Von dem Aufblühen der ewigen Bünde

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Von dem Aufblühen der ewigen Bünde

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Johannes von Müllers ſå mmtliche e

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Hera u sgegeben

eben

von

sohann Gegrg Müller.

3

ó ifter Theil.

St

uttgart und fübingen , in der I. 6. Eotta'ren Buchhandlung. 1 8 3 2.

等。

Der Geſchichten

Schweizeriſcher Eidgenoſſenſchaft Sechster Z bei I.

Von dem Aufblühen der ewigen Bünde.

Durd

Johannes von

M ů Ile r.

Pernt, Brüder, eure Macht; ſie iſt in unſrer Treu. würde ſie auch jeßt bei jedem Leſer neu ! Szaller.

Stuttgart und Tübingen, in der I. G. Cotta'fden Buchhandlungi 1

8

3

2.

!

1

1

5

Inhaltsanzeige . III . Buch. Erft es Capitel : Wie bei Anlaß der Sirchenverſammlung zu Coſtanz von den Schweigern Aargau erworben wurde ; 1414 - 1418. S. 1. Von der Hierarchie ; 9. bei den Chriſten ; 13. Perfall von jener ; Avignon , Schisma. 23. Die

Kirchenverſammlung (25. König Sigmund in der Schweiz). 33. Der Papſt entflieht. 41. Unterhands

lung mit den Soweizera (43. Schaffhauſen wird frei). 48. Beru erobert Aargau. 50. Die Fehde. 153. 30

fingen ; 54. Surſee , 55. die vier Wyken, Aarburg und 56. Wartburg. 56. Die freien Aemter, Anonau , 57. Harau , 59. Zroſtburg , Hallwyl, 60. Ruob. .

61. Habsburg, Lenzburg , 62. Melingen . 63. Bruk, Muri. 66. Baden. 74. Urſprung der gemeinen Serra ſchaften. 79. Aargau den Eidgenoſſen übergeben . 84. Geſtalt der Dinge im Jahr 1416 ; 90. Sigmunds

Schweizerreiſe. 93. Uusgang der Kirchenverſamm lung. 96. Friede mit dem Herzog. 100. Soweizer :

reiſe des Papſtes. 102. Urtheit åber das Concilium . 103. Damalige Sitten . 105 . euner. 06. Beges benheiten im Wallis. 108. Von der Mazze. 111. Der Szerr von Raron. 115. Wallis mit den Warsſtätten .

Inhaltsanzeige .

VI

5.118 . Zug in Eſchenthal. 119. Wie Bern ſich Raron's annimmt. 127. Bernerkrieg wider Wauis (Phomas in der Båndt). 154. Friede. 137. Grubers Acht.

Zweites Capitel: Die Eidgenoſſen von 1418 bis 1436.

S. 138. Kirchenſachen (Huſſitenkrieg ; Baſeler Kirchen erſammlung 146.) ; 150. Reichsgeſchäfte: Riburg. 153. Kaiſerliche Gnaden . 157. Die innereRuhe (Ger fau , Weggis ). 161. Aargau. 163. Der Berlens fer Ariég. ( 172. Schlacht bei St. Paul oder Arbes 80). 185. Von dem Ryſig. 187 , Friede. 189. Wal lis.

190. Die Waadt.

192. Genf.

196. Grenerz .

199. Neufchatel und Palangin . 201. Bern. ( Juſtin ger ). 206. Aarwangen, Graßburg. 206. Solothurn

(Olten , Barſtau ) ; Biſchof zu Baſel (Flekenſtein ). 210. Stadt Baſer (Landſitten ; Merlo). 218. Schaff hauſen . 219. Andelfingen , Rheinthal. 221. Die Ent: , ſtehung des grauen Bundes (230. Truns) . 242. Vals tellin . 248. Von den Waldſtätten . 248. Luzern . 251. Zug . 254. Glari . (wie auch 91) , 257. Der Abt von St. Gallen, die Stadt , das Land Appenzell ; 272. Friedric von Lokenburg. 288. Züric .

Der Geſchichten

Schweizeriſcher Eidgenoſſenſchaft Drittes Buch.

I. 6. Müters råmmtl. Werke. XII. 1

Der Geſchichten

Schweizeriſcher Eidgenoſſenſchaft Dritte

8 Bu

.

@rft es capitel. Bon der Kirchenverſammlung zu Coſtanz und wie ders

johweizeriſchen Eidgenoffen Aargau übergeben worden . ( 1414

- 1618. )

( Von der Sierarchie.)

In devim Jahr nachder gemeinen Zeitrechnung tau

fend erhundert und vierzehn, beim Anfang des Winters , verſammelten ſich in der Stadt Coſtang

am Bodenſee, unweit von den Grånzmarfen der

Schweizer, die vollmachtigen Boten der Gewaltha ber aller geiſtlichen und weltlichen Herrſchaft unter

abendl



Si

ern, bei gmund von £u denmburg ändiſchen Delf re , zu Rom , utſchland und Ungarn König über die größten Angelegenheiten der chriſtlichen Kirche. Deswegen und um folgender Zeiten wild

4

Geſchichte Ser Schweiz. III. Budy.

len ſcheint nůßlich, an dieſem Ort über die Hierar: chie, ihren Urſprung und Einfluß einiges vorläufig zu erinnern . ( Ihr urſprung.)

In den erſten Zeiten des menſchlichen Geſchlech tes, von welchen durch den Fleiß der Geſchichtſchrei ber einige Erinnerung übrig iſt , wurden die Reli:

gionsgebräuche nach der damaligen Einfalt , gemäß den Ueberlieferungen der Vorwelt , von Hausvá: tern und Vorſtehern der Stamme verwaltet. Als bei Vermehrung der Geſchlechter die Lebensarten vervielfältiget und alle Geſchäfte des Lebens mehr .

und mehr geſondert und vertheilt wurden, als jeder für die ganze Zeit ſeines Lebens alle Kráfte auf ein beſtimmtes Gewerb richtete, und zu eben derſelben

Beſchäftigung ſeine Söhne und Enkel bildete, wur den die Familien jeder Nation wie durch die Bande einer großen Haushaltung verflochten , keine ver mochte die andere zu entbehren ; zum großen Zwede des allgemeinen Wohls that jeder nach ſeinem Ge fchic ben mehr oder weniger wichtigen Beitrag. Der prieſterliche Orden wurde in vielen Ländern )

gleichwie die Krieger, Bauern, Hirten , Kaufleute und alle andern lebensarten damals geſondert, und vierfach deſſelben Beſchäftigung. Die erſte war die Betrachtung ; weil die Natur Gott kennen lehrt, wenn man durch Vergleichung und Ueberlegung

von den ſinnlichen Wirkungen zum unſichtbaren Ur Heber empor zu ſteigen ſich gewöhnt. Zweitens war

Cap. 1. Von der Kircheuverſammlung zu Coſtanz. 5 der Prieſter Pflicht, unverfälſchtes Aufbewahren ge wiſſer våterlicher Sagen , deren Spur auf dem gan zen Erdboden bei allen nicht ganz verwilderten Vól kern übrig iſt. Zum dritten, das Opfern , oder die heilige Beobachtung der ſymboliſchen Gebrauche, welche von den Stammeltern zu Befeſtigung des Andenkens eben derſelben Ueberlieferungen verord net worden. Zum vierten, Arzneikunſt und Rechts gelabrtheit, oder die wohlthätige Anwendung der

beſondern Kenntniß Gottes , der Natur und der

Menſchen , welche die anhaltende Betrachtung, das Gedächtniß der Våter und vielfältige Erfahrung ihnen gab. Meiſt war das obrigkeitliche Anſehen zwiſchen Prieſtern und Kriegern getheilt ; nur jene

bedurfte der friedfame Rechtſchaffene; fühnes La ſter und fremde Gewalt erforderten andere Waffen . Als bei ungehinderter Fortpflanzung bald jeder

Stamm in wenigen Jahrhunderten zum großen

Volk warð , ſo daß die Menſchen aus einander 30 birge , große Ströme und Meere getrennt wurden , gen ; und hin und wieder durch Wüſten , hohe Ge

verſchlimmerte ſich ihr fittlicher Zuſtand auf man cherlei Weiſe durch zwei Urſachen .

Die erſte Urſache lag in dem Herzen des Men ſchen. Obwohl jene Ginrichtung der Geſellſchaft,

wo

je

Bedürfni

gewiſſ Geſchlecht

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6

Geſchichte der Saweiz. III. Buc .

men er zuſammengefert feyn mochte) einen eigen : thümlichen Geiſt hatte : die Natur und Art unſerer

tåglichen Beſchäftigung ſtempelt ihr Zeichen tief in unſere Seele. Daher fam es, daß die Prieſter (ge: wohnt , Gottesgebote , Vorweltſprüche und hoben Weiðbeitſinn zu reden ) überall herrſchen wollten ), und , weil ſie ſelbſt unkriegeriſch waren , ſich mit

den Obrigkeiten darüber verſtanden. An vielen Or: ten wurde die prieſterliche Würde von den regies tenden Geſchlechtern mit verwaltet's).

Es trug

fich aber zu , daß die Religion , auf welche im An fang alles gegründet worden, Dienerin der Politit wurde : alles Sobe, Allgemeine , der Geiſt , wurde verfå umt, und vielfältig die Bedürfniffe der Menſch

heit vergeffen , ſo daß nur die Abſichten der verwal tenden macht erwogen, und Sittenlehre und Reli: gion ſo in die Landesverfaſſung eingewoben wurde, baß beide mit einander ſtehen und fallen mußten'c ). Daber ſelbſt weife Männer fie nur für politiſche Erfindung hielten ; die Leidenſchaften der Großen

und ihres Anhangs waren ohne Zaum. Zum andern wurde die Religion durch den

Lauf der Zeiten verdunkelt, welcher bei ſo vielen und großen Zerruttungen unmöglich machte , das

die Ueberlieferungen im Gedächtniß der zerſtreu: ten Völker ohne Verwirrung , die fymboliſche Sprache der gottesdienſtlichen Gebrauche ſpäten Jahrhunderten verſtändlich blieb. Alſo war end:

Lich von jenen kaum ein , wie aus der Vorwelt

Cap. 1. Dow der Kirchenverſammlung zu Coſtanz. 7 hindberhalender laut übrig ; diere ſchienen dem Weifen Vorurtheile und Betrug ; der gemeine Mann that ffe den Alten ſinnlos nach. Aberglaube und unglaube theilten die Welt ; es war die Sum me der beſten Weisheit, über die größten Anliegen menſchlicher Natur fich unwiſſend zu betennen ').

Als die gelehrteſten und vortrefflichſten Mån ner dieſes gethan , tam die Zeit als nach der ganzen übrigen geſitteten Welt “) Rom ſelbſt, ihre

Königin, dienſtbar wurde, und alle alte Tugend in erzwungener Unterthänigkeit oder im Taumel der Luſt oder in ſtolzer Gefühlloſigkeit mehr und mehr erſtarb. Nod war dieſes Unglú & nicht vollbracht, und noch nicht modhte der Untergang des Reichs,

dieſes Verfalls Wirkung, von den barbariſchen Vol kerſchaften mit Erfolg unternommen werden , als eine Begebenheit begegnete, welche ſeit vielen Jahr hunderten vorbereitet und erwartet wurde , nun

bald zweitauſend Jahre fortwirkt, und von den Zeitgenoſſen kaum bemerkt worden. Die Juden ( ein Bolt , deffen Schidſal geweſen , das nie zu fern, was es hätte ſeyn ſollen) gaben wider ihren Willen Anlaß dazu. Durch zwei Dinge waren die Juden von allen andern Wölfern unterſchieden .

Die Ueberlieferungen gemeinſchaftlicher Stammvå

ter, nirgends anderswo in fo alten Zeiten ſchriftlich aufgezeichnet ), hatten allein ſie in urſprünglicher .

Geverſtgnü waren gegenwärtigen Glůcs alt.gtAlle Nationen Unf , und lange

älle beugten ſie endlich.

8

Geſchichte der Schweiz. III. Budy.

Bei den Juden ſchlingt ſich durch alle Zeiten , vor und nachdem ſie Nation waren , wenn dem Volk

nichts zu wünſchen und wenn ihm nichts mehr zu hoffen übrig ſchien , bald unter der , bald unter

dieſer Vorſtellung , die Erwartung einer außer ordentlichen Veränderung. Nie war ſie ſo lebhaft, als da ſie alle Staatsverhältniſſe wider ſich zu ha

ben ſchien ). Zur ſelbigen Zeit iſt unter den Ju den Jeſus von Nazareth, Chriſtus, entſtanden. Die heilige Schrift alten und neuen Teſtaments iſt von

ihnen ausgegangen. Was von dem Urſprung der Welt , von unſerm Weſen , von unſerer Beſtim mung, von dem Verhältnis zwiſchen Gott und uns, und vielen andern großen Dingen die Väter ge

glaubt '), Långe der Zeit verdunkelt, und nun theils niemand wiſſen , theils kaum der Weiſe zu vermuthen wagen würde, iſt auf alle kommenden Jahrhunderte hinaus für alle Nationen , welche ſind und . reyn werden , wider alle Gefahr unheilbarer Verdunklung

befeſtiget. Es iſt eine von allen Veränderungen der Form politiſcher Gefeße nnabhängige Religion

aufgekommen, welche für gerechte Verfaſſungen Hel denfeuer gibt, unter den andern tröſtet, alle befeſti get , verbeſſert und überlebt. Ohne alle Bezaube rung , der Augen durch den Glanz neuer Gottesa

dienſte , der Ohren durch hohe Dichtkunſt und ge lehrte Beredſamkeit; ohne Schmeichlung der Sin=

nenluſt, welche vielmehr beſtritten wurde, oder der

Ehrbegierde durch Ausbreitung der Geſchichte eines

Cap. 4. Von der Kirchenverſammlung zu Coſtanz. 9 Gekreuzigten , oder der Gewinnſucht , wo die Urhe ber verarmten ; unanſehnlich, im Aeußerlichen wenig

auffallend, nur für den Geiſt, nur auf die Zukunft, wurde das Evangelium geprediget , an die Verans

ſtaltung einer Hierarchie nicht gebacht. Es galt in den Gemeinden das Anſehen der Aelteſten , de ren griechiſcher Name im Deutſchen ausgeſprochen . wird prieſter. . Jünglinge rechneten ſich zu Tu gend und Ehre , Armen , Kranken und Alten , der ganzen Gemeinde in öffentlichen Angelegenheiten , zu dienen ; ſie wurden Helfer ") geheißen. Der

Ordnung wegen war ein Aufſeher, aus deſſen grie diſdem Namen das Wort Bifchof entſtanden ). Ueber dieſe Dinge hatte Jeſus Chriftus nichts ver: ordnet, weil er ſeine Religion allen Zeiten gab, dergleichen Formen aber nach Umſtänden bald ſo,

bald anders eingerichtet werden müſſen ; das hatte er verſprochen. ,,Er wolle alles leiten !" (Bei den Chriſten .)

Der Wirkung des Laufs der Zeiten , von wel dem wir ſelbſt hingeriſſen werden , war durch die Schrift vorgebeugt worden : die menſchlichen Let

denſchaften wirkten fort; ohne Kampf könnte keine Tugend feyn. Zwiſchen der ganzen Kirche und in jeder Gemeinde war die Liebe ein Band. Sie uns terſtüßten ſich mit Almoſen und Rath ; fie tröſteten ,

fie erfreuten einander durch Briefe 9b). In rol chen Sachen wandten ſich die Aufſeher an den Biz fdof der vornehmſten Stadt in der Provinz , wo

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Geraichte der Schweiz. III . Bud .

der Vereinigungspunkt aller andern Geſchäfte auc ſonſt war : das Anſehen der Erzbiſchofe iſt hie durch entſtanden . Eben dieſe wurde zu Jeruſalem

(gleichſam in der Mutterſtadt ) , oder zu Antiochia , Alerandria und Rom gab noch weiter ausgebreite ten Einfluß , auf Männer vieler Nationen , welche

durch mannichfaltige Gründe in die Hauptſtädte des alten Gottesdienſtes, der Handelsverbindungen und großen Weltgeſchäfte zu kommen bewogen wur

den. Es trug fich zu (durch unvermeidliche Folge der menſchlichen Schwachen ), daß bald bei vielen Bifchofen , Erzbiſchöfen und Patriard en Stolz und Ehrgeiz entſtand. Sie wollten bei den Chriſten

einführen , was Moſes für das Haus Leví über die

Juben perordnet ; ſie vervielfältigten , ſcharften und übertrieben die Vorſchriften gewiffer Gebräuche und Manieren ), da das Aeußerliche teinen Werth hat vor Gott , als wenn es freiwilliger Entſchluß des Herzens iſt ; beſonders mengten fie fich in viele Welthandel, welche der Stifter ihrem orbentliden

Gang überließ. Da zeigten ſich Neid und Kap, Folgen der Herrſchſucht , und wurden gemeiniglich vor der Welt und vor dem Gewiſſen beſchönigt als beiliger Eifer wiber unrichtige Vorſtellung ſolcher Geheimniffe, deren Ergründung und Beſtimmung

Jeſus zwar ſelbſt für unmöglich erklärt. Wenn man dieſes, die bald erfolgte erneuerte Verbindung des politiſchen und prieſterlichen Anſehens, und bürgerliche Gefeße für oder wider ben oder dieren

!

Cap. 1 .

Von der Kirmenverfainmlung zu Coſtanz.

11

Glauben fowohl bei dem Lichte des Evangeliums als in dem Einfluß dieſer Dinge auf die Welt bes trachtet, fo erhellet flar genug, daß die Formen der Kirchenregierung ſo wenig nach Vorſchriften , die den Apoſteln perſönlich waren , als nach den unver I

ånderlichen Wahrheiten der chriſtlichen Religion " ), die ſich einzig mit Gottes Verhältniß zu unferm

Herzen beſchäftiget , ſondern Staatsgrundfäßen ge: maß beurtheilt werden müſſen. Darüber hat Chri ſtus nichts entſchieden “ ), ausgenommen daß jeder bei feinem Recht bleiben roll "s). Ueber den Titel des Rechts , welchen allenthalben von Anfang der Welt her Weisheit und Muth bald Einem , bald Vielen , bald Allen gegeben , darüber beſtimmt Er Tonſt nichts , als daß er die Entwidlung der in uns liegenden Kräfte und göttlichguten Gebrauch berfel: ben anbefiehlt. 1

(Nu

e n. )

Als die nordiſchen Völker die bürgerliche Ver Faſſung der ſchönſten europäiſchen Länder theils mit

Ungeſtum zertrümmerten , theils verwirrten und entfråfteten , war das ganze Abendland in Gefahr Folch einer Barbarei, wie die, worin unter dem tür tiſchen Scepter alles Große, Gute und Schöne des alten Griechenlands und Afiens verſchwunden iſt und mehr und mehr untergeht. Aber die Biſchöfe und andere Vorſteher der Kirche, durch ihre Würde ficher , wußten den Rieſen aus Norden , welche an Einſicht Kinder waren , durch Borſtellungen , die

12

Geſchichte der Schweiz. III. Buch.

ihnen paßten, einen Zaum anzulegen . Dieſes wurde ihnen ſo wenig als den griechiſchen Prälaten ge

lungen feyn , wenn ſie unter vier Patriarchen ge trennt und von dem Islam in ihrem Wirkungs

kreis eingeſchränkt worden waren. Der Papſt von Rom (deſſen älteſte Geſchichte ſo dunkel und mangelhaft iſt , als der Anfang der Jahrbücher der alten römiſchen Republik ; wie denn wenig mehr

von den erſten Påpſten bekannt iſt, als daß dieſel: ben ihr Blut für den Glauben hingaben , wie De

cius für das Vaterland) bediente ſich mit gleicher Geiſtesgegenwart, wie der ehemalige Senat, jeder

Gelegenheit , um ſeinen Stuhl unabhängig , ſeine Macht in der abendländiſchen Hierarchie allgemein

wirkſam zu machen , und ſeinen Gebietskreis jen ſeit der Gränzmarken des alten Saiſerthums über die Trümmer der nordiſchen Religion auszubreiten. So geſchah), daß wer Chriſtum nicht hatte ehren wollen , doch den Papſt ſcheuen mußte, und bei zer ſplitterung der neuerrichteten Königreiche in un: záhlige Herrſchaften dem ganzen Welttheil immer Eine Religion und Ein Oberbiſchof blieb. Alles

heutige Licht, welches nicht (wie wenn wir den Shis neſern * ) gleich waren ) allein uns wohlthätig, Ton

dern durch den europäiſchen Unternehmungsgeiſt für alle Welttheile von unendlichen Folgen iſt, kommt von dem , daß beim Fall des Kaiſerthums

eine leitende Hierarchie war. Dieſe gab dem in

einen Kreis weniger Begriffe årmlich eingeſchräne

Cap. 1 .

Von der Kirchenverſammlung zu Coſtanz.

13

ten nordeuropäiſchen Geiſt, ſo zu reden , durch die I

chriſtliche Religion den elektriſchen Stop ; wodurch

derſelbe bewegt und belebt, nach langem wunderba rem Spiel mannichfaltiger Hinderniſſe und Befor: derungsmittel , endlich ward was wir ſehen . Ein Buch , die Bibel , war den Menſchen gegeben , wel des durch den unendlichen Reichthum ſeines gro

Ben Jnhalts allein hinreicht , um den leßten Fun ken der Kenntniß des Wahren und Guren vor dem Erſterben zu bewahren , und nach Jahrhunderten zu einer welterleuchtenden Flamme zu entzünden : der Kleriſei lag an Erhaltung dieſes Buchs ; durch fie kam es unter unſere Våter : keine Claſſe von Menſchen hat auf alle andern je ſo viel gewirkt als die Prieſter ; wenn auch nur hieburch. ( Ver f a I I. )

'

Bis auf den Anfang des vierzehnten Jahrhun rts blühete die Hierarchie in faſt unangetaſteter

Macht. Indeß war Italien und Rom den Kaiſern von Conſtantinopel und langobardiſchen Königen und Fürſten durch die Waffen der Franken und Nor: mannen entriſſen worden ; beide Nationen hatte der Papſt im Anſehen des Glaubens als Werkzeuge rei ner Wünſche gebraucht. Hierauf in Verbindung mit Reichsfürſten hatte er Kaiſer, die mit allgemei:

ner Gefahr für die europäiſche Freiheit alle teutſche Macht gewaltig regierten, geſtürzt, und in Italien gegen ſie den Großen , den Bürgern wider den Adel,

beigeſtanden. Bonifacius der Achte führte mit au

14

Gefdichte der Schweiz. III. Budy.

Berordentlichem Anſehen das geiſtliche und weltliche Schwert. Kein König nod Kaiſer war ſo machtig, ſo heldenmuthig und geiſtreich , wie vor Zeiten die Staiſer Heinrich und Friedrich , welche die noch un

befeſtigte påpſtliche Gewalt ohne Erfolg beſtritten. Das Alter, der allgemeine Glaube, die Inquiſition , viele neue Orden , batten dieſelbe geſtärkt. Aber unter Bonifacius wurde der Chron erſchüttert ;

von dem an wankte er und fant fehr. Der Papſt bat, wie meiſt alle unglücklichen Monarchen , weniger die Zeit anzuflagen , als daß er ſie nicht gekannt. Seitdem der alte Adel durch die Kreuzfahrten ,

Zunahme der Bürgerſchaften und unaufhörliche Feh: den mehr und mehr an Dahl , Macht und Reich: thum abgenommen , war (beſonders in Frankreich und ſeit Eroberung der Normandie) das tonigliche Anſehen geſtiegen. Saben doch auch wir gefeben ,

das Ulbrecht, König der Ceutſchen , ſeine Söhne und Nachkommen , vermittelſt ungewöhnlicher Nuf lagen , Soldaten hoben , und nach andern Srund fåken als ihre Vorfahren regierten ! Hiedurch war : den die Könige zugleich über das Volk måchtiger, aufmerkſam auf die nach Rom fließenden Summen ,

eiferſüchtig auf die Rechte , und ungeduldig über die Eingriffe der hierarchiſchen Macht. In dieſer Grundlagen wurden fie durd die aufblühende Lite

ratur anterfüßt. Der Seim pon Kenntniſſen , wel chen Kaiſer Friedrich der zweite aus dem griechi:

ſohen und römiſchen Alterthum und aus den Sha=

Bon der Kirchenverſammlung zu Coſtanz.

Cap. l .

15

len der Araber in die Gemüther reiner Zeitgenoſ ſen zu verpflanzen geſucht, trug Früchte von zweier lei Urt. Uuf den Univerſitäten wurde eine unvers

ſtåndliche Metaphyſik vorgetragen , welche aber den Geiſt im Nachdenten übte. Andere, den Alten ver

trauter, verbreiteten in lebenden Sprachen , zu des ren Bervoltommaung fie bas Meifte beitrugen " ) ,

unter Adel und Mittelftand viele neue Begriffe von

allen Arten Freiheit und weiſem Lebensgenuß. Der wißige Spott und Losfagung von gewiſſen beſchwer: lichen richten reizte bie Vornehmen ; dem Bolte gefielen die Strafreben der Bettelorden wider die Sittenhintanferung am römiſchen Hofe. Denn die Pápfte Bernachlaffigten den Anſtand ihrer übernom **

menen Stellvertretung des Einzigheiligen unter allen Gebornen ; die Grundfefte des bisherigen Un=

febens der Seiflidhteit wurde vergeſſen ; Ueberle : genhet an Einſicht hatte ihnen die rohen Erobever ju Sdülern gegeben ; aber ſie ließen fich von der hercfdyenden Barbarei fo anfteden , daß die Forts fahritte des Geiftes ihrem Blid entgingen , und ihs än Urm zu erkraftigen Perſuchen waffneten , um den Gang der Natur (Gottes Orbnung) zu hems men . Wenn die Pappte die Monier des Religions portrages nach den Zeiten vervolkommnet ; wenn He die Männer , welche durch beſondere Geifteskraft

auf die allgemeine Denkungsart wirkten , waters Küßt und gewonnen , und bei allen Bältern zu Bez

Hauptang der damaligen Freiheit geholfen hätten,

16

Geſchichte der Schweiz. III. Budy.

ihr altes Anſehen ware geblieben , oder zurückge:

wünſcht worden. Aber als die abendländiſchen Eu ropåer aus der Kindheit ihres Geiſtes ins Jung lingsalter übergingen , blieben ihre Lehrmeiſter zu růck , und wollten die Ruthe nod brauchen. Das Glüdlichſte war, daß bei dieſen und vielen

andern , unten vorkommenden Fehlern , die Hierar chie doch nicht ganz fiel; etwa wie bei den Schülern Mohammeds berEmir - el-mumenin 6) in eben denſel

ben Jahren zum bloßen Caplan des ágyptiſchen Sultans ward , bis es dem türkiſchen Kaiſer zulekt

sefiel, die Oberwurde im Geiſtlichen und Weltli: chen vollends zu vereinigen "). Als die Stimme der Freiheit in Morgenland gånglich zum Sdsweis gen gebracht worden is) , und ſelbſt nicht im Namen

Gottes und des Propheten jemand mehr die Wahr heit vor den Thron bringen mochte, welch ein Reich

wurde daraus ? Was wurden die Janitſcharen dem Padiſha 9 ) ? Was die Parcha den Landſchaften ? Das

gewaltige Kaiſerthum der Osmanen ſtirbt an der

Deſpotismuspeſt. Wer in Betrachtung der Univer falhiſtorie von den kleinen Urſachen jedes Ereignif ſes gewohnt iſt, ſich zum Ganzen emporzuſchwingen ,

könnte glauben , daß im Abendland ſowohl die geiſt liche als weltliche Mittelmacht vom vierzehnten Jahrhundert an zwar gedemüthiget worden (weil fie das nicht war , was zu allgemeinem Beſten ſie ſeyn ſollte ) ; daß aber ihre Zerſtörung unvollendet ge:

to

Sap. 1 . Bon der Kirchenverſammlung zu Coſtanz. 17

geblieben , damit bei hellerm Licht einſt andere aus ihr machen , was zu feyn ihr gebührt. :

( vigno n.)

3

1

Philipp der Scone, König von Frankreich, wel der mit noch größerm Recht håtte können der Freche Heißen , weil fich keiner ſeiner Vorfahren über frem

2

des Eigenthum ſo viel erlaubt hatte 2 ) , kam in Streit mitPapſtBonifacius dem Achten . Der Papſt,

3

vonperſönlichem Stolz verleitet, brauchte Ausbrude, welde durch die lange Gelehrigkeit aller Pólfer der rómiſchen Stanzlei gewöhnlich geworden , und folgte einem der Natur feiner geiſtlichen Hoheit entgegen ftreitenden Syſtem . Dieſe unbeſonnenheit nişte der König, und beſtritt ihn mit einer folden Macht)

I

furchtbaren Waffen , Troß und Spott. Ueber dem

1

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11

Berbruf bieſer unvorgeſehenen Bewegung ſtarb der

Papſt "). Das Cardinalscollegium , übermäßig er: froden , folgte dem Einfluß des franzöſiſchen Hofs. Clemens der Fünfte erinnerte ſich allzuwohl, daß er ein geborner Franzoſe und wie viel er dem Ko nig ſchuldig war ; den Geiſt feines nenen Amtes hatte er ſo wenig , daß er , allezeit nur auf ſich bedacht, eine unerhörte Beranderung unternahm : Rom, die anderthalbtauſendjährige Hauptſtadt aller abendlån

diſchen Provinzen , ben Stuhl des Fürſten der Apo

I

{tel, das Grab, die Reſidenz zweihundert in marter

t

Pápfte; Italien, fein ſtandhaftes, kluges , großes Volf,

pollem Tod oder herrlicher Machtwaltung verehrter

verließ er für Avignon , eines franzöfirden Prinzen I. W. Müllers ſåmmtl. Werte, XII,

2

1

Gefdigte der Schweiz.

18

III. Budy.

Stadt !! b ). Siebenzig Jahre war der Papſt nicht 21

zu Rom . Wenn Philipp feinen Geiſt und fein Reid auf Enkel gebracht hätte, ſo konnte geſchehen , daß der

Papſt ein Großalmofenier von Frankreich wurde, welchen keine unfranzöſiſchgeſinnte Nation wurde haben erkennen können . Der Papſt muß durchaus eine Hauptſtadt haben , worin er niemand fürchten

muffe. Doch König Philipp ſtarb im blühenden Alter ; fein Mannsſtamm ging aus in ſeinen drei Söhnen ; hierauf erfolgten diejenigen Kriege der Engländer, worin feine Nachfolger froh waren , die Krone zu behaupten . Die, welche ſich indeß zu Her

ren Italiens aufgeworfen , gewohnten ſich , weder des Papſtes , noch des Kaiſers , noch der Menſch lichkeit, noch Gottes zu achten : die italieniſche Na tion , bei welcher die Kirche kurz zuvor durch die gro: Ben Eigenſchaften eines Kardinallegaten * ) ihrer alten Ruhm erneuert , bedurfte eines vortrefflichen und reſidirenden Papſtes . Die Rückunft Gregor's

des Eilften war aus verſchiedenen Abſichten faſt als len Parteien erwünſcht. (S ch is m a.) 1378

Gregorius , ein guter , nicht aber ein großer Mann , ſtarb. Da verſammelte fide das ganze róc miſche Vole bewaffnet vor St. Peters Palaſt und forderte unter fürchterlichen Drohungen die Wahl

eines Italieners . Damals erſtrecte das königliche Haus von Frankreich ſein Scepter über Napoli, Dal

matien , Croatien , Slawonien , Ungarn und Pos

Cap. 1 .

Von der Kirchenverſammlung zu Softang. 19

len ; es hatte gewaltig Toſcana regiert und ſeit mehr als hundert Jahren die Oberherrſchaft Romg ges ſucht ; ſo daß die Franzoſen, die der Stadt auch den

Papſt genommen , den Römern äußerſt verhaßt wa ren. Als zwei Sardinále die Strone ausgeſchlagen , wurde einer der älteſten des Collegiums , ein Ves netianer , als Urban der Sechste , dem Volt darge ſtellt. Kaum daß er auf den Thron geſtiegen , ſo bedrohte er den machtigen Cardinal Robert von

Genf » ) , höhnte andere mit unweiſem Spott * ), 1

erbot an die Königin zu Napoli ſchimpflichen Truß ''), und gab mit großer Strenge über die Zahl der Be dienten und Pferde eines jeden Cardinals unvorbe reitete Sereße * ). Als hierauf Anſchlåge wider ihn entſponnen worden , legte er alle verdächtigen Sardi

nåle und Prälaten in Bande. Zu Fondi aber wurde auf Angeben und Rath Niclauſen von Gpinelli, ei nes napolitaniſden Rechtsgelehrten , der Cardinal von Genf unter dem Namen Clemens der Siebente , von den Entflohenen zum Papſt erwählt. Von Ur ban behaupteten fie , er ſey ohne Wahl , in der Ges

fahr des Collegiums , um den Pobel zu ſtillen , für wenige Tage (da er ſich zur Abdankung eiblich ver:

pflichtet) auf den heiligen Stuhl gefekt worden . Die franzöſiſche Partei zog mit Clemens nad Avignon . Die , welche Urban gefangen herumführte , ließ er zu Genua durch große Laſten von Eiſen und Stei nen foltern , und in der Marter ſterben "). Da

parteiete ſich die ganze abendländiſche Chriſtenheit

Cefalte der Schweig. III. Budy.

Für und wiber Urban und Clemens. Die große Spal tung nahm dieſen Anfang.

In allen Städten und Ländern war unbeſchreib liche Verwirrung des Volks: 8 ) ; oft blutig , wenn

von verſchiedenen Påpſten mehr als Ein Geiſtlicher zu gleicher Kirche beſtallt wurde ; traurig im Tod , wegen der Unruhe frommer Menſchen über ihren oberſten Seelforger, welcher von feines Gleichen der Antichriſt genannt , und mit feinem Anhang zu emis gen Flammen verfladt wurde ; für andere, das Ende aller Sitten und Religion , für jedes Verbrechen

fand man Vergebung , vielleicht Beiſpiel 18) bei eis nem der Papſte. Zu derſelben Zeit ermordete der erſte Herzog von Mailand feinen Oheim Barnaba ;

fein eigener Sohn Giovanni Anglo wurde von dem Bolf umgebracht; Johanna von Anjou, któnigin zu Napoli, wurde als Mörderin ihres Gemahls pon ihrem Better erwürgt; in allen Städten wüthete Aufruhr oder Tyrannei ; Ftalien war die Beute vie ler aus Deutſchland , Frankreich und England ge

mietheter Schaaren , voll Mordluſt, Raubſucht und Unordnung. In eben dieſen Zerruttungen wurde

Wenceslaf, König der Deutſchen , des Chrones ent feßt ; Karl der Sechste, König von Frankreich, fiel in Wahnſinn ; König Michard von England , des

fchwarzen Prinzen, des Siegers vonPoitiers, Sohn , der ſchönſte , prachtigſte Fürſt feiner Zeit , wurde

burch Hunger tobtgemartert oder nach beftiger Ge genwehr niedergeworfen und ermordet " ) ; Sowe

Cap. 1. Bom der Stirchenverſammlung zu Coſtanz. 25 den verlor die uralte Unabhängigkeit ; von Bajeſſid , Sultan der Osmaniſchen Túrken , wurde nach der Schlacht bei Nitopolis die ganze Chriſtenheit bedros

het; bis bald nicht nur das osmaniſche Reich , ſon 1

'dern Uſien von derſhineſiſchen Grånze bis nach Smyr na , durch das Seer Timurs des Mungalen erſchút: tert wurde. Die Todfeindſchaft zwiſchen Burgund und Orleans , die Frankreich an den Nand ſeines Untergangs brachte ; die Kriege der beiden Roſen ; der lange Nationalfampf zwiſchen Dänemark und Schweden ; die vielleicht niemals größere Verwira

rung dee teutſchen , die Zerſtörung des griechiſchen Kaiſerthums; und von allem die viel größern fol: gen , der Anfang unſerer neuern Geſchäfte, bereite: ten ſich während der gewaltſamen Bewegungen die

ſes großen Jahrhunderts noch trokiger Freiheit. Indeß von den Ufern der Tiber und Rhone un: ter alle Nationen wechſelweiſe Bannſtrahlen und

Segnungen ergingen , erhoben viele rechtſchaffene und gelehrte Männer , beſonders zu Wien Meiſter Heinrich von Heſſen , in Frankreich Peter von Alty, Johann Charlier von Gerſon und Nicolaus von Ele: mangis ihre beredte Stimme mit großem Eifer in Wort und Schrift wider die Verunſtaltungen der

dhriftlichen Kirche. Nicht anders als ob , durch die

Dauer und Große dieſer außerordentlichen Erſchut: terung in ſeiner Grundfeſte bewegt , das mehr als tauſendjáhrige Gebäude der Hierarchie durch hundert

Rißen ſeine Baufauigkeit auf einmal alerwarts of:

22

Geſchichte der Schweiz. III. Budo.

fenbarte, ſo erhob ſich aus allen Gegenden der abend: landiſchen Kirche der einſtimmige Ruf nothwendiger Berbeſſerung. Ein und dreißig Jahre nach dem Anfang der Spal

tung 3) wurden die Pápſte auf einer Kirchenver: ſammlung zu Piſa von den Cardinálen ihrer Würde entrekt, und geſchah die Wahl Alerander des Fünf ten , eines Candioten ; vornehmlich durch den Car dinal Baldaſſare Coffa , einen Mann , der Geſchic

und Kühnheit hatte 31 b) zu vielen guten und böſen Dingen ; zu Herſtellung der Kirche fehlte ihm die Wurde der Tugend. Benedictus der Dreizehnte,

ſonſt Peter Luna, und Gregorius der Zwölfte, An gelo Cornaro , die Gegenpåpſte , wollten der Piſani fden Verſammlung nicht gehorchen ; die Spaltung I

wurde größer. Dieſer Zeiten bediente rich Ladis laus , König zu Napoli , zu Eroberung der Stadt Rom. Coſa, unter dem Namen Johann des Zwei

undzwanzigſten , Aleranders Nachfolger, konnte dem ſtarken und wohlgeführten Heer des Königs nicht widerſtehen . Auch die Anconitaniſche Mark , die Gegend um Rom , der Erbſtaat St. Peters fiel un

ter Napoli. Der junge Ladislaus , einer der Hels den , welche bei längerm Leben und eben ſo günſtis gen Umſtänden Italien unter die Macht eines Ein

zigen gebracht haben würden , verfolgte ſiegreich den fliehenden Papſt. Johann , von Gegenpåpſten ge bannt , von einem Theil der Kirche verläugnet ,

ohne Hülfe von dem zerrütteten Frankreich, kam auf

ad: pre

Cap. 1. Bon der Kirchenverſammlung zu Coſtanz. 23 ſeiner Flucht, von Feinden umringt, nach Bologna, zu eben der Zeit als König Sigmund in die kom: bardei zog. Kirchenverſammlu

al

ng .) ( Den Titel eines Königs der Deutſchen trug Sig

De

F

mund; die Macht war vorlängſt unter die Reichs ſtånde getheilt. Um ſie herzuſtellen , hätte er ein

11

Cåſar ſepn muffen; Deutſchland war hiezu nicht reif. rtete von dem König der Teut Die Chriſtenheit erwa Túen die gehörigen Unternehmungen zu Herſtellung

El

1

der Sachen der Kirche, weil er derſelben Schirmvogt genannt wird; und obwohl damals kein auswärti ger König über Italien Gewalt befaß , erhielt ſich

bei dem Nachfolger Otto des Großen der Name eines Königg von Rom. Sigmund unternahm voll des beſten Willens die Reiſe nach Italien ; zu einer Heerfahrt gebrach es ihm an Volf und an Geld.

Benedig hatte ſeine Schwache kennen gelernt , als er in Dalmatien den Fortgang ihrer Waffen nicht aufhalten konnte. Da er nach Chur in Rhåtien ge kommen, hatte er durch ſcauhmßeeichelndes Lob die ſchwei rordentlicher Hülfe zu zeriſchen Eidgenoſſen zu bewegen geſucht wider Filippo Maria Viſconti, Her bereitwillig , wenigſtens in Ma 30 Stgådvoten iland.Ge So me

n 5:) , die můther iſtens waren , ſchien der Tagſaßung zu luzern die ungewiſſe , für ſie gleich

gültige Unterwerfung eines Fürſten , auf den doch

ein anderer folgen wurde , der Aufopferung ihres Bermögens und Volls nich würdig ; Fr eiwilligen 33) t

>

24

Geſchichte der Schweiz. III. Bach.

erlaubten ſie des Königs Krieg zu thun. Ueber den Adula , Maſor herab , 309. Sigmund. Zu Belin zona fand er die Geſandten der Schweiz und Tech 34

zehnhundert 36 ) Sóidner ; Wiſchard Freiherr von Raron , aus einem uralten rhátiſchen Adel, welder /

einer der vier großen Reichsbarone geweren reyn

wollte 35) , Hauptmann zu Wallis , ein reicher und ein tapferer Mann , 30g mit hundert. Reiſigen und Techshundert Fufknechten * ) über den Simplon 34 dem König. Es fehlte Sigmunden beides , an Sold "),

und an Heldenmuth, fie anzufeuern , um unter ſeis ner Anführung das Geld bei den Feinden zu ſuchen . Dod folgten ſie ihm nad Trejo. Da fie ſaben , daß er gegen Filippo den Weg der Unterhandlung ein

ſchlug , hielten ſie nicht für gut , dieſer auf eigene Koſten zuzuſchauen , und von dem teutſchen Adel noch ſtolze Begegnung zu erdulden , und zogen za růc in ihr land ; Naron eher nicht, als nach einent Aufwand von ſiebentauſend Ducaten . Als der Kids nig lang zu Como verweilt, ſah er in Lodiden Cara

dinal Antonius von Challant, Bruder des Biſchofs zu Lauſanne, und Franceſco Zabarella , den Gardis nal von Florenz, Gewaltboten Johann des Zwei

undzwanzigſten. Mit dieſen vereinigte er ſich zu einer allgemeinen Kirchenverſammlung. Zu Lodi fab er ihren Herrn , Gregor's und Benedict's Ab geordnete sy b). ' Nach langen Tractaten , anfangs

wider den Willen des Papſītes, wurde zum Siß der Kirchenverſammlung Coſtanz beſtimmt; eine , wie



Cap. 1 .

Bon der Kirchenverſammlung zu Coſtanz. 25

man glaubte , mitten in der weſteuropäiſchen Chris ſtenheit gelegene Stadt , in einer fruchtbaren Ge gend Schwabens , in einer ſehr ſchönen Ebene am

Khein, wo er aus einem der größten Seen des mits täglichen Europa in den Zeller See fließt. (Der König in der Schweis:)

Indeß dieſe Verſammlung, der feierlichſten und

größten eine , welche jemals auf dem Erdboden ge halten worden , in die ganze Chriſtenheit ausges

fchrieben wurde 38) , gog der König durch Poſta und über den Bernhardsberg nach Deutſchland zurüd .

Zu Romont in der Waadt fand er Einladungsboten von Bern. Bei ihm war Graf Amadeus von Sa vopen uud Markgraf Theodor von Montferrat, Ur

enkel des Conſtantinopolitaniſchen Kaiſers Andront kus Paläologus des Zweiten. In dem Heumonat auf St. Ulrichs Tag zog der Stónig mit achthundert Pferden , und mit rechshunderten die Herren von Savoyen und Montferrat, über Freiburg nach Bern.

Er wurde empfangen auf dem Felde bei Bumplig von fünfhundert wohlgeſtalten Knaben , deren teiner

über Techzehn Jahre alt war , und aus welchen der ſchönſte des heiligen Reichs Banner trug ; alle üb: rigen waren mit Kränzen befrónt, worein Schilde mit dem Reichsadler geflochten waren. Der König begrüßte fie freundlichſt. Hierauf begegnete ihm die fammtliche Prieſterſchaft und alle Kloſterorden ,

mit Crucifir , Heiligthum und Lobgefang. Da er

an das Thor kam , trat Peterniann von Krauchthal,

26

Geſchichte der Schweiz. III. Buch .

Schultheiß der Stadt Bern, vor, ihm die Schlüſſel zu übergeben. Der König ſprach : ,,nehmet ihr fie

,,hin , und bewahret eure Stadt.“ Von dem an ritt er unter einem Traghimmel von Goldſtúd, wel chen die vier venner trugen. Auf beiden Seiten der großen Gaſſe der neuerbauten Stadt erſchien

in langer Ordnung der ganze Senat,, der große Rath von Zweihundert und alle Bürger. Da er dem Zeit

glockenthurm nahe kam ,1 wandte er den Zug nach dem Predigerkloſter. Des Königs Zimmer glänzte von ſeidenen Stoffen und goldenen Tapeten. Den folgenden Tag erſchien eine große Geſandtſchaft von

allen Städten und Ländern der ſchweizeriſchen Eidge: nofen . Es war nicht allein von dem Rath befohlen ,

daß, die ganze Zeit über, aus einem immer offenen StellerJedermann Wein dargereicht wurde (wie denn der ganze Hofund alles Gefolge überhaupt mit ueber

fluß bewirthet worden), man hatte auch in den Håu ſern , wo ſchöne Frauen ihre Reize verkauften , be

fohlen , daß die Herren vom königlichen Hof ohne Entgeld freundlich empfangen wurden 6 ). Drei Tage

blieb der König zu Bern, in überaus großer Freude alles Volks, Das Aeußerliche der Majeſtát, wodurch

ein bleibender , vielmal núßlicher , Eindruck zumal in junge Seelen kommt, und wodurch dem Volk der Mangel an anderm oft verborgen wird , wußte ſich

Sigmund vortrefflich zu geben. Dabei hielt er fei ner Würde für nicht unanſtåndig , ſich zu zeigen, und ſo viele Menſchen er konnte , durch liebreide

Cap. 1 .

Von der Kirchenverſammlung zu Coſtanz. 27

Begegnung zu feſſeln. Hieju tam, daß zwiſchen ihm und Bern kein Mißtrauen war ; ſie waren beide mit Deſtreich benachbart. Unter ihm , ſeinem Bruder und Vater ſind faſt alle țeutſchen Lande der Stadt Bern erworben worden. Am dritten Tag zog der

König nach Solothurn " '). Eher nicht als zu Baſel

verließen ihn die Geſandten der Schweizer. Hier: auf geſchah zu Aachen die Krónung. Von da begab ſich der König nach Coſtanj. Papſt Johann der Zweiundzwanzigſte war äußerſt unwillig , über die Alpen zu ziehen ; doch nöthigte ihn die Furcht vor Ladislaus "b ) ; auch ermunterte ihn die Freundſchaft Herzog Friedrichs von Deſtreich.

Der Herzog ,.damals ungefähr in ſeinem vier und vierzigſten Jahr , von Geſtalt ichón , mit vorzügli: Jen Gemüthsgaben geboren, aber (welches er ſelbſt innigſt beklagte) durch ſeine Erziehung unglüdlich verdorben “) , kam zu ihm nach Trento. Bald reşte der Papſt ſein ganzes Vertrauen auf ihn , und er: nannte ihn zu des apoſtoliſchen Stuhls oberſtem Hauptmann , Rath und Bertrautem 3). Zu dem war ihm gewähret, in dieſes Fürſten Geleit auf ſei: ner Hinreiſe und Rudreiſe ſicher zu ſeyn. Sie 30 gen durch Tyrol, über den Arlenberg "b ), in Wall gau, gingen über den Rhein, und folgten Thurgau berab den Ufern des Bodenſees . Nachmittags an dem acht und zwanzigſten Weinmonat geſchab zu Co. ſtanz der Einzug ; der Papſt , begleitet von Fried rich , mit neun Cardinalen , vielen Biſchöfen und

1

28

Gefchidhte der Schweiz.

NI.Budy.

Prälaten , zog mit rechshundert Pferden von Streup lingen her in die Stadt. (Sirchenverfammlung .)

Aber aus Italien, aus Frankreich , don Ceutſch

land , von England, Schweden, Dänemart, Polen , Ungarn , Bóheim und bis pon Conſtantinopel fams melten ſich in die verordnete Stadt Sefandte don Kaiſern , Königen, Fürſten , Stådten , Kirchen und hoben Schulen ; die Großen wetteifernd auf Koſten der von ihren Boreltern lange geſammelten Schaße vor dieſer Verſammlung von ganz Europa burdy

prachtige Rüſtungen , Kleider, Pferde und ein zahl reiches Gefolge zu glänzen ; die gelehrten Cardinale und Prälaten "Sc) ruſteten ſich durch philoſophiſchen Scharfſinn , große Gelahrtheit und nachorudsvolle Beredfamkeit vor der ganzen chriſtlichen Kirche all gemeinen Ruhm zu erlangen. Viele zogen als zu einem Schauſpiel , das weber fie noch ihre Báter ,

noch ihre Ahnen jemals erlebt. Europa war in Ers wartung ; die Wohldenkenden unter allen Völkern

thaten Gelübde. Sie bereiteten ſich zu einer ern ften Verbeſſerung der Kirche; andere zu liſtigen Un:

ſtalten , um ihr auszuweichen ; die meiſten zum Gea nuß mancherlei Vergnügens 43 ) .

