Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie II: Nachschriften zum Kolleg des Wintersemesters 1823/24 9783787328307, 9783787337378

Im Zusammenhang von Hegels Vorlesungstätigkeit kommt den Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie eine besondere

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Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie II: Nachschriften zum Kolleg des Wintersemesters 1823/24
 9783787328307, 9783787337378

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H E G E L · G E S A M M E LT E W E R K E 3 0 , 2

GE ORG W I LH ELM FRIEDRI CH H EGEL

G E S A M M E LT E W E R K E

I N V E RBI N DU NG M I T D E M

F O R S C H U N G S Z E N T RU M F Ü R KLASSISCHE DEUTSCHE PHILOSOPHIE / H E G E L - A RC H I V H E R AU S G E G E B E N  VO N

WA LT E R JA E S C H K E

BAN D 30 IN SECHS TEIL BÄ NDEN

F E L I X M E I N E R V E RL AG H A M BU RG

GE ORG W I LH ELM FRIEDRI CH H EGEL

VORL ES UNGE N ÜBER DIE GESCHICHTE DER PHILOSOPHIE

H E R AU S G E G E B E N VO N

KLAUS GROTSCH BA ND 30, 2 NACHSCHR IF TE N ZU M KO LLE G 18 23 /24

F E L I X M E I N E R V E R L AG H A M BU R G

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über 〈http://portal.dnb.de〉 abrufbar. ISBN 978-3-7873-2830-7

Gedruckt mit Unterstützung der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und der Künste

© Felix Meiner Verlag, Hamburg 2020 Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe und der Übersetzung, vorbehalten. Dies betrifft auch die Vervielf ältigung und Übertragung einzelner Textabschnitte durch alle Verfahren wie Speicherung und Übertragung auf Papier, Film, Bänder, Platten und andere Medien, soweit es nicht §§ 53 und 54 UrhG ausdrücklich gestatten. Satz: Da-TeX Gerd Blumenstein, Leipzig. Druck und Bindung: Beltz, Bad Langensalza. Werkdruckpapier: alterungsbeständig nach ANSI-Norm resp. DIN-ISO 9706, hergestellt aus 100 % chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Printed in Germany.

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Zum Gedenken an Axel Kopido

INHALTSVERZEICHNIS

WINTERSEMESTER 1823/24. NACHSCHRIFT HEINRICH GUSTAV HOTHO mit den Marginalien einer späteren Überarbeitung und Varianten aus der ­Nachschrift von Romuald Hube . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 461 G e s c h i c h t e d e r P h i l o s o p h i e N a c h d e m Vo r t r a g e d e s H e r r n P r. H e g e l . I m Wi n t e r 1 8 2 3 / 2 4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E i n l e i t u n g . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . G e s c h i c h t e d e r P h i l o s o p h i e. E r s t e r T h e i l . D i e a n t i q u e P h i l o s o p h i e. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E r s t e Pe r i o d e. Vo n T h a l e s b i s A r i s t o t e l e s . . . . . . . . . . . . . . Vo n T h a l e s b i s A n a x a g o r a s . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zweite Periode Dogmatismus und Scepticismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D r i t t e Pe r i o d e. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Z we i t e r T h e i l . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E r s t e Pe r i o d e. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D r i t t e r T h e i l . D i e m o d e r n e P h i l o s o p h i e. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

463 465 518 520 521 617 648 663 663 690

ANHANG Zeichen, Siglen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 783

WINTERSEMESTER 1823/24 NACHSCHRIFT

HEINRICH GUSTAV HOTHO MIT DEN M A RGINA LIEN EIN ER SPÄTER EN Ü BER A R BEITU NG UND VA RIA NTEN AUS DER NACHSCHRIFT VON

ROMUALD HUBE

Gesch ichte der Ph i losoph ie N a c h d e m Vo r t r a g e d e s H e r r n P r. H e g e l . Im W i n t e r 18 2 3 / 2 4 .

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H . H o t h o . |

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einleitung

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Einleitung.

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Ohne Einleitung vermögen wir nicht zu beginnen, denn die Geschichte der Philosophie ist mit soviel andern Kreisen verbunden, daß die Art und Weise des Denkens zu bestimmen ist, welche zur Geschichte der Philosophie gehört. Au­ ßerdem fordert der Geist überhaupt, daß vorher das Ganze übersehen werde, daß der Zweck des Ganzen gefaßt sei; man muß den Wald im Ganzen betrachten ehe man daran geht im Einzelnen die Sträucher und Bäume zu sehen, sonst sieht man den Wald vor Bäumen nicht, die Philosophie vor Philosophien nicht. Und besonders ist es dann, daß die Theile in der Beziehung des Ganzen bei der Ge­ schichte der Philosophie stehen. Bei Geschichte hat man zunächst zwar die Vor­ stellung, das Einzelne in seiner Beziehung zu einem Ganzen festzustellen sei we­ niger nöthig, und man könnte glauben als Geschichte sei die Philosophie keine Wissenschaft, sondern eine Menge von Zufälligkeiten, deren Zusammenhang nur das Nach und vor und zugleich oder die Zeit sei. Aber auch bei der politischen Geschichte fordern wir schon einen nothwendigen Zusammenhang, eine we­ sentliche Stellung der Einzelheiten, als Zweck, Ziel für ein Allgemeines, ein Gan­ zes. Durch dieses erhalten die besonderen Erscheinungen erst ihre Bedeutung. Denn Bedeutung ist überhaupt Beziehung auf ein Allgemeines auf eine Idee. So hätten wir also zunächst das Allgemeine der Geschichte der Philosophie durch­ zunehmen. Der Eine Punkt ist daher der Begriff der Geschichte der Philosophie wobei die Beziehung der Geschichte der Philosophie zur Philosophie überhaupt her­ auszuheben ist. Die Geschichte der Philosophie hat zum Inhalt nicht äußerliches Geschehen, und es wird sich zeigen daß die Geschichte der Philosophie mit der

3  Kreisen verbunden,] Hu: Wi senschaften verwandt­  ­5 der Geist] Hu: die Vorstellung oder der 25 Geist­  ­13–14 sondern eine … sei.] Hu: sie erscheint zunächst als eine zufaellige Erscheinung, eine hintereinander gehende Erzählung, von Begebenheiten deren jede isolirt da steht. 19–20 durchzunehmen.] Hu: anzugeben haben – und hiebey haben wir nach dem Gesagten zwey Punkte festzuhalten.­  ­23.465,1–2 und es … machen.] Hu: und wir werden sehen dass das Zu­ sammenfallen der | Begebenheiten nothwendig seyn wird – und dass in dieser Rücksicht die Ge­ 30 schichte der philosophie mit der Entwikelung der Wi senschaft selbst in Einklang stehen wird. 3  verbunden,] folgt nachtr. gestr: so­   ­7 man daran … Einzelnen nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­11 das Einzelne … Ganzen] (1) dß Einzelne (2) das über der Zeile Einzelne (in sr Beziehg zu einem Ganzen nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen)­  ­13 von nachtr. am Zeilen­ ende hinzugefügt­  ­16 als nachtr. über der Zeile­  ­21 Beziehung] folgt nachtr. gestr: d. Beziehg­  ­23 Ge­ 35 schichte der Philosophie] Philos. d. Geschte­  ­29 Begebenheiten] Begebenhei- / ten (als Reklaman­ te) | Begebenheiten

2rHo

Unser Gegenstand ist die Geschichte der Philosophie. Die Nothwendigkeit in sie erst hineinzuleiten geht hervor: aus ihrem Zusam­ menhang mit anderen Kreisen; aus dem Be­ dürfniß des Geistes ihr Allgemeines ihren Begriff zunächst zu erfassen um dann die Einheit ihrer Existenz und dieses Begriffs zu erkennen.

Die Einleitung also wird enthalten den: I Begriff der Ge­ schichte der Philoso­ phie.

1Hu 1. 2

2Hu 2.)

466 II Feststellung des Anfangs durch Ab­ scheidung von ande­ ren Gebieten.

2vHo III Begriffsmäßige Gliederung der Exi­ stenz des Begriffs. I. Begriff der Geschich­ te der Philosophie. Zunächst liegende Vorstellung derselben: Sie sei die Erzählung aller Gedanken über Welt und Gott Aus der Mannigfal­ tigkeit dieser Gedan­ ken wird dann ge­ schlossen, es seien nur Meinungen, nicht Er­ kenntnisse der Wahr­ heit. Denn die Erkenntniß der Wahrheit durch die Vernunft läugnete einmal: die Frömmigkeit.

3Hu 3. 3

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Philosophie selbst zusammenfällt, dieß Zusammenfallen ist gleichfalls bemerk­ lich zu machen. Der zweite Punkt bezieht sich nun ferner auf den Anfang der Geschichte der Philosophie. Sie steht im engsten Zusammenhang mit der politi­ schen Geschichte mit der Kunst und Religion und die Stellung zu diesen Seiten giebt den mannigfaltigsten Stoff. Von diesen Seiten ist die Philosophie auch ver­ schieden und also auch die Unterschiede müssen betrachtet werden, und hieraus kann sich ergeben, was von der Geschichte der Philosophie auszuschließen ist, | womit zu beginnen. Der Inhalt der Philosophie zeigt sich zuerst als Mythe früher als in der Form der Philosophie. Dieser Unterschied wäre also aufzuzeigen. Von hier aus gehen wir zur Eintheilung über und sprechen kürzlich von den Quellen. Der erste Punkt war also die Bedeutung, der Begriff der Geschichte der Philosophie. Hiebei wollen wir bei der ersten besten Vorstellung, die uns entge­ genkommt, beginnen. Das Nächste was uns vorläuft ist: “daß die Philosophie die Begriffe herzählen solle, welche zu aller Zeit die Menschen über Welt und Gott hatten”. Nehmen wir diese Vorstellung auf, so ist allerdings nicht zu läugnen, die Philosophie enthalte die Gedanken über Gott und Welt und lasse sie in vielerlei Formen uns entgegentreten. Aber man sagt denn auch deshalb, es seien nur Meinungen, welche die Geschichte der Philosophie uns kennen lehre. Was sich zunächst der Meinung entgegensetzt benennen wir als Wahrheit. Vor ihr er­ bleicht die Meinung, vor der Wahrheit aber würden Die den Kopf senken, welche meinen, nur Meinungen seien in der Geschichte der Philosophie zu finden. Denn es giebt zwei Antagonisten, die gegen die Geschichte der Philosophie ankämpfen. Ehemals war es die Frömmigkeit, welche das vernünftige Denken für unvermö­ gend erklärte denkend das Wahre zu erkennen, sagend, es müsse zur Wahrheit

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2 –3 Der zweite … Philosophie.] Hu: 2.) Der zweite punkt der Einleitung ist dann die Beantwortung 25 dieser Frage: womit der Anfang gemacht werden soll –­  ­ 6–8 und also … beginnen.] Hu: anderseits aber, die Unterschieden von den mit ihr verwandten Seiten, festzustellen.­  ­ 8–9 Der Inhalt … Philo­ sophie.] Hu: Der allgemeine Inhalt ist früher in der Religion, in den Mythen ausgesprochen worden – ehe er die Form der Philosophie bekommen hat.­  ­11–12 Der erste … Philosophie.] Hu: Das erste ist also die Bedeutung, Bestimmung, Begriff, der Zwek der Geschichte der philosophie.­  ­12–15 Hie­ 30 bei wollen … hatten”.] Hu: Die nächste, allgemeinste Vorstellung von der Geschichte der philoso­ phie die man hat ist, dass sie die verschiedenen Gedanken über Gott, Mensch, Geist, die die Men­ schen gehabt haben, aufnimmt, und historisch erzählt.­  ­17–18 Aber man … lehre.] Hu: Es ist aber dieser Vorstellung ferner eine weitere Bedeutung gegeben, nemlich dass wir hier nur mit Meinungen zu thun haben.­  ­19–21 Vor ihr … finden.] Hu: und sie ist es eben von welcher dieje­ 35 nigen die Koepfe wegwenden, welche nichts als Meinungen in der Geschichte der philosophie suchen.­  ­23–24.467,1  Ehemals war … beugen.] Hu: 1o die Frömmigkeit, die ehemals oft ausge­ sprochen, dass auf die Vernunft Verzicht gethan werden mu s um auf die Wahrheit | zu gelangen. 2  auf den] mit d.­   ­10 über] ein­  ­15 so nachtr. über der Zeile­  ­22 die gegen nachtr. über Rasur­    ankämpfen nachtr. über der Zeile­  ­38 zu gelangen] zu gelang- / en (als Reklamante) | zu 40 gelangen

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zu gelangen, die Vernunft sich vor der Autorität beugen. Selbstdenken führe auf Abwege, auf den Abgrund des Zweifels. Vom Verhältniß der Philosophie zur Re­ ligion sprechen wir später. Die andere Seite, welche ihren Widerstreit Wider­ spruch gegen die Philosophie als Erkenntniß der Wahrheit ausspricht, ist, daß die Vernunft sich gegen die gegebene Lehre wendete, das Christenthum wollte ver­ nünftig machen, sagend: nur durch die eigene Ueberzeugung werde der Mensch verpflichtet etwas für wahr für die Intelligenz, verpflichtend für den Willen zu erkennen. Diese Meinung kam zu dem Resultat, die Vernunft könne nicht zum Wahren kommen. Sie begann den Kampf mit der Religion im Namen | der Ver­ nunft, doch ward zur Feindinn die Vernunft behauptend gesagt nur Ahnung, Gefühl sei der Maaßstab dessen, was dem Menschen gelten solle. Dadurch kam die Stellung, daß die Vernunft die Meinung zum Letzten machte. – Auf diese Ansichten also stossen wir sogleich. Die allgemeine Bildung der Zeit hat es zum Grundsatz gemacht: Wahres sei nicht zu erkennen. Er ist als ein Zeichen der Zeit anzusehen, denn solche Vorstellungen sind Zeichen. So geschieht es in der Theo­ logie, daß nicht mehr die Lehre der Kirche das Glaubensbekenntniß zur Grundla­ ge macht, sondern daß sie sich Jeder nach seiner Ueberzeugung zurechtschneidet. Oder die theologischen Wissenschaften werden geschichtlich genommen, und die Fortbildung wird gleichfalls als ein Zusammenfluß von Meinungen angese­ hen, so daß das Wahre nicht das Ziel ist. Die Philosophie fordert die Ueberzeu­ gung, aber sie macht den Unterschied von nur subjectiven Gründen, als Ahnung, Gefühl, und der Einsicht von der Natur der Sache, vom Begriff des Gegenstan­ des. Die besondere Ueberzeugung des Subjects ist die Meinung. Diesen Gegensatz zwischen Meinung und der Wahrheit, der in unserer Zeit sehr in Flor ist, sehen wir auch in der Geschichte der Philosophie. ZB. in der Zeit des Untergangs des griechischen Lebens als Unterschied von δοξα und ἐπιστημη, ferner zur Zeit des Untergangs der römischen Welt im Epicuraeismus als Gleichgültigkeit gegen die

8–9 Diese Meinung … kommen.] Hu: Wunderbarer Weise, hat aber auch diese Behauptung dahin umgeschlagen, dass sie zu dem Resultate gekommen ist, die Vernunft koenne doch nichts wahres 30 erkennen.­  ­10–15 nur Ahnung, … Zeichen.] Hu: dass nur das Gefühl, Ahndung die einzigen Erkenntni sweisen waeren. So hat sie die Meinung zu dem wieder gemacht, was das Letzte für den Menschen seyn soll, damit aber zugleich behauptet dass die Wahrheit etwas unerreichbares sey. Das ist ein gro ses Zeichen der Zeit.­  ­18–20 Oder die … ist.] Hu: Die theologische Wi senschaft be­ schraenkt sich nur auf historische Forschungen und man kann in ihr nichts mehr, als verschiedene 35 Meinungen lernen, denn von der Wahrheit ist dort die Rede nicht, im allgemeinen sind es nur subjektive Betrachtungen die man hier findet.­   ­24 sehr in … ist] Hu: sehr prononcirt wird­  ­25 der Philosophie.] Hu: der philosophie erleutert.­  ­26 als Unterschied … ἐπιστημη,] Hu: in welcher der Unterscheid zwischen δοξα und επιστήμη bey plato und Sokrates aufgeht, 3  ihren Widerstreit nachtr. über der Zeile­  ­4 als Erkenntniß … Wahrheit nachtr. über der Zeile mit 40 Einfügungszeichen­  ­27.468,1  gegen die Wahrheit nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen 

38 und] umd (ein Buchstabenelement zu viel)

Denn: das Denken selbst, welches als Auf klä­ rung polemisch gegen die Religion gewendet zum Resultat erhielt: Wahres könne die Vernunft nicht erken­ nen; die Ueberzeu­ gung sei für Jedes Subject anders.

Dieses Resultat ist das Bewußtsein unserer Zeit nach ihrer ober­ flächlichen Seite hin. So zB ist es in der Theologie verbreitet

Dadurch tritt der Ge­ gensatz von Wahrheit und Meinung herein.

468 Als Sammlung nur von Meinungen wäre die Geschichte der Philosophie eine in­ teresselose Maße.

3vHo Diese Ansicht wird denn zur Polemik ge­ gen die Philosophie selbst gebraucht in­ dem sie selbst aus sich beweisen soll zur Er­ kenntniß des Wahren unfähig zu sein. Cicero de natura deorum c. 10 – 16. “Exposui fere non philosophorum judi­ cia, sed delirantium somnia.“ cap. 1. “de qua (quaestione de natura deorum) tam variae sunt doc­ tissimorum homi­ num, tamque discre­ pantes sententiae, ut magno argumento esse debeat, causam, id est, principium philosophiae, esse inscientiam: pruden­ terque Academicos a rebus incertis assen­ sionem cohibuisse.”

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Wahrheit, wie denn Pilatus Christus erwiedert: was ist Wahrheit? Wenn wir nun in Beziehung der Geschichte der Philosophie davon ausgehen, die denkende Erkenntniß habe nur Meinungen erzeugt, so ist die Bedeutung der Geschichte der Philosophie sehr einfach. Dann ist sie eine Kenntniß von Meinungen, müßig und langweilig. Meinungen kann Jeder haben, denn Meinungen sind das, was das Meine bei Jedem ist, die Particuläre jedes subjects. Die Particularitäten Anderer aber sind mir ein Fremdes, ein todter äußerlicher, historischer Stoff, der für mich kein eigentliches Interesse hat, außer etwa dem Interesse der Gelehrsamkeit. Was ich dann besitze ist eine eitle Maße, die mir nicht angehört. Sich so im Eitlen zu befriedigen ist | selbst subjective Eitelkeit. Aber die Geschichte der Philosophie soll in dieser Beziehung noch das weitere Interesse haben, indem sie aufzeigen soll, es sei ein vergebliches Bestreben, die Wahrheit denkend zu erfassen. Cicero sagt in de natura deorum, in seiner schludrigen Meinung über die Geschichte der Phi­ losophie mit dem Munde eines Epicureers: es sei zu keinem bestimmten Begriff des Göttlichen bei der Philosophie gekommen, das Streben nach Wahrheit sei müßig und nichtig; der Erfolg der Geschichte zeige, die mannigfaltigsten Gedan­ ken seien entstanden, sich wiederlegende und bestreitende. Dieß Factum ward die Aufforderung den Christusworten zu folgen: Laßt die Todten begraben sein und folget mir, so daß die Vergangenheit ein Reich auch von geistig Widerleg­ tem und Gestorbenem sei. “Folget selbst nach!” verwechselt man denn die Wor­ te, “keiner ist weiter gekommen als du selbst.” Man sagt dann wohl auch, jede neue Philosophie, obgleich sie sagt, die anderen hätten das Wahre nicht gefaßt, mache die Praetension das Wahre zu sein. Aber auch auf diese Praetension seien die Bibelworte anzuwenden: “Die Füße stehen schon vor der Thür, die dich her­ austragen”. – Wenn wir nun diese Ansicht, die uns zunächst begegnet, betrach­

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1 wie denn … Wahrheit?] Hu: Auch | Christus sagt: ich bin in die Welt gekommen um von der 4 Hu Wahrheit zu zeigen. Pilatus aber sagt: darüber sind wir schon hinaus und koennen nicht mehr über die Wahrheit sprechen.   ­ ­ 1–5 Wenn wir … langweilig.] Hu: Wenn wir nun von solchen Stand­ punkt ausgehen, dass die Wahrheit nicht zu erkennen sey, so mu s auch die ganze Wi senschaft ein­ fallen, und so hat auch die ganze Geschichte kein anderes Interesse, als die trokkenen Meinungen 30 anderer darzustellen.­  ­ 6–8 Particularitäten Anderer … Gelehrsamkeit.] Hu: indem Meinung das ist was mein ist. Die Geschichte der philosophie ist alsdann nur ein hohler, leerer Stoff, der höch­ stens das Intere se der Gelehrsamkeit haben kann.­  ­11–12 indem sie … erfassen.] Hu: es soll sich nemlich aus ihr ergeben dass es ein mü siges Bestreben sey die Wahrheit zu suchen.­  ­17–20 Dieß Factum … sei.] Hu: Und dies wird auch gewöhnlich als Factum, als Grund gelegt. Auf diese Mei­ 35 nung wendet man die Worte Christi: „folge mir nach, und la se die Todten ihre Todten begraben” an, und stellt so das Gemählde der Geschichte der philosophie als ein Reich wiederlegter Meinun­ gen dar. 4  Meinungen nachtr. aus Meigen­  ­18 begraben sein nachtr. über gestr. ruhn­  ­19 auch nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­20 und Gestorbenem nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­27 zei­ 40 gen] sc. zeugen

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ten, so können wir in ihr zugleich das Nähere der Bestimmung fassen, die uns weiter leitet. Wir können fragen und untersuchen: welche Bewandtniß es mit dem Vielerlei der Philosophien habe. Jede bestimmte Philosophie ist irgend Eine, die Geschichte der Philosophie eine Vielheit derselben. Diese Mannigfaltigkeit wollen wir erklärt haben. Bei näherer Betrachtung werden wir dann erkennen, diese Mannigfaltigkeit gehöre nothwendig zur Existenz der Philosophie. Bei die­ ser Betrachtung ist dann zunächst zu bemerken, daß wir davon ausgehen, es sei das Ziel der Philosophie die Wahrheit zu erkennen, und nicht das Resultat zu er­ halten, die Wahrheit sei nicht zu erkennen. Denn wir treiben in der Philosophie und ihrer Geschichte kein Geschäft mit Vergangenem sondern mit der ewigen Gegenwart des Geistes. Was der Gegenstand | der Philosophie sei, müssen wir als bekannt voraussetzen. Ihr Gegenstand ist der Natur, daß er obgleich ein Beson­ derer scheinend, das absolut Allgemeine ist; Gott, Welt, der Geist, als das Ewige Anundfürsichseiende. Nur mit diesem hat es die Philosophie zu thun: Ihr Ziel ist die Erkenntniß Gottes. Diesen Gegenstand hat sie mit der Religion gemein, doch mit dem Unterschiede, daß die Philosophie ihn denkend, begreifend betrachtet, die Religion vorstellend. Was uns nun die Geschichte der Philosophie aufführt, sind die Thaten der denkenden Vernunft; die Weltgeschichte betrachtet die Tha­ ten der wollenden, die Individuen, die Staaten; die Geschichte der Kunst betrach­ tet die Phantasie, welche die Idee zur Anschauung bringt; die Geschichte der Phi­ losophie aber bildet eine Gallerie von Heroen des reinen Gedankens, dabei kann sogleich bemerkt werden, daß hier die particuläre Besonderheit des Philosophen verschwindet, denn jede That ist um so vortrefflicher jeweniger ihr das subject das Siegel seiner Particularität aufgedrückt hat. Unser Feld also ist das des reinen Gedankens, das edelste, vortrefflichste, denn Denken ist die Thätigkeit, die den Menschen auszeichnet. Im Wollen, in der Phantasie ist der Mensch nicht im rei­ nen Denken, in der Philosophie aber wird er frei von allen natürlichen Bestim­ mungen gedacht, frei von Particularitäten. Dieß ist der Boden, den wir in seiner Bewegung betrachten wollen. Hieran schließt sich die Folge, daß die Thaten der

Aber die wahrhafte Erkenntniß giebt das Resultat: die Vielheit der philosophischen Sy­ steme gehöre zur Exi­ stenz der Philosophie und gehe aus dem Prinzip der Philosophie überhaupt hervor.

4rHo Der Gegenstand der Philosophie ist die Er­ kenntniß der Wahr­ heit in der Form des reinen Denkens.

Die Geschichte der Philosophie betrachtet die Kämpfe der Ver­ nunft um dieß Ziel zu erreichen, die Thaten des reinen Denkens.

30 3 –4  Jede bestimmte … derselben.] Hu: Die Geschichte der philosophie unterscheidet sich hie­

durch von der philosophie selbst.   ­ ­ 9–11 Denn wir … Geistes.] Hu: Wir wollen es also nicht mit Meinungen zu thun haben, sondern mit philosophischen Ideen, bey welchen unser Geist gegen­ waertig ist. |­  ­13–14 Gott, Welt, … Anundfürsichseiende.] Hu: Man kann die Gegenstaende der Philosophie auch aufzählen wie Gott, Geist, Seele, Mensch.­  ­17–19 Was uns … Staaten;] Hu: 35 Was nun die Geschiechte uns vorführt sind Thaten, Handlungen der wollenden Vernunft. Die politische Geschichte lehrt uns wie sich diese Vernunft in dem Entstehen, Vortpflanzen und Un­ tergang der Staaten offenbaret.­  ­25–27 denn Denken … Denken,] Hu: Der Mensch ist in Allem denkend – in den Andersthun zB in dem Empfinden, in der Anschauung, ist er nicht rein denkend. 3  Jede bestimmte nachtr. mit Einfügungszeichen über gestr. Eine­  ­23 denn jede nachtr. über gestr. u d.­ 40 ­30 Geschichte] Gescchichte

5Hu 5. 4

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Diese Thaten als das Streben der Wahrheit sich selbst zu fassen, sind keine Einfälle, sondern: ein in sich begriffsmäßig geglie­ dertes Ganze.

4vHo Die That der Idee ist ihre Entwicklung.

1. Denn zunächst ist sie, was sie ist, nur erst in der Anlage, im An­ sichsein.

Beispiel am Men­ schen.

6 Hu

7Hu 7. 5

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denkenden Vernunft keine Abendtheuer sind, die Weltgeschichte ist nicht ro­ mantisch, ihre Ritter mühen sich nicht nutzlos um einen zufälligen Gegenstand ab. Hier ist von keinen Einfällen die Rede, die jeder in seiner Besonderheit will­ kührlich sich ausgeklügelt hätte, sondern in der ganzen Bewegung des denkenden Geistes ist ein wesentlicher Zusammenhang. Mit diesem Glauben an den Welt­ geist haben wir zu sehen, daß in dem Geschehenen ein wesentlicher Zusammen­ hang sei. Hieraus ergiebt sich das, was wir jetzt näher zu betrachten haben. Vor­ aus aber müssen wir einige abstracte Begriffe schicken, um weiterhin uns darauf zu berufen. | Es sind die Bestimmungen von Entwicklung und von Concretem. Der eigentliche Gegenstand der Philosophie ist product des Denkens der Gedan­ ke. Gedanke erscheint uns zunächst formell, Begriff scheint uns bestimmter, Idee ist der an und für sich bestimmte Gedanke, das Wahre überhaupt, das Wahre al­ lein. Die Natur der Idee nun ist es sich zu entwickeln. Entwickeln ist eine be­ kannte Vorstellung, von der die Erörterung nicht nöthig schiene, aber eben das Bekannte, von dem Jeder meint er wisse es so schon, betrachtet die Philosophie. Was man ungesehen braucht, dieß geht sie durch, Gerade solches stellt sie fest, erklärt sie, denn gerade dieß Bekannte ist das Unbekannte. Schicken wir uns ei­ nige Begriffe voraus ist von ihrer vollständigen Einsicht nicht die Rede, denn dazu gehört eine weitere Ausführung[.] Es kann scheinen, solche Bestimmungen besagen nicht viel, ihre Nichtigkeit muß erst das ganze Studium der Philosophie kennen lehren. Die Idee als Entwicklung muß sich erst zu dem machen was sie ist. Dieß scheint ein Widerspruch für den Verstand, aber gerade das Wesen der Philosophie besteht darin, die Gegensätze des Verstandes zu lösen. In Betreff nun der Entwicklung müssen wir 2 Zustände unterscheiden: Anlage, δυναμις, poten­ tia, Ansichsein, und dann das Fürsichsein die Wirklichkeit, actus. So zB. sagen wir: der Mensch sei vernünftig, und unterscheiden sehr wohl den Menschen, der erst geboren ist, und der, dessen Vernunft ausgebildet vor uns steht. Das Kind

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1–7 die Weltgeschichte … sei.] Hu: Die Weltgeschichte ist nicht nur romantisch, sie ist nicht eine Sammlung von zufaelligen Thaten. Nicht die Zufaelligkeit leuchtet in der Geschichte vor. Es sind diese Begebenheiten nicht die Thaten der Helden die sich da zufaellig abmühen | und aufopfern, 30 sondern es ist in der Bewegung hier eben ein nothwendiger und wesentlicher Zusammenhang. Da selbe ist in der Geschichte des Denkens. Ein jeder hat nach der Besondernheit seines Geistes etwas ausgefunden. Hier ist aber die Thaetigkeit, die reine Thaetigkeit und die Nothwendigkeit des Geistes zu betrachten. Es muss auch hier ein nothwendiger und wesentlicher Zusammenhang statt finden.­   ­11–12 Idee ist … Gedanke] Hu: Die Idee ist der Gedanke in seiner Totali­ 35 taet­  ­19–21 Es kann … lehren.] Hu: Wir mü sen also historisch die Punkte herauszucheben su­ chen, um das volgende geleuficher zu machen.­  ­27.471,1 Das Kind … nicht.] Hu: aber die Ver­ nunft existirt noch nicht in ihm. Das Kind hat die Anlagen, aber nicht die Wirklichkeit. Die Anlage existirt nicht für ihn. Das was Anlage heisst die Moeglichkeit, hat das neugebohrene Kind aber nicht die reale Moeglichkeit. 40 6  sehen] gehn­  ­8 uns nachtr. unter gestr. sich­  ­30 und] und | und

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thut und weiß das Vernünftige noch nicht. Was nun Anlage, die reale Möglich­ keit betrifft, so ist es darum zu thun, daß für den Menschen werde, was er an sich ist, und erst als dieß Fürsichsein hat er Wirklichkeit nach irgend einer Seite, sei es in welcher Form es wolle. Dieß abstracte können wir auch so ausdrücken: was ansich ist muß zum Gegenstand werden, zum Bewußtsein kommen, so wird es für den Menschen und er für sich selbst. So verdoppelt er sich: einmal ist er Denken, als ansichsein, dann denkt er, macht sich dieß Sein zum Gegenstand[.] | Im Denken nun ist das Denken selbst der Gegenstand; die Vernünftigkeit produ­ cirt Vernünftiges; was das Ansichsein ist kommt im Fürsichsein zum Vorschein. Wenn wir nun über dieß Gesagte reflectiren, so ist der Mensch, der an sich ver­ nünftig war, und dieß zum Gegenstand macht, nicht weiter als er anfangs war. Was ansich war erhält sich, bleibt dasselbe und doch ist der Unterschied ungeheu­ er. Dieß scheint eine unnütze Verdopplung. In diesen Bestimmungen nun liegt alle Einsicht, alle Wissenschaft, alles Handeln, denn alles Interesse liegt darin, das Innerliche herauszusetzen. Es kann dabei auch an nur natürliche Dinge erin­ nert werden: der Keim entwickelt sich; zunächst ist er formlos. Aber sich zu entwickeln, sagen wir, hat er den Trieb. Er hält in diesem Ansichsein nicht aus. Der Trieb ist dieser Widerspruch, Ansichsein zu sein und es dennoch nicht sein zu sollen. Dieser Widerspruch treibt nun das Ansichsein aus einander, aber in dieser Mannigfaltigkeit kommt nichts Anderes heraus als in seiner Einfachheit lag. Der Keim setzt das früher Ununterscheidbare als verschiedene Existenzen aus sich heraus. Die Vollendung nun dieses Heraussetzens begrenzt sich selbst, setzt sich ein Ziel. Das Heraussetzen geht so weit als das Ansich, es hat sein vor­ herbestimmtes Ende. Dieß Ende zB ist die Frucht; der Keim hat zum Zweck sich selbst hervorzubringen, wieder zu sich zurückzukehren. Das Eingehüllte, An­ sichsein also ist vollkommen innerlich bestimmt, streut sich auseinander, und nimmt sich dann in die erste Einheit wieder zusammen. Bei den natürlichen

8–15  Im Denken … herauszusetzen.] Hu: Das Denken producirt die Gedanken. Also ist ein Mensch an sich und für sich etwas anderes. Was aber der Mensch vor sich bringt, das ist er an sich. 30 Es kommt kein neuer Inhalt heraus, aber es ist was anderes sich zum Objekt machen und an sich seyn. In diesen Bestimmungen liegt mehr – wir koennen sagen, dass alles Ahnden und Handeln kein anderes Intere se hat als das was es an sich ist äu serlich hervorzubringen.­  ­17–22 Er hält … heraus.] Hu: Er kann es nicht auschalten an sich zu seyn. Da selbe ist mit dem Menschen – welchen der Trieb auch hinreisst in die Existenz herauszutreten – ein Vielfaches zu machen. Das aber was 35 herauskommt liegt schon in Keime eingehüllt, es ist ideel – noch unbestimmt – noch ununter­ scheidbar enthallten. Im Keime ist es schon bestimmt welchen Geruch, Gestallt etc. die Früchte erchalten sollen. Der Keim wächst, kommt au ser sich. 2  betrifft nachtr. über gestr. heißt­  ­7 als nachtr. über der Zeile­  ­12 erhält nachtr. über nicht lesbarer Streichung­  ­30 aber es ist] nachträglich geändert zu: (aber es) doch (über der Parenthese) ist (es) (über der 40 Zeile)

2. Dann bringt sie dieß Sein vor sich, macht es sich zum Gegen­ stand | breitet es vor sich aus.

Beispiel an natür­ lichen Dingen

Die Ausbreitung geht so weit als das An­ sichsein, denn nur dieses ist es, was her­ auskommt.

472 3. Da nun diese Aus­ breitung denselben Inhalt hat als das An­ sichsein, schließt sich die Idee in ihrer Aus­ breitung mit sich selbst zusammen und nimmt sich in die Einheit mit sich zu­ rück. So kommt sie, indem sie sich selbst zum Gegenstand hat zum Fürsichsein.

Die Idee also in ihrer Entwicklung kommt zu sich selbst, und ist nur durch diese Ent­ wicklung, was sie ist.

Als dieß Fürsichsein ist die Idee der Frei­ heit, welche auf kei­ nem Gebiet sich voll­ kommner erreichen läßt als auf dem des reinen Gedankens.

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Existenzen aber fällt das Ende und der Schluß auseinander. Der Keim ist ein an­ deres Individuum als die Frucht. Bei den natürlichen Dingen fällt die Verdopp­ lung in 2 Individuen. Auch im Animalischen ist es so: das Kind ist ein anderes Individuum als die Eltern. Im Geiste hingegen ist es anders und ebendarum ist der Geist frei, daß bei ihm Anfang und Ende zusammenfällt. Der Keim macht 5 sich zu Unterschiedenem, aber seine Einheit kommt ihm nicht wieder zu Gut. | Im Geist aber wird, was er ansich ist, für sich selbst. Das Ende geht in seinen An­ 5vHo fang zurück und wird für diesen und für kein Anderes. Der Geist ist für sich selbst, macht sich sein Ansichsein zum Gegenstand für sich und ist sich selbst Ge­ genstand, geht mit seinem Gegenstand in Eines zusammen. Dadurch ist der Geist 10 bei sich selbst. Was er hervorbringt ist er selbst, in diesem Andern also ist er zu sich selbst gekommen. Die Entwicklung des Geistes ist eine Auseinanderlegung und dadurch Zusichkommen. Dieß Beisichsein ist das höchste Ziel des Geistes. Was im Himmel und auf Erden geschieht, geschieht nur zu diesem Ziel zu gelangen. Gottes ewiges Leben ist sich selbst für sich selbst zu werden, sich mit 15 sich zusammen zu schließen. In der Production liegt eine Entfremdung eine Entzweyung. Aber die Natur des Geistes ist Entfremdung zum sich-Wiederfin­ den. Diese Bewegung macht die Freiheit aus. Denn schon oberflächlich betrach­ tend sagen wir: Freiheit sei da, wo kein Anderes entgegensteht. Die Freiheit ist das absolute Ziel des Geistes[.] Dadurch wird der Geist wahrhaft sein Eigen­ 20 thum[.] Hieran schließt sich dieß an, daß der Geist in keinem andern Elemente so dieß Ziel erreicht als im Denken. Im Anschauen habe ich immer ein Anderes, das ein Anderes bleibt, im Gefühl f i n d e ich mich bestimmt, bin darin nicht frei, denn ich b i n so bestimmt, ich habe mich nicht so g e s e t z t . Im Willen haben wir ein 25 bestimmtes Interesse; insofern es das Meinige ist, ist es mir kein Anderes; aber

 –5 Bei den … zusammenfällt.] Hu: Bey den natürlichen Dingen ist es zu bemerken, dass es der 2 Fall ist, dass das, was angefangen hat, dieses Subjective, das Existirende, und das, was das Ende macht, wieder in dem Keim, in den Anfang zurückgegangen ist; dass so diese Verdoppelung, diese scheinbare Resultate hat in zwey Individuen zu zerfallen. Sie sind dem Inhalte nach eins, das Kind 30 aber hier ein anderes Individuum als die Aeltern. In dem Geistlichen hingegen ist es Anders, eben darum weil der Geist frey ist, denn bey diesem ist der Anfang und das Ende die Einheit.­ 18–23  Denn schon … Denken.] Hu: Frey ist das was nicht von einem anderem abkommt, ab­ haengt, was nicht Gewalt leitet, was nicht verwikelt ist in ein Anderes. Der Geist indem er mit sich selbst schlie st, erreicht er dieses als ein freyer zu seyn, bey sich zu sein. Das ist sein absolutes höch­ 35 stes Ziel. So wird er eigen seyn, wahrhaft seyn – eigene Ueberzeigung. Der Geist kommt in diese Freicheit nur im Denken. Und es ist daran anzuschlie sen dass der Geist in allen Andern nicht zu dieser Freicheit erlangt. 14  geschieht nur nachtr. über gestr. ist­  ­14–15 zu gelangen nachtr. über der Zeile­  ­25 bestimmt 40 nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­26 mir kein Anderes nachtr. über gestr. mein­  ­

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die Zwecke enthalten doch immer ein Anderes noch gegen mich, ein solches zu welchem ich auch natürlicher Weise bestimmt bin. In allem diesem bin ich nicht vollkommen bei mir und nur das Denken ist die Sphäre, wo alle Fremdheit ver­ schwunden, und der Geist absolut frei bei sich selbst ist. Dieß Ziel zu erreichen ist das Interesse der Idee. Man kann nun bei der Entwicklung fragen, welches der absolute Inhalt ist, der sich entwickelt, indem man sich vorstellt die Entwicklung als Thätigkeit bedürfe es | eines substracts. Die Thätigkeit aber hat keine Bestimmungen als die That. Dadurch ist die allgemeine Beschaffenheit des Inhalts bestimmt. Wir unterschieden in der Entwicklung unterschiedene Momente und die That ist das solche Mo­ mente in sich Enthaltende. Die That als Totalität dieser Momente ist das Con­ crete, und man kann hinzufügen das Ansich schon sei das Concrete und die Thä­ tigkeit das Heraussetzen dieses Concreten. Was wir nun als Gang der Entwicklung aussprachen ist auch der Inhalt. Das Concrete nun also ist ein Eines, ein Anderes und die Einheit Beider, das Eine ist im Anderen bei sich selbst, hat das Andere nicht außer sich, sondern ist in demselben in sich zurückgekehrt. Die Idee ist wesentlich Concret, denn das Wahre ist nicht abstract, das abstracte das Unwah­ re. Die Philosophie wenn auch in der Region des reinen Denkens hat allen Inhalt als Concretes. Der Verstand besonders widerstrebt dem Concreten, will es ver­ flachen, erst die Reflexion des Verstandes bringt das Leere hinein und hält es fest, die gesunde Menschenvernunft fordert das Concrete. Die Idee als reine ist wohl als Denken abstract aber in sich selbst absolut concret. Die Philosophie ge­ rade ist dem Abstracten am Entgegengesetztesten und ihr Kampf ist der stete Krieg mit der Verstandes-Reflexion. Verbinden wir die Bestimmungen der Ent­ wicklung und des Concreten, so haben wir das Concrete in der Bewegung des

4–5 Dieß Ziel … Idee.] Hu: Das ist das Intere se des Denkens, der Philosophie.­  ­9–10 Wir un­ terschieden … Momente] Hu: Wir haben in der Entwikelung verschiedene Momente zu fa sen, das A n S i c h nehmlich und das F ü r s i c h .­  ­24–25.474,1–10 Verbinden wir … sein.] Hu: Das Con­ crete haben wir in der Bewegung – und die Bewegung ist Entwikelung – und die Entwikelung ist 30 überhaupt das S e t z e n , de sen was a n s i c h ist. Es setzt nichts Fremdes neues hinzu. Es ist an sich. Es bringt nur die Form hinzu. Es erscheint als concret, das was schon unentwikelt und verhüllt enthalten war. Es bringt nur die F o r m hinzu. Das ursprüngliche Innere ist in sich concret, und die Entwikelung ist nur die Form. Die Idee ist das Concrete – und die Entwikelung ist das Herausbe­ wegen – Das Concrete ist zwar in sich unterschieden, aber in diesen Falle wenn es an sich ist, wenn 35 es Vermögen ist, da ist es das Unterschiedene in der Einheit. Da aber das Unterschiedene dem In­ nern zu wieder ist, treibt es sich daher aus diesem Innern zur Zweicheit, zum Unterschied – hebt die Einheit auf damit den Unterschiedenen auch sein Recht wiederfahre. Das Unterschiedene kommt so zum Daseyn – es wird als von Anderen. Eben so wiederfährt ihm seyn Recht wenn es aufgehoben wird. Es mu s in die Einheit zurückkehren, in die concrete Einheit. Es muss sein in 40 dem Einem, wenn es wahr sein soll. 1  doch nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen

Diese Thätigkeit der Entwicklung ist wie die Form so auch der Inhalt der Idee. Die Totalität der For­ men der Idee macht ihren Inhalt aus, und der Inhalt ist nur die­ ses: sich in seinen For­ men zu entwickeln. Die Totalität der Mo­ mente der Entwicklung ist das C o n c r e t e . a. Kommt nun im Für­ sichsein nichts anderes heraus als schon im Ansichsein vorhanden war, so zeigt sich auch dieses schon als ein Concretes.

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b. Das Ansichsein aber enthält die Unter­ schiedenen noch als eines. Dadurch treibt sich das Unterschiede­ ne selbst dazu fort sich als Unterschiede­ nes zu setzen, so daß durch die Entwicklung dieß in der Einheit gehaltene Concrete jetzt selbstständig aus­ einander tritt. c Da aber die Einheit der Unterschiede das Ansichsein ist, und das Fürsichsein nur das Ansichsein für sich macht, so nimmt das Fürsichsein die Un­ terschiedenen in die jetzt wahrhaft con­ crete Einheit zurück, in der sie jetzt als Ei­ nes und Unterschiede­ nes und Beides in Ei­ nem sind. Beispiel an natürli­ chen Dingen. Beispiel beim Denken.

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sich selbst Producirens seines Ansichseins zum Fürsichsein. Das Entwickeln bringt kein Neues hinzu, sondern läßt nur das ursprüngliche Innere erscheinen, setzt das darin schon enthaltene Concrete, das durch sie für sich selbst wird, und zu diesem Fürsichsein sich selbst treibt. Durch die Concretion selbst treibt sich die Idee aus der Anlage heraus, weil dort das Unterschiedene noch in der Einheit ist, 5 dieß aber dem Unterschiedenen widerspricht, da dieses als Unterschieden gesetzt zu werden hat. Die Einheit also der noch nicht als unterschieden gesetzten Un­ terschiede treibt sich selbst zur Auflösung ihrer. Aber ebenso widerfährt auch der Einheit ihr Recht dadurch, daß der Unterschied der gesetzt ist, wieder aufgehoben ist, | denn die Wahrheit des Unterschiedenen ist es, in der Einheit zu sein. Diese 6vHo Bewegung ist die Lebendigkeit überhaupt, das ewige Leben der Idee. Der ab­ stracte Gott, das höchste Wesen ist leblos, todt. Der Rythmus des Göttlichen ist die Entzweiung des Einen wie die Einheit der Entzweiten. Der Unterschied in­ dem er ist, verschwindet, um die concrete Einheit zum Fürsichsein zu bringen. Dieß wollen wir jetzt nun in einigen Beispielen der Vorstellung näher bringen. 15 Natürliche Dinge zeigen sich uns sogleich concret: die Blume zB. hat Farbe, Geruch, Geschmack, und diese Qualitäten sind in Einem, keine darf fehlen und sie sind nicht hier und dort, an diesem Theil der Geschmack, dort der Geruch, dort die Farbe, sondern Farbe, Geschmack, Geruch sind in einander gebildet, sind in Einem, obgleich als Unterschiedene. Diese Concretion lassen wir beim 20 Sinnlichen unmittelbar gelten, und erst beim Geist fassen wir die Unterschiede­ nen als sich entgegensetzend. Denn wir finden es gar nicht widersprechend, daß der Geruch ein Anderes gegen den Geschmack sei. Dadurch lassen wir uns nicht irren. Bei Geistigem aber, bei Gedanken kommen wir eher darauf durch verstän­ 10–14 Diese Bewegung … bringen.] Hu: Das ist die natürliche Lebendigkeit sowohl der Natur als des Geistes – die Lebendigkeit der Idee. Denn die Idee ist nichts todtes, nicht ein Abstraktes – da­ her ist es unrecht und unfernünftig und das Schlechteste. Gott kann also nichts abstraktes seyn – Man kann ihn in solchen abstrakten Ausdrücken z. B. das höchste Wesen, Être supreme etc. nicht vorstellen. Ein solcher Gott ist Produkt des Verstandes, der Reflexion – die doch in unseren Zeiten die gangbarsten sind. (Absatz) Man muss also in der Bewegung 1o das Herausgehen von Einem (: in die Zweiheit nehmlich :) und 2o das Zurükkehren zum | Einem betrachten und unterscheiden. Wir mü sen unsere ganze Beobachtung darauf richten dass ein Ideelles eben nur ein aufgehobenes ist – aber nur deswegen damit es die volle Einheit sey – nicht die leere Einheit des Verstandes.­  ­20–21 Diese Concretion … gelten,] Hu: Dies alles ist sinnlich concret – es ist eine Eins. Es darf von diesen Qualitaeten nichts fehlen. Es darf von diesem Allem nichts fehlen – man kann es auch nicht mechanisch zusammensetzen. So auch ein Blatt ist concret – es ist mit allen seinen Qualitaeten Eins. Gold da wo es gelb ist, da hat es auch seine specifische Schwere – es ist nicht an einem Orte gelb und an einem anderen schwer – sondern alle Qualitaeten sind in einem jeden punkte – aber gleichgültig gegen einander – ungetheilt sind alle Qualitaeten des Goldes. Für die Vorstellung ist dieses geleufig – 31  Einem] Ei-| Einem

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diges Denken die Unverträglichen Gegensätze aufzufinden. Sprechen wir zB. von der Materie, vom Raum, so wissen wir er sei continuirlich, ununterbrochen. Auf der anderen Seite können wir durchaus allenthalben Punkte setzen, ihn punctuel machen. Ebenso ist die Materie überall zusammengesetzt, überall theilbar überall schlechthin immer continuirlich, ein Continuum in sich. Dann aber sprechen wir von Atomen. Wir erhalten also die gedoppelte Bestimmung von Untheilbarkeit und Continuation. Beides setzen wir einander fest gegenüber. Aber in der That ist die Materie keine der Bestimmungen schlechthin für sich, sondern jedes Continuum ist Atom, jedes Atom continuirlich. Eben so sagen wir auf einer höheren Sphäre: der Mensch sei frei, anderseits sprechen wir ihn an als der Nothwendigkeit unterworfen zu sein. | Bei solchen Bestimmungen nehmen wir die Unterschiedenen als sich Ausschlie­ ßende. Aber das Wahre ist die Einheit der Gegensätze und wir haben zu sagen: der Geist habe in seiner Freiheit seine Nothwendigkeit, und in seiner Freiheit sei er nothwendig, die Unterschiedenen also sind hier in Einheit gesetzt. Diese Einheit zu fassen wird uns schon schwerer, an diese Einheit will der Verstand nicht. Aber sie als das Concrete ist das Wahre. Es giebt nun freilich Gestalten, die nur nothwendi­ ge sind zB. die natürlichen Dinge, aber diese sind auch unwahre Existenzen, die ihre letzte Wahrheit nicht zu erfassen vermögen. Ebenso kann die Freiheit abstract gefaßt werden, aber dann ist sie Willkühr, nicht Freiheit. Dieß nun sind die vor­ auszuschickenden Bestimmungen. Durch sie sind die Verhältnisse bestimmt, nach welchen wir das Nachfolgende betrachten. Es kann dabei sogleich bemerkt werden, daß halten wir diese Begrif­ fe der Entwicklung fest, dann die gewöhnliche Vorstellung der Mannigfaltigkeit sogleich wegfällt. Denn das Mannigfaltige sieht man als Festes gegeneinander als Vieles, als selbstständigesan, aber die Entwicklung ist die Bewegung, welche alle feste Unterschiede flüßig macht.

16–17 Aber sie … Wahre.] Hu: Das Wahre im Gegentheil ist concret. Wir sagen also etwas wahres wenn wir behaupten, dass der Geist nur durch die Nothwendigkeit frey ist. Wir kommen zwar 30 schwer zu dieser Einheit – aber man muss zu ihr streben und sie erlangen. Es ist immer leichter zu sagen dass die Nothwendigkeit die Freycheit au schlie st. Beym Sinnlichen la sen wir aber dies gelten.­  ­20–27 Dieß nun … macht.] Hu: Hiedurch sind die Kategorien bestimmt, die wir in der Geschichte der Philosophie betrachten werden. Das sind die Bestimmungen und Verhaeltni se die den B e g r i f f der Geschichte der Philosophie ausmachen. (Absatz) Wenn wir die Natur des concre­ 35 ten festhallten – so bekommt das Manigfaltige in der Philosophie gleich eine andere Bedeutung. Es liegt aber vorzüglich daran, dass eben das Manigfaltige gefasst werde, als eine Bewegung, ein we­ sentlich vorübergehendes – nicht als etwas Festes, Ruhendes wie es gewöhnlich genommen ist – es ist flie send. 5  theilbar] folgt gestr: bis zu Atomen, u dennoh ist sie­  ­ 5–6 Dann aber … Atomen nachtr. über gestr. 40 Jedes Atom ist noch theilbar­  ­22 welchen] welchem­  ­26 selbstständiges] ohne Umlautpunkte

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476 Folgerung aus der Natur der Idee für ihre Geschichte.

Als Entwicklung hat die Idee ihre Unter­ schiede als Unter­ schiede herauszuset­ zen, und die ganze concrete Idee in einer dieser bestimmten, unterschiedenen For­ men ist diese oder jene der vielen Philo­ sophien.

Indem aber die Tota­ lität dieser Formen den Inhalt der Idee ausmacht und in ih­ rem Ansich schon enthalten ihre Thä­ tigkeit als unterschie­ dene gesetzt wird, so sind diese Formen keine zufälligen son­ dern die wesentlichen der Idee selbst.

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Aus dem Gesagten nun ergiebt sich, daß die Idee concret sei, sich entwickle, bethätige, und dadurch die Unterschiede, die sie ansich enthält, außer sich setze, damit sie als Unterschiede seien. Diese Unterschiede entwickelt die Philosophie als Gedanken; in der Natur sind es sinnliche Existenzen[.] Das Weitere ist, daß diese Unterschiede, die herausgesetzt sind, zum Bestehen 5 als Unterschiede kommen; daß sie dieses vermögen müssen sie gleichfalls kein abstractes, sondern Ganze, Totalitäten sein, das Concrete der Idee enthalten, denn nur das Concrete ist wirklich. Solche ganze Gestaltungen der Unterschie­ denen als Gestalten des Gedankens sind die Philosophien, die ganze Idee in einen ihrer Unterschiede gesetzt und so bestehend. | 10 Die Idee ist auf diese Weise in unterschiedenen Formen. Dieß wird mit Miß­ 7vHo verstand auch sonst schon gesagt, indem man als Billiger meint: alle Philosophie enthalte die Idee, so daß die Formen gleichgültig seien. Man sieht dann die Un­ terschiede als äußerlich, als zufällig an. Aber gerade sind die Formen nichts an­ deres als die ursprünglichen Formen der Idee selbst, sie sind ihre Formen, so daß 15 sie durch sie nur ist was sie ist: sie sind ihr wesentlich, sie machen ihren Inhalt aus. Der Inhalt sich auseinanderlegend tritt in die Formen, die Totalität der For­ men ist der Inhalt. In der Auseinanderlegung der Philosophie in die Existenz vie­ ler Philosophien herrscht also die Idee selbst; die Totalität der Philosophien ma­ chen die Philosophie aus. Aber als bestimmte Philosophie ist jede nicht die ganze 20 Idee, sondern nur Glied des Ganzen und dieß Ganze ist nur für uns nicht für die bestimmte Philosophie. Das Schicksal dieser bestimmten Formen tritt also da­ durch ein, daß sie zusammengefaßt werden in die Einheit, zu Momenten herab­

Als Unterschiedenen aber ist ihre Einheit ihre Wahrheit, und so

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Das andere nach der Expansion ist die Contraction in die ursprüngliche Form.

  die Idee] Hu: 1o Die Idee die den Gegenstand der Geschichte der Philosophie au smacht­  ­3 da­ 1 mit sie … seien.] Hu: dass sie erscheinen au ser ein ander.­  ­4 Gedanken; in … Existenzen] Hu: 25 Gedanken. (: In andern Vermögen als in dem des Denkens haben diese Unterschiede eine andere Bedeutung :) | Die Unterschiede werden gesetzt als Gedanken. ­  ­6 kommen;] Hu: kommen, als bestehende erscheinen­  ­8 wirklich.] Hu: das Wirkliche, das Wahre, das die Unterschiede tragende.­  ­11–17 Dieß wird … aus.] Hu: Man kann es leicht als eine Billigkeit ansehen, wenn man sagt, die verschiedenen Philosophieen seyen gleichgültig, weil sie ja eben Formen sind und 30 nicht die Sache selbst; allein es kommt wesentlich allerdings auf diese Formen an – sie sind nichts äu serliches – sie sind nichts anderes als die ursprünglichen Unterschiede der Idee selbst – durch sie kann sie nur das seyn was sie ist, sie kann nur dadurch concret seyn. Sie sind also nichts gleichgültiges – sie machen ihren Inhalt aus.­  ­22–23.476,1–2 Das Schicksal … Philosophie.] Hu: So wie sie aber au sereinander sind fallen sie nicht in ihnen selbst zusammen – sondern wir 35 fa sen sie – und das Zusammenfa sen ist nur für uns, die wir au serhalb ihnen stehen. Zusammen aber gefa st machen sie die Idee. Sie mü sen zusammengefa st werden – das ist ihr Schicksal – sie mü sen zu ihren Momenten herabgesetzt werden. Bis jetzt aber wurden sie als ein selbststaen­ diges Ganze aufgefasst. | 10  einen] einer­  ­27 Die] Die | Die

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gesetzt werden, in ihrer Selbstständigkeit das Ganze zu sein nicht bleiben. Dieß ist der Fortgang der Gestalten der Philosophie. Diese letzte concrete Einheit ist das Reichere, Weitere, aber es ist zu bemerken, daß es immer nur wieder der Anfang einer weiteren Entwicklung ist, und somit wieder zu einem Ersten wird, zu einem Ausgangspunkt, der denselben Verlauf durchläuft. Dieß ist das Formelle des Fortgangs, von dem es scheinen könne daß er in’s Unendli­ che fortzugehen vermöge, aber er findet sein absolutes Ziel, das wir später zu bestimmen haben. Es sind viel Wege nöthig ehe der Geist sein Ganzes erfaßt. Es wird nun, was wir jetzt sagten, aus dem Folgenden verständlicher werden. Die erste Folge nun ist dieses, | daß das Ganze der Philosophie ein in sich consequen­ ter, nothwendiger in sich vernünftiger Fortgang ist, durch sich selbst, durch die Idee bestimmt. Die Zufälligkeit ist ein für allemal bei der Philosophie fortgestoßen und vertrieben. In der Philosophie ist der Fortgang ihrer Begriffe nothwendig und ebenso in ihrer Geschichte. Das Fortleitende ist die innere Dialektik der Gestaltungen. Als endliche sind diese nehmlich nicht was sie sein sollen; als existirend muß ihnen die Idee freilich einwohnen aber indem die Existenz eine einseitige ist, zertrümmert die Idee als die innere die einseitige Existenz um sich die absolute Form, die Harmonie von Form und Inhalt zu geben. In dieser Dialektik des Ansich Unendlichen der Idee, welche in einseitiger Form existirt liegt die Fortleitung von der einen Seite. Die Geschichte der Philoso­ phie selbst ist die Bewährung dieses a priori in der Natur der Idee liegenden. Die weitere nähere Bestimmung ist, daß jede einzelne Philosophie für sich ge­ nommen, wesentlich nothwendig ist, so daß also keine unterging, sondern Alle erhalten sind. Denn die Philosophien sind nothwendige und somit un­ vergängliche Momente der Idee, nicht nur in der Erinnerung erhalten, son­

2 –4 Diese letzte … ist,] Hu: So sind wir gekommen zum Ersten oder den Einfachen, zum Anderen oder zum Unterschiede – und zum Dritten oder der Idee. Hier mü sen wir aber noch eine wichtige Betrachtung hinzufügen. Das Dritte ist das Reiche – ist nun selbst wieder der A n f a n g einer wei­ teren Entwikelung. Das Dritte, Concrete, das Wahre ist wieder nur das Erste für eine höhere 30 ­Stufe. ­  ­8 Es sind … erfaßt.] Hu: Im allgemeinen muss sich der Geist zum Bewustseyn bringen, dass er sich durch sich und zu sich befreie. Es sind viel Umwendungen und Umkreisungen dass der Geist dazu komme.­  ­9–12 Die erste … bestimmt.] Hu: Io Die Erste Folge ist diese: dass über­ chaupt das Ganze der Geschichte der Philosophie ein in sich consequenter Fortgang ist – das in sich vernünftige – soweit als es frey ist, als es durch die Idee bestimmt ist.­  ­14–15 Das Fortleitende … 35 Gestaltungen.] Hu: Naeher wird dieser Fortgang theils nach dem Inhalte theils nach der Form be­ stimmt. Dies ist das fortleitende, die innere Dialektik des Gestallteten, der Bestimmungen. 3  aber nachtr. über gestr. u­  ­5 zu einem nachtr. über gestr. der­  ­15 sind diese nachtr. mit Einfügungszei­ chen über《ist》 〈sie〉 ­   sie nachtr. über gestr. es­   sollen nachtr. aus soll­  ­16 ihnen nachtr. aus ihm  26 wir] wird

wird es zum Fortgang der Geschichte der Philo­sophie daß die unterschiedenen Mo­ mente sich in Einheit setzen, so wie daß diese wieder in tiefere Gegensätze sich ent­ zweien, bis die Idee alle Formen ihres Ansichseins entwic­ kelt hat und somit Für sich geworden ist.

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Somit ist der Verlauf der Geschichte der Philosophie ein conse­ quenter Gang und das Fortleitende die Dia­ lektik des innern ­Widerspruchs in den jede bestimmte Phi­ losophie fällt das con­ crete der Idee in einer einseitigen Form zu enthalten.

Die Formen der be­ stimmten Philosophien als Formen der Idee gehen nicht unter,

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478 sondern sie bleiben bestehen, und werden nur in sofern sie als einseitige absolute letzte Gültigkeit ha­ ben wollen widerlegt.

8vHo Beispiel an der ­Atomistik

Bei dem Verhalten zu den einzelnen Philo­ sophien also tritt das Gedoppelte ein: ein­ mal ihre Prinzipe als nothwendige Formen der Idee zu erkennen, dann ihnen aber die Form absolut Letzte zu sein zu nehmen und ihnen die Stellung als Momente des Ganzen zu geben.

Uns nun genügt die Prinzipien zu erken­ nen, während wir ihre Durchbildung durch die ganze Maße des weltlichen Stoffs fallen laßen, da diese 15Hu 15. 9

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dern affirmatif. Aber dabei ist zu unterscheiden, von dem bestimmten Prinzip durch welches die Philosophie eine besondere ist, und von dem wie sie ihr Prinzip ausgeführt hat. Die Prinzipien als die Formen der Idee, sind erhalten. Die neu­ ste Philosophie ist also Resultat aller früheren und enthält sie alle. Näher ist dabei zu bemerken: keine Philosophie sei widerlegt. Und dennoch sind Alle widerlegt. Widerlegt nehmlich ist nicht ihr Prinzip, sondern nur dieß ist wi­ derlegt, daß solches Prinzip absolute letzte Gültigkeit habe, widerlegt ist es, in­ dem es als Moment des Ganzen herabgesetzt ward. | Nur die Form absolut Letzte zu sein ist bei den Philosophien verschwunden, und dieß ist ihre Wider­ legung. Die atomistische Philosophie nehmlich ist ganz bekannt. Ihre letzte Be­ stimmung ist, daß es das Eins sei, das Atom, welches das absolute sei. Weiter bestimmt ist dieß das Individuelle, das subjective. Das Atom aber ist das ganz abstracte Fürsichsein, und die Atomistik kam dahin das Absolute als das Eins zu fassen. Wir nun sind keine Atomistiker mehr, der Geist ist wohl Eins aber nicht mehr das Eins in dieser abstracten Bestimmung. Das Prinzip des Eins also ist wohl erhalten, aber abgestreift ist die Abstraction. Alle Prinzipe also sind er­ halten, keine können entbehrt werden. Und so giebt es zwei Seiten des Verhal­ tens zu einem Prinzip der Philosophie die negative und affirmative. Die Negative ist die Einsicht in die Einseitigkeit, die affirmative die Einsicht, daß sie ein nothwendiges Moment der Idee sei. Diese Seiten müssen überhaupt bei jedem Urtheil erhalten werden; an allem muß man den Mangel, an Allem das Wahr­ hafte erkennen. Leicht ist es eine religion für Mangelhaft zu erklären, schwer zu sehen wie das nothwendige Bedürfniß des Geistes sie herbeiführte. Was drittens die Behandlung der verschiedenen Philosophien betrifft, so haben wir uns vor­ nehmlich auf die Prinzipien zu beschränken. Jedes Prinzip, das im System des Gedankens enthalten ist, hat eine Zeit der Herrschaft gehabt, und das Ganze der Weltansicht ist darin ausgeführt. Man kann nun die ganze Ausführung kennen

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 –3 affirmatif. Aber … hat.] Hu: auf eine affirmative weise in der Philosophie. Man muss unter­ 1 scheiden die principien der Philosophie von der Ausführung der principien oder der Anwendung derselben auf die Welt.­  ­14–16 Wir nun … Abstraction.] Hu: Der Geist ist auch Eins – aber dies 30 ist eine sehr dürftige Bestimmung und Definition des Geistes – welche ihn nicht erschoepft. Diese Bestimmung drückt nicht das Princip des Absoluten aus. Diese Bestimmung ist aber geblieben nur das ist an ihr wiederlegt dass es die Ganze Bestimmung de sen seyn solle was Absolut ist. 18–23 Die Negative … herbeiführte.] Hu: Wenn man das Negative festhaelt, ist das das Wiederle­ gen nehmlich der Schluss dass dies oder jenes princip nicht das letzte ist – dass es aber eine Bestim­ 35 mung ist – So wiederfaehrt der Philosophie das Recht. Mann muss die Negative Seite erkennen aber auch die positive oder Affirmative. Den Mangel zu erkennen ist das leichstes. Das Gute zu finden gehört einem tieferen Studium, erfordert ein spaeteres Alter. So geht es auch in unseren Zeiten mit den Religionen. Dies ist also die zweite Folge die beachtet werden soll.

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lernen wollen und hat sie kennenzulernen, doch das Interessanteste ist das Prin­ zip, und ist dieses noch abstract und dürftig, so ist es nicht hinreichend die Ge­ staltungen zu fassen, die in unserer Weltanschauung | liegen, und die Ausführun­ gen werden dürftig. Das Prinzip zB. des Atomen zeigt sich sogleich, wenn wir das animalische Leben betrachten, oder den Geist, als ungenügend die Tiefe des Geistes zu fassen. Die Cartesianische Philosophie zB. ist von der Art, daß die Me­ chanik hinreichend durch sie begriffen wird, aber weiter geht sie nicht, und die Ausführung für die weitere Weltanschauung ist ungenügend. Diese weiteren Ausführungen also können wir fortlassen – Philosophien eines noch unterge­ ordneten Prinzips kann man auch sagen waren nicht consequent und thaten Blicke, die über ihr Prinzip hinausgehen. Plato zB. im Timaeus ist empirisch und die Ausführung zeigt sich in der Physiologie dürftig; aber es fehlt nicht an ein­ zelnen tiefen Blicken, welche sich aber nicht dem Prinzipe verdanken, sondern für sich als glücklichere Gedanken, dastehen. Eine fernere Folge ist nun diese, daß wir es in der Geschichte der Philosophie nicht mit Vergangenem zu thun haben. Nur das Äußerliche daran ist vergan­ gen, die Männer, ihre Schicksale, aber was die Sache betrifft, so ist diese geblie­ ben. Es ist uns also nicht bloß um eine historische Kenntniß zu thun, die sich mit Vergangenem beschäftigt, sondern wir haben ein Praesentes vor uns, in wel­ chem wir selbst mit dem Begriffe zugegen sind. Wir haben es mit Begriffen zu thun, in welchen das Unsrige lebt, durch die wir sind, in denen wir sind. Bloß historische Kenntniß ist ein geringer Gewinn, das Erkannte bleibt durch sie fremd und äußerliche.

4–6 dürftig. Das … fassen.] Hu: dürftig, mangelhaft. Wir haben des Princips der atomistischen

Prinzipe zu mal im Beginn der Geschichte der Philosophie zu dürftig sind, diesen Stoff seiner Wahrheit nach zu fassen.

Diese Prinzipe nun als Formen der Idee sind nichts vergange­ nes sondern unser ­Eigenstes und Gegen­ wärtigstes

Und da sie die Idee selbst auseinanderle­ gen, ist ihr Studium zugleich das Studium der Idee.

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25 Philosophie erwähnt. Wenn wir in ihr weiter gehen, koennen wir auf solche Betrachtungen fallen.

Es findet sich nehmlich schon in der Vorstellung dass das Leben ein Treibendes ist. Wenn wir uns wieder den Geist vorstellen so sehen wir dass das Eins die Tiefe des Geistes nicht aussprechen kann.­  ­7–8 weiter geht … ungenügend.] Hu: weiter reicht es nicht. Wenn es auf die Welt ange­ wendet wird zeigt es sich nicht genügend. Wie kann man den Geist, das Leben, nach den Mecha­ 30 nismus betrachten?­  ­9–14 Philosophien eines … dastehen.] Hu: Die Philosophen die auf einem untergeordneten Standpunkte waren konnten tiefe Blikke gehabt haben, die aber a u s e r der Be­ trachtung ihres Princips gewesen sind – welche nicht hinreichte das Ganze, die Weltanschauung in diesen princip zu erfa sen. Solche Blike sind nun denn nicht consequent ihren Princip, deshalb mü sen sie auch übergegangen werden. | Der Timaeus des plato kann als eine Naturphilosophie 35 angesehen werden – es ist aber im allgemeinen eine Physiologie. Das princip des plato reichte also nicht dazu die Natur als Geist zu fa sen oder zu sagen. An einzelnen Bliken fehlt es nicht, aber das Ganze ist nicht a u s d e m s e l b e n , ist nicht consequent – es mangelt an Principien.­  ­16 haben.] Hu: haben sondern mit dem Gegenwaertigen, Praesenten. 1  und hat sie nachtr. über gestr. u­  ­9 Philosophien nachtr. aus Philos.­  ­21 welchen] welchem 40 (Numeruswechsel)­  ­33 diesen über (ihren)­  ­34 Timaeus] Thimaeus

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Indem nun die Ent­ wicklung vom An­ sichsein der Idee be­ ginnt, und die Momente derselben auseinanderlegend sie zum Für sichsein ih­ rer fortleitet, so fällt hiedurch unmittelbar der Unterschied her­ ein, daß der Anfang gegen die spätere Entwicklung das ab­ stracte ist.

Dabei ist der Unter­ schied von Sinnlich concretem und der Concretion des Ge­ dankens zu machen. Das sinnlich concrete ist eine Manigfaltig­ keit von äußerlich Verbundenem die Concretion des Ge­

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Weiter können wir noch folgern in Betreff auf die Vergleichung des Studiums der Geschichte der Philosophie und der Philosophie selbst. | Die Geschichte der Philosophie stellt die Philosophie selbst dar, dieß erkannten wir schon. Der Inhalt an und für sich und seine Entwicklung ist dieselbe; densel­ ben Stufengang finden wir wieder, nur in der Geschichte der Philosophie finden 5 wir ihn in Jahrtausende auseinandergelegt. Wir haben von den Ältern den Schatz der Vernunfterkenntniß erhalten und können uns diesen ganzen Reichthum zu eigen machen. Dieß zu können giebt uns die Geschichte der Philosophie die Gele­ genheit. Aber um das System der Philosophie in ihrer Geschichte zu kennen, muß man die Einsicht in die Philosophie schon haben. Man kann nun meinen, 10 daß die Philosophie selbst in der Entwicklung ihrer Stufen eine andre Ordnung haben müsse als die ist, in welcher in der Zeit sie hervorgingen. Aber im Ganzen ist die Ordnung dieselbe. Eine zweite nähere Bestimmung nun schließt sich un­ mittelbar an die der Entwicklung und des Concreten. Denn wir sagten das Con­ crete sei das Anundfürsichseiende, die Einheit des Ansich und des Fürsichseins. 15 An diesem allgemeinen Begriff des Fortgangs ist nun folgender Unterschied vor­ handen: das Ansich, das Unmittelbare, Abstracte, Allgemeine macht den Anfang. Als Anfang ist es noch nicht fortgeschritten, noch zu keinem Anderen gekom­ men, das Concretere ist das Spätere. So tritt der Unterschied herein, daß der An­ fang das abstracteste, an Bestimmungen, Ärmste ist, während das Fortgeschritte­ 20 ne das Reichere Concretere ist. Dieß kann zwar der Vorstellung widersprechend scheinen, welche meint, das Erste sei das Concrete. Das Kind sei noch in der Ganzheit seiner Natur, der Mann als beschränkt mache sich eine bestimmte Seite zu eigen. Und so sei es auch mit der Intelligenz; das Gefühl die Anschauung sind das ganz Concrete, das spätere Denken das Arme abstracte. In der That aber 25 müssen wir betrachten | auf welchem Boden wir uns befinden. Wir sind in der 10rHo Geschichte der Philosophie auf dem Boden der Entwicklung des Gedankens. Ver­ gleichen wir das Gefühl mit dem Denken, so ist es wohl das Concretere über­ haupt, aber an Gedanken das Abstracteste, eben so ist das Kind an Sinnlichem 10–13 Man kann … dieselbe.] Hu: Es ist also die Sache des Lehrers, | der sie schon kennt, in dieser 30 Reihe der Philosophieen eine Systematisirung oder die Entwiklung aufzuzeignen. Man hat zwar in gewi ser Hinsicht recht dass die Philosophie in der Entwikelung als Geschichte eine andere Ordnung folgen mü se als die Entwikelung der Idee. Aber Im Allgemeinen, im Ganzen ist dies nicht der Fall. Es ist darin die Bedeutung der Geschichte der Philosophie enthalten.­  ­23–25 der Mann … abstracte.] Hu: Der Mann aber der doch diess Ganze auch seyn soll, führt ein abstrakteres 35 Leben, giebt sich nur einem Geschaefte hin. Wir mü sen hier zwar zugeben dass das Anschauen und das Gefühl in der Stufenfolge der Erkenntni s das Erste sey und das Spaetere das Denken. | Damit ist aber noch nicht gesagt dass das Gefühl Etwas Concreteres sey als das Denken, das Re­ flektiren. 30  der sie] der sie | der sie­  ­38 Damit ist] Damit ist | Damit ist

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Concret, an Gedanken der Mann. Wir müssen daher das natürlich Concrete von dem Concreten des Gedankens abscheiden. Das Natürliche ist mannigfach gegen die Einfachheit des Gedankens. Wir aber haben es hier mit dem Concreten des Gedankens zu thun. Und das Kind ist hier das ärmste, der Mann das Weitere, Concretere. So ist das wissenschaftliche Denken das Concrete gegen die sinnli­ che Anschauung. Das Anfängliche nun des Geistes ist das Ärmere das Spätere das Reichere. Dieß angewendet auf die verschiedenen Gestalten der Philosophie so folgt daraus, daß die ersten Philosophien sich in ganz abstracten Allgemeinhei­ ten halten, unerfüllt, arm sind. Und man muß dieß wissen, um in den alten Philosophien nicht mehr zu suchen als darin ist, um von ihnen nicht das zu ver­ langen, was zu geben erst ein späteres, concretes Bewußtsein im Stande ist. Fra­ gen wir zB. von einer alten Philosophie ob sie Atheismus sei, indem wir unseren tiefen Begriff von Gott dem Theismus zu Grunde legen, so ist dieß einerseits Recht, anderseits Unrecht, denn der Gedanke als Anfangender vermochte diese Tiefe noch nicht zu haben. Tief nehmlich ist einmal als das Intensive dem Ex­ tensiven entgegengesetzt, aber im Geist ist die tiefere Intensität der größere Reichthum, die weitere Expansion. Die Stärke der Entzweiung, der Trennung macht hier die Stärke der Macht. – So nun war in neuern Zeiten die Frage: ob Thales einen persönlichen Gott behauptet habe oder nur ein allgemeines Wesen. Hier kommt es auf die Bestimmung der subjectivität an. Die subjectivität wie wir sie fassen, diese ist in der ältern Zeit nicht zu suchen. | Eine zweite Folge nun betrifft die alten Philosophen. Man muß ihnen nur das zuschreiben, was unmit­ telbar geschichtlich von ihnen angegeben wird. Hierüber kann man in vielen, ja in den meisten Geschichten der Philosophie Unrichtigkeiten auffinden. Man findet nehmlich eine Menge metaphysischer Sätze einem Philosophen zugeschrieben, von denen er nichts gewußt hat. In Brucker zB. findet man von Thales 50, 100 Sätze angeführt, die ihm nicht zugeschrieben sind; nehmlich Brucker hat aus Aussprüchen der Alten Vordersätze und Consequenzen gezogen wie sie die

dankens ist die tiefere Innerliche, und gegen dieß concrete ist das Sinnliche abstract. Ur­ sach und Wirkung sind ganz anders zusam­ men gewachsen als die Blätter der Rose. Folgerungen aus dem Unterschied von An­ fang und Fortschrei­ tung: Die anfangenden Philosophien sind die abstracten gegen die Späteren. Zu diesem Bewußt­ sein muß man gelan­ gen um in den frühe­ ren Philosophien nicht mehr zu suchen als sie zu geben im Stande sind.

Und deshalb muß man bei den alten Philosophen nur was als historisch gewiß von ihnen ausgesagt wird, anerkennen.

15–17 Tief nehmlich … Expansion.] Hu: Er erscheint zwar in grö serer Extension – ie reicher aber 30 der Geist ist desto grö ser ist die Intensivitaet – Sie sind sich | entgegengesetzt. Man muss aber be­

merken – dass eine wahre Intensivitaet auch zugleich expansiv sey – das ist der Charakter der Un terblichkeit.­  ­18–21 So nun … suchen.] Hu: So war durch eine lange Zeit die Frage ob die Philosophie des Thales Theismus sey oder Atheismus – oder ob sie einen persönlichen Gott be­ hauptet oder einen unpersönlichen? Bey dieser Frage kommt also alles auf die Bestimmung der 35 Subjektivitaet des Gottes an – aber eben eine solche Subjektivitaet ist in der aelteren Zeit überhaupt nicht zu suchen.­  ­22 Philosophen] Hu: Phylosophieen­  ­ 5  So nachtr. aus Das­  ­9 sind nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­11 ein] ein ein­  ­15 als nachtr. über der Zeile­  ­18 So nachtr. aus Ebenso­  ­22 Philosophen nachtr. aus Philos.­  ­30 entge­ gengesetzt] entgegenge-| entgegengesetzt

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11rHo Gleichfalls können wir drittens nicht die Fragen unseres tiefe­ ren modernen Welt­ bewußtseins von den alten Philosophen be­ antwortet finden.

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damalige Wolff ische Philosophie darbieten konnte. Denn es liegt uns gar zu nahe ein Philosophem, das wir finden, nach unserer Reflexionsstufe umzuformen. Aber in der Philosophie handelt es sich nur um die Entwicklung. In jedem Satze stecken wohl weitere Bestimmungen, und folgen richtig daraus, aber ein ganz Anderes ist es, ob sie entwickelt seien, ob nicht. Der Unterschied ist nur immer der des Ansichseins und dessen Heraussetzung. Daher kann man sich nicht genau genug an das Historische, an die eigenen Worte halten, ohne weitere Gedanken­ bestimmungen hineinzubringen. ZB. sagt man: Thales habe gesagt: das Prinzip aller Dinge sei das Wasser. Zugleicher Zeit wird aber historisch gesagt erst ein späterer Philosoph habe das Wort αρχη in der Bedeutung von Prinzip, von zu Grunde liegendem Gedanken, von Allgemeinem gebraucht. Und wir könnten somit diese Gedankenbestimmung von Prinzip dem Thales überhaupt noch nicht zuschreiben. Denn der Unterschied der Bildung besteht nur im Unterschied der Gedankenbestimmungen, die in’s Bewußtsein der Zeit gebracht worden sind. Brucker sagt ferner Thales habe gesagt: ex nihilo nihil fit. | Die Materie sei ewig. Von solchem Satz aber hat Thales geschichtlich nichts gewußt. Eine dritte Folge kann bemerkt werden als dieses, daß wir nicht glauben sol­ len, die Fragen unseres Interesses bei den Alten wollen beantwortet finden. Denn solche Fragen setzen eine tiefere Bestimmung des Gedankens voraus, als vorhan­ den war. Jede Philosophie ist Philosophie ihrer Zeit, ist Glied in der ganzen Kette der geistigen Entwicklung, sie kann also nur Befriedigung für die Gedankenbe­ stimmungen gewähren, welche ihrer Zeit angemessen sind. Den Prinzipien nach leben wohl alle Philosophieen aber die spätere ist immer weiter gekommen, und als Letzte können die Alten nicht mehr erweckt werden. Ihre Formen sind unse­

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1–3 Denn es … Entwicklung.] Hu: Es liegt uns zwar sehr nah einen Alten philosophen in unserer 25 Form der Reflexion zu sehen – aber eben das wichtigste in der Geschichte bestehet darin, dass wir wi sen – ob ein Satz s o w e i t entwikelt worden ist oder n i c h t .­  ­15–16 Brucker sagt … ge­ wußt.] Hu: So wenn man noch weiter in Beispilen vortfahren will – koennte man auch sagen Thales haette diesen Satz „ex nihilo fit nihil” stillschweigend angenommen – denn er betrachtet das Wa ser als etwas liegendes – als ein ewiges Element, das i s t  – Diese Folgerung kann man ihn 30 aber nicht zuschreiben.­  ­17–20 daß wir … war.] Hu: dass wir in den Alten philosophen die Fra­ gen unseres Bewustseyns nicht befriedigen koennen. Die Fragen die w i r machen, tragen eine hoehere Ausbildung, als die der Alten – deren Begriff nicht zur Intensivitaet unserer Begriffe ge­ kommen ist.­  ­22–24.483,1 Den Prinzipien … angemessen.] Hu: Daraus folgt aber das was wir schon oben bemerkt haben, dass alle philosophien noch leben. Die Stuffen die sie zu Leben ge­ 35 bracht haben sind eine Stuffe in unserer philosophie – unsere philosophie ist aber weiter | über diese Stufe hinausgegangen. Diese einzelnen Stufen koennen aber nicht erwekt werden – es kann heute mehr keinen platon geben, keinen Aristoteles. Die Begriffe die sie gehabt haben sind unseren Bewustseyn nicht angeme sen. Unseren Geist auf eine niedrigere Stufe zu bringen ist unmöglich 8  das Prinzip nachtr. über gestr. der Urspg­  ­9 wird] folgt nachtr. gestr: gesagt­  ­11 gebraucht nachtr. 40 über der Zeile­  ­13 Denn nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­   der] Der­  ­18 Interesses] In­ trssen

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rer Tiefe nicht mehr angemessen. Der Mann kann sich auf den Standpunkt des Jünglings nicht wieder versetzen. Solche Wiederauflebungen werden uns wohl auch vorkommen, im 15ten Jahrhundert, wo man das Studium der Alten wieder begann. Selbst ein Medicis stiftete eine Academie für die platonische Philosophie. Andere wa­ ren reine Aristoteliker; andere gab es die sich zu den Epicuraeern zurückwandten, Lipsius wollte ein stoiker sein. Christenthum und Philosophie sagte man sei so hete­ rogen, daß sich im Christenthum keine Philosophie bilden könne. Aber dieß Aufle­ ben der alten Philosophien kann man nur ansehen als einen Durchgangspunkt des Lernens, wie jedes Individuum sie zu durchlaufen hat. Aus dem Gesagten geht es dann hervor, daß Alle, welche nur alte Philosophien studieren, unbefriedigt davon hinweggehen. Man kann vom Ruhme alter Philosophen angezogen werden, aus ih­ rer Philosophie die seinige zu schöpfen, aber sie befriedigen nur auf einen gewissen Grad. | ZB. finden wir beim Plato die Frage nach der Freiheit nicht wie wir sie ma­ chen. Ebenso ist die Frage nach dem Ursprung des Uebels hier nicht beantwortet. Und gerade diese Fragen beschäftigen uns, der Gegensatz von Objectivität und sub­ jectivität war bei Plato nicht, die unendliche Forderung des Gedankens, die Selbst­ ständigkeit des Gedankens in sich, dieser Niedergang des Geistes ist im Plato noch nicht. Das Individuum in alter Welt war subject aber es hat sich nur gewußt in we­ sentlicher sittlicher Identität mit seiner Welt. Der atheniensische Bürger wußte: freier Bürger zu sein. Daß der Mensch an und für sich frei sei, dieß hat weder Plato noch Aristoteles zu wissen vermocht. Und so befriedigen sie uns bei diesen Fragen nicht. Die Bedeutung nun der Geschichte der Philosophie faßt sich hierin zusammen: daß alle Philosophien die Entwicklung der Idee in der Ordnung der Nothwendig­ keit ihrer Momente sei. Jedes Moment faßt die ganze Idee in seiner einseitigen Form auf, hebt sich dieser Einseitigkeit wegen auf, und sich als Letztes widerlegend, schließt es sich mit seiner entgegengesetzten Bestimmung, die ihm

22–26.484,1–4 Die Bedeutung … würde. –] Hu: Wir haben die einzelnen philosophieen angegeben als Stufen einer Idee. Jede philosophie stellt sich nach dem Gesetze der Nothwendigkeit als die eine Denkbestimmung der Idee dar. Dies zeigt uns dass hier keine Willkührlichkeit statt findet – denn die 30 Folge der Geschichte der philosophie wird bestimmt durch die Nothwendigkeit, wie dies aber be­ schaffen ist wird sich in der Ausführung der Geschichte der Philosophie selbst zeignen. – Eine jede von den angegebenen Denkbestimmungen ist fest, (einseitig) – aber sie hebt sich auf – das ist die Dia­ lektik dieser Bestimmungen. Diese Bewegung schlie st nicht mit dem nichts – sondern die aufgehobe­ ne Bestimmung ist selbst affirmative Bestimmung – die sich als Wahrheit zeigt. Das ist die Bedeutung 35 der philosophie – ein Gegenbild davon ist die Geschichte der Philosophie in der Zeit, in den blo sen Scheine, in den Äu serlichen. Es kann diese Bedeutung, nicht durchaus logisch behandelt werden – sie muss aber wenigstens darauf hindeuten – was sich durch unsere Geschichte zeigen wird. 9  sie] sc. Durchgangspunkte (Numeruswechsel)­  ­18 in 2 ] im­  ­19 sittlicher nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­23 Philosophien nachtr. aus Philos.­  ­25–26 und sich … widerlegend] (1) wird 40 widerlegt (2) (u sich als Letztes nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen) widerlegend nachtr. aus widerlegt­  ­26 es nachtr. über der Zeile

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II Feststellung des An­ fangs der Geschichte der Philosophie durch Abscheidung von an­ dern ihr verwandten Gebieten, und durch den hieraus sich erge­ benden Begriff der Philosophie selbst. 1. Zusammenhang der Geschichte der Philoso­ phie mit der Weltge­ schichte Er ist nicht zufällig sondern nothwendig, da die Philosophie nur das Weltbewußtsein einer Zeit in der Form des reinen Den­ kens ist. Völkerzustand, in welchem überhaupt nur kann philosophirt werden. Das Volk muß sein innerliches Prinzip schon wirklich ge­ macht haben Und nicht mehr darin befriedigt muß die Intelligenz von der unmittelbaren Wirk­ lichkeit in sich sich zurückziehen, und dem unmittelbar

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mangelte, zusammen und wird so tiefer und reicher. In diesem Sinne ist es, daß wir die Geschichte der Philosophie abzuhandeln haben. Er ist in der logischen Idee begründet, doch können wir unseren Gegenstand nicht in seiner logischen Stren­ ge fortleiten, da dieß uns zu weit führen würde. – Das Zweite, was wir jetzt zu betrachten haben, ist die Abscheidung der Ge­ 5 schichte der Philosophie von andern mit ihr verwandten Gebieten. Und hierbei muß nothwendig zum Vorschein kommen, was unter Philosophie überhaupt zu verstehen ist. Das Erste, was in dieser Rücksicht zu bemerken wäre ist, daß wir die Geschichte der Philosophie in Zusammenhang mit der Geschichte überhaupt se­ hen; und das Verhältniß beider haben wir näher zu betrachten. Dieß Verhältniß 10 ist kein bloß äußerliches sondern ein wesentlich nothwendig Innerliches. | Es ist 11arHo keine bloße Gleichzeitigkeit. Die geschichtliche Gestalt der Philosophie steht in nothwendigem Zusammenhang mit der politischen. Denn schon, daß überhaupt philosophirt werde, dazu muß das Volk auf einer bestimmten Stufe stehen. Für die Noth des Lebens muß gesorgt sein, die Angst der Begierde, des bloß subjecti­ 15 ven Interesses muß sich abgearbeitet haben, das Bewußtsein so weit fortgerückt sein, um Interesse an allgemeinen Gegenständen zu nehmen. Die Philosophie ist in so fern Luxus, wenn man Luxus als Befriedigung von Solchem ansieht, das nicht die unmittelbare Nothwendigkeit zu befriedigen befiehlt. Von der Seite des Denkens dagegen kann man die Philosophie für das Nothwendigste ansehen. 20 Damit sie auf kommen könne muß die Dumpf heit des Bedürfnisses, des Interes­ ses für das Einzelne verklärt sein. Zugleich muß das concrete Leben des Volks sich brechen seine unmittelbare Wirklichkeit und sein intelligentes Leben muß sich aufgelößt haben, das kräftige Leben sich zerrissen haben. In der unmittelba­ ren Existenz seiner Gegenwart muß das Volk sich nicht mehr befriedigen kön­ 25 nen, und so sich in die Räume des Gedankens flüchten. Dieß sind Zeiten der Auflösung[,] des Unglücks. So traten Socrates, Plato, Aristoteles auf zu Zeiten, wo das politische Leben nicht mehr befriedigte, das Sittliche Religiose wankend ward. So ist es im Rom zu Zeiten der Kaiser gewesen, so im 15ten und 16ten 14 Stufe] Hu: Stufe der Bildung­  ­16 muß sich … haben,] Hu: muss abgerieben seyn.­  ­17 um Interesse … nehmen.] Hu: dass es ein Intere se habe am Denken.­  ­21–27 Damit sie … Unglücks.] Hu: Bildung muss das erste gleichgültige Dunkle verla sen haben. Man kann in dieser Hinsicht noch sagen, dass eben die philosophie alsdann erscheint, wenn das Volk aus seinem concreten Le­ ben heraus ist – wo ein Bruch zwischen dem Innern seines Lebens gemacht ist. Sie kommt hervor wo das Volk sich auflö st – es sind Zeiten seines Verderbens – wo Gleichgültigkeit eintritt gegen 35 Befriedigung der natürlichen Bedürfni se und wo es sich in die Raume des Gedankens versetzt – wo es sich eine Welt im Innern sucht. 7  überhaupt nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­15 sein nachtr. über der Zeile­  ­16 haben nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­18 als nachtr. über der Zeile­  ­24 haben.] haben,­  ­29 gewesen nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen 40

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J­ahrhundert. Hier war eine Conversion, das germanische Leben des Mittelalters nahm eine neue Form an. Die politische Existenz war früher noch in Einheit mit der Kirche; jetzt aber geschah der Bruch des bürgerlichen und Kirchlichen und in diesen Bruch trat die Philosophie ein. Die Philosophie also überhaupt tritt nur in großen Bildungsepochen des Ganzen ein. Aber es geschieht dann nicht nur, daß überhaupt philosophirt wird, sondern eine bestimmte Philosophie thut sich auf; und diese Bestimmtheit des denkenden Selbstbewußtseins macht die Grundlage aller anderen Existenzen aus, Gesetze, geselliges | Leben, Kunst, Wissenschaft und Religion, so wie die Verhältnisse der Politik. Es ist also wesent­ lich dieß festzuhalten, daß der Geist der eine bestimmte Stufe erreicht hat, dieß Prinzip in den gesammten Weltreichthum einbildet. Die Philosophie zB, die in­ nerhalb des Christenthums nothwendig ist, konnte nicht zur Zeit des Heiden­ thums statthaben, denn alle Zustände sind Zweige, Ausdrücke derselben Be­ stimmtheit, welche die Philosophie als den reinen Gedanken dieser Zustände ausspricht. Die politische Geschichte ist auch nicht Ursache der Philosophie. Denn ein Zweig ist nicht Ursach des Ganzen Baumes. Die gemeinschaftliche Wurzel ist das Zeitbewußtsein, die Geiststufe, welche ihren Grund in einer vergehenden, überhaupt in einer Form der Idee hat. Diese Form bestimmt den politischen Zu­ stand, Kunst, Religion und Wissenschaft. Dieß ganze Gewächs also geht aus ei­ ner Wurzel hervor. Dieß Ganze darzustellen ist der Gegenstand der philosophi­ schen Weltgeschichte wir haben es mit dem einen Zweige zu thun, dem reinen Gedanken dieser Zustände, mit dem philosophischen Bewußtsein jeder Zeit. – Die zweite Bemerkung, die nun dieser ersten über den Zusammenhang überhaupt mit der Geschichte folgen kann, betrifft dieses, daß wir die Philosophie in ihrem

25 3–9 jetzt aber … Politik.] Hu: Der Bruch aber zwischen der Kirche und dem politischen Leben

war die Zeit wo man zu philosophiren angefangen hat. Die erste Stufe war hier das einlernen der Alten philosophie – die zweite das selbststaendige Denken. Die philosophie tritt also ein nur in einer gewi sen Epoche der Bildung des ganzen Zustandes. Es geschiet nicht nur dass überhaupt philosophiert wird, sondern es ist eine bestimmte philosophie – und diese Bestimmung des Den­ 30 kenden Bewustseyns ist Grundstein dieser übrigen geschichtlichen Seiten. Die Gesetze der Völker, seine Sittlichkeit, – haelt sich mit diesen Bestimmungen zusammen. Hierher gehoeren vornehm­ lich auch die arbeiten in Kunst und Wi senschaft, dann auch wesentlich die Religion und über­ haupt auch die politischen Verhaeltni se.­  ­17–18 welche ihren … hat.] Hu: und dieser Geist hat die naechste Ursache in den Vorhergehenden.­  ­20–22 Dieß Ganze … Zeit.] Hu: Die Einheit 35 aufzuzeignen, dieses Ganze Gewächs darzustellen, begreifen, das ist ein Gegenstand der uns hier bey Seite liegen mu s. Aber dies muss wenigstens angedeutet werden, nehmlich dieser Zusammen­ hang des princips der philosophie mit den princip der übrigen Geschichte. (Absatz) Das war der Zusammenhang der Geschichte der philosophie | mit den anderen Gestallten des Ausblüchens ei­ nes Volkes in einer Zeit. 40 2  früher nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­­8M liegen] liegt (Numeruswechsel)   16 Baumes nachtr.

über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­24 folgen kann nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­27 das] dass­  ­31 seine] Numeruswechsel­  ­35 das] dass­  ­36 angedeutet] angedeuten­  

Wirklichen, jetzt eine Wirklichkeit des Ge­ dankens geben.

Und so bringt denn die Philosophie die Be­ stimmungen, welche der Zeitgestalt nach allen ihren Seiten zu Grunde liegen ins denkende Bewußt­ sein. Deshalb ist die Philo­ sophie in den be­ stimmten Zeiten we­ sentlich in einer bestimmten Form der Idee.

2. Abscheidung der Ge­ schichte der Philosophie gegen ihre verwandte Gebiete.

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a. Anfänge des verstän­ digen Denkens über natürliche und geisti­ ge Dinge.

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Unterschiede gegen die Zweige festsetzen, welche ihr näher verwandt sind. Die­ se Verwandtschaft ist es vornehmlich, durch welche man in der Geschichte der Philosophie in Verlegenheit gesetzt wird, denn die Verwandtschaft ist sehr nahe. ZB. Bildung überhaupt; die anderen Wissenschaften haben mit der Philosophie in der Form sehr viel gemein. Sie sind auch Gedanken. Und vornehmlich ist es die Religion welche mit der Philosophie in unmittelbarer Verwandtschaft steht, so daß in den Mythen der Völker Philosopheme enthalten sind. Wenn man sich nun auf diese Weise in den Gedanken innerhalb der Religion einlassen wollte, so würde der Stoff grenzenlos werden. Zur Abscheidung nun können wir uns nicht bloß | an den Namen der Philosophie halten, denn man spricht von Philosophe­ men in der Mythologie, von populärer Philosophie. In England heißen alle Phy­ siker Philosophen. Der Name also zeigt sich als unzureichend. Die Abscheidung wollen wir nun nach 3lei Seiten vornehmen. Die erste Seite ist das, was man überhaupt zur wissenschaftlichen Bildung rech­ nen kann, die Anfänge des verständigen Denkens über natürliche und geistige Dinge. Das zweite Gebiet ist die Religion, diese ist interessant, da die Philosophie ste­ te Beziehung mit ihr hat. Das 3te ist das räsonirende Philosophiren; was man früher verständige Meta­ physik nannte gehört hieher. An diesen drei Seiten wird hervortreten, welche Bestimmungen dazugehören ein Denken zum philosophischen rechnen zu lassen. Was die erste Seite betrifft, so sind wir mit ihr weniger in Verlegenheit, denn die besonderen Wissenschaften, die empirischen rechnen wir nicht zur Philoso­ phie obgleich auf Universitäten die philosophische Fakultät viele Fächer enthält, welche von der Philosophie dennoch zu trennen sind. Näher aber begegnet uns

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 –9  denn die … werden.] Hu: Diese Verwandtschaft ist sehr nah – man muss also darauf die 3 groe ste Acht geben was die philosophie ist. Die Wi senschaften haben z. B. dieselbe Form, nehm­ lich das Denken als Allgemeinheit. Vornehmlich ist eine unmittelbare Verwandtschaft der philoso­ phie mit der Mythologie. Man sagt dass in den Mythen philosopheme enthalten sind – und wenn das waere, so gehörten sie auch zur Geschichte der philosophie. Wenn aber die Geschichte der 30 philosophie sich in dieses einla sen wollte, so würde ihr Stoff unbegraenzt.­  ­11–12 In England … unzureichend.] Hu: Was sich auch z. B. aus diesen historischen Beyspiele erklaert, dass die Englen­ der, alle phisische Instrumente, philosophische Instrumente nennen – und phisik philosophie hei sen.­  ­17–18 diese ist … hat.] Hu: Dies Gebiet ist von naeheren Intere se – eben deswegen da die philosophie theils mit der Mythologie theils mit der Religion im wesentlichen Zusammenhan­ 35 ge ist – obgleich in einer feindigen Beziehung.­  ­22–25 Was die … sind.] Hu: 1o D a s e r s t e ist der Stoff der zur allgemeinen Bildung gehört. In unserer Zeit wenigstens in Deutschland sind wir in dieser Hinsicht weniger verlegen – es sind doch noch Reste davon Enthalten. z. B. in vielen Universitaeten giebt es noch eine Philosophische Fakultaet die andere Wi senschaften enthaelt, die blo s nur Faecher in dem Staate sind. 40 4  anderen nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­7 sich nachtr. über der Zeile

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die Vermischung in Anfangszeiten der Bildung. Wenn nehmlich eine Zeit bei einem Volke eintritt, daß das Nachdenken sich auf allgemeine Gegenstände wirft, daß das Natürliche und Geistige in bestimmte Verstandesverhältnisse gebracht wird, sagt man, ein Volk fange zu philosophiren an. Man kann dieß noch sogar hören: die Philosophie sei das Denken, welches nach den Ursachen der Dinge frage. Ursach ist ein Verstandesverhältniß. Oder wenn im Sittlichen allgemeine Grundsätze ausgesprochen werden, hat man die dieses Aussprechenden σοϕοι, ϕιλοσοϕοι, Weise genannt. So begegnet uns im griechischen Leben die ionische Schule, von der uns eine Menge Entdeckungen erzählt werden. | Dem Thales zB wird die Vorstellung zugeschrieben: die Sonnenfinsterniß entstehe: wenn die Erde zwischen dem Mond und der Sonne stehe. Pythagoras hat das Prinzip ge­ funden, welches der Harmonie der Töne zu Grunde liegt. Solche Vorstellungen sind allerdings Producte des Nachdenkens, doch gehören sie der Philosophie nicht an, sie gehen über die sinnliche Bekanntschaft hinaus, auch die Phantasie­ vorstellung überschreiten sie. Der Himmel und die Erde wird von Göttern ent­ völkert, der Verstand statt der Bilder der Phantasie stellt allgemeine Bestimmun­ gen, Gesetze auf. Ebenso finden wir allgemeine Sprüche über sittliche Pflichten, oder über das allgemeine Geschehen in der Natur und der Welt; Sprüche der sieben Weisen ect. In besonderer Rücksicht kann hier auf die Epoche des Wiederaufle­ bens der Wissenschaften im Mittelalter aufmerksam gemacht werden. Das Nachdenken über die Natur ging wieder auf. Wenn wir aber philosophische Wer­ ke dieser Zeit betrachten, den Cartesius zB. so beginnen sie mit allgemeinen Ge­ danken mit Metaphysik. Aber dann folgt eine Masse empirischen Stoffes, Natur­

1   Bildung.] Hu: Bildung wo das eigentliche philosophische, noch nicht so auseinander getrieben 25 war.­  ­9–11 Dem Thales … stehe.] Hu: z. B. Thales sollte gesagt haben dass eine Mondfinsterni s die Ursache sey des Dazwischen Tretens der Erde, Mitten zwischen die Sonne und den Mond. Diese Entdekung war zwar sehr wichtig – aber man kann sie nicht als philosophie annehmen.­  ­12–19 Sol­ che Vorstellungen … ect.] Hu: So haben sich viele allerley Vorstellungen von den Sternen gemacht – einige haben behauptet dass das Firmament aus Metall sey – in welchen Löcher sich befaenden – wo­ 30 durch das Ewige Feuer herausstroemt. Solche Sachen nimmt man gewöhnlich mit ein in die Geschichte der philosophie – Sie sind produkte des Nachdenkens, des Verstandes – sie dringen über das sinnliche hinaus – aber das wesen der Dinge in ihnen aufzustellen, wo gewöhnlich die phantasie das grö ste Spiel treibt – kann nicht philosophie hei sen. Dass die Welt und der Himmel bevölkert sey – ist eine phantastische Ausstroemung des Gefühls. Wir treffen so eben in dieser Zeit allgemeine 35 Saetze die sich auf Menschen beziehen z. B. die Sieben Weisen.­  ­22–23.487,1 so beginnen … Phy­ sik.] Hu: so findet es sich dass sie viele Gegenstaende auffa sen – welche nach der Weise der jetzigen BetrachtungsArt der philosophie nicht angehören. So finden wir in den System der philosophie des Hobbes, nicht nur Metaphysik, sondern auch das was wir physik nennen. So auch in den werken des Cartesius, findet sich Naturphilosophie die aber eigentlich Physik nur ist. 40 7  die nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­12 zu Grunde liegt] hervorbringt­  ­16 Bilder der

nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen

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Es ist dieß ein Hin­ ausschreiten über die sinnliche Wahrneh­ mung, welche die Dinge als einzelne betrachtet; hier wer­ den jetzt Gesetze, Allgemeinheiten in ihrer abstraction fest­ gesetzt. Solche Epoche ist die der wieder aufleben­ den Wissenschaften im Mittelalter.

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Hier nehmlich trat die Trennung ein zwischen dem von der Religion in allem Wissen gegebenen Stoff, und dem selbst­ thätigen Denken die­ ser Wissenschaften.

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Indem dieß Wissen sich auf Weltgegen­ stände sowohl der Natur als des Geistes wandte und diese selbstthätig nicht nach gegebenen reli­ giösen Vorstellungen betrachtete, ward es ein Wissen von welt­ lichem im Gegensatz des Göttlichen, Welt­ weisheit. Diese hat nur mit der Philosophie die for­ melle Selbstthätigkeit des Denkens gemein, das aber, indem es selbst nur ein abstrac­ tes verständiges ist, auch einen abstracten Inhalt erhält, den es nicht aus sich er­ schafft, sondern äu­ ßerlich aufnimmt.

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philosophie nach der Art jetziger Physik. Ferner gehört hieher zB die Ethik Spinozas. Zu dieser Zeit kam der allgemeine Unterschied der Erkenntnisse hervor. Einerseits waren solche, die der Religion angehörten. Diese waren von der Kirche festgesetzt. Anderseits waren solche, die sich auf das Staats und bürgerliche Recht gründeten. Diesen lag das Allgemeine gleichfalls als von der Religion festgesetzt zu Grunde, die Könige hätten den Ursprung ihres Rechtes in Gott, sie waren gesalbte des Herrn. Theologie und Jurisprudenz waren auf diese Weise positive Wissenschaften. Die Medicin theils crasser Empirismus theils ein Gebraue von Astrologie, Wunderthaten ect. Gegen diese Weise des Wissens trat itzt die Na­ turbeobachtung überhaupt ein, Beobachtungen, welche die Natur in ihrem un­ mittelbaren Sein nahmen und darauf gingen das Allgemeine darin zu suchen. Ebenso wird dann auch im Staatsrecht nach anderen Quellen gesucht. Was Recht sei unter den Völkern | gewesen war, daraus wurde das Allgemeine her­ ausgenommen, ebenso wurden für die Autorität der Könige eine andere Quelle, allgemeine Grundsätze gesucht. Eine andere Weisheit that sich auf, der gegebe­ nen, geoffenbarten Wahrheit gegenüber. Dieses neue Wissen war somit ein Wis­ sen von Irdischen Dingen, der Welt ward der Inhalt, und zugleich ward dieß Wissen aus der menschlichen Vernunft geschöpft, durch Selbstsehen, nicht nach religiösen gegebenen Vorstellungen. Die Menschen sahen in ihre Hände, wurden selbstthätig und ehrten auf gleiche Weise das Selbstdenken. Dieses Wissen nun wurde menschliche Weisheit Weltweisheit genannt, die aus der Welt kommend das Irdische zu ihrem Inhalt hat. Dieß war die Bedeutung für die Philosophie. Dieß haben wir näher angeführt um abzuscheiden, was der Philosophie gehört. Im Gesagten nun finden wir als ein Grundprinzip der Philosophie: ein Wissen, das auf sich, auf dem Erkennen des Geistes beruht, sich an kein Gegebenes hält. Diese formelle Bestimmung aber können wir den Begriff des Geistes nicht befas­ sen lassen. Sie befaßt die endlichen Gegenstände und schränkt sich sogar auf die­ se ein. Diese besonderen Wissenschaften werden denn auch jetzt von der Philoso­ phie abgeschieden, und die Kirche wirft ihnen vor, sie führen von Gott ab, weil ihr Gegenstand ein Irdisches ist. Aber auch sie haben das Moment des Selbstden-

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6–7 sie waren … Herrn.] Hu: Es war hier der Anfangspunkt das mosaische Recht – die Salbung der Koenige.­  ­ 8–9 Die Medicin … ect.] Hu: Medizin war blo ser Empirismus – und die Aetiolo­ gie, und Aetionomie waren nicht weit davon entfernt – man behauptete naehmlich dass die Hei­ lung der Kranken meistens von den Einflu se der Planeten abhaenge.­  ­10–11 in ihrem … Sein] Hu: in unmittelbaren denkenden Seyn­  ­14–18 ebenso wurden … geschöpft,] Hu: Eben so in 35 Ansehung der Macht der Fürsten, hat man einen Anderen Grund aufgesucht als Gott selbst. Man hat Freicheit des Menschen, Vernunft aufgesucht und dies als | Grundlage des menschlichen Ver­ eins dargestellt. 5  gleichfalls als … festgesetzt nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­12 nach nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­22 ihrem nachtr. über gestr. sm­  ­37 Grundlage] Grund-| Grundlage 40

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kens, das der Philosophie gehört und ihr Mangel ist nur abstract zu denken und somit zum Gegenstand selbst ein abstractes, Endliches zu haben. Das zweite nun der verwandten Gebiete ist die Religion. Das erste Gebiet ist der formellen Seite des Denkens nach mit der Philosophie verwandt, die Religion dem Inhalt nach. Gegen das erste Gebiet setzt sie sich als Gegentheil ihrem Inhalt nach. Denn in der Religion haben die Völker niedergelegt, wie sie sich die substanz von Allem vorstellten, und wie sie sich das Verhältniß des Menschen zu dieser seiner Wahrheit vorstellten. | Hier somit wird das absolute zum Gegenstand. Als Gegenstand ist er ein Jenseits, freundlicher oder feindlicher. Diesen Gegensatz ist der Geist aufzuheben getrieben und hebt ihn auf in der Andacht und im Cultus, giebt sich in ihnen die Zuversicht der Einheit seiner und seines Wesens. Gott ist ihm gnädig, vereint sich mit ihm, nimmt ihn an, nimmt ihn zu sich. Die Philosophie hat nun denselben Gegenstand, die an und für sich seiende Vernunft, die absolute substanz. In ihr macht sich der Geist diesen Gegenstand gleichfalls zu eigen und thut es die Religion in der Andacht und im Cultus, so thut es die Philosophie im Gedanken, durch denkendes Erkennen. Die Andacht ist Gefühl der Einheit des Göttlichen und Menschlichen, aber im Ausdruck “Andacht” ist schon das Denken verborgen und ein Drängen zum Gedanken, ein sich-Andenken ausgesprochen. Die Philosophie ist Wissen, Erkennen und hier ist es, daß der Unterschied gegen die Religion beginnt. Nehmlich die Philosophie verhält sich in der Form des denkenden Bewußtseins zum Absoluten, die Religion nicht so. Aber der Unterschied ist nicht so abstract zu fassen, als werde nicht auch in der Religion gedacht. Denn diese hat auch allgemeine Gedanken, nur implicite in ihrem Inhalt, in Mythen, oder auch ihrer objectiven Geschichte, sondern explicite in der Form des Gedankens. Außer der Weise dieses Inhalts haben die Religionen sehr bestimmte Gedanken; tiefe Gedanken sind in ihnen ausgesprochen, die nicht mehr aus gelegt zu werden nöthig haben. Ja auch philosophirt wird in der Religion. Die scholastische Philosophie war wesentlich Theologie. Hier finden

b. Die Religion. Wenn das frühere Gebiet mit der Philosophie seiner formellen Seite nach verwandt war, ist es die Religion nach der Seite des Inhalts. Die Religion ist die bestimmte Vorstellung der absoluten substanz und des Verhältnißes des Individuums zu dieser seiner Wahrheit. Die Vereinigung des subjects gegen dieß Object seiner Vorstellung geschieht innerlich durch die Andacht, äußerlich im Cultus.

In der Philosophie geschieht die Vereinigung durch den Gedanken, in ihr denkt das Absolute der Gedanke sich selbst. Aber auch die Religion hat Gedanken und zwar verhüllt in der Form von Mythen und objectivem Geschehen, so wie auch in der Form des Gedankens.

6 –8 wie sie … Gegenstand.] Hu: wie sie des Grundes der Welt bewu st waren – damit auch das Ver30 haeltni s der Menschen mit der Gottheit, den Wahren. So i s t d a s A b s o l u t e h i e r  | f ü r s i c h , a l s

G e g e n s t a n d .­  ­11–12 giebt sich … sich.] Hu: geben wir uns die Gewi scheit diesen Gegensatz zu vernichten – die Einheit mit dem Göttlichen zu vollbringen – nach der Christlichen Religion nahmentlich d i e G n a d e G o t t e s zu erreichen, die Ve r s ö h n u n g m i t i h m z u b e w i r k e n . 25–27 Außer der … haben.] Hu: Die persischen, Indischen Religionen haben sehr speculative Gedan35 ken aber implicite – obgleich dies so meistens vorkommt dass wir diese Mythen nicht erst auszulegen haben. Hier begegnen uns also auch Gedanken.­  ­28 Theologie] Hu: Philosophie innerhalb der Religion 6  sich nachtr. über der Zeile­  ­16–19 Die Andacht … ausgesprochen] (1) Andacht ist denkendes Gefühl, das Drängen zum Gedanken (2) Text nachtr. am Rande mit Verweis- und Einfügungszeichen­  40 ­23 Gedanken,] folgt nachtr. gestr: (1) u nicht (2) aber (über der Zeile)­  ­24 sondern nachtr. über gestr. nicht­  ­30  f ü r ] f ü r   | f ü r   ­31 Gegensatz] Gesensatz­ 

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α. Unterschied des Gedankens der Religion als in ihren Mythen und ihrem Geschehen verhüllt, | gegen die Gedanken der Philosophie. Dieser Unterschied ist nicht nur von uns gemacht, sondern objectiv geschichtlich.

Die Kirche forderte das Verzichten auf das philosophische Denken als menschliches gegen das Göttliche, welches sich in der Natur in seiner Glorie offenbare.

Aber jedes menschliche Thun ist schon an und für sich eine höhere Offenbarung Gottes als die Natur, und dieser Gegensatz also an und für sich nichtig.

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wir also eine Verbindung der Religion und Philosophie die uns wohl kann in Verlegenheit setzen. In Ansehung dieses Gebietes sind es nun zwei Seiten, von denen näher zu sprechen ist: zu der einen gehört das Geschichtliche und Mythische, zu der andern die ausdrückliche Philosophie innerhalb der Religion oder auch die einzelnen speculativen Gedanken. 5 Was das Mythische mit dem Geschichtlichen zusammengefaßt | betrifft, so ist 13rHo diese Seite interessant durch die Gleichheit des Inhalts, interessanter durch den Unterschied der Form, der diesen Inhalt diesen 2 Gebieten zuwirft. Der Gegensatz dieser Formen fällt nicht nur in unsere Betrachtung, sondern es ist ein Geschichtliches, daß Religion und Philosophie im Gegensatz gegeneinander gekom- 10 men sind. Die Kirche, die Volksreligion haben die Philosophie oft verdammt. Der Philosophie wird deshalb zugemuthet daß sie ihr Beginnen sich selbst rechtfertige. Die Volksreligion der Griechen kam mit der Philosophie in Collision, viele wurden verbannt, getödtet, weil sie Anderes als die Volksreligion zu lehren schienen. Die Religion scheint hienach zu fordern, daß der Mensch verzichte auf 15 das vernünftige Denken, weil solches Thun nur Weltweisheit, nur Menschliches Thun, nur Erkennen der menschlichen Vernunft im Gegensatz der göttlichen sei. Die menschliche Vernunft producire nur menschliches Machwerk, dem gegenüber die Thaten Gottes ständen. Dieser Unterschied kann hier erklärt werden. Nach diesem Gegensatze wird das Menschliche gegen Gottes Thun herabgesetzt, 20 und diese Herabsetzung erhält die nähere Bestimmung, daß für die Weisheit Gottes an die Natur verwiesen wird, gegen welche die menschlichen Werke als ungöttlich gegenübergestellt werden. Nach dieser Wendung wäre ausgesprochen: die Naturwerke seien vorzugsweise göttlich, die menschlichen Producte seien ungöttlich. Aber den Werken der Vernunft könnten wir doch dieselbe Hoheit 25 wenigstens zuschreiben als den natürlichen Dingen. Und mit dieser Gleichheit vergeben wir noch dem menschlichen Thun, denn das menschliche Thun ist in einem unendlich höheren Sinne noch ein göttliches Thun, Werk des Geistes Gottes. Der Vorzug des Gedankens gegen die natürliche Existenz ist sogleich

1   Verbindung] Hu: Vermischung­  ­7 durch die … Inhalts] Hu: 1o wegen der Verwandt­ 32Hu schaft­  ­11–13 Die Kirche, … rechtfertige.] Hu: Die p h i l o s o p h i e i s t v o n d e r K i r c h e angefeindet, verbannt. Es wird also mit Recht der philosophie zugemuthet dass sie ihr Beginnen selbst rechtfertigt­  ­13 Die Volksreligion … Collision,] Hu: Nicht nur durch die Volksreligion – aber auch hauptsaechlich ist dieser Gegensatz durch die Christliche Religion ausge­sprochen.­  ­29.491,1–2 Der Vorzug … weisen.] Hu: Wenn man diesen Gegensatz so nimmt so ist dies ein schlechter Gegensatz – 35 denn d e r U n t e r s c h i e d z w i s c h e n den M e n s c h e n und den T h i e r e n i s t a u g e n s c h e i n l i c h . Wenn man also fragen wollte wo das Göttliche zu suchen sey, so ist es vornehmlich in den Menschlichen produciren zu finden. Diesen Gegensatz mu sen wir vor der Hand auf die Seite stellen. 14  viele] sc. Philosophen

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anzuerkennen. Diesen Gegensatz also, diesen Vorzug des Natürlichen hat man von der Hand zu weisen. Das Andere wäre, | daß in der Religion und vornehmlich in der christlichen ein Inhalt wäre höher als die denkende Vernunft, die sie nur als gegeben aufnehmen könne. Die Religion sei eine Offenbarung Gottes, und dem Menschen werde die Wahrheit offenbart, die Vernunft sei sie aus sich selbst zu schöpfen nicht fähig, und habe dehmüthig sich zu bescheiden und gefangen zu nehmen. Die Stellung der Religion ist in sofern diese, daß die Wahrheit, die sie enthält, ein äußerlich gegebenes ist. Dieß Verhältniß ist mehr oder weniger schon in den heidnischen Religionen. Die Volksreligion kam her man weiß nicht woher, man weiß nicht wie. Und noch mehr ist dieß in der christlichen Religion der Fall. Ihr Inhalt wird über und jenseits der Vernunft zu sein gehalten. Man kann sagen, daß wenn durch irgend einen göttlichen Propheten, einen Abgesandten die Wahrheit sei kund gethan so würde es wer dieser sei, in Betreff des Inhalts gleichgültig. Gegen ihre Lehrer haben alle Völker zwar dankbare Ehrfurcht gehegt. Moses, Abraham, Mahomed sind verehrt. Aber diese Seite der Äußerlichkeit ist etwas Geschichtliches: Individuen welche die Lehrer waren gehören nicht zur an und fürsichseienden Wahrheit. Welcher der Lehrer war ist abstract genommen keine Belehrung. Bei der christlichen Religion aber ist dieß Anders. Die Person Christi ist selbst eine Bestimmung in der Natur Gottes. Chri-

Ein weiterer ist daß die christliche Kirche das objective Geschehen von der menschlichen Vernunft begriffen zu werden verneint, da es das Geschehen Gottes selbst sei, und dieser der Vernunft dieß Geschehen äußerlich giebt um es zu glauben, indem sie es aus sich selbst nicht schöpfen könne. In andern Religionen waren Menschen die Lehrer und das Wer derselben, als nicht mit dem Was identisch, gleichgültig.

20 2–8 Das Andere … ist.] Hu: Nun wollen wir zu dem Anderen übergehen – nehmlich zu dem In-

halte der Christlichen Religion. (Absatz) Das Verhaeltni s der denkenden Vernunft das ist der philosophie zur Religion, welches wir schon oben angezeignet haben – ist dieses, dass die philosophie hier in Anspruch genommen wird, sich von seinen Zielen zu rechtfertigen – was desto mehr dann eintritt, wenn sie gegen die Religion auftritt. Es wird hier gewöhnlich eine Schranke dem mensch25 lichen Geiste vorgesetzt, naehmlich dass er Gott nicht zu erkennen vermag. Es wird der Vernunft angewiesen Gott aus der Natur zu erkennen – Der Geist ist aber etwas Höheres als die Natur. C h r i s t u s s a g t : seyt ihr nicht mehr a l s S p e r l i n g e ? – Der Mensch kann also aus sich be ser Gott erkennen als aus der Natur. Naehmlich wenn der Mensch auf die Natur verwiesen wird Gott zu erkennen, so kann er es ja um so mehr aus sich selbst produciren, wo sich das Goettliche mehr 30 als in der Natur manifestirt. (Absatz) Das ist die e i n e S e i t e  – naehmlich die Ve r n u n f t i s t O f f e n b a r u n g G o t t e s  – die a n d e r e S e i t e ist die O f f e n b a r u n g d i e d e r Ve r n u n f t g e g e b e n i s t  – sie mu s sich naemlich die Vernunft in dieser letzten gefangen gefallen la sen. Von dieser Seiten haben wir nun naeher zu sprechen um das Verhaeltni s frey aufzufa sen – nicht die Hauptsache etwa im Dunkeln la sen – als ob es etwas Delikates waere, als ob man davon nicht laut sprechen 35 koennte. (Absatz) | Die Wahrheit die von der Religion auf uns kommt ist ein äu erlich G e g e b e n e s  – ein Vo r g e f u n d e n e s ­  ­ 1 0 – 11   Und noch … gehalten.] Hu: Mehr aber hebt sich diese Bestimmung in der Christlichen Religion hervor – dass die Religion eine gegebene ist, dass die Religion ein Jenseits de sen ist was wir Vernunft nennen – dass sie positiv ist. 1  also nachtr. über der Zeile­  ­3 denkende nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­   9M es zu] zu 40 es zu  ­12 wenn nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­  ­13 so würde es nachtr. über der

Zeile mit Einfügungszeichen­   sei,] folgt nachtr. gestr: dieß ist­  ­14 zwar nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­15 Aber diese] Aber (nachtr. über der Zeile) Dse­  ­20 Anderen] Andenen 27 S p e r l i n g e ] S p e r l e r i g e ­  ­29 um] ums­  ­

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492 Aber in der christlichen Religion ist Gott als Mensch der Lehrende, und deshalb sagt die Kirche hätte der Mensch durch sich zu der Lehre nicht kommen können, sie müsse dem menschlichen Geist gegeben werden. Das erste Bewußtsein des Geistes von seinem Wesen ist freilich immer als von einem äußerlich Vorhandenen oder Vorgestellten –

Aber das wahrhafte Verhältniß ist daß dieser geistige Inhalt nicht äußerlich an den Geist komme sondern vom Geiste gefaßt in diesem und nicht im Sinnlichen seine Exi­ stenz erhalte. Der Geist ist die sich selbst bethätigende Vernunft, das Sichsichselbst-offen­ barende.

Der leiblich werdende Geist ist das Wunder gegen das nur Natürliche; aber das wahrhafte Wunder der sich selbst vernehmende Geist.

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stus bloß als Lehrer betrachtet wäre wie Socrates, wie Columbus. Aber bei der christlichen Religion gehört die Bestimmung Christi als Sohn Gottes zur Natur Gottes selbst. Das Wer in sofern es nicht die Natur Gottes beträfe, wäre gleichgültig, denn um das Was den Inhalt, handelt es sich. Man sagt dieß Geoffenbarte sei etwas, worauf die menschliche Vernunft nicht durch sich selbst hätte kommen 5 können. Hierüber ist zu bemerken, daß die Wahrheit, das Wissen von der Natur Gottes allerdings erst äußerlich an den Menschen kommt, daß das Bewußtsein von der Wahrheit als sinnlichem Gegenstande, äußerlich Gegenwärtigem oder Vorgestelltem, die erste Weise überhaupt ist. Moses hat Gott im feurigen Busch erschaut, die Griechen in ihren Marmorbildern | oder sonstigen Vorstellungen, 13arHo wie sie in den Poeten sind. Auf solche äußerliche Weise wird angefangen, und so ist der Inhalt ein Gegebener, äußerlich an den Geist Kommender den er sieht, den er hört. Die äußerliche Weise also muß als anfangend genommen werden. Aber bei dieser darf und kann es nicht bleiben weder in der Religion noch in der Philosophie. Solche Gestalten, seien sie geschichtlich oder vorgestellt, sollen nicht 15 in diesem äußerlichen Verhältniß bleiben, sondern für den Geist ein Geistiges werden, auf hören die bloß äußerliche ungeistige Weise zu haben. Geist und Vernunft sind dasselbe. Vernunft zwar stellen wir uns als abstract vor, aber die thätige, wissende Vernunft ist der Geist. Wir sollen Gott im Geist und in der Wahrheit anbeten. Fragen wir was ist Gott: so ist er der allgemeine absolute wesentliche 20 Geist. In Ansehung des Verhältnisses des menschlichen Geistes zu diesem absoluten kommt es darauf an, daß man den Begriff davon habe, was der Geist sei. Der Mensch glaubt an die Religion. Was ist der Grund seines Glaubens? Das Zeugniß des Geistes von dem Inhalt der Religion. In der christlichen Religion verweißt Christus selbst den Pharisaeern den Glauben an die Wunder, und sagt das Zeug- 25 niß des Geistes sei das Beglaubigende. Bestimmen wir näher, was das Zeugniß des Geistes sei, so müssen wir sagen: der Geist nur vernehme den Geist. Wunder ist ein Anderes der Natur; aber die absolute Hemmung des Natürlichen ist erst der Geist, das wahrhafte Wunder gegen die Natur, das wahrhaft Affirmative gegen sie. Dieser Geist vernimmt nur sich selbst. Gott ist nur der allgemeine Geist; bes- 30

20  anbeten] Hu: erkennen­  ­20–21 Fragen wir … Geist.] Hu: der Inhalt also der Religion ist Geist. Wenn wir aber fragen was ist G e i s t ? so ist die Antwort, Gott ist der absolute, allgemeine, wesentliche Geist­   ­22–23 Der Mensch … Religion.] Hu: Der Mensch soll eine Religion annehmen­  ­24 dem Inhalt] Hu: der Wahrheit­  ­27 Wunder] Hu: Wunder und dergleichen sind nur eine Ahndung des Geistes.­  ­30 sie] Hu: sich 35 15  Solche Gestalten] (1) Zu was solche Gstalten werden (2) Solche nachtr. aus solche­   nicht nachtr. über der Zeile­  ­22 sei. nachtr. über der Zeile­  ­25 den Pharisaeern nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­28 erst nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen

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ser sagen wir daher für ihn der göttliche, allgemeine Geist, dessen Allgemeinheit keine bloße Gemeinschaftlichkeit was dieser ist, sondern das Durchdringende in dem Sinn, die Einheit mit sich in der Bestimmung und mit sich in der Bestimmung des Einzelnen, des diesen Geistes zu sein. Dieß ist die Wahrhafte Allgemeinheit. Sie ist nicht in Einem nur dem das Besondere gegenübersteht, sondern das Besondere durchdringend und in diesem zu sich selbst kommend. Im Vernehmen seiner ist eine Zweiheit, er vernimmt sich und ist der Vernehmende somit und der Vernommene. | Der Vernommene objectiv wird vom subjectiven vernommen. Aber er hat nicht nur die Passivität des Vernommenwerdens, sondern ist die Auf hebung dieses Unterschiedes des subjectiven und objectiven, die eine substantielle Einheit. Der Geist ist selbst diese Thätigkeit des sich selbst Vernehmens; der subjective Geist der den göttlichen Geist vernimmt ist selbst der göttliche Geist; dieß ist die Grundbestimmung, daß in der Religion der Geist sich selbst vernehme. Dieß Vernehmen seiner selbst das Verhalten des Geistes zu sich ist der Glauben. Glauben ist nicht das bloß Historische, sondern wir Lutheraner glauben beßer, wir verhalten im göttlichen Geist uns zu uns selbst; der Formunterschied wird ewig aufgehoben. Dieß Verhalten des Geistes zu sich ist nicht die ursprüngliche spinozistische substanz bloß, sondern die sich wissende, individuelle substanz, die Verunendlichung des Selbstbewußtseins, das Selbstbewußtsein des göttlichen Geistes. Diese Bestimmung haben wir beim Verhalten des Geistes in der Religion zu Grunde zu legen. Die Religion ist Erkenntniß Gottes; der nicht erkennende Mensch hat nicht Religion erst dadurch unterscheidet sich der Mensch vom Thier. Die Religion ist das Zeugniß des Geistes vom Inhalte der Religion. Dieses Zeugniß ist die Religion; dieß Zeugniß bezeugt, dieß Bezeugen ist zugleich ein Zeugen und Zeigen des Geistes, denn er ist nur indem er sich bezeugt, indem er für sich ist, in seinem Fürsichsein seinem Zeugniß erzeugt und zeigt er sich. Dieß ist die Grundidee. Das Weitere ist zweitens, daß dieses Zeugniß des 4 –11 Dieß ist … Einheit.] Hu: Das ist das Allgemeine Goettliche. Sie bestehet aber diese Allgemeinheit

30 aus den Allgemeinen und Besondern. Der A l l g e m e i n e G e i s t ist sich G e g e n s t a n d und eben d i e -

s e s Ve r n e h m e n s e i n e r ist eine Zw e i h e i t  – Er naehmlich und das Vernommene – er ist aber Einheit de sen was vernimmt und vernommen wird. Der Geist ist vernehmend – er ist aber in dieser Bewegung nicht passivitaet, sie muss nur einen Augenblik ihm zugeschrieben werden | und diese Aufchebung macht die Substanzielle Einheit aus.­  ­11 Geist] Hu: Objektive Geist­  ­18 substanz bloß] Hu: S u b 35 s t a n z , das Subjektive Substanzielle­  ­21–22 Die Religion … Religion] Hu: Die Dehmuth, Beschraenkt­ heit, Unfaegichkeit Gott zu erkennen mü sen wir ganz bey Seite la sen. Wenn wir Religion haben sollen, mü sen wir sie im Geiste erkennen, anders haben wir sie nicht.­  ­27 Dieß ist … Grundidee.] Hu: Das ist die Grundidee – Gegen welche wir alles übrige Gerede und Geschwätze bey Seite liegen la sen. 12  Geist nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­17 des Geistes nachtr. über der Zeile mit 40 Einfügungszeichen­  ­25 und Zeigen nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­26 und zeigt nachtr.

über der Zeile mit Einfügungszeichen

Der göttliche Geist nun ist der allgemeine Geist, der sich besondert, sich ein leibliches Dasein im Menschen giebt, und indem er vom Menschen gewußt wird, dadurch zum Wissen seiner selbst kommt. Der Geist also ist diese gedoppelte Bewegung als Allgemeiner sich zu besondern, und als dieser Besonderer seiner Allgemeinheit sich bewußt zu werden; so ist er als Besonderer der Vernehmende, als allgemeiner der Vernommene, und als Einheit Beider, der vernehmend vernommene, wie der vernommen Vernehmende. Dieses Verhältniß des Geistes zu sich selbst ist der Glauben, als die Thätigkeit des zu sich selbst kommenden göttlichen Geistes. So ist Gott der als individueller Mensch von seiner Allgemeinheit Wissende. Im Glauben giebt der göttliche Geist sich Zeugniß von sich, somit zeigt er in dem selben was er ist, und indem er nur als diese Bewegung in sich ist, erzeugt er sich in dem Zeugniß, durch welches er sich zeigt.

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494 Diese Einheit, die in der Andacht nun bewußtlos ist, muß um Bewußtsein ihrer selbst zu werden, als object sich als dem wissenden subject gegenüberstellen. Dieß geschieht im Mythologischen und Geschichtlichen der Religionen. Daß aber bei dieser Trennung nicht stehen zu bleiben ist sehen wir, und der Geist muß der in seiner äußerlichen Geschichte sich selbst Wissende werden, so daß dieß bloß Existirende als Gewußtes, indem es jetzt eine Existenz im Geiste erhält, das Wissen des Geistes von sich selbst ist. Das Wahrhafte also ist: A) daß es im Begriff des Geistes liegt nur als Wissen seiner von sich selbst zu sein, daß er also nur ist als individueller; B) daß diese Einheit selbst muß zur Existenz kommen und so als die objective Geschichte des Geistes dem Bewußtsein gegenüberstehn;

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Geistes, sein inniges Selbstbewußtsein ist, das Weben seiner in sich selbst, die Innerlichkeit der Andacht, ein eingehülltes Bewußtsein, in welchem es sich zum eigentlichen Bewußtsein nicht kommt, indem das Bewußtsein die Trennung ist von subject und Object ihm gegenüber. Der Geist entschließt sich deshalb zu seiner Unterscheidung, und hier entsteht er sich, macht er sich zu einem object, und 5 hier treten die Scheine von Gegebenwerden, von Empfangen haben ein, hier zeigt sich alles Mythologische. | Hier auch kommen die historischen Gestalten 14rHo zu ihrer Stelle. Näher von der christlichen Religion zu sprechen, wissen wir: Christus sei vor 2000 Jahren in die Welt gekommen als diese Person, aber er sagt: wo 2 versammelt sind in meinem Namen, bin ich bei Euch, Euch in alle Wahr- 10 heit zu leiten bin ich bei Euch bis zur Welt Ende, der Geist wird Euch in die Wahrheit leiten. Eben dieß sinnliche Verhältniß der Äußerlichkeit wird sich aufheben. Und hiedurch erhält das früher Gesagte seine Erklärung. Es sind verschiedene Stadien: das erste ist der gegenwärtige Christus in seiner Gemeinde als andächtiger, das Nachtmahl nehmender dieß ist das Vernehmen des Göttlichen 15 Geistes, der sich selbst vernehmende, der sein Selbstbewußtsein in der Gemeinde hat. Das 2t e stadium ist das entwickelte, wo dieser Inhalt gegenständlich wird. Auf diesem geschieht es, daß der gegenwärtige Christus in 2000 Jahr zurückflieht, im Raum, in der Zeit, erkannt wird, daß er als geschichtliche Person fern und ein Anderer ist. Nach der Andacht ist der Gott in der griechischen Religion zur 20 Bildsäule geworden. Da ist die Lutherische Lehre: daß nur der Glaube die Hostie, den Wein zu einem Göttlichen mache, nicht als Hostie, als Wein in seinem äußerlichen Dasein. Dieß sind die 2 Standpunkte. Und dieser Zweite ist der, wo das Bewußtsein anfängt, von einer äußerlichen Gestalt weiß, sie aufnimmt. Wenn aber dieser Standpunkt allein in der Vorstellung bleibt, so ist der Geist, der 25   inniges] Hu: eigenes­  ­1–4 das Weben … gegenüber.] Hu: sein Weben in sich selbst, dies weben 1 der Andacht, es ist ein in sich eigenes nicht eingehülltes Bewustseyn. G o t t i s t G e i s t , o d e r L i e b e , das ist Eins. Insofern der Geist die Bestimmung des Bewustseyns hat, macht er sich selbst zum objekte, einen Äu erlichen.­  ­7–8 Hier auch … Stelle.] Hu: Darin liegt e b e n a l l e s H i s t o r i s c h e , das man Positives naeher nennt.­  ­13–17 Es sind … hat.] Hu: Es sind im allgemeinen 30 diese zwey Stadien zu bemerken. Das e i n e S t a d i u m ist d e r C u l t u s  – der Christus der jetzt ist gegenwaertig, in d e r A n d a c h t . Es ist der Lebendige Geist – in der k o m u n i o n  – der sich nur so vermittelbar in der Gemeinde macht.­  ­17 entwickelte, wo] Hu: entwikelte Bewustseyn, worin 20–23 Nach der … Dasein.] Hu: Dieses ist so gut als ob wenn dieser Gott auf den Standpunkte der Andacht, in Gefühle, zum Marmorbilde oder Gemälde gemacht waere. Nur im Glauben und 35 Genu se ist der Wein göttliches – nicht aber als ob die Hostie selbst etwas heiliges waere. Dies selbe ist mit einen Bilde das in seinen existirenden Daseyn nichts anders ist als Stein, Leinewand.  25.494,1–2 so ist … sich.] Hu: so ist er eben der ungeistige. Wenn der Inhalt als etwas geschichtlich bewustes bleibt, so verwirft man den Geist – was auch in der Schrift als Sünde gegen den Geist 40 ausgesprochen ist – es ist eine Lüge gegen den Geist. | 1 4  das] die­  ­16 der sein nachtr. über gestr. als­  ­25 allein nachtr. mit Einfügungszeichen über gestr. bloß   ­27M gegenüberstehn] gegenübersteht­

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nur in diese todten Ferne gerückt ist, zur Sünde gegen sich gekommen, der Geist wird zur Lüge gegen sich. Auf diese Punkte kommt es hier an. Sagen wir nun die Philosophie erkenne das Wesen, so ist die Hauptsache, daß das Wesen, dem dessen Wesen es ist, kein äußerliches bleibt. Sage ich: das Wesen meines Geistes, so ist dieß Wesen in meinem Geiste selbst. Frage ich nach dem wesentlichen Inhalt eines Buches, so bringe ich den mannigfaltigen Inhalt auf seine substantielle Einfachheit zurück, die gerade nirgend als im Buche selbst ist. | So ist ein Naturgesetz nicht außerhalb dem Sein des natürlichen Individuums, sondern macht gerade sein wahrhaftes Sein aus. Das Wesen des Geistes also ist ihm nicht äußerlich sondern seine innerste substanz, seine Wirklichkeit, der Stoff, welcher entzündet erleuchtet, aber nur indem der Phosphor in ihm ist; zu leuchten vermag. Hätte der Geist diesen Phosphor des Wesens nicht in sich, so hätte sein Geist keine Ahnung von Gott, und wäre das Anundfürsichseiende Allgemeine nicht das er ist. Das Wesen ist die Form und sich selbst ein wesentlicher Inhalt, ist ein in sich wesentlich Bestimmtes, das Inhaltslose Wesenlose ist das Unbestimmte. Wie nun bei einem Buche außer seinem wesentlichen Inhalt viel noch daneben ist, so ist im individuellen Geist noch eine große Maße anderen Bewußtseins, das nicht zum Wesentlichen sondern zur Erscheinung gehört. Und so ist es auch in der Religion. Die Identität ist nicht abstract vom Individuum und seinem Wesen sondern der Unterschied des Existirenden ist wesentlich auch zu fassen. Das Wesen als Existenz hat einen Umfang unwesentlichen Beiwesens.

3 –5 Sagen wir … selbst.] Hu: Die Religion hat das a b s o l u t e We s e n z u m Gegenstande – die philosophie will d i e s e s a u c h e r k e n n e n . Wir wollen also zuerst die Form des Erkennens des Wesens uns vorstellich machen. (Absatz) Wenn wir so ausdrücken: dass die philosophie das We25 sen erkenne so ist es dass man wi se – dass d a s We s e n n i c h t a u s e r d e m G e i s t e s o n d e r n d e s s e n We s e n s e l b s t i s t . So ist es eben dieses Wesen in diesem Geiste – es ist nicht au ser ihm.­  ­ 6–8 so bringe … ist.] Hu: so abstrahire ich zuerst papier, Schwaertze, ich la se viele Saetze aus, und bringe den einfachen Inhalt hervor – und sage dass er der wesentliche Inhalt des Buches sey. Von diesen koennen wir also nicht sagen dass er au serhalb des Buches ist, sondern 30 innerhalb de sen.­  ­13–14 keine Ahnung … ist.] Hu: keine Ahndung Gottes – Also dieser Mi s­verstand das Wesen zu einen todten, äu serlichen Objekt zu machen, dies mu s man überwinden. Und so waere der Geist das an und für sich Allgemeine.­  ­19–21.496,1  Die Identität … versenkt.] Hu: Das reale aber ist dieses Wesen zu wi sen, wo die Identitaet von den Unterschieden aufgefa st werden mu s, in einem Individuum als natürlich existirenden und in einem 35 Durchgange eben zwischen einem Bewustseyn das rein geistig ist. Der Unterschied | also von dem I n d i v i d u e l l e n welches existirt – das muss von dem We s e n u n t e r s c h i e d e n werden, das sein Wesen ist.  1  entzündet erleuchtet, aber] (1) erleuchtet wird, u (2) entzündet (nachtr. über der Zeile mit Ein1 fügungszeichen) erleuchtet, aber (nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen)­  ­14 nicht nachtr. über 40 der Zeile­   die Form … sich nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­15 Wesenlose nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen

C) daß der Geist aber indem er in dieser Geschichte sich selbst erkennt sich mit sich vereinigt und in dieser Vereinigung erst wahrhaft sich aus sich selbst erzeugender Geist ist. Und indem dieß Zeugniß der Geist sich nur im Menschen giebt, ist der menschliche Geist, der göttliche Geist und somit der sich aus sich selbst erschaffende und nicht nur von Außen her erhaltende. Die Philosophie nun also indem sie den Geist erkennen will hat den Geist nicht drüben, sondern in sich selbst, und ist der sich aus sich schöpfende und sich dadurch bewußtwerdende Geist.

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Die Religion nun ist der göttliche Geist wie er im Menschen Vorstellung seiner selbst erhält.

Die Vorstellung hat noch eine sinnliche Seite; Gott wird sich hier also selbst noch im äußerlichen Verhältniß bewußt. In der Religion ist noch die Getrenntheit von Gott in der Existenz seiner äußerlichen Geschichte und des Bewußtseins derselben, welchen Zwiespalt erst die Andacht auf hebt. In der Philosophie ist Gott der sich selbst denkende Gedanke die Einheit von Form und Inhalt.

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Das Wesentliche ist in diesen erscheinenden Stoff versenkt. Auf diese Bestimmungen kommt es hier an. Was uns nun hier näher angeht, ist, daß wir zur unterschiedenen Gestalt übergehen, in welcher das Wissen von dem Wesen in der Religion ist und wie in der Philosophie. Die Philosophie erscheint zuerst gekehrt gegen die Weise der Religion als das Verhältniß, wie es die Religion festsetzt, zer- 5 störend. In der Religion zeigt sich das Wesen zunächst als äußerlich aber im Cultus ist diese Getrenntheit aufgehoben. Am auffallendsten ist im religiösen Bewußtsein die Form des Gegenstandes die Vorstellung, eine Form, die mehr oder weniger sinnliches in sich enthält, Verhältniße der natürlichen Gegenstände. Wir sagen: Gott hat seinen Sohn gezeugt. In der Philosophie werden wir dieß Verhält- 10 niß so nicht ausdrücken; der Gedanke aber solches | Verhältnißes wird in ihr 15rHo anerkannt und behalten. Sie hat den Inhalt in der Form des Gedankens, sie hat den Vortheil was in der Religion noch ein Getrenntes ist, in einem zu haben. In der Religion tritt Gott als ein äußerliches auf, und in der Andacht erst tritt die Bestimmung der Einheit ein. Es sind dieß 2lei Stadien, die im Denken vereint 15 sind, der Gedanke denkt sich selbst, er denkt und wird gedacht, der Inhalt ist das absolut göttliche als Gedanke. Beide Formen, die Vorstellung und der Gedanke sind widerstreitend und es ist nothwendig, daß sie sich ihrer Verschiedenheit bewußt feindselig eintreten. Erst das Spätere immer ist es, daß der Geist sich als concret zum Bewußtsein kommt, als in sich bestimmt, als sein Anderes in sich 20 enthaltend. Der Geist ist früher abstract als concret und als in seiner Abstraction

2  an.] Hu: an. Sie werden hier aber nicht bewiesen. – Das ist nur möglich auf dem speculativen Standpunkte. Hier gehet es nur um eine Vorstellung.­  ­3 dem Wesen] Hu: der Idee­  ­ 5–8 als das … Vorstellung,] Hu: als zerstörend das Verhalten der Religion. In d e r R e l i g i o n e r s c h e i n t zuerst der Geist, als ein Aü serliches, aber wie wir erwähnt haben, hebt der Cultus, die Andacht, dieses Aü serliche auf. D i e s e s t h u t a u c h d i e p h i l o s o p h i e . I n d e r R e l i g i o n Da ist zuerst ein Bewustseyn der Religion – also es ist eine Form die der Vo r s t e l l u n g angehoert,­  ­10–17 In der … Gedanke.] Hu: Wir würden das in der philosophie nicht so ausdrücken. Aber der Gedanke den es enthaelt wird darum doch anerkannt. I n d e r p h i l o s o p h i e w i e d e r ist das Substanzielle das Verhaeltniss, doch anerkannt, obgleich ä u s e r e F o r m n i c h t d a ist. Die philosophie hat das Absolute in der Form des Denkens zum Gegenstande. Sie hat den Vortheil für sich, dass das was in der Religion ein verschiedenes Moment ausmacht, dass das in ihr eins ist. So stellt die Religion Gott als person dar, und diess kommt zum Bewustseyn in der Andacht. Damit haben wir die zwey oben genannten Stadien. Diese beyde werden i n d e m G e d a n k e n v e r b u n d e n  – sie werden auf diese Weise z u e i n e r E i n h e i t f ü r m i c h , a b s o l u t e r g o e t t l i c h e r I n h a l t d e r g e d a c h t w i r d , d e r a l s o a u c h d a s M e i n e ist.­  ­21.497,1–3 als in … negirend,] Hu: Früher ist er befangen, und in dieser Befangenheit, weiss er sich als verschieden gegen das Andere – wenn er aber concret ist so enthaelt er auch in sich das andere. I n d e r J u g e n d s i n d w i r n e g a t i v g e g e n A l l e s  – d a s S p a e t e r e i s t d i e M i l d e  – wo d a s N e g a t i v e p o s i t i v w i r d oder affirmativ, welches schwerer ist als sich blo s der Entgegensetzung bewu st zu werden. 1 Das] Die

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befangen weiß er sich nur als verschieden und gegen sein Anderes in Entgegensetzung; erst später faßt er sein Negatives, als sein Eigenes in sich zurück, erkennt es als das Seinige, ist darin affirmativ, nicht bloß es negirend, der Gang dieses Gegensatzes also ist dieser, daß das Denken sich zuerst innerhalb der Religion vorthut, in diesem subjectiven Inhalt steht und für sich also unfrei ist. Aber erstarkt, auf sich beruhend, auf seine Form sich stützend, wendet es sich feindselig gegen die andere Form, sie nicht als sich erkennend. Und erst zuletzt kommt es dazu dieß Andere als ein Moment seiner selbst zu wissen. So sehen wir in der griechischen Bildung Religion und Philosophie vereint, dann das Denken gegen die Volksreligion auftreten, zuletzt erst die Religion in sich selbst wieder zurücknehmen. Beim Gegensatz treten viele Atheisten auf. Socrates wird beschuldigt, andere Götter angebetet zu haben. Den Plato sehen wir die Mythologie der Dichter anfeinden, | erst später finden wir die Neuplatoniker die Volksmythologie wieder aufnehmen, und die Bedeutung, den allgemeinen Gedanken darin finden. So ist der Gang auch in der christlichen Religion. Erst ist der Inhalt der Religion die absolute Voraussetzung des Gedankens. Später tritt der Gegensatz von Glauben und Vernunft ein, nachdem dem Gedanken die Fittige erstarkt sind, sich ein junger Adler für sich zur Sonne aufzuschwingen, aber ein Raubtier auf die Religion feindlich zustoßen. Und erst der Schluß ist es, daß wenn der Begriff sich gefaßt hat, er mit der Religion Frieden schließt. Die Philosophie neuerer Zeit ist in der christlichen Welt entstanden, denn der Geist ist der eine, der sich in der Form der Vorstellung und des Denkens bewußt wird. Und in dieser Concretion erfaßt er die Form der Vorstellung auch als eine ihm zukommende, nothwendige. Die Religion muß für alle sein, denn sie erfaßt das Wesen des Geistes. Zunächst vornehmlich für das Bewußtsein welches beim äußerlichen stehen bleibt. Diese Form der Vorstellung begreift alles, was wir zum Positiven einer Religion rech-

1 2–14 Den Plato … finden.] Hu: plato will die Volksreligion aus seiner Republik verbannt sehen. Erst spaeter sehen wir die Neuen platoniker die der Religion die Gedanken-Bedeutung geben. – Die den verworfenen philosophischen Inhalt aufnehmen – daraus entsteht eine Bildersprache.­  ­17 nach30 dem dem … sind,] Hu: Bald aber erstarrten dem Denken die Fittige.­  ­20–23 Die Philosophie … nothwendige.] Hu: Das spaeteste kann Das Seyn – dass der speculative Begriff diesem Gedanken | Gerechtigkeit wiederfahren la sen wird. Aber der Begriff muss alsdann erst die concrete Natur erreichen. Die philosophie der neuern Zeit ist auch schon mit der Religion vereint. Der Geist ist einer – er kann nicht zwey Inhalte haben – wenn der Geist sich erst begriffen hat, so begreifft er auch als 35 seine, diese Gestalt die ihm bis jetzt fremd war. Die besondere Gestalt der Religion ist aber nothwendig 8M  der nachtr. über gestr. dsr­  ­8–9M des Gegensatzes nachtr. über der Zeile mit Einfügungs­ zeichen­  ­9–11M Vorstellung als … zukommende] Vorstellung als eine ihm selbst zu-/( kommende) nicht aufgehobene Streichung  20 er nachtr. über der Zeile­  ­­31 Gedanken] darunter:   ­36 nothwendig] Der Satz ist 40 Glauben?­  ­32 Gerechtigkeit] Gerechtigkeit | Gerechtigkeit­ unvollständig; im Ms folgen elf Leerzeilen.

Als anfangender ist der Gedanke abstract, und war er mit der Vorstellung zunächst noch nicht im Widerstreit, so geht er dazu fort indem er nur sich selbst und nicht sie als das Seinige erkennt, sich ihr entgegenzusetzen, bis er zum Bewußtsein der Nichtigkeit des Gegensatzes gelangt und die Vorstellung als eine ihm selbst zukommende und durch ihn gesetzte Form erkennt. Beispiel in der griechischen Religion und Philosophie.

Beispiel in der christlichen Welt.

Der Frieden muß zu Stande kommen weil der Geist jeder Zeit nur der eine ist und sich somit mit sich vereint wenn der Unterschied der Formen seines Bewußtseins als kein Fester erkannt ist.

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Nähere Bestimmung der Verwandtschaft der Philosophie mit der Religion als Mythe und objective Geschichte Das Product nun der vorstellenden Vernunft ist die Mythologie.

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nen, sie gehört der Verständigkeit zu. Das Eine Moment ist das Zeugnis des Geistes, das Andere wie dieß substantielle zum Gegenstand des Bewußtseins wird. Dem Vorstellenden Bewußtsein ist nur die Form der Vorstellung, sinnliches Dasein, verständiges Verhältniß verständlich, Verhältniße mit denen es sonst vertraut ist, bedarf es. – Fassen wir nun kurz das Besondere dieser Allgemeinen Be- 5 stimmungen, so gingen wir davon aus: die Philosophie sei mit der Religion in Hinsicht des Gegenstandes verwandt. Die Form sei verschieden. Fragen wir nun, wie wir uns in der Geschichte der Philosophie zu solchem Verwandten zu verhalten haben, so begegnet uns als das erste die Mythologie. | Die tiefere Betrachtung 16rHo derselben scheint in die Geschichte der Philosophie gezogen werden zu müssen. 10 Die Mythologie ist Product der Phantasie. Die Willkühr hat hier zwar einerseits ihren Sitz, aber die Hauptsache, die Grundlagen sind das Werk der phantasirenden Vernunft, die sich das Wesen in ihrer Form zum Bewußtsein bringt, indem sie nur die sinnliche Vorstellungsweise zum Organ hat. In der griechischen Welt sind die Götter in menschlicher Gestalt vorgestellt. In dieser Gestalt wird der 15 Geist sich klar. In der christlichen Religion ist dieß noch mehr der Fall; sie ist anthropomorphischer. Das Innere also der Mythologie ist vernünftig, der denkende Geist hat in ihr den substantiellen Inhalt aufzusuchen; sie also ist ebenso philosophisch zu betrachten als die Natur. Diese Weise die Mythologie zu betrachten ist die der Neuplatoniker, und in neuerer Zeit die Kreutzers, die Viele 20 verdammen, sagend, daß es unhistorisch sei, daß Dieß oder Jenes Philosophem darin liege. Dieß sei nur herbeigebracht, die Alten hätten sich dieß nicht dabei gedacht. Es ist freilich wahr, daß sie im bewußten Denken, als Form von Philosophemen nicht solchen Inhalt vor sich hatten. Daß aber solcher Inhalt implicite nicht darin sei, dieß ist ein Einwurf des abstracten äußerlichen Verstandes. Denn 25 11 Mythologie] Hu: M y t h o l o g i e e i n e s Vo l k e s ­  ­ 1 8 – 19   sie also … Natur.] Hu: Man kann die M y t h o l o g i e s t u d i e r e n i n H i n s i c h t d e r K u n s t , aber d e r d e n k e n d e G e i s t m u s A l l g e m e i n e s i n i h r s u c h e n  – daraus folgt dass die Mythologie auch philosophisch betrachtet seyn mu s.­  ­20–22 die Viele … herbeigebracht,] Hu: Es sind viele die verlangen dass man in der Mythologie bey der Form stehen bleiben mu s, in Hinsicht nehmlich auf die Kunst und die Ge- 30 schichte. Man sagt dass die phylosopheme in der Mythologie nicht historisch sind – dass sie hinein gelegt seyn.­  ­25.499,1–7 dieß ist … Gedanken.] Hu: d a s i s t a b s u r d . Denn die Mythologie, muss genommen werden als werk der Vernunft, das aber die Gedanken nicht anders vorbringen konnte als in sinnlicher Weise. Aber es fragt sich nun weiter warum schlie st man die ganze Mythologie aus der Geschichte der philosophie? man andwortet darauf, dass es nicht in der philoso- 35 phie um den implicite enthaltenen Gedanken gehe – D i e G e d a n k e n k o e n n e n u n s n u r i n s o w e i t a n g e h e n a l s s i e z u r F o r m , z u r E x i s t e n z g e k o m m e n s i n d . Der Gedanke und die Idee hat nur in der wahrhaften Form sich selbst. Das Wahre gehet die philosophie nur so weit an als es h e r a u s ist, in der Form des Gedankens.  0  werden zu müssen.] (1) zu werden. (2) werden《.》(zu müssen. nachtr. über der Zeile)­  ­23 be- 40 1 wußten] bewßtten­  ­31 phylosopheme] phyloso- / phemene

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die Mythologie ist die Vernunft, wie sie als Phantasie sich ihr Wesen zum Bewußtsein bringt. Aber eben dieser vorstellenden Form wegen schließen wir die Mythologie aus, denn in der Philosophie geht uns nur der Inhalt an, der auch in der Form des Gedankens sich zur Existenz gebracht hat. Die Kunst kann nicht unverkümmert den Geist darstellen; sie hat immer viel äußerliches Beiwesen. Und dieses macht die Erklärung schwer, denn die Idee hat zu ihrer absolut würdigen Form nur den Gedanken. | In vielen Mythologien ist es allerdings der Fall, daß in ihnen außer den Bildern solche Bestimmungen vorkommen, welche Gedankenbestimmungen sind, oder Bilder, die dem Gedanken näher stehen. In der Religion zB. der Parsen, wird der Urgrund von Allem die unbegrenzte Zeit genannt, Ormuz und Ariman sind dann die ersten bestimmten Gestalten, die Herrn der Lichtwelt, des Guten, und des Finstern, des Bösen. Solche Bestimmungen also liegen dem Gedanken schon näher, aber auch mit solchen Mythen kann die Philosophie sich nicht befassen, denn in ihnen ist nicht der Gedanke, sondern die Form des Bildlichen das Ueberwiegende. In allen Religionen ist ein Schwanken des Bildlichen als solchem und vom Gedanken, aber solche Vermischung des Gedankens liegt noch außerhalb der Philosophie. Es hat Philosophen gegeben, welche Philosopheme vorstellig zu machen sich der Mythischen Vorstellungen bedienten. Die Bedeutung der Mythen ist der Gedanke, aber in den Mythen ist nicht der Gedanke schon in seiner reinen Form dagewesen, so daß ihn die Hülle nur wäre umgeworfen worden. Die ursprüngliche Poesie geht nicht von der Trennung des abstracten Gedankens und seines Ausdrucks aus. Wenn sich Philosophen der Mythen bedienen, ist der Gedanke das Erste, und das Bild nur sein Kleid, um ihn der Vorstellung vorzuführen. Dieß ist der Fall in den platonischen Mythen. Und deshalb wird er geliebt und man meint, er habe etwas Größeres gethan, als sonst Philosophen vermögen. Nach Außen hin mag es wohl gut sein, solche Mythen zu machen, das speculative leicht verständlich zu machen. Aber man muß den Werth Plato’s nicht in seine Mythen setzen. Ist das Denken so erstarkt um in seinem eigenthümlichen Element sich auszudrücken, ist die Form der Mythe ein Schmuk, welcher die Wissenschaft nicht fördert, indem man sich an die Vergleichungen hält, und sie mißversteht. | Denn eine Vergleichung kann nie dem Gedanken ganz angemessen sein, sondern enthält immer noch ein Anderes des Gedankens. An so etwas, was nicht zum Gedanken gehört, hält man sich leicht und 26–28 man meint, … machen.] Hu: man sagt dass er dadurch ein hoeheres Genie bewiesen hat als andere philosophen – Man muss aber hier bemerken dass er sich in Parmenides keiner Mythen bedient. Allerdings machen solche Mythen nach Au sen sehr viel – Von der speculativen Hoehe sich in ihnen zu Bewegen ist es nicht sehr leicht 3  geht] gehn

Indem die Geschichte der Philosophie aber nur das Bewußtsein des Göttlichen in der Form des Gedankens zum Gegenstand hat, schließt sie die Mythologie aus.

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Was den mythischen Ausdruck in der Philosophie anbetrifft so ist hier das Verhältniß ein Anderes, denn der Gedanke ist dann das Feste und die Mythe nur sein Kleid.

Aber der erstarkte Gedanke drückt sich beßer in seinem eigenen Elemente aus, da der Schmuk der Mythe immer Beiwesen mit sich führt, welches | mißverstanden für das Wesentliche kann gehalten werden.

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Das letzte sinnliche substrat für die Form des Gedankens sind Zahlen und geometrische Figuren.

Aber solcher Ausdruck reicht nur für die ersten abstractesten Bestimmungen hin.

Hieher gehört auch die sogenannte chinesische Philosophie des Fohi

Aber es geht mit ihr nicht weit, sondern sie fällt sogleich nach den abstractesten Bestimmungen in groben Empirismus.

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dieß bringt Mißverständniße in Betreff auf die Hauptsache hervor. Der Gebrauch der Mythen ist meist die Ungeschicklichkeit, welche die Form des Gedankens nicht zu handhaben weiß, und sich zum Sinnlichen flüchtet. Ferner muß man nicht meinen, das Mythische solle den Inhalt verhüllen, sondern es soll ihn gerade darstellen, vorstellig machen. Man gebraucht zwar oft symbole zum Verhüllen, und 5 meint darin stecke gerade tiefe Weisheit. Aber, wer den Gedanken weiß, offenbart ihn, denn sich zu offenbaren ist die Weise des Gedankens. So steckt das ganze Geheimniß der Freimaurer darin, daß man meint, es sei etwas dahinter. Aristoteles kommt auch aufs Mythologosiren und sagt: solche die es thun, die sind nicht der Rede werth. – Hieran schließt sich auch noch dieß, daß man in Zahlen, in geo- 10 metrischen Figuren Philosopheme hat darzustellen gesucht. Es sind Völker, die sich vornehmlich an diese Darstellungsweise hielten. Aber mit solchen Formen geht es nicht weit. Die abstractesten Bestimmungen kann man wohl ausdrücken, aber bei dem Concreten zeigt sich dieses Element als ungenügend. Die Monas, Dyas und Trias läßt sich klar machen, Einheit, Unterschied und Einheit derselben sind dar- 15 in ausgedrükt. Aber die 3 ist schon eine schlechte Verbindung der ersten; ihre Vereinigung ist eine bloße Addition, eine Zusammensetzung numerischer Eins, und dieß ist die schlechteste Einheit, welche man annehmen kann. Die 3 ist die schlechteste Weise der Dreieinigkeit, des Geistes, des Begriffs, der Idee. Der Geist ist freilich ein Drei, aber gezählt vermag er nicht zu werden. So spricht man auch von einer chi- 20 nesischen Philosophie des Fohi. Diesem werden gewisse Linien zugeschrieben | von Schildkrötenrücken hergenommen. Die Chinesen sagen auch diese Linien sei- 17vHo en die Grundzüge ihrer Schriftzüge, und ihres Philosophirens überhaupt. Diese Zeichen sind sehr wohl bekannt. Aber man sieht sogleich, daß es mit diesem Philosophiren nicht weit ging. Die abstractesten Gegensätze sind ausgedrückt. Die 25 und dann . Davon heißt die erste Yam, die zweite zwei Grundfiguren sind, Yen. Das sind die Grundbestimmungen: Einheit und Zweiheit. Diese werden von den Chinesen hochgeehrt. Es sind allerdings die ersten Gedankenbestimmungen. , der große Diese Linien werden nun zu zwei und zwei verbunden Yam, der kleine Yam, der kleine Yen, der große Yen. Dieß sind die 4 Bilder. In 30 ihnen ist die Materie ausgedrückt und zwar die vollkommene und unvollkommene und die vollkommene der Yam wieder als Kraft und Schweche als großer und 27–28 Zweiheit. Diese … hochgeehrt.] Hu: Zweiheit – Es sind also die naehmlichen Grundbestimmungen die wir bey pythagoras finden. Diese Fieguren werden als principien aller Dinge verehrt.­  ­32 Kraft] Hu: Jugend 35 1  hervor nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­13 ausdrücken] ausdrkten­  ­20 zu nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­26 Davon heißt … die] (1) Das erste Yam, das (2) ( Davon heißt nachtr. über Rasur) die (nachtr. über gestr. das) erste Yam, die (nachtr. aus das)­  ­30 kleine nachtr. über gestr. große­   große nachtr. über gestr. kleine­  ­32 Kraft] mit Umlautpunkten

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kleiner, und die unvollkommene selbst als stark und schwach der große und kleine Yen. Weiter dann verbinden sie diese Striche wieder zu acht und diese heißen Koua, aus diesen werden 64 bereitet. Die 8 Kouas machen sich so: . Was die Bedeutung dieser 8te betrifft so ist sie folgende: der u. s. w. erste Coua ist das Yen, der den großen Yam und einen dritten in sich enthält, der zweite heißt Tolin, das reine Wasser, der dritte ist das Ly das reine Feuer, Schin ist der Donner, Kan, das Wasser, Ken die Berge, Couen die Erde. Aus der Einheit und Zweiheit sind alle Dinge hervorgegangen. Den einen Strich nennen sie den Ursprung aller Dinge, das Nichts auch Cao die Vernunft. Aber schon bei den 8t e n sieht man wie es in’s Empirische fortgeht. | Anderwärts kommt auch ein Capitel von ihrer Weisheit, und da heißt es: das Feuer, Holz, Metall, Wasser und Erde, seien die 5 Grundlagen des Materiellen; wir finden, wie alles durcheinander geht. Was ferner die Philosophie des Confucius betrifft, so war es Moralphilosophie. Confucius war Minister eines Kaisers, fiel in Ungnade, lebte für sich mit seinen Schülern. Es findet sich in seinen Büchern viel Menschenverstand, populäre Moral, die sich überall beßer findet. Einzelne Reden sind nicht ohne Geist, aber es ist nichts ausgesuchtes, speculative Philosophie ist nicht darin zu finden. Confucius war ein practischer Staatsmann. Wir gingen also davon aus, daß Völker Zahlen und Figuren zum Ausdruck ihres Wesens nehmen. Wer noch nicht weiter gekommen ist, als zu einem Inhalt, der hiedurch sich bezeichnen läßt, der steht noch auf der untersten Stufe. Allgemeine symbole sind zB der Kreis für die Ewigkeit, aber jede in sich zurükgehende Linie ist eben so passend. Der Gedanke der Ewigkeit kann sich in der Sprache ausdrücken. – Noch ist zweitens kurz zu erwähnen wie in der Religion selbst Gedanken vorkommen ohne symbolischen Ausdruck. Dieß ist zB. in der indischen der Fall. Hält man sich an sie, so hat man in dieser Rücksicht gesagt, daß bei solchen Völkern eigentliche Philosophie sei. Wir treffen allerdings interessante allgemeine Gedanken, aber sie schränken sich auf das abstracteste ein, auf das Sein, das Entstehen und Untergehen. Das Bild des Phönix ist bekannt, dieser Kreis der Vorstellung ist, in welchem die indischen Gedanken sich herum trei-

1 0–13 Anderwärts kommt … geht.] Hu: In den alten Büchern der Chinesen findet man auch ein Kapitel von ihrer Weisheit – Da heisst es dass aus 5 Elementen die ganze Natur gemacht ist – diese Elemente waren: Feuer, Holz, Metal, Wa ser und Erde. Dieses aber stehet unter einander – Es ist überhaupt nicht die Weise die Gedanken auszudrücken.­  ­14 Confucius war … Kaisers,] Hu: 35 K o n f u c i u s  – der ein Geschaeftsmann | war.­  ­21–23 untersten Stufe. … passend.] Hu: ersten Anfangsstuffe – Der Gedanke z.B des Unendlichen – gebraucht keine Symbole um ausgedrückt zu werden – D e r K r e i s i s t e i n s e h r d ü r f t i g e r d a v o n A u s d r u k . 12  wir nachtr. über gestr. u­  ­17 ist nicht darin] (1) niht (2) ist (nachtr. über der Zeile) niht darin (nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen)­  ­35 Geschaeftsmann] Geschaeftsmann | man

18rHo Ebenso sind die moralischen Regeln des Confucius Sätze eines practischen Staatsmanns.

Wo also die Gedanken noch durch Zeichen sich ausdrücken laßen, sind sie noch abstract und von geringer Tiefe. β. Unterschied des Gedankens der Philosophie innerhalb ihrer und innerhalb der ­Religion. Wenn nun auch in den Religionen selbst allgemeine Gedanken zB. des Entstehens und Vergehens ect vorkommen, so ist dieß doch nicht Philosophie

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502 weil diese nur da kann anerkannt werden, wo der Gedanke und nicht die Vorstellung das Allem zu Grunde liegende ist.

Wir laßen also die Gedanken des Orients, in sofern in ihm der Gedanke nicht als Quelle alles Seins sich selbst erfaßt, vorbeigehen, so wie auch die Gedanken der griechischen und römischen Mythen.

Was nun die Gedanken innerhalb der christlichen Religion anbetrifft, so gehören sie theils einer schon vergangenen Philosophie an und sind auf der Stufe dieser zu betrachten, oder ihre speculative Tiefe beruht auf dem vorausgesetzten Inhalt der speculativen christlichen Religion.

Dieß ist bei den Kirchenvätern.

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ben, daß im Leben schon das Negative, der Tod enthalten sei, und daß dieß Negative das Affirmative enthalte, und in’s Leben umschlage, und daß darin der Proceß der Lebendigkeit bestehe. | Doch solche Bestimmungen kommen nur 18vHo gelegentlich vor, und für Philosophie sind diese Vorstellungen nicht zu nehmen, denn Philosophie ist nur da, wo der Gedanke als solcher zur Grundlage, zu der 5 Wurzel von Allem gemacht wird. Der Philosophie ist es nicht nur um Gedanken über allgemeine Gegenstände zu thun, sie hat zu ihrer Bestimmung nicht nur Gedanken über etwas, über einen Gegenstand, der als substrat zu Grunde läge, sondern sie ist der freie Gedanke, wo der Inhalt der allgemeine Gedanke selbst und somit das schlechthin erste ist, 10 aus dem sich alles bestimmt. Die Philosophie ist der sich selbst denkende Gedanke. Bei allen Völkern finden wir Gedanken. In der griechischen Welt den der absoluten Nothwendigkeit. Dieser Gedanke hat neben ihm aber noch subjecte, er drückt nur ein Verhältniß aus und setzt subjecte voraus, sie gilt nicht als das Allumfassende, wahrhafte Sein selbst. Solche allgemeinen Gedanken können also 15 wohl Gewicht haben, aber sie müssen die Bedeutung haben das Absolute Sein selbst zu sein. Und so lassen wir denn Chinesen, die Indier, den ganzen Orient vorbei. Nun aber finden wir auch innerhalb der christlichen Kirche Gedanken. Bei den Kirchenvätern, bei den Scholastikern finden wir tiefe Gedanken über die 20 Natur Gottes selbst. In einer Geschichte der Dogmatik ist dieß zu beachten als ein wesentliches Moment, nicht so in der Geschichte der Philosophie selbst. Bei den Kirchenvätern gehören ihre Speculativen Gedanken theils andern Philosophien an, welche für sich als Philosophie bestehen, und deshalb in dieser Gestalt zu betrachten sind, zB. platonische Gedanken auf der Stufe Platos, anderntheils ist 25 das der Fall, daß die speculativen Gedanken von dem speculativen Inhalt der Religion selbst herzunehmen sind, der für sich festgesetzt ist, der Lehre, dem Glauben der Kirche angehört. Das Verhältniß ist dieß, daß diese speculativen Gedanken somit auf einem sonst Vorausgesetzten beruhen, nicht auf dem Gedanken | als solchen, und es wird sich später zeigen, wie der Inhalt der christlichen Religion 30

 –3 daß im … bestehe.] Hu: dass das Leben in Todt übergehe, und Todt ins Leben überschlage. Sie 1 drücken aber nicht dieses aus dass in dem selbst schon das Negative sich enthalte und dass das Negative das positive sey, und dass die Lebendigkeit überhaupt nur in dieser Dialektik bestehe. Das s i n d a l l e r d i n g s A l l g e m e i n e G e d a n k e n a b e r s e h r a b s t r a k t e .­  ­20–21 tiefe Gedanken … selbst.] Hu: tiefe und speculative Gedanken, nicht nur über einzelne Verhaeltni se sondern 35 auch selbst über die Natur Gottes.  0  Gedanke] Gdkeke­  ­14 sie] sc. die Nothwendigkeit­  ­21 als nachtr. über der Zeile­  ­23 gehören 1 nachtr. über gestr. sind

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nicht vom Verstand gedacht werden kann, und daß wenn er sich Vernunft nennend an die Religion geht, ihren speculativen Inhalt als dessen Meister und Herr er sich erklärt, verflacht, und plattmacht. Denn nur speculativ kann dieser Inhalt gedacht werden. Um den speculativen Inhalt ist es, daß die Kirchenväter diesen Inhalt schon glaubend, speculative Gedanken darüber hatten. Ihr Gedanke aber beruht nicht auf sich, sondern die letzte Rechtfertigung hatte ihr Denken an der schon für sich festgesetzten Lehre. Bei den scholastikern wollte das Denken schon mehr auf sich beruhen, aber nicht im Gegensatz gegen die Kirche sondern mit ihr concordirend. Der Gedanke sollte aus sich das beweisen, was die Lehre der Kirche äußerlich gab. Einerseits nun hatte diese Ausführung den Zweck das Nahverwandte abzuscheiden, anderseits die Absicht in diesen verwandten Gestalten auf die Momente aufmerksam zu machen, welche zum Begriff der Philosophie gehören, damit er uns daraus hervorginge. Auf diese Momente haben wir also jetzt zu kommen. Die verwandten Sphären waren die empirischen Wissenschaften, welche als selbstdenkende zur Philosophie gerechnet wurden, weil wir als Urtheilende, Reflectirende dabei sind, und dieses Dabeisein, diese Ueberzeugung aus Gründen als das Letzte ansehen. In der 2ten Sphäre machte der Inhalt die Verwandtschaft, Gott, die allgemeinen Gegenstände, welche das Interesse des Geistes beschäftigen. Wir haben nun diese beiden verwandten Sphären abgeschieden, weil beide als nur die Form oder nur den Inhalt mit der Philosophie gemein habend, für sich einseitig dastehen. Für das Selbstdenken muß der Inhalt auch ein Allgemeines sein, sonst ist das Denken nur formell, das Denken in nur subjectiver Gestalt. Die andere | Sphäre, deren Verwandtschaft im Object lag hat den Mangel, daß das Moment des Selbstdenkens in ihm kein wesentliches ist. Der Inhalt in der Religion die Wahrheit wird geschaut, vorgestellt, geglaubt. Das Ueberzeugtsein vom Inhalt beruht nicht auf dem freien auf sich beruhenden Selbstdenken. Hieraus sehen wir es sei der Begriff der Philosophie, das eine Moment wie das Andere zu erfordern, ihre Einheit, ihre Durchdringung. In der Geschichte sehen wir so einmal den Glauben an den Inhalt der Wahrheit, welche jetzt mythische, bildli-

13–14  damit er … hervorginge.] Hu: aber in ihnen nur unbewu st und unentwikelt liegen. 15–18 welche als … ansehen.] Hu: Die Betrachtungen die man in ihr machte, nannte man philosophie – aus diesem Grunde weil bey ihnen ein S e l b s t s t e h e n , S e l b s t d e n k e n statt findet. Ich denkender bin dabey – Ich sehe es aus mir ein – aus meinen Urtheil – Dass ich es einsehe das gillt 35 für das Letzte. Erfahrung, Gründe u. s. w. überhaupt das Selbstdenken ist hier das princip. 3   verflacht,] folgt nachtr. gestr: ihn­  ­und nachtr. über gestr. ihn­  ­14 wir also] wir (nachtr. auf Rasur) 〈Form also (nachtr. über gestr. wir)­   1­7M sei, nachtr. über der Zeile­  ­19M einmal die Form]《die》 einmal die Form

Bei den scholastikern sollte der Gedanke aus sich die speculative Tiefe des Religionsinhalts erzeugen, aber somit hat er diese dennoch zu seiner Voraussetzung.

Aus diesen verwandten Gebieten nun construirt sich der Begriff der Philosophie auf die Weise, daß sie der selbstthätige Gedanke sei, der zu seinem Inhalt sich selbst als das absolute Sein habe, und somit einmal die Form werde, die aus sich selbst sich als ihren Inhalt bestimmt; und somit das mit sich Identische das Sichselbsterschaffende.

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c. Diesem Begriff scheint die PopularPhilosophie angemessen zu sein doch muß sie dennoch ausgeschlossen werden, obgleich sie selbstthätig denkt und allgemeine Gegenstände zum Inhalt hat.

Zu ihr gehören Cicero’s philosophische Schriften.

20rHo Von religiöser Seite gehören hieher Mystiker und Schwärmer.

Der Mangel aber in der alten Welt ist, daß nicht der Gedanke als solcher als Grundlage der Ansichten daliegt, sondern der Gedanke als in das Natürliche versenkt, als consensus gentium, als Vernunftinstinct.

