwecke, und in Ansehung derselben findet dann wesentlich das I Gefühl der Abhängigkeit statt. Die Römer werden von Cicero die frommste Nation genannt, die immer an die Götter denke, sich immer an sie wende, ihnen alles verdankt usf. Es beginnt hier die Art der Frömmigkeit, die die unsterblichen Götter anruft, ihnen dankt usf., die aber in diesem Verhältnis nicht frei ist, weil der Inhalt dessen, was sie anruft, ein endlicher und beschränkter ist. Es ist hier der Boden des Aberglaubens, der Unfreiheit. Wenn der Inhalt beschränkt, endlich ist, so befindet sich das Selbstbewußtsein, was den Inhalt empfangen will, ihn zum wesentlichen Gegenstand macht, in der Sphäre der Abhängigkeit, auf dem Boden der Unfreiheit. Die Religion als Religion ist wesentlich Anschauung, das Bewußtsein des unendlichen Wesens, das unbeschränkt in sich ist und in dessen Anschauung der Mensch sich nur insofern bewußt wird, als er beschränkte, endliche Interessen, Wünsche, Hoffnungen aufgibt. Seine Religion ist nur insofern abhängig, insofern er nicht rein theoretisch die Idee, das Substantielle, das unbeschränkt ist, zu seinem Gegenstand hat. Hier ist also in dieser Religion das Gefühl der Abhängigkeit wesentlich Aberglauben, weil es

198 aber ... so] Wz: aber das, worin er sich selbst besitzt, ist (Va)

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sich hier um beschränkte, endliche Zwecke handelt und solche als absolute Zwecke, Gegenstände behandelt werden, die ihrem Inhalt nach beschränkt sind. So ist diese Religion eine Religion der Unfreiheit. Das zweite, der eigentliche Kultus, fällt zum Teil in die Form, die wir früher gesehen haben. Ein eigentümlicher Hauptzug ist, I daß die Götter verehrt werden, anerkannt in Rücksicht auf Zwecke, die erreicht werden sollen. Die Römer verehren die Götter, weil sie sie brauchen, also vornehmlich in der Not, Angst, d. h. da der Mensch sein borniertes Interesse wesentlich erhalten haben will. So sehen wir auch die Anrufung dieser Götter in der Not nicht nur, sondern auch die Einführung neuer Götter in besonderen Nöten, Gelübde, diesen neuen Tempeljenem neuen Gott zu weihen. Es ist insofern der Kultus eine fortgehende Theogonie, allgemeine Notwendigkeit der Götter; diese ist real bei einzelnen Siegen, Triumphen, Begebenheiten, einzelnen Vorfällen usf. Das Göttliche ist nicht die wahrhafte, ewige, an und für sich sittliche Macht; das Glück ist das Unbestimmte; die Herrschaft der Macht existiert nur durch besondere Siege, als Folge besonderer Begebenheiten, als Zustandebringung besonderer Zwekke. Es sind gleichsam die besonderen Nöte, die besondere Götter brauchen und herbeibringen. Theogonie ist das Entstehen so besonderer Kinder der Notwendigkeit. Dahin gehört denn, daß auch anderes Göttliches im Dienste dieses realen Zwecks der Herrschaft ist; die Römer bedienten sich der Auspizien; die Orakel, die Sibyllinisehen Bücher usf. befinden sich in den Händen des Staats, der Magistrate. Anzuführen sind noch die besonderen Feste und Spiele. Bei einer Religion, die keine Lehre hat, sind es besonders die Darstellungen der Feste und Schauspiele, wodurch I die Wesenheit des Gottes den Menschen, der Gemeinde vor Augen gebracht wird. Die Schauspiele haben in solcher Religion eine ganz andere Wichtigkeit als bei uns. 242-246 Dahin ... Magistrate.] W folgt Ho: So ... Interessen. Ho: So ist die Notwendigkeit überhaupt der empirischen Einzelheit eingebildet; diese ist göttlich, und es entsteht mit dem Aberglauben als Gesinnung identisch ein Kreis von Orakeln, Auspicien, Sibyllinischen Büchern, welche einerseits dem Staatszweck dienen, andererseits den partikulären Zwecken.

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Wie die Römer griechische Götter aufgenommen haben, so haben sie auch griechische Spiele und Schauspiele angenommen. Eigentümlich ist eines, die Schauspiele, die in nichts anderem bestanden als im Schlachten von Tieren und Menschen, Vergießen von viel Strömen von Bluts, Kämpfen auf Leben und Tod. Diese Schauspiele machen gleichsam die höchste Spitze dessen aus, was ihnen zur Anschauung gebracht werden konnte; es ist kein Interesse der Sittlichkeit hier vorhanden, nicht die tragische Konversion, die zu ihrem Inhalt Unglück sittlichen Gehalts hat, sondern die ganz trockene Konversion des Todes. Diese Spiele sind bei den Römern so ins Ungeheure getrieben, daß Hunderte von Menschen, vierhundert bis fünfhundert Löwen, Tiger, Elefanten, Krokodile von Menschen gemordet wurden, die mit ihnen kämpfen mußten tmd sich auch gegenseitig ermordeten. Was ihnen hier vor Augen gebracht wird, ist wesentlich der Prozeß dieses geistlosen Todes, Mordens, durch unvernünftige Willkür gewollt, den anderen zur Augenweide dienend- Notwendigkeit, die bloß Willkür ist, Mord ohne Inhalt, der nur sich selbst zum Inhalt hat. Es ist dies und die Anschauung des Schicksals das Höchste, das kalte Sterben durch leere I Willkür, nicht natürlichen Todes, noch durch äußere Notwendigkeit der Umstände, noch die Folge der Verletzung von etwas Sittlichem. Sterben ist so die einzige Tugend, die der edle Römer ausüben konnte, und diese teilt er mit Sklaven und zum Tode verurteilten Verbrechern. Diese beiden Extreme stehen hier gegeneinander, das Endliche, Zeitliche als solches, daß die besondere Person absoluter Zweck ist, und dann, daß sie gar nichts ist, ein Spiel in der Hand der bloßen Willkür. Beiden steht gegenüber die gegenwärtige Macht über diese Endlichkeit; dies ist der Kaiser, das Individuum, eine Willkür, die ohne Recht, ohne Sittlichkeit zu sein braucht. Es ist unter den besten Kaisern den Römern nicht besser gegangen als w1ter den schlechtesten; unter Dornitian ging es den Völkern besser als unter den edelsten Kaisern. Es ist dies also, da ist die Fortuna, der Tod, der leere, kalte Tod, und das Individuum, das die Macht war, die Individualität des Kaisers. Dies sind die Hauptmomente der Religion der Zweckmäßigkeit. Wenn wir noch eine allgemeine Reflexion über den betrachteten Standpllilkt anstellen, so sehen wir, daß die Stufe diese ist: Die Wlendliche Macht, die absolute Negativität des Begriffs hat einen

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Zweck, bestimmt sich, und keinen beschränkten Zweck, sondern einen allgemeinen Zweck, aber einen allgemeinen, der zugleich nur ein endlicher ist; selbst in seiner Objektivität zusammengefaßt ist er nur diese Herrschaft. Nach dem besonderen Inhalt desselben, so I sind es diese Endlichkeiteil überhaupt. Es ist damit das Endliche als absoluter Zweck gesetzt, und so ist es das Fürsichseiende, nicht Ideelle, nicht aufgehoben in der unendlichen Idealität gesetzt, sondern für sich Geltende. Dies ist das bestimmte Moment dieses Standpunkts; es ist wesentlich notwendig. Wir haben gesagt, die Endlichkeit ist es, die zur Unendlichkeit gemacht ist; das Endliche ist abstrakt; näher ist es das subjektive Selbstbewußtsein überhaupt, der endliche Geist. Dieses subjektive Selbstbewußtsein ist es, was jetzt schlechthin als das Wesentliche gilt; es ist die Herrschaft der Welt, der endliche Zweck überhaupt; dieser ist nur vorhanden, ist nur gegenwärtig, hat seinen reellen Sinn nur, indem er die Existenz, die Vollführung der Zwecke des Selbstbewußtseins ist. Es ist also insofern die Verunendlichung der Subjektivität als solcher. Der nähere Ausdruck der unendlichen Subjektivität als solcher ist die Persönlichkeit, die Bestimmung, die der Mensch hat als Person im Recht. Der Mensch als Person hat Eigentum, Recht des Besitzes; es ist die Person, die überhaupt anerkannt wird, aber es ist nur die abstrakte Person überhaupt, nur die abstrakt rechtliche, die des Eigentums fähig ist; weiter geht sie nicht; da gelte ich als unendlich, als unendliche Beziehung meiner auf mich selbst, bin das absolute Atome, das auf sich beruht. I Dies ist die nähere Bedeutung der Bestimmung, die so ausgedrückt ist, daß das Endliche im Unendlichen ist. Aber so, wie das Endliche als Subjekt gefaßt ist, so ist es noch in seiner Unmittelbarkeit genommen, ist absolutes, aber abstraktes Fürsichsein, und so weit haben wir diese Seite zunächst hier. Diese Persönlichkeit oder diese Unendlichkeit des Subjekts muß aber auch in höherer Bestimmung genommen werden, wie die Persönlichkeit des Subjekts der Idee angehört, nicht wie sie nur als unmittelbare Person ist. Was diese Bestimmung an sich ist, ist eben die unendliche Form, nicht die Subjektivität als diese 293-296 als ... Geltende.] so Gr; Pa: und das Unendliche ist in das Endliche eingebildet; das Endliche ist das Bleibende, welches für sich als Endliches überhaupt gilt.

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unmittelbare Person, sondern so ist es die Subjektivität als solche, die absolut unendliche Form, das sich Wissen und das sich Wissende überhaupt, das sich in sich Unterscheidende und gegen anderes Unterscheidende. Diese unendliche Subjektivität, die unendliche Form ist, ist das Moment, welches für die Substanz, für die Macht gewonnen ist; es ist das, was der Macht, was dem Gott der Substantialität noch gefehlt hat; es ist die Bestimmung seiner in sich als unendliche Subjektivität. Subjektivität überhaupt haben wir in der Macht gehabt, aber die Macht hat nur einen einzelnen Zweck oder hat mehrere einzelne Zwecke, aber I ihr Zweck ist noch nicht unendlich; nur die unendliche Subjektivität hat einen unendlichen Zweck, d. h. sie ist sich selbst der Zweck, und nur die Innerlichkeit, diese Subjektivität als solche, das ist ihr Zweck. Diese Bestimmung macht denn abstrakt das aus, was der Geist ist. Der Geist ist nur, insofern er als Geist gesetzt ist, sich in sich dirimiert, sich in sich zum Zweck seiner selbst macht; aber indem er sich zum Zweck seiner selbst macht, so unterscheidet er sich zunächst von sich, und dies von ihm Unterschiedene ist sein Zweck, seine Realität, seine Bestimmung. Dies, was er von sich unterscheidet, ist selbst auch Geist; es ist die Seite der Realität, die Seite der Bestimmtheit, die in sich für sich unendlich ist. Sie ist bestimmt als das Andere, aber indem bestimmt ist, daß die Existenz in sich selbst absolut ist, ist auch damit gesetzt, daß der Geist für den Geist ist. Dies ist die abstrakte Bestimmung, zu der wir gekommen sind und durch die wir zur christlichen Religion übergehen. I

326 Moment] W2: große Moment (Va) 335 macht ... ist.] W2: des Geistes ist also in der römischen Welt gewonnen. (Va? Ed?) 342-344 Sie ... ist. so Gr

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DIE BESTIMMTE RELIGION nach der Vorlesung von 1827

Hierher gehören die besonderen Religionen, bestimmten Religionen, die Religion in ihrer Bestimmtheit; es sind bestimmte, besondere, 1 Die Bestimmte Religion] BoHu: Die Religion in ihrer (Hu: seiner) Bestimmtheit An: Religion in ihrer Bestimmtheit 3 Hierher] in W die folgende Einleitung zur Vorlesung 1831: Der nächstliegende Sinn der bestimmten Religion ist der, daß die Religion überhaupt als Gattung genommen sei und die bestimmten Religionen als Arten: Dieses Verhältnis von Gattung zu Arten ist einerseits ganz richtig, wenn in anderen Wissenschaften vom Allgemeinen zum Besonderen übergegangen wird: Das Besondere ist aber da nur empirisch aufgenommen, es fmdet sich, daß es diese und jene Tiere, dieses tmd jenes Recht gibt. In der philosophischen Wissenschaft darf nicht so verfahren werden, das Besondere darf nicht zu dem Allgemeinen hinzutreten, sondern das Allgemeine selbst entschließt sich zum Bestimmen, zum Besonderen; der Begriff teilt sich, er macht eine ursprüngliche Bestimmung aus sich. Mit der Bestimmtheit iiberhaupt ist sogleich Dasein und Zusammenhang mit Anderem gesetzt; was bestimmt ist, ist für Anderes, und das Unbestimmte ist gar nicht da. Das, wofür die Religion ist, das Dasein derselben, ist das Bewußtsein. Die Religion hat ihre Realität als Bewußtsein. Dies ist unter Realisierung des Begriffs zu verstehen: Der Inhalt wird dadurch bestimmt, daß und wie er fiir das Bewußtsein ist. Unser Gang ist folgendf'r: Wir haben damit angefangen, den Begriff der Religion, die Religion an ~ich zu betrachten; das ist sie für uns, wie wir sie gesehen haben, ein Anderes ist es, (Wt: wie sie zum Bewußtsein kommt W2: daß sie sich zum Bewußtsein bringt) .... Erst in der wahrhaften Religion wird es gewußt, was sie an und für sich ist, was ihr Begriff ist; die wirkliche Religion ist dem Begriff angemessen. Wir haben jetzt den Gang zu betrachten, wie die wahrhafte Religion entsteht; die Religion ist in ihrem Begriff ebenso noch keine Religion, denn sie ist wesentlich nur im Bewußtsein als solche vorhanden. Diesen Sinn hat das, was wir hier betrachten, das sich Realisieren des Begriffs. Der Fortgang des Realisierens ist im allgemeinen angegeben worden: Der Begriff ist als Anlage im Geist, er macht die innerste Wahrheit desselben aus, aber der Geist muß dazu kommen, diese Wahrheit zu wissen: Dann erst ist die wahrhafte Religion wirklich. Man kann von allen Religionen sagen, sie seien Religionen, (Wt: wenn sie aber noch beschränkt sind, so entsprechen sie W2: und entsprechen dem Begriff der Religion, zu gleicher Zeit aber, indem sie noch beschränkt sind, entsprechen sie)

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Bestimmte Religion {1827)

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damit endliche Religionen, die ethnischen Religionen überhaupt. s Wir haben bisher von Gott überhaupt gesprochen, vom Bewußtsein Gottes, der Beziehung auf Gott, dem menschlichen Wissen des göttlichen Geistes in sich und seiner im göttlichen Geist. [Diese Beziehungen] sind nur als unbestimmte Vorstellungen angegeben worden; wir wollen sie aber in unserem Bewußtsein haben. (Das dritte to ist die absolute Religion, der edüllte Begriff der Religion, die Religion in ihrer Ausführlichkeit ausgeführt.) In der bestimmten Religion ist es erst, daß Bestimmungen in jenes allgemeine Wesen hineinkommen; hier erst fängt das Erkennen von Gott an; durch die dem Begriff nicht: Doch aber müssen sie ihn enthalten, sonst wären sie nicht Religionen; der Begriff aber ist auf verschiedene Weise in ihnen vorhanden, sie enthalten ihn nur zuerst an sich. Diese (Wz: bestimmten) Religionen sind nur besondere Momente des Begriffs, und eben damit entsprechen sie dem Begriff nicht, denn er ist nicht wirklich in ihnen. So ist der Mensch zwar an sich frei, die Afrikaner, Asiaten aber sind es nicht, weil sie nicht das Bewußtsein dessen haben, was den Begriff des Menschen ausmacht. Die Religion ist nun in ihrer Bestimmtheit zu betrachten; das Höchste, das erreicht wird und werden kann, ist, daß die Bestimmtheit der Begriff selbst ist; wo also die Schranke aufgehoben und das religiöse Bewußtsein nicht vom Begriff unterschieden ist - dies ist die Idee, der vollkommen realisierte Begriff, davon kann aber erst im letzten Teil die Rede sein. Es ist die Arbeit des Geistes durch Jahrtausende gewesen, den Begriff der Religion auszuführen und ihn zum Gegenstand des Bewußtseins zn machen. Der Durchgang in dieser Arbeit ist, daß von der Unmittelbarkeit und Natürlichkeit ausgegangen wird, und diese muß überwunden werden. Die Unmittelbarkeit ist das Natürliche: Das Bewußtsein ist aber Erheben über die Natur; das natürliche Bewußtsein ist das sinnliche, wie der natürliche Wille die Begierde ist, das Individuum, das sich will nach seiner Natürlichkeit, Besonderheit - sinnliches Wissen und sinnliches Wollen. Die Religion aber ist das Verhältnis von Geist zu Geist, das Wissen des Geistes (W1: von Wz: vom Geiste in) seiner Wahrheit, nicht in seiner Unmittelbarkeit, Natürlichkeit. Das Bestimmen der Religion ist der Fortgang von der Natürlichkeit zum Begriff: Dieser ist zunächst nur das Innere, das Ansieh, nicht das Heraus des Bewußtseins. - Über diese Zweideutigkeit, daß der Begriff ursprünglich ist, daß aber seine erste Existenz nicht seine wahrhafte Ursprünglichkeit ist, darüber ist später noch ein Wort zu sagen. 5 überhaupt.] L: überhaupt. (Das dritte ist die absolute Religion, der erfüllte Begriff der Religion, die Religion in ihrer Ausführlichkeit ausgeführt.) (1827?)

4.7.8

Bestimmte Religion

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Bestimmung hindurch wird der Gedanke von Gott erst zum Begriff. I Wie sich der Inhalt, Gott, bestimmt, so bestimmt sich auf der anderen Seite der subjektive, der menschliche Geist, der dies Wissen hat. Das Prinzip, nach dem Gott für die Menschen bestimmt ist, ist :ze auch das Prinzip dessen, wie der Mensch in sich bestimmt ist, für den Menschen in seinem Geiste. Ein schlechter Gott, ein Naturgott, hat schlechte, natürliche, unfreie Menschen zu seinen Korrekten; der reine Begriff von Gott, der geistige Gott, hat den freien, geistigen, wirklich von Gott wissenden Geist zu seinem Korrelat. In der be25 stimmten Religion ist der Geist bestimmt, sowohl der absolute, der Gegenstand ist, als der subjektive, der sein Wesen, seine Absolutheit zum Gegenstand hat. Beide Seiten erhalten hier erst ihre Bestimmtheit. I In der bestimmten Religion als solcher, in der endlichen Religion t5

29-48 In ... angeben.) W2: Die Sphäre, die wir zunächst haben, enthält also die bestimmte Religion, die dem Inhalt nach über die Bestimmtheit noch nicht hinauskommt. In der Tätigkeit, über die Unmittelbarkeit herauszukommen, liegt noch nicht die errungene Freiheit, sondern nur das Freimachen, das noch mit dem, von welchem es sich freimacht, verwickelt ist. Das erste ist nun, daß wir die Form der natürlichen, unmittelbaren Religion betrachten. In dieser ersten natürlichen Religion ist das Bewußtsein noch natürliches und sinnlich begehrendes Bewußtsein. So ist es unmittelbar. Es ist da noch nicht Entzweiung des Bewußtseins in ihm selbst, denn diese hat die Bestimmtheit, daß das Bewußtsein seine sinnliche Natur von dem Wesenhaften unterscheidet, so daß das Natürliche nur als vermittelt durch die Wesenhafte gewußt wird. Hier ist es, wo erst Religion entstehen kann. Bei dieser Erhebung zum Wesenhaften haben wir den Begriff dieser Erhebung überhaupt zu betrachten. Hier wird der Gegenstand auf gewisse Weise bestimmt, und dies Wahre, von dem sich das Bewußtsein unterscheidet, ist Gott. Diese Erhebung ist dasselbe, was abstrakter in den Beweisen vom Dasein Gottes vorkommt. In allen diesen Beweisen ist Eine und dieselbe Erhebung; nur ist der Ausgangspunkt und die Natur dieses Wesens verschieden. Das aber, diese Erhebung zu Gott, so und so bestimmt, ist nur die Eine Seite. Das Andere ist die Umkehrung: Gott, so und so bestimmt, verhält sich zum Subjekt, das sich erhoben hat. Da tritt dann ein, wie das Subjekt bestimmt ist; es weiß sich aber so, wie Gott bestimmt ist. Ebenso ist die bewußte Richtung des Subjekts zu diesem Wesen anzu-

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Bestimmte Religion (1827)

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haben wir nur untergeordnete Bestimmungen des Geistes, der Religion vor uns; wir haben noch nicht die Religion der absoluten Wahrheit. Aber daß die Religion zu ihrer absoluten Wahrheit komme, der Geist für den Geist werde, das Verhältnis des Geistes zum Geiste, daß der Geist selbst seine wahrhaft unendliche Be-

geben, und das bringt die Seite des Kultus herein, das Zusammenschließen des Subjekts mit seinem Wesen. Die Einteilung ist also folgende. 1. Die natürliche Religion, sie ist Einheit des Geistigen und Natürlichen, und in dieser noch natürlichen Einheit ist hier Gott gefaßt. Der Mensch in seiner Unmittelbarkeit ist nur sinnliches, natürliches Wissen und natürliches Wollen. Insofern das Moment der Religion darin ist und das Moment der Erhebung noch in die Natürlichkeit eingeschlossen ist, so ist da Etwas, das doch ein Höheres sein soll als nur ein Unmittelbares. Das ist die Zauberei. 2. Die Entzweiung des Bewußtseins in sich selbst, so daß es sich weiß als bloßes Natürliches und davon unterscheidet das Wahrhafte, Wesenhafte, in welchem diese Natürlichkeit, Endlichkeit nichts gilt und gewußt wird als ein Nichtiges. Während in der natürlichen Religion der Geist noch in Neutralität mit der Natur lebt, ist nun Gott als die absolute Macht tmd Substanz bestimmt, in welcher der natiirliche Wille, das Subjekt nur ein Vorübergehendes. Akzidenz, ein Selbst- und Freiheitsloses ist. Die höchste Würde des Menschen ist hier, sich als ein Nichtiges zu wissen. Diese Erhebung des Geistes über das Natürliche ist aber zunächst noch nicht konsequent durchgeführt; es ist vielmehr noch eine fürchterliche Inkonsequenz vorhanden, mit der die verschiedenen geistigen und natürlichen Mächte untereinander gemengt sind. Diese in sich noch inkonsequente Erhebung hat ihre geschichtliche Existenz in den drei orientalischen Religionen der Substanz. 3. Die Verwirrung des Natürlichen und Geistigen führt aber zu dem Kampfe der Subjektivität, die sich in ihrer Einheit und Allgemeinheit herzustellen sucht, und dieser Kampf hat seine geschichtliche Existenz wieder in drei Religionen gehabt, welche die Religionen des Übergangs zur Stufe der freien Subjektivität bilden. Da aber auch ihnen, wie auf den vorhergehenden Stufen, der Geist noch nicht vollständig das Natürliche sich unterworfen hat, so machen sie mit jenen überhaupt die Sphäre A. der Naturreligion aus. Gegen sie ist die zweite Stufe der bestimmten Religion, auf welcher die Erhebung des Geistes mit Konsequenz gegen das Natürliche durchgeführt ist, B. die Religion der geistigen Individualität oder der freien Subjektivität. (1831; die drei letzten Absätze (A. der ... Subjektivität.) sind editorisch bearbeitet; sie geben nicht die Konzeption der Vorlesung 1831 wieder.)