Als der Papſt wenige Tage nach ſeiner Ankunft Nachricht erhielt , Rom , ſeit Ladislaus ſtarb , ges horche, hielt er feine Reiſe für die größte Thor heit,

welche er in dem Lauf feines Lebens begangen . Doch

hielt er dafür, es werde nicht ſchwer noch langſam

Sap. 1. Von der Kirchenverſammlung fu Coſtanz. 29 fern ,die von vielen verehrten Pifaniſchen Verhand: lungen vorläufig zu beſtätigen, die Verwerfung der Gegenpåpſte dadurch zu vollenden , und endlich die gutmeinenben Barbaren vermittelſt italieniſcher Liſt und einiger ſchönlautenden Shlüffe zu befriebigen. Er hoffte auf die Menge der Prälaten von ſeinem Gefolg , und vermehrte derſelben Anzahl durch Ci tulaturwürden. Seinen Plan vereitelten die N as

tionen , durch Verſtand , Feuer und Beharrlich: teit. Gewiſſermaßen ging die Sache Papſts Johann Berloren, an dem Tag, da fie durclegten, daß nichts entſchieden werde nach den Stimmen der Bifchofe,

ſondern durch das Mehr der Nationen . Drei Na men , Teutſche , Engländer und Franzoſen , begrifs fer alle Wölfer im Norden der Gebirge, ja die theil:

nehmenden Kirchen der Griechen “ ). Dieſe alle WA ren eraftlich um das Wohl der Kirche bemühet ; Ita kien bedachte den Vortheildes römiſchen Hofs. Kaum

dan der Norden ſich fare fühlte, fab der Papſt, wie begründet feine Furcht geweſen. Sie traten alle eifrig zu der Meinung des Cardinals Peter von Willy , welcher durch Wiſſenſchaft und Religion un gemein hervorleuchtete ," Was zu Pifa partetiſch unter dem Einfluß des gegenwärtigen Papſtes ges than worden , ley der Beſtätigung nicht würdig ; vidie Reformation der Kirche muffe durch die Eil gung aller parteiifchen Rüaſicht, vermittelft vor

viläufiger Abfeßung aller drei Päpſte , angefangen Werden . Die alles zuſammenhaltendeOrdnung der 12

30

Geſchichte der Cdweiz. III. Budy.

,,Gemeine Gottes , durch Schuld und unglúd auf:

,gelöst , ohne andere Furcht als Jeſu Chriſti des ,,einigen Hohenprieſters , ohne andern Einfluß als

,, des heiligen Geiſtes , gereiniget herzuſtellen, dar: ,,um regen ſie aus den entfernteſten Ländern zu: „fammengekommen , ſie die Vertreter der Gläubi ,,gen , jeder ſeines Bolts.“ Tiefgefühlte Wahrheit rebet eine gebietende Sprache : es half dem Papſt wenig, daß er die Hoffúnſte wußte, vergeblich arbei: teten Scharfſinn und Wiß. In dieſen Bewegungen

waren die Gemüther , als mit tauſend Pferden der König antam "46 b ). (Der König , Deftreich und wir.)

Aus den beſten Abſichten hatte er dieſe Verſamm lung veranſtaltet ; nur hatte er , gleich ſeinem Ba ter , eine gewiſſe Neigung zu pompoſer Darſtellung ſeiner oberherrlichen würde ; in Ermanglung wah :

rer Macht mochte er gerne blenden . Gleichwie er

in denſelben Tagen ſich freute , vielen Reichsſtån den ihre Lehen zu ertheilen , ſo wünſchte er beron ders , daß der Herzog Friedrich , der größte Herr der umliegenden Gegend , von Schaffhauſen , wo er - fich damals aufhielt , nach Coſtanz komme , und an

einem feierlichen Tag ſeine Lehen empfange. Deſs ſen weigerte ſich Friedrich ; vielleicht 45 ) weil die Herzoge von Deſtreich ein altes Vorrecht behaupten ,

die Lehen zu Pferd in ihrem eigenen Lande zu neh men. Aus dieſem und vielleicht andern Grünben , die, klein an fich, vergrößert wurden durch perfón :

e8

lo

#1

Cap. 1. Von der Kirchenverfainmlung zu Coſtanz. 31 liche Abneigung 4 ), entſponn ſich zwiſchen dem Kó nig Sigmund und Herzog Friedrich ein Unwille von

großen Folgen. Der König , beleidiget und un mächtig, ſuchte von den Schweizern , dem nächſten furchtbaren Volk des Reichs , Verſicherung , auf je

ih wide de Herzog beizuſtehe

Di

n. e den Fall m r n Schweizer aber hielten den fünfzigjährigen Frieden .

To heilig , daß Zürich wenige Wochen zuvor nicht glaubte, Otto von Baden Hochberg, dem Biſchof zu

n ť

Coſtanz, das begehrte Burgrecht geben zu dürfen , weil er in ältern Verbindungen mit Oeſtreich war “). In eben dieſer Stadt verſammelten ſich die Eidge

2

noſſen , meiſt um zu rathſólagen , wie des Königs Unſinnen auf eine unbeleidigende manier abzuleh nen ſey ; doch ſuchten einige ( ohne Wirkung) den übrigen vorzuſtellen, wie unwiederbringlich die Gies legenheit wäre, den alten Feind für immer von der Grånze zu entfernen " ). Sobald Friedrich von die ſen Unterhandlungen hörte, verſprad, er , dem Rós nig in allem genug zu thun. Sofort berichtete der König die Tagſakung; damit nicht Friedrich unbieg famer werde, wenn die Schweizer ſich erklären, ihm den Frieden zu halten . Da der Herzog leicht fah ,

daß, wenn er die Eidgenoſſen wider den König zu Zorn oder doch zu Mißtrauen verleiten könnte, Sig mund ganz verlaffen ſeyn würde , that er demſel

ben große Zuſagen , wenn er ihm wider dieſes be ſchwerliche Vole zu feinen Rechten Beiſtand leiſten wolle. Der König, welchem feine Abſicht nicht ſchwer

32

Gefdhichte der Schweiz. III. Buch.

zu ergrunden war, eilte, fich die Schweizer zu ver bindert, durch Nachricht von den Anſchlagen und

von dem böſen Willen des Erbfeindes ihrer Nation . Da kamen unverſehens die Gefandten aller Städte und Lånder nada Coſtanz vor den König. Er , um durch ihr offenbares Zutrauen den Herzog zu fore den , und um ſie von der Wahrheit ſeiner feinds feligen Geſinnung zu überzeugen , hielt in deffen Gegenwart mit verſtellter Befrembung ihnen alle Klagen vor , die der Herzog beimlich wider ffe an 1

gebracht hatte. Die Geſandten bezeugten febr gro: Bes Erſtaunen . Der Herzog, welcher nichts bewet: fen konnte , begehrte Aufſchub als um von ſeinen Bögten und Beamten die Berichte zu ſammeln . Der

RE

König , mit anſcheinender Verwunderung, bezeugte

ihm , wer habe vermuthet, er wurde alsdann erſt „klagen, wenn er zuvor gewiß wäre von der Wahr: ,,haftigkeit feiner Beſchwerben . “ Deffen ungeachtet blieben bei weitem die meiſten Schweizer nac ihrem reblichen Gemüth bei dem Entſchluß , dem fünfzig jábrigen Frieden getreu zu bleiben . Balb nad die fem , da ſie zu Luzern eine Tagfaßung hielten , brade

ten Geſandte des Herzogs eine Erklärung , wer fer

„von einigen Amtleuten , ihren Feinden , welche den Frieden baſſen , betrogen worben ., und habe

geeilt, diefelben zu ſtrafen ; mit ihnen ſey er bereit .

grüber alle Streitfragen dem verglichenen Rechtsgang nadzukommen ; den Frieden wolle er ftanbhaft bal

ten , als der Tehr tpohlgeſinnt Tey füreine ſo mann bafte

Sap. 1 .

Von der Kirchenverſammlung zu Coſtanz.

33

-hafte als rechtſchaffene Nation, auf deren Wort er ,,traue. “ Als die Schweizer dieſes Horten , erklär

ten ſie bereitwillig , er habe von ihrer Geſinnung mit Wahrheit geurtheilet. ( Der Papſt entfliehet. )

Johann der Zweiundzwanzigſte , bei ſichtbarer Abnahme ſeiner Sachen , war am allermeiſten ſich

ſelbſt feind um die Unbedachtſamkeit, Italien per: 48 Laſſen zu haben +8b). Zwar die Unterſuchung ſeines

Lebens, welche er als zuverläſſigen Ruin ſeiner Hoff nungen billig fürchtete, wurde unterdrückt, weil den Deutſchen und Englandern unziemlich ſchien , daß eine Kirchenverſammlung den oberſten Biſchof um Dinge zeihen ſollte, die man öffentlich gar nicht

nennen mag. Aber dazu nöthigten ſie ihn , mund lich und urkundlich : ,,auf den Fall, da Gregor und ,,Benedict die angemaßte Würde aufgeben , ober

„ wenn ſonſt es der Kirche erſprießlich gefunden wür: de , bem Papſtthum zu entſager . “ Es mag ſeyn , daß , wenn ihn ſein Anhang dem Trieb feines Se můthes überlaſſen hatte, Johann endlich durch Gute

zu allem ſich hätte gewinnen laſſen ; oder dachte er . durch verſtellte Dahingebung ſeine Abreiſe zu erleich

tern ? Er las und beſchwur die vorgeſchriebene Ab dankungsformel mit einer Heiterkeit , welche viele

rúhrte ; der König legte die Krone ab, um ihm die

Füße zu küſſen ; der Patriarch von Antiochia trat auf, im Namen der Våter, ihm wegen dieſer Selbſt aufopferung für den Frieden der Kirche zu danken ; I. v. Múllers råmmtl. Werke. XII.

3

34

Etſchichte der Schweiz.

III. Buch .

der König aß bei ihm ; Johann weihete für ihn die goldene Roſe. Doch fah er , daß die metſten feine

Beſtätigung im Papſtthum den Grundfäßen vorha 'bender Kirchenverbeſſerung nicht gemaß hielten . Er

wußte , daß er nur frei feyn dürfte , um Papſt ei ner großen Menge zu bleiben, welcher die Verbeſſe rung auch mißfiel. Als unter drei Papſten er allein fidh entſchloſſen , uber die Alpen zu gehen , roll ihm geſtattet worden ſeyn , im Fall der Aufenthalt in Coſtanz ihm ungeſund wurde , den Ausgang der Verhandlung in einer benadbarten Stadt entweder des Reichs oder Herzog Friedrichs abzuivarten . 68 iſt auch geſagt worden ) , der Papſt , welcher über eine Million Ducaten mitgebracht , habe den König . 1

in Peinem vielfältigen Geldbedürfniß anfangs durch

Darlehne ſich zum Gönner , nachmals tdurch aus weichende Antworten zum Feind gemacht, und von dem an ſowohl für ſeine Würde als für feinen Schak gefürchtet. Seinen Anſchlag , hielt er dafür , nie leichter ausführen zu können , als da er der Sir: chenverfammlung durch ſcheinbare Friedensbereitwit ligkeit eine hinlänglich gute Meinung von ſich ge

geben. Herzog Friedrich felbſt war ſich von der Kirs chenverfammlung nichts Gutes erivartend,weil Harts

mann von Werdenberg , Biſchof zu Chur ,Georg

von Lichtenſtein , Biſchof zu Trento , und der Bis fdyof zu Briren auf ihn klagten ; dieſer wegen uns gerechter Schahungen , jene, daß er mit Verlekung .

der Immunitaten fie felbſt gefangen und vielfáltig

Cap. 1. Von der Kirchenverſammlung zu Coſtanz. 35 mißhandelt habe so). Alſo wunſchte Friedrich durch Entfernung der Hauptperſon die Verſammlung zu

trennen . Er kannte den Parteieifer der Italiener. Der Kurfürſt zu Maing, Johann, vom Hauſe Deal

ſau , der des Königs Freund nicht war , roll ſeinen Entſchluß gebilliget halen b.). Er wußte den Mark graf Vernhard von Baden ganz dem Papſt Johann zugethan. Der Herzog von Burgund fchien in gleis der Geſinnung.

Sobald verſchiedene Aeußerungen die Verinu

thung dieſes Anſchlags , und gerechte Beſorgnis er: wedt , Johann würde nach feiner Abreiſe nichts un terlaſſen , um die unternehmungen der verſammel ten Kirche zu vereiteln , verſuchte derKönig , mit Heinrich von Ulm , Bürgermeiſter der Stadt Cos ſtanz, und mit einigen Rathsperivandten , durch die -

ſtartſten Berficherungen und Vorſtellungen den Papſt von dieſen Gebanken zurücezubringen . Johann und Friedrich bezeugten ihre Verwunderung aber dieſe

falſche Meinung , welche man von ihrer Denkungs art habe. Der Papſt bediente ſich des Ausbruds, ,,er wolle Coſtanz eher nicht verlaſſen als bei Trens

, nung der Kirchenverſammlung 5 ) " (er dachte aber dieſe durch die Wollſtredung ſeines Vorhabend gewis

zu bewirken). Seit er ſich verratben fah , beſchloß er des lettern Beſchleunigung : er wußte , daß die

Engländer feine Gefangennehmung vorgeſchlagen , und wie leicht in fo -großen Dingen der Vorwand öffentlichen Bohls die andern dazu bewegen konnte.

36

Geſchichte der Schweiz. III. Buch.

Da bei der außerordentlichen Anzahl großer und

mindereť Prálaten und Prieſter , Lehter und Mei ſter in der Gottesgelahrtheit , in den Rechten und .

in freien Kúnſten , faſt unglaublich viele Herren ,

Ritter , Grafen , Fürſten und Herzoge mit verhålt: nißmäßiger Menge von Geſinde , Kaufleuten und Handwerkern in die Stadt und Gegend Coſtanz zu: fammenfloffen , ſo daß einmal dreifig tauſend Pferde und hundert und funfzehn tauſend Fremde gezählt worden : wurden viele Ritterſpiele gehalten, worin die edlen Herren vor ſo vielen und großen Zuſchauern mit ihrer Bewaffnung, Stárfe, Kunſt und Schón :

heit prangten. Dergleichen Spiel hielt an dem ein und zwanzigſten März des tauſend vierhundert und

funfzehnten Jahrs der Herzog von Oeſtreich gegen den Grafen von Ciller , Schwager des Königs. In

der großen Ebene zwiſchen den Waſſern rannten ſie ; die Augen einer unzähligen Menge waren allein auf fie. Johann , vermummt in einen Poſtknecht, von einem Knaben begleitet, floh auf einem ſchlechten Pferd aus der Stadt. Er fand, wie verordnet war,

zu Ermatingen einen Kahn. So fuhr er See und Rhein herab , zwiſchen den Städten und Burgen Herzog Friedrichs , nach Schaffhauſen . Sobald Johann in Sicherheit war, brachte Ulrich

von Seldenhofen von Waldſee dem Herzog Heimlich . die Nachricht ; bis dahin hatte dieſer ben Ritterkampf verlängert ; ſein Sinn war auf großern Streit ; hier: auf ſiegte Cilley. Im Haufen der zurúcſtrómen

Cap. 1. Bon der Kirchenverſammlung zu Softanz. 37

den Menge nahm der Herzog einige ſeiner Getreuen zu fich , kam unbemerkt in das benachbarte Haus eines Juben , und offenbarte das Geheimniß. Da ſprach Graf Hanns von Lupfen , fein Hofmeiſter und Landvogt, „, was ohne mich unternommen worden,

„ mag auch ohne mich vollendet werden . “ . Hanns Truchfeß von Dieffenhofen , Ritter, Molli genannt, redete ſo zu dem Herzog : „ Was einmal begonnen ,, ift , muß mit Muth behauptet werden ; hie bin ,, id), gnädiger Herr ; der Trude wird euch nie ver

„ laſſen . " Er , noch einer und ein Knab , ſaßen auf, mit Friedrich, bereit rein Glúc zu theilen, und kamen zu dem Papſt. ( Acht und Bann. )

Un demſelbigen Abend als das Gerücht ſich aus: breitete , daß der Papſt entflohen , erſchraden alle geiſtlichen und weltlichen Fürſten und Herren ; das Wolf entbrannte in withendem Zorn ; es flohen viele hundert Staliener und Deſtreicher zu Fuß, zu Pferd ,

in Schiffen , heimlich , offentlich ,1 bei Nacht und Morgens früh. Indep alle Buden verſchloſſen wur:

den , ber Pobel zur Plünderung in den päpſtlichen Palaſt brach, der Bürgermeiſter zur öffentlichen Si cherheit die Bürgerſchaft unter die Waffen mahnte,

wurden alle Gaſſeri und öffentlichen Pläße von Wach Er ſelbſt , und Kurfürſt Ludwig , Pfalzgraf bei Rhein , der Kirchenverſamm ten des Königs befekt.

lung Schirmvogt 5), ritten durch die Stadt, gebo ten Friede , erneuerten das Seleit , und ließen alle

38

Gefdichte der Schweiz. III. Buch :

Båter auf das Münſter, die teutſchen Fürſten zu dem

König mahnen . Jene fandten drei Cardinale und im Namen der gallicaniſchen Kirche Reginald Erzbiſchof zu Rheims, derſelben Primas; an den Papft. Auf den Schluß der Fürſten Tandte auch der König dem Herzog eine Riicmahnung, auf daß er nicht wegen

Majeſtátsverbrechens alle feineLandeverliere. Der Papſt antwortete : „ nur darum habe er ſich um eine „ kleine Tagreiſe pon der Kirchenverſammlung und ,, von ſeinen lieben Soon , dem König , entfernt, ,weil er einige Bewegung und Luftveränderung be:

,, dürfe." Den Cardinälen ſchrieb er : ,,die Urſache feiner Abreiſe rey gerechtes Mißtrauen in die Ab „ ſichten des Königs .11" In einem Brief an den Kid nig von Frankreich beflagte er , daß die Kirden : ,,verfammlung nach Sigmunds perſönlichen Leiden: fchaften geleitet und ſo parteiiſch gehalten werde, ,,Daß zu Coſtanz zwolf Engländer ſo viel als drei: „ hundert Franzoſen zu ſagen haben . Diefes mochté er ſo vorſtellen, weil in der Stimmenfammlung auch

Großbritannien mit Irland und Scandinavien für eine Nation gezahlt wurden. In dem Jahr als die Franjojen von den Englandern in der großen Schlacht bei Azincourt geſchlagen wurden , ſchrieb er dieſen Brief. Er wandte ſich auch an den Herzog von Or leans und an die Univerſitát Paris ; er hoffte, im Nothfall durch Burgund nach Avignon oder nach

Italien zu kommen. Zu Coſtanz wurde auf der bis (doflichen Pfalz eine große Seffion der Kirchenver:

Cap. 1 .

Bos ber. Rirchenverſammlung zu Coſtanz. 39

fammlung angeſagt.

Der Doppelſinn des Papſtes

erfüllte die Piter mit unwillen und Verachtung ; und Faum vermochten die Italiener zu hintertrei ben , was Johann Gerſon, Canzler der Univerſitat Paris, wünſchte, nämlich : ,, das dieſerAugenblic an wgewendet werde; um das Anſehen einer allgemeinen Berſammlung der Kirche für höher zu erklären als „ die påpſtliche Macht.“/ Das beſchloſſen die Våter: ,,die gegenwärtigeKirchenverſammlung ſoll um nichts ,,defto weniger zu Coſtanz verharren, die Kirche in „ Glauben undVerfaſſung vereinigen, in Haupt und Gliedern verbeſſern , und für die allgemeine Stimme derfelben gehalten werden .“ Allen Prälaten wurde verboten , wohne Erlaubniß zwölf aus den vier Na tionen gewählter Båter ſich zu entfernen .“ Der Któnig befahl den umliegenden Twingherren : ,, Per: wſonen , die ohne rein Geleit ſich wegſtellen , auf uzufangen 5 )." Der Herzog weigerte ſich nach Eos ftanz zu kommen . Hierauf gaben die verſammel ten geiftlichen und weltligen Fürſten des Reiche

folgendes Urtheil: ,,Der Herzog Friedrich von Delta mreich habe ſich durch dieſen Ungehorſam an deo Ko wnigs Majeſtát und an demheiligen Reich hochverrá ,,theriſch vergangen , und verdient, aller fürſtlichen ,,Bürde entfelt, und aller Leben verluſtig zu ſeyn ; ufo follen denn alle des Reichs Getreuen mit Leib „und Gut helfen ihn zum Gehorfam bringen .“ DA erklärte über ihn die Kirchenverſammlung : ,, finte

winal er gleich Pharao ſein Herz verſtodt, und wi

Geſchichte der Schweiz. III . Budha

40

,,der die Chránen der nothleibenden Kirche , wider ,, die Warnungen ſeiner beſten Freunde und wider

,,die Mahnungen des Königs, gleich einer Schlange gegen den Beſchwörer , feine Dhren verſtopft , ſo

„ liege er hiemit unter dem Judasfluch und unter „dem hohen Bann ; die Kirche empfehle dem König ,,der Teutſchen , ihrem lieben Sohn und Beſchir ,,mer , fie wider ihn zu fchúßen , und ihm feine

,,weltliche Strafe anzulegen.“ Auf dieſes wurde Friedrich von Sigmund in der Fülle ſeiner Fönig ,,lichen Gewalt, wegen ſeines Uebermuths in Ver „haftung und Mißhandlung des Biſchofs zu Trento , ,,Schaßung deſſen von Briren , und Gefangenneh ,,mung deſſen von Chur , wegen Beraubung der ,,Wittwe und Waiſen Heinrich von Rotenburg ,

„ tyroliſchen Erbhofmeiſters , Hauptmanns zu Kals ,,tarn ") , wegen ungerechter Gewalt an Katharina , ,,von Burgund , Wittwe reines Bruders , und we ,,gen anderer, zum Theil die ganze Chriſtenheit bes „treffenden , großen Sachen , um die er das Recht ,,verſchmåbt, in die Reichsacht erklärt 56), und ver boten , ihn zu hauſen , zu hofen , ihm Stoſt, futa

„ ter , Hülfe oder Anſchläge zu geben i, bei ihm zu „ feyn , oder Friede mit ihm zu halten .“ Da er .

ging an alle geiſtlichen und weltlichen Herren und Stádte, des Reichs Getreue , die ernſte Mahnung , denſelben auf alle Weiſe zu vertreiben , mit feier: licher Bernichtung aller mit ihm habenden Bund: niſte , Friedvertrage, Gelübde und Eide 565 b ). Die

Cap . 1 .

Von der Kirchenverſammlung zu Coſtanz. 44

verſammelten Våter gaben allen feinen Feindent Ablaß der Sünde. (Negociation wider Deſtreich bei den Eidgenoſſen .)

Die erſten Fehden befain der Herzog zu Schaff hauſen von Grafen Hanns von Lupfen zu Stúlin gen , und Eberhard von Chengen zu Nellenburg, des ren jeder aus einem alten Freiherrnſtamm der erſte Graf war 5 ) , von Graf Wilhelm zu Montfort, und Hugo von Werbenberg , Rudolfs Bruder , welcher

den Krieg der Appenzeller wider ihn geführt 5 ), von

Friedrich Grafen zu Tokenburg , und Hanns dem Truchfeſſen von Waldburg. Nach und nach wurde

er von vierhundert Städten und Herren befehdet 59 ), Faſt langſam Augsburgo) , ruſtiger andere Reichs

ſtådte 6 ) und Landſchaften von Schwaben , zogen fich bei dem König wider ihn zuſammen. Der Auf bruch geſchah an dem acht und zwanzigſten März : Konrad von Weinsberg trug des Reichs Banner ; den oberſten Befehl fübrte Friedrich Burggraf zu

Nürnberg , aus dem Geblúte jenes Friedrichs, wel cher in der Schlacht bei Mühldorf, wider den Große oheim dieſes Herzogs , den Ludwig von Bayern in der Kaiſerwurde erhielt. Er felbſt, von ſeinem Hauſe der erſte Kurfürſt von Brandenburg, Stamma vater der Königė von Preußen , wurde an Tapfer keit und klugem Gebrauch des Glücks von keinem Furſten ſeiner Zeit übertroffen. Er hatte reine Ei genſchaften gezeigt und geübt, fowohl da er durch die Fehden gegen Wifard von Rochow , Dietrich von

Geſchichte der Schweizs III. Buchi Duikow und andere edle Herren in der Mark die Ordnung herſtellte 6) , als durch die Verwaltung dieſes Landes , welches der Stónig Sigmund , ſein Eigenthumsherr , endlich ihiu und feinem Hauſe abtrat(3).

Bei dieſen großen Bewegungen der oberſtengeiſt lichen und weltlichen Macht, wurden mit vorzüglio

chem Ernſt bei ihren Reichepflichten auch die Schweiz zer gemahnt. Beſonders den Bernern ſchrieb der

König : „ Wenn ſie wider den Herzog von Deſtreich ,,dasjenige ausführen, worüber er ſich mündlich gegen ſie herausgelaſſen und ihre Zuſage empfan

gen6 ), ſo werde dieſes ohne ihren Schaden ges wchehen , und fein Friede gemacht werden , ohne 1

ihren Einſchluß . " Zu derſelben Zeit gab er ihnen

anf immer das Recht: „ In Geſchäften Ss) zu des v Kaiſers und Reichs Nugen oder ihrer Stadt Noth durft, allen denjenigen , welche in ihrem Ewing

mund Bann Wohnung , Baibgang und Holzung mhaben , und von ihrer Stadt Schirm und Frieden ,, genießen , eine Steuers ) aufzulegen ; auch , daß

geben dieſe Leute unter dem Banner von Bern „ aufbrechen und ausziehen ; endlich, daß dieſelbent vihren Hohen und Land -Gerichten Gehorſamleiſten

11

follen . “ Die Städte und Länder der Eidgenoſ ſen hielten zu Luzern einen Tag. Sie erinnertet

fich der Gefahr unter des Herzogs Urgroßvater, Stos nig Albrecht; fie gedachten ihrer Altvordern man :

nichfaltiger Noth, bei Morgarten , bei Cátnyl, bet I

Cap. 1 .

Bon der kirchenverſammlung zu Coſtanz. 43

Sempao und Näfels , des alten Stolzes und eine gewurzelten Halles der Amtleute und Herren ; fie fühlten der Zeiten Gunſt, und wurden den Her:

zog bei befferm Glúde nicht gefürchtet haben . Von dieſer Tagfakung fandten die alten Eidgenoſſen aus den drei Waldſtätten , die Zuger und Glarner , die

Züricher 6 ) und Luzerner , folgende Erklärung an. den König : „ ſie haben vor drei Jahren dem Herzog.

,,einen funfzigiảhrigen Frieden geſchworen , und lie halten für unziemlich , da er nun im unglück

wifey , Strieg wider ihn zu erheben .“ Bern behielt fich vor , zu rathſchlagen . (Sdaffhauſen frei.) .

Früh am ſtillen Freitag bei fehr ungeftumem

Wetter , begab ſich der Papſt nach lauffenburg, denn

der Burggraf war in den Hegau gezogen .

Herzog

Friedrich , noch getroft auf die Ergebenheit ſeiner Angehörigen und Eidgenoſſen , auf das Anſehen des Hauſes Deftreid ), auf die Stärke der langbes fertigten Herrſchaft , auf den Eifer Albrecht ſeines

Betters , und Herzog Eruft feines Bruders , und auf das Andenken der Stónige ſeiner Våter, wurde wicht erſchüttert, durch die Worte Acht und Bann, oder Fehden , welche er als unwirkſame Gefälligkei ten gegen den König betrachtete. Aber jede Stunde beſtätigte die Nachricht , wie der Burggraf, durch

den Adel verárft, über den Rhein gegangen ; bei Nacht rey Stein eingenommen worden ; ſchon rey Dieffenhofen verloren ; die Bürgerſchaft , mißver:

44

Geſchichte bei Schweiz. III. Bud .

gnügt über des Truch reifen Vogtei,1 habe die Chore

dem Burggraf geöffnet. Da redete der Herzog zu den Bürgern von Schaffhauſen , und nachdem er dieſe Verfolgung als ungerecht vor , ihnen beklagt, bezeugte er : „Gleichwie ihre Våter in treuer Liebe zu dem Hauſe Deſtreich größere Kriege nicht ge

„ fürchtet, vielmehr durch muthigen Tod ewiges Lob

auf ihre Enkel gebracht , fo erwarte er nun , daß ,,die tapfern, redlichen Bürger dieſer wohlbemauer: ,,ten Stadt, bei dem guten und feſten Frieden der ,,Schweizer , das Heer des Königs , welches bald aus einander gehen werde, nicht fürchten, ſondern

„ ihrer Voreltern Beiſpiel nachahmen werden . “ Sie verſprachen ; beſonders Herr Eberhard im Churn, Ritter, Herr zu Gutenburg 6), und andere Edle 69), waren außerſt für die Erhaltung der dſtreichiſchen Macht ; vielleicht hielten ſie ſie endlich für noth wendig , um dem Auffommen der Volksherrſchaft

ein Ziel zu reßen . Der Herzog überließ hierauf die Stadt Schaffhauſen ihr ſelbſt, und begab ſich zu dem Papſt. Er mochte aus dem großen Geld , wel: ches Johann mitgebracht, Bolt werben ,. mit wel chem und an der Spike der Herren und Bürger rei

nes Erblandes in Aargau , er dem König wider ſtehen konnte ; das Reich leiſtete Sigmund langſame Hülfe , die Schweiz feine. Damals war Schaffhauſen , der Herzoge Pfand

von dem Reich , ihre vornehmſte Stadt in dieſen vordern landen ). Obwohl ſie zwiſchen Hügeln am

Sap . 1 . Von der Kirchenverſammlung zu Coſtanz. 45

Rhein , der bis jenſeit der Stadt fchiffbar iſt , in einem Thalgrund liegt , ſchien ſie haltbar ; denn der Burggraf hatte weder Zeug , noch genug Volk, um den Schaffhauſern die Zufuhr abzuſchneiden , ohne daß dieſes den Fortgang reiner Waffen aufgehalten båtte. Darum , nachdem er Diefenhofen eingenom

men (welche kleine Stadt nur eine Meile von Schaff hauſen entlegen iſt), wandte er ſeinen Zug nach dem innern Churgau und legte ſich vor Frauenfeld. Von da ließ er den Schaffhauſern ſagen : „ Der Ko „ nig , ihr Herr , begehre , daß ſie ihm huldigen ;

,,wenn ſie ihm die fchuldige Pflicht verſagen , fo ,,werde er mit Macht und Hülfe des Reichs die

,,Stadt belagern ; wenn ſie ihm gehorchen , ſo werde ,, dieſer Tag die Wiederherſtellung der althergebrach

,,ten Reichsunmittelbarkeit ſeyn , worin ihre På ,,ter die Stadt Schaffhauſen erbauet, und worin ſie van Volk und Gut , an Freunden und Anſehen zu

„ dem Glück gekommen , wovon ſie unter Deſtreich einiges eher verloren ? ) ; er gebe ſechs Tage , zu ,,berathſchlagen , ob es beſſer fey , ein freies, oder „ein dienſtbares Vaterland auf die Enkel zu brin: „ gen .“ Indeß wurden die Zúricher ſehr gebeten ,

mit ihrem Zeug und Wolf dem Reich zu ſeinen alten Rechten über Schaffhauſen zu helfen. Alſo in dem Bürgermeiſterthum Herrn Johann von Win

kelsheim ?) , fünf und achtzig Jahre , nachdem die Geldnoth oder Ungnade oder Gleichgültigkeit Kai fer Ludwigsder Stadt Schaffhauſen die Unabhängig

46

Geſchichte der Schweiz . III. Buc .

keit getoftet ; wurden klein und groß Ráthe zufam menberufen , und ,1 als in der größten Sache des. gemeinfchaftlichen Vaterlandes , auf den Zünften ) die Meinungen der Edlen und Bürger vernommen , .

,,ob die Bitte des Herzogs, welchem ſie verpfändet „Waren , oder der Befehl des Reichshauptes izu.eh „ ren fey ? " Billig hielten fie den Ruhm , welchen fie bei Sempadh , bei Náfels und am Hauptlisberg, in Kriegen , die ſie nichts augingen , auf Koſten

der Blüthe ihrer Bürger erwarben , für weniger wichtig als die Wiedererlangung der urſprünglichen

Rechte einer freien Stadt : auf der andern Seite war die nahe Gefahr nicht ſo zu fürchten als lange Feindſchaft * , wenn ſie ſich von Deſtreich trennten . Sie , unerſchrocken und gerecht, faften ihren Schluß

auf untadelhaftë Wiederlöſung der verpfändeten Reichsunmittelbarkeit ; gaben dem Stónig die Geld ſumme, in deren Ermanglung feine Vorweſer fie hatten veräußern müſſen ;) , und empfingen die Verſicherung ewiger unveräußerlichkeit ihres Bater

landes * b). An dem ſechsten April ſchwur dieStadt Schaffhaufen zum Reich. Die Darlehne zu dieſer löblichen That wurden in langen Jahren aus einer

Steuer bezahlt, welche jeder Bürger fährlich nad 7

feinem Vermögen gabys) .

Wie hingeriffen von dem Anfehen dieſer vorueh men Stadt gehorchte bald mit Frauenfeld faſt gang Thurgau dem Stonig ) ; die Edlen , aus Begierde oder Soffnung der unmittelbaren Reichsfreiheit,

Cap. 1. Bon der Kirchenverſam.rung zu Coſtanz. 47 eitten , des Vorwands froh , zum Reich zu chwó

een ; Hanns von Vodman , Ritter , wurde über I

Thurgau und an dem Rheinſtrom zum landvogt gefeßt. Aden Städten und Burgen auf dem Wit thum der Herzogin Katharina fchrieb der König, ,,er habe den Bürgermeiſter und Piath von Baſel „ bevollmachtiget von des Reichs wegen mit ihnen ,, übereinzufommen " )." Der Graf zu Totenburg

ſchwür nicht nur mit Gaſtern , Windet und Sar gans , die er von dem Herzog pfandweife innehatte ; er erwarb um kleines Geld Belehnung aller Land fchaften , welche Friedrich die feit des Arlenbergs

bis an den Bodenſee und in dem Rheinthal bez faß ). Den Bürgern von Dieffenhofen wurde Boga tein Boll und Steuer " ) verpfanbet , und ihre Un : peräußerlichkeit von dem Reich beurkundet ).

In eben dieſen Tagen fandteider König den Gras -fen von Tokenburg mit Anton Gugla , Venner von Bernº') , an die Stadt Zürich , ernſtlich mahnend, um aufzubrechen : Necht und Ehre geſtatten den Strieg ; Reich und Kirche wollen ihn ; die Stunde

„ des Nuins der Feinde ihrer Altvordern fer er : richienen .“ Der Bürgermeiſter und Rath von Zu: rich fingen an zu wanken 8 ). Von da liefen eilende Boten Tag und Nacht in alle Städte und Bänder

zu Verfammlung einer andern Tagfakung. Die Gewaltboten der Rohweizeriſchen Eidgenoſſenſchaft hielten dieſen Tag auf Befenried , unfern von dem *

Felfen Wilhelm Cells , nahe beim Rütli , auf den

48

Geſchichte der Schweiz. " III. Buc.

Grårtzmarken der Urner und Unterwaldner . Das ſelbſt wurden ſie von des Königs Geſandten bei al len Pflichten getreuer Glieder des Reichs , durch die

Vorſtellung des Beiſpiels vieler edlen Herren und Ritter ; ja bei dem Gehorſam , den ſie der Kirche ſchuldig Feyen , in die Fehde aufgeforbert; ,, erober ,,tes Land roll zu ewigen Zeiten der Sold ihrer

„ Waffen ſeyn." Sie , die alten Schweizer im Se birg , und mit ihnen Zürich , Zug, Luzern und Gla ris gaben zur Antwort : „ Sie können ſich unmög= ,,lich bereben , daß dergleichen Uuternehmung ſich

„ vereinigen laſſe mit dem Ruhm ungefälſchter Treu , „ der ihnen über alles lieb rey.“ (Bern erobert Margau.)

Als aber die von Bern vernahmen , ,, Thurgau fer ſchon königiſch ; Zürich wanke ; der König werde

,,nicht ausſehen bis die Eidgenoſſen waffnen ," über: legten ſie ., daß , wenn Aargau mit gemeinſchaft ,,lichen Waffen erobert werde, alle insgemein dar ,,über werden regieren wollen ; " eilten , gehorchten dem Reichshaupt , fehbeten den Herzog , machten ſich auf mit ihren großen Büchſen und aller ihrer Mannſchaft von dem Oberland und von den Ufern der Aare , mahnten ihre Mitbürger aus der Stadt

Solothurn , von Biel , von der Neuſtadt und von Welſchneuenburg, unter des Heiligen Reichs Ban ner in der Hand Graf Konrads von Freiburg zu Neufchatel, zogen herab in den Aargau der Deſt

reicher, und legten fich vor Zofingen mit ganzer macht.

24

al Sie und

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14:

id

Sap. 1. Von der Kirchenverſammlung fu Coſtanz, 49

Macht. Indeß würde Bern verwahret von Thusena hundert Freiburgern , welche in dieſem Strieg iha

rer Burgrechtsverwandten wider den Herzog, ib ren Herrn , billig ſuchten , weder ihre Pflicht an diefem zu verlegen durch Cheilnehmung an dem Krieg 8), noch jene wider ſich zu reizen , da Deſtreich keinen Beiſtand leiſten moete® ). und die Zúricher diefes vernahmen , moditen ſie tricht ohne Grund befürchten , daß wenn die Schaa

render Stadt Bern ungehindert , als in wehrlo: ferm Land, von Zofingen bis nach Baden Aargau fchnell erobernt, ſchwer feyn werbe zu verhindern ,

FH

daß von dem an Bern bis auf drei Stunden weit von Zürich unumſchränkt berride; das Zürich und alle Eidgenoflerr gleichwohl endlich werden müſſen Helfen ſie dabei behaupten 85), und auf ihre Nachkoni men nur den Spott verſäumter Gelegenheit erben

würden. Uuch brachten ihre Boten von dem Tag zu Bekenried ſolche Zeitung, daß man wohl fah, die ftrenge Nieblichkeit Herrſche nody, dod ſterbendes).

Alfa fandte Zürich Heinrich Mepp, Altbürgermei: fter, Felir Maneffe ihren Altfá felmeiſter und Ston rab Ejder an den König Sigmund mit folgendem

Auftrag: „ Noch einmal bitten fie Seine Maje veſtåt, alle Eidgenoſſen bei dem funfzigjährigen Frie den bleiben zu laſſen , und wenigſtens fernere Maha

rinung doch nicht an fie zu ſenden, ohne andere Fürs wiften und Lehrer des Rechts über das , was billig. wifep, vernommen zu haben . " Als dieſes , wie S. o. Múlers råmmti. Werte. XII.

4

50

Geſchichte der Schweiz. III. Budy.

wir iogleich hören werden , geſchehen , baten ihn die Züricher : ,,Wenn die Eidgenoſſen , auf das hin , fich nach ſeinem Willen entſchließen , fo möchte der „ König folche Urkund geben , daß dieſe Sache zu ,,ewigen Zeiten dem ſchweizeriſchen Bund weder vizum Vorwurf noch Schaden gereiche ; keinen eins „ſeitigen Frieden ſchließen 8) , mit Ländern , welche ,,man zu des Reichs Handen erobere, niemand als ,,die Eidgenoſſen belehnen , und nicht ohne den mil „len derſelben ſie zurüdgeben ; endlich bei den Reichs „ſtadten verſchaffen , daß die Eidgenoffen während ,,dem Krieg um billigen Pfennig die Lebensnoth ,, durft bekommen " ). " (Fehde der Eidgenoſſen .)

Da begehrte der König , daß von Städten und Ländern abermals eine Tagfaßung verſammelt werde. Sie wurde in dem Hauptfleden zu Schwyz gehalten . Daſelbſt empfingen ſie folgenden Brief 9) des Königs : ,, Die Surfürſten , Sie geiſtlichen und weltlichen Für: „ſten , Grafen und Herren des Heiligen römiſchen „Reichs , die Lehrer der geiſtlichen und weltlichen ,, Rechte , die Geſandten Heinrichs Königs von Eng „ land , Königs Erichs von Dänemark , Schweden

„und Norwegen , König Wladislafs von Polen und ,,König Wenceslafs von Böheim go) reyen in großer ,, feierlicher Commiſſion über den funfzigiáhrigen

„ Frieden der Herzoge von Deſtreich und ſchweizeris fchen Eidgenoſſen geſeſſen , und haben geurtheilt ,,nach Ehre und Recht: leştere als Glieder des

Cap. 1 .

Von der Kirchenverſammlung zu Coſtang.

51

„ Reichs múffen dem König Beiſtand leiſten 9') ; die ,, alteſte und heiligſte Pflicht verbinde ſie an das

,,Reich und an die Kirche ; in allen Vertragen werde „ ( ſtillſchweigend oder ausdrücklich ) Papſt und Kai „ ſer vorbehalten . Hiemit urkunde er , der Adnig,

,,ihnen , Städten und Ländern , wenn ſie ihm ge horchen , den unablósbaren ewigen Pfandlehens

11

„ beſiß der öſtreichiſchen Gegenden , die ſie erobern ,,werden , zu Handen des Reichs. Et , der Stónig, ,,befehle den Krieg , ernſt und feſt , nach der Fulle

,,der Macht eines römiſchen Königs.“" Während dem Kampf mannichfaltiger Vorſtellungen von dem

was Tugend und Recht in dieſem Fall wollen , (denn vornehmlich das Land Uri wollte von allem ,

wodurch biederes Worthalten gefränkt wurde, ſchlecha terdings nichts hören ), kam an die vier Waldſtätte und an Zug und Glaris folgender Befehl 9") des Kós nigs : ,,Da die Grafen von Habsburg in ihren „landen verſchiedene Güter und Leute von áltern ,,landesherren geerbt , ſo gebiete der Konig bei

„ ſchwerer Ungnade , weder Friedrich , der ſich Her 130g nennt , noch ſeinem Hauſe, noch jemand von

„ ſeinetwegen mit ſolchen Dienſten , Steuern , Ge „ richten oder Pfandſchaften zu gehorchen oder zu

,,warten , fintemal dieſelben ewig unwiderruflich ,, und unmittelbar bem römiſchen Reich zugethan ,,verbleiben ſollen ." Es verſprachen die königlichen

Geſandten , ſobald ſie ausziehen , ſoll des Reichs ,, Banner zu ihnen ſtoßen ; erobertes Land roll ewig

52

Geſchichte der Schweiz. III. Buco.

„ ihr bleiben , " Endlich bradsten ſie einen Brief der zu Coſtanzverfammelten Gewaltboten der chrift: lichen Kirche , welcher den Eidgenoſſen den Bann fluch drobete. Alſo an dem nächſten Freitag nach

Quafimodogeniti in dem tauſend vierbundert und funfzehnten Jahr, eben in dem hunderten Jahr nach der Schlacht bei Morgarten , als die fieber alten Orte zu Schwus ihre Tagfaßung hielten und vou der oberſten geiſtlichen undweltlichen Macht mit Beiſtimmung der Gefandten vier großer Nationen und rechtserfahrner Måuner dazu gemahat - wur: den , fandten ſie die Fehde. ( A at ga u .)

Sobald als in Land Aargau des Herzogs Uns

glik und König Sigmunds Mahnungen kund ge worden , zweifelte niemand an dem Entſchluß der

Stadt Bern . Alfo bei ſichtbar bevorſtehender Berån derung der uralten Verfaſſung des Landes hielten die Städte und Herren vonAargau zu Surfee einen Land

tag. DieStädte wollten , daß ganz Aargau in ei ,, nen ewigen Bund gemeinſchaftlicher Bertheidigung ſdhwöre, und in diefer Geſtalt einer wichtigen Re: „ publit der ſchweizeriſchen Eidgenoffenſchaft beitrete. ,, Dieſen Weg hielten ſie für den beſten , die landed:

„ fürſtlichen Rechte 95) und ihre Freiheiten zu er „ halten, und neutral zwiſchen Oeſtreid und Schwet:

oferland, ohne Furcht: eines großern , ohne Behert: isſchung von ihres Gleichen , gleiche Würde und Aleiche Schídfale mit allen Orten der Schweiz za 1

Cap. 1 . Pon der Kirchenverſammlung zu Caſtanz. 53

,,genteßen .

H

Die Edlen verwarfen diefes ,

entwe

der weil ſie des Fürſten Mißbilligung vermutbeten , oder weil ihnen die eidgenöſſiſche Gleicbeit nicht gefiel. Die Städte , doch langſam , beſdiloffen den Schirm der ganzen fchweizeriſchen Eidgenoſſenſchaft zu begehren, Frůh Morgens ritten ihre Raths berren zu den Eidgenoſſen : allſchon aber vor Anbruch des Tages war unter Ulrich Walker , Schultheiß von Luzern , derſelben Stadt Banner mit Macht in das fand gezogen ; und von allen Höhen faisen ſie die gewiffen Zeichen des Aufbruchs aller Eidgenoſ

fen , erſchraden , hielten ihre Sache für verſäumt, und eilten jeder zurúd in feine Stadt 9 ). ( 3 ofinge n . )

Um diefelbe Zeit wurde unter verſchiedenen Be:

dingniffen Zofingen den Bernern , den luzernern aber Surſee geöffnet. Als jenen , da ſie Zofingen mehrere Tage hart und vergeblich genothet , ses wiffe Nachricht von der Annaberung Luzerniſcher Borhuten fam , bedachten fie , das Gehülfen wur:

den Mitregenten ſeyn wollen 36) : worauf ſie zugleich den Belagerten vortheilhafte Vorſchläge gethan , und alle Schredniffe der Gewalt verdoppelt. Johann von Näſſegt zu Bottenſtein , Freiherr, Schultheiß der Stadt Zofingen , ein würdiger Nachfolger des tapfern Mannes , welcher bei Sempach felbſt im

Tobe das Banner nicht aufgab , verſäumte in der Gemeinde feine Vorſtellung , wodurch er ſie zum Ausharren ermuntern mochte. Aber die Zofinger

64

Geſchichte der Schweiz. III. Buch.

hatten in den herzoglichen Kriegen oft viel gelit: ten , und Bern verſprach nicht ſowohl gelinbe Herr:

ſchaft, als faſt volle Freiheit.

Als der Freiherr

die meiſten Stimmen für die Uebergabe entſchieden fab , úbergab er ſelbſt ſeine Burg Bottenſtein auf dem benachbarten Berg56 den Zofingern , legte das

Amt nieder und 308 zu ſeinem Fürſt. Vorher ges fchah zwiſchen den Zofingern und Bernern der Ver : trag fo : daß wiene der Herrſchaft von Deſtreich für ſich ſelbſt und alle ihre Nachkommen entfagten , und vals eine freie Stadt an das Reich und Bern ſchwu „ren. Ade die Rechte , welche von den alten Sra „fen zu Froburg , vornehmlich durch die Gewalt Sto: ,,nig Albrechts den Herzogen erworben worden 9), „ überließen die Berner an Zofingen ; das Geleitrecht ,, nur vorbehalten . Aller ſchon erworbenen , oder

ohne Schaden dieſes Vertrags künftig zu erlan ,,genden königlichen Freiheiten Toll Zofingen ge „ nießen. Der Stadt Bern roll fie in ihren Krie „ gen offen ſtehen , und ſelbſt ohne Bern keine Striege

,, führen 98). " Zofingen ſehr alt , ehemals großer, auch wohl begünſtigter zum innern Verkehr des 11

Aargauiſchen Handels 9 ) , liegt angenehm , nicht weit von der Aare , der ſie die Wigger zuſendet. (S u r re p.)

Surſee , von den Herzogen in guten und böſen Zeiten durch viele Freiheiten erhoben , hielt unter Som Schultheiß Johann Schnyder drei Tage wider

bie offenen Banner der Cügerier , und ſchwur zu:

Cap. 1. Von der Kirchenverſammlung zu Coſtanz. 55 leßt : „ mit allen Rechten , welche die Herrſchaft von „ Deſtreich in dem Stadtchen und Friedkreiſe beſaß, 1.3u Handen des römiſchen Reichs , der Stadt Lu „gern gewärtig zu ſeyn 300 ). “ Das muß man ſagen ; die Freiheiten dieſer Stådte kommen von den Stif tern , den alten Fürſten , und über die Sachen des Aargaues mochten ſie auf Landtagen mitſprechen ;

fie genoſſen aber unter der neuen Regierung einer größern Ruhe und Unveranderlichkeit ihres Glúd : ſtandes. (W y te n.)