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che Form erhält, geschichtliche Gestalt hat, dann sehen wir das Getreibe über Natur und Geist, Denken, aber ein Denken über endlichen Stoff. Diese Momente, die im gewöhnlichen Bewußtsein aus einander fallen, faßt die Philosophie zusammen, vereint den Sonntag und Werkeltag des Lebens, den Sonntag, wo das Gemüth sich dem Ewigen weiht, davor sich selbst verschwinden macht, den Werkeltag, wo der Mensch der Herr ist, aus seinen Zwecken, Denken, Interessen handelt. Die Philosophie vereint die Richtung auf das Ewige und die Form des diesen Inhalt aus sich erschaffenden Gedankens. Zunächst nun ist dieß Dritte zu nennen, was Beides in sich zu vereinen scheint, die popular-Philosophie die es mit Allgemeinen Gegenständen zu thun hat und besonders in ihren allgemeinen Gesetzen aufzufassen sich bemüht. Sie enthält also beide Seiten; die Vernunft ist das Thätige, Erkennende dessen aber ungeachtet müssen wir diese Popularphilosophie noch auf die Seite stellen. Die Schriften des Cicero können im Ganzen hierher gerechnet werden. Es ist ein Philosophiren das Schönes und Vortreffliches kann zu Wege bringen, Philosophiren eines Mannes, der sich umgesehen hat, weiß, was gilt, was in der Welt für das Wahrhafte gehalten wird, der die Erfahrungen seines Gemüths der Welt | darstellt, sich mit gebildetem Geiste über die absolut wichtigsten Gegenstände sich ausläßt. Hieher können nach einer anderen Seite auch Mystiker und Schwärmer gerechnet werden, die ihr Schauen, ihre reine Liebe, ihre Andacht aussprechen, vom Inhalt sprechen können, der sie gehoben hat; und ihre Darstellung kann vom tiefsten interessanten Inhalt sein, wie die Schriften Pascals, der die tiefsten Blicke des Gedankens thut. Aber solche Werke, indem sie jene Momente in sich zu vereinen scheinen, haben doch einen Mangel noch. Betrachten wir nehmlich was das Letzte ist, woran zB. in den Schriften Cicero’s appellirt wird, so ist es, daß dem Menschen solche Triebe, solche Neigungen eingepflanzt seien, wie die Neueren viel von Instinct des Moralischen, von Gefühl für Recht, Pflicht sprechen, sagen die Religion beruhe auf

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4 –8 wo das … Gedankens.] Hu: da ist der Mensch in Verbindung mit der Gottheit – aber selbst ist er zurük – es verschwindet in ihm die Individualitaet, das Denken, die Thaetigkeit und wendet sich zu dem Ewigen. I n d e m G e w e r b t a g e s t e h e t der Mensch auf seinen Fü sen, da tritt der Mensch ins Leben, 30 giebt dem Denken sein gelten – Diese b e i d e R i c h t u n g e n m u s d a s f r e i e D e n k e n  | i n e i n e z u v e r b i n d e n s u c h e n . Diese Momente mu sen sich in dem philosophen durchdringen. Darauf ist also der Zweck der philosophie zu bestimmen, deren Geschichte wir durchgehen wollen.­  ­27.505,1–4 sagen die … weggelassen,] Hu: Die Religion soll auch auf ihm beruhen (: Es ist das Subjektive nicht das positive :) kurz man vergöttert das Religiöse Gefühl. Von dem Bewustsein Gottes ist keine Rede. – Weiter das 35 j u s g e n t i u m d e s C i c e r o b e r u h e t auf | der stillschweigenden Einwilligung aller Völker. Diese Berufung auf das Allgemeine Gelten wird in unseren Zeit vortgela sen 6M doch] doch ist  16 in der … wird] (1) d Wahrhfte ist (2) (in der Welt für nachtr. am Zeilenende und -anfang) d Wahrhfte (gehalten wrd nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen)­  ­17 darstellt 40 nachtr. über gestr. hervorbrigt­  ­­  ­31  i n e i n e ] i n e i n e   | i n e i n e   ­ ­ 36 der] der | der­  ­

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diesem oder Jenem Gefühl, auf diesem unmittelbaren Bewußtsein des Menschen von Gott, dieß sind letzte Gründe; bei Cicero die Uebereinstimmung der Völker, consensus gentium. Diese Berufung wird im Neueren Philosophiren dieser Art weggelassen, und da jedes subject auf sich beruhen soll, wird an das Gefühl jedes Individuums verwiesen, an das unmittelbare Gefühl, oder an die Gründe, welche immer zum Letzten solch ein Unmittelbares haben. Hier also in dieser Popular-Philosophie ist wohl Selbstdenken und absoluter Inhalt, der aus dem Selbst geschöpft wird, aber diese Weise muß ausgeschlossen werden, weil ihre Quelle, aus welcher der Inhalt geschöpft wird von gleicher Natur ist, als die der ersten verwandten Gebiete. In der ersten war es die Erfahrung, in der 2t e n der Geist, aber der Inhalt erschien als Autorität, als Gegebener; die für das Bewußtsein erscheinende Quelle war Autorität. Und so ist auch hier im dritten Gebiete die Quelle | unser natürliches Sein, unser Gefühl, unsere Anlage, unser innerliches Getriebensein zu Gott. Der Inhalt ist hier in einer Gestalt, welche nur die natürliche ist. Wie der Inhalt in der Mythologie auch keine wahrhafte Weise ist, so ist er auch nicht in seiner wahrhaften Weise, wenn er nur aus dem Gefühl genommen wird. Die Lehre der Religion, die Gesetze sind der Inhalt, wie er auf wahrhaftere Weise bestimmt ist, weil dann die Willkühr des subjectiven wegfällt. Die Quelle also schließt diese Weise des Denkens aus. Wir sagten nun also: die Philosophie sei Denken, das Allgemeine welches zu seinem Inhalt gleichfalls das Allgemeine, das Denken hat. Wir können nur zwar meinen: das Allgemeine sei das Unbestimmte, aber dieser allgemeine Inhalt bestimmt sich durch sich selbst, und die Geschichte der Philosophie ist nur das Aufzeigen, wie das Allgemeine sich weiter und tiefer in sich selbst bestimmt. Anfangs wird es ein unbefangenes Setzen der Bestimmungen sein, wie die Atomistiker das Allgemeine als das Eins bestimmten. Aber das Weitere ist daß das Allgemeine nicht bloß als bestimmtseiend sondern als sich selbst bestimmend aufgezeigt wird und dieß ist die höhere, wahrhaftere Bestimmung, oder ihr Anfang wenigstens. Das Allgemeine also als Gedachtes ist der Inhalt und die Form der Philosophie. – Mit diesem Begriff wollen wir es bewenden lassen. Indem wir ihn so bestimmt haben, beantwortet sich unmittelbar die Frage: wo fängt die Philosophie und ihre Geschichte an. Das Verwandte ist abgeschieden und die allgemeine Antwort ergiebt sich aus unserer Betrachtung daß die Geschichte der Philosophie anfange, wo der Gedanke des Allgemeinen, als das Seiende, als das Allumfassende,

Bei den Neuern ist hier das Letzte das Gefühl die Vorstellung des Individuums als solchen, der Gedanke, nicht wie er an und für sich ist, sondern wie er sich in Diesem oder Jenem findet.

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Aus diesem Begriff der Philosophie nun, daß sie der freie sich aus sich selbst schöpfende Gedanken sei, der sich also als des absoluten Seins bewußt wird, und somit als dieses Bewußtsein sich selbst erfaßt, aus diesem Begriff geht der Anfang der Philosophie hervor.

35 19 Die Quelle … aus.] Hu: Dieser Inhalt kann also nicht zur philosophie gehören weil er nicht

durch das Denken bestimmt ist.­  ­28–29 dieß ist … wenigstens.] Hu: Der concrete Begriff, die concrete Bestimmung des Allgemeinen ist die höhere, wahrhaftere Bestimmung des Allgemeinen. Und dies wird der Anfang sein zur wahrhafteren Auffa sung desselben. 13  unsere] mit Umlautpunkten­  ­28M schöpfende] shöpfenden­  ­33 die] d. d 〈Philos.〉d

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506 Sie tritt da hervor wo der Gedanke sich als das Sein erfaßt, oder wo das Sein überhaupt das Bewußtsein seiner als des Gedankens erhält. Dadurch erhält der Gedanke die Bestimmung der Freiheit, der Negation der gegen ihn negativen Form des Versenktseins in die Natürlichkeit des Gefühls der Anschauung und Vorstellung, der Gedanke wird Gedanke seiner selbst, die absolute Einheit mit sich. Als diese absolute Negativität hat die Freiheit des Gedankens das Versenktsein seiner in die Natürlichkeit der Intelligenz und des Wollens zu seiner Voraussetzung. Diese ist der Orient. Als in Einheit mit dem Natürlichen ist das Denken und Wollen endlich und beschränkt.

Der Wille dieser Stufe will nicht seine Allgemeinheit, sondern hat einzelne Zwecke, die Intelligenz weiß vom Allgemeinen nur in besonderer Gestalt.

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oder das Seiende als Allgemeines gefaßt wird, wo das Denken des Denkens hervortritt, das sich als das Sein denkende Allgemeine. Daran knüpft sich sogleich das Historische der Frage: wo ist dieß geschehen. Wir sagten: die Philosophie beginne mit dem sich Selbsterfassen des Gedankens. | Dazu ist nothwendig, daß der Ge- 21rHo danke für sich sei, sich losreiße von dem Natürlichen, das Selbstbewußtsein her- 5 austrete aus dem Versenktsein im Natürlichen, wo das Denken als freies ist, in sich geht. Das Denken denkt sich selbst, erhält Selbstbewußtsein über sich. Damit ist solche Existenz gesetzt, welche ein Bewußtsein der Freiheit ist. Solche Bestimmung wie die von Freiheit des Denkens ist zugleich eine geschichtliche, eine concrete Gestalt eines Volkes, dessen Prinzip dieß Bewußtsein der Freiheit aus- 10 macht. Ein Volk, das dieses Bewußtsein hat, das gründet sein Dasein auf diesem Prinzip, die Verfassung das ganze Dasein gründet sich auf die Kathegorie, unter welcher der Geist von sich selbst weiß. Wenn wir also sagen: zum Hervortreten der Philosophie gehört das Bewußtsein geistiger Freiheit, so erfordert sie ein Volk, dessen Existenz dieß Prinzip zur Grundlage habe. Zur Freiheit des Geistes ver- 15 langten wir die Trennung des Geistes von seinem Versenktsein in den Stoff, in die Anschauung in die Natürlichkeit des Wollens. Die Gestalt, die dieser Stufe vorangeht bestimmt sich aus dem Gesagten als die Einheit des Geistes und der Natur. Diese Einheit ist als erste, anfangende keine wahrhafte, es ist das orientalische Wesen überhaupt, während die Gestalt des geistigen freien Selbstbewußtseins die 20 griechische ist. Der erste Standpunkt sagten wir, sei die Einheit des Geistes und der Natur. Was heißt dieß näher? Das Selbstbewußtsein auf dieser Stufe ist Selbstbewußtsein, Bewußtsein von Gegenständen, von Wollen, aber der Kreis der Vorstellungen, der Inhalt des Wollens ist ein Endliches. Dieß Versenktsein in die Natur schließt die Endlichkeit der Intelligenz und des Willens in sich, und man muß dieß 25 wissen, um diese Einheit nicht für die vollkommenste Stufe zu halten. Betrachten wir näher, was solches Bewußtsein für Zwecke haben kann, so sind sie noch kein Allgemeines für sich. Will ich das Recht, das Sittliche, das Gute, so sind dieß Allgemeinheiten, Zwecke, welche nicht mehr natürliche Einzelheiten sind. Hat ein Volk Gesetze des Rechts, so ist das Allgemeine zum Gegenstande geworden, das 30 18 Natur.] Hu: Natur, (: Es irren also Viele wenn sie diese Einheit des Geistes mit der Natur, für die vortrefflichste weise des Bewustseins annehmen – diese Stufe ist nicht durch den Geist selbst hervorgebracht :)­  ­20–22 während die … näher?] Hu: Hingegen der Anfang der philosophie ist i n d e m g r i e c h i s c h e n Vo l k e . (Absatz) Nun wollen wir über die erste Gestalt des Lebens naehere Bestimmungen angeben. (Absatz) Das Erste worauf es hier ankommt ist die Lösung der Frage: 35 was heisst das Versenktssein des Selbstbewustseins in der Natur?­  ­26 Einheit] Hu: Das ist die Bestimmung des Magnetismus (?) die Einheit des Geistes mit der Natur.­  ­30.507,1  geworden, das … Allgemeines.] Hu: erhoben – so ein Volk setzt das Denken welches bis jetzt erstarrt ist – so ein Volk hat Gegenstaende des Allgemeinen und will sie – es denkt. 17  die nachtr. über der Zeile

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Denken ist erstarkt, | will und denkt Allgemeines. Will der Wille Allgemeines, so beginnt er sich auf die Stufe der Freiheit zu stellen, denn das Allgemeine enthält Beziehung des Allgemeinen auf das Allgemeine, wodurch das Denken und Wollen frei für sich wird. Ein Volk, das sich als Freies will, will Gesetze, Allgemeines, seine Begierden will es dem allgemeinen Willen unterordnen. Hingegen wenn der Gegenstand des Willens und Vorstellens noch nicht allgemein ist, fehlt der Standpunkt der Freiheit; das Gewollte und Angeschaute ist nur ein Besonderes. Die Einheit des Geistes mit der Natur ist mit dem Endlichen behaftet, denn die Allgemeinheit beginnt erst, wo das Denken frei für sich wird. Der orientalische Character also ist vornehmlich von der Seite des Willens betrachtet, der Endlichkeit unterworfen. Aus dieser Bestimmung folgt, daß wenn der Wille, der sich noch als Endlichen will, noch nicht gedacht hat, daß dieß die Sphäre des Despotismus uns giebt, daß die Furcht die regierende Kathegorie ist. Denn der Geist im Natürlichen versenkt ist noch Eins mit dem Besonderen, kann daran ergriffen werden, und hat das Bewußtsein, daß dieß Besondere zerstörbar ist, daß er daran kann angegriffen, daß es kann negativ gesetzt werden. Dieß Gefühl des Negativen, ist die Furcht überhaupt. Der Mensch fühlt sich endlich und hat hiemit Furcht, denn die Freiheit ist in einem Fürsichsein, in einem unendlichen Insichsein zu sein. Die Furcht also und der Despotismus sind das Herrschende. Der Mensch fürchtet und ist durch die Furcht beherrscht, ist Herr oder Knecht, deren Unterschied nur die formelle Kraft des mehr oder weniger energischen Willens ist. Der Mensch hat nur endliche Zwecke, und somit zufällige, ist willkührlich, der Despotenwille ist Willkühr, in endlichen Zwecken befangen und durch die Furcht wirkend. Die Furcht des Herrn ist die regierende Kathegorie des Orients. Denselben Character hat die Religion. Ihr Hauptcharacter ist die Furcht des Herrn. Ueber sie wird nicht hinausgegangen. Die Furcht des Herrn ist der Weisheit Anfang sagt die Bibel, | und der Mensch muß durch sie hindurch gehen, er muß in seinen endlichen Zwecken ein Negatives sehen. Aber hat er diese endlichen Zwecke als ein Letztes aufgegeben ist er nicht mehr an ein Negatives gebunden, wird frei durch die Besiegung der Furcht. Ist die Furcht nicht der Anfang sondern auch das Ende ist

2 –4 denn das … wird.] Hu: Das allgemeine Wollen, enthaelt Beziehung des Denkens auf das Allgemeine. Das ist das Denken bey sich, der Geist bey sich – darin ist das Freie – Wenn man das Gesetzliche will – so will man zugleich Freiheit haben­  ­17–18 Furcht, denn … sein.] Hu: Furcht. (: Die Freicheit ist nicht im Endlichen zu suchen – sondern sie ist dies für sich, in sich – dieses kann 35 nicht angegriffen werden. :)­  ­21–22 Der Mensch … willkührlich,] Hu: Der Wille beruchet auf seinem Intere se – er will das aufopfern was seinen endlichen Zwecken entspricht. Die Zufaelligkeit in einen solchen Willen ist Willkühr.­  ­25–26 Ueber sie … hinausgegangen.] Hu: sie ist aber nicht nur aus dieser Furcht hervorgegangen – sie geht aus ihr nicht heraus – sie verlae st sie nicht. 5  will es … Willen nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­7 Angeschaute nachtr. über gestr. 40 Gedachte­  ­27–28M stehenbleibenden Bewußtseins] stehendenbleibenden Bewßsnss

21vHo Das Wollen und Denken ist also unfrei, denn es ist an sich das Allgemeine, sein Versenktsein in die natürliche Form aber macht es zu einem besonderen.

Indem der Wille als natürlicher nur das Besondere will, das Besondere aber das Zerstörbare ist, wird der Wille in diesem Bewußtsein seiner Endlichkeit der fürchtende und wird so einmal der Energische Furchterregende die Despotische Willkühr, dann der fürchtende Kraftlose Wille.

Denselben Character der Furcht als des sich selbst negativ wissenden aber in diesem Wissen stehen­ bleibenden Bewußtseins hat auch die Intelligenz des Orients.

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508 Insofern die Religion auf dieser Stufe einen befriedigenden Character hat wird sie Verehrung natürlicher Existenzen und der Gottesdienst die gröbste Sinnlichkeit.

Auf der andern schlägt sie zur abstracten und somit selbst endlichen Negation alles Endlichen um, zur Erhabenheit des Aufgebens jedes concreten Inhalts, zur Flucht in das reine Nichts. Aber durch diese Flucht in die abstraction wird die Einheit des Sinnlichen und des Gedankens gebrochen, und der Gedanke der jetzt sich affirmativ wird, als die Negation des bloßen Negirens des Endlichen sich zugleich als alles Seins bewußt wird ist die Kathegorie des freien griechischen Geistes.

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der Mensch als unfrei gesetzt. Insofern die Religion Befriedigung berührt wird sie auf dieser Stufe selbst solche sein, die im Natürlichen befangen ist. Natürliche Gestalten werden im Orient verehrt, und erhebt sich das Bewußtsein darüber, so ist das Grundverhältniß die Furcht, daß das Individuum sich gegen diese Macht 5 nur als Accidentelles weiß. Dieß Versenktsein im Endlichen muß zwei Gestalten annehmen, von einem Extrem in’s Andere gehen. Dieß Endliche nehmlich, das für das Bewußtsein ist, kann die Gestalt des Unendlichen haben, das aber als abstractum nur ein Endliches ist. Wie im Despotismus das Extrem der höchsten Passitivität zur höchsten Energie des willkührlichen Willens übergeht, so ist auch in der Religion dieß 10 Hinübergehen von der tiefsten Sinnlichkeit als Gottesdienst zur Flucht in die höchste und damit leerste Abstraction und die reine Negativität des Nichts, in die Erhabenheit alles Concrete aufzugeben, durch 10 Jahre zu büßen, mit Schmerz oder als Flucht in die leere innerliche Anschauung. Die Indier sitzen in der leeren Stille des Todes da, sind nur im reinen ganz abstracten Vorstellen, das 15 reine Wissen der Abstraction, die aber als nur Negatives das ganz Endliche ist. Also auch diese Seite gehört zu diesem Prinzip. Es ist der Boden der Freiheit nicht, sondern der Boden des despotisch zufälligen Willens und der gegen ihn aufs tiefste Willenspassitivität, die Erkenntniß der Endlichkeit der Zwecke, die als endliche anderen unterworfen sind. Erst im Abendlande geht die Freiheit 20 auf, und somit auch Philosophie. | In Griechenland geht diese Freiheit auf, im Abendland der Geist nieder, im 22vHo Glanze des Morgenlandes verschwindet als Schimmer das Individuum, erst im Abendland wird das Licht zum Blitze des Gedankens, der in sich selbst einschlägt, in sich geht, und aus den Innern seine Welt erschafft. Die Bestimmungen, welche 25 hier das Band der Philosophie und des wirklichen Daseins ausmachen, wollen wir kurz noch aufzeigen. Wir sagten, im Griechenland beginne eine Welt der Freiheit. Sie hat zur Grundbestimmung, daß der Geist sich denke, das Individuum als 10–17 so ist … Prinzip.] Hu: So ist es auch in d e r R e l i g i o n , wo wir das versenken in die tiefste, r o h e s t e S i n n l i c h k e i t f i n d e n  – die höchste pa sivitaet des Willens – auf der andern Seite aber 30 d i e F l u c h t z u r h ö c h s t e n A b s t r a k t i o n . Es kommt wohl diese Erhabenheit bey den Orientalen – allen concreten Willen aufzugeben – dass sie die Abstraktion aufs Höchste treiben – dass sie 20 J a h r e i n B ü   s u n g e n zubringen – – aber ohne alle Gedanken – dieser Stille des Todtes. Es erregt sich in ihnen d i e l e e r e Lusst d e r i n n e r l i c h e n A b s t r a c t i o n . In dieser vollkommenen Leerheit sitzen sie J a h r e l a n g d i e S p i t z e i h r e r N a s e betrachtend – ohne Intere se – ohne 35 Bewustsein. Sie sind also in der allgemeinsten Abstraktion – aber diese Abstraction ist so endlich – wie der Zustand in welchen sie sind, selbst negativ ist – also ist auch diese Seite die als Erhaben betrachtet wird, in dem principe der Endlichkeit versunken. Hier ist kein Boden für Freiheit zu suchen – für den freien Gedanken – für die philosophie. 2  auf dieser Stufe nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­19 aufs nachtr. über gestr. das

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Einzelnes die Anschauung seiner als Allgemeines faßt, daß sein Sein seine Allgemeinheit ist, und die Allgemeinheit sein Sein, daß es bei sich ist, es als Allgemeines, bei sich dem Allgemeinen. Dieß Beisichsein ist die unendliche Persönlichkeit. Der Geist der sich faßt, hat diese Bestimmung seiner Freiheit zu seinem Sein, das Volk, in welchem dieser Geist da ist, ist nur als dieses sich Erfassen und bildet sich danach seine Welt aus. Was dieß heißt, daß das Wissen seiner als freien das Sein eines Volkes ist, steht uns in einem einfachen Beispiel vor. Wir wissen daß die Individuen frei sein müssen, so wissen wir unser Sein, die persönliche Freiheit ist die Grundbestimmung unseres Seins, nur so sind wir, wissen wir uns. Setzten wir in Europa solchen Herrscher voraus, welcher nach seiner Willkühr handelte und den Einfall bekäme die Hälfte seiner Unterthanen zu Sclaven zu machen, so haben wir die Vorstellung, daß dieß nicht ginge. Wir sind nicht Sclaven und diese Freiheit ist unser wesentliches Sein. Wir sind zwar so und so alt, Schlesier, wir leben, Beamte, aber dieß wissen wir als vorüberfliehend, und als die Grundlage unseres Seins wissen wir allein die Freiheit. Sie ist unser wesentliches Sein. Alle anderen Bestimmungen unseres Seins sind flüchtig und veränderlich, diese der Freiheit nicht. In diesem Sinne ist es, daß solches Wissen des Geistes von sich sein Sein ausmacht, daß er aus diesem das Ganze seines Zustandes schöpft und | erarbeitet. Näher nun also liegt der Zusammenhang darin, daß ich als freies mich nur als Freies als wesentlich weiß. Habe ich in mir einen Trieb, eine Neigung bin ich bei einem Anderen, und indem es als mein Trieb ist, meine Neigung, so bin ich nicht als Allgemeines, sondern als Besonderes und finde durch diese Besonderheit mich gebunden, ich bin mir ungleich, denn Ich ist dieß Allgemeine und die Triebe dagegen ein Besonderes. Wie ich als Besonderes existire bin ich mir nicht als Allgemeines; die Willkühr ist die formelle Freiheit, aber der Wille als freier ist dieses, daß sein Zweck ein Allgemeines, Wesentliches sei. In dem Allgemeinen habe ich mein Wesen, mein Sein. In der Allgemeinheit bin ich in der

7–9 Wir wissen … uns.] Hu: Dies macht auch das S e y n des Volkes aus – naehmlich dass es sich weis als frei. Nach diesem wi sen dass es frey ist bildet es sich seine Gesetze des Rechts und der 30 Sittlichkeit, es weiss sich in dieser Lage als wesentlich Allgemeines. Wir wi sen z. B. dass das Individuum frey ist, persönlich frey ist – dass unser Sein nur so ist, dass die persönliche Freiheit die Grundbedingung ist – und nichts vorhanden ist wodurch dieselbe verletzt und nicht anerkannt sein koennte – das macht unser Seyn – das macht unsere Existenz 10  solchen Herrscher … handelte] (1) solche Herrsher voraus, welche nach ihrer Wllkhr handelten 35 (2) solchen (nachtr. aus solche) Herrsher voraus, welcher (nachtr. aus welche) nach seiner (Ms: ihrer)

Wllkhr handelte (nachtr. aus handelten)­  ­14 als2 nachtr. über der Zeile­  ­17 es nachtr. über der Zeile­  ­19 also nachtr. über der Zeile­  ­20 nur nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­   als2 nachtr. über der Zeile­   21M besondere nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­29 dass es … ist] dass es frey ist. am Rande mit Verweiszeichen

Dieß Prinzip des sich selbst fassenden Allgemeinen, das besondere Individuum, das sich zugleich nur ist als sich zu einem Allgemeinen verhaltend ist das der unendlichen Persönlichkeit, die Ruckkehr des Allgemeinen zu sich aus seiner sich jetzt durch sich selbst bestimmenden Besonderheit, zur Einheit mit sich, die in sich unendliche Einzelheit.

Und wie die Intelligenz sich als diese concrete Einzelheit weiß, so will auch der besondere Wille nur den allgemeinen Willen und ist nur bei sich selbst insofern er sich zu dem Allgemeinen verhält, dieses der Gegenstand seines Interesses ist.

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510 Indem der besondere Wille nur den concret allgemeinen Willen will, dieser nur als zugleich besonderer ist, so ist der Wille der Freiheit nur als viele Freie, und das Individuum als solches als Freies gewollt; Gesetze, vernünftige Verfassung gewollt. Aber die griechische Freiheit ist noch durch die Sclaverei beschränkt, die Freiheit ist nur als Freiheit des griechischen Volkes gewollt, während bei den Germanen der Mensch weil er Wille ist als frei anerkannt ist. Im Griechen will nur der griechische Wille, im Germanen gilt der schlechthin Allgemeine Wille.

III. Innere Gliederung der Geschichte der Philosophie.

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Gleichheit mit mir. Damit hängt zusammen, daß auch die Anderen mir frei sind, denn die Anderen sind ebenso Allgemeines als ich, denn Ich als Allgemeines bin mir wesentlich, also alle Ich auch. Der Freie erkennt die Anderen als frei an, und wird anerkannt. Die reale Freiheit setzt viele Freie voraus. Damit ist das Verhältniß von Freien zu Freien gesetzt, Gesetze, vernünftige Rechte. Der freie Wille 5 will nur die Bestimmungen welche im wesentlichen Willen liegen. Mit diesen Bestimmungen ist bürgerliche Freiheit, vernünftige Gesetze, Verfassung gesetzt. Diesen Begriff der Freiheit finden wir zuerst im griechischen Volk auftreten und darum fängt hier die Philosophie an. In Griechenland ist die reale Freiheit noch mit einer Einschränkung behaftet, das bürgerliche Leben ist durch die Sclaverei 10 bedingt. Die Freiheit also ist noch beschränkt. Und dieß giebt den Unterschied gegen die Germanen. Im Orient ist nur Einer frei, Einige im Griechenland, Alle in der modernen Welt. In ihr ist der Mensch als Mensch frei. Im Orient ist ein Einziger frei, aber der Einzige kann nicht frei sein, sondern nur Willkühr haben, die abstracte Freiheit des formellen Selbstbewußtseins. Ich dieser bin dieser. In 15 Griechenland ist der particuläre Satz: einige sind frei. | Dieß Prinzip nun der 23vHo Freiheit enthält also im Griechischen eine besondere Modification, die wir näher zu betrachten haben in Beziehung auf die Geschichte der Philosophie. Welche concrete Bedeutung der abstracte Satz hat, einige sind frei, haben wir dann zu 20 sehen. Der erste Punkt war der Begriff der Geschichte der Philosophie, das zweite der Begriff der Philosophie, das 3te die Eintheilung der Geschichte der Philosophie. Dabei haben wir wissenschaftlich zu Werke zu gehen, denn die Geschichte der Philosophie entwickelt nur die Philosophie selbst. Im Allgemeinen haben wir nur zwei Perioden der Geschichte der Philosophie die griechische und germanische Phi- 25 losophie, wie man in der Kunst die Antique und Moderne unterscheidet. Die Europaeische Völker insofern sie der Welt des Gedankens angehören sind germanische zu nennen. Die römische Welt hat keine eigentliche Philosophie wie auch keine eigentliche Kunst; auch ihre Religion ist einerseits nichts Eigenthümliches, denn ihre Eigenthümlichkeit ist weder annähernd zur Philosophie, sondern ist 30 sowohl unkünstlerisches und unphilosophisches.  –7 Mit diesen … gesetzt.] Hu: Daraus bilden sich die Gesetze der Sittlichkeit und des Rechts. 6 Das ist der Zusammenhang von Freiheit und von Denken des Allgemeinen; dieses Denken ist Freiheit des Selbstbewustseins.­  ­13 in der … Welt] Hu: in Germanien­  ­23–24 denn die … selbst.] Hu: es mu s nehmlich aufgezeigt werden in wie fern die Entwikelung der Geschichte der philoso- 35 phie nach der Nothwendigkeit aus dem Begriffe zu fa sen ist. 4M ist1 nachtr. über gestr. will  12 Griechenland] Griechendland­  ­16–17 Dieß Prinzip … also] (1) Dieß nun enthält (2) Dieß (Przip nun der Freiht nachtr. mit Einfügungszeichen über gestr. nun) enthält also (nachtr. über der Zeile)­  ­26 man nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­27 sie nachtr. über der Zeile­ 40

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Was den Anfang betrifft so haben wir ihn schon bestimmt: daß Gott als die unmittelbare Allgemeinheit gefaßt werde, als unmittelbare, erste. Thales bestimmt das Absolute so. Das letzte Ziel ist das Absolute als Geist zu fassen, dahin zu kommen, das ist die Arbeit des Weltgeistes durch 2½ Jahrtausende. So träge ist der Weltgeist in seiner Arbeit. Für uns macht sichs leicht von einer Bestimmung zur Anderen zu gehen, die früheren Jahrhunderte hatten die Arbeit von einer Kathegorie zur anderen. – Um nun an das Nähere zu gehen so ist der Inhalt das Allgemeine überhaupt in der Bedeutung des Seins, daß das was ist, das Allgemeine sei. Das erste Allgemeine ist das unmittelbar Allgemeine. Der Inhalt ist der objective Gedanke, der Gedanke, der ist. Der Gedanke ist ein eifriger Gott, der nur sich als das Wesentliche ausspricht. Dieser Inhalt | nun als anfangend ist unbestimmt und der Fortgang ist die Entwicklung der ansichseienden Bestimmungen. Der objective Gang ist, daß das Allgemeine ist, daß diese substanz liegen bleibt, und nur in sich geht, und sich manifestirt. Denn Insichgehen ist sein Inneres zum Bewußtsein bringen, und dieß ist die Manifestation, sein sich Manifestiren das Sein des Geistes. Zunächst ist dieser Boden in der Bestimmung des Anfangs, seine Bestimmung ist die Unmittelbarkeit, die Unbestimmtheit. Die erste Periode der Philosophie hat diesen Character der Entwicklung, daß sie ein unbefangenes Hervorgehen der Bestimmungen ist, welche aus seinem vollen Grunde hervorgehen. Die Entwicklung dieser Fülle ist unbefangen. In dieser ersten Periode ist das Hervortreten der Bestimmungen die erste Stufe, die zweite ist, die hervorgegangenen Bestimmungen in ideelle Einheit in eine concrete Einheit zusammenzufassen, oder das absolute zu fassen als sich selbst bestimmend, nicht als das Allgemeine in dieser oder jener Bestimmung, sondern als Totalität des Sichselbstbestimmens. Das Dritte ist dann dieß Sichselbstbestimmende, die concrete Einzelheit, wie sie sich in ihre unterschiedenen Bestimmungen setzt. Sie enthält Bestimmungen, sie gehören ihr an, sie ist die Einheit derselben, die Bestimmungen sind ungetrennt, jede ist in der Einheit, jede die Totalität, in jeder jede. Und so wird diese Totalität in ihren unterschiedenen Bestimmungen gesetzt. Zum Beispiel sagen wir der Begriff sei die Einheit des Allgemeinen und Einzelnen, so ist das Weitere, daß das Allgemeine und Einzelne in sich selbst als concretes gesetzt werde, als in ihm selbst Einheit der Allgemeinheit und Einzelheit zu sein, so daß das Allgemeine selbst in der Form einmal der Einzelheit ist, wie das

3 Absolute] Hu: Gott­   Absolute] Hu: Gott­  ­ 8–9 Seins, daß … Allgemeine.] Hu: Seyns, de sen 35 was i s t  – in concreter Bestimmung Gott.­  ­25 Sichselbstbestimmens] Hu: Dieses Sich-Bestim-

men werden wir sehen in der Form d e s Νοῦς . 10  ist.] ist,.

A Die antique ­Philo­sophie. 1. Den Anfang macht der Gedanke wie er in seiner reinen sich Selbstgleichheit zugleich das schlechthin Seiende ist. a. Als diese reine unbestimmte Allgemeinheit ist die Kathegorie hier die Unmittelbarkeit, und die objective Fortbildung ist das unmittelbare Hervorgehen der Bestimmungen aus dem Grunde der unbestimmten Allgemeinheit. b. Das Zweite ist der sich selbst bestimmende Gedanke und das Hervorgehen seiner Bestimmungen. c. Das Dritte ist das Zusammenfassen der Bestimmungen in ihre ideelle Einheit, das sich selbstbestimmende Allgemeine. 2. Diese totale Einheit hat ihre Unterschiede selbst als Totalität sich also als Totalität in der Form ihrer Unterschiede zu setzen.

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3. Das Letzte ist die Einheit dieser totalen Unterschiede.

Indem diese Einheit aber zunächst die selbst nur allgemeine sich nicht verwirklichende, nur ideale ist, so steht das einzelne Selbstbewußtsein außer ihr, diese Allgemeinheit weiß sich noch nicht als in ihrer sich Selbstbesonderung für sich.

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Einzelne in der Form der Allgemeinheit. Das ganz concrete Allgemeine ist der Geist, das ganz Concrete Einzelne die Natur, beide die Einheit ihrer. | Die 2te Stufe ist als der νοῦς gefaßt, das sich selbstbestimmende Allgemeine; in der 3ten sind die Unterschiede selbst Totalitäten. So ist es zum Beispiel im Stoicismus, wo das Denken sich für sich entwickelt. Auf der anderen Seite steht die Empfindung als Totalität da; jede Bestimmung ist hier zur Totalität ausgebildet. Die Ausbildung also des Abstracten zum Concreten, und des Concreten in seinen Bestimmungen macht die Fortbildung. Indem aber die ganze Idee sich so in ihre Unterschiede dirimirt, so ist jeder derselben zu einem philosophischen System ausgebildet, die Idee ist in ihnen in einer einseitigen Bestimmung. Die 4te Stufe ist dann die, daß die Unterschiede in eine concrete Einheit zusammengefaßt werden. Hier also ist die Idee die Einheit ihrer concreten Unterschiede. Aber diese Einheit ist selbst nur allgemeine, das allgemeine Ideal auf ideale Weise. Diesen Fortgang können wir uns durch die Vorstellung des Raums deutlich zu machen versuchen. Wir finden zunächst die abstracte Vorstellung des Raums als solchen, dann setzen wir Figurationen in ihn. Dann verbinden wir diese zum △ zB. Dieses ist die erste Totalität, die erste sich selbstbestimmende Allgemeinheit. Gehen wir weiter so bestimmen wir jede Linie des △ selbst zu Totalitäten zu werden zu Flächen. Dadurch ist jedes abstractum Totalität wie das △ selbst. Das Letzte ist dann daß diese Flächen sich zu einem Körper zusammenschließen. Die erste formelle Totalität hat sich jetzt Inhalt gegeben, und ist Totalität der Form und des Inhalts. Fassen wir dieß Beschließen näher auf so haben wir jetzt eine Verdoppelung des △ und dieses ist dann jetzt die concrete gegen jene abstracte Totalität, die Grundlage ist verdoppelt, von allen Seiten vertieft. Diese Concrete Einheit ist mit der neuplatonischen der Schluß der griechischen Philosophie. Das Geschäft des Weltgeistes geht jetzt an ein anderes Volk über. Das | Reich des Gedankens ist jetzt an sich, nur Idealität; unwirklich in der Form der Allgemeinheit, göttliche, ideale Welt; aber als nur allgemein, ist sie unwirklich. Denn die Einzelheit als solche ist wesentliches Moment des Begriffs und fehlt noch dieser Welt; die subjectivität, das Fürsichsein geht ihr ab. Die 2 △ am Pris-

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5 –10 Auf der … Bestimmung.] Hu: Wenn also die Empfindung zur Totalitaet gemacht wird so haben wir die Bestimmung zu einem System ausgebildet also das concrete und dann die Ausbildung der Bestimmung selbst zur Totalitaet, zum concreten. Nach dem principe der Unbefangenheit erscheinen diese beiden principien selbstaendig – als einzelne philosophien – ein jedes von diesen principien bildet sich zu einen eignen Systeme der philosophie. Wenn wir sie vergleichen so sehen wir dass sie 35 an sich identisch sind – aber das Ganze die Idee etc. Das Ganze, die Idee ist in ihnen wie sie bewu st wird, in einseitiger Bestimmung.­   19M die nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­35–36 Wenn wir … etc. am Rande mit Verweiszeichen

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ma sind nicht nur 2, sondern sie müssen zur durchdringenden Einheit werden zur sich durchdringenden Einheit, zur absoluten Negativität. Dieß Ideal, das wir gesehen haben, muß sich selbst Gegenstand werden. Dieß Prinzip ist in der christlichen Welt erfüllt; Gott wird jetzt als Geist gewußt, als der sich für sich selbst verdoppelnde, und die Verdoppelung ebenso auf hebende, der fürsichseiende in diesem Unterschiede. Denn dieß ist der Begriff des Geistes. Das Geschäft der Welt ist Gott im Geist zu erkennen, und dieß Geschäft ist der germanischen Welt zugefallen. Die erste Erscheinung dieses Prinzips die unmittelbare Offenbarung ist in der christlichen Religion. Denn der Gedanke setzt sich die Unmittelbarkeit voraus, und reflectirt aus ihr sich in sich selbst. Es sind jetzt 2 Totalitäten, Verdoppelung der substanz, so aber daß die 2 Totalitäten nicht mehr aus einanderfallen, sondern in ihrer Beziehung auf einander gedacht werden. Die Unterschiede, ihr Verlöschen, die allgemeine, ansichseiende Einheit ist das Frühere, jetzt werden die Totalitäten als verschiedene gewußt, und in ihrem Gegensatze als Eines. Hier denn haben wir die wahrhafte speculative Idee, den Begriff in seinen Bestimmungen, und zwar in zur Totalität erweiterten, die als Totalität sich statt sich entgegenzusetzen, ihren Gegensatz einen. Der Gegensatz auf allgemeinste Weise aufgefaßt ist der von Denken und Sein, von Natur und endlichem Geist. Die Forderung ist, diese Bezogenen als Einheit zu fassen. Dieß ist die Grundlage der im Christenthum aufgegangenen Wahrheit. Aus dieser Bestimmung | erhellt nun näher, was das frühere unbefangene Philosophiren heißt. Es ist ein solches für welches dieser Gegensatz des subjectiven Erkennens und des objectiven Seins noch nicht ist. Im griechischen Philosophiren wird philosophirt, so aber daß in diesem Denken die bewußtlose Voraussetzung liegt, daß wie gedacht wird, daß alles so auch ist. Man muß dieß wohl vor Augen haben. Denn wir finden zB. bei den Griechen eine Sophistische, sceptische Philosophie. Auch von diesen kann

 –3 zur sich … werden.] Hu: zur Durchdringenden Einheit – und dies werden sie in der Sub2 jektivitaet erst. (Absolute Einheit) (Negative Einheit) Also dieses Moment der Negativitaet faehlt hier – oder, wie wir es gesehen haben, dass dieses Ideal für sich selbst ist – nicht nur für uns son30 dern auch für sich Gegenstand sein soll.­  ­6 Unterschiede. Denn … Geistes.] Hu: Unterschiede – also dass er Unendlich ist – (: Das Unterschiedene ist endlich – erst das Auf heben dieses Unterschiedenen ist unendlich – das ist der Begriff selbst :)­   ­7 Gott im Geist] Hu: den Geist 8–10 Offenbarung ist … selbst.] Hu: Offenbarung – dieses princip i s t eher, als es durch den Gedanken gefa st wird – es ist | früher als Glauben, als Anschauung, bevor es zur Erkenntni s ge35 kommen ist.­  ­12 sondern in … werden.] Hu: sondern dass sie schlechthin gesetzt sind und gefodert werden. So war Skepticismus und Epicureismus zusammen, in Stoicismus und Skepticismus war die Negativitaet 2  das] dß­  ­7 Gott nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­dieß Geschäft ist nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­9 setzt nachtr. mit Einfügungszeichen über gestr. selbst­  ­18 Weise nachtr. 40 über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­26 sceptische] spectishe

B. Das Mittelalter. Dieß Führsichsein der unendlichen subjectivität ist erst in der christlichen Religion ausgesprochen, die Gott als Geist weiß d. h. als die sich selbst verwirklichende und in dieser Verwirklichung zu ihrer Allgemeinheit zurückkehrende Einzelheit, als der Göttliche einzelne Geist, welcher als Mensch sich die Unmittelbarkeit der Einzelheit giebt, und diese zu der allgemeinen Göttlichen Einzelheit vermittelt. Im Christenthum ist Gott der sich als Geist wissende Geist. C. In der christlichen Religion hat sich der Gedanke diesen seinen wahrhaften Begriff als ein Sein vorausgesetzt und sein Gang ist dieses Sein zum Gedanken, zum Gewußten zu vermitteln. Die Unmittelbarkeit des griechischen Gedankens hat den Sinn, daß in ihm der Ge-

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514 gensatz des Denkens und des Seins noch nicht hervorgebrochen ist, der Unterschied eines subjectiven Erkennens, und eines an und für sich Wahren noch schlummert. Der alte Scepticismus unterscheidet sich also von dem neueren subjectiven Idealismus darin, daß was der alte Scepticismus dachte, daß ihm dieß als ein Letztes galt, so daß er jenseits seines Scheines kein festes drüben mehr hatte, während der subjective Idealismus noch eine geglaubte Wahrheit neben dem Erkennen hat, daß nur Erscheinungen zu erkennen seien.

Das Ziel der Philosophie ist das absolute als Idee in der Form der Idee zu wissen: d. h. das sich in sich selbst vollendete Allgemeine mache diese Totalität ihrer sich gegenstandlich und komme dadurch zum Bewußtsein ihrer in ihrer eigenen Form.

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man sagen: ihre Lehre sei gewesen, daß das Wahre nicht sich erkennen lasse. Sie scheinen dadurch mit der neueren Philosophie ganz paralell zu gehen. Aber wenn auch hier einerseits eine Ähnlichkeit ist, so ist wesentlich der Unterschied vorhanden, daß bei den alten Philosophen die sagten: wir wissen nur von Scheinendem, daß bei diesen damit das Ganze geschlossen ist, so daß außerhalb dieses 5 Scheines kein Jenseits mehr liegt, nach welchem gestrebt wurde, von dem auch gewußt wäre. Ueber diesen Standpunkt des Scheines liegt nichts. Im practischen geben diese Philosophen zu müsse man sich als Regel und Maßstab nach dem Scheinen richten. Aber die Regel nach welcher man sich richtet ist nur als Schein gesetzt. Der Unterschied also ist wesentlich der, daß die modernen Philosophien 10 der Subjectivität, subjective Idealismen, außer dem als subjectiv behaupteten Wissen noch ein Anderes unmittelbares haben, ein Schauen, einen Glauben. Jenseits des objectiven also steht noch ein Wahres, von dem auf andere Weise als denkend gewußt wird. Bei den Griechen war vollkommene Ruhe und Befriedigung im Scheinen. Und dieß ist die bestimmte Bedeutung der Unbefangenheit. 15 Der Zweifel des Denkens gegen das Objective war selbst nicht eingetreten. Diesen Gegensatz hat aber die moderne Philosophie als Gegensatz von Vernunft und Glauben in | kirchlichem Sinn, Gegensatz der eigenen Einsicht, das Wissen von 26rHo der Wahrheit, gegen die objective Lehre, Gegensatz des Wissens gegen das in sich gebundene offenbarende Gefühl. Das Ziel nun der modernen Welt ist das abso- 20 lute als Geist zu denken. Die Idee ist die Güte sich allen ihren Momenten ganz mitzutheilen, wie die Gerechtigkeit diese Totalitäten nicht als ansich als Eines, sondern als fürsich als Eines aufzuzeigen. Diese Einheit muß ihr für sich sein werden. Diesen Begriff der Idee, die Verdoppelung und Einheit derselben zu fassen ist ihr Ziel. Die germanische Philosophie hat diese Aufgabe. Bei ihr ist 25 nun zu unterscheiden die Zeit der Vorbereitung und die der eigentlichen Philosophie. So haben wir 3 Perioden. Die erste ist die griechische Philosophie die 600 Jahr vor Christi mit Thales beginnend bis zur neuplatonischen geht, die bis zum 5ten Jahrhundert fortgeht und sich zu den Kirchenvätern fortsetzt. Es ist dieß ein Zeitraum von 1000 Jahren. Dann folgt in 1000 Jahren der Zeitpunkt 30 der Gährung. Erst zur Zeit des 30jährigen Krieges beginnt die moderne Philo-

13–14 Wahres, von … Griechen] Hu: Wahres, obgleich nicht bewu stes. Bey den Alten war kein solches Jenseits­  ­18 in | kirchlichem Sinn] Hu: (: im kirchlichen Sinne das ist nicht in der Weise wie wir ihn genommen haben :)­  ­19–20 gegen die … Gefühl.] Hu: mit Verzichtleistung auf die Vernunft – oder Gegensatz des erkennenden Wi sens gegen das unmittelbare Wi sen, gefundene 35 Offenbarung. Das ist das princip der Modernen Zeit.­  ­31 Gährung.] Hu: Gaehrung – hierher gehören die Jüdische-arabische und Scholastische philosophie. 8 zu nachtr. über der Zeile­­   10M was nachtr. über gestr. wie­  ­12M Letztes nachtr. über gestr. Sein  

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sophie mit der Einheit von Denken und Sein, welche Carthesius ausspricht: ­cogito ergo sum. Es bleibt nun nur noch eine kurze Quellenanführung nöthig. In der politischen Geschichte haben wir die Geschichtsschreiber zur Quelle, die zunächst als ursprüngliche die Individuen und deren Thaten selbst beschrieben, dann haben die reflectirten Geschichtsschreiber jene ersten vor sich gehabt. In der Geschichte der Philosophie sind die Thaten uns selbst gegenwärtig nicht ihre Beschreibung, und diese Thaten sind die Werke der Philosophie selbst. Man kann nun sagen es sei dieß ein zu großer Reichthum als sich daraus zu unterrichten, doch in Ansehung vieler Philosophen ist es unumgänglich nöthig sich an die Werke selbst zu halten. Bei den alten Philosophen fühlen wir bald wie weit wir mit ihnen | fortkommen können, indem wir bei Philosophien beschränkten Prinzips bald sehen, dieß Prinzip sei noch zu beschränkt um die reicheren unserer Vorstellungen damit fassen zu können. Es hängt dann von uns ab zu sehen, wie dieß Prinzip sich um die Gesamtheit des Stoffs bemüht hat. Eine Menge Philosophischer Werke giebt es dann, die nur litterarisch, historisch wichtig sind, so daß wir uns können an Auszügen halten. Wenn wir aber die Idee der Philosophie besitzen, wird uns das Studium der Werke der Philosophie leicht und interessant. Die wahren Quellen nun also sind die philosophischen Werke selbst. Was das litterarische über die Werke der Geschichte der Philosophie betrifft, da ist eins der ersten 1) neueren Werke: Stanlei historia philosophiae; Leipzig 1711 4o früher London 1701. Dieß Werk ist uns als einer der ersten Versuche merkwürdig. Es enthält auch nur die Philosophie der Alten. Es ist dabei die Vorstellung zu Grunde gelegt, als habe es nach den Alten keine Philosophien mehr gegeben, und es wird der Unterschied gemacht der Wahrheit wie die natürliche Vernunft sie faßt, und der durch die christliche Religion geoffenbarten. Die Vorstellung also ist, daß nach der christlichen Religion keine Philosophie mehr nöthig sei. Vor dem Aufleben der Wissenschaften gab es auch keine, und die nachkommenden waren zu des Stanlei Zeit noch nicht anerkannt. 2) Johannis Bruckeri critica historia philosophiae Lipsiae 1742-1746

17–18 Wenn wir … interessant.] Hu: Im Allgemeinen koennen wir noch bemerken – dass wenn wir die Idee der philosophie bey dem Studium der Geschichte haben, dass alsdann uns auch das Studium sehr interessant sein wird – und dass es nicht eine todte, ungegenwaertige Kenntni s wird sein – Sie wird uns zeigen was ihr in den verschiedenen Systemen entspricht, und wie wir sie ran35 giren sollen.­  ­21 philosophiae] Hu: philosophiae uebersetzt von Olearius 4 –5  als ursprüngliche nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­5 selbst beschrieben nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­8 Werke der nachtr. über der Zeile­  ­14 sich nachtr. vor der Zeile­  ­20 Werke der nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­22 einer] eins (Genus nach Werk)

IV. Quellen für die Geschichte der Philosophie.

Die ersten Quellen sind die Thaten des denkenden Geistes selbst, als die Werke der Philosophen.

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Die anderen die ­reflectirten Werke, Beschreibungen der Geschichte der Philo­ sophie. 1. Stanlei historia philosophiae.

2. Johannis Brukkeri critica historia philosophiae.

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27 Ho 3. Buhle’s Lehrbuch der Geschichte der Philosophie.

4. Tiedemann’s Geist der Geschichte der Philosophie.

5. Tennemann’s Lehrbuch der Geschichte der Philosophie.

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Es sind 6 Volumina, der 4te hat 2 Bände, der 6te ist Supplement; eine weitschichtige Compilation, die nicht rein aus den Quellen geschöpft ist; die Darstellung ist im höchsten Grade unrein, vermischt mit steten Reflexionen, Consequenzen gezogen nach Weise Wolff ischer Metaphysik. Und diese Consequenzen sind als historisch aus den Quellen angegeben. | Ein Auszug aus diesem Buch ist: Institutiones Bruckeri usui juventutis Lipsiae 1792. 3. Ein drittes Buch ist: Buhle’s Lehrbuch der Geschichte der Philosophie in 9 Bänden. Göttingen 1796. 8 Bände. Die ältere Philosophie ist kurz abgefaßt ohne Verhältniß zur neueren. Diese Geschichte hat keinen großen Werth, doch sind viele Auszüge seltener Werke darinn, zB von Bruno, dessen Werke sehr selten sind, und so auch von anderen Modernen. 4. Ein 4tes Dietrich Tiedemann’s Geist der Geschichte der Philosophie in 7 ­Bänden. Diese Geschichte der Philosophie ist in gezierter Sprache, ein trauriges Beispiel wie ein Mann sein ganzes Leben hindurch sich mit dem Studium der Philosophie abgiebt ohne eine Ahnung von speculation zu haben. Wo das speculative beginnt brechen seine Auszüge ab. Manches Schätzbare hat er dadurch, daß er aus vielen Werken des Mittelalters Auszüge giebt. 5. Ein 5tes Tennemann’s Lehrbuch der Geschichte der Philosophie. Leipzig 1798. 12 Bände. Dieß Werk ist berühmt. Die Philosophen sind darin sehr ausführlich behandelt, die der neueren Zeit beßer, die älteren weniger gut. Denn der Inhalt liegt bei der neueren Philosophie uns näher, es braucht nur Übersetzung des Ausdrucks, aber die Alten stehen auf einem anderen Standpunkt des Begriffs und sind somit schwerer zu fassen. Bei den Alten ist er vollkommen unbrauchbar, der Mißverstand geht oft soweit, daß Tennemann zB. das Gegentheil vom Aristoteles sagt, als er selbst sagte. Die ganze Geschichte ist vollkommen geistlos, und Tennemann sagt zwar: ein Geschichtschreiber der Philosophie müsse kein System haben, aber er hat doch ein System, und zwar dieses, daß er von einer Philosophie großes Rühmens macht, daß aber solch tiefer Denker nur den Mangel habe noch kein Kantischer Philosoph sei, noch nicht kritisch unter|sucht habe, daß zu erkennen unmöglich sei.

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 –5 Metaphysik. Und … angegeben.] Hu: Metaphysik. – Es ist ein gro er pallast – aber sehr klein 4 kann nur die Ausbeute sein.­­  ­17–19 Wo das … giebt.] Hu: Wo nur speculative Gedanken anfangen faengt er gleich an boese zu sein und zu sagen dass es nur subtilitaeten sind. Sein werk ist wichtig in Hinsicht der Auszüge aus der Kabala etc.­  21 Dieß Werk … berühmt.] Hu: Dieses Werk 35 wird sehr heftig gebraucht.­  24–25 und sind … fassen.] Hu: und da ist man sehr leicht geneigt in ihnen etwas zu verdrehen. 14M Tiedemann’s] Thiedemann’s­  ­14 Tiedemann’s] Thiedemann’s   24 sind nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  

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Ast Grundriß der Geschichte der Philosophie Landshut 1809. Der Verfasser versirt in Schellingschen Formen, obgleich etwas verwirrt; inzwischen ist es noch ein besseres Werk. Wendt Auszug aus Tennemann in historischer Rücksicht gut; die Leipziger Sucht nach Vollständigkeit ist auch hier nicht zu verkennen. Die Seichtigkeit die Leerheit, die mit der Tiefe des Geistes nicht bekannt ist, greift nach irgend einer Denkbestimmung, obgleich von solch oberflächlichen Bestimmungen gar nicht mehr kann die Rede sein. Das empfehlenswertheste ist: Handbuch der Geschichte der Philosophie von Rixner Sulzbach. 1822 und 1823. Dieß ist das beste Werk in Betreff des litterarischen als auch in Betreff auf Gedanken. In Jedem Bande sind die Hauptstellen im Anfange. Was nun kurz unsere Behandlungsweise betrifft, so werden wir uns nur kurz auf den Geist jeder Zeit einlassen, kurze litterarische Notizen einstreuen. Besonders auf das biographische verweisen wir auf Rixner. In Ansehung der Philosophen selbst werden wir nur die nennen, deren Prinzip einen Ruck gethan, und die als Philosophen müssen in Betracht gezogen werden. Denn ein Anderes ist die Ausbreitung eines Systems und der Gedanken desselben. Wir bemerkten schon daß die Prinzipe, die nicht in sich concret sind, für die concreteren Existenzen nicht genügen. Was das Prinzip, den Geist jeder Philosophie betrifft, so ist früher davon gesprochen daß man fordern solle, ein Geschichtschreiber der Philosophie solle kein System haben, nicht urtheilen, nicht aswählen. Dieß sieht sehr plausibel aus, als eine Lexion für die Billigkeit. | Aber die eigenthümliche Sache ist, daß nur wer nichts von der Sache versteht, daß dieser unpartheiisch ist. Historische Kenntniß von Lehren ist kein Verstehen derselben. Bei der Geschichte der Philosophie ist der Unterschied, daß eine politische Geschichte kann objectiv gehalten werden, wie Herodot schrieb, Homer, Thukydides; als freie Menschen lassen sie die Begebenheiten gewähren, zeigen nur die Sache, ohne einen Richterstuhl aufzustellen. In der Philosophie aber ist das Verhältniß anders. Die Geschichte der Philosophie hat auch Thaten der Geschichte zu erzählen, aber die erste Frage ist, was in der Philosophie eine That sei. Gerade diese Frage macht den Unterschied. Das Politische Thun steht der Vorstellung näher. Umgekehrt ist es in der Philosophie was eine That sei, und welcher Platz ihr anzuweisen ist die Frage und so kann die Geschichte der Philosophie nicht ohne Urtheil abgefaßt werden.             1   Ast] Ash­  ­1M Ast nachtr. aus Ash (mit Rasur)   9M Rixner] Rüxner  10 Rixner] Rüxner­  ­15 Rixner] Rüxner­  ­22 aus] sein­  ­23 ist nachtr. über der Zeile­  ­nur nachtr. über der Zeile mit Einfügungs­zeichen 27 Thukydides] Thicidides­  ­29 Verhältniß] ohne Umlautpunkte­ 

6. Ast Grundriß der Geschichte der Philosophie.

7. Rixner Handbuch der Geschichte der Philosophie.

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Unsere Weise nun ist, daß wir nach dem Begriffe und als Entwicklung des Begriffs die Geschichte der Philosophie betrachten und daher nicht, wie man fordern könnte, systemlos, sondern mit Kenntniß des Systems der Wahrheit.

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Geschichte der ­Philosophie

G e s c h i c h t e d e r P h i l o s o p h i e.

Erster Theil. Die antique ­Philosophie.

Erster Theil. D i e a n t i q u e P h i l o s o p h i e.

Ihr Boden ist Griechenland.

Denn Griechenland ist das Land der Heimathlichkeit des Gedankens, der aus der Fremdheit seines im Orient in die Natur Versenktseins sich hier zuerst erfaßte.

Griechenland hat zu seiner wesentlichen nothwendigen Voraussetzung die substantielle Einheit des Orients, die Einheit des Gedankens und der Natur, welche indem sie die Entzweiung des abstract Unendlichen gegen das nur Natürliche durchgangen ist, jetzt zum Geiste wird wie er als Geist das Natürliche zu seinem Ausdruck macht, und so die schöne Einheit producirt, während das Extrem Griechenlands das abstracte Fürsichsein des Geistes, die abstracte subjective Innerlichkeit des Selbstbewußtseins ist, das Prinzip der modernen Welt.

Es ist also Griechenland, womit wir anfangen. Beim Namen schon von Griechenland fühlt jeder Gebildete sich heimathlich. Wir haben unsere Religion aus 5 dem Morgenland empfangen, aber alles Hier, alles Praesente wissen wir, daß es direct oder indirect durch den Umweg der Römer zu uns kam. Die römische Bildung kam uns früher, in kirchlicher und juridischer Rücksicht; der Kirchendienst und Rechtsdienst ging von dort aus zu uns über. Aber freie Wissenschaft, freie Kunst haben wir von Griechenland erhalten. Ist uns nun auch dieser Boden hei- 10 mathlich, so ist auch das ausgezeichnete des Griechenland daß sie sich ihre Welt heimathlich machen, wie es dem Menschen wohl ist, wenn er zu Hause ist. Die Griechen tilgten das Fremde des Ursprungs | ihrer Bildung, so daß, was uns an- 28vHo zieht, dieß ist, daß sie alle Seiten zu den Ihrigen machen und darin sich als Freie bezogen. Die Form, der geistige Bruch, den sie dem Fremden gaben, ist das 15 Höhere substantielle selbst, der Geist. In dieser Bestimmung der Heimathlichkeit der Griechen bei sich selbst ist es auch, daß der Keim der denkenden Freiheit liegt, der Keim der Philosophie. Es ist wesentlich, daß die Griechen eine voraussetzung hatten. Es ist gedankenmäßig aufgefaßt, die orientalische substantialität, die natürliche Einheit, deren Extrem die abstracte subjektivität, das abstracte 20 In-undfürsichsein des Geistes, das abstracte Prinzip der modernen Welt. Die Griechen stehen in der Schönen Mitte. Das Orientalische ist die nur substantielle Einheit, die Griechen hatten dieß zur Voraussetzung, gingen in sich ohne auf das

2 –3  Erster Theil. … Philosophie.] Hu: G r i e c h i s c h e P h i l o s o p h i e .­  ­7–9 Die römische Bildung … über.] Hu: Undireckt durch die Roemer, von Seiten der Kirche, eben so durch das Juridische – die Knechtschaft des Rechts – unter deren beiden Zucht wir genommen sind.­  ­14–15 dieß ist, … bezogen.] Hu: Alle Seiten der Geistigen und Leiblichen Existenz haben sie sich selber gemacht – und grade darin haben sie sich frey gewu st und frey betrachtet. ­  ­15 der geistige Bruch,] Hu: ist der geistiche Hauch,­  ­19–20 Es ist … Extrem] Hu: Das erste Extrem ist die Substanzielle Einheit des Orients – Die Einheit des Geistes und der Natur – unmittelbare Einheit – Das Andere Extrem ist­  ­23.519,1–9 ohne auf … sein.] Hu: und sind in die formelle Subjektivitaet zurückgetreten. Diese Subjektivitaet hat zum Substrat iene erste Einheit – darum kann die Stufe ihrer Erkenntni s als die Stufe der Schoenheit betrachtet werden. Schoenheit ist das Ideelle, aus dem Geiste entspringende – aber so dass das Geistige nicht für sich selbst ist – dass es sich selbst zur Gedanken Welt ausbilde – 20  deren] dessen­  ­23M die nachtr. über gestr. zur­  ­28 gewu st] bewu st­

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erster theil · die antique philosophie

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andere Extrem zurückzutreten. Die substantielle Einheit ist mit dem Fürsichsein in schöner Einheit. Die griechische Schönheit ist die Stufe dieser Zeit. Der Gedanke ist so, daß das Geistige noch nicht als solches für sich ist, noch nicht so ist, daß es sich als Gedankenwelt gegen die nur natürliche Welt aus gebildet hätte, sondern die griechische subjectivität ist noch in Einheit mit der Natürlichkeit, so aber daß das Prinzip des Geistes den ersten Rang hat, nicht wie im Orient wo beide Seiten in gleicher Würde sind, so daß das Naturwesen selbst das Ueberwiegende wird, Im Griechischen ist das Natürliche herabgesetzt nur als Mittel für den Geist zu sein. Der Geist ist noch nicht in sich vorgestellt, er selbst ist nicht der Boden seiner Existenz, nicht er der Ausdruck seiner; sondern das Natürliche ist das Medium seines Ausdrucks, aber auch nur Mittel, nicht für sich geltend, sondern nur als Element in welches der Geist scheint. Dieß ist der Character der griechischen Welt. In Ansehung der Weise ihrer Freiheit und Sittlichkeit liegt hierin, daß freie Sittlichkeit dasein konnte, weil der Geist herrscht. Aber weil das Naturmoment noch darin enthalten ist, ist die Weise der Sittlichkeit noch mit Naturbedingungen behaftet; die Staaten sind einzelne Natur|individuen, ferner sind nur einige frei. Nicht das Allgemeine als solches, das rein Geistige macht die Grundlage, sondern ist mit einer Beschränkung behaftet, der Mensch ist nicht an und für sich frei. Diese Momente kommen beim Griechischen Geist in Betracht. Die maaßlose orientalische Pracht ist durch die griechische Schönheit zum Maaße geworden, und der Reichthum der griechischen Vorstellung wird zu einer Menge schöner Gestalten, der Virtuosen des Gedankens. Die Erhabenheit des Orients zur Schönheit gemildert wird in bestimmte Gestalten zusammengedrängt. Das Griechische kann gegen die Pracht des Orients kleinlich erscheinen. Noch mehr wenn das Collossale in’s Enge getrieben wird, geschieht dieß dem Gedanken, und so erscheint dieser zunächst inhaltslos arm gegen die Mannigfaltigkeit des Orients. Mit diesem armen Gedanken beginnen wir. Der Anfang ist abstract, inhaltslos, und selbst als unmittelbarer in der Form der unmittelbaren Natürlichkeit. Dieß theilt er mit dem Orientalischen, aber es ist der Gedanke, der die Naturbestimmungen zusammenzieht. Unsern Anfang müssen wir mit dem dürftigsten machen, mit Gedanken, die als die ersten sind, selbst noch in der Form der

dass diese Subjektivitaet hat noch das Moment des Natürlichen, der sinnlichen weise an ihr – so dass aber das Princip des Geistigen den ersten Rang hat, so dass die Natur nur als Mittel für das Geistige herabgesetzt ist. Das Natürliche ist bei den Griechen als Mittel des Ausdruckes des Geistigen.  15 der 35 Sittlichkeit] Hu: ihrer Staaten-Freiheit 4  es nachtr. über gestr. sie­   gegen die … Welt nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­21 zu einer] (1) eine (2) zu (nachtr. über der Zeitle) einer (nachtr. aus eine)­

Im Orient ist das Natürliche als solches das den Geist bestimmende in Griechenland aber ist es der sich selbst bewußte Geist, der sich mit seiner Natürlichkeit als seiner Erscheinung in schöner Einheit weiß. Daher ist die Sittlichkeit hier subjective Wille welcher den allgemeinen, den nur als ein Seiendes vor sich hat, will, ohne sich von dem-|selben getrennt zu haben. Aber weil es nicht der allgemeine Wille als solcher ist, sondern der noch mit dem Natürlichen in schöner Einheit seiende, der gewollt wird so ist nicht der Mensch als Mensch frei gewollt, sondern nur der ­Grieche. Der griechische Geist nun zieht die maaßlosen orientalischen Gestalten, ihre abstracte Unendlichkeit in die Unendlichkeit des Maaßes zusammen.

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520 Der Gedanke nun als Anfang ist in seiner Unmittelbarkeit selbst in einer Naturform

Gliederung der antiquen Philosophie. Erste Periode von Thales bis ­A ristoteles

Zweite Periode. Stoïcismus und Epicuraeïsmus. Dritte Periode. Die Neuplatoniker.

Erste Periode. Von Thales bis ­A ristoteles 1. Von der unmittelbaren Bestimmtheit des Gedankens bis zu seiner Bestimmung durch sich selbst von Thales bis ­A na­x agoras.

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Natürlichkeit sich darstellen. Es ist immer dieß zu unterscheiden daß in der Idee das Allgemeine ist und die Realität desselben. Das Allgemeine ist der Gedanke, und es kommt darauf an, ob seine Realität die Natürlichkeit oder der Gedanke sei. Im Anfang ist der Gedanke selbst noch als Naturform noch nicht als Gedanke gesetzt. So fangen wir mit der ionischen Schule an, nachdem wir eine Uebersicht 5 über die griechische Philosophie geben. Wir haben darin 3 Hauptperioden. Die erste ist die von Thales bis Aristoteles. Die 2te ist die römische Philosophie. Die dritte die neuplatonische. Das Nähere ist, daß wir mit dem Gedanken in sinnlicher Form beginnen und 10 fortgehen bis zur bestimmten Idee des Aristoteles. Plato hat alle früheren Stufen vereint. | In der zweiten Periode ist die Idee die sich durchhält sich systematisirt, so daß 29vHo eine Bestimmung durch das Ganze der Weltvorstellung wird geltend gemacht. Jede Seite der Idee wird hier ausgebildet. 15 Den Gegensatz nimmt die neuplatonische Philosophie in eine ideale, göttliche Welt zusammen, der das unendliche Fürsichsein fehlt, das allgemeine Fürsichsein, die Einheit des absoluten und unmittelbaren und einzelnen fürsichseienden Geistes. E r s t e Pe r i o d e

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Vo n T h a l e s b i s A r i s t o t e l e s . Dieses Gebiet gliedert sich wieder begriffsmäßig in sich. Die erste Stufe begreift die Philosophie von Thales bis Anaxagoras vom Gedanken in unmittelbarer Bestimmtheit bis zum sich bestimmenden Gedanken, der nicht mehr unmittelbar bestimmt ist, sondern sich selbst bestimmt. Thales sagt das Absolute ist das Wasser, da bestimmt sich der Gedanke nicht selbst, sondern ist in irgend einer Bestimmtheit. Aber der Gedanke ist damit nicht sich selbst bestimmend. Dieß ist erst bei Anaxagoras geschehen, indem er sagte: das Absolute ist der νους.

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 –5 Es ist … gesetzt.] Hu: In der Idee ist | naehmlich zweierley zu unterscheiden 1o das Allgemei1 ne 2o die Realitaet – das erste ist der Gedanke an sich – innerlich – aber es ist noch nicht der Ge- 30 danke gesetzt als Gedanke – sondern in der Natürlichkeit – Das zweite die Realitaet ist a) natürliche Bestimmung oder b) in der Gedanken Form – Gedanke als Gedanke.­  ­10–12 sinnlicher Form … vereint.] Hu: sinnlicher oder natürlicher Form an und gehen weiter bis zur Idee überhaupt in plato und zur bestimmten Idee in Aristoteles. 29  naehmlich] naehm- | naehmlich

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Auf der zweiten Stufe ward dieser νους aufgefaßt, hier ist der sich selbst bestimmende Gedanke als das Concrete, als der Gedanke in mir ausgesprochen, und das Prinzip der subjectivität bricht mit den sophisten und den socratikern an. Die dritte Stufe erfaßt den objectiven Gedanken die allgemeine Idee bei Plato, bei Aristoteles als das sich selbst bestimmende. Vo n T h a l e s b i s A n a x a g o r a s .

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Auf der ersten Stufe nun können wir kurz sein. Zunächst müssen wir von den Quellen näher sprechen. Nur Fragmente sind uns übrig oder gar nur Anführungen. Als erste Quelle kann Plato genannt werden, indem er oft die alten Philosophen anführt. Er ist Pythagoraeer, hat die Eleaten studirt und Heracliten, doch ist seine Philosophie kein Herauslesen (εκκληπτειν), kein Aggregat, keine Sammlung, sondern eine | in sich concrete Einheit. Oft ist Plato’s Philosophiren entwickelteres Vortragen der Lehren älterer Philosophen. Plato war reich und sammelte die alten Schriften. Es ist dabei freilich zu bemerken, daß Plato nicht selbst als Lehrer auftritt, sondern in den Dialogen immer Andere philosophiren läßt und so bleibt es unentschieden, wie weit die Entwicklung ihm oder noch den früheren Schulen angehört. – Die Hauptquelle ist Aristoteles, der ausdrücklich und gründlich von den alten Philosophen spricht, und er war ein Mann nicht nur von der tiefsten philosophischen Einsicht, sondern der größten Gelehrsamkeit. Cicero ist eine Quelle, die auch einfallen könnte. Seine Nachrichten sind in Betreff späterer Philosophen interessant, aber sie sind nur verständig, raesonirend ohne speculative Auffassung. Vornehmlich interessant dagegen ist Sextus Empiricus in seinen Büchern gegen die Mathematiker und in anderen seiner Schriften, indem er kostbare Notizen über die Philosophie der Alten hat. Ferner Diogenes Laertius in seiner Lebensbeschreibung der Philosophen. Dieß ist aber eine unkritische Compilation und von philosophischem Geist kann nicht die Rede sein. Doch ist er in Betreff auf Lebensumstände und hie und da auf Philosopheme wichtig.

1–3  Auf der … an.] Hu: D i e z w e i t e p e r i o d e begreift die Aufloe sung dieses Νοῦς von S o ­ p h i s t e n und Sokratikern. Hier ist der Gedanke als gegenwaertig, als der Gedanke in mir 30 aufgefa st in sofern ist hier das princip der Subjektivitaet, aber nicht unendlicher Subjektivitaet, die der modernen Welt angehoert.­  ­20–21 Seine Nachrichten … raesonirend] Hu: Cicero kann man auch als Quelle annehmen – besonders der phytagoreier und Stoiker – Seine Abhandlung aber de Natura Deorum ist zu seicht.­  ­23 in seinen … Schriften,] Hu: sowohl in den pyrrhonischen Büchern als auch in den Schriften gegen die Mathematiker 35 11  seine Philosophie nachtr. über gestr. dieß­   (εκκληπτειν) nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  

­15 selbst nachtr. über der Zeile­   in den … immer nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­23 in seinen Büchern] (1) Bücher (2) (in seinen nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen) Büchern (nachtr. aus Bücher)­  ­28  p e r i o d e ] p e r i o d e / periode

2. Der subjectiv einzelne Gedanke; die sophisten und Socratiker. 3. Der objectiv allgemeine Gedanke; die Idee des Plato, und die sich selbst Bestimmung der Allgemeinheit der Idee; Aristoteles.

Erste Stufe. Von Thales bis Anaxagoras Quellen. Plato’s Schriften.

Aristoteles Schriften.

Sextus Empiricus Diogenes Laertius.

71Hu 69. 37

522 Plutarch’s placita philosophorum. Stobbaeus. Zusammenhang der ersten Periode der Philosophie mit dem politisch geschichtlichen Weltzustande. Griechenland, seiner alten Beherrscher aus fremden Fürstenhäusern entledigt, steht im Heroenalter des Rechten und Wahren, indem einzelne Individuen jetzt als RathGesetzgeber und Beherrscher Sitte und Gesetz geltend machten, und die Staaten innerlich consti­ tuirten. Das Lydische Reich unter Crösus war durch Cyrus untergegangen und die an Lydien gehörenden ionisch-griechischen Staaten theils unterworfen, theils wanderten die Einwohner aus. In Ionien und Großgriechenland im Osten und Westen war die größte Regsamkeit und dieß ist auch die Localität für diese Periode. Und diese geographische Verschiedenheit geht auch durch die Philosophie selbst durch, indem die Ionische Schule gegen Osten gekehrt das Absolute noch in einer Naturbestimmtheit erkannte, während der Westen erst den reinen Gedanken erfaßte.

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Ferner Simplicius im 6ten Jahrhundert; Commentare über Aristoteles schrieb er, und besonders sind die Commentare über die Physik wichtig. Eine Schrift, die dem Plutarch zugeschrieben wird de placitis philosophorum muß auch angesehen werden; Stobaeus ist auch zu Rathe zu ziehen. Dieß sind die Hauptquellen. Das Erste ist nun, daß wir an den historischen Zustand erinnern, mit dem wir 5 beginnen. Es ist das 6te Jahrhundert vor Christus, die Zeit Griechenlands, wo es aufgehört hatte unter seinen alten Fürstenhäusern zu stehen. Diese waren größtentheils fremde gewesen. Nach ihrem Untergang waren die Griechen theils in viele Berührung nach Außen gekommen, theils suchten sie inneres Land, das sie zusammenhielt. | Das Bedürfniß sich zu constituiren ward rege, und so sehen wir 30vHo viele Individuen auftreten, die nicht eigentlich Beherrscher, sondern Bürger unter den Bürgern waren, ausgezeichnet durch Rechtlichkeit, Kenntniß, Phantasie. Solche Individuen kamen mit den Mitbürgern in manches Verhältniß als Berather, aber so daß ihr guter Rath häufig nicht befolgt wurde. Andere sind verhaßt und verachtet worden und an ihnen ist die Zurückziehung aus dem öffentlichen Leben 15 zu bemerken. Andere wurden gewaltsame Beherrscher und hielten die Mitbürger zusammen. Andere zeigten sich als Gesetzgeber. Das Heroenalter vom Rechten und Wahren, das itzt aufgeht und sich als Sitte festsetzt, bricht an. Mit diesem allgemeinen Zustande ist näher das äußerliche geschichtliche Verhältniß verbunden, daß unter Crösus das Lydische Reich durch Cyrus unterging. Zwei Umstände 20 darin gehen das griechische Leben an, einmal, daß von Crösus unterworfen einige griechische Staaten veranlaßt wurden auch dem Cyrus unterworfen zu sein, oder auf brachen neue Colonien zu stiften oder ältere zu vermehren. Die größte Regsamkeit ist an der asiatischen Küste und im Westen in Großgriechenland. Diese 2 Punkte Ionien und seine Colonien sowie GroßGriechenland dieß sind die Locali- 25 täten, wo die erste Periode der Philosophie ihren Standplatz hat. Erst in der zweiten geht die Philosophie nach dem eigentlichen Griechenland. Der Osten also und Westen Griechenlands sind die Punkte, wo die Geschichte der Philosophie jetzt spielt. Geographisch theilt sich die Geschichte in die ionische und italische Weise. Diese geographische Verschiedenheit geht auch durch die Philosophie selbst durch. Wir ha- 30 ben auf der Seite Klein Asiens Thales, Anaximander und mehrere, wir haben anderseits Democrit, Anaxagoras. Jene sämtliche Philosophen haben nach dem 4 Stobaeus] Hu: Stobaeus und Alexandrinus­  ­7–8 Diese waren … gewesen.] Hu: die pelopiden, Herakliden etc waren überhaupt | Fremde.­  ­10 sich zu constituiren] Hu: sich frey zu construiren­   72Hu ­17–18 Das Heroenalter … an.] Hu: Das Heroen Alter der Gedanken und Wahrheit geht jetzt auf – 35 und setzt sich fest im Rechte und Sittlichkeit. 1   Simplicius] statt einer Lücke im Text­  ­3 de] von de­  ­4 Stobaeus] stobbaeus­  ­7M politisch nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen   14 verhaßt nachtr. aus gehaßt­  ­23 neue nachtr. über der Zeile­  ­ä ltere nachtr. über gestr. neue­  ­26 hat] haben­  ­32 anderseits nachtr. über der Zeile mit Einfügungs­zeichen­   Jene nachtr. über gestr. Diese­  ­34 Fremde] Frem- / (de als Reklamante) | Fremde­  ­ 40

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Morgen gekehrt das Absolute in einer Naturbestimmung erkannt, die reale Bestimmung des Absoluten fällt nach dem Morgenland, die ideelle nach Italien. Denn hier haben | wir Pythagoras, Xenophanes, Parmenides, die Stifter der Eleatischen Schule und Zeno, Empedokles, Gorgias, dessen dialektischer Character ideell ist. Mit Thales nun haben wir zu beginnen. Wir finden ihn als einen der 7 Weisen aufgeführt. Was die 7 Weisen betrifft, so sind sie bekannt. Diogenes Laertius führt an, ein Älterer habe gesagt, sie seien weder Weise noch Philosophen gewesen, sondern verständige Männer, Gesetzgeber, Männer wie wir sie characterisirten und wie sie in die Periode des Uebergangs zu einem gesetzlichen Zustand fallen. Diogenes Laertius führt von ihnen viele Anekdoten an. Eine Hauptwirksamkeit dieser Männer war politisch als Gesetzgeber, Moralisten, Tyrannen. Ihre Sätze kann man nicht Philosophie nennen, es sind gute Reflexionen, Aussprache sittlicher Verhältnisse und Pflichten, Sprüche dann aber, welche die Sceptiker später in weiterer allgemeiner Bedeutung aufnahmen. ZB. wird von Chilon der Denkspruch aufgeführt: Verbürge dich so ist der Schaden dir gewiß. Dieß kann als ganz gemeine Lebensregel genommen werden. Die Sceptiker nahmen den allgemeinen Sinn daraus her: knüpfe dein Selbst an irgendetwas Bestimmtes, so geräthst du in Unglück, worin die Unsicherheit von allem Endlichen ausgedrückt wird. So sagt Kleoboulos: Das Maaß ist das Beste. Dieß ist einerseits trivial, hat aber den weiteren Sinn, daß das Maaß das Selbstbestimmende, die Begränzung, das Beste sei gegen das Unbestimmte. Die Geschichte Solons ist bekannt. Zwei Umstände sind zu bemerken, seine atheniensische Gesetzgebung. Mehrere seiner Distichen haben wir noch. Es ist bekannt, daß Pisistratus in seiner Gegenwart sich zum Tyrannen aufwarf. Es kann dieß merkwürdig erscheinen. Diogenes führt einen Brief des Pisistratus an Solon an, durch den er | den solon zurück rufen wollte. Man sieht daraus das athenische Volks bedurfte der Gewalt des Pisistratus zur Einführung der Gesetze. Was uns näher angeht ist die bekannte Geschichte des Crösus, aus welchem wir den Standpunkt griechischer Reflexion dieser Zeit sehen. solon sagt: niemand ist vor seinem Tode glücklich zu preisen. Die Glückseligkeit ist also hier der höchste Zweck, wie bei Kant sie auch als letzte Bestimmung galt. In der Antwort des solon liegt einerseits ein Erheben über

31rHo Abscheidung der 7 Weisen von der Geschichte der Philo­ sophie. Es waren Männer wie sie in die Uebergangsperiode zu einem gesetzlichen Zustande fallen. Anecdoten zum Belege dieser Ansicht.

Solon stand auf dem Standpunkte der Glückseligkeit, wo nicht mehr der einzelne sinnliche Genuß als ein Letztes gilt, sondern die Totalität die Gesammtheit des Genusses die Regel wird, nach welcher die einzelne Begierde sich zu richten hat, es ist dieß der Standpunkt der Reflexion, die zwischen dem Genuß als einzelner Begierde und dem Recht als Recht steht.

4 Gorgias, dessen … ist.] Hu: Gorgias der Sophist – de sen philosophie mehr ideelles hat. In dieser 73Hu 71. 38 Philosophie des Westens ist das Ideelle, die Gedankenbestimmungen die hervorherschenden.­  ­ 10 Diogenes Laertius … an.] Hu: Von diesen Weisen führt Diogenes Laertius sehr sinnreiche Re35 den an, er sagt z. B. dass Solon behauptet habe, dass die Gesetze einen Spinweben gleichen.­   74 Hu ­30–31 wie bei … galt.] Hu: (dies hat sich wieder vor Kant erneuert) 4  Zeno] Xeno­  ­6 sind sie nachtr. über gestr. ist der Mann­  ­19 Kleoboulos] Periander­  ­22 atheniensische] athesiensihe­  ­26 zurück rufen wollte.] (1) zurück gerufen zu werden. (2) zurück rufen (nachtr. aus gerufen) wollte. (über gestr. zu werden)

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Gliederung der ersten Stufe. I Der Gedanke in der Naturform bis zu seiner Reinigung zur Form des reinen Gedankens. 1. Die Naturform als solche oder die ionische Schule. 2. Verlassen der Naturform; die Pythagoraeer. 3. Der gereinigte Gedanke der Eleaten. II Der einfache allgemeine Gedanke in seiner Bestimmtheit. III. Der sich selbst bestimmende allgemeine Gedanke: Anaxagoras.

1. Die ionische Schule. Lebensumstände des Thales. geboren 632 gestorben 531. 38ste – 39 Olympiade. Milet.

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das Sinnliche darin, über das, was für die Begierde ist. Die Glückseligkeit geht auch auf innerlichen und äußerlichen Genuß, sie enthält aber das Weitere eine Totalität des Genusses aufzustellen, ein Allgemeines, eine Regel für die einzelnen Genüsse, eine Regel sich nicht dem Momentanen zu überlassen, die Begierde zu hemmen sondern einen allgemeinen Maaßstab vor Augen zu haben. Hier 5 steht also die Reflexion zwischen dem nur Sinnlichen und dem Recht und der Pflicht als solchen. Nicht das Allgemeine für sich ist Prinzip, sondern Solon steht auf der Mitte der Reflexion. Nach diesen Bemerkungen wollen wir die 7 Weisen übergehen und uns an die Männer wenden, welche wir als philosophisch zu betrachten anfangen können. 10 Unter diesen beginnen wir mit Ioniern; Thales, Anaximander, Anaximenes fassen wir zusammen. Es sind die Ionier, welche das Allgemeine in der Form einer Naturbestimmung faßten. Das 2te danach muß sein, daß diese unmittelbare Naturbestimmung verlassen werden muß. Dieß finden wir bei den Pythagoraeern, die als das Absolute die Zahl faßten. Das Dritte muß die Reinigung von der Na- 15 türlichkeit sein, die gewaltsame Losreißung von der sinnlichen Form, die eleatische Schule, die sagte: das Absolute ist das Sein mit dem Proceß, welchen Heraclit als solchen auffaßte. Leucipp, Democrit sind die 5ten, | dann folgt Empedocles 32rHo mit ihnen, Anaxagoras ist der 6te [.] So beginnen wir denn mit der alten ionischen Schule mit Thales, Anaximan- 20 der und Anaximenes. Was die Lebensumstände betrifft so lebte Thales zur Zeit der Revolution in Klein-Asien die wir betrachteten. Die meisten Städte waren von Crösus beherrscht, dieser von Cyrus unterworfen, und so fielen sie dem Cyrus zu. In diese Zeit fällt Thales Leben. Seine Geburt wird in die 37 oder 38ste Olympiade gesetzt, was dem Jahre 629, 30 oder 40 entspricht. Sein Tod fällt in 25 die 59ste Olympiade. In der 58sten Olympiade ward Crösus überwunden. Thales ward 81 Jahr alt; er war ein Milesier, seine Familie die der Theliden, eine phönizische. Als Staatsmann hat er theils bei Crösus gelebt, theils in Milet. Herodot führt Rathschläge des Thales an Crösus an. Besonders wird von ihm erzählt, Thales habe die Milesier abgehalten sich mit Crösus zu verbinden, als er gegen 30    die Reflexion] Hu: die Stufe der Reflexion­  ­ 6–8 Recht und … Reflexion.] Hu: Recht als 6 Recht, Sittlichkeit als Sittlichkeit – das Allgemeine für sich ist in diesen Spruche nicht vorhanden – demongeachtet ist er wichtig zur erklaerung der Stufe der Ref lexion der Griechen zur Zeit Solons.­  ­13 Naturbestimmung faßten] Hu: natürlichen Bestimmung gefa st, Feuer, Wa ser, Luft­  ­15–18 die als … auffaßte.] Hu: Sie sagen die Zahl ist die Substanz, das Wesen der Dinge 35 Die Zahl ist nicht sinnlich auch nicht der reine Gedanke. Das Dritte sind die E l e a t e n . Das Hervortreten des reinen Gedankens – Die dialektische Bewegung hat sich sogleich damit verbunden – V i e r t e n s H e r a k l i t spricht das Absolute als diesen Proce s selbst aus.  4M gereinigte] gereinigtegte­  ­16–17M in seiner Bestimmtheit. nachtr. unter gestr. u seine Bestim1 gen.  18 Democrit nachtr. über gestr. Aristipp­ 40

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Cyrus zog, und so blieb Milet allein unberuhigt. Ferner rieth Thales den Milesiern sich in einen Staat zu constituiren; doch sie befolgten den Rath nicht. Und es ward immer den Griechischen Städten unmöglich ihre Particularitäten bei Seite zu setzen und sich zu einem Ganzen zusammenzuthun. Der Untergang war die Folge für Milet. Auch Bias gab den Rath den Ioniern ganz Ionien und die Inseln in eine Flotte zu sammeln und sich Sardiniens zu bemächtigen, da in Ionien keine Hoffnung für die Freiheit sei. Solche Vereinigung aber fordert Gewalt. Thales hat sich besonders der Wissenschaft geweiht, nicht immer sich dem Staatsleben bei Crösus. Diogenes Laertius erzählt: Thales habe die Aegypter gelehrt nach dem Verhältniß des Schattens die Höhe der Pyramide nach dem Schatten und der Höhe eines Mannes zu messen. Die Länge des Schattens zur Höhe des Mannes verhält sich wie die | Länge des Schattens der Pyramide zur Höhe derselben. Dergleichen Entdeckungen gehen uns nichts an. Anaximander erzählt man, sei zu Milet geboren habe zu Samos gelebt bei dem Tyrannen Polycrates, bei welchem auch Anakreon lebte. Die Geburt Anaximanders wird zwischen die 55ste und 58 Olympiade gesetzt, doch überhaupt verschieden angegeben, auch in die 48ste. Er war ein Freund des Thales[.] Anaximenes war gleichfalls ein Milesier und lebte um die selbe Zeit. Das Gemeinschaftliche dieser Männer war, daß sie zu philosophiren begannen. Thales bestimmte wie die Anderen das Absolute in einer physikalischen Form. Aristoteles spricht von diesen Älteren meist gemeinschaftlich, und sagt: sie haben damit angefangen, die Prinzipien in das ειδος der ὑλη zu setzen. Thales bestimmte das Absolute als das Wasser, Anaximenes als die Luft. Aristoteles sagt auch das Absolute sei als eine Materie bestimmt, die zwischen Luft und Wasser stände. Anaximander bestimmte das Absolute als das Unendliche, doch meinte er auch damit ein Materielles, die allgemeine Materie, wenn wir sie uns in ihrer neutralen Einheit vorstellen. Aristoteles sagt ferner von den Ioniern, daß sie aussprachen: das seie das Element und die αρχη alles Seienden und worein es als das Letzte zu Grunde geht, daß alles als die substanz immer dasselbe bleibt und nur in seinen Bestimungen ändere so meinten sie daher, vieles vergehe und ent17 Er war … Thales] Hu: Er wird als 28 Jahre jünger als Thales angegeben Er war ein Milesier Freund des Thales.­  ­25 als das Unendliche] Hu: als ἄπειρον Gedanken­   ­26–27 Materie, wenn … vorstellen.] Hu: Materie ganz abstrakt nicht in ihren Einzelnheiten wie Wa ser und Feuer.

35 3  Städten nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­5 Bias] Byas­  ­11 Länge nachtr. über gestr.

Höhe­  ­12 Länge nachtr. über gestr. Höhe­  ­14 sei zu … geboren nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­15 Polycrates, nachtr. über der Zeile; folgt 〈〈 ,〉〉­  ­22 angefangen] anfgefangen­  ­d as] die  25 Anaximander nachtr. aus Anaximenes­  ­27–28 von den … aussprachen: nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen (Ms: das)­  ­29 daß] das­   als nachtr. über der Zeile­  ­30 ändere] (1) 40 dasselbe bleibe (2) ändre (nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen) folgt: 〈〈 .〉〉

Herodot I, 74.

32vHo Des Anaximander.

Des Anaximenes.

Mit ihnen beginnt die Philosophie in der Form das Absolute als Naturbestimmtheit aufzufassen, als Wasser als Luft und als die unbegrenzte Materie überhaupt.

Aristoteles. I Buch der Metaphysik

76 Hu cf Aristoteles Metaphysica l. I. 3.

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Das Große dieses Anfangs ist den ganzen Weltreichthum in eine einfache Vorstellung zusammenzudrängen und diese als den Ursprung von allem auszusprechen. Diese einfache Vorstellung: das Wasser die Luft und die Materie überhaupt seien das Ursprüngliche. Cicero de natura deorum cap. 10. Thales enim Milesius, qui primus de talibus

γ.) Man mu s diesen philosophen nicht weitere Gedankenbestimmungen untertragen.

cf Cicero de Natura Deorum I. 11.

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stehe, da sich alles erhält. Thales habe dieses Bleibende als das Wasser bestimmt. Dieß ist die Philosophie des Thales. Die des Anaximenes, es sei die Luft. Fragen wir nun: ist solche Vorstellung richtig und philosophisch? so ist Folgendes zu antworten. Wir müssen vergessen daß wir an eine concrete Gedankenwelt gewöhnt sind. Die Gedankenwelt, die sich von Kindheit an in uns entwickelt hat, haben wir liegen zu lassen, denn die Gedanken|welt soll erst erbaut werden. Der Mensch hat nur Menschen und Natur vor sich, dieß ist der Horizont seines Vorstellens. Die Phantasie ist zwar mit Göttern erfüllt, deren substantieller Inhalt gleichfalls Natürlich war, ein Naturelement, dessen Weiteres etwas war, mit welchem der Gedanke sich nicht zu befriedigen vermochte. Der Mensch steht in der Bewußtlosigkeit einer intellektuellen Welt da, erfüllt mit Sinnlichem. Und diesen Reichthum, dieses Spiel des natürlichen Daseins zurückzudrängen, es auf einfache substanzen zu reduciren, dazu gehörte Kühnheit. Dieses Beharrende, das nicht entsteht und vergeht (denn auch die Götter werden geboren, sind mannigfacher Thätigkeit und Veränderung unterworfen) aufzufassen, dazu gehört Kühnheit. Diese hat Thales zuerst gehabt. Er stellte das Absolute als das Wasser dar, das seiner Neutralität wegen sich leicht als dieß Einfache darstellt, und seiner Klarheit wegen. Thales aber hatte weder den Ausdruck von substanz noch von Prinzip, noch von Einem. Anaximander sprach das Absolute als das απειρον als das Unbegrenzte aus. Dieß nun ist die ganze Philosophie der ionischen Schule, das weitere ist hineingetragen. So sagt zB. Cicero in seiner schludrigen Geschichte der Philosophie: aquam es e ect. Dieß ist ganz unrichtig, denn die einstimmigen Erzählungen sagen, daß Anaxagoras zuerst sagte: das Wesen aller Dinge sei der  –2 Thales habe … Thales.] Hu: Thales sagt dass das princip sey das Wa ser – denn nur in Ange1 bung de sen sind diese alten philosophen verschieden – naehmlich sie streiten nicht in Hinsicht des Princips (aller Dinge) selbst.­  ­4 concrete] Hu: reiche, concrete­  ­ 6–9 Der Mensch … war,] Hu: Die Bestimmungen dass Gott alles ist, ist einfach aber diese koennen wir hier nicht erwarten. Wir finden hier einen Menschen vor welchen die au sere Natur steht. Darauf ist eines solchen Menschen Denken und phantasie beschraenkt. Der Gott Sonne, Meer, das war phantasie – die Substanz des Denkens ist aus den Natur Element – und das weitere, was hinzugesetzt war ist phanta­sie­  ­11–13 erfüllt mit … Kühnheit.] Hu: hat man nur die Natur und die phantasie. Aber es gehoert dazu eine gro se Macht des Geistes in dieser Lage alles zu reduciren auf eine Substanz, die beharrt­  ­15–16 dazu gehört Kühnheit.] Hu: darin ist die Kühnheit des Gedankens zu bewundern – alles zu fa sen – und sagen: dass Eins ist als Substrat von Allem –­  ­16–18 Er stellte … wegen.] Hu: Das wa ser um seiner Neutralitaet willen – und staer-|keren Kraft als die Luft – war richtig ausgehoben als Absolutes.­  ­19–20 Anaximander sprach … aus.] Hu: Anaximander hat das nicht begraenzte, das Absolute genannt, weil dieses vollkommen sein soll – nicht entsteht und untergeht.­  ­21–22 Geschichte der … ect.] Hu: Natura Deorum – dass das wa ser sei, nach Thales, initium, rei der Deus der alles gebildet hat aus dem Wa ser.­  ­22–23 die einstimmigen … sagen,] Hu: Es ist Einstimmige Erzählung aller Altern, des Aristoteles am meisten –­  ­ 2  Anaximenes] Anaximander­  ­12 es nachtr. über gestr. sie­  ­25–26 naehmlich sie … selbst. am Rande mit Verweiszeichen­  29 Denken und am Rande mit Verweiszeichen

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νοῦς das sich selbst bestimmende. Wie Thales auf das Wasser gekommen sei, darüber kann man sich viel vielleichts einbilden. Das Gebährende der Feuchtigkeit ect. Die Alten schon sagt Aristoteles, haben das Wasser für das Älteste gehalten, denn die Götter schwören bei dem Styx und geschworen wird beim Ersten, Unwandelbaren. Plutarch in den placitis gibt diese Gründe als die des Thales selbst aus, aber Aristoteles sagt mit Fleiß ισος, vielleicht, waren dieß und das die Gründe. | Ritter hat eine sehr gute Geschichte der Philosophie der ionischen Schule geschrieben, doch kann man sagen, er habe dem Thales mehr zugeschrieben, als geschehen muß. Er sagt zB: wir müssen die Betrachtung der Natur bei Thales dynamisch nennen, die Welt sei ein lebendiges Ganzes, aus einem feuchten Saamen entsprossen. Aristoteles sagt nur, Thales sei vielleicht auf die Vorstellung des Wassers gekommen, weil aller Saame feucht sei. Ritter also giebt dem Thales schon eine viel reichere Vorstellung. Ist nun die Vorstellung des Absoluten als das Eine, Bleibende geschaffen, und haben wir das Indifferente, Unbestimmte an der Spitze so ist die nächste Frage nach der Bestimmung dieses Einen. Aristoteles giebt von den Ältesten physischen Philosophen an, sie haben gesagt, die Besonderheiten der Dinge würden durch Verdünnung und Verdichtung geschaffen. Diese Bestimmungen schreibt Aristoteles nicht dem Thales allein zu. Diese bloß Sinnlichen Bestimmungen sind überhaupt nicht der Mühe werth sich dabei aufzuhalten. Anaximander sagt: aus dem Unbegrenzten entstanden unendliche welten und Götter und vergingen. Dieß Unbegrenzte enthalte alles in seiner Macht. Man kann näher sagen, daß er auch das Wasser als ein Erstes genommen. Er hat die Bestimmungen von Hervorgehen und Entschwinden. Hervorgehen ist eine Kathegorie die kein Gedanke ist. Von Anaximander wird nun auch in Betreff des Hervorgehens weiteres gesagt: es habe um die Erde sich eine Rinde von Feuer um sie als ein Cylinder bewegt,

1 –3  Wie Thales … ect.] Hu: Wie Thales darauf gekommen ist, sagt Aristoteles, dass dies v i e l l e i c h t dazu den Thales den Gedanken gegeben hat, dass sich alles aus dem Feuchtigen alles er30 waechst – auch dass der Saamen feuchter Natur sey.­  ­3 Die Alten] Hu: die Alten haben in der Mythologie­  ­6–7 aber Aristoteles … Gründe.] Hu: Wir mü sen also weiter davon sagen – Man hat auch geschtritten ob Thales ein Atheist war. Solche Bestimmungen des persönlichen Gottes finden wir nicht bey Thales.­  ­11 dynamisch nennen,] Hu: dynamisch angehen – (Das Wort Dynamisch ist nicht gut angewandt)­  ­17 Einen.] Hu: Einen. Das Absolute mu s genommen werden 35 als das sich bestimmende. Dies ist aber concret.­  ­24–25 genommen. Er … ist.] Hu: genommen habe – aus welchen die Thierischen Organisationen hervorgehen. Das Hervorgehen ist auch in neuern Zeiten gebraucht – das Unendliche – eine Materie. Hervorgehen ist aber nur Vorstellung. 3   für nachtr. über gestr. als­  ­6–7 vielleicht, waren … Gründe.] (1) vielleicht. (2) Komma aus Punkt (waren dieß und das die Gründe. nachtr. am Ende und unter der Zeile)­  ­11 nennen nachtr. über gestr. 40 betrachten­   Ganzes nachtr. über gestr. Thier­  ­12 Saamen nachtr. über gestr. Thier­  ­26 Von nachtr. über der Zeile­  ­36 hervorgehen] hervorgegen

rebus quaesivit aquam dixit esse initium rerum: deum autem, eam mentem quae ex aqua cuncta fingeret.

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Diese einfache Vorstellungen sind die ganze ionische Philosophie und ihre weitere Bestimmungen; die Durchführung des in den genannten Vorstellungen schlummernden Gedankens durch die weiteren Bestimmtheiten ist unphilosophisch.

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Das Mangelhafte dieser Stufe ist, das Absolute nur in einseitiger materieller Form zu fassen und das Vergehen und Entstehen als solches zwar aufzuheben aber in eine substanz, die sich nicht durch sich selbst bestimmt und bewegt.

2. Die Pythagoraeer.

Biographie des ­P ythagoras

c.) Empirie die diesen Maennern zugeschrieben wird.

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diese Rinde sei zersprungen, die Stücke seien zu Sonne Mond und den Sternen geworden. Solche Vorstellungen haben kein philosophisches Interesse. Vom Thales wird nun auch ausgesagt: er habe dem Magneten eine Seele zu geschrieben. Doch steht dieß einzeln da, und solche Vorstellungen haben keine näheren Bestimmungen für seinen absoluten Gedanken. Von diesem allgemeinen | haben wir weiter keine Entwicklungen, weil die Uebergänge zum Bestimmten erst bei den folgenden Philosophen anzutreffen sind, und deren Philosophie dadurch wichtig ist. Das Mangelhafte der ionischen Philosophie hat Niemand einfacherer ausgedrückt als Aristoteles[.] Er sagt 2lei über diese Weise das Absolute zu bestimmen, einerseits daß sie bloß die Form des Körperlichen annähme. Er sagt darüber, es gäbe auch Unkörperliches und daher sei jene Weise mangelhaft. Das Nähere ist, daß das Absolute nicht einseitig als Materielles bestimmt werden muß. Das Zweite, was Aristoteles sagt ist: wenn Vergehen und Entstehen wenn das Werden als aus Einem oder Mehrerem hervorgehend vorgestellt ist, was ist denn nun aber die Ursache von diesem. Die substanz macht nicht sich selbst verändern. Weder das Holz und Eisen ist Ursache ihrer Veränderung in Bett und Statue; dieses Verändernde dieses Prinzip der Bewegung ist zu suchen. Die alten Philosophen heben die Ursache des Entstehens und Vergehens auf, begreifen aber nicht wie das Absolute sich selbst bestimmt. Es fehlt darin die Selbstbestimmung. Der Mangel also ist daß der Gedanke hier als materiell bestimmt ist, und daß ihm das Prinzip der Selbstbewegung fehlt. Das zweite nun sind die Pythagoraeer. Pythagoras ist von seinen Schülern zu unterscheiden, indem seine Bestimmungen zuerst nicht die concrete Ausführung hatten, die sie später erhielten. Uns, die wir nur die Prinzipien suchen geht dieser Unterschied nicht an. Was zuerst das Geschichtliche betrifft, so ist Samos das Vaterland des Pythagoras, geboren wurde er um die 48–49ste Olympiade sein Alter stieg bis zum 80sten. Sein Vater war ein Steinschneider. Unter Polycrates verlebte

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  Solche Vorstellungen … Interesse.] Hu: dies sind aber nicht philosophische Gedanken. (Absatz) | 2 Es wird von den Joniern noch mehr angeführt zB. dass Anaximander zuerst eine Karte gemacht 83Hu 77 43 hat.­  ­10 einerseits daß … annähme.] Hu: 1o dass diese philosophen nur das Element des Koerper- 30 lichen aussprechen –­  ­27 Sein Vater … Steinschneider.] Hu: Sein Vater ist Mnesarchos. 7  sind] ist­  ­13–15 wenn Vergehen … diesem.] (1) Wenn Vergehen u Werden aus einem oder Mehrerem ist, was ist denn die Ursache hievon. (2) wenn Vergehen (u Entstehen wenn d. nachtr. mit Einfügungszeichen über gestr. u) Werden als (nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen) aus Einem oder Mehrerem (hervorgehend vorgestellt nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen) ist, was ist 35 denn (nun aber nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen) die Ursache (von diesem nachtr. über gestr. hievon).­  ­26 48–49ste] (48–49 nachtr. über gestr. 60)ste­  ­27 verlebte] (ver nachtr. über der Zeile) lebte­  ­28 Gedanken.] Die folgenden drei Manuskriptseiten 80 bis 82 sind unbeschrieben gelassen (ohne Textverlust).­  ­­31 Mnesarchos] Nesargus

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Pythagoras seine Jugend, dann reiste er nach Phönizien und Aegypten. Das Reisen war ein großes Bildungsmittel alter Zeit. Man muß aber nicht glauben Wissenschaft und Philosophie sei aus Aegypten geholt. Vom Pythagoras wird ausdrücklich gesagt, er habe sich in den Priesterorden aufnehmen lassen. Zweierlei hat Pythagoras aus Aegypten mitgebracht; die Seelenwanderung einerseits. | Herodot sagt: es sind Griechen, welche diese Lehre als die Ihrige ausgegeben haben, deren Namen ich wohl weiß, aber nicht schreiben will. Diese Vorstellung von der Seelenwanderung kommt nach Herodot von den Aegyptern her. Es ist dieß eine Vorstellung die in Griechenland nicht fest werden konnte, und die auch kein philosophisches Interesse hat. Das Andere was Pythagoras aus Aegypten brachte, ist das Bild eines Ordens, eines festen Zusammenlebens zum Behufe einer Bildung, die durchs ganze Leben fortdauern sollte. Pythagoras also ist vornehmlich in Aegypten gewesen, dann kehrte er nach Samos zurück, doch da er sein Vaterland in Verwirrung fand, verließ er es bald wieder. Polycrates hatte viele Bürger verbannt, welche bei den Lacaedemoniern Hülfe suchend, einen bürgerlichen Krieg anfingen. Denn in dieser Periode leisteten die Lacaedemonier allen Hülfe, welche die Tyrannen stürzen wollten, später suchten sie die Aristocratie in Aufnahme zu bringen. Pythagoras durchreiste Griechenland und ließ sich in Croton zuletzt selbstständig nieder, weder als Staatsmann noch als Gesetzgeber, sondern als öffentlicher Lehrer. Er war der erste öffentliche Lehrer. Thales und die Ionier lehrten nicht öffentlich. Pythagoras bildete ein Institut das die ganze Bildung des Menschen umfassen sollte, er stiftete einen Bund, der dann diejenigen, welche sich ihm anschlossen, einer besonderen Erziehung unterwarf; die Beschreibung davon haben wir durch Spätere. Sie geben an, wie jede Stunde des Tages sei zugebracht worden. Eine Anzahl der Jahre war dem Stillschweigen unterworfen, d. h. Hemmen des Geschwätzes. Erst nach einigen Jahren erhielten die Schüler Erlaubniß selbst mit hineinzureden. Der Bund hat eine Zeitlang einen großen politischen Einfluß gehabt, doch wurde er zu Pythagoras Lebzeiten schon gewaltsam zerstört. Pythagoraeische Freundschaft erhielt sich doch nicht als Bund. Dieser Bund scheint in der Weise eines Mönchsordens eingerichtet gewesen zu sein, | so daß eine solche vereinigung im griechischen Leben nicht lange konnte bestehen. Im Aegyptischen ist Absonderung zu Hause, doch dem freien griechischen Leben war dieß nicht gemäß. Pythagoras soll ein Mann der 5 die Seelenwanderung einerseits.] Hu: Das erste war die vorstellung von der Seele – von der Met-

35 empsychose. Herodot sagt II, 132 dass die Aegiptier die ersten waren die die Unsterblichkeit der

Seele angenommen haben – und die Metempsychose.­  ­7 will.] Hu: will. Dies waren bestimmt die pythagorear.­  ­15–16 welche bei … anfingen.] Hu: die in Lacedemon Aufnahme fanden. Solcher Zustand des Krieges konnte pythagoras nicht gefallen – 23  unterwarf ] unterworfen­  ­30 scheint nachtr. über gestr. war­  ­31 zu sein, nachtr. am Zeilenende

34vHo Von Aegypten brachte er die Seelenwanderung und das Bild eines Ordens mit; beides konnte sich aber, als dem freien griechischen Geist unangemessen, in Griechenland sich nicht halten.

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Philosophie der ­P ythagoreer. Der nothwendige Fortgang von den Ioniern ist die Abstreifung der Sinnlichen Form und das Hervorgehen der Bestimmungen. Dieß findet sich im Ausspruch des ­P ythagoras das Wesen der Dinge sei die Zahl.

Aristoteles Metaphysik I. 6.

Die Zahl ist der Gedanke als solcher in seiner äußerlicheren Gestalt

2.) pythagoräische phylosophie a. Das Absolute ist die Zahl. Das unsinnliche und die Bestimmungen kommen hinzu zur philosophie durch diese Bestimmung des Absoluten.

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edelsten Bildung, des feinsten Betragens gewesen sein. Was nun seine Philosophie betrifft, so ist darüber Folgendes zu sagen: die ionischen Philosophen sagten das Absolute sei ein Materiell bestimmtes, die nächste Stufe ist, daß es in einer nicht nur natürlichen Form gefaßt werde, und daß die Bestimmungen jetzt gesetzt werden. Denn das erste ist das ganz Unbestimmte. Die Abstreifung also der natürlichen Form, und das Hervorgehen der Bestimmungen ist die nächste nothwendige Stufe. Pythagoras sagt: die Zahl ist das Wesen der Dinge, die ουσια, das Universum in seinen Bestimmungen ist ein harmonisches System von Zahlen. Hören wir dieß: die Natur der Dinge sei die Zahl, so kann uns dieß wundersam erscheinen. Es ist eine kühne Rede. Alles was der Vorstellung sonst gilt ist ihr niedergeschlagen. Alle Existenz, alles Sinnliche wird bei Seite gestellt, das Wesen als ein Unsinnliches aufgefaßt. Die Zahl ist nicht Sinnliches, wie wir es forderten, und sie bringt die Bestimmung sogleich mit sich. Aristoteles führt eine Stelle aus Plato an, wo die Nothwendigkeit dieses Fortgangs ausgedrückt ist. Plato sagte: das Mathematische seie zwischen dem Sinnlichen und zwischen dem Allgemeinen, den Ideen, es sei vom Sinnlichen dadurch verschieden, daß es unveränderlich sei, von der anderen Seite sei es von der Idee verschieden, weil von diesem Jedes für sich Eines sei, aber die Zahl ein immer wiederholbares. Das Eigenthümliche also der Zahl setzt Plato darin in der Mitte zwischen dem Sinnlichen und der Idee zu stehen. Anderwärts (im Leben des Pythagoras von Malchus (Porphyrius)) wird vom Pythagoras gesagt: “er habe den Gedanken von seiner Fessel des Sinnlichen gelößt, denn ohne den Gedanken sei nichts zu erkennen, weil ohne ihn die Empfindung herrscht, der Gedanke hört alles in sich, das Gedankenlose ist blind und lahm.” Er hat also kein Sinnliches mehr zum Prinzip angenommen. Porphyrius sagt dieß. “Pythagoras” fährt er fort, “bediente sich zur Erziehung des Mathematischen als des Mittleren zwischen der Idee und dem Sinnlichen. Die Pythagoraeer heißt es anderseits (Malchus führt es in einer Stelle aus einem Ältern, Moderatus an:) weil die Pythagoraeer nicht den reinen Ge-

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 –7  Was nun … Stufe.] Hu: Was seine philosophie anbetrifft: Wir werden dabey einen Unter- 85Hu 79. 44 1 schied machen zwischen dem was pythagoras sagte und die pythagoreaer. (Absatz) Das Absolute 30 nach den pythagoraern soll aufgefa st werden nicht in einer Natürlichen Form – und dieses ist der Gedanken. Das weitere ist dass man die Unterschiede gesetzt hat. Dieses Abstreifen der Natur Form und die Bestimmung der Unterschiede kommt den pithagoraern zu. 1 7  sei 2 nachtr. über der Zeile­  ­18 sich] folgt nachtr. gestr: nicht­   wiederholbares nachtr. aus wiederholtes­  ­ 20–21 (im Leben … (Porphyrius)) nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­22–24 gelößt, denn … 35 lahm.”] (1) gelößt. (2) gelößt, (Komma nachtr. aus Punkt) (denn ohne d. Gdken sei nichts zu erkennen, weil ohne ihn die Empfindg herrscht, der Gedanke hört alles in sich, das Gedankenlose ist blind u lahm.” nachtr. über der Zeile und am rechten Seitenrande mit Einfügungszeichen)­  ­26 zur Erziehung … Mathematischen] (1) d. Zahl (2) 〈〈 d.〉〉 〈 Zahl〉 (zr Erziehg d Mathemaishen nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen)­  ­27–28 (Malchus führt … an:) nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen; Ms: ei- 40 nen Ältern (ohne Umlautpunkte)

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danken zu fassen vermochten | ergriffen die Zahl. Aber diese Weise des Ausdrucks ist verloren gegangen des Räthselhaften Willen. Platon und Aristoteles haben die Früchte gestohlen, die ihnen durch die Arbeit der früheren dargebracht waren.” In diesen Stellen ist vollkommenes Bewußtsein über die Natur der Zahl vorhanden. Die Zahl ist nicht mehr sinnlich, sondern der Gedanke, aber der Gedanke in seiner vollkommenen Äußerlichkeit, in der Weise des gleichgültigen Unterschiedes, indem an das Eins auf mechanische Weise ein Anderes hinzukommt. Es ist also ein Anfang des Gedankens, aber noch nicht der Gedanke für sich. Und es ist ein Grundloses Vorurtheil als seien Zahlen und Figuren fähig die Gedanken auszudrücken. – Das Nähere nun sind die Bedeutung der Zahl, daß sie die ουσια der Dinge selbst ist, nicht daß wir sie als Formen zu nehmen haben, sondern das Unsinnliche ist als die substanz der Dinge ausgesagt. Die erste Bestimmung nun ist die Einheit überhaupt, die Andere die Zweiheit. Es ist darum zu thun überhaupt die unendliche Mannigfaltigkeit zu vereinfachen auf ihre letzten Unterschiede. Und diese Bestimmungen sind es denn, welche festgesetzt werden sollen. Damit macht die Pythagoraeische Philosophie den Anfang. Deshalb haben sie den Zahlen eine concretere Bedeutung gegeben und dieß ist die spätere Entwicklung. Dabei ist zu bemerken, daß keine Nothwendigkeit des Fortgangs zu suchen ist, nicht warum mit dem Eins angefangen wird, und wie vom Einem zu Unterschieden fortgegangen werde. Ein Begreifen von der Nothwendigkeit solcher Unterschiede haben wir nicht zu suchen, sondern es ist hier nur ein unmittelbares Festsetzen der Bestimmungen. Sie sind daher Proceßlos, ruhend. Die erste Bestimmung ist das Eins, Einheit, denn sagten die Pythagoraeer: durch Theilnahme hieran sind alle Dinge Eins. Dieß ist ihr allgemeines Wesen, und es ist nur eine Einheit, die vielfachen Dinge sind Eins, insofern sie an der Einheit Theilnehmen. Das Verhältniß der Einheit zu den Concreten Dingen haben die Pythagoraeer als Nachahmung bestimmt. Aristoteles sagt Plato habe dafür | Theilnahme gesetzt Das Nächste nun gegen dieses Eine ist der Unterschied überhaupt, der ganz unmittelbare Unterschied. Diese Bestimmungen hat Pythagoras den Menschen aufgestellt. Der Gegensatz ist ihm die Zweiheit, die unbestimmte Zweiheit, wie die Einheit noch nicht bestimmt ist. Die Zweiheit nun ist es, durch die Theilnahme an welcher die Dinge verschieden sind.

21–23  sondern es … ruhend.] Hu: Wir koennen nur die Bestimmungen auf dogmatische weise auffa sen. Diese sind proce slo s – nicht Lebendige.­  ­28 gesetzt.] Hu: ausgedrückt. (μίμησις.)­   35 ­32 sind.] Hu: sind (μετεξις) 2 –4  gegangen des … waren.”] (1) gegangen. (2) gegangen〈〈 .〉〉 (des Räthselhaften willen. Platon u Aristoteles haben die Früchte gestohlen, die ihnen durh d Arbeit d. früheren dargebracht waren.” nachtr. am linken Seitenrande mit Verweis- und Einfügungszeichen)­  ­6 Äußerlichkeit,] (1) Äußerlichkt. Ja (2) Äußerlichkt, (Komma nachtr. aus Punkt)­  ­13 nun nachtr. über der Zeile

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Die Bedeutung der Zahlen ist daß sie das Wesen der Dinge seien. Das Unsinnliche als solches also ist jetzt das Absolute.

Bestimmungen der Zahl. Sie sind kein nothwendiger Fortgang, sondern ein nur unmittelbares Hervorgehen.

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532 a. Die Elemente der Zahl Das Gerade und das Ungerade. b. Die Einheit Beider. α. als Einheit; die μονας. β. als Zweiheit die δυας Exposition dieser Bestimmungen von einem Pythagoraeer: Die Weisen der Dinge seien Verschiedenheit Gegensatz Verhältniß

In diesen wäre die Gattung: im Verschiedenen die Einheit im Entgegengesetzten das Gleiche und Ungleiche im Verhältniß das Mehr und Weniger

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Alle bestimmte Dinge durch die Theilnahme an der Zweiheit verschieden. Aristoteles drückt sich über die Zahl so aus: “Die Elemente der Zahl die μονας und δυας sind noch keine Zahlen[.] Die Elemente sagten die Pythagoraeer seien das Ungerade und Gerade, das Gerade das begrenzende das Ungerade die Unbegrenzte, die Einheit sei aus beidem entstanden, denn es mache Gerade und 5 Ungerade”. “Die Einheit in der Identität mit sich selbst gedacht ist die Monas, wenn sie sich mit sich in Verschiedenheit hinzugefügt wird so entsteht die unbestimmte Zweiheit.” Dieß nun sind hier die Götter. Besonders von den Späteren ist viel Trübes von den Pythagoraeern erzählt, die ältesten Quellen sind Aristoteles und Sextus Empiricus. Dieser spricht gegen eine Exposition die sehr ausführ- 10 lich ist und den späteren Pythagoraeern angehört. Sie hat den Zweck zu zeigen, daß auf diese Prinzipien der Einheit und Zweiheit alles müsse zurückgeführt werden. Die Exposition geht folgenden Gang, die Pythagoraeer sagten: Es giebt 3lei Weisen der Dinge: die Verschiedenheit, der Gegensatz und das Verhältniß. Was nach der bloßen Verschiedenheit betrachtet wird, wird für sich selbst 15 betrachtet, jedes für sich. Dieß sind die subjecte. Nach dem Gegensatz ist jedes schlechthin dem Anderen entgegengesetzt. Die dritte Weise ist das Verhältniß, die Beziehung des Einen auf das Andere, wie oben und unten. Eins wird nur aus dem Anderen verstanden. Im Gegensatze sagt er ist der Untergang des Einen das Entstehen des anderen. | Mit der Bewegung geht die Ruhe unter. Aber beim 36vHo Verhältniß geht mit dem Einen, das Andere zu Grunde. Was im Gegensatze ist, hat keine Mitte, doch zwischen dem sich Verhaltenden ist eine Mitte.” Ueber jede Weise muß eine Gattung stehen, sagt nun der Pythagoraeer, den Sextus Em –5 Die Elemente … Unbegrenzte,] Hu: Die pythagoreaer sollen gesagt haben: dass die Zahl das 3 grade des ungraden ist – es ist das begraenzte und unbegraenzte.­  ­17 dem Anderen entgegenge- 25 setzt.] Hu: ein den andern entgegengesetztes wie Gute und Boese­  ­18 wie oben … unten.] Hu: – rechts und links –­  ­19–20 Im Gegensatze … anderen.] Hu: Im Gegensatz ist das Entstehen | des 88 Hu Einen und Untergang des Andern – wenn Krankheit auf hoert entsteht die Gesundheit – was aber in Verhaeltni se stehet, wird beydes zusammen aufgehoben und gesetzt, so wenn das Linke aufgehoben wird so wird auch das Rechte aufgehoben. 30 4  begrenzende nachtr. aus begrenzte­  ­5 die Einheit] (1) das Eins (2) die (nachtr. über gestr. das) Eins (als Zahl nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen) (3) die Einht (nachtr. aus Eins)­  ­6 “Die Einheit] (1) Ueber die Zweiht sagt Sextus Empiricus: Die Zweiht (2) Die Monas (nachtr. über gestr. Zweiht) (3) “ (nachtr. vor der Zeile) Die Einheit (nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen)­  ­10–11 Dieser spricht … angehört.] (1) Eine Exposition des sextus u Emp. ist sehr ausführlich u gehört den 35 spätern Pyth. an. (2) ( Dsr spricht gegen eine nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen) Exposition die (nachtr. über der Zeile) sehr ausführlich ist (nachtr. über der Zeile) u den spätern Pyth. an〈〈 .〉〉(gehört. nachtr. über der Zeile)­  ­13 die Pythagoraeer sagten] (1) er sagte (2) (die Pyth nachtr. über der Zeile) sagten (nachtr. aus sagte)­  ­15 wird nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­16 betrachtet nachtr. über gestr. gesetzt­  ­22–23 Ueber jede … nun] (1) Diese 3 Gattgen von Verhältissen legt (2) 40 (Ueber jede Weise 〈 dsr〉 nachtr. über der Zeile) (muß eine Gattg stehn, nachtr. unter der Zeile) (sagt nun nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen)

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piricus vor sich hat, aus. Als das Oberste haben die Pythagoraeer das Eine gesetzt, als die Gattung der subjecte. Die Verschiedenheit hat zu ihrer Gattung das Eine. Die Entgegensetzung hat das Gleiche und Ungleiche zur Gattung. Was aber im Verhältnisse steht, dessen Gattung ist der Ueberschuß und Mangel, das Mehr und Weniger. Diese Gattungen werden nun in noch abstractere Denkbestimmungen reducirt auf die der Einheit; das Eins ist das Erste, mit ihm ist paralell das Gleiche, die Ungleichheit, das Mehr und Weniger ist die Unterschiedenheit, die unbestimmte Zweiheit. Das Weitere nun ist daß die Einheit und die Zweiheit verbunden werden zur Trias. Sie ist das erste Vollkommene. Diese abstracten Formen nun sind später concreter ausgeführt. Es kann über diese Art und Weise Folgendes gesagt werden: Das Erste war die Monas, diese nannten sie den Gott, Geist, auch den Hermaphroditen, die οὐσια, Vernunft, Jupiter das Chaos, den Tartaros. Die Duas ist concreter als die Materie genommen, die Isis, das Erzeugen der Streit, das Ungleiche. Die Trias ist denn als sehr wichtig erschienen. Schon Aristoteles sagt: “Das Körperliche hat 3 Dimensionen, und darum sagen die Pythagoraeer alles sei ein Drei, Ende Mitte und Anfang. Erst bei dem dreimaligen Anrufen der Götter meinen wir, wir hätten sie ganz gesagt.” Das Drei enthält das Eins, das Moment der Sichselbstgleichheit und die Verschiedenheit der Mannigfaltigkeit. Nehmen wir es aber als Zahl so ist hier die Einheit die schlechteste, nehmlich die äußerliche der Zusammensetzung. Das Große aber ist die Bestimmung der Dreiheit überhaupt herauszuheben, welche Plato wieder aufnahm, und die christliche Religion und Kant dann zunächst. | Nach der Drei nun kommt die τετρας die Vierheit. Sie hat deshalb die hohe Würde gehabt weil sie was die trias ist, und zwar noch auf bestimmtere Weise nehmlich die Zweiheit als sich selbst gleichgesetzt, die Zweiheit also als Einheit mit sich selbst. Die tetras wurde nun als τετρακτυς in noch bestimmterer Form als die wirksame Vier bezeichnet. Die trias ist schon als gezählt schon das vierte Moment, die τετρακτυς ist diese wirksame 4. In einem Fragment eines Gedichts, das dem Empedokles zugeschrieben wird heißt es: “Wenn du dieß thust, so wird diese Lehre zur göttlichen Tugend dich führen, ich schwöre es bei dem, welcher unserem Geist die τετρακτυς gab, welche der Quell der ewigen Na-

3 Die Entgegensetzung … Gattung.] Hu: Was in Gegensatze ist, davon ist die Gattung das Gleiche und Ungleiche – Ruhe ist das Gleiche – Unruhe das Ungleiche.­  ­9–10 Diese abstracten … ausgeführt.] Hu: Diese Einfachen Formen – sind spaeter Concreter Geworden – meistens durch die 35 Neupithagoraeische philosophie. 4   steht nachtr. über gestr. dessen­  ­13 Vernunft, Jupiter nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­   als] Ms: 〈 als〉 genommen (nachtr. über der Zeile) inkonsequenter Überarbeitungsansatz­  ­14 genommen,] folgt nachtr. gestr: als­   der Streit, … Ungleiche nachtr. über der Zeile­  ­19 aber nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen

Die Gleichheit fiele wieder der Einheit zu; das Ungleiche, das Mehr und Weniger der Zweiheit, so wären Einheit und Zweiheit die letzten Bestimmungen.

γ. Die Einheit derEinheit und Zweiheit die τριας.

δ. Die Tetras als die sich selbst gleiche Zweiheit.

ε. Die τετρακτυς als die bethätigende vier.

e.) Concretere Bedeutung der Zahl besonders bey den Späteren.

534 ζ. Die δεκας.

Beispiele der Anwendung dieser abstracten Bestimmungen auf concretere. Das Verhältniß der Töne als Zahlenverhältniß.

γ.) Die Δεκας ist die entwikelte vier.

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tur und die Wurzel der Welt ist.” Die Wirksamkeit nun der Vier erscheint als δεκας. Haben wir nehmlich vier, so ist die Summe davon Zehn. Proclus ein späterer Neuplatoniker spricht von dieser δεκας so: “Die göttliche Zahl, Bestimmung geht fort (Entwicklung als das Geschehen) die Monas zur δυας ect. (das Wirken ist als Fortgehen ausgedrückt,) bis aus dem unentweihten Heiligthum 5 der Monas die göttliche τετρας kommt, welche die Mutter von allem ist, die alte Grenze, die Allem gesetzt ist, unermüdlich, sie nennen sie die heilige δεκας.” – Dieß sind die Grundformen der pythagoraeischen Zahlen. Wir sehen hieraus, daß die Pythagoraeer die Zahlen als das Wesen der Dinge ansahen, nicht als Eigenschaften, sondern sie sagen, die Zahlen selbst sind die substanz dessen, dem sie 10 praedicirt werden. “Die Zahlen sagt Aristoteles, gelten ihnen für die Dinge selbst, sie sind die Materie der Dinge.” Das Weitere wäre nun zu sehen wie die Pythagoraeer sich benahmen das concrete Universum aus diesen Zahlen abzuleiten, wie sie den Uebergang von diesem abstracten zum Concreten machen. Vollständig kann hier diese Darstellung nicht sein. | Was in Ansehung der Realität 37vHo den Zahlen am nächsten liegt, so ist dieß die Musik, das Harmonische ist hier durch Zahlen bestimmt, das Verhältniß der Töne beruht auf einem quantitativen Unterschied. Die Musik wurde deshalb viel von den Pythagoraeern getrieben. Pythagoras war der Erste, der einsah, daß die hörbaren Unterschiede auf Unterschieden der Größe beruhen. Man erzählt die Ambosschläge eines Schmidts ha- 20 ben ihn aufmerksam gemacht, er habe nach der Schwere der Hämmer verschiedene Töne zu hören geglaubt. Er habe sodann den Versuch an Saiten gemacht. Wir wissen noch itzt, daß die verschiedenen Töne einer Seite theils von der Länge, theils von der Dicke, theils von der Spannung der Saite abhängen. Pythagoras hat verschiedene Gewichte an dieselbe Saite gehängt und gefunden, 25 wenn eine Saite mit einem Gewicht einmal von 12 und dann von 6 gespannt war, so hat dieß den Einklang die platonische Octave διαπασιον gegeben, ein Gewicht von 8 (⅔) gab die Quinte, ein Gewicht von 9 gab die Quarte. Aus diesen Grundbestimmungen haben die Pythagoraeer sich in das weitere eingelassen. Aber 1–2 Die Wirksamkeit … Zehn.] Hu: Von der τετρακτυς gehen die pythagoraer zu der Zehne. Wenn 89 Hu 83 46 die τετρακτυς zur Wirklichkeit kommt kommt es zur Δεκας – 1 mit 2 ist 3 – 3 und 4 ist 10.­  ­4 (Entwicklung als … Geschehen)] Hu: (περιπατος die Entwickelung)­  ­ 4–5 zur δυας … ausgedrückt,)] Hu: zur Dias (Das Erschlaffen,)­  ­18 Die Musik … getrieben.] Hu: Deswegen die Musik als etwas paedagogisches bey den pythagoreaern gegolten hat.­  ­28 Quarte.] Hu: Quarte. In diesen Unterschied zeigen sich die Zahlen als das Herschende. 35 6  die1] zr­  ­11 Aristoteles] Arisotelels­  ­12 sie sind die nachtr. über gestr. ist d.­  ­20 Schmidts] sc. Schmiedes­  ­22 verschiedene Töne … geglaubt nachtr. über gestr. d. musikalischen Verhältnsse bestimmt­  sodann] (1) dann auch (2) sodann (nachtr. aus dann)­  ­26 einmal nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­   dann von nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­29 in das weitere] (1) weiter (2) (in d. nachtr. über der Zeile) weitere (nachtr. aus weiter)­  ­30  τετρακτυς] ϑετρακτις­  ­ 40 31 τετρακτυς] ϑετρακτις­  ­33 Deswegen] Deswegen war

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ein ganz Anderes ist es, wenn weiter auf das Concretere übergegangen wird. Da erhellt denn sogleich die Abstraction der Zahlenbestimmungen. Aristoteles sagt: “Die Pythagoraeer betrachteten alles als Zahl: “Die Gerechtigkeit sei eine gerade Zahl, die immer mit sich selbst multiplicirt dasselbe blieb.” Sie ist freilich das sich Erhaltende, Festbleibende, aber sie ist viel concreter. Aristoteles fährt dann fort: “alle Bestimmungen der Natur, des Himmels und der Erde brachten sie unter die Zahl und wo es nicht paßte suchten sie sich anders zu helfen. Sie sagten zB. es seien 10 Sphären, und da nur 9 sichtbar waren, so seie die 10te die Gegenerde, ἀντιχϑων. Die 9 Sphären sind Mars, Venus Mercur, Saturn Jupiter, die Erde, die Sonne der Mond, die Milchstraße[.] | In die Mitte setzten sie das Feuer, die Erde als ein sich um das Centralfeuer bewegendes; sie folgten dabei nicht den Sinnen, sondern Gründen, das Feuer nannten sie den Wagen des Zeus. Sich bewegend tönten die Gestirne nach ihrer Größe, nach harmonischen Bestimmungen des Tönens, wodurch ein Weltchoral entstand.” Darin lag die Grundbestimmung, es sei das Verhältniß der Sphären ein nothwendig bestimmtes Ganze entsprechend den bestimmenden Zahlen. Der Gedanke von dem vernünftigen Ganzen des Sonnensystems ist also alt. Man kennt aber das Verhältniß der Zahlen, das Harmonische der Planeten und der Sonne und Monde noch nicht. – Die späteren Pythagoraeer nun haben sich nicht abstract mit den Zahlen beschäftigt, sondern haben auch die allgemeinen Denkbestimmungen, die allgemeinen Kathegorien aufgesucht, die Bestimmungen, des Geraden und Ungeraden, Gleichen und Ungleichen. Es ist nöthig, daß zunächst nur eine Sammlung der Denkbestimmungen gemacht werde. Dem Pythagoras und Alkmaeon wird zugeschrieben 10 allgemeine Gegensätze angegeben zu haben, auf welche sich der Unterschied aller Dinge reducire. Es sind folgende: Grenze und Unbegrenzung, das Gerade und Ungerade, Einheit und Vielheit, Rechts und Links, das Männliche und Weibliche, das Ruhende und Bewegte, das Gerade und Krumme, das Licht und die Finsterniß, Gute und Böse, das Quadrat und Parallelogram. Es ist dieß ein Beginn die Denkbestimmungen aufzusuchen. Wie denn die Pythagoraeer mit den Zahlen in Betreff auf das natürliche verfuhren, so verfuhren sie auch mit dem Geistigen: der νοῦς sei das Eins, das Erkennen das 2, die Zahl der Fläche sei die

3–4 gerade Zahl,] Hu: grade Zahl – die Trias. Dasselbe war mit der Vernunft. Woraus hervorgeht dass diese Bestimmungen das mit sich Gleiche wahren – aber eben das reicht nicht zur Erschoe­ 35 pfung der Gegenstaende.­  ­23 Ungleichen.] Hu: Ungleichen – Begraenzten und Unbegraenzten.­  ­32 das Erkennen] Hu: Das Wi sen, Erkennen 3  sei nachtr. über der Zeile­  ­8 10te] 10te war­  ­10 Mercur nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­   Jupiter nachtr. über der Zeile­  ­11  Erde als] (1) Erde, (2) Erde als (nachtr. über gestr. Komma)­  ­14 die Gestirne nachtr. mit Einfügungszeichen über gestr. sie­  ­18 aber nachtr. über der Zeile

Das Verhältniß der himmlischen Körper.

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Die späteren Pythagoraeer suchten auch die allgemeinen Denkbestimmungen auf Sie fanden: 1. die Grenze und das Unbegrenzte 2. das Grade und Ungerade 3 Einheit und Vielheit 4. Rechts und Links. 5. das Männliche und Weibliche 6. das Ruhende und Bewegte 7. das Gerade und Krumme 8. das Lichte und Finstere 9. das Gute und Böse 10. das Quadrat und Paralellogram Anwendung der Zahlen auf Bestimmungen des Geistes.

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Meinung, das Sinnliche, das Körperliche die 4. Alle diese werden durch den νους, durch die wissenschaftliche Betrachtung, die Meinung, die Empfindung erkannt. Die Seele indem sie sich in sich selbst bewege, so sei sie die sich selbst bewegende Zahl. | Aristoteles sagt noch von der Vorstellung der Pythagoraeer von der Seele die merkwürdig ist, weil sie im Timaeus vorkommt: “Die Seele bewege sich selbst und deshalb auch den Körper, bestehe aus den Elementen und seie dann in sich verschieden nach den harmonischen Zahlen, damit sie Empfindung und in sich wohnende Harmonie haben. Diese Harmonie sei eine eingeborene, damit das Ganze einklingend wohlklinge. Die gerade Linie sei in einem Kreis umgebogen, aus dem ganzen Kreise seien wieder 2 Kreise abgetheilt, welche an 2 Punkten zusammenhingen, und der eine Kreis sei wieder in 7 Kreise getheilt, damit die Seele ebenso harmonisch in sich bestimmt sei als die Harmonie des Himmels.” Diese Vorstellungen haben ein tiefes Bewußtsein der Einheit des ganzen in sich unterschiedenen Systems und nur die Formen sind unpassend. Nach dem pythagoraeischen Mythus fährt Aristoteles fort: “nähme die zufällige Seele den zufälligen Körper an. Dieß ist so gut (meint er) als sagten sie es gebrauche die Baukunst zu Werkzeugen Flöten. Jede Kunst aber muß ihre eigene Werkzeuge haben, und kann keine zufällige gebrauchen.” Der pythagoraeische Mythus rührt von der Vorstellung der Seelenwanderung her. Die Pythagoraeer hatten auch eine practische Philosophie. Aristoteles sagt: “Pythagoras versucht zuerst von der Tugend zu sprechen, doch sie auf die Zahl zurückführend, sprach er nicht wahrhaft von ihr.” In Ansehung des Sittlichen bemerkten wir schon, daß Pythagoras ein eigenes sittliches Institut gründete. Man erzählt: ein Vater habe den Pythagoras gefragt, wie sein Sohn könne am besten erzogen werden, Pythagoras habe geantwortet: wenn er zu einem Bürger eines Staates von guten Gesetzen gemacht werde. Dieß ist richtiger als Manches Neuere, das dahin abzweckt von der Zeit sich abzusondern. Pythagoras sagt: der Mensch wird erzogen durch seinen Staat; seinem Staat müsse der Mensch sich anbilden, er sei eine Macht, der er willkührlich | sich nicht entziehen könne. Dann sind dem Pythagoras auch wissenschaftliche Erfindungen zugeschrieben; der Pythagoraeische Lehrsatz zB. nach dessen Finden er eine Hecatombe an einem Fest

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   Meinung] Hu: Vorstellung­  ­2 die Empfindung] Hu: das Empfinden. νοῦς ist reines Denken; 1 Erkennen hat es schon mit andern zu thun.­  ­22 sprach er … ihr.] Hu: konnte er sie gehörig nicht bestimmen – Die pythagoreaer nahmen 10 Tugenden an. 4 von1 nachtr. über gestr. üb­  ­9 damit] damit ist­  ­16 (meint er) nachtr. über der Zeile­   sie es nachtr. 35 über gestr. als­  ­17 zu Werkzeugen nachtr. über der Zeile­  ­31 dessen Finden nachtr. über gestr. welchem­  ­32–33 Denken; Erkennen … thun.] reines Denken; Erkennen hat es schon mit andern zu thun. am Rande mit Verweiszeichen

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opferte. Die Findung eines reinen Verhältnisses durch den Gedanken wird hier zuerst als von so hoher Wichtigkeit zu sein angesehen. Das Nächste nun, das Dritte, ist die Eleatische Schule. Bei den Ioniern sehen wir das Absolute in materieller Bestimmung, bei Pythagoras ward es als Zahlenbestimmung gefaßt, welche abstracte Äußerlichkeit ist. Der nächste Schritt ist die freie Form des Gedankens. Diesen Schritt thaten die Eleaten, welche sagten, das Absolute sei das Eine, nicht das Sinnliche, sondern das Nomene, das Sein, nur der Gedanke sei und das Andere gar nicht. Zu dieser Schule gehört Xenophanes, Melissus, Parmenides und Zeno. Aristoteles characterisirt sie so: “Xenophanes welcher zuerst den Satz der eleatischen Schule aussprach, sprach nichts deutlich aus und erst Parmenides kommt zu bestimmtem Begriff.” Zeno bildete die Dialektik aus. Xenophanes’ Geburts- und Todesjahr läßt sich nicht bestimmen, doch hat er noch einerseits Anaximander erlebt, anderseits die medischen Kriege. Sein Vaterland Colophon bei Ephesus in Klein-Asien verließ er und begab sich nach Zante und hielt sich auch in Catane in Großgriechenland auf; ob er in Elea war, findet sich nicht. Noch unbestimmter sind die Nachrichten über Melissus, er war aus samos: Aristoteles spricht nur allgemein von ihm, er habe das Eine mehr noch in der Form der Materie bestimmt. Parmenides ist die ausgezeichneteste Figur, er lebte in Elea, von einem reichen, angesehenem Geschlechte abstammend. Sein Geburtsjahr und Todesjahr ist nicht genau bekannt. Xenophanes war arm und über 100 Jahr alt. Parmenides wird als sein Schüler ausgegeben, Aristoteles führt es als Sage an, Plato sagt: Sokrates als junger Mann habe mit Parmenides als Greis gesprochen. Dieß ist ein Datum was keine Widersprüche herbeiführt. | Plato hat einen Dialog Parmenides genannt, dessen Inhalt aber durch seine gebildetere Dialektik dem Plato selbst angehört. Der Wohlstand der Eleaten wird den guten Gesetzen des Parmenides zugeschrieben. Plato läßt den socrates sagen bei der Aufforderung der Prüfung des eleatischen Systems: “er scheue sich nicht den Melissus hart mitzunehmen, aber mehr den Parmenides, denn dieser scheine ihm ehrwürdig und mächtig.” – Zeno lebte bei Parmenides, der ihn als Sohn annahm. Von diesen Beiden hat diese Weise des Philosophirens auch den Namen der Eleatischen Schule erhalten. Zeno soll sein Leben durch einen Tyrannen in sicilien verloren haben; die Geschichte ist unbestimmt, Ort Scene und Name des Tyrannen wird nicht angegeben. Zeno habe sein Leben für sein Vaterland aufge14  verließ er] Hu: hat er verla sen – die Veranla sung weis man nicht­  ­28–29 denn dieser …

35 mächtig.] Hu: Ein parmenides Leben war ein sittliches Leben. plato sagt dass parmenides ein ehr-

würdiger Mensch war. 2  als nachtr. über der Zeile­  ­6 welche] welche sie­  ­7 Nomene] sc. νοούμενον­  ­14 er nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­   Zante] sc. Zankle (Ζάνκλη)­  ­15 hielt sich auch nachtr. über der Zeile­  ­17 ihm,] folgt nachtr. gestr: auch­  ­33 angegeben nachtr. aus angenommen

3. Die Eleaten. Den Uebergang macht die Nothwendigkeit, daß der Gedanke sich in seiner eigenen Form erfaßt, wie auch bei den späteren Pythagoraeern selbst der Gedanke als solcher aufgetreten ist aber nicht in der Bestimmung des Absoluten. a. Die abstracten Bestimmungen. Biographie der Eleaten Xenophanes Melissus. Parmenides.

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Zeno.

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Die Philosophie der Eleaten. Xenophanes sagte: das Absolute sei das Eine Unsinnliche.

Damit zusammen hängt die Dialektik alles Endlichen.

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Parmenides sagte: Nur das Sein sei das absolute, alles Andere sei nicht

(:ἀειδιος sempiternus:) b.) philosophie des parmenides.

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opfert. Der Tyrann habe ihn ausgefragt, wer seine Feinde seien, Zeno habe die Freunde des Tyrannen genannt ect. Dieß sind die Lebensumstände. Was nun Xenophanes betrifft, so bestimmte er das Absolute als das unsinnliche Eine, das unveränderliche, ohne Anfang und Ende, das unbewegt sei. Damit muß der nähere Sinn verbunden werden, alle Bestimmungen von Vergehen ect. gehören nur der Meinung, der erscheinenden Welt an. Es giebt Vergehen und Entstehen, aber es gehört den Sinnlichen Vorstellungen an. Nach dem Sinn der Eleaten haben solche Vorstellungen keine Wahrheit, sondern nur das Eine i s t . Die Dialektik hängt mit dieser Bestimmung genau zusammen, denn sie bewiesen näher durch sie, daß eben alle dergleichen Bestimmungen sich auf heben, nicht sind, sich widersprechen. Von Xenophanes sind uns mehrere Distichen erhalten. Die älteren Philosophen nehmlich schrieben in Versen. Wir haben eine Schrift des Aristoteles welche von Xenophanes, Zeno und Gorgias handelt, doch weiß man nicht ob das Raisonement darin von Xenophanes selbst sei. Er sagt darin: “was ist, ist ewig, | unsinnlich, nicht entstanden, entstünde es, so entstünde es aus dem Nichts oder Sein. Aus dem Nichts kann nur nichts werden, ebenso entsteht aus Seienden das Seiende nicht, denn es ist schon. Wäre nur Einiges das Seiende, aus welchem das Uebrige entstünde, so würde bei solcher Annahme folgen, daß dieß Eine, woraus das Andere entstünde größer würde. Aber das Mehrere würde so aus dem Nichts seiner selbst entstehen, denn ein Weniger ist nicht sein Mehr, im Kleineren nicht das Grössere enthalten.” – Die allgemeine Manier also ist, daß wenn von Entstehen gesprochen wird, so entstünde ein Widerspruch. Diesem Wahren setzt Xenophanes bereits die Meinung entgegen, und auf die Seite tritt die Veränderung ect. Parmenides nun ist besonders der, welcher als Stifter dieser Schule auftritt. Seine Fragmente sind größer. Herr Professor Brandis hat sie gesammelt: Commentationes eleaticae. Sextus Empiricus hat uns ein Fragment des Parmenides bewahrt, dessen Eingang allegorisch ist. Parmenides sagt: die Töchter des Helios hätten ihn aus der Wohnung der Nacht zum Lichte geführt, den Schleier gelüftet, die Thore haben sich geöffnet, und Roß und Wagen habe Dike durch die offenen Pforten getrieben. Die Göttinn selbst habe gesprochen: ect – “In einem anderen Fragmente sagt die Göttinn, der Weg der Wahrheit sei: daß nur das Sein sei, und nicht das Nichtsein. Der andere Weg sei: das Nichtsein sei. Daß das Nichts für das Wahre gehalten werde, sei der Irr­

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15 unsinnlich] Hu: unsinnlich αἶδιον­  ­24 Seite] Hu: Seite der Meinung ­  ­27 bewahrt,] Hu: er- 96 Hu halten. Es ist ein Gedicht περι ϕυσεως. (Die Werke des Heraklits hatten diesen Überschrifft) 5  werden,] folgt nachtr. gestr: wie man sich ausdrükt,­  ­7 den] denn­  ­13 handelt nachtr. über gestr. enthält­  ­14 selbst nachtr. über der Zeile­  ­15 entstanden] mit Umlautpunkten­  ­25 auftritt nachtr. über gestr. ist­  ­32 daß] das­   Weg nachtr. über der Zeile­  ­33 gehalten werde nachtr. über gestr. sei

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thum, der die unglücklichen Sterblichen verführe.” Der Gedanke ist: nur das Sein sei, und das Nichts gar nicht. Von diesem Sein heißt es es sei i t z t , e i n Zusammenhang, e i n e Nothwendigkeit, nirgend mehr noch weniger, allein voll vom Sein, unbegrenzt, fest in den Banden der einen Nothwendigkeit gehalten. Dieß Sein ist nicht das Unbestimmte, sondern in den Schranken der Nothwendigkeit gehalten, | es ist absolut begrenzt von der αναγκη, δικη. Hiemit können wir sagen habe die Erhebung in das Reich des Ideellen begonnen: der Mensch reißt sich von allem, was sonst als Wahres gilt, los, und sagt nur das Sein, nur die Nothwendigkeit ist das Wahre. Damit ist die Dialektik aller anderen Bestimmungen verbunden. Dieß zeigten die Eleaten so auf, daß alles in sich Widersprechend sei. Ihr Satz war nur das Eine sei, und die anderen Bestimmungen hätten keine Wahrheit. Diese Dialektik derselben hebt Zeno heraus. Sein Hauptsatz ist, es sei kein Entstehen und Vergehen, denn das Entstandene müßte aus dem Gleichen oder Ungleichen entstehen, aus dem Gleichen kann es nicht entstehen, weil es als demselben gleich, schon wäre und nicht zu entstehen brauchte. Dem Einen Gleichen und dem Anderen käme nicht mehr die Bestimmung des Erzeugens als des Erzeugtwerdens zu. Eine Bestimmung wäre mit der anderen bei den Gleichen. Aus dem Ungleichen könne kein Entstehen sein, weil dann aus dem Schwächeren das Stärkeren käme ect. Dasselbe ist es mit der Einheit Gottes. Wären Andere, so wäre er nicht mächtig über sie, und fehlte ihm die Macht über die Anderen so wäre er nicht Gott, wären Mehrere so wären sie mächtigere und schwächere, so käme ihnen das Praedicat G o t t zu sein nicht zu, wären sie gleich, wären sie gegeneinander nicht verschieden, und so mit wäre nur das Eine gesetzt. Bei Zeno heißt es dann weiter: wäre Gott Einer, so sieht und hört er allenthalben und hat überall Empfindung, dieß ist der Pantheïsmus. Wäre dieß nicht so würden die Theile Gottes übereinander mächtig sein, Vorzüge haben, was unmöglich. Dieß ist eine Vorstellung die auch bei Parmenides vorkommt, der Gott sei als der Eine sich selbst gleiche die Kugel, rund, und deshalb weder begrenzt noch unbegrenzt. Das Unbestimmte hätte weder Anfang, Mitte noch Ende. Damit wäre der Gott das Negative, nicht seiende, nichtbestimmte, und nicht das Seiende. Begrenzung würde statt finden wäre Begrenzung, als ei-

Das Nichtsein für das Absolute zu halten sei der Irrthum. Das Sein sei das schlechthin Bestimmte, Nothwendige.

18–20 Aus dem … Gottes.] Hu: Da selbe ist mit den Ungleichen. Also es ist kein Entstehen – das ist der pantheismus – auch zugleich der Spinozismus Ein ferneres Raesonement ist die Einheit Gottes –­  ­31.540,1  Begrenzung würde … unbewegt.] Hu: Begrenzung wurde Statt finden wenn mehrere waeren – Er bewegt sich weder, weder bewegt sich nicht. Unbewegt ist negativ – bewegt setzt eine Mehrheit voraus.

97Hu 71 50

13  Entstandene] mit Umlautpunkten­  ­15 entstehen nachtr. aus geshehn­  ­15–16 und nicht … brauchte nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­16 Einen nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­   und 40 dem Anderen nachtr. über der Zeile­  ­22 zu 2 nachtr. über der Zeile­  ­26 würden nachtr. aus wären

40 vHo

Die Dialektik alles Endlichen bildete vornehmlich Zeno aus. Beispiele. am Vergehen und Entstehen.

an Gott.

2.) Einheit Gottes: er ist weder begraenzt noch unbegraenzt.

540 41rHo Das Prinzip dieser Dialektik in ihrer subjectiven Form ist a die Verstandesidentität b. das Voraussetzen für fest geltender Bestimmungen und das Folgern aus ihnen ohne Prüfung ihrer selbst. c. das Sein als das abstract-positive zu nehmen und daher alle negative Bestimmungen zu entfernen. Ebenso aber begann bei den Eleaten auch die objective Dialektik.

Sie besteht in der Betrachtung des Gegenstandes in seinen Anundfürsichsein ohne Voraussetzung ohne Gründe anzunehmen. Ferner in der Aufzeigung seiner inneren sich widersprechenden Bestimmungen.

Diese Dialektik ist abstrakte Verstandes Identitaet.

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nes wird das Eine nicht begrenzt; | es ist weder bewegt noch unbewegt. Dieß sind Weisen der eleatischen Dialecktik. Wir sehen darin ein metaphysisches Raesonnement. In allem diesem liegt das Prinzip der Identität zu Grunde, das Nichts geht nicht in das Entgegengesetzte über; das Seiende ist das Seiende und das Nichtseiende, das Nichtseiende. Beide sind nicht in Einem gefaßt. Darin 5 liegt also das Prinzip des Verstandes, des Sichselbstgleichen, das Eine ist diese Abstraction. Nothwendig ist es zu dieser großen Bestimmung des Einen zu kommen, doch dabei stehengeblieben ist es das Abstracte. Eine andere Art ist dann ferner diese, daß eine Voraussetzung gemacht wird, und daß daraus Consequenzen gezogen werden. Wir haben in unserem Bewußtsein solche letzte Bestimmungen, 10 die für fest gelten. Eine dritte Weise ist, daß wird vom Seienden gesprochen, daß es als nur positiv gefaßt ist, und alle Bestimmungen, die negativ sind, entfernt werden. Diese weisen nun sind das gewöhnliche verständige Räsonnement. Die objective Dialektik finden wir aber gleichfalls bei Zeno, besonders in einem concreten Beispiel in der Betrachtung der Bewegung. Besonders in Plato’s Parmenides 15 ist sie gut vorgestellt. Er läßt den socrates sagen: daß Zeno in seiner Schrift im Grunde dasselbe sage, daß alles Eines sei, doch nähme er dabei eine Wendung, durch welche er etwas Neues zu sagen scheinen wolle. Parmenides zeige daß alles Eins sei, Zeno daß Vieles nicht sei. Zeno antwortet: er habe dieß geschrieben, um die abzufertigen, welche den Satz des Parmenides wollten lächerlich 20 machen, indem sie zeigen, in welche Widersprüche er sich verwickle, er habe also gegen die Gesprochen, welche vom Vielen sagten es sei. Hierin liegt denn die nähere Bestimmung was die objective Dialektik sei, welche bei den Eleaten begann. Sie besteht darin, daß ein Gegenstand für sich vorgenommen wird, ohne Voraussetzung, ohne Gründe | und daß man ihn dann betrachtet und 41vHo zeigt, daß dieser Gegenstand sich auflöse. Diese Dialektik finden wir bei den Alten, die subjective ist die, welche Voraussetzungen macht, und dann wenn sie 5 Beide sind … gefaßt.] Hu: Aus den Gleichen kann nichts entstehen – eins ist nicht das erzeugte das andere das erzeugente – so sagte man –­  ­8–13 Eine andere … Räsonnement.] Hu: Es ist eine 99 Hu 93. 51 Voraussetzung gemacht – nach welcher andere praedicate negirt werden. Diese Vorau setzung ist 30 dass Gott der Allmaechtige ist. Es ist die leichteste weise des Rae onirens – man kann auf diesen wege leicht Gründe finden. (Absatz) Wenn man von den Seyenden spricht – so schlie st man davon alle Negation aus – denn man hat schon vorausgesetzt dass das Seyende nur positiv ist. Diese weise des Raesonirens leuchtet am meistens vor bey der Betrachtung Gottes als des Allmaechtigsten.­  ­ 21–22 er habe … sei.] Hu: er hat also diejenigen bekaempft die von den Vielen das Seyn au sagen – 35 um zu zeigen dass hieraus viel ungereimteres folge als aus den Satz des parmenides.­  ­25 ohne Voraussetzung] Hu: ohne Voraussetzung z. B. Staat, Bewegung­   ­27.541,1 und dann … will.] Hu: Die gewöhnliche Dialektik macht einen Mittelweg. 3  Raesonnement] mit Umlautpunkten­  ­21 in nachtr. über der Zeile­  ­24 für sich nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen 40

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billig ist, die Gegensätze vermischen will. Die wahrhafte Dialektik läßt gar nichts an ihrem Gegenstande übrig, sondern zeigt ihn als in seiner Natur sich selbst auflösend auf. Das Nächste das Resultat ist die Null der Auflösung, wie von dieser zur affirmation fortgegangen wird, kommt erst im Weiteren vor. Bei Zeno finden wir die wahrhaftere Dialektik bei der Bewegung. Zeno sagt: Bewegung ist nicht, denn sie hat einen inneren Widerspruch. Zeno sagt zB.: “Die Bewegung hat keine Wahrheit, weil das Bewegte vorher bei der Hälfte des Raumes ankommen müßte als beim Ziel. Was sich bewegt soll ein Ziel erreichen, der Weg dahin ist ein Ganzes, zum Durchlaufen des Ganzen muß erst die Hälfte durchlaufen werden, diese ist selbst ein Ganzes, hat seine Hälfte, us.f. in’s Unendliche.” Wir sehen, daß Zeno hier auf die unendliche Theilbarkeit des Raumes geht, und daß das Begrenzte ebenso ein Continuum ist, das somit selbst wieder kann getheilt werden. Die 2te Weise heißt der schnellfüßige Achill. Es ist hier eine Schnelle gesetzt, die nicht kann eingehohlt werden, daß das Schnelle das Langsamere nicht einholen kann. Denn das Folgende muß immer da ankommen, wo das Vorausseiende war, das dann immer einen neuen Raum wieder durchläuft und dadurch einen Vorsprung erhält. – Aristoteles, der aber diese Räsonnements beurtheilt sagt darüber, der Schnellere würde den Langsameren doch einholen, wenn ihm gegeben wird das Begrenzte zu überschreiten. Wie nehmlich beim ersten Räsonnement die Theilbarkeit des Raumes vorausgesetzt ist, ist bei dem Zweiten die Theilbarkeit der Zeit vorausgesetzt, und zwar hat der Erste immer einen Zeittheil vor dem Zweiten voraus. | Die Auflösung ist, daß die Schranke durchbrochen wird oder mit anderen Worten, daß was als zwei Zeittheile unterschie-

25 4 –5 Bei Zeno … Bewegung.] Hu: Diese Objektive Dialektik finden wir in Zeno – meistens in der

Bewegung –­  ­12–13 und daß … werden.] Hu: In Absoluten Raum kann eine Graenze gesetzt werden – aber in dieser Graenze kann wieder eine Graenze gesetzt werden. Der Raum besteht nicht aus Atomen – er ist coninuirlich.­  ­16–23 Denn das … voraus.] Hu: Aristoteles sagt: | In einer gewi sen Zeit erreicht der Schnellere Koerper den Punkt wovon der Vorausseyende Langsa30 mere seine Bewegung zu machen anfing. In dieser Zeit aber hat das Vorausseyende immer einen neuen Raum zurückgelegt, den das Zweite noch zu durchlaufen hatte. Wir haben zwey Koerper – Das zweite geht schneller als das Erste. Das Erste faengt die Bewegung an, Es ist von A nach B gegangen, nun braucht der Andere seine Bewegung Anfangende eine gewi se Zeit um B zu erreichen, wo das erste schon ist. In dieser Zeit die das Schnellere braucht um an den Punkt zu kommen, 35 wo das erste schon ist, bewegt sich das Langsamere auch, und dadurch hat es immer einen Vorsprung. Aristoteles sagt kurz darüber: der Schnellere würde den Langsameren doch ein holen, wenn es ihm erlaubt waere, das Begraenzte zu durchschreiten, das Erste hat immer die Zeit zu seiner Benutzung, die das Zweite braucht um an den Ort, wo das Erste war zu gelangen. So hat das Erste immer einen Theil voraus. 40 9  des nachtr. über der Zeile­  ­15 das Schnelle … Langsamere] das Langsamere das Schnelle­  ­18 be-

urtheilt nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­19 Schnellere] Langsamere  Langsameren] Schnelleren  21 vorausgesetzt ist,] vorausgesetzt, ist­  ­23 Zweiten] ersten­  ­33 Andere] Anderere

Das Resultat ist hier dann die Auflösung des Gegenstandes. Zeno’s Dialektik der Bewegung. Aristoteles Metaphysik 6.

Sie sei unwahr weil der durchlaufene Raum ebenso wie continuirlich auch absolut theilbar sei, so daß ein Ziel, da seine Hälfte zuerst durchlaufen werden müßte, und wieder als Ganzes halbirt werden könne, nie zu erreichen sei. Ferner weil die Zeit in welcher die Bewegung geschieht gleichfalls ein Ganzes aber ebenso theilbar ist; so daß ein zuerst auslaufender von einem langsam laufenden nie könne erreicht werden

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Verschiedene Wiederlegungen der Bewegung.

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542 Zeno verfällt also in den unendlichen Progress und zeigt die Bewegung indem er darin stehen bleibt als ein Unwahres auf

Die Auflösung dieses Progresses ist Zeit und Raum als eben so continuirlich als auch discret zu fassen. Ebenso wie mit den ersten Beispielen ist es mit dem 3ten dem fliegenden Pfeil wo Zeno bei der Continuität des Raumes stehen bleibt, so daß der Pfeil, da er immer hier und immer itzt ist, sich nicht bewegt.

Die Eleaten halten an der abstraction des Seins fest, dem als dem abstract positiven alle Negation oder das Nichts als schlechthin Nichtseiend und sich selbst widersprechend außerhalb fällt.

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den wird als Eines gefaßt wird. In der Vorstellung haben wir allerdings dieses, daß das Eine eher ankommt als das Andere, so daß der Erste in einem Zeittheil einen Raum durchläuft, den der Zweite erst in einem anderen Zeittheil durchlaufen kann. Im Zenonischen Räsonnement ist die Zeittheilung die Hauptsache, der Erste in einem Zeittheile legt den Raum des Zweiten und seinen eigenen 5 durch. Die Zeit wird da immer unterschieden in’s Unendliche fort. Ueber dieses Unendliche sagt Zeno, was einmal gesagt wird, ist so gut als sagte man es immer. Aristoteles sagt, dieß Räsonnement zu zerstören, müssen die zwei Zeittheile als einen Zeittheil gesetzt werden, daß also die Zeit ebenso continuirlich sei, wie Zeno bei der Abstraction der Theilung stehen bleibt. Sein Resultat ist, weil 10 der Widerspruch in der Bewegung ist, ist sie nicht. Das Denken ist es, welches die Widersprüche aufzeigt, aber auch das Heilende des Schadens wird. Zeno’s Dialektik aber bleibt beim Negativen stehen. Ebenso ist es beim 3ten Beispiel des Zeno: dem fliegenden Pfeil, von dem er sagt er ruhe. Sagen wir nehmlich der Pfeil sei itzt hier, dann hier, dann hier, so ist jede Bestimmung des Raumes, die 15 wir von ihm aussagen das Hier. Aber eben weil wir dieselbe Bestimmung aussagen so ist die Bewegung keine, sondern Ruhe. Ebenso ist es mit dem Itzt, das stets dasselbe bleibt. Hier also ist die Continuität geltend gegen die Meinung der Verschiedenheit gemacht. Gerade dadurch daß alle Itzt und Hier verschieden sind, sind alle Gleichheit; solche Verschiedenheit also ist eine nur gemeinte. Da- 20 mit nun ist der Standpunkt der Eleatischen Schule deutlich gemacht, daß nur das Sein sei, und daß alles Nichtseiende sich in sich widerspreche. Der 4te erwähnte Standpunkt war der Heraclits. Bestimmen | wir sein Ver- 42vHo hältniß zu den Vorigen, so könnten wir nach Weglassen der natürlichen Formen mit den Eleaten anfangen, bei denen wir das reine Sein und die Dialektik der 25 Verhältniße alles Endlichen haben. Das Denken ist der auflösende Proceß solcher Erscheinungen. Doch bei dieser Dialektik ist der weitere Schritt, daß die

11–12 nicht. Das … wird.] Hu: nicht. Eben weil die Continuitaet und Direction aufgezeigt ist – Nach der Continuitaet ist die Bewegung, nach der Direction nicht. Das Denken macht die ganze Schwierigkeit. Das Denken haelt fest bei einer Bestimmung Das Denken hat den Sunden Fall ver- 30 ursacht – aber eben das Denken heilt diese Sünden –­  ­18–20 Hier also … gemeinte.] Hu: Es ist die Gleichheit geltend gemacht gegen die gemeinte Verschiedenheit. Das kann weiter vorkommen in der Mechanik. Wenn sich mehrere Koerper bewegen so kann man nicht festsetzen welcher sich bewegt – dazu sind nöthig drey punkte wenigstens.­  ­26–27.542,1–2 Das Denken … muß.] Hu: Die Zenonische Dialektik ist eine objektive Dialektik die sich auf die Momente der Gegenstaende 35 bezieht – es ist aber weiter zu gehen: die Dialektik mu s selbst objektiv werden, das Absolute mu s gefaßt werden als Dialektik selbst. 3  erst] erste­  ­5 legt] sc. läuft­  ­7 Zeno nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­12 wird] (wrd. nachtr. über der Zeile)­  ­19 Itzt und Hier nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­30 Das2 ] Dass

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Dialektik selbst objectiv gemacht werden muß, daß das Absolute als diese innere Dialektik aufgefaßt werden muß. Aristoteles sagt über die Pythagoraeer und Plato immer, “daß wenn die Pythagoraeer sagen, die Dinge seien Theilnehmer der Zahlen, so sei dieß ein leeres Gerede; τι εστι το ἐργαζομενον? fragt er? Die Wirksamkeit liegt weder in der Idee noch den Zahlen. Was ist dieses Wirkende? Bei der eleatischen Schule sagen wir einerseits das starre Sein, anderseits die Dialektik, welche nur dem denkenden subject anheimfällt. In Heraclit aber wird das Absolute selbst als diese Bewegung in sich angesehen. Mit ihm also beginnt erst der speculative Gedanke. Die früheren Stufen standen auf dem Standpunkt der Verstandesidentität. Das speculative ist das Uebergehen Entgegengesetzter. Dieß begann mit Heraclit. Was seine Lebensumstände betrifft, so lebte er um die 70 Olympiade. Aus Ephesus stammte er her. Er besonders ist es, mit welchem das Zurückziehen der Philosophen von öffentlichen Angelegenheiten beginnt. Damit verbunden ist die tiefste Verachtung seiner Landsleute, das tiefste Gefühl der Verkehrtheit der Vorstellungen derselben vom Leben und von allem was ist. Er schalt seine Landsleute als unbesonnen. Er schlug die Theilnahme an den Geschäften aus, Diogenes Laertius führt an er sagte: “es gebührte den Ephesiern, daß ihnen der Hals gebrochen würde, und daß man den Kindern die Stadt überließe, weil sie den Hermiodorus den Vortrefflichsten verbannten mit den Worten: ist er der Vortrefflichste, so soll er nicht unter uns leben. | Antisthenes sagt: “Heraclit habe seinem Bruder das Königthum überlassen. Als der König von Medien ihn zu sich fordern ließ, sein Werk ihm zu erklären sagte er: die Meisten sind unmäßig und unverständig, ich aber mit Wenigem zufrieden, werde nicht nach Persien kommen ect. Die Werke, die ihm zugeschrieben werden, heißen: “Ueber die Natur, die Musen”. Dieß Werk hat er im Tempel der Diana zu Ephesus niedergelegt. Die Fragmente finden sich: stephanus fragmenta philosophica. Dr. schleiermacher hat seine Fragmente Sammlung abdrucken lassen; auch Kreutzer hat sie gesammelt. Heraclit heißt überall der Dunkle und Cicero hat den schlechten Einfall: Heraclit habe mit Absicht so dunkel geschrieben. Aristoteles setzt das Dunkele in die Sprache, in den Mangel der Intrapunction. Plato läßt den socrates sagen: “was er verstanden habe sei vortrefflich, was er nicht

9 –10  Die früheren … Verstandesidentität.] Hu: Das Raesonement des Zeno, parmenides ist ein Verstandes Festhalten  – das Gleiche ist Gleich – das ist die Identitaet des Verstandes.­  ­21–22 der König … Medien] Hu: Darius­  ­22 Werk] Hu: Werk περι ϕυσεως­  ­26–27 stephanus fragmen35 ta … lassen;] Hu: Stephanus poesis philosophica. Auch Schleiermacher Bibliothek der Alterthümer. 1807.­  ­28 Heraclit heißt … Dunkle] Hu: Heraklit hat den Beynahmen σκοτεινὸς 1 1  mit nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­21–22 der König … ihn] (1) ein Köng (2) (d. nachtr. über gestr. ein) Köng (v. Medien ihn nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen)­  ­22 er nachtr. in der Zeile­  ­27 Fragmente nachtr. über der Zeile

Diesen Widerspruch des Nichtseienden hält Zeno fest. Ihre Einheit ist Heraclit indem er das Nichtsein in das Sein selbst verlegt und dieses somit als das Werden als die Einheit Entgegengesetzter ausspricht.

Biographie Heraclits.

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103Hu 97 53 Tusculanae quaestiones V. 26. (σκοτεινὸς dunkel finster) cf. Aristoteles de Mundo cap. 5.

544 Philosophie des ­Heraclit. Weder das Sein als abstractes sei, noch das Nichtsein als solches, sondern das Wahre ist das Sein das ebenso nicht ist, so wie das Nichtsein welches Sein ist: παντα ρεῖ. Was ist ist nur als ebenso ansich selbst negatives, das eben so ein Sein ist. Dieses Uebergehen des Entgegengesetzten überhaupt sei das Absolute, der Proceß. Aristoteles Lib. III. 1. de Coelo. ὁι δὲ τα μὲν ἄλλα πάντα γίνεσϑαί τε ϕασὶ, καὶ ρεῖν, εἶναι δε πᾶγιως οὐϑέν … ἓν δέ τι μόνον ὑπομένειν, ἐξ οὗ ταυτα παντα μεταχηματίζεσϑαι πέϕυκεν. ὁπερ ἐοίκασι βούλεσϑαι λέγειν ἄλλοι πεπολλοὶ, και Ήρακλειτος ὁ Εϕέσεος Quidam autem caetera quidem omnia fieri, fluereque dicunt, ac nihil prorsus stabile e se: unum autem quid colum permanere, ex quo haec universa transfigurari sunt apta, quod quidem caeterique complures, et Heraclitus Ephesius, dicere velle vide(n?)tur. p. 292. Operum Aristotelis Lugduni 1590. Aristoteles de Moribus VIII. 2 ἐκ των διαϕερόντων καλλίστηεν ἁρμόνιαν, καὶ πάντα ἐριν γίνεσϑαι ex rebus di simillimis

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verstanden habe, werde es auch sein, doch es bedürfe eines wackeren Schwimmers, hier fortzukommen. Was nun näher die Philosophie Heraclits betrifft, so hat dieser tiefe Geist das kühne Wort gesagt: το ον ουδεν μαλλον ἐστι του μη οντος. Bei der eleatischen Schule sehen wir den abstracten Verstand, Heraclit sagt, das Sein sei ebenso wenig als das Nichtsein, oder wie wir es sagen würden, das Wah- 5 re Sei die Einheit beider. Heraclit sagt: alles fließt παντα ρει d. h. das Wahre ist nicht das Sein, nicht das Nichts, sondern das Werden. Sein ist der Gedanke in seiner reinen Unmittelbarkeit; aber nichts ist nur abstractes Sein, als reines Sein ist es nicht, sondern alles wird. Im werden sind die absoluten abstractesten Gegensätze im Einen zusammengehalten. Aristoteles sagt vom Heraclit: “er habe 10 die Dinge mit dem Strome eines Flusses verglichen, daß man nicht einmal in demselben Strom schreiben könne. Was ist ist sogleich ein Negatives, enthält sogleich das Nichtsein. | Heraclit sagt ebenso: das Entgegengesetzte sei an 43vHo demselben. Aristoteles läßt ihn sagen: “nur das Eine bliebe, aus welchem alles umgeformt werde, alles andere fließe und nichts halte fest, das Entgegengesetzte 15 sei an demselben.” Sextus Empiricus erklärt dieß äußerlich: der Honig sei Diesem süß und Jenem bitter, wäre er seiner Natur nach nur süß müßte er immer süß bleiben. Weitere Stellen Heraclits sind im Aristoteles: “das Ganze und Nichtganze müsse zusammengefaßt werden, das Zusammenstimmende und Nichtpassende”, aus allen diesen Entgegengesetzten sei das Eine, und aus diesem 20 Alles. Sextus Empiricus führt an Heraclit sage: “das Ganze und die Theile seien verschieden und dasselbe, überhaupt das von sich Unterschiedene sei Eines. Plato im symposion sagt auch von Heraclit er sage: “die Kunst der Musik bestehe aus Verschiedenem.” Dieß ist das abstracte Prinzip Heraclits. Wir sehen hier zuerst ein Concretes, die untrennbare Einheit verschiedener, und ausgesprochen das 25 Absolute sei diese Einheit. Damit sind wir mit einmal über die abstraction des 5–6 das Wahre … beider.] Hu: das Absolute ist die Einheit des Seyns und des Nichts.­  ­9–10 Im 104 Hu werden … zusammengehalten.] Hu: Das Werden enthaelt Seyn – und Nichtseyn. Das ist der höchste, Abstrakteste Gegensatz. Hegel hat diesen Satz auch als den ersten angenommen.­  ­10–12 Aristoteles sagt … könne.] Hu: Aristoteles sagt Heraklit hat die Dinge mit den Strome verglichen – in 30 welchen man zweimal hineintritt.­   ­14 demselben.] Hu: dem Selben – Seyn und Nicht­ seyn.­  ­15 umgeformt] Hu: metamorphosirt­  16–17 Sextus Empiricus … bitter,] Hu: Sextus Empiricus sagt: der Honig sey sü s und bitter. Es wird niemand leugnen dass die gelbsüchtigen sagen: dass der Honig bitter ist.­  ­22–24 Plato im … Verschiedenem.”] Hu: Heraklit sagt: Die 3  ἐστι nachtr. über der Zeile­  ­8 ist nur … Sein, nachtr. am Ende und vor der Zeile­  ­6–7M so wie nachtr. 35 über gestr. als  11–12 nicht einmal … schreiben] recte: nicht zweimal … hineinsteigen (unkorrigiertes Mißverständnis)­  ­15–41.545,30–33M Aristoteles lib. … omnia.] drei Marginalien auf 104 Hu  17 Diesem nachtr. vor der Zeile­  ­Jenem nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  12M Uebergehen nachtr. über gestr. Einht  ­­18M εἶναι] ἐπὶ­  25 und ausgesprochen nachtr. über der Zeile mit Ein­ fügungs­zeichen­­  ­­­30 verglichen] vergleichen­  34 sagt:] folgt Verweiszeichen, das auf die Marginalie 40 Aristoteles de … omnia. bezogen ist­­  ­36M de Moribus] sc. Ethica Nicomachea

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Parmenides hinausgegangen und die Dialektik ist selbst in das Absolute gelegt; das Absolute ist sich selbst bewegend. Plato besonders hat den Heraclit studirt, auch socrates. Außer dieser allgemeinen Form hat Heraclit die Idee auch in der Weise eines Realen dargestellt. Und insofern wird Heraclit zur ionischen Schule gerechnet. Doch sind die Geschichtsschreiber uneins über die Formen dieses realen Ausdrucks. Die Meisten geben an, er habe gesagt, das seiende Wesen sei das Feuer, andere, die Luft, andere, die Ausdünstung, andere, die Zeit. Diese Verschiedenheit kann man nicht der Nachläßigkeit der Geschichtsschreiber zuschreiben, denn es sind die vorzüglichsten. Sextus Empirikus giebt an Heraclit habe gesagt: die Zeit sei das erste | Empirische. Die Zeit ist die abstracte Veränderung, der abstracte Proceß als sinnlich dargestellt. Weiter bestimmt dann Heraclit dieß Werden näher als den physikalischen Proceß. Er konnte nicht sagen: das Wesen sei die Luft, das Feuer, die Erde, sondern mußte sagen: das Feuer sei das erste Wesen, denn das Feuer ist das physikalische Element, welches das zehrende werden ist, die absolute Thätigkeit, das Auflösen des Bestehens. Es ist unter den Elementen der Proceß. Näher hat dann Heraclit seinen Proceß die Verdampfung, die αναϑυμιασις genannt, das Metamorphosiren der körperlichen Dinge überhaupt. Aristoteles sagt: Heraclit habe diese auch die Seele genannt, denn die Seele ist auch dieser Proceß. Weiter hat Heraclit den Proceß auch unterschieden in den Weg nach oben und nach unten, und für diesen Proceß hatte er die nähere Bestimmung der Freundschaft und Feindschaft. Feindschaft ist Entzweiung Diremtion, Freundschaft die Vereinung des Entzweiten. Diogenes Laertius sagt der Proceß sei weiter so bestimmt: Die erste Veränderung des Feuers sei das Meer, und diese Feuchtigkeit zum Stehen kommend, erhärtet werde Erde einerseits, andererseits zur feurigen Ausdünstung. Die glänzende Ausdünstung werde Sterne. Dieses ist einerseits der Weg nach unten, und anderseits der Weg nach Oben. Als dieses Werden stellt Heraclit das Leben der Natur vor, “das kein Mensch und kein Gott gemacht hat, sondern das war, ist und sein wird, ein ewiges Feuer, das sich selbst entzündet und an sich erlischt. Dieß Feuer nennt er auch

105Hu 99. 54 Harmonie entsteht aus den | Verschiedenen.  3 Idee] Hu: Idee als Naturphilosophen­  ­10–11 Die Zeit … dargestellt.] Hu: Die Zeit ist das reine abstrakte Verändern – sie ist das Flie sen. Dies haengt also ganz genau zusammen mit den Hauptgedanken des Heraklits.­  ­13–15 sondern mußte … Bestehens.] Hu: Er konnte nichts anders sagen als dass das Absolute phisikalische das Feuer ist – das Feuer ist naehmlich die phisikalische Zeit – es ist das Verzaehren des Anderen und seiner selbst es ­23 Die erste … Feuers] Hu: die erste Wendung 35 verzährt sich um sich wieder neu zu gebähren.­  die τροπη des Feuers,­  ­26–27 Sterne. Dieses … Oben.] Hu: zu Sternen – Meteoren – Das ist der Weg nach oben – und die Erde der Weg nach Unten. Die Erde ist die finstere Ausdünstung. 18  Aristoteles] Aristototeles­  ­29 nennt er] (1) nennen wr (2) nennt (Ms: nennen) er (nachtr. über gestr. wr (nicht kontextualisierte Korrektur))­  ­34–35 es verzährt … gebähren am Rande mit Verweis40 zeichen; Verweiszeichen im Text hinter Punkt­  ­36 τροπη] τροπρ

Diesem Prinzip gemäß ist auch der Reale Ausdruck des Absoluten bei Heraclit: das Absolute sei das Feuer, Wasser, Erde Ausdünstung. Er beginnt mit dem Feuer als dem proceßirenden Element, läßt es in Wasser dieses in Erde, und sie in die feurige Ausdünstung umschlagen. Er faßt also das Leben der Natur als den steten Proceß auf. Diesen spricht er auch aus als die Diremtion nach Oben und Unten, als Freundschaft und Feindschaft.

pulchrum concentum existere, et ex discordia nasci ­omnia. 3.) Verdünstung 106 Hu 100.

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44vHo Das Allgemeine in diesem Proceß bei sich ruhende nennt er den λογος, das allgemeine Sein des Werdens.

Dieser λογος sei in der uns umgebenden Welt und in uns

Nur durch ihn erkennten wir ihn in der Welt.

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die Seele und so kommt der Ausdruck die trockendste Seele sei die beste. Der Tod des Feuers ist Wasser zu werden, der Tod des Wassers die Erde, aus ihr entzündet die Seele das Feuer wieder. Sie ist das immer sich Verändernde. – Dieß sind die Hauptmomente des reellen Ausdrucks. | Man kann dieß vermissen, daß im Werden kein Ruhen ist, daß dieser Proceß noch nicht als das Allgemeine zusammengefaßt ist. Aber diese Einheit im Gegensatze findet sich in Heraclit auch, und er nennt es die Nothwendigkeit, den λογος der durch alles hindurchgeht, das absolute Verhältniß, der Saame alles Werdens. So ist dieser Proceß auch als das Allgemeine ausgesprochen. Was das Verhältniß dieses λογος zur subjectiven Seele betrifft, so hielt Heraclit dafür in der sinnlichen Wahrnehmung sei keine Gewißheit. Er sagt: schlechte Zeichen sind Ohren und Augen für die barbarischen Seelen, der λογος die göttliche Vernunft ist der Richter der Wahrheit. Sextus erzählt näher, wie Heraclit näher das Verhältniß des Bewußtseins zum Allgemeinen darstellt. Das Verhältniß ist noch sehr physikalisch, wie wir vielleicht die Besonnenheit, das Wachen gegen den Traum auffassen, indem wir sagen: der wachende wird sich auf allgemeine Weise zu den Dingen verhalten, auf eine den Dingen gemäße Weise. Nach dieser Seite geht das hin, was Heraclit sagt. “Was uns umgiebt”, sagt er “sei selbst logisch und verständig, wenn wir dieß allgemeine Wesen durch das Athmen einziehen, so sind wir selbst logisch. Im Schlafe aber sind die meisten Thore geschlossen, und die Umgebung und wir getrennt, die Einheit nur das Athmen, nur aber im Wachen ist die Einheit vollendet. Getrennt verliert der Verstand die Einheit, im Wachen aber erhält der Mensch durch Empfindung die logische Kraft, so wie die Kohlen dem Feuer nach selbst feurig werden, getrennt auslöschen. So wird durch die Trennung der Wege die Seele verstandlos, durch den allgemeinen Zusammenhang aber verständig, durch ihn sind wir logisch. Da das Umgebende die Vernunft ist sind die Menschen ehe sie hören und wenn sie zuerst hören unverständig. Wir thun und denken alles im Verhältniß mit dem Göttlichen, viele leben aber als hätten sie einen eigenen Verstand. | Was wir am allgemeinen λογος theilnehmend, wissen, insofern sind wir in der Wahrheit, was wir besonderes haben bringt Täuschung.” – Dieß sind die Hauptmomente der Lehre Heraclits. Was wir von ihm wissen ist vortrefflich, und so wird es, wie socrates sagt, auch das sein, was wir nicht mehr wissen.

