Verwaltungsautomatisierung nach dem Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens: Begriffsklärung, Rechtsnatur und Abgrenzung vollständig automatisiert erlassener Verwaltungsakte i.S.d. §§ 35a VwVfG, 31a SGB X und 155 Abs. 4 AO sowie verfassungs-, verfahrens- und unionsrechtliche Würdigung vollautomatisierter Verwaltungsverfahren … [1 ed.] 9783428588459, 9783428188451

Die Untersuchung beleuchtet das Rechtsinstitut vollständig automatisiert erlassener Verwaltungsakte in AO, VwVfG und SGB

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Verwaltungsautomatisierung nach dem Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens: Begriffsklärung, Rechtsnatur und Abgrenzung vollständig automatisiert erlassener Verwaltungsakte i.S.d. §§ 35a VwVfG, 31a SGB X und 155 Abs. 4 AO sowie verfassungs-, verfahrens- und unionsrechtliche Würdigung vollautomatisierter Verwaltungsverfahren … [1 ed.]
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Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1505

Verwaltungsautomatisierung nach dem Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens Von

Helmut Birner

Duncker & Humblot · Berlin

HELMUT BIRNER

Verwaltungsautomatisierung nach dem Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens

Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1505

Verwaltungsautomatisierung nach dem Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens Begriffsklärung, Rechtsnatur und Abgrenzung vollständig automatisiert erlassener Verwaltungsakte i.S.d. §§ 35a VwVfG, 31a SGB X und 155 Abs. 4 AO sowie verfassungs-, verfahrens- und unionsrechtliche Würdigung vollautomatisierter Verwaltungsverfahren unter Berücksichtigung exekutivischer Letztentscheidungskompetenzen

Von

Helmut Birner

Duncker & Humblot · Berlin

Die Rechts- und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät der Universität Bayreuth hat diese Arbeit im Jahr 2022 als Dissertation angenommen. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2023 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: L101 Mediengestaltung, Fürstenwalde Druck: CPI Books GmbH, Leck Printed in Germany ISSN 0582-0200 ISBN 978-3-428-18845-1 (Print) ISBN 978-3-428-58845-9 (E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Für Michael

Vorwort Die vorliegende Untersuchung wurde im Sommersemester 2022 von der Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Bayreuth als Dissertation angenommen. Gesetzgebung, Rechtsprechung und Literatur konnten bis einschließlich Dezember 2022 berücksichtigt werden. Tiefer Dank gilt zuvörderst meinem Doktorvater Herrn Prof. Dr. Markus Möstl, der in mir nicht nur das Interesse an der Promotion weckte, sondern die Entstehung der Arbeit in der Folgezeit auch engagiert und wohlwollend förderte und neben optimalen Arbeitsbedingungen auch menschlich eine verständnisvolle und inspirierende Zusammenarbeit ermöglichte. Meine Tätigkeit an seinem Lehrstuhl habe ich stets als Bereicherung in fachlicher wie auch persönlicher Hinsicht empfunden, wofür ich überaus dankbar bin. Dank gebührt des Weiteren Frau Prof. Dr. Eva Julia Lohse für die Mühen der Zweitkorrektur sowie Herrn Prof. Dr. Martin Schmidt-Kessel für die Übernahme des Vorsitzes im Rahmen des Kolloquiums. Von Herzen danken möchte ich ferner meiner Ehefrau Stefanie, die mich unerschütterlich durch die Hoch- und Tiefphasen der Promotion begleitet und unterstützt sowie die Bürde des Korrekturlesens auf sich genommen hat. Ohne ihre Zuversicht und ihr Verständnis für die entbehrungsreichen Stunden der Arbeit wäre diese Dissertation so nicht entstanden. Besonderen Dank schulde ich außerdem meiner Mutter Simone für die fortwährende Unterstützung, auch unter widrigen Bedingungen, sowie meinen Großeltern Monika und Karl. Gewidmet ist diese Arbeit meinem Bruder Michael. Bayreuth, im Frühjahr 2023

Helmut Birner

Inhaltsübersicht § 1 Einführung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Die Lebenswirklichkeit im digitalen Wandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Gegenstand der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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§ 2 Leitlinien gesetzlicher Entwicklungen der Verwaltungsmodernisierung  40 A. Entwicklung des allgemeinen Verwaltungsverfahrensrechts . . . . . . . . . . 41 B. Entwicklung des Steuerverwaltungsverfahrensrechts . . . . . . . . . . . . . . . . 72 C. Entwicklung des Sozialverwaltungsverfahrensrechts . . . . . . . . . . . . . . . . 83 D. Weitere Gesetze der Verwaltungsmodernisierung i. w. S. . . . . . . . . . . . . . 85 E. Zusammenfassende Analyse und Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 § 3 Begriffsklärung vollständig automatisiert erlassener Verwaltungsakte nach den Vorgaben des Gesetzes zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 A. Zur Berücksichtigungsfähigkeit begriffsklärender Vorarbeiten . . . . . . . . 93 B. Die gesetzlichen Umschreibungender Kodifikationen des Gesetzes zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 C. Prägende Charakteristikavollautomatisiert erlassener Verwaltungsakte i. S. d. Kodifikationen des BestVerfModG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 D. Zusammenfassung der begriffskonturierenden Erkenntnisse . . . . . . . . . . 161 § 4 Rechtsnatur und Abgrenzung vollautomatisiert erlassener Verwaltungsakte nach dem BestVerfModG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Die Einordnung des vollständig automatisiert erlassenen Verwaltungsakts als Verwaltungsakt i. S. d. Handlungsformenlehre . . . . . . . . . . . . . . . B. Abgrenzungen zu weiteren besonderen Ausprägungsformen von Verwaltungsakten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Zusammenfassung der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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§ 5 Der vollständig automatisierte Erlass von Verwaltungsakten im Gefüge des Verfassungs-, Unions- und Verfahrensrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 A. Verfassungsrechtliche Determinanten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 B. Übertragbarkeit auf Anwendungen jenseits standardisierter Prozessabläufe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 C. Verfahrensgrundsätze vollautomatisierter Verwaltungsverfahren . . . . . . . 334 D. Unionsrechtliche Maßgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 391 E. Exkurs: Rechtstheoretische Grenzen algorithmischer Rechtsanwendung . 411

10 Inhaltsübersicht § 6 Der vollautomatisierte Erlass von Verwaltungsakten und Formen exekutivischer Letztentscheidungskompetenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 427 A. Paradigmatische Unvereinbarkeit nach gesetzlichem Leitbild . . . . . . . . . 428 B. Vollautomatisierte Ermessens- und Beurteilungsentscheidungen jenseits der tatbestandlichen Grenzen der §§ 35a VwVfG, 31a S. 1 SGB X, 155 Abs. 4 AO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 442 § 7 Zusammenfassung in Thesen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 472 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 495 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 527

Inhaltsverzeichnis § 1 Einführung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Die Lebenswirklichkeit im digitalen Wandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Gegenstand der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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§ 2 Leitlinien gesetzlicher Entwicklungen der Verwaltungsmodernisierung . 40 A. Entwicklung des allgemeinen Verwaltungsverfahrensrechts . . . . . . . . . . 41 I. Die Urfassung des VwVfG von 1976 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 II. 3. VwVfÄndG vom 21. August 2002 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 III. 4. VwVfÄndG vom 11. Dezember 2008 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 IV. Das Planungsvereinheitlichungsgesetz vom 31. Mai 2013 . . . . . . . . 49 V. Das E-Government-Gesetz des Bundes vom 25. Juli 2013 . . . . . . . 50 1. Änderungen des VwVfG durch Art. 3 des EGovG i. w. S. . . . . . 51 a) Erweiterung der Schriftformäquivalente . . . . . . . . . . . . . . . . 52 b) Weitere Anpassungen im Zuge des Art. 3 des EGovG i. w. S. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 2. Das EGovG i. e. S. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 a) Pflicht zur Eröffnung eines elektronischen Zugangs gem. § 2 EGovG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 b) Subjektives Recht auf elektronische Zugangseröffnung? . . . 58 c) Sonstige Regelungen des EGovG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 3. Zusammenfassung zum EGovG i. w. S. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 VI. Das Besteuerungsverfahrensmodernisierungsgesetz . . . . . . . . . . . . . 65 1. Das Gesetzgebungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 2. Die Inhalte des Gesetzes: Vollautomatische Verwaltungsakte und Bekanntgabe durch Abruf im Internet . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 3. Das BestVerfModG als Wendepunkt der Entwicklung . . . . . . . . 68 a) Elektronisierung des Verfahrens als Ausgangspunkt . . . . . . . 68 b) Neuakzentuierung durch (Voll-)Automatisierung . . . . . . . . . 71 B. Entwicklung des Steuerverwaltungsverfahrensrechts . . . . . . . . . . . . . . . . 72 I. Die Urfassung der AO von 1977 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 II. 2. und 3. VwVfÄndG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 III. 4. VwVfÄndG und PlanVereinhG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 IV. Das SteuerbürokratieabbauG vom 20. Dezember 2008 . . . . . . . . . . 76 V. Das E-Government-Gesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 1. Änderungen der AO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 2. Das Stammgesetz des EGovG (i. e. S.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78

12 Inhaltsverzeichnis VI. Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens . . . . . . . . . 1. Ausschließlich automationsgestützt erlassene Steuerbescheide und neue Bekanntgabeform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Weitere Anpassungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Jahressteuergesetz 2019 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Entwicklung des Sozialverwaltungsverfahrensrechts . . . . . . . . . . . . . . . . D. Weitere Gesetze der Verwaltungsmodernisierung i. w. S. . . . . . . . . . . . . . I. E-Government-Gesetze der Länder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Das Onlinezugangsgesetz des Bundes (OZG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Sonstige Gesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Zusammenfassende Analyse und Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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§ 3 Begriffsklärung vollständig automatisiert erlassener Verwaltungsakte nach den Vorgaben des Gesetzes zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 A. Zur Berücksichtigungsfähigkeit begriffsklärender Vorarbeiten . . . . . . . . 93 I. Begriffliche Annäherungen an automatisierte Verwaltungsakte . . . . 93 II. Maßgeblichkeit der Kodifikationen des BestVerfModG . . . . . . . . . . 95 B. Die gesetzlichen Umschreibungender Kodifikationen des Gesetzes zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 I. Der Wortlaut im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 1. § 35a VwVfG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 2. § 31a SGB X . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 3. § 155 Abs. 4 AO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 II. Parallelbetrachtung der Verfahrenssäulen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 C. Prägende Charakteristikavollautomatisiert erlassener Verwaltungsakte i. S. d. Kodifikationen des BestVerfModG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 I. Aufgreifen des Begriffs „automatischer Einrichtungen“ . . . . . . . . . . 104 1. Erste Einordnung des Begriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 2. Begriffsverständnis im Lichte des Verwaltungsakterlasses „mit Hilfe automatischer Einrichtungen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 3. Beschränkungen des Einsatzspektrums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 II. „Vollständig[er] […] Erlass“ durch automatische Einrichtungen . . . 111 1. „Vollständigkeit“ des Erlasses durch automatische Einrichtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 2. Automatisierung des vorgelagerten Verwaltungsverfahrens?  . . . 114 a) Vorgelagertes Verfahren als Bestandteil des „Erlasses“  . . . . 115 aa) Der „Erlass“ als Akt behördlicher Willensäußerung und -bekanntgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 bb) Eingeschränkte Aussagekraft des Erlassbegriffs . . . . . . 117 b) Automatisiert erlassener Verwaltungsakt ohne automatisiertes Verwaltungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119

Inhaltsverzeichnis13 c) Automatisierung des vorgelagerten Verfahrens als zentrales Charakteristikum vollständig automatisiert erlassener Verwaltungsakte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 aa) Semantische Anhaltspunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 bb) Die Aussagekraft der Begleitnormierungen . . . . . . . . . . 124 (1) Erweiterte Amtsermittlung, §§ 24 Abs. 1 S. 3 VwVfG, 31a S. 2 SGB X . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 (2) Behördliches Risikomanagement gem. § 88 Abs. 5 AO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 (3) Weitere Normen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 (4) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 cc) Die gesetzessystematische Abgrenzbarkeit . . . . . . . . . . 128 dd) Rechtspolitische und teleologische Erwägungen . . . . . . 130 d) Zusammenfassende Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 3. Automatisierung der nachgelagerten Bekanntgabe? . . . . . . . . . . 136 a) Die nachgelagerte Bekanntgabe als begrifflicher Teil des „Erlasses“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 b) Gesetzeskontextuelle und systematische Anhaltspunkte . . . . 137 c) Unbeachtlichkeit der vollautomatischen Bekanntgabe . . . . . 140 aa) Begrenzungsfunktion bzw. Schutzzweck der Normen  . 141 bb) Auswahlvorbehalt des (Fach-)Gesetzgebers . . . . . . . . . . 143 cc) Normative Verankerung: automatisierter „Entstehungsvorgang“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 4. Automatisierung des die technischen Verarbeitungsvorgänge auslösenden Impulses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 a) Beginn des Verwaltungsverfahrens als Bezugspunkt des Impulses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 b) Unbeachtlichkeit eines automatisierten Impulses . . . . . . . . . 148 c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 5. Unschädlichkeit von Aussteuerungsmechanismen . . . . . . . . . . . . 151 a) Rechtsstaatlich absichernde Aussteuerungen . . . . . . . . . . . . . 151 b) Beurteilung konkret ausgesteuerter Verfahren . . . . . . . . . . . . 152 c) Rückführung ausgesteuerter Sachverhalte in das automatische Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 d) Planmäßige und strukturelle Aussteuerungen . . . . . . . . . . . . 157 e) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 III. Unabhängigkeit von Verkörperungsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 IV. Keine Sonderdogmatik für „einfache Vollautomatisierung“ . . . . . . . 160 D. Zusammenfassung der begriffskonturierenden Erkenntnisse . . . . . . . . . . 161

14 Inhaltsverzeichnis § 4 Rechtsnatur und Abgrenzung vollautomatisiert erlassener Verwaltungsakte nach dem BestVerfModG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 A. Die Einordnung des vollständig automatisiert erlassenen Verwaltungsakts als Verwaltungsakt i. S. d. Handlungsformenlehre . . . . . . . . . . . . . . . 166 I. Einzelfallbezug, Regelungscharakter und Außenwirkung . . . . . . . . . 166 II. Maßnahme einer Behörde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 1. Erfordernis einer menschlichen Willensbetätigung . . . . . . . . . . . 167 2. Bisherige Lösungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 3. Kodifikatorische Festlegung und deklaratorische Natur der Kodifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 4. Ansatzpunkte einer dogmatischen Fundierung  . . . . . . . . . . . . . . 171 B. Abgrenzungen zu weiteren besonderen Ausprägungsformen von Verwaltungsakten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 I. Abgrenzung zu elektronischen und elektronisch übermittelten Verwaltungsakten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 1. Elektronische und qualifiziert elektronische Verwaltungsakte  . 176 2. Elektronisch übermittelte Verwaltungsakte . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 II. Zur Kategorie „mit Hilfe automatischer Einrichtungen“ erlassener Verwaltungsakte nach Implementierung vollständig automatisiert erlassener Verwaltungsakte nach dem BestVerfModG . . . . . . . . . . . 181 1. Definitorische Präzisierungen des Begriffs „automatischer Einrichtungen“  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 2. Anwendbarkeit amtsermittlungsbezogener Ergänzungen . . . . . . . 183 3. Zum systematischen Verhältnis zwischen „vollständig“ und „mit Hilfe“ automatischer Einrichtungen erlassenen Verwaltungsakten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 a) Voll- und teilautomatisiert erlassene Verwaltungsakte als zueinander exklusive Kategorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 b) Inklusivitätsverhältnis zwischen voll- und teilautomatisiert erlassenen Verwaltungsakten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 c) Zur Anwendbarkeit der Ausnahmevorschriften im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 aa) Vorschriften zum Absehen von der Namenswiedergabe  191 (1) Faktische Unanwendbarkeit aufgrund Fortfalls des Regelungszwecks? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 (2) Verfahrenseffizienz als übergeordneter Regelungszweck? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 bb) Regelungen zum Absehen von einer Begründung . . . . . 196 (1) Geringe Bedeutung aufgrund Fortfalls des Regelungszwecks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 (2) Bestätigung der geringen Bedeutsamkeit im Steuer- und Sozialrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 cc) Vorschriften zur Entbehrlichkeit einer Anhörung . . . . . 200

Inhaltsverzeichnis15 (1) Praktische Bedeutungslosigkeit für vollautomatisiert erlassene Verwaltungsakte im Steuer- und ­Sozialverwaltungsverfahrensrecht . . . . . . . . . . . . . . 200 (a) Sozialverfahrensrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 (b) Steuerverfahrensrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 (2) Betrachtung im allgemeinen Verwaltungsverfahrensrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 dd) Zusammenfassende Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 (1) Inklusivität und grundsätzliche Interoperabilität der Verfahrens- und Formerleichterungen  . . . . . . . 208 (2) Faktische Inkompatibilität der Ausnahmevorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 (3) Fortbestehen einer defizitären gesetzlichen Steuerung und Anleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 III. Abgrenzung zu fiktiven Verwaltungsakten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 1. Zur Rechtsfigur fiktiver Verwaltungsakte . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 a) Genehmigungsfiktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 aa) Wirkungsweise und Reichweite der Fiktion . . . . . . . . . 219 bb) Zur Frage der Rechtsnatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 cc) Verfassungsrechtliche Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 b) Die Steueranmeldung als Beispiel weiterer Ausprägungen fiktiver Verwaltungsakte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 2. Vollautomatisiert erlassene Verwaltungsakte im analytischen Abgleich mit fiktiven Verwaltungsakten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 a) Kongruenzen bei faktischer Ergebnisbetrachtung . . . . . . . . . 230 aa) Homogenität in den materiellen Wirkungen . . . . . . . . . 230 bb) Fehlen (notwendiger) menschlicher Mitwirkung auf Behördenseite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 cc) Teleologische Übereinstimmungen beider Instrumente . 232 dd) Zusammenhang zu Mitwirkungsbeiträgen des Bürgers . 233 ee) Praktische Austauschbarkeit und regelungstechnische Konkurrenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 b) Disparitäten aus formaler und entstehungsprozessorientierter Sicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 aa) Divergenzen im formalen Wesen der Endprodukte: Tatsächliche Existenz versus Fiktion der Existenz . . . . 238 bb) Differente Entstehungsmodi: Realer Erlass versus irreale normative Umgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 cc) Ausnahmecharakter von Verwaltungsaktfiktionen? . . . . 242 dd) Minus an vorgerichtlicher Rechtmäßigkeitskontrolle? . 245 c) Zusammenfassende Analyse und Schlussfolgerung . . . . . . . . 247 C. Zusammenfassung der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249

16 Inhaltsverzeichnis § 5 Der vollständig automatisierte Erlass von Verwaltungsakten im Gefüge des Verfassungs-, Unions- und Verfahrensrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 A. Verfassungsrechtliche Determinanten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 I. Gesetzmäßigkeit automatisierter Verwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 1. Vorrang des Gesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 a) Sicherstellung materieller Entscheidungsrichtigkeit . . . . . . . 255 aa) Vollständige und richtige Abbildung der rechtlichen Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 bb) Präventive Gehalte der Sicherung materieller Entscheidungsrichtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 cc) Nachsorgende Überwachungspflichten . . . . . . . . . . . . . . 262 (1) Fehlerbeobachtungs- und -korrekturverpflichtung . 262 (2) Reaktions- und Anpassungspflichten bei Rechtsänderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 b) Gewährleistung eines funktionalen Gesetzesvollzugs . . . . . . 266 2. Vorbehalt des Gesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 a) Unergiebigkeit pauschaler Zuordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . 270 b) Wesentlichkeitsvorbehalt bei besonderer Grundrechtsrelevanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 c) Übertragung auf bundesrechtliche Zulassungsnormen . . . . . 272 3. Ergebnisse zur Gesetzmäßigkeit der Verwaltung . . . . . . . . . . . . . 273 II. Demokratische Zurechnung automatisierter Verwaltungsentscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 1. Sachlich-inhaltliche Legitimationskomponenten . . . . . . . . . . . . . 276 a) Gesetzesbindung als Fundament sachlich-inhaltlicher Legitimation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 b) Weisungsrechte, Aufsicht und parlamentarische Kontrolle  . 277 2. Personell-organisatorische Legitimationskomponenten . . . . . . . . 278 a) Demokratische Verantwortlichkeit des Entscheidungsträgers und Wegfall menschlicher Entscheider . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 b) Personell-organisatorische Zurechnung kraft humaner Residualelemente  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 aa) Bewusste Freigabeentscheidung als menschliches Initiativmoment . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 bb) Menschliche Einflussnahme auf Programmierung und Ausgestaltung der Entscheidungssysteme . . . . . . . . . . . 280 cc) Fortbestehen einer operativen menschlichen Verfahrensherrschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 3. Zusammenfassendes Fazit zur demokratischen Zurechnung . . . . 285 4. Einschränkungen gem. Art. 33 Abs. 4 GG? . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 III. Menschenwürdegehalte als Automatisierungsgrenze . . . . . . . . . . . . . 289 1. Die Objektformel als Ausgangspunkt für Unvereinbarkeitsthesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 2. Praktische Unergiebigkeit der Menschenwürde . . . . . . . . . . . . . . 290

Inhaltsverzeichnis17 a) Kernbereichsschutz menschlicher Subjektivität versus verfahrensrechtliche Feinjustierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 b) Die Disparität von Automatisierung und „Verobjektivierung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 c) Pragmatische und rechtspolitische Gesichtspunkte . . . . . . . . 293 3. Operable Automationsgrenzen in Extrembereichen . . . . . . . . . . . 294 a) Sachlich-inhaltliche Automationsgrenzen  . . . . . . . . . . . . . . . 295 b) Formelle Automationsgrenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 IV. Automatisierte Einzelentscheidungen und effektiver gerichtlicher Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 1. Wirksame Kontrolle bei automatisierter Entscheidungserzeugung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 2. Nachvollziehbarkeit durch Begründungsmechanismen  . . . . . . . 299 V. Fazit zu den verfassungsrechtlichen Determinanten . . . . . . . . . . . . . 302 B. Übertragbarkeit auf Anwendungen jenseits standardisierter Prozessabläufe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 I. Axiomatisch-deduktive und stochastisch-induktive Modelle . . . . . . 304 1. Determinierte Systeme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 2. Indeterminierte Systeme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 II. Selbstlernende Systeme als Katalysator des vollautomatisierten Verwaltungsakterlasses? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 1. Gesetzessystematische Kompatibilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 2. Verfassungsrechtliche Spannungslage und funktional-differenzierende Betrachtungsweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 a) Die Ebene der Rechtsanwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 aa) Selbstmodulierung und Gesetzmäßigkeitsprinzip . . . . . 309 bb) Demokratische Defizite selbstlernender Systeme . . . . . 313 (1) Selbstmodulation als Problem sachlich-inhalt­ licher Legitimation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 (2) Personell-organisatorische Zurechenbarkeit bei Selbstmodulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314 (a) Keine effektive Verantwortlichkeit durch Einfluss auf Programminhalte . . . . . . . . . . . . . 314 (b) Keine effektive Verantwortlichkeit durch Freigabeentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316 (c) Operative Verfahrensherrschaft als bloßes Legitimationsfragment . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 (3) Ergebnis zu demokratischen Defiziten selbstlernender Systeme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318 cc) Gewaltenteilung und effektiver Rechtsschutz . . . . . . . . 318 dd) Fazit zum Einsatz intelligenter Systeme auf Rechtsanwendungsebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320

18 Inhaltsverzeichnis b) Vorbehalt für andersartige, ggfls. hybride Anwendungsformen künstlicher Intelligenz in der öffentlichen Verwaltung  . 322 c) Sonstige, insbesondere risikobewertende und informationsverifizierende Komponenten des Entscheidungssystems . . . . 323 aa) Indeterminierte Algorithmen als Katalysatoren einer Risikoevaluation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 bb) Verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit intelligenter Risikoevaluation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326 (1) Funktionalität als Rechtfertigungsfigur . . . . . . . . . . 326 (2) Abgeschwächte verfassungsrechtliche Problem­ lage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327 (a) Gesetzmäßigkeit, Gewaltenteilung, Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327 (b) Demokratische Legitimation . . . . . . . . . . . . . . 328 (c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329 cc) Sicherungsmechanismen beim Einsatz intelligenter Risikoevaluation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330 III. Fazit zum Einsatz selbstlernender Systemkomponenten . . . . . . . . . . 332 C. Verfahrensgrundsätze vollautomatisierter Verwaltungsverfahren . . . . . . . 334 I. Automatisierte Amtsermittlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335 1. Der Untersuchungsgrundsatz als Garant rechtsstaatlicher Sachrichtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335 2. Durchführung der Amtsermittlung in vollautomatisierten Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336 a) Vollautomatisierte Sachverhaltsermittlung als technischer Informationserhebungs-, -akkumulations- und -bereitstellungsvorgang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337 b) Automationsspezifische Amtsermittlungsdefizite und kompensatorische Mechanismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341 aa) Qualifizierte Freitextfelder und automatisierte Äußerungsaufforderungen mit Aussteuerungsfolge als individualitätsintegrativer Mechanismus . . . . . . . . . . . . 344 (1) Schnittstellen zur Implementation individuellen Vorbringens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344 (2) Tatsächliche Berücksichtigung individueller Angaben durch Aussteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . 346 (3) Grenzen der Integration individuellen Vorbringens  348 bb) Risikomanagementsysteme als strukturelle Plausibilitäts- und Risikokontrolle  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351 (1) Funktionsweise und Zielsetzung von Risikomanagementsystemen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354 (2) Modellierungsansätze von Risikomanagementsystemen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355 (a) Der deterministische Ansatz  . . . . . . . . . . . . . . 355

Inhaltsverzeichnis19 (b) Selbstlernende Modellierungsansätze . . . . . . . 358 (3) Folgen der Risikoidentifikation: risikoinduzierte Aussteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 360 (4) Verfassungsrechtliche Mindestanforderungen . . . . . 361 (a) Geeignete Auswahl und indikative Kraft der Risikoparameter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 361 (b) Zufällige, turnusmäßige, behördenseitige Aussteuerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363 (c) Diskriminierungsfreiheit der Risikobewertung  364 (d) Mindestmaß an Transparenz und Nachvollziehbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 367 (e) Verhinderung der Antizipation und Umgehung des Risikomanagements . . . . . . . . . . . . . 368 3. Ergebnis zur automatisierten Amtsermittlung . . . . . . . . . . . . . . . 370 II. Automatisierte Anhörung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 372 1. Verfassungsrechtliche Hintergründe und Kerngehalte des Anhörungsgrundsatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 372 2. Anhörung in vollautomatisierten Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . 373 a) Generelle Ausnahme- und Ausschlussbereiche . . . . . . . . . . . 374 b) Unergiebigkeit der Ausnahmevorschriften für teilautomatisierte Verwaltungsakte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375 c) Die Informalität der Anhörung als Anker ihrer technischen Umsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 377 3. Ergebnis zur Anhörung in automatisierten Verfahren . . . . . . . . . 378 III. Automatisierte Begründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 379 1. Verfassungsrechtliche Hintergründe und Kerngehalte der verwaltungsverfahrensrechtlichen Begründungspflichten . . . . . . 379 2. Begründungspflichten bei vollautomatisiert erlassenen Verwaltungsakten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 380 a) Umsetzung einer automatisierten Begründung . . . . . . . . . . . 382 b) Inhalte und Tiefe der Begründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 384 c) Erläuternde Begründung versus abstrakte Algorithmenkon­ trolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 386 3. Ergebnis zur automatisierten Begründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 388 IV. Zusammenfassendes Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 389 D. Unionsrechtliche Maßgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 391 I. Verbot automatisierter Einzelfallentscheidungen, Art. 22 DSG-VO . 391 1. Regelungsgehalte des Art. 22 DSG-VO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 392 2. Anwendung auf vollständig automatisiert erlassene Verwaltungsakte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 393 a) Einschlägigkeit des Art. 22 DSG-VO . . . . . . . . . . . . . . . . . . 393 b) Manueller Bekanntgabevorgang und Aussteuerungsmechanismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 394 3. Ausnahmetatbestände und verfahrensmäßige Mindestgarantien . 395

20 Inhaltsverzeichnis a) Recht auf persönliches Eingreifen des Verantwortlichen . . . 397 b) Recht auf Darlegung des eigenen Standpunkts . . . . . . . . . . . 398 c) Recht auf Anfechtung und inhaltliche Neubewertung der Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 400 d) Faire und transparente Verarbeitung der Daten . . . . . . . . . . . 402 e) Erläuterung der Entscheidung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 403 f) Anforderungen bei besonderen Kategorien personenbezogener Daten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 404 II. Automationsspezifische Auskunfts- und Informationsrechte . . . . . . 405 III. Ergebnis zu den unionsrechtlichen Einflüssen und Zusammenführung mit nationalem Verfahrensrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 409 E. Exkurs: Rechtstheoretische Grenzen algorithmischer Rechtsanwendung . 411 I. Algorithmische Rechtsanwendung als Kategorienfehler . . . . . . . . . . 412 II. Algorithmen als methodisch valide Rechtsanwendungsinstanzen . . 416 1. Algorithmische Rechtsanwendung als Produkt humaner Antizipierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 417 2. Qualitative und methodische Abstufungen juristischer Subsumtion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 420 3. Zusammenführung der Argumente und Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . 423 § 6 Der vollautomatisierte Erlass von Verwaltungsakten und Formen exekutivischer Letztentscheidungskompetenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 427 A. Paradigmatische Unvereinbarkeit nach gesetzlichem Leitbild . . . . . . . . . 428 I. Allgemeines Verwaltungsverfahrensrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 428 II. §§ 31a S. 1 SGB X und 155 Abs. 4 AO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 429 III. Steuerverfahrensrechtliche Anzeichen automatisierten Ermessens . . 430 1. Normative Spuren „automatisierter Ermessenstatbestände“ . . . . 431 2. Keine Abkehr von ablehnender Grundkonzeption . . . . . . . . . . . . 432 3. Allenfalls punktuelle und systemwidrige Aufweichungen . . . . . . 434 IV. „Bestehen“ des Entscheidungsspielraums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 435 1. Rein normative und verfahrensbezogene Auslegung . . . . . . . . . . 435 2. Inkonsistenz einer verfahrensbezogenen Auslegung . . . . . . . . . . 436 V. Fazit zur gesetzlichen Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 441 B. Vollautomatisierte Ermessens- und Beurteilungsentscheidungen jenseits der tatbestandlichen Grenzen der §§ 35a VwVfG, 31a S. 1 SGB X, 155 Abs. 4 AO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 442 I. Einschätzungen im Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 442 1. Ablehnende Auffassungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 442 2. Aufgeschlossenere Meinungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 444 II. Eigene Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 447 1. Automatisiertes Ermessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 448 a) Indifferenz hinsichtlich Ausfüllungsmodi . . . . . . . . . . . . . . . 448 b) Ermessenszweckerreichung in automatisierten Verfahren . . . 449

Inhaltsverzeichnis21 aa) Antizipierbarkeit und Ubiquität wertender Entscheidungsanteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 450 bb) Standardisierte Ermessensausübung durch administrative Selbstbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 452 cc) Die Problematik des atypischen Falles . . . . . . . . . . . . . 454 dd) Risikomanagementsysteme als Kompensationsinstrument . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 455 c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 459 2. Automatisierte Beurteilungsspielräume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 460 III. Konsequenz: Sachwidrigkeit administrativer Letztentscheidungsbefugnisse als normative Automationsgrenze . . . . . . . . . . . . . . . . . . 462 IV. Komplexität der Entscheidungslage als maßgebliche Determinante . 464 V. Zusammenfassendes Fazit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 469 § 7 Zusammenfassung in Thesen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 472 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 495 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 527

Abkürzungsverzeichnis a. A. andere Ansicht a. a. O. am angegebenen Ort ABl. EU/EG Amtsblatt der Europäischen Union/Europäischen Gemeinschaft Abs. Absatz AcP Archiv für die civilistische Praxis a. E. am Ende AEUV Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union a. F. alte Fassung allg. allgemein Allg. VerwR Allgemeines Verwaltungsrecht Anm. Anmerkung AO Abgabenordnung AöR Archiv des öffentlichen Rechts AO-StB AO-Steuerberater apf Ausbildung – Prüfung – Fachpraxis Art. Artikel AsylG Asylgesetz Aufl. Auflage ausf. ausführlich BauGB Baugesetzbuch BayDiG Gesetz über die Digitalisierung im Freistaat Bayern vom 22. Juli 2022 (sog. Bayerisches Digitalgesetz) BayEGovG Gesetz über die elektronische Verwaltung in Bayern vom 22. Dezember 2015 (sog. Bayerisches E-Government-Gesetz) BayVBl. Bayerische Verwaltungsblätter BBergG Bundesberggesetz Bd. Band BDSG Bundesdatenschutzgesetz BDVR-RS Rundschreiben des Bunds Deutscher Verwaltungsrichter und Verwaltungsrichterinnen (BDVR-Rundschreiben) BeckOGK Beck-online Großkommentar BeckOK Beck’scher Online-Kommentar BestVerfModG Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens vom 18.7.2016 (sog. Besteuerungsverfahrensmodernisierungsgesetz)

Abkürzungsverzeichnis23 BFH Bundesfinanzhof BGB

Bürgerliches Gesetzbuch

BGBl. Bundesgesetzblatt BGH Bundesgerichtshof BGHZ

Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen

BImschG

Gesetz zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen und ähnliche Vorgänge (sog. Bundes-Immissionsschutzgesetz)

BlnGVBl.

Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Berlin

BMF

Bundesministerium der Finanzen

BMI

Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat

BR-Drs. Bundesratsdrucksache BRH Bundesrechnungshof BT-Drs. Bundestagsdrucksache BVerfG Bundesverfassungsgericht BVerfGE

Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts

BVerwG Bundesverwaltungsgericht BVerwGE

Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts

BWGBl. Gesetzblatt des Landes Baden-Württemberg BWGZ

Die Gemeinde

bzgl. bezüglich bzw. beziehungsweise CR

Computer und Recht

DatenschutzR Datenschutzrecht DB

Der Betrieb

ders. derselbe Dez. Dezember d. h.

das heißt

dies. dieselbe/n diesbzgl. diesbezüglich DL-RL

Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12.12.2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt (sog. Dienstleistungsrichtlinie)

DÖV

Die Öffentliche Verwaltung

DSG-VO

Verordnung Nr. 2016/679 des Europäischen Parlaments und Rates vom 27.4.2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (sog. Datenschutz-Grundverordnung)

24 Abkürzungsverzeichnis DSRITB

Tagungsband der Herbstakademie der Deutschen Stiftung für Recht und Informatik

DStJG

Veröffentlichungen der Deutschen Steuerjuristischen Gesellschaft

DStR

Deutsches Steuerrecht

DStV

Deutscher Steuerberaterverband e. V.

DStZ

Deutsche Steuer-Zeitung

DuD

Datenschutz und Datensicherheit

DVBl.

Deutsches Verwaltungsblatt

DVP

Deutsche Verwaltungspraxis

EFG

Entscheidungen der Finanzgerichte

E-Government Electronic-Government EGovG E-Government-Gesetz EGovG Bln

Gesetz zur Förderung des E-Government vom 30. Mai 2016 (sog. E-Government-Gesetz Berlin)

EGovG BW

Gesetz zur Förderung der elektronischen Verwaltung des Landes Baden-Württemberg vom 17. Dezember 2015 (sog. E-Government-Gesetz Baden-Württemberg)

EGovG M-V

Gesetz zur Förderung der elektronischen Verwaltungstätigkeit in Mecklenburg-Vorpommern vom 25. April 2016 (sog. E-Government-Gesetz Mecklenburg-Vorpommern)

EGovG NRW

Gesetz zur Förderung der elektronischen Verwaltung in Nordrhein-Westfalen vom 8. Juli 2016 (sog. E-Government-Gesetz Nordrhein-Westfalen)

EL Ergänzungslieferung ELSTER

Steuer-Software der Finanzverwaltung (Apronym für Elektronische Steuererklärung)

Erstkomm. Erstkommentierung ErwGr. Erwägungsgrund EStG Einkommensteuergesetz etc.

et cetera

EU

Europäische Union

f. folgende Feb. Februar ff. fortfolgende FG Finanzgericht FGO Finanzgerichtsordnung Fn. Fußnote FR Finanz-Rundschau FS Festschrift

Abkürzungsverzeichnis25 gem. gemäß GewArch Gewerbearchiv GewStG Gewerbesteuergesetz GG Grundgesetz ggfls. gegebenenfalls GI

Gesellschaft für Informatik

GVBl.

Gesetz- und Verordnungsblatt

GVOBl. M-V

Gesetz- und Verordnungsblatt für Mecklenburg-Vorpommern

hins. hinsichtlich Hrsg. Herausgeber Hs. Halbsatz i. E.

im Ergebnis

i. e. S.

im engeren Sinne

inkl. inklusive insb. insbesondere InTeR

Zeitschrift zum Innovations- und Technikrecht

i. S. v./d./e.

im Sinne von/des/einer/eines

IT Informationstechnik/-technologie ITEG

Gesetz über die Möglichkeit des Einsatzes von datengetriebenen Informationstechnologien bei öffentlich-rechtlicher Verwaltungs­ tätigkeit vom 16. März 2022 (sog. IT-Einsatz-Gesetz)

i. V. m.

in Verbindung mit

i. w. S.

im weiteren Sinne

JA

Juristische Arbeitsblätter

Jan. Januar JI-RL

Richtlinie (EU) 2016/680 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die zuständigen Behörden zum Zwecke der Verhütung, Ermittlung, Auf­ deckung oder Verfolgung von Straftaten oder der Strafvollstreckung sowie zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung des Rahmenbeschlusses 2008/977/JI des Rates

JStG 2019

Jahressteuergesetz 2019

Jura

Juristische Ausbildung

jurisPK-ITR

juris PraxisKommentar Internetrecht

jurisPK-SGB X

juris PraxisKommentar SGB X

jurisPR-ITR

juris PraxisReport IT-Recht

jurisPR-SteuerR

juris PraxisReport Steuerrecht

JuS

Juristische Schulung

26 Abkürzungsverzeichnis JZ

Juristen Zeitung

Kap. Kapitel KI

Künstliche Intelligenz

K&R

Kommunikation & Recht

krit. kritisch KStG Körperschaftsteuergesetz lit. littera LKV

Landes- und Kommunalverwaltung

LT-Drs. Landtagsdrucksache LVwG SchlH

Allgemeines Verwaltungsgesetz für das Land Schleswig-Holstein

MDR

Monatsschrift für Deutsches Recht

m. E.

meines Erachtens

MMR

MultiMedia und Recht

m. w. N.

mit weiteren Nachweisen

NEGS

Nationale E-Government-Strategie

n. F.

neue Fassung

NJOZ

Neue Juristische Online-Zeitschrift

NJW

Neue Juristische Wochenschrift

Nr. Nummer NRWGVBl.

Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Nordrhein-Westfalen

NVwZ

Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht

NVwZ-RR

Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Rechtsprechungs-Report

NWB

NWB Steuer- und Wirtschaftsrecht

NWVBl.

Nordrhein-Westfälische Verwaltungsblätter

NZV

Neue Zeitschrift für Verkehrsrecht

OLG Oberlandesgericht OVG Oberverwaltungsgericht OZG

Gesetz zur Verbesserung des Onlinezugangs zu Verwaltungsleistungen vom 14. August 2017 (sog. Onlinezugangsgesetz)

qeS

qualifizierte elektronische Signatur

RL Richtlinie Rn. Randnummer Rundschr. Rundschreiben Rz. Randzeichen S.

Seite(n); Satz

s. siehe SaatG Saatgutverkehrsgesetz

Abkürzungsverzeichnis27 SächsEGovG

Gesetz zur Förderung der elektronischen Verwaltung im Freistaat Sachsen (sog. Sächsisches E-Government-Gesetz)

SächsGVBl.

Sächsisches Gesetz- und Verordnungsblatt

SGb

Die Sozialgerichtsbarkeit

SGB I

Erstes Buch Sozialgesetzbuch

SGB X

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch

s. o.

siehe oben

sog. sogenannte/n/s SozialR Sozialrecht StbJb Steuerberater-Jahrbuch StDÜV

Steuerdatenübermittlungsverordnung vom 28. Januar 2003

SteuerR Steuerrecht st. Rspr.

ständige Rechtsprechung

StuB

NWB Unternehmensteuern und Bilanzen

StuW

Steuer und Wirtschaft

StVO Straßenverkehrsordnung ThürEGovG

Thüringer Gesetz zur Förderung der elektronischen Verwaltung vom 10. Mai 2018.(sog. Thüringer E-Government-Gesetz)

ThürGVBl.

Gesetz- und Verordnungsblatt für den Freistaat Thüringen

ThürVBl.

Thüringer Verwaltungsblätter

u. a.

unter anderem

UAbs. Unterabsatz Ubg

Die Unternehmensbesteuerung

UTR

Umwelt- und Technikrecht

v. vom/von v. a.

vor allem

VerfGH Verfassungsgerichtshof VerwArch Verwaltungsarchiv VG Verwaltungsgericht VGH Verwaltungsgerichtshof vgl. vergleiche VO Verordnung Vor Vorbemerkungen VR Verwaltungsrundschau VVDStRL

Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer

VwGO Verwaltungsgerichtsordnung VwVf Verwaltungsverfahren

28 Abkürzungsverzeichnis VwVfG Verwaltungsverfahrensgesetz VwVfR Verwaltungsverfahrensrecht VwVG Verwaltungs-Vollstreckungsgesetz VwZG Verwaltungszustellungsgesetz WiVerw Wirtschaft und Verwaltung WzS Wege zur Sozialversicherung z. B. zum Beispiel ZBR Zeitschrift für Beamtenrecht ZG Zeitschrift für Gesetzgebung ZRP Zeitschrift für Rechtspolitik ZSE Zeitschrift für Staats- und Europawissenschaften zust. zustimmend

§ 1 Einführung A. Die Lebenswirklichkeit im digitalen Wandel Die Gesellschaft des 21. Jahrhunderts sieht sich einem permanenten Sog digitaler Transformation1 ausgesetzt. Die Früchte seines weitreichenden Einflusses werden nicht nur in privaten Lebensbereichen offenbar2, wo die Inklusion der Technik in das alltägliche Leben der Bürger in nahezu allen Lebensbereichen ein bisher nie dagewesenes Ausmaß erreicht hat und eine vormals anzutreffende kritische Distanz gegenüber technischen Einwirkungen häufig einer gesellschaftlich überwiegenden Billigung algorithmischer Beeinflussung und Steuerung gewichen ist.3 Auch die Berufswelt ist längst von den Verheißungen digitaler Arbeitssphären ergriffen und unterliegt dementsprechend tiefgreifenden und teils disruptiven Veränderungsprozessen, wie sich dies paradigmatisch etwa an der Vision einer intelligenten und digital vernetzten industriellen Produktion, der sog. Industrie 4.04, oder der hieran anknüpfenden und unter dem Stichwort „Arbeit 4.0“ geführten Diskussion über die Zukunft der Arbeitsgesellschaft im digitalen Zeitalter5 veranschaulichen lässt. Forciert werden die transformativen Prozesse dabei zum einen durch eine Allgegenwart der Daten, dem primären Rohstoff des Infor1  In Anlehnung an Hoffmann-Riem, Das Recht im Sog digitaler Transformation, 2022. 2  Zur Digitalisierung als kulturellem Phänomen Boehme-Neßler, Unscharfes Recht, S.  100 f. 3  Insbesondere jüngere Generationen sind in heutiger Zeit allgegenwärtig mit algorithmisch determinierten Vorschlägen, Hinweisen, Vorauswahlen und sonstigen Beeinflussungen konfrontiert. Ihre Aura des technischen Novums haben algorithmisch determinierte Arbeits- und Funktionsweisen dabei längst verloren; sie werden vielmehr als normal und üblich wahrgenommen. 4  Vgl. zum Begriff den einführenden Artikel des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie, abrufbar unter https://www.plattform-i40.de/PI40/Navigation/DE/ Industrie40/WasIndustrie40/was-ist-industrie-40.html, sowie die Broschüre „Indus­ trie 4.0“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, abrufbar unter https:// www.bmbf.de/SharedDocs/Publikationen/de/bmbf/5/30916_Industrie_4_0.pdf?__ blob=publicationFile&v=3 (letzter Aufruf jeweils am 31.1.2022). 5  Vgl. zum sog. „Dialogprozess Arbeiten 4.0“ etwa die Erläuterungen des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, abrufbar unter https://www.bmas.de/DE/Arbeit/ Digitalisierung-der-Arbeitswelt/Arbeiten-vier-null/arbeiten-4-0.html (letzter Aufruf am 31.1.2022).

30

§ 1 Einführung

mationszeitalters6, deren Menge, Verfügbarkeit und letztlich Aussagekraft angesichts stetiger Zunahme datenerhebender Sensoren im Alltag exponen­ tiell ansteigt. Gleichzeitig unterliegt auch die technische Realisierbarkeit selbst hochkomplexer und indeterminierter Software-Systeme einer fortlaufenden Perfektionierung. Insbesondere selbstlernende Algorithmen und andere Formen künstlicher Intelligenz, die zur Verarbeitung der enormen Datenmengen überhaupt erst imstande sind, stehen in diesem Sinne vor ihrer Ausreifung und sind längst in breiteren Anwendungsfeldern angekommen, was vor wenigen Jahren noch als unvorstellbar galt.7 Selbst der in jüngster Zeit pandemisch erzwungenen Unmöglichkeit des persönlichen Kontakts dürften insoweit beschleunigende und intensivierende Effekte zuzuschreiben sein.8 Dass die Digitalisierung von Staat und Gesellschaft als eines der zentralsten politischen Themen unserer Zeit verstanden wird9, kann vor diesem Hintergrund nicht prinzipiell verwundern. Die Jurisprudenz blieb von diesen Entwicklungen freilich nicht unberührt, obgleich Digitalisierungsprozesse im Bereich der rechtlichen Praxis im Vergleich zum Privat- und Wirtschaftssektor typischerweise eher schleppend voranschreiten10. Wie nie zuvor stehen auch genuin juristische Arbeits- und Denkvorgänge in enger Wechselwirkung zu den gesellschaftlichen und technischen Rahmenbedingungen, die das heutige Informationszeitalter prägen. Diese Wechselwirkungen materialisieren sich dabei nicht nur in der recht­ lichen Bewältigung neuartiger Fallkonstellationen und Probleme, die mit den modernen technischen Möglichkeiten oder soziokulturellen Phänomenen 6  Vgl. nur Spitz, Daten – das Öl des 21. Jahrhunderts?; auch die ehemalige Bundeskanzlerin Angela Merkel nannte vor dem Start der Computer- und Technologiemesse CeBIT 2016 in Hannover Daten „die Rohstoffe des 21. Jahrhunderts“. 7  Vgl. allgemein Hoffmann-Riem, Recht im Sog der digitalen Transformation, S. 39 ff. Zum Einsatz solcher Systeme beispielsweise in der Kriegsführung: Hanke/ Riedel, Tödliche Algorithmen – Wie künstliche Intelligenz die Kriegsführung revolutioniert, in: Handelsblatt online vom 16.6.2018, abrufbar unter https://www.handelsblatt.com/unternehmen/industrie/neue-waffensysteme-toedliche-algorithmen-wiekuenstliche-intelligenz-die-kriegsfuehrung-revolutioniert/22675868.html?ticket=ST2057533-oSc9dt3mf4VvxpLc17hc-ap1 (letzter Aufruf am 3.2.2022); zum Einsatz selbstlernender Algorithmen bei der Umsetzung einer Gehirn-Computer-Schnittstelle, die derzeit von Elon Musks Start-Up-Unternehmen Neuralink entwickelt wird B ­ arthel, Affe mit Elon Musks Gehirnchip steuert Computerspiel nur mit seinen Gedanken, abrufbar unter https://www.merkur.de/welt/affe-mit-elon-musks-gehirnchip-steuertcomputerspiel-nur-mit-kraft-seiner-gedanken-zr-90458155.html (letzter Aufruf am 3.2.2022). 8  Zur Rolle der Corona-Pandemie für das E-Government etwa Guckelberger, DÖV 2021, 566 f. m. w. N.; vgl. aus einem allgemeineren Blickwinkel auch Hoffmann-Riem, Recht im Sog der digitalen Transformation, S. 8 ff. m. w. N. 9  Berger, NVwZ 2018, 1260; Köhler, WzS, 2018, 279 sowie Maier, JZ 2017, 614. 10  Vgl. in Bezug auf das Besteuerungsverfahren Ley, DStR 2019, 72.



A. Die Lebenswirklichkeit im digitalen Wandel31

in Zusammenhang stehen, sondern gerade auch in der Dienstbarmachung der verfügbaren technischen Potenziale im Rahmen der juristischen Professionen und deren Rückwirkungen auf den Binnenbereich juristischen Wirkens. Während diesbezüglich im anwaltlichen und justiziellen Kontext vor allem die Leitidee der „E-Justice“ als elektronische Abwicklung des Gerichtswesens11 und die zunehmende Etablierung von nicht selten als disruptiv empfundenen Legal-Tech-Anwendungen12 im Zentrum des Diskurses stehen, wobei im Zusammenhang mit Letzteren nicht nur Sorgen um die Zukunft der juristischen Berufsbilder und ihrer vollständigen Ersetzbarkeit diskutiert13, sondern sogar Überlegungen über den „Anfang vom Ende des Rechts“14 angestellt werden, lebt der Geist der Digitalisierung vor dem Hintergrund der (hier maßgeblichen) öffentlichen Verwaltung allen voran in dem breiter angelegten Begriff des sog. „E-Government“ auf, der nach der gängigen sog. Speyerer Definition die „Abwicklung geschäftlicher Prozesse im Zusam­ menhang mit Regieren und Verwalten (Government) mit Hilfe von Informations- und Kommunikationstechniken über elektronische Medien“ umfasst15. „E-Gov­ernment“ ist dabei – neben deskriptiv-zuordnenden Qualitäten – auch als sich bereits seit längerem in Gang befindlicher und stetig andauernder Entwicklungs- und Modernisierungsprozess innerhalb der öffentlichen Verwaltung zu verstehen16, der nicht zuletzt von den erheblichen Effizienzsteigerungen und Ressourceneinsparungen getrieben wird, die systematisch umgreifende IT-Lösungen in einer personell immer schwächer ausgestatteten öffentlichen Verwaltung versprechen, trotz der vielbeschworenen Entlastung der knappen Personalressourcen jedoch nicht derart eindimensional bleibt, sondern auch bei den rechtsunterworfenen Bürgern die berechtigte Hoffnung

11  Zu den gesetzlichen Eckpunkten der Umsetzung der E-Justice Kesper/Ory, NJW 2017, 2709 ff.; zum aktuellen Stand der Entwicklungen auch Nink, Justiz und Algorithmen, S. 161 ff.; mit Perspektiven künftiger Entwicklungen zudem Rühl, JZ 2020, 809 ff.; Neubert, DRiZ 2021, 108 ff. 12  Zum Begriff allgemein Groh, in: Creifelds, Rechtswörterbuch, Legal Tech; eingehender zur Thematik und mit Beispielen etwa Hähnchen/Schrader/Weiler/ ­ Wischmeyer, JuS 2020, 625 ff.; Buchholtz, JuS 2017, 955 ff.; ausführlich Hartung/ Bues/Halbleib, Legal Tech, 2018; Timmermann, Legal Tech-Anwendungen, 2020. 13  Vgl. nur Kilian, NJW 2017, 3043 (3048 ff.). 14  Boehme-Neßler, NJW 2017, 3031; vgl. insoweit auch die (freilich überwiegend vorhersagenden) Überlegungen von Schwintowski, NJOZ 2018, 1601 ff. 15  von Lucke/Reinermann, Speyerer Definition von Electronic Government, S. 1, abrufbar unter http://www.joernvonlucke.de/ruvii/Sp-EGov.pdf (letzter Aufruf am 1.2.2021). 16  Zu E-Government als Bestandteil des Verwaltungsreformprozesses Nolte, DÖV 2007, 941 ff.

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§ 1 Einführung

einer schnelleren, bequemeren und insgesamt effizienteren Verwaltungsinteraktion in sämtlichen Lebensbereichen weckt17. Eine substanzielle Intensivierung hat dieser spätestens seit Erlass der kodifizierten Verfahrensordnungen anhaltende Modernisierungsprozess der Verwaltung sodann in jüngerer Zeit durch den Erlass des Gesetzes zur Moder­ nisierung des Besteuerungsverfahrens vom 16. Juli 201618 (im Folgenden BestVerfModG) erfahren, im Zuge dessen – neben weiteren Neuerungen – mit der Kodifikation des vollautomatisierten Erlasses von Verwaltungsakten in sämtlichen Verfahrenssäulen der bisherige Höhepunkt einer gesetzlich ausgeformten Fortentwicklung des E-Government markiert wurde. Gegenüber den tradierten Systemen und Figuren des Verwaltungsverfahrensrechts, das als im Kern anthropozentrisches Rechtsgebiet seit jeher vom Leitbild der menschlichen Entscheidung geprägt war, die am Ende eines von Amtswaltern durchgeführten Verwaltungsverfahrens steht und von unmittelbarer menschlicher Verantwortlichkeit getragen wird19, stellen sich die hierdurch eröffneten Möglichkeiten einer vollständigen Automatisierung des Verwaltungsvollzugs dabei als grundstürzende und besonders disruptive Innovation dar, die infolgedessen nicht nur von erheblichen praktischen Unsicherheiten und „Berührungsängsten“ begleitet wird, sondern auch ein gänzlich neues Spektrum an (unter anderem) verfassungs-, unions- und verfahrensrechtlichen Fragestellungen aufwirft20. Dies wird insbesondere in vergleichender Rückschau auf frühere Iterationen technisierter oder gar automatisierter Verfahrenselemente deutlich, die ausgehend von überwiegend konventionellen und reaktionären Ansätzen in einer damalig generell weitaus weniger technisierten Gesellschaft (bei zugleich auch deutlich geringeren Leistungskapa­ zitäten der Technik), ihren häufig nur fragmentarischen Normierungen und nicht zuletzt eher moderaten verwaltungspraktischen Implikationen weit 17  Entsprechend regelmäßig werden daher die Verbreitung, Zugänglichkeit und Akzeptanz von E-Government-Angeboten durch umfangreiche Erhebungen evaluiert, wobei die Bundesrepublik Deutschland aber regelmäßig eher ernüchternd abschneidet, vgl. nur die E-Government Surveys der Jahre 2003 bis 2020 der United Nations, abrufbar unter https://publicadministration.un.org/egovkb (letzter Aufruf am 1.2.2021), den Digital Economy and Society Index (DESI) der Europäischen Kommission der Jahre 2014 bis 2020, abrufbar unter https://ec.europa.eu/digital-single-market/en/digi tal-economy-and-society-index-desi (letzter Aufruf am 1.2.2021) sowie die sog. eGovernment MONITORE der Jahre 2011 bis 2020, abrufbar unter https://initiatived21.de/egovernment-monitor (letzter Aufruf am 1.2.2021). 18  BGBl. I, S. 1679. Das Gesetz wurde am 12.5.2016 von Bundestag beschlossen, der Bundesrat stimmte ihm am 17.6.2016 zu, BR-Drs. 255/16 (B). In seinen wesentlichen Teilen trat es gem. Art. 23 Abs. 1 S. 1 des Gesetzes am 1.1.2017 in Kraft. 19  Vgl. Berger, DVBl. 2019, 1234; dies., in: Knack/Henneke, VwVfG, § 35a, Rn. 1. 20  Vgl. Kube, VVDStRL 78 (2019), 289 (294).



B. Gegenstand der Untersuchung33

hinter den revolutionären Potenzialen einer zumindest in bestimmten Bereichen weitgehend entmenschlichten Verwaltung unter Zuhilfenahme der informationstechnischen Möglichkeiten des 21. Jahrhunderts zurückbleiben. Das Zugangstor „ins digitale Morgenland“21 scheint insofern aufgestoßen worden zu sein.

B. Gegenstand der Untersuchung Ausgehend von diesem Befund macht es sich die vorliegende Dissertation zur Aufgabe, das unter dem Regime der §§ 35a VwVfG, 31a S. 1 SGB X und 155 Abs. 4 AO neu hinzugewonnene Rechtsinstitut eines „vollständig durch automatische Einrichtungen“ bzw. „ausschließlich automationsgestützt“ erfolgenden Erlasses von Verwaltungsakten einer umfassenden begrifflichen, systematischen und rechtlichen Untersuchung zu unterziehen, wodurch nicht nur die mit dem BestVerfModG eingeläutete Etappe einer echten und erstmalig kodifizierten „Vollautomatisierung“ von Verwaltungsverfahren rechtlich angeleitet und in den Gesamtkontext des Verwaltungsverfahrensrechts eingebettet, sondern auch eine gleichzeitige Verbesserung der verwaltungspraktischen Handhabbarkeit der Rechtskategorie und ein Abbau bestehender Unsicherheiten erreicht werden soll. Damit folgt die Arbeit letztlich dem in der rechtswissenschaftlichen Literatur wiederholt geäußerten Anliegen nach einer kontinuierlichen und vertieften wissenschaftlichen Begleitung der Verwaltungsmodernisierung und ihrer verschiedenen Elemente und Entwicklungen22, die für den hier untersuchungsgegenständlichen Bereich der Vollautomatisierung von Verwaltungsverfahren im bisherigen wissenschaftlichen Diskurs noch nicht hinreichend geleistet wurde: Obgleich gewisse Aspekte einer Verwaltungsautomatisierung bereits in früheren „Automationsdiskursen“ mit unterschiedlichem Umfang, Vollständigkeitsanspruch und Blickwinkel wissenschaftlich bearbeitet wurden23, so liegen diese Vorarbeiten nicht nur inzwischen teils bereits mehrere DVBl. 2018, 1128. nur Eifert, E-Government, S. 456; Hähnchen/Bommel, JZ 2018, 334 (340); Burgi, in: Ehlers/Pünder, Allg. VerwR, § 10, Rn. 6; Maier, JZ 2017, 614 (619); Michael, in: Stern/Sodan/Möstl, Staatsrecht, § 28, Rn. 6, 18, 65; vgl. auch Helbich, DStR 2017, 574 (579); Ley, DStR 2019, 72; Siegel, DVBl. 2020, 552 (558); Peuker, DÖV 2022, 275 (283). 23  Als wesentliche Arbeiten können etwa genannt werden: Siegel, VerwArch 105 (2014), 241 ff.; Eifert, E-Government, 2006; Polomski, Der automatisierte Verwaltungsakt, 1993; Lazaratos, Rechtliche Auswirkungen der Verwaltungsautomation, 1990; Degrandi, Die automatisierte Verwaltungsverfügung, 1977; Luhmann, Recht und Automation, 1966; Simitis, Automation in der Rechtsordnung, 1967; Laue, Vorgangsbearbeitungssysteme in der öffentlichen Verwaltung, 2010; Tönsmeyer-Uzner, 21  Martini/Nink, 22  Vgl.

34

§ 1 Einführung

Jahrzehnte zurück und begründeten sich demzufolge auf gänzlich anderen gesellschaftlichen und technischen Rahmenbedingungen. Vielmehr konnten diese insbesondere auch nicht an konkrete gesetzliche Kodifikationen eines vollständig automatisierten Verwaltungsakterlasses als verklammernde Basis einer zu entwickelnden Dogmatik anknüpfen, wie dieser nunmehr im Zuge des BestVerfModG implementiert wurde und angesichts seiner systemischen Tragweite als „Leitbild“ einer weitgehend entmenschlichten Verfahrensabwicklung24 einen erheblichen Systematisierungsbedarf unter im Ausgangspunkt anthropozentrischen und fragmentarisch bleibenden Verfahrensordnungen hervorruft. Nach Inkrafttreten des BestVerfModG angestrengte Untersuchungen beschränkten sich dagegen vielfach auf eher überblicksartige Einordnungen der gesetzlichen Neuerungen25 oder grundsätzlichere Überlegungen im Zusammenhang mit Phänomenen algorithmischer Entscheidungen26, wobei es häufig gerade an einer klärenden Verwebung der konkreten gesetzlichen Kodifikationen mit einer aus übergreifenden rechtlichen Erkenntnissen gespeisten Dogmatik fehlte. Jüngere monographische Untersuchungen richteten ihren Fokus darüber hinaus zumeist auf spezielle Teilbereiche einer Modernisierung bzw. Automatisierung hoheitlicher Tätigkeitsbereiche, etwa die demokratische Legitimation automatisiert erlassener Verwaltungsakte27, Fragen einer (nicht nur im Wege der Automatisierung bewirkten) Modernisierung des Besteuerungsverfahrens aus rechtsvergleichender Perspektive zur österreichischen Rechtslage28 oder den Algorithmeneinsatz im justiziellen Bereich29, und lassen so Raum für eine gesamtheitlicher begriffene wissenschaftliche Aufarbeitung automatisierter Verwaltungsentscheidungen, die mit der vorliegenden Arbeit geleistet werden soll. Das BestVerfModG stellt sich insofern als besonders günstige, gleichzeitig aber auch drängende Gelegenheit dar, den unter den neuen Kodifikationen geschaffenen Stand der mög­ lichen Verwaltungsautomatisierung zum Gegenstand einer eingehenderen Auseinandersetzung zu machen. Trotz des grundsätzlichen Anliegens einer möglichst vollständigen Untersuchung kann im Rahmen der vorliegenden Arbeit aber schon aus Gründen Expertensysteme in der öffentlichen Verwaltung, 2000; Bull, Verwaltung durch Maschinen, 1964 sowie Zeidler, Über die Technisierung der Verwaltung, 1959. 24  Vgl. im Kontext des Steuerverfahrens BT-Drs. 18/7457, S. 48 f. 25  Vgl. an dieser Stelle nur Siegel, DVBl. 2017, 24; Maier, JZ 2017, 614; Luthe, SGb 2017, 250; Braun Binder, NVwZ 2016, 960; Bull, DVBl. 2017, 409. 26  Vgl. hier nur Hoffmann-Riem, AöR 142 (2017), 1 ff.; Martini, JZ 2017, 1017 ff. Wischmeyer, AöR 143 (2018), 1 ff. 27  Herold, Demokratische Legitimation automatisiert erlassener Verwaltungsakte, 2020. 28  Schmidt, Das modernisierte Besteuerungsverfahren, 2021. 29  Nink, Justiz und Algorithmen, 2021.



B. Gegenstand der Untersuchung35

des Umfangs nicht auf sämtliche Facetten eingegangen werden, die – unter dem weitläufigen Topos des E-Government – im Zusammenhang mit vollautomatisierten Verwaltungsverfahren bzw. vollständig automatisiert erzeugten Verwaltungsentscheidungen relevant werden können. Keine oder nur beiläufige Erörterung erfahren daher allen voran amtshaftungsrechtliche Fragestellungen30 im Kontext automatisiert erzeugter Verwaltungsentscheidungen sowie Aspekte des tatsächlichen und rechtlichen Vorfelds eines automatisierten Verwaltungsverfahrens (auch wenn diese zum Teil bedeutsame Vorbedingungen für selbige darstellen), namentlich insbesondere vorgelagerte Themenbereiche rund um den digitalen Zugang zu Verwaltungsleistungen sowie zu errichtende oder bereits errichtete (Behörden-)Portale und deren technische Realisierung31; die elektronische Kommunikation zwischen Bürger, Behörde und ggfls. juristischen Professionen sowie Fragen einer sicheren und eindeutigen Authentifizierung und Übermittlung in automatisierten Verwaltungsverfahren wie auch informationssicherheitstechnische Aspekte hinsichtlich der Systemintegrität und Manipulationssicherheit automatisierter Verfahren; ferner die vorgelagerte technische und praktische Realisierung der elektronischen Datensatzbildung und Aktenführung32 sowie Aspekte der Zusammenarbeit von Verwaltungsbehörden, etwa in Form eines Datenaustauschs. Auch unberücksichtigt bleiben schließlich die ebenfalls im Zuge des BestVerfModG eingeführten neuen Bekanntgabevarianten von Verwaltungsakten durch Bereitstellung zum Abruf bzw. tatsächlichen Abruf über öffentlich zugängliche Netze gem. §§ 41 Abs. 2a VwVfG, 37 Abs. 2a f. SGB X und 122a AO33, datenschutzrechtliche Aspekte, soweit sie über spezifische Vorgaben für die Zulässigkeit und Erzeugung automatisierter Verwaltungsentscheidungen hi­ nausgehen, sowie der (auch vollautomatische) Einsatz bloß untergeordneter Hilfsangebote der Verwaltung (z. B. Chatbots).

30  Hierzu eingehend etwa Martini/Ruschemeier/Hain, VerwArch 112 (2021), 1 ff. sowie aus der älteren Literatur Lazaratos, Rechtliche Auswirkungen der Verwaltungsautomation, S.  379 ff. 31  Näher zum Portalverbund unter Art. 91c Abs. 5 GG und dem OZG etwa Guckelberger, Öffentliche Verwaltung, Rn. 266 ff.; Martini/Wiesner, ZG 2017, 193 ff.; zum europäischen Portalverbund unter der VO (EU) 2018/1724 („Single Digital Gateway“) etwa Siegel, NVwZ 2019, 905 ff.; zum Einsatz der sog. Blockchain-Technologie in der öffentlichen Verwaltung u. a. Berger, DVBl. 2017, 1271 ff.; bezogen auf die Kommunalverwaltung Johannisbauer, DVBl. 2020, 318 ff.; zu ihrem Einsatz für demokratische Wahlen Mast, JZ 2021, 237 ff. 32  Zur elektronischen Aktenführung unter den E-Government-Gesetzen des Bundes und der Länder etwa Denkhaus/Richter/Bostelmann, EGovG/OZG, § 6 EGovG, Rn.  1 ff.; Martini, in: Kahl/Ludwigs, HdbVwR I, § 28, Rn. 52 ff.; Guckelberger, Öffentliche Verwaltung, Rn.  659 ff. 33  Dazu eingehender etwa Braun Binder, DÖV 2016, 891 (895).

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§ 1 Einführung

Gerade bei technisch induzierten Fortentwicklungen des Verwaltungsrechts, welche auf systemische und strukturell folgenreiche Veränderungen gerichtet sind, prallen nicht selten verschiedene, teils gegenläufige verwaltungsorganisatorische und verfahrensrechtliche Ideale aufeinander, die im Rahmen einer wissenschaftlichen Behandlung der rechtlichen Modifikationen teils ausgleichend, teils integrativ oder auch teils klar abgrenzend in Ansatz gebracht werden müssen. Dieser Prozess des Aufeinander-Abstimmens, Voneinander-Abgrenzens und Zueinander-In-Bezug-Setzens wird nicht zuletzt auch beim hier untersuchungsgegenständlichen vollautomatisierten Erlass von Verwaltungsakten eine besondere Herausforderung darstellen, wo unter anderem zwischen dem herkömmlichen Behördenleitbild analoger und menschlich getragener Präsenzverwaltung34 sowie rein digital und ohne personelle Mitwirkungen abgewickelten Verwaltungsleistungen35; zwischen übermäßiger Ökonomisierung von Verwaltungsverfahren und der Beachtung grundlegender rechtsstaatlicher Verfahrensprinzipien36; zwischen analoger Rechtsanwendung als sozialem Akt und digitaler Rechtsanwendung als technischem Akt37 und schließlich zwischen diffusen Ängsten und Skepsis gegenüber einer Algorithmisierung des Rechts38 sowie effizienzgetriebenen Modernisierungshoffnungen und Automatisierungseuphorie39 nicht unerhebliche Vermittlungsleistungen abzuverlangen sein werden. Die Herstellung einer richtigen Balance zwischen einerseits der unveränderten Wahrung elementarer verfassungs- und verfahrensrechtlicher Postulate und andererseits den Chancen und Möglichkeiten, die der digitale Fortschritt im Bereich der öffentlichen Verwaltung für Rechtsanwender und Rechtsbetroffene gleichermaßen in Aussicht stellt, kann letztlich nur auf diesem Wege zielführend gelingen.

C. Gang der Untersuchung Die vorliegende Untersuchung gliedert sich in sechs inhaltliche Kapitel auf. Um sich den zu bearbeitenden Fragestellungen zielführend anzunähern NVwZ 2018, 1255; Martini, DÖV 2017, 443 (444). nur Braun Binder, NVwZ 2016, 960; Guckelberger, in: FS Herberger, 397 (401); Berger, DVBl. 2017, 804 (808). 36  Vgl. für das Steuerverfahren Heintzen, DÖV 2015, 780 (784) unter Verweis auf die Stellungnahme des Deutschen Anwaltvereins vom Januar 2015 (Nr. 4/15), insbesondere S. 5, abrufbar unter https://anwaltverein.de/de/newsroom/sn-04-15?file=files/ anwaltverein.de/downloads/newsroom/stellungnahmen/2015/DAV-SN-04-15.pdf (letzter Aufruf 26.1.2021). 37  Buchholtz, JuS 2017, 955 (956 f.). 38  Vgl. Golla, DÖV 2019, 673 (674). 39  Vgl. Heintzen, DÖV 2015, 780 (784). 34  Prell, 35  Vgl.



C. Gang der Untersuchung37

und die Bedeutung und Tragweite des Gesetzes zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens für das E-Government herausstellen zu können, beginnt die Arbeit in § 2 mit einer überblicksartigen Nachzeichnung der bisherigen Leitlinien gesetzlicher Entwicklungen im Bereich der Verwaltungsmodernisierung. Hierbei erkennbar werdende Entwicklungstrends können sodann wertvollen Aufschluss darüber geben, wie die gesetzgeberischen Impulse des BestVerfModG in einen breiteren legislativen Kontext einzuordnen sind. Obwohl im Grundsatz sämtliche Verfahrenssäulen ausgehend von den kodifizierten Fassungen ihrer Verfahrensordnungen beleuchtet werden sollen, beschränken sich die Darstellungen inhaltlich vor allem auf die Verfahrensordnungen des allgemeinen und des Steuerverwaltungsverfahrens sowie lediglich auf für die Modernisierung der Verwaltung wesentliche gesetzgeberische Stationen und deren spezifischen Neuerungen. § 3 der Arbeit widmet sich sodann zuvörderst einer definitorischen Konturierung der Rechtskategorie vollständig automatisiert erlassener Verwaltungsakte durch Herausarbeitung ihrer begrifflich-prägenden Charakteristika, die im bisherigen wissenschaftlichen Diskurs noch keine hinreichende Klärung erfahren haben40. Dadurch kann nicht nur eine definitorische Fixierung des Untersuchungsgegenstands erfolgen, sondern gleichzeitig auch eine Förderung des allgemeinen Verständnisses des neuen Rechtsinstituts sowie der Abbau von bestehenden Unsicherheiten erreicht werden. Trotz mancher jedenfalls als Denkanstoß berücksichtigungsfähiger Vorarbeiten früherer Automationsdiskurse wird allen voran der Gesetzeswortlaut der nun maßgeblichen Kodifikationen des BestVerfModG, mithin die §§ 35a VwVfG, 31a S. 1 SGB X und 155 Abs. 4 AO, den hauptsächlichen Anknüpfungspunkt der begrifflichen Einhegungen bilden. Ausgehend von dem tradierten und gesetzgeberisch aufgegriffenen Begriff der „automatischen Einrichtung“ orientieren sich die konkreten Ansatzpunkte definitorischer Annäherungen dabei insbesondere an den zeitlichen Phasen des als Entscheidungsprozess verstandenen Verwaltungsverfahrens, wobei auch der Ursprung des verfahrensauslösenden Initiativmoments, die Existenz von strukturell angelegten Aussteuerungsmechanismen sowie die Rolle der Verkörperungsformen der getroffenen Entscheidungen mit einbezogen werden. Zusammen mit den Überlegungen zur Rechtsnatur vollautomatisiert erlassener Verwaltungsakte unter der Handlungsformenlehre sowie ihrer systematischen Abgrenzung zu anderen, ebenfalls gesetzlich erwähnten besonderen Ausprägungsformen von Verwaltungsakten, die je im darauffolgenden § 4 der Arbeit vorgenommen werden und insbesondere auch auf das systematische Verhältnis zu den eng verwandten teilautomatisiert erlassenen Verwaltungsakten und für diese bestehenden Spezialregelungen eingehen, werden in 40  Vgl.

Bull, DVBl. 2017, 409 (410).

38

§ 1 Einführung

den §§ 3 und 4 der vorliegenden Arbeit damit die methodischen Grundlagen für die weitere rechtliche Untersuchung gelegt. Anknüpfend an die geleisteten begrifflichen und systematischen Vorarbeiten bildet sodann eine umfassende Untersuchung der rechtlichen Rahmenbedingungen rund um den vollautomatisierten Erlass von Verwaltungsakten den Gegenstand des § 5 und gleichzeitig einen inhaltlichen Schwerpunkt der vorliegenden Dissertation. Angefangen bei den verfassungsrechtlichen Determinanten (Kapitel A.) nimmt die Untersuchung zunächst eine eher grundsätzliche Perspektive ein, indem der Frage einer Zulässigkeit automatisiert erzeugter Verwaltungsentscheidungen an sich unter den – hier als aussagekräftigste Maßstäbe herausgegriffenen – Maximen der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, des Demokratieprinzips, der Menschenwürde und des Gebots effektiven Rechtsschutzes nachgegangen wird. Dabei konzentriert sich die Betrachtung zunächst auf determinierte, also abschließend vorgezeichnete Entscheidungssysteme. Erst in einem zweiten Schritt erweitert sich der Betrachtungshorizont dahingehend, dass der Versuch unternommen wird, die dort gewonnenen Einsichten und Erkenntnisse auch auf solche Entscheidungssysteme zu transponieren, die Elemente der Dynamik und Indetermination aufweisen und damit in einem weitgefassten Wortsinn als „selbstlernend“ oder „intelligent“ bezeichnet werden könnten (Kapitel B.). Insofern werden im Einzelnen nicht unerhebliche Abweichungen in den grundsätz­ lichen Funktionsmechanismen festzustellen sein, die sich auch auf deren rechtliche Würdigung niederschlagen. Mit der nachfolgenden Einbettung vollautomatisierter Verwaltungsverfahren in das bestehende System der rechtsstaatlich fundierten Verfahrensgrundsätze (Kapitel C.) geht die Arbeit sodann zu einer eher auf die konkrete Abwicklung und Durchführung von automatisierten Verwaltungsverfahren zentrierten Perspektive über, wobei das Augenmerk primär auf die Amtsermittlungspflichten, den Anhörungsgrundsatz und die Begründungspflichten als fundamentalste Säulen rechtsstaatlicher Verfahrenspostulate gelegt wird. Im Anschluss müssen darüber hinaus auch unionsrechtliche Überlagerungen des anhand Verfassungs- und Verfahrensrechts herausgearbeiteten nationalen Rechtsrahmens beleuchtet werden (Kapitel D.), die insbesondere in Gestalt von datenschutzrechtlichen Anforderungen ebenfalls nicht unwesentliche Implikationen für die Zulässigkeit und verfahrensmäßige Ausgestaltung automatisierter Verwaltungsentscheidungen zeitigen. Ihren Abschluss finden die Ausführungen zu den verfassungs-, verfahrens- und unionsrechtlichen Rahmenbedingungen vollautomatisierter Verwaltungsverfahren und deren verfahrensabschließenden Entscheidungen sodann in überwiegend exkursorischen Überlegungen zu der rechtstheoretisch grundlegenden Vorfrage, ob aus Sicht der Methodik eine Rechtsanwendung durch algorithmische Systeme möglich sein und insofern überhaupt als methodisch valide Rechtsanwendungskategorie und letztlich



C. Gang der Untersuchung39

Substitut menschlicher Rechtsanwendung in Betracht gezogen werden kann (Kapitel E.). Im letzten Inhaltskapitel bezieht die Arbeit unter § 6 sodann solche – zuvor noch weitgehend ausgeblendeten – verwaltungsrechtlichen Entscheidungskonstellationen mit in die Betrachtung ein, im Rahmen derer Räume exekutivischer Letztentscheidungskompetenzen insbesondere in Gestalt von Ermessens- und Beurteilungsspielräumen eröffnet sind. Ausgehend von den teils ausdrücklich angeordneten Ausschlüssen dahingehender Entscheidungssituationen unter den Kodifikationen des BestVerfModG spürt die Arbeit dabei der Frage nach, ob derartige, regelmäßig nur eingeschränkt justiziable Entscheidungsspielräume zumindest in gewissem Umfang auch im Rahmen von algorithmischen Entscheidungssystemen zulässigerweise ausgefüllt werden können und inwieweit infolgedessen tatsächlich von einer paradigmatischen Unvereinbarkeit des vollautomatisierten Verwaltungsakterlasses mit exekutivischen Letztentscheidungsrechten in Entsprechung der gesetzlichen Regelungen auszugehen ist. In § 7 werden die Ergebnisse der Untersuchung schließlich in Thesenform zusammengeführt.

§ 2 Leitlinien gesetzlicher Entwicklungen der Verwaltungsmodernisierung Um die Bedeutung des Gesetzes zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens herauszustellen, soll die vorliegende Untersuchung zunächst einen historischen Bezug zur Thematik durch Aufarbeitung der Leitlinien gesetzgeberischer Entwicklungen im Feld der Verwaltungsmodernisierung herstellen. Schon bei entfernterer Betrachtung lassen sich hierbei im Laufe der Zeit bedeutsamere legislative Etappen von unterschiedlicher Entwicklungs- und Steuerungskraft ausmachen41, die im Folgenden überblicksartig dargestellt werden sollen. Ziel ist es – ohne dabei schwerpunktmäßig Details zu besprechen – einen sich durch die verschiedenen Stufen der Entwicklung durchziehenden Modernisierungstrend herauszustellen, vor dessen Hintergrund die neueren gesetzgeberischen Impulse eingeordnet werden können. Berücksichtigt werden hierbei grundsätzlich alle drei „Säulen“ des Verwaltungsverfahrens42, die – abgesehen von gewissen fachspezifischen Besonderheiten – eine weitgehende Parallelität aufweisen, insbesondere in Belangen von struktureller oder gesamtsystematischer Bedeutung, zu welchen auch Materien der Verwaltungsmodernisierung zu zählen sind.43 Inhaltlich wird der Fokus klar auf das allgemeine Verwaltungsverfahrensrecht des Bundes und das Steuerverwaltungsverfahren gelegt; sozial- und landesverfahrensrechtliche Ausführungen sollen dagegen nur eine untergeordnete Rolle einnehmen. Zudem beschränkt sich die Darstellung auf die wesentlichen gesetzgeberischen Stationen einer Modernisierung der Verwaltung, wobei der Begriff der „Modernisierung“ hier sämtliche Aspekte einer Elektronisierung, Automatisierung oder Digitalisierung der Verwaltungsverfahren im weiteren Sinne abdecken soll. Als wesentlich im vorstehenden Sinne wird eine Entwicklung betrachtet, wenn sie substanziellen Gehalt hat oder zugleich einen Trend des Verwaltungsverfahrensrechts markiert oder bestätigt.44 In zeitlicher Hinsicht setzt die Betrachtung bei den heute maßgeblichen kodifizierten Verfahrensordnungen an; historische Vorläufer einzelner DVBl. 2017, 24; ders., VerwArch 105 (2014), 245. den „Säulen“ des Verwaltungsverfahrensrechts grundlegend Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, Einleitung, Rn. 50 ff. 43  Vgl. Ehlers, Jura 2016, 603 (604). 44  Vgl. Ehlers, Jura 2016, 603 (606). 41  Siegel, 42  Zu



A. Entwicklung des allgemeinen Verwaltungsverfahrensrechts41

Verfahrensordnungen sowie präkodifikatorische Rechtszustände bleiben dagegen außer Betracht und ließen ohnehin nur bedingt Rückschlüsse auf die stark durch technische Gegebenheiten determinierte Thematik der Verwaltungsmodernisierung zu.

A. Entwicklung des allgemeinen Verwaltungsverfahrensrechts I. Die Urfassung des VwVfG von 1976 Schon in der ursprünglichen Fassung des kodifizierten allgemeinen Verwaltungsverfahrensrechts, namentlich des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) vom 25. Mai 197645, war der Grundgedanke einer Unterstützung der Verwaltungstätigkeit mittels technischer Hilfsmittel verankert. So existierten bereits damals besondere Regelungen über den sog. „Computerverwaltungsakt“, den das Gesetz durchgehend – z. B. in § 37 Abs. 4 VwVfG a. F. und §§ 28 Abs. 2 Nr. 4, 39 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG – als „Verwaltungsakt, der mit Hilfe automatisierter Einrichtungen erlassen“ wird, umschrieb.46 Gedankliche Ausgangslage solcher Computerverwaltungsakte waren dabei Bescheide, die unter zunehmender Nutzung der elektronischen Datenverarbeitung zustande kommen, indem etwa auf vorgefertigten Formularen – neben den einzutragenden persönlichen Angaben – noch weitere im Fall rechtlich relevante Daten eingegeben oder etwaig im Bescheid festzusetzende Beträge automatisch errechnet und eingesetzt werden.47 Im Blick des Gesetzgebers stand bei dieser für damalige Verhältnisse (v. a. im Bereich des allgemeinen Verwaltungsverfahrensrechts) fortschrittlichen Kodifikation die verwaltungsverfahrensrechtliche Bewältigung der Erscheinungen einer modernen Massenverwaltung, die den Behörden – anders als beim traditionellen Verwaltungstypus des Individualverfahrens – den Erlass einer Vielzahl gleichartiger Verwaltungsakte aufgab und für deren Vollzug sich die Verwaltung zunehmend der elektronischen Datenverarbeitung bediente.48 Trotz der zweifel­ losen Progressivität der Regelungen nahm der Gesetzgeber mit ihnen aber 45  Verkündet am 29.5.1976, BGBl. I, S. 1253; gem. § 103 VwVfG a. F. in Kraft getreten am 1.1.1977. 46  Vgl. Maurer/Waldhoff, Allg. VerwR, § 18, Rn. 3; Maurer, JuS 1976, 485 (489); Schmitz/Prell, NVwZ 2016, 1273 (1275); vgl. auch Kube, VVDStRL 78 (2019), 289 (302, insbes. Fn. 67). 47  Vgl. Maurer, JuS 1976, 485 (489), der beispielhaft Renten- und Steuerbescheide oder Wassergeldabrechnungen nennt; vgl. auch BVerwGE 40, 212 (Rn. 1 – Versorgungsbescheid); 48; 336 (Rn. 2 ff. – Wohngeldbescheid); 45, 189 (Rn. 17 ff. – Einberufungsbescheid); 31, 236 (Rn. 28 – Fernsprechrechnung der Deutschen Bundespost, die als Verwaltungsakte zu qualifizieren waren). 48  Maurer, JuS 1976, 485 (489).

42 § 2 Leitlinien gesetzlicher Entwicklungen der Verwaltungsmodernisierung

keine legislative Gestaltungsmacht wahr, sondern reagierte vielmehr auf die vorgefundenen Zustände in der Verwaltungspraxis.49 Als Mittel zum Zweck der ins Auge gefassten Bewältigung verwaltungsrechtlicher Massenvorgänge konnten dabei vor allem ausdrücklich normierte Erleichterungen hinsichtlich des einzuhaltenden Verfahrens und der förm­ lichen Anforderungen beim Verwaltungsakterlass identifiziert werden. So konnte insbesondere gem. § 28 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG auf eine Anhörung und gem. § 39 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG auf eine Begründung des Verwaltungsakts verzichtet werden, wobei beide Lockerungen neben dem klassischen Anwendungsfall des Computerverwaltungsakts auch auf gleichartige Verwaltungsakte größerer Zahl (§ 39 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG zudem noch auf Allgemeinverfügungen i. S. d. § 35 S. 2 VwVfG) Anwendung fanden, ohne dass bei deren Erlass technische Hilfsmittel involviert waren.50 § 37 Abs. 4  VwVfG  a. F. lockerte dagegen die Formerfordernisse ausschließlich bei schriftlichen ­Computerverwaltungsakten im angesprochenen Sinne, indem entgegen § 37 Abs. 3 VwVfG a.  F. auf eine eigentlich erforderliche Unterschrift oder ­Namenswiedergabe des Behördenleiters, seines Vertreters oder seines Beauftragten verzichtet werden konnte51 und die Verwendung von Schlüsselzeichen zur Inhaltsangabe zugelassen wurde52, wobei diese Lockerungen zum Teil aber weniger als gewollte Fortschrittlichkeit des Gesetzes, sondern vielmehr als notwendige Maßnahme zur Sicherung eines (finanzierbaren) Rationalisierungseffektes durch den EDV-Einsatz vor dem Hintergrund der begrenzten Speicherkapazitäten damaliger Rechenanlagen gesehen wurden.53 Auf die Erkennbarkeit der erlassenden Behörde durfte dagegen aus Gründen der Zurechenbarkeit und des Rechtsschutzes nicht verzichtet werden. Über ihre konkreten Regelungsgehalte hinaus wurde mit der Schaffung besonderer Vorschriften für einen Computerverwaltungsakt zudem erstmals ein expliziter gesetzgeberischer Bezug zwischen der außenwirksamen Kern49  Vgl. Ossenbühl, NVwZ 1982, 465 (470); Polomski, Der automatisierte Verwaltungsakt, S. 20, 96 f.; Eifert, E-Government, S. 122; Groß, VerwArch 95 (2004), 400 (415). 50  Maurer, JuS 1976, 485 (489, insbes. in Fn. 38). 51  Eine solche Lockerung der förmlichen Voraussetzungen wurde bereits vor Kodifizierung des VwVfG in der Rechtsprechung anerkannt, vgl. BVerwGE 45, 189 (Rn. 20 ff.), wobei das Gericht jedoch offenließ, ob sich diese aus einer allgemeinen, zur Benutzung elektronischer Datenverarbeitungsanlagen in der öffentlichen Verwaltung hinführenden Entwicklung der Lebensverhältnisse, oder aus den Spezifika des Falles ergab. 52  Vgl. Maurer, JuS 1976, 485 (489). 53  Roßnagel, DÖV 2001, 221 (228) spricht insofern von der „Kapitulation des Rechts vor den Mängeln der Technik“; siehe auch U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/ Sachs, VwVfG, § 37, Rn. 130.



A. Entwicklung des allgemeinen Verwaltungsverfahrensrechts43

tätigkeit der Verwaltung und dem Einsatz technischer Einrichtungen hergestellt und letztere damit als adäquate Hilfsmittel der Verwaltung emanzipiert, ohne deren Einsatz – freilich abgesehen von allgemeinen verfahrens- und verfassungsrechtlichen Grenzen – unter den Vorbehalt weiterer Anforderungen oder Hürden zu stellen. Gerade die darin zum Ausdruck kommende grundsätzliche Anerkennung einer technischen – nicht auf bestimmte Methoden festgelegten54 – Assistenz im Verwaltungsverfahren kann dabei als die eigentlich zentrale Weichenstellung des kodifizierten Verwaltungsverfahrensrechts hin zu Formen der modernen Massenverwaltung betrachtet werden. Der Gedanke einer Unterstützung der Verwaltung durch den Einsatz technischer Systeme zur Steigerung der Arbeitseffizienz stellt damit insgesamt kein ausschließlich im Wege nachträglicher Einfügungen verwirklichtes Prinzip dar, sondern kann durchaus als inhärente Grundprämisse schon der (kodifizierten) Urfassung des Verwaltungsverfahrensrechts verstanden werden, die freilich im Jahre 1976 noch keinen Anspruch auf ein systemisch-umfassendes Leitprinzip erhob, jedoch in den Folgejahrzehnten schrittweise und fortlaufend ausgebaut werden sollte. II. 3. VwVfÄndG vom 21. August 2002 Nach Inkrafttreten des ursprünglichen VwVfG war zunächst nur wenig Änderungsdynamik im Feld der Modernisierung der Verwaltung im allgemeinen Verwaltungsverfahrensrecht zu verzeichnen.55 Bedeutsamere Anpassungen des Verfahrensrechts betrafen bis zum Jahre 2002 vorwiegend andere Bereiche des Verwaltungsverfahrens.56 Erst mit dem Dritten Gesetz zur Än54  Der Wortlaut des Gesetzes („automatische Einrichtungen“) erweist sich insofern als technikoffen, so dass neben dem damals bereits praktizierten Einsatz von klassischen EDV-Anlagen (vgl. BT-Drs. 7/910, S. 52) auch weitere (damalig ggfls. noch nicht weiter konkretisierbare) technische Möglichkeiten abgedeckt werden. 55  Vgl. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, Einleitung, Rn. 42 ff. 56  Vgl. etwa das Gesetz zur Änderung verwaltungsverfahrensrechtlicher Vorschriften vom 2.5.1996 (VwVfÄndG), BGBl. I, S. 656, das allen voran eine Novellierung der §§ 48 ff. VwVfG und zusammenhängender Bestimmungen, insbesondere vor dem Hintergrund der Rückabwicklung fehlgeschlagener Subventionsverhältnisse vornahm; siehe hierzu zusammenfassend Sachs/Wermeckes, NVwZ 1996, 1185; Gröpl, Verw­ Arch 88 (1997), 23; Baumeister, NVwZ 1997, 19; Ehlers, Jura 2016, 603 (606). Zwar der Verfahrensbeschleunigung, nicht aber der Verfahrensmodernisierung i. e. S. waren die Änderungen des VwVfG im Zuge des Genehmigungsverfahrensbeschleunigungsgesetzes (GenBeschlG) vom 12.9.1996, BGBl. I, S. 1354, gewidmet, das neben der Beschränkung der Folgen von Verfahrens- und Formverstößen durch die neuen ­ Heilungsmöglichkeiten der §§ 45, 46 VwVfG unter anderem auch verfahrensbe­ schleunigende Modifizierungen der verwaltungsrechtlichen Massen- und Planfeststellungsverfahren mit sich brachte; hierzu zusammenfassend etwa Sachs, in: Stelkens/ Bonk/Sachs, VwVfG, Einleitung, Rn. 43; Schmitz/Wessendorf, NVwZ 1996, 955;

44 § 2 Leitlinien gesetzlicher Entwicklungen der Verwaltungsmodernisierung

derung verwaltungsverfahrensrechtlicher Vorschriften (3. VwVfÄndG) vom 21.8.200257 wurde ein weiteres zentrales Element der Verwaltungsmodernisierung auf den Weg gebracht, indem der Gesetzgeber den Grundstein einer umfassenden elektronischen Kommunikation zwischen Bürger und Behörden legte.58 Auch wenn bei den Anpassungen des 3. VwVfÄndG das Bemühen um ein effizientes Verwaltungsverfahren eine prominente Rolle einnahm59, so war darin nicht zuletzt auch die (mehr oder weniger) notwendige Reaktion des Gesetzgebers auf die voranschreitenden technischen Entwicklungen zu erblicken, die die moderne Kommunikationstechnik auch im Rechtsverkehr zwischen Bürgern und Verwaltung vollumfänglich nutzbar machen sollte.60 Während der Grundsatz der Nichtförmlichkeit des Verwaltungsverfahrens gem. § 10 VwVfG a. F. bzw. § 10 S. 1 VwVfG seit dem GenBeschlG61 dem Bürger bereits von Anfang an jede Form elektronischer Kommunikation mit den Behörden grundsätzlich erlaubte, die Anpassungen des 3. VwVfÄndG insofern also bloß deklaratorischer Natur waren62, sahen (und sehen) bestimmte Bereiche des Verwaltungsverfahrensrechts, die dem Bürger typischerweise rechtsverbindliche Handlungen von einigem Gewicht abverlangen oder etwa in sonstiger Weise einen erhöhten Grundrechtsbezug aufweisen63, gesetzliche Schriftformerfordernisse als Ausnahme vom Grundsatz der Nichtförmlichkeit vor.64 Ebensolche bedeutsameren und deshalb formgebunBonk, NVwZ 1997, 320; Stüer, DVBl. 1997, 326; Schmitz, NJW 1998, 2866; ders., NVwZ 2000, 1238. Das Zweite Gesetz zur Änderung verwaltungsverfahrensrecht­ licher Vorschriften (2. VwVfÄndG) vom 6.8.1998, BGBl. I, S. 2022, erschöpfte sich dagegen in redaktionellen Korrekturen und Klarstellungen, vgl. BGBl. I, S. 2022 ff.; Ronellenfitsch, in: BeckOK VwVfG, § 1, Rn. 1.9; im Einzelnen Schmitz/Olbertz, NVwZ 1999, 126; Schmitz, NJW 1998, 2866; ders., NVwZ 2000, 1238. 57  BGBl. I, S. 3322. 58  Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 1, Rn. 267; ders./Schlatmann, NVwZ 2002, 1281 (1283); Maurer/Waldhoff, Allg. VerwR, § 18, Rn. 3, 16; vgl. auch Ehlers, Jura 2016, 603 (607). 59  Etwa Schmitz/Schlatmann, NVwZ 2002, 1281. 60  Vgl. U. Müller, in: BeckOK VwVfG, § 3a, Rn. 1; Schmitz/Schlatmann, NVwZ 2002, 1281 (1283). 61  Vgl. Fn. 56. 62  Üblich war beispielsweise bereits die Kommunikation per Fax und vor allem per Email; vgl. U. Müller, in: BeckOK VwVfG, § 3a, Rn. 1; Schmitz/Schlatmann, NVwZ 2002, 1281 (1283); Tegethoff, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 3a, Rn. 6 m. w. N. 63  Vgl. etwa Michler, in: BeckOK VwVfG, § 63, Rn. 3. 64  Schmitz/Schlatmann, NVwZ 2002, 1281 (1284); Beispiele hierfür finden sich an zahlreichen Stellen im VwVfG und im Fachrecht, z. B. im förmlichen Verwaltungsverfahren nach den §§ 63 ff., 64, 69 Abs. 2 S. 1 VwVfG, auf die das besondere Verwaltungsrecht an diversen Stellen verweist, vgl. etwa die §§ 36, 105 BBergG, 41 SaatG, in Planfeststellungsverfahren gem. §§ 72 ff. VwVfG oder in zahlreichen spe­ zialgesetzlich geregelten, förmlichen Verwaltungsverfahren ohne entsprechende Ver-



A. Entwicklung des allgemeinen Verwaltungsverfahrensrechts45

denen Rechtshandlungen sollten nun nach dem Geiste des 3. VwVfÄndG ebenfalls durch eine elektronische Form ersetzt werden können, soweit keine berechtigten Ausschlussgründe eingreifen. Der hierfür erforderliche rechtsverbindliche Charakter sollte durch die Verwendung einer die Authentizität der Erklärung sicherstellenden, elektronischen Signatur nach dem Signaturgesetz65 gewährleistet werden.66 Zu diesem Zweck fügte der Gesetzgeber mit § 3a VwVfG a. F. eine umfassende Basisnorm zur „elektronischen Kommunikation“ in das allgemeine Verwaltungsverfahrensrecht ein, wobei beide Richtungen der Kommunikation zwischen Bürger und Behörde begrifflich umfasst waren.67 Die Normierungen des § 3a VwVfG berücksichtigten dabei insbesondere die Anforderungen für den elektronischen Rechtsverkehr der Richtlinie 1999/93/EG vom 13.12.1999 über gemeinschaftliche Rahmenbedingungen für elektronische Signaturen (sog. EG-Signaturrichtlinie)68 und der Richtlinie 2000/31/EG vom 8.6.2000 über den elektronischen Rechtsverkehr69.70 Während § 3a Abs. 1 VwVfG in diesem Kontext zunächst allgemein klarstellte, dass eine elektronische Kommunikation zwischen Bürgern und Verwaltung von vornherein nur in Betracht kommt, wenn auf Seiten aller Verfahrensbeteiligten jeweils freiwillig ein entsprechender „Zugang eröffnet“ wird71, im Umkehrschluss also eine vollständige und einseitige Abkehr von den herkömmlichen Kommunikationsformen durch die Verwaltung ausgeschlossen ist72, schaffte vor allem § 3a Abs. 2 VwVfG die eigentlichen ­Voraussetzungen für eine rechtsverbindliche elektronische Kommunikation weisung auf das allgemeine VwVfG, vgl. etwa §§ 104 ff. BauGB, 12 ff. AsylG, 10 ff. BImschG; vgl. hierzu Überblick bei Michler, in: BeckOK VwVfG, § 63, Rn. 4 ff.; Tegethoff, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 3a, Rn. 2c, 14; Aufzählung auch bei Schmitz/Schlatmann, NVwZ 2002, 1281 (1289). 65  Gesetz über Rahmenbedingungen für elektronische Signaturen (SigG) vom 16. Mai 2001, BGBl. I, S. 876. Das nationale SigG wurde ab 1. Juli 2016 von der harmonisierenden eIDAS-VO der EU (VO Nr. 910/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Juli 2014 über elektronische Identifizierung und Vertrauensdienste für elektronische Transaktionen im Binnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 1999/93/EG, ABl. EU L 257/73) abgelöst. 66  Schmitz/Schlatmann, NVwZ 2002, 1281 (1284). 67  Vgl. Rosenbach, DVBl. 2001, 332 (335); Maurer/Waldhoff, Allg. VerwR, § 18, Rn. 16. 68  ABl. EG 2000 L 13/12. 69  ABl. EG L 178/1. 70  Schmitz/Schlatmann, NVwZ 2002, 1281 (1283); Schmitz, in: Stelkens/Bonk/ Sachs, VwVfG, § 1, Rn. 267. 71  Tegethoff, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 3a, Rn. 7; Schmitz/Schlatmann, NVwZ 2002, 1281 (1285). 72  Schmitz/Schlatmann, NVwZ 2002, 1281 (1285).

46 § 2 Leitlinien gesetzlicher Entwicklungen der Verwaltungsmodernisierung

zwischen Bürger und Verwaltung.73 Mit der Anordnung der Ersetzbarkeit einer gesetzlich vorgeschriebenen Schriftform durch eine mit qualifizierter elektronischer Signatur nach dem Signaturgesetz versehenen elektronischen Form, soweit diese nicht durch Rechtsvorschrift sachlich gerechtfertigt ausgeschlossen ist74, wurde eine grundsätzliche Austauschbarkeit und damit eine systematische Gleichwertigkeit zwischen Schriftform und (authentifizierter) elektronischer Form hergestellt, die auch vormals schriftgebundene Bereiche des Verwaltungsverfahrens einer rein elektronischen Kommunikation öffnete.75 § 3a VwVfG wird daher zu Recht als „Generalklausel zur Gleichstellung“ der elektronischen und schriftlichen Übermittlung auch für eigentlich schriftgebundene Vorgänge76 sowie als „rechtliche Basis für das elektronische Verwaltungsverfahren“77 verstanden. Aber auch dort, wo § 3a VwVfG keine konstitutive Wirkung zukam, insbesondere bei der auch zuvor schon möglichen formlosen elektronischen Kommunikation, konnte zumindest ein allgemeiner Zugewinn an Rechtssicherheit bei der Nutzung elektronischer Kommunikationskanäle gegenüber der Verwaltung durch gesetzgeberische Anerkennung und ausdrückliche Implementierung in das geschriebene Recht erreicht werden.78 Neben der umfassenden Öffnung des Verwaltungsverfahrens für eine auch rechtsverbindliche elektronische Kommunikation sah das 3. VwVfÄndG als weiteren Eckpfeiler der Verwaltungsmodernisierung zudem die Einfügung der neuen Kategorie eines elektronischen Verwaltungsakts in § 37 Abs. 2 S. 1 VwVfG vor, die die ausgeweiteten Möglichkeiten elektronischer Kommunikation aufgriff und der Verwaltung eine der Fortentwicklung der Informations- und Kommunikationstechnik angepasste Handlungsform zur Verfügung stellte.79 Im Hinblick auf die auch schon vor Inkrafttreten des 3. VwVf­ ÄndG bestehende Möglichkeit des Erlasses eines Verwaltungsakts „in anderer 73  § 3a Abs. 3 VwVfG traf dagegen Regelungen zur Bewältigung technischer oder kompatibilitätsbezogener Probleme, hierzu näher Schmitz/Schlatmann, NVwZ 2002, 1281 (1285); Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 3a, Rn. 39 ff.; U. Müller, in: BeckOK VwVfG, § 3a, Rn. 31 ff. 74  Geläufig ist hierfür etwa die Formulierung „§ 3a VwVfG findet keine Anwendung“, vgl. Schmitz/Schlatmann, NVwZ 2002, 1281 (1285). 75  Vgl. Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 1, Rn. 267; § 3a, Rn. 19; ders./Schlatmann, NVwZ 2002, 1281 (1283); eingehender zur qualifizierten elektronischen Signatur nach dem SignaturG Kunstein, Die elektronische Signatur als Baustein der elektronischen Verwaltung, 2005; Skrobotz, Das elektronische Verwaltungsverfahren, S.  66 ff. 76  Tegethoff, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 3a, Rn. 1. 77  Maurer/Waldhoff, Allg. VerwR, § 18, Rn. 16. 78  Vgl. Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 3a, Rn. 4. 79  Schmitz/Schlatmann, NVwZ 2002, 1281 (1286); Näheres zum elektronischen Verwaltungsakt unter § 4 B. I. 1.



A. Entwicklung des allgemeinen Verwaltungsverfahrensrechts47

Weise“ gem. § 37 Abs. 2 S. 1 VwVfG 1976 nahm die ausdrückliche Schaffung des neuen Verwaltungsakt-Typus dabei – abgesehen von einzelnen inhaltlichen Erweiterungen, wie etwa der Möglichkeit einer schriftlichen Bestätigung gem. § 37 Abs. 2 S. 3 VwVfG – zwar eine weitestgehend klarstellende Rolle ein80, war jedoch vor dem Hintergrund der vom Gesetzgeber bemühten systemischen Etablierung der elektronischen Kommunikation im Verwaltungsverfahren sowie des elektronischen Verwaltungsverfahrens generell durch die hierdurch erreichte Steigerung der Rechtssicherheit zu begrüßen.81 Schließlich wurden noch zahlreiche sonstige Anpassungen der Vorschriften im VwVfG anlässlich der Öffnung des elektronischen Verwaltungsrechtsverkehrs vorgenommen, die teils rein terminologischer Natur waren, insbesondere zur durchgängigen Einpflegung des neuen Begriffs des elektronischen Verwaltungsakts, teils aber auch inhaltliche Bedeutung zeitigten.82 Als bedeutsamere Beispiele für letzteren Bereich können etwa die Zugangsund Bekanntgabefiktionen gem. §§ 15, 41 Abs. 2 VwVfG bei elektronischen Verwaltungsakten genannt werden, die bisher jeweils nur auf Schriftstücke und deren Transportmodalitäten zugeschnitten waren.83 Insgesamt konnten die Anpassungen des 3. VwVfÄndG die bereits zuvor angelegte84 Grundidee des Einsatzes technischer Mittel im Verwaltungsverfahren bereichsspezifisch für die elektronische Kommunikation aufgreifen, fortentwickeln und in systematischer Weise in das Verfahrensrecht integrieren, womit im Ergebnis die „rechtliche Basis für das elektronische Verwaltungsverfahren“85 geschaffen und die Elektronisierung der Verwaltungspraxis in umfassender Weise realisiert werden konnte. Aus diesen Gründen erscheint es auch nicht verwunderlich, dass bereits bei Inkrafttreten des 3. VwVfÄndG von einem neuen „Zeitalter des Verwaltungsrechts“ gesprochen wurde.86 III. 4. VwVfÄndG vom 11. Dezember 2008 Eher eine partielle Elektronisierung als eine systemische Weiterent­ wicklung konnte mit den Modifikationen des Vierten Gesetzes zur Änderung verwaltungsverfahrensrechtlicher Vorschriften (4. VwVfÄndG) vom 80  Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 1, Rn. 267; ders./Schlatmann, NVwZ 2002, 1281 (1286). 81  BT-Drs. 14/9000, S. 1, 26 ff., 33; vgl. auch Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 3a, Rn. 4. 82  Vgl. BGBl. I, S. 3322; Schmitz/Schlatmann, NVwZ 2002, 1281 (1288 ff.) mit einer Aufzählung der terminologischen und inhaltlichen Anpassungen. 83  Schmitz/Schlatmann, NVwZ 2002, 1281 (1288). 84  Vgl. die Ausführungen zum VwVfG 1976 unter § 2 A. I. 85  Maurer/Waldhoff, Allg. VerwR, § 18, Rn. 16. 86  Laubinger, in: FS König, 517.

48 § 2 Leitlinien gesetzlicher Entwicklungen der Verwaltungsmodernisierung

11.12.200887 verzeichnet werden. Angestoßen von der Verpflichtung zur Umsetzung der sog. Dienstleistungsrichtlinie (DL-RL) vom 12.12.200688, fügte der Gesetzgeber insbesondere mit dem Verfahren über eine einheit­ liche Stelle gem. §§ 71a–71e VwVfG n. F., die die bisherigen §§ 71a ff. VwVfG  a. F.89 über die Beschleunigung des Verwaltungsverfahrens ersetzten90, einen neuen, eigenständigen Verfahrenstypus in das VwVfG ein.91 Ausgestaltet als allgemeines Verfahrensmodell umfasste dessen Anwendungsbereich einerseits – und insoweit zwingend zur Umsetzung des „einheitlichen Ansprechpartners“ gem. Art. 6 DL-RL – den Bereich der grenzüberschreitenden Erbringung von Dienstleistungen (vgl. Art. 2 Abs. 1 und Abs. 2, 4 Nr. 1 DL-RL), andererseits aber – vor allem zur Vermeidung einer Inländerdiskriminierung sowie einer Zersplitterung des materiellen Rechts und Verwaltungsverfahrensrechts92 – auch rein inländische, dienstleistungsbezogenen Sachverhalte (außerhalb des personellen Anwendungsbereichs der DL-RL) und sogar sonstige Verfahren ohne Bezug auf die Erbringung von Dienstleistungen, soweit je durch Rechtsvorschrift die Abwicklung des ­Verwaltungsverfahrens über eine einheitliche Stelle angeordnet wurde, vgl. § 71a  VwVfG.93 Mit Blick auf die Modernisierung der Verwaltung lag die Besonderheit der Neuerungen des 4. VwVfÄndG vor allem bei § 71e VwVfG n. F. Mit diesem erhielt erstmals ein subjektives Recht auf elektronische Durchführung des Verfahrens und eine damit korrespondierende Verpflichtung der Behörde zur Eröffnung eines entsprechenden Kommunika­ tionszugangs Einzug in die allgemeine Verfahrensordnung, beschränkt allerdings auf die Verfahren über die einheitliche Stelle.94 Die Grundnorm des § 3a VwVfG für die elektronische Kommunikation im Verwaltungsverfahren95 selbst verpflichtete die Behörden dagegen nicht zur Eröffnung eines dahingehenden „Zugangs“.96 Weitere Änderungen, wie etwa die Einfügung 87  BGBl. I,

S. 2418; gem. dessen Art. 1 am 18.12.2008 in Kraft getreten. 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12.12.2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt, ABl. EU L 376/36. 89  Diese wurden ihrerseits durch das GenBeschlG eingefügt, vgl. hierzu § 2 A. II unter Fn. 56. 90  Maurer/Waldhoff, Allg. VerwR, § 5, Rn. 6 f.; § 19, Rn. 6; Schmitz/Prell, NVwZ 2009, 1 (9 f.). 91  Schmitz/Prell, NVwZ 2009, 1; ders., in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 1, Rn. 268. 92  Schmitz/Prell, NVwZ 2009, 1 (2 f.). 93  Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 1, Rn. 268; ders., NVwZ 2009, 2 f. 94  Siegel, DVBl. 2017, 24; ders., VerwArch 105 (2014), 246; Schmitz/Prell, NVwZ 2009, 1 (6). 95  Siehe hierzu bereits § 2 A. II. 96  Schmitz/Prell, NVwZ 2009, 1 (6); Schmitz/Wiegand, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 71e, Rn. 2; Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 3a, Rn. 13; Siegel, DVBl. 2017, 24. 88  Richtlinie



A. Entwicklung des allgemeinen Verwaltungsverfahrensrechts49

einer allgemeinen Regelung zu Genehmigungsfik­tionen in § 42a VwVfG97, Anpassungen der Zugangsvermutung bei Bekanntgabe von Verwaltungsakten nun auch bei Übermittlung ins Ausland gem. § 41 Abs. 2 VwVfG oder bei der Zurückweisung von Bevollmächtigten und Beiständen gem. § 14 Abs. 5 f. VwVfG98, standen dagegen mit der hier in den Blick genommenen Technisierung der Verwaltung in keinem (unmittelbaren) Zusammenhang. IV. Das Planungsvereinheitlichungsgesetz vom 31. Mai 2013 Einen weiteren, allerdings kleinen Schritt zur Elektronisierung der Verwaltung machte das Gesetz zur Verbesserung der Öffentlichkeitsbeteiligung und Vereinheitlichung von Planfeststellungsverfahren (sog. Planungsvereinheit­ lichungsgesetz – PlanVereinhG) vom 31.5.201399. Neben den gesetzgeberischen Zielen der Bereinigung und Vereinheitlichung des Planfeststellungsrechts und der Verbesserung der Öffentlichkeitsbeteiligung unter anderem durch deren zeitliche Vorverlagerung in möglichst frühe Planungsphasen100 fügte der Gesetzgeber mit § 27a VwVfG eine Regelung in das allgemeine Verwaltungsverfahrensrecht ein, nach der bei einer durch Rechtsvorschrift angeordneten öffentlichen oder ortsüblichen Bekanntmachung zusätzlich eine Bekanntmachung im Internet erfolgen und hierauf auch in der anderen Bekanntmachung hingewiesen werden soll. Dabei war die Norm des § 27a VwVfG, die ursprünglich die Erleichterung der Kenntnisnahme jedes Einzelnen durch bequemeren Zugang über das Internet generell (nicht nur für Zwecke einer Öffentlichkeitsbeteiligung) im Sinn hatte101, anfangs im Regierungsentwurf zum E-Government-Gesetz des Bundes102 enthalten. Aufgrund von Bedenken, das E-Government-Gesetz des Bundes könnte am Ende der Legislaturperiode der materiellen Diskontinuität zum Opfer fallen, wurde sie jedoch aus dem entsprechenden Gesetzentwurf ausgekoppelt und in das Plan97  Zu Gemeinsamkeiten und Unterschieden vollständig automatisiert erlassener und fiktiver Verwaltungsakte eingehender unter § 4 B. III. 2. 98  Überblick zu den sonstigen Anpassungen des VwVfG bei Schmitz/Prell, NVwZ 2009, 1 (7 f., 11). 99  BGBl.  I, S. 1388; umfassender Überblick bei Schmitz/Prell, NVwZ 2013, 745 ff.; vgl. auch Siegel, VerwArch 105 (2014), 241 (246 ff.). 100  BT-Drs. 17/9666, S. 1 f.; 13 ff.; vgl. auch Siegel, VerwArch 105 (2014), 241 (246 f.); Schmitz/Prell, NVwZ 2013, 749. 101  Vgl. BT-Drs. 17/11473, S. 50. 102  BT-Drs. 17/11473, S. 13, 50; Siegel, VerwArch 105 (2014), 241 (247). Gemeint ist das Gesetz zur Förderung der elektronischen Verwaltung sowie zur Änderung weiterer Vorschriften, das oftmals ebenso wie das darin (gem. Art. 1 des Gesetzes) enthaltene eigentliche E-Government-Gesetz (i.  e.  S.) als E-Government-Gesetz des Bundes i. w. S. bezeichnet wird; vgl. zu den richtigen Bezeichnungen Prell, NVwZ 2013, 1514 und § 2 A. V. weiter unten.

50 § 2 Leitlinien gesetzlicher Entwicklungen der Verwaltungsmodernisierung

VereinhG eingefügt.103 Die inhaltliche Brücke zu den eigentlichen Regelungsthematiken des Planungsvereinheitlichungsgesetzes schlug sodann die Erwägung, dass auch der erleichterte Zugang des Einzelnen zu den erforderlichen Informationen die Öffentlichkeitsbeteiligung – zumindest mittelbar – stärkt.104 Auch wenn mit § 27a VwVfG ausweislich der Gesetzesbegründung eine Erleichterung des Zugangs zu den relevanten (bekanntzumachenden) Informationen zugunsten jedes einzelnen Bürgers angestrebt wurde105, konnte (und kann) der Vorschrift aufgrund ihres Charakters als bloße verfahrensbezogene Soll-Vorschrift und mangels Individualisierbarkeit des von ihr etwaig geschützten Personenkreises kein subjektives Recht seitens des Bürgers auf (Parallel-)Bekanntmachung im Internet entnommen werden106. Ein einklagbarer Anspruch auf Veröffentlichung der Informationen im Internet wurde mit der nur partiell vorangetriebenen Elektronisierung nach dem Planungsvereinheitlichungsgesetz mithin nicht geschaffen. V. Das E-Government-Gesetz des Bundes vom 25. Juli 2013 Als Folge einer inzwischen stark verbreiteten Nutzung elektronischer Medien im privaten und wirtschaftlichen Alltag gewann das Thema E-Government zunehmend auch an politischer Präsenz, zumal Deutschland in diesen Bereichen auch im internationalen Vergleich ins Hintertreffen zu geraten schien107. Als zentralen Bestandteil des Regierungsprogramms „Vernetzte 103  Schmitz/Prell, NVwZ 2013, 749; Siegel, VerwArch 105 (2014), 241 (247); ders., DVBl. 2017, 25. 104  BT-Drs. 17/11473, S. 50; Schmitz/Prell, NVwZ 2013, 749; Siegel, VerwArch 105 (2014), 241 (247). 105  Wörtlich soll „dem Einzelnen“ der Informationszugang erleichtert werden, BTDrs. 17/11473, S. 50. 106  So zu Recht Siegel, VerwArch 105 (2014), 241 (247 f.); wohl auch Ziekow, VwVfG, § 27a, Rn. 5, 7; a. A. etwa U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 27a, Rn. 71, der jedoch unter Verweis auf § 44a VwGO eine selbstständige Durchsetzbarkeit des Rechts auf vereinfachten (Internet)Zugang ablehnt. Siehe zu den unmittelbaren Fehlerfolgen bei Verstoß gegen § 27a VwVfG auch Siegel, VerwArch 105 (2014), 241 (247); U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 27a, Rn. 70a; Tegethoff, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 27a, Rn. 16 ff. 107  So belegte Deutschland nach dem E-Government Index der Vereinten Nationen im Jahre 2012 international nur den 17. Platz, im europaweiten Vergleich sogar nur den 10. Platz, vgl. United Nations E-Government Survey 2012, 10, 29. Zudem konnte ein deutlicher Rückgang der Zufriedenheit der Bevölkerung mit E-Government-Angeboten und deren rückläufige Nutzung im Vergleich zum Vorjahr verzeichnet werden, vgl. E-Government Monitor 2013, 8 ff. Siehe zum gegenwärtigen Entwicklungsstand des E-Government in Deutschland im Überblick auch Martini, in: Kahl/Ludwigs, HdbVwR I, § 28, Rn. 13 ff. m. w. N.



A. Entwicklung des allgemeinen Verwaltungsverfahrensrechts51

und transparente Verwaltung“108 und zur Umsetzung der „nationalen E-Gov­ ernment-Strategie“109, deren beiderseitigen politischen Grundlagen sich im Koalitionsvertrag „Wachstum, Bildung, Zusammenhalt“ der schwarz-gelben Regierung der 17. Legislaturperiode selbst fanden110, erließ der Gesetzgeber sodann als Reaktion auf die stagnierende Entwicklung des E-Government in Deutschland das Gesetz zur Förderung der elektronischen Verwaltung sowie zur Änderung weiterer Vorschriften vom 25. Juli 2013111, durch das ein weiterer wichtiger „Schritt in Richtung einer modernen elektronischen Verwaltung“ getan werden konnte112. Dieses gemeinhin – insoweit ungenau – als E-Government-Gesetz des Bundes (i. w. S.) bezeichnete Artikelgesetz enthielt neben dem Erlass eines E-Government-Gesetzes i. e. S. (als Stammgesetz) gem. Art. 1 des Artikelgesetzes, das eigentlich und allein die Bezeichnung als E-Government-Gesetz des Bundes (EGovG) trägt113, noch weitere Änderungen verschiedener Regelungsmaterien, allen voran der Verwaltungsverfahrensordnungen des VwVfG, der AO und des SGB I bzw. SGB X sowie weiterer Gesetze. Unter den Leitprinzipien des EGovG i. w. S. der Verbesserung und Erleichterung der elektronischen Kommunikation mit der öffentlichen Verwaltung sollten einfachere und nutzerfreundlichere elektronische Verwaltungsdienste und -angebote ermöglicht und damit letztlich ein me­ dienbruchfreier Austausch „vom Antrag bis zur Archivierung“ gewährleistet werden.114 1. Änderungen des VwVfG durch Art. 3 des EGovG i. w. S. Den Anfang der vorliegenden Betrachtung sollen hierbei zunächst die Änderungen des VwVfG selbst durch Art. 3 des Gesetzes zur Förderung der elektronischen Verwaltung sowie zur Änderung weiterer Vorschriften machen. 108  Abrufbar etwa unter https://www.verwaltung-innovativ.de/SharedDocs/Publika tionen/Pressemitteilungen/regierungsprogramm_vernetzte_und_transparente_verwal tung.pdf?__blob=publicationFile&v=1 (letzter Aufruf am 8.5.2018). 109  BT-Drs. 17/11473, S. 1; BR-Drs. 557/12, S. 1; Stollhof, DuD 2013, 691; vgl. zur Nationalen E-Government Strategie auch den Internetauftritt des IT-Planungsrates unter https://www.it-planungsrat.de/ (unter Reiter IT-Planungsrat – Nationale E-Government Strategie). 110  BR-Drs. 557/12, S. 1; Müller-Terpitz/Rauchhaus, MMR 2013, 10. 111  BGBl. I, S. 2749. Das Gesetz trat grundsätzlich am 1.8.2013 in Kraft, vgl. Art. 31 Abs. 1 des Gesetzes. Gem. Art. 31 Absätze 2 bis 5 des Gesetzes galten allerdings für verschiedene Teile des Gesetzes abweichende Zeitpunkte des Inkrafttretens. 112  Müller-Terpitz/Rauchhaus, MMR 2013, 10. 113  Vgl. zu den korrekten Bezeichnungen Prell, NVwZ 2013, 1514. 114  BT-Drs. 17/11473, S. 2.