Nahe bei Zofingen rechts lagen die Wyken ; vier Burgen auf einem Fels , durch Graben geſchieden ; drei waren Frau Anaſtaſien , Rudolfs Tochter, vom Hauſe Aarburg ,I Erbfrau hier und auf Büren, Ge mahlin Hemmanns von Rüſlegk ; auf der vierten war Herr Thüring von Búttifon. Jene wurden von den Bernern ' ) , dieſe von den Luzernern eina genommen ; ſie ſchwuren , zwei Burgen wurden herunter geworfen . ( 4 ar 6 ur g.)

Links Zofingen liegt Aarburg, auch weiland Fro burgiſch , an der zarë eiri Siider , hoch darob der Stein , welchen Herr Johann der Kriech , gleich wie ſein Vater , von Deſtreich zum Pfandlehen er: fannte. Fünf und ſechzig Zofinger verſtärkten die Macht Berns ; hier ſtieß zu ihnen der Zuzug von Solothurn , Biel , Neuſtadt und Neufchatel, ſo daß die untere Gegend ohne Widerſtand eingenommen

Geſchichte der Schweiz. III. Buch

.56

wurde; dem Kriech mochten fie noch nichts anhaben . Denn da fie hörten , wie unter dem Altburgermei: fter Heinrich Mens die Mannſchaft von Zurich und aubereit ſelbſt Uri , Glaris und Schwyz über den

Berg Albis gezogen , beſchloſſen ſie, über dem , was ihnen doch werden mußte , den Fortgang der Lan: beseinnahme nicht aufzuhalten. ( War tib.

1 g .)

Schrecken gab ihnen beide Bergfeſten Wartburg.

Der Freiherr von Hallwyl, bekümmerter um größere Dinge ( rein Eigenthum war ihm weniger angelegen als daß er im Unglüc an ſeiner Fürften anges ſtamnite Creue bewies ), ließ die Wartburgen , durch

Natur feft , von Bauern bewahren . Diefen drohe: ten die Berner mit Verbrennuug ihrer Dörfer. Das her fieht man jekt von beiden Wartburgen weit in dem Land nur noch Trümmer 10 ). Von da zogen

die Berner unangefochten herab auf die Stadt Aarau. (Die Luzerne r .)

Die luzerner , nachdem ſie Wyken eingenoms men , wandten ſich landeinwärts auf Reichenſee, fänden wenige Hutten fatt missor iuwenveu Stadt: *** wisemba chens , und vom weiten Umfang der Chárme und Mauern (wie jeßt noch ) nur ſo viel im Sempacher Krieg die Feindeswuth nicht umkehren mochte sb) ;

zogen weiter , und nun ficher in Mepenberg , ein .

offenes Dorf, feit ihre Våter die Untreu der Bür:

gerſchaft gerochen ; und kamen endlich bis Wilmer :

Eap. 1 .

Bon der Kirchenverſammlung zu Coſtanz. 57

gen , einen Fleden , der beſſer unberühmt geblies

ben wäre. ( Die Zürich e e.)

Und indeß eine Schaar von Zürich, der limmat nach , durch Bejißnehmung von Dietiton die Straße auf Mellingen öffnete , und Abt Johann das Got: teshaus zu Wettingen ihrer erbarmenden Schonung empfahl ); 3og der Gewalthaufe der Stadt Zürich úber die Höhen des Albis in das freie Amt Sno nau, weiland bis auf König Albrechts Blutrache

der Freiherren Eſchenbach Leben vom Reich , nun durdy den König von dem Ha :1 . Deſtreich an die Zúricher übergetragen . Dieſe grobe Landſchaft, von dem Albis bis an den Fluß Reuß und von denGráns zen der Zuger bis herab nach Bonftetten, banden fie unter ihren Eid. Ade Mannſchaft von Zürich hielt gute menſchenfreundliche Ordnung.

Glarisland

ſtieß zu dem volt von Schwyz ; die große Brüde über den See bei Rapperſchwyl und Fürden verz brannten fie; die Stadt Rapperſchwol hatte zu Zú : rich und Schwyz einen Stillſtand aufgenommen.'s). An dem Abend , als die Berner vor der Stadt arau lagerten , fammelten ſich die von Zürich, von den Waldſtätten und von Glaris , vor Mellingen , an dem Flufſe Reus. (

a P Q u .)

Auf einer Seite hat Aarau den Strom ; im übrigen liegt fie vielmehr angenehm als natürlich

feft, und es iſt ungewiß , ob die Mauer gegen die

58

Geſchichte der Edireiz. III. Budo.

noch nie erfahrne Wirkung der großen Büchren ſchon überall ſtark war. An dem dritten Tag , nachdem Zofingen geſchworen , als die Aarauer fich nicht ge

trauten den Fall der untergehenden Herrſchaft al lein aufzuhalten , geſchah die Uebergabe , durch nicht einhellige , doch die meiſten Stimmen. „ Die von

„ Uatau ſchwören von den Herzogen zu Deſtreich an ,,das heilige romiſche Reich zu ewigen Zeiten. In vallen Kriegen wollen ſie mit ihrer Stadt und ge „ treuen Hülfe in eigenen Koſten den Bernern und ,,Solothurnern gewärtig ſeyn : ſie , beide Stådte ,

ſchirmen alle Freiheiten von Aarau ; vor fich thut „ lektere keinen Krieg ; gegen ſchnelle Gefahr iſt ,,Nothwehr und Verfolgung der Urheber billig je:

„ dem erlaubt. Mit allen Zinſen und Steuern fo van Deſtreich 16) , iſt Aarau pflichtig an die von

„ Bern. Eben dieſelben mogen durch ganz Aargau „ das den Aarauern verpfändete Geleit ldſen ; ſchon

„ find Berner und Solothurner zu Aarau geleits ,, frei. In allem , womit lektere Stadt von den al. „ten Landesherren belehnt iſt, ſolli fie bleiben, und

„von den Schultheis zu Bern in des Reichs Na ,,men die Lehen empfangen , welche hinter Bern lie ngen. Wem dieſe Artikel mißfielen , der folu hin ,,wegziehen dürfen ) . " Der Eid geſchah , und ſo

fort machten die Berner zwei Haufen ; deren der

eine nach Lenzburg hinüber 308 , der andere dem Fluß folgte , berab auf Bruk. von beiden ſonderten ſich Schaaren , um, damit

Cap. 1 . Bon der Kirchenverſammlung zu Coſtanz. 59

fich nicht Reifige wider ſie ſammeln , alle Edlen auf

zufordern, jeden auf ſeiner Burg. Der Befehl des Stönigs, das Gefeß der Nothwendigkeit, welches

den Unbereiteten dem Bewaffneten übergibt , Ver brennung und Ruin ſobald ſie zaubern , dieſer Grunde bedienten ſich die Berner. Alſo ſchwur Jo

hann der Striech mit Aarburg , Stadt und Stein, zu Dienſt und Löſung ihnen gewärtig zu ſeyn. ( Er o ſt 6 u r g. )

Da ſie von Sur in das Kulmerthal herein 30 gen , und ſchon Hemmann von Liebef mit ſeinem Bergſchloß geld woren , weigerte fich auf Troſtburg (uneingebent , welch großer Twing ihm verwuſtet

werden konnte) Rubolf Herr von Rheinach ; viel: leicht weil er mit Speiſe rich ſo wohl verſorgt, als

er vor Durſt ſicher war, durch die aus dem Felſen im Schloß hervorſprubelnde Quelle. Ehe er fich's

verfah, war der Feind in der Burg ; zu ſpåt fchwur der Herr von Rheinach. ( Ha 1 1 1 1 1. )

In der Nacht , als die Flamme von Croftburg weit umber den Schređen der feindlichen Waffen

ausbreitete , war keine Furcht für ſeine Stamm burg vermögend , Herrn Thürings von Hallwyl unerſchütterten Sinn von der Treu an Habsburg zu beugen. Auch half weder der nahe See noch die

mit Waſſer gefüllten Graben , oder die weiten und hohen Mauern wider die altberühmten berniſchen Belagerungskünſte, die Buchſen , wowider noch man

60

Selaichte der Schweiz. III. Budy.

ches unbereitet war , und wider den alles niedet : werfenden Eifer , womit ein tapferes Volk im Lauf

des Glücks jeden Vortheil nußt. Bald verfündigte der aufwallende Rauch fern über den See und in die Gegend , wo auf andern Burgen Thüring und feine Brüder waren , den Untergang von Hallwyl. ( X U00. )

Durch die Gegend , wo die verwüſtenden Waffent der Vorvåter dieſer Aargauer Herren Gaunodurum, oder eine andere , namenlore römiſche Stadt unter Wieſen und Uecker begraben 18), zogen die Sieger nach Nuod. Und Hemmann von Rúſlegfig), der auf den Wyfen erfahren , das unterwerfung Scho

nung fand , eilte den Bernern die Burg zu Nuod aufzuthun ' ). Alle die ſchönen Sefilde und Hügel, welche die Wigger , die Sur , die Winna und da durch in hundert Báchen befruchtend und lieb

ſtrómen, gehorchten oben den Luzernern , unten den Bernern .

Als dieſe herabzogen , fanden fie, daß die Stadt Lenzburg . noch weniger als Aarau haltbar, auf gleiche Artikel die Uebergabe gethan . Der Macht

haufe blieb vor der Burg , Schaaren zogen auf das Landchen Im Eigen , das Ginzige , welches , viel leicht nach der ehemaligen Verfaſſung , Ottons des Großen Ungnade dem alten Guntram laffen mußte,

und wovon die Könige und Herzoge zu Deftreich ausgegangen waren .

Cap. 1. Bon der Kirchenverſammlung zu Coſtanz. 61 ( 6 a b $ 6 ur g. )

Damals wartete nuit Habsburg , dem Stammſit (an Umfang immer weit unter ſeinem Namen, doch für Konig Rudolf eint nicht ein unwichtiger Theil des: våterlichen Erbes " ') ) , den Herzogen lehend: mäßig "s) Heinrich von Wolen , von dem Woken 513), deffen Unterdrútung die erſte That iſt, welche man von den Grafen zu Habsburg weiß " ). Er ſchwur mit Habsburg zu Handen des Reichs der Stadt

Bern gewärtig zu feyn. Ganz anders mit Bildet Thüring , Rudolf und Walther , Freiherren von

Hallwol, drei Brüder ; fie behaupteten die hohe Feſte; fie fielen herab und erſchlugen vier Mann , welde in der Hellmúhle plunderten . (Len

bur g . )

Unterbeſſen dauerte Herrn Konrad von Weins

berg , der bei dem eidgenöſſiſchen Heer vor Mellin gen des Reichs Banner trug , daß die ſtarke Leng burg , die Hauptfeſte einer großen Grafſchaft , uns

ter die Schweizer fallen follte', von welchen die alle

gemeine Vorſtellung war , nichts Altadeliges gelte bei ihnen . 3n der That galt bet ihnen Adel ohne Verdienſt mehr nicht, als Parteiſucht etwa er: fdpleidt; aber Tugenden und Saben ertheilte er

Glanz. Der Herr von Weinsberg eilte nach Leng burg ; fofort als er in die Feſte gekommen , ſtieß er? das Reichsbanner aus ; ihm fchwuren mit Brunek

die Gefler . Hierauf mahnte er die Grafſchaftss leute zu der Burg , ſtärkte: fie und hielt ſie inne.

Geſchichte der Schweiz. III. Buch.

62

Seine Abſicht blieb unerforſcht, ob er ſie dem Her jog lieber gonnte, und bedachte, daß er unmittelbar

von dem Reich ſie leicht wieder bekommen würde ; oder ob der Fortgang der Berner ihm zu ſchnell ſchien , um nicht über Lenzburg beſondere Befehle des Königs zu erwarten ; oder ob er (nicht ohne ihr

Borwiffen ) verhindern wollte , daß das Heer der fieben Orte fie zu gemeinen Handen einnehme. Als er für thunlich oder nothwendig hielt, ihre Bez wahrung für unmöglich zu ertláren , wurde dieſe ſchöne und hohe Burg , an welche mit fehr zahlreis der Dienerſchaft ein großer Theil dieſes Aargaues

pflichtig war, zu des Reichs Handen an Bern über: geben . Ihnen wurde auch Brunek eröffnet , Gess lers Burg, der vor hundert und acht Jahren, da er mit hohn die ſchweizeriſche Freiheit untertrat, fol che Wendung der Sachen wenig vermuthet. }

(Mellinge n. )

Als Mellingen die alte Treu ohne die vergeblich begehrte Unterſtüßung vier Cage behauptet, ſchwur ſie zum Reich an die ſieben Ort. Jährlich wurden dieſe Gelúbbe wiederholt, wenn Zúrich in gemei: nem Namen ihren Schultheiß belehnte 15). Die

treuſten Reiſigen Friedrichs lagen in Bruk, wider die Berner. Die ſieben Orte zogen hinauf nach Bremgarten , einer alten Stadt , welcher der Fluß Reuß und ihre emporſteigende kage ungefähr die Vortheile gibt, wodurch ſich mehrmals Bern wider piele Feinde vertheidiget. Nachdem das Dorf Wo:

Cap. 1, Von der Kirchenverſammlung zu Coſtanz. 63

len, die Häuſer zım das Fråuleinſtift Hermatſch wyl, und Sarmenſtorf durch Pilgrimsandacht be: rühmt 16), überhaupt ganz Wagenthal, der ſchon vor langem unerträglich drúdenden " ) und in Waf fen unglüdlichen Herrſchaft fröhlich entfagt , begab

ſich Bremgarten auch in die neue Verfaſſung. ( Brut. )

An demſelben Tag flohen die Deſtreichiſchen über

die Aare ; Bruk trat wie Aarau " 8) unter das Reid und Bern. ( Mu

i. )

Uis das Gotteshaus Muri, ſo alt aſs die Feſte

Habsburg , deſſen Erbfaſtvogtei lang die ſchönſte Zierde der alten Grafen ſchien , durch dieſe Begeben heiten von den Ewingen ihrer Gewalt entfernt wur : de, erloſch von ſelbſt die Vogtei beren , welche nicht mehr ſdhirmen konnten "9). Als die Berner ſiebenzehn Städte und Burgen , eine altbebaute und volkreiche Landſchaft, ohne an

dern Verluſt als die vier Mann bei Wildek, unter ihre Eide genommen , feßten ſie den Zuſammenfluß der Aare und Reus ihrem Fortgang zur Grange, überließen die Einnahme von Baden den Eidgenof fen , und zogen aus dem Feld. Landeshoheit, Mannſchaft und Einkommen behielten ſie ſelbſt ; den

Solothurnern gaben ſie zweitauſend Gulben , und halb ſo viel den vielern , für die Hülfe, welche ſie von ihnen empfangen " );

Geſchichte der Soweiza III. Buch ..

64

(Gedanken .)

Glüdlich ihre Nachkommen , wenn fie, eingebent

der Manier, wie der Herzog eine in dritthalb Jahr:

hunderten gegründete Herrſchaft in acht Tagen der: Lor, nie vergeſſen , wie ſchnell die Macht fållt , for bald in einem Volk die Meinung erſtirbt, ,, für fete mnes Landes Verfaſſung , als ihm , weit aus , der mbeſten , Leib und Gut aufopfern zu müſſen .“ Die

(

· lekten Herzoge, ſtolz auf angeſtammte Macht, ver : gaßen ſie zu befeſtigen : weil der Aargau ſo lang,ibt geweſen , hielten ſie ihn für unverlierbar 1b). Bald nach dieſem haben ſich die Fürſten durch

ſtehendes Kriegsvolk wider ſolche Zufälle geſichert. Wenn wider jedes Uebel 'nur das Mittel gilt, wel des der Natur deffelben angemeſſen iſt, fo würden die Enfel jener Eroberer weislich gethan haben, un:

ter Unführung der aufgeklärteſten ) Officiers (wer und woher ſie immer ſtammen ) die Kenntniß

de

der Gegenden des Landes , die Auflórung aller ſich

darauf beziehenden " ) Probleme der Kriegswiffen: fchaft und alle Uebung der genauſten Kriegsgudst) als eine der erſten Beſchäftigungen zu betrachten.

otnet

Es wirde núßlich gewefen feyn , eine nicht große,

und um ſo viel beffer gewählte Schaar auf irgend eine Weiſe zu beſolden , um verſchiedene Jahre hin:

lit

e

1

durch je ſechsMonate einzig hierauf anzuwender ** ). Nach dem Verſtand und nach der: Vaterlandsliebe; die in unſerm volt ſind, iſt kein Zweifel, daß nicht

mancher bemittelte Landmann , der oft nicht um Sol:

Eap. 1 .

Bon der Circhenverſammlung zu Coſtanz. 65

Soldes wegen 's ) ſeinen Sohn auswärts die vier

Dienſtjahre machen ließ , ' ihn lieber wurde haben dieſe Zeit unter der waterländiſchen Schaar freiwillig dienen laſſen . Aus derſelben wurden in den öffentlichen Gefahren die Führer , die Lehrer unb Vorbilder der Mannſóaft ) gelommen ſeyn ; alle Alter und Stände und beide Geſchlechter wur: den ſie als ihre Stüken geehrt haben ; endlich håtte keine Gunſt zu gefallen , und kein zufälliges Mittel

Fich emporzuſchwingen, einem Jüngling den Schimpf erſett, in ihren Lagern feine vier Jahre nicht aus: gehalten zu haben. Alle Eidgenoſſen waren zur Nachahmung ermuntert ; der alte Geiſt , auf dem

die Freiheit beruhet , wäre aufgeweckt " ); die polis tiſche Reformation der Eidgenoſſenſchaft erleichtert worden . Schaße fammeln iſt gut , wenn die Ans wendung nicht im Nothfal zu ſpåt geſchieht; fie bteiben dem , der am beſten feuert 18). Alle Grund fåte , um derentwillen in der Sorge für die Lans

besvertheidigung irgend etwas verſäumt wird, mo

gen ſchimmern , aber wie Flittergolt 1-8b ). Inner zwanzig Jahren wurde die Herrſchaft von den Bernern mehr als verboppelt ') ) ; nur weil ihr unverwandter Blick auf die auswärtigen Ange: legenheiten feinen günſtigen Augenblic unbemerkt

verſchwinden ließ. Wenn jede Herrſchafn am beſten behauptet wird , vermittelſt eben der Eigenſchaften , wodurch ſie gegründet worden % ), welche Aufmert:

ſamkeit auf den Zuſtand von Europa muß in ihren 3. 0. Müllers fåmmtl. Werke. XII.

5

66

Geſchichte der Soweiz. HI. Bud

Entein ſeyn ! Alſo wird billig weder der Jüngling aufſeine Erwählung in den großen Rath , noch der Mann auf ſeine Beförderung in den Senat, oder ein Rathsherr an die oberſten Würden , fo viel dens

ken und arbeiten, als darauf, wie jeder durch die ,, Kenntniß und Liebe des Volfs , durch die Kennt: ,,niß und Liebe der Eidgenoſſen , durch das unauss „ gefeste 131 3) Studium der allgemeinen Geſchäfte, wund beſondern Eifer für die große (dem Vaterland

„ allernóthígíte) Kunſt ſeiner Bertheidigung fic lo auszeichne, daß er vor der Wahl durch die öffent: „liche Stimme ernannt werde , und wenn er das

„ Amt nicht bekáme, ihm doch die Wurde nicht fehs „ len fónne 166).“ (BQ d

n .)

· Die Stadt Baden , welche von den ſieben Orten belagert wurde , liegt in einem angenehmen hal grund an der Limmat ; ihre Mauern reichten hins auf an den Stein , welcher hoch über der Stadt eine ſehr ſtarfe und weitläuftige Burg , der por : nehmſte Siß der óſtreichiſchen Herrſchaft in dieſen obern Landen, ihr Archiv 4 ), und oft Herzog Frieds richs und vieler andern Herzoge Wohnung war . Herr Burkarb von Mannsberg , Landvogt , lag das felbſt. Alle Eidgenoffen belagerten Baden zweimal To lang als die Einnahme von ganz Aargau wah rete. Sie mahnten endlich Vern ; und es eilten funfzis Reifige , taufeud Orann zu Fuß , die Bert:

meiſter und ihre Buchſen , zu ihrer Verſtårfang.

Cap. 1 .

Bon der Kirchenderfainmlung zu Coſtanz. 67 (Der Serjog zum König .) ,

Papſt Johann und Herzog Friedrich waren in Schnee und Sturm von Rauffenburg über den

Schwarzwald nach Freiburg im Breisgau gefommen . Hier traf ein Unglücksbote den andern : die Fehde der Berner ; die Fehde aller Eidgenoſſen ; daß der Pfalzgrafmit vielen Stádten den öſtreichiſchen Elſa eingenommen , daß von den Baslern Setingen bes

lagert werde ; daß der Graf zu Lokenburg und Bis fchof Hartmann von Chur mit großer Macht aus

Rhátien und mit Lindau und Wangen vor Feld tirch gezogen ; der Verluſt von ganz Aargau ; die Noth Burkards von Mannsberg ; vom innern Erb

land keine Hülfe , eher Vorwürfe. Wenn der Hera 309 , wie ihm gerathen wurde vom Papſt und wie es ihm fein eigener Seift eingab , ernſtlich den

Balb, welcher treu blieb, dann Tyrol, das ihn alles zeit erfannte , von Burgund und Lothringen fo viele der Herzoge Freundſchaft ihm geben mochte, und endlich alle diejenigen gewaffnet hatte, welche die Bewunderung ſeines Muthes , das Mitleiden

ſeines unwürdigen Schickſals , oder Scham und neue Hoffnungen verſammelt haben würden ; fo mochte er den Konig immer nöthigen billig zu feyn . Denn keiner reiner Feinde hatte ro viel Geió als

Friedrich durch den Papſt: und Yusharren im lin: glúd iſt meiſt wie das Edelſte, ſo das Klugfte , weil,

wer nichts mehr verlieren kann als das Leben, its mer noch hiedurch die Ehre rettet ; und weil eink

68

Geſchichte der Schweiz. III . Buch.

bit

Mann von unbezwungenem Sinn in Umſtänden, dem Wald ihr ſchones , unerſchrockenes , verſtandi ges Volk ; dieſes Gerücht machte , daß Baſel die Unternehmung wider Sefingen aufgab : vor dem

ww

welche die Zeit herbeiführt, unerwartete Mittel fin det. Schon verſammelten die Einungsmeiſter auf

WA

Arlenberg hielt Feldkirch mit mannhafter Verthei

digung allen Fortgang der Feinde auf : Herr Ulrich von Weißbriach , des Herzogs stammerherr, feiner Gunſt eingedenk , unternahm ,, die innern Städte und Burgen für ihn zu beſeßen %) ; hundert und

KAD

Jechzig edle Herren Fehdeten den König : der tyro ler Bauer , durch Friedrichs Unfall gerührt , be:

zeigte ſich bereit , bis in den Tod für ihn zu ſtrei ten. Aber der Unſtern , welcher ihm tiefere De muthigung vorbehielt , verleitete den Herzog , daß er , anſtatt ſeine Sache durch Beharrlichkeit zu vera .

beſſern , ſich ſelbſt verließ 135) , dem gutmeinenden Herzog Ludwig von Bayern '3 ) folgte, den Papſt

(welcher ſeinen Muth ſpåter verlor) , hinderte , ſich nach Frankreich zu retten 137) , und nach Coſtanz

ging. Zu oft ſehen die Freunde der Unglúdlichen bloß auf das Ende des böſen Augenblics , allzu: gleichgültig über die beſte manier. Der König an

dem Tag der Erniedrigung ſeines Feindes lud von vier Nationen die vornehmiſten Prälaten und be:

fonders die italieniſchen Botſchafter. In einem febr langen Saal (dem Speiſeſaal des Barfußer:

kloſters ) , möglichſt weit von der Pforte war der

} ;

Cap. di

Bon der Kirchenverſammlung zu Coſtanz.

69

König , in dem Angenblid , als der unglüdliche Fürſt, mit dem Gefühl eines Mannes, der auf die bitterſte Stunde ſeines Lebens gekommen , an der

Hand Herzog Ludwigs und des neuen Kurfürſten

von Brandenburg in die Thür trat. Er kniete nie: der , dreimal.

Der König fragte , „ Was iſt euer

„ Begehren ?“ Der bayeriſche Fürſt nahm das Wort : „Großmåchtiger König, der Herzog Friedrich, mein ,, Vetter, iſt hier. Auf rein Begehren bitte ich Euer ,,Konigliche Gnaden , ihm zu vergeben , worin er ,, dieſelben und das heilige Concilium beleidiget

„ hat. Er übergibt ſich ſelbſt, mit allem was er hat, „ in Euer königlichen Majeſtät Gewalt und Gnade,

„ und iſt bereit auch den Papſt wieder zu ſtellen ; „ das behålt er ſeiner Ehre wegen vor , daß dem ,,Papſt an Leib und Gut keine Gewalt geſchehe. " Da erhob der Kidnig ſeine Stimme : „Unſer und „des heiligen Reichs Furſt, Herzog Friedrich , will „ Er das halten ?“ Der Herzog ſpracy, wia , und „ich bitte Euer Majeſtát um derſelben Gnade.“ Der Ton , womit er dieſes redete , drang für den: ſelben Augenblick an des Königs Herz ; „ Uns iſt

; ,leið , “ ſprach er , „ daß er dieſes verſchuldet. " Hierauf geſchah der Eid , wodurch der Herzog alle feine Herrſchaften von dem Tyrol bis in den Elſas an den König übergab , auf To lang demſelben zu

huldigen, bis dem Kónig ſelbſt gefalle, ſie zurúczu geben . Sigmund ſprach zu den Umſtehenden : „Ihr ,,Herren pon Italien , ihr wiffet von welchem Naz

70

Geſchichte der Schweiz. III. Buch.

,,men und Anfehen die Fürſten zu Deſtreid find.

,, lernet was ein König der Teutſchen vermag.“ ( Capitulation von Baden.)

Vor Baden aber glückte den Büchſen der Ber ner , eine beträchtliche Strede der Mauer niederzus werfen ; zugleich wurde den Belagerten das Waffer genommen ; es waren in der Stadtgroße Unruhen ). In dieſen ilmſtånden zog der Herr von Mannsberg mit vielem Volk auf den Stein ; die Stadt ſchwur : ,,wenn die Eidgenoſſen den Stein erobern, zu Han „ den des Reichs ihnen gewärtig zu feyn." um deſto lebhafter wurde bei Tag und Nacht mit åu Berſter Anſtrengung auf den Stein geſtürmt. In deß vernahm der von Mannsberg die zu Softang vorgegangenen Sachen , und gedachte , die idóne Burg vor allem Schaden zu retten vermittelſt eines

achttågigen Stilſtandes , nach welchem er fie zu öff nen verſprach . Er verſah ſich, daß auf des Königs Rúdmahnung der Krieg vor dieſem Ziel aufhören werde ; in jedem Fall zweifelte er an des Herzogs Wiederherſtellung fo wenig , daß er das Eine aus : bedung , die Eidgenoſſen follten alles Gerátbe der Herrſchaft in der Burg bleiben laffen ). Er er: fchrad , wie ein Tag nach dem andern ohne Briefe hinging . Was in gleichen Fällen mehr als einem rechtſchaffenen Staatsdiener begegnen mag , er war fo durchdrungen vom Gefühl der Wichtigkeit ſeines Poſtens , daß er nicht bedachte , wie in der Verwir :

fung aller ſeiner Sachen der Geiſt Herzog Fried

Sap . 1 .

Pun der Kirchenverſammlung zu Coſtanz. 71

vichs nicht, gleich dem Teinigen , auf nur dieſen Gegenſtand gerichtet war .

Nicht größere Dinge für Frieðrich wurden iu dieſen Tagen zu Coſtanz verhandelt, ſolche aber,

Die feiner Perfon angelegener waren. Der Kurfürft pon Brandenburg wurde ausgeſandt, mit Gewalt oder Otite fich des Papſts" zu verſichern . So 2, von

allen verlaſſen , an ſich felbft verzweifelnd , feiner Freiheit beraubt, wurde Johann nach Radolfzelle unweit Coſtanz gebracht. Nicht langer glaubten ſich

die Våter in Behandlung ſeiner Perſon zu einigem Wohlſtand verpflichtet: alſo wurden von den erſten Sünden , welche er in der Jugend geübt und gelit: ten , durch alle feine Zeiten, ſowohl die fühnen Ver

brechen des Ehrgeizes, als die Verläugnung aller chriſtlichen Hoffnungen , am zahlreichften und man midifaltigſten ſeine Ausſchweifungen in jeder Ari von Wolluſt, offentlich durch beſchworne Sundfchaf ten geoffenbaret : ſo daß der, in welchem fünf Jahre lang der größte Theil der Kirche die heiligſte Bur: de verehrte , als ein folcher dargeſtellt wurde , wel

cher durch die vollzáhlige Vereinigung aller nenn varen und unnennbaren Laſter von der ganzen menſch

lichen Geſellſchaft ausgeſtoßen zu werden verdie ne ). Noch , obſchon fich niemand vermaß, für ihn reben zu wollen * ) , hielt Kurfürſt Johann von Mainz , nach den Geſinnungen , welche er ſonſt zu ihm trug , für geziemend, vermittelft Herabſtim mung des Uebertriebenen die våter zu mildern.

72

Geſchichte der Schweiz.

III. Budy.

Man kann ſich den Gemüthszuſtand Friedrichs dens ken, welcher, da er über dieſen Sachen rein Land eingebúßt , in der Stunde als er fubfådig für ſich felbſt bat, geglaubt hatte , ſeiner Ehre doch ſchuldig

zu ſeyn , daß er Sicherheit für den bedinge, welcher auf ſein Wort Italien verlaſſen , den er vielleicht noch håtte behaupten fónnen. Er vergaß den Stein zu Baden ). (Der Stein zerſtört.)

Zu gleicher Zeit wurde , wie Herr Burkard von Mannsberg nach ſeinem Wort nothwendig mußte, die Burg übergeben , und ging der Herzog endlich

zu dem König , denſelben zu bitten , daß er Baden an das Reich aufnehme. Da frieb der König an

die Schweizer , die Fehde , welche ſie in feinem Namen erhoben, ſen geſchloſſen ; das Weitere wolle

„ er ihnen erklären, wenn ſie eine Botſchaft an ihn ,,fenden ; indeß ſoll weder Baden durch die ſieben „Orte noch Wildek von den Bernern belagert wer

,,den .“

Denn dieſe waren geſinnet, Hallwyl zu

vertreiben , da er noch bei dem lekten Zuzug auf Baden von Wildet herab ſie angeſprengt und von ihnen Beute gemacht. Sie, mit Zürich , im Namen der ganzen Schweiz , thaten auf Coſtanz die ver langte Botſchaft , und bezeugten dem Kónig , die

,, Strieger , welche den Herrn von Mannsberg zur „ Uebergabe genöthiget , werden ſich nicht leicht bes ,,reden laſſen , Stadt und Stein Baden einem ans

dern Kriegsvolt abzutreten." Der König , wet cher por wenigen Wochen den Eidgenoſſen halb Deſt:

Cap. 1 .

Bon der Stirchenverſammlung zu Coſtanz.

73

reich verſprochen haben würde, vernahm dieſes mit Ganz nach der Sitte reines Bruders und ſeines Vaters , betrachtete er die Uebergabe der Herrſchaft Friedrichs an das Reich als eine er :

Unwiden .

giebige Finanzquelle; rey es , daß jemand gewiſſe Anſprachen darauf geltend machen wolle , ober daß freiheitsliebenden Bürgern Privilegien verkauft werden können. Er ſprach zu den Gerandten , tot

,,ihr mich auch zu eurem Feind haben ?“

Sie ant

worteten : ,,wir haben Euer Königlichen Gnaden

„ mit Leib und Gut beigeſtanden . “ Der König be fahl hierauf, fie, Graf Konrad von Weinsberg und Friedrich Graf zu Tokenburg rollen eilen , 'kraft kó niglichen Anſehens den Stein zu Baben aufzufor dern , in feine, des Königs , unmittelbare Hand.

Alſo zogen ſie von Coſtanz durch den Thurgau, über Winterthur, durch das Kiburgiſche; fahen aber mit vielleicht ungleichen Gemüthsbewegungen ' s) , und mit Erſtaunen von den Hügeln unfern Baden den

ganzen Stein, ſo ſtark, ſo groß und oft ſo glänzend, gebrochen , und in Flammen und Raud ; eilten alſo ,

von Beſtürzung hingeriſſen , an den Ort, wo ſchon das geſammte Archiv dieſer obern Lande , auf Was gen gepaďt, nach Luzern fuhr , die Sieger aber

triumphirend von den ſchon hohen Soutthaufen den Fortgang des Feuers betrachteten . Ueber dieſe capitulationswidrige that gaben ſie den Geſandten

folgenden Beſcheid : „ wir gedachten , die Artikel,

projelleicht ungern , doch zu beobachten ; ſo aber iſt

74

Geſchichte der Schweiz.

HI. Buch .

Winterthur ihres Friedens ungeachtet "k) bet Grei:

rifenſee' mit Macht und verwüſtend auf die Zuricher ,, eingefallen ; um zu zeigen , was Friedbruch nach ſich zieht , haben wir den Stein zerſtört. Wir wfind in die Kammern eingedrungen , woraus Sto's

pinig Albrecht die Waldſtätte bedroht , wo der Ans

,, griff bei Mørgarten , wo der Zug nach Sempachy ventworfen worden , wir haben die Tyrannenburg herunter geworfen , welche das land in Unruhe

,,hielt ; fie fått, auf ewig.“ Zugleich wurden bin und wieder herunterbrechende Zinnen und Freudens geſchrei zuſchauender Schaaren gehört. Rein ande rer Verluſt war dem Herjog empfindlicher ). A18

der König dieſes hörte, zirnte er, nicht allzuſehr *6). (Gemeine Herrſchaften . )"

Die Eidgenoffen , unbekümmert, und eingebent, daß die Eroberungen ihnen voraus überlaſſen wors den, rathfchlagten über derfelben Verwaltung. Auf diefer Tagfakung , als Zurich Knonau , und Bern

alle ſelbſtgemachten Eroberungen fich zueignete, kua jern aber das Gleiche nebſt Surſee mit dem obern Magenthal zu thun vermeinte , ſprachen die Urner :

,,Nicht unſer, o Eidgenoffen , fondern des Königs war der nun geendigte Strieg ; wie håtten wir, von ,,dem Herzog unbeleidiget, in funfzigjährigem Fries den fremde Sachen wider ihn ju urſern eigenen ,,machen mögen ? So laßt uns denn dem König,

da er Friede macht, nichts vorenthalten , dass er ndem unglüdlichen Fürſt von Deſtreich nicht zurüds

Sap. i. Bon der Airchenverſammlung zu Coſtanzo

75

mgeben könne.. Wir vom Land Uri haben und wol mlen keinen eigenen , keinen gemeinſchaftlichen An etheil an dem , was nicht unſer iſt: unfere Våter whaben die Sitte auf uns gebracht , ungefálichte , Treu höher als alles zu achten.“ Dieſes hielten die übrigen für ungeitige Weisheit"), und kamen überein , ſowohl die Grafſchaft Baden als die freien Aemter gemeinſchaftlich zu verwalten ; ivechfels weife fol Zürich , Luzern , Schwyz , Unterwalden , iZug und Slaris ( weil Bern ſonſt viel batte, Uri aber nichts wollte) „ einen Landvogt auf zwei ,, Jahre in jede Gegend ) ſenden , und jabrlich m.follen Geſandte 189) aller theilhabenden Städte fos wohl die Verwaltung als die Berechnung der Gin witúnfte unterſuchen.“ (Gedank e m .)

Dieren Urſprung nahmen die gemeinen Herr

fchaften der fchweizeriſchen Eidgenoffen ; eine Bets faffung , welche, wie die meiſten , an fich weder gut noch böſe war , beides aber wurde , ſo wie bei den

mehreren Orten (die meiſten Stimmen entſchieden ) Gewiſſenhaftigteit und Nationalebregefühl, oder Cigennuß und Perſonanſehen mehr galten , und ſo wie die meiſten Geſandten mehr auf fich und ge

genwärtigen Vortheil , oder auf das gemeine Beſte und wahren Ruhm bedacht waren . Vielleicht wäre lekterer Betrachtung ein überwiegenderes Gewicht auch dadurch gegeben worden , wenn die Syndikats: verhandlungen umſtändlich gedrudt , und allen Un

76

Geſchichte der Schweiz. III. Buch.

terthanen folcher Herrſchaften über ihre eigenen Sachen Prepfreiheit gegeben worden wäre. Es war nicht leicht ein Geſandter oder Landvogt , welcher ohne reinen großen Schaden ſich offentlich veruneh

ren, und ſeiner Gegenpartei Anlaß wider ſich geben

konnte. Die Rechtſchaffenheit wiirde als auf einem öffentlichen Schauplaß vor allen Eidgenoffen To empfehlend hervorgeleuchtet haben, daß auch der Bos fefte aus Eigennuß uneigennufig geweſen wäre "9b ). Politiſch war die Veranſtaltung ſolcher Herrſchaf ten nicht unnúk. Daß die innern Orte den äußern

hiedurch zu verſtehen gaben , ſie würden eine Ver : großerung , woran fie fein Cheil hätten , auch nicht unterſtüßen , måßigte die Eroberungsluſt, und hielt fie inner den Bundeskreiſen. Es war einzuſehen , daß außer denſelben die innern Orte den übrigen auch nicht beiſtehen würden ; es mußten denn ge

meine Herrſchaften errichtet werden so), wovon der Gewinn durch die Koſten faſt erſchöpft wurde 151). Es entſtand hieraus , daß wenn der Verfaſſung des alten Roms der große Ruhm nicht verſagt werden kann , ſtark geweſen zu ſeyn zu allem , und in un erborgter Kraft und hohem Glanz Jahrhunderte

lang beſtanden zu haben , ein zweites , eben ro ſel tenes , lob der ſchweizeriſchen Eidgenoſſenſchaft ge bührt ; nämlich : durch ihre Einrichtung und Lage war ſie Fahrhunderte lang ſtark genug zu allen gu

ten und löblichen Dingen ; eben dieſelbe , wenn ſie auch wollte , ſchlechterdings ungeſchict, ihre Por:

Eap. 1 .

Pon der Kirchenverſammlung zu Coſtanz.

77

theile und Waffen außer der natürlichen Landmark zu mißbrauchen. (Ende des Felding 6.)

Da der Stein gebrochen worden , zogen alle Banner der Eidgenoſſen und der Stadt Bern fröh lich aus einander in ihre Städte und Länder. Da

erlegten alle zurúdgebliebenen Bürger und Landleute eine Steuer , den Kriegern zum Sold. Von dem an erloſch durch fónigliche Freibriefe alle Pflicht, mit

welcher das Land Glaris irgend einer Vogtei wegen an die Herzoge verbunden geblieben 15). Das Reichs

Eaſtvogteilehen zu unſer Lieben Frauen Stift in den Einſidlen wurde von Oeſtreich an das Land Schwy; übergetragens ). Peter Kolin , Burger von Zug, ein tapferer Mann 1, wurde von der verſammelten Gemeine zu Stadt und Amt als der erſte aus ih rem eigenen Mittel zum Ammann erwählt , für ſie allein und nicht mehr für Fremde is ). Ade in den alten Zeiten vom Landenberg mißbrauchte Reichs

vogteigewalt in Unterwalden , alle von den Ober waldnern mit Uri im livinerthal erworbene Macht:5 ), wurde dem Landammann gegeben ' ). Endlich ſchwu: ren auch Rudolf und Walther von Hallwyl , Her ren zu Wildet, mit ihren Burgen als offenen Håu: fern , zu den Städten Bern und Solothurn in Burgrecht "S). Nicht einmal das gelung den Fein: ben der Eidgenoſſen , daß Graf Hanns von Lupfen ,

in des Königs Namen zu Enſisheim Vogt , unter dem Vorwand unbezahlten Geleitgeldes , bei Ott:

78

Geſchichte der Schweiz. III. Buch .

marsheim auf der offnen Reichsſtraße ihren Kaufs leuten die Tücher wegnahm , die ſie von der Frant: furter Meſſe zurúd brachten . Denn als der König

auf ihre Klage zu Gericht faß , traten alle anwes fenden Reichsſtande in die nachfolgende Meinung

Friedrichs Kurfürſten von Brandenburg : ,, Den ,, Himmel hat Gott fich vorbehalten ; die Erde den ,,Menſchen zu nußen gegeben , ſowohl Armen als ,,Reichen ; fo follen ſie denn auf allen Straßen „ ihre Nahrungſuchen mögen, und auf offnen Reichs wftraßen (wo nicht von des Reichs wegen wider je: ,,mand Feindſchaft ſchwebet ) geleitsfrei handeln und ,, wandeln , wie jedem gut daucht. Id fchließe, das ,,der Graf die Tücher zurúdgebe, und allen Sca „ den erſeße." Das geſchah 158 ). (Ausgang de $ Ⓡapft s.)

Papſt Jobann , als die Anklage reines Lebens ihm ſchriftlich übergeben turde, bielt (nicht unweis :

lich ) für das Beſte , fie nicht leſen zu wollen 159). als hierauf ein Decret ſeiner Abſegung erfolgte, er : klärte er ſich, „ daß er fehr bereue , ein ſonſt vers „ gnúgteres Leben um die dreifache Krone aufgeges „ ben zu haben ; Papſt möchte er nicht mehr fepn , „auch wenn man ihn erkennen wollte 159 b). Nad dieſem lebte er ein Jahr nicht unangenehm zu Hei delberg unter freier Verwahrung 16) , bis die Kir : chenverſammlung Anlaß bekam , zu fürchten , der Kurfürſt von Mainz , in feinen Geſinnungen uner: ſchütterlich , möchte ihm zu vódiger Freiheit helfen .

Cap. 1 .

Bon der Kirchenverfammlung zu Coſtanz. 79

In den zwei Jahren , welche er pon dem an zu

Xannheim unter Bewachung einiger teutſchen Ed len zubringen mußte, hat er in ſchönen lateiniſchen Werfen dasunbeſtändige. Glück, beſungen 160b). Geld half ihm los , und er eilte nach Florenz. Daſelbſt

ſtarb er Cardinalbiſchof zu Fraſeati 16.). Nach ſeiner Abfeßung übergab Gregorius der Zwolfte in dem acht und achtzigſten Jahr feines Alters durch Herru Carlo Malateſta 16 ), die papít: liche Würde unter ehrenhaften Bedingniſſen der

Kirchenverſammlung 16. b). Als dieſe lektere durch den ungerechten Cod Meiſters Johann Fuß auch die Glaubensneuerung unterdruckt zu haben vermeinte, ſchien zur vollkommenen Kirchenvereinigung nur übrig , den Eigenſinn zu beugen , mit welchem Be: nedict der Dreizehnte in einem Winkel Spaniens die Papſtwurde zu behaupten fortfuhr. Dieſes un

ternahm der König ; allezeit reiſeluſtig, und, wels ches,viel ſeltener war , nun reich , als der nicht nur die Reichslandvogtei zu Schwaben dem Truchreß

Hanns von Waldburg verpfändete 16 ) , und mehre ren óſtreichiſchen Städten die Reichsfreiheit gab. 166), ſondern folgendermaßen zu verkaufen wußte, was er bereits vergeben hatte. (Uebergabe des Aargaus.)

Nachdem er die Reiſe in Aragonien feſtgelegt,

begehrte er an die Eidgenoſſen , von allen Orten eine Botſchaft an ihn zu ſenden . Da ſie nach Eos ftanz kamen , und er ihnen in den gnädigſten Auss

80

Geſchichte der Schweiz . III. Buco.

drůden für den geleiſteten Beiſtand gebantt, fagte er endlich :

,,Nun fer nichts übrig als die dem

„Reich eroberten Lande ihm , dem König , abzutres ,, ten.“ Die Geſandten ſprachen : „ Ueber dieſes ,,Anfinnen tónnen ſie ſich nicht anders als äußerſt „verwundern ; dieſen Krieg , wozu nicht fie allein „ und vor allen andern Reichsgliedern Verbindlich: ,, teit hatten 6) , haben ſie nicht eher auf eigene stos

11

„ſten auszuführen unternommen , als nachdem der ,, Beſiß der Eroberung ihnen voraus verſichert wor: ,,den . “ Der König antwortete : » Zwar kdnnte ich fragen , war es denn euer Krieg ? Seyd ihr nicht ,,in dem funfzigjährigen Frieden , und wer kann ,, erobern , wo er das Schwert nicht ergreift für ſich

felbſt ? Adein, des Wortes wegen , woran ihr e ,mich erinnert, ſoll denn das Land euer reyn ; euer ,,námlich , ſo wie ein Freund ſeinem Freund eigen

,,ift, euch zugethan in jeder Noth. Betreffend aber die Einkünfte und Verwaltung ; ſo viel darf ich ,,dem heiligen Reich nicht vergeben . “ Die Geſand ten , zu ſo wenig vermutheten Dingen unbevollmacha tiget, begaben ſich hinweg. Bald aber überzeugten ſich die, welche die Berichtigung dieſer Sachen be trieben , daß der König durch dieſe Wendung nur Geld ſuche; ſogar das nicht ſchwer ſeyn würde, noch

das Landgericht über Thurgau von ihm zu erwer ben 18 ); daß aber alles unter anſtändigem Titel am

beſten alsdann geſchehen könne , wenn er von Co {tanz, von dem Herzog und von den Freunden der felben

Sap.

.

Bou derAirchenverfammlung zu Coſtanz. 81

ſelben entfernt , ſich weniger ſcheuen muffe. Auf der Tagfakung , welche hierauf zu Zúrich gehalten wurde , zeigte ſich die größere Schwierigkeit in den

geldloſen Umſtänden faſt aller Eidgenoſſen ; der Zug in Aargau batte ſie erſchöpft , ſo daß zu befürchten war , die unwiederbringliche Gelegenheit werde andern zu benußen gelaffen werden müſſen. Zürich balf dieſer Noth , übernahm die ganze Unterhand lung,und allen Geldvorſchuß , und verſprach , jedes Dit auf Bezahlung ſeines Antheils in die überein

gekommene Gemeinherrſchaft aufzunehmen . Zugletch war biebei der Vortheil der Einigkeit 18 ) und ges

börigen Geheimhaltung, welchen ſie billig für To wichtig hielten , daß die Zweihundert von Zürich ſo gleich den engern Rath bevollmachtigten , durch den Altbürgermeiſter Jakob Glentner , mit Unter: ftufung des Grafen zu Cokenburg , bei dem König in dieſen Sachen zu handeln 16 ). Damals war Herzog Friedrich am allerunglúd

lichſten , weil der König weder Gnade noch Ungnade . über ihn erklären wollte , und wer immer wider ihn Elagte, bei Sigmund und bei den Vätern geneig tes Dhr fand. Aus flaren Gründen verſchob der König die Entſcheidung ſeiner Sachen , und jeder Vorwand kam ihm erwunſcht. Beſonders dructe den Herzog , daß Georg von Lichtenſtein Biſchof zu Trento billig und aufs ernſtlichſte reine Wiederein feßung in die Herrſchaften des Hochſtifts betrieb ; und Friedrich war durch Herzog. Ernſt, ſeinen Bru J. b. Müllers såmmtl. Werte, XII.

6

82

Geſqichte der Schiseiz. III ., Budy.

der , von der gemeinſchaftlichen Verwaltung der ty roliſchen Lande ausgeſchloffen worden.

Seinen

Feinden ſchien dieſes (nicht ohne Wahrſcheinlich keit) 169) eine Erfindung, wodurch die Brüder dem gerechten Geſuche des Biſchofs von Trento auszus weichen ſuchen . Deſwegen lief Georg von Lichten :

ſtein den Herzog durch einen ſo außerordentlich har ten Bann öffentlich werrufen und verläuten , daß kaum jemand wagte noch mit ihm umzugehen. Al lem Volk wurde er zu Spott , und fühlte tief und bitterlich, wer er ſeyn konnte und wer er war 1 ). Der König, nachdem er in einer feierlichen Ver : ſammlung den Vatern empfoblen , diejenige Zeit, welche er zu Vervollſtändigung der bezwedten Kir: chenvereinigung fern von ihnen zubringen werde, nicht minder núßlich zu Berathſchlagungen úber die Manier der stirchen verbeſſerung anzuwenden , machte ſich auf, mit vier Prälaten ſo vieler Natio nen , mit Kurfürſt Friedrich von Brandenburg, Herzog Ludwig von Bayern Ingolſtadt, Friedrich Graf zu Totenburg , Hanns von Lupfen , dem Gra : fen von Dettingen und viertauſend Pferden , und zog bis Baſel am Rhein herab. Hier warteten feta ner die Seſandten von Bern. Daſelbſt Nahm er fünftauſend Gulden von ihnen ,. und verſchrieb ale von den Bernern im Aargau eingenommenen Bur: gen und Stadte zu einer ſolchen Reichspfandrchaft , welche von ihrer Stadt nur ein König der Teutſchen

und nur an das Reid , nie ohne ihren Willen , ſom

Cap. 1 . Von der Kirchenverſammlung zu Coſtanz. 83

Iofen können "). Pon Baſel 30g er úber den Hauen

ſtein und Solothurr in das Berniſche Städtchen Varberg. Empfangen wurde er ſelbſt, Barbara feine Gemahlin und Graf Amadeus, welder mit vielen Großen von Savoyen hier zu ihm tam , wie es der Bewillkommung würdig war , wodurch ſich

13

12

Bern vor einem Jahr mit ſo viel Glanz als Klug

12

heit ſeine Gnade erwarb.

al

Er lag drei Tage zu

ll

Xarberg. An dieſem Ort " ) nahm die Unterhand

AN

lung des Altbürgermeiſters Jakob Glentner folgen : den Ausgang: Der Konig , diesmal zum Beſten

der chriftlichen Kirche auf einer großen Reiſe be: „ griffen , allezeit aber bekümmert um das Wohl der

„ Unterthanen , möchte Baden , Mellingen , Brem .