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2 –4 Erde, aus … Ausdrucks.] Hu: Erde – aus der Erde die Seele – das Feuer – es ist die ausdünstung – das Koerperlohse, das sich immer veraendernde. (Absatz) Das sind die Hauptmomente einer Reellen Vorstellung des Allgemeinen proce ses.­  ­7 die Nothwendigkeit, … λογος] Hu: das 35 Schiksal, oder den λογος 4  Man] Mann­  ­11 Zeichen] sc. Zeugen­  ­20 meisten nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­   ­20–21 die Einheit … Athmen, nachtr. über der Zeile

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Der Nächste ist Empedokles und Demokrit. Eine Sammlung ihrer Fragmente ist die von Sturz; eine zweite machte Peyron. Leipzig 1810. Fragmenta Parmenidis et Empedoclis. Was den Empedokles betrifft so wollen wir kurz von ihm sprechen. Er war zu Agrigent in Sicilien; um die 70 Olympiade geboren ward er um die 80ste berühmt. Von seinen Lebensumständen wird viel Wunderbares erzählt; er genoß eines großen Ansehens, großer Verehrung. Nach seinem Tode ward ihm eine Statue errichtet. Er hatte großen Einfluß auf die Staatsgeschäfte und erwarb sich das Verdienst den Agrigentinern eine freie Verfassung zu geben. Ebenso vernichtete er mehrere Versuche zur Wiedereinführung der Tyrannie. Ihm selbst wollten die Mitbürger die Krone anbieten, doch er schlug sie aus. Ueber seinen Tod giebt es abgeschmackte Erzählungen, um ein lächerliches Licht auf ihn zu werfen, erfunden. Er habe nehmlich, heißt es, durch seinen Tod zeigen wollen, kein Sterblicher zu sein, sondern nur verschwunden zu sein. Was aus ihm geworden sei, fährt die Sage fort sei verrathen, dadurch, daß einer seiner Freunde einen seiner Schuhe am Aetna fand, den dieser ausgeworfen hatte. So daß er also in den Aetna sich sollte gestürzt haben um zu verschwinden mit dem Scheine nicht gestorben zu sein. Diese Rede kommt aus einem Gedichte des Empedokles selbst her, in welcher er sagt: er sei ein unsterblicher Gott ect. Er endigt dann aber so: aber was halt ich darauf, als sei ich es etwas Großes, daß ich unter den sterblichen Menschen verweile.” Dieß Gedicht zeugt von der großen Verehrung, die ihm geboten ward. | Empedocles wird zuweilen auch als Pythagoraeer genannt was seine Philosophie betrifft, so kommt von ihm die Vorstellung der 4 Naturelemente her, Luft, Feuer, Wasser und Erde. Die Chemiker verstehen unter Elemente was anderes, das ganz abstracteste. Aristoteles sagt: “Empedokles sei der erste gewesen, der auch noch zu Feuer, Luft und Wasser die Erde fügte, und daß sie die immer bleibenden Elemente seien, die immer bleiben und nicht werden.” – Sprechen wir von einer Menge von Elementen, so hat man nicht den Gedanken damit ein Anundfürsichseiendes auszusprechen, die Seite des Gedankens ist dabei nicht. Empedokles aber hatte den Sinn, diese 4 seien die Grundlage von Allem, und alles Andere werde aus ihnen. Aristoteles sagt weiter: “Empedokles habe nicht nur die 4 Elemente als Prinzipien gebraucht sondern auch Freundschaft und Feindschaft und wenn man nicht bloß davon stammele so müsse man sagen die Freund-

109 Hu 103. 56 34 und wenn … müsse] Hu: er bemerkt dabei – wenn man diese ausdrüke consequent nimmt – so würde 2  Peyron] Pyrun­  ­15 fährt die … fort nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­16 seiner Schuhe] (1) Shuh (2) sr (nachtr. über der Zeile) Shuhe (nachtr. aus Shuh)­  ­16–17 in den … sollte nachtr. mit Einfügungszeichen über gestr. dsn sich

Empedocles. Biographie.

Philosophie des ­Empedocles. Er stellte als das absolute die 4 Elemente auf, aus denen alles würde, so wie die Freundschaft und Feindschaft.

(ϕιλια – νεῖκος)

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Leucipp und Democrit. Biographien

Philosophie Leucipps und Democrits Der Fortgang ist daß die Einheit des Heraclits sich in ihre Unterschiede auseinander wirft: τα ατομα και το κενον. Das ατομον ist das Sein und Nichtsein in der Bestimmung des Seins, das κενον in der des Nichts.

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schaft sei das Gute, die Feindschaft das Böse, so daß Empedokles zuerst gesagt habe, das Gute und Böse seien die Prinzipien.” Ferner sagt Aristoteles: “Empedokles gebrauche die Prinzipien nicht durchgreifend und nicht bestimmt, die Freundschaft scheide ab und Feindschaft vereine, und dieß geschehe nothwendig, wenn das All durch die Feindschaft aus einander gehalten würde, so scheidet die Feindschaft, aber diese ist zugleich eine Vereinigung, denn die Theile des Feuers, werden vereinigt, wenn das Feuer für sich genommen wird.” Empedocles war der erste, welcher als das Prinzip die Einheit des Verschiedenen annahm. Aristoteles bemerkt, daß Empedocles die Elemente und Freundschaft und Feindschaft coordonire, so daß 6 Prinzipe bei ihm erscheinen. So spricht Sextus von seinen 6 Elementen: “mit Erde sehen wir Erde, mit dem Wasser, Wasser, mit der Luft, Luft, mit der Liebe die Liebe, mit der Feindschaft die Feindschaft. | Wir nehmlich seien die Totalität, und mit den Momenten derselben erkennen wir die Elemente. Empedocles stellt zuweilen das Feuer auf der einen Seite und als Gegensatz gegen sie die 3 anderen Elemente. Dieß sind seine Hauptbestimmungen; Interessanter ist Leucipp und Democrit. Sie sind zusammenzunehmen: Leucipp ist der Ältere, Democrit sein Schüler vervollkommnete, was jener begonnen hatte. Von Leucipps Lebensumstände ist nichts Näheres bekannt, Democrit war aus Abdera, einer Stadt in Thracien am Aegaeischen Meere. Democrit ist von der Seite bekannt, daß er zurückgezogen lebte. Abdera ist seiner Ungeschicklichkeiten wegen berühmt. Democrits Vermögen wird auf 1000 Talente angegeben, die er auf Reisen in’s Morgenland verwandte. In seinem Vaterlande lebte er abgesondert; nach den Gesetzen habe er nicht die Ehre der Todten erhalten können, weil er sein ganzes Vermögen aufgezehrt habe. Um die Unehre abzuwenden habe er sein Werke διακοσμος seinen Mitbürgern vorgelesen, die ihm 500 Talente schenkten und ihn mit Pomp begruben. Vielleicht halten dieß Manche für den größten Abderitenstreich. Die Grundbestimmung des Democrit ist το ἀτομον και το κενον. Dieß ist eine höchst wichtige Bestimmung. Das Atome ist das individuelle untheilbare Eins, die Bestimmung des Fürsichseins, die wir noch nicht hatten. Parmenides ist das ganz abstracte Sein, bei Heraclit sehen wir das Werden. Hier tritt jetzt das Für-

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10 coordonire, so … erscheinen.] Hu: nicht gehörig unterscheide – sondern nur coordinire – so dass daraus sechs Elemente entstehen –­  ­16 Sie sind zusammenzunehmen:] Hu: Was den einen und anderen zukommt kann nicht genau angegeben werden.­  ­22–24 In seinem … habe.] Hu: Er war verha st von seinen Mitbürgern – eben deswegen weil er das Ganze Vermögen verzährt hat – 35 und das Begraebni s des Vaters nicht heilig abgehalten hat. 8  als nachtr. über der Zeile­   die Einheit nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­15 sie] sc. Seite­  ­21 wegen nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­25 διακοσμος] δια κοσμους­  ­31 sehen wir nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen

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sichsein auf, die Grundlage der subjectivität. Sie ist durch die Leucippische Philosophie in die Welt als allgemeine Gedankenform gekommen[.] Sie sagten: das Prinzip sei das Volle und das Leere. Das Volle hat zu seinem Prinzip das Atom. Dieß kann materiell genommen werden, doch ist es ein Unsinnliches ein αϊδιον, ein Gedanke. Der Geist ist ebenso ein Atom, das untheilbare Eins. Das Eins ist nur dieß abstracte Fürsichsein[.] | Der Geist ist in sich vollkommen erfüllt. Bei Leucipp ist das Eins vollkommen trocken und leer, keine Molecules, kein kleinstes Theilchen, sondern das abstracte untheilbare Eins. Bei Parmenides war das Nichts nicht, Bei Heraclit ist das Werden, Bei Leucipp ist das Positive und negative in der Form des Fürsichseins und dessen Nichtseins. Bei der näheren Ausführung sieht man aber das Unzureichende. Denn diese Atome sind ununterscheidbar als eins; aber wenn man sagen will, sie seien das Prinzip dessen was ist, so fragt es sich: wo kommt die Bestimmtheit dieser Gleichen her? Alle weiteren Bestimmungen, von Farbe, bestimmter Gestalt ist dann ein schlechthin zufälliges. Das Prinzip bestimmter Verschiedenheit wird in jeder Rücksicht vermißt. Bei Democrit und Leucipp ist das ganze Prinzip des Eins noch physikalisch; aber es ist überhaupt nicht nur physikalisch, sondern gehört auch dem Geist an. Das Eins ist von unendlicher Wichtigkeit – In der Sphäre zB. des Willens kann im Staate die Bestimmung, die Ansicht sich geltend machen, daß der Wille als Atom als Einzelner das Absolute ist. Nimmt man diese Willensatomistik an, das Prinzip des Eins, so entstehen die Theorien über den Staat, welche sich auch practisch geltend machten, daß das was rechtlich im Staat sei müsse auf dem allgemeinen Willen beruhen, als der Wille der einzelnen Individuen. Wird dieß Prinzip geltend gemacht, so folgen die Ansichten, daß die einzelnen als solche für die Gesetze müßten ihre Stimme geben. Um zu Leucipp zurückzukehren, so sahen wir, es handle sich darum, wo die Bestimmung herkomme. Im Politischen kommt es durch den zufälligen Willen. Aristoteles führt an: “Leucipp habe eine Verschiedenheit der Atome statuirt, erstlich der Gestalt nach, der Ordnung nach, | oder durch die Stellung. Dieß seien die Unterschiede. Von diesen sollen alle Unterschiede herkommen.” Aristoteles sagt, dieß sei ganz ungeschickt alles Empfindbare auf den Tastsinn zu reduciren, so daß weiß und schwarz als rauh und glatt unterschieden seien. Liegt das Atome zu Grunde, so ist alle Bestimmung

3  Volle] Hu: Volle ist das Reale­  ­12 ist,] Hu: ist, ist concret – so zeigt sich der Mangel – (: die Form der Molecules – :)­  ­24–27 daß die … Willen.] Hu: dass der Staat auf den Einen beruhet – 35 auf der Stimme der Einzelnen. Das ist Rou seau Contrat social. Alles haengt also von der Bestimmung des Eins. Das hat uns gezeigt dass sich dieses princip nicht nur auf das phisische begraenzt, sondern auch in das geistige ubergeht.­  ­28–30 erstlich der … herkommen.] Hu: sie sind unterschieden durch d i e G e s t a l t , den O r t  – AN – und durch die S t e l l e  – NA von diesen | Unterschieden sollen alle Unterschiede der Welt herkommen –

46vHo Diese Bestimmungen aber sind hier selbst noch in ihrer leersten abstraction

Aber den Atomen als den ununterscheidbaren vielen fehlt die Bestimmtheit, welche äußerlich und zufällig wird.

Leucipp unterschied die vielen selbst so äußerlich der Gestalt, der Ordnung, der Stellung nach

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111Hu 105. 57

112Hu 106.

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Die weitere Ausführung Leucipps überhaupt ist unphilosophisch.

Anaxagoras.

Biographie.

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113Hu 107. 58 F.) Anaxagoras. 1.) Seyn Leben.

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zufällige, äußerliche Verbindung. Das Concrete ist dann nicht das in sich selbst concrete. Der Uebergang ferner vom Mechanischen zu ferneren Bestimmungen ist nicht zu finden. Und dieses critisirt Aristoteles. Leucipp hat dann auch aus den Bestimmungen des Atomen und Leeren ein System der Welt dargestellt. Die Hauptmomente sind: die Atome sind discret, treiben in das grosse Leere, το κενον, welche das Prinzip der Bewegung ist. Das Negative also ist das Bewegende. Dann häufen sie sich, stoßen wirbelnd zusammen, so daß das Gleiche zum Gleichen äußerlich zusammenkommt. Die Feineren gehen in die äußere Leere, die übrigen laufen zusammen und machen das erste runde System aus, dieses steht wie eine umgebende Haut ab, welche fein werdend die Erde giebt, indem die feinen in der Mitte zusammengehen. In dieser Weise geht es in willkührlichen Vorstellungen fort. Democrit läßt sich vom Leucipp nicht abscheiden, er sagt nach der wahrheit sei nur das Untheilbare und Leere, alles Andere nur ein Gemeintes. Dieß kann hinreichen das atomistische System kennen zu lernen. – Wir gehen nun zu Anaxagoras. Hier beginnt erst ein Licht aufzugehen; es ist der Verstand der jetzt als Prinzip aufgestellt wird. Aristoteles sagt: “die Philosophen vor Anaxagoras sind den Fechtern zu vergleichen, welche gute Stöße tun, aber nicht nach der Kunst. Sie sagen Gutes ohne Bewußtsein, Anaxagoras ist der Nüchterne unter Trunkenen. In die 70ste Olympiade wird Anaxagoras gesetzt; Clazomene in Lydien ohnweit Ephesus ist seine Geburtsstadt. Gewöhnlich wird er zur ionischen Schule gerechnet. Die Eintheilung von Schulen ist aber so streng nicht zu machen. Er sei sagt man, Schüler des Anaximenes gewesen | doch ist dieß kaum zu glauben. Anaxagoras legte sich auf die Wissenschaften, reißte und kam im 45sten Jahre nach Athen, wohin jetzt die Philosophie sich hinverlegt. Itzt erst kommt sie in das eigentliche Griechenland. Zur Zeit des Perikles kam Anaxagoras nach Athen, in

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2–3 Der Uebergang … finden.] Hu: In DesCartes ist dieses princip wieder geltend gemacht. Man kann aber sagen dass dieses princip nur Mechanisch ist – es gehört zu diesen principe nur Atome und Bewegung. Man hat zwar versucht alles aus den Atomen zusammenzusetzen – aber eine solche Zusammensetzung ist nur aü serliche zufaellige Bildung – nicht eine lebendige. Weiter findet sich 30 von den unterschieden des Mechanischen kein uebergang zum weiteren.­  ­7 stoßen wirbelnd zusammen,] Hu: weiter sto sen sie zusammen – werden gerieben, machen einen Wirbel –­  ­ 10–11 welche fein … zusammengehen.] Hu: diese Haut | wird durch den Anflug mehrerer vergrö sert und wird zur Erde –­  ­13–14 alles Andere … Gemeintes.] Hu: alles andere als das Warme Kalte, wei se u. s. w. ist nur Schein.­  ­15 ein Licht] Hu: ein schwaches, unbestimmtes Licht­  ­22 Die 35 Eintheilung … machen.] Hu: (: diese Eintheilung von Schulen, hat zwar ihren Grund – aber lae st sich nicht vollstaendig ausführen :)­  ­25–26 Athen, wohin … Griechenland.] Hu: Von jetzt verlegt sich der Mittelpunkt der Wi senschaft nach Athen. Es war da der Mittelpunkt weil man da findet das Jonische und Italische auf eine höhere weise vereinigt. 1  dann nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­16 jetzt nachtr. über gestr. geht­  ­23 des nachtr. 40 über der Zeile

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diesem Silberblick des atheniensischen Lebens. Es haben sich dann auch hier die sophisten aufgehalten; das Zeitalter ist merkwürdig und bekannt. Perikles war ein besonderer Freund des Anaxagoras, lebte viel mit ihm zumal ehe er in die Staatsangelegenheiten vertieft war. Anaxagoras ward angeklagt die Volksgötter zu verachten; der Streit des Gedankens und der religiösen Ansicht beginnt hier zuerst. Es wird bestimmt angegeben Anaxagoras habe gelehrt: die Sonne sei ein glühender Stein, er habe sie also für ein gemein Materielles gehalten, auch habe er eine Geschichte, die als Wunder galt, auf natürliche Weise erklärt. Wichtig ist hierbei, daß die Reflexion gegen die Religion in Gegensatz tritt. Es liegt in der Vorstellung des Anaxagoras, daß die Sonne für ein Ding genommen wird und nicht für einen lebendigen Gott. Der Uebergang von der mythischen Ansicht zur Ansicht daß diese allgemeinen Gewalten Dinge seien, kommt zum Bewußtsein des atheniensischen Volkes. Dem Menschen ist innerlich ein Anderes Weiteres aufgegangen. Es ist in solchen äußerlichen Daten die Conversion aufgezeigt, die in der Weise des Bewußtseins des Menschen auftritt. Die auf Perikles Eifersüchtigen wollten nicht ihn selbst sondern seine Lieblinge angreifen, den Anaxagoras und die Aspasia. Diese zu retten mußte Perikles die Bürger mit Thränen bitten. Gegen seine große Männer hat das Volk gefordert, sie sollen sich zugleich dehmüthigen. Was der Erfolg der Klage gegen Anaxagoras gewesen sei ist ungewiß. Pericles soll ihn vom Tode gerettet haben, so daß er nur verbannt sei. Zugleich wird erzählt Anaxagoras sei geflohen, auch: er sei freigesprochen und habe aus Ärger Athen verlassen. In Lampsacus starb er in den 60sten oder 70sten Jahren. Perikles soll ihn als er Staatsmann war, mehr verlassen haben. | Was die Philosophie des Anaxagoras betrifft, sagt Aristoteles,: “er zuerst habe ϕανερῶς vom νους gesprochen.” Um näher in sein Prinzip zu leiten können wir Aristoteles anführen, wie er die Prinzipien abtheilt; er unterscheidet: “die Qualität, dann den Stoff. Die bisherigen Prinzipe waren stoffartig. Das dritte Prinzip sei das der Bewegung, das des Heraclit; das 4te nennt er das τελος den Zweck, um dessent willen etwas ist. Diese Zweckbestimmung tritt jetzt in den νους ein, und die Vorstellung von ihm hat diese Vorstellung des Zweckes erhalten. νους können wir Verstand, Denken nennen ohne Unterschied vom Verstand. Denken nehmen wir zunächst subjectiv, in diesem Sinne ist es hier nicht zu nehmen. Thätiger

5 –6 der Streit … zuerst.] Hu: Es kommt in dieser Zeit der Gegensatz von der Reflexion, prosaische Ansicht und Religiöse, poetische Ansicht.­  ­27 dann den Stoff ] Hu: dann 2o die ὑλη Materie und 35 Stoff­  ­30–32.552,1 νους können … selbstbewußtes.] Hu: Νους – wir koennen sagen Verstand – Denken – die Vernunft – man mu s aber dabey sehr behutsam sein – Vernunft ist etwas concretes – Denken ist etwas subjektives – wir koennen sagen die Natur hat Vernunft aber nicht Denken – Der Verstand ist Denken – aber selbstbewu stes Denken. 7  er habe … also nachtr. über der Zeile­   gehalten nachtr. mit Einfügungszeichen über gestr. also

Mit ihm beginnt der Gegensatz des Gedankens gegen die Volksreligion.

Philosophie des Anaxagoras Der Fortgang ist das in Eins setzen der in der Atomistik geschiedenen Bestimmung, so daß bei Anaxagoras das Absolute jetzt das sich aus sich selbst bestimmende und in seiner Bestimmtheit mit sich identische wird. Er sagt der νους sei das Absolute.

114 Hu 108. 115Hu 109. 59

552 Der νοῦς ist der thätige processirende Verstand; so ist er: das Absolute das sich in sich selbst bestimmt, und in diesem Proceß bei sich selbst bleibt. Es erhält somit die Bestimmung des Zwecks. Der Inhalt den es durch sich selbst hat, realisirt es, und es bleibt in dem Proceß seiner Realisation es selbst.

Beim Heraclit ist das Uebergehen als solches des entgegengesetzten als das Absolute ausgesprochen. Bei Anaxagoras erhält sich aber jedes der Entgegengesetzten in ihrem Uebergehen, und sie sind nur in dieser sich selbst bestimmenden Einheit, welche als das in seinem Proceß und durch denselben sich Erhaltende der Zweck ist.

Ast p. 66: er ist frey von fremden Einwirkungen (ἀμιγής) unvermischt, rein, ἀπαϑής leidenschaftlos, unempfindlich.). Aristoteles de Anima I. 2. mentem principium /αρχην/ maxime omnium /παντων/ ponit, solam namque rerum

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Verstand ist Denken, doch nicht als selbstbewußtes. Mit diesem Prinzip des Denkens kommen folgende Bestimmungen herein: der νους vor’s erste ist das Sichselbstbestimmen, was bisher fehlte. Heraclits Proceß ist nur der Proceß, doch nicht das sich selbst bestimmende. Zweitens liegt darin die Bestimmung des Allgemeinen. Das Sichselbstbestimmende bleibt in seiner Besonderung in der Bezie- 5 hung auf sich. Darin liegt der Zweck, oder wie es die Alten ausdrückten, das Gute. Es giebt sich selbst Inhalt und indem es in diesem thätig ist, indem er realisirt wird, und darin bei sich selbst bleibt, wird er erhalten. Der Zweck hat die Bestimmung für sich fest zu sein, es dann mit anderem zu thun zu haben, aber darin sich selbst zu erhalten. Das Lebendige erhält sich, weil es eine Seele hat; 10 die Säure zerstört sich an ihrem Anderen, erhält sich in seinem Processe noch nicht. Im Zweck aber ist der Inhalt bestimmt, und nach seinem Proceß ist er dasselbe was vorher war, er erhält sich; bleibt in seiner Selbstbestimmung bei sich. Diese Momente liegen im νοῦς. Die Entwicklung desselben beschäftigt von nun an die Philosophie. In Rücksicht Heraclits ist noch zu sagen, daß beim Proceß 15 der Uebergang des Einen zum Anderen ohne die Selbsterhaltung des Einen | im 48vHo Anderen vor sich geht. Wird das Feuer zu Wasser, dieses zu Erde, so ist nur das Uebergehen gesetzt, nicht das Allgemeine, das durch die Eine wie die andere Form sich erhält. Was nun näher von der Philosophie des Anaxagoras zu sagen ist, hat seine Schwierigkeit, und die Hoffnung welche wie socrates sagt, mit solchem 20 Prinzip beginnt, verlöscht schnell. Vom νοῦς sagt Anaxagoras es sei das nicht passive, das mit keinem in Gemeinschaft sei; es ist die einfache mit sich identische Bestimmung. Weiter ist ein berühmter Ausdruck das Existirende, die individualisirte Materie bestehe aus gleichen Theilen, die zugleich ἀϊδια seien. Man kann sich aus dem, was vom Anaxagoras gesagt wird, vielfach verwirren. Ari- 25 stoteles sagt: “er behaupte das Entgegengesetzte des Empedocles; er behaupte unendlich viele Prinzipien, aber seine Entgegensetzung bestehe darin, daß jener Wasser, Feuer, Erde als das Einfache nehme, aus dem alles bestünde, Anaxagoras aber sage, Erde Feuer ect seien schlechthin gemischt aus einer unendlichen Menge von Theilen, hingegen sei das individualisirte das Einfache, da bei 30 Empedokles das Concrete das Gemischte ist. Die Theile sagt Anaxagoras des Concreten seien ἀϊδια.” Wie diese Vorstellung mit dem sonstigen Prinzip des An-

21–22 Vom νοῦς … sei;] Hu: Das Νους nach Anaxagoras soll das active sein – das mit keinen etwas 116 Hu 110. gemeines hat – ἀπαϑής –­  ­31 Empedokles das … ist.] Hu: Empedocles ist das Fleisch etc nicht einfach – | 35 10M es nachtr. über der Zeile­  17 vor sich geht. nachtr. über gestr. wird.  ­­­19M Anaxagoras] Anaxagaros  ­21 verlöscht schnell] (1) shnell verlösht (2) verlösht shnell (nachtr. über der Zeile)­  ­32–37.553,26–33M Ast p. 66 … censet.] Marginalien auf 116 Hu

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axagoras zusammenhängt wäre also zu erklären. Er behauptet vom Concreten, daß dieses für sich, sich selbst gleich sei, aus gleichen unsinnlichen Theilen bestehe, während Feuer aus einem Gemische von Theilen bestehe. Die Entstehung der Concreten Dinge sei, daß das Gleiche aus den chaotischen Dingen sich zueinander abscheidend sich einige. Das Concrete somit ist nur das Hinaustreten aus dem Vermischten. Diese Vorstellung steht dem gewöhnlichen Bewußtsein sehr nahe. So sagt man beim Ernährungsproceß daß beim Essen der Mensch homogene Theile für Blut Knochen ect. einnehme und die Verdauung sei dann nur Abscheidung des Homogenen von dem Fremdartigen. | Die Absonderung nun und die Vereinigung wird gemacht durch den νοῦς. Er ist, sagt Anaxagoras das Theilen des Vermischten in gleichartige Massen und Auflösung und Vereinung in die chaotische Masse. Der νους nun, der diese Thätigkeit ist, ist ganz rein und einfach, sich auf sich beziehende Thätigkeit, formelle für sich inhaltslose Thätigkeit. Wenn wir nun diese Vorstellungen auf das Prinzip des Verstandes näher beziehen, so sind sie consequenter als sie zunächst aussehen. Der Verstand ist das sich selbst bestimmen, und der Inhalt der durch dasselbe gesetzt ist, ist der Zweck, und dieser das sich in Verhältniß mit Anderem Erhaltende. Halten wir dieses fest, so sehen wir, daß die Vorstellung des Anaxagoras ganz consequent ist, daß die concreten Prinzipien bestehen und sich erhalten. Er hat das Entstehen und Vergehen aufgehoben, hat eine Veränderung angenommen die ein Einen und Auflösen des Vereinten ist. Die Prinzipien, deren viele sind, sind concrete, sind viele Zwecke, und in der Veränderung, im Entstehen und Vergehen dieser Prinzipien erhalten sich die Prinzipien und das Verhältniß der Veränderung ist ihnen nur äußerliche Trennung und Verbindung. Gleiches geht mit Gleichem zusammen, die chaotische Verbindung ist kein individuelles Lebendiges,

117Hu 111. 60 1 –6 Er behauptet … Vermischten.] Hu: Das Bestehende, ὁμοιομερεία ist aber zugleich unsinnlich – Das Chaos ist also ein Gemi sche von Wa ser – Fleisch etc – Die Entstehung der concreten Dinge ist – dass sich das Gleiche zum Gleichen geselle – Das Entstehen ist also Heraustretung aus der Vermi chung.­  ­7–9 So sagt … Fremdartigen.] Hu: so soll die Nahrung solche Molecules in sich 30 enthalten die mit den Blute identisch sind – das Verdauen ist das entfernen des nicht identischen – Also Ernaehrung nimmt man als Vermehrung des Organismus.­  ­10–12 Die Absonderung … Masse.] Hu: Diese Absonderung und diese Vereinigung kann so erscheinen dass alles Vermischt ist – Wie man auch gesagt hat. (Absatz) Dasjenige was die Ausscheidung macht des Gleichen – wodurch die concreten Dinge sind, und das was das Gleiche mit den Heterogenen vermi scht ist der 35 Νους. Die Thaetigkeit Dirimirens und Vereinens ist der Νους. 1  vom Concreten] (1) das Concrete (2) vom (nachtr. vor der Zeile) Concreten (nachtr. aus Concrete)­  ­10 Vereinigung] folgt nachtr. erst mit Klammern versehen, dann gestr: (kann nach vielen Vorstellgen auch so ersheinen, dß alles aus d. Manigfachsten) uns­  ­11 Anaxagoras] folgt nachtr. gestr: ist­  ­12 Auflösung und nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­16 dasselbe nachtr. über 40 gestr. sie­  ­19 ist nachtr. über der Zeile­  ­22 concrete,] folgt nachtr. gestr: u es­   Veränderung] ohne Umlautpunkte­  ­25 ist] in

Diesen Begriff vom νους führt auch Anaxagoras durch indem er sagt er sei das Abscheiden des Gleichen und Ungleichen, wie es im Chaotischen sei, zum individuellen sich selbst in seinem Proceß gleichen und | erhaltenden.

Der Prinzipien sind im Chaotischen eine große Menge und sie sind das sich selbst Erhaltende, dem die Veränderung ein es nicht auf hebendes ist.

omnium ipsam simplicem et non mi­stam et puram e se /ἀμιγής καϑαρος/ sinceramque dixit. Empedocles (animam) ex universis quidem elementis constare censet. (: ὁμοιομερῆ στοιχεῖα – Urstoffe – die Aehnlichkeit der Bestandtheile :) β.) Die Elemente sind gemischte Chaos – das Individuelle einfach.

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Anaxagoras hat überhaupt aber nur die Bestimmung des νους als des Zweckes aufgestellt ohne ihn consequent durchzuführen. Diese Critik macht Socrates im Phaido:

Socrates nimmt den νους hier in der Bestimmung des Besten von Jedem, des Zweckes ansich selbst.

3.) Kritik der Anaxagoräischen philosophie α.) durch Aristoteles. b.) durch Sokrates bey plato. cf plato Dial. phaedo. Verum cum audi sem Anaxagorae sententiam mentem omnia exornare (νοῦς εστιν ὁ διακοσμῶν καὶ παντων αἴτιος) magnopere sum delectatus – putabam si eo ita

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sondern ein solches ist das sich Erhaltende. Wir sehen in diesen Vorstellungen, wie roh sie auch seien, dennoch, daß sie dem νοῦς gemäß seien. Mit Anaxagoras haben wir die erste Stufe der Ersten Periode beschlossen; der νοῦς selbst ist noch formell, die Ausbeute aller dieser Prinzipe nicht groß. Wie ungenügend der νοῦς sei, sagt Aristoteles: Anaxagoras, sagt er, ist wie ein Nüch- 5 terner unter Trunkenen; aber keiner braucht wohl den νους zu seinem Weltsystem, wenn er in Verlegenheit ist wie die Nothwendigkeit einer Sache aufzuzeigen sei, sonst aber erklärt er alles ohne den νους. | Socrates im Phaido des Plato, 49vHo der ein näheres Verhältniß zum νους hat, sagt Folgendes: “als ich aus einer Schrift des Anaxagoras lesen sollte, der νους sei das Prinzip der Welt, meinte ich der νους 10 werde alles machen wie es am Besten ist. Wenn nun Jemand die Ursache des Einzelnen finden wollte, müßte er dieß aufsuchen, wie es am Besten ist” – wir sehen hier also den νοῦς mit der Bestimmung des Besten zusammenfallen. “Aus diesem Grunde gehöre es sich für den Menschen das Beste von sich und allem anderen zu suchen. So glaubte ich einen Lehrer am Anaxagoras für die Dinge gefunden zu 15 haben. Ich meinte er werde sagen: warum die Erde rund sei ect. und ich machte mich gefaßt er werde überall den νοῦς aufzeigen. Indem er vom Einzelnen seine Ursache aufweisen sollte und das Gemeinsame Beste aller Einzelnen, so las ich die Schrift das Beste und Schlechte kennenzulernen. Doch als ich fand, daß der Mann den νοῦς gar nicht brauchte, sondern Anderes Ungeschickte als natürliche 20 Ursachen, so schien er mir es so zu machen, als sagte Jemand: socrates thue alles mit νους und er nun hier erklären wolle, daß ich deswegen hier sitze, weil mein Körper aus Muskeln und Knochen bestehe ect, und die wahre Ursache, daß es die Athenienser für besser erachtet haben mich festzusetzen, ausließe, so ist Jenes Ursache zu nennen höchst ungeschickt. Es ist den Unterschied nicht machen von 25 der wahren Ursache und dem, ohne was sie nicht sein kann.” Socrates spricht immer vom Besten, vom Zwecke und diese Bestimmung ist es, in welcher bei socrates die Art und Weise der Wirksamkeit des νους vorkommt. 5 sagt Aristoteles:] Hu: hat Aristoteles gesagt – auch plato lae st den Sokrates in phaedo darüber 118 Hu 112. sprechen.­  ­ 8–9 Socrates im … hat,] Hu: Noch ausführlicher spricht Sokrates darüber. Sokrates 30 hat ein naeheres Verhaeltni s zum Νους – bei ihm tritt er naeher hervor – Diess ist ein Beispil von der Raethsaeligkeit mit welcher plato den sokrates sprechen lä st. (Absatz) Sokrates sagt wie es ihm mit den Anaxagoras gegangen ist – 2  dennoch nachtr. mit Einfügungszeichen über gestr. sehn w.­  ­3 erste Stufe … Periode] (1) ersten Abshnitt des Ersten Theils (2) erste (nachtr. aus ersten) Stufe (nachtr. über gestr. Abshnitt) des (nachtr. aus 35 des) Periode (nachtr. über gestr. Theils)­  ­7 ist nachtr. über gestr. d­   die nachtr. über der Zeile­  ­8 sei nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­9 Verhältniß] ohne Umlautpunkte­   sagt nachtr. über der Zeile­  ­14 sich für nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­17 vom nachtr. über gestr. dem­  ­18 aller Einzelnen nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­   29–39.555,30–36M 3.) Kritik der … potuerant …] Marginalien auf 118 Hu  33 Anaxagoras] Anaxogaras

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Drücken wir uns so aus, die Natur der Dinge müsse nach dem Begriff betrachtet werden, so ist der Begriff dieß Unabhängige das Anundfürsichsein. Er ist das Wirksame und im Proceß sich | Durchsetzende und Erhaltende. Das Verhältniß von nur natürlichen Ursachen hemmt er und erhält darin sich selbst. Diesen Begriff können wir Zweck nennen, das Gute und Beste. Bei uns führt dieß den Mißverstand mit sich, daß wir den Zweck als eine Bestimmung der Dinge vorstellen, der νους ihnen außerhalb fällt. So sagen wir die Dinge seien nützlich, Zweck für ein Anderes, das außer ihnen liegt. So sagen wir: dieß und das und da und dazu gut. Sehen wir also jetzt den Zweck auftreten, so haben wir die Vorstellung zu entfernen, als sei er ein demjenigen, das dem Zweck gemäß ist, Äußerliches. Sondern der Zweck ist der Begriff, des Dinges selbst, der sich realisirt und in diesem Proceß sich selbst hervorbringt. Die Hauptbestimmung des Zweckes ist das freie sich selbst erhalten, und die Wirksamkeit des sich selbst erhaltens, wodurch das Entstehen und Vergehen unter der Herrschaft des Zweckes steht. Der Zweck ist die immanente Seele des Gegenstandes selbst, und er ist keine bloße äußerliche Zweckmäßigkeit und Nützlichkeit.               

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Die Ausbeute dieser ersten Sphäre im Ganzen ist nicht groß, sie schließt mit dem Bewußtsein: das Absolute sei der νους, der seinen Inhalt sich selbst setzt, und in dessen Processe sich selbst erhält. Wir gehen zur zweiten Stufe der 1sten Periode über. In ihr haben wir die sophisten, socrates, Plato und Aristoteles zu betrachten. In ihnen ist das Bleibende der νοῦς, der freie Zweck, der zunächst auf sehr subjective weise gefaßt ist, erst mit Plato wird die Bedeutung des Zweckes das Allgemeine die Idee, die Gattung. – Indem jetzt der Gedanke als das Prinzip aufgefaßt wird hat er die subjective Erscheinung; das Denken als selbstbewußte Thätigkeit wird als das Erste gemacht. Somit tritt das Zeitalter der subjectiven Reflexion auf. Hier begegnen uns die sophisten. sophisterei scheint zunächst etwas Schlimmes zu bedeuten, und die Sophisten sind durch den Gegensatz mit

Bei der Bestimmung des Zweckes ist der Mißverstand zu entfernen von Zweckmäßigkeit für ein Anderes, Äußerliches, denn Zweck ist die anund für sich bestimmtheit, und das Sicherhalten derselben in ihrem Proceß.

Der Zweck ist die immanente Seele der Dinge selbst und die Thätigkeit der Production seiner selbst wie die Herrschaft über den Proceß des Entstehens und Vergehens; das darin sich auf sich Beziehende.     

Zweite Stufe. In ihr ist der νους das bleibende und seine Bestimmungen entwickelnde. Der νους als das unmittelbar einzelne Denken des subjects aufgefaßt ist das Prinzip der sophisten; das subject und sein Denken ist hier der Zweck.

30 1–2  Drücken wir … Anundfürsichsein.] Hu: Wenn wir uns ausdrüken – die Dinge wollen nach 119 Hu 113. 61 den Begriff beurtheilt werden – so ist das eine unselbststaen-|dige Bestimmung –­  ­11–12 Sondern der … hervorbringt.] Hu: Es ist einmal der Begriff der Welt an und für sich. Entzweck der Welt –­  ­20–21 Wir gehen … über.] Hu: Damit gehen wir weiter. (Absatz) Zw e i t e P e r i o d e (Absatz) A n a x a g o r a s   – A r i s t o t e l e s .­  ­26 Erscheinung] Hu: Gestalt­  ­28–29 sophisten. so120 Hu 114. phisterei … bedeuten,] Hu: S o p h i s t e n . Man verstehet gewöhnlich unter ihnen schaedlige Leute.

e set, ut mens omnia exornaret, singulos per hanc ita disposita e se, ut optime disponi potuerant …

1  müsse] mssen­  ­20–21 Stufe der … Periode] (1) Periode des 1sten Theils (2) Stufe (nachtr. über gestr. Periode) der (nachtr. aus des) 1sten Periode (nachtr. über gestr. Theils)­  ­24 des Zweckes nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen

1.) Sie waren zuerst Lehrer der wahrheit

556 50 vHo Sie waren zuerst Lehrer für die allgemeine Bildung, indem es in ihrer Zeit Bedürfniß ward sich denkend zu bilden.

Was früher war Gegenstand der Religion gewesen: die Mächte der Welt und des subjects, hat jetzt nur Gültigkeit wenn das bisher Vorausgesetzte unmittelbar Geltende jetzt als ein durch das subjective Denken Gesetzes und vermitteltes ist.

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2.) Sie sind Meister im Raesonnement aus Gründen. a.) Die Bestimmung des höchsten Zweckes ist der Willkühr überla sen.

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Plato in Miskreditt gekommen. | Zunächst heißen sie Lehrer der Weisheit, indem sie an die Stelle der Rhapsoden treten. Denn in alten Zeiten sind die allgemeinen Lehrer die Dichter, die Religion ist keine Lehrerinn; das Lehramt ist es, welches die sophisten übernahmen. Sie ertheilten Unterricht in der Weisheit, in den Wissenschaften. Dieß war ihre erste Bestimmung. Es ist in diesen Zeiten Bedürfniß des Geistes, durch Denken sich zu bilden; so sind Wissenschaften wie Mathematik ect geworden, und die sophisten übernahmen es die Vorstellung zu bilden. Ihr Unterricht bestand in der Bildung zur Philosophie wie zur Beredsamkeit, zu den Gedanken, die dem geläufig sein müssen, der unter einem Volke auftreten und durch Vorstellungen bei ihm etwas ausrichten will. Die übrigen Wissenschaften waren von der Philosophie noch nicht getrennt. Zur Weisheit ward gerechnet zu kennen, was die Macht des Allgemeinen unter den Menschen ist. Einerseits was die absolute Macht, das Wesen der Welt ist, sowie anderseits was die Macht für die letzten Zwecke der Menschen ist, der ist mächtig unter den Menschen, der was er will zurückzuführen weiß auf das, was die Menschen bewegt. Und dieß war auch hauptsächlich Gegenstand ihrer Lehre, sich ein Bewußtsein darüber zu geben, worauf es in der sittlichen Welt ankommt, was dem Menschen Befriedigung gäbe. Er hat eine Macht in sich, hat Triebe und wird befriedigt in dem er diesen Trieben Genüge leistet. Diese Gegenstände sind die des Unterrichts der Sophisten. Sie sind zunächst Gegenstände der Religion, die sagt: die Götter seien diese Mächte, die Gesetze, und der Mensch ihnen gemäß sei befriedigt, und er solle voraussetzen auch Andere befriedige dieß. Aber der Reflectirende ist mit diesen Voraussetzungen nicht zufrieden, sondern er will nicht diese Gesetze als Autorität haben, als äußerliche Nothwendigkeit, sondern will sich darin sich selbst befriedigen, durch sein Denken, durch seine Reflexion das wissen, was ihn verbinden soll, was ihm Zweck sein soll, welchem er sich | soll gemäß machen. Näher waren die Sophisten Lehrer der Beredsamkeit nach der Seite hin, daß das Individuum das geltend machen konnte, was dem Besten des Vaterlands gemäß war, indem es die Bürger dazu zu leiten, davon zu überzeugen vermochte. Beredsamkeit ist dann dieß: ein Bestimmtes auf das zurückzuführen, was die allgemeinen Mächte des Menschen sind. Damit hängt zusammen, daß die sophisten Meister im Raisonnement, in dem reflectirenden Denken, Meister in

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3  Lehrerinn;] Hu: Lehrerinn – Priester waren nicht Lehrer. Haben nur Orakelspruche gegeben (μανϑαις).­  ­21–22 und der … befriedigt,] Hu: der Mensch wird befriedigt indem er den Gottern 121Hu 115 62 und Gesetzen gehorcht –­   ­31–32.557,1–11 Damit hängt … sollte.] Hu: Sie waren also Meister im 35 Raesonement – Meister in dem Gründen – Sie stehen überhaupt auf der Mitte der Stuffe der Bildung – in der R e f l e k t i r u n g  – Es ist bei ihnen noch nicht das gekommen – dass aus den Bewustsein das Letzte hervorkommt – Es handelte sich nur um das, alles aus sich zu begründen – das ist 3  keine nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen

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den Gründen waren. Bei ihnen ist die Zeit noch nicht vorhanden gewesen, daß aus dem denkenden Bewußtsein allgemeine letzte Grundsätze hervorgebracht wurden. Es handelt sich jetzt darum das früher vorausgesetzte aus sich zu setzen. Die subjective Freiheit beginnt sich selbst will das subject haben, nur was es in sich findet aus sich setzt, dieß soll dem subject gelten. Alles gilt nur insofern das subject durch sein Denken es anerkennt. Indem einerseits dieß reflectiren aufstand, anderseits aber noch kein festes Prinzip gefunden war, ward dieß Denken unbestimmt, willkührlich. Bei socrates erst ging das Schöne und Gute auf, welches Zweck für das Individuum werden sollte. Bei den sophisten war solch allgemeiner Inhalt noch nicht als letzter Zweck, und somit war es der Willkühr überlassen, was als letztes gelten sollte. Und dieß ist die Ursache des üblen Rufs, in den die sophisten fielen und was auch das Mangelhafte ausmachte. Was das Äußerliche betrifft, so ist bekannt, daß die sophisten große Reichthümer erwarben, ein üppiges Leben zum Theil führten. Was die Weise ihres Denkens betrifft, so war sie das Räsonnement. Räsonnement heißt näher dieses: Wenn Verhältnisse, Gegenstände nicht durch die Natur der Sache erkannt werden, nicht aus dem Begriff der Sache, dann sind es äußerliche Gründe, welche das Entscheidende werden. Dadurch ist die Sophistik in sehr üblen Ruf gekommen. | Sophistik heißt es nach diesem, sei eine Weise des Denkens, der nur üble Menschen sich schuldig machen. Aber Sophistik ist überhaupt das Räsoniren welches aus äußerlichen Rücksichten die Dinge bestimmt. Man kann auf diesem Standpunkt leicht soweit kommen zu wissen, daß wenn es auf Gründe ankommt sich alles durch Gründe behaupten und widerlegen lasse. Und dieß ist das Verbrechen der Sophisten, daß sie gelehrt haben alles zu beweisen zum Behufe der Beredsamkeit oder zu seinem eigenen Vortheil. Dieß liegt aber in der Eigenthümlichkeit dieser Stufe überhaupt, und es ist nur Mangel der Bildung, die hierüber nicht Bewußtsein hat. Um ein näheres Beispiel anzuführen, können wir an un-

der S t a n d p u n k t d e r S u b j e k t i v i t a e t . Ein Gesetz, Religion gilt auf diesen Standpunkte nur insofern I c h es aus meinen Denken hervorbringe. Indem das subjektive Bewustsein einerseits war, 30 anderseits aber noch k e i n f e s t e s p r i n c i p darin gefunden war, so war insofern das Denken nur Raesoniren – es fehlte der letzte zweck – Dieses Raesoniren überlie s der Willkuhr was man sich zum letzten Zwecke mache –  15–18 Wenn Verhältnisse, … gekommen.] Hu: Wenn Zweck, Gegenstand etc nicht durch die Natur der Sache, den Begriff abgeleitet wird – so ist nicht der Begriff, das Gute als solches der hochste Zweck – dann sind es Rücksichten – au sere Grunde – So 35 stellt plato entgegen den Sophisten sein philosophiren.­  ­25 aber] Hu: aber nicht in den Sophisten – sondern 4  nur nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­5 aus sich setzt nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­16 werden] wird­  ­19 Sophistik] davor gestr: Zunächst heißen sie Lehrer d. Weisheit. Sie traten an die Stelle d. Rhapsoden. Die allg. Lehrer waren die Dichter, die Rel. war 40 kne Lehrerinn (Dublette)­   es nachtr. über der Zeile­  ­25 seinem] Numeruswechsel

Indem aber für das Denken des subjects noch kein Anundfürsichseiendes Allgemeines feststand, so ward das Denken des subjects als solchen und somit zufälliger und willkührlicher als das Absolute ausgesprochen. Dieß ist das Mangelhafte und die Ursach des bösen Rufs der sophisten. Dieser Standpunkt ist als das subjective Denken, der das Räsonnements, welches die Dinge nicht nach ihren immanenten Begriff, sondern nach äußerlichen Seiten betrachtet, | und diese Betrachtung als das Letzte aufstellt. Weil nun die Gründe, die äußerlichen Rücksichten zufällig sind, so kann bei ihnen wenn der eine als der wahrhafte festgestellt wird, aus gleichem Grunde der Andere entgegengesetzte festgehalten werden und ebenso ein Dritter, und somit ist es der Standpunkt der Sophisten alles beweisen zu können.

122Hu 116.

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Dieß Bewußtsein ist der Fortschritt der Bildung bei den sophisten.

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Indem das concrete Ganze durch die Reflexion zersplittert und eine Seite gegen die andere festgehalten und geltend gemacht wird, so ist auf diesem Boden nichts Festes, und unter dem Schwankenden nur die Willkühr des subjects jede Seite auffassen zu können das Bleibende.

123Hu 117. 63

β.) Das Eine Feste, die besondere Subjektivitaet ist der letzte Zweck.

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sere Weise erinnern wenn wir zB. sagen: betrügst du, so verlierst du den Credit, dadurch die Gelegenheit reich zu werden. Oder “sei mäßig, sonst wirst du krank, und dein Genuß wird verringert.” Oder bei der Strafe: “ich that dieß und das darum und darum.” Alle solche Gründe sind aus äußerlichen Seiten hergenommen. Ganze Predigten sind solcher Dinge voll. Ein Anderes ist es, wenn ein Festes zu Grunde liegt. Sonst war es die Weise im Religionsunterricht die Dogmen zu wissen, und durch diese richte die Gnade Gottes das Leben ein. Auf diese Wahrheit ist alles gestellt: Wenn aber bei Predigten auf Gründe alles reducirt wird, so ist dieß die weise der Sophistik. Sie ist weiter nichts als das Räsonnement aus Gründen, das nicht die Sache selbst geltend macht, sondern Empfindungen, äußerliche Seiten, welche als Letztes aufgeführt werden. Daß die Sophisten ein Bewußtsein über dieß Räsoniren hätten, und daß sich dadurch jede | Seiten festhalten und beweisen lassen ist der Fortschritt ihrer Bildung. Bei der Beredsamkeit ist es nöthig die Seiten des empirischen Menschen in Anspruch zu nehmen. Diese Gründe gehören den Sophisten an, denn das Feste Anundfürsichseiende ist nicht das Entscheidende. Die Sophisten als gebildete hatten das Bewußtsein daß auf diesem Felde der Gründe alle Seiten zu behaupten seien, welche sollen geltend gemacht werden dieß hängt von Zufälligem ab. Dieß ist der Mangel dieser Sphäre und ihr Bewußtsein, daß alles sich behaupten lasse, dieß ist nicht der Mangel, sondern es gehört ihrer Bildung. Ungebildete entscheiden sich nicht so aus Gründen, sondern die Rechtlichkeit, Sittlichkeit wird das Entscheidende. Auf dem Boden der Gründe giebt es nichts Festes, der Gedanke ist es, welcher alles kann wankend machen, und diese formelle Bildung ist es, welche die sophisten verbreiteten. Was weiter damit zusammenhängt, ist dieses, daß es sich fragt, was nun zum letzten Interesse solle unter diesem Schwankenden gemacht werden? Da giebt es nun, könnten wir sagen zweierlei Festes: das Eine ist das Allgemeine das Gute, das andere die Willkühr des subjects. Wenn man sich alles eitel zu machen weiß, kann das Belieben des subjects zum Festen gemacht werden, die besondere Particularität. Und dieses Letztere war der Standpunkt der

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22–23  der Gedanke … machen,] Hu: Das ist die Reflexion – die Macht des Gedankens – es ist 30 Dialektik – kann alles wankend machen –­  ­24–29 Was weiter … Particularität.] Hu: Wenn also dieses Feld der Grunde so ein wankender Boden ist – so ist die Frage, was soll man sich zum letzten Intere se machen? für sich oder für andere? Da giebt es zweierley festes welches gefunden werden kann das 1o ist das Gute das 2o das Allgemeine – Das Einzelne Gute ist Subjektivitaet – es kommt zum Belieben – zur Lust, Herschsucht – Ruhm Ehre – Ich erscheine als der Meister. So wei s ich 35 aber zugleich die andern zu determiniren –    ein nachtr. über gestr. aus­  ­12–13 und daß … Bildung.] (1) ist nicht zu | fordern. (2) (u daß sich 7 dadurh jede nachtr. unter gestr. ist nicht zu) | ((Seiten festhalten u beweisen lassen Numeruswechsel) ist d. Fortshritt ihrer Bildg. nachtr. als erste Textzeile über gestr. fordern.)­  ­15 an nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen 40

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sophisten. Sie gehören einerseits zur Philosophie durch die formelle Bildung und gehören anderseits dieser particularität wegen nicht dazu. Sie bleiben nicht beim empirischen Räsoniren stehen, sondern sind sich zum Theil der allgemeinen Mächte desselben bewußt geworden. Es ist nach der negativen Seite die Eleatische Denkweise, welche von ihnen auf alle Gegenstände des Wissens und Handelns verbreitet ist. Das Positive ist bei ihnen die Nützlichkeit eigener Zwecke in diesem Schwanken gewesen. Dieß ist die Characteristik des Standpunkts der sophisten. Ausführlich die einzelnen zu behandeln gehört in die Bildungsgeschichte. | Wir führen nur Protagoras und Gorgias an. Der erstere stammt aus Abdera her, reißte in Griechenland umher, und von ihm wird zuerst gesagt, er sei im eigentlichen Griechenland als öffentlicher Lehrer aufgetreten. Protagoras las seine Werke ab, wie die Rhapsoden ihre Gesänge. Die Grundlage früher Bildung war das Auswendigwissen von solchen Gedichten. Jetzt tritt statt ihrer der Gedanke auf. Protagoras kam auch nach Athen und lebte dort mit Perikles, dem mächtigen Redner. Aus den Reden des Thucidides sehen wir, welches Bewußtsein Perikles über seinen Staat hatte. Im Umgang mit Protagoras und Anaxagoras bildete er seinen Geist. Auch Protagoras ward aus Athen eines Werkes wegen verbannt, das so begann: “von den Göttern wage ich nicht zu sagen ob sie seien oder ob sie nicht seien”. Es ist dieß das erste Buch, das auf Befehl des Staates verbrannt ward. Von Protagoras hat uns Plato und Sextus Empiricus manches auf behalten. Den Satz seines Wissens hat Protagoras ausgesprochen: “von allen Dingen ist der Mensch das Maaß, von dem was sie sind, und was sie nicht sind.” Dieß enthält sogleich eine Zweideutigkeit. Die selbstbewußte Vernunft, die allgemeine die im Menschen sich bewußt wird sie allerdings ist das Maaß aller Dinge. Der sophist aber meinte den Menschen nach seinem besonderen beliebigen Zwecke. Bei Protagoras hatte der Satz einen allgemeinen Sinn allerdings. Der Fortgang der Philosophie hat nur den Satz: der Mensch sei das Maaß aller Dinge, immer weiter erläutert und besteht nur in dieser Erläuterung. Protagoras geht so fort, daß die Wahrheit die Erscheinung für das Bewußtsein sei, nichts sei an und für sich Eines, sich selbst gleich, alles sei nur relativ in Bezug auf das Bewußtsein. Dieß wird durch für uns gleichgültige Beispiele erläutert. ZB. sagt Protagoras: es geschehe beim

124 Hu 118. 25–27 Der sophist … allerdings.] Hu: aber | man kann auch darunter verstehen einen jeden zufälligen Menschen. Es wird den Sophisten zugeschrieben eben dass sie den Subjektiven Menschen 35 nahmen. Protagoras hat bestimmt das Erste gemeint –­  ­32.560,1–2 es geschehe … warm.] Hu: es geschieht bei den Winter dass der Eine erfriehrt und der Andere nicht. Das Sechs ist mehr, aber es kann auch weniger sein – indem ich zwölfe nehme. 9  behandeln] behandlen­  ­25 wird] folgt nachtr. gestr: so ist­   ist nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­34 dass] dasss­  ­37 nehme] nehmen

Diese Willkühr als das Absolute ausgesprochen ist der Standpunkt der sophisten. Ihre höchste Stufe ist sich der allgemeinen Kathegorieen des Räsonnements bewußt zu werden. Protagoras und ­Gorgias. Protagoras. Biographie.

Philosophie des Protagoras. Der Mensch als subjectives einzelnes Selbstbewußtsein sei das Maaß aller Dinge.

Diese seien also nicht an und für sich; sondern als Wahrheit ist die Erscheinung ausgesprochen, die Bezogenheit des selbstbewußten Denkens auf die Dinge, wie dieser auf das selbstbewußte Denken, wie es im besonderen subject ist.

125Hu 119. 64

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Gorgias.

Sein Prinzip ist die Dialektik der Dinge, des Erkennens und des Mittheilens ihrer Erkenntniß. Die Verfahrungsweise ist diese: die Betrachteten Gegenstände werden in bestimmten Bestimmungen festgehalten, an welchen dann aufgezeigt wird, daß sie sich widersprechen, wodurch die Unwahrheit des Gegenstandes soll aufgezeigt sein.

L. VII β.) Dialektik des ­Gorgias.

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Winde, daß bei ihm der eine friere, der andere nicht; der Wind | sei nicht an und für sich kalt oder warm. Alles habe nur relative Wahrheit, was der Gegenstand sei, sei er nur als Gegenstand des Bewußtseins. Das gegenständliche Wesen ist hiemit ein Fließen, ein stetes sich Wandeln. Protagoras führt dann weiter an: daß erst durch die Gegenseitige Bewegung unserer zu den Dingen und der Dinge 5 zu uns, die Dinge seien. Das Weiße wäre nicht an und für sich Weißes, der Gegenstand wäre nicht an und für sich, das Thätige das Active, die Ursache, so daß wir nur passiv wären. Das Wahre also sei nur die Beziehung des subjects und der Dinge, nur die Erscheinung sei. Dieß ist allerdings einerseits zuzugeben; anderseits aber nicht. Das Eine was beim Heraclit die Nothwendigkeit des Fließens ist, ist 10 Hier die Erscheinung, daß diese das Allgemeine sei. Protagoras hatte ein durchgebildetes Bewußtsein. Gorgias aus Leontium in Sicilien ward als Schüler des Empedocles angegeben. Nach Athen kam er in der 88sten Olympiade, durchzog dann alle griechischen Städte und erwarb große Reichthümer. Seine Dialektik zerfällt in 3 Theile. Im ersten beweißt er, daß nichts ist, im 2ten, wenn etwas 15 wäre, wäre es nicht erkennbar, und wäre es erkennbar, wäre es nicht mittheilbar. Uebrigens hat diese Dialektik die Art der subjectiven Eleatischen. Wir wollen nur Einiges anführen. Aristoteles sagt: “daß das Seiende nicht ist, dabei verfährt Gorgias so: er setzt, daß was ist, ist entweder ansich ohne Anfang oder es ist entstanden. ἐι εστι sagt Gorgias so ist das Ist ansich oder entstanden. Er zeigt es sei 20 weder das Eine noch das Andere. Was kein Prinzipium habe sei unendlich, das Unendliche sei nicht, wo es ist, sei es verschieden von dem, worin es ist, dadurch sei es nicht unendlich. So gehen die Argumentationen fort. Die Bestimmungen, Sein ect wenn diese sich auf heben sollen, werden vorausgesetzt. Das Sein zB. wird hier gesetzt unendlich zu sein oder entstanden. | Dann wird die Auflösung 53vHo des Gegenstandes in diese Bestimmungen herbeigeleitet. Hier ist dann aber der 13–16 Nach Athen … mittheilbar.] Hu: Er wurde als Gesandter in der 88 Olimpiade 2 Jahr nach Athen | geschikt. Sextus Empiricus adversus Mathematicos handelt von ihm sehr weitlauftig. (Ab- 126 Hu 120 satz) Seine Dialektik zerfaellt in drey Theile – in ersten bewei st er, dass Nichts i s t  – in zweiten wenn etwas waere, so würde es nicht beweisbar sein – in dritten es i s t aber nichts, weil weder das 30 Seyn, noch das Nichtsein, noch auch das Seyn und das Nichtsein sein kann.­  ­19 Gorgias so:] Hu: Gorgias wie Meli s und Zeno­  ­23–26.561,1–4 So gehen … betrachten.] Hu: Es ist die gewöhnliche Verfahrung der Skeptiker – denn wenn sie bezeignen wollen dass Etwas nicht ist, so setzen sie das was ist in mehrere Bestimmungen – und sagen weil das Eine das Andere Au sschlie st deswegen ist der Gegenstand nicht. Das ist aber nicht die wahre Dialektik – denn die Bestimmungen koen- 35 nen sich wohl auf heben – aber dies gilt gegen den Gegenstand selbst nichts. (Absatz) Wir sehen am diesen Gorgias dass die Sophisten die Logik im Allgemeinen behandelt haben.    und für nachtr. über der Zeile­   Weißes nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­9–10 ander6 seits aber nicht. nachtr. über der Zeile­  ­10–11 ist Hier … diese nachtr. mit Einfügungszeichen über gestr. ist­  ­11 sei. nachtr. aus Punkt­  ­12 Leontium in nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­17 sub- 40 jectiven nachtr. über gestr. Objectiven­  ­23 es nachtr. über der Zeile­   fort. nachtr. über gestr. statt.

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Gegenstand nicht an und für sich genommen, sondern nur in vorausgesetzten Bestimmungen, so daß nur die Auflößung des Gegenstandes in diese Bestimmungen folgte, nicht die Auflösung des Gegenstandes selbst. Wir sehen also hier, daß die Sophisten auch allgemeine Gegenstände betrachten. Die 2te Figur nun dieses Kreises ist Socrates. Er ist eine welthistorische Gestalt; der Hauptwendungspunkt des Geistes in seinem Bewußtsein hat sich in ihm verwirklicht. Nehmlich wir haben schon von Socrates gesehen, daß er die Lehre des Anaxagoras aufnahm, das Wahre sei das Denken als das sich selbst bestimmende Allgemeine. Bei den sophisten hat das Denken die formelle Seite der abstracten Philosophie der allgemeinen Bildung erhalten. Bei socrates aber ist der Gedanke der selbstbewußte, der durch die sophisten die Macht über alles geworden war, so, daß er in ihm zugleich das Feste, Ruhende aufgefaßt hat. Dieses Feste des Gedankens, seine substanz, das Anundfürsichseiende, Erhaltende ist als der Zweck bestimmt, und näher ist dieser als das Wahre, als das Gute ausgedrückt. Der Gedanke ist zweitens außer der Bestimmung der substantialität unmittelbar dieses, daß das Gute, substantielle, Anerkennbare mir nur gelten soll, insofern ich es erkenne. In socrates ist die Forderung der unendlichen Freiheit des Selbstbewußtseins aufgegangen. Was gelten soll, darin soll ich sein, es soll mir Praesent sein, gegenwärtig. Ein substantielles ist durch das Denken gesetzt, aber das subject soll es erkennen in sich hervorbringen. Ich ist nur die formelle Thätigkeit. Das 3te ist, daß socrates dieß Allgemeine, indem er es als das Wahre Gute bestimmte es nur in dem besonderen Sinne des Practischen nahm. Nehmlich ich solle mich bekümmern um das, was das Gute im Handeln ist. Plato und Aristoteles haben das Allgemeine nicht nur des Handelns genommen, sondern als das Allgemeine der Welt. Das Handeln ist nur eine Weise der Idee, die Idee | als Wille. Socrates wird daher als der Erfinder der Ethik angegeben. Die Ionier waren die Naturphilosophen; Plato soll die Dialektik hinzugefügt haben. Socrates Lehre können wir näher Moral nennen, denn Ethik enthält das Sittliche schon in sich. Bei der Moral ist das Hauptmoment die subjective Seite meiner Absicht meiner Einsicht; meine Meinung von dem Guten ist das Ueberwiegende. Die Sittlichkeit besteht mehr darin, daß das Anundfür sich Gute gethan werde. Die Athenienser vor Socrates waren keine moralische Menschen, sie haben die wesentlichen vernünftigen Verhältnisse ausgeführt, ohne Reflexion, ohne Einsicht vortreffliche Men8 –9  das Wahre … Allgemeine.] Hu: d a s D e n k e n i s t das Regierende | das sich selbst

Socrates. Der Fortgang ist, daß der subjective Gedanke nur in sofern als das Absolute ausgesprochen wird, insofern er nicht der subjective Zweck sondern der absolute des Guten und Wahren ist. So ist der Gedanke: a. Das Gute und Wahre an und für sich, das substantielle. b. Zugleich ist dieses Wahre nur als subjectiv, und hat nur Gültigkeit insofern es vom subject gewußt und anerkannt wird. Es geht hier das Prinzip der unendlichen Freiheit auf, daß das substantielle nur als subjectiv ist, und das subjective also sich selbst im substantiellen begreift und erhält. c. Drittens hat Socrates das Anundfürsichseiende Gute | und wahre als Wille bestimmt, welcher insofern er nur als subjectiver ist den Standpunkt des Moralischen giebt.

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35 bestimmende.­  ­14–17 Der Gedanke … erkenne.] Hu: Es ist der Gedanke, als Festes, Substanziel-

les. Zw e i t e n s kommt zu den Gedanken die Bestimmung hinzu dass das Gute, das mir gelten soll 128 Hu 122 als zwek, dieses ich in mir erkennen mu s.­  ­31–33 Die Athenienser … ausgeführt,] Hu: Die Athenienser, Lacedemonier waren vor Sokrates sittliche Menschen, aber nicht moralische – sie haben dann gemacht was ihnen auferlegt war durch die Sitte, das Gesetz –

b.) Das allgemeine mu s ein von mir Gewu stes seyn.

562 Das Sittliche ist das Gute wie es das subject ohne die Reflexion thut als sei es das Gute.

Biographie des ­socrates.

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schen zu sein. Sie thaten ihre Sitte[.] Die Moralität verbindet die Reflexion zu wissen, dieß sei das Gute und Rechte und nicht ein Anderes. Die Reflexion der Sittlichkeit ist die Moralität. Die Kantische Philosophie hat diesen Standpunkt des Sittlichen wieder. – Socrates hat der Moralphilosophie ihre Entstehung gegeben und so wie er sie behandelte, wird sie sogleich etwas Populäres. Die PopularPhilosophie hat ihn auch zu ihrem Patron und Heiligen gemacht; Cicero besonders rühmt vom Socrates, daß er die Philosophie vom Himmel in die Häuser der Menschen brachte. Darin liegt einerseits, daß Socrates die Freiheit des Selbstbewußtseins urgirte; anderseits heißt dieß auch soviel, es sei Socrates Meinung gewesen: die Philosophie zu einer Hausphilosophie zu machen, die sich bequemt nach allen gewöhnlichen Vorstellungen des Menschen. Was die Lebensumstände des Socrates betrifft, so fällt seine Geburt in das Ende der 72 Olympiade. Seine Mutter war Hebamme, der Vater Bildhauer, und wollte auch den socrates zu dieser Kunst anhalten. Neben der Ausübung derselben beschäftigte sich socrates mit den Werken älterer Philosophen, hörte, 27 Jahr alt, den Anaxagoras, bis dieser vertrieben ward. Dann hielt er sich an Archilaos. Ferner befliß er sich bei Prodikus anderer Wissenschaften; auch in der Musik bildete er sich. | Als atheniensischer Bürger machte er 3 Feldzüge des peloponnesischen Krieges mit, die die Auflösung des griechischen Lebens herbeiführten. Was hier politisch geschah, dieselbe Conversion hat sich in Gedanken bei socrates und den sophisten gestaltet. Im ersten Feldzuge war Alcibiades socrates Gefährte bei der Belagerung von Potidaea. Alcibiades erzählt von ihm: socrates habe alle Beschwerlichkeiten dulden können, habe ihn befreit, und sei mit einem Kranze als der Tapferste gekrönt, den er nicht nahm, sondern dem Alcibiades gab. Ferner wird erzählt: socrates habe an einem Tage und einer Nacht unbeweglich da gestanden, ein Zustand, in den er oftmals fiel, ein Zustand dem synambulen analog, und der wichtig ist, in Betreff auf das, was der Daemon des socrates heißt. Im 2ten Feldzuge rettete Socrates den Xenophon, den er verwundet auf dem Boden liegend fand. Den 3ten Feldzug machte er in Aetolien bei Amphipolis. Später zur Zeit der Auf hebung der democratischen Verfaßung ward er im Rath gewählt, wo er sich durch Festigkeit gegen die 30 Tyrannen sowohl als auch gegen das Volk auszeichnet. Außer-

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 –6 Die Popular-Philosophie … gemacht;] Hu: Das war dass man ihn zum Dekmantel der Unphi5 losophie machte.­  ­13 der Vater Bildhauer] Hu: Er ist Sohn des Sophroniskos – Bildhauer. 22  socrates nachtr. über gestr. er­  ­23 ihn nachtr. über gestr. den Alcibiades­  ­25 da nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­26 synambulen] sc. Somnambulen­  ­28 liegend fand.] (1) lag. (2) lie- 35 gend (nachtr. aus lag.) fand. (nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen)­  ­31 sowohl nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­   auch nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­33 Sophroniskos] Sophronistos

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dem saß er zu dem Gericht, wo 10 Feldherren zum Tode verurtheilt wurden, weil sie den Todten hatten kein Denkmal errichtet. Was die Philosophie betrifft so gehört sie zur Lebensgeschichte des socrates selbst. Seine Beschäftigung in Athen war ein Umgang mit den verschiedensten Menschen. Die Athenienser waren überhaupt mehr oder weniger den ganzen Tag auf dem Markt oder in den Gymnasien. So schlenderte socrates auch umher sich mit Jedem, der ihm in den Weg kam, über Ethische Gegenstände sich unterhaltend. Er ging in die Werkstätten, zu Schmieden und Schuhmachern; besonders wendete er sich an die Jugend. Was die Art und Weise und den Inhalt seiner Unterhaltung betrifft, | so ist die socratische Methode dem Namen nach bekannt. Der Inhalt auf den er ging, ist der schon angegebene, die Erkenntniß des Guten als des Absoluten, und besonders das Gute in Beziehung auf Handlung. Diese Seite stellte socrates als einen so wesentlichen Gegenstand hin, daß er die Wissenschaften, die Betrachtung des Allgemeinen der Natur und des Geistes, theils selbst bei Seite setzte, theils Andere es bei Seite zu setzen auf forderte, damit sie erkennen möchten, was der Mensch zu thun habe. Insofern kann man sagen, hatte seine Philosophie dem Inhalte nach eine ganz practische Richtung. Das Gute zeigte er als nicht von Außen kommend vor, daß es nicht gelehrt würde, sondern aus der Natur des Geistes müßte producirt werden. socrates sagt er habe die Hebammenkunst ererbt aus dem Menschen selbst zu entwickeln, was gut wahr und schön ist. Dieß hängt mit dem Prinzip zusammen, das das des socrates ist. Der Geist ist das Unwankende, aus dem Geist muß der Mensch das Anundfürsichseiende fassen, und es ist somit das Seine. Dieß ist der Hauptinhalt. Was das Wichtigere dieses Inhalts betrifft, so macht Aristoteles über die Bestimmung der Tugend beim socrates die Critik: “socrates habe die Tugend zu einem Wissen gemacht, dieß ist nicht richtig, denn alles Wissen ist Denken, und somit ist alle Tugend bei socrates Wissen, somit hebt er Leidenschaft und Sitte auf.” Aristoteles vermißt die Seite der subjectiven Wirklichkeit. Nach socrates ist das Wahre und Gute nur ein Eingesehenes; die Erkenntniß ist allein als Tugend bestimmt. Was nun weiter die socratische Methode betrifft, so ist sie eine Hauptseite. In ihr sind folgende Momente zu bemerken. socrates beginnt das Allgemeine zum Bewußt-

4–5  den verschiedensten Menschen.] Hu: Menschen aus allen Kla sen.­  ­8 zu Schmieden … Schuhmachern;] Hu: es war ein Schumacher Nahmens Simon der auch philosophische Gespräche verfa ste.­  ­17–18 Das Gute] Hu: Gute, um de sen Erkenntni s der Mensch sich bemühen 35 soll­  ­19 müßte producirt werden.] Hu: producirt sein mü sen. Indem der Mensch so sich wei s, so wei s er sich darin frey – Die Idee seines | Geistes ist die göttliche Idee. 1  zu dem] (1) zum (2) zu (nachtr. aus zum) dem (nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen)­  ­15 ­auf(forderte) nachtr. über der Zeile­   damit sie nachtr. über gestr. um zu­  ­16 möchten nachtr. über der Zeile­  ­18 es] (1) sie (2) es (nachtr. vor der Zeile)­  ­25 die Critik: nachtr. über der Zeile

Sokrates Lebensweise hängt mit seiner Philosophie genau zusammen, da sie das Handeln vornehmlich zum Gegenstande hatte. Sein Philosophiren bestand in Unterhaltungen mit Individuen jeder Art. Von der socratischen Methode

Ihr Inhalt ist: das Absolute als das Schöne und Gute auszusprechen, insofern es als Handlung ist.

Das Gute sei das Anundfürsichseiende des Geistes und das subject die formelle Thätigkeit es in sich zu erkennen und somit aus sich zu schöpfen. Der Mangel ist, daß eben die Tugend nur im Wissen von derselben besteht, so daß die subjective Verwirklichung dieses Wissens fehlt. Die Methode dieses Inhalts ist näher:

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130 Hu 124.

564 a. Analyse des Allgemeinen aus besonderen concreten vorausgesetzten Fällen

und zwar wird dieß Allgemeine aus dem eigenen Bewußtsein der Unterredenden entwickelt. b. Erregung eines Zweifels gegen das sonst für wahr gehaltene zur Erweckung des Bedürfnißes nach dem Guten und Schönen als dem Allgemeinen. c. Hieran schließt sich die Ironie, indem Socrates zunächst unmittelbare Vorstellungsweisen gelten läßt, bis er in dem Bewußtsein der Behauptenden selbst dieß zu Stande bringt, daß sie einsehen, das Gegentheil des ersten behaupten zu müssen. Sie ist im Bewußtsein des Allgemeinen Guten und Schönen das Aufzeigen der Dialektik sonstiger Vorstellungen und das Befriedigtsein in diesen dialektischen Schranken. Die moderne Ironie dagegen ist das Bewußtsein der Negativität und somit der Ast p. 104. Die Ironie das innere Leben im Unendlichen – nach Sokrates wurde die Ironie, ohne Tugendenthusiasmus,

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sein zu bringen. Zu diesem Behuf geht er von einem concreten Falle aus und aus diesem, aus Vorstellungen des gewöhnlichen Bewußtseins analysirt er das Allgemeine. Das Zufällige, Äußerliche wird vom Gedanken abgesondert; so bleibt das Wesentliche im Bewußtsein über. | Dieß Verfahren sehen wir auch bei Plato. 55vHo Der ungebildete Mensch lebt in unmittelbaren Vorstellungen, die Bildung ist 5 vom Allgemeinen zu wissen. Bei Plato und Xenophon sehen wir solche Absonderung mit großer Langsamkeit vor sich gehen. Uns ist von Jugend auf Allgemeines gelehrt, wir sind gewohnt uns eher darin zu bewegen, und so ist es uns höchst langweilig den weiten Weg mitmachen zu müssen. Dieß also ist die eine Seite der socratischen Methode; das Allgemeine aus dem Besonderen herauszuhe- 10 ben, es aus einem concreten Fall und aus dem eigenen Bewußtsein der Unterredenden zu entwickeln. Eine 2te Seite der Methode ist diese, daß socrates, indem es ihm darum zu thun war, im Menschen das Denken zu erwecken, einen Zweifel an dem was sie sonst für baar annehmen, erweckt, und somit mit gewöhnlichen vorstellungen beginnt, sie zunächst sich gefallen läßt. Besonders thut er das, 15 wenn er die Manier der sophisten will zu Schanden bei Jünglingen machen, denen er Begierde nach Erkenntniß erwecken will. Auch will er Sätze der Sophisten zu Schanden machen. Er beginnt damit, gewöhnliche Vorstellungen sich geben und gelten zu lassen. Er stellt sich zu diesem Behufe unwissend, läßt die Anderen reden, sich belehren. Dieß ist dann die Seite der berühmten socrati- 20 schen Ironie. Sie hat bei ihm die subjective Gestalt, ist eine Benehmungsweise des Umgangs. Die Dialektik läßt sich mit der Sache ein, die Ironie ist mehr das Benehmen von Person zu Person. socrates giebt sich den Schein der Unbefangenheit; läßt unmittelbar zu, was zugegeben wird. Dieß ist die Ironie des socrates, Weiteres nicht, und sie ist nicht, wie Schlegel und Ast sagen, die höchste Weise 25 des Benehmens des Geistes die Ironie ist im Sinne jener das subjective Bewußtsein das mit allem fertig zu werden weiß; Ich weiß mich | schlechtweg als den 56rHo Herrn von allem, der mit allem fertig geworden ist, und jetzt nur gelten läßt was er will, und dieses ebenso wieder wegwirft. Es ist das Spiel mit allem. Dem Standpunkt dieser subjectivität ist nichts mehr ernst. So ist die Ironie bei socrates 30 nicht, sondern sie ist nur eine Geburt neuerer Zeit. Das Göttliche soll danach dieses negative sein, das alles Untergehen läßt, die Eitelkeit, welche nur noch eine Spur des Bewußtseins läßt, mir m e i n e Gewißheit überläßt. Bei socrates war die Ironie dieses: Jünglinge, Sophisten an sich kommen zu lassen; sie kom4 wir auch … Plato.] Hu: wir in den platonischen Dialogen.­  ­6–7 solche Absonderung … gehen.] 35 Hu: diese behandlung mit gro ser Weitlauftigkeit vorgestellt –­  ­28–29 und jetzt … wegwirft.] Hu: sie kann als Spott genommen werden gegen Gott, und das ist die weise der Vorstellung 131Hu 125. 67 Schlegels.­  ­29 mit allem.] Hu: mit allen – mit den Höchsten. 13  war nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen

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men, dann nur geht Socrates fragend weiter mit dem Schein der Unwissenheit, zugleich aber in dem Sinne, daß jene durch seine Fragen zu Zugebungen veranlaßt werden sollen die das Gegentheil dessen enthalten, von dem sie ausgingen. Das ist der Inhalt des größtentheils socratischer Gespräche. socrates bringt die Sprechenden in Verwirrung mit sich selbst. Diese anzurichten ist eine Haupttendenz seiner Unterredungen, indem er das Bewußtsein wollte rege machen, daß die Weisheit der Sprechenden noch nichts ist, sondern zu einem Schwankenden wird. Daraus sollte das Bedürfniß tieferer Erkenntniß hervorgehen. Dieß ist die Hauptseite der socratischen Benehmungsweise. Die Momente sind: das Allgemeine aus Besonderem hervorzunehmen als das Feste, und ferner das unmittelbare Fürwahrhalten wankend zu machen und somit das Bedürfniß der Erkenntniß herbeizuführen. Viele Dialoge des Platon haben diese negative Seite; sie schließen damit, daß das früher Angenommene sich auflößt. Ein Beispiel wollen wir aus Xenophon geben. Xenophon erzählt wie socrates Jünglinge habe zur Erkenntniß des Bedürfnisses weiterer Bildung gebracht, dann ihnen das Gute aufs deutlichste gezeigt. Ein Beispiel sei die Unterredung mit dem sophisten Hippias. socrates sagt darin, der Gerechte sei der, welcher den Gesetzen gehorcht, die göttlich seien. | Hippias spricht dagegen, indem er einwendet: das Volk und ihre Hüter veränderten oft die Gesetze, die somit kein Anundfürsichseiendes seien. socrates antwortete, auch die Kriegführenden machten den Frieden, der somit kein Ansich sei. Er sagt dann der beste Staat sei der, wo Bürger im Sinne des Staates handelten.” Hier wird der Inhalt affirmativ, aber die negative Seite sehen wir in demselben Zusammenhang. Er will dem Euthidemus das Bedürfniß der Einsicht erregen und fragt: ob er nicht nach der Tugend strebe, durch welche der Privatmann und Bürger nützlich wäre. Euthidemus sagt ja. Socrates fragt: ob er gerecht sei denn ohne Gerechtigkeit sei dieß nicht möglich. Jener erwiedert: er glaube ebenso gerecht zu sein als ein Anderer. Socrates sagt nun: die Gerechten würden wissen was ihre Werke seien. Jener soll nun auf der einen Seite eines △ die gerechten, auf der anderen die ungerechten Handlungsweisen schreiben. Unter die ungerechten wird Lügen und Betrügen geschrieben, Benehmung der Freiheit; zum Gerechten wird gerechnet, wenn ein Feldherr einen feindlichen Staat unterjocht, wenn er den Feind täuscht ihn beraubt. Dieselben Praedicate also

Eitelkeit von allem was da ist, und die formelle Festigkeit des subjects in dieser Leere, die es willkührlich erfüllt, und das Erfüllte ebenso wegwirft.

9–10  das Allgemeine … Feste,] Hu: 1o das Allgemeine hervorzuheben aus den Bewustsein, das 132Hu 126. Feste­  ­17 Gerechte sei] Hu: Gesuchte ist­  ­28 was ihre … seien.] Hu: wie die Handwerker, was 35 zu ihren Geschaeften gehört,

empirisch theils für Dialektik, theils für Skepsis des Erkennens genommen.

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1  Schein] folgt nachtr. gestr: noch­  ­17 der, welcher nachtr. über gestr. der,­  ­19 ihre] sc. der Gesetze­  ­23 Euthidemus nachtr. aus Epidemus­  ­25 Euthidemus nachtr. aus Epidemus­  ­26 gerecht sei … möglich.] (1) sei gerecht. (2) gerecht sei (nachtr. am Zeilenende) (denn ohne Gerechtigkt sei dieß nicht möglich. nachtr. über der Zeile)­  ­28 eines △ nachtr. über der Zeile

Durch diese Dialektik erhalten viele der Gespräche des socrates die negative Richtung und bleiben bei dieser stehen.

Beispiele Xenophons Memorabilia lib I.

b. das negative und das positive Resultat derselben.

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In früheren Zeiten ist für die Entscheidung des Handelns die allgemeine Sitte, welche bewußtlos gethan wird. Erst das systematische Denken erhält das Bewußtsein wie das Allgemeine sich durch sich selbst beschränkt.

Beginnt das Denken das Allgemeine aufzufassen so fällt die Beschränkung, Bestimmung desselben als besondere Handlung schwankend zu werden, und so ist das subject das Bestimmende für die besondere Handlung nicht die allgemeine Sitte.

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kommen auf beiden Seiten zu stehen, sind gerecht und ungerecht. Dem Euthidem fällt dann ein, es sei hinzuzusetzen, er habe verstanden, Socrates meine, nur gegen Freunde seien jene Praedicate ungerecht. socrates fragt nun weiter: wenn ein General mitten im Schrecken seine Freunde belügt, daß Hülfe komme, und sie dadurch ermuthigt, wenn ein Vater die Arznei dem Kinde unter die Speise mischt es gesund zu machen. ob dieß gerecht sei? Euthidem sieht dieß alles als gerecht an. Es zeigt sich somit hier daß dieselben Bestimmungen die als ungerechte gelten auch gegen Freunde angewendet unter die Gerechtigkeit zu stehen kommen u.s.f. Wir sehen hier wie socrates das sonst Vorgestellte wankend macht. Der Vorstellung gilt es für ungerecht zu betrügen. In gewissen Fällen zeigt es sich umgekehrt. So fällt die Festigkeit dieser Bestimmungen fort, und dem räsonirenden Bewußtsein werden seine Grundsätze zu | Schwankendem, denn zum Festen solcher Grundsätze gehört die Form der Allgemeinheit. “Du sollst nicht tödten” ist ein Allgemeines, wird die Allgemeinheit durch Bestimmungen wankend gemacht, wird sie beschränkt, so erhält solcher Grundsatz den Schein eines Besonderen, Zufälligen, das Umstände regieren. Dieß ist dann diese schwere negative Seite gegen das Allgemeine. “Du sollst nicht tödten” ist allgemeines Gesetz. Wir wissen aber Verbrecher werden getödtet, Feinde zu tödten, das Vaterland zu vertheidigen ist Pflicht. Das Allgemeine also erhält Seiten der Beschränkung. Diese nun in die Einsicht zu heben, sie zu erkennen als feste, nicht als zufällige, das Allgemeine in seiner festen Bestimmtheit zu kennen, dieß ist nur im systematischen Gedanken der Wirklichkeit. Im wirklichen Leben macht sich die Beschränkung bewußtlos. Man kann sagen: bei den Atheniensern waren feste allgemeine Grundsätze, durch deren Natur die Beschränkung hereinkommt. Aber woher ist sie zu nehmen? Theils macht die Sitte sie. Doch wollen wir die Allgemeinheit denken und die Beschränkung, so wird uns das Allgemeine schwankend. Die Beschränkung macht der ganze concrete Zustand. Die Beschränkung dieser Grundsätze war bei den Griechen bisher bewußtlos geschehen. Theils ist

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 –3 er habe … ungerecht.] Hu: E u t h y d e m o s will aber unterscheiden zwischen den Bürgern und 2 Barbaren.  ­5–7 wenn ein … an.] Hu: E u t h y d e m o s giebt das zu. S o k r a t e s fragt ob diess unge- 133Hu 127. 68 recht sei das Gewehr mit Gewalt diesen wechzunehmen der sich tödten will. E u t h y d e m o s giebt das zu.­  ­21–22 zu kennen, … Wirklichkeit.] Hu: zu erkennen ist eine Nothwendigkeit – aber dieses ist nur möglich in den Systeme der Wirklichkeit, in einen Ganzen –­  ­22–24 macht sich … hereinkommt.] Hu: macht sich diese Beschraenkung, Bestimmtheit auf eine bewustslose weise. So bey den Griechen war Grundsatz das Gesetz – die Beschraenkung des Gesetzes trat ein – 35 6  ob dieß … sei? nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­7–8 als ungerechte gelten] (1) ungerechten Bestmgen (2) als (nachtr. über der Zeile) ungerechte (Ms: ungerechten) gelten (nachtr. über gestr. Bestmgen)­  ­8 angewendet nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­14 Allgemeinheit] Allghht­  ­15 so erhält … Grundsatz] (1) u solcher Grundsatz erhält (2) (so erhält nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen) solcher Grundsatz ( folgt nachtr. gestr: erhält) 40

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dieß bei uns dasselbe. Aber kommen wir zum Bewußtsein der Beschränkung ist uns die Allgemeinheit nicht mehr fest. Der Individuelle Character die Sitte entscheidet im Handeln. Wenn aber die Grundsätze als nicht allgemein zum Bewußtsein kommen ohne aus sich selbst sich beschränkend, so zeigt sich der Grundsatz als wankender. Zweierlei steht sich gegenüber: das Allgemeine als Solches, und das Individuelle Entscheidende. Dieses beginnt mit Socrates aufzugehen, der Punkt der Entscheidung aus sich. Dieß Entscheidende war früher bewußtlose Sitte, dieß Bewußtlose Bestimmen wird aber bei socrates Bewußtsein, subjective Entscheidung, und dieß ist der Uebergang des Genius des socrates. Er hat noch den Zwiespalt daß die Entscheidung einerseits äußerlich ist, anderseits die subjective Innerlichkeit. | Der Genius tritt dem socrates einerseits außerhalb, anderseits ist dieses Orakel ein Genius des socrates, das D i e s e s , ist subjectivität. Das Nähere bei socrates ist, daß er aufstellte, das Gute Allgemeine als Gedachtes sei das Absolute, der Zweck. Der Pflichten sind viele, durch die Wirklichkeit des Lebens festgesetzte, durch Gesetze bestimmte. Die Griechen hatten bisher noch nicht aus sich entschieden. Erst mit socrates tritt die subjective Entscheidung ein. Die Griechen für die Entscheidung des Besten des Staates und die Individuen fragten sonst die Orakel um Rath, sie ließen Äußerliches Anzeichen als entscheidend gelten. Der modernen Welt gehört es an, für alles stehen zu wollen was sie thut. Bei den Griechen war die Macht des Entscheidens nicht so in das subject verlegt. In den Memorabilien des Xenophons liber I sagt Socrates: die Götter hätten sich das Beste zu wissen vorbehalten und dazu sei die μαντεια erforderlich. Was recht und unrecht sei, wissen die Menschen, aber die Feldherrn wüßten nicht ob es gerathen sei, itzt zu Felde zu sein ect[.] Wegen dieses Ungewissen müsse man zu der μαντεια seine Zuflucht nehmen. Das Orakel war ein wesentliches Moment der Griechen, die Entscheidung suchen sie von Außen. Bei socrates wo die subjectivität beginnt war es nothwendig, daß in ihm das Orakel als Orakel als Äußerliches als Daemon aufging. Dieß ist die Nothwendigkeit dieses Genius. Das Nähere in Ansehung dieses Genius ist schon angeführt: daß socrates starrsüchtig dagestanden habe. Und diese Katalepsie, die ganz mit dem übereinkommt was somnambulismus ist, dieß innere Wissen und Entscheiden, dieß Sehen von diesem und Jenem, was das Wohl was das Räthlichste ist, ist für einen ganz wirklichen

15–16 Die Griechen … entschieden.] Hu: Das Gute wird zum Collisionen. Die Griechen waren nicht auf den Standpunkte subjektiv diese Collisionen zu entscheiden.­  ­22–24 Was recht … ect] 35 Hu: Akkerbau Kriege etc gehören zum Menschen – Was Akkerbau ist weis der Landmann, aber er weis nicht für wem er die Früchte lesen wird. Wer auf der Spitze des Staates steht, wei s nicht ob er nicht verjagt wird – 1 0  anderseits] einerseits­  ­11 außerhalb nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­17 Besten des nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­19 gelten] geltend

Dieß Aufgehen des freien Sichselbstbestimmens des subjects aus sich, nicht nach der allgemeinen Sitte, sondern nach dem vom subject als allgemein Erkannten beginnt mit socrates.

57vHo Aber er ist noch der Zwiespalt die Entscheidung einerseits äußerlich als ein Seiendes, zugleich als innerliche Entscheidung des subjects zu haben.

Der frühere Grieche sucht die Entscheidung des Handelns überhaupt in einem außer ihm Seienden Unmittelbaren, da er mit demselben in schöner Einheit lebt. Mit socrates aber ist dieses äußerliche Orakel als das innerliche eigene des subjects ausgesprochen, und dieß ist die Nothwendigkeit des Genius des socrates.

134 Hu 128.

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58rHo So ist die Philosophie des socrates mit seiner Individualität identisch und er somit eine plastische Figur.

Somit ist auch das letzte Schicksal des socrates seinem Standpunkt gemäß.

Den ersten Angriff erlitt socrates durch Aristophanes in den Wolken

Seine Comik ist die substantielle den an und für sich in den Dingen, die sich als letzlich aufstellen, seienden Widerspruch und sie somit als ein in sich selbst negatives auszusprechen.

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Zustand zu nehmen, deshalb merkwürdig, weil er keine zufällige Krankheit ist, sondern nothwendig durch den ganzen Standpunkt des socrates. – Dieß ist die Lebensweise und die | Bestimmung der Gestalt des socrates. Er lebte als eines der großen Individuen in Athen, die wir als plastische Kunstwerke ansehen können, die ihr Naturell selbstständig ausbildeten, sich zu dem machten, was sie wollten und ihm treu blieben. Als ein Mann dieser Tugenden, der Rechtlichkeit, Tapferkeit, stand socrates da, entfernt von allen Leidenschaften, mäßig im Leben, doch nach seinen Umständen, nicht aus Prinzip, naturgemäß enthaltsam, ein Lebemann mit Lebemännern. Was bei ihm Tugend war zeigt sich aus dem symposion, wo Plato den Alcibiades eintreten läßt, der am vorigen Tage durch einen seiner Athleten hatte einen Sieg errungen. Er tritt trunken unter Nüchterne, reicht den Anderen den Pokal, doch vom socrates sagt er der möge soviel trinken als er wolle, er bleibe stets derselbe. – Alle seien eingeschlafen, nur socrates sei den Becher in der Hand, sich über Comödien unterhaltend, am Morgen noch gefunden und von da aus sei er wie sonst in die Gymnasien gegangen. Mit dieser Persönlichkeit lebte socrates in weit wirkender Wirksamkeit. Indem socrates dieses war, sind uns seine letzte Schicksale bekannt und wir könnten sie mit solchem Character für widersprechend halten[.] Nehmen wir sie aber im Zusammenhange mit dem, was das atheniensische Volk war, sind sie als nothwendig zu erkennen, gegen die gewöhnliche Beurtheilung, und dann deswegen weil wir bei socrates von der Geschichte eines individuellen Lebens zu sprechen haben. Die Angriffe, die der Mann erfuhr sind 2lei Art. Der eine ist der, welchen Aristophanes in den Wolken machte. Was diesen betrifft, der ein Vorspiel des späteren ernsteren ist, so ist man darüber in großer Ungewißheit, indem man einerseits den Werth des Aristophanes erkennt, anderseits den des socrates. Aristophanes war kein gewöhnlicher Possenreißer, sondern alles hat bei ihm einen tieferen Grund, seiner Comik, seinen Späßen liegt ein tiefer Ernst zu Grunde. Spottet man über ein wahrhaft Großes, so ist der Witz, und Spott kahl. Der Witz muß substantiell sein, muß auf einen Widerspruch in der Sache selbst beruhen. Das Comische ist, eine Sache sich | in sich selbst zerstörend zu zeigen. Ist dieß in der Sache nicht der Fall ist es läppisch. Bei Aristophanes sehen wir daß er sich nicht nur über Euripides, über das atheniensische volk lustig macht, sondern daß diesem Spaß ein

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6 –7  der Rechtlichkeit, Tapferkeit,] Hu: besa s feste Rechtlichkeit gegen die Tyrrannen und das Volk.­  ­15–16 Mit dieser … Wirksamkeit.] Hu: Wir sehen daraus die Maesigkeit in Sokrates, die als eine gewollte Entbehrung ist. (Absatz) In dieser Haltung lebte Sokrates mit einer gro sen Ein- 35 wirkung auf Viele – 13  als er nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­   sei nachtr. über gestr. habe sich­  ­14 sich über] (1) mit (2) sich (nachtr. vor der Zeile) über (nachtr. aus mit)­  ­14–15 am Morgen … gefunden nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­20 und dann nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen

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tiefer politischer Ernst zu Grunde liegt. Bekanntlich beziehen sich die wolken auf socrates. Aristophanes läßt zum socrates einen alten Bürger kommen, der mit seinem ungezogenen Sohn große Noth hat, und deshalb mit den Gläubigern, denen sein Sohn schuldig ist. strepsiades tritt bei socrates ein, er lernt große und kleine Gründe, er lernt die Dialektik der Gesetze. Was Aristophanes heraushebt, ist das Gesetzliche wankend zu machen. Auch der Sohn profitirt. Nun wollen die Gläubiger Geld; strepsiades giebt ihnen gute Gründe weshalb er nicht bezahle. Da kommt dann der Sohn, welcher den Vater durchprügelt, der sehr darüber schreit. Aber der Sohn beweißt ihm mit guten Gründen, er habe Recht. Da schließt der Vater eine Verwünschung des socrates. – Man muß bewundern wie Aristophanes die bedenkliche Weise des socrates so tief faßte und darstellte. Der 2te Hauptangriff gegen Socrates war eine förmliche Anklage vor dem atheniensischen Volk, das ihn zum Tode verdammte. Die gewöhnliche Ansicht ist, es sei damit ein nur Empörendes geschehen. Die verurtheilung besteht in 2 Handlungen. Einmal ward er vor Gericht verurtheilt[.] Die Anklage war: socrates halte nicht dieselben Götter als das volk für Götter, dann: socrates verführe die Jugend. Das erste bezieht sich auf den Daemon. socrates auf die erste Anklage antwortet: er habe denselben Göttern geopfert; auf die Anklage, neue Daemonen anzuführen erwiederte er: auch die Stimme der Pythia, die Flüge der Vögel seien als Stimmen des Gottes verehrt, welcher sich verkünden könne, wem er wolle. Ihm habe er sich verkündet; dieß können seine Freunde beweisen. | Dieß war seine Vertheidigung gegen die erste Anklage. Xenophon erzählt, die Wirkung dieser vertheidigung sei gewesen, daß die Richter ungehalten geworden wären theils weil sie ihm nicht glaubten, theils weil die Götter ihn mehr gewürdigt hätten als sie. Dieß ist nothwendig, denn bei jedem Volke haben Offenbarungen ihre bestimmte Art und Weise. Bei den Griechen waren officielle Orakel die Stimme der Pythia ect, einzelnen dieser Bürgern glaubte man nicht, daß sich ihnen die Götter offenbarten. – Was die 2te Anklage betrifft, daß socrates die Jugend verführe, so setzt er ihr dieß entgegen: dieß Orakel habe in Ansehung seiner erklärt, daß Keiner weder freier, noch edler noch gerechter sei als er, ferner setzt er ihr sein ganzes Leben entgegen, das Beispiel, das er Allen gegeben 10 Da schließt … socrates.] Hu: Der Vater schimpft also auf den Sokrates – fa st auch Entschlu s sein Haus abzubrennen.­  ­13–14 Die gewöhnliche … geschehen.] Hu: Man mu s dabei nicht glauben dass diese Anklage nur etwas Zufaelliges war.

35 3 –4  Gläubigern, denen] (1) Shuldner, dem (2) Gläubigern (nachtr. über gestr. Shuldner), denen (Ms:

dem)­  ­7 Gläubiger (ohne Umlautpunkte) nachtr. über gestr. Shuldner­   ihnen nachtr. über gestr. d. Shuldnern­   weshalb er nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­8 bezahle nachtr. aus zu bezahlen­  ­12 vor] ggen­  ­27–28 sich ihnen … offenbarten nachtr. über gestr. ihm ertheilt werden durh die Götter

Der 2te Angriff war eine anklage vor dem volk: a. Socrates glaube andere Götter als das Volk, und führe die Verehrung neuer Dämonen ein.

59rHo

Diese Anklage hatte ihren Grund in dem Daemon des socrates, und insofern dieß Prinzip der subjectivität zerstörend gegen die schöne substantielle Sittlichkeit auftrat, gerecht. b. daß socrates die Jugend verführe

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Auch diese Anklage, insofern das moralische Prinzip widersprechend in das substantielle Verhältniß der Familie eindrang, war nicht grundlos.

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Indem die Volksreligion und die substantielle Sittlichkeit innig mit dem atheniensischen Staatsleben vereint waren, so daß nur, indem der Einzelne darin allein sein Leben und sein Interesse fand, das Staatsleben in Blüthe war, wird die Anklage des socrates nothwendig

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habe. Die allgemeine Anklage ward näher so bestimmt, er habe einige überredet, ihm mehr zu gehorchen, als ihren Eltern. Dieß bezieht sich speciell auf Anitos. Xenophon nehmlich läßt den socrates erzählen Anitos sei ihm feind geworden, weil er ihm gerathen habe, er solle seinen Sohn nicht zum Gerber erziehen, sondern zu einem freiern Manne, und prophezeit habe der Sohn werde in schlechte Begierde verfallen, und es in der Liederlichkeit weit bringen. Und dieß bestätigte die Folge. Auf diese Anklage antwortete socrates weiter noch: ob man denn in der Wahl zu Generalen die Eltern vorziehe oder die in der Kriegskunst Geschicktesten. So würden immer die Geschicktesten zu Rathe gezogen. Ob es daher zu verwundern sei, daß er vorgezogen worden in Betreff auf dasjenige, was den Menschen das höchste Gut sei. Diese Antwort ist nicht erschöpfend. Uebel empfanden die Kläger das moralische Eindringen in das absolute Verhältniß von Eltern und Kindern. Es ist zu betrachten als in einzelnen Fällen nothwendig, doch hat es im Allgemeinen nicht stattzufinden, zumal wenn eine untergeordnete Privatperson es sich erlaubt. | Das substantielle Verhältniß der Kinder ist die Ehrfurcht. Wird ihnen eingeflößt, die Eltern hielten sie zu etwas an, das ihnen schade, so wird es uns empören, daß die Muttermilch der Sittlichkeit, an welcher die Menschen großgezogen werden, ihnen entzogen wird, so daß sie in ihr zu erstarken entbehren. Socrates hatte sich eingedrängt und hatte den jungen Menschen mit seiner Lage unzufriedener gemacht. Ein Anderes war ein Mißbehagen überhaupt gegen sein Verhältniß, und das zum Bewußtsein gebracht werden desselben durch die Autorität des socrates, und wenn dieser den Menschen das Bewußtsein gab, daß er zu einem Besseren bestimmt sei, war er allerdings Schuld an dem Verderben des jungen Mannes. Das Gericht entschied nicht ungerecht, der Daemon des socrates war ein neuer Gott, ein noch nicht verehrtes, und er widersprach dem Volksglauben, erschien als subjective willkühr. Bei den Atheniensern war es ohnehin der Fall, daß die bestimmte Weise der Religion innig mit den ganzen Staatsverbindungen zusammenhing, so daß wenn sie wankend wurde, auch der Staat wankte. Dem atheniensischen Staat also war es nothwendig den

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 –2 Die allgemeine … Eltern.] Hu: Melitus trat auf und sagte: dass er mehrere wi se von denen er 30 1 sich mehr verehren lie s als seine Eltern –­  ­15–17 Das substantielle … empören,] Hu: Das erste princip in der Familie ist: die Einheit, das Zutrauen, die Liebe, der Kinder gegen die Eltern – wenn also den Kindern eingeflö st wird, dass ihre Eltern sie schlecht erziehen – so ist dies bestimmt etwas Empörendes.­   5  prophezeit habe] (1) prophezeite (2) prophezeit (nachtr. aus prophezeite) habe (nachtr. über 35 der Zeile)­  ­16 das] dß­  ­17 daß] das­  ­ 20 Ein Anderes war] (1) Aber 1 Anders ist (2) Ein (nachtr. aus 1) Anders war (nachtr. über gestr. ist)­  ­21 überhaupt nachtr. über der Zeile­   das nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­   Bewußtsein] Bewßtsn- / sein­  ­25 neuer Gott, ein] (1) näher, (2) (neuer Gott nachtr. über gestr. näher), ein (nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen) 40

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socrates anzuklagen. Auch die 2te Anklage war nicht unwahr. Und der sittliche Zusammenhang war ebenso eine feste Grundlage des atheniensischen Lebens. Bei uns ist die subjective Freiheit höher gestellt. Bei den Atheniensern war gerade die Pietät der substantielle Grundton des Staates. socrates ward also als schuldig gefunden. Nach dieser Verurtheilung hatte socrates die Freiheit sich selbst eine Strafe zu bestimmen, und konnte von den Heliasten an das Volk gehen, um bei diesem Auf hebung der Strafe zu verlangen. Der erste Richterspruch ist wie ein Gericht der Geschworenen. Das Andere ist die Ansetzung der Strafe. Es ist eine Humane Institution, daß der Beschuldigte sich selbst konnte die Strafe bestimmen. Er selbst erkannte sich für schuldig. Sich die Strafe zu bestimmen weigerte sich socrates; er hatte die Wahl zu sterben oder sich die Strafe zu bestimmen. | Er wollte ein “Schuldig” nicht anerkennen. Im Phaedo sagt Socrates: er sei im Gefängniß weil es den Atheniensern besser so gefalle, und weil es ihm besser scheine den Gesetzen zu gehorchen. Damit ist seine Weigerung im Widerspruch. Consequent wäre es gewesen auch den Ausspruch des Gerichts anzuerkennen. Antigone im sophocles sagt: wenn dieß den Göttern so gefällt, so gestehen wir, da wir leiden, daß wir gefehlt. Perikles auch hat sich dem Urtheil des volkes unterworfen, hat es als Richter anerkannt. socrates war aber moralisch selbstständig, blieb seiner Ueberzeugung treu, und setzt sich dadurch aus zu sterben. Vor dem Tribunal seines Gewissens hat er sich frei gesprochen, aber solches Tribunal kann das Gericht nicht anerkennen. Das Gericht spricht auch nach seinem Gewissen und das Gericht als solches ist das privilegirte Gewissen. Sonst kann jedes besondere Gewissen anderes verlangen. Das Gerichtsgewissen ist das allgemeine Gewissen, das autorität habende. socrates wollte auch vor dem Volk sich nicht dehmüthigen, nicht das volk um Erlassung der Strafe bitten. So ward er zum Tode verur­ theilt, weil er die Majestät seines Gewissens der des Volkes vorzog. socrates starb edel. Man erzählt dann, das Volk habe nachher das Urtheil bereut. Es scheint darin zu liegen, es hätte nicht sein sollen. Aber der nähere Sinn ist, daß die Athenienser das, was sie als Verderbenbringend im socrates fanden, die Einführung neuer Daemonen, und die Auflösung der Pietät, daß dieses Prinzip nicht dem socrates nur als solchem angehörte, sondern ihrem Geist, daß das Vergehen nicht eines Individuums sondern des atheniensischen Geistes war. socrates Schicksal ist echt tragisch. Beide Seiten haben wesentliche Berechtigung. socrates ist der Heros, welcher mit Bewußtsein das höhere Prinzip des Geistes erkannte und aussprach, welches als ein höheres Prinzip absolute Berechtigung hatte, aber jetzt auftretend | nothwendig im Verhältniß zu einer anderen Weise des selbstbewuß1 –4 Auch die … Staates.] Hu: Was den andern punkt der Anklage angehört kann man auch nicht sagen dass er nicht falsch war. Das Verhaeltni s der Eltern und Kinder war mehr Grund des Staates, als bey uns, wo die Subjektive Freiheit erwachte – In Athen war die stille Einheit Grund des Staates.

Dem socrates ward freigelassen sich seine Strafe zu bestimmen, ihre Erlaßung vom volk zu erbitten oder zu sterben

60rHo

Dem griechischen Leben angemessen wäre es gewesen sich die Strafe zu bestimmen und das volk zu erbitten.

Aber von seinem Tribunal des Gewissens freigesprochen konnte socrates weder sich als schuldig anerkennen noch die Autorität des Volkes der seines Gewissens vorziehen, und so ward er zum Tode verdammt.

Indem das durch socrates ausgesprochene Prinzip nicht seine subjective Ansicht sondern der wesentliche Fortgang des griechischen Geistes war, so gereute davon ergriffen und ihn in sich erkennend später den Atheniensern ihr Urtheil.

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Kritias und Alkibiades, Socrates Schüler führten sein Prinzip practisch aus, und zerstörten die Schönheit des griechischen Staatslebens. Aber socrates war der weitere dieß Prinzip auf die höchste Weise im Gedanken zu fassen Socrates macht somit den Wendepunkt, indem jetzt das Erkennen als solches und zwar das des Allgemeinen als | das Absolute ausgesprochen ist. Weil aber in socrates Prinzip die subjectivität liegt, und das absolut Allgemeine von ihm noch nicht bestimmt war, so erhält es jetzt seine Bestimmung von der subjectivität, und seine Freunde zerschlagen sich in 3 Schulen.

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ten Geistes erscheint, welche das substantielle der Welt, in welcher socrates lebte, ausmachte. Das Prinzip des athenischen Geistes konnte die subjectivität nicht ertragen, und gegen diese schöne Welt trat daher socrates feindlich und zerstörend auf, und das athenische Volk war verpflichtet gegen dieß Prinzip zu reagiren. Es hatte ein Recht das bestehende Leben zu erhalten, und mußte das Zerstören des- 5 selben als ein Verbrechen ansehen. Es ist die Stellung der Heroen der Weltgeschichte, daß durch sie eine neue Welt aufgeht. Dieß neue Prinzip ist aber im Widerspruch des bisherigen Lebens und so erscheint es zerstörend, im Gegensatz des Gesetzten. Und so finden diese Heroen individuell ihren Untergang, aber ihr Prinzip ist denn das, welches durchdringt, das bisher vorhandene untergräbt, 10 und eine neue Gestalt hervorbringt. Das socratische Prinzip müssen wir als die subjective Freiheit fassen; in anderer Gestalt ist das des Alcibiades und Kritias. Beide sind die Lieblinge des socrates gewesen. Kritias der gescheuteste unter den 30 Tyrannen; Alcibiades der leichtsinnige, der mit dem Ernst des atheniensischen Volkes spielte, beide wirk- 15 ten practischer mit socrates Prinzip. Der atheniensische Staat bestand noch lange, aber seine Blüthe verwelkte bald. Und alles Verderben kann auf socrates Prinzip zurückgeführt werden. Er faßte es im Gedanken, in der Erkenntniß auf, und dieß ist die höhere Weise, wie die Bibel sagt: die Erkenntniß sei die Sünde, aber auch das Prinzip der Versöhnung. Was daher bei den Anderen, die practisch 20 verfuhren, nur Verderben war, war bei socrates zugleich Heilung des Schadens, den er schlug. Die socratiker nun sind das 3te dieser 2ten Stufe. Socrates macht den Wendepunkt des philosophischen Geistes, indem er sagt das Erkennen als solches | ist es, 61rHo worauf es ankommt, und das Allgemeine. Es fragt sich nicht mehr um das Wesen, 25 um die Natur, sondern um die Wahrheit, um das Wesen des Gedankens. Socrates hatte eine weitreichende Wirksamkeit, bildend für das Erkennen, während der Inhalt mehr subjectiv bestimmt war, das Gute als Zweck für den handelnden Menschen. Daraus erhellt schon, daß von ihm die verschiedenartigste Bildung ausging. Ein Theil seiner Freunde blieb in seiner Manier stehen. Viele derselben 30 wurden Schriftsteller, die Unterredungen von ihm oder in seiner Manier abfaßten, und sich speculativer Untersuchungen enthielten, die erhaltene Bildung da9 individuell] Hu: nothwendig individuell­  ­9–11 aber ihr … hervorbringt.] Hu: aber das weitere 140 Hu 134. ist dass sich dieses princip verklaert und allgemein aufgenommen wird.­  ­14–15 der leichtsinnige] Hu: das Genie des Leichtsinnes­  ­21–22 war bei … schlug.] Hu: dies war in Sokrates als princip 35 des Bekennens – was die Heilung schon in sich enthielt – Dieses princip wird weiter in der ganzen Geschichte der philosophie betrachtet. 7  neue nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­   aber nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­ 24 indem er sagt nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen

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für ansahen, daß sie ihnen die Richtung fürs practische Leben geben sollte. Xenophon gehört vorzüglich zu diesen, Antisthenes, Phaedo, Simon der Schuhmacher. Die nächste Folge von socrates Tode war, daß sein Häufchen Freunde hauptsächlich nach Megara floh, wo Euklides sie wohl aufnahm. Euklides ist nicht der Mathematiker. Er wird als Stifter der Eristiker, der Megarischen Schule angesehen. Drei Schulen haben wir zu betrachten, die Cyrenaïker und Cyniker. Die Megariker hielten sich abstract an die Bestimmung des Guten. Die Cyrenaïker suchten es näher als das Vergnügen zu bestimmen, während die Cyniker es im entgegengesetzten Sinne auffaßten, daß es liege darin die einfachen Bedürfnisse der Natur als das Gute anzusehen. Diese 3 Schulen sind nicht weitläuftig zu betrachten, der Cynismus ward wissenschaftlich später ausgebildet stoïcismus, die Cyrenaïker bildeten sich zu Epicuraeern. Was die Megariker betrifft, so ist ihr Stifter Euklid. Ihnen wird die Sucht zu Disputiren als vollkommene Wuth nachgesagt, sie seien χολη, nicht σχολη zu nennen. Sie haben sich auf die Ausbildung der Dialektik gelegt. Euklid hat dieß so angeführt: das Gute ist eines, und es ist nur, doch ist es mit vielen Namen belegt; was ihm entgegen ist, ist gar nicht. Wir stehen in der Bestimmung der Eleaten, welche vom Negativen sagten es sei nicht. Die Megariker statt des Seins hatten das Gute. | Daß alles Andere als das Gute gar nicht sei, zeigten sie auch auf eleatische Weise auf, indem sie überall suchten, Widersprüche aufzufinden. socrates hat auch Verwirrung in den sonstigen Vorstellungen zu erregen gesucht; diese Dialektik machten die Megariker zu etwas Wesentlichem. Ihre Sucht Widersprüche zu finden, wandten sie auf alles an; was wir Späße machen nennen, Gegensätze aufzustellen, dieß war ihr eigentlichen Geschäft. socrates machte unbefangen die Vorstellungen der Unterredenden zum Gegenstande, die Conversation der Megariker bestand näher darin, die Vorstellungen als solche und ihre Widersprüche zum Gegenstande des Interesses zu machen. Von Euklid wird gesagt, er sei der ruhigste Mann gewesen. Außer ihm wird besonders Eubulides von Milet genannt. Aristoteles in einer seiner Schriften hat eine Menge solcher Beispiele behandelt, worüber wir uns wundern können, daß er sie näher betrachtete. Die Hauptsache bei den Megarikern war, daß eine einfache Antwort gefordert wird, ein ja oder nein. Was den bestimmteren Sinn dieser Manier betrifft, so würden wir sagen, es solle von Entgegengesetzten nur Eines wahr oder

Ihr Prinzip war also die abstracte Verstandes Ansicht des Erkennens, ihre Kathegorie die der abstracten Identität mit sich, wodurch alles concrete ein in sich sich widersprechendes wird.

17 belegt] Hu: belegt – es hei st Gott, Vernunft auch Denken.­  ­23 was wir … nennen] Hu: sie

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35 lachten immer den aus mit welchen sie gesprochen haben­  ­28 er sei … gewesen.] Hu: dass er ganz

ruhig war bey den Disputiren.­  ­29 genannt.] Hu: genannt, der es weit darin gebracht hat den Antwortenden in Wiedersprüche zu verwikeln.­  ­30 worüber wir … können,] Hu: Wir koennten uns darüber wundern, weil wir gewöhnt sind etwas gradezu als ein Sophism anzuerkennen. 9  darin nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­12 Epicuraeern] Epicuaraeren­  ­29 in] ist

Die Megariker Sie stellten das Gute als solches als abstractes als das Wahre auf, indem sie vom Nichtguten sagten es sei nicht.

61vHo Hierher fällt nothwendig die frühere eleatische Dialektik.

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stilpo von Megara Er hielt die Gattungsbegriffe für sich fest, und läugnete somit ihre bestimmte Realität, die außerhalb ihnen fiel, und als ein individuelles sich gleichfalls wieder in abstracte Identitäten auflößte.

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c.) Stilpo – nur das Allgemeine, die Form der Identitaet ist das Wahre.

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falsch sein. Dieß ist ein Prinzip des Verstandes. Bei ihnen hatte dieß die Form, die wir angaben. Näher steht dieß mit dem Prinzip der Megariker zusammen: das Wahre sei das Allgemeine welches im abstracten Sinne die verstandesidentität ist, daß was wahr sein soll, sich nicht widersprechen dürfe. Die Megariker sagten: nur das Gute ist, die Form der Identität mit sich wird gefordert. In dieser Weise trieben es die Megariker. Sie haben eine Menge von Fragen erfunden, welche abstract beantwortet zu widersprüchen verleiteten. So hatten sie “den Lügenden“. Es gesteht nehmlich Jemand: er lügt. Dann aber sagt er die Wahrheit. Dann lügt er nicht; dann aber lügt er eben darum, daß er nicht die Wahrheit sagt. Im Don Quixote kommt dasselbe vor. | Ein anderes Beispiel ist, daß man gefragt wird: ob man seinen Vater zu schlagen aufgehört habe oder nicht. Ein anderes Beispiel ist der sogenannteσωρειτης. Man fragte: macht ein Korn einen Haufen? Nein. Zwei? Nein. Beim steten Zulegen aber kommt doch ein Haufen heraus. Ebenso ist es mit dem ϕαλακρος. Hierin liegt der Widerspruch, daß das Quantitative ins Qualitative umschlägt, eine Bestimmung die von der größten Wichtigkeit ist. Solcher Beispiele giebt es bei den Megarikern unzählige. Viele Wendungen lagen bloß in der Sprache. Ein Hund zB. hat Junge. Canis tuus pater est. Ein berühmter Eristiker war stilpo. Diogenes erzählt, er sei ein gewaltiger Streiter gewesen, er lebte zur Zeit der Kriege, welche die Generale Alexanders führten. Bei stilpo kommt vornehmlich dieß vor, daß er das Allgemeine im verständigen Sinne nahm, indem er es als das Selbstständige aussprach und damit alles auflößte. Es ist damit ausgedrückt, daß der Verstand die Unterschiede für sich nehmend sie als selbstständige auf sich beruhende festsetzt. Nimmt man zB. die Gelbheit des Goldes für sich, so ist ein individuelles in sich aufgelößt, ein Aggregat nur von solchen Selbstständigkeiten. Dieses behauptete stilpo. Jegliche der Bestimmungen, der Unterschiede, insofern sie getrennt und als das Reale angesehen werden, lassen ein individuelles unmöglich werden. Sagt man socrates sei Musiker Mensch, so sind diese Praedicate verschieden, und die Einheit dersel-

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  sich nicht … dürfe.] Hu: kann sich nicht wiedersprechen – es hat eine entgegengesetzte Bestim4 mung in sich. Es ist hier das Entweder – Oder.­  ­9–10 Dann lügt … sagt.] Hu: denn der der von 30 sich selbst spricht dass er lügt – sagt doch die Wahrheit – und so das oppositum davon. Philetas aus Kos hat über die Auflö sung dieser Frage 6 Bücher geschrieben. Und ein anderer starb an der Schwindsucht bey der Bemühung der Auflö sung dieser Frage.­  ­12 Man fragte] Hu: So fragte Kalathos­  ­14 Ebenso ist … ϕαλακρος.] Hu: So fragten sie auch ob ein Schweif auf hört Schweif zu seyn wenn man ein Haar au srei st und noch eins etc.­  ­18–19 Diogenes erzählt, … gewesen,] Hu: 35 Es war Gefahr ganz Griechenland zu megarisiren.­  ­24 so ist … aufgelößt,] Hu: so zerflie st der 144 Hu 138. Gegenstand der die Eigenschaften hat selbst.­  ­28.575,1 so sind … wahrheit.] Hu: so sind diese ειδη – das Allgemeine des plato – Selbststaendig – und das Individuelle des Sokrates zerflie st – 9  aber] aber aber­  ­12  σωρειτης] σορετης­  ­21 Sinne nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­   ­38 ειδη] αιδη 40

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ben hat keine wahrheit. Es ist sehr merkwürdig, daß diese Verstandesform in stilpo zu Stande kam. Er meinte es sei zu sagen: der Mensch sei Mensch, das Gute das Gute, und die Bestimmungen seien für sich, nicht in Eines zu setzen. In Stilpo ist diese Verstandesidentität aufs vollständigste zum Bewußtsein gekommen. Es werden von ihm eine Menge Anecdoten erzählt. ZB. es war Kohl vor ihm. Er sagte: dieser Kohl sei nicht Kohl; denn der Kohl war schon vor Tausend Jahren, also ist dieser Kohl nicht. Nur das abstract Allgemeine ist. | In unserer Sprache ist alles ein Allgemeines, und das Einzelne ist immer nur ein Gemeintes. Sagen wir: dieser, so ist alles ein Dieses, also gerade das schlechthin Ausschließende wird ein Allgemeines. Was die Cyrenaiker betrifft, so blieben diese wie die Cyniker nicht bei der allgemeinen Form des Guten stehen, sondern fragten nach dem bestimmten Inhalt des Guten. Die Cyrenaiker fanden ihn als Befriedigung des subjects, im Vergnügen. Die Cyniker scheinen das Entgegengesetzte zu erfassen, scheinen das Vergnügen zu verwerfen, aber ihnen gerade ist die Ausbildung des Allgemeinen im individuellen Leben das Prinzip. Die Cyrenaiker scheinen einen Zweck zu setzen, der der aller Menschen scheint, die besondere subjectivität zu befriedigen. Unter dem Allgemeinen des Vergnügens hat nun alles Besondere Platz und die Cyrenaiker scheinen sich von der gewöhnlichen Vorstellung nicht zu entfernen. Die Cyniker aber schlossen alle anderen Befriedigungen aus und gaben ihrer Befriedigung das Naturbedürfniß zum Inhalt, sie also setzten sich negativ gegen das, was anderen gilt. Im Ganzen kann man sagen, die Cyrenaiker und Cyniker hatten denselben Zweck: Selbstständigkeit des Individuums. Aristipp wird als Urheber der Cyrenaïschen Schule angesehen. Er ging darauf das Vergnügen zu suchen, aber mit Besonnenheit, die sich nicht dem Augen-

8–10 In unserer … Allgemeines.] Hu: Das ist die formelle, Abstrakte Identitaet – die man eigentlich nicht mit der Dialektik des Sokrates auf einer Stuffe stellen kann. Diese Identitaet liegt eigentlich auf der Sprache selbst – denn indem ich Ich sage – so habe ich mich ganz besonders benannt – aber auch ein jeder anderer, Alle nennen sich „Ich” Dasselbe sehen wir auf den D i e s e r Kohl – das ist ein einzelner Kohl – aber Alles ist D i e s e s  – Das ist die Zweideutigkeit der Sprache – ihre Verstandes 30 Eigenthümlichkeit.­  ­11 Was die … betrifft,] Hu: C y r e n a i k e r . Sie haben dieselbe Bestimmung gegeben als Sokrates – das hei st sich nach einer Bestimmung zu bemühen und sich als Individuum 145Hu 139. 74 nach diesen Grundsatz | auszubilden.­  ­13–14 als Befriedigung … Vergnügen.] Hu: in der Empfindung, Befriedigung des Subjekts, in dem was man Vergnügen nennt.­  ­16–17 Die Cyrenaiker … befriedigen.] Hu: Die Cyrenaiker scheinen einen Zwek vorauszusetzen der den Menschen 35 nicht angeme sen ist – indem er auf die Befriedigung des Subjektiven zurückgehet.­  ­22–23 kann man … Zweck:] Hu: aber, wie wir es bei den Epicureaern und Stoikern sehen werden, haben die Cyrenaiker und Cyniker den selben Zweck gehabt, Freiheit,­  ­25.576,1 aber mit … ist.] Hu: aber nicht ohne Vernunft – Denn aus einer Lust kann ein grö seres Unglück entstehen. Ueberhaupt hat sich Aristipp nichts Festes als Zweck dabey festgestellt – 40

3   Stilpo] stilbo­  ­6 Kohl 2 nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­33 auszubilden] auszu-| auszubilden

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Das nächste Interesse ist die Bestimmung des Zwecks als des Guten. Denn die Bestimmung des Zwecks ist sich zu besondern sich zu realisiren, und darin bei sich selbst zu bleiben. Diese Bestimmung fällt in die Cyrenaïker und Cyniker. Die Cyrenaiker Auf dieser Stufe der subjekctivität ist die Bestimmung des Guten die Befriedigung des subjects in seinem Zweck: das Vergnügen. Aristipp. Seine Lehre ist die der

B. Die Cyrenaiker

576 Glückseligkeit, als der Totalität der einzelnen Vergnügen; somit die Besonnenheit des Genusses und die freie ruhige Sicherheit darin.

63rHo Indem das subject als solches die Glückseligkeit bestimmt so ist die Empfindung das Kriterium für das Erkennen des Guten und das Bestimmende für die Ausführung desselben. Aber nur das gebildete subject sollte die wahre Glückseligkeit bestimmen.

Theodorus. In Theodorus tritt die subjectivität näher heraus. Hegesias. Indem die Glückseligkeit nur im Einzelnen der Empfindungen der Freude ist, das Einzelne aber ebenso das Unangenehme als Angenehmes giebt, so bleibt nichts als die Abstraction der Glückseligkeit übrig.

β.) philosophie. Die Empfindung ist das Kriterium der Wahrheit, das Gute das Angenehme b.) Theodorus. Verstand zum Suchen des Vergnügens.

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blick der Lust ergiebt, und ebenso nicht ängstlich ist. Dieß drückte er in seinem Leben aus. Das interessanteste sind die Anecdoten von ihm. Plato sagt, ihm allein sei es gegeben Purpur und Lumpen zu tragen, er verschwendete das Geld ebenso um einen Leckerbissen, sowie er ein andermal seinem Sclaven sagte: Kleider und Geld wegzuwerfen. Besonders hat sich Aristipp bei Dionysius aufgehalten. Unter andern wird erzählt: Dionys habe ihn angespien; es ruhig ertragend sagte er: die Fische lassen sich naß machen schlechte Fische zu fangen, und ich soll mich nicht naß machen lassen, solchen Wallfisch zu fangen. | Was nun also die Grundsätze des Aristipps betrifft, so lauten die Hauptpunkte: das Wahre im Erkennen sei die Empfindung als solche. Die Empfindungen können wir nicht als das Wahre setzen; ebenso ist das Gute im Practischen das Gute als das Angenehme ausgesprochen, das Böse als das Unangenehme; die Empfindungen also sind das Kriterium für das Erkennen, und das practische als das Bestimmende. Damit ist nicht das unmittelbare Vergnügen, nicht dieses und Jenes ausgesprochen, sondern Aristipp forderte, mit Bewußtsein sollte das Vergnügen erkannt werden. Aristipp also setzte die Bildung überhaupt als ein Unendliches. Es wird von ihm angegeben, er zuerst von den socratikern habe Geld von seinen Schülern erhalten. Aristipp war aus Cyrene und kam des Handelns wegen nach Athen. Er forderte 51 Drachmen für die Unterweisung in der Philosophie. Als gefragt wurde, welcher Unterschied zwischen einem Gebildeten und Ungebildeten ist, antwortete er: “wie zwischen einem Menschen und einem Stein”. Die Cyrenaïsche Philosophie ist wissenschaftlich von Aristipps Freunden ausgebildet. Theodorus wird als der gerühmt, der sie dieser Ausbildung unterwarf, auch Hegesias ist zu erwähnen. Theodorus ward aus Athen verband, weil er das Dasein der Götter läugnete. Die Hauptsache ist hier, daß die Cyrenaiker die Ausbildung forderten, um erkennen zu können, worin das Vergnügen zu suchen sei. Merkwürdig ist in dieser Rücksicht Hegesias. Indem er die Empfindung zum Zwecke machte, ist sie ihm so zum Allgemeinen gewesen, so daß das Einzelne das er sich zum Zweck setzen sollte, ihm verschwand. Wird das Vergnügen zum Zweck gemacht, so ist die nächste Frage: was soll das Vergnügen sein, es wird nach dem Inhalt ge-

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 –3 ihm allein … tragen,] Hu: von ihm dass er in allen Zustaenden sich selbst gleich war – es war 2 ihm gleich ein Purpur oder Lumpen zu tragen.­  ­8–11 Was nun … setzen;] Hu: ­Die Hauptmo- 146 Hu 140. mente der philosophie der Cyrenaiker waren: In theoretischer Hinsicht ist dies das Wahre was die Empfindung ist – (nicht ihr Inhalt) So koennen wir nicht sagen dass Etwas sü s ist –  ­18–19 Er forderte … Philosophie.] Hu: Er forderte von einen 50 Drachmen für Unterweisung – dieser ant- 35 wortete ihm um dieses Geld kann ich einen Sklaven kaufen, Aristipp sagte ihm so kaufe einen, da wirst du zwey Sklaven haben.­  ­22–23 Theodorus wird … unterwarf,] Hu: Unter den weitern Vervollkommnern der Cyrenaischen philosophie wird Theodor erwähnt.  1  setzen] folgt (vermutlich als Sofortkorrektur) gestr: 〈〈 ;〉〉 also dß w. behaupteten, : d. Sehen 1 Wissen 1 habe.­  ­21 er nachtr. über der Zeile 40

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forscht. Jeder Inhalt zeigt sich nun als besonderer, der dem Allgemeinen, das als Vergnügen bestimmt ist, nicht angemessen ist. Zu dieser Consequenz hat Hegesias das Cyrenaïsche Prinzip verfolgt. Bei ihm also, | ist zum Bewußtsein gekommen, das Besondere sei nicht zum Vergnügen zu rechnen. Der Körper leide, mit ihm die Seele. Der Zweck des Vergnügens sei im Leben nicht zu erreichen, an sich sei nichts angenehm und unangenehm. Im Einen erzeuge dasselbe Mißvergnügen, im Anderen Vergnügen. Dieß führt er durch viele Gegenstände durch. Nur dem Thoren könne darin gelegen sein zu leben, dem Weisen sei es gleichgültig. Dieser lebe sich selbst. Hegesias und seine Freunde haben nach sextus auch die Empfindung aufgehoben, als einer unrichtigen Quelle des Erkennens. Des Weisen Zweck sei ohne Beschwerde und Neid zu leben. Fingen wir vom Vergnügen an, so scheint dieß ganz aufs einzelne zu gehen, gedacht lößt sich alles Einzelne auf, und es kommt zu dieser Consequenz: alles Besondere sei gleichgültig; das Resultat am Ende ist dasselbe als das der Megariker ein Abstractum. Hegesias spricht die Gleichgültigkeit als das wahrhafte, zu welcher alle diese Systeme kommen, das Aufgeben aller Endlichkeit. Dem Hegesias, der zu Alexandria lebte, ward von Ptolemaeus das Lehren verboten, weil seine Zuhörer aus Lebensüberdruß sich tödteten. Im Annikeris sinkt die Cyrenaïsche Schule zur Popularität des Cicero herunter. Annikeris gab Freundschaft als Zweck, als Interesse zu, so wie auch die Vertheidigung des Vaterlandes ect. Beim Hegesias kommt der Ausdruck “Kriterium” vor, “der Weise”. Kriterium heißt Bestimmtheit in einem Allgemeinen. Bei socrates fanden wir das Gute, das Allgemeine, das als Absolutes gelten soll. Dieß noch Unbestimmte zu bestimmen ist das nächste Interesse. Dieses Bestimmen ward das Kriterium genannt. Als dieses Kriterium setzten die Cyrenaïker die Lust, das Vergnügen. Um die Kriterien ist, daß es jetzt lange sich handeln wird. Was den Ausdruck des weisen betrifft, so kommt dieser Gesichtspunkt durch die Betrachtung herein, daß der individuelle Mensch ein allgemeines Prinzip erkenne, das er zur Regel seines individuellen Lebens mache. Hier also ist es das | subject, um das es sich handelt. Eine dritte bestimmung, auf die es jetzt ankommt, ist das Verhältniß des Guten als des Allgemeinen und des Realen desselben. Die Realität, des Guten ist hier das Vergnügen. Da entsteht

147Hu 141 75 4 –5  das Besondere … Seele.] Hu: dass die Glückseligkeit nicht auf etwas Besondern beruhen kann – Er sollte gesagt haben: der Koerper seie geplagt – damit waere die Seele auch geplagt – es ist also eins das Leben oder Tod.­  ­ 6–8 Im Einen … durch.] Hu: bey einem macht die Neuigkeit das 35 Angenehme – Armuth und Reichthum hat keinen Einflu s auf Vergnügen, denn wir sehen Reiche nicht mehr vergnügt als die Armen.­  ­15–16 zu welcher … Endlichkeit.] Hu: Zu diesen Zwecke streben eigentlich alle philosophien dieser Zeit – der Stoicismus, Epicureismus.­  ­29 Hier also … handelt.] Hu: da ist das Individuum als Zwek. 5  nicht nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­14–15 als das … Abstractum nachtr. über der 40 Zeile mit Einfügungszeichen

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Somit sei auch die Empfindung nicht das Kriterium der Glückseligkeit.

Die Kathegorien, die wir jetzt aufgehen sehen sind: “Das Kriterium der Wahrheit”, in der Bedeutung, welche Bestimmtheit eines Allgemeinen die wahrhaft das Allgemeine Bestimmende sei. “Der Weise” als das subject welches nach solchen Kriterien sein Erkennen und Handeln einrichtet.

64rHo Verhältniß des Allgemeinen zu seiner Bestimmtheit; bei den Cyrenaïkern die Glückseligkeit.

148 Hu 142.

578 Die Cyniker. Sie vereinen die Megariker und Cyrenaiker dadurch, daß sie wie jene das abstracte Gute als den Zweck des subjects setzen, aber wie die Cyrenaiker durch Hegesias die Glückseligkeit als das Aufgeben alles Endlichen setzten, so stellten die Cyniker dieß Aufgeben als die Unabhängigkeit des subjects von allem Endlichen dar Antisthenes.

Diogenes von sinope

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149 Hu 143. 76 b.) Diogenes von Sinope Jahr. 324.

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dann jetzt die Frage um die Zusammenstimmung beider, und die philosophischen Schulen haben diese Zusammenstimmung als das Prinzip dargestellt: das Gute ist das Vergnügen. Dieß sind die Cyrenaiker überhaupt. Die Cyniker haben ebenso das Gute als den allgemeinen Zweck gesetzt und gefragt: was das Gute für den individuellen Menschen sei. Als das Kriterium des Guten setzten sie die höchste Unabhängigkeit und diese setzten sie als die möglichst wenigsten Naturbedürfniße. Der Stifter der cynischen Schule ist ein Antisthenes, ein Athenienser und Freund des socrates. Er war für sich ein edler, gebildeter Mensch. Der Inhalt seiner Lehren bleibt bei diesem Allgemeinen stehen, daß die Tugend sich selbst genüge und nichts bedürfe als die Stärke des socrates; er besitze Alles, was andere zu bedürfen schienen. Er sagt: der Tugendhafte bedürfe keiner Lehren ect und gerade sprach er als Resultat seines Denkens aus: der Mensch müsse sich auf die Naturbedürfnisse beschränken. Von dieser Philosophie ist wenig anzuführen. Das Interessante sind die Individuen. Der berühmteste ist Diogenes von sinope. Antisthenes ist der einfache Hund genannt, Diogenes heißt der Hund schlechthin, der den Aristipp den königlichen Hund nannte. Diogenes ist nur durch seine Lebensweise bekannt. Sie ging darauf aus sich auf das strengste Naturbedürfniß zu beschränken, und beissend die zu verfolgen, welche ihr Interesse weiter ausdehnten, und die, welche sich über ihn lustig machten. Weiter ist nichts von ihm zu erzählen, als einzelne Anecdoten. Diogenes lebte überall auf Plätzen, in einem Faß. Besonders in Athen hielt er sich auf. Es ging ihm denn auch sehr schlecht. Er fiel Seeräubern in die Hände und ward als Sclave verkauft. Gefragt in was er geschickt sei, antwortete er: “er verstehe Männern zu gebieten”, und sagte dem Aufrufer, er solle ausrufen: | wer einen Herrn kaufen wolle solle ihn kaufen. Ein andermal erhielt er Schläge. Dieß geschah ihm häufig. Auf seine Wunden legte er Pflaster und schrieb darauf die Namen der Schlagenden. Rohes Fleisch zu essen bekam ihm schlecht. Er aß

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2 –3 haben diese … überhaupt.] Hu: haben das Verhaeltni s des Allgemeinen und Besondern fest bestimmt – so die Cyrenaiker das Gute ist Criterium – der Genu s der Zweck :)­  ­11–12 der Tugendhafte … ect] Hu: die Tugend bedürfte keine Bildung – aber eben war Antisthenes sehr gebil- 30 det – und hat die Bildung sehr empfohlen.­  ­14–17 Der berühmteste … bekannt.] Hu: Der berühmteste Cyniker ist D i o g e n e s er ist Hund genannt worden – κυνος – (: Diogenes nannte den Aristipp den koeniglichen Hund :) Diogenes machte aber dasselbe was Aristipp – indem sich nehmlich Aristipp den Dyonisius gefallen machen wollte – wollte Diogenes sich den Go sen Jungen gefallen machen. Diogenes ist nicht durch philosophische Gedanken ausgezeignet sondern durch 35 seine Lebensweise.­  ­18–19 und beissend … ausdehnten,] Hu: und andere zu bei sen. In bei senden Antworten suchte er sich gegen diese zu erhalten, 5–6M die Cyrenaiker] (1) diese (2) die (nachtr. aus diese) Cyrenaiker (nachtr. über der Zeile)   17 aus nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­25 solle ihn kaufen nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­ 40

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vielfach umher. Ein Gast warf ihm einen Knochen zu, wie einem Hunde, da pißte er ihn an, wie ein Hund. Aristipp ging bei ihm vorüber als er Kohl wusch; da sagte Diogenes: wüßtest du Kohl zu waschen, so würdest du nicht den Königen nachlaufen. Da antwortete Aristipp: wüßtest du mit Menschen umzugehen, so würdest du nicht Kohl waschen. Dergleichen Anecdoten giebt es Viele. Ein Tyrann fragte ihn: aus welchem Erze man Bildsäulen gießen müsse; Diogenes antwortete: aus dem, aus welchem Hermodius gegossen war, der Ursach zur Vertreibung des Tyrannen Pisistratus aus Athen war. Diogenes war nach der Seite des Geistreichen sehr ausgezeichnet. Die Späteren Cyniker verdienen mehr den Namen von Hunden, indem sie von der Unverschämtheit Profession machten. Sie hatten ein bestimmtes Costum, Mantel, Knotenstock, und Speisetasche. Die Cyniker beschränkten das Gute auf die Unabhängigkeit der Menschen von allen Bedürfnissen. Dieß heißt nur sich auf die strengste Nothwendigkeit des nur unmittelbaren Bedürfnißes zu beschränken und somit aufs strengste sich zu binden. Denn jede höhere Sphäre enthält Momente der Geistigkeit, affirmativer Freiheit. Sich auf solches Naturbedürfniß beschränken heißt, die Sphären sich versagen, worin das Moment der Freiheit kann genossen werden. Jetzt haben wir zu der 3ten Stufe über zu gehen dieser ersten Periode. Hier haben wir Plato und Aristoteles zu betrachten, die wissenschaftliche Ausbildung des socratischen Prinzips. Plato war Freund und Zuhörer des socrates, hat sein Prinzip aufgefaßt, und ihm die umfassende Bedeutung gegeben, die Weise der Construirung des Prinzips war auch nicht die vollständig wissenschaftliche. Was Plato’s Lebensumstände betrifft, so fällt seine Geburt in die 87. Olympiade in das dritte oder 4te Jahr, in den Anfang der peloponnesischen Kriege. Er ist | ungefähr 39 Jahre jünger als socrates. Aristo hieß sein Vater, seine Familie war vornehm, der Vater leitete sein Geschlecht von Codrus ab, die Mutter das Ihre von solon. Sein Oheim war Kritias, der härteste der 30 Tyrannen. Plato erhielt eine Erziehung seinem Stande gemäß durch die angesehendsten Männer der damahligen Zeit. Sein Nahme war eigentlich Aristokles, “Plato” ward er seiner Wohlgestalt wegen genannt. In seiner Jugend weihte er sich der Dichtkunst, schrieb Tragödien, Epigramme, eins ist an einen Geliebten der Aster hieß. Es ist ein Einfall der auch in Julie und Romeo vorkommt; “Du blickst, Geliebter, nach den Sternen? Ich möchte der Himmel sein, mit soviel Augen auf dich zu sehen.” Ehe Plato zu 15  höhere Sphäre] Hu: andere Sphaere der Lebensart­   ­26 Mutter] Hu: Mutter Perictione­  ­

35 29–30 “Plato” ward … genannt.] Hu: Den Namen plato erhielt er spaeter – von der Breite seiner

Stirn. 6  müsse nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­8 Pisistratus nachtr. über der Zeile mit Einfügungs­ zeichen­  ­10 von Hunden] von (nachtr. über der Zeile) Hunden (nachtr. aus Hunde)­  ­20 Zuhörer] ohne Umlautpunkte­  ­22 die nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen

Aber eben indem die Cyniker sich auf die nothwendigsten Naturbedürfnisse beschränken sind sie von der Natur gefesselt, da die Bildung hingegen sich dadurch befreit, daß sie den Naturbedürfnißen eine Seite der Geistigkeit giebt. Dritte Stufe.

Plato. Biographie.

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socrates kam, träumte diesem, er habe einen Schwan gesehen, dem die jungen Flügel bald gewachsen seien, und darauf flog mit den schönsten Gesängen. Die Alten erwähnen viele Züge einer großen Liebe und Verehrung gegen Plato, die er durch seine hohe Stille bewirkte. Ihm ward der Name des Göttlichen gegeben. Außer socrates Umgang studirte Plato besonders die Alten, den Heraclit, die Eleaten, auch die Pythagoraeer, und im Studium dieser Schriften verlor er das Interesse an den Staatsangelegenheiten. Er hatte die Pflichten Kriegsdienste zu leisten, und machte 3 Feldzüge mit. Nach socrates Tode floh er nach Megara. 9 Jahre war er viel mit socrates umgegangen. Von Megara aus reist Plato nach Cyrene, wo er unter Theodor Mathematik studirte. Diesem wird die Auflösung des delphischen Problems zugeschrieben. Die Orakel früherer Zeit gaben beim Unglück dieß und das auf; jetzt gaben sie auf: eine Linie zu verzeichnen, deren Summe der Kubus sei, von 2 gegebenen anderen Kubis. Von Cyrene ging Plato nach Aegypten, auch in Großgriechenland bei den Pythagoraeern hielt er sich lange auf. In Sicilien hatte er mit Dion Freundschaft. In Athen dann trat er als Lehrer auf, in einem Gymnasium, | in der Academie. In Athen lebte Plato mit Unterbrechung durch Reisen nach Syracus zu Dionys dem Jüngeren. Ihn bewog Dion dazu und andere Freunde, welche hofften Dionys könne durch Plato gebessert werden, da er von einer Natur war, die nicht bös schien, obgleich er wild aufwuchs. Dionys achtete Plato sehr. Doch dieß Verhältniß hielt nicht lange aus, denn Dionys war eine jener mittelmäßigen Naturen, die bis auf einen Punkt aushalten, doch eines tieferen Ernstes entbehren. Der Unterschied der Naturen brach auf eine äußerliche Weise aus, Plato ward in die Feindschaft des Dionys und Dion verwickelt. Plato reißte ab, ward zurückgerufen, kehrte zurük, doch fand es Dionys unerträglich, daß Plato den Dion nicht ganz aufgebe. Plato kam ein drittes mal nach sicilien, doch da die Verhältniße sich nicht herstellten wollte Plato wieder fort. Dieß verbot Dionys, so daß die Pythagoraeer zuletzt den Plato zurückforderten und ihn nach Athen brachten. Plato hatte sich in Dionys geirrt, indem er hoffte durch ihn seine Idee des Staates zu realisiren. Andere Staaten forderten von Plato eine Verfassung; denn den Staaten war jetzt nicht wohl in den alten Gesetzen, und dennoch wußten sie nichts Besseres. Plato machte zur ersten Bedingung Auf hebung des Privateigenthums; als sie es ausschlugen, brach

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8 Megara] Hu: Megara zu Euklid­  ­14 Großgriechenland bei … Pythagoraeern] Hu: Gro sgriechenland – dort hat er sich viele Schriften der pythagoraer gekauft­  ­30–31 denn den … Gesetzen,] Hu: Cyrenier und Arkadier konnten sich nicht wohlbefinden in seiner Verfa sung – 35    und darauf flog nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­3 großen Liebe … gegen] (1) Liebe zu 2 (2) großen (nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen) u (nachtr. am Zeilenende) ( Verehrg gegen nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen)­  ­21 Dionys nachtr. mit Einfügungszeichen über gestr. er­  ­26 sich nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen

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er die Verbindung ab. Er starb bei einem Hochzeitsschmause an seinem Geburtstage im 81 Jahre. In Ansehung seiner Philosophie muß sogleich bemerkt werden, daß sie in seinen Dialogen uns hinterlassen ist. Diese sind eines der schönsten Geschenke, die das Schicksal uns auf bewahrte. Aber wir müssen nicht mehr darin finden wollen, als darin liegt. Der Standpunkt Plato’s ist bestimmt und nothwendig, auf welchem man aber weder bleiben, noch sich darauf zurückversetzen kann. Es ist verkehrt, zur platonischen Philosophie zurückgehen zu wollen. | Man kann bei ihm nicht stehen bleiben. Die Schwierigkeit seiner Philosophie wird theils durch die Dialogform herbeigeführt. Eine andere Schwierigkeit will man darin finden, daß Plato eine exoterische und esoterische Philosophie gehabt habe, sich der Freiheit bedienend mitzutheilen was er wolle. Aber der Philosoph ist nicht in solchem Besitze seiner Gedanken, wie eines äußerlichen Dinges, das man kann zurückhalten und nicht. Die Idee besitzt die Menschheit. Die Philosophen können sich nur nach ihren Ideen richten und müssen diese expliciren; sie können sie nicht für sich behalten. Und in Betreff des Aufnehmens so ist dieß kein Aufnehmen wie eines Dinges. Zur Mittheilung der Idee gehört die Befähigung des Aussprechens und des Aufnehmens. Als Alexander tief in Asien war und hörte Aristoteles habe seine Metaphysik bekannt gemacht, machte er ihm Vorwürfe. Aristoteles sagte: durch das Bekanntmachen habe er sein Werk ebenso nicht bekannt gemacht. Der Philosoph behält nichts bei sich, was er weiß, spricht er aus, aber es gehört sich ebenso um ihn zu verstehen dieselbe Tiefe, sonst bleiben seine Lehren ein Draußen. Was nun die Schönheit der platonischen Darstellung betrifft, so ist diese Seite anziehend. Die dialogische Form ist eine Eigenthümlichkeit Plato’s und als Kunstwerk in seiner Art hoch zu achten, doch nicht zu glauben es sei eine höhere Form als der strenge nur an die Sache sich haltende Vortrag. Das Anmuthige ist, daß eine individuelle Veranlaßung, eine Scene vorausgesetzt wird. Wir werden an den Ilyssus, unter einen Platanenbaum geführt in Gesellschaft socrates und anderer Sterne. Der Ton dieser Unterhaltungen ist die attische Urbanität

10–16 Eine andere … behalten.] Hu: Man theilt seine philosophie in exoterische und esoterische aber dies ist etwas ganz falsches. (: Tennemann :) denn die Gedanken kann man nicht in der Tasche haben – die philosophie kann nicht in Besitz genommen werden, wie au sere Sachen – vielmehr die philosphie besitzt umgekehrt den Menschen – deswegen geschieht es auch dass man an plato 35 nur ganz aü serliche Vorstellungen festhaelt.­  ­29–30 socrates und … Sterne.] Hu: Sokrates – Einige von diesen personen sind unbekannt. 3  werden] wird­  ­4 Diese nachtr. über gestr. Sie­   ­9 Schwierigkeit nachtr. über gestr. Darstellg­  ­ 18M  in nachtr. über der Zeile­  ­31 in exoterische … esoterische am Rande mit Verweis­ zeichen­  ­3­3 –35 die philosophie … festhaelt. am Rande mit Verweiszeichen

Platonische Philosophie.

Sie ist durch die Dialogform schwierig zu erkennen, nicht aber dadurch, daß Plato esoterische Lehren zurückbehalten | habe.

Denn der Philosoph spricht sich nothwendig aus, und das exoterische besteht nur in einem oberflächlichen Verstehen, das exoterische in dem tieferen Eindringen in die Philosopheme

1. Form der platonischen Philosophie. Im Allgemeinen. Die Form ist der Dialog, der mit einer individuellen Veranlaßung beginnt.

152Hu 146.

582 Sein Ton ist die attische Urbanität, die bei aller Freiheit der Äußerung darin besteht den Anderen als denkende Person gelten zu laßen, anzuerkennen daß die eigene Meinung gegen die des Anderen selbst nur subjectiv ist. Diese Dialoge haben nicht das Zufällige des Inhalts noch den Mangel, daß er nicht erschöpft wird, was unsere Conversation ausmacht, sondern nach der einleitenden Veranlaßung zum Gespräch tritt die Entwicklung der Sache selbst in Hin und Wiederreden auf. Der Dialog im Allgemeinen erscheint einerseits für das Herüber und Hinüber des Räsonnements insofern es an verschiedene Personen vertheilt wird zweckmäßig aber anderseits der subjectiven Haltung und der anscheinenden Willkühr des Fragens und Antwortens zweckwidrig. Diese Willkühr fällt bei Plato fort indem einmal die Sache entwickelt wird, und ferner die Antwortenden plastische Personen sind, d. h. Antwortende ohne den Wunsch ihre Particularität geltend zu machen, sondern nach der Sache antwortende. Im besonderen: Die Dialogform läßt

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und in Ansehung der Feinheit der Äußerungen der Menschen gegeneinander ist hier viel zu lernen und diese Feinheit gehört mit zur Süßigkeit der platonischen Dialoge. Urbanität ist nicht ganz unsere Höflichkeit, die etwas mehr ist. Die Urbanität ist die Grundlage der Höflichkeit, das Recht einen Jeden anzuerkennen, indem man sich äußert, die Stellung nicht zu vergessen, daß die Äußerung 5 immer ein subjectives gegen andere Äußerungen ist, so daß das Recht Jedes immer | hervorgehoben wird. Man spricht immer mit einer denkenden Person, 66vHo behauptet nichts vom Dreifuß herunter, behauptet, versichert nicht, sondern man unterredet sich mit Individuen, die mit demselben Rechte sich gegenüberstehen. Es ist nicht Schonung. Diese Urbanität gehört zur Anmutung Plato’s. 10 Dieß Dialogische bei Plato muß von der Conversation bei uns geschieden werden. Mit unserer Conversation werden die Sachen nie erschöpft, und der Inhalt überhaupt ist dem Zufall im ganzen anheimgestellt. Man will sich unterhalten, worüber es eben immer sei. Der Einleitung nach haben die Platonischen Dialoge etwas von dieser Seite. Weiterhin aber kommt es zu einer Entwicklung der Sache 15 und das subjektive Interesse der Conversation verschwindet. socrates als Hauptperson leitet ab, fragt, geht für sich mit seiner Entwicklung fort und giebt ihr nur die äußere Wendung sie in Fragen vorzutragen, worauf die anderen einfach antworten. Einerseits stellt man sich den Dialog als das Zweckmäßigste für das Raisonnement vor, weil dieses hin und her geht, Einwürfe macht, zugiebt, widerspricht, 20 so daß man diese Bewegung verschiedenen Personen in den Mund legt, doch hat der Dialog den Nachtheil, daß das vorgetragene von der Willkühr herzukommen scheint, weil eben die subjecte fragen und antworten, und weil der Verfasser ihre Antworten in der Hand hat. Die Form erscheint überhaupt subjectiv. Diese Willkühr ist einerseits bei Plato vorhanden, anderseits entfernt weil die Entwicklung 25 die der Sache, und den Zwischenredenden wenig überlassen ist. Die Antwortenden sind meist Jünglinge, plastische Personen der Unterredung, Keinem macht es Freude sich geltend zu machen, sondern alle antworteten als solche, denen es nie um ihre Persönlichkeiten zu thun ist. Die Fragen sind so auf die Spitze gestellt, daß den Antwortenden kein Spielraum bleibt. Dieß ist das Schöne der 30 Dialoge. Was diese Form näher betrifft, so können wir in dieser Weise keine systematische Darstellung suchen. Ueber alle Dialoge weht e i n Geist, doch der Inhalt tritt 27–28  Keinem macht … machen,] Hu: es geht nicht ihnen darum zu thun pa ser son mot,­  ­ 153Hu 147. 78 29–31 Die Fragen … Dialoge.] Hu: denn die Frage ist so auf die Spitze gestellt, dass nur diese ein-| 35 154 Hu 148. fache Antwort möglich ist. Darum sind diese Dialogen so gro s. 2  diese Feinheit nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­7 hervorgehoben] her-| hervorgehoben­  ­ 13 überhaupt nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­20 vor nachtr. über gestr. dar­  ­35–36 ein-| fache] einfa-|fache

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nicht als System auf, denn zu einer systematischen Darstellung | des ganzen Umfangs der Philosophie war Plato’s Bildung noch nicht reif. Die Idee war erst ein neu aufgehendes Prinzip, das die Flügel erst zu regen begann, und erst in der wissenschaftlichen Form bei Aristoteles sich zeigt. Es ist diese Systemlosigkeit auch der Mangel der concreten Idee bei Plato selbst. Zu bemerken ist noch der Umstand, daß Plato häufig die mythische Darstellung gebraucht hat. Es hängt dieß mit der Form seiner Darstellung überhaupt zusammen, indem er alles von gegebenen Veranlassungen ausgeht und zwar von den bestimmten Vorstellungen der unterredenden Individuen. Die Manier der Vorstellung, die Mythische und die rein philosophische gehen durcheinander. Was das Mythische betrifft, so sind durch dasselbe die Vorstellung vieler Philosopheme vorstellig gemacht, doch Philosopheme sind Gedanken, und diese müssen als Gedanken vorgetragen werden, der Mythus bringt Verhältnisse herein, welche dem Gedanken nicht angemessen sind. Als frühere unmittelbare Darstellung ist die mythische Form die des noch unfreien Gedankens, später ist sie eine Verunreinigung des Gedankens, ein Reiz, eine Anlockung zum Gedanken, ist aber der Geist erzogen, der Begriff erwachsen, so bedarf er dieses Mittels nicht mehr. Plato sagt sehr oft, es sei schwer sich über dieß und das auszudrücken; so wolle er es als Mythos darstellen. Was 2tens die Manier der Vorstellung betrifft, so spricht Plato sehr oft darin, und es ist unsere Sache zu sichten, was der Vorstellung angehört und was dem speculativen. Kennt man das speculative nicht, so kann man viele Theoreme als Lehren Plato’s anführen. Aber man muß wissen, daß sie noch der Vorstellung angehören und nicht als das Wesentliche zu achten sind. So kann man sagen: Plato habe gesagt: Gott habe die Welt geschaffen, und seinen Daemonen habe er überlassen die untergeordneten Dinge zu erschaffen. Ferner sagt er: Die Seele des Menschen habe einen vernünftigen und unvernünftigen Theil; das Lernen nennt er Erinnerung. Man kann dieß als Behauptung aufstellen, die Seele habe schon vor der Geburt existirt, | so spricht Plato von den Ideen als den Mustern der vorhandenen Dinge, so kann man behaupten: Plato sage, die Ideen existirten Jenseits der wirklichkeit für sich im Gedanken Gottes. Begnügt man sich mit dieser Weise der Vorstellung kann man viel von Plato aufstellen. Das weitere aber ist, daß wenn

2 –3 Die Idee … begann,] Hu: Die Idee die Sokrates geltend gemacht hat, war noch etwas ganz Neues, Frisches.­  ­7–10 indem er … durcheinander.] Hu: indem er den Sokrates ausgehen lae st von Veranla sungen, und bestimmten Vorstellungen der Individuen. Es kommen diese dreyerley 35 Manieren – die Manier der Vorstellung – der Mythos – und die aecht philosophische die sich an Gedanken hält.­  ­15 später] Hu: Und in der philosophie­  ­16 eine Anlockung … Gedanken] Hu: es ist etwas paedagogisches 7–8  er alles … ausgeht] Satzbauplan während der Niederschrift geändert­   ­ 11M ist nachtr. über gestr. sind­  ­25M äußerliches nachtr. über gestr. endliches  ­26 nennt nachtr. über gestr. lernt­  

keine systematische Darstellung des Ganzen der Philosophie zu, welche Plato’s | Standpunkt auch nicht angemessen ist, und erst bei Aristoteles auftritt. Die näheren Weisen der Darstellung Plato’s sind: a. Die mythische Durch diese Form werden Philosopheme zwar der Vorstellung näher gebracht, doch ist sie als die Gedanken in sinnlichen Verhältnissen darstellend, ihm keine adaequate Form, und Plato gebraucht sie nur wo er den reinen Gedanken noch nicht zu fassen vermochte.

b. Die Vorstellung. Was Plato in dieser Form ausspricht ist nicht als Philosophem, nicht als Bestimmung des reinen Gedankens anzusprechen, sondern als Gedanke in der Form noch äußerliches Verhältniß und somit nicht als Gedanke.

67vHo c. Die philosophische. Sie stellt den Gedanken in der Form des Gedankens dar.

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2. Vorstellung Plato’s von dem philosophischen Erkennen. Er setzt es als das höchste und Letzte

Beispiel. In der Republick fordert Socrates die Herrschenden sollten Philosophen sein.

Die Nothwendigkeit ist, daß überhaupt die Idee, die Natur des Staats producirt werde, dazu gehört einerseits das Wissen der Idee. Aber indem die Geschichte der Boden der äußerlichen Existenz ist, und die Handelnden die Idee procuirenden subjecte sind, so handeln sie nicht im Bewußtsein der Idee als solcher, sondern diese erscheint als der subjective Zweck des Individuums. Die Handelnden brauchen also anderseits nicht Philosophen zu sein, sondern nur die Idee des Staates muß producirt werden. Das Erkennen als solches der producirten Idee fällt außerhalb der handelnden Individuen.

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man weiß, was das Philosophische ist, sieht man diese Äußerungen an als der Vorstellung angehörend. Was nun näher den Inhalt betrifft, wollen wir zuerst von der Vorstellung sprechen die Plato von der Philosophie und der philosophischen Erkenntniß hatte. Bei Plato sehen wir, daß er ganz durchdrungen von der Höhe der philosophischen Er- 5 kenntniß ist. Er ist begeistert, und spricht davon, wie wir es nicht wagen dürften. Er sagt zB. die Kenntniß von den vortrefflichsten Dingen fängt von den Augen an, hieraus haben wir zuletzt die Philosophie erhalten, als ein größeres Gut keines von Gott kommt und gekommen ist. In der Republick exponirt socrates den wahrhaften Staat, Glaucon unterbricht ihn, verlangend Socrates solle die Mög- 10 lichkeit der Existenz eines solchen Staates aufzeigen. socrates scheint es zu vermeiden behauptend: er sei nicht verbunden anzugeben, wie dieß in der Wirklichkeit sein könne; endlich sagt er “so soll es denn gesagt werden, wenn es auch von einem Fluß des Gelächters sollte übergossen werden: wenn nicht Philosophen herrschen, und die vielen Sinnesarten, die jetzt abgesondert nach diesem und 15 jenem sich wenden, in Eines zusammenfallen dann giebt es für die Völker kein Ende der Mühe und der Noth. Glaucon erwiedert: Du hast, o socrates, ein solches Wort ausgesprochen, daß du fürchten mußt, viele werden mit Schwerdtern auf dich zugehen ect. Plato sagt die Könige sollten Philosophen sein. Was die Sache betrifft, so ist die Forderung diese, daß der Staat überhaupt gehalten, be- 20 stimmt werde nach der Natur der Sache, nach dem Begriffe. Handeln kann man nur nach dem Begriffe im Bewußtsein der Natur der Sache. Geschieht dieß, so wird die Idee zur Existenz ge|bracht, die Wirklichkeit dem Begriff gemäß. Der 68rHo Boden der Geschichte ist nun aber ein Anderer als der des Begriffs. Die Wirklichkeit ist das Vollbringen der Idee, Gott regiert in der Welt, die Idee ist die 25 Macht, die sich hervorbringt, doch ist die Geschichte sozusagen ein natürliches Hervorbringen der Idee, nicht mit dem Bewußtsein der Idee als solchem. Die Geschichte ist der Boden wo gehandelt wird nach allgemeinen Gedanken wohl, nach allgemeinen Interessen, aber die Idee wird wenn auch wirklich gemacht, dennoch nur durch eine Vermischung von allgemeinen Interessen und particulä- 30 ren, subjectiven Interessen. Dieß ist auch notwendig, daß die Idee in der Wirklichkeit durch die Mittel des Handelnden producirt werde. Zur Idee ist nicht nöthig, daß die Handelnden im Bewußtsein der Idee handelten, denn sie kommt durch sich selbst und durch Mittel zu Stande, welche oft ihr entgegengesetzt scheinen. Die handelnden Individuen sind besondere subjecte. Besonderes treibt sie, 35 14 Fluß des Gelächters] Hu: Flug des Gelächters 9  von Gott nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­24 nun aber nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­34M anderseits nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen

156 Hu 150

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aber diese besonderen Triebe, weil die Idee die absolute Macht ist, sind nur Mittel zur Hervorbringung der Idee. Plato vergleicht ferner in der Republick, indem er vom Verhältniß der Philosophie zum gewöhnlichen Bewußtsein spricht, die Nichtphilosophirenden mit Menschen die in einer dunklen Höhle mit dem Rücken gegen den Ausgang gekehrt, fest angeschmiedet daliegen. Die Höhle sei offen und habe eine weite Aussicht, weit hinter dem Rücken jener brenne eine Fackel. Im Zwischenraum der Höhle und der Gegend ihr gegenüber befinde sich eine niedrige Mauer, hinter dieser Menschen welche Statuen von Menschen und Thieren herüber halten. Von diesen sehen die Gefangenen die Schatten allein; sie würden diese für die wahren wesen halten und was die Menschen reden für Reden der Schatten halten. Wenn nun einer von den Gefesselten den Nacken kehre würde er die wirklichen Dinge für wesenlose Schatten halten, und brächte die Entfesselten Jemand an’s Licht würden sie ihn hassen, als einen der ihnen die Wahrheit nähme. Plato spricht von der Philosophie mit der ganzen Energie seines Bewußtseins. Von der sogenannten Bescheidenheit ist daran nichts zu erkennen. Was die Philosophie selbst betrifft, so ist der Hauptgedanke, daß Plato, das Allgemeine die Idee | den Zweck des Handelns, daß Plato dieses Allgemeine, als das einzig Wesenhafte erkennt, und die Erkenntniß darauf gerichtet wissen will. Er erörtert die Intellectualität, keine solche, die Jenseits der Wirklichkeit sein soll, sondern eine gegenwärtige Welt ist die Intellectual Welt, aber nur das an und für sich Allgemeine ist das wirkliche. Sie existirt endlich, aber sie selbst, ihr Wesen, was sie an sich selbst ist, ist allein die wahrhafte Wirklichkeit. – Was nun das erste Nähere betrifft, ist die Quelle, wodurch wir nach Plato des göttlichen uns bewußt werden. Es ist der Geist des Menschen selbst wie bei socrates. Der Geist des Menschen enthält dieß Wesentliche so in sich, daß er es nur aus sich sich braucht zum Bewußtsein zu bringen. Zu diesem Punkt gehört dieß, was bei Plato die nähere Form der Frage hat: ob die Tugend, die Wahrheit gelernt werden könnte. Die Antwort ist, daß das was wir zu lernen scheinen nichts sei als Wiedererinnerung. Dieß kommt im Meno vor. Das Lernen sagt er darin: sei eine Erinnerung dessen, was wir schon besäßen, die Erregung dazu sei die Verlegenheit in welche das Be15 Plato spricht … Bewußtseins.] Hu: Dieses Beyspiel erklaert uns was für eine Vorstellung plato von der philosophie und Unphilosophie gehabt hatte. Es ist dies ausgesprochen mit der ganzen Energie seines Bewustseins. ­  ­26 Wesentliche] Hu: Wahrhafte

35 3  vergleicht nachtr. über gestr. sagt­  ­3–7 indem er … Aussicht, nachtr. in einen bei der ersten Nieder-

schrift frei gelassenen Raum (ca. zweieinhalb Zeilen) geschrieben­  ­7 dem Rücken … brenne] (1) ihrem Rücken brennt (2) dem (nachtr. über gestr. ihrem) Rücken jener (nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen) brenne (nachtr. aus brennt)­  ­8 der Höhle … gegenüber nachtr. über der Zeile mit Einfügungs­ zeichen­   befinde nachtr. aus befindet­  ­13 wesenlose] wesentlose­   die Entfesselten nachtr. mit Ein40 fügungszeichen über gestr. sie­  ­16 zu] zur­  ­28 der Frage nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen

Das Beispiel von der Höhle.

3. Quelle der Erkenntniß.

Die Quelle der Erkenntniß ist der Geist des Menschen, insofern er das allgemeine Wesen der Dinge, welches die wahrhafte wirklichkeit ist, sich zum Bewußtsein bringt. Dieß drückt Plato vorstellungsmäßig so aus, daß alles Lernen des Wahrhaften nur ein Erinnern sei.

157Hu 151. 80 B. platonische philosophie selbst

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Mythische Darstellung.

In ihr erscheint die Seele als ein schon vorm individuellen Leben Seiendes, so daß alles Spätere nur ein zum Bewußtseinbringen des früher gesehenen sei.

Die göttliche Seele sei eine Einheit von Körper und Seele, ihr Leben sei ein göttliches Schauspiel, dem sie als reiner Gedanke zuschaue.

158 Hu 152.

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wußtsein komme. Im Meno zeigt dieß Plato am Beispiel eines Sclaven, den er nach seiner eigenen Meinung antworten läßt und ihn bis zum Aussprechen eines geometrischen Satzes bringt. Mit anderen Worten heißt dieß: es sei die Natur des Geistes selbst, in welchem die Sache der Form und dem Inhalt nach liegt. Auf mythische Weise bildet dieß Plato so weiter aus, daß er sagt, dieß Wahre müsse 5 früher schon in uns gewesen sein, und stellt dieß so dar: daß das Ansich des Geistes die Form eines Vorherrschens in der Zeit erhält. Der Mythos ist: (er sagt es sei keine philosophische Lehre) es seien die Seelen der Menschen unsterblich, wenn die Seele sterbe komme sie wieder hervor, das Auf hören sei nur ein Schein, sie trete in anderes Dasein hervor und gehe nicht unter. Wenn sie nun alles gese- 10 hen hat, findet kein Lernen statt, sondern alles ist Erinnerung. Im Phaedrus ist dieser Mythos | glänzender ausgeführt. Dort ist der Eros der Hauptpunkt. Um 69rHo ihn als göttliche Raserei aufzuzeigen sagt er: die Seele sei unsterblich, denn das sich selbst bewegende sei unsterblich und beginne nicht und höre nicht auf. Die Idee der Seele darzulegen sei schwer, dieß lasse sich menschlicher Weise mythisch 15 leichter sagen: “ Die Seele gleicht der Pracht eines Wagens und Fuhrmanns, die Pferde der Götter und die Fuhrmänner sind selbst gut und aus Gutem. Eins der Pferde ist gut das andere schlimm. In Ansehung dieses wird dann die Lenkung schwerer. Die Seele durchwandert den ganzen Himmel, ist sie vollkommen, so denkt sie erhaben, sinken ihre Flügel so senkt sie sich, nimmt Körperliches an 20 und wird sterblich. Das Unsterbliche, wenn wir es als Gott aussprechen, (nicht aus einem erkennenden Gedanken, sondern nur nach einem vorstellenden), hat einen Leib und eine Seele ewig ineinandergefügt. Plato beschreibt weiter, wie es im Leben des göttlichen vor sich hergehe, beschreibt ein Schauspiel, wo die Götter in Wagen umherfahren, und die herrlichsten und seligsten Schauspiele auf- 25 führen. Die Seele farblos, gestaltlos, braucht den Gedanken allein als Zuschauer, 7–8  Der Mythos … unsterblich,] Hu: und gebraucht einen Mythos: naemlich er behauptet dass nach den Sagen der priester die Seelen der Menschen seyen Unsterblich­  ­13 göttliche Raserei] Hu: göttliche Raserey – um zu zeigen dass er uns zur höchsten Glükseligkeit ist­  ­16 Die Seele … Fuhrmanns,] Hu: die seele gleicht einer zusammengeeigneten Kraft des Fuhrmanns und 30 Wagens­  ­20–21 nimmt Körperliches … sterblich.] Hu: weiters die Seele bekümmert sich nicht um Unbeseeltes – sie nimmt einen bewegenden Leib – und hat er die Benennung des Sterblichen.­  ­22–23 nur nach … ineinandergefügt.] Hu: nach vorstellungen erzeugten Gedanken dieses wesen aussprechen – koennen wir es nicht begreifen – Er schreibt diesen Gott Einheit der Realitaet und Idealitaet zu – das ist Einheit des Begriffes nach uns. 35 2  bis nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­6 daß das nachtr. über gestr. das­  ­7 Geistes] folgt nachtr. gestr: erhält­   erhält nachtr. über der Zeile­  ­15 sei schwer nachtr. über der Zeile mit Einfügungs­ zeichen­  ­20 erhaben nachtr. über gestr. erhalten­  ­21–22 (nicht aus … vorstellenden)] (1) u nicht aus 1 erkennenden Gedken, sondern nr nach einem vostellenden (2) (nicht aus 1 erkennenden Gedken, sondern nr nach einem vostellenden) u Gott nennen­  ­23M dem] der  ­25 und1 nachtr. über 40 gestr. die­  

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ist in diesem Zuschauen das Entstehen der wahren Wissenschaft, sieht was ist, indem sie diesem sich in sich zurückführenden Kreise zuschaut. Sie sieht nicht die einzelnen Dinge sondern das Anundfürsichsein. Andere Seelen treten aus jenen Gegenden, nähren sich mit dem Futter der Meinung und fallen zur Erde. Die Gesunkene behält eine Erinnerung des Gesehenen, und wenn sie etwas Schönes Gerechtes erblicke, erinnert sie sich ihres früheren Zustandes, in welchem sie die Schönheit und das Gerechte selbst erblickt. Der Sinn dieses Mythischen ist, daß es die Natur des Geistes sei, was er beschreibt, und daß für ihn als denkenden das Leben der Götter ist. Verhält sie sich als einzelne wird im Einzelnen sie an das Allgemeine erinnert. | Fürs Erste liegt hierin die Weise, wie Plato die Wissenschaft gefaßt hat. Was diese Weise betrifft, so sahen wir schon im Vorhergehenden, die Wahrheit sei nur das vom Gedanken producirte. Die Quelle der Erkenntniß ist mehrfach vorhanden: Empfindung, sinnliches Bewußtsein. Gegen diese als Erkenntnißquelle der Wahrheit wendet sich Plato verneinend, indem er sagt, es sei dieß die Lehre der Sophisten. Es ist ein leichter Mißverstand der sich hereindrängt. Das Höchste ist im Gefühl, das Schöne Wahre als Enthusiasmus ist in der Weise des Gefühls. Das Gefühl als solches aber ist nur Form. Alles ist im Gefühl, und ist es das Kriterium, so ist die Zufälligkeit das Kriterium. Anderseits aber muß mag sagen, der höchste Inhalt müsse in der Form des Gefühls sein, aber sie sei an und für sich nicht die Form des wahren. Denn das Gefühl ist das ganz subjective Bewußtsein[.] Wir unterscheiden Herz und Verstand. Was im Herzen ist, ist in unserer innersten subjectivität. Ist der Inhalt im Herzen, dann ist er ganz identisch mit uns selbst. Das Andere ist, daß so nothwendig diese Form ist, doch der Inhalt nicht darum, weil er im Herzen, weil er Gefühl ist, der wahrhafte ist, sondern nach Plato, kann dieser wahrhafte Inhalt nur durch den Gedanken gefaßt werden. Denn der Gedanke allein faßt den allgemeinen In-

14–15 er sagt, … Sophisten.] Hu: er meint dass dies die Lehre der Sophisten sey – wie wir bey protagoras sahen – dass das Kriterium des Wahren die Empfindung sey.­  ­16 Das Höchste … Gefühl] Hu: alles was der Mensch besitzt ist im Gefühl – plato spricht selbst von μανια, ερος­  30 18–20  Anderseits aber … wahren.] Hu: Auf der andern Seite aber was der wahrhafte Inhalt sey das ist nicht durch das Gefühl gegeben – obgleich der erhabenste Inhalt in der Form des Gefühles sein mu s – aber so kann er sich nicht bestimmen –­  ­22–23 innersten subjectivität. … selbst.] Hu: eigenthümlichen, besonderen Subjektivitaet, Ich – erst dann ist der Inhalt am guten Ort – er ist dann erst mit | uns selbst – Diese Einung des Inhalts mit uns –­  ­25–26.588,1  nach Plato, … 35 Wahrhafte.] Hu: Das ist die Gro se Lehre des plato dass der wahrhafte Inhalt durch das Denken gefa st sein soll – dieser Inhalt ist das an und für sich Allgemeine – und eben dies Thaetige des Allgemeinen ist das Denken. 3  einzelnen nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­ 4–5 Die Gesunkene nachtr. mit Einfügungszeichen über gestr. Sie­  ­7 das Gerechte] (1) Gerechten (2) d. (nachtr. über der Zeile) Gerechte (nachtr. 40 aus Gerechten)­  ­8 sei nachtr. über der Zeile­   ihn nachtr. über gestr. sie­  ­17 im nachtr. über gestr. ihr­  ­20 sei nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­31 das1] dass

Vom Wege abirrend sinke sie zur einzelnen Seele herab, und wenn sie als solche einzelnes sähe, erinnere sie sich des Allgemeinen. Der Sinn der Mythe ist, daß die einzelne Seele ansich das | schlechthin Allgemeine, die Idee sei, und diese sich zum Bewußtsein bringe. Die Quelle dieses Wissens ist bei Plato der reine Gedanke.

Das Gefühl als solches, insofern darin der allgemeine Inhalt in der Form der unmittelbaren Einzelheit ist, ist die Quelle der Erkenntniß nicht.

Nur der Gedanke als die Thätigkeit des Allgemeinen, ist die Erkenntnißquelle des Allgemeinen der Idee.

159 Hu 153. 81

Dieser ερος Enthusiasmus nun ist Form der Idee

160 Hu 154.

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Das Denken sei zwiefach: διανοια das abstracte Denken, wie das der Mathematik[.] | In ihr komme man nur dazu Hypothesen zu machen und ihre Richtigkeit zu beweisen. Die νόησις aber geht auf Prinzipien auf das an und für sich Allgemeine, sie ist der rein sich selbst bestimmende Gedanke.