52 § 2 Leitlinien gesetzlicher Entwicklungen der Verwaltungsmodernisierung

a) Erweiterung der Schriftformäquivalente Als zweifellos bedeutsamste Anpassung des VwVfG (der insgesamt überschaubaren Anzahl von Änderungen) springen hierbei die umfangreichen Erweiterungen des § 3a VwVfG als Generalklausel der elektronischen Kommunikation115 ins Auge. Neben einer bloß klarstellenden Umformulierung des § 3a Abs. 2 S. 2  VwVfG116 wurde dem Absatz 2 allen voran ein Satz 4 angefügt, der die Ersetzungsmöglichkeiten einer durch Rechtsvorschrift angeordneten Schriftform auf weitere „sichere“ Authentifizierungsverfahren ausweitete, zumal sich die bis dahin mögliche Ersetzung mittels eines mit qualifizierter elektronischer Signatur (qeS) versehenen elektronischen Dokuments117 angesichts ihrer überwiegend als kompliziert und kostspielig empfundenen Handhabung118 in der Praxis selbst in für elektronische Verwaltungsverfahren prädestininierten Anwendungsfeldern119 nicht durchsetzten konnte. Als erstes erweitertes Verfahren dieser Art ist die unmittelbare Abgabe einer Erklärung in einem elektronischen Formular, das von der Behörde in einem Eingabegerät oder über öffentlich zugängliche Netze zur Verfügung gestellt wird, gem. § 3a Abs. 2 S. 4 Nr. 1 VwVfG n. F. zu nennen, das besondere Beachtung dadurch verdient, dass mit ihm eine förmliche Antragstellung mittels Onlineformular über das Internet oder etwa über Antragsterminals in Bürgerämtern und damit eine besonders effiziente elektronische Verfahrensabwicklung ermöglicht wurde120. Ergänzend erforderlich ist hierfür lediglich das Erfolgen eines sicheren Identitätsnachweises gem. § 3a Abs. 2 S. 5 VwVfG durch Verwendung eines elektronischen Personalausweises oder ei-

115  Ausführlicher

zu den Änderungen des 3. VwVfÄndG bereits unter § 2 A. II. hierzu Prell, NVwZ 2013, 1514 (1516). 117  Vgl. auch Prell, NVwZ 2013, 1514 (1520); Stollhof, DuD 2013, 691 f. 118  Vgl. BT-Drs. 17/11473, S. 47; BR-Drs. 557/12, 28 f.; Hebammer/Denkhaus, MMR 2013, 358 (361); Müller-Terpitz/Rauchhaus, MMR 2013, 10 (13) spricht etwa von schätzungsweise nur ca. 300.000 überwiegend professionellen Nutzern der qualifizierten elektronischen Signatur; Siegel, VerwArch 105 (2014), 241 (253 f.); Ehlers, Jura 2016, 603 (607, 610 f.); Prell, NVwZ 2013, 1514 (1515 f.); Seer, DStJG 31 (2008), 7 (20); Stollhof, DuD 2013, 693; vgl. zum heutigen Stand exemplarisch auch Müller, in: BeckOK VwVfG, § 3a, Rn. 21 f. 119  So sah der Gesetzgeber im Abgabenverfahrensrecht für den praktisch enorm wichtigen Bereich der elektronischen Steuerveranlagung im Wege des sog. ELSTERVerfahrens kurzerhand eine besondere Regelung gem. § 87a Abs. 6 AO vor, die eine im Sicherheitsniveau abgeschwächte Form der qeS ermöglichte und dadurch die Durchsetzung der qeS empfindlich behinderte, siehe Roßnagel, NJW 2003, 469 (475) sowie allgemein zur Sonderregelung des § 87a Abs. 6 AO unten bei § 2 B. II. 120  Vgl. Prell, NVwZ 2013, 1514 (1517); Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 3a, Rn. 38c; vgl. zum Einsatz elektronischer Formulare in vollautomatisierten Verwaltungsverfahren sodann § 5 C. I. 2. a) sowie II. 2. c) und 3. 116  Vgl.



A. Entwicklung des allgemeinen Verwaltungsverfahrensrechts53

nes elektronischen Aufenthaltstitels.121 Des Weiteren konnte eine Ersetzung nunmehr durch die Versendung eines elektronischen Dokuments mittels einer De-Mail-Nachricht gem. § 5 Abs. 5 De-Mail-Gesetz (De-Mail-G) als Anhang der De-Mail-Nachricht oder als Nachrichtentext der De-Mail selbst122 erfolgen, und zwar einerseits in Richtung des Bürgers an die Behörde gem. § 3a Abs. 2 S. 4 Nr. 2 VwVfG und andererseits umgekehrt von der Behörde an den Bürger gem. § 3a Abs. 2 S. 4 Nr. 3 VwVfG123, wobei durch die unterschiedlichen – und insoweit irreführenden – Formulierungen von „Anträgen und Anzeigen“ in Nr. 2 sowie „elektronischen Verwaltungsakten oder sonstigen elektronischen Dokumenten“ in Nr. 3 allerdings keine unterschiedlichen Anforderungen an beide Alternativen gestellt werden sollten124. In der Literatur wurden die Erweiterungen der Ersetzungsmöglichkeiten insgesamt überwiegend begrüßt.125 Neben den festgelegten Verfahren zur erweiterten Schriftformersetzung gem. § 3a Abs. 2 S. 4 Nr. 1 bis 3 VwVfG normierte der Gesetzgeber – in Entsprechung einer dahingehenden Forderung des Bundesrates im Gesetzgebungsverfahren126 – darüber hinaus eine Öffnungsklausel in § 3a Abs. 2 S. 4 Nr. 4 VwVfG, durch die der Exekutive (in Form der Bundesregierung) die Möglichkeit eingeräumt wurde, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates weitere für die Zwecke der (förmlichen) elektronischen Kommunikation gem. § 3a Abs. 2 VwVfG geeignete und sichere Verfahren zur Ersetzung der Schriftform zu bestimmen.127 Damit stellte der Gesetzgeber erneut128 sein – wenn auch erst auf entsprechende Kritik hin aktiviertes129 – Bemühen um Technologieoffenheit im Bereich des elektronischen 121  Müller, in: BeckOK VwVfG, § 3a, Rn. 24; Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 3a, Rn. 38c. 122  Vgl. Prell, NVwZ 2013, 1514 (1517). 123  Vgl. BT-Drs. 17/11473, S. 48 ff.; Siegel, VerwArch 105 (2014), 241 (253 f.); Prell, NVwZ 2013, 1514 (1517 f.). 124  Prell, NVwZ 2013, 1514 (1517) erklärt sich die inkonsistenten Begrifflichkeiten insoweit durch die Entstehungsgeschichte des Gesetzes, wonach zunächst nur die Verfahren nach § 3a Abs. 2 S.4 Nr. 1 VwVfG und später nach § 3a Abs. 2 S. 4 Nr. 2 VwVfG vorgesehen waren. 125  Vgl. Hebammer/Denkhaus, MMR 2013, 358 (361); Müller-Terpitz/Rauchhaus, MMR 2013, 10 (10, 13); Prell, NVwZ 2013, 1514 (1520); Stollhof, DuD 2013, 695. 126  BR-Drs. 557/1/12, Tz. 20 f.; kritisch gegenüber einseitigen gesetzgeberischen Festlegungen insoweit auch Heckmann/Albrecht, ZRP 2013, 43 f. 127  Hierzu Hebammer/Denkhaus, MMR 2013, 358 (361); Müller-Terpitz/Rauchhaus, MMR 2013, 10 (11, 14). 128  Eine grundsätzliche Technologieoffenheit konnte etwa dem Gesetzgeber schon in der Urfassung des VwVfG attestiert werden, vgl. § 2 A. I. 129  Vgl. nur BR-Drs. 557/1/12, Tz. 20  f.; Heckmann/Albrecht, ZRP 2013, 42 ff. m. w. N.

54 § 2 Leitlinien gesetzlicher Entwicklungen der Verwaltungsmodernisierung

Verwaltungsverfahrens zu Gunsten effektiver Anpassungs- und Reaktionsmöglichkeiten auf neue (bessere) Verfahren oder sonstige Entwicklungen unter Beweis, auch wenn die Öffnungsklausel des § 3a Abs. 2 S. 4 Nr. 4 VwVfG wegen ihrer ungewöhnlichen Regelungstechnik als Verordnungsermächtigung im allgemeinen VwVfG (das teilweise Gegenstand dynamischer Verweisungen aus dem Landesverfahrensrecht ist) sowie potentiell drohender Rechtsunsicherheiten bei Etablierung einer zu großen Vielfalt an wählbaren Ersetzungsformen zum Teil Kritik erfahren hat.130 Die dennoch vorgenommene Festlegung auf die Verfahren nach den Nrn. 1 bis 3 steht indes nicht zwingend in Konflikt zur angestrebten und im Grundsatz begrüßenswerten Technologieoffenheit, zumal die Schaffung eines allgemeinen rechtlichen Rahmens für komplexe E-Government Strukturen, als ausgewiesenes Ziel des EGovG i. w. S.131, einer gewissen Festlegung standardisierter Verfahren bedarf.132 Das Problem eines die Übersichtlichkeit und Rechtssicherheit beeinträchtigenden Überangebots zulässiger Ersetzungsverfahren dürfte sich dagegen rechtspraktisch kaum stellen. Lediglich vereinzelt wurden weitere Kritikpunkte zu der Erweiterung der Schriftformäquivalente geäußert, etwa wegen des Fehlens eines „aufeinander abgestimmten Gesamtkonzept[s]“ hinsichtlich der verschiedenen Übermittlungsverfahren133 oder in Form unionsrechtlicher Zweifel mit Blick auf eine unzulässige gesetzliche Privilegierung der De-Mail Dienste134, auf die aus Platz- und Relevanzgründen vorliegend jedoch nicht eingegangen wird. Auch die neu zugelassenen Verfahren sollten – im Gleichlauf mit der ursprünglich allein hierfür vorgesehenen qualifizierten elektronischen Signatur135 – die Anforderungen an eine schriftformersetzende elektronische Form erfüllen, also insbesondere die Authentizität und Integrität (d. h. die inhalt­ liche Originalität) der Daten bzw. des elektronischen Dokuments sicherstel-

130  Siegel, VerwArch 105 (2014), 241 (254) m. w. N.; Prell, NVwZ 2013, 1514 (1518). 131  Vgl. BT-Drs. 17/11473, S. 2; Heckmann/Albrecht, ZRP 2013, 42 f.; Hebammer/ Denkhaus, MMR 2013, 358 f. 132  Vgl. Heckmann/Albrecht, ZRP 2013, 42 (44). 133  Stollhof, DuD 2013, 695. 134  Vgl. Heckmann/Albrecht, ZRP 2013, 42 ff.; Hebammer/Denkhaus, MMR 2013, 358 (360); hierzu im Einzelnen Heckmann, MMR 2013, 561 ff. und Hebammer/Denkhaus, MMR 2014, 14 ff. 135  Zur Funktionsäquivalenz der qualifizierten elektronischen Signatur im Vergleich zur herkömmlichen Schriftform ausführlich die Begründung des Entwurfs eines Gesetzes zur Anpassung der Formvorschriften des Privatrechts und anderer Vorschriften an den modernen Rechtsgeschäftsverkehr vom 14.12.2000, BT-Drs. 14/4987, S. 16 f.; vgl. auch Stollhof, DuD 2013, 693.



A. Entwicklung des allgemeinen Verwaltungsverfahrensrechts55

len.136 Lediglich der Ersetzung durch Verwendung elektronischer Formulare i. S. d. § 3a Abs. 2 S. 4 Nr. 1 VwVfG wurde zum Teil mangels gleichwertiger Sicherungen gegen nachträgliche Abänderungen des Dokuments nicht die Qualität eines echten Unterschriftenersatzes wie die qualifizierte elektronische Signatur zugestanden137, was aber freilich nichts an ihrer gesetzlich angeordneten Tauglichkeit zur Schriftformersetzung ändert. b) Weitere Anpassungen im Zuge des Art. 3 des EGovG i. w. S. Neben den praktisch bedeutsamsten Erweiterungen des § 3a VwVfG wurde durch Art. 3 des EGovG i. w. S. zudem noch dem § 33 VwVfG ein Absatz 7 angefügt, wonach Urkunden, die von der Behörde selbst ausgestellt wurden, auf Verlangen in einem zu fertigenden elektronischen Dokument oder einer zu fertigenden elektronischen Abschrift (per Verknüpfung mit einer dauerhaft überprüfbaren qualifizierten elektronischen Signatur gem. § 33 Abs. 5 S. 1 Nr. 2 VwVfG) beglaubigt werden sollen138, sowie § 37 Abs. 3 VwVfG um einen Satz 3 ergänzt, der die Erkennbarkeit der erlassenden Behörde als Nutzer des De-Mail-Kontos bei der Bestätigung gem. § 5 Abs. 5 De-Mail-G im Falle der elektronischen Kommunikation gem. § 3a Abs. 2 S. 4 Nr. 3 VwVfG anordnet. Bei beiden Regelungen handelte es sich um flankierende Nebenoder Folgeregelungen der zunehmenden elektronischen Kommunikation, die in ihrer individuellen Bedeutung für die Elektronisierung des Verwaltungsverfahrens aber hinter den zentralen Änderungen des § 3a VwVfG zurückbleiben. 2. Das EGovG i. e. S. Neben den Änderungen der Verfahrensordnungen bildete vor allem das neue Stammgesetz des EGovG (i. e. S.) gem. Art. 1 des EGovG i. w. S. das 136  Dies kann schon aus dem Gesetzeswortlaut selbst entnommen werden, indem etwa die Öffnungsklausel des § 3a Abs. 2 S. 4 Nr. 4 VwVfG weitere Verfahren per Rechtsverordnung nur zulässt, wenn diese die Authentizität und Integrität sowie die Barrierefreiheit der Daten gewährleisten; vgl. auch BT-Drs. 17/11473, S. 49; Roßnagel, NJW 2013, 2710 (2715 f.); eingehend auch auf weitere Funktionen der Schriftform und ihrer Äquivalente Stollhof, DuD 2013, 692; Schulz, DÖV 2013, 884 ff.; Johannes, MMR 2013, 697; Tegethoff, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 3a, Rn. 14a. 137  Müller, in: BeckOK VwVfG, § 3a, Rn. 25 f.; Stollhof, DuD 2013, 693 f., 695, die darüber hinaus auch die Funktionsäquivalenz der elektronischen Kommunikation mittels De-Mail gem. § 3a Abs. 2 S. 4 Nr. 2 und 3 VwVfG bezweifelt. Die Integrität bei elektronischen Formularen i. S. d. Abs. 2 S. 4 Nr. 1 bejahend wohl Roßnagel, NJW 2013, 2710 (2715). 138  Vgl. Prell, NVwZ 2013, 1514 (1520).

56 § 2 Leitlinien gesetzlicher Entwicklungen der Verwaltungsmodernisierung

Herzstück des gesamten Gesetzgebungsvorhabens. Unter dem Credo einer intensivierten Elektronisierung der Verwaltung traf dieses in 16 Einzelnormen primär Regelungen über die Binnenorganisation der Verwaltung139 und enthielt insbesondere in Bezug auf § 3a VwVfG einige bedeutsame Annexregelungen140. Die Normierungen wurden dabei in Literatur und Verwaltungspraxis größtenteils begrüßt.141 Obwohl die Regelungen des EGovG für alle Verwaltungszweige (also auch für die AO und das Sozialverfahren142) gelten, werden sie exemplarisch bei der Entwicklung des VwVfG dargestellt, wobei an späterer Stelle wieder auf sie verwiesen wird. Charakteristisch für seine Regelungstechnik differenziert das EGovG zwischen eher zurückhaltenden „Basisnormen“ und inhaltlich weiter greifenden „Angebotsnormen“.143 Während die „Basisnormen“ für alle Behörden innerhalb des Anwendungsbereiches des Gesetzes gelten, also gem. § 1 Abs. 2 EGovG neben Bundesbehörden auch für die öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit144 je der Landes-, Gemeinde- und Gemeindeverbandsbehörden bzw. der Behörden sonstiger der Aufsicht des Staates unterstehender juristischer Personen anzuwenden sind, soweit diese Bundesrecht ausführen145, bleiben die „Angebotsnormen“ (darunter etwa die Regelungen zur elektronischen Aktenführung gem. § 6 EGovG) in ihrer Anwendung nur auf Bundesbehörden beschränkt.146 Die Gründe der nur eingeschränkten Anwendungsbereiche der „Angebotsnormen“ dürften dabei nicht nur bei der durch die erweiterten Anforderungen induzierten erhöhten Kostenbelastung und dem Erfordernis weitergehender organisatorischer Anpassungen gelegen haben, 139  Ramsauer/Frische,

(253).

NVwZ 2013, 1506; Siegel, VerwArch 105 (2014), 241

MMR 2013, 358 (359); vgl. BT-Drs. 17/11473, S. 33. Heckmann/Albrecht, ZRP 2013, 43. 142  Zu den Bereichsausnahmen insbesondere im Bereich der Steuerfahndung und der Verwaltungstätigkeit nach dem SGB II siehe § 1 Abs. 3 EGovG. 143  Hebammer/Denkhaus, MMR 2013, 358 (359); vgl. auch Roßnagel, NJW 2013, 2710 (2711); Bähr/Denkhaus, BayVBl. 2016, 1 (2). 144  Gemeint ist parallel zu § 1 VwVfG jede Verwaltungstätigkeit, also auch diejenige ohne Außenwirkung, in Abgrenzung zum Begriff des Verwaltungsverfahrens nach § 9 VwVfG; hierzu Roßnagel, NJW 2013, 2710 (2711). 145  Insoweit hielt sich der Bundesgesetzgeber an die kompetenziellen Vorgaben der Art. 84 Abs. 1 S. 2, 85 Abs. 1 S. 1 GG im Hinblick auf die Verfahrensgesetzgebung; der Bund hat zudem nicht von einem Ausschluss der Abweichungsmöglichkeit der Länder gem. Art. 84 Abs. 1 S. 5 und 6 GG Gebrauch gemacht und auch die besonderen Übertragungsverbote der Art. 84 Abs. 1 S. 7, 85 Abs. 1 S. 2 GG beachtet, die allerdings lediglich bei § 3 EGovG relevant waren; vgl. hierzu Hebammer/Denkhaus, MMR 2013, 358 (360); ausführlich bei Roßnagel, NJW 2013, 2710 (2711 f.). 146  Hebammer/Denkhaus, MMR 2013, 358 (359); vgl. auch Siegel, VerwArch 105 (2014), 241 (249). 140  Hebammer/Denkhaus, 141  Vgl.



A. Entwicklung des allgemeinen Verwaltungsverfahrensrechts57

sondern auch bei einer möglichst schonenden Kompetenzausübung des Bundes mit dem Ziel, einen (für ein gutes Gelingen des E-Government zwingend erforderlichen) bundeseinheitlichen Rahmen der elektronischen Verwaltung in kooperativer Zusammenarbeit mit den Ländern anstatt durch zwingende bundeseinheitliche Vorgaben zu erreichen.147 Denn ein im Rahmen der Länderverwaltung erforderliches „besondere[s] Bedürfnis nach bundeseinheit­ licher Regelung“ zum Ausschluss der Abweichungskompetenz gem. Art. 84 Abs. 1 S. 5 GG könnte ohne Weiteres aus dem dem gesamten E-Government inhärenten Bedürfnis nach Harmonisierung und Standardisierung der ITStrukturen hergeleitet werden.148 Im Bereich der Bundesauftragsverwaltung gem. Art. 85 Abs. 1 S. 1 GG wäre die Zustimmung des Bundesrates notwendig gewesen.149 Ganz generell wurde als Regelungsadressat des EGovG damit nicht der Bürger, sondern ausschließlich die Verwaltung ins Auge gefasst, auf deren Seiten zunächst die Voraussetzungen für eine medienbruchfreie elektronische Kommunikation geschaffen werden sollten.150 a) Pflicht zur Eröffnung eines elektronischen Zugangs gem. § 2 EGovG Besondere Bedeutung innerhalb des EGovG kommt der „Basisnorm“ des § 2 EGovG zu, der – ergänzend zu § 3a Abs. 1 VwVfG – in dessen Abs. 1 erstmals alle Behörden verpflichtet, einen Zugang für die Übermittlung elektronischer Dokumente zu eröffnen, auch soweit die elektronischen Dokumente qualifiziert elektronisch signiert sind151. In der Konsequenz ging der Gesetzgeber von der ursprünglich fakultativ ausgestalteten Grundnorm des § 3a Abs. 1 VwVfG, wonach die Eröffnung eines elektronischen Zugangs im

147  Vgl. Siegel, VerwArch 105 (2014), 241 (249  f.); Bähr/Denkhaus, BayVBl. 2016, 1 (2); Hebammer/Denkhaus, MMR 2013, 358 (360). 148  Siegel, VerwArch 105 (2014), 241 (243  f., 249); Müller-Terpitz/Rauchhaus, MMR 2013, 10 (14) m. w. N. 149  Trotz fehlenden Verweises auf das Verfahren im Wortlaut der Norm gesteht die h. M. aus systematischen Gründen dem Bund auch im Bereich der Bundesauftragsverwaltung eine Regelungskompetenz hinsichtlich des Verwaltungsverfahrens zu, vgl. BVerfGE 26, 338 (385); F. Kirchhof, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG, Art. 85, Rn. 45 ff. m. w. N.; Suerbaum, in: BeckOK GG, Art. 85, Rn. 15 ff. 150  Ramsauer/Frische, NVwZ 2013, 1506. 151  Insofern müssen Behörden also auch in der Lage sein, qualifiziert signierte Dokumente empfangen, prüfen, bearbeiten und aufbewahren zu können. Zu einer ausweislich der Gesetzesbegründung zur Erfüllung dieser Verpflichtung ausreichenden bloßen Unterhaltung eines einfachen E-Mail-Postfachs (BT-Drs. 17/11473, S. 33; BR-Drs. 557/12, S. 49) ist damit wohl zumindest die Nutzung eines Prüfprogramms nach § 17 Abs. 2 SigG zu verlangen, siehe Roßnagel, NJW 2013, 2710 (2712).

58 § 2 Leitlinien gesetzlicher Entwicklungen der Verwaltungsmodernisierung

Ermessen der Behörde stand152, zu einer allgemeinen und mangels ausdrücklichen Rückbezugs auf § 3a VwVfG nicht auf bestimmte Übermittlungsverfahren festgelegten Pflicht der Zugangseröffnung über, allerdings nur auf Seiten der Behörde.153 Erweiterte Pflichten der elektronischen Zugangseröffnung, einerseits zur zusätzlichen Eröffnung einer De-Mail Adresse nach dem De-Mail-G und andererseits zur Ermöglichung einer Identifikation mittels eines elektronischen Personalausweises oder elektronischen Aufenthaltstitels, wurden gem. § 2 Abs. 2 und 3 EGovG lediglich für Bundesbehörden normiert, weshalb sich insbesondere die Nutzung der De-Mail-Technologie verwaltungspraktisch zunächst wohl weitestgehend auf Bundesbehörden beschränkte154. Auf Seiten des Bürgers blieb es dagegen sowohl im Kontext der allgemeinen Zugangseröffnungspflicht gem. § 2 Abs. 1 EGovG als auch der erweiterten Eröffnungspflichten gem. § 2 Abs. 2 f. EGovG beim sog. Multikanal- bzw. Freiwilligkeitsprinzip: Verlangt wurde lediglich, dass „auch“ (Abs. 1) bzw. „zusätzlich“ (Abs. 2) ein (qualifizierter) elektronischer Zugang eröffnet wird. Die herkömmlichen Wege der Verwaltungskommunikation, etwa die persönliche Vorsprache oder der Postweg, durften gerade nicht abgeschnitten werden.155 b) Subjektives Recht auf elektronische Zugangseröffnung? Im Hinblick auf (nötigenfalls auch einklagbare) subjektive Rechte des Bürgers auf ein elektronisches Verwaltungsverfahren bestand bislang lediglich in Verfahren über eine einheitliche Stelle gem. § 71e S. 1 VwVfG ein Anspruch auf und damit eine korrespondierende Pflicht zur elektronischen Verfahrensabwicklung.156 Insoweit, als durch § 2 EGovG nun eine weitere Pflicht zur elektronischen Zugangseröffnung normiert wurde, war also eine Neuerung zur bisherigen Situation zumindest auf Seiten der Behörden zu verzeichnen.

152  Für Bürger und Behörden galt insofern das Freiwilligkeitsprinzip, vgl. MüllerTerpitz/Rauchhaus, MMR 2013, 10 (11); vgl. auch Prell, NVwZ 2013, 1514 (1516); Ramsauer/Frische, NVwZ 2013, 1507; Tegethoff, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 3a, Rn. 8. 153  Siehe nur Müller-Terpitz/Rauchhaus, MMR 2013, 10 (11); Heckmann/Albrecht, ZRP 2013, 43. 154  Vgl. Hebammer/Denkhaus, MMR 2013, 358 (359). 155  BR-Drs. 557/12, S. 49; Hebammer/Denkhaus, MMR 2013, 358 (361); MüllerTerpitz/Rauchhaus, MMR 2013, 10 (11 f., 16); vgl. zum „Multikanalprinzip“ bereits § 2 A. II. 156  Vgl. Siegel, VerwArch 105 (2014), 241 (250); Ramsauer/Frische, NVwZ 2013, S. 1507 sowie bereits oben § 2 A. III.



A. Entwicklung des allgemeinen Verwaltungsverfahrensrechts59

Ausgehend von den erweiterten Pflichten der Verwaltung drängte sich in der Folge die Frage auf, ob diesen nunmehr auch ein mit der Verpflichtung korrespondierendes subjektives Recht des Bürgers auf elektronische Zugangseröffnung entnommen werden könnte.157 Während einem normierten Anspruch zwingend auch eine auf der Kehrseite bestehende Pflicht der Behörde innewohnen muss, kann umgekehrt nicht ohne Weiteres von einer normierten (objektiven) Pflicht auf die Existenz einer durch sie vermittelten subjektiven Rechtsposition geschlossen werden158. Vielmehr muss ausgehend von der begründeten objektiven Pflicht in einem zweiten Schritt noch ein Umstand hinzutreten, der die (öffentlich-rechtliche) individuelle bzw. individualisierbare Zuweisung einer Rechtsmacht dergestalt rechtfertigt, dass der Bürger vom Hoheitsträger zur Verfolgung eigener Interessen ein bestimmtes Tun, Dulden oder Unterlassen fordern kann.159 Nach der herrschenden Schutznormtheorie ist dies der Fall, wenn die in Rede stehende öffentlichrechtliche Norm – neben dem stets im Fokus öffentlich-rechtlicher Normen stehenden öffentlichen Interesse – nach dem gesetzgeberischen Willen zumindest auch dem Interesse einzelner Bürger zu dienen bestimmt ist, mithin also (auch) auf einen gesetzgeberisch bezweckten Interessenschutz des Einzelnen abzielt.160 Soweit es an einer ausdrücklichen Äußerung der bezweckten Schutzrichtung (im positiven wie im negativen Sinne) fehlt, muss im Wege der Auslegung ermittelt werden, ob und welche subjektiven Rechts­ positionen die jeweilige Norm nach gesetzgeberischer Intention schützen will.161 Eine solche Auslegung erweist sich hierbei allerdings als nicht unproblematisch. Gegen die Annahme eines subjektiven Rechts kann zum einen der Wortlaut des Gesetzes ins Feld geführt werden. Denn während der Gesetzgeber mit § 71e VwVfG ausdrücklich einen subjektiven Anspruch auf elektronische Verfahrensabwicklung normierte162, fehlen in § 2 EGovG, der lediglich von Verpflichtungen der Behörde spricht, textuelle Hinweise auf die Gewährung auch subjektiver Rechtspositionen. Der Umkehrschluss legt daher nahe, dass der Gesetzgeber in § 2 EGovG gerade kein subjektives Recht schaffen woll-

157  Vgl. Siegel, VerwArch 105 (2014), 241 (252 f.) m. w. N.; vgl. zur ähnlich gelagerten Frage bei § 27a VwVfG oben unter § 2 A. IV. 158  Vgl. Maurer/Waldhoff, Allg. VerwR, § 8, Rn. 6; Siegel, VerwArch 105 (2014), 241 (253). 159  Vgl. Maurer/Waldhoff, Allg. VerwR, § 8, Rn. 2. 160  Maurer/Waldhoff, Allg. VerwR, § 8, Rn. 8. 161  Maurer/Waldhoff, Allg. VerwR, § 8, Rn. 8. 162  Wenn auch dies wohl überwiegend unter den „Zwängen“ des umzusetzenden Art. 8 Abs. 1 der Dienstleistungsrichtlinie (DL-RL) geschah. Vgl. auch § 2 A. III. sowie Wysk, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 71a, Rn. 9 f., § 71e, Rn. 3.

60 § 2 Leitlinien gesetzlicher Entwicklungen der Verwaltungsmodernisierung

te.163 Darüber hinaus deutet auch der überwiegend an der Binnenorganisation der Verwaltung ausgerichtete Regelungscharakter des EGovG164 nicht unbedingt auf die Anerkennung subjektiver Verfahrensrechte hin. In eine andere Richtung zeigen indes die zugrundeliegenden Gesetzgebungsmaterialien: Mit § 2 Abs. 1 EGovG zielte das EGovG i. w. S. ausweislich auf die Umsetzung des Ziels A.1 der vom IT-Planungsrat formulierten Nationalen E-Government Strategie (kurz NEGS) ab165, das die Notwendigkeit eines möglichst ausnahmslosen elektronischen Zugangs zur Verwaltung weniger als umzusetzende Zielvorgabe für die Behördenorganisation versteht, sondern vielmehr von einer Ermöglichung des Zugangs für alle potenziellen Nutzer ausgeht und dieses Erfordernis damit von einem subjektiveren und bürgerzentrierten Standpunkt her begreift166. Ausgehend von der artikulierten Zielsetzung und der aus subjektivierter Perspektive gedachten elektronischen Zugangsmöglichkeiten nach der NEGS, um deren Umsetzung es letztlich im EGovG ging, drängt sich die Annahme auf, dass sich die dazugehörige Umsetzungsnorm des § 2 Abs. 1 EGovG nicht lediglich in einer objektiven Verpflichtung der Verwaltung erschöpft, sondern gerade auch den potenziellen Nutzern eine subjektive Rechtsposition einräumen will, deren Partizipation und Akzeptanz für den tatsächlichen Erfolg von E-Government Angeboten jedweder Art von entscheidender Bedeutung sind167. 163  Vgl.

Siegel, VerwArch 105 (2014), 241 (253). Ramsauer/Frische, NVwZ 2013, 1506; Siegel, VerwArch 105 (2014), 241 (252) und bereits weiter oben unter § 2 A. V. 2. Die Begründung des Regierungsentwurfs spricht durchgehend davon, „Bund, Ländern und Kommunen [zu] ermöglichen, einfachere, nutzerfreundlichere und effizientere elektronische Verwaltungsdienste anzubieten“ oder den Weg für „[m]edienbruchfreie Prozesse vom Antrag bis zur Archivierung“ zu ebnen, BT-Drs. 17/11473, S. 2, nicht jedoch von einer prozessual durchsetzbaren Rechtsposition des Bürgers. Insofern sollen bloß „Anreize geschaffen werden, […] nutzerfreundliche, ebenenübergreifende Verwaltungsdienstleistungen ‚aus einer Hand‘ anzubieten“, BT-Drs. 17/11473, S. 21. Auch ein Blick auf die Regelungsmaterien wie etwa elektronische Aktenführung und Überführung, elektronische Nachweise und Bezahlmöglichkeiten etc. verrät einiges über die Normintention des EGovG, die auf den ersten Blick ausschließlich auf verwaltungsinterne Abläufe ausgerichtet zu sein scheint. 165  BT-Drs. 17/11473, S. 33. 166  Vgl. Nationale E-Government-Strategie, Zielbereich A, Ziel 1, S. 9, abrufbar unter https://www.it-planungsrat.de/SharedDocs/Downloads/DE/NEGS/NEGS_Fort schreibung.pdf;jsessionid=6B8416772448F0BC2AD5E54B12F68F9D.2_cid322?__ blob=publicationFile&v=4 (letzter Aufruf am 15.6.2021). 167  Auch die NEGS bemisst die Qualität von E-Government Angeboten insbesondere am Nutzen für Bürger, Unternehmen und auch die Verwaltung, vgl. Nationale E-Government-Strategie, S. 9 und Zielbereich A, Ziel 3 auf S. 10, abrufbar unter ­https://www.it-planungsrat.de/SharedDocs/Downloads/DE/NEGS/NEGS_Fortschrei bung.pdf;jsessionid=6B8416772448F0BC2AD5E54B12F68F9D.2_cid322?__blob= publicationFile&v=4 (letzter Aufruf am 15.6.2021). 164  Vgl.



A. Entwicklung des allgemeinen Verwaltungsverfahrensrechts61

Doch auch unmittelbar in der Begründung des Regierungsentwurfs lassen sich Hinweise auf eine vom Gesetzgeber vorgestellte subjektive Komponente der Zugangseröffnungspflicht finden. So spricht die Gesetzesbegründung im Kontext von § 2 Abs. 1 EGovG nicht nur von der Ermöglichung neuartiger Prozesse bzw. dahingehenden Pflichten auf Seiten der Verwaltung (also nicht nur von einem ausschließlich die Binnenorganisation der Verwaltung betreffenden Standpunkt), sondern auch von der Möglichkeit des Bürgers, mit den Behörden elektronisch in Kontakt treten zu können.168 Zusammen mit dem formulierten Anspruch, dass diese Option zur elektronischen Kommunikation seitens des Bürgers „umfassend“, „mit jeder Behörde“ und „grundsätzlich in jeder Angelegenheit“ eröffnet werden soll169, spricht dies dafür, dass der Gesetzgeber mit dem EGovG gerade auch den subjektiven Interessen der Bürger (als potenzielle Nutzer) Rechnung tragen wollte und sich für die tatsächliche Umsetzung dieses ambitionierten und von ihm selbst als zentral angesehenen Aspekts nicht nur auf die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung verlassen, sondern zu Gunsten der größtmöglichen Effektivität des EGovG als allgemeiner rechtlicher Rahmen für die elektronische Verwaltung170 auch ein einklagbares Recht gewährleisten wollte. Im Ergebnis erscheint es daher richtig, in der objektiven Zugangseröffnungspflicht des § 2 Abs. 1 EGovG auch ein subjektives Zugangseröffnungsrecht zu erblicken171, auch weil § 2 Abs. 1 EGovG – im Gegensatz etwa zu § 27a VwVfG, der eher den Charakter einer bloß flankierenden Ordnungsvorschrift erweckt172 – den Anspruch einer umfassenderen verfahrensrecht­ lichen Grundentscheidung erhebt, die die Rechtsfolgen der elektronischen Kommunikationsgeneralklausel des § 3a VwVfG in grundsätzlicher Weise erweitert. Ein Recht auf Eröffnung eines bestimmten elektronischen Zugangs

168  BT-Drs.

17/11473, S. 33. 17/11473, S. 33. 170  Ramsauer/Frische, NVwZ 2013, 1506; Heckmann/Albrecht, ZRP 2013, 42 f. 171  Ein subjektives Recht ebenfalls bejahend Roßnagel, NJW 2013, 2710 (2712); Ramsauer/Frische, NVwZ 2013, 1506. Auch das bayerische Landesrecht geht im Rahmen seiner Umsetzungsnorm des Art. 3 Abs. 1 BayEGovG von einem subjektiven Recht des Bürgers auf elektronische Zugangseröffnung aus, vgl. LT-Drs. 17/7537, S. 18; Bähr/Denkhaus, BayVBl. 2016, 1 (3). Vgl. zu den E-Government-Gesetzen der Länder § 2 D. I. 172  Dabei handelt es sich um eine bloße „soll“-Vorschrift, die nur „zusätzlich“ eine Bekanntmachung im Internet vorsieht und zwar grundsätzlich für die objektive Rechtmäßigkeit des bekanntzumachenden Hoheitsaktes von Bedeutung sein kann (regelmäßig aber gem. § 46 VwVfG unbeachtlich sein wird), jedoch im Übrigen die Wirksamkeit einer ordnungsgemäßen anderweitigen Bekanntmachung unberührt lässt; vgl. Siegel, VerwArch 105 (2014), 241 (247 f.) und bereits oben unter § 2 A. IV. 169  BT-Drs.

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kann hiermit indes nicht verbunden sein, zumal sich auch schon die kehrseitliche Verpflichtung nicht auf bestimmte Technologien bezieht173. c) Sonstige Regelungen des EGovG Neben seiner allgemeinen Zugangseröffnungspflicht enthielt das EGovG noch weitere für die Elektronisierung des Verwaltungsverfahrens bedeutsame Vorschriften, die es kurz und überblicksartig darzustellen gilt. Ebenfalls von großer Relevanz für eine medienbruchfreie elektronische Kommunikation und auch behördeninterne Bearbeitung ist eine vollumfänglich angelegte und die gesamte Binnenarbeitsweise der Verwaltung betreffende elektronische Aktenführung174, welche nunmehr gem. § 6 EGovG auf lange Frist175 zumindest für Behörden des Bundes realisiert werden soll. In engem Zusammenhang mit der elektronischen Aktenführung steht dabei § 7 EGovG, der Regelungen zur Übertragung körperlicher in elektronische Dokumente und Vernichtung des Papieroriginals bereithält. Beiden Normen wohnt allerdings eine gewisse Zurückhaltung bei der flächendeckenden und vorbehaltlosen Verwirklichung der vollelektronischen Verwaltung inne: Durch beiderseitige Ausgestaltung als „soll“-Vorschrift sowie die Ausnahmeklauseln in § 6 S. 2 EGovG und § 7 Abs. 1 S. 3 EGovG wurde insbesondere notwendigen Übergangszeiten und den Bedürfnissen kleinerer und Kleinstbehörden mit geringen Aktenbeständen Rechnung getragen176. Ebenfalls in Zusammenhang mit der elektronischen Aktenführung zu erwähnen sind die elektronischen Akteneinsichtsmöglichkeiten gem. § 8 EGovG, dessen Regelungsgehalte allerdings bereits bei entsprechender Auslegung der herkömmlichen Norm zur Gewährung von Akteneinsicht des § 29 VwVfG erreicht werden konnten.177 Ferner sind die §§ 3 und 5 EGovG zu nennen, die einerseits die Einreichung und (mit Einwilligung des Verfahrensbeteiligten) Einholung von erforderlichen elektronischen Nachweisen bei deutschen öffentlichen Stellen ermöglichen178, wenn das Verwaltungsverfahren elektronisch durchgeführt wird, und andererseits allgemeine Informationspflichten zur Behörde sowie eine Bereitstellungspflicht erforderlicher Formulare bereithalten.

173  Vgl.

BT-Drs. 17/11473, S. 34. Roßnagel, NJW 2013, 2710 (2713). 175  Gem. Art. 31 Abs. 5 EGovG i. w. S. trat § 6 EGovG erst ab 1.1.2020 in Kraft. 176  BT-Drs. 17/11473, S. 38; Ramsauer/Frische, NVwZ 2013, 1513. 177  Vgl. Ramsauer/Frische, NVwZ 2013, 1512. 178  Insbesondere die elektronische Einholung erforderlicher Nachweise von einer deutschen öffentlichen Stelle gem. § 5 Abs. 2 f. EGovG erscheint für vollautomatische Verwaltungsverfahren interessant, da diese unter anderem auf den Abruf von Informationen aus bestehenden Datenbanken angewiesen sind. 174  Vgl.



A. Entwicklung des allgemeinen Verwaltungsverfahrensrechts63

3. Zusammenfassung zum EGovG i. w. S. Mit dem Gesetz zur Förderung der elektronischen Verwaltung sowie zur Änderung weiterer Vorschriften (EGovG i. w. S.) wurde ein nächster wichtiger Schritt hin zu einer modernen elektronischen Verwaltung getan.179 Bezogen auf die Elektronisierung des Verfahrens kann das Gesetz zu Recht als zumindest vorläufiger Höhepunkt der Entwicklungen bezeichnet werden.180 Im Hinblick auf die Modifizierungen des allgemeinen Verwaltungsverfahrensrechts selbst durch Art. 3 des Gesetzes wurde in quantitativer Hinsicht zwar eine nur überschaubare Anzahl an Änderungen vorgenommen, die im Einzelnen aber vor allem mit der Erweiterung der Schriftformäquivalente (trotzdem) einen bedeutsamen Beitrag für das Fortschreiten der Elektronisierung des Verwaltungsverfahrens leisteten. Geäußerte Kritikpunkte hinsichtlich einzelner Aspekte der Anpassungen blieben aufs Ganze gesehen singulär und vermochten daher im Ergebnis nicht die angestoßenen positiven Impulse für das Verwaltungsverfahrensrecht zu trüben. Eine andere Bewertung ist beim Stammgesetz des EGovG (i. e. S.) selbst geboten, wo bei genauerer Betrachtung ein etwas ernüchternderes Bild festzustellen war. Mit der Fixierung eines einheitlichen rechtlichen Rahmens für die elektronische Verwaltung verschrieb sich das Gesetz zwar einem respektablen Etappenziel. Seine tatsächliche Zugkraft wurde jedoch durch diverse Eigenheiten des Gesetzes relativiert. So gehört zwar die öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit der Landesverwaltungen bei der Ausführung von Bundesrecht grundsätzlich zum Anwendungsbereich des Gesetzes nach § 1 Abs. 2 EGovG. Faktisch findet jedoch durch die zurückhaltenden „Basisnormen“ des EGovG in Verbindung mit der Beschränkung der weitergehenden „Angebotsnormen“ auf Bundesbehörden eine nur partielle Erfassung der Landesverwaltungen statt, indem der Anwendungsbereich der meisten Normen für den wohl wichtigsten Bereich der deutschen Verwaltung gar nicht erst eröffnet ist181 und der Bundesgesetzgeber insofern – eine zurückhaltende Kompetenzausübung in allen Ehren – auf eine Vorbildfunktion des Gesetzes oder politischen bzw. öffentlichen Druck im Hinblick auf eine erforderliche Konvergenzgesetzgebung angewiesen blieb.182 Andererseits führt die Formulierung diverser „soll“-Vorschriften und (Rück-)Ausnahmeklauseln von statuierten Verpflichtungen zu weiteren Abschwächungen der gesetzlichen Wirk179  Vgl. Müller-Terpitz/Rauchhaus, MMR 2013, 10; Hebammer/Denkhaus, MMR 2013, 358 (359). 180  So Siegel, VerwArch 105 (2014), 241 (254 f.). 181  Ramsauer/Frische, NVwZ 2013, 1506. 182  Vgl. Heckmann/Albrecht, ZRP 2013, 43; skeptisch auch Ramsauer/Frische, NVwZ 2013, 1514, die dem Gesetz vor allem eine Signalwirkung zusprechen.

64 § 2 Leitlinien gesetzlicher Entwicklungen der Verwaltungsmodernisierung

kraft. Das Gleiche gilt für Regelungen, die (zudem) erst – auf den Zeitpunkt der Gesetzesentstehung bezogen – in der ferneren Zukunft in Kraft treten sollten, wie etwa die für das elektronische Verwaltungsverfahren enorm bedeutsame elektronische Aktenführung gem. § 6 EGovG.183 Manche Regelungsinhalte waren dagegen bereits vor Erlass des Gesetzes überwiegend verwirklicht oder schon vorher realisierbar, wie etwa die Zugangseröffnung bei Behörden bei „einfacher“ elektronischer Kommunikation gem. § 3a Abs. 1 VwVfG oder die elektronische Akteneinsicht. Hier kann allenfalls ein Zugewinn an Rechtsklarheit durch ausdrückliche Normierung attestiert werden. Ein vorbehaltloser Zugewinn in rechtlicher Hinsicht kann allerdings in der qualifizierten Zugangseröffnungspflicht nach § 2 Abs. 1 EGovG gesehen werden, die uneingeschränkt auch für die Landesbehörden gilt, auch wenn die allermeisten Behörden seit Einfügung des § 3a VwVfG einen zumindest einfachen elektronischen Zugang eröffnet hatten.184 Das Plus liegt insofern einerseits bei der „Qualifizierung“ der Eröffnung, die der Behörde die Handhabung auch qualifiziert signierter Dokumente aufgab, was regelmäßig über die vormals freiwillige Zugangseröffnung nach § 3a VwVfG hinausging.185 Auf der anderen Seite kann der Zugangseröffnungspflicht des § 2 Abs. 1 EGovG nach hier vertretener Auffassung auch eine subjektive Ausrichtung bescheinigt und daraus ein subjektives Zugangseröffnungsrecht des (insoweit ausreichend individualisierbaren) potentiellen Nutzers abgeleitet werden, der in der Folge einen elektronischen Zugang zu den Behörden notfalls auch klageweise erzwingen kann, sofern die einfache oder qualifizierte elektronische Kommunikation nicht ausnahmsweise gerechtfertigt gesetzlich ausgeschlossen ist. Die Beschränkung der erweiterten Eröffnungspflicht insbesondere nach § 2 Abs. 2 EGovG auf Bundesbehörden wiegt dagegen weniger schwer, zumal sich die Technologie der De-Mail verwaltungspraktisch ohnehin erst noch bewähren musste (und muss). Zumindest hinsichtlich der elektronischen Zugangseröffnungspflicht leistete das EGovG damit einen grundlegenden Beitrag zum Gelingen der elek­ tronischen Verwaltung, nicht zuletzt durch die erstmalige Gewährung eines umfassenden subjektiven Rechts auf elektronischen Zugang. Auch die genannten Relativierungen der Wirkkraft des Gesetzes in Form der schonenden 183  Diese soll gem. Art. 31 des EGovG i. w. S. erst ab 2020 in Kraft treten – seit Erlass des Gesetzes ein Zeitraum von immerhin fast sieben Jahren. 184  An eine solche „einfache“ Zugangseröffnung wurden indes nur geringe Anforderungen gestellt. So genügte bereits eine konkludente Eröffnung eines elektronischen Zugangs, etwa durch die Angabe einer E-Mail-Adresse im Briefkopf oder auf der Homepage der Behörde, vgl. BT-Drs. 14/9000, S. 31; Ramsauer/Frische, NVwZ 2013, 1507; vgl. ferner Laubinger, in: FS König, 517 (521) m. w. N. 185  Vgl. auch Ramsauer/Frische, NVwZ 2013, 1514.



A. Entwicklung des allgemeinen Verwaltungsverfahrensrechts65

Kompetenzausübung des Bundes und der mancherorts „weichen“ Normierung des Pflichten- und Regelprogramms können nicht unbedingt mit unerwünschten Nebeneffekten gleichgesetzt werden. So lässt eine integrative und kooperative Verwirklichung eines einheitlichen Rahmensystems möglicherweise eine höhere Akzeptanz der letztlich mit der tatsächlichen Umsetzung der Regelungen betrauten Landesverwaltungen erwarten. Zudem müssen abweichungsoffene Normierungen zumindest für eine gewisse Übergangsphase als zwingend erforderlich angesehen werden, vor allem wenn es sich um einen für die Binnenarbeitsweise so grundlegenden Schritt wie etwa die Umstellung auf eine (ausschließlich) elektronische Aktenführung handelt. Auch wenn die Relativierungen der Wirkkraft damit nicht per se unerwünschte Effekte darstellen, so mindern sie allerdings doch die Redlichkeit und den Anspruch des EGovG eines einheitlichen Rechtsrahmens für die elektronische Verwaltung, so dass insgesamt auch die Namensgebung als E-Government Gesetz (i. e. S.), die den Eindruck einer vollsystematischen Einhegung vermittelt, nicht uneingeschränkt stimmig erscheint.186 Insgesamt kann im Gesetz zur Förderung der elektronischen Verwaltung sowie zur Änderung weiterer Vorschriften (also dem EGovG i. w. S.) eine gesetzgeberische Etappe erblickt werden, die im Vergleich zu den bisherigen Entwicklungen zumindest auf den ersten Blick einen erhöhten Anspruch auf systemische Fortentwicklung der Elektronisierung der Verwaltung verfolgte und um die Setzung einheitlicher Rahmenbedingungen für eine (voll-)elektronische Verwaltung bemüht war, in seiner tatsächlichen Wirkkraft allerdings hinter diesem Anspruch zurückblieb. Trotz der Relativierungen seines normativen Anspruchs bildete das Gesetz jedoch den vorläufigen Höhepunkt der Entwicklungen auf dem Gebiet der Elektronisierung des Verfahrens187 und leistete insbesondere mit der Erweiterung der Schriftformäquivalente sowie dem subjektiven Recht auf (qualifizierte) Zugangseröffnung einen respektablen Beitrag zur weiteren Entwicklung der Materie. VI. Das Besteuerungsverfahrensmodernisierungsgesetz Den gesetzgeberischen Zenit der andauernden Modernisierungsbestrebungen des Verwaltungsverfahrensrechts und gleichzeitig auch den Zündfunken für die vorliegende Untersuchung bildete sodann das Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens vom 18. Juli 2016188 (nachfolgend Best186  Ähnliche Kritik bei Ramsauer/Frische, NVwZ 2013, 1505 sowie am Rande Heckmann/Albrecht, ZRP 2013, 42. 187  Siegel, VerwArch 105 (2014), 241 (254 f.). 188  BGBl. I, S. 1679. Das Gesetz wurde am 12.5.2016 vom Bundestag beschlossen und trat gem. Art. 23 Abs. 1 S. 1 des Gesetzes in seinen wesentlichen Teilen am 1.1.2017 in Kraft.

66 § 2 Leitlinien gesetzlicher Entwicklungen der Verwaltungsmodernisierung

VerfModG), das die Digitalisierung der Verwaltung um eine neue Dimension anreicherte, die in der bisherigen gesetzlichen Entwicklung kaum eine Rolle spielte. Als umfassendes Artikelgesetz zog es – entgegen seiner insoweit irreführenden Namensgebung – zahlreiche Änderungen nicht nur des Steuerverwaltungsverfahrens, sondern auch der anderen Verfahrensordnungen sowie einer Vielzahl weiterer Gesetze nach sich. 1. Das Gesetzgebungsverfahren Der ursprüngliche Impuls des Gesetzesvorhabens ging zunächst vom Steuerverfahrensrecht aus189, das sich mit seinen überwiegend gleichförmigen Massenverfahren frühzeitig als geeignetste Anwendungsmaterie neuartiger Einsatzformen der Informations- und Kommunikationstechnologie herauskristallisierte und angesichts stetig steigender Steuerveranlagungszahlen190 auch den dringendsten Bedarf an Effizienzsteigerungen durch einen intelligenten Technologieeinsatz in Aussicht stellte.191 Dementsprechend waren in dem Anfang 2016 in den Bundestag eingebrachten und unter Federführung des Bundesministeriums der Finanzen (nachfolgend BMF) entstandenen Regierungsentwurf als ausgewiesenes Ziel auch lediglich die Steigerung der Wirtschaftlichkeit und Effizienz im Abgabenverfahren formuliert sowie – aufgrund der Eilbedürftigkeit des Vorhabens – lediglich Änderungen der AO (und weiterer finanzrechtlicher Vorschriften) vorgesehen.192 Nichtsdestotrotz wurde die Notwendigkeit möglichst einheitlicher Regelungen in Bezug auf die geplanten Rechtsinstitute von Anfang an gesehen und deren 189  Das Vorhaben entwickelte sich aus dem gemeinsamen Konzept von Bund und Ländern zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens vom November 2014, abrufbar unter https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Monatsberichte/ 2014/12/Inhalte/Kapitel-3-Analysen/3-2-modernisierung-des-besteuerungsverfahrens. html (letzter Aufruf am 29.6.2018); vgl. zu dem gemeinsamen Konzept Heintzen, DÖV 2015, 780 ff. 190  Im Jahr 2009 waren über 38 Mio. Steuererklärungen zu bearbeiten, vgl. BRH, Bericht über den Vollzug der Steuergesetze v. 17. Jan. 2012, S. 11 sowie Baldauf, DStR 2016, 833 (834). Im Jahre 2021 wurden alleine 31,6 Mio. Einkommensteuererklärungen elektronisch übermittelt, vgl. Statista, Anzahl elektronisch übermittelter Einkommensteuererklärungen in Deutschland, abrufbar unter https://de.statista.com/ statistik/daten/studie/153615/umfrage/elektronische-steuererklaerung/ (letzter Aufruf am 7.2.2022). 191  Vgl. Gemeinsames Konzept von Bund und Ländern zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens, Punkt 1 (Ausgangslage), abrufbar unter https://www.bundes finanzministerium.de/Content/DE/Monatsberichte/2014/12/Inhalte/Kapitel-3-Ana lysen/3-2-modernisierung-des-besteuerungsverfahrens.html (letzter Aufruf am 29.6. 2018). 192  BT-Drs. 18/7457, S. 1 ff., 5; Schmitz/Prell, NVwZ 2016, 1273 (1274); Prell, in: BeckOK VwVfG, § 35a, Rn. 4; Bull, DVBl. 2017, 409; Siegel, DVBl. 2017, 24 (25).



A. Entwicklung des allgemeinen Verwaltungsverfahrensrechts67

Umsetzung in den anderen Verfahrensordnungen bereits in der Kabinettsvorlage auf den Lauf des weiteren Gesetzgebungsverfahrens verwiesen.193 Nach verschiedenen Diskussionen und Anregungen wurden zwischen dem Bundesministerium des Innern, dem BMF, dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales und unter Beteiligung des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz Anfang 2016 Vorschläge erarbeitet, die dann Mitte 2016 vom BMF als Formulierungsvorschläge über den federführenden Finanzausschuss und mitberatenden Innenausschuss per entsprechender Beschlussempfehlung194 in das Gesetzgebungsverfahren eingebracht wurden.195 In Form von Art. 19 und 20 des Gesetzes wurden sodann die Anpassungen auf das VwVfG und das SGB X im finalen Artikelgesetz erstreckt und die gesetzgeberisch angestrebte Parallelität der Verfahrenssäulen in diesem Bereich hergestellt. 2. Die Inhalte des Gesetzes: Vollautomatische Verwaltungsakte und Bekanntgabe durch Abruf im Internet In der Sache waren für den Bereich des VwVfG, der im Vergleich zu den Änderungen der AO196 umfangsmäßig deutlich kürzer ausfiel, insgesamt nur drei, dafür aber umso bedeutsamere Änderungsvorschriften auszumachen. Zum einen wurde das VwVfG um die neue Vorschrift des § 35a VwVfG ergänzt, die gleichzeitig einen der zentralen Ankerpunkte der vorliegenden Arbeit bildet. Mit ihr wurde erstmals ein vollständig automatisiert erlassener Verwaltungsakt als eigenständige Handlungsform gesetzlich anerkannt und unter bestimmten Voraussetzungen zugelassen.197 Da eine genaue Charakte193  Schmitz/Prell, NVwZ 2016, 1273 (1274); Braun Binder, DÖV 2016, 891 f.; Prell, apf 2017, 237 (238). 194  BT-Drs. 18/8434, S. 93 f. (Text), 122 f. (Begründung). 195  Schmitz/Prell, NVwZ 2016, 1273 (1274); Prell, apf 2017, 237 (238). 196  Die Einflüsse des BestVerfModG auf die AO und das Sozialverwaltungsverfahrensrecht werden weiter unten gesondert behandelt, siehe § 2 B. VI. und C. 197  Parallelregelungen zu § 35a VwVfG (wie auch §§ 24 Abs. 1 S. 3 und 41 Abs. 2a VwVfG) finden sich auf landesrechtlicher Ebene bisher lediglich in den Verfahrensgesetzen der Länder Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen; in den dynamischen verweisenden Landesverfahrensordnungen (so für Berlin, Brandenburg, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Sachsen und Sachsen-Anhalt) gelten die bundesrechtlichen Vorschriften dagegen unmittelbar, vgl. hierzu zuletzt VG Frankfurt (Oder), Urt. v. 9.9.2020 – 3 K 616/17, juris (Rn. 26 ff.) sowie zum Ganzen Hornung, in: Schoch/Schneider, VwVfG, § 35a, Rn. 11 (nur zu § 35a VwVfG). Vgl. zur Zulässigkeit vollautomatisierter Verwaltungsakte ohne entsprechende (landes)verfahrensrechtliche Kodifikation näher § 4 A. II. 3. und 4., § 5 A. I. 2. sowie zuletzt (jeweils bejahend) VGH München, Beschl. v. 26.01.2021 – 7 ZB 20.2029, juris (Rn. 6 ff.); OVG Münster, Beschl. v. 10.12.2021 – 2 A 51/21, juris (Rn. 11 f.); VGH Mannheim, Beschl. v. 13.11.2020 – 2 S 2134/20, juris (Rn. 10 ff.).

68 § 2 Leitlinien gesetzlicher Entwicklungen der Verwaltungsmodernisierung

risierung und Abgrenzung des vollständig erlassenen Verwaltungsakts sowie die Voraussetzungen seines Erlasses nach der Gesetzeslage ausführlich in einem späteren Kapitel untersucht werden sollen, unterbleiben an dieser Stelle noch nähere Ausführungen zur Thematik.198 Die zweite, ebenfalls systemisch wirkende Anpassung des VwVfG lag indes in der Normierung einer – neben die bisher vorgesehenen Methoden tretenden – weiteren Möglichkeit der Bekanntgabe eines Verwaltungsaktes. Mit Anfügung eines entsprechenden Abs. 2a an die allgemeine Bekanntgabevorschrift des § 41 VwVfG kann ein elektronischer Verwaltungsakt nunmehr auch dadurch bekanntgegeben werden, dass der Beteiligte oder sein Bevollmächtigter den (zuvor durch die Behörde entsprechend bereitgestellten) Verwaltungsakt über öffentlich zugängliche Netze abruft, wobei die neue Bekanntgabeform einerseits von einer entsprechenden Einwilligung des Beteiligten und andererseits von einer sichergestellten Authentifizierung des Beteiligten und dessen Speicherungsmöglichkeit abhängt (§ 41 Abs. 2a S. 2 VwVfG). Zudem steht für den Abruf nur ein zeitlich begrenztes Fenster von zehn Tagen offen, ehe die Bereitstellung beendet wird und die Bekanntgabe auf anderer Weise oder durch wiederholte Bereitstellung zum Abruf bewirkt werden muss (§ 41 Abs. 2a S. 4 und 5 VwVfG). Schließlich erfolgte mit Anfügung eines Satzes 3 an § 24 Abs. 1 VwVfG noch eine weitestgehend klarstellende199 Ergänzung des Untersuchungsgrundsatzes um eine notwendige Berücksichtigung von im Einzelfall bedeutsamen tatsächlichen Angaben des Beteiligten beim Einsatz automatischer Einrichtungen zum Verwaltungsakterlass, auf die im Verlauf der Untersuchung, insbesondere im Rahmen der Amtsermittlung in vollautomatischen Verfahren noch näher einzugehen sein wird.200 3. Das BestVerfModG als Wendepunkt der Entwicklung a) Elektronisierung des Verfahrens als Ausgangspunkt Die eingangs angeklungene Progressivität des BestVerfModG kristallisiert sich vor allem in Zusammenschau mit den bisherigen Etappen der gesetzlich angestoßenen Verwaltungsmodernisierung heraus. Wie oben bereits gezeigt wurde, konnten insbesondere das 3. VwVfÄndG sowie das EGovG i. w. S., bei großzügigerem Verständnis auch noch das 4. VwVfÄndG sowie das 198  Siehe

hierzu §§ 3, 4, 5 und 6. BT-Drs. 18/8434, S. 122; Schmitz/Prell, NVwZ 2016, 1273 (1277) sowie in kritischer Deutlichkeit Stegmüller, NVwZ 2018, 353 (357 f.), der diese Ergänzung daher i. E. für unnötig hält. 200  Siehe § 5 C. I. 199  Vgl.



A. Entwicklung des allgemeinen Verwaltungsverfahrensrechts69

PlanVereinhG als die zentralen legislativen Stufen der Verwaltungsmodernisierung im allgemeinen VwVfG herausgearbeitet werden.201 Schwenkt man den Blick sodann auf die für das jeweilige Vorhaben charakteristischen ­Regelungsmaterien, stellt sich unmittelbar die Erkenntnis ein, dass all diese zentralen Teilschritte des legislativen Entwicklungsprozesses ihre Entwicklungskraft nahezu ausschließlich auf die Verwirklichung oder Fortent­ wicklung einer elektronischen Verwaltung im weiteren Sinne forcierten: Geregelt wurde unter anderem die elektronische Kommunikation zwischen Bürger und Behörde inklusive der vormals freiwilligen, später aber verpflichtenden elektronischen Zugangseröffnung202, die Ersetzung einer angeordneten Schriftform durch eine elektronische Form203, die Ausweitung der ersetzungsfähigen Verfahren204, die öffentliche Bekanntmachung im Internet205, ein Recht auf elektronische Verfahrensabwicklung bei Verfahren über eine einheitliche Stelle206, die elektronische Aktenführung207 oder die Handlungsform des elektronischen Verwaltungsakts208. Der Prozess und gleichzeitig das Ziel der Modernisierung der Verwaltung wurden damit in den bisherigen legislativen Stufen nahezu ausschließlich über die (Verkörperungs-)Formen des Verfahrens bzw. seiner Bestandteile, Abschnitte, Produkte oder Teilakte definiert209, was in der Folge zu einem fortlaufenden Ausbau gerade dieser Aspekte führte. Vereinfacht gesprochen wurde also Modernisierung der Verwaltung überwiegend als „Elektronisierung“ der Verwaltung verstanden.210 Modifikationen der Abläufe und Methodik der Entscheidungsfindung an sich wurden indes nicht vorgenommen und traten allenfalls als mittelbare Folgen der modernisierten Formen der Verfahrenselemente ein. Gesetzliche Direkti201  Vgl.

oben § 2 A. II. bis V. Abs. 1 VwVfG i. V. m. § 2 Abs. 1 EGovG. Zu den Parallelregelungen in § 87a Abs. 1 AO und § 36a Abs. 1 SGB I siehe unten § 2 B. II. und V. und C. 203  § 3a Abs. 2 VwVfG. Zu den Parallelregelungen der §§ 87a Abs. 3 und 4 AO, 36a Abs. 2 SGB I siehe unten § 2 B. II. und V. sowie C. 204  § 3a Abs. 2 S. 4 VwVfG. Zu den Parallelregelungen in § 87a Abs. 3 S. 3 und Abs. 4 S. 3 AO und § 36a Abs. 2 S. 4 SGB I siehe unten § 2 B. V. 1 sowie C. 205  § 27a VwVfG. Dazu oben § 2 A. IV. 206  § 71e VwVfG. Dazu oben § 2 A. III. 207  § 8 EGovG. Dazu § 2 A. V. 2. c). 208  Beispielsweise in § 37 Abs. 2 S. 1 VwVfG. Zu den Parallelregelungen in § 119 Abs. 2 S. 1 AO und § 33 Abs. 2 S. 1 SGB X siehe unten § 2 B. II. und C. 209  Vgl. Siegel, VerwArch 105 (2014), 241 (243, 255); Laue, Vorgangsbearbeitungssysteme in der öffentlichen Verwaltung, S. 63; Maurer/Waldhoff, Allg. VerwR, § 18, Rn. 4. 210  Vgl. Siegel, VerwArch 105 (2014), 241 (245 ff.); Laue, Vorgangsbearbeitungssysteme in der öffentlichen Verwaltung, S. 63; Scheer/Kruppke/Heib, E-Government, S. 3; Maurer/Waldhoff, Allg. VerwR, § 18, Rn. 1 ff. differenzieren ähnlich zwischen „Elektronisierung“ und – seit dem BestVerfModG – einer „neuen Stufe der Digitalisierung“. 202  § 3a

70 § 2 Leitlinien gesetzlicher Entwicklungen der Verwaltungsmodernisierung

ven hinsichtlich des Einsatzes und der Ausgestaltung automatisierter Formen der Verfahrensabläufe bestanden folglich nicht.211 Auch die bisher in den Verfahrensordnungen vorzufindenden Ausnahmetatbestände im Kontext von „mit Hilfe automatischer Einrichtungen“ erlassenen Verwaltungsakten bei Anhörung, Begründung und der Form von Verwaltungsakten212 konnten das insofern auszumachende gesetzgeberische Defizit bei Einsatz und Ausgestaltung (voll-)automatischer Verwaltungsverfahren nicht beheben, das statt individueller Ausnahmetatbestände einer zentralen und generellen Weichen­ stellung bedurft hätte.213 Der Befund einer starken Konzentration auf die Verkörperungsformen einzelner Verfahrenselemente hängt dabei möglicherweise auch mit dem verbreiteten Verständnis des allgemeinen Konzepts des „­E-Government“ zusammen, das gemeinhin nach der sog. Speyerer Definition als „Abwicklung geschäftlicher Prozesse im Zusammenhang mit Regierung und Verwaltung (Government) mit Hilfe von Informations- und Kommunikationstechniken über elektronische Medien“ umschrieben214 und damit ebenfalls in die Nähe einer bloßen Formbestimmung der herkömmlichen Verwaltungsstrukturen gerückt wird215, ohne eine Neukonzeption der Entscheidungsstrukturen selbst in Betracht zu ziehen. Hinzu tritt noch der Umstand, dass selbst in dem als vorherrschend identifizierten Bestreben um Elektronisierung des Verfahrens nicht immer ein systemisch umfassender Regelungskomplex erarbeitet wurde, sich die Anpassungen vielmehr oftmals in partiellen (Insel-)Lösungen erschöpften.216 Im Ergebnis fasst Siegel treffend zusammen, dass es in der bisherigen gesetzlich induzierten Verwaltungsmodernisierung letztlich vordergründig stets „‚nur‘ um die Elektronisierung einzelner Verfahrenselemente“ ging.217

211  Vgl.

Eifert, E-Government, S. 126. VwVfG 1976 etwa bereits § 37 Abs. 4 VwVfG sowie in den neueren Fassungen die §§ 28 Abs. 2 Nr. 4, 37 Abs. 5 S. 2, 39 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG, 33 Abs. 4 S. 1, 35 Abs. 2 Nr. 3 SGB X, 121 Abs. 2 S. 3 AO. Aufzählung auch bei Eifert, E-Government, S. 123. 213  Vgl. Eifert, E-Government, S. 126. 214  von Lucke/Reinermann, Speyerer Definition von E-Government, S. 1 abrufbar unter http://www.joernvonlucke.de/ruvii/Sp-EGov.pdf (letzter Aufruf am 15.6.2021). 215  Siegel, VerwArch 105 (2014), 241 (243); Eifert, E-Government, S. 33 ff. 216  Vgl. beispielhaft die Änderungen des 3. VwVfÄndG oder des EGovG i. w. S., die überwiegend nur bestimmte Teilbereiche betrafen; hierzu § 2 A. II. und V. Zust. im Kontext des EGovG i. w. S. Hebammer/Denkhaus, MMR 2013, 358 (359); vgl. auch Scheer/Kruppke/Heib, E-Government, S. 3; Laue, Vorgangsbearbeitungssysteme in der öffentlichen Verwaltung, S. 63. 217  Siegel, VerwArch 105 (2014), 241 (255). 212  Im



A. Entwicklung des allgemeinen Verwaltungsverfahrensrechts71

b) Neuakzentuierung durch (Voll-)Automatisierung Die einseitige Konzentration der Verwaltungsmodernisierung auf die Elektronisierung steht hierbei klar im Widerspruch zu der bereits relativ früh und zu Recht erlangten Erkenntnis, dass die bloße elektronische Abbildung der papierbasierten Verwaltungsstrukturen für eine umfassende Modernisierung der Verwaltung nicht ausreicht, sondern der Technikeinsatz zudem auch eine Reform der Verwaltungsorganisation und ihrer Abläufe bedingen muss, um die Potenziale der Verwaltungsmodernisierung nicht bereits vor ihrer Entstehung zu nivellieren.218 Das revolutionierende Potenzial von E-Government liegt dabei gerade in der Nutzbarmachung der spezifischen Möglichkeiten der Digitalisierung in Form etwa sinnvoller digitaler Verfahrensabläufe, der Verknüpfung strukturierter Daten und deren automatisierter Verarbeitung, nicht aber in der bloßen Elektronisierung bestehender Verfahrensabläufe.219 Auch der Oberbegriff des „E-Government“ ist richtigerweise gerade nicht als trennscharfer definitorischer Begriff zu verstehen, der verschiedene Elemente voneinander ab- und nicht umfasste Aspekte ausgrenzt. Vielmehr verkörpert er eine übergeordnete Beschreibungsformel, die die Fülle der verschiedenen Anwendungsfelder zu benennen und bündeln sucht und damit letztlich ganz allgemein dem Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnik (ungeachtet seiner Art und Weise) zur Verwirklichung einer modernen Verwaltung verpflichtet ist.220 Notwendig für eine zeitgemäße Fortentwicklung der Verwaltungsmodernisierung wurde damit ein Umdenken innerhalb des andauernden Reformprozesses, weg von den Verkörperungsformen und hin zu einer Modifikation der konkreten Abläufe im Verwaltungsverfahren. Mit der ausdrücklichen Anerkennung eines vollständig durch automatische Einrichtungen erlassenen Verwaltungsakts schlägt das BestVerfModG nunmehr genau in die ausgemachte Bresche und löst sich von dem Gedanken einer weit überwiegend verkörperungsformakzessorischen Verwaltungsmodernisierung. Durch eine an den modernen technologischen Möglichkeiten ausgerichtete Weiterentwicklung der Entscheidungsfindung selbst nimmt der neueste Reformschritt dabei nicht nur einen Nebenaspekt des Verwaltungsverfahrens in den Blick. Vielmehr kann durchaus von der Revolutionierung eines Kernstücks außenwirksamer, öffentlicher Verwaltungstätigkeit gespro218  Laue, Vorgangsbearbeitungssysteme in der öffentlichen Verwaltung, S. 61 ff.; Schliesky, ZSE 2008, 304 (311 f.); Britz, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, § 26, Rn. 4 m. w. N.; Scheer/Kruppke/Heib, E-Government, S. 38. 219  Prell, NVwZ 2018, 1255 (1257); vgl. auch Guckelberger, VVDStRL 78 (2019), 235 (238 f.). 220  Eifert, E-Government, S. 21; Laue, Vorgangsbearbeitungssysteme in der öffentlichen Verwaltung, S. 61.

72 § 2 Leitlinien gesetzlicher Entwicklungen der Verwaltungsmodernisierung

chen werden, die sich in der weit überwiegenden Zahl der Fälle der allgemeinen Handlungsform des Verwaltungsaktes i. S. d. § 35 S. 1 VwVfG (und der Parallelkodifikationen) bedient. Die in neueren und auch älteren Betrachtungsweisen erkannten und über die bloße Elektronisierung der Verfahrens­ aspekte hinausgehenden Dimensionen der Verwaltungsmodernisierung221 werden damit erstmalig seit der Implementierung des „Computerverwaltungsakts“ in den Urfassungen der kodifizierten Verfahrensordnungen wieder in den gesetzlichen Regelungen rezipiert und fortentwickelt. Mit Fug und Recht kann daher das Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens als Wendepunkt in der gesetzlichen Entwicklung der Verwaltungsmodernisierung angesehen werden.

B. Entwicklung des Steuerverwaltungsverfahrensrechts I. Die Urfassung der AO von 1977 Auch dem Abgabenverfahrensrecht war ein zeitgemäßes und modernes Verwaltungsverfahren bereits seit längerer Zeit ein Anliegen, auch wenn damalige Kodifikationen freilich nicht in den Dimensionen heutiger Möglichkeiten der modernen Kommunikations- und Informationstechnologie agierten. Während sich die Reichsabgabenordnung von 1919 als erste maßgebliche bundeseinheitliche Kodifikation den Gegebenheiten der damaligen Zeit geschuldet noch kaum mit Verwaltungsmodernisierung oder dem Einsatz technischer Hilfsmittel im Verwaltungsverfahren im heutig diskutierten Sinne beschäftigen konnte222, wurde jedoch schon in der Begründung des Entwurfs einer AO 1974 aus dem Jahre 1971 die Notwendigkeit der Schaffung „ratio­ nellere[r] und automationsgerechte[r] Verfahrensabläufe“ erkannt und die Ermöglichung einer zügigen Durchführung der Steuerveranlagung „mit Datenverarbeitungsanlagen“ thematisiert, an die sich ggfls. Prüfungen vom Schreibtisch oder im Wege der Außenprüfung anschließen könnten.223 In der für die heutige Zeit maßgeblichen Urfassung der AO vom 16. März 1976224 (im Folgenden AO 1977) war sodann – über Normierungen des „Computerverwaltungsakts“ etwa gem. § 119 Abs. 4 AO 1977 hinaus – in § 150 Abs. 6 221  Vgl. grundlegend Eifert, E-Government, S. 33 ff., 127 ff.; vgl. auch Tendenzen früherer Untersuchungen, etwa Polomski, Der automatisierte Verwaltungsakt, 1 ff.; Lazarotos, Rechtliche Auswirkungen der Verwaltungsautomation auf das Verwaltungsverfahren, 1 ff.; Tönsmeyer-Uzner, Expertensysteme in der öffentlichen Verwaltung, 1 ff. 222  Vgl. Lewandowski/Ackermann, DStR 2014, 1646. 223  BT-Drs. VI/1982, S. 1; Heintzen, DÖV 2015, 780 (782). 224  BGBl. I, S. 613, in Kraft getreten am 1.1.1977; vgl. Seer, in: Tipke/Lang, ­SteuerR, § 1, Rz. 53.



B. Entwicklung des Steuerverwaltungsverfahrensrechts73

eine Bestimmung enthalten, die es per zu erlassender Rechtsverordnung durch den Bundesfinanzminister mit Zustimmung des Bundesrates ermöglichte, Steueranmeldungen oder sonstige für das Besteuerungsverfahren erforderliche Daten ganz oder teilweise auf maschinell lesbaren Datenträgern oder durch elektronische Datenübertragung zu übermitteln.225 Noch bemerkenswerter ist jedoch, dass § 150 Abs. 6 AO 1977 bereits wie selbstverständlich von der „Erleichterung und Vereinfachung des automatisierten Besteuerungsverfahrens“ sprach226 und insofern die Verwaltungsmodernisierung bereits aus einem über die bloßen Formen der Verfahrensbeiträge hinausgehenden Blickwinkel betrachtete – eine für die Verhältnisse von 1977 progressive und zukunftsgewandte Sichtweise der Dinge. Insgesamt lässt sich somit feststellen, dass die Unterstützung der Finanzverwaltung durch technische Hilfsmittel insbesondere in Form von Datenverarbeitungsanlagen auch schon in der AO 1977 und davor angelegt war und die hierdurch in Aussicht stehenden Potenziale zur Effizienzsteigerung vor dem Hintergrund einer stetig steigenden Anzahl an Steuerfestsetzungen erkannt wurden. II. 2. und 3. VwVfÄndG Die Anpassungen des 2. und 3. VwVfÄndG stellten sich im Kontext des Steuerverwaltungsverfahrens verschiedentlich dar. Während sich die Änderungen des 2. VwVfÄndG gar nicht auf die AO erstreckten227, erfolgte gem. Art. 4 des 3. VwVfÄndG im Gleichlauf mit den anderen Verfahrensordnungen eine umfassendere Anpassung der Abgabenordnung im Hinblick auf die modernen Anforderungen für ein elektronisches Verwaltungsverfahren.228 Auch wenn dabei in Bezug auf die AO aufgrund der Besonderheiten des Abgabenrechts eine erhöhte Anzahl von Abweichungen im Wortlaut der Normen im Vergleich zu den entsprechenden Pendants des VwVfG und auch generell ein gesteigerter Detailgrad der Regelungen zu verzeichnen waren229, 225  BGBl. 1976 I, S. 649; vgl. auch Richter/Welling, FR 2013, 406 (407). Ausgefüllt wurde dieser Verordnungsermächtigung erst im Jahre 2003 durch die Steuerdatenübermittlungsverordnung (StDÜV) vom 28. Januar 2003 (BGBl. I, S. 139), die die elektronische Übermittlung von für das Besteuerungsverfahren erforderlichen Daten an die Finanzverwaltung inklusive tauglicher Übermittlungsverfahren sowie die Anforderungen an die für die Verarbeitung der erforderlichen Daten bestimmten Programme regelte. 226  BGBl. 1976 I, S. 649. 227  Und die Änderungen des 2. VwVfÄndG im Übrigen für die Verwaltungsmodernisierung keine Bedeutung zeitigte, vgl. oben Fn. 56. 228  BGBl. 2002 I, S. 3327; vgl. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, Einleitung, Rn. 57. 229  Zu nennen wären hier etwa die an § 130a Abs. 3 ZPO angelehnte Zugangsregelung in § 87a Abs. 1 S. 2 AO, die Zusätze hinsichtlich einer notwendigen Ver-

74 § 2 Leitlinien gesetzlicher Entwicklungen der Verwaltungsmodernisierung

entsprachen ihre zentralen Änderungen (bis auf wenige Details) im Wesentlichen denjenigen des allgemeinen Verwaltungsverfahrensrechts.230 Allen voran erhielt mit § 87a AO – parallel zu § 3a VwVfG – ebenfalls eine Grundnorm für die elektronische Kommunikation Einzug in das Steuerverfahrensrecht, die inhaltlich weitestgehend der Generalklausel des § 3a VwVfG entsprach.231 So deckten sich (inhaltlich) insbesondere die zentralen Bereiche der elektronischen Kommunikation bei entsprechender Zugangseröffnung gem. § 87a Abs. 1 S. 1 AO und § 3a Abs. 1 VwVfG, die auch in der AO zu diesem Zeitpunkt sowohl für die Behörde als auch den Steuerpflichtigen fakultativ blieb232, sowie der Ersetzung einer gesetzlich angeordneten Schriftform durch die elektronische Form gem. § 87a Abs. 3 und Abs. 4 AO und § 3a Abs. 2 VwVfG, wobei zunächst nur eine Ersetzung mittels eines nach dem SignaturG qualifiziert elektronisch signierten Dokuments zugelassen war.233 Hier differenzierte die AO lediglich bereits im Rahmen des Einsatzes elektronischer Signaturen zwischen dem Einsatz auf Seiten der Behörde (§ 87a Abs. 4 AO) und seitens Bürgers (§ 87a Abs. 3 AO), wohingegen das allgemeine Verfahrensrecht erst bei Erweiterung der Schriftformäquivalente im Zuge des EGovG i. w. S. eine solche Differenzierung in § 3a Abs. 2 S. 4 Nrn. 2 und 3 VwVfG vornahm.234 Zur Umsetzung des sog. ELSTERVerfahrens235 sah § 87a Abs. 6 AO zudem eine zunächst zeitlich befristete236 Sonderregelung vor, die kraft Rechtsverordnung nach Maßgabe des § 150 Abs. 6 AO (nur) für Steuererklärungen und Steueranmeldungen Ausnahmen schlüsselung bei Übermittlung von Daten, die dem Steuergeheimnis unterliegen gem. § 87a Abs. 1 S. 3 AO oder Regelungen zum Beweiswert elektronischer Dokumente in § 87a Abs. 5 AO, vgl. BT-Drs. 14/9000, S. 36; Schmitz/Schlatmann, NVwZ 2002, 1281 (1290); Roßnagel, NJW 2003, 469 (475); Lewandowski/Ackermann, DStR 2014, 1646 (1647). 230  BT-Drs.14/9000, S. 29; Schmitz/Schlatmann, NVwZ 2002, 1281 (1290); Roßnagel, NJW 2003, 469 (475). 231  BT-Drs. 14/9000, S. 35  f.; Heintzen, DÖV 2015, 780 (782); Maurer, Allg. VerwR, § 18, Rn. 3; zu den Einzelheiten des § 87a AO genauer Lewandowski/Ackermann, DStR 2014, 1646 ff. m. w. N. 232  Vgl. nur Lewandowski/Ackermann, DStR 2014, 1646 f. m. w. N. 233  Vgl. Schmitz/Schlatmann, NVwZ 2002, 1281 (1290), auch zu den Unterschieden zum VwVfG im Detail; vgl. zur Rechtslage im VwVfG bereits oben unter § 2 A. II. 234  Vgl. hierzu bereits oben unter § 2 A. V. 1. a). 235  ELSTER kurz für „Elektronische Steuererklärung“. 236  Die ursprüngliche Befristung bis 31.12.2005 gem. § 87a Abs. 6 AO i. d. F. des 3. VwVfÄndG wurde durch das JStG 2007 vom 13.12.2006 zunächst bis zum 31.12.2011 verlängert (BGBl. I, 2878, S. 2902). Da sich das ELSTER-Verfahren als ­sicher und zuverlässig erwiesen hatte, hob das StVereinfG vom 1.11.2011 die Befristung sodann ganz auf, BT-Drs. 17/5125, S. 77; siehe auch Lewandowski/Ackermann, DStR 2014, 1646 (1652); Rätke, in: Klein, AO, § 87a, Rn. 12.



B. Entwicklung des Steuerverwaltungsverfahrensrechts75

von den (aufwändigen) Anforderungen der Schriftformersetzung nach § 87a Abs. 3 und 4 AO, d. h. konkret vom Erfordernis der qualifizierten elektronischen Signatur, zuließ.237 Die Ausfüllung der Verordnungsermächtigung erfolgte zusammen mit den Regelungen zur elektronischen Übermittlung der für das Besteuerungsverfahren erforderlichen Daten sowie der tauglichen Übermittlungsverfahren und weiterer Aspekte gem. § 150 Abs. 6 AO im ­Rahmen der sog. Steuerdatenübermittlungsverordnung (StDÜV) vom 28. Januar 2003238. Auch der in § 37 Abs. 2 S. 1 VwVfG erstmals ausdrücklich als selbstständige Handlungsform genannte elektronische Verwaltungsakt wurde durch eine sprachliche Annäherung des § 119 AO an § 37 VwVfG und § 33 SGB X in den Text des Abgabenverfahrensrechts aufgenommen.239 Was die Anpassungen des 3. VwVfÄndG angeht war also aufs Ganze gesehen eine weitestgehend parallele Einhegung auch in der AO festzustellen240, die vor dem Hintergrund der besonderen Bedeutsamkeit gerade des 3. VwVfÄndG für die Modernisierung der Verwaltung zu begrüßen war. III. 4. VwVfÄndG und PlanVereinhG Konträr zu der Parallelität der Änderungen des 3. VwVfÄndG stellten sich die Entwicklungen im Zuge des 4. VwVfÄndG dar, die weitgehend oder im Falle der AO sogar völlig ohne Entsprechung in den Fachverfahrensordnungen blieben.241 Das Abgabenverfahrensrecht unberührt ließ auch das Planungsvereinheitlichungsgesetz242, das ebenfalls zu keinerlei Modifikationen in der AO führte.243 Als gesetzgeberische Etappen, die sich die Modernisierung der Verwaltung als solche nicht oder nur am Rande auf die Fahnen geschrieben hatten, erscheint dieser Befund allerdings nicht weiter verwunderlich, auch angesichts der für das Finanzverwaltungsverfahren teils fachfremden Thematiken.

237  Lewandowski/Ackermann, DStR 2014, 1646 (1649); Roßnagel, NJW 2003, 469 (475); Brandis, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 87a AO, Tz. 16. 238  BGBl. 2003 I, S. 139; vgl. hierzu schon Fn. 225. 239  Schmitz/Schlatmann, NVwZ 2002, 1281 (1290); Roßnagel, NJW 2003, 469 (475); vgl. auch Lewan­dow­ski/Ackermann, DStR 2014, 1646 (1650). 240  Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, Einleitung, Rn. 57. 241  Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, Einleitung, Rn. 57. 242  Vgl. zum PlanVereinhG bereits § 2 A. IV. sowie Fn. 99. 243  Vgl. BGBl. 2013 I, S. 1388 ff.

76 § 2 Leitlinien gesetzlicher Entwicklungen der Verwaltungsmodernisierung

IV. Das SteuerbürokratieabbauG vom 20. Dezember 2008 Im steuerverfahrensrechtlichen Kontext ist überdies auf das Gesetz zur Modernisierung und Entbürokratisierung des Steuerverfahrens (sog. SteuerbürokratieabbauG) vom 20. Dezember 2008244 einzugehen, durch welches – trotz Verortung im materiellen Steuerrecht245 – eine immer stärker durch informationstechnische Systeme gestützte Steuerveranlagung ermöglicht ­ wurde. Allen voran verpflichtete der neue § 5b EStG unternehmerische Steuerpflichtige, d. h. Steuerpflichtige, die Gewinneinkünfte erzielen bzw. gem. § 4 Abs. 1, § 5 oder § 5a EStG ihren Gewinn ermitteln, jedenfalls ab dem Jahr 2013 ihre Bilanz sowie die Gewinn- und Verlustrechnung in elek­ tronischer Form nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz an das Finanzamt zu übermitteln (sog. E-Bilanz-Verfahren), wodurch auch die herkömmliche Übersendung der entsprechenden Daten in Papierform gem. § 60 Abs. 1 S. 1 EStDV grundsätzlich entfiel.246 Darüber hinaus kam es noch zu einer umfassenden Überführung der steuerlichen Erklärungspflichten in elektronische Erklärungspflichten, beispielhaft hierfür etwa die grundsätzliche Verpflichtung zur elektronischen Steuererklärung bei Gewinneinkünften gem. § 25 Abs. 4 EStG, der elektronischen Körperschaftsteuererklärung gem. § 31 Abs. 1a KStG oder die elektronische Gewerbe- und Umsatzsteuererklärung gem. §§ 14a GewStG, 18 Abs. 3 UStG, die allesamt auf Antrag Ausnahmen in Härtefällen zuließen.247 Auch wenn die normierten Pflichten nicht die Finanzverwaltung unmittelbar adressierten, sondern vor allem die Regelungen über die Abgabe der Steuererklärungen bzw. die Mitwirkungspflichten der Steuerpflichtigen modifizierten, beeinflussten diese mittelbar dennoch die Arbeitsprozesse der Finanzverwaltung in nicht unerheblichem Maße und stellten damit eine weitere normative Weiche für ein vollelektronisches Steuerverfahren, dessen Erfolg stark von den Angaben seitens der Steuerpflichtigen und der Form ihrer Einreichung abhängt. Schließlich gilt es die Anfügung des § 88 Abs. 3 AO zu nennen, der eine Verordnungsermächtigung des Bundesministeriums der Finanzen mit Zustimmung des Bundesrates hinsichtlich der Regelung von Anforderungen an Art und Umfang der Ermittlungen bei Einsatz automatischer Einrichtungen, d. h. beim Einsatz sog. Risikomanagementsysteme bei der Sachverhaltsermittlung enthielt.248 Spätestens in 244  BGBl. 2008

I, S. 2850. Verortung im EStG erblickt die h. M. in § 5b EStG eine reine Verfahrensvorschrift, Hofmeister, in: Brandis/Heuermann, EStG, § 5b, Rn. 1. 246  Vgl. Lewandowski/Ackermann, DStR 2014, 1646 (1650); Richter/Welling, FR 2013, 406. 247  Vgl. ausführlich Lewandowski/Ackermann, DStR 2014, 1646 (1651). 248  Diese Ermächtigung setzte das Bundesministerium der Finanzen jedoch nicht um. Erst mit Einfügung des § 88 Abs. 5 AO schloss der Gesetzgeber die bestehende 245  Trotz



B. Entwicklung des Steuerverwaltungsverfahrensrechts77

Anbetracht der Änderungen des SteuerbürokratieabbauG in Form seiner umfangreichen elektronischen Mitwirkungspflichten sowie der erstmaligen und vorausschauenden gesetzgeberischen Annäherung an eine Reglementierung von Risikomanagementsystemen, deren Einsatz bereits ein hohes Maß an Automatisierung voraussetzt, zeichnete sich im Hinblick auf die Unterstützung der Verwaltung durch moderne Informations- und Kommunikationstechnologie zunehmend die Vorreiterrolle des Finanzverwaltungsverfahrensrechts ab. Diese Entwicklung dürfte nicht zuletzt mit der besonderen Eignung des Steuerrechts, allen voran des Veranlagungsverfahrens, zur elektronischen Bearbeitung zusammenhängen. V. Das E-Government-Gesetz Gleichlaufend zum allgemeinen Verwaltungsverfahrensrecht erfolgten die unmittelbaren Einwirkungen des E-Government Gesetzes i. w. S.249 auch auf das Abgabenverfahrensrecht im Wesentlichen in zweierlei Hinsicht. 1. Änderungen der AO Durch Art. 7 des EGovG i. w. S. wurden einerseits Änderungen an der AO selbst vorgenommen, die sich wiederum weitgehend parallel zu den zentralen Änderungen am VwVfG durch Art. 3 EGovG i. w. S. darstellten.250 Allen voran kam es durch entsprechende Anpassungen des § 87a AO zu einer Erweiterung der zulässigen Schriftformäquivalente zur Ersetzung einer gesetzlich251 angeordneten Schriftform, wodurch nunmehr eine Ersetzung der Schriftform auf Behördenseiten auch durch die Versendung einer De-MailNachricht nach § 5 Abs. 5 De-Mail-G gem. § 87a Abs. 4 S. 3 AO sowie auf Lücke hinsichtlich der Anforderungen an vollautomatische Risikomanagementsysteme, s. Maier, JZ 2017, 614 (Fn. 8); Baldauf, DStR 2016, 833 (835) sowie unten § 2 B. VI. Eingehend zu Risikomanagementsystemen sodann § 5 C. I. 2. b) bb). 249  Vgl. bereits Fn. 111 sowie zu den Begrifflichkeiten § 2 A. V. 250  Die Begründung des Regierungsentwurfs spricht bei § 87a AO ausdrücklich von der Parallelregelung zu § 3a VwVfG, BT-Drs. 14/11473, S. 51 f. Nicht ganz einleuchten will indes der Hinweis, § 87a Abs. 4 AO sehe – scheinbar im Gegensatz zu § 3a VwVfG – gerade keine Ersetzung durch Einsatz elektronischer Formulare (vgl. §§ 3a Abs. 2 S. 4 Nr. 1 VwVfG, 87a Abs. 3 S. 3 Nr. 1 AO) vor, da ein solcher nur bei Kommunikation des Bürgers in Richtung zur Behörde sinnhaft sei (BT-Drs. 14/11473, S. 52). Auch die Normierung in § 3a Abs. 2 S. 4 Nr. 1 VwVfG geht ersichtlich davon aus, dass die elektronischen Formulare von der Behörde für Erklärungen etc. des Bürgers eingesetzt werden, die Kommunikation mithin also vom Bürger hin zur Behörde erfolgt. 251  Im VwVfG einer „durch Rechtsvorschrift“ angeordneten Schriftform, § 3a Abs. 2 VwVfG.

78 § 2 Leitlinien gesetzlicher Entwicklungen der Verwaltungsmodernisierung

Bürgerseite neben der Verwendung des De-Mail-Dienstes zusätzlich noch durch unmittelbare Abgabe der Erklärung in ein bereitgestelltes elektronisches Behördenformular gem. § 87a Abs. 3 S. 3 Nrn. 1 und 2 AO zugelassen wurde.252 Eine dem § 3a Abs. 2 S. 4 Nr. 4 VwVfG entsprechende Öffnungsklausel zulässiger Verfahren fehlte indes in der AO.253 Bei der Anpassung des § 119 Abs. 3 AO handelte es sich um die Parallelregelung zu § 37 Abs. 3 VwVfG.254 2. Das Stammgesetz des EGovG (i. e. S.) Auf der anderen Seite steht das EGovG i. e. S., das als Stammgesetz im Zuge des Art. 1 des EGovG i. w. S. erlassen wurde. Dieses gilt gem. § 1 Abs. 1 f. EGovG für jegliche öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit der Behörden des Bundes sowie derjenigen der Länder, soweit Bundesrecht ausgeführt wird, und beansprucht damit grundsätzlich neben dem allgemeinen Verwaltungsverfahren auch für die übrigen Verfahrenssäulen Geltung, abgesehen von den normierten Bereichsausnahmen gem. § 1 Abs. 5 EGovG, da­ runter insbesondere die Steuer- und Zollfahndung gem. § 208 AO (Nr. 1) sowie die Verwaltungstätigkeit nach dem SGB II (Nr. 3).255 Damit greifen im Abgabenverfahrensrecht gleichermaßen die Zugangseröffnungsverpflichtungen nach § 2 EGovG, allen voran die allgemeine Eröffnungspflicht gem. § 2 Abs. 1 EGovG für alle Behörden (auch diejenigen der Länder), in Abkehr vom vormals geltenden Freiwilligkeitsprinzip gem. § 87a Abs. 1 S. 1 AO. Dieser nicht auf bestimmte (Eröffnungs-)Verfahren festgelegten256 Zugangseröffnungspflicht wurde in der Abgabenordnung bereits durch die Möglichkeit des ELSTER-Verfahrens gem. § 87a Abs. 6 S. 1 AO entsprochen.257 Auch das nach hier vertretener Ansicht kehrseitig bestehende subjektive 252  Vgl. Roßnagel, NJW 2013, 2710 (2716); Lewandowski/Ackermann, DStR 2014, 1646 (1648 f.); Stollhof, DuD 2013, 691; zur Rechtslage im VwVfG bereits oben § 2 A. V. 1. 253  Vgl. Roßnagel, NJW 2013, 2710 (2716). 254  BT-Drs. 17/11473, S. 15. 255  Vgl. Roßnagel, NJW 2013, 2710 (2712). Der Bundesrat sprach sich im Gesetzgebungsverfahren indes dafür aus, die gesamte öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit nach der AO vom Geltungsbereich des Gesetzes auszunehmen (BR-Drs. 557/12 (B), S. 5 f.; hierzu auch Müller-Terpitz/Rauchhaus, MMR 2013, 10 (11)). Diesem Ansinnen wurde jedoch nicht entsprochen. Rechtspraktisch kann den Besonderheiten des Abgabenverfahrensrechts jedoch über die Subsidiaritätsklausel des § 1 Abs. 4 EGovG ausreichend Rechnung getragen werden, dazu sogleich unten. 256  Hierzu bereits § 2 A. V. 2. a). 257  BT-Drs. 17/11473, S. 34; BR-Drs. 557/12, S. 49; Roßnagel, NJW 2013, 2710 (2712); Müller-Terpitz/Rauchhaus, MMR 2013, 10 (11).



B. Entwicklung des Steuerverwaltungsverfahrensrechts79

Recht auf elektronischen Zugang wurde hiermit vollumfänglich erfüllt, da diesem kein Recht auf einen bestimmten Zugang innewohnt.258 Geltung beanspruchten in gleicher Weise auch die anderen wichtigen Regelungsbereiche des EGovG, wie die elektronische Aktenführung, Aktenübertragung und Akteneinsicht gem. §§ 6, 7 und 8 EGovG sowie die elektronischen Nachweise und Informationspflichten gem. §§ 3 und 5 EGovG, jeweils aber mit den bereits oben erläuterten Abstrichen hinsichtlich ihrer tatsächlichen Wirkkraft.259 Allerdings ordnete § 1 Abs. 4 EGovG eine allgemeine Subsidiarität des EGovG gegenüber bereichsspezifischen Regelungen des Bundes zur elektronischen Verwaltung an, mit der den Besonderheiten insbesondere des Sozial- und Steuerrechts Rechnung getragen werden konnte und dort bereits bestehende Bestimmungen zur elektronischen Verwaltung Gültigkeit behielten.260 VI. Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens Auch im als Referenzmaterie dienenden Steuerverfahrensrecht bildete das Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens vom 18. Juli 2016 den aufarbeitungswürdigen Höhepunkt der legislativen Modernisierungsschritte. 1. Ausschließlich automationsgestützt erlassene Steuerbescheide und neue Bekanntgabeform Neben einer Vielzahl von Anpassungen materieller Steuergesetze und sonstiger überwiegend finanzrechtlicher Gesetze durch Art. 2 bis Art. 19 des Gesetzes261 verwirklichte das BestVerfModG mit dessen Art. 1 auch die umfassendste Änderung der AO seit ihrem Inkrafttreten 1977262 und führte so zu umgreifenden Entwicklungen der Steuerverfahrensordnung. Zielvorstellung des Gesetzgebers war dabei nichts Geringeres als die Schaffung eines Leitbilds vollautomatisierter Steuerbescheidung in der AO mit dem (Fern-) Ziel eines vollständig elektronischen und automatisierten Steuerverfahrens, 258  Siehe

ausführlich § 2 A. V. 2. b). hierzu bereits § 2 A. V. 2. und 3. 260  BT-Drs. 17/11473, S. 33; Roßnagel, NJW 2013, 2710 (2712), der die Vorschriften zum Sozialdatenschutz im SGB I und SGB X als Beispiele hierfür nennt; MüllerTerpitz/Rauchhaus, MMR 2013, 10 (11). 261  Die Anpassungen des VwVfG durch Art. 20 des Gesetzes wurden bereits oben unter § 2 A. VI. kurz beleuchtet; Ausführungen zum Sozialverfahrensrecht finden sich – ebenfalls nur überblicksartig – weiter unten in § 2 C. 262  Holzner, BWGZ 2016, 1034. 259  Vgl.

80 § 2 Leitlinien gesetzlicher Entwicklungen der Verwaltungsmodernisierung

das neben die herkömmliche – und auch bisher schon automationstechnisch unterstützte – Bearbeitung der Steuererklärung durch Amtsträger treten sollte.263 Der Zielvorgabe entsprechend kam es zuvörderst zur gesetzlichen Kodifizierung eines vollständig automatisiert erlassenen Steuerbescheides in § 155 Abs. 4 AO, um als letzten Schritt hin zur vollautomatisierten Steuer­ bescheidung noch den Wegfall des personellen Entscheiders handhabbar zu machen. Steuerfestsetzungen, Anrechnungen von Steuerabzugsbeträgen und Vorauszahlungen können hiernach nunmehr „ausschließlich automationsgestützt“ vorgenommen, berichtigt, zurückgenommen, wiederrufen, aufgehoben oder geändert werden, soweit kein Anlass einer personellen Bearbeitung besteht. Im Gegensatz zum VwVfG und dem SGB X verzichtete der Gesetzgeber für die AO auf eine vor die Klammer gezogene, allgemeine Kodifikation vollautomatischer Verwaltungsakte und verortete die Normierung unter den speziellen Normen der Steuerfestsetzung durch Steuerbescheide264, wohl weil darin von vornherein der Hauptanwendungsfall erblickt wurde. Eine genauere Betrachtung dieser Rechtskategorie im Vergleich zu den bestehenden Instituten soll an dieser Stelle aber wiederum unterbleiben.265 Überwiegend im Gleichlauf zu den anderen Verfahrenssäulen266 wurde zudem auch in die AO eine weitere Möglichkeit der Bekanntgabe von Verwaltungsakten durch Bereitstellung zum Datenabruf gem. § 122a AO eingefügt. Hinsichtlich der zentralen Rechtsinstitute des Gesetzes tritt somit klar die angestrebte Rechtseinheitlichkeit der Verfahrenssäulen zu Tage.267 2. Weitere Anpassungen Darüber hinaus kam es im eigentlichen Referenzgebiet des Steuerverfahrensrechts noch zu einer größeren Anzahl weiterer Anpassungen, während sich die Änderungen des VwVfG und SGB X auf den vollautomatischen 263  BT-Drs.

18/7457, S. 48 f.; Maier, JZ 2017, 614. so vor die Klammer gezogene Norm war noch im Referentenentwurf in Form eines § 118a AO vorgesehen, fand sodann jedoch weder im Regierungsentwurf noch im Parlamentsverfahren Eingang in das Gesetzesvorhaben, vgl. Braun Binder, DÖV 2016, 892 m. w. N. 265  Siehe hierzu insbesondere §§ 3 und 4. 266  Die Parallelnormen in VwVfG und SGB X knüpfen indes aber nicht an die Bereitstellung zum Abruf bzw. die entsprechende Benachrichtigung hierzu als bekanntgabeauslösendes Ereignis (vgl. § 122a Abs. 1 und Abs. 4 AO) an, sondern an den tatsächlichen Abruf Seitens des Beteiligten (§  41 Abs.  2a VwVfG, §  37 Abs. 2a SGB X); vergleichend zur „Abrufvariante“ des VwVfG sowie des SGB X und der „Fiktionsvariante“ der AO Schmitz/Prell, NVwZ 2016, 1273 (1278 ff.); ausführlich zur „Fiktionsvariante“ der AO Braun Binder, NVwZ 2016, 342 ff. 267  Vgl. zum Bestreben nach Einheitlichkeit der Verfahrenssäulen bereits § 2 A. VI. 1. 264  Eine



B. Entwicklung des Steuerverwaltungsverfahrensrechts81

Verwaltungsakt, die neuen Bekanntgabeformen sowie kleinere Modifikationen der Amtsermittlungspflicht beschränkten. Ein kurzer Überblick über die wichtigsten Aspekte soll an dieser Stelle genügen. So war es einerseits zum Wohle einer für die vollautomatische Steuerbescheidung notwendigen Datensatzbildung ein Anliegen, die ohnehin schon bestehenden (weitgehend materiell-steuerrechtlichen) Pflichten zur Übermittlung steuerrelevanter Daten seitens diverser mitteilungspflichtiger Stellen268 besser handhabbar zu machen, weshalb mit Einfügung der Rahmenregelung des § 93c AO eine verfahrensmäßige Harmonisierung und Systematisierung der übermittelten Daten der mitteilungspflichtigen Dritten erreicht werden sollte.269 Des Weiteren kam es etwa zur Einfügung der §§ 87b, 87c, 87d und 87e AO, die unter anderem die Bedingungen für die elektronische Übermittlung von Daten an Finanzbehörden sowie Anforderungen an nicht amtliche Datenverarbeitungsprogramme für das Besteuerungsverfahren enthielten. Flankiert wurden die vorstehenden Instrumente mittels eines weiteren Haftungstatbestandes in § 72a AO sowie einer neuen Korrekturvorschrift für Steuerbescheide in § 175b AO bei Datenübermittlung durch Dritte.270 Auch die Generalvorschrift der elektronischen Kommunikation gem. § 87a AO erfuhr kleinere Modifikationen und enthält in § 87a Abs. 6 AO n. F. insbesondere ab sofort die rechtlichen Grundlagen des für die (auch vollautomatische) Steuerfestsetzung bedeutsamen ELSTER-Verfahrens, als „sicheres“ Übermittlungsverfahren unterhalb der oftmals als Hemmnis verstandenen elektronischen Signatur.271 Zuvor wurde dieses durch die auf der Grundlage der §§ 150 Abs. 6, 87a Abs. 6 AO a. F. erlassene StDÜV geregelt. Mit dem Wechsel der rechtlichen Grundlage entfiel gleichzeitig die vormalige, durch die Bezugnahme auf § 150 Abs. 6 AO a. F. veranlasste Beschränkung des ELSTER-Verfahrens auf Steuererklärungen und Steueranmeldungen.272 Konsequenterweise trat die StDÜV mit Art. 23 Abs. 1 S. 2 des BestVerfModG zum 1.1.2017 außer Kraft, wobei ihre übrigen Inhalte in den neuen oder ak268  Beispielsweise Rentenbezugsmitteilungen gem. § 22a Abs. 1 EStG, Lohnsteuerbescheinigungen gem. § 41b Abs. 1 EStG oder Lohnersatzleistungen gem. § 32b Abs. 3, vgl. Überblick zu den verschiedenen Pflichten bei Baum, NWB 2015, 3081 f.; vgl. auch Baldauf, DStR 2016, 833 (837). 269  BT-Drs. 18/7457, S. 71; vgl. auch Baldauf, DStR 2016, 833 (837); Trossen, FR 2015, 1021. 270  Vgl. Baldauf, DStR 2016, 833 (837). 271  Brandis, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 87a AO, Tz. 16, 18; Volquardsen, in: Schwarz/Pahlke, AO/FGO, § 87a AO, Rz. 35 f. 272  Vgl. zum ELSTER-Verfahren bereits oben § 2 B. II. Vgl. auch Brandis, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 87a AO, Tz. 18; Volquardsen, in: Schwarz/Pahlke, AO/ FGO, § 87a AO, Rz. 35 f. Für Altfälle der Datenübermittlung vor dem 1. Januar 2017 gelten indes gem. Art. 97 § 27 Abs. 1 S. 2 EGAO die Regelungen der StDÜV fort.

82 § 2 Leitlinien gesetzlicher Entwicklungen der Verwaltungsmodernisierung

tualisierten Normierungen der §§ 72a, 87a, 87b, 87c und 87d AO aufgingen.273 Zu erwähnen sind überdies noch die Anpassungen der Normierungen des Untersuchungsgrundsatzes gem. § 88 AO, die im Vergleich zur Anfügung des verwandten § 24 Abs. 1 S. 3 VwVfG umfangreicher ausfallen. Neben überwiegend klarstellenden Umformulierungen und Ergänzungen der Norm schuf der Gesetzgeber in § 88 Abs. 5 AO erstmals eingehendere Regelungen zum Einsatz sog. Risikomanagementsysteme in Gestalt bestimmter gesetzlicher Mindestanforderungen.274 Die Nutzung von Risikomanagementsystemen zur Kompensation etwaiger Defizite der Amtsermittlung wird hierbei an späterer Stelle noch den Gegenstand näherer Untersuchungen bilden.275 Zur weiteren Erleichterung einer rein digitalen Bearbeitung wandelte der Gesetzgeber schließlich die bis dato geltenden Belegvorlagepflichten in reine Belegvorhaltepflichten gem. § 50 Abs. 8 EStDV um.276 In den wesentlichen Zügen tritt auch im Lichte der Referenzmaterie des Steuerverfahrensrechts eine unverkennbare Parallelität hinsichtlich der Entwicklungen des BestVerfModG zu Tage. Im Einzelnen wartet die AO aber mit einer höheren Regelungsdichte sowie teils deutlich ausdifferenzierteren Normierungen auf, was ihr innerhalb des Themenkomplexes eine besondere Rolle für die zu bearbeitenden rechtlichen Fragestellungen einräumt. Die besondere Affinität des Steuerverfahrens zur Vollautomation lässt sich dabei nicht nur der überragenden Eignung der Steuerfestsetzung für vollautomatische Verfahren, sondern auch den in diesem Bereich am weitesten entwickelten Rahmenbedingungen und einer gewissen, daraus resultierenden „Praxisreife“ zuschreiben, im Zuge derer sich konkrete Bedürfnisse und Problemfelder deutlicher manifestierten. VII. Jahressteuergesetz 2019 Im Zuge des Gesetzes zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 12. Dezember 2019 (sog. Jahressteuergesetz 2019 – JStG 2019)277 kam es in steuerverfahrensrechtlicher Hinsicht schließlich zu einer Erweiterung der Möglichkeiten, ausschließlich automationsgestützte Verwaltungsakte zu erlassen, indem 273  Vgl. Volquardsen, in: Schwarz/Pahlke, AO/FGO, § 87a AO, Rz. 35; Drüen, DB 2018, 11 (13). 274  Die vorherige und ungenutzte Verordnungsermächtigung des § 88 Abs. 3 AO wurde im Zuge dessen aufgehoben, vgl. dazu Baldauf, DStR 2016, 833 (835 f.) m. w. N. sowie bereits oben § 2 B. IV. unter Fn. 248. 275  Siehe § 5 C. I. 2. b) bb). 276  Vgl. etwa Drüen, DB 2018, 11 (13). 277  BGBl. I, S. 2451 ff.



C. Entwicklung des Sozialverwaltungsverfahrensrechts83

sowohl die vollautomatisierte Anordnung von Verspätungszuschlägen gem. § 152 Abs. 2, Abs. 11 S. 2 AO278 als auch eine vollautomatisierte Anordnung von Säumniszuschlägen, die nicht mit den Hauptsteuern beigetrieben werden („gesonderte Anforderung“), gem. § 254 Abs. 2 S. 3 AO sowie die vollautomatisierte Anordnung einer Fristverlängerung gem. § 109 Abs. 4 AO zugelassen wurden279.

C. Entwicklung des Sozialverwaltungsverfahrensrechts Schließlich gilt es den gesetzgeberischen Prozess auch im Sozialverwaltungsverfahrensrecht zu beleuchten, was im Rahmen der vorliegenden Arbeit allerdings wesentlich kürzer erfolgen soll. Im Verfahrensrecht der Sozialverwaltung hat sich im Hinblick auf die Modernisierung der Verwaltung eine in den wesentlichen Bereichen parallele Entwicklung im Vergleich zu den anderen Verfahrensordnungen vollzogen, insbesondere zum (verglichen mit der AO) fachnäheren VwVfG. Nennenswert sind in erster Linie die Fortschritte des für das elektronische Verwaltungsverfahren besonders bedeutsamen 3. VwVfÄndG, die gem. Art. 2 und 3 des Gesetzes weitgehend übereinstimmend in SGB I und SGB X realisiert wurden.280 Insbesondere wurde mit § 36a SGB I – im Gleichlauf zu § 3a VwVfG und § 87a AO – auch im Sozialverwaltungsverfahrensrecht eine Grundnorm der elektronischen Kommunikation mit den Behörden eingefügt, die wiederum einen im Wesentlichen identischen Wortlaut zu § 3a VwVfG aufweist.281 Außerdem wurde mit § 33 SGB X weitestgehend wortgleich zu § 37 VwVfG der elektronische Verwaltungsakt nunmehr ausdrücklich als Handlungsform aufgenommen.282 Das 4. VwVfÄndG fand dagegen nur geringe Entsprechungen im Sozialverwaltungsverfahrensrecht283, ebenso wie das PlanVereinhG, das aufgrund der fachfremden Gesetzesmaterie keinerlei Änderungen des SGB I oder SGB X zeitigte. Das EGovG i. w. S. führte dagegen synchron zur Erweiterung der 278  BT-Drs. 19/13436, S. 193. In bedeutsamen Anwendungsfällen i.  S. d. § 152 Abs. 2 AO n. F. wurden bereits im Zuge des BestVerfModG sowohl die Anordnung des Zuschlags an sich als auch seine Höhe zu gebundenen Tatbeständen umfunktioniert, vgl. BT-Drs. 18/7457, S. 80; Rätke, in: Klein, AO, § 152, Rn. 1; Rosenke, in: BeckOK AO, § 152, Rn. 350; Baum, NWB 2016, 2706 (2712 ff.). 279  Vgl. auch BT-Drs. 19/13436, S. 190 f., 193 f. 280  Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, Einleitung, Rn. 57. 281  BT-Drs. 14/9000, S. 35 f.; Roßnagel, NJW 2003, 469 (474); Schmitz/Schlatmann, NVwZ 2002, 1281 (1290); Maurer, Allg. VerwR, § 18, Rn. 3. 282  Vgl. Roßnagel, NJW 2003, 469 (474), auch zu den kleineren Besonderheiten in § 36a Abs. 4 SGB I und § 33 Abs. 5 SGB X. 283  Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, Einleitung, Rn. 57. Ursächlich hierfür war überwiegend die Bereichsausnahme der Dienstleistungsrichtlinie für das Sozialrecht gem. Art. 1 Abs. 6 DL-RL, vgl. § 2 A. III.

84 § 2 Leitlinien gesetzlicher Entwicklungen der Verwaltungsmodernisierung

zulässigen Schriftformäquivalente auf die Versendung einer De-Mail i. S. d. § 5 Abs. 5 De-Mail-G sowie die Verwendung elektronischer Formulare durch die Behörde (für Erklärungen der Bürger) durch entsprechende Änderung des § 36a Abs. 2 SGB I, der im Wesentlichen wortgleichen Parallelnorm zu § 3a VwVfG284. Im Gleichlauf zu § 3a VwVfG, anders aber als § 87a AO, enthielt § 36a Abs. 2 S. 2 Nr. 4 SGB I eine technologiebezogene Öffnungsklausel. Echte sozialverwaltungsverfahrensspezifische Abweichungen wurden lediglich vereinzelt implementiert, etwa den gem. § 36a Abs. 2 S. 5 SGB I zur Identifikation bei Nutzung elektronischer Formulare neben elektronischen Personalausweis und elektronischen Aufenthaltstitel auch zulässigen Iden­ titätsnachweis per elektronischer Gesundheitskarte gem. § 291 Abs. 2a S. 4 SGB V285, oder konnten gem. der Subsidiaritätsklausel des § 1 Abs. 4 EGovG ohnehin vorrangig weitergelten. Auch der Anwendungsbereich des EGovG i. e. S. erstreckte sich grundsätzlich ebenfalls auf die öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit der Sozialverwaltung gem. § 1 EGovG und führte dort zu den gleichen Wirkungen wie in den anderen Verfahrenssäulen. Insofern kann auf obige Ausführungen verwiesen werden. Lediglich für die Verwaltungstätigkeit nach dem SGB II (insbes. Arbeitslosengeld II und Sozialgeld) bestand eine Bereichsausnahme gem. § 1 Abs. 5 Nr. 3 EGovG. Schließlich bildete das Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens gleichermaßen im Sozialverwaltungsverfahren den vorläufigen Höhepunkt der gesetzlichen Modernisierungsentwicklungen. Als Teil der erst im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens aus Gründen der Einheitlichkeit des Verfahrensrechts hinzugekommenen Änderungen wurde mit Art. 19 des BestVerfModG das SGB X einerseits um vollständig durch automatische Einrichtungen erlassene Verwaltungsakte gem. § 31a SGB X (parallel zu §§ 35a VwVfG, 155 Abs. 4 AO) und andererseits um eine neue Bekanntgabeform durch Daten­ abruf im Internet gem. § 37 Abs. 2a SGB X n. F. (parallel zu §§ 41 Abs. 2a VwVfG, 122a AO286) erweitert. Eine (ebenso überwiegend klarstellende) Erweiterung der Amtsermittlungspflicht fand Eingang in § 31a S. 2 SGB X.287 Aufgrund der großen Parallelität der Entwicklungen im Sozial- und allgemeinen Verwaltungsverfahren liegt der Fokus der Ausführungen im Folgenden überwiegend auf dem allgemeinen VwVfG.

NJW 2013, 2710 (2716). NJW 2013, 2710 (2716). 286  Zu den Unterschieden der neuen Bekanntgabeformen im Detail siehe § 2 B. VI. unter Fn. 266. 287  Parallel zu § 24 Abs. 1 S. 3 VwVfG; vgl. hierzu bereits § 2 A. VI. 2.; näher unter § 3 B. I. 2. 284  Roßnagel, 285  Roßnagel,



D. Weitere Gesetze der Verwaltungsmodernisierung i. w. S.85

D. Weitere Gesetze der Verwaltungsmodernisierung i. w. S. Die oben unter A., B. und C. dargestellten Gesetzesetappen in den verschiedenen Verfahrenssäulen können als die zentralen Eckpunkte der gesetzlichen Modernisierung des Verwaltungsverfahrens im engeren Sinne bezeichnet werden, sowohl für das allgemeine Verwaltungsverfahren als auch die Fachverfahren im Bereich der Steuer- und Sozialverwaltung. Daneben wurde noch eine Vielzahl weiterer Gesetze erlassen, die in ihrer gesamtsystematischen Bedeutung zwar nicht den genannten Meilensteinen der Entwicklung gleichkommen, aber doch mit einer Modernisierung der Verwaltung oder der Justiz in einem weitergehenden Sinne im Zusammenhang stehen. Diese sollen ebenfalls kurz Erwähnung finden, ohne detailliert auf die einzelnen Materien einzugehen. I. E-Government-Gesetze der Länder In diesem Kontext können zunächst etwa die E-Government-Gesetze der Länder genannt werden.288 Während Schleswig-Holstein bereits im Jahre 2009 als erstes Bundesland ein eigenes E-Government-Gesetz erließ289, folgten entsprechende Umsetzungen mittlerweile in den allermeisten Ländern als Reaktion auf die Impulse des E-Government-Gesetzes des Bundes.290 Zum Großteil überführten die Landes-E-Government-Gesetze dabei im Wege einer Parallelgesetzgebung diejenigen Regelungen des Bundes-EGovG in das Landesrecht, die aufgrund des kompetenziell beschränkten Anwendungsbereichs (hinsichtlich des Vollzugs der Landesgesetze) oder der besonderen Regelungstechnik der „Basis- und Angebotsnormen“291 die Landes- bzw. Kommunalbehörden nicht (verpflichtend) umfassten. Zum Teil setzten die Länder aber auch eigene, über das Bundesrecht hinausgehende Akzente.292 288  Zur Umsetzung des BestVerfModG auf landesrechtlicher Ebene näher unter Fn. 197. 289  GVOBl., S. 398, zuletzt geändert durch das eine Vorreiterrolle einnehmende Digitalisierungsgesetz vom 16. März 2022 (GVOBl., S. 285); vgl. auch Siegel, Verw­ Arch 105 (2014), 241 (249). 290  Vgl. nur das ThürEGovG (ThürGVBl. 2018, S. 212), das SächsEGovG (SächsGVBl. 2014, S. 398), das BayEGovG (GVBl. 2015, S. 458), welches ab 1. August 2022 durch das BayDiG (GVBl. 2022, S. 374) ersetzt wurde, das EGovG BW (BWGBl. 2015, S. 1191), das EGovG Bln (BlnGVBl. 2016, S. 282), das EGovG M-V (GVOBl. M-V 2016, S. 198) und das EGovG NRW (NRWGVBl. 2016, S. 539); ein Überblick findet sich zudem bei Bähr/Denkhaus, BayVBl. 2016, 1 (Fn. 2); Denkhaus/ Richter/Bostelmann, EGovG/OZG, Einleitung, Rn. 25 ff. 291  Vgl. hierzu bereits § 2 A. V. 2. 292  In Bayern kam es etwa zur Schaffung digitaler Zugangs- und Verfahrensrechte der Bürger sowie eines Anspruchs auf digitale Durchführung von Verwaltungsverfah-

86 § 2 Leitlinien gesetzlicher Entwicklungen der Verwaltungsmodernisierung

II. Das Onlinezugangsgesetz des Bundes (OZG) Auf der Grundlage des neu eingefügten Bundesgesetzgebungskompetenztitels in Art. 91c Abs. 5 GG wurde mit dem Onlinezugangsgesetz des Bundes (OZG) vom 14. August 2017293 ein weiterer Beitrag in Richtung einer modernen Verwaltungsinfrastruktur geleistet.294 Behörden des Bundes und der Länder werden hiernach dazu verpflichtet, ihre Verwaltungsleistungen bis spätestens zum Endes des Jahres 2022 auch elektronisch über Verwaltungsportale anzubieten sowie diese Verwaltungsportale zu einem einheitlichen Portalverbund zu verknüpfen, vgl. § 1 Abs. 1 und Abs. 2 OZG.295 Des Weiteren werden durch das Gesetz Mindestanforderungen an die Modalitäten für den Portalverbund statuiert.296 Auch wenn die gesetzlichen Normierungen des OZG keinen unmittelbaren Einfluss auf das Verwaltungsverfahren i. e. S. (des § 9 VwVfG) und dessen Automatisierung zeitigen297, so wird durch die zumindest baldige Etablierung eines übergreifenden, medienbruchfreien Zugangskanals zu den Verwaltungsleistungen von Bund und Ländern in elektronischer Form298 doch in erheblichem Maße das prozedurale Vorfeld zur Realisierung vollautomatischer Verwaltungsverfahren effektuiert, die – wie sich später noch zeigen wird – in hohem Maße von standardisierten Dateninputs über Eingaben in elektronische Formulare oder Datenbankabgleiche abhängig sind.299 Nicht zu Unrecht wird das OZG daher – auch im Kontext einer ren, vgl. LT-Drs. 17/7537, S. 9 ff.; Bähr/Denkhaus, BayVBl. 2016, 1 (3). Das im Zuge des schleswig-holsteinischen Digitalisierungsgesetzes (Fn. 289) erlassene IT-EinsatzGesetz (ITEG) formulierte national erstmalig einen Rechtsrahmen für den Einsatz „datengetriebener Informationstechnologien“ u. a. mit Qualitäts- und Sicherheitsanforderungen an die Systeme und weitreichenden Hinweis- und Offenlegungspflichten. 293  BGBl. I, S. 3122. 294  Vgl. nur Siegel, DÖV 2018, 185 ff.; Herrmann/Stöber, NVwZ 2017, 1401 ff.; eingehend zum als „Paukenschlag für die Digitalisierung“ bezeichneten Kompetenztitel des Art. 91c Abs. 5 GG Martini/Wiesner, ZG 2017, 193 (193 ff., 226). 295  Die Einhaltung dieser Umsetzungsfrist wurde indes weit verfehlt, vgl. nur Peuker, DÖV 2022, 275 (282); Bull, DÖV 2022, 261 (263). 296  Vgl. zum OZG im Einzelnen Rüscher, DVBl. 2017, 1530 ff.; Siegel, DÖV 2018, 185 ff. sowie Martini/Wiesner, ZG 2017, 193 (197 ff.). Im Zuge u. a. des Gesetzes zur Digitalisierung von Verwaltungsverfahren bei der Gewährleistung von Familienleistungen vom 3. Dezember 2020 (BGBl. I 2020, S. 2668) sowie des sog. Registermodernisierungsgesetzes vom 28. März 2021 (siehe unten § 2 D. III.) kam es überdies zu weiteren Anpassungen und Fortentwicklungen des OZG, vgl. hierzu Guckelberger/Starosta, NVwZ 2021, 1161 ff. 297  Vgl. nunmehr aber § 9 OZG i. d. F. ab 3.12.2020, mit dem eine § 41 Abs. 2a VwVfG spezialgesetzlich verdrängende digitale Bekanntgabemöglichkeit geschaffen wurde, hierzu Guckelberger/Starosta, NVwZ 2021, 1161 (1163 ff.). 298  Martini/Wiesner, ZG 2017, 193. 299  Vgl. auch Rüscher, DVBl. 2017, 1530 (1534).