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Bestimmte Religion

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stimmtheit erlange, dazu ist dieser Gang eine Bedingung. Diese bestimmten Religionen sind bestimmte Stufen des Bewußtseins, des Wissens vom Geiste. Sie sind notwendige Bedingungen für das Hervorgehen der wahrhaften Religion, für das wahrhafte Bewußtsein des Geistes. Sie sind deswegen auch geschichtlich vorhanden, und ich werde auch an die geschichtliche Weise erinnern, wie sie existiert haben: Wir lernen sie in diesen besonderen Formen als geschichtliche Religionen kennen. In der wahrhaften Wissenschaft, in einer Wissenschaft des Geistes, in einer Wissenschaft, deren Gegenstand der Mensch ist, da ist die Entwicklung des Begriffs eines solchen konkreten Gegenstands auch seine äußerliche Geschichte und hat in der Wirklichkeit existiert. So haben auch diese Gestalten der Religion nacheinander in der Zeit und nebeneinander im Raume existiert. Jetzt wollen wir die allgemeine Einteilung angeben. I Die erste Form der Religion ist notwendig die unmittelbare Religion, was man auch Naturreligion nennen kann. Dieses Wort >die Naturreligion, die natürliche Religion< hat in neuerer Zeit eine Zeit lang einen anderen Sinn gehabt; man hat darunter verstanden, was der Mensch durch seine Vernunft, das natürliche Licht seiner Vernunft soll erkennen können. I Man hat die natürliche Religion insofern der geoffenbarten entgegengesetzt, als Religion, welche die Vernunft eingibt. Natürliche Vernunft ist ein schiefer Ausdruck. Man spricht zwar von der Natur, d. h. dem Begriff der Vernunft; im ganzen aber wird unter dem Natürlichen das Unmittelbare verstanden, das Sinnliche überhaupt, das Ungebildete. Die Vernunft nun ist vielmehr das, nicht zu sein, wie es zunächst unimittelbar ist; der Geist ist eben dies, sich über die Natur zu erheben, aus dem Natürlichen sich herauszuziehen, frei zu werden nicht nur gegen das Natürliche, sondern im Natürlichen das Natürliche sich zu unterwerfen, es sich angemessen, gehorsam zu machen. Wegen dieser Zweideutigkeit ist der Ausdruck >natürliche 36 Stufen) in Bo am Rande: 15. 6. 27 54 soll erkennen können.] W: von Gott herausbringen und erkennen kann (Va) 56 als ... eingibt.] W2: und behauptet, nur das könne für den Menschen wahrhaft sein, was er in seiner Vernunft habe. (Va)

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Bestimmte Religion (1827)

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Vernunft< in solcher neueren Bedeutung zu vermeiden. Der wahrhafte Sinn von natürlicher Vernunft ist >Geist, Vernunft dem Begriff nachSchuld< heißt im allgemeinen >ZurechnungZurechnungReligion< nicht würdig halten können, so muß man, um diesen Standpunkt der Religion zu fassen, die Vorstellungen, Gedanken vergessen, die uns etwa ganz und gar geläufig sind und selbst der oberflächlichsten Weise unserer Bildung angehören. Wir müssen den Menschen betrachten unmittelbar für 444 Religion.] L: Religion. / Ober der Naturreligion, in der Religion der Schönheit und Erhabenheit tritt erst Gott in eigentümlicher Selbständigkeit dem unmittelbaren Individuum frei gegenüber, teils im Gedanken, teils in der Phantasie. (1827?) 446 Was J W1: Sie ist zu betrachten von den zwei Seiten, einmal als die Religion der zauberischen Macht und als die des Insichseins. /1. Die Religion der zauberischen Macht. (Ed) 451 angehören.] W2: angehören./ Für das natürliche Bewußtsein, das wir hier vor uns haben, gelten noch nicht die prosaischen Kategorien, wie Ursach und Wirkung, und die natürlichen Dinge sind noch nicht zu äußerlichen herabgesetzt. Die Religion hat nur ilrren Boden im Geist. Das Geistige weiß sich als die Macht über das Natürliche, daß die Natur nicht das An- und Fürsichseiende ist. Das sind die Kategorien des Verstandes, in welchen die Natur als das Andere des Geistes und der Geist als das Wahrhafte gefaßt ist. Von dieser Grundbestimmung fängt erst die Religion an. Die unmittelbare Religion ist dagegen die, wo der Geist noch natürlich ist, worin er die Unterscheidung des Geistes als allgemeiner Macht von sich als Einzelnem, Zufälligem, Vorübergehendem und Akzidentellem noch nicht gemacht hat. Diese Unterscheidung, der Gegensatz vom allgemeinen Geist als der allgenleinen Macht und dem Wesen gegen das subjektive Dasein und dessen Zufälligkeit ist noch nicht eingetreten und bildet erst die zweite Stufe innerhalb der Naturreligion. Hier in der ersten unmittelbaren Religion, in dieser Unmittelbarkeit hat der Mensch noch keine höhere Macht als sich selbst. Ober dem zufälligen Leben, dessen Zwecken und Interessen ist wohl eine Macht, aber diese ist noch keine wesenhafte, als an und für sich allgemeine, sondern fällt in den Menschen selbst. Das Geistige ist auf einzelne unmittelbare Weise. (1831)

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Bestimmte Religion (1827)

77.67.77

sich allein auf dem Erdboden, über ihm das Himmelszelt, um ihn die Natur, und so ganz zuerst ohne alles Nachdenken, ohne Bewußtsein von etwas Allgemeinem überhaupt; erst aus dieser gehen würdigere Begriffe von Gott hervor. I m Es ist schwer, sich in fremde Religionen hineinzuempfinden. Sich in die Stelle eines Hundes zu setzen, dazu gehört eine Hundeempfindung. Wir erkennen die Natur solcher lebenden Gegenstände, aber was das heißt, sich hineinversetzen, so daß wir solche Bestimmungen empfmden könnten, das ist nicht möglich; denn das hieße, die Tota- 460 lität seiner Subjektivität ganz mit solchen Bestimmungen erfüllen. Sie bleiben immer Gegenstände unseres Gedankens, nicht unserer Subjektivität, unseres Gefühls; fassen können wir solche Religionen, uns aber nicht hineinempfinden. Wir können die griechischen Götter fassen, uns aber nicht hineinempfinden in die wahre Anbetung solch 465 eines Götterbildes. Die erste Naturreligion aber ist der ganzen Totalität unseres Bewußtseins noch viel ferner als diese. I Es ist da der Mensch noch in seiner unmittelbaren Begierde, Kraft, Tun, im Verhalten seines unmittelbaren W ollens; er stellt noch keine theoretischen Fragen: wo- 470 her dies 1 wer hat dies gemacht 1 es muß eine Ursache haben 1 Diese Scheidung der Gegenstände in sich, in eine zufällige und eine wesent453 Nachdenken,] W: Nachdenken, Erhebung zum Denken; (Va) 456-458 Sich ... Hundeempfmdung.] An: Wir haben eine Vorstellung vom Elephanten, aber uns ganz in seine Natur hineinzudenken vermögen wir nicht, dazu müßten wir eine Elephantennatur haben. 461-468 solchen ... diese.] W2: einer solchen einzelnen Bestimmung erfüllen, so daß sie unsere Bestirruntheit würde. Selbst in Religionen, die unserem Bewußtsein schon näher stehen, können wir uns nicht so hineinempfinden, sie können nicht Einen Augenblick so sehr unsere Bestimmtheit werden, daß wir z. B. ein griechisches Götterbild, so schön es auch sein möge, anbeteten. Und jene Stufe der unmittelbaren Religion liegt uns noch dazu am fernsten, (Va) 464-466 können ... Götterbildes.] An: haben Vorstellung von der schönen griechischen Religion: Wir können sie verstehen, ihre Götter, und mit Gedanken fassen, aber die Knie können wir ihnen nicht beugen. 468 diese.] L: diese. Man muß bei ihr eben die ganz geläufigen Vorstellungen vergessen. W2: da wir schon, um sie uns verständlich zu machen, alle Formen unserer Bildung vergessen müssen. (Va)

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Unmittelbare Religion

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liehe Seite, in eine ursächliche und in die Seite eines bloß Gesetzten, einer Wirkung, ist für ihn noch nicht vorhanden. Ebenso ist auch der Wille in ihm noch nicht theoretisch; es ist in ihm noch nicht diese Entzweiung, noch keine Hemmung in ihm selbst gegen sich. Das Theoretische im Wollen ist, was wir das Allgemeine, das Recht, Pflicht, netmen - Gesetze, feste Bestimmungen, Grenzen für den subjektiven Willen. Das sind Gedanken, allgemeine Formen, die dem Gedanken der Freiheit angehören. Diese sind unterschieden von der subjektiven Willkür, Begierde, Neigung; dies alles wird durch das Allgemeine gehemmt, beherrscht, diesem Allgemeinen angebildet; das natürliche Wollen der Begierde wird zum Wollen und Handeh1 nach solchen allgemeinen Gesichtspunkten umgebildet. Der Mensch ist also noch ungeteilt in Rücksicht auf sein Wollen; da ist es die Begierde, die das Herrschende ist. Ebenso in seiner Vorstellung, in der Vorstellung dieses Menschen, verhält er sich in dieser Ungeteiltheit, dieser Dumpfheit, einer Stumpfheit im Theoretischen und Wildheit im Willen. Es ist nur das erste, wilde Beruhen des Geistes auf sich; eine Furcht, I Bewußtsein der Negation ist da wohl vorhanden, aber noch nicht die Furcht des Herrn, sondern der Zufälligkeit, der Naturgewalten, die sich als Mächtiges gegen ihn zeigen. I Die Furcht des Herrn, die der Weisheit Anfang ist, ist die Furcht vor einem geistig Selbständigen gegen die Willkür. Diese kommt erst in den Menschen, insofern er in seiner Einzellieit sich ohnmächtig weiß, seine Einzellieit in ihm erzittert. Der Anfang der Weisheit ist, daß die singuläre Partikularität und Subjektivität sich als nicht das Walrrhafte empfindet und im Bewußtsein ihrer Vereinzelung und Ohnmacht vermittelst der Negation übergeht zum Wissen, zum allgemeinen Anundfürsichsein. I Diese ganz erste Form der Religion - Religion darf man es wohl nicht nennen- ist also das, wofür wir den Namen >Zauberei< haben. Es ist nämlich dies, daß das Geistige die Macht über die Natur ist; 486 Begierde,] W2: Begierde und Wildheit seines Willens, (Va) 487 verhält] so W; L: erhält An: hält Hu: bezieht 492 zeigen.] wl: zeigen. I Wir haben hier a) von der Zauberei überhaupt, b) von den Bestimmungen der Religion der Zauberei und c) vom Kultus zu handeln. (Ed)

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Bestimmte Religion (1827)

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aber dies Geistige ist noch nicht als Geist vorhanden, noch nicht in seiner Allgemeinheit, sondern das Geistige ist zuerst nur das einzelne, sos zufällige Selbstbewußtsein des Menschen, der sich in seinem Selbstbewußtsein - obwohl er nur bloße Begierde ist - höher weiß als die Natur, der weiß, daß es eine Macht über die Natur ist. Zweierlei ist hierbei zu bemerken. Erstens insofern das unmittelbare Selbstbewußtsein weiß, daß diese Macht in ihm liegt, daß es der 510 Ort dieser Macht ist, unterscheidet es sich allerdings gleich in dem Zustand, wo es eine solche Macht ist, von seinem gewöhnlichen Zustand. Der Mensch, wenn er die gewöhnlichen I Dinge tut, ißt, trinkt, schläft usf., wenn er an seine einfachen Geschäfte geht, hat besondere Gegenstände vor sich; da weiß er, daß er es nur mit diesen 515 zu tun hat, z. B. Fischfang, Jagd. Ein anderes ist das Bewußtsein von diesem gewöhnlichen Dasein mit seinen Trieben, seiner Tätigkeit, ein anderes jenes Bewußtsein von sich als Macht über die allgemeine Veränderung der Natur. Da weiß sich das Individuum nicht in seinem gewöhnlichen Tun und Treiben, sondern es weiß, daß es sich, 520 insofern es eine höhere Macht ist, in einen höheren Zustand, unterschieden vom gewöhnlichen, versetzen muß. Dieser höhere Zustand ist Zustand, Gabe besonderer Menschen - und dies sind die Zauberer -, die sich in ihn versetzen, um diese Macht zu sein.

508 ist.] L: ist. Die Hauptbestimmung also in dieser Sphäre ist die direkte Beherrschung der Natur durch den Willen, das Selbstbewußtsein, daß der Geist etwas Höheres ist als die Natur. So schlecht dies einerseits aussieht, so ist es doch andererseits höher als wenn der Mensch von der Natur abhängig ist, sich vor ihr fürchtet. ( 1827?) 516 Jagd.] Wz: Jagd, und seine Kraft beschränkt sich nur auf sie. (Va) 517 Dasein ... Trieben] W: Dasein, Treiben (Va) vgl. An: wo der Mensch nur das Bewußtsein von dem Dasein der Natur hat und sich ihrer Gegenstände bedient, seinen Begierden folgend 519 Veränderung] Wz: Naturmacht und über die Veränderungen (Va) 523 und ... Zauberer] so Hu, ähnlich Bo; An: nicht Geschlechter und strenger Kasten 524 sein.] L: sein und die traditionell die Arten zu lernen haben, wodurch dieser Zustand ausgeübt werden kann. Es ist eine Auswahl von Individuen, die bei den älteren in die Lehre gehen, die diese trübe Innerlichkeit in sich empfinden. ähnlich W (1827?)

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Das zweite ist, daß diese Macht eine direkte Macht über die Natur überhaupt ist, die nicht mit der indirekten zu vergleichen ist, wie wir sie durch Werkzeuge über die natürlichen Gegenstände in ihrer Einzelheit ausüben. Solche Macht des gebildeten Menschen über die einzelnen natürlichen Dinge setzt voraus, daß er bereits gegen die Welt zurückgetreten ist, daß die Welt gegen ihn Äußerlichkeit erhalten hat, daß er ihr eine Selbständigkeit, eigentümlich qualitative Bestimmungen, Gesetze einräumt gegen ihn, daß diese Dinge auch in ihrer qualitativen Bestimmtheit gegeneinander relativ sind und miteinander in mannigfaltigem Zusammenhang stehen. Der gebildete Mensch übt eine Macht dadurch aus, daß er die Qualitäten der Dinge kennt, d. h. der Dinge, wie sie relativ zu anderen sind; da macht sich anderes in ihnen geltend, da zeigt sich ihre Schwäche. Diese Schwäche lernt er kennen, und durch sie wirkt er auf sie ein dadurch, daß er sich auf eine Weise bewaffnet, wodurch diese Schwäche angegriffen wird. Er bringt die äußeren Dinge so in Zusammenhang, daß sie nach seinem Zweck aufeinander einwirken. So ist es erst der gebildete Mensch, der die äußerliche Welt in ihrer Qualität und ihrem qualitativen Zusammenhang frei entläßt. Dazu gehört eben, daß der Mensch frei sei, d. h. daß er in sich frei ist. Erst datm läßt er die Außenwelt, andere Menschen und die natürlichen Dinge, sich frei gegenübertreten. Für den, der nicht frei ist, sind auch die anderen nicht frei. Erst auf diesem Standpunkt, daß der Mensch in sich frei ist und die Welt sich gegenüber frei entläßt, findet die indirekte Einwirkung auf die natürlichen Dinge, vermittelnde I Gewaltauf die Natur in ihrer Macht und Anschauung statt. Das direkte Einwirken hingegen des Menschen durch seine Vorstellung, seinen Willen, setzt diese gegenseitige Unfreiheit voraus, wo zwar die Macht über die äußerlichen Dinge in den Menschen als das Geistige gelegt wird, aber nicht als eine Macht, die sich auf freie Weise verhält, weswegen sie sich auch nicht gegen Freie und vermittelnd verhält, sondern die Macht über die Natur verhält sich da direkt - und 534-535 Der ... Macht] W: Diese Macht, welche die Welt in ihrer Qualität frei entläßt, übt der gebildete Mensch (Va) 536 der] W: die (Va) 540 angegriffen] W: angegriffen und bezwungen (Va)

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das ist Zauberei. Diese ist nun das Höchste in dem Selbstbewußtsein dieser Völker; auf untergeordnete Weise schleicht sie sich noch tief in andere, höhere Religionen hinüber, z. B. das Hexenwesen im Christentum und die Teufelsbeschwörungen. Da wird sie aber ge- 560 wußt teils als unmächtig, teils als etwas Ungehöriges, Gottloses. Man hat, z. B. auch in der Karrtischen Philosophie, das Beten so ansehen wollen, als sei es eine Art der Zauberei, weil der Mensch nicht durch natürliche Vermittlung, sondern vom Geist aus etwas dadurch bewirken und hervorbringen will. Aber der Unterschied ist, * daß, indem der Mensch im Gebet sich zu Gott wendet, er sich an einen absoluten Willen wendet, für den doch auch der Einzeh1e Gegenstand der Fürsorge ist, der das Erbetene gewähren kann oder nicht, der überhaupt dabei vom Nutzen des Guten bestimmt ist. Die schwarze Magie aber ist, daß der Mensch nach seiner subjektiven s1o Willkür die Geister, den Teufel in seiner Gewalt hat und von ihnen erzwingt, was er will. Es ist auch hierin eine Vermittlung, aber so, daß der Wille des Menschen sie beschwört, das Gebietende ist und jene Mächte der Natur ihm gehorchen. Der Wille des Menschen ist Gewalt und disponiert über die höheren Mächte auf dem Standpunkt 575 der Zauberei. Dies ist die allgemeine Bestimmung dieses ersten, ganz unmittelbaren Standpunkts, daß das menschliche Bewußtsein, dieser Mensch in seinem Willen, als Macht über das Natürliche gewußt wird. Dies Natürliche hat aber da ganz und gar nicht weiteren Umfang; die ;so Naturgegenstände sind diese, die ihn unmittelbar umringen; die 557-558 Diese ... Völker;] W: Was die äußerliche Existenz dieser Vorstellung betrifft, so ist sie in solcher Form vorhanden, daß diese Zauberei das Höchste des Selbstbewußtseins der Völker ist, aber (Va) 569-572 Die ... will.] so An; L, ähnlich W: Die Zauberei aber ist gerade dies, daß der Mensch nach seiner Natürlichkeit, Begierde (L: die Natur W: es) in seiner Gewalt hat. (Va) 578 menschliche] so W; Hu: ersten menschlichen L: natürliche 580-590 Umfang ... Feinde.] W2: Umfang, wie in unserer Vorstellung. Denn das meiste ist hier dem Menschen noch indifferent oder ihm nicht anders gewohnt. Alles ist stabil. Ein anderes sind Erdbeben, Gewitter, Überschwemmungen, Tiere, die den Tod drohen, Feinde usf. Dagegen wird Zauberei angewendet. (Co? Va?)

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Unmittelbare Religion

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allgemeine Form, die die Natur für den Willen hat, ist: »das ist eben so«- ohne daß Nachdenken darauf verwendet wird. Zuerst ist der Mensch stumpf gegen die Umgebung, gegen die Regung der Natur. Die Sonne geht auf und unter, er sieht es täglich, bleibt aber ungerührt; es wird ihm dieses zur Gewohnheit. Das im ganzen Stabile, Tag und Nacht, die Jahreszeiten, das ist eben, das ist er gewöhnt. Was ihn berührt, Interesse in ihm erweckt, ist eine Störung des Stabilen, das dagegen Instabile, Erdbeben, Ungewitter, lange Dürre, Überschwemmung, reißende Tiere, Feinde. I Nun wollen wir nähere Beschreibungen anführen, wie sich diese Zaubereien bei den Menschen entwickelt haben. Die Religion der Zauberei findet sich noch jetzt bei ganz rohen, wilden Völkern, wie bei Eskimos. So hat Kapitän Ross - und andere, z. B. Parry - Eskimos gefunden, die keine andere Welt als ihre eisigen Felsen kannten. Diese Menschen - auf gestellte Fragen - haben gesagt, daß sie keine Vorstellung hatten von Gott und Unsterblichkeit und dergleichen. Vor Sonne und Mond haben sie Respekt. Sie haben nur Zauberer, Beschwörer; diese sagen, es stehe in ihrer Gewalt, Regen und Stürme hervorzubringen, einen Walfisch näherkommen zu lassen. Sie sagen, sie haben ihre Kunst von alten Zauberern (Angekoks) gelernt. Diese Zauberer setzen sich in einen wilden Zustand; die Gebärden zeigen keinen Sinn. Man hörte solche das Meer beschwören, aber ihre Worte waren nicht an ein höheres Wesen gerichtet; sie gehen nur an Naturgegenstände. Sie haben keine Vorstellung von allgemeinen Wesen. Z. B. man fragte einen Eskimo, wohin sie nach dem Tod zu kommen glaubten. Da sagte er: Sie werden begraben. Vor langer Zeit habe zwar ein alter Mann gesagt, sie kämen in den Mond, aber daran glaube schon lange kein vernünftiger Eskimo mehr. In Afrika fmden wir diese Form noch am allgemeinsten; bei den Mongolen, Chinesen, ist das weiter ausgebildet. Schon Herodot sagte, die Afrikaner seien alle Zauberer. Zu welcher Zeit man sie nur kennengelernt hat, so hat man sie so immer bestimmt. I Auch hier nämlich sind ebenso besondere Individuen, die wir Priester nennen würden und die Singhili heißen. Wie die Schamanen bei den Mon-

591 Nun] in Bo am Rande: 21. 6. 27

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Bestimmte Religion (1827)

84.98

golen versetzen sich diese Menschen in einen Zustand des Außersichseins, der Wildheit, der Betäubung. Dieser Zustand ist gegen das gewöhnliche Bewußtsein, das gewöhnliche Tun, der höhere Standpunkt, den sie erreichen. Unter den Völkerschaften sind es besondere Individuen, die sich diesem widmen und deswegen angesehen sind; oder es ist eine besondere Familie, welche neben dem König hoch geachtet wird, die besondere Macht über die Völkerschaft ausübt. Wo bei ihnen der Zustand ausgebildeter ist, so daß sie eine Art von Staat formieren, eine Aristokratie, Königtum, da machen diese Zauberer nicht eine besondere Priesterkaste aus, sondern da ist der König an der Spitze dieser Singhili selbst; teils nimmt er selbst solche Handlungen vor, teils trägt er sie seinen Ministern auf; er macht diese Individuen zu Personen, die solche Gewalt auszuüben haben. Unter Völkerschaften dagegen, wo nicht diese Art Ordnung herrscht, bleibt der Stamm, die Völkerschaft, immer die Macht auch über diese Zauberer. Eine feste weltliche Macht haben diese nicht. Bedürfen sie ihrer Hilfe, so bringen sie ihnen Geschenke; weigern sich die Zauberer, so wird auch Gewalt gegen sie gebraucht, (und sie werden] schrecklich mißhandelt. Die Angelegenheiten, in welchen man Zuflucht zu den Zaubereien nimmt, sind vornehmlich Ungewitter, die lange dauern und gegen welche sie sich nicht schützen können, dann in Krankheiten und dann, wenn sie im Begriff sind, Krieg zu führen. Es sind also hier unmittelbare Menschen, die sich diese Gewalt über die Natur zuschreiben oder denen sie zugeschrieben wird. I Schon von den Afrikanern, die wesentlich noch auf der Stufe der direkten Zauberei stehen, ist zu sagen, daß sie auch durch die Verehrung der Toten eine geringe Stufe weitergehen, indem sie die Macht über die Natur Verstorbenen, abgeschiedenen Verwandten zuschreiben. Ein toter Mensch ist schon nicht mehr diese ganz sinn634-638 schrecklich ... führen.] so Bo mit AnHu; L: Ist z. B. kein Regen, anhaltende Trocknis, so muß ihnen der Priester Abhilfe verschaffen, die erforderliche Zeremonie vornehmen; er wird, wenn er nicht freiwillig kommt, mit Gewalt herbeigeschleppt und mißhandelt. So ist es der Wille des Königs oder der gewöhnlichen Menschen, der Wille des Stammes; sie haben einen solchen in ihrer Gewalt, dem sie direkte Macht zuschreiben. (Va)

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liehe Unmittelbarkeit und Einzelheit, sondern ist in die Form der Vorstellung erhoben; er ist nicht in unmittelbarer Gegenwart. Ist die Vorstellw1g herausgehoben, so hat er die sinnliche Einzelheit verloren, und es konunt ihm schon der Charakter von etwas Allgemeinerem, zu Gedanken Erhobenem zu. Die Toten, abgeschiedene Väter, Verwandte, erhalten hier nicht eigentliche Verehrung; es ist hier kein Totendienst, sondern es werden ihnen teils Wirkungen, die vorhanden sind, zugeschrieben, gegen die eine Abhilfe bei ihnen gesucht wird. Man schreibt ihnen die Hervorbringung dieser Übel zu, aber zugleich richtet man sich an sie um deren Abwendung. Was wir natürlich heißen, wissen diese Menschen eben noch nicht als Natürliches; sie wissen nichts vom natürlichen Zusammenhang. So schreiben sie z. B. Krankheiten nicht bloß einem lebenden, sondern vornehmlich einem toten Feind zu, der auf den Erkrankten einen Haß gelworfen habe. Denn man stellt sich die Abgeschiedenen nicht als Verklärte, sondern ganz mit sinnlichen Leidenschaften, Bedürfnissen behaftet vor, wie sie die Lebenden selber haben. Ebenso auch anderes Unheil, wie Mißraten der Ernte und dergleichen, wird ihnen zugeschrieben. I Die Gebeine der Toten werden zum Teil sorgfältig aufbewahrt, und wenn man sie brauchen will, sie einen Dienst leisten sollen, dann wird ihnen ein Dienst, Verehrung erwiesen, eine Prozession zu ihnen hin gemacht, [eine] Anbetung, Waschung. Man führt sie auch in kostbaren Kisten mit sich, besonders aber die Schädel erschlagener Feinde: damit, glauben sie, habe man Gewalt in Händen gegen die Völkerschaften, denen jene angehörten. Ein Missionar (Cavazzi) erzählt von den Dschagga- einer Völkerschaft aus dem Süden von Afrika, aus dem Kongo, die den Portugiesen viel zu schaffen macht - schreckliche Erscheinungen. Sie hatten eine Königin, die ihnen Gesetze gegeben hätte. Bei ihnen ist alles Wilde der Zauberei im höchsten Grad vorhanden gewesen, und die Königin soll die Verehrung der Toten eingeführt haben oder sie wenigstens zum einzigen Kultus gemacht haben. I Wollen die Singhili da Regen hervorbringen, so werden den Toten Opfer gebracht; 672 Ein] L: Die Toten also spielen hier eine vorzügliche große Rolle. Ein (1827?)