Dieses Allgemeine, das sich selbst bestimmt, und nicht das Sinnliche Einzelne, sondern das allgemeine Wesen des Einzelnen ist, nennt Plato ἴδεα

1. Die Bewegung des reinen Gedankens in sich ist die Dialektik.

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halt, und nur das Allgemeine ist das Wahrhafte. Den allgemeinen Inhalt hat Plato als Idee bestimmt und macht die Unterscheidung zwischen solchem Wissen, wie die Geometrie, die er Denken nennt διανοια im Gegensatz des reinen Denkens νοησις. Das Sinnliche sagt er, das für uns ist, ist gedoppelt: die ganz äußerliche Erscheinung, Bilder im Wasser, Schatten, Glänzendes, Glattes, die andere Art ist 5 die, wie Pflanzen, Thiere, concrete Lebendigkeit. So sagt er sei es im intelligibeln. Dort ist der eine der Inhalt wie der Geometrie, wo es aufs Gleiche und Ungleiche ankommt. Man verfährt dort so, daß man bestimmte Figuren vor sich hat. | Diese gelten nur als Abbilder der gedachten Originale. Ein △ ist nicht das 70rHo beschriebene, sondern das △ überhaupt ist gemeint. In dieser Wissenschaft 10 kommt man zu Hypothesen, und gebraucht für sie zu ihrem Beweise die ihnen ähnlichen Bilder. Eine höhere wissenschaft ist die, welche auf die Prinzipien geht, die Hypothesen nur als Auftritte gebraucht um zum Prinzip des Ganzen, des Allgemeinen zu gelangen, welches kein Vorausgesetztes, sondern an und für sich ist. Dieses zu erkennen ist das Geschäft der Philosophie. Und was sie betrachtet, wird 15 durch sie vom reinen Gedanken erforscht, der sich nur als νόησις bewegt. Das Wahre ist das Allgemeine, der Gedanke bestimmt gegen das Sinnliche gerichtet. Der Inhalt vieler Dialoge ist nur zu zeigen: daß das was als Einzelnes, was als Vieles ist, daß dieses nicht das Wahrhafte sei. lm Einzelnen muß man nur das Allgemeine betrachten. Dieß Allgemeine hat Plato ἴδεα genannt, auch εἴδος. 20 Das ist nicht eine allgemeine Vorstellung, noch das in der Vorstellung Isolirte, sondern die Gattung das Genus selbst. Was sind es nun für allgemeine Gedanken auf die es ankommt? Was sind die reinen Gedanken? Denn Plato unterscheidet davon die διάνοια. Man kann über Vieles und Manches Gedanken haben, wenn man überhaupt Gedanken hat. In diesem Sinn nimmt Plato die ἴδεα nicht, und 25 dieß ist die speculative epochemachende Größe Plato’s. Die Bewegung im reinen Gedanken heißt die Dialektik. Viele seiner Dialoge fallen der Dialektik zu. Solche reine Gedanken sind Sein und Nichtsein (τὸ ὄν καὶ τὸ οὐκ ὄν), das Eine und Viele, Begrenzte und Unbegrenzte, Endliche und Unendliche. Die Bewegung in diesen Bestimmungen ist rein logische, abstracte Betrachtung. Darin setzt Plato 30 die Höhe der Philosophie. Parmenides lobt so in dem Dialog desselben Namens den socrates, daß er sich mit der Idee des Schönen und Guten beschäftige: “Dein 4 νοησις.] Hu: νοησις cf VI Buch der Republik. Er macht dort die unterscheidung des Sinnlichen und Intellektuellen.­  ­9 Diese gelten … Originale.] Hu: sie gelten als Abbilder von den Originalen – ανοουμενα diese Originalen sind aber auch gedacht –­  ­16 bewegt.] Hu: bewegt, und darnach 35 strebt, spricht plato, er sey ein philosoph.­  ­28 sind] Hu: sind die trokkenen Bestimmungen des 11  zu ihrem Beweise nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­15 sie nachtr. über gestr. hier­  ­ 16  durch sie nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­als nachtr. über gestr. in solcher­  ­28  τὸ ὄν … ὄν] τὸ ὅν κὰι το οὐκὀν­  ­31 Parmenides] Parnenides

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Geschäft” sagt er, “ist schön und göttlich, du mußt aber noch weiter über dich in das gehen, was die Menge Geschwätz und Zungendrescherei nennt. | Solche Bestimmungen sind das Gleiche und Ungleiche, das Eine und das Viele, wovon zu betrachten ist, was erfolgt, wenn man das Viele voraussetzt, und es in Beziehung auf sich selbst und das Eins nimmt; und ebenso mit dem Eins, was erfolgt, wenn das Eins nicht ist für das Viele und Eins. Ebenso die Identität, Entstehen und Vergehen, und Sein und Nichtsein. Darin dich vollkommen übend wirst du die wesentliche Wahrheit finden.” Solche Gegenstände zu betrachten ist nach Plato die wahrhafte Erkenntniß. Die Sophisten dagegen betrachten das Erscheinende auch mit dem Gedanken, doch nicht mit dem reinen Gedanken. Manche Werke Plato’s endigen unbefriedigend. Eine angenehme Einleitung läßt Vergnügliches erwarten, populare Philosophie; doch dieß geht bald aus, es kommen abstracte Bestimmungen, Gedanken wie das Eins, das Viele, und man wundert sich wie Plato darin die Erkenntniß des Wahren suchte. Diese Bewegung im Gedanken hat nun ein Verhältniß zum Allgemeinen, zur ἴδεα. Dieß Verhältniß bezieht sich auf die Bestimmung der Idee. Sie ist das Allgemeine, aber das Concret Allgemeine, das sich selbst bestimmende, und diese Concretion kommt nur durch die dialektische Bewegung durch solche Gedanken herein, welche Gegensätze, Unterschiede enthalten. Die Idee ist denn Einheit Unterschiedener und somit bestimmte und zwar allgemeine in sich bestimmte Idee. Dieß ist die Hauptseite der platonischen Erkenntniß. socrates blieb beim abstracten Guten stehen, beim Allgemeinen nur an sich concreten Gedanken. Er hat ihn nicht entwickelt, nicht durch die Entwicklung aufgezeigt. Durch die dialektische Bewegung und Reduktion desselben zur Einheit des Resultats würde man die bestimmte Idee erhalten. Aber der Mangel Plato’s ist nun, daß Beides aus einander fällt. Er spricht von einerseits Gerechtigkeit, von Gutem, vom Wahren. Aber dabei ist nicht ihre Entstehung, ihre Genesis aufgezeigt; sie erscheinen nicht als Resultat sondern als unmittelbar aufgenommene Voraussetzungen. Das Bewußtsein hat die unmittelbare | Ueberzeugung, daß sie der höchste Zweck sind. Aber ihre Bestimmtheit als dieser Zweck ist nicht gefunden, nicht als resultirend aufgedeckt. Anderseits haben viele Dialoge nur das Negative der Dialektik, in-

2  was die … nennt.] Hu: Man sagt plato habe sich darüber mit dem Aristoteles beredet – dieser sagte: übe dich in diesen was man Zähnenachwetzerey nennt.­  ­11–14 Eine angenehme … suchte.] Hu: Die angenehmen Einleitungs Blimchen gefallen – es geht aber bald vorbey – und dann 35 kommt das Starre wie man sagt. – Es giebt viele die den Inhalt der Werke plato’s kennen, aber unbekannt sind mit diesen reinen Gedanken.­  ­28–29 Das Bewußtsein … Ueberzeugung] Hu: so entstehen sie aus den Glauben 2  das] folgt nachtr. gestr: herab­  ­4 erfolgt, wenn man nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­ 19M Einssetzung] Einsetzgg  26 einerseits nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­

70 vHo

Die Idee des Allgemeinen, wird nur durch die dialektische Bewegung in sich, durch die Unterscheidung, und in Einssetzung des Unterschiedenen, concret in sich.

Der Mangel bei Plato ist, daß dieß Unterscheiden, und das Aussprechen der Einheit der Unterschiedenen auseinanderfällt. So erscheint das Allgemeine nicht als deducirtes, sondern wird unmittelbar als das Wahrhafte aufgenommen.

162Hu 156.

b.) Viele Dialogen enthalten so nur negative Dialektik.

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Anderseits wird nur das Sich Unterscheiden des Allgemeinen herausgehoben und Plato bleibt bei diesem Unterscheiden stehen.

Drittens spricht Plato aber auch die Einheit der Unterschiedenen aus, welche Einheit zugleich als in sich unterschiedene sich darstellt.

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dem sie als socratische Gespräche, die Zweckvorstellungen der Individuen, ihre Meinungen verwirren um das Bedürfniß tieferer Erkenntniß zu erwecken. Dieß läßt uns, weil die Confusion das Letzte ist, unbefriedigt, und weil außerdem noch nicht reine Gedanken sondern concrete Vorstellungen der Stoff sind. Andere Dialoge jedoch enthalten die Dialektik reiner Gedanken, der Parmenides zB. Dieser schließt damit, “daß das Eine sowohl als das Viele, sowie alle die übrigen Bestimmungen (Sein, Erscheinen, Werden) sowohl für sich selbst als füreinander, alle sowohl seien als nicht seien, erschienen als auch nicht erschienen.” Der Parmenides ist die reine Ideenlehre Platon’s. Für uns hat solches Resultat einen negativen Inhalt, das Zusammenfassen der Gegensätze in Eines und das Aussprechen dieser Gegensätze als eine concrete Einheit, mangelt uns. – In anderen Dialogen spricht Plato wieder mehr diese Einheit aus. Solche sind Philibos zB. und der Sophist. Plato erweißt darin gegen Parmenides, daß das Nichtsein sei. Von den Sophisten sagt er, daß sie beim Nichtsein stehen blieben, und widerlegt dann die Sophisten, deren ganzer Standpunkt das Nichtsein, die Empfindung, das Viele ist. Plato hat nun also das Allgemeine so bestimmt, daß es das Wahrhafte eine Einheit des Entgegengesetzten sei zB. des Einen und Vielen, des Seins und Nichtseins. Zugleich aber bestrebte er sich die Zweideutigkeit zu vermeiden, die darin liegt, wenn wir zB von der Einheit des Seins und Nichtseins sprechen, und den Hauptaccent dabei auf die Einheit legen, so daß der Unterschied, indem wir davon zu abstrahiren scheinen, verschwindet. Plato hat sich den Unterschied ebenso auch zu erhalten gesucht. Der Sophist ist | die weitere Ausführung des Seins und Nichtseins. Alle Dinge sind, sie haben οὐσία; aber auf gleiche Weise auch kommt ihnen das οὐκ ον zu, denn indem sie verschiedene sind, eines das Andere des Anderen, jedes das Nichtsein eines Seienden, so liegt darin die Bestimmung der Negativität. Plato sagt daher: “Das Seiende hat Theil am Sein, ebenso aber auch am Nichtsein – das Theilhabende ist somit die verbindende Einheit. Dieses ist dann aber auch ebenso verschieden von sich, ist Sein und Nichtsein.” Ferner: “Wenn Jemand seine Freude daran hat Gedanken von Einem zum Anderen zu ziehen, so thut er nichts Preiswürdiges.” (nämlich er zeigt den Mangel das Negative an dem Dinge auf, und geht dann zum Anderen über), “denn das ist weder vortrefflich noch schwer.” Der Sophist und Andere sagten auf diese Weise: groß und klein seien relative bestimmungen; dasselbe sei einmal groß und das

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10 Inhalt,] Hu: Inhalt. (Die Neuern platoniker haben diesen Dialog als Geheimni s des gottlichen 35 wesens genommen.)­  ­20–22 wenn wir … verschwindet.] Hu: So sprechen wir von der Einheit, Idealitaet, so legen wir den Hauptakcent auf die Identitaet, so verschwindet der Unterschied des Einen und des Vielen. 20  zB nachtr. über der Zeile

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anderemal klein. Plato sagt dagegen: “Das Schwere und Wahrhafte ist dieses: zu zeigen, daß Etwas dasselbe als das Andere sei, und das Andere dasselbe als das Etwas, und zwar in Ein und denselben Rücksichten; daß nach denselben Seiten daß das Eine wird, auch das Andere an ihm aufgezeigt wird. Jenes ist die Weise derer, welche erst das Wesen zu berühren scheinen, wenn sie die Rücksichten sondern. – Im Philebos ist der Gegensatz von Unendlichem und Endlichem, von Begrenztem und Unbegrenztem (ἄπειρον und περας) untersucht. πέρας als die Grenze erscheint zunächst als das Schlechtere und Alte Philosophen bestimmten es auch so. Bei Plato jedoch erscheint es umgekehrt. Das πέρας ist das Höhere gegen das Abstract Unbestimmte; höher noch ist das sich selbst Bestimmende und Begrenzende. Das Absolute also ist das was Bestimmt und Unbestimmt, was endlich und unendlich in einer Einheit ist. Im Timaeus nun wird die bisher nur abstract bestimmte | Idee auf concretere Weise ausgesprochen. Denn bei Plato zuerst tritt die logische Philosophie, die NaturPhilosophie und die Philosophie des Geistes auf. Die Alten sagten: “Plato habe die Dialektik hinzugefügt, wie von den Ioniern sich die Naturphilosophie herschrieb und von socrates die Ethik. Wenn wir Plato einerseits vom Schönen, Guten sprechen hören, so sind dieß nicht viele Ideen, sondern die Idee ist Eine, und fängt man von der Idee als abstracter an so ist es bis zum Guten und Schönen noch weit hin. Plato hat nun aber die abstracten Gedanken sich nicht zu dem Concreten des Guten fortführen lassen. Die Ideen von Wahrheit, Schönheit sind von ihm nicht deducirt. Aber Plato erkennt schon, daß in der Erkenntniß jener abstracten Bestimmungen das Kriterium für die späteren concreten Vorstellungen ist. So sehen wir schon im Philebos die Prinzipien der Empfindung betrachtet, Prinzipien, welche die Sophisten aufstellen, und Plato betrachtet sie unter der Form jener abstracten logischen Bestimmungen. Bei der Atomistik schon sahen wir daß sie sich ließ anwenden auf das Concrete des Staates. Denn jene reinen Gedanken liegen Allem zu Grunde. Die Beurtheilung späterer Gedanken gründet sich in solcher Abstraction wie das Eine und Viele. Sie sind das Logische. Plato leitet aus dem logischen nicht die Natur, nicht den Geist ab, sondern nimmt ihn auf, aber jene Bestimmungen sind dennoch die Erkenntnißquelle. Die Alten

4–6 Jenes ist … sondern.] Hu: Die Freude daran zu haben das Entgegengesetzte zu finden ist unwahr, sie ist die frühere – es ist das Verfahren nach ihm des unphilosophischen Bewustseins. (Absatz) Plato geht also den Weg allerdings des Concreten – aber oft wie wir sagten hat die Dialektik 35 einen negativen Resultat.­  ­9–11 Bei Plato … Begrenzende.] Hu: bey plato ist das Begrenzte das Vortreffliche – (Alle Selbstichkeit, Ich, Lebendige, das Wahrhafte nur hat die Bestimmung in sich –) Nur der Νους ist das sich selbst bestimmende. 1  Wahrhafte] Wahrhhfte­  ­3 daß nachtr. über der Zeile­  ­4 wird,] folgt nachtr. gestr: wird­   wird] wrd. nachtr. über der Zeile­  ­26 logischen nachtr. über der Zeile

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Indem bei Plato die Idee selbst noch als die unmittelbare ist, so bestimmt sie sich noch nicht durch sich selbst aus ihrer logischen Abstraction zur Natur und zum Geist; sondern diese Gestalten der Idee werden durch Plato unmittelbar aufgenommen.

Das Dialektische, die reinen Gedanken aber bleiben die Erkenntnißquelle.

164 Hu 158.

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2. Physik des Plato und Psychologie. Der Timaeus. Bestimmtheit der Idee in ihm.

Die Welt ist ein lebendiges Thier, als die Einheit des abstracten νους, gegen welchen das Körperliche das Extrem und die Seele die beides verbindende Mitte ist.

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hatten beim Denken nicht den Zweck den wir haben, concreten Stoff in Richtigkeit zu bringen, die Wirklichkeit uns anzueignen. Bei den Alten erscheint beim Philosophiren zwar auch das als Zweck des Individuums, dieses: sein Leben dadurch einzurichten. Plato aber setzt das selige Leben selbst in der Betrachtung jener reinen Bestimmungen, dieß selige Leben ist zwecklos, alle Interessen sind 5 darin verschwunden, dieß Interesse setzt aber andere Interessen herunter, | und die Menschen über sie hinaus. Wenn uns die alten also von dieser Seite nicht befriedigen, so ist der Grund, daß die Alten das Leben im reinen Gedanken für den Zweck an und für sich hielten. Deshalb waren sie auch mit diesen Bestimmungen zufrieden. Bei Plato erst beginnt eine nähere Bestimmtheit. Der allgemeine Stoff 10 beginnt mehr sich in sich zu sondern. Die Dialogen theilen sich in solche über die reinen Gedanken. Der Timaeus giebt uns die Philosophie der Natur, die Republik die Philosophie des Sittlichen. Im Timaeus ist es besonders, daß die Idee in ihrer abstracten Bestimmtheit vorkommt. Wieviel im Timaeus dem Plato, wieviel den Pythagoraeern zukommt, dieß geht uns nichts an, und es ist etwas das 15 wir nicht beurtheilen können. Uns kommt es auf die Bestimmtheit der Idee im Timaeus an. Plato beginnt mit Gott und fährt fort: “Gott ist das Gute, ist neidlos und deshalb schafft er die Welt sich selbst ähnlich.” Der Neid der Götter bei den Älteren zeigt sich in der Nemesis, welche was sich erhebt, gleich macht niederdrückt. Die edleren Philosophen sprechen den Gott als neidlos an. Man 20 kann dieß noch gegen diejenigen geltend machen, welche sagen, man könne von Gott nichts erkennen. Können wir von Gott nichts erkennen, so ist er das schlechthin Neidische. Ein Licht verliert nichts ob ein Anderes daran angezündet wird. Hätte Gott dem Menschen verborgen was er ist, so wäre er das Neidische Licht. Ist von Gott nichts zu erkennen, so ist Gott ein leerer Nahme. – “Gott 25 nun, sagt Plato, fand das Sichtbare als unordentlich sich bewegend vor, und brachte es zur Ordnung.” Wollten wir dieß so wörtlich auffassen, so sagten wir die Materie sei ewig und Gott habe nur die Materie geordnet. Dergleichen ist nach der Vorstellung gesprochen d. h. solche Formen, die hier vorkommen haben keinen philosophischen Gehalt, | und es kommt auf sie nicht an. Plato sagt ferner: 73rHo Gott überlegend, daß das Vernünftigste das Beste sei, der Verstand nur durch Seele sei, so setzte er den Verstand in die Seele, diese in den Körper, (So haben wir 3: 8–10  daß die … zufrieden.] Hu: Das Reich des Gedankens haben die Alten als das Reich der 165 Hu 159. 84 Freicheit angesehen. 3  beim nachtr. mit Einfügungszeichen über gestr. d­   als nachtr. über der Zeile­  ­13 es nachtr. über der 35 Zeile­  ­15 es ist … das nachtr. mit Einfügungszeichen über gestr. was­  ­17 Gott ist nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­19–20 macht niederdrückt.] (1) machen. (2) macht (nachtr. aus machen.) niederdrkt. (nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen)­  ­21 diejenigen nachtr. aus d.­  ­22 von nachtr. über der Zeile­  ­32 Verstand in die nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen

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den νους, die ψυχη und das Sichtbare) und schloß sie so zusammen, daß die Welt ein lebendiges Thier ward.” Der νους und das Körperliche sind die Extreme, die Seele die Mitte. Plato bestimmt sodann das Körperliche; auch hier intereßiren uns nur die Formen. Plato sagt: “weil die Welt sichtbar und betastbar sein solle, so machte Gott zuerst das Feuer und die Erde[.]” So erhalten wir diese Beiden auf naïve kindliche Weise. “Zwei, fährt er fort, können nicht ohne ein Drittes sein, und so muß ein Band beide verbinden, das Schönste Band ist das, welches sich selbst und das Verbundene zu Einem macht.” Hier ist die Idee in ihrer vollkommenen Bestimmtheit. Auf der Einen Seite ist das in sich feste Band und sein Anderes, und das Band übergreift über sein Anderes und verbindet es mit sich. Man muß den Begriff als solchen kennen, um ihn wiederzufinden. “Das Band nun sagt Plato ist die Analogie, das stetige Verhältniß, ein solches wo die Mitte sich zum Ersten verhält wie das Letzte zu ihr und umgekehrt 2 : 4 = 4 : 8. Indem dann diese Mitte das Letzte und Erste geworden ist, umgekehrt die Extreme zur Mitte werden, so folgt, daß alle nach der Nothwendigkeit dasselbe sind. Sind sie dasselbe geworden, so wird Alles Eines.” Dieß ist das Vortrefflichste, warum es auf die Philosophie ankommt. Dieß ist der Einzige Begriff aus dem, sich alles entwickelt. Plato fährt nun vom Körperlichen fort: “weil das Feste zwei Mitten braucht (beim Körperlichen erscheint der Begriff als Vernunft) | so hat Gott zu Feuer und Erde, Luft und Wasser gesetzt.” Die Grundbestimmung ist hier ganz richtig. “Durch diese Einheit ward die sichtbare Welt, die sich selbst erhaltende.” “Die Seele ist in die Mitte gesetzt und durch alles Ergossene und Körperliche von außen umschließend; die Seele ist sich selbst befreundet.” Die Welt ist in sich vernünftig. “Durch alles dieses ist die Welt als seliger Gott geboren.” Wir können sagen, hier haben wir die bestimmte Vorstellung von Gott; er ist erst die absolute Erkenntniß des Gottes, der anfangs nur das ganz unbestimmte Allgemeine war, das jetzt sich in sich selbst bestimmt. “Haben wir nun von der Seele zuletzt gesprochen so ist sie nicht das Letzte, sondern das Erste, und das Körperliche ist das Gehorchende.” Die Seele ist das Erste; was hier als zufällig erscheint, ist, wenn man es höher nimmt nothwendig, daß mit dem Unmittelbaren angefangen und zum Concreten fortgegangen wird. “Das Wesen der Seele ist folgendes”: (dieselbe Idee des Körperlichen ist hier ausgesprochen) Gott hat vom ungetheilten und sich nur gleichen Wesen wie vom getheilten, ein drittes Wesen

Dieselbe Natur hat die Seele als die Einheit des νους und der Körperlichkeit.

23–24 Die Welt … vernünftig.] Hu: es ist die Welt Seele – deswegen ist sie beschlo sen­  ­24 gebo-

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35 ren.”] Hu: gebohren” die Natur als Gott­  ­25–27 Vorstellung von … bestimmt.] Hu: Bestim-

mung – Gott ist – hingegen Gott als das Gute ist der Anfang, nicht bestimmt, hingegen das Concrete, Bestimmung in sich – ist diess.­  ­28–29 Erste, und … Gehorchende.”] Hu: sondern das Herschende – obgleich wir mit den Koerper angefangen haben” 2  und] ist

Hier ist die Totalität die Idee, als das schlechthin abstract beisichbleibende sich selbst bestimmende Allgemeine, als das Andere ihrer, und als die Einheit ihrer mit ihrem Anderen. Dieselbe Idee bestimmt nur das eine Extrem: die Körperlichkeit.

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Sie ist die unterschiedene Einheit des abstract sich selbst Gleichen und des Anderen, als die Einheit der Einheit beider sowie ihres Unterschiedes. Diese zu Grunde liegende Einheit theilt denn Plato weiter nach der Natur der Seele.

Die Betrachtung der Natur theilt er in die nach der ἀναγκη nach endlichen Ursachen, und die nach den göttlichen Ursachen. Das Endliche der Seele sind ihre παϑηματα, welche in der Leiblichkeit einen entfernten Sitz von der νόησις haben.

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geeint, welches von der Natur des sich Selbstgleichen und Anderen ist, und hat sie zur Mitte des Getheilten und sich selbst Gleichen gemacht.” Das Eine ist die Identität, das Andere der Unterschied. Gott nahm beide und aus diesen hat er ein Drittes gemacht. Sagen wir: die Idee sei die Identität des Identischen und Nichtidentischen, so hört man viel darüber als Unsinn klagen, und doch rühmen die- 5 selben den Plato hoch. “Diese drei Wesen hat Gott wieder in eine Idee geeint,” (indem nähmlich nicht auf der Einheit der Unterschiedenen, sondern ebenso auf dem Unterschied der Accent liegt.) Dieß ist die Grundlage. | Diese so bestimmte substanz ist das Wahrhafte, dieß ist der absolute Stoff, den 74rHo dann der Gott weiter theilt. Diese Theilung sind die platonischen Zahlen, welche 10 nur historisches Interesse haben. Die Christen haben bei Plato die Dreieinigkeit gefunden, und sich bemüht sie in Gedanken zu fassen, und hiedurch entstand das Bedürfniß des Beweisens der Dreieinigkeit. Wir müssen bei Plato uns an seine Gedanken nicht an seine Vorstellungen halten. Der Gott, von dem er spricht als vorausgesetzter, ist Vorstellung nicht Gedanke. Nach der Bestimmung der Idee der 15 Seele geht Plato dazu über, daß die Natur der Welt dieselbe sei als die der Seele. – Dieß nun ist das Wesen des Gottes, die Idee ist in ihrer Bestimmtheit ausgedrückt. Um einzelnes anzuführen, so unterscheidet Plato überhaupt zwei Betrachtungsweisen, die nach nothwendigen Ursachen, nach den äußerlichen Bedingungen, die nur zum Behufe sind der empirischen Kenntniß, und die nach den göttlichen 20 Ursachen, welche selbst der Gott sind. Das Endliche hat Gott dem Endlichen zu schaffen überlassen. Diese endliche Seele sind die παϑηματα, Muth, Furcht, Hoffnung us.f. Sorge. Um aber das Göttliche nicht zu beflecken ist das Sterbliche in einen bestimmten Theil gesetzt, und ein Isthmus der Hals dazwischen. Hoffnung ect wohnt in der Brust, der Geist im Kopf. In ebender Weise spricht Plato auch 25 von der Lunge, dem Herzen sei die weiche blutlose Lunge zu Hülfe, damit sie das  –6 das Andere … hoch.] Hu: und das getheilte ist das Andere, das Viele, Nichtidentische – Gott 3 nahm das identische und nichtidentische und machte die Mitte – Wenn wir aber sprechen dass Gott, das Absolute die Identitaet des Identischen und Nichtidentischen ist – so sagt man vielleicht es ist Barbarey – Scholastik – die Leute aber koennen demohngeachtet den plato rühmen, obgleich er 30 diess sagte­  ­7–8 (indem nähmlich … Grundlage.] Hu: aber das Dritte ist nicht nur Unterschied aber höchste Einheit mit den zweien – (Absatz) Weiter hat Gott: „alle in Theile getheilt” – das ist das Wahrhafte, das Reale – die absolute Grundlage.­  ­10 Zahlen,] Hu: Zahlen – hier hat er sich an pithagoras gehalten­  ­11–13 Die Christen … Dreieinigkeit.] Hu: Die Kirchen Vaeter haben die Vorstellung der Dreyeinichkeit in Gedanken auffa sen wollen – sie wollten sie weiter beweisen – 35 und begaben sich in dieser Hinsicht zu Plato. A b s t r a k t hatte plato die christliche Dreyeinegkeit­  ­ 17 Dieß nun … ausgedrückt.] Hu: daraus entstehen wahrhafte Meinungen – weiter wird der Gedanke zur Wi senschaft. (Absatz) Darin liegt die Idee an und für sich – in ihrer Bestimmtheit –­  ­ 26.595,1 dem Herzen … aufnehme.] Hu: Die Lunge ist als Hulfe des Herzens – damit es Luft von Getrenke bekehme – und das Herz bekühle – 40  8  unterscheidet über gestr. sagt­  ­21–22 zu schaffen über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­37 ent1 stehen] entstehent

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Blut aufnehme. Besonders ist das von der Leber Gesagte merkwürdig. Er sagt: da der Theil der Seele, der Begierde nach Essen und Trinken hat, die Vernunft nicht hört, hat Gott die Leber geschaffen, damit sie die vom νους kommende Kraft aufnehme, wie ein Spiegel die Bilder der Urbilder. Die Leber ist das Vernünftige im Unvernünftigen. Sie ist darum, daß sie im Schlafe die μαντεια erhalte, wenn die Triebe ruhen. | Nehmlich die uns gemacht haben, haben den schlechten Theil so eingerichtet, daß er gewissermaßen des Vernünftigen theilhaftig wird.” Diese Stelle weißt Plato der μαντεια an. “Kein besonnener Mensch, kein Mensch von Gedanken wird einer göttlichen Weissagung theilhaftig, sondern nur wenn im Schlaf die Kraft der Besonnenheit schlummert, oder durch Krankheit oder Enthusiasmus außer sich ist.” Dieß Sehen von Gesichtern, dieß Weissagen erklärt Plato also für die unvernünftige Weise des Vernünftigen. “Der Besonnene hat die μαντεια zu deuten, wer noch im Wahnsinn ist, kann es nicht beurtheilen. Zu thun und zu kennen das Seinige, dessen ist nur der Besonnene fähig.” Dieß ist gegen das Gerede von Offenbarungen und Enthusiasmus, obgleich man den Plato zum Schutzpatron desselben hat machen wollen. Drittens haben wir noch zu sprechen, wie Plato das Sittliche auffaßt. Dieß spricht Plato in der Republik aus. In ihr ist es darum zu thun, zu bestimmen, was die Gerechtigkeit sei. Verschiedene Definitionen werden gegeben. socrates sagt, es verhielte sich mit dieser Untersuchung als wenn Jemand kleine Buchstaben aus der Entfernung lesen sollte, und besser sie lesen würde, wenn er die großen Buchstaben wüßte. So sei es mit der Gerechtigkeit, die an Staaten größer wäre als an den Einzelnen. Dieß ist ein naïver Übergang, der den rechten Sinn enthält, denn die Gerechtigkeit ist erst im Staat; die Gerechtigkeit ist die objective Wirklichkeit des Rechts! Das Recht ist das geistige Insichsein, das thätig ist, die Freiheit, welche sich Dasein giebt. Wir haben Recht an etwas; meine Freiheit ist in einer äußerlichen Sache, die meine, das Dasein meiner Freiheit ist. Der Geist als solcher ist Erkennen und Wille. Als Willen giebt er sich Realität. Diejenige Existenz, worin | der ganze Geist in der Totalität seiner Bestimmungen ist, ist der Staat, und deshalb ist der große Sinn, daß Plato die Wirklichkeit des freien Geistes, das Recht im Staat auffaßt. Die Platonische Republik nun ist ein übler Name geworden, als Chimäre der Verfassung ausgeschrieen, und will man mit

3 –6 damit sie … ruhen.] Hu: der νοῦς steigt in die Leber, und diese nimmt die Urbilder auf, wie ein Spiegel, daraus erstehen Gespenster, Schrekbilder, und damit die Seele im Schlaf der μαντεια 35 theilhaftig werde.­  ­17 auffaßt.] Hu: aufgefa st? Es ist ein sehr wichtiger punkt – diess gehört eigentlich zum Speculativen Theil seiner philosophie.­  ­19 was die … sei.] Hu: was das δικαιον ist – die Gerechtigkeit – 8M als nachtr. über gestr. ist­  ­21M Gerechtigkeit nachtr. über gestr. Staat  28 als solcher nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­­  ­29M  μαντεια] μανϑαια­  ­34 μαντεια] μαν-/teia

Die Leber.

74vHo Sie als das Vernünftige im Theil der Begierde wird der μαντεια theilhaftig als der unvernünftigen Form, in welcher das Vernünftige erscheint. 3. Ethik des Plato. Die platonische Republik. Sie beginnt mit der Frage nach der Gerechtigkeit, welche auf die Frage nach dem Staat führt. Denn die Gerechtigkeit ist die Wirklichkeit des Rechts, das Recht nur im Staat wirklich. Der Staat ist die Totalität der Bestimmungen des wollenden freien Geistes und somit die Wirklichkeit des Rechts. Die μαντεια ist also nur in den Unvernünftigen das Höhere – Der Magnetismus – obgleich er göttlich ist – aber plato stellt es vor als etwas Niedrigeres als das Bestimmte Wi sen – 3.) Die Ethik platons. a.) Die Gerechtigkeit ist nur im Staate construirbar.

596 Das Gerede von Enthusiasmus etc. Obgleich man plato zum Schutzpatronen des Enthusiastischen machen will. Die platonische Republik ist nun nicht darum nicht zur Existenz gekommen, weil sie zu hoch steht um realisirt zu werden, sondern die griechische Welt war schon über das Prinzip der platonischen Republik hinaus, noch aber ist die platonische Republik nur ein Ideal, sondern sie ist das griechische Staatsleben als Gedanke aufgefaßt. Innerer Organismus der platonischen Republik. 1. Die Stände. a. Der Stand für das allgemeine Interesse des Staates als solchen, für die Gesetzgebung; die Wächter. b. Der Stand für die Existenz des Staates insofern er ein besonderer gegen andere ist; die Krieger. c. Der Stand der Bedürfnisse; die Gewerke. Diesen Ständen entsprechen 2. Die Tugenden, als die sittlichen Mächte, die

170 Hu 164. 171Hu 165. 87 α.) die drey Steande – Regierer – Krieger und Handarbeiter.

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Plato glimpflich verfahren, sagt man wohl: die Republik sei im Gedanken wahr, doch nicht auszuführen, weil die Menschen nicht so vortrefflich wären, solch Ideal zu realisiren. Darüber kann man sagen, daß wenn man über solch Großes wie den Staat, nur fromme Wünsche macht, so ist dieß das Gottlose, denn die Idee muß nicht als Wunsch angesehen werden, sondern ist wirklich. Schon der 5 Glaube sagt, nur das Wahrhafte sei das Wirkliche. Eine Idee ist nie zu gut um zu existiren. Die Wirklichkeit, wenn das Ideal nicht existirt, ist zu vortrefflich, als durch es zu sein, und nicht das Ideal ist das Vortreffliche. Man muß wissen was das Wirkliche ist. Das Wahrhafte ist wirklich, und hat darin ein äußerliches Dasein, welches äußerlich betrachtet als ein Wirrwarr von Zufälligkeiten erscheint. 10 Tausend Dinge können hier schlecht erscheinen, aber auf diese Oberfläche kommt es nicht an, sondern durch sie hindurch auf die substanz. Diese macht die Wirklichkeit der Idee aus. Die Idee ist immer vorhanden. Was nun die platonische Republik betrifft, wollen wir ihre Bestimmungen näher betrachten. Plato versteht unter Gerechtigkeit, daß der sittliche Geist Wirklichkeit habe, und will 15 wissen, wie diese beschaffen sei. Er betrachtet den Organismus des Sittlichen. Das Sittliche ist nur als Concretes, und erst dadurch lebendig. Die Momente des Sittlichen betrachtet Plato nach drei Seiten: als Stände, als Tugenden, und als Momente des einzelnen Willens. Er bleibt nicht beim Begriffe stehen und sagt keine moralischen Erbaulichkeiten, sondern geht dahin fort zu zeigen, | wie das 75vHo Sittliche lebendig sich in sich regt. Die Functionen des Sittlichen sind die Gesetzgebung, das Interesse des Ganzen als Solches, die Vertheidigung des Staates, und die Functionen des Einzelnen für das Bedürfniß. Der Staat hat hienach drei Stände: die Regierer, Krieger, und Ackerbauer, oder der Wächter, der Tapfern, und der Gewerke. Daß Plato Stände absondert deducirt er nicht, doch die Unter- 25 schiede des Begriffs sind darin realisirt. Die sich an die abstracte Gleichheit halten, und gegen den Unterschied der Stände schreien, wissen nicht Bescheid. Diese Momente der Stände sagt nun Plato sind auch als sittliche Wesenheiten in den Individuen als die 4 Cardinaltugenden: die Weisheit und Wissenschaft als solche, das allgemeine Wissen, welches das Ganze berathet und es aufs Beste sich 30 verhalten läßt, dann die Tapferkeit als feste Behauptung der Gesetze, die sich nicht läßt wankend machen, dann die Mäßigung der Leidenschaften, welche eine

12–13 Diese macht … vorhanden.] Hu: Die Menschen bleiben schlecht, und das mu s sein – also kann man zwar sagen dass ein Ideal nicht existiren kann – aber diese Existenz ist nur oberflächlich – nicht Substanz der Wirklichkeit.­  ­19–20 Er bleibt … Erbaulichkeiten,] Hu: bleibt er nicht 35 bey der predigt stehen –­  ­24 Regierer,] Hu: 1o Regierer, Wei en­  ­31 feste Behauptung … Gesetze] Hu: „feste Behauptung des Gerechten und der Meinung” 10  als nachtr. über der Zeile­  ­20 fort nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen

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Harmonie des Ganzen so ist, daß die Unterschiedenen auf ein und dasselbe zusammen wirken und übereinstimmen. Diese Tugend ist nicht auf Einzelne beschränkt sondern die gemeinschaftliche Tugend Aller. Das 4te ist die Gerechtigkeit, die im Staate gefunden wird, daß Jeder sich auf eine Sache bezieht, die dem Staate angehört und dem Individuum als solchem zukommt. Diese 4te Tugend ist das Durchdringende, das Allgemeine überhaupt; welche den Staatseinrichtungen zu werden die Kraft giebt. Wenn die ersten Tugenden sind, wird diese auch sein. Drittens zeigt Plato diese Momente auch am subject als solchem auf. Das Individuum hat Begierden, zugleich hat es noch Anderes, welches die Begierde hemmt, der λογος; außer diesen 2 Ideen der Seele ist das 3te der Zorn, der ϑυμος, den Begierden verwandt doch auch der Vernunft beistimmend. | Der ϑυμος wallt bei der Ungerechtigkeit auf, läßt Kälte und Hitze ertragen. Dieser ϑυμος entspricht dem Stand der Krieger, der Zorn steht dem Vernünftigen bei, wenn er nicht durch schlechte Erziehung verderbt ist. So ist die Organisation des Ganzen im Individuum wiedergefunden. – Dieß sind die Grundzüge des platonischen Staates. Ferner ist dieß näher zu bemerken, daß Plato die Mittel angiebt, wie dieser Staat sich existiren mache. Bildung Erziehung, Gymnastik, Philosophie sind die Mittel. Doch die subjectivität sehen wir ausgeschlossen. Nicht die Willkühr läßt den Staat bestimmen, sondern diese ist verbannt. Ebenso ist die Familie verbannt, das Familienleben aufgehoben, und das Privateigenthum ist nicht vorhanden. Auch die Weiber ziehen in den Krieg, doch als Arriere-Garde. Der Mangel des platonischen Staates ist das Ausschließen der subjectivität, dessentwegen sie unausführbar ist. Das alte Leben war auf solcher substantiellen Sittlichkeit gegründet, das Prinzip der subjectivität war untergeordnet und kommt erst später als absolutes Prinzip in die Welt hinein. Aristoteles ist eins der umfassendsten wissenschaftlichen Genies, die je erschienen; er mit Plato sind die Lehrer des Menschengeschlechts, er hat den ganzen

1  des Ganzen] Hu: über das Ganze – die schwechen und die Staerken­  ­ 4–5 bezieht, die … zukommt.] Hu: beziehet – darin ist Maa stab die Geschiklichkeit eines jeden –­  ­11–12 den Begier172Hu 166. den … ertragen.] Hu: welches vereinigtet ist mit den Begierden, ihnen aber wiedersteht – und sich mit dem λογος vereinigt. Er wird über alles der Meister.­  ­13–15 der Zorn … wiedergefunden.] Hu: wie die Krieger zu den Waffen greifen – so steht auch der ϑυμος der Vernunft bey. – λογος entspricht den Regenten – und Begierde den Handwerkern –­  ­17–18 Gymnastik, Philosophie … Mittel.] Hu: Religion (aber nicht die des Homers und Hesiod)­  ­20–21 verbannt, das … vorhan35 den.] Hu: verbannt – die Kinder werden weggenommen – weiter ist das princip des Eigenthums aufgehoben, plato glaubt dass damit alle Streitigkeiten abgehalten werden.­  ­23–25 Das alte … hinein.] Hu: das alte griechische Leben – schlo s das Selbstbestimmen, das Selbstbewu stsein – obgleich nicht ganz aus, doch wurde es als untergeordnet betrachtet – Es ist aber ein schlechthin nothwendiges Moment der Idee. 40 15  Individuum] Individuen­  ­21 Arriere-Garde] Arierre-Garde­  ­29 Geschiklichkeit] Gescchik­

lich ­keit­  ­32 ϑυμος] ϑιμος­  38 ein] eine

den Staat erhalten. a. Das Wissen. b. Die Tapferkeit die Erhalterinn der Gesetze. c. Die Mäßigung als Unterdrückung des particulären Willens und Streben nach der Harmonie des Ganzen. d. Die Gerechtigkeit, das Leben jedes Individuums im Sinne des Staates. 3. Dieselben Momente sind im Individuum als: a. Die Vernunft. b. Begierde. c. ϑυμος. Die Mittel zur Existenz dieses Staates sind: Erziehung, Gymnastik und Philosophie. Der Mangel der platonischen Staates ist, daß er nicht eine Einheit ist des substantiellen Willens und seines Extrems des particulären, sondern daß er nur den substantiellen festhält und den particulären ausschließt.

598 Dadurch fehlt das Privateigenthum, die Familie, die freie Wahl der Stände. Aristoteles. 384 v. Chr. in Stagyra in Thracien geboren. Vom 17ten bis 37sten Jahre lebte er zu Athen mit Plato.

Dann ging er nach Kleinasien zu Hermias und nach 3 Jahren nach der Kreuzigung desselben durch die Perser mit dessen Tochter, die er heirathete nach Mythiline auf Lesbos. Dann ward er von Philipp zum Erzieher Alexanders berufen.

Diese Erziehung ist die Widerlegung des Geredes gegen das Unpraktische der speculativen Philosophie.

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Reichthum der Welt dem Begriff zu unterwerfen gesucht. Er ist ebenso umfassend als speculativ. Das Nähere wollen wir nach seiner Biographie betrachten. Zu Stagyra in Thracien ward er in der 99sten Olympiade geboren. Er ist ein Grieche, denn Thracien war eine griechische Colonie. Sein Vater war Leibartzt bei Amyntas. Er verlor den Vater früh und ward bei seinem Verwandten Proxenus erzo- 5 gen, was er vergalt, indem er den Sohn seines Wohlthäters wieder erzog. | Sie- 76vHo benzehnjährig kam er nach Athen und lebte mit Plato dort 20 Jahr. Diogenes erzählt vom Verhältniß beider viel Anecdoten. Unter Anderem: warum Plato den speusipp und nicht Aristoteles zum Nachfolger der Academie einsetzte. Sollte die Academie eine platonische Schule werden, war es natürlich, daß speusipp 10 der Nachfolger ward, denn Aristoteles trug die Philosophie viel tiefer vor. Aristoteles verließ Athen, und lebte einige Jahre in Klein Asien bei Hermias; er hatte ihn bei Plato kennen gelernt, und blieb 3 Jahre bei ihm. Dann ward Hermias hinterlistig gefangen, zu Artaxerxes geschickt und gekreuzigt. Aristoteles errichtete ihm eine Denksäule und ehrte sein Andenken durch eine schöne Hym- 15 ne an die Tugend. Er heirathete die Tochter des Hermias, entfloh nach Mytilene auf Lesbos. Von dort aus ward er zur Erziehung Alexanders durch Philipp von Macedonien gerufen. Der bekannte Brief Philipps enthält dieses, daß er sagt: Aristoteles werde Alexandern des Vaters und des Aristoteles würdig erziehen. Aristoteles hatte an Alexander einen anderen Zögling als Plato an Dionysius. 20 Dem Plato war es um sein Ideal eines Staates zu thun, und das Individuum war ihm Mittel. Bei Aristoteles hingegen war rein das Individuum das Interesse; daher nahm er das Individuum als solches und erzog es und bildete es aus. Aristoteles ist als der tiefe, gründliche Metaphysiker bekannt. Er nahm es mit Alexanders Erziehung tief und ernst, und Alexander widerlegt das, was Abgeschmacktes 25 vom Unpractischen des speculativen geschwatzt wird. Alexander als er in Asien 1  Reichthum der … gesucht.] Hu: Reichthum des Universums der Idee unterworfen –­  ­4 Sein Vater] Hu: Nikomachos sein Vater­  ­13–14 Dann ward … gefangen,] Hu: Hermias war unabhänglicher Furst – er wurde von einen Satrapen bemächtigt,­  ­15 errichtete ihm … Denksäule] Hu: lie s ihm eine Statue machen in Delfos – die Inschrift besitzen wir noch.­  ­18–19 Der bekannte … er- 30 ziehen.] Hu: Es ist ein bekannter Brief des Philip’s in dieser Hinsicht. Aristoteles erwarb ein gro ses Zutrauen hier. Was für ein Erfolg dieses Unterrichts war wi sen wir aus der Geschichte Alexanders.­  ­24–26.599,1–2 als der … desselben.] Hu: bekannt als der tiefe Metaphysiker – dass er diess auch so mit Alexander gemeint hat zeigt dieser Umstand: Dass Alexander in die Metaphysik hineinging, und indem Aristoteles ihm seine Metaphysik nach Asien geschikt hat, er ihn drauf geant- 35 wortet, diess werk sey nur für sie Beyde es wäre also be ser wenn er es nicht bekannt gemacht haette. 5  seinem Verwandten nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­12 bei Hermias nachtr. über der Zeile­  ­13 bei] blei­   gelernt] lernen­  ­17 auf Lesbos] (auf Lesbos. nachtr. über der Zeile)­  ­ 23 daher nahm … aus.] (1) das er als solches nahm u erzog u ausbildete. (2) (daher nahm er d. Indivd. nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen) als solches u erzog (es u nachtr. über gestr. u) ( bildete 40 es aus. nachtr. aus ausbildete.)­  ­28 Hermias] Hermeas

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hörte, Aristoteles habe seine Schriften bekannt gemacht, verwies dem Aristoteles das Gemeinmachen desselben. Aristoteles antwortete: es sei bekannt und nicht bekannt gemacht. Der philosophische Unterricht hatte bei Alexander das Resultat daß er der unendlichen Kühnheit des Geistes Alexanders die Selbstständigkeit gab, welche | sich nur durch den Gedanken erwerben läßt. Alexander führte den Plan aus: an der Spitze Griechenlands Europa an Asien zu rächen, und so rächte er zugleich die Treulosigkeit der Perser an Hermias. Was Alexander zu Stande brachte ist, daß er Syrien, Klein-Asien, Aegypten zu griechischen Ländern machte, griechische Wissenschaft dort einheimisch werden ließ, Reiche gründete, die durch Jahrhunderte Sitze der Wissenschaften wurden, wodurch sich Spuren bis nach Indien und China hinzogen. Was die Indier bestimmtes von der Astronomie wissen, kam wahrscheinlich von Griechenland her; auch nach China von Baktrien aus drang manches hindurch. Die Chinesen zeigten den Engländern astronomische Instrumente, von denen sie keinen Gebrauch zu machen wußten. Es waren wahrscheinlich griechische Instrumente. Während Alexander dieß große Werk in Asien vollbrachte, an der Spitze der Griechen das edelste Individuum, so dachte er immer an Kunst und Wissenschaft, schickte an Aristoteles alles, was er an neuen asiatischen Thieren zu erhalten vermochte. Tausende waren dazu beauftragt. So ward Aristoteles der Vater der Naturgeschichte. Wie Alexander seinen Zug antrat, kehrte Aristoteles nach Athen zurück, trat öffentlich im Lycaeum als Lehrer auf. Es war ein Platz zum Exerciren vom Perikles bestimmt, dem lycischen Apoll geweiht. Von dem Umhergehen des Aristoteles beim Lehren hieß seine Schule die der Peripatetiker. Nach Alexanders Tode zog sich ein Ungewitter über Aristoteles zusammen. Er entfloh nach Chalcis auf Euboea, um nicht den Atheniensern Gelegenheit zu geben sich nochmals an der Philosophie zu versündigen. Er starb im folgenden Jahre. 63 Jahr alt in der 114ten Olympiade. Wir haben als Quellen seiner Philosophie seine Schriften. Diogenes führt eine große Anzahl an, wovon nicht alles übrig ist. Er giebt Titel, die mit den Unsrigen nicht übereinstimmen. Die Seitenanzahl giebt 44 Alphabete; wir haben davon ungefähr 10. | Was das Schicksal seiner Schriften betrifft, sollten wir nach

Denn Aristoteles gab dem Alexander die Energie, welche allein der Gedanke zu verleihen vermag.

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Alexander hellenisirte Klein-Asien, Aegypten Syrien.

Als Alexander seinen Zug antrat kehrte Aristoteles nach Athen zurück, wo er im Lycaeum zu lehren begann, ward aber der Impietät angeklagt und floh nach Euboea wo er im 63sten Jahre starb.

Schicksal der aristotelischen Schriften.

18–19  Tausende waren … beauftragt.] Hu: Plinius sagt dass tausente Menschen dazu bestimmt 174 Hu 168. waren.­  ­23–24 zog sich … zusammen.] Hu: wurde Aristoteles der Impietaet wegen angeklagt –­  ­ 29–30  Die Seitenanzahl … 10.] Hu: Laertios giebt 12,000 Zeilen an. Das was wir haben macht 175Hu 169. 89 etwa den 4t e n Theil de sen. 35 4  der nachtr. über gestr. dessen­   Alexanders nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­7 der Perser

nachtr. auf dem Seitenrand­  ­13 zeigten den Engländern] (1) zegen dse (2) zeigten (nachtr. aus zegen) (den Engländern nachtr. mit Einfügungszeichen über gestr. dse)­  ­22 beim Lehren nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­23 Peripatetiker] Parpathetiker­  ­24 Chalcis auf nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­26 in der … Olympiade. nachtr. am Zeilenende und über dem Zeilenanfang­   40 ­30.600,1 nach demselben nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­31 Plinius] Livius

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Philosophie des Aristoteles. Im Allgemeinen. Sie ist kein Systematisches Ganze, obgleich sie über den ganzen Reichthum der Natur und des Geistes sich erstreckt.

Ferner ist der Fortgang nicht deducirend, sondern jeder Gegenstand scheint empirisch aufgenommen, doch wird er mit speculativer Tiefe aufgefaßt und betrachtet, ohne daß das Speculative in allgemeiner Form ausgesprochen ist.

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c.) er fa st jeden Gegenstand speculativ auf.

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demselben keine mehr unverfälscht zu haben meinen. Sie sollen in einen Keller gewesen, durch Sulla nach Rom geschleppt worden sein, wo ein Grieche Tyrannion der Grammatiker sie habe herausgeben dürfen. Man sieht es den Schriften wohl an, daß sie zerstückelt sind, hin und wieder zusammengeworfen. Dieß muß die Critik sondern. Es hindert aber dieß nicht, die Philosophie des Aristoteles kennen zu lernen. Zum Inhalt thut die Zusammenstellung hier nichts. – Was nun das Nähere der Philosophie selbst betrifft, so muß von ihr bemerkt werden daß wir darin kein System der Philosophie darin zu suchen haben, doch über den ganzen Umkreis der menschlichen Vorstellung verbreitet sich Aristoteles und hat ihn dem Gedanken unterworfen. Doch ist dieß einerseits kein System, anderseits ist er in den besonderen Wissenschaften nicht construirend fortgeschritten, sondern scheint immer einen gleichsam empirischen Anfang zu nehmen; ebenso wird auch fortgeschritten. Seine Manier ist oft die gewöhnliche des Raisonnements. Der Inhalt der besonderen Werke ist daher mehr empirisch. Dabei aber ist das Eigenthümliche, daß bei allem diesem Verfahren dennoch die speculative Tiefe nie fehlt. Er nimmt jede besondere Vorstellung vor, aber ebenso nimmt er jeden solchen besonderen Gegenstand ganz speculativ, so daß er den concreten Gegenstand vor sich hat, ihn genau bestimmt, aber nicht bloß definirt, sondern er dringt auf Speculative Weise in die Natur des Gegenstandes, ohne das speculative überall auf allgemeine Prinzipien zurückzuführen, und aus diesen den einzelnen Gegenstand abzuleiten. Insofern ist das Studium des Aristoteles unerschöpflich, das aber schwer wird, daß er das speculative nicht auf allgemeine Weise ausspricht. Was daher aristotelische Philosophie ist, dieß zu sagen, müßte | man die besonderen Gegenstände aufzeigen. Es wäre kein würdigeres Streben für die Philosophie als über den Aristoteles Vorlesungen zu halten. In Ansehung dieser Philosophie ist zu sagen, daß keinem Philosophen in neuerer Zeit mehr Unrecht geschehen ist, dadurch, daß man ihm Ansichten zuschreibt, von

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4  daß sie … zusammengeworfen.] Hu: sind gewi s gepflükt, zusammengebracht­  ­11–14 anderseits ist … empirisch.] Hu: 2o in den besonderen Theilen – scheint Aristoteles nicht zu deduciren, abzuleiten, sondern scheint immer einen empirischen, zufälligen Anfang zu nehmen – raesonirt – 30 spricht von Erfahrung – und seine Manier ist gewöhnlich die des gemeinen Raesonements – Der Inhalt also der einzelnen Theile ist mehr empirisch durchgeführter.­  ­16 Vorstellung vor] Hu: Vorstellung auf von Warmen, Kalten etc­  ­22–23 daß er … ausspricht.] Hu: weil er eben nicht zur 176 Hu 170. allgemeinen Form kommt und zurückführt.­  ­24–25 Es wäre … halten.] Hu: Wenn es mit der philosophie Ernst waere, so waere der beste Anfang über Aristoteles Jahrelang Vorlesungen zu 35 halten.­  ­26–27 neuerer Zeit … geschehen] Hu: neuern Zeiten, so sehr er Jahrhunderte lang studirt wurde, so viel Unrecht gemacht. 3  Tyrannion der Grammatiker nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­5 aber dieß] (1) überdieß (2) aber (nachtr. über gestr. über)dies­  ­13 wird nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­   fortgeschritten] fortzuschreiten­  ­26 dieser nachtr. über gestr. solcher 40

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denen seine Philosophie gerade das Entgegengesetzteste ist. Man sagt von ihm, im Gegensatze Platos: dieser habe die Idee, den inneren Geist zum Prinzip gemacht, während Aristoteles sage, alle Erkenntniß entstehe nur auf empirische Weise. Davon ist Aristoteles weit entfernt. Wir werden so verfahren, daß wir die allgemeinen Bestimmungen, die Idee des Aristoteles vorerst angeben und das Besondere nach den Hauptmomenten darstellen. Das Erste ist die Würde die Aristoteles wie Plato der Philosophie giebt. Er sagt: “Das Erste (τα πρωτα) und die Ursache (αιτια) sei der Gegenstand der Philosophie: durch diese und aus diesen werde alles andere erkannt. Dieß Erste und die Ursachen sind das Vernünftige, das nicht durch die substrate erkannt werde.” Näher sagt er: “Das wesentliche Wissen sei der Zweck, das Gute jedes Dinges.” Wie aber die Zweckbestimmung ein concretes, das wahrhafte des Begriffs gegen die abstracte Idee Plato’s ist, dieß ist das Weitere. “Das Wissen hat man”, sagt Aristoteles, “des Erkennens wegen verfolgt, und dieß zeigt sich auch darin, daß man zur Philosophie nur erst nach der Vollendung alles Nothwendigen schreitet. Sie ist frei, denn sie ist ihrer selbst willen und ist so auch kein menschlicher Besitz zu nennen. Nach simonides besitzt Gott allein dieß Kleinod. Er bestimmt die Götter als neidisch. Wenn die Dichter recht hätten, daß Gott das Neidische wäre, so müßten das Unglückliche sein, die nach diesem Schatz streben; aber die Poeten lügen viel.” Was nun das Nähere der aristotelischen Philosophie betrifft, so ist es schwer | anzugeben. Aristoteles ist schwer zu verstehen, schwerer als Platon. Platon hat seine lebendigen Eingänge, seine Mythen. Bei Aristoteles ist dieß nicht. Er beginnt sogleich mit der Sache geht gleich in’s Tiefe; speculativ und verfährt dabei so, vom Einzelnen immer zum Einzelnen fortzuschreiten. Den ganzen Reich­ thum der Vorstellungen hat er vor sich und geht ihn durch. Er scheint daher immer nur das Besondere durchgenommen zu haben. Irgend einen Gegenstand

7   Er sagt:] Hu: In 1.e n Buche der Metaphisik sagt er­  ­10 Vernünftige, das … werde.] Hu: Vernünftige. Die principien werden nicht erkannt durch die ὑποκειμενα – Substrat.­  ­11–14 Wie 30 aber … verfolgt,] Hu: wie aber die Zweckbestimmung das Gute das Concrete ist, und eben wodurch es sich von plato unterscheidet, darauf mu s man weiter reflectiren. (Absatz) | Aristoteles sagt man hat zu philosophiren anzufangen um die Unwi senheit zu fliehen­  ­15 nach der … Nothwendigen] Hu: wenn man mit den Unmittelbaren befriedigt ist.­  ­27 Besondere durchgenommen] Hu: Besondere erkannt­  ­27.602,1–4 Irgend einen … aus.] Hu: Er faengt so an, dass er seinen 35 Gegenstand aufnimmt und dass er sagt die verschiedenen Bedeutungen wie diese Vorstellung aufgenommen wird. Weiter geht er zu den älteren philosophen. Dann geht er über zu speculativen Betrachtungen – aber es ist nur das Besondere, das er vor sich hat. 8  (τα πρωτα)] τα πρωτα nachtr. über der Zeile­   (αιτια)] αιτια nachtr. über der Zeile­  ­14 darin nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­15 erst nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­17–18 Er 40 bestimmt … neidisch. nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­26 ihn nachtr. über gestr. er

Aristoteles hebt wie Plato die Würde der Philosophie heraus und sagt von ihr, sie spreche von den Prinzipen und Ursachen aller Dinge, daß nur durch die Gedanken nicht durch den Sinn erkannt werde.

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Grundbestimmung der aristotelischen Philosophie.

Das Absolute ist die Einheit der δυναμις und ἐνεργεια, indem die ἐνεργεια die δυναμις wirklich macht, was jene an sich ist setzt, so aber daß durch die Thätigkeit die ἐνεργεια nur was die δυναμις enthält, hervorgebracht wird.

79rHo Im Sinnlichen ist diese Einheit noch keine concrete, sondern die Materie als δυναμις, und die Form als die verwirklichende ἐνεργεια fallen noch als Andere auseinander. Die Thätigkeit ist hier Veränderung Die weitere ενεργεια ist der νους als Zweckbestimmung, die sich in ihrer ενεργεια erhaltende δυναμις, aber der Thätigkeit als solcher fällt hier die Materie worauf sie agirt außerhalb als Voraussetzung der Thätigkeit.

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nimmt er vor und sagt dann zB. das Sogleich wird in vielfacher Bedeutung gesagt. Die Vorstellungen über die Sache geht er dann durch, verfährt dabei räsonnirend und zuletzt erst geht er zur speculativen Betrachtung über, und spricht diese concret für den besonderen Gegenstand aus. Seine Philosophie erscheint als eine Reihe solcher betrachteten Gegenstände indem er das Allgemeine nicht heraushebt, und auch als das Leitende als die Methode nicht ausspricht, das Besondere auf dieß Allgemeine nicht zurückführt. Er hat die Idee nicht logisch herausgehoben, und so erscheint der Begriff Gottes selbst als Besonderes an seiner besonderen Stelle. Um des Aristoteles Philosophie darzustellen müßte man das Ganze auseinanderlegen. Wir aber hier müssen sein allgemeines Prinzip herausheben. Das Allgemeine seines Begriffs also ist anzugeben. Die Hauptbestimmungen sind theils die der substanz, ουσια, ὑλη. Die Wissenschaft will die substanz erkennen, was an und für sich ist. Die Materie ist ebenso eine Bestimmung. Aristoteles sagt: alles Seiende enthält Materie und die Veränderung erfordert ein substrat, an dem sie vorgeht. Die Materie selbst aber ist nur die Potentia die Möglichkeit, δυναμις. Daß sie wahrhaft sei, dieß gehört der Form, dem Actus an, der Thätigkeit, der ενεργεια. Potentia und actus also sind die Hauptbestimmungen. Unter der δυναμις hat man zu verstehen, was wir Anlage nennen, das abstract Allgemeine, und die | ενεργεια ist die Thätigkeit, die auf sich sich beziehende Negativität. In der wahrhaften substanz ist die Möglichkeit von der Wirklichkeit, Form und Materie nicht zu trennen. Die Materie ist bloße Möglichkeit, die Form giebt ihr Wirklichkeit. Doch ist die Wirklichkeit, die ἐνεργεια nicht ohne Möglichkeit. Das wahrhaft objective ist nicht ohne Thätigkeit, sowie das wahrhafte subjective nicht das Thätige allein, die Form, sondern auch Materie auch δυναμις ist. Beispiele nun dieser Einheiten sind: die Sinnliche substanz hat die Veränderung so an ihr, daß sie in das Entgegengesetzte übergeht, und das Dritte, was sich außer diesem Uebergang erhält ist die Materie selbst. Die Veränderung ist das, daß was nur potentia ist actu wird. Die Materie ist das todte substrat der Veränderung. Eine höhere Bestimmung der substanz ist die, wo die Thätigkeit so hereinkommt, daß sie der νους ist, dessen Inhalt der Zweck wird; so daß dieser die Energie ist, welcher die Möglichkeit läßt wirklich zu werden. Der Gedanke

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15 substrat, an … vorgeht.] Hu: Substrat ὑποκειμενον –­  ­17 Hauptbestimmungen] Hu: Es sind die 178 Hu 172. zwey Bestimmungen die für das ganze Mittelalter Bestimmungen Waren.­  ­25 Beispiele nun … sind:] Hu: Die nähere Bestimmung dieser Verhaeltni se erscheint als eine A r t von Substanzen – Davon wollen wir einige durchgehen.­  ­26–28 und das … wird.] Hu: eines bleibt – das zweite 35 verschwindet – und das dritte was sich erhaelt ist die ὑλη, Materie. So geht die δυναμις in die ενεργεια. 1  Sogleich] sc. Zugleich (ὁμοῦ)­   in nachtr. über gestr. auf­  ­28 daß nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­29 Veränderung] ohne Umlautpunkte

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ist das thätige Allgemeine, welches die Materie das passive Allgemeine verwirklicht. Das Thätige verändert sich hier nicht, sondern der Zweck erhält sich, die Wirklichkeit hat denselben Inhalt der Möglichkeit und somit ist die Wirklichkeit die sich selbst producirende Thätigkeit. Bei der sinnlichen substanz ist das Thätige ganz ein Anderes als die sinnliche substanz selbst. Beide sind sich gleichgültig. Der Verstand aber in seinem Wirken bleibt bei sich selbst, giebt sich durch den Actus seinen Inhalt, der er an sich ist. Aber der Verstand bedarf hier noch der Materie, die er voraussetzt. Die absolute substanz ist so bestimmt, daß sie unbewegt, ewig ist, und zugleich stete Bewegung in sich selbst. Gott ist der actus purus, der keines Anderen bedarf, sondern in sich selbst hat. Von diesem Gesichts­punkt aus ist es, daß | Aristoteles gegen Plato polemisirt, denn dessen Ideen sind unbewegt, nicht identisch mit der reinen Thätigkeit. Das speculative des Aristoteles ist die ενεργεια die εντελεχεια , welche das τελος, die Bestimmtheit in sich selbst hat, nicht formelle Thätigkeit ist, sondern in sich selbst bestimmte. In dieser Rücksicht gegen Plato sagt Aristoteles: “es ist möglich daß das was Möglichkeit hat, auch nicht thätig ist; es hilft nichts die ουσια, die Gattungen, ewig zu machen, wenn das Prinzip des Bestimmens nicht darin ist. Wenn die ουσια sich nicht bewegt ist sie nicht thätig und dann ist sie nur möglich. Das Wahrhafte muß aber nicht nur möglich sein, sondern die substanz muß als Thätigkeit aufgefaßt werden. Diese substanz ist nicht ohne ὑλη aber sie ist sich selbst ihr Inhalt. Die Materie als solche ist das Passive, welches nicht Eins mit der Thätigkeit ist. Es scheint nun der Zweifel zu entstehen, daß da alles Thätige δυναμιν habe, aber nicht alle Möglichkeit wirksam sei, daß nach diesem Verhältniß die δυναμις das προτερον das Allgemeinere wäre, höher stände als die Thätigkeit, aber wenn dieß wäre, so würde nichts des Seienden sein, denn es wäre möglich, daß das Mögliche wäre und nicht. Die ενεργεια ist das Höhere. Man muß daher nicht sagen, daß in un-

9 –10 Gott ist … hat.] Hu: Scholastiker sagten Gott sei a c t u s p u r u s  – die Thaetigkeit die keine Voraussetzung braucht – Thaetigkeit in ihr selbst.­  ­12–14 Das speculative … bestimmte.] Hu: sondern als ruhend – Also das Unbewegte, sich selbst gleiche – das zugleich absolute Energie ist ist 30 die hohe Idee des Aristoteles. Aristoteles sagt die Seele sey Energie, die aber einen Zwek hat – eben so Bestimmungen in sich setzt – nicht formell ist.­  ­15 Möglichkeit hat,] Hu: Möglichkeit ist, das Ding an sich,­  ­16–18 es hilft … möglich.] Hu: es hilft nicht die Substanz ewig zu machen, wie das ειδος des plato, und Zahlen der pythagoraer – wenn nicht das princip der Bewegung in ihnen ist – so ist so eine ουσια eine δυναμις.­  ­20 Diese substanz … Inhalt.] Hu: Diese Substanz sagt er ist 35 ohne ὑλη, Materie, (das au serliche)­  ­ 1 1  aus nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­13 εντελεχεια] εντελεγια­   das] den­  ­20 nicht nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­   aber sie nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­  ihr nachtr. über der Zeile­  ­21 als solche nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­22 nun nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­   da nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­24 wäre,] folgt gestr: 40 aber es giebt auch Möglichkt­  ­28 ihr] ihrer­  ­33 das ειδος] die αιδος­  ­34 ουσια] διουσια

Die absolute Einheit ist die sich selbst producirende δυναμις, die also zugleich sich Materie und Form ist, ihre Thätigkeit nicht außerhalb hat, sondern das sich selbst Bethätigende ist.

79 vHo Den Fortgang von Plato zu Aristoteles macht dieß aus, daß bei Plato die ἐιδη so nur δυναμει sind, so daß ihnen die sich selbst verwirklichende ενεργεια fehlt; während bei Aristoteles das Absolute was es ist, nur in seinem Sichselbstproduciren ist Und somit, obgleich es scheinen könnte, daß da alle ενεργεια δυναμιν habe, nicht alle δυναμις aber ενεργεια, die δυναμις das Höhere wäre, ist es dennoch die ενεργεια, da sie erst die δυναμις zu dem macht, was die δυναμις an sich ist.

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180 Hu 174.

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Dieß Absolute stellt sich einmal als denkende Vernunft, dann als Natur dar. In dieser zeigt sich der νους als der Himmel, der bewegt wird von dem ihm inwohnenden νους In allem Gedachten dagegen ist der νους das Gedachte und das Denken selbst, die Thätigkeit und ihr Object die Möglichkeit, welche sie verwirklicht.

Das Gedachte ist somit nicht höher als das Denken selbst. Denn das Gedachte ist das Denken selbst, und das was Gegenstand ist, schlägt also zur Thätigkeit um, die den Gegenstand producirt; so ist er der durch sich selbst producirte.

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endlicher Zeit das Chaos gewesen sei, denn die reine Thätigkeit ist früher als die Thätigkeit d. h. früher nicht der Zeit nach. Das Erste das Absolute ist das, was in gleicher Wirksamkeit sich selbst setzt.” Das Wesen ist, was sich in Beziehung auf sich bewegt, auf sich selbst thätig ist, und dieses ist auch durch die That zu sehen; als sichtbar ist dieß absolute Wesen die Natur. In zwei Weisen stellt das Absolute 5 sich dar, als denkende Vernunft, | und als der ewige Himmel. In seiner Bewe- 80rHo gung ist der Himmel das Bewegte und Bewegende. Die ουσια dagegen ist das Unbewegte selbst, das bewegt, die δυναμις und ενεργεια zugleich. Was wir begehren, was wir denken ist unbewegt, ein Ruhendes, ein Zweck, ein Schönes ein Gutes ect. Beim Guten und Schönen ist es der Fall, daß wir es begehren, weil es 10 uns so erscheint, uns begegnet, und nicht, daß es so erschiene, weil wir es begehren, denn dann wäre es ein durch die Thätigkeit gesetztes. Der Inhalt beim Begehren ist das Unbewegte, welches bewegt. Das wahre Prinzip also ist das Denken, denn der Gedanke wird nur von dem Gedachten bewegt, es ist Inhalt und Form, Einheit der Thätigkeit und ihres Productes. Das νοητον ist sich selbst sein 15 eigenes Element, die ουσια des Gedankens ist die erste Ursache das Denken selbst. – Dieß sind die Grundbestimmungen bei Aristoteles. Was der Gedanke ist ist die ενεργεια seiner selbst. An diesen Bestimmungen hängen Erd und Himmel, und es ist eine kurze Zeit für den Aufenthalt darin gegeben. Das Denken das rein für sich ist, ist das Denken des absoluten Endzwecks in sich selbst. Die Theo- 20 rie ist deshalb das Vortrefflichste, das Denken ihrer selbst. Die νοησις ist die νοησις νοησεως, der Gedanke hat sich zum Gegenstand. Wäre dieß nicht der Fall, so wäre das νοουμενον vortrefflicher als der νους, aber als das κρατιστον denkt er sich selbst. Nimmt der νους den Gedanken nur auf, indem er mit dem Denken in Beziehung kommt, so schlägt sich dieß als Gegenstand erscheinende in die 25 ενεργεια um, das Aufnehmen des Gedankens und die ενεργεια ist der νοῦς selbst, sein Besitz ist Wirksamkeit, so daß nicht das Gedachte das Vortrefflichere ist, sondern das Denken die ενεργεια selbst. Die Thätigkeit selbst ist das Göttliche,  –5 die Thätigkeit … Natur.] Hu: das Chaos, welches nur Möglichkeit ist. Das Erste ist das was in 1 gleicher Wirksamkeit sich immer gleich bleibt – bey den Chaos geht diess auf Anderes. Dieses auf 30 sich selbst thaetige ist nicht nur in der denkenden Vernunft sondern auch als Natur vorhanden – es ist sichtbar, das abstrakte Wesen das sich selbst bewegt – sich gleich bleibt.­  ­16 Element] Hu: Element συστοιχια­  ­17–19 Was der … gegeben.] Hu: Das Schoene etc ist das feste und das Bewegte – Der Gedanke ist das Bewegende und Bewegte. Daran sagt er hängt der Himmel und die ganze Natur. Weiter sagt er: es ist eine kurze Zeit gegeben – und der Aufenthalt darin ist das Vortreff­ 35 lichste.­  ­23–24 aber als … selbst.] Hu: Er denkt aber sich selbst weil er das vortrefflichste, mächtigste ist. (κρατιστον) 6  ewige] folgt nachtr. gestr: reale­  ­7 dagegen nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­13 also nachtr. über gestr. daggen­  ­19 darin nachtr. über der Zeile­  ­20 selbst] selbst ist­  ­33  συστοιχια] σιστοχεια­  ­34 Bewegte] Bewegende 40

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die Theorie ist deshalb das Höchste, Seligste. Vergleichen wir damit unsere Vorstellungsweise, so sprechen wir | von subjectivem und Objectivem und setzen die Wahrheit in ihrer Einheit. Dasselbe hat Aristoteles und arbeitet in diesem speculativen sich herum. Das subjective ist das Thätige, das Objective das Mögliche, das Allgemeine. Das Wahrhafte ist die Einheit dieser Thätigkeit und Möglichkeit. Aber Einheit ist dafür ein schlechter Ausdruck, denn die Identität ist selbst eine Abstraction und eine Identitätsphilosophie das Allerschlechteste. Bei Aristoteles ist also diese trockene Identität nicht als das Höchste ausgesprochen, sondern gerade als die ενεργεια, welche die abstracte Identität auf hebt, und die Repulsion von sich selbst wird, aber in diesem Unterscheiden identisch mit sich bleibt. Aristoteles sagt in dieser Rücksicht, was der νους göttliches als Gegenstand zu haben meint, dieß ist nicht so göttlich als die ενεργεια selbst. Wenn Gott immer dieses ist sich so wohl zu befinden, als wir es zuweilen sind, so ist er höchst bewunderungswürdig. Es ist schon bemerkt, daß indem Aristoteles das Denken so bestimmt, dieß so erscheint, als sei das Denken selbst ein einzelner Gegenstand unter anderen besonderen, denn er spricht nie das Absolute als das Absolute aus; er sagt nie, dieß und das ist die Wahrheit, überhaupt und nicht die Wahrheit gegen andere besondere Wahrheiten. Die Philosophie sagt, die Gegenstände nur als gedachte seien in der Wahrheit. So drückt Aristoteles sich nicht aus, aber diese Ansicht liegt dem ganzen aristotelischen Verfahren zu Grunde, denn sein Thun ist, die Gegenstände zu denken, sie in ihrer ὀυσια zu fassen. Man muß dabei sich aber nicht vorstellen, als werde damit gedacht, die Dinge seien selbst denkend, sondern der Inhalt des Gedankens ist einerseits subjectiv gedacht, anderseits das Allgemeine der Sache, ihr Begriff, und nur dieser ist die Sache selbst, dieß ist ihre substanz. In der Natur existirt dieß Allgemeine nicht als Gedanke, nicht in dieser Freiheit, aber das Wahre der Natur, ihre Seele, ist ihr Begriff. Aristoteles begreifend will nur | die οὐσια der Dinge erkennen. Sie ist in ihnen nicht als Begriff; dieser existirt, aber in der Verkümmerung der Äußerlichkeit; er ist, aber er ist nicht für sich selbst. Die Identität und die Sache ihre Existenz und ihr Begriff dieß ist die Wahrheit. Vorstellungen sind noch die Wahrheit nicht. Denn sie haben noch immer ein Fremdes gegen das Ich. Erst im Gedanken ist diese Ueber-

1 –5 Vergleichen wir … Allgemeine.] Hu: Wenn wir unsere Terminologie damit vergleichen – so sprechen wir von Subjektivitaet und Objektivitaet. Der Begriff sagt das Wahre ist Einheit der Subjektivitaet und Objektivitaet. Das ist das Speculativste das wir haben – und eben diess hat Aristoteles 35 gehabt. Subjektives ist das Denken als Thaetigkeit – der Gegenstand ist das Objekt – aber eben dieses ist nach Aristoteles die Möglichkeit.­  ­6–7 denn die … Allerschlechteste.] Hu: Idealitaet – es ist wieder Abssurd – Abstrakt – Das Identitaetssystem ist unphilosophisch 13  befinden] (1) finden (2) ( be nachtr. über der Zeile)finden­  ­17 überhaupt und nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen

80 vHo

Somit ist die Identität des Aristoteles nicht die ruhende der δυναμις und ενεργεια, sondern der Proceß der steten sich Selbstbethätigung der δυναμις die also immer nur als ενεργεια ist.

Aristoteles spricht aber diese Natur des Absoluten: der sich selbst denkende Gedanke zu sein nicht als das Absolute aus, sondern es erscheint bei ihm nur als Wahres neben anderem Wahren, und macht die Grundlage aus, noch welcher Aristoteles alles betrachtet.

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Behandlung der besonderen Wissenschaften.

I Begriff der aristotelischen Naturbetrachtung. Er geht auch hier von den gewöhnlichen Vorstellungen aus und behält aus ihnen die Momente bei, welche eine gesunde Anschauung auch schon hat, welche die Wirklichkeit läßt wie sie ist; denn die Wirklichkeit ist die Existenz des Begriffs. Und auf diese Weise ist das Resultat der aristotelischen Betrachtung das speculative.

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184 Hu 178.

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einstimmung. Aristoteles befindet sich auf dem höchsten Standpunkt. Seine Philosophie hat nur immer die Form, daß er von der Vorstellung anfängt, beim Denken zB. von den empirischen Zuständen des Denkens spricht; aber dann auch diese Zustände separirt. Diese Idee nun des Aristoteles ist in der denkenden Vernunft und in der Natur zu sehen. In der Natur ist es der Himmel, das Unbe- 5 wegte das bewegt. Hier ist die Anschauung dessen, was die absolute Vernunft ist. Hier sagt er sehen wir in den Fixsternen die einfache Bewegung in sich selbst, dann die anderen Bewegungen. Das Nähere können wir nicht angeben. Was nun die Behandlung der besonderen Wissenschaften betrifft, so können auch hier nur einzelne Punkte erwähnt werden. Aristoteles hat viele physikali- 10 sche Werke und Werke über die Seele geschrieben. Das bisher Gesagte findet sich in der Psychologie und Metaphysik. Die Physik ist in einer Reihe von Werken enthalten, in denen er die Natur von allen Seiten betrachtet. Zuerst handelt er vom Begriff der Natur, von Raum und Zeit, von Bewegung. Andere Bücher sprechen vom Himmel, von der Körperlichkeit den Elementen. Dahin gehören fer- 15 ner die Bücher von dem physikalischen Prozeß. Daran schließt sich der Meteorologische Proceß. Das besondere Buch von der Welt enthält, obgleich für unächt anerkannt, die aristotelischen Gedanken über die Natur. Ferner schrieb er über das Physiologische der Thiere. Alle diese Materien behandelt er mehr oder weniger speculativ. Bei dem | was seine Naturphilosophie betrifft, wollen wir uns bei 81vHo seinem Begriff der Natur überhaupt begnügen. Bei Raum und Zeit ect fängt er bei den gewöhnlichen Vorstellungen an, und faßt heraus, was aus dem Empirischen muß behalten werden, und ist somit höchst speculativ, obgleich er scheint nur das Empirische beibehalten zu haben. Er nimmt die speculativen Bestimmungen, die in der Wahrnehmung liegen, ehrlich heraus, denn der Begriff hat 25 Wirklichkeit, und wenn wir diese Wirklichkeit, wie sie ist aufnehmen, nichts trennen, was sie in Einem hat, so werden wir höchst speculativ. Beim Auffassen der Natur kommt es auf 2 Bestimmungen an, auf die der causarum efficientium und dem Zweckbegriff. In neuerer Bildung ist der Zweck die Zweckmäßigkeit, und so hat man die Natur lang unter diesem Gesichtspunkt betrachtet. Bei Ari- 30 stoteles ist der Zweck die innerliche Bestimmtheit des Dinges in sich selbst. Ari 5–16 Dahin gehören … Prozeß.] Hu: Dann gehören hierher seine Bücher von der Entstehung und 1 Vergehung – der phisikalische proce s­  ­18–20 Ferner schrieb … speculativ.] Hu: Seine Werke begreifen auch das was man physiologie nennt – über die Geburt und Entstehung der Thiere, über das Traümen, die Länge und Kurze des Lebens. Diese Materien behandelt er mehr oder weniger 35 empirisch und speculativ.­  ­21–22 Bei Raum … an,] Hu: Hier faengt er an von empirischen Bestimmungen – geht weiter zu den ällteren philosophen.­  ­29 Zweckbegriff ] Hu: Zweck causae finales­  ­31 des Dinges] Hu: des natürlichen Dinges 22  Vorstellungen] Verstellgen­  ­24 zu haben] (zu haben. nachtr. über der Zeile)

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stoteles hat den Begriff von Zweck, den wieder erweckt zu haben, das große Verdienst Kants ist. Aristoteles beginnt höchst naïv. Er meint: es stoße der Zweifel auf, daß die Natur nicht thätig sei, wie es das Beste ist, sondern zufällig. Es regnet nicht, damit daß das Getreide wachse, sondern es regne und es sei zufällig daß das Getreide dabei gedeihe. Das Getreide wächst dabei, dieß ist äußerliche Nothwendigkeit. Aristoteles fragt: Was hindert nun, daß die Theile nicht sich ebenso zB. bei einem Lebendigen verhalten. Die Backzähne sind breit, die Vorderzähne spitz. Diese Zweckmäßigkeit können wir uns vorstellen als aus äußerlicher Notwendigkeit entstanden. Das Natürliche, das so ist, hätte sich erhalten, ob es gleich ein zufällig Entstandenes sei. Dieß, sagt Aristoteles, sei besonders Empedokles’ Vorstellung. Es seien erst Ungeheuer gewesen, die sich nicht haben erhalten können, nur das Zweckmäßige habe sich erhalten. Diese Vorstellung, sagt Aristoteles, könne man nicht haben, denn was nach der Natur geschieht, geschieht immer, geschieht allgemein. | Das zweite ist, was ein Zweck ist, zu diesem wird das Vorhergehende und Nachgehende gemacht, und was gemacht wird, wird nach seiner Bestimmung gemacht, die es in sich selbst hat. Es wird für sich selbst gemacht. In diesen Bestimmungen liegt der wahrhafte Begriff. Aristoteles spricht von einem Zweck, der Selbstzweck ist, und nach diesem wird das Natürliche selbst gemacht und das was vor und nach kommt. Das Natürliche ist ein Product, dieß kommt heraus, und ist ebenso das Folgende wie das Vorausgehende. Das Product ist das Anfangende. Das ist die lebendige Production. Bei dem mechanischen, beim chemischen ist das Product ein Anderes. Das sich selbst hervorbringen ist die ενεργεια das sich selbst erhaltende. Die Grundbestimmung der Natur also ist: Thätigkeit nach einem Zweck zu sein, der nicht äußerliche Zweckmäßigkeit ist. Der Zweck wird auch in Beziehung des Mittels ausgeführt indem er sagt: wenn die Schwalbe ihr

11–12 Es seien … erhalten.] Hu: Auch in neuen Naturphilosophie treibt man sich mit solchen Vorstellungen um wie aus den Wa ser das Thier emporgieng etc.­  ­16–21 und was … Vorausgehende.] Hu und wie es gemacht ist – ist diess seine Natur – und so wird es auch ge30 macht. Derjenige der eine zuf ällige Bildung aufnimmt entspricht nicht der Natur. – Das sind die Bestimmungen des Aristoteles. In ihnen liegt der wahrhafte Begriff Er spricht von einen Zwek, dass die Naturlichen als Zwek in sich habend mu s betrachtet werden, und dass er nach den Zwek wird – dass ist die Natur nach den Begriff zu handeln und sich nach den Begriff produciren –: ­  ­23–25 Das sich … sein,] Hu: Das ist die Zwekmae sichkeit τελος – die En35 ergie als das sich erhaltende. | Die Hauptbestimmung des Aristoteles von der Natur ist thaetige Zwekmae sigkeit, 3  die Natur] (1) sie (2) die (nachtr. aus sie) Natur (nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen)­   ist, sondern zufällig] (1) ist (2) ist, (Komma nachtr.) (sondern zufällig nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen)­  ­ 4–5 es regne … gedeihe.] (1) weil es regnen muß. (2) (es regne u es sei zufällg 40 dß d Getreide dabei gedeihe. nachtr. über der Zeile)­  ­21 das Folgende wie nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­25 zu nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­34 τελος] ϑελος

Er verwirft die Vorstellung der Zufälligkeit in der Natur indem er den Begriff des Selbstzwecks in ihr geltend macht.

Der Zweck ist die Bestimmung der Sache selbst, die zugleich die Thätigkeit der Production dieser Bestimmung ist.

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Der Zweck ist daher die Production seiner selbst, er setzt sich voraus und ist Product seiner selbst.

a.) Das Natürliche ist Selbstzweck in sich.

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608 Die Wirksamkeit der Natur also ist nicht zufällig, sondern eine nach dem Begriff ihrer selbst wirkende und somit nicht äußerliche Zweckmäßige sondern Zweck für sich. Deshalb sei aber nicht die Vorstellung aufzunehmen, als stehe ein ordnender Verstand draußen, sondern ihr Begriff sei ihr Verstand.

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Nähere Betrachtung des Natürlichen. Die Zeit. Als aus Vergangenem und Zukünftigem bestehend scheine sie gar nicht zu sein, da sie ebenfalls keine Theile habe indem das Vergangene und Zukunftige nicht sei und das Itzt kein ­Theil scheine.

Die Zeit sei, wenn wir das Nach und Vor eines Mittleren unterscheiden.

b.) Verhaeltni s des Nothwendigen in der Natur.

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Nest baut so findet sich darin ihr Zweck. Der Zweck an sich ist der Begriff, Wirksamkeit gegen Anderes, die das Andere verkehrt und sich darin herstellt, und diejenigen Seiten nach welchen solch ein Lebendiges sich verhält, diese werden ihm nicht zufälliger Weise angeboten, sondern es wendet sich an dieselben, wird von ihnen erregt, insofern sie seinem Begriff gemäß sind, dazu gehören, in sofern er in ihnen sich realisirt. Aristoteles sagt: es gehe bei der Natur wie bei der Kunst, der Arzt mache zuweilen die Arznei falsch, so seien die Fehler der Natur Ungeheuer, Mißgeburten. Ferner erinnert er, wenn die Natur nach einem Zweck handle, so sei es thöricht, dieß Zweckmäßige dann nicht erkennen zu wollen, wenn nicht außerhalb ein Verstand stehe, der so anordnet. Das Natürliche ist das, was sich auf eine Weise äußert, welche nur dieß ist, sich selbst hervorzubringen. Auch die Kunst berathschlagt nicht. Oft heilt ein Mensch aus bewußtlosem Trieb sich selbst. Der Begriff ist nicht immer bewußtsein. Aristoteles spricht auch über das Verhältniß | des Nothwendigen in der Natur. Er sagt man meine: ein Haus zB. sei darum, weil das Schwere nach unten gehe, das Leichte nach Oben. So etwas wie das Haus ist nicht um dieses willen geschehen, zwar nicht ohne das. Die Nothwendigkeit ist nur eine Seite, verhält sich nur als Materie, als Möglichkeit. Der Begriff ist die Thätigkeit. Ein äußerliches Verhalten ist die Zufälligkeit, welche die Natur nach ihrem Zwecke umarbeitet. Es folgen nun weitläuftige Untersuchungen über den Raum und die Zeit und die Bewegung. Bei der Zeit beginnt er, daß wenn man sich auf die Vorstellung der Zeit einläßt, könnte man meinen, die Zeit sei nicht, denn die Eine Seite sei immer gewesen, die andere werde erst und sei nicht, und erst aus diesem bestehe die Zeit. Die Zeit scheine nun nicht können aus Nichtseiendem zu sein. von allem Theilbaren müssen die Theile sein. Bei der Zeit da seien einige Theile nicht, als Vergangene und zukünftige. Das Itzt sei kein Theil, denn es werde nicht gemessen. Das Itzt scheine nicht aus Theilen zu bestehen. Ebenso sei nicht zu unterscheiden, ob das Itzt immer bleibe, oder ein Anderes werde. Wir sagen dann es sei Zeit, wenn wir bei der Bewegung das Vor und Nach sehen, Anderes und Anderes nehmen, und zwischen ihnen ein Mittleres. Denken wir Vor und Nach als Andere als die Mitte, so daß die Seele das Itzt als Zwei als das Vor und Nach

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 –6 wird von … realisirt.] Hu: wird erregt durch die au serlichen potenzen – aber nur insofern es 5 dem Thiere, seiner Seele gemä s ist.­  ­7–8 der Arzt … Mißgeburten.] Hu: der Arzt verwechsle Büchsen – so geht auch in der Natur dass sie ihren Zwek nicht erreicht – Mi sgeburten.­  ­9–10 so sei … anordnet.] Hu: so ist ungereimt wenn man die s darum leugnet, dass die Bewegenden sich 35 nicht besprechen in dieser Hinsicht­  ­12–13 nicht. Oft … bewußtsein.] Hu: nicht – sie hat kein Bewustsein. So ist unzwekmä sig dass indem man von der Vernunft der Natur spricht das Bewustsein damit versteht.  1  was nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­18 als Möglichkeit nachtr. über der Zeile­  ­24 zu 1 nachtr. über der Zeile­  ­31 so daß die nachtr. über gestr. u d 40

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sagt, dann sagen wir es sei Zeit. Nehmen wir das Itzt nicht als Zwei sondern Das Itzt sei die Einheit der Zeit und ihr empfinden es als Eines, so scheint uns keine Zeit gewesen zu sein. Das Itzt ist die sich Unterscheiden Continuität der Zeit und ihre Unterscheidung des Nach und Vor, sie gleicht dem und diese Einheit in ihrer Unterscheidung Punkt des Raums, der das Eins und das Unterschiedene der Linie ist. Das Itzt ist sei die Zeit. die Theilung der Zeit der Möglichkeit nach, theils die Grenze theils die Einheit. Das Itzt ist dasselbe die Theilung und Vereinung in Ein und derselben Richtung. Die | Verstandesidentität sehen wir also sehr bei Aristoteles entfernt, denn der 83rHo Verstand kann nicht die Einheit der Theilung und Vereinung fassen. – Dann geht Die Elemente deduAristoteles weiter zur Bewegung und zu den Elementen, die er als 4 deducirt, cirt Aristoteles als die des absolut indem er sagt das Absolut Leichte gehe in die Höhe, das Absolut Schwere nach Extreme Leichten des Feuers, Unten, es sei dieß Erde und Feuer. Die Mittleren seien Luft und Wasser; Luft das und des absolut Schweren, der Erde, Leichte und Wasser das Schwere. Deswegen gebe es diese 4 Materien. In dieser und ihre Mitten der Weise geht Aristoteles die besonderen natürlichen Erscheinungen durch, und es Luft als des Leichten und des Wassers als mag zur Probe genug sein. des Schweren. Die andere Seite ist die Philosophie des Geistes. In einer Reihe von Werken 2. Philosofinden sich diese Betrachtungen: in den Büchern von der Natur der Seele, vom Aristotelische phie des Geistes. Empfindbaren, dem Schlafen und Wachen, dem Gedächtniß u.s.f. von der Mantike, und ebenso von der Seite des Willens: in dem oekonomischen Werk, der Ethik Von der Seele oder vom absoluten Endzweck und einzelnen Tugenden, und der Politik. Auf der Sie müsse einerseits getrennt vom anderen Seite steht die Wissenschaft des abstracten Denkens, als dem Organon als Körper in psychologischer Hinsicht und von Allem. dann in Einheit mit Was die Bücher über die Seele betrifft, so sind sie auch eine Reihe einzelner ihm als physiologisch Betrachtungen. Aristoteles führt über die Seele im Allgemeinen an: sie müsse betrachtet werden. betrachtet werden getrennt vom Körper, da sie im Denken vom Körper frei sei, Ihre Bestimmungen und ungetrennt in den Affecten, da diese materialisierte λογοι seien. So ist seine seien: α. Die ὑλη, Materie, Betrachtung rationell und physisch. Nach der Einen Seite sagt Aristoteles, wird δυναμις, der Zorn als Geistiges betrachtet, als Begierde der Wiedervergeltung, dann als β. die Form, ειδος, ενεργεια, Aufwallung des Herzblutes.” Was die nähere Natur der Seele betrifft, macht Ari- γ. die die δυναμις be­ thätigende ενεργεια.

1–2 Nehmen wir … sein.] Hu: Aber das Itzt mu s man als Zwey hier nehmen. Wenn wir es

186 Hu 180.

30 aber als eines nehmen nicht als Früheres und Spaeteres so hat man keine Zeit – (: Bey der

Langen weile ist die Zeit als Einheit :)­  ­12–14 In dieser … sein.] Hu: Auf diese Weise f ährt er weiter fort. Diess mag genug sein was die Natur anbetrifft. Nur zu bemerken: dass man 187Hu 181. 95 darin einen ungebrauchten Schatz findet.­  ­25–26 da diese … physisch.] Hu: es sind die materialisirten Gedanken (λογος ἐνυλος ). Es ist die rationelle und physische Betrachtung. Sie ge35 het bis heut zu Tage neben einander.­  ­27–28 Wiedervergeltung, dann … Herzblutes.] Hu: Wiederverletzung auf der andern Seite als Auf brau sen des Blutes des Herzens. (:  Zwek – Nothwendigkeit :) 1  sagen nachtr. aus seien­  ­4 des Raums nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­5 nach,] folgt nachtr. gestr: u­   theils die nachtr. über gestr. u­  ­26 Aristoteles nachtr. über gestr. Plato­  ­34 ἐνυλος] 40 ἐνυψος

C. philosophie des Geistes.

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Die Seele ist die οὐσια des Materiellen, welche als solches nur die Möglichkeit ist und durch die ενεργεια erst wirklich wird. So habe die Axt keine Seele, denn Axt zu sein sei dem Materiellen der Axt gleichgültig

Anders ist es mit dem Auge, dessen Seele das Sehen ist, wodurch das Auge erst was es ist wird.

Die Seele sei nun nicht Seele überhaupt sondern nur immer schlechthin bestimmte Seele und zwar: α. nährende (Pflanze) β. empfindende (Thier) γ. verständige (Mensch) In der empfindenden sei die nährende als δυναμις, beide als die Möglichkeit in der verständigen.

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stoteles auf dreilei aufmerksam, auf die υλη, δυναμις das Allgemeine, zweitens auf die μορϕη ειδος, ενεργεια und drittens als die Möglichkeit und Thätigkeit, wo das ειδος Thätigkeit und die υλη die Möglichkeit ist. Nach dieser Bestimmung betrachtet Aristoteles die Seele als Form | als die substanz des Körpers, als die οὐσια. 83vHo Diese substanz hat materielles Leben, das für sich nur Möglichkeit ist. In Bezie- 5 hung beider sagt er, man dürfe nicht fragen: ob Leib und Seele Eins seien, denn Eins und Sein wird auf vielfache Weise gesagt. Das wesentliche Sein sei die Wirksamkeit die εντελεχεια. Die Seele ist die substanz dem Begriff nach oder der Begriff ist selbst die substanz, wenn nehmlich die Axt z.B. zur ουσια hätte Axt zu sein, so wäre dieß seine Seele, und hörte sie auf die Seele zu sein, wäre das Ding 10 keine Axt mehr. Aber eines solchen Körpers Form und der Begriff das ist verschieden. Die Form der Axt ist keine Seele, sondern die Seele ist bei solchen Körper der das Prinzip der Ruhe und Bewegung in sich selbst hat. Die Form der Axt ist äußerliche Form, nicht durch sie selbst gesetzt. Wenn zB. das Auge für sich lebendig wäre, so wäre das Sehen seine Seele, denn das Sehen ist die οὐσια des 15 Auges. Das Auge ist nur die Materie des Sehens, ist das Sehen verloren, so ist das Auge nur Auge dem Namen nach. Die substanz also diese Thätigkeit ist die substanz und Seele ist das Substantielle die Thätigkeit, die Form ist, und die Form das Thätige, was die Sache zu dem macht, was sie ist. Das Auge ist das Sehen und der Augapfel fällt mit dem Sehen zusammen: Seele und Leib sind somit nicht zu 20 trennen. Die Seele ist die substanz, die thätige Form, die υλη nur die Möglichkeit nicht die wirkende Macht. Die Seele ist die Existenz des Begriffs. Der Begriff ist die ουσια, die substanz welche sich wirklich macht. – Die Seele nun ist dreifach bestimmt: die erste Bestimmung ist die der nährenden Seele, die vegetabilische, die 2te ist Thierseele, empfindende, die dritte verständige. In der Physik will man 25 oft das abstracte Allgemeine ausmachen. Aristoteles sagt dagegen: eine allgemeine Figur, das Gemeinschaftliche aller Figuren, | ist nichts, ein bloßes abstractum. 84rHo Die wahrhaft erste Figur dagegen ist das △. Und ebenso ist es mit der Seele. Sie ist kein abstractum. Die ernährende Seele für sich ist Pflanze. Diese ist auch in der empfindenden, aber dort das bloße Ansich, das bloße Allgemeine, das abstrac- 30 te Ansich. In der verstehenden Seele sind wieder die beiden Anderen, aber auch nur als ihre Möglichkeit.

7 auf vielfache … gesagt.] Hu: Manigfaltig genommen. Identitaet, Seyn sind ganz abstrakte Worte – bey diesen worten ist aber Mi sverstand. 1  δυναμις nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­   zweitens auf nachtr. über der Zeile mit 35 Einfügungszeichen­  ­2 ειδος, ενεργεια nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­   das] die­  ­10 die Seele nachtr. über gestr. es­  ­18 Substantielle] anstelle einer Lücke

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Von der Empfindung sagt Aristoteles daß sie sei eine Möglichkeit und zugleich Thätigkeit, einmal also Passivität und zwar so daß ein Anderes darin gesetzt wird. Das Erste ist das was die Empfindung erzeugt, ist sie erzeugt so wird sie besessen wie eine Kenntniß: Das Erste also ist Einwirkung von Außen, dann sind wir im Besitz der Empfindung und sie wird die Thätigkeit, die das Erste Moment, das ihr äußerlich ist, verkehrt und sich zu eigen macht. Der Unterschied aber vom Theorem ist, daß die Empfindung ein Äußerliches ist, weil die empfindende Thätigkeit auf ein Einzelnes geht, die wissende auf das Allgemeine. Das Allgemeine ist in der Seele als substanz, darin ist sie bei sich selbst. Denken kann jeder der will, empfinden nicht. Das Empfindende ist zunächst passiv, nach dem Erleiden aber ist das Empfundene dasselbe als das Empfindende. Der subjective Idealismus sagt gerade daß die Außendinge nur in uns sind. Sage ich die Empfindung ist rein subjectiv so bin ich bestimmt, es ist ein Sein, eine Bestimmtheit die in mir ist, ob sie äußerlich gesetzt sei oder nicht ist gleich. Die Empfindung fängt von der Passivität an. Die Energie ist, dieß Passive sich zu eigen zu machen. Bei der Empfindung kommen einige berühmte Vergleichungen vor, die oft schief aufgefaßt sind. Aristoteles sagt: “Die Empfindung sei die Aufnahme der empfundenen Formen ohne Materie wenn wir empfinden nehmen wir nicht die Materien der Außendinge selbst auf, sondern ihre Form, Härte, ect. | Wie das Wachs das Zeichen eines goldenen Ringes an sich nimmt ohne das Gold selbst, sondern nur die Form allein. Damit ist gesagt, daß die Empfindung nur die Form aufnimmt. Viele verstanden dieß: die Seele verhalte sich wie Wachs und alles komme an sie wie ein Ring auf Wachs gedrückt wird. Die Vergleichung soll nur sagen: die Seele nehme nur die Form der Dinge auf. Bei Aristoteles ist gerade gesagt, daß sie das Materielle als solches von sich abhält. In der Empfindung ist der Geist passiv, er hat es aber nur mit den Formen der Dinge zu thun, und die Thätigkeit ist dann diese Formen zu den Seinigen zu machen. Im chemischen durchdringen sich die Materien. Andere Bestimmungen sind, daß die Wirksamkeit des Empfindenden und Empfundenen dasselbe ist. Der Energie nach ist das

30 2 –3  einmal also … wird.] Hu: Die pa sivitaet ist auf doppelte weise – 1o eine privative Veraende-

rung – 2o pa sivitaet die in bleibende pa sivische Gewohnheit übergehet –­  ­4 wie eine Kenntniß:] Hu: wie ein Wi sen – und wird betrachtet als Theorie.­  ­ 6–8 Der Unterschied … Allgemeine.] Hu: Der Unterschied aber von Empfindung und Theorie ist – was die Empfindung hervorbringt ist Au seres – und die Empfindung geht auf das Einzelne – das Denken auf das Allgemeine – (: Empfindung ist 35 Zustand der Liebe :)­  ­16–17 die oft … sind.] Hu: die so schief aufgefa st wurde – und Aristoteles zum Empiriker machte – (Tennemann).­  ­27–28 Im chemischen … Materien.] Hu: (: Bey den Kali wird die Saure aufgenommen, seine Materie in das Kali. :)­  ­29.612,1–2 Der Energie … Schall.] Hu: dass der Energie nach das Höhren die Wirksamkeit von den Schall und Höhren Einheit sind etc. 3  das nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­5 die2 nachtr. über der Zeile­  ­12 nur nachtr. über 40 der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­26 aber nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen

Die Momente der Empfindung seien: Die Passivität des von Anderen Gesetztseins der Empfindung. Die Thätigkeit dieß Andere zu ihrem eigenen zu machen. Die Empfindung sei die Thätigkeit des Einzelnen, das Wissen die des Allgemeinen.

Die Empfindung ist Aufnahme der einzelnen Formen, und das sich zu Eigenmachen.

Durch einen Vergleich bei Aristoteles ist bei Vielen der Mißverstand hereingekommen als sei die Seele das schlechthin Unbestimmte, Passive, welches alles aufnimmt, da sie bei Aristoteles das schlechthin Active des sich Zueignens und aus sich Producirens der einzelnen Formen der Dinge ist. Die Empfindung ist nur diese Einheit was sie δυνάμει ist was in ihr gesetzt ist, ενεργειᾳ zu setzen.

188 Hu 182.

189 Hu 183. 96

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Das Denken ist die schlechthin sich selbst bethätigende ενεργεια.

Der νους ist sich selbst die δυναμις, und seine Thätigkeit ist was er als δυναμις ist durch die ενεργεια für sich zu machen.

85rHo Der νους also ist sich selbst Object

Er ist δυνάμει die Totalität des Gedachten. Aber er ist nur νους indem er diese Möglichkeit verwirklicht, indem er παντα τα νοητα denkt.

Er ist als Denken und Gedachtes und beides in Einem. Im Materiellen, in der Natur ist das Denken nur δυνάμει. Im Denken als solchen als ενεργεια. In der Empfindung und Vorstellung sei der νους selbst nur δυναμει

190 Hu 184.

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Hören zB. dieß, daß der Schall wirkt und das Gehör. Beide sich einend geben erst den Schall. Was das Denken betrifft so sagt Aristoteles, das Denken sei nicht passiv sondern schlechthin Thätigkeit, nimmt die Form auf und ist der Möglichkeit nach selbst eine solche. Was gedacht wird ist Object. Dieß Object ist selbst ein Gedanke; und wird ebenso seiner Form eines Objects beraubt. Das Object ist selbst Gedanke und selbst δυναμις, Denken. Das Denken verhält sich zum Gedachten nicht wie das Empfinden zum Empfundenen, der νοῦς ist unvermischt, damit er erkenne. Er ist das Ueberwinden, das sich bei sich selbst behalten. Er ist wirksam, hält das Fremde ab, macht einen Verhau dagegen, erhält sich unvermischt bei sich selbst. Insofern der νοῦς wirklich wissend ist, so geschieht dieß wenn er in Beziehung auf sich sich selbst wissend und erkennend ist. Wenn das Denken nicht passiv ist, für sich, nicht in Gemeinschaft mit Anderem ist, sondern | das Andere zu dem Seinigen macht, wie soll dann aber gedacht werden, daß das Denken etwas denke, auch Passivität sei? Wenn gedacht wird, so erscheint der νοῦς selbst schon als Gegenstand. Das Denken ist an sich alles Gedachte παντα τα νοητα. Der νους denkt alles, er ist das schlechthin Allgemeine, an sich die Totalität. Dieß ist so idealistisch als möglich gesprochen. “Der νοῦς ist aber der Wirklichkeit nach nichts ehe gedacht worden ist.” Der selbstbewußte νους ist nicht bloß an sich, sondern für sich, er ist Thätigkeit. Die ουσια des νους ist die ενεργεια. Er ist Denken seiner selbst. Aristoteles macht nun die Vergleichung: der νοῦς ist vor dem daß gedacht ist wie ein Buch, auf dem nichts wirklich geschrieben ist. Da sagen nun viele: Aristoteles sage der Geist sei eine tabula rasa, auf der erst die äußerlichen Gegenstände den Inhalt schreiben. Und Aristoteles sagt gerade das Gegentheil. Er braucht den Vergleich nur um zu sagen, der νους sei nichts, ehe nicht gedacht ist, denn er sei nur Thätigkeit; diese sei seine οὐσια, sein Sein. Er sagt: der νοῦς sei auch denkbar νοητον. In dem was ohne Materie ist, ist das Denken, das subjective und das Gedachte dasselbe. Die theoretische Wissenschaft und das Gedachte ist dasselbe. lm Materiellen ist das Denken nur an sich, so daß ihm die Vernunft nicht selbst zukommt. Die Natur hat an sich Verstand, in ihrer Wesenheit ist sie Gedanke. Aber in der Natur existirt der νοῦς nicht als νοῦς, δυναμει. Da unterscheidet also Aristoteles überhaupt zwischen passivem νους und thätigem. Der Passive ist die Natur überhaupt und in der Seele das Vorstellen und Empfin-

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32 passivem νους … thätigem] Hu: 1o t h e o r e t i s c h e n Νοῦς und 2o p a   s i v e n Νοῦς 12  sich 2 nachtr. am Seitenrande­  ­14 aber nachtr. über der Zeile­  ­21–22 vor dem … ist nachtr. über der 35 Zeile mit Einfügungszeichen­  ­32 also nachtr. über der Zeile­   überhaupt nachtr. über der Zeile­   passivem nachtr. mit Einfügungszeichen über gestr. thätgem­

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den, νοῦς an sich. So wie in aller Natur ein Verstand ist, so auch in der Seele, ein an sich seiender und thätiger, wie das Licht die an sich seienden Farben zu wirklichen macht. | Der thätige νους ist seiner Natur nach die Thätigkeit, dasselbe als die Sache; ein Wissen, das nur an sich dieser νοῦς ist, ist das Empfinden und Vorstellen, wohl der Zeit nach das Frühere, doch an und für sich ist der thätige νους das was ist, ewig und unsterblich. Der νοῦς ist der Inbegriff der τοποι, der Ideen, die Form aller Formen, aber zunächst nur δυνάμει, nicht durch ενεργεια. Aus diesen Proben ist das speculative zu sehen. Aristoteles sagt dann freilich, daß die Empfindung für das subject nothwendig ist, daß das zu Erkennende auch müsse empfunden werden, auch vor die Vorstellung kommen. Die Formen der Natur der Empfindung sind dem νους nothwendig, der νους macht sie zum Object, aber verwandelt sie zu dem Seinigen. Die endlichen Dinge und Zustände sind dann aber der Mangel der Identität des νους mit sich, welche nur im Denken statt findet. Was die practische Philosophie des Aristoteles betrifft so sind auch über sie mehrere Werke: die nikomachische Ethik, die große Ethik; diese enthalten mehr die allgemeinen Grundsätze. Aristoteles geht die Momente durch, die beim Willen in Betracht kommen, und sein Verfahren ist das bekannte. Der nähere Begriff von der Tugend ist dieser, daß Aristoteles die vernünftige und unvernünftige Seele unterscheidet, die wollende Seele δυναμει und nach der ενεργεια . Tugend ist, wo sich die Leidenschaften der unvernünftigen Seele so verhalten daß sie thun was die Vernunft befiehlt. Wo der λογος fehlt ist keine Tugend, wie denn anderseits Aristoteles auch tadelt, daß Socrates die Tugend nur in die Einsicht stelle, und den practischen Theil: die Neigung übersehe. | Bei den besonderen Tugenden verfährt Aristoteles auf besondere Weisen; er stellt die Tugend als Mitte zwischen zwei Extremen auf. Und die bestimmte Tugend tritt auch gerade dahin ein, wo quantitative Bestimmungen gelten. Das αλογον ist auch eine Seite der Tugend, der Trieb die Neigung. Es ist ungeschickt wenn man die Tugenden anders bestimmen wolle. Der Gedanke ist bei der Bestimmung der Tugenden nicht mehr bei sich selbst, und daher kommt es, daß Maaßbestimmungen hier Platz finden.

16–18 die große … bekannte.] Hu: die gro se Ethik – und die Eudemische Ethik – Die beyden ersten enthalten Unter uchungen über das Allgemeine – in der Dritten das Besondere – Hier geht er durch Vorsatz, Schuld etc. und verfährt dabey ganz speculativ.­  ­26 Extremen] Hu: Extremen – 35 zB. die Tugend der Freigebichkeit sey Mittel zwischen Geiz und Verschwenderey­ 1 So wie] (1) Soweit (2) So we (nachtr. über gestr. (So)weit)­  2 an sich seiender nachtr. über gestr. alles sehender­   thätiger nachtr. über gestr. wachender­  ­23 anderseits nachtr. über der Zeile­   auch nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen

der sich denkende νους sei die Sache, der ewige unsterbliche Gedanke.

Aber die Empfindung und Vorstellung seien nothwendige Formen, doch der νοῦς in ihnen nicht bei sich selbst.

Ethik des Aristoteles. Die wollende Seele sei: die unvernünftige; Tugend δυναμει; Neigung, Begier. Die vernünftige; Tugend als ενεργεια, von der Vernunft regierte Neigung. So sei die Tugend nicht wie Socrates sagt nur das Wissen des Guten, sondern Regel für die Neigung. Die bestimmten Tugenden sind die Mitte zwischen ihren Extremen, so daß sie durch ihr Maaß zur Tugend werden. Die Politik des Aristoteles.

191Hu 185. 97

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Aristoteles setzt den Staat als das dem Begriff nach Erste, als die ενεργεια, während der Einzelne die bloße Möglichkeit des sittlichen Lebens ist.

Die neuere Welt dagegen hat die Vorstellung, daß der Einzelne das absolut Erste, und seinetwillen der Staat sei.

Metaphysik des Aristoteles

86vHo Die logischen Schriften machen zusammen das Organon aus.

192Hu 186.

193Hu 187 98

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Was die Politik anbetrifft, wollen wir die Hauptzüge geben. Aristoteles sagt, durch den Menschen allein sei Gutes und Böses; die Gemeinschaft der Menschen sei Familie und Staat. Der Natur, dem Wesen nach sei der Staat früher als der Einzelne und die Familie, der Staat ist dem Aristoteles das schlechthin Wesentliche. Erst im Staate sei Gerechtigkeit; da sei sie an und für sich. Denn das Ganze sei das Erste gegen den Theil. Werde das Ganze die Seele aufgehoben, gäbe es weder Fuß noch Hand, außer dem Namen nach. Alles ist durch δυναμις und εντελεχεια bestimmt, so daß wenn diese letztere nicht vorhanden ist, wenn der Staat das Wesen dem Einzelnen fehlt, so ist der Einzelne nichts mehr. Was den Einzelnen betrifft, so wäre, wer des Staates nicht bedürfte ein Thier oder Gott. Also Aristoteles wie Plato setzt den Staat als das wahrhafte Prius des sittlichen Lebens. Bei uns ist die Vorstellung umgekehrt, indem wir den Willen des Einzelnen die Willkühr zum absolut Ersten machen und sagten: das Gesetz sei das was die Einzelnen ausmachen. Dieß ist das Entgegengesetzte gegen den Gedanken Platos und Aristoteles, dem der Staat das Erste ist, wie die Lebendigkeit der Träger des Körpers des Einzelnen sei. In Betreff der Logik ist zu sagen, daß Aristoteles, wie Kant sagt, ihr Vater ist, seit dem sie keine Fortschritte gemacht hat. Von ihm kommen die Formen des Urtheils, des Schlusses ect. her. | Er hat sich das Denken in seiner endlichen Thätigkeit zum Gegenstand gemacht. Die Logik ist eine Naturgeschichte des endlichen Denkens, und das Bewußtsein über die Thätigkeit des endlichen Verstandes ist bewunderungswürdig. Die logischen Schriften werden als Organon zusammengefaßt, die ersten Schriften sind die Kathegorien, die einfachen Bestimmungen des Seienden; es ist dieß das Gemeinschaftliche von den Bestimmungen, welche in der Metaphysik vorkommen. Die 2te Schrift ist die Lehre der Interpretation, von den Urtheilen und Sätzen. Die 3te Schrift handelt von den Beweisen und den Schlüssen. Das 4te Buch sind die topica Gesichtspunkte, von wo aus die Dinge betrachtet werden können. Es ist dieß eine Art Schema über die verschiedenen wesentlichen Seiten der Gegenstände. Eine solche Arbeit ist

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2 durch den … Böses;] Hu: der Mensch sey das politische Thier – mit Vernunft – deswegen sey nur 30 dem Menschen das Gute und Böse bewu st­  ­13–14 das Gesetz … ausmachen.] Hu: das Gesetz sey durch den Willen Aller­  ­18 seit dem … hat.] Hu: und man kann sagen dass die Logik von seiner Zeit keinen Vortschritt gemacht hat.­  ­23–25 die Kathegorien, … vorkommen.] Hu: 1o die Kategorien die einfachen Wesenheiten die von einen Dinge gesagt werden koennen – diess | kann unter Ontologie vorgestellt werden – dieses finden wir in der Metaphysik­  ­29.615,1–2 ist zweck- 35 mäßig … machen.] Hu: ist höchst wichtig gewesen für Redner. Aristoteles will selbst dass diese Topik ein Hülfsmittel sey Schlü se zu machen. 6  die Seele nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­8 εντελεχεια] εντελλεχεια­   letztere nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­12 wir nachtr. über gestr. sie­  ­13 sei das nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­15 dem der … wie nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­21 über 40 nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen

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zweckmäßig für die Bildung der Redner, ein Instrument aus Wahrscheinlichem Schlüsse zu machen. Aehnlichkeit, Gleichheit, Verhältniß ect gehören hieher. Das 5te Werk sind die sophistischen Wendungen ἐλεγχος (Prüfung), wodurch ein Widerspruch in die Vorstellung gebracht wird. Wir erwähnten dergleichen schon bei Zeno und den Megariern. Die Vorstellung läuft bewußtlos in den Widerspruch hinein. Darauf machten die Megarier aufmerksam. Aristoteles geht viele Widersprüche durch und lößt sie auf. Die logik nun beschränkt sich, wie wir sie jetzt haben, auf das wenigste, was Aristoteles abhandelte. Die logik behandelt die Thätigkeit des abstracten Verstandes, welcher die Denkunterschiede für sich isolirt abstract als absolut nimmt. In dieser Abstraction liegt die Identität als Grundlage, als Gesetz daß nichts sich widersprechen solle. Solche logik nun ist ihrer Natur nach nicht speculativ, indem der Begriff nicht kann nach solchen Formen gefaßt werden. Aristoteles legt seine logik nicht zum Grunde seiner Betrachtung, sonst wäre er nicht | speculativ. Dieß nun ist die Aristotelische Philosophie. Wenige Proben haben wir geben können. Wir haben die erste Abtheilung der griechischen Philosophie beschlossen, und wollen zur zweiten Periode übergehen. Das Resultat der ersten war die Idee; das Erkennen hat diesen Boden des Denkens des freien Gedankens gewonnen. Plato hat das Allgemeine mehr abstracter Weise, mehr als den Boden selbst aufgefaßt, während bei Aristoteles das Denken schlechthin concret geworden ist, in der Form der Wirksamkeit. Was nun das nächste Bedürfniß ist, ist unmittelbar dieses: daß das Allgemeine itzt gefaßt wird als e i n Allgemeines, als Prinzip, so daß das Besondere durch dieß Allgemeine erkannt werde. Oder es tritt das Bedürfniß des Systems ein. Die früheren Philosophien sind keine Systeme, sie treten in dieser Form nicht auf, denn zum systematischen gehört, daß e i n Prinzip consequent durch das Besondere durchgeführt werde. Die aristotelische Philosophie ist ein Complex des Begreifens des Universums. Aber Aristoteles ging empirisch zu

Sie enthalten das Bewußtsein über die Thätigkeit des endlichen Verstandes. Und so ist Aristoteles nur speculativ, insofern er diese Bestimmungen nicht als Organon seiner Betrachtung zu Grunde legt. Zweite Periode. In der ersten Periode hat sich der Gedanke als Boden der Wahrheit als das Absolute gezeigt, und bei Plato bis in sich concretem Gedanken ausgebildet und bei Aristoteles dazu bestimmt Selbstbewirkung dieser seiner Möglichkeit zu sein. Der Fortgang ist, daß der Gedanke jetzt als das Allgemeine gefaßt wird, aus dem die Totalität des Besonderen zu begreifen sei; der Fortgang ist die Forderung des Systems.

5 bei Zeno … Megariern.] Hu: bey den Eristikern. Die Megarier waren es vornemlich die solche 30 Vorstellungen hervorlokten­  ­10–14 In dieser … speculativ.] Hu: Indem aber solche Formen des

Abstrakten Verstandes für sich genommen werden so ist dieser Grundsatz dabei zu Grunde gelegt dass sich nichts wiederspreche – Aristoteles hat diess Naturgeschichtlich, nacheinander behandelt. (Absatz) Das Spekulative kann nicht nach der weise dieser Logik gefa st werden – so zeigt sich auch dass Aristoteles eben nicht nach dieser Logik gehandelt hat – wo er speculativ ist, vergisst er dieses   ­25 des Systems] Hu: eines systematischen 35 Grundsatzes, den wir angegeben haben.­ philosophirens­  ­25–27 Die früheren … werde.] Hu: Man kann von einem Aristotelischen oder platonischen System sprechen – aber man kann nicht von ihnen sagen, dass sie ein princip haetten, das sie durch das Besondere consequent durchgeführt haetten.­  ­28 Complex] Hu: vollstaendiger Complex 40 3  ἐλεγχος (Prüfung) nachtr. über der Zeile­  ­8 jetzt nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­11 sich

nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­18 übergehen] überzugehn

194 Hu 188.

616 Der systematische Gedanke aber, insofern er als unmittelbarer abstract ist, wird nothwendig Dogmatismus.

Der Mangel an Aristoteles ist die Systemlosigkeit; indem bei ihm das Besondere nicht als aus seiner sich selbst | denkenden Idee entspringend aufgezeigt, sondern empirisch aufgenommen ist. Indem aber das systematische Denken gleichfalls nur als beginnend das abstract Allgemeine ist, entwickelt es nicht das Besondere aus sich, welches als gegeben äußerhalb fällt, mit der Bestimmung unter das Allgemeine subsumirt zu werden während die Art und Weise der Bestimmung des abstract Allgemeinen zugleich die Regel der subsumtion des Besonderen wird. Als abstract Allgemeines ist das Prinzip einseitig und dadurch dogmatisch, und zu gleicher Zeit indem es nicht aus sich das Besondere entwickelt, nicht bewiesen, sondern da das Allgemeine überhaupt gefordert und als nur Erstes auftritt, das durch das Besondere nicht in sich zurückkehrt, nur behauptet.

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Werke, er stellt eine Reihe der Gegenstände dar, jeder Gegenstand ist für sich herausgehoben und speculativ erkannt. Was darin mangelt ist, daß e i n Prinzip durch das besondere durchgeführt werde, daß der Umfang des zu Erkennenden auch als e i n e Organisation des Begriffs erkannt werde. Dieß ist das jetzige Bedürfniß. Solche Philosophie wird aber zunächst Dogmatismus. Dogmatismus 5 nennen die Franzosen System überhaupt d. h. Ansichten und Behauptungen fliessen aus e i n e r Bestimmung. Systhematique heißt demnach bei Franzosen einseitig. Ein einfacher Gedanke ist consequent durchgeführt. Bei Aristoteles hatten wir die höchste Idee als das sich selbst denkende Denken[.] Sie steht aber als besonderes an ihrem besonderen Ort ohne als Prinzip der Philosophie selbst 10 ausgesprochen zu sein. Das sich selbst denkende Denken ist concret, die Einheit des Denkens und Gedachten. | Das weitere wäre gewesen diese Idee aus sich zu 87vHo entwickeln, das Gedachte als das Reale zu erkennen, den Weltinhalt als Bestimmung zu erkennen des sich selbst denkenden Denkens. Aber dieß hat nicht geschehen können, denn dazu gehört noch eine weitere Umwälzung. Das Nächste 15 kann nur sein, daß die Nothwendigkeit eines Prinzips erkannt werde, und daß dieses Eine Prinzip zunächst nur abstract dasteht, so daß das Besondere aus ihm nicht entwickelt, sondern es auf das Besondere nur angewendet wird, zugleich mit der Bestimmung der Regel dieser Anwendung. Das Eine Verhältniß also ist, daß das Besondere aus dem Allgemeinen entwickelt würde, das Andere, daß das 20 Besondere sich als gegeben darstellt und nur unter das Allgemeine subsumirt wird. Indem diese Stellung vorhanden ist, so sind das Allgemeine und das Besondere getrennt und die Verbindung erhält die Form der subsumtion; das Allgemeine insofern es das Besondere nicht aus sich entwickelt ist nur formell, abstract. Insofern ferner solches Prinzip abstract ist, wird solches Prinzip einseitig, ab- 25 stract nur mit sich und nicht seinem Anderen identisch. Diese Einseitigkeit macht den Dogmatismus aus. Das Prinzip wird behauptet. Denn es wird ein Prinzip gefordert, worunter alles subsumirt wird. Es ist das nur Erste und somit nicht bewiesen, sondern nur behauptet. Dieß Bedürfniß entspricht der Fortbildung des Geistes, der seinem Begriff nach fortgeschritten ist. 30 2 herausgehoben und … erkannt.] Hu: herausgehoben. Dazu erst bringt Aristoteles die vielen d i e s e s zusammen.­  ­5 Dogmatismus.] Hu: Dogmatische Philosophie – der entgegen der Skepticismus ist.­  ­11–12 Das sich … Gedachten.] Hu: Dieses Selbstdenkende Denken ist Subjekt und Objekt zusammen. Aber diess steht bey Aristoteles am Ende –­  ­25–26 Insofern ferner … identisch.] Hu: Das 195Hu 189. 99 erste das ietzt absolut vortritt ist das Allgemeine – das weitere ist dass es angewendet ist auf das Beson- 35 dere – deswegen ist es abstrakt – insofern wird eine solche philosophie einseitig – denn das ist nur nicht einseitig was concret ist, wahrhaft.­  ­29–30 Dieß Bedürfniß … ist.] Hu: Deswegen mu ste diess vortreten was diesen Bedürfni se entsprechen konnte – das ist die innere Nothwendigkeit des Begriffes.  6  werde nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­   daß2 nachtr. über der Zeile mit Einfügungs­ 1 zeichen­  ­21–22M Art und … der nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen   22 ist] sind­ 40

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Zweite Periode Dogmatismus und Scepticismus

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In dieser zweiten Periode haben wir den Dogmatismus und den damit nothwendig eintretenden Scepticismus. Das Prinzip ist als abstract ein Verständiges. In Ansehung des Verhältnisses des Prinzips und seines Inhalts wird die Frage nach dem Kriterium der Wahrheit erregt. Der Geist will das | Wahre erkennen. Die Frage ist, w i e wird das Wahre erkannt, welches ist das Urtheil des wahren? Das Kriterium ist das Prinzip. Es ist Dogmatisch zunächst, einseitig und doch sceptisch, Bewußtsein der Einseitigkeit des Prinzips. Bei dieser Weise der Philosophie ist denn eine weitere Folge, daß das Prinzip der Philosophie weil es formell ist, subjectiv ist, und somit die Bedeutung der Form der subjectivität des Selbstbewußtseins annahm. Schon früher war erwähnt, daß in dieser Philosophie die Hauptfrage war: wer ist ein Weiser, was thut der Weise. Das Prinzip ist kein an und für sich objectives, es ist dogmatisch, beruht auf dem Triebe des Selbstbewußtseins sich zu befriedigen. Ein Hauptzug dieser Philosophie ist, daß das Individuum sich ein Prinzip sucht seiner Freiheit mit sich, seines Selbstbewußtseins, das in der Einsamkeit seines sich Denkens seine Befriedigung sucht. Diese Philosophien in Griechenland entstanden, machen die Prinzipe der römischen Welt aus. Das Philosophiren wird jetzt überhaupt Bedürfniß des subjects als solchen, das Selbstbewußtsein geht in die Einsamkeit mit sich zurück. Die glückliche heitere Welt der Griechen, veranlaßte das subject, gegenwärtig in der Welt seines Staates seiner Sitten zu sein. Im Unglück des Zustandes der Außenwelt, hat der Mensch in sich das Glück, die Einigkeit zu finden, die nach Außen fehlt. Die römische Welt ist die abstracte; die Individualität der Völker ist gebrochen, das freie selbstständige Leben ist den Individuen nicht vergönnt, eine fremde Gewalt, ein abstractes Allgemeines lastet auf ihnen. Ein solcher Zustand der Zerrissenheit, des Individuums gegen die allgemeine abstracte Macht veranlaßt den Einzelnen in sich selbst, in seiner Innerlichkeit seine Zufriedenheit zu suchen. Aber ebenso wie das außen Herrschende das Abstractum des Willens war,

196 Hu 190 6 –8 Der Geist … wahren?] Hu: es steht den Geiste vor zu erkennen w a s was Wahre ist, diess ist concret, die weitere Frage ist w o d u r c h wird es erkannt, wodurch kann man es beurtheilen dass es wahr ist.­  ­8–10 Es ist … Philosophie] Hu: Diese Frage ist Dogmatisch einer seits – sogleich kann aber der Skepticismus eingreifen – nemlich die Erkenntni s der Einseitigkeit dieses Princips – und naeher damit die Bestimmung dieses Princips. Also Dogmatismus und Skepticismus. – Bey dieser 35 Seite des philosophirens­  ­24–26 gebrochen, das … ihnen.] Hu: unterdrükt – freies Leben, selbststaendiges Leben – ist hier verschwunden – ein Jenseits nur hat die Völker beherscht – ein fremdes Allgemeines.­ ­13M das] die  16 seines nachtr. über gestr. des­  ­17 das nachtr. über gestr. dß­   sich nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­

Durch seine Einseitigkeit zerfällt das systematische Denken sogleich im Gegensatz gegen sein Anderes das es nicht in sich hat. Durch diesen Widerspruch ist es Sceptisch. Das Prinzip als Regel der subsumtion des Besonderen unter das Allgemeine ist jetzt das Kriterium der Wahrheit. Durch seine Einseitigkeit wird dieß Kriterium, da es nicht das objective sich selbst begreifende allgemeine Denken ist, formelles subjectives Denken Die Forderung ist die Befriedigung des Selbstbewußtseins in seinem Denken, welches als abstract, nur subjectiv bleibt. Denn das subject ist jetzt nicht mehr in substantieller Einheit mit dem Staat und den Sitten, mit der wirklichen Welt überhaupt, sondern diese steht als das abstracte Allgemeine gegen seine Einzelheit da so daß das Individuum in sich sich zu befriedigen hat. Diese Befriedigung durch den Gedanken ist aber zunächst selbst ebenso abstract als das Allgemeine überhaupt, das dem Individuum gegenübersteht.

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618 Uebersicht über diese Periode. Die platonische und aristotelische Philosophie existirten wohl fort, aber nicht im Sinne ihrer Stifter, indem der Platonismus zum Scepticismus überging, und die Philosophie des ­A ristoteles in den Peripathetikern zum Empirismus. Weil die speculative Behandlung des Aristoteles nur ihm als Individuum angehört, ohne durch ihn als allgemeines Prinzip aufgefaßt zu sein. Erste Stufe. Das Prinzip des abstract allgemeinen Denkens: der stoicismus. Als abstract Allgemeines fällt das Prinzip der Besonderheit außerhalb seiner als der Empfindung und ist: Zweite Stufe. Der Epicuraeismus. Beide als einseitig sind negativ gegeneinander: das Bewußtsein ihrer Negativität und der Negativität dadurch des Erkennens überhaupt ist als: Dritte Stufe. Der Scepticismus. Das Gemeinschaftliche aller ist die Unerschütterlichkeit der abstracten Einheit des individuellen Selbstbewußtseins mit sich.

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ebenso ist das Prinzip des Gedankens ein Abstractum, das nur eine subjective Versöhnung hervorzubringen vermochte. Wir sehen so die Philosophie nach ihrer 88vHo Form und ihrem Inhalt | in Zusammenhang des Weltzustandes. Wir haben hier 3 Philosophien zu betrachten: den stoïcismus, Epicuraeismus und Scepticismus. Die platonische Philosophie erhielt sich wohl, aber sie ging zum 5 Scepticismus über, ebenso erhielt sich die aristotelische als peripathetische, aber diese ist nicht die eigentliche aristotelische, sondern mehr die Popularphilosophie wie wir sie bei Cicero sehen. Bei Aristoteles sehen wir immer empirische Ausgangspunkte; den Weg gewöhnlicher Vorstellungen. Aber Aristoteles faßte im Fokus des Begriffs die gewöhnlichen Vorstellungen zusammen. Dieß speculative 10 ist mehr ihm selbst nur eigen, als daß es hätte können zur Methode werden, weil es nicht frei für sich herausgehoben ist. Die aristotelische Philosophie ist deshalb zur empirischen Weise des Räsonnements geworden statt Ausbildung des großen Geistes des Aristoteles. Was nun die 3 genannten Prinzipien betrifft, so sind sie nothwendig. 15 Nehmlich das eine Prinzip ist das des Denkens; das Denken als solches ist Kriterium des Denkens. Das Andere gegen das Denken ist die Empfindung, das Anschauen, das Denken als formelles auf der einen Seite ist abstract, und die Bestimmtheit fällt außer ihm. Diese für sich aufgefaßt hat auch ihr Recht gegen das Abstracte, und ist so selbst Prinzip geworden. Das dritte gegen dieß Allgemeine 20 und Einzelne kann nur die Negation dieser beiden Einseitigkeiten sein, denn die Einseitigkeit muß erkannt werden. Das dritte also ist die Negation der Prinzipien überhaupt. Das erste Prinzip, das des abstracten Denkens ist die Stoïsche Philosophie; das zweite das Einzelne des Epicuraeismus; das dritte als das negative Verhalten gegen alle Prinzipien, die Erkenntniß der Einseitigkeit der Prinzipien, so 25 daß ein Erkennen unmöglich sei; ist der scepticismus. | Ihr Gemeinschaftliches 89rHo ist die Freiheit des Selbstbewußtseins, die Unerschütterlichkeit des Geistes, der durch nichts sich fesseln läßt, frei ist von jedem Interesse. Die wahrhaften Epicuraeer sind ebenso über alles was wichtig sein kann, erhoben und als solche freien Individuen haben sie sich gebildet. 30  –2 ebenso ist … vermochte.] Hu: so hat auch dieses princip in Selbstbewustsein nur eine subjekti1 ve abstrakte Versöhnung hervorgebracht.­  ­16–17 Nehmlich das … Denkens.] Hu: Das eine p r i n - 198 Hu 192. c i p ist nothwendig d a s D e n k e n  – dass es das Kriterium der Wahrheit ist –­  ­23–26 Das erste … scepticismus.] Hu: Die erste philosophie ist die Stoische machte zum princip das Denken, die Epikreische die Empfindung. Der Skepticismus ist das Negative Verhalten gegen alles princip des Er- 35 kennens, thaetige Negation aller principien. Das Erkennen dass die principien nicht erkannt werden koennen. 5  Scepticismus] Specticismus­  ­6 Scepticismus] spectcisms­  ­11 werden] wegen­  ­23 ist] ist d.­  ­26 sei nachtr. über der Zeile­  ­35 Skepticismus] Stoicismus

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Wir können hier kurz sein, weil die Anwendung solcher einseitigen Prinzipien für sich einseitig ist. Das erste Prinzip ist das stoïsche. Was das Historische anbetrifft, so ist der Stifter dieser Philosophie Zeno der Kitische aus Kition auf Kypros. Er hat sich früh nach Athen gewandt. Sein Vater sandte ihn in Handelsreisen dorthin. Athen war der Sitz der Philosophie. Um die 109te Olympiade ward Zeno geboren, ging mit socratikern um, mit Xenocrates besonders, der wegen der Strenge seiner Rechtschaffenheit viel Ansehen hatte. Der Eid ward ihm erlassen; sein Wort galt. Auch mit stilpo hatte Zeno viel Umgang. Philosophie ward jetzt Angelegenheit des ganzen Lebens. Dann aber vernachläßigte Zeno auch nicht die physikalische Philosophie, studirte den Heraklit und trat dann selbst als Lehrer in einer Halle, stoa ποικιλη , auf. Er zeignete sich durch dialektische Bildung und durch die Strenge seiner Lebensweise aus, die sich der cynischen näherte, ohne das Auffallende dieser zu haben. Er genoß allgemeine Verehrung; er lebte mäßig, nährte sich mit Brodt, Wein und Honig. Er lebte zur gleichen Zeit mit Epicur; er starb in hohem Alter; das 98ste wird als das letzte Lebensjahr angegeben. Aus Lebenssättigung nahm er sich selbst das Leben. Diogenes Laertius erwähnt eines Briefes, mit dem Athen ihn ehrte, dieses Inhalts, daß die Bürger ihn Lob ertheilten und eine goldene Krone seiner Tugend und Mäßigkeit wegen. Ein Begräbniß ward ihm erbaut. | Kleanthes aus Assos ist von den Schülern berühmt. Nachts trug er einem Gärtner Wasser, dieß war sein Unterhalt. Er starb wie Zeno freiwillig im 85sten Jahre. Später ist Chrysippus aus Cilicien geboren in der 125sten Olympiade gestorben in der logik berühmt. Er thut viel für die Ausbildung nach der Seite der Dialektik hin. Es wird von ihm erzählt täglich 500 Seiten geschrieben zu haben. Viel specielles ist noch übrig. Unter den Folgenden ist Diogenes von Sileucia am Tigris zu erwähnen, weil er von dem athenischen Staat als Mitglied einer Gesandtschaft nach Rom gesandt ward. Drei Philosophen der Hauptschulen wurden im Jahr der Stadt 598 nach Rom geschickt. Durch diese Gesandtschaft sind die

Erste Stufe. Der stoïcismus. Historische Uebersicht. Der Stifter Zeno aus Kition auf Kypros. 340 – 260 v. Chr.

Kleanthes aus Assos in Lykien. 460 v. Chr. Chrysippos aus soli in Cilicien 289 – 212 v. Chr. Diogenes aus Sileucia

199 Hu 193. 101 legenheit die Schlu sel der Akropolis vertraut –­  ­23–26 Später ist … übrig.] Hu: C h r i s i p p u s aus Cilicien ist auch beruhmt in 120 Olimpiade gebohren. Schuler praecedentis. Er bildete und brei- 3.) Chrisippus. tete die Stoische philosophie nach der Seite der Dialektik aus. Und man sagte die Götter koennten 280 geb. 212 gest. sich so einer Dialektik nur bemühen – wenn sie einer gebrauchten – Er hat vieles originelles.­  ­ 4.) Diogenes. 35 27–29 weil er … geschickt.] Hu: er war Gesandter nach Rom die andern waren auch philosophen Karneades Akademiker und Kritolaus peripatetiker 598 Jahr der Stadt.

30 14–15 nährte sich … Honig.] Hu: naehrte sich blo s mit Feigen – auch wurden ihm in einer Ange-

4  Kitische aus … Kypros.] (Kitische aus Kition auf nachtr. Korrektur teilweise auf Rasur) Kypros. (nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen)­  ­12 ποικιλη nachtr. über der Zeile­  ­21 aus Assos nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­   24M Cilicien] Sicilien  ­26–27 am Tigris nachtr. über der Zeile 40 mit Einfügungszeichen­  ­31 Akropolis] Akrokopolis­  ­36 598] 589

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Poseidonios aus Apamea. Epictet aus Phrygien.

Antoninus der Stoiker

Philosophie der Stoiker. Sie theilt sich von jetzt an bestimmter in: Logik Physik Ethik stoïsche Physik. Der Grundgedanke ist, daß der Gedanke überhaupt das Herrschende in der Natur sei. Die Natur die den λογος in sich hat ist als der sie bethätigende λογος natura naturans, als der Gebildete natura naturata. Der λογος in der Natur ist der Thätige, die Natur als solche der passive λογος als die allgemeine Materie.

5. Panaetius.

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Römer zuerst mit griechischer Philosophie bekannt geworden. Der alte Cato lebte zu jener Zeit und es ist bekannt, daß als er sah, daß die römische Jugend sich für die Philosophie interessirte, er den Staat aufforderte die Fremden fortzusenden. Poseidonios aus Apamea ist der Lehrer Cicero’s, nach dem er seine Bücher von den Pflichten schrieb. Epictet ein Phrygier ist später berühmt. Er war zuerst 5 Sclave und begab sich nach Rom, unter Domitian, der 94 nach Chr. die Philosophen aus Rom vertrieb. Arrian schrieb aus Epictet’s Vorträgen vieles auf. Zuletzt zu nennen ist der römische Kaiser Antonin, 161 – 180 nach Christi. Von ihm haben wir ein Werk: “Schriften an sich selbst.” Sie sind nicht speculativ, sondern haben das Interesse, großer Gesinnungen. 10 Dieß sind die Hauptpersonen unter den stoïcern. Was die Quellen betrifft so sind sie bekannt. Es sind Theils Epictets und Antonin’s Schriften, ferner Cicero und Sextus Empiricus. Der Scepticismus hat 90 rHo sich viel | mit dem stoïcismus zu thun gemacht. Bei den stoicern nun theilt sich die Philosophie näher in die 3 Theile: Logik, 15 Physik und Ethik. Was die Physik betrifft, so enthält sie nichts Eigenthümliches sondern ist nach der heraklitischen gebildet. Es ist bei den Philosophen dieser Zeit überhaupt zu bemerken, daß sie eine sehr bestimmte Terminologie hatten, mit der man sich bekannt zu machen hat. Der Hauptgedanke der Physik ist dieses: daß der logos 20 die bestimmende vernunft das Herrschende durch alles sei. Dieser logos insofern er Gott genannt ist, kann den Stoïcismus Pantheismus benennen lassen. Aber alle Philosophie hat den Gedanken, daß die Vernunft das Treibende für Alles sei. Das Gesetz nun den logos in der Natur suchten die Stoiker zu erkennen, um das allgemeine Gesetz zu erkennen, um diesem gemäß zu leben. Der logos also sollte 25 in Beziehung auf menschliche Thätigkeit gewußt werden. Was das nähere betrifft, so kommt die Unterscheidung vor von thätigem λογος und passivem, der 4–5 Poseidonios aus … schrieb.] Hu: p a n ä t i u s ist Lehrer des Cicero. Aus Rhodos gebohren 180 v 200 Hu 194. Chr­  ­19 Terminologie hatten,] Hu: Terminologie hatte. Diess haben wir bey Plato und Aristoteles nicht gefunden –­  ­21–26 Herrschende durch … werden.] Hu: Herschende, Hervorbringende 30 durch Alles ist. Es ist eine verstaendige Seele. Alle philosophie geht von diesen pantheismus aus, dass der Begriff in der Natur das Treibende ist. In diesen Sinne sind die Hymne der pean – cf Stobeus „es geschiet nichts auf der Erde ohne durch Gott etc.” „nur ein λογος ist in Allen, welchen die fliehen die die Bösen sind” – Das ist die Hauptsache bey den Stoikern – sie erkennen diesen λογος in der Natur – vornehmlich deswegen um die allgemeine Vernunft daraus zu erkennen – und daraus das Ge- 35 setz der Menschen zu erkennen – und nach dem λογος gemä s zu Leben –­  ­27.621,1 λογος und … Natur.] Hu: λογος (und dem passiven, der natura naturata bey Spinoza) das ist der allgemeine Gott. 2 ist nachtr. über der Zeile­  ­4 Poseidonios aus Apamea] (Poseidonios aus nachtr. in eine Lücke geschrieben) Apamea. (nachtr. über der Zeile)­  ­7 Vorträgen] ohne Umlautpunkte­  ­13  Scep­t i­cismus] specticismus­  ­24–25M in der Natur nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­26M als solche 40 nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen

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Natur. Die näheren physischen Vorstellungen sind Heraclitisch. Der für sich seiende Gott hat die substanz durch die Luft in das Wasser getrieben, wobei sie den Ausdruck gebrauchen, das Wasser sei das Erzeugende für Alles. Es enthält den λογος σπερματικος, den samenzeugenden, der das Materielle zur Entstehung des Uebrigen Besonderen bethätigt. Das Feuer ist das Erste. Die οὐσια, die allgemeine Materie wird durch das Feuer aus der Luft in Wasser verwandelt, und dieses zur Erde vollendet, und umgekehrt geht aus dieser Luft und Feuer hervor. Das Feuer heißt καϑ᾽ ἐξοχην Element, durch die Umwandlung geht alles hervor. Heraclit hat in Betreff auf den allgemeinen Naturproceß die begriffsmäßige Vorstellung. Dieser Proceß ist das | ewige. Wird er oberflächlich aufgefaßt, wie bei Cicero, so kann die Vorstellung hereinkommen, als solle alles durch Feuer vergehen. Die Vorstellung dieses Naturprocesses ist aber: das bleibende zu sein, so daß alles nur ein Werdendes ist, ebenso entstehend als vergehend. Ferner nun sagen die stoiker, daß Pflanzen und Thiere die Lebendigkeit überhaupt Vermischungen dieser Elemente seien. Auch die Seele soll solch feuriges, Feuer die allgemeine Weltseele sein ein feuriger Hauch. So sprechen sie auch vom Einzelnen der Seele: das Sehen sei ein Hauch, vom λογος bis zum Auge fortgesandt, ebenso das Hören ect. – Die vernünftige Ordnung der Natur ist Gott, Schicksal, Natur. Eins ist für’s Andere zu setzen. Das Thätige, Treibende ist ein logisches mit dem Samen verglichen. In irgend einer Seele, in irgend einer Natur entspringt alle Bewegung von dem Anführenden, dem λογος[.] Alle Kräfte, die auf die einzelnen Theile ausgesandt werden, schickt dieß Beherrschende aus. Die Kräfte der Theile sind auch im Ganzen, weil sie das Herrschende den Theilen zutheilt. Das Ganze, das Allgemeine umhüllt die σπερματα des Lebendigen. Die Welt das Ganze ist logisch. Diese Bestimmungen nun der stoïker, in ihrer Form der Existenz sind theils heraklitisch, theils aristotelisch. Die stoiker bleiben aber bei der Allgemeinheit der Ansicht stehen, daß ein Allgemeines sei, so daß alles Besondere in einen allgemeinen λογος gefaßt wird. Aber bei diesem Allgemeinen bleiben sie stehen. Damit verknüpft ist, daß die Vorstellungen der stoïker von den Göttern sich wieder an die allgemeinen Volksvorstellungen anschließen. Alles was Cicero de divina-

8  durch die … hervor.] Hu: Es besteht alles durch μεταβολη des Feuers.­  ­10 oberflächlich] Hu: platter­  ­13–14 die stoiker, daß] Hu: sie: indem das Feuer die unbestimmte Materie verwandelt – so sind­  ­15 die Seele] Hu: der Geist­  ­18–22 Die vernünftige … aus.] Hu: Sie sagen dann Gott, νους ειμαρμενη, ϕυσις προνοια – sind Eins – das ist das thaetige Logische. Der λογος treibt also alles 35 heraus – und die Welt ist selbst λογος. Sie sagen auch das Becherschende ist der Anfang der Bewegung. Alle Kraefte werden von diesen ἡγεμονικος ausgeschikt. 5  Besonderen nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­7 hervor nachtr. über gestr. entwikelt­   ­16 sein nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­   der Seele nachtr. über der Zeile­  ­26 aristotelisch] arithotelish­  ­27 stehen nachtr. über der Zeile­  ­29 ist, nachtr. über der Zeile­  ­31 μεταβολη] 40 μεταβολι­  ­34 ειμαρμενη] αιμαρμενι­  ­  προνοια] χρονοια­  ­36 ἡγεμονικος] ἡκεμονικος

Die näheren Bestimmungen der Natur sind Heraclitisch Die Hauptbestimmung ist die des allgemeinen elementarischen Proceßes, den das Feuer erregt, und darstellt. Durch dasselbe verwandelt sich Luft und Wasser, welches alles Besondere erzeugt, und zunächst die Erde, die ihrerseits wieder sich zum Wasser umsetzt, während dieses sich zur Luft verflüchtigt. Alle weiteren individuellen Gebilde sind Vermischungen aus diesen Elementen. Alle Bewegung, alle Kräfte des Einzelnen entspringen aus dem allgemeinen λογος. Aber dieser λογος ist selbst nur das abstract Allgemeine und nicht weiter in sich selbst bestimmt. An die Ansicht aber, daß der λογος in der Natur thätig sei knüpft sich der Aberglaube der stoïker der in allen einzelnen Erscheinungen, Zeichen des λογος sieht, welche die Menschen determiniren.

γ.) der λὸγος ἡγεμονικὸς vermittelt alles.

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Philosophie des Geistes der stoïker vom Erkennen. Die Wahrheit sei das als dem λογος entsprechend Gedachte Das Organ für die Wahrheit daher ist die gedachte Vorstellung.

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202Hu 196. 2.) Geistige Seite dieser philosophie. a.) Theorie des Erkennens. α) d a s κριτήριον  | der Wahrheit ist ϕαντασία καταληπτικη

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tione angiebt ist in dieser Rücksicht stoïsch. Die stoïker erkannten die Natur als eine Thätigkeit des νοῦς, und die Erscheinungen in ihrer Einzelheit, Vögelflug ect nahmen sie als göttliche Erscheinungen, welche für | die Menschen Andeutungen sein sollen, was er zu thun habe. Cicero sagt: “wenn die Götter sich nicht offenbarten, so thäten sie es entweder, weil sie die Menschen nicht lieben, oder weil sie es nicht wissen, oder weil sie meinen, der Mensch brauche es nicht zu wissen, oder sie halten das Zukünftige zu prophezeihen nicht ihrer Majestät gemäß: da dieß alles aber nicht der Fall ist, so offenbaren sie alles Zukünftige den Menschen.” Der große römische Aberglaube hatte also an den stoïkern seine stärksten Patrone, indem sie den allgemeinen Gedanken hatten, daß das Göttliche in der Natur das Herrschende sei. Sie machen den Sprung von dem Allgemeinen unmittelbar zum Einzelnen. Das Göttliche ist zwar das Allgemeine Thätige, wo das wahrhafte der Interessen den Menschen offenbart ist. Verschieden aber davon sind die einzelnen Nützlichkeiten. Dieses Einzelne ist nicht in dem geoffenbarten Göttlichen enthalten. Was die Seite des Geistes anbetrifft, so wäre zunächst von der Weise zu sprechen, wie die stoïker das Erkennen selbst fassen. Sie haben das eigenthümliche Prinzip zu sagen: der Grund des wissenschaftlichen ist die gedachte Vorstellung. Diese sei das Wahre und Gute. Das Wahre und Gute sei das, was anerkannt wird als der Vernunft entsprechend. Dieß Entsprechen kommt daher, daß es begriffen, erkannt wird als das Vernünftige. Das Denken als solches also wird die Grundbestimmung für das stoïsche. Die gedachte Vorstellung ist das Kriterium aller Wahrheit, die Kataleptische Phantasie, die begriffene Vorstellung. Die Vorstellung nannten sie τυποσις, Einbildung, Veränderung. Sie sei das Erste, daß sie wahr sei, dieß müsse durch das Begreifen hereinkommen. Es ist ein Fortgang von der Veränderung dazu, daß wir dieß Andere uns zu eigen machen, es denken. Ich und Denken ist identisch. Bei der Vorstellung ist ein Inhalt, der der Allgemeinheit des Ich nicht gemäß ist. | Zeno hat die Momente dieses Zueignens mit der Bewegung der Hand verglichen. Er zeigt die flache Hand und sagt dieß ist ein Auffassen. Dann bog er die Finger, und sagt dieß ist das Zustimmen. Dann macht er eine Faust, und sagte dieß sei die Katalepsis, der

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7–8 nicht ihrer … gemäß:] Hu: ihrer Majestät nicht angeme sen, oder koennen es nicht bemerklich machen –­   ­16 Was die … anbetrifft,] Hu: Nun wollen wir zur geistigen Seele übergehen.­  ­18 wissenschaftlichen] Hu: Erkennens­  ­20–21 Dieß Entsprechen … Vernünftige.] 203Hu 197 103 Hu: Diess ist aber Vernunft was man gedacht hat. Das ist der ορϑος λογος.­  35 4  zu thun habe] (1) thun solle (2) zu (nachtr. über der Zeile) thun habe (nachtr. über gestr. solle)­   die nachtr. über der Zeile­   nicht nachtr. über der Zeile­  ­6 es1 nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­weil sie nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­9 seine] ihre (Numerus nach dem unmittelbar vorangehenden Substantiv)­  ­12 zwar nachtr. über gestr. ihnen­  ­32 Majestät] Majestent­  ­35  ορϑος] ορτος­  ­37M der | der 40

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Begriff, das Begreifen, nach allen Seiten. Dann nahm er noch die linke Hand und faßte die Faust damit, sagend: dieß sei die Wissenschaft, der nur der Weise theilhaftig sei. Das erste sei die Vorstellung, das Denken müsse ihr zustimmen, sie so fassen und die Einheit dieses Gedachten mit dem Denken dem Bewußtsein der Uebereinstimmung beider dieß sei die Wissenschaft. Das Erste also ist das unmittelbare Auffassen, das zweite die spontaneität des Aufnehmens. Dieß Aufnehmen, diese Phantasie kann wahr und falsch sein, erst das begreifende Denken macht die Vorstellung wahr. Dieß ist aber noch nicht die Wissenschaft, sondern diese ist das sichere Auffassen durch das Wahre Prinzip. Der wahre Begriff liegt in der Mitte der Thorheit und der Wissenschaft. Im Wissen ist die Einsicht in die Gründe vorhanden. Die Kataleptische Phantasie ist das Wahre als solches, die Wissenschaft das Wissen des Wahren als wahren. Wir können diesen Vorstellungen der stoïker unseren Beifall geben. Allein das Mangelhafte ist das bloß formelle. Denn das höchste was angegeben ist, ist daß das Denken als solches, einen Inhalt sich zu eigen macht, ihn in ein Allgemeines verwandelt. Die Bestimmungen aber auf diese Weise sind das Gegebene und das letzte Kriterium. Die formelle Identität des Denkens mit sich. Es ist kein absolutes Selbstbestimmen des Denkens gegeben. Das Prinzip der stoiker somit ist das formelle. Der Gang dazu, daß das Denken das Kriterium sei, ist wichtig, das Kriterium aber ist abstract. | Die abstracte Uebereinstimmung ist das ganz Leere, das Hohlste. Die Uebereinstimmung muß eine höhere sein, eine solche, daß mit dem Anderen seiner selbst das Eine übereinstimme. Indem nun die stoïker das Denken zum Prinzip machten, bildeten sie vornehmlich die formelle logik aus. Dieses Logische haben sie nach mannigfaltigen Seiten hin weiter ausgeführt. Besonders die Stoïker nimmt der Sceptiker von dieser Seite vor, und sagt: “Die stoïker meinten: ein

1  Begriff,] Hu: Begriff. (: dies ist auch in der Deutschen Sprache – begreifen – befa sen :)­  ­2–10 der nur … Wissenschaft.] Hu: Hier sagt Cicero der die Wi senschaft besitzt ist nach den Stoikern der Weise. (Absatz) Das erste war also die flache Vorstellung, die flache Hand – das zweite ist die Spontaneitaet der Vorstellung – diese koennen auch die Narren haben wie die Stoiker machten – dieses 30 ist eben nichts mehr als die Veraenderung der Vorstellung. Erst wenn sich die Hand zumache wird meine Vorstellung identisch mit der Sache. Nun weiter sagten sie zwischen der Thorheit und der Wahrheit liegt die Wi senschaft, Einsicht dieser wahrheit.­  ­15–18 ihn in … gegeben.] Hu: dadurch macht es ihn zu einem Allgemeinen – damit hat es auch Bestimmungen aber die gegeben sind – damit ist das Kriterium nur formell – Es ist die Frage nehmlich mit w a s das Denken zusam35 menstimmen soll? hier ist kein princip angegeben.­  ­20 Die abstracte … Hohlste.] Hu: Insofern ist der Grundsatz Wiederspruch – denn eben das was sich am vollkommensten gleich ist – ist das Inhaltslose, Abstrakteste­   ­24–25 Besonders die … vor,] Hu: Hier ist Sextus Empricus die Hauptkwelle. 4  mit dem Denken] (1) mit (2) (mit d. Denken nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen)­  ­16 sind 40 nachtr. über gestr. ist­  ­24 Stoïker] spectiker­  ­25 Sceptiker] stoïker­   “Die stoïker meinten: nachtr.

über der Zeile mit Einfügungszeichen

Die Momente dieses Organs sind: Die Vorstellung, welche noch ein Anderes als das Denken in sich habe. Um wahr zu sein müsse das Denken, indem es ihr zustimmt, sie zu dem Seinigen machen. Die Wissenschaft sei das Bewußtsein darüber, daß die Vorstellung identisch mit dem Gedanken sei; sie ist also das Bewußtsein des Denkens von sich selbst. Somit aber ist das letzte Kriterium die abstracte Identität des Selbstbewußtseins mit sich, die abstracte Allgemeinheit des Dankens als solchen, welches nicht das Prinzip des Bestimmens in sich habend nur formell ist und statt seinen Inhalt aus sich entspringen zu lassen ihn von Außen aufnimmt und ihm nur die Form der Allgemeinheit giebt.

β.) drey Stufen des Wi sens sinnliches Auffa sen, Wahrheit, Wi senschaft.

204 Hu 198.

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Vom Handeln. Den Ausgangspunkt macht der Trieb aller Lebendigkeit mit ihrem Prinzipe sich identisch zu setzen. Dasselbe Prinzip der Uebereinstimmung mit sich als dem des allgemeinen Denkenden macht die Regel für das Handeln. Das Vergnügen sei das Bewußtsein dieser Uebereinstimmung. Die höchste Tugend ist das dem Vernunftgemäßen Leben.

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Die stoïker setzten also das Prinzip des Handelns in dem durch das Denken erkannten Allgemeinen.

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Sein hat seine wahrheit nur in der Uebereinstimmung desselben mit dem Bewußtsein. Aber das denkende Bewußtsein ist selbst nur formell, sich seiner Leerheit zu entschlagen, bedarf es eines Anderen.” Was die moralischen Grundsätze betrifft, so folgen sie aus dem, was wir als die Grundsätze des Theoretischen der Stoiker sehen. Sie gehen von psychologischen Bestimmungen aus, daß die erste Begierde des Thieres darauf ausgehe sich selbst nach seiner ursprünglichen Natur zu erhalten. Die Hauptbestimmung in diesem Triebe ist das Streben der Zusammenstimmung mit sich selbst. Das Lebendige hat in dieser Beziehung ein Selbstgefühl. Es treibt das Schädliche von sich ab und nimmt das Dienliche auf. Dieß ist dann überhaupt das Prinzip der Moral der stoïker, die Zusammenstimmung des Menschen mit sich als denkenden, als dem Wesentlichen seiner Natur. Dieser Trieb ist die erste Bestimmung. Die 2te ist die des Vergnügens. Dieses ist so gestellt, als komme es hinzu, wenn der Mensch das mit sich Zusammenstimmende thäte, und ein Bewußtsein dieser Zusammenstimmung erhielte. Die vernünftigen Lebendigen machen wie die Thiere ihre Natur zum Zwecke. Diese Natur ist das Vernünftige. Die Vernunft wird der Künstler des Triebes[.] Das Höchste der stoïker ist daher: der Natur gemäß dh. nach der Tugend leben. Dieß ist das summum bonum, der Endzweck, finis bonorum. Der Natur gemäß leben ist nicht in dem Sinn zu nehmen, dem Naturgesetze des Natürlichen folgen, | sondern Natur heißt hier das Wesentliche des Menschen, wodurch er Mensch ist, das Denken, die Vernunft, der λογος. Das Vernünftige ist, was uns das Denken vom Natürlichen überhaupt und dem Menschen lehrt. Dieß allgemeine Gesetz herrscht in der Natur und in uns, und ist dasselbe als in Jupiter dem Lenker aller Dinge ist. Was hierüber zu bemerken ist, ist zuerst, daß die stoïker die Tugend darein gesetzt haben, dem Gedachten zu folgen, daß sie es im Allgemeinen, in die richtige Vernunft setzen. Diese wird nur durch das Denken erkannt. Dieß Allgemeine ist dem Triebe entgegengesetzt. Dieß ist ganz richtig. Was sittlich und recht ist, ist das Allgemeine. Etwas ist sittlich inso-

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7 Natur] Hu: Natur – was das ἡγεμονικὸν ist –­  ­13–17 wenn der … Triebes] Hu: wenn die Natur diess empfaengt was ihrer Zusammenstimmung nützlich ist – Sie Sagen in den pflanzen ist nicht 30 Trieb in Begierde – das Thier hat den Trieb – aber nach etwas pflanzlichen – Die Begierde ist noch Unmittelbare – die Menschen aber bilden den Trieb durch die Vernunft.­  ­19–20 Der Natur … folgen,] Hu: „Der Natur gemä s” mu s man nicht so nehmen – im Gegensatz gegen die freie Selbstbestimmung. 1–2  desselben mit … Bewußtsein] (1) d. Bewßtsns (2) (desselben mit nachtr. über der Zeile mit 35 Einfügungszeichen) d. Bewßtsn (nachtr. aus Bewßtsns)­  ­2 ist selbst] (1) sei (2) (ist selbst nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen)­  ­3 bedarf es] (1) bedürfe (2) bedarf (nachtr. aus bedürfe) es (nachtr. über der Zeile)­  ­19 in dem] (1) im (2) in (nachtr. aus im) dem (nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen)

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fern eine allgemeine Bestimmung sich darin hat geltend gemacht. Das substantielle der Verhältnisse soll gethan werden, die Sache. Gesetze und dergleichen sind allgemeine Bestimmungen. Ein Mensch, der ehrlich in Handel und Wandel ist, verhält sich der Bestimmung des Eigenthums gemäß. Diese respectirt er. Sie ist das substantielle Verhältniß in diesem Verhalten, dem alle anderen Triebe, Wünsche und Rücksichten müssen nachgesetzt werden. Die Einsicht in dieß Allgemeine war bei den stoikern die wesentliche Bestimmung für das Handeln der sittlichen Individuen. Es sollte ein denkend gebildetes sein. Triebe, Neigungen gehen auf Besonderes, diese sollten unterdrückt werden. Der Mensch handelt immer im Besonderen, aber ein Anderes ist das Einzelne als solches wollen und das substantielle dieses Einzelnen. Indem die stoïker dieß Allgemeine zum Gesetz machten haben sie den Menschen über die Einzelheiten erhoben und darin besteht das Energische des stoïcismus, nur das Wesentliche zum Endzweck aller Interessen zu machen. Zweitens nun aber hat dieß Allgemeine noch keinen Inhalt, sondern ist noch unbestimmt. In Ansehung dieser Seite ist es also, daß die Tugendlehre der stoïker mangelhaft erscheint, und hohl und langweilig. Die Tugend | wird empfohlen; was aber dieß allgemeine Gesetz sei, dafür fehlt es an Bestimmungen. Denn sowie man sich auf den Standpunkt solcher Allgemeinheit stellt muß alle Bestimmung fallen. Was nun weiter in Betracht kommt ist, daß bei den stoikern die Frage wichtig wird: wie Tugend und Glückseligkeit sich zueinander verhalten? Dasselbe brachten die Epicuraeer zur Betrachtung. Daß diese Bestimmungen sich gegenüberstehen folgt unmittelbar. Tugend ist das dem allgemeinen Gesetze zu folgen. Der Wille bethätigt das allgemeine Gesetz, und dabei steht ihm gegenüber die Befriedigung des Individuums als solchen. Der Tugend folgend verhalte ich mich zu einem Allgemeinen, I c h bin dabei nur die formelle Energie der Be­ thätigung des Allgemeinen. Das zweite ist dann aber, daß I c h ein besonderes Individuum bin und danach Befriedigung verlange. Die Tugend ist die Zusammenstimmung meiner als des Allgemeinen Denkenden, Hervorbringenden. Zweitens als besonderes fordere ich auch Zusammenstimmung mit mir, Ich bin existirend, eine Breite des Daseins, welche mit mir als einem Besonderen übereinstimmen soll. Dieß ist die Seite wohin die Glückseligkeit fällt. Der Tugend folgen ist Ueber­

9–11 Der Mensch … Einzelnen.] Hu: Es ist wahr dass der Mensch im Handeln nur Einzelnes vor sich hat – aber dieses Einzelne kann oder Allgemeines sein oder Besonderes.­  ­16–17 wird empfohlen] Hu: wird nur empfohlen – sehr energisch, schön­  ­22–23 das dem … folgen] Hu: der 35 Natur gemä s zu leben­  ­26  I c h ] Hu: ich wesentlich­  ­31–626,1 Dieß ist … Besonderen.] Hu: hierher gehört das Vergnügen, Lu t, Glükseligkeit. Von beiden Seiten ist Befriedigung dort als Allgemeinen, hier als Besondern Subjekt. 7  bei den stoikern nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­29 fordere nachtr. über gestr. bin

Damit verbunden ist das Unterdrücken des Triebes, der nur immer auf das Einzelne als solches, nicht wie das denkende Handeln auf die allgemeine substantielle Natur der einzelnen Handlung geht. Indem aber dieß allgemeine Gesetz des Handelns das nur abstract allgemeine ist, fehlt ihm alle Selbstbestimmung, und es zeigt sich als Inhaltslos.

Verhältniß der Glückseligkeit und Tugend Tugend ist das aus allgemeinen Gesetzen entspringende Handeln des Individuums, das Handeln also des Individuums als des schlechthin allgemeinen. Zugleich aber verlangt das Individuum als Besonderes seine Befriedigung und diese ist die Glückseligkeit

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626 Beide Befriedigungen als sich entgegengesetzt kommen in Collision. Bei den Stoïkern ist die Auflösung diese: daß nur allein in der Tugend die Glückseligkeit gesetzt ist, und somit die Glückseligkeit als Befriedigung des Besonderen als Besonderen als gleichgültig ausgesprochen wird. Indem aber das allgemeine Gesetz des Handelns das ganz abstracte ist, so fällt jede besondere Verpflichtung außerhalb. Hiedurch aber fehlt überhaupt ein Kriterium was im Einzelnen Tugend sei, und dieß Kriterium wird in die Uebereinstimmung des denkenden Bewußtseins mit sich also in das subject verlegt.

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einstimmung, so auch in der Glückseligkeit als Bethätigung meiner als Besonderen. Beide Befriedigungen kommen in Collision, indem ich eine oder die andere Befriedigung suche, so komme ich mit mir selbst in Collision. Die Auflösung dieses Gegensatzes ist das Problem. Bei den stoïkern ist die Stellung beider schon angegeben. Die stoïker sagten: das Vernünftige sei das Voll- 5 kommene, Vergnügen sei nur hinzukommend, ein bloß Accessorisches, das kommen kann oder nicht. Nur die Tugend sei das zu Suchende, das Vergnügen gleichgültig. Das Andere nun, die Glückseligkeit, das Nützliche das utile gegen das honestum ist bei Seite zu stellen. In der Tugend bestehe die Glückseligkeit. Die Tugend bestehe für sich. | Diese Glückseligkeit sei die Wahrhafte, die uner- 93vHo schütterlich sei. Ein fernerer Gegensatz ist der; daß, indem die stoïker zum Prinzip machten; das allgemeine Gesetz solle das Bestimmende des Handelns sein, es denn keine feste Bestimmungen mehr giebt. Das allgemeine Gesetz soll die Richtschnur sein. Jede besondere Pflicht erscheint als das Nicht-Allgemeine. Insofern fällt ein letztlich entscheidendes Kriterium, was das Gesetz, was Tugend sei, fort. 15 Hieraus folgt, daß insofern der allgemeine Grundsatz abstract ist, die Entscheidung dem subject anheimfällt. Ebenso wie wir bei den Griechen die Orakel als das Entscheidende sahen, finden wir jetzt das subject als das Entscheidende für das Recht. Bei den Griechen bestimmte sich das Sittliche als Sitte. Solche Bestimmungen machte socrates wankend. Das Entscheidende wird somit jetzt subjectiv; das sub- 20 ject ist die letzte substanz, es entscheidet aus sich, aus seinem Gewissen. Und hiedurch kommt es, daß die stoïker das Ideal eines Weisen aufstellten dh. das subject

  Die Auflösung … Problem.] Hu: Suche ich das Allgemeine so vernachlä sige ich das Einzelne – 4 das ist nun das Problem das die Stoiker auflö sen wollten –­  ­7–11 Nur die … sei.] Hu: Der Mensch muss nur das erste zum Zwek machen und gleichgültig sein gegen das Andere. Dieses Andere nun das zu meiner Befriedigung als Einzelnen faellt ist das was man gut zu nennen pflecht – honestum et bonum. Es handelt sich mehr um die Vereinung dieser Zweyen. Die Stoiker sagten die Tugend ist nur zu suchen – aber sie sagten mit der Tugend ist zugleich die Glückseligkeit gebunden – und diese Glückseligkeit die aus der Tugend folgt ist die wahrhafte, unerschütterliche – obgleich der Mensch nach andern seiten in Unglück verführt. So ist dieser Gegensatz aufgelö st.­   ­12–15 das allgemeine … fort.] Hu: dass die Vernunft das Bestimmen des Handelns sey – so haben sie bemerkt dass es so keine feste Bestimmung giebt – wenn das allgemeine Gesetz zur Richtschnur gemacht wird. Das Recht ist auf diese Weise besonderer Inhalt. Es ist dann insofern das letzte Kriterium was Recht sey, Tugendhaft sey – darin dass es kann nicht vorhanden seyn – weil es ein allgemeines Gesetz seyn soll – was befolgt | seyn soll.­  ­18 finden wir … Recht.] Hu: hier aber ist es das Subjekt – die tiefe Innerlichkeit als das Entscheidende – Dieser Grundsatz faellt in die Römische Welt.­  ­22.627,1–15 dh. das … werden.] Hu: Was Recht ist, ist nach ihnen unbestimmt – erst der Weise weiss was Recht ist. Hier stellen sie auf zum theil positiv zum theil negativ was der Weise thue – diess ist sehr merkwürdiges – sie sagen der Weise ist frey – auch in festen – er handelt nur in sich – durch das Denken – durch Furcht und Begierde bleibt er unbestochen – diess ist nemlich das Einzelne. So wird der Weise durch nichts Besonderes angegriffen werden. Sie sagen der

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ist das Entscheidende. Vom Weisen machen sie weite Beschreibungen; die Hauptsache ist das Negative, daß für ihn nichts fest ist. Er sei frei in sich, abstract bei sich in seinem Denken, dem gemäß er sich benimmt, von Furcht unbestochen. Die Furcht ist das Sich an Einem Besonderen seiner ergreif bar wissen. Was nur das Allgemeine will ist in sich frei und furchtlos. Der Weise ist der König; an kein Gesetz gebunden, sondern nur der Vernunft unterworfen, für nichts verpflichtet. Für ihn ist nur verboten, wofür sich ein vernünftiger Grund angeben läßt. Aber der vernünftige Grund ist nur das allgemeine Gesetz überhaupt. Indem die stoïker überhaupt was Tugend sei, durch’s Denken bestimmen wollten, ohne in ihrem Denken einen concreten Grundsatz zu finden, so beruht die Hauptsache auf Räsonnement, das oft glänzend, geistreich und witzig ist, aber auf Gründen beruhend ohne letzten Grund, der Repliquen fähig wird; es ist eine Rednerei, wie bei seneca, bei der man oft sich erwärmt aber ebenso | langweilt. Der Scharfsinn, die gute Meinung ist anzuerkennen, aber das Letztlich für die Ueberzeugung fehlt da die Gründe auf kein Letztes zurückgeführt werden. Dem stoïcismus steht als zweite Stufe der Epicuraeismus gegenüber. Was früher als das Cynische und Cyrenaeische erschien zeigt sich jetzt als in den stoïcismus und Epicuraeismus übergegangen. Die Cyniker sagten schon: der Mensch müsse sich auf die einfache Naturnothwendigkeit beschränken. In solche beschränkte Bedürfnisse des Physischen setzten nun die stoïker die Naturnothwendigkeit nicht; sondern in den allgemeinen λογος. Sie haben das Cynische zum Gedanken erhoben. Ebenso hat Epicur das Cyrenäische Prinzip zum Gedanken erhoben. Das Vergnügen sei in einem Gedachten zu suchen. Diogenes Laertius

Das Entscheidende ist das Gewissen. Indem dieß Entscheiden gleichfalls abstract ist, so fehlt ihm alles Besondere, das somit als ein Nichtan-und für sich gültiges angesehen wird. Das Kriterium für das Handeln ist die Weisheit, die Uebereinstimmung mit der Vernunft, welche das abstract Allgemeine ist.

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Zweite Stufe. Der Epicuraeïsmus. Das andere Moment gegen die abstracte Allgemeinheit, welches dieser abstraction wegen außerhalb derselben ist die Besonderheit als solche, welche als Prinzip des absoluten festgehalten das Prinzip des Epicuraeïsmus giebt.

Weise ist der Koenig denn er ist allein nicht an die Gesetze gebunden – er ist von der Vernunft 25 freigesprochen von den Gesetzen – Sie sagen zB. alles ist dem Weisen erlaubt – zB. Menschen-

fleisch zu e sen – wo ein vernünftiger Grund sich angeben lae st – diess ist nur für ihn verbindend – aber diess ist eben was wir gesagt haben dass es das Allgemeine, das Unbestimmte, Schwankende ist. (Absatz) Wir haben viele Schriften zum theil sehr erbauliche von dieser Schule – es fehlt aber in ihnen ein immanenter Grundsatz des Denkens – davon haben wir schon gesagt. Ihr R e s o n ä m e n t 209 Hu 203 105 beruht auf Grunden – es ist auch öfters sehr | glaenzend, und rührend. Es ist überhaupt eine Rednerey zB. bey Seneca, die zwar rüheren kann, aber nicht befriedigen. Den Scharfsinn des Seneca mu s man anerkennen, und nur mit Vergnügen kann man vieles in ihnen lesen – das eigentliche fehlt aber nemlich das Letzte, der Begriff. (Absatz) Wir mü sen es uns genügen la sen mit der abstrakten Angabe der Grundsatze.  21 das Cynische] Hu: das Cynische princip­ 35 7  sich nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­12 wird nachtr. über der Zeile­  ­14–15 Letztlich

für … werden.] (1) Letzte der Uerberzeugg ist mangelhft da es auf kn Letztes zurükgeführt ist. (2) Letztlich (nachtr. aus Letzte) (für die nachtr. über gestr. der) Ueberzeugg fehlt (nachtr. über gestr. ist mangelhft) da ( folgt nachtr. gestr: sie über gestr. es) (d Gründe nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen) auf kn Letztes zurükgeführt ( folgt nachtr. gestr: ist.) werden.­  ­16 erschien] ershein  ­17M Mo40 ment nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­­  ­23 erhoben nachtr. aus gehoben­­  ­26 lae st] ist­­

III Diese Tugend wird so nur durch Raisonement begründet. II. Epicureismus 1.) Die Cyrenaiker gingen in den Epicureismus wie die Cyniker in die Stoiker über.

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Biographie Epicurs Er ward zu Gargethos bei Athen in der 109ten Olympiade geboren. 342 – 270 v. Chr.

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2. Leben des Epicur.

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sagt “daß die Cyrenaiker nicht das καταστηματische als Vergnügen sondern das Vergnügen in die Bewegung setzen, d. h. im Genuß einer Lust, während Epicur das Vergnügen auch in die Ruhe setze, in die innere Zufriedenheit des Geistes mit sich selbst. Epicur habe gesagt die ἀπονία und ἀταραξια sei das Vergnügen, hingegen seien Lustigkeit ect nur Vergnügen nach der Bewegung, ein sinnliches. Ferner haben die Kyrenaïker die Schmerzen des Körpers für ärger gehalten, als die der Seele, Epicur umgekehrt.” Epicur ward in der 109ten Olympiade in ihrem 3ten Jahr geboren und zwar als Athener. Seine Gegner die stoïker haben über ihn eine Menge schlechter Anecdoten ausgebreitet. Sein Vater war Schulmeister, seine Mutter beschäftigte sich mit Aussprechen von Formeln. Sein Vater zog mit einer Colonie nach samos, doch im 18ten Jahr kehrte Epicur nach Athen zurück, studierte dort die demokritische Philosophie hatte mit Xenokrates Umgang. Er selbst nannte sich αὐτοδιδακτος. Seine physische Philosophie ist die des Democrit. In Mytilene und dann in Lampsacus trat er als Lehrer auf; 31 Jahr alt | kehrte er nach Athen zurück, kaufte sich einen Garten und lebte dort mit seinen Freunden höchst mäßig, starb 71 Jahr alt an Steinbeschwerden. Er ließ sich vor seinem Tode in ein Bad bringen, einen Becher Wein reichen und empfahl seinen Freunden seine Lehren. Seine Schüler blieben seinen Lehren getreu, so daß es bei ihnen als Unrecht galt an Epicurs Lehre zu ändern. Cicero der sonst sehr fade von Epicur spricht, giebt ihm doch das Zeugniß eines warmen Freundes und milden Menschen. Seine Freunde liebten ihn sehr. Sie wollten eine gemeinschaftliche Casse führen. Er untersagte es indem er sagte, es verrathe Mißtrauen sich nicht beistehen zu wollen. Zum Lobe dieser Lehre wird gesagt nur ein Schüler sei zum Karneades übergegangen, sonst habe diese Schule an Dauer und Gleichheit der Lehre alle Schulen übertroffen. Es schließt sich daran, daß Epicur keine berühmte Schüler hatte, die seine Lehre ausführten. Er selbst schrieb sehr viel. Wir besitzen von diesen Schriften nichts mehr. Eine Hauptquelle ist das Xte Buch des Diogenes Laërtius. Dann ist sextus Empiricus wichtig. Neuerdings ist in Herculanum eine

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8 Epicur ward … geboren] Hu: E p i c u r geboren 109 Olimpiade 3 Jahr – also in die Zeit Zeno’s – 210 Hu 204. Aristoteles starb 114 Olimpiade.­  ­10–11 Sein Vater … Formeln.] Hu: Er war aus armen Hause – seine Mutter war eine Bezauberinn (doch nicht Hexe)­  ­19–20 so daß … ändern.] Hu: und diess ging so weit dass man es als Verbrechen annahm etwas an seiner philosophie zu aendern.­  ­24 Schüler] Hu: Schüler der Metrodor 1  nicht nachtr. über der Zeile­   καταστηματische] κατασϑεματishe­   als nachtr. über der Zeile mit 35 Einfügungszeichen­  ­1–2 sondern das … die nachtr. über gestr. in­  ­4  ἀπονία] ἀπόνια­   ἀταραξια nachtr. über unleserlicher Streichung­  ­17 ein nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­18 seinen Freunden nachtr. über gestr. ihnen­  ­25 alle] aller (nachtr. aus alle; verfehlte Korrektur)­  ­30  109] 101­  ­ 34 Metrodor] Metador

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Schrift Epicurs herausgekommen, doch ist sie fragmentarisch und wenig daraus zu lernen. Sie ist in Neapel herausgekommen, in Deutschland Leipzig 1808. Was Epicurs Philosophie betrifft, so ist das Erste die Canonik wie er die logik nannte. Die Bestimmung in Ansehung der Erkenntniß ist dreifach. Das Kriterium der Wahrheit bestimmt sich also dreifach. Diese Kriterien sind die Empfindungen überhaupt, die προληψις in Ansehung des Theoretischen, die Triebe im Practischen. Die Momente sind: die Empfindung, die Vorstellung, προληψις , und δοξα Meinung. Die Empfindung ist αλογιsch, ohne Grund, wird nicht durch sich selbst bewegt, | kann nicht kritisiren, eine ähnliche kann nicht die ähnliche, eine unähnliche nicht die unähnliche beurtheilen, jede ist für sich, die Empfindung ist Einzeln. Aber das Denken selbst könne nicht die Empfindung critisiren, denn es hänge von der Empfindung ab. Die Wahrheit nun aber des Empfundenen solle berührt sein und zwar dadurch, daß es ein Bleibendes sei. Dieses Bleibende, das Wiederholte in der Empfindung ist das Feste, Bestimmte. Dieses Feste sei die Grundlage für alles Wahre. Diese bleibende Empfindung wird vorgestellt, und diese vorgestellte Empfindung ist die προληψις , die Erinnerung des oft Erschienenen. Ich sehe zB. einen Menschen; daß er ein Mensch ist sehe ich durch die Vorstellung die ich von einem Menschen habe. Diese habe ich durch die häufige Empfindung. Diese feste Vorstellung wird durch den Namen befestigt, und dieser ist es, was den Dingen die Evidenz die ἐναργεια giebt. Diese besteht darin, daß etwas wiedererkannt wird durch subsumtion unter die schon besessenen Verstellungen. Es ist dieß das, was bei den stoikern die Zustimmung des Denken ist. Das dritte nun die δοξα ist eben nur die Beziehung der προληψις auf irgend einen Gegenstand; das Urtheil. Diese Meinung kann wahr und falsch sein; wahr ist sie, wenn sie bestätigt wird; sie selbst hat zu ihren Kriterien die wiederhohlte Dasselbigkeit der Empfindungen. In Ansehung des Practischen sind die innerlichen Empfindungen, Vergnügen und Schmerz das Kriterium. Das Vergnügen ist das dem Empfindenden Angehörige, der Schmerz das ihm Fremde. Diese selben Stufen ziehen sich dann auch durch den practischen Theil. Dieß ist die epicuraeische Canonik. Es ist dieß alles ganz richtig. Wir haben Empfindungen; aus ih-

211Hu 205. 107 22 die Zustimmung] Hu: der Bey-|fall, Zustimmung­  ­23 προληψις] Hu: allgemeinen Vorstellung, des 212Hu 206. Namens­  ­24 Meinung] Hu: Subsumtion eines vorher gehenden Gegenstandes­  ­25 bestätigt wird;] Hu: bestaetigt wird – das ist der Typus –­  ­27–29 das dem … Theil.] Hu: das positive – Schmerz das Negative – Sie sind das Bestimmende zum Handeln. Diese sind wieder προληψις und δοξα.­  ­30 Es 35 ist … richtig.] Hu: Es sind ganz psychologische Vorstellungen. Sie sind ganz richtig.­  ­ 6  προληψις] προλεπσις­  ­7  προληψις] προλεψις­  ­14M  πρόληψις] πρόλεψις  ­16  προληψις] προλεψις­   ­20  ἐναργεια] ἐνεργεια­  ­23  προληψις] προλεψις­  ­24M  προληψις] πλολεπψις aus πλολεπσις  ­ 25  selbst nachtr. über der Zeile­  ­25–26 die wiederhohlte … der nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­­  ­32 vorher über der Zeile mit Einfügungszeichen

Philosophie des ­Epicur. Canonik Epicurs. Die Kriterien für die Wahrheit sind: a. Die Empfindung als solche. Die αἴσϑησις. Sie sei das schlechthin unmittelbar in sich Bestimmtsein des Einzelnen. b. Die πρόληψις ; die Vorstellung. Sie sei das Bleibende Feste immer Wiederkehrende in der Empfindung

Der Name macht dieß wiederkehrende zu einem allgemeinen Festen. c. Die δοξα. Die Beziehung der προληψις auf die unmittelbare affection. Die wahrheit dieser Beziehung besteht wiederum in der Dasselbigkeit derselben δοξα bei wiederhohlter Beziehung. Für das practische sind die Kriterien die Begierde mit

III. Die Meynung die wahr oder falsch ist.

630 denselben Stufen als das theoretische Gefühl. 95vHo

Physik Epicurs. Die Dinge kommen an das Gefühl durch einen Ausfluß ihrer Oberfläche. Der Irrthum entstehe durch die Unterbrechung dieses Einflusses in uns, von unserer Seite her.