D. Weitere Gesetze der Verwaltungsmodernisierung i. w. S.87

Vollautomatisierung ausgewählter Verwaltungsverfahren – als „spürbarste Verwaltungsreform“ für verwaltungsexterne Rechtssubjekte gehandelt.300 Auf europäischer Ebene hat sich mit Erlass der sog. Single Digital GatewayVO301, die ebenfalls die Einrichtung eines einheitlichen digitalen Zugangsstores für Verwaltungsleistungen mit Binnenmarktbezug im Sinne eines Metaportalverbundes zum Ziel hat, eine zum OZG deutliche Ähnlichkeiten aufweisende Entwicklung ereignet.302 III. Sonstige Gesetze Schließlich kann noch das Gesetz zum Abbau verzichtbarer Anordnungen der Schriftform im Verwaltungsrecht des Bundes vom 29. März 2017303 genannt werden, das in größerem Umfang gesetzliche Schriftformanordnungen ersatzlos strich und in vielen weiteren Fällen die Möglichkeit einer Formwahrung per (einfacher) elektronischer Form hinzufügte.304 Insbesondere mit Blick auf die Umsetzung des OZG ist zudem das Gesetz zur Einführung und Verwendung einer Identifikationsnummer in der öffentlichen Verwaltung und zur Änderung weiterer Gesetze (sog. Registermodernisierungsgesetz) vom 28. März 2021305 hervorzuheben, durch welches u. a. die Steuer-Identifika­ tionsnummer gem. § 139b AO als zusätzliches Ordnungsmerkmal in den wichtigsten öffentlichen Registern etabliert und eine Aktualisierung dieser Register anhand der beim Bundeszentralamt für Steuern gespeicherten Basisdaten zur Verwirklichung des sog. Once-Only-Prinzips angeordnet wird.306 Im justiziellen Bereich gilt es noch auf das Gesetz zur Förderung des elek­ tronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten vom 10. Oktober 2013307 sowie das Gesetz zur Einführung der elektronischen Akte in der Justiz und weiteren 300  So

etwa Rüscher, DVBl. 2017, 1530. (EU) Nr. 2018/1724 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 2. Oktober 2018 über die Einrichtung eines einheitlichen digitalen Zugangstors zu Informationen, Verfahren, Hilfs- und Problemlösungsdiensten und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1024/2012, ABl. EU L 295/1. 302  Hierzu, insbes. vergleichend zu den Regelungen des OZG: Siegel, NVwZ 2019, 905 ff. 303  BGBl. I, S. 626, in Kraft getreten am 5.4.2017. 304  Vgl. BT-Drs. 18/10183, S. 64; Müller, in: BeckOK VwVfG, § 3a, Rn. 21a. 305  BGBl. I, S. 591. Dessen Kernstück in Art. 1 bildet das Gesetz zur Einführung und Verwendung einer Identifikationsnummer in der öffentlichen Verwaltung (sog. Identifikationsnummerngesetz). 306  Überblick zum Gesetz bei Knauff/Lehmann, DÖV 2022, 159 ff.; Bull, DÖV 2022, 261 (264 ff.). 307  BGBl. I, S. 3786; eingehend zum Gesetz Müller-Teckhof, MMR 2014, 95 ff.; zum elektronischen Verwaltungsprozess im Speziellen Geis/Berlit, DVBl. 2014, 14 ff. 301  VO

88 § 2 Leitlinien gesetzlicher Entwicklungen der Verwaltungsmodernisierung

Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs vom 5. Juli 2017308 hinzuweisen. Aufgrund der Eingrenzung des Untersuchungsgegenstandes auf das vollautomatische Verwaltungsverfahren i. S. d. Kodifikationen des BestVerfModG soll es an dieser Stelle aber bei dem schlichten Hinweis auf die jeweiligen Gesetze bleiben.

E. Zusammenfassende Analyse und Ergebnis Wie die vorangehende Untersuchung der gesetzlichen Entwicklungen zeigt, war die Idee einer (zunächst nicht weiter konkretisierten) Assistenz der Verwaltung durch technische Hilfsmittel im Grundsatz bereits in den maßgeblichen Urfassungen der verschiedenen Verwaltungsverfahrensordnungen kodifikatorisch verankert.309 Trotz des bloß reaktiven Charakters der damaligen gesetzlichen Regelungen und dem Fehlen konkreter Konzepte einer Modernisierung310, kann hierin gewissermaßen die Grundsteinlegung für die weiteren Fortentwicklungen erblickt werden. Aus diesem Grund erscheint es auch nicht akkurat, die auf gesetzlicher Ebene stattfindende Verwaltungsmodernisierung ausschließlich als Phänomen der heutigen bzw. neueren Zeit zu begreifen.311 Vielmehr stellte sich das Geschehen als kontinuierlicher Prozess von unterschiedlicher Geschwindigkeit und Dynamik dar, dessen Wurzeln bereits bis zu den Anfängen des (neueren) kodifizierten Verwaltungsverfahrensrechts zurückreichen, obgleich auch die Thematik aus gesetzgeberischer Perspektive – zumindest in der Anfangszeit – keine allzu große Beachtung erfuhr. Ausgehend von diesem kodifikatorischen Fundament lässt sich der weitere Modernisierungsprozess in gesetzgeberische Etappen von teils stärkerer, teils weniger stark ausgeprägter Gestaltungskraft einteilen.312 Die regulatorische Reichweite der einzelnen gesetzlichen Entwicklungsstufen erwies sich dabei überwiegend als fragmentarisch und auf einen klar abgegrenzten, konkreten Regelungsbereich bezogen.313 Über den konkret abgesteckten Regelungsbereich hinaus systemisch-umfassendere Normierungen waren dagegen kaum 308  BGBl. I,

S. 2208. oben § 2 A. I., B. I. und C. 310  Vgl. Groß, VerwArch 95 (2004), 400 (415); Eifert, E-Government, S. 122; Ossenbühl, NVwZ 1982, 465 (470); Polomski, Der automatisierte Verwaltungsakt, S. 20, 96 f. sowie bereits § 2 A. I. 311  Ähnlich auch Kube, VVDStRL 78 (2019), 289 (302). 312  Vgl. schon Siegel, DVBl. 2017, 24; ders., VerwArch 105 (2014), 245. 313  Vgl. beispielsweise Hebammer/Denkhaus, MMR 2013, 358 (359), die im EGovG einen „Wildwuchs kleinteiliger Insellösungen“ und „unterschiedliche Rechtsrahmen“ erblicken. 309  Siehe



E. Zusammenfassende Analyse und Ergebnis89

zu verzeichnen. Innerhalb der jeweiligen Normierungsbereiche konnte jedoch über die Verfahrenssäulen hinaus eine weitgehende Parallelität in den substanziellen Vorschriften der jeweiligen Entwicklungsschritte attestiert werden, trotz teils unterschiedlichen Wortlauts oder sonstiger fachspezifischer Abweichungen oder Erweiterungen. Die insoweit jedenfalls in den strukturellen Bereichen vorzufindende Einheitlichkeit der Verfahrensordnungen trägt dabei nicht nur einem generellen Anliegen des Verwaltungsrechts nach rechtlicher und rechtstatsächlicher Homogenität Rechnung314, sondern ist im Besonderen auch vor dem Hintergrund der Modernisierung der Verwaltung zu begrüßen, die zielführend nur durch ein gewisses Maß an systematischer Kohärenz realisiert werden kann. Annahme und Akzeptanz der modernisierten Verfahrensaspekte bei Bürgern und Verwaltung haben nämlich nicht zuletzt entscheidenden Einfluss auf deren rechtstatsächlichen Erfolg.315 In inhaltlicher Hinsicht konnte zunächst über weite Strecken des Reformprozesses ein klarer Trend ausgemacht werden, der sich mit dem Begriff der „Elektronisierung der Verwaltung“ überschreiben lässt.316 Anstatt der Modifikation konkreter Verwaltungsabläufe lag der Fokus hierbei auf der Modernisierung der Verkörperungsformen einzelner Verfahrenselemente, zuspitzend formuliert also auf der bloß elektronischen Abbildung der herkömmlich papiergebundenen Verwaltungsstrukturen.317 Eine Implementierung gesetzlicher Direktiven für den Einsatz und die Ausgestaltung automatisierter Verfahren war dagegen nicht Gegenstand der verschiedenen Regelungsmaterien. Rückschlüsse auf derartig generelle Fragen der Verfahrensgestaltung konnten überdies auch nicht aus den bisher in den Verfahrensordnungen vorzufindenden individuellen Ausnahmetatbeständen beim Einsatz „automatischer Einrichtungen“ gezogen werden. Hinsichtlich etwaiger Modernisierungspoten­ ziale318 durch eine Automatisierung der Verwaltung war insofern deshalb lange Zeit ein gesetzgeberisches Defizit zu attestieren.319 Die im Zuge der Elektronisierung teils sukzessive Schaffung gewisser mittelbarer Vorausset-

314  Vgl.

Maurer/Waldhoff, Allg. VerwR, § 18, Rn. 3. zur bürgerseitigen Akzeptanz als Grundlage für ein erfolgreiches E-Government Mann, in: Seckelmann, Digitalisierte Verwaltung (– Vernetztes E-Gov­ ernment), Kap. 29, Rn. 1 ff. 316  Zum Ganzen insbesondere § 2 A. II. bis V. sowie § 2 A. VI. 3. a); vgl. zur Begriffsverwendung etwa Siegel, VerwArch 105 (2014), 241 (245 ff.); Maurer/Waldhoff, Allg. VerwR, § 18, Rn. 1 ff. 317  Vgl. § 2 A. VI. 3. a) und b). 318  Gemeint sind etwa Beschleunigungs-, Einsparungs- oder genereller Effizienzpotenziale, aber auch Potenziale einer gesteigerten Rechtsanwendungsgleichheit. 319  Vgl. § 2 A. VI. 3. a) sowie Eifert, E-Government, S. 125 f.; vgl. zudem § 4 B. II. 3. c) dd) (3). 315  Eingehend

90 § 2 Leitlinien gesetzlicher Entwicklungen der Verwaltungsmodernisierung

zungen für (voll-)automatische Verwaltungsverfahren320 kann diesen Befund letztlich nur unwesentlich relativieren. Den zentralen Wendepunkt in der inhaltlichen Schwerpunktsetzung des Reformprozesses markiert das Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens vom 16. Juli 2016.321 Während die Akzentuierung des vorherigen Entwicklungsprozesses vorwiegend in Richtung der Verkörperungsformen einzelner Verfahrenselemente ausschlug, nahm dieses Gesetzesvorhaben erstmalig (neben weiteren Aspekten) eine an neuartigen technologischen Möglichkeiten orientierte Neuausrichtung der verwaltungsinternen Entscheidungsprozesse in den Fokus. Mit der ausdrücklichen Anerkennung vollständig durch automatische Einrichtungen erlassener Verwaltungsakte in allen Verfahrensordnungen fand namentlich eine systemisch signifikante Modulation eines Kernbereichs außenwirksamer, öffentlicher Verwaltungstätigkeit statt. Anstelle der digitalen Verkörperung bestimmter oder aller Verfahrensaspekte, wurde an die Art und Weise des Verfahrensablaufs und der Entscheidungsfindung angesetzt.322 Damit glich das Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens zumindest zum Teil die bis dato defizitäre Gesetzeslage in den Verfahrensordnungen im Hinblick auf Modernisierungspotenziale durch Automatisierung aus, die mangels konkreter Anforderungen an Einsatz und Ausgestaltung automatisierter Entscheidungen bisher nicht die nötige normative Steuerungskraft besaß, um den Ausgleich zwischen Verwaltungseffizienz auf der einen und individuellen Rechtspositionen auf der anderen Seite und damit die Weiterentwicklung des E-Government im zukunftsträchtigen Bereich der Automatisierung insgesamt sinnvoll anzuleiten323. Trotz der inhaltlichen Neuakzentuierung und des insgesamt doch beträchtlichen Regelungsumfangs des Gesetzes, kann jedoch auch dem BestVerfModG – insofern also ähnlich zu den vorherigen Reformetappen – auch hinsichtlich der Automatisierung der Verwaltung nicht vorbehaltlos das Prädikat eines umfassend systembildenden Gesetzeswerkes zugeschrieben werden. Während selbst im Kontext des Steuerverfahrensrechts, auf das der Großteil des gesetzlichen Regelungsumfangs entfällt, von der „gewohnten Flickschusterei“ und einer nur „punktuellen Modernisierung des Besteue-

320  Als Beispiel können hierfür etwa elektronische Formulare im Internet als Schriftformersetzungsmöglichkeit gem. § 3a Abs. 2 VwVfG genannt werden, die sich hervorragend für vollautomatische Antragsverfahren eignen, vgl. hierzu § 2 A. V. 1. a) sowie Prell, NVwZ 2013, 1514 (1517 f.); vgl. auch Siegel, DVBl. 2017, 24 (25). 321  Hierzu im Einzelnen § 2 A. VI. sowie § 2 B. VI. 322  Vgl. auch Windoffer, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, § 35a, Rn. 6. 323  Vgl. § 2 A. VI. 3. sowie Eifert, E-Government, S. 125 f.



E. Zusammenfassende Analyse und Ergebnis91

rungsverfahrens“ gesprochen wurde324, gilt dieser Befund umso mehr für die Bereiche des VwVfG und des Sozialverwaltungsverfahrens, deren lediglich singulären Ergänzungen ohne jegliche Abstimmung auf das umliegende Recht implementiert wurden und so eher den Eindruck eines für sich stehenden Fremdkörpers als den eines stimmigen Systems machen.325 Die insoweit zu bemängelnde systembildende Komponente des Gesetzes, die insbesondere aus verfahrensrechtlicher Perspektive – wie noch zu zeigen sein wird326 – doch wünschenswert erscheint, stellt jedoch nicht die grundsätzliche Bedeutung des Vorhabens in Abrede. Da ein beträchtlicher Teil momentan (noch) brachliegender Vereinfachungs- und Effizienzpotenziale vor allem in einer über die bloße elektronische Abbildung papierbasierter Verwaltungsstrukturen hinausgehenden Fortentwicklung, namentlich also in einer Modulierung der Abläufe und Organisation von Verwaltungsverfahren zu vermuten sind327, kann das BestVerfModG mit seiner (jedenfalls teilweisen) Behebung der bisherigen gesetzgeberischen Steuerungsdefizite zweifellos als einer der bedeutsamsten gesetzlichen Fortschritte (wenn nicht sogar der bedeutsamste) der letzten Jahre im Bereich des E-Government bezeichnet werden. Nicht ohne Grund wurde das BestVerfModG in der Literatur daher als „Paradigmenwechsel gegenüber dem bisherigen Einsatz von Informationstechnologie in Verwaltungsverfahren“328 bzw. als „Meilenstein auf dem Weg der weiteren Digitalisierung“329 verstanden.

324  Vgl. Seer, StuW 2015, 315 (329), der insoweit unverändert das „Bedürfnis einer umfassenden AO-Reform“ attestiert, dieses jedoch auch zu weiten Teilen aus anderen Bereichen außerhalb der Automatisierung der Verwaltung ableitet. 325  Vgl. hierzu § 2 A. VI. 2. und C.: Bezogen auf die Automatisierung des Verfahrens können tatsächlich lediglich zwei normative Einarbeitungen ausgemacht werden, namentlich die Ergänzung des Amtsermittlungsgrundsatzes gem. §§ 31a S. 2 SGB X, 24 Abs. 1 S. 3 VwVfG sowie die Kodifikation des vollautomatischen Verwaltungsakts selbst in §§ 31a S. 1 SGB X, 35a VwVfG. Die Normierungen zur Bekanntgabe von Verwaltungsakten durch Abruf über öffentlich zugängliche Netze gem. §§ 37 Abs. 2a SGB X, 41 Abs. 2a VwVfG stehen indes in ihrer Geltung nicht in einem spezifischen Zusammenhang mit automatisierten Verfahren. 326  Vgl. hierzu § 4 B. II. 3. c) dd) (3). 327  Vgl. § 2 A. VI. 3. b). 328  Braun Binder, DÖV 2016, 893; vgl. auch dies., NVwZ 2016, 960 und dies., in: Jusletter IT vom 22. September 2016, Rz. 1. 329  Schwenker, DB 2016, 375; vgl. auch Martini/Nink, DVBl. 2018, 1128.

§ 3 Begriffsklärung vollständig automatisiert erlassener Verwaltungsakte nach den Vorgaben des Gesetzes zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens Nach Herausarbeitung des Meilensteincharakters des BestVerfModG muss sich die Arbeit nun in einem ersten Schritt einer begrifflichen Klärung des neuen Rechtsinstituts des „vollständig durch automatische Einrichtungen“ bzw. „ausschließlich automationsgestützt“ erlassenen Verwaltungsakts widmen. Den Ausgangspunkt des Bedürfnisses nach begrifflicher Konturierung bildet dabei zuvörderst das Fehlen einer gesetzlichen Definition der untersuchungsgegenständlichen Kategorie. Hinzu kommt noch, dass sich in den geltenden Fassungen der Verwaltungsverfahrensordnungen bereits mehrere Spielarten „besonderer“ Ausprägungsformen von Verwaltungsakten und deren Erlass vorfinden330, die verschiedene rechtliche Modifikationen nach sich ziehen können331, und nicht zuletzt auch die Zulässigkeitsvoraussetzungen der neu eingefügten §§ 35a VwVfG, 155 Abs. 4 AO, 31a SGB X als kategoriespezifische Einschränkungen verstanden werden332, was je für sich eine klare Beschreibbarkeit und damit Abgrenzbarkeit zu allen „regulären“ Formen des Verwaltungsakterlasses notwendig macht. Die begrifflichen Konturen zwischen den jeweiligen Kategorien erweisen sich dabei oftmals als fließend.333 Da die wissenschaftliche Klärung der Begrifflichkeiten zudem nach bisherigem Stand noch defizitär erscheint334 und mangels näherer legis330  Genannt seien an dieser Stelle beispielhaft der „elektronische“ Verwaltungsakt (zu finden etwa in § 37 Abs. 2 S. 1 und 3 VwVfG, näher hierzu bereits unter § 2 A. II. und § 4 B. I. 1.) sowie der „mit Hilfe automatischer Einrichtungen“ erlassene Verwaltungsakt (vorzufinden unter anderem in § 37 Abs. 5 VwVfG, vgl. hierzu bereits oben § 2 A. I. sowie unten § 3 I., II. 1. ff. und § 4 B. II.). 331  Die Formerleichterungen der §§ 37 Abs. 5, 39 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG etwa richten sich dem Wortlaut nach nur an „mit Hilfe automatischer Einrichtungen“ erlassene Verwaltungsakte; die allgemeine Begründungspflicht des § 39 Abs. 1 S. 1 VwVfG greift nur für „schriftliche“ oder „elektronische“ Verwaltungsakte; schriftliche Bestätigungen erfolgen gem. § 37 Abs. 2 S. 3 VwVfG nur bei „elektronischen“ Verwaltungsakten. 332  Ramsauer/Tegethoff, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 35a, Rn. 8. 333  Schmitz/Prell, NVwZ 2016, 1273 (1274); vgl. auch Guckelberger, in: FS Herberger, 397 (402). 334  Vgl. Bull, DVBl. 2017, 409 (410), der ausdrücklich einen weiteren Klärungsbedarf hinsichtlich der genauen Unterscheidung zwischen elektronischen, mit Hilfe



A. Zur Berücksichtigungsfähigkeit begriffsklärender Vorarbeiten93

latorischer Einlassungen auch die gesetzgeberischen Vorstellungen der neuen Kategorie nicht ohne Weiteres offenbar werden335, muss eine fundierte begriffliche Beschreibung „vollautomatisierter Verwaltungsakte“ den ersten Spatenstich dieser Untersuchung bilden.

A. Zur Berücksichtigungsfähigkeit begriffsklärender Vorarbeiten I. Begriffliche Annäherungen an automatisierte Verwaltungsakte Aus heutiger Sicht bemerkenswert ist, dass sich die verwaltungsrechtswissenschaftliche Literatur bereits seit geraumer Zeit mit Automatisierungsvorgängen innerhalb des Verwaltungsverfahrens beschäftigte. Erste auf systematischer Grundlage erarbeitete Denkanstöße in Bezug auf mit einer Techni­ sierung bzw. Automatisierung der Verwaltung336 einhergehenden Rechtsproblemen konnten bereits 1959 die Untersuchungen Zeidlers liefern.337 Nach seinem Grundverständnis des Verwaltungsrechts führte der Einsatz technischer Rechenanlagen zur Aufspaltung des gesamten Entscheidungsprozesses eines herkömmlichen Verwaltungsaktes in eine sog. „Verwaltungshandlung“ und in ein sog. „Verwaltungsfabrikat“, wobei letzteres mangels menschlicher Verantwortung und Kontrolle nur mehr als rein technischer Vorgang bzw. „Produkt einer Maschine“ anzusehen sei.338 Auch wenn Zeidlers Thesen bereits damals erheblicher Kritik ausgesetzt waren und seit geraumer Zeit ­nahezu einhellig abgelehnt und als erledigt betrachtet werden, so ist ihnen dennoch ein Verdienst dergestalt zuzuschreiben, dass diese zahlreiche Diskussionen über die Verheißungen und Probleme einer Automatisierung der Verwaltung initiierten und damit den Grundstein für weitere Aufarbeitungen legten.339 automatischer Einrichtungen erlassener und nunmehr vollautomatischer Verwaltungsakte bescheinigt. 335  Vgl. U. Stelkens, in: Hill/Kugelmann/Martini, Digitalisierung in Recht, Politik und Verwaltung, 81 (84). 336  Zu den Begriffen bereits Zeidler, Über die Technisierung der Verwaltung, S. 2. 337  Zeidler, Über die Technisierung der Verwaltung (1959); vgl. auch ders., DVBl. 1959, 681 ff. sowie Polomski, Der automatisierte Verwaltungsakt, S. 74 ff. Lazaratos, Rechtliche Auswirkungen der Verwaltungsautomation, S. 256 weist jedoch zu Recht darauf hin, dass entsprechende Fragen bereits zuvor aufgeworfen wurden, etwa bei Susat/Stolzenburg, MDR 1957, 146 ff. und Schreiter, DÖV 1956, 692 ff., und Zeidler somit insbes. der Verdienst der ersten systematischen Bearbeitung zuzusprechen ist. 338  Zeidler, Über die Technisierung der Verwaltung, S. 15 ff., 18. 339  Vgl. hierfür beispielhaft Bull, Verwaltung durch Maschinen, S. 64 ff.; Luhmann, Recht und Automation, S. 30 ff.; Kerkau, Automatische Datenverarbeitung, S. 31, 43 f.; Haft, Elektronische Datenverarbeitung im Recht, S. 65 ff.; Maaß, DVBl. 1961,

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§ 3 Begriffsklärung

Neben Bull und weiteren Autoren knüpfen unter anderem auch Lazaratos und Polomski mit ihren wissenschaftlichen Untersuchungen, die sich zudem bereits auf die inzwischen erlassenen Kodifikationen des VwVfG 1976 stützen konnten, an die angestoßenen Problemstellungen an und widmeten sich in weiterführender Weise den Eigenheiten „automatisierter Verwaltungsverfahren“ bzw. „automatisierter Verwaltungsakte“.340 Im Rahmen dieser Arbeiten wurden Verwaltungsverfahren dann als automatisiert angesehen, wenn „(einige) informationsverarbeitende Schritte des Entscheidungsprozesses nicht mehr kognitiv, sondern mittels EDV-Anlage durchgeführt werden“, also entweder lediglich einzelne Schritte des gesamten Entscheidungsprozesses durch EDV abgewickelt werden, oder die Automatisierung zusätzlich noch den das Entscheidungsverfahren abschließenden Output unmittelbar erzeugt.341 Ein „automatisierter Verwaltungsakt“ könne bei selbstständiger Erstellung der abschließenden Entscheidung durch die technische Anlage an­ genommen werden, wobei sich die Tätigkeit der Behörde nur mehr auf die Inkraftsetzung dieses Ergebnisses der maschinellen Tätigkeit durch die Bekanntgabe beschränken solle. Der bloße Einsatz selbsttätiger Maschinen als Hilfsmittel sollte hierfür indes noch nicht ausreichen.342 Die gesetzlichen Regelungen des VwVfG 1976 zum sog. „Computerverwaltungsakt“ selbst befassten sich indes nicht mit einer begrifflichen oder dogmatischen Beschreibung der Kategorie. Ebenso verhielt es sich mit der Begründung des entsprechenden Regierungsentwurfs, wo lediglich freimütig die Rede von „automatisierten“ Verwaltungsakten war.343 Im Laufe der Zeit ebbte die Diskussion um die Automatisierung der Verwaltung jedoch ab.344 In der gesetzlichen Entwicklung der Verwaltungsmodernisierung traten zunehmend Aspekte einer Elektronisierung der Verwaltung in den Vordergrund, die sodann auch weit überwiegend als maßgeblicher Indikator der Fortschrittlichkeit der Verwaltung verstanden wurden.345 In entsprechender Weise konzentrierte sich auch das wissenschaftliche Augenmerk auf die Begleitung solcher Phänomene.346 Erst Siegel setzte in jüngerer Zeit – und noch vor den neu aufkeimenden Diskussionen im Kontext der 7 ff.; Polomski, Der automatisierte Verwaltungsakt, S. 74 ff.; Lazaratos, Rechtliche Auswirkungen der Verwaltungsautomation, S. 256 ff. 340  Lazaratos, Rechtliche Auswirkungen der Verwaltungsautomation (1990); Polomski, Der automatisierte Verwaltungsakt (1993). 341  Lazaratos, Rechtliche Auswirkungen der Verwaltungsautomation, S. 54 f. 342  Polomski, Der automatisierte Verwaltungsakt, S. 72. 343  BT-Drs. 7/910, S. 59. 344  Vgl. schon Redeker, NVwZ 1986, 545. 345  Vgl. bereits oben § 2 A. VI. 3. a) sowie E. 346  Vgl. Siegel, VerwArch 105 (2014), 241 (242, 255); Ehlers, Jura 2016, 603 (607); vgl. beispielhaft auch Eifert, Electronic Government (2006), mit Ausnahme der



A. Zur Berücksichtigungsfähigkeit begriffsklärender Vorarbeiten95

Ergänzungen des BestVerfModG – durch seine Begriffsschöpfung des „vir­ tuellen Verwaltungsaktes“ wieder einen Akzent in Richtung Automatisierung der Verwaltung, worunter er solche Verwaltungsakte verstanden wissen wollte, deren „Erlass unter Einbeziehung der Entscheidungsfindung zumindest überwiegend elektronisch gesteuert und damit durch nicht-personale Elemente geprägt wird“.347 Auch wenn die begriffliche Anknüpfung dieser Kategorie, die ausweislich gerade als Gegenentwurf zur bloßen (bis dahin vorherrschenden) Elektronisierung einzelner Verfahrenselemente eingebracht wurde348, an eine sich in ihrem Bedeutungskern wiederum hauptsächlich auf Verkörperungsformen beziehende349 Eigenschaft („virtuell“) unglücklich erscheint, wurde der ins Stocken geratenen Diskussion so zumindest teilweise wieder Leben eingehaucht. II. Maßgeblichkeit der Kodifikationen des BestVerfModG Deutlich wird, dass in der Vergangenheit bereits verschiedene, freilich nur auszugsweise anzuführende wissenschaftliche Annäherungen an das Feld der Automatisierung der Verwaltung unternommen wurden, die insbesondere auch um eine begriffliche Fassung vollautomatisierter Verwaltungsakte und deren Verwaltungsverfahren bemüht waren. Obgleich diese früheren Vorarbeiten zweifellos wertvolle Einsichten bei der Beschreibung und (späteren) rechtlichen Würdigung des zu untersuchenden Rechtsinstituts liefern können, sind diese richtigerweise nicht als zentrale Leitlinien der angestrebten begrifflichen Konturierung „vollständig durch automatische Einrichtungen“ erlassener Verwaltungsakte zu aktivieren. Nicht nur haben sich die in Wechselwirkung zu den rechtlichen Ausgestaltungen stehenden technischen und tatsächlichen Gegebenheiten insoweit zu rasant und umfassend insbesondere im letzten Jahrzehnt gewandelt350, selbst wenn freilich nicht allen, oftmals marketinggetriebenen und subjektiv überschätzten Verheißungen der Technik ohne kritischen Blick Glauben geschenkt werden darf351. Vor allem auch die S.  127 ff.; Skrobotz, Das elektronische Verwaltungsverfahren (2005); Kunstein, Die elektronische Signatur als Baustein der elektronischen Verwaltung, 2005. 347  Siegel, VerwArch 105 (2014), 241 (242, 255). 348  Vgl. Siegel, VerwArch 105 (2014), 241 (255). 349  Siegel, VerwArch 105 (2014), 241 (242) führt selbst aus, dass das Adjektiv „virtuell“ im heutigen Sprachgebrauch die nicht-physische Existenz bestimmter Gegenstände oder Phänomene beschreibt. 350  Vgl. bereits § 1 A. 351  Vgl. Daum, Missing Link: Ein Plädoyer wider den KI-Populismus, in: heise online vom 3.6.2016, abrufbar unter https://www.heise.de/newsticker/meldung/Missing-Link-Ein-Plaedoyer-wider-den-KI-Populismus-4063789.html (letzter Aufruf am 26.1.2022). Vor einem „KI-Populismus“ warnte auch Vorstandsmitglied des Verbands

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§ 3 Begriffsklärung

zwischenzeitliche Implementierung expliziter Kodikationen eines automatisierten Verwaltungsakterlasses im Zuge des BestVerfModG machte vormalige begriffliche Eigenkreationen und Denkansätze weitgehend obsolet, so dass den logischen Ausgangs- und Anknüpfungspunkt einer begrifflichen Klärung dieses Rechtsinstituts sinnvollerweise nur jene aktuellen Kodifika­ tionen bilden können.

B. Die gesetzlichen Umschreibungender Kodifikationen des Gesetzes zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens Wie bereits eingangs erwähnt, nehmen die Wortlaute der hier als maßgeblich identifizierten Kodifikationen der §§ 35a VwVfG, 155 Abs. 4 AO und 31a SGB X selbst keine Legaldefinition vor, sondern setzen das Institut des vollautomatisierten Verwaltungsakts größtenteils voraus und enthalten nur fragmentarisch nähere Charakterisierungen darüber, wann eigentlich von einem „vollständig durch automatische Einrichtungen“ bzw. „ausschließlich automationsgestützt“ erlassenen Verwaltungsakt gesprochen werden kann. I. Der Wortlaut im Einzelnen 1. § 35a VwVfG Ausgehend vom allgemeinen Verwaltungsverfahrensrecht soll zunächst § 35a VwVfG in genaueren Augenschein genommen werden: Die Vorschrift, die als eine der zentralen Normen im Zuge des BestVerfModG eingefügt wurde352, findet sich zunächst im dritten Teil des VwVfG unter dem Abschnitt 1. über das „Zustandekommen des Verwaltungsaktes“, wo das Gesetz (zusammen mit Abschnitten 2. und 3.) im Sinne eines Allgemeinen Teils die grundlegenden Vorschriften rund um die öffentlich-rechtliche Handlungsform des Verwaltungsaktes bereithält. Konkret folgt § 35a VwVfG dabei der wohlbekannten (Legal-)Definition des § 35 VwVfG nach. Bereits gesetzessystematisch ist § 35a VwVfG damit als Grundnorm des Allgemeinen Teils zu verstehen, die grundlegende und von besonderen Anwendungsbereichen unabhängige Regelungen zu dem neuen Rechtsinstitut vollautomatisiert erlassener Verwaltungsakte bereithalten möchte. In textueller Hinsicht erweist sich § 35a VwVfG sodann als überaus knappe Norm, was in Zeiten überbordender gesetzlicher Ausdifferenzierung Österreichischer Wirtschaftsakademiker Wolfgang Keck in seinem Vortrag während der Dreiländertagung 2018 zum Thema „Digitalisierung und Verwaltung“. 352  Vgl. bereits oben § 2 A. VI. 2.



B. Die gesetzlichen Umschreibungen97

keinesfalls als gesetzgeberisches Manko aufgefasst werden sollte. Trotz der doch großen Bedeutung und des disruptiven Potenzials der Regelung, kommt sie mit nur wenigen Zeilen und ohne weitergehende Ausdifferenzierungen in Sätze oder gar Absätze aus. In ihrer amtlichen Überschrift umschreibt die Norm die neu eingefügte Spielart des Verwaltungsakterlasses als „[v]ollständig automatisierter Erlass eines Verwaltungsaktes“ und betont damit gleichzeitig deren Besonderheit, die – im Gegensatz zu früheren gesetzgeberischen Schwerpunktsetzungen im Dunstkreis des E-Government – in der Art und Weise des Erlasses begründet liegt353. Weitere Konkretisierungen erfolgen sodann im Tatbestand, wo festgehalten wird, dass ein Verwaltungsakt „vollständig durch automatische Einrichtungen“ erlassen werden kann, sofern „dies durch Rechtsvorschrift zugelassen ist und weder ein Ermessen noch ein Beurteilungsspielraum besteht“. Begrifflich wird damit also der nach der Überschrift benannte vollständig automatisierte Erlass eines Verwaltungs­ aktes mit dem im Tatbestand beschriebenen vollständig durch automatische Einrichtungen erfolgenden Erlass gleichgesetzt. Über diese Feststellungen hinausgehende Charakterisierungen überlässt die Norm indes dem Rechtsanwender. 2. § 31a SGB X Ein ähnliches Bild zeigt sich bei eingehenderer Exegese der sozialverwaltungsverfahrensrechtlichen Parallelbestimmung zu § 35a VwVfG354, namentlich des § 31a SGB X: Was die begriffliche Beschreibung der Kategorie angeht, erweisen sich beide vorgenannten Normen als identisch. Auch der wortgleich überschriebene § 31a (S. 1) SGB X nennt den „vollständig durch automatische Einrichtungen“ bewerkstelligten Erlass des Verwaltungsaktes als zentrales (und auch einziges) begriffsbeschreibendes Merkmal. Als Zulässigkeitsvoraussetzung wird darüber hinaus – insoweit im Wortlaut abweichend – vorausgesetzt, dass „kein Anlass besteht, den Einzelfall durch Amtsträger zu bearbeiten“. Die weiteren Anordnungen in § 31a S. 2 SGB X betreffen indes eine (überwiegend klarstellende) Erweiterung der Amtsermittlungspflichten der Behörde, die aus gesetzessystematischer Sicht wenig nachvollziehbar an dieser Stelle Eingang fanden, anstelle in der thematisch deutlich näherliegenden Normierung zum Untersuchungsgrundsatz des § 20 SGB X355, und stehen daher mit der begrifflichen Konturierung des 353  Vgl.

insbes. bereits oben § 2 E. zum Charakter einer Parallelnorm Hornung, in: Schoch/Schneider, VwVfG, § 35a, Rn. 45. 355  Vgl. hierzu bereits oben § 2 C. sowie § 2 A. VI. 2. jeweils am Ende; vgl. auch Braun Binder, in: Jusletter IT vom 22. September 2016, Rz. 19. 354  Krit.

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§ 3 Begriffsklärung

vollautomatisierten Verwaltungsakts in keinem unmittelbaren Zusammenhang. Trotz der leicht ausdifferenzierten Untergliederung hält der Wortlaut des § 31a SGB X somit keine über das VwVfG hinausgehenden Hinweise bereit. Gesetzessystematisch findet sich § 31a SGB X ebenso im dritten Abschnitt des ersten Kapitels des SGB X, dem Allgemeinen Teil des Gesetzes zum „Zustandekommen des Verwaltungsaktes“. 3. § 155 Abs. 4  AO Schließlich gilt es noch § 155 Abs. 4 AO als entsprechende Normierung zu vollautomatisierten Verwaltungsakten in der AO unter die Lupe zu nehmen, die bereits auf den ersten Blick einige Abweichungen aufzuweisen scheint. Als auffällig erweist sich zuerst die angewandte Regelungstechnik selbst. Anders als dies bei den Neuregelungen der §§ 35a VwVfG, 31a SGB X der Fall war, finden sich die kodifikatorischen Verankerungen des vollautomatischen Verwaltungsakts hier lediglich in einem neu eingefügten Abs. 4 innerhalb der bereits seit jeher bestehenden Regelung zur Steuerfestsetzung des § 155 AO, womit sich der Gesetzgeber für den Bereich der AO offenbar gegen die Variante einer für sich stehenden und sachlich losgelösten Normierung des neuen Rechtsinstituts entschied. Neben dem Fehlen einer eigenständigen Neuregelung für eine derart bedeutsame (auch vom Gesetzgeber durchaus so verstandene356) Rechtskategorie an sich springt auch die gesetzessystematische Verortung der Norm ins Auge. Entsprechend ihrem übergeordneten Regelungsgegenstand, namentlich der Steuerfestset­ zung, ist diese nämlich dem „Besonderen Teil“ des Steuerverfahrensrechts357 zuzuordnen. Damit fällt sie klar aus dem Allgemeinen Teil der AO im Sinne i­hres 3. Teils („Allgemeine Verfahrensvorschriften“) heraus, der unter anderem die allgemeinen Vorschriften zu „Verwaltungsakten“ der §§ 118 ff. AO enthält und so angesichts des Anspruchs und der potentiellen Tragweite des § 155 Abs. 4 AO den wohl treffenderen Regelungsort geboten hätte. Angesichts der Regelungstechnik der Norm in Gestalt einer Einbettung in bestehende Strukturen, anstelle einer eigenständigen Neuregelung, und angesichts der regelungsinhaltlichen Verortung im besonderen Steuerverfahrensrecht, namentlich im Steuerfestsetzungsverfahren, kann bei § 155 Abs. 4 AO im Ergebnis nicht von einer Parallelbestimmung zu §§ 35a VwVfG, 31a 356  Die Gesetzesbegründung sieht hierin etwa eine „zentrale Maßnahme der Modernisierung des Besteuerungsverfahrens“ und spricht gar von einem zweiten gesetzlich geregelten „Leitbild der Steuerfestsetzung“, BT-Drs. 18/7457, S. 48. 357  Genauer dem 3. Abschnitt des 4. Teils der AO zum „Festsetzungs- und Feststellungsverfahren“.



B. Die gesetzlichen Umschreibungen99

SGB X im eigentlichen Sinne gesprochen werden.358 Eine solche war zwar mit § 118a AO-E noch im Referentenentwurf des BestVerfModG vorgesehen, fand allerdings keinen Eingang in den Regierungsentwurf und wurde auch im parlamentarischen Verfahren – selbst nach Beschlussempfehlung des federführenden Finanzausschusses359 – nicht eingefügt.360 Insgesamt vermittelt die Kodifikation vollautomatischer Verwaltungsakte in § 155 Abs. 4 AO daher eher nicht den Eindruck einer grundlegenden, den fundamentalen Rahmen des genannten Rechtinstituts legenden Norm. Die ausgemachten Verschiedenheiten des § 155 Abs. 4 AO zu den Kodifikationen in VwVfG und SGB X setzen sich auch in der begrifflichen Umschreibung vollautomatischer Verwaltungsakte fort. Im Wortlaut spricht § 155 Abs. 4 S. 1 AO davon, „Steuerfestsetzungen sowie Anrechnungen von Steuerabzugsbeträgen und Vorauszahlungen […] ausschließlich automationsgestützt“ vorzunehmen, zu berichtigen, zurückzunehmen, zu widerrufen, aufzuheben oder zu ändern, „soweit kein Anlass dazu besteht, den Einzelfall durch Amtsträger zu bearbeiten“. Zentrales (und wiederum einziges) begriffsbeschreibendes Merkmal bildet hierbei der „ausschließlich automationsgestützte“ Erlass der Steuerfestsetzung bzw. der Anrechnungs- oder Vorauszahlungsverfügung. Während Steuerfestsetzungen und Vorauszahlungs­ bescheide dabei als Steuerbescheide gem. §§ 155 Abs. 1 S. 1, 164 Abs. 1 S. 2 AO eine besondere Form von Steuerverwaltungsakten darstellen361, handelt es sich bei Anrechnungsverfügungen dagegen um sonstige (allgemeine) Steuerverwaltungsakte362. Lediglich hinsichtlich der weiteren Zulässigkeitsvoraussetzungen wird – insoweit identisch zu § 31a SGB X – an das Fehlen eines Anlasses zur personellen Bearbeitung angeknüpft, wobei § 155 Abs. 4 S. 3 AO allerdings eine regelbeispielhafte Konkretisierung für das Bestehen eines solchen Anlasses vornimmt. Wie bereits gesagt, nehmen die 358  Ebenso Braun Binder, DÖV 2016, 892; dies., in: Jusletter IT vom 22. September 2016, Rz. 17; dies., in: Seckelmann, Digitalisierte Verwaltung, Kap. 12, Rn. 15; kritisch insoweit auch Hornung, in: Schoch/Schneider, VwVfG, § 35a, Rn. 45. 359  Vgl. zum Gesetzgebungsverfahren oben § 2 A. VI. 1. 360  Vgl. Referentenentwurf des BMF eines Gesetzes zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens, S. 15 f., 83 f., abrufbar unter https://www.bundesfinanzministe rium.de/Content/DE/Gesetzestexte/Gesetze_Gesetzesvorhaben/Abteilungen/Abtei lung_IV/18_Legislaturperiode/Gesetze_Verordnungen/2016-07-22-Steuermodernisier ungsgesetz/1-Referentenentwurf.pdf;jsessionid=620F3AE9C040B8F3C842B3CE477 C52D0?__blob=publicationFile&v=2 (letzter Aufruf am 9.1.2018); BR-Drs. 631/15, S. 2; BT-Drs. 18/7457, S. 7 f. (je zum Regierungsentwurf); Braun Binder, DÖV 2016, 892; vgl. auch dies., NVwZ 2016, 960 (962 f.). 361  Birk/Desens/Tappe, SteuerR, Rn.  378; Jakob, Abgabenordnung, Rn.  66 ff.; Seer, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 155 AO, Rz. 48. 362  Jakob, Abgabenordnung, Rn. 69  f.; BFH BStBl. II 1997, 787; 2007, 742 (Rn. 14); 2008, 504 (Rn. 8 f.); Seer, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 155 AO, Rz. 50.

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§ 3 Begriffsklärung

vorgesehenen Zulässigkeitsvoraussetzungen jedoch für die begriffliche Beschreibung eine nur nebensächliche Rolle ein. Gem. § 155 Abs. 4 S. 2 Nrn. 1 und 2 AO erfolgt zudem eine Erweiterung des Anwendungsbereichs auf Verwaltungsakte, die mit einem Steuerbescheid bzw. einer Anrechnungsverfügung technisch verbunden werden können, sowie auf die automatische Verbindung der Steuerfestsetzung bzw. Steueranrechnung oder Steuervorauszahlung mit Nebenbestimmungen i. S. d. § 120 AO, soweit dies durch eine entsprechende Verwaltungsanweisung allgemein angeordnet ist.363 Der im Vergleich zum VwVfG und SGB X insgesamt klar umfangreichere Wortlaut der Norm ist auch im Einzelnen von einem deutlich höheren Grad an Aus­ differenzierung und konkreten fachrechtlichen Details gekennzeichnet, was zuvörderst der regelungstechnischen Einbettung in das besondere Steuerverfahrensrecht geschuldet ist. II. Parallelbetrachtung der Verfahrenssäulen Zusammenfassend ist festzustellen, dass sich zunächst doch nicht unerhebliche Abweichungen der Kodifikationen zu vollautomatischen Verwaltungsakten in den Verwaltungsverfahrensordnungen vorfinden. Schon bei nur oberflächlicher Betrachtung fielen die teils deutlichen Unterschiede im Wortlaut der Regelungen auf, sowohl hinsichtlich der begriffsbeschreibenden Merkmale als auch der Zulässigkeitsvoraussetzungen, die nicht zuletzt mit der Fachspezifität des Wortlauts bzw. der fachrechtlichen Durchsetzung der die neue Rechtskategorie regelnden Bestimmung in der AO zusammenhängen. Zusammen mit dem im Steuerverwaltungsverfahrensrecht verfolgten, im Vergleich zum SGB X und VwVfG abweichenden Regelungskonzept konnte § 155 Abs. 4 AO darüber hinaus nicht als echte Parallelbestimmung zu den §§ 35a VwVfG, 31a SGB X qualifiziert werden. Noch bevor eine eingehendere begriffliche Konturierung der Rechtskategorie „vollständig durch automatische Einrichtungen“ bzw. „vollständig automationsgestützt“ erlassener Verwaltungsakte anhand der vorgefundenen begriffsbeschreibenden Merkmale der Kodifikationen im Einzelnen vorgenommen werden kann, drängt sich somit angesichts der textuellen und systematischen Divergenzen die Frage auf, ob und inwiefern überhaupt eine parallele Betrachtung der drei Verfahrenssäulen erfolgen kann. Ungeachtet aller bestehenden Unterschiede kann diese Frage im Ergebnis klar positiv beantwortet werden. Denn trotz der augenscheinlichen und eher technischen Unterschiede fußten die neuen Regelungen des BestVerfModG zum vollautomatisierten Verwaltungsakt auf der gesetzgeberischen Absicht, in sachlich-inhaltlicher Hinsicht eine einheitliche Kodifikation des Rechtsin363  Seer,

in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 155 AO, Rz. 51, 53.



B. Die gesetzlichen Umschreibungen101

stituts über alle Verfahrenssäulen hinweg herbeizuführen, und zwar sowohl in Bezug auf die begriffliche Reichweite des Rechtsinstituts als auch hinsichtlich seiner weiteren Zulässigkeitsvoraussetzungen.364 Eine Auseinanderentwicklung der Verfahrensordnungen im Sinne einer Implementierung drei verschiedener Variationen des Rechtsinstituts vollautomatisierter Verwaltungsakte, je mit unterschiedlicher Reichweite und anderen Zulässigkeits­ voraussetzungen, wurde an dieser Stelle gerade nicht angestrebt und dürfte dem Gesetzgeber trotz etwaig bestehender (Rechts-)Unsicherheiten über die Voraussetzungen vollautomatisierter Verwaltungsentscheidungen365 ferngelegen haben.366 Die im Vergleich zum VwVfG und SGB X unterbliebene Ausgestaltung als eigenständige und sachlich losgelöste Grundnorm fand ihren Grund insbesondere darin, dass der Gesetzgeber schon vor Realisierung des Gesetzesvorhabens die Steuerfestsetzung als geeignetstes Verfahren einer vollautomatisierten Verwaltung im Steuerverfahren identifiziert hatte.367 Eine allgemeinere Kodifikation wurde dann offenbar als nicht mehr notwendig erachtet und im weiteren Gesetzgebungsverfahren auch nicht mehr weiter verfolgt. Auch wenn der eingeschlagene Weg vor dem Hintergrund einer möglichst systemisch-einheitlichen Entwicklung des neuen Instituts nicht unbedingt zu begrüßen ist, reift dieser nicht automatisch zu einem begriff­ lichen Unterscheidungsbedarf in den Verfahrensordnungen heran. Kehrseitig zu der inhaltlichen Beschränkung der Zulassung vollautomatischer Verfahren auf die Steuerfestsetzung, verzichtet § 155 Abs. 4 AO auf einen wie in § 35a VwVfG vorgesehenen Regelungsvorbehalt; die Zulassung erfolgt insofern unmittelbar durch die Regelung selbst.368 Die Unterschiede in Wortfassung und Regelungskonzept dürften darüber hinaus nicht ausschließlich fachrechtlichen Spezifika des Steuerrechts geschuldet369, sondern zumindest teilweise auch auf die tatsächlichen Gege­ benheiten des Gesetzgebungsverfahrens zurückzuführen sein. Während das Steuerverfahrensrecht von Anfang an als Referenzmaterie den Maßstab der 364  Vgl. BT-Drs. 18/8434, S. 120 ff. sowie BT-Drs. 18/7457, S. 82 (zu § 155 Abs. 4 S.  1  AO n. F.). 365  Vgl. Berger, in: Knack/Henneke, VwVfG, § 35a, Rn. 8 f. 366  BT-Drs. 18/8434, S. 120 ff.; sowie BT-Drs. 18/7457, S. 82 (zu § 155 Abs. 4 S. 1 AO n. F.); für eine Parallelbetrachtung auch U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35a, Rn. 5 ff.; Braun Binder, DÖV 2016, 891 ff.; dies., DStZ 2016, 526 (527); Martini/Nink, NVwZ-Extra 10/2017, 1 (2 in Fn. 11) Schmitz/Prell, NVwZ 2016, 1273 (1273 f., 1280); Stuhlfauth, in: Obermayer/Funke-Kaiser, VwVfG, § 35a, Rn. 10; i. E. auch Hornung, in: Schoch/Schneider, VwVfG, § 35a, Rn. 45; vgl. zudem Prell, in: BeckOK VwVfG, § 35a, Rn. 22. 367  Vgl. § 2 B. VI. 368  Schmitz/Prell, NVwZ 2016, 1273 (1280); Prell, apf 2017, 237 (238). 369  BT-Drs. 18/8434, S. 120.

102

§ 3 Begriffsklärung

Modernisierung bildete, wurden die entsprechenden Anpassungen im VwVfG und SGB X (aus Gründen der Einheitlichkeit) nämlich erst zu einem späteren Zeitpunkt in das Gesetzgebungsverfahren und zudem noch von einem anderen legislativen Akteur eingebracht370, was wiederum gegen eine beabsichtigte Abweichung im begrifflichen Verständnis der Rechtskategorie spricht. Schließlich legt auch eine rechtspolitische und teleologische Sichtweise nahe, den ohnehin gesetzgeberisch angestrebten begrifflichen und kategorischen Gleichlauf auch in der wissenschaftlichen Beschreibung des Rechtsinstituts widerspiegeln zu lassen, zumal gerade eine größtmögliche Einheitlichkeit die flächendeckende Akzeptanz und den Einsatz moderner Verwaltungsstrukturen begünstigt.371 Eine nicht von gewichtigen sachlichen Gründen getragene Auseinanderentwicklung der grundlegenden Kategorie vollautomatischer Verwaltungsakte in den verschiedenen Verfahrenssäulen würde hier deutliche Hemmwirkungen hervorrufen, die einer erfolgreichen Weiterentwicklung einer digitalisierten Verwaltung zuwiderlaufen. Eine solche Auseinanderentwicklung rechtfertigende Sachgründe sind vorliegend nicht ersichtlich. Aus den genannten Gründen kann somit im Folgenden bei der definitorischen Konturierung der neuen Rechtskategorie vollständig automatisiert erlassener Verwaltungsakte eine parallele Betrachtung der Normen aller Verfahrenssäulen erfolgen, welchen hinsichtlich der grundlegenden Begrifflichkeiten insoweit ein einheitliches Konzept zugrunde liegt.372 Genau besehen kann es also um eine begriffliche Charakterisierung des vollautomatisierten Verwaltungsakts als übergeordnetes und einheitlich zu verstehendes Rechtsinstitut gehen, welche anhand der Kodifikationen des BestVerfModG ent­ wickelt wird. Es bleibt insoweit auch in diesem Bereich im Grundsatz bei der traditionell angestrebten Einheitlichkeit der Verfahrenssäulen.373

370  Vgl.

BT-Drs. 18/8434, S. 120; siehe hierzu bereits § 2 A. VI. 1. § 2 E. 372  Ebenso Roth-Isigkeit, DÖV 2020, 1018; U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35a VwVfG, Rn. 5; ders., in: Hill/Kugelmann/Martini, Digitalisierung in Recht, Politik und Verwaltung, 81 (90); Braun Binder, DÖV 2016, 891 ff.; dies., DStZ 2016, 526 (527); Martini/Nink, NVwZ-Extra 10/2017, 1 (2 in Fn. 11) Schmitz/ Prell, NVwZ 2016, 1273 (1273 f., 1275, 1280); Stuhlfauth, in: Obermayer/FunkeKaiser, VwVfG, § 35a, Rn. 10; Prell, in: BeckOK VwVfG, § 35a, Rn. 22; i. E. auch Hornung, in: Schoch/Schneider, VwVfG, § 35a, Rn. 47; kritischer insoweit Berger, in: Knack/Henneke, VwVfG, § 35a, Rn. 9, 32; dies., NVwZ 2018, 1260 (1260 f.). 373  Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, Einleitung, Rn. 55 ff.; BT-Drs. 7/910, S. 107, 111; 7/4494, S. 3 f.; Schmitz/Prell, NVwZ 2016, 1273. 371  Vgl.



C. Prägende Charakteristika103

C. Prägende Charakteristikavollautomatisiert erlassener Verwaltungsakte i. S. d. Kodifikationen des BestVerfModG Wie dies angesichts der enormen Tragweite der Regelungen zu erwarten war, wurden sowohl das BestVerfModG im Allgemeinen als auch dessen Kodifikationen zum Rechtsinstitut vollautomatisierter Verwaltungsakte im Besonderen in der Wissenschaft auf breiter Front rezipiert und diskutiert.374 Die bisherigen literarischen Auseinandersetzungen mit vollautomatischen Verwaltungsakten sparten dabei nicht an plakativen Umschreibungen und Klärungsansätzen der hinzugewonnenen Kategorie, in dem Versuch einen Beitrag zu dem bei technikbedingten Rechtsmaterien ohnehin besonderen Schwierigkeiten unterworfenen Diskurs zu leisten. So wurde unter anderem das Fehlen einer personellen Bearbeitung bei allen Verfahrensschritten innerhalb der Verwaltung als entscheidendes Charakteristikum des vollständig automatisiert erlassenen Verwaltungsakts benannt. Eine Prüfung durch Amtsträger finde insofern nicht mehr statt.375 Der Computer sei beim vollautomatischen Erlass von Verwaltungsakten nicht mehr nur Assistent des Rechtsanwenders, sondern nun vielmehr selbst alleiniger Rechtsanwender und ersetze Behördenmitarbeiter praktisch vollständig.376 Es gehe um „rein technisch erzeugte Verwaltungsentscheidungen“377 bzw. „gänzlich ohne menschliches Zutun“ zustande gekommene Verwaltungsakte, deren gesamter Entscheidungs- und Erlassvorgang vollständig durch automatische Einrichtungen und ohne manuelle Eingriffe gesteuert werde378. Während auch hier die bisherigen Vorschläge im Rahmen der vorzunehmenden Begriffskonturierung zweifellos wertvolle Impulse liefern können, so darf an dieser Stelle trotzdem nicht außer Acht bleiben, dass den meisten der bisherigen Beiträge doch eher der Charakter einer (z. T. frühen) ersten Einordnung der Rechtskategorie in einen größeren Rechtszusammenhang bzw. der eines überblicksverschaffenden und zusammenfassenden Abrisses innewohnt, ohne den Anspruch einer grundlegenden und erschöpfenden Be374  Anders dagegen in der Rechtsprechung, wo eine begriffliche und inhaltliche Auseinandersetzung bisher – soweit ersichtlich – eher spärlich stattgefunden hat, vgl. insoweit nur VG Frankfurt (Oder), Urt. v. 9.9.2020 – VG 3 K 616/17; OVG Münster, Beschl. v. 10.12.2021 – 2 A 51/21; VGH München, Beschl. v. 26.1.2021 – 7 ZB 20.2029; VGH Mannheim, Beschl. v. 13.11.2020 – 2 S 2134/20. 375  Braun Binder, NVwZ 2016, 960; dies., in: Seckelmann, Digitalisierte Verwaltung, Kap. 12, Rn. 5; Prell, in: BeckOK VwVfG, § 35a, Rn. 6; Guckelberger, in: FS Herberger, 397 (401); vgl. auch Kube, VVDStRL 78 (2019), 289 (303). 376  Beirat VwVfR, NVwZ 2015, 1114 (1114 f.); Schmitz/Prell, NVwZ 2016, 1273. 377  Berger, DVBl. 2017, 804 (808). 378  Ramsauer/Tegethoff, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 35a, Rn. 2, 4, 10.

104

§ 3 Begriffsklärung

schreibung der Rechtskategorie zu erheben. Ihr wissenschaftlicher Detailgrad und die Tiefe der Auseinandersetzung fallen dementsprechend eher oberflächlich aus. Trotz der breiten wissenschaftlichen Rezeption des Gesetzes auch schon vor seinem Erlass und Inkrafttreten379 ist daher unverändert ein Bedarf an begrifflicher Klärung und systematischer Einbettung der Rechts­ kategorie in das bestehende Regelungsgeflecht zu attestieren.380 I. Aufgreifen des Begriffs „automatischer Einrichtungen“ Wie oben gezeigt sind begriffliche Hinweise oder Charakterisierungen im Wortlaut der Kodifikationen selbst nur eher spärlich gesät. Auch die normierten tatbestandlichen Zulässigkeitsvoraussetzungen lassen nur mittelbar Rückschlüsse auf die begriffliche Konturierung der Rechtskategorie zu und stehen folglich hier (noch) nicht im Mittelpunkt der Betrachtung. Als ersten Anhaltspunkt einer begrifflichen Annäherung ist das Augenmerk vorliegend darauf zu richten, dass die Kodifikationen der §§ 35a VwVfG und 31a SGB X bei der tatbestandlichen Umschreibung der neuen Rechtskategorie den bereits gesetzlich etablierten Begriff der „automatischen Einrichtung“ aufgreifen.381 Im Folgenden soll dieser daher zunächst für sich (abstrakt) eingeordnet und dann im Zusammenhang mit der Spielart des Verwaltungsakterlasses „mit Hilfe automatischer Einrichtungen“ näher beleuchtet werden. 1. Erste Einordnung des Begriffs Die Begrifflichkeit der „automatischen Einrichtungen“ findet sich heute an diversen Stellen in den Verfahrensordnungen wieder, u. a. in den §§ 28 Abs. 2  Nr. 4, 37 Abs. 5, 39 Abs. 2  Nr. 3 VwVfG, 33 Abs. 5, 35 Abs. 2 Nr. 3 SGB X. In sachlicher Hinsicht handelt es sich bei den begriffsbeinhaltenden Normen zumeist um Erleichterungen bestimmter Form- oder Verfahrensanforderungen, die zur Sicherung erstrebter Effizienzsteigerungen auf bestimmte Technikdefizite reagieren.382 Da der Terminus schon in den kodifizierten Urfassungen des VwVfG und SGB X zu finden war, gehören „automatische Einrichtungen“ zum ursprünglichen begrifflichen Repertoire der 379  Vgl. zur Partizipation verschiedener Interessengruppen bereits im Vorfeld des Gesetzgebungsverfahrens Braun Binder, DStZ 2016, 526 (527) m. w. N.; Heintzen, DÖV 2015, 780 f.; Seer, StuW 2015, 315 ff.; Schmitz/Prell, NVwZ 2016, 1273. 380  Zum unverändert bestehenden Klärungsbedarf Bull, DVBl. 2017, 409 (410). 381  Prell, in: BeckOK VwVfG, § 35a, Rn. 5; Schmid, jurisPR-ITR 3/2017, Anm. 2, B. III. 2. 382  Beispielhaft BT-Drs. 7/910, S. 52, 58 f., 61; U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/ Sachs, VwVfG, § 37, Rn. 130 ff.; Tiedemann, in: BeckOK VwVfG, § 37, Rn. 49.



C. Prägende Charakteristika105

allgemeinen und Sozialverwaltungsverfahrensordnung.383 Ein sehr ähnliches Bild zeigt sich für die Abgabenordnung, wo der Begriff der „automatische[n] Einrichtung“ heutzutage beispielsweise in den §§ 119 Abs. 3, 121 Abs. 2 Nr. 3 AO vorkommt und ebenfalls bereits auf die heute maßgebliche Urfassung der AO von 1977 zurückgeht.384 Obwohl der Begriff damit auch dem Abgabenverfahrensrecht alles andere als fremd ist, greift die AO in ihrer Kodifikation des vollautomatisierten Verwaltungsakts diesen nicht explizit auf. Wie oben ausgeführt spricht § 155 Abs. 4 AO stattdessen (u. a.) von der „ausschließlich automationsgestützt[en]“ Steuerfestsetzung und weicht damit im Wortlaut von den übrigen Verfahrensordnungen ab. Hierbei handelt es sich im Ergebnis jedoch um eine rein terminologische Divergenz; inhaltliche Unterschiede wohnen den verschiedenen Formulierungen nicht inne385 und liegen schon deshalb fern, weil insofern die gesetzgeberisch angestrebte Einheitlichkeit des Rechtsinstituts in den Verfahrensordnungen konterkariert würde.386 Im Übrigen werden auch auf Landesebene teils abweichende Formulierungsvarianten verwendet, wie etwa „automatische Vorrichtungen“ gem. § 108 Abs. 6 LVwG SchlH, wo eine synonyme Verwendung der Begrifflichkeiten außer Streit steht.387 In der Sache stellen „automatische Einrichtungen“ zunächst einen technikoffenen Ausdruck dar, für den das VwVfG – ebenso wie die übrigen Verfahrensordnungen – weder im Hinblick auf den Aufbau noch auf die genaue Funktionsweise nähere Vorgaben macht.388 Während zur Zeit seiner Einführung das Augenmerk vor allem auf zentralisierten (teils raumfüllenden) Großrechenanlagen lag, geht es im heutigen Kontext nahezu ausschließlich um moderne, dezentrale und vernetzte EDV-Anlagen, insbesondere den individuellen Personal Computer am behördlichen Arbeitsplatz, die begrifflich ebenso eingeschlossen sind.389 Gleiches gilt auch für zukünftige Formen von Anwendungssystemen, auch wenn genauere Spezifikationen und Wirkungs383  Vgl.

BGBl. 1976 I, S. 1261 ff.; BGBl. 1980 I, S. 1478. BGBl. 1976 I, S. 642. 385  Für eine synonyme Verwendung der beiden Termini auch Braun Binder, DÖV 2016, 891 (892); dies., DStZ 2016, 526 (527); vgl. zudem Heckmann, in: jurisPKITR, Kap. 5, Rn. 630; U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35a, Rn. 12; Prell, in: BeckOK VwVfG, § 35a, Rn. 5; ders., apf 2017, 237 (239); Schmitz/Prell, NVwZ 2016, 1273 (1275). 386  Siehe bereits oben unter § 3 B. II. 387  U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35a, Rn. 16. 388  Luthe, SGb 2017, 250 (252); Prell, in: BeckOK VwVfG, § 35a, Rn. 5; Schmitz/ Prell, NVwZ 2016, 1273 (1275 f.); U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35a, Rn. 16; Ramsauer/Tegethoff, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 35a, Rn. 9a. 389  U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35a, Rn. 16; Stuhlfauth, in: Obermayer/Funke-Kaiser, VwVfG, § 35a, Rn. 5; § 37, Rn. 37. 384  Vgl.

106

§ 3 Begriffsklärung

weisen solcher Systeme heute noch nicht absehbar sind.390 Als einzige qualifizierende Anforderung an die „Einrichtung“ ist sodann deren Automation, d. h. die von menschlichen Einwirkungen unabhängige Funktionsweise, auszumachen. Konkret werden unter den Begriff „automatischer Einrichtungen“ daher gemeinhin sämtliche technischen Anlagen gefasst, die nach vorher festgelegten Programmroutinen und Parametern autonom, d. h. ohne weiteres menschliches Zutun, funktionieren.391 Menschliche Einwirkungen (im weiteren Sinne) in Form von Einrichtungs-, Kontroll-, Instandhaltungs- oder Korrekturmaßnahmen, die bei einem Einsatz und Betrieb technischer Anlagen jedweder Art ohnehin unerlässlich sind, schaden dabei der eigentlich autonomen Arbeitsweise nicht.392 Auch die Einbeziehung verwaltungsexterner Wahrnehmungs- und Entscheidungselemente durch die Informationsverarbeitung der Anlage (z. B. Cloud-Anwendungen, soziale Medien etc.) soll an der Qualifikation als „automatische Einrichtung“ nichts ändern393, wobei es allerdings noch näherer Klärung bedarf, inwiefern eine solche Einbeziehung zumindest nach heutigem Entwicklungs- und Faktenstand in der Verwaltungswirklichkeit auch tatsächlich durchgeführt werden kann. Kehrseitig zu den bisherigen Konturierungen des Begriffs wird zugleich deutlich, dass eben nicht jeder Einsatz technischer Hilfsmittel beim Erlass eines Bescheides zum Einsatz „automatischer Einrichtungen“ i. S. d. Normen avanciert. So scheidet eine Qualifizierung als „automatische Einrichtung“ etwa dann aus, wenn ein PC lediglich ob seiner textverarbeitenden und -verwaltenden Qualitäten, also in der Funktion einer fortentwickelten Schreibmaschine verwendet wird.394 Erforderlich ist gewissermaßen ein positives Hinwirken der technischen Einrichtung auf das inhaltliche Zustandekommen des Verwaltungsakts. Auch eine bloß elektronische Übermittlung macht einen elektronisch übermittelten VA i. S. d. § 41 Abs. 2 VwVfG daher nicht eo ipso 390  Vgl. Luthe, SGb 2017, 250 (252); Stuhlfauth, in: Obermayer/Funke-Kaiser, VwVfG, § 35a, Rn. 5. 391  Prell, in: BeckOK VwVfG, § 35a, Rn. 5; U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35a, Rn. 16; Stuhlfauth, in: Obermayer/Funke-Kaiser, VwVfG, § 37, Rn. 37; Berger, in: Knack/Henneke, VwVfG, § 35a, Rn. 34; Schmitz/Prell, NVwZ 2016, 1273 (1275); Luthe, SGb 2017, 250 (252). 392  Prell, in: BeckOK VwVfG, § 35a, Rn. 5; Schmitz/Prell, NVwZ 2016, 1273 (1276); vgl. auch Berger, in: Knack/Henneke, VwVfG, § 35a, Rn. 34. 393  Luthe, SGb 2017, 250 (252) m. w. N. 394  U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, §  35a, Rn. 17; Kallerhoff/ Mayen, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 28, Rn. 62; Tiedemann, in: BeckOK VwVfG, § 37, Rn. 50; Tegethoff, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 37, Rn. 39 (genannt werden beispielhaft die Verwendung von Textbausteinen oder Speicherschreibgeräten); vgl. auch Degrandi, Die automatisierte Verwaltungsverfügung (1977), S. 18, der eine solche Unterscheidung bereits ebenso vornahm; undifferenziert insofern allerdings noch BVerwGE 45, 189 (191 bzw. Rn. 19).



C. Prägende Charakteristika107

zu einem „mit Hilfe automatischer Einrichtungen“ erlassenen Verwaltungsakt395, unabhängig von der Frage, ob die Übermittlung bzw. der Vorgang der Bekanntgabe überhaupt zum „Erlass“ i. S. d. Regelung gehört396. In gleicher Weise wird bloßen „Vervielfältigungsmaschinen“ die Qualifikation als „automatische Einrichtung“ abgesprochen, die lediglich eine massenhafte Reproduktion von auf herkömmlichem Wege erstellten Entscheidungen bewirken.397 Obgleich der Gesetzgeber ausweislich der Gesetzesbegründung zum (referenziell heranzuziehenden) heutigen § 37 Abs. 5 VwVfG letzterer Einschränkung offenbar noch zu widersprechen schien398, sprechen aus heutiger Sicht insbesondere teleologische Gesichtspunkte dafür, dass insoweit nur eine missverständliche Formulierung der Gesetzesbegründung gewählt wur­ de399. 2. Begriffsverständnis im Lichte des Verwaltungsakterlasses „mit Hilfe automatischer Einrichtungen“ Bei Durchsicht seiner normativen Verortungen fällt auf, dass der Begriff der „automatischen Einrichtungen“ bisher ausschließlich im Zusammenhang mit „mit Hilfe automatischer Einrichtungen“ erlassenenen Verwaltungsakten als besonders erwähnte „Spielart“ des Verwaltungsakterlasses auftaucht. Diese exklusive Verbindung der Begrifflichkeit, die erst mit Implementierung des vollautomatisierten Verwaltungsakts und dessen Aufgreifen der „automatischen Einrichtungen“ eine Lockerung erfuhr, zeitigte folglich entscheidenden Einfluss auf ihr inhaltliches Verständnis und spielt auch für die Deutung und Abgrenzung der verschiedenen Kategorien eine wichtige Rolle, die zwischen „mit Hilfe automatischer Einrichtungen“ und „vollständig durch automatische Einrichtungen“ erlassenen Verwaltungsakten einen nur graduellen Unterschied nahelegen.400

395  Schmitz, VR 1991, 213 (218); U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35a, Rn. 14; a. A. offenbar Redeker, NVwZ 1986, 545 (546); vgl. zu elektronisch übermittelten Verwaltungsakten i. S. d. § 41 Abs. 2 S. 2 VwVfG näher § 4 B. I. 2. 396  Siehe hierzu und zum Begriff des „Erlasses“ eingehender § 3 C. II. 2. a), 3. a). 397  U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35a, Rn. 17; Tiedemann, in: BeckOK VwVfG, § 37, Rn. 50; Tegethoff, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 37, Rn. 39. 398  BT-Drs. 7/910, S. 59; für eine begriffliche Einbeziehung von Vervielfälti­ gungsapparaten auch Ruffert, in: Knack/Henneke, VwVfG, § 37, Rn. 75; Ziekow, VwVfG, § 37, Rn. 18; Schönenbroicher, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, § 37, Rn. 167; wohl auch Polomski, Der Automatisierte Verwaltungsakt, S. 131 f. m. w. N. aus der älteren Literatur. 399  Überzeugend U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35a, Rn. 17. 400  Hierzu genauer § 3 II. 1.

108

§ 3 Begriffsklärung

Bezogen auf den „mit Hilfe automatischer Einrichtungen“ erlassenen Verwaltungsakt wurden die zuvor (isoliert) herausgearbeiteten Charakteristika „automatischer Einrichtungen“ sodann dergestalt mit Inhalt ausgefüllt, dass die technische Anlage im Zuge der autonomen Abarbeitung ihrer Arbeitsroutinen den Inhalt eines Verwaltungsaktes ganz oder teilweise selbsttätig generiert, also die Regelung als solche automatisch erstellt wird.401 Als entscheidende Eigenschaft „automatischer Einrichtungen“ wurde somit das – unter Zugrundelegung eingegebener Daten402 – (vollständig oder teilweise) automatisierte Stattfinden der Entscheidungsfindung selbst durch die technische Einrichtung angesehen.403 Klassische Beispiele eines dahingehenden Einsatzes stellten v. a. die Abwicklung von Rechenoperationen von Verwaltungsträgern, beispielsweise die Berechnung zu entrichtender Steuern und Abgaben bzw. von Versorgungs- bzw. Rentenbezügen, oder auch die Verwaltung von Terminen, z. B. bei der Vergabe öffentlicher Einrichtungen oder der Einberufung von Wehrpflichtigen, dar.404 Die insofern zutage tretende Konzentration der bisherigen (Einsatz-)Praxis auf Berechnungen und Terminverwaltungen ist dabei aber keineswegs zugleich mit einer kategorischen Begrenzung auf derartige Einsatzformen verbunden; automatische Einrichtungen eignen sich vielmehr im Grundsatz auch für die autonome Erledigung anderer (Rechts-) Aufgaben, insbesondere solcher, deren rechtlichen Grundlagen nicht über­ mäßig komplex strukturiert und von klaren (standardisierbaren) Voraussetzungen und Konditionalbeziehungen geprägt sind, so dass eine automatische Generierung der inhaltlichen Regelung ohne Weiteres möglich erscheint. Dies gilt umso mehr vor dem Hintergrund des heutigen Informationszeit­ 401  Tegethoff, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 37, Rn. 39; § 35a, Rn. 9; Tiedemann, in: BeckOK VwVfG, § 37, Rn. 50; U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35a, Rn. 17; Berger, in: Knack/Henneke, VwVfG, § 35a, Rn. 34; Skrobotz, Elektronische Verwaltungsverfahren, S. 170; Redeker, NVwZ 1986, 545; vgl. auch BVerwG NJW 1993, 1667. 402  Vgl. BT-Drs. 7/910, S. 59; näher hierzu sogleich unter § 3 C. 3. 403  U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35a, Rn. 17; BT-Drs. 7/910, S. 59; ebenso Tiedemann, in: BeckOK VwVfG, § 37, Rn. 50; Tegethoff, in: Kopp/ Ramsauer, VwVfG, § 37, Rn. 39; Heckmmann/Albrecht, in: Bauer/Heckmann/Ruge/ Schallbruch/Schulz, VwVfG, § 37, Rn. 102; VG Saarlouis, Bescheid v. 12.3.2008 – 11 K 246/05. 404  U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35a, Rn. 17; vgl. auch Maurer, JuS 1976, 485 (489); beispielhaft: BFHE 133, 251 (insbes. Rn. 13 – Einkommensteuerbescheid); VG Saarlouis, Bescheid v. 12.3.2008 – 11 K 246/05 (Abwassergebührenbescheid); OVG Saarlouis, Beschl. v. 21.11.2016 – 1 D 291/16, BeckRS 2016, 55859 (Rundfunkbeitragsbescheid); BVerwG NJW 1993, 1667 (Fehlbelegungsab­ gabenbescheid); BVerwGE 31, 236 (Rn. 28 – Fernsprechrechnung der Deutschen Bundespost, die als Verwaltungsakte zu qualifizieren waren); BVerwGE 40, 212 (Rn. 1 – Versorgungsbescheid); BVerwGE 48, 336 (Rn. 2 ff. – Wohngeldbescheid); BVerwGE 45, 189 (Rn. 17 ff. – Einberufungsbescheid).



C. Prägende Charakteristika109

alters, wo algorithmische Steuerungen und Arbeitsketten einen noch nie dagewesenen Perfektionsgrad erreichen. Auch darüberhinausgehende Eingrenzungen, etwa auf Fälle „rein vollautomatischer Erstellung der Bescheide“405, sind weder in der Begrifflichkeit noch dem Deutungsgehalt der zugrundeliegenden Normen angelegt und damit abzulehnen. Der hilfsweise Einsatz „automatischer Einrichtungen“ zum Erlass eines Verwaltungsakts enthält insofern keinerlei Rückschlüsse auf den Umfang der eigenständigen Generierung der inhaltlichen Regelung durch die technische Einrichtung und umfasst daher ohne Weiteres auch den nur partiellen Einsatz solcher Einrichtungen bei nur bestimmten Abschnitten des Entscheidungsprozesses, im Zuge dessen folglich nur Teile der inhaltlichen Regelung des Verwaltungsakts automatisiert generiert werden.406 Der Terminus der „automatischen Einrichtung“ ist damit losgelöst vom Umfang ihres Einsatzes bei der Entscheidungsfindung und -erstellung zu verstehen. 3. Beschränkungen des Einsatzspektrums Eine weitere Nachschärfung wird der inhaltlichen Reichweite der „automatischen Einrichtungen“ schließlich dadurch zuteil, dass nach den bisherigen Vorstellungen des Gesetzgebers und der h. M. in Bezug auf „mit Hilfe automatischer Einrichtungen“ erlassenen Verwaltungsakten die Abwicklung der autonomen Operationen durch die automatische Einrichtung jeweils auf der Basis von Sachverhaltsdaten erfolgen musste, die zuvor von behördlichen Sachbearbeitern in eigener Verantwortung erhoben, auf Plausibilität, Richtigkeit oder Glaubhaftigkeit (wertend) geprüft und erst dann in die automatische Einrichtung manuell eingespeist werden, damit die (Teil-)Entscheidung als Produkt der festgelegten Arbeitsabläufe erzeugt werden kann.407 In der Dik405  Vgl. hierzu Tiedemann, in: BeckOK VwVfG, § 37, Rn. 50 unter Verweis auf die Rechtsprechung des BVerwG NJW 1993, 781; 1993, 1667, die allerdings ausschließlich bzgl. der Formerleichterung des § 37 Abs. 4 S. 1 a. F. bzw. Abs. 5 VwVfG Geltung beanspruchen, nicht aber eine generelle Einschränkung der begrifflichen Reichweite der „mit Hilfe automatischer Einrichtungen“ erlassenen Verwaltungsakte rechtfertigen kann; vgl. auch Polomski, Der automatisierte Verwaltungsakt, S. 72. 406  Beispielhaft können hier die von Laue untersuchten Vorgangsbearbeitungssysteme angeführt werden, welchen innerhalb des betrachteten Anwendungsszenarios der Genehmigung einer Großveranstaltung, bestehend aus gewerberechtlichem Festsetzungsverfahren und straßen- und wegerechtlicher Sondernutzungserlaubnis, ebenfalls nur bestimmte Teil- oder Vorfragen zur autonomen Erledigung (etwa die Prüfung der Veranstaltungsart gem. §§ 64 ff. GewO) überantwortet werden können, s. Laue, Vorgangsbearbeitungssysteme in der öffentlichen Verwaltung, S. 74 ff., 247 f. 407  BT-Drs. 7/910, S. 59; U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35a, Rn. 19 f.; BVerwGE 45, 189 (191, 195 f.); a. A. wohl Stuhlfauth, in: Obermayer/ Funke-Kaiser, VwVfG, § 35a, Rn. 2.

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§ 3 Begriffsklärung

tion des Gesetzgebers des VwVfG 1976 bestanden rechtsstaatliche Bedenken nämlich nur dann nicht, „wenn auf Grund bestimmter Daten, die von einem Bediensteten verantwortlich ermittelt oder geprüft werden, der darauf zu erlassende Verwaltungsakt nur einen bestimmten Inhalt haben kann, so daß keinerlei verantwortliche Wertung mehr erforderlich ist“.408 Lediglich in solchen Konstellationen sei es vertretbar, „die zwingend vorgeschriebene ‚Entscheidung‘ auf Grund programmierter Daten der Maschine zu über­ lassen“.409 Während die vollständige oder teilweise Generierung der inhaltlichen Regelung damit folgerichtig erneut als zentrales Charakteristikum automatischer Einrichtungen bestätigt wird, so erfolgte hierbei gleichzeitig jedoch auch eine dahingehende Verengung ihres Einsatzspektrums (nur) auf solche Aufgabenprofile, mithin auf die Erstellung der Entscheidung (oder Entscheidungsteile) bzw. den Entscheidungsprozess selbst als finalisierenden Ausschnitt des ­gesamten Verwaltungsverfahrens, was sich auch mit den oben angeführten Beispielen sowie der bisherigen automationsgestützten Verwaltungspraxis deckt.410 Die Prozesse der Ermittlung, Bewertung und Eingabe der Sachverhaltsinformationen blieben dahingegen durchweg der mensch­ lichen Obhut vorbehalten, wurden also von vornherein dem möglichen Aufgabenspektrum der „automatischen Einrichtungen“ entzogen. Das auf dem Fundament des bisherigen Begriffsverständnisses vorgefundene Wesen der „automatischen Einrichtung“ könnte damit im Ergebnis zugespitzt als Bescheidformulierungs-, Subsumtions- oder Rechtsanwendungsautomat bezeichnet werden.411 Die Tatsache, dass diese Verengung des Einsatzspektrums in der Begrifflichkeit selbst nicht angelegt ist, ändert an diesem Befund grundsätzlich nichts, der an dieser Stelle primär auf den gesetzgeberischen und verwaltungspraktischen Vorstellungen, nicht einer rein grammatikalischen Exegese fußt. Dieser Aspekt soll daher hier noch außer Betracht bleiben. An späterer Stelle wird hierauf jedoch noch zu sprechen zu kommen sein.412 408  BT-Drs.

7/910, S. 59 (Hervorhebung durch den Verfasser). 7/910, S. 59; Stuhlfauth, in: Obermayer/Funke-Kaiser, VwVfG, § 35a, Rn. 2 erblickt hierin indes eine missverständliche Wendung, verkennt aber dabei den qualitativen Unterschied zwischen „mit Hilfe automatischer Einrichtungen“ und „vollständig durch automatische Einrichtungen“ erlassenen Verwaltungsakten; vgl. hierzu unten § 3 C. II. 1., 2. c) cc) sowie § 4 B. II. 410  Vgl. bereits oben § 3 C. I. 2.; vgl. Schmitz/Prell, NVwZ 2016, 1273 (1274, 1275); Windoffer, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, § 35a, Rn. 8; im Steuerverfahrensrecht konnte indes schon eine Erweiterung der Einsatzfelder automatischer Einrichtungen auf die Ermittlung und Bewertung der Besteuerungsgrundlagen (in Form von Risikomanagementsystemen) verzeichnet werden, vgl. Baldauf, DStR 2016, 833; Kaluza/Baum, NWB 2013, 2728 (2730 f.). 411  Vgl. U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35a, Rn. 20; ders., in: Hill/Kugelmann/Martini, Digitalisierung in Recht, Politik und Verwaltung, 81 (95). 412  Siehe § 4 B. II. 1. 409  BT-Drs.



C. Prägende Charakteristika111

4. Zusammenfassung Das erste charakterisierende Element der zu beschreibenden Rechtskategorie vollautomatisiert erlassener Verwaltungsakte bildet der Einsatz „automatischer Einrichtungen“. Diese gehören bereits seit dem Erlass ihrer kodifizierten Fassungen zum angestammten begrifflichen Repertoire der Verwaltungsverfahrensordnungen. Zu Gunsten einer verfahrensrechtlichen Systembildung ist es zu begrüßen, dass der Gesetzgeber im Zuge seiner jüngeren Kodifikationen des BestVerfModG an einen solchen etablierten Terminus anknüpft. Der Begriff für sich umfasst inhaltlich sämtliche technischen Sachmittel, die nach vorher festgelegten, gleichmäßig ablaufenden Parametern ohne menschliches Zutun funktionieren und dabei in ihrer Funktionalität über eine bloße Vervielfältigungsmaschine oder technische Schreibhilfe hinausgehen. Nähere Anforderungen an Aufbau sowie Art und Weise der autonomen Funktionsweise der eingesetzten Anlage werden dabei nicht gestellt. Die inhaltliche Reichweite der „automatischen Einrichtungen“ wurde zudem stark durch ihre regelungstechnische Verortung im Rahmen des Verwaltungsakterlasses „mit Hilfe automatischer Einrichtungen“ beeinflusst und lässt sich daher zunächst nur schwer hiervon isoliert umschreiben. Im Kontext dieser Spielart des Verwaltungsakterlasses wurde die spezifische Leistung der „automatischen Einrichtung“ in der selbsttätigen (vollständigen oder teilweisen) Generierung der inhaltlichen Regelung eines Verwaltungsakts erblickt. Das denkbare Einsatzspektrum „automatischer Einrichtungen“ im gesamten Verwaltungsverfahren war damit auf den Erlassvorgang im engeren Sinne als das Verwaltungsverfahren abschließender Akt, also eine Automa­ tisierung der Vorgänge der Subsumtion und Bescheidformulierung fixiert. Diese Begrenzung des möglichen Einsatzspektrums ist allerdings begrifflich nicht zwingend angelegt. Auf eine Kurzformel gebracht übernahmen „automatische Einrichtungen“ im bisherigen rechtlichen Kontext unter Zugrun­ delegung der Vorstellungen des Gesetzes und der Anwendungspraxis die Rolle von Subsumtions- bzw. Rechtsanwendungsautomaten, an deren Ende die Aus­gabe der Verwaltungsentscheidung (oder sie betreffender Teile) stand. Die tatsächliche Faktenbasis der vorgenommenen Entscheidungsfindung bildeten dabei nach dem bisherigen Konzept nach wie vor Sachverhaltsdaten, die von personellen Sachbearbeitern verantwortungsvoll ermittelt und in die automatische Einrichtung eingespeist werden. II. „Vollständig[er] […] Erlass“ durch automatische Einrichtungen Das zweite begriffscharakterisierende Merkmal des zu untersuchenden Rechtsinstituts findet sich in der Wendung des „vollständig[en] […] Er­

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§ 3 Begriffsklärung

lass[es]“ des Verwaltungsakts durch automatische Einrichtungen gem. §§ 35a VwVfG, 31a SGB X. Die AO spricht in ihrer einschlägigen Normierung des § 155 Abs. 4 S. 1 AO in diesem Zusammenhang leicht abweichend (u. a.) von „ausschließlich automationsgestützt[en]“ Steuerfestsetzungen. Inhalt­ liche Abweichungen sind mit den vorzufindenden Abweichungen des Wortlauts indes erneut nicht verbunden. Im Hinblick auf die begriffliche Bedeutung der Rechtskategorie ist insofern von einem synonymen Bedeutungsgehalt auszugehen.413 1. „Vollständigkeit“ des Erlasses durch automatische Einrichtungen Als erste Etappe der Untersuchung soll das Augenmerk zunächst auf die Anforderungen der „Vollständigkeit“ des Erlasses mittels automatischer Einrichtungen gerichtet werden. Die „Vollständigkeit“ ihres Einsatzes stellt hierbei den kennzeichnenden Unterschied zwischen den neu hinzugekommenen „vollständig durch automatische Einrichtungen“ bzw. „ausschließlich automationsgestützt“ erlassenen Verwaltungsakten i. S. d. §§ 35a VwVfG, 31a SGB X, § 155 Abs. 4 AO einerseits sowie der althergebrachten Kategorie der „mit Hilfe automatischer Einrichtungen“ erlassen Verwaltungsakte andererseits dar und bildet damit gleichzeitig das zentrale Abgrenzungskriterium beider ansonsten wortgleicher Gruppen.414 Im Rahmen der letztgenannten Ausprägungsform des Verwaltungsakterlasses wurden automatische Einrichtungen dabei – der textuellen Umschreibung entsprechend – als Hilfsmittel zum Verwaltungsakterlass begriffen, die zwar das Erlassverfahren spürbar zu beeinflussen und erleichtern vermochten, nicht jedoch die generelle Schirmherrschaft personeller Sachbearbeiter über das Verfahren bzw. die herkömmliche Durchführung und Beaufsichtigung des Verfahrens durch Menschenhand in Frage stellten.415 Von diesem Konzept nimmt der vollständig automatisiert erlassene Verwaltungsakt i. S. d. §§ 35a VwVfG, 31a SGB X, § 155 Abs. 4 AO nun deutlich Abstand. Anstelle der Rolle eines bloßen Hilfsmittels wohnt dem Attribut der „Vollständigkeit“ des Erlasses durch automatische Einrichtungen die Implikation inne, dass die automatische Einrichtung jetzt zum ausschließlichen Akteur im Rahmen des Verwaltungsakterlasses aufrücken soll.416 Kehrseitig zum Aufrücken der tech413  Vgl.

hierzu bereits § 3 B. II. sowie § 3 C. I. 1. Ziekow, VwVfG, § 35a, Rn. 6. 415  Vgl. U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35a, Rn. 19 m.  w. N.; Schmitz/Prell, NVwZ 2016, 1273 (1275); Heckmann, in: jurisPK-ITR, Kap. 5, Rn. 630. 416  Beirat VwVfR, NVwZ 2015, 1114 (1115); Schmitz/Prell, NVwZ 2016, 1273 (1275). 414  Vgl.



C. Prägende Charakteristika113

nischen Einrichtungen muss es zudem zu einer vollständigen Verdrängung der bisherigen Verfahrensakteure, namentlich der menschlichen Behördenmitarbeiter, kommen, wie dies auch im Rahmen der ersten literarischen Einordnungen der Rechtskategorie als zentrales Merkmal identifiziert wurde417. Der Wortlaut der §§ 155 Abs. 4 AO und 31a S. 1 SGB X stützt diesen Befund, indem der vollautomatisierte Verwaltungsakterlass ausdrücklich unter den Zulässigkeitsvorbehalt des Fehlens eines „Anlass[es] […], den Einzelfall durch Amtsträger zu bearbeiten“ gestellt wird, der im Umkehrschluss das völlige Ausbleiben menschlicher Intervention, mithin eine Art Exklusivitätsverhältnis zur personellen Bearbeitung durch Amtsträger vorgibt.418 Der Gesetzgeber geht insofern ausdrücklich von einem Erlass „ohne Prüfung durch Amtsträger“ aus.419 Die „Vollständigkeit“ des Erlasses durch automatische Einrichtungen statuiert damit in der Sache nicht nur eine umfangsmäßige Qualifizierung des Einsatzes automatischer Einrichtungen, sondern markiert kehrseitig auch einen grundsätzlichen Ausschluss einer menschlichen Bearbeitung im Rahmen des Verwaltungsakterlasses. Anderweitige Überlegungen, der Begriff der Vollautomation kennzeichne nicht das Fehlen jeglicher menschlichen Mit­ wirkung, sondern gehe lediglich von einer Vorverlagerung des personellen Entscheidungsanteils auf die Ebene der Programmierung des vollautomatisierten Verwaltungsverfahrens aus420, verfangen insofern deshalb nicht, weil die Normen zum vollautomatisierten Verwaltungsakt auf das konkrete Verwaltungsverfahren i. S. d. § 9 VwVfG bezogen sind, an dem die Programmierung und Einrichtung der Entscheidungssysteme als bloße Vorbereitungshand­ lungen noch nicht teilhaben421. Als unklar erweist sich trotz dieser ersten Erkenntnisse allerdings noch, welche konkreten Abschnitte eines Verwaltungsverfahrens ohne personelle Beteiligung eines Behördenmitarbeiters ablaufen müssen, um einen „vollständig durch automatische Einrichtungen“ erlassenen Verwaltungsakt i. S. d. BestVerfModG hervorbringen zu können, welche (folglich vollautomatisiert abzuwickelnden) Verfahrensabschnitte also qualitativ zum Vorgang des „Erlass[es]“ i. S. d. §§ 35a VwVfG, 31a SGB X

417  So etwa Martini/Nink, NVwZ-Extra 10/2017, 1 (2); Schmitz/Prell, NVwZ 2016, 1273 ff.; Braun Binder, DÖV 2016, 891 (892); Heckmann, in: jurisPK-ITR, Kap. 5, Rn. 630; vgl. auch Berger, DVBl. 2017, 804 (808); Ramsauer/Tegethoff, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 35a, Rn. 2, 4, 10. 418  Vgl. auch Martini/Nink, NVwZ-Extra 10/2017, 1 (2 in Fn. 11). Auch hierbei handelt es sich lediglich um terminologische Abweichungen im Vergleich zu § 35a VwVfG. 419  BT-Drs. 18/7457, S. 82 im Kontext des § 155 Abs. 4 AO. 420  So Berger, in: Knack/Henneke, VwVfG, § 35a, Rn. 36 f. 421  Vgl. Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 9, Rn. 107, 107b, 120, 161.

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§ 3 Begriffsklärung

und 155 Abs. 4 AO zählen.422 Dem soll im Folgenden anhand einer Beleuchtung konkreter Verfahrensetappen nachgegangen werden. 2. Automatisierung des vorgelagerten Verwaltungsverfahrens? Wie unter § 3 C. I. herausgearbeitet wurde, bestand die maschinelle Leistung im Rahmen der „mit Hilfe automatischer Einrichtungen“ erlassenen Verwaltungsakte darin, die inhaltliche Regelung des Verwaltungsakts – nach Einspeisung der vorher händisch sorgfältig ermittelten Sachverhaltsdaten – ganz oder teilweise selbsttätig zu generieren. Die so zum Einsatz gebrachten „automatischen Einrichtungen“ traten auf der Ebene des Erlassvorgangs im engeren Sinne, also quasi in der Funktion eines Rechtsanwendungsautomaten in Aktion.423 Des Weiteren konnte festgestellt werden, dass die „Vollständigkeit“ des Verwaltungsakterlasses eine Qualifizierung des Einsatzumfanges automatischer Einrichtungen bedingt, automatische Einrichtungen also in gesteigertem Maße im Vergleich zu nur „mit ihrer Hilfe“ erlassenen Verwaltungsakten eingesetzt werden müssen.424 Wenn sich also einerseits das Einsatzspektrum automatischer Einrichtungen im Rahmen ihres Einsatzes als Hilfsmittel auf die Ebene der Rechtsanwendung begrenzte und zudem andererseits ein umfangsmäßiger Mehreinsatz automatischer Einrichtungen er­ forderlich ist, so liegt als Folgerung nahe, dass die „Vollständigkeit“ i. S. d. §§ 35a VwVfG, 31a SGB X, 155 Abs. 4 AO gerade darin ihren Ausdruck findet, dass nunmehr auch das dem eigentlichen Erlassvorgang des Ver­ waltungsakts vorgelagerte Verwaltungsverfahren vollautomatisiert – mittels automatischer Einrichtungen – stattfindet. Mit dem eigentlichen Erlassvorgang werden hierbei insbesondere diejenigen Etappen umschrieben, die dem bisherigen Einsatzspektrum der automatischen Einrichtungen entsprachen, also die Vorgänge der Subsumtion und der Bescheidformulierung, während unter die diesen vorgelagerten Verfahrensabläufe vor allem die Prozesse einer Sachverhaltsermittlung sowie der Durchführung einer Anhörung zu fassen sind, die der rechtslogischen Vorgehensweise entsprechend zeitlich vor 422  Herold, Demokratische Legitimation automatisiert erlassener Verwaltungsakte, S. 268 ff., insbes. 270 f. grenzt teil- und vollautomatisiert erlassene Verwaltungsakte nach den Verfahrensgesetzen dagegen nicht begrifflich anhand des Fehlens mensch­ licher Mitwirkungsbeiträge innerhalb bestimmter Verfahrensabschnitte ab, sondern hebt eine neuerdings (nur) bei vollautomatisiert erlassenen Verwaltungsakten eintretende Steuerungswirkung des Entscheidungsprogramms für die Ausübung von Hoheitsgewalt im demokratietheoretischen Sinne als „Neuerung“ der Vollautomatisierung hervor, die zuvor bei lediglich entscheidungsunterstützenden Programmen ihrer Auffassung nach nicht bestand, nunmehr aber auch eine Legitimationsbedürftigkeit des Entscheidungsprogramms selbst bedinge. 423  Vgl. § 3 C. I. 3. 424  Siehe oben § 3 C. II. 1.



C. Prägende Charakteristika115

der Abgleichung der vorzufindenden Lebenswirklichkeit mit den rechtlichen Voraussetzungen und der abschließenden Formulierung des Bescheids erfolgen. Auf diese Hypothese gilt es näher einzugehen. a) Vorgelagertes Verfahren als Bestandteil des „Erlasses“ Die Normierungen zur Kategorie vollautomatisierter Verwaltungsakte behandeln einmütig den vollautomatisierten „Erlass“ eines Verwaltungsakts, ohne aber dabei Reichweite oder Bestandteile des „Erlasses“ näher zu konkretisieren. Insbesondere ergibt sich aus den in Rede stehenden Normen selbst nicht unmittelbar, ob auch das der eigentlichen Entscheidungsfindung vorgelagerte Verwaltungsverfahren als Bestandteil des „Erlasses“ i. S. d. Normen zu verstehen ist, welches sodann nach der gesetzlichen Konzeption der Neuregelungen ebenfalls „vollständig durch automatische Einrichtungen“ bewirkt werden müsste. Eine genauere Betrachtung des Erlassbegriffes erscheint insofern angezeigt. Dies gilt umso mehr, als kritische Stimmen dem Erlassbegriff aufgrund sprachlicher Ungenauigkeiten von vornherein keine Aussagekraft beimessen wollen.425 aa) Der „Erlass“ als Akt behördlicher Willensäußerung und -bekanntgabe Zunächst ist festzustellen, dass der Begriff des „Erlasses“ in den Verfahrensordnungen vielfach Verwendung findet426, aber an keiner Stelle legal definiert wird427. Systematisch bezieht sich die Begrifflichkeit dabei im (materiell) verwaltungsrechtlichen Kontext ausschließlich auf die Handlungsform des Verwaltungsakts428, die nach der herrschenden verwaltungsrechtlichen Dogmatik als behördliche Willenserklärung eingeordnet wird429. Obgleich anknüpfend an die Charakteristik als Willenserklärung zunächst die Annahme 425  Vgl. U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35a, Rn. 15; andeutungsweise auch Schmitz/Prell, NVwZ 2016, 1273 (1275 f.), jeweils allerdings im Kontext einer begrifflich mit umfassten Bekanntgabe, nicht des der eigentlichen Entscheidungsfindung vorgelagerten Verfahrens. Zur Notwendigkeit einer automatisierten Bekanntgabe sodann eingehend § 3 C. II. 3. 426  Vgl. Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 9, Rn. 195; beispielhaft sind etwa die §§ 9, 24 Abs. 1 S. 3, 36 Abs. 2, 37 Abs. 2 VwVfG, 8, 33 Abs. 2 S. 1 SGB X sowie § 119 Abs. 2 S. 1 AO zu nennen. 427  Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 18. Aufl. 2017, § 35a, Rn. 10; Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 9, Rn. 195. 428  Bei öffentlich-rechtlichen Verträgen ist dagegen vom „Abschluss“ die Rede, s. etwa § 9 VwVfG 429  Ruffert, in: Ehlers/Pünder, Allg. VerwR, § 21, Rn. 15; v. Alemann/Scheffczyk, in: BeckOK VwVfG, § 35, Rn. 118; U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35, Rn. 69; beispielhaft BVerwG NVwZ-RR 2012, 628 (Rn. 15 ff.).

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§ 3 Begriffsklärung

naheliegen könnte, dass von einem „Erlass“ eines solchen Rechtsakts erst dann auszugehen ist, wenn sämtliche Bestandteile einer solchen Willenserklärung vorliegen, mithin sowohl die Prozesse der Willensbildung, der Vorgang der Willensäußerung als auch die dieser nachfolgende Entscheidungsbekanntgabe abschließend vorgenommen wurden430, hat sich nach der wohl überwiegenden Meinung in Literatur und Rechtsprechung ein tatsächlich engerer Bedeutungsumfang herausgebildet, nach dem insbesondere die Prozesse der Willensbildung nicht den Bestandteilen des „Erlasses“ zuzurechnen sind, der „Erlass“ mithin lediglich den „gesamte[n] Vorgang der Willens­ äußerung der Behörde in dem dafür vorgesehenen Verfahren und der dafür vorgesehenen Form mit Einschluss der Bekanntgabe“ umfassen soll.431 In zivilrechtlichen Dimensionen gedacht beinhaltet der „Erlass“ an sich damit nur Aspekte des Wirksamwerdens der behördlichen Willenserklärung in Form der Entäußerung der Erklärung sowie der Herstellung ihrer Zugangs­ voraussetzungen. Nicht begrifflich umfasst sind dagegen die vorgelagerten Aspekte des Vorliegens einer Willenserklärung sowie ihres konkreten Inhalts und der zu dieser Willenserklärung führenden Motive des erklärenden Rechtssubjekts. Übersetzt in die Sprache des verwaltungsrechtlichen Entscheidungsprozesses können als Teile des „Erlasses“ damit also jedenfalls die Erstellung und (textuelle) Formulierung des gebildeten und zu äußernden Willens und – nach herrschendem Verständnis – auch die Bekanntgabe des Verwaltungsakts identifiziert werden.432 Nicht dem „Erlass“ zugehörig sind dagegen diejenigen Abschnitte des Verfahrens, die der Willensäußerung erst vorgela430  Vgl.

hierzu U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35, Rn. 70. in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 9, Rn. 193 ff., insbes. 195 (Hervorhebungen durch den Verfasser); OVG Münster NVwZ-RR 2000, 490 (492); vgl. auch OVG Koblenz DVBl. 1983, 955; BVerwGE 55, 299 (302); a. A. etwa SchmidtDe Caluwe, VerwArch 90 (1999), 60; Ule/Laubinger, VwVfR, § 53, Rn. 1; Laubinger, Verwaltungsakt mit Doppelwirkung, S. 92 f., die den „Erlass“ mit der Abgabe einer Willenserklärung durch die Behörde i. S. d. entsprechend anzuwendenden § 130 BGB gleichsetzen und somit den Bekanntgabevorgang aus dem Verwaltungsverfahren gem. §§ 9 VwVfG, 8 SGB X herauslösen, vgl. zum Streitstand U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35, Rn. 21; § 37, Rn. 45; § 41, Rn. 3. Im Zusammenhang mit der Reichweite des „Erlasses“ eines Verwaltungsakts als Abschlussakt des Verwaltungsverfahrens besteht überdies Streit über den Zeitpunkt der Beendigung des Verwaltungsverfahrens i. S. d. § 9 VwVfG, vgl. hierzu Schmitz, in: Stelkens/Bonk/ Sachs, VwVfG, § 9, Rn. 193 ff.; Pünder, in: Ehlers/Pünder, Allg. VerwR, § 14, Rn. 63 je m. w. N. 432  U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35, Rn. 21; § 35a, Rn. 14; § 41, Rn. 3; nur unter Einschluss der Bekanntgabehandlung auch Windoffer, in: Mann/ Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, § 35a, Rn. 15, 21; vgl. zudem Ramsauer, in: Kopp/ Ramsauer, VwVfG, 18. Aufl. 2017, § 35a, Rn. 10; siehe zum Streit auch § 3 C. II. 3. a). 431  Schmitz,



C. Prägende Charakteristika117

gert sind, namentlich u. a. die Ermittlung, Auswertung und Verifizierung der Sachverhaltsgrundlagen sowie beispielsweise die Durchführung einer Anhörung, die dem Bereich der behördlichen Willensbildung als Etappe auf dem Weg zur abschließenden Willensäußerung zuzurechnen sind. Das vorgelagerte Verwaltungsverfahren ist damit in der Konsequenz nicht zum Vorgang des „Erlasses“ des Verwaltungsakts im eigentlichen Sinne zu zählen.433 Dieses Ergebnis deckt sich letztlich auch mit dem (legal definierten) Zuschnitt des Verwaltungsverfahrens i. S. d. §§ 9 VwVfG, 8 SGB X434, das den „Erlass“ eines Verwaltungsakts zwar als Abschlussakt und auch Bestandteil des Verfahrens benennt435, neben diesem aber mit der „Prüfung der Voraussetzungen“ und der „Vorbereitung eines Verwaltungsakts“ weitere (vorgelagerte) Verfahrensschritte umfasst. Die vorgelagerte Phase der behördlichen Willensbildung bzw. das dem e­ igentlichen Erlassvorgang vorgelagerte Verwaltungsverfahren ist somit nach den dargelegten Grundsätzen vom Begriff des „Erlasses“ i.  S.  d. §§ 35a VwVfG, 31a SGB X und 155 Abs. 4 AO grundsätzlich nicht umfasst.436 Eine Begriffskonturierung der Kategorie vollständig automatisiert erlassener Verwaltungsakte unter ausschließlicher Zugrundelegung der herausgearbeiteten Gehalte des „Erlasses“ hätte demnach zur Folge, dass eine ebenfalls automatisierte Abwicklung des vorgelagerten Verwaltungsverfahrens, namentlich vor allem der Sachverhaltsermittlung und ggfls. der Durchführung einer Anhörung, für das Vorliegen eines vollautomatischen Verwaltungsaktes begrifflich nicht zu fordern wäre. bb) Eingeschränkte Aussagekraft des Erlassbegriffs Was unter Zugrundelegung einer allein von der Begriffsbedeutung des „Erlasses“ ausgehenden Interpretation ohne Weiteres schlüssig erscheint, ruft im Lichte einer gesamtheitlicheren Betrachtung vollautomatisiert erlassener Verwaltungsakte i. S. d. Normen des BestVerfModG sodann aber erhebliche inhaltliche Unstimmigkeiten hervor. Diese rühren vor allem daher, dass sich 433  So auch Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 18. Aufl. 2017, § 35a, Rn. 10; Windoffer, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, § 35a, Rn. 15, 18. 434  Die AO enthält keine den §§ 9 VwVfG, 8 SGB X entsprechende Begriffsbestimmung, verwendet den Begriff des „Verwaltungsverfahrens“ aber ebenso, z. B. in § 86 AO. Hinsichtlich der Begrifflichkeit kann insofern auf § 9 VwVfG zurückgegriffen werden, vgl. etwa Dumke, in: Schwarz/Pahlke, AO/FGO, Vorbem. zu §§ 78–133 AO, Rz. 6. 435  Pünder, in: Ehlers/Pünder, Allg. VerwR, § 14, Rn. 63; Schmitz, in: Stelkens/ Bonk/Sachs, VwVfG, § 9, Rn. 193 ff.; Maurer/Waldhoff, Allg. VerwR, § 19, Rn. 27. 436  Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 18. Aufl. 2017, § 35a, Rn. 10; ebenso Windoffer, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, § 35a, Rn. 15.

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§ 3 Begriffsklärung

die den neuen Kodifikationen immanente „Vollständigkeit“ des Einsatzes automatischer Einrichtungen einerseits zwar durchaus und ohne Vorbehalte auf den „Erlass“ eines Verwaltungsaktes bezieht. Andererseits legen aber auch deutliche, überwiegend rechtspolitische Anhaltspunkte den Befund nahe, dass gerade die Automatisierung auch des vorgelagerten Verfahrens dem vollautomatisierten Verwaltungsakt als Erlassform mit (gerade gegenüber der vorherigen Spielart „teilautomatisierter“ Verwaltungsakte) qualifiziertem Automatisierungsgrad Rechnung trägt. Das begriffliche Ausscheiden des dem „Erlass“ vorgelagerten Verfahrensabschnitts disqualifiziert insofern ein vielsprechendes Abgrenzungskriterium und lässt die begrifflichen Konturen beider Rechtskategorien weiter verschwimmen.437 Eine zweckmäßige Auflösung dieser begrifflichen und letztlich auch systematischen Zwickmühle dürfte allerdings weniger darin zu erblicken sein, das vorgelagerte Verwaltungsverfahren tatsächlich aufgrund des insoweit zu ­engen Begriffs des „Erlasses“ aus dem Anwendungsbereich des vollständig automatisiert erlassenen Verwaltungsakts i. S. d. neuen Kodifikationen auszuschließen. Vor dem Hintergrund der noch eingehender zu beleuchtenden substanziellen Bedeutung gerade des dem Erlassvorgang vorgelagerten Verwaltungsverfahrens für die Vollautomatisierung der Verwaltungsentscheidungen, wie sie der Konzeption des BestVerfModG zugrunde liegt438, kann ein solcher von einem eher formalistischen Standpunkt aus abgeleiteter Befund nicht mit den gesetzgeberischen Ambitionen vereinbart werden. Im Einklang mit den bereits eingangs erwähnten kritischen Stimmen439 drängt sich vielmehr der Schluss auf, dass der Erlassbegriff im Rahmen der §§ 35a VwVfG, 31a SGB X – in gleicher Weise wie schon seine sprachlich ungenaue Verwendung im Rahmen der gesetzlichen Verortungen des „mit Hilfe automatischer Einrichtungen“ erlassenen Verwaltungsakts gem. §§ 28 Abs. 2 Nr. 4, 37 Abs. 5, 39 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG440 – einer (begrifflich) untechnischen bzw. sprachlich ungenauen Verwendung seitens des Gesetzgebers unterliegt und in der Folge der „Erlass“ im Rahmen der genannten Normen letztlich als ein der technisch sauberen Verwendung i. S. d. §§ 9 VwVfG, 8 SGB X gegenüber

437  Vgl. auch Windoffer, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, § 35a, Rn. 18; eingehend zur Abgrenzung vollautomatisierter Verwaltungsakte zu „mit Hilfe automatischer Einrichtungen“ erlassenen Verwaltungsakten sodann bei § 3 C. II. 2. c) cc) und § 4 B. II. 438  Vgl. nur BT-Drs. 18/7457, S. 82 (Steuerfestsetzung „ohne Prüfung durch Amtsträger“). 439  Siehe § 3 C. II. 2. 440  U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35a, Rn. 14  f.; eine exten­ sivere Auslegung legt auch Berger, in: Knack/Henneke, VwVfG, § 35a, Rn. 39 zugrunde.



C. Prägende Charakteristika119

weiter gefasster Begriff zu verstehen ist.441 Damit ist rein begrifflich – trotz des insoweit zu engen Erlassbegriffs – ebenso die automatisierte Phase der Willensbildung bzw. die „Vorbereitung“ eines Verwaltungsakterlasses im weiteren Sinne vom Anwendungsbereich der Normen umfasst. Aufs Ganze gesehen führen die identifizierten sprachlichen Ungenauigkeiten letztlich auch dazu, dass der Begrifflichkeit des „Erlasses“ im Hinblick auf die untersuchungsgegenständlichen Fragestellungen insgesamt nur ein stark begrenzter Aussagegehalt beigemessen werden kann und sich die Bedeutungsgehalte des „Erlasses“ damit generell als eher ungeeigneter Anhaltspunkt für eine systematisch kohärente Konturierung der Rechtskategorie vollautomatischer Verwaltungsakte entpuppen. b) Automatisiert erlassener Verwaltungsakt ohne automatisiertes Verwaltungsverfahren Über eine begriffsexegetische Betrachtung des „Erlasses“ hinaus, die sich im Ergebnis als wenig ertragreich herausstellte, muss nun zudem noch unter systematischen und teleologischen Gesichtspunkten verifiziert werden, ob das dem eigentlichen Erlassvorgang vorgelagerte Verwaltungsverfahren tatsächlich einer vollständigen Abwicklung durch automatische Einrichtungen überantwortet werden muss, um qualitativ von einem „vollständig durch automatische Einrichtungen“ bzw. „ausschließlich automationsgestützt“ erlassenen Verwaltungsakt i. S. d. §§ 35a VwVfG, 31a SGB X und 115 Abs. 4 AO sprechen zu können. In der Literatur finden sich hierzu vereinzelt Stimmen, die einen diesbzgl. ablehnenden Standpunkt nahelegen: Eine Vollautomatisierung auch des der Entscheidungsfindung vorgelagerten Verwaltungsverfahrens442 sei für die Qualifikation als vollständig automatisiert erlassenen Verwaltungsakt nicht zwingend zu verlangen. Entscheidend sei vielmehr bereits, dass der eigent­ liche Erlassvorgang der Verwaltungsentscheidung, der am Ende der entscheidungsvorbereitenden Abschnitte des Verwaltungsverfahrens steht und dieses formal zum Abschluss bringt, ohne personelle Beteiligung eines Behördenmitarbeiters erfolgt.443 „Daten, auf die beim automatisierten Erlass zurückge441  So im Kontext der Bekanntgabe U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35a, Rn. 15. 442  Als Elemente des vorgelagerten Verwaltungsverfahrens werden beispielhaft die Anhörung und die Sachverhaltsermittlung genannt, vgl. Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 18. Aufl. 2017, § 35a, Rn. 10. 443  Vgl. Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 18. Aufl. 2017, § 35a, Rn. 9, 10; zust. Rüsken, in: Klein, AO, § 155, Rn. 75; ähnlich Engelmann, in: Schütze, SGB X, § 31a, Rn. 8 f.; wohl auch Hornung, in: Schoch/Schneider, VwVfG, § 35a, Rn. 29;

120

§ 3 Begriffsklärung

griffen wird“, müssten in diesem Sinne „nicht selbst automatisch generiert worden sein“.444 Einer solchen Sichtweise springt auf den ersten Blick der Wortlaut der Kodifikationen des vollautomatisierten Verwaltungsakts bei. Dieser spricht nämlich vom vollständig durch automatische Einrichtungen durchgeführten „Erlass“ des Verwaltungsaktes, der als das Verwaltungsverfahren abschließender Akt den vorgelagerten Beginn und weiteren Ablauf des Verwaltungsverfahrens rein begrifflich betrachtet gerade nicht mehr umfasst.445 Das vollautomatisierte Ablaufen ebendieses vorgelagerten Verwaltungsverfahrens nicht als zwingende Voraussetzung für das Vorliegen eines „vollständig durch automatische Einrichtungen“ „erlassenen“ Verwaltungsakts anzusehen, wäre insofern nur konsequente Folge einer solchen textuellen Auslegung. Gleichzeitig konnte allerdings gezeigt werden, dass der Erlassbegriff (u. a.) in diesen Normen einer technisch ungenauen Verwendung seitens des Gesetzgebers unterliegt, wodurch von der Begrifflichkeit des „Erlasses“ her abgeleitete Rückschlüsse auf die Konturen des Rechtsinstituts vollautomatisierter Verwaltungsakte kaum mehr als tragfähige Argumente aktiviert werden können.446 Ein robusterer Ansatz für den Ausschluss des vorlagerten Verwaltungsverfahrens könnte sich lediglich aus der ratio der einschlägigen Kodifikationen ergeben, welchen durch die Implementierung einschränkender Zulässigkeitsvoraussetzungen für den vollautomatisierten Verwaltungs­ akterlass unter anderem447 auch eine (rechtsstaatlich absichernde) Begrenzungsfunktion beigemessen wurde.448 Während die Existenz einer solchen Begrenzungsfunktion sodann durchaus eine gewisse erste Indikation dahingehend liefert, dass der begriffliche Anwendungsbereich der Kategorie nicht übermäßig eingegrenzt verstanden werden darf, damit die beschränkenden anders nunmehr aber Ramsauer/Tegethoff, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 35a, Rn. 10 (ab 22. Aufl. 2021). 444  Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 18. Aufl. 2017, § 35a, Rn. 10. In diesem Zusammenhang muss meines Erachtens genauer zwischen Vorgängen der Datensatzbildung einerseits, für die als dem konkreten Verwaltungsverfahren i. S. d. §§ 9 VwVfG, 8 SGB X (weit) vorgelagerte Prozesse eine menschliche Beteiligung ohnehin unschädlich ist (vgl. Prell, in: BeckOK VwVfG, § 35a, Rn. 6), und andererseits Vorgängen der Identifikation und tatsächlichen Heranziehung von fallrelevanten Sachverhaltsdaten im konkreten Einzelfall als Aspekte des behördlichen Ermittlungsverfahrens unterschieden werden. 445  Siehe bereits oben unter § 3 C. II. 2. a) aa). 446  Vgl. oben § 3 C. II. 2. a) bb). 447  Darüber hinaus werden den Normen noch weitere Funktionen beigemessen, z. B. eine Klarstellungsfunktion, vgl. Ramsauer/Tegethoff, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 35a, Rn. 1 ff.; Berger, NVwZ 2018, 1260 (1262). 448  Vgl. etwa Ramsauer/Tegethoff, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 35a, Rn. 3; Windoffer, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, § 35a, Rn. 4; U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35a, Rn. 1; Prell, in: BeckOK VwVfG, § 35a, Rn. 3; BT-Drs. 18/8434, S. 121 f.



C. Prägende Charakteristika121

Zulässigkeitsvoraussetzungen auch tatsächlich ihre Wirksamkeit entfalten können, so bergen dahingehende Überlegungen genau besehen aber die Gefahr eines argumentativen Zirkelschlusses, wenn eine normative Begrenzungsfunktion, deren Eingreifen an einen geregelten Tatbestand anknüpft, zur Ausweitung ebenjenes tatbestandlichen Anwendungsbereichs herangezogen wird, und kann daher im Ergebnis ebenso wenig überzeugen. c) Automatisierung des vorgelagerten Verfahrens als zentrales Charakteristikum vollständig automatisiert erlassener Verwaltungsakte Trotz vereinzelter Anhaltspunkte, die auf eine Unbeachtlichkeit der Automatisierung auch des vorgelagerten Verwaltungsverfahrens hindeuten, kann eine solche Sichtweise im Ergebnis nicht überzeugen und ist daher abzu­ lehnen. Richtigerweise ist gerade die Automatisierung auch des dem eigentlichen Erlassvorgang vorgelagerten Verfahrens als das kennzeichnende ­Charakteristikum der neuen Kategorie der „vollständig durch automatische Einrichtungen“ bzw. „ausschließlich automationsgestützt“ erlassenen Verwaltungsakte i. S. d. §§ 35a VwVfG, 31a SGB X und 155 Abs. 4 AO zu identi­ fizieren, wie dies bereits der oben vorgenommene systematische Abgleich des bisherigen Einsatzspektrums automatischer Einrichtungen mit der im Rahmen der neuen Rechtskategorie verlangten „Vollständigkeit“ des Einsatzes automatischer Einrichtungen implizierte.449 Über eine bloße Automatisierung auf der Ebene der Rechtsanwendung und Bescheidformulierung hinaus, die zudem vollständig auf die Eingabe personell ermittelter Sachverhaltsdaten angewiesen war450, kommt es im Zuge des neuen Rechtsinstituts vollautomatisierter Verwaltungsakte zu einer Erweiterung des Einsatzspektrums „automatischer Einrichtungen“ im gesamten Verwaltungsverfahren dergestalt, dass nunmehr auch die Sammlung, Auswertung und Verifizierung der Sachverhaltsdaten vollautomatischen, von aktuellen menschlichen Einwirkungen grundsätzlich unabhängigen Prozessen überantwortet werden.451 Die Ausweitung des Einsatzspektrums automatischer Ein449  Vgl. zu Recht U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35a, Rn. 21 f.; ders., in: Hill/Kugelmann/Martini, Digitalisierung in Recht, Politik und Verwaltung, 81 (96); Windoffer, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, § 35a, Rn. 18; nunmehr auch Ramsauer/Tegethoff, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 35a, Rn. 10; vgl. zudem bereits § 3 C. II. 1. 450  Vgl. oben § 3 C. I. 3. 451  Zu Recht und in dieser Deutlichkeit erstmals U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/ Sachs, VwVfG, § 35a, Rn. 21 f.; ders., in: Hill/Kugelmann/Martini, Digitalisierung in Recht, Politik und Verwaltung, 81 (96); zust. v. Harbou, JZ 2020, 340 (341); RothIsigkeit, DÖV 2020, 1018; Guckelberger, Öffentliche Verwaltung, Rn. 80; dies.,

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§ 3 Begriffsklärung

richtungen bleibt indes dabei nicht auf Vorgänge der behördlichen Amts­ ermittlung beschränkt. Vielmehr sind unter dem Dach der vollständig automatisiert erlassenen Verwaltungsakte auch weitere Elemente des dem eigentlichen Rechtsanwendungs- und Bescheidformulierungsvorgangs vorgelagerten Verwaltungsverfahrens einer menschlichen Mitwirkung entzogen, beispielsweise die Wahrung des Anhörungsgrundsatzes (§§ 28 VwVfG, 24 SGB X, 91 AO), die Gewährung von Akteneinsicht (§§ 29 VwVfG, 25 SGB X452) bei Schaffung der notwendigen Rahmenbedingungen oder das Nachkommen allgemeiner Beratungs- und Hinweispflichten nach den Verfahrensordnungen (§§ 89 Abs. 1 AO, 25 VwVfG, 13 ff. SGB I). Durch die bereits zu Beginn des Verwaltungsverfahrens (und in erheblicher Weise sogar davor453) einsetzende Automatisierung der Prozesse findet gleichzeitig eine weitgehende Ersetzung einer (aktuellen) behördlichen Willensbildung statt, die in herkömmlichen Verfahren menschlichen Amtswaltern auferlegt ist. Hierzu gehört auch die Ersetzung der Willensbildung über das „Ob“ des Auslösens der weiteren automatischen Bearbeitung454, im Kontext des bisherigen Konzepts des „mit Hilfe automatischer Einrichtungen“ erlassenen Verwaltungsakts also die Entscheidung, ob die ermittelten und bewerteten Daten in die automatische Einrichtung zur weiteren automatischen Bearbeitung eingespeist werden sollen, oder ob im konkreten Fall – aufgrund etwa komplizierterer Ausgangs­ lagen oder atypischen Umständen – eine Rechtsanwendung und Bescheid­ formulierung durch den Behördenmitarbeiter geboten bzw. geeigneter erscheint. Konkret hat dies zur Folge, dass ein einmal automatisiertes Verwaltungsverfahren nur mehr durch eine nachfolgende „Aussteuerung“ aus dem automatisierten Verfahren der vollständig automatisierten Bearbeitung entzogen werden kann.455 Da es sich hierbei um einen „vollständig durch automatische Einrichtungen“ erfolgenden Verwaltungsakterlass handelt, also nach der hier vertretenen Ansicht auch das der eigentlichen Rechtsanwendung und Bescheidformulierung vorgelagerte Verwaltungsverfahren automatisiert ablaufen muss, werden diese Aussteuerungsmechanismen ihrerseits sodann ­ ewArch 2019, 457 (461); Wischmeyer, AöR 143 (2018), 1 (41); vgl. im Kontext des G Steuerverfahrens Müller-Franken, StuW 2018, 116; für das Sozialverwaltungsverfahren Köhler, WzS 2018, 279 (282). 452  In der AO fehlt eine entsprechende Normierung des Akteneinsichtsrechts. Die ganz h. M. geht indes davon aus, dass der Steuerpflichtige trotzdem einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung hat, ob und inwiefern ihm Akteneinsicht gewährt werden kann, vgl. BFH BStBl. II 1985, 571 (572); BStBl. II 1994, 552 (554); BStBl. II 2013, 639 (Rn. 10 ff.); Seer, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 91 AO, Rz. 25 ff. m. w. N. 453  Vgl. Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 9, Rn. 107a f. und Rn. 161; ders./Prell, NVwZ 2016, 1273 (1275). 454  U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35a, Rn. 21. 455  U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35a, Rn. 21.