„garten und Surſee, neulich an das Reich erwor: ,,bene Städte und Herrſchaften , ungern To Tchirm

„los laſſen ; er finde niemand geſchicter ſie zu be füßen , als des Reichs Getreue, die Burger

„ don Zürich ; verpfände alſo , in Vollmacht ſeiner „ Königswurde , obgedachte Gegenden und Orte mit aller Nußung und Gewalt, gleich wie ſie in der

ir BandDeſtreichs waren, um fünf und vierzig hun „ dert Sulden einer Stadt Zürich ; ertheile auf den

„ Fall, da dieſe ihre Eidgenoſſen mit eintreten lafa !

1

..fen wolle , derſelben hiezu Befugniß und macht ;

wernichte voraus alle löſung , welche nicht von ei $

,,uem König oder Kaiſer der Teutſchen , an das

Reid,unmittelbar, mit willen deren von Zurich, und um ſechstaufend Gulden hóber als der Pfano 11

Geſchichte der Schweiz. III. Buch . fthiding , vorgenommen würde ; getváhré endlich jalle dieſe Verhandlung in dem Namen des Reichs ,

ver der König 17 ). " Nach dieſem zog er über Murs ten , durch die Waadt , auf Genf , in Frankreich und nach Spanien . Alle Orte der Eidgenoſſen ,

außer Bern und Uri , traten in volle Gemeinberr : fchaft úber Baben , mellingen und Bremgarten und

in das Vogteirecht zu Baden , welches Zürich von ulrich Klingelfuß löste is ).

Sie kamen überein ,

daß die Stimmen aller Orte auf den Jahrrechnuns gen von gleichem Gewichte fenen , daß aber Zurich um die Wiederldſung einem Kaiſer zu Handen des

baree

Reichs geborfam feyn mag " ). Aber betreffend ſolde

Löſungsrechte der Staifer find Reichsgefeße vorbans

den , deren tilgende straft auf dieſe Zeiten zurüd wirkt , und welche zum Theil álter find als die feierliche Losfagung der ſchweizeriſchen Eidgenoſſen : fcbaft von der Verbindung des Reichs 96 ). Die Un fprüde der Luzerner wurden durch die Umſtände und fchiedrichterlich ſo entſchieden , daß denſelben

Surſee blieb ; Reichenſee aber mit Meyenberg und Vilmergen wurden durch die ſieben Orte gemein

fchaftlich verwaltet * ). lenzburg , die vier Aar: gauiſden Städte , Habsburg und andere einger moinmene Schlöſſer behielt Bern ; endlich trat ſie auch über Baden der Gemeinherrſchaft bei" ). ( Das Jahr 1416.)

Der Sönig verzog långer als achtzehn Monate bis er nady Coſtanz zurüc fam . Erſtlid fand er ,

Bu

Cap. 1 .

Bon der Kirchenvexfammlung zu Epſtanz. 85

daß über die unbåndigen Leidenſchaften. Þapft. Jo bann's und über des Gregorius redliche Einfalt leich : ter alles zu erhalten geweſen , als er etwas in Ara : gonien vermochte über Benedict , einen ſcharfſinni

gen alten Mann, welcher ſein Necht in einer ſieben : ftündigen Rede bewies , und endlich wider die all gemeine Stimme der Kirche bis nahe an das neun zigſte Jahr

feines Alters doch

allezeit

Papſt

blieb. Nachdem der König einen Theil der Spa nier , welche noch in ſeinem Gehorſam waren , bewogen , ſich nach Coſtanz zu begeben , zog er nach Paris und London in einer guten und nicht unweis

ſen Abſicht. Gleichwie ihm die Friedensvermittlung zwiſchen Polen und Preußen - gelung, båtte er den Krieg der Engländer und Franzoſen ftillen mogen , um nach hergeſtellter Kirchenvereinigung den viel

leicht einzigen Augenblid zu nußen , da die osmani fchen Türken , geſchwächt und in innerm Zweiſpalt, aus Europa vertrieben werden konnten.

Zu dieſer Zeit war das Erbland Herzog Fried richs in großer Zerrúttung, die ſchweizeriſche Gránz mart soll Unſicherheit. Lesteres, weil ſehr viele Kriegoknechte , durch einen Gid jemand verbunden

und von feindſeligen Edlen ' 9) unterſtüßt , bei Tag und Nacht ohne alle Scheu ihre Bedürfniffe und Bes gierden befriedigten " ) ; and (wie bei Auftöfung

alter Verfaſſungen leicht geſchieht) auch von beſſern tein Landfriede beobachtet wurde 18.), und jedem die

Hintanſekung aller vorigen Einrichtungen erlaubt

86

Geſchichte derSchweiz. III. Budo.

ſchien 18 ). Kiewiber wurde die neue Herrſchaft aus

Zuneigung und Nothwendigkeit von den Aargauiſchen Städten unterſtüßt 85); endlid half die Strenge der Gerechtigteit 18 ). Bei ſolcher unordnung freu :

1

ten ſich 185) die Ciſtercienſer von dem wichtigen Stift St. Urban, und von dem Frauenkloſter zu Wurms: bach 1:6), dieſe bei Zürich, jene bei den Bernern und Luzernern ;) Burgerrecht und Schirm zu erlangen.

St. Urban ſchwur, nach prieſterlicher Sitte und bei dem Bande reines Ordens , die Gotteshausleute

an die Landwehre zu ſenden , und zu allgemeinen Steuern einen Beitrag zu thun 188). Zu gleicher Seit fiel die Altbechburg durch gerechten auf den

Solothurnern zu 189). Als Hartmann und Gottfried von Hünenberg , Edeltnechte 190) , die von vielen Voreltern angeſtammte Herrſchaft, wovon ſie ge:

nannt ſind , nicht langer zu behaupten vermochten , gaben álle ihre Dörfer und Höfe den Kaufſchilling, und verbanden ſich als freie Männer burgrechtsweiſe zu den Zugern : ,,Den erkauften Twing nie zu ver : , außern ; gleichwie die Zuger ſie beſchirmen , fo in ,, Kriegen den Zugern beizuſtehen, aber ohne Steuer ..Pflicht; je zu zwei Jahren ſelbſt aus Zug einen

,,landvogt über ſich zu wählen , der bis an das „ Blut '9 ) über alles entſcheide 19 ). Das behalten

„ſie ſich vor, wenn die Zuger einen Mann von Hú nenberg nicht ſchirmen , daß er den Schirm bei au „ dern Eidgenoſſen ſuchen möge 195).“ Indeß wurde in denſelben ſchweren Zeiten zu Baden durch Peter

Sap. 1 . Pon der Kirchenverſammlung zu Coſtanz. 87

Deri , einen Mann von Verdienſt , welcher für das gemeine Beſte die Landvogtei übernahm 9 ), die uns

tere Burg wieder geſtår ft 95). Bis in den eilften Monat war Herzog Friedrich gu Coſtanz in Unthätigkeit , Verlaſſenheit und Er:

niedrigung , als er die Nachricht, erhielt : ,,In der ,,That rey rein Bruder geſinnet, mit Hülfe des Adels ,,ihn von ſeinem Erblande Tyrol zu verſtoßen ; wie sunbillig , das fühlen die Bürger und Bauern ; >

1

Innthal und Erfchland halten feſt ; ihre Begierde

„fen, daß er zu ihnen komme. “ Ihre Geſinnung er: friſchte ſeinen Muth ; er wagte , Acht und Bann zu troken , verkleidete fich ; als kaum die Morgen róthe angebroden , faß er zu Pferd mit vier Die nern 196 ), und verließ den Ort ſeines Unglücks. Den ſelben Tag blieb er zu Feldkirch auf der Burg, wel: che nach Eroberung der Stadt ihm getreu blieb 19 ).

Eilends ritt er über den Arlenberg , und kam bald in Etſchland, ſeit langem wieder einmal froh, als er

die Liebe ſeiner Unterthanen ſah 197 b). Ganz Tyrol war den Sommer über bewegt. Er , durch das Un:

glück unterwieſen , vereitelte mit Standhaftigkeit alle Sünſte Herzog Ernſts. Dadurch erhielt er, daß der machtige Graf zu Tokenburg über die Rück gabe der øſtreichiſchen Herrſchaften , welche der to nig ihm verkauft , in unterhandlungen trat 198) ; daß der Biſchof zu Briren ihm verſöhnt wurde 19 ) ; daß die Vermittlung Pfalzgraf Ludwigs 100 ) und Erzbiſchof Eberhards von Salzburg den Herzog Ernſt

88

Geldjichte der Soweiz . III. Buds.

nöthigte , alle vorige Macht über Tyrol ihm wieder abzutreten. ( Das Jahr 1417. )

Der König aber , da es ihm fo gut nicht werden

mochte, zwiſchen England und Frankreich Stillſtand oder Friede zu vermitteln, fam: wieder nach Coſtanz, obſchon die Türken , durch die Klugheit Mohammeds geſtärkt, in Slavonien einfielen , wo er König war . Damals giaubte die Kirchenverſammlung faſt billig ,

Herzog Friedrich ſpotte ihr , da er nach Wiedereins nahme des Landes Tyrol die Herſtellung des Biſchofs zu Trento gleichwohl unterließ. Alſo wurde er feier : lichſt unter den Bann des Kirchenraubes und Mein :

eides gelegt , und König Sigmund gebeten , Karls des Vierten Geſeß , nach weldiem ein folcher Fürſt lehensfálig rey , an demſelben zu vollſtreden * ).

Der König erklärte , daß er in wenigen Wochen alle deffen Leben und Pfandichaften vergeben werbe ) ,

bot um dreitaufend Gulden Feldkirch und ganz Wall gau dem Grafen zu Tokenburg an 200) , und ſchien

entſchloſſen , mit Kriegsmacht an die Etſch zu zie : hen n ). Da kam Herzog. Ernſt , Friedrichs Bru :

der , mit tauſend Pferden , und ſehr vielen Schú : Ben , heraus nach Coſtanz 304 b ). Er ſelbſt verſchrieb Feldkirch bem Grafen zu Tokenburg ») . Vor dem König erhob er auf das nachbrüdlichſte eine drobende Klage, über die mannichfaltige ſtrenge Schädigung der Macht reines Hauſes ., über das bóre Beiſpiel eines Königs , der Bauern ( die Schweizer ) gegen

Cap. 4. Von der Kirchenverfammlung zu Coſtanz. 89

folche Fürften begünſtige, und einerKirchenverfamms lung, die in Weltgeſchäften richten wolle, vornehms

lich über die Dauer und Erneuerung ſolcher Unter nehmungen , welche das Haus Deſtreich ( ungern , wegen altgewohnter Treue) endlich nöthigen were den , ſich alles zu erlauben. Ernſt , in allem hochs geſinnt und beftig , brachte dieſes auf ſolcheManier vor , daß der König verfprach , den Weg friedlicher Unterhandlungen zu ergreifen .

Friedrich von Cokenburg eitte zu Beſignehmung der Grafſchaft Feldkirch ; vergeblich : die Innhaber wandten vor , dieſe Perpfändung Herzog Ernſts

werde von Friedrich mißbilliget. Dieſes erneuerte den Unwillen derjenigen , welche für gewiß hielten , ,,als Friedrich ſeine lande an den König aufgab, habe „Ernſt mit verſtelltem Zorn Tyrol dem Reich vors I

enthalten

) ; daß dieſer nun Feldkirch verpfandet,

,,werde ungültig durch den Widerſpruch Friedrichs ; ,,die Brüder fenen långſt eins , Reich und Kirche

„ zu åffen . “ Hierauf fandte der König Herrn Phi lipp vom Heimgarten , die Züricher zu bewegen '07) , dem Grafen machtig und eilend 8 ) Sulfe zu thun . Sie , unter zwei Fahnen zweihundert Mann , und mit ihrer großen Búdyſe; Coſtanz mit ihrem großen

Schupfer (Name der Wurfmaſchine) ; das ganze To fenburgiſche Land mit geſammter Mannſchaft , bes lagerten Feldkirch . Die Stadt nahmen fie ein , der

Schupfer, zehn Centner fchleudernd, brach die Burg ;

90

Gefohichte der Soweiz. III. Buch.

The ergab fich ; Feldkirch gehorchte dem Grafen fein Leben lang 39). ( Landgericht im Thurgau .)

Dem König dåuchte Furcht vor noch mehr Scha den das einzige Mittel, den Herzog Friedrich, wel cher unbeugſam ſchien , zu Beförderung des Frie dens zu bewegen . Deſto lieber bezahlte er einige Schulden dem Bürgermeiſter, den Råthen und Bür: gern zu Coſtanz durch Verpfändung des Landgerich tes , welches über die ganze Landgrafſchaft zu thur: gau von Alters her in einem großen Hauſe bei Win terthur ſtand, und worüber er ſelbſt Herrn Diethelm Truchfen von Wollhauſen auf Lebens lang zumn Rich ter beſtellt *). Hiebei gab er den Coſtanzern durch

ganz Thurgau Wildbahn ' '') , die Bogtei Frauen : feld und den Blutbann " ). Von demn an ſuchte das Land Recht und Gericht vor dem Reichsvogt "s) und Beifißern von Stadt und Land unter der großen

Laube., welche Coſtanz biezu bei Kreuzlingen ver

+

anſtaltete. ( Schweizerreiſe des Königs. )

Alsdann ſchien dem König núßlich, ſich dem ſchweiz

zeriſchen Volk zu zeigen , und merkwürdig , in dem Innern des Landes die Geſtalt ſeiner Sitten zu ſe: hen. Alſo ritt er aus der Stadt Coſtanz mit un gefähr zweihundert Pferden , zog durch viele anmu: thige Fleden und mehrere Stadtchen an dem See hinauf , durch das Rheinthal , fab mit Vergnügen

die Lage der Gegenden , wo vor zwölf Jahren Her:

Cap. 1 .

Bon der Kirchenverſammlung zu Coſtanz. 91

30g Friedrich mit ſchlechtem Ruhm wider die Appen zeller geſtritten , und wurde von dem neuen Herrn zu Feldkirch froh empfangen. Hierauf zurüc über

den Rhein , herab von Werdenberg , 30g er die ſchon raubern Wege an den Walenſtadterſee, entging glück: lich der Untreu. ſeiner ſtürmiſchen Waſſer und tam vor die Landmarken der Glarner. Ueber den Trum

mern von Weſen fand er ihre Botſchaft unter den

Landammann Albrecht Vogel , den er nicht ungern erzählen hörte, was er ſelbſt oder ſein Vater in je nem Streit hier bei Nåfels gethan. Daſelbſt war der Altlandammann Matthias Netſtaler, vor allen • damaligen Eidgenoſſen reich , mit Gütern fo bela den, daß ihm für die Landesgeſchäfte kaum Zeit üb rig blieb » ). Der König zog durch die Mark (wel che ihm wohlerobert ſchien ), die von Millionen from :

mer Pilgrime manches Jahrhundert vor und nach ihm betretenen Pfade , welche in die Einſidlen füh: ren. Die Geſandten von Schwyz warteten ſeiner daſelbſt.

Er , nachdem er angebetet, wandte fichi,

und kam, noch voll des Eindruds der Heiligkeit und Wunder , herab an den Zúrichſee. In vielen Schif fen fuhr er von Rapperſchwyl nad Zürich , zwiſchen Ufern , wohl noch nicht reich , doch ſchon vergnüglich

durch die mannichfaltigen Lagen ihrer zahlreichen Dörfer. Empfangen wurde er zu Zürich von allen Orben , pon Bürgermeiſter und Rath und ganzer

Bürgerſchaft nach Conſtabel und Zünften geordnet. Einen ſilbernen Pokal voll Goldgulden gab ihm die

92

Gefchichte derSoweiz. III. Buch .

Stadt. Wider Deſtreid verfprach ſie ihm nichtmehr noch weniger als ohne die andern Eidgenoſſen fúg

lich geſchehen fonnte ?5). Von den Zürichern wurde er úber den Berg ulbis begleitet. In dem anmus thigen Chalgelände bei Ebiton fand er Herrn Kanns von Dietiton , Schultheiß , und eine Rathsbotſchaft

von Luzern , und wurde in einer kurzen Rede 346 bewillkommt. Es war ein attes Herfommen , wel : ches er auch damals billig nicht mißbraucen wollte

),

daß die Ankunft eines Staiſers oder sópigs allen

Verwieſenen das Vaterland , und Gefangenen die Freiheit gab. Nachdem der König nach ſeiner Liebe

des Guten ſich hierüber erklärt , als die vornehm ſten und ſchönſten Bürger und Ausburger zu Pferd ſeiner warteten , jog er an das Thor, wo die Heis ligthümer ſtanden . Er folgte denſelben zu St. Leos degars Münſter. Nicolaus Bruder war an der Propftei , ein gewiſſenhafter Mann , welcher nade fechs Wochen zu Softanz ermordet wurde; wohl weil

er Andere gern beffer machen wollte, als die Zeiten 3

es ertrugen " 8). Hierauf blieb der König , wohlbe wirthet: 9) , in dem Kloſter des Barfüßerordens.

1

Bon Luzern fuhr er den See hinauf » ), und mochte bewundern , wie die unaufhörliche Abwechſelung fete ner Geſtalt faſt nicht ſo viel zerſtreut als die Nás berung des Gebirges die Seele mit einem unges wobnten Gefühl, wie in ſich fammelt und erhöhet.

Vorbei Unterwalden Arnold von Winkelried war damals dafelbft Landammann ) **), Gerfau porbei,

1

Cap. s . Bon der Kirchenverſammlung zu Coſtanz. 93 welches noch reinen Freiheitsbrief * ) behalt , bis in die ſchlundmäßige Gegend kam der König, wo der

See ſid nach Uri hineinzieht. Bei Brunnen lan : dete er ; zog die Wieſen hinauf ; mit ihm der Jüng ting Ital Reding , ſchon wohlberedt ) , beliebi bei feinem Bolt und in Geſchäften bebeno ** ) , Hectors Sohn 1, der Landammann war. Die Männer von Sowy; empfingen den Stónig treuherzig und fróhs

lich, er blieb dieſelbe Nachr in dem Dorf. Die Nach :

richt unerwarteter Beſchleunigung der Papſtwahl nöthigte ihn über Einſidlen ") nad Coſtanz zurúc zu eilen . ( Ausgang des Conciliums. )

Us Benedict verworfen worden (welchen Uus : fpruch er chlechterdings nie annehmen wollen ) , bes

trieben alle die feitgebirgiſchen Bólfer, beſonders die Englånber, am ſtandhafteſten die Deutſchen , an ihrer Spiße der König , die große Sache der Kirs dhen verberrerung. Wider die Cardinäle und Staliener , welchen bald auch die Franjoren beitras ten , behaupteten ſie , daß unmöglich fev , in der

,,Gewalt und Würde des Papſtes und in der Per erfaſſung und Unterhaltung des römiſchen Hofs eine

verhebliche Veränderung zu thun , wenn das nicht vor dem Augenblick geſchehe, wenn wieder ein Papſt līße , der die meiſten Gemüther bald mit alther gebrachter Sunſt werde wiſſen zu gewinnen , 3# bleuben ., zu lenken , zu ſchreden .“ Es ware zu

wünſchen , daß die Cardinale durd mannigfaltige

94

Geſchichte der Schweiz. III. Buch.

Warnungen und Borboten unausbleiblicher Folgen bewogen , lieber damals hätten verbeſſern laſſen , was für Mißbrauche die Jahrhunderte gebäuft und noch håufen mußten. Es iſt in der Welt fein ge

wiſſeres Rettungsmittel, wie für die Hierarchie ſo für die Republiken , als wenn ihre Verbeſſerung durch ſie ſelbſt geſchieht, ohne fremde Hande, welche gemeiniglich ſonſt eine Leidenſchaft als der Eifer des

Guten leitet. Es iſt bejammernswürdig , obſchon aus menſchlicher Schwachheit begreiflich , daß man in ſelbſtgenugſamer Sicherheit Gefahren und unter: gang entgegenſchlummert, weil man ſich nicht wehe thun mag. Als der Stónig den übergroßen Wider : 136 ſtand mit jeder Sißung ſteigen fab 18 b) , und nach von Salisbury Cod auch die Englån des Biſchofs

der ihn verließen, gab er zu, das Gebäude des Con: clave anzuordnen ; hoffte noch , daß langſamteit oder Zufälle dem Feuer der Wohlgeſinnten Zeit geben würden, durchzudringen ; unternahm wohl auch def: wegen die obenbeſchriebene Reiſe. Seine Gedanken betrogen ihn. Die italieniſche Beharrlichkeit , im

mer ſo groß als die teutſche, und von mannichfal tiger Welterfahrung unterſtüßt, drang burde , daß geeilt wurde. Den zweiten Tag nach des Königs Wiederkunft gingen zwei und dreißig Cardinale in bas Conclave; die Kirchenverſammlung ordnete brei: fig Wahlberren bei. Zuerſt war große Bewegung

über die Nation , aus welcher der Papſt gewählt

werden ſollte ; nicht lang ; fie bedachten die außer

Sap. 1. Bon der Kirchenverſammlung zu Coſtanz. 95

ordentliche Zeit. Noch waren ſie keine dritthalb Tage verſchloſſen , als an St. Martin Biſchofs Feſt , um

eilf Uhr des Morgens, vor der verfammelten Menge von achtzigtauſend Menſchen , Graf Otto Colonna von Rom zum Papſt ernannt wurde ; ein Mann in

reinen beſten Jahren , welcher Johann dem zweiund zwanzigſten auf ſeiner Flucht am erſten gefolgt und am långſten getreu blieb ; er nannte ſich Martinus nach dem Heiligen des Tages 15 ).

Nach geheilter Spaltung ( denn daß der Sidnig

von Aragonien bei ſeinem eigenen Papſt beharren wollte, mochte nicht verungültigen , was vterhun dert acht und dreißig Båter für zwölf Könige und

faſt ganz Abendland und Nordeuropa beſchloſſen ) wurde die Sache der Kirchenverbeſſerung verhandelt. Martinus der Fünfte folgte in der Verwaltung den Gewohnheiten ſeiner Vorfahren , indeß er die Hoff nung ließ , daß dieſelben verbeſſert werden ſollen ; ſchien andachtsvoll ; fchwieg und beobachtete die

Stärke der Parteien und wie durch die neue Wen dung der franzöſiſchen Staatshandel Gerſon ſeinen Einfluß verlor ; fing an , aus den Kirchenvatern

des nothwendigen , allezeit geweſenen Unterſchiedes der Sitten und Einrichtungen jeder Kirche zu er: wähnen ; bemerkte , obne Mißvergnügen , wie un : einig die Fürſprecher der Neuerung unter fich was rea ; that hierauf jeder Nation eine beſondere Er:

Flårung über die Art, ihren Beſchwerden abzuhel

fen ; ſtellte ſich, als ob er gewiſſe Widerſprüche gar

96

Serdichte der Schweiz. IJI. Budy.

nidyt Horte , in andern die unlängſt verworfenen Grundfáße entdeckte, freute ſich des Vorwandes ei: ner Peſt; verſchob wichtige Punkte auf die nächſte Nirchenverſammlung; war in Hauptſachen zweideu: 8 5 tig, ohne daß es auffallen konnte.a), that ſehr ei: fend,1 und hielt nach dem Tag feiner Wahl keinen für glúdlicher als den zwei und zwanzigſten April des tauſend vierhundert und achtzehnten Fabrs , als er in der feierlichen fünf und vierzigſten Si Bung die gange Kirchenverſammlung fegnete , und entließ *225 295 e ). (Ratification der Uebergabe des Aargau .)

In denſelbigen Tagen wußte der König, vermits telſt eben der Maßregeln , die er im vorigen Jahre ergriffen , den Herzog Friedrich zur Unterwerfung zu nðthigen. Die Grafſchaft Kiburg war als eine

Öſtreichiſche Pfandſchaft in der Hand Frau Cunt: gonden von Tokenburg , vermählter Gräfin von Montfort; ihr Gemahl bielt in des Herzogs Unglück für das einzige Mittel Kiburg zu retten, daß er ſich zu dem Reich hielt ; endlich ſchien der König Willens, nicht nur die Löſung , ſondern das Eigenthum der großen Grafſchaft Kiburg den Zürichern zu geſtat: ten 1-6). Der Stadt Winterthur gab er hohe und niedere Gerichte » ). Den Baslern that er durch Graf Gúnthern von Schwarzburg den Vorſchlag eis ner Verpfändung des ganzen obern Nheinviertels , alles deſſen , was von Schaffhauſen bis zu ihnen

óſtreichiſch ift * ). Nach Empfang des übereinge: toms

Cap. 1. Bon der Kirchenverſammlung zu Coſtanz. 97 kommenen Pfandſchillings 19) beſtåtigte er Aargau in dem Gehorſam der Berner 230). Eben damals wurden auf dem Schloß zu Mörs: .

burg die Friedenshandlungen angefangen . Der Her

jog felbſt, nachdem Graf Wilhelm von Montfort ihm das begehrte Geleit überbracht, kam über den Arlenberg nach Tettnang und auf Mórsburg. Als

die Ráthe nicht libereinkamen , 30g er über den See

und fab beim Frauenkloſter Münſterlingen den Ko nig. Ohne den Artikel wegen Aargau wurde der Friede damals gemacht worden feyn . Eine gewiſſe

beſondere und allzugroße Hochſchåßung der Lande zu Aargau war unter den Herzogen Familienuber: lieferung: Friedrich, dem die Zeiten ſeines Un glúds bald wider jedermann eine Urſache gaben ,

hatte aud Benedig durch Sperrung der Páfe zu

Bezahlung einer großen Summe Seldes bewo gen "') ; dieſe hatte er mitgebracht, núblich zu ló ſungen. Auf der andern Seite war nicht nur den

Schweizern Aargau ihrer ſelbſt wegen von viel gró Berem Gewicht; auch der König mußte ſowohl für fich, als wenn je fonſt ein verdienſtvoller Fürſt ohne

überwiegende Hausmacht Kaiſer wurde, befürchten, gegenpflichtvergeſſende Stände nie wieder bei Reichs gliedern Gulfe zu finden , wenn die Zurücgabe des Aargau's bewieſe , daß dergleichen Beiſtand undants bare Arbeit iſt. So viel verſprach er : ,,da nicht

ermöglich fen , daß er das Gegentheil ſeines eigenen Wortes 131) gebiete, wolle er die Eidgenoſſen bit: I. 6. Müllers råmmti. Werke. XII.

7

98

Geſchichte der Schweiz. III. Buch.

„ ten , dem Herzog dieſer Löſung Statt zu thun. Sie verſammelten fich in der Stadt Zürich. DA

der König eilenos auch dahin geritten 455), will man

glauben , er habe , was er vielleicht ungern vers traute, durch Winfe ihnen perſönlich zu verſtehen gegeben , und hiedurch beigetragen , daß die Tags ſabung die kurze Antwort ertheilte , wſie halte ſich

„in allem an Seiner Königlichen Snaden verbrieftes „ Wort. “ Friedrich rab die Unmöglichkeit ſie zum Gegentheil zu nöthigen ; und fchahte für ein Glud ,

daß Baſel die angebotene Verpfändung , entweder weil ſie unbillig, oder weil ſie unficher ſchien , ab lehnte. Da fichloß der Herzog am zwölften Mai mit König Sigmund in folgenden Artikeln reine Vereinigung : „Daß der Biſchof zu Trento in ſeiner ,,Stadt und allen Burgen und Caftellen des Hoch

ſtifts hergeſtellt werde; daß Graf Hanns von fus pfen , Lanografen zu Stúlingen , alles Abgenom ,,mene zurücgegeben werden ſoll »3*); daß der Hers 130g fich vertrage mit Graf Eberhard von Kiros ,,bers , und um alle Sachen Frau Katharinen von ,,Burgund , Wittwe Herzog Leopolds; daß der Stó „ nig ihm geſtatte, alle in dem obern Elſaß, in dem ,,Sundgau und Breisgau zu des Reichs Handen . ,,eingenommenen und verpfändeten Städte und Bur:

wgen von den Pfandinhabern wiederum zu lös fen 255) ; daß hievon ausgenommen fey , und Her ,180g Friedrich Entragung thue für ewige Zeiten auf ,,dasjenige , was die Eidgenoſſen inne haben und

Pon der Kirchenverfamintung zu Coſtanz.

Cap. t .

99

„ gum Reich empfangen iſt 256) ; unveränderlich wers den alle diejenigen Gnaden und Freiheiten beob

Jachtet, welche der König andern Stådten und .

„ Burgen ertheilt ; es empfange der Herzog von „ dem König ſeine Lehen ) und bezahle die Summe ,,pon fiebenzigtauſend Gulden 58) an denſelben.“ Dieſe Verföhnung wurde an dem ſechsten Tag in der Stadt Coſtanz auf öffentlichem plaß an dem obern Markt von dem König im vollen Glanz der Majeſtát vor den verſammelten Reichsſtanden und ejner unzähligen Menge Volls aufs feierlichſte er :

klárt und bekräftiget ; Friedrich nahm die Lehen ; Papſt Martinus tilgte den Bann .

Hierauf inner wenigen Jahren ſchwuren die pier Waldſtatte an dem Rhein , Freiburg im Breis.

gau 13 ), Neuenburg und Breiſach unter die vorige Herrſchaft. Schaffhauſen beſchloß die Erhaltung der unveräußerlich erklärten Reichsunmittelbarkeit. Nicht wenig ſtarfte ſie dabei, als die Zúricher ohne

Bundesverpflichtung Berchtold Schwende ) an fie

fandten mit Auerbietung aller Hilfe ; da wurde Jo hann von Winkelsheim , Bürgermeiſter , mit Ios hann dem Hallauer , Sadelmeiſter, zu Erneuerung ehemaliger Freundſchaft nach Zürich geſchickt ). Auch die von Dieſſenhofen , unerſchrocken , ob zwar klein , bielten bei der Freiheit feſt. Obichon über große Erbitterung alle Gefühle der Menſchlichkeit und Ehre erſtidte ( ſo daß edle Herren Mordbrenner

wider die Eidgenofen mietheten ) *) , gleichwohl

100

Geſchichte der Schweiz. III. Buch.

blieben diejenigen frei, welche den Augenblick ge genwärtiger Gefahr verſchmábeten , um dauerhafte Vortheile auf ihre Nachkommen zu bringen. Denn das hatte der Herzog verſchrieben * ) , „ reichsfrei werklärte Stådte , wenn ſie nicht freiwillig wieder ,,unter ihn treten , bei ihren Urkunden zu laſſen .“ Der König befeſtigte ihnen ſein Wort **) ; von den

Eidgenoſſen wurden ſie beſchirmt, aus Neigung, und auf ſein Gebot *). (Schweizerreiſe des Papſts.)

Martinus aber , des Ausgangs der Kirchenver: fammlung froher, als er ſagen mochte, zog aus der Stadt Coſtanz , mit funfzehn Cardinälen , vielen .

Biſchöfen und ſehr großem Gefolge , fein Pferd ge

leitet vom König und von dem Kurfürſten zu Brandenburg, der Traghimmel +46) von vier Grafen ,

die Dede des Pferdes von Herzog Friedrich und von dem zu Bayern emporgehoben. Bei Gottlieben faß

er zu Schiff : Am Pfingſtmontag Abend landete er bei Schaffhauſen , ganz anders als da er vor drei Jahren dem fliehenden Johann folgte. Es füüten das ganze Geſtade alle Knaben, die nicht über vier: zehn Jahre alt waren, weiß bekleidet, mit Blumen belrånzt, grüne Zweige in der Hand , bis , als der Papſt an das Land ſtieg , fie fic plónlich auf beide

Seiten trennten. Da erſchien bewillkommend Herr Berchtold von Siſach , reit vielen Jahren zu Aller

heiligen Abt * b) , Johann Propſt**) zu Wagenhau: fen , der Gwardian von den Barfüßern, die Meiſte

Cap. 1 .

Von der Kirchenverſammlung zu Coſtanz. 101

rin zu St. Agneſen , die ganze Prieſterſchaft mit Heiligthum und Geſang ; der Bürgermeiſter und Rath , alle Edlen und achtbaren Burger *b ). Im Kloſter Allerheiligen blieb der Papſt 8 ). Viele der Vornehmen vermehrten ſein Gefolge, als er hierauf über Kaiſerſtuhl die ſchlechtgebahnte Straße 9) nach Baben und Lenzburg zog. Zu Lenzburg empfingen

ihn die Geſandten der Berner. Fröhlich wurde er pon St. Morizen Stift bei Zofingen 15 ), fröhlich zu St. Urban bewirthet :51) , als der vor wenigen Wo

chen ihre Freiheiten beſtåtiget. Er lag zu Solo thurn drei Tage 252s ), zehn zu Bern . Zum Geſchenk gab ihm die Stadt Bern hundert fünfundzwanzig Mütt Sternen , vierzig Malter Haber , acht Fuder

Burgunder wein und Rheinwein , acht Maſtochſen , vierzig Schafe, und viele Hühner, Fiſche, Semmel brode und Kerzen. An dem Fronaltar bei den Pre digern hielt er ein Hochamt , welches viertehalb Stunden währete ; er rang auf dem obern Dor

menter eine Collecte , daß Gott mit ihnen ren ; ſegnete fie ; ſekte zu Erlaffung vorbehaltener Sün:

den vollgewaltige Pónitentier; mehrte durch Ein verleibungen das Einkommen des Münſters 15 ), that endlich noch, da er bei dem teutſchen Hauſe zu Pferd ſtieg ., einen großen Segen 954) . Auch lag er

drei Tage ſehr zufrieden in Freiburg ess ). Von da begab er ſich über Lauſanne nach Genf; der ganze

Hof war noch voll des Nuhms der Bewirthung zu Bern 6). Von Genf *54) 30g Martinus nach Sta:

102

Cerchichte der Schweiz. III. Buty.

lien. Der påpftliche Hof wurde zu Florenz auf: geſchlagen. (Lob des Conciliums.)

Die allerfeierlichſte und größte Verſammlung, welche von der abendländiſchen Chriſtenheit jemals gehalten worden iſt, endigte fo ; nachdem ſie in der

Stadt Coſtanz ungefähr viertehalb Jahre 158) gereffen , ohne daß durch die Menge fo verſchiedener, ja zu glei:

cher Zeit kriegführender Nationen bei ſolcher Erbittes rung der Parteien , jemals ein Tumult , oder eine Theuerung, oder eine anſtecende Krankheit59) ent:

ftanden wäre. Das Lob gebührt ihr , nicht allein die Spaltung (eine große Wunde der Sierarchie) geheilt , ſondern ſolch ein Decret gegeben zu haben, wodurch ., wenn es auch nur bisweilen erfüllt wor :

den wäre , die übrigen und nachmaligen Uebel ver beſſert werden konnten : „ daß eine ſolche Verſamm ,, lung alle zehn Jahre6) gehalten werden ſolle." Zwar waren ſie hiedurch gemein geworden, und wür

den ihre Straft verloren haben. Wenn man aber das dreißigſte oder funfzigſte Jahr beſtimmt hatte , fo konnte die Kirche eines Vortheils genießen, deffen Ermangelung die allergrößte Unvollkommenheit te : publicaniſder Verfaffungen iſt. Nämlich weil die be: ften Einrichtungen durch die Zeit altern, und von den Leidenſchaften endlich verſtellt werden , ſo iſt gut,

wenn Epochen und Mittel beſtimmt ſind , wodurch eine freie Verfaſſung fich ſelbſt erneuert”ı). Hie durch gewinnt fie, in Bervollkommnung fortzuſchreis

Cap. 1. Bon der Kirchenverſammlung zu Soſtanz. 103 ten gleidwie der menſchliche Geiſt * »), und vermei: det eine überaus große Gefahr, endlich außer als ſem Verhältniß zu feyn mit neuern Umſtänden der

Weltverfaſſung. Dem nady, was zu Coſtanz ge fchehens), iſt glaubwürdig , daß die funfzigiáhrige Kirchenverſammlung nicht leicht ohne irgend eine wichtige Verbeſſerung auseinander gegangen ſeyn wiirde 96 ). (Damalige Sitten . )

Nach dem Bergnügen ,1 im Umfang der Stadt

Coſtanz die auszeichnenden Sittenzuge aller euro päiſchen Völker beides in großen Verhandlungen und im geſellſchaftlichen Umgang neben einander zu Feben , war damals: kein anderes fo lehrreich und

unterhaltend, als die Bergleichung der Sitten der Schweizer mit Lebensmanieren der Italiener , bei welchen ſchon alles bekannt war , was weiland an

Auguſtus Hof Geiſt und Sinnlichkeit reizte. Bei unfern vátern und bei den benachbarten Teutſchen febten ſowohl Hirten und Bauern als Bürger, der Landadel ſowohl als die Rathsherren und Helden ,

haushalteriſch und vaterländiſch in ihren Geſchäften ; aber nicht finſter noch freubenbaring. Sie liebten tanz

und Geſang; fiefangen Gott und ihre Waffen ; Liebern der Liebe waren ſie nicht feind. Ihre Spiele waren Fu Leibesübung und Schery 6 ) ; daß einer viel Geld

hierein feste, mochte die Obrigkeit hindern ), es war nicht in den Sitten 26 ). Obwohl Baſtarde nicht

ſelten waren 68), iſt faſt unglaublich , wie unarg

104

Geſchichte der Soweiz. III. Buch.

wöhnig die Våter und Månner zu feyn fortfuh ren 369). Denn es war jedem ſchwer, von den Sei nigen etwas ungleiches zu vermuthen ") ; vielleicht

nicht unbillig , weil bei beſchäftigten Männern , die doch mehr den Körper als den Geiſt übten, und bei einem Volkė von häuslichen Sitten die Leidenſchaf ten der Wolluſt weniger wütheten " ). Hiebei half

ihr natürlider Hang zur Fröhlichkeit , welcher ſchwarzen Sorgen und Anſchlågen in dem heitern Gemüth keine Statt láßt ; um ſo leichter , da wenig ihnen genug war , und ſelbſt unglúd von den mei ſten ) als Gottes Fügung erduldet , ihnen von andern erleichtert und möglichſt bald vergeſſen wur de. Aus Zeiten folcher Unſchuld find jene Schilde

rungen der alten Griechen von den Spielen der Góttin zu Paphos , welchen Franceſco Poggio die

Lebensart vergleicht , welche ihn in den Bådern zu Baden entzückte "s). Poggio , unter den verfeiner ten Völkern zur ſelbigen Zeit einer der erſten Men= ſchen , wurde um dieſe Ruhe und Freude vielen Prunk ſeiner Florentiner hingegeben haben. Wenn er aber ſein Sunſtgefühl, feine Kenntniß der Alten , ſeinie mannichfaltige Lebensweisheit nicht mit håtte

aufopfern wollen " ) , ro hátte er die ſchweizeriſchen Sitten doch nicht erhalten. Es iſt bei jedem Volke, in jeder Zeit , eine ſolche Miſchung des Guten und Böſen , daß der Weiſe für ſich immer gut ſeyn mag, an feinen Mitbürgern aber das Leſtere erdulden

muß wegen ſeiner Verbindung mit dem erſtern .

Cap . 1.

Von der Kirchenverſammlung zu Coftong. 105

Bo ſich der Geiſt entwidelt, werden auch die Lei: denſchaften ſcharfſinnig. Nicht durch Sittenånde:

rung dieſer Art wird ein Volk veráchtlich , aber das durch , wenn es die großen Tugenden verfáumt,

wodurch das Vaterland behauptet wird 995). Uebri: gens ift nicht viele Spur, daß die Sitten der Co

ſtanziſchen Verſammlung auf die Schweizer ſehr gewirkt ; der Abſtand war vermuthlich allzugroß. (3 igeune r.)

· Die Menge herrenloſer Knechte und verlaſſener Dirnen, und alles Geſindel , welches unter andåch tigem Schein , aus Neugier und Hoffnung leichten Sewinns, durch mancherlei Mittel , in die Gegend um Coſtanz gekommen , geſellte ſich häufig zu den ſtarken Bettlern, welche reit langem eine Art Ver: brúderung hatten . Zu derſelbigen Zeit, nach voll

endeter Kirchenverſammlung in dem fünften Mo nat, erſchien vom Gebirge her -45b ) in den Landmar

ken der Stadt Zürich eine große Schaar 176) von uns bekannter Nation , braun von Farbe , fremd von

Geſtalt 236b ), in Kleidern gering , mit Påffen von der oberſten geiſtlichen und weltlichen Macht. Mis

chael hieß ihr Anführer "') ; ſie wurden Zigeuner genannt "78 ). Von allen Ländern, wo fremde Spra chen geredet wurden , wußten die damaligen Men Then ſo wenig , daß die Zigeuner nicht verſtanden werden mochten , oder ungeahndet logen '' ). Aus

ihrer Sprache vermuthet man endlich , in der gro : ßen Erſchütterung des obern Oſtindiens, als Pir

Gerichte der Schweiz. III. Buch.

106

Mohammed Jehan Ghir, Timurs Enkel, das Haus der Sultane von Ghaur geſtürzt, Feyen fie , befont ders aus dem Lande Multan , Afien hervor , nach Europa gekommen * ). Damals hielten fie drift fiche Sitte * ) , und wurden geduldet als die (aus der Beute irgend eines Boles) eine Zeit lang noch

Gold und Edelgeſteine hatten . Aber von dem an zeigt fich faſt in allen Ländern eine Zigeunergefelt: ſchaft, welche ihre Obern , ihre Gefeße 18 ), ganz ober

zum Theil ſelbſtgeſchaffne Sprache 185) und gewiſſe, freilich eher morgenländiſche Künſte 384) hat, äußerſt finnreich 185), in allen Erfindungen wider die einge 286 führten Eigenthumsrechte18 ). Bis auf dieſen Tag

find , beſonders långshin der Gränze vieler Staa 1

ten , dergleichen Verbindungen über alle Vorſtellung

zahlreich , weitläuftig und eng verbunden , und üben ohne Furcht Krieg wider die Einrichtungen der menſchlichen Geſellſchaft , von welchen (weil fie ihre Vortheile nicht genießen ) fie fich frei glauben , eine Menſchenclaffe , welche , fo wie die Bettler, unter den übrigen unbeobachtet lebt. ( Rarons Strieg.)

Von den Schweizern wurde in den Jahren der Stirchenverſammlung ein ganz anderer Krieg, als

der zu Aargau, auf der italieniſchen Gränze geführt. (

*

1 & B. )

Als oben erzähltermaßen die Thaler von O Mola von den Eidgenoſſen überraſcht und alſobald erobert worden, war unter dem Kriegsvolt ein Gerücht er

Sap . 1 . Von der Airchenverſammlung zu Coſtanz. 107

gangen , Wiſchard von Raron , Freiherr , Herr zu Ennfiſch 8187) , Landeshauptmann von Walis , Bí: Tohof Wilhelms zu Sitten Dheim oder Vater, Bur: ger von Bern, habe geſagt: „ Wenn er gegen Fie ge:

ftritten hatte , ſo mußte nicht einer davon gekom : ,,men feyn .“ Dieſe Nede kränkte ihr Gemüth. Als 11

.

die Banner in die Waldſtåtte zurücgekommen , fand ten ſie Heinrich Zelger , landammann zu Unterwal. den , mit Vorſtellung der Unleidlichteit folder et

renrúhrigen Worte und Begehren ihrer Beſtrafung

auf Bern. Bern ſprach : „ Von der Zeit an, da fie in der Bewaffnung wegen Oltigen den Herrn von

,, Raron vergeblich gemahnt , úberlaffen ſie ihn fich felbſt.

Aber die Urner und unterwaldner , für

Ehre ſo empfindlich als für Freiheit ; ergoffen ihr Gefühl in die Herzen der Landleute von Wallis . Hiezu tam , daß Raron für den Urheber gehalten

wurde , daß der Herr von Chivron das Eſdenthal To ſchnell unter Savoyen brachte , und daß von dem Zug, den er zu König Sigmund gethan, viele unbe foldet in ihre Heimath gekommen. So erwachte in bem Landvolk der Unmuth , wodurch am Hauſe Ka ton bald alles Hart und unzulaffig , Teine Macht ge fáhrlich und ihr Gebrauch fchon ſo landſchadith fchien ', daß jeder ſeine eigne Geduld anklagte : Warum gelitten werde , daß man die Krieger will: î ,kürlich aus dem Rand geführt ? wozu der unbe

,,willigte Bund mit Savopen ? Die Herkommen werden untertreten und vergeſſen ; die Großen

108

Geſchichte der Schweiz. III. Buch.

i

,, wollen Knechtſchaft aufbringen . Auch ſey Anton ,,von Churn zu Geſtelenburg långſt geſtorben, und

„ niemand gebe Rechenſchaft von ſeinen Mannle ,,hen 188); die Karon werden ſie haben müſſen ; bald ,,werbe Wallis ihr reyn ; redlichen Männern ſtehe

wu, bem abzuhelfen .“

Dergeblich, berief ſich der

Biſchof auf ſein gráfliches Amt und Lebenrecht , fie

hielten es dem Herkommen zuwider. Die Männer von Brieg ſtanden über diere Sache mißmuthig bei: fammen , als eben aus Eichenthal einige favopiſche

Strieger uber den Simplon in das Dorf herabzo gen ; dieſe fielen ſie an , riffen ihnen die Waffen aus der Hand und ſtießen ſie , úbelgehalten , aus

dem Dorf, mit Vermelden, „ man werde ihres Glei ,, chen im Lande Wallis nicht mehr dulden .“ Dieſe vertragswidrige Chat hielten ſie für gerecht , weil der Bund vom Lande nicht gutgeheißen fer. Die Urheber dieſes fühnen Beginnens , um ſelbſt ſicher zu ſeyn , bewegten gang Wallis nach der vielleicht altern Sitte tag) folgendermaßen. (Die Ma į i e.)

Einer nahm einen großen Kolben , ging aus des Abends mit mehreren , an einen Ort , wo ein jun

ger Birkenbaum ſtand : ſie wunden die deſte zu: Tammen, ſteckten den Kolben oben herein und riſſen

den Baum aus der Erde , wie das landfreſſende

Uebel ausgereutet werden ſoll mit verbundener Macht. Hierauf ſchnißten ſie den Kolben grob in die Geſtalt eines Menſchenanțlißes, auf daß er un

/

Cap. 1 .

Von der Kirchenverſammlung zu Coſtanz. 109

terorúďte Niedrigkeit 9 ) abbilde , welche nicht ſchon

zu ſehen pflegt. Alsdann flochten ſie durch die Aeſte fo viel Geſträuch , daß die Figur aus den Dornen , womit Uebermacht rißt und zwangt , kaum hervor: rah. Endlich ſchlug jeder, der ſie retten wollte, un ten einen Hufnagel in den Baum , zu Bezeichnung ſeines feſten Entſchluſſes. Dieſe Mazze ( io nann

ten ſie den Popang) banden ſie Nachts an einen Baum , welcher am Wege ſtand. Früh waren ſie auf, ſchwiegen , horchten die Reden der ſtillſtehen : den Menge , bis wenn das Volt rich geſammelt, ein fühner Mann als Mazzenmeiſter hervortrat, fie losband und ſich mitten auf dem öffentlichen

Plan neben ſie ſtellte. Da erhoben viele die Frage : „Mazze , was leideſt du ? Mazge , warum biſt du hier ?"