Das Prinzip der Dinge überhaupt ist das Atome und Leere. Sie haben Figur, Schwere und Größe. Alles andere sei eine Vermischung der Atome.

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nen machen wir uns allgemeine Vorstellungen; und jeden Gegenstand beziehen wir auf diese Vorstellungen. Nur ist dieß der allererste Anfang, die Mechanik des Vorstellens, die ersten Bestimmungen. | Ueber diesen steht noch ein ganz anderes Feld, wofür die Empfindung nicht das Kriterium ist. Diese Kanonik ist das Flachste und Trivialste. Und alles Gerede in neuerer Zeit steht auf dieser Stufe. Was die Physik Epicurs anbetrifft, ist sie auch nicht sehr interessant. Was die Art und Weise der Beziehung der Dinge auf uns betrifft, darüber sagt Epicur, daß aus der Oberfläche der Dinge ein steter Fluß ausgehe, welcher für die Empfindung nicht bemerkbar sei. Die Bewegung der Oberfläche sei ganz schnell, sei nichts Materielles und deshalb werde keine Abnahme an den Dingen bemerkt. Die Dinge haben eine Sympathie mit unseren Empfindungen, in welchen die Dinge auf ideelle Weise seien. Der Irrthum entstehe, wenn eine Bewegung in uns selbst eine Veränderung des Flusses der Dinge hervorbringe. Unwahrheit würde nicht sein, wenn sich solche Unterbrechungen nicht gegen den Einfluß der Bilder in uns machten. Was diese Unterbrechungen anbetrifft, so hängen diese mit den weiteren physikalischen Vorstellungen Epicurs zusammen. Die Atome und das Leere sind ihm das Prinzip der Dinge. Epicur schreibt den Atomen Figur, Schwere und Größe zu. Dann sind’s nicht Atome mehr. Was andere Eigenschaften seien, sei nur eine bestimmte Zusammenordnung der Atome. Ihre Bewegung sei krummlienigt, damit sie zusammenstoßen könnten. Alles Andere, was wir physikalische Eigenschaften heißen, habe seinen Grund nur in einem anderen arrangement der Molecules. Sich mit den näheren Dogmen dieser Philosophie bekannt zu machen ist weder erfreulich noch interessant, denn sie bleibt bei den ganz gewöhnlichen vorstellungen stehen. Den Uebergang von den Abstractionen des Atomen und Leeren zu

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1–4  und jeden … ist.] Hu: es wird dadurch die Empfindung – etwas Bleibendes – diess folgt die E r i n n e r u n g  – oder wier haben die Empfindung dadurch i n n e r l i c h die vorstellung nun bei der Viederholung beurtheilen wir nach der Empfindung – und beurtheilen ob sie der Empfindung entspricht. Es ist dies Alles wahr – aber es ist der erste Anfang – es die Mechanik so zu sagen der Vorstellung. Es ist aber über diesen noch eine ganz andere Sphaere – die das Beurtheilende 30 enthaelt.­  ­12–13 wenn eine … hervorbringe.] Hu: wenn durch eine Bewegung in uns eine Ver­ aen­derung hervorgebracht wird – so dass dann die Empfindung nicht für sich gewährt – oder die Vorstellung nicht das Zeigni s der Empfindung habe. Unwahrheit waere nicht sein wenn in uns nicht andere Bewegung waeren die den Zusammenhang b r e c h e n in uns mit den Dingen. Diess ist ganz flach.­  ­18 Dann sind’s … mehr.] Hu: aber so wenn sie Figur haben sind sie nicht Atome) Er 35 sagt die Atome sind Grundlagen aller Dinge. Dieses finden wir auch in neuern Zeiten. Es sind die Molecules.­  ­20–21 könnten. Alles … heißen,] Hu: koennten – dadurch entstehen besondere Conformationen, und diess sind besondere Dinge – Alle andern physikalischen Bestimmungen zB. Geschmak etc 7  der Beziehung nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­   auf nachtr. über gestr. zu­  ­14 nicht 40 gegen] (1) sich nicht in (2) nicht gegen (nachtr. über gestr. in)­  ­16M Leere] Lehre

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concreten Gebilden hat Epicur entweder gar nicht gemacht, oder höchst dürftig als Arrangement des Atomen. Man hört übrigens | von der Epicurischen Physik nicht unvortheilhafft sprechen. Es kann bemerkt werden, daß zu seiner Physik auch seine Vorstellung von der Seele gehört. Auch sie soll aus feinen, runden Atomen bestehen, welche mit den übrigen Zusammenhäufungen sympathisiren, wodurch die Seele Empfindung erhalte. von einer Unterbrechung des Hereinströmens ist schon gesprochen. Dieß Unterbrechen soll seinen Grund darin haben, daß die Seele aus eigenthümlichen Atomen bestehe, und durch die Leere, die dieselben trennt. Epicur hat alle die Bestimmungen geläugnet, welchen Zweckbeziehung zu Grunde liegt. Die Zweckbeziehung ist gerade der Begriff des Organischen. Ferner liegt in seiner Vorstellung kein Endzweck der Welt überhaupt. Alles dieß ist bei Epicur nicht vorhanden; alles ist ein äußerliches, zufälliges Zusammenkommen. Was nun noch näher die Physik betrifft, so liegt das Gelobte darin, daß früher schon gesagt ist, daß wir durch Bilder, Wahrnehmungen als folgende auf einander feste Vorstellungen erhalten, deren Beziehungen auf die Wahrnehmung das Unbekannte, das uns die Empfindung nicht giebt, beurtheilen lehren. Wir können also nur nach der Analogie solcher Bilder das nicht Wahrnehmbare fassen. Epicur hat also diesen Grundsatz: wir haben bestimmte Vorstellung; nach diesem sonst Bekannten beurtheilen wir das Unbekannte. Und dieß gerade ist das Prinzip auch der neueren Physik. So sagt zB. Epicur: der Mond leuchtet. Nun wissen wir das Leuchten sei selbstleuchtend oder mitge­ theilt. Nun hat der Mond also sein Licht entweder durch sich selbst oder von der Sonne, denn nichts hindert uns das Himmlische nach den sonst bekannten Vorstellungen zu erklären. So könnte die Abnahme des Mondes durch Figurationen der Luft geschehen, oder durch Umwälzungen dieses Körpers, oder durch Zuwachs oder Abnahme desselben, oder auf alle die Weise, auf welche sonst Dinge sich uns veränderlich darstellen. Auf diese Weise war er billig. Dieß ist die berühmte Manier Epicurs. Vom Blitz sagt er, er komme aus dem Zusammenstoß der Wolken, welche die Figuration des Feuers herausbringen. Kurz die epicurische Manier ist ganz die Unsrige. | So ist es bei Epicur mit der Empfindung. Wir haben den Erfolg, daß sie von den Nerven in ihrem Zusammenhang herkommen. Nun wissen wir wie wenn an eine Saite angestoßen wird, die ganze Saite sich schwingt; nach dieser Analogie können wir uns die Nerven vorstellen, oder auch als Kügelchen, welche aneinander stoßend, ihren Ort verändern und auf die Seele wirken. Dieß ist die Epicurische Manier. Man darf nun also in unserer Zeit gegen die epicuraeischen Ansichten so spröde nicht thun. Eine Hauptsache Epi13  liegt nachtr. über gestr. ist­  ­14 durch nachtr. über der Zeile­  ­22 also nachtr. über der Zeile­  ­23 uns nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­24 Vorstellungen zu erklären nachtr. über gestr. anzunehmen­  ­30 es nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen

96rHo Die Empfindung der Seele komme daher, daß sie aus Atomen bestehe, welche denen, woraus die anderen Dinge zusammengesetzt sind, ähnlich seien

Epicur also hat alle Zweckbeziehung, jeden Begriff der Sache an und fürsichselbst bei Seite gesetzt, und die Zufälligkeit als das Herrschende angesehen. Der Grundsatz für das Erkennen des nicht Wahrnehmbaren ist: es nach der Analogie sonst schon bekannter Vorstellungen zu beurtheilen. Und dieses Schließen nach der Analogie ist auch der Grundsatz der neueren Physik.

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Diese dem Stoïcismus entgegensetzte Manier wird auch von der Seite gelobt, daß durch sie aller Aberglaube zerstört werde. Der Aberglaube besteht darin für die Dinge in ihrem endlichen Zusammenhang ein Göttliches als in ihnen wirkend zu fordern und zu sehen. Diese Forderung giebt Epicur auf indem er für das Endliche nur endliche Ursachen gelten läßt.

Aber indem diese endlichen Ursachen bei Epicur die Letzen sind, vermag er nicht zu sehen, daß die Endlichkeit selbst nur ein Erscheinen des Begriffs ist, der aber hier in seinem inadaequaten | Felde des Verborgenen und nicht Erscheinenden bleibt. Ethik Epicurs. Das allgemeine Kriterium für das Handeln ist das subject als solches, aber nicht als unmittelbare subjectivität, sondern als gebildete, besonnene, frei von Furcht und Begier, frei in sich selbst, und in dieser Sichselbstgleichheit und in dem Aufsichselbstberuhen schlechthin unerschütterlich.

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curs ist, daß er sagt man solle bei e i n e r Analogie nicht stehen bleiben. Es ist dieß die Begrifflose Weise die nicht weiter kommt als zu allgemeinen Vorstellungen, und diese allem Nichtempfundenen als Kriterium zu Grunde legt. Die Natur der Sache ist dieser Manier ganz fremd. Epicurs Erklärungsweise ist von dieser Seite dem stoïschen entgegengesetzt, und sie wird gerühmt, daß sie allen 5 Aberglauben der Astrologie, der Furcht vor den Göttern zerstörte und Auf klärung hereinbrachte. Der Grund liegt in ihrer Betrachtungsweise selbst. Der Aberglaube geht von dem Endlichen unmittelbar zu Gott über, oder erwartet bei endlichen Dingen ein Höheres, Göttlicheres als die Wirkungsweise des Natürlichen, das sie umgiebt, diesem steht die epicurische Philosophie entgegen, weil sie für den 10 Kreis endlicher Interessen und der Natur bei endlichen Ursachen stehen bleibt. Und dieß ist die Auf klärung, im Felde des Endlichen stehen zu bleiben, was allerdings für das Feld des Endlichen selbst nothwendig ist. Denn das Begrenzte hat so Zustimmung in Bedingungen, die selbst Bedingtes sind. Allein so sehr diese Weise in der Sphäre des Bedingten ihr Recht hat, so ist sie doch keine 15 Letzte. Sage ich die Wirkung der Electrisirmaschine kommt von Gott her, so habe ich einerseits ganz recht, und doch ganz unrecht, denn ich frage nach einer Ursache des Endlichen, welche dem Felde des Endlichen angehört. Sage ich Gott ist die Ursache, so sage ich daher einerseits zu viel, anderseits zu wenig, denn ich will die bestimmte Ursache wissen. Dem Aberglauben nun also arbei- 20 tete Epicur entgegen | auf der anderen Seite aber ist auch in dem endlichen Felde 97rHo der Begriff geltend, und wird statt seiner die endliche Betrachtung genommen so ist alles Anundfürsichsein aufgehoben. Was nun Epicurs Moral betrifft, so ist sie die Beschrieendste seiner Lehren. Hören wir das Gefühl solle das Kriterium der Wahrheit sein, so könnte man 25 glauben, aller Willkühr sei Thor und Thür aufgestellt. Es ist derselbe Grundsatz, welcher zu neuer Zeit sich will geltend machen, welche alles in’s Gefühl setzen will. Aber bei Epicur ist dieß der Fall, daß die Einzelheit der Empfindung wohl das Prinzip war, daß er aber forderte, Besonnenheit, hochgebildetes Bewußtsein sollte das Geltende sein, so daß die Ataraxie, das freie sich selbst Gleichbleiben 30 solle das Ziel sein, Bewußtsein frei von Willkühr, Furcht und Begierde, Freiheit von allen Meinungen, die sonst der Ruhe entgegen sind. Es geschieht daß, indem zwar dem Inhalt nach Epicur das bloß Zufällige zum Prinzip macht, während er anderseits die Allgemeinheit der Besonnenheit fordert, seine Philosophie mit der

3  als Kriterium nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­5 allen] allem­  ­9 ein Höheres, Gött- 35 licheres nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­15–16 so ist … Letzte. nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­­  ­33M Sichselbstgleichheit] Sichselbstgleichght  33 während er nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­

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stoïschen zusammenfällt. Die Beschreibungen des Weisen sind dieselben als bei den stoikern. Seneca ist als ein Stoiker bekannt; er spricht oft von den Epicuraeern, sagt aber in seiner Schrift vom seligen Leben (c 13) daß er meine: “Epicur habe Heiliges, Richtiges, und sogar Trauriges vorgeschrieben, da dasselbe Gesetz, welches wir für die Tugend vorschreiben, von Epicur für das Vergnügen vorgeschrieben wird. Der also, welcher den Müßiggang und alle Lust: Glückseligkeit und dieß Epicuraeismus nennt, folgt einem Vergnügen, das Epicur nicht aufstellt, sondern einem solchen, das ihm nur selbst zukommt.” Auf Epicurs Namen wird viel gewälzt. Diogenes Laertius hat einen Brief auf bewahrt, in welchem eine Summe epicuraeischer Moral auf bewahrt ist: weder der Jüngling darf säumen zu philosophiren noch muß es dem Greise zu schwer sein. Man hat sich deshalb um das glückselige Leben zu bemühen. Dazu gehört dafür zu halten: Gott hat ein unzerstörbares Leben; Götter sind und ihre Kenntniß ist evident; | gottlos ist der, welcher sie wie die Menge ansieht. Sie bestehen wie Zahlen (das abstract Unsinnliche) theils sind sie dem Menschen förmlich als Zusammenfluß der Bilder in Eines. Die allgemeinen Bilder in uns sind die Götter. Diese einzeln fallen in uns im Schlafe. “Die Götter Epicurs”, macht sich Cicero lustig, “hätten nur ein quasi Blut und Fleisch.” Dasselbe sagen wir von Gott: er sei gerecht, und dieß sei nicht menschliche Gerechtigkeit, sondern Gott sei: g l e i c h s a m gerecht, g l e i c h s a m gütig. Epicur sagt ferner von den Göttern: Sie haben weder Geschäfte noch Unruhen; die Götter um dieser Seligkeit willen muß man ehren, nicht aus Eigennutz, nicht aus Furcht, nicht aus Hoffnung, rein um ihrer selbst willen. Dann gewöhne Dich an den Gedanken, der Tod sei ein Nichts; denn alles Gute und Üble beruht auf der Empfindung, und der Tod ist das Aufgeben der Empfindung; deshalb geht uns der Tod nichts an, und dieß Bewußtsein macht das Leben zum Genuß, und die Sehnsucht nach Unsterblichkeit wird durch dasselbe uns entnommen. Ist der Tod so sind wir nicht, und sind wir,

1   zusammenfällt.] Hu: zusammenkommt – Diogenes Laertius zeigt diess am augenschaulichsten –­  ­ 6–8 Der also, … zukommt.] Hu: Derjenige, sagt er, der sich in Lüsten umwälzt, und diess Epicu30 reismus nennt, der folgt nicht den princip des Epicurs sondern sein Eigenes, und so einen guten Namen, einer schlechten Sache anhängt­  ­10–11 weder der … sein.] Hu: weder der Jünglich weder der Alte soll zaudern zu philosophiren, denn niemand ist weder zu reif zu unreif dazu –­  ­14 gottlos ist … ansieht.] Hu: Gottlos ist nicht der der sie nicht erkennt, sondern der ihnen Meinungen der Menge zuschreibt –­  ­20 g l e i c h s a m gerecht, … gütig.] Hu: gerecht, gütig, aber man sagt 35 diess mu s man in s e n s u eminentiori nehmen.­  ­27.634,1  Ist der … nicht.] Hu: Weiter sagt er: warum soll ich Fürchten für dich o Tod! denn wenn ich bin so bist du nicht, wenn du bist so bin ich nicht. 7  nicht nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­8 das nachtr. über gestr. die­  ­19 Gott sei: nachtr. über der Zeile­  ­22 man] folgt nachtr. gestr: sie­  ­25–26 dieß Bewußtsein nachtr. über der Zeile mit 40 Einfügungszeichen­  ­26 nach Unsterblichkeit nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­27 dasselbe nachtr. über gestr. ihn­   entnommen] entmommen­  ­33 ihnen] ihr

97vHo Die Götter seien die allgemeinen Vorstellungen selbst, in sich selig, geschäftlos und begierdelos.

Der Tod sei Nichts: denn alles Gute und Böse komme durch die Empfindung, und der Tod sei das Aufheben der Empfindung: der Tod also sei nicht für uns.

216 Hu 210.

217Hu 211. 110

634 Das Zukünftige sei als gleichgültig zu fassen, weder als ein bestimmt für uns seiendes noch für ein bestimmt nicht seiendes.

Die Glückseligkeit ist die Ruhe des subjects in sich, die Ataraxie welche weder durch Begierde beunruhigt, noch durch Furcht in Schranken gesetzt ist.

98rHo Diese Glückseligkeit ist allein durch die ϕρονησις zu erreichen als die Verbannerin aller falschen Meinung, welche Begierden für Vergnügen hält. Diese Güter, die Unerschütterlichkeit des Geistes bei der Schmerzlosigkeit des Körpers sind unsterbliche Güter. Indem aber die ϕρονησις für das Kriterium der Glückseligkeit zu halten ist, schlägt der Epicuraeïsmus zum Stoïcismus um. Dritte Stufe. Die Negativität der beiden dogmatischen Prinzipe, oder das Aufzeigen der abstraction derselben.

218 Hu 212.

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so ist er nicht. Das Zukünftige ist weder unser, noch nicht unser, gleichgültig, damit wir es nicht erwarten als solches, das sein wird, noch verzweifeln als über ein Solches, das nicht sein werde. Ferner muß man meinen, einige Begierden seien natürlich, andere leer. Von den natürlichen sind einige Nothwendig, andere nur natürlich. Die nothwendigen sind theils für die Glückseligkeit, theils für die Mühelosigkeit, theils für’s Leben. Die irrthumslose Theorie lehrt das Entschließen und Vernehmen, in Ansehung dessen, was zur Gesundheit des Körpers und Ataraxie der Seele bezweckt, denn dieß ist der Zweck des seligen Lebens. Wir Epicuraeer thun also, um von Furcht und Hoffnung befreit zu werden, dieses alles, und in dieser Ruhe ist die Glückseligkeit. Weil das Vergnügen das eingeborene Gute ist, wähnen wir nicht alles sei Vergnügen, sondern übergehen viele, und ziehen Schmerzen vor, wenn aus ihnen größere Freude kommt. | Die Mäßigkeit halten wir für ein Gut, wenn wir das Viele nicht haben, wissend: diejenigen haben den größten Reichthum, welche desselben nicht bedürfen. Wenn wir also die ἡδονη zum Zwecke machen, so besteht sie in der Schmerzlosigkeit des Körpers und die Unerschütterlichkeit der Seele. Dieß glückselige Leben verfaßt allein die nüchterne Vernunft, welche die Meinung austreibt, von welcher die Seele die größte Unruhe erhält. Es ist vorzuziehen mit Vernunft unglücklich zu sein, als mit Unvernunft glücklich, denn es ist vorzuziehen daß beim Handeln das Richtige gethan werde, als daß das Glück die Handlungen leite und zum guten Ende führe. Mit sterblichen Menschen hat der nichts gemein, der in solchen unsterblichen Gütern lebt als der Gesundheit des Körpers und in Unerschütterlichkeit des Geistes. Die Quelle dieser Güter ist die ϕρονησις. Durch sie wird das Vergnügen erreicht.” – Dieß sind die Hauptpunkte. So schlimm es zunächst um das Prinzip Epicurs zu stehen scheint, so ist doch durch die Umwendung, daß das Vernünftige das Beurtheilende für das Vergnügen sei, das Prinzip so gewendet, daß dieß Prinzip mit dem stoïschen sich eint. Dieß sind die beiden dogmatischen Philosophien. Das dritte zu diesen zweiten ist der Scepticismus, die Dialektik dieser einseitigen abstracten Prinzipe, des abstracten Gedankens und der Empfindung. Beide sind in sich inconsequent und das Gegentheil ihrer selbst. In ihrem Prinzip ge-

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  leer.] Hu: leer – (aller Trieb indem er Vergnügen macht ist er Genu s)­  ­6 Leben.] Hu: Leben 4 nothwendig – (Diess ist eine der Bestimmungen die zu weitern Consequenzen führt)­  ­10–12 Weil das … kommt.] Hu: Weiter spricht Epicur von Vergnügen – und sagt wir wehlen also nicht alles Vergnügen – denn wenn ein Vergnügen Schmerzen hinter sich zieht – so verwerfen wir es –­  35 ­13 Mäßigkeit] Hu: Genügsamkeit­  ­23–24 Die Quelle … erreicht.] Hu: Weiter: die ϕρονησις ist der Grund eben – die philosophie ist aber eben das Vortrefflichste wenn sie uns lehrt dass ohne der Vernunft man nicht leben kann. 7  in Ansehung nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­9 um nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen 40

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nommen wissen sie sich als bestimmt gegeneinander. Das dritte gegen sie ist theils die academische Philosophie; theils die Sceptik. Das Erste also ist die neue Academie. Man unterscheidet eine mittelere und neue. Diese Schulen hießen Academien weil sie Fortsetzung der Platonischen Philosophie sind. Doch blieben sie nicht beim platonischen Standpunkt stehen. Die Ideen Plato’s sind vom Bedürfniß aufgenommen, | aber in sich sind sie das Bewegungslose, der Mangel der sich selbst bethätigenden ἐνεργεια; ferner haben sie den Mangel der Wissenschaftslosigkeit an sich. Die Ruhe der Idee hat in die Bewegung des Denkens übergehen müssen. Der Stifter ist Arkesilaos, geboren in der 116sten Olympiade aus Aeolien, Zeitgenoß Zeno’s und Epicurs. Er kam mit großem Vermögen nach Athen um sich die Bildung eines edlen Griechen zu geben. Nach Krates Tode, dem Nachfolger Speusipp’s, ward das Lehramt dem Arkesilaos abgetreten. Sein Tod fällt in das 4te Jahr der 130sten Olympiade. Er wird als edler Mann, und als scharfsinniger Philosoph gerühmt. Seine Richtung geht gegen den stoïcismus und Epicuraeismus indem er die Kritik über die Kriterien begann. Er antwortete, als man ihm sagte: von Epicur geht keiner zu anderen Philosophien über, “aus Kastraten können nie Männer werden, wohl aus diesen Kastraten”. Das Prinzip des Arcesilaos wird so ausgedrückt: es müsse der Weise sein Ur­ theil zurückhalten. (επεχειν). Das Zurückhalten ist zunächst gegen den stoicismus gerichtet, welcher sagte: der Gedanke müsse den Vorstellungen zustimmen. Diese Zustimmung nimmt Arcesilaos weg, indem er sagt: das Denken könne nur Wahrscheinlichkeit geben. Sextus Empiricus sagt dieß so: Arkesilaos habe die Zurückhaltung des Beifalls inso fern sie sich auf einen Theil bezieht als ein Gut erklärt, die Zustimmung als das Uebel. Die nähere Entwicklung gegen den stoïcismus giebt Sextus an so: daß Arkesilaos sagte: “Alles sei unbegreiflich“, so daß er die begreifende Vorstellung der Stoïker bekämpfte und ihr das ακαταληπτιsche entgegensetzte. Die stoiker sagten: die καταληπτιsche Phantasie stehe in der Mitte | des Wissens und der Meinung. Dagegen sagt Arkesilaos wenn das Wahre beides enthält Wissen und Meinung so ist es das Wahre nicht. Dieses solle auf Gründen, auf das Bewußtsein des Denkens über diese Zustimmung beruhen aber die Gründe waren selbst diese kataleptische Phantasie, wodurch diese

1. Die neue Academie. Sie ist die Fortsetzung der platonischen Philosophie. Indem diese aber durch Aristoteles ihre nur ruhenden nicht sich selbst be­ thätigenden Ideen hat wirklich werden laßen, während ferner dieß Wirkliche von den Stoïkern durch die abstract | allgemeinen Gedanken, von den Epicuraeern durch die Empfindung erkannt werden soll, so ist der Fortgang der, daß die neue Academie die Einseitigkeit dieser Kriterien aufzeigt, doch bei dem negativen Resultate stehen bleibt, es gäbe kein Kriterium für die Wahrheit, sondern nur für die Wahrscheinlichkeit. Der Stifter dieser Schule ist Arkesilaos aus Pitane in Aeolien 318 v. Chr. geb. 116ste Olympiade bis 130ste Philosophie des ­A rkesilaos Indem die καταληπ­ τιsche Phantasie kein Criterium der Wahrheit sei müsse der Weise ακαταληπ­τ isch sich erklären und sein Ur­theil, insofern es ein die Wahrheit erkennendes sein soll, zurückhalten (ἐπεχειν) Der Grundsatz des Arkesilaos ist also die ἐποχη.

1   gegeneinander.] Hu: gegen einander, diess aber eben nennen wir Dogmatismus.­  ­ 5–6 vom Bedürfniß aufgenommen] Hu: zunächst die von Enthusiasmus als den Wahne genommen­  Denn die stoïker setz219 Hu 213. 111 ­19 (επεχειν)] Hu: (ἐπὲχειν περὶ πὰντων) ten die Wahrheit in der Zustimmung, die 35 9  Arkesilaos] Arceliaus­  ­10 Aeolien] Aetolien­  ­10M Epicuraeern] Epicuraeren  19  επεχειν] das Denken der Vorεπηχειν­­­  ­21M Aeolien] Aetolien  ­25–26M καταληπτιsche] καταλεπτιsche­  ­27 ακαταληπτιsche] ακατα­ stellung giebt, | in λεπτι­sche  καταληπτιsche] καταλεπτιsche­  ­28 Meinung.] Meinung zukommt.­  ­29 nicht.] (1) nicht; der καταληπτιschen u (2) nicht. (Punkt nachtr. aus Semikolon)­  ­­­29M ακαταληπτisch] ακαταλεπτisch  29–31 Dieses solle … Phantasie. aber nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  31 waren] unsichere Lesung   ­34 περὶ πὰντων am Ran40 de mit Verweiszeichen­  ­35M Denken] Denkens­  ­37M καταληπτιschen] καταλεπτιschen

636 Diese enthalte also Wahres und Unwahres. Die Wahrheit setzten sie in dem Wissen des Zustimmens aus Gründen. Das Kriterium dieser Gründe aber ist das Zustimmende selbst das abstracte Denken, somit das Zustimmende und das Urtheil über die Wahrheit der Zustimmung ein und dasselbe; die Zustimmung daher nicht Kriterium für die Wahrheit. Denn der Gedanke kann nur dem Gedanken zustimmen, die Vorstellung aber ist das Andere des Gedankens. Das hohe Bewußtsein des Arkesilaos besteht daher darin, daß er aufzeigt, wie das Kriterium der Stoiker abstract sei, so daß indem der Gedanke sich nicht selbst Inhalt giebt, dieser ihm von Außen herkommt, und er daher als das abstract Allgemeine, nicht kann Kriterium für Eines sein, das ihm ein schlechthin Anderes ist. | Das durch das Denken Producirte sei hiemit nicht die Wahrheit sondern nur das Wahrscheinliche. Dieß Wahrscheinliche sei auch das Kriterium für das Handeln.

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zum Richter erklärt wird über Wissen und Meinen gesetzt ist, während sie doch beiden zufällt, aus beiden besteht. Der Weise hat daher in seinen Gründen ebensolche Gedanken, als die auch dem Unweisen gemeinschaftlich sind. Das Begreifen soll näher das Moment sein in der begreifenden Vorstellung, worin die Zustimmung besteht; es ist also das Hauptmoment in der begriffenen Vorstellung. 5 Solche Zustimmung geht nun nicht auf eine Phantasie sondern auf einen Grund, sie geht nur gegen Axiome. Ein Axiom ist ein abstracter allgemeiner Gedanke. Arkesilaos sagt nun: Denken ist das subjective es stimmt zu. Es kann nun nur dem Gedanken zustimmen; darin findet es sich. Einer Phantasie kann es nicht zustimmen, da sie ein Anderes als das Denken ist. Arkesilaos macht hier einseitig 10 den Unterschied des Denkens und des Empfindens geltend. Die Dinge sind anderes als Ich; die Anschauungen sind nicht Gedanken, nicht durch mich bestimmt. Das Denken ist das Selbstthätige, das Bestimmen des Allgemeinen. Das Wahrgenommene ist das Einzelne. Beide sind verschieden, beide können nicht zusammenstimmen. Es ist die Einheit des Objectiven und des Gedankens als des subjecti- 15 ven worum es sich handelt. Die stoiker hätten darüber sollen Rechenschaft geben. Sie sagen nicht, woher die Einheit der καταληπtischen Vorstellung und des Gedankens herkommt. Ist das Denken als solches das Prinzip, so ist es abstract, ohne Inhalt, der ihm von außen herkommt. Arkesilaos sagt ferner: die begriffene Vorstellung soll das Wahre sein. Aber es giebt keine begriffene Vorstellung die 20 nicht sollte können falsch sein.” Dieß ist ein großes Bewußtsein des Arkesilaos. | Er zieht den Schluß: der Weise müsse denken, aber dieß Gedachte nicht als wahr 99vHo ansehen. Dieß hören wir in neueren Zeiten auch. In Beziehung des Practischen sagt Arkesilaos: die Regel des Handelns sei nicht aufgehoben; wer seinen Beifall auf hält, richtet sich nach dem was einen guten Grund hat: nach dem Wahr- 25 scheinlichen. Es ist dieser gute Grund aber kein Wahres, kein Letztes. Die Glückseligkeit wird durch die Vernunft bestimmt, wohlgethan ist das, was eine wohlbegründete Rechtfertigung hat; aber dieß ist nur alles wahrscheinlich. Der 6 Phantasie] Hu: Bild, phantasie­  ­9–10 sich. Einer … ist.] Hu: sich – das Bild ist aber ein Sinnli- 220 Hu 214. ches – und eben diess ist ein anderes.­  ­11 Unterschied des … geltend.] Hu: Unterschied von Den- 30 ken und Seyn, Subjektiv und Objektiv etc – Nun folgt daraus die Frage: wie kann ich zu den Dingen gelangen die ein anderes sind als das Denken?­  ­23–26 In Beziehung … Letztes.] Hu: In Hinsicht auf das H a n d e l n sagt Arkesilaos: dass man sich nach den Wahrscheinlichen, oder nach dem was einen Grund hat richten soll. (: Also nimmt Arkesilaos den Grund als das Letzte an, als die Wahrheit – es ist ein gutes Bewustsein :)­  ­28.637,1–3 Der Unterschied … werden.] Hu: Im gan- 221Hu 215. 112 zen ist da selbe bey Arkesilaos was bey den Stoikern – nur nennt die Akademie das Wahre der 1  wird nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­   doch nachtr. über der Zeile­  ­2 zufällt, aus … besteht.] (1) zufällt. (2) zufällt, (Komma nachtr. aus Punkt) aus (nachtr. am Zeilenende) ( beiden besteht. nachtr. über der Zeile)­   daher nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­17  καταληπtischen] καταλεπtischen­  ­26 aber nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen 40

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Unterschied gegen die stoiker besteht darin, daß die Academie das, was die stoiker als das Wahre aussprechen, nur als ein relativ wahres ansehen, das nicht könne als ein absolut begründetes angenommen werden. Karneades aus Kypros war der Nachfolger des Arkesilaos er ward in der 141sten Olympiade geboren, starb in der 162sten. Er war mit bei der Gesandtschaft nach Rom und hielt dort 2 Reden, eine zu Gunsten der Gerechtigkeit, die andere über die Nichtigkeit derselben. Cato sah es sehr ungern, daß durch ihn die festen vorstellungen der Römer wankend gemacht würden. Die Geschäfte wurden auch so schnell abgemacht als möglich, daß jene in ihre Schulen zurückkehrten, und die Söhne der Hellenen lehrten. Die alten Römer fürchteten das Verderben des Bewußtseins. Aber dieß Verderben läßt sich nicht abhalten, es ist ein nothwendiges Moment in der Entwicklung eines Volkes. Karneades ist der Stifter der mittleren Academie. Er wandte sich gegen die Stoïker wie gegen Epicur. Seine Gedanken sind dadurch interessant, daß dadurch die Natur des Bewußtseins näher betrachtet wird. Bei Arkesilaos ist die Vorstellung der Gedanke noch in subjectiver Richtung. Bei Karneades ist die Richtung auch auf das Bewußtsein, somit auch subjectiv. Er behauptet: es gebe kein Kriterium für die Wahrheit weder in der Empfindung, noch in | der Vorstellung, noch im Gedanken. Sextus Empiricus ist die Hauptquelle. Die Hauptsache ist, daß Karneades gegen die Epicuraeer dieß geltend macht, daß er sagt: die Empfindung sei nicht solch unbewegtes απαϑisches wie es die Epicuraeer vorstellen. Das Empfinden bleibe nicht unveränderlich, sondern indem das bewußte Lebendige empfindet, so geht eine Veränderung vor. Das Kriterium fällt somit in die Bestimmtheiten der Seele von dem Daseienden. Bei solchem Bestimmtsein bleiben die Epicuraeer stehen. Das Andere aber ist die wirksamkeit der Seele. In diese Mitte könne das Kriterium nur fallen. Das Bestimmtwerden sei eine Thätigkeit des Bestimmtwerdens der Seele und des Dinges. Dieß sei die Vorstellung. Die Vor-

Stoiker, das Wahrscheinliche, wohlbegründete – Auf diese Weise hat aber die Akademie ein be seres, und höheres Bewustsein über den Wehrt der Stoischen philosophie.  7 Nichtigkeit der30 selben.] Hu: Nichtigkeit der Gerechtigkeit aufzuzeignen – Einer der Senatoren zu Rom machte den Vorschlag alle philosophen von Rom zu verbannen –­  ­10–12 Die alten … Volkes.] Hu: Das Verderben welches durch den Eintritt des Bewusteins anfaengt, fürchteten die Roe­mer – aber diess Verderben kann nicht abgehalten werden, indem der Mensch von Baume der Erkenntni s gekostet hat –­  ­13 mittleren Academie] Hu: neuen Akademie­  ­19 Sextus Empiricus … Hauptquelle.] 35 Hu: Karneades wird von Cicero angeführt vornemlich aber von Sextus Empiricus.­  ­22–23 indem 222Hu 216. das … empfindet] Hu: indem ich Empfinde­ 2  als2 nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­   ansehen,] (1) sei, u (2) ansehn (nachtr. über gestr. sei)­  ­3 angenommen nachtr. über gestr. angesehn­  ­17 somit auch subjectiv nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen

2. Die mittlere Academie. Karneades aus Kypros 141ste – 162 Olympiade 217 v. Chr. geb. Er ward nach Rom gesandt mit dem stoiker Diogenes und Kritolaos 599.  p. u. c. 158 v. Chr. Philosophie des Karneades. Indem weder die Empfindung noch die Vorstellung noch das Denken Kriterium für die Wahrheit seien so wäre die Wahrheit unerkennbar und es gäbe nur subjective Gewißheit, Ueberzeugung. | Seine Philosophie ist eine Betrachtung des Bewußtseins mit dem Resultat, der Unfähigkeit desselben die Wahrheit zu erkennen. Gegen die Epicuraeer machte er geltend: Daß die Empfindung nicht die unmittelbare feste Einheit der Seele und ihres Inhalts, der von Außen in ihr gesetzt ist, bleibe, sondern selbstthätig den Inhalt behandle und so Vorstellung sei. Die Vorstellung sei ein Zwiefaches: Vorstellung von Etwas, und Vorstellung ihrer selbst.

638 Indem nun die subjective Vorstellung mit dem Inhalt übereinstimmen könne und nicht, und einen Inhalt haben könne der keinem Äußern entspricht, so sei sie als wahr und falsch seiend kein festes Kriterium der Wahrheit. Und da nun das Denken nur denken sei eines von der Vorstellung gegebenen Inhalts, somit die ἀλογος αἰσϑησις zur Bedingung habe sei es auch kein Kriterium für die Wahrheit. Daher ist kein Wissen möglich und jene Kriterien sind nur Kriterien des Handelns, zur Erwerbung der Glückseligkeit. Die überzeugende Vorstellung solle hier das Leitende sein. Die Vorstellung hat die gedoppelte Verhältniße: Die Seele zum Object; in diesem Verhältniß ist sie richtig und falsch als mit dem Object übereinstimmend und nicht. Der Seele als subject; hier ist sie als richtige ἔμϕασις Ueberzeugung, als unrichtige ἐπέμϕϕασις

γ.) Das Denken als von jenen abhaengig ist, eben so, kein Criterium.

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stellung sei das sich selbst und Anderes sich vorstellende. Durch das Sehen zB. entsteht ein zweifaches: die Veränderung selbst die subjective Seite in der Vorstellung, dann das Objective welches das Sehen hervorbringt. Das Bewußtsein ist zweitheilig. Die Vorstellung und das Vorgestellte. Diese Seite hat Karneades gegen die Epicuraeer geltend gemacht, welche die Empfindung als ein unmittelbar 5 Festes ansahen. Das Licht zeigt sich und alles in ihm, so muß die Vorstellung sich selbst und ihr Anderes, durch das sie bewirkt wird, offenbaren. Das Bewußtsein aber überhaupt ist der Standpunkt des Erscheinens. Auf diesem Standpunkt hat die philosophische Bildung sich aufgehalten. Karneades geht nun weiter fort und sagt: die Vorstellung zeigt nicht immer die Wahrheit, das Vorstellen lügt, und weicht 10 von den Dingen ab, die das Vorstellen schicken. Die Vorstellung daher könne nur Kriterium sein, wenn sie wahr wäre. Eine solche, daß sie nicht auch falsch sein könnte, giebt es nicht, und so ist kein Vorstellen, das Kriterium sein könne. Ferner nun sagt er, ebenso wie das Vorstellen sei das Denken kein Kriterium, da es von der Vorstellung abhange, da worüber es urtheilt, | eine Vorstellung ist, diese 100 vHo hat die Empfindung zur Bedingung, und das Denken daher das Gedankenlose Empfinden zur Bedingung. Karneades hat nun aber zur Erwerbung der Glückseligkeit positive Kriterien angegeben. Denn auf diesem Punkt hat das subject für sich nach der Glückseligkeit, nach der Führung des Lebens zu fragen. Die überzeugende Vorstellung solle das Leitende sein. Sie sei zuerst Ueberzeugung über- 20 haupt, dann feste und dann entwickelte Vorstellung. Die Vorstellung ist Vorstellung dessen woraus und worin sie wird; das Object und subject ist in ihr. Sie hat also zwei Verhältnisse, die eine zum subject die andere zum Gegenstand. Wahr ist sie als Uebereinstimmung mit dem Gegenstande, falsch ohne diese Uebereinscheinung. Im Verhältniß zum subject ist sie als wahr und unwahr sein zu können 25 bestimmt. Auf dieses Verhältniß kommt es an. Die als wahr vorgestellt heißt Emphase, Ueberzeugende Vorstellung, die nicht als wahr vorgestellte. ἐπέμϕασις. Die überzeugende hat selbst ihre Grade. Durch Wiederholung und Bewährung

1–4 Durch das … Vorgestellte.] Hu: wenn wir etwas sehen so hat das Gesicht eine Affection, dann ist es anders als vor den Affectionen, hier entsteht zwey 1o die Affection und 2o das Objektive das 30 sich vorstellt – Diese Ansicht hat Reinhold ausgeführt – nemlich dass bey der Vorstellung das Subjektive von Objekt zu trennen sey.­  ­7–8 Das Bewußtsein … Erscheinens.] Hu: Aber was wir Bewustsein nennen, ist nur die Erscheinende Seite des Geistes –­  ­11–13 Die Vorstellung … könne.] Hu: Daraus folgert er: dass nicht iede Vorstellung Kriterium seyn kann, sondern nur eine wahre – er sagt aber dass es keine ganz wahre Vorstellung giebt –­  ­18–19 Denn auf … fragen.] Hu: Es ist 223Hu 217. 113 augenscheinlich dass das Subjekt sich hier selbst helfen mu ste. 2  in nachtr. über der Zeile­  ­7M Kriterium] Krieterium  ­7 ihr nachtr. über gestr. sein­  ­25–26 und unwahr … bestimmt] (1) zu sein u unwahr ersheinend (2) u unwahr (sein zu können bestimmt nachtr. über gestr. ersheinend)­  ­28 Bewährung] ohne Umlautpunkte­  ­29  Affection] Affectionen­­  ­

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darin wird sie überzeugend. Fest wird diese dadurch, daß wie in einer Kette ein Glied vom anderen abhängt, so ist es, daß wenn eine Vorstellung in Uebereinstimmung ist mit allen ihren Verhältnissen, Umständen. Stimmen alle Umstände zusammen, so wird die vorstellung desto überzeugender. Halten wir einen Strick für eine Schlange, so sind nicht alle Umstände beachtet. Das dritte Moment ist, daß wenn von jedem Umstand auch alle Theile beurtheilt sind, daß dann die Vorstellung überzeugend ist. Eine solche Vorstellung erst solle das hinreichende für das Leitende in der Führung des Lebens sein. Wir sehen hier die Academie zu dieser subjectivität übergegangen, die bei der Bestimmung der Überzeugung stehen bleibt, und von der Wahrheit nicht mehr spricht. | Es ist dieß die Richtung, daß untersucht wird, wie etwas für das Bewußtsein ist. Die letzte Spitze hievon ist der Scepticismus, wo durch diese Form das Seiende und die Wahrheit verschwindet und zu Nichte gemacht wird. Der scepticismus ist ein Philosophiren, doch ein solches, das kein System sein will. Ihn halten die Menschen für unbezwinglich. Es muß hier sogleich unterschieden werden, was alter Scepticismus ist. Er ist tiefer als der neue. Der neuere als der zB. von Schulze, wie der von Anderen legt zu Grunde, man müsse für wahr halten, was das unmittelbare Bewußtsein gebe. Das Richtige sei das von der Meinung festgestellte, die Eitelkeit des Bewußtseins sei das Letzte. Diese Eitelkeit freilich ist unüberwindlich, denn sie bleibt dabei stehen: das Meine das sei das Letzte. Dagegen läßt sich nicht kämpfen, denn es ist da nur von Gewißheit die Rede. Die Meinung aber ist das ganz Gleichgültige. Und ist von Objectiver wahrheit die Rede, sagt solches subject: sie sei n u r Ueberzeugung eines Anderen subjects. So setzen sie die Ueberzeugung einmal als sehr hoch und sehr niedrig. Oder ein

2 –3 so ist … Umständen.] Hu: so ist es auch mit der Vorstellung – wenn zB. Liebe, Glükseligkeit etc sich entsprechen so ist desto fester ihre Vorstellung –­  ­7–13 Eine solche … ist.] Hu: Bey einen unwichtigen Gegenstand ist eine Seite nur zu untersuchen – bey einen wichtigen | auch die zwei30 te. Die dritte Vorstellung ist erst die ganz wahre die uns leiten soll. (Absatz) Kurz wir sehen wie Karneades in der Subjektivitaet sich plagt – und dass diese Subjektivitaet sich einschraenkt auf die Wahre Vorstellung – Von der Wahrheit ist hier keine Rede mehr – sondern von der Subjektiven Ueberzeigung. – Es ist die Richtung dass Untersucht wird was Etwas für das Bewustsein ist, was er für eine Relativitaet zum Bewustsein hat.­  ­16–17 Ihn halten … unbezwinglich.] Hu: Skepticis35 mus ist so ein gro ses für welches man einen gro sen Respekt hat – (als etwas Unbezwingliches)­  ­18–19 Der neuere … Schulze] Hu: denn der neuere Skepticismus ist mehr Epicureismus (Schulze in Göttingen ein Skepticer)­   ­20 Bewußtsein] Hu: Bewustseyn (Empfindung – Anschauung)­  ­21–22 Diese Eitelkeit … Letzte.] Hu: Diese Eitelkeit ist nun aber das was zu überwinden ist. Hier gilt nur m e i n e Meinung, m e i n e Ueberzeigung, m e i n Herz. 40 2M  Bewährung nachtr. über gestr. Wderholg  7 ist nachtr. über der Zeile­  ­26 niedrig] folgt nachtr.

gestr: ein­­  ­34 er] sc. es (Etwas)

Die εμϕασις wird feste durch Bewährung in der Wiederholung, und wenn sich die Vorstellung in allen ihren Verhältnissen als übereinstimmend zeigt. Drittens müssen von allen Umständen auch alle Theile wieder als übereinstimmend mit der Vorstellung befunden werden.

3. Der Scepticismus. Er ist die entwickelte Vernichtung alles an sich wahrhaften und die Ruhe des Bewußtseins in dieser Vernichtung. Davon verschieden ist der neue Scepticismus, der alles objective erkennen zu Grunde richtet und ist es zu einem subjectiven des einzelnen subjects herabsetzt, das somit keine Gültigkeit habe.

224 Hu 218.

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Ferner ist der Scepticismus kein Zweifeln. Denn der Zweifel ist die Zerrissenheit in sich, weder an der Vernichtung des Wahren, nach an dessen Bestehen festzuhalten, sondern vom Bestehen | lassen und Vernichten hinüber und herüberzuschwanken. Der alte Scepticismus ist das fertig gewordene Negative und die Ruhe der Negativität des Bewußtseins. Der Stifter ist Pyrrho aus Elis lebend zu Alexanders Zeit.

Ihm folgt Timon der Phliasier, der Syllen-Dichter

225Hu 219 114

226 Hu

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Solcher setzt seine Ueberzeugung auch als niedrig. Diese Hoheit und Dehmuth ist Jedem zu lassen. Der alte Scepticismus hat auch die subjective Meinung zum Resultat aber als entwickeltes Zunichtemachen alles für wahr Geltenden. Wird der scepticismus in ganz allgemeinem Sinne genommen, kann man sagen er sei sehr alt unter Philosophen und Nichtphilosophen. Als philosophisches Bewußtsein 5 ist er erst ein späteres Moment. Er ist auch nicht die Lehre vom Zweifel. Denn Zweifel enthält das Moment der Zerrissenheit, der Beängstigung; beim Zweifel ist die Zweiheit, daß am Inhalt ein Interesse vorausgesetzt wird, und ein Verlangen des Geistes, daß der Inhalt | festbleibe, oder auch daß er zernichtet werde. 101vHo Diese Unruhe ist der alte Scepticismus nicht. Er ist das fertige Zunichtemachen 10 und die Ruhe des Geistes darin. Er ist über die Zerrissenheit erhoben. Sextus Empiricus sagt: Homer schon sei ein Scepticer, denn er spreche von denselben Dingen auf entgegengesetzte Weise. Auch Bias sei es gewesen; er habe gesagt: “verbürge dich nicht.” Auch Heraclit sagend: Alles fließt. Anderseits unterscheiden sich selbst die Sceptiker sehr genau von allen anderen. Als eigentlicher Stifter 15 der Sceptiker gilt Pyrrho. Sextus sagt: er habe deutlich und substantieller das Scepticiren angegeben. Pyrrho’s Leben ist nicht genau gekannt. In Elis soll er geboren sein, zu Aristoteles Zeit lebte er. Sein Leben ist ebenso sceptisch als seine Philosophie. Er sei mit Alexander gezogen, und von diesem hingerichtet, im 90sten Jahre. Als Lehrer scheint er nicht aufgetreten zu sein. Im Sinn des Scepti- 20 cismus liegt die Schule überhaupt nicht. Sextus sagt: es sei nur eine αγωγη , Anleitung zum Denken. Von Pyrrho giebt es viele erdichtete Geschichten. Nach ihm folgt Timon der Phliasier, der Sillen-Dichter. Diesem folgt Aenesidem; er hat in 2 –3  Der alte … Geltenden.] Hu: Was den alten Skepticismus betrifft so geht sein Resultat auf die Subjektivitaet des Wi sens, die aber entwikelt ist auf denkender Negation de sen was als Wahr gilt.­  ­ 25 4–5 kann man … Nichtphilosophen.] Hu: so ist er etwas sehr Altes – diess haben selbst die Skeptiker behauptet –­  ­6 ist er … Moment.] Hu: aber ist er eine spaetere Erscheinung.­  ­6–7 Denn Zweifel … Beängstigung;] Hu: Der Zweifel ist Z e r r e i s s u n g , bringt U n g l ü c k  – (Diess haben wir in den poeten des 17 Jahrhunderts in welchen an allen gezweifelt wird)­   ­9 des Geistes] Hu: der Seele­  ­10–11 Diese Unruhe … erhoben.] Hu: Der Skepticismus hingegen ist nicht diese Unend- 30 schlo senheit, Zweifel – sondern er ist die Ruhe des Geistes insich selbst, Festigkeit des Geistes ist sein Ziel. Er ist erhaben über den Standpunkt der Unruhe.­  ­14–15 nicht.” Auch … anderen.] Hu: nicht, also halte nichts für etwas Festes. Auch Heraklid, parmenides waren Skeptiker – Aber Skeptiker waren auch sehr sorgfältig sich von den alten zu unterscheiden. Die neue Akademie graenzt an den Skepticismus, aber die Skeptiker trennten sich davon sorgfaeltig.­  ­16–17 substantieller das 35 Scepticiren] Hu: substanzielles dieses Zweifelns­  ­19–20 Philosophie. Er … sein.] Hu: Lehre – Er war verehrt – Wurde in Elis seiner Vaterstadt zum Oberpriester gewählt. Machte den Feldzug mit Alexander und wurde von ihm zum | Tode verurtheilt – Es scheint nicht dass pyrrho als Lehrer aufgetreten ist –­  ­22 Von Pyrrho … Geschichten.] Hu: Es wird vieles von ihm erzählt – aber es ist 6  auch nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­7 Beängstigung;] folgt nachtr. gestr: denn­  ­ 40 13 Bias] Bion­  ­16 habe nachtr. mit Einfügungszeichen über gestr. sei­  ­21 αγωγη] απωγη­  ­22M Syllen-Dichter] folgt nachtr. gestr: 80 nach Chr.­  22–23 ihm folgt … er nachtr. in einen frei gelassenen Raum geschrieben, zum Teil auf Rasur  ­38 Lehrer] Lehrer nicht

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Alexandrien die schlafende Scepsis wieder erweckt. Der berühmteste Sceptiker ist Sextus Empiricus, ein Arzt, von dessen Lebensumständen wenig bekannt ist. Er lebte im 2ten Jahrhundert nach Chr. Er schrieb zwei Werke: Darstellung des Scepticismus, und 6 Bücher gegen die Mathematiker und 8 gegen die Philosophen. Alles Wahre entschwindet dem Scepticismus. Das Selbstbewußtsein insofern ein wahres ihm gilt ist gebunden, schwindet dieß wahre so entsteht zunächst der Schmerz der Zerrissenheit. Aber der scepticismus hat den Grundsatz, alles dieß Endliche fliehen zu lassen, und in der Befreiung darin die | Gleichheit des Selbstbewußtseins zu erlangen. In der Verwischung alles Seienden und Gedachten, in der Gleichgültigkeit als Vernunftbesitz setzen die Sceptiker ihre Ehre. Pyrrho bei einem Schiff bruch zeigte auf ein fressendes Schwein und sagte: so gleichgültig müsse ein Weiser sein. Der Hauptgrundsatz der Sceptiker ist: nichts als ein Seiendes auszusprechen, sondern es unbestimmt zu lassen. Die Sceptiker sind daher mit der neuen Academie verwandt. Denn Karneades sagt nichts für ein Wahres aus. Der Scepticismus fand noch dieß Unreine, daß Karneades sagte: dieß nicht Zustimmenkönnen sei ein Gut, das Zustimmen ein Uebel; ein Wahrscheinliches, das gut begründet sei, sei einem minder Begründeten vorzuziehen. Der Scepticismus sagt Sextus: sei eine Kraft, das Gedachte und Empfundene auf irgend eine Weise sich entgegenzusetzen, dem Gedanken das Sinnliche und umgekehrt oder dem Gedanken den Gedanken, dem Sinnlichen das Sinnliche. Es solle also überhaupt der Widerspruch aufgezeigt werden. Beide Seiten werden geltend gemacht, beide sind somit ein Scheinen. Jedes hat soviel Werth als das Entgegengesetzte. Ein Gegensatz des Sinnlichen gegen das Sinnliche ist zB.: ein Thurm in der Nähe gesehen ist 4eckig, aus der Ferne gesehen ist er rund. Man könne das Eine ebenso sagen als das Andere. Ebenso sei es im Gedanken mit der Vorsehung zB. Man sehe: dem Uebelen gehe es gut, dem Guten übel. Zum Beispiel des Gegensatzes des Sinnlichen und Gedachten führt der Sextus den Zeno an, der sagt

leicht zu erkennen dass sie erdichtet sind – um den Skepticismus lecherlich zu machen – man sagt zB. dass er auf eine Wand lo sgegangen ist, weil er die Sinnliche Gewi sheit leugnete„ Das Faellt weg 30 wenn er 90 Jahre alt nach Asien ging.  8–10 Gleichheit des … Ehre.] Hu: die Ataraxie des Geistes. Der Skeptiker vergleicht die Ataraxie damit: dass indem Appelles den Schaum nicht machen konnte, den Schwamm mit einer Vermischungen der Farben warf und den Schaum erhielt: So sagen die Skeptiker aus der Vermischung des Seyenden und des Wi sens entsteht die Ataraxie­  ­22 Scheinen.] Hu: Scheinen – daraus entsteht die Zurückhalten der Zustimmung.­  ­25 Vorsehung] Hu: Vorsehung 35 auf das System der Himmelskoerper –­ 2  wenig nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­6 ist nachtr. über der Zeile­  wahre nachtr. über der Zeile­  ­6–7 zunächst der nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­7 der Zerrissenheit nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­9 Verwischung nachtr. aus Vermishg­  ­10 bei] (1) b. 1 Schwein (2) bei (nachtr. über gestr. b. 1) 〈 Schwein〉 ­  ­12 ist: nachtr. über der Zeile­  ­16 Gut, das … ein nachtr. 40 mit Einfügungszeichen über gestr. 1 Gut­­  ­17M ἐποχή] ἔποχη­  ­Gut nachtr. über gestr. Uebel  ­26 Man sehe] (1) nun aber sehe man (2) Man (nachtr. über gestr.aber)

Aenesidemus 80 n. Chr. Sextus Empiricus. 200 nach Chr. Der allgemeine Grundsatz des Scepticismus ist alles was für wahr gilt als ein Nichtiges anzusehen, und in der Befreiung von diesem Endlichen die | Ataraxie der vollendeten Gleichgültigkeit gegen alles was ist und gilt als Resultat des Denkens zu erhalten. Er unterscheidet sich also von der neuen Academie noch dadurch, daß diese die ἐποχή für ein Gut erklärten, und ein Wahrscheinlicheres einem Minderwahrscheinlichen vorzog. Der Scepticismus ist näher das Bewußtsein der Dialektik aller der Bestimmungen, und der Entwicklung und Aufzeigung dieser Dialektik.

227Hu 221. 115

642 Diese Entwicklung besteht in den Tropen, allgemeinen Wendungen welche den Widerspruch aller Dinge und aller Denkbestimmungen in sich aufzeigen.

Die ersten Tropen gehen auf die Negativität der sinnlichen Wahrnehmung aus: 1. Verschiedenheit des Lebendigen überhaupt. 2. Verschiedenheit der Menschen. 3. Verschiedenheit der Sinneswerkzeuge. 4. Verschiedenheit der Zustände des wahrnehmenden subjects. 5. Verschiedenheit der Entfernung von Wahrgenommenen 6. Verschiedenheit der Vermischung des wahrgenommenen. c.) Zehn aeltere Tropen. Glauben an die Dinge α.) Verschiedenheit des Lebendigen.

229 Hu 223. 116

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der Schnee sei schwarz. Die Sceptiker brauchten nun ferner als das Bestimmtere ihrer ἀγωγη Tropen, wodurch die ἐποχη zu Stande kommt. Dieß sind allgemeine Wendungen die auf alles Gedachte und Empfundene können angewendet werden, um es als ein nur Relatives nicht für sich Bestehendes darzustellen. In diesen Tropen besteht der Scepticismus. | Im Gebrauch dieser Tropen besteht das 102vHo Eigenthümliche des Scepticismus. Diese Tropen sind 2lei Art: ältere und neuere. Der älteren sind 10, der neueren 7. Die 10 älteren gehen gegen das gewöhnliche Bewußtsein, gegen den Glauben an die Wahrheit des Wahrgenommenen. Die späteren haben mehr Interesse, indem sie gegen die gebildete Reflexion gehen. An den Älteren sehen wir den Mangel der Abstraction; die Unfähigkeit sie unter 10 allgemeine Gesichtspunkte zusammenzufassen. Diese Tropen sind nun näher diese: die Verschiedenheit des Lebendigen. Nach der verschiedenheit des Lebendigen entstehen auch verschiedene Empfindungen ein und desselben Gegenstandes. Diese verschiedenheit wird aus dem verschiedenen Ursprung geschlossen. Der zweite Tropus läuft auf das erste hinaus: Verschiedenheit der Menschen. Die 15 Sceptiker trieben da viele Indiosyncrasien auf. Es habe zB. Jemanden in der Sonne gefroren und in dem Schatten sei ihm warm gewesen. Die Verschiedenheit der Organisation mache auch eine Verschiedenheit der Vorstellung. Der 3te Tropus ist: Verschiedenheit der Organe, der Sinneswerkzeuge. ZB. auf einer gemahlten Tafel erscheine dem Auge etwas erhaben, was dem Gefühl nicht erhaben er- 20 scheine. So sei das Erhabene relativ. Der 4te Tropus war: Verschiedenheit der Umstände im subjecte. ZB. Ruhe und Bewegung, des Gemüths und Körpers; Jugend oder Alter ect. Der 5te ist: Verschiedenheit der Entfernung und des Ortes. Ein langer Gang erscheint dem, der vorn steht, hinten eng; dem dort stehenden vorn eng. Der 6te ist: Verschiedenheit der Vermischung. Indem nemlich nichts rein in 25 die Sinne falle, sondern nur in Vermischung mit Anderem. Die 7te Wendung ist: 1   schwarz.] Hu: schwarz – das Ei s ist wei s – das wa ser aber als das Farblose ist schwarz –­  ­ 11–12 Diese Tropen … diese:] Hu: Diese Tropen sind die aus denen die Unsicherheit des Wi sens, 228 Hu 222. entsteht. Sie haben für uns zum Theil wenig Intere se.­  ­12–14 Nach der … geschlossen.] Hu: daraus entstehen verschiedene Empfindungen gegen die Gegenstaende – man kann also nicht sagen von 30 der Empfindung sie sind da – Von dieser Verschiedenheit sagten sie, die Thiere entstehen aus Eiern, werden lebendig geboren etc – daraus entstehen verschiedene Empfindungen.­  ­15 Menschen.] Hu: Menschen in Ansehung d e r O r g a n i s a t i o n –­  ­17 in dem … gewesen.] Hu: in der Kael­te war es ihm warm – ein anderer konnte eine gro se Dosis von Schierling verschlingen. So kann man von dem Schierling nicht eins sagen –­  ­22–23 Jugend oder … ect.] Hu: Ha s und Liebe – Jugend oder 35 Alter – die machen einen völligen Unterschied in der Art und weise des Urtheils­  ­23–25 Ein langer … eng.] Hu: ein langer Gang erscheint auf der andern Spitze zu zulaufen – zB. eine Laterne im Sonnenschein leuchtet ganz schwach.­  ­26 sondern nur … Anderem.] Hu: ohne die Vermischung anderer Materie, so zB. im Geruch – auch das Auge besteht aus verschiedenen Feuchtigkeiten – so kommt die Vorstellung vermischt durch die Modificationen des Auges. 40 2  ἀγωγη] ἀπωγη­  ­23 und nachtr. über der Zeile

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Verschiedenheit durch den Zusammenhalt, die Menge der Dinge. Geschabtes Horn sieht weiß aus, im Ganzen Schwarz. Eine mäßige Portion | Wein stärke, eine größere schwäche. Eine 8te ist Verschiedenheit als Verhältniß. Die Relativität enthalte dieß, daß die Dinge nur bestimmt als im Verhältniß mit Anderem erschienen, so daß wir nicht sagen können ein Ding sei so und so für sich, da es dieß und das nur immer in Verhältniß sei. Der 9te Tropus ist: Verschiedenheit durch das öftere oder seltener Geschehen. Das Seltene sei in größerem Grad geehrt als das Häufige. Der 10te Tropus bezieht sich auf das Ethische. Ein allgemein Geltendes wird als auch nicht geltend aufgezeigt. ZB. Es sei ein Gesetz: der Sohn habe die Schulden seines Vaters zu bezahlen. In Rom übernimmt der Sohn sie nicht, wenn er auf das Vermögen Verzicht thut. Diese Tropen zeigen auf wie von allen Dingen eben so sich das Gegentheil sagen laße. Diese Tropen beziehen sich aber noch nicht auf ein Verhältniß des Begreifens. Das Verfahren ist empirisch. Empirische Daten werden sich entgegengesetzt. Aber der Sinn dieser Tropen hat noch immer seine Gültigkeit. Insofern zB. etwas gelten soll nach der unmittelbaren Empfindung, so kann Jeder Jedem widersprechen. Der Grund des Bestehens ist dann das Gefundenwerden in mir, aber ebenso zeigt sich das Nichtgefundenwerden und es ist ein Solches dadurch zu einem Scheinenden heruntergesetzt. Bei Versicherungen gilt ebenso die entgegengesetzte Versicherung. Was die 5 anderen Tropen betrifft, so gehören sie dem Denken an und enthalten die Dialektik, welche der bestimmte Begriff in sich faßt. Sie bezeichnen deshalb einen ganz anderen Standpunkt des philosophischen Denkens. Der erste Tropus ist: die Verschiedenheit der philosophischen Meinungen. Hierüber waren die Sceptiker sehr weitläuftig. | Das Resultat der verschiedenen Meinungen ist, daß alle nur scheinende seien. Dieß ist jetzt noch ein sehr beliebter Tropus. An ihm glauben viele eine ganz unüberwindbare Waffe zu haben. Die Idee ist allerdings in verschiedenen Formen. Aber die Idee ist überall Eine und die verschiedenheit ist nur die der Verschiedenheit der Entwicklung der Stu-

7. Verschiedenheit des Zusammenhalts und der Quantität 8. Verschiedenheit durch das Verhältniß 9. Verschiedenheit durch Häufigkeit und Seltenheit. 10. Verschiedenheit der Gültigkeit.

Die anderen Tropen sind diejenigen, welche den Widerspruch der Gedankenbestimmungen aufzeigen. 1. Verschiedenheit der philosophischen Meinungen.

30 2 Horn] Hu: Horn von Ziegenböken­   Schwarz.] Hu: schwarz – Kararischer Marmor im pulver

wei s – im Stüke gelb –­  ­3 Verhältniß.] Hu: Ve r h a e l t n i  s d e s R e l a t i v e n (diess ist eine mehr innere Bestimmtheit)­  ­7–8 Geschehen. Das … Häufige.] Hu: G e s c h e h e n  – dieses ver­ ae­ndert das Urtheil uber die Dinge – Die Gewohnheit kann uns selbst nicht erlauben dass die 230 Hu 224. Dinge so sind.­  ­25–27 weitläuftig. | Das … haben.] Hu: ausführlich – Sextus Empiricus findet 35 in dieser Hinsicht viele Dogmen vieler alten philosophien. Jedes davon begleitet er mit Gründen. Diess ist auch noch bis jetzt ein beliebter Tropus – er ist eigentlich das Naechste was einen ieden einfaellt bey der Bekaempfung der philosophie. Was diess betrifft haben wir in der Einleitung gesprochen. 6  und das nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­7 größerem nachtr. über gestr. geringerm­   40 ­17 dann nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­­  ­20M welche] welchen

ϑ.) Relativitaet der Dinge κ.) Seltnere oder öftere Geschehen.

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2. Der unendliche Progreß der Gründe.

3. Das Verhältniß. 4. Die Voraussetzung oder die Axiomen.

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γ.) Tropus des Verhaeltni ses.

232Hu 226.

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fen der Idee, und der Einseitigkeiten. Jede Philosophie ist die Philosophie in einer Form. Wer die Verschiedenheit gegen die philosophische Erkenntniß geltend machen will, den kann man darauf verweisen, daß ein Kranker zB. sagen könne, wenn der Arzt ihm Obst zu essen befiehlt, und man ihm Trauben bringt: dieß sei kein Obst. So ist eine besondere Philosophie immer, wie Trauben Obst, auch Philosophie. Der 2te Tropus ist: das Verfallen in das Unendliche. Dieser Tropus ist sehr wichtig, indem die Sceptiker zeigen, daß ein angeführter Grund immer einer neuen Begründung bedürfe, und so vorwärts und rückwärts in’s Unendliche. Indem man nimmer fertig wird so komme man zu einem Grundlosen. Dieser Tropus geht sehr richtig gegen das verständige Schließen. Im endlichen Felde hat dieß Schließen sein Recht, doch an und für sich ist bei diesem Schließen dieß der Fall, daß es Prämissen voraussetzt, die wieder nicht begründet sind, so daß durch sie nichts kann abgeleitet werden, während doch das Ableiten aus ihnen, der Zweck ist, dessentwegen sie vorausgesetzt werden. Die dritte Trope ist die des Verhältnißes. Es wird in Beziehung auf das urtheilende subject und auf die Dinge und in Beziehung auf die Dinge unter einander geltend gemacht. Die 4te ist die Voraussetzung. Die Dogmatiker nehmen nehmlich als in den unendlichen Progreß herausgeworfen ein Letztes Geltendes an, das Axiom. Ebenso aber, wie die Dogmatiker Voraussetzungen | annehmen, verwerfen die Sceptiker sie. Solche Voraussetzungen sind besonders in der Mathematik entweder als Axiomen oder Definitionen. Ebenso ist es bei spinoza. Aber diese Axiomen und Definitionen

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1–2 Jede Philosophie … Form.] Hu: Eben die Totalitaet eben dieser Verschiedenheiten macht das Ganze aus.­  ­ 3–5 den kann … Obst.] Hu: so kann man sich auf dieses Beyspiel berufen – wenn dem Kranken der Artzt verordnet Obst e sen powoli – und der Kranke sagt wenn man ihm Trauben und Birnen bringt dass diess nicht Obst ist sondern Birnen etc­  ­9–14 Dieser Tropus … werden.] Hu: 25 Hieraus erfolgt Zurückhaltung des Beyfalls – Das ist nun gegen den Verstand – gegen die alten Vernunftschlü se – Bey den Schlie sen auf dem endlichen Felde ist diess wohl der Fall – Es finden sich hier nemlich praemi sen, Vorstellungen – und das Beweisen ist nichts mehr als ableiten von dem Vorhandenen – Wenn nun man die praemi sen begründen will so kann das in’s Unendliche gehen.­  ­15–16 Es wird … gemacht.] Hu: diess war im Allgemeinen schon früher – ietzt ist nur zu zeigen dass es mehr 30 nach der Seite des Denkens gerichtet ist. Es erscheint in Beziehung auf das Urtheil des Subjekts.­  ­19 verwerfen die … sie.] Hu: So hat auch der Skepticismus das Recht das Gegentheil von diesen Axiom festzustellen. Diess ist auch ein sehr wichtiger Tropus.­  ­21.645,1 Ebenso ist … Bewiesene.] Hu: So auch verfährt Spinoza, der mit Definitionen anfaengt – und alles Folgende ist ein Zurükweisen auf die gegebenen Definitionen – er führt diess ganz consequent aus. Darüber haben die 35 Skeptiker ein gutes | Bewustsein gehabt indem sie solche Axiome als etwas unbewiesenes ansahen. 1  der Idee nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­3 den nachtr. über der Zeile­  ­12 es nachtr. über gestr. sie­   voraussetzt nachtr. aus voraussetzen­  ­15 und auf … Dinge nachtr. über der Zeile mit Einfügungs­­zeichen­  ­16M 4.] 5.  ­16 in Beziehung auf nachtr. über der Zeile mit Einfügungs­ zeichen­­   ­24  powoli] polnisch: langsam, gemächlich (Adverb)­  ­36 Bewustsein] davor acht Zeilen am Seitenanfang 40 unbeschrieben gelassen (vermutlich wegen eines Wasserschadens) und mit einer schrägen geschwungenen Linie markiert

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eben sind das zu Beweisende und nicht Bewiesene. In unseren Zeiten sind die Thatsachen des Bewußtseins diese Voraussetzungen, dergleichen Gewißheiten und versicherungen. Der 5te Tropus ist der der Gegenseitigkeit, der Beweis im Cirkel, das wovon geredet wird wird bewiesen durch ein Unbewiesenes Anderes welches seinen Beweis in dem ersten zu Beweisenden findet[.] Wenn nehmlich nicht in’s Unendliche hinausgegangen werden soll wird etwas durch ein Anderes bewiesen das es begründen soll; und dieses durch das Erste Die Kraft zB. ist der Grund der Erscheinung; der Grund der Kraft wird von der Erscheinung abgeleitet. Eins setzt das Andere voraus, beide setzen sich gegenseitig voraus und erklären sich. Dieß sind die 5 Tropen. Daß nun auf diese alle Untersuchung, alle Skepsis auf diese hinauslaufen, dieß beweißt Sextus. Er zeigt dieß auf folgende Art: der vorliegende Gegenstand ist entweder ein empfundener oder gedacht. Er mag bestimmt sein wie er will so hat er eine Verschiedenheit der Meinung über sich. Einige halten die Empfindung andere das Denken für die Kriterien. Ist dieser Widerspruch übereinstimmend zu machen, dann ist es gut, ist er nicht aufgelößt, so halten wir unsere Zustimmung zurück. Was soll aber das Kriterium sein. Soll das Empfundene zum Kriterium den Gedanken oder die Empfindung haben? Soll es die Empfindung sein, so bedarf jedes Empfundene zu seiner Begründung eines Anderen und so in’s Unendliche fort. So fallen wir in den 2ten Tropus. Soll das Gedachte das Beurtheilende sein, so bedarf es auch einer Begründung, und wiederum in’s Unendliche fort. Wenn aber ferner dieß Fortgehen in’s Unendliche, dieß zu keinem Grundekommen soll abgeschnitten werden, so daß das Sein der Empfindung im Gedachten seine Begründung hätte, so bleibt für die Begründung des Gedankens, wenn er nicht soll in’s Unendliche fortgehen, nichts als das Empfundene übrig, und so kommt der Tropus der gegenseitigen Begründung herein. | wird dieß durch ein Axiom vermieden, so erhalten wir den Tropus der Voraussetzung. Dieß sind die sceptischen Tropen. Wir sehen, daß der Scepticismus nicht nur so verfuhr, Einwürfe gegen ein Bestehendes herbeizubringen; er ist kein bloß empirisch zufälliges Thun, sondern er enthält wissenschaftliche Bestimmung. Die 5 Tropen sind ein hohes Bewußtsein und ein höheres als in der Logik der stoiker und Epicuraeer. Diese Wendungen sind nothwendige Weisen in die das Argumentiren des Verstandes fällt, und die Sceptiker hatten ein Bewußtsein über das 4 –5  durch ein … findet] (1) drh das Beweisende. (2) drh das zu (nachtr. über der Zeile) Beweisende.

35 (3) (drh ein Unbewiesenes Anderes welches seinen Beweis in dem ersten zu Beweisenden findet

nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen)­  ­6 ein nachtr. über gestr. das­  ­7 und dieses … Erste nachtr. über der Zeile­  ­22 der nachtr. über gestr. sne­  ­24–25 das Empfundene … und] (1) Empfundene, (2) d. (nachtr. über der Zeile) Empfundene übrig (nachtr. über der Zeile), u (nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen)

5. Der Beweis im Cirkel.

Daß diese 5 Tropen sich bei jeder Untersuchung anwenden und ihr Unvermögen ein Resultat herauszubringen, das ein wahrhaftes wäre, darzeigten, beweißt Sextus.

104vHo

Diese Tropen sind das wissenschaftliche Bewußtsein der Mangelhaftigkeit des einseitigen verständigen Erkennens.

646

Aber ebendadurch sind diese Tropen gegen das speculative Erkennen kraftlos und vermögen gegen dasselbe nur anzukämpfen, indem sie es selbst erst zu einem einseitigen herabgesetzt haben, was es seiner Natur nach nicht ist.

So nimmt Sextus den Begriff des Aristoteles vom Denken, als dem sich selbst denkenden vor, und betrachtet es unter dem Verhältniß von Ganzem und Theilen, wodurch es allerdings ein einseitiges wird, aber eine Einseitigkeit erhält, die ihm erst von Sextus gegeben ist

233Hu 227 118  234 Hu 228

nachschrift hotho · 1823/24

Nichtberechtigte dieses Verfahrens. In diesen Tropen ist das Mangelhafte aller Verstandesmetaphysik vorhanden, das Verfallen in das Unendliche beim Argumentiren, oder das Machen von Voraussetzungen. Dieß sind Weisen die täglich vorkommen. Die sceptischen Tropen verwerfen jede Dogmatik, welche ein Prinzip in einem bestimmten identischen Satze aufstellt, denn von einem solchen 5 läßt sich immer sein Bedingtsein aufzeigen, sein Zerstören durch sich selbst. Diese Tropen sind eine sehr gründliche Waffe gegen alle Verstandesphilosophie. Die Sceptiker haben sie gegen das gewöhnliche Bewußtsein wie gegen die philosophische Reflexion mit großem Scharfsinn angewandt. Sextus nimmt die einzelnen Wissenschaften im concreten durch, nimmt alle Grundbestimmungen der Geo- 10 meter und Arithmetiker vor, und setzt sie sich entgegen, zeigt in ihnen einen Widerspruch, theils äußerlich, theils setzt er sie sich innerlich entgegen und zeigt wie die Annahmen aus solchen Axiomen grundlos sind, indem eben das Entgegengesetzte sich annehmen läßt. Das Studium des Sextus ist von großem Einfluß. Es ist nur noch zu erinnern, daß welche Kraft diese negative Dialektik 15 gegen die Verstandesbestimmungen hat, sie doch unkräftig ist gegen das speculative. Denn dieses ist kein Satz, kein nur Bestimmtes, | sondern hat den Gegen- 105rHo satz in ihm selbst. Das Andere seiner selbst ist im speculativen schon vorhanden, es in sich selbst concret, seine Bestimmtheit ist in ihm aber zugleich aufgehoben; die Entgegensetzung ist zugleich aufgelößt. Merkwürdig ist daher das Verhalten 20 des Scepticismus gegen das Speculative, dem er nur erst was anhaben kann, wenn er es verdirbt, es bestimmt macht um ihm sein Anderes entgegenzusetzen, ihm die Krätze giebt um es kratzen zu können. Ein Beispiel wie Sextus in dieser Rücksicht verfährt wäre dieses, daß er vornimmt: die Idee des Aristoteles als das sich selbst denkende Denken, die sich selbst begreifende Vernunft. Sextus argu- 25 mentirt: entweder ist die Vernunft, welche begreift das Ganze oder nur ein T ­ heil. (Aber ein solches Entweder Oder ist das speculative nicht, sondern weder noch und sowohl als auch.) Sextus fährt fort: ist die Vernunft als Begreifendes das Ganze so bleibt für das Begriffene nichts; ist sie nur ein Theil, so ist der ­Theil als Begreifender entweder wieder das Ganze mit dem Begriffenen und hat nichts zu 30 begreifen übrig, oder ist ein Theil und das Begriffene der andere; dann aber begriffe das Begreifende nicht sich selbst, sondern den anderen Theil. So zerstört sich nach Sextus dieser Begriff. Aber die ganze Argumentation beruht auf dem Verhältniß von Ganzem und Theilen, welches kein Verhältniß der Vernunft ist. 1  das Mangelhafte] Hu: die Unmöglichkeit­  ­17–18 sondern hat … selbst.] Hu: sondern es ist 35 eben die Dialektik in sich selber zu haben, den Gegensatz in sich zu haben – 12  er nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­14 Entgegengesetzte] Entggegegesetzte­  ­30 mit dem Begriffenen nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen

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Sextus sagt: ist das Begreiffende ein Theil, und das Begriffene ein Anderer so können sie sich nicht einen. Sextus hält also die Anderen als Andere auseinander, obschon im speculativen gerade das Begreifen und Begriffene wohl Andere aber ebenso aufgehobene Andere sind. Hiemit wäre der 2te Abschnitt beschlossen. Sein allgemeiner Standpunkt ist derselbe. | Das Interesse ist die Freiheit des Geistes in sich zu erringen. Alle 3 Stufen erwerben durch das Denken die Ataraxie. Dieß ist der Standpunkt, daß der Geist dazu kommt, sich in sich selbst zu vertiefen, sich selbst als das Letzte als das in sich selbst Unendliche zu fassen. Dieß Vertiefen des Geistes in sich fällt in die römische Welt. Aus dieser todten Welt der Römer, aus dieser Abstraction der Republik und des Kaiserthums strebt der Geist zur Einsamkeit zu sich aus einem Dasein, das ihm keine Befriedigung zu geben vermochte. Es ist der Standpunkt des Unglücks der Welt, des Entzweitseins in sich, wo der Geist in der Realität nicht Versöhnung zu finden vermochte und sie in der Abstracten Einheit mit sich fand. Diese Flucht ist das Philosophiren. Das Denken nimmt alle Unterschiede auf, beachtet sie, aber findet die Glückseligkeit nur in der Innerlichkeit, in der Ruhe mit sich. Es liegt darin, daß es hier das Individuum es ist, das seine Befriedigung sucht. Was jetzt bewirkt werden kann, ist nur individuelles wirken; das Wirken in der Welt ist noch nicht darauf gekommen, durch eine in sich allgemeine Realität das Bewußtsein zu befriedigen, so daß der Mensch auch in der wirklichkeit ein Vernünftiges fände. Unter den Kaisern finden wir vortreffliche Individuen. Antonin war vortrefflich. Aber diese Individuen wirkten nur für sich, nicht mit dem Gedanken durch Institutionen, durch Gesetze auch der Wirklichkeit Vernünftigkeit zu geben, so daß das Individuum seine Befriedigung auch hätte in einer äußeren Welt finden können. Diese Innerlichkeit des Geistes nun in sich ist es, welche sich eine ideale Welt erbaut, und zwar ist diese ideale Welt nicht die abstracte der unmittelbaren Einzelheit und unmittelbaren Allgemeinheit, sondern die aus der Negativität des scepticismus hervorgegangene Einheit und zwar ideelle Einheit beider.

Das Gemeinschaftliche nun dieser 3 Stufen ist das Streben des Geistes die Einheit mit sich zu erwerben. Dieß Streben fällt in eine Zeit wo eine wesenlose Wirklichkeit den Geist nicht zu befriedigen vermöchte, der in sich zurückflieht. Die Einheit des Geistes mit sich indem sie nur die abstracte unmittelbare ist, zeigt sich als die Einheit des subjects in sich; in der Ataraxie als der einfachen Einheit des subjects mit sich. Das Wirken und Wissen des subjects ist somit selbst nur individuelles einzelnes.

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1 0–12  Welt. Aus … vermochte.] Hu: Welt – in die Abstraktion des Römischen princips. Es ist diess sowohl der Republikanismus Roms, als der Despotismus der Keiser. So ist der Geist geflohen in die Intellektualitaet überhaupt. 15  das nachtr. in der Zeile­  ­19 durch nachtr. über der Zeile­  ­22 diese Individuen nachtr. über gestr. sie­   35 ­28 des] der

235Hu 229. 119

648 106rHo Dritte Periode. Das subject nach der Auf hebung der Einseitigkeit der Allgemeinheit und der Besonderheit durch den Scepticismus ist zugleich Auf hebung dieses einseitigen Auf hebens und somit affirmative Einheit des Stoïcismus und Epicuraeismus, in welcher beide Prinzipe als ideelle sind. Somit kommt die Idee als die concrete sich selbst bestimmende Allgemeinheit in’s Bewußtsein. Indem sie der Gegenstand des denkenden Ich ist und das Selbstbewußtsein sich jetzt als diese Concretion weiß, sie aber nur als gedachte und somit allgemeine weiß fehlt dieser Concretion noch die andere Seite, die unmittelbare Wirklichkeit. Die Neuplatoniker sind die Einheit der ersten und zweiten Periode, insofern in der ersten die Idee sich als die sich selbst bestimmende Allgemeinheit erfaßte, diese Concretion in ihre Unterschiede als die Totalität ihrer Besonderheit auseinander schlug und jetzt die Besonderheit in ihre erste Allgemeinheit wieder zurücknimmt.

nachschrift hotho · 1823/24 D r i t t e Pe r i o d e .

Was nun die dritte Periode anbetrifft so ist das Hauptmoment des Uebergangs dieses, daß wir im Scepticismus die Vernichtung aller Bestimmtheiten der Prinzipien sahen, die sich im Stoïcismus und Epicuraeismus auf die Spitze der Bestimmtheit des Gegensatzes stellten. Daraus muß unmittelbar die Idee einmal als 5 Nichts der Einseitigkeit dieser Prinzipien hervorgehen aber mit dieser Idealität die Einheit, in der sie als ideale Bestimmungen sind, produciren oder die Idee muß als in sich concrete zum Bewußtsein kommen. Dieß in sich concrete Prinzip hat einmal die Form der Unendlichkeit des Selbstbewußtseins in sich, als Form der Idee. Denn der Geist hat kein Sein anders als das Denken das sich selbst be- 10 stimmt. Das Selbstbewußtsein ist die reine Identität mit sich, das sich wissende Denken, das sich in sich sich entgegensetzt, sich bestimmt, unterscheidet, und in diesem Unterschiede vollkommen durchsichtige Einheit bleibt. Dieß ist das Concrete. Diese Form die das Concrete als die Unendlichkeit des Selbstbewußtseins hat, das Absolute gewußt als des Selbstbestimmtseins. Das Selbstbewußtsein, das 15 das Absolute in allen Formen entwickelt hat ist ein wirklich gegenwärtiges; dieß Moment gehört uns noch nicht an, sondern ist erst das Wissen der christlichen Religion. Die andere Form ist, daß das Concrete abstracter aufgefaßt wird, daß es im Gedanken gefaßt wird, daß das Absolute gedacht ist als in sich concret. Indem der Gedanke so in sich concret aber selbst nur als gedachte Welt genommen 20 ist, so kommt es, daß ihm der Punkt der Individualität, der selbstischen unmittelbaren Einzelheit noch abgeht. Denn das Concrete ist subject, in soferne die Form der Geist, der nach allen Seiten vollendet auch als unmittelbarer Dieser sich weiß und so in Christus auftritt. Aber auf unserer Stufe fehlt diese Wirklichkeit der Concretion noch. Das Absolute ist nur überhaupt erst als das Con- 25 crete gedacht. Es ist dieß ein Ruck, der nicht auf die philosophische Entwicklung eingeschränkt, sondern ein Umschlag der Weltgeschichte ist. Im Mysterium, im Innersten, im Heiligthum aber muß die Philosophie dabei sein. Die übrigen Gestalten der Weltgeschichte gehen uns hier nichts an. | Uns geht die Weise an, wie das Concrete philosophisch aufgefaßt wird. Diese 106vHo Vorstellung kommt da vor, wo der Orient und das Abendland aneinandergren5 stellten.] Hu: getrieben – Der Gegensatz war quelle aller andern Gegensätze.

236 Hu

1  D r i t t e P e r i o d e . nachtr. am oberen Seitenrande­  ­4 Spitze der nachtr. über der Zeile mit Einfügungs­ zeichen­  ­7 produciren nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­10 anders nachtr. über der Zeile­  ­ 17 erst nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­20 aber selbst … Welt nachtr. über der Zeile mit 35 Einfügungs­zeichen­  ­21 der2 ] des­  ­22 unmittelbaren Einzelheit nachtr. mit Einfügungszeichen über gestr. Pnktes­   ­23 die nachtr. über der Zeile­  ­23–24 auch als … so nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­28 aber nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen

erster theil · die antique philosophie

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zen, die morgenländische Allgemeinheit und die abendländische Bestimmtheit. Im Stoïcismus sehen wir das Denken als das Allgemeine zum Prinzip gemacht doch dem äußerlichen Dasein, der Wirklichkeit gegenüber. Die orientalische Allgemeinheit ist von der ganz freien Natur. Das abendländische Denken hat das Prinzip der Allgemeinheit selbst als die Besonderheit. Der Punkt der Einheit des Morgen- und Abendlands ist auch die geographische Geburtsstätte der concreten Idee, denn Alexandrien ist die Sonne der concreten Idee. Wir haben in der pythagoraeischen Philosophie die τριας gesehen, in Plato die Natur des ταυτον, ϑατερον und Einen Beider. Solche Bestimmungen sind das Concrete, das wir noch näher bei Aristoteles als ἐνεργεια sahen. Die Gedankenbildung dieses Concreten schließt sich an die vorhergehende Ausbildung des Gedankens, an die unscheinbaren Bestimmungen, welche jetzt sich zur Hauptsache ausgebildet haben. Diese Philosophie der Alexandriner heißt die Neuplatonische, ebenso könnte sie die Neu-Aristotelische heißen. Was das Nähere betrifft so ist das Individuum von dem zu sprechen ist, Philo, ein alexandrinischer Jude, 20 Jahre vor Christus geboren. Er ist Einer derjenigen, in welchem die Umwendung in der Form der Philosophie zu Stande kam. Viele seiner Werke sind vorhanden. Er war seiner vielfachen Gelehrsamkeit wegen geachtet. Wir sehen, daß er die Geschichte des jüdischen Volkes einerseits zu Grunde legt, aber daß diese Geschichte nicht die Bedeutung der verständigen Wirklichkeit hat, sondern er findet in ihr überall einen mythischen, allegorischen Sinn. Denn es ist der Character dieser Zeit, daß das verständige die Zusammenhänge nicht aushielt, Geschichten, Aussprüche, die | als Grundlage vorliegen für die Wahrheit, während der Gedanke gefaßt ist die Wahrheit sei kein so äußerliches, so entsteht dieses, daß in dem Geschichtlichen Erscheinenden der Sinn der Philosophie der Sinn des Gedankens hereininterpretirt oder vielmehr herausinterpretirt. Denn in dem Geist jener Schriften, jener Begebenheiten ist eine

5 –7 die Besonderheit. … Idee.] Hu: besonderes Gesetz. Es ist also die Durchdringung dieser principien, die die Geburtstaette der jetzigen philosophie ausmacht. Es ist vornemlich in Alexandrien die 30 Scene, wo diese Weise der philosophie ausgebildet ist, mit der Rücksicht auf vorhergegangene Fort­ schritte.­  ­9 Einen] Hu: die Einheit­  ­10 ἐνεργεια sahen.] Hu: ενεργεια . Das Denken des SelbstDenkens. Kurz­  ­22–27.650,1–6 Denn es … sehen.] Hu: Ueberhaupt das Verstaendige hat in diesen Zeiten nicht ausgehalten – Indem man religiöse Schriften vor sich hatte – und als Autoritaet annahm, und indem man den Gedanken gefa st hat, die wahrheit sey nicht so etwas au serliches, so 35 hat man den tiefen Sinn in ihnen darin hineininterpretirt – einerseits aber auch herausinterpretirt – dass er v o n s i c h darin sey. So interpretirte man den plato etc – die dieses interpretirten wu sten es nicht dass sie darin das Seynige legen. Es kommt hier darauf an, ob die Geistigkeit, das Band der Schriften etc tiefer oder oberflaechlicher genommen wird. Das Aü serliche hat seinen prosaischen Sinn verloren. Von allen philosophen der Alexandrinischen Schule werden Wunder erzählt. 40 6  auch nachtr. über der Zeile­  ­16 20 nachtr. über gestr. einge­  ­20 legt] liegt­   verständigen nachtr.

über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­31 ενεργεια] eνegeια­  ­37 Seynige] sc. Ihrige

Die Sonne des ­Neuplatonismus ist Alexandrien, der Einheitspunkt der orien­t a ­lischen Allgemeinheit und der occidentalischen Besonderheit.

Philo von Alexandrien geb. 20 vor Chr.

Der Zeitcharacter ist überhaupt dieser, daß nach dem zu Grundegehen der bestimmten Verständigkeit durch den Scepticismus die Wirklichkeit ihre verständige Festigkeit verliert, | indem in ihr nur immer die speculation gefaßt oder geahnt wird.

237Hu 231. 120

238 Hu 232.

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Philosophie des Philo. Die Form ist selbst noch die der unmittelbaren geistigen A n s c h a u u n g , der Gedanke der sich noch nicht zur Reinheit befreit hat.

1. Das Absolute ist Gott, das το ὀν , die abstracte sich selbst gleiche Allgemeinheit, das Nicht zu erkennende.

107vHo

a Dieß Absolute ist der abstracte Raum das leere All. b. Das abstracte Eins, die leere Zeit.

a.) Gott ist das Urlicht ὄν unerkennbar.

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substanz, und es kommt darauf an, ob diese Geistigkeit oberflächlich oder tiefer genommen wird. Die Gedanken, die man aus Büchern aus Begebenheiten nimmt sind an sich in denselben enthalten. Das äußerliche Dasein hat seinen prosaïschen Sinn verloren. Die Wunder sind etwas alltägliches in dieser Zeit. In äußerlichen Begebenheiten wird der verständige Zusammenhang nicht gefordert, sondern der Geist will sich darin sehen. Was Philos Lebensumstände betrifft, so ward er unter Caligula nach Rom gesandt von der jüdischen Gemeinde, weil die Juden bei Caligula waren angeschwärzt worden. Die Philosophie wollen wir kurz nehmen. Philo sagt: Gott sei zu erkennen. Aber nur das Auge des Geistes könne ihn anschauen. Die Seele müsse daher das Sinnliche aufgeben und sich zu den reinen Gegenständen erheben. Die Seele kann aber Gottes Wesen nicht erkennen, sondern nur daß er ist. Gott ist zuerst das Urwesen, und zweitens der λογος, der erstgeborene Sohn, der Abglanz, der Verstand, der Inbegriff aller Ideen. Gott selbst ist nur das reine Sein, der λογος das Weltbeherrschende. Das ὀν kann nicht erkannt werden, sondern nur der Abglanz, der Sohn, der λογος. Im Christlichen ist der Gott nicht auf das ὀν eingeschränkt, sondern als Geist als das Dritte, und der Sohn ist eine Bestimmung Gottes selbst. Gott als Sein ist freilich nicht zu erkennen, denn das reine Sein ist das ganz Leere, abstracte, und Erkennen ist Wissen der concreten Bestimmtheit; ein zu Erkennendes muß daher | concret sein. Ist Gott das reine Sein so ist er nicht zu erkennen, oder nur zu erkennen, daß dieß reine Sein selbst nur eine Abstraction und nicht der wahrhafte Gott ist. Philo nennt Gott das ὀν. Von diesem wesen sagt er, es sei das Urlicht, der Raum des Universums, der reine Raum, das ganz leere abstracte All. Ferner sagt er von diesem Wesen, es sei sich selbst der Ort und von sich selbst erfüllt. Wozu die Fülle, kann man hier fragen? Denn bei der Fülle ist man sogleich bei dem Concreten, als dem Unerfüllten, dem Erfüllenden und dem sichselbst er-

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11–13 Philo sagt: … erheben.] Hu: Die Hauptsache bey ihm ist Gott zu erkennen – er kann nur 30 durch das Auge des Geistes a n g e s c h a u t werden (Entzükung etc kommt jetzt öfter vor) sie mu s daher sich von Koerper lo srei sen und sich zum reinen Gegenstand emporheben.­  ­14 Gott ist … Urwesen] Hu: Sein wesen ist das p u r e Licht (orientalische)­  ­15–16 Verstand, der … Weltbeherrschende.] Hu: Verstand – das ist das Regierende der Welt. Gott Selbst ist das reine Sein. – Wir sehen also dass philo den plato studirt hat. 35 1  substanz] folgt nachtr. gestr: darin­  ­7 er nachtr. über der Zeile­   Caligula] Cajus Calligula­  ­8 Caligula] Callgula­   17M το ὀν] το ὁν  ­18 ὀν] ὁν­  ­25 ὀν] ὁν­  ­29 als dem … dem] (1) das Unerfüllte, das Erfüllende u das (2) (als dem nachtr. über gestr. das) Unerfüllten, (nachtr. aus Unerfüllte,) dem (nachtr. über gestr. das) Erfüllende u dem (nachtr. über gestr. das)­  ­31 sie] sc. die Seele   ­34 Regierende] Reigerende­­  40

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füllenden Unerfüllten Gott sagt Philo, sei das Erfüllende für Alles, sei der Eine und das All. Aber dennoch ist dieß ὀν nur das Abstracte, denn er ist nur die substanz, das Eins und Alles in ununterschiedener Allgemeinheit. Ebenso wie er der Raum ist lebt dieser Gott als Begriff der Zeit. – Was nun zweitens die Unterschiede betrifft, so machen sie den λογος, den herrschenden Engel, den sinnlichen Menschen; weil der Mensch das Concrete Lebendige ist. Das Thätige ist erst das selbstbewußte des Menschen. Der λογος ist der Urmensch, der Aufgang der Sonne. Dieser λογος theilt sich in Ideen, und diese nennt Philo ἀγγελοι. Die ganze Auffassungsweise ist noch nicht der reine Gedanke. Dieser λογος ist der erste, die ruhende Engelwelt, das Unterschiedene als das Ruhende. Ein anderer ist der thätige handelnde λογος, das Schaffen der Welt. Er ist Gottes Rede. Die Rede der λογος ist von jeher die reine Form der Geistigkeit gewesen, der reine Schall des Geistes, das Widerklingen in ein anderes Selbstbewußtsein, das materiell stets Verschwindende, das immateriell Daseiende. Sprechend sagt Philo, erschuf Gott. Das Geschaffene bleibt ein Ideelles, die Ideen, das wahrhafte Wesen des Erschaffenen. Der λογος ist das Werk Gottes. Dieser λογος ist auch der Lehrer der Weisheit, der Hohepriester, der den Menschen mit Gott vermittelt. | Dieß macht die intelligible Welt, das Wort Gottes aus. Dieser steht die sinnliche gegenüber. Die wahrhafte ist die intelligible. Sie ist das wort. Dieses hat den Himmel geschaffen, der aus dem reinsten Sein bestehend Aufenthalt der Engel ist. Darin ist zuerst die Idee der Luft, darauf die Erde ect gemacht, das Wasser. Die Sinnliche Welt ist wie bei Plato das οὐκ ον, welches nur erscheint insofern es ein Gleichniß ist des Ansich Wahren. In Verbindung hiemit kann die Kabbalistische Philosophie und Gnostische Theologie gebracht werden. Alle diese beschäftigten sich reiner und trüber mit solchen Vorstellungen. Zuerst ist das Seiende abstracte, Namenlose, Unerkannte; zweitens folgt darauf die Enthüllung, das Concrete, und drittens folgt eine Stufenfolge einiger Gestalten nach der Weise der Emanation, theilweise aber nach 3–4 Eins und … Zeit.] Hu: Eins – er ist also das was wir bey parmenides gesehen haben. So ist Gott

30 nicht erkennbar. (Absatz) Er sagt: Gott lebt in dem Urbilde der Zeit – er ist selbst der allgemeine Be-

griff, Gedanke der Zeit –­  ­7 Urmensch] Hu: Urmensch – Adam das Lebendige –­  ­14–15 Sprechend sagt … Gott.] Hu: Er sagt: Gott s p r e c h e n d s c h u f zugleich – nichts zwischen beides setzend – S p r a c h e und T h u n –­  ­16 Erschaffenen.] Hu: Erschaffenen – oder wenn man noch ein wahrhafteres Dogma geben will so ist­  ­17 der den … vermittelt.] Hu: der Gott der die Menschen ­18–19 gegenüber. Die … wort.] Hu: entgegen. (Absatz) Das Erste beym plato ist das 35 belebt –­  Seyn – dann der λογος – thaetige λογος – das ist die ideale Welt. Diese steht über die sinnliche welt. Die intelligibile Welt ist die wahre – sie ist das wort Gottes –­  ­25–26 Alle diese … Vorstellungen.] Hu: dass diese sich alle mehr oder weniger, mit dreien sich annaeherenden Vorstellungen beschaeftigt haben. 2  ὀν] ὁν­  ­11 Er ist … Rede. nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­23M ὀν] ὁν  ­27–28 eine 40 Stufenfolge … Gestalten] (1) stufenweise (2) eine (nachtr. über der Zeile) Stufenfolge (nachtr. aus stu-

fenweise) (eiger Gstalten nachtr. über der Zeile)­

c Die ununterschiedene Einheit des Eins und All. 2. Die Totalität der Unterschiede ist der λογος Er ist das Werk, die Rede Gottes.

Ferner:

a Eine ruhende Ideenwelt, die ἀγγελοι, oder die Unterschiedenheit selbst noch in der Form der Allgemeinheit. b. Die thätige Ideenwelt die Besonderung der Unterschiede gegeneinander, das Erschaffende. Diese thätigen Ideen erschaffen das Sinnliche als das οὐκ ον, und sind ebenso das Vermittelnde desselben für die Rückkehr zum ὀν .

239 Hu 233. 121 β. Gott ist das Bild der Zeit 240 Hu 234.

c.) die sinnliche welt – das οὒκ ὄν. der Himmel.

652 Die Kabbala. Es ist dieß eine mehr trübe oder klare Weise der Vorstellungsweisen der Momente der absoluten Idee.

108vHo Die Gnosis. Sie setzt gleichfalls das ὀν als das Erste Unbegreifliche; aus diesem geht als die Erfüllung des Unerfüllten, als das Begreifliche des Unbegreiflichen eine Aeonenwelt hervor, diese schafft die Welt und führt dieß οὐκ ὀν zum ὀν zurück. Dieser Gnosis welche die Wirklichkeit des ὀν in der Welt läugnete und bei der Vorstellung desselben stehen blieb, stand die Lehre der Kirche feindlich gegenüber.

241Hu 235 122

242Hu 236.

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der Weise des Christlichen der Rückkehr zur Einheit. Dieß dritte kommt durch Vermittlung des λογος zu Stande, wie wir auch bei Philo sahen. Die Kabbalistische Philosophie ist eigentlich eine altjüdische. Kabbala heißt die geheime Weisheit der Juden. Ueber ihren Ursprung ist viel gefabelt. Es sei ein Buch vorhanden, das Himmelsbuch das Adam zum Trost seines Sündenfalls erhalten habe. Es ist trübe und vermischt. In der Weise der geschichtlichen Verfolgung ist aufgezeigt ein Ausgehen vom Agyptischen. Ferner: Die Juden empörten sich gegen Hadrian, aber es ging ihnen schlecht. Einem Rabbiner Akibah der thätig bei dieser Verschwörung war, wird dieß Buch auch zugeschrieben. Ein Commentar des Rabbi Cohen Jezirah gehört auch in diesen Kreis. Im Ganzen ist dieß ein trübes Gemenge heterogenster Gegenstände. Aber es finden sich auch Grundlagen, wo das Prinzip aller Dinge das Eins hervorsticht, während mehr auf Weise der Emanation fortgefahren wird. Der ὁρος macht dann eine große Rolle. Die erste Emanation ist der Urmensch, der Mikrokosmus, und von dort geht es fort zu weiteren Emanationen. Diese Welt | ist die der reinen Lichtstrahlen, der 10 Sephirot. Bei den Gnostikern machen ähnliche Bestimmungen die Grundlage. Der Unnennbare, abstracte Gott ist immer das schlechthin Erste, dann folgen der νους, σοϕια, der λογος. Bei Anderen heißt das Erste, das vollendete αιων , oder der Abgrund das Unergründliche, auch ist es bestimmt als der Vorvater. Das Nächste ist dann der Uebergang aus diesem Unbestimmten zum Bestimmten, das sich Begreiflichmachen des Unbegreiflichen. Dieß Begreifliche sind die Aeonen, Engel, die Aeonenwelt, die die Erfüllung das πληρωμα heißt. Diese Welt ist in sich entzweit und wieder vereint; alles hat seinen Gegensatz und sein Integrirendes. In vielen krausen, bunten Formen kommen diese Bestimmungen vor. Die Offenbarung heißt auch die δοξα, auch der Name Gottes; das Scheinen Gottes, die Bestimmung. Eine Hauptsache war dann die Rückkehr zum Ersten aus dem οὐκ ον, die Rückkehr zur εἰρηνη. In der Darstellung der Gnostiker von Neander ist dieß ausführlich zusammengestellt. Die Kirche hat allen diesen Gnosticismus verworfen, weil die Gnostiker mehr im Gedanken oder in der Einbildungskraft stehen

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1  Einheit.] Hu: Einheit – das wahrhaft Dritte ist das Nicht schlechter gewordene die Versöhnung)­  ­  ­13–14 Der ὁρος … Rolle.] Hu: sie ist als ὁρος Grenze gefa st des Unendlichen.­  ­ 20 als der Vorvater.] Hu: als προαρχη v o r Vater, denn in Vater ist schon das Thaetige.­  ­23–24 Diese Welt … vereint;] Hu: Darin sind zwey principien vorhanden das Weibliche und Maennliche.­  ­ 27 Rückkehr] Hu: Rückkehr der Seele 35 1  des Christlichen nachtr. über der Zeile­  ­4 sei nachtr. über gestr. ist­  ­7 Ferner: nachtr. über der Zeile­  ­8 Akibah nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­10 Commentar des … Cohen nachtr. mit Einfügungszeichen über gestr. Buch­  ­19 αιων] αεων­  ­27M ὀν] ὁν­  ­32 ὁρος] χορος

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blieben, und dem Prinzipe des Christus im Fleische bestimmt entgegengesetzt waren. Eine Secte sagt: Christus habe nur einen Scheinleib gehabt. Gegen dieß Leben der Einbildungskraft, welcher der Gedanke zu Grunde liegt, hat die Kirche die unmittelbare Gegenwart des Absoluten geltend gemacht. Die Hauptform der Philosophie dieser Periode tritt in der Alexandrinischen Schule auf. In Alexandrien vermischen sich alle Mythologien alle Religionen, und erhalten hier eine tiefere allegorische Bedeutung. Es ist dieß ein Streben, das trübe Geburten gebar, aber eine reine Geburt ist die Alexandrinische Philosophie. Sie wurde sonst mehr Eklektik genannt. Der Name kommt von Diogenes Laertius, | der aber die alexandrinische Philosophie noch nicht kennen konnte. Man versteht unter Eklektisch ein Sammlen des Besten aus der Gesammtheit der Philosophie. Als den Stifter der Eklektik nennt er den Potamon den Lehrer der Söhne des Tiberius. Aber bei diesem Auswählen kommt das schlechteste, Inconsequenteste heraus. Solches ist die Alexandrinische Philosophie nicht. Jede höhere Stufe vereint die früheren, wie Plato den Heraclit und Pythagoras. Sind die Einseitigkeiten der Prinzipien aufgehoben dann wird anerkannt daß die Unterscheidungen derselben nur eine ideelle Bestimmung der einen Idee sind. So haben die Alexandriner allerdings den tiefen Standpunkt gehabt, daß sie ebensowohl Platoniker als auch Aristoteliker und Pythagoraeer zu nennen sind, weil alle Stufen in ihnen ihre Stelle und Anerkennung finden. In Alexandrien waren es die Ptolemaeer welche die Gelehrten an sich zogen. Sie hatten die große Bibliothek angelegt, und nachdem sie zu Caesars Zeit zu Grunde ging, erneuert. Es war hier eine Academie, wo Lehrer angestellt waren. Die sogenannte Neuplatonische Philosophie erhob sich hier, so daß die früheren Systeme darin untergingen. Als einer der berühmtesten Lehrer wird genannt Ammonios Saccas. – Keine Schriften haben wir von ihm. Unter seinen Schülern wurden viele berühmt. Der berühm-

1  Prinzipe des … Fleische] Hu: princip der wirklichen Subjektivitaet – dem Christus im Fleische­  ­2 –4 Eine Secte … gemacht.] Hu: Die Doketen haben au sdrücklicher gesagt dass das Leben Christi ein Schein war – Gegen diese Arbeit nicht des reinen Gedankens, sondern der Einbildung hat die 30 Kirche das princip der Unmittelbaren Wirklichkeit entgegengehalten.­  ­7 und erhalten … Bedeutung.] Hu: Hier wird den Religionen eine allgemeine Bedeutung gegeben.­  ­9 –10 Der Name … Laertius] Hu: ( Diogenes Laertius ist der tworca dieses Wortes Eklekticismus)­  ­14–15 Solches 243Hu 237. 123 ist … Pythagoras.] Hu: Sie war wohl eklektisch aber nicht in diesen niedrigen Sinn, sondern in einen höhern – indem die Alexandrinische philosophie die Gedanken der früheren philosophien 35 verarbeitet hat. Dieses Moment mu ste eintreffen, indem es nothwendig wird das frühere als Form zu nehmen, als ideelle Bestimmungen –­  ­22–23 Es war … waren.] Hu: Es befand sich auch dort ein Museum, wo philosophen versammelt wurden und besoldet waren um zu lehren.­  ­26 berühmt.] Hu: berühmt zB. Longinus. 12  Potamon] Tolemon aus Polemon­  ­15 Sind] Ist­  ­17 sind] ist­  ­25 genannt] (1) gelehrt (2)

40 ge(nannt nachtr. über gestr. lehrt)­  ­29 Arbeit] An〈 s〉 beit­  ­32 Diogenes] Dionis.­  ­tworca] pol-

nisch: Schöpfer

Die Alexandrinische Philosophie.

109rHo

Sie ist die Idealität aller früheren Stufen, welche nach der Aufhebung ihrer Einseitigkeit ihre Stelle und Anerkennung erhalten.

Drittes Kapitel. C. Die Alexandrinische Philosophie. A. Im Allgemeinen.

2.) Sie ist organische Einheit aller früheren Philosophien.

654 Plotinus. 207 n. Chr[.] – 270 aus Lykopolis in Aegypten.

225 kam er zum Ammonios in Alexandrien und blieb bis 236.

109 vHo Von 237 – 270 blieb er in Rom.

Plotinische Philosophie.

Die Quelle der Erkenntniß ist die Extase, als das aus der Sinnlichkeit zurückgezogene und sich auf das Absolute Beziehende Denken.

2.) plotin. a) sein Leben.

244 Hu 238.

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teste ist Plotin. Von den Alexandrinern wurde die Philosophie so getrieben, daß sie die älteren philosophischen Schriften commentirten. Die besten Commentatoren des Plato und Aristoteles gingen von hier aus. Auch von Proclus sind die Hauptwerke solche Commentare. Plotin war einer der berühmtesten Schüler des Ammonius. Was kurz sein Leben betrifft, so ward er 207 unter Alexander severus, zu Lykopolis in Aegypten geboren, hatte viele philosophische Lehrer besucht und 28 Jahr alt kam er zum Ammonius, bei dem er bis zum 39sten Jahr blieb. In dieser Zeit hatte man hohe Begriffe von braminischer | Weisheit. Plotin ging nach Persien unter Kaiser Gordian doch konnte er seine Absicht nicht erreichen denn des Kaisers Heer ward geschlagen. 40 Jahr alt kam er nach Rom und lebte dort 23 Jahr, als Pythagoraeer gekleidet, sich der Fleischspeise enthaltend. Plotin ward sehr geehrt. Der Kaiser wollte ihm eine Stadt in Campanien geben, wo er die platonische Republik sollte wirklich machen. Doch ward dieß durch die Minister kluger Weise verhindert. Von Plotin haben wir noch mehrere Werke; seine Schriften bestehen aus einzelnen Abhandlungen. Neun von solchen machen eine εννεαδε aus. Solcher haben wir 6, also 54 Abhandlungen besitzen wir. Jede Abhandlung besteht für sich. Sie beziehen sich auf Fragen der Freunde. Nur ein Theil soll von Plotin selbst redigirt sein, Porphyrius hat sie im Ganzen geordnet. Was nun die Philosophie des Plotin betrifft, so macht die Beschaffenheit seines Vortrages eine Darstellung seiner Philosophie sehr schwierig. Schon der Inhalt ist schwierig; noch mehr die Form. Weil die Deduction fehlt, und indem jeder Gegenstand einzeln behandelt wird, die Hauptgedanken sehr häufig vorkommen. Kreuzer giebt den Plotin heraus. Der allgemeine Ruf über die Alexandrinische Schule ist, daß sie Schwärmerei sei. Plotin spricht allerdings davon, daß die Wahrheit nur gewußt werde durch die Extase. Diese Entzückung aber ist kein Zustand, in dem sich die eigentliche Schwärmerei versetzt, sondern sie ist bei Plotin die Vereinfachung der Seele, wodurch sie in die selige Ruhe versetzt werde, sich vom Körper zurückzieht. Sie ist also der reine Gedanke, und die Thätigkeit dieses Zustandes ist das Denken, und der Gegenstand der Begriff selbst. Das Verhalten ist ruhig, weder ein Aufwallen des Herzens noch der Einbildungskraft, sondern ein Verhalten des reinen Denkens zum reinen Gedanken, das sich selbst denkende Denken des Aristoteles so wie die νοησις des Plato. |

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1–2  Von den … commentirten.] Hu: Von dieser philosophie wurde kein System aufgestellt. Die Hauptweise waren Commentarien zu schreiben über die alten Schriften.­  ­12–13 Der Kaiser … machen.] Hu: Es wird erzählt dass Galienus ihm eine Stadt geben wollte um den pythagoreischen 35 Bund zu stiften. 6  zu Lykopolis nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­   besucht] zu besucht­  ­9 Persien unter … Gordian nachtr. mit Einfügungszeichen über gestr. Asien­  ­10 denn des … geschlagen nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­33 wurde] wurden

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Dem Plotin war es nicht so darum zu thun die Gegenstände in ihrer Bestimmtheit wie Aristoteles zu begreifen, sondern alle zu ihrer Einheit zurückzuführen, und gegen ihren Schein ihre substantialität geltend zu machen. Ferner ist zu erwähnen seine hohe Begeisterung für die Erhebung der Seele zu ihrer Wahrheit, so daß sein Hauptzweck ist: das Leben der Seele in der Seligkeit der Betrachtung der Wahrheit. Er nimmt wohl die Dinge in ihrer Bestimmtheit auf, widerlegt die Ansichten des gewöhnlichen Bewußtseins und der reflexion, aber das Letzte ist immer die Zurückführung der Dinge auf ihr Letztes Allgemeines, und die Abführung der Seele durch diese Betrachtung vom Uebel. Das Hauptinteresse ist also die Zurückführung der Seele und ihres Inhaltes zur substantialität. – Was nun das Nähere anbetrifft, so fängt Plotin vom Absoluten als der Einheit, als dem Wesen aller Wesen an. Es ist nicht die Vielheit der substantiellen Vielheit, sondern die Einheit derselben. Diese absolute substanz ist es, zu der Plotin alles zurückführt, indem sie allein das Wahre ist und in allem sich selbst gleich bleibt, wie eine Quelle, die das Prinzip aller Flüsse ist, und in ihnen so bleibt und so, daß die Flüsse nicht aus der Quelle herausgeflossen sind, sondern so daß sie darin fortfließt. Dieß Eine ist auch das absolut Gute, das woran alles hängt, welches alle Dinge begehren, dessen alle Bedürfen, das absolute Maaß von Allem. Dieß absolute giebt aus sich den νους und die ουσια, alle Kraft, alles Leben. Von diesem Einen also ist es, daß Plotin beginnt, und worauf er alles zurückführt. Das 2te ist der νους. Hiebei tritt die Hauptschwierigkeit ein, dieß Zweite darzustellen als eine Enthüllung des Ersten, Einen. Dieß aufzuzeigen ist die Bemühung. Es ist dieß das wesentliche Interesse aller Philosophie, wie das Unendliche Wurzel des Endlichen ist. Plotin hat die Frage in ihrer Bestimmtheit zwar noch nicht aufgefaßt, | aber sich doch darum bemüht. Das Zweite ist der νους, das Sichselbstfinden seiner selbst. Er selbst und sein Gegenstand. Er ist das Unterscheiden als das reine Unterscheiden, das sich noch selbst gleich bleibt. Wie dieß Unterscheiden beschaffen sei, dieß stellt Plotin vielfach dar. Dieß zu wissen sei die Hauptsache; wir wissen es zu Gott betend, einsam zum Einsamen hingehend, in sich selbst bleibend, denkend. Denn dieß ist die Stimmung Plotins bei der Betrachtung. Zu ihr ruft er auf. In diesem reinen Denken ist der νους wirklich, Gott gegenwärtig, denn es selbst ist die göttliche Thätigkeit.

8 –9  und die … Uebel.] Hu: In dieser Richtung will er die Seele reinigen von unreinen Vorstellungen.­  ­17 Dieß Eine … Gute,] Hu: Dieses was er das Eine nennt, nennt er das absolut 35 Gute – Er spricht von den Guten so wie von Gott.­  ­21–22 dieß Zweite … Einen.] Hu: und das Bemühen das darzustellen wie das Eine sich entschlo sen habe sich zu bestimmen, zu unterscheiden.­  ­24 Plotin hat] Hu: Plotin und die Alten haben 12  ist nachtr. über der Zeile­  ­14 ist nachtr. über der Zeile­  ­15 und1] folgt nachtr. gestr: richtg­  ­16 so daß sie nachtr. über gestr. wssen­   fortfließt. nachtr. über gestr. hinzufließen.­  ­19 alle] alles

Plotin’s Zweck ist die Zurückführung aller Dinge auf ihre substantielle Allgemeinheit, und das Erheben der Seele zum reinen Denken dieses Allgemeinen.

Das Absolute ist: 1 Das sich selbstgleiche Allgemeine; das schlechthin Eine.

Dieß Eine ist das Enthüllen seiner selbst, der νοῦς.

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Aber eben so ist das Eine das in seinem Sich Unterscheiden das Sichselbstgleichbleibende.

Diese Totalität des Einen das sich ausströmt und eben so zu sich zurückkehrt ist der νοῦς.

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111 Ho Indem der νους diese Thätigkeit ist als das Ausströmen und Rückströmen zu sich ist er: 2. Die Welt des Veränderlichen. Sie ist das οὐκ ον, indem sie aber nur durch das Eine ist, ist sie des Einen bedürftig und Streben nach demselben.

246 Hu 240

IV. Im νοῦς sind die Dinge λογος die intellectuelle welt.

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Die Veränderung ist das Dritte. Der νους ist noch das bei sich selbst bleibende Betrachten. Ueber dieß Verhältniß sagt Plotin: der νους ist ohne Veränderung der unmittelbare Abglanz des Einen, nicht durch Willen gesetzt. Gott als das Eine ist unbeweglich das Erzeugen das Leuchten aus ihm. Das Eine leuchtet aus sich, der νους entfließt dem Einen wie das Licht der Sonne. Jedes substantielle umscheint sich, verbreitet sich. Dieß ist die περιλαμψις, die Emanation, die wir früher hatten. Dieß ist auch ein Ueberfließen, das Hervorgebrachte. Dieß ist dann wesentlich sich umkehrend zum Einen, so daß dieses der Gegenstand seines Begehrens ist. Der Verstand entsteht dadurch daß das Wesen sich in sich selbst zurückbeugend zu sich rückkehrt. Dieß ist der νους. Der νους also ist ein Herausgehen, Unterscheiden, aber ebenso die Rückkehr auf sich selbst. Dem Verstand also ist sein Gegenstand nicht entgegengesetzt, so aber daß die Unterscheidung in ihrer Aufgehobenheit unterschieden bleibt. Dieß ist die Natur der intellectuellen Welt. In dieser sind die Dinge substantielle, Muster der natürlichen Dinge. Sie sind darin als Zahlen. Das Erste ist keine Zahl; die erste Zahl ist die Zwei. | Dieß ist das absolute Verhältniß, das freilich noch vieles unbestimmtes hat. Das Weitere ist die veränderliche Welt, welche in der Veränderung befangen bleibt. Sie geht hervor aus dem Sich Umwenden des Ausfließens aus sich, aus der Thätigkeit der Rückkehr zu sich, die somit die ewige Erschaffung der Welt ist. Der Unterschied vom reinen Denken und Äußerlichen, Anderem fällt dadurch hinweg, daß dieß Veränderliche ebenso zurückgeführt ist zum Einen. Plotin kommt auf das Prinzip der materiellen Welt und zeigt den Ursprung des Bösen auf. Was die Natur der Materie betrifft, so sagt er von derselben, sie sei das οὐκ ον, welches das Bild des ὀν an sich hat, es sei in Beziehung auf das Maaß, auf den

2   Betrachten.] Hu: Betrachten, welches noch nicht zur Veraenderlichkeit gegangen ist.­  ­2–3 ist ohne … gesetzt.] Hu: ist betrachtend ohne Veraenderung, er ist nicht gesetzt durch den Entschlu s,­   ­5 –10 Jedes substantielle … νους.] Hu: Alle Dinge geben aus ihrer Substanz um sich herum ein Wesen – wie zB. Schnee Kaelte ausbreitet –, es ist die Umleuchtung – diess ist die Emanation, geht in eine Athmosphere über – was vollkommen ist diess leuchtet, es überflie st – dieses Ueberflie sen ist dann das Erste – Dieses Umherleuchten richtet sich nach dem Einen, es ist der Gegenstand seines Begehrens – das ist der Verstand. Das Erste ist das Wesen – und das Zurückbeugen in sich ist das Denken, der Νοῦς ist der Ueberflu s des Einen in der krummen Linie.­  ­15–16 Zwei. (Absatz) | Dieß … hat.] Hu: Zwey – aber die unbestimmte Zweiheit. – Es ist also ein Verhaeltni s das ganz richtig ist –­  ­18–21 Sie geht … Einen.] Hu: plotin sagt: dass das Umwenden auf sich selbst, das Denken, dass diess die Erschaffung der welt ist. Der Unterschied von einem au serlichen Gott faellt hier mehr oder weniger hinweg – Es ist ein punkt von dem man die platoniker als Schwaermer anklagte – ein Punkt aus dem viel Verworrenes geflo sen.

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247Hu 241. 125 35

9  dadurch nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­18 Sie geht … Sich nachtr. mit Einfügungszeichen über gestr. Das sich­  ­18–19 aus der] (1) die (2) aus (nachtr. über der Zeile) der (nachtr. aus die)­   40 ­19 somit die nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­24 ὀν] ὁν

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νοῦς, das περας. Das Sinnliche selbst ist das Maaßlose, Bedürfende, Unbegrenzte, immer auf das Werden gerichtet. Das Thun der Seele ist die Bewegung zu dem Einen. Zwischen der Seele und dem λογος ist nichts, denn der Gedanke hat sich selbst zum Gegenstande, sieht sich selbst als Denken, ist für sich. Insofern aber das Denken sich von sich abkehrt so entsteht die Materie. Was bleibt wenn wir das substantielle wegnehmen ist die Materie, der Gedanke wird nicht Gedanke indem er zu sehen wagt, was nicht das Seine ist. Dieß ist das Böse. Wie das Auge sich vom Licht wendet zur Finsterniß, so ist das Gewendetsein auf das Sinnliche, Maaßlose ein Sehen das kein Sehen ist. Dieß sind die Hauptbestimmungen worauf alles zurückgeführt ist, theils bildlich, theils deducirend. Plotin erkennt die Materie als ein sich selbst auf hebendes Bewegen; das Böse ist das Andere an ihm selbst, das Groß das Klein ist, das Gegentheil seiner selbst. Gesetzt ist es nicht gesetzt, die Veränderung. Die Materie ist unvergänglich, weil sie die Idee der Veränderung ist. Der Gedanke der Veränderung ist das Unvergängliche. | Was darin befangen ist ist das Veränderliche und somit vergänglich. Der Hauptinhalt ist immer der Aufruf der Seele sich zu dem Einen zu erheben. Die berühmtesten Schüler sind Porphyrius und Jamblichus. Von Porphyrius haben wir eine Einleitung in das Aristotelische Organon. Das Eigentliche der Neuplatoniker ist, daß sie eine ganz bestimmte Verstandeslogik, die speculativste Idee und in Beziehung auf die Individuen Glauben an Wunder vereinen. Porphyr schrieb eine Lebensbeschreibung Plotins, die viele Wunder enthält. Was Proclus betrifft so ist er 410 geboren 485 starb er. Marinus beschrieb sein Leben. Wunderbare Dinge erzählt er von Proclus. Von diesen Dingen treffen sich in den Werken des Proclus selbst wenig Spuren. Marinus sagt: Proclus habe sich in alle Mysterien aller Gottesdienste einweihen lassen. Er ward in KleinAsien geboren, hielt sich in Alexandrien lange auf und lehrte in Athen. Bei Proclus ist zu verweilen intereßant, weil in seinen Schriften mehr ein bestimmteres Fortgehen sich findet, und ein bestimmterer Unterschied der Stufen. Die Entwicklung der Einheit ist ausdrücklicher als bei Plotin angegeben. Die

Ihrer Idee nach ist diese Veränderlichkeit Unvergänglichkeit, das bestimmte Veränderliche aber ist indem es sich verändert, vergänglich. 3. Die Seele ist das mit dem Einen schlechthin Einsseiende. Sie ist das Böse als auf das οὐκ ον blickend und somit sich in das Nichtseiende versenkend. Sie ist aber das Auf heben des οὐκ ον als das Denken des absolut Einen, denn das Böse ist als οὐκ ον, das Aufheben seiner selbst. Porphyrius der Syrer 233 – 304. Jamblichus † 333.

Proclus von Constantinopel 410 – 485.

Proclus bestimmt die Stufen die schon bei Plotin vorkommen genauer, und geht dialektischer fort.

30 1–2  Das Sinnliche … gerichtet.] Hu: Das Endliche in dieser Beziehung ist das Ma slose – das

Ungesättigte – es ist gerichtet immer auf das S e y n w i r d , man kann von ihm nicht sagen dass es ist.­  4 Denken] Hu: Denkend­  ­5–7 Was bleibt … ist.] Hu: was Zurükbleibt nach dem wegnehmen der Idee ist die Materie, der Gedanke wird Nichtgedanke indem er das wagt zu sehen was er nicht ist,­  ­11 ein sich … Bewegen] Hu: die absolute Unruhe – als sich selbst 35 auf heben­  ­12 das Gegentheil … selbst.] Hu: das Mehr welches weniger ist –­  ­18 Eigentliche] Hu: Eigenthümliche­  ­20 Wunder] Hu: Wunder, Theurgie­  ­27 seinen Schriften] Hu: 249 Hu 243. 126 seiner platonischen Theologie­  ­28 bestimmterer Unterschied … Stufen] Hu: bestimmteres Unterscheiden der Sphaeren­   6  substantielle nachtr. über gestr. Materien­  ­10M οὐκ ον] οὑκ ον­   13M οὐκ ον] οὑκ ον

248 Hu 242.

b.) philosophie des Proclus.

658 Das Absolute ist eine Dreiheit von Allgemeinheit des Eins dessen Unterschied und Einheit des Eins mit sich im Unterschied, so aber daß jede dieser Stufen selbst diese Dreiheit von Bestimmungen ist. 112rHo 1. Das Absolute ist: a Die ὑπερουσια als die unenthüllte Eins, die verschloßene ἑνας b. Die Aufgeschloßenheit, der Unterschied: ἑναδen ἀπειρον. c. Die Grenze als die in sich unterschiedene und darin mit sich gleiche ἑνας

III) Die Grenze als Einheit der Einheit und Henaden.

250 Hu 244. I V. Das μικτὸν Einheit des ἀπειρον und πὲρας

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Hauptsache ist die Einheit, das Erste. Ihr Verhältniß zum Unterschied ist ein Hervorgehen, Thätigkeit, προοδος, wodurch die Einheit weder Veränderung noch Abnahme erleidet. Die Platonische Dialektik wird zum Beweisen dieser Einheit aufgewandt. Dieß Eine bestimmt Proclus auch als das Unaussprechliche. Es geht aus sich heraus aus der Ueberfülle der Möglichkeit. Diese Vervielfältigkeit ist einfach. Die Vielen sind selbst Einheiten; das Viele ist nicht Urheber sondern die Einheit, in welche es zurückgeht. | Wir sehen bei Proclus drei Sphären als unterschieden bestimmt, welche das Ganze sind, und jedes der 3 für sich das Ganze der Momente. Es sind Ordnungen der Erzeugung. Das Erste ist Gott, das Eine die ὑπερουσια, das Verschlossene, das superessentiale. Die Erste Production sind die ἑναδen die reinen Zahlen, die gedachten Einheiten, die Götter. Diese sagt Proclus, entsprechen nicht so der Ordnung der Dinge, daß so viel Dinge, so viel Götter, sondern diese ἑναδen, sind Materien die Synthesen der Dinge. Das dritte ist die Grenze welche die εναδεν zusammenschließt mit der absoluten ἑναδε. Die intelligible Welt nun also die wahrhafte enthält 3 Ordnungen, die erste ist das Eine, die absolute Mονας, ferner folgen die Vielen, die selbst Hennaden sind, das ἀπειρον Platons, und drittens durch die Grenze mit dem Einen zusammenhängen. Das Eine ist schlechthin bei sich bleibend, und zählt als Moment nicht mit sondern das Letzte ist die Einheit des ἀπειρον und des περας, das μικτον. Platonische Ausdrücke sind zu Grunde gelegt. Proclus führt auch den Plato immer an. Das eigentliche Dritte nennt er wie Plato das Gemischte, obgleich wir die äußerliche Vorstellung der Mischung weglas-

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 –2 Ihr Verhältniß … προοδος,] Hu: das Verhaeltni s der Einheit zum Unterschied nennt er Her1 vorbringen, Thaetigkeit, Herausgehen –­  ­ 5–8 als das … zurückgeht.] Hu: dass es unausssprech- 25 lich, nicht erkennbar ist. Er sagt die Ueberfülle der Moeglichkeit ist das Erzeugende (die Aristotelische δυναμις.) Die Vielen haben aber Antheil an der Einheit. Hier ist er weitleuftig um zu beweisen dass die Einheit Urheber des Vielen ist.­  ­15 Dinge.] Hu: Dinge der Gotter – sie haben nur eine Aehnlichkeit mit der Einheit –­  ­16–17 Die intelligible … Ordnungen,] Hu: So sehen wir bey proclos die abstrakte Trias. (Absatz) Proclus hat das Dialektische vorzüglich cultivirt. Es finden sich 30 aber auch bestimmtere Darstellungen in ihm – wie die ist von der wir eben gesprochen haben – Das weitere was er hier sagt ist:­  ­19–20 Das Eine … bleibend,] Hu: Das Erste ist das Durchdringende bey sich bleibende.­  ­21 Platonische Ausdrücke … gelegt.] Hu: Hiebey liegen zugrunde die platonischen Ausdrücke – vornemlich aus der Theologie.­ 12M ὑπερουσια] ὐπερουσια­  12 ἑναδen] ἐνναδen  ­ 13M ἑνας] ἑννας­­  ­14 viel nachtr. über der Zeile mit 35 Einfügungszeichen­   ἑναδen] ἑνναδen­   Materien nachtr. über der Zeile mit Einfügungs­ zeichen­  ­ 15 Synthesen] folgt nachtr. gestr: diese der Dige, die Dige selbst sind­   εναδεν] ενναδεν­ ­16M ἑναδen] ἐνναδen  ­16  ἑναδε] ἑνναδε­­  ­19M  ἑνας] ἑννας   ­20–21 und zählt … μικτον] (1) u wenn sie auch drei ausmachen, so ist es doch in der Einht mit sich bleibend (2) u wenn es (nachtr. über gestr. sie) auch drei ausmacht (nachtr. aus ausmachen), so ist es doch in der Einht mit sich bleibend (3) Text 40 nachtr. über gestr. Textstufe 2; Ms: 〈〈 es1〉〉

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sen müssen. Das Dritte nun ist die erste Ordnung. Das Eine als solches kommt nicht mit zu den Momenten, und somit ist gezählt die Einheit des ἀπειρον περας das dritte, die substanz, das ὀν , die οὐσια. In dieser ersten substanz nun ist alles enthalten. Aber es folgen noch andere Ordnungen. Die 2te ist das Leben, die 3te der Geist. Doch essentialiter liegen diese schon in der substanz selbst. Das Leben in seiner Wahrheit ist das Centrum der οὐσια selbst, die Grenze ist an sich das abstracte der νους. Er selbst ist in | dreierlei Formen in der ersten Ordnung. Die erste substanz ist der νους als νοητος, als Gedachter. Sagen wir Verstand, so sprechen wir von ihm als seienden. Der 2te νους das Leben ist dann der Gedachte und denkende, νοητος και νοερος. Der Dritte ist reine der bei sich selbst seiende Gedanke, der νους νοερος. Er nennt diese Dreiheiten auch die Götter. Die erste substanz heißt ihm Hestia, das Erste. Gott das Erste als das Gedachte, der Thätige Gott ist das 2te, das 3te der νους νοερος. Diese 3 Ordnungen sind selbst nur wieder Eine. Proclus ist selbst weitläuftig die Ordnungen zu trennen und zu vereinen. Die Erste trias enthält alles in sich, und die anderen Ordnungen enthalten wieder diese trias und sind selbst die trias in einer der Formen der ersten Trias gesetzt. Vom περας sagt Proclus er sei der Gott der auf der Spitze des Gedachten hervorgeht von dem Ersten unmittheilbaren Gott. Diese Grenze ist das alles Messende, Bestimmende und Zusammen haltende; das απειρον ist das was alle Geburten erscheinen macht. Diese erste Ordnung ist die αὐτο-οὐσια, der νοῦς, ihre Spitze die περας. Im νοῦς liegt das Selbstständige, Fürsichseiende, der Punkt der individuellen Einheit. Die 2te Ordnung ist im Ganzen das Leben. Proclus macht den Uebergang so: wir wollen die zweite Ordnung in Hymnen preisen. Das Erste ist hier die οὐσια, das zweite die δυναμις, die Einheit von beidem ist das Leben. Die Erste trias enthält alles in der Einheit, festgehalten im Selbst. Die zweite enthält auch alles aber ζωτικως und in der Form des Unendlichen. Das Unbegrenzte bestimmt die zweite Dreieinigkeit.

1 –4 Das Dritte … enthalten.] Hu: Dieses Dritte ist die Einheit von Unbegrenzten und Begrenzten – Die Substanz davon ist das ὄν, πρωτως ον. Dieses Erste ist das Alles seyende – Alles ist Tria30 disch, Alles ist Dreyeinigkeit – die reinen abstrakten Momente dieser Dreyn – sind das Unendliche, Grenze und Einheit davon.­  ­4 andere Ordnungen] Hu: weitere Ordnungen (διακοσμος)­  ­8 Gedachter] Hu: Gedachtes – als das was Objekt wird –­  ­11–14 Er nennt … Eine.] Hu: Diese drey Νοῦς nennt er drey Götter – Der Gedachte Gott ist ϑεος νοητος , der zweite der Gedachte und thaetige, und der Dritte der reine Νοῦς νοερὸς Diese Drey sind wieder schlechthin das Absolut Eine,   ­19–20 Geburten erscheinen] Hu: Ausgeburten, Erscheinungen­  ­27 Das Unbe35 eine Gott.­ grenzte … Dreieinigkeit.] Hu: Die Grenze bestimmt die erste Dreyeinigkeit, die Unendlichkeit die zweyte Dreyeinigkeit. 3   ὀν] ὁν­  ­7 in 2 nachtr. über der Zeile­  ­10 νοητος και νοερος nachtr. über gestr. der νοερος­   reine nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­11 der νους νοερος nachtr. über der Zeile­  ­12–13 Gott 40 das … νοερος. nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­19 das απειρον … das nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­29 πρωτως] προτος­  ­33 νοητος] νοετος

Diese intelligible Welt nun ist der νους selbst in der Form der οὐσια, der νους νοητος

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2. Der νους in der Form des ἀπειρον der νους νοητος και νοερος; die Welt des Lebendigen. a. οὐσια b. δυναμις c. νους νοητος και νοερος.

251Hu 245. 127

660 3. Die Intellectual Welt oder der νους als νους νοερος, in der Form des περας[.] | Sie ist die Rückkehr der 2ten Ordnung zur Ersten.

252Hu 246.

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Die 3te Ordnung ist der νους νοερος, die Intellectualwelt. Sie stellt ein Mittleres zwischen sich und die Intelligible Welt und wendet diese zu sich selbst; sie ist wesentlich actus. Die Erste bleibt in der Grenze verborgen, die zweite ist Fortschreiten im | Unbegrenzten, das 3te ist die Umkehr zum Ersten, und dieß alles 113rHo 5 ist ein Denken, ist das Absolute. Dieß sind die Hauptbestimmungen bei Proclus. Er spricht dann platonisch auch es seien diese triaden die der Schönheit, der Wahrheit und Symmetrie. Die Symmetrie ist die erste Ordnung. Die Wahrheit ist dieß das Seiende zur Reinheit zu bringen, Sie macht das ον zu einem reinen, die Schönheit ist, daß es erscheint 10 aber als in der Einheit erhalten. Von Proclus kann bemerkt werden, daß er dem Plato folgt und genau die Momente unterscheidet. Von Plotin sagt er: er laße gleich nach der Einheit den νους erscheinen, beßer habe es sein Lehrer gemacht. Er habe die unordentliche Vermengung der Ordnungen zu einer bestimmten Ordnung gemacht. Das Große ist, daß Proclus den νους als das Dritte umkehrende ausspricht. Er macht eine tief- 15 sinnige Bemerkung darüber, wie bei Plato’s Parmenides das Dialektische hervorgeht. Wir sehen hier ein nur negatives Resultat. Proclus in seinem Commentar sagt: diese Negation sei nicht als bloß privativ zu fassen, sondern wesentlich als hervorbringende affirmative Negation, Erzeugung der Bestimmungen nach ihren Gegensetzungen. Wenn Plato zeige, daß das Eine Vieles sei, so habe dieß die 20 Bedeutung, daß das Viele aus dem Einen hervorgehe. Die Negation ist das Vollkommene, das Herausgehen der Einheit aus sich und Zurückgehen in sich. Gott muß negiren, aber ebenso diesen Negationen ebenso wieder entnommen werden, sonst wäre kein λογος derselben. Der Begriff des Einen ist so, daß es sich um sich selbst bewegt, nicht ruht, aber dabei sich selbst bekämpft, seine Bestimmun- 25 gen auf hebt. Das Hauptwerk des Proclus ist der Commentar über Plato’s Theologie, und seine eigenen Institutionen der Theologie. | 9 –12 die Schönheit … unterscheidet.] Hu: Die Schoenheit macht | das Gedachte. Man wird hier überrascht indem man bey Proclus so viel Ordnung findet – in Vergleichung mit Plotin. Er hat vorzüglich plato gefolgt.­  ­13–15 Er habe … ausspricht.] Hu: er hat die unbestimmte Begrenzung 30 der Alten begrenzt – Es ist diess das Tiefe bey proclus, dass der Νοῦς als Umkehren zur Einheit annimmt.­  ­21–26 aus dem … auf hebt.] Hu: geht von dem Ersten hervor. Wenn plato sagt das Ganze besteht nicht aus Theilen, so ist diess so zu fa sen; dass das Ganze aus dem Einen hervorgehet. Dieser Tropus der Negation, sagt er, ist zu nehmen als etwas Vollkommenes, das Bleiben in der Einheit – in so fern sie unaussprechliches Ueberma s ist. (: Das was Vollkommen ist ist Umleuchten 35 unnd in so fern producirend :) Diese Negation hat Bedeutung von Erzeugung. Aber Gott mu s auch diesen Negationen entnommen werden – sie mü sen gefa st werden als ideell, so waere kein Begriff, λογος. Der Begriff des Einen ist dass es sich um sich herum wälzt – und ruht nicht – (: es setzt Bestimmungen, aber es kaempft um sich, setzt seine Bestimmungen als ideelle :) 15  umkehrende] umgekehrende­  ­20 Eine] folgt nachtr. gestr: nicht­  ­29 findet] finden­  ­32 das] 40 dass

erster theil · die antique philosophie 113vHo

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Mit Proclus ist die Spitze der neuplatonischen Schule erreicht. Ihm folgten noch viele Schüler, Marinus sein Lebensbeschreiber, der von ihm viele Wunderdinge erzählt, über deren Plattheit man sich wundern muß. Ihm folgt Isidorus. Damascius war der letzte Lehrer. Justinian 529 ließ die Schule zu Athen schließen und vertrieb alle heidnische Philosophen, die nach Persien flohen. Unter ihnen befand sich auch simplicius der beste Commentator für Aristoteles. Nach einiger Zeit war den Philosophen erlaubt in’s römische Reich zurückzukehren, doch vermochte keine Schule sich wieder zu bilden. Obgleich sich dieß Lehren äußerlich auf hob so haben sich dennoch diese Ideen in der christlichen Kirche erhalten. Die reinen, mystischen Scholastiker haben dieselbe Grundlage, die wir bei Proclus fanden und bis in die spätesten Zeiten, wenn tiefer in der katholischen Kirche von der Dreieinigkeit gesprochen wird, ist es nach diesen Bestimmungen. Die drei Dreieinigkeiten sagt Proclus, sind es, welche den unmittheilbaren Gott offenbaren. Damit haben wir den 1. Haupttheil der Geschichte durchlaufen. In der griechischen Philosophie sehen wir zuerst die abstracten Gedanken, die sich aus der sinnlichen Form läuterten: das Sein zB., ist reiner Gedanke aber nicht als Gedanke selbst gewußt. Die Bestimmung daß dieß Gedanken sind ist nicht ausgedrückt. Die Stufe des Gedankens als Selbsts dieß ist erst in der 2ten Stufe aufgegangen in Socrates. Der Inhalt ist jetzt nicht das n u r Bestimmte sondern der Inhalt ist an sich concret. Das Dritte ist das Wissen des Concreten als eines Concreten. Mit dem Concreten der zweiten Stufe ist unmittelbar das Selbst enthalten, welches die einfachste Form des Concreten ist[.] Das Selbst aber ist das Inhaltlose. Der Inhalt wird erst in der 3ten Stufe concret. Dieser Inhalt ist aber erst an sich concret, und die Entwicklung dieses Concreten ist, daß er in seinen | Bestimmungen wie er gewußt wird, concret sei. Das Concrete aber ist ein Mannigfaltiges; dieses Mannigfaltige soll zur Einheit zurückgeführt werden, oder diese Einheit anderseits soll Inhalt gewinnen, dieß ist der stoïcismus und Epicuraeismus. Das Letzte ist, daß das Absolute das im Plato und Aristoteles an

253Hu 247. 128 1  Mit Proclus … erreicht.] Hu: Das ist die höchste Ausbildung der Alexandrinischen philosophie.­  ­ 12 ist es … Bestimmungen.] Hu: so stützte man sich auf proclus – Man sagte das Eine ist das Unbekannte – unsagbare.­  ­18–19 daß dieß … ausgedrückt.] Hu: ist noch nicht aufgefa st dass es Ge254 Hu 248. danken sind – w i r wi sen dass es Gedanken sind.­  ­27–29.662,1–14 soll zur … Selbst.] Hu: es ist also Tendenz – es in Einheit zurückführen – das Selbst ist die erste einfache Einheit des concreten – 35 Oder das Abstrakte princip soll Inhalt gewinnen. Das Letzte was wir gehabt haben war dass das Absolute wesentlich concret ist – im Systeme ist nur das Sollen vorhanden eine Beziehung 3   Ihm folgt Isidorus. nachtr. über der Zeile­  ­4 Justinian 529] Justianan 559­  ­11 katholischen] chatolischen­  ­17 zB. nachtr. über der Zeile­  ­20 in Socrates. nachtr. über der Zeile­­   24M erst nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­26M gewordene.] folgt nachtr. gestr: In d. Wirklichkt d. Aristo40 teles wird er eine Manngfaltgkt  ­27 Mannigfaltiges] folgt nachtr. gestr: wie bei Aristoteles

Nachfolger des Proclus. Isidorus Damascius Kurze Uebersicht der antiquen Philosophie. A. Die erste Periode ist der Gedanke der als unmittelbarer nicht als Gedanke gewußter sich nicht selbst bestimmt sondern in seinen Bestimmungen ist. 2. Insofern die Totalität derselben vollendet ist der Gedanke der sich selbst bestimmende des Selbst, der Gedanke als sich wissender. Dieß Wissen aber ist selbst noch abstract: Wissen als unmittelbares Einzelnes, als abstract Allgemeines, als Einheit von Beidem. 3. Dadurch ist der Gedanke der Concrete des Plato, aber dadurch der selbst erst noch unmittelbar im Bewußtsein concret gewordene. |

4.) Nachfolger des proclus Ende der griechischen philosophie. b.) der Gedanke ist an sich concret Sokrates – plato – Dogmatiker

662 B Der ansich concrete Gedanke ist als gewußter zunächst 1. Wissen der Allgemeinheit; der stoïcismus. 2. Wissen des ansich concreten Gedankens als der Einzelheit; Epicuraeïsmus 3. der Einseitigkeit beides Wissens der Scepticismus. C. Dadurch wird das gewußte Denken, Wissen seiner als des Concreten. Diese auf dem Scepticismus alles Endlichen Daseienden ­erbaute IntellectualWelt schlägt dazu um als unmittelbar wirklich als dieses zu sein, sie zerscheidet sich also in den Gegensatz als absolutes Selbst und als unmittelbares Selbst zu sein, so wie sie eben so den Gegensatz auf hebt, und das Absolute als sich selbst zum unmittelbaren Diesen entlassend, und das unmittelbare Dieses als das Absolute Selbst wissend, so daß das absolute in dem unmittelbaren Diesen erst bei sich selbst ist.

B.) Die Welt hat ebenso im Christlichen das absolute als Wirklich Concretes gefa st.

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sich concret ist gewußt als Concretes wird. Das Prinzip und der Inhalt sind selbst in Einheit zu setzen. Das Concrete als solches muß zu Stande kommen, nicht bloße Forderung sein. Was als Absolutes ist ist in den Neuplatonikern nun so das Absolute, insofern es Concret ist und zwar eine Dreiheit von Dreiheiten, so daß jede fernere Dreiheit in der Form einer der Formen der Dreiheiten ist, so daß diese sich selbst vollführt. Der Gott manifestirt sich und erhält sich in der Auslegung seiner als das Eine. Indem die Philosophie hiezu fortgegangen war geschah es in der Welt selbst, daß das Absolute als das concrete zur Erscheinung des Menschen kam mit der näheren Bestimmung, daß das Concrete keine nur intelligible Welt sei, sondern als das Concrete zu seiner letzten Intensität fortgegangen zum wirklichen Selbst, so daß das Ich jetzt als das wahrhaft Allgemeine Absolute ist, anderseits der absolute Gegensatz, das gemein Wirkliche, gegen sich hat so aber, daß dieß unmittelbare Selbst in Einheit ist mit dem absoluten Selbst.

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des Concreten die nicht zu Stande kommt – Sie soll nur die Einheit durch Subsumtion vollbracht 15 sein – Das Letzte was wir in der Neuplatonischen philosophie gesehen haben, dass das Absolute gefa st wird als concretes – eine Dreyheit – und eine Dreiheit von Dreyheiten – so dass diess Bestimmen – der Dreyheiten weiter emanirt. Hier gehört zu dass was als Absolutes gilt nur diess das sich auslegt, Manifestirt, sich aber als Eines erhaelt. – Dazu ist die philosophie fortgegangen. Indem es nun dazu kam, so ist in der Welt diess selbst geschehen, dass das Absolute gewu st wurde als das Concrete – 20 und zwar in dieser Bestimmung nicht nur als Concretes im Gedanken, sondern das Concrete zu seiner letzten Intensitaet in sich fortgegangen, so ist es ein Wirkliches selbst. Ist einerseits das wahrhaft Allgemeine Gott – und anderseits der absolute Gegensatz dieses Allgemeinen das absolut Endliche – in Raum und Zeit – aber zugleich in Einheit. 4  daß] dß d.­  ­5 der] der / d.­  ­13 gegen sich hat nachtr. unter gestr. dieß­  ­14 Selbst] Selbst ist

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Zw e i t e r T h e i l .

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Dieß ist die Erscheinung des Christenthums. Wirft man den Griechen vor: Götter in menschlicher Gestalt gebildet zu haben, so ist ihr Mangel das absolute nicht anthropomorphistisch genug aufgefaßt zu haben. Das Concrete ist die | Einheit des absolut Unterschiedenen, des Göttlichen Concreten, und des unmittelbar Einzelnen Concreten. Erst die Einheit dieser absolut entgegengesetzten Concre­ ten ist der wahrhafte Gott. Das Concrete in dieser Vollendung ist dem Menschen im Christenthum geworden. Dieß Bewußtsein macht die Umkehrung der Welt. Die Dreieinigkeit ist einerseits als nur Gedachtes, anderseits das nur existirende das Individuum, das schlechthin Einzelne. Beide Concrete haben sich in ihre concrete Einheit zu setzen, und haben sie im Bewußtsein Christus gesetzt. Dieser Intension entspricht die absolute Expansion des Orients, diese absolute Reini­ gung von aller Endlichkeit. Das reine Anschauen ist im Orient das höchste Prin­ zip und entspricht dem Niedersteigen des Geistes in das Selbst, und das Wissen des Selbst von sich als dem schlechthin Allgemeinen. Was wir nun in dieser Periode zu betrachten haben ist kurz die Philosophie im Morgenland, zweitens im Abendlande, das Erste ist die Philosophie der Araber, das zweite die der Scholastiker. Drittens haben wir die Auflösung dessen zu betrachten, was in der Scholasti­ schen Philosophie sich festsetzte; neue cometarische Erscheinungen, die dem Wie­ deraufleben der Wissenschaften vorangingen.               

E r s t e Pe r i o d e .

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Das Erste ist die Philosophie bei den Arabern. Es ist hier mehr nur von einem äußerlichen Zustande zu sprechen. Wir sehen die Philosophie bei den Arabern aufgenommen und gehegt. So schnell sie beim Entstehen des Mahomedanismus

2  Dieß ist … Christenthums.] Hu: Das kam zum Bewustsein der Welt – Es ist das Concrete welches bis zu dieser ακροτης , zur Spitze unmittelbarer Wirklichkeit sich niedrigte.­  ­ 4–8 Das Concrete … geworden.] Hu: Wir haben einen Gegensatz zwischen Gott und Mensch – diess ist aber nur etwas 30 Mangelhaftes – das wahre Concrete ist erst die Einheit beider Seiten. Diese Anschauung ist dem Men­ schen aufgegangen in der christlichen Religion. Das Absolute wurde bewu st in dieser Concreten Bestimmung.­  ­13 Endlichkeit] Hu: Bestimmung­  ­14–15 Niedersteigen des … Allgemeinen.] Hu: orientalischen Niedersteigen in sich die Expansion die alle Bestimmungen au löscht.­  ­24–25 Es ist … sprechen.] Hu: Wir werden hier sehr kurz seyn – es betrifft nur etwas ganz Au serliches, Literarisches. 35 28  ακροτης] ακροτες­  ­  niedrigte] unsichere Lesung

Zweiter Theil. Die Philosophie als Entäußerung ihrer, oder im Dienste der Religion: | Indem die Intellectu­ alwelt der Neuplato­ niker zu dieser Wirk­ lichkeit in der Unmittelbarkeit ge­ langt, und die Wirk­ lichkeit unmittelbar in Einheit mit der In­ tellectualwelt ist, so ist diese Einheit als unmittelbar erste nur als religiöses Gefühl gewußt, und für den Gedanken so weit er sich gebildet hat wird diese Wirklichkeit und das Wissen von ihr ein ihm Gegebe­ nes das zu begreifen seine Aufgabe ist. Den Gegensatz gegen das sich als absolutes wissende Dieses, bil­ det das Wissen vom absoluten als des schlechthin nur ab­ stract Allgemeinen 1. Der Gedanke der die­ ses Wissen zu seiner Voraussetzung und sei­ nem Objecte hat ist die arabische Philosophie. 2. Der Gedanke im Dienst der christli­ chen Kirche giebt die Philosophie der Scho­ lastiker. 3. Zuletzt enthebt der Gedanke sich seiner Entäußerung und wird der sich selbst denkende Gedanke

255Hu 249 129

664 Erste Periode. Philosophie im Dien­ ste des Mahumeda­ nismus. Das Morgenland im Mahomedanismus zum religiösen Wis­ sen seiner selbst ge­ kommen macht diese religiöse Vorstellun­ gen zum Object des Denkens, wie es sich bisher ausgebildet hatte. Rabbi Moyses Mai­ monides geb. zu Cor­ duba 1131 † 1206. er schrieb: “More Nevochim d. h. doctor perple­ xorum.”

Deshalb ist dieß Phi­ losophiren kein weiter schreiten sondern Er­ heben der morgen­ ländischen Vorstel­ lung zur Form des Gedankens. 115vHo

256 Hu 250.

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fanatisch eroberten und sich verbreiteten, so schnell haben sie die Stufen der phi­ losophischen Bildung durchlaufen, so daß sie in kürzerer | Zeit weiter als das 115rHo Abendland waren. Die Araber wurden bald mit griechischer Philosophie bekannt und zwar durch die Syrer. Vorder-Asien kam unter die Herrschaft der Araber. In Antiochien waren gelehrte Anstalten voll griechischer Bildung. Die syrische Spra­ 5 che war die Volkssprache. Moses Maimonides spricht auf folgende Weise von diesem Uebergang der Philosophie zu den Arabern: “alles was die Ismaeliten von der Einheit Gottes und anderen Philosophischen Dingen schrieben, dieß ist auf die Sätze gebaut, welche sie in den Griechen fanden, indem sie sich bemühten die Philosophie zu widerlegen. Nehmlich als die Christen Griechen und Syrer in sich 10 befaßten und manche Dogmen lehrten, welchen die griechischen Sätze zuwider waren, so haben die Christen sich eine eigene Weisheit ausgedacht, worin ihre eigenen Lehre erhalten und die Philosophen widerlegt wären. Dieß haben die Christen gethan, und dasselbe Bedürfniß hatten die Ismaeliten, und haben dem­ selben genug zu thun gesucht.” 15 Wir sehen den äußerlichen Gang so: es waren syrische Uebersetzungen griechi­ scher Werke, und arabische Uebersetzungen dieser syrischen. Es werden ausdrück­ lich in der Geschichte mehrere Philosophen genannt welche als Syrer in Bagdad lebten und aus dem syrischen griechische Werke in’s Arabische übertrugen. Zu­ nächst wurden medicinische und astronomische Werke übersetzt, dann aristoteli­ 20 sche und Commentatoren dieserselben. Vornehmlich ward aber die Verstandes­ metaphysik und die formelle Logik ausgebildet. Die Commentarien der Araber sind dann für das Abendland auch vornehmlich eine Quelle geworden, und das Abendland hat lange nichts von Aristoteles gekannt, als Rückübersetzungen der aristotelischen Werke aus dem Arabischen, welche besonders Spanier und Juden 25 machten. Die berühmten Araber haben im 7-9ten Jahrhundert gelebt. Die Bil­ dung ging also sehr schnell. Die Hauptsache ist, daß wir von den Arabern sagen können, daß sie die Philosophie nicht eigenthümlich ausbildeten, | den Gedan­ ken nicht weiter brachten. Hauptfragen waren: ob die Welt ewig sei. Ferner ward die Einheit Gottes bewiesen. Dabei sind die Araber wie die abendländi­ 30 schen Christen auf die Dogmen beschränkt gewesen. Maimonides sagt: sie 5 Antiochien] Hu: Antiochien, Ede se etc.­  ­ 5–6 Die syrische … Volkssprache.] Hu: die Syrische Sprache ist selbst in Baktrien die Volkssprache gewesen.­  ­6 auf folgende Weise] Hu: in seinen Doctor perplexorum­  ­17–21 Es werden … dieserselben.] Hu: Es werden besonders viele Syrer genannt die unter Alraschid aufgefordert wurden die Werke aus den Syrischen in’s Arabische zu 35 übersetzen. Es waren besonders Aerzte. Sie waren eigentlich die Ausbeiter der philosophie unter den Arabern. Sie übersetzten vornemlich Aristoteles. 6M diese] dieses  9 indem sie nachtr. über gestr. welche­  ­11 Sätze] Sätzen­  ­12 Christen (nachtr. ?) über gestr. Ismaeliten­­  ­32 Antiochien] Antiochsein

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schöpften nicht aus der Natur der Sache, sondern suchten nur ihre sonstigen Dogmen zu unterstützen, obgleich sie sagten der Natur der Sache zu folgen. Maimonides führt als Secten besonders die Medabbarim an. Die Dabbariten sind merkwürdig, weil in ihnen das morgenländische Prinzip auf eigenthümli­ che Weise zu erkennen ist. Sie nahmen die Atomen und den leeren Raum an, das Entstehen als eine Verbindung, und das Vergehen als Trennung derselben. Der Hauptsatz war: eine Erkenntniß sei nicht möglich; überhaupt verwechsel­ ten sie ferner Verstand und Phantasie, nur die Atome sollen sein, alle Verbindung sei vorübergehend, gehe auch wieder unter, nur die Atome bestehen, nur die substanz sei und die Accidenzen gingen unter, Gott stelle immer andere Acci­ denzen an die Stelle der früheren und könne diese so und so machen. – Alle Nothwendigkeit ist geläugnet. Ferner sagen sie: die Accidenzen seien nicht in der Natur der Dinge gegründet. Wir hätten ein rothes Kleid nicht gefärbt, son­ dern Gott in dem Augenblick des Färbens, habe die rothe Farbe dem Kleide in dem Momente geschaffen. So sei die Wissenschaft ebenso eine Accidenz: wir be­ sitzen nicht mehr, was wir gestern besaßen. Gott ist die alleinige, abstracte Ursa­ che, also nothwendige Verbindung der Bestimmten sei zu läugnen. Der Ueber­ gang ist vollkommen zufällig. Alles was wir uns einbilden können, sei möglich, daß es geschehe, der Mensch könne ein Berg ect, es sei Grund warum eine Sache so sein solle und | nicht Anders. Das Feuer könne frieren. Wir sehen den vollen­ deten Untergang von Allem was ist, nur der Eine ist, den Taumel von Allem se­ hen wir hervorgetreten[.] Was die Scholastik betrifft, obgleich sie einen Zeitraum von einem Jahrtau­ send umfaßt, so müssen wir kurz sein. Das Studium ist schwierig schon durch das barbarische Latein, was dadurch entstand, daß das Latein ein schlechtes Mittel ist philosophische Unterschiede auszudrücken. Eines ciceronianischen Lateins muß

257Hu 251. 130 7  Der Hauptsatz … möglich;] Hu: die Hauptregel war: man koenne von den Dingen nichts Wahres wi sen – weil sie den Unterschied enthalten.­  ­10–15 Gott stelle … geschaffen.] Hu: Alles Andere ist Accidenz – und Gott schafft auf die Stelle des Vernichteten ein Anderes – nach 30 seinen Belieben – So ist aller nothwendige Zusammenhang aufgehoben – Meimonides sagt: sie sagen Gott schaffe alle Accidenzen in einen Augenblik und ohne Hülfsmittel – deswegen koen­ nen wir nicht sagen dass wir ein rothes Kleid tragen, weil Gott sie nur so roth macht.­  ­16 nicht mehr, … besaßen.] Hu: dieselbe Wi senschaft nicht die wir gestern gehabt haben.­  ­17–22 also nothwendige … hervorgetreten] Hu: Eben so sagen sie: es giebt keine Nothwendigkeit, sondern 35 der Uebergang ist Gedanken ist nur zufaellig. Was wir uns vorstellen koennen ist nur moeglich – ein Floh als Elephand gro s – kann auch sein. Sie nennen es nur Gewohnheit dass das Feuer nach oben geht. So haben wir damit das Untergehen, den Taumel, das Auflö sen von Aller Nothwendigkeit.­   2  unterstützen] unterstützten­  ­3 Secten nachtr. am Zeilenende­  ­besonders] besondere­  40 ba­r im nachtr. über gestr. Medaperin­   Die Dabbariten nachtr. über gestr. Sie­

Me­d ab­

Die Dabbariten. Ihr Grundsatz ist die Negativität aller Be­ stimmtheit und somit alles Erkennens, da nur das schlechthin Eine sei, die substanz und die Accidenz da­ her schlechthin zufäl­ lig, weil die substanz als das schlechthin eine kein Prinzip für die Bestimmtheit in sich hat, die somit eine nur stets aufge­ hobene, immer ver­ änderte ist. Zweite Periode. Philosophie im Dien­ ste des Christen­ thums; oder die Scholastik. Ebenso wie sich das Morgenländische Prinzip als vorausge­ setztes Object des Denkens darstellt, wird das Christenthum die absolut vorausge­ setzte Wahrheit, die Wirklichkeit, welche der Gedanke zu begrei­ fen sich aufgiebt.

Zweiter Abschnitt. Scholastische philoso­ phie.

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In der griechischen Philosophie war der Ausgangspunkt einer­ seits die Natur als ob­ ject, anderseits das Selbst welches als das Wissen des absoluten gewußt war.

116vHo Im Christenthum da­ gegen ist die Natur und das natürliche Selbst des Menschen, so wie sein Denken und Meinen als ein negatives gesetzt und verliert daher das In­ teresse.

258 Hu 252.

V Th. II B. S. 328–435.

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man sich bei speculativen Betrachtungen enthalten. Eine fernere Schwierigkeit macht das Weitumfassende der Werke aus, denn die Scholastiker begnügten sich nicht ihre Betrachtungen kurz abzufassen, sondern legten sie in Folianten nieder. Für kürzere Zusammenziehungen gilt als gute Quelle Petrus Lombardus, ferner Kramer’s Fortsetzung der Geschichte der Philosophie von Bossuet; sodann Tiedemanns Geschichte der Philosophie, in der sich vortreffliche Auszüge finden, so wie bei Tennemann; auch bei Rixner ist vieles zweckmäßig zusammengezo­ gen. – Wir haben uns hier an die Hauptmomente zu halten. Was zunächst den Namen: Scholastiker betrifft, so kommt er daher, daß in den Klöstern große Schulen waren, deren Aufseher scholasticus hieß, der wohl selbst über die Theo­ logie vortrug. Davon blieb der Name, obgleich die wissenschaftliche Theologie etwas ganz anderes war, als was die sonstigen scholastici vortragen. Was zunächst das Allgemeine betrifft, so stehen wir jetzt im Christenthum, und von diesem aus hat die Philosophie sich herzustellen. Als Wurzel der Erkenntniß für die Philosophie in dem Heidenthum sehen wir die Natur und das Selbst des Selbstbewußtseins, theils als reines Denken als selbstloses, theils als natürliches Selbst. Die Natur hatte im Heidenthum eine affirmative Bedeutung und ebenso das natürliche Selbst des Menschen und das Denken. Die Natur war, was wir gut nennen. | Die Wurzel der Wahrheit im Christenthum hat einen anderen Cha­ racter. Es ist nicht nur gegen die heidnischen Götter, sondern gegen die Natur, gegen die Philosophie, gegen das Selbstbewußtsein des Menschen gekehrt. Die Natur, das natürliche Selbst ist als ein nur Negatives gesetzt. Es soll in diesem nächsten Aussehen des Christenthums das Selbst aufgehoben werden, die Natur hat keine Gültigkeit, kein Interesse mehr. Der Pontus, der Himmel ect ist entgöt­ tert, die Natur ist ein Leichnahm, an dem der Mensch kein Interesse nehmen soll, und der Mensch soll sich ebenso selbstlos machen, sich in ein Anderes Selbst ver­

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1–6 Eine fernere … finden,] Hu: Die gro sen Scholastiker waren nicht zufrieden in Kompendien sich zu expliciren. Das Werk des Albert Magnus ist 15 | Folianten. Man findet aber Auszüge, wie des L a m b e r t u s D a n a e u s Commentarius in Librum I Sententiarum Petri Lombardi die sehr gut sind. Launoy de varia fortuna Aristotelis in Academia parisiensi – K r a m e r Vortsetzung der Ge­ 30 schichte des Bo suet’s. Leipzig 1759–86 T i e d e m a n n spricht auch nicht ganz schlecht von etli­ chen Scholastikern.­  ­8 hier an … halten.] Hu: zu halten an die wichtigsten Gesichtspunkte. Wenig wird die Rede sein von dem Individuellen –­  ­11–12 obgleich die … vortragen.] Hu: ob­ gleich die Scholastische philosophie etwas ganz anderes spaeter war als die früheste.­  ­14 herzu­ stellen] Hu: aufzustellen­  ­18–19 Die Natur … nennen.] Hu: wo wie wir sagen, die Natur ist 35 gut, der Mensch ist gut.­  ­21–22 Die Natur, … gesetzt.] Hu: D i e N a t u r i s t hier nicht mehr ein Affirmatives, sondern ein A u f g e h o b e n e s  – so auch das r e i n e S e l b s t hat eine negative Stellung im Christenthume. 6  Tiedemanns] Thiedemanns­  ­9 große] großen­  ­21 gekehrt. nachtr. über der Zeile mit Einfügungs­ zeichen­  ­29  L a m b e r t u s ] p e t r u s ­  ­30 Launoy] Lanoir­  ­31 Leipzig 1759–86 am Rande mit 40 Ver­weis­zeichen

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senken, und nur darin seine Freiheit, seinen Wert haben. Dieß woran das sich Hingeben und darin Wiedergeboren werden geschehen soll, ist zunächst selbst ein dieses Selbst, ein Wirkliches, bestimmt durch Raum und Zeit, ein Selbst wel­ ches aber zugleich die Bedeutung des Absoluten hat. Die eigene Selbstischkeit soll also einerseits aufgehoben werden und erhält dadurch nicht das Denken, sondern ein anderes Selbst; ein Jenseitiges. Der absolute Inhalt ist dadurch der höchst con­ crete in welchem die schlechthin unendlichen Gegensätze vereint sind, er ist die Gewalt die eint was sich unendlich weit zu entfernen scheint, das unmittelbare Diese und das Absolute, welches dieses absolute erst als diese Vereinigung ist. Die­ ses concrete Bewußtsein ist jetzt die Wahrheit. Hiemit ist das Interesse an der Betrachtung der Natur verschwunden. Die Naturbetrachtung gewährt uns Ge­ setze, allgemeine Bestimmungen und gegen die einzelnen Existenzen, die Natur hat dieses Allgemeine das absolute Recht, hat sie wegzuschaffen, das Allgemeine, ihre Essenz herauszunehmen. Dieß Interesse aber ist jetzt nicht vorhanden, die einzelne Existenz und die Gesetze derselben haben nur die Bedeutung eines All­ gemeinen Negativen, preisgegeben dem Geist, dem Wundervollen. | Ebenso ist dieß, daß Ich als Dieser, als Denkender dabei bin, ist bei Seite geschoben. Denn als denkendes Ich habe Ich affirmative Bedeutung, aber diese affirmation ist ge­ nommen, indem die Wahrheit dieß Erste Gegebene ist. Dieß macht den Aus­ gangspunkt aus. Mit diesem Aufgeben des Selbst und der natürlichen Nothwen­ digkeit ist auch dieß verbunden, daß aller fernerer Inhalt, der das Universum jener Grundwahrheit ausmacht, gegeben, geoffenbart ist, so daß der Grund wa­ rum der sonstige Inhalt wahr sei, erscheint als nicht mir als Selbst angehörend, sondern als mir gegeben. Zur Auffaßung gehört freilich das Selbst, der Geist, das Innerste, aber das Zeugniß des Geistes ist einerseits hier bloß eingehüllt, nicht sich zum Gedanken entwickelnd, und anderseits indem er den Inhalt gegeben empfängt, ist dieser Geist, der Zeugniß giebt selbst als von mir als Individuum

Und zwar erhält der Mensch in dem Auf­ geben seines natürli­ chen Selbst nicht das schlechthin Allgemei­ ne das Denken, son­ dern ein anderes Selbst, welches einer­ seits natürlich ander­ seits durch Auf hebung der Natürlichkeit das schlechthin absolute Selbst ist, der heilige Geist. Dadurch ist die Natur als das vom Geiste beherrschte ausgesagt und ihr verständiger Zusammenhang geht gegen dieß Wunder, vom Geist beherrscht zu sein verloren. Ebenso negative Be­ deutung hat das Ich des Selbstbewußtseins indem es nur als auf­ gehobenes gegen die Gegebene Wahrheit zur Gültigkeit kommt. Dadurch erscheint auch aller sonstiger Inhalt nicht als von mir producirt son­ dern als mir geoffen­ bart und gegeben.

5–6 aufgehoben werden … Jenseitiges.] Hu: a u f g e o p f e r t werden – und das was das Selbstbe­ 259 Hu 253. 131 wustsein damit gewinnt, ist nicht das Allgemeine sondern das Versenken in ein Jenseitiges Dieses –­   30 ­7–9 er ist … ist.] Hu: Es ist Selbstischkeit – und anderseits Allgemeines – diess aber nicht abstrakt – sondern Einheit des vereinzelten Individuellen und des Allgemeinen.­  ­17–18 Denn als … Bedeu­ tung,] Hu: Das Denken ist Thaetigkeit des Allgemeinen, wenn ich Denke so denke ich nicht als d i e s e r , sondern als Denkendes Ich –­  ­23–24 nicht mir … gegeben.] Hu: ein der Meinung nicht 260 Hu 254. angehörendes, sondern ein von uns nur E m p f a n g e n e s .­  ­24 Auffaßung] Hu: Auffa sung dieser 35 Wahrheit­  ­27.668,1  als von … gegenübergestellt.] Hu: als unterschieden von Individuum also mein zeugender Geist als entgegengesetzt mir sein kann so dass m i r d i e p a s i v i t a e t z u r ü c k­ bleibt. 1  woran das nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­7 Gegensätze] Ggegensätze­  ­15 dersel­ ben] derserben­  ­26 zum Gedanken nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­   und anderseits … 40 er nachtr. über gestr. sondern­  ­27 ist nachtr. über gestr. u­   giebt] folgt nachtr. gestr: wird

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Die Arbeit der Scho­ lastik ist diesen Inhalt mit welchem der Mensch zunächst nur in der Andacht durch Aufgebung seiner em­ pirischen Einzelheit in Einheit ist, in Einheit mit der Allgemeinheit der Menschen als den­ kenden, diesen Inhalt aus sich produciren­ den zu bringen. Der Inhalt nun als object des Denkens wird die kirchliche Glaubenslehre. Mit dieser bleibt die alexandrinische Phi­ losophie in gegensatz­ loser Einheit, jedoch mit der Stellung, daß die Glaubenslehre der schlechthin vorausge­ setzte Inhalt bleibt. Ioannes Scotus Eri­ ugena aus Erjuve in Wallis † 883.

261Hu 255 132

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unterschieden und wird mir als der leeren Hülse dieses Geistes, gegenübergestellt. von diesem harten Standpunkte aus hat die Philosophie hervorzugehen, die erste Verarbeitung dieses Inhalts, das Hereinwirken des Allgemeinen des Gedankens in diesen Inhalt, ist die Arbeit der Scholastischen Philosophie deren Schluß der Ge­ gensatz des Glaubens und der Vernunft ausmacht, wo was wir Vernunft nennen, 5 das Bedürfniß erhält sich an die Natur zu wenden, anderseits im eigenen Den­ ken, im specifischen Zeugniß aus sich Befriedigung zu finden. Dieß ist das Ziel, worauf wir zugehen. Was nun die allgemeinen Gesichtspunkte anbetrifft so sind es Folgende: Zuerst haben wir die Glaubenslehre der christlichen Kirche, die früh durch die Kirchen­ 10 versammlung zusammengestellt ist. Es ist die Grundlage der evangelischen und catholischen Kirche. Zu bemerken ist nun zunächst, daß die Scholastischen Theologen versuchten, | diese Glaubenslehre selbst aus metaphysischen Gründen zu deduciren, so wie fer­ 117vHo ner das weiter Specielle dadurch zu bestimmen. Besonders die Philosophie der 15 alexandrinischen Schule war es nun, welche von den Theologen ergriffen wurde, insofern sie denkend die Glaubenslehre begreiffen wollten. Unter den älteren und reineren Scholastikern erkennt man diese Philosophie. Im 9ten Jahrhundert mit dem Ioannes Scotus Eriugena soll die Scholastik begonnen haben. Er hat ei­ nen griechischen Schriftsteller übersetzt, der besonders dem Proclus folgt. Der 20 Kaiser Baldus schenkte die griechische Schrift Carl dem Kahlen, der sie durch Eri­ ugena übersetzen läßt. Scotus lebte sodann in England, und hat besonders das Abendland mit der alexandrinischen Philosophie bekannt gemacht. Die Lioner Kirchenversammlung wie der Pabst machten dem Eriugena Vorwürfe die Ueber­ setzung gemacht zu haben, eines Menschen, der ohne Voraussetzung der Schrift 25 und der heiligen Väter mit eigener Argumentation das Göttliche hätte erkennen wollen. Denn bei den früheren Scholastikern bestand die Philosophie darin die 2 Philosophie] Hu: philosophie auf den Boden des Christenthums­  ­3 Gedankens] Hu: Gedankens, der Freiheit des Geistes­  ­14–15 selbst aus … bestimmen.] Hu: auf metaphysische Grunde zu bau­ en – dabey haben sie noch mehrere Gegenstaende gehabt, die durch den Begriff nicht bestimmt 30 waren – die weiteren speciellen Seiten waren dem Raesonement überla sen­  ­20 Schriftsteller] Hu: Schriftsteller Dionisios Areopagita­   ­20–22 Der Kaiser … läßt.] Hu: Der Michael Balbus hat diese Schrift den Ludwig geschenkt er lie s diess den Scotus auslegen.­  ­23–27 Die Lioner … wollen.] Hu: Scotus wurde von Pabst gezüchtigt. Die K i r c h e n Ve r s a m m l u n g m a c h t i h m Vo r w ü r f e sie sagt „es sind zu uns Schriften von einem weitschwetzigen philosophen gekommen, der es gewagt 35 hat nach seiner praescientia das Feste zu vertheidigen, und der sich nicht beruft auf Kirchenvaeter” 1  unterschieden] untersheiden­   mir] folgt nachtr. gestr: ggenübergestellt­   gegenübergestellt. nachtr. am Zeilenende­  ­2 erste nachtr. über der Zeile­  ­19 Ioannes nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­25 zu nachtr. über der Zeile­  ­26 hätte erkennen] (1) erkennen zu (2) hätte (nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen) erkennen ( folgt nachtr. gestr: zu)­  ­32 Dionisios Areopa­ 40 gita am Rande mit Verweiszeichen

zweiter theil

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Glaubenslehre vorzunehmen und dazu Sprüche aus den Kirchenvätern zu schrei­ ben. – Unter den Männern nun, welche durch den Gedanken wollten christliche Lehren begreifen ist Anselm Erzbischoff zu Canterbury herauszuheben. Er sagt in Ansehung des Verhältnisses vom Glauben und Denken, daß der Christ durch den Glauben ad intellectum kommen müsse, nicht vom intellectus zum Glau­ ben, daß er durch den intellectus nicht müsse vom Glauben abgelenkt werden. Begreife er die Lehre, so erfreue er sich des Begreifens, könne er nicht begreifen, so müsse er die Lehre verehren und glauben. Die Vernunft gehe dahin, den Ver­ ächtern des Christenthums zu zeigen, wie unvernünftig die Verachtung sei. – Von ihm kommt der Beweis Gottes, der berühmt ist. Dieser Beweis ließ ihm lange nicht Ruh. | Anselm argumentirt so: “es ist ein Anderes, daß eine Sache im Verstande, im Denken sei, und ein Anderes zu wissen sie existire. Auch der Einfältigste kann sich vorstellen, daß etwas im Gedanken ist, als Größeres nichts gedacht werden kann. Jeder vermag sich dieß vorzustellen. Das worüber nichts Größeres gedacht werden kann kann nun nicht nur dem Verstande angehören, denn es kann nicht nur gedacht werden, denn hätte es nur Gedankendasein und keine Wirklichkeit, so wäre es nicht das Größte, denn dieses welches beides hät­ te, wäre das Größere. Also das A u c h S e i n ist ein Höheres als das n u r G e d a c h t s e i n .” Diese Argumentation hat bis Kant gegolten. Wir sehen darin das Streben durch die Vernunft zu erkennen. Man kann einerseits sagen, daß die­ se Argumentation das Wahre enthält, den Punkt auf den das ganze Interesse der Philosophie zurückgegangen ist, nehmlich den Gegensatz von Denken und Sein. Nur ist über Anselms Argumentation dieß zu sagen, daß darin die Weise des Verstandes enthalten ist. Das Verfahren nehmlich ist, daß gesagt wird: es kann gedacht werden und zwar ein Höchstes. Dieß wird unmittelbar vorausgesetzt. Ferner wird vorausgesetzt: es gäbe ein Gedachtes, das sei, und eines, das nicht sei. Nun muß man freilich sagen, daß ein nur gedachter Inhalt, und ein nur sei­

8–9  Die Vernunft … sei.] Hu: Er sagt: unser Glauben ist gegen die Gottlosen zu vertheidigen, nicht gegen die Christen die durch die Taufe sich verbindlich gemacht haben Christen zu sein –­  ­ 30 10–11 Dieser Beweis … Ruh.] Hu: Er sagt der Teufel haette ihn lange tentirt, bis er endlich zur 262Hu 256. Entdekung dieser Wahrheit kam.­  ­16–19 denn hätte … G e d a c h t s e i n .] Hu: denn indem es gedacht wird, kann es gedacht werden dass es existirt, das Existirende ist aber Grö ser als die Vor­ stellung, das Gedachte. D a s a l s o ü b e r w e l c h e s n i c h t s G r ö s e r e s g e d a c h t w e r d e n k a n n , i s t s o w o h l i n Ve r s t a n d e , a l s i n d e r E x i s t e n z .­  ­19 hat bis … gegolten.] Hu: 35 finden wir bis auf die neuesten Zeiten.­  ­20 das Streben … erkennen.] Hu: ein bestreben diess zu erkennen, was durch die Kirche gesetzt ist.­  ­22 nehmlich den … Sein.] Hu: Naemlich das Eine ist das Seyende, das Andere das Denken – es ist der Begriff um den es sich handelte, der Sein Sein in sich schlie st, wie Spinoza sagt. 6  vom nachtr. über gestr. zum­  ­15 nun nachtr. über der Zeile­   angehören nachtr. aus angehörte­  

40 ­16 nicht nur nachtr. über gestr. auch­  ­30–31 endlich zur … dieser] 〈〈 er〉〉 endlich zur Entdekung

dieser … am Rande mit Verweiszeichen­  ­37 um den … handelte, am Rande mit Verweiszeichen

Anselm von Canter­ bury aus Aosta 1034 † 1109.