C. Prägende Charakteristika123

ebenso von automatischen Systemen ohne menschliche Beteiligung vorgenommen. Aufgrund des Rückbezugs ihrer Aussteuerungsauswahl auf bestimmte Risikofaktoren, werden diese gemeinhin als Risikomanagement­ systeme bezeichnet, vgl. insbesondere die Legaldefinition gem. § 88 Abs. 5 AO.456 Von der Frage des „Ob“ der weiteren automatischen Bearbeitung gilt es allerdings denjenigen Impuls zu unterscheiden, der ein automatisiertes Verwaltungsverfahren überhaupt erst initiiert, quasi also die Frage „Ob“ und „Wann“ überhaupt ein automatisiertes Verwaltungsverfahren gerichtet auf den Erlass vollautomatischer Verwaltungsakte losgetreten wird.457 Die vorliegend vertretene Auffassung der Vollautomatisierung gerade auch des vorgelagerten Verwaltungsverfahrens im Rahmen „vollständig durch automatische Einrichtungen“ bzw. „ausschließlich automationsgestützt“ erlassener Verwaltungsakte i. S. d. §§ 35a VwVfG, 31a SGB X, 155 Abs. 4 AO erschöpft sich schließlich nicht in den obig aufgestellten Behauptungen. Vielmehr findet dieses begriffliche Verständnis in diversen Aspekten rund um das BestVerfModG argumentativen Rückhalt, deren Aufarbeitung in der Literatur bisher kaum tiefergehende Berücksichtigung gefunden hat und daher im Folgenden unternommen werden soll. aa) Semantische Anhaltspunkte Bereits rein semantisch erweist sich der Bedeutungsgehalt einer Rechts­ kategorie des „vollständig durch automatische Einrichtungen“ bzw. „ausschließlich automationsgestützt“ erlassenen Verwaltungsakts als nicht richtig eingefangen, wenn das der eigentlichen Entscheidungsfindung vorgelagerte Verwaltungsverfahren, das zweifellos einen umfangreichen und bedeutsamen Verfahrensabschnitt für das gesamte Verwaltungsverfahren bildet, gar nicht notwendig auf seine automatisierte Abwicklung angelegt ist, um besagter Kategorie begrifflich zu unterfallen. Ausgehend vom Topos der „vollständigen Automatisierung“ erscheint es bei Abwicklung des vorgelagerten Verwaltungsverfahrens in herkömmlicher Art und Weise insofern verfehlt, von einem vollautomatisiert erlassenen Verwaltungsakt zu sprechen.

456  Zu den begrifflichen Implikationen strukturell vorgesehener Aussteuerungsmechanismen näher unter § 3 C. II. 5; zu Risikomanagementsystemen im Detail § 5 C. I. 2. b) bb). 457  Vgl. hierzu U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35a, Rn. 25 sowie unten § 3 C. 4.

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§ 3 Begriffsklärung

bb) Die Aussagekraft der Begleitnormierungen Über die in ihrer Überzeugungskraft eine eher untergeordnete Rolle einnehmenden Argumente der Semantik hinaus bestehen allerdings auch von rechtlicher Seite erhebliche Einwände gegen eine Unabhängigkeit der Rechts­kategorie vollautomatischer Verwaltungsakte von einer Vollautomatisierung auch des vorgelagerten Verfahrens. Insbesondere kann hier eine eingehendere Betrachtung der Begleitnormierungen rund um die Rechtskategorie vollautomatisierter Verwaltungsakte nach dem BestVerfModG wertvolle Einsichten zum begrifflichen Verständnis der neu geschaffenen Kategorie liefern. (1) Erweiterte Amtsermittlung, §§ 24 Abs. 1 S. 3 VwVfG, 31a S. 2 SGB X So kam es im Zuge des BestVerfModG allen voran zu einer gesetzlichen Präzisierung der behördlichen Amtsermittlungspflicht durch Einfügung des § 24 Abs. 1 S. 3 VwVfG und des (wortgleichen) § 31a S. 2 SGB X als (systematisch unglücklich verortete) Parallelnorm458, die beide in unmittelbarem Zusammenhang mit der gesetzlich vorgesehenen Möglichkeit des vollautomatisierten Verwaltungsakterlasses stehen.459 Hiernach wurde bestimmt, dass die handelnde Behörde beim Einsatz automatischer Einrichtungen zum Verwaltungsakterlass diejenigen für den Einzelfall bedeutsamen tatsächlichen Angaben des Beteiligten zu berücksichtigen hat, die im automatischen Verfahren (ansonsten) nicht ermittelt würden. Zwar wurde diesen Einfügungen überwiegend der Charakter einer bloßen Klarstellung attestiert, deren Anforderungen ohnehin bereits vom allgemeinen Amtsermittlungsgrundsatz eingeschlossen würden.460 Dennoch gewähren sie lehrreiche Einblicke in die Vorstellungen des Gesetzgebers zu den begrifflichen Konturen vollautomatisierter Verwaltungsakte. Durch die klarstellende Erweiterung des Untersuchungsgrundsatzes auf solche Angaben, „die im automatischen Verfahren nicht ermittelt würden“, antizipierte der Gesetzgeber nämlich ein offenbar im Kontext der neuen Rechtskategorie zu befürchtendes Verwirklichungsdefizit 458  Kallerhoff/Fellenberg, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 24, Rn. 57a; Heßhaus, in: BeckOK VwVfG, § 24, Rn. 13b. 459  Vgl. Schmitz/Prell, NVwZ 2016, 1273 (1277); BT-Drs. 8434, S. 120 f.; Berger, in: Knack/Henneke, VwVfG, § 35a, Rn. 8; Kallerhoff/Fellenberg, in: Stelkens/Bonk/ Sachs, VwVfG, § 24, Rn. 57a; Heßhaus, in: BeckOK VwVfG, § 24, Rn. 13b sowie U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35a, Rn. 3, 21, 24, 41, 51, der § 24 Abs. 1 S. 3 VwVfG eine entscheidende Bedeutung für die Auslegung des § 35a VwVfG beimisst; vgl. zudem (auch zur systematisch unglücklichen Verortung des § 31a S. 2 SGB X) bereits § 2 A. VI. 2., C. und § 3 B. I. 2. 460  Vgl. § 2 A. VI. 2. und C.; vgl. auch Stegmüller, NVwZ 2018, 353 (357 f.).



C. Prägende Charakteristika125

im Bereich der behördlichen Amtsermittlungspflicht, welches vor Implementierung „vollständig durch automatische Einrichtungen“ erlassener Verwaltungsakte als solches noch nicht gesehen wurde. Zurückgeführt wurde dieses auszugleichende Amtsermittlungsdefizit dabei auf den hohen Grad an Schematisierung in diesen ausdrücklich als „automatische[…] Verfahren“ bezeichneten Fällen, deren automatisierte Prüfraster zwangsläufig mit Schwächen in der Berücksichtigung individueller Fallgestaltungen verbunden sind.461 Da die Phase der Amtsermittlung einen typischen Teil des dem eigentlichen Erlassvorgang vorgelagerten Verwaltungsverfahrens bildet462 und im Rahmen dieser Amtsermittlung ersichtlich von einer automatisierten Prüfung ausgegangen wird, liegt im Umkehrschluss nahe, dass nach den Vorstellungen des Gesetzgebers nunmehr auch bereits dieser vorgelagerte Verwaltungsabschnitt, dem neben den Vorgängen der behördlichen Amtsermittlung beispielsweise auch die Durchführung einer Anhörung zuzuordnen ist, der Domäne selbsttätig ablaufender Prozesse unterworfen, also kehrseitig der menschlichen Bearbeitung im Grundsatz entzogen sein soll.463 Die herausgearbeiteten Feststellungen lassen sich insofern zu der Fragestellung zuspitzen, warum es einer solchen ausdrücklichen und klarstellenden Erweiterung des Untersuchungsgrundsatzes in §§ 24 Abs. 1 S. 3 VwVfG, 31 S. 2 SGB X bedurft hätte, wenn die dem eigentlichen Entscheidungserlass vorangehenden und diesen vorbereitenden Abläufe nach der Konzeption der neuen Rechtskategorie wie bereits nach bisheriger Rechtslage auch personell durchgeführt werden könnten, wo durch automatisierte Prüfraster induzierte Standardisierungen offenkundig eine nur sehr untergeordnete Rolle spielen. Warum legte der Gesetzgeber offenbar so viel Wert darauf, an besagter Stelle klar als solche angeführten automatisierungsbedingten Ermittlungsdefiziten vorgreiflich klarstellend entgegenzuwirken464, wenn es für die tatbestandliche Annahme eines vollautomatischen Verwaltungsakts gar nicht auf die Automation (auch) des vorgelagerten Verwaltungsverfahrens ankäme? Die Kodifikationen der §§ 24 Abs. 1 S. 3, 31a S. 2 SGB X erscheinen vor diesem Hintergrund nur insoweit verständlich, als die Klarstellungen dem einer Automatisierung inhärenten Risiko einer verengten Sachverhaltsermittlung ent-

461  Vgl.

BT-Drs. 18/8434, S. 122. Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 9, Rn. 100 ff. inkl. der Abbildung davor. 463  Vgl. auch BT-Drs. 18/8434, S. 121 f.; Kallerhoff/Fellenberg, in: Stelkens/Bonk/ Sachs, VwVfG, § 24, Rn. 57d; U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35a, Rn. 21; Nink, Justiz und Algorithmen, S. 178; ähnlich zudem Windoffer, in: Mann/ Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, § 35a, Rn. 18. 464  Vgl. Siegel, DVBl. 2017, 24 (27); Kallerhoff/Fellenberg, in: Stelkens/Bonk/ Sachs, VwVfG, § 24, Rn. 57a. 462  Vgl.

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§ 3 Begriffsklärung

gegensteuern465 und in der Konsequenz „vollständig durch automatische Einrichtungen“ erlassene Verwaltungsakte eine Automatisierung auch des dem eigentlichen Erlassvorgang vorgelagerten Verwaltungsverfahrens voraus­ setzen. (2) Behördliches Risikomanagement gem. § 88 Abs. 5 AO In Detailliert- und Konkretheit über §§ 24 Abs. 1 S. 3 VwVfG, 31 S. 2 SGB X hinausgehend kam es des Weiteren auch im steuerverfahrensrecht­ lichen Kontext zu einer entsprechenden Arrondierung des Untersuchungsgrundsatzes, die ebenfalls in untrennbarem normativem Zusammenhang zur gesetzlich zugelassenen vollautomatisierten Steuerfestsetzung gem. § 155 Abs. 4 AO steht466 und als weiterer Kernpunkt des Gesetzesvorhabens verstanden wurde467. Allen voran traf der Gesetzgeber des BestVerfModG in § 88 Abs. 5 AO erstmals eingehendere Regelungen zum Einsatz sog. Risikomanagementsysteme im finanzbehördlichen Verfahren in Gestalt bestimmter gesetzlicher Mindestanforderungen.468 Wie es bereits ihre Verortung im Rahmen der Normierung zum steuerverfahrensrechtlichen Untersuchungsgrundsatz unschwer vermuten lässt, finden Risikomanagementsysteme ihren charakteristischen Einsatzzweck im Rahmen der behördlichen Sachverhaltsermittlungspflichten, namentlich in der Kompensation oder Vermeidung etwaiger Defizite bei der Amtsermittlung, die bei vollautomatischen Verfahren und der mit diesen verbundenen notwendigen Standardisierungen eintreten können. Als ihrerseits automatische Systeme sollen Risikomanagementsysteme dabei neben der Plausibilität der gemachten Angaben des Steuerpflichtigen auch die Notwendigkeit weiterer Ermittlungen und Prüfungen anhand von Risikoparametern beurteilen469 und so letztlich zur Gewährleistung der verfassungsrechtlich geforderten Gleichmäßigkeit und Gesetzmäßigkeit der Steuerfestsetzung beitragen.470 Genauso wie die klarstellenden Erweiterungen der §§ 24 Abs. 1 S. 3 VwVfG, 31a S. 2 SGB X leuchten damit auch die in § 88 Abs. 5 AO getroffenen Regelungen zu den gesetzlichen Mindestanforderungen von Risikoma465  Kallerhoff/Fellenberg, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 24, Rn. 57a; Siegel, DVBl. 2017, 24 (27). 466  Vgl. etwa BT-Drs. 18/7457, S. 48; Rätke, in: Klein, AO, § 88, Rn. 91. 467  BT-Drs. 18/7457, S. 67; vgl. auch Gehm, StuB 2016, 580. 468  BT-Drs. 18/7457, S. 70; Baldauf, DStR 2016, 833 (836); vgl. bereits § 2 B. VI. 2.; eingehend zu Risikomanagementsystemen im Speziellen § 5 C. I. 2. b) bb). 469  BT-Drs. 18/7457, S. 70; Rätke, in: Klein, AO, § 88, Rn. 95; Baldauf, DStR 2016, 833 (836). 470  Rätke, in: Klein, AO, § 88, Rn. 91.



C. Prägende Charakteristika127

nagementsystemen im Detail nur vor dem Hintergrund ein, dass nicht nur die Entscheidungsfindung selbst, sondern vielmehr auch die dem eigentlichen Erlassvorgang vorgelagerten Verfahrensabschnitte automatisiert und grundsätzlich ohne menschliche Anteilnahme ablaufen. Eine von § 88 Abs. 5 AO in diesem Bereich verlangte Aussteuerung eines Einzelfalls „zur umfassenden Prüfung durch Amtsträger“ macht nämlich nur dort Sinn, wo zuvor gerade keine personelle Bearbeitung durch Behördenmitarbeiter erfolgt wäre, so dass eine Aussteuerung nur aus einem vollständig automatisiert ablaufenden Verfahren gemeint sein kann.471 § 88 Abs. 5 AO liefert damit einen weiteren unmissverständlichen Hinweis, dass vollautomatisiert erlassene Verwaltungsakte gerade auch von der Automatisierung der Verfahrensprozesse, insbesondere der Sachverhaltsermittlung, gekennzeichnet sind. (3) Weitere Normen Unterstützende Anhaltspunkte für eine solche Beurteilung können überdies dem Erfordernis eines sog. qualifizierten Freitextfeldes gem. § 150 Abs. 7 S. 1 AO entnommen werden, dessen Inanspruchnahme i. V. m. § 155 Abs. 4 S. 3 AO zum Vorliegen eines Anlasses der personellen Bearbeitung und damit zu einer Aussteuerung des Einzelfalles aus dem vollautomatischen Verfahren führt.472 Da der Zeitpunkt solcher Eingaben im Freitextfeld durch den Steuerpflichtigen naturgemäß vor dem eigentlichen Erlassvorgang, oftmals sogar noch vor Beginn des eigentlichen Verwaltungsverfahrens i. e. S. des § 9 VwVfG stattfindet473, liefert der verknüpfende Zusammenhang zwischen Eingabe und Aussteuerung aus dem automatischen Verfahren ein weiteres Indiz dafür, dass gerade auch das vorgelagerte Verwaltungsverfahren beim „ausschließlich automationsgestützt“ erlassenen Verwaltungsakt nicht auf eine menschliche Beteiligung angelegt ist; den Steuerpflichtigen müsste ansonsten eine manuelle Aussteuerungsoption in diesem Sinne nicht an die Hand gegeben werden. Auch die §§ 87b bis 87e und der § 93c AO können hier genannt werden, die durch eine Harmonisierung der übermittelten Daten mitteilungspflichtiger Dritter sowie Regelungen zu den Bedingungen für die elektronische Übermittlung von Daten an Finanzbehörden und Anforderungen an nicht amtliche Datenverarbeitungsprogramme die notwendige Vor471  So

i. E. wohl auch Baldauf, DStR 2016, 833 (836). in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 150 AO, Rz. 50 f.; Rätke, in: Klein, AO, § 150, Rn. 82; Braun Binder, DStZ 2016, 526 (528). 473  Vgl. hierzu Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 9, Rn. 107a f. und Rn. 161, der zu Recht darauf hinweist, dass sich in vollautomatischen Verwaltungsverfahren ein nicht unerheblicher Teil der Vorgänge, beispielsweise Abfragen über Formulare, Suchen im Internetportal etc., vor Beginn des eigentlichen VwVfG i. e. S. des § 9 VwVfG abspielen, quasi also „vorgelagerte Vorbereitungshandlungen“ darstellen. 472  Seer,

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§ 3 Begriffsklärung

strukturierung eines vollautomatisch ablaufenden Ermittlungsverfahrens vornahmen.474 (4) Zusammenfassung Alles in allem erschließt sich der Bedeutungsgehalt der oben angeführten und in engem normativen Zusammenhang mit der Zulassung vollautomatisierter Verwaltungsakte stehenden Ergänzungen des BestVerfModG vollends nur unter dem Vorzeichen, dass auch von einem automatischen Ablaufen des vorgelagerten Verfahrens für das Vorliegen der neu hinzugewonnenen Rechtskategorie ausgegangen wird. Von einer Kompensation automatisierungsbedingter Ermittlungsdefizite ausgehende (klarstellende) Erweiterungen der behördlichen Amtsermittlungspflichten, Mindestanforderungen an behördliche Risikomanagementsysteme und Aussteuerungsmöglichkeiten durch qualifizierte Freitextfelder entbehren – anders formuliert – jedweder Sinnhaftigkeit, wenn für die tatbestandliche Qualifizierung als „vollständig durch automatische Einrichtungen“ bzw. „vollständig automationsgestützt“ erlassener Verwaltungsakt das dem eigentlichen Erlassvorgang vorgelagerte Verwaltungsverfahren auch manuell durchgeführt werden könnte. Den betrachteten gesetzlichen Begleitnormierungen wohnt damit die Implikation inne, dass dem vollautomatischen Verwaltungsakterlass im eigentliche Sinne ein voll­ automatisches Verwaltungsverfahren vorangeht, in dem insbesondere die Prozesse der Sachverhaltsermittlung grundsätzlich ohne menschliche Mitwirkung ablaufen. cc) Die gesetzessystematische Abgrenzbarkeit Ein zweiter – ebenso in der Gesetzessystematik begründeter – Punkt liegt in der gesetzessystematischen Abgrenzung der verschiedenen, in den Verfahrensordnungen vorkommenden „Ausprägungsformen“ des Verwaltungsakterlasses. In concreto drängt sich die Frage auf, an welcher Stelle die kategoriale Grenze zwischen nur „mit Hilfe automatischer Einrichtungen“ und „vollständig durch automatische Einrichtungen“ erlassenen Verwaltungsakten zu ziehen ist, wenn das vorgelagerte Verwaltungsverfahren für eine begriffliche Einschlägigkeit des vollständig automatisiert erlassenen Verwaltungsakts i. S. d. §§ 35a VwVfG, 31a SGB X und 155 Abs. 4 AO nicht (zwingend) vollautomatisch ablaufen muss.475

474  Vgl. 475  Vgl.

bes. 21 f.

zu den Normen § 2 B. VI. 2. auch U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35a, Rn. 19 ff., ins-



C. Prägende Charakteristika129

Wie oben dargelegt, wurde als zentrale Leistung der autonomen Operationen im Rahmen des „mit Hilfe automatischer Einrichtungen“ erlassenen Verwaltungsakts die vollständige oder teilweise Generierung des Inhalts eines Verwaltungsakts auf den Ebenen der Rechtsanwendung und Bescheid­ formulierung verstanden. Das den eigentlichen Subsumtions- und Ausfertigungsvorgängen vorgelagerte Verwaltungsverfahren, insbesondere die sorgfältige Ermittlung der relevanten Sachverhaltsdaten, war dagegen nach wie vor einer personellen Bearbeitung überantwortet.476 Käme es nun auf die Vollautomatisierung genau dieses vorgelagerten Verwaltungsverfahrens für das begriffliche Vorliegen eines vollautomatisiert erlassenen Verwaltungsakts i. S. d. neuen Kodifikationen gar nicht an, so könnten Verwaltungsakte, die nach der bisherigen Konzeption als „mit Hilfe automatischer Einrichtungen“ erlassene Verwaltungsakte zu qualifizieren gewesen wären, nunmehr ebenso unter die normierten „vollständig durch automatische Einrichtungen“ erlassenen Verwaltungsakte fallen. Die Automatisierung gerade auch des vorgelagerten Verwaltungsverfahrens wäre als Abgrenzungsmerkmal disqualifiziert. Eine trennscharfe Unterscheidung beider Kategorien erschiene in diesem Fall kaum mehr möglich. Dass es einer solchen klaren Grenzziehung jedoch dringend bedarf, steht allein schon aufgrund der vom Gesetzgeber als Einschränkung verstandenen Zulässigkeitsvoraussetzungen der §§ 35a VwVfG, 31a SGB X, 155 Abs. 4 AO außer Zweifel.477 Auch der Anwendungsbereich der Verfahrens- und Formerleichterungen der §§ 37 Abs. 5, 28 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG, 119 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 AO etc. umfasst dem Wortlaut nach grundsätzlich nur die Fälle des Verwaltungsakterlasses „mit Hilfe automatischer Einrichtungen“.478 Der Umfang bzw. die Vollständigkeit der automatisierten Abwicklung auf Ebene der Subsumtions- und Rechtsanwendungsvorgänge kann insofern jedenfalls nicht als taugliches Abgrenzungskriterium fruchtbar gemacht werden, da ebendiese Vollständigkeit der Automatisierung im Hinblick auf die Entscheidungsfindung selbst auch bereits im „mit Hilfe automatischer Einrichtungen“ erlassenen Verwaltungsakt enthalten479 und mit der Zulassung vollautomatisierter Verwaltungsakte demgegenüber gerade eine

476  Vgl.

oben § 3 C. I. 3. und davor 2. Rede ist von deren sog. Begrenzungsfunktion: vgl. etwa Ramsauer/Tegethoff, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 35a, Rn. 3; U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35a, Rn. 1; vgl. auch Prell, in: BeckOK VwVfG, § 35a, Rn. 3 sowie BTDrs. 18/8434, S. 121 f. 478  Vgl. zur Anwendbarkeit und Relevanz der Form- und Verfahrenserleichterungen auf bzw. für vollautomatische Verwaltungsakte § 4 B. II. 3., insbes. c); vgl. auch U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35a, Rn. 22 ff. 479  Vgl. BT-Drs. 7/910, S. 59 und oben § 3 C. I. 2. und 3. m. w. N.; a. A. wohl Stuhlfauth, in: Obermayer/Funke-Kaiser, § 35a, Rn. 2. 477  Die

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§ 3 Begriffsklärung

graduelle Steigerung des Automatisierungsgrads vorgesehen war.480 Dass sich im Rahmen der „mit Hilfe automatischer Einrichtungen“ erlassenen Verwaltungsakte die bisherige Verwaltungspraxis überwiegend in bloßen Berechnungen und Vorgängen der Terminverwaltung erschöpfte, ist hierbei ohne Belang, zumal begrifflich auch andere, komplexere Rechtsmaterien und Formen grundsätzlich umfasst sind481 und im Übrigen die Komplexität der automatisiert durchgeführten Rechtsanwendung keinerlei Aussagen über den Umfang des Einsatzes automatischer Einrichtungen im Verwaltungsverfahren trifft. Schon allein aus Gründen der Abgrenzbarkeit beider Kategorien ist damit richtigerweise im „vollständig durch automatische Einrichtungen“ erlassenen Verwaltungsakt im Vergleich zur älteren Kategorie des „mit Hilfe automatischer Einrichtungen“ erlassenen Verwaltungsakts eine graduelle Qualifizierung hinsichtlich des Einsatzumfangs automatischer Einrichtungen im gesamten Verwaltungsverfahren zu erblicken. Während bei teilautomatisiert erlassenen Verwaltungsakten die Ebene der Rechtsanwendung und Bescheidformulierung vollständig oder auch teilweise durch automatische Prozesse erledigt wurde, ist das kennzeichnende Charakteristikum der neu hinzugewonnenen vollautomatisiert erlassenen Verwaltungsakte das Fehlen einer personellen Bearbeitung nunmehr in jedem Stadium des Verwaltungsverfahrens, also auch während dem eigentlichen Erlass vorgelagerten Verfahrensabschnitten, insbesondere der Sachverhaltsermittlung sowie der Anhörung.482 dd) Rechtspolitische und teleologische Erwägungen Schlussendlich erscheint die bis hierhin herausgearbeitete Indikation hin zur notwendigen Vollautomation des vorgelagerten Verfahrens auch alles andere als verwunderlich, wenn man sich auf die rechtspolitischen Ziele der Reform des Besteuerungsverfahrens und später des gesamten Verfahrensrechts zurückbesinnt. Das zentrale Anliegen des BestVerfModG war nämlich von Anfang an davon gekennzeichnet, durch eine umfassende Modernisierung des Steuerverfahrensrechts auf gewandelte technische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Rahmenbedingungen zu reagieren, um auch weiterhin

480  Vgl. etwa BT-Drs. 18/7457, S. 82; Schmitz/Prell, NVwZ 2016, 1273 (1275); Beirat VwVfR, NVwZ 2015, 1114 (1115); zum Steuerverfahren Braun Binder, DStZ 2016, 526 (527). 481  Siehe § 3 C. I. 2. 482  So i. E. wohl auch Braun Binder, NVwZ 2016, 960; dies., in: Jusletter IT vom 22. September 2016, Rz. 7; Prell, in: BeckOK VwVfG, § 35a, Rn. 6; vgl. auch BTDrs. 18/7457, S. 48, 82; Ramsauer/Tegethoff, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 35a, Rn. 2, 4, 10.



C. Prägende Charakteristika131

einen rechtmäßigen und gleichmäßigen Steuervollzug zu gewährleisten.483 Insbesondere aus Gründen der Einheitlichkeit der Verfahrensordnungen erfolgte im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens eine Ausweitung der Modernisierungsbemühungen auch auf das allgemeine Verwaltungsverfahren und das Sozialverwaltungsverfahren.484 Konkret wurde dabei unter anderem die Steigerung von Wirtschaftlichkeit und Effizienz des Steuerverfahrens durch eine verstärkte informationstechnologische Durchsetzung des Verwaltungsverfahrens bzw. einzelner Verfahrenselemente benannt, einerseits zur Beschleunigung der abzuwickelnden Massenverfahren sowie andererseits zur Einsparung personeller Ressourcen, verbunden mit deren Konzentration auf wirklich prüfbedürftige Fälle.485 Das „Kernstück“ des Gesetzesvorhabens zur Erreichung dieses Anliegens486 bildete dabei die Öffnung der Verfahrensordnungen für Formen der vollautomatisierten Verfahrensabwicklung, allen voran durch die gesetzliche Implementierung einer ausschließlich automationsgestützten Steuerfestsetzung487, deren Durchführung gänzlich auf eine personelle Bearbeitung durch Steuerbeamte verzichten und als zweites „Leitbild“ neben die herkömmliche – auch bisher schon automationstechnisch unterstützte – Bearbeitung der Steuererklärung durch Amtsträger treten sollte488, bzw. eines korrespondierenden vollautomatisierten Verwaltungsakterlasses in VwVfG und SGB X.489 Abgesehen davon, dass der Gesetzgeber selbst vom gänzlichen Fehlen einer personellen Bearbeitung ausgeht490, macht bereits die gesetzliche Zielrichtung der Effizienzsteigerung und möglichst sinnvollen Allokation knapper Personalressourcen deutlich, dass mit dem neu eingefügten Rechtsinstitut die völlige Autonomie der Verfahrensabläufe von Anfang bis Ende gemeint ist, also insbesondere auch die Sachverhaltsermittlung und weitere Aspekte des der Entscheidungsfindung vorgelagerten Verwaltungsverfahrens ohne personelle Beteiligung stattfinden und die Behörde den erklärten Angaben des Betroffenen insofern ohne besondere Nachprüfung im

483  BT-Drs.

18/7457, S. 1 ff., 46 ff. bereits § 2 A. VI. 1. und § 3 B. II. 485  BT-Drs. 7457, S. 1, 48; BT-Drs. 18/8434, S. 121; Luthe, in: jurisPK-SGB X, § 31a, Rn. 16; vgl. auch Schmitz/Prell, NVwZ 2016, 1273 (1277) sowie bereits § 2 A. VI. 1. 486  Gläser/Schöllhorn, DStR 2016, 1577; Drüen, DB 2018, 11 (12); vgl. auch Fischer, jurisPR-SteuerR 40/2016, Anm. 1, I. 2. 487  Vgl. BT-Drs. 7457, S. 48; Braun Binder, DStZ 2016, 526 (527). 488  BT-Drs. 18/7457, S. 48 f., 82 f.; Maier, JZ 2017, 614; Braun Binder, DStZ 2016, 526 (527); vgl. bereits § 2 B. VI. 1. 489  Vgl. BT-Drs. 18/8434, S. 120, 122. 490  BT-Drs. 18/7457, S. 1, 48 f., 82; Braun Binder, in: Jusletter IT vom 22. September 2016, Rz. 7. 484  Siehe

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§ 3 Begriffsklärung

Grundsatz vertrauen darf.491 Einsparungen personeller Ressourcen und deren Konzentration auf problematische Fälle würden andernfalls torpediert, wenn vollautomatische Verwaltungsakte unverändert auf eine händische Abwicklung des vorgelagerten Verwaltungsverfahrens setzen würden, zumal eine automationsassistierte Steuerfestsetzung auf der Ebene der Rechtsanwendung bereits seit langem in den steuerpraktischen Alltag eingekehrt ist.492 Das darüberhinausgehende Einspar- und Effizienzpotenzial liegt somit gerade in der Automatisierung auch des vorgelagerten Verfahrens verborgen. Gleiches gilt für den automationsassistierten Entscheidungserlass in den anderen Verfahrensordnungen, der ebenfalls seit langem unter Zuhilfenahme automatischer Einrichtungen erfolgt.493 Modernisierungspotenziale durch Automatisierung des eigentlichen Erlassvorgangs können insofern als „alter Hut“ bezeichnet werden und waren bereits von der vorherigen Rechtslage abgedeckt, unabhängig davon, ob diese in der Praxis auch bereits vollständig ausgeschöpft wurden.494 Die verfolgten Anliegen der Beschleunigung und Effizienzstei­ gerung des Verfahrens könnten insofern bezweifelt werden, wenn erhebliche Teile des Verwaltungsverfahrens auf regelmäßiger Basis manuell abgewickelt werden müssten. Eine fortschreitende Modernisierung, Effizienzsteigerung, Beschleunigung und intelligente Personalressourcenallokation erscheinen daher aus gesetzes491  In diesem Zusammenhang ist auch die steuerverfahrensrechtlich erfolgte Umwandlung von Belegvorlage- zu Belegvorhaltepflichten gem. § 50 Abs. 8 EStDV zu sehen; vgl. dazu BT-Drs. 18/7457, S. 49; Drüen, DB 2018, 11 (12); zum „Vertrauendürfen“ auf die Angaben der Betroffenen auch U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35a, Rn. 21; Volquardsen in: Schwarz/Pahlke, Erstkomm. BestVerfModG, § 88 AO, Rz. 10; Braun Binder, DÖV 2016, 891 (896). 492  Vgl. Rüsken, in: Klein, AO, § 155, Rn. 76; Baldauf, DStR 2016, 833; Schmitz/ Prell, NVwZ 2016, 1273; Beirat VwVfR, NVwZ 2015, 1114; gemeint sind insbesondere Berechnungsprogramme. 493  Vgl. hierzu BT-Drs. 18/8434, S. 120, 122 und allgemein Bull, DVBl. 2017, 409. 494  Obgleich der automationsassistierte Verwaltungsakterlass bereits seit längerem in der verwaltungsverfahrensrechtlichen Praxis aller Fachsäulen als üblich bezeichnet werden kann, wurde das volle Potenzial der Automatisierung auf Ebene der Rechtsanwendung und Bescheidformulierung wohl noch nicht ausgeschöpft. Größtenteils beschränkten sich entsprechende Automationsvorgänge bisher auf Berechnungen oder Terminverwaltungen, obgleich nach hier vertretener Auffassung auch über bloße Rechen- und Abgleichoperationen hinausgehende Einsatzfelder insbesondere vor dem Hintergrund heutiger informationstechnologischer Fortschritte ohne weiteres möglich erscheinen, vgl. hierzu § 3 C. I. 2., II. 2. c) cc) sowie Laue, Vorgangsbearbeitungssysteme in der öffentlichen Verwaltung, S. 74 ff., der mit rechtlich komplexen gewerberechtlichen Festsetzungsverfahren von Großveranstaltungen gem. §§ 60b, 64 ff. GewO sowie straßen- und wegerechtlichen Sondernutzungserlaubnisverfahren beispielhaft die Potenziale der automatisierten Fallbearbeitung durch sog. Vorgangsbearbeitungssysteme auf der Ebene der Rechtsanwendung andeutet.



C. Prägende Charakteristika133

teleologischer und rechtspolitischer Sicht nur dann erreichbar, wenn auch während des vorgelagerten Verwaltungsverfahrens die Beteiligung persönlicher Behördenmitarbeiter wegfällt, dieses also ebenfalls automatisiert abläuft und so die darin schlummernden Effizienzpotenziale zumindest in Bezug auf gesetzlich eingeräumte Möglichkeiten der Verwaltung geborgen werden. d) Zusammenfassende Analyse Nach eingehender Untersuchung kann die eingangs des Kapitels § 3 C. II. 2. aufgeworfene Hypothese bestätigt werden: In Zusammenfassung der vorstehend herausgearbeiteten Aspekte ist festzustellen, dass die Automatisierung auch des der eigentlichen Entscheidungsfindung vorgelagerten Verwaltungsverfahrens eines der prägenden Charakteristika der neuen Rechts­ kategorie „vollständig durch automatische Einrichtungen“ bzw. „ausschließlich automationsgestützt“ erlassener Verwaltungsakte i. S. d. §§ 35a VwVfG, 31a SGB X und 155 Abs. 4 AO bildet. Ein vollautomatisierter Verwaltungsakt im Sinne dieser Normen kann damit tatbestandlich nur vorliegen, wenn auch ebenjenes vorgelagerte Verwaltungsverfahren ohne menschliche Bearbeitung abläuft. Insofern kann die tatbestandliche Reichweite vollautomatisierterVerwaltungsakte nach den Kodifikationen des BestVerfModG um eine weitere Kontur angereichert werden. Das argumentative Fundament dieses Befunds fußt dabei im Wesentlichen auf gesetzessystematischen Zusammenhängen, zumal sich der Wortlaut selbst, insbesondere eine Anknüpfung an den Begriff des „Erlasses“, aufgrund sprachlicher Inkonsistenzen im Rahmen der in Rede stehenden Normen für eine begriffliche Einhegung der Rechtskategorie als ungeeignet erwies. Eine entscheidende Bedeutung kam dabei zum einen denjenigen gesetzlichen Begleitnormierungen zu, die in einem normativen Zusammenhang zur Rechtskategorie vollautomatisierter Verwaltungsakte ebenfalls im Zuge des BestVerfModG erlassen wurden. Referenzielle Rollen spielten hierfür insbesondere die klarstellenden Erweiterungen des Amtsermittlungsgrund­ satzes in den Verfahrensordnungen gem. §§ 24 Abs. 1 S. 3 VwVfG, 31a S. 2 SGB X sowie die gesetzlichen Mindestanforderungen an Risikomanagementsysteme gem. § 88 Abs. 5 AO, deren Aussagegehalte und Sinnhaftigkeit sich nur vor dem Hintergrund eines ebenso vollautomatisch ablaufenden vorgelagerten Verwaltungsverfahrens vollends erschließen. Des Weiteren legte die gesetzessystematische Abgrenzbarkeit vollautomatisierter Verwaltungsakte von den bereits zuvor implementierten „mit Hilfe automatischer Einrichtungen“ erlassenen Verwaltungsakten die Indikation nahe, dass nunmehr – qualifizierend zu der Reichweite der älteren Kategorie – auch das Verfahren der Erfassung, Bewertung und Verifikation der Sachverhaltsdaten sowie die Durchführung einer Anhörung der menschlichen Bearbeitung entzogen ist.

134

§ 3 Begriffsklärung

Eine effektive Realisierung der gesetzlich verfolgten Zielsetzungen schien schließlich auch aus rechtspolitischer Perspektive nur erreichbar, wenn von einer (begrifflich zwingenden) Vollautomatisierung auch des vorgelagerten Verwaltungsverfahrens ausgegangen wird. Eine tatbestandliche Unabhängigkeit der Rechtskategorie vollautomatisierter Verwaltungsakte von einer Automatisierung auch des vorgelagerten Verfahrens, wie dies teilweise angedeutet wird495, berücksichtigt dagegen in zu geringem Maße die Spezifika der neuen §§ 35a VwVfG, 31a SGB X, 155 Abs. 4 AO, die im Vergleich zu den alten §§ 37 Abs. 5, 39 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG etc. gerade eine Qualifizierung des Automationsgrades vorsehen. Diese Qualifizierung ist im vollautomatischen Ablaufen des dem eigentlichen Erlassvorgang vorgelagerten Verwaltungsverfahrens zu sehen. Selbst wenn man gegen die angeführten Punkte einwendete, dass die begleitenden Einfügungen in den Verfahrensordnungen für den nur fakultativen Fall eines auch vollautomatisierten vorgelagerten Verfahrens eingefügt worden sein könnten und diese demnach nicht den tatbestandlich zwingenden vollautomatisierten Ablauf des vorgelagerten Verfahrens indizieren, so verbliebe zumindest noch die Problematik der gesetzessystematischen Abgrenzung der Rechtskategorien, die unter Zugrundelegung dieses extensiven begrifflichen Verständnisses vollautomatisierter Verwaltungsakte kaum sinnvoll vorgenommen werden kann. Im Übrigen erscheint die Tragfähigkeit eines solchen Einwandes aus rechtspolitischer Warte ohnehin mehr als zweifelhaft: Denn nicht nur automatisierte Verfahren an sich bergen das Potenzial der Effizienzsteigerung in Verwaltungsverfahren, wie es sich das BestVerfModG zum Leitbild gemacht hat. Gerade auch im Abbau von sog. Medienbrüchen, also in der Vermeidung divergierender Trägermedien von Informationen innerhalb eines informationsverarbeitenden Prozesses, materialisieren sich in erheblichem Maße und ganz allgemein die ins Auge gefassten Ziele. Der Abbau und die vorgreifliche Vermeidung von Medienbrüchen führt zu einer Optimierung des Arbeitsflusses, einer Reduzierung der notwendigen Arbeitsschritte und damit letztlich zu einer gesteigerten Effizienz und Beschleunigung des Verfahrens unabhängig von seiner Automation. Im Hinblick auf vollautomatisierte Verwaltungsverfahren spielt die Vermeidung von Medienbrüchen sodann eine noch entscheidendere Rolle, wo eine wirksame Effek­ tuierung der Vorteile vollständig unter dem Vorbehalt der medienbruchfreien Abwicklung sämtlicher Prozesse steht. Die Vermeidung von Medienbrüchen bedingt insofern von vornherein das Gelingen der Automatisierung, die eine normalisierte, gleichförmige Datenbasis erfordert und mit in anderen Verkörperungsformen vorliegenden Daten grundsätzlich nicht bzw. erst nach einigen notwendigen Zwischenschritten umgehen kann. Könnte nun bei voll­ 495  Vgl.

§ 3 C. II. 2. b).



C. Prägende Charakteristika135

automatisiert erlassenen Verwaltungsakten das vorgelagerte Verfahren (insbes. die Sachverhaltsermittlung, ggfls. auch die Anhörung) auch durch per­ sonelle Bearbeitung durchgeführt werden, so bestünde die Gefahr, dass ebensolche Medienbrüche wieder entstehen, die – anstatt Effizienz und Beschleunigung – einen Mehraufwand erzeugen und deren Abbau und Vermeidung einen der Leitgedanken der E-Government-Bestrebungen insgesamt darstellt. Solche Medienbrüche wären insbesondere immer dort denkbar, wo die personelle Bearbeitung mit für algorithmische Systeme in einem automatisierten Verfahren inkompatiblen Medien operiert, beispielsweise Sachverhaltsermittlungen durch telefonische Anfragen, Ausfüllen von Papierformu­ laren etc. oder mündliche (telefonisch oder unter Anwesenden) oder papiergebundene Anhörungen. Erst nach entsprechendem Einpflegungs- bzw. Digitalisierungsaufwand der tatsächlich vorliegenden Daten wären diese vom automatisierten System verwertbar. Da ein derartiges systemimmanentes Potenzial der Entstehung und Verfestigung von Medienbrüchen einer geradezu torpedierenden Wirkung für eine Verfahrensreform gleichkäme, deren Ansinnen gerade in der Effizienz, Beschleunigung und Ressourceneinsparung durch einen stärkeren Einsatz automatisierter Prozesse liegt, erscheint ein dahingehender gesetzgeberischer Wille mehr als fraglich, auch wenn – zugegebenermaßen – der bloße Umstand einer manuellen Abwicklung der dem Erlass vorgelagerten Verfahrensabschnitte nicht notwendig auch mit der Verwendung nicht EDV-basierter Informationsträgermedien einhergeht. Insofern ist davon auszugehen, dass besagte Begleitnormierungen nicht aus fakulta­ tiven Gründen eingefügt wurden, sondern die Automatisierung des vorgelagerten Verwaltungsverfahrens gerade zwingende begriffliche Voraussetzung vollautomatischer Verwaltungsakte ist. Wie eingangs des Kapitels zu den prägenden Charakteristika vollautomatisierter Verwaltungsakte dargelegt wurde, beschrieben die ersten literarischen Einordnungen die neue Rechtskategorie als Verwaltungsakterlass, der vom Fehlen einer personellen Bearbeitung bei allen Verfahrensschritten innerhalb der Verwaltung gekennzeichnet sei, der also keine Prüfung durch einen Amtsträger mehr beinhalte.496 Eine erste Bestätigung dieser frühen Einordnungen kann nach eingehender Untersuchung nunmehr zusammenfassend dahingehend ausgesprochen werden, dass neben den Vorgängen der Rechtsanwendung und Bescheidformulierung auch das diesen Verfahrensabschnitten vorgelagerte Verfahren, allen voran die behördliche Sachverhaltsermittlung, automatisiert ablaufen muss, damit begrifflich von einem „vollständig 496  Braun Binder, NVwZ 2016, 960; dies., in: Jusletter IT vom 22. September 2016, Rz. 7; Prell, in: BeckOK VwVfG, § 35a, Rn. 6; Ramsauer/Tegethoff, in: Kopp/ Ramsauer, VwVfG, § 35a, Rn. 2, 4, 10; siehe zum Ganzen bereits die Einleitung zu § 3 C.

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§ 3 Begriffsklärung

durch automatische Einrichtungen“ bzw. „ausschließlich automationsgestützt“ erlassenen Verwaltungsakt gesprochen werden kann. Dass die Reichweite der Automatisierung faktisch sogar noch über den Bereich des vorgelagerten Verfahrens hinausgeht, indem im Kontext vollautomatisierter Verfahren auch bereits eine Vielzahl von Vorbereitungshandlungen ebenso automatisiert abläuft, ist für die begriffliche Konturierung ohne weiteren Belang, zumal diese regelmäßig noch nicht zum Verwaltungsverfahren i. e. S. zählen.497 3. Automatisierung der nachgelagerten Bekanntgabe? Als weiteres Verfahrenselement ist sodann die Bekanntgabe des Verwaltungsakts zu untersuchen, die ausgehend von der „Vollständigkeit“ des automatisierten „Erlasses“ unter dem Regime der §§ 35a VwVfG, 31a SGB X, 155 Abs. 4 AO möglicherweise ebenso ohne menschliche Beteiligung zu erfolgen hat. Aus verfahrenspraktischer Perspektive wäre die Durchführung einer vollautomatischen Bekanntgabe dabei auf mehrerlei Arten vorstellbar. Angefangen beim automatisierten Ausdruck inklusive automatisierter Kuvertierung und Zuleitung an den Postzusteller oder der vollautomatisierten ­Versendung des elektronischen Dokuments an eine dem System bekannte ­E-Mail-Adresse498 käme beispielsweise auch eine automatisierte Bekanntgabe der Entscheidung durch Abruf bzw. Bereitstellung zum Abruf nach den im Zuge des BestVerfModG ebenfalls neu eingefügten Möglichkeiten der §§ 42 Abs. 2a VwVfG, 37 Abs. 2a SGB X, 122a AO in Betracht. Abgesehen davon, dass sich erhebliche praktische Synergien gerade in Kombination beider Neuimplementierungen ergeben können, stehen die letztgenannten Bekanntgabeformen aber in keinem zwingenden Zusammenhang zu „vollständig durch automatische Einrichtungen“ erlassenen Verwaltungsakten.499 a) Die nachgelagerte Bekanntgabe als begrifflicher Teil des „Erlasses“ Anknüpfend an die obigen Feststellungen konkretisiert die wohl überwiegende Meinung in Schrifttum und Rechtsprechung den gesetzlich nicht näher präzisierten Begriff des „Erlasses“ inhaltlich dahingehend, dass von diesem 497  Vgl. zu vor dem eigentlichen Verwaltungsverfahren stattfindenden Vorbereitungshandlungen Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 9, Rn. 107a f., 161. 498  Dies allerdings nur unter den Voraussetzungen des § 3a VwVfG, insbes. einer elektronischen Zugangseröffnung seitens des Bürgers gem. § 3a Abs. 1 VwVfG. Bei formgebundenen Verwaltungsentscheidungen müssten ggfls. qualifizierte Übermittlungsmethoden gewählt werden, vgl. § 3a Abs. 2 VwVfG. 499  Vgl. auch U. Stelkens, in: Hill/Kugelmann/Martini, Digitalisierung in Recht, Politik und Verwaltung, 81 (119 f.); ders., in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 41, Rn. 134e.



C. Prägende Charakteristika137

der gesamte Vorgang der behördlichen Willensäußerung einschließlich der Bekanntgabe des Verwaltungsakts gemeint ist.500 Nach dieser Definition wäre folglich der Vorgang der Bekanntgabe im „Erlass“ enthalten. Zusammen mit der „Vollständigkeit“ des automatisiert zu bewirkenden Erlasses eines Verwaltungsakts i. S. d. §§ 35a VwVfG, 31a SGB X und 155 Abs. 4 AO stünde demzufolge fest, dass auch seine Bekanntgabe vollautomatisch abzulaufen hätte.501 Aufgrund der bereits oben ausgemachten Inkonsistenzen in der sprachlichen Verwendung des „Erlasses“ im Rahmen der §§ 35a VwVfG, 31a SGB X und 155 Abs. 4 AO sowie der §§ 28 Abs. 2 Nr. 4, 37 Abs. 5, 39 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG502 kann dieser rein von der Begriffsdefinition ausgehenden Feststellung aber kein allzu großer Aussagegehalt beigemessen werden. Die Frage, ob der „vollständig durch automatische Einrichtungen“ bewirkte Erlass eines Verwaltungsaktes auch eine ohne menschliche Beteiligung erfolgende Bewirkung der Bekanntgabe voraussetzt, muss daher anhand eines stärker zweckorientierten Blickwinkels gelöst werden, welcher in der bisherigen Literatur503 bereits ansatzweise diskutiert wurde und im Folgenden argumentativ untermauert und verfeinert werden soll. Die Begrifflichkeit des „Erlasses“ liefert für sich jedenfalls auch an dieser Stelle keine belastbaren Ergebnisse. b) Gesetzeskontextuelle und systematische Anhaltspunkte Als ein Hinweis auf die Notwendigkeit der auch vollautomatisch ablaufenden Bekanntgabe könnte zum einen die im Rahmen des BestVerfModG eingefügte Fiktion des § 155 Abs. 4 S. 4 AO verstanden werden. Hierbei handelt es sich um eine gesetzliche Fiktion des Abschlusses der Willensbildung über den Erlass und die Bekanntgabe eines vollständig automationsgestützt erlassenen Verwaltungsakts im Zeitpunkt des Abschlusses der maschinellen Ver500  Vgl. Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 9, Rn. 195 OVG Münster NVwZ-RR 2000, 490 (492) sowie bereits § 3 C. II. 2. a) aa) m. w. N. 501  Vgl. auch Prell, apf 2017, 237 (239); jedenfalls bzgl. der Bekanntgabehandlung zudem Windoffer, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, § 35a, Rn. 21. 502  Vgl. hierzu bereits § 3 C. II. 2. a) bb). 503  Vgl. etwa U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35a, Rn. 15; Windoffer, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, § 35a, Rn. 21; Stuhlfauth, in: Obermayer/Funke-Kaiser, VwVfG, § 35a, Rn. 6; Ziekow, VwVfG, § 35a, Rn. 7; Prell, in: BeckOK VwVfG, § 35a, Rn. 3; ders., apf 2017, 237 (239); Ramsauer/Tegethoff, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 35a, Rn. 10; Rüsken, in: Klein, AO, § 155, Rn. 75; Heckmann, in: jurisPK-ITR, Kap. 5, Rn. 632; Schmid, jurisPR-ITR 3/2017, Anm. 2, B. III. 1.; ders./Heudecker, jurisPR-ITR 8/2017, Anm. 2, B. I.; Luthe, SGb 2017, 250 (252); Siegel, DVBl. 2017, 24 (25 f.); Schmitz/Prell, NVwZ 2016, 1273 (1276); Edenharter, VerwArch 111 (2020), 341 (347); aus schweizerischer Perspektive Rechsteiner, in: Jusletter IT vom 26. November 2018, Rz. 6.

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§ 3 Begriffsklärung

arbeitung. Neben der für Korrekturvorschriften aufgrund nachträglich bekanntwerdender Tatsachen bedeutsamen Fixierung des Abschlusszeitpunktes der Willensbildung504, ist deren Sinn und Zweck vor allem darin zu erblicken, das bei rein maschinellen Operationen mangels menschlicher Willensfähigkeit technischer Einrichtungen zweifelhafte Bestehen einer entsprechenden Willensbildung prophylaktisch zu unterstellen.505 Die ausdrückliche Erstreckung der Fiktion auch auf die Bekanntgabe deutet sodann darauf hin, dass auch im Rahmen des Bekanntgabevorgangs das Vorliegen eines entsprechenden Bekanntgabewillens zweifelhaft erschien, also folglich von einem vollautomatischen Ablaufen dieses Vorgangs ausgegangen wurde. Weiteren Rückhalt fände obige These überdies, wenn allgemein eine gewisse Konnexität zwischen dem Erstellungsvorgang und den Bekanntgabemodalitäten eines Verwaltungsakts attestiert werden könnte, also ein (nach hier vertretener Auffassung erforderliches) automatisiertes vorgelagertes Verwaltungsverfahren sowie daran anschließende automatische Rechtsanwendungs-, Subsumtions- und Bescheidformulierungsvorgänge für sich bereits eine ebenfalls automatisch erfolgende Bekanntgabe induzierten. Für die Ableitung eines solchen Zusammenhangs lassen sich indes keinerlei Anhaltspunkte in der verwaltungsverfahrensrechtlichen Dogmatik finden. Zuzugeben ist zwar, dass die Form bzw. Art und Weise der Bekanntgabe nicht völlig losgelöst von der Art des zugrundeliegenden Verwaltungsakts (also schrift­ licher, elektronischer, mündlicher oder „in anderer Weise“ erlassener Verwaltungsakt) betrachtet werden kann, insofern also eine gewisse gegenseitige Wechselwirkung nicht kategorisch auszuschließen ist.506 Schriftliche Verwaltungsakte werden in diesem Sinne in der Regel schriftlich, mündliche Verwaltungsakte regelmäßig mündlich bekanntgegeben. Eine dahingehend gewissermaßen engere Verbindung besteht zudem beispielsweise für den elek­ tronischen Verwaltungsakt, für welchen im Ergebnis auch nur eine elektronische Bekanntgabe in Betracht kommen dürfte, dieser also durchgängig in elektronischer Form vorliegen muss.507 Vorbehaltlich anderslautender fach504  Konkret geht es hierbei um die Korrekturvorschrift des § 173 Abs. 1 AO, vgl. Seer, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 155 AO, Rz. 60; ders., StuW 2015, 315 (323); Frotscher, in: Schwarz/Pahlke, Erstkomm. BestVerfModG, § 155 AO, Rz. 18; Rüsken, in: Klein, AO, § 155, Rn. 90; Münch, DStR 2013, 2150 (2155); Braun Binder, DStZ 2016, 526 (528) m. w. N. Im Kontext des allg. VwVfG wäre § 49 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG zu nennen, vgl. Braun Binder, NVwZ 2016, 960 (964). 505  Seer, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 155 AO, Rz. 59; Braun Binder, DStZ 2016, 526 (528); Näher hierzu unter § 4 A. II. 506  Vgl. U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 41, Rn. 17. 507  So Schmid/Heudecker, jurisPR-ITR 8/2017, Anm. 2, B. I., die insoweit aber ungenau die elektronische Übermittlung mit der elektronischen Bekanntgabe gleichsetzten und dabei verkennen, dass auch eine nicht-elektronische Übermittlung eines elektronischen Verwaltungsakts, beispielsweise die Versendungen eines digitalen Da-



C. Prägende Charakteristika139

rechtlicher Vorgaben steht jedoch die Wahl der Bekanntgabeform – ebenso wie schon die vorangehende Wahl der Form des Verwaltungsakts selbst508 – grundsätzlich im (Verfahrens-)Ermessen der Behörde509, im Rahmen dessen die Art des zugrundeliegenden und bekanntzugebenden Verwaltungsakts – neben weiteren Aspekten510 – allenfalls mittelbar in eine fehlerfreie Ermessensausübung einfließt. Ein zwingender Zusammenhang oder eine gegenseitige Bedingung erwächst hieraus jedoch nicht. Auch der Umstand, dass der elektronische Verwaltungsakt dauerhaft elektronisch vorliegt, führt nicht zur Annahme einer dahingehenden allgemeinen Konnexität, sondern stellt vielmehr eine Besonderheit elektronischer Verwaltungsakte dar, die aus der Natur dieser speziellen Kategorie entstammt. In gleicher Weise stand schließlich beim „mit Hilfe automatischer Einrichtungen“ erlassenen Verwaltungsakt nach bisherigem Verständnis eine Auswirkung auf die Bekanntgabe des Verwaltungsakts nicht im Raum.511 Woraus sich indes eine gewisse Tendenz in Richtung einer auch automatisiert ablaufenden Bekanntgabe ergeben könnte, ist wiederum die Ratio des BestVerfModG selbst, die gemeinhin in der Steigerung der Wirtschaftlichkeit und Effizienz der Verwaltung sowie der Einsparung und intelligenteren Allokation personeller Ressourcen jeweils durch eine stärkere Durchsetzung des Verwaltungsverfahrens mit informationstechnischen Elementen erblickt wurde.512 Doch auch dieses Argument relativiert sich vor dem Hintergrund, dass der isolierte Vorgang der Bekanntgabe einer Verwaltungsentscheidung – unter sämtlichen Abschnitten des Verwaltungsverfahrens – zu den weniger zeitund personalkostenintensiven Vorgängen zählen dürfte. Als Zugangsäquivatenträgers (USB-Stick, CD etc.) per Briefpost, denkbar ist, wobei sich die Zulässigkeit dessen (elektronischer) Bekanntgabe sodann – trotz nicht-elektronischer Übermittlung – nach der Grundregel des § 3a Abs. 1 VwVfG bestimmt und daher eine Zugangseröffnung seitens des Bürgers verlangt, vgl. U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/ Sachs, VwVfG, § 37, Rn. 64 f., § 41, Rn. 87 ff. Genauer zum elektronischen Verwaltungsakt unter § 4 B. I. 1. 508  Vgl. Pünder, in: Ehlers/Pünder, Allg. VerwR, § 14, Rn. 68; Tiedemann, in: BeckOK VwVfG, § 37, Rn. 25; U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 41, Rn. 18; § 37, Rn. 47. 509  U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 41, Rn. 18; Tiedemann, in: BeckOK VwVfG, § 41, Rn. 35; Stein, DVP 2006, 441; vgl. auch BGH NVwZ 1984, 398 (399 f.). 510  Beispielsweise den mit einer bestimmten Bekanntgabeform verbundenen (ggfls. zusätzlichen) Kosten, das öffentliche Interesse an einem schnellen und nachweisbaren Zugang des Verwaltungsakts, Risiken der tatsächlichen Nichtinformation oder g ­ gfls. etwaig entstehende Lästigkeiten seitens des Bürgers, vgl. U. Stelkens, in: Stelkens/ Bonk/Sachs, VwVfG, § 41, Rn. 18 f. 511  Vgl. § 3 C. I. 3. 512  Vgl. etwa § 3 C. II. 2. c) dd).

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§ 3 Begriffsklärung

lent im Rahmen der empfangsbedürftigen öffentlich-rechtlichen Willens­ erklärung des Verwaltungsakts beschränkt sich dieser nämlich auf die Vornahme derjenigen Handlungen, die eine Möglichkeit zur Kenntnisnahme herstellen513, regelmäßig also das Kuvertieren und Einwerfen des Briefes in den Briefkasten oder das Absenden des elektronischen Dokuments per ein­ facher E-Mail (sofern keine gesetzlichen Formerfordernisse bestehen) oder per qualifizierter Übermittlungsart bei bestehender Formbindung, vgl. § 3a Abs. 2 VwVfG, so dass sich eine automatisierte Bekanntgabe wohl kaum als limitierender Faktor für die Erreichung der anvisierten Beschleunigungs- und Effizienzziele entpuppen kann. Alles in allem bestehen somit zwar gewisse Hinweise, die eine auch vollautomatisch ablaufende Bekanntgabe als begriffliches Merkmal vollautomatisierter Verwaltungsakte i.  S.  d. §§ 35a VwVfG, 31a SGB X und 155 Abs. 4 AO andeuten; wirklich aussagekräftige Argumente, auf die sich auch eine tatbestandliche Notwendigkeit dahingehend systematisch überzeugend stützen lassen könnte, können hieraus indes nicht wirklich gewonnen werden. c) Unbeachtlichkeit der vollautomatischen Bekanntgabe Die besseren Gründe sprechen dagegen für ein von der Automatisierung der Bekanntgabevorgänge unabhängiges Verständnis der untersuchungsgegen­ ständlichen Rechtskategorie. Ein „vollständig durch automatische Einrichtungen“ bzw. „ausschließlich automationsgestützt“ erlassener Verwaltungsakt i. S. d. §§ 35a VwVfG, 31a SGB X, 155 Abs. 4 AO liegt demnach – entgegen der Implikationen des Erlassbegriffes – auch dann tatbestandlich vor, wenn – nach dem vollautomatisierten Zustandekommen der Entscheidung einschließlich der vorgelagerten Verfahrensprozesse – die Bekanntgabe des Verwaltungsakts nicht mehr Teil eines autonom ablaufenden Arbeitsprozesses ist, sondern auf herkömmliche Art und Weise bewirkt wird.514 513  Vgl.

§ 130 BGB sowie Pünder, in: Ehlers/Pünder, Allg. VerwR, § 14, Rn. 79. i. E. auch Prell, in: BeckOK VwVfG, § 35a, Rn. 3; ders., apf 2017, 237 (239); Ramsauer/Tegethoff, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 35a, Rn. 10; Heckmann, in: jurisPK-ITR, Kap. 5, Rn. 632; Schmid, jurisPR-ITR 3/2017, Anm. 2, B. III. 1.; ders./Heudecker, jurisPR-ITR 8/2017, Anm. 2, B. I.; U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/ Sachs, VwVfG, § 35a, Rn. 15; Hornung, in: Schoch/Schneider, VwVfG, § 35a, Rn. 29; Stuhlfauth, in: Obermayer/Funke-Kaiser, VwVfG, § 35a, Rn. 6; Ziekow, VwVfG, § 35a, Rn. 7; Luthe, SGb 2017, 250 (252); Siegel, DVBl. 2017, 24 (25 f.); Engelmann, in: Schütze, SGB X, § 31a, Rn. 9; Schmitz/Prell, NVwZ 2016, 1273 (1276); Edenharter, VerwArch 111 (2020), 341 (347); Guckelberger, DÖV 2021, 566 (568); nunmehr auch Rüsken, in: Klein, AO, § 155, Rn. 75, sofern der Bescheid vom Amtswalter bei der Bekanntgabe nicht einmal überschlägig geprüft wird; aus schweizerischer Perspektive Rechsteiner, in: Jusletter IT vom 26. November 2018, Rz. 6. 514  So



C. Prägende Charakteristika141

aa) Begrenzungsfunktion bzw. Schutzzweck der Normen Der maßgebliche argumentative Anker dieser Auslegung, die inzwischen als die wohl herrschende Auffassung bezeichnet werden kann515, lässt sich dabei ebenso auf den Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelungen zurückführen. Wie den Normierungen nämlich unschwer entnommen werden kann, dürfen Verwaltungsakte nach der Konzeption des BestVerfModG nur dann „ausschließlich automationsgestützt“ bzw. „vollständig durch automatische Einrichtungen“ erlassen werden, sofern „dies durch Rechtsvorschrift zugelassen ist und weder ein Ermessen noch ein Beurteilungsspielraum besteht“ (§ 35a VwVfG) bzw. „sofern kein Anlass besteht, den Einzelfall durch Amtsträger zu bearbeiten“ (§§ 31a SGB X, 155 Abs. 4 AO). Ausgehend von diesen vom Gesetzgeber als Einschränkung verstandenen Zulässigkeitsvoraussetzungen wird den normativen Einkleidungen des vollautomatisierten Verwaltungsakts u. a. eine Begrenzungsfunktion dergestalt beigemessen, dass eine vom Gesetzgeber in solchen Verfahren offenbar unverändert vermutete verfassungsrechtliche Bedenklichkeit nur unter Einhaltung der aufgestellten Anforderungen letztlich vollständig ausgeräumt werden kann.516 Die (direkte) Anwendbarkeit der begrenzenden Zulässigkeitsvoraussetzungen knüpft dabei sodann freilich an das tatbestandliche Vorliegen eines „vollständig durch automatische Einrichtungen“ erlassenen Verwaltungsakts an, auf den sich die Normierungen ausdrücklich beziehen. Ginge man nun von der Notwendigkeit einer auch vollautomatischen Bekanntgabe der Behördenentscheidung als zwingende Anforderung für die tatbestandliche Einschlägigkeit des vollautomatischen Verwaltungsakts aus, so würden Verwaltungsakte, deren Bekanntgabe nicht vollautomatisiert abgewickelt worden ist, konsequenterweise aus dem tatbestandlichen Anwendungsbereich der §§ 35a VwVfG, 31a SGB X und 155 Abs. 4 AO herausfallen. Was prima facie als üblicher Vorgang kunstgerechter Normanwendung zu qualifizieren ist, entpuppt sich auf den zweiten Blick jedoch als gesetzesteleologische Stolperfalle. Denn mit dem Herausfallen aus dem tatbestandli515  Vgl. insoweit die Nachweise unter Fn. 514; einschränkend dagegen Windoffer, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, § 35a, Rn. 21, der dieses Ergebnis von der ausschließlichen Beteiligung von nicht zur inhaltlichen Erstellung zuständigem Personal bei den Bekanntgabevorgängen abhängig macht; a. A. zudem noch Rüsken, in: Klein, AO, 14. Aufl. 2018, § 155, Rn. 50. 516  Vgl. U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35a, Rn. 1, 38 ff.; BTDrs. 18/8434, S. 122; allgemein zur sog. Begrenzungsfunktion auch Ramsauer/Tegethoff, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 35a, Rn. 3; Windoffer, in: Mann/Sennekamp/ Uechtritz, VwVfG, § 35a, Rn. 4; Prell, in: BeckOK VwVfG, § 35a, Rn. 3; Hornung, in: Schoch/Schneider, VwVfG, § 35a, Rn. 9 sowie bereits unter § 3 C. II. 2. b); teilweise ist insofern von einem „Schutzzweck der Bestimmung“ die Rede, so Stuhlfauth, in: Obermayer/Funke-Kaiser, VwVfG, § 35a, Rn. 6.

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§ 3 Begriffsklärung

chen Anwendungsbereich der Normen ist gleichzeitig das Ausscheiden dieser Fallkonstellationen aus dem Wirkungskreis der einschränkenden Voraussetzungen verbunden. Die Einhaltung der als Begrenzung verstandenen Zulässigkeitsvoraussetzungen stünde so letztlich zur Disposition der Behörde, die diese schlicht durch das manuelle (ergo nicht vollautomatische) Bewirken der Bekanntgabe umgehen könnte.517 Da Art und Weise der Bewirkung der Bekanntgabe und deren Auswahl grundsätzlich im Organisationsermessen der Behörde liegen518, läge ein solches Vorgehen auch alles andere als fern. Hinweise, dass die einschränkenden Zulässigkeitsvoraussetzungen tatsächlich nur bei Verfahren mit auch vollautomatischer Bekanntgabe als nötig erachtet wurden, so dass sich ebenjenes Herausfallen teleologisch als unbedenklich erweisen würde, können hierbei nicht ausgemacht werden. Ob zudem bereits das einigen tatbestandlichen Anforderungen anhaftende Attribut einer begrenzenden Zulässigkeitsvoraussetzung für sich genommen als erstes Indiz dahingehend gewertet werden darf, dass die einzuschränkenden Fallkonstellationen keinem übermäßig restriktivem Verständnis unterworfen werden sollen, wurde an vorheriger Stelle bereits angeschnitten519 und braucht hier nicht weiter vertieft werden. Denn jedenfalls eine so willkürliche Umgehbarkeit der als verfassungsrechtliche Absicherungen verstandenen Anforderungen kann vom gesetzgeberischen Willen nicht umfasst gewesen sein, unabhängig von der Frage, ob für die einschränkenden Anforderungen tatsächlich eine verfassungsrechtliche Notwendigkeit bestand. Die normative Begrenzungsfunktion und der damit verfolgte verfassungsrechtliche Schutzzweck der Bestimmungen könnte letztlich behördlicherseits vollständig torpediert werden.520 Die drohende Gefahr eines faktischen Leerlaufens der 517  Vgl. Prell, in: BeckOK VwVfG, § 35a, Rn. 3; Heckmann, in: jurisPK-ITR, Kap. 5, Rn. 632; ebenso U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35a, Rn. 15; vgl. auch Schmitz/Prell, NVwZ 2016, 1273 (1276); nach Schmid, jurisPR-ITR 3/2017, Anm. 2, B. III. 1 entfiele zudem die Verwaltungsaktsqualität bei Nichtanwendbarkeit des § 35a VwVfG, dessen Feststellung des Vorliegens eines Verwaltungsakts damit konstitutive Wirkung beigemessen wird. Dieser Ansicht ist jedoch entgegenzuhalten, dass sich die Rechtsqualität als Verwaltungsakt nicht allein aus der gesetzlichen Festlegung des § 35a VwVfG speist, sondern eine solche Qualifikation auch unter Anwendung der allgemeinen definitorischen Grundsätze des § 35 S. 1 VwVfG erreicht werden kann, die gesetzliche Feststellung des § 35a VwVfG insofern also nur von deklaratorischer Natur ist. Siehe hierzu näher § 4 A. II., insbes. 3. und 4. 518  U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 41, Rn. 18  ff.; Stein, DVP 2006, 441. 519  Zur hier virulenten Gefahr eines argumentativen Zirkelschlusses bereits § 3 C. II. 2. b) am Ende. 520  Vgl. Prell, in: BeckOK VwVfG, § 35a, Rn. 3; Heckmann, in: jurisPK-ITR, Kap. 5, Rn. 632; ebenso U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35a, Rn. 15; Schmid, jurisPR-ITR 3/2017, Anm. 2 III. 1; vgl. auch Stuhlfauth, in: Obermayer/ Funke-Kaiser, VwVfG, § 35a, Rn. 6.



C. Prägende Charakteristika143

Begrenzungsfunktion legt somit nahe, die tatbestandliche Qualifikation als „vollständig durch automatische Einrichtungen“ bzw. „ausschließlich automationsgestützt“ erlassener Verwaltungsakt unabhängig von einer vollautomatisierten Bewirkung der Bekanntgabe zu bestimmen. bb) Auswahlvorbehalt des (Fach-)Gesetzgebers In besonderer Deutlichkeit vermag zudem im Speziellen der sog. Rechtsvorschriftenvorbehalt des allgemeinen § 35a VwVfG das gefundene Ergebnis zu unterstreichen, wonach der „[v]ollständig automatisiert[e] Erlass“ des Verwaltungsaktes „durch Rechtsvorschrift zugelassen“ sein muss.521 Nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers soll dieser „Gesetzesvorbe­ halt“522 – neben seiner begrenzenden Komponente – „angesichts des weiten Anwendungsbereiches des VwVfG sicherstellen, dass nur geeignete Verfahren für eine vollständig automatisierte Bearbeitung zugelassen werden“.523 Konkret geht es vor allem darum, die Entscheidung über den Einsatz vollautomatisierter Verfahren (inklusive der Möglichkeit zum Erlass kompensatorischer Begleitregelungen) in die Obhut des (insofern offenbar als vertrauenswürdiger empfundenen) zuständigen Fachgesetzgebers zu geben, anstelle sie dem allgemeinen behördlichen Organisations- und Verfahrensermessen zu überlassen.524 Genau eine solche Überlassung der rechtspolitischen Letztentscheidung über den Einsatz vollautomatischer Verfahren in bestimmten Rechts- bzw. Fachbereichen würde allerdings stattfinden, hätte es die Behörde in der Hand, nach entsprechender Ausübung ihres Verfahrensermessens durch manuelle Bewirkung der Bekanntgabe ein Herausfallen der konkreten 521  In den entspr. Normierungen des SGB X und der AO fehlt es an einem solchen Rechtsvorschriftenvorbehalt, was damit zusammenhängen dürfte, dass der Gesetzgeber – im Gegensatz zum weitläufigen Anwendungsbereich des VwVfG – dort bereits eine Auswahl und Festlegung der geeigneten Verfahren (hins. § 155 Abs. 4 AO) bzw. eine fachliche Eingrenzung (hins. § 31a SGB X) vorgenommen hat. 522  Die Wortwahl des „Gesetzesvorbehalts“ erscheint hierbei insofern irreführend, als die gesetzliche Regelung selbst von einer Zulassung durch „Rechtsvorschrift“ spricht, also auch materielle Rechtsnormen erfasst, vgl. hierzu Siegel, DVBl. 2017, 24 (25 f.); Braun Binder, DÖV 2016, 891 (893). 523  BT-Drs. 18/8434, S. 122. 524  Vgl. Schmitz/Prell, NVwZ 2016, 1273 (1276); Beirat VwVfR, NVwZ 2015, 1114 (1115); U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35a, Rn. 1, 33, der der Norm insoweit auch eine sog. Kompetenzzuweisungsfunktion beimisst; Schmitz/Prell, NVwZ 2016, 1273 (1276) und Prell, in: BeckOK VwVfG, § 35a, Rn. 12 gehen zudem noch von einer Schutzfunktion für den Normgeber selbst aus, der bei unbegrenzter Automatisierung in seiner Gestaltungsfreiheit faktisch eingeschränkt werden könnte, wenn aufgrund zunehmender Komplexität und Zeitintensität nur mehr verzögert auf dessen Entscheidungen durch die erforderlichen Anpassungen und Umsteuerungen der automatisierten Systeme reagiert werden könnte.

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§ 3 Begriffsklärung

Verfahren aus dem tatbestandlichen Anwendungsbereich der §§ 35a VwVfG, 31a SGB X und 155 Abs. 4 AO herbeizuführen. Ein Verweis auf eine etwaige (Verfahrens-)Ermessensfehlerhaftigkeit eines solchen Vorgehens als Auffangmechanismus einer überbordenden Aushebelung der Normen erweist sich dabei für die tatsächliche Durchsetzung der verfolgten Begrenzungsfunktion als wenig erfolgversprechendes Korrektiv, zumal deren Durchgreifen regelmäßig unter dem Vorbehalt ihrer Unbeachtlichkeit gem. § 46 VwVfG bzw. § 42 SGB X sowie § 127 AO steht. Im Ergebnis ist das Vorliegen eines vollautomatischen Verwaltungsakts damit unabhängig von der automatisierten Bewirkung der Bekanntgabe zu bestimmen. cc) Normative Verankerung: automatisierter „Entstehungsvorgang“ Als normative Verankerung des gefundenen Ergebnisses schlägt Stelkens einerseits vor, die vorzufindende „Vollständigkeit“ restriktiv dahingehend auszulegen, dass der Vorgang der Bekanntgabe von ihr nicht erfasst wird.525 Da die „Vollständigkeit“ der Automatisierung aber gewissermaßen als charakteristisches Markenzeichen der neuen Rechtskategorie – gerade in Abgrenzung zur bisher bestehenden Gattung der nur „mit Hilfe automatischer Einrichtungen“ erlassenen Verwaltungsakte – fungiert, begegnet es einigen Bedenken, begriffliche bzw. sprachliche Korrektive einer ohnehin schwer zu konturierenden Rechtskategorie dadurch zu erreichen, eine (dem semantischen Wortgehalt überdies zuwiderlaufende) einschränkende Auslegung an das begriffliche Markenzeichen der Kategorie anzulegen. Auch Stelkens’ zweiter Vorschlag, den Erlassbegriff im Kontext der §§ 35a VwVfG, 31a SGB X, 155 Abs. 4 AO untechnisch lediglich als bloße „Abgabe“ des Verwaltungsakts zu verstehen526, scheint angesichts der sprachlichen und verwendungsbezogenen Vorbelastungen des „Erlasses“527 letztlich wenig glücklich. Als zielführendste Vorgehensweise dürfte es sich daher erweisen, sich vom bisherigen Bedeutungsgehalt des Erlassbegriffes für die begriffliche Konturierung vollautomatisiert erlassener Verwaltungsakte vollständig zu lösen und stattdessen in der Sache von einem vollständig automatisierten „Entstehungsvorgang“ des Verwaltungsakts auszugehen, der einerseits auch das vollautomatische Ablaufen des vorgelagerten Verfahrens umfasst, andererseits aber keine vollautomatische Bekanntgabe der Entscheidung voraussetzt. in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35a, Rn. 15. in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35a, Rn. 15; vgl. zum (im Einzelnen umstrittenen) Verständnis des Erlassbegriffs bereits die Nachweise bei § 3 C. II. 2. a) aa) sowie 3. a). 527  Siehe § 3 C. II. 2. a) bb) sowie 3. a). 525  U. Stelkens, 526  U. Stelkens,



C. Prägende Charakteristika145

d) Zwischenergebnis Zusammenfassend lässt sich damit feststellen, dass die Bekanntgabe zwar nach dem wohl herrschenden begrifflichen Verständnis einen Teil des „Erlasses“ im Sinne seiner rechtstechnischen Definition bildet. Aufgrund der Inkonsistenz in seiner sprachlichen Verwendung und der deutlichen Diskrepanzen zwischen seinem definitorischen Bedeutungsgehalt und der herausgearbeiteten prägenden Merkmale der Rechtskategorie, lässt dieser jedoch kaum Rückschlüsse auf die tatbestandliche Konturierung vollautomatisierter Verwaltungsakte nach dem BestVerfModG zu und ist folglich bei der begriff­ lichen Einhegung inhaltlich auszuklammern. Über diesen Aspekt hinaus bestehen sodann durchaus gewisse Hinweise, die eine auch vollautomatisch ablaufende Bekanntgabe als begriffliches Merkmal vollautomatischer Verwaltungsakte i. S. d. §§ 35a VwVfG, 31a SGB X und 155 Abs. 4 AO andeuten. Zu wirklich aussagekräftigen Argumenten, auf die eine tatbestandliche ­Notwendigkeit der vollautomatischen Bekanntgabe für das Vorliegen eines vollautomatisierten Verwaltungsakts i. S. d. BestVerfModG belastbar gestützt werden könnte, lassen sich diese Anhaltspunkte indes nicht verdichten. Ganz im Gegenteil machen gesetzesteleologische Gesichtspunkte die Indikation notwendig, dass für das tatbestandliche Vorliegen eines vollautomatisierten Verwaltungsakterlasses keine auch vollautomatische Bekanntgabe erforderlich ist. Andernfalls wäre einer uneingeschränkten Umgehbarkeit der nach dem gesetzgeberischen Willen als Eingrenzungen verstandenen Zulässigkeitsvoraussetzungen der Normen durch einseitige behördliche Strategien Tür und Tor geöffnet. 4. Automatisierung des die technischen Verarbeitungsvorgänge auslösenden Impulses Über die oben behandelten Aspekte hinaus wurden in der Literatur teilweise Überlegungen angestellt, es könne nur dann von „ ‚vollständiger‘ Automatisierung“ die Rede sein, wenn derjenige „Impuls“, der die technischen Verarbeitungsvorgänge zur Herstellung des Verwaltungsakts initiiert, seinerseits durch ein technisches Programm autonom bewirkt worden sei.528 Ein 528  Bull, DVBl. 2017, 409 (410), der sich bei seinen Überlegungen zum Teil auf die Thesen Zeidlers, Über die Technisierung der Verwaltung, 1959, rückbezieht; zust. Köhler, WzS 2018, 279 (281, 283); Windoffer, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, § 35a, Rn. 20; widersprüchlich insoweit Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 18. Aufl. 2017, § 35a, Rn. 9 f. mit Fn. 7, der einerseits den Überlegungen Bulls zugeneigt scheint, andererseits aber Programmierung und Einsatz der Systeme wie auch die Generierung der Datengrundlage durch „Menschenhand“ begrifflich akzeptiert.

146

§ 3 Begriffsklärung

ansonsten vollautomatisiert ablaufender technischer Verarbeitungsvorgang zur Herstellung des Verwaltungsakts mit abschließend automatisiertem Erlassvorgang i. e. S. würde demnach dann keinen vollständig automatisiert erlassenen Verwaltungsakt i. S. d. §§ 35a VwVfG, 31a SGB X, 155 Abs. 4 AO produzieren, wenn der konkrete „Auslöser“ der automatisierten Arbeitsroutinen – statt auf einen ebenso „automatisierten Impuls“ – auf eine menschliche Aktion durch einen Sachbearbeiter zurückgeführt werden könnte529, vorstellbar z. B. durch Erteilung eines Freigabebefehls durch entsprechenden Mausklick. Der im weiteren Sinne verstandene Entstehungsprozess eines vollautomatisierten Verwaltungsaktes unter dem Rechtsregime des BestVerfModG wird unter Anwendung dieser Ansätze damit im Ergebnis – neben den bisher isolierten Entstehungsphasen – um einen weiteren, dem Bemühen um eine begriffliche Konturierung der Rechtskategorie entspringenden und für die tatbestandliche Konturierung als bedeutsam erklärten Abschnitt bzw. Zeitpunkt angereichert. Dieser Verfahrensabschnitt des „auslösenden Impulses“ ließe sich dabei konkret als Anstoß zur Herstellung (im weiteren Sinne) der konkreten Einzelfallentscheidung umschreiben.530 a) Beginn des Verwaltungsverfahrens als Bezugspunkt des Impulses Zunächst muss festgehalten werden, dass besagter auslösender Impuls – sofern diesem überhaupt rechtliche Relevanz für die begriffliche Konturierung vollautomatischer Verwaltungsakte zukommen soll – denklogisch nur auf den rechtlich fassbaren Beginn des konkreten Verwaltungsverfahrens i. e. S. der §§ 9 VwVfG, 8 SGB X bezogen sein kann, nicht jedoch auf eine wie auch immer geartete und rechtlich kaum greifbare Auslösung der technischen (in aller Regel elektronischen) Verarbeitungsvorgänge der automatischen Einrichtung zur Herstellung eines Verwaltungsaktes. Diese erste Weichenstellung geht einerseits auf (rechts-)praktische Probleme zurück. Neben seiner rechtlichen Unschärfe bestehen nämlich auch in tatsächlicher Hinsicht erhebliche Schwierigkeiten bei der Feststellung oder zeitlichen Fixierung des in Rede stehenden Beginn- bzw. Impulszeitpunkts, auf den der Ablauf der technischen Arbeitsroutinen nachfolgen soll. Da die obigen Überlegungen von einem autonomen Auslösen der (rechtlich nicht näher konkretisierten) technischen Bearbeitungsvorgänge ausgehen, muss der auslösende Impuls demnach seinerseits durch technische Systeme erfolgen, die im Wege einer 529  Vgl. Bull, DVBl. 2017, 409 (410); Windoffer, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, § 35a, Rn. 20; so wohl auch Ramsauer/Tegethoff, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 35a, Rn. 9 sowie Fn. 15. 530  Vgl. Bull, DVBl. 2017, 409 (410).



C. Prägende Charakteristika147

entsprechenden Programmierung die Auslösung anleiten. Andernfalls könnte nicht von einer autonomen Auslösung gesprochen werden. In diesem Sinne geht also selbst derjenigen technischen Einrichtung, die für das automatisierte Auslösen sorgt, eine entsprechende Programmierung voraus, die stets durch Menschenhand vorgenommen werden muss.531 Stellte man nun – als auslösenden Impuls – auf diese vorangehende Programmierung und Bereitstellung der nötigen Systeme ab, so könnte faktisch nie von einer automatisierten Auslösung gesprochen werden. Es wäre unklar, welche Aspekte überhaupt im Einzelnen zu dem fraglichen Anstoß der technischen Verarbeitungsprozesse zu zählen wären. Der Impuls ließe sich in diesem Sinne beliebig zeitlich nach vorne verlagern. „Vollständig durch automatische Einrichtungen“ erlassene Verwaltungsakte könnten mangels automatisiertem Start­ impuls bis auf Weiteres nicht existieren.532 Die neu geschaffenen Gesetzes­ regelungen würden ihre praktische Relevanz fast vollständig einbüßen.533 Dass ein solches Ergebnis vor dem Hintergrund der verfolgten Ziele des Gesetzgebers zweifelhaft erscheint, leuchtet dabei unmittelbar ein.

531  Zum aktuellen Stand der Technik müssen algorithmische Arbeitsabläufe (workflows) stets durch menschliche Arbeit programmiert werden. Eine dahingehende technische Entwicklung, dass autonome Systeme ihrerseits andere autonome Systeme programmieren könnten (im Kontext einer so fortgeschrittenen Automationsschwelle ist oftmals von der sog. technologischen Singularität die Rede), ist – trotz vereinzelter, warnender Stimmen – technisch bis auf Weiteres nicht absehbar. Selbst im Rahmen selbstlernender Algorithmen müssen diejenigen Arbeitsprozesse, die zu einer selbsttätigen Erweiterung der Arbeitsroutinen des Algorithmus führen können, vorher programmiert, der selbstlernende Algorithmus also entsprechend „angelernt“ werden. Zur Funktionsweise selbstlernender Algorithmen eingehender § 5 B. I. 2. 532  Vgl. Bull, DVBl. 2017, 409 (410); ähnlich insoweit wohl Köhler, WzS 2018, 279 (281, 283), nach dem für eine Vollautomatisierung auch „die Steuerung“ der Vorgänge bzw. der „Impuls zum VA-Erlass“ von maschinellen Aufgabenträgern durchgeführt werden müssten. 533  Hornung, in: Schoch/Schneider, VwVfG, § 35a, Rn. 29 mit Fn. 64. Dieses merkwürdige Ergebnis erkennt auch Bull an, der sodann i. E. zumindest im automatisierten Steuerfestsetzungsverfahren eine vollständig automatisierte Erstellung eines Verwaltungsakts erblickt, zumal dort der Bearbeitungsvorgang – im Wege der elektronischen Übermittlung der Steuererklärung – „durch den Adressaten des künftigen Verwaltungsakts selbst ausgelöst“ werde, Bull, DVBl. 2017, 409 (410 f.). Hinsichtlich sämtlicher Fälle außerhalb der AO (also in den Bereichen des VwVfG und SGB X) bleibt das Ergebnis der Überlegungen allerdings offen. Des Weiteren könnte das Vorliegen eines „automatisierten Impulses“ sehr wohl auch in ebenjenen Antragsverfahren in Abrede gestellt werden, zumal auch dort der Auslöser der Bearbeitungsvorgänge (z. B. durch die elektronisch übermittelte Steuererklärung) als von menschlicher Herkunft eingestuft werden könnte. Hieran zeigt sich auch die kaum mögliche zeit­ liche Fixierung dieses Beginnzeitpunkts und die Austauschbarkeit der möglichen Bezugspunkte.

148

§ 3 Begriffsklärung

Andererseits treffen die §§ 35a VwVfG, 31a SGB X allgemeine Regelungen zur Handlungsform des Verwaltungsakts, § 155 Abs. 4 AO Regelungen zu Steuerbescheiden als besondere Steuerverwaltungsakte. Gemein ist den Normierungen damit unter anderem, dass sie jeweils besondere Aspekte im Zusammenhang mit dem Verwaltungsverfahren i. e. S. der §§ 9 VwVfG, 8 SGB X regeln, namentlich den Erlass eines Verwaltungsaktes als verfahrensabschließenden Akt und die Vollautomation des diesen vorgelagerten Verfahrens. In Anbetracht des verwaltungsverfahrensbezogenen Regelungsgegenstandes erscheint es auch gesetzessystematisch fragwürdig, dass jene Normen im Kontext ihres tatbestandlichen Anwendungsbereiches einen nicht weiter konkretisierbaren automatisierten Auslösungsimpuls verlangen sollen, der mit der denkbaren Anknüpfung an die vorgelagerte (menschliche) Programmierung des Auslösungsalgorithmus zeitlich ohne Weiteres auch weit vor dem Beginn des eigentlichen Verwaltungsverfahrens liegen kann und der in vielen Fällen schon mangels Außenwirkung als bloße Vorbereitungshandlung im Vorfeld des eigentlichen Verwaltungsverfahrens einzustufen wäre.534 Die Normierungen träfen damit Regelungen, die außerhalb ihres eigenen Regelungskontextes lägen. Auch aus gesetzessystematischer Sicht könnte also jener „automatisierte Impuls“ – wenn dieser überhaupt zu einer für die begriffliche Konturierung maßgeblichen Kategorie erhoben werden soll – von vornherein nur als Entscheidung über das „Ob“ und „Wann“ des Beginns eines vollautomatischen Verwaltungsverfahrens i. S. d. § 9 VwVfG verstanden werden.535 Ein ansonsten kaum konkretisierungsfähiger und damit zugleich zeitlich schwer fixierbarer Zeitpunkt des „Auslösens der technischen Verarbeitungsprozesse“, was auch immer genau davon umfasst sein soll, kann insofern nicht als tauglicher Bezugspunkt dienen. b) Unbeachtlichkeit eines automatisierten Impulses Selbst unter Zugrundelegung des Beginns des Verwaltungsverfahrens i. S. d. § 9 VwVfG als Bezugspunkt des auslösenden Impulses erscheint jedoch der wissenschaftliche Gewinn einer solchen Implementierung eines weiteren, für die begriffliche Reichweite der Rechtskategorie als bedeutsam verstandenen Zeitpunkts bei genauer Betrachtung zweifelhaft. So kann die zeitliche Fixierung des maßgeblichen Impulses trotz Bezugnahme auf den Beginn des Verwaltungsverfahrens erhebliche Unsicherheiten hervorrufen, die nicht zuletzt damit zusammenhängen, dass sich auch die zeitliche Festle534  Vgl. zum Beginn des Verwaltungsverfahrens und der nötigen Außenwirkung Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 9, Rn. 107 ff., 120, 161; Gerstner-Heck, in: BeckOK VwVfG, § 9, Rn. 11 ff. 535  Vgl. U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35a, Rn. 25.



C. Prägende Charakteristika149

gung des Verfahrensbeginns selbst oftmals als anspruchsvoll herausstellt. Insbesondere die notwendige Abgrenzung zu bloß verwaltungsinternen, antizipierenden Vorbereitungshandlungen, die eben noch keinen Teil des Verwaltungsverfahrens i.  S.  d. § 9 VwVfG bilden, kann sich im Einzelfall als schwierig erweisen. Die Übergänge sind bisweilen fließend.536 Bereits aufgrund der praktisch schwierigen und gewissen Unsicherheiten ausgesetzten Fixierung des Verfahrensbeginns erscheint es insgesamt zielführender, in dem den Verfahrensbeginn auslösenden Impuls keinen für die begriffliche Konturierung der Rechtskategorie ausschlaggebenden Anknüpfungspunkt zu erblicken. Dies gilt umso mehr vor dem Hintergrund, dass es für die Anwendbarkeit der vom Gesetzgeber als Einschränkung verstandenen Zulässigkeitsvoraussetzungen auf die Eröffnung des tatbestandlichen Anwendungsbereichs der Rechtskategorie ankommt, Unwägbarkeiten bei der tatbestandlichen Reichweite also stets Gefahren für die tatsächliche Wirkmacht der einschränkenden Voraussetzungen bergen. Das Vorliegen eines „vollständig durch automatische Einrichtungen“ bzw. „ausschließlich automationsgestützt“ erlassenen Verwaltungsakts i. S. d. §§ 35a VwVfG, 31a SGB X, 155 Abs. 4 AO davon abhängig zu machen, ob ein bisweilen nur schwer zeitlich festzumachender Anstoß des Verwaltungsverfahrens auf autonome Abläufe oder auf eine menschliche Initiierung zurückzuführen ist, erscheint somit im Ergebnis als arg formalistische Weichenstellung und ist daher schon aus diesem Grund als ausschlaggebendes Charakteristikum der Rechtskategorie abzulehnen. Die Unerheblichkeit eines automatisierten Startimpulses für das Vorliegen eines vollautomatischen Verwaltungsakts unter dem BestVerfModG bestätigt sich schließlich auch im Abgleich mit der gesetzesteleologischen Stoßrichtung der Normierungen einschließlich ihrer bereits oben angeschnittenen Begrenzungsfunktion537. So weist Stelkens zu Recht darauf hin, dass sich Verwaltungsverfahren, die auf einen Anstoß durch menschliches Tätigwerden zurückgehen, qualitativ in keiner Weise von solchen Verfahren unterscheiden lassen, die ihren Anfang in einem selbsttätigen Impuls fanden.538 Bei der vollautomatischen Abwicklung des (vorgelagerten) Verwaltungsverfahrens sowie der Subsumtions- und Bescheidformulierungsvorgänge stellen sich vielmehr – insbesondere hinsichtlich derjenigen Aspekte, die der Gesetz­geber als verfassungsrechtlich problematisch identifizierte und durch Implementierung begrenzender Zulässigkeitsvoraussetzungen abzusichern 536  Vgl.

insbes. Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 9, Rn. 107, 161. § 3 C. II. 2. b) und 3. c) aa). 538  U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35a, Rn. 25; ders., in: Hill/ Kugelmann/Martini, Digitalisierung in Recht, Politik und Verwaltung, 81 (99). 537  Vgl.

150

§ 3 Begriffsklärung

such­te539 – dieselben rechtlichen Fragestellungen, unabhängig davon, ob der Verfahrensbeginn letztlich auf einen menschlichen Auslösungsakt oder einen automatischen Impuls zurückgeht. Ausgehend von den Funktionen und dem Sinn und Zweck des § 35a VwVfG ist damit ebenfalls kein Grund ersichtlich, das tatbestandliche Vorliegen eines vollautomatischen Verwaltungsakts zwingend von einem automatischen Anstoßen des Verfahrensbeginns abhängig zu machen.540 Dass der das Verfahren auslösende Impuls nicht automatisiert erfolgen muss, verhindert indes freilich nicht, dass der anstoßende Impuls, je nach Ausgestaltung der technischen Rahmenbedingungen, zur weiteren Steigerung der Effizienz automatisiert erfolgen kann, beispielsweise durch selbsttätige Einleitung eines Verfahrens durch automatisierten Abgleich von Daten aus zugänglichen Datenbanken. Unpräzise erscheint es überdies, den Wegfall des Medienbruchs durch eine (gesteigerte) informationstechnische Kooperation zwischen Bürger und Verwaltung als prägendes Wesensmerkmal bzw. zen­tralen Unterschied vollautomatisierterVerfahren zu bisherigen Situation der Verwaltungsautomatisierung zu sehen.541 Nicht der Wegfall von Medienbrüchen, sondern der Wegfall der personellen Bearbeitung kennzeichnet vollautomatische Verfahren.542 Der Wegfall von Medienbrüchen stellt dabei nur die vorgelagerte Voraussetzung und ggfls. nachgelagerte Errungenschaft vollautomatisierter Verfahren dar. c) Zwischenergebnis Der ein konkretes Verwaltungsverfahren auslösende Impuls erweist sich aufs Ganze gesehen nicht als taugliches Abgrenzungskriterium der neuen Rechtskategorie vollautomatisierter Verwaltungsakte. Für das tatbestandliche Vorliegen eines „vollständig durch automatische Einrichtungen“ bzw. „ausschließlich automationsgestützt“ erlassenen Verwaltungsakts i. S. d. Normen des BestVerfModG ist es also unerheblich, ob das in den Beginn des Verwaltungsverfahrens i. S. d. § 9 VwVfG einmündende Initiativmoment auf einen autonomen Impuls zurückzuführen ist oder von einem willentlichen mensch539  Beispielsweise die gesetzgeberische Auswahl automationsgeeigneter Verfahren, das Nichtbestehen von Ermessens- oder Beurteilungsspielräumen oder etwa die Einhaltung der Anforderungen des Amtsermittlungsgrundsatzes, vgl. etwa BT-Drs. 18/ 8343, S. 122. 540  Ist hinsichtlich der Initiierung des Verfahrens allerdings ein (Entschließungs-) Ermessen eingeräumt, so greifen hierfür bereits die (nach vorliegender Auffassung tatbestandlich ohne Weiteres anwendbaren) Einschränkungen des § 35a VwVfG, vgl. insoweit zu Recht Windoffer, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, § 35a, Rn. 20. 541  So Bull, DVBl. 2017, 409 (411); zust. Windoffer, in: Mann/Sennekamp/Uecht­ ritz, VwVfG, § 35a, Rn. 20. 542  Vgl. insbesondere § 3 C. II. 2. d) sowie die Zusammenfassung unten bei § 3 D.



C. Prägende Charakteristika151

lichen Anstoß ausging.543 Gleiches muss sinnvollerweise für die Auswahl der Verwaltungsaktadressaten gelten.544 Die auch vollautomatische Auslösung des Verfahrensbeginns (oder auch der technischen Bearbeitungsvorgänge im weiteren Sinne) ist damit insgesamt als prägendes Charakteristikum der vollautomatischen Verwaltungsakte abzulehnen. 5. Unschädlichkeit von Aussteuerungsmechanismen a) Rechtsstaatlich absichernde Aussteuerungen Unbeachtlich für das vollautomatisierte Ablaufen des vorgelagerten Verwaltungsverfahrens ist es, wenn in den programmierten technischen Arbeitsabläufen (dem sog. Workflow) Aussteuerungsmechanismen u. a. zur Absicherung einer rechtmäßigen Sachverhaltsermittlung angelegt sind, die beim Vorliegen bestimmter Voraussetzungen autonom eine Vorlage des konkreten Verfahrens an Behördenmitarbeiter zur individuellen menschlichen Nachprüfung oder Entscheidung veranlassen.545 Diese Wechselbeziehung wird einerseits vom Gesetzgeber vorausgesetzt546 und lässt sich andererseits auch deutlich aus den gesetzlichen Begleitnormierungen ableiten, beispielsweise dem Zusammenhang des § 35a VwVfG mit der Erweiterung des Amtsermittlungsgrundsatzes gem. § 24 Abs. 1 S. 3 VwVfG oder mit § 155 Abs. 4 AO547, vor allem aber auch aus der Normierung zum Einsatz von sog. Risikomanagementsystemen im Steuerverfahrensrecht des § 88 Abs. 5 AO sowie etwa der gewillkürten Aussteuerungsmöglichkeit seitens des Steuerpflichtigen durch das Machen von Angaben in einem sog. qualifizierten Freitextfeld 543  So i.  E. auch U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35a, Rn. 25; ders., in: Hill/Kugelmann/Martini, Digitalisierung in Recht, Politik und Verwaltung, 81 (98 f.); Ziekow, VwVfG, § 35a, Rn. 6; Hornung, in: Schoch/Schneider, VwVfG, § 35a, Rn. 29 mit Fn. 64 sowie Schmitz/Prell, NVwZ 2016, 1273 (1275), die insoweit indifferent von einem auslösenden Impuls durch einen Behördenmitarbeiter oder einem autonomen Auslöser ausgehen und damit im Umkehrschluss eine automatisierte Impulsgebung ebenfalls nicht zwingend verlangen; ebenso insoweit keine Unterscheidung vornehmend Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 9, Rn. 107b; in diese Richtung wohl auch Luthe, SGb 2017, 250 (252); a. A. aber Köhler, WzS 2018, 279 (281, 283), der von einer Vollautomatisierung nur dann sprechen will, wenn auch „die Vorgangsauslösung“ bzw. der „Impuls zum VA-Erlass“ „durch ein technisches Programm bewirkt wird“; teils offenbleibend bei Bull, DVBl. 2017, 409 (410 f.). 544  U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35a, Rn. 25; ders., in: Hill/ Kugelmann/Martini, Digitalisierung in Recht, Politik und Verwaltung, 81 (98 f.). 545  So auch U. Stelkens, in: Hill/Kugelmann/Martini, Digitalisierung in Recht, Politik und Verwaltung, 81 (90 f.); ders., in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35a, Rn. 24; zust. Braun Binder, in: Seckelmann, Digitalisierte Verwaltung, Kap. 12, Rn. 24. 546  Vgl. BT-Drs. 18/7457, S. 69 f.; BT-Drs. 18/8434 S. 122. 547  Vgl. U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35a, Rn. 24.

152

§ 3 Begriffsklärung

gem. §§ 150 Abs. 7, 155 Abs. 4 S. 3 AO. Der Einsatz von Risikomanagementsystemen zur Kompensation automationsbedingter Ermittlungsdefizite, die beim Überschreiten bestimmter Risikoparameter eine risikoinduzierte Aussteuerung oder zur Sicherung und fortlaufenden Evaluierung der Funk­ tionsfähigkeit des Risikomanagementsystems eine zufällige oder turnusmäßige Aussteuerung zur Folge haben, schadet dem Vorliegen eines vollautomatisierten Verwaltungsaktes bzw. dem auf den Erlass eines solchen gerichteten vollautomatischen Verfahrens demnach grundsätzlich nicht.548 Diese Grundsätze gelten jedenfalls für solche konkreten Verfahren, innerhalb derer es tatsächlich nicht zu einer Aussteuerung (und damit einer menschlichen Nachprüfung) kommt, so dass das Vorliegen von Aussteuerungsmechanismen jedenfalls nicht in genereller Art und Weise Verwaltungsverfahren ausschließt, die nach den Maßgaben der §§ 35a VwVfG, 31a SGB X und 155 Abs. 4 AO auf den vollständig automatisierten Erlass von Verwaltungsakten gerichtet sind. b) Beurteilung konkret ausgesteuerter Verfahren Fraglich bleibt aber, wie jene Verfahren zu qualifizieren sind, die – ungeachtet des Grunds – in tatsächlicher Hinsicht aus den automatisierten Verarbeitungsprozessen ausgesteuert wurden. Angesichts der Zielrichtung der Aussteuerung, die gerade darin liegt, ein konkretes Verfahren der Domäne der automatisierten Verarbeitungsvorgänge zu entziehen und dieses einer menschlichen (Nach-)Prüfung und/oder Entscheidung zuzuführen549, kann bei tatsächlich erfolgter Aussteuerung nicht mehr von einem vollständig automatisierten, also ohne menschliche Beteiligung bewirkten Erlass eines Verwaltungsaktes gesprochen werden.550 Verwaltungsakte, die als Produkt eines solchen ausgesteuerten Verfahrens im Wege einer (zumindest teilweisen) menschlichen Bearbeitung zustande kommen, sind demnach nicht mehr als „vollständig durch automatische Einrichtungen“ bzw. „ausschließlich automationsgestützt“ erlassene Verwaltungsakte einzuordnen. Ein Wider­ spruch zu den bisher herausgearbeiteten Grundsätzen ergibt sich aus diesem Verdikt nicht, zumal sich die mit der Unanwendbarkeit der §§ 35a VwVfG, 31a SGB X, 155 Abs. 4 AO gleichzeitig wegfallende und als rechtsstaatliche

548  Eingehend

zu Risikomanagementsystemen § 5 C. I. 2. b) bb). BT-Drs 18/8434, S. 122; Schmitz/Prell, NVwZ 2016, 1273 (1277); Kallerhoff/Fellenberg, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 24, Rn. 57e; zur Notwendigkeit eines menschlichen Elements auf der Kontrollebene vollautomatisierter Entscheidungen Berger, DVBl. 2019, 1234 (1237). 550  Ähnlich wohl U. Stelkens, in: Hill/Kugelmann/Martini, Digitalisierung in Recht, Politik und Verwaltung, 81 (90 f.). 549  Vgl.



C. Prägende Charakteristika153

Absicherung verstandene Begrenzungs- bzw. Schutzfunktion der Normen551 für vollautomatische Verfahren über die in diesen Situationen tatsächliche Involvierung menschlicher Sachbearbeiter rechtfertigt, sich das Verfahren also wieder üblichen, personellen Verwaltungsverfahren annähert. In der Konsequenz erfolgt sodann zu Recht eine Behandlung, die einem auf den herkömmlichen Erlass eines Verwaltungsaktes gerichteten Verfahren entspricht, ohne dass es besonderer, aus einer etwaigen rechtsstaatlichen Bedenklichkeit resultierender Eingrenzungen bedürfte. Aussteuerungsmechanismen stellen also kein generelles Hindernis für auf den vollständig automa­ tisierten Verwaltungsakterlass gerichtete Verwaltungsverfahren dar, sondern führen lediglich in den konkret ausgesteuerten Verfahren dazu, dass (zunächst) kein vollautomatischer Verwaltungsakt i. S. d. Regelungen des BestVerfModG mehr hervorgebracht wird. c) Rückführung ausgesteuerter Sachverhalte in das automatische Verfahren Davon unbenommen bleibt jedoch des Weiteren die Frage, wie konkrete Verfahren beurteilt werden müssen, die – nach erfolgter Aussteuerung – wieder in das automatisierte Verfahren zurückgeführt werden sollen. Dass eine solche Rückführung eines ausgesteuerten Einzelfalls in das automatisierte Verfahren nach erfolgter (händischer) Nachprüfung technisch und tatsächlich ohne Weiteres möglich ist und eine solche offenbar auch von den Vorstellungen des Gesetzgebers umfasst war, steht außer Zweifel und soll daher nicht weiter problematisiert werden.552 Doch auch derartig ablaufende Verfahren haben eigentlich (per definitionem) keinen vollständig durch automatische Einrichtungen erlassenen Verwaltungsakt mehr zur Folge, da dessen vorgelagertes Verwaltungsverfahren einschließlich der Subsumtions- und Bescheidformulierungsvorgänge gerade vom Fehlen der personellen Bearbeitung gekennzeichnet sind553 und eine dahingehende Prägung durch zwischenzeitlich 551  Zur Begrenzungs- bzw. Schutzfunktion der Normen BT-Drs. 18/8434, S. 121 f.; Ramsauer/Tegethoff, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 35a, Rn. 3; U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35a, Rn. 1; Prell, in: BeckOK VwVfG, § 35a, Rn. 3; Stuhlfauth, in: Obermayer/Funke-Kaiser, VwVfG, § 35a, Rn. 6 sowie bereits oben unter § 3 C. II. 2. b) und 3. c) aa). 552  Vgl. nur BT-Drs 18/8434, S. 122; Kallerhoff/Fellenberg, in: Stelkens/Bonk/ Sachs, VwVfG, § 24, Rn. 57e; Frotscher, in: Schwarz/Pahlke, Erstkomm. BestVerfModG, § 155 AO, Rz. 15; Prell, in: BeckOK VwVfG, § 35a, Rn. 18; ders., apf 2017, 237 (241); Köhler, WzS 2018, 279 (284); Braun Binder, DStZ 2016, 526 (529). 553  Vgl. hierzu bereits § 3 C. II. 2. d), 3. d), 4. c) und zusammenfassend § 3 D. sowie Kallerhoff/Fellenberg, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 24, Rn. 57 f.; Braun Binder, NVwZ 2016, 960; dies., in: Jusletter IT vom 22. September 2016, Rz. 7;

154

§ 3 Begriffsklärung

erfolgte personelle Nachprüfungen grundsätzlich verloren geht.554 An diesem Befund vermag auch die nachträgliche Rückführung in den vollautomatischen Verfahrenslauf zunächst nichts zu ändern. Was sich prima facie als schlüssige Folgerung darstellt, könnte allerdings mit Blick auf die Auswirkungen einer solchen Annahme dennoch systematischen Bedenken begegnen, die es zu adressieren gilt. Konsequenz des obigen Gedankengangs wäre nämlich, dass ein anfänglich auf den vollautomatischen Erlass eines Verwaltungsaktes i. S. d. §§ 35a VwVfG, 31a SGB X, 155 Abs. 4 AO gerichtetes Verwaltungsverfahren durch ggfls. zufällige oder nicht unmittelbar steuerbare Umstände (namentlich die Aussteuerung) während des Verfahrenslaufs aus dem Anwendungsbereich der Normen herausfällt. Da vollständig automatisiert erlassene Verwaltungsakte tatbestandliche Anforderungen an sämtliche Phasen des Entstehungsprozesses der Verwaltungsentscheidung stellen555, kann insofern als tauglicher Zeitpunkt zur Beurteilung des begrifflichen Vorliegens eines vollautomatischen Verwaltungsakts nur der Abschluss des eigentlichen Erlassvorgangs im Sinne der Rechtsanwendungsund Bescheidformulierungsvorgänge herangezogen werden. Gleichzeitig käme es damit aber auch zum Wegfallen der als rechtsstaatliche Absicherungen verstanden Zulässigkeitsvoraussetzungen der Normen556, obwohl diese konkreten Verfahren, die ja ursprünglich auf den vollständig automatisierten Erlass des Verwaltungsaktes angelegt waren, typischerweise stark von autonom ablaufenden Arbeitsvorgängen durchzogen sind und somit möglicherweise gerade Bedarf für die rechtsstaatlich absichernden Begrenzungen bestehen könnte. Genau besehen lassen sich die aufgeworfenen Bedenken aber letztlich ausräumen. Wie oben bereits erläutert wurde, erfolgt bei Aussteuerung des Prell, in: BeckOK VwVfG, § 35a, Rn. 6; Ramsauer/Tegethoff, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 35a, Rn. 2, 4, 10. 554  So wohl auch Schmitz/Prell, NVwZ 2016, 1273 (1277); Prell, in: BeckOK VwVfG, § 35a, Rn. 18; Luthe, in: Schlegen/Voelzke, jurisPK-SGB X, § 31a, Rn. 58; Mutschler, in: BeckOGK Sozialrecht, § 31a SGB X, Rn. 16; Braun Binder, DStR 2016, 526 (529 in Fn. 34); der Gesetzesbegründung können dahingehend kaum nähere Anhaltspunkte entnommen werden, vgl. BT-Drs 18/8434, S. 122; unklar bei dieser Sonderkonstellation letztlich auch bei Kallerhoff/Fellenberg, in: Stelkens/ Bonk/Sachs, VwVfG, § 24, Rn. 57 ff. 555  Mit Ausnahme des Bekanntgabevorgangs, der nach hier vertretener Auffassung nicht notwendigerweise auch automatisiert ablaufen muss, s. § 3 C. II. 3. c) und d). 556  Gemeint sind beispielsweise der Rechtsvorschriftenvorbehalt sowie der Ausschluss von Ermessens- oder Beurteilungsspielräumen, aber auch etwa die Erweiterung der Amtsermittlungspflicht gem. § 24 Abs. 1 S. 3 VwVfG, sofern diese lediglich bei vollautomatischen Verfahren greift, und sonstige verfassungsrechtlichen Anforderungen, die lediglich an vollautomatisierte Verwaltungsverfahren zu stellen sind.



C. Prägende Charakteristika155

Verfahrens eine Herauslösung desselben aus den automatisierten Verarbeitungsvorgängen, verbunden mit dessen Überführung in eine menschliche Bearbeitung, die wiederum – je nach innerem Aussteuerungsgrund – verschie­ dene Zielrichtungen verfolgt, etwa die Prüfung der Funktionalität des Risikomanagementsystems, die Einschätzung und Prüfung von als risikobehaftet markierten Fällen oder die Berücksichtigung individuellen Vorbringens etwa in Freitextfeldern. Ergo findet im Aussteuerungsfalle eine personelle Nachprüfung des konkreten Sachverhalts durch einen (oder mehrere) Behördenmitarbeiter statt, die sogleich die innere Rechtfertigung dafür liefert, dass – neben der Qualifikation als vollständig automatisiert erlassener Verwaltungsakt – gleichzeitig auch die Anwendbarkeit der Begrenzungsvoraussetzungen wegfällt. Dort wo die prüfenden Blicke der Behördenmitarbeiter die Gewähr für ein rechtstaatlich ablaufendes Verwaltungsverfahren bieten, werden – analog zum herkömmlichen, personell geprägten Ablauf der Verwaltungsverfahren – zusätzliche gesetzliche Absicherungen obsolet. Auch eine systematische Zusammenschau mit dem Erfordernis eines auch vollautomatisch ablaufenden Bekanntgabevorgangs der getroffenen Entscheidung, das nach hier vertretener Auffassung (u. a.) aus Gründen einer Umgehungsgefahr seitens der Behörde abgelehnt wird557, zeitigt hierin im Ergebnis keinerlei Widerspruch zur herausgearbeiteten Systematik: Denn während bei einer (insbesondere risikoinduzierten, aber auch zufälligen oder turnusmäßigen) Aussteuerung eine hinreichend genaue Nachprüfung des Einzelfalles durch personelle Behördenmitarbeiter zu erwarten ist558, die das Wegfallen der Begrenzungsfunktion der Normen durch die strukturelle Annäherung an herkömmliche oder zumindest auf „mit Hilfe automatischer Einrichtungen“ erlassene Verwaltungsakte gerichtete Verwaltungsverfahren durchaus zu rechtfertigen vermag, findet eine solche sachlich eingehendere Nachprüfung im Rahmen des isolierten Bekanntgabevorgangs einer ja bereits fertig automatisiert getroffenen Entscheidung nicht, jedenfalls aber nicht in einer vergleichbaren Sorgfalt und Güte statt.559 Hinsichtlich des Rechtsvorschriftenvorbehalts sowie des Ausschlusses von Beurteilungs- und Ermessensspielräumen dürfte sich die Problematik des Wegfallens der Begrenzungsfunktion zudem kaum stellen, zumal diese Voraussetzungen schon bei der planmäßigen Einrichtung der automatischen Systeme im Vorfeld der konkreten Verwal557  Vgl.

§ 3 C. II. 3. d). Bewertung und/oder Entscheidung der als risikobehaftet gewerteten Fälle sowie zur Evaluierung der Funktionalität des Risikomanagementsystems und der sonstigen automatisierten Abläufe. 559  Eher skeptisch insoweit aber Windoffer, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, § 35a, Rn. 21, der aus diesem Grund eine ausschließliche Beteiligung von nicht zur inhaltlichen Erstellung zuständigem Personal bei den Bekanntgabevorgängen verlangt. 558  Zur

156

§ 3 Begriffsklärung

tungsverfahren zu berücksichtigen sind, es also gar nicht erst zu einer Aussteuerung kommen sollte. Vermittelnd kann allerdings eine gewisse Einschränkung des dargelegten Gedankenganges gemacht werden: Ausgehend davon, dass ein Wegfallen der für vollautomatische Verwaltungsverfahren angedachten und ggfls. auch notwendigen Begrenzungsfunktionen zu rechtfertigen ist, wenn eine echte, hinreichend sorgfältige Nachprüfung durch einen Mitarbeiter nach Aussteuerung des Verfahrens erfolgt, kann – trotz formal erfolgter Aussteuerung und folglich personeller Mitwirkung – das Fortbestehen eines auf den vollständig automatisierten Verwaltungsakterlass gerichteten Verwaltungsverfahrens (und so letztlich das Vorliegen eines vollautomatisiert erlassenen Verwaltungsakts) dann in Betracht kommen, wenn eben keine echte Nachprüfung im Sinne einer hinreichend sorgfältigen Befassung durch einen Behördenmitarbeiter mit dem konkreten Verfahren stattfand, bevor die Rückführung in das vollautomatisierte Verfahren erfolgt. Zu denken wäre hierbei beispielsweise an individuell gemachte Angaben seitens des Bürgers, die zwar zunächst zu einer (gewillkürten) Aussteuerung des Verfahrens führen, sich sogleich aber he­ rausstellt, dass die gemachten Angaben für das konkrete Verfahren offenkundig nicht bedeutsam sind oder diese offenkundig keinen Sinn ergeben bzw. als bloß zusammenhangslos eingegebene Zeichenreihen zu einer versehent­ lichen oder mutwilligen Störung des vollautomatischen Verfahrens führen560 und es daraufhin (ohne weitere Sachprüfungen) zu einer sofortigen Rückführung des Verfahrens in die ausschließlich automatisiert erfolgende Bearbeitung kommt. In einer so gelagerten Situation könnte wohl kaum von einer echten bzw. substanziellen menschlichen Mitwirkung gesprochen werden und damit – trotz der formell erfolgten Aussteuerung – die Qualifikation als vollständig automatisiert erlassener Verwaltungsakt aufrechterhalten bzw. das Wegfallen der Begrenzungsfunktion nicht gerechtfertigt werden. Dieses vermittelnde Ergebnis kann darüber hinaus den Vorzug für sich beanspruchen, ohne Weiteres in Einklang mit der Gesetzesbegründung gebracht werden zu können. Der Gesetzgeber thematisiert nämlich jene „Rückführung“ in dem Kontext, dass bei individuell gemachten Angaben seitens des Bürgers, ergo bei gewillkürter Aussteuerung, zunächst deren Relevanz für das Verfahren geprüft werden solle561 und eine Rückführung im diskutierten Sinne sodann 560  Vgl. Schmitz/Prell, NVwZ 2016, 1273 (1277); vgl. auch Kallerhoff/Fellenberg, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 24, Rn. 57e. 561  Die Prüfung, ob die gemachten Angaben Relevanz für das konkrete Verfahren zeitigen erfolgt grundsätzlich durch einen Behördenmitarbeiter. Es wird allerdings auch für zulässig erachtet, dass diese Relevanzprüfung ihrerseits automatisiert vorgenommen wird, vgl. Schmitz/Prell, NVwZ 2016, 1273 (1277); Prell, apf 2017, 237 (241); Kallerhoff/Fellenberg, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 24, Rn. 57e; kritisch insoweit aber zu Recht Luthe, in: Schlegen/Voelzke, jurisPK-SGB X, § 31a,



C. Prägende Charakteristika157

wohl regelmäßig nur in Betracht kommt, wenn es sich um offenkundig nicht relevante Angaben handelt (sinnlose Zeichenfolgen; evidente Unbedeutsamkeit), eine darüber hinausgehende Sachprüfung durch den Mitarbeiter im Ergebnis also nicht erfolgte.562 d) Planmäßige und strukturelle Aussteuerungen Eine den obig dargelegten Grundsätzen entsprechende Beurteilung gilt sodann für Verfahrensgestaltungen, im Rahmen derer Aussteuerungen – statt zu Zwecken der rechtsstaatlichen Absicherung und Kompensation – als planmäßiges und verfahrensorganisatorisches Instrument vorgesehen sind, wenn etwa bei begünstigenden Antragsverfahren die positive Bescheidung – vorbehaltlich einer risikoinduzierten, zufälligen oder turnusmäßigen Aussteuerung – vollautomatisiert erlassen wird, während Ablehnungen von vornherein der menschlichen Bearbeitung überantwortet sind.563 Auch hier münden lediglich die so von vornherein aus dem automatisierten Verfahren herausgehaltenen bzw. ohne inneren Grund ausgesteuerten Verfahren nicht im vollständig automatisierten Erlass eines Verwaltungsaktes unter dem Regime des BestVerfModG, während für die übrigen Verwaltungsverfahren die dargelegten Grundsätze gelten, es im Wesentlichen also auf die rechtsstaatlich absichernden Aussteuerungen ankommt. Zumindest für die nicht von vornherein ausgesteuerten Verfahrenszweige stellen damit auch planmäßige Aussteuerungen kein generelles Hindernis für das Vorliegen eines vollständig automatisiert bewirkten Verwaltungsakterlasses dar. Die Problematik einer Rückführung ausgesteuerter Verfahren in die automatisierten Bearbeitungsvorgänge stellt sich bei von vornherein planmäßig eingesetzten Aussteuerungen indes wohl nicht. Es dürften insofern allerdings die selbigen Grundsätze gelten. Rn. 53 sowie Köhler, WzS 2018, 279 (283 f.); eingehender zu dieser Frage § 5 C. I. 2. b) aa) (3). 562  Vgl. BT-Drs 18/8434, S. 122; vgl. auch Schmitz/Prell, NVwZ 2016, 1273 (1277); Kallerhoff/Fellenberg, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 24, Rn. 57e. 563  Vgl. U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35a, Rn. 24, 41, der beispielhaft Genehmigungs- und Subventionsgewährungsverfahren nennt. Als weiteres Beispiel struktureller Aussteuerungen könnte zudem das Verfahren zur Erteilung einer Reisegenehmigung für visumbefreite Drittstaater nach dem Europäischen Reiseinformations- und ‑genehmigungssystem (ETIAS) angeführt werden, welches prinzipiell vollständig automatisiert abgewickelt, im Falle der Ablehnung der Reisegenehmigung aber stets zur manuellen Bearbeitung ausgesteuert wird, vgl. hierzu etwa Buckler, DÖV 2020, 749 (755) m. w. N. Bei einer solchen Ausgestaltung nähert sich der vollständig automatisiert erlassene Verwaltungsakt unter dem BestVerfModG strukturell insofern der Genehmigungsfunktion des § 42a VwVfG an, als auf die gemachten Angaben des Antragstellers grundsätzlich vertraut werden dürfte. Vgl. eingehender zu fiktiven Verwaltungsakten sodann § 4 B. III.