Die Niedrigkeit, von ungerechter Gewalt

geſchredt, öffnet ihren und nicht. Sie ſaben die:

res , und fuhren fort: „Iſt ein herzhafter Mann, ,,welcher wohl reden kann und dem das Land lieb „iſt , derſelbe trete bervor und fer Fürſprech der ,,Mazje . " Der Fürſprech redete in folgendem Sinn :

w ſie wollen dir helfen , Mazze ; ſprich ; nenne den „ Mann, welchen du fürchteſt! .... Iſt's der Sil „ linen ? ... Ift's der Aſperling ? ... It's. der „ Henngarten ? 991).“ Sie ſtand und ſchwieg ; von jedem fagte er, welcher Unterdrudung er verdächtig

reyn mochte ; endlich ſprach er : „ Sind es die von „ Raron ?" Die Mazze neigete ſich ſehr ; ehrerbie tig , wie hulfsbedürftig , ſtand auch der Meiſter.

110

Geſchichte der Schweiz.

III. Buch .

Der Fürſprech redete : „Sie hat euch geklagt ; bis „,berbe Männer , wer die Mazze retten will, bebe

„die Hand auf. “ Als der mehrern Hand 9) ( chien ,

die Sereße ſchweigen vor der Gewalt , Macht erfoč: dere Gegenmacht, wurde der Tag auf baldmöglichſt

beſtimmt. Es erging von Dorf zu Dorf durch alle Zehnten : ,, Die Mazze wolle zu dem Landeshaupts

mmann, zu dem Biſchof und allem Anhang von Ras „ kon . “ Alſo in dem neun und dreißigſten Jahr nach dem Anfang des Haglúds Herrn Antonius von Thurn zu Geſtelenburg , wozu die von Raron geholfen 293) , (chirmte Herru Wirdhard weder der Glanz uralten Adels 29 ) , noch fremde Gunſt , oder die Bereinigung der oberften würden , daß nicht am beſtimmten Tag alle landesgegenden mit gros

Ber Uebereinſtimmung vor alle unbefeſtigten Häuſer ſeiner Partei die Mazze fekten. Hierauf drangen ſie herein , trugen alles Geråthe fort und verzehr: ten alle Lebensmittel. Wåre er geblieben , ſo würde

er ſein Leben der Mazze zum Opfer haben hinge ben múffen. Er , ſobald ihm geſagt wurde , man werde ihn mazzen 595), eingedent, was dem von Ge ( telenburg begegnet, erſchrad nicht wenig. Zuerſt

ritt er, ſein Burgrécht mit Bern zu erneuern , zu einer Zeit aber , als man jenen Vorwand unbefolg= ter Mahnung wider ihn gern viel gelten ließ , weil der Sinn von Bern ganz auf Aargau gerichtet war. Durch Freiburg erhielt er (damit feine Bur

gen dod verſchont blieben ) , daß , nachdem er die

Cap. 1. Von der Kirchenverſammlung zu Coſtanz. 111

Landeshauptmannſchaft niedergelegt und Biſchof Wilhelmen ſich ſelbſt überlaſſen , die Walliſer noch von ihm abließen . Es iſt keine Spur in Urfunden oder Jahrbů: chern , daß Wifdard von Raron ein bófer Mann

geweſen , aber daß er die Walliſer wegen ihrer nicht gar feinen Landesfitten etwa lang verachtet , wohl

deßwegen ſich unerlaubte Dinge herausgenommen , und natürliche Vorliebe zu dem fürſtlichen Hof Sa: popen unpolitiſch geoffenbaret. Unter feinem Gins fuß hatten sich die Rathsherren der Stadt Sits

ten 396) mit andern vornehmen Männern 199) und achtbaren Bürgern 898) vor kurzem zu gewiſſen Ge feßen verbunden , welche in feiner andern Haupts ſtabt hatten gegeben werden müſſen ) : „ Man ſoll ,,doch Leute regen , welche die Hinterfaſſen und al lenfalls auch die Bürger 340 ) dazu anhalten , den ,, Stadtbach zu reinigen, damit er nicht austrete 30 ). . In dem Waſſer, wovon Menſchen und Vieh trin : len muiffen , foll niemand garſtige Kleiber oder ,,Eingeweide waſchen . Zur Ghte der Stadt und ,, Bürgerſchaft foll doch niemand mehr Miſthaufen or feinem Hauſe haben 5) und wenigſtens die Hauptgaſſe ſoll man wöchentlich einmal faubern ). Wer ſtinkende 3 ) Firche zu Markt bringe , dem woll man ſie verbrennen . Die Syndiks und Räthe ſollen einen verordnen , das Protokoll zu halten35 ). „ Wenn in Gemeine geläutet werde , ſoll fich jeder ,,mann ein finden 5.6). Bürger mufen in der Stadt /

11

112

Geſchichte der Schweiz. III. Budy.

orangereſſen feyn 30'). Zu Beſtreitung der öffentlichen „ Ausgaben 508) ſollen Salz und Håringe verzodlet

werden 309).“ ( Xaron

vertrieben .)

Vergeblich glaubte der Herr von Raron ſeine Feinde durch die Entſagung alles Antheils an den öffentlichen Geſchäften beruhiget, und hoffte die Her :

ſtellung ſeines Anſehens von der Zeit. Eben die ſes wurde von der Widerpart befürchtet ; eher nicht hielten ſie ſich ſider , bis Raron gånzlich aus dem Land gemazzet worden. Daher brachten fie der Menge bei : „ Daß ein Mann , wie er , fich ver ,,meſſen , dem Vaterland vermittelſt fremder Hülfe .30 widerſtehen , fer Zerſtörung ihrer Freiheit. „ Wenn er Wallis nicht ſelbſt haben könne, ſo möchte ,,der Verråther es gern verkaufen . Starte Burgen ofeyen ſein Troß ; was der Landmann von ihm ,, halte , fümmere ihn wenig .

Dieſe Rede fand

Eingang, und mehrere Gründe entflammten das Volk. Eines morgens brachen ſie auf , beſonders von den obern Chålern, ein furchtbarer Haufe. Sie raubten ihm zuerſt vierzig Ochſen . Eine große Burg lag auf der Höhe , über dem Fleđen Siders ; in dieſe drangen ſie und legten fie ganzlich in Schutt.

Von da zogen ſie herauf, gingen über die Dala,

kamen auf leuk , und legten ſich zugleich vor einen Thurm , wo in beſſerm Glück der Herr von Raron prachtig wohnte , und vor eine Feſte des Biſchofs. Beide nahmen ſie ein ; keine Sache ſchonten ſie, ſondern I

zer:

Sap. 1. Bon der Kirchenverſammlung zu Coſtanz. 113

gertrümmerten und brachen alles muthvoll herunter , eilten, zogen aus leuk herab, gingen über den Rhodan und belagerten Beauregard. Beauregard, hoch über Chippis auf der Spiße eines fenkelrechten hohen Felfen , fchirmleiſtend und gehorſamgebietend weit

:

herein, wo das Chal Ennfiſch , in Hochgebirge ver borgen und lang Fluchtort oder Schweden Sog b ), end: lich in ſchönen Weiden ſich an die Ulpen von Aoſta verliert. Raron, welcher das Vorige ertrug , weil dieſelben Burgen vielleicht nicht ſo ſein eigen was rens ), und weil er hoffte, das Volf werde fich

ſtillen , eilte, in Gefahr der althergebrachten Herr: fchaft feiner Voreltern , abermals nach Bern. Er fand die ganze Stadt in Bewegung über den voll brachten Zug in Aargau , einzig wachſam auf den Herzog Friedrich. Alſo , nothgedrungen , als fer

nere Zurüchaltung Selbſtverſäumniß war , ergriff er für ſich und für den Biſchof den Schuß des Her gogs von Savoyen. Stónig Sigmund erhob in dies ſen Jahren 5 ) Amadeus ben Achten in berzogliche Würde. Der Herzog , froh eines Vorwands , be fahl dem Landvogt Amadeus por Challant, mit ge

nugſamer Macht von Chablais nach Wallis zu ziehen, von dem Biſchof die Burg der Maierei bei Sitten ,

hoch über derſelben die Faum zugängliche Türbelen, und in dem Pas nad Sanenland Gerſtenberg Bit) zu empfangen , und ſie gehörig zu befeßen . Der Herr

von Raron ſammelte alle vorräthigen Lebensmittel, und je die tapferſten Männer , deren Treu er ſicher vo D. Müllers såmmtl. Werte. XII.

8

114

Geſchichte der Schweiz.

III. Budy.

war ; nahm zu ſich ſeine Gemahlin , Frau Marga

reta von Razúns , den Biſchof Wilhelm , alle , die in ſeinem Hauſę betagt oder unmündig waren, ſtarfte die Felſenburg Seon , und befahl ihnen und allem Geſinde , mit ſeinen koſtbarſten Sachen auf derſelben zu bleiben. Beauregard verwahrten ihm viele getreue Diener ; der Sommer half, durch deſs ſen überaus große Hiße in Wallis jedermann un thátig wird ; endlich wurden ſie durch Hunger zur Uebergabe genöthiget ; bald leuchtete weit hinein durd Ennfiſch die hohe Flamme von Beauregard.

In denſelbigen Tagen als geſagt wurde , „ die „ von Raron vermeinen ſich durch den Herzog von „ Savonen zu behaupten ,“ ſtieg die Erbitterung auf das höchſte , durch den Beitritt vieler ſonſt Unparteiiſchen , welchen der Schritt, wozu der Herr von Raron genöthiget war , åußerſte Gefahr der Freiheit und Hochverrath an dem Vaterland ſchien .

So groß und ſo drohend wurde ihre Uebereinſtim mung , daß Amadeus von Challant, nicht unbillig

ſelbſt für Chablais fürchtend, einen Stillſtand ſchloß 53), welchem bald frtede folgte. Der Herzog (auf welchen Naron einzig traute , ſo ſehr, daß be fonders dadurch ſein Unglüd entſtand ) erneuerte , ohne für ihn zu bedingen , die alten Vertrage 34) . Túrbelen , Majoria und Gerſtenberg übergab er nicht wieder dem Biſchof, ſondern dem Domcapitel, um Geld. Sofort wurden dieſe Burgen von den .

Waliſern eingenommen , geplündert und zerſtört.

Sap . 1. Bon der Kirchenverſammlungzu Coſtanz. 115 $

le

Nur Séon blieb ; die Macht von Raron war gefal len , der väterliche Reichthum zerſtreut und perdor ben ; in dem Einzigen war Wiſchard nicht ſo uus

glüdlich als Herzog Friedrich , daß er den Muth nidyt aufgab , und Herr feiner Perſon blieb. (Bürger du Bern.)

Noch hoffte er, ſeine Noth ſoll die Berner be 1

wegen ,/ und begab ſich zu ihnen. Der vorige Glanz fehlte ihm ; aber er hatte die rührende Würde eines

Mannes, welcher einem unwürdigen Schickſal aus l 1

f i

7

Geiſteshoheit nicht unterliegt. Er erinnerte die Edlen ; ,, Von welchem Glúd feines alten Stam „mes er unſchuldig bis in das Elend geſunken ; ,,der Wechſel menſchlicher Dinge könne ſie auch tref

„ fen ." Er ſtellte ben Ráthen und Bürgern vor : „ In beſſern Zeiten habe Raron die Bürgerrechtser ,,neuerung nie vergebens begehrt ; wenn er fo blind ..geweſen , einmal Fürſtengunft vorzuziehen , fo fer ver um hohes Lehrgeld für ſeine künftigen Tage ,,beffer unterwieſen ; Bern rey ſonſt nicht gewohnt,

Külflore zu verlaſſen ; Fehler vergebe auch Gott ; „um Gottes willen (in der Welt ren kein Hülfs ,,mann für ihn) mochten ſie ihm die übel 315) der ,,verfaumten Jahre abnehmen ; auf daß , nachdem ,,Wiſchard von Raron alles verloren , das Einzige ihn aufrichte, Berner zu ſeyn.“ Sie konnten ,, ihm nicht widerſtehen . (Landrecht £., Uri , UW. und Wallis.)

Nicht ſobald erhielten die Waliſer dieſer Dinge

116

Gefmitte ser Schweiz. III. Buch.

Nachricht , als vor allen andern der Zehnt Gombs,

in den hohen Alpen , an den Quellen des Rhodans, die Hofnung Rarons zu vereiteln beſchloß. Dieſe Manner ließen durch Freunde den benad barten Waldſtätten folgendes vortragen : „ Die Männer der ,,Gemeinde zu Münſter , die von Aernen und alle , mivelche von Doiſcherberg das Land aufwärts woh „ nen 36), haben mit Andern Wifcharden von Ra ron , der ſich zum Herrn aufwerfen wollte , beſon „ders aus dem Anlaß vertrieben , weil er die Sa

,,voyer angeführt, Eſchenthal einzunehmen ; dieſen ,,Mann gedenke Vern zu ünterſtüßen . Freien ,,bandleuten gezieme, dem guten Betſpiel der Wald

ſtatte gemål , zuſammen zu halten .

Ihnen fer

,,das Eſchenthal angrenzend ; fie getrauen und ver „ ſprechen zu helfen , daß es den Waldſtätten wie

,,der werden roll, für immer. Hinwiederum ftoßen fie an die Grímſel , und wiſſen von ihren Altvor dern , das wohl eher Feinde aus Oberland von ,,daher in Walis gezogen ; ob die Waldſtätte ſie nicht vor Bern ſchirmen wollen ? “ Unterwalden und Uri , welchen wegen livinen das Eſchenthal am

wichtigſten war , und Rarons Demüthigung wobl verdient und nüßlich ſchien , fie, und von ihnen bewo gen Luzern , machten ſich kein Bedenken , mit Sombs ein ewiges Landrecht aufzurichten . Sie handelten ver nünftig und gerecht : jenes, weil niemand beſſer bel fen konnte die Opolathåler wiedereinnehmen und behaupten , als die Nachbaren die fie jeßt für Mither:

Cap . 1.

Von der Kirchenverſammlung zu Cofanz. 117

ren erklärten ; auch mochten ſie von mehreen Orten einfallen , da ſie ſich hiezu 319) den Paß bebungen. Gerecht war der Bund , als der nicht (wie vormals mit Brienz) mit Angebörigen eines Bürgers von Bern , ſondern mit freien Männern , in der Yb richt geſchloſſen wurde ,. daß jeder Span zwiſchen Bern und Wallis ohne Blutvergießen durch das

eidgenöfliche Recht entſchieden werde. Gombs wurde hiedurch der Schweiz nicht mehr noch weni ger verwandt , als das gemeine Beſte wollte: Arti

kel wider dieſes Landrecht mögen ſie nie gültig ver ſprechen 5 ) ; ein anderes mogen ſie nicht aufnehmen ,

ohne der Eidgenoſſen Willen , welche dieſes in dem ewigen Bund einander ſelbſt auch verſprochen. Wo das Land ſich einigermaßen öffnet , gegen Elden thal, helfen fie ; aber die Schweizer mahnen ſie nicht in Lander, von welchen das ewige Cis der Grimer und Furke ſie trennt 3.9) Gombs iſt, wie die Wald:

ſtåtte , ein hochgelegenes Hirtenland , an Weiden fett , reich an Heerden, und an Mannſchaft ſtart; es gonnen ihm die Eidgenoſſen andere Lebensmittel (wo aur ſie ſelbſt Brod haben) bei ihnen zu kaua

fen , zu welchen offenere Zufuhr iſt; ſo , weil Salg aus Hochburgund am reichlichſten in Wallis kam 3»3 ), perſprachen auch die Gombſer , deſſen Stauf am era ſten den Eidgenoſſen zu geſtatten . Das alles , der

Landesverfaſſung des Wallis , wovon fie beinahe der'vornehmſte Zehnt ſind 3>") , unbeſchadet, fchwy:

Geſchichte der Schweiz. III. Buch .

118

ren die von Gombs , alle von vierzehn Jahren und darüber , ewig zu halten Sr»). (Eſdenthaler 3 ug.)

Sofort nach dem Eid, bevor er beurkundet wor

den , waren alle muthig , die Landbanner von Un terwalden und üri , Mannſchaft von Luzern , und gleichfam fortgeriffen *), die von Zürich und Schwyz, alle dieſe über den Gotthard , Gombs über den Al

brunn. Beide, Savoyen und Mailand, hatten in fonſt gerechtem Zutrauen die Bewahrung der Tha: ler pon Offola dem Grafen Carmagnuola übergeben . Aber ſchon hatte die ſchweizeriſche Partei die Oberhand 324 in Vogogna 38). Domo wurde erobert, Matarello zer:

ſtórt, Carmagnuola vertrieben, das Herzogliche Ban ner von Savoyen durch einen Mann von Unterwalden Tiegſtolz beim in feine Dorffirche gebracht , Eichen thal zum dritten Mal in ſchweizeriſche Pflicht genom: men .

Andere Orte , der Stadt Zürich gleichge:

finnt 345) , wurden ſich eines Erſabes der Kriegsko ſten begnügt haben. 376 ) ; die Beſignehmung wurde mit äußerſtem Nachdrud durchgefekt von Unterwal den und uri , welchen der Verluſt, auch als Ehrens krankung , von gefährlichen Folgen ſchien , für Les

ventina und Bellinzonas) , wo ſie Schußorte was ren. Aber ſo koſtbar 328) wegen der Verprovianti rung3 ), 1o Tchadlich dem Handel 33 ), ſo gleichgül

tig dieſe Kriege denen von Zürich und von Schwyz, welche kein Theil an der Gemeinherrſchaft ge

wollt 35i), immer ſeyn mochten , ſo weit entfernt 55 )

Cap. 1.

Pon der Kirchenverſammlung zu Coſtanz. 119

waren fie , ihre Eidgenoſſen hierin zu verlaffen . Dieſe Geſinnung verdient beſonderes Lob ; durch ſolche Aufopferung der perſönlichen Rüdlichten bleibt eine Eidgenoſſenſchaft ſtark zu ihrem Zwed ; durch treues Zuſammenhalten werden böſe Sachen gut ; gute werden ſchlecht , wo jenes mangelt 33 ). Auf dieſem Zug wurde der lette Widerſtand von Eichen thal, der ſich ſtark zuſammengezogen , am Eingang des Paſſes Simplon , bei dem Orte Dovedro, durch

die vereinigten Fahnen von Zürich und von Schwy; gebrochen 54 ). Der Herzog Viſconti erſchrad . Hátte ſein Dienſtmann Lotario Ruſca , Herr zu Locarno und Lugano 335) , etwas wider die Schweizer ver mocht , ſo würden ſie nicht bis an die Ufer der Treſa ſeine eigene Herrſchaft ungeſtraft geplündert haben. Der favoriſche Zuzug wurde von den Walli fern verhindert 336).

Bald nachdem die Gombfer das neue Landrecht im Erdenthal tapfer verdient, vernahmen alle Zehn

ten : König Sigmund , welcher ihnen die Her erſtellung des Herrn von Raron vergeblich empfoh „len , habe ſie der Stadt Bern aufgetragen ; die ,, Berner , nach einigen eben ſo fruchtloſen Briefen , repen zu andern Mitteln entſchloſſen , bereits ha ,,ben ſie zu Frutigen Güter, welche über den Gemmi ,,nad Wallis gehen ſollten , angehalten .“ Wer ein mal zu weit gegangen , um ohne Schaden umzu tehren , thut wohl , daß er ſeinen Weg fortwandelt .

So thaten die Walliſer.

Der große Zehnt Brieg,

120 .

Geldichte der Schweiz. II . Budy.

welcher 1, als der nåchſte an den Landmarken Ita

liens , den Simplonpaß inbegreift; ein portreffits ches Hirtenland, bewohnt von ſtreitbaren Männern ; Brieg , und auch Naters , ein bald eben ſo guter Fleden ; fie * ) und nach wenigen Tagen 368) der 1

Zehnt Viſp , Wallis ganz durchſchneidend , von Ul ters her blühend in vielen Gemeinden , ſchwuren , ſo wie Gombs , zu Uri, unterwalden und Luzern

ewiges Landrecht.

Wallis aber mit verbundener

Macht 339) , legte ſich vor Seon , entſchloffen , Ras ron auszurotten. Zu gleicher Seit offenbarten fie einen auf alles gefaßten Muth , indem fie durch i

Leuk hinauf die (damals kaum Reiſenden gangba ren ) Pfade an den Felſenwänden des Gemmi, mit gewaffneter Hand in die Landmarken der Berner

zogen , und die angehaltenen Guter aus Frutigen abholten . (Negotiationen.)

Damals hielten die Schweizer in der Stadt Pus fern einen unruhigen Tag. Die Berner fragten : ,,Wer ſie abhalten_wolle von Gewalt wider die, ,,welche alles Recht verſagen ? " Hinwiederum re: deten die Waldſtätte bitter : „Db Rarons Burg „recht nun gelten fol wider ihre Landleute ? man whabe nichts davon wiffen wollen , da ſie zu Bera ,,Genugthuung von ihm gefordert; fie repen drei

„ Orte mit halb Wallis , einig und muthig.“ Die übrigen Orte, hoffend , bei ruhigern Tagen die Ge: muther zu mildern, hielten für das Angelegentlichfte,

Cap. 1 .

Bon der Kirchenverſammlung zu Coſtanz. 121

den Fortgang der Feindſeligkeiten zu hemmen, und bewogen Uri und Unterwalden, für Bern aber Frei burg , in dem Lager vor Seon zu vermitteln. Die

Walliſer beharreten auf der Uebergabe der Burg ; freien Abzug wollten ſie geſtatten .

Alſo zog die

Frau von Raron mit Biſchof Wilhelm , ihren Kin : dern , allem Geſinde , und mit den beſten Uebers bleibfeln des vorigen Reichthums, nicht ohne Furcht aus der Burg ; in dem Augenblick, da das Land volt unaufhaltbar mit Fadeln in der Hand berejns brang , manches noch wegnahm und überall das

Feuer anlegte. Sie in zarter Jugend groß bei ih rem Vater zu Razúns, unb lang die Gemahlin des größten Barons der obern Lande , zog eilends das Wallis berab , durch die Waadt, nach Bern, mit al len ihren Leuten , eine betrübte Schaar. Nicht långer ſchien die Stadt Sitten das vorige Unſehen

Rarons zu ehren ; auch Siders , in welchem Zebut Ennfiſch gelegen iſt , glaubte weniger der gefallenen Große, als der öffentlichen Unabhängigkeit ſchul dig zu feyn . Beide, von ſieben Zehnten fünf 360), ſchwuren in der Waldſtatte Landrecht 3 ). Von der Stirchenverſammlung wurde zur Pflege des verwais :

ten Hochſtifts Andreas Gualdo , von Petra , Erzbia ſchof zu Colocza, verordnet. Nicht unzeitig ; ſchon waren zu Brieg die Einkünfte der biſchöflichen Tas

fel nicht nur von der Gemeinde eingezogen, ſondern jeweilige Richter Caſtellane um ihre Beſoldung dar .

auf angewieſen 3 ). So theuer ihnen die Verbin

122

Geſchichte der Schweiz. III. Buch.

dung der Waldſtåtte war , nichts deſto minder ver: mehrten die Walliſer auf alle Weiſe ihre innere Stárke. Sie befekten die Påffe; fie verbeſſerten die Sefeße, auf daß alle Stande, durch zugeſicherte Unparteilichkeit bewogen 33) , dem Land eifriger die

nen , oder dienen müſſen , wenn einer etwa nur

für ſich ſorgen möchte 3* ). Bern , ſo lang der Friede wegen Aargau noch unentſchieden war, handelte in der Sache des Herrn von Raron fo nachdrůdlich , als immer geſchehen konnte , mit Worten . Es wurde auf mehreren Ta

gen vergeblich geſtritten : „ ob die Walliſer die Kla ngen , wegen deren ſie Raron vertrieben , zu Bern „ wider ihn führen müſſen , oder ob er die , wegen ,,deren Bern Wallis bedrohete , vor den Waldſtät:

,,ten anbringen rollen ?" Seiner Partei ſchien, ,,daß wo Volkswuth machtiger als die Gefeße iſt, ,,ein vornehmer Mann billig Schirm bei Fremden ſucht.“ Anderen dåuchte: „ die Walliſer dürfen q,überhaupt nicht antworten um das , was dem ,,,Herrn von Raron als Landmann in Landesange

,,legenheiten zu einer Zeit geſchah , da die Berner felbſt ſagten , er ſey nicht ihr Púrger. " Wilchard von Raron begab ſich in der Berner Oberland, und

gewann das Hirtenvolk , durch alle Künſte , worin das Unglüc ihn gelehrt machte. Die Saner , Si benthaler und Frutiger bekamen Empfindung für Feine Leiden , und , was ihm in ſeiner Große ge fehlt hatte , er fand Freunde , bereit , obſchon ro

Sap. 1. Bon der Kirchenverſammlung zu Coſtanz. 123

wenige an Zahl, den Krieg wider gang Wallis für ihn zu beſtehen . Sie zogen, hingeriffen von ihrem Herzen , bis zu hinterſt in die Leul , wo bald nicht nur die lebende Natur erſtirbt, ſondern auch der Sonne Anblick felten iſt. Ein Befehl von Bern

hielt ſie auf , weil die Regierung den Untergang dieſer tapfern Månner fürchtete , und für den un glüdlichen Freiherrn langſamer , aber ſicher arbei: tete. Hierauf zog er burch Sanen , dem Grafen

zu Greperz angehörig , über die ſteilen Höhen der Alpe Sanetſch , und beraubte durch Ueberraſchung die Bergweiben der Walliſer. Nachdem der Herzog zu Deſtreich ſeine Anſprüche

aufgegeben , wurde die ſchweizeriſche Eidgenoſſen ſchaft von keinem Geſchäfte ſo ſehr und allgemein , wie von dieſem bewegt ; es konnte unter den Ora ten ſelbſt Krieg verurſachen . Groß und vergeblich war die Bemühung der vier unparteiiſchen Orte. Endlich reşten ſie einen Tag zu Oberhasli , wo Wi

ſcharð von Karon und ſeine Feinde ſelbſt erſchie nen.

Die von Bern und von den Waldſtåtten

ſtanden wider einander. . Jene , als gewiß eines bevorſtehenden Kriegs , nahmen von allen ihren

angehörigen Städten und Ländern Boten zu fich , in der Abſicht , allem Volt die Gerechtigkeit ihs rer Sache zu offenbaren . Sie boten Recht. Die Walliſer verweigerten durchaus , daß nach der hergebrachten Form Karon vorläufig hergeſtellt

würde. Vergeblich thaten die Bürgermeiſter, Hein

194

Geſchichte der Schweiz. JII. Bude.

rid Meyß und Jakob Glentner , von Zúrich, die Erklärung : indem Recht verragenden Theil auf

„ keine Mahnung wider Gewalt beizuſtehen 45).* Hierauf erging von Bern an die Eidgenofjen 346) eine Mahnung zum Aufbruch für den Schirm Rarons , Bürgers von Bern. Sie luden auch die mit Wala

lis verlandrechteten Orte auf einen Tag im Kiens holz , oben an dem Brienzer See , und fekten an das Recht, wob der ewige Bund , ſo viel älter als ,,daſſelbe kandrecht , nicht ſelbſt fie verpflichte, mit

„Bern auszuziehen ? " Sie , zugleich mit Abmaha nung aller andern Orte beſchäftiget, behauptea ,,ten ernſtlich , daß das freie Rand Wallis , um ,, Verfügungen der landsgemeine wider einen

„ landraſen , keiner Macht auf Erden zu Recht fteber ,,múffe. Zürich beſchloß , in die Städte und Länder zu

reiten , um vor den Gemeinden zu reden, was zum gemeinen Wohl die Vorſteber keine Ohren hatten . zu hören 24 ). Raron wurde mit beſſerm Ruhm 348)

dem Vaterland vergeben haben . Der iſt kein gua ter Bürger , bei welchem ein Augenblid auslórdt,

was ein land Jahrhunderte lang ſeinen Vätern war. Bei den Schweizern wurden dieſe und weit größere

Unruhen die ewigen Bünde nicht erſchüttert haben, wenn Verbindungen der Ausländer nur mit ges fammter Eidgenoſſenſchaft 369) hatten getroffen wer :

den können 350). Der Herr von Raron kam hierauf in das Oberland. Wo ju Frutigen, Sibenthal und

Cap. 1 . Bon der Kirchenverfammlung zu Coſtanz.

125.

Sanen ein freudiger Jüngling die Waffen vorzug lich liebte, den geſellte er ſich zu. Sie zogen eines Abends aus dem Flecken Sanen , ein enges ebenes

Chalgeland herein in Gſteig. Als die erſten Schim mer der Morgenróthe auf den Bergen erſchienen ,

gogen ſie an den großen Waferfållen den Bergpfad am Sanetſch hinauf, von den unfruchtbaren Felſen

in das milde Wallis herab , und kamen vor Sitten , .

um die Zeit , als jeder Bürger fein Mittagsmahl hielt. Sie ſchlugen , als in fchnellem Sdreden ,

dhne Mühe, die zerſtreuten Männer , welche aus verſchiedenen Gaſſen ihrem Sammelplaß zueilten. Aus allen vorzügliden Häuſern wurde großes Gut erbeutet. Nach wenigen Stunden ſah man von der

Stabt noch einige Gaſſen , jenſeit des Bachs Sitt, alles übrige in Rauch und Gluth. Bis auf den drit ten Tag zogen ſie in der Gegend mit Verwüſtung herum , und faſt ohne Verluſt wieder in ihr land, auf Nachricht von dem Anzug der obern Zehnten. Dieſe fanelle Chat , welche nicht aus ihres Landes

Påffen geſchah , wurde von den Bernern fo wenig verhindert als befohlen .

Sie ſchrieben in folgendem Sinn 351) an inter walden und uri : „ Die Banner der Stadt Bern fenen bereit aufzubrechen , in redlichen Krieg . Sie

haben wider die Walliſer , daß der Herr von Ra PI

,,ton , ihr Burger , altangeerbter Güter welche ſeine Våter vor dem Urſprung der Wallifer Lan

vibesverfaſſung beſeffen ) , unverhörter Sachen ent

126

Geſchichte der Schweiz. III. Buch.

fekt worden , welches in keinem gemeinen Wefen

auf dem ganzen Erdboden gerecht ſeyn könne. Sie, ,,alte Eidgenoſſen , mahnen Uri und Unterwalben ,,wider Wallis bei ihren Ehren und bei den Gelub 1

„ den und Eiden des ewigen Bundes.“

Die Vor

ſteher , wiſſend was der heilige Name der ewigen

Bünde bei den Gemeinden vermag , erdachten , zu

Sunſt ihrer Leidenſchaft, geſchwinde liſt. Bern hatte mit Luzern unmittelbar keinen Bund ; Jene ließen ſich von den Luzernern ernſtlich gegen Raron mahnen , und bezeugten , ,, der ewige Bund, wel

,, chen ſie um ein und zwanzig Jahre früher mit ,,Luzern geſchloſſen , hindere fie dieſmal ber Mah ,,nung von Bern zu gehorchen .“ Bern waffnete, ſtart durch ſich , vergewiſſert , Herzog Amadeus werde im Nothfall zuziehen , und rey nur zurück haltend im Gebrauch ſeiner Hülfe wegen der Eid genoffen , die ihn um Opola haften ). Nicht ſo groß war die Gefahr , als Herzog Al brecht vor Zürich lag , oder als Leopold auf Sems

pac 30955) ; billig beſorgten die unparteiiſchen Orte,

da kaum die Furcht vor Deſtreich verſchwunden , bürgerlichen Strieg. Go hoch der Schnee lag , wo durch die Grimſel und andere Alpen im Winter meiſt unwegſam find , ritten fie in Wallis, damit endlich nach dem Willen der Berner zwei beſchworne

Månner aus jedem der unparteiiſchen vier Orte zu Schiedrichtern genommen würden.

Das Verhör

der Parteien geſchah bis in die fünfte Woche zu Zu=

Cap. 1 . Pon der Kirchenverſammlung zu Coſtanz. 127

rich . Gegen Raron ſprach der Erzbiſchof Andreas, Pfleger zu Sitten , welcher mit Boten vom Dom= capitel kam , und ſehr trachtete , den Walliſern zu gefallen ; hårter und ehrenrúhrig die dreizehn Bo

ten vom Lande. Die Widerrede des Freiherrn ge fchab mit rührender Würde und überzeugend. Fol gendermaßen wurde das Urtheil geſtellt: ,,Bor „allem foul Wallis den Herrn von Raron herſtel

,,len ; in ſeine Herrſchaften und beweglichen Gúter, ,,für derſelben eingenommene Zinſe aber ſechstauſend ,, Schildfranken bezahlen (berfelben Summe nad ,, Kundſchaft und Eid) : Alsdann ſoll er dem Lande ,,Recht halten um alle slagen . Der Erzbiſchof Pfleger ſuchte die Ausflucht: ,, in dem Urtheil ſepen

„Dinge berührt , worüber feinem Laien die Ents dheidung zukomme. “ Aber sonrad Helpes ) von Lauffen , Propſt beim großen Münſter in Zürid,

und Gottfried , Abt von Rüti , hierum Richter, fanden ſeine Gründe fo eitel , daß er auch die Ur kunde ihres Urtheils nicht loren wollte 355). (Erſter Zug der Berner.)

Als die Parteianführer zu Wallis auf keine an dere Weiſe ihrer Sache zu helfen wußten , ſtürzten :

fie (nach der Art ihres Gleichen ) das ganze Land in Kriegsgetümmel, um in der allgemeinen Gefahr

nothwendig zu ſcheinen. ZurZeit als in Zürich Ra ron ihre Anklage erwartete , nahmen ſie zum Vor .

wand, was vor dem Vertrag die von Sanen gethan ,

fielen ein zu Oberhasli und raubten fechshundert

128

Geſchichte der Schweiz. III. Buck

Schafe ; abermals führten ſie nach vierzehn Tagen ſiebenhundert Schafe hinweg. So vermochte auch die ſtundenlange Einöde , wo außer wenigem kur zem Gras nur Fels, todte Seen -356) und ewigbeeiste

Firne geſehen werden , die Menſchen mit ihrem Vieh nicht vor ihres Gleichen zu fchirmen. Sofort als zu Bern dieſes kund geworden , berief die Re gierung die Vorſteher von Oberland , erforſchte die Gelegenheiten des Gebirgs , warf der Stadt Ban ner auf , und nahm hundert Mann von Freiburg, hundert von Solothurn, die Hülfe von Welſchneuen burg und Valangin . Da ſie in das Oberland ka men , wurden hundert und dreißig Trachſelwalder und Burgdorfer den Brienzer See hinaufgeſandt, mit allem Bole von Oberhasli bei Guttannen berein durch die Wüſten der Grimſel zu ziehen, um, wel des unfdwer geſchah, den Feind aus demſelbenPas zu vertreiben . Die von Sanen , auch Bürger zu

Bern , ließen ſich ſehr gern mahnen über den Sa netſch zu gehen ; ſie erbeuteten dreitauſend Safe. Der Gewalthaufe, bei fünftaufend Mann ſtart, 309 durch Frutigen herein , bis wo zwei Pfade fich ſcheis den , beren jeder in hohe Wildniſſe, der beſſere über den Gemmi nach leuk , der andere durch Gaſtern thal 35 ) auf die Alpe Lótích leitet, an die Grangen /

des Zehnten Karon , ſo genannt von des Freiherra Stammburg , welche dazumal zerſtört war*5 ). Un Schönenbühel 359) , wo dieſer Paß eng und ſteil iſt, wurden die vorhuten der Walliſer vertrieben . Die Nacht,

Cap. 1 .

Von der Kirchenverſammlung zu Coſtanz. 129

Nacht, außerordentlich kalt mit Schneegeſtöber,

blieb man auf der Höhe. Am folgenden Tag ſchwur das Lötſcherthal in allem , worin ganz Wallis , zu gehorchen ; über die Brandſchakung ſollten ihre Nachbarn im Oberland 6 ) Richter feyn . Die Reis /

nigung der Påfie zur Sicherheit ihrer Untertha nen , mehr nicht wollten die Berner. Bei ihrer Zu

růckunft geſchah zu Bern von Geſandten der Züri cher folgender Vortrag : „ Geſandte von Luzern,

„ Uri und Unterwalden haben , faſt mit Vorwurf ,,einer Parteilichkeit für Bern , von ihrem großen ,,Rath auf den Fall bürgerlichen Kriegs Fulfszuſage

,,verlangt; fie haben ihnen den Ungehorſam der ,,Walliſer nebſt ihrer Unterſtüßung deſſelben vorge: ,, halten ; die Waldſtåtte haben hierauf milder ge

,,redet 361) ; Zürich wünſche die Stilung dieſer un ,,ruhen , und bitte, die von Bern möchten Mittel ,,vorſchlagen .“ Die Mittel,“ ſprach Bern, ſind wnicht verborgen. Wallis folge dem Spruch der ,,Schiebrichter , und erſeße an Oberhasli den Scha: iden des Friedbruchs.“ - Nicht ohne Grund hielt Bern für das Beſte , durch Gewalt der Waffen das Volk zu Wallis fühlen zu machen , wohin es die

Parteihaupter bringen. Abermals mahnten ſie Ge waltboten von Uri, Schwyz und Unterwalden in das Kienholz , über die Frage , ob der cwige Bund

fie nicht verpflichte, der Fulfsmahnung Statt zu thun. Da erllárte ſich das Land Schwyz nach dem Wunſch der Berner. Als hierauf Zurich und Schwyz I. v. Mullers ſåmmtl. Werke. XII.

9

Gefaridite der Soweiz. III. Buch .

130

noch einen Stilſtand und gútlichen Eag vorfdhlut gen , bezeugten die Berner, nach ber strenntniß , die fie vom Wallis hatten : ,,beides weide von keinem „ Nußen feyn . “ Jene brachten dieſe Untwort beim. Gefandte von Bern folgten ihnen , um die höchſte Gewalt eines jeden Ortes mündlich nachdrůdlicher

um Hülfe zu mahnen 3). Unterbeffen zogen die Oberländer, mitten zwiſchen großen Gletfchern durch

die Alpe Rawin mit Feuer und Schwert glücklich auf den Feind. 363). Kaum daß jene Geſandten ver gnügliche Antwort erhalten , ſo erſchien Luzern mit Uri und Unterwalden zu entgegengefeßter Mahnung. Das verſprachen fie, durch die ernſteſten Bor tellungenWallis zumNachgebenzu bewegen ." Es eitten die unparteiifden Orte nach Bern , auf das

nicht neue Feindſeligkeit erbittere. Somannichfaltig

zeigten ſich die Hinderniſſe des bürgerlichen Striegs ; gewaltigftemmte ſich, wenn man fo reden darf, der Grundſaß unſrer ewigen Bünde wider feine erſte Verunehrung durch die Leidenfchaften der Mens fchen . ( Zweiter zug. )

Der Ausgang war in allem anders , als mane erwarten mochte. Ale Macht von Vern , jede Lan

desgegend unter ihrem oft fiegreichen Banner ; die

Mitbürger von Freiburg undSolothurn , von Biel, der Neuenſtadt , Neufchatel und Balangin , und

Herr Friedrich von Falkenſtein , zufammen die Zahl 96) , mit ihnen von Sdwng son breizehntauſend 364

Sap. 1. Bon der Kirchenverſammlung zu Eoſtanz. 131 dreihundert Mann ; dieſe alle zogen am Ende des Herbſtmonats durch die boben Alpen, auf den Zehnt

Sombs ; und Sanen mit Deſch und mit Greperz 365), welchen hierauf die son Aeſchi und Frutigen mit beiden Sibenthal zuzogen 36 ) , gingen über den Sa

netſch und fieleu ein bei Siders , auf daß das Land Wallis , zu gleicher Zeit von oben und unten ange

griffen, an keinem Ort mit Macht widerſtehe. Nach dem Luzern , unterwalden und uri feine gutlichen, .

keine ernften Mittel zu Verbinderung der Waffen

ihrer alten Eidgenoſſenwiderihreneuen Landsleute unterlaſſen , mochte keine Leidenſchaft noch Partei ſucht ſie bewegen , ben bürgerlichen Krieg zu thun ; fie lagen ſtil , vielleicht fühlte ihr gerades bieberes Semúth,. es fónne eineZuchtigung der Halsſtarrig feit , mit welcher die Walliſer Parteiführer eigenes Anfeben mehr , als Friede ſuchten , beilſam wer den 36). Sie , großer durch Selbſtüberwindung als ein Sieg fie machen konnte, bórten bald mit Ber :

gnügen , daß die Gombſer ihrer ſelbſt nicht pers geffen.

Zwar in den erſten Stunden, als den Männern von Gombs , hoch aus den Påſſen der Grimſel, der Gewalthaufe der Berner (nie zuvor in dieſen obern Landen ſo ſtart) untergangbrohend erſchien , erfchrack

das Volk; zumal weil in demſelben Augenblic pon ,: ܵ‫ܬ‬

unten herauf Landſturm nach Siders erklang. Zu alleroberſt bei Geſtelen , welches nur eine Stunde

von der Furfa liegt , fing die Verwüſtung an , als

132

Geſchichte der Schweiz. III. Buch .

der Uebermacht alles unterlag und kaum Weiber und

Kinder einiges aus der Flamme retten mochten . Alsdann wurden die Dörfer Oberwald, Niederwald und unterwaffern zu gleicher Zeit überfallen und in den Brand geſteckt. ( Thomas in der Bündt. )

Als die fliehende wehrloſe Menge und hinter ihr die Sieger plundernd herab gegen das Dorf ul: richen brangen , ſtilte den Schreden Thomas in der Bundt 463 ) , ein gemeiner. Landmann. Dieſer

ermahnte alles Volf, für Freiheit und Vaterland . und die Ihrigen an dieſem Tag tapfere Männer zu ſeyn ; erinnerte, wie ihre Våter in alten Zeiten bei eben dieſem Dorf mit ewigem Ruhm den Herzog von Zaringen geſchlagen 369 3) ; gab Allen feurigen Muth ; bewog ſie , was in den Häuſern war , zu verlaſſen ; una faßte mit zweihundert Mann ob dem Dorf auf der Höhe eine vortreffliche Stellung. So: bald fein herzhafter Entſchluß fund wurde in dem Pfarrdorf Münſter, entflammte gleicher Sinn den Caplan Jakob Minicow 50) , ſo daß er jeden er :

mahnte , hinauf zu ziehen und jene zu verſtárfen .

Sie , vierhundert an Zahl, zogen auf Ulrichen ; er mit ihnen , fie deſto eher begeiſternd, weil in der chriſtlichen Religion Tod für das Vaterland Schul

1. digkeit iſt 57'), und alle Todesfurcht ein Ende hat 37 ). Ihre Ankunft und Worte erfreuten Thomas in der Bundt, und jeder wurde munter zu Sieg oder

Tod ; aus den verbrannten Dörfern zogen die, wel:

Cap. 1. Von der Kirchenverſammlung zu Coſtanz. 133 che nichts mehr zu vertheidigen hatten, unbemerkt, hinter den feindlichen Schaaren , auf eine verborgene

Höhe über den Spital der Grimſel, auf Rache wenn .

)

die Berner zurúdziehen. Alſchon zogen viele Haufen ohne Ordnung auf Ulrichen : die ſechshundert fielen

herab ; hinwiederum die Berner , fiegsgewohnt und 1

weit überlegen , ſtellten ſich zur Gegenwehr. Tho mas in der Bundt, von Heldenmuth funkelnd, ſtritt mit einer ſo außerordentlichen Begeiſterung, daß er zwar an dieſem Ort für das Land ſtarb, aber uns

ter allem Volk bis in ferne Geſchlechtalter das An denken ſeines Namens groß blieb 373). ' Vierzig Berner waren erſchlagen , und ſie konnten vertrie ben werden, wenn die Hauptmacht unter dem Ban

ner und der Zuzug von Schwyz die Walliſer nicht genöthiget hatte , ihre vorige Stellung einzuneh men 374). Dieſes thaten ſie , nachdem ihre Tugend ſo hervorgeleuchtet hatte , daß das Dorf zwar von den Obertåndern aufgebrannt wurde , der Feind

aber weder ſie herunterwarf, noch vorbei und wei ter herab zog. Mit gleichem Erfolg wurden in dem Zehnt Sitten die Sanenleute aufgehalten 395 ). Am folgenden Tag zog' die ganze feindliche Macht aus dem Land : entweder weil die Berner von den

Waliſern ſolchen Muth nicht erwartet ; oder weil großer Schnee in Hasli die Reiterei aufhielt , und eben dadurch der Proviant ausblieb 5). Múhram

und blutig thaten ſie den Rückzug. Beim Spital rannten fünfhundert Walliſer auf die Nachhut; ſie

154

Geſchichte der Schweiz. III. Büch.

war verloren , wenn die Wochut ſie nicht ſchnell una terſtúßt hatte. ( F t i é o e. )

In den folgenden Unterhandlungen zeigte Bern die Würde und Entſchloffenheit , welche der beſte Weg zum Frieden iſt. Nicht allein hielt Schwyz an Bern unerſchütterliche Treut ; ſondern Rudolf von Ringottingen und Nikolaus von Giefenſtein, welche

Zürich um Hülfe båten 577) , wurden durch Werner Hon von Schwyz mahnungsweiſe unterſtüßt. Bon

der Gemeinde der Züricher 518) befamen fie gunſtigen Beſcheid , aber mit Friedenswunſch 579). Die mit Walis verfandrechteten Orte fuhren fort , auf alle

Weiſe der Krieg zu hindern . Sie gaben Zurich und Schwyz deutlich zu erkennen : „ Wenn man ihre ,,Candleuté mit geſammter Macht erdrücken wolle, nro werden auch ſie zu Felde ziehen .“ Sie ermahn

ten , fie baten die Walliſer , fich friedwillig zu zei gen. Dieſe entſchuldigten : „ o lang das Volk in den påffen liegen muſie , fónne die Landsgemeine ſich nicht verſammeln ." Bern bezeugte : ſie fón: „ nen keinen Frieden machen ohne den Herzog von

„ Savoyen , ihren Bundsgenoſſen. “

Da erklärte

Amadeus : „ er begehre keinen Vortheil ; wünſche ,,den Frieden ; fey überzeugt, Bern werde ihn an:

„ ders nicht als mit Anſtand ſchließen , und würde „ ſich freuen zu demrelben zu helfen.“ Im Chriſt monat während dem Waffenſtilſtand verſammelten

fich zugleich in Zug die Eidgenoſſen , und in Evian

Cap. 1. Von der Airchenverſammlung zu Coſtanz. 135 (einem favopiſchen Stadtchen jenſeit des Genferſees )

bei dem Herzog von Savonen , der Erzbiſchof Jo hann Bertrand von Tarentaiſe , Biſchof Wilhelm

von Challant von faufanne, viele Nitter und Hers: ren, und wie zu Zug die Gewaltboten der Parteien . In Zug redeten die unparteiiſden Orte ernſtlich mit Bern, „nicht um das kaum hergeſtellte Burg recht mit einem einzigen Mann die ganze ſchweiz

ngeriſche Eidgenoſſenſchaft in die Gefahr ihrer Auf lóſung zu bringen ; ba bei Erbitterung der Se: můther und Verwirrung aller Dinge die volle ser ..ſtellung und Schadloshaltung des Herrn von Na rron ſchwer fey , foul Bern etwas dem Frieden auf: - opfern , auf welchem der alte Schweizerbund ein :

maig beruhe.“ Die Berner begnügten Tich , diefer böſen Dinge den eigenſinnigen Ungehorſam derWal liſer anzuklagen. Zu Evian wurde folgendes vorge chlagen : ,, voraus Miſchard von Raron in ſeine Herr: crfchaften herzuſtellen ; über die beweglichen Güter, ,,die alten Zinfen und gegenſeitigen Klagen könnte mein ganzlich unparteiiſcher Mann zum Schiebrián

,,ter genommen werden.“ Die unparteitſchen Orte, einzig nach dem Frieden begierig , von wem immer er gemacht werde , riethen Bern, dem Herzog (was beffer derEidgenoſſenſchaft zufam) die Ehre der Ver mittlung zu gönnen . Oefandte der Stadt Bern ,

von Raron gånzlich bevollmächtiget 58 ), von den uus parteiiſchen Orten , von Freiburg und von Solo : thurn , der Erzbiſchof Pfleger , die Botſchaft von

136

Geſchichte der Schweiz. III. Buch.