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Q.lOO.Q.lOO-lOl.Q

sie machen Bewegungen gegen den Himmel, sprechen, bitten, befehlen, zanken, drohen dem Himmel, nehmen Ruten in die Hände und schlagen gegen den Himmel, spucken gegen ihn an, und wenn sich eine Wolke zeigt, so verdoppeln sie ihre Beschwörungen, und wenn der Regen nicht kommen will, so sagen sie ihm die größten Schmähungen, schießen Pfeile gegen ihn ab und schwören, daß sie ihn übel behandeln werden. Besonders beschreiben die Missionare verschiedene Szenen, die sie sahen. Wenn es sich darum handelt, Kranke gesund zu machen, so I geht man zum Zauberer, der dann den Grund der Krankheit angibt: eine Feindschaft, und daß die Feinde, besonders Abgestorbene, gezwungen werden müssen, von ihrer Rache abzulassen. Die Art und Weise, wie es näher zugeht, ist fürchterlich und gewöhnlich mit Mord begleitet. Der Singhili und alle herum fangen ein fürchterliches Geschrei an, was einige Stunden dauert. Eine Hauptvorstellung dabei ist, daß der Zauberer einen Toten zwinge, in ihn zu fahren und anzugeben, was geschehen müsse, um die Macht zu haben oder um einen anderen Toten zu versöhnen- Mord, schauerliche Gebräuche, blutige Opfer. I Der Singhili spricht dann auch, er brauche zwei Menschen, diese müssen aufgeopfert werden, und bezeichnet sie in den Umstehenden, nimmt ein Messer, durchstößt sie, trinkt ihr Blut, teilt ihre Glieder unter die Umstehenden aus, und die ganze Gesellschaft frißt das Fleisch derselben auf. Solche blutigen Opfer sind sehr gewöhnlich. I Von jener Königin der Dschagga wird erzählt, sie habe, um stark zu sein im Krieg, ihren eigenen Sohn in einem Mörser zerstoßen und mit ihren Genossinnen dessen Fleisch gefressen und das Blut getrunken. Was darin liegt, ist eben das Fürchterliche, wodurch der Mensch sich über sein gewöhnliches Bewußtsein erheben, sich I das Bewußtsein eines Höheren geben will - eine Erhebung, die dann in jener Schauerüchkeit sich zeigt, I Menschen nach Zufall zu ermorden. Von einem anderen König wird erzählt, daß er bei einem bevorstehenden Krieg die Singhili zu Rate gezogen und von ihnen die 712-714 die ... geben,] so An; Hu: Man machte eine große Prozession zum Grabe des Königs des Feindes, und da betete man; nach diesem wurde ein Befehl ausgegeben von Seite des Königs,

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Unmittelbare Religion

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Weisung erhalten habe, er solle des Nachts sein Horn ertönen lassen und damit seinen Leibsoldaten das Zeichen geben, alle diejenigen zu 715 ermorden, welche sie auf der Straße träfen. Es befand sich vor dreißig Jahren ein englischer Abgesandter in dieser Residenz, der nur dadurch seinem Untergang mit den Seinen entging, daß jenes Geheimnis lautbar geworden und er gewarnt war. Wirklich wurde der Entschluß ausgeführt, und obgleich nicht sehr viele umkamen, so * dauerte dies nächtliche Würgen doch siebzehn Tage fort. In dem allen sehen wir eine einzige eigentliche Erhebung über das unmittelbare Bewußtsein, und die I ist die der Vorstellungen von Verstorbenen, die einerseits als Mächte gelten, andererseits gezwungen werden, dies und jenes zu tun, was die am Leben Seienden wolm len. Dies geht soweit, daß die Neger, die in ihrem wilden Sinne zu einer allgemeinen Verständlichkeit nicht gekommen sind, mit den Verstorbenen in Träumen zu tun haben und von diesen Toten geplagt werden, wogegen verschiedene Zaubereien vorgenommen werden. Wenn deren Körper noch existieren, werden sie ausge730 graben, der Kopf abgeschlagen und von der Flüssigkeit aus diesen wird den Geplagten zu trinken gegeben, um ihnen wehe zu tun und * ihnen die Macht zu nehmen. So sehr bleibt das empirische Selbstbewußtsein in seiner Herrschaft und hat keine andere Herrschaft sich gegenüber. 735 Jede Krankheit soll deshalb Folge eines Hasses sein, und damit steht im Zusammenhang, daß sie das auch vom Tod meinen. Daher wollen sie nicht, daß der Mensch als natürlich sterbend erscheine. Die kranken Menschen, besonders die Könige, werden von ihnen getötet. Wird ein König krank oder alt, so lassen sie es nicht dazu 740 kommen, daß er von einem feindlichen Wesen getötet werde, sondern bringen ihn selbst um. Dadurch suchen sich unzufriedene * Häuptlinge des Königs zu entledigen. Hat ein König zu grausam regiert, so kündigen sie ihm an, daß er sterben müsse - die Feierlichkeiten darf er selbst bestimmen. Sie finden es also würdig, daß der 745 Mensch durch den Willen der Menschen sterbe. Natürliche Ursachen, natürlicher Zusammenhang ist noch nicht im Geist dieser

723 Mächte] in Bo am Rande: 22. 6. 27

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Völker; sie schreiben alles Böse dem schlechten Willen der Menschen, lebenden wie toten, zu, I oder anderen nicht natürlichen Kräften; auf unnatürliche Weise wird alles erklärt und einem anderen zugeschrieben. Weiter steigert sich diese Vorstellung zu dem, was wir >Teufel< nennen. Belzoni, ein Italiener, der große Schätze aus Ägypten mitgebracht hat, hat auch einen kolossalen Memnonskopf nach England transportiert, ein stupendes Werk. Die Ägypter sahen immer diesen Kopf an den Ufern des Nils liegen; da sie aber durch Geld dazu gezwungen wurden, diesen großen Kopf ins Schiff zu tragen, und da sie ihn auch berührt eigentlich haben, so waren sie ungeachtet, daß sie es getan hatten - sehr erschrocken und schrieben es der Macht des Teufels zu. Die Neger haben eine unendliche Menge von Götterbildern, die sie zu ihren Göttern machen, zu ihren Fetischen (verdorbenes portugiesisches Wort). Der nächste beste Stein, Schmetterling, eine Heuschrecke, Käfer und dergleichen, das ist ihr Lar - dies ist eine Objektivierung, eine unbestimmte, unbekannte Macht, die sie sich selbst kreiert haben, und trifft ihnen etwas nicht ein, widerfährt ihnen ein Unglück, so werfen sie diesen Fetisch weg und schaffen sich einen anderen an. I Durch den Gebrauch der Zaubermittel und Fetische kommt es bei diesen Völkern wohl zur Vorstellung einer Macht außer dem empirischen Bewußtsein oder dem Willen, der Leidenschaft von Lebenden und Verstorbenen; aber diese Macht ist nur als ein Äußerliches, Sinnliches hingestellt und bleibt vollkommen in der Willkür derer, die dergleichen zu solcher Macht erhoben haben. I Wir haben von dieser Religion, deren Charakter wir bezeichnet haben, wo der Mensch noch nicht aus seiner subjektiven Besonderheit herausgeht, noch nicht in die Trennung herausgeht von etwas an und für sich Allgemeinem gegen seine Partikularität und die Natur,

759 Götterbildern) W: Götzenbildern, natürlichen Gegenständen (Va) 762 Lar,) W: Lar, von dem sie erwarten, daß er ihnen Glück bringe. (Va) 764-766 und ... an.) W: stößt ihnen daher Unangenehmes zu (W2: und fmden sie den Fetisch nicht dienstfertig,) so schaffen sie ihn ab (W2: und wählen sich einen anderen.) (Va)

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eine noch ausgebildetere Form zu erwähnen, die Religion des chinesischen Reichs. Die Staatsreligion des chinesischen Reiches 780

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Diese steht noch innerhalb dieses Prinzips; sie ist eine ausgebüdete Zauberreligion. I Im chinesischen Reich gibt es eine Religion des Fo oder Buddha; diese wurde im Jahre 50 n. Chr. eingeführt. Dann gibt es die alte chinesische Religion des Dao - dies ist ein eigentümlicher Gott, die 78ns sich legten, zugleich die Absicht haben, unsterblich zu sein, reine Weise zu sein, teils indem sie erst eingeweiht sind, teils indem sie die Meisterschaft, das Ziel erlangt haben tmd sich

968-969 auf ... legten,] W: auf die Abstraktion des Gedankens sich legen, Bo: auf den Gedanken sich legten, L: in der Abstraktion des Gedankens leben, (Va) 969-970 unsterblich ... sein,z] so Hu; Bo: unsterblich zu werden L: unsterblich für sich im Wesen zu werden, W: unsterbliche, für sich reine Wesen zu werden, (Va)

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selbst schon für höhere Wesen auch der Existenz, der Wirklichkeit nach halten. Diese Richtung zum Inneren, zu Dao, dem abstrahierten reinen Denken, die den Übergang zur zweiten Form der Naturreligion ausmacht, finden wir also schon im Altertum bei den Chinesen. Eine Erneuerung, Verbessenmg der Dao-Lehre fällt in spätere Zeit und wird vornehmlich dem Lao-zi zugeschrieben, einem Weisen, der etwas älter war als Konfuzius, aber gleichzeitig mit diesem und mit Pythagoras gelebt hat. Konfuzius ist durchaus moralisch, kein spekulativer Philosoph. Der Tian, diese allgemeine Naturrnacht, die durch die Gewalt des Kaisers Wirklichkeit ist, ist verbunden mit moralischem Zusammenhang, und diese moralische Seite hat Konfuzius vornehmlich ausgebildet. Seine Lehre ist mit der Staatsreligion zusammengewachsen. Alle Mandarinen müssen den Konfuzius studiert haben. Aber die Sekte des Dao bezog sich allein auf das abstrakte Denken. Dao ist das Allgemeine. Sogleich kommt - was sehr merkwürdig ist- die Bestimmung >drei< hinein, sofern es ein Vernünftiges, Konkretes ist. Die Vernunft hat das Eins hervorgebracht, das Eins die Zwei und die Zwei die Drei, und die Drei das Universum- dasselbe, was wir bei Pythagoras sehen. Das Universum beruht auf dem dunklen Prinzip und ist zugleich von dem hellen Prinzip urnfaßt, dem Licht. Ein Geist, ein Atem vereinigt sie und bringt unter I ihnen hervor und erhält die Harmonie. Die erste Bestimmung der Triade ist das Eins und wird genannt J. Die zweite Bestimmung ist der Chi oder lichte Hauch, die dritte ist W ei, der Gesandte, Bote. Diese drei Zeichen sind vielleicht nicht chinesisch; man sieht darin die drei Buchstaben J, H, Wund bringt es mit dem hebräischen Tetragramm Jehova zusammen und mit dem Trigramm Yao der Gnostiker. Das Eine ist das Unbestimmte, Bestimmungslose, die schlechte erste Abstraktion, das ganze Leere. Wenn dies in sich konkret sein soll, leben988 Dao] in Bo am Rande: 26. 6. 27 989 die] Wz: in dem Dao, der Totalität, die (Va) 5 Das] L: Sowie der Mensch ins Element des Denkens kommt, ergibt sich sogleich die Bestimmung drei. Das ähnlich Wz (1827?) 7-11 Wenn ... Dreieinigkeit.] Wz: Soll es das Prinzip der Lebendigkeit

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dig sein soll, so muß es bestimmt sein, so ist es die Zwei, und das Dritte ist die Totalität, Vollendung der Bestimmtheit. Diese Notwendigkeit sehen wir also in den ersten Versuchen des Menschen zum Denken in dieser Form der Dreieinigkeit. Wenn in Gott nicht drei Bestimmungen erkannt werden, ist Gott ein leeres Wort. Sogleich im Anfang des Denkens sind die allereinfachsten, abstraktesten Bestimmungen des Denkens. Von diesem, daß die absolute Macht ist - wird von diesem zum Allgemeinen herausgegangen, so beginnt das Denken; dies ist eben ursprünglich ganz leer und abstrakt. Es gehören zur chinesischen Literatur weitere Entwicklungen dieser Beziehung. Das Zeichen des Dao ist teils ein Dreieck, teils drei Striche untereinander, wovon der rnittelste kürzer ist, und ein Vertikalstrich durch alle drei zum Zeichen, daß diese drei wesentlich als eins zu fassen sind. Diese Zeichen nennt man in China Gua. Die [acht] Gua enthalten die Elemente von der höheren chinesischen Reflexion. Bei der Sekte des Dao ist so der Anfang, in den Gedanken, das reine Element überzugehen; aber dabei muß man nicht glauben, daß hier eine höhere, geistige Religion sich begründet habe. Die Bestimmungen des Dao bleiben vollkommene Abstraktionen, und die Lebendigkeit, das Bewußtsein, das Geistige fällt sozusagen nicht in das Dao selbst, sondern durchaus noch in den unmittelbaren Menschen. Lao-zi ist denn auch ein Shen oder ist als Buddha erschienen. Die Wirklichkeit und Lebendigkeit des Dao ist noch das wirkliche, unmittelbare Bewußtsein, daß er auch ein Totes ist wie Lao-zi, sich aber in andere Gestalten transformiert, in einen anderen Menschen, in seinen Priestern lebendig und wirklich vorhanden ist. Indem Tian, dieses Eine, das Herrschende ist, aber als diese abstrakte Grundlage, während der Kaiser die Wirklichkeit dieser Grundlage, das eigentlich Herrschende ist, so ist dasselbe der Fall bei dem Dao, bei der Vorstcllung der Vernunft. Diese ist ebenso die abstrakte Grundlage, die erst und Geistigkeit haben, so muß zur Bestimmung fortgegangen werden. Einheit ist nur wirklich, insofern sie zwei in sich enthält, und damit ist die Dreiheit gegeben. (Va) 21 [acht] an Stelle eines unleserlichen Wortes in Bo 29 Die] L: Für uns ist Gott das Allgemeine, aber in sich bestimmt. Gott ist Geist, seine Existenz ist die Geistigkeit. Hier aber die ähnlich W (1827?)

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in existierenden Menschen ihre Wirklichkeit hat. Da das Allgemeine, das Höhere, nur die abstrakte Grundlage ist, so bleibt der Mensch darin ohne eigentlich immanentes, erfülltes Inneres; er hat keinen Halt in sich. Er hat erst dann Halt in sich, wenn die Freiheit, Vernünftigkeit eintritt, indem er das Bewußtsein hat, frei zu sein und diese Freiheit als Vernunft sich ausbildet. Diese ausgebildete Vernunft gibt absolute Grundsätze, Pflichten, und der Mensch, der I dieser Grundsätze in seiner Freiheit, seinem Gewissen sich bewußt ist, in dem sie immanente Bestimmungen sind, hat erst in sich, in seinem Gewissen einen Halt. Insofern aber der Mensch in jenem obigen Verhältnis - wo das Absolute nur eine abstrakte Grundlage ist - sich befindet, so hat der Mensch in sich keinen Halt, keine immanente, bestimmte Innerlichkeit. Darum ist alles Äußerliche für ihn ein Innerliches; alles Äußerliche hat Bedeutung für ihn, Beziehung auf ihn, und zwar praktische Beziehung. Im allgemeinen Verhältnis ist dies die Staatsverfassung, das Regiertwerden von außen. Mit der chinesischen Religion ist keine eigentliche Moralität, keine immanente Vernünftigkeit verbunden, wodurch der Mensch Wert, Würde in sich hätte, sondern alles Äußerliche, alles, was eine Beziehung auf ihn hat, ist eine Macht für ihn, weil er in seiner Vernünftigkeit, Sittlichkeit keine Macht in sich selber hat. Daraus folgt diese unbestimmbare Abhängigkeit von allem Äußerlichen, dieser höchste,

38 Da] Wz: Kultus ist in der Religion des Maßes eigentlich ihre ganze Existenz, da die Macht der Substanz sich in ihr selbst noch nicht zu fester Objektivität gestaltet hat und selbst das Reich der Vorstellung, soweit es sich in dem Reiche der Shen entwickelt hat, der Macht des Kaisers unterworfen ist, welcher selbst nur die wirkliche Betätigung des Substantiellen ist. Fragen wir daher nach dem Kultus im engeren Sinne, so ist nur noch das Verhältnis der allgemeinen Bestimmtheit dieser Religion zur Innerlichkeit und zum Selbstbewußtsein zu untersuchen./ Da (1831) 47-49 Insofern ... so] so An mit Hu; L: Erst insofern der Mensch von Gott als Geist und von den Bestimmungen des Geistes weiß, sind diese göttlichen Bestimmungen wesentliche, absolute Bestimmungen geworden, Vernünftigkeit überhaupt, das, was Pflicht in ihm ist, in ihm seinerseits immanent ist. Wo aber das Allgemeine nur jene abstrakte Grundlage überhaupt ist, ähnlich W(1827?) 56 hätte,] Wz: und Schutz gegen das Äußerliche hätte. (Va)

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zufälligste Aberglaube. Die Chinesen sind das abergläubischste Volk der Welt, in ewiger Furcht und in Angst vor allem, weil alles Äußerliche eine Bedeutung für sie hat, eine Macht über sie ist, etwas, das Gewalt gegen sie brauchen, das sie affizieren kann. Besonders die Wahrsagerei ist dort zu Hause; die Angst vor jedem zufälligen Zustand treibt sie dazu. In jedem Ort sind eine Menge Menschen, die sich mit Prophezeien abgeben; die rechte Stelle für ihre Wohnung, ihr Grab zu finden, die Lokalität, das Verhältnis im Raum - damit haben es die Chinesen ihr ganzes Leben hindurch zu tun. Wenn beim Bau eines Hauses ein anderes das ihrige flankiert, die Front einen Winkel dagegen I hat, so werden alle möglichen Zeremonien dagegen vorgenommen und dergleichen. I

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b) Die Religion des Insichseins So ist die zweite Form der Naturreligion, die mit der vorhin betrachteten Weise des lnsichgehens im Dao zusammenhängt, das noch ganz abstrakt ist und sich von der unmittelbaren Persönlichkeit nicht 60 Aberglaube.] W2: Aberglaube. /Diese äußere Abhängigkeit ist überhaupt darin begründet, daß alles Besondere mit dem Allgemeinen, das nur abstrakt bleibt, nicht in inneres Verhältnis gesetzt werden kann. Die Interessen der Individuen liegen außerhalb der allgemeinen Bestimmungen, die der Kaiser in Ausübung bringt. In Rücksicht auf die besonderen Interessen wird vielmehr eine Macht vorgestellt, die für sich vorhanden ist. Das ist nicht die allgemeine Macht der Vorsehung, die sich auch über die besonderen Schicksale erstreckt, das Besondere ist vielmehr einer besonderen Macht unterworfen. Das sind die Shen, und es tritt damit ein großes Reich des Aberglaubens ein. (1831) 70-71 werden ... dergleichen.] Hu: müssen sie erstens gut die Lokalität bedenken, ob aus dieser kein Unglück anfallen könnte. 71 und dergleichen.] W2: und die besonderen Mächte durch Geschenke günstig gemacht. Das Individuum ist ohne alle eigene Entscheidung und ohne subjektive Freiheit. (1831) 73 So] in W2- dem Gang des Kollegs 1831 entsprechend- an die indische Religion angeschlossen: Da keine vernünftige Bestimmung sich bis zur Solidität hat ausbilden können, so konnte auch der gesamte Zustand dieses Volkes nie ein rechtlicher und in sich berechtigter werden und war er nur ein vergönnter, zufälliger und verwirrter.

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trennt, das bestimmtere, intensivere Insichsein, dies, daß die höchste Macht, das Absolute gefaßt wird nicht in dieser Unmittelbarkeit des Selbstbewußtseins, sondern als Substanz, als ein Wesen, das aber zugleich noch diese Unmittelbarkeit behält, daß es in einem oder mehreren Individuen existiert, welche Substanz mit der Existenz in diesen Individuen die Macht, Herrschaft, das Schaffen und Erhalten der Welt, der Natur und aller Dinge ist- die absolute Macht über die Welt. I Diese Form hat mannigfaltige nähere Gestaltungen, auf deren Unterschiede wir uns nicht einlassen wollen. Es gehört die Religion des Fo- oder Buddha in Indien- hierher; dieser Buddha heißt auch 3. Die Religion des Insichseins. a. Der Begriff derselben. Die allgemeine Grundlage ist noch dieselbe mit derjenigen, die der indischen Religion eigen ist; der Fortschritt ist nur derjenige, welcher in der Notwendigkeit liegt, daß die Bestimmungen der indischen Religion aus ihrem wilden, ungebändigten Auseinanderfallen und aus ihrer natürlichen Zerfahrenheit zusammengebracht, in ihr inneres Verhälmis versetzt werden und ihr haltungsloser Taumel beruhigt wird. Diese Religion des Insichseins ist die Sammlung und Beschwichtigung des Geistes, der aus der wüsten Unordnung der indischen Religion in sich und in die wesentliche Einheit zurückkehrt. Die wesentliche Einheit und die Unterschiede fielen bisher noch so sehr auseinander, daß die letzteren für sich selbständig waren und nur in der Einheit verschwanden, um sogleich wieder in aller Selbständigkeit hervorzutreten. Das Verhälmis der Einheit und der Unterschiede war ein unendlicher Progreß, ein beständiger Wechsel des Verschwindens der Unterschiede in der Einheit und in ihrer für sich seienden Selbständigkeit. Dieser Wechsel wird jetzt abgeschnitten, indem dasjenige, was in ihm an sich enthalten ist, wirklich gesetzt wird: das Zusammenfallen der Unterschiede in die Kategorie der Einheit. Als dieses Insichsein, für welches die Beziehung auf Anderes nun abgeschnitten ist, ist das Wesen in sich seiende W esentlichkeit, Reflexion der Negativität in sich und so das in sich Ruhende und Beharrende. So mangelhaft diese Bestimmung auch sein mag, denn das Insichsein ist noch nicht konkret, ist nur das Verschwinden der selbständigen Unterschiede, (1831) 85-92 Es ... gegenwärtig.] W1: Buddha ist auch bei den Indem eine der göttlichen Inkarnationen, auch eine historische Person, wie auch Fo. Diese sind verstorbene historische Personen: Sie werden verehrt, aber es wird zu-

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Gautama. Damit zusammen hängt die Iamaische Religion. In Indien ist Buddha eine historische Person. Diese Verstorbenen werden verehrt, aber sie werden zugleich vorgestellt, daß sie in ihren Bildern ebenso gegenwärtig sind als in ihren Priestern. In der Iamaischen Religion wird vorgestellt, daß bestimmte Individuen Gott sind, daß sie diese Substanz sind als lebendig, hier sinnlich gegenwärtig. Diese sinnliche Gegenwärtigkeit in einem Menschen ist bleibender Hauptzug. Diese Religion ist die ausgebreitetste auf dem Erdboden - in Birma, China, [in der] Mongolei usf. Die Völker, die zu dieser Religion gehören, sind zahlreicher als die Mohammedaner, wie diese noch zahlreicher als die Christen. I Hier kommt diese Form der Substantialität vor, daß das Absolute ist das Insichseiende, diese eine Substanz, die aber nicht, wie bei Spinoza, als eine Substanz für den und in dem Gedanken nur gefaßt wird, sondern zugleich Existenz in der sinnlichen Gegenwärtigkeit, in einzelnen Menschen hat. Was den Charakter der Völker betrifft, die zu dieser Religion gehören, so enthält diese Substantialität die Erhebung über das unmittelbare, einzelne Bewußtsein, wie es sich in der Zauberei darstellt, wo gerade das einzelne Bewußtsein die Macht ist, die Begierde, die noch ungebrochene Roheit. Auf der hier zu betrachtenden Stufe dagegen wird das Höchste gewußt als das Eine, Substantielle, und darin liegt die Erhebung über die Begierde, über das einzelne Wollen, die Hemmung der wilden Begierde, das Ver-

gleich vorgestellt, daß sie in ihren Bildern gegenwärtig und wirksam sind, wie in ihren Priestern. Die Lamareligion ist, daß einige dieser Menschen der Gott selber sind, daß sie die Substanz sind als lebendig, hier gegenwärtig. Es hat an sich nicht Widersprechendes, daß ein Individuum, hier der Dalai Lama, als die absolute Macht der Substanz gewußt wird; er ist zwar sterblich, wie andere, aber doch ist der Gott in ihm gegenwärtig; er hat weiter keine außerordentliche Macht an sich, aber in ihm ist die Macht der Substanz, dies Unmittelbare und Bewußtlose, das schlechthin Durchdringende und unmittelbar Vorhandene. Das hängt sehr nahe zusammen mit dem vorigen. (Va) 102-106 Was ... Roheit.] W2: Auf den Charakter der Völker, die ihr angehören, hat diese Religion der Substantialität besonders insofern gewirkt, als sie die Erhebung über das unmittelbare, einzelne Bewußtsein zur durchgehenden Fordenmg machte. (1831? Va?)

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no senktsein in diese Innerlichkeit, Einheit; das Bild des Buddha ist in

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dieser denkenden Stellung, Füße und Arme übereinandergelegt, so daß eine Zehe in den Mund geht - dies Zurückgehen in sich, dies an sich selbst Saugen. So ist der Charakter der Völker dieser Religion der der Ruhe, der Sanftmut, des Gehorsams, der über der Wildheit der Begierde steht, des Gestilltseins der Begierde. Es entstehen unter diesen Völkern große religiöse Assoziationen; diese leben in Gemeinsamkeit, in Ruhe des Geistes, in stiller, ruhiger Beschäftigung des Geistes, wie die Bonzen in China, die Schamanen in der Mongolei. Ausdrücklich wird als das Ziel für den Menschen, als das Höchste angegeben, zu dieser reinen Stille in sich zu gelangen. I Insofern diese Stille auch als Prinzip ausgesprochen wird, so besonders in der Form der Religion des Fo, so ist das Letzte, Höchste das Nichts, das Nichtsein. Aus Nichts, heißt es, sei alles hervorgegangen, in Nichts gehe alles zurück. Das ist die absolute Grundlage, das Unbestimmte, das Vernichtetsein alles Besonderen, daß alle besonderen Existenzen, Wirklichkeiten, nur Formen sind und nur das Nichts wahrhafte Selbständigkeit, alle andere Wirklichkeit dagegen keine hat; sie gelten nur für etwas Akzidentelles, eine gleichgültige Form. I

117-118 ruhiger ... Geistes,] W2: Beschauung des Ewigen leben, ohne an weltlichen Interessen und Geschäften teilzunehmen. (1831) 118 die ... Mongolei] so An; L: die Rabanen in Birma (Va) 121-128 Insofern ... Form.] W2: 1. Die absolute Grundlage ist die Stille des Insichseins, in welchem alle Unterschiede aufhören, alle Bestimmungen der Natürlichkeit des Geistes, alle besonderen Mächte verschwunden sind. So ist das Absolute als das Insichsein das Unbestimmte, das Vernichtetsein alles Besonderen, so daß alle besonderen Existenzen, Wirklichkeiten nur etwas Akzidentelles, nur gleichgültige Form sind. 2. Da die Reflexion in sich als das Unbestimmte (auch wieder dem Standpunkte der Naturreligion gemäß) nur die unmittelbare ist, so ist sie in dieser Form als Prinzip ausgesprochen, das Nichts und das Nichtsein ist das Letzte und Höchste. Nur das Nichts hat wahrhafte Selbständigkeit, alle andere Wirklichkeit, alles Besondere hat keine. Aus Nichts ist Alles hervorgegangen, in Nichts geht Alles zurück. Das Nichts ist das Eine, der Anfang und das Ende von Allem. So verschiedenartig die Menschen und Dinge sind, so ist nur das Eine Prinzip, das Nichts, woraus sie hervorgehen, und nur die Form macht die Qualität, die Verschiedenheit aus. (Co)

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133.Q.