158

§ 3 Begriffsklärung

e) Zwischenergebnis Die Existenz von Aussteuerungsmechanismen in den Arbeitsroutinen der technischen Verarbeitungsprozesse stellt kein generelles Hindernis im Hinblick auf eine Qualifikation als vollständig automatisiert erlassener Ver­ waltungsakt i. S. d. §§ 35a VwVfG, 31a SGB X, 155 Abs. 4 AO dar. Lediglich im Falle einer tatsächlichen Aussteuerung verliert das konkrete ausgesteuerte Verfahren regelmäßig seine Prägung des vollständigen Fehlens personeller Mitwirkung und mündet nicht mehr in einem „vollständig durch automa­ tische Einrichtungen“ bzw. „ausschließlich automationsgestützt“ erlassenen Ver­waltungsakt. Dies gilt im Grundsatz unabhängig davon, ob es sich um rechtsstaatlich absichernde oder planmäßige Aussteuerungen handelt. Eine Ausnahme kann hiervon nur angenommen werden, wenn der Aussteuerung keine substanzielle Nachprüfung durch Behördenmitarbeiter, sondern eine bloße Evidenzprüfung nachfolgt und damit der Funktionszusammenhang des konkreten Verfahrens zur vollständig automatisierten Bearbeitung trotz formell stattfindender menschlicher Befassung als fortbestehend betrachtet werden kann. III. Unabhängigkeit von Verkörperungsformen Mit weniger Aufwand als die bisher bearbeiteten Aspekte lässt sich indes die Frage beantworten, inwieweit vollständig automatisiert erlassene Verwaltungsakte hinsichtlich ihrer Verkörperungsformen gewissen Prädeterminierungen unterliegen. Hierbei ist festzustellen, dass die Umschreibungen des „vollständig durch automatische Einrichtungen“ bzw. „ausschließlich automationsgestützt“ bewirkten Erlasses klar auf die Art und Weise des Zustandekommens der Entscheidung abzielen, und nicht auf die Verkörperungsform der so getroffenen Entscheidung564, wie dies auch anhand der bisherigen Untersuchungsschwerpunkte deutlich wurde. Die Verlagerung des gesetzgeberischen Schwerpunktes auf dem Feld des E-Government weg von den Verkörperungsformen und hin zu der Art und Weise der Entscheidungsfindung stellte dabei das maßgebliche Markenzeichen des BestVerfModG im Vergleich zu den bisherigen gesetzgeberischen Iterationen eines E-Government dar.565 Eine von vornherein feststehende Fixierung der neuen Rechts­

564  Vgl. auch Schmid/Heudecker, jurisPR-ITR 8/2017, Anm. 2, B. I.; Windoffer, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, § 35a, Rn. 6; Littmann, in: Hauck/Noftz, SGB X, § 31a, Rn. 5; Ramsauer/Tegethoff, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 35a, Rn. 10b. 565  Vgl. § 2 A. VI. 3. b) sowie E.



C. Prägende Charakteristika159

kategorie auf bestimmte Verkörperungsformen ist somit nicht gegeben566, was bereits der Wortlaut implizit bestätigt, indem dieser lediglich von automatischen Einrichtungen, nicht jedoch „elektronischen automatischen Einrichtungen“ spricht567. So können vollständig automatisiert erlassene Verwaltungsakte unter dem Regime der §§ 35a VwVfG, 31a SGB X und 155 Abs. 4 AO als Bescheid elektronisch, in Papierform oder auch „in anderer Weise“, beispielsweise durch automatische Freigabe eines Drehkreuzes zur Zulassung zu einer öffentliche Einrichtung nach Geldeinwurf oder durch automatische Signalgebung von Verkehrsleitanlagen, erstellt werden568, solange der Erlassvorgang im eigentlichen Sinn sowie – nach der vorliegend vertretenen Auffassung – das diesem vorgelagerte Verwaltungsverfahren vollautomatisch, also ohne personelle Beteiligung eines Behördenmitarbeiters abgewickelt werden. Lediglich in mündlicher Form erscheint ein automatisierter Verwaltungsakterlass zunächst unwahrscheinlich, angesichts automatisierter (Computer- bzw. Bot-)Ansagen allerdings auch nicht völlig ausgeschlossen. Grundsätzlich hiervon zu unterscheiden, jedoch nicht völlig losgelöst von der Verkörperungsform der Entscheidung selbst, stellt sich die Frage nach der Form der Entscheidungsbekanntgabe bei automatisierten Verwaltungsakten. Auch in dieser Hinsicht macht die Rechtskategorie vollautomatischer Verwaltungsakte unter dem BestVerfModG keine dedizierten Vorgaben, so dass die Entscheidungsbekanntgabe, die im Übrigen trotz der „Vollständigkeit“ des Verwaltungsakterlasses durch automatische Einrichtungen nach vorliegend vertretener Auffassung auch manuell erfolgen kann569, elektronisch, papiergebunden, ggfls. auch mündlich oder unter Rückgriff auf die ebenfalls im Rahmen des BestVerfModG neu implementierten Formen der Bekanntgabe durch Abruf bzw. Bereitstellung zum Abruf über öffentlich zugängliche Netze gem. §§ 41 Abs. 2a VwVfG, 37 Abs. 2a SGB X sowie 122a AO bewirkt werden kann.570

566  Vgl. Ramsauer/Tegethoff, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 35a, Rn. 10b; Windoffer, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, § 35a, Rn. 17; Prell, apf 2017, 237 (239). 567  Vgl. Schmid, jurisPR-ITR 3/2017, Anm. 2, B. III. 2. 568  Prell, in: BeckOK VwVfG, § 35a, Rn. 7; Luthe, in: Schlegen/Voelzke, jurisPKSGB X, § 31a, Rn. 7, 24; Heße, in: BeckOK SozialR, § 31a SGB X, Rn. 6; Ramsauer/Tegethoff, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 35a, Rn. 10b; Littmann, in: Hauck/ Noftz, SGB X, § 31a, Rn. 5; Schmitz/Prell, NVwZ 2016, 1273 (1275); Braun Binder, DÖV 2016, 891 (895); dies., in: Seckelmann, Digitalisierte Verwaltung, Kap. 12, Rn. 25; Heckmann, in: jurisPK-ITR, Kap. 5, Rn. 631; vgl. hierzu ebenfalls § 4 B. I. 1. 569  Vgl. oben § 3 C. II. 3. c) und d). 570  Insoweit nicht hinreichend zwischen (Verkörperungs-)Form und Art und Weise der Bekanntgabe differenzierend Berger, in: Knack/Henneke, VwVfG, § 35a, Rn. 41; vgl. hierzu auch § 4 B. I. 2.

160

§ 3 Begriffsklärung

IV. Keine Sonderdogmatik für „einfache Vollautomatisierung“ Bestimmte Formen ohne menschliche Beteiligung zustande gekommener Verwaltungsakte existierten bereits vor Erlass des BestVerfModG und seinen automationsbezogenen Kodifizierungen, beispielsweise in Gestalt autonom agierender Ampel- und anderer Lichtschaltungen, Prismenwender und Wechselverkehrsschilder sowie Verkehrsleit- und sonstiger Streckenbeeinflussungs­ anlagen, die regelmäßig auf das sensorisch ermittelte Verkehrsaufkommen reagieren und entsprechende Anordnungen (variable Geschwindigkeitsbegrenzungen, Stauwarnzeichen etc.) treffen.571 Diese als Fälle „einfacher Vollautomatisierung“ bezeichneten Phänomene sollen nach dem Dafürhalten einiger Literaturstimmen im Wege einer teleologischen Reduktion aus dem Anwendungsbereich insbesondere des § 35a VwVfG herausfallen, da diese keine „ ‚echte‘ Sachverhaltsermittlung“ erforderten, bei Schaffung des § 35a VwVfG nicht in den Blick genommen wurden und ihre bisherige Zulässigkeit folglich nicht durch einen neuen Regelungsvorbehalt begrenzt werden sollte.572 Meines Erachtens besteht hierbei allerdings kein Grund für eine dahin­ gehende Ausnahmen- bzw. Sonderfallbildung, zumal auch diese Formen der Vollautomatisierung die begrifflichen Voraussetzungen der Rechtskategorie erfüllen, auch wenn ggfls. die Sachverhaltsermittlung dort weniger umfangreiche Ausmaße annimmt.573 Allein die Tatsache, dass es solche Formen 571  Vgl. BVerwGE 138, 21 (Rn. 15, 22); Guckelberger, Öffentliche Verwaltung, Rn. 80; U. Stelkens, in: in: Hill/Kugelmann/Martini, Digitalisierung in Recht, Politik und Verwaltung, 81 (99); Stegmüller, NVwZ 2018, 353 (356); Djeffal, DVBl. 2017, 808 (815), der zudem darauf hinweist, dass es sich bei den von diesen erlassenen Allgemeinverfügungen um Ermessensentscheidungen handelt; allg. Ritgen, in: Bauer/ Heckmann/Ruge/Schallbruch/Schulz, VwVfG, § 35, Rn. 53 m. w. N. 572  So U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35a, Rn. 22 ff. m. w. N.; Ziekow VwVfG, § 35a, Rn. 10; Hornung, in: Schoch/Schneider, VwVfG, § 35a, Rn. 12, 30; zust. wohl Braun Binder, in: Seckelmann, Digitalisierte Verwaltung, Kap. 12, Rn. 1, die im Kontext der §§ 35a VwVfG, 31a SGB X und 155 Abs. 4 AO lediglich von Verfahren spricht, „die eine Sachverhaltsermittlung voraussetzen“; in eine ähnliche Richtung tendieren zudem Kube, VVDStRL 78 (2019), 289 (302 in Fn. 68), der in diesen Phänomenen „Sonderfälle“ erblickt, die „für sich [stehen]“; Ramsauer/Tegethoff, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 35a, Rn. 12 sowie Stegmüller, NVwZ 2018, 353 (356), der v. a. den Regelungsvorbehalt an sich kritisiert. Ähnlich dürfte OVG Münster, Beschl. v. 10.12.2021 – 2 A 51/21 (Rn. 11) zu verstehen sein. Krit. gegenüber dahingehenden Überlegungen aber Windoffer, in: Mann/Sennekamp/ Uechtritz, VwVfG, § 35a, Rn. 27; mehr für eine systematische Einbeziehung stehen wohl auch Schmitz/Prell, NVwZ 2016, 1273 (1274), die fließende Übergänge sehen. 573  So i. E. auch Windoffer, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, § 35a, Rn. 27, der allerdings vom Vorbehalt des Gesetzes her argumentiert, welcher im Fall einer Vollautomatisierung regelmäßig aktiviert werde; ähnlich v. Alemann, BDVR-RS 2021,



D. Zusammenfassung der begriffskonturierenden Erkenntnisse161

vollständig automatisiert erlassener Verwaltungsakte zeitlich bereits vor Erlass des BestVerfModG gab, vermag eine abweichende Handhabung im Wege einer teleologischen Reduktion der Norm jedenfalls nicht zu rechtfertigen. Überdies lässt jede methodisch hergeleitete Einschränkung ihres Anwendungsbereichs die begrifflichen Grenzen der Kategorie wieder ein Stück weit verschwimmen, weshalb schon zum Wohle der Kohärenz und Handhabbarkeit der Rechtskategorie dahingehende (für sich bereits neue Definitionsund Abgrenzungsschwierigkeiten aufwerfende) Ausnahmebereiche möglichst vermieden werden sollten, insbesondere wenn für diese kein zwingender Grund besteht. Eine vermittelnde Auflösung des Konflikts lässt sich jedenfalls im Ergebnis dadurch herbeiführen, dass keine übertriebenen Anforderungen an eine entsprechende „Ermächtigung“ zur Vollautomatisierung angelegt werden, mithin dass im Wege der Auslegung einer dahingehenden „Ermächtigung“ eine Zulassung der Vollautomatisierung auch dann ordnungsgemäß erfolgen kann, wenn nicht ausdrücklich von Automatisierung die Rede ist, aber nach Sinn und Zweck auch eine automatisierte Erzeugung der jeweiligen Entscheidungen zugelassen sein soll574. Für den Bereich automatisierter Verkehrs- und Lichtzeichenanlagen dürften die heutigen Rechtsgrundlagen der StVO dabei bereits eine solche (implizite) Zulassung enthalten.575

D. Zusammenfassung der begriffskonturierenden Erkenntnisse Ziel des vorstehenden Kapitels war es, die Rechtskategorie vollständig automatisiert erlassener Verwaltungsakte durch Herausarbeitung ihrer prägenden Charakteristika einer definitorischen Konturierung zuzuführen, welche – neben der Fixierung der untersuchungsgegenständlichen Grundlagen für die weitere Bearbeitung – auch einen Beitrag zum allgemeinen Verständnis und zur praktischen Handhabbarkeit dieser Facette des E-Government leisten kann. Als methodisches Fundament bildeten dabei allen voran die Kodifikationen des BestVerfModG den Ausgangspunkt einer solchen begrifflichen Klärung.576 Da insbesondere auch nach der gesetzgeberischen Vorstellung vollautomatisiert erlassene Verwaltungsakte als fachsäulenübergreifendeinheitliches Rechtsinstitut verstanden wurden, konnte in diesem Kontext 13 (14) sowie wohl auch VG Frankfurt (Oder), Urt. v. 9.9.2020 – VG 3 K 616/17, juris (Rn.  27 ff.). 574  Vgl. Hoffmann-Riem, AöR 145 (2020), 1 (27); Guckelberger, DÖV 2021, 566 (570); Ramsauer/Tegethoff, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 35a, Rn. 12; sehr krit. insoweit Tischbirek, ZfDR 2021, 307 (319), der explizite Zulassungen fordert. 575  Guckelberger, Öffentliche Verwaltung, Rn. 80; Prell, in: BeckOK VwVfG, § 35a, Rn. 11b. Etwa im Rundfunkbeitragsrecht wurde mit § 10a RBStV dagegen eine explizite Zulassung geschaffen. 576  Vgl. § 3 A. I. und II. sowie § 3 B. I.

162

§ 3 Begriffsklärung

eine parallele Betrachtung sämtlicher Verfahrensordnungen erfolgen.577 Die Normen des BestVerfModG hielten dabei selbst keine unmittelbare Definition der Rechtskategorie bereit, sondern gaben lediglich fragmentarisch Hinweise auf die kennzeichnenden Eigenarten der Rechtskategorie preis. Einen ersten begrifflichen Rückschluss ließ zunächst das gesetzgeberische Aufgreifen der gesetzlich etablierten Begrifflichkeit der „automatischen Einrichtungen“ zu, deren autonomes Arbeitsspektrum sich im Rahmen der bereits ursprünglich in den Verfahrensordnungen enthaltenen Kategorie „mit Hilfe automatischer Einrichtungen“ erlassener Verwaltungsakte nach dem bisher herrschenden Verständnis auf die selbsttätige Abwicklung der Rechtsanwendungs- und Bescheidformulierungsvorgänge beschränkte, bei gleichzeitig noch personell erfolgender Sachverhaltsermittlung.578 Da der vollständig automatisiert erlassene Verwaltungsakt als Steigerung des Automationsgrades gerade im Vergleich zu den bisher vorzufindenden Automationsformen innerhalb der Verwaltung konzipiert wurde579, ist in der Folge auch dieser neuen Spielart des Verwaltungsakterlasses einerseits die autonome, also ohne menschliche Beteiligung erfolgende Durchführung der Subsumtions- und Bescheidformulierungsaufgaben inhärent. Andererseits wird zudem ein hierüber hinausgehender Zuwachs an Automation vorausgesetzt, der seine normative Verankerung in der gesetzlich vorgesehenen „Vollständigkeit“ des Erlasses durch automatische Einrichtungen findet, die zugleich den zweiten und zentralen begriffsklärenden Anhaltspunkt bildet.580 Vor allem im direkten Abgleich mit den Attributen der bisher vorzufindenden Kategorie „mit Hilfe automatischer Einrichtungen“ erlassener Verwaltungsakte materialisierte sich die von der neuen Spielart geforderte „Vollständigkeit“ des Einsatzes automatischer Einrichtungen dabei nach der hier vertretenen Auffassung gerade in der Automatisierung auch der den Vorgängen der Subsumtion und Bescheidformulierung vorgelagerten Etappen innerhalb des Verwaltungsverfahrens, worunter insbesondere die Ermittlung, Bewertung und Verifikation der relevanten Sachverhaltsdaten und die Durchführung einer Anhörung zu fassen sind. In diesem Sinne kommt es bei vollautomatisiert erlassenen Verwaltungsakten zu einer Erweiterung des Einsatzspektrums automatischer Einrichtungen auch auf das dem eigentlichen Erlassvorgang vorgelagerte Verwaltungsverfahren, das nunmehr ebenso ohne personelle Beteiligung erfolgen muss. Die der überwiegenden Zahl der ersten literarischen Einordnungen zugrundeliegende These, die neue Rechtskategorie i. S. d. §§ 35a VwVfG, 31a SGB X, 155 Abs. 4 AO zeichne sich durch das vollständige Fehlen einer 577  Vgl.

§ 3 B. II. § 3 C. I. 579  Vgl. etwa BT-Drs. 18/8434, S. 121. 580  Vgl. § 3 C. II., insbes. 1. 578  Vgl.



D. Zusammenfassung der begriffskonturierenden Erkenntnisse163

personellen Mitwirkung während sämtlicher Verfahrensschritte aus, konnte somit dahingehend bestätigt werden.581 Gleichzeitig wurde allerdings an anderer Stelle eine Einschränkung des Erfordernisses eines vollständigen Fehlens der personellen Bearbeitung notwendig, das in seiner Pauschalität keine stimmige und vor allem systematisch kohärente Beschreibung der Eigenarten der Rechtskategorie abzubilden vermochte. Namentlich der dem eigentlichen Erlassprozess nachgelagerte Vorgang der Bekanntgabe, der verfahrensrechtlich ohne Weiteres einen Teil des Verwaltungsverfahrens i. e. S. der §§ 8, 9 VwVfG und (nach überwiegender Auffassung) auch ein Element des „Erlasses“ eines Verwaltungsakts darstellt, muss nach hier vertretener Auffassung vor allem zur Vermeidung von Um­ gehungspotenzialen nicht begriffsnotwendig automatisch erfolgen, sondern kann auch durch menschliche Behördenmitarbeiter bewirkt werden. Die Automatisierung auch des Bekanntgabevorgangs stellt damit keine prägende Eigenschaft vollständig automatisiert erlassener Verwaltungsakte i. S. d. BestVerfModG dar.582 Der Begriff des „Erlasses“ erwies sich im Kontext der begrifflichen Konturierung des Rechtsinstituts aufgrund seiner sprachlich ungenauen bzw. untechnischen Verwendung insgesamt als kaum aussagekräftig, obwohl der Wortlaut der Kodifikationen durchaus einen engen tatbestandlichen Bezug zu diesem aufweist. Während einerseits die Automatisierung des vorgelagerten Verwaltungsverfahrens als prägendes Merkmal vollständig automatisiert erlassener Verwaltungsakte identifiziert wurde, dieses aber gar keinen Bestandteil des „Erlasses“ bildet, ist andererseits die Automatisierung auch des Bekanntgabevorgangs nicht begriffsnotwendig zu fordern, obwohl der Bekanntgabevorgang zumindest nach überwiegendem Verständnis als Teil des „Erlasses“ verstanden wird.583 Ein die technischen Bearbeitungsvorgänge der automatischen Einrichtungen auslösender Impuls, der teilweise in die Überlegungen rund um eine begriffliche Einhegung vollständig automatisierter Verwaltungsakte eingebracht wurde, hat sich indes nicht als tragfähiges und praktikables begriff­ liches Merkmal erwiesen. Auf die automatisierte Initiierung der technischen Bearbeitungsvorgänge oder des Beginns des Verwaltungsverfahrens i. S. d. § 9 VwVfG mittels eines nicht-menschlichen Anstoßes kommt es damit für das Vorliegen eines vollständig automatisierten Verwaltungsaktes nicht an.584 Darüber hinaus stellt auch der Einsatz von Aussteuerungsmechanismen kein generelles Hindernis für das Vorliegen „vollständig durch automatische Einrichtungen“ bzw. „ausschließlich automationsgestützt“ erlassener Verwal581  Vgl.

§ 3 § 3 583  Vgl. § 3 584  Vgl. § 3 582  Vgl.

C. C. C. C.

II. II. II. II.

2. 3. 2. a) sowie 3. a). 4.

164

§ 3 Begriffsklärung

tungsakte dar. Lediglich die konkret ausgesteuerten Verfahren verlieren das Attribut des vollautomatischen Verwaltungsakterlasses. Dies gilt sowohl für rechtsstaatlich absichernde als auch für planmäßige und strukturell angelegte Aussteuerungen. Im Falle einer Rückführung eines ausgesteuerten Verfahrens in die automatisierten Arbeitsprozesse kann eine Ausnahme hiervon nur insoweit gelten, als tatsächlich keine substanzielle Nachprüfung durch einen Behördenmitarbeiter im Rahmen der Aussteuerung erfolgte.585 Schließlich unterliegt der vollständig automatisiert erlassene Verwaltungsakt, der lediglich Anforderungen an die Art und Weise des Verwaltungsakterlasses stellt, keinen Prädeterminierungen hinsichtlich seiner Verkörperungsformen.586 Eine über eine teleologische Reduktion des § 35a VwVfG effektuierte begriffliche Bereichsausnahme für Fälle „einfacher Vollautomatisierung“ ist abzulehnen.587 Ein vollständig automatisiert erlassener Verwaltungsakt i.  S.  d. §§ 35a VwVfG, 31a SGB X, 155 Abs. 4 AO stellt zusammenfassend eine automationsmaximierte Spielart des Verwaltungsakterlasses dar, im Rahmen derer nicht nur die Vorgänge der Rechtsanwendung und Bescheidformulierung, sondern auch das diesen Abschnitten vorgelagerte Verwaltungsverfahren der Abwicklung durch automatische Einrichtungen überantwortet sind, also automatisiert, d. h. ohne personelle Bearbeitung verwirklicht werden. Der vollständig automatisiert erlassene Verwaltungsakt zeichnet sich damit durch das völlige Fehlen der personellen Bearbeitung während des eigentlichen Erlassvorgangs sowie während des diesem vorgelagerten Verwaltungsverfahrens (insbes. während der Sachverhaltsermittlung) aus, wohingegen es auf eine automatisierte Abwicklung der Bekanntgabevorgänge, ein automatisiertes Initiativmoment für den Beginn der technischen Bearbeitungsvorgänge oder des Verwaltungsverfahrens sowie die Verkörperungsform der automatisiert zustande gekommenen Entscheidung nicht ankommt. Auf eine Kurzformel gebracht, besteht die Neuerung „vollständig durch automatische Einrichtungen“ bzw. „ausschließlich automationsgestützt“ erlassene Verwaltungsakte ergo nicht im Einsatz automatischer Einrichtungen als „Subsumtions- und Bescheidformulierungsautomaten“ in Verwaltungsverfahren, sondern in dem Umstand, dass diese zudem noch mit Sachverhaltsdaten gespeist werden, die ihrerseits in vollautomatischen, auf eine (behördenseitige) menschliche Mitwirkung verzichtenden Arbeitsabläufen erhoben bzw. gesammelt wurden, und auch bei den sonstigen Verfahrenselementen keine menschliche Mitwirkung stattfindet. Die §§ 35a VwVfG, 31a SGB X und 155 Abs. 4 AO normieren somit genau besehen weniger einen bestimmten Typus des Verwaltungsaktes als Abschlussakt eines konkreten Verwaltungsverfahrens, sondern 585  Vgl.

§ 3 C. II. 5. § 3 C. III. 587  Vgl. § 3 C. IV. 586  Vgl.



D. Zusammenfassung der begriffskonturierenden Erkenntnisse165

betreffen in überwiegender Weise den Ablauf eines vollständig automatisierten, d. h. ohne menschliche Einwirkungen588 abgewickelten Verwaltungsverfahrens, an dessen Ende erst ein vollständig automatisiert zustande gekommener Verwaltungsakt steht.589 Im regelungsinhaltlichen Fokus steht also weniger der vollautomatisiert erlassene Verwaltungsakt, sondern vielmehr das zuvor stattfindende Verwaltungsverfahren, dessen Abschlusspunkt er bildet. Die systematische Stellung und Bezugspunkte der §§ 35a VwVfG, 31a SGB X und 155 Abs. 4 AO als Sondervorschriften über Verwaltungsakte bilden daher angesichts ihres eigentlich (von konkreten Verwaltungsverfahren losgelösten) verwaltungsverfahrens- und verwaltungsorganisationszen­ trierten Inhalts die ausgewiesenen Regelungsgehalte nicht vollends treffend ab und hätten in einen allgemeineren verfahrensbezogenen Kontext systematisch besser verortet werden können.590 Rechtspraktisch folgt der Gesetzgeber mit seiner Ausgestaltung des vollständig automatisiert erlassenen Verwaltungsakts den bereits seit längerer Zeit geäußerten Empfehlungen, zur Gewährleistung eines gesetzmäßigen Verwaltungsvollzugs bei sich gleichzeitig verknappenden Personalressourcen ein gänzlich ohne Beteiligung eines Menschen ablaufendes Verwaltungsverfahren zu implementieren.591

588  Anders insoweit Berger, in: Knack/Henneke, VwVfG, § 35a, Rn. 36 f., die lediglich eine Vorverlagerung menschlicher Entscheidungselemente auf die Programmierungs-Phase annimmt. 589  Vgl. U. Stelkens, in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, §  35a, Rn. 4; Berger, DVBl. 2019, 1234. 590  U. Stelkens, in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35a, Rn. 4; ders., in: Hill/Kugelmann/Martini, Digitalisierung in Recht, Politik und Verwaltung, 81 (97), der hier das Umfeld des § 10 VwVfG als passende Verortung vorschlägt; vgl. auch Eifert, ­E-Government, S.  142  f.; Ziekow, in: Hill/Schliesky, Herausforderung e-Government, 69 (81 f.); für Berger, in: Knack/Henneke, VwVfG, § 35a, Rn. 30 rechtfertigt sich indes die systematische Stellung der Norm als zentraler Baustein des sich entwickelnden „öffentlichen Datenverarbeitungsrechts“. 591  Vgl. im Kontext des Steuerverfahrensrechts Engels (Hrsg.), Schriftenreihe des Bundesbeauftragten für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung, Band 13 (2006), S.  16 ff.; Baldauf, DStR 2016, 833 (834); vgl. auch BRH, Bericht über den Vollzug der Steuergesetze v. 17. Jan. 2012, S. 35 f.

§ 4 Rechtsnatur und Abgrenzung vollautomatisiert erlassener Verwaltungsakte nach dem BestVerfModG Nach einer begrifflichen Konturierung vollautomatisiert erlassener Ver­ waltungsakte i. S.d. BestVerfModG unter Herausarbeitung ihrer prägenden Charakteristika wird nun in einem zweiten Schritt das Augenmerk auf die Rechtsnatur der Kategorie gelegt und eine Abgrenzung hin zu weiteren in den Verfahrensordnungen erwähnten besonderen Ausprägungsformen von Verwaltungsakten unternommen. Von den hierbei herauszuarbeitenden Überschneidungen und Parallelen versprechen sich neben weiteren begrifflichen Rückschlüssen und einer besseren gesamtkontextuellen Einbettung auch Einsichten für eine spätere rechtliche Würdigung.

A. Die Einordnung des vollständig automatisiert erlassenen Verwaltungsakts als Verwaltungsakt i. S. d. Handlungsformenlehre Losgelöst von der Bestimmung seiner prägenden Charakteristika ist zunächst in der gebotenen Kürze zu hinterfragen, ob der vollständig automatisiert erlassene Verwaltungsakt unter dem BestVerfModG – unabhängig von den Festlegungen der §§ 35a VwVfG, 31a SGB X, § 155 Abs. 4 AO selbst – die spezifischen Merkmale der behördlichen Handlungsform des Verwaltungsakts aufweist, tatbestandlich also überhaupt als Verwaltungsakt zu qualifizieren wäre. Nach der allgemeinen Definition der §§ 35 S. 1 VwVfG, 31 S. 1 SGB X, 118 S. 1 AO wird unter einem Verwaltungsakt dabei bekanntlich jede konkret-individuelle, einseitig-hoheitliche Maßnahme einer Behörde mit Regelungscharakter und Außenwirkung verstanden.592 I. Einzelfallbezug, Regelungscharakter und Außenwirkung Keinerlei Probleme beim tatbestandlichen Abgleich mit der neuen Rechtskategorie ergeben sich zunächst bei der Einzelfallbezogenheit der Regelung, dem Regelungscharakter selbst sowie ihrer Rechtswirkung nach außen. Wie 592  Zur allgemeinen Definition des Verwaltungsakts Maurer/Waldhoff, Allg. VerwR, § 9, Rn. 5.



A. Die Einordnung als Verwaltungsakt i. S. d. Handlungsformenlehre167

oben gezeigt wurde, zeichnet sich der vollständig automatisiert erlassene Verwaltungsakt durch eine Modifikation der Art und Weise seines Herstellungsvorganges aus. Abweichend von der herkömmlichen, personell geprägten Vorgehensweise findet bei vollständig automatisiertem Erlass eines ­Verwaltungsakts grundsätzlich keine Beteiligung eines Menschen innerhalb des konkreten Verfahrens mehr statt. Die Vorgänge der Subsumtion und Bescheidformulierung sowie das diesen vorgelagerte Verwaltungsverfahren müssen in diesem Sinne autonom ablaufen. Den Zuschnitt des so zustande kommenden Endprodukts als konkret-individuelle einseitige Handlungsform der Verwaltung, die auf die Herbeiführung einer Rechtsfolge gerichtet ist und zudem den Rechtskreis des Rechtsträgers der erlassenden Behörde verlässt593, lassen die genannten Eigenheiten des Herstellungsprozesses dabei jedoch unberührt. Jedenfalls insofern liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen eines Verwaltungsakts ohne Weiteres vor. Auch an der Einzelfallbezogenheit der Entscheidung ergeben sich trotz standarisierter algorithmischer Determinierung der Bearbeitungsvorgänge keine Zweifel594, zumal Entscheidungsprogramme regelmäßig als Verwaltungsvorschriften behandelt werden595, deren abstrakt-generelle Vorzeichnungen während des Entstehungsprozesses den konkret-individuellen Charakter des konkreten Anwendungsfalles und letztlich des Endprodukts nicht in Frage stellen. II. Maßnahme einer Behörde 1. Erfordernis einer menschlichen Willensbetätigung Als einzig problembehaftetes Kriterium erweist sich indes die Einordnung als behördliche „Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme“ i. S. d. allgemeinen Definition, für deren Vorliegen nach verbreitetem Verständnis eine Willensbetätigung eines menschlichen Amtswalters im konkreten Verfahren verlangt wird.596 Hergeleitet wird dieses Erfordernis aus dem allgemeinen Verständnis des Verwaltungsakts als öffentlich-rechtliche 593  Allgemein zu Regelungscharakter, Außenwirkung und Einzelfallbezug statt vieler Maurer/Waldhoff, Allg. VerwR, § 9, Rn. 6 ff., 15 ff., 24 ff.; Ruffert, in: Ehlers/ Pünder, Allg. VerwR, § 21, Rn. 24 ff., 31 ff., 44 ff. 594  Entgegen Köhler, WzS 2018, 279 (282). 595  Vgl. an dieser Stelle nur Möstl, in: Ehlers/Pünder, Allg. VerwR, § 20, Rn. 51; Eifert, E-Government, S. 129; näher unter § 6 B. II. 1. b) bb) in Fn. 1861 m. w. N. 596  BT-Drs. 18/8434, S. 120, 122; Prell, in: BeckOK VwVfG, § 35a, Rn. 7; ders., apf 2017, 237 (238); Schmitz/Prell, NVwZ 2016, 1273 (1275); Schmid, jurisPR-ITR 3/2017, Anm. 2, B. II; vgl. zudem bereits Zeidler, Technisierung der Verwaltung, S. 15 ff.; zur Problematik auch Luthe, SGb 2017, 250 (252); Bull, DVBl. 2017, 409 (414 f.); Stegmüller, NVwZ 2018, 353 (354) sowie der Überblick bei Braun Binder, NVwZ 2016, 960 (963).

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§ 4 Rechtsnatur und Abgrenzung nach dem BestVerfModG

Willenserklärung597, die grundsätzlich von einem menschlichen Regelungsund Bekanntgabewillen, der üblicherweise vom erlassenden Amtsträger als Behördenvertreter gebildet wird, getragen werden müsse.598 Da es technischen Einrichtungen an einer Willensfähigkeit mangelt, wird beim Einsatz vollautomatischer Systeme unter gleichzeitiger Absenz menschlicher Mit­ wirkungshandlungen, die einen entsprechenden Anknüpfungspunkt für eine Willensbetätigung bieten könnten, das Vorliegen einer solchen Willensbetätigung während des konkreten Verwaltungsverfahrens entsprechend bezweifelt, so dass eine Einordnung als Verwaltungsakt tatbestandlich ausscheiden würde.599 In engem Wechselbezug mit der Voraussetzung einer menschlichen Willensbetätigung steht letztlich auch die Zurechenbarkeit von Verwaltungsentscheidungen an die verantwortliche Behörde.600 2. Bisherige Lösungsansätze Der Ursprung der vorstehenden Diskussion geht bereits auf eine Zeit weit vor Erlass des BestVerfModG zurück, als mit dem Aufkommen erster Überlegungen zu Formen automatisierter Behördenentscheidungen Anfang der 1950er Jahre sowie nach gesetzlicher Implementierung des „Computerverwal­ tungsakts“601 in den kodifizierten Verfahrensordnungen die Frage nach der 597  Vgl. nur v. Alemann/Scheffczyk, in: BeckOK VwVfG, § 35, Rn. 118 f.; Ruffert, in: Ehlers/Pünder, Allg. VerwR, § 21, Rn. 14 ff.; BVerwG NVwZ-RR 2012, 628 (629 f.); BVerwG NVwZ 2017, 326 (Rn. 20); U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 35, Rn. 69 f.; Prell, apf 2017, 237 (238); BT-Drs. 7/910, S. 57. Die Einordnung als hoheitliche Willenserklärung blieb insbesondere in früherer Zeit nicht unbestritten, vgl. etwa Bull, Technisierung der Verwaltung, S. 65 ff. m. w. N., scheint jedoch heutzutage nicht mehr ernsthaft angezweifelt zu werden. Lediglich hinsichtlich einzelner Aspekte und Rechtsfolgen ist eine zur privatrechtlichen Willenserklärung unterschiedliche Behandlung angezeigt, vgl. hierzu U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 35, Rn. 70 ff. sowie die Einwände bei Bull, DVBl. 2017, 409 (415). 598  Insbesondere für das Steuerverfahrensrecht Seer, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 155 AO, Rz. 59; § 118, Rz. 10; Ratschow, in: Klein, AO, § 118, Rn. 15 ff.; Füssenich, in: BeckOK AO, § 118, Rn. 18 ff.; BFH BStBl. II 2001, 662; vgl. für das allgemeine VwVfG Schmitz/Prell, NVwZ 2016, 1273 (1275); U. Stelkens, in: Stelkens/ Bonk/Sachs, VwVfG, § 35, Rn. 70 sowie für das SGB X Luthe, SGb 2017, 250 (252); ders., in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, § 31a, Rn. 22; Schmid, jurisPR-ITR 3/2017, Anm. 2, B. II bemüht dagegen den Wortlaut der Norm. 599  Vgl. BT-Drs. 18/8434, S. 122; Schmitz/Prell, NVwZ 2016, 1273 (1275); ders., BeckOK VwVfG, § 35a, Rn. 7; vgl. auch Schmid, jurisPR-ITR 3/2017, Anm. 2, B. II; Heckmann, in: jurisPK-ITR, Kap. 5, Rn. 632; Seer, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 155 AO, Rz. 59; Mutschler, in: BeckOGK Sozialrecht, § 31a SGB X, Rn. 3, 8. 600  U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35, Rn. 53, 70; § 35a, Rn. 26 ff.; vgl. auch Luthe, SGb 2017, 250 (252); Braun Binder, NVwZ 2016, 960 (963). 601  Vgl. hierzu bereits § 2 A. I., B. I. und C.



A. Die Einordnung als Verwaltungsakt i. S. d. Handlungsformenlehre169

Zurechenbarkeit solcher Entscheidungen aufkeimte.602 Substanzielle Unterschiede zwischen dem früheren Streit- und Sachstand und den untersuchungsgegenständlichen Automationsformen des BestVerfModG lassen sich dabei eher nicht ausmachen. Mit der Abwicklung auch des dem eigent­lichen Erlassvorgang vorgelagerten Verfahrens durch automatische Einrichtungen fällt lediglich ein weiterer Anknüpfungspunkt für eine menschliche Willensbetätigung weg, so dass sich die Problematik im Grundsatz weiterhin, ggfls. in verstärkter Form stellt. Auch im Kontext der neuen und weitergehenden Automationsformen nach dem BestVerfModG wurde sich dabei in verschiedentlicher Art und Weise einer Auflösung der obigen Fragestellung ange­ nähert. Im Einklang mit den Vorstellungen des Gesetzgebers wurde wohl überwiegend von einer Vorverlagerung der Willensbetätigung und der dadurch vermittelten Zurechnung zur Behörde ausgegangen, die teilweise auf den Zeitpunkt der vorgelagerten (menschlichen) Programmierung des eingesetzten Algorithmus bzw. der Programmfreigabe603, teilweise auf den Zeitpunkt der Entscheidung zur Anschaffung oder Zurverfügungstellung der EDV-Anlagen seitens der Behörde, worin auch der Wille zur Benutzung dieser Anlagen zum Ausdruck komme604, abhob. Vereinzelt wurde andererseits eine Zurechenbarkeit aus der gesetzgeberischen Anerkennung (teil-) automatisiert erlassener Verwaltungsakte hergeleitet, die g ­gfls. auch auf vollständig automatisiert erlassene Verwaltungsakte übertragen werden könne.605

602  U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35a, Rn. 26; vgl. zur früheren Diskussion überblicksartig Lazaratos, Rechtliche Auswirkungen der Verwaltungsautomation, S.  256 ff.; Polomski, Der automatisierte Verwaltungsakt, S. 73 ff.; Luhmann, Recht und Automation, S. 30 ff.; Bull, Technisierung der Verwaltung, S. 65 ff., je m. w. N. aus der älteren Literatur. 603  BT-Drs. 18/8434, S. 120, 122; im Kontext der ausschließlich automationsgestützten Steuerfestsetzung Seer, StuW 2015, 315 (323); ders., StbJb 2016/2017, 539 (548); vgl. auch BFH BStBl. II 1998, 450; Rüsken, in: Klein, AO, § 155, Rn. 76; aus sozialrechtlicher Warte Luthe, SGb 2017, 250 (252 in Fn. 11); Mutschler, in: BeckOGK Sozialrecht, § 31a SGB X, Rn. 8; allgemein Martini/Nink, NVwZ-Extra 10/2017, 1 (2); Prell, apf 2017, 237 (238); Guckelberger, in: FS Herberger, 397 (401); Ziekow, NVwZ 2018, 1169 (1170 f.); Schmid, jurisPR-ITR 3/2017, Anm. 2, B. II; Lazaratos, Rechtliche Auswirkungen der Verwaltungsautomation, S. 265 ff., 278; Polomski, Der automatisierte Verwaltungsakt, S. 78 ff. je m. w. N. aus der älteren Literatur. 604  Braun Binder, NVwZ 2016, 960 (963 f.); Heintzen, DÖV 2015, 780 (784); Degrandi, Die automatisierte Verwaltungsverfügung, S. 74; Polomski, Der automatisierte Verwaltungsakt, S. 79 f. m. w. N. aus der älteren Literatur; vgl. auch Martini/ Nink, NVwZ-Extra 10/2017, 1 (2). 605  Vgl. Polomski, Der automatisierte Verwaltungsakt, S. 77  f., 85; Ritgen, in: Bauer/Heckmann/Ruge/Schallbruch/Schulz, VwVfG, § 35, Rn. 54.

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§ 4 Rechtsnatur und Abgrenzung nach dem BestVerfModG

Eine letztverbindlich-überzeugende Klärung der Streitfrage vermag dabei im Ergebnis aber keine der angeschnittenen bisherigen Strömungen herzustellen. Eine Übertragbarkeit der durch gesetzliche Anerkennung teilautomatisierter Verwaltungsakte vermittelten Zurechenbarkeit auf vollständig automatisiert erlassene Verwaltungsakte erweist sich von vornherein als problematisch, zumal letztere einen weitaus höheren Automationsgrad bei gleichzeitig völligem Wegfallen personeller Mitwirkungselemente aufweisen und somit jedenfalls hinsichtlich ihrer verfassungsrechtlichen Absicherung eine doch stark veränderte Ausgangslage aufweisen606. Eine uneingeschränkte Übertragbarkeit der Zurechenbarkeit hinge letztlich auch mit dem Verhältnis von teilweise und vollständig automatisiert erlassenen Verwaltungsakten zueinander zusammen, auf das erst später eingegangen werden soll.607 Die Annahme einer Vorwegnahme der Willensbetätigung begegnet dagegen soweit ersichtlich keinen tiefgreifenden rechtlichen Einwänden und erscheint im Ergebnis auch als zielführender Lösungsansatz, lässt jedoch für sich stehend noch ein gewisses Maß an dogmatischer Fundierung vermissen, das für eine überzeugende gesamtsystematische Einbettung wünschenswert wäre. Bei einer entsprechenden Vorverlagerung könnte nämlich allenfalls eine generelle Willensbetätigung der Behörde bzw. eines Amtswalters im jeweiligen Bezugszeitpunkt angenommen werden, nicht jedoch eine menschliche Willensbetätigung im konkreten Einzelfall, wie es eigentlich zu fordern wäre, wenn eine menschliche Willensbetätigung als elementares Kriterium eines Verwaltungsaktes (also einer konkret-individuellen Einzelmaßnahme) verstanden würde.608 3. Kodifikatorische Festlegung und deklaratorische Natur der Kodifikation Mit den neu implementierten Normierungen der §§ 35a VwVfG, 155 Abs. 4 S. 1 sowie S. 4 AO und 31a SGB X hat der Gesetzgeber die Rechtsnatur vollständig automatisiert erlassener „Verwaltungsakte“ und damit implizit deren Zurechenbarkeit positiv-rechtlich eindeutig festgelegt, so dass auf eine detailliertere Auseinandersetzung mit der Problematik und ihren Lösungsansätzen letztlich weitgehend verzichtet werden kann.609 Den Nor606  So zu Recht Braun Binder, NVwZ 2016, 960 (963 f.); vgl. zum Automationsgrad teilweise automatisiert erlassener auch BT-Drs. 7/910, S. 59 sowie bereits oben § 3 C. II. 2. c) cc) am Ende. 607  Siehe hierzu § 4 B. II. 3. 608  Vgl. Stegmüller, NVwZ 2018, 353 (354); Schmid, jurisPR-ITR 3/2017, Anm. 2., B. II. 609  BT-Drs. 18/8434, S. 120, 122; Luthe, SGb 2017, 250 (252); ders., in: Schlegel/ Voelzke, jurisPK-SGB X, § 31a, Rn. 22; Schmitz/Prell, NVwZ 2016, 1273 (1275).



A. Die Einordnung als Verwaltungsakt i. S. d. Handlungsformenlehre171

men kommt insoweit eine Klarstellungsfunktion zu610, wie eine solche bereits im Vorfeld des Gesetzgebungsverfahrens von verschiedenen Seiten gefordert wurde611. Obwohl im Zuge der positiv-rechtlichen Festlegung der Verwaltungsaktqualität somit auf eine dogmatische Klärung der Fragestellung durch den Gesetzgeber verzichtet wurde612, ist die Klarstellung aus Gründen der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit trotzdem zu begrüßen.613 Als auch gesetzgeberisch beabsichtigte Konsequenz dieser Festlegung wurde mit der daraus folgenden Anwendbarkeit sämtlicher verwaltungsaktbezogener Regelungen der Verfahrensordnungen nicht zuletzt der Rückgriff auf ein bekanntes regulatorisches Instrumentarium ermöglicht.614 4. Ansatzpunkte einer dogmatischen Fundierung Wollte man sich dennoch um eine auch dogmatisch abgesicherte Auflösung der Fragestellung bemühen, so erschiene es als zielführendster Weg, in deutlicherer Manier als in der bisherigen Diskussion die Parallele zwischen der vollständig automatisiert erlassenen öffentlich-rechtlichen Willenserklärung „Verwaltungsakt“ und den zivilrechtlichen Kategorien der Computerbzw. Agentenerklärung herzustellen, die zumindest hinsichtlich ihrer Ent­ stehungsprozesse deutliche Ähnlichkeiten aufweisen.615 Gleichzeitig könnte 610  Ramsauer/Tegethoff, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, §  35a, Rn. 1  f.; Berger, NVwZ 2018, 1260 (1262); Kube, VVDStRL 78 (2019), 289 (304 in Fn. 73); U. Stelkens, in: Hill/Kugelmann/Martini, Digitalisierung in Recht, Politik und Verwaltung, 81 (83); Berger, in: Knack/Henneke, VwVfG, § 35a, Rn. 31; Tischbirek, ZfDR 2021, 307 (318 f.); i. E. auch Köhler, WzS 2018, 279 (282); krit. insoweit Hornung, in: Schoch/Schneider, VwVfG, § 35a, Rn. 3, 8, 37. 611  Vgl. nur Beirat VwVfR, NVwZ 2015, 1114 (1115) sowie Braun Binder, NVwZ 2016, 960 (964). 612  A. A. insoweit Windoffer, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, §  35a, Rn. 23. 613  So zu Recht Prell, in: BeckOK VwVfG, § 35a, Rn. 7; ders., apf 2017, 237 (239); Schmitz/Prell, NVwZ 2016, 1273 (1275); kritisch insoweit Stegmüller, NVwZ 2018, 353 (355). 614  BT-Drs. 18/8434, S. 122; U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35a, Rn. 48; ders., in: Hill/Kugelmann/Martini, Digitalisierung in Recht, Politik und Verwaltung, 81 (114 f.) Schmitz/Prell, NVwZ 2016, 1273 (1275). 615  Vgl. U. Stelkens, Hill/Kugelmann/Martini, Digitalisierung in Recht, Politik und Verwaltung, 81 (104 f.); ders., in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35a, Rn. 27; vgl. auch Stegmüller, NVwZ 2018, 353 (354 f.). Die Parallelen bestehen freilich vor allem hinsichtlich der Entstehungsprozesse. Die rechtlichen Ausgangslagen (die Willenserklärung als willkürliche Gedankenerklärung basierend auf der Privatautonomie, der Verwaltungsakt als hoheitliche Verfügung legitimiert durch gesetzliche Vorgaben) unterscheiden sich indes deutlich. Nichtsdestotrotz lehnt sich die Verwaltungsrechtswissenschaft hinsichtlich elementarer Funktionsweisen der Erklärung als Inhaltsträger seit jeher an zivilrechtliche Grundsätze an, beispielsweise bei der Bekanntgabe als

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§ 4 Rechtsnatur und Abgrenzung nach dem BestVerfModG

insoweit auf das reichhaltige dogmatische Fundament der zivilrechtswissenschaftlichen Bewältigung der dort ähnlich gelagerten Problematik zurückge­ griffen werden, die sich mit automatisch erzeugten Willenserklärungen bereits seit deutlich längerer Zeit konfrontiert sieht und diese einer entsprechend dogmatisch abgesicherten Einordnung zugeführt hat, so dass sich eine verspätete Paralleldiskussion im Kontext des Verwaltungsrechts erübrigen würde.616 Eine Obsoleszenz der klarstellenden Kodifikationen des BestVerfModG wäre damit allerdings nicht verbunden.617 Unter der zivilrechtlichen Kategorie der Computererklärungen werden dabei Willenserklärungen verstanden, die von einer Software auf der Grundlage vorheriger Programmierungen ohne konkrete menschliche Mitwirkungsbeiträge automatisiert erzeugt und auch elektronisch übermittelt werden.618 Als inhaltliche Determinanten treten hierbei sodann nicht gesetzliche Tatbestandsmerkmale, sondern die vom Verwender der Software gesetzten Parameter in Erscheinung, beispielsweise der gegenwärtige Lagerbestand eines Artikels und dessen Lieferbarkeit.619 Ausgehend von dieser Definition zeichnen sich bereits die Parallelen zu vollständig automatisiert erlassenen Verwaltungsakten ab, die sich ebenso durch eine autonome Erzeugung ausgehend von der Sachverhaltsermittlung bis hin zur Subsumtion und Bescheidformulierung auszeichnen.620 Agentenerklärungen stellen sodann einen hinsichtlich des Grads der inhaltlichen Konkretisierungen verminderten Unterfall der Computererklärung dar, indem das eingesetzte und die Erklärung selbsttätig erzeugende Computerprogramm über fortgeschrittene, selbstlernende oder in sonstiger Weise „intelligente“ Programmroutinen verfügt, die hinsichtlich des Ausmaßes der Autonomie der ablaufenden Arbeitsprozesse über die Computererklärung hinausgehen.621 Als verwaltungsrechtliches Pendant hierzu könnte ein vollständig automatisiert bewirkter Verwaltungsakterlass genannt werden, der über determinierte Algorithmen hinaus auf Anwendungen „künstlicher Intelligenz“ zurückgreift und in selbstlernender Weise rechtZugangsäquivalent oder der Auslegung eines Verwaltungsakts entsprechend den §§ 133, 157 BGB, so dass auch bei den vorliegenden Zurechnungsfragen ein dahingehender Rückgriff klärend erscheint. Kritischer insoweit Ziekow, NVwZ 2018, 1169 (1171). 616  Stegmüller, NVwZ 2018, 353 (355). 617  A. A. Stegmüller, NVwZ 2018, 353 (354 f.); vgl. i. E. auch Ziekow, NVwZ 2018, 1169 (1170 f.). 618  Spindler, in: ders./Schuster, Recht der elektronischen Medien, Zweiter Teil: BGB, Vorbem. zu §§ 116 ff. BGB, Rn. 6; Cornelius, MMR 2002, 353 (354). 619  Vgl. Taupitz/Kritter, JuS 1999, 839 (839 f.). 620  Vgl. zusammenfassend § 3 D. 621  Spindler, in: ders./Schuster, Recht der elektronischen Medien, Zweiter Teil: BGB, Vorbem. zu §§ 116 ff. BGB, Rn. 10; Cornelius, MMR 2002, 353 (355).



A. Die Einordnung als Verwaltungsakt i. S. d. Handlungsformenlehre173

liche Fallkonstellationen bewältigen kann.622 Trotz der stärker ausgeprägten Autonomie der eingesetzten Software gelten für Agentenerklärungen dabei nach der wohl herrschenden Auffassung die für Computererklärungen all­ gemein entwickelten Grundsätze.623 Im Hinblick auf die zivilrechtliche Fragestellung des tatbestandlichen Vorliegens einer Willenserklärung i.  S.  d. §§ 116 ff. BGB in den genannten Fällen hat sich dabei im Ergebnis eine überwiegend pragmatische Lösung durchgesetzt: Statt auf das Vorliegen eines konkreten menschlichen Handlungswillens im Zeitpunkt der Erzeugung der Erklärung zu beharren, erachtet es die Rechtsprechung und die wohl herrschende Literaturmeinung für die Anerkennung einer Willenserklärung als ausreichend, wenn sich der Erklärungsakt letztlich in sonstiger Weise auf einen menschlichen Willen zurückführen und damit dem Betreiber des Computerprogramms zurechnen lässt.624 Insoweit ausreichende menschliche Mitwirkungsakte stellen hierbei willentliche Vorbereitungshandlungen im Vorfeld der automatischen Erstellung der Willenserklärung dar, insbesondere die Programmierung der Software bzw. die Inbetriebnahme der Anlage, durch die ein genereller Wille des Betreibers zur Benutzung des Systems zum Ausdruck kommt.625 Übertragen auf die Situation vollständig automatisiert erlassener Verwaltungsakte erscheint es daher ebenso sinnvoll, sich für das tatbestandliche Vorliegen eines Verwaltungsaktes im Rahmen der Rechtsformenlehre vom Erfordernis einer aktuellen, im konkreten Verfahren vorliegenden mensch­ lichen Willensbetätigung zu lösen und die generelle Zurechenbarkeit der Entscheidung zur verantwortlichen Behörde ins Zentrum der Betrachtung zu rücken, deren Herstellung letztlich auch das ursprüngliche Anliegen des Erfordernisses einer menschlichen Willensbetätigung im Kontext der Rechtsformenlehre war, eine konkrete menschliche Willensbetätigung aber nicht notwendig einfordert.626 Für ein solches Ergebnis spricht letztlich auch die 622  Eine breitere Verwendung solcher Systeme in der öffentlichen Verwaltung dürfte in nächster Zeit nicht zu erwarten sein. Zur verfassungrechtlichen Zulässigkeit eines Einsatzes intelligenter Systeme ausführlich unter § 5 B. 623  Cornelius, MMR 2002, 353 (355); Sester/Nitschke, CR 2004, 548 (551); Spindler, in: ders./Schuster, Recht der elektronischen Medien, Zweiter Teil: BGB, Vorbem. zu §§ 116 ff. BGB, Rn. 10; a. A. Gitter/Roßnagel, K&R 2003, 64 (66). 624  Vgl. nur BGHZ 195, 126 (Rn. 17); BGH NJW 2002, 363 (364); BGH JZ 2005, 791; Paulus, JuS 2019, 960 (963, 965); Cornelius, MMR 2002, 353 (355). vgl. auch U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35a, Rn. 27; Stegmüller, NVwZ 2018, 353 (355). 625  Spindler, in: ders./Schuster, Recht der elektron. Medien, Zweiter Teil: BGB, Vorbem. zu §§ 116 ff. BGB, Rn. 6; Kitz, in: Horen/Sieber/Holznagel, MultimediaRecht, Teil 13.1, Rn. 51 m. w. N. 626  So zu Recht U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35a, Rn. 26 ff.; ders., Hill/Kugelmann/Martini, Digitalisierung in Recht, Politik und Verwaltung, 81

174

§ 4 Rechtsnatur und Abgrenzung nach dem BestVerfModG

Existenz von Formen fingierter Verwaltungsakte, die eine gesetzliche Anerkennung von Verwaltungsentscheidungen zum Ausdruck bringen, die ohne konkrete menschliche Willensbetätigung wirksam und der zuständigen Behörde zugerechnet werden können.627 Auch wenn die Fiktion eines Verwaltungsaktes nicht uneingeschränkt einem tatsächlich bestehenden Verwaltungsakt gleichgesetzt werden kann, ist eine dahingehende Parallele dennoch nicht gänzlich von der Hand zu weisen. Mit der vorgelagerten Program­ mierung des Algorithmus, der Programmfreigabe oder der Entscheidung zur Anschaffung, Zurverfügungstellung oder Inbetriebnahme der EDV-Anlagen seitens der Behörde628, kann ein solcher Zurechnungszusammenhang zwischen dem vollständig automatisiert erlassenen Verwaltungsakt und der Behörde, auf deren Veranlassung und in deren Namen die automatische Ein­ richtung den Verwaltungsakt erstellte, ohne rechtliche Kunstgriffe und dogmatisch abgesichert hergestellt werden.629 Das Vorliegen einer konkreten (104 f.); zust. Albrecht, in: Hoeren/Sieber/Holznagel, Multimedia-Recht, Teil 28, Rn. 77; ähnlich Stegmüller, NVwZ 2018, 353 (354 f.), der ebenfalls klare Parallelen zur zivilrechtlichen Computererklärung zieht; vgl. auch Kube, VVDStRL 78 (2019), 289 (303); Berger, NVwZ 2018, 1260 (1262); dies., in: Knack/Henneke, VwVfG, § 35a, Rn. 2, 31; Rüsken, in: Klein, AO, § 155, Rn. 76; Ritgen, in: Bauer/Heckmann/ Ruge/Schallbruch/Schulz, VwVfG, § 35, Rn. 54; Herold, Demokratische Legitimation automatisiert erlassener Verwaltungsakte, S. 180 ff., 273; Luthe, SGb 2017, 250 (252 in Fn. 11); ders., in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, § 31a, Rn. 22 (Fn. 15); Windoffer, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, § 35a, Rn. 23; Bull, DVBl. 2017, 409 (415) sowie bereits Müller-Heidelberg, DVBl. 1961, 11 (12), die jeweils den Fokus ebenso auf die Zurechenbarkeit des Verwaltungsakts richten, hierzu aber nicht vorwiegend zivilrechtliche Grundsätze bemühen, sondern eine Ableitung aus allgemeinen Erwägungen vornehmen. 627  Vgl. im Kontext der Genehmigungsfiktion gem. § 42a VwVfG Schmitz/Prell, NVwZ 2016, 1273; Stegmüller, NVwZ 2018, 353 (354); Kube, VVDStRL 78 (2019), 289 (303); Berger, in: Knack/Henneke, VwVfG, § 35a, Rn. 31; kritisch insoweit Ziekow, NVwZ 2018, 1169 (1170); eingehend zu fiktiven Verwaltungsakten und deren Abgrenzung § 4 B. III. 628  Zur Vermeidung von unklaren Zurechnungsverhältnissen, die hinsichtlich der häufig in privater und/oder öffentlicher Kooperation erfolgenden Programmierung der Systeme ergeben können, erscheint insofern eine Anknüpfung an die konkrete Freigabe- bzw. Einsatzentscheidung der Systeme vorzugswürdig; anders insoweit BT-Drs. 18/8434, S. 122. 629  Vgl. U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35a, Rn. 28; Stegmüller, NVwZ 2018, 353 (354 f.); Albrecht, in: Hoeren/Sieber/Holznagel, Multimedia-Recht, Teil 28, Rn. 77; Guckelberger, Öffentliche Verwaltung, Rn. 463; Herold, Demokratische Legitimation automatisiert erlassener Verwaltungsakte, S. 184 f., 273; für die Vorverlagerung der Willensbetätigung i. E. auch bereits BT-Drs. 18/8434, S. 120, 122; Bull, DVBl. 2017, 409 (415); Seer, StuW 2015, 315 (323); ders., StbJb 2016/2017, 539 (548); BFH BStBl. II 1998, 450; Luthe, SGb 2017, 250 (252 in Fn. 11); Schmid, jurisPR-ITR 3/2017, Anm. 2, B. II; Braun Binder, NVwZ 2016, 960 (963 f.); Heintzen, DÖV 2015, 780 (784); Lazaratos, Rechtliche Auswirkungen der Verwaltungs­ automation, S. 265 ff., 278; Polomski, Der automatisierte Verwaltungsakt, S. 78 ff. je



A. Die Einordnung als Verwaltungsakt i. S. d. Handlungsformenlehre175

menschlichen Willensbetätigung oder Willensentscheidung ist sodann weder für das tatbestandliche Vorliegen der Rechtsform des Verwaltungsakts noch für deren Zurechnung zu der Behörde, auf deren Veranlassung und in deren Namen sie von automatischen Einrichtungen erstellt wurde, relevant.630 Dies gilt unabhängig davon, ob determinierte oder „intelligente“ Algorithmen eingesetzt werden oder die Voraussetzungen des vollständig automatisierten Erlasses etwa nach § 35a VwVfG erfüllt sind, da insoweit das tatbestandliche Vorliegen eines Verwaltungsaktes im Sinne der Rechtsformenlehre von den (verfassungs-)rechtlichen Grenzen der Zulässigkeit bzw. Rechtmäßigkeit solcher Verwaltungsakte zu trennen ist.631 Vollständig automatisiert erlassene Verwaltungsakte können somit plakativ als öffentlich-rechtliche bzw. behördliche „Computererklärungen“632 bezeichnet werden.633 Im Ergebnis ist der kodifikatorischen Festlegung der §§ 35a VwVfG, 31a SGB X und 155 Abs. 4 AO nach vorliegender Ansicht folglich eine nur deklaratorische Wirkung beizumessen, da unter sinngemäßer Heranziehung der zivilrechtlichen Grund­ sätze zur Kategorie der Computer- bzw. Agentenerklärung gleichermaßen vom tatbestandlichen Vorliegen eines Verwaltungsaktes nach den allgemeinen Begriffsmerkmalen der §§ 35 S. 1 VwVfG, 31 S. 1 SGB X und 118 S. 1 AO auszugehen ist.634

m. w. N. aus der älteren Literatur; Degrandi, Die automatisierte Verwaltungsverfügung, S. 74. Der Unterschied liegt letztlich in der Zugrundelegung der zivilrechtlichen Grundsätze, die eine entsprechende Vorverlagerung der Willensbetätigung und die dadurch vermittelte Zurechnung dogmatisch untermauern. Vgl. zuletzt auch BTDrs. 18/9084, S. 15 im Rahmen der Implementierung einer vollständig automatisierten Kfz-Zulassung gem. § 6g Abs. 2 StVG. 630  So auch U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35a, Rn. 27 f.; ähnlich Stegmüller, NVwZ 2018, 353 (354 f.); vgl. auch Luthe, SGb 2017, 250 (252 in Fn. 11); Bull, DVBl. 2017, 409 (415). 631  Vgl. U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35a, Rn. 28; Polomski, Der automatisierte Verwaltungsakt, S. 88 ff.; Müller-Heidelberg, DVBl. 1961, 11 (12 f.); anders insoweit Lazaratos, Rechtliche Auswirkungen der Verwaltungsautomation, S. 277. 632  Je nach Grad der Indetermination des Programms ggfls. sogar behördliche „Agentenerklärung“. 633  Explizit zu diesem Gedanken Stegmüller, NVwZ 2018, 353; vgl. auch U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35a, Rn. 27 f. 634  Ebenso U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35a, Rn. 28; i. E. auch Stegmüller, NVwZ 2018, 353 (355); Köhler, WzS 2018, 279 (282); Tischbirek, ZfDR 2021, 307 (318 f.); von einer konstitutiven Regelung ausgehend dagegen Schmid, in: jurisPR-ITR 3/2017, Anm. 2, B. II.; Heckmann, in: jurisPK-ITR, Kap. 5, Rn. 629; Engelmann, in: Schütze, SGB X, § 31a, Rn. 5; LSG Hessen, Urt. v. 15.12.2020 – L 2 R 421/18, Rn. 37; offenbleibend bei Littmann, in: Hauck/Noftz, SGB X, § 31a, Rn. 6, 15 sowie letztlich auch bei den Gesetzesmaterialien, vgl. BT-Drs. 8434, S. 120, 122.

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§ 4 Rechtsnatur und Abgrenzung nach dem BestVerfModG

B. Abgrenzungen zu weiteren besonderen Ausprägungsformen von Verwaltungsakten Als nächster Schritt erscheint zudem noch ein abgrenzender Blick auf andere Ausprägungsformen von Verwaltungsakten in den Verfahrensordnungen lohnenswert, die nicht nur weitere begriffliche Rückschlüsse in Aussicht stellen, sondern angesichts verschiedentlich anwendbarer gesetzlicher Modifizierungen auch einer trennscharfen Abgrenzbarkeit bedürfen.635 I. Abgrenzung zu elektronischen und elektronisch übermittelten Verwaltungsakten Obgleich sowohl vollständig automatisiert erlassene Verwaltungsakte als auch elektronische Verwaltungsakte regelmäßig und typischerweise durch Computeranlagen erstellt werden, handelt es sich bei beiden Spielarten um grundlegend verschiedene Kategorien, die es voneinander begrifflich abzugrenzen gilt.636 1. Elektronische und qualifiziert elektronische Verwaltungsakte Die Kategorie des elektronischen Verwaltungsakts wurde erstmals im Zuge des 3. VwVfÄndG in sämtliche Verfahrenssäulen aufgenommen.637 Vor ihrer ausdrücklichen gesetzlichen Rezeption wurde die in der Rechtspraxis bereits verbreitete Verwaltungsaktform zum Teil als Unterfall des schriftlichen Verwaltungsakts, überwiegend jedoch als „in anderer Weise“ erlassener Verwaltungsakt, als Auffangtatbestand für nicht einer bestimmten Form zuordenbare Verwaltungsakte, eingeordnet.638 Da weder die eine noch die andere Vorgehensweise der erwarteten Bedeutung elektronischer Verwaltungsakte für die 635  Vgl. Ramsauer/Tegethoff, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 35a, Rn. 8 in Bezug auf § 35a VwVfG. 636  Vgl. etwa Schmid/Heudecker, JurisPR-ITR 8/2017, Anm. 2, B. I; Heckmann, in: jurisPK-ITR, Kap. 5, Rn. 631; Stuhlfauth, in: Obermayer/Funke-Kaiser, VwVfG, § 35a, Rn. 3; Hornung, in: Schoch/Schneider, VwVfG, § 35a, Rn. 5; Luthe, SGb 2017, 250 (252); ders., in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, § 31a SGB X, Rn. 7, 23; Kube, VVDStRL 78 (2019), 289 (303 in Fn. 69). 637  Siehe bereits § 2 A. II., B. II. und C.; umfassender Überblick zum elektronischen Verwaltungsakt bei U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 37, Rn.  64 ff. 638  Eingehend zur Abgrenzung schriftlicher und elektronischer Verwaltungsakte Skrobotz, Elektronisches Verwaltungsverfahren, S. 165  ff., 290; Eifert, Electronic Government, 2006, S. 98 ff.; vgl. auch Kunstein, Elektronische Signatur als Baustein der elektronischen Verwaltung, S. 114  ff.; U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 37, Rn. 58, 64; Schmitz/Schlatmann, NVwZ 2002, 1281 (1286, 1289).



B. Abgrenzungen zu weiteren besonderen Ausprägungsformen177

Fortentwicklung des Verwaltungsverfahrensrechts gerecht wurde, implementierte der Gesetzgeber diese ausdrücklich als gleichberechtigte Kategorie neben „schriftlich“, „mündlich“ und „in anderer Weise“ erlassenen Verwaltungsakten.639 Seither findet sich der Begriff an diversen Stellen in den Verfahrensordnungen, z. B. in §§ 37 Abs. 2, 39 Abs. 1 S. 1 VwVfG, 33 Abs. 2 S. 1, 35 Abs. 1 S. 1 SGB X und 119 Abs. 2 f. AO. Spätere verfahrensrecht­ liche Erweiterungen hielten an der Begrifflichkeit fest und griffen auf sie auch im Prozess der fortlaufenden Verwaltungsmodernisierung zurück, allen voran Art. 3, 6 und 7 des EGovG i. w. S.640 sowie auch Art. 1, 19 und 20 des BestVerfModG641, was etwa in den heutigen §§ 3a Abs. 2 S. 4 Nr. 3, 41 Abs. 2a VwVfG, 37 Abs. 2a SGB X, 36a Abs. 2 S. 4 Nr. 3 SGB I, 87a Abs. 7 S. 1 AO Niederschlag gefunden hat. Eine gesetzliche Definition elektronischer Verwaltungsakte erfolgte jedoch nicht.642 Obwohl über die begriffliche Konturierung anfänglich Unklarheit und Streit herrschte643 und auch heute noch keine überzeugende allgemeine Definition gefunden zu sein scheint644, kann inzwischen zumindest hinsichtlich der maßgeblichen Charakteristika ein weitgehender Konsens verzeichnet werden.645 Demnach handelt es sich auch beim elektronischen Verwaltungsakt um einen textlich perpetuierten Verwaltungsakt, dessen Informationen also durch unmittelbar lesbare Schriftzeichen (nicht Symbole646) verkörpert werden.647 Anders als bei schriftlichen Verwaltungsakten erfolgt diese Perpetuierung des Gedankengehalts allerdings nicht durch Fixierung der Schrift639  Skrobotz, Elektronisches Verwaltungsverfahren, S. 290; U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 37, Rn. 58; vgl. auch Schmitz, in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 3a, Rn. 2 ff. 640  Hierzu bereits § 2 A. V. 1., B. V. 1. und C. 641  Hierzu § 2 A. VI. 2., B. VI. 1. und C. 642  Schmitz/Schlatmann, NVwZ 2002, 1281 (1286); U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/ Sachs, VwVfG, § 37, Rn. 64. 643  Teils wurde die elektronische Erzeugung, teils die elektronische Speicherung oder Übermittlung als maßgeblich erachtet, vgl. etwa Rosenbach, DVBl. 2001, 332 (335 f.); ähnlich Catrein, NWVBl. 2001, 50 (51 f.); siehe dazu Überblick bei Schmitz/ Schlatmann, NVwZ 2002, 1281 (1286). 644  So U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 37, Rn. 64. 645  U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 37, Rn. 64. 646  Bei symbolischer Verkörperung (Perpetuierung) bzw. Abbildung der Informationen handelt es sich um „in anderer Weise“ erlassene Verwaltungsakte, beispielsweise Verkehrszeichen oder Verkehrsweisungen eines Polizeibeamten, vgl. U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 37, Rn. 64.57; Skrobotz, Elektronisches Verwaltungsverfahren, S. 290. 647  Zur Verkörperung des Gedankeninhalts durch Schriftzeichen allg. Heckmann/ Albrecht, in: Bauer/Heckmann/Ruge/Schallbruch/Schulz, VwVfG, § 37 Rn. 44; Luch/ Tischer, DÖV 2011, (598) 601; Tegethoff, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 37, Rn. 28; U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 37, Rn. 57.

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§ 4 Rechtsnatur und Abgrenzung nach dem BestVerfModG

zeichen auf Papier oder in sonstiger Weise auf einer körperlich wahrnehmbaren Sache i. S. d. § 90 BGB.648 Stattdessen existieren diese Schriftzeichen nur als elektronischer Speicherzustand auf einem (anders als beim schriftlichen Verwaltungsakt) austauschbaren elektronischen Datenträger.649 Eine Verbindung mit einer die (förmliche) Schriftform ersetzenden, qualifizierten elek­ tronischen Signatur gem. § 3a Abs. 2 S. 2 VwVfG (und der Parallelregelungen in den anderen Verfahrensordnungen) oder die Übermittlung des elektronischen Dokuments durch eine der übrigen, als sicher anerkannten Versand­ arten i. S. d. § 3a Abs. 2 S. 4 VwVfG (mit Parallelregelungen) ist dabei nicht zwingend650, so dass für qualifizierte elektronische Verwaltungsakte insofern das Gleiche gilt wie für „einfache“ elektronische Verwaltungsakte. Kennzeichnendes Charakteristikum für den (einfachen und qualifizierten) elektronischen Verwaltungsakt ist demnach die textliche Perpetuierung der Informationen des Verwaltungsakts auf einem nicht körperlich wahrnehmbaren (elektronischen) Trägermedium im Sinne einer digitalen Verkörperungsform seines Gedankengehalts im Endzustand.651 Über die Modalitäten des vorgelagerten Entstehungsvorgangs (sowie auch die Eigenheiten der nachgelagerten elektronischen Übermittlung der Entscheidung, dazu sogleich weiter unten) wird von der Kategorie des elektronischen Verwaltungsakts dagegen keine Aussage getroffen.652 Allein der unterstützende Einsatz von elektronischen Datenverarbeitungsanlagen während des Verwaltungsverfahrens führt demnach nicht zur Qualifizierung als elektronischer Verwaltungsakt.653 Ge648  Als Beispiel für eine solche sonstige, körperlich wahrnehmbare Fixierung wird insbesondere der Freigabestempel des Veterinäramtes auf einem Schwein genannt, U. Stelkens, in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 37, Rn. 58; Skrobotz, Elektronisches Verwaltungsverfahren, S. 168. 649  Skrobotz Elektronische Verwaltungsverfahren, S. 290; U. Stelkens, in: Stelkens/ Bonk/Sachs, VwVfG, § 37, Rn. 64 f.; Tiedemann, in: BeckOK VwVfG, § 37, Rn. 30; Heckmann, in: jurisPK-ITR, Kap. 5, Rn. 646; Stuhlfauth, in: Obermayer/Funke-Kaiser, VwVfG, § 35a, Rn. 3; zum Teil abweichende Definitionen bei Ritgen, in: Bauer/ Heckmann/Ruge/Schallbruch/Schulz, VwVfG, § 35, Rn. 26; Kersten, ZBR 2006, 35 (41); Ruffert, in: Knack/Henneke, VwVfG, § 37, Rn. 53 ff.; Schmitz/Schlatmann, NVwZ 2002, 1281 (1286), die den Erlass mittels eines elektronischen Speicherme­ diums in den Vordergrund rücken, sowie bei Tegethoff, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 37, Rn. 28a. 650  Heckmann, in: jurisPK-ITR, Kap. 5, Rn. 646; Kersten, ZBR 2006, 35 (41); vgl. auch Tiedemann, in: BeckOK VwVfG, § 37, Rn. 30. 651  Vgl. Skrobotz, Elektronische Verwaltungsverfahren, S. 290 f. 652  Vgl. Luthe, SGb 2017, 250 (252); Schmitz/Prell, NVwZ 2016, 1273 (1274); Köhler, WzS 2018, 279 (283); Schmitz/Schlatmann, NVwZ 2002, 1281 (1286); U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 37, Rn. 64; missverständlich insoweit Heckmann/Albrecht, in: Bauer/Heckmann/Ruge/Schallbruch/Schulz, VwVfG, § 37, Rn. 49; Rosenbach, DVBl. 2001, 332 (335). 653  U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 37, Rn. 64.



B. Abgrenzungen zu weiteren besonderen Ausprägungsformen179

nau an dieser Stelle tut sich sodann der definitorische Graben zur neuen Rechtskategorie vollständig automatisiert erlassener Verwaltungsakte auf, wo gewissermaßen genau umgekehrte Wesenszüge vorzufinden sind. Während der vollautomatische Verwaltungsakt unter dem Regime der §§ 35a VwVfG, 31a SGB X, 155 Abs. 4 AO nämlich gerade nicht auf eine bestimmte Verkörperungsform der Entscheidung vorfestgelegt ist654, manifestieren sich seine prägenden Merkmale vielmehr in der Art und Weise des Ablaufs seines Erstellungshergangs.655 In Zusammenführung der dargelegten Rahmenbedingungen der verschiedenen Kategorien können demnach folgende Aussagen getroffen werden: Obwohl bei beiden Formen Computer eingesetzt werden, müssen die mittels Schriftzeichen ausgedrückten Informationen eines vollständig automatisiert erlassenen Verwaltungsakts i. S. d. BestVerfModG nicht zwingend in elektronischer, nicht körperlich wahrnehmbarer Form perpetuiert werden. Vielmehr kommt nach Abschluss des vollständig automatisierten Erstellungsvorgangs auch eine Verkörperung der Entscheidung in Papierform, beispielsweise durch automatisierten Ausdruck, aber auch „in sonstiger Weise“, beispielsweise in Gestalt der Zugangsgewährung durch automatisierte Drehkreuze oder Anzeigen durch Verkehrsleitanlagen, in Betracht656, ebenso wie ein elektronischer Verwaltungsakt auch ohne Weiteres bei ma­ nueller Erstellung der Entscheidung einschlägig bleiben kann.657 Dass im Bereich der vollständig automatisierten Verwaltungsaktgenerierung, die als in besonderem Maße von normalisierten, typischerweise elektronisch vorliegenden Datensätzen abhängig beschrieben werden kann, gerade Kombina­ tionsformen beider Spielarten den absoluten Regelfall bilden werden, ändert an dieser begrifflichen Grenzziehung freilich nichts.658 2. Elektronisch übermittelte Verwaltungsakte Der elektronische Verwaltungsakt ist wiederum von der bloß elektronischen Übermittlung eines (sonst wie verkörperten, egal ob automatisiert oder ma­ nuell zustande gekommenen) Verwaltungsakts gem. § 41 Abs. 2 S. 2 VwVfG

654  Siehe

§ 3 C. III.

655  § 3 C. II. 2. d), III.

und D. bereits § 3 C. III. 657  Schmitz/Prell, NVwZ 2016, 1273 (1274); Heckmann, in: jurisPK-ITR, Kap. 5, Rn. 631; Luthe, in: Schlegen/Voelzke, jurisPK-SGB X, § 31a SGB X, Rn. 7, 23 f.; Stuhlfauth, in: Obermayer/Funke-Kaiser, VwVfG, § 35a, Rn. 3; Ramsauer/Tegethoff, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 35a, Rn. 10b; vgl. auch Siegel, DVBl. 2017, 24 (25); Braun Binder, DÖV 2016, 891 (895); Köhler, WzS 2018, 279 (282 f.). 658  Vgl. Braun Binder, DÖV 2016, 891 (895); Heckmann, in: jurisPK-ITR, Kap. 5, Rn. 631; vgl. auch Hornung, in: Schoch/Schneider, VwVfG, § 35a, Rn. 5. 656  Vgl.

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§ 4 Rechtsnatur und Abgrenzung nach dem BestVerfModG

zu unterscheiden.659 Während sich der elektronische Verwaltungsakt ausschließlich über die Verkörperungsform seiner Informationen, genauer formuliert die Form des Trägermediums seiner Informationen definiert, betrifft die elektronische Übermittlung eines Verwaltungsaktes ausschließlich die Form des Übermittlungsvorganges660, unabhängig von der Verkörperungsform der Regelung an sich. Da die Kategorie des elektronischen Verwaltungsakts unabhängig von den Modalitäten seines Erstellungsvorgangs steht, führt auch eine elektronische Übermittlung allein nicht zum Vorliegen eines elektronischen Verwaltungsakts.661 Demnach sind auch schriftliche (ggfls. vollständig automatisiert erlassene) Verwaltungsakte einer elektronischen Übermittlung zugänglich, etwa durch Versendung per herkömmlichem Telefax, das auf Empfängerseite automatisch (ohne Entscheidungsmöglichkeit des Empfängers) einen Ausdruck veranlasst662, ebenso wie umgekehrt ein elektronischer Verwaltungsakt auch nicht-elektronisch, beispielsweise durch Versendungen eines digitalen Datenträgers (USB-Stick, CD etc.) per Briefpost, übermittelt werden kann.663 3. Zwischenergebnis Obwohl Computeranlagen ihre gemeinsame Wiege darstellen, stehen die Kategorien des elektronischen und des vollständig automatisiert erlassenen Verwaltungsakts in keinem unmittelbaren Abhängigkeitsverhältnis zueinander und bedingen sich gegenseitig nicht. Während elektronische Verwal659  U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 37, Rn. 66–74; Schmitz/Prell, NVwZ 2016, 1273 (1274); Schmid/Heudecker, jurisPR-ITR 8/2017, Anm. 2, B. II.; ebenso Stuhlfauth, in: Obermayer/Funke-Kaiser, VwVfG, § 35a, Rn. 4; ungenau insoweit Berger, in: Knack/Henneke, VwVfG, § 35a, Rn. 41; nach a. A. sind elektronische mit elektronisch übermittelten Verwaltungsakten gleichzusetzen, vgl. etwa FG Köln DStRE 2010, 378 (379 f.); Tiedemann, in: BeckOK VwVfG, § 41 Rn. 72 ff. Diese Ansicht ist angesichts der vielfältigen Übermittlungswege aber abzulehnen. 660  Vgl. auch Kube, VVDStRL 78 (2019), 289 (303 in Fn. 69). 661  U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 37, Rn. 64; vgl. zudem Catrein, NWVBl. 2001, 50 (52) sowie bereits § 4 B. I. 1. 662  U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 37, Rn. 59, 62 f., 66–74; § 3a, Rn. 7; Schmitz/Prell, NVwZ 2016, 1273 (1274); Schmid/Heudecker, in: jurisPR-ITR 8/2017, Anm. 2 B. II. 663  Vgl. U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 37, Rn. 64 f., 87 ff.; Catrein, NWVBl. 2001, 50 (52). Von der Übermittlung ist des Weiteren noch die Bekanntgabe eines Verwaltungsaktes zu unterscheiden, wobei letztere selbst bei Übermittlung eines auf einem mobilen Datenträger gespeicherten elektronischen Verwaltungsaktes per Post elektronisch stattfindet, deren Zulässigkeit sich also nach der Grundregel des § 3a Abs. 1 VwVfG bestimmt und daher eine Zugangseröffnung seitens des Bürgers verlangt, siehe U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 37, Rn. 87; so wohl auch Schmid/Heudecker, jurisPR-ITR 8/2017, Anm. 2, B. II.



B. Abgrenzungen zu weiteren besonderen Ausprägungsformen181

tungsakte an die Form des Trägermediums ihrer Informationsgehalte ansetzen, stellen vollständig automatisiert erlassene Verwaltungsakte Anforderungen an Art und Weise ihrer Entstehung. Elektronisch verkörperte Verwaltungsakte müssen demnach nicht notwendig ohne menschliche Beteiligung während des Entstehungsprozesses zustande gekommen sein, vollständig automatisiert erlassene Verwaltungsakte müssen umgekehrt nicht zwangs­ läufig auf einem elektronischen Verkörperungsmedium existieren. Aufgrund der Rahmenbedingungen moderner verwaltungsorganisatorischer Konzepte (elektronische Behördenportale, Datenbanken etc.) sind Kombinationsformen beider Spielarten dennoch als Regelfall zu erwarten. Auch die bloße elektronische Übermittlung eines (sonst wie beschaffenen) Verwaltungsaktes zeitigt keine (inneren) Abhängigkeiten gegenüber vollständig automatisiert erlassenen Verwaltungsakten nach dem BestVerfModG. Denkbar sind demnach schriftliche vollständig automatisiert erlassene Verwaltungsakte, die schriftlich oder elektronisch übermittelt werden, ebenso wie elektronische vollständig automatisiert erlassene Verwaltungsakte elektronisch oder auch nicht elektronisch übermittelt werden können. II. Zur Kategorie „mit Hilfe automatischer Einrichtungen“ erlassener Verwaltungsakte nach Implementierung vollständig automatisiert erlassener Verwaltungsakte nach dem BestVerfModG Als zweite abzugrenzende Spielart des Verwaltungsakterlasses soll das Augenmerk auf „mit Hilfe automatischer Einrichtungen“ erlassene Verwaltungsakte gelegt werden, die bereits seit den kodifizierten Anfängen der Verfahrensordnungen existierten664 und schon rein sprachlich einen engeren Zusammenhang zu „vollständig durch automatische Einrichtungen“ erlassenen Verwaltungsakten aufweisen. 1. Definitorische Präzisierungen des Begriffs „automatischer Einrichtungen“ Wie im Rahmen der begrifflichen Annäherung an die neue Rechtskategorie festgestellt werden konnte, beschränkte sich das Einsatzspektrum „automatischer Einrichtungen“ bei den bisher vorzufindenden, nur teilautomatisierten „Computerverwaltungsakten“ nach herrschendem Verständnis auf die autonome Abwicklung der Vorgänge der Subsumtion und Bescheidformulierung, wohingegen der Prozess der Sachverhaltsermittlung nach wie vor personellen Mitarbeitern überantwortet war, automatische Einrichtungen also 664  Vgl.

bereits § 2 A. I. und B. I.

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§ 4 Rechtsnatur und Abgrenzung nach dem BestVerfModG

bloße Hilfsmittel während bestimmter Verfahrensabschnitte darstellten.665 Darauf, dass die insofern implizit vorgenommene Reduktion der Einsatz­ bereiche automatischer Einrichtungen allerdings im Begriff selbst keinen Rückhalt findet, wurde an obiger Stelle bereits hingewiesen.666 Die durch die „Vollständigkeit“ des Erlasses durch „automatische Einrichtungen“ zum Ausdruck gebrachte Steigerung des Automationsgrades bestand im Rahmen der §§ 35a VwVfG, 31a SGB X und 155 Abs. 4 AO sodann darin, dass nunmehr auch das dem eigentlichen Erlassvorgang vorgelagerte Verwaltungsverfahren automatisiert, ohne menschliche Mitwirkung abzulaufen hat.667 Im Ergebnis fand damit eine Erweiterung des Einsatzspektrums der automatischen Einrichtungen in Verwaltungsverfahren statt, ausgehend von der autonomen Abwicklung nur der Vorgänge der Subsumtion und Bescheidformulierung hin zu der ebenfalls autonomen Abwicklung insbesondere der Sachverhaltsermittlung668 sowie der Durchführung einer Anhörung669. Flankierende Begleitnormierungen sowie gesetzessystematische und gesetzesteleologische Erwägungen des BestVerfModG670 sichern die festzustellende Erweiterung dabei gesetzlich ab. Im steuerverfahrensrechtlichen Kontext hat sich mit der fortschreitenden Übertragung der Ermittlung und Bewertung der Besteuerungsgrundlagen auf automatisierte Risikomanagementsysteme zudem eine dahingehende Öffnung der Einsatzfelder automatischer Einrichtungen faktisch bereits vor Erlass des BestVerfModG vollzogen.671 Um einem begrifflichen Auseinanderfallen zwischen den bisher angenommenen engeren Anwendungsbereichen und den erweiterten potentiellen Einsatzfeldern automatischer Einrichtungen vorzubeugen, erscheint es angezeigt, eine definitorische Präzisierung des allgemeinen Begriffes der „automatischen Einrichtung“ zu unternehmen, in der sich die im Zuge der Neuerungen des BestVerfModG herauskristallisierten und auch gesetzlich niedergeschlagenen Erweiterungen des Einsatzspektrums wiederfinden. Die neu hinzugewonnene Rechtskategorie vollständig automatisiert erlassener Verwaltungsakte kann insoweit auch umgekehrt als Erkenntnisquelle für die bisher vorzufindenden Gegebenheiten des technikgeprägten Verwaltungsrechts herangezogen werden. Unter Zugrundelegung der festgestellten Erweiterungen 665  Vgl.

oben § 3 C. I. 2., 3. und 4. m. w. N. § 3 C. I. 3. 667  Vgl. § 3 C. II. 1. und insbes. 2. 668  Zur Amtsermittlung im vollautomatisierten Verfahren eingehend § 5 C. I. 669  Zur Anhörungspflicht im vollautomatisierten Verfahren eingehend § 5 C. II. 670  Vgl. hierzu insbesondere § 3 C. II. 2. c) bb), cc) und dd). 671  Vgl. Baldauf, DStR 2016, 833; Kaluza/Baum, NWB 2013, 2728 (2730 f.). Eine Steuerveranlagung fände so z. B. auf der Grundlage von Steuerdaten statt, die zuvor von einem Risikomanagementsystem automatisiert auf ihre Plausibilität und Risikoträchtigkeit hin überprüft wurden. 666  Vgl.



B. Abgrenzungen zu weiteren besonderen Ausprägungsformen183

sind unter „automatischen Einrichtungen“ im Kontext des Verwaltungsverfahrensrechts demnach sämtliche technischen Einrichtungen zu verstehen, die nach vorher festgelegten Parametern bzw. Programmroutinen autonom, d. h. ohne weiteres menschliches Einwirken, funktionieren und dadurch bestimmte Abschnitte oder Elemente des Verwaltungsverfahrens ganz oder teilweise selbsttätig abwickeln. Unerheblich ist dabei, ob sich die autonom durchgeführten Abschnitte des Verwaltungsverfahrens – als Elemente der Inhaltsgenerierung eines Verwaltungsakts – in der automatischen Ausführung der Subsumtionsvorgänge und der Bescheidformulierung erschöpfen, oder ob gleichzeitig oder auch nur Vorgänge des dem eigentlichen Entscheidungs­ erlasses vorgelagerten Verfahrens, insbesondere Vorgänge einer Sachverhaltsermittlung im automatisierten Verfahren, abgewickelt werden.672 Ein „mit Hilfe automatischer Einrichtungen“ erlassener Verwaltungsakt liegt demgemäß auch dann vor, wenn – umgekehrt zu der ursprünglich vorgestellten Situation – lediglich dem eigentlichen Erlassvorgang vorgelagerte Prozesse durch automatische Einrichtungen abgewickelt, die Subsumtion und Bescheidformulierung sodann aber durch menschliche Bearbeiter bewirkt werden. Auch wenn derartige Konstellationen sicherlich nicht den regelmäßigen Verfahrensgestaltungen entsprechen werden, ist ihr Vorkommen keineswegs völlig ausgeschlossen. Denkbar sind etwa Situationen, in welchen nur der rechtsanwendende Teil eines eingesetzten Systems – z. B. wegen der Behebung aufgetretener Bugs und Fehler oder wegen Anpassungen an neuere Rechtsprechungsentwicklungen oder Gesetzesänderungen – im operativen Betrieb des Systems (temporär) abgeschaltet wird, während die Sammlung, Bewertung und Verifikation der entscheidungserheblichen Daten unverändert der automatisieren Bearbeitung überantwortet bleiben, sofern die dort zum Einsatz kommenden Arbeitsroutinen von den Fehlern oder Änderungsmaßnahmen nicht betroffen sind. Auf der Grundlage der so automatisiert erhobenen und nicht als risikobehaftet qualifizierten Sachverhaltsdaten würden sodann menschliche Sachbearbeiter entscheiden. 2. Anwendbarkeit amtsermittlungsbezogener Ergänzungen Liegt sodann im Einklang mit der vorgenommenen begrifflichen Erweiterung ein „mit Hilfe automatischer Einrichtungen“ erlassener Verwaltungsakt dergestalt vor, dass in einem nur teilautomatisierten Verwaltungsverfahren 672  Ein offeneres Verständnis der automatischen Einrichtungen liegt auch Kallerhoff/Fellenberg, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 24, Rn. 57b sowie offenbar auch Luthe, SGb 2017, 250 (252) zugrunde, der auch schon Elemente der Sachverhalts­ ermittlung oder Maßnahmen der Fehlerkontrolle mit einzubeziehen scheint; insoweit offener wohl auch Lazaratos, Rechtliche Auswirkungen der Verwaltungsautomation, S.  54 f.

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§ 4 Rechtsnatur und Abgrenzung nach dem BestVerfModG

insbesondere die Verfahrensabschnitte der Sammlung, Bewertung und Verifikation der entscheidungserheblichen Informationen durch automatische Einrichtungen bewältigt werden, die nachfolgende Entscheidungsfindung auf der Grundlage der vorliegenden Informationen aber manuell stattfindet, so stellt sich in der Konsequenz die Frage, ob auch die im Zuge des BestVerfModG in spezifischen Zusammenhang zum vollautomatisiert erlassenen Verwaltungsakt implementierten Erweiterungen des Amtsermittlungsgrundsatzes gem. §§ 24 Abs. 1 S. 3 VwVfG, 31a S. 2 SGB X, 88 Abs. 5 und 155 Abs. 4 S. 3 AO bei solchen Konstellationen zur Anwendung kommen. Aus allgemein gesetzessystematischen Überlegungen ergibt sich hierbei zunächst eine ablehnende Haltung gegenüber der aufgeworfenen Fragestellung, unabhängig davon, ob dabei von einem gegenseitigen Inklusivitätsoder Exklusivitätsverhältnis der Kategorien zueinander ausgegangen wird673. Während nämlich bei Annahme eines Inklusivitätsverhältnisses, welches vollautomatisiert erlassene Verwaltungsakte als spezielleren Unterfall von nur teilautomatisiert erlassenen Verwaltungsakten begriffe, eine Anwendbarkeit der speziell vorgesehenen Vorschriften auf die allgemeinere Grundkon­ stellation im Grundsatz ohnehin keinen juristisch validen Schluss darstellte, scheidet auch unter Zugrundelegung einer gegenseitigen Ausschließlichkeit eine Übertragbarkeit der jeweiligen Regelungen auf ein nach diesem Verständnis rechtliches „Aliud“ gleichermaßen aus. Indem die normativen Anpassungen zudem im Kontext vollständig automatisierter Verfahren erfolgten, scheint sich dieses Ergebnis prima facie gesetzeshistorisch zu bestätigen.674 Allerdings haben die in Rede stehenden Normen gerade die Kompensation automationsbedingter Untersuchungsdefizite zum Gegenstand, die zwingend mit den notwendigen Standardisierungen einer automatisierten Bearbeitung einhergehen.675 Da sich diese Problematik in gleicher Weise bei nur hinsichtlich der Sachverhaltsermittlung automatisierten Verfahren stellt676, muss bei teleologischer Betrachtung eine Anwendbarkeit auch auf derartige Konstellationen teilautomatisierter Verwaltungsverfahren zu Recht als unumgänglich betrachtet werden.677 Im Übrigen lassen sich der Gesetzesbegründung – trotz 673  Zum gesetzessystematischen Verhältnis beider Kategorien eingehend § 4 B. II. 3.

674  BT-Drs. 18/8434, S.  122; Kallerhoff/Fellenberg, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG § 24, Rn. 57b. 675  Kallerhoff/Fellenberg, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG § 24, Rn. 57a; Luthe, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, § 31a, Rn. 48; Siegel, DVBl. 2017, 24 (27). 676  Kallerhoff/Fellenberg, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 24, Rn. 57b; ebenso U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35a, Rn. 13; Siegel, DVBl. 2017, 24 (27); Braun Binder, in: Seckelmann, Digitalisierte Verwaltung, Kap. 12, Rn. 13. 677  So zu Recht auch Kallerhoff/Fellenberg, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 24, Rn. 57b; U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35a, Rn. 13; Wind­ offer, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, § 35a, Rn. 5; Siegel, DVBl. 2017, 24



B. Abgrenzungen zu weiteren besonderen Ausprägungsformen185

Verortung im Dunstkreis vollautomatisierter Verfahren – wirklich eindeutige Festlegungen hinsichtlich eines Ausschlusses nicht entnehmen, so dass von einer Anwendbarkeit der §§ 24 Abs. 1 S. 3 VwVfG, 31a S. 2 SGB X, 88 Abs. 5, 155 Abs. 4 S. 3 AO auszugehen ist. Das Bedürfnis einer Analogie besteht dabei jedenfalls für das SGB X und das VwVfG nicht, da dortige Normen im Wortlaut nur auf den Einsatz automatischer Einrichtungen zum Erlass eines Verwaltungsaktes abstellen, ohne eine „Vollständigkeit“ der Automatisierung tatbestandlich vorauszusetzen.678 Auch der Wortlaut des § 88 Abs. 5 AO erweist sich insoweit als offen. Da die §§ 155 Abs. 4 S. 3, 150 Abs. 7 S. 1 AO zu qualifizierten Freitextfeldern indes klarer auf ausschließlich automationsgestützte Verfahren bezogen sind, wäre allenfalls hier an eine Analogie zu denken. Hinsichtlich des Vorliegens einer planwidrigen Regelungslücke und vergleichbaren Interessenlage dürften hierbei aber keine größeren Bedenken bestehen. In umgekehrter Vorgehensweise müssen die bei „mit Hilfe automatischer Einrichtungen“ erlassenen Verwaltungsakten grundsätzlich eingreifenden Verfahrens- und Formerleichterungen679 sodann insoweit teleologisch reduziert werden, als sich deren zugrundeliegenden Vorstellungen der Automa­ tionsprozesse nicht mehr mit solchen Verwaltungsakten decken, die zwar personell, aber auf der Grundlage automatisiert gesammelter und verifizierter Daten erlassen werden. In concreto entfällt damit etwa von vornherein die Rechtfertigung für das Wegfallen der Unterschrift oder Namenswiedergabe gem. §§ 37 Abs. 5 S. 1 VwVfG, 33 Abs. 5 S. 1 SGB X und 119 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 AO, zumal der Erlass des Verwaltungsakts letztlich durch menschliche Sachbearbeiter erfolgt, unabhängig von der später zu betrachtenden Frage, ob der in Rede stehenden Ausnahmevorschrift überhaupt ein rechtlicher und faktischer Anwendungsbereich verbleibt680.

(27); ders., DVBl. 2020, 552 (554); Edenharter, VerwArch 111 (2020), 341 (348); Ritgen, in: Knack/Henneke, VwVfG, § 24, Rn. 44. 678  Lediglich bei Ausweitung der vollautomatisierten Arbeitsabläufe auf den Abschluss öffentlich-rechtlicher Verträge müsste eine solche in Betracht gezogen werden, da diese nicht ohne Weiteres unter den „Erlass von Verwaltungsakten“ i. S. d. §§ 24 Abs. 1 S. 3 VwVfG, 31a S. 2 SGB X zu fassen wären, siehe Kallerhoff/Fellenberg, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG § 24, Rn. 57b. 679  Z. B. §§ 28 Abs. 2  Nr. 4, 37 Abs. 5, 39 Abs. 2  Nr. 3 VwVfG, 33 Abs. 5, 35 Abs. 2 Nr. 3 SGB X, 119 Abs. 3, 121 Abs. 2 Nr. 3 AO. 680  Hierzu eingehend § 4 B. II. 3. c) aa).

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§ 4 Rechtsnatur und Abgrenzung nach dem BestVerfModG

3. Zum systematischen Verhältnis zwischen „vollständig“ und „mit Hilfe“ automatischer Einrichtungen erlassenen Verwaltungsakten Welche Rückschlüsse die seit den kodifizierten Verfahrensordnungen eta­ blierte Kategorie der „mit Hilfe automatischer Einrichtungen“ erlassenen Verwaltungsakte auf die begriffliche und tatbestandliche Reichweite vollständig automatisiert erlassener Verwaltungsakte i. S. d. BestVerfModG zulässt, wurde in den obigen Kapiteln bereits eingehend untersucht.681 Ebenso wurden auch in umgekehrter Richtung die Implikationen des neu hinzugekommenen Rechtsinstituts auf das begriffliche Verständnis der althergebrachten Kategorie eruiert.682 Aufzugreifen bleibt sodann an dieser Stelle noch die Frage, in welchem gesetzessystematischen Verhältnis beide Gruppen zueinander stehen: Handelt es sich bei vollständig und nur teilweise automatisiert erlassenen Verwaltungsakten insoweit um zueinander grundsätzlich wesensverschiedene und inkompatible Gattungen, oder bestehen lediglich graduelle Unterschiede zweier in den grundlegenden Zügen homogener Typen? Als eng verwoben mit dieser Problemstellung erweist sich dabei die Anwendbarkeit und Interoperabilität derjenigen Normen, die grundsätzlich ihrem Wortlaut nach nur für „mit Hilfe automatischer Einrichtungen“ erlassene Verwaltungsakte Geltung beanspruchen. Können also konkret die vorgesehenen Verfahrens- und Formerleichterungen der §§ 37 Abs. 5, 28 Abs. 2 Nr. 4 Alt. 2, 39 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 2 VwVfG und deren Parallelkodifikationen in den anderen Verfahrensordnungen auch für den vollständig durch automatische Einrichtungen erlassenen Verwaltungsakt zur Anwendung gelangen, oder muss hier eine klare Grenzziehung gegenüber vollautomatisiert erlassenen Verwaltungsakten erfolgen? Trotz erster literarischer Einordnungen683 ist diese Problematik in der bisherigen Diskussion noch als weitgehend ungeklärt zu betrachten.684 a) Voll- und teilautomatisiert erlassene Verwaltungsakte als zueinander exklusive Kategorien Die erste denkbare Variante liegt in der Annahme eines Aliud-Verhältnisses zwischen beiden Kategorien, mit der Folge, dass die spezifisch auf teilauto681  Vgl.

§ 3 C. I., II. 1. und 2., insbes. c) cc). etwa § 3 D. und § 4 B. II. 1. 683  Vgl. Braun Binder, DÖV 2016, 891 (895); Siegel, DVBl. 2017, 24 (25); U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35a, Rn. 12 f., 50. 684  Stuhlfauth, in: Obermayer/Funke-Kaiser, VwVfG, § 35a, Rn. 9; i.  E. unentschlossen wohl auch Siegel, DVBl. 2017, 24 (25). 682  Vgl.



B. Abgrenzungen zu weiteren besonderen Ausprägungsformen187

matisiert erlassene Verwaltungsakte zugeschnittenen Ausnahmevorschriften von vornherein nicht einschlägig wären.685 Den Ausgangspunkt eines solchen Denkansatzes bilden zunächst die unstreitig bestehenden Differenzen in der begrifflichen Reichweite beider Spielarten.686 Während das BestVerfModG die Verfahrensordnungen für (nahezu) ohne menschliche Beteiligung erzeugte Verwaltungsentscheidungen öffnete, hatten die bereits in den Urkodifikationen enthaltenen „Computerverwaltungsakte“ lediglich einen teilweise automatisierten Erlass der Entscheidung vor Augen.687 Da insofern die Idee eines Einsatzes technischer Vorrichtungen als bloß unterstützendes Hilfsmittel688 dem Leitbild der automatisierten Verfahrensabwicklung als vollständiges Surrogat der menschlichen Bearbeitung im konkreten Verfahren689 gegenübersteht, könnte vor diesem Hintergrund schon aus methodischen Gründen eine grundsätzliche Unanwendbarkeit der Verfahrens- und Formerleichterungen angezeigt sein, die simultan auch den logischen Ausschluss eines Inklusivitätsverhältnisses zwischen vollständig und teilweise automatisiert erlassener Verwaltungsakte zur Folge hätte.690 Darüber hinaus wurden der Anwendbarkeit der Ausnahmevorschriften auch teleologische Bedenken entgegengebracht. Der Zweck der in Rede stehenden Regelungen, die im Übrigen wohl einhellig als verfassungsrechtlich unbedenklich erachtet wurden691, bestand nämlich überwiegend darin, technikbedingte Defizite in den Anfängen der Verwaltungsautomation der 1960er und 1970er Jahre in Form von stark eingeschränkten Speicherkapazitäten auszugleichen, deren angestrebten Effi­ 685  So

Braun Binder, DÖV 2016, 891 (895); dies., NVwZ 2016, 960 (963 f.). in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35a, Rn. 13. 687  Vgl. BT-Drs. 7/910, S. 59; insoweit zu Recht Braun Binder, NVwZ 2016, 960 (963 f.); diesen graduellen Unterschied arbeiten ebenso Schmitz/Prell, NVwZ 2016, 1273 (1275) heraus, die daraus aber keine Ableitungen zum systematischen Verhältnis beider Kategorien sowie der Anwendbarkeit der §§ 37 Abs. 5 VwVfG etc. treffen; ebenso U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35a, Rn. 13; vgl. auch bereits § 3 C. II. 2. c) cc). 688  Vgl. BT-Drs. 7/910, S. 59; Schmitz/Prell, NVwZ 2016, 1273 (1275). 689  Für das Steuerverfahrensrecht BT-Drs. 18/7457, S. 48, 82; Maier, JZ 2017, 614; vgl. auch Braun Binder, NVwZ 2016, 960. 690  Vgl. Braun Binder, DÖV 2016, 891 (895) sowie Siegel, DVBl. 2017, 24 (25). 691  BVerfG-K NJW 1994, 574; BFH BStBl. 1981 II, 554 (555); FG RheinlandPfalz EFG 79, 318 f., je zur Parallelnorm des § 119 Abs. 4 S. 1 AO a. F. (nunmehr Abs. 3 S. 1); vgl. auch U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 37, Rn. 130; vgl. für § 28 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG VGH München BayVBl. 1988, 496 (497); Herrmann, in: BeckOK VwVfG, § 28, Rn. 35; entsprechende Bedenken gegen § 39 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG wurden soweit ersichtlich nicht erhoben, wohl auch weil jedenfalls der Ausnahme vom Begründungserfordernis gem. § 39 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG gegenüber dessen Nrn. 1 und 2 kaum ein eigenständiger Bedeutungsgehalt zukam, vgl. Tiedemann, in: BeckOK VwVfG, § 39, Rn. 80 f.; U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 39, Rn. 95, 97, 99; Kischel, Die Begründung, S. 243. 686  U. Stelkens,

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§ 4 Rechtsnatur und Abgrenzung nach dem BestVerfModG

zienzpotenziale bereits durch aus heutiger Sicht minimal erhöhten Daten­ aufwand nivelliert werden konnten.692 Da derlei technikinduzierte Einschränkungen vor dem Hintergrund der technologischen Möglichkeiten des modernen Informationszeitalters offenkundig nicht mehr bestehen693, sei der Rückgriff auf diese Vereinfachungen im Kontext vollautomatisiert erlassener Verwaltungsakte auch deshalb weder sachlich noch rechtlich geboten.694 ­Unter Zugrundelegung der angeführten Überlegungen könnten „vollständig durch automatische Einrichtungen“ und „mit Hilfe automatischer Einrichtungen“ erlassene Verwaltungsakte folglich als voneinander begrifflich voll­ ständig isolierte Kategorien zu verstehen sein, deren auf unterschiedlichen Prämissen beruhenden Konzepte die Unanwendbarkeit der je speziell auf die eine Gattung zugeschnittenen Normen rechtfertigen würde. b) Inklusivitätsverhältnis zwischen voll- und teilautomatisiert erlassenen Verwaltungsakten Wird allerdings die Frage des systematischen Verhältnisses zwischen vollund teilautomatisiert erlassenen Verwaltungsakten von der (nachgelagerten) Anwendbarkeit der Verfahrens- und Formerleichterungen und den hieraus abgeleiteten Implikationen hinsichtlich eines Exklusivitätsverhältnisses beider Spielarten entkoppelt, so zeichnet sich zunehmend die Notwendigkeit einer abweichenden Beurteilung ab. So erscheint schon aus rein (verfahrens-)praktischer Sicht eine harte Abgrenzung beider Kategorien in Gestalt eines Ausschließlichkeitsverhältnisses wenig sinnvoll. Zum einen können sich die tatsächlichen Übergänge zwischen beiden Spielarten in bestimmten denkbaren Verfahrensgestaltungen als fließend erweisen, wenn etwa von der Verwaltungsbehörde eine erst phasenweise Implementierung vollautomatisierter Verfahren nach dem Durchlaufen ggfls. mehrerer isolierter Test- und Erprobungsphasen angestrebt wird, oder wenn vollautomatisierte Verfahren (aus welchen Gründen auch immer, z. B. zum Zwecke der Modifikation oder Verbesserung bestimmter Teilsysteme) zum Teil wieder in personelle Obhut überführt werden sollen. Zum anderen hängt es unter Umständen (im wahrsten Sinne des Wortes) vom Zufall ab, ob 692  Braun Binder, DÖV 2016, 891 (895); vgl. auch U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/ Sachs, VwVfG, § 37, Rn. 130 (für § 37 VwVfG); § 39, Rn. 97 (für § 39 VwVfG); Skrobotz, Elektronisches Verwaltungsverfahren, S. 334 f.; Roßnagel, DÖV 2001, 221 (228); der Ausnahmevorschrift zum Anhörungserfordernis lag indes eine abweichende Ratio zugrunde, mehr dazu unter § 4 B. II. 3. c) cc) (2). 693  Vgl. nur Braun Binder, DÖV 2016, 891 (895); Skrobotz, Das elektronische Verwaltungsverfahren, S.  335 f.; U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 37, Rn. 131 ff.; § 39, Rn. 97. 694  Braun Binder, DÖV 2016, 891 (895).



B. Abgrenzungen zu weiteren besonderen Ausprägungsformen189

in einem konkreten Verfahren auch tatsächlich ein vollständig automatisierter Verwaltungsakterlass anzunehmen ist. So kann beispielsweise bereits eine rein zufallsinduzierte Aussteuerung zum Ausschluss der vollständig ohne personeller Mitwirkung erfolgenden Verfahrensabwicklung führen, mit der Folge, dass ein vollautomatisierter Verwaltungsakterlass nicht mehr ein­ schlägig wäre.695 Die hierdurch zum Ausdruck kommende Notwendigkeit einer gewissen verfahrensorganisatorischen Flexibilität beider Rechtskategorien steht dabei bereits einem rigiden Verständnis vollautomatisch erlassener Verwaltungsakte als wesensverschiedenes und grundsätzlich inkompatibles Aliud zum teilautomatisierten Verwaltungsakterlass diametral entgegen. Mit seinen Normierungen zu vollautomatisch erlassenen Verwaltungsakten knüpft der Gesetzgeber des BestVerfModG darüber hinaus an den etablierten und insofern identisch auszulegenden Begriff der „automatischen Einrichtung“ an.696 Gleichzeitig erfolgt eine tatbestandliche Qualifizierung durch das Erfordernis der „Vollständigkeit“ des Erlasses durch automatische Einrichtungen, die gemeinhin, insbesondere auch vom Gesetzgeber, als Steigerung des Ausmaßes einer technischen Durchsetzung des Verwaltungsverfahrens in Gegenüberstellung zur vormals bloß unterstützenden Rolle technischer Einrichtungen („mit Hilfe“) verstanden wird.697 Der Rekurs auf die althergebrachte Begrifflichkeit verbunden mit der an quantitativen Dimensionen ausgerichteten Ausweitung des Automatisierungsgrades des neuen Rechtsinstituts im Vergleich zum bisher vorgefundenen Typus legt dabei ebenso nahe, dass es sich um wesensverwandte und in systematischer Hinsicht auf annähernd kongruenten Grundprämissen fußende Gattungen handeln muss. Eine kategoriale oder strukturelle Disparität und eine daraus resultierende Exklusivität beider Kategorien geht aus der vorzufindenden Reminiszenz an das tradierte Begriffs­ vokabular des Gesetzgebers gerade nicht hervor. Schließlich wurde nach der hier vertretenen Auffassung eine begriffliche Präzisierung der „automatischen Einrichtungen“ unter Zugrundelegung der systematischen Erkenntnisse aus den Neuerungen des BestVerfModG dergestalt vorgenommen, dass vom begrifflich umfassten Einsatzspektrum automatischer Einrichtungen auch die Abwicklung der vorgelagerten Verfahrensprozesse (insbes. der Vorgänge der Sachverhaltsermittlung) umfasst ist. Dies bedeutet, dass von einem teilweise automatisiert erlassenen Verwaltungsakt begrifflich auch dann auszugehen ist, wenn nur der Abschnitt der Sachver695  Vgl.

§ 3 C. II. 5. BT-Drs. 18/8434, S. 120, 122; vgl. auch Prell, in: BeckOK VwVfG, § 35a, Rn. 5; U. Stelkens, in: Hill/Kugelmann/Martini, Digitalisierung in Recht, Politik und Verwaltung, 81 (85, 87); ders., in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35a, Rn. 13 sowie bereits § 3 C. I. 697  BT-Drs. 18/8434, S. 120, 122; BT-Drs. 18/7457, S. 48; vgl. auch § 3 C. II. 1. 696  Vgl.

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§ 4 Rechtsnatur und Abgrenzung nach dem BestVerfModG

haltsermittlung automatisiert abgewickelt wird, die eigentliche Rechtsanwendung und Bescheidformulierung sodann aber durch Behördenmitarbeiter erfolgt.698 Der umgekehrte Fall der händischen Ermittlung der relevanten Sachverhaltsdaten und deren Einspeisung in die verarbeitende Software, die sodann in automatisierter Weise die Subsumtion und Bescheidformulierung vornimmt, lag der gesetzlichen Regelung ohnehin als Grundtypus zugrunde.699 Anders gewendet können damit sämtliche Einzelaspekte eines vollautomatisiert erlassenen Verwaltungsaktes je für sich der Kategorie „mit Hilfe“ automatischer Einrichtungen erlassener Verwaltungsakte zugeordnet werden, weshalb es auch vor diesem Hintergrund nicht unmittelbar nachvollziehbar erschiene, der Summe ebenjener Einzelaspekte sodann eine von ihren einzelnen Bestandteilen abweichende Qualifikation als grundsätzlich wesensverschiedenes Aliud zu attestieren. Zusammenfassend bleibt daher festzustellen, dass trotz teleologischer und teils festgestellter grammatikalischer700 Reibungspunkte701 unter rein systematischen Gesichtspunkten von einem Inklusivitätsverhältnis zwischen vollständig und teilweise automatisiert erlassenen Verwaltungsakten auszugehen ist, wie es deren strukturellen Ähnlichkeiten bereits andeuten. Die systematische Wechselbeziehung zwischen beiden Kategorien ist insofern von der Anwendbarkeit und dem Regelungszweck der Ausnahmevorschriften losgelöst zu betrachten. Vollständig automatisiert erlassene Verwaltungsakte stellen somit einen besonderen Unterfall des „mit Hilfe automatischer Einrichtungen“ erlassenen Verwaltungsakts dar, der sich durch ein gesteigertes Ausmaß an Automation in der im obigen Kapitel dargestellten Weise auszeichnet. Jeder vollautomatisiert erlassene Verwaltungsakt ist damit gleichzeitig – im Sinne eines „Mehr“ – als ein „mit Hilfe automatischer Einrichtungen“ erlassener Verwaltungsakt zu qualifizieren.702 Im Wege eines Erst-Recht-Schlusses ist folglich der Anwendungsbereich derjenigen Normen, die gewisse Verfahrensund Formerleichterungen für teilautomatisierte Verwaltungsakte vorsehen, zunächst auch für vollautomatisiert erlassene Verwaltungsakte eröffnet.703 698  Siehe

§ 4 B. II. 1. BT-Drs. 7/910, S. 59. 700  Vgl. Köhler, WzS 2018, 279 (283), der insoweit wenig überzeugend aus dem Wortlaut der Verfahrens- und Formerleichterungsnormen eine Inkompatibilität für naheliegend hält. 701  Vgl. § 4 B. II. 3. a). 702  So i. E. auch U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35a, Rn. 12 f., 50; ders., in: Hill/Kugelmann/Martini, Digitalisierung in Recht, Politik und Verwaltung, 81 (85 in Fn. 16, 117); Windoffer, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, § 35a, Rn. 9 f., 33, 35; Hornung, in: Schoch/Schneider, VwVfG, § 35a, Rn. 40. 703  Vgl. Braun Binder, DÖV 2016, 891 (895), die selbst indes von der Gegen­ ansicht eines Aliud-Verhältnisses ausgeht; U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, 699  Siehe



B. Abgrenzungen zu weiteren besonderen Ausprägungsformen191

c) Zur Anwendbarkeit der Ausnahmevorschriften im Einzelnen Die Feststellung eines Inklusivitätsverhältnisses zwischen voll- und teilautomatisiert erlassenen Verwaltungsakten und die damit in der Konsequenz verbundene grundsätzliche Anwendbarkeit der auf die weitergehende Grundkategorie des teilautomatisierten Verwaltungsakterlasses zugeschnittenen Normen befreit allerdings nicht von sonstigen Hürden, die einer Anwendbarkeit der Normen auf die Rechtsfigur vollautomatisiert erlassener Verwaltungsakte i. S. d. BestVerfModG entgegenstehen können. Damit die tatsäch­ liche Bedeutung der Ausnahmeregelungen und ihrer normativen Steuerungswirkungen auf die neue Spielart des Verwaltungsakterlasses abgeschätzt werden kann, soll daher im Folgenden dem Bestehen solcher konkreten Anwendungshindernisse nachgespürt werden. Im Fokus der Betrachtung liegen dabei die Ausnahmeregelungen zum Absehen von der Namenswiedergabe sowie zur Entbehrlichkeit der Begründung und der Anhörung nach den jeweiligen Verfahrensordnungen. Mit Blick auf den Umfang beschränkt sich die Untersuchung allerdings auf einige generelle Leitlinien. Besonderheiten singulärer Fallkonstellationen müssen außer Betracht bleiben. aa) Vorschriften zum Absehen von der Namenswiedergabe (1) Faktische Unanwendbarkeit aufgrund Fortfalls des Regelungszwecks? Unter Verweis auf die bereits obig erwähnten und in der Literatur geäußerten Einwände704 könnte eine konkrete Anwendbarkeit der Ausnahmeregelung des § 37 Abs. 5 S. 1 VwVfG zunächst ohne größeren Aufwand zu verneinen sein, nach der – in Abweichung vom Grundsatz des § 37 Abs. 3 S. 1 VwVfG – ein Absehen von der Namenswiedergabe auf dem erlassenen Verwaltungsakt ermöglicht wird.705 In den Fachverfahrensordnungen der AO und des SGB X finden sich hierzu im Wesentlichen wortgleiche Parallelnormierungen in §§ 119 Abs. 3 S. 2 AO, 33 Abs. 5 SGB X, die nur in EinzelheiVwVfG, § 35a, Rn. 13, 50; Windoffer, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, § 35a, Rn. 10, 33; differenzierend für das Sozialverfahrensrecht Littmann, in: Hauck/ Noftz, SGB X, § 31a, Rn. 15; teleologisch argumentierend auch Köhler, WzS 2018, 279 (283); vgl. zudem Martini/Nink, NVwZ-Extra 10/2017, 1 (11) für § 39 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG. 704  Siehe oben § 4 B. II. 3. a). 705  Eine Unterschrift wäre für automatisiert erlassene Verwaltungsakte dagegen ohnehin unzweckmäßig, da diese eine Herausnahme aus den automatisierten Bear­ beitungsvorgänge voraussetzte, vgl. U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 37, Rn. 133, 101. Gem. § 37 Abs. 5 S. 2 VwVfG wird zudem die Verwendung von Schlüsselzeichen zur Inhaltsangabe eröffnet.

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ten Abweichungen enthalten. Ruft man sich nun den ursprünglichen Regelungszweck des § 37 Abs. 5 VwVfG ins Gedächtnis, so treten unmittelbar deutliche Anwendbarkeitshindernisse der Norm zutage. Da dieser nämlich in der Kompensation technikbedingter Defizite hinsichtlich der Speicherkapazitäten früherer EDV-Anlagen begründet lag706 und solche technischen Mangelerscheinungen vor dem Hintergrund moderner Rechen- und Leistungs­ kapazitäten heutzutage nicht mehr bestehen707, wurde § 37 Abs. 5 VwVfG bereits vor Erlass des BestVerfModG als von der technischen Entwicklung überholt und damit faktisch „totes Recht“ angesehen708, dessen konkrete Anwendung – vorbehaltlich kaum mehr vorstellbarer Ausnahmefälle709 – als unzweckmäßige Verfahrensgestaltung in einem Verfahrensermessensfehler mündet.710 Das ursprünglich der Behörde dahingehend eingeräumte Verfahrensermessen reduzierte sich im Laufe der technischen Entwicklung entsprechend auf Null.711 Dieser im Gleichschritt mit der technischen Entwicklung eingetretene Bedeutungsverlust speziell der Ausnahmevorschrift des § 37 Abs. 5 VwVfG wurde dabei sogar vom Gesetzgeber teils implizit zementiert, indem der Anwendungsbereich des § 37 Abs. 5 VwVfG im Zuge des 3. VwVfÄndG gar nicht erst auf die damals hinzugewonnene Kategorie elektronischer Verwaltungsakte712 erweitert wurde. Das dahingehende Verfahrensermessen wäre insoweit im Kontext elektronischer Verwaltungsakte als noch eingeschränkter als bei schriftlichen Verwaltungsakten anzusehen gewesen, ein tatsächlicher Anwendungsbereich wäre faktisch kaum verblieben.713 Bei den Parallelkodifikationen der §§ 119 Abs. 3 S. 2 AO, 33 Abs. 5 706  Braun Binder, DÖV 2016, 891 (895); vgl. auch U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/ Sachs, VwVfG, § 37, Rn. 130, 134–138; Skrobotz, Elektronisches Verwaltungsverfahren, S.  334 f.; Prell, apf 2017, 237; Roßnagel, DÖV 2001, 221 (228). 707  Vgl. Braun Binder, DÖV 2016, 891 (895); Skrobotz, Elektronisches Verwaltungsverfahren, S.  335 f.; U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 37, Rn. 131 ff.; § 39, Rn. 97. 708  U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 37, Rn. 131–132. 709  Etwa das Aufbrauchen historischer EDV-Anlagen, siehe U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 37, Rn. 131–132. 710  U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 37, Rn. 131–132; für einen nur übergangs- oder ausnahmsweisen Rückgriff auf die Norm bereits Roßnagel, DÖV 2001, 221 (227 f.); zum Grundsatz der Verfahrenseffizienz Schmitz, in: Stelkens/ Bonk/Sachs, § 9, Rn. 76 ff. 711  Vgl. Skrobotz, Elektronisches Verwaltungsverfahren, S. 335, 171 m. w. N. 712  Zur Implementierung des elektronischen Verwaltungsakts bereits § 2 A. II., B. II. und C. 713  Skrobotz, Elektronische Verwaltungsverfahren, S. 335. In den vorherigen Vorschlägen war eine entsprechende Erweiterung aber noch enthalten, vgl. § 37 Abs. 4 VwVfG i.F.d. sog. Magdeburger Fassung des 3. VwVfÄndG vom 24.11.2000, Catrein, NWVBl. 2001, 50 (56 f.); Rosenbach, DVBl. 2001, 332 (334); Skrobotz, Elek­ tronische Verwaltungsverfahren, S. 335.