Capitel und Landboten der untern Zehnten , ver nahmen zu Evian in dem vierzehnhundert und zwan

zigſten Jahr , an dem fünf und zwanzigſten Jänner den Vergleichſpruch in dieſen Artikeln : ,,Die Herr „ ſchaften ſoll Wiſchard von Raron zurückbekommen ; ,,für die beweglichen Güter , eingenommenen Zinſe

„ und allen Schaden zehntauſend Gulden 581). Vier: ,,tauſend ſollen die Walliſer zu Schadloshaltung an ,,das Hochſtift Sitten bezahlen 38 ) ; für Kriegs ,, Koſten zehntauſend an Bern ; tauſend den Richtern

„dieſer Thådigung.“ Sehr große Mühe wurde er forgert, bis dem Erzbiſchof Pfleger gelung, mit Hülfe der untern Zehnten , welche zugleich von Savoyen, Greyerz und Bern überfallen werden konnten , die obern Zehrten , die erſten und leßten 565) , und bit:

terſten in dem Krieg , in ſich ſtarf und weitherum licher, zu Annehmung dieſes Friedens zu bewegen. In ſtummem Zorn 384 54 ) , welchen ſie dem gemeinen Weſen der Schweiz aufzuopfern wußtent, riethen es ihnen die verlandrechteten Orte 385 ). Das Hoch

ſtift blieb unter lebenslänglicher Pflege des weiſen Erzbiſchofs 53 ). Unter ihm wurden die Burgen her: geſtellt 383). Wiſchard von Naron lebte noch achtzehn Jahre , und ſtarb außer dem Vaterland ; feine vos rige Macht bluhete in Wallis nie wieder auf. So wenig halfen Adel , Reichthum , Würden , Verbin = dungen , Rittertugenden , ia Verdienſt, weil er ver ſchmåhet hatte , die Liebe feines Volfs zu erwerben .

Gegen ſolche Männer fönnte ein Oſtracismus ohne

Cap. 1 .

Von der Kirchenverſammlung zu Coſtanz. 137

Güterverluſt 388) vielleicht entſchuldiget werden ; man jollte einem Volk dergleichen Bürger nicht aufzwin gen wollen . ( Grubers a cht. )

Zu eben der Zeit als die Eidgenoffen den Herzog von Oeſtreich eine ſchwere Hand fühlen ließen , um die Offolathåler Mailand und Savoyen troßten , und Bern mit aller Macht für den Freiherrn von Ra ron kaum etwas vermochte, kam die geſammte ſchwei geriſche Eidgenoſſenſchaft nebſt Wallis und Solothurn um eines gemeinen Walliſers wegen in die Reichs acht und in den Bann. Dieſer Landmann hieß

Hanns Gruber , und übte meiſt im Berner Gebiet einen kleinen Handel. Acht und Bann brachte er anfangs auf die Wallifer , weil ſie ihm nicht vor

auswärtigen Gerichten ſtehen wollten wegen eines Erbſtreits, worin er ſich übervortheilt glaubte. Auf alle Eidgenoſſen fiel die Wirkung, weil ſie ſich nicht ſcheuten , dem geåchteten Volk Handel und Wandel

zu laſſen , und weil ſie dem Gruber vor kaiſerlichen Landgerichten nicht antworteten. Dieſes Vorwan des froh ſtórte Herzog Reinhold von Urslingen , der Graf zu Zollern und andere Edle , aus Groll wi

der die Schweiz, oder Liebe der Beute , allen Han del der Eidgenoſſen , und ſelbſt ihre Geſandtſchaft:

reiſen 589). Unrechtmäßig 390) , weil die Orte durch kaiſerliche Gnaden von Haltung der Achtbriefe frei waren 391). Darum wurden ſie von dem König Siga

mund, an eben dem Tag, da er ihnen über Eſchena 2

158

Gefdicate der Schweiz. III . Buch

thal Urkund ertheilte, endlich aus der Acht gethan 59 ).

Der Bann wurde erſt im achten Jahr 593) vollkom : men 594) getilgt. Ohne ſolche Gefahr auch nicht ei: nem geringen Mann ungerecht feyn dürfen , würde in einem großen Gemeinweſen ein ſchöner Zug der Berfaffung feyn ; aber die Reichsgerichte mußten bei Strafe 596) keinen Spruch thun ohne Erdaurung det befondern Rechte jeder Gegend 1, und Unterſu dung der Verbandlungen des Proceffes. 3 weites Capitel. Borſtellung der Freizeriſchen Eidgenoſſenſchaft von 1418

1436.

Die Orte der fchweizeriſchen Eidgenoſſenſchaft hatten dreierlei gemeinſchaftliche Verhältniſſe : erſt: fic waren ſie an Kirche und Reich ( an jene , wie ganz Abendland : an lekteres , wie ganz Deutſch land) verbunden ; zum zweiten unter fich vereinis

get wider jeden , der Landwehre nothwendig mach te; drittens übten fie Gemeinherrſchaft in gewiffen Vogteien . Darum betrachten wir zuerſt dieſe Ar

titel , hierauf die Geſchichte jeder Landesgegenb. (Kirchenfachen .)

Die Wiedervereinigung der Hierarchie unter ein

allgemein erkanntes Oberhaupt war durch die legte Kirchenverſammlung bewerkſtelliget: bei den Eidge: noffen waren die anderwärts häufigern Spaltungga

procefle ohnehin ſchon fonſt faſt gånzlich getilgt, ſeit

C. 2. Vorſtell. rehmo.Eidgenoſſenſchaft$. 1418 36. 139 fie den römiſchen dem franzöſiſchen Papſt vorzoz

1

gen '). Die Verbefferung , welche zu Coſtanz aufge: fchoben worden war , geſchah bei der allzufichtbaren Regelhintanſeßung verſchiedener Klófter auf Betrieb der Stadtobrigkeiten durch die Aufſeher der Orden ). So wurde in denſelben die regulare Lebensart here geſtellt , wowider ſowohl öffentlich als im verfolo fenen Geheimnis der Zellen 5 ) zu viel gefündiget

worden war : Mönche oder Nonnen aus untadeligen Salóſtern genoſſen die Ehre, zu Erneuerung der Zucht berufen zu werden ') ; das Widfürliche der Ver: waltung, von Eigennuß und Eigenfinn oft verderba fich gemifbraucht , wurde durch die Herſtellung des

Anſehens der Conventbruder beſchränkt ' ).

Aller:

dings bedurften die Regeln ſelbſt eine periodiſche Verbefferung , und die Aebte mußten alsbann blog

Berfelben Vollzieher ſeyn . ( Huſſitenkrieg. )

Die Folgen des Geleitbruchs an Johann Fuß ( einer dieMenſchen oder die Nechte derſelben Zeit:6) unbeantivortlich anklagenden That') beunruhigten auch die Schweiz. Die Böhmen hielten dieſe Bege: benheit für eine ſchmähliche Wirkung des alten Har fes der Teutſchen wider ihre Nation , die Unterdrů: dung ſeiner Lehre für einen Kampf des Antichrifts

wider Gott , und Sönig Sigmunds Verbot derfel: ben für einen Troß der Gewiſſen eines freien Volfs. Ihre Begeiſterung ſtieg durch die Gegeneinander:

Haltung der bibliſchen Lebensvorſchriften gegen alles

Geſchichte der Schweiz. III. Buch.

140

was za Cofanz an der Geiſtlichkeit unverbeſſert. blieb , und , wie ſie glaubten , auch an Laien durch unzuläſſige Schonung begunſtiget wurde. Bald rechts

fertigten ſie ihre grauſamſte Wuth vermittelſt miß brauchter Stellen der Offenbarung Johannis ; eines Buchs , über deſſen Aufnahme in die Sammlung

heiliger Schriften die erſten Jahrhunderte aus ver ſchiedenen ) und wichtigen ) Gründen lange 9) ge zweifelt hatten. Zisla , der Huſſiten Hauptmann,

hielt ſichy, wie Attila , für eine Geißel Gottes wi der alle Verderbniß der ſchwachen Menſchheit. Nie war ein dominicaniſches Glaubensgericht fürchter 1

licher ) als der Grundſat der Huffiten ., alle Uut ,, keuſchheit, alle Völerei und Kleiderhoffahrt, felbſt ,,wenn das Böre ingeheim geſchehe, ſogar den Mú

„ ßiggang, mit Feuer und Schwert auszurotten " ).“ Wer ſich einigermaßen die unnennbaren hieraus ents

ſtehenden Uebel denkt, könnte geneigt werden , die fchredlichen Wiedervergeltungen des teutſchen Heers an dieſen Unſinnigen für entſchuldbar zu halten ; aber blinder Haß,wider Keßer und Böhmen,hat auch bei der

Widerpart alles gethan . Wer gern die Gräuel ſam = melt, wozu das Chriſtenthum hat müſſen Anlaß oder

Deckmantel werden , findet hier eine reiche Ernte, iſt aber in Verwerfung der Religion nicht gerech ter , als wer durch beredte Vorſtellung alles Men : fchenwürgens , aller unterbrudungen , aller unge: rechtigkeiten und Vernachläſſigungen , von Seſoſtris

bis auf unſere Fürſten , und von Lykurgus und So

C. 2. Vorſteu.fcw . Eidgenoſſenſthaft v. 1418 - 56. 141 Ion bis auf das heutige Holland und Helvetien , die

Unzuläſſigkeit aller Monarchien und Republiken, oder aus den mißbrauchten Namen der Freiheit und Auf klärung die Vorzuge des Deſpotismus und der Uns

wiſſenheit bewieſe. Nicht allein gegen alle Kúnſte und Wiſſenſchaften läßt ſich reden ; die Darſtellung 3

der phyſiſchen Uebel kann wahrſcheinlich machen, daß die Natur der Dinge beſſer unerſchaffen geblieben

wåre. Aber alles was iſt und alle Einrichtungen der Menſchen ſind gut oder böſe nach ihrem Gebrauch , und ſo wie lektere zum gemeinen Wohl am brauch barſten find ) .

L

Die Schweizer , nachdem ſie auf den Huffiten krieg durch eine Kreuzpredigt vorbereitet worden '3), wurden auf den Reichstag berufen , welcher hierum zwiſchen Oſtern und Pfingſten des tauſend vierhundert

ein und zwanzigſten Jahrs zu Nürnberg faß " ). Da wurde beſchloſſen , wieder , welcher das zwölfte Jahr feines Alters erfüllt habe , foll ſchwören , alle der

„ Huſſiterei verdächtigen Menſchen anzugeben 15)." Die Hülfe ( ſo druđend für die ſchweizeriſche Armuth ein ro ferner Heerzug war 16), und mit ſo viel Ge fahr durch die Lander bon mancherlei Herrſchaften

er geſchehen mußte ?) ) wurde doch von vielen Frei willigen und mit beſonderer Bereitwiligkeit ) von einigen Städten geleiſtet. Es zogen von Zürich

vier und zwanzig Reiter , wobei Glene mit vier Hengſten '9) , überhaupt neunzig Mann * ) unter Peter Deri " ) ; unter Burkard ze Rhyne , Ritter,

142

Geſchichte der Soweiz. III. Bugo.

ein und vierzig Pferde von Baſel ") ; ein Glen für Mühlhauſen unterLudwig Meyer von Húningen “ ). Allein vor Saaz wurde die geſammte teutſche Hee tesmacht , obſchon auf anderthalb bunderttauſend

Mann geſchåßt , durch die Huſſiten ohne Schwert: chlag vom Schreden vertrieben ). Wer vermochte wider die , welchen ihr Krieg die Sache des Herrn der Heerſdaaren , der Cod Martyrthum , und wi

der die gewöhnlichen Verhältniſſe alles erlaubt ſchien ? Da der König genothiget war, wegen des furchtbar

erneuerten Ruhnis der osmaniſchen Waffen , auf der ungariſchen Landmark zu bleiben , was würden die Huffiten nicht ausgeführt haben , wenn ihre un båndigkeit von einem vernünftigen Plan geleitet wor den ware 15) ! Sie aber befriedigten ihre Leidenſchaf

ten , und fchwachten ſich durch innere Parteiung. Zum zweiten Malzog nur zu zahlreich die teut ſche Macht mit ſchweizeriſcher Hülfe nach Böheim ; fie wurde vor Mieß beinahe durch den bloßen An blick der Huſſiten in die Flucht geworfen 54 ). Der

Sieger Hand lag ſchwer und verderbend úber allen umliegenden Ländern . Achtzehn Jahre trug der Ko nig den bloßen Titel des bóhmiſden Reichs . Sum dritten Mal mahnte erder Eidgenoſſen Bot fdaft , erſtlich auf den Reichstag zu Nürnberg , und nach deſſelben ſchlechtem Ende auf Cham in Bayern 4 ). Papſt Martinus 99) und der Cardinal 1

legat Julian Caſarinus unterließen keine Vorſtel lung , wodurch damals fatholiſde Gemüther begei:

E. 2. Vorſtell. fchw .Eidgenoſſenſchaft 0. 1418.-- 36. 143

ſtertwerden konnten. AberdieTagfaßung der Schweiz ger ( der Vergeblichkeit neuen Aufwandes überzeugt) entſchuldigte ſich dem König so). Zürich allein , ru ſtiger als je zuvor , ſtieß mit zweihundert Hallbar: biern zu der Mannſchaft von Ulm , die auch in das

Heer zog 31) ; die Borſteber der Stadt hatten Abſich ten , zu deren Erreichung die Gunſt König Sigs munds nothwendig war **). Das Heer , bei hun berttauſend Mann ſtarf, ſtand unter Friedrich Sture

fürſtvon Brandeuburg ; die Macht von Deſtretchy unter Herzog Albrecht , Eidam des Königs, unter : ftüßte die Unternehmungen. Bei Taug lag der Ges

walthaufe, als die Annaherung des nie geſchlagenen und niemand fchonenden Feindes mit ſolchen Ges muthsbewegungen vernommen wurde , daß alle Bayern unterihren Herzogen ſofortnach Regensburg , der Surfürſt Friedrich in den Frauenberger Walb, und die Menge mit Hinterlaffung aller Kriegsges råthſchaften und Auflöſung der Schaaren weit und

breit aus einander floh. Nach dieſem wurden die Huffitiſchen unruhen fortgerekt , ohne daß die

Schweiz ferners daran Theil nahm. i

Ja in den

Hochſtiften Laufanne 83) und Genf wurde durch et nen Bruder Baptiſta dieſe oder ſonſt eine Kreßerei mit Erfolg ausgebreitet , und von dem Kellerrich 35 ter 5 ) , nicht ohne Hülfe des weltlichen Arms 45 ), kaum unterdrůdt. ( Religionszuſtand.) on ben allermeiſten Schweigern wurden alle

144

Geſchichte der Schweiz. III. Buch .

Sebräuche und Artikel der eingeführten Religion, ſo gut ſie dieſelben wußten , regelmäßig beobachtet und von Herzen geglaubt 36). ·. Es war ſchon viel , wenn

in einer Stadt ein Meiſter der ſieben freien Künſte 37) als Lehrer Schule und Chor 38 ) anführte . Wer

nur fertig leſen , etwas dolmetſchen, die erſten Re geln der Grammatik herſagen und erträglich ſingen,

wohl auch (welches nicht von jedem gefordert wurde) eine Rechnung führen konnte , dem fehlte nichts zu einem Pfarrer 59). Von den alten Griechen und

Nómern , von deren Schriften viele im Kloſter St. Gallen in einem alten Thurm durch einander las gen o), wurde in den Städten auch der Name nicht gehört " '). Alle Dichtkunſt, worin die Minneſinger hervorgeleuchtet, war verſchwunden. Sie , und ihre Schweſter die Tonkunſt , welche bei den Alten auf das Vole ſo machtig wirkten , war der Aufſicht ul manns Meyer von Bremgarten , des Pfeiferkönigs, aufgetragen “ ). Seine Geſellſchaft , von Alters ber unter dem Drud der Verachtung ſeufzend " ), allezeit feil zu Trauer und Scherz , wurde endlich durch Vorſchub der Züricher , die allein ihre Wich tigkeit fühlten , von der Kirchenverſammlung zu

Baſel unter dem Schuß Unſer Lieben Frau in eine Bruderſchaft erhoben " ) ; za ſpåt, ihr Geiſt war zu ſehr erſtickt , ſie wußte die öffentliche Verehrung nicht mehr zu gewinnen ). Im Gebirg 389 das

Volk , wenn es an der Ernte zweifelte, in Harniſch und

C. 2. Borſtell. foto . Eidgenoſſenſchaft v . 1418 — 36. 145 1

und Waffen mit langen, dicken , unten beſchlagenen .

Stóden auf den Dörfern umber, und hielt für Got: tesdienſt , fich zu ſchlagen und ſeltſame Sprunge zu wagen * ). Felir Hammerlin , aus einem gu ten Geſchlecht von Zürich “ ), Propſt zu Solothurn 68 ), 46

unter den Chorherren des Züricher großenMünſters von König Rudolfs Zeiten Ber der erſte (und ein

fehr fruchtbarer) Schriftſteller “9), Beſiker von fünf hundert Büchern , ſo viele damals in dem Hochſtift Coſtanz niemand hatte so), ein rechtſchaffener gelehr ter und ſehr fingreicher Mann 5) , war ſeit langem bei weitem das größte Licht in dieſen obern Landen , uad ſowohl an dem römiſchen Hof " ) als weit und breit unter den Großen 53) deßwegen be liebt; bei ſeinen Mitbrüdern , deren Ausgelafen beiten “ ) und angewohnten Regelabweichungen er

oft unzeitig oder übertrieben zu ftrafen pflegte " ), war er um fo mehr und bis zum Tod s6) verhaßt.

Eben dieſer hielt für ganz gut, über krankes Vieh gewiffe Segnungsformeln " ) zu ſprechen s ) , ein

durdo ſataniſche Kunſt erregtes Ungewitter durch gleiche Kunſt wieder zu ſtillen 59), und im Nothfall aud vom Teufel Hülfe zu ſuchen 6). Er billigte, daß der Biſchof zu Lauſanne wider die Blutfauger in den Waſſern zum Beſten der Salmen gewiſſe Bi belſprůche leſen ließ " ) , und aus , daß , als die

Laubtåfer vor dem geiſtlichen Hofdes Biſchofs zu Chur um verübten Schaden belangt wurden , und ihr Fur ( prech bewieſen , daß die Creaturen Gottes doch S. 1. Müllers råmmtl. Werke. XII .

10

146 .

Geſchichte der Schweiz. III. Budy.

,,wohl thun , ihre Lebensnahrung zu ſuchen , der Biſchof die Laubkáfer in unbewohnbare Wålder ge bannt ). Solche Vorſtellungen , welche ſich nochzu un ſerer Zeit63), ja wohl bei ſolchen erhalten , welche fonft

nichts glauben ), konnten damals in Ermanglung vieler nöthigen Kenntniſſe unmöglich geläutert wer: den ). Die damaligen Menſchen ſchöpften viel mehr Aergerniß daraus, daß die Geiſtlichen 56) anMeßen

und fremden Weibern ihr Keuſchheitgelübde ſo unge ſcheut brachen ; denn freilich fühlten allzuwenige , welche Würde es gibt, über den alles unterjochenden

Trieb Sieger zu ſeyn , oder es zu ſcheinen. In dem Hochſtift Lauſanne wurden durch Biſchof Wilhelm von Challant die Meßen abgethan 6 ). Der Biſchof

Heinrich von Hewen zu Coſtanz duldete an andern , was er ſelbſt ſich nicht verbot, und ſeine Sitte fand

to viele Nachahmer , daß die Sünder , ihrer Stårke bewußt , endlich die Erinnerung an die Gelübde mit Lachen beantworteten * ). ( Concilium zu Baſel. )

Dieſe und andere an der Geiſtlichkeit auffallende Sittenvernachläfligungen machten , daß das Kriegs

glück der Huſſiten als eine göttliche Strafe der Gleich 1

gültigkeit betrachtet wurde , womit vormals zu Co ſtanz und ſeither zu Pavia die hochnothwendige Ktr chenverbeſſerung aufgeſchoben worden. Nad Pavia

hatte Papſt Martinus zur beſtimmten Zeit eine Kir chenverſammlung berufen 69), hielt ſie aber nach rei

ner Manier , „in Formen pünktlich , dem Wefent

C. 2. Vorſtelr. Tchiv. Eidgenoſſenſchaft v. 1418

- 36. 147

,,lichen möglichſt ausweichend;" klug für ſeinen Aus genblid , verberblich aber für die Hierarchie. Die allgemeine Ungeduld wurde ſchon damals allzudro hend, als daß er die nach Baſel beſtimmte Kirchenver fammlung hatte unterlaſſen oder anderswohin ver legen dürfen ; ſeine Bedächtlichkeit wich dem aufrich

tigen Eifer des Cardinallegaten Julian Såfarinus, eines wohlgeſinnten herzhaften Mannes 69 b ). Die Vater verſammelten ſich in der anmuthvollen , prach tigen Stadt 69 c) ; Martinus aber ſtarb ; Gabriel Condulmer , ein Venetianer , unter den påpſten

Eugenius der Vierte, folgte auf dem heiligen Stuhl. Das Anſehen der stirchenverſammlungen und ihre Verbeſſerungsplane fürchtete , hafte, minderte und hintertrieb dieſer möglichſt. Ein Unſtern für die

Hierarchie , daß zur felbigen Zeit kein großgeſinnter .

Papſt mit Verachtung vergånglicher Bereicherung an der Spige der Guten und Weiſen zu ſeinem ewis gen Ruhm unternahm , Veranſtaltungen zu treffen , welche die Zeit unumgänglich machte. Eugenius nicht ſo; hiedurch litt ſeine Ehre den erſten Schaden, daß er zwei Bullen gegen die Baſelſche Kirchenver ſammlung widerrufen mußte , die dritte aber nicht anerkennen durfte.

Von dem Jahr, als Hemmann von Ramſtein , Ritter , aus einem großen altadeligen Stamm ' ), zu Baſel Bürgermeiſter war ), ſaßen ſechzehn Jahre lang die Gewaltboten des anſehnlichſten Theils der

abendländiſchen Chriſten ") daſelbſt; mit großem Lob

148

Geſchichte der Schweiz.

III. Budy.

der bürgerlichen Regierung, die es nie an Entſchlor fenheit zu ihrem Schuß , nie an weiſer Fürſorge der innerlichen Ruhe , eben ſo wenig , obſchon in fchwe

ren Zeiten 15) , an billiger Bewirthung fehlen ließ. Durch die zwanzig Sigungen der Fahre, wovon die: res Capitel handelt, wurde genugſam bewieſen , wie billig man (menſchlicher Schwache ungeachtet 73b ) ) von Periodiſchen Kirchenverſammlungen vieles hoffte Sc). Zum erſten beſtátigten die water in Baſel, das in der Kirche die höchſte Gewalt ſo wenig bei dem gefelvollſtredenden Oberhaupt 7 ), als bei einem an dern Biſchof unumdránet ſey ; fie Feb es bei den (mit oder ohne des Papſtes Willen ) ) verſammel: ten Vorſtehern der Stirche. Ohne Zweifel würde endlich die Wahlordnung der lektern verbeſſert wor den ſeyn . So wäre die jedesmalige Beſtimmung der herrſchenden Lehrart und Gebrauche durch die geſchehen , welche durch Wiſſenſchaft und gute Sitten

bei den Gemeindenvorzugliches Zutrauen verdienten . Die Stimme der Nationen ware geehrt und gelei:

tet worden , ſo daß die Form der Kirche in jedem Zeit alter die hátte fepn múffen , deren daſſelbe bedurfte. Zum zweiten erhielten ſie in der Huſfitiſchen Sa: che , was Kriegsheeren unmöglich war ; durch no: thige Bewilligungen und weiſe Wilderung der übri: gen Artikel verſöhnten ſie der Kirche die Billigen und Klugen , und nahmen daduro den andern ihre Furchtbarkeit. Auch die Trennung der morgenlån :

difchen Kirche , wenn die Leidenſchaften es je zulie

S. 2. Porſtell. fchw . Eidgenoſſenſchaft 8. 1418 - 36 , 449

fen , war durch dieſe Kirchenverſammlung zu bea wir ken 7515 b).

Zum dritten gaben ſie gute und nothwendige Ber ordnungen *) ; ald , daß ein Interdict , womit ein Privatmann betroffen werde , feine Gemeinde nicht beunruhigen roll 6b ) ; daß ein Geiſtlicher, der durch

offenbaren Bruch des Keuſchheitsgelübdes Aergerniß gebe , ſeinen Stand veråndern ſoll 76 c ) ; daß die ho

hen Schulen ſich mit Kenntniß der morgenländiſchen Sprachen beſchäftigen möchten , ohne welche in der

Bibel vieles unmöglich zu erklären iſt »). Biertens fonnte ihr Geſek über die Herſtellung und Einrichtung der Sende und Provincialconci lien ) an ſich und im Zuſammenhang anderer Ans

ftalten vortrefflich beitragen zu Erneuerung und Erhaltung des Lebens und Geiſtes der innern Kir : denverfaſſung.

Vielleicht könnte dieſer Kirchenverſammlung auch die Vermittlung des langen Kriegs zwiſchen

England und Frankreich zum Verdienſte angerech net werden ?9). In der That wird Friede leicht ge ſchloſſen , wenn beide Parteien múde ſind , und ein dritter von unverdächtigem 8 ) Anſehen ſie einander

nábert. Aber ſolche Verſammlungen ſollten ſich zu bergleichen Dingen durch die Fürſten oder Natio nen ſehr bitten laſſen , damit ſie nicht in ihren eis genthumlichen Sorgen serſtreut und durd die Gins

miſchung in Welthandel des allgemeinen Zutrauens perluſtig werden.

150

Geſchichte der Schweiz. III. Buch. (Reichsgeſchäfte.)

In den Reichsgeſchäften fuhr König Sigmund fort, allen Eidgenoſſen die Gnade zu beweiſen , welche

ſchon ſonſt beiden Theilen vortheilhaft erfunden war. Herzog Friedrich , ſeit er einmal Mangel gefühlt, war eifriger baare Schåße zu häufen , als die ver pfändeten Herrſchaften zu löſen , zu deren Behaup tung gegen die Eidgenoſſen er ſich zu ſchwach fühlte. ( 5 i 6 ur g . )

So blieb die Grafſchaft Kiburg im Beſiß Cuni gonden von Tokenburg , vermåhlter Gråfin zu Mont fort Bregenz, und Gaſtern mit Sargans und Feld :

tirch im Berit Grafen Friedrichs von Totenburg . Beide waren allein dem Reich damit gewärtig 81) :

entweder weil der König im Frieden ſich dieſes vor behielt ) , oder weil der Herzog die damals vergli chene Summe, um welche er ſeine Herrſchaften ver ſchrieb, ganz oder zum Theil ſchuldig geblieben 85). In dieſer Macht , als Reichshaupt , geſtattete ®) der

König den Zürichern, erſtlich Kiburg 85) , und, nach ,

dem er mitDeſtreid lángſt völlig ausgerohnt war 86), Windet nebſt Gaſter 87) um den darauf ſtehenden Pfandſchilling 88) an das gemeine Weſen zu löſen, ohne daß die Wienerlöſung von einem andern Für

ſten als vom Kaiſer ſelbſt, oder anders als unmit: telbar an das Reich geſchehen könne 89). So erlang

ten die von Zürich das volkreiche 90), gute Land, welches von den Ufern der Glatt und von den Grángen der Grafſchaft Frauenfeld 9) bis an die

C. 2. Vorſtell. fow . Eidgenoſſenſchaft v. 1418 -

36.

151

Rheinbruce der Schaffhauſer 91) an die alte Kiburg pflichtig war ; eine Dienerſchaft , mit welcher die Grafen ehemals Kaiſern getrokt ; eine Herrſchaft, worin König Rudolf lang fich groß dünfte , und

welche bis auf dieſen Tag im öſtreichiſchen und im ſpaniſchen Titel erpáhnt wird. Windek überließen ſie dem Grafen von Cokenburg ro lang er lebte , aus Achtung alter Freundſchaft, oder kluger Schonung

des finderloſen Gewalthabers vieler andern großen Herrſchaften 93 ). Eben demſelben beſtåtigte der Ko nig die Pfandherrſchaft über Sargans und Laar94),

welche Grafſchaften er von dem Herzog erworben hatte. Von Friedrich iſt keine Spur , daß er um

die verlornen Erblande etwas Großes oder durch

Kühnheit Glänzendes unternommen håtte. Wer als Jüngling vornehmlich dem Trieb des Vergnú

gens gedient, wird nach Erſchöpfung ſeiner Kraft 95) fich nicht leicht zu ſchweren Thaten erheben. Frie drich häufte mehr Silber und Gold als irgend einer ſeiner Vorfahren ; dazu fand er Mittel in Unter: drůckung des großen Hauſes von Starkenberg in dem Etſchland 96), in dem Ruin des Jünglings von Rotenburg 9 ) , und in Beranſtaltung neuer Zólle und Auflagen. Der Glanz des Reichthums diente

ihm für Ruhm , den Gebrauch überließ er dem Nachfolger. (Rom fa h r t .)

Ungefahr in dem zwanzigſten Jahr feines Reichs zu Teutſchland und Rom unternahm König Sig

152

Geſchichte der Schweiz. III. Budy.

mund ohne alle Hülfe der Fürſten und Stadte von Papſt Eugenius dem Vierten die Kaiſerfrone za

erhalten . Die Eidgenoffen allein , weil er feiner Nation-mehr -vertraute , bat er durch Zürich und Bern, ihn über das Gebirg zu begleiten 98). Zúrich , dankbar und voll der Ehrfurcht feiner Würde 99) ,

unterſtüßte dieſe Sache auf dem Tag in Zug.100), und wählte zu der Stadt Banner , unter Haupts mannſchaft Rudolf Stuffi, Bürgermeiſters , acht hundert Mann von der Stadt und aus den Land

leuten 'o'), bis wenigſtens * ) nach Mailand mit ihm zu ziehen. Filippo Viſconti, wohl damit fich Sig mund ſicher gebe , verſprach ihm großen Vorſchub.

Aber von dem an , da die Eidgenoſſen von ihm ge

zogen , lehrte den König die allgemeine Gleichgül tigkeit, wie wenig ein Fürſt ohne Macht ſelbſt auf den Eindrud ſeiner Verdienſte rechnen barf. Oba

wohl er hierauf zu Siena lang in Verlaffenheit er warten mußte , daß Unterhandlungen den Papſt bea wogen , verwarf er edelmüthig und mit Geiſtesger genwart , feine Kaiſerkrónung, um die Aufopferung

der Kirchenverſammlung zu Baſel zu erkaufen okb ). Der Tag der Strónung wurde dießſeit der Alpen

am erſten in das Land Schwyz berichtet 105). Alle Eidgenoſſen eilten , Slúdwunſchbotſchafter nach Rom

zu ſenden.

An dem Tag , da Sigmund Kaiſer

wurde , gab er die Ritterſchaft auch Herrn Ru bolf Stuffi, Bürgermeiſter von Zürich , Gottfried Efcher , dem Vater eines großen wohlverdienten

C. 2. Porftelr. fow . Eidgenoſſenſoaft0.1418 — 36. 153

Geſchlechts 10k) , und Hemmann von Offenburg, et

nem fehr angeſehenen reichen Mann ios) von Baſel. Er ehrte die Geſandten der Schweizer vor dem Papſt und vor ganz Nom durch alle Zeichen der Vertraulichkeit und Achtung 16). Als er nach altem Herfommen in kaiſerlicher Würde die Lehen und Freiheiten erneuerte 17), war er für das Land uri nicht weniger bereitwillig dazu , obfchon der Landammann Heinrich Jauch , unweit Rom ermordet, nicht mehr darum bitten konnte 108). Den Bernern urkundete er beſonders , weder dem Herzog Friedrich noch feinem Stamm oder deffen Erben um Aargau Antwort fchuldig zu feyn ). Den Solothurnern gab er das Recht , Lehen ſowohl des Reichs in ihrer Gegend , als die , fo an die als ten Grafen zu Buchegk pflichtig geweſen , von ih rem Schultheiß zu empfangen 1). Den Baſelern beſtåtigte er " ) die Macht, für die Erhaltung ihrer

Freiheit " ), Pfandherrſchaften 113) und Handelswe ge , Umgelber , Zólle ' ) und andere Auflagen zu fes gen . Ihre in auswärtigen Ländern liegenden Güter machte er ſteuerfrei ' ). Für die Aufnahme des Einkommens hatte er auch ſchon andern Städten günſtige Geſinnung bewieſen : als er die Dienſte der Freiburger 16) und kujerner " ) mit Ertheilung des Rechtes eigener Silbermünze belohnte , der Stadt St. Gallen aber -um gweitauſend Gulden die Reidsſteuerfreiheit gab 118). Gerecht , ſo daß er wea der um ſeines Wortheils willen Schwyz bei anges

154

Geſchichte der Schweiz. III. Byd.

maßter Vollgewalt über Einſidlen begünſtigte ' 9),

noch dem Stift aus Andacht ungewöhnliche Selbſt herrſchung zulieb , entſchied er zwiſchen dem Abt

Burkard von Krenkingen , und Landammann Ital Reding ſo, daß die von Schwyz , wie vormals die

Herzoge , Saſtvogte des Kloſters und Vögte der Waldleute 10) feyn , aber die Gewalt nicht haben follten , des Stifts althergebrachte Freiheiten zu mindern " ). Dem Abt Egloff Blaarer von War tenſee zu St. Gallen erneuerte er ' ) nicht nur den ſonſt gewohnten Lehenbrief 13) : er half auch der Verwirrung, welche ſich in Streitfachen um die ſtiftiſchen Reichsmannſchaften 1) zeigte, durch Er: richtung eines Lebengerichtes, wo die Schildesamt verwandten es) und andere , jeder úber ſeines Glei: chen urtheilte. Schon ſonſt hatte er demſelben Abt in der Stadt Wyl , wo das Blutgericht noch auf alte Art von Bürgern und Benachbarten 126) gehal ten worüent , zwölf Blutrichter zu dem Reichsvogte

zu wählen erlaubt ' ). Ueberhaupt geſchah in die fen Zeiten der erſte Uebergang der ehemaligen Blut

bannsübung auf die neuere Sitte. Auch zu Mühl hauſen kam dieſelbe an den Bürgermeiſter und Rath 128) ; und eben Sigmund übergab den Blut bann in der Stadt St. Gallen lehensweiſe 189) dem Rath 13 ). Aber in den meiſten Städten wurde doch,

wie es der Freiheit geziemt 131) , ferners öffentlich gerichtet. Endlich , Kaiſer Sigmund war auch in der Waadt, ſowohl gegen Herrn Johann von Blonay,

C. 2. Vorſtel . fchw . Eidgenoſſenſchaft 8, 1418 - 36. 155

Ritter , favoriſchen Landvogt , als gegen die Stadt Lauſanne mit Onabenzeichen freigebig. Jenem fandte er feinen Drachenorden 3 *) ; den Lauſannern

beſtåtigte 133) und vermehrte 138) er ihre Freiheiten und Gereße , auch aus Dank, weil ſie bei der Kró

nung ihre zahlreiche Judenſchaft zu Ablieferung des gewöhnlichen 55) Geſchents angehalten hatten 36). Als der Kaiſer von Rom zurüd an die Grånzen

der Eidgenoſſen 137) kam, überreichten ſie ihm nach ihrer Gewohnheit Pokale voll Geld 158). Sie hörten

theilnehmend ſeine Klage über dieMailändiſche Gleif nerei 159) , welche ihn verhindert habe , in Italien

größere Dinge auszurichten. Das Curaier , ſo er nach Schaffhauſen angeſagt, wurde durch Verwicke lung der offentlichen Geſchäfte verhindert ) . Nach

Baſel kam er mit nur achtzehn Pferden ſo unerwar tet ſchnell, daß Kirchenverſammlung, Capitel und

Stadt kaum vermochten auszuziehen , um ihn zu empfangen " ). Deſſelben Tags , als die Domher ren , wie damals wohl geſchah , ihm in der Adels rüſtung entgegen ritten , foll der Kaiſer befremdend bezeugt haben , ,,er ſehe keine Domherren . Hier: auf , da ſie in der geiſtlichen Kleidung erſchienen , und er fie freundlichſt, wie er pflegte , empfing, fprach er : „ Nun finde er ſie ehrwürdig , da ſie ſich „ nicht ſchåmen , es zu ſcheinen " ).“ .

(Landwehre.)

In dieſen achtzehn Jahren wurde der Schweizer: bund im Umfang ſeiner Kreiſe von keinem Feind

156

Gerdhichte der Schweiz. III. Buch .

angetaſtet; fein Ruhm diente ihm für Landwehre.

Die Grundfeſten feiner Macht , die ewigen Ber: bindungen , wurden geſtärkt. Als die manner von Glaris mit Recht ungern litten , daß nach faſt acht :

zig Jahren mannichfaltig erprobten eidgenöffiſchen Muthes uub Biederfinns , doch noch , wie im An

fang, bei den Bundeserneuerungen der Eid vor ih nen geleiſtet , keiner aber zurücempfangen wurde, führten die Eidgenoſſen hierin Gleichheit ein * 3), Als die Städte Zurich und Bern , welches vormals 1

kaum zu erwarten geweſen, vermittelſt ihres Glück

fortgangs endlich in ihren Gebieten benachbart wura den * ), fchwuren auch fie in Zofingen, an dem Tag St. Vincenz, des Patrons der Berner, einen ewi gen Bund redlicher Nothhülfe in dem zwiſchen bei: den Städten liegenden Gebiet und bis drei Meilen jenſeit jeder Stadt ; nur den Fall nahmen ſie aus,

da von jemand einer Stadt auf die andere das Recht geboten wurde, und es jene nicht annehmen

wollte. Unter fich fekten fie Zofingen zur Ding ftatt 5) ; aber in gewöhnlichen Sachen kamen ſie

überein , daß jeder Bürger von den Gerichten der andern Stadt Urtheil zu nehmen habe , unb feine

ihre Geiſtlichkeit ſchirmen ſoll, wenn dieſelbe die Bürger der andern Stadt um weltliche Dinge por geiſtlichen Gerichten umtriebe 16). Im Kaufhandel und Lebensnothdurft perſprachen ſie einander die

gehörige Begünſtigung " ). Der ewige Bund mit Schwyz , Uri und Unterwalden (welche Orte Zürich (

t

C. 2. Vorſtell. fchwo. Eidgenoſſenſchaftv.1418 — 36. 157 b me

08

behaupten geholfen , als Pern mit Deſtreich fie be tagerte, und welche Bern freiwillig beigeſtanden an . dem Tag, als bei Laupen für das Dafeyn des ge meinen Werens der Berner geſtritten wurde ), der

felbe Bund iſt älter und geht vor ; aber allen fpå tern Burgrechten und Verbindungen geht vor, was

Zürich und Bern einander geſchworen ). Die alten Schweizer im Gebirg bleiben immer



3

dat die water der Eidgenoſſenſchaft ; übertreffende Große und Starfe iſt für wohldenfende Sobne kein Grund,1 gegen das Tchwadere Quter deren, von wel den ſie entſprungen ſind , die gehörigen Geſinnun gen zu vergeſſen ; für Eltern iſt jede Aufopferung

eine Ehre , wenn ſie von ihnen zum Beſten und Frieden des Hausſtandes geſchieht.

Es war zwiſchen den vier Waldſtatten ein für die tapfern und freien Männer von Gerſau rühm licher Streit , welcher Mahnung von den vier ;

dieſe Gemeinde folgen fol ?". Da folgten die Ger fauer ſehr willig der Entſcheidung durch den Schult

Heiß von Bern , „ dem zuzuziehen , der am erſten 2

nifie mahne."

Eine fo Fleine Republik ſtreitet am

freudigſten für den , welcher der ſchnellſte iſt , iht 7

Feine Achtung zu beweiſen tig).

Damals fehlte wenig , daß das benachbarte un !! ļ

gemein fruchtbare 15 ) und fchöne 151) Ländchen Weg gis ) nicht gleichfalls in die Unabhängigkeit fam . Auch die Männer von Weggis waren der vier Wald

ståtte Eidgenoſſens), um Geld von der alten Dienſt

158

Geſchichte der Schweiz.

III. Buch .

barkeit losgeſagt 15t ), und nahe bei voller Freiheit, als alle Herrſchaftsrechte ihnen verpachtet wor den 155 ).

So waren weiland Art und Steinen in

die Unabhängigkeit erwachſen , womit ſie ſich zu Schwyz , wie Alpnach und Hergiswyl zu Unterwal

den, verbunden haben. Die benachbarte Landenge zwiſchen dem Zuger und Waldſtätten See , wo Cell

den Geßler todſchoß , und wo stufnacht blühend liegt 15 ) , hatte ihre Freiheiten wohl genug bewah

ret vermitttelſt einer Verwandlung ålterer Verbin dungen in ein ewiges ausſchließendes 158) Land recht mit Schwyz. Auch den Weggiſern wollte

Schwyz die Gemeinſchaft feines freien Lebens gern geſtatten 15 ). Adein Herr Ulrich von Hertenſtein , des Ortes Pfandherr 16 ), der erſte ſeines uralten *) portrefflichen 16 ) Adels , welcher zu Luzern Bürger und Rathsherr ward 163) , hatte ſein Recht in Weg gis dieſer Stadt verkauft , welches Weggis ungern ertrug , aber geſtatten mußte 1 ) ; denn die übrigen Waldſtätte , zufrieden , daß ihr Bund endlich Weg gis bei den ſchon erworbenen Rechtenſchirmte, konn ten 65) und mochten reinetwegen doch nicht mit Lu zern brechen * ). Die Zeit aber, in deren Lauf die

menſchlichen Leidenſchaften allezeit Anlaß finden , ih ren Widen zu thun , brachte zuleßt aus viererlei

Quellen zwiſchen Luzern und Weggis eine Zweitracht hervor, welche, nach verſchiedenen vergeblichen Ber: ſuchen 6 ) , ohne Vermittlung der ganzen Eidge noſſenſchaft nicht geſtigt werden konnte ). Zuerſt :

C. 2. Porſtel . Pochw .Eidgenoſſenſchaft v. 1418 — 36. 159 Als Genoſſen eines alten Kelnhofs, deſſen Hofrechte

fie von dem Abt zu Pfåvers, ihrem Twingherrn, an fich erkauft, waren die Weggiſer eiferſüchtig , über alle Sachen , deren ſie ohne fremdes Zuthun eins werden mochten 169) , in der ganzen Hofmark zu Waſſer 7 ) und Land vor ihrem felbſterwahlten Am mann gemaß althergebrachten Rechten " ) ihre eis genen Gerichte zu halten . Dieſes blieb ; nur ohne

Eingriffe in die Landesebrigkeit 7 ). Zweitens : Da ſie ſich von perſönlicher Dienſtbarkeit freigekauft, vermeinte das Dorf Huſen , gewiſſe daberrührende Zinſe auch nicht mehr zu geben '73) , konnte aber

Tein Geſuch nicht rechtsförmig unterſtüßen . Drits tens ; Greppen, ein Dorf unter Neuhabsburg, nach Weggis tirchgenoß, båtten ſie mit Kriegsreifen und Steuern ) auch gern bahin ziehen mögen , aber

vergeblich. Viertens : Nach der vier Waldſtätte Bund mit Weggis hatte Luzern gegen dieſen Ort ge wiſſe Verbindlichkeiten , welche ſonſt nicht gewohn

lich obwalten zwiſchen einem Landesherrn und ſeinen Angehörigen 5). Es war eine auch ſonſt in der Schweiz oft vor

kommende Schwierigkeit, wo eine Landſchaft für die Erhaltung ihrer Freiheiten mit einem Orte Burg rechte ſchloß , und nachmals mit ihren Herrſchafts

pflichten demſelben unterworfen wurde. Hieraus entſtand manchmal ein Zuſammenſtoß verſchiedener Verhältniſſe von den gefährlichſten Folgen : durch ungemeſſenes Nachgeben verliert eine Regierung

160

Geſchichte der Schweiz. III. Buch.

mehr als die erkauften Rechte , nämlich alle Ohr:

furcht: Strenge bringt ſie um die Liebe des Bolts , ohne welche unſern Obrigkeiten unmöglich iſt , in die Lange zu beſtehen . Die allgemeine Regel war aber ſehr einfach : In Haltung aller verbrieften oder

mfonft erweislichen Volfsfreiheiten fer eine ſchwei nigeriſche Obrigkeit um ſo viel gewiſſenhafter , da ,, eben durch untertretung derſelben andere Regie: mtungen Haß undSchreden um ſich verbreiten . In Einkommensrechten rey fie geneigt , alles Zweifel

whafte , Hartſcheinende 17 ) , dem Unterthan lieber wals Gnade , auf Bohlverhalten , zu erlaffen . Der Kriegspflichten wird unſer Bolt fich nie weigern , und , wenn es vernünftig unterwieſen wird , bie mju genauer und freudiger gehorchen , als manche 1

w Obrigkeit vermuthet. “ Aber die Anwendung die fer Grundfäße war nach Zeit und Ort eine leichte oder ſchwere Aufgabe für die republicaniſche Re gentenklugheit. Auch zu felbiger Zeit wollten die Eidgenoſſen die Verhältniſſe zwiſchen Weggis und Luzern lieber einer gutlichen Verabredung zwiſchen den vier Waldſtatten uberlaffen " ). Die Weggi fer zogen in den erſten Striegen ihrer Neigung nach lieber mit Schwyz " *). ( Gemeine Serrſchaften .)

Gemeinherrſchaft übten die Eidgenoſſen in zwei Gegenden , in dem Aargau und jenſeit des Gott: bards.

a. Har:

C. 2. Vorſtell. row . Eidgenoſſenſchaft 8. 1418 - 36. 161 ( a. Aargau . )

Was im Reichstrieg Deſtreich abgenommen wor: ben , litt keine beſondere Unruhe. Als der Adel den Herzog unthätig ſah , war er froh, bei den Eid genoſſen Recht ' 9) oder Gnade 180) zu finden . Zwar blieben einige , aber mit Lebensgefahr , bei räube riſchen Sitten 8 ); auch die Stadt Baden erfuhr die Beſchwerde ungerechter Ladungen vor auslándiſche kleine Freigerichte 182). Hievor aber , und gegen ihre eignen innern Parteiungen 183 ) , ſchirmte ſie die neue Herrſchaft , billig und muthig. Die Búr: ger zu Bremgarten , welchen die Herzoge das Ge leit und ein Theil des benachbarten Freiamtes Kno nau verpfändet, blieben bei jenem durch den guten Willen der gemeinlich regierenden Orte 184) , bei

dieſem durch die Vergünſtigung der Züricher 185). Auch die Seßler, deren Schweizerhaß eine Volks rage war und in Schlachten oft neu erſchien, fanden Freundſchaft bei den Eidgenoſſen 186 ) ; Friede wurde

von ihnen gefordert, und ſo blieb ihnen die Nu kung aller Gerichte , welde ſie von Oeſtreich tru gen 187). Als Georg Ruſlinger, Abt von . Muri, die neue Regierung befeſtiget und gerecht rah , zweifelte .

er nicht langer, die Erblaſtvogtei, welche von Habs :

burg an das Reid gekommen, den Eidgenoſſen auf

zutragen 138). Zürich hatte kurz vorher einen Span des alten Kloſters Var gegen deſfen angehörige Leute nad der Uebung Einſidlens, dem Par untergeben

ift, ſo unparteiiſch entſchieden 189 ), daß auch Muri I. v. Müllers råmmti. Werke. XII.

11

162 :

Gefühidite - der-

weig

III. Budha

in ähnlichen Sachen 196)Feine Ungerechtigkeit fürchten

durfte. Gleichwie ſich Zürich nicht langbittenlief , Dies tikonran die Gemeinherrſchaft aufzugeben, obwohl dies fer Ort von DeſtreidyanBirich gefdyworen 9 ), fo get .

horchte denn audy Luzern um Wilmergen, Reichenſee und Reyenberg dem Sprudy der Berneri ,,das diefe

,,Orte gemeinherrfchaftlich werden o follen : “ bennt . auf dem Tag zu Befenried, als die Eidgenoffen fich

noc weigerten, mit Deftreich zu brechen , war durch die meiſten;-193) Stimmen der anweſenden 19* Orte auf den Fall, daſie endlid ausziehenmuften , dieEins richtung einer ſolchen Regierungfeſtgefektworden . Die Stadt Surfee ;. von Luzern an das Reidy aufgenommett , hatte mit Anerkennung der neuen Obrigkeit 195) sezógert, und littnuneinen betrachts lichen Verlufti Weit und breit unt das Stift Bes ronmünſter in St. Midaels Amt hatten die Bers zoge , theils der Staſtvogtei wegen , theils als Oras: fent zu- Lenzburg 196) dier vornehmfte Gewalt. Hier war an Surfeesro viel verpfändet worden , daß 34 völliger Beherrſchung faſt nur der Blutbann fehlte , und wenn -Surſee die Luzernifcher Landeshoheit ers: tennen isole , war Lutgern geneigt , ihr den Blut bann zu-lethex 9?). Sie zauberte ; endlich lösten die Luzerner St. Michaels Amt: an fichi. 198 ). Dette Herzoge Gewalt über das Stift warohnedem ſchon -det :

Stadt599). Der Propft muß die Gefeßebeobachten . ), kann ohnedas Capitel nicht nur nichts veräußern ? !) , ſelbft nicht wilfärlichdie Wilderaußen-o:), und nicht

C. 2. Borſtel. row . Eidgestoffenfdaft $. 1418. – 36 . 163 -





außer Beronmünſter wohnen, keinen fremden Amts mann 03) wahlen , demolt endlic , tveber : fremde Kriegsdienſte nod andere Verbindungen : erlau ben :o ). Es wird aber wie der Propſt: 10. das Caa

pitel nach der Uebung unter den Herzogen :05) von: den Luzernern geſeßt. Mit Herrn Chüring von Aarburg , damaligem Propft, war die Uebereinkunft

aller Dinge ) der Stadt Lugern um ſo leichter , da

er ſchon ihr Mitbürger war : Anaſtaſia von Aars burg, feine:Nichte, Gemahlin Henmanns vou Nur Tek, diemit Wyler unter Lujern geſchworen , sollte die alte Aarburgiſche HerrſchaftBüren von ihm ers ben , es liegt aber Büren unter der Luzerni[den

Grafſchaft Williſau u ). Die von Surſee in ihrem Gerichtszwang,508) und Blutbana29) innerden Friede freis ihrerkleinen Stadt eingefchránet, blieben , wie andere , in ihren Freiheiten , doch unter:Luzern . Vielleicht wurde2 ohne alle dieſe umftandequeSurs

ſee haben muffen gemeinherrſchaftlich fenn 10). ( b . Besleny 24. )

Was itré und Oberivalden jenſeit, des Gotthards

in Valle leventing und zu Bellinzona , die ſieben Orte und:WallisindenChålern vonOffola gemeins [chaftlich beherrſchten , diefes beranlagte den meres

würdigſten Unfall, welchen die Eidgenoſſenſchaft ſeit ihrem Urſprung erlitten hatte . Johann , Donatus und Caſpar 110 b ) , Bruder , Freiherren von Sari, Grafen !!) 34 Miſor ,,Lands

manner zu Dherwalden und Uri, waren in lestexm

164

Geſchichte der Schweiz. III. Buch.