Für den Menschen ist dieser Zustand der Vernichtung das Höchste: sich zu vertiefen in dieses Nichts, in die ewige Ruhe des Nichts überhaupt, in das Substantielle, wo alle Bestimmungen aufhören, wo keine Tugend, keine Intelligenz ist, wo alle Bewegung sich aufhebt. Alle Bestimmungen der Natürlichkeit wie des Geistigen sind verschwunden. I Um glücklich zu sein, muß der Mensch sich durch ewiges Sinnen in sich bemühen, nichts zu wollen, [nichts] zu wünsehen und nichts zu tun. Wenn er zu diesem gekommen ist, so ist gar keine Rede mehr von etwas Höherem, von Tugend und Unsterblichkeit. Die Heiligkeit des Menschen ist, daß er in dieser Vernichtung sich vereinigt hat mit Nichts und ebenso mit Gott, mit dem Absoluten. Hat der Mensch diese Heiligkeit, diese höchste Stufe erreicht, so ist er von Gott ununterscheidbar, ewig identisch mit Gott, so hört alle Veränderung auf; die Seele hat keine Wanderung mehr zu befürchten. Es ist hier also das theoretische Moment ausgesprochen, daß dieses reine Nichts, diese Stille, Leere, das absolut Höchste sei; das Individuum ist [ein] Formelles. Das Praktische ist, daß

129-134 dieser ... verschwunden.] W: (W1: denn ebenso dieser Zustand der Vernichtung der höchste W2: Insofern die Stille des Insichseins das Vernichtetsein alles Besonderen, das Nichts ist, so ist für den Menschen ebenso dieser Zustand der Vernichtung der höchste, und seine Bestimmung ist), sich zu vertiefen in dieses Nichts, die ewige Ruhe, das Nichts überhaupt, (W2: in) das Substantielle, wo alle Bestimmungen aufhören, (W1: keine Tugend,) kein Wille, keine Intelligenz (W1: ist, alle Bestimmungen der Natürlichkeit und des Geistes verschwunden sind. W2: ist.) (Va) 134-145 Um ... Formelles.] W: Durch fortwährendes Vertiefen und Sinnen in sich soll der Mensch diesem Prinzip gleich werden, er soll ohne Leidenschaft sein, ohne Neigung, ohne Handlung und zu diesem Zustand kommen, Nichts zu wollen und Nichts zu tun. Da ist von Tugend, Laster, Versöhnung, Unsterblichkeit keine Rede: Die Heiligkeit des Menschen ist, daß er in dieser Vernichtung, in diesem Schweigen sich vereint mit Gott, dem Nichts, dem Absoluten. Im Aufhören aller Regung des Körpers, aller Bewegung der Seele besteht das Höchste. Wenn diese Stufe erlangt ist, (W2: so ist keine Abstufung, kein Wechsel mehr und) hat der Mensch keine Wanderungen nach dem Tode zu befürchten, da ist er identisch mit Gott. Hier ist also das theoretische Moment ausgesprochen, daß der Mensch ein Substantielles, für sich ist. (Va) 145 [ein] an Stelle eines unleserlichen Wortes in Bo

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der Mensch will, daß er tut, wo er die Macht ist. I Der Mensch hat aus sich Nichts zu machen. In seinem Sein hat er sich auf diese nega146 daß ... ist.] W: wenn er will, so ist das, was ist, Gegenstand für ihn, den er verändert, dem er seine Form aufdrückt. Der praktische Wert der religiösen Empfindung bestimmt sich nach dem Inhalt dessen, was als das Wahre gilt. In dieser Religion ist (W1: wenigstens dieser Wert W2: aber erst noch dieses Theoretische) vorhanden, daß diese Einheit, Reinheit das Nichts absolut selbständig gegen das Bewußtsein ist, daß seine Bestimmung ist, nicht gegen das Gegenständliche zu handeln, es nicht zu bilden, sondern (W1: daß diese Stille in ihm gewähre und W2: es gewähren zu lassen, so daß diese Stille in ihm) hervorgebracht werde. (1831) 146 Der] L: Diese Stille, Leere ist das Absolute. Der W: Dieses ist das Absolute: der (Va) 147 machen.] W: machen. Des Menschen Wert besteht darin, daß sein Selbstbewußtsein ein affirmatives Verhältnis zu jener theoretischen Substantialität hat - das Gegenteil desjenigen Verhältnisses, welches, da der Gegenstand keine Bestimmung für dasselbe hat, nur negativer Natur ist, eben deswegen nur affirmativ ist, als Beziehung des Subjekts zu seiner eigenen Innerlichkeit, welche die Macht ist, alle Objektivität in ein Negatives zu verwandeln - d. h. affirmativ nur in seiner Eitelkeit. -Jener stille, sanfte Sinn hat im Kultus zunächst momentan das Bewußtsein solcher ewigen Ruhe als des wesentlichen, göttlichen Seins, und für das übrige Leben gibt diese Bestimmtheit den Ton und Charakter; aber es steht dem Selbstbewußtsein auch frei, sein ganzes Leben zu einem fortdauernden Zustande jener Stille und existenzlosen Betrachtung zu machen, und diese wirkliche Zurückgezogenheit aus der Äußerlichkeit der Bedürfnisse und Wirksamkeit des Lebens in das stille Innere und so die Einigung mit dieser theoretischen Substantialität muß für die höchste Vollendung gelten. W1: Eine nähere Vorstellung dieser allgemeinen Bestimmungen gibt das an die Hand, was uns von den Bestimmungen berichtet wird, welche die Verehrer des Fo oder Buddha oder auch des Fo und Buddha, ingleichen dieses und jenes Iamaischen Oberhaupts, als das Wesen solches ihres Gottes angeben. Es sind noch zwei Bestimmungen anzugeben, die aus dem Aufgezeigten folgen, deren eine sich auf die Gestalt des Gottes, die andere auf die äußere 147-154 In ... Gott,] ähnlich W1; W2: Wenn der Mensch in seinem Sinn (so auch W 1) sich auf diese negative Weise verhält, sich nur wehrt nicht gegen das Äußerliche, sondern gegen sich selbst und sich mit dem Nichts vereint, sich alles Bewußtseins, aller Leidenschaft entschlägt, dann ist er in den Zustand erhoben, der bei den Buddhisten Nirvana heißt. Da ist der Mensch nicht schwer, nicht mehr dem Gewicht, der Krankheit, dem Alter unterworfen, dem Tod; er ist (Co)

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134.125

tive Weise zu verhalten, sich nur zu wehren nicht gegen das Äußerliche, sondern gegen sich selbst. Der Zustand, der als das vorgestellt wird, was des Menschen Ziel ist, dieser Zustand der Einheit und Reinheit heißt bei den Buddhisten Nirvana und wird so beschrieben, daß, wenn der Mensch folgenden Beschwerden nicht mehr unterworfen ist: Gewicht, Alter, Krankheit, Tod, er Nirvana erreicht habe; er ist dann identisch mit Gott, anzusehen als Gott selbst, ist Buddha geworden. I Auf den ersten Anblick muß es auffallen, daß der Mensch Gott als Nichts denke; es muß die größte Sonderbarkeit haben. Aber näher betrachtet heißt diese Bestimmung nichts anderes als: Gott ist schlechthin nichts Bestimmtes, er ist das Unbestimmte; es ist keine Bestimmtheit irgendeiner Art, die Gott zukommt; er ist das Unendliehe. Denn wenn wir sagen: Gott ist das Unendliche, so heißt das: Gott ist die Negation alles Besonderen. Wenn wir die Formen vornehmen, die heutzutage gang und gäbe sind: »Gott ist das Unendliche, das Wesen, das reine, einfache Wesen, das Wesen der Wesen und nur das Wesen«, so ist das notwendig ganz oder ziemlich gleichbedeutend mit dem, daß Gott das Nichts ist. Das heißt aber nicht, daß Gott nicht ist, sondern daß er das Leere und daß dies Leere Gott ist. Wenn wir sagen: »Man kann von Gott nichts wissen, nichts erkennen, kann von ihm keine Vorstellung haben«, so ist dies ein milNatur des subjektiven Selbstbewußtseins bezieht. In Ansehung beider muß es jedoch bei den allgemeinen Grundbestimmungen belassen werden, denn weiter als solche folgen sie aus der angegebenen Bestimmung der göttlichen Natur; da diese selbst noch ganz bei der unentwickelten Abstraktion des ruhigen, bestimmungslosen Insichselbstseins stehenbleibt. Deswegen ist alle weitere Gestaltung und Vorstellung teils empirisch-geschichtlicher, teils eingebildeter Zufälligkeit preisgegeben; das unausgeführtere Detail hiervon gehört einer Beschreibung der zalillosen, verworrenen Einbildungen über Begebenheiten, Schicksale jener Gottheiten, ihrer Freunde und Schüler sowie den weiteren Zeremonien und Gewohnheiten des äußeren Kultus an, eine Materie, die ihrem Gehalte nach nicht viel Interesse noch Wert anderer Art und aus dem angegebenen Grunde nicht das Interesse des Begriffes hat. (1831) (vgl. 473 Fußnote 418) 156 Auf] in Bo am Rande: 28. 6. 27 168-169 Wenn ... dies] W: Jene moderne Weise ist also nur (Va? Ed?)

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no derer Ausdruck dafür, daß Gott für uns das Nichts ist, das Leere für

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uns; das heißt, man muß von aller Bestimmung irgendeiner Art abstrahieren. Da bleibt das Nichts übrig und das Wesen, und nur das Wesen ohne alle weitere Bestimmung ist so eben das Leere, Unbestimmte. - Das ist eine bestimmte, notwendige Stufe der religiösen Vorstellung: Gott als das Unbestimmte, die Unbestimmtheit, dies ganz Leere, worin die erste Weise der Unmittelbarkeit aufgehoben, verschwunden ist. I Der hauptsächliche Kultus des Menschen 1st, sich mit diesem Nichts zu vereinigen, sich allen Bewußtseins, aller Leidenschaften zu entschlagen. I Der Kultus besteht hier darin, sich in diese Abstraktion, in diese vollkommene Einsamkeit, dies ganz Leere, diese Entsagung, in das Nichts zu versetzen. Hat der Mensch dies erlangt, so ist er von Gott ununterscheidbar, ewig identisch mit Gott. I In der Lehre des Fo tritt das Dogma von der Seelenwanderung auf. Dieser Standpunkt ist [höher als) der, nach dem sich die Anhänger des Dao zu Shen, sich unsterblich machen wollen. I Indem als die höchste Bestimmung des Menschen dies angegeben wird, durch Meditation, Zurückgehen in sich zur Unsterblichkeit zu gelangen, so ist damit nicht ausgesprochen, daß die Seele an sich als solche verharrend, wesenhaft, daß der Geist unsterblich sei, sondern nur, daß sich der Mensch durch die Abstraktion unsterblich mache und machen solle. Der Gedanke der Unsterblichkeit liegt eben darin, daß der Mensch denkend, in seiner Freiheit bei sich selbst ist; so ist er schlechthin unabhängig; ein Anderes kann nicht in seine Freiheit einbrechen- er bezieht sich nur auf sich selbst, und ein Anderes kann sich in ihm nicht geltend machen. Diese Gleichheit mit mir selbst, Ich, dies bei sich selbst Seiende, dies ist wahrhaft unsterblich, ist

176 die ... Unmittelbarkeit] W2: das unmittelbare Sein und dessen scheinbare Selbständigkeit (Va) 184 das ... der] W 1 : die Vorstellung von der W2: die Vorstellung von der Unsterblichkeit und (Va) 191 Abstraktion] W: Abstraktion, Erhebung (Va) 196-197 Diese ... Seiende] An: Freiheit ist das wahrhaft Unendliche Hu: Dies allgemeine Ich: ich bin frei, ist das unendliche W1 schließt an: wahrhaft Unendliche W 2 schließt an: wahrhaft Unendliche, dieses, heißt es dann auf diesem Standpunkte, (Va)

466

Bestimmte Religion {1827)

134-135.136.126

keiner Veränderung unterworfen; es ist selbst das Unveränderliche, das nur in sich Seiende und I sich nur in sich Bewegende. Ich ist nicht tote Ruhe, sondern Bewegung, aber Bewegung, die nicht Verände- 200 rung wird, sondern ewige Ruhe, ewige Klarheit in sich selbst ist. Indem jetzt anfängt, daß Gott als das Wesenhafte gewußt, in seiner W esenhaftigkeit gedacht wird, das Insichsein, Beisichsein wahrhafte Bestimmung ist, so ist in Beziehung auf das Subjekt dies Insichsein, diese W esenhaftigkeit gewußt als Natur des Subjekts, das geistig ist 205 in sich. Diese W esenhaftigkeit kommt auch dem Subjekt, der Seele zu; es wird gewußt, daß sie unsterblich ist, daß sie dies in sich hat, rein zu existieren, rein in sich zu sein, aber noch nicht im eigentlichen Sinn als diese Reinheit, d. h. noch nicht als Geistigkeit zu existieren. Sondern mit dieser Wesenhaftigkeit ist noch verbunden, daß 210 die Weise der Existenz noch sinnliche Unmittelbarkeit ist, die aber nur akzidentell ist. Das ist Unsterblichkeit, daß die bei sich seiende Seele als wesenhaft zugleich als existierend ist. Wesen ohne Existenz ist eine bloße Abstraktion; die W esenhaftigkeit, der Begriff muß existierend gedacht werden. Es gehört also die Realisation auch zur 21~ W esenhaftigkeit. Aber die Form dieser Realisation ist hier noch die sinnliche Existenz, die sinnliche Unmittelbarkeit. I So ist also die Vorstellung, daß die Seele unsterblich ist, nach dem Tod noch beharrt, aber immer in einer anderen sinnlichen Weise gewußt wird, und dies ist die Seelenwanderung. Weil sie abstrakt 220 gefaßt wird als Insichsein wie Gott, so ist es gleichgültig, in welche sinnliche Form die Seele nach dem Tod übergehe, ob in eine menschliche oder tierische; der Geist wird nicht als Konkretes gewußt. Es ist nur die abstrakte Wesenheit gewußt, und das Dasein, die Erscheinung ist nur die unmittelbare, sinnliche Gestalt. Erreicht aber 225 der Mensch die Vernichtung seiner selbst, diese Abstraktion, so ist er der Seelenwanderung überhoben; er ist des Wiederaufnehmens dieser Existenz, des Gebundenseins an diese äußere, sinnliche Gestaltung entledigt. I Gott ist als Nichts, als Wesen überhaupt gefaßt; dies ist näher zu 230 225 Gestalt.] L: Gestalt. Dies, daß der Mensch in diese Gestalt übergeht, wird nun zusammengebracht mit der Moralität, mit dem Verdienste. ähnlich W{1827?)

126-127

23s

240

245

250

Unmittelbare Religion

467

erläutern, besonders aber auch, daß dieser wesentliche Gott doch gewußt wird als dieser unmittelbare Mensch, als Fo, Buddha, Dalai Lama. Diese Vereinbarung kann uns als das Widerwärtigste, Empörendste, Unglaublichste erscheinen, daß ein Mensch mit allen seinen Bedürfnissen von den Menschen als Gott angesehen werden könne, als der, welcher die Welt ewig erschaffe, erhalte, hervorbringe. Ein Dalai Lama ist in dieser Vorstellung von sich und wird als solcher von anderen verehrt. Diese Vorstellung ist verstehen zu lernen, und indem wir sie verstehen, rechtfertigen wir sie. Wir zeigen, wie sie ihren Grund hat, ihr Vernünftiges, eine Stelle in der Vernunft. Aber es gehört auch dazu, daß wir das Mangelhafte daran, das Absurde, einsehen. Leicht ist es, zu sagen, eine solche Religion sei bloß Sinnloses, Unvernünftiges. Das Schwere ist eben, die Notwendigkeit solcher Religionsformen zu erkennen, die Wahrheit zu erkennen, wie es mit der Vernunft zusammenhängt, und das ist schwerer als etwas für sinnlos zu erklären. Das Insichsein ist die wesentliche Stufe, daß von der unmittelbaren, empirischen Einzelheit fortgegangen wird zur Bestimmung des Wesens, der W esenhaftigkeit, oder zur Vorstellung, zum Bewußtsein von der Substanz, einer substantiellen Macht, die die Welt regiert, alles nach vernünftigem Zusammenhang werden und entstehen läßt. Von dieser substantiellen Macht wissen nur wir, daß sie I ein bewußtlos Wirkendes ist; eben damit ist sie ungeteilte Wirksamkeit, hat Bestimmung der Allgemeinheit in ihr, ist die allgemeine 236-238 Ein ... verehrt.) W2: Wenn in der christlichen Religion Gott in Gestalt des Menschen verehrt wird, so ist das unendlich unterschieden; denn das göttliche Wesen wird da angeschaut in dem Menschen, der gelitten hat, gestorben, auferstanden und gen Himmel gefahren ist. Das ist nicht der Mensch im sinnlichen, unmittelbaren Dasein, sondern der, der die Gestalt des Geistes an sich trägt. Aber als der ungeheuerste Kontrast erscheint es, wenn in der unmittelbaren Endlichkeit des Menschen das Absolute verehrt werden soll; diese ist eine noch sprödere Verein2elung als das Tier ist. Die menschliche Gestalt hat ferner in sich selbst die Forderung der Erhebung, und darum scheint es widrig, wenn diese Forderung zum Beharren bei gemeiner Endlichkeit niedergeschlagen wird. ( 1831) 242-244 Leicht ... Wahrheit] W: Wir müssen einsehen bei den Religionen, daß es nicht bloß Sinnloses ist, Unvernünftiges: Das Wichtigere ist aber, das Wahre (Va)

468

Bestimmte Religion (1827)

127

Macht. Um uns dies deutlich zu machen ist hier zu erinnern an 255 Naturwirksamkeit, Naturgeist, Natursede; da meinen wir nicht, daß Naturgeist bewußter Geist sei; wir denken darunter nichts Bewußtes. Die Naturgesetze der Pflanzen, Tiere, ihrer Organisation und der Tätigkeit dersdben sind ein Bewußtloses. Diese Gesetze sind das Substantielle jener Lebewesen, ihrer Natur, ihr Begriff. Das sind sie uo an sich, die ihnen immanente Vernunft, die lebendige Seele, aber bewußtlos. Der Mensch ist Geist, und sein Geist bestimmt sich als Sede, als diese Einheit des Lebendigen - diese seine Lebendigkeit, die in der Explikation der Organisation nur eine ist, alles durchdringend, erhal- 265 tend. Diese Wirksamkeit ist im Menschen vorhanden, solange er lebt, ohne daß er davon weiß oder dies will, und doch ist seine lebendige Sede die Ursache, d. h. die ursprüngliche Sache, die das wirkt. Der Mensch, der eben diese lebendige Seele ist, weiß nichts davon, will den Blutumlauf nicht und schreibt es ihm nicht vor, und doch 210 tut er es, und es ist sein Tun; der Mensch ist die tuende, wirkende Macht von dem, was in seiner Organisation vorgeht. Diese bewußtlos wirkende Vernünftigkeit oder bewußtlos vernünftige Wirksamkeit, Naturwirksarnkeit, haben die Alten vouc; genannt. Anaxagoras sagt, der vouc; regiere die W dt. Diese Vernünftigkeit [ist] aber nicht * bewußte. Man hat in der neueren Philosophie diese vernünftige Wirksamkeit auch das Anschauen genannt; besonders Schdling bezeichnet Gott als anschauende Intdligenz. Gott ist die Intelligenz; die * Vernunft als anschauend ist das ewige Erschaffen der Natur - das, was Erhaltung der Natur heißt, denn Erschaffen und Erhalten sind 280 nicht zu trennen. In dem endlichen Anschauen sind wir in die Dinge versenkt; sie erfüllen uns. Dies Versenktsein in die Gegenstände vor allem Vorstellen, Reflektieren, Urteilen ist die niedrigere Stufe des Bewußtseins. Darüber reflektieren, zu Vorstellungen kommen, aus sich Gesichtspunkte hervorbringen und diese an die Gegenstände 285 halten, urteilen - das ist nicht mehr Anschauen als solches. Das also ist dieser Standpunkt der Substantialität oder des Anschauern- der, den wir gegenwärtig vor uns haben; er ist dasselbe, 268 die3] W: die Substanz, welche (Va) 278 Gott ... Intelligenz;] W: Gott, die Intelligenz, (Va)

127-128 290

295

300

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310

* 315

320

Unmittelbare Religion

469

was unter dem Standpunkt des Pantheismus zu verstehen ist in seinem richtigen Sinn - dies orientalische I Wissen, Bewußtsein, Denken dieser absoluten Einheit, der absoluten Substanz und ihrer Wirksamkeit in sich, einer Wirksamkeit, worin alles Besondere, Einzelne nur ein Vorübergehendes, Verschwindendes ist, nicht wahrhafte Selbständigkeit. Dies orientalische V erstellen ist dem okzidentalischen entgegengesetzt: Wie im Westen die Sonne niedergeht, so geht dort auch der Mensch nieder in sich, in seine Subjektivität. Da ist die Einzelheit Hauptbestimmung, daß das Einzelne das Selbständige ist. Während im orientalischen Bewußtsein die Hauptbestimmung die ist, daß das Allgemeine das wahrhaft Selbständige ist, so steht in dem abendländischen die Einzelheit der Dinge, der Menschen uns oben an. Ja, die okzidentale Vorstellung kann soweit gehen, zu behaupten, daß das Endliche, die einzelnen Dinge selbständig, d. h. absolut seien. Der Ausdruck >Pantheismus< hat das Zweideutige, das die Allgemeinheit überhaupt hat. ~Ev xod 1tiiv heißt das eine All, das All, das schlechthin eins bleibt; aber 1tiiv heißt auch >allesPantheismusPantheismus< ist ein schlechter Ausdruck, 355 weil darin das Mißverständnis möglich ist, daß n:iiv genommen wird als Allesheit, nicht als Allgemeinheit. Gott ist in allen höheren Religionen, besonders aber in der christlichen, die absolute eine Substanz; zugleich aber ist er auch Subjekt, und das ist das weitere. Wie der Mensch Persönlichkeit hat, tritt in 360 Gott die Bestimmung ein: Subjektivität, Persönlichkeit, Geist, absoluter Geist. Das ist eine höhere Bestimmung, aber dennoch bleibt der Geist Substanz, die eine Substanz. Diese I abstrakte Substanz, das letzte der Philosophie Spinozas, diese gedachte Substanz, die nur für das Denken ist, kann nicht Inhalt einer Volksreligion, nicht der 3~ Glaube eines konkreten Geistes sein. Der konkrete Geist suppliert den Mangel, und der Mangel ist, daß die Subjektivität fehlt, d. h. die Geistigkeit. Aber hier auf der Stufe der Naturreligion, die wir jetzt betreten, ist diese Geistigkeit noch nicht als solche, noch nicht gedachte, allgemeine Geistigkeit, sondern sinnliche, unmittelbare. Da 370 ist es ein Mensch, als sinnliche, äußerliche, unmittelbare Geistigkeit: ein Mensch. Diese Substantialität in ihrer Wahrheit gewußt ist Subjektivität in sich, und dadurch ist Geistigkeit in dieser reinen Substantialität; aber auf dem Standpunkt der Unmittelbarkeit ist noch nicht die sich 375 selbst wissende Geistigkeit, sondern die Geistigkeit in unmittelbarer 347 haben.] W: haben. Gott ist das Bestehen aller Dinge. (Va? 1831 ?) vgl. die folgende Fußnote 348 Jacobi] L: Gott ist das Bestehen aller Dinge. Jacobi (Va? 1831 ?) vgl. die vorhergehende Fußnote 365 sein.] L: sein. Der Geist ist konkret; es ist nur das abstrakte Denken, das in solch einseitiger Bestimmtheit der Substanz bleibt. ähnlich W (1827?)

472

Bestimmte Religion (1827)

130-131

Weise, aber in Gestalt eines diesen Menschen. Wenn nun dieser Mensch im Kontrast von dieser Substanz, dieser allgemeinen Substanz, in sich bleibt, so müssen wir uns, wenn gefragt würde, wie er als allgemeine Substanz vorgestellt werden könne, an das oben Gesagte erinnern, daß der Mensch als lebendige Substantialität überhaupt diese substantielle Wirklichkeit in sich ist, die durch seine Körperlichkeit bestimmt ist. Es muß gedacht werden können, daß diese Lebendigkeit auf substantielle Weise wirksames Leben in ihm ist. Dieser Standpunkt enthält die allgemeine Substantialität in wirklicher Gestalt. Es ist also da die Vorstellung, daß ein Mensch in seiner Meditation, Selbstbeschäftigung mit sich, seinem Vertiefen in sich, die allgemeine Substanz sei, nicht etwa bloß in seiner Lebendigkeit, sondern der vouc; als Zentrum gesetzt, so aber, daß der vouc; in ihm nicht als in seiner Bestimmung, Entwicklung sich bewußt wird. Diese Substantialität des vouc;, diese Vertiefung vorgestellt in einem Individuum, ist nicht die Meditation eines Königs, der in seinem Bewußtsein die Administration seines Reichs vor sich hat; sie ist so vorzustellen, daß dieses Vertiefen in sich, dies abstrakte Denken an sich die wirksame Substantialität ist, die Erschaffung und Erhaltung der Welt. Dies ist der Standpunkt der buddhistischen und Iamaischen Religion. Dalai Lamas sind drei: in Klein-Tibet, in Groß-Tibet und im Südosten von Sibirien, in den Gebirgstälern der Hochfläche Asiens, von welcher Dschingis-Khan ausging. Daß es mehr solcher obersten Lamas gibt, daß sie auch Vorsteher von solchen Genossenschaften sind, die sich einem abgezogenen I Leben widmen, daß diese in älmlicher Würde gedacht werden wie der Dalai Lama, tut der Sache keinen Eintrag. Die subjektive Gestalt ist hier noch nicht ausschließend; erst in der Durchdringung der Geistigkeit, der Subjektivität, und der Substanz ist Gott wesentlich Einer. So ist hier die Substanz wohl eine, aber die Subjektivität, die Gestaltungen sind mehrere, und 376 Menschen.] W2: Menschen, eines empirischen, einzelnen Bewußtseins. (Va) 376 Wenn] in Bo am Rande: 29. 6. 27 388 sondern] W: sondern in seinem Vertiefen in sich, im Zentrum des voüc;, (Va)

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Unmittelbare Religion

473

es liegt unmittelbar in ihnen, daß sie mehrere sind. Denn diese Gestaltung ist selbst im Verhältnis zur Substantialität zwar als ein Wesentliches, doch auch zugleich als ein Akzidentelles vorgestellt. Gegensatz, Widerspruch kommt erst im Bewußtsein, Willen, in der besonderen Einsicht hervor; darum können nicht mehrere weltliche Regenten in einem Land sein, aber wohl mehrere Dalai Lamas. Aber diese geistige Wirksamkeit, obwohl sie zu ihrem Dasein, zu ihrer Gestalt geistige Form hat, ist doch nur Wirksamkeit der Substanz, nicht als bewußte Wirksamkeit, als bewußter Wille. Es ist ein Unterschied zwischen Buddhismus und Lamaismus; das Angegebene aber ist gemeinschaftlich. Von Fo wird gesagt, daß er sich 8000 Mal inkarniert habe zur Existenz als Mensch. Wo der große Lama in China lebt, sind Europäer kaum hingekommen, da-

417 gemeinschaftlich.] in W folgt: und die den Fo und Buddha verehren, verehren auch den Dalai Lama. Es ist jedoch jener mehr unter der Form eines Verstorbenen, der aber auch unter seinen Nachfeigem gegenwärtig ist. ( 1831) 418 zur ... Mensch.] W: sei vorhanden gewesen in wirklicher Existenz eines Menschen. (Va) in W2folgt: Das sind die Grundbestimmungen, die aus dem, was hier die göttliche Natur ist, folgen und allein daraus folgen, da diese selbst noch ganz bei der unentwickelten Abstraktion des ruhigen, bestimmungslosen Insichscins stehenbleibt. Deswegen ist alle weitere Gestaltung und Vorstellung teils empirisch-geschichtlicher, teils eingebildeter Zufälligkeit preisgegeben; das Detail davon gehört einer Beschreibung der zahllosen, verworrenen Einbildungen über Begebenheiten, Schicksale jener Gottheiten, ihrer Freunde und Schüler an und gibt eine Materie, die ihrem Gehalt nach nicht viel Interesse noch Wert und überhaupt aus dem angegebenen Grunde nicht das Interesse des Begriffes hat. (vgl. 463-464 F11ßnote 147) Auch in Betreff des Kultus haben wir es hier nicht mit den äußeren Zeremonien und Gewohnheiten zu tun, sondern nur das Wesentliche ist hier zu beschreiben, wie nämlich das Insichsein, das Prinzip dieser Stufe im wirklichen Selbstbewußtsein erscheint. (1831) 418-420 Wo ... besucht.] Wr, ähnlich W2: Der Hauptlamas gibt es drei: Der erste, Dalai Lama, befindet sich in Lhasa, nördlich vom Himalaya, wohin die Europäer noch nicht gekommen sind, da diese Stadt schon zu chinesischem Gebiet gehört. Ferner ist ein anderer Lama in Klein-Tibet in Tischu Lombu, in der Gegend von Napul. (1831) 418-419 Wo ... hingekommen,] An: Die Chinesen halten die Europäer ab von dem Bereich ihrer Herrschaft, also von Groß-Tibet.