B. Abgrenzungen zu weiteren besonderen Ausprägungsformen193

SGB X fand indes eine Erweiterung auf elektronische Verwaltungsakte statt714, was allerdings nur unwesentlich die schwindende Bedeutung der Ausnahmeregelung vor dem Hintergrund modernerer EDV-Anlagen relativierte und letztlich als eher nicht im Einzelnen reflektierte, redaktionelle Anpassung erscheint. In Ermangelung eines verbleibenden Anwendungsbereichs erwiesen sich die Formerleichterungen des § 37 Abs. 5 VwVfG demnach unter den heutigen technischen Gegebenheiten als faktisch obsolet.715 Dieses Verdikt gelte sodann umso mehr im Kontext vollautomatisiert erlassener Verwaltungsakte unter dem Regime des BestVerfModG, deren Abwicklung den Rückgriff auf deutlich ausdifferenzierte und hinsichtlich ihrer Arbeitsweisen perfektionierte Systeme, ggfls. sogar Anwendungsformen künstlicher Intelligenz716, erwarten lassen. Ein Verzicht auf die Namenswiedergabe und die Verwendung von Schlüsselzeichen wären demnach generell als formell rechtswidrige Verfahrensgestaltung zu qualifizieren.717 Auf die in den wesentlichen Teilen wortgleichen Parallelkodifikationen in AO und SGB X ließen sich diese Gedankengänge ohne Weiteres übertragen, deren Anwendung – jedenfalls in vollautomatisierten Verfahren – ebenso als verfahrensermessensfehlerhaft anzusehen wäre. (2) Verfahrenseffizienz als übergeordneter Regelungszweck? Entgegen den oben dargelegten Bedenken finden sich allerdings auch Anhaltspunkte, die in eine entgegengesetzte Richtung deuten und einen nach wie vor extensiveren Anwendungsbereich der Ausnahmevorschriften zum Absehen von einer Namenswiedergabe nahelegen. Vor allem bei Betrachtung der Fachverfahrensordnungen zeichnet sich zum Teil ein pragmatischeres Verständnis der Ausnahmevorschriften (auch) im Lichte vollautomatisierter Verfahren ab. Denn obwohl in den Verfahrensordnungen der Finanz- und Sozialverwaltung – im Gleichlauf zum allgemeinen VwVfG – ebenso bereits in den kodifizierten Urfassungen parallele Formerleichterungen zu § 37 714  Vgl. BGBl. 2002 I, S. 3322, 3326 (für § 33 SGB X) und S. 3327 (für § 119 AO); vgl. auch Pattar, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, § 33, Rn. 102, widersprüchlich allerdings zu Rn. 101 a. a. O. 715  So i.  E. vor allem U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, §  37, Rn. 131–132 ff.; vgl. auch Roßnagel, DÖV 2001, 221 (227 f.); Skrobotz, Elektronisches Verwaltungsverfahren, S.  335 f. 716  Zur Zulässigkeit eines Einsatzes indeterminierter Algorithmen § 5 B. 717  U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35a, Rn. 50; sinngemäß auch Braun Binder, DÖV 2016, 891 (895); i. E. offengelassen Siegel, DVBl. 2017, 24 (25).

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Abs. 5 VwVfG enthalten waren718 und diesen ein insoweit gleicher Regelungszweck zu unterstellen war719, haben sich die im Kontext des § 37 Abs. 5 VwVfG geäußerten und verfestigten Bedenken des fortgefallenen Regelungszwecks und der generellen Verfahrensermessensfehlerhaftigkeit ihrer Anwendung – soweit ersichtlich – in der fachverfahrensrechtlichen Literatur und Praxis nicht bzw. zumindest in geringerer Weise materialisiert.720 Hier wird an der grundsätzlichen Anwendbarkeit des Absehens von der Namenswiedergabe festgehalten und hierbei überwiegend auf die Anforderungen der Massenverwaltung sowie notwendige Vereinfachungen bzw. die Verfahrensökonomie in Massenverfahren rekurriert.721 Eine generelle Ermessensfehlerhaftigkeit wird in ihrer Anwendbarkeit nicht erblickt. So habe das Absehen von einer Namenswiedergabe gem. § 33 Abs. 5 SGB X insbesondere im Sozialrecht, das in besonderer Weise durch gleichförmige Massenverfahren, beispielsweise jährlich vollautomatisiert erstellte Rentenanpassungsmitteilungen geprägt werde, unverändert seine Berechtigung und könne daher keineswegs als „totes Recht“ wegen Nichterreichung der ursprünglichen Regelungszwecke bezeichnet werden.722 Eine Übertragung dieser Denkansätze auf das Steuerverfahrensrecht, das vor dem Hintergrund seiner zu bewältigenden steuerlichen Massenverfahren ebenfalls auf möglichst verfahrensökonomische Abläufe angewiesen ist723, erscheint dabei naheliegend. Ausgehend von der dargestellten fachverfahrensrechtlichen Sichtweise lässt sich somit zunächst ableiten, dass dem fachrechtlichen Verständnis des Regelungszwecks der Erleichterungsvorschrift offenbar eben nicht ausschließlich die Kompensation technischer Defizite und die allein hieraus verwirklichten Effizienzpotenziale zugrunde liegen724, sondern verstärkt darüber hinaus­ gehend erzielbare Potenziale der Verwaltungseffizienz betont werden, die durch die vorgesehenen Formerleichterungen unverändert wahrgenommen werden können und die das ursprüngliche Anliegen der Ausnahmevorschrif718  § 119 Abs. 4 S. 2 AO 1977 (heute Abs. 3 S. 2) und § 33 Abs. 4 SGB X 1981 (heutiger Abs. 5). 719  Vgl. nur Pattar, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, § 33, Rn. 102 für § 33 Abs. 5 SGB X; U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 37, Rn. 130 für § 37 Abs. 5 VwVfG. 720  Deutlich für das Sozialverwaltungsverfahrensrecht Pattar, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, § 33, Rn. 102. 721  Vgl. nur Fichte, in: Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann, SozialR, §  33 SGB X, Rn. 15 f.; BT-Drs. 14/9000, S. 35 (zu Nr. 7); Füssenich, in: BeckOK AO, § 119, Rn. 76; Seer, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 119 AO, Tz. 22. 722  Pattar, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, § 33, Rn. 102, entgegen U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 37, Rn. 131–132. 723  Vgl. Seer, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 119 AO, Rz. 22; Füssenich, in: BeckOK AO, § 119, Rn. 76. 724  So aber wohl bei U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 37, Rn. 130 f.



B. Abgrenzungen zu weiteren besonderen Ausprägungsformen195

ten waren.725 Solche weitergehenden Rationalisierungseffekte der in Rede stehenden Normen werden zum Teil auch im Kontext des allgemeinen Verwaltungsverfahrensrechts hervorgehoben, weshalb diesen auch in heutiger Zeit unverändert Bedeutung zukomme.726 Vereinzelt sollen sie sogar Ausgangspunkt eines allgemeinen Rechtsgrundsatzes der Verfahrenserleichterung für Massenverwaltungsverfahren sein.727 Bezieht man diese von einem pragmatischeren Standpunkt ausgehenden Tendenzen in die vorliegende Betrachtung ein, erscheint es zunächst im Ergebnis übereilt, im Kontext des § 37 Abs. 5 VwVfG und seiner inhaltsgleichen Parallelnormierungen in den §§ 119 Abs. 3 S. 1 AO, 33 Abs. 5 SGB X von „totem Recht“ zu sprechen. Sofern noch gewisse Erleichterungseffekte bei der Abwicklung insbesondere vollautomatisierter Verfahren nach den neueren Vorgaben des BestVerfModG erzielt werden könnten, wären verfahrensermessensfehlerfreie Anwendungsbereiche der Formvorschriften nach wie vor zumindest theoretisch denkbar. Ob allerdings solche Erleichterungseffekte durch das Absehen von einer Namenswiedergabe tatsächlich erzielt werden können, darf in Zeiten immer weiter perfektionierter algorithmischer Entscheidungssysteme und moderner und leistungsfähiger Rechenanlagen zu Recht bezweifelt werden, zumal eine automatisierte Namenswiedergabe in automatisierten Verfahren ohne nennenswerten Mehraufwand realisierbar erscheint und insoweit ein verfahrensorganisatorischer Bedarf im Hinblick auf ein dahingehendes Absehen fraglich bleibt. Eine letztverbindliche Beantwortung dieser Frage muss zwar letztlich der Praxis, vor allem auch in Abstimmung mit den für die technische Realisierung vollautomatischer Verfahren betrauten Personen, überlassen werden. Die praktische Bedeutung der Ausnahmevorschrift dürfte aber bereits jetzt – trotz der teils gegenteiligen Stimmen aus dem Fachverfahrensrecht – als gering einzuschätzen sein. Ohne also die grundsätzliche (rechtmäßige) Anwendbarkeit der Formerleichterungen der §§ 37 Abs. 5 VwVfG, 119 Abs. 3 S. 1 AO, 33 Abs. 5 SGB X in Abrede zu stellen, kann zumindest konkludiert werden, dass ihre tatsächliche Bedeutung in einer vollautomatisierten Verwaltungspraxis bzw. für vollautomatisiert erlassene Verwaltungsakte nach den Vorgaben des BestVerfModG aller Voraussicht nach zu vernachlässigen sein wird und sich insofern Stelkens’ 725  Vgl.

Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 9, Rn. 76 f. Tegethoff, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 37, Rn. 38, 40, der die Vorschrift des § 37 Abs. 5 VwVfG wegen des heute unabdingbaren Einsatzes von Maschinen in der Massenverwaltung für unverzichtbar hält; vgl. auch Stuhlfauth, in: Obermayer/Funke-Kaiser, VwVfG, § 37, Rn. 38. Unklar insoweit Tiedemann, in: BeckOK VwVfG, § 37, Rn. 50, der sich für eine teleologische Reduktion der Norm auf vollautomatisiert erstellte Bescheide ausspricht. 727  OVG Saarland, Beschl. v. 21.11.2016 – 1 D 291/16, NVwZ-RR 2017, 342 (Rn.  5 ff.). 726  Vgl.

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§ 4 Rechtsnatur und Abgrenzung nach dem BestVerfModG

Verdikt des „toten Rechts“ zumindest faktisch als nicht allzu fernliegend offenbaren dürfte. bb) Regelungen zum Absehen von einer Begründung Als zweite Gruppe von Formerleichterungsvorschriften im Zusammenhang mit teilautomatisiert erlassenen Verwaltungsakten ist nun auf die Möglichkeit eines Absehens von der Begründung des zu erlassenden Verwaltungsakts einzugehen. (1) Geringe Bedeutung aufgrund Fortfalls des Regelungszwecks In gleicher Weise wie die Entbehrlichkeit einer Namenswiedergabe wurde im allgemeinen Verwaltungsverfahrensrecht auch die Möglichkeit eines ­Absehens von der Begründung bei „mit Hilfe automatischer Einrichtungen“ erlassenen Verwaltungsakten gem. § 39 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG bereits vor ­Erlass des BestVerfModG als technisch überholt und damit totes Recht angesehen, dessen konkrete Anwendung bei Verwendung moderner EDV-Anlagen als generell (verfahrens-)ermessensfehlerhaft zu qualifizieren sei.728 Dies gelte jedenfalls insoweit, als teilautomatisiert erlassene Verwaltungsakte nicht gleichzeitig auch „gleichartige Verwaltungsakte in größerer Zahl“ i. S. d. 1. Alternative des § 39 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG darstellen.729 Der Einsatz automatischer Einrichtungen zum Erlass des Verwaltungsaktes rechtfertigt demnach nicht die Möglichkeit eines Absehens von der Begründung gem. § 39 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG, da der Verwaltungsakt allein als Folge dieses Umstands nicht notwendig aus sich selbst heraus verständlich wird und die Begründungspflicht folglich nicht zu einer „überflüssigen Förmlichkeit […]“ verkommt, was die ursprüngliche Überlegung des Gesetzgebers im Kontext des § 39 Abs. 2  Nr. 3 VwVfG darstellte.730 Eine generelle Entbehrlichkeit der Begründung bei Verwaltungsakten in Massenverfahren wurde mit der Norm dagegen nicht implementiert.731 Im Übrigen können in der heutigen Zeit auch nicht mehr technische Defizite fruchtbar gemacht werden, anhand derer 728  U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 39, Rn. 97; ähnlich Guckelberger, VVDStRL 78 (2019), 235 (274); vgl. auch Eifert, E-Government, S. 124; Hufen/Siegel, Fehler im VwVf, Rn. 480; sehr restriktiv auch bereits Polomski, Der automatisierte Verwaltungsakt, S. 164 ff., 167. 729  U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 39, Rn. 97. 730  BT-Drs. 7/910. S. 61; U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 39, Rn. 95, 97. 731  U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 39, Rn. 98; vgl. auch Hufen/ Siegel, Fehler im VwVf, Rn. 480; Kischel, Die Begründung, S. 243; Tiedemann, in: BeckOK VwVfG, § 39, Rn. 81, 83; Martini/Nink, NVwZ-Extra 10/2017, 1 (11).



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sich eine Reduktion der zu verarbeitenden Inhalte begründen ließe.732 Insbesondere begegnet es keinerlei technischen Bedenken, dem zu erlassenden Bescheid eine automatisierte Begründung in Form von standardisierten Erläuterungstexten oder Textbausteinen beizufügen, die sich regelmäßig in gleicher Weise wie die eigentlichen Entscheidungsinhalte programmieren lassen.733 Übertragen auf vollautomatisiert erlassene Verwaltungsakte nach den Vorgaben des BestVerfModG bedeutet dies, dass ein Absehen von der Begründung gem. § 39 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG – vorbehaltlich in größerer Zahl vollautomatisiert erlassener und gleichartiger Verwaltungsakte – grundsätzlich einen Verfahrensermessensfehler begründet und daher als rechtmäßige Verfahrensgestaltung ausscheidet.734 Allein die Erleichterung der Verwaltungsarbeit, ggfls. in Form einer Praktikabilitäts- oder Effizienzsteigerung vollautomatischer Verfahren, rechtfertigt somit ein Absehen von einer Begründung nicht.735 Jedenfalls im allgemeinen Verwaltungsverfahrensrecht verbleibt der Formerleichterungsregelung des § 39 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG damit kaum eine eigenständige praktische Bedeutsamkeit im Hinblick auf (voll-)automatisiert erlassene Verwaltungsakte.736 (2) Bestätigung der geringen Bedeutsamkeit im Steuer- und Sozialrecht Anders als bei der Ausnahmeregelung zum Absehen von der Namenswiedergabe, wo sich aus fachverfahrensrechtlicher Perspektive eine teils pragmatischere und in der Folge extensivere Konturierung des Anwendungs­ bereichs der Ausnahmevorschriften zumindest andenken ließ, bestätigt das Fachverfahrensrecht im Kontext der Entbehrlichkeit einer Begründung wei732  Vgl. U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, §  39, Rn.  97, §  37, Rn.  130 f.; Tiedemann, in: BeckOK VwVfG, § 39, Rn. 81 f.; vgl. auch Eifert, E-Gov­ ernment, S. 123 sowie bereits § 4 B. II. 3. a) und c) aa) (1). 733  Vgl. Polomski, Der automatisierte Verwaltungsakt, S. 166; ausf. Lazaratos, Rechtliche Auswirkungen der Verwaltungsautomation, S. 361 ff.; Eifert, E-Government, S. 124; Guckelberger, GewArch 2019, 457 (462); Hornung, in: Schoch/Schneider, VwVfG, § 35a, Rn. 40; Kischel, Die Begründung, S. 244; eingehend zur Begründungspflicht in automatisierten Verfahren § 5 C. III. 734  Ebenso U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35a, Rn. 50; Braun Binder, DÖV 2016, 891 (895); i. E. offenlassend Siegel, DVBl. 2017, 24 (25). 735  Vgl. Hufen/Siegel, Fehler im VwVf, Rn. 480; U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/ Sachs, VwVfG, § 39, Rn. 97 f.; vgl. auch Tiedemann, in: BeckOK VwVfG, § 39, Rn. 81. 736  Für eine Aufhebung der Regelung plädiert daher Guckelberger, VVDStRL 78 (2019), 235 (274); dies., Öffentliche Verwaltung, Rn. 526; vgl. insoweit auch Siegel, DVBl. 2020, 552 (556); Martini/Nink, NVwZ-Extra 10/2017, 1 (11 f.) sowie bereits Lazaratos, Rechtliche Auswirkungen der Verwaltungsautomation, S. 361 f.; ähnlich Hornung, in: Schoch/Schneider, VwVfG, § 35a, Rn. 40.

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testgehend das dargestellte Ergebnis und die daraus resultierende geringe Relevanz der Vorschriften für vollautomatische Verfahren. Hinsichtlich des Absehens von einer Begründung werden nämlich auch im Steuer- und Sozialrecht bedeutsame Einschränkungen in Bezug auf automatisiert erlassene Verwaltungsakte gemacht. Einerseits ist nach ganz überwiegender Auffassung im Steuerrecht die entsprechende steuerverfahrensrechtliche Ausnahmevorschrift des §  121 Abs. 2 Nr. 3 AO nicht auf Steuerbescheide (und diesen ähnlichen Bescheiden) anzuwenden. Diese doch starke Einschränkung des Anwendungsbereichs der Ausnahmevorschrift rührt daher, dass Steuerbescheide stets eine auf die Besonderheiten des Einzelfalls zugeschnittene individuelle Regelung treffen und es bei solchen daher am Merkmal der Gleichartigkeit i. S. d. Norm fehle.737 Diese seien daher nie aus sich selbst heraus verständlich, so dass eine (Individual-)Begründung nach den Umständen des Einzelfalls stets geboten erscheine.738 Als Mindestgehalt der Begründungspflicht eines Steuerbescheides, die ohnehin bereits hinsichtlich Umfang und Inhalt hinter den Parallelkodifikationen im VwVfG und SGB X zurückbleibt und mit ihrer schwächeren Ausgestaltung den praktischen Bedürfnissen der Finanzverwaltung Rechnung trägt739, sei insofern jedenfalls die Angabe der Besteuerungsgrundlagen zu verlangen, auf denen der Steuerbetrag beruht.740 Da die mit dem BestVerfModG implementierte Zulassung „ausschließlich automa­ tionsgestützt“ erlassener Verwaltungsakte gem. § 155 Abs. 4 AO zudem – ausgehend von ihrer Verortung in der Vorschrift über die Steuerfestsetzung – nahezu ausschließlich an Steuerbescheide und diesen gleichgestellte Bescheide anknüpft741, löst sich die praktische Bedeutung der Ausnahme­ regelung des § 121 Abs. 2 Nr. 3 AO im Kontext vollautomatisiert erlassener Verwaltungsakte nach dem Verständnis der herrschenden Meiung ohnehin größtenteils in Luft auf. Denkbar bleibt davon unbenommen lediglich die Einschlägigkeit eines anderen Ausnahmetatbestands, etwa desjenigen des

737  Voth, DStR 1981, 291; Füssenich, in: BeckOK AO, § 121, Rn. 53; Söhn, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 121 AO, Rz.  187; Seer, in: Tipke/Kruse, AO/ FGO, § 121 AO, Rz. 20; Fritsch, in: Koenig, AO, § 121, Rn. 16; Güroff, in: Gosch, AO/FGO, § 121 AO, Rn. 9. 738  Fritsch, in: Koenig, AO, § 121, Rn. 16; Seer, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 121 AO, Rz. 19 f.; vgl. auch die ursprüngliche Überlegung des Gesetzgebers, BT-Drs. 7/910. S. 61 sowie U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 39, Rn. 95. 739  Vgl. nur BT-Drs. 7/4292, S. 27; BFH BStBl II 1992, 220; BFH, Urt. v. 11.2.2004 – II R 5/02, BFH/NV 2004, 1062; Fritsch, in: Koenig, AO, § 121, Rn. 1. 740  BFH Urt. v. 11.2.2004 – II R 5/02, BFH/NV 2004, 1062; BFH BStBl II 1981, 3; Fritsch, in: Koenig, AO, § 121, Rn. 8. 741  Vgl. Seer, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 155 AO, Rz. 48 ff.



B. Abgrenzungen zu weiteren besonderen Ausprägungsformen199

§ 121 Abs. 2 Nr. 1 AO, soweit einem gestellten Antrag entsprochen oder einer Erklärung gefolgt wird.742 Auch im Sozialrecht wird im Kontext der entsprechenden Parallelregelung des § 35 Abs. 2 Nr. 3 SGB X das zeitlich simultane Ergehen inhaltlich (im Wesentlichen) gleicher Bescheide in größerer Zahl verlangt, die aus sich selbst heraus verständlich sind und daher keiner Einzelbegründung bedürfen.743 Rentenbescheide seien angesichts ihres individuellen Inhalts demgemäß nicht von § 35 Abs. 2 Nr. 3 SGB X erfasst, auch wenn diese regelmäßig mit automatischen Einrichtungen erstellt würden.744 Sofern also nicht auch simultan eine Gleichartigkeit der (gleichzeitig und in größerer Zahl erlassenen) Verwaltungsakte gegeben ist, löst auch hier allein der Einsatz automatischer Einrichtungen nicht die in Rede stehende Ausnahmevorschrift zum Absehen von einer Begründung aus. Die Anwendbarkeit beider fachrechtlichen Ausnahmevorschriften zur Entbehrlichkeit einer Begründung werden damit im Ergebnis maßgeblich am Merkmal der Gleichartigkeit der zu erlassenden Verwaltungsakte aufgehängt, unabhängig davon, ob deren Erlass mit oder ohne Hilfe automatischer Einrichtungen bewerkstelligt wurde. Dem Umstand des Einsatzes „automatischer Einrichtungen“ bei der Erstellung des Verwaltungsaktes kommt dagegen keine eigenständige Bedeutung innerhalb der Vorschriften zu. Rein dem Wortlaut nach lassen diese zwar ohne Weiteres auch ein abweichendes Verständnis dahingehend zu, dass ebenjene Gleichartigkeit lediglich für die erste Alternative je des Ausnahmetatbestands der Nr. 3, also Verwaltungsakte in größerer Zahl, zu verlangen ist, wohingegen der Erlass „mit Hilfe automatischer Einrichtungen“ als eigene Alternative für sich stünde.745 Jedenfalls nach ihrer bisherigen Auslegung lässt sich aber zusammenfassend feststellen, dass sich die Regelungen für das Absehen von einer Begründung – im Gleichlauf zum allgemeinen Verwaltungsverfahrensrecht – auch im Steuerrecht und Sozialrecht für vollautomatisiert erlassene Verwaltungsakte als weitestgehend bedeutungslos erweisen, sofern diese nicht zugleich „gleichartige Verwaltungsakte in größer Zahl“ darstellen oder unter einen anderen der Ausnahmetatbestände fallen. Ein verbleibender und spezifisch auf „mit Hilfe automatischer Einrichtungen“ oder „vollständig durch automatische Einrichtungen“ erlassene Verwaltungsakte bezogener Anwendungsbereich der Ausnahmevorschriften ist nicht (mehr) erkennbar. 742  Vgl.

Seer, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 121 AO, Rz. 20. in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, § 35, Rn. 27; Mutschler, in: BeckOGK Sozialrecht, § 35 SGB X, Rn. 24; Engelmann, in: Schütze, SGB X, § 35, Rn. 23. 744  Luthe, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, § 35, Rn. 27. 745  Ähnlich bereits Eifert, E-Government, S. 123, insbesondere unter Fn. 439. 743  Luthe,

200

§ 4 Rechtsnatur und Abgrenzung nach dem BestVerfModG

cc) Vorschriften zur Entbehrlichkeit einer Anhörung Schließlich gilt es noch die verfahrensbezogene Erleichterungsvorschrift des § 28 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG sowie deren Parallelkodifikationen gem. §§ 91 Abs. 2 Nr. 4 AO und 24 Abs. 2 Nr. 4 SGB X zu untersuchen, die ein Absehen von der grundsätzlich zwingenden Durchführung einer Anhörung vor Erlass eines eingreifenden Verwaltungsaktes eröffnen. (1) P  raktische Bedeutungslosigkeit für vollautomatisiert erlassene Verwaltungsakte im Steuer- und S ­ ozialverwaltungsverfahrensrecht Im Kontext der Fachverfahrensordnungen sind auch bei dieser letzten Ausnahmevorschrift erhebliche Einschränkungen hinsichtlich ihrer tatsächlichen Bedeutung für vollständig automatisiert erlassene Verwaltungsakte zu attestieren. (a) Sozialverfahrensrecht Anders als das VwVfG und die AO enthält zunächst die Parallelkodifikation des Anhörungsgrundsatzes im Sozialverfahrensrecht keine Alternative, die einen ausdrücklichen Bezug zu teilautomatisiert erlassenen Verwaltungsakten herstellt. § 24 Abs. 2 Nr. 4 SGB X benennt vielmehr von vornherein lediglich Allgemeinverfügungen und gleichartige Verwaltungsakte in größerer Zahl als taugliche Anknüpfungspunkte für das Absehen von einer Anhörung im Sozialverwaltungsverfahren. Verwaltungsakte, die „mit Hilfe automatischer Einrichtungen“ erlassen wurden, werden indes nicht als Basis eines Absehens von der Anhörung erwähnt.746 Da § 24 Abs. 2 SGB X – im Gegensatz zu den anderen Verfahrensordnungen – zudem als abschließende Aufzählung der Ausnahmetatbestände ausgestaltet ist747, besteht auch keine Möglichkeit, „mit Hilfe automatischer Einrichtungen“ erlassene Verwaltungsakte unter einen sonstigen Fall, in dem eine Anhörung nach den Umständen des Einzelfalles nicht geboten ist, zu fassen. Eine systematische Zusammenschau der in Rede stehenden Norm mit den weiteren Ausnahmevorschriften der §§ 33 Abs. 5, 35 Abs. 2 Nr. 3 SGB X, die jeweils systematisch oder zumindest textuell einen Bezug zu „mit Hilfe automatischer Einrichtun746  Im Regierungsentwurf des SGB war eine solche Alternative indes noch enthalten, sie wurde im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens jedoch bewusst wieder gestrichen, um die Anhörung als bedeutsamstes Beteiligtenrecht zu stärken, Polomski, Der automatisierte Verwaltungsakt, S. 130 f. m. w. N. aus der älteren Literatur; vgl. auch Marschner, in: Pickel/Marschner, SGB X, § 24, Rn. 41; Eifert, E-Government, S. 123. 747  Franz, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, § 24, Rn. 4.



B. Abgrenzungen zu weiteren besonderen Ausprägungsformen201

gen“ erlassenen Verwaltungsakten herstellen, legt sodann nahe, dass es sich um eine bewusste Auslassung seitens des Gesetzgebers handelt, weshalb sich § 24 Abs. 2 Nr. 3 SGB X im Ergebnis ohnehin nicht auf teilautomatisiert erlassene Verwaltungsakte erstreckt bzw. unabhängig von der Erstellung eines Verwaltungsakts mittels automatischer Einrichtungen steht, sofern diese nicht gleichzeitig „gleichartige Verwaltungsakte in größerer Zahl“ i. S. d. Nr. 4 darstellen.748 Eine analoge Anwendung scheidet dagegen bereits vor dem methodischen Hintergrund aus, dass die (zudem abschließende) Aufzählung der Ausnahmetatbestände als Ausnahmevorschrift generell restriktiv handzuhaben ist.749 Das Vorliegen einer planwidrigen Regelungslücke erscheint im Übrigen angesichts der Fassung beispielsweise des § 33 Abs. 5 SGB X fraglich. § 24 Abs. 2 Nr. 4 SGB X steht daher von vornherein in keinem spezifischen Zusammenhang mit teil- oder vollautomatisiert erlassenen Verwaltungsakten, wenn diese nicht gleichzeitig unter einen anderen Ausnahmetatbestand fallen, und weist folglich für vollautomatisiert erlassene Verwaltungsakte unter der sozialrechtlichen Regelung des § 31a SGB X keine weitere substanzielle Bewandtnis auf. (b) Steuerverfahrensrecht Im steuerverfahrensrechtlichen Kontext offenbart sich ein ähnliches Bild, wenn auch die Gründe der geringen praktischen Bedeutung für vollautomatisiert erlassene Verwaltungsakte auf den ersten Blick geringfügig anders liegen. In gleicher Weise wie die Ausnahmevorschrift zur Entbehrlichkeit der Begründung des zu erlassenden Verwaltungsakts gem. § 121 Abs. 2 Nr. 3 AO erfasst die eng auszulegende Ausnahmevorschrift des § 91 Abs. 2 Nr. 4 AO nach der steuerrechtlich herrschenden Meinung nämlich lediglich in größerer Zahl erlassene, formelhafte und inhaltlich gleichartige Verwaltungsakte, die ausgehend von einfachen und unstreitigen Standardsachverhalten eine vorherige Anhörung aus Gründen der Verwaltungsökonomie nicht geboten erscheinen lassen.750 Als Beispiele werden hierfür insbesondere öffentliche oder gesonderte Aufforderungen zur Abgabe von Steuererklärungen gem. § 149 748  Weber, in: BeckOK SozialR, § 24 SGB X, Rn. 20; Franz, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, § 24, Rn. 49 (insbesondere Fn. 141); vgl. auch Mutschler, in: BeckOGK Sozialrecht, § 24 SGB X, Rn. 28. 749  Vgl. Weber, in: BeckOK SozialR, § 24 SGB X, Rn. 20; Marschner, in: Pickel/ Marschner, SGB X, § 24, Rn. 41. 750  Kobor, in: BeckOK AO, § 91, Rn. 19; Wünsch, in: Koenig, AO, § 91, Rn. 35; Rätke¸in: Klein, AO, § 91, Rn. 16; Seer, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 91 AO, Rz. 18; Söhn, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 91 AO, Rz. 181, 185; Schmitz, in: Schwarz/Pahlke, AO/FGO, § 91 AO, Rz. 35 m. w. N.; Roser, in: Gosch, AO/FGO, § 91 AO, Rn. 24.

202

§ 4 Rechtsnatur und Abgrenzung nach dem BestVerfModG

Abs. 1 S. 2 AO genannt751, sofern diese überhaupt als Verwaltungsakt i. S. d. Rechtsformenlehre zu qualifizieren sind752. Steuerbescheide unterfallen dagegen angesichts ihrer an den Umständen des individuellen Einzelfalls ausgerichteten Prägung von vornherein nicht dem Anwendungsbereich des § 91 Abs. 2  Nr. 4  AO.753 Insofern trifft die Ausnahmevorschrift des § 91 Abs. 2 Nr. 4 AO das gleiche Schicksal wie diejenige zum Absehen von der Begründung gem. § 121 Abs. 2 Nr. 3 AO, deren Anwendbarkeit auf Steuerbescheide ebenso verneint wird.754 Die dargelegten Grundsätze gelten dabei uneingeschränkt auch für automatisierte Verwaltungsakte755, so dass folglich gerade auch mittels automatischer Einrichtungen erstellte Steuerbescheide nicht unter Nr. 4 fallen.756 Zusammen mit der Tatsache, dass gerade Steuerbescheide den zentralen Anknüpfungspunkt der steuerverfahrensrechtlichen Zulassung „ausschließlich automationsgestützt“ erlassener Verwaltungsakte nach § 155 Abs. 4 AO bilden, führt der partielle Ausschluss des Anwendungsbereichs der Ausnahmeregelung im Hinblick auf Steuerbescheide zu einer weitgehenden Bedeutungslosigkeit des § 91 Abs. 2 Nr. 3 AO für ebenjene Rechtskategorie. (2) Betrachtung im allgemeinen Verwaltungsverfahrensrecht Ein potentieller Bedeutungsgehalt der Ausnahmevorschriften zum Absehen von einer Anhörung bleibt daher im Ergebnis lediglich im allgemeinen Verwaltungsverfahrensrecht unter § 28 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG denkbar, obgleich das rechtstaatliche Anhörungserfordernis und ein kehrseitiges Absehen hiervon durchaus besondere Wechselwirkungen mit vollautomatisierten Verwaltungsverfahren vermuten lassen. Einerseits wurde nämlich beim vollautomatisierten Verwaltungsakterlass nach den Vorgaben des BestVerfModG gerade die Automatisierung auch der dem eigentlichen Erlassvorgang vorgelagerten Verfahrensprozesse als kennzeichnendes Element der neu hinzugewonnenen 751  Vgl. BT-Drs. VI/1982, S. 133 (Regierungsbegründung zum Entwurf einer AO 1974); Söhn, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 91 AO, Rz. 183, 185; Seer, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 91 AO, Rz. 18; Wünsch, in: Koenig, AO, § 91, Rn. 35; Kobor, in: BeckOK AO, § 91, Rn. 19. 752  Zur Rechtsnatur solcher Aufforderungen durch das Finanzamt allgemein Rosenke, in: BeckOK AO, § 149, Rn. 101 ff. m. w. N. 753  Seer, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 91 AO, Rz. 18; Söhn, in: Hübschmann/ Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 91 AO, Rz. 185, 189; Schmitz, in: Schwarz/Pahlke, AO/ FGO, § 91 AO, Rz. 35; Wünsch, in: Koenig AO, § 91, Rn. 35; Kobor, in: BeckOK AO, § 91, Rn. 19; Roser, in: Gosch, AO/FGO, § 91 AO, Rn. 24. 754  Vgl. § 4 B. II. 3. c) bb) (2). 755  Seer, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 91 AO, Rz. 18. 756  Ausdrücklich Wünsch, in: Koenig, AO, § 91, Rn. 35.



B. Abgrenzungen zu weiteren besonderen Ausprägungsformen203

Spielart des Verwaltungsakterlasses identifiziert.757 Da ein vollständig ohne menschliche Bearbeitung abzuwickelndes Verwaltungsverfahren der Durchführung einer Anhörung, die regelmäßig eine menschliche Mitwirkung in irgendeiner Form voraussetzt, zunächst organisatorisch zuwiderläuft, könnte insofern ein besonderes Bedürfnis nach einer Verzichtbarkeit der Anhörung bestehen, dem mit der Ausnahmevorschrift ggfls. Rechnung getragen werden könnte. Wohl gerade an solche Überlegungen anknüpfend wird der Ausnahmevorschrift des § 28 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG daher zum Teil auch eine wachsende Bedeutung vorausgesagt.758 Andererseits könnte dem Anhörungsrecht auch eine besondere Bedeutung und – damit korrespondierend – eine gewissermaßen eingeschränkte Verzichtbarkeit in vollautomatisierten Verfahren zuteilwerden.759 Insbesondere wenn die Prozesse der Sammlung, Bewertung und Verifikation der Sachverhaltsdaten vollautomatisiert ablaufen, kann sich die Anhörung insofern als wichtiges Mittel der Sachverhaltsaufklärung entpuppen760, das gleichzeitig einen Anlass zur von § 24 Abs. 1 S. 3 VwVfG implizit vorausgesetzten Aussteuerung des konkreten Verfahrens aus den automatisierten Bearbeitungsvorgängen geben kann.761 Trotz eines auf den ersten Blick in Aussicht stehenden Potenzials der Ausnahmeregelung des § 28 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG, die ausgemachte Spannungslage zwischen organisatorischer Unvereinbarkeit und ggfls. gesteigerter Bedeutung als Mittel der Sachverhaltsermittlung zumindest im Bereich des allgemeinen Verwaltungsverfahrensrechts normativ aufzulösen, kommt ihr im Ergebnis eine dahingehende Anleitungswirkung für vollautomatisierte Verfahren kaum zu. Zwar ist ihrer Anwendung – anders als dies bei §§ 37 Abs. 5 und 39 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG angenommen wurde – nicht per se das Verdikt der generellen (Verfahrens-)Ermessensfehlerhaftigkeit zu bescheinigen. Dies rührt insbesondere daher, dass der Regelungszweck des § 28 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG von vornherein stärker an einem allgemeinen Gedanken der Verfahrensökonomie geknüpft war, anstatt der Kompensation technischer Mangelerscheinungen verpflichtet zu sein, die in der heutigen Zeit obsolet wurden. Konkret ging es dem Gesetzgeber um eine Reaktion auf die verwaltungspraktischen Schwierigkeiten, die mit der Gewährung (individuellen) recht­ lichen Gehörs in Verfahren mit einer Vielzahl von Beteiligten oder in Verfah757  Vgl.

§ 3 C. II. 2., D. Herrmann, in: BeckOK VwVfG, § 28, Rn. 38; von einer gewissen (Rest-) Bedeutung der Norm scheint auch Hoffmann-Riem, AöR 145 (2020), 1 (28) auszugehen; a. A. insoweit aber bereits Polomski, Der automatisierte Verwaltungsakt, S. 140. 759  Vgl. Hornung, in: Schoch/Schneider, VwVfG, § 35a, Rn. 39 f. 760  Allg. Kallerhoff/Mayen, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 28, Rn. 8; Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 28 Rn. 1 f.; VGH München BayVBl. 2005, 310, je m. w. N. 761  Vgl. U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35a, Rn. 51. 758  Vgl.

204

§ 4 Rechtsnatur und Abgrenzung nach dem BestVerfModG

ren unter Zuhilfenahme automatischer Einrichtungen zu erwarten waren.762 In derartigen Situationen stelle eine vorherige Anhörung aller Betroffenen eine erhebliche Belastung für die Behörde dar und würde aufgrund zwangsläufiger Verzögerungen auch den Bürgern zum Nachteil gereichen.763 Was zunächst wie eine handfeste Implikation in Richtung vollautomatisierter Verwaltungsverfahren anmutet, zumal auch hier erhebliche Belastungen für die Behörde durch die zwingende Durchführung einer Anhörung zu erwarten wären, die sogar das Konzept des vollautomatisierten Erlasses ohne menschliche Mitwirkung an sich in Frage stellen könnten, entfaltet sodann aber aus sich heraus nicht die nötige Steuerungskraft, um das Erfordernis einer Anhörung in vollautomatischen Verfahren in allgemeiner und übergreifender Weise anzuleiten. Denn trotz des Verweises auf die tatsächlichen Belastungen der Behörde und die damit einhergehenden Verzögerungen für den Bürger, die eine individuelle Gewährung rechtlichen Gehörs auch beim Einsatz automatischer Einrichtungen erwarten ließ764, rechtfertigte nicht der Einsatz automatischer Einrichtungen um seiner selbst willen den Verzicht auf die Durchführung einer Anhörung. Vielmehr wurde bei der Möglichkeit zum Absehen von einer Anhörung nach Nr. 4 von der Grundprämisse ausgegangen, dass in den geregelten Konstellationen individuelle Besonderheiten ohnehin kaum eine Rolle spielen765, es auf eine individuelle Anhörung also nicht weiter ankomme, oder dass von den Auskünften der Betroffenen in größerer Zahl keine neuen Erkenntnisse zu erwarten seien.766 Eine generelle Verfahrenserleichterung beim Einsatz automatischer Einrichtungen war folglich teleologisch gerade nicht beabsichtigt. Da allein das Attribut des vollautomatisierten Erlasses eines Verwaltungsaktes sodann nicht mit dem Fehlen oder einer Unbeachtlichkeit individueller Besonderheiten im konkreten Verfahren korreliert, die eine Anhörung nach der Zielrichtung des § 28 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG entbehrlich erscheinen lassen könnte, vollautomatisiert erlassene Verwaltungsakte unter dem BestVerfModG insbesondere nicht nur den gleichförmigen und massenhaften Verwaltungsakterlass abdecken767, lässt sich bereits der teleologische Grundriss der Ausnahmevorschrift kaum mit 762  BT-Drs. 7/910, S. 52; VGH Mannheim NVwZ 1989, 978 (981); Herrmann, in: BeckOK VwVfG, § 28, Rn. 35; Kallerhoff/Mayen, in: Stelkens/Bonk/Sachs. VwVfG, § 28, Rn. 57. 763  BT-Drs. 7/910, S. 52. 764  BT-Drs. 7/910, S. 52. 765  VGH München BayVBl 1988, 496 (497); Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 28, Rn. 66; Kallerhoff/Mayen, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 28, Rn. 57. 766  Vgl. Polomski, Der automatisierte Verwaltungsakt, S. 138. 767  Köhler, WzS 2018, 279 (283); vgl. auch Ramsauer/Tegethoff, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 35a, Rn. 10b.



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den Anforderungen vollautomatisierter Verfahren in Einklang bringen. Der Anwendungsbereich und die praktische Relevanz der Vorschrift dürfte schon unter diesem Gesichtspunkt deutlich eingeschränkt sein. Neben der Inkompatibilität ihrer teleologischen Grundprämissen mit den Anforderungen vollautomatisierter Verwaltungsverfahren unter dem BestVerfModG steht auch die innere Anwendungssystematik der in Rede stehenden Ausnahmevorschrift einer breiteren Anleitungskraft entgegen. Während aus rein rechtlicher Perspektive im Einzelfall durchaus Anwendungsbereiche des § 28 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG verbleiben können, wenn etwa gleichartige Verwaltungsakte in größerer Zahl vollautomatisiert erlassen werden und es insofern tatsächlich auf individuelle Besonderheiten und demnach eine Individualanhörung nicht mehr ankommt, geht es bei der Ausgestaltung vollautomatisierter Verfahren zunächst vor allem um vorgelagerte und strukturelle Organisationsentscheidungen im Hinblick auf die konkrete Realisierung derartiger Verfahren.768 Im Kontext des Anhörungsgrundsatzes stellt sich damit insbesondere aus einem systembildenden und organisatorischen Blickwinkel die Frage, inwiefern das Erfordernis einer Anhörung in derartigen Verfahren verwirklicht werden kann, ob eine Anhörung gar generell verzichtbar sein kann und unter welchen Voraussetzungen die eine oder die andere Vorgehensweise zulässig erscheint. Gerade im Hinblick auf die zu treffenden Fragen der generellen Verfahrensgestaltung und -organisation offenbart sich sodann aber die große Schwäche des § 28 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG (und im Übrigen auch seiner übrigen Nummern und auch der Vorschrift zum Absehen von einer Begründung gem. § 39 Abs. 2 VwVfG), der eben nicht zu einem schematischen Verzicht auf die Durchführung einer Anhörung ermächtigt, wie dies sein erster Eindruck vermitteln mag.769 Vielmehr gebietet das in Hs. 1 der Norm zum Ausdruck kommende Gebot der Einzelfallprüfung, das sich auch auf die Regelbeispiele der Nrn. 1–5 durchschlägt770, eine an den Einzelfallumständen ausgerichtete und streng am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierte Prüfung, ob im konkreten Verfahren das Unterbleiben einer Anhörung gerechtfertigt erscheint.771 Trotz der teils für möglich gehaltenen 768  Vgl.

Eifert, E-Government, S. 125 f. in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 28, Rn. 47, 62; Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 28, Rn. 44 ff. m. w. N.; vgl. auch Hufen/Siegel, Fehler im VwVf, Rn. 312, 317, 480; Hill, NVwZ 1985, 449 (454); OVG Weimar LKV 1995, 296; Martini/Nink, NVwZ-Extra 10/2017, 1 (11) für § 39 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG. 770  Vgl. nur Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 28, Rn. 44 ff. m. w. N. 771  Vgl. nur Kallerhoff/Mayen, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 28, Rn. 47; BVerwG NJW 2012, 2823 (Rn. 14); Hufen/Siegel, Fehler im VwVf, Rn. 312, 317; ebenso BGH NVwZ 2002, 509 (510); OVG Magdeburg NVwZ-RR 1997, 287; Ehlers, Jura 1991, 337 (341); Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 28, Rn. 46 ff. m. w. N. 769  Kallerhoff/Mayen,

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§ 4 Rechtsnatur und Abgrenzung nach dem BestVerfModG

falltypischen Betrachtungsweise bei der Anwendung der Ausnahmeregelungen772 reicht folglich ein pauschaler und schematischer Verzicht auf die Durchführung einer Anhörung, beispielsweise unter Verweis auf Erwägungen der Verfahrensbeschleunigung, Effizienzsteigerung oder sonstige Notwendigkeiten des EDV-Einsatzes oder der Realisierbarkeit vollautomatischer Verfahren, als sachgerechte Ermessensentscheidung im Rahmen des § 28 Abs. 2 VwVfG generell und dessen Nr. 4 im Speziellen nicht aus und stellte damit keine rechtmäßige Vorgehensweise dar.773 Insbesondere wenn der zu erlassende Verwaltungsakt bei herkömmlicher Erstellung – außerhalb des Einsatzes automatischer Einrichtungen – eine Anhörungspflicht auslösen würde, bedarf es darüberhinausgehender, unabweislicher Gründe für das Absehen von der Anhörung.774 Dieses sich durch die Vorschrift ziehende Gebot der Einzelprüfung deckt sich letztlich auch mit dem gesetzgeberischen Verständnis der Norm, der sämtliche Ausnahmefälle des § 28 Abs. 2 VwVfG als atypische Tatbestände verstanden wusste775 und folglich typisierte Bereichsausnahmen bzw. Ausnahmebereiche vom Anhörungserfordernis – auch vor dem Hintergrund ihres rechtsstaatlichen Postulats – nicht vorsah.776 Im Ergebnis ruft damit vor allem die rechtstatsächliche Umsetzung der anwendungssystematischen Ausgestaltung der Norm erhebliche Schwierigkeiten hervor. Dass eine derartig geforderte (Einzelfall-)Prüfung der Gebotenheit eines Absehens von der Anhörung mangels menschlicher Intervention in ausschließlich automatisierten Verwaltungsverfahren777 deren elementaren Konzeption zuwiderläuft und damit als praktisch undurchführbar zu qualifizieren ist778, leuchtet unmittelbar ein. Denkbar wäre allein, ebenjene geforderte Gebotenheitsprüfung im Einzelfall ebenfalls im Wege der Programmie772  Vgl. OVG Weimar LKV 1995, 296; BVerwG NVwZ 1983, 742 (744). Von einer vorgezogenen und typisierenden Ermessensausübung bei Art. 28 Abs. 2 VwVfG geht auch Guckelberger, Öffentliche Verwaltung, Rn. 696, 698 aus und gelangt so zu einer größeren Bedeutung der Norm. 773  Kallerhoff/Mayen, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 28, Rn. 62. 774  Kallerhoff/Mayen, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 28, Rn. 62. 775  BT-Drs. 7/910, S. 51. 776  Für eine enge Auslegung des § 28 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG auch Polomski, Der automatisierte Verwaltungsakt, S. 137 ff.; selbst eine wie von Lazaratos, Auswirkungen der Verwaltungsautomation, S. 198 ff. vertretene teleologische Reduktion des § 28 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG auf Fälle einer rein vollautomatisierten Durchführung eines Verwaltungsverfahrens widerspricht insofern dem der Ausnahmevorschrift inhärenten Schematisierungsverbot. 777  Zusammenfassend zu den prägenden Charakteristika vollautomatisierter Verfahren § 3 D. 778  Vgl. Lazaratos, Rechtliche Auswirkungen der Verwaltungsautomation, S. 371; als „kontraproduktiv“ erkennt diesen Umstand auch Schneider, in: Schoch/Schneider, VwVfG, § 28, Rn. 74 an.



B. Abgrenzungen zu weiteren besonderen Ausprägungsformen207

rung des Entscheidungssystems in die automatisierten Entscheidungsprozesse einzubeziehen.779 Doch auch eine solche Vorgehensweise stößt angesichts des erwartungsgemäß hinzutretenden Programmieraufwands und des zusätzlichen Fehlerpotenzials der Implementierung einer solchen Prüfung und nicht zuletzt auch aufgrund der Tatsache, dass diese als (Verfahrens-) Ermessensentscheidung780 zumindest nach den gesetzgeberischen Vorstellungen des vollautomatisiert erlassenen Verwaltungsakts gem. §§ 35a VwVfG, 31a SGB X und 155 Abs. 4 AO gar nicht vollautomatisiert bearbeitet werden dürfte781, auf tiefgreifende Bedenken. Wenn insofern überhaupt von einer rechtlichen Zulässigkeit einer solchen Vorgehensweise nach den gesetzlichen Vorgaben ausgegangen werden könnte, so würden sich doch die mit dem (voll-)automatisierten Verwaltungsakterlass in Aussicht stehenden Vereinfachungs-, Beschleunigungs- und Effizienzpotenzial mehr und mehr nivellieren, wenn nunmehr auch die Gebotenheit der Anhörung nach den Umständen des Einzelfalls unter § 28 Abs. 2 VwVfG vom Algorithmus zu überprüfen wäre.782 Aufgrund der dargestellten (gesetzes-)teleologischen und anwendungssystematischen Hürden entfaltet § 28 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG in keiner Weise die für die zu treffenden Strukturentscheidungen in vollautomatisierten Verfahren nötige Steuerungskraft. Dieses Verdikt trifft gleichermaßen die übrigen Ausnahmevorschriften des VwVfG und der Fachverfahrensordnungen, die allerdings – wie obigen dargelegt wurde – bereits aus vorrangigen Gründen kaum substanzielle Rückwirkungen auf vollautomatisiert erlassene Verwaltungsakte erwarten lassen.783 Der spezifische Anwendungsbereich der Ausnahmevorschrift des § 28 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG sowie ihre praktische Relevanz in Verfahren des vollautomatisierten Verwaltungsakterlasses erweisen sich damit aufs Ganze gesehen als genauso gering, wie dies bereits bei den anderen Ausnahmevorschriften des VwVfG sowie den Ausnahmevorschriften in den Fachverfahrensordnungen festzustellen war.

779  Vgl.

Lazaratos, Rechtliche Auswirkungen der Verwaltungsautomation, S. 372. nur Hill, NVwZ 1985, 449 (454). 781  Allen gesetzlichen Kodifikationen ist gemein, dass ein vollautomatisierter Verwaltungsakterlass nicht zugelassen ist, wenn der Behörde ein Beurteilungs- oder ­Ermessensspielraum eingeräumt wurde, vgl. bereits allgemein § 3 B. II. sowie im Speziellen § 6 A. I., II. und V. 782  Vgl. den ähnlichen Gedanken bei Eifert, E-Government, S. 125. 783  Vgl. insoweit die obigen § 4 B. II. 3. c) aa) und bb). 780  Vgl.

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§ 4 Rechtsnatur und Abgrenzung nach dem BestVerfModG

dd) Zusammenfassende Analyse (1) Inklusivität und grundsätzliche Interoperabilität der Verfahrens- und Formerleichterungen Den Verfahrens- und Formerleichterungsvorschriften nach den Verfahrensordnungen, die sich zumindest textuell auf „mit Hilfe automatischer Einrichtungen“ erlassene Verwaltungsakte beziehen, namentlich also den §§ 37 Abs. 5, 39 Abs. 2  Nr. 3, 28 Abs. 2  Nr. 4 VwVfG, 33 Abs. 5, 35 Abs. 2 Nr. 3 SGB X und 119 Abs. 3 S. 2, 121 Abs. 2 Nr. 3, 91 Abs. 2 Nr. 4 AO, ist eine grundsätzliche Anwendbarkeit auf vollautomatisiert erlassene Verwaltungsakte i. S. d. BestVerfModG zu bescheinigen. Diese grundsätzliche Anwendbarkeit fußt auf dem herausgearbeiteten gesetzessystematischen Verhältnis zwischen voll- und teilautomatisiert erlassenen Verwaltungsakten, wie sie einerseits mit den Kodifikationen des BestVerfModG implementiert wurden und andererseits bereits in den Urkodifikationen der heute maßgeblichen Verfahrensordnungen enthalten waren. Beide Kategorien stehen nach hier vertretener Ansicht rechtssystematisch zueinander in einem Inklusivitätsbzw. Einschließlichkeitsverhältnis, wobei „vollständig durch automatische Einrichtungen“ respektive „ausschließlich automationsgestützt“ erlassene Verwaltungsakte einen speziellen Unterfall der allgemeineren Grundform des „mit Hilfe automatischer Einrichtungen“ bzw. teilautomatisiert erlassenen Verwaltungsakts bilden, der sich durch ein gesteigertes Ausmaß an Automation und ein damit korrespondierendes (völliges) Fehlen menschlicher Mitwirkungsakte während der maßgeblichen Abschnitte des Verwaltungsverfahrens784 auszeichnet. Vollautomatisiert erlassene Verwaltungsakte stellen damit gleichzeitig – im Sinne eines „Mehr“ – „mit Hilfe automatischer Einrichtungen“ erlassene Verwaltungsakte dar.785 Im Wege eines Erst-Recht-Schlusses ist folglich der Anwendungsbereich der Normen, die gewisse Verfahrens- und Formerleichterungen für teilautomatisierte Verwaltungsakte vorsehen, systematisch zunächst auch für vollautomatisiert erlassene Verwaltungsakte eröffnet.786 Gründe, die einer prinzipiellen Anwendbarkeit unter gesetzessystematischen Gesichtspunkten entgegenstehen könnten, sind insoweit nicht ersichtlich. In umgekehrter Weise erfüllt nicht jeder teilautomatisiert erlassene Verwaltungsakt die qualifizierenden Voraussetzungen der insoweit spezielleren Kategorie vollautomatisiert erlassener Verwaltungsakte unter dem BestVerfModG. Normen, die tatbestandlich speziell auf vollständig automatisiert erlassene Verwaltungsakte zugeschnitten sind, können daher nicht ohne 784  Zu den Charakteristika vollautomatisiert erlassener Verwaltungsakte im Einzelnen § 3 C. und D. 785  Vgl. § 4 B. II. 3. a) und b). 786  Siehe § 4 B. II. 3. b) am Ende.



B. Abgrenzungen zu weiteren besonderen Ausprägungsformen209

Weiteres auf teilautomatisiert erlassene Verwaltungsakte angewendet werden.787 (2) Faktische Inkompatibilität der Ausnahmevorschriften Über ihre aus der Gesetzessystematik abzuleitende grundsätzliche Anwendbarkeit hinaus zeichnet sich hinsichtlich der faktisch verbleibenden Anwendungsbereiche der Vorschriften und ihrer daraus resultierenden normativen Steuerungswirkungen für das neue Rechtsinstitut vollautomatisiert erlassener Verwaltungsakte jedoch insgesamt ein äußerst ernüchterndes Bild, das sich zunächst überwiegend auf verschiedene Einzelaspekte in der bisher herrschenden Auslegung und Handhabung der Vorschriften zurückführen lässt. Während sich entweder einzelnen Normen zugrundeliegende Regelungszwecke als mit vollautomatisierten Verfahren grundsätzlich inkompatibel erwiesen788 oder sich diese aufgrund technischer Weiterentwicklungen inzwischen weitestgehend erledigten789, wurde im Rahmen mancher Ausnahmevorschriften schlicht völlig auf die Aufnahme einer Alternative bezogen auf den teilautomatisierten Verwaltungsakterlass verzichtet790 oder einer solchen – jenseits einer Gleichartigkeit von in größerer Zahl zu erlassenden Verwaltungsakten – kein spezifischer Bedeutungsgehalt beigemessen791, wobei der vollautomatisiert erfolgende Erlass eines Verwaltungsaktes unter den Regelungen des BestVerfModG eben nicht begriffsnotwendig nur gleichartige und in größerer Zahl zu erlassende Verwaltungsakte adressiert. Eine auf ähnlichen Grundannahmen fußende Situation zeichnete sich in steuerverfahrensrechtlicher Hinsicht ab, wo anknüpfend an die Individualität der in Steuerbescheiden getroffenen Regelungen – und damit im Ergebnis ebenso auf die Gleichartigkeit in größerer Zahl zu erlassender Verwaltungsakte, und nicht auf den Einsatz automatischer Einrichtungen an sich abhebend – Steuerbescheide und diesen ähnliche Bescheide von vornherein aus dem Anwendungsbereich der auf teilautomatisiert erlassene Verwaltungsakte bezogenen 787  Von solchen ausschließlich auf vollautomatisiert erlassenen Verwaltungsakten zugeschnittenen Normen lassen sich indes – abgesehen von ihren Typnormierungen in §§ 35a VwVfG, 31a S. 1 SGB X und 155 Abs. 4 AO selbst – soweit ersichtlich kaum echte Beispiele finden. Insbesondere umfassen die Vorschriften zur klarstellenden Erweiterung des Amtsermittlungsgrundsatzes gem. §§ 24 Abs. 1 S. 3 VwVfG, 31a S. 2 SGB X textuell und teleologisch auch teilautomatisiert erlassene Verwaltungsakte, vgl. hierzu bereits § 4 B. II. 2. 788  So insbes. bei § 28 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG. 789  So insbes. für das Absehen von der Namenswiedergabe gem. §§ 37 Abs. 5 VwVfG, 33 Abs. 5 SGB X und 119 Abs. 3 S. 2 AO oder ein Absehen von der Begründung gem. § 39 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG. 790  So für das Absehen von der Anhörung gem. § 24 Abs. 2 Nr. 4 SGB X. 791  So beim Absehen von einer Begründung gem. § 35 Abs. 2 Nr. 3 SGB X.

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§ 4 Rechtsnatur und Abgrenzung nach dem BestVerfModG

Ausnahmevorschriften ausgeschlossen werden, die sodann aber den ausschließlichen gesetzlichen Anker der Zulassung vollautomatisiert erlassener Verwaltungsakte in der AO nach den Vorgaben des BestVerfModG bilden.792 Aufs Ganze gesehen bleibt festzuhalten, dass trotz des Inklusivitätsverhältnisses beider Kategorien und der grundsätzlichen systematischen Anwendbarkeit der Normen sich diese kaum mit der verfahrensrechtlichen Wirklichkeit vollautomatisiert erlassener Verwaltungsakte nach den gesetzlichen Vorgaben des BestVerfModG in erkenntnisstiftender Weise in Einklang bringen lassen. Das Attribut des Zustandekommens des Verwaltungsaktes „mit Hilfe automatischer Einrichtungen“, also der Umstand des Einsatzes automatischer Einrichtungen im Verwaltungsverfahren an sich, nimmt nach der gängigen Auslegung und Handhabung der Verfahrens- und Formerleichterungsvorschriften kaum eine erkennbare eigenständige Rolle im Komplex ihrer Anwendungsmodalitäten ein. Dementsprechend gering fallen die normativen Steuerungseinflüsse ebenjener Vorschriften auf vollautomatisiert erlassene Verwaltungsakte unter dem BestVerfModG aus793, die als eine hinsichtlich des Automations- und folglich auch Technisierungsgrades gesteigerte Spielart des Verwaltungsakterlasses zu verstehen sind. Neben den überwiegend auf der Ebene inhaltlicher Einzelheiten der verschiedenen Ausnahmetatbestände zu verortenden Hindernissen entpuppt sich insbesondere auch die Anwendungssystematik der Ausnahmevorschriften an sich als übergreifender Hemmschuh, der einer umfassenderen Verwertbarkeit der Erleichterungsvorschriften für vollautomatische Verfahren entgegensteht. Nach ihrer Grundkonzeption sind diese Normen nämlich nicht auf schema­ tische Verfahrens- oder Formerleichterungen und damit korrespondierend ­Herabsenkungen der rechtsstaatlichen Ausgestaltungen des Verwaltungsverfahrens ausgerichtet, sondern auf individuelle Einzelfallentscheidungen angelegt, die in als atypisch verstandenen Fällen, im Rahmen derer anhand der besonderen Umstände die Verwirklichung der Verfahrensrechte ohnehin nur unwesentlich zur Disposition steht, eine dem Verfahrensermessen der Behörde anheimgestellte Absenkung der Anforderungen ermöglichen. Dies zeigte sich am deutlichsten im Lichte der Entbehrlichkeit einer Anhörung im allgemeinen VwVfG gem. § 28 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG794, gilt jedoch gleichermaßen auch für die übrigen Ausnahmevorschriften des VwVfG und der anderen Verfahrensordnungen, welchen bereits aufgrund anderer Umstände eine geringe praktische Bedeutsamkeit für vollautomatisiert erlassene Ver792  So für die Ausnahmevorschriften zum Absehen von der Begründung sowie zur Entbehrlichkeit einer Anhörung gem. §§ 121 Abs. 2 Nr. 3, 91 Abs. 2 Nr. 4 AO. 793  Für eine äußerst restriktive Handhabung der Ausnahmetatbestände auch Windoffer, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, § 35a, Rn. 32. 794  Vgl. § 4 B. II. 3. c) cc) (2).



B. Abgrenzungen zu weiteren besonderen Ausprägungsformen211

waltungsakte attestiert wurde.795 Als gerade von der Absenz menschlicher Mitwirkungshandlungen geprägtes Verfahren läuft die Vornahme solcher vorgesehenen Einzelfallentscheidungen dabei der Spielart des vollautomatisierten Verwaltungsakterlasses diametral zuwider. Denkbar wäre insofern lediglich eine Implementierung dieser Entscheidungen in die automatisierten Arbeitsprozesse selbst, beispielsweise in Form einer automatisierten Beurteilung der Gebotenheit einer Anhörung im konkreten Fall gem. § 28 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG oder einer der anderen Nummern. Angesichts des damit verbundenen Programmieraufwands, des zusätzlichen Fehlerpotenzials und der Tat­ sache, dass diese als (Verfahrens-)Ermessensentscheidung ohnehin nach den vom Gesetzgeber selbst aufgestellten Tatbestandsvoraussetzungen unzulässig wäre796, erscheint dies aber als kaum gangbare Lösung. Die dabei jeweils erforderlichen individuellen Ermessensbetätigungen eignen sich letztlich nicht, in allgemeiner Weise die Automatisierungsvorteile gegen die damit ggfls. verbundenen Rechtseinbußen abzuwägen, ohne damit gleichzeitig die Effizienzpotenziale der Automatisierung selbst wieder zu nivellieren oder zumindest nicht unerheblich zu gefährden.797 Als Aspekt der generellen Verfahrensgestaltung, und gerade nicht als isoliertes Einzelphänomen individueller Verfahren, harrt der mit dem BestVerfModG intensivierte Einsatz automatischer Einrichtungen im Rahmen von vollautomatisiert erlassenen Verwaltungsakten vielmehr einer generellen normativen Anleitung und Einhegung798, die die untersuchten Ausnahmevorschriften als einzelfallorientierte Ausnahmeerscheinungen gerade nicht leisten können. Teils unternommene Bemühungen einer grundrechtlich-funktionalen Auflösung der aufgezeigten Gemengelage unter (genereller bzw. vorgelagerter) Abwägung der grundrechtlichen Gefährdungslage in den bestimmten Verfahren mit dem rechtsstaatlichen Interesse an einem effektiven Gesetzesvollzug799 erscheinen insofern in der 795  Auch dort wird eine am Einzelfall ausgerichtete (Verfahrens-)Ermessensentscheidung der Behörde verlangt, vgl. etwa für § 39 Abs. 2 VwVfG: U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 39, Rn. 74; Tiedemann, in: BeckOK VwVfG, § 39, Rn. 58; für § 35 Abs. 2 SGB X: Engelmann, in: Schütze, SGB X, § 35, Rn. 23. Für das Begründungserfordernis ausdrücklich auch Martini/Nink, NVwZ-Extra 10/2017, 1 (11). 796  Vgl. insoweit nur den Wortlaut des § 35a VwVfG, der den vollständig automatisierten Erlass eines Verwaltungsakts nur insoweit zulässt, als „weder ein Ermessen noch ein Beurteilungsspielraum besteht“, sowie BT-Drs. 18/8434, S. 121 f. 797  Vgl. schon Eifert, E-Government, S. 125 sowie Ehlers, Jura 1991, 337 (341). 798  Vgl. Eifert, E-Government, S. 125 f., im Kontext der Situation vor Erlass des BestVerfModG. Pünder, JuS 2011, 289 (293) schreibt es insofern zu Recht in erster Linie dem Gesetzgeber zu, praktische Konkordanz zwischen der Verwaltungseffizienz und den Beteiligtenrechten herzustellen. 799  So Berger, in: Knack/Henneke, VwVfG, § 35a, Rn. 56 in Bezug auf § 28 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG.

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§ 4 Rechtsnatur und Abgrenzung nach dem BestVerfModG

Sache zwar zielführend, lassen sich meines Erachtens aber nicht an den genannten Ausnahmevorschriften in ihrer gegenwärtigen Ausgestaltung festmachen. Auch deshalb entwachsen diesen kaum substanzielle normative Steuerungswirkungen gegenüber dem neu hinzugewonnenen Rechtsinstitut voll­ automatisiert erlassener Verwaltungsakte. (3) Fortbestehen einer defizitären gesetzlichen Steuerung und Anleitung Trotz des vorzufindenden Gegensatzes von unter systematischen Gesichtspunkten grundsätzlicher Anwendbarkeit und dennoch faktischer Inkompati­ bilität, stellt sich die geringe normative Steuerungskraft der automationsbezogenen Verfahrens- und Formerleichterungsvorschriften der Verfahrensordnungen für die neue Rechtskategorie vollautomatisiert erlassener Verwaltungsakte nicht als genuiner Makel dieser Normen oder ihrer bisherigen Auslegung und Handhabung dar, zumal deren Erlass bereits rein zeitlich betrachtet doch deutlich zurückliegt und unter nicht unwesentlich abweichenden technischen Vorzeichen erfolgte, so dass substanzielle normative Lenkungswirkungen dieser zudem am Einzelfall als atypische Ausnahmen ausgerichteten Vorschriften ohnehin kaum zu erwarten waren und vom Gesetzgeber wohl auch nicht ins Auge gefasst wurden800. Vielmehr ist der Mangel an normativer Anleitung und Einhegung vollautomatisierter Verwaltungsverfahren auf die fragmentarische Art und Weise ihrer Implementierung im Zuge des BestVerfModG zurückzuführen, das neben den – ihrerseits nicht zweifelsfreien und zudem allein am Abschlussakt des Verwaltungsakts aufgehängten – Normierungen der Rechtskategorie selbst auf besondere verfahrensrechtliche Regelungen mit Bezug auf vollautomatisierte Verwaltungsverfahren weitestgehend verzichtete, deren Notwendigkeit mangels veränderter Rechtsfolgen auch vom Gesetzgeber abgelehnt wurde801. Insbesondere in den Bereichen des dem eigentlichen Erlassvorgangs vorgelagerten Verfahrens802 und der Begründungspflicht, auf welche sich auch die für teilautomatisiert erlassene Verwaltungsakte vorgesehenen Ausnahmevorschriften 800  Den Gesetzgebungsmaterialien lassen sich jedenfalls keine Überlegungen dahingehend entnehmen, welche Wechselwirkungen das Rechtsinstitut vollautomatisiert erlassener Verwaltungsakte auf die ursprünglichen Erleichterungsvorschriften und umgekehrt zeitigen würde. Auf eine mangelhafte Kompatibilität des bisherigen Verfahrensrechts mit dem Einsatz vollautomatisierter Einrichtungen weist auch Berger, DVBl. 2019, 1234 (1236) hin. 801  Vgl. BT-Drs. 18/7457, S. 48. Im Diskussionsentwurf des Gesetzes waren dagegen noch gewisse besondere verfahrensrechtliche Regelungen bei automationsgestützt erlassenen Bescheiden vorgesehen, vgl. Diskussionsentwurf des BestVerfModG v. 30.10.2014, Rn.  69 ff.; Schwenker, DB 2016, 375 (377). 802  Insbes. für das Anhörungserfordernis, aber auch andere Aspekte, wie beispielsweise Beratungs- und Hinweispflichten oder das Recht auf Akteneinsicht.



B. Abgrenzungen zu weiteren besonderen Ausprägungsformen213

überwiegend beziehen, ist eine dahingehende Lücke festzustellen, die nicht dadurch zu schließen ist, dass die für die zu leistenden normativen Anleitungs- und Steuerungsaufgaben völlig inkompatiblen Normen einer deren Sinn verkehrenden und rein ergebnisorientierten Auslegung unterworfen werden. Allein die gesetzliche Zulassung vollautomatisiert erlassener Verwaltungsakte in den §§ 35 a VwVfG, 31a S. 1 SGB X und 155 Abs. 4 AO ist dabei ebenso strukturell ungeeignet, den erforderlichen Ausgleich zwischen Effi­ zienzsteigerung der Verwaltung und individuellen Verfahrensrechten herzustellen, der für eine gesamtsystematisch stimmige Einbettung vollautomatisierter Verwaltungsverfahren in die Verfahrensordnungen notwendig wäre.803 Insbesondere werden jene Normen alleine nicht der disruptiven Rolle vollautomatisierter Verwaltungsverfahren für das Verwaltungsrecht gerecht, die einen völligen Gegenentwurf zu dessen ursprünglich anthropozentrischen Kern darstellen804. Das bereits vormals – insbesondere vor Erlass des BestVerfModG – identifizierte regulatorische Defizit im Hinblick auf eine rechtliche Einhegung der Anforderungen und Ausgestaltung einer automatisierten Verwaltung805 wurde durch die Regelungen des BestVerfModG damit im Ergebnis nur unvollständig beseitigt. Während mit der Anerkennung und gesetzlichen Normierung eines vollautomatisierten Verwaltungsakterlasses zweifellos zumindest ein partieller und auch nicht unbedeutender Fortschritt im Hinblick auf das ausgemachte gesetzgeberische Automatisierungsdefizit erzielt wurde, ließ der Gesetzgeber andererseits die Chance ungenutzt, sich im Zuge des BestVerfModG den zentralen, den individuellen Verfahren vorgelagerten Weichenstellungen einer intensivierten Verwaltungsautomatisierung anzunehmen und generelle Leitlinien hinsichtlich Verfahrensorganisation und Verfahrensgestaltung in vollautomatisierten Verfahren vorzuzeichnen.806 Mit dem vollautomatisiert erlassenen Verwaltungsakt als fachsäulen-übergreifend und begrifflich-einheitlich verstandenes Rechtsinstitut807 hätten insbesondere die803  Vgl. den Gedanken bei Eifert, E-Government, S. 125 im Kontext der Ausnahmevorschriften für „mit Hilfe automatischer Einrichtungen“ erlassene Verwaltungsakte; anders insoweit wohl Prell, apf 2017, 237 (239), der in §§ 35a und 24 Abs. 1 S. 3 VwVfG einen ausreichenden Rahmen erblickt. 804  Vgl. zur ursprünglich anthropozentrischen Ausrichtung des Verwaltungsverfahrensrechts Berger, in: Knack/Henneke, VwVfG, § 35a, Rn. 1 ff.; dies., DVBl. 2019, 1234. 805  Vgl. bereits § 2 A. VI. 3. b) und § 2 E. sowie Eifert, E-Government, S. 125 f. 806  Ein ähnlicher Vorwurf klingt bei Guckelberger, VVDStRL 78 (2019), 235 (275) im Kontext des Akteneinsichtsrechts in vollautomatisierten Verfahren an. Zur bereits vor Erlass des BestVerfModG defizitären gesetzlichen Lage im Hinblick auf Anforderungen und Ausgestaltung des Einsatzes automatischer Einrichtungen Eifert, E-Government, S.  125 f. 807  Siehe § 3 B. II.

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jenigen Prozesse, die nach den prägenden Begriffsmerkmalen des vollautomatisiert erlassenen Verwaltungsakts nunmehr ebenso automatisiert durchzuführen sind, namentlich die dem eigentlichen Erlassvorgang vorgelagerten Verfahrensprozesse808, einer umfassenden und über die Verfahrensordnungen hinaus einheitlichen legislativen Anleitung bedurft. Die untersuchten Ausnahmevorschriften hätten im Zuge dessen gleichermaßen einer Neuevaluierung im Lichte der implementierten Möglichkeit vollautomatisierter Verfahren unterzogen und ggfls. gesamtsystematisch angepasst bzw. gänzlich neue Normen geschaffen werden müssen.809 Allenfalls im Hinblick auf den Amtsermittlungsgrundsatz kann eine dahingehende legislative Kalibrierung verzeichnet werden810, wo die §§ 24 Abs. 1 S. 3 VwVfG, 31a S. 2 SGB X zumindest ansatzweise Rückschlüsse auf besondere Anforderungen in vollautomatisierten Verfahren erahnen lassen und mit § 88 Abs. 5 AO in beachtlicher Ausdifferenziertheit Vorgaben für den Einsatz von Risikomanagementsystemen als wesentlicher Faktor automatisierter Sachverhaltsermittlungen implementiert wurden. Dass in den Bereichen des VwVfG und SGB X – als aus Gründen der Verfahrenseinheitlichkeit relativ eilig nachgeschobene Regelungsmaterien811 – derlei gesamtsystematische Erwägungen keine Berücksichtigung fanden, mag noch einigermaßen verständlich erscheinen. Im Referenzgebiet des Steuerverfahrensrechts, wo über einen langen Zeitraum hinweg die Wissenschaft und verschiedene Interessengruppen an dem Gesetzgebungsvorhaben beteiligt wurden812, bleibt es dagegen unklar, warum auf ein dahingehendes Bedürfnis nach umfassenderer regulatorischer Einhegung vollautomatisierter Verwaltungsverfahren nicht zumindest an mancher Stelle hingewiesen wurde. Soweit das BestVerfModG in der herausgearbeiteten Weise nicht die erforderlichen normativen Leitlinien für vollautomatisierte Verwaltungsverfahren 808  Vgl. hierzu bereits eingehend § 3 C. II. 2.; aber auch andere Aspekte des Verwaltungsverfahrens sind hiervon nicht ausgenommen, wie beispielsweise die Begründungspflicht. 809  Für eine Neuevaluierung und ggfls. sogar Neuschaffung bestimmter Verfahrensvorschriften im allgemeineren Kontext der Verwaltungsdigitalisierung auch Prell, NVwZ 2018, 1255 (1257). Berger, DVBl. 2019, 1234 ff. geht sogar von einer verfassungsrechtlichen Pflicht des Gesetzgebers u. a. zur automationsspezifischen Ausgestaltung der Verfahrensregelungen aus. Wischmeyer, AöR 143 (2018), 1 (41) hebt insoweit deutlich die Notwendigkeit hervor, dass die Zulassung vollautomatisiert erlassener Verwaltungsakte von „Vorgaben zum Umbau des gesamten administrativen Entscheidungssystems“ begleitet werden hätte müssen. 810  Vgl. auch Berger, DVBl. 2019, 1234 (1236). 811  Vgl. bereits § 2 A. VI. 1. 812  Vgl. Braun Binder, DÖV 2016, 891 (892); dies., in: Jusletter IT vom 25. Mai 2016, Rz. 4 m. w. N. sowie beispielhaft Heintzen, DÖV 2015, 780 ff.; Seer, StuW 2015, 315 ff.



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in den Verfahrenssäulen vorzeichnet, ist zusammenfassend von einem fortbestehenden regulatorischen Defizit auf dem bedeutsamen Gebiet der Verwaltungsautomation auszugehen. Die grundsätzlich angestrebte Steuerungs- und Entlastungsfunktion der Verwaltungsverfahrensordnungen für die Verwaltung wird dadurch für den in Zeiten steigender Verfahrenszahlen bei chronisch knappen Personalressourcen zukunftsweisenden Bereich vollautomatisierter Verwaltungsverfahren in erheblichen Teilen verspielt.813 Im Einklang mit der Feststellung „[w]o es an normativen Vorgaben fehlt, muss die Verwaltung entscheiden“814 bleibt zu hoffen, dass stattdessen die Verwaltungspraxis die nötigen Impulse zur effektiven Implementierung vollautomatisierter Verfahren findet, damit sich die festzustellende normativ-regulatorische Insuffizienz insoweit nicht in einem verwaltungspraktischen Defizit fortsetzt. III. Abgrenzung zu fiktiven Verwaltungsakten Ein letzter Blick im Rahmen der im hiesigen Kapitel unternommenen systematischen Abgrenzungen ist schließlich auf die Rechtsfigur fiktiver Verwaltungsakte zu richten, welcher von Teilen der Literatur nicht nur gewisse Gemeinsamkeiten zu vollautomatisiert erlassenen Verwaltungsakten bescheinigt werden.815 Bestimmte Wesenszüge fiktiver Verwaltungsakte finden sich vielmehr auch als allgemeiner Argumentationsstrang im Kontext der Diskussion um eine rechtliche Bewältigung vollautomatisiert erlassener Verwaltungsakte wieder816 oder werden gar in weiterführender Weise zur Ableitung konkreter Rückschlüsse auf die rechtlichen Grenzen vollautomatisierter Verwaltungsakte bemüht.817 Ausgehend von den angedeuteten rechtlichen Bezügen zwischen beiden Rechtsfiguren ist im Folgenden den erkenntnisversprechenden Fragen nachzuspüren, ob und inwieweit fiktive Verwaltungsakte von vollständig automatisiert erlassenen Verwaltungsakten zu unterscheiden sind, welche verwertbaren Implikationen das Rechtsinstitut fiktiver Verwaltungsakte auf die Kategorie vollautomatisiert erlassener Verwaltungsakte tatsächlich zeitigt und welche argumentativen Schlüsse aus bestehenden Gemein813  Zur Steuerungs- und Entlastungsfunktion der Verwaltungsverfahrensgesetze eindringlich Wahl, in: Blümel, Vereinheitlichung des Verwaltungsverfahrensrechts, 19 (46 ff.); vgl. auch Eifert, E-Government, S. 125 und Ziekow, NVwZ 2018, 1169 (1170), der von der Bereitstellungsfunktion des Rechts bzw. innovationsleitenden Funktion des allgemeinen Verwaltungsverfahrensrechts spricht. 814  Pünder, JuS 2011, 289 (293). 815  Vgl. insbesondere U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35a, Rn. 29; § 42a, Rn. 5a.; § 35, Rn. 67–68. 816  Vgl. Stegmüller, NVwZ 2018, 353 (354); U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35a, Rn. 29; vgl. auch Schmitz/Prell, NVwZ 2016, 1273. 817  Vgl. U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35a, Rn. 29.

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samkeiten oder Divergenzen gezogen werden können, wobei sich stellenweise bereits Ansätze einer Vorbereitung der (später eingehender zu untersuchenden818) rechtlichen Anforderungsmatrix wiederfinden. Nach Darlegung der rechtlichen Grundlagen verschiedener Formen fiktiver Verwaltungsakte soll dies insbesondere im Wege eines wertenden Abgleichs mit der Kategorie des vollautomatisierten Erlasses eines Verwaltungsaktes erfolgen. Da hierbei selbstredend nicht auf Details Rücksicht genommen werden kann, sollen zudem vor allem diejenigen allgemeinen Lehren über fiktive Verwaltungsakte als Untersuchungsmaßstab dienen, die aus den geläufigen und hier beispielhaft herangezogenen Ausprägungsformen der Genehmigungsfiktion sowie der steuerrechtlichen Steueranmeldung extrahiert werden können. 1. Zur Rechtsfigur fiktiver Verwaltungsakte Rechtliche Fiktionen werden seit jeher als Instrumente der dogmatischen Bewältigung rechtlicher Phänomene und ureigenes Ausdrucksmittel gesetzgeberischer Regelungstechnik dienstbar gemacht, nicht nur im Zivilrecht, sondern auch im öffentlich-rechtlichen, insbesondere verwaltungsrechtlichen Kontext.819 Kennzeichnendes Element einer Fiktion im Recht ist dabei stets die Auslösung einer Rechtsfolge oder die Begründung eines Rechtsstatus, obwohl die nach den allgemeinen Regelungen erforderlichen Voraussetzungen ebenjener Rechtsfolge oder jenes Rechtsstatus nicht vorliegen.820 Im Kern geht es bei der fictio iuris damit um eine gewollte Gleichbehandlung bewusst ungleicher Sachverhalte821, deren Wirkmechanismus rechtstechnisch zumeist in Gestalt einer gesetzlichen Festlegung umgesetzt wird, dass ein bestimmter, näher bezeichneter Tatbestand im Hinblick auf seine Rechts­ folgen als ein anderer Tatbestand „gelten“ solle.822 Bei Einschlägigkeit der näher bezeichneten Voraussetzungen, an die das Gesetz den Eintritt der Fiktion knüpft, wird das Vorliegen der rechtlichen Folgen in diesem Sinne gewissermaßen erdichtet.823 Als gezielte geistige Umgestaltung der rechtlichen 818  Siehe

sodann umfassend § 5. Oldiges, UTR 2000, 41 f. m. w. N. aus der älteren zivilrechtlichen Literatur sowie S. 48; Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 262 ff.; Uechtritz, DVBl. 2010, 684 (685). 820  Kluth, JuS 2011, 1078; ders., in: Fenzel/Kluth/Rennert, Neue Entwicklungen im Verwaltungsverfahrens- und prozessrecht im Jahr 2010, S. 62 f.; vgl. auch Oldiges, UTR 2000, 41 (43 ff.); BVerwGE 31, 274 (276). 821  Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 262; Oldiges, UTR 2000, 41 (44 f.). 822  Vgl. Oldiges, UTR 2000, 41 (42); Jachmann, Die Fiktion im öffentlichen Recht, S. 137. 823  Vgl. U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 42a, Rn. 3. 819  Vgl.



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Würdigung und Folgen einer realiter vorzufindenden Sachlage innerhalb der normativen Ordnung824 bedarf die Rechtsfiktion daher stets einer gesetz­ lichen Anordnung.825 Ihre sich aus sich selbst heraus effektuierende und auf eine grundsätzlich undifferenzierte Gleichsetzung angelegte Wirkungsweise haben Rechtsfiktionen dabei in der Vergangenheit teils despektierliche Umschreibungen, beispielsweise als gesetzgeberischer „Notbehelf“826 oder ­ „Hammerlösung“827, eingebracht.828 An ihrer zwischenzeitlich gewachsenen und allgemein anerkannten Bedeutung als durchaus gebräuchliches Mittel des gesetzesgestalterischen Instrumentariums änderte dies letztlich allerdings nichts.829 Übertragen auf die vorliegend zu untersuchende Situation der Fiktion eines Verwaltungsaktes und in dem Bemühen um eine abstrakte Beschreibung dieser Kategorie lassen sich fingierte bzw. fiktive Verwaltungsakte830 allgemein als Situation beschreiben, in der der tatsächliche Erlass eines Verwaltungsaktes durch den Eintritt eines anderen Umstandes – zumeist ein Untätigbleiben der Behörde während eines festgelegten Zeitraumes – dergestalt ersetzt wird, dass mit Eintritt des Umstandes ein Verwaltungsakt als erlassen angesehen wird.831 Es greifen also diejenigen Rechtsfolgen ein, die bei Erlass eines in Rede stehenden Verwaltungsakts greifen würden, obwohl dieser tatsächlich nicht erlassen wurde. Die Figur des fiktiven Verwaltungsakts hat sich dabei über weite Strecken nicht in Gestalt einer allgemeinen Rechts­ 824  Vgl. Kluth, JuS 2011, 1078; ders., in: Fenzel/Kluth/Rennert, Neue Entwicklungen im Verwaltungsverfahrens- und prozessrecht im Jahr 2010, S. 62 f. 825  Oldiges, UTR 2000, 41 (48 f.); vgl. auch Ernst/Pinkel, JA 2013, 685; Jachmann, Die Fiktion im öffentlichen Recht, S. 137; Broscheit, Rechtswirkungen von Genehmigungsfiktionen, S.  21 f. 826  v. Bülow, AcP 62 (1879), 1 (3). 827  Bullinger, Beschleunigte Genehmigungsverfahren für eilbedürftige Vorhaben, S. 68. 828  Weiterführend Broscheit, Rechtswirkungen von Genehmigungsfiktionen, S. 23 f. 829  Vgl. Broscheit, Rechtswirkungen von Genehmigungsfiktionen, S. 23  f.; vgl. auch die aktuelle normative Bestandsaufnahme verwaltungsrechtlicher Fiktionsregelungen im Kontext von Genehmigungserfordernissen bei Knauff, VerwArch 109 (2018), 480 (483 f.) sowie Caspar, AöR 125 (2000), 131, der von einem „Siegeszug[] des verwaltungsrechtlichen Instituts“ spricht. 830  Zur synonymen Verwendung der Begrifflichkeiten Ortloff, in: FS Gelzer, 223 m. w. N.; Jachmann, Die Fiktion im Öffentlichen Recht, S. 249 in Fn. 115; Caspar, AöR 125 (2000), 131 f. m. w. N.; vgl. auch U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 42a, Rn. 3; zum Teil abweichende Begriffsverständnisse bei Kluth, in: Fenzel/Kluth/Rennert, Neue Entwicklungen im Verwaltungsverfahrens- und prozessrecht im Jahr 2010, S. 69 f.; ders., JuS 2011, 1078 (1080). 831  Vgl. Jachmann, Die Fiktion im Öffentlichen Recht, S. 249; U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 42a, Rn. 3; vgl. auch Caspar, AöR 125 (2000), 131 f.

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kategorie in den kodifizierten Verwaltungsverfahrensordnungen niedergeschlagen, sondern wurde fachrechtlich nur punktuell durch spezielle Fik­ tionsregelungen in unterschiedlichen Regelungszusammenhängen angeordnet.832 Erst in jüngerer Zeit trat mit § 42a VwVfG die Implementierung eines allgemeineren Regelungskonzepts im Zusammenhang mit fiktiven Verwaltungsakten im allgemeinen Verwaltungsverfahrensrecht hinzu.833 a) Genehmigungsfiktionen Als wohl häufigste Ausprägungsform fiktiver Verwaltungsakte und zugleich Ausgangspunkt der vorliegenden Betrachtung sind gesetzliche Genehmigungsfiktionen auszumachen, die an das Untätigbleiben einer Behörde während einer bestimmten Frist nach Einreichung eines hinreichend bestimmten Antrags seitens des Bürgers die gesetzliche Anordnung knüpfen, dass die entsprechende Genehmigung als erteilt gelte. Prominentestes Beispiel in diesem Kontext bietet insbesondere der bereits eingangs erwähnte § 42a VwVfG, der durch das 4. VwVfÄndG834 in das allgemeine Verwaltungsverfahrensrecht eingefügt wurde.835 Dieser enthält genau besehen selbst zwar keine Fiktionsanordnung, nimmt aber mit der Installation eines abstrakten Rechtsrahmens, auf den fachrechtlich angeordnete Fiktionen zurückgreifen können, die Genehmigungsfiktion als allgemeines Regelungsmodell in das VwVfG auf836 und stellt damit ein besonders geeignetes rechtliches Fundament der Charakteristika von Genehmigungsfiktionen dar. Obwohl die Einfügung des § 42a VwVfG vorwiegend der Umsetzung der europäischen Dienstleistungsrichtlinie837 geschuldet war838, geht sie angesichts ihres allge832  Vgl. die aktuelle (und nicht abschließende) fachrechtliche Aufzählung bei Knauff, VerwArch 109 (2018), 480 (484); vgl. auch U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/ Sachs, VwVfG, § 42a, Rn. 3, 10 f. 833  Zu § 42a VwVfG im Speziellen sogleich unten. 834  G vom 11.12.2008, BGBl. I, S. 2418, in Kraft getreten am 18.12.2008 gem. Art. 1 des Gesetzes. 835  Vgl. nur Schmitz/Prell, NVwZ 2009, 1 (7); Knauff, VerwArch 109 (2018), 480 (483) sowie bereits § 2 A. III. Vor Erlass des § 42a VwVfG eröffnete das Fachrecht bereits bestimmte Genehmigungsfiktionstatbestände, vgl. etwa die Beispiele bei Caspar, AöR 125 (2000), 131 (131, 132 ff.) 836  Vgl. Schmitz/Prell, NVwZ 2009, 1 (7); Schemmer, in: BeckOK VwVfG, § 42a, Rn. 1; BT-Drs. 16/10493, S. 15; Knauff, VerwArch 109 (2018), 480 (486); Uechtritz, DVBl. 2010, 684 (686). 837  Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12.12.2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt, ABl. EU L 376/36. 838  Namentlich Art. 13 Abs. 3 und Abs. 4 der DL-RL, vgl. nur Knauff, VerwArch 109 (2018), 480 (483); Kluth, in: Fenzel/Kluth/Rennert, Neue Entwicklungen im Verwaltungsverfahrens- und prozessrecht im Jahr 2010, S. 67 f.; eingehend Vigaranan,



B. Abgrenzungen zu weiteren besonderen Ausprägungsformen219

meinen Regelungszuschnitts einerseits weit über den Anwendungsbereich der DL-RL839 und damit die europarechtlich induzierten Umsetzungsverpflichtungen hinaus.840 Aufgrund der inhärenten Beschränkung auf Genehmigungen841 als Fiktionsobjekt, regelt § 42a VwVfG andererseits lediglich einen Teilaspekt der abstrakt beschriebenen Rechtsfigur fiktiver Verwaltungsakte.842 aa) Wirkungsweise und Reichweite der Fiktion Charakteristisch für Fiktionen manifestiert sich die Wirkungsweise der Genehmigungsfiktion in der Gleichstellung eines tatsächlich nicht erfolgten Erlasses der Genehmigung mit dem dennoch erfolgenden Eintritt der Rechtswirkungen einer solchen Zulassungsentscheidung.843 Hinsichtlich der Rechtsfolgen des fingierten Verwaltungsakts wird ergo so verfahren, als ob ein Rechtsakt diesen Inhalts tatsächlich ergangen sei844, der die gleiche Wirkung wie eine real getroffene Verfügung entfaltet845. Speziell bei Genehmigungsfiktionen wandelt sich so der auf ihre Erteilung gerichtete, hinreichend bestimmte Antrag gewissermaßen in den Verfügungssatz des fingierten Verwaltungsakts um.846 Der Eintritt des fiktionsauslösenden Umstandes847 erDie Genehmigungsfiktion im Allgemeinen Verwaltungsrecht, S. 23 ff.; Schmitz/Prell, NVwZ 2009, 1 (7) sowie bereits § 2 A. III. 839  Gem. Art. 1 DL-RL gilt diese nur für „Dienstleistungen, die von einem in einem Mitgliedstaat niedergelassenen Dienstleistungserbringer angeboten werden“; vgl. auch Knauff, VerwArch 109 (2018), 480 (483). 840  Zum insofern betriebenen „gold-plating“ eingehend U. Stelkens/Payrhuber, NVwZ 2018, 195 ff.; vgl. auch Knauff, VerwArch 109 (2018), 480 (483 f.). 841  „Genehmigung“ i. S. d. § 42a VwVfG ist dabei weit zu verstehen und umfasst jede Form von behördlicher Gestattung, die zur Ausübung oder Vornahme eines bestimmten Verhaltens eingeholt werden muss, vgl. Vigaranan, Die Genehmigungsfiktion im Allgemeinen Verwaltungsrecht, S. 67; U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 42a, Rn. 16. Nicht tatbestandlich umfasst sind umgekehrt Fiktionen von begünstigenden Verwaltungsakten, die Geld- oder Sachleistungen gewähren, sowie feststellende und nichtbegünstigende Verwaltungsakte, vgl. U. Stelkens, in: Stelkens/ Bonk/Sachs, VwVfG, § 42a, Rn. 20 ff. 842  Vgl. U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 42a, Rn. 6. 843  Vgl. bereits oben § 4 B. III. 1. vor a). 844  Vgl. Oldiges, UTR 2000, 41 (52). 845  Vgl. BT-Drs. 16/10493, S. 16; Schliesky, in: Knack/Henneke, VwVfG, § 42a, Rn. 8; Schemmer, in: BeckOK VwVfG, § 42a, Rn. 7 f.; Weidemann, DVP 2012, 226 (229); Heiß/Jedlitschka, ThürVBl. 2009, 272; Schmitz/Prell, NVwZ 2009, 1 (7), je überwiegend im Kontext der Genehmigungsfiktionsregelung nach § 42a VwVfG. 846  LSG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 4.9.2017 – L 1 KR 305/17 B ER; vgl. auch Knauff, VerwArch 109 (2018), 480 (495). 847  Regelmäßig der Ablauf der vorgegebenen Fristdauer, vgl. § 42a VwVfG.

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§ 4 Rechtsnatur und Abgrenzung nach dem BestVerfModG

setzt dabei regelmäßig die wirksame Bekanntgabe der fingierten Entscheidung.848 Auf die Rechtmäßigkeit der fingierten Regelung kommt es für deren Wirksamkeit grundsätzlich nicht an.849 Für Genehmigungsfiktionen nach § 42a VwVfG wird dies durch § 42a Abs. 1 S. 2 VwVfG implizit bestätigt.850 In ihrer Reichweite erfasst die Fiktion lediglich den verfügenden Teil des zu fingierenden Verwaltungsaktes, also seine Regelungsanordnung selbst.851 Als nur formal mit der eigentlichen Regelung des Verwaltungsaktes verbundene Teile werden dagegen weder die Begründung des Verwaltungsaktes852 noch eine Rechtsbehelfsbelehrung853 Gegenstand der Fiktion. Auf sonstige formell-rechtliche Aspekte eines ordnungsgemäßen Verwaltungsakterlasses, namentlich die Einhaltung der Vorschriften über Zuständigkeit, Verwaltungsverfahren und Form, kommt es bei fingierten Verwaltungsakten sodann nicht an, da durch die gesetzliche Fiktionsanordnung gerade auf die ordnungsgemäße Durchführung eines Verwaltungs- bzw. Genehmigungsverfahrens verzichtet werden soll, einem fingierten Verwaltungsakt mithin keine verfahrensrechtliche Funktion zukommt.854 Ob und inwieweit es im Einzelnen insoweit zu einer „Mitfiktion“ des verfahrensrechtlich ordnungsmäßigen Zustandekommens des Verwaltungsaktes kommt855, oder sich eine 848  Vgl. BT-Drs. 16/10493, S. 16; Guckelberger, DÖV 2010, 109 (116); OVG Berlin-Brandenburg BeckRS 2017, 115686 (Rn. 6); Ziekow, VwVfG, § 42a, Rn. 8; Schemmer, in: BeckOK VwVfG, § 42a, Rn. 7. Im Kontext mancher Verwaltungsaktfiktionen wird auf eine Bekanntgabe teils auch vollständig verzichtet, beispielsweise bei fiktiven straßenrechtlichen Widmungsverfügungen gem. § 2 Abs. 6a FStG, vgl. Jachmann, Die Fiktion im öffentlichen Recht, S. 256. 849  Vgl. nur Ernst/Pinkl, Jura 2013, 685 (690 f.); Kluth, JuS 2011, 1078 (1080); Weidemann/Barthel, JA 2011, 221 (223); Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 42a, Rn. 2 f., 16; Schemmer, in: BeckOK VwVfG, § 42a, Rn. 7; OVG Berlin-Brandenburg BeckRS 2017, 115686 (Rn. 6). 850  Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 42a, Rn. 2 f. 851  U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 42a, Rn. 3a; Oldiges, UTR 2000, 41 (52). 852  Vgl. Schemmer, in: BeckOK VwVfG, § 42a, Rn. 7; U. Stelkens, in: Stelkens/ Bonk/Sachs, VwVfG, § 42a, Rn. 3a.; § 39, Rn. 26. 853  U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 42a, Rn. 3a; § 37, Rn. 163; BT-Drs. 17/9666, S. 18. 854  Schemmer, in: BeckOK VwVfG, § 42a, Rn. 7; Ziekow¸VwVfG, § 42a, Rn. 6; U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 42a, Rn. 4; vgl. auch Kluth, in: Fenzel/Kluth/Rennert, Neue Entwicklungen im Verwaltungsverfahrens- und prozessrecht im Jahr 2010, S. 61, 70; ders., JuS 2011, 1080; zur verfahrensrechtlichen Funktion von Verwaltungsakten allg. Ruffert, in: Ehlers/Pünder, Allg. VerwR, § 21, Rn. 10; U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35, Rn. 43 ff. 855  So Ziekow, Genehmigungsfiktionen, S.  89; im Grundsatz auch Broscheit, Rechtswirkungen von Genehmigungsfiktionen, S. 120 ff., der allerdings Einschrän-



B. Abgrenzungen zu weiteren besonderen Ausprägungsformen221

schlichte Unbeachtlichkeit formeller Verstöße aus der Natur der Fiktionswirkung ergibt856, soll für die vorliegende Untersuchung nicht weiter von Belang sein. Obwohl es der irrealen Natur einer Fiktion entspricht, einen Sachverhalt mit den Wirkungen einer faktisch nicht gegebenen Sachlage zu versehen, dürfen die Rechtswirkungen der Fiktion im Ausgangspunkt nur so weit reichen wie diejenigen eines tatsächlich erlassenen behördlichen Verwaltungsakts.857 Der Fiktion ist es in diesem Sinne regelmäßig verwehrt, einen qualitativ besseren Rechtsstatus als bei tatsächlicher Entscheidung zu begründen. Neben der Fiktion einer wirksamen Regelung findet daher insbesondere eine Fiktion der Rechtmäßigkeit des fiktiven Verwaltungsakts grundsätzlich nicht statt.858 Da eine Rechtmäßigkeitsfiktion einer nachträglichen behördlichen oder verwaltungsgerichtlichen Kontrolle weitgehend den Boden entzöge und fingierten Verwaltungsakten insoweit eine höherwertige Bestandskraft zukäme als herkömmlich erlassenen Verwaltungsakten, ist eine solche mit rechtsstaatlichen Gesichtspunkten und dem Prinzip effektiven Rechtsschutzes in der Regel nicht vereinbar.859 Fingierte Verwaltungsakte können damit ebenso dem Verdikt der Rechtswidrigkeit, ja sogar der Nichtigkeit ausgesetzt sein.860 Hinsichtlich der einzuhaltenden (materiellen) Rechtmäßigkeitsanforderungen und der gerichtlichen Überprüfbarkeit ergeben sich insofern keine

kungen hinsichtlich bestimmter Verfahrensschritte vornimmt; U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 42a, Rn. 5, 59, jedenfalls hinsichtlich derjenigen Verfahrensschritte, die nicht im Verfahrensermessen der Behörde stehen; vgl. auch Oldiges, UTR 2000, 41 (45). 856  Vgl. nur Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 42a, Rn. 17. 857  Vgl. Ernst/Pinkl, Jura 2013, 685 (690 f.); Weidemann/Barthel, JA 2011, 221 (223); Caspar, AöR 125 (2000), 131 (138). 858  Vgl. Weidemann, DVP 2012, 226 (229); ders./Barthel, JA 2011, 223; Uechtritz, DVBl. 2010, 684 (687); Knauff, VerwArch 109 (2018), 480 (488); Oldiges, UTR 2000, 41 (45 unter Fn. 24, 52); Ortloff, in: FS Gelzer, 223 (227); Schmitz/Prell, NVwZ 2009, 1 (7); U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 42a, Rn. 3a, 51; Kluth, JuS 2011, 1078 (1080 f.); Heiß/Jedlitschka, ThürVBl. 2009, 272; BT-Drs. 16/10493, S. 16; Guckelberger, DÖV 2010, 109 (116); zu Rechtmäßigkeitsfiktionen allgemein Jachmann, Die Fiktion im öffentlichen Recht, S. 482 ff. 859  Vgl. Caspar, AöR 125 (2000), 131 (138, 142 f.); vgl. auch Weidemann/Barthel, JA 2011, 221 (223); U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 42a, Rn. 11, 14, 60; vgl. zu dennoch vorkommenden (zumeist partiellen) Rechtmäßigkeitsfiktionen Jachmann, Die Fiktion im öffentlichen Recht, S. 482 ff. 860  Vgl. nur Knauff, VerwArch 109 (2018), 480 (488); Oldiges, UTR 2000, 41 (45, 52); Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 42a, Rn. 3, 16; hinsichtlich der Nichtigkeit besteht indes im Einzelnen Streit, vgl. etwa Guckelberger DÖV 2010, 109 (116); Ziekow, WiVerw 2008, 176 (187); Caspar, AöR 125 (2000), 131 (142) (jeweils dafür); a. A. Oldiges, UTR 2000, 41 (54).

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§ 4 Rechtsnatur und Abgrenzung nach dem BestVerfModG

Unterschiede zu real ergangenen Verwaltungsakten.861 Dementsprechend stehen auch die gleichen Rechtsschutzmöglichkeiten zur Verfügung.862 bb) Zur Frage der Rechtsnatur Hinsichtlich der Rechtsnatur fingierter „Verwaltungsakte“ lässt sich in der Gesamtschau der bisherigen Aufarbeitungen der Thematik letztlich keine einheitliche und abschließende Linie feststellen. Weitgehender Konsens besteht lediglich dahingehend, dass bei Verwaltungsaktfiktionen nicht vom definitorischen Vorliegen eines tatsächlichen Verwaltungsaktes i. S. d. allgemeinen Definition ausgegangen werden kann. Anders als bei konkludenten Verwaltungsakten, die auf der Grundlage erklärungsersetzenden Verhaltens in „anderer Weise“ gem. § 37 Abs. 2 S. 1 VwVfG erlassen werden863, knüpfen nämlich die Regelungen über Fiktionen von Verwaltungsakten den Eintritt der Fiktion regelmäßig gerade an das Fehlen zweckgerichteter Verfahrenshandlungen seitens der Behörde oder legen die behördliche Untätigkeit in sonstiger Weise konzeptuell zugrunde, womit auf das Zustandekommen einer behördlichen Einzelfallentscheidung grundsätzlich verzichtet wird.864 Da ein behördliches Untätigbleiben mithin eine entscheidende Charakteristik darstellt, fehlt es demgemäß an einer behördlichen Willensäußerung, so dass – soweit ersichtlich einhellig – das Vorliegen einer hoheitlichen „Maßnahme“ und damit eine Qualifikation als Verwaltungsakt nach der allgemeinen Definition ausscheidet.865 Das ganz überwiegende Meinungsspektrum gelangt im Ergebnis dennoch zur zumindest ensprechenden bzw. analogen Anwendung des verwaltungsakt861  Vgl.

Kluth, JuS 2011, 1078 (1080); Uechtritz, DVBl. 2010, 684 (692). (Dritt-)Widerspruch und (Dritt-)Anfechtungsklage sowie entsprechende Eilanträge nach den §§ 80, 80a VwGO, vgl. U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/ Sachs, VwVfG, § 42a, Rn. 70; BR-Drs. 580/08, S. 23 f. 863  Vgl. Caspar, AöR 125 (2000), 131 (132); Weidemann, DVP 2012, 226 (229 in Fn. 34); ders./Barthel, JA 2011, 221 (223); Oldiges, UTR 2000, 41 (50 f.); Guckelberger, DÖV 2010, 109 (112). 864  Statt vieler Jachmann, Die Fiktion im öffentlichen Recht, 1998, S. 398  ff.; U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 42a, Rn. 3. 865  Vgl. Caspar, AöR 125 (2000), 131 (132, 138 f.); Oldiges UTR 2000, 41 (55); Ernst/Pinkl, Jura 2013, 685 (690); Weidemann/Barthel, JA 2011, 221 (223); Weidemann. DVP 2012, 226 (228 f.); Knauff, VerwArch 109 (2018), 480 (488); U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 42a, Rn. 3 m. w. N.: Kluth, in: Fenzel/ Kluth/Rennert, Neue Entwicklungen im Verwaltungsverfahrens- und prozessrecht im Jahr 2010, S. 70; ders., JuS 2011, 1078 (1080); Vigaranan, Die Genehmigungsfiktion im Allgemeinen Verwaltungsrecht, S. 69 f.; Etzel, Die Genehmigungsfiktion, S.  63 ff. 862  Insbesondere



B. Abgrenzungen zu weiteren besonderen Ausprägungsformen223

bezogenen Normeninstrumentariums866, wobei fiktive Verwaltungsakte zum Teil als tatsächliche Verwaltungsakte kraft gesetzgeberischer Festlegung867, zum Teil als bloße Fiktionen eines solchen Verwaltungsaktes eingeordnet werden868. Die genaue Zuordnung erweist sich demnach als überwiegend theoretische Frage und zeitigt in praktischer Hinsicht nur wenig Bedeutsamkeit.869 Dies gilt umso mehr im Anwendungsbereich des § 42a VwVfG, wo mit § 42a Abs. 1 S. 2 VwVfG die Vorschriften über die Bestandskraft von Verwaltungsakten und über das Rechtsbehelfsverfahren ohnehin für anwendbar erklärt werden.870 Den rechtsdogmatisch überzeugendsten Ansatz bietet meines Erachtens jedoch die Annahme einer bloßen Fiktion eines Verwaltungsaktes. Denn als Form einer (verdeckten) Rechtsfolgenverweisung871, die eine vorzu866  A. A. Kluth, in: Fenzel/Kluth/Rennert, Neue Entwicklungen im Verwaltungsverfahrens- und prozessrecht im Jahr 2010, S. 69 f.; ders., JuS 2011, 1278 (1280), der lediglich von einer „fingierte[n] Regelung“ ausgeht und eine Anwendbarkeit der verwaltungsaktbezogenen Normen nur kraft ausdrücklicher gesetzlicher Verweisung annimmt; vgl. auch Caspar, AöR 125 (2000), 131 (138 ff.). Ungeachtet der insoweit klar entgegenstehenden gesetzgeberischen Vorstellungen einer Verwaltungsaktfiktion (vgl. BT-Drs. 16/10493, S. 16) ist diese Ansicht bereits unter dem Gesichtspunkt abzulehnen, dass sich mangels anwendbaren Normengerüsts signifikante Regelungs­ lücken für solche Fiktionsanordnungen ergäben, die über keinen entsprechend geforderten Anwendungsverweis verfügen. Neben der offenen Frage der Rechtsnatur bliebe so z. B. unklar, welche Regeln für eine Abänderbarkeit, Wirksamkeit, Bestandskraft etc. derartiger „Regelungsfiktionen“ gelten sollen oder welcher statthafter Rechtsbehelf gegen diese ergriffen werden könnte, vgl. Broscheit, Rechtswirkungen von Genehmigungsfiktionen, S. 107 f. mit Beispielen und w. N. 867  Weidemann, DVP 2012, 226 (229); ders./Barthel, JA 2011, 221 (223); Ziekow, WiVerw 2008, 176 (186 f.); ders., VwVfG, § 42a, Rn. 5; Seckelmann, in: Bauer/Heckmann/Ruge/Schallbruch/Schulz, VwVfG, § 42a, Rn. 13; U. Stelkens, in: Stelkens/ Bonk/Sachs, VwVfG, § 35, Rn. 66; § 42a, Rn. 4; Vigaranan, Die Genehmigungsfiktion im Allgemeinen Verwaltungsrecht, S. 70. 868  Vgl. (je überwiegend im Kontext des § 42a VwVfG) BVerwGE 91, 7 (10); BVerwG NJW 2013, 99 (Rn. 12); Uechtritz, DVBl. 2010, 684 (687); Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 42a, Rn. 2; Broscheit, Rechtswirkungen von Genehmigungsfiktionen, S. 105 f., 108; Etzel, Die Genehmigungsfiktion, S. 68 f.; i. E. auch Ernst/Pinkl, Jura 2013, 685 (690); Oldiges, UTR 2000, 41 (45), Knauff¸ VerwArch 109 (2018), 480 (488) m. w. N. aus der Rechtsprechung; im Einzelnen wohl abweichend Jachmann, Die Fiktion im öffentlichen Recht, S. 249 f. Auch der Gesetzgeber geht jedenfalls im Rahmen der Genehmigungsfiktion nach § 42a VwVfG von der Handlungsform eines Verwaltungsaktes aus, der in diesen Fällen lediglich nicht erlassen, sondern fingiert werde, s. BT-Drs. 16/10493, S. 16. 869  Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 42a, Rn. 2; Ernst/Pinkel, JA 2013, 685 (690); zustimmend Broscheit, Rechtswirkungen von Genehmigungsfiktionen, S. 108. 870  Vgl. Knauff, VerwArch 109 (2018), 480 (488); Ernst/Pinkl, Jura 2013, 685 (690). 871  Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn. 132a; vgl. auch Broscheit, Rechtswirkungen von Genehmigungsfiktionen, S. 108; Jachmann, Die Fiktion im öffentlichen Recht, S. 113 f., 249; Oldiges, UTR 2000, 41 (44).

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findende Sachlage auf die Rechtswirkungen einer anderen Sachlage verweist und beide damit normativ gleichsetzt872, kommt es bei einer Entscheidungsfiktion naturgemäß nicht auf die tatsächlichen Gegebenheiten der Sachlage, mithin die tatsächliche Qualifikation des Endprodukts der Fiktionsregelung an873, sondern nur welchen (abweichenden) Rechtswirkungen die tatsächliche Sachlage kraft der Fiktion unterworfen werden soll, welche Rechtsqualität also der fingierten Sach- und Rechtslage qua gesetzlicher Fiktion beigemessen wird.874 Positiv-gesetzlicher Zuordnungsakte bedarf es daher schlichtweg nicht. cc) Verfassungsrechtliche Grenzen Durch fingierte Verwaltungsakte werden in grundsätzlich verbindlicher Weise Rechtsfolgen herbeigeführt, deren eigentlichen Voraussetzungen (jedenfalls das Vorliegen einer behördlichen Entscheidung) nicht vorliegen. Eine Prüfung ihrer materiellen Rechtmäßigkeitsbedingungen findet dabei nicht notwendig statt und bliebe für die Wirksamkeit der eingetretenen Rechtsfolgen (mit Ausnahme der Nichtigkeit) auch ohne Belang. Trotz des dieser Wirksystematik inhärenten Fehlerpotenzials und der insbesondere im Kontext von Genehmigungsfiktionen geäußerten rechtspolitischen Kritik875, werden gegen Genehmigungsfiktionen und auch die Figur fiktiver Verwaltungsakte im Übrigen zu Recht keine grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Einwände oder Bedenken erhoben.876 Obwohl der Fiktion eines Verwaltungsaktes in gewisser Weise ein gesetzgeberisches Tätigwerden anstelle eines Handelns der Verwaltung zugrunde liegt, konstituieren diese insbesondere keine ungerechtfertigte Durchbrechung des Gewaltenteilungsgrundsat872  Allgemein zur Gesetzesfiktion als Verweisungstechnik Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 262 ff.; Jachmann, Die Fiktion im öffentlichen Recht, S.  113 f., 249; Broscheit, Rechtswirkungen von Genehmigungsfiktionen, S. 21 m. w. N. 873  Insbesondere entgegen Kluth, in: Fenzel/Kluth/Rennert, Neue Entwicklungen im Verwaltungsverfahrens- und prozessrecht im Jahr 2010, S. 70. 874  Vgl. im Kontext der Rechtsnatur der Steueranmeldung als Steuerbescheid Heuermann, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 168 AO, Rz. 3. 875  Vgl. hierzu nur Jäde, GewArch 1995, 187 (188 f.); Sauter, BayVBl. 1998, 2 (4); Bullinger, JZ 1991, 53 ff.; Ortloff, in: FS Gelzer, 223 (228 ff.); U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 42a, Rn. 12; Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 42a, Rn. 1 m. w. N.; eingehend Broscheit, Rechtswirkungen von Genehmigungsfik­ tionen, S.  58 ff. 876  Eingehend Ziekow, LKRZ 2008, 1 (2 ff.); vgl. auch Oldiges, UTR 2000, 41 (47); Uechtritz, DVBl. 2010, 684 (685); Broscheit, Rechtswirkungen von Genehmigungsfiktionen, S. 27 ff., 36; Etzel, Die Genehmigungsfiktion, S. 12 ff.; U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 42a, Rn. 13 f.; Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 42a, Rn. 5.



B. Abgrenzungen zu weiteren besonderen Ausprägungsformen225

zes877 oder einen Verstoß gegen die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, da die Gesetzesbindung der Behörde durch das Bestehen von Fiktionsregelungen nicht gelockert wird878. Neben allgemeinen verfassungsrechtlichen Grenzen der Gesetzesgestaltung in Form der Bestimmtheit und Rechtsklarheit, die durch Fiktionsregelungen per se nur in Ausnahmefällen tangiert werden879, wurden dagegen konkretere rechtliche Grenzen der Zulässigkeit von Fik­ tionsregelungen aus grundrechtlichen Schutzpflichten abgeleitet. Lässt sich nämlich grundrechtlichen Schutzpflichten für bestimmte Bereiche eine zwingende gesetzgeberische Implementierung eines Erlaubnis- bzw. Genehmigungsvorbehalts entnehmen, so verlangen die grundrechtlichen Schutzpflichten insoweit auch eine tatsächliche Prüfung der Genehmigungsvoraussetzungen, was eine gleichzeitige Regelung einer Genehmigungsfiktion grundsätzlich ausschließt.880 Da das BVerfG die Verletzung einer grundrechtlichen Schutzpflicht allerdings nur einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle unterwirft und kehrseitig dem Gesetzgeber einen weitern Einschätzungsund Gestaltungsspielraum zuspricht881, der sich erst bei gewichtigen zu schützenden Rechtsgütern und zudem bei entsprechender Intensität der drohenden Beeinträchtigung dergestalt verengen kann, dass eine Ausgestaltung mittels zwingendem Genehmigungsvorbehalt erforderlich wird882, erwachsen 877  Der Gesetzgeber nimmt nach wie vor lediglich eine abstrakt-generelle Rechtsfolgenbestimmung vor; die Entscheidungsmöglichkeit im konkreten Einzelfall verbleibt vielmehr bei der Exekutive. So zu Recht Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 42a, Rn. 5; U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 42a, Rn. 13; i. E. auch Broscheit Rechtswirkungen von Genehmigungsfiktionen, S. 27 ff.; Guckelberger DÖV 2010, 109 (111); Eisenmenger NVwZ 2010, 337 (339); Vigaranan, Die Genehmigungsfiktion im Allgemeinen Verwaltungsrecht, S. 140 ff.; Oldiges, UTR 2000, 41 (47); a. A. Bullinger, JZ 1991, 53 (56 f.); Kluth, in: Fenzel/Kluth/Rennert, Neue Entwicklungen im Verwaltungsverfahrens- und prozessrecht im Jahr 2010, S.  63 f. 878  Zu Recht U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 42a, Rn. 13; Guckelberger DÖV 2010, 109 (110 f.); Ziekow, Genehmigungsfiktionen, S. 26; a. A. Caspar, AöR 125 (2000), 131 (149). 879  Vgl. Jachmann, Die Fiktion im öffentlichen Recht, S. 660 ff., 679 f.; Broscheit, Rechtswirkungen von Genehmigungsfiktionen, S. 32. 880  Broscheit, Rechtswirkungen von Genehmigungsfiktionen, S. 34; Caspar, AöR 125 (2000), 131 (150); Jachmann, Die Fiktion im öffentlichen Recht, S. 887 f.; Kluth, in: Fenzel/Kluth/Rennert, Neue Entwicklungen im Verwaltungsverfahrens- und prozessrecht im Jahr 2010, S. 64; Ziekow, Genehmigungsfiktionen, S. 30 f.; vgl. auch Guckelberger, DÖV 2010, 109 (110). 881  Siehe nur BVerfGE 39, 1 (44); 46, 160 (164); 49, 89 (142); 56, 54 (80 f.); 88, 203 (254 ff.); 115, 118 (159 f.); vgl. auch Kingreen/Poscher, Grundrechte, Rn. 119 ff.; Ipsen, Grundrechte, Rn. 101 ff. 882  Vgl. Broscheit, Rechtswirkungen von Genehmigungsfiktionen, S. 34; Ziekow, Genehmigungsfiktionen, S. 31, 38; Uechtritz, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, § 42a, Rn. 15. Als Beispiele wurden insbesondere Projekte mit einem hohen Risiko-

226

§ 4 Rechtsnatur und Abgrenzung nach dem BestVerfModG

grundrechtlichen Schutzpflichten aber nur unter hohen Anforderungen und in bestimmten Ausnahmesituationen verfassungsrechtliche Grenzen für Regelungen über Verwaltungsaktfiktionen. Auch der Gedanke des Grundrechtsschutzes durch Verfahren wird teils als Einschränkungen des potentiellen Anwendungsbereichs von Genehmigungsfiktionen verstanden, insbesondere wenn die Grundrechte – etwa bei komplexen Planungsentscheidungen883 oder für risikoreiche Projekte im Hinblick auf Leib und Leben Drittbetroffener884 – die tatsächliche Durchführung eines Genehmigungs- bzw. Verwaltungsverfahrens als Kompensation für eine nur eingeschränkte gerichtliche Nachprüfbarkeit der Entscheidung oder zur sonstigen Sicherstellung des Grundrechtsschutzes durch das Verfahren zwingend verlangen.885 Eine verfassungs­rechtliche Einschränkung von grundsätzlicher Tragweite ist indes hierin erneut nicht zu sehen. Über die genannten Aspekte hinaus bestehen keine substanziellen verfassungsrechtlichen Einwände gegen die Regelungstechnik der Genehmigungsbzw. Verwaltungsaktfiktion an sich, so dass sich aufs Ganze gesehen ein weiter normativer Bereich für eine Ausgestaltung mittels Fiktionsregelungen – jedenfalls in den hier zugrundeliegenden üblichen Ausprägungsformen – skizzieren lässt.886 Insbesondere ist die Anordnung einer Fiktion eines Verwaltungsaktes aus verfassungsrechtlicher Sicht grundsätzlich auch dann denkbar, wenn für den jeweiligen Verwaltungsakt, im Falle seines tatsäch­ lichen Erlasses, ein gesetzlicher Ermessens- oder Beurteilungsspielraum eingeräumt wäre.887 Insofern steht es dem Gesetzgeber frei, zuvor eingeräumte exekutivische Letztentscheidungsbefugnisse wieder zumindest partiell zurückzufahren.888 Im Falle von Genehmigungsfiktionen kommt es – nach der vorliegend zugrunde gelegten Ausgestaltung – im Übrigen nur insoweit zu einer Absenkung der Entscheidungskompetenzen, als die Behörde nicht innerhalb der gesetzten Entscheidungsfrist eine abschließende Verfügung erlässt. Grenzen können sich diesbezüglich aber ergeben, soweit die eingeräumten Letztentscheidungsbefugnisse einer zwingenden Verfassungsgarantie potenzial für Leib und Leben Dritter oder für objektive Verfassungsgüter wie den Umweltschutz genannt, etwa die Aufbewahrung von Kernbrennstoffen oder die Waffenerlaubnis, vgl. Broscheit, Rechtswirkungen von Genehmigungsfiktionen, S. 34; Guckelberger, DÖV 2010, 109 (110). 883  Vgl. Guckelberger, DÖV 2010, 109 (110); Jachmann, Die Fiktion im öffent­ lichen Recht, S. 905; Ziekow, Genehmigungsfiktionen, S. 31 ff. 884  Ziekow, Genehmigungsfiktionen, S. 33. 885  Vgl. Broscheit, Rechtswirkungen von Genehmigungsfiktionen, S. 35 f. m. w. N. 886  Vgl. Oldiges, UTR 2000, 41 (48), der die Anwendungsmöglichkeiten als genauso weitreichend ansieht, wie diejenigen der realen Verwaltungsakte. 887  Oldiges, UTR 2000, 41 (47 f.). 888  Oldiges, UTR 2000, 41 (47 f.).