Verhältniß Herren zu Bellinzona. Filippo Maria Biſconti , Herzog zu Mailand , oder ſeine Ráthe, perfäumten keinen Anlaß zu Geltendmachung ihrer Anſprüche auf Bellinzona, welcher Paß eine Lands: pforte Italiens iſt *). Es gelung , daß zuerſt Herr Antonio vom jüngern Zweige des Hauſes Ruſca feine angeſtammten Rechte an Bellinzona dem Her:

jog abtrat , und bald nach dieſem auch Johann von Sar (an deſſen Voreltern dieſe Herrſchaft beiraths weiſe von den Ruſca gekommen :) ) ſeine Erbtoch ter unter der Bedingung dem Grafen Lottario Ruſca

verſprach , daß dieſer Bellinzona von Mailand em: pfangen , der Herzog aber der Gemahlin des lotta: rio eine Geldſumme hiefür geben ſollte.

Dieſes

that Johann , wo nicht ohne Vorwiſſen ſeiner Brú: der " ) , doch gewiß wider den Willen der verland rechteten Orte. Sie I, gewarnt , mahnten Luzern und Schwyz , kamen deri Mailåndern vor , und er:

hielten vermittlungsweiſe durch die ſchweizeriſchen Geſandten , daß die ſtarke und fruchtbare Gegend

von dem Ausgang des Livinerthals bis an den Monte Cenere, nebſt Bellinzona, um zweitauſend vierhun dert Gulben an ſie überlaſſen werde. Sie wurden Herren ſowohl des Eingangs zu Miror, welcher nach

Hohenrhátien leitet, als der Herrſchaften Grafs Lot:

tario, welche den Staat von Mailand öffnen ; eines Landes, immerdar wichtig, aber damals beſonders, weil die Behauptung der Chåler von Offola ſonſt faſt unmöglich war. Sigmund, König der Teut:

1

1

C. 2. Vorſtel . row . Eidgenoſſenſchaft v . 1418 -

36.

165

rchen , jeder Anerkennung ſeiner Gewalt in Italien billig froh , beſtätigte dieſen Sauf; die vorigen Bes . fiker hatte König Ruprecht, rein Vorfahr, belehnt. Obfchon der Herzog von Mailand nicht unterließ, Krieg zu drohen , hielt er doch für flug oder billig ,

den Eidgenoſſen den Erfaß des Kaufſchillings an 315

zubieten " s ). Uri und Unterwalben , ihrer guten Sache bewußt , erklärten dem Herzog : ,,Er und fie

„fenen Glieder des Reichs ; Bellinzona ſey (wie er ,,ſelbſt geſtehe ) Lehen davon ; alſo mahnen ſie ihn

„ 30 Necht vor dem König. Vor dieſem Richter würden alle Gewalthaber Italiens mehr als nur ein zelne Stůde ihrer Herrſchaften verlieren *6). Der Herzog alſo ſchwieg ; lauerte bis die Beſaßung in Sicherheit ſchlummerte; that indeß vornehmen Bur: gern Zuſagen , wie der Feind keine machen konnte. Er wartete långer als anderthalb Jahre ; die Bea

Tabung , wie felten zu geſchehen pflegt, genoß des guten landes , unvergeſſen ihre Pflicht. Nicht uns vermuthet ? ) alſo erſchien Agnolo della Pergola , ſeit kurzem ein Oberſt Mailändiſcher Schaaren ''b), ſtart ſowohl durch Söldner, als noch mehr durch die

angeſponnene Verråtherei, wodurch Stadt und Burg überraſcht wurde ; den Eidgenoſſen gab er freien uns geſchmáhten Abzug. Hierauf ſofort geſchah eben dieſes in Ofola 519 c). Die Mailänder sogen bis

an den Fuß des Gotthardpaſſes ; ganz Leventina wurde in Pflicht genommen. In dem allem that Filippo Viſconti, was zu entſchuldigen war, durch die viel:

Gefolgte der Schweiz. III. Bud .

166

fältige Webung beſonders der damaligen Fürſten. Den Ausgang hatten die Schweizer fich ſelbſt zuzu fdreiben , weil fie auf die Wahnung der Urner und Oberwaldner nicht fofort ausgezogen , fondern ihren

Krieg verſchoben hatten , bis der Berluſt vollendet war. Sobald ſie dieſes vernommen , hofften jene beiden Orte guberfidytlich , daß alle Eidgenoſſen er: púrnt mit ihren Bannern aufbrechen würden , um die welfche Untreue zu trafen ; fie alſo gingen über den Gotthard ; zogen getroſt das livinerthal her: 21 d ). Da fie bei Siornico tagen , erhielten ſie ab 2172 auf ihre Mähnung folgenden Befdheid :-meiſt alle 1

Orte repen geneigt , ansyuziehen ; bis an den Pla tifernämlich (welcher Pas mitten in livinen iſt ); ,,oon Bettingona finde fich nichts in denemigen Bun : den. Aufbrechen werde man auch erſt alsdann, jwenn trí und Oberwalden dafür geforgt haben,

daß Proviant um bitligen Preis zu haben fer." Orte , bei welchen das forn wadhist oder zu Markt Format, ließen diefes denen fagen , welche es in dem sebenvertornen land oder beiihnen zu laufen pflega ten 28). Die "pon Uri - und Oberwalden unterrich tet , das der Feind fich noch nicht vollends- suſam mengezogen , daß aber die große .Standarte der 1

118

Stadt Mailanbunter den vortrefflichtenCondottieri berfelbigen Seit 9) im Anzugwar , bernahmen die 1

Ten Kaltfinn der Eidgenoffen mit Schreden : fo viel

Bedachtfamkeit ließ ihnen der Zorn , daß keiner >

zweifelte an der Nothwendigkeit ihres eigenen Rid:

C. 2. Borſtel .Tow .Eidgenoſſenſaaft v. 1418 — 36. 167 gugs. Diere alſo wandten fic : unwillig, mit Recht. .

-

Lekteres bewieſen ſie auf der Tagfakung , welche mach mehreren endlich auf den vier- undzwanzigſten Brachmonat in Luzern zuſammen fam. n Auch wir, liebe Eidgenoſſen " (prachen fie " ), wiffen das owohl ; unſere Water bei viel minderm Glúdsſtand haben in ihren Bünden der Herrſchaft Bellenz nicht opgedacht. Aberdas hingegen iſt uns nen , daß Freunde angegen einander ſo genau - rechnen , damit keiner

mdem andernmehr liebe erweiſe, als er nothwendig muß ; -bas haben wir nicht von unfern Vätern em tnpfangen. Wir glauben vielmehr , fie würden das

moorhabende Geſchäft als eineallgemeine Sache be trachtet haben . In der That; Bellenz und Livi: nen -und-Efchenthal ungerochen erobert eure und die wunſere Krieger ohne Widerſtand vertrieben Schweiger hinter ihren Gotthard verſchloſſen - der wganje Bund ungeftraft getrost . Alles bas, o Gid : #wgenoſſen ,macht eurem und unſerm Namen bei

2

an dem welſchen Woll fdhlechte Ehre. So feig daſſelbe

wift wiber tapfere manner , ſo unerträglich über: müthig höhnt es jeden , welchen es nicht fürchten cumuß. Was werden fie uns nicht bieten ? und euch felbſt ? euren Kaufleuten ? Ihr-Troß und eure Ge 4

soyduld find vor den Augen der Welt : Freet euch nicht; allein auf unſerm Ruhm beruhet unſer .

@luck ; wer Furchtſamkeit offenbaret , lebt immer unfidher. Bellenz iſt nicht in der Bundestreiſe :

Soiſt es aber doch natürlich und iſt nothwendig, +

+

168

Geſchichte der Schweiz. III. Budy.

,,daß dieſelben Gegenden ſchmeizeriſch bleiben. Bis Jan den Ausgang des Berglandes in die Lombar: „ diſche Ebene gebührt uns zu herrſchen , weil dieſe „ ſtarfen paſſe nicht können inngehabt werden vom

,, Feind ohne unſere mannichfaltige Gefahr. Die „ Herren und Städte zu Schwaben , ſehr oft feind ,, felig, pflegen den Fruchtpaß zu ſperren : es wächst ,,kein Korn in unſerm Gebirg , und bei euch nicht

„genug ; bas Ennetbürgiſche land iſt vortrefflich zu allem , und leitet auf die Märkte Italiens. Mehr mzu fagen , iſt unnút ; erwaget alte Creu ; geben ,,ket eurer ſelbſt.“ Sie ſprachen ſo ; die Eidgenoſ fen ſahen die lautere Wahrheit. Zu allererſt gab ſich die Stadt Luzern mit ſo nachdrucksvollen Worten zu allem dar , daß , indes Uri gerührt aufſtand ihr zu danken , andere beſchamt faſt unwillig dieſes hór

ten » ). Uri aber hat dieſelbe Bereitwiligkeit ſeis ner Eidgenoſſen von Luzern durch ein Denkmal auf

uns gebracht; An zwei heiligen Dertern " ) ſtehen die Wappen von Luzern und Uri durch eine Kette zuſammengeſchlungen .

Nur die Berner nahmen

kein Theil 23) , ſonſt alle Eidgenoſſen , die Stadt

St. Gallen, das Land Appenzell, rüſteten ihre aus erleſene Mannſchaft. Vor allen der Schultheiß von

Luzern Ulrich Walker 13 b) , der Bannerherr , ein tapferer Mann, von Råthen und Bürgern eine vor :

nehme Zahl mit ihren Ausſchüſſen vom Land1, fuh ren in ſieben Schiffen den Waldſtattenſee hinauf.

Ihnen begegnete die Schaar von Zug unter dem

C. 2. Vorſtellt. Tochw . Eidgenoſſenſchaft v. 1418 — 36. 169 Bannerherrn Peter Rolin ; mit ihm waren ſeine

beiden Söhne , der våterlichen Tugend Nachahmer. Aus der Alpnacher Bucht hervor regelten die Ober

waldner. Bei Stanzſtad ſtieß iinterwalden vom Land. Unter ſo viel größern blieb die Hülfe von Gerfau nicht unbemerkt 424 ). Bald gingen bei Brun nen vierhundert Bogenſchußen zu Schiff : Zurich Tandte fie voraus ; der Stadt Banner zog nach . Da ſie bei Flüelen gelandet 5), fanden fie uri un ter dem Landbanner ruſtig. Sie zogen das Thal

hinein. Wo der Gotthard emporſteigt, ordneten ſie die Bogenſchüßen an die Vorhut ; ſie,. in vier Kaufen dreitaufend Mann , folgten , die übrigent, fo fpie ſie durch Bergpfade oder zu Waffer fich fams

melten , bildeten die Nachhut. Hinwiederum von dem Herzog Filippo Maria Wiſconti, der nach ſeis

ner Gewohnheit im Palaſt blieb , zog theils in vies len Schiffen über den lago maggiore, theils über Lugano durch den Monte Senere, der Stern der Mis laneſiſchen Macht, überhaupt ſechstauſend Pferbe*** ),

achtzehntauſend Mann zu Fuß , unter dem oberſten Befehl des Grafen Franceſco Buſſone di Carmag nuola ; demſelben war Agnolo della Pergola " ) zu gegeben. Carmagnuola , der Sohn eines armen

landmanns im Saluzziſchen , wardurch Heldenmuth und Kriegswiſſenſchaft ſo groß , daß ihn der Herzog in ſeine Verwandtſchaft aufnahm , die Gunſtlinge ihn bitterlich haßten , und ganz Italien urtheilte, auf ihm beruhe der Milaneſiſche Staat 18). ' So war

/

170

Gedichte der Schweiz.

III. Budo.

auch Pergola für dieſelben Zeiten 19) einer der be ften Hauptleute. As endlich alle Haufen in Bel lingona: fich verfammelt , war die erſte Sorge des Sarmagnuola , eine Stärke zu verheblen ; fie biel ten ſich in der Stadt und ſehr ftill 30). Die Eidgenoſſen zogen vom Gotthard ohne alle Hindernis kivinerthal berab; nur um einen Marſch waren die von Schwyz, die vordexften der Nachbut, hinter den breitauſenb. Entſchloſſenheit brachte jes der mit : aber der Seift, welcher fonſt in alen Waf fenthaten das Glud für ſie entſchieb , der Geiſt uns

ferer Bünde , fehlte dieſem Heer. Seit im Uar 3

hau die Urner gerechter feyn wollen als andere, und Schwyz in Rarons Krieg wider ihre Landleute die Gombler ausgezogen , ſchien die angeftammte Zu: traulichkeit einigermaßen zu leiden. Auch war ku gern bei Schwyz in einem gewiſſen Verdacht, es itrachte dieſe Stadt das Herz der übrigen Waldſtätte

ihnen abzugewinnen. Hiedurchgeſchah , daß der Þorbere Haufen des Heers mit bittern Worten die Nachhutabſichtlicher Rangſamkeitbeſchuldigte,Schwyz

aber die Schritte nicht nur nicht verdoppelte , fon: dern zu Poleggio , am Ansgang des Livinerthals ,

unter dem Vorwand Glaris, zu erwarten , übernach :

tete. Die andern , ießt vielleicht begierig ohne fie zu fiegen , zogen mit hochwiederballendem Feldge ( dyrei 230 13 b) ſo eilig durch die Riviera , das noch an demſelben Abend ein wichtiger Unfall begegnete. 5

12

Sie folgten dem Ufer des Licino; in demſelben

C. 2. Vorſtel . fchio. Eidgenoſſenſchaft v. 1418 — 36. 171 fließt unweit von Bellinzona die aus den rhåtiſchen upen durch das Miror berabftromende Mueſa.

Dieſe beiden Fläffe werden zuvor durch eine lange Bergſtrede getrennt. So rauh und feil dieſe an iden meiſten Orten ſcheint, gleichwohl hat ifie bin und wieder brauchbare Pfade , welche zu bewohnten

Höhen feiteni 5 ). Carmagnuola , durch landeskun dige Leute son adem unterrichtet , fandte feine fonetlſten Pferde über die Muefa. Unentdeđt von den Gidgenoffen wußten ſie ſich vorbeizuſtehlen ,und bemächtigten ſich des ganzen Troffes und Proviants , der unter fchwacher oder ſorgloſer Bebedung allzu = weit hinter dem Kriegshaufen war. Dem lektern blieb übrig unter -zwei Uebeln zu wählen : entweder : 국

mußten ſie ihre nicht ftarke Anzahl durchParteien auf die Fütterung und Speiſung noch fchwachen , 3

1

uud gewärtig fern , daß diefer böfe Augenblid durch die feindliche Lift genugt werde ; oder fie muften 2

eilends eine entſcheidende Schlacht liefern , mit oder

ohne ihre Nachut, nicht wo und wie fie wünſchten , fondern fo bald und ſo gut als möglich war . Wenn Schwung nicht in Poleggio4 geblieben wäre , fo wur: ben fie wohl nicht in dieſe Nothwendigkeit getom men feyn 136). Am Abend noch ſtieß Glaris zu Schwyz , unter Joft fdjudi, Landammann , einem großen Mann in ſeinem Polt: denn , welches an erhdrt war , acht und dreißig Fahre lang erhieltes ihn bei faſt ununterbrochener Verwaltung der ober : ften wurde 133). Dieſer Fah die Mifmüthigkeit ; es N

172

Geſchichte der Schweiz. III. Budy.

gefiel ihm nicht, in Poleggio zu bleiben ; und weil der

Kriegshaufe ſchon zu weit voraus war, als daß den Fußknechten möglich geweſen wäre , ihn zu ereilen ,

faß er auf mit noch vier und zwanzig, ſprengte durch die Riviera hinaus , und kam in das Lager , da es långſt Nacht war.

Bei anbrechendem Tag des dreißigſten Brach monats in dem tauſend vierhundert zwei und zwan zigſten Jahr lagen vier Banner der ſchweizeriſchen

Eidgenoſſen im Feld bei Arbedo nicht weit von der Stadt Bellinzona; zuvorderſt Luzern ; in der Mitte Unterwalden und Uri ; Zug zuhinterſt gegen den

Berg 15 ). Es eilten , eingebenk ihrer ſelbſt und ihrer Våter , auch Glaris und Schwyz in ſchnellem Zug , ſie zu verſterken . Der Stadt Banner von Zürich nebſt Appenzell und St. Gallen zog hinter ihnen den Gotthard herunter. Der Mangel an Ein tracht verurſachte das Unglück des vorigen Tages ; der Gehorſam fehlte nun. Der Schultheiß von Lu

jern ºss), der das meiſte Volt hatte , verlor durch den vorigen Unfall das zutrauen und ſeine eigene

Geiſtesgegenwart. Jeder that was Ungeduld und Verdruß ihm eingaben , deſto mehr , weil ſie des Feindes Kunſt und Stärke nur nicht muthmaßten. Alſo gogen mehr als fechshundert Mann ,1 um des Proviantverluſtes einzukommen, ohne Urlaub, rau bend und verbrennend an der Mueſa hinauf in Mis for 13 ) ; die übrigen ſchlecht geſchaaret , lagen halb

entfleidet, wegen der Hiße des Tags " ), ohne daß

C. 2. Borſtel. ( chw . Eidgenoſſenſchaft v. 1418 — 36. 173 der Schultheiß beſſere Ordnung für nöthig hielt

oder ſie zu gebieten wußte. Dem Carmagnuola blieb dieſes nicht verborgen ; es iſt in dieſer Gegend nichts leichter als die Stellung und Bewegung eines Heers

zu erkundigen 138). Da beſchloß er zu ſchlagen, ehe fie durch die Nachhut oder durch das Anſehen eines

beſſern Hauptmanns geſtärkt werden. Voran zog ſchlachtbegierig 238 b) Agnolo della Pergola mit allen Reiſigen in feſter Ordnung , um , ſobald er dem

Feind nahe fer, ihn anzurennen , umzuſtürzen, und überall Schreden zu verbreiten . 3hm folgte die In fanterie , in einiger Nachbildung römiſcher manier

dreifach geordnet ; um , nach der Lage der Gegen: den, auf Einmal von mehr als drei Seiten Anfall zu thun , oder durch die Aufnahme der zweiten in

die erſte Ordnung , der dritten in beide, ſowohl zur Wirkung als zum Aushalten immer neue Stårke zu haben "39 ). Die Eidgenoſſen , ſobald ſie den per: gola entdedt , faßten den Sinn einer Nation , welche ihren bisherigen Ruhm nicht eingelen Feldherren, fondern allgemein verbreitetem Striegsverſtand und Heldenmuth ſchuldig war , wandten ihren Blick von den oberſten auf die beſten Hauptleute , und nah men Rath von ſich ſelbſt 389 b). Pergola , in feſter wohl geſchloſſener Ordnung, brach mit verhängtem Zúgel ein ; bald aber mit großerm Verluſt und ge ringerm Et als in keiner ſonſt unter ihm ge fchebenen Waffenthat.

Hier half dem Reiſigen ſeine

Unverwundbarkeit nicht, weil der Feind ſeine Hiebe

174

Gerdichte der Schweiz . III. Budy .

nicht auf den Mann riditete , ſondern den Pferden die Beine entzweibracho) , hierauf aber niemand ſchonte , wie ſonſt in den Striegen der Gondottieri 1

durch eine gewiſſe Uebereinfunft geſchah. Als von Luzern , zumal aus den Råthen und Bürgern , dochy

ſehr viele umtamen , und auch der Stadt Banners. -

herr feines Lebens verzweifelte , rollte er das Bana netzuſammen und warf es unter feine Füße, enta ſchloſſen darüber zu ſterben , focht aber mit erneuers ter Anſtrengung , fo daß nicht allein die Feinde von ihm abließert , ſondern das Hauptbanner vor Mais land von den Luzernern erobert wurde. Allein von derfelbigen Stunde fiel der Streit auf einmal weit **

fürchterlicher auf die Eidgenoſſen ; fintemal zu gleie

der Zeit Agnolo della Pergola , von ſelbſt oder auf des Carmagnuola **t) Befehl, alle Pferde hinwegzua bringen gebot, und , verſtärkt von Fußvolt unter 7

dem

Hauptmann Zenone di Capo d'Iſtria und von

dem Piacentino ** ) , mit übermächtiger Gewalt: in die Luzerner einbrach ( er felbft erſtad den erſten ) ;

Uri und unteripalden , da ſie ungeftum bervorbran

gen , um ihn aufzuhalten, ſelbft angegriffen wur: dert von dem Fußvolf, woi.it wåthend um den Vers luft ſeines geliebteſten Striegsgefeilen Carmagnuola ihnen in die Seite fiel ; endlich als alle , audy Zug auch Tſchudi und wer aus Livinen bei ihnen wars. mit vorwärts gerichtetem Blick und inunerfdprodea nem Streit begonnen hinter fich zu drüten , um 1

ſich an die Hohe zu erheben, von der ſie mit meht

C. 2. Vorſtell. fogw : Eidgenoſſenſchaftv.1418-36. 1756 Vortheil zu fdlagen hofften , da fand ſich, daß Cars

magnuolamít ſtårkerer Zahl die obere Gegend, ihs: ren Rüden , aubereiteingenommen hatte. In ders : felben Schlacht, als vier -eidgenoffrohe Banner,feine

dreitaufend Mann ſtart** ), itt einem nachtheiligen Boden , zugleich auf allen Seiten ; wider vier und 1

zwanzigtaufend wohl angeführte Staltener- ſtritten verhindertendie feftgefchloffenen ReihenderSchweia zer ſid, noch felbft, weil die Fatbarben damals hina

ten mit Hafen verſehen waren , wodurch ſie ſich im

den Kleidern des Nebenmanns leicht feftklammers: ten). Die mit jedem Augenblic wadenbe Noth offenbarte mehr und mehr , in welchen Gemüthern

die Liebe des Lebens und in welchen die Vorliebe eines Heldenmuthigen Codes dasUebergewicht hatte. Denn der Erfte , welcher an Ulebergabe zu denken fchiert“, wurde von ſeinen eigenen Leuten umges: bracht** ) ; aber der Schultheiß von Luzern , und neben ihm andere 245), flug für fich felbſt , ober weit fie ihre Erhaltung für den größten Dienft hielten , welchen ſie dem Baterland leiſten könnten , wands

ten die Hallbärden um- und Steaten :ſie in dieErde: durch dieſes Zeichen gabenſie ſich gefangen 346 *6). Ganz

anders bei weitem die Mehreren , welche noch , aus. vielen Wunden verblutend, mit Ießter Lebenskraft, Rache nahment 27), alles. Anerbieten 248) aber mit ſtolzem Spott verſchmåbeten ; in der feſten Uebers: zeugung , daß einige wenige Rebensjahre weber uns noch dem gemeinen Weren das werth ſind, was ein

176

Gefdichte der Sdweiz. III. Budy.

ewiges Beiſpiel und ein offenbares Zeugniß , daß wider die ſchweizeriſchen Schaaren feine Schrednik Kraft habe , weil der Tod ſelbſt keine hat. In die

fer Geſinnung fiel der Landammann von Uri Hanns Rot , nachdem er in allen großen Geſchäften dem Vaterland viele Jahre gedient ; ein ſonderbares Bei ſpiel, daß bei einem ſolchen Tod oft nicht weniger Glúd als Ruhm iſt.

Nach weniger Zeit hatte er

múffen ſehen , wie ſein einziger Sohn , auch Land:

ammann , durch gerechtes Gericht reines Volfs we

gen gewinnſüchtiger Verråtherei 349) vom Amt ge ſtoßen und aus dem Rodel feiner Vorfahren getilgt

wurde. Zwar das Landbanner von Uri entſant der Hand Heinrich Puntiners von Brunberg , welcher,

ſeines alten Adels würdig , als Landsfåhndrich für die Ehre der vaterländiſchen Waffen umfam . Alle Urner aber drångten ſich um ihn herum ; ſie rette ten ihr ſo manchmal fieghaftes Banner. An der

Spiße der Zuger ſtritt Peter Kolin als Ammann und Bannerherr nach dem Ruhm ſeines vorigen

Lebens, und wie er ſeinen gegenwärtigen beiden Söhnen zum Beiſpiel ſeyn wollte. Er fiel auf das Banner. Eilends der nächſte feiner Söhne , um

dem Vater im lekten Augenblick den Troſt zu zei: gen , daß er ſeines Gleichen erzogen , raffte das

Banner unter demſelben hervor , ſchwung es über

; die Schaaren , triefend von des Vaters Blut. In deß drangen die Italiener gewaltiger heran ; der junge Hanns Kolin , ſich ſelbſt vergeſſend , fand ſei nen

C.2. Borftell. fchw . Eidgenoſſenſaft v .1418 — 36. 177 men Dob. Sterbend riß er das Banner vom Stab, und nachdem er es um den Leib gewunden , ſtürzte er in einen Graben . Johann Landwing, ſeiner Sfreundſchaft würdig , ihm nac , wand von ſeiner 140ch Aterbend Feſthaltenden Hand faſt mühſam bas Banner wiederlos ; abermals ließ er es wehen über den Männern von Zug. Sie haben daſſelbe bis auf 是 diefen tag : man ſieht noch die Blutſtriemen des Waters und Sohnes , und in dreihundert fechs und 11fiebeuzig Jahren iſt ein einziges Mal gefchehen,daß nicht ein Solin bei den Zugern Bannerherr war ; 2

+

einmal nur in großen innern Unruhen , da wählten

sie einen von Landwings auch ſonſt febr verdientem Geſchlecht " ). Zulebt war der Kampf der Eidgenoſ ffen am heftigſteu hinten an dem Berg, wo noch nicht

ganz unmöglich ſchien, zu verhindern das der Feind fievollkommen umgebe -S). Ueberhaupt wurden drei

hundert fechs und neunzig Schweizer "S ), des Fein bes eine dreifach großere Menge erſchlagen 5b). Eben als die Eidgenoſſen alle andere, auegenom

men des Todes Hoffnung , aufgegeben , und Car: magnuola betrachtete , mit welchem Verluſt er doch nur Leichname gewinnen würde , brachen mit ſo hohem Feldgeſchrei und in vollem Bauf die ſechshun: dert, welche in Mifor geraubt , in den Rüden des Milaneſiſchen Heers ., daß Jedermann glaubte , die 1

ganze eidgenöſſiſche Nachhut ſen herbeigekommen . So gut modhte es lekterer zwar nicht werden , ben nicht ohne ihre Schuld verwahrloſeten Streit ver : 9. v. Můlers fåmmil. Werke. XII.

12

178

Geſchichte der Soweiz. III. Budy.

mittelſt einer ſolchen Zwiſchenkunft herzuſtellen : die angeſchwollene Mueſa hielt ſie auf, der Feind batte

die Brüđe abgeworfen 15 ). Doch Carmagnuola, be trogen durch jenen Zufall , oder nicht geneigt, fein

Heer neuen Proben auszuſeßen , zog ſich nach Bel linzona zurück 35 ).

Nach der neunten Morgens

ſtunde 155) erhob fich der Streit, und hörte auf als zur Veſper geläutet wurde, um die Zeit , als die Banner von Schwyz und Glaris , nachdem ſie ge

brúčet 56), eben von der Mueſa her zu ihaen zogen . Der Abend verfloß unter mannichfaltiger Klage. Denn als die Gefühle der Noth und Schlachtwuth

ſich aus den Gemüthern verloren, mancher aber mit unruhigem Blick einen Vater oder einen Freund vergeblich. ſuchte , oder von ungefähr an den Ort

kam , wo Peter Kolin unweit von ſeinem helden: mithigen Sohn , wo der Landammann von Uri oder der Puntiner , von ſtarrem Blut entſtellt, noch kenntlich waren an den großen Zügen ihrer uner ſchrockenen Geſichter , da erwachte der Schmerz.

Die , welche geſtritten , rebeten hart wider Schwyg um jene in Poleggio verſäumte Nacht: Scwyz warf ihnen zwar ihre Uebereilung und Berachtung wie:

derholter Warnungen *S) vor ; doch verbrángte in der Seele der Männer von Schwyz bald alle andern Empfindungen der Unmuth um den Tod ſo vieler guten Eidgenoſſen . Sie mehr als alle andern flag ten den Unſtern ihrer Abweſenheit an ; wollten, for derten und beſtanden darauf, eher nicht heimju:

E. 2. Þorſtel. Tow . Eidgenoſſenſdaft 8. 1418 — 36. 179

ziehen, bis der Carmagnuola die ſchweizeriſche Rache gefühlt -58) ; und ſie ſtreiften mit herausforderndem Eroß um Bellinzona unangefochten herum . Weil

aber der Proviant fehlte , viele mißmüthig waren , die vornehmſten Anführer gefallen , Carmagnuola coch nicht herausfam , an Belagerungszeug aber ein ganzlicher Mangel war 59) , fühlten die meiſten Banner die Nothwendigkeit ihre Rache aufzuſchie ben. Dieſes wußte Schwy; am wenigſten zu thun, 308 (bittern Schmerz in der Seele) die Stadt vor : bei , und bis in die Landmark von Domo 360); ohne Dollfühnheit konnten ſie nicht mehr thun. Von Unbeginn der Eidgenoſſenſchaft geſchah

noch nie ſo ein Rückzug ; zwar nicht wie von einem 360 geſchlagenen Heer b ) , denn der Feind, anſtatt fie ,

1

zu verfolgen 161) l, ieß zu , daß das Livinerthal von ihnen beſeßt blieb ; aber ein unbeſtimmtes Gerücht I

hatte in den Städten und Ländern ſowohl die An

gehörigen eines jeden , als die zurücgebliebenen Obrigkeiten mit Unruhe und Leid erfüllt. In je dem Ort wurden ſie ſtill empfangen ; man ſchrieb

die Namen der Erſchlagenen in das Jahrzeitbuch 62), Meſſen zu halten zum Troſt ihrer Seelen. Als den Luzernern verkündiget wurde , daß die in ſieben

Schiffen in ſtolzer Hoffnung ausgefahrne Menge oben am See nun zwei Schiffe gefüllt -3), befürch tete die Obrigkeit ein Wehklagen der Weiber und Kinder , welches einer zu allem gefaßten - Bürger: ſchaft nicht gezieme , und verbot, weber am Geſtabe

1180

Sefchichte der Schweiz . III. Burch

noch inden Gaffen die urudkommenden zu erwar ten ). Hieraufals jebe Haushaltung in bangen zweifeln um den Vater oder Sohn oder Gatten , wie es die Rage der Stadt und Höhe der Gebäude

zulief , aus deroberftenGemachern die Augen ſtarr nach dem See hinrichtete , und endlich die zwei Shiffe und zwar noch webend , aber fehr burdlo : chext und gerriffen ) der Stadt Banner entdecte, bald aber die Landung ohne Stolz auf das eroberte

mauptbanner von Mailand betrübt geſchah , läßt sich denken , mitwelchemGemüth jede Hausgenof ſenſchaft ihre Hoffnung oder ihre Sorge erfüllt ge

ſehen . Über da fie die Beſchuldigungen hörten , welche dem Schultheiß gemacht wurden , wurde die Trauer umgeſtimmt in folchen Zorn , daß das Volt bald auflaufsweiſe in fein Haus gebrochen hatte :65 ). Dieſes wußtendie Ráthe burd Verſprechen ſtren : ger Unterſuchung zu verhindern ; und nach drei Monaten urtheilten ſie enblich ſo, das man ſchließen kann , er fer ein Mann ohne Geiſt noch Muth ,aber nicht förmlich ſtrafbar geweſen . Die båtten ſollen geſtraft werden , welche ihn auf den Stuhl gebracht, woweiland Petervon Gunboldingen gereffen. Wenn

aber , wie bei den alten Carthaginenſern , unſere Feldoberſten für den unerwünſchten Erfolg búben múften , fo wurden ſie , beſorgt für ſich ſelbſt, alle kühnen Thaten unterlaſſen , die uns vielmal geret: 366 tet haben).

Diejenigen Orte , welchen die Ennetbürgiſchen 1

C. 2. Borſtelho foro .Eidgenoſſenſchaft d. 1448 - 36. 181 .

Kriege überhaupt verbrießlich waren , wußten: die begehrte Rache zu verzögern. Nicht nur folugen , fie ab , jenſeit derjenigen Marken zu ziehen, welche in den ewigen Bünden ausgeſeßt ſind and die Bes:

hauptung des Livinerthals erklärten ſie für: ungea ziemenden Schirm eines feinem Herrn abtrünnigen Volfs367 ). Und nicht nur vermeinten ſie , daß, da nun mehrere Orte Theit genommen , Oberwalden und Uri dieren Krieg nicht fortfeßen dürfen ohne

ihren Rath thisis , ſondern audy, daß kein Drt Macht habe, Freiwilligen den Dienſt wider Herzog Filippo zu erlauben 19).

Dieſe Denkungsaxt war nicht fos:

wohl dem Buchſtaben der Bunde: entgegen , als iha rem Geiſt , als der Billigkeit , als dem gemeinem Beſten. Wie könnte das ganze Gebirg ficher: wohs. nen ,1 wenn die fremden Söldner bis in den Gotta

hard, ſelbſt im Livinerthali Reyn dürftenpo) ? Und: woher die ſtrenge Verbammung der Einnahme eta. nes Thals , deffent Gewalthaber von dem Lehenga herrn , dem König der Teutfchen , damals in Mais lanb felbſt kaum als rechtmäßig erkannt worben und welcher durd derfáumte Stilung blutiger un ruben " ) dieſem Thaleinen ſolchen Anla gab, den

die Städte gu Errichtungvortheilhafter Burgrechte nie ungenußt vorbeigehen ließen ?? ) ? Darumließen Uri und Oberwalden mit Luzern , Zürich mehrmals

bitten : ,,Den Belehnungsbrief zu : leſen , welchen fie von dem König der Deutſchen um Livinerthal:

,, erhalten ; und wenn in der Form der Hüffsmah

0

182

Gerdhichte der Schweiz . III. Budy.

,,nung etwas verfehlt worden , dieſes ihrer Ein

,, falt und geringen Uebung in ſchriftlichen Auf fäßen zuzuſchreiben 3 ). " Aber Zürich, hierin auch von der Obrigkeit zu Schwyz und vom Land Gla

ris ") unterſtüßt, blieb dabei : ,,Dieſe entfernten Striege wider einen ſehr feſten Plaß und wider die

,,blühende Macht von Mailand werden mit åußerſter „ Gefahr des Ruhms *75 ) und ganzen Glüdſtandes 76) ,, ber Eidgenoſſenſchaft geführt, und wurden mit mehr ,, Vortheil einer Vermittlung" ) úberlaffen werden." Da ſprach Johann Půntiner von Uri , deſſen Bru der in Vertheidigung des Landbanners gefallen, und welcher ſelbſt in den öffentlichen Geſchäften ein be ſonders fleißiger Mann , ja auch Serdichtſchreiber feiner Zeiten war : „Unſere Bitte, liebe Eidgenoſſen ,

„ wollet ihr alſo nicht ehren. Die Funfzehn 978) und „die Landleute von Uri haben ſich hierum perfam ,,melt , und ſie finden , daß wir euch wohl mogen mahnen .“ Hierin wurde er von Oberwalden un : terſtůßt 79 ). Heinrich Meiß, Altbürgermeiſter , der wohl ſonſt auch Uri480) und Unterwalden 181) zuwider geweſen , beantwortete dieſe Rede mit einem Recht bot. Hingegen Zug fiel den beiden Waldſtätten bei 38 ). Volle drei Jahre widerſtanden die übrigen . Als endlich Olaris verſprach ; Uri und Unterwalden ihre Bitte dringendſt vor die Gemeinde der Züri

cher gebracht, ſie aber den Rath bevollmächtiget 183), und in Luzern alle, nur die Berner nicht , eines

Feldzugs übereingekommen , geſchah derſelbe, zwar

5.2. Vorſtel. Ichw . Eidgenoſſenſchaftd. 1418 — 36. 183

mít faſt fünfthalbtauſend Mann+86 ), aber nicht nach der Hoffnung der beiden Waldſtatte. Die nämlich , welche ſo ungern auszogen , fanden alle Hinderniſſe

Tower , und Bellinzona ganz unüberwindlid ). Es war vergeblich , daß zweihundert Männer von Ap penzell , die bei St. Paul Erſchlagenen zu rächen , vor allen ro bereitwilig begehrten 285) . Von den Ufern der Mueſa zog das Heer, ohne den Feind ge feben zu haben, auseinander, unrühmlich, und mit pielem Verdruß und Verdacht ehrliebender Mån ner auf gewife Borſteher ).

Als Petermanr: Ryſig , vom Lande Schwyz , die Herzhafteſten der Schaaren ungeduldig heimziehen fab, verſammelte er alle diejenigen , welche aus an dern Waffenthaten ſeinen Muth und Verſtand kann: ten. Sobald kund wurde , er wolle eine That ver richten , ließen ihn auch aus andern Orten viele ih res Willens verſichern ; er aber beſtimmteTage und Drte ,1 ſich zuſammen zu finden . Im Weinmonat

um Galli Tag zogen von Schwyz dreihundert Mann und ſonſt noch zweihundert unter dem Ryſig durch

den Gotthard , kamen gegen Airolo zu oberſt in li vinen herab , wandten rechts um gegen den Berg Valdoro #8) , zogen an die Quellen der Toggia hin= - auf, machten gar kleine Raſt , eilten , und waren To unverſehens bei Domo , dem Hauptort von OfTo : la , daß zu gleicher Zeit ſie hereinzogen , die Mai landiſchen Söldner aber in außerſter Bebendigkeit

aus dem andern Chor ſich in die Flucht warfen.

184

Gefehichte der Schreif. II. Budy 2

Eine - dem Herzog Filippo Viſconti nicht gleichgült tige Begebenheit: betrogen durcy Lieblinge, welcher er öfters zu viel erlaubte , hatte er der Carmag nuola To beleidiget, daß diefer nicht allein Mailand

verließ, ſondernvieles beitrug zu dem großen Bund, welcher zwifdyen Savoyen , Venedig , Florenz und

andern italieniſchen Staater damals veranſtaltet wurde 18 ). Der berzoglide Rath befürchtete, wenn diefer Anſchlag den Eidgenoſſen glute; ro möditer fie (wie natürlich geſchehen konnte) Theit nehmen an dem italieniſchen Bund. Umdem vorfukommen , wurde der garze Staat- von Mailand aufgeboten

wider -Domo d'oſola za ziehen. Die Mannſchaft erfchien- vollzählig. Als- der Feldhauptmann die Vefußung aufforderte , erbot er freien und beded :

ten -Abzug bis in die Schweizerifchen Stången . Ry fig aber , woblverſehen , und ſtark durd gute Ord nung , betrachtete mit unerſtauntem Blid diere

Menge olyne Zeug, und gab zur Antwort : „Sie ,,werden wohl ſelbſtnicht glauben, daß eine fchweis „ zeriſche Beratung durch Worte bezwungen werde.

Da errichtete der Feind einige Galgen , anzubeuten , mit welchem Schical er Widerſtand lohnen wolle ; das Herz der fünfhundert hielt unterfdyútterlidmit

Ryſig. Sobald nach Schwyzhievon Kundſchaft-fam , brad das Landbanner auf, alle Eidgenoffen wur : den gemahnt ; ja zwei der angeſehenften Vorſteher

mit langem grauem Haar und Bart erfchienen vor dem Rath von Bern. Sie fingen an mit Erinne

C. 2. Vorſtelr. fdgw . Eidgenoſſenſchaftv. 1418 — 36. 185

rung , wie Schwyz vor fechs und adtzig Jahren zum Entſaß der Berner vor Laupen geeilt ; fie ges dachten der unverbrúchlichen Liebe, welche ihrem

Land gegen die Stadt Bern zur Sitte geworden ; fíe baten herzlich , und bewegten den Sénat; Bern

ergriff die Waffen : Stal Hegel von Lindenach, Ben ner , trug der Stadt Banner; zum Hauptmann der

Banner wurbe der Schultheis Rudolf Hofmeiſter, und unter ihm -Ulrich von Erlachmit Nicolaus von Gifenftein zu den Fahnen geordnet 89). Fünftaus fend Mann ſtart- zogen ſie aug 90): die erſte Nacht blieben ſie zu thun : den folgenden Cag, jog das Hieer- zu Waſſer und Land hinauf nach Unterſeen, und foam - dritten Tag über den Brienzerfee nachy

dem Hauptflecken Meyringen zu Oberhaslt , von tuo fie Rudolfenvon Ringoltingen , Herrn zu Lands

hut, mit noch einem andern Boten an die Gombfer fandtett im Paßi und Markt. Es folgte der Oes walthaufen , herein bei Guttannert , über die Grima. fet (da ſchon Pintermonattar) nach Walid , to- fie empfangen wurden , als våren fie nie Feinde geives Ten . Hier wurden fie von ihren Mitbrirgern aus

der Stadt Solothurn ereilt. Schwyz unter Ulrichy Uz zog , alſogleich durch die Urner verſterkt , über

den Gotthard, und wardurch die wetteifernde Eife der übrigen vier Orte fchon zu großemBolt erwachs ren , als unter dem Banner der Züricher 292) tauſend und- rechshundert Mannt , auch von Cokenburg taus

fend , fiebenhundert Gotteshausleute von Chur -9 ), 2

186

Geſchichte der Schweiz. III. Bud.

das Banner der Appenzeller , endlich die Randleute zu Oberwallis , zu ihnen " kamen ; ſo daß bei der Vereinigung Bern vielleicht ein Drittheil der eit

genöſſiſchen Macht war 893). Zu núßlichem Schreden tam dieſes Heer ; thaten ließ ihm der Feind nicht angedeihen. Auf einer ſteilen Höhe an den Quellen der Doveria ) lagen zu Bewehrung der Land marten von Dffola eilfhundert Mann I, welche ge gen ſechzehnhundert leichtbewaffnete Schweizer mit · großem Geſchrei und Steinherabrollen diejenigen Künſte verſuchten, welche einem Bergvolk wider ein

+

anderes nicht ſo gut wie gegen Unerfahrne gelin gen : wie denn die Schweizer ihnen mit unerwar: teter Gewandtheit auswichen , die wohlproviantirte Bergſchanze aber eroberten. Der Schrecken der

Bertriebenen öffnete die zweite Schanze ſchon leich ter , und warf bei anbrechender Nacht eine ſolche Furcht in das Heer vor Domo, daß niemand erwar tete , was Rufig und der beranbringende Feind am folgenden Morgen unternehmen wurden. Wenn dem Herzog Filippo Viſconti der von Carmagnuola wider ihn entſponnene Bund fdyon ganz befannt war , ſo mochte er billig für einen ſehr großen Theil oder ſeinen ganzen Staat und ſelbſt für Mailand fürchten 995).

Es war ihm alſo ein wichtiges Slúd ,

daß die Eidgenoſſen (durch welche Vorſtellungen im

mer hiezu bewogen ) Friedensvorſchläge hörten . Die Offolaniſche Gegend erneuerte indeß ihre alte Pflicht an die ſieben Orte : denn die Berner hatten

C. 2. Porſtel . Tohw . Eidgenoſſenſchaft v. 1418 – 56. 187

dieſen Zug nur aus Freundſchaft für Schwyz ohne Verbindlichkeit mit großem Aufwand vollführt ; Mit herren eines durch die hohenAlpen von ihnen geſchie denen Thais zu ſeyn , gefiel ihnen damals darum nicht , weil die Zeiten durch Fehden unſicher, nicht geſtatteten , daß der Kern der Macht oft in entfern ten Ländern liege. Die ſieben Orte berekten das Shal. Das Heer zog zurüd .

In der Tractatenkunſt war die Eidgenoſſenſchaft zu allen Zeiten ungeſchickt ; weil nichts geheim ſeyn tann , wo To piele mitſprechen , und weil an vielen Orten 596) die Vorſteher bald aus gieriger Armuth,

bald aus unerfåttlicher Habſucht 897) ſich oft haben laſſen beſtechen . Wenn man den Eidgenoffen dieſe Schande mit London, Rom und Sparta gemein ſieht,

To ſteigt der Gedanke auf, ob die Gewohnheit popu larer Sitten dem Stolz der Tugend nicht bei vielen Idade ; die Beſtechung durch Fremde iſt in Monar : chien verborgener oder ſeltener ; man verkauft ſich eber dem Fürſten , und erniedriget ſich in die Hof künfte, meiſt mit geringerm Nachtheil des gemeinen Beſten 196). Der Kammerherr Zoppo , Geſandter

des Herzogs , hatte ro oder anders 199) Anlaß zu ler nen, von welcher Seite auch die Schweiz überwind lidh fey. Es gelung ihm, daß Luzern , Uri und Unterwalden einen beſondern Frieden ſchloſſen , und er endlich mit andern Orten geheime Verbindungen bekam , um Oberwalden, welches am ſtandhafteſten

widerſtand , zulegt auch zu nöthigen 300). Ein und

188

Geſchichte der Edweiz. III. Buchi

dreifig taufend zweihundert und einen Onlden 30

für Güter , die ſie auf Mailändiſchem Boden haben : mochten , eine gewiffe Steuerfreiheit 308) , und für Sos ) eine zehnjährige ihre Kaufleute und Krämer 303 Losfagung , Milberung 308) , und nachmals billige

Einrichtung sosy der Waarentaren 306) und Zölle, die von der herzoglichen Stammer abhingen 507 ) , da:Si: erhielten die Eidgenoffen ; und gaben dafür nicht

allein die Offólathaler und Bellinzona, felbft Livi nen gaben ſie auf, ſo treu es war 308) und ſo wich . tiges ift. Bewaffneten Haufen , bis auf rechzig Mann ſtarf , wurde zum Auszug in fremde Dien :

ſte 309) der Pas ; überhaupt gute unterhaltung der Straßenr 5to) , und an der Dingſtetten Bellinzona und Altorf billiges Recht und ficheres Geleit 511 ) bebungen 5 ). Aber dieſer Friede,; für ſo rühmlicy man denfelben ausgeben wollte, iwarmehr faufmån =: niſch als politiſch : denn wo iſt nun jenes Seld ? hins

gegen die Landſchaften wurden , fo viet auf diefelbert Friedenshåndter anfam ; für immer verſchergt. Um wenigſten ift uri tabelswürdig , das es gleidy an fängs ', und Oberwalden , daßi es zuleßt auch nachs. gab; fie hatten genug erfahren , wiewenig Beiſtand fie für dieſe Länder hoffen durften . Das Fehlers

hafte unſerer Tractaten war ro in die Verfaſſung verflochten , und fein Grund ſo tief in dem Herzen , das kein anderes Mittel dawider: wars, als alges meine Aufklärung unſeres wahren Vortheils bei offentlichen Angelegenheiten (bamit jeder wiffe, was

C. 2. Vorſtell.(dw . Eidgenoffenfchaft 8.£418

36. 189 -

man wollen foU) und Erneuerung der innern Står

ke 315), damit man den Muth habe darauf zu beſte hen. In dem Jahr als Herzog Filippo Viſconti Brefeia und Bergamo gegen Venedig, Vercelle und andere plage gegen Savoyen verlor , verloren die 1

Schweizer gegen den Herzog ihre vier und zwanzig jáhriges) Gemeinberrſchaft in den Ennetbürgiſchen Randen .