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BestimmteRdigion (1827)

131-132

gegen den in Klein-Tibet haben (ca. 1770) Engländer besucht. Wir haben eine Beschreibung vom englischen Gesandten Turner von dem Lama in Klein-Tibet; es war derselbe ein Kind von zwei bis drei Jahren, dessen Vorgänger auf einer Reise nach Beijing, wohin er vom chinesischen Kaiser berufen worden, an den Pocken gestorben war; er war wiedergefunden in einem zweijährigen Kind. Die Stelle dieses Kindes vertrat I in Regierungsangelegenheiten ein Regent, der Minister des vorigen Dalai Lama, welcher der Träger seines Bechers genannt ist. Jenes Kind wurde zwar noch gesäugt, war aber ein lebhaftes, geistreiches Kind, betrug sich mit aller möglichen Würde und Anständigkeit und schien bereits ein Bewußtsein seiner höheren Würde zu haben. Und von dem Regenten- und seiner Umgebungkonnten die Gesandten nicht genug rühmen, welche edle Gesinnung und Einsicht und Würde, welche leidenschaftslose Ruhe er gehabt habe. Auch der vorige Lama war ein einsichtsvoller, würdiger, edler Mann gewesen. Dies, daß in einem Individuum die Substanz gleichsam besonders vorhanden ist, in ihm sich konzentriert hat, um sich äußerlich zu zeigen, hat den Zusammenhang, der gezeigt worden ist. Diese substantielle Wirksamkeit ist das allgemein Wirksame der Welt, diese Substanz der allgemeine voüc;, und dies, daß er in einem Menschen 420 besucht.] L: besucht. Wenn man vom Dalai Lama sprechen hört, so kann man ihn zunächst für einen Heuchler halten, der die Völker zum besten hält. Die Engländer fanden es aber ganz anders. (1827?) 428 ist.] W 1 : ist. In der Mongolei endlich hält sich noch ein dritter Lama auf. (1831) 431 haben.] in An am Rande: Es ist absurd, hierbei an Pfaffentrug zu denken und die Dalai Lamas für Heuchler zu halten. Sobald ein Dalai Lama gestorben ist, ist auch der Weltgeist in einen anderen individuellen Menschen gefahren, und es ist dann nur die Schwierigkeit diesen ausfindig zu machen, wozu auch einige äußere Merkmale gegeben. vgl. W1 : Wenn nämlich ein Dalai Lama stirbt, so hat der Gott seine persönliche Gegenwart den Menschen auf einen Augenblick entzogen, er erscheint aber alsobald in einer anderen menschlichen Gestalt und ist nur wieder aufzusuchen, indem er an gewissen Anzeichen kenntlich ist: (Va) 435 gewesen.] LW2: gewesen. Daß aber ein Individuum, in dem sich die Substanz konzentriert hat, sich diese würdige, edle äußere Darstellung gibt, hängt innerlich zusammen. (1827? 1831 ?)

420

*

425

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*

132.137-138

Unmittelbare Religion

475

445

besonders sein Dasein habe, daß er auf sinnliche, äußerliche Weise vor anderen und für sie vorhanden sei, liegt nicht so weit auseinander. Diese Bestimmungen lassen wir hier bestehen. Wir sind noch auf dem Standpunkt der Substantialität, die zwar mit der Subjektivität, Geistigkeit notwendig verbunden ist, aber das Geistige ist hier noch in unmittelbarer, sinnlicher Existenz, und diese Subjektivität ist noch die unmittelbare. Der Standpunkt der Substantialität macht auch die fernere Grundlage aus, und wir werden ihn sobald noch nicht verlassen, und zu der dritten Form gehen wir nun über. I

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c) Die indische Religion Diese dritte Form der Religion bestimmt sich so, daß hier die Substantialität in der Totalität ihrer Äußerlichkeit ist, daß sie in I und an dieser vorgestellt und gewußt wird, an der Totalität der Welt. Das erste also, was wir hier finden, ist dieselbe Substantialität, an der alles 451 Diese dritte Form] W2: Die zweite Hauptform des Pantheismus, wie er als Religion zur Erscheinung gekommen ist, steht noch innerhalb desselben Prinzips der Einen substantiellen Macht, in der das Vorhandene, auch die Freiheit des Menschen, nur ein Negatives, Akzidentelles ist. In der ersten Form der substantiellen Macht sahen wir, daß sie als die Menge und als der Umfang der wesentlichen Bestimmungen und nicht an ihr selber als geistig gewußt wird. Es ist nun sogleich die Frage: Wie ist diese Macht an ihr selber bestimmt, und was ist ihr Inhalt? Das Selbstbewußtsein in der Religion kann nicht wie der abstrakt denkende Verstand bei der Vorstellung jener Macht stehenbleiben, die nur als ein Aggregat von Bestimmungen gewußt wird, welche nur sind. So wird die Macht noch nicht gewußt als reelle, für sich seiende Einheit, noch nicht als Prinzip. Das Entgegengesetzte dieser Bestimmung ist nun die Rückname des vielen Bestimmtseins in die Einheit des Sichselbstbestimmens. Diese Konzentration des Sichselbstbestimmens enthält den Anfang der Geistigkeit. 1. Das Allgemeine als sich selbst bestimmend, nicht nur als eine Menge von Regeln, ist das Denken, existiert als Denken. Die Natur, die Macht, die alles gebiert, existiert als das Allgemeine, als dies Eine Wesen, als diese Eine Macht für sich nur in unserem Denken. Was wir in der Natur vor uns haben, ist dies Allgemeine, aber nicht als Allgemeines. Das Wahre der Natur ist als Idee oder abstrakter als Allgemeines in unserem Denken für sich herausgehoben. Die Allgemeinheit ist aber an ihr selbst Denken und als sich selbst be-

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Bestimmte Religion {1827)

138

andere, das Bestimmte, Besondere, das Subjekt nur ein Akzidentelles ist, das sogar sterblich ist. Das zweite aber ist das, was hier hinzukommt, das Konkrete, der Reichtum der Welt, die Besonderung jener allgemeinen Substanz, die sich in Beziehung auf die Substanz,

stimmend die Quelle alles Bestimmens. Aber auf der Stufe, wo wir jetzt stehen und wo das Allgemeine zuerst als das Bestimmende, als Prinzip hervortritt, ist es noch nicht der Geist, sondern abstrakte Allgemeinheit überhaupt. Indem das Allgemeine so gewußt wird als Denken, bleibt es als solches in sich eingeschlossen. Es ist die Quelle aller Macht, die aber nicht selbst sich als solche äußert. 2. Zum Geiste gehört nun das Unterscheiden und die Ausbildung des Unterschiedes. In das System dieser Ausbildung gehört die konkrete Entwickelung des Denkens für sich selbst und diejenige Entwickelung, welche als Erscheinung die Natur und die geistige Welt ist. Da nun aber das Prinzip, das auf dieser Stufe auftritt, noch nicht so weit gediehen ist, daß diese Entwickelung in ihm selbst geschehen könnte, da es vielmehr nur in der einfachen, abstrakten Konzentration festgehalten wird, so fällt die Entwickelung, der Reichtum der wirklichen Idee außerhalb des Prinzips, und damit ist die Unterscheidung und die Mannigfaltigkeit in die wildeste Äußerlichkeit der Phantasie ausgelassen. Die Besonderung des Allgemeinen erscheint in einer Vielheit selbständiger Mächte. 3. Dieses Viele, das wild Auseinandergelassene, wird wieder zurückgenommen in die erste Einheit. Diese Zurücknahme, diese Konzentration des Denkens würde der Idee nach das Moment der Geistigkeit vollenden, wenn das erste, allgemeine Denken sich in sich selbst zum Unterschiede erschlösse und wenn es in sich als das Zurücknehmen gewußt würde. Auf der Grundlage des abstrakten Denkens bleibt aber die Zurücknahme selbst eine geistlose. Es fehlt hier nichts von den Momenten der Idee des Geistes, es ist in diesem Fortgang die Idee der Vernünftigkeit vorhanden; aber doch machen diese Momente den Geist nicht aus, die Entwickelung vollendet sich nicht zum Geist, weil die Bestimmungen nur allgemein bleiben. Es wird immer nur zurückgekehrt zu jener Allgemeinheit, die selbsttätig ist, aber in der Abstraktion des Selbstbestimmens festgehalten wird. Wir haben also das abstrakte Eine und die Wildheit der ausgelassenen Phantasie, welche zwar wieder gewußt wird als identisch bleibend mit dem Ersten, aber nicht zur konkreten Einheit des Geistigen erweitert wird. Die Einheit des intelligiblen Reiches kommt zum besonderen Bestehen, aber dieses wird nicht absolut frei, sondern bleibt in der allgemeinen Substanz gehalten. Eben damit aber, daß die Entwickelung noch nicht wahrhaft in den Begriff zurückkehrt, noch nicht innerlich vom Begriff zurückgenommen wird, behält sie bei aller Rückkehr in die Substanz noch ihre Unmittelbarkeit, ( 1831)

455

138-139

460

Unmittelbare Religion

477

die allgemeine Macht, auch für das Bewußtsein vorstellt, die geistige tmd die Naturmacht, so daß jene Unterschiede auch als zu dem Absoluten gehörig gewußt werden, jene Mächte einerseits als besondere, selbständige erscheinen, aber zugleich verschweben, aufgezehrt werden und unter jener ersten Einheit, dem allgemeinen Insichsein der ersten Substantialität stehen. Der Gesichtskreis also ist hier erweitert; wir haben hier die Totalität. Der Gesichtspunkt ist konkret; das ist der notwendige Fortgang.

I

465

465-482 Der ... Religion.] W: Die Subjektivität ist Macht in sich als die Beziehung der unendlichen Negativität auf sich; aber sie ist nicht nur Macht an sich, sondern mit der Subjektivität ist Gott erst als Macht gesetzt. Diese Bestimmungen sind wohl voneinander zu unterscheiden und sind in Beziehung sowohl auf die folgenden Begriffe von Gott als auch auf die Verständigung über die vorhergehenden vornehmlich wichtig und darum näher in Betracht zu ziehen. Nämlich die Macht überhaupt ist sogleich in der Religion überhaupt und in der ganz unmittelbaren, der rohesten Naturreligion die Grundbestimmung, als die Unendlichkeit, welche das Endliche als aufgehobenes in sich setzt, und insofern dieses als außer demselben, als existierend überhaupt vorgestellt wird, so wird es doch nur als ein aus jenem als seinem Grunde Hervorgegangenes gesetzt. Die Bestimmung, auf welche es nun hierbei ankommt, ist, daß diese Macht zunächst eben nur als Grund der besonderen Gestaltungen oder Existenzen gesetzt ist und das Verhältnis des in sich seienden Wesens zu denselben das Substantialitäts-Verhältnis ist. So ist sie nur Macht an sich, Macht als das Innere der Existenzen, und als in sich seiendes Wesen, oder als Substanz ist sie nur als das Einfache und Abstrakte gesetzt; so daß die Bestimmungen oder Unterschiede als eigens vorhandene Gestaltungen außer ihr vorgestellt werden. Dies in sich seiende Wesen mag wohl auch als für sich seiend vorgestellt werden, wie Brahm das Sich-Denken ist Brahm ist die allgemeine Seele, als schaffend geht er selbst als ein Hauch aus sich hervor, er betrachtet sich und ist nunmehr für sich selbst. Aber dadurch verschwindet nicht zugleich seine abstrakte Einfachheit, denn die Momente, die Allgemeinheit des Brahm als solche und das Ich, für welches sie ist, beide sind gegeneinander nicht bestimmt, und ihre Beziehung ist daher selbst einfach. Brahm ist so als abstrakt für sich selbst seiend, zwar die Macht und der Grund der Existenzen und alle aus ihm hervorgegangen, so wie in ihm - im Zusichselbstsprechen: Ich bin Brahm- alle in ihm zurückgegangen, in ihm verschwunden sind. Entweder außerhalb seiner, als selbständig existierende, oder in ihm, verschwundene; nur Verhälmis dieser zwei Extreme. - Aber als unterschiedene Bestimmungen gesetzt erscheinen sie als Selbständigkeiten außer ihm, weil er erst abstrakt, nicht konkret in ihm selbst ist.

478

Bestimmte Religion (1827)

139-140.Q.l49

Wir haben hier die Substanz als diese eine wesentliche Macht; das andere ist das Konkrete, das bisher nur mehr ein Zufälliges auf diese oder jene Weise war. Das bestimmtere Konkrete ist erstens dies, daß die Idee eine ist, unmittelbar und identisch mit sich. Aber ebenso wie das Eine Gott ist, absolute Macht, ebenso unterscheidet sich zweitens die Idee auch in sich, besondert sich, und diese Besonderungen I geben unterschiedene, besondere Gestaltungen, Mächte. Das dritte ist, daß diese besonderen Gestaltungen, geistigen Naturm.ächte, zurückgekehrt vorgestellt werden, gehalten von dem Einen. I Wir haben hier ein intelligibles Reich, das sich besondert, zum Bestehen kommt, aber nicht absolut für sich frei wird, sondern gehalten von der allgemeinen Substanz. Die Gnmdlage der vernünftigen Entwicklung ist hier vorhanden, aber nur in den allgemeinsten Bestimmungen. [1.] Um näher diesen Standpunkt zu erkennen, so ist das der Standpunkt der indischen Religion. I Es ist in der indischen Religion eben diese eine Substantialität, und zwar als reines Denken, reines Insichsein vorhanden, und dies ist unterschieden von der Mannigfaltigkeit der Dinge, ist außerhalb der Besonderung, so daß es an den besonderen Mächten nicht als solchen seine Existenz, Realität hat. Es ist nicht so, wie Gott an dem Sohn seine Existenz, Dasein hat, sondern das Insichsein bleibt abstrakt in sich, rein für sich, als abstrakte Macht, aber als Macht über alles zugleich, und die Besonderung, der Unterschied fällt außerhalb dieses Insichseins. Dieses aber, weil es so abstrakt ist, muß wieder eine Existenz haben, und diese, insofern sie selbst noch unmittelbar, außerhalb des Unterschieds, nicht wahrhafte göttliche Existenz ist, ist wieder die unmittelbare Existenz im daseienden, unmittelbaren menschlichen Geist. Die Macht, auf diese Weise nur an sich gesetzt, wirkt innerlich, olme als Wirksamkeit zu erscheinen. Ich erscheine als Macht, insofern ich Ursache und bestimmter, insofern ich Subjekt bin- indem Ich einen Stein werfe usf. Aber die an sich seiende Macht wirkt auf eine allgemeine Weise, olme daß diese Allgemeinheit für sich selbst Subjekt ist. - Diese allgemeine Wirkungsweise in ihrer wahrhaften Bestimmung aufgefaßt, sind z. D. die Naturgesetze. (1831) W1 schließt ferner an: Es ist bereits angegeben worden, wie dieser Standpunkt vorhanden ist, in seiner Existenz erscheint. (Ed)

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Unmittelbare Religion

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[2.] Das ist das eine; das zweite ist dann der Unterschied als viele Mächte, und diese vielen Mächte als viele Götter - ein ungebundener Polytheismus, der noch nicht zur Schönheit der Gestalt fortgegangen ist. Es sind noch nicht die schönen Götter der griechischen Religion; ebensowenig ist auch die Prosa unseres Verstandes vorhanden. Die Mächte sind teils Gegenstände - Sonne, Mond, Berge, Flüsse, oder Abstrakteres, das Entstehen, das Vergehen, die Veränderung der Gestalten. Das sind die besonderen Mächte, die sich außerhalb des Insichseins halten und also noch nicht in den Geist aufgenommen, noch nicht wahrhaft ideell gesetzt, aber auch noch nicht vom Geist unterschieden sind. Die Substanz ist noch nicht geistig, die Mächte sind aber auch noch nicht außerhalb des Geistes gesetzt; sie werden noch nicht mit Verstand betrachtet, auch sind sie nicht Bilder einer schönen Phantasie, sondern sie sind nur phantastisch. Es sind besondere Mächte, aber eine wilde Besonderheit, in der kein System ist, nur Anklänge an das Verständige, an das Notwendige, an verständige Momente, aber noch keine verständige, noch weniger vernünftige Totalität, Systematisierung, sondern eine Vielheit in bunter Menge. Die Bestimmung ist noch nicht vorhanden, daß das Besondere mit Verstand aufgefaßt wird. I Wir sagen von natürlichen Gegenständen, daß sie sind, äußerlich seiende Dinge wie Sonne, Mond, Meer usf. Hier aber ist das reine 499-505 ebensowenig ... geistig,) W2: Erst wenn die Prosa, das Denken alle Verhältnisse durchdrungen hat, daß der Mensch überall abstrakt denkend sich verhält, spricht er von äußerlichen Dingen. Hier hingegen ist das Denken nur diese Substanz, nur dieses Beisichsein, es ist noch nicht angewendet und hat noch nicht den ganzen Menschen durchdrungen. Die besonderen Mächte, welche teils Gegenstände, Sonne, Berge, Flüsse oder abstraktere sind, wie Entstehen, Vergelten, die Veränderung, das Gestalten usf., sind noch nicht in den Geist aufgenommen, noch nicht wahrhaft als ideell gesetzt, aber auch noch nicht verständig vom Geist unterschieden, und das reine Sein ist noch konzentriert in jenes Insichsein der noch nicht geistigen Substanz.

(Co)

501-502 Veränderung der Gestalten) W: Veränderung, das Gestalten (Va) 515-516 Wir ... usf.) W1: Wir sagen von einem allgemeinen Naturdasein, so allgemeinen Naturmächten: dergleichen ist, z. B. die Sonne ist. Das sind äußerlich Seiende, Dinge - Ding ist dies Prädikat des reflektierten Seins.

(Va)

480

Bestimmte Religion (1827)

Q.151-152.145-146

Sein noch konzentriert in jenem Insichsein. Das Denken hat noch nicht das ganze Denken, den ganzen Geist durchdrWigen. Erst die Prosa, wo das Denken allgemein ist, spricht es von allgemeinen Dingen. W cnn wir die Welt betrachten, so denken wir sie; wir 520 sagen, die Gegenstände sind; das ist ihre Kategorie, daß sie äußerliche Dinge sind; so werden sie prosaisch aufgefaßt. Hier aber ist das Denken diese Substanz, das Ansieh. Das Denken ist noch nicht angewendet; I die natürlichen Mächte werden noch nicht in Kategorien gefaßt; diese Kategorien wie Selbständigkeit, Ding, haben noch I 525 nicht die Gewalt. I Ferner aber wird der gegenständliche Inhalt auch nicht in der Weise der Schönheit aufgefaßt, diese Mächte, allgemeine Naturgegenstände oder die Mächte des Gemüts, z. B. die Liebe, noch nicht als schöne Gestalten. Dazu, daß zur Schönheit der Gestalt gehört s3o freie Subjektivität, die im Sinnlichen, im Dasein, zugleich frei ist und frei sich weiß. Denn das Schöne ist wesentlich das Geistige, das sich sinnlich äußert, sich im sinnlichen Dasein zeigt, aber so, daß dieses vom Geistigen durch Wld durch, ganz Wld gar durchdrWigen, daß das Sinnliche nicht für sich ist, sondern nur durchaus Bedeutung hat 535 im Geistigen, durch das Geistige und das Zeichen des Geistigen ist. Daß das Sinnliche nicht für sich ist, nicht sich selbst zeigt, sondern sogleich etwas anderes vorstellt, als es selbst ist, als sich selbst - I dies ist die wahrhafte Schönheit. Am lebendigen Menschen, am Menschenantlitz sind viele äußerliche EinwirkWigen, die die reine Ideali- 540 sierWig, diese Subsumtion des Leiblichen, Sinnlichen Wlter das Gei518 das ganze Denken] so Bo; W 1 : den ganzen Menschen (Va) 518-525 Erst ... gefaßt;] W1: Der Verstand sagt: Sie sind, wir denken sie nnd denken sie unterschieden von uns; dies ist ihr Prädikat, ihre Kategorie, damit werden sie prosaisch aufgefaßt. Erst wenn die Prosa, das Denken alle Verhältnisse durchdrnngen hat, daß der Mensch überall abstrakt denkend sich verhält, so spricht er von äußerlichen Dingen. Hier hingegen ist das Denken nur diese Substanz, dies Beisichsein, ist noch nicht angewendet, die Gegenstände werden noch nicht in der Form dieser Kategorie betrachtet, als äußerliche, als zusammenhängend, als Ursache nnd Wirkung. (Va) 526 Gewalt.] L: Gewalt. Die Selbständigkeit der Naturmächte ist geistige Persönlichkeit, aber der Geist ist noch nicht zum Verstand fortgerückt, sondern sie sind selbständig, indem sie personifiziert werden. ähnlich W1 (1827?)

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Unmittelbare Religion

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stige hemmen. Dieses Verhältnis ist hier noch nicht vorhanden, und darum nicht, weil das Geistige nur erst noch in dieser abstrakten Bestimmung der Substantialität vorhanden ist, entwickelt also wohl auch zu diesen Besonderungen, besonderen Mächten; aber die Substantialität ist noch für sich, hat diese Besonderung, diese ihre Besonderheiten und das sinnliche, natürliche Dasein noch nicht durchdrungen, überwunden. Die Substanz ist sozusagen ein allgemeiner Raum, der das, womit er erfüllt ist, die Besonderung, die aus ihm hervorgegangen ist, noch nicht organisiert, idealisiert, sich unterworfen hat. Indem aber diese Mächte zugleich nicht in allgemeiner Weise vorgestellt, nicht gedacht werden, sondern nur für die Vorstellung als selbständig da sind, so wird ihnen diese Selbständigkeit zugeschrieben, die der Mensch überhaupt hat. Die höchste Bestimmung, zu der gegriffen wird, ist die geistige; jene Mächte werden personifiziert, aber auf phantastische, nicht auf schöne Weise. I Die Substanz ist die Grundlage, so daß die Unterschiede aus dem Einen heraustreten, erscheinen, als selbständige Götter, allgemeine Mächte, daß aber diese Götter ebenso, wie sie selbständig sind, auch sich wieder auflösen in der Einheit. Diese ungeheure Inkonsequenz ist hier vorhanden, geht durch die ganze Welt der Vorstellungen hindurch. Einerseits ist die Selbständigkeit der Götter vorgestellt und andererseits, daß sie das Eine sind, wodurch ihre besondere Gestalt, Natur, ihre Besonderheit wieder verschwindet. Zugleich wird dies Eine, diese Substanz, nicht bloß objektiv gewußt, sie hat noch nicht diese Objektivität für das Denken, sondern das Eine hat wesentliche Existenz als Mensch, der sich zu dieser Abstraktion erhebt, als menschliches Bewußtsein. I Das nächste ist die Vorstellung vom objektiven Inhalt dieses Standpunkts. Der Grundinhalt ist also die eine, einfache, absolute Substanz; diese ist das, was die Inder >Brahm, Brahma, Brahman< nennen; >Brahm, Brahman< ist das Neutrum, I die Gottheit, wie wir sagen; >Brahma< drückt das allgemeine Wesen mehr als Person, Subjekt aus. Es ist übrigens ein Unterschied, der nicht konstant angewendet wird, und schon in den verschiedenen casibus verwischt er 567 alst] W1: im menschlichen Bewußtsein, als (Va) 569 Das] in Bo am Rande: 2. 7. 27

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Bestimmte Religion (1827}

153-154.Q

sich von selbst, da masculinum und neutrum viele gleiche casus haben. I * An dieser einfachen Substanz treten auch die Unterschiede hervor, und diese Unterschiede kommen [so] vor, daß sie nach dem Instinkt des Begriffs bestimmt sind, daß eben jene Grundbestimmung, jene sso Entwicklung des Begriffs vorhanden ist. Das erste ist die Totalität überhaupt als Eine, ganz abstrakt genommen; es tritt hier als eins von dreien auf, ist heruntergesetzt, und das die drei Umfassende wird als von diesem ersten Einen verschieden vorgestellt. Das zweite ist die Bestimmtheit, der Unterschied überhaupt, und das dritte ist der 585 wahrhaften Bestimmung nach, daß die Unterschiede in die Einheit zurückgeführt werden, die konkrete Einheit. I Diese formlose Einheit ist Brahm; nach seiner Bestimmtheit ist er drei in der Einheit. Wenn wir das näher aussprechen, so sind das zweite unterschiedene Mächte. Diese Dreiheit ist nur eine Einheit; der Unterschied hat kein 590 577 haben.] L: haben. Und dann ist auch in dieser Rücksicht kein großer Akzent auf diesen Unterschied zu legen, weil Brahma nur oberflächlich personifiziert wird, der Inhalt des Brahman das Gesagte, diese einfache Substanz bleibt. ähnlich W (1827?) 579 diese ... vor,] W: es ist merkwürdig, daß diese Unterschiede so vorkommen, (Va) 587-588 Diese ... Einheit.] vgl. in L am Ende dieses Absatzes, ähnlich in W an dieser Stelle: Diese Dreiheit des Absoluten, nach seiner abstrakten Form gefaßt, oder wenn es bloß formell ist, ist es bloß Brahm, das leere Wesen; nach seiner Bestimmtheit ist es, daß es Drei ist, aber nur in einer Einheit, so daß diese Trias nur eine Einheit ist. (Va) 589-594 Wenn ... Bestimmtheit.] W: Bestimmen wir das näher und sprechen wir in anderer Form davon, so ist das Zweite dies, daß Unterschiede, unterschiedene Mächte sind: Der Unterschied hat aber gegen die Eine Substanz, die absolute Einheit kein Recht, und insofern er kein Recht hat, so kann dies die ewige Güte genannt werden, daß auch das Bestimmte existiert - diese Manifestation des Göttlichen, daß auch das Unterschiedene dazu kommt, daß es ist. Es ist dies die Güte, durch welche das durch die Macht als Schein Gesetzte momentanes Sein erhält. In der Macht ist es absorbiert; doch die Güte läßt es bestehen. Zu diesem Zweiten kommt das Dritte, die Gerechtigkeit hervor, daß das seiende Bestimmte nicht ist, das Endliche sein Ende, Schicksal, Recht erlangt, dies, verändert zu werden, überhaupt zu werden zu einer anderen Bestimmtheit; das ist die Gerechtigkeit überhaupt. Dazu gehört abstrakter Weise das