B. Abgrenzungen zu weiteren besonderen Ausprägungsformen227

entspringen und diese durch die Anordnung einer Fiktionsregelung über Gebühr außer Kraft gesetzt würde.889 b) Die Steueranmeldung als Beispiel weiterer Ausprägungen fiktiver Verwaltungsakte Neben fingierten Genehmigungen kennt das deutsche Recht weitere Ausprägungsformen fiktiver Verwaltungsakte. Zu nennen sind beispielsweise Ablehnungsfiktionen, Fiktionen anderer begünstigender Verwaltungsakte sowie auch in gewissem Umfang Fiktionen von nicht begünstigenden Verwaltungsakten.890 Da sich insbesondere letztere Kategorie in besonderer Weise für einen Abgleich mit vollautomatisiert erlassenen Verwaltungsakten anbietet, die gleichermaßen keineswegs nur auf zulassende oder sonst wie begünstigende Verwaltungsentscheidungen beschränkt sind891, und außerdem teils nicht unerhebliche Parallelen, insbesondere zu der ausschließlich automationsgestützten Steuerfestsetzung, erkennbar werden, soll diese Ausprägungsform der Verwaltungsaktfiktion vorliegend am Beispiel der steuerrechtlichen Steueranmeldung – als einer der selteneren Fälle der Fiktion belastender Verwaltungsakte892 – eine gesonderte Erwähnung erfahren. Bei der steuerrechtlichen Steueranmeldung gem. §§ 150 Abs. 1 S. 3, 167, 168 AO handelt es sich zunächst um eine besondere Form der Steuererklärung, in der der Steuerpflichtige – über die Angabe der Besteuerungsgrundlagen hinaus – gem. der Legaldefinition des § 150 Abs. 1 S. 3 AO die Steuer selbst zu berechnen hat, soweit dies gesetzlich vorgeschrieben ist, also auch die konkrete Steuerfestsetzung und Steuerschuld selbstständig erfasst.893 Derartige gesetzliche Anordnungen einer Steueranmeldung bestehen dabei in vielerlei Hinsicht, beispielsweise für die Voranmeldung und Jahreserklärung der Umsatzsteuer gem. § 18 Abs. 1 und Abs. 3 UStG, die Steuern, die durch Steuerabzug an der Quelle erhoben werden, also insbesondere die Lohnsteuer gem. § 41a EStG und die Kapitalertragsteuer gem. § 45a EStG, sowie für diverse besondere Verbrauchssteuern, beispielhaft gem. §§ 15 Abs. 2 BierStG, 889  Vgl.

Oldiges, UTR 2000, 41 (47 f.). überblicksartig U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 42a, Rn. 20 ff.; zurückhaltender noch Müller, DÖV 1966, 704. 891  Vgl. nur U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35a, Rn. 7 mit Verweis auf § 155 Abs. 4 AO. 892  Jachmann, Die Fiktion im öffentlichen Recht, S. 378 f.; vgl. auch U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 42a, Rn. 25; Jakob, Abgabenordnung, Rn. 213; Heuermann, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 168 AO, Rz. 3; ähnlich Rüsken, in: Klein, AO, § 168, Rn. 1. 893  Vgl. Jakob, Abgabenordnung, Rn. 213; Seer, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 167 AO, Rz. 1; § 150 AO, Rz. 42. 890  Vgl.

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§ 4 Rechtsnatur und Abgrenzung nach dem BestVerfModG

12 KaffeeStG, 17 Abs. 2 TabStG.894 Unterscheiden lassen sich dabei Steueranmeldungen der geschuldeten Steuer durch den Steuerschuldner selbst, wie etwa bei der umsatzsteuerrechtlichen Anmeldung nach § 18 UStG, und Steueranmeldungen durch einen einbehaltungspflichtigen Dritten, der nicht selbst Schuldner der Steuer ist, so vor allem bei den Formen der Quellenbesteuerung bei Lohn- und Kapitalertragsteuer.895 Wie anhand ihrer vielfältigen Anordnungen auch in teils materiell-steuerrechtlichen Kerngebieten bereits ersichtlich wird, handelt es sich bei der Steueranmeldung um ein in der Praxis häufig zum Einsatz kommendes und insgesamt bedeutsames Instrument. Ein enormer Anteil von gut zwei Dritteln des gesamten deutschen Steueraufkommens wird dabei durch Steueranmeldungen realisiert.896 Als spezielle Form einer Steuererklärung gelten für Steueranmeldungen die allgemeinen Regeln über Steuererklärungen gem. § 150 AO, allen voran etwa die Bindung an Vordrucke oder elektronische Einreichungspflichten.897 Im Falle einer (i. V. m. den Einzelsteuergesetzen) gesetzlich angeordneten obligatorischen Steueranmeldung verzichtet § 167 Abs. 1 S. 1 AO sodann im Grundsatz auf den tatsächlichen Erlass eines hoheitlichen Steuerbescheids; der Steueranmeldung wird gem. § 168 S. 1 AO gleichzeitig die Wirkung einer Steuerfestsetzung unter Nachprüfungsvorbehalt i. S. d. § 164 AO bei­ gemessen.898 Die Rechtsfolgen einer Steuerfestsetzung werden damit kraft Gesetzes unmittelbar an die abgegebene Selbstberechnungserklärung angeknüpft, die sich faktisch zur Steuerfestsetzung wandelt.899 Im Gleichklang mit der überwiegenden allgemein verfahrensrechtlichen Auffassung wird auch im steuerverfahrensrechtlichen Kontext dabei von einer (bloßen) Fiktion eines Verwaltungsaktes ausgegangen, indem der Steueranmeldung als faktische Selbstberechnungserklärung nicht selbst die tatsächliche Rechtsqualität eines Verwaltungsakts, sondern nur in umfassender Weise die Wirkungen einer solchen Steuerfestsetzung zugesprochen werden.900 Als einer 894  Vgl. Seer, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 167 AO, Rz. 1; Jakob, Abgabenordnung, Rn. 213 (auch unter Fn. 16); Birk/Desens/Tappe, SteuerR, Rn. 531 sowie die umfassende Aufzählung bei Heuermann, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 168 AO, Rz. 5. 895  Heuermann, DStR 1998, 959. 896  Seer, StbJb 2016/2017, 539 (541). 897  Siehe nur Heuermann, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 168 AO, Rz. 2; Seer, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 150 AO, Rz. 42. 898  Seer, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 168 AO, Rz. 1; Jachmann, Die Fiktion im öffentlichen Recht, S. 379 f. 899  Vgl. BFH BStBl. II 2004, 1087; Heuermann, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 168 AO, Rz. 3. 900  Vgl. BFH BStBl. II 1998, 649; Rosenke, in: BeckOK AO, § 167, Rn. 20; Cöster, in: Koenig, AO, § 168, Rn. 6.; Heuermann, in: H/H/S, AO/FGO, § 168, Rz. 3.



B. Abgrenzungen zu weiteren besonderen Ausprägungsformen229

tatsächlichen Steuerfestsetzung demgemäß prinzipiell völlig gleichstehender Vorgang, bildet die Steueranmeldung folglich auch selbst die Grundlage des Erhebungsverfahrens901 und ist auch einer Vollstreckung zugänglich, vgl. § 254 Abs. 1 S. 4 AO.902 In der Sache vollzieht sich in der Steueranmeldung damit ein Akt echter Selbstveranlagung, bei dem der Steueranmeldende praktisch alle Aufgaben des Ermittlungs- und Festsetzungsverfahrens selbst erfüllt und es zu den Rechtswirkungen einer Steuerfestsetzung kommt, obwohl eine solche von der Finanzbehörde tatsächlich nicht erlassen wurde.903 Sie bildet damit einen Teil der bereits heute vorzufindenden kontrollierten Selbstregulierung des Steuervollzugs.904 Die Steueranmeldung erfüllt insoweit eine Doppelfunktion: Sie ist einerseits Steuererklärung, andererseits (fingierte) Steuerfestsetzung.905 Strukturelle verfassungsrechtliche, insbesondere rechtsstaatliche Bedenken bestehen auch gegen die Fiktionswirkungen der Steueranmeldung soweit ersichtlich nicht.906 Dies dürfte insbesondere mit der unverändert fortbestehenden Steuerfestsetzungspflicht im Fall einer von der Anmeldung abweichenden Steuer gem. § 155 Abs. 1 S. 1 i. V. m. § 167 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 AO, der ohnehin erleichterten Abänderbarkeit als bloße (fingierte) Vorbehaltsfestsetzung gem. § 164 AO inklusive der jederzeitigen Antragsmöglichkeit seitens des Steuerpflichtigen nach § 164 Abs. 2 AO sowie einer im Vergleich zur tatsächlichen Steuerfestsetzung in keiner Weise nachstehenden, nachträglichen gerichtlichen und außergerichtlichen Nachprüfbarkeit im Wege des vorrangigen Einspruchs und der späteren Klage907 zusammenhängen. Außerdem hängt die Steueranmeldung in bestimmten Fällen von einer Zustimmung durch die Finanzbehörde gem. § 168 S. 2 AO ab. Eine Entbindung der Steuerbehörde von den materiellen Rechtmäßigkeitsanforderungen eines (fingierten) Steuerbescheids findet damit nicht statt. Die materielle Rechtmäßigkeit der Steueranmeldung ist gleichzeitig kein Gegenstand der Fiktion. Über die Steueranmeldung hinausgehende, rein fiktive Steuerfestsetzungen werden dagegen vor dem Hintergrund der Tatbestandsmäßigkeit der Steuererhebung 901  Heuermann, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 168 AO, Rz. 2; Cöster, in: Koenig, AO, § 168, Rn. 6. 902  Rätke, in: Klein, AO, § 150, Rn. 15; Heuermann, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 167 AO, Rz. 4; Baum, DStZ 1992, 588 (589). 903  Seer, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 168 AO, Rz. 1; Vor § 149 AO, Rz. 6; ders., StuW 2003, 40 (45); Carl/Klos, JuS 1996, 402 (406). 904  Begriff nach Seer, StbJb 2016/2017, 539 (540 f.). 905  Seer, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 168 AO, Rz. 1; Rosenke, in: BeckOK AO, § 168, Rn. 20. 906  Vgl. Heuermann, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 168 AO, Rz. 2. 907  Heuermann, in: HHP, AO/FGO, § 168 AO, Rz. 2, 20; Seer, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 168 AO, Rz. 14.

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§ 4 Rechtsnatur und Abgrenzung nach dem BestVerfModG

abgelehnt.908 Als steuerverfahrensrechtliche Selbstverständlichkeit darf die Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung durch die Ausgestaltung als Verwaltungsaktfiktion insofern nicht in Frage gestellt werden, wobei allerdings weitgehend unklar bleibt, wie sich solche rein fiktiven Steuerfestsetzungen vorzustellen sind und inwieweit spezifische Abweichungen im Vergleich zur Steueranmeldung bestehen. Hinsichtlich der Konformität der Steueranmeldung mit den Verfassungsprinzipien der Gewaltenteilung, der Gesetzmäßigkeit des Steuervollzugs sowie allgemeiner gesetzesgestalterischer Grenzen aus den Prinzipien inhaltlicher und formaler Bestimmtheit kann sodann im Übrigen auf die obig im Kontext der Genehmigungsfiktionen dargelegten Grundsätze verwiesen werden.909 2. Vollautomatisiert erlassene Verwaltungsakte im analytischen Abgleich mit fiktiven Verwaltungsakten Nachdem die rechtlichen Eckpunkte fiktiver Verwaltungsakte an den Beispielen der Genehmigungsfiktion und der Steueranmeldung skizziert wurden, kann sich die Untersuchung nun einem konkreteren analytischen Abgleich mit der Spielart des vollautomatisiert erlassenen Verwaltungsakts zuwenden. a) Kongruenzen bei faktischer Ergebnisbetrachtung Als erster Eindruck, der unter einem komparativen Blickwinkel gewonnen werden kann, lässt sich zunächst festhalten, dass ausgehend von ihrem rechts­ tatsächlichen Endresultat eine unverkennbare Parallelität der beiden Kategorien zutage tritt. aa) Homogenität in den materiellen Wirkungen Die erste Facette dieser Feststellung bilden dabei die materiellen Rechtswirkungen der Rechtsfiguren. In beiden Fällen – sei es bei fiktiven Verwaltungsakten, oder solchen, die in einem vollautomatisierten Verfahren i. S. d. §§ 35a VwVfG, 31a SGB X oder 155 Abs. 4 AO zustande gekommen sind – entfaltet sich am Ende der jeweiligen Entstehungshergänge eine Rechtslage, die ohne (notwendige) menschliche Beteiligung auf Behördenseite herbei­ geführt wird und für den rechtsbetroffenen Bürger verbindliche bzw. als verbindlich geltende Rechtswirkungen erzeugt.910 Die Gemeinsamkeit im 908  Vgl.

Jachmann, Die Fiktion im öffentlichen Recht, S. 387. § 4 B. III. 1. a) cc). 910  Vgl. U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35a, Rn. 29; § 42a, Rn. 5a. 909  Siehe



B. Abgrenzungen zu weiteren besonderen Ausprägungsformen231

faktischen Ergebnis resultiert dabei allen voran aus der im Wege der Fiktion bewirkten Gleichstellung zweier ungleich gewusster Sachlagen911, die eine Austauschbarkeit der materiellen Rechtswirkungen des Endprodukts beider Kategorien bedingt. bb) Fehlen (notwendiger) menschlicher Mitwirkung auf Behördenseite Zum anderen speisen sich die faktischen Parallelen aus der beiderseitigen Absenz behördenseitiger menschlicher Mitwirkung. Sowohl bei vollautomatisiert erlassenen Verwaltungsakten als auch bei der Fiktion eines Verwaltungsaktes erfolgt ein struktureller Verzicht auf die menschliche Durchführung eines Verwaltungsverfahrens vor Wirksamwerden der (fingierten) Regelung, in dem es etwa zu einer behördlichen Beratung, Sachverhaltsermittlung oder der Durchführung einer Anhörung kommen könnte.912 Im Kontext „vollständig durch automatische Einrichtungen“ erlassener Verwaltungsakte i. S. d. BestVerfModG handelt es sich bei diesem Mangel an menschlicher Intervention während des (im Grundsatz) gesamten Verwaltungsverfahrens um eines der Kernanliegen der Verfahrensrechtsreform. Zur Steigerung der Wirtschaftlichkeit und Effizienz der Verwaltung durch verstärkten Einsatz informationstechnologischer Elemente sollte gerade mit Ermöglichung eines Verwaltungsakterlasses ohne personelle Beteiligung eine zielgenauere Allokation der knappen Personalressourcen auf wirklich prüfungsbedürftige Sachverhalte sowie auch eine allgemeine Verfahrensbeschleunigung und Kostenreduzierung erreicht werden.913 Bei fingierten Verwaltungsakten stellt sich die Absenz menschlicher Intervention dagegen weniger als Ausdruck eines (bewusst) gewollten Verzichts dar, sondern lässt sich auf die rechtstheoretischen Grundlagen der Fiktion selbst zurückführen, deren Mechanismen (in Form der Gleichstellung und Verweisung) die Implementierung einer Fiktion als regelungstechnisches Instrument schlicht nicht in Abhängigkeit von behördlichen Aktionserfordernissen setzten. Wird dennoch an aktive behördliche Mitwirkungen als Fiktionsvoraussetzung angeknüpft, so geschieht dies lediglich als Ausprägung einer dahingehenden legistischen Entscheidung, nicht aber aufgrund einer wie auch immer gearteten rechtlichen Notwendigkeit. Auch die fiktionsgegenständliche Regelung selbst, also diejenigen Rechtswirkungen, die qua Fiktion Geltung erlangen sollen, hängen in keiner Weise von einer tatsächlich stattfindenden, aktiven behördlichen Teilhabe (oder anderen realen Umständen) 911  Zu

a) aa).

den Charakteristika der Fiktionswirkung bereits § 4 B. III. 1. vor a) sowie

912  Vgl. 913  Vgl.

U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35a, Rn. 29. nur BT-Drs. 18/7457, S. 1, 48; 18/8434, S. 1 f., 120 ff.

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§ 4 Rechtsnatur und Abgrenzung nach dem BestVerfModG

ab. Als gewollte und irreale normative Umgestaltung der tatsächlichen Rechtslage zeichnet sie sich vielmehr gerade durch die „Erdichtung“ von der Realität abweichender Rechtsfolgen aus, so dass sich die vorliegend betrachteten Ausprägungsformen von Verwaltungsaktfiktionen mithin in der bloßen Anordnung des fingierten Verwaltungsakts als gewolltes Endresultat erschöpfen können. Die behördliche Untätigkeit bzw. der Verzicht auf die Durchführung eines ordnungsgemäßen Verwaltungsverfahrens wurde bei diesen als prägende Fiktionsvoraussetzung ausgestaltet.914 cc) Teleologische Übereinstimmungen beider Instrumente Weitere Gemeinsamkeiten werden in den Zielrichtungen beider Rechts­ figuren erkennbar, die in den wesentlichen Zügen auf vergleichbaren Erwägungen beruhen. Als kennzeichnend für die gesetzliche Anordnung einer Genehmigungsfiktion stellt sich dabei das gesetzgeberische Bemühen um eine Vereinfachung und Beschleunigung der Entscheidungsfindung durch die Verwaltung dar.915 Durch Setzung eines „Ultimatums“ zum Handeln wird einerseits die Nichteinhaltung der gesetzten Entscheidungsfrist durch die Behörde dadurch sanktioniert, dass die beantragte Genehmigung fingiert wird, die Behörde mithin zur zügigen Bearbeitung und Einhaltung der Frist angehalten ist.916 Dem Bürger erwächst hieraus kehrseitig ein verlässlicher und planbarer zeitlicher Rahmen, in dem er mit der Entscheidung rechnen kann.917 Effekte einer Verwaltungsvereinfachung können andererseits erzielt werden, indem sich die Behörde – insbesondere beim unproblematischen Vorliegen aller Erlassvoraussetzungen – das Instrument bewusst zu Nutze macht und auf eine förmliche Bescheidung so gänzlich verzichten kann.918 Der Steueranmeldung liegen mit der Beschleunigung der Steuererhebung und generellen Verwaltungsver914  Vgl. Schemmer, in: BeckOK VwVfG, § 42a, Rn. 7; Ziekow¸VwVfG, § 42a, Rn. 6; U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 42a, Rn. 3 f.; Kluth, in: Fenzel/Kluth/Rennert, Neue Entwicklungen im Verwaltungsverfahrens- und prozessrecht im Jahr 2010, S. 61, 70; ders. JuS 2011, 1080; Jachmann, Die Fiktion im öffent­lichen Recht, 1998, S. 398 ff.; Seer, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 168 AO, Rz. 1. 915  Siehe nur Knauff, VerwArch 109 (2018), 480 (482); Kluth, JuS 2011, 1078; Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 42a, Rn. 4; OVG Niedersachsen GewArch 2017, 296 (297). 916  Vgl. U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 42a, Rn. 14b; Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 42a, Rn. 4; vgl. auch Knauff, VerwArch 109 (2018), 480 (482) m. w. N. 917  Vgl. Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 42a, Rn. 4. 918  Vgl. Caspar, AöR 125 (2000), 131 (132); vgl. auch Knauff, VerwArch 109 (2018), 480 (482); OVG Berlin-Brandenburg, BauR 2009, 489 (491).



B. Abgrenzungen zu weiteren besonderen Ausprägungsformen233

einfachung in den von ihr abgedeckten Fällen, indem die Steuerermittlungund -festsetzung faktisch vollumfänglich auf den Steuerpflichtigen abgewälzt wird, dieselben Prämissen zugrunde.919 Der ins Auge gefasste Beschleunigungseffekt spielt sich dort lediglich unter leicht abgewandelten Vorzeichen ab, nämlich nicht durch entsprechende Konditionierung der Behörde, sondern durch bewusste und planmäßige Inanspruchnahme Privater in Form des Steuerpflichtigen.920 Nur marginal abweichende Prämissen liegen sodann auch vollautomatisiert erlassenen Verwaltungsakten i. S. d. BestVerfModG zugrunde. Die Gesetzesmaterialien führen als maßgebliche Triebkräfte zwar vorranging eine Steigerung von Wirtschaftlichkeit und Effizienz der Verwaltung durch einen verstärkten Einsatz der Informationstechnologie und einen dadurch erreichbaren zielgenaueren Ressourceneinsatz an, der eine Konzentration der knappen Personalkapazitäten auf wirklich prüfbedürftige Fälle erlaube.921 Doch auch eine allgemeiner dimensionierte Beschleunigung der Verwaltungsverfahren und eine damit einhergehende Kostenreduzierung, die durch eine schnelle und unkomplizierte Erledigung einfacher strukturierter Verfahren erreicht werden können, kommen (als ohnehin komplementäre Zielsetzungen) expressis verbis zur Sprache.922 Anders als dies zum Teil bei den betrachteten Arten der Verwaltungsaktfiktion vorzufinden war, erfolgt die Beschleunigung hierbei weder durch behördliche Konditionierung in Gestalt einer drohenden Sanktionierung des Untätigbleibens noch durch gezielte Mitwirkungsinanspruchnahme des Bürgers, sondern durch eine gesetzliche Eröffnung einer neuen, die modernen informationstechnischen Möglichkeiten ausschöpfenden Abwicklungsart des Verwaltungsverfahrens. dd) Zusammenhang zu Mitwirkungsbeiträgen des Bürgers Schließlich lässt sich noch ein weiterer gemeinsamer Berührungspunkt zwischen vollautomatisiert erlassenen und fingierte Verwaltungsakten in Gestalt eines mehr oder weniger engen Abhängigkeitsverhältnisses zu bürger­ lichen Mitwirkungsakten beschreiben. Eine dahingehende Interdependenz zeigte sich zunächst bei den referenziell betrachteten Ausprägungsformen der Verwaltungsaktfiktion. Eine Fiktion einer Genehmigung kann demgemäß nur insoweit Platz greifen, als der auf die Erteilung der Genehmigung gerichtete Antrag inhaltlich reicht, da der Antrag – mangels tatsächlicher Erteilung – 919  Siehe etwa Seer, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 167 AO, Rz. 3; BT-Drs. VI/1982, S. 149; Cöster, in: Koenig, AO, § 167, Rn. 1. 920  Vgl. nur Baum, DStZ 1992, 588. 921  BT-Drs. 18/7457, S. 1, 48 f.; BT-Drs. 8434, S. 1. 922  BT-Drs. 18/8434, S. 121 f.

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§ 4 Rechtsnatur und Abgrenzung nach dem BestVerfModG

den einzigen inhaltlichen Anknüpfungspunkt für die materiell-rechtliche Reichweite der begehrten Zulassungsentscheidung bildet.923 Aus dieser inneren Abhängigkeit folgen sodann auch notwendige inhaltliche Mindestanforderungen an die Bestimmtheit des Antrags924, der bei entsprechender inhaltlicher Unbestimmtheit schlicht keine ausreichende Grundlage für die durch die Fiktion zu bewirkende normative Umgestaltung der tatsächlichen Rechtslage bietet. Auch im Falle einer Steueranmeldung determiniert die Anmeldung selbst – als Selbstberechnungssteuererklärung – in substanzieller Weise Reichweite und Inhalt der materiell in Kraft tretenden Rechtswirkungen, indem sie sich faktisch zum fiktiven Steuerbescheid wandelt.925 Ausgeprägtere inhaltliche Wechselbeziehungen zu Mitwirkungsbeiträgen des Bürgers bleiben aber nicht auf Verwaltungsaktfiktionen beschränkt, sondern können auch bei vollautomatisiert erlassenen Verwaltungsakten identi­ fiziert werden. Dies gilt insbesondere für die Antragstellung und sonstige, fallrelevante Daten in das Verfahren einspeisende Erklärungen des Bürgers, welchen – gegenüber der Berücksichtigung in herkömmlichen Verfahren – eine in ihrer das Verfahren vorzeichnenden Kraft gesteigerte Rolle zukommt. Denn nach den oben herausgearbeiteten Charakteristika des vollautomatisierten Verwaltungsakterlasses liegt dessen Besonderheit gerade im von menschlicher Mitwirkung unabhängigen Ablaufen auch des dem eigentlichen Erlassvorgang vorgelagerten Verwaltungsverfahrens, das insbesondere die Vorgänge der Sachverhaltsermittlung umfasst.926 Gerade die Sachverhaltsermittlung im vollautomatisierten Verfahren ist damit im Vergleich zu den zumindest theoretisch unbegrenzten Möglichkeiten der Informationsbeschaffung in herkömmlichen Verfahren927 naturgemäß von vornherein auf bestimmte Kanäle und Arten der Informationsgewinnung limitiert.928 Einen substanziellen Teil 923  Vgl. im Kontext des § 42a VwVfG BT-Drs. 16/10493, S. 16; Weidemann/Barthel, JA 2011, 221 (223); Guckelberger, DÖV 2010, 109 (114); Schmitz/Prell, NVwZ 2009, 1 (7). 924  Ziekow, WiVerw 2008, 176 (188); Guckelberger, DÖV 2010, 109 (114); Weidemann/Barthel, JA 2011, 221 (223); Knauff, VerwArch 109 (2018), 480 (486); Etzel, Die Genehmigungsfiktion, S. 76 ff. 925  Vgl. hierzu bereits § 4 B. III. 1. b). 926  Zu den prägenden Charakteristika vollautomatisierter Verwaltungsakte §  3 C. II. 2. und D. 927  Von unbegrenzten Möglichkeiten kann indes richtigerweise nur in der Theorie gesprochen werden, zumal diesen freilich Grenzen durch Kosten, Zeitaufwand, Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkte und allgemeine Praktikabilitätserwägungen gesetzt sind. In Betracht kommen aber z. B. mündliche oder telefonische Rückfragen beim Betroffenen bei offen oder zweifelhaft bleibenden Aspekten, weitere Nachforschungen bei Dritten, Informationsbeschaffungen durch Besichtigungen etc. 928  Zur Amtsermittlung in vollautomatisierten Verfahren eingehend §  5 C. I., hierzu insbes. 2. a).



B. Abgrenzungen zu weiteren besonderen Ausprägungsformen235

dieser Informationskanäle bilden gerade Mitwirkungsakte des Bürgers, durch die unmittelbar verwertbare und sachverhaltsrelevante Informationen in das Verfahren eingespeist werden.929 Zusammen mit der gleichzeitigen Absenz menschlicher Mitwirkungsakte im Verfahren der Sachverhaltsermittlung ergibt sich daraus die Notwendigkeit einer gesteigerten Vertrauensbasis, die den auf diesem Wege eingespeisten Daten als Grundlage der automatisierten Bearbeitungsprozesse im Grundsatz entgegengebracht werden muss930 und die – sozusagen (lediglich) zur Ausräumung einer bestehenden Restbedenklichkeit – durch die Überprüfung der Plausibilität und des übrigen Risiko­ potenzials durch ein Risikomanagementsystem flankiert wird931. Insofern verlassen sich also auch vollautomatisiert erlassene Verwaltungsakte in gesteigertem Maße auf Mitwirkungsakte seitens des Bürgers, zumeist in Gestalt einer Antragstellung oder verpflichtenden Abgabe einer Erklärung. Eine Relativierung dieses Zusammenhangs ist sodann freilich dahingehend vorzunehmen, dass sich die berücksichtigungsfähigen und berücksichtigungspflichtigen Sachverhaltsinformationen in vollautomatisierten Verfahren – anders als bei fiktiven Verwaltungsakten – dabei nicht ausschließlich in der Verwertung derartiger betroffenenseitiger Mitwirkungsbeiträge als Grundlage der Bescheidung erschöpfen, sondern vielmehr darüber hinaus auf dem Fundament sämtlicher nötiger und fallrelevanter Daten zu bearbeiten sind, auch wenn diese nicht direkt durch den Betroffenen eingespeist wurden. Die mittels betroffenenseitigen Mitwirkungsakten eingebrachten Informationen werden dadurch um den Informationskanal der Berücksichtigung weiterer verfügbarer Daten ergänzt, die etwa durch mitteilungspflichtige Dritte übermittelt (vgl. etwa § 93c AO) oder aus früheren Mitwirkungsakten oder auf sonstige Weise in Datenbanken gespeichert und verfügbar gemacht wurden (vgl. etwa § 88a AO)932. Obwohl also zunächst sowohl bei fiktiven Verwaltungsakten als auch bei vollautomatisiert erlassenen Verwaltungsakten ein engeres Zusammenspiel mit Mitwirkungsakten des betroffenen Bürgers attestiert werden kann, bestehen im Einzelnen durchaus gewisse strukturelle Unterschiede. Während sich bei fiktiven Verwaltungsakten eine zwingende innere Abhängigkeit zu Mitwirkungsakten des Bürgers aus der rechtstheoretischen Grundkonzeption der 929  Vgl. im Kontext der vollautomatisierten Steuerfestsetzung Seer, in: Tipke/ Kruse, AO/FGO, § 155 AO, Rz. 44. 930  Vgl. Braun Binder, DÖV 2016, 891 (896); Baldauf, DStR 2016, 833 (836); U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35a, Rn. 7, 21; Volquardsen, in: Schwarz/Pahlke, Erstkomm. BestVerfModG, § 88 AO, Rz. 10. 931  Vgl. U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35a, Rn. 7; Braun Binder, DÖV 2016, 891 (896); vgl. auch Maier, JZ 2017, 614 (615 ff.). 932  Vgl. Gehm, StuB 2016, 580 (581); vgl. auch Seer, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 155 AO, Rz. 44; ders., StuW 2015, 315 (323).

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§ 4 Rechtsnatur und Abgrenzung nach dem BestVerfModG

Rechtsfiktion ergibt, deren normative Umgestaltung der tatsächlich vorzufindenden Rechtslage notwendig einen inhaltlichen Anknüpfungspunkt benötigt, lässt sich der gesteigerte Rückgriff auf eine Beantragung oder Erklärung des Bürgers bei vollautomatisiert erlassenen Verwaltungsakten eher als pragmatische Dependenz beschreiben, die in abgeschwächtem Umfang und in anderer Weise – namentlich als maßgeblicher Informationskanal im Rahmen der vollautomatisierten Sachverhaltsermittlung – Einfluss auf die Entstehung der Verwaltungsentscheidung und deren Rechtswirkungen nimmt. Dennoch handelt es sich bei ergebnisorientierter Betrachtung in beiden Fällen um hinsichtlich ihrer Ähnlichkeit auffällige Merkmale der Rechtskategorien. ee) Praktische Austauschbarkeit und regelungstechnische Konkurrenz Wie gezeigt werden konnte, lassen sich einige strukturelle Ähnlichkeiten zwischen vollautomatisiert erlassenen und fiktiven Verwaltungsakten am Beispiel der referenziell herangezogenen Ausprägungsformen der Genehmigungsfiktion und der steuerverfahrensrechtlichen Steueranmeldung identifizieren. Diese treten dabei insbesondere bei einer rein am faktischen Ergebnis orientierten Sichtweise zutage, indem beide Rechtsfiguren zu für den Bürger verbindlichen Rechtswirkungen führen, ohne dass es bei der Entstehung ebenjener Rechtswirkungen zu einer menschlichen Mitwirkung auf Seiten derjenigen Behörde kommt, der die dadurch entstehenden Rechtswirkungen bzw. Rechtsakte zuzurechnen sind. Darüber hinaus bestehen Gemeinsamkeiten hinsichtlich der Zielsetzungen beider Rechtsfiguren sowie in gewissem Umfang gesteigerte Interdependenzen zu Mitwirkungsakten seitens des Bürgers. Je für sich betrachtet zeigen die herausgearbeiteten Gemeinsamkeiten interessante Parallelen zweier prinzipiell verschiedener Rechtsinstitute des Verwaltungsrechts auf, die grundsätzlich bereits eine mögliche Übertragbarkeit bestimmter Argumentationsmuster auf die vorliegend zu untersuchende Kategorie des vollautomatisiert erlassenen Verwaltungsakts unter dem BestVerfModG in den Raum stellen. Verstärkt wird diese Überlegung sodann noch unter dem Blickwinkel, dass die identifizierten Gemeinsamkeiten in ihrer Summe über ihre individuellen Implikationen hinaus sogar eine praktische Austauschbarkeit und regelungstechnische Konkurrenz beider Rechtsfiguren (zumindest in gewissen regulatorischen Bereichen) anzuzeigen scheinen. Insbesondere wenn sich die Behörde etwa im Bereich einer Genehmigungsfiktion der Wirkungen des gesetzlichen Fiktionstatbestands bewusst bedient933, könnte sich der fiktive Verwaltungsakt als echte regulatorische und verwaltungspraktische Alternative zum vollautomatisierten Erlass eines Ver933  Vgl.

Caspar, AöR 125 (2000), 131 (132).



B. Abgrenzungen zu weiteren besonderen Ausprägungsformen237

waltungsakts gerieren, die gleichermaßen Beschleunigungs- und Einsparungseffekt verspricht934 und vom betroffenen Bürger einen ggfls. vergleichbaren Mitwirkungsbedarf abverlangt. Auch der Einsatz fiktiver Verwaltungsakte als strukturelle und planmäßige935 Ersatzform einer tatsächlichen behördlichen Festsetzung durch Anordnung einer Steueranmeldungpflicht, auf deren Grundlage eine entsprechende Festsetzung fingiert wird, stellt sich als verwaltungspraktische und regulatorische Alternative zu einer vollautomatisiert ablaufenden Steuerfestsetzung dar, die ebenfalls nicht unerheblich auf die seitens des Steuerpflichtigen erklärten Daten zurückgreift, ohne behördenseitige menschliche Mitwirkung zur Entstehung gelangt, Rationalisierungs- und Beschleunigungseffekte verfolgt936 und faktisch gleiche Rechtswirkungen herbeiführt. Für den betroffenen Bürger ergeben sich ebenso letztlich wenige937 substanzielle Unterschiede daraus, ob die Genehmigung vollautomatisiert erteilt oder lediglich fingiert bzw. seine Steuerschuld vollständig automationsgestützt durch realen Steuerbescheid festgesetzt oder seine eingereichte Selbstberechnung mit der Wirkung einer solchen Festsetzung durch Steuerbescheid fiktiv versehen wurde. Im Ergebnis greifen für den Bürger die Rechtsfolgen in verbindlicher Weise, egal ob deren Rechtsgrund in einer tatsächlichen Regelungsanordnung oder in der gesetzlichen Gleichsetzung mit einer solchen Anordnung begründet liegt. Allein der Umstand, dass die Fiktionen eines Verwaltungsaktes – selbst im Falle der Steueranmeldung – stets „antragsgemäß“ erfolgen, wohingegen vollständig automatisiert erlassene Verwaltungsakte auch belastende Regelungen enthalten können, die nicht in wesentlichen Teilen auf einer vorherigen Erklärung des Bürgers beruhen, mag insoweit eine gewisse Relativierung dieser Schlussfolgerungen andeuten.938

934  Vgl. auch U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 42a, Rn. 5a.; § 35a, Rn. 24, 46. 935  Im Falle der Steueranmeldung handelt es sich insoweit um eine planmäßige und endgültige Ersatzform zur Durchführung eines tatsächlichen Verfahrens, als die festgelegten Ausnahmefälle nicht dennoch eine tatsächliche Festsetzung vorschreiben, hierzu bereits § 4 B. III. 1. b). 936  Vgl. Seer, StuW 2015, 315 (323); vgl. bereits § 4 B. III. 1. b) und 2. a) cc). 937  Einzig hinsichtlich bestimmter Nebenaspekte sind Abweichungen denkbar, beispielsweise aufgrund einer eingeschränkten Vertrauensgrundlage im Falle einer fiktiven Zulassungsentscheidung, bei der dem Bürger regelmäßig unbekannt bleibt, ob eine tatsächliche Prüfung der Behörde überhaupt erfolgte, und so die Wahrscheinlichkeit einer Rücknahme- oder Widerrufsentscheidung der Behörde nicht hinreichend einzuschätzen ist. 938  Näher zu diesem Gedankengang unten § 4 B. III. 2. b) bb) und c). 

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§ 4 Rechtsnatur und Abgrenzung nach dem BestVerfModG

b) Disparitäten aus formaler und entstehungsprozessorientierter Sicht Da es sich bei vollautomatisiert erlassenen und fiktiven Verwaltungsakten freilich nicht um ein und dieselbe Kategorie handelt, sind beide Rechtsfiguren neben den oben aufgezeigten Gemeinsamkeiten auch von diversen und nicht unerheblichen Unterschieden durchzogen, die beide Kategorien voneinander abgrenzen und diese in gleicher Weise wie ihre Gemeinsamkeiten in ihrer Eigenheit prägen. aa) D  ivergenzen im formalen Wesen der Endprodukte: Tatsächliche Existenz versus Fiktion der Existenz Der erste und gleichzeitig offenkundigste Unterschied zeigt sich unter Anlegung eines rein formalistischen Blickwinkels in Bezug auf die jeweils hervortretenden Endprodukte. Während es sich nämlich bei in einem vollautomatisierten Verfahren erzeugten Verwaltungsakten um tatsächlich erlassene und in diesem Sinne real existente Verfügungen handelt, erschöpfen sich fingierte Verwaltungsakte lediglich in der Fiktion eines in der vorzufindenden Lebenswirklichkeit nichtexistenten Verwaltungsakts.939 In diesem Sinne wird dem gestellten Antrag oder einer abgegebenen Erklärung bei fiktiven Verwaltungsakten lediglich eine bestimmte Geltung als Verwaltungsakt normativ zugesprochen, ohne dass ein Verwaltungsakt wirklich ergeht. Vollautomatisiert erlassene Verwaltungsakte konstituieren dagegen von einem gestellten Antrag oder einer abgegebenen Erklärung gesonderte und wahrhaftig ergehende hoheitliche Maßnahmen940, die nicht nur auf einer die Rechtslage modifizierenden normativen „Erdichtung“ basieren. Die Divergenzen im formalen Wesen der jeweiligen Endprodukte lassen sich letztlich auf die im Einzelnen abweichenden rechtstheoretischen Konzeptionen ihrer Existenz und Rechtsverbindlichkeit zurückführen. Insbesondere hängen fiktive Verwaltungsakte in ihrer Existenz und Wirkung alleinig von gesetzlichen Regelungen ab, die die Fiktion anordnen. Unmittelbarer Geltungsgrund fiktiver Verwaltungsakte ist demnach das Gesetz selbst, ohne dessen entsprechende Anordnung es einen fiktiven Verwaltungsakt nicht geben kann.941 Dahingegen gehen die rechtlich verbindlichen Regelungen vollautomatisiert erlassener Verwaltungsakte – ebenso wie herkömmlich erlas939  Vgl. U. Stelkens, in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35a, Rn. 28, 29; § 42a, Rn. 5a; Seer, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 155 AO, Rz. 44; ders., StuW 2015, 315 (323). 940  Rosenke, in: BeckOK AO, § 155, Rn. 214; vgl. auch Seer, StuW 2015, 315 (323); ders., StbJb 2016/2017, 539 (548); Köhler; WzS 2018, 279 (282). 941  Oldiges, UTR 2000, 41 (45).



B. Abgrenzungen zu weiteren besonderen Ausprägungsformen239

sene – auf den tatsächlichen Erlass einer hoheitlichen Maßnahme als die Rechtswirkungen für den Bürger letztlich effektuierenden Akt zurück, der freilich nach rechtsstaatlichen Vorgaben regelmäßig ebenso gesetzlich determiniert sein muss, aber trotzdem eines zwischengeschalteten positiv-behördlichen und realen Erstellungsaktes bedarf. Eine kraft Gesetzes erfolgende normative Gleichbehandlung eigentlich ungleicher Sachverhalte findet beim vollautomatisiert Erlass eines Verwaltungsakts insofern nicht statt, der vielmehr eine reale Änderung der Rechtslage herbeiführt. In dem Umstand, dass sich bei rein formaler Betrachtung mit dem vollautomatisiert erlassenen Verwaltungsakt also eine wahrhaftig erlassene behördliche Maßnahme einer reinen Fiktion eines solchen Rechtstaktes gegenübersieht, dessen Geltungsanspruch und -umfang allein und unmittelbar auf die normativen Modifikationen der Rechtswirklichkeit durch eine gesetzliche Fiktionsregelung zurückgehen, liegt gleichzeitig auch das entscheidende Merkmal der Grenzziehung zwischen den recht­lichen Kategorien fiktiver und vollständig automatisiert erlassener Verwaltungsakte und der Gegenpol zu ihren bei faktischer Betrachtung gleichen Rechtswirkungen942. bb) D  ifferente Entstehungsmodi: Realer Erlass versus irreale normative Umgestaltung Neben den eher offensichtlichen Unterschieden in der formalen Natur beider Rechtsfiguren treten des Weiteren ganz entscheidende Disparitäten bei entstehungsprozessorientierter Betrachtung zutage: Legt man das Augenmerk demgemäß auf die vor Inkrafttreten der jeweiligen Rechtswirkungen gelagerten Abläufe, so wird unmittelbar deutlich, dass insbesondere der Modus des Entstehens des jeweils die Rechtswirkungen effektuierenden Endprodukts gänzlich verschiedenen Prämissen unterliegt. Fiktive Verwaltungsakte einerseits liefern von vornherein nur wenige Implikationen hinsichtlich etwaiger Spezifika ihres Entstehungshergangs. Dies rührt wiederum vom irrealen Charakter fiktiver Verwaltungsakte her, wo kraft gesetzlicher Fiktionsregelung beim Vorliegen der bestimmten Fiktionsvoraussetzungen eine tatsächliche Sachlage, die eigentlich keinem Verwaltungsakterlass entspricht, schlicht den Wirkungen eines tatsächlich erlassenen Verwaltungsakts gleichgestellt wird. Auf einen Entstehungsprozess im Sinne eines konkreten Verwaltungsverfahrens, wie es für den tatsächlichen Erlass eines Verwaltungsaktes ablaufen müsste, wird dementsprechend vollständig verzichtet943, weshalb fiktiven Verwaltungsakten damit auch von vornherein 942  Hierzu 943  Vgl.

bereits eingehend § 4 B. III. 2. a) aa) und ee). bereits § 4 B. III. 1. a) aa).

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§ 4 Rechtsnatur und Abgrenzung nach dem BestVerfModG

weder besondere Anforderungen eines Entstehungsprozesses der fiktiven Regelung noch eine verfahrensrechtliche Funktion innewohnen. Auch in dieser Hinsicht stehen vollautomatisiert erlassene Verwaltungsakte als real ergehende Behördenmaßnahmen in einem deutlichen Kontrast zu ihren fingierten Pendants. Wie in den obigen Kapiteln herausgearbeitet wurde, besteht das maßgeblichste begriffliche Charakteristikum vollständig automatisiert erlassener Verwaltungsakte in der Modifikation der Entstehung des Verwaltungsaktes auf der Ebene des behördlichen Willensbildungsvorgangs. Damit begrifflich von einem vollständig automatisiert erlassenen Verwaltungsakt gesprochen werden kann, muss demnach neben dem eigentlichen Rechtsanwendungs- und Bescheidformulierungsvorgang auch das diesem vorgelagerte Verfahren (insbesondere die Vorgänge der Sachverhaltsermittlung und der Anhörung) ohne menschliche Mitwirkung geschehen.944 Das identifizierte und die neue Rechtskategorie des vollautomatisierten Verwaltungsakterlasses prägende Fehlen einer menschlichen Bearbeitung während des konkreten Verwaltungsverfahrens dispensiert sodann allerdings nicht davon, dass überhaupt eine ordnungsmäßige Sachverhaltsermittlung, ggfls. eine notwendige Anhörung sowie anschließend eine ordnungsgemäße Subsumtion und Bescheidformulierung stattfinden. Das ordnungsgemäße Ablaufen dieser Prozesse stellt vielmehr unverändert ein zwingendes Erfordernis für den rechtmäßigen und tatsächlich erfolgenden Erlass eines entsprechenden Verwaltungsaktes dar. Anders ist lediglich, dass sämtliche der genannten Prozesse nicht mehr durch menschliche Arbeit, sondern automatisiert durch automatische Einrichtungen abgewickelt werden. In diesem Sinne wird beim vollautomatisierten Erlass eines Verwaltungsakts zwar richtigerweise vollständig auf die menschliche Mitwirkung im (mit Ausnahme der Bekanntgabe945) gesamten Verwaltungsverfahren verzichtet, nicht aber auf das Verwaltungsverfahren an sich946, wie es bei fiktiven Verwaltungsakten zu beobachten ist. Eine strukturelle Unbedeutsamkeit des ablaufenden Verwaltungsverfahrens kann demnach für den vollautomatisiert erlassenen Verwaltungsakt in keiner Weise attestiert werden. In Gegenüberstellung zu in herkömmlichen (personell geprägten) Verfahren erlassenen Verwaltungsakten findet insoweit lediglich eine Änderung der Abwicklungsmodalitäten von der menschlichen Bearbeitung hin zur automatisierten Bearbeitung statt. Bei fingierten Verwaltungsakten in den referenziell dargestellten Fällen ist im Vergleich nur die Stellung eines hinreichend bestimmten Antrags bzw. die Einreichung einer 944  Siehe § 3 C. II. 2. Die Verkörperungsformen der Entscheidung, Anforderungen an die Entscheidungsbekanntgabe oder Eigenarten des die technischen Bearbeitungsvorgänge auslösenden Impulses spielen nach der hier vertretenen Auffassung für die neu hinzugewonnene Kategorie dagegen keine Rolle, siehe § 3 C. II. 3. und 4. 945  Siehe § 3 C. II. 3., insbes. c) und d). 946  Vgl. U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35a, Rn. 29.



B. Abgrenzungen zu weiteren besonderen Ausprägungsformen241

Selbstberechnungssteuererklärung seitens des Bürgers erforderlich; zu einer tatsächlichen Sachverhaltsermittlung und Rechtsprüfung muss es dagegen nicht kommen. Im steuerverfahrensrechtlichen Kontext kann in der Konsequenz die „ausschließlich automationsgestützt“ erfolgende Steuerfestsetzung daher angesichts des tatsächlichen Erlasses eines Steuerbescheides und des im Hintergrund tatsächlich – wenn auch automatisiert und ohne menschliche Intervention – ablaufenden Verwaltungsverfahrens nicht (wie dies bei der Steueranmeldung gem. §§ 150 Abs. 1 S. 3, 167, 168 AO der Fall ist) als Selbstveranlagung in „Reinform“ bzw. echter Akt der Selbstveranlagung947, sondern allenfalls als faktische Selbstveranlagung bezeichnet werden.948 Zusammenfassend lässt sich sagen, dass bei aller Vergleichbarkeit und ggfls. sogar Austauschbarkeit der faktischen Rechtswirkungen bei reiner Ergebnisbetrachtung umso deutlichere Diskrepanzen in den Entstehungsmodi der jeweils platzgreifenden Rechtswirkungen bestehen. Anders als dies auf den ersten Blick zu vermuten wäre, sprechen diese Diskrepanzen sodann aber nicht gegen, sondern umso mehr für eine Übertragbarkeit gewisser Argumentationsmuster, zumal mit fiktiven Verwaltungsakten, die auf die ­ Durchführung eines Verwaltungsverfahrens praktisch völlig verzichten, eine hinsichtlich des Fehlens menschlicher Intervention auf dem Weg zum Zustandekommen einer Rechtswirkung noch intensivere und bisher rechtlich im Wesentlichen als unbedenklich verstandene Kategorie besteht. Jedenfalls soweit eine unter dem Gesetzmäßigkeitsprinzip zu verwirklichende objektive Richtigkeitskontrolle außenrechtswirksamer Rechtskonstrukte in Rede steht, erweisen sich fingierte Verwaltungsakte demnach aus der Perspektive verfassungsrechtlicher Bedenken gegen Verwaltungsentscheidungen, die nicht auf einem konkreten und aktuell gebildeten menschlichen Willen beruhen, als die problematischere Gattung, woraus zweifellos gewisse Indikationen zugunsten der Zulässigkeit vollautomatisiert erlassener Verwaltungsakte an sich wie auch ein gewisses Maß an Zurückhaltung hinsichtlich der an diese Kategorie anzulegenden Anforderungen abgeleitet werden können.949 Aus der Warte einer subjektiv-öffentlichen Rechtsbetroffenheit mag sich diesbezüglich freilich zunächst eine andere Bewertung andeuten: Während Verwal947  Seer, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 168 AO, Rz. 1; § 155 AO, Rz. 44 sowie § 4 B. III. 1. b). 948  Vgl. Münch, DStR 2013, 212 (213). 949  Vgl. zu Recht den Gedanken bei U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35a, Rn. 29. Aus Sicht Dritter kann die objektive Sachrichtigkeit der Verwaltungsentscheidung dagegen lediglich über die (nur in engen Ausnahmekonstellationen zu konkreten Ansprüchen erstarkende) Schutzpflichtendimension der Grundrechte in Stellung gebracht werden. Angesichts der prinzipiellen Gleichordnung objektiv- und subjektiv-verfassungsrechtlicher Gehalte lässt dies die vorliegende Wertung allerdings unberührt.

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§ 4 Rechtsnatur und Abgrenzung nach dem BestVerfModG

tungsaktfiktionen inhaltlich nämlich stets vom Erklärungsverhalten des Betroffenen determiniert werden und damit letztlich auf dessen Willensbetätigung basieren, könnten auf eine (technisch vermittelte) Willensbetätigung der Behörde zurückgehende (automatisierte) Verfügungen insoweit spürbarere Belastungen zeitigen, als es sich bei diesen nicht um „antrags- oder erklärungsgemäße“ Begünstigungen oder Belastungen handelt. Richtigerweise muss hierbei allerdings beachtet werden, dass sich dahingehende Unterschiede im Grad der inhaltlichen Abhängigkeit von betroffenenseitigen Mitwirkungen bei fingierten Verfügungen nicht selten unter dem Gesichtspunkt einer nachträglichen Anpassbarkeit relativieren werden und damit letztlich keinen Ausschlag geben. So unterliegen insbesondere (belastende) Steueranmeldungen, die gem. § 168 S. 1 AO als Steuerfestsetzungen unter Nachprüfungsvorbehalt gelten, einer (im Rahmen der Festsetzungsfrist des § 169 AO) jederzeitigen Änderungsmöglichkeit (§ 164 Abs. 2 S. 1 AO)950, so dass eine letztgültige Maßgeblichkeit betroffenenseitig gemachter Angaben – wertungsmäßig vergleichbar mit automatisiert erlassenen Verwaltungsakten, die nicht oder nicht ausschließlich auf Angaben des Betroffenen zurückgehen – ohnehin nicht erwartet werden kann. Im Übrigen erscheint es auch fraglich, ob dahingehende Abweichungen in der subjektiven Wahrnehmung einer objektiv gleichen Belastung überhaupt als so konkret und ausreichend quantifizierbar angesehen weden können, um diese insoweit als Kriterium in Ansatz zu bringen. cc) Ausnahmecharakter von Verwaltungsaktfiktionen? Ein weiterer erkenntnisreicher Unterschied könnte in dem Umstand erblickt werden, dass fingierten Verwaltungsakte nicht selten ein Ausnahmecharakter zugesprochen wird. Insbesondere Genehmigungsfiktionen unter dem allgemeinen Regelungsmodell des § 42a VwVfG werden – trotz unionsrechtlicher Determinierung und der inzwischen nicht unerheblichen Anzahl an entsprechenden Fiktionsregelungen951 – größtenteils als Ausnahmen verstanden.952 Der Eintritt einer Fiktion, eine bestimmte Behördenentscheidung gelte als ergangen, wenn innerhalb einer bestimmten Frist nicht entschieden wurde oder ein sonstiger gesetzlich festgelegter Umstand eintritt, ist in die950  Seer, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 168 AO, Rz. 8; Rosenke, in: BeckOK AO, § 168, Rn. 61 f. Im Falle einer Abweichung der Festsetzung von der angemeldeten Steuer ist gem. § 167 Abs. 1 S. 1 AO eine solche sogar erforderlich, vgl. auch Rosenke, in: BeckOK AO, § 168, Rn. 45 ff. 951  Vgl. die (nicht abschließende) Aufzählung bei Knauff, VerwArch 109 (2018), 480 (484 f.) sowie bereits § 4 C. III. 1. a). 952  Vgl. Knauff, VerwArch 109 (2018), 480 (484 f., 486); Ernst/Pinkl, Jura 2013, 685.



B. Abgrenzungen zu weiteren besonderen Ausprägungsformen243

sem Sinne grundsätzlich nicht dazu bestimmt, als allgemeiner und planmäßiger Mechanismus den Vollzug der zugrundeliegenden Rechtsbestimmungen in der jeweiligen fiktionsunterworfenen Sachmaterie zu gewährleisten, zumal es auf eine vorherige Prüfung der materiell-rechtlichen Voraussetzungen der in Rede stehenden Rechtsfolge für den Fiktionseintritt gar nicht ankommt, die Fiktion also zur Sicherstellung des materiell-rechtlich rechtmäßigen Gesetzesvollzugs strukturell ungeeignet ist.953 Vielmehr dient sie nur der Sicherstellung der Einhaltung gewisser Maximalfristen, in denen der Bürger mit einer Entscheidung rechnen darf, im Kern also der Verfahrensbeschleunigung.954 In der weitaus größeren Anzahl der gleichzeitig an Fiktionsregelungen gekoppelten Konstellationen werden dagegen in herkömmlicher Weise per positiver oder negativer behördlicher Entscheidung Rechtsfolgen gesetzt; der Eintritt der Genehmigungsfiktion bleibt hier im Regelfall gerade aus.955 Für vollautomatisiert erlassene Bescheide kann ein dahingehender Ausnahmecharakter jedenfalls bezogen auf einzelne Sachverhalte dagegen keine Geltung beanspruchen. Zwar wird sicherlich ohne Umschweife – insbesondere ohne eingehendere Prüfung an dieser Stelle – zuzugeben sein, dass sich nicht jedwedes Verwaltungsverfahren als für eine Abwicklung in vollautomatisierten Verfahren geeignet erweist, sei dies wegen einer hohen Komplexität oder schlechten Standardisier- bzw. Antizipierbarkeit der Sachmaterie, zahlreichen und tendenziell weiten, wertungsoffenen Begriffen, bestehenden administrativen Spielräumen oder in besonderem Maße vom Einzelfall und den tatsächlichen Gegebenheiten abhängenden Rechtsgebieten956. Hinsichtlich der übergeordneten Rechtsmaterien, die sich für die Implementierung vollautomatisierter Verfahren besonders eignen, bestehen insofern also durchaus stärker und weniger stark ausgeprägte Prädestinierungen bestimmter Sachgebiete, die es bei der Entscheidung über den Einsatz vollautomatisierter Verwaltungsverfahren zu beachten gilt. Diese nicht von der Hand zu weisenden und zwingenden Einschränkungen hinsichtlich der potentiellen Anwendungsbereiche vollautomatisierter Verfahren erstarken sodann allerdings nicht zu einem Ausnahmecharakter vollautomatisierter Verwaltungsentscheidungen in Rechtsmaterien, in denen ein positives Verdikt über die Einführung automatisierter Verfahren gefällt werden kann. In Sachmaterien, die für eine vollautomatische Bearbeitung geöffnet wurden, soll die vollautomatisierte Ver­ bescheidung vielmehr gerade zum Regelfall der Bearbeitung aufrücken; die 953  Ähnlich insoweit Guckelberger, Öffentliche Verwaltung, Rn. 82, nach der eine Genehmigungsfiktion aus diesem Grund immer nur die „zweitbeste Lösung“ darstellen könne. 954  Vgl. § 4 B. III. 2. a) cc). 955  Vgl. Knauff, VerwArch 109 (2018), 480 (485). 956  Genannt sei etwa das Gefahrenabwehrrecht; vgl. zu Kriterien möglicher Anwendungsbereiche zudem § 5 A. I. 1. a) aa) und § 6 B. IV.

244

§ 4 Rechtsnatur und Abgrenzung nach dem BestVerfModG

(durch Aussteuerungen initiierte) manuelle Abwicklung einzelner Verwaltungsverfahren tritt dagegen als Ausnahme in den Hintergrund. Ein Ausnahmecharakter kommt der vollautomatisierten Verbescheidung im konkreten Einzelfall damit ganz und gar nicht zu. Ein solcher wäre letztlich auch widersinnig und kontraproduktiv, da es in vollautomatisierten Verfahren angesichts des großen vorgelagerten Implementierungsaufwands gerade auf ein hohes Maß an Standardisierung der rechtlichen Voraussetzungen ankommt, die ausschließlich in der Breite der abgedeckten Verfahren unter Ausnutzung verfahrensbezogener Skaleneffekten zu einer Steigerung der Verwaltungseffizienz führt. Andererseits bestehen auch Beispiele fiktiver Verwaltungsakte, auf die das Attribut der Ausnahmeregelung bezogen auf die jeweiligen Einzelfälle ebenfalls nicht passt. Allen voran bei der vorliegend ins Auge gefassten Steueranmeldung als belastende Variante fiktiver Verwaltungsakte wird für bestimmte klar abgegrenzte (übergeordnete) Regelungsbereiche eine Steueranmeldung mit den damit verbundenen Fiktionswirkungen als reguläres Instrument mit dem grundsätzlichen Ziel der Abschlussfunktion und Endgültigkeit der Festsetzung der Steuerschuld implementiert. Nur in festgelegten Fällen (§ 167 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 AO) kommt es zu einer nachträglichen Abänderung der fingierten Steuerfestsetzung.957 Zudem können selbst bei Genehmigungsfik­ tionen Einschränkungen gemacht werden: Insbesondere steht es der Verwaltung trotz eines vom Gesetzgeber wohl zugrunde gelegten Ausnahmecharakters offen, die Fiktionsregelung auch bewusst, auf planmäßiger Basis zu nutzen, um beispielsweise in den Augen der Verwaltung unproblematische Genehmigungen nicht tatsächlich erteilen zu müssen958. Sowohl die Steueranmeldung als auch das planmäßige Ausnutzen von Genehmigungsfiktionen zeigt, dass sich regelungstechnische Gestaltungen, die Verwaltungsaktfiktionen umfassen, durchaus auch als regel- und planmäßige Ersatzform für herkömmliche, händisch abgewickelte Verfahren in Betracht kommen. Aufs Ganze gesehen lässt sich somit ein Ausnahmecharakter nicht unbedingt als allgemeines und spezifisches Charakteristikum fiktiver Verwaltungsakte festhalten, das in der Folge Einschränkungen in der Übertragbarkeit bestimmter Argumentationsmuster auf die rechtliche Zulässigkeit vollautomatisiert erlassener Verwaltungsakte nach sich zöge.

957  Vgl. 958  Vgl.

ee).

bereits § 4 B. III. 1. b). Vgl. Caspar, AöR 125 (2000), 131 (132) sowie bereits § 4 B. III. 2. a)



B. Abgrenzungen zu weiteren besonderen Ausprägungsformen245

dd) Minus an vorgerichtlicher Rechtmäßigkeitskontrolle? Auf den ersten Blick könnte schließlich der Eindruck einer Gemeinsamkeit im Zusammenhang mit dem Einwand einer nur eingeschränkten vorgericht­ lichen Rechtmäßigkeitskontrolle bei beiden Rechtsfiguren entstehen. Während der Vorwurf eines solchen Minus an vorgerichtlicher Rechtmäßigkeitskontrolle im Kontext fiktiver Verwaltungsakte und deren völligen Verzichts auf eine behördliche Einzelfallentscheidung durch das fiktionsanordnende Gesetz noch berechtigt erscheint und zum Teil auch so ausdrücklich geäußert wird959, im Ergebnis aber selbst dort keinen tiefgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet, insbesondere nicht als Verstoß gegen die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung angesehen wird960, lässt sich dieser Gedankengang indes nicht ohne Einschränkungen auf vollautomatisiert erlassene Verwaltungsakte übertragen. Denn trotz der für die (voll-)automatisierte Bearbeitung notwendigen Standardisierungen, veränderten Möglichkeiten der Sachverhaltsermittlung und den damit zusammenhängenden Fehlerpotenzialen, liegt dem vollautomatisierten Erlass eines Verwaltungsaktes – wie oben dargelegt – ein gänzlich divergierendes Entstehungsprinzip zugrunde.961 Anders als bei fiktiven Verwaltungsakten, die tatsächlich keinerlei vorhergehende Prüfung voraussetzen, ein Minus an Rechtmäßigkeitskontrolle also durchaus zunächst im Raume steht, ist einem vollautomatisiert erlassenen Verwaltungsakt die Durchführung eines tatsächlichen Verwaltungsverfahrens vorangegangen, in dem die Einhaltung sämtlicher verfahrensbezogenen und materiell-rechtlichen Voraussetzungen strukturell vorgesehen ist. Die Besonderheit liegt lediglich darin, dass es anstatt einer menschlichen zu einer automatisierten Bearbeitung und Prüfung der jeweiligen Voraussetzungen in Form eines algorithmischen Abgleichs kommt und dass die einzuhaltenden Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen (also sowohl die verfahrensbezogenen Anforderungen als auch die materiell-rechtlichen Tatbestandsvoraussetzungen) vor Inbetriebnahme der automatischen Einrichtung in abstrahierter Form in dem Bearbeitungssystem durch entsprechende Programmierung abgebildet werden müssen. Eine vorgerichtliche Rechtmäßigkeitskontrolle des zu erlassenden Bescheids findet damit grundsätzlich sehr wohl statt. Sie erfolgt lediglich in anderer (aber zunächst qualitativ gleichwertiger) Weise als bisher in herkömmlichen Verfahren. Ein dahingehendes Minus an Kontrolle wäre lediglich dann anzunehmen, wenn die automatisierte Prüfung der Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen per se 959  Vgl.

Jachmann, Die Fiktion im öffentlichen Recht, S. 398 ff. den verfassungsrechtlichen Grenzen von Verwaltungsaktfiktionen § 4 B. III. 1. a) cc) und b). 961  Siehe § 4 B. III. 2. b) bb). 960  Zu

246

§ 4 Rechtsnatur und Abgrenzung nach dem BestVerfModG

als ein Weniger gegenüber ihrer händischen Prüfung angesehen würde. Eine derartige pauschale und strukturelle Abwertung der Güte, Validität und Verlässlichkeit einer automatisierten Prüfung im Sinne eines „Weniger“ an Prüfungsintensität und -qualität verbietet sich in rechtlicher Hinsicht allerdings bereits vor dem Hintergrund, dass es im Rahmen der automatisierten Arbeitsprozesse – bei aus rechtlicher Sicht zu unterstellender, richtiger Ausgestaltung – zu einer Prüfung sämtlicher im System ordnungsgemäß abgebildeter Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen ebenso wie zu einer hinreichenden Sachverhaltsermittlung inklusive der Einhaltung der übrigen Verfahrensanforderungen kommt.962 Für verbleibende Restrisiken werden in Form von Risikomanagementsystemen geeignete Vorkehrungen getroffen, die eine hinreichende Entdeckungswahrscheinlichkeit etwaig (fort-)bestehender Fehlerpotenziale gewährleisten.963 Darüber hinaus geht auch das BestVerfModG von einer unter rechtlichen Gesichtspunkten strukturellen Gleichstellung der (voll-)automatisierten und der händischen Erstellung eines Verwaltungsaktes aus.964 In einzelnen Fällen automatisierter Verfahren ggfls. auftretende automationsspezifische Mängel vermögen dabei an der vom Gesetzgeber zum Ausdruck gebrachten strukturell-rechtlichen Gleichstellung automatisierter und händischer Verwaltungsverfahren sowie der jeweils angelegten Prüfungsintensität und -qualität nichts zu ändern.965 Der Vorwurf eines Minus an vorgerichtlicher Rechtmäßigkeitskontrolle geht damit für vollautomatisiert erlassene Verwaltungsakte fehl. Eine solche bildet sehr wohl einen zwingenden Bestandteil des automatisierten Verwaltungsakterlasses, dem ein vollautomatisiert abgewickeltes Verwaltungsverfahren vorangeht, das lediglich in seiner Art und Weise vom herkömmlichen, personell geprägten Verwaltungsverfahren abweicht. Ein qualitatives Weniger im Vergleich zum manuellen Verwaltungsakterlass ist darin nicht per se zu erblicken.966 Insgesamt stellt ein strukturell abgesenkter formell- und materiell-rechtlicher Rechtmäßigkeitsmaßstab damit keine Gemeinsamkeit beider Rechtsfiguren, sondern ein Spezifikum (nur) fiktiver Verwaltungsakte dar.

962  So

zu Recht BT-Drs. 18/7457, S. 48. BT-Drs. 18/7457, S. 48. 964  Vgl. insbes. BT-Drs. 18/7457, S. 48 f., wo die vollautomatisierte Steuerfestsetzung als „zweites gesetzlich geregeltes Leitbild der Steuerfestsetzung“ verstanden wird, das „keinen Qualitätsverlust“ gegenüber der herkömmlichen persönlichen Prüfung bedeute. 965  Vgl. auch Rosenke, in: BeckOK AO, § 155, Rn. 212. 966  Ausdrücklich BT-Drs. 18/7457, S. 48; ebenso Rosenke, in: BeckOK AO, § 155, Rn. 212. 963  Vgl.



B. Abgrenzungen zu weiteren besonderen Ausprägungsformen247

c) Zusammenfassende Analyse und Schlussfolgerung Der analytische Abgleich zwischen vollautomatisiert erlassenen und fiktiven Verwaltungsakten förderte zum einen Gemeinsamkeiten beider Rechtsinstitute zutage, die sich zuvörderst in den jeweils faktischen Rechtswirkungen sowie dem Fehlen menschlicher behördenseitiger Mitwirkung bei Erzeugung letzterer zeigten. Auch hinsichtlich der teleologischen Hintergründe beider Kategorien und ihrer jeweils engeren Abhängigkeit zu Mitwirkungsakten des Bürgers wurden Parallelen erkennbar. Eine grundsätzliche Übertragbarkeit bestimmter Wertungen auf Fragen der Zulässigkeit und Modalitäten vollautomatisiert erlassener Verwaltungsakte erschien dabei nicht nur ausgehend von den individuellen Implikationen der aufgezeigten Gemeinsamkeiten denkbar, sondern entstammt vor allem dem Umstand, dass sich die gemeinsamen Schnittbereiche in ihrer Gesamtheit zu einer praktischen Austauschbarkeit sowie regelungstechnischen Konkurrenz beider Rechtsfiguren verdichten können. Zum anderen liegen dennoch voneinander unabhängige Rechtskategorien vor, die substanzielle Unterschiede aufweisen. Die maßgeblichsten Differenzen offenbaren sich dabei unter Anlegung eines formalistischen und entstehungsprozessorientierten Blickwinkels, unter welchem vollautomatisiert erlassene Verwaltungsakte als tatsächlich ergangene, also in einem realen (wenn auch nicht menschlich durchgeführten) Entscheidungsprozess zustande kommende Verwaltungsentscheidungen zu qualifizieren sind, während Verwaltungsaktfiktionen allein auf einer irrealen normativen Umgestaltung durch einen gesetzlichen Fiktionstatbestand fußen. Verbunden mit den konzeptionell divergierenden Entstehungsmodi kommt die Zuschreibung eines strukturellen Minus an vorgerichtlicher Rechtmäßigkeitskontrolle lediglich für die Kategorie fiktiver Verwaltungsakte in Betracht. Ein Ausnahmecharakter der Verwaltungsaktfiktion konnte dagegen nicht als erkenntnisreicher Unterschied zu vollautomatisiert erlassenen Verwaltungsakten fruchtbar gemacht werden. In der Gesamtschau lassen sich aus der Gegenüberstellung der beiden Rechtsfiguren verschiedene Überlegungen in Bezug auf die Kategorie vollautomatisiert erlassener Verwaltungsakte ableiten. Nicht nur kann die Existenz fiktiver Verwaltungsakte an sich bereits als Indikator für die Zulässigkeit vollständig automatisierter Erzeugungsvarianten von Verwaltungsakten aufgefasst werden.967 Vielmehr kennt das geltende Gesetzesrecht mit Verwaltungsaktfiktionen bereits seit geraumer Zeit ein regulatorisches Instrument, das vorwiegend aus Gründen der Verwaltungsbeschleunigung bewusst auf die Durchführung eines Verwaltungsverfahrens verzichtet, eine behörden­ 967  Vgl. auch Schmitz/Prell, NVwZ 2016, 1273 ff.; Berger, DVBl. 2017, 804 (808 in Fn. 37); Stegmüller, NVwZ 2018, 353 (354); Heintzen, DÖV 2015, 780 (784).

248

§ 4 Rechtsnatur und Abgrenzung nach dem BestVerfModG

seitige Prüfung der materiell-rechtlichen Anforderungen nicht notwendig bedingt und dabei gleichermaßen verbindliche, einem tatsächlichem Verwaltungsakerlass gleichstehende Rechtswirkungen erzeugt, deren materieller Zuschnitt maßgeblich von Inhalten bürgerseitiger Mitwirkungsakte (Anträge, Erklärungen) determiniert wird. In ihrer dahingehenden Gestalt als QuasiErsatzform realer Verwaltungsentscheidungen bleiben Verwaltungsaktfiktionen sodann keineswegs auf eine Nischen- oder Ausnahmefunktion beschränkt, sondern lassen sich in einem gewissen Rahmen auch als planmäßiges Gestaltungsmittel dienstbar machen, das als Regelfall in der Mehrzahl der Sachverhalte die letztlich abschließende Entscheidung effektuiert. Jedenfalls aus Sicht verfahrensrechtlicher Gewährleistungen sowie einer unter dem Gesetzmäßigkeitsprinzip zu verwirklichenden objektiven Richtigkeitskontrolle außenrechtswirksamer Rechtskonstrukte erscheinen fingierte Verwaltungsakte demnach als die verfassungsrechtlich problemträchtigere Rechtsfigur im Vergleich zur vollautomatisierten Erzeugung eines Verwaltungsaktes968, welche trotz im Grundsatz fehlender menschlicher Beteiligung dennoch auf ein (obgleich automatisiert abgewickeltes) tatsächliches Verwaltungsverfahren zurückgeht, in dem – bei zu unterstellender richtiger Ausgestaltung – sämt­ liche verfahrensbezogenen und materiell-rechtlichen Voraussetzungen durch eine entsprechende Programmierung abgebildet, geprüft sowie deren Einhaltung und Richtigkeit durch technische und manuelle Vorkehrungen abge­ sichert werden. Ein gewisses Maß an Zurückhaltung hinsichtlich der an vollautomatisiert erlassene Verwaltungsakte anzulegenden (verfassungs- und verfahrensrechtlichen) Anforderungen lässt sich vor diesem Hintergrund durchaus ableiten969, zumal selbst komplexere, nicht vollends konditional determinierte Entscheidungslagen einer Substitution mittels Fiktionsanordnung zugänglich sind. Ausgehend von der inhaltlichen Determinierung fingierter Verwaltungsakte und deren Rückführbarkeit jeweils auf eine betroffenenseitige Willensbetätigung vermag die Perspektive einer subjektiv-öffent­ lichen Rechtsbetroffenheit hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Brisanz zwar zunächst in eine andere Richtung zu weisen, wo insbesondere der vollständig automatisierte Erlass von nicht „antrags- oder erklärungsgemäßen“ Begünstigungen oder Belastungen als weniger akzeptierte und insoweit „spürbarere“ Beschwer empfunden werden kann. Eine Relativierung der hier 968  Vgl. hierzu auch Heintzen, DÖV 2015, 780 (784), der Verwaltungsaktfiktionen eine gegenüber automatisierten Verwaltungsakten sogar noch gesteigerte Entpersonalisierung attestiert. 969  Vgl. zu Recht den Gedanken bei U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35a, Rn. 29, der in Fällen, in welchen unter rechtsstaatlichen und demokratischen Gesichtspunkten die Anordnung einer Genehmigungsfiktion als möglich erachtet wird, jedenfalls auch die verfassungsrechtliche Zulässigkeit vollautomatisierter Verwaltungsverfahren annimmt.



C. Zusammenfassung der Ergebnisse249

vorgeschlagenen (zumindest prinzipiellen) Orientierung an den Postulaten der bisher verfügbaren Rechtsfigur der Verwaltungsaktfiktion ist damit allerdings nicht zwingend verbunden, zumal Aspekte subjektiver Rechtsbetroffenheit einerseits ohnehin nur einen Teilausschnitt der (objektiv wie subjektiv) verfassungsrechtlichen Anforderungsmatrix an beide Rechtskategorien abbilden und sich zum anderen dahingehende Divergenzen in der „Spürbarkeit“ einer fingierten hoheitlichen Verfügung vor dem Hintergrund nachträglicher Anpassungsmöglichkeiten praktisch betrachtet regelmäßig verflüchtigen, sofern diese überhaupt als ausreichend konkrete und quantifizierbare Größe argumentativ in Ansatz gebracht werden können.

C. Zusammenfassung der Ergebnisse Nachdem in § 3 eine begriffliche Konturierung im Zentrum der Betrachtung stand, wurde im hiesigen Kapitel die Rechtsnatur vollautomatisiert erlassener Verwaltungsakte nach den §§ 35a VwVfG, 31a SGB X und 155 Abs. 4 AO und deren gesamtsystematische Einbettung in Abgrenzung zu anderen „besonderen“ Ausprägungsformen von Verwaltungsakten genauer untersucht. Als erste Erkenntnis war dabei festzustellen, dass vollständig automatisiert erlassene Verwaltungsakte i.  S. d. BestVerfModG als Verwaltungsakte im Sinne der Rechtsformenlehre zu qualifizieren sind. Dies resultiert nicht nur aus den entsprechenden gesetzgeberischen Festlegungen, die in den §§ 35a VwVfG, 31a SGB X und 155 Abs. 4 AO getroffen wurden, sondern ließ sich unmittelbar auf die Anwendung der allgemeinen Handlungsformdefinitionen der Verfahrensordnungen zurückführen, wonach vollständig automatisiert erlassene Verwaltungsakte ebenfalls als einseitig-hoheitliche und konkret-individuelle Maßnahmen mit Regelungscharakter und Außenwirkung einzuordnen sind. Auf das Vorliegen einer aktuellen und im konkreten Verfahren bestehenden menschlichen Willensbetätigung ist dabei für das Merkmal der Maßnahme zu verzichten. Stattdessen muss der Fokus auf der Zurechenbarkeit der Verwaltungsentscheidung zu der entscheidungsveranlassenden Behörde gelegt werden, die letztlich auch den inneren Sinn des Erfordernisses einer menschlichen Willensbetätigung bildete. Diese Zurechenbarkeit kann dabei durch Anknüpfung an den konkreten Verwaltungsverfahren vorge­ lagerte Vorbereitungshandlungen, beispielsweise die Programmierung, Anschaffung oder Zurverfügungstellung der entsprechenden EDV-Anlagen, hergestellt werden. Zur dogmatischen Einbettung und Fundierung dieses Ergebnisses kann sodann umfassend auf die zivilrechtlichen Grundsätze über sog. Computererklärungen, also Willenserklärungen, die ganz oder teilweise durch autonom arbeitende Systeme erstellt werden, zurückgegriffen werden, die hinsichtlich ihres Entstehungsprozesses deutliche Parallelen zu vollauto-

250

§ 4 Rechtsnatur und Abgrenzung nach dem BestVerfModG

matisiert erlassenen Verwaltungsakten aufweisen. Eine solche Vorgehensweise unterstreicht dabei gleichzeitig den vielfach beschworenen Charakter des Verwaltungsakts als öffentlich-rechtliche Willenserklärung (auch im Bereich ohne menschlicher Mitwirkung zustande gekommener Entscheidungen) und reiht sich in die auch in der bisherigen rechtlichen Handhabung des Verwaltungsakts ausgiebig praktizierte Herausstellung und Bemühung zivilrechtlicher Parallelen970 ein. Die gesetzlichen Festlegungen der §§ 35a VwVfG, 31a SGB X und 155 Abs. 4 AO entfalten infolgedessen nach hier vertretener Ansicht lediglich deklaratorische Wirkung.971 Im systematischen Abgleich mit anderen Ausprägungsformen von Verwaltungsakten ergab sich darüber hinaus, dass der vollständig automatisiert erlassene Verwaltungsakt eine neue, für sich stehende und grundsätzlich isoliert zu betrachtende Kategorie des Verwaltungsakterlasses begründet, die sich durch besondere, vom herkömmlichen Erlass abweichende Modalitäten der Entscheidungsentstehung, namentlich die grundsätzliche Absenz menschlicher Mitwirkung kennzeichnet. Zu den Formen der Verkörperung und Übermittlung der Entscheidung bestehen dabei indessen keinerlei Abhängigkeiten. Die Kategorie des (qualifiziert) elektronischen und elektronisch übermittelten Verwaltungsakts erweist sich damit in Abgrenzung zu vollautomatisiert erlassenen Verwaltungsakten als systematisch grundsätzlich indifferente, aber praktisch kombinierbare (und so gewisse Synergien hervorbringende) Kategorie.972 Im Verhältnis zu den seit den kodifizierten Urfassungen der Verfahrensordnungen vorzufindenden „mit Hilfe automatischer Einrichtungen“ erlassenen Verwaltungsakten handelt es sich beim vollautomatisiert erlassenen Verwaltungsakt i. S. d. BestVerfModG nicht um ein wesensverschiedenes Aliud, sondern um einen qualifizierten Unterfall im Sinne eines „Mehr“ zum nur teilautomatisiert erlassenen Verwaltungsakt. Zwischen beiden Spielarten besteht insofern ein Inklusivitätsverhältnis.973 Aufgrund des spätestens im Zuge des BestVerfModG erweiterten Einsatzspektrums „automatischer Einrichtungen“ schien zudem eine definitorische Präzisierung des Begriffs in Form einer erweiternden Klarstellung angezeigt.974 Hinsichtlich solcher Normen, die tatbestandlich auf „mit Hilfe automatischer Einrichtungen“ erlassene Verwaltungsakte zugeschnitten sind, war festzustellen, dass sich aus dem bestehenden Inklusivitätsverhältnis zwar eine unter gesetzessystematischen Gesichtspunkten grundsätzliche Anwend970  Z. B.

BGB.

971  Siehe

Zugang oder Auslegung eines Verwaltungsakts gem. §§ 130, 133, (157)

§ 4 A. § 4 B. 973  Siehe § 4 B. 974  Siehe § 4 B. 972  Siehe

II. 3. und 4. I. 3. II. 3. b). II. 1.



C. Zusammenfassung der Ergebnisse251

barkeit und Interoperabilität im Hinblick auf vollautomatisiert erlassene Verwaltungsakten ergibt, bei eingehenderer Betrachtung die Normen im Einzelnen aber keine substanziellen normativen Steuerungswirkungen für diese neue Rechtskategorie zeitigen.975 Hinsichtlich einer integrativen normativen Anleitung vollautomatisierter Verwaltungsverfahren war daher insoweit ein Fortbestehen eines gesetzgeberischen Steuerungsdefizits zu attestieren, welches sich bereits in der gesetzlichen Entwicklung der Verwaltungsmodernisierung vor Erlass des BestVerfModG abzeichnete.976 Zum Abschluss erfolgte ein systematischer Abgleich mit der Rechtsfigur des fiktiven Verwaltungsakts, der sich von vollautomatisiert erlassenen Verwaltungsakten insbesondere unter formalistischen und entstehungsprozess­ orientierten Gesichtspunkten unterscheidet, im Hinblick (u. a.) auf die jeweils faktischen Rechtswirkungen sowie das Fehlen menschlicher behördenseitiger Mitwirkung bei deren Erzeugung allerdings auch sichtbare Parallelen aufweist und in Zusammenschau der Gemeinsamkeiten und Unterschiede zumindest als Orientierungshilfe hinsichtlich der anzulegenden Strenge ver­ fassungs- und verfahrensrechtlicher Anforderungen an die Rechtskategorie vollautomatisiert erlassener Verwaltungsakte berücksichtigt werden kann.977

975  Siehe

§ 4 B. II. 3. c) dd) (1) und (2). § 4 B. II. 3. c) dd) (3) und zuvor bereits § 2 E. 977  Siehe § 4 B. III. 2. c). 976  Siehe

§ 5 Der vollständig automatisierte Erlass von Verwaltungsakten im Gefüge des Verfassungs-, Unions- und Verfahrensrechts Im Anschluss an die geleisteten Vorarbeiten zur Begrifflichkeit, Rechtsnatur und Abgrenzung vollautomatisiert erlassener Verwaltungsakte ist der Blick nunmehr verstärkt auf die rechtlichen Determinanten dieser Rechtskategorie zu richten. Auf der Ebene des nationalen Verfassungsrechts greift sich die Arbeit hierfür die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, das Demokratieprinzip, die Menschenwürde und den Grundsatz effektiven Rechtsschutzes als bedeutsamste Maßstäbe heraus978 und untersucht diese auf spezifische Vorgaben für den vollautomatisierten Verwaltungsakterlass. Den verfassungsrechtlichen Kernprinzipien kommt dabei als flexibles und von der technischen Entwicklung verhältnismäßig unbeeinflusstes Grundprogramm eine besondere Bedeutung im Hinblick auf rechtliche Anforderungen an algorithmische Entscheidungsfindungen zu.979 Über das Gesetzmäßigkeitsprinzip hinausgehende Anfor­ derungen eines rechtsstaatlichen Verfahrens finden sodann erst im zweiten Teil des Kapitels980 im Kontext konkreter verwaltungsverfahrensrechtlicher Verfahrensgrundsätze eingehendere Beachtung, als verfahrensrechtlich geronnene Manifestationen der Rechtsstaatlichkeit. Gleiches gilt für die Idee des Grundrechtsschutzes durch Verfahren, auf die aus diesem Grund ebenso nicht gesondert eingegangen wird. Eine weitere Einschränkung wird zudem dahingehend vorgenommen, dass im Rahmen der rechtlichen Würdigungen zunächst eine weitgehende Fokussierung auf deterministische Systeme, also Entscheidungsprogramme, die nach abschließend vordefinierten Parametern Entscheidungen fällen981, erfolgt, auch wenn sich gewisse Gedanken wech978  Vgl. Guckelberger, in: FS Herberger, 397 (404 ff., 411 ff.), die hierin ebenfalls die zentralen verfassungsrechtlichen Maßstäbe für die Zulässigkeit vollautomatisierter Verfahren erblickt; vgl. auch Ernst, JZ 2017, 1026; Martini/Nink, DVBl. 2018, 1128 (1134). Insoweit diskutierte grundrechtliche Gehalte des nationalen Verfassungsrechts bleiben – mangels vollständiger unionsrechtlicher Determinierung vollautomatisierter Verwaltungsverfahren – jedenfalls neben den Normen der EU-Grundrechtecharta anwendbar, vgl. BVerfGE 152, 152 (171 ff.). 979  Vgl. Golla, DÖV 2019, 673 (674). 980  Siehe § 5 C. 981  Zur Abgrenzung determinierter und indeterminierter Systeme siehe § 5 B. I.; näher zu den rechtsinformatischen Hintergründen einer Automatisierung der Rechtsan-



A. Verfassungsrechtliche Determinanten253

selseitig übertragen lassen. Spezifische Problematiken im Zusammenhang mit indeterminierten („intelligenten“) (Entscheidungs-)Systemen werden sodann erst unter § 5 B. diskutiert. Im Geiste einer Herausarbeitung allgemeiner Grundsätze nehmen die hiesigen Ausführungen des Weiteren den Ge­ setzesvollzug unabhängig von bestehenden Ermessens- oder Beurteilungsspielräumen in den Blick. Konkrete Möglichkeiten einer vollautomatisierten Ausfüllung exekutivischer Letztentscheidungskompetenzen und deren rechtlichen Anforderungen sollen dagegen erst im folgenden Kapitel geklärt werden.982 In unionsrechtlicher Hinsicht liegt der Schwerpunkt der Betrachtung bei den datenschutzrechtlichen Vorgaben, wobei sich die Untersuchung allerdings auf solche Regelungen der DSG-VO beschränkt, die speziell für automatisierte Entscheidungsfindungen gelten bzw. mit solchen in spezifischem Zusammenhang stehen.983 Das Kapitel schließt mit einem Exkurs zu rechtstheoretischen Fragen der Rechtsanwendung durch Algorithmen.

A. Verfassungsrechtliche Determinanten I. Gesetzmäßigkeit automatisierter Verwaltung Einen ersten und sogleich zentralen verfassungsrechtlichen Maßstab für automatisierte Staatlichkeit in Form vollautomatisiert erlassener Verwaltungsakte bildet der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung gem. Art. 20 Abs. 3  GG984, der als traditionelles Subprinzip allgemeiner Rechtsstaatlichkeit gemeinhin in die Komponenten des Vorrangs und Vorbehalts des Gesetzes aufgegliedert wird985. 1. Vorrang des Gesetzes Der Vorrang des Gesetzes statuiert die Bindung der Verwaltung an das geltende Recht.986 Im Sinne eines Anwendungsgebots und Abweichungsverwendung, die in der vorliegenden Arbeit weitgehend ausgeblendet werden, Herold, Demokratische Legitimation automatisiert erlassener Verwaltungsakte, S. 31 ff. m. w. N. 982  Siehe § 6. 983  Die – mangels vollständiger unionsrechtlicher Determinierung vollautomatisierter Verwaltungsverfahren – grundsätzlich neben dem GG anwendbaren Normen der EU-Grundrechtecharta, vgl. BVerfGE 152, 152 (171 ff.), bleiben aus Platzgründen außer Betracht und dürften im Übrigen inhaltlich kaum substanzielle Abweichungen bedingen. 984  Vgl. etwa Guckelberger, in FS Herberger, 397 (404, 411). 985  Huster/Rux, in: BeckOK GG, Art. 20, Rn. 164, 169, 172; Hölscheidt, JA 2001, 409; Detterbeck, Jura 2002, 235; Degenhart, Staatsorganisationsrecht, Rn. 304. 986  Degenhart, Staatsorganisationsrecht, Rn. 310; Detterbeck, Jura 2002, 235.

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§ 5 Verfassungs-, Unions- und Verfahrensrecht

bots987 trifft die Verwaltung dabei einerseits die Pflicht, diejenigen gesetz­ lichen Regelungen, mittels derer der Gesetzgeber bestimmte Lebens- und Verwaltungsbereiche einer abstrakten Vorzeichnung zuführt, überhaupt auszuführen, diese mithin ihren Maßnahmen zugrunde zu legen.988 Andererseits obliegt der Verwaltung die Gewährleistung einer sachlich richtigen Anwendung jener Gesetzesgrundlagen. Ihr Handeln ist in diesem Sinne auch inhaltlich an den gesetzlich festgeschriebenen Anforderungen auszurichten; Verstöße gegen Gesetz und Recht müssen deshalb allzeit unterlassen werden.989 Da der Gesetzesvorrang unabhängig von den Handlungsformen der Verwaltung gilt990, bindet er Spielarten eines automatisierten Gesetzesvollzugs in gleicher Weise wie herkömmliche Formen administrativer Aufgabenerfüllung991. Das Gesetz bleibt damit unverändert die maßgebliche Determinante des Verwaltungshandelns, unabhängig von dessen menschlicher oder maschineller Ausführung.992 Hieraus ergeben sich wiederum spezifische Anforde987  Gusy, JuS 1983, 189 (191); Ossenbühl, in: HdbStR V, § 101, Rn. 4 ff.; krit. hins. dieser Differenzierung Hölscheidt, JA 2001, 409. 988  Gusy, JuS 1983, 189 (191); Detterbeck, Jura 2002, 235, der insoweit von Handlungspflicht spricht; Degenhart, Staatsorganisationsrecht, Rn. 311. 989  Stern, Staatsrecht, Bd. I, § 20 IV 4 b; Grzeszick, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG, Art. 20 Abs. 3, Rn. 73, 141; Hölscheidt, JA 2001, 409; Gusy, JuS 1983, 189 (191); Detterbeck, Jura 2002, 235; Degenhart, Staatsorganisationsrecht, Rn. 310; vgl. auch BVerfGE 8, 155 (169); 40, 237 (247). 990  Degenhart, Staatsorganisationsrecht, Rn. 310; Huster/Rux, in: BeckOK GG, Art. 20, Rn. 170; vgl. auch Polomski, Der automatisierte Verwaltungsakt, S. 93; für juristische Expertensysteme Tönsmeyer-Uzuner, Expertensysteme in der öffentlichen Verwaltung, S. 112. 991  Vgl. auch Guckelberger, in: FS Herberger, 397 (406). 992  Vgl. Kube, VVDStRL 78 (2019), 289 (316); Bull, DVBl. 2017, 409 (415); eingehend zur Bedeutung des Parlamentsgesetzes im Bereich der Digitalisierung Kube, VVDStRL 78 (2019), 289 (314 ff.). Gemeint ist insoweit das Parlamentsgesetz in sprachlicher Abfassung. Bereits parlamentarisch-gesetzlich erlassene Algorithmen sind dagegen im Einklang mit Kube; Waldhoff, DStJG 42 (2019), 59 (69 f.); Mellinghoff, DStJG 42 (2019), 287 (305 f.) und Guckelberger, DÖV 2020, 797 (807 ff.) zu Recht grundsätzlich abzulehnen (a. A. insoweit Reimer, DStJG 42 (2019), 97 (115 ff.); Kar/Thapa/Hunt/Parycek, Recht digital, S. 5 ff.). Dieses Verdikt erscheint m. E. aber weniger rechtlich indiziert (Kube VVDStRL 78 (2019), 289 (314 f.) führt insoweit vor allem Probleme im Zusammenhang mit dem Demokratieprinzip und der Rechtsstaatlichkeit inkl. des Vertrauensschutzes an, welchen aber wohl begegnet werden könnte), sondern vor allem aus Erwägungen der tatsächlichen Machbarkeit und Zweckmäßigkeit zu folgen: Denn einerseits verfügt wohl die große Mehrzahl der Parlamentarier über keine ausreichenden Programmierkenntnisse, so dass bereits durch die notwendige Hinzuziehung externen Sachverstandes organisatorisch und finanziell ein erheblicher Aufwand entsteht. Zum anderen erweist sich nicht jede Rechtsmaterie als für eine Vollautomatisierung geeignet. Nicht selten offenbart sich diese Eignung abschließend auch erst auf der Ebene des Vollzugs, nicht im parlamentarischen Verfahren und jedenfalls nicht in einer Konkretheit, dass sich bereits



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rungen für den vollautomatisierten Erlass von Verwaltungsakten, welchen im Folgenden nachzuspüren ist. a) Sicherstellung materieller Entscheidungsrichtigkeit Von selbst versteht sich, dass auch vollständig automatisiert erlassene Verwaltungsakte im Einklang mit der Rechtsordnung stehen müssen. Ausgehend von dieser Trivialität bedingt die charakteristische Absenz menschlicher Mitwirkungsbeiträge während der Abwicklung vollautomatisierter Verwaltungsverfahren993 sodann aber die besondere Notwendigkeit, dass diejenigen Rechtsvorschriften, die den zu vollziehenden Rechtsbereichen zugrunde liegen, zunächst in ein die Entscheidungsfindung steuerndes Computerprogramm transponiert werden müssen.994 Da die Rechtmäßigkeit des automa­ tisierten Gesetzesvollzugs folglich in entscheidendem Maße von der Funk­ tionsqualität derjenigen technischen Einrichtungen abhängt, die für die ­Abwicklung der Vorgänge zum Einsatz kommen, sind die spezifischen Anforderungen materieller Entscheidungsrichtigkeit über das Handeln im Einzelfall hinausgehend bereits vorgelagert bei der Einrichtung und Ausgestaltung der Systeme anzulegen995, damit die Legalität der erzeugten und behördenseitig zugerechneten Hoheitsakte zuverlässig sichergestellt werden kann. Den Maßstab der juristischen Beurteilung bildet dabei stets die mate­rielle Funktionalität des Algorithmus, also seine Kriterien und der Inhalt seiner Entscheidungen, nicht aber die Methoden der technischen Umsetzung.996

dort ein expliziter Vollzugsalgorithmus konstruieren ließe. Auch eine gewisse technische Umsetzungsoffenheit und Flexibilität streitet gegen eine parlamentarische Fixierung eines konkreten Vollzugsalgorithmus. Weitere pragmatische und verfassungsrechtliche Kritikpunkte zudem bei Guckelberger, DÖV 2020, 797 (807 ff.) sowie Herold, DÖV 2020, 181 (187 f., 189). 993  Zu charakteristischen Merkmalen des vollständig automatisierten Erlasses von Verwaltungsakten unter dem BestVerfModG eingehend § 3 C. 994  Vgl. Engel, JZ 2014, 1096 (1097); Kotsoglou, JZ 2014, 451 (453  f., 456); Raabe/Wacker/Oberle/Baumann/Funk, Recht ex machina, S. 60, 69 ff.,172 ff.; Buchholtz, JuS 2017, 955 (956); Hoffmann-Riem, AöR 142 (2017), 1 (17); Schmidt, DSRITB 2020, 1033 (1042); zu der damit verbundenen rechtstheoretischen Problematik sodann eingehender § 5 E. 995  Vgl. Degrandi, Die automatisierte Verwaltungsverfügung, S. 90; Polomski, Der automatisierte Verwaltungsakt, S. 94; Tönsmeyer-Uzuner, Expertensysteme in der öffentlichen Verwaltung, S. 112; vgl. auch Kube, VVDStRL 78 (2019), 289 (316); Bull, DVBl. 2017, 409 (415). 996  Vgl. Ernst, JZ 2017, 1026 (1026 f.).

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aa) Vollständige und richtige Abbildung der rechtlichen Grundlagen Als erste und elementarste (Grund-)Voraussetzung rechtmäßiger SystemEntscheidungen emergiert in diesem Zusammenhang die vollständige und richtige Abbildung des geltenden Gesetzesrechts innerhalb des zum Einsatz kommenden Entscheidungssystems.997 Nur wenn die Arbeitsroutinen der eingesetzten automatischen Einrichtungen ihre Entscheidungsfindung auf das Fundament einer vollumfassenden und korrekten Abbildung derjenigen rechtlichen Voraussetzungen und Vorgaben stützen können, die dem in die vollautomatisierte Vollziehung zu überführenden Regelungskomplex zugrunde liegen, qualifizieren sich algorithmische Entscheidungssysteme überhaupt als Ausgangspunkt gesetzmäßiger Entscheidungen998, ebenso wie eine richtige menschliche Rechtsanwendung erst dann gelingen kann, wenn sich der menschliche Entscheider hinreichende Gewissheit über die maßgebenden rechtlichen Grundlagen verschafft hat. In Umfang und Tiefe hat sich die Abbildung der normativen Grundlagen folglich an sämtlichen Elementen zu orientieren, die auch ein menschlicher Rechtsanwender für eine sachgerechte und rechtmäßige Rechtsanwendung zu berücksichtigen hätte. Dies bedeutet, dass neben dem Tatbestand und den Rechtsfolgen der anzuwendenden, die Regelungsmaterie determinierenden Normen insbesondere auch deren zugrunde zu legende Auslegung999, ergangene Verwaltungsvorschriften1000, etwaige ungeschriebene Tatbestandsmerkmale, dogmatische Implikationen, Wechselwirkungen zu anderen Normen, einschlägige Rechtsprechung sowie verfassungs- und ggfls. unionsrechtliche Erwägungen abzubilden sind. Hinzu 997  Degrandi, Die automatisierte Verwaltungsverfügung, S. 90; Polomski, Der automatisierte Verwaltungsakt, S. 94; Eifert, E-Government, S. 126 f.; Guckelberger, in: FS Herberger, 397 (405 f.); Beirat VwVfR, NVwZ 2015, 1114 (1116); streng auf gebundene Entscheidungen bezogen Laue, Vorgangsbearbeitungssysteme in der öffentlichen Verwaltung, S. 192; vgl. auch Hoffmann-Riem, AöR 142 (2017), 1 (32); Berger, NVwZ 2018, 1260 (1263); Tönsmeyer-Uzuner, Expertensysteme in der öffentlichen Verwaltung, S. 112; Braun Binder, in: Hill/Wieland, Zukunft der Parlamente, 107 (116); unter eingehenderer Beleuchtung der rechtsinformatischen Hintergründe zudem Herold, Demokratische Legitimation automatisiert erlassener Verwaltungsakte, S.  201 ff., insbes. 205 ff. 998  Guckelberger, Öffentliche Verwaltung, Rn. 409; dies., in: FS Herberger, 397 (405 f.); Eifert, E-Government, S. 126 f. 999  Vgl. Degrandi, Die automatisierte Verwaltungsverfügung, S. 90; Guckelberger, Öffentliche Verwaltung, Rn. 434; Gruber, Verwaltungsentscheidungen vom Computer, S. 27, 38, 85. Zur Formalisierbarkeit auch komplexerer auslegungsbedürftiger Rechtsbegriffe aus rechtsinformatischer Sicht Herold, Demokratische Legitimation automatisiert erlassener Verwaltungsakte, S. 52 ff., 211 ff. 1000  Vgl. Rüsken, in: Klein, AO, § 155, Rn. 76; speziell bezogen auf normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften auch Laue, Vorgangsbearbeitungssysteme in der öffentlichen Verwaltung, S. 188.



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kommen außerhalb der gesetzlichen Entscheidungsgrundlagen per se liegende rechtliche Vorgaben, die allgemein oder für den in die automatisierte Vollziehung zu überführenden Rechtsbereich im Speziellen Geltung beanspruchen und innerhalb der Softwaregestaltung zu berücksichtigen sind, beispielsweise allgemein datenschutzrechtliche oder urheberrechtliche Anforderungen.1001 Auch die vollständige Abfrage der für die jeweiligen Verfahren relevanten Sachverhaltsinformationen und deren automationsgerechte Abbildung gehören zu den Elementen materieller Entscheidungsrichtigkeit1002, sollen vorliegend aber erst im Rahmen des Amtsermittlungsgrundsatzes näher thematisiert werden1003. In der Sache geht es um eine völlige und sachrichtige Abstrahierung der Rechtsanwendung in dem automatisiert zu vollziehenden Regelungskomplex, die als Produkt einer interdisziplinären Zusammenarbeit von Informatikern und Juristen1004 bereits im Programmentwicklungsprozess geleistet werden muss. Treffend formuliert daher Guckelberger, dass der rechtmäßige Gesetzesvollzug in vollautomatisierten Verwaltungsverfahren mit einer ordnungsgemäßen Ausgestaltung der Software steht und fällt1005, weshalb die entscheidenden Weichen bereits mit der Programmierung respektive von den Programmierern des Entscheidungsalgorithmus gestellt werden1006. Der Pro1001  Vgl. Hoffmann-Riem, AöR 142 (2017), 1 (32) etwa mit Verweis auf Art. 25 DSG-VO. Zu den Anforderungen (u. a.) des Art. 22 DSG-VO eingehend unter § 5 D. Denkbar erscheinen insoweit auch umweltrechtliche Anforderungen beispielsweise an die Energieeffizienz der Systeme, vgl. insoweit Lohse, in: Dastbaz/Pattinson/Akhgar, Green Information Technology, 61 (72 ff.). 1002  Vgl. etwa Beirat VwVfR, NVwZ 2015, 1114 (1115); Gruber, Verwaltungsentscheidungen vom Computer, S. 27, 85; Raabe/Wacker/Oberle/Baumann/Funk, Recht ex machina, S. 173 f., 183 ff. 1003  Siehe § 5 C. I. 1004  Vgl. Lazaratos, Rechtliche Auswirkungen der Verwaltungsautomation, S. 144; Raabe/Wacker/Oberle/Baumann/Funk, Recht ex machina, S. 171, 176 ff.; vgl. auch Britz, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, § 26, Rn. 11, 64; Luhmann, Recht und Automation, S. 51; Guckelberger, in: FS Herberger, 397 (414); dies., Öffentliche Verwaltung, Rn. 464; Buchholtz, JuS 2017, 955 (959); GI, Technische und rechtliche Betrachtungen algorithmischer Entscheidungsverfahren, S. 17 ff. (3.2). Hähnchen/Bommel, JZ 2018, 334 (337) sprechen insoweit von einem weiteren Medienbruch zwischen natürlicher Rechts- und technischer Programmiersprache, „der nur durch die Zusammenarbeit von Juristen und Informatikern lösbar ist“. Vgl. (allerdings im Kontext selbstlernender Algorithmen) zudem Herold, DSRITB 2018, 453 (461). Zur ähnlichen Forderung in Bezug auf die Gesetzgebung Guckelberger, DÖV 2020, 797 (806) unter Verweis auf Kar/Thapa/ Hunt/Parycek, Recht digital, S. 16 f. Zur Einbindung von Juristen im (agilen) Softwareentwicklungsprozess aus Sicht der Projektmanagement-Methodik eingehend Precht/Saive, DSRITB 2019, 581 (589 ff.). 1005  Guckelberger, in: FS Herberger, 397 (405). 1006  Ernst, JZ 2017, 1026.

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zess der Softwareentwicklung selbst bildet dabei als Vorbereitungshandlung ohne Außenwirkung noch keinen Teil des (eigentlichen) Verwaltungsverfahrens i. S. d. §  9 VwVfG.1007 Gelingt eine sachrichtige Abbildung der recht­ lichen Grundlagen dagegen nicht oder nicht in ausreichendem Maße, werden mit gesteigerter Breitenwirkung rechtswidrige Verwaltungsentscheidungen generiert.1008 Eine Zulassung vollautomatisierter Verwaltungsverfahren für jene Rechtsmaterie verstößt dann bereits für sich und unabhängig von den konkret erzeugten Einzelmaßnahmen gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und darf letztlich nicht erfolgen. Als notwendige Konsequenz bedingt das Proprium der vollständigen und sachrichtigen Abbildung der rechtlichen Determinanten auch, dass der Auswahl automationsgeeigneter Verfahren eine entscheidende Bedeutung zukommt. Rechtsmaterien, deren zugrundeliegenden Regelungen sich aufgrund ihrer spezifischen Eigenheiten kaum im Wege einer Programmierung vernünftig antizipieren lassen, scheiden daher unter Art. 20 Abs. 3 GG von vornherein aus.1009 Diese Einschränkung soll aber nicht dahingehend missverstanden werden, dass nur auf einfachsten Konditionalbeziehungen basierende Rechtsnormen mit strikt gebundenen Entscheidungsvorgaben für eine Automatisierung in Betracht kommen.1010 Auch komplexere Rechtsmaterien sind im Grundsatz einer algorithmischen Abbildbarkeit zugänglich, die näm1007  Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 9, Rn. 114 ff., 120, 161. Im Rahmen des Softwareentwicklungsprozesses kann die einsetzende Behörde sodann auch ihre verfahrensbezogenen Ermessenserwägungen anstellen, s. U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35a, Rn. 19. Hins. ihrer Rechtsnatur werden erstellte Computerprogramme zumeist als Verwaltungsvorschrift eingeordnet, hierzu näher m. w. N. unter § 6 B. II. 1. b) bb) mit Fn. 1861. 1008  Vgl. Guckelberger, in: FS Herberger, 397 (404, 406); vgl. auch Polomski, Der automatisierte Verwaltungsakt, S. 51 in Fn. 141 sowie S. 111; Martini/Nink, NVwZExtra 10/2017, 1 (10); Nink, Justiz und Algorithmen, S. 242; Martini, in: Kahl/Ludwigs, HdbVwR I, § 28, Rn. 43. 1009  Guckelberger, in: FS Herberger, 397 (406); dies., Öffentliche Verwaltung, Rn. 409; Gruber, Verwaltungsentscheidungen vom Computer, S. 40  f.; Luhmann, Recht und Automation, S. 50 ff.; ähnlich Maunz¸ BayVBl. 1967, 86 (87); vgl. auch BT-Drs. 18/8434, S. 122 sowie Wischmeyer, AöR 143 (2018), 1 (33 f.), der – allerdings im Kontext von intelligenten Systemen – vom „Gebot der situationsadäquaten Verwendung“ spricht, das dem Einsatz intelligenter Systeme dann Grenzen ziehe, wenn aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen vor dem Hintergrund der von dem jeweiligen Rechtsbereich vorausgesetzten „Dichte“ der sachlichen Entscheidungsgrundlagen keine ausreichende Datenbasis für das System existiert, so dass die „Funktionsfähigkeit von Systemen ihrem intendierten Einsatzzweck nicht angemessen ist“. Wenn die Datenlage es nicht zulässt, einen rechtlichen Bereich hinreichend durch das intelligente System abzubilden, dann können in diesem Sinne keine sachrichtigen Entscheidungen ergehen. 1010  Zur ähnlichen Problematik im Kontext von Ermessens- und Beurteilungsspielräumen § 6 B. IV.



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lich nicht notwendig durch die Komplexität der Materie (im Sinne von komplexeren Tatbestandsstrukturen, dem Zusammenwirken größerer Normkomplexe, dem Vorliegen unbestimmter Rechtsbegriffe etc.), sondern vor allem die Unvorhersehbarkeit und daher eingeschränkte Antizipierbarkeit ihrer möglichen Varianten determiniert wird1011, wobei nur letztere eine nicht antizipierbare, intuitive Leistung eines menschlichen Bearbeiters abverlangen, zu der Algorithmen jedenfalls bis auf absehbare Zeit nicht im Stande sind.1012 Auch der Anspruch der zu vollziehenden Normen eine dem jeweiligen Einzelfall gerecht werdende Entscheidung herbeizuführen, schließt eine Vollautomatisierung ihres Vollzugs nicht denknotwendig aus1013, sofern die notwendigen Standardisierungen technisch hinreichend umsetzbar sind und das mögliche Fallspektrum zufriedenstellend abdecken, da im Grunde jedes zu vollziehende Gesetz dem Einzelfall gerecht werden will und verfassungsrechtlich muss.1014 Erweisen sich lediglich Teilbereiche in komplexeren Sachfragen als nicht antizipierbar, so können durch planmäßige Aussteuerungsmechanismen ausschließlich diese Bereiche in eine menschliche Bearbeitung überführt werden. bb) Präventive Gehalte der Sicherung materieller Entscheidungsrichtigkeit Ausgehend von der verhältnismäßig starren Bindung des Gesetzesvollzugs an die Programmierung des Entscheidungsalgorithmus sowie der gleichzeitig entfallenden Verifikationshilfen durch menschliche Elemente des Verwaltungsverfahrens1015, sind für eine verfassungskonforme Verwirklichung vollautomatisierter Verwaltungsverfahren über eine inhaltlich ordnungsgemäße Spiegelung der gesetzlichen Grundlagen im Entscheidungssystem hinaus­ gehende kompensatorische Vorkehrungen nötig. Aus diesem Grund ist dem in Art. 20 Abs. 3 GG wurzelnden Gebot materieller Entscheidungsrichtigkeit auch ein in zeitlicher Hinsicht präventiver Gehalt dahingehend zu entneh1011  Vgl. auch Martini/Nink, DVBl. 2018, 1128 (1129); Schmitz/Prell, NVwZ 2016, 1273 (1277). 1012  Vgl. selbst in Bezug auf KI-Systeme Guggenberger, NVwZ 2019, 844 (849); Hoffmann-Riem, AöR 145 (2020), 1 (14); vgl. auch Wischmeyer, AöR 143 (2018), 1 (15 ff., 33). 1013  So aber Guckelberger, in: FS Herberger, 397 (406); ähnlich auch Bull, DÖV 2019, 959 (960); vgl. zu diesem Gedanken ebenfalls § 5 A. III. 2. 1014  Insoweit weist Berger, DVBl. 2017, 804 (808) zutreffend darauf hin, dass die Komplexität der Rechtsanwendung „eine Tatsache [ist], die jeden Rechtssatz betrifft“. Vgl. zur ähnlich gelagerten Argumentation im Kontext administrativer Letztentscheidungsrechte auch § 6 B. II. 1. b) aa). 1015  Vgl. Eifert, E-Government, S. 144; vgl. auch Pitschas, in: Hoffmann-Riem/ Schmidt-Aßmann/Folke Schuppert, Reform des Allgemeinen Verwaltungsrechts, 219 (293 ff.).

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men, dass der Inbetriebnahme der technischen (Entscheidungs-)Systeme eine qualitätssichernde Test- und Erprobungsphase vorgehen muss, in der das System mittels verschiedener Instrumente1016 auf die Produktion rechtmäßiger Entscheidungen hin überprüft werden kann.1017 Damit eine größtmögliche Effektivität der vorgelagerten Qualitätssicherungen erreicht werden kann, empfiehlt es sich zudem bereits im Rahmen der Konzipierung und Entwicklung der Entscheidungssoftware fortlaufend Mechanismen zur kritischen Begleitung und Prüfung der Entscheidungsalgorithmen vorzuhalten.1018 Wird der Entscheidungsalgorithmus nicht in behördlicher Eigenleistung entwickelt, im Rahmen derer der Behörde unmittelbare Kontrollmöglichkeiten zustünden, so ist trotz der natürlichen Schwierigkeiten im Zusammenhang mit einer externen Prüfung fremdentwickelter Software1019 die Beachtung der Einhaltung und Abbildung der rechtlichen Vorgaben auch bei maßgeschneiderter oder serienmäßiger Dritt-Software durch eine ausreichende Einflussnahme und Kontrolle der Behörde sicherzustellen.1020 Eine Implementierung externer Prüfungs- und Zertifikationsverfahren zur Verwirklichung der genannten 1016  In Betracht kommen insbesondere die Analyse des Entscheidungsprogramms an sich (Code-Analysis) sowie (vor allem in Zusammenhang mit selbstlernenden Systemen) das gezielte Testen des Systems mit verschiedene Fallgestaltungen, vgl. GI, Technische und rechtliche Betrachtungen algorithmischer Entscheidungsverfahren, S. 141 ff. (7.2.2.); vgl. insofern auch Engel, VVDStRL 78 (2019), 345 (Aussprache), der auf Simulationsprogramme hinweist, sowie Wischmeyer, AöR 143 (2018), 1 (62), der von sog. „Audits“ spricht. 1017  So auch Guckelberger, VVDStRL 78 (2019), 235 (267); dies., in: FS Herberger, 397 (407); dies., Öffentliche Verwaltung, Rn. 465  f.; Eifert, E-Government, S. 144; Martini, JZ 2017, 1017 (1021); Braun Binder, in: Hill/Wieland, Zukunft der Parlamente, 107 (116); vgl. auch Lazaratos, Rechtliche Auswirkungen der Verwaltungsautomation, S. 145; v. Berg, Automationsgerechte Rechts- und Verwaltungsvorschriften, S.  64 f.; Ziekow, NVwZ 2018, 1169 (1171); für fallbasierte Systeme Herold, Demokratische Legitimation vollautomatisiert erlassener Verwaltungsakte, S. 237; aus haftungsrechtlicher Sicht Martini/Ruschemeier/Hain, VerwArch 112 (2021), 1 (13 f., 26). 1018  Eifert, E-Government, S. 144; zust. Guckelberger, in: FS Herberger, 397 (407); vgl. auch Kube, VVDStRL 78 (2019), 289 (316 f.); Berger, DVBl. 2019, 1234 (1237), die spezifische Controllingstrukturen für Algorithmen zur Begleitung der Programmierung und Implementierung des Vollzugsalgorithmus befürworten, sowie Wischmeyer, AöR 143 (2018), 1 (21). 1019  Diese ergeben sich insbesondere aus naturgemäßen Intransparenzen, dem Mangel genereller Offenlegungspflichten des Quellcodes, dem Schutz von Geschäftsgeheimnissen der entwickelnden Unternehmen sowie der Notwendigkeit ausreichendem informatischen und rechtlichen Sachverstands bei der zur Kontrolle berufenen Stelle, vgl. etwa Hoffmann-Riem, AöR 142 (2017), 1 (32 f.). 1020  Eingehender zu behördlichen Einflussnahmevoraussetzungen bei Drittanbieter-Software aus der Warte des Demokratieprinzips unter § 5 II. 2. b) bb); vgl. zudem Schubert, Privatisierung des eGovernment, S. 277 ff.



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präventiven Kontrollpflichten1021 kann dabei aus regulatorischer Sicht sinnvoll erscheinen, lässt sich jedoch nicht als zwingendes Kriterium aus dem Gesetzmäßigkeitsprinzip ableiten. Erst wenn sich eine hinreichende Einhaltung der rechtlichen Anforderungen im Rahmen der Erprobungsphase abzeichnet, darf die Verwendung der Software freigegeben werden.1022 Weist der Softwarecode inhaltliche Schwächen auf oder bringt dieser aus sonstigen Gründen ein nicht akzeptables Maß an fehlerhaften Entscheidungen in den durchzuführenden Testläufen hervor, scheidet ein Einsatz des Entscheidungssystems aus, bis die zugrundeliegenden strukturellen Mängel – sofern überhaupt möglich – behoben sind.1023 Bezüglich des konkret anzulegenden Rechtmäßigkeitsmaßstabes kann sodann allerdings nur ein hinreichendes Maß an Sachrichtigkeit verlangt werden, zumal sich selbst mit ausgiebigen vorherigen Überprüfungs- und Erprobungsläufen eine völlige Fehlerlosigkeit eines komplexen Systems kaum erreichen lassen dürfte1024 und eine solche insbesondere auch nicht bei ­ menschlicher Bearbeitung erzielt werden kann1025. Im Übrigen existieren mit Genehmigungsfiktionen und sonstigen Arten fiktiver Verwaltungsakte in den Verfahrensordnungen bereits hinsichtlich der Strenge einer objektiven Entscheidungsrichtigkeit gelockerte Instrumente, die angesichts eines ihrer Grundkonzeption in gewissem Umfang inhärenten Fehler- bzw. Abweichungspotenzials ebenfalls nicht auf eine bedingungslose Durchsetzung sachlicher Entscheidungsrichtigkeit angelegt sind.1026 Das Erfordernis absoluter Fehlerlosigkeit als Maximalforderung ist dem Gesetzmäßigkeitsgrundsatz 1021  Vgl. etwa Martini/Nink, NVwZ-Extra 10/2017, 1 (12) sowie Martini, JZ 2017, 1017 (1021) in Bezug auf besonders persönlichkeitssensible Anwendungsfelder. Zu Zertifizierungsverfahren im Kontext demokratischer Legitimation siehe auch § 5 A. II. 2. b) bb) in Fn. 1114. 1022  Guckelberger, VVDStRL 78 (2019), 235 (267); Braun Binder, in: Hill/Wieland, Zukunft der Parlamente, 107 (116). 1023  Vgl. aus haftungsrechtlicher Sicht Martini/Ruschemeier/Hain, VerwArch 112 (2021), 1 (14, 21). 1024  Vgl. Guckelberger, VVDStRL 78 (2019), 235 (268 f.) sowie (allerdings im Kontext intelligenter Systeme) Wischmeyer, AöR 143 (2018), 1 (24, 63). Aus haftungsrechtlicher Sicht auch Martini/Ruschemeier/Hain, VerwArch 112 (2021), 1 (26). 1025  Vgl. hierzu beispielhaft die enormen Fehlerquoten selbst bei menschlicher Bearbeitung der von einem maschinellen Risikomanagementsystem als risikobehaftet ausgesteuerten Sachverhalte beim Werbungskostenabzug bei der Arbeitnehmerveranlagung im Bericht des Bundesrechnungshofes nach § 99 BHO v. 17. Januar 2012, BT-Drs. 17/8429, S. 12 f., 14, wobei die Sachbearbeiter sogar lediglich den im Risikohinweis aufgegriffenen Sachverhalt zu überprüfen hatten; vgl. auch Laue, Vorgangsbearbeitungssysteme in der öffentlichen Verwaltung, S. 191 f.; Guckelberger, Öffentliche Verwaltung, Rn. 581; Michael, in: Stern/Sodan/Möstl, Staatsrecht, § 28, Rn. 54 sowie Mellinghoff, in: FS BGH, 421 (429). 1026  Vgl. hierzu bereits § 4 B. III., insbes. 2. b) dd).