$

In den achtzehn Jahren, da die Eidgenoſſen ge gen Kirche und Reich und in ihren Gemeinherr: fchaften die bisher beſchriebenen allgemeinen Ber : Háltniffe batten , war folgender einer jeden Landes: gegend innerer Zuſtand. (W a 11 i

6. )

Auf einer Wieſe an dem Flüßchen Lonza bei dem Dorfe Gampil hielt , auf des Erzbiſchof Pflegers I

?

Betrieb, derLandeshauptmann von Wallis mit mehr denn ſechzig Boten der Zehnten des Landes S5) eine Zuſammenkunft, um alle aus Rarons Strieg übrigen

Mißbelligteiten beizulegen 516. Wegen der Landes: hauptmannſchaft, welche eigentlich eine Stellvertre: >

tung des Biſchofs in den Weltlichkeiten ſeiner Graf ſchaft Wallis iſt , und in Rarons Hand .furchtbar

li

( chien , war ſchon ſonſt vertragen worden ; daß der Landeshauptmann beſtätiget werben móge, aber nur auf ein Jahr angenommen ſen 317 ); und wie viel

Hochſtift 318) und Landſchaft 519 ) und was die Par:

190

Geſchichte der Schweiz. III. Budy.

teien in bürgerlichem 3) und peinlichem S ) Gericht

ihm geben ſollen. Der alte Unwille ſtillte ſich. (Die Waadt.)

Das ganze romaniſchredende Helvetien (Welſch: neuenburg ausgenommen ) erkannte unter verſdie:

denem Titel die Hoheit Savoyens. Als Reichsvi carius ließ der Herzog durch Heinrich , Herrn von Menthon , Ritter , an dem Orte Billens ein Hof gericht aufſchlagen 5). Die Stadt Murten , welche er von dem Reich zu lehen trug, ließ er, nach dem großen Brand , wodurch ſie verdarb , ſeine Onade genießen , ,, fiinf Jahre lang den See zu beſeßen S:s), mehn Jahre aller Zólle 5 *), funfzehn Jahre der

,,Hauszinſe 55) frei zu ſeyn , und ihr umgeld 5:6) in ,,deß auf die Herſtellung der Stadt anzuwenden Soz)." Zu Lauſanne war der Nahrungsſtand in genugſamer Bliithe 5-8) , das Werfzeug des Handels , die Mün je , lektens erneuert 59) , in der untern Stadt auch

die Vorſteherwahl gut angeordnet 330), und, obſchon Savoyen keine Eingriffe that in das Gebiet 331 ), bei den Bürgern die alte Reichsfreiheit in befferm Ge

dáchtniß 55 ) , als dem Herzog lieb ſeyn trochte 5 ). Uber nach dem Tod Wilhelms von Challant, deſſen Denkmal der herrliche Bau des Lauſanniſchen Schloffes iſt 333 b ) , wurden in verſchiedenen Gegen:

den zwei Biſchöfe erkannt : Herr Johann von Pran: gins., der mächtigere , dem Papſt, Savoyen und felbſt in Lauſanne eine überwiegende Partei zuge

than war ss ); und Ludwig de la Palu,1 in großen

C. 2. Porſtell. ſchw . Eidgenoſſenſdhaft v . 1418 — 36. 191

Geſchaften der Kirche weit vor jeném berühmt, em pfohlen durch die Bafelſche Kirchenverſammlung 335) ;

dieſer wurde von Peterlingen , wo ſein BetterPropſt war 336), wohl auch von andern Segenden erkannt, entweder wegen der Våter von Baſel , oder weil er Burgunder war.

Dem Erzbiſchof Diebold von Rougemont zu Be

fançon glúdte nicht, ſeine vermeinten Lehnrechte auf die Herrſchaft Coffoner gegen Savoyen geltend

zu machen ") ; ſonſt erneuerte folgender Anlaß das Anſehen von Burgund in der Waadt. Zwiſchen dem Herzog Amadeus von Savoyen und Ludwig von Chalons , Prinzen von Oranien , Herrn zu Arlay ,

war noch die vom Kauf der Grafſchaft Genf herrüh rende Mißhelligkeit; zumal weil der Prinz nicht unſcheinbare Rechte anzuführen hatte 334). Dieſer

„ Span wurde zu Morges ſo vertragen : Erlach an „ dem Bielerſee und ein Einkommen von zweihun

,,bert Pfund aus dem Zoll zu Chilon, bleiben, wie „ der Herzog ſie dem Vater des Prinzen ſchon über: ..gab , ferners bei dem Hauſe Chalons 59). Von ,,der Grafſchaft Genf wird, was aus Dauphiné der: ,,felben angehört, an den Prinzen Ludwig und ſeine

Nachkommen abgetreten 360); und für ſein übriges ,,Recht empfängt er von Savoyen zu ſehen die Stadt ,,und Herrſchaft Granfon mit voller Gerichtsbar:

,,keit 36.) , und was zu Orbe Montagny - le - Corbe 2

„ und Echallens 54 ) der Herzog von Savoyen zum

,,dritten Theil als Lehensherr beſikt und nußtss)."

Geſchichte der Schweiz. III. Buch.

192

Solchergeſtalt wurden die PringenvonDranien, som

Geblüte jener alten Hochburgundiſchen Eragrafen , Herren zu Echallens 344) , Orbe, Montagny, Gran

fon und Erlach, unter Sapoyen, da zu Neufchatel fie ſelbſt Lehensherren waren. ( G e n f. ),

zu Genf find in acht Jahren fünf Biſchofe er : Fannt worden , und keiner hat ſich weder öffentlich 7)

>>

noch beimlich mit Herzog Amadeus , der in Genf

die höchſte Gewalt ſuchte, in einen Vertrag einge laſſen , der ihm felbſt und feinen Verwandten yor: theilhaft , feinem Stuhl und Fürſtenthum nachthei Als der Biſchof Johann

lig hátte enn fónnen .

Bertrand aus Aragonien zurücbam , wohin er von Coſtanz den König Sigmund zu dem Papſt Bene

dict begleitet , bediente er ſich diefes Anlaſſes , in Montpellier von dem Landgericht 5) eine Erlaute Tung zu erhalten , „ daß Markbriefe 346) , auf den Herzog zu Savoyen ertheilt , nicht gelten follen

„ wider Angehörige derStadt und desHochſtifts S?) ,,Genf, welche auf Kaufmannſchaft oder ſonſt reis ufen . “

DieſerBiſchof wurde nachmals an das Erzſtift in Tarantaiſe erhöhet 348) , und , indeß der Nachfolger förmlich beſtimmt werde , dem -Titularpatriarchen von Conftantinopel Johann von Pierre : encize die Pflege des Hochſtifts aufgetragen. Da wiederholte der Herzog an dem påpſtlichen Hof die ehemalige

Vorſtellung, wie viel zu ſchwach über Genf

das

Furſten :

C. 2. Borſtell. Pow . Eidgenoſſenſchaft 8.1418 NE

f

36. 193

„ Fürſtenthum eines Geiftlichen fer , da die Stadt ,,urſprünglich von Fremden bevölkert , und von ei: ,,nem ſtarten und gewaltthätigen Adel umgeben

,,ware , welcher ſeinen Anhang daſelbſt gegen die

H

„ Gerechtigkeit ſchuße. Der Biſchof , überzeugt wie 1,gar nichts er ohne den Herzog vermoge, habe fich ,,wohl eher Mg) bereitwillig finden laſſen , eine ſo ,, unſichere Herrſchaft um beſſere Güter auszutau dhen . Der Herzog bitte den Papſt um die Beſtå

„tigung 350 ). “ Dieſem Geſuch widerſeßte ſich zu Rom *

# 1

der Patriarch Pfleger. Eben derſelbe, als

er zu Chambery nicht anders konnte , bezeugte fiche dem Herzog wilfábrig , wenn er nur die Sache zu: vor dem Domcapitel , dem Rath und Voll , und den Dienſtmannen ſeiner Kirche vorgetragen habe. Von den Domherren wurde dieſer Vorſchlag , wie er zuvor wohl wußte, verworfen. Die Gemeinde , fu felbiger Zeit fiebenhundert ſieben und zwanzig

Mann ſtark 56 ) , ſandte Hudriod l'Hermite mit fol gendem Auftrag an den Pfleger : ,, Vierhundert Jahre „ſind verfloſſen ſeit Ewer Gnaden Vorweſer an die

fem Hochſtift ein gnädiges und ruhiges Fürſten thum über uns verwalten ; ehemals in Zeiten , da

„ die machtigen Baronen von der Waadt, von Fau .

,,cigny und von Ger , die Grafen von Genf und an „ dere Gewaltige den Landfrieden mit Naub und

„ Mord' und aller Berwirrung oft gebrochen ; nun vrfind alle dieſe Herrſchaften vereiniget unter dem -Herzog von Savopen , einem gerechtigkeitslieben: . H. Müllersfåmmtl. Werke, XII.

13

194

Geſchichte der Schweiz. III. Buth .

, den friedfamen Fürſten , How Atters het dieſer ,,Stabt Freund.

Aus dieſer Grund , fochtour:

,,digſter Herr, fcheint uns uansthig und nicht gut, aus eines Fürſt Biſchofs wohlhergekommener Ver ,,waltung unter einen andern Herrn zu treten . Es

gedenke Ewer Gnaden der beim Untritt geſchehe winen Eide; und ich bin gekommen , im Namen der ,,Devſammelten Bürgerſchaft einer Stad : Genf (die

„ dergleichen Veranderung niemals zu leiden enfs feftefte entſchloffen iſt), Ewer Onaden eine Ver: ,,bindung anzutragen zu erhaltung derVerfaſſung ,,DON Ewer Gnaden durch derſelbest beſchwornes Wort, von uns, den Bürgern , fammt und fønders ,

mmit Leib und Gut." Der Patriarch Pfleger bes: zeugte dem Volk diejenige Geſinnung , welche es wünſchte , und welche feiner Pflicht und Würde gemäß war : die vier Syudies hingegen, die in allen offentlichen Sachen :) Stellvertreter der Gemeinde

waren , der ſie anr nichts veräußern und keine Aufs lage 356) machen durfteu, legten ihr Umt nieder 355) ,

aus Furcht per Liebe Savonend. Die Syadies wurden damals durch die einmuthigen Stimmen 356) einer nicht großeu Anzahl von Wahlherren 35 ) ers nannt. Aus den vier , deren ſie endlich überein kamer , entäußerte fich Peter Saillard derjenigen Berſammlung 358), worin : Hochftift und Stadt eins ander folgende Artikel fichwuren : vsein Bifchof Foll feine Gewalt in Oenf veräußern dürfen olme den

„ Willen der Gemeinde. Wider alleMenfchen , som 1

5. 2. Borſtelt. low , Eidgenofenſchaft v . 1418 — 56. 195

,, Fürft bis zum Niedrigſten , der ihn antaſten würde in der Uebung feiner Herrſchaft , rollen ihm die

,,Bürger beiſtehen 36). Dieſe Vereinigung ſchwöre wieder neue Bifchof, fchwören die Syndifs . “ DA

bewilligte der König der Teutſchen , die Verfaffung von Genf in des Reichs befondern Schirm zu neh men 36 ).

Als bald nach dieſem Johann von Pierre -encije durch ſeine Beförderung an das Erzſtift Rouen den Lohn ſeiner edlen Gefinnung erhielt , fchipur den

Eid in dieſer Form Johann von Brevtcoſka , wel der , aus dem Hochſtift Paris durch die Englander

vertrieben , Fürſt Biſdof zu Genf wurde 361). Auf ſeine kurze Verwaltung folgte die Herrſchaft eines Mannes , an welchem die Hierardie fo gut

als an vielen andern gezeigt , was durch ſie gefche ben kann für bloßes Berdienſt. Johann námlich, aus dem Dorfe Brognier hinter Annecy , hatte als Snabe Schweine gehútet ; ein durchreifender Cardi

nal erkannte in ſeinem offenen muntern Blid das jenige Feuer , wodurch dieſer Jüngling , von ihm erzogen , nachmals zu Coſtanz vor der Kirchenber fammlung als Carbinal von Oſtia in Gelehrſamkeit und Rechtfchaffenheit * ) vor andern hervorgeleuchtet .

Zu Senf, wo er einſt in feiner Dürftigkeit ein paar Schube nicht bezahlen können 363 ), wurde er in feia nein Alter 36 ) Fúrft Biſchof , und befahl, daß man ihn daſelbſt begrabe in der noch ſtehenden , von thm

geſtifteten Capelle 36 ). In der Gewalt folgte ihm

Gefchichte der Schweiz. III. Buch.

196

Franz, Sohn ſeiner Schweſter 366 ). Die neuern Gelehrten ſind entweder nicht ſo ehrgeizig oder nicht ro flug , als man oft geglaubt ; für Höfe , an de nen ſie nicht viel gelten , eifern ſie wider die ein zige Verfaſſung auf dem Erdboden , welche ſie den Fürſten an die Seite reken kann. Damals wurde ein Gefeß gegeben % 1), ,,bab tei: „ ner rolt können zu Genf Domherr werden , er rey „ denn abelig oder ein graduirter Gelehrter. “ Wo nur die leßtern ſind, fehlt Anſehen und Weltfennta nib ; to jene allein , da laßt Ahnenverdienſt teiten Raum für das wirkliche, die Lebendigen müſſen den Todten weichen . 1

1

I

( Grę ne t s. )

An den beiden äußerſten Gränzen des welichen Helvetiens herrſchten zwei mächtige Dienſtmanne, der Graf zu Greperz unter Savoyen , der Graf zu Neufchatel unter Oranien. Zwei von Graf Antons zu Greperz unehelichen drei Söhnen waren von dem Kaiſer der våterlichen Herrſchaften fähig erklärt 36 ). Der Stammſis blieb dem ålteſten , Franz ; welcher auch über die Waadt für die Herzoge Landvogt , und endlich als Mar fchal in dem ganzen Staat Savoyen gewaltig wur: de 16 ). Durch Erbſchaft von ſeinem Großvater war er auch Freiherr zu Aubonne , welche Herrſchaft an andern Gránzmarken 370) der Waadt gelegen iſt, wo man vom hohen Rand vortrefflicher Weinberge 37")

den ſchönſten Theil des Remaniſchen Sees und ſeine

C. 2. Vorſtel . Tohw . Eidgenoſſenſchaft v.1418 — 56. 197 lebhafteſten Küſten überſieht. Er hatte von ſeines

Urgroßvaters Bruder 348 ) die Erbherrſchaften 373) Dron . und Paleſieur, welche durch ihre Lage vom Greyerzgebirg herab an die Broye gleichſam die zuſammenfließende Gränze des Hirtenlebens und Bauerngewerbs zu ſeyn ſcheinen . Unweit von da beras er im Vauruz die Vigthumei 5 ). Viel entfernter

in der fruchtbaren Gegend zwiſchen den Seen von Murten und Neufchatel waren Molières und Grand court rein : ju oberſt Molières , auf der Höhe , ſtark

und über eine weite Landſchaft hin ſo froh gelegen, daß dieſe Burg das Auge Helvetiens genannt wor den ſein ſoll; Grandcourt in der Ebene , in fettem Erdreich damals blühend.

Franz war auch Herr

des niedern Berglandes an der Pforte der Alpen , wo an die Burg zu Corbière ein damals zahlreiche res 375), ſehr ſchönes und belebtes Volf pflichtig iſt. Hier iſt zwiſchen ſchönen Hügeln lieblich ausgebrei

tet Charmen 576 ) , welches mit Uigremont in dem viel wildern Ormondergebirg ſeines Bruders Anton Theil war 37). Wenn inan von Greyerz in die Al pen herein dem Strom der Sane aufwärts folgt, läßt man links am Eingang der paſſe die Berge der Herrſchaft Montfalvens ; Johann war ihr Beſiger, an Jahren dem Grafen Franz der nåchſte Bruder 318). In dieſem fo reichbegúferten Hauſe bereitete ſich

(lang unbemerkt , wie in großem Glanz und Gut leicht geſchieht) nach und nach dasjenige Verberben ,

weldiem es nach mehr als hundert Jahren zulegt

198

Gefdhichte der Saweiz. III. Buch .

unterlag , vielleicht nicht ſowohl weil die Grafen , als Diener der Liebe , zu viel für ihr Vergnügen verſchwendeten , als weil fie , anſtatt in ihrem sors trefflichen Land glüdlich und groß, Fürſten und was ter , zu ſeyn , lieber am favopiſchen Hof mit großem

Aufwand unter andern Großen glänzten. Franz der pfandete die Einkünfte von Oron , Aubonne, Mo: lières und Grandcourt 379). Gleich ſchädlich für das Kaus , doch rühmlicher (weil dadura dem Volt ihr

Andenken lieb geblieben) wurden immer mehr Frei heiten an die Unterthanen verkauft. Von Anton

dem Vater haben die Burger von Greyerz die Bes . ſtátigung des Umgeldes ; von Franz , baß an der Grange der Herrſchaft ihre Ausfuhr feinen Pfund : 2011 gebe 58o) , daß ihre Mannſchaft nicht außer den Landmarken Kriegsdienſte leiſten müſſe s). Schon faſt zu ſchwach widerſtanden beide Grafen gewiffen

Ausdehnungen der Freiheiten von Sanen . Die Los ber 38s) blieben ihnen damals als Pfand ; aber um die Zinſe der Vorberge 535), welche das Hirtenvolk in jedem Jahr zuerft bezieht und am lekten verläßt,

wurde von den Schiedrichtern das Land begunſti get se ) ; auch das Gnadenrecht, welches überall herr

ſchaftlich iſt, ſchránkten ſie ſo ein , daß der Graf ei: nem verrufenen 585 ) Todtſchláger nicht könne das

Land öffnen , ehe dieſer den Verwandten verſöhnt, welchem nach den alten Sitten die Blutrache zu: kam 536 ). Franz, um dieſe Dinge wenig bekümmert,

wurde alt in den großen Geſchäften 587) , mit anges

C. 2. Borſtell. fawo . Eidgenoſſenſchaft v. 1418 -

36.

199

Ktammtem Reichthum nie zurückhaltend, zufrieden , daß er hervorleuchte, in Savoyen an dem Hof, oder wenn er mit vielen Pferden in die Stadt Freiburg. $

ritt,1 um dafelbft Fainacht zu halten 38 ). ( Noufdatel. )

Greperz war mit Savopen verbunden , hingegen Konrad pou Freiburg und fein Sohn Johann Grafen

Ju Neufchatel mit Burgund. Als der Prinz Jo hann von Dranien zu Paris an der Peft geſtorben , weigerte fidh Graf Konrad nídyt , von Ludwig , der

fen Sohn, einem klugen Furſten 589 ), deſſen Zuname 1

pyder Gute " war , alle feine Lehen zu nehmen 3go). Graf Johann, welcher des Pringen Schweſter gebeie rathet , bielt in den damaligen Kriegen die Partei

Philipp des Guten , Herzogs von Burgund, ſo daß er nicht allein das goldene Vließ bekam 5 ), Ton

dern Marſchall und Gubernator der burgundiſchen kande geweſen iſt, bis er in einem hohen und kran ten Alter 392) fich von den Geſchäften entfernte. ( Walengin . )

Der Graf Wilhelm pon Harberg, welcher fowohl POR feinen Vätern her als durch ſeine Mutter 393) des alten Stamms Neufchatel war , und einft ver fucht habew ſoll , feine Anſprüche auf die Herrſchaft Aarberg erlenneri zu laſſen 395), dieſer ſtand son we

sen Johanna von Beauffremont feiner Gemahlin 596)

in Verwandtſchaft der größten burgundiſchen und lo thringiſchen Gefchlechter 596). Begreiflich ift, wie uns gern Bilbelm die Herrſchaft Balengin in dem Jura

200

Gerdichte der Schweiz. III. Budy.

von Gráf Konrad von Freiburg zu Lehen erkann: te 397 ) , welcher durch Keirath in das Erb ſeiner Stammvåter eingetreten. Auch war , ſo lang fie beide lebten ,I teine dauerhafte Freundſchaft, fons

dern mancherlei Klage, „ daß einer dem andern das ,, lehen mindere 598); der von Freiburg hinterhalte ,,dem von Aarberg die Herrſchaft Boudevilliers 399) ;

,, lekterer hingegen habe ſelbſt in Aufrichtung eines ,,Galgens von vier Säulen ſeinen Empórungsgeiſt

,,gezeigt.“ Wer nicht von dem Reich unmittelbar den Blutbann empfangen , ſollte nur drei Säulen reßen too). Erzbiſchof Diebold von Beſançon , bei 1

der Grafen Vetter 401) , ſuchte nach dem Tod Son:

rads dieſe Mißverſtändniſſe zu vermitteln ; aber ihr Grund lag nicht in den Sachen , ſondern in den Gemüthern. Noch ſterbend beflagte Wilhelm , wie vieles er von dem Hauſe Freiburg erduldet ; gab an , daß der neuliche Vertrag , als geſchloſſen auf der Burg feines Feindes , nicht gehalten werden muffe ,

und empfahl Johann , feinem Sohn , ein Burgrecht mit Bern ). Dieſer rein Sohn und Nachfolger iſt der Jobann, welcher mit ſeinem Vater Beauff

remont 408) und andern ritterlichen Helden den be: rühmten Kampf an dem Baum Karls des Großen beſtanden hat * ). Sechs Edelfnaben folgten ihm ; ihre langen Haare gefråuſelt auf teutſche Manier 605) ; mit eben ſo viel Roſſen , alle prachtig bedeđt , alle mit Stoffen beſonderer Farbe ; jeder Knab war in ſelbige Farbe gekleidet. Eilfmal rannte Jobann von .

C. 2. Borſtel . Fow . Eidgenoſſenſchaft v. 1418 –

36. 201

Aarberg ,. bis dem Gegner 606) gludte , daß er ihm oben an der Bifier einen Splitter brach.

Dieſer

Graf mit ſeiner Burg Valengin war gegen jeder mann , ausgenommen den lehensherrn , der Stadt

Bern gewärtig , ſowohl in Striegen, als wenn ihm vor ihre Fronfaſtengerichte Recht angeboten wur de hoy ). ( B er n. )

Nachdem die Stadt Bern durch Geld und Waf fen zu dem Rang der Hauptſtadt eines großen Lan des emporgeſtiegen , ihrer Gründung in dem zweis

hundert neun und zwanzigſten Jahr, in dem Schult

heißenamt Rudolf Hofmeiſters , Edelknechts 107b), wurde in einer großen Verſammlung von Råthen und Bürgern die Erbauung eines Münſters beſchlor

fen , welches der Stadt würdig fer. Sie hatten vor bundert Jahren deſſelben würdigen Grund gelegt durch den erfahrenſten Meiſter großer Baufunſt,

Matthaus , deffen Vater zu Straßburg, den Bau jenes Thurms unternahm , welcher jeßt ſeiner Voll

endung entgegeneilte, um nur fünf und zwanzig Fuß niedriger als die Spiße der höchſten Pyrami de 408 ). Seneigt ertheilte Papſt Martinus ( wohl eingebent, wie ihn Bern empfangen ) glaubigen Al moren großen Ablaß ). Dienſtags am eilften März nad der Frúhmette, als die Obrigkeit und Bürgers

ſchaft mit allen Orden bei Hanns von Thun , dem Reutprieſter, die Meffe vom beiligen Geiſt angehört, zogen ſie feierlich unter großem Zulauf auch von auss

202

Cemidhte Sex Edweiz. III. Budh.

wärtigen Volt an den Ort 1, wo das Münſter fte: ben follte 45 ). Bon dem Schultheiß und Leutpriez

fter wurde der erſte Stein gelegt. Der ganze Bau , wie er fichon in dem vierzehnten Jahrhundert von den Ufern der Aare hundert und acht Fuß hoch er: boben und mit einem Aufwand von mehr als hun dert und funfzigtauſend Gulden ) aus großen Quaderſtúden ) vollführt wurde , war die Arbeit vieler Jahre.

In dem Jahr des Entſchlufes dieſer Unterneh

mung, am Abend St. Vincenzen, Patrons der Stadt, warfen Schultheiß, Ráthe und Bürger cus), im Ge:

fühl und Gedächtniß aller von ihnen und ihren Båtern vollſtredten Chaten , auf die Nachkommen fluge Fürſorge , daß ihnen die gleiche Geſinnung

bleibe, und befahlen Konrad Juſtinger, dem Stadt: ſchreiber, aus allem hin und wieder Berzeichneten , oder was alten Männern von ihren Großvatern er: innerlich feyn mochte, die Geſchichten der Stadt Bern aufzuzeichnen 4'). Dieſes that Juſtinger in zutrau : licher Einfalt mit einein vaterländiſchen Gemüth . Nichts iſt núblicher zu Bildung der Jugend unb

Leitung der Vorſteber als die Darſtellung aller Zei: ten des gemeinen Weſens : die alten find ruhmpol, die leßten lehrreich und nicht entehrend. Schwad find außer drei oder vier verhältniſmäßig alle Staa: ten ; eben deswegen helfen ſie ſich durch Bündniſſe;

Furchtſamkeit iſt jedem verberblid , ziemt keinem , und iſt weniger die Wirkung erforſchter Straftloſig :

S. 2. Vorſten , ſchw . Eidgenoſſenſchaftv. 1418 — 36. 203 teit , als wenn unerforſcht gelaſſen wird , welche Würde und wie viel Kraft einem freien Volk Tu gend und Verſtand zu geben vermogen. Auch die Kenntuiß der Fehler und Verſáumniſſe iſt nública biezu . Schultheiſ, Ráthe und Bürger (15) gu Bern res gierten ohne Scheu des Feindes , ohne Argwohn auf Angehörige , brúderlich unter ihren Mitbürgern ,

über das Land våterlich. Es mogen größere Ge ſchäfte den Geiſt des ganzen Volls erhöhet haben , oder die alten Verordnungen fanden ſich hinlang lidy; man ſieht nichts mehr von jenem Gegeneinan: berſtreben der Obrigkeit und Zünfte. Den älteſten

pier Zünften wurde das Recht gegeben 6 ) , daß die Venner nur aus ihnen ſeyn ſollen : doch (wie als zu Rom plebejern das Conſulat eröffnet wurde) die

Würde der venner blieb lang meiſt nur dem Adel"' ). Die Náthe litten gern , daß , wo in einem Zunft: bauſe beim Wein oder ſonſt durch aufwallenden Zorn mit oder ohne Blut Schlägereien entſtanden , dies ſes durch die Zunftfreunde entſchieden werde 48). Auch die Religion trug bei zu der Freudigfeit, wo mit alles geſchah. Die Pfaffen waren dem Genuß zu ergeben , um dem Leben anderer zu harte Feſſeln

anzulegen 68 b). Wer an den Münſterbau , oder I

zum Löſegeld armer Chriſtenſklaven * 19 ) ſteuerte, lebte in feſtem Glauben der Vergebung ſeiner Sün: 1

den vor Gott und Menſchen getroſt. Auch das hiel: ten ſie für Gott gefällig , an Sonntagen einen ar:

204

Geſchichte der Schweiz.

III. Buc .

men Mann mit einer Mahlzeit froh zu machen 420 ). An Reichthum ftieg Nicolaus von Diesbad , Rit: ter , "") , zu eben der Zeit wie die Medicis "" ) und

Fugger tes) , durch großen Leinwandgewerb ** ) em: por " ). Obſchon das Geld auch auf Zinſen gelie hen wurde ) , blieb im Hausgeråthe noch viel Silber und Gold. Irgend ein filbernes vergolde

tes Rob glänzte durch den Saal " ) ; man hinter: ließ einem Freund gern die Schale , aus welcher man ſich Bruderſchaft getrunken 48).

Die Gründung der Herrſchaft wurde erleichtert, einerſeits durch den Edelſinn der Vornehmen, welche dem Staat auf eigene Koſten und vergebens dien: ten , ja auf ihren Herrſchaften in den Landgerichten der Stadt ohne Zwang Recte einraumten, welche ihre Våter allein geübt * 9); anderſeits durch die Steuern , ' welche auf alle Unterthanen und Bürger ausgeſchrie ben 3), und in jeder Gegend nach dem Vermögen eines jeden von der Gemeinde gehoben wurden 43").

Daniederhaltung der Landſtådte war zu Bern gang unbekannt. Als die Burgdorfer wider eine Land ſteuer alte Befreiungen vorſchüßten , und bei dies ſem Anlaß über den Verfall ihrer Stadtmauer und koſtbaren Thürme klagten , wurde nicht allein ihr Herfommen ſogleich geehrt **) , ſondern verordnet,

agot benachbarte Dörfer rollen von Bern ſteuerfrei feyn , und den Burgdorfern ihre Laſten tragen hel

fen " ). Ja die Erneuerung ihrer ehemaligen Ver

Cap. 2. Borſtellung der ſoweiz. Eidgenoſſenſchaft. 205

bindungen mit Solothurn war den Burgdorfern un verboten - ). Man findet in Streitſachen teine Parteilichkeit für Gemeinden , welche unmittelbar unter Bern waren , wider ſolche, die noch Baronen hatten 435); wohl aber daß die Herren ſich ſcheuen

mußten 436 56), dem Volt billige Rechte 431) vorzuent balten , oder demſelben in Abweſenheit der Vorge: ' fekten hinterliſtige Vorſchläge zu thun 438 *). Noch waren einige Herren auf Deſtreich ſtolz oder unwil

lig bürgerliche Gefeße zu halten ; daber ſie durch Soreden und eigennúßig herrſchten 39). Wider ſolchen Mißbrauch fam Bern mit Luzern eines bili: gen und jedem offenen Rechtsganges überein "). In dem Jahr zuvor waren die Marten gereßt wor den " '), wo zum Theil an vormals heiligen *ie) oder altberühmten Stellen “ 3) die Luzerniſche Grafſchaft

Williſau an das Berniſche Hargau ſtößt***). Hierauf nach wenigen Jahren ſaß Heinrich von Babenberg **b), Freiherr von Spiez und Landvogt zu Aarburg, an einem Landtag vor der Stadt Lenzburg unter dem dazu beſtimmten Sarbaum : da erſchien der Adel pon Aargau “s), es kamen die Boten aller Gemein den , und im Namen der Stadt Bern Ulrich von Erlac , Ritter, Herr zu Jágíſtorff, mit Rudolf von Ringoltingen, Herrn von Landshut ; und es wurde durch Zeugniſſe und Eid vernommen, welche nach

dem Hertommen des Hargaues die hochherrſchafts lichen Rechte ſepen ; Haltung der Landtage nämlich , 446 allgemeine Gereßgebung *) , und überhaupt **)

206

Gefchichte der Schweiz. III. Buch.

Hochflug 6) , Fifchenzen und Wildbann 9). An: derswo rechnete man Bergwerke dazu hágb). Die Macht Berns wurde im Aargau durch fol genden Anlaß vergrößert.

Als Wilhelm von Gru :

nenberg , Ritter, vermuthlich damit er uneinges fchränkter dem Hauſe Deſtreich diene «5o ), ſein Burg Techt in Berit aufgab, ichien thm ficherer, oder ſonſt portheilhaft ,/ gleichwie er zuvor den Solothurnern

das Keidyopfandlehen ihres Zolls verkauft * ), um Aarwangen , eine vom Berniſchen Aargau umges. bene Herrſchaft " ) , Geld zu nehmen. Dieſe Gele genheit wurde von den Bernern genußts .

Eine andere Herrſchaft erkauften fie gemeinſchafts lich mit Freiburg , oben in dem Land. Graßburg

heißt fie ; die erſten Feldmarken am Fuß der Alpen und auf dem Onggisberg das freiheitliebende şir tenvolt 454) waren ihr pflichtig. Von dem Reid , war fie Pfand an Savoyen. Die Idſenden Städte fa

men überein, daß die vorige bürgerliche Einrichtung blieb " ) und in den Herrſchaftsrechten Gemeinſame gevalten wurde 16). (Solothur n .)

Die Stadt Solothurn , durch das Glüd Bernd nur zx fpåt unterrichtet , nußte die dürftigen Ums ftånde des Hochftifts Baſel und eine Seldnoth Jo hanns von Falkenſtein , Ritters, um von jenem die fonſt an Bafel verpfändete Stadt Olten an einer

wichtigen Brüde über die Aareis ), von diefem den Ort Balftal zu erfaufen 458 ), duro welchen thre

C. 2. Borſted. Fow .Eidgestoffenfitaft v. 1418-

56. 207

Herrſchaft in den Clauſen des Jura feſter wurde * ). Sie fhien guch in dem Bau der Barfüßerkirche 460

mit Bern wetteifern zu wollen . Die Zier einer fol= chen Kirche, die Feter des langs der großen

Glocke 6 b ) war ein Stolz für jede Stadt. (Bifchof su Bafel. )

Den Sachen des Hochſtifts Bafel, welche feit faſt fiebenzig Jahren unaufhaltbar geſunfen , welche

BiſchofHambert von Hochburgundiſch Neufchatel zu Gunſten ſeiner Freunde 461) und Verwandten vollends veroarb, Hartmann Móndi von Mönchenſtein aber, obwohl ein ſparſamer Greis 7, nicht herzuſtellen ver: mochtet), gab der Biſchof Johann don Fleckenſtein zu Dachſtuhl neuen Schwung 463). Entſprofen von

einem alten und großen elſafjärden Adel , durd fel tene Vereinigung zugleich ein würdiger Bifchof und ein thátiger Fürſt, fam er in den ſchwerſten Zeiten an die Würde. St. Urſiß , eine im Lauf der Jahr

Hunderte um eine Einſiedelei entſtandene kleine Stadt, in dem engen von dem Doubs bewaffecten Chal hinter Bruntrut ; jene landſchaft Freiberg ,jene

Wildniß,um Falkenberg und Spiegelberg 463b ), des ten Anbau das Berdienft Emers von Ramſtein ge wefen , dieſe Gegenden und viele Burgen befaß pfandweiſe Herr Diebold von Hochburgundiſch Neuf chatel. Meberall waren auf die Landſteuern Glau

biger angewiesen , weldie fie wider alle Biltigkeit und Klugheit ſo libertrieben , daß von dem Delſper

ger #mt iind aus Muinſterthal.das Volf zahlreich

208

Gefoichte der Schweiz. III. Buch.

auswanderte 46 ). Der Biſchof, welcher kaum hatte

ſtandsgemäß leben fónnen , wenn ihm die Abtei zu Selz nicht gelaſſen worden wäre , ritt in die Stadt Baſel mit Friedrich Biſchof zu Worms und mit Rabanus Biſchof zu Speyer , feinen Verwandten , und mit fünftehalbhundert Reifigen 6 ) ; weniger zur Pracht, als damit Herr Diebold geſchreckt um ro eher die Wiederlöſung annehme. Denn ſofort berief der Fürſt Biſchof die Dienſtmannſchaft und von allen Thålern und Landen die Ausſchüſſe; da ſie faben , wie er ſeiner ſelbſt nicht ſchonte , boten Tie willig viertauſend rheiniſche Gulden dar 66 ). Die Steuern wurden gelost ; aber Diebold weigerte

fich , von ſeinen Pfanden zu weichen . Stolze Uns gerechtigkeit wird nur durch Darſtellung unerwarte: ten Widerſtandes gebeugt. Der Biſchof, dieſer Wahrheit gewiß , von den Grafen zu Sarwerden 467)

und Leiningen, und Ludwig Herrn von Lichtenberg, einem berühmten Helden der damaligen Fehden 468), unterſtüßt, Tente Grafen Johann von Chierſtein als des Hochſtifts Hauptmann über rechshundert Reis ſige; erwarb , daß Burkard ze Rhyne, Ritter, Bür

germeiſter , mit einem Ausſchuſfe der Bürger von Baſel zu ihm ſtieß , und eroberte (weil Herr Die bold folden Muth nicht erwartet) inner drei Tagen alle von dem vorleşten Biſchof an dieſen ſeinen Neffen werpfändeten Burgen und Panbe 16 ). Der hieraus entſtandene Krieg wurde anfangs wie die

meiſten Fehden ohne Spriegszucht verwüſtend ges führt;

C. 2. Vorſtell . w. Eidgenoſſenſdaftp. 1418 – 56. 209

führt: Striegsknechte von Baſel, welche in Floris

mont an der Landwehre lagen, rannten durch Miß belligfeit aus einander , jeglicher in ſeine Hütte: Herr Diebold vonNeufchatel zog aus auf Helingen ,

dem Bürgermeiſteč gehörig , und verbrannte das Gut: in florimont úbte die Beſaßung an dem an dern Geſchlecht muthwillige Wolluſt, worüber durch beleidigte Gatten der Feind in die Stadt fam . Die

Stadt Baſel verordnete, daß wer zweitaufeud Guls den vermoge., ein Pferd, und wer dreitauſend Gul den habe , noch einen Kuecht unterhalten foll" ). Der Freiherr Kudolf von Hallwyl, zwei von Ram ſtein , Arnold von Berenfels , Hanns von Wellen berg der Wilde 1, der Baſtard , und acht andere Ed

le wurden täglich mit einem rheiniſchen Gulden befoldet « '); dafür hielt jeder drei Reiter. So ges fuftet machten ſie ſich auf ; Burkard ze Rhyne, Rit:

ter, Bürgermeiſter, Hauptmann zu der Banner '? ), Fußvolt und Reiſigen, in der erſten Woche des Win termonats 1, durch Munſterol herein vor Ericourt. Sofort wurde aus vier großen Stücéen am Åbend und Nachts der Ort ſo beſchoffen , daß die Bürger

durch ſeine Verbrennung auf die Burg , bald aber zur Uebergabe genöthiget wurden 3 ). Bewogen durch dieſe mannhafte Chat nahm Herr Diebold für ſeine Anſprüche zehntauſend Gulden 47 ). Die Stadt Baſel gab dem Biſchof dieſe Summe 5 ). Sie mit ihren Eidgenofjen +76) trug das Meiſte bei , daß Markgrafen Wilhelm die Stillung der verderben : I. D. Müllers fammti. Perfe, XII.

14

Geſchichte der Schweiz. III. Buds.

210

den Fehde glúdte , die durch Diebold und Sanns von Froberg ( Montjone) in dem óſtreichiſchen Sunds gau waltete 1, als faum des Chorhüters Behendiga feit Maßmúnſter rettete und viele Fleden in Arche

geſunken .

Da bezeugte Johann von Fledenſtein

fowohl den Baslern durch Beſtätigung des Beriges

ihrer Pfandſchaften, als den Münſterthalleuten und ihren Benachbarten dadurch ſeinen Dant, daß er die jährliche Steuer der lektern von jedem Pflug

anveranderlich auf ein Pfund Pfennig beſtimmter), und allenthalben der Gerichte nie zu frånkendes Anſehen herſtellte 472 ). (Stadt Safe 1.)

Die Basler , welche ſich ro bereitwillig zeigten

zu Herſtellung des Hochſtifts, hielten auch mit zehn Stádten * 9) und mit Ludwig Pfalzgraf bei Rhein , als Erbreichslandvogt ) , einen Landfriedensbund

für Elſaß und Breisgau ; er wurde nothwendig durch die viele Sábrung zwiſchen alten adeligen

und auffommenden bürgerlichen Geſchlechtern. Die Sachen dieſes Bundes , Recht und Krieg , pflegten I

3ut Breiſach fieben vollgewaltige Boten zu ordnen +81) .

Da trug ſich zu , daß Markgraf Bernhard von Ba den (lang des Reichs Landvogt auf dem Wald und andern , dem Herzog Friedrich noch vorenthaltenen Herrſchaften ) mit Freiburg und Breifach in Zwet: ſpalt fiel, ſowohl wegen ungebräuchlicher Zille, als weil badiſche Leute daſelbſt Bürger wurden, er aber derſelben Gutnicht folgen ließ ; worüber der Bunds )

C. 2. Vorſtell. Fow . Eidgenoſſenſchaft v. 1418 — 36. 211 -

aufgebrochen . Bon Baſel Burfard ze Rhyne mit adthundert Fußfnechten und ungefähr dritthalbhun dert Pferden , Rudolf von Ramſtein, Freiherr, mit

funfzehn , und andere eilf Edle jeder mit fünf Pferden , dieſe Schaar , mit Wurfmaſchinen 83) ver ſehert , fuhr den Strom herab. Nachdem Raſtatt verbrannt worden , lag die Macht vor Mühlburg

und Graben (in Auen und Sandgefilden am Hart walde ſtehend) lang und vergeblich ; theils wegen

der tapfern und geſchidten Gegenwehr, theils weil Straßburg und Baſel (unter dieſen Städten bei weitem die größten, und hiedurch eiferſüchtig ) über parteiiſchen Proviantverkauf in harte Mißhelligkeit fielen . Deſto leichter gelung ben Mittelsboten Rd

nig Sigmunds 48 ) , daß der Streit an ein Recht gereßt wurde. Auf Baſel fiel Kriegsmúbe von eis ner andern Gegend. Als der Prinz von Chalons 485) oben im Sundgau , um den Markgraf zu erleich

tern , die Herzogin Katharina , Wittwe von Deſt .

reich 486 ) , auf den Witthumsgütern anfiel, welche ihr ganz neulich durch der Basler Zuthun beſtáti get worden *8), ſchien leßtern dieſes unziemlich und

gefährlich zu leiden : alſo daß nicht allein der Alt- : bürgermeiſter Hanns Reich von Neichenſtein , Rit ter , mit der Stadt Baſel Zeug und Banner fofort aufbrach , die von Mühlburg wiederkommenden aber mit ihm nach Befort hinaufzogen ( 38) , ſondern auch

die ſchweizeriſchen Städte, erbeten durch Hemmann von Offenburg ,, ihren Auszug bereit hielten -89),

212

Geſchichte der Schweiz. III . Buch .

Dieſe Entfchloffenheit bewog den Prinzen, fich dieſer Sachen zu entjieberg). Der Bürger Friedensliebe, itd (ohne welches

diefe Geſinnung Feigheit fcheint) ihre Bereitſchaft auf jeden Krieg, verhinderte mande blutige Fehde.

NE

So als Rudolf von Neuenſtein reinen Knecht Ro:

it

renberger mit acht andern auf die von Ramſteia rennen hieß , weil , da ihm Vaſel feine Stammburg brach , dieſelben zugeſehen hatten . In þútten, welche ſie an einfame Orte auf den Bergen feßten, lauerten feine Diener , bis Eunzmann und sem :

mann von Ramſtein , Brüder , Burger von Baſel, im Vorbeireiten geſchadiget werden mochten. Db wohl der Chåter gefangen wurde I, fchien bedenklich

ihn zu richten , wegen Solothurn , po er ſich heima lich als Bürger anfnehmen laſſen. Dieſes vergli: chen gemeinſchaftliche Freunde, ſo daß auf dem Tag zu Zofingen Geſandte der Solothurner auf der Her: berge der Basler im Beiſeyn der Vermittelnden die Loslaffung erbaten. Da reichten die Basler den

Solothurnern einen Becher vollWein und geröſtete Brotſchnitte, welche in Wein getaucht und mit Zimmt und Zuder beſtreut waren 694). Auch wurde

der von Neuenſtein hierauf der Stadt Freund , als Herzog Friedrichs Gemahlin für ihn , als ihren

Mundſchenk, gebeten . Es war in dem ungebundes nen Kriegsvolk damals ſolcher Troß , daß Thomas Oberrott , ein Knecht Nudolfs von Weffenberg, fic pict ſcheute, die Stadt Baſel zu fehden ; da er, fo

C. 2. Vorſteu . Fow .Eidgenoſſenſchaft v . 1418 — 36. 213 wohl um Diebſtahls willen , als weil er Herrn Nu dolfs von Ramſtein Jáger todtgeſchoffen , in einem ihrer Dörfer gefangen worden. Er entlam , nach : dem er das Dorf angezündet und auf eine Wachols derſtaude einen ſpottenden Brief gelegt 19 ). Bon ihm war der Stadt am unleidlichſten , daß er fehr ungebührliche Gemålde von ihren Vorſtehern aus ftreute, und vorgab , fie haben ihn einft zu einer Berråthereimiethen wollen 196). Viele gerichtliche Unterſuchungen tvurden durch die ſchwerverflochtenen Rechte in dem Sißgau vera

anlaſſet. Bald wollte Ulrich von Eptingen dem Stein zu Waldenburg die alte Herrlidykeit im Hóll fteiner thal nicht laffen 494) ; bald wurde beſtritten , ob zu Waldenburg hohe Gerichte je geübt worden

fepen. Hiefür half nicht wenig, daß alte Leute noch wußten , wie einſt unter dem Grafen von Thierſtein ein fehr wohlgebildeter Anest in den Thurm gelegt

worden ; defſelben Schickſal rührte das Herz der Gräfin 495); bei Nacht ſtand fie auf, ergriff eine

Urt , erbrach den Stock , lógte die Bande und ent: ließ den Jüngling 196 ). Die Sibyauiſche Landgraf fchaft brachte Claranna von Thierſtein durch ihre Heirath in das Freiherrenhaus von Falkenſtein 9 ) ; aber den Baslern blieben die pfandweiſe son dem

Hochſtift , oder eigenthümlich von Otto, der Elaran na Vater , an die Stadt erworbenen Rechte toot ).

Durch ſie wurden die lieftaler angehalten *99 ), um Raub, Mord , Brand, Keßerei 499b) und anbere

214

Geſchichte der Sqweiz. III. Buch.

bdſe Dinge vor dem Basler Schultheiß in dieſem Stådtchen Urtheil zu nehmen , wie es üblich war

auf dieſer lande Dinghöfen soo). Erweiſen mußte man ſolche Klagen mit ſieben Zeugen oder durch den Kampf ; Merleumder kamen in die Fußſtapfen deſ fen , welchem ſie zu ſchaden gedacht so:). Wer aber bei einem ganz ohne Hausgeſinde lebenden Mann nach der Nachtglođe morderlich einfiel , deſſen frevel, wenn er umgebracht wurde, bewies der Angegriffene

ſo , daß er drei Halme von ſeinem Strohdach , rei nen Hund an einem Seil (hatte er keinen Hund, entweder die Staße , welche bei dem Herd geſellen , oder den Kahn, welcher bei den Hühnern wachte) vor den Richter nahm , und ſchwur 50%). Wenn ſich ei ner nicht beeidiget glaubte , weil er den Eid nicht nachgeſprochen , ſo wurde er für einen verworfenen Mann erklärt. Jährlich vor der Faſnacht , wenn man zu heirathen pflegte, verſammelten ſich bei dem Schultheiß alle mannbaren jungen Leute , und er gab dem freigebornen eine freie , dem Leibeige nen reines Gleichen , zur Ehe ; wer ſich verungenof rete sos) , wurde an Leib und Gut , und ſeine Erben

um all ſein Vermogen sot) gebüßt ; wer die perbote: nen Grade gebrochen sos), oder wer , da er ſonſt ſchon zur Ehe gegriffen , doch heirathete , war nur

zu einer Strafe von zehn Pfund se) verurtheilt. Die Rechte waren damals unvollſtändiger, und viele

nicht aufgeſchrieben , aber durch finnbildliche oder auffallende Umſtände in die Seelen gegraben. Ein

C. 2. Borſtell. foto . Eidgenoſſenſchaft v. 1418 — 36. 215 hundertjáhriger Mann, der in jungen Jahren Schloß: knecht war , half nachmals den Herren von Eptin gen durch folgende Erinnerung ihre hohen Gerichte zu Prattelen behaupten soy ): „Einſt fep Graf

„ Otto 508) pon Thierftein mit gar vielen Herren „und Leuten dahin gekommen , und habe unter der großen Linde vor dem Dorf in einem ſchönen und großen Seſſel mit vergoldeten Knopfen gereſ „ ſen , um in dem Kreis der Seinigen , welche auf ,,Stühlen ſaßen , einen von Ramſtein zu erwarten , ,,daß ihn derſelbe zum Zweifampf ſuche. Da habe Herr Góßmann von Eptingen, mit ſeinem kleinen Junter an der Hand , ihn gebeten , wer ſoll ihn un gehindert laffen in ſeinem Dorf zu Prattelen , und nicht hier ſißen ." Der Graf babe erwiedert: VI ,,Górmann , das muß dir nicht ſchaden ;" dieſer aber geſagt: „Onådiger Herr , es kommen viele „ Fremde, die möchten wähnen , ihr habet hier zu wrichten ." Worauf der Graf aufſtehend geſprochen : ,, Das wäre mir leid ; vertaufe mir Stroh , damit Wir ſtuhlen außer dem Ewing. " Erwartete er jenen Heinrich von Ramſtein , wels cher, noch vor der Zeit als er bei dem heiligen Grab ritterliche Würde erwarb , in dem vierzehnhundert acht und zwanzigſten Jahr Sonntags vor St. Lucien die Ehre der teutſchen Ritterſchaft gerettet ? Ges raume Zeit rorher kam Don Juan de Merlo nach Baſel, trat auf und ſprach : „Von Spanien iſt ,,mein edler Stamm . Hundert Lånder habe ich ge 17

216

Gefadhidhte ber Schweiz.

III. Bechy.

tauſend Städte