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Unmittelbare Religion

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Recht gegen die absolute Einheit, und so kann er genannt werden die ewige Güte; zu diesem kommt die Gerechtigkeit, daß das Seiende nicht ist, sein Recht erlangt, verändert zu werden überhaupt, zu werden zu besonderer Bestimmtheit. IJene Drei als Totalität, die ein s9s Ganzes und Einheit ist, heißt bei den Indern Trimurti. Murti heißt Seele, überhaupt alle Emanation, alles Geistige; Trimurti sind die drei Wesen. Das Erste, die einfache Substanz ist, was Brahma, Brahrnan heißt; aber es kommt auch vor: Parabrahma, das, was über dem Brahma ist 600 -das geht kraus durcheinander. Von Brahma, sofern er Subjekt ist, werden allerlei Geschichten erzählt; aber über eine solche Bestimmung wie Brahma, worin so ein Bestimmtes gefaßt wird, geht der Gedanke, die Reflexion gleich wieder hinaus, hinaus über das, was soeben als eines von diesen dreien bestimmt wurde, und macht sich 60S jenes Höhere, das im Unterschied gegen das andere bestimmt ist. Insofern es schlechthin die Substanz ist I und wieder erscheint nur als eines neben anderen, so ist das Bedürfnis des Gedankens, noch ein Höheres zu haben, Parabrahma - wobei man aber nicht sagen kann, in welchem bestimmten Verhältnis dergleichen Formen stehen. I 610 Brahma ist, was als die Substanz gefaßt ist, aus der alles hervorgegangen, erzeugt ist, diese Macht, die alles hervorgebracht, erschaffen hat. Indem aber so die eine Substanz, das Eine die abstrakte Macht Werden, das Vergehen, Entstehen: Denn auclt das Niclttsein hat kein Recltt, ist abstrakte Bestimmung gegen das Sein und ist selbst das Übergehen in die Einheit. (Va) 594-597 Jene ... Wesen.] W: Diese Totalität, die Einheit ist, ein Ganzes, ist, was bei den Indern Trimurti heißt- Murti = Gestalt- (wie alle Emanationen des Absoluten Murti genannt werden) dieses Höchste, unterscltieden in sielt, so, daß es diese drei Bestimmungen in ihm hat. Das Auffallendste und Größeste in der indisclten Mythologie ist unstreitig diese Dreieinigkeit. Wir können sie nicltt Personen nennen: denn es fehlt ihnen die geistige Subjektivität als Grundbestimmung. Aber es hat die Europäer aufs höcltste verwundern müssen, dieses hohe Prinzip der christlichen Religion hier anzutreffen: Wir werden dasselbe später in seiner Waltrheit kennenlernen und sehen, daß der Geist als konkreter notwendig als dreieiniger gefaßt werden muß. (1831) 598 die einfaclte] W: das Eine, die Eine (Va) 602 gefaßt) W2: als Eines von diesen Dreiengefaßt (Va)

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Bestimmte Religion (1827)

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ist, erscheint es auch gleich als das Träge, die formlose, träge Materie. Da haben wir dann die formierende Tätigkeit, wie wir es ausdrücken würden, besonders. Die Eine Substanz, weil es nur die Eine ist, ist das Formlose - so ist auch dies eine Weise, auf die es zum Vorschein kommt, daß die Substantialität nicht befriedigt ist, nämlich weü die Form nicht vorhanden ist. So erscheint das Brahm, das Eine, sich selbst I gleiche Wesen als das Träge, zwar das Erzeugende, aber zugleich passiv sich Verhaltende, gleichsam als das Weibliche. Wischnu sagt: Brahm ist mein Uterus, in welchen ich meinen Samen hineinlege, so daß alles erzeugt wird. Aus Brahma geht alles hervor, Götter, Welt, Menschen; aber es kommt zugleich zum Vorschein, daß dies Eine untätig, das Träge ist. Dieser Unterschied tritt auch in den verschiedenen Kosmogonien, Darstellungen der W eltschöpfung, hervor; man muß übrigens nicht meinen, daß die Inder so eine bestimmte Geschichte, eine feststehende Vorstellung davon haben, wie wir sie aus den jüdischen Büchern besitzen, sondern dort macht sich jeder, ein Dichter, ein Seher, ein Prophet seine eigene Vorstellung nach seiner Weise, indem er sich spekulativ in sich versenkt. Daher ist nichts Feststehendes vorhanden, sondern jeder hat eine andere Ansicht. In Manus Gesetzbuch ist diese Schöpfung so, in den Vedas und anderen religiösen Werken anders - es ist dies etwas Partikuläres. Man kann überhaupt nicht sagen, die Inder halten das und das von der Schöpfung; denn alles ist immer bloß die Vorstellung eines Weisen; das Gemeinschaftliche sind nur die Grundzüge, die wir angegeben haben. In den Vedas kommt so eine Beschreibung der Welterschaffung vor, wo Brahma allein in der Einsamkeit ganz für sich ist, und wo ein Wesen, das dann als ein höheres vorgestellt ist, zu ihm sagt, er solle sich ausdehnen und sich selbst erzeugen. Brahma aber sei in tausend Jahren nicht im Stande gewesen, seine Ausdehnung zu fassen; da sei er

621 Uterus,] W: Uterus, das bloß Empfangende, (Va) 622 Aus] L: Auch in der Bestimmung: •Gott ist das Wesen« ist nicht das Prinzip des Bewegens, Hervorbringens, keine Tätigkeit. Aus ähnlich W (1827?) 628-629 aus ... Büchern] W1: in der christlichen undjüdischen Religion (Va)

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wieder in sich zurückgegangen. Hier ist Brahma wohl als welterschaffend vorgestellt, aber weil er das Eine ist, als untätig, als ein solches, das von einem anderen Höheren aufgerufen wird, ist er als das, was formlos ist, vorgestellt. Also das Bedürfnis eines anderen ist da. Im allgemeinen ist Brahma diese eine, absolute Substanz. I

647 Substanz.] W: Substanz. / Die Macht als diese einfache Tätigkeit ist das Denken. In der indischen Religion steht diese Bestimmung an der Spitze, sie ist die absolute Grundlage und das Eine, Brahm. - Diese Form ist der logischen Entwicklung gemäß: Das erste war die Vielheit der Bestimmungen, der Fortschritt besteht in der Resumtion des Bestimmens zur Einheit. Dies ist die Grundlage. Was weiter noch zu geben ist, ist teils bloß historisch, teils aber die notwendige Entwickelung aus jenem Prinzip. Die einfache Macht, als das Tätige, hat die Welt erschaffen: Dieses Schaffen ist wesentlich ein Verhalten des Denkens zu sich selbst, eine sich auf sich beziehende Tätigkeit, keine endliche Tätigkeit. Dies ist auch in den indischen Vorstellungen ausgesprochen. Die Inder haben eine Menge Kosmogonien, die alle mehr oder weniger wild sind, und aus denen sich nichts Festes herausfinden läßt; (W2: es ist nicht Eine Vorstellung von der Erschaffung der W elt,J wie (Wt: es in den jüdischen Mythen gegeben ist. W2: in der jüdischen und christlichen Religion.) Im Gesetzbuch des Manu, in den Vedas und Puranas sind die Kosmogonien immer verschieden aufgefaßt und dargestellt; jedoch ein Zug ist immer wesentlich darin, daß dies bei sich selbst seiende Denken Erzeugen seiner selbst ist. Dieser unendlich tiefe und wahre Zug kehrt in den verschiedenen Weltschöpfungsdarstellungen immer wieder. Das Gesetzbuch Manus fängt so an: Das Ewige hat mit Einem Gedanken das Wasser erschaffen usf. Es kommt auch vor, daß diese reine Tätigkeit das Wort genannt wird, wie Gott im Neuen Testament. Bei den späteren Juden, Philo, ist die aorp(cx das Ersterschaffene, das aus dem Einen hervorgeht. Das Wort wird bei den Indem sehr hoch gehalten, es ist Bild der reinen Tätigkeit, ein äußerlich physikalisch Daseiendes, das aber nicht bleibt, sondern das nur ideell ist, unmittelbar in seiner Äußerlichkeit verschwunden ist. Das Ewige schuf das Wasser, heißt es also, und legte fruchtbringenden Samen darein; der wurde ein glänzendes Ei und darin wurde es selbst wiedergeboren, als Brahma. Brahma ist der Ahnherr aller Geister, von dem Existierenden und nicht Existierenden. In diesem Ei, heißt es, saß die große Macht untätig ein Jahr; am Ende desselben teilte sie das Ei durch den Gedanken und schuf den einen Teil männlich, den anderen weiblich: Die männliche Kraft ist selbst (Wt: nur wirksam, W2: gezeugt und wird wieder zeugend und wirksam, nur) wenn sie sich in strenger Andacht geübt hat, d. h. wenn sie zur Konzentration der Abstraktion gelangt

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Bestimmte Religion (1827)

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Das zweite ist dann Wischnu oder Krischna, d. i. das Inkamieren des Brahm überhaupt; es ist das Dasein der Erhaltung, die Manifestation, die Erscheinung auf Erden, die ganz vollständig ausgebildet ist, das Erscheinende, Mensch, besondere Menschen. Dieser Inkarnationen werden von den Indern viele verschiedene aufgezählt. Es ist überhaupt dies, daß Brahma da als Mensch erscheint. Man kann aber doch auch wieder nicht sagen, daß es Brahma sei, der als Mensch erscheint; denn diese Menschwerdung ist nicht als bloße Form des Brahm gesetzt. In dies Gebiet fallen die ungeheuren Dichtungen der Inder hinein. Die Vorstellungen von diesen Inkarnationen scheinen zum Teil Anklänge von Geschichtlichem zu enthalten; es scheint, daß unter ihnen Fürsten, mächtige Könige sind, daß große Eroberer,

ist. Der Gedanke ist also das Hervorbringende, und was hervorgebracht wird, ist das Hervorbringende selbst, nämlich die Einheit des Denkens mit sich. Die Rückkehr des Denkens zu sich selbst ist ebenso in anderen Darstellungen. In einem der Vedas (woraus zuerst von Colebrooke Bruchstücke übersetzt worden sind) findet sich eine ähnliche Beschreibung des ersten Schöpferaktus: Es war weder Sein noch Nichts, weder Oben noch Unten, (W2: weder Tod noch Unsterblichkeit,) sondem nur das Eine eingehüllt und dunkel: Außer diesem Einen existierte Nichts, und dieses brütete einsam mit sich selbst, durch die Kraft der Kontemplation brachte es aus sich eine Welt hervor; in dem Denken bildete sich zuerst das Verlangen, der Trieb, und dies war der ursprüngliche Samen aller Dinge. Hier wird ebenso das Denken in seiner auf sich eingeschlossenen Tätigkeit dargestellt. - Das Denken wird aber weiter auch gewußt als Denken im selbstbewußten Wesen, i.:n Menschen, der dessen Existenz ist. Man könnte den Einwurf machen, die Inder hätten dem Einen eine zufällige Existenz zugeschrieben, da es dem Zufall überlassen bliebe, ob das Individuum sich zu dem abstrakten Allgemeinen, (W2: zu dem abstrakten Selbstbewußtsein) erhebe. Allein die Kaste der Brahmanen ist unmittelbar das Vorhandensein Brahms; ihre Pflicht ist es, die Vedas zu lesen, sich in sich zurückzuziehen. Das Lesen der Vedas ist das Göttliche, ja Gott selbst, ebenso das Gebet. Die Vedas können auch sinnlos, in vollkommener Verdumpfung gelesen werden; diese Verdumpfung selbst ist die abstrakte Einheit des Denkens; das Ich, das reine Anschauen desselben ist das vollkommen Leere. Die Brahmanen sind es also, in denen Brahm existiert, durch das Lesen der Vedas ist Brahm (W2: und das menschliche Selbstbewußtsein in der Abstraktion ist Brahm selbst). (1831) 657 hinein.] W: herein: Krischna ist auch Brahma, Wischnu. (Va? 1831 ?)

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die den Zuständen eine neue Gestalt gegeben haben, die Götter sind, wie auch Liebschaften dazu gehören. Das dritte ist Schiwa, Mahadewa; es ist dies die Veränderung überhaupt; die Grundbestimmung [ist] einerseits die ungeheure I Lebenskraft, andererseits das Verderbende, Verwüstende, die wilde Naturlebenskraft. Sein Hauptsymbol ist darum der Ochs wegen seiner Stärke, das Bild der natürlichen Zeugungskraft, aber zugleich auch das Verderbende; die allgemeinste Vorstellung dafür ist aber der Lingam, was bei den Griechen als Phallus verehrt wurde, dies Zeichen, das die meisten Tempel haben - das innerste Heiligtum enthält diese Vorstellung. - Hier also ist das dritte, wie gesagt, nur die Veränderung überhaupt, das Zeugen und Zerstören. Die wahrhafte Drei im tiefen Begriff ist der Geist, die Rückkehr des Einen zu sich selbst, sein Zusichkommen, nicht nur die Veränderung, sondern die Veränderung, durch die der Unterschied zur Versöhnung gebracht wird mit dem ersten und die Zweiheit aufgehoben ist. In dieser Religion, die noch der Natur angehört, ist dieses Werden noch aufgefaßt als bloßes Werden, bloße Veränderung. Dieser Un-

660 sind,] L, ähnlich W: sind. (W: sind, so beschrieben werden als Götter.) Die Taten Krischnas sind Eroberungen, bei denen es ungöttlich genug zugeht. (1827?) 661 wie ... gehören.] W: Eroberung und Liebschaften sind iiberhaupt die zwei Seiten, Haupttaten der Inkarnationen. (Va) 662 Mahadewa;] W: Mahadewa, der große Gott, oder Rudra: Dies miißte die Rückkehr in sich sein; das Erste nämlich, Brahm, ist die entfernte, in sich verschlossene Einheit; das Zweite, Wischnu, die Manifestation (die Momente des Geistes sind insoweit nicht zu verkennen), das Leben in menschlicher Gestalt. Das Dritte müßte die Rückkehr zum Ersten sein, damit die Einheit gesetzt wäre als in sich zurückkehrende: Aber gerade dies ist das Geistlose; es ist die Bestimmung des Werdens überhaupt oder des Entstehens und Vergehens. (1831) 671 Die] Wz: Dies sind die drei Grundbestimmungen. Das Ganze wird in einer Figur mit drei Köpfen dargestellt, wiederum symbolisch und unschön./ Die in W1 am Ende dieses Absatzes (1831) 677 Veränderung.] L: Veränderung, nicht als Veränderung des Unterschieds, wodurch sich die Einheit hervorbringt als Aufheben des Unterschieds zur Einheit. Bewußtsein, Geist ist auch Veränderung des Ersten, der unmittelbaren Einheit. Das andere ist das Urteil, das ein Anderes sich gegen-

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terschied ist wesentlich und auf dem ganzen Standpunkt gegründet ist eben auf dem Standpunkt der Naturreligion notwendig. Die dargestellten Unterschiede werden nun, wie gesagt, als Ein- Gso heit, als Trimurti gefaßt und dies wieder als das Höchste, nicht Brahma selbst. Aber ebenso wird jede Person auch wieder für sich allein genommen, daß sie selber die Totalität, der ganze Gott ist. Es kann bemerkt werden, daß in den älteren Teilen der Vedas nicht von Wischnu, noch weniger von Schiwa die Rede ist; da ist 685 Brahma, das Eine, Gott überhaupt allein. Jene Unterschiede sind Bestimmungen, die erst später eingetreten sind. Es sind auch Kasten; * die einen verehren nur den Krischna, die anderen den Schiwa, und aus diesem entstehen große Kriege. I Das, was Wischnu heißt, sagt selbst wieder von sich, er sei alles, er 690 sei die absolute Formtätigkeit, Brahm der Mutterleib, in dem er alles erzeuge, ja, er sagt aber auch weiter: »ich bin Brahm«. Da ist der * Unterschied aufgehoben. Ebenso wenn Schiwa loslegt, so ist er die absolute Totalität, das Feuer der Edelsteine, der Glanz im Metall, die Kraft im Manne, die Vernunft in der Seele; er ist auch wieder 695 Brahm. * Außer diesen Unterschieden werden dann die besonderen Erscheiüber Haben. Ich bin wissend, so daß, indem das Andere für mich ist, ich in diesem Anderen zu mir, in mich zurückgekehrt bin. Das Dritte, statt das Versölmende zu sein, ist hier nur diese Wildheit des Erzeugens und Zerstörens. ähnlich W (1827?) Wz schließt an: Die Entwicklung geht also nur aus in ein wildes Herumwerfen in dem Außersichsein. (1831) 682 ebenso] W: wie dies als Trimurti gefaßt wird, so (Va) 687-689 Es ... Kriege.] W: Die Inder sind ferner in viele Sekten geteilt, unter vielen anderen Unterschieden ist vornehmlich dieser: Die einen verehren den Wisclmu, die anderen den Schiwa. Darüber werden oft blutige Kriege geführt; besonders bei Festen und Jahrmärkten entstehen Streitigkeiten, die Tausenden das Leben kosten. (Va) 690 Das ... sich,] W: Diese Unterschiede sind nw1 überhaupt so zu verstehen, daß das, was Wisclmu heißt, selbst wieder von sich sagt: (Va) 693 loslegt] W: redend eingeführt wird (Va) 696 Brailm.] L: Brailm. Da lösen sich in einer Person, in einem von diesen Unterschieden alle, auch die beiden anderen auf, wie die anderen Mächte, Naturgötter, Genien. ähnlich W (1827?) 697-712 Außer ... ist.) W: Außer dieser Hauptgrundlage und Grundbe-

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nungen, Mächte ebenso frei und für sich als seiend vor Igestellt, aber als personifiziert. Da werden die Sonne, der Mond, der Himalaya, der Ganges und die anderen Ströme als Personen vorgestellt, ebenso die besonderen subjektiven Empfindungen, z. B. die Rache, oder Mächte wie das Böse werden personifiziert; es geht alles durcheinander. Ihr Sein ist eine Personifikation, auch wenn sie als Tiere vorgestellt werden; in menschlicher, überhaupt in lebendiger Weise

stimmung in der indischen Mythologie wird dann alles Andere durch die Phantasie oberflächlich personifiziert. Große Naturgegenständc, wie der Ganges, die Sonne, der Himalaya, (welcher besonders der Aufenthalt des Schiwa ist,) werden mit Brahm selbst identifiziert: Die Liebe, der Betrug, der Diebstahl, die List, sowie die sinnlichen Naturkräfte in Pflanzen und Tieren, (W2: so daß die Substanz die Form der Tiere habe) usf. -alles dies wird von der Phantasie aufgefaßt (W2: als frei für sich vorgestellt,) und so entsteht eine unendliche Götterwelt der besonderen Mächte und Erscheinungen, welche jedoch als untergeordnete gewußt wird: An der Spitze derselben steht Indra, der Gott des sichtbaren Himmels. Diese Götter sind veränderlich und vergänglich und dem höchsten Einen unterworfen, die Abstraktion absorbiert sie: Die Macht, welche der Mensch durch diese erhält, setzt sie in Schrecken, ja! Visvamitra schafft selbst einen anderen Indra und andere Götter. W2: So sind diese besonderen, geistigen und natürlichen Mächte, die als Götter gelten, das eine Mal selbständig, das andere Mal als verschwindende, die dies sind, in der absoluten Einheit, der Substanz unterzugehen und wieder daraus zu entstehen. So sagen die Inder: Es waren schon viele tausend Indra und werden noch sein; ebenso sind die Inkarnationen als Vorübergehendes gesetzt. Indem die besonderen Mächte in die substantielle Einheit zurückgehen, wird diese nicht konkret, sondern bleibt abstrakte Einheit, und sie wird auch nicht konkret, indem diese Bestimmtheiten aus ihr heraustreten, sondern es sind Erscheinungen mit der Bestimmung der Selbständigkeit gesetzt außer ihr. W: Von einer Anzahl und Schätzung dieser Gottheiten kann gar nicht die Rede sein: Da ist nichts, was zu einem Festen gestaltet wäre, indem dieser Phantasie überhaupt alle Bestimmtheit mangelt. Jene Gestaltungen verschwinden wieder auf dieselbe Weise, wie sie erzeugt sind: Die Phantasie geht über von einer gemeinen äußerlichen Existenz zur Gottheit: Diese aber kehrt dann ebenso wieder zu dem, was ihr zu Grunde lag, zurück. Von Wundem kann man gar nicht sprechen, denn Alles ist ein Wunder, Alles ist verrückt, und nicht durch einen vernünftigen Zusammenhang der Denkkategorien bestimmt. Allerdings ist sehr vieles symbolisch. (1831)

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wird von ihnen gesprochen. Der nächste beste Vogel auf dem Zweige ist Gott der Liebe; die Kuh, der Affe genießen große Verehrung. Für kranke Menschen haben sie nicht Hospitäler, aber für kranke Kühe. Auch der Gott des Himmels, Indra, steht sehr tief unter Brahma, Schiwa, Wischnu; er hat wieder viele Götter, auch die Gestirne unter sich. Alle besonderen Mächte in ihrer Partikularität kommen zu dieser Selbständigkeit, die auch eine verschwindende ist. I 3. Jetzt wollen wir vom Kultus sprechen, von der Beziehung des Menschen zu Brahm. Der absolute, höchste Kultus ist jene vollkommenste Ausleerung des Menschlichen, Entsagung, wo die Inder auf alles Bewußtsein, Wollen, alle Leidenschaften, Bedürfnisse verzichten (Nirvana), [oder] diese Vereinigung I mit Gott auf die Weise, sich mit sich zu konzentrieren (Yoga). Ein solcher, der nur der Beschauung lebt, der allen Begierden der Welt entsagt hat, heißt ein Yogi. Indessen ist bei dem Inder die Andacht, wenn er sich in sich konzentriert, einerseits auch wie unsere Andacht ein Momentanes, I aber andererseits macht der Inder diese Abstraktion zum 705 gesprochen.) L: gesprochen. Daß die Substanz auch die Form der Tiere habe, ist den Indem geläufig. ähnlich W1 (1827?) 713-714 Jetzt ... Brahm.J W 1 : Das Verhältnis des Subjekts zum Absoluten, besonders zu Brahm, welches der Kultus ist, wird näher zeigen, was eigentlich dieserBrahm ist. (Va) 722-744 aber ... Brahm.) W1: das Andere aber ist, daß er diese Abstraktion, zu der er gelangt, zunächst nur in einem Moment, zu seinem Charakter, zum Charakter seines ganzen Bewußtseins, seiner ganzen Existenz macht, daß er sich nicht nur momentan erhebt, sondern sich auf dieser Stufe erhält; in vollkommener Gleichgültigkeit gegen sittliche Interessen, gegen die Bande der Menschen untereinander, der Gesellschaft, gegen das, was würdig ist seiner Aufmerksamkeit und Beschäftigung damit. Wenn er sich in dieser Abstraktion überhaupt hält, allem entsagt, der Welt überhaupt abgestorben ist, ist er ein Yogi. Der Mensch in dieser Gedankenlosigkeit, Leerheit in sich selbst sich zusammenhaltend, diese reine Ichheit, dies reine Beisichsein ist Brahm. Das ist nun die höchste Weise des Kultus, daß der Inder diese Abstraktion vollkommen zu seiner Gewohnheit macht. (Va) W2: Das Höchste, was so im Kultus erreicht wird, ist diese Vereinigung mit Gott, welche in der Vernichtung und Verdumpfung des Selbstbewußtseins besteht. Es ist das nicht die affirmative Befreiung und Versöhnung,

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Charakter seines Bewußtseins, seiner ganzen Existenz: vollkommene Gleichgültigkeit gegen alles, und Enthaltsamkeit. Eine wesentliche Bestimmung ist, daß, während bei uns die Andacht eine momentane Erhebung ist, worauf wir zu unserer sonstigen Tätigkeit, zu unseren Interessen zurückkehren, daß dies bei den Indern einerseits auch der Fall ist, andererseits aber diese Abstraktion auch als bleibend erscheint für das ganze Leben, so daß vollkommene Gleichgültigkeit für alles Sittliche, für alles, was würdig ist, den Menschen zu beschäftigen, herrscht. Der Mensch in dieser Gedankenlosigkeit, in dieser reinen Ichheit ist dann Brahm selbst. Ein Engländer aber fragte einen solchen: Was ist Brahm, diese Meditation! habt ihr Tempel für Brahm! - so sagt er: Einen Brahma verehren wir; keine Tempel haben wir für Brahma, nur für Wischnu und Krischna gerade wie die Katholiken keine Kirche für Gott haben, sondern immer nur für einen Heiligen. - Canova hatte sein großes Vermögen seiner Vaterstadt zugedacht, um eine prächtige Kirche zur Ehre Gottes zu bauen; der Klerus gab es nicht zu: sie müßte einem Heiligen gehören. Wenn man ihn aber fragt: »Was heißt diese Vertiefung!« so antwortet er: »Wenn ich zur Ehre irgendeines Gottes meine Andacht verrichte, mich ganz in mich konzentriere, so sage ich innerlich zu mir selbst: >Ich bin selbst Brahm, ich bin das höchste Wesen.Wunder< vorkommen kann. I In der indischen Religion z. B. gibt es keine Wunder; da ist alles verrückt von Haus aus. Erst im Gegensatz gegen die Ordnung, die Gesetzlichkeit der Natur, die Naturgesetze - wenn auch diese Gesetze nicht erkannt werden, sondern nur ein Bewußtsein eines natürlichen Zusammenhangs besteht -, erst da tritt die Bestimmung des Wunders ein, das so vorgestellt wird, daß sich Gott sporadisch an einem Einzelnen manifestiert. Das wahrhafte Wunder ist die Erschei374 Einzelnen] Wz: Einzelnen und zugleich gegen die Bestimmung dessel-