Beweis vom Sein Gottes.

118rHo Es sei ein Unterschied zwischen einem nur Vorgestellten und als seiend Vorgestellten. Das Höchste sei das als auch seiend und auch gedachte vorge­ stellte. Gott als das Höchste müsse von dieser Art sein.

Dieß Verfahren in­ dem es ein Höchstes als den Maaßstab der Angemessenheit und Unangemessenheit seiner Praedicate vor­ aussetzt ist das des verständigen Raeson­ nirens.

denn wenn es nur im Verstand waere, so waere es, über was etwas gro seres ge­ dacht werden kann – Denn das was ist, ist etwas Höheres als was nur genommen wird als ein Gedachtes. Beweis von Daseyn Gottes.

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Das Mangelhafte, daß das Gedachte nicht sich selbst zum Sein bestimmt und umge­ kehrt, dieß zeigte auch schon Gaunilo auf und später Kant, in der Meinung: daß durch die Vorstellung von Sein und Denken dieß so vorgestellte noch nicht sei. Der Mangel jedoch Anselms liegt nicht in seinem Inhalt sondern in der Form seines verständigen Raisoni­ rens. Peter Abaelard 1097 † 1142.

263Hu 257. 133 Gaunilos und Kant’s Kritik dieses ­ Bewei es.

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ender, unvollkommen wäre. In der That wäre ein nur seiender Gott, ein nicht sich selbst bewußter wäre nicht Geist; denn das Selbstbewußtsein ist ein gedach­ tes Sein, und ein seiendes Gedachtes. Indem aber das Höchste vorausgesetzt wird, so ist der Gang des Verstandes der, daß unter dieß Höchste des Verstandes ein Anderes subsumirt wird, ein nur Gedachtes Höchstes, welches dem Höch­ 5 sten nicht angemessen seiend gefunden wird. Dieß ist die Weise des scholasti­ schen Schließens. Zum Begriffe gehörte, daß aus dem Denken selbst gezeigt würde, daß in ihm die Bestimmung des Seins | ist, daß es sich in das Sein über­ 118vHo setzt, aber ebenso sich im Sein bei sich erhält und somit das Sein auf hebt, so wie dieß Auf heben am Sein selbst müßte aufgezeigt werden, Anselm versirt also nur 10 in der Verstandesbestimmung; das Denken und Sein werden nicht durch sich selbst, sondern durch eine dritte Bestimmung, die außer ihnen liegt vereinigt. Schon gegen Anselm trat Gaunilo ein Mönch auf: er machte dieselben Einwen­ dungen die Kant machte, indem er sagt, daß aus dem Vorstellen von Denken und Sein als in Einem, noch gar nicht das Sein dieses Vorgestellten herauskom­ 15 me. Aber ein nur vorgestelltes ist überhaupt kein wahrer Inhalt, denn das Den­ ken insofern es wahrhaft ist, ist so, daß es sich zum Sein bestimmt. Dem Anselm kann zugeschrieben werden, daß er die Grundlage für die scholastische Philoso­ phie bildete. Er war tief denkend und geistreich. An ihn schließt sich Abälard an, der als scholastischer Philosoph und für die empfindsame Welt durch seine Liebe 20 zur Heloïse berühmt ist. Er machte die Dreieinigkeit geltend. Denn es ward überhaupt jetzt behauptet, daß die wahre Philosophie die wahre Religion sei, und umgekehrt. Aber man kam später bald auf die Unterscheidung zu sagen, daß in der Philosophie etwas wahr sein könne, dieß nicht in der Theologie wahr sei. Dieß ward aber in dieser Zeit noch geleugnet. Im Ganzen kann noch bemerkt 25 werden, daß herausgehoben werden müssen immer die, welche man die mysti­

10–17 Anselm versirt … bestimmt.] Hu: Die Einheit des Seyns und des Denkens hatte Anselmus als höchste wahrheit vor sich, hat sie aber gefa st in einer dritten Bestimmung, in einer Regel, in der Verstandes weise. – Gaunilo „Liber pro insipiente” schrieb gegen Anselmus – er hat dieselben Vorwürfe gemacht dem Anselm als Kant – er sagt die 100 Taler in der Vorstellung sind anderes als 30 in der Wahrheit – Das was n u r vorgestellt ist, ist nicht ganz bestimmt, aber es ist auch nicht der Wa h r h a f t e I n h a l t  – ist der Inhalt wahr so mu s sich das Denken zum Seyn entschlie sen. Wir sagen es selbst: es ist das wahr, was so i s t als es v o r g e s t e l l t wird.­  ­23–25 daß in … geleugnet.] Hu: dass die wahre Religion wahre philosophie ist – diess sagte schon S c o t u s E r i u g e n a , aber man kam bald zur Entdekung dass mehreres in der philosophie wahr sey was in der Religion falsch 35 ist – diess hat die Kirche geltend gemacht in diesen Zeiten.­  ­ 1  wäre nachtr. über gestr. ist­  ­­10M Vorstellung] Vorgestellg  13 Gaunilo nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­15 dieses Vorgestellten nachtr. über gestr. vorher­  ­23 später nachtr. über der Zei­ le mit Einfügungszeichen­­  ­29M Gaunilos] Ganelos­  ­29 Gaunilo] Ganelo­  ­35 sey] seyn­  ­falsch] fa sch 40

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schen scholastiker nannte, welche weniger an der Weise des Räsonnirens Antheil nehmen, sondern die Philosophie in der Weise der neuplatonischen Schule fort­ setzten. Bei ihnen trifft man Mysticismus, ächtes Philosophiren, das bis zur höchsten Kühnheit fortging, und mit dem späteren Spinocismus die größte Ähn­ lichkeit hatte. | Ein 2ter Gesichtspunkt, daß der Lehrbegriff der Kirche solle methodisch und in Verbindung mit metaphysischen Gründen vorgetragen werden, die Theologie also als System. Petrus Lombardus im 12ten Jahrhundert war der Stifter dieser Richtung; er heißt magister sententiarum, 1164 starb er. Seine libri quatuor sen­ tentiarum waren Jahrhunderte hindurch der Lehrbegriff des kirchlichen Vertrags. Er ordnete die Lehre und fügte die subtilen Fragen hinzu, welche die Kirche da­ mahls beschäftigten. Die Fragen beantwortet er problematisch; er sammlet Be­ weisstellen, und läßt die Sache unentschieden. Dieses ist die Epoche, wo die Scho­ lastik als philosophirende Theologie allgemein wurde, die doctores theologiae dogmaticae wurden die Bewahrer der christlichen Lehren, sie waren es, welche die Autorität hatten, die Bücher untersuchten, das Ketzerische festsetzten. Nach Petrus war Thomas von Aquino berühmt 1224 geboren † 1274. Er schrieb einen commentar über Aristoteles über Lombardus und selbst: summa Theologiae. Sein Beinahme ist doctor universalis. – Ein dritter ist Johann Duns Scotus in Cumberland geboren, in Cölln lebend. Seine Werke sind die Commentarien über den magister sententiarum. Der größte Scharfsinn wird ihm zugeschrieben: Einer sagt, daß er die Philosophie würde erfunden haben, wäre sie nicht schon erfunden ect. 12 Folio Bände sind von ihm gedruckt. Er verfährt ebenfalls so, daß er die sententien vornimmt, quaestiones aufführt, problemata aufstellt und

25 1–3 welche weniger … Mysticismus,] Hu: diese haben weniger Antheil genommen an dieser Art

des Beweisens – sondern sie waren fromme, geistreiche Maenner die das philosophiren in der weise der platonischen philosophie fortgesetzt haben. Man findet das was man Eklekticismus nannte,­  ­ 7–8 die Theologie … System.] Hu: so dass die Theologie als ein wi senschaftliches System vorge­ stellt wurde.­  ­9 magister sententiarum] Hu: Magister Sententiarum – überhaupt haben alle Scho­ 30 lastiker ihre Namen.­  ­15–16 wurden die … festsetzten.] Hu: sie hatten die Autoritaet für die 265Hu 259. 134 Lehre der Kirche – kamen in Synoden zusammen, Sorbonne –­  ­19 universalis.] Hu: universalis, divinus, zweiter Augustinus.­  ­19–20 Scotus in … lebend.] Hu: S c o t u s  – ein Franciscaner – leb­ te in Cumberland – man sagt er sey lebendig begraben.­  ­24.672,1–3 und mit … Ausführlichkeit.] Hu: und dann die S o l u t i o n e n , A r g u m e n t a p r o u n d c o n t r a  – Sein Scharfsinn darin ist be­ 35 rühmt – Dieser Duns Scotus hat die Scholastik in hohen Wehrt gesetzt, – er hat eine Menge von Unterscheidungen und Zusammengesetzung. Seine Methode war die Quodlibetaner Methode – Diese Methode beruhete darauf in keiner Methode zu schreiben. 14  theologiae nachtr. über der Zeile­  ­19 Duns] Duns〈 ton〉 nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­22  Einer nachtr. über gestr. man­  ­haben,] wäre, folgt (nachtr. ?) gestr: als­  ­24 aufführt] auffürht­  40 ­­30 ihre] seine­  ­35 Duns] Dunst­  36 Quodlibetaner] Quotlibetaner

119rHo Petrus Lombardus magister sen­ tentiarum † 1164.

Thomas von Aquino doctor universalis 1224 † 1274.

264 Hu 258. a.) petrus Lombardus: libri Sententiarum. starb 1164 Abälards Schüler c.) Duns Scotus. Doctor subtilis lebte in der zweiten Halfte des 13 Jahrhunderts scholastische Dispu­ tirmethode. C. Gegensatz der Nomi­ nalisten und Reali­ sten. William Occam Nominalist.

672

Kampf der Realisten und Nominalisten.

Die Realisten halten die abstracte Idealität als das Reale fest.

Die Nominalisten das Individuelle

266 Hu 260.

Die Nominalisten setzten sie als blo se Nahmen nur ins Sub­ jekt.

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mit dem pro und contra endet. Er ist, der die scholastische Disputation auf die Spitze trieb; er gilt auch für den Urheber der quodlibetanischen Methode, nehmlich vermischte Betrachtungen ohne System und Ausführlichkeit. | Ein dritter Punkt ist eine bestimmte philosophische Frage, die sich durch die 119vHo ganze Scholastik durchzieht, und in dem Gegensatz des Nominalismus und Rea­ 5 lismus ausgedrückt ist. Occam in der 1sten Hälfte des 14ten Jahrhunderts, nahm diesen Gegensatz vorzüglich wieder auf. Roscelin war einer der ältesten Nominalisten, später ward der Streit erst durch Occam zur Sprache gebracht, und erregt das Allgemeine Interesse. Die Hauptsache, um die es sich handelt ist dieß: der Gegenstand des Denkens ist das Allgemeine, die Gattung, was Plato Idee 10 nennt: Mensch, Thierheit, Denken. Die Platoniker schon nannten diese Genera­ lia als das Reale, obgleich dieß Allgemeine schon sehr vereinzelt war. Der Streit nun ist im Allgemeinen der: ob diese Allgemeinen einerseits etwas Reales außer dem denkenden subjecte wären und anderseits unabhängig von den einzelnen exi­ stirenden Dingen. und voneinander? oder nicht? Wir betrachten Einzelne Dinge 15 und sehen an ihnen, Farbe, Thierheit, ect, die Frage ist: ob diese Allgemeinheiten außer dem Gedanken so real sind, daß sie von einzelnen Dingen und voneinan­ der unabhängig real seien. Die Nominalisten dagegen sagten: diese Generalia außer dem Denken und den einzelnen Dingen seien nur Nomina, Gedachtes, das Reale seie das Individuelle. Der Realismus hält also hier das abstracte Allgemei­ 20 ne fest und sagt dieses sei das Reale. Bei Plato ist dieß gerade der Idealismus. Ein Hauptverfechter des Nominalismus war Occam. Er war ein Franziscaner. In diesen Streit mischte sich Politisches und das Verhältniß der Orden zu einander. Ludwig der Baier ward von den Nominalisten eifrig gegen den Pabst vertheidigt. 5–6  in dem … ist.] Hu: ist enthalten in dem Gegensatze der N o m i n a l i s t e n und R e a l i s t e n  – 25 Abälard und andre haben nach dieser Seite schon disputirt –­  ­7–8 Roscelin war … Nominalisten,] Hu: (:  R o s c e l i n lebte gegen das Jahr 1089 wird angeführt als Nominalist schon – wurde als Ketzer beurtheilt zu Chalon :)­  ­11–12 Die Platoniker … war.] Hu: (: Die unmittelbaren Nachfolger platos haben diese Allgemeinheit als real betrachtet – so haben die platoniker von der Tischichheit gespro­ chen :)­  ­13 nun] Hu: n u n den die Nominalisten und Realisten darüber f ü h r t e n ­   Reales] Hu: 30 Reales für sich­  ­15–21 Wir betrachten … Idealismus.] Hu: Es kommt dem Menschen zu menschli­ che Natur, Seyn – ob also diese Allgemeinheit au serhalb des Gedanken Realitaet haben, war die Frage. D i e N o m i n a l i s t e n b e h a u p t e t e n : es seyen nur Namen, nur Zeigen von Bestimmungen, seyen nur von der Seele gebildet, hingegen das Reelle sey das Individuelle – Es handelt sich hier also überhaupt über den Gegensatz des Allgemeinen und Individuellen Der Name Realismus wird jetzt 35 anders genommen. Man sagt nemlich ietzt dass diese Realisten Idealisten sind. 1  mit nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­2 Methode] Methode war­  ­13 einerseits nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­15 und voneinander? … nicht? nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­17 von] (1) in d. (2) von nachtr. über 〈〈 in〉〉 〈 d.〉 ­   Dingen] folgt gestr: u v un­  ­ 18 Nominalisten] Realisten­  ­18–19 Generalia außer … Dingen nachtr. mit Einfügungszeichen über 40 gestr. Nomina­   ­21 dieses] folgt nachtr. gestr: erst­  ­27 lebte gegen … 1089 am Rande mit Verweiszeichen­  ­Nominalist] Nomilastist

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Occam sagt: es sei nur eine Meinung, daß das univocum, das | Universale eine reale Sache außer dem Einzelnen und der Seele habe, und daß die substanz, die essenz jedes Einzelnen vom Einzelnen selbst unterschieden, und daß jedes Allgemeine für sich von anderem Allgemeinen unterschieden, reales sei. Das Einzelne und das Allgemeine stehen sich gegenüber. Die Realisten sagen, daß das Allgemeine mit dem Individuellen nicht identisch und mit dem Anderen Allgemeinen, das am Individuum existirt, ebenfalls nicht identisch sei. Der Mensch zB i s t , ist l e b e n d i g ect; diese Praedicate werden für sich existirend vorgestellt, die subalternen so wie die wesentlichen. Soviel allgemeine Praedica­ bilien, soviel in einem Individuellen sind, so viel Reale sind, von dem Individu­ um und voneinander unterschieden, und sie selbst werden nicht vervielfacht, wie sehr auch die Individuen vervielfacht werden. Andere dagegen, die Formalisten behaupten, diese Generalia existirten nicht für sich: nicht das Sein, nicht die Le­ bendigkeit existire, sei real, sondern nur das Lebendige, das Seiende. Occam hatte die Vorstellung, daß ein Allgemeines nichts Reales, nicht esse subjectivum in und außer der Seele sei, sondern ein objectives Dasein habe. Er sagt: der Ver­ stand, der eine Sache (res) wahrnimmt, bildet sich eine Sache im Geiste nach, so daß er, hätte er productive Kraft, sie zu einem numerischen Eins werden lassen würde. Jedes Allgemeine ist eine Qualität, die in dem Geiste existirt und ein Zei­ chen ist für ein Äußerliches. Dieß war der Gegenstand dieses Streits. Unter vielerlei Modificationen sind diese Gegensätze sich gegenübergestellt. Nicht dem Allgemeinen allein hat der Eine Theil Realität zugeschrieben und der andere nur dem Einzelnen, sondern sie vereinigten auch beide Gegensätze, und schieden sie wieder. Im 13ten Jahrhundert nun fingen die Abendländer mehr an mit den aristoteli­ schen Schriften bekannt zu werden. Bisher war die Bekanntschaft vereinzelt. |

1 das univocum, … Universale] Hu: das Omniversum­  ­7–11 Der Mensch … vervielfacht,] Hu: Er ist zuerst Mensch – er hat ein S e y n , das ist auch Allgemeines, hat Vernunft etc diese Menge von praedicaten sind Inhalt in Form des Allgemeinen. Alle diese praedicate werden vorgestellt als 30 für sich existirenden in den Individuum – sowohl die Subalternen als nicht subalternen zB. Farbe – dann Blau Roth etc. Diese Allgemeinen praedicabilien sind real existirende Sachen in den Men­ schen, sind aber unter sich nicht indentisch – und sind ein Omniversum – und werden nicht­  ­12 Andere] Hu: Es ist die haerteste Vorstellung der Allgemeinen Bestimmung. (Absatz) Die Andern­  ­16 sondern ein … habe.] Hu: sondern es h a b e e i n o b j e k t i v e s S e y n in der 35 Seele – es entspreche ihm doch eine Gegenstaendlichkeit –­  ­25–26 Im 13ten … vereinzelt.] Hu: Ein weiterer Umstand der hier anzuführen ist, dass im 13 Jahrhundert die Scholastiker mehr ange­ fangen haben sich bekannt zu machen mit den Aristotelischen Werken. Scotus Eriugena zeigt zwar eigentlich auch eine Bekanntschaft mit ihnen, diess ist aber etwas höchst Einzelnes nur. 1  nur nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­6 und] folgt nachtr. gestr: nicht­  ­9 so wie nachtr. 40 über gestr. u­  ­15 nicht nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­19 in nachtr. über der Zeile­  ­

Geiste] Gsten

120 rHo

267Hu 261. 135

268 Hu 262.

674 Wichtig ist das Be­ kanntwerden der Ari­ stotelischen Metaphy­ sik im Abendland.

Albertus magnus. † 1280

121rHo

Albertus Magnus der berühmteste deutsche Scholastiker.

nachschrift hotho · 1823/24

Nur ein Auszug aus den Kathegorien des Aristoteles hatte sich erhalten; ferner 120 vHo eine Abhandlung, die dem Augustin zugeschrieben wird über die Kathegorien. Dieß waren die bisherigen Hülfsmittel. Erst später ward man mehr mit den ari­ stotelischen Schriften bekannt. Aus dem Arabischen wurden die aristotelischen Schriften in das Lateinische übersetzt. Cordova war der Mittelpunkt der Gelehr­ 5 samkeit. Besonders arabische Commentarien wurden bekannt, und besonders die Metaphysik. Auch die Physik kam in das abendländische Publicum, Summen, Auszüge wurden verfertigt, Kaiser Friedrich II ließ aristotelische Schriften aus Constantinopel kommen. Die Kirche widersetzte sich diesem Fortstreben. Gre­ gor verbot in einer Bulle die Bücher der Physik zu gebrauchen, bis sie untersucht 10 werden. Später aber ward geboten, keiner solle magister der Philosophie werden ohne Bekanntschaft mit den aristotelischen Schriften. Diese Bekanntschaft also ist epochemachend. Besonders die Logik ward ausgesponnen und in eigenthümli­ che Formen gebracht, welche die Grundlagen alles Philosophirens wurden. Un­ ter den abendländischen scholastikern, die schon nähere Bekanntschaft mit Ari­ 15 stoteles gemacht hatten zeichnet sich besonders Allbertus magnus aus, aus dem Geschlechte von Bollstädt † 1280. 21 Bände in Folio sind von ihm noch vorhan­ den. In Cöln starb er. Es wird von ihm erzählt er habe sich sehr stumpfsinnig gezeigt, aber die Jungfrau Maria mit 3 schönen Frauen seien ihm erschienen, und haben ihn zur Philosophie befeuert. Fünf Jahr vor seinem Tode sei er aus der Phi­ 20 losophie zur Orthodoxie zurückgekehrt. Thomas von Aquino war sein Schüler. Albertus habe viele Wunder gethan, er habe eine Sprachmaschine verfertigt ect. Er spricht von Epicuraeern, und hießen Epicuraeer weil sie επι curam lagen, | auf der faulen Haut; die stoiker seien Leute gewesen, welche Lieder gemacht und sie in den Hallen abgesungen haben; deshalb hießen sie Hallensteher: Stoïker. 25 Der erste Epicuraeer sei Caecina gewesen ect, Plato, socrates und Pythagoras seien Stoiker gewesen. – Das Commentiren der Schriften älterer Scholastiker war die Hauptsache.   Hülfsmittel.] Hu: Hülfsmittel – Noch dazu ist Ca siodor zur rechnen.­  ­9 kommen.] Hu: kom­ 3 men und in’s lateinische übersetzen.­  ­15–17 die schon … † 1280.] Hu: die eine naehere Bekannt­ 30 schaft mit Aristoteles zeigten, und ihn kommentirt haben zeignet sich vornemlich: (Absatz) A l ­ b e r t u s M a g n u s aus. 1205 in Lauingen geboren – In padua studirte –­  ­18 In Cöln … er.] Hu: War Dominikaner – In köln war er Ordensprovincial.­  ­21 zur Orthodoxie zurückgekehrt.] Hu: 269 Hu 263. 136 kehrte zur Orthodoxie zurück. Albertus repente ex asino factus philosophus et ex philosopho asinus”­  ­22 Albertus habe … gethan,] Hu: Unter seiner Wi senschaft verstand man auch Zauberey.­  35 ­26–28 Der erste … Hauptsache.] Hu: Unter den Epicuraeern führt er an: Hesiod, Athalius und Caecina ein Familiaris des Cicero, und Isaacus der Jude. Unter den Stoickern führt er an plato und pythagoras. (Absatz) Seine Hauptschriften sind Kommentarien über den Magister Sententiarum. Das Kommentiren solcher Schriften war die Hauptform der Wi senschaftlichkeit. 8   aristotelische nachtr. über der Zeile­  ­16 gemacht hatten nachtr. mit Einfügungszeichen über gestr. kannten­  ­ 40 17 † 1280] (1) 1275 (?) blühend (2) † (nachtr. über der Zeile) 1280 (nachtr. aus 1275 (?))­  ­32 Lauingen] Lauben

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Das dialektische Interesse wurde in dieser Zeit auf ’s höchste getrieben, und zwar ganz formeller Weise. Dieß Interesse war erfinderisch Fragen, problemata aufzusuchen, die ohne religiöses und philosophisches Interesse waren. Die intellec­ tuelle Vorstellung, Religiöses, welches dem Dogma angehörte, ward als sinnlich Wirkliches behandelt und darauf angewendet wurden die Verhältnisse des un­ mittelbar Sinnlichen. Von dieser Seite ist es besonders, daß man sich zur Zeit der Wiederauflebung der wissenschaften lächerlich an den Scholastikern aufzeigte. Ein Beispiel solcher Fragen ist: “in welchem Alter in welcher Gestalt, die Tod­ ten auferstehen werden; ob der Geschlechtsunterschied dauern werde. Bei Petrus Lombardus fragt es sich: wo Gott vor der Schöpfung war, ob Gott mehr wissen könne als er wisse ect, wo die Engel vor der Erschaffung waren? In welchem Al­ ter der Mensch geschaffen sei? wie die ersten Menschen sich fortgepflanzt hätten, wenn sie im Paradiese geblieben wären? ob der Satz möglich sei: Gott haßt den Sohn, warum der Sohn und nicht der Vater oder der Geist hätte können Mensch werden; ob er hätte können Kürbisgestalt annehmen, und wie dieser gepredigt hätte und gekreuzigt wäre?” – Dieser gänzliche Formalismus sowohl in Anse­ hung des Umtreibens des Verstandes als auch des Inhalts ist es, was das Letzte allgemeine Interesse ward und die Seite welche den vernünftigen Sinn des Men­ schen gegen dieß ganze Getriebe empörte. | Was nun das nähere Urtheil über den Standpunkt der Scholastik betrifft, so haben wir uns Rechenschaft zu geben, warum der Zeitraum so groß ist, die Verständigkeit so ausgebildet, und warum die Individuen so edel waren, während die ganze Scholastik nicht vermag uns Interesse zu gewähren, und als Vergangenheit hinter uns liegt. Wenn wir den Gegensatz gegen das scholastische Treiben suchen, so finden wir: der gesunde Menschenverstand sei es, die äußere und innere Erfahrung, die Anschauung der äußeren Natur und des Menschen, die Humanität, die griechische Menschlich­ keit, die darin besteht, daß alles Interesse für den Geist, practisches und theoreti­ sches Gegenwart in der menschlichen Brust habe, in ihr wurzele. Das gebildete Bewußtsein hat an solchem Inhalt einen Stoff, worin es bei sich selbst ist. An solchem Inhalt hat das Interesse einen bestimmten Maaßstab, woran es sich ori­ entirt, die Verirrungen auch auf diesem Boden haben ihre Wurzel in einem Be­

2 formeller Weise.] Hu: formeller Natur wurde – zur Inhaltlosigkeit kam.­  ­ 8–9 Ein Beispiel … werde.] Hu: Von welcher Art solche Fragen waren, wollen wir ein Beyspiel anführen: Julian Erzbischof von Toledo hat gefragt: wenn werden die Toden aufstehen, werden die Vaeter bleiben, 35 die Magern, Mager, werden die Menschen alles wieder erhalten. 2  zwar nachtr. über gestr. ward­   Weise] folgt nachtr. gestr: getrieben­  ­7 an nachtr. über gestr. üb.­   aufzeigte. nachtr. über gestr. machen.­  ­10 es nachtr. über der Zeile­  ­10–11 wissen könne] (1) wsse, (2) wssen (nachtr. aus wsse,) könne (nachtr. über der Zeile)­  ­13 wären nachtr. über gestr. werden­  ­ 14 der 3 nachtr. über der Zeile­  ­21 so1 nachtr. über gestr. der­  ­34 Erzbischof von Toledo am Rande mit 40 Verweiszeichen

Das verständige Rae­ soniren macht sich für sich frei, und wird rein formell.

Das Unbefriedigende der Scholastik ist, daß während in der anti­ quen Welt, der Mensch in der Totali­ tät der Natürlichen und geistigen Welt bei sich selbst war, und von allem die Wurzel in sich selbst fand, – jetzt die absolute Wahrheit den Men­ schen gegeben ist, so aber, daß er, indem er sie noch nicht als sich selbst weiß, außer sich ist, da er das ge­ gebene Absolute we­ der mit der Wirklich­ keit noch mit seiner Innerlichkeit als Ge­ danken vermag in Einklang zu bringen. E. Formelle Dialektik bis auf die Spitze ge­ trieben. Aufweisen wichtiger Fragen.

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Deshalb wird die Versöhnung die einer nur wirklichkeitslo­ sen Innerlichkeit.

Indem die ganze To­ talität der Wirklich­ keit des Geistes vom Absoluten Prinzip noch undurchdrun­ gen ist, so fällt es dem Einzelnen als solchen und somit der Will­ kühr anheim. Dem Religiösen nach ist das Individuum ganz der absoluten Wahrheit hingegeben, während es in der gottverlaßenen Wirk­ lichkeit sich dem Trei­ ben seiner empirischen Einzelheit überläßt

Derselbe Gegensatz zeigt sich als weltli­ ches und kirchliches Reich, und als Religi­ on und Wissenschaft.

271Hu 265. 137

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rechtigten, das Austreiben das sich Entfernen von dem Concreten Keim ist nur das Ableitende der Irrthum. In der Scholastik aber sehen wir das Absolute gelegt in Barbaren, die noch nicht menschliches Selbstbewußtsein haben, denen sich die absolute Wahrheit noch nicht im menschlichen Selbstbewußtsein gegenwärtig macht, so daß der Mensch ein fremdes Gefäß für diese Wahrheit ist; in diesem 5 liegt die Wahrheit wie ein centnerschwerer Stein, der nur empfunden, nicht ver­ daut ist. Der Mensch ist außer sich. Die Menschen sind wild geworden durch das, was sie sollte mild machen. Deshalb hat die Religion ihre schöne Gestalt nur in wenigen Individuen, die von der Welt entfernt sind, sich in der Empfindung zu halten vermögen, in der Wirklichkeitslosigkeit der Innigkeit blieben. Das Religi­ 10 öse war isolirt im menschlichen Bewußtsein, und die ganze Wirklichkeit der Welt war | von der Tiefe der Wahrheit noch nicht durchgebildet. Nur in Kreisen, die 122rHo sich auf religiöses Gefühl beschränken, war Versöhnung, aber die Welt erfordert einen weiten Kreis des Daseins. Dieser Kreis der verwirklichung des Geistes ist aber von der Region der Wahrheit abgeschnitten, und die Tugend, die auftritt ist 15 Entbehrung. Was der Wirklichkeit angehört steht der Religion gegenüber und ist ein Leben der Willkühr, ein gottverlaßenes. Wir sehen so entweder ganz heilige Individuen, in sich zerrissen und unheilige, und die höchste Gegensätze der An­ dacht, des Hingegebenseins an das Göttliche, und der höchsten Willkühr. Ein treffendes Bild ist der Kreuzzug, die Ansicht Jerusalems. Alle sanken betend nie­ 20 der, zerknirschten ihr Herz. Dieser Moment folgte auf jahrelange Gemeinheit, Dummheit, Unheiligkeit. Nach dieser Heiligkeit aber begann ein Blutbad, auf dieses folgt ein Uebergang zur Buße, um die Individuen sodann nach dem Auf­ 2–7 In der … sich.] Hu: H i e r h i n g e g e n s e h e n wir einen andern Ausgangspunkt – wir sehen 270 Hu 264. die unendliche wahrheit gelegt in die Hand von Barbaren die noch nicht menschliches Selbstbe- 25 wu theit haben, in denen sich diese Weise in dem Selbstbewustsein noch nicht vergegenwaertigt – damit ist der Inhalt ein Fremdartiges – Es ist ein Gefäh s, das ein intensivster Trieb ist, aber als ein Centnerschwerer Stein bleibt, der nur drückt, nicht a similirt werden kann – Der Mensch mu s hier au ser sich kommen –­  ­9–10 die von … blieben.] Hu: die der Welt abgestorben sind, (Ein­ siedlern) eine Contraction des Geistes gegeben in der sie sich halten | konnten .­  ­12–14 Nur 30 in … Daseins.] Hu: In so fern als das Religöse Bewustsein das Schwerste ist für die Individuen die in einen kleinen Kreise sich befinden, so ist es auf der andern Seite nothwendig, dass der Geist als Wille, Trieb, die Welt, dass diese einen ganz andern ausgedehnteren Kreise des Daseyns erfordert.­  ­ 14–16  Geistes ist … Entbehrung.] Hu: Geistes, das menschliche Leben, das ist zunächst abge­ schnitten der geistigen Region – und die Subjektivitaet hat vornehmlich jetzt die Tugend des 35 Entbehrens als Ziel.­  ­ 1   das sich Entfernen (nachtr. ?) über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­6 Stein] folgt nachtr. gestr: liegt­  ­22–23 auf dieses folgt] (1) aus dsm (2) auf (nachtr. aus aus) dss (nachtr. aus dsm) folgt (nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen)­  ­23 um die … sodann] (1) u (2) um (nachtr. aus u) (d. Individ sodann nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen)­­  ­26 noch nicht am Rande mit Verweiszeichen­  ­30 konn­ 40 ten] konnten | konnten

zweiter theil

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stehen von der Buße der Willkühr ferner zu überlassen. So sehen wir auch ein weltliches Reich und das göttliche das Kirchliche. Ebenso ist die Wissenschaft für sich bodenlos in Berührung mit dem Tiefsten der Wahrheit. Der Verstand macht sich an das Mysterium. Dieß Speculative aber ist in das Denken noch nicht eingekehrt, denn das Denken ist für sich vernunftverlaßener, endlicher abstracter Verstand, gehaltloses Denken, welches jener Tiefe der Wahrheit entfremdet bleibt. Dieß formelle Denken ist maaßlos in seinen Unterscheidungen, wie wenn man sich Wörter bilden wollte, nur auf Verbindung von Tönen ect sehend, ohne Bedeutung zu verlangen. Dieß ist der Character dieses Denkens. Insofern nun solcher Verstand zweitens an den gegebenen religiösen Inhalt sich hält, mit ihm sich beschäftigt, so kann er als Verstand diesen Inhalt verständig beweisen, wie man einen geometrischen Beweis macht, – aber zur Befriedigung gehört mehr. Man kann sagen, daß man das Bewiesene doch nicht | begreife. Das Begreifen fordert aber der Geist. Dem Verstand fehlt noch die Innigkeit des Gedankens, welche man nur im Begriffe selbst fühlt, in der Einheit des Denkens und Seins. Daß sie begriffen sei, dazu gehört das sich zum Anderen Gestalten durch sich selbst und durch kein Drittes. – Solcher Verstand nun drittens ging nicht von ei­ nem concreten, dem Geist gegenwärtigen Inhalt aus. Wenn der Verstand ausgeht von einem natürlichen Concreten, oder von einem Innerlichen des Gemüths, so reflectirt er darüber, setzt abstractionen ect. Seien diese nun richtig oder nicht, obgleich die Form der abstraction nicht dem Inhalt Genüge thut, so hat die Re­ flexion doch an solchem Inhalt einen festen Punkt, weil ohne solchen der Ver­ stand maaßlos als in sich selbst leer, fortgeht. Solcher Inhalt macht die Mangel­ haftigkeit vergessen. Beim scholastischen Verstande war, daß sie die Bestimmungen überliefert erhielten, ferner später den Aristoteles in die Hände bekamen, die ein

1–2 So sehen … Kirchliche.] Hu: So ist der Region der Wahrheit eine Schranke gegeben – und sie ist noch nicht zum Fundament geworden. So sehen wir auch Kirche und Pabst – Keiser und Staaten entgegen.­  ­ 3–5 Der Verstand … eingekehrt,] Hu: Dazu kam es dass die Religion zum Mysteri­ um wurde – aber eben das mystische, der Begriff ist noch nicht in das Denken eingekehrt, das Den­ 272Hu 266. ken ist noch nicht gegangen auf die Wahrheit –­  ­13–17 Das Begreifen … Drittes.] Hu: Von dieser Stammt die weise der Grunde von Anselm. Es fehlt also das Denken dem Beweisen – es fehlt die Innigkeit, das Ich, als Innichkeit des Gedankens. Diese Innigkeit des Gedankens liegt aber eben in dem Begriffe in der Einheit des Allgemeinen und Einzelnheit – wenn wir dabey auf das angege­ bene Beyspiel des Anselm sehen wollen. Dazu gehort dass aufgezeigt werde dass das Denken sich 35 zum Sein entschlie se – Das macht erst das Beweisen aus.­  ­20 reflectirt er darüber] Hu: kann er darüber Denken, wie es in der physik geschied­  ­21–23 hat die … fortgeht.] Hu: hat man an dem Inhalt einen punkt an dem sich die Reflexion festhält – (Es ist diess be ser als die Vorstellung die ohne Maa s vortgehet.) 1  Buße] folgt nachtr. gestr: sich­  ­24 Verstande] Verstds­   sie] sc. die Scholastiker­  ­26 bekamen,] folgt 40 (nachtr. ?) gestr: u dse Schriften­  ­die] sc. die Schriften des Aristoteles (Relativpronomen nicht nach der Strei­

chung angepaßt)­  ­24M Aristoteles nachtr. über gestr. Plato­  ­31 Stammt] sehr unsichere Lesung

Insofern das Denken das nur verständige ist, ist es gehaltlos und dem Inhalt der Reli­ gion fremd. Der Verstand kann nun wohl nach ein­ mal festgesetzten Be­ stimmungen diesen Inhalt beweisen aber nicht Begreifen. Indem nun der scho­ lastische Verstand nicht den concreten Inhalt der wirklichen natürlichen und gei­ stigen Welt behandel­ te, so werden seine Bestimmungen maßlos in’s Weite getrieben. Da ferner von der Wirklichkeit welche als die daseiende Idee selbst das Concrete und Speculative ist, nicht wie bei Aristo­ teles ausgegangen wird, so nimmt die Scholastik von Aristoteles nur die Verstandesformen auf ohne ihre Speculative Vereinigung. β.) Eben so ist der ­ Wi senschaft der Ver­ stand dieser absoluten Inhalte nicht gewach­ sen.

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Weil ferner der Spe­ culative Begriff fehlte um aus sich die ver­ ständigen Formen zu entwickeln und ihre Anwendung zu be­ stimmen, der Ver­ stand aber in sich selbst kein bestimmtes Prinzip hat, so wur­ den diese Formen ohne Kriterium an­ gewendet und behan­ delten ihren Gegen­ stand vernunftlos. Somit richtet der Ver­ stand die Speculative Welt der Intellectua­ lität zu Grunde, und insofern die Wirk­ lichkeit nicht von der absoluten Wahrheit durchdrungen ist, so richtet derselbe Man­ gel auch die wirkliche Welt dieses Intellectu­ ellen, die Kirche, zu Grunde.       Dritte Periode des Mittelalters Das Freiwerden des Gedankens. Der Gedanke, indem einerseits durch den Verstand die dem Denken gegebene Welt der religiösen Vorstellung vernichtet war, anderseits die Wirklichkeit ihn un­ befriedigt ließ zieht sich in seine Inner­ lichkeit zurück.

274 Hu 268.

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zweischneidiges Schwerdt sind, ein bestimmter Verstand, verbunden mit der höchsten speculation, die dadurch gegenwärtig ist, daß dieß Denken bestimmt die concrete Natur des Gegenstandes, die Sache vor sich hat, und der Begriff, das speculative also als das Regierende, als die Macht hat, welche die Reflexion überwältigt und sie nicht frei für sich werden läßt. Die Scholastiker aber nun 5 gingen von diesen speculativen Gegenständen nicht aus, welche das Reflectiren regieren, sondern haben nur den äußerlichen Verstand überkommen, ihn ausgebreitet, und indem für ihn kein Maaß durch die concrete Gegenwart der Natur und des wirklichen Geistes, noch durch den Begriff da war, ihn endlos ausgebildet. Im scholastischen Treiben fehlt aller Menschenverstand, es ist ein 10 Raisonniren, das kein höheres über sich hat. Die aristotelische Philosophie ist in diesem Treiben sich selbst entfremdet. Der concrete | Begriff des Aristoteles war 123rHo verloren, der gesunde Menschenverstand schaute nicht an, nur die Reflexion rollte sich fort und fort. Die Seele der Metaphysik war getödtet, und die Theile fielen geistlos und todt außer einander. Dieser rohe Verstand macht alles gleich. 15 Denn Dieß ist das Thun des Verstandes. Der rohe Verstand hat so die himmli­ sche, speculative Welt schlechthin verdrängt. Denn der Verstand in seinem ab­ stracten Treiben macht keinen Unterschied ob seine Bestimmungen hier gelten oder nicht. Deshalb wurden jene ganz sinnlose Fragen gemacht. Sinnlos nehm­ lich ist es, ganz an sich consequente Bestimmungen in ein Feld hineinzubringen 20 wo sie gar nicht hingehören. Der Verstand kann den Unterschied nicht machen, mit welchen Bestimmungen ein Inhalt zu fassen sei. Für den Verstand ist keine Brücke vom Allgemeinen zum Besonderen. Wenn nun ein solch allgemeiner Ge­ genstand vorhanden ist, so ist es unbestimmt welche besondere Bestimmung ihm zukommt. Darin liegt zB. unmittelbar zu sagen: bei Gott sei kein Ding ohn­ 25 möglich. Was wir übersinnliche Welt nennen können, die Welt der Idee, der 1  bestimmter] Hu: höchst klarer­  ­ 5–8 Die Scholastiker … ausgebreitet,] Hu: Indem nun die 273Hu 267. 138 Scholastiker durch den Aristoteles hingehen – so sind sie bey ihm nicht ausgegangen von den Ge­ genstaenden, Grundlagen, von den Mittelpunkt der Reflexion, sondern sie haben nur den aü serli­ chen Verstand davon genommen, und in dem sich gestürzt – darin sich ausgebreitet,­  ­15–17 macht 30 alles … verdrängt.] Hu: nivellirt alles – In dem politischen ist es da selbe der Fall – die fanatische Ausbreiung. So hat dieser rohe Verstand die ursprüngliche intelligibile welt, speculative, misteri­ öse, verendlicht.­  ­19 Deshalb wurden … gemacht.] Hu: das haben wir gesehen in den Beispie­ len, dass ganz sinnlose Fragen gemacht worden sind, über das was auf irgend eine weise der intelli­ gibilen Welt gehören –­  ­23 Besonderen.] Hu: Besondern. So das Recht ist das allgemeine – keine 35 aber Verbindung zwischen Kriminalrechte, polizey etc.­  ­25 zukommt.] Hu: zu kommen. Wenn so ein Gegenstand Gott ist, so ist gegen ihn alle endliche Form geltend gemacht. Das Besondere ist auf diese weise ganz gleichgültig gegen das Allgemeine. 1  sind] ist (Numerus nach nächststehendem Substantiv, nicht nach Satzsubjekt)­  ­10 ausgebildet nachtr. aus ausbildeten­   es ist nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­12 Der] Die­  ­16 Denn nachtr. über 40 der Zeile­  ­33 verendlicht] verendlicht hat

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Religion sehen wir also vom Verstand durch seine Prinzipienlosigkeit ruinirt, sowie ebenso die Kirche, dieß Dasein des Himmels, durch alle schlechte Leiden­ schaften zu Grunde gerichtet ist. Dieser Ruin der religiösen Welt als vorgestellter und gegenwärtiger Welt hat den Menschen aus einem solchen nur verendlichten Allerheiligsten treiben müssen, und dieß wird die Umkehrung, die bekannt ist als das Aufleben der Künste und Wissenschaften. Der Mensch, der getrieben war zu suchen, was recht sittlich und wahr sei, konnte es auf solchem Boden nicht mehr finden, sondern mußte sich weiter umsehen. Die Stelle, wo er hingewandt ward, war sein Inneres und die Natur der ganz verendlichte Himmel hat ihn zur Gegenwärtigkeit des Himmels getrieben zur Welt. | Zur Wiedererweckung der Wissenschaften gehört vornehmlich das Studium der alten Litteratur. Das Abendland kam in nähere Beziehung mit dem griechi­ schen Morgenland, indem die Türken es bedrohten und es trieben nach dem Abendland Gesandte, gelehrte Männer zu senden. Man thut den Mönchen zu viel Ehre an, wenn man glaubt sie hätten die Alten erhalten, denn aus Constan­ tinopel besonders haben wir diese Werke überkommen. Jetzt lebte die alte Philo­ sophie wieder auf; Griechen übersetzten den Plato aus dem Original in’s Lateini­ sche; die Neuplatonische Philosophie ward gleichfalls gegen die Scholastik geltend gemacht. Ficinus zeichnete sich in dieser Hinsicht aus. Jetzt traten platonische aristotelische Philosophen auf, während die Scholastiker nur den Namen dersel­ ben hatten, indem sie aristotelische Ausdrücke ohne ihren Geist anwendeten. Alle die alten Philosophien wurden jetzt von neuem erkannt und geltend ge­ macht, besonders auch die ciceronianische populäre Weise der Philosophie, wel­ che obgleich nicht speculativ, dennoch für die allgemeine Bildung von großer Wichtigkeit war, indem sie alles ausspricht, was einen Gebildeten das Leben ge­ lehrt, was er in allen Verhältnißen als das Wichtige Wesentliche fand. Von sol­ chen Schriften gingen jetzt viele unbefangen oder gegen die Scholastik hervor.

9 –10  ihn zur … Welt.] Hu: den Menschen zur Endlichkeit getrieben, zur Gegenwaertigkeit des Innern und Aü sern. Das sind die abstrakten allgemeinen Züge des Ueberganges. Voran wir jetzt 275Hu 269. 139 stehen, ist die Zeit des Viederauflebens der Wi senschaften.­  ­13–14 es trieben … senden.] Hu: Der konstantinopolische Keiser war genöthigt Gelehrte als Gesandte nach Europa zu senden. Die Italiener haben besonders von Neuen Griechisch studirt.­  ­20–21 während die … anwendeten.] Hu: (obgleich man auch die scholastische philosophie aristotelische nennt)­  ­22–26 Alle die … fand.] Hu: Unter den Maennern die sich in dieser periode ausgezeignet haben – und platonische und 35 aristotelische auch stoische philosophie getrieben haben sind einige sehr berühmt geworden. Beson­ ders ist auch die Ciceronianische weise der philosophie entzündet, das von au serst gro ser wichtig­ keit ist, in so fern man die popularitaet der philosophie nimmt. Indem ein gebildeter Mensch aus­ spricht was ihm in gewi sen Verhaeltni sen des Lebens das Regierende war, ist diess nützlich. 20  auf ] aus­  ­21 ohne ihren Geist nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­23 populäre Wei­ 40 se … Philosophie nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­25 indem sie nachtr. über der Zeile mit

Einfügungszeichen

1. Dieß Zurückziehen des Geistes in sich ist zunächst ein Zurück­ gehen zu der Wirk­ lichkeit des Geistes in der classischen Welt, ein Wiederaufleben der alten Philosophie.

Dritter Abschnitt. Wiederaufleben der Wi senschaften. 1.) Wiederaufleben der griechischen philo­sophie. b.) Ciceronianische popularphilosophie. Luther. Melanchthon. Erasmus. Monteigne. Charron.

680 Anderseits indem der Mensch sich als in sich positiv setzt, er­ hält auch die Natur und die wirkliche Welt affirmative Be­ deutung und er ist in ihr thätig.

124rHo

2. Diese Rastlosigkeit des sich erfassenden Geistes ist aber als solche nur ein ruhe­ loses Gähren in ihm selbst.

Hieronymus Carda­ nus geb. zu Pavia 1501 † 1576.

276 Hu 270.

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Der ganze ciceronianische Zuschnitt ist in der Reformation nicht zu verkennen. Luther und Melanchthon haben das Scholastische verworfen, aus den Quellen der Bibel geschöpft und die Anschauung des menschlichen Gemüths vor sich gehabt. Auch Erasmus hat gegen die scholastische Manier des Theologisirens einen An­ griff gemacht. Aber dieß gehört mehr in die Geschichte des religiösen Fortganges und in die der allgemeinen Bildung. Es sind viele Männer bekannt, welche die alten Philosophien zum Gegen­ stand ihrer Betrachtung machten. Es ist dieß aber nur ein wiedererwecken eines schon Vergangenen. | Populäre geistreiche Schriften traten im Allgemeinen auf, viel Geistreiches enthaltend ohne zur philosophischen Bildung gerechnet werden zu können sondern nur dem gesunden Menschenverstand angehören. Der Mensch schaute in seine Hände und in sein Gemüth und machte was er in sich fand, was er that, geltend. In diesen Schriften ist von philosophischer Beleh­ rung nicht die Rede. Was eine zweite Classe von Erscheinungen anbetrifft, so sind dieß Bestrebun­ gen im Felde selbst der Philosophie die aber Bestrebungen blieben und der unge­ heuren Gährung dieser Zeit angehören. Die Individuen sahen sich verlassen von dem bisherigen Inhalt, welcher der bisherigen Reflexion zu Grunde lag und sie wurden getrieben aus sich, aus ihrer Vernunft die Erkenntniß des Wesens zu schöpfen. Doch konnten sie die Ruhe der Wissenschaften nicht erringen und der Inhalt ist vermischt und ungleich. Sie zeigen: Brausen, Gährung, Eruptives eines Vulcans, der innerlich sich bildend, Schöpfungen hervorbringt, die noch wild und wüst sind. In der Geschichte der Philosophie ist das was sie wirkten nicht blei­ bend. Die merkwürdigsten Naturen dieser Art sind Cardan, Bruno, und mehre­ re. Diese Männer sind die Repraesentanten dieses Uebergangs. Was Cardan be­ trifft, so war er weltberühmt. In 10 Bänden sind seine Schriften gesammelt. 1501 † 1576. Er macht in seiner Biographie die härtesten Bekenntnisse. Wegen der

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1  Reformation] Hu: L u t h e r i s c h e n Reformation­   ­2–3 Luther und … gehabt.] Hu: M e ­ l a n c h t h o n und andere haben aus der Bibel recensirt, haben aber vor sich gehabt das Gefühl des Menschen.­  ­7–8 Es sind … machten.] Hu: Es ist eine gro se Anzahl von Büchern die zum Zweck 30 gehabt haben die Ausarbeitung der alten philosophien.­  ­8–11 wiedererwecken eines … angehö­ ren.] Hu: Erwekung des Verge senen, was an sich keine Fortschritte that. Eben so sind auch die populaeren Schriften des Monteigne, Charron die hier her nicht gehören, obgleich sie sehr geist­ reich sind. Im eigentlichen Sinne gehören sie nicht zur philosophie – mehr zu den populaeren Raesonement.­  ­13–14 In diesen … Rede.] Hu: Die Schriften die hieher gehören sind noch vor­ 35 handen, aber die Belehrung über alte philosophen, mu s man in den Alten selbst suchen.­  ­20 nicht erringen und] Hu: nicht gewinnen koennen, deswegen findet man in ihren Darstellungen viele Originalitaeten, aber­  ­21 vermischt] Hu: höchst vermischt 18–19  sie wurden getrieben] (1) getrieben wurden (2) (sie wurdn nachtr. über der Zeile mit Einfü­ gungszeichen) getrieben ( folgt nachtr. gestr. wurden) 40

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Wildheit, Zerrissenheit seiner Natur ist er als Individualität wichtig. Er ist in der Mathematik wegen Auflösung der Gleichung des 3ten Grades bekannt. Er erzählt von sich, daß seine Mutter als sie schwanger war, Tränke brauchte die Frucht ab­ zutreiben. Als er an der Brust seiner Amme war, kam die Pest, alle starben um ihn her, nur er blieb. Sein Leben ist ein steter Wechsel von Unglück. Bald lebte er in großer Armuth, bald in großem Ueberfluß. Viele Fürsten zogen ihn zu Rath wegen seiner astrologischen Kenntniße. An seinem Sohne erlebte er das Unglück daß, dieser höchst ungerathen war, er vergiftete seine Frau, und ward hingerichtet. | Cardan war als Professor in vielen Städten, sein Schicksal wech­ selt stets. Er schildert sich selbst so: ich habe von Natur einen auf Philosophie ge­ richteten Geist, bin elegant, wollüstig, erfinderisch, nach Würden strebend, listig, arbeitsam, geschwätzig, fromm, heimtückisch, einsiedlerisch, Wahrsager, Zoten­ reißer, veränderlich, solcher Widerspruch ist in mir. Er litt die höchste Folter des Gemüths in sich, in dieser Zerrissenheit quälte er sich und Andere, durch äußeren Schmerz wollte er sich von der Qual seines Inneren befreien. Ebenso ungleich war sein äußerliches Betragen; alle Gegensätze zeigen sich in ihm. – Solcher un­ gleicher Character zeigt sich ebenso in seinen Schriften, in denen er sich aus­ stürmte. Er hat sehr erregend auf seine Zeit gewirkt; die Sucht orginell zu sein trieb ihn aber auf die sonderbarsten Dinge. Bruno ist besonders durch Jacobi wieder in Erinnerung gebracht. Er war ein ruhigerer klarerer Mann als Cardan aber doch gährend, so daß er auf Erden nir­ gend Ruhe fand. Er verließ als Dominikaner Italien, trieb sich dann in den mei­ sten europäischen Staaten umher 1580–91., er lebte in Lion, Paris. In letzterer Stadt schlug er öffentlich Theses gegen Aristoteles an. Bruno ging dann nach London, nach Wittenberg, Helmstädt, von dort nach Frankfurth am Main, und hielt überall Vorträge, ließ seine Schriften drucken. 1592 ging er nach Padua. 1600 ward er der Ketzerei wegen in Rom öffentlich verbrannt. Seine Schriften gehören zu den größten Seltenheiten; vielfach sind sie verboten. Sie sind darum so selten, weil sie an so verschiedenen Orten gedruckt sind; sie wiederholen sich oft. Der Hauptcharacter ist eine große Begeisterung, der Bruno seine Einzelheit aufopferte, die ihn nicht in einem ruhigen Zustande bleiben ließ. | In seinen

5  Unglück] Hu: haü slichen Unglük­  ­13 Widerspruch] Hu: wiederspruch meiner Natur, meiner Sitten­  ­14–16 äußeren Schmerz … Betragen;] Hu: bi s sich in die Lippen etc. um sich dadurch zu befreien von der Unruhe, und zum weinen zu gelangen. Bald kleidete er sich schon, bald in Lum­ 35 pen. Lange war er anstrengend fleis ich, bald verspielte er alles.­  ­21–22 aber doch … fand.] Hu: Aber zugleich war er ein gesunderer Geist – der auf der Erde keinen Halt finden konnte.­  ­24 Ari­ stoteles an.] Hu: Aristoteles. (: Der Fürst von Mirandola – machte 900 Thesen bekannt und forder­ te alle philosophen auf :)­  ­28 Seltenheiten;] Hu: Seltenheiten. Sie finden sich in Dresden. 10  auf nachtr. über gestr. zur­  ­23 1580–91. nachtr. über der Zeile­  ­37 Mirandola] Mirandalo

124vHo

Jordano bruno aus Nola † 1600 zu Rom als Ketzer verbrannt.

125rHo

277Hu 271 140

278 Hu 272.

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1. Philosophie des Bruno. Das absolute sei die Einheit der Form als die Formtotalität.

Indem diese Endur­ sach zugleich als wir­ kend, aber in der To­ talität ihrer Wirkungen Einheit mit sich ist, ist sie zu­ gleich Materie, aber die Materie als in Einheit mit der Form. Diese absolute Einheit als das Wirkende ist das zugleich sich stets Verwandelnde aber in dieser Verwandlung mit sich Einige.

279 Hu 273. 141 II) als seynd ist sie die Substanz, Materie welche Formlos und Totalitaet der Form ist.

„Nullas habet Di­ mensiones ut omnes habeat”

280 Hu 274.

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Schriften heben sich 2 Seiten heraus: die philosophischen Gedanken, und zweitens die lullische Kunst. Was die philosophischen Gedanken betrifft, so gebraucht er aristotelische wahrhafte Begriffe. Der Inhalt seiner Gedanken ist die Begeisterung für die Lebendigkeit der Natur, für die göttliche Gegenwart in der Natur: eine Weltseele durchdringe das Ganze, ein Leben sei Alles. Näher spricht er von den verschiedenen Formen der Materie. Die Allgemeine Einheit sei der allgemeine Ver­ stand, der sich als die allgemeine Form des Weltalls offenbart, sie verhalte sich wie der menschliche Verstand als Hervorbringer der Begriffe. Die Weltseele ist der innere Werkmeister, der vom Innern aus alles hervorbringt. Dießer Selbstzweck sei der formale Verstand, der ebenso wirkend sei. Bruno sagt: Diese innere Form als Form sei Endursach, aber ebenso causa efficiens. Diese innere immanente Form ist es, die alles wirklich macht, die dann auch wieder das Zurückführende des Herausgetriebenen ist, so ist das Weltall ein unendliches Thier, in welchem Alles mannigfach lebt und webt. Die Endursache ist das immanente Leben der Welt, welches ebenso ist, wirkt. Der Verstand ist nicht außerweltlich. Ueber die­ se Einheit der Form und der Materie, welche als unthätiges Sein erscheint, über diese Einheit ist es, daß Bruno sagt, das Bleibende in dem Unterschiede des For­ mirens sei die Absolute Materie als das formlose aller Form fähige, so daß aber die Materie als wesentlich in der Einheit mit der Form, Form an ihr selbst ist, und nur an endlichen Dingen komme der Unterschied von Form und von Materie hervor. Die Einheit selbst ist dieses stets sich verwandelnde, das Prinzip, das in allem bleibt, und immer dasselbe. Weil diese Einheit das Allgemeine ist, darum sei es intelligibel, das Verständige selbst, die Ursache und die Endursache von Allem. Die bestimmten Formen der Materie sind die innere Macht jener Einheit.

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 –5 Natur: eine … Ganze,] Hu: Natur – in so fern ist seine Lehre pantheismus, Spinozismus – dass 25 4 ein Leben das ganze durchdringt,­  ­11–13 Endursach, aber … ist,] Hu: Causae efficientes und causae finales ist ein Unterschied der sehr wichtig damals war. Eben so ist es die immanente Form die in den pflanzen aus den Keimen, Zweige hervorbringt. So sagt er auch ist es dieselbe Form die sich zurückführt durch die Saefte – sie ist das Heraustreibende und Zurückführende.­  ­16 Form] Hu: Form (den Thaetigen)­  ­17–19 Unterschiede des … ist,] Hu: Verwandeln, die Materie – diese 30 ist das Formlose, aber aller Formen faehige – aber ein schlechthin nicht ohne das andere – deswe­ gen ist die Materie selbst die Endursache an ihr selber.­  ­21–24 Die Einheit … Einheit.] Hu: Alles ist eine Materie, am Ende wird pflanze, weiter Blut, Fleisch etc – Hier erkennen wir also Etwas, das weder Luft noch wa ser, ist, es hat nullas Dimensiones. Dieses Allgemeine kann nicht Koerper sein, kann keine Eigenschaften haben, weil sie der Materie unwürdig sind, sie verwächseln sich 35 nemlich. Ueberhaupt ist es die Materie das Allgemeine deswegen ist sie ein Intelligibiles – und ist eben das Verstaendige – ist die Ursache und die Endursache von Allen. Die Formen der Materie | die an ihr erschienen sind zufaellig. Die Materie aber als das Intelligibile ist die Totalitaeten der Formen, welche die innere Macht der Materie selbst sind. 5M Bruno. nachtr. über gestr. Cardanus.­  ­27 causae finales] an Stelle einer Lücke

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Bruno ist dieser gleichsam objective Spinozismus. Er sagt über die Einheit der Form und Materie in den Formen des Aristoteles: | die Materie ist die potentia. Nun aber ist es unmöglich ein Dasein einem Wesen zuzuschreiben, welches nicht die Kraft, das Vermögen dazusein hätte. Dieß ist der active modus, woraus erhellt, daß der passive modus ohne den activen nicht sein kann. Die Materie also ist zugleich nicht ohne die Form, die Form also ist das Thätige in der Mate­ rie. Das Vermögen erschaffen zu werden ist in der Materie selbst. Er geht also so über: Faßt man die Materie als das Unbestimmte auf, so ist sie gerade als diese einfache Unbestimmtheit nur e i n e Bestimmtheit der Form selbst. Die Formlo­ sigkeit ist selbst nur als die Identität eine der Formbestimmungen, also gerade in­ dem man die Materie ganz der Form entnehmen will, ist sie der Form überant­ wortet. Die Materie kann weder ihrem wirklichen Dasein vorhergehen, noch ihm folgen. Sie ist daher nur als das Wirken, Wirklichkeit und Möglichkeit sind ein unzertrennliches Prinzip. Dieß ist das Absolute, die endlichen Dinge hinge­ gen können so und so sein. Das Universum ist alles was es sein kann, actu und aufeinmal, weil es die Totalität der Form ist. Doch in den besonderen Theilen ist es nicht mehr was es sein kann, sondern die entwickelten Theile als Besondere sind nur Schatten der Idee. So schrieb er de umbris idearum. Diese Einheit nun in allem zu erkennen ist das Streben der Vernunft, sie zu erforschen müssen wir den äußersten Enden, den Gegensätzen nachforschen, die Extreme fassen, denn in ihren Extremen als Einheit gefaßt sind die Dinge intelligibel. Von dem Entge­ gengesetzten zur Einheit zu kommen sei nicht das Schwerste, sondern das tiefste 1–18 Bruno ist … Idee.] Hu: Beym Bruno liegt zu Grunde die Einheit der Form und der Materie. Wir wollen noch diess in dieser Hinsicht anführen; er macht die Frage: die erste allgemeine Form und erste allgemeine Materie wie sind sie vereinicht, unzertrennlich, verschieden und doch e i n Wesen? er sagt davon Folgendes, (das Aristotelische) die Materie ist zu betrachten als potenz, δυναμις – diese pa sivitaet mu s rein betrachtet werden; uns aber ist es unmöglich einer Sache ein Dasein zu geben, ohne den activen Modus. Daraus erhellt wie der active Modus und der pa sive sich gegenseitig vorau setzen – das ist die Natur des Begriffes (Er sagt: die Materie ist d a etc) Wenn also ein vermögen zu wirken von ie da war, so mu ste auch das Bewirkte sein. Naeher kann man diess so sagen: wenn man die Materie als Unbestimmtes auffa st, so ist diess eben diese Identitaet mit sich, die ein Moment der Form ist. Unbestimmtheit, Abstraktion etc aber dieses sind zusam­ men Identitaet. Die Identitaet ist aber ein Moment der Form – Indem man also die Materie aller Form entnehmen will, so setzt man schon damit das eine Moment der Form. Er sagt: die Materie kann nicht v o r ihren Dasein seyn, auch nicht ü b r i g bleiben – sie i s t also Alles die Materie, und k a n n alles Seyn – Wirklichkeit also und Moglichkeit sind in dem E r s t e n ein unzertrennliches princip. Die andern Dinge koennen sein, und koennen auch nicht sein. Das Universum | aber die Ewige Materie ist nicht nur p o t e n t i a sondern auch a c t u  – was aber die Au serlichkeit der einzel­ nen Theile betrifft, ist die Natur nicht das was sie sein soll – ein iedes von diesen Theilen ist nur der Schatten von der Idee.­  ­19 Vernunft,] Hu: Natur, (ganz richtig)­  ­21 intelligibel.] Hu: intel­ ligibel und identisch – 4M nur] nur kann  15 es nachtr. über gestr. sie­  ­22 sei nachtr. über gestr. ist­  ­

Die Materie ist nicht ohne die Wirksamkeit der Form, weil die Materie als daseiend nur als das Vermögen des Daseins da sein kann. Das Dasein als das bestimmte ist die Thätigkeit der Form, die Materie also an ihr selbst die Form.

Das universum als die totale Einheit ist in sich vollendet; seine einzelnen Theile aber nur seine Schatten.

III Einheit des allge­ meinen Verstandes und der Materie. a. Einheit des activen und pa siven (δυναμις) modus.

b. Trennung der Wirklichkeit und Möglichkeit in den einzelnen Dingen.

281Hu 275. 142

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126rHo 2 Die ars lulliana. Raimundus Lullius doctor illuminatus geb[.] 1235 † 1315.

Sein Zweck war die Erfindung der Kunst jedem Dinge seine Begriffsbestimmung geben zu können. Indem der Begriff selbst noch fehlte ward aber diese Kunst eine bloß äußerliche mechanische.

282Hu 276.

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Geheimniß der Kunst sei, aus der Einheit die Entgegensetzung zu entwickeln. Bruno schrieb auch über das Maximum und Minimum indem er das Absolute als das Kleinste darstellt, welches gleichfalls das Größte ist, das Eins und Alles. Auf diese Einheit kommt dem Bruno alles an. | Doch hat er sein Prinzip nicht ganz rein in Form des Gedankens dargestellt. Diese Einheit ist oft trübe phantastisch, wild, in vielen Allegorien. Das Zweite, was von Bruno angegeben ist, ist die lullische Kunst. Die ars lul­ liana war von den Scholastikern her berühmt. 1234 war er in Majorka geboren. Er gehört zu den excentrischen Köpfen dieser Zeit. In der Jugend war er aus­ schweifend, dann lebte er in der Wüste. Zuletzt erduldete er bei der Ausbreitung der christlichen Kirche die größten Leiden. In Africa starb er; 400 Schriften ver­ fertigte er. Sein Hauptbestreben war, eine Kunst zu finden, von jedem Gegen­ stand aufzuzeigen welche Begriffsbestimmung ihm zukomme. Es geht dieß frei­ lich in’s äußerlich Mechanische herein, denn er machte ein tableau von theils beweglichen, theils unbeweglichen Kreisen. In diese ordnete er die Begriffsbe­ stimmungen; er versuchte sie vollständig in die unbeweglichen Kreise zu bringen. Die Haupteintheilung ist die in die 9. So giebt er in einem Kreis 9 absolute Prae­ di­cate: Güte, Größe, Wahrheit, Herrlichkeit, ect. Dann relative Praedicate: Ge­ richtetheit, Kleinheit ect. Drittens: ob, warum, 4tens 9 substanzen: Gott Engel, Mensch, Himmel, ferner das Empfindende ect. 5tens 9 Accidenzen: Quantität, Qualität, 6tens 9 moralische Accidenzen: Tapferkeit. – Bruno nun suchte diese Kunst zu verbreiten. Sie ist ein Aufstellen aller Beziehungen, in welche ein Ge­ genstand gebracht werden kann, wie wir es schon in der aristotelischen Topik sahen. Es ist dieß ungefähr dasselbe wie die Mnemonik die Kunst des Gedächt­ niß. In der Schrift: ad Herrennium finden sich dazu Anleitungen. Man macht sich eine Anzahl Bilder diese sind festzuhalten. Soll man nun etwas auswendig

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1  entwickeln.] Hu: entwikeln. Diess ist ganz schön.­  ­ 2–5 Maximum und … dargestellt.] Hu: Kleinste und Grö ste – er sagt das Kleinste ist das Grö ste – das Centrum hat er nicht unterschieden von der peripherie – es ist alles ein Mittelpunkt. Die Alten haben gesagt der Vater der Götter hat den Sitz in ieden punkte. (Absatz) Diese Lebendigkeit der Natur traegt er mit der grö sten Begei­ 30 sterung – Seine be sten Werke sind in Versen geschrieben.­  ­7 Kunst.] Hu: K u n s t  – es ist die Form des Wi senschaftlichen – R a y m u n d L u l l u s hat eine „Ars Magna” erfunden.­  ­9–11 Köp­ fen dieser … Leiden.] Hu: Naturen die hier ihre Stelle haben. Ein gro ser Enthusiast. Früh hat er sich den Vergnügen hingegeben. Dann begab er sich in eine Wüste – hier hat er wiesionen gese­ hen. Aber erst Mi s-|handlungen hat er erfahren.­  ­12–13 von jedem … zukomme.] Hu: alle Be­ 35 griffsbestimmungen zu ordnen und eine Anweisung zu geben welche Begriffe auf iede Vorstellung pa sen.­  ­19 Drittens: ob, warum,] Hu: Auch neun Accidenzen, 1  sei nachtr. über gestr. ist­  ­­7M Lullius] Rullius  8 er] sc. Ramon Llull (Raimundus Lullus)­  ­24 un­ gefähr nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­   Mnemonik] Memnonik­

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lernen, so ist das Geschäft, jede der Vorstellungen nach diesen Bildern zu ordnen. Dieß ist das Willkührlichste und Mechanischste. | Man kam aber hiervon zurück. Das Gedächtniß ist hier heruntergesetzt als Weise der Einbildungskraft. Bei Bruno kam diese äußerliche Seite auch herein, doch hatte er die tiefere Vorstellung, weil ein Verstand alles wirke, diesen in seiner Bestimmtheit aufzustellen, und danach alles zu fassen. Er unterscheidet die intel­ ligible Welt und die Wirkliche, aber die Hauptsache ist ihm, das wirkliche Ding mit dem Ding der Vernunft so zu verknüpfen, daß beide als übereinstimmend gefaßt seien. Er geht davon aus, alles sei durch den Verstand bewirkt. Die Welt des Äußerlichen die sinnliche Welt ist der sich entäußernde Verstand; die andere Seite dazu ist der erkennende Verstand. Er geht dann weiter fort und sagt, dieß Sein des Menschen sei: unter dem Schatten der Idee zu wandeln. Aber die Ideen haben Theil an dem Finsteren. Die substanz sei das Licht, die Accidenz sei der Schatten des Lichts; der Fortgang von der υπερουσια geschieht zu den essenzen, von diesen zum ον, und von diesen in zwei Richtungen in den Bildern und Schat­ ten, die theils gegen die Materie gehen, theils gegen die Vernunft von dieser er­ kannt zu werden. Da nun alle Dinge zusammenhangen, so kann nach dem Tone der Leier des allgemeinen Apollo, wie Heraclit sagt, das Unterste zum Höchsten zurückgeführt werden, welches alles von Allem ist. Derselbe Rückgang ist vom Höchsten zum Tiefsten. Beide Gänge sind in Einem, das im Gemeinen Sinn wirklich ist das non ens, alles unter der Sonne fällt unter die Bestimmung der Eitelkeit. Der Urverstand strömt alles aus sich aus, und nimmt als denkend alles in sich zurück. Ihm ist alles Harmonie und Einheit, und dem denkenden Geist wenn er das bunte Bild der Welt zu dieser Harmonie zurückfühlt, wird nichts

25 2 –6  Dieß ist … fassen.] Hu: Ueberhaupt durch die heillose ste, oberflächlichste Kombination

kommt man zu den erlernen dieser Mnemonik. Jordano Bruno hat es auch aehnlich behandelt. Das Gedechtni s ist aber etwas höheres als die Einbildungskraft – Bruno hatte aber darin eine tiefere 283Hu 277. 143 Bedeutung, nemlich er wollte alles in der Einheit fa sen.­  ­9–11 alles sei … Verstand.] Hu: dass der Verstand sich verhaelt zum Geiste als die Sonne zum Auge – das ist der aü sere Verstand – der den­ 30 kende Verstand verhaelt sich aber­  ­11 weiter] Hu: weiter in der Manier des proclus­  ­13–14 Die substanz … Lichts;] Hu: Die Materia prima emanirt aus den Urlichte, die Accidenz aus den Lichte der Substanz –­  ­16–17 gegen die … werden.] Hu: gegen die Empfindung um durch die Vernunft erkannt zu werden,­  ­17 Dinge zusammenhangen,] Hu: Dinge im Universum zusammmenhan­ gen, damit ein Universum, eine Regirung und Ordnung de selben, ein erstes und letztes Seyn­  35 ­18–21 das Unterste … wirklich] Hu: die unterste Stufe zur obern zurückgeführt werden welches alles ein wesen ist. (Absatz) die Natur kann alles aus Allen hervorbringen, so die Vernunft alles aus Allen erkennen. Das Wirkliche an den Denken ist das Intelligibile – was aber gemein wirklich ge­ nannt wird­  ­ 22  nimmt als denkend nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­30 aber] unvollständige Satzkon­ 40 struktion

126vHo Bruno verbreitete die lullianische Kunst in der tieferen Vorstel­ lung: wie eine Ver­ nunft durch die Natur wirken, so alles durch diese Vernunft indem sie in ihrer Be­ stimmtheit aufgestellt würde, zu begreifen. Denn wie vom abso­ luten alles ausgehe, so sei es die denkende Vernunft, welche zum Absoluten alles zu­ rückführe.

III Bruno gab der Lullischen Kunst tie­ fere Bedeutung durch Correspondenz der Intelligibilen und Sinnlichenwelt

b.) das Herabsteigen und der Rückgang ist da selbe.

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Julius Caesar Vanini aus Taurozano im Neapolitanischen 1585 † 1619 zu Tou­ louse als Ketzer ver­ brannt. Er erklärt die Natur aus wirkenden und nicht aus Endursa­ chen.

284 Hu 278.

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getrübt, nichts verwirrt. Das Denken ist dieß, durch innere Schrift darzustellen, was die Natur in äußerlicher | Schrift schreibt, das Denken ist: die äußere Schrift in sich aufzunehmen, die innerliche Äußerlich zu schreiben. Diese Kunst steht in der innersten Verbindung mit dem absoluten Prinzip selbst. Was außer dem Men­ schen ist und in ihm, ist ein Prinzip. Die verschiedenen Schriftarten nun der Seele und der Natur hat Bruno auch zu systematisiren gesucht. species, forma, simu­ lacra, imagines, spectra, indicia notae caracteres, sigilla sind die Schriftarten. Einige beziehen sich auf die äußere Schrift, es sind sinnlich wirksame Formen, andere beziehen sich auf die innere. Dieß war das Streben des Bruno. Seiner Tiefe ist Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Die nähere Ausführung seiner Systematisirung freilich ist mehr und mehr verwirrt und trübe. Die Bestimmungen welche nur als lebendige Wirksamkeit sind, werden in der lullischen Kunst trockene todte Praedicate. Vannini Julius Caesar 1583 zu Neapel geboren, nachdem er überall umherge­ schweift war, wie Jordanus Bruno ward 1619 zu Toulouse als Ketzer verbrannt. Er ward durch Cardans Originalität erregt. Seine Philosophie ging nicht weit. Die Bewunderung des Lebens der Natur ist ein Hauptzug. Er schrieb mehrere Schriften in dialogischer Form ohne aber daß es sichtbar werde, welche Meinung der Unterredungen die seinige sei. Er schrieb 2 Werke, die großes Aufsehen machten, und bewirkten, daß er der Ketzerei angeklagt ward. Die Haupttendenz ist zu zeigen, daß das ganze Universum aus wirkenden und nicht aus Endursa­ chen zu erklären sei. Oft erklärt er und versichert, er würde diese und jene Lehre glauben, wenn er nicht im Christenthum unterrichtet wäre. Es tritt bei ihm überhaupt näher der Gegensatz von Glauben und Vernunft ein. Ebenso ist es mit  –5 Das Denken … Prinzip.] Hu: Er sagt auch: das Denken ist die subjektive Kunst der Seele, die 1 das in Innern darstellt was die Natur von Au sen Darstellt – Das Denken ist die Faehichkeit die aü sere Schrift der Natur aufzunehmen und mit der Schrift der Seele zu verbinden. Das Au sere also steht in einer absoluten Verbindung mit der innern Thaetigkeit des Menschen nach Bruno – So ist dadurch dass das Au sen hervorgebracht ist durch die Innere Thaetigkeit – und zu dieser Thaetig­ keit gehoert­  ­6–7 species, forma, … Schriftarten.] Hu: 1o Species 2o Formen 2o Spectra, Exem­ plaria, Signa, Notae, Sigilli­  ­11–13 Die nähere … Praedicate.] Hu: Die Systematisirung seiner Grundlage geht aber überhaupt in Unklarheit – wie es nicht anders sein konnte bey dieser Lulli­ schen Kunst. Das Innere wird bey dieser Kunst zu etwas toden, schematischen – Diese Manier hat man in der Neueren philosophie auch nicht längst gebraucht­  ­15 verbrannt.] Hu: verbrannt – Sein proce s ist überhaupt unklar.­  ­19–23 Er schrieb … wäre.] Hu: Er hat Bücher geschrieben die gro­­ ses Aufsehen gemacht haben – Besonders ist eine „De admirandis Naturae arcanis” Es ist diese Schrift vornemlich auch dialogisch geschrieben. Die Hauptintenz ist, dass die Natur die Gottheit ist, dass das Universum aus Wechselwirkungen nicht aus Endwirkungen zu erkennen sey. Er führt Gründe und Gegengründe vor, ohne zu entscheiden – es kommen auch viele Versicherungen bey ihm er würde diese oder iene Lehre nicht glauben, würde er nicht Christ seyn. 7  indicia nachtr. über der Zeile­  ­28–30 So ist … gehoert am Rande mit lediglich einem Verweiszeichen im Text

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Pomponatius, einem neueren Aristoteliker, welcher über die Unsterblichkeit der Seele schrieb, und sagte, daß aus | Aristoteles Begriff eben die Seele sterblich sei. Nach der Vernunft nun folge die Sterblichkeit der Seele, die Vernunft also sei nicht fähig gewesen die Lehre der Unsterblichkeit zu begründen, welche das Christenthum erst habe aufstellen können. Bei Vanini findet sich derselbe Ge­ gensatz von Glauben und Vernunft. Die Kirche kam in Verlegenheit, insofern sie diese Unterscheidung als wahrhaften Ernst annahm. In der Verdammung durch die Kirche liegt implicite dieß, daß das was die Kirche lehre, nicht im Wider­ spruch gegen die Vernunft stehe. Die Vernunft solle nicht bloß gefangen genom­ men werden. Diese Wendung von Glaube und Vernunft ist besonders bei Bayle herrschend, der viele philosophische Vorstellungen durchnimmt, zB. den Satz der Manichaeer, daß 2 Prinzipe seien, und sagt, daß diesen Lehren nichts Tüchtiges könne durch die Vernunft entgegengesetzt werden, obgleich er sich der Lehre der Kirche unterwirft. Dieser Gegensatz hat bis auf die neuesten Zeiten sein Interesse erhalten. Der ältere Sinn desselben ist eigentlich dieser: daß unter dem Glauben die Lehre des Christenthums verstanden wird, welche als Wahrheit gegeben ist, als das, woran der Mensch sich zu halten habe. Daran geknüpft sind alle Arten von Vorstellungen, welche sich hieran anschließen. Diesem entgegen ist die Ue­ berzeugung durch die Vernunft. Heutigen Tags ist was man Glauben heißt, in­ nerhalb des denkenden Bewußtseins selbst verlegt, der Glauben ist ein verhalten des Selbstbewußtseins zu den Thatsachen, die es in sich selbst findet, und kein Verhalten zu Lehren, die in der Kirche enthalten sind. Der Inhalt der sonst äu­ ßerlich gegebenen Lehre producirt sich jetzt im Selbstbewußtsein selbst. Was den älteren Gegensatz betrifft, so muß hier bemerkt werden, daß wenn man objectiv “der Glaube“ sagt, so ist dieß ein Inhalt, der 2lei in sich faßt. Der eine Theil ist die Lehre von der Natur Gottes überhaupt als des dreieinigen, wozu die Erschei­ nung Gottes im Fleisch gehört. Es ist dieß die Lehre von der Natur | Gottes; es

2 –5 daß aus … können.] Hu: dass aus den Aristotelischen Begriffen die Sterblichkeit nicht die Un­ sterblichkeit der Seele hervorgehe. Wir haben gehabt bey Aristoteles dass die animalische die 30 vegetabilische Seele enthaelt. In den weitern Sinne folgt daraus dass die Vernunft nicht hinreiche so eine Lehre zu begründen, wie das Aristoteles zeigt, sondern dass diese Lehre | nur von Glauben, von der Offenbarung herstammen kann.­  ­13–14 obgleich er … unterwirft.] Hu: Indem er diese Lehren aufstellt gegen die Kirche, so bezeigt er auf der andern Seite, dass man den Verstand dem Glauben der Kirche unterwerfen mu s.­  ­17 als das, … habe.] Hu: die auch der Mensch als Wahr­ 35 heit zu nehmen hat, der Glaube ist also aus den Inhalt.­  ­17–18 Arten von … anschließen.] Hu: weisen der Vorstellung die mit den Umkreise der Kirche verbunden sind –­  ­22 sind.] Hu: sind, deren Quelle Offenbarung ist.­  ­24–25 daß wenn … sagt,] Hu: der Glaube ist willkürlich – das 286 Hu 280. Credo ist der Inhalt.­  ­27.688,1  es ist … Wahrheit.] Hu: das | Verhaeltni s der Menschen zum Göttlichen – das ist der Theil der Ewigen Vorschriften. 40 13  entgegengesetzt] (1) könne entgegengesetzt zu (2) entgegengesetzt (Streichungen nachtr.)­  ­30 ve­

getabilische] vegabitabilsche

127vHo Bei Vanini tritt näher der Gegensatz von Glauben und Ver­ nunft ein. Es ist dieß der Gegen­ satz der durch die Kir­ che gegebenen abso­ luten Wahrheit und des Resultats des denkenden Selbstbe­ wußtseins.

In neuerer Zeit hat aber der Glaube die subjective Haltung er­ halten nicht kirchli­ che Lehre zu sein, sondern Ueberzeu­ gung durch das un­ mittelbare Zeugniß des Selbstbewußt­ seins, gegen das Zeugniß der sich selbst denkenden Vernunft. In Betreff auf den al­ ten Glauben ist zu unterscheiden: Die absolute Wahrheit als Lehre von der Dreieinigkeit Gottes und der Erscheinung seiner als Christus.

285Hu 279. 144

γ.) Verderben der Kirche dass der Glau­ be auch auf aü sere Dinge bezogen wird und gefodert.

688 Dieser speculative In­ halt ist Gegenstand für den speculativen Begriff. Von dieser absoluten Wahrheit ist das Äu­ ßerliche des Ge­ schichtlichen Gesche­ hens und der Vorstellungen, die sich daran knüpfen zu unterscheiden.

Mit diesen wenn sie in ihrer Äußerlichkeit festgehalten werden kann das denkende Bewußtsein sich nicht versöhnen.

Petrus Ramus 1515 † 1572. Er griff die Schriften des Aristoteles an

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δ.) petrus Ramus. Polemik gegen ­A ristoteles.

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nachschrift hotho · 1823/24

ist dieß der Theil von der ewigen Wahrheit. Er ist seinem Inhalte nach wesentlich speculativ und kann nur Gegenstand für den speculativen Begriff sein. Der andere Theil bezieht sich auf äußerliche Vorstellungen. Dazu gehört das Geschichtliche aller Art, die Geschichte des alten Testaments mit allen seinen Particularitäten. Vom Glauben wird gefordert auch an alle diese Geschichten zu glauben. Es ist noch nicht lange her, daß wer nicht an Gespenster glaubt, nicht an Gott glaubt; wer nicht glaubt, Adam und Eva haben im Paradiese wirklich Aepfel gegessen, sei ungläubig; ebenso sollte Jeder an alle die Menge Albernheiten von Legenden glauben. Das Geschichtliche, Äußerliche wird auf eine Stufe mit dem Ewigen der Wahrheit gestellt. Aber es gehört zum Verderben der Kirche, daß beide auf glei­ cher Höhe stehen. Denn es ist ein wesentlicher Unterschied zwischen Wahrhei­ ten, welche die Natur Gottes selbst betreffen und solchen, welche bloß Äußerli­ ches sind. An dieß Äußerliche hielten sich die, welche als Atheisten sind ausgegeben worden, bis auf Voltaire herunter. Viele von ihnen sind als Verderb­ te, als Abfallende angenommen, obgleich ihr widerspruch nur diese äußerlichen Umstände betraf. Bei vielen ging es denn freilich wohl weiter. Aber wenn alle diese Vorstellungen auf äußerliche Weise behauptet werden, so kann es nicht an­ ders gehen, als daß Widersprüche kommen, mit denen der Denkende sich nicht versöhnen kann. In dieser Zeit gab es nun ferner viel Streit gegen die Scholastiker. Zu nennen ist hier vorzüglich Petrus Ramus. Er war von armen Eltern geboren, studirte in Paris, und griff dort alle Schriften des Aristoteles an. Die Streitigkeiten dieser Art wurden jetzt Sachen der Regierung. Die Angriffe gegen Aristoteles wurden als Neuerungen angeklagt, wodurch die Kirche und Wissenschaft erschüttert wurden. Das Parlament zu Paris wollte den Proceß führen, er kam aber vor das königli­ che Conseil. | Dieses entschied so, daß eine Commission von 2 Commissionaren des Ramus und 2 von seinem Gegner und 2 Praesidenten des Königs die Sache abmachen solle. Die Gesamtheit des volks nahm Antheil an solchem Streit. Ebenso zB. hatten in Paris Collegien der Philosophie Streitigkeit mit den Collegi­ en der Theologie: ob man quidam oder kidam aussprechen solle. Die Theologen nehmlich hatten einem Theologen seine Pfründe genommen weil er quidam

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   Theil] Hu: Theil an den auch Glauben gefodert wird­  ­13 Atheisten] Hu: Bekaempfer des 3 Christenthums­  ­20–23 Zu nennen … Regierung.] Hu: Thomas Kampanella und andere von den Aristotelischen waren. Zu ihnen gehoert auch (Absatz) P e t r u s R a m u s er war ganz arm – gelang­ te doch zum Studium der Aristotelischen philosophie. Schlug zulezt eine Thesis an: alles sey un­ 35 wahr was Aristoteles gelehrt hat. Es ist auch deswegen wichtig wie solche Sachen als offentliche angesehen waren –­  ­24 erschüttert wurden.] Hu: untergraben werden.  4  worden] wurden­  ­15 obgleich ihr] (1) insofern d. (2) obgleich (nachtr. über gestr. insofern) ihr 1 (nachtr. aus d.)­  ­17 Vorstellungen] folgt nachtr. gestr: die­  ­21 Ramus.] folgt eine Lücke, vermutlich frei gelassen für die Angabe der Lebensdaten 40

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sagte. Ein anderer Streit war der: ob ego amat ebenso richtig sei als ego amo. Ramus nun behauptete in seinem Streit: die Logik sei unvollkommen, weil sie nicht mit einer Definition beginne. Die Commission entschied: eine Dialektik bedürfe keiner Definition. Am zweiten Tage behauptete Ramus: die Logik sei unvollkommen, weil sie keine Eintheilung habe. Die Richter waren verlegen. Die Majorität wollte unterbrechen. Ramus appelirte an den König. Dieser sagte: die Richter seien die letzte Instanz. Sie verdammten den Ramus. In der Bartho­ lomaeus Nacht ward er ermordet. Ramus hatte großen Einfluß darauf, daß der Formalismus der scholastischen Methode sehr vereinfacht ward.               

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2 –3 die Logik … beginne.] Hu: die Dialektik des Aristoteles sey nicht gut weil sie mit einer Defi­ nition nicht anfaengt,­  ­ 4–5 die Logik … verlegen.] Hu: der Organon des Aristoteles sey schlecht weil er nicht eingetheilt ist. Darüber wollte die Kommi sion nicht entscheiden.­  ­ 8–9 daß der … ward.] Hu: die Aristotelische Logik vereinfacht wurde – Es gab auch in Deutschland Ramisten. 15 5  habe] haben

Sein Verdienst ist den Formalismus der Scholastik vereinfacht zu haben.      

690 Dritter Theil. Die moderne Philosophie. Das Mittelalter insofern es mit der christlichen Religion beginnt, welche daher durch die Wirklichkeit noch nicht durchgebildet ist, zerschneidet sich, indem der Religion die Wirklichkeit draußen steht überhaupt in dem Gegensatz einer himmlischen und irdischen Welt. Dieser Gegensatz ist zunächst in dem kirchlichen Leben als das Dasein des Himmels und im Einklang der speculativen und der kirchlichen Lehre noch | in Versöhnung. Das Mittelalter aber ist dieses: ihn hervortreten zu laßen und zu besiegen. Die Besiegung im Mittelalter selbst besteht darin, daß das kirchliche Leben verendlicht, der specula­ tive Inhalt durch das endliche Denken vernichtet ist. Diese nur negative Einheit ist zwar eine Verendlichung und somit Versöhnung des Unendlichen mit dem Endlichen aber eine Versöhnung des Verderbens. Gegen diese erste selbst nur indifferente Versöhnung kehrte sich die Reformation

c.) Gelten des Endlichen und Auffa sen des Ewigen durch das denkende Selbst.

nachschrift hotho · 1823/24 Dr it ter Thei l. D i e m o d e r n e P h i l o s o p h i e.

Der Punkt der Umkehrung ist schon bemerkt worden. Indem die christliche Religion nehmlich ihren speculativen Inhalt zunächst in die Gemüther gelegt hatte, war dieser Inhalt in jeder Rücksicht ein Abgeschlossenes, weil der Inhalt das 5 Individuum Christus in dieser Zeit festbestimmt war, und die göttliche Welt von der irdischen getrennt. | Der göttlichen Welt stand eine endliche als Natur und 129rHo Welt des Gemüths des Menschen gegenüber, die nur Werth hatte als überwundene. Diese Trennung ist im Mittelalter verarbeitet. Dieser Gegensatz ist am Ende des Mittelalters überwunden, doch zunächst in der Form, daß die Ueberwindung 10 auftrat als Verderben der Kirche, als Verendlichung des Ewigen. Indem der Himmel, das göttliche Leben auf Erden in der Kirche existirte, ist es durch die Leidenschaften der Menschen so verendlicht, seiner ersten Bestimmung so entfremdet worden, und anderseits durch das formelle Denken die ewige Wahrheit in solche trockene endliche Verhältniße gesetzt, daß man sagen kann: einerseits sei an sich 15 die Einheit des Jenseits und Diesseits bewirkt, anderseits sei aber die Einheit von so verdorbener Art, daß der bessere Sinn gegen diese Verderbtheit hat sich kehren müssen. Hieher gehört die Reformation. Diese ist einmal Trennung von der catholischen Zeit und Reformation innerhalb der catholischen Kirche selbst. Die Reformation gehört überhaupt zu den Weisen der Gestaltung der Umkehrung. 20 Ansich aber ist die Einheit des Jenseits und Diesseits vollbracht, der Gegensatz ist verschwunden, indem der Mensch Zutrauen zu seinem Denken, und anderseits zu seinem Wahrnehmen, zur sinnlichen Natur außer ihm und in ihm sich erwarb. Er gewann Interesse in der Natur und in den Künsten Entdeckungen zu machen. Er entdeckte America, die Natur sich selbst, das Vorhandene ward Gegenstand 25 des Interesses. Der denkende Geist war als etwas vermögend gewußt. Dem Gegenwärtigen ward seine Ehre gegeben, die Einheit war an sich vollbracht. Das Selbstbewußtsein ist mit sich versöhnt. Die Gegenwart ist das Interesse Fordernde. Dieser Gegenstand wird mit dem Gegenwärtigen dem Selbst des Denkens aufgefaßt. Wir sehen damit einerseits überhaupt die Richtung des wissenschaftli- 30 5 –8  weil der … überwundene.] Hu: eben dass der Mittelpunkt des Individuums war zu iener 288 Hu 282. Zeit – Individualitaet war. Diesem Inhalt stand gegenüber eine aü serliche welt, Endlichkeit und welt der Neigung, der Natur des Menschen, eine welt die keinen Wehrt hatte, nur in so fern sie verachtet, überwunden wurde.­   ­9 Gegensatz] Hu: Gegensatz beschäftigte das Mittelalter­  26 Der denkende … gewußt.] Hu: Eben so hat der Mensch an sich das Zutrauen gewonnen, dass 289 Hu 283 146 der Denkende Geist etwas vermöge­  ­27–30 die Einheit … aufgefaßt.] Hu: und auf diese weise die Versöhnung vollbracht. Das princip dieser periode ist die Versöhnung des Selbstbewustseins mit sich ist – So dass das Intere se die Natur ausmacht

dritter theil · die moderne philosophie

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chen Interesses, welches die äußerliche und innerliche Gegenwart für sich selbst faßt, mit Wahrnehmung, welche die Einzelheiten des Gegenwärtigen zum Ge­ dachten, zum Allgemeinen erhebt, die Grundlagen, die Gesetze, Kräfte des Endlichen kennen lernt. | Das Endliche macht den Boden des Interesses aus, auf dem Boden der Weltlichkeit erbaut der selbstdenkende Verstand sein Gebäude. Den anderen Theil macht aus, daß das Ewige, an und für sich Wahre erkannt werde, zu eigen gemacht werde durch den reinen eigenen Geist, durch das eigene Herz. Das reine Herz für sich macht sich das Ewige zu eigen. Dieß ist das Verhältniß des lutherischen Glaubens ohne die Äußerlichkeit der Werke. Die Lehre soll nicht Die Äußerlichkeit sein kein nur gegebenes nur auf Autorität beruhend, sondern nichts soll Verehrung verdienen, insofern es nicht einig gemacht wird mit dem Herzen, sich mit demselben in Einheit setzt. Gott ist nur im Geist, er ist das Eigenste des Individuums, dieß ist jetzt gesetzt. Das eigenste Innerste soll der Geist produciren, und in dieser wahrhaften Gegenwart ist als eine Form diesen Geist zu produciren: das reine Denken, das sich jetzt berechtigt findet ihn zu fassen. Das Moment der subjectivität erhält absolute Wichtigkeit. – Nach dieser allgemeinen Bestimmung des Grundcharacters kann 2tens auf den Inhalt, der diese Zeit beschäftigt, aufmerksam gemacht werden. Zu diesem Inhalt gehört die Erkenntniß des Daseins Gottes als aus dem Denken deducirt. Wir haben: Gott und Sein, Gott als reinen Geist und sein Sein. Beides soll durchs Denken gefaßt werden. Andere Interessen beziehen sich auf dieselbe allgemeine Bestimmung. Nehmlich darauf, die Einheit des Gegensatzes zu erkennen, die an und für sichseiende Versöhnung auch in den gegenständlichen Interessen des Wissens hervorzubringen. In der christlichen Religion ist der härteste Gegensatz als in eine Ein-

25 2 –5  mit Wahrnehmung, … Gebäude.] Hu: durch wahrnehmung und durch Verstand zur Erfah-

rung erhoben wird. Das Objekt ist die Gegenwart, das Auffa sende ist die Wahrnehmung – und der Verstand welcher diess Allgemeine auffa sen will – so wird das Einzelne zum Allgemeinen erhoben. Das Endliche steht so dem Richterstuhle des Denkenden Verstandes entgegen.­  ­13–16 dieß ist … Wichtigkeit.] Hu: Wenn diess geschied, so ist eine Form dieses Innern, das reine Denken – 30 Auch das Denken naht sich also den An und für sich seyenden, und findet sich berechtigt das Abso290 Hu 284. lute zu fa sen: Das ist das | Moment der Subjektivitaet.­  ­20–21 Beides soll … werden.] Hu: Das sind die beiden Seiten des Gegensatzes. Diese zu fa sen durch das Denken ist Intere se.­  ­ 4M dadurch nachtr. über der Zeile­  ­4 auf dem] (1) der (2) auf (nachtr. über der Zeile) dem (nachtr. aus der)­  ­­­5 Weltlichkeit] folgt nachtr. gestr: wird  7M und nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­­  35 8 M jetzt die nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  9–10 Die Lehre … nicht nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­10 sein nachtr. über gestr. ist  11 nicht nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­   ­11M Mittelalter] Mittelarter­­  ­12 mit dem Herzen] (1) des Herzens (2) mit nachtr. (über der Zeile) dem (nachtr. aus des) Herzen (Ms: Herzens)­   12M ward nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­12–13 er ist nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­14 als nachtr. über 40 der Zeile­  ­­14–15M sich erwarb.] (1) erhielt (2) sich erwarb (Streichung nachtr.)­  ­15 ihn nachtr. über gestr. dasselbe­   19M und nachtr. über der Zeile­  ­25M Selbst nachtr. über gestr. Absolute­  ­31 Moment] Mo-| Moment

als Protestantismus und die Reformation innerhalb der catholischen Kirche selbst. Diese ist die wahrhaft ansich seiende Versöhnung dadurch, daß die früher nur negativ gesetzte Wirklichkeit der Natur und des Selbstbewußtseins des Menschen jetzt die affirmative Bedeutung erhielt, Wirklichkeit des Absoluten zu sein, so daß das im Mittelalter verderbte Unendliche hergestellt ward und das nur negativ dagegen gewußte Endliche, Gültigkeit sich erwarb. Diese Einheit nun producirt sich, dadurch, daß das gegenwärtige Selbst einerseits die Wirklichkeit der Natur und die objective Welt des Geistes sich zu eigen machte, | anderseits, daß das Absolute durch dieses Selbst für sich gemacht wird, so daß das Absolute nur ist als durch das Selbst producirt. Diese Production des absoluten durch das Selbst, wodurch das Selbst selber das Abso­ lute wird gilt sowohl für die Form des Gefühls und der Vorstellung als auch für die des reinen Gedan­ kens. Der nähere Inhalt dieses Absoluten die die concrete Einheit von: Denken und Sein als durch das Denken selbst in ihrer absoluten d. h. concreten Einheit gefaßt.

692 Die weitere concretere Bedeutung des Gegensatzes ist die: des Guten und Bösen.

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Ein fernerer Gegensatz ist: die Freiheit des Menschen und der absoluten Nothwendigkeit.

ferner von Seele und Leib. Der Fortschritt nun der alten Philosophie zur neuen ist der, daß im classischen Philosophiren diese Gegensätze noch in Bewußtloser Einheit schlummerten, während die Aufgabe des Mittelalters war diese Einheit zu zerreißen, so wie die neuere Welt sie wieder zu produciren hat.

b.) Der Ursprung des Bösen. c.) Verhaeltni s der Freiheit des Menschen zur praescienz Gottes. d.) Gegensatz der Freiheit und der Nothwendigkeit.

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heit gebunden, gefaßt. Diese Einheit soll das Wahre sein. Wenn diese Einheit einmal als Einheit Gottes und des Seins ist, so ist der weitere Gegensatz: das Gute und Böse. Der Ursprung des Bösen soll erkannt werden. Das Böse nehmlich ist das schlechthin Andere Gottes, und doch ist Gott die absolute Macht. Das Böse widerspricht schlechthin der Heiligkeit Gottes, das Sein des | Bösen seiner Macht. Dieser Gegensatz soll versöhnt werden. Eine dritte Form des Gegensatzes ist der: der Freiheit des Menschen. Das Individuum hat den absoluten Anfang des Bestimmens in sich, im Selbst, in der Spitze der Individualität, ein Entscheiden, das nicht aus Anderem sich determinirt. Dieß Entscheiden ist im Widerspruch damit, daß Gott das Absolut Bestimmende ist. In Betreff des weltlichen Verlaufs wird dieß Bestimmende als die Praescienz Gottes gefaßt. Was Gott weiß ist er, denn sein wissen ist kein bloß subjectives, sondern schlechthin seiend. Die Freiheit des Menschen erscheint nun näher darauf in Gegensatz, daß Gott das Absolut determinirende ist. Damit hängt zusammen der Gegensatz der Freiheit des Menschen und der Naturnothwendigkeit, in der äußerlichen Natur und dem innerlichen des Menschen als fühlend und vorstellend. Dieser Gegensatz hat auch die nähere Form des Gegensatzes von Seele und Leib. – Dieß sind die Materien welche das Interesse der Wissenschaft beschäftigen. Sie sind ganz anderer Art als die früherer Philosophieen. Der Unterschied ist eben dieser, daß jetzt ein Bewußtsein über den Gegensatz, welcher in der alten Philosophie noch des Bewußtseins ermangelte. Dieß Wissen der Trennung, vom Abfall ist in seiner eigentlichen religiösen Weise der Hauptpunkt der christlichen Idee, so wie die Versöhnung in der Religion geglaubt wird. Diese Versöhnung denkend zu Stande zu bringen ist das Interesse neuerer Philosophie. Denn die Versöhnung ist nur an sich vollbracht, indem das Denken sich für würdig und fähig hält, diese Versöhnung zu produciren. Die philosophischen Systeme sind von jetzt nur Weisen der Vereinigung dieser Gegen-

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1–3 Wenn diese … Böse.] Hu: Wenn die erste Form des Gegensatzes ist die Idee – und Seyn – so kann der andere Gegensatz genannt werden das Gute und B ö s e .­  ­6 Dieser Gegensatz … werden.] Hu: Diesen Wiederspruch zu versöhnen, ist eben das Bedürfni s das in der Frage liegt woher kommt das Böese.­  ­14 Gegensatz] Hu: V i e r t e G e g e n s a t z   ­ ­ 15–16 in der … vorstellend.] 291Hu 285 147 Hu: Die andere weise der Determination ist vorhanden in der Natur – in so fern der Mensch selbst Natürlich ist. So hat der Mensch Freiheit, Sittlichkeit, Moralitaet aber hat auch zugleich Natürlichkeit, ist von der Natur abhaengig –­  ­17 Gegensatzes von … Leib.] Hu: Zusammenhanges des Leibes und der Seele. Es fragt sich also um den Zusammmenhang dieser Beyden.­  ­20 welcher in … ermangelte.] Hu: der in den Alten enthalten war, aber nur an sich, und nicht zum Bewustsein 35 kam.­  ­25 zu produciren.] Hu: an sich zu erkennen, – diess geschiet in den Bewustsein seiner Kraft – und es vermag diess nur in so fern es diess an sich ist. 2  einmal nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­9–10 damit, daß] (1) , das (2) damit (nachtr. über der Zeile), daß (nachtr. aus das)­  ­11 Praescienz] Praesciens­  ­13 nun nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen 40

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sätze, die sich absolut vereinigen müssen, und zwar concret, indem diese Concretion für das Wahre gilt. Dieß ist das Interesse. Was die näheren Stufen betrifft, so sind es 3 Hauptperioden | die wir zu betrachten haben. Zunächst wird uns diese Einheit angekündigt. Es sind dieß Versuche. Baco von Verulam und Jacob Böhme stoßen uns hier auf. Das zweite dieses Erstens ist die metaphysische Vereinigung, womit erst die eigentliche Philosophie dieser Zeit beginnt. Diese fängt mit Des Cartes an. Es ist dieß der Standpunkt, daß der denkende Verstand versucht, wie die Vereinigung zu Stande zu bringen sei. Des Cartes, Spinoza, Locke, Leibnitz haben wir zu betrachten. Bei ihnen haben wir: Zweitens den Untergang dieser Metaphysik zu betrachten. Das dritte ist dieses, daß die Vereinigung selbst, die vereinigt werden soll zum Bewußtsein kommt und Gegenstand wird. Das, was früher versucht war, wird jetzt Gegenstand, das Prinzip selbst der Vereinigung ward Gegenstand der Betrachtung. Als Prinzip hat die Vereinigung diese Gestalt vom Verhältniß der Erkenntniß zum Gegenständlichen, die Reduction der ganzen Metaphysik auf die Frage: wie das Erkennen sich zum Gegenständlichen verhalte? Das Innere der Metaphysik ist für sich herausgehoben und zum Gegenstand gemacht. Was das äußere Geschichtliche betrifft so ist zu bemerken, daß das Geschichtliche der Philosophen selbst eine andere Gestalt erhält. In der alten Zeit waren die Philosophen selbstständige Individualitäten. Sie lebten wie sie lehrten d. h. indem sie zum Gegenstand ihres Interesses das Universum machten, so ist der äußere Zusammenhang fern von ihnen geblieben, die Welt hat sie unter der Bestimmung ihrer Wahrheit interessirt, nicht die Verhältnisse des äußeren Lebens, von denen sie sich entfernt hielten. Sie ließen sich nicht in Dinge ein, die nicht Interesse | ihres Denkens waren. Sie hielten sich als Privatleute, fast wie Mönche, welche des Zeitlichen sich entschlagen. Verhältnißlos hielten sie sich zur Welt. In der neueren Zeit ist es anders. Wir sehen hier die Philosophie im Zusammenhange mit der Welt. Wir sehen sie mit Anderen in Abhängigkeit von den

292Hu 286. 3 –5 Was die … angekündigt.] Hu: so sind es drey Hauptunterscheidungen, nach denen wir das folgende Geschichtliche betrachten wollen. Vo r s e r s t e wollen wir die Ankündigung dieser Versöhnung betrachten –­  ­7–8 womit erst … beginnt.] Hu: der Anfang der eigenthümlichen philosophie dieser Zeit­  ­18–19 Das Innere … gemacht.] Hu: So ist der Gegensatz auf seine Spitze gestellt – Das 35 befa st die neuste philosophie in sich.­  ­22 Sie lebten … lehrten] Hu: man sagt oft ein philosoph soll leben wie er lebt – man kann das von den Alten sagen­  ­29–30.694,1 In der … selbst.] Hu: Anders ist es dann in Ansehung der Lebensumstaende der neuern philosophen. Wir sehen sie in diesen Zusam7  dieses Erstens nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­16 Betrachtung nachtr. über gestr. Einht­  ­23 Interesses das … ist] (1) Intrsses machten, das Universum zum Ggstd zu machen, so hat 40 (2) Intrsses〈〈 ,〉〉 machten (nachtr. über gestr. zum Ggstd zu machen), so ist (nachtr. über gestr. hat)

Allgemeine Eintheilung.

Erste Periode. Von Des Cartes bis Leibnitz.

Zweite Periode. Verstandesmetaphysik von Wolff. Empirismus; Humesche ­Sceptik. Dritte Periode. Der subjective Idealismus: Kant und Fichte Der objective: Schelling. Der absolute. Die alten Philosophen waren selbstständige Individualitäten, und in sofern sie nur das Universum in seiner Wahrheit im Gedan­ ken interessirte, das Prinzip des Gedan­ kens aber sich nur in einem beschränkten Kreise des Wirklichen wiederfand, lebten sie fern von den äußeren Interessen des Lebens. Indem aber in der neueren Zeit jedes Moment der Idee die Wirklichkeit hat, so kann das Individuum

293Hu 287 148

694 nur Wahrheit haben als im steten Zusammenhange mit der Wirklichkeit und ihren Verhältnissen.

Baco von Verulam 1561 † 1626.

131vHo Baco’s Richtung ist die auf die unmittelbare Beobachtung der Natur wodurch deren Gesetze sollten zum Vorschein gebracht werden.

294 Hu 288.

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Verhältnissen selbst. Denn in der modernen Welt ist dieß herrschend: daß für das Individuum nothwendig ist, in den Zusammenhang der äußeren Existenz einzutreten, denn es giebt keine eigenthümliche Weise der Existenz. Es kann dieß verglichen werden mit der alten und neueren Tapferkeit. Die alte ist rein individuell, die neuere ist, daß Jeder sich auf die Gemeinschaft, auf den Zusammenhang mit Anderen verläßt und darin sein Verdienst hat. Im modernen Leben ist diese Gemeinschaftlichkeit die Weise der Existenz überhaupt. Das Individuum kann nur in diesem Zusammenhange aushalten. Wir haben also zuerst Baco und Jacob Böhme zu betrachten. Sie sind vollkommen disparat. Was zunächst Baco betrifft so ist er von einem früheren durch den Beinahmen “von Verulam” zu unterscheiden. 1561 † 1626. Sein Vater war Großsiegelbewahrer unter Elisabeth; Essex hat den jüngeren Baco besonders hervorgehoben; doch ließ sich dieser von den Feinden Essex’s umstricken und klagte denselben des Hochverraths an. Baco selbst ward unter Jacob I Großcanzler des Reichs. Hier auf diesem Posten ließ er sich die größten Unredlichkeiten zu Schulden kommen und ward durch das Parlament zum Gefängniß verdammt. Doch die ihn stürzten, Buckingham ect nahmen sich noch schlechter, was den Haß gegen Baco milderte. Aus dem Gefängniß ward er entlassen, aber ausgestrichen aus der Liste der Paires. Er lebte sodann als Privatmann den Wissenschaften. | Er steht an der Spitze des empirischen Wesens der Erkenntniß, und ist der Anführer dessen, was die Engländer noch jetzt Philosophie nennen. Baco erwarb sich allerdings große Verdienste durch die Art und Weise, die er bestimmte, mit welcher man die Aufmerksamkeit auf äußere und innere Erscheinungen richten solle, um allgemeine Gesetze zu erhalten. Aber sein Name gilt mehr als der Mann seinem Wirken nach verdient. Die Tendenz der Zeit ward es und besonders des englischen Räsonnements auf Thatsachen zu gehen und diese aufzustellen. Und in-

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menhang – oder wenigstens in einen gemeinschaftlichen Zustande. Wir sehen sie in den Gewebe der gemeinen Zustaende.  3–4 denn es … Tapferkeit.] Hu: oder es ist nur eine gemeinschaftliche Weise der Existenz, nicht eine selbststaendige. So wie in der Tapferkeit vor der Erfindung des 30 pulvers.­  ­5 –6 daß Jeder … hat.] Hu: dass nicht ieder nach seiner Einsicht handelt, sondern nur der Zusammenhang mit seinen Andern giebt ihm die Wichtigkeit.­  ­15 unter Jacob … Reichs.] Hu: Gro skanzler von England. | Unter Jakob den I diesen Schwachen Fursten erreichte er diese Stufen.­  ­16 Unredlichkeiten] Hu: Bestechlichkeit­  ­22 was die … nennen.] Hu: was in England philosophie bis jetzt genannt wird – man kann sagen dass die Englaender darüber nicht hinausgegangen sind.­  35 ­27.695,1–2 Thatsachen zu … gegeben.] Hu: Erfahrungs Thatsachen zu gehen – es ist die allgemeine Richtung, in’s besondere der Englaender gewesen – in so fern er also nun dieses ausgesprochen hat, so wird ihm über das Verdienst zugeschrieben dass er dem Denken diese Richtung gab. 1  modernen] moderene­  ­25–26 der Mann … verdient.] (1) als sne Wrkg. (2) (der Mann nachtr. über der Zeile) snem (nachtr. aus sne) Wrken (nachtr. aus Wrkg) (nach verdient. nachtr. über der Zeile mit 40 Einfügungszeichen)

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dem Baco diese Richtung aussprach wird ihm es zugeschrieben, als habe er dem Erkennen diese Richtung gegeben. Was seine Leistungen betrifft, so ist es, daß er versuchte einen Entwurf zur systematischen Darstellung alles Wissenswürdigen aufzustellen. Das Ganze des Wissens sollte als ein Tableau dargestellt werden. Was aber die Prinzipien der Eintheilung betrifft, so theilt er die Wissenschaft ein: in Gedächtniß (Geschichte) Phantasie (Kunst) und Vernunft (Wissenschaft.) Die Eintheilung ist im Ganzen unbefriedigend. Zur Geschichte rechnet er: Werke Gottes, der Menschen, der Natur. – Das zweite Ausgezeichnete ist, daß Baco suchte eine neue Methode des Erkennens geltend zu machen. Seine Hauptbestimmungen sind, daß er gegen die bisherige sillogistische Form des scholastischen Schließens polemisch verfuhr. Er nannte sie Anticipationen, indem man Begriffe voraussetze ohne auf das zu sehen, was die Erfahrung der Wirklichkeit zeige. Das Schließen verwirft er im allgemeinen und fordert, daß von Beobachtungen, ausge­ gangen werde und nach Inductionen verfahren. Die Induction setzt er den syllogismen entgegen. Aber die Induction ist selbst ein Schluß, denn aus der Menge des Beobachteten soll ein Allgemeines herausgebracht werden. Wenn Baco also das Schließen verwirft hätte er auch die Induction verlassen müssen. Ein zweiter Mangel ist, daß er wie alle Erfahrungsphilosophen meinen sich an die bloßen Beobachtungen zu halten, während sie | dennoch metaphysiciren, nicht beim Sinnlichen stehen bleiben, sondern das Einzelne in allgemeine Bestimmungen, in Gedanken fassen. Die Erfahrung ist nicht bloß sinnliche Wahrnehmung, sondern hat die Thätigkeit des Denkens in sich. Die ausgebreitetste Gedankenbestimmung zB ist die Kraft ect. Kraft ist ein Gedanke, denn sie ist nicht wahrgenommen. Der Fehler geht darin weiter, daß die Empiriker ganz bewußtlos sich den allge­ meinen Gedanken-Formen hingeben ohne sie untersucht zu haben, da sie meinen, von Gedanken ferne zu sein. Baco giebt näher auch die Gegenstände an, mit denen die philosophische Betrachtung sich beschäftigen soll. Sie contrastiren sehr

2 –3  daß er versuchte] Hu: dass er in seinen Werke de augmentis scientiarum  ­8–9  daß Baco … machen.] Hu: dass er eine andere weise des Erkenntni ses verbreiten wollte – Diess | führt noch auf 30 die heutige Zeit als Autoritaet – sein Name splendor über all.­  ­15–17 denn aus … müssen.] Hu: es ist also ein Mangel in der Form – in der Induction will man nemlich das gemeinschaftliche finden – der eine Satz ist diese oder jene Kla se – der zweite Satz oder der Schlu s diese oder diese Eigenschaften –­  ­19 während sie … metaphysiciren,] Hu: und es ist ihm dabey unbewu st dass indem er diese Erfahrungen aufnimmt metaphisicirt,­  ­20–21 sondern das … fassen.] Hu: sondern Allgemeine Bestim35 mungen aufsucht – und eben diese sind schon Gedanken obgleich nicht Begriffe­  ­21–22  sondern hat … sich.] Hu: sondern enthaelt auch das Umwandeln des Einzelnen in Gedanken –­  ­27.696,1 Sie contrastiren … schöpfen.] Hu: indem man sie berücksichtige, so mu s man diess sehr contrastirend ­an stellen indem wir sie mit der Erfahrung vergleichen. 9  Erkennens] folgt nachtr. gestr: suchte­  ­11M polemisirte] polemirsirte­  ­28  scientiarum] scientiis­   40 30 splendor] polnisch: Glanz, Gloria

Ferner versuchte er alles wissenswerthe als System darzustellen.

Die Methode der Beobachtung konnte er nur geltend machen, insofern er gegen alles Erkennen aus Schlüssen polemisirte. Indem er aber dahin fortging die Einzelhei­ ten der Beobachtung in ein Allgemeines zusammenzufassen, so verfiel er selbst in das Schließen, was er von der Philosophie ausschloß.

132rHo So ist er wie alle Erfahrungsphilosophen der Widerspruch sei­ ner selbst das Denken auszuschließen, und dennoch zu denken.

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Er theilt die Naturbetrachtung in: 1. Betrachtung der Ursachen und 2. Kenntniß der Hervorbringung der Wirkungen Ferner schließt er richtig die teleologische Betrachtung als äußerliche Zweckmäßigkeit aus, welche er die Betrachtung aus Endursachen nennt

Dagegen dringt er auf die Untersuchung der Formen der Dinge d. h. der Gesetze.

Der Gegensatz gegen Baco als dem Naturbeobachter ist Jacob Böhme, welcher das Selbst als die Quelle des absoluten aufstellte, insofern das Selbst selber das Wissen des absoluten von sich sei.

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verglichen mit dem, was wir aus der Erfahrung schöpfen. Er dringt nehmlich darauf: die Verlängerung des Lebens, Retardation des Alters, Veränderung der Natur, die Verwandlung des Körpers, Erzeugung neuer Classen, Gewalt über den Naturproceß – zu betrachten, diese Untersuchungen nicht zu verlassen. Er giebt Recepte Gold zu machen ect. Er steht also nicht auf dieser rein verständigen 5 Stufe, sondern liegt noch unter dem Druck des ärgsten Aberglaubens. In Ansehung des Formellen ist ein Hauptzug, daß er sagt: Die Naturphysik bestehe aus zwei Teilen: aus der Betrachtung der Ursach, und aus der Kenntniß der Hervorbringung der Wirkungen. Das Erste gehöre der Metaphysik, das 2te der Physik an. Unter den Ursachen unterscheidet er Endursachen und formelle. Ueber die End- 10 ursachen erklärt er, daß ihre Untersuchung kein Interesse habe. ZB. daß Blitz und Donner Strafen Gottes seien. Es ist dieß eine wichtige Seite. Denn diese teleologische Betrachtung ist eine Beziehung der Gegenstände nach nur äußerlichen Seiten. Anders ist es wenn man den inneren treibenden Begriff der Dinge, ihren Selbstzweck verwirft. Gewöhnlich ist die teleologische äußerliche Zweckmäßig- 15 keit. Vorzüglich dringt Baco auf die Untersuchungen der Formen der Dinge. | Doch war er selbst darüber nicht klar. Es mögen die immanenten Bestimmungen 132vHo der Gegenstände, ihre Gesetze sein. Er sagt: In der Natur existiren zwar nur die individuellen Körper, aber ihre Wirksamkeiten erscheinen nach einem Gesetz, und die Findung desselben ist die Hauptsache für das Erkennen und das Hervor- 20 bringen der Ursachen.” Was er dann mit der Erkenntniß der Formen gemeint hat ist: “daß wenn man die Formen verstehe, man im Besitz sei, diese Naturen zu superinduciren auf alle Gegenstände, zum Beispiel die Natur des Goldes in Silber einzuführen.“ Er sagt: “der Irrthum der Alchimisten bestehe nur darin zu meinen auf phantastische Weise die Vereinigungen der Naturen zu erhalten.“ Baco 25 war in großen Lebensverhältnissen gewesen, hatte die ganze Verdorbenheit seines Zeitalters durchgemacht. Als Mann von Geist, von tief blickender Verständigkeit 3 –4 den Naturproceß … verlassen.] Hu: wa ser, d. h. Zaubereyen. Solche Gegenstaende die haelt er vornemlich für wichtig – und sagt dass man es damit weit bringen kann, und beschwärt sich darüber dass sie vernachlä sigt sind.­  ­6 sondern liegt … Aberglaubens.] Hu: er war versunken in grö sten 30 Aberglauben.­  ­11 ZB.] Hu: zB. dass auf den Augen Hare wachsen –­  ­12 seien.] Hu: seyen. Solche Ursache verwirft er aus der Metaphisik –­  ­14–15 Anders ist … verwirft.] Hu: Der Zweck kann aber nicht nur aü serlich sein, sondern auch innerlich – das Organische ist Zwek in sich –­  ­20–21 und das … Ursachen.] Hu: und Handeln, dieses Gesetz zu erkennen und die paragrafen der Formen, das ist es was wir unter Formen verstehen.­  ­23–24 die Natur … einzuführen.] Hu: die Natur des Sil- 35 bers in die Natur des Goldes zu induciren, dazu mu s man die Natur des Silbers kennen.­  ­25 auf phantastische … erhalten.“] Hu: diess auf phantastische weise vollbringen wollen – die Erkenntni s der Form kann uns erst dazu fuhren”­  ­27 Als Mann … Verständigkeit] Hu: dabey war er ein selbststaendiger Geist – So ist er ein Mann, ein praktischer, 11  kein] kne­   ZB.] folgt nachtr. gestr: wolle man­  ­14 Seiten] Seiten ist

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hatte er doch nicht die Fähigkeit nach Begriffen zu denken. Was man Weltkenntniß nennt hat er im hohen Grade besessen, und in die Einsamkeit gekommen, hat er seine Beobachtungen niedergelegt. Er kennt die Menschen mehr als die Sachen, die Deduction nach Begriffen fehlt; tiefe einzelne Blicke, Aussprüche sind überall umhergestreut doch ex cathedra als Bemerkungen, als Vorstellungen ausgesprochen, durch Beispiele und nicht durch Argumentation bewiesen. In Betreff auf Wissenschaft findet man keine bedeutende Resultate. Von Baco dem Großcanzler von England, dem Heerführer des äußerlichen Philosophirens gehen wir zum Schuhmacher Jacob Böhme aus der Lausitz. Er ist als ein roher Phantast, als pietistischer Schwärmer verschrieen, in der Zeit der Auf klärung ganz vergessen. Die neuere Zeit erst ward wieder aufmerksam gemacht, seine Tiefe anerkannt. Was das Äußerliche seiner Geschichte betrifft so ist er in seidenberg 1575 | bei Görlitz geboren. Als Kind hüthete er als Bauernjunge das Vieh. Vor seinen Werken ist eine Lebensbeschreibung. Er erzählt, daß er auf den Weiden wunderbare Erscheinungen gehabt habe. Er habe eine Höle voll des schönsten Goldes und Edelsteinen gefunden. Dann ward er bei einem Schuster in die Lehre gegeben. Dort beim lieblichen Jovialischen Schein des Zinns sei zuerst sein astralischer Geist in’s Centrum des Lichts entrückt. Auf der Wanderschaft habe er um zur Wahrheit zu gelangen immer gebetet, bis er durch den Zug des Sohnes zum Vater sei in die ruhige Sabbathstille des seligen Schauens erhoben. Sieben Tage habe er in himmlischer Beschaulichkeit gelebt. Als Meister sei er vor’s Thor gegangen aller seiner Phantasien sich zu entschlagen. Hier habe er mehr und mehr den Blick in’s Innere gethan, den Dingen in’s Herz gesehen, wofür er Gott ruhig

Jacob Böhme aus AltSeitenberg bei Görlitz 1575 † 1624.

Biographie Jacob Böhmes.

4 die Deduction … fehlt;] Hu: und grade was zur Erkenntni s gehoert, das abstrakte Raesonement, 25 mangelte ihm am wenigsten.­  ­5–7 ex cathedra … Resultate.] Hu: ex cathedra – dass es so ist, er

will diess erleutern, aber nur durch au serliche Thatsachen – nicht durch Raesonement. Die Lekture seiner praktischen Schriften ist intere sant – aber keine gro se Wi senschaftliche Erbauung findet man darin. (Absatz) Auf seinen Ansi chten beruhet nun die englische und auch schottische philosophie –­  298 Hu 292. 10 in der … vergessen.] Hu: Leibnitz hat ihm allerdings Achtung erwiesen – | aber von Zeiten der 30 Auf klaerung wurde er verge sen – Nur die pietisten haben sich mit ihm beschäftigt –­  ­13 Vor] Hu: Seine Werke sind vornemlich in Holland erschienen. Vor diesen­  ­14 Lebensbeschreibung.] Hu: Lebensbeschreibung, die nach seinen Angaben verfa st ist.­  auf den Weiden] Hu: in seiner Jugend­  17–21 Dort beim … gelebt.] Hu: und hier sagt er dass ihn an einen eisernen Geräthe ein neues Licht aufgegangen ist. Er sagt dieser jovialische Schein hat in das göttliche Leben versetzt. Vornemlich sagt 35 er wurde er entzükt auf seiner Wanderschaft. Hier hat er 7 Tage lang in höchster Begeisterung gestanden.­  ­22–23 Hier habe … gesehen,] Hu: aber er empfang hier eine Einwirkung wodurch er in die Signaturen aller Dinge einsehen konnte. 7 –8 Von Baco … dem] (1) Baco’s Name, der (2) Von (nachtr. über der Zeile) Baco (nachtr. aus Baco’s), dem (nachtr. aus der) (3) Von Baco (dem Großcanzler von England nachtr. über der Zeile mit Einfügungs­ 40 zeichen)­  ­8 äußerlichen] ohne Umlautpunkte­  ­12 Äußerliche] ohne Umlautpunkte­  ­17 des Zinns nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­   zuerst nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen

B. Jakob Böhme. 1.) Seyn Leben.

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Der Inhalt der Jacob Böhmeschen Philoso­ phie ist die speculative Idee in ihrer ganzen Tiefe.

Aber die Form für die­ sen Inhalt ist nicht der Gedanke, sondern einerseits das Sinnliche

Dieses Sinnliche, indem es soll der Ausdruck für Gedankenbestimmungen sein, behält nicht seine eigenthümliche Bedeutung, sondern wird zum Symbol. Eine fernere Form ist die religiöse Vorstellung. Indem der Ausdruck mit dem Inhalt kämpft entsteht ein steter Formenwechsel. Deshalb ist die Darstellung weder systematisch noch im Besonderen genügend.

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b.) die religiöse weise der Vorstellung des Christlichen als Form der Darstellung.

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gedanket. In Görlitz trieb er sein Handwerk, und hat dabei mehrere Schriften geschrieben. 1624 starb er. Welche Schriften er gelesen habe, ist nicht bekannt. Ein Hauptbuch, das er las, war die Bibel. Er selbst nannte sich theosophus theutonicus und wir können sagen die Art und Weise seines Strebens seien ächt deutscher Art. Was die nähere Weise seiner 5 Darstellung betrifft so ist sie allerdings barbarisch, obgleich er im tiefsten Interesse der Idee steht, mit ihren Gegensätzen sich herumkämpft. Aber die speculative Wahrheit bedarf um sich selbst zu fassen wesentlich der Form des Gedankens denn nur im Gedanken ist diese Einheit, in deren Mittelpunkt Jacob Böhme steht, und gerade die Form des Gedankens fehlt ihm. Die Formen, die er ge- 10 braucht sind keine Gedankenbestimmungen sondern einerseits Sinnlich: das Herbe, Bittre, Süße, die Liebe, den Zorn, den Marcurius und eine Menge solcher Weisen. Diese sinnlichen Formen behalten bei ihm nicht die eigenthümliche Bedeutung des Sinnlichen, sondern er gebraucht sie | zum Ausdruck von Gedan­ 133vHo kenbestimmungen, wodurch die Darstellung gewaltsam erscheint, weil nur die 15 Spitze des Gedankens diese Bestimmungen vermag auszudrücken. Man muß daher die Idee näher kennen um zu wissen, was er will. Das Andere ist, daß er als Form der Idee die christliche Vorstellung gebraucht. Und diese Dreifaltigkeit wendet er an und setzt es in Beziehung mit dem Herben und Bitteren. So hat er zum Ausdruck sinnliche Formen und religiöse Vorstellungen. Deswegen stellt 20 sich sein Gemählde als ein schmerzhafter Kampf dar. Man hat das Gefühl des Ringens einer wilden rohen Anstrengung die das zusammenfassen will, was uns auseinander fällt. Aber durch die Stärke seines Geistes braucht er die Formen, denn zum Hintergrunde hat er die tiefste speculation die aber nicht zu ange1–2 und hat … geschrieben.] Hu: Die Aurora ist seine erste Schrift.­  ­2–3 ist nicht … Bibel.] Hu: ist unbekannt, es zeigt sich dass er die alchemistischen Schriften la s und besonders die Biebel.­  ­4 theosophus theutonicus] Hu: philosophus Theutonicus­  ­ 4–5 die Art … Art.] Hu: dass er echt deutscher auf seinen Inhalt ist – und erster deutscher philosoph ist.­  ­7–9 mit ihren … Einheit,] Hu: die Speculation hat nichts tieferes als die Gegenstaende mit denen er kaempft. Die speculative Wahrheit die er aber vorträgt, bedarf um gefa st zu werden den Gedanken. Nur in den Gedanken | Lebt die Einheit dieser Wahrheit –­  ­15–16 gewaltsam erscheint, … auszudrücken.] Hu: gewaltsam erscheinen mu s – Es kommt sehr trüb aus wenn man von Bliz, Bitterkeit Gottes lie st –­  ­17 um zu … will.] Hu: um etwas darin zu finden, denn bei den sinnlichen Ausdruk kann man nicht stehen bleiben.­  ­18–24.699,1–2 Und diese … Besondere.] Hu: Vater, Sohn, Geist – diese Dreieinigkeit steht in Beziehung mit diesen Trüben, Starren, Bittern – Er bringt diese zwey Seiten in einander – Es stellt sich deswegen seine Darstellung als ein fürchterlicher Kampf dar – man hat immer das Gefühl des Kampfes – des Ringens – Er bindet aber dieses Zusammen mit der Staerke seines Geistes – und zerbricht sie – und im Hindergrunde ist der speculativste Gedanke, der aber nicht zur angeme senen Darstellung gekommen. Indem man also einerseits Jakob Böhme schätzt, so mu s man anderseits nicht erwarten bei ihm zu finden eine systematische Darstellung – ­3M Böhmeschen] ohne Umlautpunkte   22 die nachtr. über der Zeile­  ­will nachtr. über der Zeile mit Ein­fügungs­zeichen­

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messener Darstellung kommt. Man muß daher eine systematische Darstellung nicht erwarten, auch keine wahrhaften Bestimmungen für das Besondere. Auch wirft er sich in allen Formen umher, weil nur der Gedanke als Form kann Genüge leisten. Eine derbe Weise der Darstellung kommt dann auch hervor; mit dem Teufel hat er viel zu thun. Zur Vergleichung ist eine Stelle aus dem Shakespeare im Sturm zu nennen; Jacob Böhme ist der Geist, der in eine knorrige, starre Eiche gespannt, wie Prospero den Ariel einsperren will. Das Hauptbestreben Jacob Böhmes ist die absolute göttliche Einheit, und die Vereinung aller Gegensätze in Gott. Gott ist die Totalität aller Gegensätze aber als Einheit: ein stetes contrarium ist unter den Gegensätzen, und dennoch ist nur eine Einheit. Die Gegensätze sind unterschieden durch die Qual und die Pein. Quellen, Qual Qualität ist ihm dasselbe. Die Qual ist die sich auf sich beziehende Negativität, die sich auf sich beziehend absolute Affirmation ist. Jacob Böhmes Einheit ist also solche, die Unterschiedenes eint. Die Gegensätze sind getrennt und doch ist kein abtrünniges Wesen. | Eins ist im Anderen als Nichts als aufgehobenes, aber nach dessen Eigenschaft es drinn ist, ist es nicht offenbar. Der härteste Ausdruck ist dafür: den Teufel aus Gott zu begreifen. – Dieser Grundgedanke nun also bei Jacob Böhme ist die heilige Dreifaltigkeit, als welche er alles begreifen will; Alles ist diese Dreiheit und diese Dreiheit ist Alles. Die Darstellung darüber ist bald lichter, bald trüber. Zuerst beginnt Böhme von Gott als der einfachen Essenz als dem Verborgenen, worin alles temperirt ist. Dieß ist der Göttliche Pomp. Er ist der Große Salliter, Salpeter (das Neutrale.) Dieß Verborgene enthält aber alle Qualitäten. Dieß Eine nennt Böhme auch den Leib Gottes, der alle Qualitäten in sich faßt. Er

A r iel. Ich dank’ dir Herr. Prospero. Wenn du mehr noch murrst, So will ich einen Eichbaum spalten, und dich in sein knotiges Eingeweide keilen Bis du zwölf Winter durchgeheult. Darstellung der Jacob Böhmeschen Philosophie. Das absolute Prinzip ist die Speculative Idee als absolute Einheit des absolut Entgegengesetzten, so wie als absolute Entgegensetzung des absolut Einen und die Einheit dieser Entgegensetzung und Einheit. Das Prinzip der Entgegensetzung ist die Qual als das sich selbst negative 1. Die göttliche Dreifaltigkeit a. Gott der Vater; der große Salliter. α. Er ist die unenthüllte Einheit der Totalität aller Bestimmungen.

25 5 thun.] Hu: thun „komm her du Hans ich will dier ein Recept verschreiben”­  ­8 Das Hauptbe-

streben] Hu: Was die Gedanken Böhm’s betrifft, so kann man sie angeben – aber mehr fragmentarisch. (Absatz) Seine Hauptbestrehbung­  ­9–17 Gott ist … begreifen.] Hu: er sagt Gott ist Liebe und Zorn, Licht und Finsterni s – es ist ein ewiges Contrarium zwischen Licht und Finsterniſs keines ergreift das andere. und doch ist nur ein einiges wesen, sie sind unterschieden durch die Q u a l , 30 (: Diess ist ein vielbedeutenter Begriff – Qual leitet er von Quelle ab – die Qual ist die absolute Negativitaet, die Unendlichkeit, die sich beziehende Negativitaet, damit die absolute Affirmation. Das ist das gro se bey J. Böhme :) und es ist doch kein abtrennliches wesen, nur ein principium scheidet sie, und ist es doch obgleich es in dem Andern ist Nicht. (: Das ist unser Auf heben :) Seine Bemühung ist also in den Extremen die Einheit zu finden – das ist den Teufel aus Gott zu begreifen, wie 35 er sagt.­  ­19 Alles.] Hu: Alles” Das ist im ganzen sein Begriff.­  ­21 Essenz als … Verborgenen,] Hu: E senz (wie bei proclus) das ist das Verborgene, als das Temperamentum,­  ­23–24 Dieß Verborgene … Gottes,] Hu: Dieser gro se Saliter ist das verborgene nicht geoffenbarte wesen, es ent­ haelt | alle Kraefte – dieses Eine also das Neutrale was er ein mal Saliter nennt, erscheint als der Leib Gottes – 40 5  Shakespeare] Scheaspear­  ­6M du] zu­  ­9M Böhmeschen] ohne Umlautpunkte­  ­26 sie] ihn (Nu­

me­r uswechsel)­  ­28–29 keines ergreift … andere. am Rande mit Verweiszeichen­  ­31 die2 ] das

300 Hu 294.

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β Das Prinzip der Unterschiedlichkeit ist die Quallität als Hitze, Grimmigkeit, Zorn, Herbigkeit, so wie als Licht, Milde, Süße.

134vHo γ. Diese Unterschiede sind aber in Gott-Vater Eines, so daß jede Bestimmung Totalität jede das Ganze und keine Unterschieden ist. Durch das Prinzip aber der Quallität quillt aus dem Vater b. Der Sohn. α Er ist das Prinzip der Bestimmung in Gott. Der separator.

302Hu 296.

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sagt: betrachten wir das Curriculum der Sterne so sehen wir es sei die Mutter aller Dinge. So sagt man in neueren Zeiten: Gott sei die Einheit aller Realitäten. Die gesammten Sterne und die Erde ect sind das corpus Gottes, die Sterne die Quelladern. Er ist in diesem Leib nicht als der Dreifaltige in seiner Glorie aber er ist darin. Diese allgemeine Essenz als eine Einheit gefaßt ist der Vater, die creatürlich als die Sterne existirt. In Gott Vater sind die Kräfte in Einem. Betrachtet man die ganze Natur so sieht man den Vater, soviel Sterne am Himmel stehen, so groß ist Gottes Kraft. Aber nicht jede Kraft im Vater ist nicht in einem besonderen Theil wie die Sterne am Himmel, sondern alle Kräfte sind in ihm, als Eine. Diese eine Kraft als creatürlich ist die Natur überhaupt. Diese verschiedenen Qualitäten sucht Böhme auch zu bestimmen, doch ist diese Auseinanderlegung sehr trübe. Die Qualität ist ihm die Beweglichkeit, das Treibende der Dinge, die Hitze deren species das Licht und die Grimmigkeit ist. Das Licht ist die Milde, das Herz die Quelligkeit. | Die Grimmigkeit ist das Verzehren, die negativität, das Verderbende, das Bewegende. In Gott ist das Licht ohne Hitze. Gott ist der Quellbrunn der Natur. Die Unterschiede der Qualitäten von Gott ist ungenügend. Der Vater nur ist die Totalität der Kräfte, die im großen Salliter Gottes arbeiten. Es sind 7 Geister, die in Gott triumphiren wie e i n Geist. Es steht nicht ein Geist nebeneinander wie die Sterne am Himmel; jeder der Geister ist aller Geister schwanger; alle sind wie ein Geist, einer gebärt den anderen. Das zweite ist der Sohn; der Sohn ist das Herz, der Kern in allen Kräften, das Belebende; das Erste ist der Salliter; der Sohn das Treibende, Quellende; er quillt in allen Kräften des Vaters. Der Sohn wird von allen Kräften immer geboren und ist der Glanz der im Vater leuchtet. Ohne ihn wäre der Vater ein finster Thal, denn seine Kraft stünde nicht auf. Der Sohn also ist überhaupt das Bestimmende. Der Anfang aller Wesen ist das Wort, und Gott ist das Eine, das Wort

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 –10 In Gott … überhaupt.] Hu: Gott Vater ist das Reservoir aller dieser Kraefte – er sagt; wenn 6 man die Natur betrachtet so sieht man den Vater, betrachtet man die Sterne, so sind es sie die Qualitaet der Sterne, aber man mu s nicht denken dass die Qualitaeten am Vater getheilt sind, der Geist 30 zeigt dass die Kraefte in Vater vereinigt sind. Also es ist eine Kraft, in so fern sie Kreatürlich ist, unterscheidet sie sich in die Sterne.­  ­16–17 Natur. Die … ungenügend.] Hu: Natur, der alle diese Qualitaeten in sich hat – diese Qualitaeten sind bitter, trübe, rohes – aber die Bestimmung dieses naeher ist ganz verworren.­  ­19–20 Es steht … Himmel;] Hu: sie stehen diesen 7 Geister nicht neben bei­  ­23 Belebende; das … Quellende;] Hu: erste belebende – (der Saliter ist das noch das 35 Neutrale) – es steigt von ihm auf die göttliche Freude –­  ­25–26 und ist … auf.] Hu: wie die Sonne aus den Sternen geboren ist. Leuchtete der Sohn nicht im Vater so waere er trübe – und offenbare sich nicht.­  ­27.701,1–2 Wort, und … wird.] Hu: wort, als das Contractum, der Gott ist das Ewige von Ewigkeit – das Wort ist der Ewige Anfang – und bleibt ewig – weil es der offenbarte wille Gottes ist – 40 12  Beweglichkeit] Bewgglichkt

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der ewige Anfang, denn es ist die Offenbarung des Einen, wodurch die göttliche Kraft zur Wissenschaft wird. Das Wort ist der Ausfluß des göttlichen Einen und ist doch Gott. Dieß Ausgeflossene ist die Weisheit aller Kräfte, aller Tugenden Ursach, der ewige Wille beschaut sich in diesem Einen und daraus spricht das Schauen des ewigen im Ichts (Gegensatz von Nichts). Weiter daher wird dieß Ichts das Selbstbewußtsein, indem das Herz des Sohnes das Contractum zum Punkt des Fürsichseins ist der Sohn ist der separator im Ausfluß des Einen, die Schiedlichkeit des Ausflusses, der Amtmann, der alle Dinge ordnet. Dieser Sohn ist der Lucifer, der aber abfiel. Der Lucifer dieß Insichsein, die Offenbarung, das Wissen, | das sich Anschauen, die Ichheit ist der Teufel, da es sich in sich hinein imaginirt, die Qual, das Feuer, der Zorn Gottes, die Hölle und der Teufel. Das Fortgehen zum Ichts ist auch die Selbheit. Dieser separator ist es, welcher die unendliche Vielheit bestehen läßt, und das ewige Eine sich empfindlich macht. Der Ausfluß führt sich bis in die feurige Art, die Finsterniß, diese ist die Selbstheit. In dieser feurigen Art wird das Licht, welches die Rückkehr ist zum Einen. Das Feuer ist der Urstand des empfindenden Lebens. Das Peinen oder die Angst, die Qual macht erst alles Leben wirkend und wollend, und das Licht macht es freudenreich, denn es ist Salbung der Peinlichkeit. Die Hauptvorstellung nun also ist die absolute Einheit aller Kräfte. Zu diesem Einen ist das Andere, das Sichinsichfassen, Fürsichsein, Sichverstehen. Der speculative Gedanke, ist die Selbstunterscheidung des Einen in sich. Näher kommt dabei die Form vor, daß dieß Sichvernehmen als ein Zusammenziehen in sich zu Einem Punkt vorgestellt wird, als Schärfe, Herbigkeit, Grimmigkeit, Zorn, der das Böse ist. Der Zorn aber ist der Zorn Gottes und dieß der Punkt, wo das Andere Gottes in Gott selbst gefaßt wird. Aus dieser Herbigkeit, diesem Unterscheiden ist es, daß von einem Corpus

3 –9  Kräfte, aller … abfiel.] Hu: Kraefte. Aller solcher Offenbarung Kraefte, beschauet sich der göttliche wille – daraus quillt der Verstand und Wi senschaft – diess ist das I c h t s  – (es ist das Selbstbewu tsein) Diess Ebenbildni s ist das Misterium magnum, das ist der Separator in den Ausfl­u se des Willens – dieser Separator ist zum Amtmann der Natur. Von den Ichts sagt er: dass er der Lucifer ist – der erste Sohn Gottes, dieser ist aber abgefallen –­  ­11–14 Hölle und … Art,] Hu: 303Hu 297. 153 Teufel – die Holle – so kommt er von der grö ten Speculation zum Teufel. Dieser Separator führt die Eigenschaften aus sich (Es sind alle tiefe Blike.) dadurch entsteht das unendliche Viele – dadurch macht sich das Eine Empfindlich (für sich und für andere) Der Ausdruck führt sich zum dunklen Feuer,­  ­15–16 wird das … Lebens.] Hu: bricht das Licht hervor – Durch das Feuer wird 35 die ewige Kraft begierlich – dieses Feuer ist der Zustand des ewigen Lebens (: das ist die Rückkehr zur Einheit :) – haette das Leben keine Empfindlichkeit so haette es keine Thaetigkeit –­  ­18 Peinlichkeit] Hu: Qual­   ist] Hu: war Gott der Vater­  ­20–21 Fürsichsein, Sichverstehen. … vor,] Hu: In sich sein, Verstaendliche – die Nothwendigkeit dass das Eine sich in sich Unterscheidet – von den Formen des Unterscheidens haben wir auch schon gesprochen –­  ­23–25.702,1–2 Zorn, der … 40 Gottes.] Hu: Hierher gehoert der Zorn Gottes darin besteht das Boese – dieser Zorn was zum Ver6M fürsichseiende] fürsichsne­  ­35–36 (: das ist … Einheit :) am Rande mit Verweiszeichen

β Als diese fürsichseiende, nur sich in sich zusammenziehende Bestimmung aber ist er der Abfall von Gott, der Teufel.

135rHo

Dieser Teufel ist die Scharfe, Herbigkeit, der Zorn, das Böse, aber als die Schärfe ect. Gottes, so daß der Teufel aus Gott selbst begriffen ist und in Gottes Natur urständet.

β.) der abgefallene Separator ist Lucifer, der Teufel – I.) die Selbstheit des sich in sich Imaginirens.

II. Herrlichkeit – Zorn Gottes Bliz als die gebährende Mutter des Lichts.

702 γ. Aus ihm bricht nun aber der Blitz hervor, der das Licht gebiert; der Teufel ist das sich selbst vernichtende Negative und somit das schlechthin zum Positiven Umschlagende. Dieß Prinzip des Vaters und Sohns ist auch als das “Ja und Nein” dargestellt Das Ja ist das Todte, Verhüllte; das sich durch das Nein offenbart Dieses in sich hinein sich ziehend ist das Prinzipe aller Bestimmung. Das Ja aber in dieser Entgegensetzung mit dem Nein ist das ebenso mit ihm Geeinte. Dadurch ist Gott und der Sohn in ihrer unterschiedenen Einheit c Der Geist. Er ist die Bewegung in sich selbst, des sich Bestimmens durch die Qualität und die Rückkehr zur ersten Einheit des Vaters.

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e. Gott der Geist. α. Einheit des vielerley. Kraefte des Vaters und des Lichts des Sohns.

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gesprochen wird. Wenn nehmlich das himmlische Korpus angezündet wird, so ist dieß der Zorn Gottes. Hier ist es auch der Blitz, der ausbricht; er ist die Mutter des Lichts; das Gebährende des Lichts. Der Blitz selbst ist noch voll Grimmigkeit, das Licht das Freudige, Helle, das Verständige, der Blitz die göttliche Geburt des Lichts. Eine Andere Form ist das Ja und Nein. In diesem sollen alle 5 Dinge bestehen. Das Ja als das Eine ist Gott selbst. Es wäre unerkenntlich ohne das Nein. Dieses ist der Gegenwurf gegen das Ja, auf daß die Wahrheit offenbar und etwas sei. Das Nein ist also das Prinzip alles Verstehens. | das Nein muß 135vHo sein, damit die ewige Liebe etwas zu lieben habe. Das Nein ist nicht neben dem Ja, sondern beide sind E i n D i n g , doch scheiden sie sich in zwei Anfänge, 10 Quellen in sich. Ohne diese Zweiheit stünden alle Dinge still; flösse der ewige Wille nicht aus, wäre keine Verschiedenlichkeit, denn die Urstände bestehen in dieser Unterschiedlichkeit. Der ausgeflossene Wille will die Ungleichheit, auf daß etwas sei, das das ewige Sehen sehe und empfinde, sonst wäre es nicht Sehen. Der Ewige Wille ist das Nein; das Ja ist unempfindlich, steht im Hauchen seiner 15 selbst, hat nur Annehmlichkeit seiner durch das Nein. Und dieses heißt dadurch Nein, weil es hineinwärts geht in sich, sich abschließend. Der ausgeflossene Wille faßt sich in sich selbst hinein. Dann kommen Eigenschaften ect. Die Einheit faßt sich dadurch dann in sich zusammen aus diesem Nein. Als Nein ist Gott zornig und eifrig. 20 Das dritte nun, der Geist, liegt schon im Vorigen. Alle Sterne bedeuten die Kraft des Vaters; aus ihnen ist die Sonne, sie machen sich ihre Einheit. Nun geht der Sonne Kraft, Hitze und Sein auch in die Tiefe, setzt sich die Sterne, und in der Tiefe ist aller Sterne Kraft mit der Sonne Licht ein Ding. Das Licht ist die 25

staendni s, Fürsichsein gehoert, ist der Zorn Gottes – das ist der Punkt wo er das Böse in Gott selbst fa st. Aus dieser Herbigkeit, Zusammenziehen – bricht es hervor ein Infa sliches – er sagt: wenn dieses himmlische Corpus durch Erhebung angezündet wird, so ist es der Zorn Gottes, eine Berennende Qual –  3–5 Lichts. Der … Lichts.] Hu: Lichtes ist also das noch mit Schmerzen verbundene – hingegen das Licht ist das Freundliche – das Helle. cf Aurora­  ­9–13 Das Nein … Unter- 30 schiedlichkeit.] Hu: und koennen doch nicht sagen dass das Ja und Nein abgesondert ist, scheiden sich aber in Anfang selbst, und setzen sich in zwey Zentra, ohne das Ja und Nein würden alle Dinge still seyn – es waere kein Verstaendni s seyn –­  ­15–20 Der Ewige … eifrig.] Hu: Die Einheit ist ein Ausflu s des Ja – welches in dem Hauchen des Ja besteht. – und hei st das Nein, denn ein Nein, dass er eine umgekehrte Begierde ist, hinein ist, – es ist eine Wortquälerey aber der Sinn ist richtig. 35 Das Insichfa sen ist das Nein die Negativitaet. „So urstaendet das Licht in der Finsterni s – darnach ist Gott ein Zornicher und Eifricher” (Absatz) Das sind Formen wie er das zweite ausdrukt –­  ­21 schon] Hu: schon zum Theil­  ­22 Vaters] Hu: Vaters (– obgleich sie existiren für sich auf eine natürliche weise)­  ihre Einheit.] Hu: einen Entgegenwurf­ 7  der nachtr. über gestr. das­  ­9 Nein nachtr. über gestr. Ja­  ­9M “Ja] Ja“  ­16 hat nur nachtr. mit Ein­ 40 fügungszeichen über gestr. ist in der­  ­21 der nachtr. über gestr. im­­  ­27 Corpus] Korvus

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Freude und Lieblichkeit der Peinlichkeit. Durch die Tiefe des Vaters ist alles; die vierlei Kräfte des Vaters sind mit dem Lichte des Sohnes eines, ein allesbewirkender Geist, in dem alle Weisheit ist des Vaters und des Sohnes. Es ist der liebende Geist. Dieß ist im Ganzen der Hauptgedanke. Dabei ist die Vorstellung, daß Gottes Wesen der Ursprung ist der Welt durch das Moment des Unterschieds. Gottes Wesen ist also kein Fernes, sondern das Wesen der Creatur und Natur ist Gott selbst. Du mußt nicht denken, es sei im Himmel e i n Corpus, der Gott hieße, | sondern du kannst keinen Ort nennen, wo die Geburt Gottes nicht sei, die Geburt der Dreifaltigkeit wird auch in deinem Herzen geboren. Der Geist ist eben das Wollende, sich bewegende, sich Hervorbringende. Ueberall ist der Quellbrunn göttlicher Kraft. In allen Kräften sind Gottes Kräfte alle enthalten. Alle Dinge in der Welt sind nach dem Gleichniß Gottes gemacht; ich muß es Euch an allem Ding, an Gras an Stein, an Eurem Leben zeigen. Ihr Juden thut die Augen auf: ein Mensch ist nach der Dreiheit Gottes gemacht, sein Leib und sein Inneres. Alles was in Deinem Herzen ist, alle Kraft ist der Vater. Daraus gebäret sich Dein Licht, das Dich alles Verstehen heißt; dieß ist der Sohn. Es scheint in dem ganzen Körper. Aus dem Lichte geht alle Weisheit hervor. Diese Kraft und diese Erkenntniß ist in deinem Gemüth e i n Ding, und dieß ist der heilige Geist, der in Dir herrscht, so Du ein Kind des Lichts. Dasselbe ist in Stein und Kraut, und ist keines wo nicht die Kraft ist, hernach der Saft, so das Herz, ferner eine quellende Kraft, Geruch und Geschmack, der Geist. 1 –3 Durch die … Sohnes.] Hu: Eine bewegende wallung gleich eines Geistes – durch dieses ist alles im Vater, au ser ihn nichts – in den vielerley Kraeften des Vaters ist ein lebendiger, allsehender, allschmekender Geist – indem alle Weisheit und Glanz ist wie in den Vater und Sohne.­  ­6 Wesen der … Unterschieds.] Hu: wesen ist dass die Welt ein ausgesprochenes ist –­  ­7–8 sondern das … selbst.] Hu: denn der Allgrund der Natur ist Gott selbst –­  ­9 sondern du … sei,] Hu: sondern alles was ist im Vater wird gebohren –­  ­10 Dreifaltigkeit] Hu: h e i l i g e n D r e i e i n i g k e i t   ­ ­ 10–11 Der Geist … Hervorbringende.] Hu: So nimmt er das Unmittelbare des Vaters zurück und sagt dass er geboren wird, und zwar überall geboren wird.­   ­12–22.704,1–2 göttlicher Kraft. … wird.] Hu: der göttlichen Geburt.” Wenn er von den 7 Geistern spricht so sagt er dass ieder Geburt des andern ist – Er sagt über den abstracten Formen „alle Dinge in der Welt ist ein Gleichni s dieser Einheit – ihnen mu s es auch an Holz, Thiere etc das Heimni s der Dreieinigkeit zeigen – sehe dich selber an – ein Mensch ist nach der Gleichni s Gottes gemacht – der Mensch ist nicht ein Narr, alle Kraft die in dich webt ist Gott der Vater – aus der Kraft gebehrt dein Licht, dass du wei st was du thun sollst, das ist der Sohn – wenn da selbe Licht das in den Ganzen | Koerper webt – so entsteht daraus verstand – und die Kraft und Verstaendni s ist Ein Inn in deinen Gemüthe – das ist der heilige Geist – du bist ein Kind des Lichts und nicht der Finsterni s – Nichts kann geboren Werden ohne diesen Dreyen – die Kraft – das Herz ist das zweyte – der Geruch der Geschmak ist der Geist.” Indem er davon zum besondern übergeht so ist diess Trübe und Willkührlich – 13  sind] ist­   Euch nachtr. über der Zeile­  ­15 und] u u­  32 abstracten Formen] äußerst unsichere Lesung­  36 Ganzen] Ganzen |zen­  37 Inn] sc. Ding, Etwas­  38 ohne] oder

Daher ist der Geist das aus sich selbst Quellende, das erst ist durch die Qual die Pein seiner selbst. 2 Die Natur.

136rHo Die Natur ist überall die Geburt der göttlichen Dreifaltigkeit

Das Aufzeigen dieser Dreifaltigkeit wird im Besonderen unklar.

305Hu 299. 154

306 Hu 300.

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Das Prinzip aller Dinge ist: das sal der Mercurius als Prinzip der Schiedlichkeit der Sulphur; das Oehl, die Tinktur. 3. Der Menschengeist ist der sich selbst schauende göttliche Geist.

Des Cartes zu Haye in der Touraine geb. 1595 † 1650.

307Hu 301. 155

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Aus dieser Darstellung sehen wir allerdings, daß im Besonderen die Willkühr herrschend wird. Aber aus diesen Expositionen ist nun das Allgemeine wiederzuerkennen, daß Gott in seiner Dreieinigkeit in der Natur sich wirklich mache. Die Darstellung des Besonderen freilich ist trübe. ZB. will er die Einheit der Dreiheit in den Dingen aufzeigen: so sagt er, sie bestehe aus dem groben Schwefel dem sal 5 erstens und dann im Marcurius zunächst; der dritte spiritus liegt im Schwefel, im Öhl; es ist die Sänftigung des großen groben Schwefels. Das dritte ist die Tinktur, der höchste Grund, daraus die erste Schiedlichkeit jedes Dinges hervorgeht. Es ist die wesentliche Einheit jedes Dinges mit sich. Geruch ist Empfindlichkeit 10 dieser Tinctur. | In diesen harten Weisen nun der Darstellung wird das speculative Bedürfniß 136vHo nicht zu verkennen sein. Nach diesen 2 Extremen nun von Baco und Jacob Böhme, gehen wir zur 2ten Periode. Die Hauptpersonen sind Cartesius, Spinoza, Locke Leibnitz. Mit Des Cartes haben wir zu beginnen. Die Wirkung desselben kann nicht 15 genug gerühmt werden. Er fing von vorn an mit Hintansetzung jeder Voraussetzung begann er vom Denken in der Form, des sich selbst klaren bestimmten Verstandes. Speculative Vernunft kann dieser nicht genannt werden, denn er geht in festen Bestimmungen, aber des reinen Denkens fort. Was die Franzosen die bestimmten Wissenschaften die exacten nennen, haben von Des Cartes den 20 Ursprung erhalten. Das reine Denken trennt er von ihnen nicht. Cartesius ward 1595 geboren in der Touraine aus altadligem Geschlecht. In einer Jesuitenschule ward er erzogen. Alles Wissenswerthe raffte er befriedi­ gungslos an sich; er ging nach Paris, nachdem das Studiren ihm verleidet war. In Paris trieb er sich in der großen Welt umher. Dann aber ging er in eine Vorstadt 25 und lebte ungekannt den Wissenschaften. Dann nahm er Kriegsdienste, anfangs    Expositionen] Hu: Besondern Expositionen ist überhaupt nicht viel zu schopfen­  ­4–12 ZB. 2 will … sein.] Hu: zB. von den kreatürlichen Dingen sagt er: dass diese – Unterschied – drey – Centren sind – d a s e r s t e ist Salz und Markurius – rother Schwefel – Markurius ist das Eins der Vier Elemente – richtet sich nach den planeten – ist die grö ste Kraft des spiritus Mundi – d e r a n d e r e 30 Spiritus liegt im Oehle des Schwefels – er ist die Senftigung des Salzgeistes – wie die Sonne in dem Elemente. In dem rohen Elemente sieht man einen schönes Zentrum – ein helles – d a s d r i t t e i s t die Tinktur – es ist geistliches Feuer und Licht – der höchste Grund – daraus die grö ste Schiedlichkeit der Dinge, das Fiat. Hier kommt er auf das Besondere dieser Tinktur –, der Geruch ist ein Au seres etc ” (Absatz) Wer mit der Idee vertraut ist, wird bekennen was für ein speculativer Kampf 35 in Bohme lag.­  ­14 Periode.] Hu: Periode – der Metaphysik.­  ­21 Das reine … nicht.] Hu: und sowohl diese als die philosophie waren nicht mit einander getrennt. Die Trennung kam spaeter. 5 –6  groben Schwefel … im nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­6 dritte nachtr. über gestr. andere­  ­18 dieser nachtr. über gestr. es­  ­20 nennen] nennt (Numeruswechsel)­   Des Cartes nachtr. über gestr. ihm­  ­22 Touraine] Normandie­  ­23 er erzogen nachtr. über gestr. geboren­  ­23M Tourai- 40 ne] Normandie

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in Holland, dann diente er unter Tilly; die Schlacht bei Prag machte er mit; in den Winterquartieren zu Ulm beschäftigte er sich wieder mit seinen Wissenschaften. Hier nun erwachte in ihm tief der Trieb nach einer Umwandlung in der Philosophie. 1624 verließ er den Kriegsdienst, durchreiste Deutschland und zog sich 1629–1644 nach Holland zurück, wo er seine Schriften herausgab. Die Königin Christine von schweden zog ihn dann an ihren Hof wo er 1650 starb zu stokholm. In der Physik und Mathematik machte er die größten Entdeckungen. Diese großen Verdienste gehen uns aber hier nichts an. | In der Philosophie machte er einen ganz neuen Anfang. Er ging davon aus, daß jede voraussetzung müsse hintangesetzt werden, der Gedanke müsse von sich selbst anfangen. Alle frühere Weise des Philosophirens ist bei Seite gelegt. Das Denken sollte Alles aus sich entwickeln. Doch faßte sich das Denken in ihm nur als abstractes Denken, so daß aus ihm der concrete Inhalt als nicht entwickelt, empirisch aufgenommen wurde. – Er beginnt damit: weil wir als Kinder geboren sind und vor der wahrhaften Kenntniß der Vernunft urtheilen, so haben wir immer Vorurtheile, deshalb müssen wir an allem zweifeln um desto gewisser das Wahre zu erhalten; doch ist dieser Zweifel nur auf das Suchen der Wahrheit einzuschließen. Der erste Zweifel ist die Zuverlässigkeit des Seins des Sinnlichen, weil die Sinne uns irren und wir träumend uns vieles vorstellen, was niemals war. Selbst auf die mathematischen Sätze ist der Zweifel auszudehnen. Wir haben die Freiheit in uns, in alles keine Anerkenntniß zu legen, was nicht gewiß ist. Indem wir nun an allem zweifeln ist vorauszusetzen, daß kein Gott, kein Himmel sei, doch ist das einzige, was gewiß ist: ich denke, darum bin ich; cogito ergo sum. Nur das Zweifelnde selbst ist; es ist das schlechthin Gewisse. Das Sein, welches Denken ist, dieß ist schlechthin Gewißheit. Gewißheit ist das Ich, und das was ich in die­ sem Ich für mich gelten lasse. Carthesius beginnt mit dem Standpunkt des Ich

308 Hu 4   Philosophie.] Hu: philosophie – er verlobte | hier eine Wahlfart zur Maria in Loretto –­  ­9 neuen Anfang] Hu: neue Wendung­  ­9–10 jede voraussetzung … werden,] Hu: Alle Voraussetzung zu verwerfen sey –­  ­11–14 bei Seite … wurde.] Hu: auf die Seite gestellt, besonders die von der 30 Kirche stammte. Wir werden aber sehen dass diess Denken sich hier als abstrakter Verstand gefa st hat – und dass die Empirischen Data aus der Erfahrung zu nehmen sind. (Absatz) Er sagte damit mu s man anfangen dass man an alles zweifele: d e o m n i b u s d u b i t a n d u m e s t . Im Vortrage dieser Foderung ist Cartesius ganz naiv, klar, einfach, er geht den Weg eines empirischen Resonerens.­  ­16 deshalb müssen … erhalten;] Hu: so koennen wir diess nicht anders auf die 35 Seite werfen, als an allen dem zweifeln was uns als Schwankend vorkommt.­  ­17–19 Der erste … war.] Hu: Weiter taüschen uns auch die Sinne – dem zweifelnden wird aber nichts so vorkommen.­  ­21–23 in alles … ist:] Hu: uns alles de sen enthalten zu koennen was nicht vollig 309 Hu 303. 156 gewi s ist. Das Gewi seste ist nur zu suchen. Indem wir aber alles so verwerfen, so | koennen wir sagen alles ist nicht: Gott, welt, diess aber koennen wir nicht sagen dass wir als denkend nicht da 40 sind: also der zweite Satz ist­ ­38 koennen wir] koennen wir | koennen wir

Indem das Denken der modernen Welt die Befreiung von dem absolut vorausgesetzten Wahren der Religion ist – (denn der Gang war dieser: daß die absolute Idee des Neuplatonismus aus einer nur idealen Welt zu einer wirklichen ward als absolute Einheit der Göttlichen absoluten Persönlichkeit und der unmittelbaren, welche Wahrheit zunächst aber dem Menschen ein Jenseits blieb) so beginnt Cartesius mit dem Wegwerfen alles sonstigen Inhalts: de omnibus dubitandum est Nur das Denken ist, und weil ich denke, bin ich: cogito: ergo sum. Carthesius beginnt somit die Periode der Idealität, und der Inhalt wird nicht wie in der alten Welt für sich betrachtet sondern der Weg wird der Betrachtung da-

α.) de omnibus dubitandum est.

β.) Cogito ergo sum – die Verbindung des Seyns und Denkens, das Ich ist ist die erste Gewi sheit – die Evidenz alles Anderen haengt davon ab.

706 durch gebahnt, daß das Ich das einzig in sich Unendliche und Feste sei. Die Grundlage alles Wissens also ist die Gewißheit des Ich von sich selbst, das Denken und daher das Sein seiner selbst. Diese Gewißheit bleibt aber nur absolut als reine Gewißheit, die von allem besonderen Inhalt abstrahirt. Alles ist nun nur dann gewiß wenn es wie das reine Ich selbst gewußt wird. Dieß reine Ich aber ist eine Welt von Vorstellungen, deren Richtigkeit nur erst bezweifelt werden kann, wenn sie als einer Welt draußen zu entsprechen behauptet werden. Die höchste dieser Vorstellungen ist die des absolut vollkommenen

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und seines Seins. Es fängt mit ihm die Sphäre der subjectivität an; den Inhalt in ihm selbst zu betrachten ist nicht mehr das Erste sondern die Gewißheit des Ich von sich. Dieses ist das schlechthin Erste, einzig Bleibende, von allem anderen ist zu abstrahiren. Das Denken ist das Erste, und dieses Denken ist das Sein. Diese Verbindung ist das Erste, das Denken ist Sein und Sein Denken. Dieß ist das Ich. 5 Der beste Weg ist zu erkennen, daß kein Örtliches ect unsere Natur angeht, sondern das Denken allein. Dieß ist das prius. | Dabei zu unterscheiden ist, daß 137vHo wenn wir sagen: ich sehe, ich gehe, deshalb bin ich; daß dann der Schluß nicht absolut gewiß ist. Aber wenn ich das Gehen und Sehen nur insofern annehme, als Ich darin ist, so ist der Schluß gewiß. Im Concreten also haben wir allein auf 10 das reine Bewußtsein zu sehen. Gassendi wandte gegen Carthesius ein, man könne eben sagen: ich werde von meinen Bewußtsein zum Besten gehalten, darum bin ich. Aber Carthesius sagt gerade von jedem besonderen Inhalt solle abstrahirt werden. Alles weitere nun drittens, was wir für wahr halten können beruht auf dieser Gewißheit. Die Evidenz von Allem besteht darin, daß wir Alles so 15 klar einsehen als diese Gewißheit, so daß wenn wir an diesem zweifeln wollten, an der Gewißheit unserer selbst zweifeln müßten. Den Uebergang von dieser leeren Gewißheit zur Bestimmung und Erfüllung macht Cartesius auf sehr naïve empirische Weise. Er sagt: das Bewußtsein, das nur sich selbst weiß, findet, daß es Vorstellungen von vielen Dingen hat, und sich 20 nicht täuscht so lange es nicht behauptet, daß solchen Vorstellungen, draußen ein Object entspreche. Erst in der Beziehung der Vorstellung und ihrer Existenz als Ding kommt die Täuschung vor. Die Vorstellungen nur für sich machen Folgerungen auseinander aber ein Anderes ist noch die Behauptung ihres Seins. 1  und seines Seins.] Hu: er faengt bey der Gewi sheit an –­   subjectivität] Hu: Subjektivitaet – da- 25 mit ist ein neuer Boden für die philosophie geofnet.­  ­3–11 Dieses ist … sehen.] Hu: Dieses Ich denke kann nicht bewie sen werden – es ist unmittelbar – und diess ist nur unmittelbar – von allen andern Bestimmungen kann ich abstrahiren ich kann die Augen zu thun, die Nase u. s. w. so sehe ich nicht, und riche nicht. (Absatz) Die Verbindung von Denken und Seyn nennt Kartesius das Erste – und zwar so dass nicht aparte dasteht – Denken – und Seyn – Er sagt: es ist der beste Weg die Natur 30 zu erkennen indem wir alles auf uns reduciren – so sehen wir auch dass nichts uns angeht von der Natur als das Denken. Das Denken ist das prius von Allen. Unter Denken begreifen wir alles was zum Bewustsein gehoert – zB. wollen, empfinden – aber es mu s unterschieden werden das Gehen, sehen nach dem Bewustsein das Darin ist – es ist in diesen Zustaenden nur das Ich festzuhalten – von dem Sehen, und Gehen das man auch in dem Traume haben kann.­  ­12 sagen:] Hu: sagen: 35 ludificor ergo sum –­  ­14 was wir … können] Hu: wovon wir uns ueberzeugen koennen­  ­18 leeren] Hu: abstrakten­  ­20 weiß,] Hu: wei s, sucht seine Vorstellung zu erweitern,­  ­22–23 Erst in … vor.] Hu: Ich habe eine Vorstellung sie ist nicht taüschend erst dann wird sie tauschend wenn sie bezogen wird auf aü sere Existenz.­  ­ 1  ihm nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­an nachtr. über der Zeile­   6M sich] sich sich  ­34 – es 40 ist … festzuhalten –] es ist in diesen Zustaenden nur das Ich festzuhalten. am Rande mit Verweis­zeichen­  36 ludificor] laetificor­  37 erweitern] erweitert­  39 wird] werden (Numeruswechsel)

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Unter den verschiedenen vorstellungen ist nun auch die Vorstellung eines absolut Vollkommenen. Dieß ist die Vorstellung eines schlechthin Allgemeinen. Bei ihr ist das Eigenthümliche, daß wir die Existenz derselben nicht können als zufällig annehmen, sondern sie als schlechthin nothwendige und ewige bestimmen. Wie wir aus dem Begriff des △ die Gleichheit der 3 ∢ = 2 R ableiten, ebenso ist es mit der Existenz dieses Vollkommenen. Es ist dieß dasselbe, was wir schon früher bei Anselm sahen. Cartesius führt es als Axiom, daß im Begriff jedes Dinges sein Sein enthalten sei, | als Möglichkeit oder Nothwendigkeit. Als Nothwendigkeit in Gott. Dieß ist die Grundlage. Das Weitere nun ist, daß Carthesius fortfährt: Das erste Attribut Gottes sei die Wahrhaftigkeit, so daß wir seine Offenbarungen glauben müssen ohne uns mit dem Begreifen zu ermüden. Gottes Natur sei es zu wider uns zu täuschen, deshalb habe er uns das Erkenntnißvermögen gegeben, und dieses könne kein Ding berühren, ohne es nicht, wenn es es deutlich und klar einsieht, zu begreifen. Und dadurch wird aller Zweifel gehoben. Der Gang also ist: Bewußtsein unserer selbst. Darin die Vorstellung von Gott; Gott wahrhaft und diese Wahrhaftigkeit sei es, wodurch das, was wir einsehen, von uns wahrhaft eingesehen werde. Dieser Gang ist der des klaren Verstandes. Von der Gewißheit selbst wird nicht die Nothwendigkeit eines Inhalts, noch sei­ ne äußere Realität abgeleitet, sondern die Idee des vollkommensten wird als in uns sich findend vorausgesetzt. Diese Vorstellung wird gemessen und es wird gefunden, daß die Vorstellung Gottes ohne Existenz unvollkommen sei. Diese Ein-

1 –2 Unter den … Allgemeinen.] Hu: „Das Bewustsein hat vielerley Vorstellungen nun – unter diesen ist auch die Vorstellung eines höchst mächtigen, absoluten Vollkommenen, und diess ist die all25 gemeine, Allumfaſsende –­  ­7–9 sahen. Cartesius … Gott.] Hu: gesehen – es ist die Vorstellung des Vollkommenen – es enthaelt zugleich die Bestimmung des Vollkommensten, sonst waere es nicht vollkommen. „In der Idee eines Dinges ist die Existenz vorhanden aber einmal als Mögliches, das andere Mal als Nothwendiges – diess kommt Gott zu – anders waere er nicht vollkommen”­  ­11–22 ohne uns … sei.] Hu: „Wir mü sen uns nicht abmühen mit der Untersuchung Gottes – unse30 re Endlichkeit und die praescienz Gottes sind zwey uns bekannte Bestimmungen –” Weiter sagt er: „Gott ist Licht, daher taüscht er uns nicht, daher auch das Erkenntni svermögen uns gegeben, darum kann er kein Objekt berühren ohne daſs es war sey. Die Mathematische Wahrheit kann daher nicht verdächtig sein.” (Absatz) Das sind seine Grundbestimmungen. Das erste ist das Bewu stsein – das weitere ist Gott – er ist das Wahrhafte – seine Wahrhaftigkeit ist das Band zwischen unserer 35 Ueberzeugung und der Realitaet – dafür garantirt uns Gott. Wir bemerkten dass der Gang bey Kartesius der Gang des klaren Verstandes ist – diess findet sich auch hier – von der Gewi sheit sind der Inhalt noch mehr seine Objektivitaet abgeleitet – sondern er sagt: wir finden in uns die Idee Gottes als des Vollkommensten, und an diese Vorstellung (die bis zu Wolff herrschte) wird die Realitaet angebunden – Das ist der Gang des Verstandes. 40 11  Wahrhaftigkeit] Wahrhhftgkt­  ­17 wodurch das, nachtr. über gestr. welche dem­ 

Dieß Vollkommene ist nur vollkommen insofern es ebenso so seiend wie denkend gedacht wird.

138rHo Dieß Vollkommene ist die Wahrheit und indem wir dieß Vollkommene denken, und mit diesem Gedanken die Dinge betrachten, sehen wir sie in ihrer Wahrheit. Dieser Gang Des Cartes ist der der verständigen Demonstration, indem die Vorstellung des Vollkommenen unmittelbar als im Bewußtsein sich als die Einheit des Gedachtseins und Seins vorfindet, und nicht aus sich selbst abgeleitet wird.

311Hu 305. 157

708 Das vorgestellte nun überhaupt betrachten wir als: als ewige Wahreiten und als Dinge und ihre Eigenschaften. Die ewigen Wahrhei­ ten sind uns angeboren d. h. das Wesen unseres Denkens. Die allgemeinen Kathegorien der Dinge sind: 1. Die substanz Quod vere est, substantia est; per substantiam autem nihil aliud intellegere possumus, quam rem quae ita existet, ut nulla alia re indigeat ad existendum. Diese substanz ist nur Gott. Alles andere bedarf um zu sein Gottes. Dieses Seiende ist von 2lei Art: Das Denken und die Ausdehnung. 2 Sie sind die erschaffenen substanzen. substanzen sind sie weil sie um gedacht zu werden nur Gottes bedürfen und nicht die Beziehung aufeinander. So sind sie Gesetzte; aber gegen einander selbstständige.

Sie sind nicht in dem Sinne Substanzen als Gott – aber brauchen n u r Gott zu seiner Voraussetzung zu ­haben.

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heit Gottes seiner Existenz und seiner selbst ist allerdings die Wahrhaftigkeit, an welcher wir ebenso den Grund haben, gewisses und wahrhaftes anzunehmen. Carthesius geht nun zu den näheren Vorstellungen und sagt: was wir vorstellen, betrachten wir als Dinge, als Eigenschaften und als ewige Wahrheiten. Diese letzteren seien das Angeborene, das Eingeborene. Eingeboren, indem es die Be- 5 stimmung eines physischen Angeborenseins enthält ist unpassend, da es ausdrüc­ ken soll, die ewige Wahrheiten seien das Wesen unseres Geistes. Aber es gehört sich, daß eben die ewige Wahrheit im nothwendigen Zusammenhange mit unserem Geiste stehe. Solche wahrheiten sind ihm logische Sätze, Verstandes-Sätze; facta des Bewußtseins. Das Andere zu diesen allgemeinen Wahrheiten sind Dinge 10 und ihre Eigenschaften. | Die allgemeinen Kathegorien für die Dinge sind: sub- 138vHo stanz ect. Davon giebt er Definitionen an. substanz sei eine Sache, die keines Anderen Etwas zu ihrer Existenz bedarf, und als solche substanz welche keines Anderen bedarf, sei nur Gott zu nehmen. Alle anderen Dinge können nur bestehen durch Mitwirkung, assistenz Gottes. Nennt man auch andere Dinge sub- 15 stanz, so kommt dieser Ausdruck den Dingen nicht in demselben Sinne, nicht univoce zu. Cartesius sagt nun: ich erkenne nur 2 Gattungen der Dinge: das Denken und die Ausdehnung, die distinctio realis. Denn das Eine kann deutlich ohne das Andere gefaßt werden. Man kann, indem jedes Totalität für sich ist, jede der beiden Gattungen substanz nennen. Aber sie sind erschaffene substan- 20 zen. Dieß ist ihre Gemeinschaftlichkeit. Beide bedürfen des Concursus Gottes zu ihrer Existenz, sonst keines anderen. Andere Dinge bedürfen zu ihrer Existenz Anderer Dinge. substanzen sind ausdehnung und Denken weil sie um begriffen zu werden nur ihrer selbst und Gottes bedürfen, während andere Dinge einen weiten Zusammenhang mit Vielem haben. Dieß ist das Allgemeinste. Vom Be- 25 griff Gottes wird zum Erschaffenen fortgegangen zum Denken und zur Ausdeh1–2 an welcher … anzunehmen.] Hu: darauf liegt auch dass wir diess für evidend halten was auf dieser Grundlage für uns liegt.­  ­5 Eingeborene.] Hu: Eingebohrene – (Hieraus geht die Vorstellung ob die Ideen angebohren sind – diess beschaeftigte lange weise schon –­  ­7–10 Aber es … Bewußtseins.] Hu: aber dazu gehoert mehr als | zu sagen es ist im Geiste, dazu 312Hu 306. gehoert es abzuleiten als ein nothwendiges Produciren unseres Geistes) solche Wahrheiten sind: aus nichts wird Nichts etc.” (Diess sind logische Gesetze.)­  ­12 Definitionen] Hu: Definitionen, er sucht also was das Allgemeinste ist die Kategorien der Dinge.­  ­15 durch Mitwirkung, … Gottes.] Hu: vermöge eines Concursus Dei, eines Zusammenkommens” (Man nannte A sistenz dieses System, das Gott als bewirkend annimmt)­  ­19 Andere] Hu: Andere – bey 35 den Denken bedarf ich nicht die Bestimmung des Ausdehnens.­  Totalität] Hu: Totalitaet (Deswegen sagte Spinoza dass sie identisch sind)­  ­21–22 Beide bedürfen … anderen.] Hu: sie koennen aber so gefa st werden, weil sie Dinge sind, die allein des Concursus Gottes brauchen um verstanden zu werden –­   1  Wahrhaftigkeit] wahrhhftgkt­  ­2 wir nachtr. über der Zeile­  ­6 da nachtr. über gestr. dß­  ­13 ih- 40 rer] sr

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nung. Diese erschaffene substanzen nun haben eigenthümliche Attribute, wodurch ihre Essenz ausgedrückt wird. Ausdehnung ist die Essenz der Körperlichkeit, Denken des Geistes. Das Ausgedehnte wird nun besonders ausgeführt. Ueber diese Ausdehnung ist zu bemerken, daß das Wesen des Körpers rein als Ausdehnung gefaßt wird. Wenn wir vom Körper sprechen, fassen wir ihn als widerstandleistend und in physischen Eigenschaften, Carthesius dagegen hat sich davon überzeugt gehalten, daß Körperlichkeit und Ausdehnung dasselbe sei, daß nur die Ausdehnung das Wesentliche für die körperliche Welt sei. Diese soll gedacht werden. Für den Gedanken sei die Körperlichkeit nur ein ausgedehntes, während dessen weitere Bestimmungen nur | solche seien welche sich in dieser Sphäre halten: quantum der Ausdehnung, Bewegung, Ruhe, Trägheit. Die solidität, sagt er, werde erkannt durch unsere Berührung. Diese solidität, Geruch, Farbe, – dieß alles seien nur sinnliche Eindrücke. Wahr aber sei nur das deutlich gedachte – das Widerstandleisten hebe sich auf, wenn wir den Körper zerreiben. Aber dieß ist nur ein quantitativer Unterschied des Widerstandes. Aber Carthesius will nur das gelten lassen, was für den Gedanken ist, und sein Gedanke ist nur bis zum Gedanken der Ausdehnung gekommen. Von allen Eigenschaften sagt er sie seien bloße Modificationen der Ausdehnung. Es bringt ihm Ehre nur fürs wahre zu nehmen, welches für den Gedanken ist. Deshalb bleibt er bei der bloßen Mechanik stehen. Er sagte: gebt mir Materie (Ausdehnung) und Bewegung so will ich das Universum erbauen. Diese Bestimmungen sind ihm das Wesentliche. Die Mechanik ist daher von Cartesius ausgebildet, aber dieß ist nicht genügend. Eine weitere Bemerkung ist, daß Cartesius indem er sagt, die Ausdehnung sei die eine substanz, verständig in seiner Ausführung fortgeht, so daß seine Naturphilosophie nichts Anderes ist, als was eine empirische Physik liefern würde. Denn die Physik ist versuchend und denkend. Die Naturphilosophie dieser ganzen Zeit ist

1–5 Diese erschaffene … wird.] Hu: Er sagt noch dass die Substanzen mehrere Attribute haben – so 313Hu 307. 158 Denken macht das absolute Attribut des Geistes – aus denen die absoluten | Bestimmungen der Koer­per. Das Ausgedehnte kommt hier auf seine Wirbel. Salpeter, Pulver etc. In Ansehung dieses 30 Uebergangs zum Besondern ist 2 l e y zu bemerken 1o dass er das Wesen des Koerpers nur als Ausdehnung auffa st –­  ­12 werde erkannt … solidität,] Hu: wird durch den Wiederstand erkannt, diess aber dass er Wiederstand leistet,­  ­13 Eindrücke] Hu: Eigenschaften­  ­15–18 Aber Carthesius … Ausdehnung.] Hu: Die Hauptsache ist aber dass Kartesius nur Denken will, und dass er die Farbe etc nicht denkt, sondern als sinnliches fa st – dieses entfernt er einerseits aus der philosophie ander35 seits sucht er diess zurükzuführen auf die Ausdehnung.­  ­20 Mechanik] Hu: in der physik bey der Mechanik­  ­25–26.710,1 empirische Physik … Physik.] Hu: physik sein konnte – wir unterscheiden die Naturphilosophie von der physik. Seine Naturphilosophie also ist nichts mehr als die physik – Bey den Englaendern blieb das. 7  überzeugt nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­20–21M Des Cartes nachtr. über gestr. 40 spinozas­  ­23–24M Des Cartes nachtr. über gestr. spinoza­  ­27 haben] hat (Numeruswechsel)­  ­28 Be-

stimmungen] Bestimm. | Bestimmungen

a. Die Ausdehnung. Bei Carthesius nun ist die Ausdehnung, das Außereinander mit seinen Beziehungen: Ruhe Bewegung das Prinzip aller ausgedehnten Dinge, also seiner ganzen Körperwelt Alle andere Eigenschaften der Dinge seien als nur sinnlich wahrgenommen und nicht gedacht nicht das Wesen der Dinge, und da Carthesius nur bis zum Gedanken der Ausdehnung kam, so ist diese ihm das ­Prinzip Alle Eigenschaften sind unwesentliche Modificationen. Daher ist die ganze Betrachtung Des Cartes Rückführung alles Physischen und Organischen auf das Mechanische. Ferner indem Des Cartes einerseits verständig raisonnirend, anderseits versuchend fortgeht ist seine Naturphilosophie empiri­ sche Physik.

314 Hu 308.

710 b. Das Denken. Das Denken ist die Freiheit des reinen in seinem Gegenstande Bei-sich-seins.

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3. Das vermittelnde für Denken und Sein als der gegeneinander selbstständigen substanzen ist Gott.

315Hu 309. 159

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eine solche Physik. Es ist damit überhaupt der denkende Verstand welcher das Prinzip der Verstandesmetaphysik und der verständigen Wissenschaft wird. Was die andere substanz das Denken betrifft, so sagt Des Cartes: das Denken sei die Freiheit. Es kommt hier die Frage: daß die Menschen thun könnten, was Gottes Wille nicht ist. Er sagt: Gottes Allmacht und des Menschen Freiheit seien gewiß. Dabei müssen wir bleiben, wenn auch sich Widersprüche zeigen, die wir nicht lösen können. Auf dieser Seite des Denkens spricht er auch vom Erkennen. Doch alles hat die Gestalt eines verständigen Raisonnements, das ohne besonderes Interesse ist. | von seinen Gedanken wird besonders herausgehoben, daß Cartesius das Leben als eine Maschine ansah. Dieß hängt mit dem zusammen was wir sahen. Denn alles Natürliche führte Cartesius auf mechanische Wirksamkeit auf. Das Organische erscheint ihm auch nur in verständigen Beziehungen. Was die angeborenen Ideen betrifft, so versteht er darunter die Wahrheiten, welche sich unmittelbar als die wesentlichen vorfinden. Das Verhältniß von Seele und Leib faßt Cartesius so: das Denken ist die Seele die Ausdehnung der Leib. Beide sind substanzen d. h. keins bedarf um gefaßt zu werden des Begriffs des Anderen. D. h. sie können keinen directen Einfluß aufeinander haben. Sie haben nur Einfluß insofern sie an und für sich in Beziehung sind. Indem aber beide Totalität sind, bedarf keines des Anderen, beide sind gleichgültig und beziehungslos. Den physischen Einfluß der Seele auf den Leib hat Carthesius geleugnet. Es ist dieß freilich eine krasse Vorstellung. Denn in derselben ist Seele und Leib geschieden, und ihre Berührung ist eine äußerliche. Eine solche Vorstellung hat Carthesius nicht angenommen. Was nun den Grund der Veränderungen von Seele und Leib anbetrifft, ihre Vermittlung, so nimmt er als diesen Grund Gott an. Das bewirkende Mittelglied, daß die Bestimmung der

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6 –7  wenn auch … können.] Hu: die weitern Wiedersprüche sollen uns nicht abschrecken –­   ­8 –9 Doch alles … ist.] Hu: Diess hat aber auch nicht die Tiefe des speculativen Begriffs sondern hat die Gestalt eines verstaendigen Raesonemens. Der weitere Inhalt überhaupt ist ohne Intere se.­  ­ 10 Leben] Hu: Lebendige­  ­11 Dieß hängt … sahen.] Hu: bey den wenigen Fortschrietten damals 30 ist nicht zu bewundern, es flie st aber auch daraus was wir von ihm sagten,­  ­13–14 Was die … betrifft,] Hu: Eine andere Seite betrifft die angeborenen Ideen – davon ist schon gesprochen worden – Locke, Leibnitz haben diess mehr begründet.­  ­19–21 Sie haben … beziehungslos.] Hu: die Seele hat nur so weit Einflu s auf den Koerper in so fern sie ihn bedarf und so das oppositum – diess ist richtig – keines ist getrieben sich zu integrieren, iedes ist Totalitaet für sich – hat keine reale Be- 35 ziehung auf das | andere.­  ­26.711,1  Das bewirkende … Gott.] Hu: Wenn ich also einen Trieb habe, so folgt eine Veraenderung im Koerper, aber diess ist nicht eine direkte Wirksamkeit der Seele – sondern das Mittelglied, Gott, bewirkt diesen Zusammenhang. 6  Widersprüche] folgt nachtr. gestr: sich­  ­17 um nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­19 haben. nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­20 sind1 nachtr. über gestr. zu sein­  ­26 Grund 40 nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen

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Seele Bestimmung des Körpers wird, ist Gott. Wir sahen oben, daß Gott die Wahrheit der Vorstellungen sei, die Einheit, daß das Gedachte ebenso sei. Diese absolute Einheit des Unterschiedenen von Denken und Ausdehnung nennt Carthesius Gott. Bei dieser Vorstellung ist anzuerkennen, daß sie einerseits ganz richtig ist. Die endlichen Dinge sind diese Identität nur unvollkommen. Bei Carthesius erscheint Gott als ein Drittes neben den selbstständigen substanzen, dem Denken und Sein. Sie sind zwar nicht absolut für sich, sondern durch Gott erschaffen. Das Erschaffene aber ist eine Form der Vorstellung, kein Gedanke. | Diese Zurückführung auf den Gedanken hat spinoza gemacht. Er schließt sich unmittelbar an Carthesius an. In seinen Ausdrücken ist spinoza dem Carthesius gleich. spinoza war ein Jude, und seine Philosophie ist ein Nachklang des Morgenlandes. Die morgenländische Anschauung der absoluten Identität ist durch ihn der europäischen Philosophie, der allgemeinen Weise des Denkens, unmittelbar näher gebracht, in sie eingeführt. – Was spinozas Lebensumstände betrifft, so hieß er Baruch, ward zu Amsterdam 1632. geboren, aus einer portugiesischen Judenfamilie. Er schied früh aus der Synogoge 1666, und die Rabinner fürchteten, daß sein Ausscheiden würde ein böses Beispiel geben. Er kam durch talmutisti­ sche Streitigkeiten in Feindschaft mit den Rabinnern, so daß er kaum ihren Dolchen entfloh. Er entsagte der jüdischen Gemeinschaft, ohne dennoch Christ zu werden. Er legte sich nun auf die carthesianische Philosophie. Er lebte ruhig in einem Dorf im Haag und nährte sich mit der Verfertigung optischer Gläser. Denn ihn beschäftigte das Licht. Er fand mächtige Freunde; doch schlug er ihre Geschenke aus, ward auch nach Heidelberg von Carl Friedrich gerufen der ihm die Freiheit des Lehrens und des Schreibens insofern es nicht der herrschenden Reli­ gion widerstreite gab. Doch lehnte Spinoza diesen Antrag aus, indem er sagte nicht zu wissen, welche Grenzen ihm die Einschränkung mache, nicht gegen die christliche Religion lehren zu sollen. Spinoza starb 1677 im 45. Lebensjahr an der Schwindsucht. Seine Ethik kam erst nach seinem Tode heraus. Die Werke spinoza’s sind verrufen. Die protestantischen Theologen haben auf ihn noch größeren Haß als die Rabiner geworfen, zumal des tractatus theologico politicus wegen.

21 Er legte … Philosophie.] Hu: widmete sich den Kartesius – schrieb über ihn ein Werk – spaeter schrieb er den tractatus theologico politicus.­  ­23 Freunde] Hu: Protectoren­  ­28 Spinoza] Hu: 35 Lebte weiter in Holland als dem Lande der Tollerranz –­  ­29–32 Seine Ethik … wegen.] Hu: Sein Hauptwerk die Ethik ist erst nach seinem Tode herausgegeben worden. Paulus hat diese Werke 1807 17  1666 nachtr. über der Zeile­  ­20 entfloh] entfloch­  ­25–26 insofern es … widerstreite nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­28 lehren zu sollen.] (1) zu lehren. (2) lehren〈〈 .〉〉 (zu sollen. nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen)­ 

Indem aber Gott als die abstracte Unterschiedslose Einheit von Denken und Sein ist, so ist das Denken und Sein nicht als aus Gott selbst kommend begriffen, sondern dieser Unterschied ist vorgefunden. Ferner ist daher das Gesetztsein der substanzen durch Gott kein begreifendes Erkennen sondern Vorstellung, ebenso wie die Vermittlung des Unterschieds durch die absolute Identität. Was nun hier in der Form der Vorstellung ist hat spinoza in der Form des Gedankens gegeben. Dadurch aber fällt das Gesetztsein des Unterschieds weg, und insofern die absolute substanz die abstracte Einheit ist, ist der Unterschied nicht als Unterschied sondern als verschwundener oder vielmehr noch nicht gesetzter Unterschied bestimmt. Benedict spinoza zu Amsterdam 1632 geboren † 1677.

316 Hu 210

712 Philosophie spinoza’s

140 vHo Das Absolute ist die substanz als die unterschiedslose Einheit von Denken und Ausdehnung.

Indem diese substanz das Auslöschen von Denken und Ausdehnung ist, so ist es ein falscher Vorwurf, spinoza des Atheismus zu beschuldigen, denn er ist nicht das Unterscheiden nicht das Entgegensetzen der Natur als das Absolute gegen Gott, sondern das Auf heben des Unterschieds als das gegen die substanz Nichtige.

317Hu 311. 160

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Was die Philosophie spinozas betrifft, so ist sie der consequenter gemachte Carthesianismus. Zu Grunde liegt, daß das Wahre nur die eine substanz, welche | die absolute Einheit des Denkens und der Natur als der Ausdehnung sei. Nur diese ist, nur diese Gott. Dieß ist der wesentliche Gedanke. Gott ist die einzige substanz, Einheit des Denkens und der Ausdehnung. In diesem Ausdrucke sehen wir dieses, daß es mehr jetzt darauf ankommt das Wesen zu fassen als Einheit von Unterschieden. Der Gegensatz soll nicht weggelassen werden, er soll nicht mehr bei Seite gelegt sein. Worin der Gegensatz aufgelößt ist, ist das Absolute, das worin das Widerstreitende seine Auflösung hat. Die Gegensätze sind die tiefsten: Denken und Ausdehnung. Wir sagen sonst wohl Denken und Sein, aber Sein ist selbst eine solche Abstraction, welche leicht kann am Denken selbst kann aufgezeigt werden. Denn die einfache Beziehung auf sich, die das Denken ist, ist das Sein. Ausdehnung aber ist wesentlich vom Denken unterschieden: – Was nun dem spinozismus zum Vorwurf gemacht wird ist: er sei Atheismus, denn er mache Gott zur Natur, sie zum Gott. Aber spinoza setzt die Natur und Gott nicht entgegen, sondern die substanz ist Gott, welche weder Gott noch Natur ist; die Natur ist in diese substanz aufgegangen. Die Spinoza als Atheisten ausschreien scheinen sich für Gott zu bemühen, doch bemühen sie sich um das Endliche. Dreierlei Verhältniße nehmlich giebt es des Endlichen zu Gott. Erstens: nur das Endliche sei und Gott nicht. Dieß ist Atheïsmus. Das Zweite ist, daß nicht das Endliche das substantielle ist, sondern nur Gott, und das Endliche ist nicht, ist

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herausgegeben. Fr. Schlegel hatte diese Absicht gehabt – es war eine gute Speculation – weil damals die Rede war von Spinoza! (Absatz) Die protestantischen Theologen haben sich auf ihn geworfen. Zum theil aber das Wichtigste was man in neuern Zeiten über das Testament schrieb ist im 25 Tractatus theologico politicus enthalten. Pastor Kolerus schrieb eine Biografie Spinozas – lobt ihn, aber macht ihn herunter seiner religiösen Ansichten wegen.­  4 diese] Hu: diese Einheit ist, nur sie ist wahr,­  ­9 aufgelößt ist,] Hu: aufgelö st ist – will man fixiren.­  ­10–14 Die Gegensätze … unterschieden: –] Hu: Der Gegensatz ist nicht gefa st in abstrakter Form wie früher von Endlich und Unendlich etc. sondern es sind | tiefere Gedanken – Denken und Seyn setzen wir 30 entgegen es kann aber sehr leicht gezeigt werden dass Denken die Beziehung auf sich ist – es ist damit die einfache Gleichheit mit sich – damit Seyn. Es ist diess zwar nicht die tiefste Bestimmung des Denkens, aber es ist doch eine Bestimmung. Wird Sein nicht so abstrakt genommen, so ist es diess was Ausdehnung genannt worden.  ­17–18 die Natur … aufgegangen.] Hu: damit ist darin die Natur untergegangen.­   ­20 Endlichen] Hu: Endlichen worunter auch wir 35 gehoeren­  ­20–21 Erstens: nur … nicht.] Hu: erste waere – das Endliche das ist es und wir als Einzelne sind es, und nur sind wir es und Gott – so ist das Endliche Substanzielles 8M Ausdehnung.] (1) Sein. (2) Ausdehng. (nachtr. Verbesserung)  16 spinoza nachtr. über gestr. Gott­­  ­26 theologico] Ethic.­  37 Gott] ergänze: ist es nicht­  ­ so ist … Substanzielles am Rande mit Ver­ weiszeichen 40

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nur Schein. Das dritte Verhältniß wäre: Gott ist, und das Endliche ist auch, beide Seiten sind substantiell. Dieß verhältniß liegt der Vorstellung am nächsten. Beiden Seiten wird ihre Ehre gelassen. Bei solchem a u c h aber kann die Vernunft nicht stehen bleiben. Der Begriff muß die beiden Seiten nicht als absolut gegen einander lassen, sondern muß sie so fassen, daß in ihrer Einheit ihr Unterschied ewig hervorgehe, aber nicht zu einem Dualismus | versteinere, sondern sich ewig zurücknehme. Spinoza ist über die Vorstellung erhaben. Nach dem ersten Verhältniß ist nur das Endliche; nach dem Anderen nur Gott. Das erste ist die Eitelkeit, wenn die Willkühr des Willens und des Meinens zum Absoluten gemacht wird; und dieß ist Atheïsmus. Bei Spinoza dagegen ist gerade dieß Endliche nicht, kein substantielles sondern nur ein Modus. Der Spinozismus ist Akosmismus, nicht Atheïsmus. Das Endliche, das Weltwesen ist nichts Wahrhaftes für sich Bestehendes, sondern Gott allein. Somit ist denen, die spinoza des Atheismus angreifen, zu sagen, daß sie nicht Gott sondern das Weltwesen retten wollen. Was die Methode des spinoza betrifft, so ist sie die Weise des verständigen Erkennens, die geometrische Methode. Definitionen, Axiome beginnen; die Sätze, die Theoreme werden durch dieselben bewiesen. In neueren Zeiten hat besonders Jacobi aufgestellt, daß alles wissenschaftliche Erkennen auf Spinozismus führe, weil dieser allein die consequente Weise des Erkennens sei. Jacobi hält den spinozismus selbst für Atheismus weil Gott von der Welt nicht unterschieden sei. Aber im spinozismus hat die Welt noch gar kein Bestehen, keine Realität. Man kann die Behauptung Jacobi’s zugeben, wenn unter Erkennen nur ein verständi­ ges Erkennen, verstanden wird. Ein Hauptsatz bei spinoza ist: omnis determinatio est negatio, alles Endliche ist negatio. Nun kann von allem freilich aufgezeigt werden, daß es ein Bestimmtes, daß es ein Entgegengesetztes sei, und somit eine Negation in sich schließt, woraus folgt, daß weil Gott nur dieß Affirmative sei, alles andere nichts substantielles sondern nur Modification sei. Nach diesem

141rHo

Somit ist der spinozismus Akosmismus. Die Methode ist das verständige Erkennen, als Voraussetzen des Absoluten als Axiom und Definition, und Beweisen der Theoreme als zurückgeführt auf die Axiome. Der verständige Gang Spinozas besteht darin das Absolute als eine abstracte starre Identität des Unterschiedenen anzusehen, und somit allen Unterschied als ein nur negatives und somit gegen die Identi­ tät Nichtiges und durch sie in ihr aufgehobenes anzusehen so daß es gar nicht zum Unterschied im Absoluten kommt.

1–2 Gott ist, … substantiell.] Hu: Gott ist und wir und das Endliche das ist auch – und Gott ist 30 seiner Seite auch – so ist die Eine Seite so substanziell als das andere.­  ­2 der Vorstellung] Hu: un-

seren Vorstellungen­  ­4–7 Der Begriff … zurücknehme.] Hu: Das philosophische Bedurfni s ist zu fa sen die Einheit der Unterschiede, und zwar so dass der Unterschied nicht erlö sche, sondern aus der Einheit hervorgehe, aber darin nicht versteinere.­  ­12 Akosmismus] Hu: Akosmismus, wenn wir uns schlecht ausdrücken wollen­  ­16–17 Was die … Methode.] Hu: Das zweite was anzumer35 ken ist über Spinozismus – ist die demonstrative Methode in welcher diese philosophie vorgetragen, sie gehoert den Verstande an, es ist die mathematische Methode.­  ­19 Erkennen] Hu: Erkennen des Gottes­  ­20–22 sei. Jacobi … Realität.] Hu: sey. (: Jakobi stellt sich vor dass die Welt das perrennirende ist. Im Spinozismus ist hingegen die Welt nicht Substanzielles – perrennirendes.  :)­  ­23–24 Erkennen nur … Erkennen] Hu: Demonstration die Weise des verstaendigen Erkennens 40 22  die Welt nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen

318 Hu 212

714 Die wahrhafte Negation aber ist die absolute, die sich in sich selbst negirt als negation setzt, aber eben so nur ist als Auf heben dieser negation als negation und somit in ihrem Unterschiede Beziehung auf sich, und in dieser Identität in sich Unterschied bleibt.

Indem dem Spinozismus dieß Prinzip der Rückkehr zu sich fehlt ist er geistlos, und das Absolute die starre nicht zum wahrhaften sondern beim nur aufgehobenen Unterschiede bleibende Identität der substanz. Diese substanz ist causa sui als die Einheit von Denken und Sein, das Sein seiner durch sich selbst und durch kein Anderes.

142rHo 319 Hu 313. 161

320 Hu 214.

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Gang, der consequent ist, ist freilich alle Demonstration auf spinozismus führend. Aber die Negation ist nur einseitig aufgefaßt. Jedoch ein anderes ist die absolute Negativität gegen die Negation als solche. | Die wahrhafte absolute 141vHo Form ist die unendliche Negation, die sich selbst negirende die negation seiner setzende und auf hebende. Der Verstand nun kann ganz richtig fortgehen; aber er 5 bleibt einseitig, weil er nur immer eine Seite auftreten läßt. Die Negation ist nicht bloß Bestimmen, sondern Auf heben des Bestimmens. Die unendliche Form, welche das absolute Prinzip ist, findet sich im spinozismus nicht. Und deswegen hat sich das Bewußtsein gegen ihn aufgelehnt. Der Verstand wenn er consequent fortgeht hat nur einseitige Bestimmungen. Diese widersprechen sich 10 nicht, so geht er an der Einseitigkeit der Gleichheit fort. Die Negation der negation dagegen ist ein Widerspruch; sie hebt sich selbst auf und ist so affirmativ. Dieß kann der Verstand nicht fassen, denn es ist der Begriff, das Vernünftige, der Punkt, welcher das mangelhafte des spinozismus ist. Die absolute substanz ist die Einheit von Denken und Ausdehnung. Diese Ein- 15 heit, diese substanz, dieser Gott, dieser Gedanke, diese Anschauung, in welcher Denken und Ausdehnung aufgehoben sind, dieß ist der Anfang aller Philosophie. Aber nur Anfang, denn der Geist ist ein weiteres, lebensvolles. Der spinozismus ist starr und geistlos. Gott ist nicht als Geist als das Dreieinige gefaßt. Die substanz bleibt bei ihrer Starrheit, in sie geht nur alles hinein, sie schließt sich nicht 20 auf, ist nicht lebendig. Sie ist ein Abgrund, in welchen alles nur verschwindet. spinoza selbst ist an der Schwindsucht gestorben. spinoza beginnt mit Definitionen. Er fängt mit dem Grundbegriff der causa sui an. Sie ist das, dessen Wesen die Existenz in sich schließt, oder das, was nur als existirend gedacht werden kann. Die Einheit also ist schlechthin oben ange- 25 stellt. Um diese Einheit handelt es sich. Die Ursache ist eine wichtige Bestimmung. Die Ursach ist ein Anderes als die Wirkung. | Die Ursache seiner selbst, ist das 2–8 Jedoch ein … ist,] Hu: Die abstrakte | Negation ist anders als die unendliche absolute Negativitaet. Die Wahrhafte Affirmation ist die Negation der Negation. Wenn also der Gang der angegeben ist ganz bestimmt ist, richtig, so ist doch zugleich ein Mangel darin – der Gang ist richtig, jeder Satz ist richtig, 30 aber er drückt nur eine Seite aus – und diess thut der Verstand. Es ist hier nur die eine Negation aufgefa st. Und eben die unendliche Form was das princip ist der Subjektivitaet, persönlichkeit, Selbstbewustsein,­  ­9 Bewußtsein gegen … aufgelehnt.] Hu: religiose Bewustsein sich empört hat gegen den Spinozismus. Das Leibnizistische System hat das princip der Subjektivitaet gegen den Spinozismus geltend gemacht.­  ­13 das Vernünftige,] Hu: die Tiefe der Speculation,­  ­14 spinozismus ist.] Hu: 35 Spinozismus ausmacht, der noch weitere Consequenzen hat.­  ­21 Sie ist … Abgrund,] Hu: es ist | der Abgrund Gott –­  ­26 Die Ursache … Bestimmung.] Hu: C a u s a s u i ist ein sehr wichtiger Ausdruk  –­  ­27.715,1–2 Ursache seiner … Andersseins.] Hu: Ursache seiner selbst ist die Ursache die Wirkt, separirt, das aber was sie hervorbringt ist sie selbst, es ist damit das Auf heben des Andern seiner selbst. 1  alle Demonstration] (1) alles (2) alle (nachtr. aus alles) Demonstration (nachtr. am Rand)­  ­24 We- 40 sen nachtr. über gestr. Wssen

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Hervorbringen eines Anderen, das sie selbst ist, so ist sie nur das stete Auf heben ihres Andersseins. Wenn spinoza näher entwickelt hätte, was die causa sui ist, so würde seine substanz aufgehört haben das Starre zu sein. Die zweite Definition: dieß Endliche ist das, was durch ein anderes begrenzt wird. Der Gedanke wird durch den Gedanken der Körper durch den Körper begrenzt, nicht der Gedanke durch den Körper, nicht der Körper durch den Gedan­ ken. Beide sind Totalität für sich, und gleichgültig gegeneinander. Die dritte Definition ist: substanz sei, was in sich durch sich selbst begriffen wird, das zu seinem Begriff nur sich selbst bedarf. Was eines Anderen zu seinem Begriff bedarf ist nicht selbstständig. Die substanz aber ist das schlechthin Selbstständige auf sich beruhende. Die 4te Definition ist: Attribut ist das, was der Verstand als das faßt, was das Wesen der substanz ausmache. Das Attribut ist von der substanz verschieden, der Verstand faßt es als die Essenz der substanz. Dieß Wesen ist aber nicht höher als die substanz, sondern der Verstand betrachtet ihr Wesen. Aber dieß geht die substanz selbst nicht an. Sie kann als Denken und Ausdehnung betrachtet werden, aber diese beiden Weisen Betrachtungen in denen jeder von welcher sie als die Totalität ist, geht sie selbst nichts an. Das Attribut ist nur eine besondere Weise in welcher die Totalität der substanz gefaßt. Die Modification ist das, was in einem Anderen ist, wodurch es begriffen wird. Es entsprechen diese Bestimmungen den Formen, von Allgemeinem, Besonderem und Einzelnem. Aber man muß das Allgemeine als das Anundfürsichseiende Allgemeine nehmen als die substanz, das Besondere ist die concrete Gattung, welche das Allgemeine ganz in sich enthält, wie Gott als Sohn das Besondere gegen sich als vater ist. Das dritte scheint dem Einzelnen zu entsprechen. | Seiner nächsten Bestimmung nach ist es das Endliche als solches, tritt heraus aus der

4  anderes] Hu: anderes seiner Natur­  ­7 Beide sind … gegeneinander.] Hu: Das sahen wir bey Kartesius. Gedanke ist Totalitaet für sich, iedes ist das in sich geschlo sene – es hat also keine Beziehung auf ein anderes – Grenze ist Beziehung – damit keine Grenze hat.­  ­10 selbstständig.] Hu: selbstaendig. Um das Thier zu begreifen mu s man seine Beziehung zur Luft wi sen etc – es gehoert also zu den Begriff des Thieres ein anderes das gegen das Thier selbstaendig ist.­  ­18–19 Das Attribut … 321Hu 315. 162 gefaßt.] Hu: Substanz ist das was an und für sich – Attribut ist die selbe Totalitaet, aber in so fern der Verstand die Substanz fa st, dieses Befa sen ist aber eine besondere Weise nicht die Substanz selbst, es ist aber auch Totalitaet nach einer besonderen Weise.­  ­24–25 wie Gott … ist.] Hu: so dass der Sohn 35 den Vater enthaelt, so aber dass iedes Besondere die ganze Natur in sich hat –­  ­25–26.716,1–3 Seiner nächsten … Einzelheit] Hu: das Einzelne ist auch ein Allgemeines – was in aü seren Zusammenhang mit andern hervortritt, aber das Endliche. Das sind die Bestimmungen des Spinoza – das Letzte 1 0  ist1] ist / ist­  ­14 aber nachtr. am Zeilenende­  ­17 beiden Weisen … als] (1) Betrhtg in der sie in (2) ( beiden Weisen nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen) Betrhtgen (nachtr. aus Betrhtg) in denen 40 (nachtr. aus der) (jeder von welcher nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen) sie als (nachtr. über gestr. in)­  ­­34 besonderen] unsichere Lesung­  

Dieß Endliche dagegen ist das durch Anderes Seiende; dieß Endliche ist nicht

Das Absolute ist die substanz als das nur zu seinem Begriff sich selbst bedürfende. Attribut ist die Essenz der substanz welche der Verstand an der substanz sieht; der Unterschied. Dieser ist aber in der substanz nur als aufgehobener. Modus ist das was sei­ nen Begriff nicht in sich sondern nur in Anderem hat. So entspricht die substanz der Allgemein­ heit, das attribut der Besonderheit. Der Mangel des spinozismus nun ist, daß er das Dritte nicht Rückkehr zur Allge­ meinheit sein läßt, so daß diese den Unterschied aus sich selbst setzend, in dieser Unterschiedenheit ihrer zugleich als Aufgehobenheit des nur Unterschiedenseins γ.) Definition der ­Substanz

716 Allgemeinheit bleibend zur Einzelheit würde – sondern daß die Allgemeine substanz es zu keinem Unterschied kommen läßt, sondern ihn nur immer in ihre Einheit mit sich zurück nimmt, welche Einheit somit statt der absoluten nur die einfache abstracte ist. Das wahrhaft Unendliche ist dem Spinoza das Beisichselbstseiende. Doch ist diese Unendlichkeit selbst abstract indem sie sich nicht selbst als endlich setzt, sondern nur Auf hebung dieser Endlichkeit und somit das Garnichtsein der Endlichkeit ist. Das wahrhaft Unendliche aber ist, daß es diesen seinen Begriff zu sein als aufgehobene Endlichkeit setzt, also sich selbst negirend sich verendlicht, so wie das Endliche als in sich selbst das Negative, sich ver­u n­ end­licht, so daß das Unendliche nur ist als die aufgehobene aber ebenso setzende Endlichkeit, welche als das Gesetztsein dieses Gesetztsein in sich unendlich ist.

322Hu 216.

323Hu 317 163

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substanz. So ist es nicht das Einzelne des Begriffs. Der Mangel des spinozismus nun kann so gefaßt werden, daß spinoza das Dritte nur als das Vereinzelte als den Modus nimmt während die wahrhafte Einzelheit nicht nur die Entfernung vom Allgemeinen ist, sondern das Fürsichseiende sich selbst Bestimmende, das subjective, welches schlechthin die Rückkehr zum Allgemeinen ist. Es erfaßt sich selbst, faßt sich in sich zurück, ist dadurch bei sich in seiner Besonderheit, und somit das Allgemeine. Diese Rückkehr finden wir bei spinoza nicht; die substanz ist nur die starre, nicht die unendliche Form. Diese substanz hat die unendliche Form nicht an ihr. Eine 5te Definition ist die des Unendlichen, wo spinoza unterscheidet zwi­ schen dem absolut Unendlichen des intellectus und der imagination. Das Unendliche der Imagination ist der unendliche Progreß. Davon unterschieden ist der Unendliche intellectus als die unendliche affirmation. Als diese ist ihm ein Bild zwei Kreise die nicht concentrisch sind; die Ebene, die zwischen beiden liegt, kann nicht angegeben werden, sondern will man sie determiniren, kann man nur unendlich fortgehen hinaus und hinaus, und doch ist dieß Unendliche schlechthin affirmativ als die zwei Kreise. Das Gegenwärtige, Fertige ist das Unendliche. Dieß ist das Große der Bestimmung. Das Affirmative aber muß die nähere Bestimmung haben, Negation der Negation zu sein. Dieß sind die Grundbestimmungen des spinoza. Von Gott nun sagt er: die substanz Gott, sei das Unendliche, bestehend aus unendlichen Attributen, von welchen Jedes eine unendliche Essenz ausdrückt. Dieser Attribute sind 2: Denken und Ausdehnung.

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ist das Verkümmerte, Schlechte das zum Erkennen seiner eines andern bedarf – Der Mangel der 25 Spinozistischen philosophie kann so gefa st werden dass er eben das dritte als Modus fa st, als Einzelnes im schlechten Leben – die wahrhafte Einzelnheit wozu die Subjektivitaet gehoert ist­  ­24 anfängt.] Hu: anfaengt – in der Geometrie geht diess Wohl, aber nicht in der philosophie –­   7 Diese Rückkehr … nicht;] Hu: Diese Vereinigung des Einzelnen und Allgemeinen die ist es die Spinoza nicht | erreicht hat –­  ­11–16 Das Unendliche … hinaus,] Hu: Wenn wir von Raume sagen von Monde, geht es zun Sternen – und darin sucht man die Erhabenheiten – das ist die Unendlichkeit der 30 Imagination – so kann man in der Mathematik einen Bruch in decimalen Zahlen ausdrüken. Das Siebentel ist ein vollkommenes, iede Reihe kann gehen wohin sie will, so drükt sie doch nicht vollkommen das Siebentheil. – Mit dieser Bestimmung des Unendlichen hat sich Spinoza viel beschäftigt. Er zeichnete diess – in zwey Kreisen die nicht koncentrisch sind – (die peripherie des einen ist wo anders) Die Vorstellung erleütert er so: dieses von beiden Kreisen kann nicht angegeben werden, nur 35 durch unendliches Fortgehen kann sich die Bestimmung angeben streben,­  ­23 Dieser Attribute … Ausdehnung.] Hu: Er sagt die Substanz enthält unendliche Attribute – sie sind affirmative – aber man kann es auch nehmen als unendlich viele – aber Spinoza spricht nur von zwey Attributen, Denken und Ausdehnen. 1M Allgemeinheit] Allghht­  4 Bestimmende] folgt nachtr. gestr: ist   ­8M nur die nachtr. über der Zeile

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Das Mangelhafte der Methode nun ist, daß spinoza von Definitionen anfängt. Denn die Definitionen sind ihrem Inhalt nach Voraussetzungen. In der Philoso­ phie aber sollen solche nicht gemacht werden, | sondern der Inhalt soll bewiesen werden das an und für sich seiende Wahre zu sein. Die Definitionen müssen kei­ ne bloße Nominaldefinitionen sein: ob unter dem und dem Wort, in der That die und die angegebenen Bestimmungen enthalten seien. Definire ich ein △ so kommt es darauf an, ob die Bestimmungen, in die ich es zerlege die Vorstellung erschöpfen, oder nicht. Ein Anderes aber ist, ob solcher Inhalt an und für sich wahr sei. Dieß ist das Interesse des Philosophischen. Spinoza hat dieß nicht geleistet. Seine Definitionen zeigen zwar eine Einheit von Bestimmungen auf, aber erforderlich wäre gewesen, zu fragen ob dieser Inhalt das Wahrhafte wäre. Den wahrhaften Inhalt setzt spinoza voraus, und aller anderer wird auf diesen Ersten zurückgeführt. Die Hauptsache ist immer, daß Gott die substanz sei; Attribut ist das was Gott auffaßt ihn bestimmt. Wo kommt aber dieser Verstand her? Alles geht bei spinoza nur in die substanz hinein, sie selbst bestimmt sich nicht aus sich, schließt sich nicht auf; sondern die Bestimmungen werden äußerlich aufgenommen, und in die substanz aufgehoben. Der weitere Fortgang bei spinoza ist durch die Theoreme gemacht: Es könne nicht mehrere substanzen geben; was ist, ist in Gott und kann nur in Gott sein. Aus dem Begriff der Göttlichen Natur muß aus Unendlichem, Unendliches folgen. In den Definitionen sind die Beweise hiefür enthalten. – Das Schwierige beim spinozismus ist, bei den Unterscheidungen, die er im Bestimmten macht, die Beziehung des Bestimmten auf Gott so zu machen, daß das Bestimmte noch    anf ängt.] Hu: anfaengt – in der Geometrie geht diess Wohl, aber nicht in der philosophie –­  1 ­4 –8 Die Definitionen … nicht.] Hu: In Ansehung der Definition ist dann zu sehen ob sie nominal richtig ist – ob unter der Substanz etc die andern Menschen das Verstehen, was sich verstehe, und ob diess grade verstanden ist unter diesen Worte ob die angegebenen Bestimmungen die Sache erschöpfen – Das betrifft nur die Richtigkeit der Definition.­  ­9 wahr sei. … Philosophischen.] Hu: wahr ist. Bey der Definition des Dreieks, fragt es sich ob der Inhalt an und für sich wahr ist. Es fragt sich also ob der Inhalt von Substanz, Attribut an und für sich wahr ist.­  ­10  Seine Definitionen … auf,] Hu: er stellte Definitionen auf – die allerdings die Sachen erklären wollen als ein concretes in sich,­  ­12–13 und aller … zurückgeführt.] Hu: alles andere wird nur zurückgeführt auf diesen ersten Inhalt – ist der erste Inhalt wahr, so ist das folgende wahr – daraus ist dieser Inhalt transsuspendirt wie Aristoteles sich ausdrükt.­  ­19 substanzen geben;] Hu: Substanzen eines Attributs sein – au ser Gott kann es keine Substanz geben –­  kann nur … sein.] Hu: kann nicht ohne Gott begriffen werden – Gott ist die Ursache von Allen etc­  21 In den … enthalten.] Hu: Beweise von Solchen Sätzen flie sen aus, oder sind unmittelbar enthalten in den Angegebenen Definitionen. Substanz ist das was causa sui ist, in de sen Existenz der Begriff vorhanden ist – indem diess vorausgesetzt ist, so kann au ser Gott keine Substanz mehr sein.­  ­ 7  es] folgt nachtr. gestr: nicht­  ­8 ist nachtr. über der Zeile­  ­15 nur] folgt nachtr. gestr: alles­   nicht nachtr. über der Zeile­  ­27–28 ob die … erschöpfen am Rande mit Verweiszeichen

143rHo Das Mangelhafte der Methode des spinoza ist, daß das absolute als Voraussetzung ist, durch welche die Theoreme bewiesen werden, ohne daß sich zeigt wie das Vorausgesetzte sich selbst als diese Theoreme setzt, so daß es in diesem Setzen sei­ ner zu sich selbst kommt und so sich mit sich als Vorausgesetztem mit sich als sich selbst setzendem zusammenschließt.

So ist die substanz als das schlechthin mit sich selbst Einige vorausgesetzt, und aller Weltinhalt wird in diese Einheit aufgehoben ohne ebenso erhalten zu sein.

324 Hu 218.

718 Die Attribute sind die Totalität der in sich ihrer Nothwendigkeit nach gegliederten substanz in der Form der absoluten gegensätze, welche sich wieder zu sich modificiren ohne daß jedoch der Unterschied zum Bestehen käme, sondern nur | immer als in die Einheit der substanz zurückgenommen ist. Die Modi sind: der Ausdehnung: Ruhe und Bewegung. Des Denkens Verstand und Wille. Indem die aufgehobene Einheit dieser Attribute und Modi als das Absolute vorausgesetzt ist, so ist diese auch nur Setzen aufgehobener und somit gleichgültiger Unterschiede, Setzen ihrer als Modificationen, welche somit in ihrer Wahrheit nur als die eine substanz sind, zu der sie sich rückführen; was als Denken gesetzt ist und dessen Modificationen, ist auch als Ausdehnung gesetzt und umgekehrt, denn der Unterschied ist schlechthin aufgehoben. Daher betrachtet Spinoza auch die Natur nicht näher weil sie das schlechthin γ.) Jedes Attribut hat zwey modi: Ruhe und Bewegung, Verstand und Wille. c.) Ethik Spinozas. α.) die perceptionen des menschlichen Geistes.

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erhalten würde. In Betreff auf das Verhältniß von Denken und Sein, sagt er: es ist derselbe Inhalt, der in beiden Formen ist. Der existirende Cirkel und seine Idee ist dasselbe, nur unter verschiedenen Formen. So ist die Ordnung der ganzen Natur, dasselbe als die Ordnung der Ideen. Es ist eine absolute Entwicklung der substanz, die einmal als Natur und des Denkens erscheint. Es ist im höheren Sinn 5 dieses, daß Vernunft in der Natur sei. | Das Einzelne nun ist immer auf das Ab- 143vHo solute zurückgeführt. Der Menschengeist besteht aus Modificationen Gottes. Sagen wir der Menschengeist percipirt dieß und das, so heißt dieß: Gott hat in der Form des Menschengeistes, als diese Modification explicirt, diese und diese perception. Alles erscheint bei spinoza als Modification, so daß der ganze Com- 10 plexus des Seienden nur eine Art und Weise der substanz ist. Aus den 2 Attributen kommen 4 Modos: Ruhe und Bewegung, Verstand und Wille. Von Gott ist gesagt: er sei die freie Ursach, die nicht durch äußerliches determinirte, seine Wirksamkeit ist aus den Gesetzen seiner Natur nothwendig und ewig. Aber es bleibt nur bei diesen allgemeinen Bestimmungen stehen. Spino- 15 za sagt: Gott wird nicht durch Zwecke bestimmt wie das Gute. Denn das Gute könnte vorgestellt werden als ein außer Gott seiendes, das ihn determinirte. Gott aber wird nur durch seine Natur determinirt, und deswegen ist die Wirksamkeit Gottes seine Macht, seine potentia sein actus. Gott ist ein und alles, außer Gott kann nichts gedacht werden, alles außer 20 Gott ist Modification, die unseren Verstand so erscheint. Der Uebergang zum   In Betreff … Sein,] Hu: Zu zwey Attributen,­  ­2–3 Inhalt, der … Formen.] Hu: Inhalt der ein1 mal in der Form des Gedankens und in der Form der Ausdehnung ist – der Cirkel in der Natur und der Cirkel Gottes sind eins, sie unterscheiden sich nur durch die Attribute –­  ­ 4–5 Es ist … erscheint.] Hu: dies kann vorgestellt werden so es ist nicht nur eine Substanz aber auch eine und dieselbe Entwikelung, die ein mal in Gedanken erscheint das andere Mal in der Natur –­  ­6 Vernunft in … sei.] Hu: in der Natur Vernunft ist, und der Geist auch Vernunft ist­  ­7–10 Der Menschengeist … perception.] Hu: „die E senz des Menschen besteht aus Modificationen | der Attribute Gottes, das Aktuale Sein des Menschen ist die Idee eines individuell existirenden Dinges, wenn wir sagen dass der menschliche Geist diess fa st, so hei st es dass Gott in so fern er durch den Menschen explicirt wird, diese oder jene Idee hat. – Also Gott hat Inhalt, in so fern er in den Menschen gesetzt wird, so wird er percipirt, aber nicht als in Gott, sondern als in so fern er explicirt wird durch die Idee des Menschlichen Geistes.­  ­15 ewig. Aber … stehen.] Hu: Ewig, wie es aus der Natur des Winkels folgt dass die drey Winkel zwei rechte Winkel ausmachen. „Das ist recht aber das f o l g t ist das Unterschiedene.­  ­17 als ein … determinirte.] Hu: dass es eine existenz au ser ihm hat, so ist Gott das Fatum nicht die freie Ursache,­  ­19 seine potentia … actus.] Hu: actus und potentia ist nicht unterschieden, und das ist die Nothwendigkeit. Das sind allgemeine Ausdrüke nur.­  ­20–21 Gott ist … Gott] Hu: Sein Ethisches ist noch anzuführen. (Absatz) | Die Ausführung ist die Zurückführung auf frühere Satze ist pedantisch, und zwar trivial – denn es liegt in der Deduktion das was in der Definition ist. Die Hauptsache ist, dass Gott die Hauptsache ist – alles weitere 1 7  das] daß­  ­23 in der Form] und in der Form über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­25 dies kann … so am Rande mit Verweiszeichen­

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Besonderen ist so, daß dieses als ein vorhandenes sich zeigt, ohne daß dargestellt würde, es müsse aus der substanz dazu übergegangen werden. Beim Besonderen ist dann die stete Wiederholung, daß es eine Modification sei, die nichts an und für sich sei. So spricht spinoza vom menschlichen Geiste. Das Hauptwerk ist Ethik überschrieben, weil spinoza von den Sätzen über Gott anfängt, aber nicht wie Carthesius die Natur betrachtet, sondern sogleich zum Menschen übergeht und vom Ethischen spricht. Vom Menschen sagt er: seine Essenz bestehe aus Modificationen der Attribute Gottes. Diese Modificationen sind nur etwas in Beziehung auf unseren Verstand: Percipirt der Mensch etwas, so heißt dieß: Gott in seinen Modificationen als Mensch, hat | diese und diese Idee. Der Mensch ist eine Modification Gottes, in sofern diese den Verstand als Denken faßt. Hat Gott eine Idee im menschlichen Geiste von einem anderen Dinge dann sagen wir: der menschliche Geist percipire die Sache. Gott hat die Idee der menschliche Geist und einen Anderen. Diese Einheit ist die Perception. Er percepirt dann aber nur zum Theil, denn er hat ein Anderes inadaequates zum Gegenstand. Nur die Wahrheit ist adaequat. Eine Hauptsache ist die Auffassung des Ethischen. Ein Theil der Ethik handelt von der Moralität. Er spricht hier von den Affecten, Willensbestimmungen. Sind diese Affecten, und haben diese Einfluß auf den Willen so ist der Mensch in Knechtschaft. Die Freiheit sei die ewige Liebe Gottes. Sie kommt durch die Einheit der Natur des Geistes mit Gott her. Zur menschlichen Freiheit wird die wahrhafte Erkenntniß erfordert, die Erkenntniß in specie aeterni, im adaequaten Begriff. Die Sittlichkeit besteht darin alles auf Gott zurückzuführen. Er also läßt die ganze Welt in Gott untergehen, nur Gott ist, alles andere nicht. Es giebt

Andere gegen Gott ist und geht sogleich zum Menschengeist über als Aufgehobenheit der Modificationen in die substanz. Als diese Modificationen ist der Mensch: Verstand. Der menschliche Verstand ist selbst eine Modification Gottes als Denken aufgefaßt. Der Inhalt dieses Verstandes ist die | Perception. In ihrer Wahrheit ist diese nur Auf hebung aller Modificationen und Perceptiren Gottes als der absoluten substanz. Der Wille. Der Mensch durch die Modificationen der substanz zum Handeln d. h. zum Streben des geistigen sich selbst Erhaltens, bestimmt ist Knecht, und frei nur insofern er durch die substanz selbst bestimmt wird. Daher gehört zur Freiheit die Erkenntniß der substanz.

25 3 Modification] Hu: Erscheinung, Modification­  ­10–11 Der Mensch … faßt.] Hu: Der menschli­

che Geist ist also Explication des Göttlichen Geistes –­  ­12–15 im menschlichen … Gegenstand.] Hu: so hat er sie nicht nur in so fern Sie die Idee des Menschlichen Geistes construirt, sondern in so fern die Idee eines andern das hei st percipiren. Gott percipirt es nur zum Theil oder in adequat – es ist der Menschliche Geist und das Andere –­  ­18–23 Moralität. Er … Begriff.] Hu: Sittlichkeit, 30 Moralitaet – Hier spricht er von den Affekten: „sie machen die Menschliche Knechtschaft, dass unsere Freiheit bestehe auf einer ewigen Liebe zu Gott – diese Freiheit folgt aus der Natur des Geistes, in so fern sie durch die Natur Gottes betrachtet wird, ie mehr er Gott kennt desto mehr ist seine Furcht“ Er fordert also zur Freiheit des Menschen die wahrhafte Erkenntni s und das ist alles Sub specie aeterni zu betrachten – alles in | adaequaten Begriff zu betrachten.­  ­23–24.720,1–5 Er 35 also … wahr.] Hu: So ist Gott nur alles in Allen – deswegen ist es sein System Akosmismus. Die Moral des Spinoza ist bestimmt aber die Erhabenste, die Schönste – indem der Mensch überall auf Gott verwie sen. Er sagt: der Geist kann machen dass der alle Affectionen auf Gott zurückführt, was ist, ist durch Gott – in dem der Geist so alles Betrachtet, so befreiet er sich von den Affecten die nur – modi sind.“ 40 2M  ist nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen  4 spinoza] spinoza 〈〈 von〉〉 〈 der Natur〉〈〈 ,〉〉­ 

­21 Einheit der nachtr. über der Zeile mit Einfügungs­zeichen  ­

327Hu 321. 165

720 Die höchste Tugend ist daher die Thätigkeit: Gott zu erkennen.

Gott insofern er nur Ursach des in sich affirmativen ist, ist nicht Ursach des Bösen, welches nur in den Modificationen und daher nicht ist. Das Große nun also spinoza’s ist Gott als die Einheit der Unterschiede zu fassen, diese in die Einfachheit von Denken und Ausdehnung darzustellen und alles aus Gott zu begreifen. Der Mangel dieser Einheit ist, daß sie nur der aufgehobene Unterschied ist, und somit den Unterschied nicht als Unterschied sondern nur als aufgehobenen und daher gleichgültigen Unterschied setzt, der daher überall ebenso verschwindet so daß nur die eine substanz bleibt, welcher der Unterschied außerhalb fällt, und da sie nur wahr ist, in ihr sich auf hebt.

328 Hu 222.

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keine erhabenere Moral als die spinozas, denn die Erhabenheit ist, alles in die Bestimmung des Einen zu fassen, nur diese Betrachtung vor sich zu haben. Der Geist, sagt er, kann machen, alles zu Gott zurückzuführen, denn alles ist in Gott, die Affecten sind willkührlich, das Nothwendige aber Gott ist das Freie. Alle affecten auf Gott bezogen sind wahr. Jedes Ding schließt Gottes Essenz ein, 5 aber nur diese ist zu betrachten, nach dieser zu handeln. Durch diese Zurückführung kommt dem Menschen die Ruhe des Geistes, die höchste Tugend. Der Geist hat die Erkenntniß Gottes aus dieser Erkenntniß entspringt die Liebe Gottes, eine Freudigkeit, mit der Idee der Ursach. Gott selbst liebt sich mit ewiger intellectueller Liebe. 10 ten Vom Bösen spricht spinoza so im 36s seiner Briefe: | Gott ist die Ursache 144vHo von allem was eine Essenz ist, was ein Affirmatives in sich schließt, wirst Du beweisen, daß das Laster etwas sei, das in sich ein affirmatives sei, so will ich zugeben, Gott sei davon Ursach. Aber das Böse ist nur eine Negation, gehört nur zu den Modis, die Form des Bösen ist nicht die Essenz, so ist Gott nicht die 15 Ursach des Bösen. Nero’s Muttermord, insofern es etwas Affirmatives enthält: Wille, Vorstellung ect, ist Gottes; seine Lasterthat: Ungehorsam, Undankbarkeit ect ist aber ein Negatives, wovon Gott nicht Ursach. Das Verbrechen als solches ist negativ, nicht essentiell, und Gott ist nur substanziell. Ob nun gleich die Werke der Rechenschaft, die klare Idee von Gott haben, die gottlosen auch denken 20 aber nur irdisches vor sich haben, so ist dieses Denken als Denken wohl göttlich aber der Essenz nach unterschieden, wie Traurigkeit und Freude zwar von Gott abhängen aber die Traurigkeit nicht Freude ist. Was in sich selbst betrachtet für sich ist, schließt eine vollkommenheit ein, ist die Essenz der Sache, Privationen sind nur in Rücksicht auf unseren Verstand, nicht auf Gott. So ist hier die Rück- 25 8  entspringt die … Gottes,] Hu: entsteht die intellektuelle Liebe Gottes –­  ­11–25 Gott ist … Gott.] Hu: ich statuire dass Gott Ursache ist von Allen was eine E senz ist – Gott ist die absolute Ursache von allen Affirmationen – wenn du mir nun bewei en wirst dass das Bö se Affirmation ist, so werde ich es dir zugeben dass Gott Urheber des Bö sen ist – aber ich habe gezeigt dass das Bose nur eine privation ist, gehört nur zu den Modi, ist nicht Substanz, macht nicht eine Substanz – des- 30 wegen kann nicht gesagt werden dass Gott die Ursache des Boesen ist zB. Neros Muttermord war nicht etwas Affirmatives, Wille, Vorstellungen etc Nero’s sind alles Unaff irmatives. Neros Laster ist dass er sich Undankbar erwiesen hat. Das macht aber nicht das Verbrechen aus. Das Verbrechen besteht nur aus dem Negativen. Die Werke der Rechtschaffenen die die Idee Gottes haben und der Unrechtschaffenen die die Idee Gottes nicht betrachten sind nicht nur dem Grade nach sondern der 35 E senz nach unterschieden, so wie eine Mensch von Engel. Nur | das Affirmative ist die E senz – die privationen gehören nur uns an, aber nicht Gott.“ 3   in nachtr. über gestr. zu­  ­4 aber Gott ist nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­5 sind nachtr. über gestr. ist­  ­20 auch denken nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­21–22 ist dieses … aber] (1) snd dse (2) ist (nachtr. über gestr. snd) (Denken als Denken wohl göttlich aber nachtr. über der Zeile mit Ein­ 40 fügungs­zeichen)­  ­34–35 und der … betrachten am Rande mit Verweiszeichen ohne Entsprechung im Text

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sicht auf die Modificationen, und die auf Gott. Beides ist unterschieden. Und dieß ist das Mangelhafte. Bei spinoza ist unmittelbar Malebranche zu erwähnen. Seine Philosophie ist vollendeter Carthesianismus und spinozismus, aber in Form der Frömmigkeit. Es ist eine Gestalt, die um der frommen Form willen nicht den Widerspruch als der spinozismus fand. Nicolaus Malebranche ward zu Paris geboren, im Jahr 1638; einsam erzogen, widmete sich den Wissenschaften. Er bekam Carthesius Werk de homine zu sehen, und das entschied seine Liebe zur Philosophie. 1715 starb er 77 Jahr alt. Um seine Gedanken kurz anzugeben, so sagt er: das Wesen der Seele sei das Denken, der Materie die Ausdehnung; alles Weitere seien Modifikationen. Er beginnt mit dieser Zweiheit. | Beide sind schlechthin verschieden. Das Denken kann vom Außereinander seine Bestimmungen nicht erhalten. Das Denken ist die Thätigkeit des Allgemeinen. Die Seele kann ihre Begriffe nicht aus dem Außereinander erhalten, und nicht aus sich, was vereint nun beides: Gott. Gott ist die Einheit der äußerlichen Dinge und des Denkens. Gott hat von allem Ideen, hat alles erschaffen, ist aufs innigste mit dem Geiste vereinigt, der Ort der Geister, wie der Raum der Ort der Körper. Gott stellt die erschaffenen Dinge sich vor, so sieht die Seele in Identität mit Gott alle Dinge. Legt man dieß consequent auseinander, so ist es spinozismus; Malebranche läßt aber populär zunächst die Din­ ge und das Denken selbstständig bestehen, doch verfliegt diese Selbstständigkeit wenn man die Grundlage verfolgt. Die Allgegenwart, wenn man sie näher betrachtet, ist spinozismus. Eine weitere Bestimmung bei Malebranche ist die vom Unendlichen Allge­ meinen zum Verhältniß des Besonderen. Die Seele erkennt nichts als nur durch

Nicolas Malebranche. geb[.] zu Paris 1638 † 1715.

Er läßt zunächst scheinbar Denken und Ausdehnung selbstständig bestehen

145rHo

Aber er führt sie auf die spinozistische Einheit zurück, die Gott ist

Gott denkt sich im menschlichen Geiste

So erkennt die Seele nur alles in Gott.

25 2  Mangelhafte.] Hu: Mangelhafte bey Spinoza – dieses sehen wir in Leibnitz für sich geltend

gemacht.­  ­7–8 einsam erzogen, … Philosophie.] Hu: war kraenklich – erzogen worden in gro ser Zaertlichkeit. In der Congregation de l’Oratoire wurde er gebildet. Im vorbeygehen bey einem Laden fand er das Werk des Kartesius de homine. War aü serst fromm.­  ­11–14 Das Denken … Gott.] Hu: die Seele kann die Begriffe nicht von Aü serlichen Dingen erhalten – diese zwey Seiten 30 machen eine absolute Kluft zwischen einander. Beydes kann nicht zusammenkommen, die Seele kann die Begriffe nicht erhalten von der Welt, nicht aus sich erzeugen, sie koennen auch nicht angeboren seyn – was ist nun die Einheit zwischen Beiden – darüber sagt er – wir erkennen alle aü sern Dinge in Gott –­  ­15 Gott hat … Ideen,] Hu: er ist Allgegenwaertig,­  ­17–19 Körper. Gott … spinozismus;] Hu: Dinge. Gott ist der Schopfer, also in ihm ist die Vorstellung de sen was da isst. 35 Diess alles ist der Seele intellektuell in so fern sie mit Gott identisch.­  ­20–22 doch verfliegt … spinozismus.] Hu: nicht wie Spinoza – aber ihre Grundlage ist Gott. Er sagt Gott ist allgegenwaertig – er ist innig, das ist da selbe wie bey Spinoza – in so fern Spinozismus. Aber die Allgegenwart ist hier weiter nicht entwikelt. Wenn die Theologen von der Allgegenwart Gottes sprechen so ist diess bestimmt nur ein leeres Wort, mit dem kein Ernst gemacht ist. 40 1  die Modificationen nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­9 anzugeben] auzugeben (zu viele

u-Bogen)­  ­28 fand] fangt

329 Hu 323. 165

722 So ist die Vorstellung des Allgemeinen das schlechthin Erste, woraus die Modificationen verstanden werden

Und da wir das Wahrhafte nur in Gott schauen, so schauen wir es nur insofern Gott in uns ist. Gott ist der Wille sei­ ner selbst, so ist er im menschlichen Geist Rückführung seiner zu sich, da Gott aber die substanz ist, ist der Mensch nur Modification, diese aber in die Einheit aufgehoben, der Einzelne also ein gleichgültiger Unterschied. Auch Malebranche also hat wie Spinoza den Mangel das Endliche nicht zu seinem Rechte kommen zu lassen, sondern die substanz als den vernichteten Unterschied und somit als Verachtung des Endlichen auszusprechen, ohne die andere Seite geltend zu machen, daß das Absolute nur sei als Verendlichung sei­ ner selbst. Aber das Absolute ist nur als diese Verendlichung als der totale Weltinhalt. So kommt der Gedanke dazu diesen für das Absolute und allein zu betrachtende anzusehen.

330 Hu 224

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die Idee vom Unendlichen. Das Allgemeine ist das Erste, keine verworrene Vorstellung vom Einzelnen. Bei Locke ist das Einzelne das Erste. Bei Malebranche das Unendliche. Dieses muß vorausgehen. Vor dem Besonderen wird an das Allgemeine gedacht, alles Essentiale geht den besonderen Vorstellungen voran und ist das Erste, weil Gott dem Geiste gegenwärtig ist, und alle Dinge in der Einfachheit 5 seiner Natur enthält. Der Geist wäre nicht fähig die Gattungen ect zu denken, sähe er sie nicht in Eines eingeschlossen. Die deutliche Idee von Gott ist ewig. Alle besondere Vorstellungen sind nur Participationen des Unendlichen. Gott hat sein Sein nicht vom Endlichen, sondern dieß besteht nur in ihm. Gott hat sich selbst zum Zweck, denn Zweck ist das was der Wille will, Gott kann nur 10 das schlechthin wahrhafte zum Zweck haben. Es ist daher nothwendig, daß nicht nur unsere natürliche Liebe nach ihm strebt, | und daß unsere Erkenntniß 145vHo nur erkenne als was in Gott ist, denn das Denken ist nur durch und in der Einheit mit Gott. Wenn Gott einen Geist machte und ihm zum Gegenstand seiner Betrachtung die Sonne machte, so machte er ihn nicht für sich sondern für die 15 Sonne. Wir sehen Gott durch die Erkenntniß vom Ewigen. Wir schauen, wir wissen diese Wahrheiten, so schauen wir Gott. Malebranche hört ebenso wie Des Cartes auf sich mit Speculativem abzugeben, nachdem er vom Allgemeinen zur Abhandlung von den Irrthümern übergeht, über die Sinne, die Einbildungskraft spricht. Es ist dieß theils empirische 20 Psychologie, theils formelle Logik. Denn dieß ist jetzt die Weise der Reflexion über die besonderen Gegenstände. Es ist ein Räsonnement aus der Wahrnehmung, aus Thatsachen. Dieß ist die Weise dieser Zeit. Derjenige nun, der diese ganze Manier systematisch darstellte und zur Weise der Erkenntniß erhob, war Locke. 25 In Ansehung seines allgemeinen Verhältnisses ist schon bemerkt, daß er einen Gegensatz zu spinoza ausmacht, bei dem die substanz das allein Wahre ist, das Ewige, während von allem nur das Wahrheit ist, was durch sie begriffen wird. 2 –3 Erste. Bei … Dieses] Hu: Erste, das Allgemeine ist erst das produkt :) Die Seele erkennt also nur durch diese Idee – diese­  ­ 3–4 Vor dem … gedacht,] Hu: wollen wir das Besondere Erkennen, so 30 denken wir zuerst an das Allgemeine.­  ­5 Einfachheit] Hu: Einfachheit, Allgemeinheit­  ­7 sähe er … ewig.] Hu: haette er nicht Vorstellung von Gott. Die Allgemeine Idee koennen wir nur haben mit der Union mit Gott – denn sie ist nicht erschaffen –­  ­9 vom Endlichen,] Hu: von den endli­ chen Kreaturen.­  ­11 schlechthin wahrhafte] Hu: Gute, das Wahrhafte­  ­12 Liebe] Hu: Liebe, die Bewegung in unsern Geiste­  ­16–17 Wir sehen … Gott.] Hu: Alle Bewegungen sind nur für Gott. 35 Wir sehen | de cette vie – wir schauen, wir wi sen diese unveraenderlichen Wahrheiten.­  ­20 über die … spricht.] Hu: er spricht über die Art wie uns die Sinne taüschen koennen, und wie wir sich dabey verhalten mü sen.­  ­22–23 Es ist … Zeit.] Hu: diess nennte man in dieser Zeit philosophiren – Diess findet sich allgemein bey den Schriftstellern dieser Zeiten. 10  Zweck 2 ] Zeweck­  ­12 unsere2 ] unseren

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Locke ist das Gegenbild dieser Stufe; bei ihm nehmlich erscheint die Andere Seite, das Beschränkte, Negative, das Endliche. Das Endliche i s t bei ihm, es ist die Grundlage, wie bei Malebranche und spinoza nur Gott das Wahrhafte ist. spinoza that dem Negativen Unrecht, indem bei ihm das Bestimmte nur zu Grunde geht. Bei Locke ist das Bestimmte zum Fundament erhoben, zum Ausgangspunkt. Das Beschränkte ist hier aber nicht in seiner Unendlichkeit aufgefaßt. Das Endliche als Unendliches aufgefaßt sehen wir erst bei Leibnitz. Die Lockische Philosophie bringt mit, daß das Interesse dieses wird: nicht mehr das Wahre zu erkennen, sondern das subjective, wie wir zu den Vorstellungen kommen, zu den Ideen. Der ganze Gesichtspunkt des Philosophierens ändert sich, das Interesse beschränkt sich darauf, das Besondere in allgemeine Vorstellungen übergehen zu lassen. | Bei spinoza war auch Beziehung des Denkens auf das Auseinander aber diese Beziehung war die Identität beider die absolute substanz; die Bezogenen selbst sind Accidentelles, die substanz das Wahre. Bei Locke sind die Bezogenen: die Dinge und das subject das Geltende, und das Interesse ist die Weise ihrer Beziehung, das Hervorgehen allgemeiner Vorstellungen. Dieß tritt allerdings bei Malebranche schon ein. Doch ist sein Hauptinteresse jene absolute Einheit. Bei Locke gelten die Seiten als Grundlage. Bei Malebranche ist das Allgemeine vorausgesetzt; bei Locke beginnt das Einzelne, dessen Resultat das Allgemeine ist, während es bei den Anderen als an und für sich seiend erscheint, und kein nur vom subject Gemachtes ist. Locke’s Interesse ist psychologischer Art, eine Betrachtung des Weges, wie aus einzelnem Inhalt ein allgemeiner gebildet werde, es ist der Proceß der Umwandlung des Gefühls in die Vorstellung. Der Geist als Fühlen ist auf seiner untersten Stufe, und wandelt sein Fühlen in seine Form um. Etwas ganz Anderes ist, daß nicht das äußerliche die Quelle der Vorstellungen ist, sondern der Verstand. Aber die Hauptsache ist nicht diese Frage, ob die Quelle der Verstand oder die Erfahrung sei, sondern die Frage nach dem Inhalt selbst. Bei Locke hat die Wahrheit nur die Bedeutung der Richtigkeit, Uebereinstimmung der Vorstellung und ihres Inhalts. Es ist nur von der Relation des Dinges

2–3 Das Endliche … Grundlage,] Hu: Das durch die Sinne wahrgenommene ist die Grundlage.­  ­5 –6 zum Ausgangspunkt.] Hu: zum einzigen erhoben – von dem zu Gott übergegangen werden mu s.­  ­ 8–9 das Wahre … sondern] Hu: zu erkennen was wahr ist, was An und für sich ist, sondern eigentlich­  ­9–10 Vorstellungen kommen, … Ideen.] Hu: Vorstellungen besonders zu den 331Hu 325. 167 allgemeinen Vorstellungen oder Ideen kommen.­  ­11–12 darauf, das … lassen.] Hu: auf das Uebergehen von Sinnlichen die Subjektive Form zu allgemeinen Vorstellungen.­  ­26–27 Etwas ganz … Verstand.] Hu: Man kann Locke entgegensetzen dass nicht das Gefühl die Quelle der allgemeinen Vorstellung ist – wie Kant gethan.­  ­28 Verstand] Hu: Vernunft 7  erst nachtr. über der Zeile

Der Gedanke als die­ ser somit sich selbst verendlichende verliert das Absolute und tritt auf die Sphäre der Erscheinung der Relativität des Bewußtseins und seines Objects überhaupt. Daher ist das Interesse jetzt nicht die absolute Wahrheit, sondern das Verhältniß des subjectiven Denkens zu seinem Object.

Jetzt ist also die Frage nicht nach der Wahrheit an und für sich, sondern das Seiende, die Weltgesammtheit wird als das Wahre vorausgesetzt und nun gefragt wie diese Objectivität sich in das subjective Bewußtsein reflectirt und mit diesem übereinstimmt. Das Wahre ist also jetzt ein vom subject gemachtes nicht an und für sich. Das Wahre ist hier die allgemeine Vorstellung von den Dingen, und das Interesse die Frage nach der Art und Weise der Bildung dieser Vorstellungen. Denn wenn das Wissen des an und für sich Wahren nicht gefordert ist, bleibt das Besondere unbegreiflich und das Interesse des Begreifens ist überhaupt verloren, und hat sich in das untergeordnete umgewandelt, welches das Verhältniß des Gedachten zum Denken hat.

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Biographie Lockes. John Locke geb. zu Wrington 1632 † 1704.

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Philosophie Locke’s. Er beginnt mit der Widerlegung der angeborenen Ideen. Der Ausdruck Angeborensein ist unschicklich, sonst aber ist die Idee die Totalität ihrer Entwicklung in sich das Anundfürsich Wahre, welches nur ist als Production seiner durch sich selbst, aus seinem Dasein daher als Geist zu sich zurückkehrt und Wissen seiner von sich ist. Locke jedoch indem ihm dieses Anundfürsichseiende fehlt, setzt das Dasein desselben den Weltcomplexus für das Erste, den Geist aber als die Leerheit des Wissens überhaupt, dessen Inhalt dieser Complex ist, der ihm daher von Außen zukommt.

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und der Vorstellung die Rede, nicht vom Inhalt selbst, unabgesehen von dieser Relation. Das Interesse für die Wahrheit des Inhalts verschwindet ganz. Dieß ist der Standpunkt der Philosophie dieser Zeit und der ganzen Breite der Bildung, welche dem Prinzip nach die allgemeine Vorstellungsweise ist, und sich für Philosophie nimmt, wo das was Inhalt der Philosophie ist, wegfällt. Johann Locke ist in England 1632 geboren zu Wringthon, studirte zu Ox­ forth, scholastische Philosophie ließ er bei Seite liegen und studirte Carthesius. Dann studirte er Medizin. 1664 kam er nach Berlin. Dem Grafen Shaftesbury ward er nach seiner Rückkehr bekannt. | Als dieser Großcanzler ward gab er Locken ein Amt, das er aber aufgeben mußte und nach Montpellier ging, nach Shaftesbury’s Wiederaufnahme in’s Parlament ging er nach England zurück, wollte sich zu Oxford niederlassen, dort ward er von Jacob II verbannt, und hielt sich dann in Holland auf. In Holland sollte er gefangen werden, doch indem er bei Wilhelm von Oranien blieb, kehrte er mit diesem nach England zurück, gab dort 1694 sein Werk über den menschlichen Verstand heraus und starb 1704. Locke’s Philosophie ist sehr kurz aufzufassen. Er beginnt mit der Widerlegung der angeborenen Ideen. Die Form dieses Ausdrucks ist allerdings unschicklich. Die Entwicklung des Geistes ist zu wissen was er ist, dieß kann man nicht Angeborensein nennen. Er bringt sich aus sich hervor, und obgleich dieß durch das was dem Geist zunächst äußerlich erscheint, zu Stande kommt, so ist dieß doch kein Angeborensein. Das Widerlegen Locke’s ist empirisch. Man beruft sich, sagt er, auf allgemeine Uebereinstimmung. Diese aber finde nicht statt; alle Logische Sätze zB, sind solche welche man am ersten könnte für angeboren halten. Aber alle Kinder und viele Unwissende hätten keine Kenntniß davon. Weiter bemüht sich Locke darum, wie wir zu den Ideen kommen. Das womit das Denken beschäftigt ist, heißt er Ideen. Daß diese i m Geiste seien ist unbezweifelt. Solche Ideen sind: Farbe, Härte, Weichheit, Elephant ect. Trunkenheit u.s.w. Wie kommt der Mensch zu diesen? Setzen wir den Geist als weißes Papier voraus, ganz leer, wie kommt er zu den Ideen? Durch die Erfahrung. Erfahrung heißt einerseits sinnliche Wahrnehmung und anderseits allgemeine äußerliche Reflexion. Es ist nun freilich zu sagen, daß die Erfahrung, das erste sei. Im Geiste ist alles vorhanden,

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2   Das Interesse] Hu: Dieser Inhalt kann hier vorgefunden sein, oder erzeugt – das ist gleichgültig – | Das Intere se­  ­13 Holland auf.] Hu: Holland auf. Es war der Zufluchtsort von Allen 332Hu 226. Verbannten.­  ­21 Das Widerlegen] Hu: Die Thaetigkeit ist zunächst Reaction. Diese Wieder­le­ gung­  ­22–24 alle Logische … davon.] Hu: „Der Satz, was ist das ist” das ist wohl ein Triviales – 35 nichts giebt auf Himmel und Erde das nur S e y n sey. Diess | wollen wir auf die Seite stellen. Er 333Hu 327. 168 sagt: es giebt Menschen die von Solchen Sätzen keine Wi senschaft haben. 8  Shaftesbury] Schafsbury­  ­11 Shaftesbury’s] Schafsbury’s­  ­23 sind solche nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­   am nachtr. über der Zeile­  ­27M den Weltcomplexus nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­36 wollen wir] wollen wir | wollen wir­   40

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alles wird erfahren, aber dieß ist nur der | psychologische Weg des Geistes. Aber ein ganz Anderes ist zu fragen: ob was wir erfahren, wahr sei? In der Lockischen Philosophie ist das ganz untergeordnete Interesse dieses Ganges die Hauptsache. Es ist dieß freilich interessant zu sehen wie die Vorstellungen sich bilden, aber ein Anderes ist die Action des Geistes und ein Anderes die Betrachtung der Producte dieser Action. Locke bemüht sich nur um das Erste. Er stellt die Erfahrung als das Erste auf. Sie ist zunächst sensation, dann Reflexion, welche die Vorstellungen allgemein macht, zB. Ursach und Wirkung, Macht, Freiheit und Notwendigkeit. Die Art des Fortgangs die Deduction der allgemeinen Vorstellungen aus dem Einzelnen ist unerfreulich, langweilig und platt. ZB. Raum ist eine allgemeine Vorstellung. Diese bilden wir aus der Wahrnehmung. Wir nehmen die Entfernung unserer vom Körper und der Körper voneinander wahr. D. h. wir nehmen einen Raum wahr und abstrahiren von seinem Erfülltsein. Ebenso ist die Zeit ihm die ununterbrochene succession der Vorstellungen, also die Abstraction des Nacheinanders. substanz ist die häufige Dasselbigkeit der einfachen Vorstellungen wie weiß ect. Diese Dasselbigkeit ist der Träger der einfachen Vorstellungen. Von der Ursache und Wirkung sagt er: verschiedenes Besonderes beginnt zu existiren und wir nehmen wahr, daß dieser Beginn von der Wirksamkeit eines Anderen herkommt. Dadurch kommt uns die Vorstellung von Ursach und Wirkung. Die Vorstellung der Freiheit kommt uns, insofern jeder in sich die Macht hat anzufangen und aufzuhören. Diese Macht hat eine gewisse Ausdehnung. Wo diese nicht hinreicht erhalten wir die Vorstellung der Nothwendigkeit. Das Allgemeine nun, Gattung, Art, ist ein Erzeugniß des Verstandes, das kein Objectives ist, sondern auf Objecte sich nur bezieht. Die Gattungen erschöpfen die Gegenstände nicht, und die Gegenstände sind das reale, Wirkliche. Daß die Gattungen nichts an und für sich seien, beweißt Locke aus der Existenz der Mißgeburt. | Als wollte man sagen der Kreis sei nichts an und für sich weil Baumstämme nicht förmliche Kreise sind. Will man aus Mißgeburten gegen das Allgemeine raesonniren, so müßte man bedenken, daß die Natur gerade dieß ist,

1 –2 Aber ein … sei?] Hu: ein anderes ist aber das was in uns ist, das Wahre. Diess faellt hier auf die Seite, wenn man nur woher die Vorstellungen kommen, fragt.­  ­9 Macht,] Hu: Raum, Zeit, Macht,­  ­9–11 Die Art … platt.] Hu: Die Art wie er verfährt ist: dass er Unterschiede macht zwi334 Hu 228. schen primaeren und secundaeren Qualitaeten etc (zB Farbe | schon Des Cartes that diess) Die Hauptsache ist nun diese Art der Detuktion – sie ist jetzt etwas vollkommen plattes, lang­ weiliges.­  ­20 Wirkung.] Hu: Wirkung. Das Schmelzen des Wachses ist aber nicht hinreichend! so spricht er auch von der Freiheit und Nothwendigkeit.­  ­23 Nothwendigkeit.] Hu: Nothwendigkeit. Klar ist diess wohl, aber nicht intere sant! ­3 –4M Sensation als … der nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­7–8M Das Vorstellen … Vor40 stellung. nachtr. hinzugefügt   26 sind nachtr. über der Zeile

Die Quelle des Wissens ist die Erfahrung. Diese zuerst Sensation als Product der sinnlichen Wahrnehmung und dann Reflexion d. h. Setzen der abstract allgemei­ nen Vorstellungen. Das Vorstellen der Vorstellung. Die Deduction der allgemeinen Vorstellungen aus den Wahrnehmungen ist die Erhebung des Einzelnen zur Verstandesallgemeinheit durch Hinweglassung des Besonderen und Festhaltung der abstracten Dasselbigkeit oder der Gemeinschaflichkeit im Besonderen.

Die allgemeinen Vorstellungen nun sind die subjective gegen die objective Realität als das Wirkliche.

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β. Deduction einiger allgemeiner Vorstellungen aus der Erfahrung.

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Von den einzelnen Dingen anzufangen und zur Bildung des abstract Allgemeinen fortzugehen ist willkührlich und es kann ebenso von dem Allge­ meinen angefangen werden, als Thatsachen des Bewußtseins.

Dieser gedoppelte Gang ist der des Räsonnements überhaupt mit dem weiteren Interesse, welche solcher abstracten Allgemein­ heiten das Wesentliche in einem Concreten Gegenstande sei und die Grundlage der anderen.

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5.) Das aus der lockischen philosophie entsprungene Raisonnement – welches eine Vorstellung als das Wesentliche herausstellt α. Newton: Theorieen der endlichen Wi sen­schaften: ­physik.

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nicht vollständig dem Begriff adaequat sein zu können, weil das Allgemeine nur erst im Geist seine adaequate Weise der Existenz hat. – Die Lockesche Philosophie ist also dieses: die Entstehung der allgemeinen Vorstellungen aufzuzeigen, und dieses Aufzeigen ist einfach dieses, daß gesagt wird: die Wahrnehmung hat concrete Objecte, deren Seiten zu unterscheiden sind. Diese Unterschiede für sich festgehalten sind die Allgemeinen Vorstellungen: Raum, Zeit, Farbe, Saures, Süßes. Der Inhalt dieser Vorstellungen ist schlechthin in der Erfahrung gegeben. Es ist im Ganzen dieß Verfahren das Trivialste. Man kann ebenso sagen: es sei ganz willkührlich, daß Locke von den concreten Erfahrungen beginne und zu sagen, darin seien die allgemeinen Bestimmungen enthalten. Denn ebenso kann man von den allgemeinen Bestimmungen selbst anfangen, und von ihnen sagen: sie finden sich in dem Bewußtsein, denn es ist hier überall nur ein Finden. Dieß sind die späteren Thatsachen des Bewußtseins. Das allgemeine Verfahren der Lockeschen Philosophie für das Interesse den Ursprung der allgemeinen Vorstellungen anzugeben, ist dieses: bei der Wahrnehmung von Einzelnem anzufangen, vom Verschiedenen der Einen Bestimmung zu abstrahiren und diese daher als eine mit sich ohne Besonderheit identische als allgemein auszusprechen. Dieß ist das Verfahren des Räsonnements überhaupt. Ein weiteres ist nun zu fragen: was das Wesentliche dieser Allgemeinheiten sei? Bei Locke kommt dieß nicht vor, aber beim Räsonnement anderwärts. Hat man zB. den Staat vor sich, so ist dieß ein Complex von Vorstellungen: Wille des Regenten, Zwecke der Unterthanen, ihr Wohl, ihre Freiheit, ihre Furcht ect. Indem wir solchen Gegenstand betrachten und über ihn etwas festsetzen wollen, so ist die Frage nach einer Grundbestimmung | welche die Macht ist über die Anderen. Dieses Räsonnement ist es, welches jetzt die Stufe der allgemeinen Bildung wird. Das denkende Verhalten hüllt sich in diese Weise und nennt sich in dieser Zeit Philosophie. Von Wahrnehmungen, von Erfahrungen, die unmittelbar selbst in  –7  die Entstehung … Süßes.] Hu: die allgemeinen Vorstellungen aufzuklaeren, ihre Entstehung 3 aufzuwei sen, nicht ihre Wahrheit zu erklaeren. An einer jeden Concreten Sache kann man ver­ schiedene Seiten finden, abstrahirt man sie, so entstehen daraus diese allgemeinen lockischen Vor­ stel­lungen.­  ­8 in der … gegeben.] Hu: gegeben durch die Erfahrung, wir geben ihr nur die Abstraktion, die Absonderung.­  ­12–13 und von … Bewußtseins.] Hu: und statt zu sagen, dass wir in solchen Sachen Zeit, Identitaet finden, koennten wir sagen: wir finden in unseren Bewustsein die Vorstellungen der Identitaet, Zeit etc. Und spaeter wurde diess gesagt dass es Thatsachen des Bewustseins sind. Ueberhaupt braucht man diese Vorstellungen nicht herausprepariren aus dem con­ cre­ten.­  ­18–20 Dieß ist … anderwärts.] Hu: Diese Manier des Verfahrens liegt dem Raesonement zu Grunde, nur dass dem Raesonement diess noch zukommt, dass wir hier unter den Verschiedenen Vorstellungen unterscheiden mü sen welche die wesentliche ist. Bey der lockischen Analise ist davon im Ganzen nicht die Rede.­  ­25 Dieses Räsonnement … wird.] Hu: Diese Weise des Raesonemens ist es naeher die | besonders in England, dann aber auch weiter, 12  dem] folgt nachtr. gestr: concreten

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uns fallen, von Gefühlen, die wir haben, von Bestimmungen, Zwecken, die wir wesentlich wollen, die wir nicht glauben aufgeben zu können ohne uns Gewalt anzuthun, wird ausgegangen und aufgezeigt, wie solche Grundlagen das Treibende für alles gewesen seien. Dieser gegenwärtige Geist, diese Weise des Räsonnements, welche vom Eigenen, Innerlichen ausgeht, ist jetzt Philosophie. Es ist die Weise des Räsonnements, welche in allen Wissenschaften galt. Newton gilt für einen der größten Philosophen der Engländer. Er hat auf seine Weise erfahren, beobachtet, und das Erfahrene zu allgemeinen Gesichtspunkten erhoben, diese als Grundlage niedergelegt und daraus das Empirische abzuleiten gesucht; er hat Gesetze, Kräfte aufgesucht, Definitionen, Axiomen hingestellt. Und dieß ein Schritt weiter gegen spinoza, der mit Definitionen unberechtigt beginnt. Die Ableitung der Grundlage ist allerdings als ein Fortschritt zu schätzen; das Interesse daß solche Grundlagen selbst begründet werden sollen, hat seine Berechti­ gung, wenn auch die Art und Weise wie diese Berechtigung geltend gemacht wird, nicht die Gehörige ist. Die neuere Weise der Physik, der Mathematik, der Staatswissenschaft ist solches Räsonnement. Besonders ist Hobbes in dieser Rücksicht zu nennen, in seinem Werke: “de cive”. Er hat über die Natur der bürgerlichen Gesellschaft Prinzipien aufzustellen gesucht, Prinzipien die wir in uns finden, als unsere eigenen anerkennen. In England sind über den Staat die entgegengesetzte Meinungen aufgekommen: der passive Gehorsam der Unterthanen gegen den göttlich authorisirten Monarchen. Diese Meinung ist mit der Religion in Beziehung gebracht: Gott habe die monarchische Gewalt angeordnet. In England ist es dann geschehen, daß in den Bewegungen, die Cromwell veranlaßte, gerade das Gegentheil aus den heiligen Schriften | abgeleitet wurde. Alles Gesetzliche wurde aus dem Mosaïschen Gesetz genommen, aus

2 –4 die wir … seien.] Hu: so aber dass wir glauben wir waeren verkümmert könnten wir sie nicht vollführen. Diese Vorstellungen mu sten sich auch in der Geschichte offenbaren – so dass wenn sie verletzt wurden die Menschen sich eingeschraenkt fühlten.­  ­9–10 er hat … hingestellt.] Hu: Das ist die Theorie. Denn die Theorie beruht auf der Erhebung der Erfahrung zum Allgemeinen. Das 30 macht das Axiom, die Definition.­  ­15–16 Gehörige ist. … Räsonnement.] Hu: gehörige ist, so ist sie doch zu schätzen. Das ist überhaupt die Analyse der Erfahrung wie Locke nennt, und zugleich das Ausmachen was hier die Hauptbestimmung ist. Das ist die weise der Erfahrung, der Staatswi senschaft. Die Englaender sind besonders durch ihre Staatsverhaeltni se zur Theorie über die Staatsge-|walt früher getrieben als andere Volker.­  ­17 “de cive”] Hu: „de Cive” „Leviathan”­  35 ­21–25 Diese Meinung … wurde.] Hu: Dieser Grundsatz wurde angesehen als in Verbindung stehend mit dem alten Testament vornehmlich. Aus solchen Gründen ist die absolut willkührliche Gewalt behauptet worden. Es geschah zur Zeit Kromwells dass er auch zur Grundlage die Heilige Schrift nahm. Man wollte alles Zerstören sowohl Eigenthum als Staende.­  ­25 Alles Gesetzliche] Hu: die Ehegesetzte, Kriminalgesetze 40 16  Hobbes] Hoppes­  ­31 wie Locke nennt am Rande mit Verweiszeichen­  34­  Staatsge-|walt]

Staatsge-|gewalt

Dieses Räsonnement aus Gründen, welche entweder aus der Wahrnehmung zu allgemeinen Vorstellun­ gen und Gedankenbestimmungen fortgebildet oder als Thatsachen des Bewußtseins aufgenommen sind, wird jetzt Philosophie.

Dieses Philosophiren richtet sich gegen alle Autorität nicht der unmittelbaren Wahrnehmungen, sondern aller geistigen Offenbarung der Religion.

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149rHo Leibnitz geboren zu Leipzig 1646 † 1716.

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einem Jenseitigen, aus Verhältnissen die gelten, als durch göttlichen Befehl festgesetzt. Dagegen trat das Räsonnement auf aus Gründen, die in uns selbst liegen, nicht fern sind, sondern uns nahe. Hobbes hat allerdings den passiven Gehorsam, die absolute Willkühr königlicher Gewalt behauptet, doch die Art und Weise der Gründe, die er feststellt, ist, daß er aus eigenthümlichen verhältnissen sie hernimmt. Er sagt: der Ursprung aller Gesellschaft sei die Furcht. Die Menschen fürchten sich vor einander. Diese Furcht ist als Grundlage hingestellt. Jede Gesellschaft werde geschlossen aus Eigennutz; alles Gründe, die nicht Jenseits liegen. Die Menschen haben natürliche Gleichheit, und dieß leitet er daher ab, weil Jeder den Anderen umbringen könne, jeder also ein Schwaches gegen den Anderen sei. Der natürliche Mensch habe den Willen den Anderen zu verletzen. Gewalt auszuüben ist freilich der natürliche Trieb. Aber Jeder hat auch den Willen sich gegen die Anmaßung des Anderen zu sichern. Der Naturzustand sei deswegen ein Zustand des Krieges und Mißtrauens aller gegen Alle. Er muß verlassen werden. Dem Naturrechte nach verleiht eine unwiderstehliche Macht das Recht daß der Mächtige herrsche. Die Gesetze haben den Sinn diese Macht aufzuheben und den Privatwillen dem allgemeinen Willen zu unterwerfen. Der Regent sei der allgemeine Wille. Dieser sei daher nicht verantwortlich und alle müssen ihm gehorchen. – Hier herrscht eine Zweideutigkeit. Aus dem Ganzen erhellt, daß auf ganz Andere Gesichtspunkte, als göttlicher Befehl, Rücksicht genommen wird. Eigene gegenwärtige Zwecke der Menschen werden betrachtet und nur gesehen, welches das Wesentliche, Bestimmende sei. Hugo Grotius in dieserselben Zeit betrachtete den Staat auf ähnliche Weise. Dieser Weg des Räsonnements hat die Gegenwart des Geistes; die | Wahrnehmung und die Innerlichkeit des Gemüthes in allgemeine Form erhoben als Grundlage hingelegt. Und dieß ist das Hauptmoment dessen, was Bildung heißt. Die dritte Philosophie dieses Abschnittes ist die Leibnitzische Philosophie. Leibnitz macht den Gegensatz gegen Locke und gegen spinoza. spinoza hat die allgemeine substanz als das Absolute. Bei Locke ist die Totalität der Endlichkeit

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5–6  eigenthümlichen verhältnissen … hernimmt.] Hu: natürlichen Verhaeltni sen, eigenthümli- 30 chen Zwecken der Menschen genommen.­  ­14 Krieges und … Alle.] Hu: offentlichen Krieges, oder wenigstens der Gesinnungen,­  ­15 Naturrechte nach] Hu: Natur Recht nach (es ist nicht das Recht der Freiheit)­  ­16–18 Die Gesetze … Wille.] Hu: Von da geht er zu den Gesetzen der Vernunft die zum Zweck haben den Allgemeinen Willen zu erheben, und ihm den privat willen zu unterwerfen” Das ist Richtig – davon geht er zur Begründung des Willens des Regenten.­  35 ­23–24 Hugo Grotius … Weg] Hu: H u g o G r o t i u s hat auch die Erfahrung zu Grunde gelegt, was bey den Völkern gegolten hat – auch die Empfindung. Kurz dieser Weg­  ­26 Und dieß … heißt.] Hu: Das ist die B i l d u n g wenigstens macht es das Moment der Bildung. Diese weise des Raesonirens koennen wir nicht als philosophie ansehen­  ­28 Locke und] Hu: Locke, Newton | aber auch 3  Hobbes] Hoppes­  ­14 Alle] Aller

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die Grundlage. Leibnitzens Grundprinzip ist das Individuelle, die Monade. Wir sehen hier das Vollständige jener ersten Seiten auftreten. Leibnitz ist ein geborener Leipziger; sein Vater war zu Leipzig Professor der Philosophie. Dort studirte Leibnitz dann zu Jena Philosophie und Mathematik bei Weigel. Seine Bildung war zunächst polyhistorisch. Den Doctorgrad erwarb er sich durch thesen de principiis individui. Seine eigentliche Wissenschaft war Jurisprudenz. Die Doctorwürde aber in dieser wurde ihm abgeschlagen. Er ging nach Altdorf, nach Nürnberg, wo er eine Gesellschaft Alchimisten fand, in deren obscure Wissenschaft er sich hineinstudirte. Dann war er Lehrer von Herrn von Boineburg. Mit diesem ging er nach Paris. Dort brachte er 4 Jahre zu und beschäftigte sich mit der Mathematik. Sodann reißte er nach England, wo er mit Newton bekannt ward. Leibnitz erfand den Differential-Calcul, worüber ein Streit entstand, indem die Engländer den Newton als Erfinder behaupteten. Newton ging nicht redlich zu Werke. Er selbst läßt in einer ersten Ausgabe sei­ ner Werke dem Leibnitz in einer Anmerkung Gerechtigkeit widerfahren; in der späteren ist diese weggelassen. Nach dem Aufenthalt in England kehrte Leibnitz nach Deutschland zum Herzog von Braunschweig zurück, der ihn in seinen Dienst nahm mit der Erlaubniß fremde Länder zu bereisen. Er ging nach Italien Urkunden über das Haus Este zu sammeln, von welchem das Braunschweigische abstammte. | Ferner durchreißte er Deutschland, in Hannover ließ er sich vornehmlich nieder. Auch in Berlin war er eine Zeitlang, und seine Bekanntschaft mit der Gemahlin Friedrich I ward veranlassung zur Stiftung der Academie. Leibnitz arbeitete in vielen Fächern, in der Philosophie, Geschichte und Mathematik. Was seine Philosophie anbetrifft, so gibt keines seiner Werke ein System derselben. Ein Hauptwerk ist das gegen Locke, doch ist dieß widerlegend. Berühmter ist seine Theodicee, die jedoch mehr populär geschrieben ist, und zwar gegen Baile. Forscht man nach speculativer Philosophie in diesem Werk, so findet man sich nicht befriedigt. Seine eigentlichen philosophischen Gedanken sind mehr in gelegentlichen Erläuterungen und kleinen Schriften auseinandergelegt; die Philosophie kommt beiläufig vor. Am einfachsten enthält sie die kleine Schrift “Princi­ pes de la nature et de la grace”, an den Prinz Eugen von savoyen. Den Frauen hat er seine Gedanken oft populär auszudrücken gewußt. 1–2 Individuelle, die … auftreten.] Hu: Individuelle, das Atome, die Atome ist das andere Moment

35 zur Substanz. So sehen wir die entgegengesetzten prinzipien zwar au ser einander geworfen, aber

doch sich vervollstaendigen.­  ­16 weggelassen.] Hu: ausgela sen. In Rekel Ausgabe findet sich das 340 Hu 234. ebenfalls.­  ­28 Baile.] Hu: Bayle. Es ist geschrieben für die Koenigin Charlotte. 7  in dieser nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­15 in einer Anmerkung nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­16 diese nachtr. über gestr. sie­  ­36 Rekel] sc. Recueil

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Philosophie des ­L eibnitz. Sie schließt das Prinzip spinozas mit dem Locke’s zusammen. Bei spinoza nehmlich ist die ununterschiedene substanz das Absolute, wogegen Locke den ganzen Weltinhalt als das wirkliche geltend macht. Das Prinzip ­L eibnitzens ist die Thätigkeit des

730 ­Unterscheidens in der substanz selbst; das Prinzip der Individualität, als der Einheit in sich in seinem sich in sich Unterscheiden. A. Die Monade als solche. Diese substanz ist die Monade. a. Diese als das in sich selbst unendliche Fürsichsein ist unveränderlich von Außen.

Diese Monaden haben weder das Verhältniß der Influenz gegeneinander, d. h. des äußerlichen Uebergehens, noch der Ursach und Wirkung, da sie in sich selbst bestimmt sind. b. Die Monaden sind das schlechthin in sich selbst unterschiedene.

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b.) die Monade bestimmt sich nur aus sich selbst

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Wie bei spinoza die substanz das Prinzip, so ist bei Leibnitz die Grundbestimmung: die Monaden, die vielen Monaden. Es sind dieß nicht die Atome des Epicur. Die Monaden sind nicht materiell, entstehen vergehen nicht natürlich sondern nur durch Schöpfung. Der Character der Leibnitzischen Philosophie ist, daß alles Philosophiren als Behauptung erscheint, als willkührliche Vorstellun­ 5 gen. Erst durch die Erläuterung lernt man die Bestimmungen schätzen. Die ganze Weise ist das Gebrauchen mehr von äußeren Gründen, nicht die innere Nothwendigkeit läßt ihn die Bestimmungen entwickeln. Die Monaden sind einfache substanzen, substanz als das der Thätigkeit Fähige sich in sich Unterscheidende. Weil sie weiter entweder einfache oder zusammen- 10 gesetzte sind, dieses nicht ohne das Erste. Dieser Grund ist oberflächlich, denn Zusammengesetztsein ist nur Bestehen aus Einfachen. – Weiter sagt Leibnitz: zwischen den Monaden sei keine ursachliche Verbindung. Die Verbindung 150rHo nehmlich | sei dreifach: Einfluß, Assistenz und Harmonie. Das Verhältniß der Influenz sei das der gewöhnlichen Vorstellung. Doch sei 15 nicht zu begreifen, wie immaterielle Partikelchen in einander übergehen, so muß man diese Bestimmung verlassen. Setzt man das Viele als reelles, so kann allerdings kein Uebergang sein, denn jedes ist ein Selbständiges. Einfluß haben kommt auf diesen Uebergang heraus. – Assistenz ist die Verbindung, daß Gott 20 das Bestimmende sei. – Das Verhältniß der Wahrheit ist das der Harmonie. Die Monade ist für sich einfach, unbestimmbar durch ein Anderes, unvernichtbar, in sich beschlossen; kein Anderes kann in sie hinein, sie nicht heraus. Das Dritte ist, daß die Monaden Bestimmungen an ihnen selbst haben müssen, wodurch sie sich von anderen unterscheiden. Diese Bestimmungen aber sind inne2 –3 die Monaden, … Epicur.] Hu: das Individuelle, die vielen Substanzen, es sind die Monaden. Er 25 nennt sie nicht Atome. Er sagt von ihnen dass sie substanzielle Formen sind.­  ­ 6–8 Die ganze … entwickeln.] Hu: Seine Art ist diess: dass er aü sere Grunde braucht um etwas festzustellen – Er sagt: weil diess und diess nicht sein kann so mu s diess und dieses sein etc. Es sind überhaupt nur aü sere Rucksichten. Diese mu s man aber zu schaetzen wi sen.­  ­13 sei keine … Verbindung.] Hu: kann keine Ursachliche Bestimmung statt finden”­  ­15 gewöhnlichen Vorstellung] Hu: populaeren philo­ 30 sophie­  ­18 Selbständiges.] Hu: Selbststaendiges, Unveraenderliches.­  ­19–20 Assistenz ist … sei.] Hu: Bey Kartesius haben wir gesehen dass Gott eine A sistenz ist.­  ­21–22 Die Monade … heraus.] Hu: „Jede Monade ist also Einfach – und sie kann nicht durch andere bestimmt werden – denn das macht das Setzen eines Anderen in ihr, das Vernichten. Sie kann weder aus sich heraus, weder das Andere hinein.” Das ist das 2t e Verhaeltni s. Es ist das Spinozistische Verhaeltni s, wir sahen bey ihm 35 dass das Denken auf das Ausdehnen keinen Einflu s hat. So fa st Leibnitz die Monade ohne Ein­ wirkung.­  ­23 Bestimmungen an … selbst] Hu: Qualitaeten­  ­24.731,1  Diese Bestimmungen … Qualitäten.] Hu: diese sind nicht von Au sen sondern als Bestimmungen innerer Aktionen. 9  einfache nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­   als nachtr. über der Zeile­  ­9–10 Fähige sich … entweder] (1) Fähige. Sie sind (2) Fähige〈〈 .〉〉 (sich in sich Untersheidende. Weil sie weiter 40 entweder nachtr. mit Einfügungszeichen über gestr. Sie sind)­  ­17 verlassen] veranlassen

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re Qualitäten. Hier kommt ein wichtiger Satz, nehmlich der Grundsatz des Nicht zu unterscheidenden: was nicht an ihm selbst zu unterscheiden ist, ist nicht zu unterscheiden. Dieß ist nicht von der Sinnlichen Sphäre zu nehmen. Denn das Wesentliche ist, daß der Unterschied Unterschied an ihm selbst sein muß, nicht bloß äußerlicher Unterschied. Größe zB. ist ein solcher Unterschied der Vergleichung. Der Unterschied muß als eine Bestimmung gefaßt werden, die dem Individuum an ihm selbst zukommt. Was eigenthümlich sein soll muß immanente Bestimmungen haben. Was solche nicht hat ist für den Gedanken nicht unterschieden. Die bloß Vielen als Eins sind nur Ein Eins. Das 4te ist, daß die Bestimmtheit und die Veränderung derselben eine Innerlichkeit der Monade selbst ist; die Monade hat in sich eine Vielheit der Bestimmungen, eingeschlossen in die Einfachheit der Monade. Solche Veränderung in der Einfachheit nennt Leibnitz eine Perception und daher sagt er: alle Monaden seien vorstellend. Dieß kommt ebenso dem Körperlichen zu. Das Prinzip des Körperlichen sind Monaden, Vorstellungen. | Dadurch wird das Leibnitzische System Intellectualität. Es liegt näher darin die Wurzel des Begriffs, die Eingeschlossenheit des Unterschieds in die Einheit. Der große Gedanke ist, daß die Unterschiede was dem sinnlichen Bewußtsein auseinanderfällt, in der Einfachheit bei sich selbst bleiben. Die Monade ist thätig, Unterschiedenheit in Einem. Es ist dieß also nicht der sinnliche Unterschied sondern der Unterschied wie ihn der Gedanke faßt, als in Einem mit seinem Unterschiedenen. Die Monade ist 5tens nicht nur vorstellend, sondern Veränderung in sich selbst und darin Gleichheit mit sich. Diese Veränderung gründet sich auf Thätigkeit, diese Thätigkeit des inneren Prinzips, der Fortgang von einer Perception zur Anderen ist der appetitus, das Begehren. Dieß sind die Grundbestimmungen.

3 Dieß ist … nehmen.] Hu: In dem gewöhnlichen Sinne, ob zB. zwey gleiche Tropfen Wa ser sind, 342Hu 336. oder nicht hat diese Bestimmung nichts.­  ­7–9 Was eigenthümlich … unterschieden.] Hu: Das wesentliche ist dass der Unterschied gefa st werden mu s als Immanentes des Individuums selbst. 30 Wenn das Ding sich unterscheiden soll von anderen, so mu s man es nicht nur objektiv nehmen – die Zaehne des Thieres sind nicht nur für uns unterschieden, sondern das Thier wehrt sich selbst gegen andere Thiere durch seine Zähne. Was nicht solche eigenthümliche Unterschiede aus sich hat gegen anderes, so ist diess nicht unterschieden für den Gedanken.­  ­14 Körperlichen] Hu: Materiellen­  ­14–15 des Körperlichen] Hu: der Materie­  ­16–22 Intellectualität. Es … Unter35 schiedenen.] Hu: Idealismus genannt. Es ist die Einheit des Unterschiedes – da selbe aber das Hohere ist das was I c h Begriff nenne. Es ist der Gro se Gedanke – Zum Begriff gehoeren Zwey – diese sind im Raume des Verstandes oder der Natur – Indem Leibnitz das Vorstellen zum Grunde macht – so ist es eben die Einheit der Unterschiedenen. Da selbe ist was Leibnitz sagt: dass die Mo343Hu 337. 173 nade thaetig ist | das macht eben die Einheit im Unterschiede.

Dadurch ist ihr Unterschied von Anderen nicht äußerlicher Unterschied sondern ihr Unterschied an ihnen selbst. c. Indem die Monade in sich selbst unterschieden ist, ist sie ein außereinander und Uebergang ihrer in sich, also Veränderung; indem sie darin aber sich selbst gleich bleibt, und daher die Idealität ihrer Unterschiedenheit, die Rücknahme in ihre Einfachheit ist, ist sie perception: vorstellende Monade. α. die vorstellende Monade daher ist die Einheit mit sich in ihrer Unterschiedenheit, und somit intellectuell. β. Diese Intellectualität ist die Monade nur in sofern sie in sich selbst ihre Unterschie­ de bethätigt. Der Fortgang einer Perception zur anderen ist daher auch das eigene innerliche Prinzip der Monade; ihr appetitus.

732 γ. Dadurch ist die Monade die innerliche Thätigkeit und Production ihrer Perception sie ist spontan. B. Unterscheidung der Monaden. a. Die Monade an sich ist die nur vorstellende; die materielle. b. Die für sichseiende ist die selbstbewußte beseelte und begeistigte Diese bewußte Monade ist es als Deutlichkeit ihrer in sich unterschiedenen Einheit.

Die denkende Monade ist der Gedanke: α Der Identität β Des Unterschiedes an sich selbst. γ. Des zureichenden Grundes als des Zweckes an ihm selbst. C. Dieser Zweck an ihm selbst ist Gott als die Ur-Monas. Diese ist die Einheit aller Monaden und hat sie aufs Beste eingerichtet, Begriffgemäß geschaffen. β.) bewu ste Monade der Mensch. I. Erkenntni s ewiger Wahrheiten: Satz des Zureichenden Grundes.

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Diese Thätigkeit ist die spontaneität der Monade, sie ist durch nichts von Außen bestimmt, hat ihre Thätigkeit als ihr immanent. Das Weitere nach diesen Prinzipien ist das Setzen des Unterschiedes der Monaden. Der erste ist der der vorstellenden und der selbstbewußten. Der Unterschied kommt vom Grade der Deutlichkeit. Die Materie ist passiv, diese Passivität der materiellen Monaden 5 besteht in der Betäubung, indem diese Monaden nicht zur Thätigkeit kommen sich in sich selbst zu erhellen. Daß nun von der Dunkelheit zur Deutlichkeit fortgegangen werden könne, beweißt Leibnitz sehr empirisch zB. durch die Ohnmacht, den Schlaf. Die Deutlichkeit des Vorstellens beruht auf dem sich in sich bestimmter Unterschiedenmachen, und der Geist ist auch dieses: den absoluten 10 Unterschied in sich zu machen. Der ganz reine Gegensatz ist allerdings das deutlichste. Näher sagt nun Leibnitz, daß die bewußte Monade, von der nackten (materiellen) dadurch sich unterscheide, daß das bewußtsein die Erkenntniß nothwendi­ ger und ewiger Wahrheiten habe, des Allgemeinen, und wesentlich in sich Zu- 15 sammenhängenden. Und darin ist allerdings | das Denken zu setzen, denn der 151rHo Mensch ist bewußt, in sofern er das Allgemeine sich vorstellt. Unter diesen ewi­ gen Wahrheiten ist das Prinzip: der Grundsatz des Ununterschiedlichen. Was der Gedanke nicht unterscheidet, ist Eines. Das fernere ist der Satz: alles hat seinen zureichenden Grund. Das “zureichende” scheint zunächst pleonastisch. Leibnitz 20 verstand darunter näher den Zweck, die Endursache. Dieses Prinzip des zureichenden Grundes ist es, an welchem Leibnitz von dem Denken zu Gott übergeht. Der allgemeine zureichende Grund bestimmt sich als Gott. Was näher geschichtlich bemerkt werden kann ist, daß man sagt: Gott sei Urheber der Welt. 5 –8 Die Materie … könne,] Hu: Die Materie erscheint als Zusammenhang es ist eine Menge von Monaden – die Materie ist pa siv – diese pa sivitaet besteht in der Dunkelheit der Vorstellung oder in der Beteubung die nicht zum Begehren kommt. Es ist die Dunkelheit die wir a n s i c h nennen. Dass übergegangen koennte von der Dunkelheit zum Selbstbewustsein –­  ­8–12 zB. durch … deutlichste.] Hu: er beruft sich auf den Zustand der Ohnmacht, des Schlafes – darin aber erinnern wir uns der perzeptionen die wir gehabt haben. (Absatz) Die Verschiedenheit der Monaden beruht auf der Dunkelheit oder Deutlichkeit des Verstehens. Deutlichkeit des Verstehens ist nur einen bestimmtern Unterschied in sich zu machen. Der Geist ist eben diess der Unterschied, und zwar des absoluten in sich fa sen kann. Diess bedeutet die Deutlichkeit. Der ganz absolute Unterschied, ist bestimmt der Deutliche Unterschied | Naeher sagt Leibniz dass die bewu ste Monade sich nach der nothwendigen und wahrhaften Wahrheit, als den zureichenden Grunden zu richten hat. Das sind allgemeine und wesentlich in sich zusammenhaengende Vorstellungen.­  ­16–18 denn der … Ununterschiedlichen.] Hu: Das Thier hat Vorstellungen von Einzelnen auch Gedaechtni s, nicht von Allgemeinen. Unter diesen nothwendigen ewigen Wahrheiten ist vorzüglich diejenige: die Leibnitz nennt das principium des Grundes.­  ­19 Eines.] Hu: Eines – sinnlich kann es Unterschieden seyn.­  ­20 zunächst pleonastisch.] Hu: pleonasmus zu seyn. Ist der Grund nur in der Hellfe so ist er nicht Grund –­  ­23 Gott.] Hu: Gott. Das geht nun in populaeren wege fort. 3M Thätigkeit] ohne Umlautpunkte

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Dieser Gedanke bezieht sich sogleich auf die Frage nach dem Uebel in der Welt. Leibnitz sagt darüber: Gott habe unter allen möglichen Welten die Beste ausgesucht. Dieß ist ein langweiliger Gedanke, den Voltaire auch auf lustige Weise durchgenommen hat. Diese bestmögliche Welt ist die Hauptseite der Theodicee. Gott selbst will nicht das Uebel als Uebel, sondern des Guten wegen wird es ein Mittel zum Zweck. – Nach dem Zweck, sagt Leibnitz, müssen auch die Gesetze der Natur erkannt werden. Dieß ist wiederum kein zureichender Grund, wenn man ein bestimmtes Gesetz erkennen will, zu sagen: Gott habe es gemacht, so sei es gut. Dieß ist dann keine Erkenntniß in Ansehung der Bestimmtheit des Gesetzes. Der Grund soll auch ein Bestimmter sein, und ist doch als Gott ein nur ganz Allgemeines, ein Unbestimmtes. Die Naturgesetze, das zB des Falles, haben somit keinen bestimmten Grund. Der Fall könnte jedes Ande­ res Verhältniß haben als das des Quadrats. Will man wissen, warum sein Verhältniß das bestimmte sei, so ist die Antwort weil es das beste sei, ein leeres Gerede, das wohl fromm lauten kann, aber nicht genügend ist. Das weitere von Gott als dem zureichenden Grund ist, daß Gott sich auf die Vorstellung der Monaden bezieht. Diese sind in sich beschlossen, das Fürsichsein. Zugleich ist eine Harmonie in der | Welt vorhanden, Körper, Seele und Bewe­ gungen, welche den Zwecken körperliche Veränderungen entsprechen lassen. Nach Leibnitz Vorstellung ist jede Monade beschlossen, die Seele wirkt nicht auf den Körper, und doch ist ein Entsprechen. Diese Harmonie ist es, welche Leibnitz in Gott legt als dem zureichenden Grund des Entsprechens, insofern er die Bestimmungen der Monade so eingerichtet hat, daß sie denen der anderen Monaden entsprechen. Dieß ist die praestabilirte Harmonie. Dieß Entsprechen ist Gott. Wie Leibnitz zu dieser Vorstellung kam, sehen wir von Anfang an. In der Seele entwickelt sich eine Reihe der Vorstellungen, dieser paralell gehen die des Körpers. Jede Monade ist vorstellend und die Totalität an sich des ganzen Universums, und das was sich in ihr entwickelt ist in Harmonie

3 ausgesucht.] Hu: ausgesucht – Optimismus.­  ­6–7 Nach dem … werden.] Hu: Eben so nach den 30 Zwecke (sagt Leibnitz) mü sen wir annehmen dass die gesetzte Natur die beste ist –­  ­12–13 Der Fall … Quadrats.] Hu: Für die mathematische Betrachtung giebt es auch ein Verhaeltni s von Zeit und Kubus der Zeit, der Mathematiker kann also sagen dass es gleichgültig ist.­  ­16–17 daß Gott … Fürsichsein.] Hu: dass sich dieses auf die Vorstellung der Monaden bezieht. Die Monaden sind principien der Dinge, iedes ist für sich, ausgeschlo sen.­  ­22–24 insofern er … entsprechen.] 35 Hu: Modificationen die sich entwikeln innerhalb ieder Monade entsprechen den Bestimmungen die in andern sich entwikeln.­  ­24 Harmonie.] Hu: Harmonie. Dass sie sich entsprechen beruht nicht auf objektivem Zusammenhang, iede ist für sich, nur die Harmonie ist diese Ursache.­   1  auf die] (1) nach der (2) auf (nachtr. über gestr. nach) die (nachtr. aus der)

Diese Urmonas aber indem sie die Unbestimmtheit des Selbstzwecks bleibt ohne in sich selbst ein System der Gegliederung zu sein, ist ein leerer Name, aus welchem die Bestimmtheit der Monaden nicht begriffen wird.

Daher ist auch die Einheit der materiellen und bewußten Monaden nicht als sich durch sich selbst producirende sondern als praestabilirte Harmonie ausgesprochen. a. Diese also ist die Einheit von Seele und Leib.

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734 b Dieselbe praestabilirte Harmonie bringt die Einheit der verschiedenen Geistermonaden den Staat hervor und dessen Geschichte. c. In allem diesem also ist Gott die Thätigkeit seiner selbst. Das Große dieses Systems also ist die Einheit der Unterschie­ denheit als Intellectuelle; der Mangel dieser, daß die Unterschiedenheit der Monaden gegeneinander nicht aus dem Begriff der Urmonas selbst hervorgeht, und somit die Einheit der Unterschiede als Reduction zur Urmonas nur als praestabilirte Harmonie sich darstellt. Das Prinzip ist also speculativ, aber der Verstand hat sich sei­ ner bemächtigt und die Urmonas als Identität mit sich, welcher der Unterschied außerhalb fällt, festgesetzt. Freiherr von Wolff geb. zu Breslau 1679 † 1754.

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mit den Entwicklungen aller anderen Monaden. Das ganze Universum ist eine große Harmonie. Erkennten wir e i n Sandkorn begriffen wir darin das ganze Universum. Die Perception der Monade entwickelt sich nach dem Gesetze des appetitus der das Thätige ist. Die Freiheit ist diese spontanaeität des Entwickelns der eigenen Entwicklung. 5 Jede Monade ist in sich spontan, die sich bewußte spontanaeität ist die Freiheit. Die Magnetnadel ist spontan in ihrer Richtung nach Norden, aber nicht frei. Das Große dieser Philosophie ist die Intellectualität, die Bestimmung der Vorstellung, doch hat Leibnitz dieß Prinzip nicht auszuführen gewußt, und deshalb ist diese Intellectualität, der wahrhafte Begriff in die Monade eingeschlossen, und 10 außerhalb dieses Begriffs ist die unendliche Vielheit angenommen. Die Monaden als Viele sind selbstständig. Das was als das Eins gesetzt ist, diese Trennung, welche fortgeht bis zum Entlassen seiner selbst zum Schein unterschiedener, hat er nicht im Begriff gefaßt. Die Vielen entwickelten sich nicht aus dem Begriff, deshalb kann der Begriff ihrer nicht Meister werden. Gott ist | zwar die Urmonas, 152rHo in welcher alle ideell sind, aber Gott ist eine Aushülfe der Vorstellung, die nur genannte, begriffene Einheit. Denn das Heraus- und Hereingehen der Vielen in diese Einheit wird nicht gefaßt. Unmittelbar schließt sich an die Leibnitzische Philosophie die wolff ische. Diese scheint zunächst ein Systematisiren der Leibnitzischen. Für die Bildung Deutsch- 20 lands machte sich Wolff unsterbliche Verdienste weil er das bestimmte verstän­ dige Denken über den ganzen Kreis dessen was in’s Bewußtsein fällt, ausbreitete. Aber durch diese Ausbreitung wurde alles speculative Interesse, welches bei Böhme sich hervorthat, verlöscht. Wolff ward 1679 zu Breslau als Bäckerssohn geboren. 1707 ward er zu Halle 25 Professor; mit den Pietistischen Theologen gerieth er in große Streitigkeit. Die Frömmigkeit hat dem wolff ischen Verstande nicht getraut, und hat sie wahrhaften Inhalt, so geht sie auf den speculativen Inhalt, welches über dem Verstand ist, der sich im Endlichen herumtreibt mit der Schwäche es nicht zum Unendlichem zusammenfassen zu können. Seine Gegner, die schlecht gegen ihn bestanden, 30 nahmen zur Intrigue ihre Zuflucht; sie wandten sich an Friedrich Wilhelm I. 1–2 Das ganze … Harmonie.] Hu: Das Universum ist aus einen Stücke – es ist ein Ocean, worin die geringste Bewegung seine Bestimmung vortpflanzt.­  ­7 Die Magnetnadel … frei.] Hu: Haette die Magnet Nadel bewu stsein, so waere ihr wille das sich nach den Sudpol zu wenden. Das macht seine Natur – und jedes will nur seine Natur.­  ­18 wird nicht gefaßt.] Hu: nicht gefa st wird. (Ab­ 35 satz) Die Theodicee anzuführen ist für uns ein Vergangenes.­  ­21 unsterbliche] Hu: unendliche­  ­31 sie wandten … an] Hu: Sie wu sten Wolff anzuschwaertzen bey dem barbarischen Soldatenfreund 5  Entwickelns] Entwcklens­  ­31 Friedrich Wilhelm I.] Friedrch Wilhelm II.

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indem sie sagten: Wolff lehre der Mensch im Handeln werde durch die Vorstellung bestimmt. Dieß sei gefährlich für das Militair, denn wenn gesagt würde, die Soldaten desertirten nicht aus freiem Willen, sondern durch eine bestimmte Determination Gottes, so wäre dieß höchst gefährlich. Wolff wurde aus Halle verbannt. Er ging nach Cassel, ward zu Marburg angestellt, und zum Mitglied der berühmtesten Academien ernannt. Peter der Iste erhob ihn zum Edelmann. Alle Ehren schmückten Wolffen. Die preußische Regierung setzte eine Commission ein, welche feststellte: die wolffische Philosophie sei für Staat und Religion nicht gefährlich. Friedrich II berief Wolffen nach Halle zurück, wo er 1754 starb. | Was die Wolffische Philosophie näher betrifft, so ist die Hauptsache, daß Wolff einerseits die Leibnitzischen Vorstellungen zu Grunde legt, dann aber das ganze Gebiet des Wissens in eine systematische pedantische Form brachte. Er hat jeden Theil der Philosophie ausführlich dargestellt. Zuerst handelte Wolff die Logik ab, dann Metaphysik; darunter begriff er: die Ontologie die allgemeinen Kathegorien, das Ens der Dinge. Die nächste Lehre ist die Cosmologie oder allgemeine Körperlehre, wo nur die allgemeinen abstracten Sätze, die Metaphysik derselben abgehandelt wurde. Das Gesetz zB. der Continuität ect. Die dritte Lehre ist die rationelle Psychologie oder Pneumatologie. Das 4te und Letzte ist die rationelle Theologie. Dieß begreift die theoretische Philosophie. Die practische enthält: Naturrecht, Politik, Moral, Oeconomie. Wolff hat das Ausführlich lateinisch abgehandelt und solcher Theile sind 20 Quartanten. Die deutschen Schriften haben alle den Titel: “vernünftige Gedanken ect.” Die Hauptsache nun ist, daß Wolff mit Definitionen beginnt. Sie beruhen auf den Vorstellungen, die wir uns gewöhnlich machen. Es sind Nominal-Definitionen. Aus ihnen werden Sätze abgeleitet. In seiner Weise war Wolff die Definiti-

1  lehre] Hu: lehre den Determinismus­  ­ 4–5 Halle verbannt.] Hu: Halle entla sen 23 November 1723. Francke hat in der öffentlichen Kirche Gott auf den Knieen dafür gedankt. Dieser Triumph 30 der Theologen dauerte nicht lange.­  ­ 8–9 welche feststellte: … gefährlich.] Hu: den Theologen 348 Hu 342 wurde das Schimpfen gegen Wolff | zu schimpfen verboden.­  ­13–14 Er hat … dargestellt.] Hu: Jede Wi senschaft hat er in Werken dargestellt. Seine Mathematik in 4 Baenden ist bis jetzt noch populaeres Werk.­  ­16 Kathegorien, das … Dinge.] Hu: praedicate des wesens, Ens ὄν – dass das Ens b o n u m ist – weiter die Bestimmungen der Ursache – Wirkung etc.­  ­18 Sätze, die … wur35 de.] Hu: Saetze von der welt abgehandelt werden. zB. es giebt keinen Zufall – keinen Sprung in der Natur –­  ­24 Gedanken ect.”] Hu: Gedanken” zB. von Thun und La sen (Moral). Von den besondern Inhalt wollen wir abstrahiren.­  ­27.736,1–2 In seiner … umfaßt.] Hu: Man kann sagen dass er zunaechst für Deutschland die welt des Bewustseins definirt hat – und die gewöhnlichen Saetze abgehandelt hat, wie wir bey Aristoteles sahen – Er hat den ganzen Inhalt verstaendig exponirt. 40 31M Sätzen] ohne Umlautpunkte

Wolff ische Philosophie. I. Theoretische Philosophie. a. Die Ontologie als Lehre von den allge­ meinen Bestimmungen der Dinge. b. Die Cosmologie. c. Die rationelle Psychologie. d. Die rationelle Theologie. II practische Philosophie.

Methode. Die Methode ist die Mathematische. Den Anfang machen die Definitionen, deren Inhalt das Allge­ meine, wie es in der Vorstellung ist ausmacht. Dieses ist auf den ganzen Bezirk des Bewußtseins in abgeleiteten und durch jene allgemeinen Definitionen bewiesenen Sätzen angewandt.

b.) Mathematische Methode pedantische Form.

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Die Behandlung ist aber ganz verständig, indem jede Bestimmung für sich abgesondert von ihrem Anderen festgehalten wird.

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Der Inhalt ist die Gesammtheit der Welt des Bewußtseins. Dieser Inhalt in seiner Endlichkeit festgehalten wird auch endlich behandelt.

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on dieser Welt des Bewußtseins, wie Aristoteles hat er den Umkreis alles Wirklichen umfaßt. Für die allgemeine Bildung hatte dieß die größte Wirkung. Er hat den Inhalt in der Form des Gedankens in allgemeine Bestimmungen des Gedan­ kens gefaßt. Dieß ist ein großes Verdienst. Doch ist das Eigenthümliche, daß die Wolffische Philosophie sich nur verständig verhielt, während Aristoteles alle Ge­ genstände speculativ zu behandeln wußte. Wolff bleibt wesentlich bei der Verständigen Behandlung stehen d. h. die Bestimmungen der Vorstellungen und des Gedankens wurden jede für sich festgehalten, gesondert von allen Anderen. Der scepticismus ist das Entgegengesetzte Streben. Wolff verfolgte die mathematische Methode. Bei der Mathematik hat | der Verstand seine Stelle. Der Scepticismus zeigt die Nichtigkeit dieses Verstandes auf. Das Vernünftige zeigt solche Unterschiede in ihrer Einheit, worin sie in ihrer Unterschiedenheit zugleich erhalten sind. Wolff war der Lehrer des Verstandes unter den Deutschen. Die geometrische Methode hatte schon spinoza angenommen. Wolff hat sie auf die gemeinsten Anweisungen angewandt, was seinem Vortrage ein sehr pedantisches Ansehen gibt, zumal wenn diese Form bei der Seichtigkeit des Inhaltes als unnützer Aufwand erscheint. ZB ist ein Lehrsatz in der Kriegskunst: das Anrücken an die Festung muß dem Feinde immer sauerer gemacht werden. B e w e i s . Je näher er kommt, desto größer ist die Gefahr, desto nöthiger der Widerstand, also desto sauerer muß ihm das Anrücken gemacht werden. – Die Behandlung ist ganz verständig, anderseits als der Inhalt die ganze Weltvorstellung. Die Einheit ist die Richtigkeit, die Uebereinstimmung der Vorstellung mit dem Inhalt. Der Inhalt wird auf seine allgemeinen Bestimmungen zurückgeführt, und diese sind die gewöhnlichen Vorstellungen zur Allgemeinheit erweitert. Läßt man die Form weg, so ist der Inhalt Populär-Philosophie, Exposition des gewöhnlichen Bewußtseins. Dieses Bewußtsein ist der letzte Maaßstab. Bei spinoza ist auch die Methode der Mathematik angewandt, aber sein Inhalt ist tief speculativer Natur. Das Denken ist bei spinoza nicht bloße Form der Allgemeinheit für jeden beliebigen Inhalt, sondern der Inhalt selbst ist Inhalt des Gedankens. Bei speculativem Inhalt befriedigt das Denken sich durch sich selbst und der Inhalt dieses Denkens ist als in sich Totalität hat für den

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 –9 Der scepticismus … Streben.] Hu: Hingegen der Skepticismus konfundirt diese Unterschiede 8 zB. die Unterschiede von Wirkung und Ursache.­  ­10–13 Bei der … sind.] Hu: In der Geometrie mu s bestimmt alles als es ist conservirt werden, zB. die Linie, der Winkel, mu s Winkel, Linie ­la sen Hingegen der Skepticismus und auch der Speculative will diese Unterschiede bezwingen aber 35 so dass die unterhalten bleiben.­  ­14–15 Wolff hat … angewandt,] Hu: Wolff aber wandte sie auf das ganz Empirische.­  ­24–25 und diese … erweitert.] Hu: So wird der Inhalt in die leere Form des Gedankens gesetzt.­  ­31 Totalität] Hu: das Unendliche Subjektive 9  Entgegengesetzte] Entggegengesetzte­  ­21 als nachtr. über der Zeile­   die ganze nachtr. über gestr. der ganz 40

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Instinct der Vernunft Befriedigung. Ist aber der Inhalt ein endlicher, so weißt er auf die Forderung eines Grundes hin, eines Anderen. Der Inhalt spinozas ist nun Grundlos insofern er mit sich selbst zusammen ist; Grund und begründetes sind Eines. Bei Endlichem ist der Grund außer dem Begründeten. Das Denken ist allerdings bei Wolff geltend gemacht, aber dieß Denken ist theils Endlich, theils Vorstellung und sinnliches Bewußtsein. | Die wolffische Philosophie hat geherrscht bis nach Kant hin. Mendelssohn war auch nur ein wolffischer Philosoph nur mehr in populärer Form. Was aber zu Grunde liegt sind die Wolffischen Vorstellungen. Nach dieser Periode haben wir nur noch die Uebergangsperiode, das Vorkommen des Denkens bis Kant zu betrachten. Drei Punkte sind zu betrachten. Hume, die schottische und die französische Philosophie. Hume ist der sceptiker. Den Gegensatz macht die schottische; die französische Philosophie ist das dritte; ein Schatten davon die Auf klärung. Hume war ein Schottländer. Berkeley stellte früher als er († 1752) einen Idealismus auf, der dem des Malebranche nahe kommt. Sein Hauptgedanke ist, daß das Sein jedes Dinges sein Wahrgenommenwerden sei. Was wir wissen, sind unsere Bestimmungen; deswegen nennt man die Berkleysche Vorstellung Idealismus. Auf der anderen Seite aber ist ein verhältniß von Anderem zu uns vorhanden. Denn wir wissen nicht aus uns, sondern durch Anderes, die Objecte. Diese aber sind nicht von der Art, was wir Materialität nennen, sondern es ist selbst Vorstellung. Nur der Geist könne mit sich communiciren, und so, daß es nur 1  Instinct der Vernunft] Hu: Intellekt­   ein endlicher,] Hu: verstaendig,­  ­2–3 nun Grundlos] Hu: ein Vollendetes – deswegen Grundloses­  ­4 Bei Endlichem … Begründeten.] Hu: Hingegen bey dem endlichen Inhalt faellt das Integrierende au ser den Inhalt. Das ist im ganzen die Methode dieser philosophie –­  ­7–9 Mendelssohn war … Vorstellungen.] Hu: Crusius Baumgarten – auch Mendelssohn schlie sen sich an Wolff. Mendelssohn hat nur in populaerer, geschmakvoller Gestalt philosophirt. Die Grundlage sind aber Sinnlichkeit, Gefühl, Verstand.­  ­14 ein Schatten … Auf klärung.] Hu: wozu eine Appendix aber matter die Auf klärung in Deutschland ist.­  ­15 Schottländer.] Hu: Schottlaender, Andere Englische philosophen koennen wir bey Seite la sen, in Hinsicht der ganzen philosophie.­  ­16 Hauptgedanke] Hu: origineller Gedanke­  ­17–22.738,1–2 Was wir … lassen.] Hu: es ist eine Bestimmung die wir früher wi sen – d. h. das was wir wi sen sind Bestimmungen aü serer Natur, Wahrnehmung, auch Bestimmungen des Gedaechtni ses, Imagination – diese Vereinigung hei st ein besonderes Ding – das ist der Stoff unserer Kenntni se. Diess nennt Berkeley Idealismus – weil die Au sere Realitaet dabey verschwindet – auf der andern Seite ist ein Verhaeltniſs Anderer zu uns vorhanden, die Bestimmungen des Au sen entwikeln sich nicht aus uns (wie Leibnitz) sondern ist von Au sen bestimmt. Es ist ein leerer Name dass es sich in der Monade selbst entwikelt – weil die Folge der Entwikelung der Einzelnen nur zufaellig ist – von Au sen determinirt) Wir sind darin von Andern Bestimmt, das sind Objekte, diese koennen nicht Materielle seyn der Geist und Materielles koennen nicht zusammen kommen, es ist Vorstellung denn nur G e i s t e r k o e n ­n e n m i t s i c h c o m m u n i c i r e n . Das Seyende bezieht sich so auf den Geist. So ist Gott der nur solche Vorstellung in uns hervorbringt. Es ist eine Vorstellung die eine Einsicht der Schwierigkeiten die hier vorkommen bewei set, | aber nicht die Ueberwindung.

153vHo

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352Hu 346.

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Hume. geb[.] 1711 † 1776. Er beginnt damit wie Locke die angeborenen Ideen zu ver­ werfen. Ferner ist er sceptisch, indem er den Widerspruch, welcher in den allgemeinen Vorstellungen, insofern sie das Einzelne zu ihrer Quelle | haben, liegt, aufzeigt. Denn die Wahrnehmung, weil sie nur eine succession oder ein Nebeneinander von Einzelnem darbietet, berechtigt weder zur Annahme der Allgemeinheit dieses Einzelnen noch zur Nothwendigkeit seines Verhältnißes, welches als allgemeines die Reflexionsverhältniße der Nothwendigkeit geben würde. Daher ist die Allge­ meinheit und Nothwendigkeit keine berechtigte Kathegorie und nur subjective Gewohnheit, Willkühr.

353Hu 347. 178

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Gott sei, der in uns die Vorstellungen hervorbringe. Was Berkeley betrifft, so ist er auf der Seite liegen zu lassen. Hume ward 1711 geboren 1776 gestorben. Er ist berühmt erst später geworden. Seinen größten Ruhm hat er als Geschichtsschreiber erlangt. Mehrere Jahre war er in Paris, wo er mit Rousseau bekannt ward, diesen zu sich 5 nach England berief, welcher sich aber bald von ihm trennte. Was Hume’s Philosophie näher anbetrifft, so ist das Allgemeine, daß er wie Locke die angeborenen Ideen verwarf und Locke’s Eintheilung der Vorstellungen beibehielt. Die allgemeinen Vorstellungen haben, sagt er, denselben Inhalt als die sinnlichen Vorstellungen. Es sind mathematische Sätze und Thatsachen der Er- 10 fahrung. Diese haben | zum Grunde die sinnlichen Wahrnehmungen und Refle- 154rHo xionsbeschlüsse, wie Ursache und Wirkung ect. Dieser Zusammenhang aber rührt auch aus der Erfahrung her, gilt nur, insofern wir ihn aus der Erfahrung haben. In dieser aber bemerken wir, nehmen wir sinnlich wahr nur eine succession von sinnlichen Zuständen. Dieß ist ganz Richtig, das Neben und Nachein- 15 ander ist die Form des Sinnlichen. Sagen wir: der Druck des Wassers sei Ursach des Umsturzes eines Hauses, so ist dieß keine richtige reine Wahrnehmung. Wir sehen nur den Sturz des Hauses und das Wasser. Der Zusammenhang, den wir machen und ihn nothwendig nennen, ist daher nur ein zufällig subjectives, und diese Art von Allgemeinheit, die wir mit der Nothwendigkeit verbinden, ist Ge- 20 wohnheit, daher entstanden, daß wir nach und neben Einem haben ein Anderes bemerkt. Die Nothwendigkeit und Allgemeinheit lößt sich auf in das Gewöhnliche. Diese Gewohnheit bezieht sich sowohl auf das Äußerliche der Natur als auch auf das Innerliche das Sittliche und Rechtliche. Und somit giebt es auch 3 –4 Er ist … geworden.] Hu: Durch seine E sais ist er berühmt geworden – auch jetzt.­  ­ 5–6 Mehrere Jahre … trennte.] Hu: lebte in Edingburg. Dann spaeter ging er nach Frankreich als Gesand­ schaft­sekraeter. Da kam er in Freundschaft mit Rou seau Aber seine ungeheure Mi strauigkeit entzweite ihn von Hume. Davon Rou seau selbst.­  ­10–15 Es sind … Zuständen.] Hu: Die Beziehung der Vernunft schraenkt er ein auf mathematische Saetze – weiter auf Erfahrung. Hierher gehoeren die Verhaeltni se der Ursache und Wirkung. Diesen Zusammenhang hat er Vorzüglich betrachtet. Diess Verhaeltni s ist überhaupt nicht die E i n z i g e Bestimmung – Hume nahm sie aber meistens nur auf. Mit dieser Vorstellung sagt er gehen wir zun Gegenstaenden. Dieser Zusammenhang ist auch nur aus der Erfahrung – in der Erfahrung aber treffen wir nicht Nothwendigkeit an, aber was wir bemerken (d. h. sinnlich auffa sen) ist nur eine Sukce sion von Veraenderung­  ­24.739,1–6 Und somit … Gebilde.] Hu: Es ist in uns ein Instinkt des Rechtlichen und Sittlichen – wollte dieser etwas festsetzen so koennte der Skepticismus dagegen Einwürfe machen. Hume beruft sich in dieser Hinsicht auf die alten Skeptiker – die das Recht immer relativ nahmen. Kurz sowohl das Erkennen als das praktische reducirt Hume auf eine zufaellige Gewohnheit. Das was in Hinsicht der Metaphysik zB. in Hinsicht des Daseyns Gottes etc. gesagt wird, entbehrt eines Grundes – denn die Schlü se die man hier macht sind keine festen, absoluten Begriffe – sondern vielmehr subjektiv gebildete Begriffe. 19  daher nur nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen

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hierin keine Nothwendigkeit und Allgemeinheit, sondern von jedem kann auch immer das Entgegengesetzte behauptet werden. Die Einsicht ist also überhaupt auf eine mehr oder weniger zufällige Gewohnheit reducirt. Was metaphysischer Weise Allgemeines festgesetzt werden soll, alles dieses entbehre allgemeiner Nothwendigkeit, es fehlt ein bestimmter allgemeiner Grund, denn alle Schlüsse, die dahin führen, sind nicht fest, sondern nur subjective Gebilde. Man kann sagen, daß Hume das Lockische Prinzip consequenter verfolgt und den Widerspruch darin sich zum scepticismus ausbilden läßt. Das Anundfürsichsein der Ge­ dankenbestimmung hat Hume dadurch aufgehoben. Seinem scepticismus gegenüber steht die schottische Philosophie. Ein anderer Hauptgegner ist später Kant. Die nächsten Gegner waren Schotten, worunter eine Menge von Individuen gehören. Auf Edinburgh und Glasgow ist die Philosophie in England überhaupt beschränkt. Was diese Schotten dem Hume entge­ genhielten war, daß sie behaupteten: | eine innere Quelle solle als das Gültige ausgesprochen werden. Kant setzte auch diese innere Quelle dem Wahrnehmen entgegen. Die innere unabhängige Quelle der Schotten ist aber nicht die Vernunft als solche, das Denken in seiner Form, sondern der producirte Inhalt dieser Quelle ist concreter Art, fordert für sich auch Erfahrung. Es entstehen concrete populäre Grundsätze, welche einerseits der Äußerlichkeit der Wahrnehmung entgegen gesetzt sind ebenso wie einem für sich abstracten Denken aus reinen Verstandesbestimmungen. Die Hauptformen dieser Philosophie sind ausgesprochen durch Thomas Reid Professor zu Glasgow. Er hat das Prinzip des Gemeinsinns aufgestellt: es gebe unerweisliche Grundwahrheiten, erzeugt vom Gemeinsinn, welcher sie als entschieden annimmt und producirt. Er ist das, was früher Autorität der Religion war. Diese Wahrheiten seien keiner Bewährung bedürftig, und könnten durch das Denken nicht kritisirt werden, da die Philosophie selbst nur solche Wahrheiten zur Grundlage hätte. Sie seien der allgemeine Maaßstab, was ihnen widerspricht sei falsch. Sie gelten für die Erkenntniß des Inneren und Äußeren. James Beattie 1735–1803 macht den schlichten Menschenverstand zur

Und indem dieß bei den äußeren und inneren Wahrnehmun­ gen der Fall ist, fällt alle Erkenntniß der Allgemeinheit und Nothwendigkeit fort. Dadurch ist alles Anund-Fürsichsein der Gedankenbestimmun­ gen aufgehoben. Die schottische Philosophie Diese behauptete gegen Hume: daß eine innere Quelle Allge­ meinheit und Nothwendigkeit producire, daß die allge­ meinen Wahrheiten also Thatsachen des Bewußtseins und zwar unwiderlegliche seien. Diese innere Quelle aber ist nicht das Denken als solches, sondern ein unmittelbares Wissen welches zu seiner weiteren Erfüllung ebenso auch der Wahrnehmung bedarf. Thomas Reid. † 1795. Er setzte als die innere Quelle den Gemein-Sinn. Was dieser festsetzt sei vom Denken nicht umzustoßen, da es selbst dieser Wahrhei­ ten als Wurzel bedürfe, welche Wahrhei­ ten der Maaßstab für alles seien.

30 7 Prinzip] Hu: prinzip der Erfahrungen zu Grunde gelegt, diess nur­  ­8–9 Das Anundfürsichsein …

aufgehoben.] Hu: In der Wahrnehmung ist nur die Sukce sion, nicht das Nebeneinander. Hume hat also die Objektivitaet damit aufgehoben.­  ­14–16 eine innere … entgegen.] Hu: dass sie eine innere unabhaengliche Quelle des Erkennens behauptet haben, so wohl in Hinsicht des Religiösen und Sittli­ chen Nach der abstakten Bestimmung trieft diess mit Kant zusammen, die auch der wahrnehmung eine 35 i n n e r e Quelle entgegenstellte. Diess hat aber bey Kant eine andere Form.­  ­18 Erfahrung. Es entstehen] Hu: aü serlichen Stoff, Erfahrung – der Inhalt besteht aus­  ­19–20 welche einerseits … wie] Hu: dieses ist einerseits entgegengesetzt dem A ü   s e r l i c h e n , anderseits der M e t a p h i s i k ,­  ­27 allgemei­ ne] Hu: höchste­  ­28–29 Sie gelten … Äußeren.] Hu: Diess gilt auch von der Sittlichkeit. 12  Edinburgh] Edingburg­  ­20 sind] reinem (nachtr. über gestr. ist)­  ­27 hätte] hätten­  ­34 die] 40 sc. die Bestimmung

James Beattie 1735– 1803

354 Hu 248.

740 James Oswald

Adam smith Dieß ist also ein gänzliches Verkommen des speculativen Gedankens. Der Gegensatz gegen den Scepticismus macht die Annahme dessen, was er zu Grunde richtet als unmittelbar unumstößliche Thatsache des Bewußtseins. Die­ se Unmittelbarkeit kommt daher, weil der speculative Gedanke verkommen, der abstracte Verstand aber durch den scepticismus aufgehoben ist. Die französische Philosophie 1. Das Denken, welches bisher das Unmittelbare sich vorfindende Wirkliche gelten ließ, richtet sich jetzt negativ gegen diese Wirklichkeit und richtet sie sich zu Grunde. Diese Negativität hatte ihr Recht weil die Wirklichkeit als substantialitätlos in sich selbst gebrochen war.

355Hu 349. 179 356 Hu 350.

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Quelle aller Erkenntniß, so aber, daß die äußere wahrnehmung müsse zu hülfe kommen. Wahr sei, was dieser Verstand anerkennen müsse. James Oswald sagt: daß wir gleiche Grundsätze allgemein in uns finden, als Grundsätze über alles Zweifeln erhaben. Hieher gehören noch viele Männer, welche besonders über moralische Gegenstände schrieben. Auch der berühmte smith gehört diesem Sin- 5 ne an. Unabhängige Bestimmungen sind also hier unmittelbar angenommen, wohlwollende Neigungen, sympathie, unmittelbare Thatsachen des Bewußtseins. Die schottische Philosophie also ist dieß, was in Deutschland von einer anderen Seite her als etwas Neues hervorging. Eine Reihe der schottischen Schriften sind von Garve übersetzt. | Bei Cicero finden wir ähnliches. Man kann daher eigentlich 155rHo sagen, daß alle speculative Philosophie aufhöre und in Popular-Philosophie überging, welche das Recht hat, im Bewußtsein des Menschen die Quelle des ihm Geltenden festzustellen. Der Inhalt, der so producirt wird ist concret, der eigentlichen Metaphysik, welche in leeren Verstandesbegriffen umherirrt, entgegengesetzt. Die dritte Form ist die französische Philosophie. Hieher gehört der Naturalis- 15 mus, Materialismus, Atheïsmus. Drei Seiten sind hier zu unterscheiden. Die erste Seite ist die negative zerstörend gegen alles Vorhandene aufzutreten, gegen die Religion, gegen Sitten, gegen alles in der Meinung Geehrte, gegen alle gesetzliche Ordnung, Staatseinrichtung, öffentliche, politische, juridische Autorität; ebenso gegen die Kunst, kurz gegen die Gesamtheit der Welttotalität. Matt dage­ 20 gen trat in Deutschland die Auf klärung auf. Diese negative Seite hat das Recht und dieß Große, substantielle, daß sie dem Angriff des vernünftigen Instinctes gegen das positive einer allgemeinen Lüge, dessen was Religion sei galt. Sagen wir Religion, so stellen wir uns den festen Glauben vor, die Ueberzeugung von Gott, sei er christlich oder nicht. Sprechen wir von Religiosität, so ist sie uns Glaube an 25 Gott. Der Angriff jener Philosophie ist gegen eine Religion anderer Art. Der reli­ giöse Zustand, gegen welchen sie reagirte, war eine Lüge, die durch alles herrschte. Habsucht, Ehrgeiz, Schwelgerei stand auf einer Seite. Die Achtung, die dem Religiösen zukommt verlangte diese Seite für sich. Der ungeheuerste Formalismus, der Tod alles Religiösen war herrschend. Und wenn zweitens diese Philo- 30 sophie gegen die Regierungsweise sich wandte, so herrschte auch hier nur Lüge, Heuchelei, Widerspruch. Die Bande der menschlichen Gesellschaft waren zu In3–4 als Grundsätze … erhaben.] Hu: das Daseyn Gottes, Recht etc. Diese Gegenstaende sind höher als alles Beweisen.­  ­4 noch viele Männer] Hu: auch Stewart, Ferguson­  ­28–29 Die Achtung, … sich.] Hu: anderseits die Erzwingung der Ehrfurcht,­  ­30 Tod alles Religiösen] Hu: Tod der Kirche­  ­31 die 35 Regierungsweise] Hu: das politische­  ­31–32 so herrschte … Widerspruch.] Hu: so mü sen wir auch die Verdorbenheit der Sitten, die Heucheley erkennen die in der Existenz vorhanden waren. ­2M James] Thomas  2 James] Thomas­  ­11 alle] alles­­  ­13M Bewußtseins nachtr. über gestr. Den­ kens­  ­34 Stewart, Ferguson] Steward, Fergusson­  ­37 die Verdorbenheit] die Verdorbenheit die 40 Verdorbenheit

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stitutionen geworden, die dem Geiste ihres Ursprungs nicht mehr | entsprechend, jetzt das Entgegengesetzte bewirkten, so daß das Unrecht sich die Autorität des Rechts anmaßte. Dagegen zu reagiren war das Recht der Negativen Seite dieser Philosophie. Dabei muß man zugleich eine Anschauung von dem Gefühl haben, das in den Schriften jener Männer herrscht, es ist die höchste Empörung edler Gesinnung. Man sieht dann dabei, daß die Angriffe mit Räsonnement, Witz und naïven Sinn nicht gegen das gingen, was wir uns unter Religion vorstellen, da sie die Religion selbst hochehrten und mit der schönsten Beredsamkeit empfohlen. – Was zweitens den affirmativen Inhalt dieses Philosophirens betrifft, so kann sich die Gründlichkeit des Denkens darin nicht befriedigen. Eine Hauptbestimmung ist einerseits: Voraussetzung von ursprünglichen Gefühlen des Rechts der Sittlichkeit, Geselligkeit, des Wohlwollens ect. Darauf gingen diese Schriften, diese Gefühle auszubilden. In Ansehung der Erkenntniß wurden nur allgemeine oberflächliche Gedanken geäußert. Bei den Franzosen ist es der Fall daß Gedanken in solcher Oberflächlichkeit aufgefaßt wurden, daß sie ungenügend für die Ableitung wurden. Am häufigsten recurrirt der Gedanke: die Natur sei ein Ganzes von Gesetzen, alles sei hervorgebracht von einer Kette von Ursachen, durch die mannigfaltigen Verbindungen, ihren Folgen sei alles hervorgebracht. Mit solchen allgemeinen Redensarten sind Bücher angefüllt. Dahin gehört das systeme de la nature, jedoch von keinem Franzosen geschrieben, sondern vom Baron von Hollbach, Montesquieu, d’Alembert gehört hierher. Diese Männer, wie sehr sie gleichen Sinn der Empörung gegen das Gegenwärtige hegten, waren doch sehr von einander verschieden. Das systeme de la nature ist eine langweilige Wiederholung jener allgemeinen Gedanken. Eine Kette von Ursach und Wirkung bewegt alles, | bringt die existirende Dinge hervor, deren Unterschiedenheit in ihrer Gesamtheit die Natur ausmacht. Ueberall ist Bewegung. Die Naturerscheinungen entstehen und vergehen durch die Mannigfaltigkeit der

3 –4 Dagegen zu … Philosophie.] Hu: Man kann also dieser negativen Seite ihr Recht wiederfahren la sen, wenn man das Bild von der Schamlosigkeit vor sich hat.­  ­ 4–6 von dem … Gesinnung.] Hu: 30 von der Individualitaet der Schriftsteller vor Augen haben – man findet darin Ritterlichkeit, Erregung rechtlicher Gesinnungen.­  ­9 empfohlen.] Hu: empfohlen wurde. Das ist die eine Seite. Der Angriff war gerichtet gegen das in sich Zerrüttete.­  ­15–16 Gedanken in … wurden.] Hu: abstrakte Gedanken die ein Concretes waren, so allgemein aufgefa st wurden, dass sie ungenügend bleiben mü sen für das was abgeleitet werden soll.­  ­21 d’Alembert] Hu: d’Alembert, Rou seau waren seine Freunde.­  35 ­23–27.742,1–2 Das systeme … fort.] Hu: In diesen Buche kommt es zur Langweiligkeit – nur allgemei­ ne Vorstellungen kommen hier vor. Es ist nicht ein französisches Buch – es fehlt ihm eine lebendige, feurige Anschauung der Franzosen. Er sagt unter anderm die Welt besteht aus Bewegung und Materie – diess macht das Grand Tout – alles bewegt sich: das hier gehrt, die Leidenschaften wallen etc. Daraus entsteht ein verschiedenes Arangement – hier liegt zu Grunde Ha s und Liebe. 40 5  das] dß­  ­15 daß] folgt nachtr. gestr: abstrcte­  ­21 d’Alembert] Lambert­  ­29–30 von der] im

Text zu die geändert­  ­34 d’Alembert] Alambet

155vHo Diese Philosophie ist der einerseits mit sich abstract identische Gedanke, welcher die ganze Welt in diese abstracte Identität aufzehrt, anderseits ein tiefes Gefühl der Empörung gegen die unwahre Wirklichkeit, welche aber durch die abstraction des Gedankens nur zertrümmert aber nicht hergestellt wird. 2. In diesem Sturz bleibt die Natur das einzig Gültige; die Erkenntniß derselben aber ist die oberflächliche daß sie eine Welt von ineinander greifenden Gesetzen sei.

156rHo

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742 Robinet.

Gott ist das schlechthin Unerkennbare, nur sich selbst Gleiche Jenseits. Aber er hat die Natur erzeugt, und diese ist das allein Erkennbare Ihre Thätigkeit wodurch sie sich erhält, ist das Sein von Keimen in allem welche sich durch sich selbst entwickeln

156vHo Der positive Inhalt also der französischen Philosophie ist überhaupt ein concretes Ganze nicht des Geistes sondern der Natur.

358 Hu 252.

359 Hu 353. 181

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Ursachen. Die Dinge sind verschiedene Arrangements. Die Materien stoßen sich ab, oder ziehen sich an – so geht es im Ganzen fort. Ein anderes Hauptbuch ist “la nature”. In diesem Buch herrscht ein anderer Geist. Hält man sich an die herrschende Empfindung des Verfassers, so wird man von dem tiefen Ernst ergriffen. Robinet beginnt: Es ist ein Gott. Wer ist er? Wir wissen es nicht und sind dazu bestimmt es für immer nicht zu wissen. Er ist unkenntlich; über die Thüre der Tempel kann man die Inschrift schreiben: “der unbekannte Gott”. Man sagt dieß auch heutigen Tages bei uns noch. Das Unendliche und Endliche sind schlechthin geschieden. Diese erste Ursache aber, Gott, ist wirkend, hat die Natur erzeugt. Die einzig mögliche Erkenntniß ist die der Natur. Die Thätigkeit der Natur ist auch e i n e wie Gott einer ist. Was nun als diese Thätigkeit gefaßt ist, ist, daß Keime in allem sind. Alles sind Organische Wesen, die sich hervorbringen, alles ist verbunden und in Harmonie. Robinet geht die Thiere, die Pflanzen, Metalle, Elemente durch und sucht von ihnen aufzuzeigen, wie im Lebendigen der Keim ist, und wie auch die Metalle in sich organisirt seien. Ebenso soll das Wasser, die Luft ihren Keim haben, der erst zur Wirklichkeit kommt, daß er sich mit Wasser, Feuer ect nährt. Robinet nennt die einfache Form in sich die substantielle Form den Begriff, Keim. Obgleich er dieß zu sehr im Sinnlichen nachzuweisen sucht, so geht er doch von in sich concreten Prin­ zipien der Form an sich selbst aus. – Vom Uebel und Guten in der Welt spricht er auch; das Resultat der Betrachtung ist das Gleichgewicht des Uebels und Guten. Dieses Gleichgewicht mache die Schönheit der Welt. Um zu widerlegen, daß das Vergängliche in der Welt mehr sei, sagt er, daß alles, worauf wir das Gute reducirten, nur in einer Befriedigung liegt, | dieser muß ein Schmerz vorausgehen, dessen Auf hebung die Befriedigung ist. Dieß ist nicht nur ein empirisch richtiger Gedanke, sondern er spielt an das Tiefere an, daß alle Thätigkeit nur durch Widerspruch ist. Das Resultat der französischen Philosophie ist, daß sie darauf drang eine allgemei­ ne Einheit zu erhalten, doch keine abstracte sondern eine concrete. Dieses Concrete nannten sie Natur. Ueber dieser ward Gott gesetzt, aber als das Unerkennbare.

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­3 herrscht] Hu: haucht­  ­4 herrschende] Hu: subjektiven­  ­5 Es ist … Gott.] Hu: Gott ist das Gan- 30 ze der phaenomene –­  ­6–7 für immer … Gott”.] Hu: niemals zu wi sen – wir haben das Mittel nicht diess vollkommen zu erkennen – man koennte auf die Thüre unseres Erkennens die Aufschrift des Areopags hinschreiben.­  ­ 8–9 Das Unendliche … geschieden.] Hu: Er sagt es giebt keinen Uebergang von Endlichen zum Unendlichen.­  ­12 Organische Wesen] Hu: lebendige Keime­  ­19 Sinnlichen] Hu: Empirischen­  ­19–20 so geht … aus.] Hu: diess aber mu s man ihm 35 wiederfahren la sen dass seine philosophie mehr von der Mechanik Bewegung ausgeht sondern aus immanenten prinzipien aus der Form überhaupt –­  ­22 Welt] Hu: Natur­  ­29 aber als … Unerkennbare.] Hu: aber sie sagten dabey Gott ist etwas unbekanntes so wie man in Deutschland sagt. 13  Robinet nachtr. mit Einfügungszeichen über gestr. Er­  ­27 eine nachtr. am Zeilenende­  ­36 Bewegung am Rande mit Verweiszeichen 40

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Alle Praedicate, die von ihm ausgesprochen werden, enthielten Unpassendes. Man muß zugeben, daß große Vorstellungen der concreten Einheit vorkommen, den abstracten Verstandesbegriffen entgegengesetzt. Auf die andere Weise soll was gelten soll, Gegenwart haben, und keine jenseitige Autorität. Die zwei Bestim­ mungen sind in aller Philosophie: die Concretion der Idee, und die Praesens des Geistes darin. Dieß Streben aber nach wirklicher gegenwärtiger Lebendigkeit nahm Formen an, die als Abwege selbst einseitig wurden. Zu dieser Einseitigkeit gehört der Gegensatz von sentir und penser ohne speculative Weise diesen Ge­ gensatz wie spinoza und Malebranche in Gott zu vereinen. Die Einheiten, welche die Franzosen hervorbrachten, wurden einseitig. Eine ausgebreitete Theorie ward die Zurückführung alles Denkens auf Empfindung, wie in gewisser Rücksicht bei Locke dieß der Fall war. Robinet kommt auch auf den Gegensatz von Denken und Empfinden und bleibt dabei stehen, daß Geist und Körper ungetrennt seien, die Weise der Einheit sei unerklärlich. La systeme de la nature zeichnet sich durch die Zurückführung des Denkens auf die Empfindung aus. Der Hauptgedanke ist: die abstracten Gedanken seien nur die Wahrnehmung von Gegenständen. So ging die Philosophie zu Materialismus über. Aller Gedanke, alle Vorstellung haben nur Sinn als materiell gefaßt. Nur die Materie existire. Diese Zurückführung hat bei Helvetius diese Gestalt, daß wenn | man in moralischen Menschen ein Eines sucht, er dieß E i n e Selbstliebe nannte, und sich zu zeigen bemüht, daß alles was wir als Tugend benennen, zu seinem Grund nur die Selbstliebe habe und darein sich auflöse. Dieß Prinzip ist einseitig, obgleich das Ich selbst ein wesentliches Moment ist. Was ich will, das Edelste, Heiligste, ist m e i n Zweck, Ic h muß dabei sein, Ic h es billigen, Ich es für gut finden, mit aller Aufopferung ist immer eine Befriedigung, immer ein sich Selbstfinden vorhanden. Dieß Moment des S e l b s t , die subjective Freiheit muß überall dabei sein. Einseitig genommen können aber Consequenzen daraus gezogen werden, die alles Heilige umstoßen. Doch Helvetius bemühte sich durch geistreiche Analyse aus der Selbstliebe alle Tugend zu construiren. Die Hauptmomente alles dieses Philosophirens ist, daß der Mensch bei allem Erkennen dabei sein müsse, daß kei­

4  Gegenwart haben,] Hu: etwas praesentes haben, worin der Geist, Sinn, Gefühl praesent seyn kann –­  ­9 spinoza] Hu: Spinoza – oder Cartesius,   ­ ­ 9–10 Die Einheiten, … einseitig.] Hu: Gott, als das Dritte welches sie vereinigen sollte, erschien als ein Drittes, Anderes Objekt.­  ­16–17 Gedanken seien … Gegenständen.] Hu: Ideen sind nur uns angehörige Thaetigkeit – es hat keinen Sinn 35 für sich – nur als applicirt an die Gegenstaende die wir durch Sinne erfa sen.­  ­19 Zurückführung] Hu: Zurückführung auf die Einheit­  ­25–27 mit aller … sein.] Hu: Meine Einsicht, Uberzeugung ist nur meine Gegenwart darin – es ist darin Befriedigung der Idee darin, und zwar meiner Idee auch – das ist die subjektive Freiheit.­  ­29–30.744,1–3 Die Hauptmomente … solle.] Hu: So war 7  nahm] folgt nachtr. gestr: aber­  ­10 die Franzosen nachtr. mit Einfügungszeichen über gestr. sie­  40 ­19 man nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­20 er nachtr. über der Zeile

Ferner die Forderung daß was gelten solle, vom Geist als solchen anerkannt werde.

Weil aber der Gedan­ ke abstract ist ist die­ ses Concrete Geltende selbst ein abstractes: n u r die Natur, so daß der Ge­ danke des Geistigen überhaupt auf sie zurückgeführt ward, die Philosophie – Materialismus.

157rHo

Materialismus.

360 Hu 254.

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3. Indem nun also nur die Autorität des Selbstbewußtseins als Autorität des Geltenden anerkannt ward, so ward drittens das Selbstberuhen des Menschen auf sich als das absolute Prinzip ausgeprochen.

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Dieß sagt Rousseau indem er die Freiheit des Menschen als das Prinzip des Staates anerkennt.

b.) andere stellen die Vernunft als absolute Einheit auf.

361Hu 355. 182

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ne Autorität des Staats, der Kirche Autorität sei. Das Moment der subjectiven Freiheit thut sich auf, es soll keine Laien geben, der Mensch müsse aus sich selbst anerkennen, was er respectiren solle. Das Zweite ist, daß der Inhalt praesent sei, daß m e i n Inhalt zugleich müsse concret sein, ein gegenwärtiges. Dieses Concrete ward Vernunft genannt, welche die Edleren jener Männer mit der größten Wärme verfochten. Sie haben dem Menschen gesagt: “nach diesem Zeichen wirst du siegen,” nachdem sie sahen wie das Zeichen des Kreuzes herabgewürdigt war. Dieß Concrete hatte mancherlei Formen: sociale Triebe im practischen, Gesetze der Natur im theoretischen. Drittens ist in Betreff auf das Practische noch das Besondere zu bemerken, daß wenn Gefühl des Rechts zum Prinzip gemacht wurde, concreter practischer Geist, dieß Prinzip allgemein aufgefaßt zwar die Form des Gedankens hatte, ohne daß der Gedanke selbst der Inhalt sei. Nun aber kam auch dieß zum Vorschein, daß das reine Denken ward als Prinzip aufgestellt und als Inhalt, wenn zwar wieder diesem Inhalt die wahrhafte Form fehlte. | Denn es ward nicht erkannt, daß dieß Prinzip das Denken sei. Es kam dieß im Felde des Practischen vor. Das Innerste des Menschen die Einheit seiner mit sich ward als Grundlage aufgestellt und in’s Bewußtsein gebracht, so daß der Mensch eine unendliche Stärke in sich gewann. Es ist dieß das, was Rousseau von einer Seite über den Staat sagte. Er fragte nach dessen absoluter Berechtigung. Das Recht der Beherrschung faßt er auf der einen Seite so auf daß es geschichtlich auf Zwang beruhe. Zum Prinzip

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Helvetius der schönste Mann – Der Geist, das eigene Selbst ist hier in dieser philosophie als das Eine angenommen. Dieses prinzip strebt aller Autoritaet der Kirche und Staate entgegen – Es ist das Moment dass es keine Leyen keine Ausgeschlo senen geben solle – die subjektive Freiheit. Formell ist diess prinzip auch bey Kant.­  3–6 praesent sei, … verfochten.] Hu: praesent für den Geist wur- 25 de – dass der Inhalt mein Inhalt seyn mu s, oder dass der Gedanke concret seyn mu s – Diess nennte Hegel Vernunft – das Denken ist ein Concretes – Diess haben sie | mit der gro sten Waerme begeistet –­  ­ 8–9 sociale Triebe … theoretischen.] Hu: zB. Menschlichkeit, wohl der Allen, Socialer Frieden, Gesetze der Natur.­  ­13 Vorschein,] Hu: Vorschein in der französischen philosophie –­  ­16 dieß Prinzip … sei.] Hu: diess die Natur des Denkens ist.­   Practischen] Hu: praktischen Wil- 30 lens, Rechte­  ­19–20 Er fragte … Berechtigung.] Hu: Er hat untersucht was die Grundlage der Staaten ist, das absolut berechtigende in dem Verhaeltni se der Menschen, des Herschens und Unter­ ordnung.­  ­21 geschichtlich auf Zwang] Hu: geschichtlicher Gewalt, Zwange 10  ist nachtr. über der Zeile­  ­12 zwar nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­13 Nun aber … dieß nachtr. mit Einfügungszeichen über gestr. Dieß kam­  ­14 daß] folgt nachtr. gestr: auch­  ­15 Denn es ward] 35 (1) Doch (2) Es ward aber (3) (Denn es nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen) ward (folgt nachtr. ge­ str. aber)­  ­17 die Einheit … sich nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­18 so daß … Mensch nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­   in sich nachtr. über der Zeile­  ­21 so auf … Zwang] (1) auf so dß es auf geschicht(lichem als Kürzel) Zwange (2) so (nachtr. über der Zeile) auf dß es geschicht(lich 40 als Kürzel) auf (nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen) Zwang (nachtr. aus Zwange)­  ­

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dieser Berechtigung aber macht er den freien Willen, indem die Freiheit das Qualitative des Menschen sei. Nicht frei zu sein sei Verzichtleistung auf allen Pflichten und Rechten. Der Sclave hat keine Rechte und Pflichten. Das Fundamentale sei nun, eine Form zu finden, welche als allgemeine Macht zugleich die Person und ihr Eigenthum schütze, der der Einzelne gehorchend so frei bleibe wie er war, da er sich selbst gehorche. Der gesellschaftliche Vertrag sei diese Verbindung. Jeder sei darin mit seinem Willen. Diese Prinzipien so abstract dargestellt muß man richtig finden, doch die Zweideutigkeit beginnt bald. Der Mensch ist frei. Dieß ist freilich die substantielle Natur des Menschen und sie wird im Staate nicht nur nicht aufgegeben, sondern in der That erst constituirt. Die Freiheit der Natur, die Anlage der Freiheit ist nicht die wirkliche, denn der Staat erst ist die Verwirklichung der Freiheit. Der Mißverstand fängt aber da an, daß der Begriff der Freiheit nicht im Sinne der zufälligen Willkühr Jedes genommen werden muß, sondern, im Sinne des vernünftigen Willens, des Willens an und für sich. Dieß ist der Mißverstand, daß der Staat nicht eine solche Vereini­ gung ist, welche die Willkühr der Einzelnen beschließt. Das schiefe Auffassen jener Prinzipien geht uns nicht an. Was uns angeht ist dieß, daß dadurch in’s Bewußtsein kam: der Mensch habe in seinem Geiste die Freiheit als das schlechthin | absolute. Die Freiheit ist das Denken selbst. Wer das Denken verwirft und von Freiheit spricht, weiß nicht was er redet. Die Einheit des Denkens mit sich ist die Freiheit; freier Wille indem ich mich als Existirendes gleichsetzen will mir als Denkendem. Der Wille ist nur als denkender frei. Das Prinzip der Freiheit ist aufgegangen, und hat dem Menschen, der sich selbst als Unendlich faßte, diese unendliche Stärke gegeben. Dieß giebt den Uebergang zur Kantischen Philoso­ phie, welche in theoretischer Hinsicht sich dieses Prinzip zu Grunde legte. Das Erkennen drang auf seine Freiheit, und auf einen concreten und praesenten Inhalt, worin es selbst sich finde; den es selbst in seinem Bewußtsein finde. Sehen wir auf den Anfang der Periode zurück, so sehen wir bei Cartesius den

3 –4 Das Fundamentale … finden,] Hu: weiter sagt er: das problem ist eine Form der Verbindung 362Hu 356 zu finden­  ­9 frei.] Hu: frey sowohl in Rücksicht des Willens als Denkens.­  ­15–16 Dieß ist … beschließt.] Hu: Das ist ein Mi sverstand aber indem man die willkühr als das Letzte des Staates annimmt. Die schiefen Konsequenzen die theoretisch gemacht werden, auch auf die schauderliche weise praktisch,­  ­18 die Freiheit] Hu: die Grundlage der Freiheit­  ­19–25 Die Freiheit … legte.] Hu: Diese Freiheit für sich überhaupt ist die des Denkens – dann ist der Mensch f r e y wenn er 35 denkt. Das Denken, die einfache Allgemeinheit des Geistes ist Freiheit. Das Denken ist Wille in so fern Ich hier mich beziehe auf das Daseyn, und mich in der Existenz realisiren will, mich gleich setzen mit dem Denken. Das prinzip der Freiheit ist verstanden worden von den Menschen, es gab ihnen die Macht indem sie sich als endlich wu sten – Hier gehen wir zur Deutschen philosophie die diess prinzip mehr theoretisch aufnimmt. 40 1 aber nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  12 erst nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­ 

­16  beschließt nachtr. über gestr. schützt­  ­27 den nachtr. aus das

Der Gang der modernen Philosophie ist demnach dieser, daß in der Periode von Des Cartes bis Leibnitz die Einheit der Gegensätze welche sich als die absoluten trennen, als das absolute gesetzt ward, als ein Drittes gegen die­ se Zwei, als Gott.

Indem aber diese absolute Form nur verständig und nicht speculativ betrachtet wurde d. h. da sie nicht das sich selbst bethätigende sich selbst zu seinem Inhalte umsetzende Absolute war, so fiel aller Inhalt außer ihr, und jener Gott daher ward das leere caput mortuum der abstraction.

746 Indem aber das Abso­ lute bestimmungslos und unerkannt ist, wird aller Inhalt zu einem Endlichen und die Einheit welche nicht mehr in Gott ist in’s Selbstbewußtsein in die erscheinende Welt verlegt, so daß der Geist sich zwar eine gegenwärtige Welt aber eine endliche Welt der Richtigkeit statt dem Absoluten der Wahrheit erbaut. Die neuere Welt geht überhaupt von der Einheit der absoluten Gegensätze aus. Diese Einheit ist aber nur als sich aus sich selbst setzende. Als unmittelbare daher ist sie der Widerspruch und hebt sich durch sich selbst auf. Diese Aufhebung der Wahrheit als der absoluten Einheit in Gott, ist die Auf hebung dieser Einheit und das Freiwerden der Welt der Endlichkeit. Indem aber die Einheit das Absolute ist, so ist sie die Auf hebung dieser nur erscheinenden Welt, und wird als diese absolute Negativität: Negation ihrer Unmittelbarkeit und Auf hebung dieser Ne­ gation zu sein, Production ihrer selbst.

364 Hu 358.

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Gegensatz von Denken und Ausdehnung aufgehen, zugleich aber betrachteten wir wie Des Cartes, spinoza und Leibnitz die Selbstständigkeit der Seiten auf heben, und ihre Einheit als das Höchste, als Gott setzen. Diese Einheit, welche Gott ist, erscheint zunächst als das Dritte und bestimmt sich weiterhin so, daß er für sich das Bestimmungslose sei. Wir sehen somit dieses Dritte, die Einheit der 5 Unterschiede als ein Nichtdenkbares, als ein Unerkennbares, als ein Gedankenloses. Es ist als das absolut Concrete bestimmt, aber ein Jenseits des Denkens geworden, so daß diese Einheit jetzt innerhalb des Bewußtseins gefordert wird. Ein solches ist zunächst die Natur, sei über ihr selbst dieß Bestimmungslose Jenseits, oder selbst das Höchste. Es ist dieß ein Wissen des Concreten, das dem 10 Denken angehören soll. In Rücksicht auf das Practische, indem die Freiheit als Letztes ist ausgesprochen, ist das Denken selbst, wenn zuerst zwar als practisches, als Princip aufgestellt. Das Freie ist die Wurzel des Bewußtseins, das reine Denken selbst. Ferner ist die Freiheit an sich selbst concret. So weit ist die Bildung überhaupt, theils die Philosophie fortgeschritten. Indem so ganz in den Bereich 15 des Selbstbewußtseins das Erkennbare gesetzt, und die Freiheit des Geistes als das Absolute erfaßt ist | so ist das Wissen zugleich in die Endlichkeit hereingetreten, 158vHo und hat diesen Standpunkt als ein Letztes angenommen. Gott steht Jenseits, und die Bestimmungen, welche in Rücksicht des Erkennens und Wollens, anzunehmen seien, sind endlich. Je höher die m e n s c h l i c h e Vernunft sich selbstständig 20 machte, desto mehr ist sie von G o t t abgekommen und die Aufgabe ist, wie Gott wieder herbeizubringen sei. Auf diesem Standpunkt hat der Mensch ein Reich der Wahrheit geschaffen, welches s e i n Reich ist, außer welcher aber Gott ist, welches daher ein Endliches war, wo die Form das nur subjective und dieses subjective die Hauptsache. Denn wenn auch die Natur der Inhalt ist, so ist das Vor- 25 7–14 Es ist … concret.] Hu: Dieses Dritte ist an sich bestimmt als absolut Concretes – als Denken 363Hu 357. 183 und Ausdehnung aber zugleich ist es das Undenkbare. Jetzt aber kam es so weit: dass diese Einheit seye ein solches das Innerhalb des Denkens ist – das ist die Natur die wir bey den Franzosen sehen – wenigstens schwebt diess vor. Man mag die Natur als Hochstes gesetzt haben, oder als Materie – Kurz es ist ein Concretes das dem Denken angehören soll. Indem die Freiheit nun des Menschen als 30 ein Letztes erkannt wurde, so ist damit ein prinzip aufgestellt welches das Denken selbst – obgleich als realisirend. Diess prinzip der Freiheit ist Denken selbst – nicht nur im Denken – ferner ist diess prinzip des Denkens auch ein in sich Concretes – dem prinzipe wenigstens nach.­  ­18–20 Gott steht … endlich.] Hu: Gott ist so ein Jenseits – ein Au ser das Wi sen fallendes. Die Bestimmungen die der Mensch anzunehmen hat in Rücksicht auf den Staat, in Hinsicht auf das Erkennen sind 35 endlich.­  ­21–25 und die … Hauptsache.] Hu: nun die Frage ist wie Gott als das allein Wahre anerkannt ist. Auf den Standpunkte den wir gesehen haben, hat sich der Mensch ein Reich der Wahrheit au ser Gott geschaffen das ist eben das Reich der endlichen Wahrheit – der subjektiven Form. 2  wie nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­23 welcher] sc. die Wahrheit­  ­24–25 und die­ ses … Hauptsache. nachtr. über gestr. ist.­  ­25 Denn wenn] (1) Wenn (2) Denn (nachtr. über der Zeile) 40 wenn (nachtr. aus Wenn)

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nehmliche die Freiheit des Geistes, die Ichheit, die subjectivität. Die subjective Vernunft ist Ein und Alles, aber dieß Ein und Alles ist eine Welt der Endlichkeit, ein Wissen von Endlichem und somit ein endliches Wissen. Dieß Concrete, das dem Denken angehört, wie soll sich dieß weiter ausbilden, und wie kommt es wieder zur Objectivität?, wie dieß Denken wieder zu Gott kommt? Dieß haben wir in der letzten Periode zu betrachten. Wir können mit der Jacobischen Philosophie beginnen. Sie ist ungefähr mit der Kantischen gleichzeitig, und ihre Resultate sind dieselben, nur daß der Gang und der Ausgangspunkt ein Anderer war. Jacobi ging mehr von der Art und Weise der französischen Philosophie aus, dahingegen Kant mehr von der englischen seinen Anfangspunkt nahm. Weiter ist der Unterschied, daß Jacobi in sei­ nem negativen Verhalten mehr das objective der Erkenntnißweise vor sich hatte, den Inhalt vornahm und sie für unfähig hielt Wahrhaftes zu erkennen, während Kant das Erkennen überhaupt subjectiv nahm und der subjectivität wegen für unfähig hielt das An und Für sichseiende zu erkennen. Die große Frage war: was ist das Wahre? | Es soll concret und gegenwärtig aber nicht das Endliche sein. Was nun Jacobi betrifft, so ward er 1743 zu Düsseldorff geboren, zur Zeit seiner Ausbildung hielt er sich in Genf und Paris auf, wo er mit Bonnet und Diderot umging. In Düsseldorff trat er in ein Amt der finanziellen Parthie. Zur Zeit der Revolution ward er außer Activität gesetzt, und wurde zu München mehrere Jahre Praesident der Academie der Wissenschaften. Er wurde aber abgesetzt als Protestant. 1819 starb er zu München anerkannt als ein Mann des edelsten Characters. Aufsehen machte 1783 er durch seine Briefe über spinoza. Sie hatten eine äußere Veranlaßung. Seine meisten Schriften sind Briefe. Die Veranlaßung zu denen über spinoza war das Vorhaben Mendelssohns eine Lebensbeschreibung Lessings zu machen. Mendelssohn ließ Jacobi fragen, ob er wisse daß Lessing ein spinozist gewesen sei. Es ward damals die Wolff ische Philosophie fortgesetzt. Moses Mendelssohn der Anführer dieser Fortführer, welche das Wort führten ward für den größten Philosophen damahliger Zeit gehalten. Seine Philosophie ist

Das Nächste aber ist das Setzen der Welt der Endlichkeit als Endliches, wodurch das Erkennen als subjectives, das Erkannte nicht als an und für sich seiend, sondern als erscheinend ausgesprochen wird. Friedrich Heinrich Jacobi. 1743 – 1819. Er ging davon aus, daß der Inhalt des Erkennens, die Welt des Bewußtseins ein Endliches sei, und indem nur das Bewußtsein Erkennen gäbe, käme dasselbe nicht zum Absoluten, welches als unmittelbare Thatsache müsse angenommen, geglaubt werden. Jacobi also unterscheidet sich von Kant dadurch, daß dieser von der subjectiven Form des Erkennens ausgeht und aus der Natur desselben die Unerkennbarkeit des Absoluten deducirt, so daß für das Erkennen nur die erscheinende Welt übrig bleibt, welche aber als Schein bestimmt ist. Jacobi dagegen beginnt damit allen Inhalt des Erkennens als bestimmten für bedingten aber durch

30 3 Dieß Concrete,] Hu: Das Concrete ist jetzt festgesetzt, nicht Metaphysische Abstraktionen –­  ­6 be-

trachten.] Hu: betrachten. Hierher gehoert Kant, Fichte und Schelling.­  ­19 Amt der … Parthie.] Hu: 365Hu 359. 184 Oekonomisches Amt.­  ­24–25 Seine meisten … das] Hu: (: Er schrieb niemals etwas Systhematisches :) Es war seine Bekanntschaft mit Le sing – und ein­  ­26–27 Mendelssohn ließ … sei.] Hu: Mendelssohn wurde erschüttert dadurch dass Jakobi sagte Le sing sey Spinozist.­  ­27 fortgesetzt.] Hu: 35 festgesetzt – Sie verlie s zwar den Inhalt.­  ­29 gehalten. Seine … ist] Hu: gehalten – oder machte sich selbst zum philosophen. Seine Morgenstunden sind 1  subjective nachtr. über der Zeile­  ­7 der nachtr. über der Zeile­  ­17 er nachtr. über der Zeile­  ­23 er nachtr. über der Zeile­  ­24–25 zu denen nachtr. über gestr. der­  ­28 der Anführer … führten nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  

Dritter Abschnitt. A Jakobische philosophie 1.) Seyn Verhaeltni s zu Kant.

748 Bedingtes Bedingten zu setzen, so daß das Erkennen, da es in diesem Erkennen aus Bedingtem besteht nicht zum Unbedingten gelangt. Jacobische GlaubensPhilosophie Alles demonstrirende Erkennen geht auf Fatalismus d. h. auf ein Verhältniß der Nothwendigkeit nicht der Freiheit heraus. Denn der endliche Verstand hat nur selbst für das durch seine Gründe Bedingte bedingte und somit selbst Endliche Gründe.

Das Resultat dieser Erkenntniß ist die Identität mit sich.

Das Unbedingte als Grundlos kann daher nicht durch Demonstrationen erkannt werden.