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Religion der Schönheit und Erhabenheit

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nung des Geistes in der Natur, und die wahrhafte Erscheimmg des Geistes ist in gründlicher Weise der Geist des Menschen und sein Bewußtsein der Welt. I Also die Welt erscheint in dieser Religion als endliche Dinge, die auf natürliche Weise aufeinander wirken, in verständigem Zusammenhang stehen. Das Verhältnis ist also: Gott, Welt, Erschaffung der Welt, die Grundkategorie der weltlichen Dinge. Das Wunder wird als zufällige Manifestation Gottes gefaßt; die wahrhafte Manifestation Gottes an der Welt ist aber die absolute, ewige, und die Art und Weise dieser Manifestation, ihre Form, erscheint als das, was wir >Erhabenheit< nennen, und deswegen heißt diese Religion die Religion der Erhabenheit. Das unendliche Subjekt in sich kann man nicht erhaben nennen; es ist das absolute an und für sich, es ist heilig. Die Erhabenheit ist erst die Erscheinung, Beziehung dieses unendlichen Subjekts auf die Welt. Die Welt wird als Manifestation dieses Subjekts gefaßt, aber als Manifestation, die nicht affirmativ ist oder die, indem sie zwar affirmativ ist, doch den Hauptcharakter hat, daß das Natürliche, Weltliche negiert wird als ein Unangemessenes für das Subjektive, so daß das Erscheinen Gottes sogleich als Erhabenheit über die Erscheinung an der Realität gefaßt ist. In der Religion der Schönheit ist Versöhnung der Bedeutung mit dem Material, mit der sinnlichen Weise, dem Sein für Anderes; das Geistige offenbart sich ganz in dieser äußerlichen Weise: Diese ist ein Zeichen des Inneren, und dies hmere wird in der Gestalt seiner Äußerlichkeit ganz erkannt. Die Erhabenheit hingegen vertilgt zu377 Welt.] L: Welt. Denn das Wissen von ihr ist, daß sie in dieser Zerstreuung, zufälligen Mannigfaltigkeit, durchaus Gesetzmäßigkeit, Vernunft enthalte; das ist relativ ein Wunder. äh111ich W (1827?) 392-393 für das Subjektive,] W: und als solches gewußt (W2: wird). (Va) 393-394 so ... ist.] W: (W1 : Es ist die Erscheinung, Manifestation Gottes in der Welt so, daß dieses Erscheinen sich zugleich zeigt als erhaben W2: Die Erhabenheit ist also diejenige Erscheinung und Manifestation Gottes in der Weh, und sie ist so zu bestimmen, daß dieses Erscheinen sich zugleich als erhaben zeigt) über diese Erscheinung in der Realität. (Va) 399-413 Die ... hat.] W2: Hingegen die Erhabenheit der Erscheinung vertilgt zugleich die Realität, den Stoff und das Material ihrer selbst; in seiner Erscheinung unterscheidet sich Gott zugleich von ihr, so daß sie als unange-

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Bestimmte Religion (1827)

71-72.76.77

gleich den Stoff, das Material, an dem das Erhabene erscheint. Das Material wird ausdrücklich zugleich als unangemessen gewußt; es ist nicht bewußtlose Unangemessenheit. Denn zur Erhabenheit ist es nicht genug, daß das Substantielle an und für sich ein Höheres ist als seine Gestalt, sondern erst dies, daß in dieser die Unangemessenheit I zugleich gesetzt ist. Bei den Indern ist nur Wildheit, Groteskheit, aber keine Erhabenheit. Gott ist für sich das Eine, die eine Macht als in sich bestimmt. Er ist der Weise, d. h. er manifestiert sich in der Natur, aber auf erhabene Weise. Die natürliche Welt ist nur ein Gesetztes, Beschränktes, nur Manifestation des Einen so, daß Gott zugleich über dieser Manifestation ist, zugleich in ihr sich von ihr unterscheidet und nicht wie in der Religion der Schönheit von dieser Äußerlichkeit sein Fürsichsein, sein wesentliches Dasein hat. Die Natur ist gehorchend, manifestiert nur ihn, aber so, daß er zugleich aus dieser Manifestation heraus ist. I Das dritte ist der Zweck Gottes. Die Zweckbestimmung ist hier als die wesentliche, daß zunächst Gott weise ist - weise in der Natur überhaupt. Die Natur ist sein Geschöpf, und er gibt darin seine Macht zu erkennen, aber nicht nur seine Macht, sondern auch seine Weisheit. Diese gibt sich in ihren Produkten durch deren zweckmäßige Einrichtung kund. Der Zweck ist mehr ein Unbestimmtes, Oberflächliches, mehr äußerlich. Der wahrhafte Zweck und seine Realisation fällt nicht in die Natur als solche, sondern wesentlich in das Bewußtsein. Er manifestiert sich in der Natur, aber seine wesentliche Erscheinung ist, im Bewußtsein zu erscheinen als in seinem Widerschein, so daß er im Selbstbewußtsein widerscheint, daß dies sein Zweck sei, gewußt zu werden vom Bewußtsein, und dem Bewußtsein Zweck sei, ihn anzuerkennen. I Das Anerkennen und messen ausdrücklich gewußt wird. Der Eine hat also an der Äußerlichkeit der Erscheinung nicht wie die Götter der Religion der Schönheit sein Fürsichsein und wesentliches Dasein, und die Unangemessenheit der Erscheinung ist nicht bewußtlose, sondern ausdrücklich mit Bewußtsein als solche gesetzt. (Va? Co?) 422 äußerlich.] so Hu; L: äußerliche Zweckmäßigkeit: •Du gibst dem Vieh sein Futter.• ähnlich W (1827?} 422 Der] in Bo am Rande: 19. 7. 27

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Religion der Schönheit und Erhabenheit

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Preisen Gottes ist die Bestimmung, die hier eintritt: Die ganze Welt soll die Ehre Gottes verkünden, und zwar die allgemeine Ehre. Nicht bloß das jüdische Volk, sondern die ganze Erde, alle Völker, alle Heiden sollen den Herrn loben. Dieser Zweck, gewußt zu werden von dem Bewußtsein, kann zunächst der theoretische Zweck genannt werden; der bestimmtere ist der praktische, der sich in dem Geiste der Welt als solcher realisiert. I Dieser wesentliche Zweck ist also zunächst die Sittlichkeit, Rechtlichkeit, daß der Mensch als solcher in dem, was er tut, das Gesetzliche, das Rechte vor Augen habe, und dies Gesetzliche, Rechte ist eben das Göttliche, und insofern es ein \Veltliches im endlichen Bewußtsein ist, ist es ein von Gott Gesetztes. Gott ist das Allgemeine; der Mensch, der sich, seinen Willen bestimmt, ist der freie, damit der allgemeine Wille. Nicht seine besondere Sittlichkeit, Rechttun ist hier Grundbestimmung, sondern der Wandel vor Gott, das Freisein von selbstsüchtigen Zwecken, die Gerechtigkeit, die vor Gott güt. Der Mensch tut das Rechte in Beziehtmg auf Gott, zu Gottes Ehre; diese Gerechtigkeit hat dann zunächst im Willen, im Inneren ihren Sitz. Diesem Wollen, dieser Innerlichkeit in Rücksicht auf Gott steht dann die Natürlichkeit des Daseins, des Menschen, des Handelnden gegenüber; dieses Gebrochensein ist im Menschen gesetzt, daß Gott für sich ist und die Natur ein Seiendes, aber Beherrschtes. Im Menschengeist ist eben dieser Unterschied: das Rechttun als solches und das natürliche Dasein des Menschen. Dies aber ist ebenso durch das geistige Verhältnis des Willens bestimmt, wie die Natur überhaupt ein vom absoluten Geiste Gesetztes ist. Das natürliche Dasein des Menschen, seine äußerliche, weltliche Existenz ist in Beziehung gesetzt auf das Innere. Wenn sein Wille ein wesentlicher Wille, sein Tun Rechttun ist, soll auch die äußerliche Existenz des Menschen diesem Innerlichen, Rechten entsprechen; es soll dem Menschen gut, es soll ihm nur nach seinen Werken gehen. Er soll sich überhaupt 441 bestimmt,] Wz: nach diesem Allgemeinen bestimmt, (Va) 459-460 gut ... gehen.] W: gut gehen nur nach seinen Werken, (Va) 460-461 überhaupt ... sittlich] Wz: nicht nur sittlich überhaupt (Va?

Ed?)

572

Bestimmte Religion {1827)

78-79

nicht nur sittlich benehmen, die Gesetze seines Vaterlands beobachten, sich dem Vaterland aufopfern, es mag ihm dabei gehen, wie es wolle; sondern es tritt die bestimmte Forderung auf, daß es dem, der Recht tut, auch wohl ergehe. Es ist hier das Verhältnis, daß die reelle Existenz, das äußerliche Dasein angemessen sei, unterworfen dem Innerlichen, Rechten und davon bestimmt, und dies Verhältnis tritt hier ein in Folge und auf Grund des Grundverhältnisses von Gott zur natürlichen, endlichen Welt. Es ist hier ein Zweck, und dieser Zweck soll vollführt sein - I eine Unterscheidung, die aber zugleich in Harmonie sein soll, so daß sich das natürliche Dasein beherrscht zeige vom Wesentlichen, vom Geistigen. Ebenso soll das natürliche Dasein des Menschen bestimmt sein, beherrscht vom wahrhaften Inneren, vom Rechtlichen. Auf diese Weise ist das Wohlsein der Menschen affirmativ, göttlich berechtigt; aber es hat diese Berechtigung nur, sofern es dem Göttlichen gemäß ist, dem sittlichen göttlichen Gesetz. Dies ist das Band der Notwendigkeit, die aber schon nicht mehr blind ist wie in der griechischen Religion, nur die leere, begrifflose, unbestimmte Notwendigkeit, so daß außer ihr das Konkrete ist. Hier dagegen ist die Notwendigkeit konkret; das an und für sich Seiende ist es, was die Gesetze gibt, das Rechte, das Gesetz will, und das hat zur Folge ein ihm angemessenes, affirmatives Dasein, eine Existenz, die ein Wohlsein, Wohlergehen ist. Diese Einheit, diese Harmonie weiß in dieser Sphäre der Mensch. Es ist Bedingtheit, daß es ihm wohlergehen darf, ja soll; er ist Zweck für Gott, er als Ganzes. Aber als Ganzes ist er selbst ein in sich Unterschiedenes, nämlich daß er Willen und daß er äußerliches Dasein hat. Er weiß nun, daß Gott das Band dieser Notwendigkeit, diese Einheit ist, die das Wohlsein gemäß dem inneren Willen hervorbringt, es dem Rechttun angemessen macht, daß dieser Zusammenhang der göttliche allgemeine 473 Rechtlichen] W2: Rechttun (Va) 478 ist.] L: ist. Die Götter, die sittlichen Mächte stehen bei den Griechen außer, unter der Notwendigkeit; diese hat nicht das Sittliche, Rechte in ihrer Bestimmung. ähnlich W (1827?) 480 Gesetz] W: Gute (Va) 489-491 der ... ist.] W 1 : - der göttliche, allgemeine Wille und das Göttliche ist die Macht dazu, aber auch dieser in sich bestimmte Wille - ist. W 2 : ist, denn der göttliche, allgemeine Wille ist zugleich der in sich bestimmte

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Religion der Schönheit und Erhabenheit

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Wille (und das Göttliche ist die Macht), dazu aber auch dieser in sich bestimmte Wille des endlichen Geistes ist. Daß dies so zusammengeknüpft ist, dies Bewußtsein ist jener Glaube, jene Zuvecsicht, die im jüdischen Volk eine Grundseite, und zwar eine bewundernswürdige Seite ausmacht. Von dieser Zuversicht sind die alttestament49S liehen Schriften voll. Dieser Gang ist es auch, was im Buch Hiob dargestellt ist, von welchem Buche man den Zusammenhang mit * dem Jüdischen nicht genau kennt. Hiob ist unschuldig; er findet sein Unglück ungerecht, ist unzufrieden. Das heißt, es ist ein Gegensatz in ihm, das Bewußtsein der Gerechtigkeit, die absolut ist, und die Unsoo angemessenheit seines Schicksals zu dieser Gerechtigkeit. Er ist unzufrieden, eben weil er die Notwendigkeit nicht als blindes Fatum ansieht; es wird als Zweck Gottes gewußt, daß er es dem Guten gut gehen lasse. Die Wendung ist nun, daß jene Unzufriedenheit, jener Mißmut sich der absoluten, reinen Zuversicht unterwerfen soll. sos Diese Unterwürfigkeit ist das letzte. Eineriseits besteht die Forderwlg, daß es dem Gerechten wohlgehe; auf der anderen Seite ist eine Unterwerfung, Verzichtleisten, Anerkennen der Macht Gottes; auf diese folgt die Herstellung des Glückes durch Gott, eben als Folge dieser Anerkennung. Diese Zuversicht zu Gott, diese Einheit und das sto Bewußtsein dieser Harmonie der Macht und zugleich der Wahrheit und Gerechtigkeit Gottes, daß Gott als Zweck in sich bestimmt ist und Zwecke hat, ist das erste, und die Segnungen Gottes sind die Folge davon. Jene Zuversicht zu Gott ist eben überhaupt das Bewußtsein dieser Harmonie zwischen Macht und Weisheit. 49o

Wille und somit die Macht dazu, jenen Zusammenhang hervorzubringen.

(Va)

495 voll.] W: voll, besonders die Psalmen. (Va) 496-497 von ... kennt.] so Bo; W: das einzige Buch, von dem man den Zusammenhang mit dem Boden des jüdischen Volks nicht genau kennt. (Va) 506-509 auf ... Anerkennung.] W: andererseits soll selbst diese Unzufriedenheit weichen. Dies Verzichtleisten, Anerkennen der Macht Gottes bringt Hiob wieder zu seinem Vermögen, zu seinem vorigen Glück; auf dieses Anerkennen folgt die Wiederherstellung seines Glücks. Doch soll vom Endlichen zugleich dieses Glück nicht als ein Recht gegen die Macht Gottes angesprochen werden.- (1827 mit 1831 ?) 510 Wahrheit] W: Weisheit (Va)

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Bestimmte Religion (1827)

80-81

Es ist hier noch aufmerksam zu machen auf dies Innerlichwerden 515 des Geistes, das Bewegen seiner in sich selbst. Der Mensch soll Recht tun; das ist das absolute Gebot, und dies Rechttun hat seinen Sitz in seinem Willen. Der Mensch ist dadurch auf sein Innerliches angewiesen, und er muß mit der Betrachtung seines Inneren beschäftigt sein, ob es im Rechten, ob sein Wille gut sei. Die innerliche Unter- s2o suchung darüber und die Bekümmernis, wenn es nicht so ist, das Schreien der Seele nach Gott, dies Hinabsteigen in die Tiefe des Geistes, diese Sehnsucht des Geistes nach dem Rechten, nach der Angemessenheit an den Willen Gottes ist ein besonderes Charakteristikum, was in den Psalmen und Propheten herrschend ist. 525 Weiter indessen erscheint dieser Zweck zugleich als beschränkter; es ist der Zweck, daß die Menschen Gott wissen, anerkennen, daß sie, was sie tun, zu Gottes Ehre tun sollen, daß, was sie wollen, dem Willen Gottes gemäß, ihr Wille wahrhafter Wille sein soll. Dieser Zweck hat zugleich eine Beschränktheit, und es ist nun anzugeben, 530 inwieweit diese Beschränktheit in der Bestimmung Gottes liege, inwiefern der Begriff, die Vorstellung Gottes noch eine Beschränktheit enthält. Wenn die Vorstellung Gottes beschränkt ist, dann sind diese weiteren Realisationen des göttlichen Begriffs im menschlichen m Bewußtsein auch beschränkt. Gott ist das in seiner Freiheit und nach seiner Freiheit sich Bestimmende, das geistige, freie Sein - das ist die Weisheit. Aber diese Weisheit, dieser Zweck ist nur erster Zweck, Weisheit im allgemeinen. Die Weisheit Gottes, das Selbstbestimmen I hat noch nicht seine Entwicklung. Diese Entwicklung in der Idee Gottes ist erst in 540 der Religion, wo die Natur Gottes offenbar ist. Der Mangel dieser Idee ist hier, daß Gott wohl der Eine ist, aber so in sich selbst auch nur in der Bestimmtheit dieser Einheit, nicht das in sich selbst ewig sich Entwickelnde ist. Es ist noch nicht entwickelte Bestimmung;

535 beschränkt.] L: beschränkt. Das ist immer das Wesentliche, aber auch das Schwerste, die Beschränktheit im Einen zu erkennen, wie sie noch Beschränktheit der Idee ist, so daß sie noch nicht als absolute Idee ist. ähnlich W

(1827?)

537 das ... Sein] W: so, daß das Geistige das Freie sei, (Va)

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*

Religion der Schönheit und Erhabenheit

575

was wir Weisheit nennen, ist insofern ein Abstraktes, abstrakte Allgemeinheit. I Damit ist in der Religion, insofern sie Bewußtsein von Gott ist, diese Beschränktheit vorhanden, die zum Teil so aufgefaßt wird, daß der jüdische Gott nur Nationalgott sei, sich auf diese Nation einge547-606 Damit ... aus.] W: (Wt: 2. Gott ist W2: und Gott ist /2.) der ausschließende Herr und Gott des jüdischen Volkes. Es kann uns nicht wundernehmen, daß eine (W2: orientalische) Nation die Religion auf sich beschränkt und daß diese ganz an ihre Nationalität geknüpft erscheint, denn wir sehen dies bei den Morgenländern überhaupt. Erst die Griechen und die Römer haben fremde Gottesdienste aufgenommen, und bei den letzteren dringen alle Religionen ein und gelten nicht als Nationelles; aber bei den Morgenländern ist die Religion durchaus an die Nationalität geknüpft. Die Chinesen, die Perser haben ihre Staatsreligion, die nur für sie ist; bei den Indem weist die Geburt sogar jedem Individuum seinen Rang und sein Verhältnis zu Brahrn an: Daher machen diese keineswegs die Forderung an andere, sich zu ihrer Religion zu bekennen, bei den Indem hat solche Forderung durchaus keinen Sinn: Nach ihren Vorstellungen gehören alle Völker der Erde zu ihrer Religion, die fremden Völker werden sämtlich zu einer besonderen Kaste gezählt. Dennoch fällt mit Recht diese Ausschließung bei dem jüdischen Volke mehr auf: Denn solches Gebundensein an die Nationalität widerspricht durchaus der Vorstellung, daß Gott nur im allgemeinen Gedanken gefaßt werde und nicht in einer partikularen Bestimmung. Bei den Persem ist Gott das Gute; das ist auch eine allgemeine Bestimmung, aber sie ist selbst noch in der Unmittelbarkeit, deswegen ist Gott identisch mit dem Lichte, und das ist eine Partikularität. Der jüdische Gott ist nur für den Gedanken, das macht einen Kontrast gegen die Beschränkung auf die Nation. Es erhebt sich zwar auch das Bewußtsein im jüdischen Volke zur Allgemeinheit, wie das an mehreren Stellen ausgesprochen ist. Ps. 117,1: •Lohet den Herrn, alle Heiden; preiset ihn, alle Völker, denn seine Gnade und Wahrheit waltet über uns in Ewigkeit.« Die Ehre Gottes soll bei allen Völkern offenbar werden, besonders bei den späteren Propheten tritt diese Allgemeinheit als eine höhere Forderung auf: Jesaja läßt sogar Gott sprechen: •Von den Heiden, welehe Verehrer Jehovas werden, will ich Priester und Leviten machen,• und es gehört dahin auch: •Wer Gott fürchtet und Recht tut in allem Volke, der ist ihm angenehm.« Alles dies ist aber später; nach der herrschenden Grundidee ist das jüdische Volk das auserwählte, die Allgemeinheit ist so auf die Partikularität (Wt: reduziert, aber diese Partikularität kommt von der subjektiven Seite: Dies Verehren und Anerkennen des Jehova ist ihnen W2: reduziert. Sahen wir aber bereits oben in der Entwicklung des göttlichen Zweckes, wie die Beschränktheit desselben in der Beschränktheit begründet ist, die in der

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Bestimmte Religion (1827)

83

schränkt habe. Das ist allerdings der Fall, aber auch mit anderen Religionen; der Gott der Christen ist es auch. Wir wissen wohl von einer Christenheit, stellen diese aber auch als eine Familie vor, eine Nation, ein Volk zusammen; so ist das Bewußtsein von Gott auch als von einem Nationalgott. Er ist, wenn wir tms so als Familie vorstelBestimmung Gottes noch liegt, so hat sich uns nun diese Beschränktheit aus der Natur des knechtischen Selbstbewußtseins erklärt, und wir sehen nun auch, wie diese Partikularität auch von der subjektiven Seite herkommt. llmen, diesen Dienern ist dies Verehren und Anerkennen des Jehova) eigen, und es ist ihr Bewußtsein, daß es ihnen eigen ist. Das hängt auch mit der Geschichte des Volks zusammen: Der jüdische Gott ist der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs, der Gott, der die Juden aus Ägypten führte, (W1 : usf. W2: und es ist nicht die geringste Reflexion vorhanden, daß Gott auch anderes getan, auch bei anderen Völkern affirmativ gehandelt habe.) Es tritt also hier von der subjektiven Seite, (W2: von der Seite des Kultus her) die Partikularität ein, und allerdings kann man sagen, Gott ist der Gott derer, die ihn verehren, denn Gott ist dies, im subjektiven Geiste gewußt zu werden und sich selbst darin zu wissen. Dies Moment gehört wesentlich zur Idee Gottes. Das Wissen, Anerkennen gehört wesentlich zu dieser Bestimmung. Es erscheint dies oft auf eine für uns schiefe Weise, wenn nämlich von Gott gesagt wird, er sei mächtiger und stärker als die anderen Götter, gleich als ob noch Götter neben ihm wären: Es sind diese den Juden aber die falschen Götter. (Wr:- Jene Partikularität fällt also auf die Seite der subjektiven Verehrung.) Es ist dieses Volk, das ihn verehrt, und so ist er der Gott dieses Volkes, und zwar der Herr desselben. Er ist es, der als Schöpfer Himmels und der Erden gewußt wird, er hat allem Ziel und Maß gesetzt, ihm seine eigentümliche Natur erteilt, so hat er auch dem Menschen sein Maß, Ziel und Recht gegeben. Das ist die Bestimmung, daß er als Herr seinem Volke Gesetze gibt, Gesetze in ihrem ganzen Umfange, sowohl die allgemeinen Gesetze, die zehn Gebote, welche allgemeine, sittliche, rechtliche Grundbestimmungen der Gesetzgebung und Moralität sind und die nicht als Vernunftgesetze gelten, sondern als vorgeschrieben von dem Herrn, als auch alle übrigen Staatsgesetzeund Einrichttmgen. Moses wird Gesetzgeber der Juden genannt, aber er ist den Juden nicht gewesen, was den Griechen Solon und Lykurg (diese gaben als Menschen ihre Gesetze); er hat nur die Gesetze Jehovas bekanntgemacht, Jehova selbst hat sie, nach der Erzählung, in den Stein gegraben. Allen noch so geringfügigen Verordnungen, die Einrichtung der Stiftshütte, die Gebräuche beim Opfer und alles sonstige Zeremoniell betreffend, ist in der Bibel die Formel beigesetzt: Jehova spricht. Alles Gesetz ist vom Herrn gegeben, es ist somit durchaus positives Gebot. Es ist darin eine formelle, absolute Autorität. Das Besondere der politischen Verfassung ist überhaupt

550

*

*

83-84 555

Religion der Schönheit und Erhabenheit

577

len, auf diese Familie beschränkt. Im Bewußtsein dieser Familie, die von diesem Gott weiß, I ist aber doch nicht nur dies, daß Gott der allgemeine Schöpfer und Herr der Welt ist; sondern er soll auch allgemein verehrt werden, alle Völker sollen zur Erkenntnis kom-

nicht aus dem allgemeinen Zweck entwickelt, auch ist es nicht dem Menschen zur Bestimmung überlassen, denn die Einheit läßt nicht die menschliche Willkür, die menschliche Vernunft neben sich bestehen, und eine politische Änderung ist jedesmal ein Abfall von Gott genannt: Sondern das Besondere als ein von Gott Gegebenes ist als ewig festgesetzt. Und hier stehen die ewigen Gesetze des Rechts, der Moralität in gleichem Rang, in gleicher positiver Form mit den geringfügigsten Verordnungen. Das bildet einen starken Kontrast mit dem Begriff, den wir von Gott haben. - Der Kultus nun ist der Dienst Gottes; der Gute, Gerechte ist es, der diesen Dienst leistet, indem er sowohl die sittlichen Gebote als auch die Zeremonialgesetze hält und beobachtet. Das ist der Dienst des Herrn. Mit der Vorstellung Gottes als des Herrn hängt es zusammen, daß sich das jüdische Volk dem Dienste desselben ganz hingegeben hat: Daraus erklärt sich auch diese bewunderungswürdige Festigkeit, die nicht Fanatismus des Bekehrens war, wie der Mohammedanismus, (W2: der schon von der Nationalität gereinigt ist und nur Gläubige anerkennt,) sondern Fanatismus der Hartnäckigkeit; sie beruht allein auf der Abstraktion des Einen Herrn;· ein Schwanken tritt im Geiste nur dann ein, wenn verschiedene Interessen und Gesichtspunkte nebeneinander zu stehen kommen, man kann in solchem Kampfe das Eine oder das Andere ergreifen; in dieser Konzentration aber des Einen Herrn ist der Geist vollkommen festgehalten. Es folgt daraus, daß gegen dieses feste Band keine Freiheit vorhanden ist; der Gedanke ist schlechthin gebunden an diese Einheit, die die absolute Autorität ist. Damit hängt weiter noch Vieles zusammen. Auch bei den Griechen haben gewisse Institutionen als göttlich gegolten, aber von Menschen waren sie eingesetzt worden, die Juden aber haben nicht so den Unterschied des Göttlichen und Menschlichen gemacht. (Wt: Darum W2: Wegen des Mangels der Freiheit) haben sie auch nicht an die Unsterblichkeit geglaubt; wenn man vielleicht davon auch einige wenige Spuren nachweisen wollte, so bleiben doch solche Stellen immer sehr beim Allgemeinen stehen und haben nicht den geringsten Einfluß auf religiöse und moralische Gesichtspunkte. Die Unsterblichkeit der Seele ist noch nicht anerkannt: Es ist daher kein höherer Zweck als der Dienst des Jehova, und für sich hat der Mensch den Zweck, sich und seiner Fanlllie das Leben so lange als möglich zu erhalten. (W2: .. .) Nach dem Gesetz erhielt jede Familie ein Grundstück, das nicht veräußert werden dürfe; so sollte für die Familie gesorgt sein. Der Zweck des Lebens war somit hauptsächlich die Erhaltung desselben. (1831)

578

Bestinunte Religion (1827)

84.103--104

men, so daß sie das Wissen von Gott nicht als ein Besonderes für sich behalten. Nach der Natur dieser Einheit ist als Zweck angesprochen, daß die Erkenntnis des wahren Gottes allen Völkern zukommen, auf der ganzen Erde sich verbreiten solle. Es ist nur eine Beschränkung nach dieser Seite, die nicht eine Beschränkung der Religion ist. Aber die Beschränkung ist hier auch noch auf andere Weise vorhanden. Weil nämlich der Zweck noch abstrakt ist, so ist die Folge, daß die Gebote, sowohl die, welche als eigentümlich religiös gelten, als auch die des Kultes nur erscheinen als ein von Gott Gegebenes, als ein Vorgeschriebenes, Unveränderliches, auf ewig Festgesetztes. Der Zweck ist noch abstrakt; was im Zweck Abstraktion heißt, das heißt im Dasein, in der Existenz ein Unmittelbares, nur so auf diese eine Weise Seiendes und Unveränderliches. I Der Kultus ist so, was Zeremoniendienst genannt wird, ein Tun, weil es so geboten ist, so vorgeschrieben, ein Tun eines Abstrakten, eines Weisen zwar und Allgemeinen; aber eben deswegen sind, was so getan wird, die Handlungen ein Besonderes, enthalten also die Forderung, daß sie verstanden werden, daß ihre Weisheit gewußt werde, verlangen die Einsicht, daß sie vernünftig sind, daß sie Beziehtmg auf die Besonderheit der Menschen, ihre Empfindungen, und zwar auf ihre berechtigte Besonderheit haben. Hier aber ist die Weisheit nicht eine entwickelte. Hier sind Besonderheiten; in diesen wird die Weisheit nicht erkannt, sie wird nicht entwickelt, dringt nicht in das Gefühl. Insofern ist das göttliche Gebot nur abstrakte Vorschrift der Weisheit; so wird sie nicht verstanden, so wird sie getan als etwas Äußerliches. Weil Gott absolute Macht ist, so sind die Handlungen an sich unbestimmt und deswegen äußerlich, ganz willkürlich bestimmt. Derselbe Zusammenhang findet in weiteren Geboten statt, nicht nur im Kultus. Was die politische Verfassung und sonstige Einrichtungen beI trifft, ist ebenso als ein von Gott nur abstrakt Vorgeschriebenes, nur zu Beobachtendes, für immer Unveränderliches gegeben. Das Politische, gesetzliche Einrichtungen sind ihrer Natur nach als Weltliches überhaupt veränderlich; hier aber werden sie als etwas genommen, das unveränderlich sei. Damit hängt zusammen, daß der Boden, den dies Volk im Besitz hat, ebenso als ein unveränderlicher Besitz gilt. I

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Religion der Zweckmäßigkeit

579

Es ist eine Familie; der Zustand ist im ganzen patriarchalisch, die politische Verfassung ist unvollkommen. Das Volk besitzt ein Land; die besondere Familie hat ihr besonderes Los, Teil, Familiengut. Dies ist ein eiserner Besitz, der für immer der Familie angehört und der freien Verfügung des Einzelnen entzogen ist. Im Jubeljahr kehrt er, wenn er verkauft war oder Schulden darauf gemacht waren, zur Familie zurück. Es ist nicht Erhebung, nicht Gleichgültigkeit gegen weltliche Existenz, gegen Eigentum vorhanden. Eigentum im rechtlichen Sinn ist noch nicht vorhanden. Das macht die Beschränktheit in der Idee und in der Realisation der Idee im Selbstbewußtsein aus.

I

C. Die Religion der Zweckmäßigkeit. Die Religion der Römer

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615

620

Die Naturreligion war die erste, die zweite Form waren die Religion der Schönheit und der Erhabenheit, das geistige Fiirsichsein. Die dritte der so bestimmten Religionen ist die der Zweckmäßigkeit, die Totalität in dieser Sphäre, zunächst die I Vereinigung der Religionen der Schönheit und der Erhabenheit. [1.] Es ist die nächste Forderung des Gedankens, daß die abstrakte Notwendigkeit erfüllt werde mit der Besonderheit, mit dem Zweck in ihr selbst. Das hatten wir bereits in der Religion der Erhabenheit; aber da ist der Zweck teils die abstrakte Weisheit, teils in seiner Realität nur ein vereinzelter Zweck als einzelne Familie, die auf einen natürlichen Boden beschränkt ist. Das Höhere ist nun, daß dieser Zweck erweitert werde zum Umfang der Besonderheit überhaupt. 607 Die] in Bo am Rande: 20. 7. 27 614 Es] L: In der Religion der Schönheit haben wir die leere Notwendigkeit, in der Religion der Erhabenheit die Einheit als subjektive. In jener fällt die sittliche Substantialität, das Rechte, das im empirischen Selbstbewußtsein gegenwärtige Wirkliche außer der Notwendigkeit; wir haben da die sittlichen Mächte, die als Individuen vorgestellt sind, als geistige, konkrete Subjekte, als besondere Volksgeister, als lebendige Geister. Diese Besonderheit nun, reduziert unter eines, ist die nächste Bestimmtlteit. Es ähnlich W (1827?) 620-621 erweitert ... ausführliche,] W1: erweitert werde zum Umfang

580

Bestimmte Religion (1827)

193.194-196

Diese entwickelte, ausführliche, mannigfache Besonderheit hatten wir in der Religion der Schönheit; daß sie nun auch in die Einheit gesetzt werde, das kann nich~ jene wahrhafte geistige Einheit, den reinen Geist des Gedankens ergeben wie in der Religion der Erhabenheit. I 62~ Es ist zunächst die eine relative Totalität, eine Totalität, in der jene beiden Religionen ihre Einseitigkeit zwar verlieren, aber jedes der Prinzipien zugleich durch die Aufnahme in sein Gegenteil verderben wird; eben diese Einheitlichkeit interessiert uns doch an ihnen. Die Religion der Schönheit verliert die konkrete Individualität ihrer 630 Götter und damit auch deren I sittlichen, selbständigen Inhalt; die Götter werden zu Mitteln herabgesetzt. Die Religion der Erhabenheit verliert die Richtung auf das Eine, Ewige, überirdische. Verbunden werden sie zu einem zunächst empirischen allgemeinen, zu einem ausführlichen, äußerlichen allgemeinen Zweck; in der Reli- 635 gion der Zweckmäßigkeit ist der Zweck dies Umfassende, aber ein äußerlicher, der dann in den Menschen fällt. Dieser Zweck soll realisiert werden, und der Gott ist die Macht, ihn zu realisieren. Dies ist das Verhältnis der Zweckmäßigkeit; es hat diesen Mangel, daß der Zweck ein vom I Menschen gesetzter, äußerlicher, empiri- 640 scher Zweck ist. Dieser Mangel aber hat in einem höheren Mangel seinen Grund - darin, daß Gott diesen Zweck hat; dieser soll realisiert werden. Seinem Inhalt nach ist er ein äußerlicher; so ist auch seine Realisation eine äußerliche, im Endlichen, auf der Welt. Die der Besonderheit, diese entwickelt. Die aqsführliche, (Va) Wz: zum Umfange der Macht erweitert und diese selbst somit entwickelt werde. Die ausführlich entwickelte (Va? Ed?) 626 Es ... Totalität, I] Wz: Die früheren Bestimmungen werden vielmehr nur in eine relative Totalität zurückgenommen, in (Va) 633-637 Verbunden ... fällt.) Wz: Aber ihre Vereinigung bringt doch den Fortschritt zu Stande, daß der einzelne und die besonderen Zwecke zu Einem allgemeinen Zwecke erweitert werden. (Va) 637 fällt.] W1: fällt. So ist sie Verstandesreligion. (Va? vgl. auch vorliegenden Band 96,J16) 638 realisieren.] W1: realisieren; es ist affirmative Einheit Gottes und des Menschen, und Gott ist die Macht, jenen Zweck zu realisieren. (Va) 644-652 Die ... setzt,] Wz: Dies ist nämlich die wahrhafte Zweckmäßigkeit, in welcher die Einheit des Begriffs, Gottes, des göttlichen Subjekts und

196.197 645

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Religion der Zweckmäßigkeit

581

wahrhafte Realisation wäre, daß der Zweck, der Begriff realisiert würde, und durch diese Realisation wird Einheit des Begriffs, Gottes, des göttlichen Subjekts und dessen gesetzt, worin dieser realisiert wird, der Objektivität, und das ist dann die Natur Gottes selbst, das ist dann die innere Zweckmäßigkeit, wo die Seite der Realität selbst am Begriff identisch mit dem Begriff ist, dieser Prozeß, diese Bewegung, daß der Begriff selbst sich objektiviert und dies Objektive mit sich identisch setzt, daß er der absolute Zweck, der absolute Endzweck ist. Hier aber ist die absolute Idee noch nicht als dieser Kreislauf, diese Beziehung auf sich vorhanden; deswegen ist der Begriff, der realisiert werden soll, ein äußerlicher, der Inhalt, der realisiert werden soll, ein solcher, der in die Welt, in das menschliche Bewußtsein fällt, insofern er realisiert werden soll. I Das nähere, worin der Zweck hier besteht, ist dies. Der Zweck in der Religion der Erhabenheit ist, insofern er auch ein beschränkter ist, doch zugleich als wesentlicher Zweck, aber als noch nicht entwickelt. So ist sein Inneres die Familie, die natürliche Sittlichkeit als solche. Hier ist dieser Zweck der erweiterte; der befassende, wesentliche Zweck ist der Staat überhaupt. Dieser Staat ist ein äußerlicher, weltlicher Zweck, so daß der Inhalt noch nicht eigentlich in Gott selbst fällt; er fällt zwar in ihn, ist aber nicht Gottes eigene Natur. Dieser Staat ist auch nur erst der abstrakte Staat, die Vereinigung der Menschen unter ein Band, aber so, daß sie noch nicht in sich vernünftige Organisation ist, und der Staat ist noch nicht vernünftige Organisation in sich selbst, weil sozusagen Gott noch nicht die vernünftige Organisation in ihm selbst, der konkrete Geist ist. Die Zweckmäßigkeit ist die äußerliche; als innerliche gefaßt, wäre sie die eigene Natur Gottes. Weil Gott noch nicht diese konkrete Idee, noch nicht wahrhafte Erfüllung seiner durch sich selbst ist, so ist dieser

dessen, in dem sich der Begriff realisiert, der Objektivität und der Realisation gesetzt wird und die Natur Gottes selbst es ist, die sich in der Objektivität ausführt und so in der Seite der Realität mit sich identisch ist. (Co? 1831 ?) 645 Realisation] so BoHu; An: Realisierung W1: Zweckmäßigkeit (Va) 648 Objektivität,] W1: Objektivität, seiner Realisation, (Va) 655 der realisiert] W1: das Substantielle, was objektiviert (Va) 664 Inhalt] W1: Zweck (Va)

582

Bestimmte Religion (1827)

197-198.206

Zweck, der Staat, noch nicht diese vernünftige Organisation, vernünftige Totalität in sich und verdient darum auch den Namen Staat nicht, sondern ist Herrschaft, die Vereinigung der Individuen, Völker in ein Band, unter eine Macht, und indem wir hier den Unterschied haben zwischen Zweck und Realisierung, so ist dieser Zweck zunächst vorhanden als nur subjektiv, nicht als ausgeführter, und die Realisierung ist Erobern, Erwerbung der Herrschaft, Realisierung eines Zwecks, der a priori ist, der erst über die Völker kommt und erst sich vollbringt. Dies liegt in der Bestimmung des Zwecks; dieser Unterschied ist sehr wesentlich. Es wurde schon angegeben: Athene ist der Geist des Volkes. Da ist das Wohlsein der Stadt Athen, ihr Glück, nicht Zweck der Athene, da ist kein Verhältnis eines Zwecks, der realisiert I werden soll, sondern Athene ist die substantielle Einheit, der Geist des Volkes, und Athen ist das äußerliche Dasein dieses Geistes, ist unmittelbar mit ihm identisch. Pallas ist nicht die Göttin Athens, die Athen zum Zweck hätte. Hier aber ist diese Kategorie der äußerlichen Zweckmäßigkeit die Hauptsache, auf die es ankommt. I [2.] Das zweite ist die Angabe der äußerlichen Erscheinung dieser Religion, oder der Boden, wo sie gewesen ist und wie die Gestaltung des Gottes, der Götter. In der äußerlichen Erscheinung ist diese Religion die Religion der Römer. Die äußerliche Erscheinung wird immer angeführt, um einerseits zu zeigen, daß die Religion dieser Bestimmtheit des Begriffs entspricht, und dann ist da Gelegenheit, die näheren Bestimmungen, die im Begriff enthalten sind, auf konkrete Weise zu entwickeln. Man nimmt die römische Religion oberflächlicherweise mit der griechischen zusammen; aber es ist ein wesentlich ganz anderer Geist in der einen als in der anderen. Wenn sie auch Gestaltungen miteinander gemein haben, so haben diese doch hier ganz andere Stellung als dort, und das Ganze der Religion und die religiöse Gesinnung ist ein wesentlich Verschiedenes, wie sich schon aus der äußerlichen, oberflächlichen Betrachtung ergibt. 689-690 Pallas ... hätte.) W1: das ist nicht Verhältnis von Zweck zur Realisierung des Zwecks. (Va) 691 ankommt.) W1: ankommt. Das ist die allgemeine Bestimmung dieser Sphäre. (Va)

675

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206-207.210.211

Religion der Zweckmäßigkeit

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Denn im allgemeinen gibt man zu, daß der Staat, die Staatsverfassung, das politische Schicksal eines Volkes von seiner Religion abhängt, daß diese die Basis, Substanz von dem, was Politik ist, ihre Grundlage sei. Nun aber sind griechischer und römischer Geist, Bil710 dung und Ge Ischichte wesentlich voneinander verschieden; also müssen es auch die beiden Religionen sein. I In Ansehung ferner der abstrakten Gesinnung, der Richtung des Geistes ist das erste die Ernsthaftigkeit der Römer. I Wo ein Zweck ist, ein wesentlich fester Zweck, der realisiert werden soll, da tritt der m Verstand und damit die Ernsthaftigkeit ein, die an diesem Zweck festhält gegen mannigfaches Anderes im Gemüt oder in äußerlichen Umständen. Die Heiterkeit der griechischen Religion, der Grundzug in Ansehung ihrer Gesinnung, hat darin ihren Grund, daß dort auch wohl 120 ein Zweck ist, ein Verehrtes, Heiliges. Aber zugleich ist die Freiheit vom. Zweck unmittelbar darin vorhanden, daß die griechischen Götter viele sind. Jeder griechische Gott hat eine mehr oder weniger substantielle Eigenschaft, sittliche W esentlichkeit; aber eben weil es viele Besonderheiten sind, so steht das Bewußtsein, der Geist, zu725 gleich auch über diesem Vielen, Mannigfachen - ist aus seiner Besonderheit heraus. Das Bewußtsein verläßt das, was als wesentlich bestimmt ist und auch als Zweck behandelt werden kann, und ist selbst dies Ironisieren. Dagegen kann da, wo ein oberstes Prinzip, ein oberster Zweck ist, diese Heiterkeit nicht stattfmden. Ferner ist der grie730 chisehe Gott eine konkrete Individualität; an ihm selbst hat jedes dieser vielen besonderen Individuen wieder viele unterschiedene Bestimmungen: Es ist eine reiche Individualität, die notwendig den Widerspruch an ihr haben und zeigen muß deswegen, weil der Gegensatz noch nicht absolut versöhnt ist. Indem die Götter an ihnen 735 selbst diesen Reichtum an äußerlichen Bestimmungen haben, ist die Gleichgültigkeit gegen diese Besonderheiten vorhanden, und der Leichtsinn kann mit ihnen spielen. Das Zufällige, das wir in den Göttergeschichten an diesen Göttern bemerken, gehört hierher. I 710 Geschichte] W: Charakter (Va) 710-711 also ... sein.] W2: und schon dies muß auf den Unterschied der religiösen Substanz führen. (Va)

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Bestimmte Religion (1827)

213.214

Der bestimmte Zweck ist eben der Zweck der Herrschaft, und der Gott ist die Macht, diesen Zweck zu realisieren, die oberste allgemeine Macht, diese Herrschaft über die Welt. Diesen Gott sehen wir also z. B. in der Gestalt der Fortuna publica. Diese Fortuna publica ist die eigentliche, den römischen Zweck selbst enthaltende Notwendigkeit, eben die Roma selbst. Die Roma ist die Herrschende, eben so hoch gestellt wie ein heiliges, göttliches Wesen. Diese herrsehende Roma in der Form eines herrschenden Gottes ist der Jupiter capitolinus. Er ist der Hauptgott, der die Roma herrschend macht der Jupiter, der den Sinn des Herrschens und einen Zweck in der Welt hat, und das römische Volk ist es, durch und für das er diesen Zweck vollbringt. Das zweite ist, daß jener Gott der realen Herrschaft nicht der wahrhafte, geistig Eine ist; eben deshalb fällt auch das Besondere außerhalb dieser Einheit des Herrschens. Die Macht ist nur abstrakt, nur Macht; es ist nicht eine vernünftige Organisation, Totalität in sich. Eben deswegen erscheint auch das Besondere als ein außer dem Einen, dem Herrscher Fallendes. I Da haben wir nun die Erscheinungen von Göttern, von solchen, wie gesagt, die auch in der Tat etwa griechische Götter sind oder diesen gleichgestellt werden, wie das eine Nation mit den Göttern der anderen wohl tut. So fmden die Griechen ihre Götter in Persien, Syrien, Babylon, was doch zugleich ein Verschiedenes war von der eigentümlichen Anschauung, Bestimmtheit ihrer eigenen Götter; nur in oberflächlicher Allgemeinheit sind sie als ähnlich anzusehen. Sie haben aber keine freie Indivi-

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739 Der bestimmte] W1: Der Charakter der römischen Gesinnung ist diese Ernsthaftigkeit des Verstandes, die einen bestimmten Zweck hat; dieser

(Va)

742-743 Diese ... eigentliche,] W: diese Notwendigkeit, die für andere eine kalte Notwendigkeit ist; die eigentliche Notwendigkeit, die (Va) 746-747 Jupiter capitolinus.] W: Jupiter capitolinus, ein besonderer Jupiter, denn es gibt viele Jupiter, wohl300 Joves. (Va? vgl. auch 403) 750 vollbringt.] Wz: vollbringt. Das römische Volk ist die allgemeine Familie, während in der Religion der Schönheit viele Familien der göttliche Zweck waren, in der Religion des Einen dagegen nur Eine Familie. (Co? 1831 ?) 763-764 Sie ... Götter] W1: Im allgemeinen sind sie oder viele davon

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214.Q.214-215

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* 11s

1so

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dualität wie in Griechenland. Diese Götter erscheinen aber sozusagen grau; man weiß nicht, wo sie herkommen, außer daß sie herbeigeholt worden sind. Diese römischen Götter nun haben keinen rechten Sinn; in den Dichtern sind sie nur eine leblose Nachahmung der griechischen Götter. Es ist nicht dies Bewußtsein, dies Gefühl der Humanität, Subjektivität in ihnen, was in den Göttern wie im Mensehen und im Menschen wie in den Göttern das Substantielle ist. I Sie zeigen sich als entlehnte; sie erscheinen als sinnlose Maschinerien. (In Frankreich hat man auch solche Maschinengötter eingeführt.) Sie zeigen sich mehr als Verstandesgötter, die nicht einer schönen Phantasie angehören. I Außer diesen besonderen Göttern, die als gemeinschaftlich mit den griechischen erscheinen, haben die Römer viele eigentümliche Götter und Gottesdienste. Die Herrschaft ist der Zweck des Bürgers; aber darin ist das Individuum noch nicht erschöpft. Es hat auch einen besonderen Zweck, und diese partikularen Zwecke fallen außerhalb jenes abstrakten Zwecks. I Aber diese besonderen Zwecke werden vollkommen prosaisch partikuläre; es ist die gemeine Partikularität des Menschen nach den vielfachen Seiten seines Bedürfnisses oder Zusammenhangs mit der Natur, die hier hervortritt. Der Gott ist nicht diese konkrete Individualität. Die Partikularität so für sich, von jener Allgemeinheit verlassen, ist eben ganz gemein, prosaische Partidieselben. Diese Götter, die aber nicht diese schöne, freie Individualität sind, (Va) Wz: Im allgemeinen sind die römischen besonderen Gottheiten oder viele von ihnen dieselben mit den griechischen. Aber dennoch sind sie nicht diese schöne, freie Individualität, (Va) 773 einer schönen] W: einem schönen, freien Geist, einer schönen, freien

(Va)

780 Zwecks.] L: Zwecks. Gegen das Allgemeine der Herrschaft ist ein Besonderes vorhanden, die menschlichen I Zwecke und Interessen, diese partikularen Zwecke, das Leben und die Bedürfnisse des Menschen. Wir sehen so einerseits diese allgemeine Macht, die das Herrschen ist; in dieser sind die Individuen aufgeopfert, nicht als solche geltend. Die andere Seite, das Bestimmte, fällt, weil jene Einheit, der Gott das Abstrakte ist, außerhalb derselben, und das Menschliche ist wesentlich Zweck; die Erfüllung des Gottes mit einem Inhalt ist das Menschliche. ähnlich W (1827?) 784 Individualität.] W: Individualität - Jupiter ist nur das Herrschen, die besonderen Götter sind tot, leb-, geistlos, oder mehr entlehnt. (Va)

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Bestimmte Religion (1827)

215.216.Q.215-216.Q

kularität des Menschen. Diese aber ist für ihn Zweck; er braucht dies und jenes, und das, was für den Menschen Zweck ist, ist nun in dieser Sphäre Bestimmung des Göttlichen. So galten die menschlichen Zwecke für göttliche und damit für göttliche Mächte. Der Zweck des Menschen und der göttliche Zweck ist einer; aber es ist 790 ein der Idee äußerlicher Zweck. Der Zweck ist so erstens der allgemeine; die Herrschaft der Welt ist die eine Seite. Dies ist die abstrakte Macht, die für die Individuen drückend, lastend ist, sie aufzehrt, aufopfert. Zweitens ist der Zweck der partikuläre; danach erscheinen die partikulären Zwecke, Bedürfnisse, Mächte auch als 795 Götter, weil die Erfüllung des Gottes das Menschliche ist. Dies ist der Grundzug der römischen Religion. Es sind die gemeinen Bedürfnisse, die hier den Inhalt für die Götter abgeben. Da haben wir die vielen, höchst prosaischen Gottheiten. Der Inhalt dieser Götter ist praktische Nützlichkeit; sie dienen dem gemeinen soo praktischen Nutzen. Die Laren, Penaten gehören zwar auch dem partikulären Bürger an, aber sie beziehen sich auf die natürliche Sittlichkeit, Pietät, auf die sittliche Einheit der Familie. Das meiste aber hat einen Inhalt, der der bloßen partikulären Nützlichkeit angehört. I Indem dies Leben, dies Tun der Menschen auch eine Form erhält, 805 die wenigstens ohne das Negative des Bösen ist, so ist die Befriedigung dieser Bedürfnisse ein einfacher, ruhiger, ungebildeter Naturzustand. Die Befriedigung der Bedürfnisse, die diesem angemessen sind, erscheint als eine Menge von Göttern. I Den Römern schwebt ein Zustand der Unschuld vor in dem Zeitalter Saturns. Sie haben 810 viele Feste in Beziehung auf den Nutzen von der Fruchtbarkeit der Erde und auf die Geschicklichkeit der Menschen, die Naturgaben zu benutzen. I Die Götter sind ferner Geschicklichkeiten, Arten von Tätigkeit, die sich ganz auf die unmittelbaren Bedürfnisse und deren Befriel digung beziehen: I z. B. Jupiter pistor, der Bäcker, die Kunst 815 zu hacken; Fornax, der Ofen, worin das Getreide gedörrt worden ist,

800 sie] in Bo am Rande: 23. 7. 27 811 Feste] W: Feste und eine Menge Götter (Va) 816 backen;] W: backen gilt als ein Göttliches und die Macht derselben als ein Wesentliches. (Va)

Q.216.Q

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8Jo

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und der Ofen zum Backen ist die Ofengöttin. Die Vesta - das Feuer beim Brotbacken, dann eine höhere Bedeutung, die sich auf die Familienpietät bezieht; die Palilienfeste für die Göttin des Viehfutters; Juno moneta; und für allerlei Zustände der Menschen die Göttin Pax, Tranquillitas, Vacuna, Febris, Pestis, Robigo, Brand im Getreide; Aerumna, Göttin des Kummers und der Sorge. Diese alle sind bezogen auf ganz prosaische Bedürfnisse. Es kann nichts Phantasieloseres geben als einen Kreis von solchen Göttern. I Wohl machen diese vielen Götter einen sehr weitläufigen Götterkreis aus; aber es ist unmittelbar die Bestimmung der Allgemeinheit des römischen Schicksals, des herrschenden Jupiters - es liegt in der Bestimmung dieser Grundlage, daß alle diese Götter überhaupt, die individuellen Götter, in eins versammelt werden. Daß die weltliche Herrschaft der Römer sich ausdehnte, bestand darin, daß die vielen Individuen und Völker unter eine Macht und Herrschaft gebracht wurden und ebenso sind ihre sittlichen Mächte, die göttlichen Volksgeister, I in ein Pantheon hineingedrückt worden, versammelt unter einem Schicksal, dem einen Jupiter capitolinus unterworfen. Ganze Schiffsladungen von Göttern werden nach Rom geschleppt aus 817 und ... Ofengöttin] W: ist eine eigene Göttin (Va) 818 dann ... Bedeutung,] W: denn als 'E