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trocken Wolff ische, wie heiter platonisch auch jene elegante Philosophen ihre strohernen Abstractionen darstellen wollten. Es handelt sich von der Vollkommenheit, Möglichkeit, dem Angenehmen und Unangenehmen, in Formen einer leeren Metaphysik. Die Philosophie ward auf ihr Dünnstes reducirt, so daß kein gesunder Faden an ihr blieb. Die Ignoranz Mendelssohns über das was spinozis- 5 mus ist, und die Unfähigkeit die Idee des Inhalts zu fassen, kommt sogleich in den Briefen Jacobi’s zum Vorschein. Daß Jacobi zeigte tiefer eingedrungen zu sein, dieß kam jenen Herrn wie ein Donnerschlag aus blauem Himmel. Der Hauptgedanke Jacobi’s ist einerseits: daß jeder Weg der Demonstration in den Fatalismus übergeht, daß das Erkennen über das Endliche nicht vermöge 10 herauszukommen, sowie Kant sagt, es komme nicht über die Erscheinung heraus. | Jacobi hatte das Wolff ische Metaphysiciren und die französische Philosophie 159vHo vor sich und sagt: die Vernunft (der Verstand) kann nur Bedingungen des Bedingten, Mechanische Ursachen, Gesetze hervorbringen. Dieß ist allerdings das Endliche Erkennen: Erkenntniß der nächsten Bedingungen des Bedingten. 15 Wenn wir bestimmte Ursachen eines Bestimmten finden wollen, ist diese nächste Ursache selbst bestimmt und bedingt. Wir begreifen einen Cirkel, wenn wir seinen Mechanismus erkannt haben. Das Geschäft der Vernunft ist progressive Verknüpfung, die Verknüpfung nach vorhandenen Gesetzen der Nothwendigkeit, Erkennen des Identischen; alles was die Vernunft kann herausbringen sind End- 20 lichkeiten und sie selbst als e i n beschränktes Wesen, gehört sie selbst zu diesen Bedingungen. Die ganze Natur kann nur Bedingtes darstellen, wie ein reelles Prinzip eines objectiven Daseins. – Ferner: der Mensch hat Vernunft, durch sie besteht er, er ist die Form, welche die Vernunft annimmt. Der Mensch ist aus zwei Vorstellungen in sich: die Vorstellung des Bedingten und Unbedingten, bei- 25 de sind unzertrennlich verknüpft, so daß sie sich beide voraussetzen. Bei Malebranche schon fanden wir dieß, da nun das bedingte Dasein auf einer unendli4 auf ihr Dünnstes] Hu: auf ein Nichts­  ­7–8 Daß Jacobi … sein,] Hu: Dass Jakobi sagte Le sing sey Spinozist – und dass er ein philosoph sey –­  ­13 Vernunft (der Verstand)] Hu: Ve r n u n f t (spaeter machte er einen Unterschied zwischen Verstand und Vernunft)­  ­14 Mechanische Ursachen,] Hu: 30 Mechanismen – wir begreifen eine Sache wenn wir sie aus ihren naechsten Ursachen ableiten –­   ­16–17 Wenn wir … bedingt.] Hu: Wenn ich sage Gott ist die Ursache so ist diess nicht die bestimmte Ursache des Inhalts den ich ableiten will – denn Gott ist Ursache von unendlich vielen andern –­   ­17–18  wenn wir … haben.] Hu: wenn wir seine Form begreifen etc­  ­19 die Verknüpfung … Nothwendigkeit,] Hu: und das speculative Geschaeft ist die Vermittelung nach dem erkannten 35 ­Greifen –­  ­22–23 Die ganze … Daseins.] Hu: die gesammte Natur kann nicht mehr offenbaren als dass die Manigfaltigkeit ist, niemals ein prinzip eines Objektiven Daseyns. Das ist der Hauptsatz. Alles Erkennen ist endliches Erkennen.­  ­24–25 Der Mensch … sich:] Hu: so finden wir dass das Bewustsein des Menschen aus 2 bestimmten Vorstellungen besteht. 1  auch nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­   Philosophen] folgt nachtr. gestr: auch

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chen Menge von Vermittlungen beruht, so ist ein ungeheures Feld der Bearbeitung vor uns ausgebreitet. Ein ganz Anderes aber wäre das Unbedingte erkennen wollen. Wollen wir begreifen, so heißt dieß sich in einer Kette der Bedingten Bedingungen fortbewegen, wollten wir das Unbedingte erkennen, so hieße dieß die Ursachen des Unbedingten finden wollen. Dieß ist sogleich widersprechend. Es hieße dieß dem Begriffe des Außernatürlichen selbst Bedingungen geben. Das absolut Nothwendige müsse anfangen das Mögliche zu werden um sich zu construiren. Das Unbedingte also liegt außerhalb der Erkenntniß, und dieses Göttliche also ist zweitens nur anzunehmen als Thatsache. Dieß Wesen aller Wesen nennen alle Zungen Gott. Der Mensch hat zwei Organe sagt er, ein leibliches | für Endliches, Vernunft für das Unendliche. Vernunft hat hier den bestimmten Sinn, daß die Vernunft die Thatsache allgemeiner Wahrheiten in sich finde, die Thatsache: Gott. Die Annahme, daß das Allgemeine ist, und das Wahre ist, daß Gott das Wahre ist, ist ein unmittelbares Wissen, Glauben. Dieses ist nun die Jacobische Philoso­ phie und diese ist utiliter acceptirt. Erkennen nennt Jacobi bestimmte Ursachen für ein Bestimmtes finden, Endliche für Endliches, nur endlicher Stoff also ist vorhanden. Wird das Begreifen so gefaßt, so ist kein Erkennen des Absoluten möglich. Aber das vernünftige Erkennen ist noch ganz anderer Art. Was nun die zweite Seite betrifft, daß das Wissen vom Wahren nur ein unmittelbares Bewußtsein sei, und somit kein Begreifen (denn zum Begreifen gehört, daß der Gegenstand als concret in sich gefaßt werde) so ist bei diesem Unmittelbaren der Fall, daß von Gott nur gewußt wird, daß er Gott sei. Denn kommt es zu Bestim-

Dieß Unbedingte ist also im Wissen nur als undemonstrirbare Thatsache, als ­Glauben.

160rHo

Dieß Unbedingte aber des Glaubens ist nicht das schlechthin sich selbst bestimmende Concrete, sondern da jede Bestimmtheit als eine Endlichkeit angesehen, das Endliche aber als das schlechthin Bedingte gegen das Unbedingte festgehalten wird – das rein abstracte das reine Sein Gottes.

1–2 so ist … ausgebreitet.] Hu: so ist unserer Nachforschung ein unendliches Feld offen. Also im 25 Endlichen koennen wir uns unendlich ergehen.­  ­4 fortbewegen,] Hu: bewegen wo sie auf hoert

so hoert das Erkennen auf,­  ­ 5–6 Es hieße … geben.] Hu: Es hie se diess durch das Bedingte, die Vernunft, das Unbedingte zu begreifen – damit hoert das Unbedingte auf.­  ­9 Thatsache] Hu: Seyn­  ­10–13 Der Mensch … Gott.] Hu: Das ist der Zweite Satz. Er sagt auch: ich habe zwey Wahrnehmungs weisen im Menschen angenommen, des Sichtbaren (und die Reflexion) und ein 30 anderes Organ welches nur durch | Gefühl kunt wird – das ist eben die Vernunft – so hat Vernunft den Sinn: dass sie den Menschen der Sinn ist, der in ihm ausspricht die Thatsache des Hochsten, des Allgemeinen, Gottes.­  ­15 Wissen, Glauben.] Hu: Wi sen – die O f f e n b a r u n g  – das unmittelbare Verhalten dazu ist G l a u b e n .­  ­16–18 Erkennen nennt … vorhanden.] Hu: wir koennen nicht erkennen das was Isst es ist offenbar – weiter kann die Vernunft nicht gehen. (Absatz) Die eine 35 Seite bey Jakobi bezieht sich auf das Erkennen das er als ein Einiges nimmt. Es ist etwas zu fa sen aus bestimmten Ursachen. Es ist das Endliche durch Endliches zu fa sen.­  ­20–21 Wissen vom … sei,] Hu: Bewustsein vom Wahren ein Unmittelbares ist, ein Wi sen von Gott, Sittlichen, Recht.­  ­ 21–22 Begreifen gehört, …werde)] Hu: Erkennen gehoert dass der Inhalt bestimmt in sich erkannt wird, dass der Gegenstand als eine Erscheinung gefa st werde. 40 19  ist nachtr. über der Zeile­  ­22 als nachtr. über der Zeile­   werde] werden­  ­24 unendliches am

Rande mit Verweiszeichen­  ­39 Erscheinung] Echeilng

368 Hu 362.

c.) Mangel des Jakobischen philosophirens.

750 Und das unmittelbare dieß reine Sein Gottes in sich Finden ist die nach Jacobi die höchste Philosophie. Emanuel Kant. 1714 – 1804. Indem durch die Jacobische Philosophie aller Inhalt des Erkennens für endlich und das Unendliche nur als unmittelbare Thatsache des Bewußtseins gesetzt ist, so daß es nicht als An und fürsichseiendes erkannt sondern nur als ein subjectives gewußt wird, so ist alles Erkennen subjectiv. Eine falsche Vorstellung nun ist, dieß subjective Erkennen zum Behuf des Erkennens prüfen zu wollen, da diese Prüfung selbst Erkennen ist. Unabhängig von die­ ser Prüfung ist der Standpunkt Kant’s dieser: daß sich das Denken als der absolute Grund von allem faßt, und also als mit seinem Object in Einheit in sich concret ist. Dieß Denken aber ist nicht der An und für sichseiende thätige Gedanke sondern der nur subjective, weshalb seine Objecte nicht das An und für sichseiende, das Dingansich sondern nur Erscheinung sind. Wenn also Jacobi von der Endlichkeit alles Inhalts des Denkens, wie ihn die vorige Periode herbeigebracht hatte, ausgeht, und dazu kommt das Unbedingte selbst nur als ein subjectives zu haben, so kommt Kant

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mungen so würden sie als Endliches gefaßt werden und ihr Erkennen bestände in einem endlichen. Es bleibt also nur die ganz unmittelbare unbestimmte Vorstellung eines bestimmungslosen Jenseits, und das Resultat dieses Philosophirens ist das être suprême der Auf klärung, nur noch mit der Meinung, als ob von Gott nichts zu wissen die höchste Philosophie wäre. Dieß ist die erste Erscheinung der 5 neusten Philosophie. Gleichzeitig ist die Kantische Philosophie. Es kann bei ihr zunächst an die Vorstellung erinnert werden, daß sie eine Kritik des Erkenntnißvermögens sei, indem man ehe man erkennt, müsse das Vermögen des Instruments untersucht werden, um dessen Fähigkeit zu sehen, das Object zu fassen, damit man nicht 10 verwechsle was Product des Erkenntnißvermögens ist, und was Bestimmung des Gegenstandes selbst. Sonst nähme man das vom Instrumente Gemachte für die Bestimmung des Objects. – Dieß erscheint sehr plausibel. Doch ist es eine leere Vorstellung. | Denn die Untersuchung ist selbst Erkennen. Man soll also Erken- 160vHo nen vor dem Erkennen, Schwimmenlernen ehe man ins Wasser geht. 15 Im Allgemeinen kann der Standpunkt Kant’s so aufgefaßt werden, daß das Denken sich in sich selbst absolut und frei, als ein Letztes und in sich selbst concret erfaßte. Was Autorität haben soll ist nur das Denken. So ist das Denken in sich selbst bestimmend. Dieses in sich concrete Denken aber ist in der Kantischen Philosophie als etwas subjectives aufgefaßt und diese subjectivität ist die Form, 20 welche man in der Jacobischen Philosophie antrifft. Daß Gott ist, ist nicht an und für sich wahr, denn dazu gehörte, daß es erkannt werde, Gott ist erst durch mein Wissen hervor. Es ist Thatsache des Bewußtseins, daß Gott außer meinem Bewußtsein sei. Die subjective Seite also ist Hauptmoment der Jacobischen Philoso­ phie nur hat die Seite, daß das Denken concret sei nicht ihre Ausbildung erhal- 25 ten. Bei Kant aber sind die 2 Seiten zu erwähnen, daß das Denken in ihm als concret erscheint, aber zweitens subjectiv, so daß es nur Erscheinung erkennt. 8 Erkenntnißvermögens sei,] Hu: Erkenntni sVermögens ist. Diess ist etwas höchst plausibiles für den 369 Hu 363. 186 gemeinen Verstand.­  ­10–13 um dessen … Objects.] Hu: theils um es zu fa sen, theils um zu wi sen was an dem Gegenstande damit vorgebracht wird. Man mu s nehmlich wi sen wie sich die Formen des 30 Erkennens von dem Gegenstande selbst unterscheiden. Also man sollte das Vermogen des Erkennens untersuchen.­  ­16–19 daß das … bestimmend.] Hu: dass das Denken dazu gekommen ist, sich als absolut und als bestimmt zu erfa sen – es erfa ste sich als frey und dass es in sich concret ist, oder alles in Allem ist in sich selbst – Es ist die Absolutheit die sich von niemanden Imponiren ist – alles mu s sich vor ihr rechtfertigen. So ist das Denken in sich selbst bestimmend.­  ­22–23 Gott ist … hervor.] Hu: aber dass Gott ist das wei s ich unmittelbar –­  ­23–24 daß Gott … sei.] Hu: dass er höher ist als mein 370 Hu 364. Bewustsein – dass er an und für sich ist, ist durch mein Bewustsein gesetzt –­  ­26–27 Bei Kant … er7  ihr nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­9 man1 nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­12 man nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­21 man nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­antrifft nachtr. aus anbetrfft 40

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Das Große der Kantischen Philosophie ist die Concretion des Denkens in sich als das Sichselbstbestimmende, womit die Freiheit des Denkens gesetzt ist. Damit hat Kant, was Rousseau practisch aussprach, theoretisch gefaßt. Die französische Nation nach ihrer Weise hat diesen Grundsatz practisch sogleich in’s Handeln übersetzt, doch indem er abstract auf die Wirklichkeit angewendet ward, war es die Abstraction der Freiheit, welche die Wirklichkeit zerstörte. So entstand der Fanatismus der Freiheit. In Deutschland ist es dasselbe Prinzip, welches das Interesse sich gewann, doch ward dieß Prinzip theoretisch ausgebildet. Der Deutsche operirt innerhalb seiner ruhig fort. | Das letzte Resultat der Kantischen Philosophie ist dasselbe als das der Auf klärung, das Große aber ist die Bestimmung des Denkens als des Concreten. Kant ging zunächst von Hume aus. 1724 ward er geboren, blieb sein Leben hindurch in Königsberg und starb im 80sten Jahre. – Hume zeigte gegen Locke, welcher sagte, daß der Geist eine tabula rasa sei, die sich von Außen erfüllte, und darin auch die Bestimmung von Allgemeinheit und Nothwendigkeit erhielte, – daß wir zu diesen Bestimmungen nicht berechtigt seien, weil in der Wahrnehmung sie sich nicht fänden. Kant nun beginnt damit: Nothwendigkeit und Allgemeinheit sind nicht in den Dingen, in der Wahrnehmung vorhanden, vorhanden aber sind sie, jedoch in der selbstbewußten Vernunft; a priori. Wie sind nun synthetische Sätze, Einheit von Unterschiedenem im Denken a priori vorhanden? Dieß ist seine Frage. Kant stellt sieh diese Aufgabe: das Denken sei in sich concret, habe synthetische Sätze a priori, die nur ihm angehören. Das Lösen dieser Aufgabe nennt Kant transcendental-Philosophie, kennt.] Hu: Bey der Kantischen philosophie sind also die zwey Seiten – 1o die Exposition des Denkens 2o das Denken ist bestimmt als Subjekt – damit kann es nicht erkennen das an und für sich seyende.  3–9 Damit hat … fort.] Hu: R o u s s e a u hat in so fern das Denken wollend ist, ein Letztes zum Bewustsein gebracht. Kant that diess auch aber mehr nur auf das Erkennen. In Frankreich ist das Absolute mehr nach der Seite des willens aufgefa st – es ist gemae s dem französischen Karakter ist „il a la bonnet pres de la tête” – das Denken geht leicht in die Thaetigkeit über. Damit aber blieb diese Freiheit als Abstraktion. Diese Abstraktion aber geltend machen ist die Wirklichkeit zerstören, dieses dem Volke gegeben macht den politischen Fanatismus. In Deutschland kam dasselbe prinzip zum Bewustsein, aber es wurde ausgebildet nach der Seite des Erkennens – oder der Deutsche Kopf lae st eher seine Schlafmütze ruhig.­  ­16–21 daß wir … Frage.] Hu: Hume hat aufgezeigt dass diese Bestimmungen nicht in der Wahrnehmung aufzufa sen sind – Kant geht auch empirisch zu werke: er sagt die Bestimmungen der Nothwendigkeit und Allgemeinheit sind vorhanden in der Mathematik und Naturwi senschaft – sie sind aber nicht in den Wahrhnehmungen – also mü sen sie à priori sein – mü sen in der Vernunft liegen. Kant stellt dann so die Frage: wie sind synthetische Urtheile à priori moglich? das ist das Concrete überhaupt – das Concrete à priori, das hei st im Denken als solchen. Das ist das gro se dieser philosophie.­  ­23  transcendental-Philosophie,] Hu: transcendentale philosophie. Es war unnütz diese Terminologie. Transscentental ist 4  Weise] folgt nachtr. gestr: sagt:­  ­19 jedoch nachtr. über gestr. aber­  ­28 französischen] französchschen

dazu allen Inhalt, weil er durch das subjective Denken gesetzt ist, für endlich zu bestimmen, aber dadurch indem die ganze Welt der Bestimmtheit dieser Endlichkeit anheimfällt, das Unbedingte, Unendliche als das leere jenseitige Dingansich zu erhalten. Sein Großes aber ist das Denken als das Concrete mit seinem Objecte Identische ausgesprochen Dieses concrete Denken setzt Kant weil es Denken ist als das schlechthin Allgemeine und Nothwendige, gegen Hume, welcher dem Denken, weil es nur durch Abstraction von dem Einzelnen der Wahrnehmung diese Kathegorien hätte, dieselben abspricht Das Lösen der Aufgabe wie das Denken zu diesen synthetischen Sätzen a priori, zu diesen nothwendigen concreten Allgemein­ heiten käme, nennt Kant transcendental Philosophie.

371Hu 365. 187

752 Sie würde transcendent wenn sie diese Kathegorien der reinen Vernunft auf die Objecte anwendend dadurch ihr An und für sichsein erkennen wollte. Weil dieß An undfürsich ein dem Denken Fremdes wäre, da das Denken nur sollte innerhalb seiner betrachtet werden. Die Kantische Philosophie besteht nun also darin die Natur des Denkens zu betrachten, sowie dessen sich Selbstbestimmen. 1. Das theoretische Erkennen. a. Die Anschauung. α. Das sinnliche Gefühl hat eine Mannigfaltigkeit des einzelnen Stoffes vor sich als sein Inhalt. β. Das Allgemeine und Nothwendige alles dieses Inhalts ist für das Nebeneinander der Raum, für das Nacheinander die Zeit. Diese daher sind die aprioristischen Anschauungen; welche synthetische Sätze enthalten; sie sind concrete Bestimmungen. γ. Indem wir den gesammten Inhalt des Gefühls nur unter den Formen der Zeit und des Raumes sehen, so schauen wir Dinge nicht in ihrem An und für sichsein, sondern nur in ihrem von der subjectiven Anschauung in Raum und Zeit Gesetztem an.

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ein System der Prinzipien der reinen Vernunft, d. h. der Prinzipien von Allgemein­ heit und Nothwendigkeit in sofern diese im selbstbewußten Denken aufgezeigt seien. Dieß Denken würde transcendent wenn diese Bestimmungen ausgesagt werden von den Objecten. Dann würde in ein Anderes transcendirt, wozu wir von Anfang an nicht berechtigt sind, weil das Denken nur soll innerhalb seiner 5 betrachtet werden. Das transcendentale liegt darin, die Bestimmungen im s u b j e c t i v e n Denken aufzuzeigen. Kant geht nun die Weisen des theoretischen Bewußtseins durch: Anschauen, Verstand Vernunft; dann den Willen und die Urtheilskraft. | Das Erste ist die Anschauung. In ihr findet sich eine Mannigfaltigkeit des äu- 161vHo ßerlichen und innerlichen Inhalts. Dieser Inhalt macht das eine Bestandstück aus. Er gehört dem sinnlichen Gefühl an. Das Hören des Tons ist noch keine Anschauung. Das Andere darin ist die Bestimmung von Raum und Zeit. Diese Bestimmungen sind das Leere des Außereinanders und Nacheinanders. Die Erfüllung macht der genannte Stoff aus, der äußere Stoff für den Raum, der innere 15 mehr für die Zeit. Raum und Zeit sind die reinen Anschauungen, wogegen die Mannigfaltigkeit des Inhalts die andere Seite ist. Die abstracte Seite des Anschauens Raum und Zeit, sind die Formen der Anschauung. Diese Abstractionen sagt Kant, sind keine empirische Begriffe, (ein barbarischer Ausdruck) die von äußeren Erfahrungen abgezogen wären, sondern es seien Anschauungen a priori. 20 Der Inhalt gehört dem unmittelbar subjectiven Gefühl an. Was als das Objective erscheinen kann ist Raum und Zeit. Diese sind nicht empirisch, sondern das Bewußtsein hat in seinem Grunde Raum und Zeit liegen, und diese Bestimmungen machen erst möglich, daß ein Inhalt in sie gesetzt werde. Das Gefühl hat nur immer Einzelnes vor sich, aber jene abstracta sind Allgemeinheiten a priori. Daß 25 sie apriorisch seien dieß heißt eine transcendentale Erörterung, weil aufgezeigt wird, sie enthalten synthetische Sätze verbunden mit dem Bewußtsein der Noth­ 2  Denken aufgezeigt] Hu: Verstande erkannt­  ­5–7 weil das … aufzuzeigen.] Hu: was uns das Resultat lehrt, auch im Anfange wollen wir nur das Denken erkennen – wir wollen das Denken nur als die Quelle solcher synthetischer Saetze erkennen. Dann gehoert das Transcentendale.­  ­9 Urtheils- 30 kraft.] Hu: Urtheilskraft. Die Hauptsache ist aber das Erkenntni s Vermögen.­  ­10–13 In ihr … An- 372Hu 366. schauung.] Hu: In ihr findet sich allerhand Inhalt die Vorstellung der Farbe, Weichen, Harten etc In der Anschauung von Innen giebt es Vorstellungen von Zorn, Liebe etc Dieser Gehalt macht das eine B e s t a n d s t ü k aus – dieser Inhalt gehoert dem Gefühle an – Aber das Gefühl von der Farbe etc ist noch nicht Anschauung –­  ­15–16 der innere … Zeit.] Hu: Die Zeit ist auch so lehr – es ist hier 35 nicht nur der aü sere Stoff der Erfüllende sondern auch der innere Stoff.­  ­17–18 Die abstracte … Anschauung.] Hu: Isoliren wir von dem Inhalte das Nebeneinander und Nacheinander so haben wir Raum und Zeit – damit die reine Anschauung oder Form der Anschauung.­  ­24 ein Inhalt] Hu: eine partikularisirung­   Das Gefühl] Hu: Die Wahrnehmung­  ­27 Bewußtsein] Hu: Gefühle 3  würde] ohne Umlautpunkte­  ­16 die2 ] der­  ­25 Daß] (1) Dss apriorishe, Raum u Zeit, u daß 40 (2) Daß (nachtr. aus daß)­  ­26 dieß nachtr. über der Zeile­   eine nachtr. über gestr. die

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wendigkeit, wozu zum Beispiel gehört, daß der Raum drei Abmessungen habe, daß die gerade Linie der kürzeste Weg zwischen 2 Punkten sei, daß 5 + 7 = 12 sei, obgleich dieß alles höchst analytisch ist. Das zweite Vermögen ist der Verstand. Die Deduction Kant’s ist eine bloße Herzählung; an die Darstellung der Nothwendigkeit eines Fortgangs ist nicht erinnert. – Der Verstand nun hat Gedanken, und unterscheidet sich von der Vernunft, indem er Gedanken des Endlichen hat. | Der Verstand hat nur beschränkte, bedingte Gedanken. Das Denken ist das Ich. Die Gedanken haben die Bestimmung an ihnen: das Mannigfaltige zur Einheit zu bringen. Diese Einheit bin ich: die transcendentale Apperception; das Fassende ist das Ich, welches als in sich einfach, die Mannigfaltigkeit bezwingt, sie vernichtet. Was mir angehören soll, muß zur Einfachheit reducirt werden. Es giebt nun aber verschiedene Weisen dieser Einfachheit. Diese Weisen sind die Kathegorien. Kant stellt ihrer 12 auf; sie theilen sich in 4 Classen, jede Classe hat 3. Die erste begreift die Kathegorien der Quantität: Eins, Vieles und Alles; Die zweite die der Qualität: Realität, Negation, Grenze. Die dritte die der Relation; Verhältniß von substanz und Accidenz, Causalität und Wechselwirkung. Die Vierte die der Modalität; Möglichkeit, Wirklichkeit und Nothwendigkeit. Das Merkwürdige ist an ihnen dieses, daß Kant sagt: die erste Kathegorie jeder Classe ist affirmativ, die 2te negativ gegen das erste, die dritte die synthesis dieser Beiden. Das Viele ist das Negative, das All das umschlossene Eins, das Ganze der Vielen, die Vielen, die eins sind. Die Form der Triplicität, die hier zwar erst schematisch ist, ist merkwürdig. Kant leitet aber die Kathegorien nicht ab, auch sind sie unvollständig. Er kommt zu den Kathegorien überhaupt dadurch, daß er sagt: in der Logik führt man viele Urtheile auf, an ihnen als Denken zeigen sich die verschiedenen Weisen des Denkens. Wie also das Ich, das Einfache dazu kommt, einen Unterschied zu machen, dieß sind wesentliche

373Hu 367. 188 1 0  Apperception;] Hu: Apperception. Auch ein barbarischer Ausdruckt.­  ­14 4 Classen, … 3.] 30 Hu: 4 Kla sen. Die Kla sification ist wichtig nicht wegen des Inhalts sondern der Form­  ­20 dieses, daß … sagt:] Hu: dieses, was eben einen gro sen Instinkt des Begriffes in sich enthaelt.­  ­22–24 Das Viele … merkwürdig.] Hu: so zB. Eins, Viele – und Allheit – Allheit ist Vielheit als Eins gesetzt. So Realitaet und Negation sind Abstrakta – Graenze ist Realitaet. Die Möglichkeit ist aber naeher das zweite – das leere Denken macht sie zum Ersten – Es findet sich die Triplicitaet – die Natur des 374 Hu 368. Begriffs –­  ­26–28.754,1–2 Logik führt … aufnimmt.] Hu: allgemeinen Logik, führt man verschie­ dene Arten des Urtheils auf – diess ist eine Funktion des Denkens – es ist die Vereinfachung des Manigfaltigen. Die Verschiedenen weisen des Urtheils geben also die verschiedenen weisen des Denkens. Wie das Denken aber dazu kommt einen Unterschied zu machen, und die Nothwendigkeit dieses Unterschiedes, diess bewei st Kant weiter nicht. 40 33  das] dr

b. Der Verstand. Er ist das den mannigfaltigen Inhalt des Gefühls, indem er ihn auf das Ich, welches das schlechthin einfache Allgemeine, das Denken selbst ist, – Vereinfachende. Als Denken des Mannigfachen Beschränkten ist der Verstand selbst in sich bestimmter. Diese Bestimmtheiten sind die Weisen der Beziehung des Mannigfachen auf das Einfache: die Kathegorien Diese sind: 1. Die Quantität. a. Eins, b. Vieles, c. Alles. 2. Die Qualität. a. Realität b. Negation. c. Grenze. 3. Die Relation. a. substantialität b. Causalität, c Wechselwirkung. 4. Modalität. a. Möglichkeit b. Wirklichkeit. c. Nothwendigkeit. Das Große dieser Kathegorien ist, daß Kant sie als synthetische Sätze ausspricht, als Einheiten entge­ gengesetzter. Aber indem diese Einheit nur erst eine Verknüpfung ein Auch ist, so deducirt Kant weder die Kathegorien, noch weiß er das Prinzip der synthese, daß alle Gegenstände der Welt und das Ich als die zweitheilige Erscheinung ein und derselben zu achten seien, festzuhalten und durchzuführen.

754 Da die synthese bei Kant bloße Verknüpfung ist so fallen ihre Unterschiede als Selbstständigkeiten auseinander. Dadurch ist das Denken die selbstständi­ gen für sich leeren bestimmten Einfachheiten, welchen der Inhalt der Wahrnehmung als das mannigfache gegenübersteht. Beide synthetisirt geben die Erfahrung. Diese daher hat Allge­ meinheit und Nothwendigkeit und deshalb ist sie die objective Erkenntniß gegen das bloß subjective der Wahrnehmung. Indem aber die Erfahrung nicht das unendliche Denken ist, welches sich selbst seinen Gegenstand setzt und darin sich auf sich bezieht, so daß die Objecte das Gesetztsein und zugleich das Ansich des subjectiven sind, so ist die Erfahrung da sie durch ihr Denken den Dingen nur die Einfachheit der Beziehungen des subjects giebt, in ihrer objectivität selbst nur subjectives Erkennen und daher nicht Erkennen der Dinge wie sie an und für sich, sondern wie sie in ihrer Bezogenheit auf das subject, also als Erscheinende sind. C. Die Vernunft. Gegen den Verstand und die Wahrnehmungen als die Erkenntniß des Beschränkten in seiner Mannigfaltigkeit der Sinnlichkeit, und in seiner Einfachheit im Denken ist die Ver-

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Fragen, die aber Kant nicht beantwortet, sondern die Unterschiede empirisch aufnimmt. Dieß sind die Formen des Verstandes, oder Weisen der Beziehung des Mannigfaltigen. Alle diese Bestimmungen enthalten Einfachheiten[.] | Das Weitere 162vHo ist, daß Kant sagt, daß diese Formen nicht der Wahrnehmung angehören, son- 5 dern dem Denken. Für sich aber sind sie daher leer, und bedürfen eines Stoffes. Diesen giebt die Sinnlichkeit. Dieser Inhalt ist das Mannigfaltige; das der Verstand auf seine Weise verbindet und dadurch Erkenntniß erhält, die Erfahrung. Die Erfahrung ist ein Wahrgenommenes unter Kathegorien des Verstandes gebracht. Die Erfahrung hat Allgemeinheit und Nothwendigkeit und setzt den zu- 10 fälligen Inhalt unter diese Kathegorien. Für sich aber sind die Denkbestimmun­ gen leer. Es fragt sich nur ob die Fülle des Sinnlichen oder der einfache Begriff besser sei. Wenn nun Sinnlichkeit und Verstand verbunden sind, so sind sie doch nur Erscheinung und die Erfahrung erkennt nur Erscheinendes, denn ihre Bestandstücke, sind Bestimmungen unseres Verstandes und subjektive Empfindun­ 15 gen. Das Concrete bleibt also innerhalb der subjectivität stehen. Einerseits ist das Denken, mit seinen vielfachen Kathegorien, anderseits der sinnliche Inhalt, und die Erfahrung synthesis Beider. Das Allgemeine und Nothwendige nun heißt bei Kant Objectivität, aber es ist nur Objectivität der Erscheinung. Die Wahrnehmung hat keine Objectivität, sondern nur das Denken. Aber die Objectivität der 20 Erfahrung ist nur ein subjectives eingeschlossen in das Ich. Daß das Denken die Objectivität bestimme, und diese subjectiv sei, dadurch heißt die Kantische Philosophie Idealismus. Das Dritte zu der Wahrnehmung und dem Verstand ist die Vernunft. Sie findet sich neben der Wahrnehmung und dem Verstand. Ihr Product ist die Idee. 25 Unter Idee versteht Kant das Unendliche, Unbedingte. Dieß Unbedingte ist bei Kant das Abstract Allgemeine, abstract Identische, Unbestimmte. Diesem entspricht keine sinnliche Wahrnehmung. Die andere Seite dagegen ist die Forde­    enthalten Einfachheiten] Hu: koennen nicht getrennt werden.­  ­6–7 bedürfen eines … Sinn4 lichkeit.] Hu: sie bedürfen einer Erfüllung, der Stoff den sie haben ist die Erfüllung die uns von der 30 Empfindung aus der Sinnlichkeit kommt.­  ­10–11 gebracht. Die … Kathegorien.] Hu: gebracht – meistens in die Kategorie der Ursache und Wirkung. Der Zusammenhang der Verschiedenen macht die Erfahrung aus.­  ­16 Das Concrete … stehen.] Hu: Das concrete nun | ist nur Erschei- 375Hu 369. 189 nung – Oder die Erkenntni s bleibt innerhalb den Subjekt stehen.­  ­20 sondern nur … Denken.] Hu: Aber die Allgemeinheit und Nothwendigkeit die den Kategorien zukommt ist objektiv.­  35 ­22–23 dadurch heißt … Idealismus.] Hu: In so fern hat sich die Kantische philosophie I d e a l i s m u s genannt. Wir kommen nicht zu dem A n s i c h , zu einem solchen welches nicht subjektiv ist.­  ­28 Wahrnehmung.] Hu: Wahrnehmung – es kann ihm kein kongruirender Gegenstand in den Sinnen gegeben werden – Ganz richtig. 6  aber] folgt nachtr. gestr: daher­   daher nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen

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rung der Vernunft auf das Unbedingte die Verstandesbestimmungen anzuwenden. Diese sind beschränkte, bestimmte[.] | Dieß wäre das höchste Concrete: Vereinigung der Verstandesbestimmungen, und der Vernunft. Des Endlichen mit dem Unendlichen. Sagt nun Kant die Vernunft bringe Ideen hervor, so hat er ganz Recht, die Idee von der Bestimmung des Endlichen zu unterscheiden. Aber die Idee Kant’s ist das Abstracte nicht die Einheit des Endlichen und Unendlichen. Von den Ideen sagt Kant: es giebt ihrer mehrere Arten. Er nimmt sie wie die Kathegorien empirisch aus dem Syllogismus auf. Die 3 Arten sind: Erstens das Unbedingte der Kathegorischen synthesis in einem subject. synthesis heißt Concretion. Der Ausdruck ist zweideutig, denn Verknüpfung ist Einheit selbstständig bleibender Seiten. Diese Einheit machen wir, wenn wir uns das denkende subject vorstellen. Die zweite Idee ist die Welt als Inbegriff aller Erscheinungen. Die dritte Idee ist das Ding, welche die oberste Bedingung der Möglichkeit alles Denkbaren ausmacht. Dieß Ding ist Gott. Das Andere wäre nun die Frage: kann die Vernunft diese Ideen bis zur Wirklichkeit bringen, oder bleiben sie in das subjective Denken eingeschlossen? Dieß vermag nach Kant die Vernunft nicht ohne transcendent zu werden. Was die erste Idee betrifft, so ist das denkende subject als reales gesetzt, substanz: Ich bin Eines. Ist dieß Ich eine substanz, ein Ding? Woran sich knüpft ist es: incorruptibel, unsterblich, eine reale Gemeinschaft mit dem Körper. Kant meint: wir wissen wohl, daß Ich das subject ist, wollen wir ihm aber die Bestimmung einer substanz geben, so gehen wir weiter, als wir zu gehen berechtigt sind. Man muß allerdings sagen, Kant habe Recht zu behaupten die Seele sei kein Ding, wenn Ding ein todtes Beharrendes ist. Aber bei Kant scheints als wäre die Bestimmung von Ding zu hoch für das subject. Aber ein Ding ist zu arm für den Geist. | Daß der Geist s e i , dieß ist das schlechteste, wenigste was man von ihm aussagen kann.

376 Hu 370. 8 aus dem … auf.] Hu: auf aus Formen der Syllogismen – kategorischer hypothetischer disjunktiver Syllo­g ismus.­  ­16–18 kann die … werden.] Hu: haben diese Vernunftideen Realitaet? oder sind sie nur den subjektiven Denken zugehörig? Das ist die letzte Frage – das Behauptet Kant ist die Vernunft nicht möglich zu thun, ihren Ideen Realitaet zu verschaffen – sie sind alsdann transcendent.­  ­25–29 Aber bei … kann.] Hu: aber das andere ist dass bey ihm die Bestimmungen der Substanz des 377Hu 371. 190 Dings als etwas zu Hoch ist. In Wahrheit | aber ist aber das Ding gar nicht unangeme sen dem Ich, der Seele – die Seele ist nicht so ein Schlechtes. Also Ding ist nicht zu hoch, zu schön, sondern zu niedrig – Seyn ist auch eine zu dürftige Bestimmung für den Geist. Das Seyn ist nur die abstrakte unmittelbare Identitaet mit sich – es pa st also nicht den Geist zu fa sen – 3  und der Vernunft. nachtr. über der Zeile­  ­9 Unbedingte] Unebendgte­  ­34–35 des Dings am 40 Rande mit Verweiszeichen

nunft das Erkennen des Unbedingten. Dieß Unbedingte jedoch, da der Wahrnehmung und dem Verstande die ganze Welt der Bestimmtheit und somit der | Unterschiedenheit gehört, ist die abstracte sich selbst gleiche Allgemeinheit, welcher der Unterschied fehlt. Die wahrhafte Synthese wäre nun die Einheit dieses Unbeschränkten und des Beschränkten. Diese ist die Forderung der Vernunft, welche aber nicht realisirt wird, da das Unbeschränkte und Beschränkte sich widersprechen ohne sich zu vereinigen. Die Vernunft producirt die Ideen: 1. Des subjects als einer lezten Synthese das Ding an sich. 2. Einer Synthese als Totalität alles Erscheinenden; die Welt 3. Einer letzten Ursach alles Erscheinenden; Gott. Indem nun die Vernunft zu ihrer Erkenntniß nur die Kathegorien hat, diese aber ihre Anwendung nur auf Wahrnehmbares haben, so vermag die Vernunft ihre Ideen nicht zu erkennen ohne transcendent zu werden. Daher ist das Dingan-sich nicht zu erkennen, weder ontologisch, noch psychologisch.

756 Ebensowenig ist eine cosmologische Erkenntniß möglich. Denn der Weltinhalt ist beschränkt; die Beschränktheit unter die Unbeschränktheit subsumirt giebt einen Widerspruch. Das Aufzeigen der Widersprüche sind die Antinomieen. Dieser sind nach Kant 4: 1. Die erste Antinomie ist die der Begrenztheit und Unbegrenztheit der Welt in Zeit und Raum. 2. Die zweite die der Theile und des Ganzen.

3. Die dritte die der Freiheit und Nothwendigkeit.

4. Die vierte der Welt als absoluter substanz, und des Bedingtseins.

378 Hu 372.

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Die zweite Idee, die Kant behandelt ist die Welt, die Gesammtheit der Erscheinungen. Machen wir aus den vielen Mannigfaltigkeiten ein Ganzes, so nennen wir es Welt. Betrachten wir sie näher, so findet sich nach allen Seiten in ihr der Widerspruch. Dieser ist leicht zu fassen. Denn die Erscheinung ist überall beschränkt; die Idee soll das Unbeschränkte sein. Wenn nun der beschränkte Inhalt 5 unter das Unbeschränkte subsumirt wird haben wir zwei sich widersprechende Bestimmungen. Die Vernunft fordert eine vollendete synthesis. Doch gehen wir in Reihen von Ursachen und Wirkungen fort ohne auf eine Letzte zu kommen. Kant zeigt 4 Widersprüche auf. Dieß sind wenige, denn jeder Begriff, jede wahre Bestimmung ist eine Einheit Entgegengesetzter. In allem ist der Widerspruch. 10 Die Widersprüche nennt Kant Antinomien. Daß er sie aufzeigte ist von der höchsten Wichtigkeit, obgleich in anderer Rücksicht als er wollte. Die Welt soll ein Ganzes, Unbedingtes, Unbegrenztes sein, während anderseits ihr ganzer Inhalt ein Beschränktes ist. Kant’s Antinomien enthalten nun näher dieses, daß man ebenso die Begrenztheit geltend machen muß als die Unbegrenztheit. So stellt 15 Kant die Antinomieen in Betreff auf den Anfang in der Zeit, und auf die Umschlossenheit im Raum auf. Es läßt sich Beides sagen: die Welt habe in der Zeit angefangen und höre auf, sie sei also begrenzt, so wie sie auch nicht anfange und auf höre. Und ebenso beim Raum. Die ganze Art des Beweisens geht darauf aus zu bezeigen, wie das Bedingte und Unbedingte sich aufzeigen lassen. Die zweite 20 Antinomie ist die der Einfachheit und Zusammensetzung also wieder des Begrenztseins und Unbegrenztsein. Die Grenzen sind die Atome, die Theile, das Andere ist das Zusammen der Theile des Ganzen. Die dritte Antinomie betrifft das Verhältniß der Freiheit und | Nothwendig- 164rHo keit. Freiheit ist die Seite der Bestimmung aus sich selbst die Unendlichkeit, die 25 Nothwendigkeit das Determinirtsein durch Anderes. Die 4te Antinomie ist die Bestimmung einer absoluten substanz, weil die Welt soll das Ganze sein, eine in sich abgeschlossene Totalität, gegen die andere Bestimmung, daß weder in der Welt noch außer ihr ein Anderes sei, als ein Bedingtes. 4 Widerspruch. Dieser … fassen.] Hu: vollkommenen wiederspruch – die Erscheinungen sind endli- 30 cher Inhalt – die Vernunftbestimmung soll aber sein ein Unbedingtes.­  ­20–23 Die zweite … Ganzen.] Hu: Die Andere Antinomie ist: dass Jede Substanz aus einfachen Theilen besteht – und dann dass jede Substanz einfach ist. Die Einfachheit kann hier gefa st werden als das Punktuelle, Be­ schraenk­te. Atome. Die Andere Bestimmung ist das Aufgehobenseyn dieser Graenze.­  ­26–29 Die 4te … Bedingtes.] Hu: Die Vierte Antinomie ist: die Bestimmung von einem schlechthin nothwendi- 35 gen wesen. Das Gegentheil ist: es ist kein schlechthin nothwendiges wesen – also existirt nur Bedingtes, Begraenztes – Alles was existirt ist nur Begraenzt. 3  findet] finden­  ­14 Antinomien] Antimonien­  ­19 des nachtr. über der Zeile­  ­20 sich nachtr. über der Zeile­  ­28 Bestimmung nachtr. über gestr. Welt­   daß] folgt nachtr. gestr: es­  ­33 werden] werden werden 40

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Diese entgegengesetzte Bestimmung stellt Kant auf. Er lößt die Widersprüche nach dem Sinne des transcendentalen Idealismus d. h. alle diese Bestimmungen, welche die Antinomien herbeiführen, kommen nicht dem Ansich zu, dem außerhalb des subjectiven Denkens seienden; kämen sie der Welt zu oder Gott ect., wären sie objectiv, so wäre ein objectiver Widerspruch, was nicht der Fall ist, weil der Widerspruch nur seine Quelle im Denken hat. Die Auflösung ist also nur: der Widerspruch kommt dem subjectiven Denken zu, er ist dem Ansich entrissen und fällt in’s Denken. Er ist also nicht aufgelößt und nur vom Object in’s subject verlegt. Es ist mit großer Zärtlichkeit gegen die Dinge verfahren, während dem Geist, welcher doch das höchste ist, der Schaden übergeben wird. Die Antinomien sind also nicht nur nicht aufgelößt sondern so gestellt: daß die Welt der Erscheinungen ein Ansich habe, welches widerspruchslos ist, während dem Geist die Verrücktheit in sich selbst gegeben ist. Die wahrhafte Auflösung geht auf den Inhalt selbst, zeigt, daß die Kathegorien an sich keine Wahrheit haben, ebenso wenig wie das Ansich, die abstracte Einheit, sondern daß nur die concrete Einheit der Einheit und des Unterschiedes die Wahrheit ist. Die dritte Idee ist die Gottes. Ihn setzen die übrigen Ideen voraus. Kant nennt ihn das Ideal der Vernunft; es soll Wirklichkeit haben. Aber es fragt sich ob dem Ideal könne Realität verschafft werden? Der Beweis geht aus vom absoluten Begriff, wovon soll zu seiner Realität fortgegangen werden denn die Wahrheit soll diese Einheit sein. Kant sagt nun, daß | dem Ideal der Vernunft nicht könne Realität gegeben werden, weil nehmlich zB. hundert wirkliche Thaler derselbe Inhalt seien als ihr Begriff, die Möglichkeit derselben. Aus dem Begriffe könne nicht auf das Sein geschlossen werden, weil dieses nicht im Begriffe liege, sondern zu ihm hinzukomme. Beim Beweise solle aber das Sein selbst aus dem Begriffe abgeleitet werden. Der Inhalt von Begriff und Sein sei derselbe, also liege das Sein nicht im Begriffe selbst, es sei ihm äußerlich. Im Begriffe liegt allerdings nicht die Bestimmung des Seins; denn er ist ein Anderes gegen die Realität. Die­ se ist in ihm nicht fertig daliegend. Bleiben wir beim Begriff stehen, so sind wir

30 3 –4  kommen nicht … seienden;] Hu: kommen nicht den Dingen a n s i c h selbst zu – kommen 379 Hu 373. 191 nicht den Dingen die au serhalb unserer Subjektivitaet existiren.­  ­7–8 er ist … Denken.] Hu: unsern Denken das theils verstaendig ist, theils vernünftig ist, das auf Einheit dringt.­  ­11 also] Hu: also durch den transcendentalen Idealismus­   ­13 Verrücktheit] Hu: Verrücktheit, Zerrüttung­  ­19 Ideal] Hu: Ideale, dem Inbegriffe aller Möglichkeit­  ­20–21 wovon soll … sein.] Hu: und da380 Hu 374. von geht man zum Seyn über – wir sahen diess bey Anselmus, | Cartesius etc. Die Einheit des Be­ griffs und der Existenz ist erst das wahrhaft Absolute.­  ­22 gegeben werden,] Hu: verschaft werden. Aus den Begriff kann das Seyn nicht abgeleitet werden –

5  wären] währen nachtr. aus während­  ­18 ihn nachtr. über gestr. es­  ­20M nicht nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen  ­22 Thaler] als Kürzel­  ­25 hinzukomme] hinzukommen­  

Indem nun das Ansich das schlechthin abstract mit sich Identische ist, so wird der Widerspruch aus diesem Ansich in das subjective Erkennen gelegt, so daß nicht das Unendliche in sich selbst entgegengesetzt, sondern nur das endliche Denken es sei, weshalb es das Ansich nicht erkennen könne. Kant also bleibt dabei stehen den Widerspruch aufzuzeigen, in welchen das Endliche Denken geräth, aber indem er den Unterschied von der Einheit trennt und die Einheit abstract für sich als das Unendliche setzt, so wird dieß Unendliche nicht erkannt und ist nicht zu erkennen, weil es nicht in sich selbst unterschieden und somit sich widersprechend, so wie Auflösung seines Wi­ derspruchs und Einheit mit sich in seiner Entgegensetzung ist. Ebenso wenig wie das Ansich des subjectiven, noch des Objectiven, der Welt, ist das Ansich Gottes zu erkennen, weil von seinem Begriff nicht zu seiner Realität kann übergegangen werden.

758 Denn der Begriff enthalte nicht in sich die Bestimmung des Seins, welches doch aus dem Begriffe solle abgeleitet werden.

Daher ist das subjective das Denken überhaupt ein schlechthin Anderes als die Objectivität. Es macht sich nicht durch sich selbst zum Objectiven, sondern bestimmt dasselbe nach seinen subjectiven | endlichen Kathe­ gorien, erkennt es also nur subjectiv, ohne das Ansich zu erkennen.

Dieses Ansich aber weil aller Unterschied in die Kathegorie fällt ist die abstracte Einheit welche jener Unterschiedenheit mangelt. 2. Die practische Vernunft. a. Der Begriff des Willens. Der Begriff des Willens ist die Freiheit, die Bestimmung des subjects aus sich selbst, sein Sichselbstwollen.

382Hu 376.

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beim Anderen des Seins. Die Hauptsache also ist daß an der Trennung des Unterschieds festgehalten ist. Und dieß kann jeder verstehen. Hundert Thaler eingebildet oder nicht sind dieselben, aber ein Anderes ist sie Haben und Einbilden. Aber das bloße Einbilden muß jeder lassen, sagt der gesunde Menschenverstand; denn das bloß Eingebildete ist ein Unwahres. Ist es um 100 Thaler zu besitzen 5 zu thun, so ist Hand an’s Werk zu legen; beim Vorgestellten ist nicht stehen zu bleiben. Damit ist gesagt: das subjective sei kein Absolutes, sondern dieses sei das nicht subjective sondern ebenso objective. Nach der Kantischen Vorstellung aber wird bei dem Unterschiede des subjectiven und Objectiven festgehalten und jede Seite gilt als absolutes. Dieser Dualismus wird festgehalten. Gegen ihn reagirt der 10 gemeine Menschenverstand, denn die schlechteste Handlung ist schon ein subjectiviren des Objectiven. Der Hunger ist ein besserer Idealist; es geht zum Objectiven heraus und vindicirt es sich. Alles Leben besteht darin die subjectivität als solche aufzuheben. Das Letzte in der Kantischen Philosophie ist, daß die Vernunft nur vermag 15 eine abstracte Identität, ein Denken in seiner abstraction hervorzubringen, gegen welche die Realität ein Anderes ist. | Die Vernunft vermag nur eine subjective 165rHo Ordnung in die Dinge zu bringen. Wir sehen in dieser Critik der Vernunft eine Erzählung psychologischer Unterschiede, ohne Nothwendigkeit des Fortgangs mit dem Resultat des Nichterkennenkönnens. Ich bin auf der Einen Seite: fühlend, 20 nach Kathegorien denkend; draußen ist ein Anderes, dieses seiner Wahrheit nach zu erkennen ist nicht möglich. Was zweitens die practische Vernunft anbetrifft, so kommt in ihr die Natur des Willens zum Vorschein. Er ist frei, sich selbst bestimmend, und auf dieser Freiheit beruht alles Rechtliche und Sittliche. Dieß ist das Befriedigende an der 25 5 Unwahres.] Hu: Unwahres, ein Abgeschmaktes.­  ­10–15 wird festgehalten. … daß] Hu: ist das 381Hu 375. 192 Letzte. Jede Seite gilt für das Letzte. Man sagt man kann über den Begriff nicht hinauskommen – das ist das Letzte – weiter kommen wir nicht. Es giebt keine Brücke zur Wirklichkeit. Gegen diesen Standpunkt ist der praktische Verstand gewendet. Jede Handlung ist zu machen dass sie nicht nur subjektiv sey. Ein jeder solcher philosoph der bey der Subjektivitaet steht bleibt ist, ist ein Tor. 30 Alles Leben beruht darauf nur die blo se Subjektivitaet aufzuheben. – Das Resultat der Kritik der Vernunft ist also­  ­17–22 Die Vernunft … möglich.] Hu: Stelle ich mir etwas vor – so ist das nächste nur die Identitaet. Die Vernunft also will alles nur in diese Identitaet versetzen. Wir sehen nun also in dieser sogenannten Kritik alle Stufen beschrieben. Wer die Bestimmungen nicht kennt kann sie daraus erlernen – aber der Fortgang ist nur beschreibend – enthaelt nicht die Nothwendigkeit – 35 und das Resultat ist diese Trennung. Also ist Ich als Vieles, als Verstaendiges – und drau sen ist ein Anderes – das ist der Dualismus. Das Thier bleibt nicht bey diesen Standpunkte stehen, es greift über – und verzährt Alles was das fixe ist.­  ­24 Er ist … bestimmend,] Hu: Kant sagt hier der wille ist an und für sich frey – bestimmt sich – (schon bey Rou seau) 1  ist nachtr. über der Zeile­  ­5 denn nachtr. über der Zeile­   Thaler] als Kürzel­  ­13–14M Kathegori- 40 en] Katheogorien

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Kantischen Philosophie. Ich bin frei, bestimme aus mir selbst, anerkenne nur was mir selbst gemäß ist, was ich aus mir bestimme. Insofern ist die practische Vernunft autonomisch. Der empirische Wille ist heteronomisch; Trieb, Begierde bestimmen ihn. Sie gehören nicht zum Gebiete der Freiheit. Die practische Vernunft ist concret aufgefaßt, die theoretische auf ihrer Spitze abstract. Das Gesetz, das die practische Vernunft sich giebt ist das Sittengesetz. Betrachten wir sie näher, so ist wohl ausgesprochen, daß sie in sich concret sei. Fragen wir aber nach dem Inhalt des sich Selbstbestimmens so kommen wir wieder zur Inhaltslosigkeit, denn das Gesetz ist die abstracte Identität der Uebereinstimmung mit sich. Das allgemeine Sittengesetz spricht Kant aus: der Mensch solle nach Maximen, nach Gesetzen, die auch mir Gesetz sind, und die fähig sind allgemeine Gesetze zu werden, handeln. ZB. das Gesetz sei: sei wohlthätig. Damit aber, sind alle wohlthätig, ist die Wohlthätigkeit aufgehoben. Die abstracte Identität also ist das Bestimmende auch in der practischen Vernunft. Sage ich: Eigenthum soll respectirt werden, so ist Eigenthum vorausgesetzt, und also die Respection vorausgesetzt. In der That ist das Sittengesetz, ganz formelle Identität. | Ist nun der freie Wille 1  Ich bin frei,] Hu: Wenigstens ist – es an das Gemüth gelegt – dass ich frey bin –­  ­4 Sie gehören … Freiheit.] Hu: diess aber gehoert der Natur nicht der Freiheit –­  ­5 die theoretische … abstract.] Hu: Die theoretische Vernunft ist hingegen nicht gesetzgebend – sie ist nur abstrakt identisch – sie ist nur ein Vermoegen. Die praktische Vernunft hingegen ist diess Bestimmende. Darin ist Einheit des Allgemeinen und Besondern.­  ­10–12 aus: der … handeln.] Hu: aus: (: er wollte eine allgemeine Formel aufstellen – es ist auch Foderung des abstrakten Verstandes :) ich soll nach Maximen handeln die | faehig sind allgemeine Gesetze zu seyn. Das soll das Kriterium seyn des Rechts – Die Bestimmung ist hier aber eben nur die Identitaet mit sich.­  ­14–16.760,1–17 Sage ich: … Anderes.] Hu: Man soll nicht stehlen – so ist diess ganz richtig, aber damit ist vorausgesetzt dass Eigenthum ist. Was Eigenthum ist das Respektire – setze ich aber kein Eigenthum voraus, so braucht man es nicht zu respektiren. In Familien giebt es kein Eigenthum. Damit ist nur eine ganz formelle Bestimmung. (Absatz) Das weitere ist nun der freie Wille – er ist concret – aber dieses Concrete bleibt abstrakt. Das Zweite und das dritte erinnern daran dass der Wille Concret ist. Zuerst ich bin frey – diese Freiheit ist ganz abstrakt. Das zweite ist ein Besonderer Wille – das Concrete hierin ist dass nun besonderer Wille und der Allgemeine Wille identisch sind – das ist das was mich moralisch macht. Das Dritte ist – das höchse Concrete – nicht nur ich als besonderer, sondern alles Besondere soll in Harmonie seyn Freiheit genie sen. (Absatz) Kant bestimmt den Willen synthetisch – concret – doch bleibt der Wille abstrakt so dass die Identitaet die höchste Form des Willens bleibt. Was die weitern Verhaeltni se des Willens betrifft – so ist das zweite des subjektiven Willens zu den besondern Willen. Er sagt: es ist die Foderung vorhanden dass der besondere Wille gemä s sey dem allgemeinen Willen – der Mensch soll mo-|ralisch seyn. Aber er bleibt hier nur bey den Sollen stehen. Das Resultat ist denn weiter dass dieses Ziel nur in dem unendlichen progre se zu erreichen ist – dass das Subjekt in’s unendliche fortschreiten kann in der Moralitaet, dass aber das Ziel ein Jenseits bleiben mu s. Das Moralische hat den Sinn dass es ist ein Kampf und eine Ueberwindung des sinnlichen willens. Das Moralische kann also nur existiren in so fern der unvernünftige wille ist. Es ist in dieser Bestimmung also gesetzt ein wesentlicher Kampf. Damit ist der Moralische Wille nur ein Sollen – denn koennte man zur Bekaempfung kommen so würde die Moralitaet abfallen – Darauf beruht die Unsterblichkeit. – Es ist wohl dass der sinnliche wille da ist, aber er ist nicht ein Letztes.

Somit ist der Begriff des Willens als das Schlechthin concrete ausgesprochen. Dieses sich Selbstbestimmen hat das Sittengesetz zum Inhalt. Indem aber dasselbe auch nur das abstract Allgemeine sich nicht aus sich selbst concret in sich Gliedernde ist, so ist diese Concretion des freien Willens selbst die ganz abstracte der Einheit des freien Willens mit sich als dem schlechthin Allgemeinen.

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760 b. Indem der Mensch zugleich schlechthin als besonderer ist, so ist er nur frei als synthese dieser seiner Besonderheit und des allgemeinen Sittengesetzes; also nur frei als Moralischer Mensch. α. Das Postulat der Moralität. Indem aber die Moralität nur in dem Gesetztsein des Kampfes des particulären Willens mit dem Sittengesetz ist, so ist die Einheit des particulären Willens und des allgemeinen als ein Sollen, als der schlechtunendliche Progreß des Besserwerdens gesetzt, und dieses Sollen als das Letzte und als der Begriff der Freiheit ausgesprochen, so wie die Unsterblichkeit daraus deducirt. β. Das Postulat des höchsten Gutes. Indem der allgemeine Wille nicht nur dem sinnlichen Willen, sondern der Totalität der sinnlichen Welt als natur und als besonderer Wille überhaupt entgegensteht, so ist das zweite Postulat der Vernunft die synthese dieser Seiten. Diese synthese soll durch Gott zu Stande kommen. Indem aber bei Kant das Ansich die abstracte Einheit ist, welche daher den concreten Unterschied von Geist und Natur nicht in sich verhüllt hat, und ihn also nicht als Unterschied der ansichsei­ enden Einheit setzt,

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das Erste, und bleibt seine Concretion abstract, so ist das zweite der practischen Vernunft dieses: daß ich frei bin, dann aber in mir sinnlicher, besonderer Wille. Das Concrete ist, daß mein besonderer Wille und der Begriff des Willens identisch seien, daß Ich moralischer Mensch sei. Das Dritte ist die höchste Freiheit, 5 daß das Ganze der Welt in Harmonie sei, mit dem Freiheitsbegriff. Das Zweite also ist das Verhältniß des Sittengesetzes zum Einzelnen. Hier kommen die Postulate. Das Postulat ist die Einheit des besonderen Willens und des Willens an und für sich. Hier aber bleibt’s beim Sollen stehen, und dieß wesentliche Ziel soll nur im unendlichen Progresse zu erreichen stehen. Das subject soll in seiner Moralität fort und fort schreiten, doch müsse die Vollendung ein 10 Jenseits bleiben, denn die Moralität ist eben in den Kampf des besonderen und des allgemeinen gesetzt. Das Moralische kann also nur existiren, insofern ein nicht angemessener Wille vorhanden ist. Die wesentliche Bestimmung also ist die des Kampfes, und damit dieser vorhanden sei, ist das Sollen gesetzt weil, wenn das Sollen erreicht wäre, so fiele die Moralität weg, da sie nur dieser Kampf ist. Die- 15 ses Postulat giebt den Beweis der Unsterblichkeit. Der Particuläre wille ist allerdings ein Anderer als der Allgemeine, aber kein unüberwundenes Anderes. Der vernünftige Wille nun hat zweitens die ganze Welt der Sinnlichkeit sich gegenüber und hier dringt die Vernunft eben so auf Einheit dieser Seiten. Die Natur als solche und die wollende Welt soll mit dem Guten in Uebereinstim- 20 mung sein. Dieß höchste Gut ist gleichfalls ein Postulat. Die Causalität, durch welches dasselbe zu Stande kommt, ist Gott. Gott also ein Postulat. Die wollende Vernunft weiß es nicht, daß sie dieß will d. h. | diese Harmonie bleibt ein 166rHo Sollen, das Postulat selbst ist perennirend. Von Haus aus ist der Wille an und für sich und die Natur ein Anderes, ohne daß beide sich zu einen vermögen, indem 25 die Natur nicht Natur bliebe, wenn sie dem Geiste entsprechend würde. Der höchste Widerspruch ist ausgesprochen. Die Gegensätze können sich nicht aufheben; weil die Natur sich auf hebend, nicht Natur bliebe. Beide Natur und Geist können sich ruhig gehen lassen; aber die Einheit beider zu setzen ist das Postulat der vernunft; indem aber die Trennung beider fest vorausgesetzt ist, so ist die 30 24–30.761,1–2 perennirend. Von … stehen.] Hu: perrennirend. Und das Gute ist ein Jenseits gegen die Natur. Der vernünftige wille steht gegen die welt. Würde die Natur angeme sen | den ver- 385Hu 379. 194 nünftigen Willen so würde sie nicht mehr Natur. Damit ist der absolute Gegensatz ausgesprochen, der absolute Wiederspruch – die Natur ist ein Anderes des vernünftigen Willens. Die Natur hat in sich das Gesetz der Nothwendigkeit – der Wille besitzt aber Freiheit. Es bleibt Foderung der Ver- 35 nunft die Einheit beider zu setzen. Das Letzte ist also nur das aussprechen dieses Wiederspruches – es kommt nur auf das Sollen – was seyn Soll ist nicht. (Absatz) Dieser Standpunkt ist etwas sehr populaeres – alle sagen davon das Böse soll überwunden seyn – aber dazu kommt es nicht – denn damit hoerte die Particularitaet, die Willkühr auf. 19  auf ] als

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Einheit nur ein Sollen. Es bleibt beim Ausspruch des Widerspruchs. Kant bleibt denn auch bei sehr trivialen Redensarten stehen. – Wir finden also zwei Sollen, ein Sollen der Einheit und ein Sollen der Trennung. Das Höchste Kant’s ist also nicht die wirkliche Identität, sondern das Höchste ist das Postulat der Moralität und Gottes; also nur subjectiver Glaube, ein Wünschen und Hoffen, welches nicht an und für sich ist. Dieß Resultat ist sehr trivial, denn es kommt den Men­ schen schwer an die Wirklichkeit der Vernunft zu glauben, denn die Eitelkeit des Menschen liebt es, ein Ideal im Kopf zu tragen, nach welchem die Welt zu richten sei, da das wahrhafte nur i m Menschen sein soll, während die Welt selbst das schlechte sein soll. Das Meinen, Vorstellen ist als das Höchste gesetzt, während die Welt selbst soll das Eitle sein, der meine Eitelkeit sich gegenüberstellt. Es ist ein hoher Standpunkt zur Idee des höchsten Guten fortzugehen, doch ist das Mangelhafte, daß dieß Gut nur ein S o l l e n sein s o l l und nicht s o l l wirklich werden können. Die dritte Seite der Kantischen Philosophie ist die Urtheilskraft. Ihre Gegenstände sind theils das Schöne theils die organische Natur. Kant geht dabei so zu werke; er sagt: wir haben einen Verstand, der zwar Gesetze giebt Kathegorien, | aber diese Bestimmungen bleiben nur allgemeine, von welchen das Besondere unterschieden bleibt. Beides das Allgemeine die Kathegorien und das Besondere sind das Verschiedene von einander. Einerseits steht der Verstand und anderseits das Besondere. In höherem Ausdruck ist dieß der Freiheitsbegriff die Gesetzgebung der Freiheit, welcher der Naturbegriff gegenüber steht, die Gesetzgebung der Natur, die sich selbst als selbstständig setzt. Diese unübersehbare Kluft der Natur und des Uebersinnlichen ist vorausgesetzt. Nun aber giebt es eine Einheit

und somit nicht in die Einheit wieder zurücknimmt – so ist die Natur nur Natur als das Andere des Geistes und umgekehrt; beide sind nur als sich Andere, ihre Einheit daher ein Postulat, ein Sollen. Somit also ist die Moralität und das höchste Gut kein an und für sich objectives, sondern eine subjective Hoffnung; ein Glaube. 3. Die Urtheilskraft. a Das Urtheil überhaupt ist die Thätigkeit ein Besonderes unter seine Allge­ meinheit zu subsumiren; das Allgemeine also in einem Besonderen zu erkennen.

Indem sich aber in dieser Synthese das Allgemeine – weil es nicht an ihm selbst das Besondere hat, so wie das Besondere, 25 3 Einheit] Hu: Harmonie­  ­7 an die … glauben,] Hu: dass die Vernunft ist – das Vernünftige ist aber weil es nicht das Alldie absolute Macht –­  ­8–11 es, ein … gegenüberstellt.] Hu: die Eitelkeit der Menschen liebt aber gemeine ist und noch immer eine subjektive Vorstellung zu haben und diese zu behaupten – Man will sagen die Vernünftig- einen von demselben besonderen Inhalt – keit ist nicht da, wir haben sie nur in uns, wir meinen es be ser als es da ist – Das Subjektive ist das was gegenüberstehen bleizum Höchsten gemacht wird. Von dieser eitlen Subjektivitaet wird übergesetzt zur Wirklichkeit.­  ­ ben, so ist ihre Ein386 Hu 380. 16 Natur.] Hu: Leben – diese Seite ist sehr wichtig an der Kantischen philosophie.­  ­18–20 das Beson- heit nicht vollendet dere … einander.] Hu: ist das Besondere unterschieden, das Besondere das zu jeder Erkenntni s gehoert. und Postulat oder Idee der Vernunft. Beydes ist von einander verschieden für den Verstand. Wir haben mehrere Formen dieser Verschiedenheit schon gesehen­  ­22–23 welcher der … setzt.] Hu: dieser steht die Natur entgegen – die Natur hat auf die Freiheit keinen Einflu s – so auch ist Natur selbstaendig – Das sind zwey Gebiete die sich ein35 schraenken koennen, aber nicht eines ausmachen –­  ­24.762,1–4 Nun aber … betrachtet.] Hu: Nun giebt es aber zweyerley produkte die Werke der Kunst und Unorganischen Natur die uns eine Einheit von Beyden darstellen. Die Betrachtung solcher Werke nimmt diese Richtung dass hier die Einheit von Verstand und Natur vereinigt ist – aber diese Betrachtungs weise ist nur eine Subjektive – sie werden nur betrachtet nach dieser Einheit, sie sind nicht so a n s i c h . 40 8M  also ist] ist also ist  16 Schöne theils … Natur.] (1) Shöne. (2) Shöne 〈〈 .〉〉 (theils d. organshe

Natur. nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen)­  ­18 welchen] welchem­­  ­27M besonderen] Behondren­  ­34 ist] ist ist

762 b. Die vollendete Synthese bringt aber auf seinem Gebiete der schauende Verstand, oder das Urtheil, weil in dieser das Allgemei­ ne auch das Gesetz ist für das Besondere des Besonderen.

Diese Zweckmäßigkeit ist:

α. Die Schönheit ist die Synthese des Allge­ meinen als des Uebersinnlichen und des Besonderen als des Sinnlichen. β. Das teleologische findet sich in den organischen Naturproducten.

Indem aber bei Kant das Ansich das abstract Allgemeine ist, so spricht er diese objective Einheiten der Urtheilskraft, selbst als ein nur subjectives Erkennen aus.

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beider: die Kunstproducte und die der unorganischen Natur. Hier sehen wir die Einheit des Allgemeinen und Besonderen. Die Betrachtungsweise Kant’s nun aber ist, daß solche Producte nicht an sich diese Einheit sind, sondern nur so von uns betrachtet. Der Verstand ist in Betreff auf sie anschauender Verstand. Dieser wäre ein solcher, welcher auch das besondere durch sich bestimmt. Das Zweck- 5 mäßige ist ein solcher Verstand. Der Zweck ist eine allgemeine Bestimmung, und das Zweckmäßige eine besondere Realität, die nur durch dieß Allgemeine bestimmt ist, so daß der Verstand der Grund dieser Einheit ist. Beim Zweckmäßi­ gen haben wir die Anschauung einer Einheit. Diese Anschauung ist aber nur eine Weise unserer Vorstellung, die Urtheilskraft, die überhaupt das Besondere und 10 Allgemeine vereinigt. Im sonstigen Urtheil wird unter ein Allgemeines ein Besonderes subsumirt; d. h. das Allgemeine wird in diesem Besonderen erkannt, das aber noch andere Bestimmungen hat. Bei Kant’s Urtheilskraft aber ist dieß vorhanden, daß der Verstand auch für das Besondere Gesetzgebend sei: diese Zweckmäßigkeit ist Gedoppelt: das aesthetische und teleologische. Zum Aesthetischen gehört 15 das Schöne. Schön ist etwas, wenn die Einbildungskraft sich in Uebereinstimmung gesetzt sieht auf unabsichtliche Weise. Das Schöne ist sinnlich, auf der anderen Seite muß dieß Sinnliche | ein Allgemeines ausdrücken. Diese Ueberein- 167rHo stimmung des Uebersinnlichen und Sinnlichen ist das Schöne. – Die andere Weise, das teleologische findet sich in organischen Naturproducten, nicht nach 20 äußerlicher Teleologie betrachten wir sie, sondern nach ihrer inneren Zweckmäßigkeit. Der Zweck der Seele, das Allgemeine bringt im Sinnlichen sich hervor, stellt sich in demselben dar. Wir betrachten dieß, als wohne in dem Einzelnen ein Allgemeines, das seinem Begriff gemäß sich seine Besonderheiten hervorbrachte. – Diese Kantischen Ideen sind das Höchste. Denn das Wahre ist 25 4 –6  Dieser wäre … Verstand.] Hu: Der Verstand kann das Gegebene nur | subsumiren – der anschauende Verstand bestimmt aber auch das Besondere. Das Zwekmä sige gehoert hieher:­  ­8–10 so daß … Urtheilskraft,] Hu: so ist der Verstand der Grund dieser Mannigfaltigkeit. Die Gesetze als Empirische sind Gesetze des Verstandes. Die Arten haben Bestimmungen die den Gattungen nicht zukommen – bey den Zweckmae sigen aber haben wir den Schein der Einheit. Diese Idee dieser produkte ist nicht das wahre – sondern ist Vorstellen – diess nennt Kant Urtheilskraft –­  ­16 Einbildungskraft] Hu: Einbildungs Kraft mit den Verstand­  ­17–23 Schöne ist … dieß,] Hu: Schoene ist bestimmt ein Sinnliches – auf der andern Seite mu s es einen Begriff ausdrücken – Das Geistige mu s in sinnlichen ausgedrückt werden. Diese Uebereinstimmung ist nun die Schoenheit. Diess gehoert der Aesthetik zu. Die Andere weise dieser Uebereinstimmung ist dass wir die Natur teleologisch betrachten – und zwar nicht nach einer a ü   s e r n sondern i n n e r n Teleologie – Naturwesen sind in Einheit – die Seele bringt sich hervor im Sinnlichen – stellt sich dar – Diess | betrachtet nun Kant so:­  25.763,1–2 Denn das … wahr;] Hu: Darin ist das wahre vorhanden die Idee – der Begriff realisirt sich hier – das ist die adaequate Idee Spinozas dass das Besondere das Allgemeine an sich offenbaret. Dieses also dem Inhalte nach ist sehr gro s – hier haben wir den Begriff in der Anschauung – 21  äußerlicher] ohne Umlautpunkte

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darin ausgesprochen, die Idee als Einheit des Begriffs und seiner Realität. Dem Inhalt nach also sind diese Kantischen Vorstellungen wahr; aber Kant hat diese Ideen selbst nur in subjectiver Bestimmung genommen sagend: es seien nicht objective Bestimmungen, sondern nur subjective Vorstellungen. Es ist bei Kant das Eigen­thümliche, daß er das wahre ausspricht, doch immer die subjectivität für sich hinstellt. Im Begriff des höchsten Gutes ist das subjective als ein Letztes zu sein aufgehoben, und doch kommt sie wieder hervor. Kant spricht die höchsten Gegensätze aus, auch ihre höchste Einheit in den Postulaten und in der Kunstanschauung und der Teleologie. Aber diese Einheiten spricht er selbst wieder als subjective und das subjective also selbst wieder als ein Letztes aus. Das Objective ist bei Kant das leere Ansich, alle Fülle fällt in die erscheinende Welt. Betrachten wir daher das Kantische Ansich, so ist es das leere unbestimmte Jenseits, das leere Negative, die leere Einheit, welcher gegenüber sich der Reich­ thum des Mannigfaltigen, das seine Schranke nicht auf heben will, und daher das Ansich sich gegenüber läßt. Die dritte Philosophie gegen die Jacobische und kantische Philosophie ist die Fichtische. | Andere Philosophien giebt es außer der Schellingschen nicht, denn es sind nur Originalitäten wie Bouterwek, Krug, Frieß. Was an ihnen Gedanke ist, ist Kant und Fichte. Was die Fichtesche Philosophie anbetrifft, so ist diese ein wahrhafter Fortschritt. Fichte ward in der Oberlausitz 1762 geboren starb 1814 in Berlin. Seine erste Schrift war über die Religion, sie war in Kantischen Ausdrücken und Gedanken verfaßt. Fichte ward dann nach Jena berufen; dort gab er einen Aufsatz heraus, der atheïstisch schien. Fichte, da er in dieser Sache einen drohenden Brief an die weimarische Regierung schrieb, ward auf Göthe’s Veranlaßung verabschiedet, und kam dann nach Berlin.

8–9 auch ihre … Teleologie.] Hu: und zwar als postulat der Vernunft, so kann der Wiederspruch den er vortraegt, ohne Einwirkung bleiben.­  ­11–15 alle Fülle … läßt.] Hu: aller Inhalt, alle Fülle faellt in das Denken, Urtheilskraft diess ist aber nur subjektiv. Das Objektive ist aber das A n s i c h  – 30 Wenn wir es aber betrachten so ist eben nur das C a p u t M o r t u u m , das leere unbestimmte Jenseits, das Andere, das blo se Negative. Einerseits also sehen wir einen Reichthum der Gedanken, der aber anderseits die Schranke nicht durchbricht, die er sich aber selbst setzt. – Das ist die Kantische philosophie.­  ­17–18 Andere Philosophien … Frieß.] Hu: Sie ist die Vollendung | der Kantischen philosophie. Au ser diesem und Schelling sind keine philosophen die andern schwazen etwas 35 von Ideen und bekämpfen – und bequängeln sie damit. Ils se sont battus les flancs pour être de grands hommes. So Bouterwek – Frie s – Krug u. s. w.­  ­21 Berlin.] Hu: Berlin. In der Schweiz war er Hauslehrer. 5  er] er / er­  ­24–25 an die … Regierung nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­33 der] dr | dr  ­36 Bouterwek] Bouttwek­  

Der Standpunkt Kant’s also im Allge­ meinen ist der: die Form des Selbstbewußtseins als des Erkennenden critisirt und der verständigen Kathegorien als das nur die Erscheinung Erkennende ausgesprochen zu haben. Indem aber die Erscheinung alle Unterschiede in sich befaßt und sie nicht die Wahrheit ist, so fällt diese als das leere caput mortuum des Ansich außerhalb der Erscheinung. Dieses Leere also ist das objective gegen das subjective Erkennen der erscheinenden Welt. Indem nun Kant das wahrhaft Objective ausspricht, so dreht er dasselbe entweder zu einer subjectiven Ansicht herum, weil das leere Ansich als das Objective feststeht, oder er spricht die Objective Einheit der in der Erscheinung auseinanderstehenden Seiten als ein Sollen aus. Johann Gottliebe Fichte geb. 1762 gest. zu Berlin 1814.

C. Fichte 1.) Seyn ­L eben.

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764 Die Fichtische Philosophie ist ihrem Grundprincip nach Kantische Philosophie, mit dem weiteren Fortschritte jedoch aus dem Bewußtsein die ganze Welt zu construiren, und diese gewußte selbsterschaffene Welt des Bewußtseins als das Absolute auszusprechen, und somit das leere Ansich zu zerstören. Wenn nun also Jacobi allen Inhalt des Erkennens für endlich erklärte, aber das Absolute als Thatsache des Bewußtseins also als subjectiv, aussprach, während Kant die Form des Erkennens als die nur subjective setzte, so vereint Fichte Jacobi und Kant dadurch, daß er dem Absoluten als dem subjectiven die Form des subjectiven Erkennens gab und dieß Prinzip wissenschaftlich durchführte. Somit ist nach Fichte die Philosophie das Wissen des Wissens. Er beginnt daher mit dem Wissen überhaupt, mit dem Ich.

390 Hu 384.

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Bei der fichteschen Philosophie muß sogleich ein Unterschied gemacht werden, nehmlich zwischen der speculativen, die auch in der Darstellung streng der Consequenz folgt, und der populären Philosophie, wie er sie vornehmlich in Berlin vor einem gemischten Publicum vortrug. Dahin gehört die Schrift vom seligen Leben ect. Spricht man nun von Fichtescher Philosophie so versteht man 5 gewöhnlich darunter nur diesen Theil seiner Philosophie, welcher leicht zu verstehen ist, und das gebildete religiöse Gefühl anzusprechen vermag. Solche Darstellungen aber können in der Geschichte der eigentlichen Philosophie nicht genannt werden. Ergießungen solchen innigen Gefühls können der gebildeten Vorstellung wegen hohen Werth haben, aber Philosophie ist der aus dem Begriff 10 entwickelte Gedanke, und dieser philosophische Vortrag beschränkt sich nur auf Fichte’s frühere Schriften, die allein wissenschaftlich sind. Von der fichteschen Philosophie ist zu sagen: sie sei Vollendung der kantischen und geht über den Grundinhalt nicht hinaus. Aber sie hat den wichtigen Fortschritt: aufgestellt zu haben, die Philosophie müsse eine Darstellung sein, in wel- 15 cher alle Bestimmungen nothwendig aus dem Ersten fließen. Das Große bei Fichte | ist die Einheit des Prinzips, und der Versuch den Inhalt alles Bewußt- 168rHo seins aus diesem Prinzip zu begreifen, die Welt aus dem Begriff zu construiren. Dieß ist Aufgabe der Philosophie: das Universum darzustellen als Entwicklung einer Idee, als Blume die diesem Saamenkorn ewig nothwendig entsprießt. Was 20 das Nähere betrifft, so hat Fichte die Aufgabe der Philosophie so ausgedrückt: sie sei die Lehre vom Wissen. Die Natur des Bewußtseins ist das Wissen; die Philosophie ist Wissen dieses Wissens. Zum Umfang dieses Wissens gehört die ganze Welt, die für uns ist. Die­ ses Wissen soll entwickelt werden aus einem Ersten Ursprünglichen. Der Gegen- 25 stand ist also als das Wissen bestimmt, und dieß Wissen selbst ist der Anfangspunkt, das allgemeine Wissen. Dieß allgemeine Wissen ist das Ich; das Bewußtsein überhaupt. Dieß Ich ist der Grundsatz. Er hat schlechthin Gewißheit. Cogito ergo sum beginnt Des Cartes, das Sein des Denkens ist das Concrete Sein, das höchste Sein, welches wir Denken nennen. Diese Thätigkeit als ein Eins als Für- 30 sichselbstsein ist das Ich. Von diesem Ich fängt Fichte an. Er beginnt daher mit 10–11 aber Philosophie … Gedanke,] Hu: aber die philosophie ist die Wi senschaft die den Gedanken als Nothwendige Entwikelung darstellen mu s.­  ­14–16 Aber sie … fließen.] Hu: Die Fichtische philosophie hat aber diesen Vorzug, dass die philosophie eine Darstellung sein mu s aus einen höchsten Grundsatz – von welchen alle Bestimmungen flie sen mü sen, herkommen –­  ­18 construiren.] 35 Hu: construiren, deduciren. Ueber das hat man sich sehr lustig gemacht.­  ­27–28 Ich; das … überhaupt.] Hu: Ich – es ist concretes aber noch abstraktes Bewustsein.­  ­29–30 das Sein … nennen.] Hu: und das Seyn des Denkens ist nicht das tode, sondern das Concrete Seyn, das höchste Seyn und das ist eben das Denken – Thaetigkeit. 6  gewöhnlich nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen

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dem Wissen überhaupt, denn der Anfang ist das abstracteste. Dieses Wissen hat absolute Gewißheit. Wir beginnen mit einem Gewissen. Damit ist nun eigentlich sogleich ein schiefer Gesichtspunkt hereingebracht. Denn die Forderung ist einen ersten Grundsatz zu finden, als erster ist er unmittelbar, unabgeleitet. Ich ist das schlechthin Gewiße. Ein Bedürfniß scheint dadurch befriedigt nehmlich das Anfangen mit einem das nicht bezweifelbar. Aber das Gewiße will die Philo­ sophie nicht, sondern das Wahre. Das Gewiße ist das subjective. Soll nun das Gewiße, das Ich der Grund bleiben, so ist ein für allemal die Form des nur subjectiven hereingebracht. Dieses Ich fanden wir in der Kantischen transcendentalen Apperception, die Quelle der Kathegorien und Ideen. Ich verknüpft alle Vorstellungen, alle Gedanken. | Die große Seite Fichtes ist nun aber nicht auf Kants Weise erzählend fortzugehen, sondern aus dem Ich soll Alles was da nur ist, hergeleitet werden. Ich aber ist als Erstes nur Thatsache, das Gewiße, nicht das Wahre selbst. Ich nun ist noch kein Satz; als Satz gefaßt, als Grundsatz muß es nicht nur als Eines sondern auch ein Anderes und dessen Verbindung genommen werden. Der Erste Satz nun muß keinen Unterschied enthalten, denn sonst ist Vermittlung nöthig, und das Erste soll unmittelbar sein, kein in sich Vermitteltes, weil die Vermittelten eines Vermittelnden Dritten bedürften, dieses selbst eines Beweises und so fort. Im ersten Satz muß Form und Inhalt identisch sein, die beiden Seiten der Inhalt, müssen dieselben sein, und auch ihre Beziehung dasselbe als die Bezogenen. Der Erste Satz daher ist Ich = Ich. Ich ist eben dieses identisch mit sich zu sein, Unterschied, so aber, daß das Unterschiedene dasselbe ist. Es soll ein Unterschied sein der keiner ist. Es ist dieß also keine todte Identi­ tät, aber der identische Unterschied. Abstract ausgedrückt heißt dieß A = A. A ist dann ein willkührlicher Inhalt. Hingegen beim Ich ist die Einheit beider Ich selbst. Dieß ist das unmittelbare Gewiße, und alles Andere soll eben so gewiß sein, eine Beziehung meiner auf mich, aller Inhalt soll in Ich verwandelt werden. Dieser erste Grundsatz aber sogleich ist mangelhaft, weil das Anderssein nicht darin ist. Aber eben das Anderssein soll auch sein, und dieß giebt den 2ten Grundsatz. Dieser ist der Form nach unbedingt, dem Inhalt nach bedingt. Denn dem Ich wird ein Nicht-Ich entgegengesetzt. Nicht-Ich ist ein glücklicher Ausdruck,

4 –5  als erster … Gewiße.] Hu: das Erste ist etwas Unmittelbares – diess soll aber für sich sein – diess ist Ich – von allem andern kann abstrahirt werden wie Cartesius: Das Ich ist aber das schlecht391Hu 385. 197 hin Gewi se –­  ­15–16 Eines sondern … werden.] Hu: Eines genommen werden – sondern zum 35 Satz gehören zwey. Der erste Satz mu s Einfach seyn. Das Subjekt und praedikat mu s hier Eines sein – Dass papier wei s ist – mu s erst bewie sen werden. 1 8  die Vermittelten nachtr. mit Einfügungszeichen über gestr. sie­  ­23 sein nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­26 eben nachtr. über der Zeile­  ­29 darin nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen

Dadurch kommt sogleich das Schiefe herein, daß indem das Gewiße überhaupt als das Letzte gesetzt ist, die ganze Wissenschaft nicht Wissen des Wahren als Wahren, sondern des Wahren als das Gewissen wird.

168vHo Als Wissen nun ist das Ich nur als Wissen eines Objectiven; als erstes Wissen aber ist es unvermittelt, in sich unterschiedslos: wovon das Ich weiß ist also das Ich selbst, und sein Wissen ist seine Identität mit sich. 1. Der erste Satz ist daher: Ich = Ich weil der Inhalt identisch sein muß, so wie auch der Inhalt = der Form. Die Gleichheit des Ich mit sich aber ist der Inhalt sowie auch die Form. 2. Diese Identität mit sich hat aber das Wissen nur insofern es ein Anderes als es selbst ist gegenüberhat, daher ist es nur Ich = Ich insofern es sich setzt als Ich = Nicht-Ich. Der Form nach ist dieser zweite Satz unbedingt, denn das Ich ist als das Setzende des Nicht-Ich gesetzt; dem Inhalt nach aber ist er bedingt; denn Ich hat sich ein Anderes als es selbst ist gegenüber.

766 Der Mangel ist nun, daß das Nicht-Ich nicht aus dem Begriffe des Ich deducirt wird, und also das Ich nur ist als von einem Nicht-Ich angestoßen. 3. Indem aber durch die­ sen Anstoß des NichtIch das Ich = Ich wird, so hebt es dadurch das Nicht-Ich auf und synthetisirt sich mit demselben. Diese Synthese aber ist gedoppelt a Denn indem durch das Nicht-Ich das Ich = Ich wird so beschränkt das Ich sich durch ein Nicht-Ich. b. Aber ebenso beschränkt das Ich indem es durch das Nicht-Ich = Ich wird das Nicht-Ich. Das Wissen nun des Ich als des durch ein Nicht-Ich Beschränkten, das Wissen also des Ich als das Sich durch ein Nicht-Ich beschränkt Setzende ist: I die theoretische Vernunft Während das Wissen des Ich von sich als dem das durch dasselbe gesetzte Nicht-Ich Beschränkenden: II die practische Vernunft ist. I. Die theoretische Vernunft. Das Philosophische Wissen also unterscheidet sich von dem empirischen, daß in diesem das Ich sich von seinem Nicht-Ich beschränkt weiß, während das Philosophische Bewußtsein Wissen davon ist, daß das Ich das Setzen seiner als eines durch das NichtIch beschränkten sei. Die Passivität also des Ichs in seinem Gesetztsein durch ein Nicht-Ich ist die eigene Thätigkeit des Ich.

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es ist das Andere des Ich, das Object der Gegenstand. Das Setzen des Nicht-Ich gehört dem Ich an, aber der Inhalt gehört dem Ich nicht an. | Wir haben somit 2 Grundsätze; das reine Selbstbewußtsein und Beziehung nur 169rHo auf ein Anderes. Beide Sätze sind absolut Andere. Das Nicht-Ich wird nicht aus dem Ich abgeleitet. Der dritte Satz ist die Synthese beider. Das Ich schränkt das 5 Nicht-Ich ein. Dem Ich ist ein Nicht-Ich entgegengesetzt, indem ich es aber in die Gleichheit mit mir setze, mache ich es zum Ich, setze es in den 1sten Grundsatz, beschränke das Nicht-Ich. Ich setze im Ich, im Theilbaren, ein Theilbares Ich einem Theilbaren Nicht-Ich entgegen. Da ist die ganze Sphäre dessen, das ich vor mir habe ein Zwiefaches. Sie soll Ich sein, aber auch ein Nicht-Ich, so ist 10 das Ich getheilt. Ebenso soll das Nicht-Ich das nach dem 2ten Grundsatz soll die ganze Sphäre sein, soll in das Ich gesetzt werden, das Nicht-Ich also wird selbst getheilt. Dieser dritte Satz ist der der Grenze, der synthetische. Ich und Nicht-Ich begrenzen sich gegenseitig. Diese Begrenzung kann zwiefach sein: entweder ist das Nicht-Ich das Beschränkende, so daß das Nicht-Ich thätig das Ich passiv 15 ist, – oder ich beschränkt das Nicht-Ich ist thätig gegen das passive Nicht-Ich. Darüber sagt Fichte: indem Ich einmal das Nicht-Ich als das begrenzende setzt, so ist dieß die theoretische Vernunft, aber zweitens hebt das Ich das Nicht-Ich auf; dieß giebt die practische Vernunft. Das Ich ist das Setzende überhaupt, findet sich aber in seinem Setzen durch das Nicht-Ich beschränkt, seine Thätigkeit geht 20 nun darauf sich selbst als Auf hebung des Nicht-Ich zu setzen. Die Weisen dieses Setzens sind die verschiedenen Thätigkeiten des Ich, die wir in ihrer Nothwendigkeit zu erkennen haben. So erkennen wir das Wissen und Philosophie ist daher Wissen des Wissens. Auf diese Weise ist auf das Bewußtsein überhaupt appellirt. Die Philosophie ist Betrachtung dieses Bewußtseins; es ist philosophisches Bewußt- 25 sein des | Bewußtseins, so daß mit Bewußtsein, das producirt wird, was das ge- 169vHo wöhnliche Bewußtsein sonst immer bewußtlos producirt. Stelle ich mir einen Gegenstand als viereckig vor, so sind meinem gewöhnlichem Bewußtsein diese Bestimmungen der Größe, Viereckigkeit gegeben. Ich habe den Gegenstand mit seinen Qualitäten vor mir als Gegebenes. Dieß aber was mir gegeben ist meine 30 eigene Thätigkeit, und dieß eben ist das Erkennen des philosophischen Bewußtseins. Es erkennt die Thätigkeiten des Bewußtseins, daß alles nur durch Ich gesetzt ist. – Das Ich nun als theoretische Thätigkeit ist in seiner Thätigkeit so beschaffen, daß es sich als durch das Nicht-Ich begrenzt werden setzt. Nehme ich wahr, so weiß ich: der Gegenstand setzt diese Bestimmungen in mir. Das philoso­ 35

23 Wissen] Hu: Wi sen, die That des Ich 12  sein, soll] sein soll,

392Hu 386.

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phische Bewußtsein weiß, daß das Ich setzt, daß das Nicht-Ich etwas in mir setzt. Die Passivität des Ich ist selbst die eigene Thätigkeit des Ich. Das Mangelhafte Fichtes ist überhaupt, daß der zweite Grundsatz etwas enthält was aus dem ersten nicht entwickelt ist. Die Aufgabe ist die Begrenzung beider Sätze, die sie in ihrer Synthese haben, weiter fortzuführen. Die Beschränkung ist die gedoppelte, daß Ich durch Nicht-Ich beschränkt ist (das Theoreti­ sche,) und daß Ich das NichtIch beschränkt, (das Practische.) Im Theoretischen bringt das Ich alle Bestimmungen hervor, dessen es sich bewußt ist; aber dieß sein Setzen ist dem Ich selbst nicht bewußt. Daß Ich das Setzende dieses Gesetztseins ist, wird nur dem philosophischen Wissen bewußt. Die Ausführung des Theoretischen ist die Art und Weise des Gesetztseins des Ich durch das Nicht-Ich, welches Setzen das Ich selbst ist. Die Formen nun dieses Gesetztseins des Ich sind die Kathegorien, alle diese Bestimmungen sind durch das Ich gesetzt. In der Causalität zB ist die Beziehung meiner und des Gegenstandes. Insofern etwas als Realität des NichtIch betrachtet wird, wird Ich als passiv betrachtet; wird Ich als das Reale das Thätige, betrachtet, das Object als das Leidende, ist es umgekehrt. | Beides steht im Verhältniß. Diese Beziehung beider Seiten, daß meine Realität Passivität das Objects und daß umgekehrt das Umgekehrte ist, macht den Begriff der Kausalität aus. Es sind also diese Reflexionen nähere Weisen des Verhältnißes des Ichs und Nicht-Ichs. Auf dieselbe Weise deducirt Fichte die Vorstellung. In derselben ist Ich thätig: es findet sich aber in seiner Thätigkeit gehemmt, so kehrt es in sich zurück. So sind 2 Richtungen, hinaus und hinein, und diese Richtungen sind in mir, Ich zwischen beiden schwebend bin Einbildungskraft. Daß ein Festes, eine Grenze sei, muß ich die Grenze ständig machen, und dieß thut der Verstand. – In dieser Weise geht Fichte fort. Jede synthese bringt aber einen neuen Widerspruch hervor, der eine neue Vermittlung fordert. Auf diese Weise sagt Fichte, daß Ich immer das Nicht-Ich zu sich selbst zurückbringt, Ich hat es nur mit den Bestimmungen seiner Thätigkeit zu thun. Was nun aber in Allen diesen Bestimmungen das Jenseits bleibt, ist der

393Hu 387. 198 8 –10 bringt das … bewußt.] Hu: es ist das Ich welches alle Bestimmungen der Vorstellung, des Objektiven des Bewustseins hervorbringt, aber bewu stlos. Das hei st: Ich setzt sich als Beschraenktwerden durch das Nichtich – das ist im gemeinen Bewustsein für mich – das erscheint nur den gemeinen Bewustsein nicht dass das Ich diess s e t z t .­  ­14 ist die … Gegenstandes.] Hu: so ist vorhanden die Beziehung des Ich und Nicht ich – sie begraenzen einander.­  ­17–19 Beides steht … aus.] Hu: 35 Beydes steht in wesentlicher Beziehung aufeinander. So viel pa sivitaet in mir, so viel Realitaet im Objekte. Diese Beziehung dass meine Realitaet Negation des Objekts, die Realitaet des Objekts meine Negativitaet ist macht das Causalitaetsverhaeltni s aus.­  ­21–22 in seiner … gehemmt,] Hu: 394 Hu 388. gehemmt in seiner Thaetigkeit findet eine Grenze,­  ­23–24 Ich zwischen … bin] Hu: Will ich sie vereinigen diese Bestimmungen – so ist diess­  ­28–29 Ich hat … thun.] Hu: habe ich nur zu thun 40 18  daß nachtr. über der Zeile­  ­26 bringt nachtr. über gestr. läßt­  ­29 aber nachtr. über der Zeile

Indem aber das Setzen des Nicht-Ichs durch das Ich nicht aus dem Ich deducirt ist, gleichwohl aber das Ich nur durch das Nicht-Ich Wissen sei­ ner von sich selbst ist, so erscheint das Nicht-Ich als ein unbegriffener Anstoß für das Ich, und ist das Ding-an-sich Kants, das unbestimmte Jenseits. Die verschiedenen Weisen des Verhältni­ ßes des Ich zum Nicht-Ich gegen die Formen der theoreti­ schen Vernunft. 1. Das Ich als Setzen sei­ ner als durch das Nicht-Ich beschränkt ist die Empfindung. 2. Gedanke als Auf hebung des Nicht-Ich in das Ich. 3. Das Anschauen ist die in Einsgebildete Thätigkeit des Ichs als Auf hebung des Nicht-Ich, so wie des Leidens des durch das Nicht-Ich beschränkten Ichs. Das Ich als Schweben zwischen beiden Richtungen ist Einbildungskraft. Der Verstand ist das Fixiren der Anschauungen zu bestimmten, festen. Ich ist also in allen diesen Weisen seiner Beziehung als das Setzen dieser Beziehun­ gen. Dieses Setzen aber ist es selbst nur durch das Nicht-Ich, welches als nur postulirter Anstoß bleibt, das Kantische An sich.

768 Das Kantische Ansich war die abstracte Einheit, welche dem Erscheinenden als dem Unterschiedenen fehlte. Diesem fehlte also die absolute Form, welche auch dem Fichte mangelt und daher als ein Jenseiti­ ges das Ich zu seiner Thätigkeit anstoßende demselben gegenüberbleibt.

Das ich ist nun also wohl die Thätigkeit alles das Ideellzusetzen und zum Seinigen zu heben, diese Thätigkeit hat es aber selbst durch ein Anderes, das nicht es selbst ist, durch das anstoßende NichtIch, so daß also das Ich der stete Kampf mit diesem Anderen bleibt ohne dieß andere zu überwinden. Das Wissen kommt somit nicht zum Geist, der Einheit des Objects und des wissenden Ich und die Thätigkeit ist, was das nur subjective Ich ist ebenso als Object zu setzen, so wie diese Objectivität zum Ich zurückzuführen, und somit Wissen des Ich von sich als alles Seienden zu sein, welches Wissen daher ebenso Auf heben und Erhalten des Objectiven ist. II. Die practische ­Vernunft. Die Aufgabe der practischen Vernunft ist: das Ich solle aus sich sich selbst das Nicht-

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unendliche Anstoß durch das Nicht-Ich. Ich kann allen Bestimmungen alle Negation gegen mich nehmen, und insofern ist die Fichtesche Philosophie Idealismus. Aber Jenseits des Ich bleibt der unendliche Anstoß was bei Kant das Ansich war. Die Thätigkeit des Ich, die Intelligenz ist abhängig durch den Anstoß, der von ihr unabhängig ist. Dabei kann bemerkt werden, daß die Darstellung das 5 Unbequeme hat, daß indem vom Ich gesprochen wird, sogleich das empirische Ich vorschwebt, was als ungereimt erscheint, weil das Bewußtsein die Bewußtlosigkeit ist, welche die Gegenstände sich gegeben glaubt. Das Andere ist, daß diese Form des Ich ein Ueberfluß ist. Denn allerdings zwar ist das Producirte meine Thätigkeit, aber die Hauptsache ist der Inhalt 10 selbst, die Bestimmung des Setzens und ihre Nothwendigkeit. Beschäftigt man sich mit dem Inhalt selbst, so verschwindet die Form der subjectivität, welche bei Fichte das Bleibende in seinen Gegensatze bleibt. Weil der Anstoß, die reine Unbestimmtheit das Andere, das Jenseits bleibt. | Die Intelligenz ist nur die subjec- 170 vHo tive. Spreche ich von derselben ist allerdings nöthig zu wissen, daß dieß subjecti­ 15 ve Thätigkeiten sind. Aber man hat dann immer mit Einem zu thun, das seinem Begriff nicht entspricht, da die Intelligenz nur immer auf ein Anderes gerichtet ist, und somit ihrem Begriff sich selbst gleich zu sein nicht angemessen ist und sein kann. Die Intelligenz kommt nicht zum Geist, welcher das Freie ist 20

mit meinen Vorstellungen. Deswegen sagte man von Fichte er sage dass indem ich den Stiefel anziehe, ich den Stiefel mache. Diess ist wohl wahr dass ich damit die Dinge bestimme –  1–19.769,1–3 Ich kann … bleibt.] Hu: In so fern ist diese philosophie Idealismus – alle Negation des Gegenstandes, alle Bestimmtheit ist durch mein Setzen – was übrig bleibt ist der Ansto s – diess ist das Kantische Ding a n s i c h  – Damit ist der Standpunkt der Intelligenz dass sie ihre Bestimmungen festsetzt in’s Unendliche, dabey aber abhaengig bleibt von den Nichtich – dem Ansto s. Damit 25 ist das Theorethische Abhaenglich – Die Form der Darstellung ist mangelhaft – | Indem Ich das Ich 395Hu 389. 199 vor Augen habe so habe ich damit das Empirische Ich vor mir – das ist etwas ungereimtes. Es wird immer erinnert an das empirische Ich – indem doch das theoretische Verhalten das Unbewuste ist. Diess bringt eine Verwirrung sein. Weiter ist diese Form uberflü sig – dass der Gegenstand Thaetig­ keit meiner ist – ist wahr – aber die Hauptsache um die es zu thun ist, ist der Inhalt – es ist was 30 langweiliges immer zu sagen „Ich setze” Um den Zusammenhang des Inhaltes soll es zu thun seyn – thut man diess so verschwindet damit die Form der Subjektivitaet. Die Subjektivitaet ist aber nicht vorherrschend sondern selbst sich erhaltend – Es wurde gesagt dass der Dualismus bleibt – Das Ich ist damit nur die subjektive Intelligenz – Spreche ich von der Entwiklung meiner Intelligenz so mu s ich allerdings wi sen, dass es Thaetigkeiten des Subjektes und als eines Endlichen, aber damit 35 hat man nicht zu thun mit dem Unendlichen Gegenstand, sondern mit einen Endlichen. Die Thaetigkeit der Intelligenz wird betrachtet als Gerichtet zu seyn auf ein anderes womit sie nicht als für sich betrachtet wird. So wird sie von Fichte betrachtet. Man kann also sagen die Intelligenz wird hier nicht als das Freie betrachtet – als der Geist. Damit erhalten die Verhaeltniſse nach au sen eine andere Stelle – (Absatz) Das Resultat der theoretischen Vernunft ist also immer das Ding an sich, der 40 396 Hu 390 Ansto s – ich kann | so weit kommen wie ich will. 1  Anstoß durch … Nicht-Ich nachtr. mit Einfügungszeichen über gestr. Vorstellg­  ­4 abhängig nachtr. aus unabhängg­  ­5 unabhängig nachtr. aus abhängg

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sich aus sich selbst zu bestimmen. Das Resultat der Fichteschen Intelligenz ist also, daß das Ich sich immer fortbestimmt, so aber, daß ihm ein Jenseits, ein Anstoß bleibt. Das Verhältniß zweitens des Practischen ist, daß das Ich welches das Absolute ist, Ich = Ich, Setzen des Nicht-Ich an und für sich sein soll. Das Practische Ich, soll die Schranke durchbrechen, welche in der Intelligenz das Ich beschränkt. Das practische Ich soll den unendlichen Anstoß auf heben. Dieß ist die aufgabe der practischen Vernunft. Ich soll ein Nicht-Ich setzen schlechthin und ohne allen Grund. So müßte es in sich den Grund haben sich in sich als Nicht-Ich zu setzen. Ich ist aber gleich Ich. So wären im Ich die zwei Bestimmungen: des Sich als Ich Setzens und des Sich als Nicht-Ich Setzens. Das Ich wäre somit aber der Wi­ derspruch seiner selbst, und es wäre als sich selbst auf hebend gar nichts. Dieser Widerspruch sagt Fichte lößt sich dadurch auf, daß die Widersprechenden näher bestimmt werden, so nehmlich daß das Ich sich einmal als unendlich setzt, und dann als endlich. Insofern Ich sich als unendlich setzt, so ist es sich gleich, setzt es sich seine Schranke so ist es endlich, Setzen seiner als eines Endlichen. Der Ge­ gensatz erhält also die Form, daß seine Seiten zweierlei Richtungen des Ich seien. Ich soll darauf gehen das Nicht-Ich aufzuheben. Ich kann dieß auch, aber jenseits der Bestimmung des NichtIch durch Ich, kommt immer das Nicht-Ich immer wieder hervor. Der Kreis des Setzens | kann unendlich erweitert werden, aber es kommt immer ein Nicht-Ich wieder hervor. Das Letzte Resultat daher ist das Streben und Sehnen. Somit sehen wir die Fichtesche Philosophie auf demselben Standpunkte als die Kantische. Der Ausgangspunkt ist die subjectivität, welche als ein Letztes Absolutes genommen wird. Das Letzte Fichtens ist denn also auch das Sollen. Jedoch wie Kant auch die Vorstellung einer Vereinigung in

5–7  Das Practische … auf heben.] Hu: es soll die Schranke gebrochen werden des A n s i c h . Alle Formen der Vorstellung sind aus mir – in der praktischen Vernunft soll aber der Ansto s aufgelö st werden.­  ­12 und es … nichts.] Hu: diese Annahme wiederspricht sich also – denn so wäre kein prinzip – und ich waere somit gar nicht, denn es hoebe sich selbst auf.­  ­15–22 endlich. Insofern … 30 Sehnen.] Hu: Endlich. Setzte es sich in einem Sinne Unendlich und endlich so waere der wiederspruch. In so fern nun das Ich sich nach einer Seite endlich setzt so geht seine Thaetigkeit nicht unmittelbar auf sich, sondern auf ein Objekt. – So sind aber zweyerley Richtungen des Ich – und dabey bleibt es. Ich als frey soll darauf gehen das Entgegengesetzte aufzuheben – Ich kann das Entgegenge­ setzte immer durch meine | Freiheit aufheben, aber Jenseits kommt wieder hervor das Nichtich. Ich 35 kann den Krei s meiner Freiheit immer erweitern, aber nur erweitern denn es bleibt immer ein J e n s e i t s . So ist das Letzte Resultat in Ansehung des praktischen das S e h n e n , S t r e b e n Fichte wirft sich hier in verschiedene Richtungen. Fichte behandelt dieses mit der grö sten weitschweifigkeit. Es sind wohl muthige aber auch leichte Sätze.­  ­24 welche als … wird.] Hu: dass das Ich immer als Subjekt als an und fürsichseyendes genommen wird. 40 5  sich sein soll.] (1) sich. (2) sich〈〈 .〉〉 (sein soll. nachtr. über der Zeile)­  ­18 aufzuheben nachtr. aus

auf heben

Ich, welches im Theoretischen, sein Anstoß sein Anderes ist, aus sich selbst Setzen und somit das Anderssein gegen sich auf heben Aber Ich hätte sodann in sich das Gedoppelte sich als Ich und Nicht-Ich zu setzen, wodurch es Auf heben seiner selbst würde. Dieser Widerspruch lößt sich dadurch auf, daß das Ich als freies Sich selbst Gleiches das Nicht-Ich bestimmt, zugleich aber selbst ein durch das Nicht-Ich bestimmtes ist. Sein Ueberwinden des Nicht-Ich oder die Realisation der Freiheit ist selbst nur ein Streben. Es bestimmt das Nicht-Ich, aber nur indem es selbst durch das Nicht-Ich bestimmt ist. Die handelnde Thätigkeit ist daher auch nur das Sollen der Ueberwindung des Nicht-Ich.

397Hu 391. 200

770 Somit also ist überhaupt in Fichte wie in Kant die Einheit das Ansich, und erscheint bei Fichte näher so, daß dieses Ansichsei­ ende der Anstoß ist zu allen Thätigkeiten des Ichs. Das Ich ist nur durch diese Einheit; aber sie ist noch nicht als das Ich selbst begriffen, so fällt sie als der unbegriffene Anstoß draußen. Das Naturrecht. Indem Fichte den Begriff der Freiheit nur als die Sichselbstgleichheit des einzelnen Individuums auffaßt, so ist sie in ihrem Dasein als viele Ich wechselseitige Beschränkung der Vielen und der Staat statt Realisation der Freiheit, deren Einschränkung.

171vHo

398 Hu 392.

399 Hu 293. 201

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einem Glauben aufstellt, so auch Fichte mit dem Glauben an eine Moralische Weltordnung, und an eine sinnliche Welt, welche zu den unmittelbaren Glauben gehört. Die moralische Handlung muß den Glauben haben, die Idee des Guten werde realisirt werden. Fichte schließt mit dem Glauben an die Unmittelbarkeit der Idee. Was wir aber erkennen ist die Synthese der Gegensätze, welche sich überall neu erzeugen. Die höchste Wahrheit also ist nur unter Religiöser Form gefaßt, obgleich nur dieser Inhalt kann wahrhaftes Interesse für die Philosophie haben. Das Endliche ist für die endlichen Wissenschaften. Fichte ist nun auch an die Ausführungen seines Systems gegangen, hat ein Naturrecht geschrieben und eine Moral. Dieß sind aber nur Wissenschaften des Verstandes. Beim Recht ist die Freiheit als Freiheit des einzelnen Individuums aufgefaßt, und so kann nur die Ausführung diese sein: daß weil die Freiheit die Freiheit des Einzelnen ist, die ganze Hauptbestimmung wird: die Freiheit des Einzelnen solle sich beschränken nach der der Anderen. Die Freiheiten bleiben sich immer ein Sprödes[.] Alle Entwicklung des Staatslebens ist eine Fortsetzung der Beschränkung, statt daß der Staat aufgefaßt wird als die Wirklichkeit der Freiheit. Die Theorie Fichte’s von dem Staat ist nur eine Ausbildung eines Verstandes und zwar eines bornirten. Fichte’s Naturrecht ist besonders mißrathen. Auch die Natur ist ideenlos deducirt. Von Fichte ist zu schelling überzugehen. Mit Fichte machte | eine Revolution. Mit Kant ging das Publicum fort, doch mit Fichte kam ein bestimmter Unterschied herein, von einer Anzahl von Individuen, die allein sich mit der Philo –3 so auch … gehört.] Hu: Diese seite gehoert den Spaetern Schriften Es ist der Glauben an eine 1 moralische Weltordnung, praktischer Glaube, Glauben an eine sinnliche welt – diess sagt er gehoert unter die unmittelbaren wahrheiten.­  ­ 4–8 Fichte schließt … Wissenschaften.] Hu: Fichte schlie st also mit der Vereinigung des Allgemeinen und particulaeren – Guten und Wirklichkeit. Diese Einheit soll ein Unmittelbares, Unerkanntes sein – Die Gegensätze sind etwas Bekanntes nur. Diesen Glauben findet er in der Liebe Gottes – in der Religion – diess ist an sich richtig – aber es ist | wahrheit die in so fern geglaubt wird, nur die Religiositaet angehoert. Der Inhalt der hier in der Form des Glaubens gefa st wird, hat nur allein Intere se für die philosophie. Alle andere Vereinigung ist Gegenstand endlicher wi senschaft. Diess sind Gegenstaende des Verstandes nur nicht der philosophie – damit auch einerseits die Fichtische philosophie.­   ­11 Verstandes.] Hu: Verstandes nach weiser Bechandlung.­  ­Individuums] Hu: Individuums, wie Rou seau­  ­12–13 weil die … ist,] Hu: indem die Freiheit an den Individuen unbeschraenkt ist,­  ­14 Anderen.] Hu: Andern – so ist hier die Bestimmung auf das Begraenzen eines durch den Andern.­  ­15–16 ist eine … Beschränkung,] Hu: nur eine weitere Beschraenkung ist, ein Gefaengni s –­  ­17–19 eines Verstandes … deducirt.] Hu: eines sehr bornirten Verstandes – es ist eine Schranke, es mu s alles eine Schranke ge-|setzt werden. Ueberhaupt alles ist kalt und Tod – bey den Naturrecht deducirt er auch die Natur auch so ganz Gedankenlos.­  ­20–22.771,1–2 Mit Fichte … ausgesprochen.] Hu: Mit der Fichtischen philosophie trat eine Revolution ein. Sie hat einen bestimmten Unterschied gemacht. Damit trat eine Theilung ein unter den philosophen. Dadurch ist das publikum gestaerkt worden dem das wi sen von Gott ein Unmittelbares ist, ohne sich mit den Gedanken wertraut zu machen dürfen. 37 ge-|setzt] ge-|gesetz

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sophie beschäftigte, während dieß Geschäft die Anderen nichts mehr anging, weil nun auch das Wissen des Wahren ward als unmittelbares ausgesprochen. Mit der fichteschen Philosophie hängen unmittelbar die beiden Erscheinungen zusammen, daß der Standpunkt der subjectivität seine nicht vollendete wissenschaftliche Ausführung erhielt in Formen der Empfindung überging und in ein Streben über die subjectivität hinauszugehen; die Folge also waren subjectivitäten der Empfindung und des Strebens des darüber hinweggehens. Denn das Bedürfniß die Schranke des Nicht-Ich zu durchbrechen that sich auf. Das Fichtesche Ich ist abhängig von allen Seiten Das subjective Ich ist nur ein negatives Ruhen in sich. Die nächste Form ist die schlegelsche Ironie, wo das subject sich als das absolute weiß, indessen demselben jede Bestimmung, die es sich selbst macht, eitel ist, so daß es sie alle wieder auf hebt, subjectiv bleibt in seinen Objectivitäten, die nur producirte sind. Für diese Ironie ist alles, aber alles ist ihr eitel, sie weiß ihre Meisterschaft über alles, was anerkannt wird. Ihr ist es Ernst mit nichts, bei Allem bleibt sie als bei einem Gemachten stehen, sie ist nur ein Spiel mit allen Formen. – Die zweite Folge ist, daß die subjectivität sich in die religiöse subjectivität geworfen hat, in der Verzweiflung alles Erkennens des Objectiven. Ein endliches Gemüth beruhigt sich in seinen concreten religiösen Empfindungen. Der Trieb nach etwas Festem hat denn auch Andere zu positiver Religiosität, zum Aberglauben hinübergeworfen, um nur ein Festes zu haben, da jener subjectivität alles eitel ward. – Eine dritte Form nun ist, daß die subjectivität ein Streben blieb, eine Sehnsucht nach einem Festen, die Sehnsucht einer schönen Seele, wie in Novalis Schriften, die | aber Sehnsucht bleibend in sich selbst verglüht. Diese subjectivität nahm noch particuläre Formen an, die sich bis zur Verrücktheit steigerte, oder als reflectirender Verstand in einem steten Wirbel der Bestimmungen sich fortbewegte. Eine zweite Form der subjectivität in Beziehung der Philosophie war die der Willkühr und der Ignoranz. Die letzte Weise des Wissens soll jetzt Thatsache des Bewußtseins sein. Die Fichtesche Consequenz und sein harter Verstand hat für die Bequemlichkeit viel Abschreckendes und die faule Vernunft hat allem conse-

6–7 die Folge … hinweggehens.] Hu: Sie waren aber unfaehig diess zu leisten. Ich ist das Fichtische prinzip. Ich ist Subjektivitaet –­  ­8–10 Das Fichtesche … Form] Hu: in der fichtischen philosophie geht es immer fort zur Begraenzung. Ich der dagegen reagirt die Schranke durchbrechen will, und doch subjektiv bleibt, giebt sich ein Ruhen in sich selbst – das aber ein negatives ist – weil es subjek35 tiv ist. Die eine Form von der Unmittelbarkeit­  ­18–21 Ein endliches … ward.] Hu: Das Gemüth wurde darauf gebracht sich auf die Empfindung zu beschraenken – Das Feste wollte man nun in der Religiositaet finden. Dieses Feste ist aber wieder nur Empfindung. Dieser Trieb zu etwas Festen brachte mehrere zum Katholicismus und zum Aberglauben – weil eben den inneren Denken alles Schwankend wird. Es war die Verzweifelung an sich. 40 5  überging nachtr. über der Zeile­  ­15 nichts nachtr. über gestr. sich

Indem aber überhaupt das Ich als das Absolute gesetzt ist, so durchbricht es auch die Schranke des Nicht-Ich und wird das schlechthin mit sich Identische Freie. Indem aber im NichtIch als dem das Ich zum Bestimmen sei­ ner selbst Anstoßenden zugleich aller Inhalt liegt, so wird das Ich als das sich Selbstbestimmen zugleich stetes Auf heben seiner Bestimmungen, die als durch das Ich gesetzt nichtich sind, so daß nur Ich das Absolute und jede Bestimmung ein leeres und eitles wird. Dieß spricht sich aus als: die Ironie Friedrich Schlegels. Diese Inhaltslosigkeit des Ich schlägt dazu um sich in irgend ein Festes zu werfen oder vergeblich danach zu ringen und in der Sehnsucht stehen zu bleiben. Drittens geht die subjectivität dahin über sich einen unmittelbaren Inhalt zu geben als Thatsache des Bewußtseins und diesen da das Ich ihn hat, als das Absolute zu setzen.

400 Hu 394.

772 Wenn nun in der ersten Periode zunächst durch Spinoza das Absolute als die ruhende substanz dargestellt wurde, wogegen Locke die bunte Mannigfaltigkeit, den Unterschied überhaupt, geltend machte, während Leibnitz sodann den Unterschied in jene substantielle Einheit zurücknehmend das absolute als die Monade aussprach, ohne die Selbstproduction der absoluten Monade in der Vielheit des Unterschiedes, so wie die Rücknahme desselben in die absolute Monade zu entwickeln – so fehlt in dieser Periode überhaupt die absolute Form, oder der Verstand ist das Leitende und über den Inhalt Gebietende. Dadurch vernichtet er den speculativen Inhalt, dem nur die speculative Form fehlte. Gegen diese Vernichtung setzen sich Jacobi Kant und Fichte, welcher Letzterer das Ich und sein Setzen als das Absolute ausspricht. Mit dem Ich oder der subjectivität aber als dem Absoluten ist aller absolute Inhalt verschwunden und die leere Form als die Thätigkeit des sich

401Hu 395. 202

(II) E. Schelling

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quenten Denken entsagt, und in ihrer Willkühr sich alles erlaubt, theils prophetische Aussprüche thuend aus ihrer hohen subjectivität, theils nüchtern und prosaïsch die alte Logik und Metaphysik hervorsuchend, und diesen alten Stoff als Thatsachen des Bewußtseins ausgebend. So hat Fries psychologisch als Thatsa­ chen des Bewußtseins alle Kantische Kathegorien und Vernunftideen hererzählt. 5 Die Ignoranz dabei ist auch eine große Hülfe. Weil jeder aus sich solche Dinge producirt so meint er es seien große Dinge. Die Ehre der Philosophie war zu Grunde gegangen. Wo alles auf das besondere Belieben gestellt ist, findet was die Ehre der Philosophie fordert nicht mehr statt. Jeder hochmüthig in sich ist verachtend gegen Andere. – Auch die Vorstellung dann von Selbstdenken gehört 10 hieher. Denken und Selbst sind aber unmittelbar verbunden. Das Selbstdenken wird dann aber in das Aushecken besondere Particularität gesetzt. Die Schlechtigkeit aber besteht in der Particularität überhaupt. Diese Schlechtigkeit hat denn auch immer Jeden immer Abgeschmackteres hervorbringen lassen. Was nun die erste ächte Gestalt betrifft, die uns entgegentritt ist schelling. 15 Was das Äußere seines philosophischen Schriftstellerns betrifft, so ist zu bemerken, daß die Reihe seiner philosophischen Schriften die Geschichte seiner philoso­ phischen Bildung ist. Unter seinen Werken ist kein Letztes vorhanden, das seine Philosophie durchgeführt darstellte. | Seine erste Schrift heißt: über die Möglichkeit einer realen Philosophie. Darin 172vHo sind nur die Sätze der fichteschen Philosophie enthalten. Die nächste Schrift vom Ich als Prinzip der Philosophie ist auch noch ganz fichtisch. Von dort aus ging schelling zur Naturphilosophie wo er Kantische Formen aufnahm, um damit empirische Erscheinungen zu fassen. In beziehung auf Herdersche Schriften faßte er die Natur tiefer, während er in Betreff der practischen Vernunft bei kantischen 25 Vorstellungen stehen blieb. In den späteren Darstellungen fing dann schelling von vorn an, weil ihm die Form nie genügte. Was nun den Inhalt seiner Philosophie näher betrifft, so ist an das Bedürfniß der Philosophie zu erinnern. Bei Cartesius und spinoza fanden wir Denken und 5 –7 alle Kantische … Dinge.] Hu: die Kantische reine Vernunft verbe sert, als eine Thatsache. Hier hat man die Freiheit nacheinander zu erzählen und sagen diess ist die Thatsache des Bewust­seins.­  ­8 –10 Wo alles … Andere.] Hu: Die Ehre ist ein gemeinschaftliches Foderungen von Gegenstaenden Gründen, wo aber nur Subjektivitaet haucht da findet keine Ehre statt – es ist nur gegenseitige Verachtung die auf diesen ehrlosen Felde zu Hause ist.­  ­11–14 Denken und … lassen.] Hu: Denken kann nicht Anderer – es ist also etwas Abgeschmaktes. Der Bewei s von diesen Denken ist die 35 eigene particularitaet. Das schlechteste Gemälde ist aber eben das was am meisten particulaer ist. Damit führt das Selbst denken dahin dass jeder etwas Abgeschmaktes vorbringen will.­  ­20 einer realen] Hu: einer Form der­  ­26–27 In den … genügte.] Hu: Eine vollendete Darstellung aber der 402Hu 396. Schellingischen philosophie findet sich in keiner seiner Schriften. Keine Form genügte ihm nicht – es war immer ein suchen nach einer neuen Form. 40

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Ausdehnung, die Cartesius unbegriffen in Gott vereinte. Ebenso spinoza, der aber diesen Gott als die in sich bewegungslose substanz faßte, deren Entwicklun­ gen zwar die Natur und die denkende Welt seien, die aber in jener substanz aufging. Später bildete sich die Form aus, besonders bei Kant. In Fichte war die Form für sich als die subjectivität dargestellt. Diese unendliche Form nun, die in sich selbst verglimmt zur Ironie und zur Willkühr, muß mit der substantialität innig vereint gedacht werden. Die spinozistische substanz muß als die eine Form gefaßt werden, welche in sich thätig ist, und gefaßt wird nach ihrer Thätigkeit, so daß sie Schaffen der Natur sowie Wissen und Erkennen ist. Um dieses ist es in der Philosophie zu thun gewesen. Dieß sehen wir in schelling hervorgehen. Wenn wir schellings System des Transzendentalen Idealismus vornehmen, so finden wir darin den Ausgangspunkt von Fichte gemacht. In dieser Darstellung erklärt sich schelling so: alles Wissen beruhe auf der Einheit des subjectiven und Objectiven. Im höheren Sinne ist die Wahrheit überhaupt Uebereinstimmung des Begriffs und der Realität. | Die absolute Einheit ist nur Gott, alles Andere hat ein Moment der Nicht-Uebereinstimmung. Den Inbegriff alles Objectiven nennen wir Natur, alles subjectiven das Wissen. Alles Wissen hat daher zwei Pole, die sich voraussetzen, deshalb müsse alles Wissen 2 Grundlagen haben. Macht man das Objective zum Ersten, so käme man von der Natur auf das Intelligente. Die höchste Vervollkommnung der Naturwissenschaften wäre die vollkommnung der Gesetze des Natürlichen und Denkens, so daß nur diese Gesetze bleiben und diese gefaßt werden als Gesetze der Anschauung und Denkens. So würde die Natur in der Intelligenz aufgehen, und alle Erscheinungen der lebendigen Natur wären Streben zu diesem Wissen, und die todte Natur wäre die erstarrte äußerlich gewordene Intelligenz, so daß bewußtlos in ihr die Intelligenz schlummere. Erst durch die höchste Reflexion in sich durch den Menschen käme die Natur zum Wissen ihrer

9–10 Um dieses … gewesen.] Hu: Alles das war zu thun in der philosophie – nicht nur um die formelle Vereinigung wie bey Spinoza, nicht um die Subjektivitaet wie bey Fichte – sondern in der 30 unendlichen Form –­  ­16–17 Einheit ist … Natur,] Hu: Einheit des Begriffs und Realitaet ist nur Gott, das Absolute, alles andere hat eine Seite der Nichtübereinstimmung der Subjektiven und Objektiven Formen sagt er dass wir das Inbegriff der Objektiven Natur nennen können.­  ­19 deshalb müsse … haben.] Hu: Damit sind zwey wi senschaften – aber von einen pohle wird man zu andern getrieben.­  ­20 so käme … Intelligente.] Hu: die erste Tendenz ist von der Natur auf das Intelli35 gente zu kommen – Das ist die Theorie der Natur – die Begeistigung der Natur.­  ­26–27.774,1–2 Erst durch … Naturphilosophie.] Hu: Das höchste Ziel sich zum Objekte zu werden erreicht die Natur nicht in sich, sondern durch die höchste Reflexion in sich als Mensch – diess sollte man nicht Natur sondern Idee der Natur hei sen. Die Intelligenz die Natur intelligent zu machen ist Naturphiloso­ phie. 40 4  besonders] besonderes­  ­18 daher nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­21 der nachtr. über

der Zeile­  ­22 und Denkens nachtr. über der Zeile­  ­26 Intelligenz] Inteellgnz

selbst Bestimmens geblieben. Gegen diese absolute Form bringt Schelling den absoluten Inhalt herein.

Dieser absolute Inhalt ist die absolute Identität des Objectiven und subjectiven.

Objectiv sei diese Einheit die Natur; subjectiv das Wissen; beide setzen sich voraus. Das Objective die Natur ist das Streben nach dem subjectiven dem Wissen.

403Hu 397. 203

404 Hu 398.

774 1. Die Naturphilosophie. Die Wissenschaft der Natur ist das Aufzeigen des Absoluten in der Form der Objectivität in der Natur. Sie unterscheidet sich von der Physik dadurch, daß sie die Natur nicht mit Verstan­ desKathegorieen sondern mit der Idee der absoluten Indifferenz betrachtet. 2. Die transcendentalPhilosophie. Sie ist das absolute als das subjective. v

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a. Der Begriff des Wissens ist die Gleichheit des Ich mit sich, seine subject-Objectivität

b. Aber dadurch, daß das Ich nur sich selbst gleich ist, liegt im Ich dieses: ein Object also ein Anderes zu haben – dieses Andere ist das Nicht-Ich.

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selbst. In ihm würde sie offenbar als die Einheit des Intelligenten und der Natur. Das Offenbaren dieser Einheit wäre das Ziel der Naturphilosophie. – Der intelli­ gente Charakter der Natur ist hier einmal ausgesprochen als Interesse der Wissenschaft. schelling ward Urheber der Naturphilosophie. Sie ist als solche keine neue Wissenschaft. Aristoteles hatte sie schon, auch die Engländer haben Naturphilosophie: jedes Sprechen von Kräften und Gesetzen der Natur ist Naturphilosophie, als Denken über die Natur. In der Physik herrscht auch der Gedanke aber als reiner Verstand, so daß der nähere Inhalt nicht durch den Gedanken selbst gesetzt wird, sondern äußerlich an den Gedanken durch die Erfahrung kommt. Es geht der Physik wie dem Engländer, der voll Freude zu Hause kam ausrufend: er wisse jetzt daß er Prosa spreche. Der Unterschied der Philosophie gegen die Physik ist, mit Vernünftigen concreten Gedanken an die Naturbetrachtung zu gehen. Und schelling hat aufgezeigt, daß die Formen des Wissens auch Formen der Natur seien. Ferner hat er diese Formen aus dem zu Grunde liegenden Prinzip zu entwickeln gesucht. | Das zweite ist daß das subjective zum Ersten gemacht wird, wo denn die Aufgabe ist zu zeigen, wie ein Objectives daraus entspringt. Der Gang ist der Entge­ gengesetzte. Dieser ist der Inhalt der Transzendental-Philosophie. Das Weitere ist dann so bestimmt: vom Ich dem Wissen wird begonnen. Ich ist dann der Act wodurch das Denken sich zum Object wird, worin ich mit dem Gedachten, dem Object in Uebereinstimmung gesetzt wird. Schelling nimmt Bezug auf die Fichtesche Philosophie. Er sagt Ich = Ich sei der Begriff des Ich. Ich bin als Selbstbewußtsein subject-Objectivität, in dieser Beziehung beider ist nur Ich. Object und subject sind ideelle Unterschiede, Ich ist subject-Object. Als Selbstbewußtsein ist der Unterschied von mir noch nicht vorhanden. Die beiden Ich sind identisch und dieser Identität gegenüber ist noch nichts. Indem nun aber itzt ein Unterschied eintritt, so ergiebt sich ein Verhältniß des Ich zu seinem Anderen; wie bei

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10–11 Es geht … spreche.] Hu: In der physik wird auch gedacht – aber man hat darin nicht davon das Bewustsein.­  ­13–17 Und schelling … entspringt.] Hu: Schelling aber brachte nicht nur die Gedanken an die Natur sondern er hat nur die Kategorien der Gedanken geaendert – die Formen 30 des Wi sens hat er aufgezeigt als Formen der Natur zB. des Schlu ses – in Magnetismus kann man den Begriff sehen – weiter hat er auch die Formen der Natur zu konstruiren gesucht – was gewöhnlich als Gegebenes nur erscheint in den endlichen Wi senschaften. (Absatz) | Das Objekt soll theils an sich als Intelligenz betrachtet werden. Die Natur erreicht also ihr Ziel nur au ser sich. Diese zweite Bestimmung ist dass das Objekt zum zweiten gesetzt wird. Die Frage ist also: wie das Ob- 35 jekt dazu kommt zum Subjekt zu kommen, oder daraus zu entstehen.­  ­19 Ich ist … Act] Hu: Das ist der Akt­  ­23–24 in dieser Beziehung … subject-Object.] Hu: Ich bin für mich bin für mich Gegenstand. Die Beziehung von beiden ist nur Ich – Ich als Subjekt und Ich als Objekt ist nur etwas leeres – erst in Verbindung das ist: Subjekt–Objekt. 9  kommt] erhält­  ­30 geaendert] unsichere Lesung­  ­32–33 hat er … Wi senschaften. am Seitenran­ 40 de, quer zur üblichen Schreibrichtung niedergeschrieben­  ­34 Intelligenz] Intellgenz zu­  ­ihr] sein

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Fichte das Ich sich entgegensetzte, und zwar bedingt durch den unendlichen Anstoß. Dieß kommt herein wenn wir auf den Unterschied reflectiren, der im Ich = Ich liegt. Ich für sich ist unbegrenzt, aber nur wirklich als sich auf ein Object auf ein Unterschiedenes beziehend. Das reine Selbstbewußtsein ist leblos. Die Beziehung auf das Ich und seinen unendlichen Anstoß ist unzertrennlich, es ist nur unendlich und unbegrenzt als Auf hebung der Grenze, dazu gehört aber die Grenze. Der Widerspruch im Ich bleibt nun, wenn Ich das Nicht-Ich auch immer begrenzt und beschränkt. Dieser Widerspruch, der im Ich ist, diese Trennung, die immer von neuen hervorkommt, wird nur in einem Dritten gelößt, das über diesen beiden Gegensätzen schwebt. Die Identität des Ich und Nicht-Ich ist nur relativ. Das Auflösende des Widerspruchs ist das Herauszuhebende. Es erscheint hiebei die Wendung, daß der Streit das Entgegengesetzen so scheinbar gelößt wird, daß er in einen Progreß in’s schlechte Unendliche hinausgeschoben wird. | Hiebei müßte die Natur in ihrem ganzen Detail entwickelt werden, was nicht möglich. Das Dritte was das wahrhaft Eine ist, ist die verständige Anschauung, ein Denken das zugleich in sich begrenzend ist, und in seiner Begrenzung unendlich. Dieses Dritte, die absolute an und für sich seiende Vereinigung ist die intellectuelle Anschauung. Dieses Ich als nicht allein das selbstische Einseitige gegen das Object, sondern das mit seinem Nicht-Ich identische, muß die absolute Grundlage sein. Schelling sagt darüber: die Philosophie geht von dem absolut Identischen aus, das nicht objectiv ist, weil bei der Objectivität gleich die Trennung gegen das subjective hereinkommt. Die intellectuelle Anschauung ist an und für sich, nicht nur objectiv. Wie soll aber solche intellectuelle Anschauung in’s Bewußtsein gebracht werden?

Durch diesen Unterschied dessen Auf hebung aber zugleich dessen Setzen das Ich ist, ist es der unendliche Progreß seiner und seines Nicht-Ichs.

174rHo c. Die Auf hebung dieses Widerspruchs ist die intellectuelle Anschauung, ein Wissen, ein Ich, ein subjectives, das eben so ein Seiendes, Nicht-Ich, Objectives, und als dieses Objective ebenso subjectiv ist. 3. Das Absolute ist die absolute Einheit des Wissens als des subjectiven und der Natur als des Objctiven

25 2 Anstoß.] Hu: Ansto s – Nichtich.­  ­2–3 der im … liegt.] Hu: So ist das Verhaeltni s von Ich zum

Nicht­ich –­  ­10 beiden Gegensätzen] Hu: diesen beyden bleibenden Gegensätzen­  ­11 Die Identität … relativ.] Hu: Ich ist nur in so fern das Nichtich | ich ist, wodurch es begraenzt, auch Nichtich ist nur in so fern Ich ist.­  ­14–15 Hiebei müßte … möglich.] Hu: Um dieses Ansto sen in’s Unendliche vorzustellen, mu s die Natur im Ganzen vorgestellt werden, was ein Unmögliches ist.­  30 ­15–16 was das … ist,] Hu: was die Vereinigung nun enthaelt, ist bey Kant intuitiver Verstand,­  ­17–24.776,1–2 Dieses Dritte, … werden.] Hu: Dieses Dritte das diess an und für sich Seyende Auflo sen der Wiedersprüche ist, hat Schelling intellektuelle Anschauung genannt. Dieses Dritte ist Selbstbewustsein aber zugleich unbewustes. Das ist die Innere Grundlage, absolutes Prinzip. Diess intellektuelle Anschauen wird angegeben als intellektuelprinzip. Schelling sagt: es ist das schlecht35 hin Ewige – als absolut Identisches ist es nicht Objektiv, denn das Objektive ist schon Trennung. Ich und das Objekt. Nun fragt es sich wie dieses prinzip verstanden werden soll? Schelling sagt dazu: dass dieses prinzip eben so wenig durch Begriffe nicht aufgefa st werden kann. (Schelling nimmt den Begriff als VerstandesBestimmung Hegel nimmt es als das Concrete, in sich Unendliche Denken) 40 12  das nachtr. über der Zeile­  ­13 er in nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen (versehentlich hinter

einen plaziert)

406 Hu 400

776 Ihre objective Darstellung findet diese absolute Einheit in der Kunst, welche daher die höchste Weise des Daseins des Absoluten ist.

174vHo

Indem aber die intellectuelle Anschauung zum Philosophiren unmittelbar vorausgesetzt ist, so fällt das Begreifen fort, und dieß ist bei schelling nothwendig, da er das Absolute nur als den speculativen Inhalt nicht als den sich durch seine Form an ihm selbst producirenden hat. Daher wird das Absolute als die absolute Indifferenz auch assertorisch an die Spitze gestellt.

407Hu 401. 205

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Durch Begriffe, Kathegorieen Verstandesbestimmungen kann sie nicht dargestellt werden. Es bleibt somit nichts übrig, als daß sie in unmittelbarer Darstellung aufgezeigt wird. Wenn man sich bei dieser Intellectualität zugleich auf eine Anschauung berufen sollte, so müßte diese Anschauung eine allgemeine anerkannte Objectivität haben, und das intellectuelle Prinzip objectiv darstellen. Die Objectivität der intellectuellen Anschauung ist die Kunst. Das Kunstwerk reflectirt dasjenige was sonst nicht kann dargestellt werden, das absolut Identische, das im Bewußtsein und dessen Gegenständlichkeit schon sich trennt. Dieß ist der Gang schellings. Was nun die intellectuelle Anschauung betrifft, so ist sie als Grundprinzip alles Philosophirens ausgesprochen. Die subjectivität der Gedanke und das Objective soll in Einem aufgefaßt werden, während die Reflexion beide Seiten trennt, ebenso | wie die sinnliche Anschauung gar nicht intellectuell ist. Es wird also so wohl für den Inhalt der Philosophie ein Prinzip vorausgesetzt, so wie auch für das Philosophiren die intellectuelle Anschauung. Dieses wird gefordert. Anderseits soll dieß Prinzip bewährt werden, sich objectiv zeigen, und diese Bewährung soll das Kunstwerk sein. Das Kunstwerk also soll die höchste Weise der Darstellung des absoluten sein. Das Marmorbild zeigt sinnliches Dasein, aber sinnliches Dasein was nur Ausdruck von Geistigkeit ist. Dieß sind die Hauptmomente der schellengschen Philosophie. Es fällt hier sogleich auf, daß das vernünftige Denken nach seinem subjectiven Thun soll gefordert sein als intellectuelle Anschauung. Es ist dieß was Fichte Einbildungskraft nennt, das Schweben des Beisichseins des Ich und seines sich Bestimmtfindens. Auf diese Weise fällt die Begreiflichkeit, das Begreiflichmachen weg, das Begreifen wird unmittelbar gefordert. Das zweite ist, daß das was die intellectuelle Anschauung in ihrem Prinzip ist, assertorisch an die Spitze gestellt wird: das Absolute sei die absolute Indifferenz des Endlichen und Unendlichen, Besonderen und Allgemeinen, subjectiven und Objectiven, wie eben die Gegensätze sich aussprechen. In dieser Einheit sind die Gegensätze aufgehoben, sie ist das w e d e r

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9 Dieß ist … schellings.] Hu: Dass es bleibt in der Einheit der Subjektivitaet und Objektivitaet, und 30 dass diese Einheit g e w i    s werde, diess | leistet die K u n s t .­  ­17–18 Das Kunstwerk … sein.] Hu: Es ist die höchste weise der objektiven Existenz der Vernunft.­  ­21 vernünftige Denken] Hu: Vernünftige Denken, speculative Denken­  ­ 24–26 Auf diese … wird:] Hu: Es ist also bey dieser Weise nicht nöthig etwas zu beweisen – sondern es wird nur das richtige Auffa sen auf eine direkte weise gefodert. Die andere Seite ist diese: dass die Idee in so fern sie als Prinzip ausgesprochen wird, denn 35 diess gehoert zur philosophie und ein Anfang aufgestellt ist, so geschiet diess nur a sertorisch:­  ­27–29.777,1–3 des Endlichen … a u c h .] Hu: des Objektiven und Subjektiven des Allgemeinen und 6  Anschauung] Darstellg­  ­26 Anschauung nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen

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n o c h . Aber eben so wenig ist diese Identität die abstracte leere, wo nebenbei, außerhalb die Verschiedenheit fällt. Sie ist w e d e r n o c h und s o w o h l a l s a u c h . Die Momente des Unterschiedes sind als a u f g e h o b e n e e r h a l t e n . Diese Einheit läßt sich leicht vorstellig machen, denn jede Vo r s t e l l u n g ist schon solche Einheit. I c h bin darin, das E i n f a c h e und die B e s t i m m t h e i t , die zugleich m e i n e und somit selbst eine e i n f a c h e ist, während I c h zugleich I n h a l t erhalten hat. Meine subjec|tivität ist ganz ebenso wie die Objectivität des Dinges aufgehoben. – Mit dieser Identität fängt Schelling unmittelbar an. Es gilt daher darüber dasselbe als schon bei Spinoza gesagt ist. Man will in der Philosophie alles bewiesen haben. Alles soll sich aus Einem entwickeln. Die intellectuelle Anschauung als vorausgesetzt ist ein Orakelspruch. Es mußte zum Wahrhaften Beweise aufgezeigt werden, wie das Endliche nur dieses ist sich aufzuheben, zum Unendlichen zu werden. Aus der isolirten Betrachtung des Endlichen muß sich seine Selbstzerstörung zeigen. Ebenso muß bei allen Gegensätzen verfahren werden. Machte das Endliche sich selbst zum Unendlichen, so hätten wir das Endliche das selbst unendlich ist, und somit selbst das Unendliche das Endliche ist. Bei dieser Verfahrungsart wird die Identität nicht vorausgesetzt, sondern sie wird producirt, daraus, daß aus den Gegensätzen selbst ihre Einheit resultirt. Wird dagegen die intellectuelle Anschauung vorausgesetzt so ist diese eine unmittelbare Wahrheit. Was dem schellingschen Prinzip also fehlt ist die Form der Beweis. schelling hat in späteren Darstellungen das Bedürfniß des Beweisens gehabt. Aber indem ihm die absolute Form fehlt, so ist dieses Beweisen selbst ein formelles Reflectiren. Er hat die geometrische Methode angenommen. Die Hauptsache ist als Axi-

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Dem schelling also fehlt die absolute Form, oder das aus sich selbst sich entzweiende Eine, dessen Entzweiung, da sie die Einheit zur Grundlage hat ebenso die Einheit wieder durch Auf hebung der Entzweiung producirt. In dieser Thätigkeit giebt sich die Form durch sich selbst Bestimmtheit oder Inhalt, der seinerseits an ihm Form ist und sich also durch sich selbst hervorbringt. Indem diese absolute Form bei schelling fehlt, ist die Form bei ihm bloßer Formalismus d. h. dem Inhalt äußerlich.

25 Besondern, Realen und Intelligenten – so ist das prinzip, das Absolute, diese Identitaet beider, in der

Identitaet ist weder das Eine noch das Andere. Und diese Identitaet ist absolute Identitaet, nicht | abstrakte Einheit – schlechte Identitaet – (: In der schlechten Logik versteht man unter Identitaet das wobey noch der Unterschied auf der Seite liegen bleibt :) Diese Identitaet ist 1o ) w e d e r Objek­ tivitaet n o c h Subjektivitaet aber auch 2o s o w o h l Objektivitaet a l s a u c h S u b j e k t i­v i­t a e t .­  30 ­10–11 Die intellectuelle … Orakelspruch.] Hu: indem man aber mit der intelligenten Anschauung anfaengt, so ist diese Indentitaet der Subjektivitaet und Objektivitaet nur ein Orakel – eine A     s e r t i o n  – eine Voderung.­  ­19–20 Wird dagegen … Wahrheit.] Hu: Bey solcher Verfahrung wird diese Einheit nicht vorausgesetzt. – Diess macht eine Hauptschwierigkeit der Schellingischen philosophie. Man hat ungeschikt die Identitaet Schellings angefochten – aber dazu braucht man nicht 35 viel Witz. In der philosophie ist aber eben die Frage was das wahre ist – nicht um die schlechte Identitaet.  ­21–24.778,1 schelling hat … geschehen.] Hu: ist nur unmittelbar dargestellt. Schelling wollte es spaeter bewei en – aber dieses beweisen ist selbst nur formelle Reflektion (neue Zeitschrift Cottaische Buchhandlung) (Absatz) | Diess Beweisen ist in so fern Schelling die Kantische Methode angenommen, nur formell – aber auch da wo Schelling die demonstrative Methode ver40 wirft.

408 Hu 402.

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778 Dadurch daß die Form dieß Äußerliche ist, ist sie die bloß Verständige; die Momente der Idee: a. die ursprüngliche Einheit b. ihr Gegensatz c. und die ideelle Aufhebung desselben fallen daher auseinander und setzen sich nicht durch sich selbst. Der Unterschied ferner da er der Form angehört, diese aber schelling die äußerliche ist, wird nicht als qualitativer d. h. als der durch seine Formbestimmtheit producirte und somit mit ihr identische Inhalt, gefaßt, sondern als nur quantitativer Unterschied der somit dem Inhalt ein äußerlicher ist. Deshalb verläßt schelling selbst auch diesen äußerlichen Unterschied und setzt ihn in späteren Darstellun­ gen als Gegensatz von Form und Wesen. Das Absolute nach dieser Darstellung ist die absolute Einheit des in die Form hineingebildeten Wesens, so wie der in das Wesen hineingebildeten Form. 1. Das Wesen in die Form hineingebildet ist die Natur, das Wesen in der Form der Unterschiedenheit.

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om in voraus angenommen und damit alles geschehen. Ein Beispiel hievon ist, daß er sagt: das Innere das wesen des Absoluten kann nur als reine Identität gedacht werden. B e w e i s . Das Absolute ist das Absolute, es muß nothwendig und immer als dasselbe gedacht werden. Wäre es ein bestimmter Begriff, so würde der Absolutheit ungeachtet eine Differenz angetroffen werden können. Wie zB. 5 das Rechteck immer eine Figur ist, aber die Figur hier nicht als Figur sondern als Rechteck ist. | Im Absoluten aber ist das Besondere das Allgemeine, dieses das 175vHo Besondere. – Darin aber liegt selbst schon die Voraussetzung der Identität, welche wiederum nur vorausgesetzt ist. Was bewiesen werden soll, ist vorausgesetzt. Was nähere Bestimmungen anbetrifft so hat Schelling das Absolute als die ab- 10 solute Indifferenz ausgesprochen. Alle Differenz ist als quantitativ ausgedrückt. Die Eine Bestimmung soll nur überwiegend sein. – Aber das Wahrhafte ist die Differenz als qualitativ zu setzen. Denn die Verschiedenheit der Größe ist die gleichgültige, äußerliche Bestimmtheit. Das Verhältniß ferner von Uebergewicht ist gleichfalls keine Gedankenbestimmung, sondern sinnlich, aus welcher 15 leicht kann deducirt werden, wie dadurch eine bleibende Bestimmtheit gesetzt ist. Das Absolute, sagt schelling, sei die quantitative Indifferenz, wenn auf das Setzen des Unterschieds wird Rücksicht genommen. – In seinen neuesten Darstellungen braucht schelling den Unterschied als Uebergewicht nicht mehr, sondern er unterscheidet Wesen und Form. Das Wesen soll in die Form gebildet 20 werden, der der Unterschied für sich ist. Das Wesen soll in die Form kommen; das ist die eine Bestimmung, die andere ist, daß die Form soll in das Wesen aufgenommen werden. Anders ausgedrückt sagt er, die Form wird dadurch zum Absoluten, zum Wesen, daß das Besondere mit dem Allgemeinen eins werde. Im Absoluten sind Form und Wesen in Einem. Die Einheit aber muß anders erhal- 25 ten werden, als daß man hintenach sagt, im Absoluten sei alles Eins. Die erste Hineinbildung, die des Wesens in die Form ist die Natur, die andere der Geist.

  reine] Hu: reine, ungetrübte­  ­7–9 Im Absoluten … vorausgesetzt.] Hu: Also wenn das Absolu2 te so eine Allgemeinheit waere, so waere das Besondere etwas anderes seyn – aber das Absolute ist sowohl Allgemeines als Besonderes, ist Einheit der Form und Wesens. Darin aber liegt dass das Ab- 30 solute reine Identitaet ist. Daraus folgt dass das Absolute nicht Besondert ist. Diess ist ein formeller Bewei s, wo das zu beweisende aus dem zu Grunde liegenden geschöpft ist.­  ­20–25 Das Wesen … Einem.] Hu: das wesen mu s in die Form gebildet werden – in das Besondere, so dass das 410 Hu 404. Unendliche zukommt – dass die Indifferenz in die Differenz komme – Die Andere Bestimmung ist dass die Form in das Wesen eingebildet werde, die Differenz in die Indifferenz aufgenommen wer­ 35 de. (Einbilden, Aufnehmen ist etwas Au serliches„) Das Einbilden geschiet so dass das Besondere Eins werden soll mit dem Allgemeinen. Diese beiden Einheiten sind aber in dem Absoluten nicht nebeneinander, sondern nur in ein ander. ­3M Äußerliche] ohne Umlautpunkte  6–7 aber die … ist. nachtr. auf dem Seitenrande­

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Die Einbildung des Unendlichen in das Endliche ist die Natur. Das Wesen bildet sich in die Form ein, aber insofern die Form nicht in das Wesen eingebildet ist, so ist die Natur nur der Grund oder die Möglichkeit der absoluten Indifferenz. | Die Rückkehr des Wesens aus der Form ist der Geist. Die Form wird dadurch selbst absolut. Diese Form in das Wesen eingebildet stellt sich als positive Ursache von Realität dar, die Natur nur als Grund. Die vollendete Einbildung des Wesens in die Form und der Form in das Wesen ist Gott. In der ideellen Welt sind die Abbilder dieser Einheit. Weiter stellt schelling Gott als die absolute Einheit beider Seiten: von Natur und Geist. Dieß sind die 3 Formen. Weiter kommen diese drei Formen an den beiden Seiten selbst vor. Der Grund als die Natur, der Grund als abstracter Grund ist als Einbildung des Wesens in die Form die Materie, die 2te Potenz in der reellen Welt ist die in das Wesen gebildete Form das Licht, drittens die absolute Ineinsbildung ist der Organismus, der höchste Ausdruck des Göttlichen in der Natur. Auf der Seite des Geistes ist das Wissen die erste Stufe, das Zweite das Handeln. Die lebendige Form für sich in die das absolute wesen sich einbildet ist das Wissen; die Einbildung der Form in das Wesen das Handeln, und die Ineinsbildung des Wesens in die Form, so wie der Form in das Wesen ist die höchste Darstellung des Absoluten: die Kunst. Das im Absoluten verborgene Geheimniß, welches die Wurzel aller Realität ist, zeigt sich als Einbildungskraft. Dieß sind die Hauptunterschiede in der schellingschen Philosophie. Anderwärts erklärt sich Schelling über Gott: Gott als Wesen ist Grund als solcher, zweitens m a c h t er sich zum Grunde. Der Intelligenz muß ein Gegensatz vorausgehen, das Sein. Aber als Möglichkeit der Intelligenz muß es nicht das schlechthin Andere der Intelligenz sein, sondern eine instinctartige Intelligenz. Diese ist die Natur in Gott.

8–10 Weiter stellt … vor.] Hu: Weiter stellt Schelling diess so vor: dass Gott die absolute Einheit ist der Form und wesens. Es hei st: in diesen zwey Einbildungen kommen die drey Formen vor, in eigenen potenzen für sich.­  ­21 Dieß sind … Philosophie.] Hu: Das sind Schellings Hauptbestim  ­22–26 als solcher, … 30 mungen. Alles diess was wir aufgeführt haben zeigt den Formalismus.­ Gott.] Hu: einmal von sich selbst, das anderemal als Grunde der Intelligenz. Dem Denken mu s etwas vorausgehen, es ist das Seyn – was der Anfang der Intelligenz ist, kann nicht Intelligenz seyn (Diess ist wieder formell) Es kann aber auch nicht schlechthin Intelligenz seyn, also ist es etwas Mittleres. Gott ist nur als Grund seiner selbst, so als Natur, aber als Natur wie sie in Gott ist. 35 1  das] die­  ­6 vollendete nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­6–7 des Wesens … und

nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­7 Welt nachtr. über gestr. Bild­  ­9–10 Dieß sind … vor.] (1) Hier kommen die drei Formen selbst vor. (2) ( Dieß sind d. 3 Formen. Weiter nachtr. über gestr. Hier) kommen diese (nachtr. aus die) drei Formen an (nachtr. am Zeilenende) (d. beiden Seiten nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen) selbst vor.­   10M die] der  ­11 als Einbildung … Form nachtr. 40 über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­

Insofern die Natur als Natur aber nicht ebenso die in das Wesen hineingebildete Form ist, so ist sie nicht selbst das Sein der absoluten Indifferenz, sondern nur die Möglichkeit und der Grund derselben. 2 Die Einbildung der Form in das Wesen ist die intellectuelle Welt. 3. Gott ist die absolute Indifferenz der beiden in Einsgebildeten Seiten. Diese 3 Formen recurriren nun in jeder der beiden Seiten. 1. Die Natur als Einbildung des Wesens in die Form ist: a. Materie als Einbildung der Form in das Wesen b. Licht als Ineinsbildung beider Formen: c. Organismus. 2. Der Geist. Als Einbildung des Wesens in die Form: a. Wissen als Einbildung der Form in das Wesen b. Handeln als Ineinsbildung beider Seiten: c. Kunst.

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Wenn nun also der Inhalt der Schellingschen Philosophie die Idee in ihrer höchsten Concretion der sich selbst denkenden Äußerlichkeit der Natur und des ebenso äußerlich seienden Gedankens ist, so fehlt doch die Selbstentwicklung der Natur aus dem Gedanken, so wie des Denkens aus der Natur. Der Mangel schellings also ist daß ihm das Logische fehlt, das System der sich in sich durch sich selbst vollendenden Concretion der Gedankenwelt, welche sich durch sich selbst als Natur setzt, und dieß Gesetztsein in ihrer Rückkehr zu sich, im Geist auf hebt, und sich so als Idee bewiesen hat.

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nachschrift hotho · 1823/24

Schelling hat angefangen, die Naturphilosophie auszuführen. Bei der ersten Ausführung hat er sich des Ausdrucks der Potenzen bedient, ein Ausdruck der insofern er aus der Mathematik entlehnt ist für die Philosophie nicht paßt, die erst zu sagen hat, was denn Potenz sei. | Die geistige Seite der Philosophie bleibt bei Kantischen Gedanken stehen, die dieser im ewigen Frieden niederlegte. Die schellingsche Abhandlung “über die Freiheit” ist von tiefer speculativer Art aber nur Gegenstand nur einzeln für sich abgehandelt. Wir sehen also bei Schelling die Idee als die concrete Einheit des Entgegengesetzten. In einem System ist jede Stufe dieses Ganze in einer Bestimmtheit, so daß das Ganze dieser Bestimmtheiten die ganze Totalität der Identität und der Besonderheit in sich enthält. Ferner ist es ein großes Verdienst schellings in den Formen der Natur nachgewiesen zu haben, daß sie nur eine Äußerung des Begriffs sei. Der Inhalt der schellingschen Philosophie daher ist tief speculativ, der Inhalt um welchen es in der ganzen Geschichte der Philosophie zu thun war, der in sich absolut concrete Gedanke, der sich als wirkliche Welt erfaßt, als Natur als an sich vernünftig, als System der intellectuellen Welt, welche als Welt des Bewußtseins dem Ich angehört und zugleich real ist. Der Mangel bei schelling ist, daß Idee und die Bestimmung derselben als Totalität der Bestimmung, von Natur und Geist, nicht durch das Denken als in sich nothwendig gezeigt und entwickelt ist. Die Wahrheit muß als Idee bewiesen werden. Die Systematisirung der Idee zu einer Welt muß als eine Offenbarung ihrer selbst aufgezeigt werden. schellingen fehlt das Logische das begreifende Denken, womit zusammenhängt, daß die Einbildungskraft und das Kunstwerk als höchste Weise der Darstellung der Idee verstanden wird. Die Absolute Idee ist aber nicht ein Kunstwerk, sondern allein für den Geist und im Geiste für sich. Die wahrhafte Weise des sich Vorstellens der Idee ist das Denken ihrer selbst, die begriffene Idee. Mit diesem Mangel der Form hängt zusammen daß die Methode ein Anhängen eines Schema’s auf äußerliche weise an Gegenstände ist, welche für sich da sind. | Daher hat sich in die Natur-

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2 Ausdrucks der Potenzen] Hu: Wortes potenz – (diess wort von Eschenmeier)­  ­5 geistige] Hu: 30 Sittliche, Geistige­  ­9–12 als die … enthält.] Hu: – die Einheit des Subjektiven und Objektiven. Das ist die Form. Jede Stufe ist an sich Absolut, aber in einer besondern Bestimmung erst das letzte ist die ganze Identitaet | es ist aber die Totalitaet der Form.­  ­12–14 in den … sei.] Hu: in Ansehung der Naturphilosophie die Formen des Geistes, zB als Schlu ses nachgewiesen zu haben in der Natur – oder aufzuzeigen dass die Formen der Natur nur Begriff ist.­  ­27–29.780,1 Mit diesem … einge- 35 schlichen.] Hu: Mit diesen Mangel haengt diess zusammen dass die Form mehr zu einen aü sern 3  ist nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­ ­21M der] des  ­24 höchste nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­25 sondern nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen­  ­26 und im … sich.] (u (nachtr. aus Punkt) im nachtr. am Zeilenende) (Geiste für sich. nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen)­  ­29 ist,] (1) sind (2) ist (nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen), (nachtr. in der Zeile)­ 40

dritter theil · die moderne philosophie

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philosophie der leere Formalismus eingeschlichen. Diese Manier hat die Philoso­ phie zu einem bloßen Analogischen Reflectiren gemacht, zur schlechtesten Weise des Auffassens. Schelling hat dabei immer den speculativen Gehalt gehabt. Damit sind wir an’s Ende der Geschichte der Philosophie gekommen. Das Letzte Interesse der Philosophie ist den Begriff mit der Wirklichkeit zu versöhnen, denn die Philosophie ist die wahrhafte Theodicaee, die Rechtfertigung Gottes, sie zeigt, daß die Formen der selbstbewußten Vernunft die Formen der Natur sind. Die natürliche und Geistige Welt sind von einem Begriffe durchdrungen. Beide wirklichkeiten will der Gedanke als vernünftig erfassen. – Indem wir früher den sich selbst fassenden Gedanken hervortreten sahen, sahen wir sein Bestreben sich in sich zu füllen. Aristoteles sagte zuerst der Geist mache sich sich selbst zum Ge­ genstand. Das Resultat ist, daß der Gedanke auch bei sich ist, aber in diesem Beisichsein zugleich ein Universum draußen ist, und dieses Draußen als sich selbst weiß. Die letzte Philosophie enthält alle anderen in sich, sie ist die höchste, alle Prinzipien enthält sie in ideeller Einheit. Daß die Philosophie unserer Zeit hervorgebracht werde, dazu hat eine lange Zeit gehört. Bei Thales fingen wir an, bis Christus vergingen 6 Jahrhunderte, 2 ½ Jahrtausende hat der Menschengeist gearbeitet. Diese Arbeit im Felde des reinen Denkens in allen Stufen ist paralell den Stufen der Wirklichkeit, denn jede Philosophie ist der Gedanke jeder Zeit. Der e i n e Geist der in der Wirklichkeit lebt erfaßt sich in der Philosophie in der Weise seines sich Selbstbegreifens. In der Geschichte der Philosophie ist der Grund der Weltgeschichte. Daß es aber auf diese einfachen Gedanken allein in der Welt ankommt, dieß ist eine Erkenntniß, welche die Geschichte der Philosophie nicht nachzuweisen hat.               

Schema wird – (a = a – b) Die Methode ist das Anhaengen dieses Schemas auf eine aü sere weise an die Gegenstaende. Dieser Formalismus hat sich eingeführt in die Naturphilosophie. Bey Oken ist diess bis zur Tollheit getrieben. Die sinnlichen Vorstellungen werden gebraucht zur Erleuterung 30 niedrigerer Sphaeren.  3 Schelling hat … gehabt.] Hu: Diese Manier Macht nicht so bey Schelling vor. Diese Manier kann desto ausgebreiteter seyn, ie leichter sie ist, ie tiefer sie scheint.­  ­6 die Rechtfertigung] Hu: eine Erkenntni s­  ­8–11 Die natürliche … füllen.] Hu: Die eine Wirklichkeit ist Natur – die andere geistige Welt – sie explicirt sich in der Geschichte – Hier ist das Intere se der (411Hu ) philosophie nicht nur die Na-|tur aber auch das Reich der Sittlichkeit zu fa sen – Man mu s hier 35 Wirklichkeit von Erscheinung trennen. Wirklich ist nur die Idee. Indem wir also früher gesehen hatten in den Gedanken der sich selbst gefa st, so haben wir sein Bestreben gesehen, sich in sich reich zu machen, seine erste Thaetigkeit mu ste formell seyn.­  ­19 jede Philosophie … Zeit.] Hu: Jede philosophie gehoert ihrer Zeit an – 6  die Philosophie nachtr. über der Zeile mit Einfügungszeichen

Wenn wir nun in der classischen Philosophie mit dem abstracten Gedanken begannen, der sich in Aristoteles als in absoluter Concretion erfaßte, dann seine Totalität in die Totalität seiner Bestimmtheiten auseinanderschlug, diese sich negiren ließ und aus dieser Negation die ideelle Totalität herstellte – so wurde diese Totalität in der 2ten Periode zu einer wirklichen Welt des Gedankens in der Religion, und so das concrete sich selbst objective. In der dritten Periode ist das Denken das mit seinem Object identische subjective. Damit aber zunächst selbst abstracte Identität der Gegensätze des Absoluten, Unterschied derselben und concrete Einheit. Aber als Auseinanderfallen dieser Seiten der Form des absoluten verständiges Denken, welches sich eine Verstandeswelt erbaut und diese für die absolute nimmt. Drittens faßt das Denken sich als in sich unendlich; zunächst aber als Setzen der Verstandeswelt und der verständigen Form des Denkens als einer Endlichen, wodurch das Absolute als Jenseits steht, so wie es sich dann als die Form für sich faßt, die als solche aber Inhaltslos ist und den Inhalt außer sich hat, zweitens daher zum Inhalt als dem absoluten umschlägt, dem aber die absolute Form fehlt; drittens die absolute Einheit von Beidem ist.

zeichen, siglen

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ZEICHEN, SIGLEN

S p e r rd r u c k Hervorhebung im Original Kursivdruck Herausgeberrede Seitenzahlen am Paginierung des Originals bzw. Zählung der Manuskriptseiten Rande oder auf durch ein Archiv oder eine Bibliothek dem Bund | neue Seite im Original / im Textkritischen Apparat: Zeilenbruch [] Hinzufügung des Herausgebers ] Abgrenzung des Lemmas 〈〉 im Manuskript gestrichen 〈〈 〉〉 im Manuskript versehentlich nicht gestrichen tiefgestellte Ziffern im Apparat geben bei öfterem Vorkommen des die1 gleichen Wortes in einer Zeile die Reihenfolge an ein tiefgestelltes M neben einer Zeilenzahl im Textkritischen 1M ­Apparat gibt an, daß sich die Apparatnotiz auf eine Marginaltextzeile bezieht  In den Apparaten bzw. auf dem Rande werden folgende Siglen verwandt: Ho Hu, Hu

Nachschrift Hotho Nachschrift Hube

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Zum Verständnis der Texte und der Apparate: Die im Folgenden mitgeteilten Beobachtungen nehmen Ausführungen vorweg, die in ausgebreiteterer Form ihren angemessenen Ort im Editorischen Bericht im sechsten Teilband (GW 30,6) finden werden. (1) Als Leittext für die Wiedergabe des Kollegs vom Wintersemester 1823/24 dient die Nachschrift von Heinrich Gustav Hotho (1802–1873), die Varianten sind der Nachschrift von Romuald Hube (1803–1890) entnommen. (2) Bei den beiden Nachschriften, die von diesem Vorlesungsjahrgang überliefert sind, handelt es sich jeweils um Mitschriften. Während Hotho, der seit dem Sommer 1822 Vorlesungen Hegels gehört und nachgeschrieben hatte, ein verhältnismäßig erprobter Mitschreiber war, der bei seinem Tun über ein System von Wortkürzungen, Buchstabenauslassungen und Kürzeln verfügte, standen Hube für die flüssige Mitschrift einer Vorlesung in deutscher Sprache (Hube, ein nachmals prominenter polnischer Rechtsgelehrter, war kein deutscher Muttersprachler, und Berlin war, nach Warschau und Krakau, sein letzter Studienort) wohl nicht angemessen entwickelte und (ans Deutsche) angepaßte Mittel zu Gebote; seine Verfahren, den Schreibprozeß zu beschleunigen, bestehen zwar auch in Buchstabenauslassungen und Wortkürzungen, aber diese sind recht arbiträr und oftmals nicht ganz unmißverständlich angewendet, auf Kürzel greift er gar nicht zurück, nicht einmal die Konjunktion ›und‹ kürzt er ab. Entsprechend unterschieden weist sich dann jeweils der Mitschriftcharakter aus: bei Hotho wird er repräsentiert durch das (quasistenographische) Schreibbeschleunigungssystem, bei Hube zusätzlich zu den Wortverkürzungen durch Lücken in der Syntax (fehlende Wörter und Syntagmen) und (syntaktisch und semantisch) unvollständige Sätze. Zudem sind bei Hube die Buchstabenformen seiner Schrift (er benutzt die lateinische Schrift) fast durchweg bis zur völligen Ununterscheidbarkeit verschliffen, was bei Hotho (dieser schreibt die deutsche Kurrentschrift) zwar in geringerem Maße aber durchaus auch vorkommt. (3) In gewissem Sinne gegenläufig zur Geschicklichkeit im Mitschreiben des eben gehörten Kollegvortrags verhalten sich tendenziell der Anspruch der Wiedergabegenauigkeit und das Resultat dieses Anspruchs bei Hotho und Hube. (a) Hotho hatte vor dem Kolleg über die Geschichte der Philosophie bereits fünf Vorlesungen Hegels mitgeschrieben1 und dürfte sich mit einer gewissen Expertise im Abfassen einer Nachschrift ausgestattet angesehen haben. Etliche Indizien (unter anderen die Satzlängen, syntaktischen Strukturen wie 1 Das waren die Vorlesungen (1) über die Philosophie des Geistes aus dem Sommer 1822 (vgl. GW 25,1. [3]–144), (2) über die Philosophie des Rechts vom Winter 1822/23 (vgl. GW 26,2. [769]–1042), (3) über die Philosophie der Weltgeschichte aus dem gleichen Semester (vgl. GW 27,1. [3]–461), (4) über Logik und Metaphysik aus dem Sommer 1823 (fragmentarisch überliefert, vgl. GW 23,1. [157]–209), (5) über die Philosophie der Kunst ebenfalls aus dem Sommer 1823 (vgl. GW 28,1. [217]–511).

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Parataxe und Hypotaxe, Wortwahl) lassen annehmen, daß Hothos Mitschrifttechnik darin bestanden habe, Hegels Ausführungen eine Weile, vielleicht bis zu einer ihm markant scheinenden Stelle in der Darlegung, zuzuhören, um dann eher resümierend das eben gehörte niederzuschreiben. Daß er dabei Mißverstandenes notiert hat, ist weniger auffallend als vielmehr, daß er an nicht wenigen Stellen die differenzierte Begrifflichkeit in der gedanklichen Entwicklung nicht reproduziert hat und statt dessen eine blasse, ausdrucksärmere Terminologie bietet und damit bekundet, daß er zwar mit der Hegelschen Ausdrucksweise vertraut ist, dem konkreten Gedankengang an dieser Stelle aber nicht recht gewachsen war oder für den Detailreichtum der Darstellung kein waches Sensorium bzw. angeregtes Interesse hatte. (b) Für Hube ist zuallererst in Anschlag zu bringen, daß er wie erwähnt kein deutscher Muttersprachler war, sehr wohl aber über die notwendige Sprachkompetenz verfügte, um Hegels Vorlesung hinlänglich verstehend folgen und mitschreiben zu können. Gewisse sprachliche Defizite2 machen sich kenntlich dadurch, daß die Nachschrift getrüffelt ist mit grammatischen Eigenwilligkeiten wenn nicht Unbeholfenheiten, originellen, die deutsche Lexik durchaus bereichernden Wortschöpfungen, einer ab und zu merklich durch polnischen Akzent kolorierten Orthographie und einigen polnischen Einsprengseln im Text, dort wo Hube der Begriff vollkommen gegenwärtig, die deutsche Vokabel aber gerade nicht verfügbar war.3 Anders als bei Hotho ist Hubes Mitschreiben deutlich von der Intention auf vollständige Wiedergabe des Vorgetragenen/Gehörten bestimmt, und so versucht er, Hegel in seinen bisweilen mäandernden Ausführungen bis in die letzte Digression zu folgen, woran er jedoch des öfteren scheitert – vielmehr scheitern muß, wenn sich entweder das Dargelegte doch punktuell seinem Verständnis entzieht oder wenn er schreibmechanisch schlicht nicht mithalten kann. An diesen Stellen kommt es dann häufig zu grammatischen Havarien und Textabrissen. (c) Dergleichen Unzulänglichkeiten werden aufgewogen einmal damit, daß die Nachschrift Hubes an vielen Stellen Details, Beispiele,Wendungen, begriffliche Nuancierungen, explikative Sätze, farbige Formulierungen enthält, die das von Hotho Mitgeteilte ergänzen, erläutern oder überhaupt erst verständlich machen. Mit seinem Verfahren des Verknappens, Auslassens und Resümierens hat Hotho mehrfach eine angemessene Wiedergabe der von Hegel dargestellten philosophischen Begrifflichkeiten und Gedankenentwicklungen (beispielsweise Descartes’, Spinozas, Kants und Fichtes) verfehlt, wohingegen Hube – bisweilen auch in krausen Formulierungen – differenzierter und vor allem getreuer in der Protokollierung der von Hegel aus den jeweiligen Philosophien exponierten Begriffe und Theorien verfährt und damit einen plastischeren und farbigeren Eindruck vom Kolleg vermittelt. Zum anderen ist Hubes Nachschrift in noch weiterer, eher überraschender Hinsicht von einigem 2 Eine häufig zu beobachtende Stolperfalle stellt für Hube der korrekte Gebrauch von Numerus und Genus im System der deutschen Possessiv- und Reflexivpronomina dar. 3 Siehe dazu oben 644, 653, 695 die in die Varianten aufgenommenen Stellen.

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Wert: So finden sich bei ihm Wendungen, Formulierungen und Ausführungen, für die es bei Hotho keine Entsprechung gibt, die aber wörtlich oder fast wörtlich so in der von Karl Ludwig Michelet verantworteten Ausgabe der Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie im Rahmen der Ausgabe durch einen Verein von Freunden des Verewigten der Werke Hegels4 vorkommen. Für die Konstitution seiner Edition wird Michelet die Nachschrift Hubes, der bereits 1825 in seine Heimat zurückgekehrt war, schwerlich benutzt haben, aber er gibt an, aus dem Kolleg von 1823/24 sein eigenes Heft herangezogen zu haben,5 das inzwischen leider verschollen ist. Hube hat demnach Äußerungen Hegels konserviert, die auch Michelet festgehalten und in seine Vorlesungsausgabe übertragen hatte.6 (4) Beide Mitschriften sind nachträglich über- bzw. bearbeitet worden. Hotho hat die Bearbeitung seiner Mitschrift einige Zeit nach Abschluß seines Studiums bei Hegel im Zuge einer Gesamtselbstvergewisserung des bei Hegel Gelernten, bei der er fast alle seine Kolleghefte in ähnlicher Weise gestaltete,7 vorgenommen. Bei Hube ist demgegenüber anzunehmen, daß die textbegleitenden Marginalien nicht sehr viel später als die Mitschrift selbst notiert worden sind, spätestens zum Ende des Kollegs.8 (a) Für Hothos Überarbeitung charakteristisch ist 4 Siehe Georg Wilhelm Friedrich Hegel’s Werke. Vollständige Ausgabe durch einen Verein von Freunden des Verewigten: D. Ph. Marheineke, D. J. Schulze, D. Ed. Gans, D. Lp. v. Henning, D. H. Hotho, D. K. Michelet, D. F. Förster. [Motto:] Τἀληϑὲς ἀεὶ πλεῖστον ἰσχύει λόγου. Sophocles. […] Mit Königl. Würtembergischem, Großherzogl. Hessischem und der freien Stadt Frankfurt Privilegium gegen den Nachdruck und Nachdrucks-Verkauf. Berlin 1832–1854; hier Georg Wilhelm Friedrich Hegel’s Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie. Herausgegeben von D. Karl Ludwig Michelet. […] Bd 1–3. Berlin 1833–1836 (W1 13–15). 5 Siehe W1 13.VII. 6 Drei Beispiele hierfür seien angeführt: Einmal fand auch Hube das von Hegel auf nachkantische Philosophen wie Bouterweck, Fries und Krug bezogene französische Sprichwort vom ›se battre les flancs‹ für ›sich vergebens anstrengen‹ ebenso festhaltenswert (s. oben 763,35–36) wie Michelet (vgl. W1 15. 611 f). Zum anderen – um auf ein Kuriosum hinzuweisen – kommt auch und nur bei Hube das im Kanon der Werke und Vorlesungen Hegels als hapax legomenon anzusehende Wort ›Tischigkeit‹ (vgl. W1 15. 181) in der Form ›Tischichheit‹ (s. oben 672,29) vor. Auch die deutsche Schlafmütze kommt bei Hube vor (s. oben 751,33), die Michelet, so darf angenommen werden, aus seinem Heft in seine Ausgabe der Vorlesungen übernommen hat, verknüpft mit einer Formulierung, die sich (auch) bei Hotho (s. oben 751,9) findet (s.W1 15. 553): W i r haben allerhand Rumor im Kopfe und auf dem Kopfe; dabei läßt der deutsche Kopf eher seine Schlafmütze ganz ruhig sitzen, und operirt innerhalb seiner. 7 Vgl. hierzu die Ausführungen in GW 26,4. 1599–1602 im Editorischen Bericht. 8 Im Rückblick auf den Darstellungsgang und sicherlich gestützt auf die selbsterstellten Inhaltsangaben, hat Hube auf dem Rande der ersten Textseite eine detailliert strukturierte Inhaltsübersicht des gesamten Kollegs notiert.

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in erster Linie die Hinzufügung der Marginalien, die einerseits die Gliederung des Kollegs wiederholen, andererseits in Kurzform die gedankliche und argumentative Entwicklung des Inhalts zum Teil anders akzentuiert aber immer in gelegentlich bemühter komplexer und differenzierter Formulierung nachzeichnen. Gelegentlich hat er auch ein Textzitat eingefügt. (b) Hubes Marginalien hinwiederum haben überwiegend die Funktion, eine Feingliederung der Vorlesung mit knapper Rekapitulation des Hauptgedankenganges anzugeben, wobei die nicht selten prägnanteren und korrekteren Formulierungen der Muße bei der Nachbereitung verdankt sein dürften (im Kontrast zur Hast beim Mitschreiben). Weitere Zeugnisse einer intensiven und produktiven Nachbereitung der Vorlesung sind die in margine wiedergegebenen Zitate von Textstellen, auf die Hegel im Vortrag direkt oder indirekt Bezug genommen hat, bzw. von solchen Texten, die das Vorgetragene zu erläutern und zu ergänzen vermögen. Hube zitiert mehrfach Platon und einmal aus der Platonvita von Marsilio Ficino, mehrfach aus Asts Grundriss einer Geschichte der Philosophie9, öfter aus der griechischlateinischen Aristoteles-Ausgabe des Isaac Casaubon von 159010 sowie zweimal aus Hegels Grundlinien der Philosophie des Rechts. Diese Zeugnisse der Nachbereitung begleiten die Mitschrift allerdings nur bis zum Beginn des Abschnittes über Platon, und danach findet sich lediglich noch ein vereinzeltes Zitat aus Asts Grundriss anläßlich der Behandlung von Wilhelm von Ockham.11 (5) (a) Hube hat bei seiner Nachbereitung der Vorlesung zwar etliche Textverbesserungen und -ergänzungen mit Verweiszeichen am Rande notiert, er hat aber keinen systematischen Versuch unternommen, die bei der Mitschrift aufgelaufenen Fehler und Unzulänglichkeiten zu korrigieren oder auszumerzen. (b) Hotho hat den Text der Mitschrift bei seiner Gesamtdurchsicht einer starken Revision unterzogen; vor allem dort, wo er den von Hegel vorgetragenen Gedanken nicht mehr adäquat wiedergegeben fand, hat er in den vorgefundenen Text eingegriffen, bei seinen Verbesserungen aber keineswegs immer eine glückliche Hand bewiesen und mit den geänderten oder ergänzten Formulierungen gelegentlich den Textsinn verfehlt 9 Siehe Grundriss einer Geschichte der Philosophie von D. Friedrich Ast, […]. Landshut 1807. 10 Das ist bemerkenswerterweise die gleiche Ausgabe, die auch Hegel besaß (ΑΡΙΣ­ ΤΟΤΕΛΟΥΣ ΤΟΥ ΣΤΑΓΕΙΡΙΤΟΥ ΤΑ ΣΩΖΟΜΕΝΑ. OPERVM ARISTOTELIS STAGIRITAE PHILOSOPHORVM OMNIVM LONGE PRINCIPIS, NOVA EDITIO, Græcè & Latiné. […] 2 Bde. Lyon 1590. (KHB 472); s. die ausführlichen Titelangaben in GW 10,2. 1103 f oder GW 31,1. 438 f). Es ist jedoch wenig wahrscheinlich, daß Hegel im Kolleg aus dieser Ausgabe zitiert oder auf sie verwiesen habe, es fände sich sonst gewiß auch eine Spur bei Hotho. 11 Diese Verteilung des Vorkommens von nachgetragenen Zitaten spricht ebenfalls dafür, daß Hube die Bearbeitung seines Heftes mit oder bald nach dem Ende des Kollegs eingestellt habe.

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oder den von Hegel vorgetragenen Wortlaut verfälscht; das bezeugen einige Parallelstellen bei Hube, die mit dem ursprünglichen Textstand bei Hotho übereinstimmen. (6) (a) Leittext und Variantentext werden gemäß den Prinzipien dieser Ausgabe ediert, nur ist bei der Edition des Textes/der Texte von Hube darauf verzichtet worden, das polnische Kolorit in Orthographie, Grammatik und Wortformierung zu expurgieren: das wäre Sprachmeisterei an der ganz falschen Stelle gewesen, und dem Verständnis wird in keiner Weise Abbruch getan. (b) Im Heft von Hotho sind die Marginalien fast ausnahmslos unterstrichen; bei Hube sind es die meisten der textstrukturierenden Marginalien. Bei ihrer Edition ist auf die Wiedergabe der Unterstreichung, die in dieser Form der Hervorhebung ja keinen Unterschied macht, verzichtet worden. (c) Der Textkritische Apparat bezieht sich gleichermaßen auf den Haupttext, den Variantentext und den Marginaltext. Der Dokumentation der von Hotho im Zuge seiner Auseinandersetzung mit dem Kolleg von 1823/24 vorgenommenen Texteingriffe im Textkritischen Apparat ist der Hinweis ›nachtr.‹ (in zugegeben etwas ermüdender Häufigkeit) beigegeben, um sie von den Sofortkorrekturen und den doch in einem engeren zeitlichen Zusammenhang mit der Mitschrift vorgenommenen Eingriffen Hubes in dessen Mitschrifttext zu unterscheiden. (d) Die in margine oder gegebenenfalls (d. h. aus Platzgründen) im Bund mitgeführte Foliierung des Hothoschen Heftes stammt von der Bibliothek (Königliche Bibliothek zu Berlin), die es seinerzeit in ihren Bestand übernommen und archivierend behandelt hat. Die ebenfalls in margine oder im Bund mitgeführte (kursive) Paginierung des Heftes von Hube stammt vom Herausgeber, darüberhinaus wird eine frühe, oftmals fehlerhafte Paginierung, vielleicht von Hube selbst, und eine auch nicht fehlerfreie spätere Foliierung ebenfalls mitgeteilt. (e) In den Texten Hubes ist das lange (bzw. ergänzt  ) aus der lateinischen Schrift, dessen Gebrauch und Verteilung er nicht so ganz gemäß den (etwa in der deutschen Kurrentschrift oder in Frakturdrucken befolgten) üblichen Regeln handhabt, so wie vorgefunden wiedergegeben worden.