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des Art. 20 Abs. 3 GG daher nicht zu entnehmen.1027 Im Sinne der Verwirklichung einer Gesetzmäßigkeit durch Verfahren, die insofern lediglich ein Optimierungsgebot voraussetzen kann, dürfte es vielmehr als ausreichend anzusehen sein, wenn im Rahmen einer Nettobetrachtung fehlerhafte Entscheidungen in einem vertretbaren, zumindest dem herkömmlichen Gesetzesvollzug vergleichbaren Rahmen hervorgebracht werden.1028 cc) Nachsorgende Überwachungspflichten Wo eine vorgelagerte Qualitätskontrolle das initial rechtmäßige Funktionieren des Entscheidungssystems forciert, muss eine nachsorgende operative Kontrolle des automatisierten Gesetzesvollzugs die Funktionalität des Systems nach dessen Inbetriebnahme für die Zukunft sicherstellen. Der Gewährleistung sachlicher Entscheidungsrichtigkeit wohnt insofern auch eine zeitlich nachgelagerte Dimension inne, die in einer allgemeinen Pflicht der die Systeme einsetzenden Behörden zur fortlaufenden Vollzugsüberwachung und Qualitätssicherung mündet.1029 In concreto zweigt sich diese Verpflichtung wiederum in speziellere Wirkrichtungen auf. (1) Fehlerbeobachtungs- und -korrekturverpflichtung Zum einen entspringt den nachsorgenden Überwachungspflichten eine allgemeine Pflicht zur Behebung erkannter Fehler1030, die es der einsetzen1027  Eine solche Forderung stünde im Übrigen auch im Konflikt mit den Erfordernissen der Effizienz und Funktionsfähigkeit der Verwaltung, die ebenfalls als (verfassungs-)rechtlich anerkanntes Gut verstanden werden, vgl. etwa BVerwGE 67, 206 (209 f.); Wahl, VVDStRL 41 (1983), 151 (162 ff.); Hufen, NJW 1982, 2160 (2168 f.); Eifert, E-Government, S. 133, 136 f. m. w. N. Zudem hätte dies beispielsweise auch die skurrile (und praktisch nicht realisierbare) Situation zur Folge, dass Behörden nur maximal qualifizierte Sachbearbeiter beschäftigen und weitere Maßnahmen (etwa eine Reduktion der dem Sachbearbeiter zugeteilten Amtsgeschäfte) treffen müssten, um maximale Gesetzmäßigkeit zu wahren. 1028  Vgl. im Kontext indeterminierter Systeme auch Guckelberger, Öffentliche Verwaltung, Rn. 581. 1029  Vgl. Guckelberger, in: FS Herberger, 397 (407, 413); Kube, VVDStRL 78 (2019), 289 (316); Martini/Nink, NVwZ-Extra 10/2017, 1 (12 f.) und Martini, JZ 2017, 1017 (1021 f.) (beide v. a. im Kontext lernfähiger Systeme); Beirat VwVfR, NVwZ 2015, 1114 (1116); vgl. zudem Lazaratos, Rechtliche Auswirkungen der Verwaltungsautomation, S. 255, 275 mit Fn. 94; Herold, Demokratische Legitimation vollautomatisiert erlassener Verwaltungsakte, S. 237; Müller-Franken, StuW 2018, 113 (122); aus haftungsrechtlicher Sicht Martini/Ruschemeier/Hain, VerwArch 112 (2021), 1 (14 f.). 1030  So auch Guckelberger, VVDStRL 78 (2019), 235 (268); dies., in: FS Herberger, 397 (407); Beirat VwVfR, NVwZ 2015, 1114 (1116); vgl. (insbes. im Kontext



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den Behörde als notwendige Vorarbeit zunächst abverlangt, im Sinne einer Beobachtungsverpflichtung den Einsatz der Software nach Inbetriebnahme fortlaufend auf die Rechtmäßigkeit der getroffenen Entscheidungen hin zu evaluieren1031. Sollten dabei Mängel des Systems erkennbar werden, gehen die Überwachungspflichten in eine konkrete Korrekturverpflichtung über, wonach die identifizierten Defizite des Entscheidungssystems von der einsetzenden Behörde oder ihren Beauftragten mit geeigneten Mitteln zeitnah behoben werden müssen.1032 Sind bestimmte Fehler einer entsprechenden Nachjustierung nicht zugänglich und können die fehlerinduzierenden Bereiche des Vollzugsalgorithmus auch nicht strukturell vom restlichen System abgetrennt werden, muss der weitere Einsatz des Entscheidungssystems beendet werden.1033 Die Auferlegung einer nachgelagerten Fehlerprüfungs- und -behebungspflicht darf sodann freilich nicht als lückenlose Ergebniskontrolle im Sinne einer Überprüfung sämtlicher Einzelfallentscheidungen missverstanden werden, im Zuge derer sich auch die Vorteile des automatisierten Gesetzesvollzugs – allen voran die Verwaltungseffizienz – nahezu vollständig verflüchtigten. Insbesondere eine aktuelle, stets unmittelbar auf eine menschliche Verantwortung zurückführbare Kontrolle der Sachrichtigkeit kann und muss daher nicht verlangt werden.1034 Als erforderliches Mindestmaß ist aber jedenfalls eine zyklische, stichprobenartige Kontrolle der Systeme zu erwarten.1035 Des Weiteren ergibt sich eine entsprechende Prüf- und ggfls. Korrekturobliegenheit der Behörde in begründeten Verdachtsfällen, etwa auf konkrete Hinweise eines Betroffenen oder Dritten hin oder aufgrund sonstiger wahrgenommener Auffälligkeiten. Ist der Vollzug des jeweiligen Regelungsbereichs auf eine regelmäßige oder zumindest wiederkehrende Bescheidung angelegt, kommen überdies turnusmäßige, d. h. in bestimmten Zeitabständen für konkrete Sachverhalte fix vorgesehene Prüfungen in Betracht. Eine komselbstlernenden Algorithmen) auch Martini, JZ 2017, 1017 (1021 f.); eher in Richtung einer Plausibilitätskontrolle hins. der getroffenen Einzelentscheidungen zeigt dagegen Siegel, VerwArch 105 (2014), 241 (257). 1031  Guckelberger, in: FS Herberger, 397 (407, 412); Beirat VwVfR, NVwZ 2015, 1114 (1116); vgl. auch Martini, JZ 2017, 1017 (1021 f.) sowie aus haftungsrechtlicher Sicht ders./Ruschemeier/Hain, VerwArch 112 (2021), 1 (14). 1032  Guckelberger, VVDStRL 78 (2019), 235 (268); Beirat VwVfR, NVwZ 2015, 1114 (1117); vgl. aus haftungsrechtlicher Sicht auch Martini/Ruschemeier/Hain, Verw­Arch 112 (2021), 1 (15). 1033  Vgl. auch Guckelberger, Öffentliche Verwaltung, Rn. 530. 1034  So aber Polomski, Der automatisierte Verwaltungsakt, S. 99 im Kontext juristischer Expertensysteme in der öffentlichen Verwaltung. 1035  Beirat VwVfR, NVwZ 2015, 1114 (1117); Guckelberger, in: FS Herberger, 397 (412); vgl. auch Berger; DVBl. 2019, 1234 (1236); aus haftungsrechtlicher Sicht Martini/Ruschemeier/Hain, VerwArch 112 (2021), 1 (15).

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plementierende (Echtzeit-)Sicherung ist schließlich dadurch zu realisieren, dass Amtswaltern strukturell die anlasslose Möglichkeit eröffnet wird, während des laufenden operativen Einsatzes des Systems jederzeit bestimmte Fälle gewillkürt zur personellen Bearbeitung an sich ziehen zu können.1036 Hinsichtlich der inhaltlichen Anforderungen ist ein neutraler und objektiver Richtigkeitsmaßstab anzulegen: Das Richtmaß der fortlaufenden Überprüfung bildet damit die Zuverlässigkeit des Systems in Hinblick auf seine richtige und gleichmäßige Rechtsanwendung, unabhängig von der Vor- oder Nachteilhaftigkeit etwaiger Abweichungen für Bürger oder Staat.1037 (2) Reaktions- und Anpassungspflichten bei Rechtsänderungen Da rechtswidrige Verwaltungsentscheidungen nicht nur durch fehler- und/ oder lückenhafte Rechtsabbildungen im System oder systemoperative Fehler, sondern auch durch ein Auseinanderfallen der abstrahierten Rechtsanwendung mit einer neu geltenden Rechtslage entstehen können, entwächst dem Gebot materieller Entscheidungsrichtigkeit zum anderen eine umfassende Änderungs- und Anpassungspflicht des Entscheidungssystems an zwischenzeitlich eingetretene Rechts- und Gesetzesänderungen.1038 Als Grundvoraussetzung zur Ausfüllung (auch) dieser zweiten Facette nachsorgender Qualitätskontrollpflichten muss das Vollzugssystem zunächst – ähnlich zu fehlerinduzierten Nachjustierungen – überhaupt Interventionen und Korrekturen infolge erkannter Rechtsänderungen oder Mängel zulassen1039, mithin ein Mindestmaß an Anpassbarkeit und Modularität aufweisen. Kann das System dagegen an Veränderungen der rechtlichen Rahmenbedingungen, beispielsweise infolge legislativer Neuerungen oder zwischenzeitlicher Rechtsprechungsänderungen, nicht mehr oder in keinem vertretbaren zeitlichen Rahmen mittels der nötigen computertechnischen Abbildungen angepasst werden, hat dies eine verfassungsrechtlich unzulässige Absenkung der Gesetzesbindung der Verwaltung zur Folge.1040 Von einem (weiteren) Einsatz wäre dann 1036  Vgl. auch Kube, VVDStRL 78 (2019), 289 (317); vgl. zu den behördlichen Aussteuerungsmöglichkeiten aus demokratischer Perspektive auch § 5 A. II. 2. b) cc). 1037  Beirat VwVfR, NVwZ 2015, 1114 (1116); vgl. auch Guckelberger, in: FS Herberger, 397 (407; Kube, VVDStRL 78 (2019), 289 (316). 1038  Guckelberger, VVDStRL 78 (2019), 235 (268); vgl. auch dies., in: FS Herberger, 397 (406); dies., Öffentliche Verwaltung, Rn. 468. So aus haftungsrechtlicher Sicht auch Martini/Ruschemeier/Hain, VerwArch 112 (2021), 1 (27 f.). 1039  Kube, VVDStRL 78 (2019), 289 (320); vgl. auch Guckelberger, VVDStRL 78 (2019), 235 (268 in Fn. 195); Raabe/Wacker/Oberle/Baumann/Funk, Recht ex machina, S. 176. 1040  Vgl. Luthe, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, § 31a, Rn. 20; vgl. auch Guckelberger, in: FS Herberger, 397 (406); Prell, NVwZ 2018, 1255 (1258); ders., apf 2017, 237 (240); ders., in: BeckOK VwVfG, § 35a, Rn. 12; Britz, in: Hoffmann-



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als Verstoß gegen das Gesetzmäßigkeitsprinzip Abstand zu nehmen. Soweit die aus dem Gesetzmäßigkeitsprinzip deduzierten Modularitätsanforderungen dabei auch einer (zeitnahen) Umsetzung des gesetzgeberischen Willens und einer hinreichenden Berücksichtigung zwischenzeitlich ergangener Judikate verpflichtet sind, wohnt diesen gleichermaßen eine gewaltenteilende Implikation inne.1041 Ob und inwieweit sich der allgemeine Vorwurf einer verzögerten Reaktionszeit automatisierter Entscheidungssysteme auf Rechtsänderungen auch tatsächlich als haltbar erweist, lässt sich indes zum heutigen Zeitpunkt noch nicht abschließend klären. Sicherlich trifft es zu, dass mit den notwendigen Anpassungs- und Programmierprozessen im Zuge erkannter Fehler oder Änderungen der Rechtslage neben die sich daraus ergebenden rechtlichen Implikationen ein zusätzliches, zudem nicht rein rechtliches, sondern technisch bzw. informatisch geprägtes Umsetzungselement tritt, das zumindest organisationstheoretisch durchaus einen erhöhten Arbeits- und Zeitaufwand impliziert. Beachtung verdient in diesem Zusammenhang allerdings auch, dass die Mühlen der herkömmlichen, nicht technisierten Verwaltung ebenfalls nicht völlig verzögerungsfrei arbeiten. Auch ohne den Einsatz komplexer IT-Systeme zur vollautomatisierten Entscheidungsfindung können mit (insbesondere zahlreicheren) Änderungen der Rechtsprechung oder der Gesetzeslage mithin nicht unerhebliche Umsetzungsschwierigkeiten einhergehen, die sich nicht ohne Weiteres verwaltungsorganisatorisch (etwa durch Weisungen, neue oder angepasste Verwaltungsvorschriften oder Vollzugsbekanntmachungen, Schulungen und Fortbildungen etc.) bewältigen lassen.1042 Darüber, wie gravierend die Reaktionszeiten auf notwendige Anpassungen dabei im Vergleich zu den gewissermaßen zentralisierten informatischen Modifizierungen Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, § 26, Rn. 65; vgl. auch Lazaratos, Rechtliche Auswirkungen der Verwaltungsautomation, S. 126; Eifert, E-Government, S. 144. 1041  Luthe, SGb 2017, 250 (251); aus diesem Grund wird dem Regelungsvorbehalt des § 35a VwVfG auch eine Schutzfunktion zugunsten des Gesetzgebers selbst zugeschrieben, vgl. etwa Schmitz/Prell, NVwZ 2016, 1273 (1277); Prell, apf 2017, 237 (240); ders., in: BeckOK VwVfG, § 35a, Rn. 12. Unbesehen der gewaltenteilenden Perspektive bliebe im Übrigen auch die Exekutive selbst von potentiellen Problemen unzureichender Modularität und verzögerter Anpassungen nicht verschont, wenn sich etwa administrative Änderungen (z. B. in Form von Änderungen von Verwaltungsvorschriften, Änderungen bei der künftigen Ermessensausübung) nur mehr unter erschwerten Bedingungen umsetzen lassen und so die Effizienz der Verwaltungsabläufe schleichend leidet. 1042  Beispielhaft sei an dieser Stelle erneut auf den BRH, Bericht über den Vollzug der Steuergesetze v. 17. Jan. 2012, S. 15 f. verwiesen, wo darauf hingewiesen wird, dass die schiere Anzahl der Erlasse und Verwaltungsvorschriften erhebliche Probleme bereitet und nur schwerlich von den zuständigen Ämtern bewältigt werden kann.

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des Programmcodes durch hierfür speziell ausgebildete und verantwortliche Rechtsinformatiker tatsächlich auseinanderfallen werden, deren Erfolg nicht von zeitnahen Schulungsterminen, kompetenten Dozenten, der individuellen Aufnahmefähigkeit, Aufnahmebereitschaft und dem Verständnis einer Vielzahl von Sachbearbeitern, der Qualität eines ggfls. ausgegebenen Informationsmaterials etc. abhängt, darf damit zumindest nachgedacht werden. Eine Erkenntnis lässt sich den vorstehenden Überlegungen jedenfalls dahingehend abgewinnen, dass Verzögerungen bei der praktischen Umsetzung veränderter rechtlicher Rahmenbedingungen nicht als genuines Proprium vollautomatisierter Verwaltungsverfahren zu verstehen sind, sondern auch im Zusammenhang mit „menschlicher Verwaltung“ eine Rolle spielen, weshalb insoweit von Teilen der Literatur zu Recht – selbst soweit insbesondere während Einführungsphasen der Automatisierung substanzielle zeitliche Differenzen in der Umsetzung von Rechtsänderungen nachzuweisen sind – lediglich von technischen Übergangsproblemen ausgegangen wird.1043 Befürchtungen einer Lähmung oder gar Erstarrung des Verwaltungsverfahrens bei Implementierung vollautomatisierter Verwaltungsverfahren in bestimmten (an sich geeigneten) Rechtsbereichen erscheinen damit letztlich überzogen. Entscheidend wird es schlussendlich vor allem auf das Ausmaß und die Qualität der Änderungen (systemisch-umgreifende Änderungen vs. Wertanpassungen) und die generelle Komplexität der jeweiligen Rechtsmaterie ankommen, ungeachtet automatisierter oder menschlicher Verwaltung. b) Gewährleistung eines funktionalen Gesetzesvollzugs Da (voll-)automatisierte Verwaltungsentscheidungen mittels eines Entscheidungssystems umgesetzt werden, steht der automatisierte Modus des Gesetzesvollzugs des Weiteren in einem eminenten Abhängigkeitsverhältnis zu der Funktionalität und Integrität der Systemhardware als technisch-­ physischer Träger der Entscheidungssoftware. Für vollautomatisierte Verwaltungsverfahren erwächst hieraus eine weitere automationsspezifische Gefährdungslage, indem sowohl äußerliche Einwirkungen jedweder Art (beispielsweise bewusste Schädigungsakte, etwa in Gestalt von Manipula­ tionen, DDos-Attacken, sonstigen Hackerangriffen) wie auch rein technische Probleme (Software- [„Bugs“] und Hardwarefehler, die nicht der inhaltlichen Ebene zuzuordnen sind, bis hin zu Stromausfällen) empfindliche Ausfälle der eingesetzten IT-Systeme zur Folge haben und sich so unmittelbar auf die Abwicklung des Gesetzesvollzugs an sich durchschlagen kön-

1043  Vgl. Luthe, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, § 31a, Rn. 21; ders., SGb 2017, 250 (251).



A. Verfassungsrechtliche Determinanten267

nen.1044 Auch verwaltungsinterne Risiken (z. B. Sabotage oder Manipulation der Systeme, ggfls. auch zum eigenen Vorteil) sind nicht gänzlich auszuschließen.1045 Aus diesen Gründen muss neben die oben ausgeführten inhaltlichen Qualitätssicherungs- und Kontrollpflichten eine mit den Gefahrpotenzialen auf technisch-funktionaler Ebene korrespondierende technische Vollzugssicherung seitens der einsetzenden Behörde hinzutreten, die sich zuvörderst in einer Pflicht zur Sicherstellung einer funktionsfähigen, zuverlässigen und sicheren technischen Infrastruktur als Wirkungsgrundlage der Entscheidungssoftware materialisiert1046 und zeitlich sowohl bereits im Vorfeld der Er­ probungsphase als auch fortlaufend nach Implementierung des Systems Niederschlag findet. Konkret ist hierbei die Ergreifung zumutbarer technischfunktionaler Sicherungsmaßnahmen zu verlangen, insbesondere in Gestalt laufender Updates1047 und regelmäßiger Supportintervalle1048, mittels derer Ausfällen der Entscheidungssysteme infolge externer oder interner Einwirkungen sowie systemimmanenter technischer Fehler von vornherein wirksam vorgebeugt werden kann oder zumindest eine zeitnahe Behebung ermöglicht wird.1049 Aber auch hier dürfen keine überzogenen Maßstäbe angelegt werden, so dass insbesondere eine völlige Manipulations-, Integritäts- und Fehlersicherheit der Systeme illusorisch bleiben dürfte. Trotz angemessener Sicherungsmaßnahmen auftretende Ausfallphasen bewegen sich – angesichts beschleunigter Entscheidungszeiträume – jedenfalls in einem verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Rahmen, sofern diese unterhalb der ohnehin nötigen Zeitspannen bei händischer Verfahrensabwicklung liegen. Da in 1044  Hill, in: ders./Schliesky, Auf dem Weg zum Digitalen Staat – auch ein besserer Staat?, 267 (275); Guckelberger, in: FS Herberger, 397 (404); auf die Gefahr von Hackerangriffen bei digitalisierten Systemen ebenso eindringlich hinweisend Hochhuth, VVDStRL 78 (2019), 339 f. (Aussprache) sowie Kube, VVDStRL 78 (2019), 360 (Aussprache); vgl. auch Müller-Franken, StuW 2018, 113 (122). 1045  Vgl. hierzu Schmid, VVDStRL 78 (2019), 353 (Aussprache); ähnlich bereits Maunz¸ BayVBl. 1967, 86 (87). 1046  Aus haftungsrechtlicher Sicht etwa Martini/Ruschemeier/Hain, VerwArch 112 (2021), 1 (26). In ähnlicher Weise wurde bereits für die rein elektronische Verfahrensabwicklung eine hierfür verfahrensangemessene IT-Sicherungsinfrastruktur vorausgesetzt, vgl. Skrobotz, Das elektronische Verwaltungsverfahren, S. 38 ff., insbes. 51 ff.; Eifert, E-Government, S. 75 ff.; Kube, VVDStRL 78 (2019), 289 (300) m. w. N. 1047  Vgl. Guckelberger, VVDStRL 78 (2019), 355 (Aussprache); aus haftungsrechtlicher Sicht Martini/Ruschemeier/Hain, VerwArch 112 (2021), 1 (15). 1048  Vgl. Berger, DVBl. 2019, 1234 (1236). 1049  Guckelberger, in: FS Herberger, 397 (407); Schröder, VerwArch 110 (2019), 328 (338 f.); vgl. auch Berger, DVBl. 2019, 1234 (1236); Martini, DÖV 2017, 443 (446 f.). Martini/Ruschemeier/Hain, VerwArch 112 (2021), 1 (28) fordern des Weiteren organisatorische Sicherheitsvorkehrungen bei Systemausfällen.

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vollautomatisierten Verfahren zudem zwingend Aussteuerungsmechanismen vorzuhalten sind1050, die das Verfahren aus den automatisierten Prozessen herausnehmen und in eine personelle Bearbeitung überführen, bestehen selbst bei vollständigem und längerfristigem Ausfall der Entscheidungssysteme nach wie vor (wenn auch deutlich abgespeckte, da üblicherweise nur auf Aussteuerungsfälle konzentrierte) personelle Entscheidungsstrukturen in der jeweiligen Behörde, mithilfe derer die Störung der automatisierten Systeme durch eine Reaktivierung der umfassenden personellen Bearbeitung zumindest partiell aufgefangen und damit die Folgen für den Gesetzesvollzug abgefedert werden können. 2. Vorbehalt des Gesetzes Als weitere Anforderung unter anderem des Gesetzmäßigkeitsprinzips1051 stellt sich zudem die Frage, ob die Entscheidung über Zulassung und Einsatz vollautomatisierter Formen des Gesetzesvollzugs von der Exekutive selbst im Rahmen ihres allgemeinen Organisationsermessens hätte getroffen werden können, oder diese zwingend einer parlamentsgesetzlichen Grundlage bedurfte.1052 Auch wenn die gegebene Fragestellung mit den im Zuge des BestVerfModG implementierten §§ 35a VwVfG, 31a SGB X, 155 Abs. 4 AO einen Großteil ihrer rechtspraktischen Virulenz einbüßte, erscheint es an dieser Stelle nicht vergebens, den Blick für die angedeutete Problematik anhand einiger kurzer Überlegungen weiter zu schärfen. Während der Vorbehalt des Gesetzes seinem ursprünglichen, dem Konstitutionalismus des 19. Jahrhunderts entspringenden Verständnis nach eine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage der Exekutive bei „Eingriffen in Freiheit und Eigentum“ der Bürger verlangte1053, erfuhr dieser zu Recht als freiheitlich-demokratische Kraftmitte des Grundgesetzes begriffene Grundsatz insbesondere im Zuge der bundesverfassungsgerichtlich entwickelten Wesent1050  Vgl. hierzu sodann unten § 5 C. I. 2. b), II. 2. c) sowie aus begrifflicher Perspektive § 3 C. II. 5. 1051  Über die exakte Herleitung des Vorbehalts des Gesetzes besteht bis dato noch Uneinigkeit, wobei dessen Ursprünge neben Art. 20 Abs. 3 GG bzw. dem allgemeinen Rechtsstaatsprinzip insbesondere auch im Demokratieprinzip sowie teils auch in den Grundrechten selbst verortet werden, vgl. zum Ganzen Detterbeck, Jura 2002, 235 (236); Grzeszick, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG, Art. 20 Abs. 3, Rn. 97 ff.; Huster/Rux, in: BeckOK GG, Art. 20, Rn. 173 f., je m. w. N. 1052  Zu dieser Frage im Speziellen auch Schröder, VerwArch 110 (2019), 328 (343 f.). 1053  Stern, Staatsrecht, § 20 IV 4 b (S. 802); Grzeszick, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG, Art. 20 Abs. 3, Rn. 77 je m. w. N.; vgl. auch BVerfGE 8, 155 (167); Huster/Rux, in: BeckOK GG, Art. 20, Rn. 172 f.



A. Verfassungsrechtliche Determinanten269

lichkeitslehre substanzielle Erweiterungen. Hiernach trifft den Gesetzgeber die allgemeine Verpflichtung, unabhängig vom Eingriffscharakter staatlicher Interventionen in den für das Gemeinwesen grundlegenden normativen Bereichen, soweit diese staatlichen Regelungen zugänglich sind, alle wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen und diese nicht anderen Normgebern zu überlassen.1054 Als „wesentlich“ in diesem Sinne wurden dabei jedenfalls solche Bereiche angesehen, die für die Grundrechtsausübung von wesentlicher Bedeutung sind (sog. Grundrechtswesentlichkeit).1055 Besinnt man sich sodann auf die inzwischen weitestgehend konsentierte Erkenntnis, dass nicht nur dem materiellen Recht, sondern auch den verfahrensrechtlichen Bestimmungen eine nicht unerhebliche Grundrechtsrelevanz dergestalt innewohnt, dass der grundrechtliche Schutz unter anderem auch durch eine diesen effektuierende normative Organisations- und Verfahrensgestaltung – im Sinne eines Grundrechtsschutzes durch Verfahren und Organisation – abzusichern ist1056, so lassen sich vollständig automatisiert ablaufende Verwaltungsverfahren zunächst ohne großen Aufwand mit einer grundsätzlichen Einschlägigkeit der Wesentlichkeitslehre und einer daraus folgenden Notwendigkeit einer formalgesetzlichen Zulassungsgrundlage in Verbindung bringen, wie dies auch von Teilen der Literatur unter Verweis auf die „Tragweite einer Vollautomatisierung“ befürwortet wird1057. 1054  BVerfGE 40, 237 (248 ff.); 47, 46 (78 ff.); 48, 210 (221); 49, 89 (126 ff.); 61, 260 (275); 83, 130 (152); 95, 267 (309) (st. Rspr.); Degenhart, Staatsorganisationsrecht, Rn. 330; Ipsen, Staatsorganisationsrecht, Rn. 768. 1055  BVerfGE 47, 46 (79); 80, 124 (132); 83, 130 (142 f.); 98, 218 (251); vgl. auch Ipsen, Staatsorganisationsrecht, Rn. 800; Degenhart, Staatsorganisationsrecht, Rn. 331. Inwieweit sich der Wesentlichkeitsvorbehalt über die Kategorie der Grundrechtswesentlichkeit hinaus auf weitere grundlegende Verfassungsprinzipien (Gewaltenteilung, Rechtsstaatsprinzip etc.) oder sonstige für das Gemeinwesen „wesentliche“ Fragen oder Entscheidungen der Staatsleitung erstreckt, ist bislang noch nicht abschließend geklärt, bedarf vorliegend aber keiner weiteren Erörterung. Vgl. hierzu Maurer/Waldhoff, Allg. VerwR, § 6, Rn. 12 f.; Grzeszick, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG, Art. 20 Abs. 3, Rn. 107; Ipsen, Staatsorganisationsrecht, Rn. 768, 800; Degenhart, Staatsorganisationsrecht, Rn. 331; vgl. insoweit beispielhaft VerfGH Münster NJW 1999, 1243 mit Anm. Böckenförde, NJW 1999, 1235; Isensee, JZ 1999, 1113 ff.; Brinktrine, Jura 2000, 123 ff., jeweils im Kontext staatsorganisationsrechtlicher Kompetenzabgrenzungen; für eine Beleihung Privater heranziehend: BVerwGE 137, 377; teils erweiternd auf den Haushaltsgesetzgeber BVerfGE 129, 124; 132, 195. 1056  Vgl. etwa BVerfGE 46, 325 (333 ff.); 52, 380 (389 f.); 53, 30 (65); 84, 343 (345 f.) (st. Rspr.); Häberle, VVDStRL 30 (1972), 43, (86 ff., 121 ff.).; Bethge, NJW 1982, 1 ff.; eher kritisch Laubinger, VerwArch 73 (1982), 60 ff.; allgemein zum Grundrechtsschutz durch Verfahren Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 1, Rn.  45 ff.; Schmidt-Aßmann, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, § 27, Rn. 32 ff. 1057  So etwa Kube, VVDStRL 78 (2019), 289 (304 in Fn. 75, 322); Polomski, Der automatisierte Verwaltungsakt, S. 97 f. m. w. N. aus der älteren Literatur; in diese

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a) Unergiebigkeit pauschaler Zuordnungen Eine wirklich sachgerechte und differenzierte Lösung lässt sich mit derart holzschnittartigen Einordnungen meines Erachtens allerdings nicht erzielen. Als bloßer Modus Operandi der Verfahrensabwicklung und daher im Wesentlichen rein dem Binnenbereich der Verwaltung zuzuordnender Aspekt1058 zeitigt nämlich insbesondere allein der den automatisierten Verwaltungsakt­ erlass charakterisierende Umstand (weitestgehend) fehlender menschlicher Beteiligung für sich noch keine wesentliche Bedeutung für die grundrecht­ lichen Schutzgehalte bzw. deren Verwirklichung und Absicherung im Wege der Verfahrensgestaltung- und -organisation.1059 Dies gilt umso mehr, als in der konkret vorgesehenen Ausgestaltung des automatisierten Verfahrenslaufs unverändert eine jedenfalls funktionsäquivalente Einhaltung der in den Verfahrensordnungen verbürgten und verfassungsrechtlich fundierten Verfahrensrechte strukturell angelegt ist, was schon angesichts der allgemeinen Rückbindung des Erlasses von Verwaltungsakten an die Verfahrensordnungen als Grundprämisse einer solchen Umsetzung vorauszusetzen ist.1060 Die rein abstrakt bestehende Eventualität, dass der in einer bestimmten Art und Weise – hier in Form vollautomatisierter Verfahrensstrukturen – ausgestaltete IT-Einsatz die Sachentscheidung zu beeinflussen vermag1061, reicht dagegen Richtung auch Hornung, in: Schoch/Schneider, VwVfG, § 35a, Rn. 4, 42; Windoffer, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, § 35a, Rn. 26; Beirat VwVfR, NVwZ 2015, 1114 (1115); Braun Binder, DÖV 2016, 891 (893 f.); U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/ Sachs, VwVfG, § 35a, Rn. 33; Tönsmeyer-Uzuner, Expertensysteme in der öffent­ lichen Verwaltung, S. 114 ff., insbes. 123 ff., 153 f.; im Kontext gegenläufiger privater Grundrechtsausübung Ernst, JZ 2017, 1026 (1031); vgl. aus schweizerischer Perspektive auch Rechsteiner, in: Jusletter IT vom 26. November 2018, Rz. 14 ff. und 34; unklar insoweit Schmitz/Prell, NVwZ 2016, 1273 (1276); letztlich offenbleibend zudem bei Luthe, SGb 2017, 250 (251); Degrandi, Die automatisierte Verwaltungsverfügung, S. 91. 1058  Stegmüller, NVwZ 2018, 353 (355); vgl. für das Steuerverfahren auch Frotscher, in: Schwarz/Pahlke, Erstkomm. BestVerfModG, § 155 AO, Rz. 2. 1059  Ähnlich insoweit Herold, Demokratische Legitimation automatisiert erlassener Verwaltungsakte, S. 196 ff., die bei vollständiger Automatisierung der Verwaltungsentscheidung (gesteigerte Komplexität, geminderte Kontrolle) aber im Regelfall von einem Wesentlichkeitsvorbehalt ausgeht. 1060  Von dieser Grundvorstellung geht auch der Gesetzgeber selbst aus, wenn er in BT-Drs. 18/8434, S. 122 sowie insbesondere BT-Drs. 18/7457, S. 48 f. zum Ausdruck bringt, dass er den vollautomatisierten Erlass von Verwaltungsakten als zweites und zudem materiell wie auch (verfahrens-)qualitativ äquivalentes Leitbild der Verwaltung versteht. Vgl. hierzu ebenfalls Rosenke¸ in: BeckOK AO, § 155, Rn. 212 sowie bereits § 4 B. III. 2. b) dd). 1061  Vgl. zu Beeinflussungsmöglichkeiten der Sachentscheidung durch IT-Einsatz auch (allerdings je im Kontext des Verbots der Mischverwaltung bei föderalem Zusammenwirken unter Art. 91c GG) Siegel, NVwZ 2009, 1128 (1129); BVerfGE 119,



A. Verfassungsrechtliche Determinanten271

nach zutreffender Auffassung gerade nicht aus, um einen Wesentlichkeitsvorbehalt auszulösen.1062 Daraus folgt, dass die Entscheidung, den Gesetzesvollzug eines bestimmten Regelungsbereichs in eine vollautomatisierte Verfahrensabwicklung zu überführen, im Ausgangspunkt dem eigenverantwortlichen Verfahrens- und Organisationsermessen der Verwaltung unterfällt, eine formalgesetzliche Grundlage also nicht per se erforderlich ist. b) Wesentlichkeitsvorbehalt bei besonderer Grundrechtsrelevanz Die hier vertretene Annahme, die Entscheidung über den Einsatz automatisierter Verwaltungsverfahren zum Gesetzesvollzug zunächst im Verfahrensund Organisationsermessen der Verwaltung zu verorten, bedeutet indes nicht, dass es einer formalgesetzlichen Grundlage niemals bedürfte. Weisen die zu automatisierenden Verfahren nach den jeweiligen Umständen eine besondere Grundrechtsrelevanz auf, so kann ein Gesetzesvorbehalt unter Wesentlichkeitsgesichtspunkten vielmehr nach wie vor aktiviert werden.1063 Denkbar erscheint dies etwa beim Vorliegen einer besonderen inhaltlichen Grundrechtsrelevanz des jeweiligen Fachgebiets1064, aufgrund von Eigenheiten der dort abzuwickelnden Verwaltungsverfahren1065 (besondere formelle Grundrechtsrelevanz) oder angesichts aus sonstigen Umständen resultierenden be331 (364, 367); Schliesky, ZSE 2008, 304 (320 f.); Gröpl, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG, Art. 91c, Rn. 7 f. 1062  So Schröder, VerwArch 110 (2019), 328 (344); vgl. auch Stegmüller, NVwZ 2018, 353 (355), der die Entscheidung über das „Wie“ der Verfahrensorganisation – auch hinsichtlich der vollautomatisierten Verfahrensabwicklung – von vorn­ herein dem „unantastbaren Kernbereich der eigenen Vollzugsverantwortung der Verwaltung“ zuordnet und so legislativen Vorgaben bereits im Grundsatz skeptisch gegenübersteht. Krit. hierzu Hornung, in: Schoch/Schneider, VwVfG, § 35a, Rn. 62. 1063  Vgl. Schröder, VerwArch 110 (2019), 328 (344); vgl. zudem TönsmeyerUzuner, Expertensysteme in der öffentlichen Verwaltung, S. 127 in Bezug auf normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften sowie Braun Binder, DÖV 2016, 891 (893 f.). 1064  Vgl. auch Guckelberger, Öffentliche Verwaltung, Rn. 546 sowie Herold, Demokratische Legitimation automatisiert erlassener Verwaltungsakte, S. 198. Inhaltliche Regelungsmaterien, die eine besondere Grundrechtsrelevanz aufweisen, können in diesem Sinne auch eine besondere Grundrechtsrelevanz der Verwaltungsverfahren zum Vollzug dieser Materien bedingen. 1065  In Betracht kommen hier etwa besondere Schwierigkeiten bei der Ermittlung und Berücksichtigung der entscheidungsrelevanten Tatsachen oder besondere Gefährdungslagen für Verfahrensrechte der Beteiligten, z. B. bei eingreifenden automatisierten Verwaltungsakten, denen kein Antrag bzw. keine Erklärungs-/Mitwirkungshandlung vorausgeht. Herold, Demokratische Legitimation automatisiert erlassener Verwaltungsakte, S. 198 führt unter Verweis auf Kube, VVDStRL 78 (2019), 289 (322) zudem eine gewisse Komplexitätsschwelle des Systems, die vermutlich mit der Komplexität des automatisiert zu vollziehenden Regelungsbereichs korreliert, sowie

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§ 5 Verfassungs-, Unions- und Verfahrensrecht

sonderen Risikolagen für grundrechtlich geschützte Rechtspositionen1066, wobei es teils zu Überschneidungen der Kategorien kommen kann. Auch im Kontext des Einsatzes selbstlernender Algorithmen wird teils unter Verweis auf eine abgeschwächte demokratische Zurechenbarkeit die Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung verlangt.1067 Je nach Umfang und Intensität der grundrechtlichen Rückbezüge können hierbei generelle gesetzliche bzw. gesetzlich delegierte Zulassungen durch untergesetzliche Normgeber ausreichen oder den Gesetzgeber über die bloße Zulassung hinaus sogar detailliertere inhaltliche und/oder verfahrensmäßige Regelungsanforderungen treffen.1068 c) Übertragung auf bundesrechtliche Zulassungsnormen Übertragen auf die bislang auf bundesrechtlicher Ebene existierenden Normen, welche die Zulassung vollautomatisiert erlassener Verwaltungsakte zum Gegenstand haben, lässt sich unter den dargelegten Grundsätzen somit festhalten, dass § 35a VwVfG und der darin vorgesehene Rechtsvorschriftenvorbehalt nach hier vertretener Auffassung keine verfassungsrechtliche Notwendigkeit, sondern eine in ihrer Breite konstitutive legislative Kompetenzzuweisung der Entscheidung über die Auswahl automationsgeeigneter Verfahren (inklusive der Möglichkeit zum Erlass kompensatorischer Begleitregelungen) an den zuständigen (auch untergesetzlichen)1069 Fachnormgeber darstelwesentliche Veränderungen im Staat-Bürger-Verhältnis (Kommunikationserschwernisse, Fehleranfälligkeit) an. 1066  Vgl. Schröder, VerwArch 110 (2019), 328 (344), der den Daten- und Persönlichkeitsschutz beispielhaft anführt. Denkbare wäre insofern etwa eine besondere datenschutz- und persönlichkeitsrechtliche Risikolage durch den Umgang mit besonders sensiblen Datenbeständen, wobei sich an Art. 9 DSGVO orientiert werden könnte. 1067  Schröder, VerwArch 110 (2019), 328 (344 f.); Michael, in: Stern/Sodan/Möstl, Staatsrecht, § 28, Rn. 59; unter Verweis auf ihre grundrechtliche Tragweite auch Guckelberger, Öffentliche Verwaltung, Rn. 625; eingehend zu selbstlernenden Systeme sodann unter § 5 B. 1068  Allgemein zu den (regelungs-)inhaltlichen Postulaten der Wesentlichkeitstheorie Grzeszick, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG, Art. 20 Abs. 3, Rn. 106; Maurer/Waldhoff, Allg. VerwR, § 6, Rn. 14; Huster/Rux, in: BeckOK GG, Art. 20, Rn. 179, 180; Sachs, in: Sachs, GG, Art. 20, Rn. 117 m. w. N. 1069  Für fachrechtliche Zulassungen auch durch untergesetzliche Rechtsnormen Schmitz/Prell, NVwZ 2016, 1273 (1276); Ramsauer/Tegethoff, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 35a, Rn. 12; U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35a, Rn. 30; Bull, DVBl. 2017, 409 (411); Guckelberger in: FS Herberger, 397 (402); Martini/ Nink, DVBl. 2018, 1128 (1130); a. A. i. E. wohl Kube, VVDStRL 78 (2019), 289 (322). Der Frage, ob bereits § 35a VwVfG an sich eine hinreichende Ermächtigungsgrundlage für eine solche zulassende untergesetzliche Rechtsnorm darstellte, kann hier aus Platzgründen nicht nachgegangen werden.



A. Verfassungsrechtliche Determinanten273

len.1070 Mit § 31a SGB X wurde dagegen eine – wenn auch weit gefasste – fachgesetzliche Zulassung im Sozialverwaltungsverfahrensrecht imple­ mentiert1071, deren verfassungsrechtliche Unabdingbarkeit unter Wesentlichkeitsgesichtspunkten sich nicht zuletzt angesichts des ausgeprägten sozialrechtlichen Menschenwürdebezugs1072 oder einer anderweitig bestehenden beson­deren Grundrechtsrelevanz1073 zumindest bereichsweise überzeugend begründen ließe. Für die auf bestimmte Verfahren abschließend beschränkte steuerverfahrensrechtliche Zulassung des § 155 Abs. 4 AO trifft dies indes – abgesehen von besonders gelagerten Ausnahmesituationen – eher nicht zu. 3. Ergebnisse zur Gesetzmäßigkeit der Verwaltung Der verfassungsrechtliche Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung stellt im Ergebnis verschiedentliche Anforderungen an die Ausgestaltung und Zulassung vollautomatisierter Verwaltungsverfahren. Hinsichtlich der organisatorisch-technischen Ausgestaltung vollautomatisierter Entscheidungssysteme ließen sich unter dem Aspekt des Vorrangs des Gesetzes zunächst administrative Qualitätssicherungspflichten der die (Entscheidungs-)Systeme einsetzenden Behörden ableiten, die in ihrem Kern auf die Sicherstellung materieller Entscheidungsrichtigkeit durch eine vollständige und sachrichtige Abbildung der gesetzlichen Rahmenbedingungen ausgerichtet sind und sich in ihrer Wirkrichtung sowie zeitlichen Dimension in verschiedene Verästelungen aufzweigen. Neben präventive Pflichten insbesondere zum Durchlaufen ausreichender Erprobungs- und Testphasen vor Inbetriebnahme der Systeme sowie zur kritischen Begleitung und Prüfung bereits während der Programmkonzipierung und -entwicklung treten in diesem Sinne fortlaufende Vollzugsüberwachungspflichten sowohl hinsichtlich der Generierung sachrichtiger Entscheidungen an sich als auch im Hinblick auf die Herstellung 1070  Vgl. insofern auch BT-Drs. 18/8434, S. 122, wo diese Zuweisung offenbar ebenso nicht als rechtsstaatliche Notwendigkeit, sondern eher als pragmatische Vorsichtsmaßnahme bzw. vernünftigstes Mittel zur Sondierung automationsgeeigneter Verfahren verstanden wurde, sowie zu der bereits angesprochenen „Kompetenzzuweisungsfunktion“ der Norm Schmitz/Prell, NVwZ 2016, 1273 (1276); U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35a, Rn. 1, 33; a. A. insoweit Herold, Demokratische Legitimation automatisiert erlassener Verwaltungsakte, S. 274 f. Unionsrechtlich ist diesbzgl. aufgrund der Öffnungsklausel des Art. 22 Abs. 2 lit. b) DSG-VO indes ein anderes Ergebnis angezeigt; hierzu näher § 5 D. I., insbes. 3. 1071  Vgl. nur U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35a, Rn. 32. 1072  Vgl. etwa die Herleitung des „Grundrechts zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums“ aus Art. 1 Abs. 1 GG i. V. m. dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG: BVerfGE 125, 175 (222 f.); Niedermeyer, in: BeckOK Sozialrecht, § 1 SGB I, Rn. 3, 11 ff.; vgl. auch Held, Der Grundrechtsbezug, S. 135 ff. 1073  Vgl. nur Niedermeyer, in: BeckOK Sozialrecht, § 1 SGB I, Rn. 3, 10 ff.

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und Sicherung einer funktionsfähigen und integren Datenverarbeitungsinfrastruktur als elementare Wirkvoraussetzung automatisierter Entscheidungssysteme, die ihrerseits wiederum anlassbezogen in konkrete Sicherungs-, Fehlerbehebungs-, Korrektur-, Anpassungs- und Änderungspflichten umschlagen können. Unter dem Vorbehalt des Gesetzes ergab sich dagegen keine intrinsische Notwendigkeit einer parlamentsgesetzlichen Rechtsgrundlage für die Zulassung vollautomatisierter Verwaltungsverfahren, die als rein, jedenfalls aber primär binnenorganisatorische Entscheidung im Ausgangspunkt dem allgemeinen Organisations- und Verfahrensermessen der Verwaltung unterfällt. Bei besonderer Grundrechtsrelevanz der jeweiligen Regelungsmaterie kann es indes durchaus zur Aktivierung eines Wesentlichkeitsvorbehalts kommen, der sich je nach Intensität und Ausprägung grundrechtlicher Durchsetzung auch zu konkreten und ausdifferenzierten inhaltlichen Regelungsanforderungen verdichten kann. Für die bereits existierenden Zulassungsregelungen bedeutet dies allerdings, dass – ggfls. mit partieller Ausnahme von § 31a SGB X – nach vorliegend vertretener Auffassung von keiner verfassungsrechtlichen Notwendigkeit auszugehen ist. II. Demokratische Zurechnung automatisierter Verwaltungsentscheidungen Grenzen einer Vollautomatisierung verbindlicher Verwaltungsentscheidungen können sich des Weiteren aus dem demokratischen Prinzip des Grundgesetzes ergeben.1074 Dieses schreibt gem. Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG fest, dass alle Staatsgewalt vom Volke ausgeht, mithin jede Ausübung von Staatsgewalt auf das Volk als Legitimationssubjekt zurückführbar sein muss. Überall dort, wo unter dem Grundgesetz das (Staats-)Volk seine Staatsgewalt nicht unmittelbar ausübt (vgl. Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG), ist hierfür eine ununterbrochene Kette demokratischer Legitimation erforderlich, um den notwendigen „Zurechnungszusammenhang zwischen Volk und staatlicher Herrschaft“ herzustellen.1075 Hinsichtlich der konkreten Ausformungen legitimationsvermittelnder Quellen wird sodann gemeinhin zwischen den Kategorien sachlichinhaltlicher, personell-organisatorischer und teils institutioneller Legitimation unterschieden1076, wobei nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG aller1074  Die vorliegende Arbeit konzentriert sich bei den folgenden Betrachtungen auf das demokratische Legitimationsmodell im Rahmen der weisungsgebundenen unmittelbaren Staaatsverwaltung. Formen der (funktionalen) Selbstverwaltung werden aus Vereinfachungsgründen ausgeblendet. 1075  BVerfGE 83, 60 (71 f.); 93, 37 (66); 107, 59 (87); 137, 185 (232); Böckenförde, in: HdbStR II, § 24, Rn. 11; Pieroth, JuS 2010, 473 (481). 1076  Vgl. nur BVerfGE 107, 59 (87); 137, 185 (232 f.); Böckenförde, in: HdbStR II, § 24, Rn. 14; Grzeszick, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG, Art. 20 Abs. 2, Rn. 120 ff.;



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dings nicht einzelnen Legitimationssträngen entscheidendes Gewicht zukommt, sondern vielmehr ein hinreichendes Legitimationsniveau im Zusammenwirken sämtlicher Legitimationsquellen und mit Blick auf Umfang und Ausmaß der konkret ausgeübten Hoheitsgewalt erforderlich ist.1077 Als vollautomatisierte Ausübung von Staatsgewalt und ungeachtet des Einsatzes informationstechnischer Systeme muss gemessen an diesen Grundsätzen auch der vollständig automatisiert bewirkte Erlass eines Verwaltungsaktes und die hierfür verantwortliche Entscheidungssoftware an den Volkswillen hinreichend demokratisch rückgebunden werden.1078 Im Vergleich zu Verwaltungsentscheidungen, die in einem herkömmlichen Verfahren von (unbestritten) personell-organisatorisch und sachlich-inhaltlich legitimierten Amtswaltern erzeugt wurden, stehen dabei allerdings gewisse Unterbrechungen, jedenfalls aber Abschwächungen des demokratischen Legitimationszusammenhangs im Raume, wenn Verwaltungsakte vollständig auf automatische Einrichtungen zurückgehen, deren unmittelbar normativen (Entscheidungs-)Grundlagen wiederum in einer (ggfls. sogar von privaten Dritten) programmierten Software wurzeln.1079 Vor allem gegenüber bisher in der Verwaltungspraxis hinzugezogenen Formen technischer Hilfsmittel, welchen ganz überwiegend eine bloß unterstützende Rolle zuteil wurde, wird dabei eine gesteigerte Brisanz der Problematik deutlich.1080 Im Folgenden soll deshalb der verfassungsrechtlichen Frage nachgespürt werden, unter welchen Prämissen von einer hinreichenden demokratischen Legitimation vollautomatisierter Verwaltungsentscheidungen ausgegangen werden kann und mit welchen Mitteln eine solche sowohl in sachlich-inhaltlicher als auch personellorganisatorischer Hinsicht herzustellen ist.

Huster/Rux, in: BeckOK GG, Art. 20, Rn. 93 ff.; Degenhart, Staatsorganisationsrecht, Rn. 29. 1077  BVerfGE 83, 60 (72 ff.); 93, 37 (66 f.); 107, 59 (87); 137, 185 (232); Sommermann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 20, Rn. 185 f.; Grzeszick, in: Dürig/ Herzog/Scholz, GG, Art. 20 Abs. 2, Rn. 126 ff.; Huster/Rux, in: BeckOK GG, Art. 20, Rn. 92; Pieroth, JuS 2010, 473 (481). 1078  Vgl. Guckelberger, in FS Herberger, 397 (411 f.); vgl. auch Britz, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, § 26, Rn. 67; Martini/Nink, DVBl. 2018, 1128 (1134); Schröder, VerwArch 110 (2019), 328 (331 ff.); eingehend zum Legitimationserfordernis bei automatisierten Verwaltungsentscheidungen Herold, Demokratische Legitimation automatisiert erlassener Verwaltungsakte, S. 187 ff., insbes. 194 f. Zur demokratischen Legitimation beim Einsatz algorithmischer Systeme in der Justiz Nink, Justiz und Algorithmen, S. 321 ff. 1079  Vgl. Martini/Nink, DVBl. 2018, 1128 (1134); Schröder, VerwArch 110 (2019), 328 (331 ff.). 1080  Vgl. Prell, NVwZ 2018, 1255 (1258).

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1. Sachlich-inhaltliche Legitimationskomponenten a) Gesetzesbindung als Fundament sachlich-inhaltlicher Legitimation Das tragende Fundament einer sachlich-inhaltlichen Legitimation exekutiven Handelns bildet zuvörderst das Parlamentsgesetz, das als vom unmittelbar legitimierten Gesetzgeber dekretierter Regelungskatalog die Verwaltungstätigkeit umfassend normativ anleitet.1081 Ungeachtet des Einsatzes informationstechnischer Systeme bedürfen daher auch in vollautomatisierten Verwaltungsverfahren zustande gekommene Verwaltungsentscheidungen jener normativen Anleitung, ohne die eine demokratische Legitimation der ­erzeugten Hoheitsakte letztlich nicht hinreichend gelingen kann. Was angesichts der primär technisch-informatischen Gebundenheit juristischer Entscheidungssysteme an ihren Programmcode auf den ersten Blick bezweifelt werden mag1082, lässt sich bei genauerer Betrachtung sodann aber ohne größere Schwierigkeiten ableiten, zumal auch vollautomatisierte Verwaltungsverfahren in der hier behandelten Art freilich nicht völlig losgelöst von den zugrundeliegenden normativen Vorgaben operieren: Indem die eingesetzte Software den oben herausgearbeiteten Anforderungen der Gesetzmäßigkeit genügt, mithin insbesondere die rechtlichen Rahmenbedingungen der zu vollziehenden Regelungsbereiche vollständig und sachrichtig in dem Entscheidungssystem abgebildet, dessen Funktionalität vorsorgend und fortlaufend überwacht und Mängel jedweder Art anlassbezogen korrigiert werden1083, ist vielmehr auch in automatisierten Verwaltungsverfahren von einer unverändert bestehenden und qualitativ äquivalenten normativen Rückbindung der Exekutive auszugehen, in der sich in gleicher Weise wie bei herkömmlichen Formen des Gesetzesvollzugs effektive sachlich-inhaltliche Einflussmöglichkeiten des Staatsvolkes materialisieren. Was eine qua Gesetzesbindung vermittelte sachlich-inhaltliche Legitimation vollautomatisiert erlassener Verwaltungsentscheidungen anbelangt, können somit Anzeichen eines strukturellen Defizits im Vergleich zu humanen Verwaltungsverfahren nicht festgestellt werden. Im Übrigen entfalten über die Gesetzesgebundenheit hinaus bereits die besonderen Normierungen der §§ 35a VwVfG, 31a SGB X und 155 Abs. 4 1081  Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 272  f.; Mehde, Neues Steuerungsmodell und Demokratieprinzip, 2000, S. 184 ff; Böckenförde, in: HdbStR II, § 24, Rn. 21 f.; vgl. auch Kube, VVDStRL 78 (2019), 289 (314). 1082  Vgl. insofern die kritischen Gedanken des „code is law“ bzw. „code law“ etwa bei Lessing, Code und andere Gesetze des Cyberspace, S. 19 ff., insbes. 24; Ahrendt, NJW 2017, 537 ff.; Maier, JZ 2017, 614 (618); vgl. auch Ernst, JZ 2017, 1026; Kube, VVDStRL 78 (2019), 289 (309 f.) m. w. N. 1083  Vgl. im Einzelnen § 5 A. I. 1.



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AO legitimatorische Wirkungen, die vollautomatisierte Verwaltungsverfahren als solche anerkennen und jedenfalls klarstellend zulassen.1084 Für den Bereich des allgemeinen Verwaltungsverfahrensrechts treten zudem die nach § 35a VwVfG vorgesehenen fachrechtlichen Zulassungen legitimationsspendend hinzu.1085 b) Weisungsrechte, Aufsicht und parlamentarische Kontrolle Neben der Bindung der Programmabläufe an Recht und Gesetz wird sachlich-inhaltliche Legitimation auch durch parlamentarische Kontrollrechte und einer damit korrespondierenden Verantwortlichkeit der Regierung vermittelt, die sich für die nachgeordneten Behörden in Gestalt von Weisungsund Aufsichtsrechten fortsetzt.1086 Auch in dieser Hinsicht kann zunächst von einer strukturellen Äquivalenz vollautomatisierter Verfahren ausgegangen werden, die insofern auf einer identischen organisations- und beamtenrechtlichen Ausgangslage basieren, unabhängig vom Erzeugungsprozess und dem unmittelbaren Urheber der (organisatorisch) zurechenbaren Entscheidungen.1087 Lediglich auf faktischer Ebene erscheinen gewisse Abschwächungen der Kontrollmöglichkeiten denkbar, die sich etwa in Form von Verzögerungen oder einer erschwerten Identifikation von interventionsbedürftigen Zu- und Umständen1088 manifestieren können. So kann beispielsweise auf verwaltungsinterne Steuerungsmaßnahmen der übergeordneten Behörden – insbesondere in Form von Weisungen oder Verwaltungsvorschriften – möglicherweise nicht mit der gleichen Unmittelbarkeit reagiert und deren Umsetzung erreicht werden, wenn hierzu Änderungen des Programmablaufs nötig werden, die ihrerseits wiederum von zeitaufwändigeren (und ggfls. von externen 1084  Vgl. Guckelberger, in: FS Herberger, 397 (411 f.); allgmeiner auch Herold, Demokratische Legitimation automatisiert erlassener Verwaltungsakte, S. 200 f. 1085  Guckelberger, in: FS Herberger, 397 (411 f. sowie 354 i. R.d. Aussprache). 1086  Grzeszick, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG, Art. 20 Abs. 2, Rn. 122; Böckenförde, in: HdbStR II, § 24, Rn. 21 f.; Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S.  272 f.; Mehde, Neues Steuerungsmodell und Demokratieprinzip, 2000, S. 186 ff. Zu den Anforderungen von Weisungs-, Aufsichts- und Kontrollrechten bei automatisierten Verwaltungsverfahren eingehend Herold, Demokratische Legitimation automatisiert erlassener Verwaltungsakte, S. 223 ff. 1087  So i. E. wohl auch Guckelberger, VVDStRL 78 (2019), 235 (268): „Zugleich wird durch die Freigabe […] den verfassungsrechtlichen Kontrollanforderungen von Verwaltungsentscheidungen genügt“; deutlich restriktiver angesichts angenommener Komplexitätsgrenzen hinsichtlich der Nachprüfbarkeit der Systeme dagegen Herold, Demokratische Legitimation automatisiert erlassener Verwaltungsakte, S. 229 ff. 1088  Vgl. hierzu insbesondere Herold, Demokratische Legitimation automatisiert erlassener Verwaltungsakte, S.  228 ff.

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Dienstleistern ausgeführten) technischen Anpassungen des Softwarecodes inklusive vorgelagerter Erprobungsphasen1089 etc. abhängen. Wie allerdings schon oben gezeigt wurde, dass nicht jede verzögerte Rechtsanwendung eine Aufhebung der Gesetzesbindung der Verwaltung bedingt1090, so verdichtet sich gleichermaßen nicht jede Verzögerung in der Reaktionsgeschwindigkeit auf verwaltungsinterne Steuerungsvorgänge zu einer Unterbrechung des demokratischen Zurechnungszusammenhangs infolge eines verwässerten oberbehördlichen Kontrolldurchgriffs. Genauso wie für sonstige faktische Defizite, die im Zusammenhang mit automatisierten Verwaltungsverfahren und deren Eigenheiten denkbar erscheinen, muss insofern eine gewisse Erheblichkeitsschwelle überschritten werden, damit diese auch rechtliche Relevanz zeitigen. Abstrakte Möglichkeiten und allgemeine Zweifel reichen für eine verfassungsrechtliche Disqualifizierung vollautomatisierter Verwaltungsverfahren dagegen noch nicht aus. Auch hinsichtlich der erforderlichen Nachvollziehbarkeit und der Einwirkungsmöglichkeiten auf die eingesetzten Programme seitens der rechtsaufsichtlichen Behörden ist jedenfalls bei regel­ basierten Systemen im Zweifel (notfalls unter Hinzuziehung technischen Sachverstands) von keinen unüberwindbaren Hindernissen auszugehen.1091 Solange also mit ggfls. eintretenden Verzögerungen oder sonstigen faktischen Problemen kein merklicher Verlust an gubernativen Einfluss- und Durchgriffsmöglichkeiten einhergeht, wird die über Aufsichts- und Weisungsrechte vermittelte exekutivische Verantwortlichkeit gegenüber dem Parlament aufrechterhalten und sichert damit die geforderte effektive Einflussnahme des Staatsvolkes. 2. Personell-organisatorische Legitimationskomponenten a) Demokratische Verantwortlichkeit des Entscheidungsträgers und Wegfall menschlicher Entscheider Als zweite Säule demokratischer Zurechnung verlangt der personell-organisatorische Legitimationsstrang, dass die mit der Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben betrauten Amtswalter individuell demokratisch rückgebunden werden. Die Bestellung des jeweiligen Amtswalters (in Form der Wahl oder Er1089  Zu Erprobungsphasen als Anforderung des Gesetzmäßigkeitsprinzips § 5 A. I. 1. a) bb). 1090  Vgl. hierzu bereits § 5 A. I. 1. a) cc) (2). 1091  Deutlich strenger insoweit Herold, Demokratische Legitimation automatisiert erlassener Verwaltungsakte, S. 225 ff., die die Komplikationen für eine rechtsaufsichtliche Kontrolle der eingesetzten Programme m. E. (allen voran bei nur regelbasierten Systemen) überbewertet.



A. Verfassungsrechtliche Determinanten279

nennung) wie auch dessen Amtswahrnehmung müssen demnach im Sinne einer Verantwortlichkeit des Entscheidungsträgers zumindest mittelbar auf das Staatsvolk als Legitimationssubjekt rückführbar sein.1092 Im Gegensatz zu der sachlich-inhaltlichen Anleitung der Verwaltungstätigkeit, die sich ohne tiefgreifendere Schwierigkeiten auch in automatisierten Verfahrensabläufen in der dargestellten Art bewältigen ließ, stellen die auf die Person des Amtswalters bezogenen Zurechnungsvoraussetzungen hierbei nachhaltigere Komplikationen in Aussicht.1093 Dies rührt insbesondere daher, dass im Modus des vollständig automatisierten Erlasses von Verwaltungsakten nach dem Zuschnitt des BestVerfModG auf ein Entscheiden des legitimierten menschlichen Amtswalters im Einzelfall strukturell verzichtet wird und stattdessen automatische Einrichtungen zum Hauptakteur der Gesetzesvollziehung aufrücken1094. Die bisherige Kraftmitte personell-organisatorischer Entscheidungsverantwortlichkeit fällt im Zuge dessen größtenteils weg, was die dahingehenden Legitimationskomponenten der automatisiert erzeugten Einzelentscheidungen zunächst durchaus fraglich erscheinen lässt. b) Personell-organisatorische Zurechnung kraft humaner Residualelemente Der strukturelle Verzicht menschlicher Einzelentscheidung ist sodann allerdings nicht einem völligen Entschwinden humaner Verfahrenseinflüsse gleichzusetzen, das jeglichem Anknüpfungspunkt personeller Legitimation entbehren würde.1095 Vielmehr verbleiben auch in automatisierten Verwaltungsverfahren nach dem BestVerfModG humane Residualelemente, über die im Ergebnis ein hinreichender personell-organisatorischer Zurechnungszusammenhang hergestellt werden kann. aa) Bewusste Freigabeentscheidung als menschliches Initiativmoment In diesem Kontext ist als erstes auf den Umstand hinzuweisen, dass zum vollautomatisierten Erlass von Verwaltungsakten eingesetzte algorithmische 1092  BVerfGE 47, 253; 77, 1 (40); 83, 60 (72 ff.); Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 269; Mehde, Neues Steuerungsmodell und Demokratieprinzip, 2000, S. 180 ff.; Böckenförde, in: HdbStR II, § 24, Rn. 16 ff.; Grzeszick, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG, Art. 20 Abs. 2, Rn. 121; speziell im Kontext automatisierter Entscheidungen Herold, Demokratische Legitimation automatisiert erlassener Verwaltungsakte, S. 139, 245. 1093  Vgl. insoweit Wischmeyer, AöR 143 (2018), 1 (36 in Fn. 141), der (allerdings überwiegend im Haftungskontext) selbst bei voll determinierten Systemen auf Unsicherheiten hinsichtlich der Verantwortungszurechnung hinweist. 1094  Siehe zusammenfassend § 3 D. 1095  Vgl. auch Berger, in: Knack/Henneke, VwVfG, § 35a, Rn. 36 f.

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Entscheidungssysteme ihr Wirken nicht eigenmächtig aufnehmen, sondern auf ein menschliches Initiativmoment in Form einer bewussten Freigabebzw. Inbetriebnahmeentscheidung der Behörde bzw. ihres Leiters zurückgehen.1096 Mit der positiven und willensgetragenen Entscheidung des zuständigen und – insoweit zu unterstellen – hinreichend legitimierten Behördenleiters, die Entscheidungssoftware für den Erlass von Verwaltungsakten in dem automatisiert zu vollziehenden Rechtsbereich freizugeben1097, existiert insoweit ein erster, dem konkreten Einzelfall vorgelagerter Anker personell-demokratischer Zurechnung der auf diesem Wege erzeugten Entscheidungen, wenn auch dieser für sich betrachtet freilich kein erschöpfendes Maß an Legitimation vermitteln kann. bb) Menschliche Einflussnahme auf Programmierung und Ausgestaltung der Entscheidungssysteme Des Weiteren lassen sich auch die Entwicklung und inhaltliche Ausgestaltung derartiger algorithmischer Entscheidungssysteme denklogisch nicht von menschlichen Gedankenleistungen und Willensmomenten trennen. Algorithmen sind letztlich Konstrukte menschlicher Kreativität.1098 Sie „entscheiden“ nur innerhalb eines klar definierten „Autonomiebereichs“, der ihnen im Wege menschlicher Programmierung eröffnet und zugewiesen wurde.1099 Jedenfalls in der Domäne determinierter Entscheidungssysteme1100 bilden die im Entscheidungssystem zur Anwendung kommenden algorithmischen Arbeitsrou­ tinen demnach allenfalls eine delegierte Entscheidungsmacht ab, mit der Folge, dass eine Organisationsverantwortung einerseits der Entwickler bzw. 1096  Vgl. (allerdings überwiegend im haftungsrechtlichen Kontext) Wischmeyer, AöR 143 (2018), 1 (38); vgl. auch Ziekow, NVwZ 2018, 1169 (1170 f.); Stegmüller, NVwZ 2018, 353 (355); Martini/Nink, DVBl. 2018, 1128 (1130, 1134); Schröder, VerwArch 110 (2019), 328 (334); Heintzen, DÖV 2015, 780 (784); Lazaratos, Rechtliche Auswirkungen der Verwaltungsautomation, S. 145 ff.; Polomski, Der automatisierte Verwaltungsakt, S. 88 ff., insbes. 91; Guckelberger, VVDStRL 78 (2019), 235 (268); dies., in FS Herberger, 397 (412); vgl. zur Frage der Zurechenbarkeit im Kontext der Handlungsform des Verwaltungsakts bereits oben § 4 A. II. 4. 1097  Zum Teil wird diesbezüglich auch auf die Programmierung, die Entscheidung zur Anschaffung oder die Auswahl der Systeme (vgl. insoweit Britz, in: HoffmannRiem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, § 26, Rn. 59, insbes. 62, 64) abgestellt. Richtigerweise empfiehlt sich aber die Anknüpfung an die konkrete Entscheidung der Freigabe und Inbetriebnahme der Systeme, vgl. hierzu bereits aus der Perspektive der Handlungsformenlehre § 4 A. II. 4. 1098  Vgl. Herberger, NJW 2018, 2825 (2827); Hoffmann-Riem, AöR 142 (2017), 1 (28 f.); vgl. auch Ernst, JZ 2017, 1026 (1027); Buchholtz, JuS 2017, 955 (957). 1099  Herberger, NJW 2018, 2825 (2827). 1100  Näher zur Abgrenzung und Würdigung indeterminierter Systeme § 5 B.



A. Verfassungsrechtliche Determinanten281

Programmierer1101, andererseits aber auch sonstiger Personen und Instanzen, welchen diese Organisationsverantwortlichkeit zugerechnet werden kann, unverändert bestehen bleibt.1102 Indem die Entwicklung und Ausgestaltung der zugrundeliegenden Arbeitsroutinen des Computerprogramms vollumfänglich auf menschliche Gestaltungsleistungen zurückgehen, existiert somit eine noch weiter vorgelagerte und inhaltsbezogene Residualgröße mensch­ licher Willensbetätigung, über die ebenfalls ein mittelbarer personell-organisatorischer Legitimationszusammenhang hergestellt werden kann, jedenfalls soweit die eingesetzten Programme in behördlicher Eigenleistung erstellt wurden.1103 Werden die Entscheidungssysteme dagegen nicht von der sie einsetzenden, legitimierten Behörde bzw. ihren Mitarbeitern, sondern von beauftragten (privaten) Dritten entwickelt, so muss – wie bereits angedeutet wurde – zusätzlich eine Überleitung der nach wie vor bestehenden Organisationsverantwortung auf die jeweilige Behörde dergestalt erfolgen, dass die Letztverantwortung für den Inhalt der Entscheidungssysteme, die in vollautomatisierten Verfahren den Entscheidungsprozess umfassend steuern, bei der einsetzenden Behörde verbleibt1104 und so zumindest mittelbar auf eine personelle Aufgabenwahrnehmung eines demokratisch legitimierten Amtswalters (regelmäßig der Behördenleiter) zurückgeführt werden kann. Die in diesem Kontext von Stelkens vorgeschlagene Parallele zum Grundsatz der Selbstorganschaft1105 erscheint insofern sachgerecht und vermag hilfreiche Leitlinien an die Hand zu geben, da dieser dem Phänomen funktionaler Privatisierung genauso Grenzen dahingehend setzt, dass die eigentlichen Entscheidungskompetenzen 1101  Vgl. Herold, Demokratische Legitimation automatisiert erlassener Verwaltungsakte, S.  249 ff. 1102  Herberger, NJW 2018, 2825 (2827); vgl. sogar im Kontext indeterminierter Systeme auch Ernst, JZ 2017, 1026 (1027). 1103  Vgl. auch Wischmeyer, AöR 143 (2018), 1 (37 f.); Herold, Demokratische Legitimation automatisiert erlassener Verwaltungsakte, S. 250, 256, 258; Berger, in: Knack/Henneke, VwVfG, § 35a, Rn. 36; Heintzen, DÖV 2015, 780 (784) sowie Guckelberger, in: FS Herberger, 397 (412). 1104  U. Stelkens, in: Hill/Kugelmann/Martini, Digitalisierung in Recht, Politik und Verwaltung, 81 (94); Groß, VerwArch 95 (2004), 400 (410); ähnlich Herold, Demokratische Legitimation automatisiert erlassener Verwaltungsakte, S. 251 ff., 256 ff., 258; vgl. auch Guckelberger, in FS Herberger, 397 (412); dies., Öffentliche Verwaltung, Rn. 467; Britz, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, § 26, Rn. 67, 72; Schubert, Privatisierung des eGovernment, S.  277 ff.; Herold, DÖV 2020, 181 (187 f.). Zur Rolle von IT-Kooperationen zur Bewältigung der Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung Koch/Siegmund/Siegmund, MMR 2021, 760 ff. 1105  U. Stelkens, in: Hill/Kugelmann/Martini, Digitalisierung in Recht, Politik und Verwaltung, 81 (94); vgl. auch ders., in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35a, Rn. 28.

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und die jeweilige Entscheidungsverantwortung bei den Bediensteten der zuständigen Behörde verbleiben müssen.1106 Neben der Freigabe des Programms an sich kann die verlangte Verantwortungsübernahme auf Ebene der Behörde sodann lediglich durch eine hinreichende Einflussnahme seitens der den Einsatz vorsehenden Behörde bereits auf die Entwicklung und Ausgestaltung des Programms wie auch dessen operativen Betrieb nach Indienstnahme erfolgen1107, die in Umfang und Intensität ein Niveau aufweisen muss, das den personell-organisatorischen Legitimationsanforderungen (im Sinne einer effektiven mittelbaren Einflussnahme des Staatsvolkes) genügt, mithin einer echten Zurechnung abgeleiteter Organisationsverantwortung entspricht.1108 Ausgehend von verbindlichen behördlichen Vorgaben hinsichtlich der Ziele und rechtlichen Voraussetzungen des im System abzubildenden Rechtsbereichs1109, durch die das konkrete Funktionsspektrum und die Leistungsmerkmale der zu erstellenden Software abgesteckt werden, ist hierbei insbesondere zu verlangen, dass die grundlegenden Wirkmechanismen, Arbeitsroutinen und Entscheidungsparameter des sich in der Entwicklung befindlichen bzw. bereits fertig entwickelten Al­ gorithmus wie auch die vom System benötigten Informationen, abgefragte Ausgangsdaten und deren Verknüpfung mit den abgebildeten rechtlichen Voraussetzungen von der Behörde – respektive den dazu berufenen Behördenmitarbeitern – strukturell nachvollzogen und auf ihre Validität im Lichte des jeweiligen Rechtsbereichs hin überprüft werden können.1110 Mittels fortlaufender Einwirkungs- und Interventionsmöglichkeiten muss die Behörde zudem auf die Beseitigung aus ihrer Sicht bestehender Kritikpunkte oder Systemdefizite hinwirken und sich in Demonstrationsläufen von der Funk­ tionalität der gesamten Software oder einzelner Subsysteme vergewissern können. Dabei lässt die auf diesem Wege bewirkte Herstellung einer Organisationsverantwortlichkeit der Behörde letztlich auch eine enge Verknüpfung demokratischer Zurechnung mit den Anforderungen der Sicherstellung mate1106  U. Stelkens, in: Hill/Kugelmann/Martini, Digitalisierung in Recht, Politik und Verwaltung, 81 (94); eingehender zum Grundsatz der Selbstorganschaft ders., Jura 2016, 1260 (1262); ders., in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35, Rn. 60. 1107  Vgl. Guckelberger, in: FS Herberger, 397 (412); Herold, Demokratische Legitimation automatisiert erlassener Verwaltungsakte, S. 251, 256, insbes. 258; Lazaratos, Auswirkungen der Verwaltungsautomation, S. 142 ff.; vgl. auch Guckelberger, Öffentliche Verwaltung, Rn.  463 f. 1108  Auf Unsicherheiten hins. der konkreten Anforderungen inhaltlicher Einflussnahme und deren Einhaltung weist Hoffmann-Riem, in: Unger/Ungern-Sternberg, Demokratie und KI, 129 (145) hin. 1109  Vgl. hinsichtlich zu fordernder Vorgaben auch Herold, Demokratische Legitimation automatisiert erlassener Verwaltungsakte, S. 251, 256, 258. 1110  Vgl. auch Herold, Demokratische Legitimation automatisiert erlassener Verwaltungsakte, S. 251, 256, 258.



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rieller Entscheidungsrichtigkeit1111 erkennen. Ein gewisses Mindestmaß an technischer Expertise seitens der Behörde ist im Zuge dieser Einflussnahmeverantwortung obligatorisch.1112 Die rein formale („technikgläubige“) Übernahme einer Letztentscheidungsverantwortlichkeit reicht dagegen nicht aus.1113 Werden die dargestellten Anforderungen im Vorfeld des Einsatzes des Entscheidungssystems beachtet und kann in der Folge eine hinreichende Einflussnahme(-möglichkeit) der Behörde angenommen werden, so realisiert sich in dieser ein substanzieller Teilbetrag einer personell-organisatorischen Legitimation automatisiert erzeugter Verwaltungsakte.1114 Eine wie auch immer geartete, nicht demokratisch legitimierte Interpretationsmacht der Programmierer1115 ist im Zuge dessen nicht zu befürchten. Als nicht erforderlich ist dagegen eine völlige Offenlegung des zugrundeliegenden Software-Codes anzusehen, da sich private Unternehmen insofern auf ihre Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse und damit grundrechtlich ab­ gesicherte Rechtspositionen berufen können1116 und eine wirksame Einflussnahme auch nicht notwendig von der Kenntnis des rohen Quellcodes ­abhängt1117, den die Behörde womöglich auch nur mit Schwierigkeiten nachvollziehen und überprüfen kann. Bestehende Restbedenken, der demokratische Zurechnungszusammenhang könne mangels ausreichender Durchschau­ barkeit der Programme durch die Behörde oder aufgrund staatlicher Abhängigkeiten zu privaten Dienstleistern und fehlender (Eigen-)Expertise zu stark

1111  Hierzu

§ 5 A. I. 1. a). auch Michael, in: Stern/Sodan/Möstl, Staatsrecht, § 28, Rn. 61. 1113  Herold, Demokratische Legitimation automatisiert erlassener Verwaltungsakte, S.  251 f. 1114  Zum Teil wird auch eine Übertragung des beschriebenen „Prozesses der Einflussnahme“ auf hierfür spezialisiert eingerichtete (demokratisch legitimierte) Prüfungsbehörden für möglich gehalten, die wiederum im Wege der Zertifizierung der Entscheidungssoftware den nötigen Legitimationszusammenhang herstellen könnten, vgl. insoweit zum Gedanken der Zurechnung durch staatliche Zertifizierung Kube, VVDStRL 78 (2019), 289 (324); zur Zertifizierung von Software als Instrument zur Absicherung rechtsstaatlicher bzw. qualitativer bzw. allgemein rechtlicher Standards auch Hoffmann-Riem, AöR 142 (2017), 1 (32 f. in Fn. 126 sowie 39); zum Gedanken eines „Algorithmen-TÜV“ Martini, JZ 2017, 1017 (1021) und ders., DÖV 2017, 443 (453). 1115  Vgl. Kube, VVDStRL 78 (2019), 289 (309). 1116  Wischmeyer, AöR 143 (2018), 1 (48); Hoffmann-Riem, AöR 142 (2017), 1 (32); vgl. auch ErwGr 63 S. 5 der DSG-VO; BGH NJW 2014, 1235 (1237, Rn. 23 ff.) sowie zu ähnlichen Fragestellungen im Kontext unionsrechtlicher Auskunfts- und Informationspflichten sowie den verfahrensrechtlichen Anforderungen an eine automatisierte Begründung unter § 5 D. II. und C. III. c). A. A. insoweit Guckelberger, Öffentliche Verwaltung, Rn.  508 m. w. N. 1117  Anders insoweit wohl Martini, JZ 2017, 1017 (1021). 1112  Vgl.

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§ 5 Verfassungs-, Unions- und Verfahrensrecht

abgeschwächt werden1118, verdichten sich meines Erachtens vor allem im Bereich determinierter Vollzugsalgorithmen nicht zu einem prinzipiellen Hindernis des Einsatzes vollautomatisierter Verwaltungsverfahren, sondern tangieren vor allem Fragen einer sachgerechten verwaltungspraktischen Umsetzung. Gegenwärtig ggfls. auszumachende Problembereiche dürfen deshalb insbesondere nicht als alternativloser Dauerzustand begriffen werden. Langfristig muss es nämlich die Aufgabe der Politik sein, eine zeitgemäße ITFachkompetenz in der Verwaltung anzusiedeln, um deren Zukunftsfähigkeit hinsichtlich der notwendigen Einflussprozesse wie auch etwa Eigenentwicklungen von Vollzugsprogrammen zu sichern.1119 cc) Fortbestehen einer operativen menschlichen Verfahrensherrschaft Schließlich lassen sich auch während des operativen Betriebs des automatisierten Entscheidungssystems Residualelemente menschlicher Einflussnahme verorten, indem Amtswalter jederzeit bestimmte Verfahren bewusst, zufällig, stichprobenartig oder turnusmäßig aus den automatisierten Abläufen herauslösen, in eine manuelle Bearbeitung überführen und so auf die automatisch arbeitenden Einrichtungen und deren Entscheidungsprodukte einwirken können.1120 Mit der auf diese Weise trotz der grundsätzlich maschinen­ exklusiven Verfahrensabwicklung bei der Behörde verbleibenden operativen menschlichen Verfahrensherrschaft liegt – im Gegensatz zur Freigabeentscheidung und primär auch der vorgelagerten Einflussnahme auf die Entwicklung und Ausgestaltung der Systeme – ein jederzeit aktualisierbarer und im Ausübungsfalle aktualisierter humaner Einflussfaktor vor, dessen Wirkungen sich zudem unmittelbar niederschlagen und im Ausübungsfalle eine vollständige Verdrängung der automatisierten Prozesse bewirken können. Auch insoweit wird ein personell-organisatorischer Legitimationsbeitrag automatisiert erzeugter Verwaltungsentscheidungen hergestellt. Eine verfassungsrechtlich bedenkliche Verwässerung des demokratischen Verantwor1118  Vgl. insoweit den Gedanken der „black box“ z. B. Kube, VVDStRL 78 (2019), 289 (312); Prell, NVwZ 2018, 1255 (1258 f.). 1119  Für den Aufbau eigener IT-Kompetenzen in der Verwaltung auch Guckelberger, VVDStRL 78 (2019), 354 f. (Aussprache); vgl. ebenso Michael, in: Stern/Sodan/Möstl, Staatsrecht, § 28, Rn. 16, 55, 61; Kube, VVDStRL 78 (2019), 359 (Aussprache); Wischmeyer, AöR 143 (2018), 1 (62); Eifert, E-Government, S. 254; Schubert, Privatisierung des eGovernment, S. 248, 279, 300; zu den hierfür nötigen dienstrechtlichen Rahmenbedingungen Seckelmann/Humberg, VerwArch 113 (2022), 97 ff. 1120  Guckelberger, in: FS Herberger, 397 (412 f.); vgl. auch Kube, VVDStRL 78 (2019), 289 (317), der eine jederzeitige behördliche Aussteuerungsbefugnis als „rechtsstaatliche Selbstverständlichkeit“ ansieht; vgl. hierzu zudem bereits § 5 A. I. 1. a) cc) zur damit zusammenhängenden Facette der Gesetzmäßigkeit.



A. Verfassungsrechtliche Determinanten285

tungszusammenhangs wäre dagegen zu befürchten, wenn personelle Nachprüfungsbefugnisse seitens der Behörde lediglich auf Fälle automatisierter Aussteuerung oder noch weitergehend nur auf den ausgesteuerten Umfang beschränkt würden1121, die Möglichkeiten menschlicher Intervention mithin unter einem maschinentechnischen Vorbehalt der Aussteuerung stünden. 3. Zusammenfassendes Fazit zur demokratischen Zurechnung Ausgehend von einer im Wesentlichen unverändert fortbestehenden Gesetzesbindung der Verwaltung sowie entsprechenden Weisungs- und Aufsichtsrechten, mittels derer die parlamentarische Verantwortlichkeit der Regierung aufrechterhalten wird, kann eine sachlich-inhaltliche Legitimation vollautomatisiert erlassener Verwaltungsakte ohne ernsthafte Bedenken bejaht werden. Auch hinsichtlich der personell-organisatorischen Legitimations­ komponenten des automatisierten Verwaltungsakterlasses ist letztlich ein positives Zeugnis auszustellen, da dessen Eigenheiten genau besehen keine vollständige Verbannung humaner Verfahrenseinflüsse zur Folge haben. Indem der Betrieb der Entscheidungssysteme auf eine bewusste Freigabeentscheidung sowie hinreichende Einflussnahme auf deren inhaltliche Ausgestaltung zurückgeht und von einer behördenseitig verbleibenden operativen Verfahrensherrschaft getragen wird, bleiben von juristischen Entscheidungssystemen erzeugte Verwaltungsakte vielmehr trotz grundsätzlich fehlender menschlicher Mitwirkung im einzelnen Verfahren in ein menschliches Handlungsfeld eingebettet1122, welches im Zusammenwirken dieser humanen Residualelemente den notwendigen personell-organisatorischen Zurechnungs- bzw. Verantwortlichkeitszusammenhang herstellt. Dass mit dem automatisierten Erlass von Verwaltungsakten im Detail gewisse Abschwächungen der personellen Legitimationswirkung gegenüber von legitimierten Amtswaltern unmittelbar getroffenen menschlichen Einzelentscheidungen prinzipiell einhergehen können, kann dabei freilich nicht völlig ausgeschlossen werden. Jedenfalls reichen diese aber nicht soweit, die Verfassungsmäßigkeit von in vollautomatisierten Verfahren erzeugten Verwaltungsentscheidungen mangels demokratischer Rückführbarkeit per se in Frage zu stellen. Auf eine Kompensation einer trotz aller personell-organisatorischer Restelemente ggfls. abgeschwächten demokratischen Legitimation durch die ausdrückliche Zulassung vollautomatisierter Verwaltungsverfahren im Wege der

1121  Vgl.

Kube, VVDStRL 78 (2019), 289 (317 f.). im Kontext selbstlernender Algorithmen Wischmeyer, AöR 143 (2018), 1 (38); zust. Unger, in: ders./Ungern-Sternberg, Demokratie und KI, 113 (117, 124 f.); vgl. auch Berger, in: Knack/Henneke, VwVfG, § 35a, Rn. 36 f. 1122  Überwiegend

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§ 5 Verfassungs-, Unions- und Verfahrensrecht

§§ 35a VwVfG, 31a SGB X und 155 Abs. 4 AO1123 kommt es in der Folge letztlich nicht an. Insgesamt ist damit festzustellen, dass ein humanes Entscheidungselement im konkreten Entscheidungsfall keinen zwingenden Bestandteil der demokratischen Rückbindung konkret-individueller Verwaltungsentscheidungen darstellt.1124 Pragmatisch bestätigen lässt sich dieses Ergebnis dabei beispielsweise unter Verweis auf das Institut der Genehmigungsfiktion und anderer Formen fiktiver Verwaltungsakte, bei deren Entstehung ebenfalls nicht notwendig menschliche Beteiligungselemente involviert sind und insoweit lediglich die gesetzliche Fiktionsanordnung als ausreichender Legitimationsanker akzeptiert wird.1125 Auch die gerichtliche Anerkennung einer von privaten Akteuren getroffenen Entscheidung als Verwaltungsakt, wenn diese nur nach außen hin eine Behörde als Entscheidungsträger ausweist, selbst wenn dabei keine Rechtsprüfung durch einen Amtswalter erfolgte oder die Behörde den konkreten Inhalt überhaupt nicht kannte, kann – obgleich des dortigen Zusammenhangs mit der Handlungsformenlehre – zumindest als Anhaltspunkt dahingehend aufgefasst werden, dass einer behördlichen Mitwirkung im konkreten Einzelfall keine entscheidende Bedeutung zuteilwird, solange eine ausreichende Zurechenbarkeit zu der Behörde angenommen werden kann1126, was auf eine demokratische Zurechenbarkeit übertragbar erscheint. Jedenfalls deterministischen Entscheidungssystemen ist damit i. E. eine hinreichende 1123  So Guckelberger, VVDStRL 78 (2019), 235 (268 in Fn. 194); allgemein zur Möglichkeit der „Kompensation“ schwächer ausgeprägter Legitimationsstränge etwa Grzeszick, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG, Art. 20 Abs. 2, Rn. 128 ff. 1124  Vgl. Eifert, E-Government, S. 127 ff., insbes. S. 129; vgl. auch Siegel, Verw­ Arch 105 (2014), 241 (257); zust. in Bezug auf die Rechtsstaatlichkeit der Entscheidung Albrecht, in: Hoeren/Sieber/Holznagel, Multimedia-Recht, Teil 28, Rn. 77; U. Stelkens¸ in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35a, Rn. 27 f., allerdings eher auf die „rechtsgeschäftliche“ Zurechnung zur Behörde bezogen; allgemeiner Ramsauer/ Tegethoff, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 35a, Rn. 6. 1125  Eingehender zu fiktiven Verwaltungsakten § 4 B. III. 1126  Vgl. BVerwG, v. 23.8.2011 – 9 C 2/11 (juris Rn. 9) = BVerwGE 140, 245 (247); vgl. auch Guckelberger, in: FS Herberger, 397 (412). Das BVerwG verlangt für diese Zurechenbarkeit, dass die „Behörde das Tätigwerden des Privaten als Geschäftsbesorger veranlasst hat, der Geschäftsbesorger also mit ihrem Wissen und Wollen tätig geworden ist“, wobei hiervon nur gesprochen werden könne, „wenn die von dem Geschäftsbesorger durchzuführende Tätigkeit ihrer Art und ihrem Umfang nach so hinreichend genau bestimmt ist, dass ohne Weiteres feststellbar ist, ob er sich im Rahmen der ihm übertragenen Tätigkeit gehalten hat“. Insofern werden klare Pa­ rallelen zu den demokratischen Erfordernissen der bewussten Freigabeentscheidung sowie der hinreichenden Einflussnahme auf die inhaltliche Ausgestaltung von algorithmischen Entscheidungssystemen deutlich, wie sie vorliegend vorgeschlagen wurden. Die in besagtem Fall als Geschäftsbesorger auftretende GmbH geriert sich insoweit als zwischengeschaltetes und nicht behördenunmittelbares „menschliches ­ Entscheidungssystem“.



A. Verfassungsrechtliche Determinanten287

demokratische Legitimation zu attestieren.1127 Ein wie auch immer gearteter Humanvorbehalt konkret-individueller Verwaltungsentscheidungen lässt sich dem Demokratieprinzip mithin nicht entnehmen.1128 4. Einschränkungen gem. Art. 33 Abs. 4 GG? Neben dem demokratischen Prinzip lässt möglicherweise auch Art. 33 Abs. 4 GG Rückschlüsse auf verfassungsrechtliche Grenzen automatisierter Verwaltungsentscheidungen zu, der – als einer der wenigen verfassungsrechtlichen Anker, die die Ausübung hoheitlicher Befugnisse in Relation zu gewissen personellen Aspekten ihrer Ausübung setzen – die Ausübung von Hoheitsgewalt als ständige Aufgabe in der Regel Angehörigen des öffent­ lichen Dienstes zuweist, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen, und damit zumindest prima facie von menschlichen Amtswaltern auszugehen scheint.1129 Was zunächst als interessanter Ansatz anmutet, erweist sich bei genauerer Betrachtung aber letztlich als wenig erhellend im Hinblick auf Fragen automatisierter Verwaltungsentscheidungen. Dies ist größtenteils bereits auf die inhaltliche Ausrichtung der Gewährleistungsgehalte der Norm zurückzuführen. Als Organisationsnorm1130 dient Art. 33 Abs. 4 GG nämlich primär der Etablierung eines Funktionsvorbehalts zugunsten des Berufsbeamtentums, das ausgehend von dessen besonderer Befähigung und Pflichtbindung vom Grundgesetz als rechts- und verwaltungsstaatlicher Garant einer effektiven, gesetzmäßigen und unparteiischen Verwaltung verstanden wird.1131 Mittelbar geht es auch um die Sicherung einer Kontinuität der hoheitlichen Staatsfunktionen1132 oder – wie zum Teil angenommen wird – um die Etablierung gewisser Privatisierungsgrenzen1133. In der Gesamtschau lässt sich Art. 33 Abs. 4 GG damit letztlich als eine Art regelhafte Trennlinie zwischen der 1127  Ebenso Martini/Nink, DVBl. 2018, 1128 (1134); zust. Guckelberger, Öffent­ liche Verwaltung, Rn. 538; zur gleichen Frage bei indeterminierten Systemen § 5 B. II. 2. a) bb). 1128  So i. E. wohl auch Schröder, VerwArch 110 (2019), 328 (346 f.). 1129  Vgl. hierzu auch Berger, in: Knack/Henneke, VwVfG, § 35a, Rn. 27; dies., DVBl. 2017, 804 (807), die das Amtsprinzip des Art. 33 Abs. 1 bis 5 GG am menschlichen Amtswalter orientiert versteht. 1130  BVerfGE 6, 376 (385); Hense, in: BeckOK GG, Art. 33, Rn. 27 m. w. N. 1131  Vgl. Badura, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG, Art.  33. Rn. 55; Jachmann-­ Michel/Kaiser, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 33, Rn. 33. 1132  BVerfGE 88, 103 (114); Hense, in: BeckOK GG, Art. 33, Rn. 27. 1133  Im Einzelnen ist hier allerdings vieles strittig, vgl. nur Thiele, Der Staat 49 (2010), 274 (287 ff.) sowie den Überblick zur Streitstand bei Hense, in: BeckOK GG, Art. 33, Rn. 27, 31 m. w. N.

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§ 5 Verfassungs-, Unions- und Verfahrensrecht

Ausübung von Hoheitsgewalt einerseits durch Privatpersonen und andererseits durch besonders pflicht- und treuegebundene Beamte beschreiben. Nicht in der Norm angelegt ist dagegen eine Grenzziehung zwischen menschlichen und maschinellen bzw. maschinenunterstützten Ausfüllungsmodalitäten der Hoheitsgewalt. Aussagen über die Art und Weise der Ausübung hoheitlicher Befugnisse liegen Art. 33 Abs. 4 GG daher fern, sofern ihre Wahrnehmung überhaupt auf Beamte im geforderten Sinne zurückzuführen ist.1134 Art. 33 Abs. 4 GG statuiert somit lediglich einen (regelhaften) Funktionsvorbehalt des Berufsbeamtentums im Hinblick auf die Ausübung hoheitlicher Gewalt, nicht aber (auch) einen auf die Ebene konkreter Verwaltungsentscheidungen durchschlagenden Vorbehalt humaner Wahrnehmung dieser Hoheitsgewalt. Eine andere Bewertung könnte sich allenfalls unter dem Gesichtspunkt ergeben, dass bei Überantwortung der Entscheidungsfindung auf algorithmische Entscheidungssysteme, die von privaten Softwareentwicklern konstruiert wurden, die vollständig automatisierte Produktion verbindlicher Verwaltungsentscheidungen angesichts ihrer umfangreichen Determinierung durch das System einer Hoheitsausübung durch private Akteure gleichzusetzen sein könnte. Doch auch diese Überlegung trägt letztlich nicht, solange und soweit der Einsatz der zugrundeliegenden (privat entwickelten) Entscheidungssysteme von (demokratisch legitimierten) Vertretern des Berufsbeamtentums letztverantwortet werden und sich deren operativer Einsatz wie auch die produzierten Ergebnisse damit trotzdem auf die besonders pflicht- und treuegebundenen Beamten zurückführen lassen.1135 Eine solche verantwortlichkeitszurechnende Rückbindung kann sodann ohne Weiteres über die oben herausgearbeiteten menschlichen Residualelemente vollautomatisierter Verwaltungsverfahren hergestellt werden, die – wie gezeigt wurde – über die bewusste Entscheidung zur Systemfreigabe, eine hinreichende Einflussnahme auf die Inhalte der Entscheidungsprogramme sowie eine fortdauernde operative Verfahrensherrschaft in eine Hoheitsträgern vorbehaltene Funktions­ trägerschaft eingefasst bleiben.1136 Als verfassungsrechtliche Trennwand (nur) zwischen der Ausübung von Hoheitsgewalt durch Privatpersonen und besonders pflicht- und treuegebundene Beamte steht Art. 33 Abs. 4 GG damit vollautomatisierten Verwaltungsverfahren letztlich nicht entgegen, sofern

1134  Schröder,

(96).

VerwArch 110 (2019), 328 (347); ähnlich Waigel, WiVerw 2021, 88

1135  Schröder, VerwArch 110 (2019), 328 (347); Guckelberger, in: FS Herberger, 397 (412); vgl. auch Waigel, WiVerw 2021, 88 (96). 1136  Vgl. hierzu bereits oben § 5 A. II. 2. b); vgl. gleichermaßen Lazaratos, Rechtliche Auswirkungen der Verwaltungsautomation, S. 141 ff., insbes. 147; Guckelberger, in: FS Herberger, 397 (412).



A. Verfassungsrechtliche Determinanten289

eine Verantwortlichkeit von Vertretern des Berufsbeamtentums fortbesteht.1137 Darüber hinausgehend erwachsen aus Art. 33 Abs. 4 GG für den vollautomatisierten Erlass von Verwaltungsakten keine weiteren materiellen Aussagegehalte, die nicht schon im Demokratieprinzip selbst verankert wären. III. Menschenwürdegehalte als Automatisierungsgrenze Zum Teil werden rechtliche Grenzen automatisierter Verwaltungsentscheidungen auch aus der Menschenwürdegarantie des Grundgesetzes selbst abgeleitet.1138 1. Die Objektformel als Ausgangspunkt für Unvereinbarkeitsthesen Ausgangspunkt dahingehender Überlegungen und auch maßgebliche Determinante der Menschenwürdegehalte ist dabei die sog. Objektformel des BVerfG, nach der es der soziale Wert- und Achtungsanspruch des Menschen verbietet, dass dieser unter Missachtung seiner individuellen Subjektqualität zum bloßen „Objekt“ staatlichen Handelns degradiert wird.1139 Ihr durch jene Objektformel mit Inhalt erfülltes, heute herrschendes Verständnis macht es zunächst unmittelbar einsichtig, warum die Menschenwürdegarantie als treffender Maßstab für Fragen vollautomatisierter Entscheidungsfindungen durch technische Anlagen und der generellen Bedeutung des Faktors Mensch in zunehmend digitalisierten Verwaltungsräumen aktiviert wird1140, wo aufgrund fehlender personaler Mitwirkungsbeiträge während des nahezu gesamten Verfahrens ein gewisses „Gefühl der Hilflosigkeit und des Ausgeliefertseins“1141 des Bürgers als „vertretbare[] Größe“1142 in einem mit absoluter Verbindlichkeit gleichmütig ablaufenden, maschinell-kühlen und entmenschlichten, wenig nachvollzieh- und kaum kontrollierbaren auto-

1137  So i. E. auch Schröder, VerwArch 110 (2019), 328 (347); Guckelberger, in: FS Herberger, 397 (412); vgl. auch Lazaratos, Rechtliche Auswirkungen der Verwaltungsautomation, S. 147. 1138  Vgl. etwa Guckelberger, VVDStRL 78 (2019), 235 (252, 272); wohl auch Berger, DVBl. 2017, 804 (806); dies., in: Knack/Henneke, VwVfG, § 35a, Rn. 27 sowie Martini, DÖV 2017, 443 (452). 1139  BVerfGE 27, 1 (6); 45, 187 (228); 115, 118 (153); 122, 248 (271); 144, 20 (207) (st. Rspr.); vgl. auch Herdegen, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG, Art. 1 Abs. 1, Rn. 36; grundlegend zur „Objektformel“ Dürig, AöR 81 (1956), 117 (127). 1140  Vgl. z. B. Berger, DVBl. 2017, 804 (806). 1141  So bereits Seibel, VerwArch 74 (1983), 325 (341 f.). 1142  Dürig, AöR 81 (1956), 117 (127).

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matisierten Prozedere durchaus plausibel erscheint.1143 Verstärkend kommt noch hinzu, dass die Menschenwürdegarantie in ihrem Kern ein dynamisches Konstrukt verkörpert, deren Gehalte im Einzelnen nicht zuletzt auch in Wechselwirkung zu den konkreten gesellschaftlichen Verhältnissen treten1144 und insbesondere zukunftsgerichtet gerade als Maßstab neuer und künftiger technologischer Entwicklungen – beispielsweise in Gestalt vollautomatisierter Verwaltungsverfahren – zu verstehen sind.1145 Einschätzungen der inhaltlichen Klangrichtung, dass rein technisch erzeugte Verwaltungsentscheidungen „dem Menschen zumindest nicht ohne weiteres gerecht“ würden, vollautomatisierte Staatlichkeit „aus diesem Grund als inhuman zu betrachten“ sei1146 oder dass staatliche Entscheidungen angesichts der am Entscheidungsbereich eines Menschen orientierten Verwaltungsorganisation notwendig auf den Faktor Mensch angewiesen seien1147, stoßen daher nicht prinzipiell auf Verwunderung. 2. Praktische Unergiebigkeit der Menschenwürde Trotz der anscheinenden Passgenauigkeit der Menschenwürdegarantie ist allerdings zu Recht vor einer Überbetonung ihrer Rolle als verfassungsrechtliche Grenze und regelhafter Leitfaden für vollautomatisierte Verwaltungsverfahren und deren verfahrensrechtliche Ausgestaltung zu warnen.1148 1143  Vgl. i. d. S.  auch Wischmeyer, AöR 143 (2018), 1 (48); Berger, DVBl. 2017, 804 (806); sowie Ernst, JZ 2017, 1026 (1030) im Kontext des Art. 22 DSG-VO. Vgl. zu den starken Einflüssen der Objektformel bereits auf das „vordigitalisierte“ Verwaltungsverfahrensrecht auch überblicksartig Eifert, E-Government, S. 133 m.  w.  N., insbes. Fn. 486 f.; grundlegend etwa Kopp, Verfassungsrecht und Verwaltungsverfahrensrecht, S. 16 ff., 21, 38 ff., 40, 47 ff. 1144  Golla, DÖV 2019, 673 (675) unter Verweis auf BVerfGE 96, 375 (399 f.) (Kind als Schaden); vgl. auch Herdegen, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG, Art. 1 Abs. 1 Rn. 40, der insoweit von Entwicklungsoffenheit spricht. 1145  Vgl. insoweit vor allem mit Blick auf biotechnologische Entwicklungen Hillgruber, in: BeckOK GG, Art. 1, Rn. 21 ff.; Herdegen, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG, Art. 1 Abs. 1 Rn. 29, 39; vgl. auch Golla, DÖV 2019, 673 (675); Nettesheim, JZ 2019, 1 (7, 10). 1146  Berger, DVBl. 2017, 804 (806); dies., in: Knack/Henneke, VwVfG, § 35a, Rn. 27. 1147  Berger, in: Knack/Henneke, VwVfG, § 35a, Rn. 27; dies., DVBl. 2017, 804 (807), die hier auch das Amtsprinzip aus Art. 33 Abs. 1 bis 5 GG anführt; vgl. auch Simitis, Automation in der Rechtsordnung, S. 21. 1148  In dieser Deutlichkeit v. a. Eifert, E-Government, S. 133 ff.; restriktiv in dieser Hinsicht auch Luthe, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, § 31a, Rn. 34; Gruber, Verwaltungsentscheidungen vom Computer, S. 96 f.; offener insoweit Guckelberger, VVDStRL 78 (2019), 235 (272); eine tendenziell stärkere Rolle sieht zudem v. Erdmannsdorff, MMR 2021, 700 (700, 702 ff., 704).



A. Verfassungsrechtliche Determinanten291

a) Kernbereichsschutz menschlicher Subjektivität versus verfahrensrechtliche Feinjustierung Diese Einwände rühren einerseits daher, dass der Menschenwürdegarantie ausgehend von ihrer Abwägungsfestigkeit und Unabänderlichkeit gem. Art. 79 Abs. 3 GG ein zwingend restriktiver Deutungsgehalt zugrunde gelegt werden muss, unter dem die Menschenwürde tendenziell lediglich die Rolle eines engen und absoluten Kernbereichsschutzes menschlicher Subjektivität einnimmt, nicht aber diejenige eines aus sich heraus um gesamtheitlich-erschöpfende Anleitung auch administrativ-organisatorischer Einzelfragen bemühten Leitmotivs.1149 Dementsprechend geht auch die ständige Rechtsprechung das BVerfG – abgesehen von willkürlichen Missachtungen im Sinne einer verächtlichen Behandlung1150 – nur dann von einer Verletzung der Menschenwürde aus, sofern der Betroffene einer Behandlung durch die öffentliche Gewalt ausgesetzt wird, die „die Achtung des Wertes vermissen lässt, der jedem Menschen um seiner selbst willen zukommt“1151, mithin „seine Subjektqualität prinzipiell in Frage stellt“.1152 Keine menschenunwürdige „Objektstellung“ wird dagegen dadurch begründet gesehen, dass sich der Mensch ggfls. ohne Rücksicht auf seine Interessen den ihm von der Rechtsordnung aufgegebenen Ge- und Verboten fügen muss und bei Ver­ stößen sanktioniert werden kann, er also – ebenso gewissermaßen alternativlos – in die Rechtsordnung als pflichtiges Rechtssubjekt integriert ist.1153 In der Konsequenz bedingt ihr notwendig restriktives Verständnis, dass der Menschenwürdegarantie insbesondere im Hinblick auf eine präzise Anleitung zur Auflösung verfahrensrechtlicher Spannungslagen oder gar die Ableitung detaillierter formeller Anforderungen strukturell nur eine eingeschränkte Leistungsfähigkeit attestiert werden kann1154, weshalb sie sich bereits aus diesem Grund jedenfalls hinsichtlich der konkreten verfahrensrechtlichen Ausgestaltung und Feinjustierung automatisierter Verwaltungsverfahren als wenig geeignete Richtschnur erweist. 1149  Vgl. Höfling, in: Sachs, GG, Art. 1, Rn. 17 f.; Herdegen, in: Dürig/Herzog/ Scholz, GG, Art. 1 Abs. 1, Rn. 44; Eifert, E-Government, S. 133; vgl. auch Nink, Justiz und Algorithmen, S. 346. 1150  Vgl. BVerfGE 30, 1 (26); Herdegen, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG, Art. 1 Abs. 1, Rn. 37. 1151  BVerfGE 109, 279 (312 f.); vgl. auch BVerfGE 30, 1 (25 f.). 1152  BVerfGE 30, 1 (26); 109, 279 (312); 144, 20 (207); vgl. auch Höfling, in: Sachs, GG, Art. 1, Rn. 15 ff.; krit. Dreier, in: Dreier, GG, Art. 1 Abs. 1, Rn. 55. 1153  BVerfGE 144, 20 (207); 30, 1 (25 f.); vgl. auch Hillgruber, in: BeckOK GG, Art. 1, Rn. 13. 1154  Vgl. Eifert, E-Government, S. 133 ff.; vgl. auch Held, Der Grundrechtsbezug, S.  133 f.

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b) Die Disparität von Automatisierung und „Verobjektivierung“ Selbst unter Anwendung der Objektformel ist im Übrigen auch auf prinzipieller Ebene der Annahme entgegenzutreten, eine vollautomatisierte Verfahrensabwicklung mündete per se in einer Herabwürdigung des Bürgers zum Objekt des Verfahrens.1155 Genau besehen korreliert nämlich die Frage einer menschenunwürdigen „Verobjektivierung“ eines Beteiligten innerhalb des Verwaltungsverfahrens nicht wirklich mit den konkret mit der Verfahrensdurchführung und Entscheidungsfindung betrauten Instanzen – Mensch oder Maschine –, sondern hängt vielmehr maßgeblich von der konkreten Ausgestaltung der Verfahrensdurchführung und den sich in dieser realisierenden, prozeduralen Sicherungen der Subjektstellung des Beteiligten ab.1156 Insbesondere drängt allein der Umstand, dass die Entscheidungsfindung automatisierten Entscheidungssystemen überantwortet wird, das Gegenüber nicht notwendig in eine unzulässige Objektstellung gegenüber der Hoheitsgewalt, sofern mit der Automatisierung eine Verbesserung der Entscheidungsqualität einhergehen soll und simultan verfahrensmäßige Schutzvorrichtungen den sozialen Geltungs- und Achtungsanspruch des Bürgers wahren1157, ebenso wenig wie der bloße Umstand menschlicher Verfahrensabwicklung per se garantiert, nicht zum Verfahrensobjekt herabgewürdigt zu werden, wenn nicht gleichzeitig durch absichernde Mechanismen die Subjektstellung hinreichend respektiert wird. Der Menschenwürdegarantie bzw. der sie prägenden Objektformel lässt sich somit keine prinzipielle Notwendigkeit personeller Entscheidungselemente im Sinne eines Humanvorbehalts oder Automatisierungsverbots für verwaltungsrechtliche Entscheidungsfindungen entnehmen.1158 Dies gilt je1155  Vgl. Michael, in: Stern/Sodan/Möstl, Staatsrecht, § 28, Rn. 21 ff.; vgl. auch Gruber, Verwaltungsentscheidungen vom Computer, S. 96 f., der u. a. auf die Antizipierung der Normanwendung im System verweist, i. E. aber zu undifferenziert argumentiert. 1156  Ähnlich Michael, in: Stern/Sodan/Möstl, Staatsrecht, § 28, Rn. 23; vgl. aus rechtstheoretischer Perspektive zudem Herold, Demokratische Legitimation automatisiert erlassener Verwaltungsakte, S. 80. 1157  Vgl. Schröder, VerwArch 110 (2019), 328 (337 sowie in Fn. 53); Wischmeyer, AöR 143 (2018), 1 (40 f. in Fn. 162) sowie primär im datenschutzrechtlichen Kontext Martini/Nink, NVwZ-Extra 10/2017, 1 (1 ff., 7). Ansätze dafür, dass technologisch durchsetzte Verwaltungsverfahren nicht per se den Bürger in seinem Subjektwert herabsetzen, finden sich bereits in der früheren Rechtsprechung zu den Form- und Verfahrenserleichterungen für teilautomatisiert erlassene Verwaltungsakte, vgl. etwa BFH, Urt. v. 15.4.1981 – IV R 44/79 (juris Rn. 15); bestätigend BVerfG, Beschl. v. 8.12.1992 – 1 BvR 326/89 (juris Rn. 5); vgl. auch Guckelberger, in: FS Herberger, 397 (398). 1158  Vgl. Schröder, VerwArch 110 (2019), 328 (337 sowie in Fn. 53); so i. E. auch Michael, in: Stern/Sodan/Möstl, Staatsrecht, § 28, Rn. 17, 21 ff.; Wischmeyer, AöR



A. Verfassungsrechtliche Determinanten293

denfalls solange und soweit, als durch eine angemessene, insbesondere an (insofern die passgenaueren Leitlinien bereithaltenden) rechtsstaatlichen Anforderungen orientierte Ausgestaltung der Entscheidungsprozesse einer „Verobjektivierung“ des Einzelnen im Rahmen einer maschinellen Entscheidung wirksam entgegengewirkt wird.1159 Die Tatsache der maschinellen Entscheidung spielt dann nur mehr eine untergeordnete Rolle. c) Pragmatische und rechtspolitische Gesichtspunkte Angesichts der Potenziale vollautomatisierter Verwaltungsverfahren und sonstiger automatisiert veranlasster oder unterstützter Entscheidungsfindungen, die durch geringere Fehlerquoten, erhöhte Rechtsanwendungsgleichheit und Kontinuität auch Verbesserungen der Grundrechtsverwirklichung effektuieren können, erschiene es im Übrigen auch überzogen, hinsichtlich dieser ähnlich wie etwa bei geächteten biotechnologischen Einsatzfeldern (z. B. dem Klonen von Menschen) und unabhängig von den Möglichkeiten einer rechtsstaatlichen Ausgestaltung eine absolute Tabuisierung kraft der Menschenwürde abzuleiten.1160 Ein mangels menschlicher Mitwirkungen schwächer ausgeprägtes „Vertrauen“ in eine vollautomatisiert erzeugte staatliche Entscheidung1161 mag angesichts einer immer noch anzutreffenden diffusen Technikskepsis unter den gegenwärtigen Verhältnissen1162 durchaus anzunehmen sein, verdichtet sich aber jedenfalls nicht zu einer generellen Unverein143 (2018), 1 (40 f. in Fn. 162); Hähnchen/Schrader/Weiler/Wischmeyer, JuS 2020, 625 (634). Eine prinzipielle Gleichwertigkeit zwischen „Menschenleistung“ und „Maschinenleistung“ andeutend auch bereits Luhmann, Recht und Automation, S. 59 f. mit Fn. 24; strenger insoweit wohl Berger, DVBl. 2017, 804 (806 f.); dies., in: Knack/ Henneke, VwVfG, § 35a, Rn. 27. 1159  Eifert, E-Government, S.  135 ff. m. w. N.; Bull, DVBl. 2017, 409 (416); i. E. auch Wischmeyer, AöR 143 (2018), 1 (40 f. in Fn. 162, 66); Djeffal, DVBl. 2017, 808 (813 f.); mit Bezug auf die informationelle Selbstbestimmung zudem Martini/Nink, NVwZ-Extra 10/2017, 1 (7). 1160  Vgl. Golla, DÖV 2019, 673 (680); vgl. auch Martini, JZ 2017, 1017 (1025). 1161  Vgl. Berger, in: Knack/Henneke, VwVfG, § 35a, Rn. 27, nach der das Vertrauen in staatliche Entscheidungen im gegenwärtigen Bewusstsein vor allem aus zwischenmenschlicher Kommunikation gespeist werde; vgl. auch Guckelberger, VVDStRL 78 (2019), 235 (272), die insofern von einem „Unbehagen[] der Bevölkerung“ spricht. 1162  Es ist aber anzunehmen, dass bei fortschreitender Entwicklung vorherrschende Vorbehalte zunehmend abgebaut und Vertrauen in automatisierte Verwaltungsentscheidungen gewonnen wird, so dass es auch nicht völlig undenkbar erscheint, dass automatisiert erzeugten Entscheidungen zukünftig sogar eine gesteigerte Validität zugemessen werden könnte, vgl. Kaplan, Künstliche Intelligenz, S. 23. Eine generelle Ungeeignetheit diffuser Modernisierungsängste als verfassungsrechtliche Grenzen attestiert zu Recht auch Michael, in: Stern/Sodan/Möstl, Staatsrecht, § 28, Rn. 21.

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barkeit vollautomatisierter Verfahren mit der Menschenwürdegarantie des Grundgesetzes. Mit der vorgeschlagenen Zurückhaltung bei der Ableitung konkreter verfahrensrechtlicher Anforderungen an eine bestimmte Abwicklungsform von Verwaltungsverfahren, die sich befriedigend durch rechtsstaatliche Vorgaben einhegen lässt, wird gleichzeitig einer weiteren Entwertung der Menschenwürdegarantie als oberste Verfassungsmaxime vorgebeugt und ihr hoher Stellungswert im Staatsgefüge betont.1163 Einer Instrumentalisierung der Menschenwürde als „Projektionsfläche für Technikskepsis oder sogar Fort­ schrittsfeindlichkeit“1164 kann so ein wirksamer Riegel vorgeschoben werden. 3. Operable Automationsgrenzen in Extrembereichen Unbesehen des hier für die untersuchungsgegenständlichen Fragestellungen eng gezogenen Zweckdienlichkeitsurteils hinsichtlich der Menschenwürde stehen den dargestellten Grundsätzen sodann freilich besondere Extrem- und Ausnahmekonstellationen gegenüber, in denen sich so konkret fassbare Reibungspunkte zwischen einer verfahrensorganisatorischen Ausgestaltung als vollautomatisiertes Verwaltungsverfahren und den Menschenwürdegehalten manifestieren können, dass die Menschenwürdegarantie zumindest insoweit doch als operable verfassungsrechtliche Grenze aktiviert werden kann.1165

1163  Zur Entwertung ausdrücklich Golla, DÖV 2019, 673 (676) unter Verweis auf Dürig, AöR 81 (1956), 117 (124 f.); Graf Vitzthum, JZ 1985, 201 (203); vgl. auch Eifert, E-Government, S. 133 f. mit Verweis auf Höfling, in: Sachs, GG, Art. 1, Rn. 15 und w.N.; Herdegen, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG, Art. 1 Abs. 1, Rn. 36, 44. Als sehr anschaulich erweist sich insofern auch die (sogar fachgerichtlich ausgefochtene) Diskussion um Verstöße gegen die Menschenwürde der Adressaten eines mittels rotem Ampellicht (automatisiert) angezeigten Halteverbotes: vgl. etwa OLG Hamburg, U. v. 18.4.1962 – 2 Ss 7/62, VRS 1962, 193 (196) sowie zur Gegenansicht Schreiter, DÖV 1956, 692 (693); vgl. aus neuerer Zeit auch Golla, DÖV 2019, 673 (676); Nink, Justiz und Algorithmen, S. 346 ff. sowie Martini, Blackbox Algorithmus, S. 170. 1164  Golla, DÖV 2019, 673 (676); vgl. auch Nettesheim, JZ 2019, 1 (10); Michael, in: Stern/Sodan/Möstl, Staatsrecht, § 28, Rn. 22; kritisch zu diesem Vorwurf und für eine differenzierende Handhabung plädierend allerdings v. Erdmannsdorff, MMR 2021, 700 (702 f., 704). 1165  Für eine auf Extremfälle beschränkte tatsächliche Relevanz der Menschenwürde für das Verwaltungsverfahren auch Eifert, E-Government, S. 134; vgl. zudem Held, Der Grundrechtsbezug, S. 133 ff.; Golla, DÖV 2019, (676) („erst ab einer erheblichen Beeinträchtigung“); Nink, Justiz und Algorithmen, S. 346 ff. sowie auch Bull, Der Staat 58 (2019), 57 (71).



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a) Sachlich-inhaltliche Automationsgrenzen Im Sinne einer äußeren materiellen Grenze der Menschenwürde sind dahingehende Überlegungen zunächst für solche Rechtsbereiche anzustellen, deren Vollzug im Wege einer vollautomatisierten Sachentscheidung sich aus sachlich-inhaltlichen Gründen – insbesondere aus der von der Menschenwürde eingenommenen Perspektive der menschlichen Subjektivität – als dem jeweiligen Anliegen in keiner Weise gerecht werdend und damit für den Betroffenen unzumutbar darstellt.1166 Zu denken ist hierbei insbesondere an Angelegenheiten, die eine erhebliche Grundrechtsintensität (ggfls. mit Bezügen zu stärker würdebezogenen grundrechtlichen Gewährleistungen) aufweisen oder von einer besonderen emotionalen Bedeutung für den Betroffenen geprägt sind, so dass deshalb zwingend eine menschliche Entscheidungskomponente vorzusehen ist und sich eine rein maschinelle Entscheidung in diesen Bereichen verbietet.1167 Auch die Reversibilität bestimmter Entscheidungen und ihrer Folgen kann insofern einen hilfreichen Indikator bieten.1168 Anordnungen betreffend etwa die körperliche Unversehrtheit oder Fortbewegungsfreiheit des Bürgers gem. Art. 2 Abs. 2 S. 1 und 2 GG (beispielsweise die Entscheidung über die Zwangsunterbringung in eine psychiatrische Klinik), irreversible Entscheidungen (z. B. Abrissverfügungen für Wohngebäude) oder sonstige, für den Bürger existenzielle Entscheidungen (z. B. über die Zuteilung von Spenderorganen nach „Dringlichkeit“ und „Erfolgsaussichten“ gem. § 12 Abs. 3 S. 1 TPG) stoßen demnach von vornherein an die Zulässigkeitsgrenzen des vollautomatisierten Gesetzesvollzugs.1169 1166  Vgl.

auch Guckelberger, VVDStRL 78 (2019), 235 (272). Guckelberger, VVDStRL 78 (2019), 235 (272); dies., Öffentliche Verwaltung, Rn. 546; Golla, DÖV 2019, 673 (676, 681), der insofern von „Entscheidungen von einer gewissen Tragweite“ spricht, hinsichtlich derer ein Recht abgeleitet werden könne, nicht ungeprüft einer automatisierten Entscheidung unterworfen zu werden, sowie „in besonders grundrechtssensiblen Bereichen“ einen weitgehenden Ausschluss automatisierter Entscheidungen erwägt, und von Lucke, in: Kar/Thapa/ Parycek, (Un)Berechenbar? Algorithmen und Automatisierung in Staat und Gesellschaft, 97 (109), der zu Recht eine Übertragung einer Entscheidung an automatisierte Systeme für unethisch hält, sofern es „um Leben und Tod“ geht. Vgl. auch Ehlers, Jura 1991, 337 (340); Martini/Nink, NVwZ-Extra 10/2017, 1 (13). 1168  Vgl. Guckelberger, VVDStRL 78 (2019), 235 (272); dies., Öffentliche Verwaltung, Rn. 546; Martini/Nink, NVwZ-Extra 10/2017, 1 (13); von Lewinski, InTeR 2018, 168 (174). 1169  Vgl. von Lucke, in: Kar/Thapa/Parycek, (Un)Berechenbar? Algorithmen und Automatisierung in Staat und Gesellschaft, 97 (109); Martini/Nink, NVwZ-Extra 10/2017, 1 (13); im Ansatz bereits Polomski, Der automatisierte Verwaltungsakt, S. 272 f. m. w. N. Relativiert wird diese Erkenntnis allerdings dadurch, dass sich die genannten Beispiele – aufgrund der darin regelmäßig zu treffenden, schwierigen Wertungsentscheidungen oder komplexen Tatfragen – vielfach bereits an sich kaum für 1167  Vgl.

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b) Formelle Automationsgrenzen Wie schon unter § 5 A. III. 2. b) angedeutet, lässt sich neben den materiellrechtlich induzierten Ausnahmebereichen schließlich auch eine äußere verfahrenskonzeptionelle Grenze der Menschenwürdegarantie beschreiben, die – unabhängig von rechtlichen Inhalten – der Einrichtung und Zulassung solcher automatisierten Verwaltungsverfahren entgegensteht, deren Unvereinbarkeit mit dem Achtungs- und Würdeanspruch des Menschen allein aus der konkreten Verfahrensausgestaltung folgt. Als unzulässig im Lichte der Menschenwürdegarantie sind in diesem Sinne Ausgestaltungen des (automatisierten) Verwaltungsverfahrens einzuordnen, die einer völlig „entmenschlichten Verwaltung“1170 gleichkommen, mithin jedweder menschlichen Partizipation entbehren, sei es in Form behördenseitiger Kontroll- bzw. Interventionsmöglichkeiten oder bürgerseitiger Aussteuerungsoptionen1171, und dem Beteiligten damit – im Sinne einer völligen Unterwerfung unter die automatisierten Systemabläufe – aktive, über eine bloße Empfängerrolle hinausgehende Einfluss- und Teilnahmemöglichkeiten eine vollautomatisierte Abbildung eignen werden, so dass in tatsächlicher Hinsicht für die Menschenwürde als maßgebliche rechtliche Determinante vollautomatisierter Verwaltungsverfahren trotz der aufgezeigten materiellen Grenzen ein nur geringer Rahmen verbleibt. Außerhalb des – hier primär untersuchten – verwaltungsverfahrensrechtlichen Bereichs erscheint beispielsweise auch die Automatisierung richterlicher Entscheidungsfindungen unzumutbar, allen voran solche, die zur Feststellung eines Schuldvorwurfs und der Verhängung einer Haftstrafe führen, vgl. von Lucke, in: Kar/ Thapa/Parycek, (Un)Berechenbar? Algorithmen und Automatisierung in Staat und Gesellschaft, 97 (109); vgl. auch Engel, JZ 2014, 1096 (1100). Neben der Menschenwürde stehen solchen Automatisierungsüberlegungen allerdings noch weitere verfassungsrechtliche Hürden entgegen, insbesondere der Anspruch auf rechtliches Gehör gem. Art. 103 Abs. 1 GG, das Recht auf den gesetzlichen Richter gem. Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG sowie das Konzept der unabhängigen Judikative i. S. d. Art. 92, 97 GG, worauf vorliegend allerdings nicht eingegangen werden kann (vgl. zu dieser Problematik näher Martini/Nink, DVBl. 2018, 1128 (1136); Schröder, VerwArch 110 (2019), 328 (347)); Enders, JA 2018, 721 (723); eingehend Nink, Justiz und Algorithmen, S. 260 ff.). Auch angesichts des Charakters gerichtlicher Entscheidungen als unabhängige und neutrale Nachprüfungs- und Streitentscheidungsinstanz erscheinen algorithmische Entscheidungsvorgänge hierfür ohnehin nicht sachgerecht, zumal die nötigen Gesamtfolgen eines Streitfalles nicht so antizipiert werden können, dass ein Algorithmus die Vielfalt der richterlichen Tätigkeit zufriedenstellend simulieren könnte (Martini/Nink, DVBl. 2018, 1128 (1136); vgl. auch Guckelberger, in: FS Herberger, 397 (398) sowie § 5 E. 2.). In diesem Sinne stellt sich die Rechtsprechung i. E. als „ein Tabubereich für echte Automatisierung“ dar, s. Schröder, VerwArch 110 (2019), 328 (347); vgl. auch BT-Drs. 19/3714, S. 7; Martini/Nink, DVBl. 2018, 1128 (1136 f.); Enders, JA 2018, 721 (723). 1170  Kube, VVDStRL 78 (2019), 360 (Aussprache). 1171  Vgl. Wischmeyer, AöR 143 (2018), 1 (40 f. in Fn. 162); Nink, Justiz und Algorithmen, S. 348.



A. Verfassungsrechtliche Determinanten297

auf die bzw. an der automatisierten Bearbeitung des ihn betreffenden Verwaltungsverfahrens verwehren. Insofern schützt die Menschenwürde vor einer „totalen Algorithmisierung“1172 der Verhältnisse, bei der das hinter den technischen Verfahrensabläufen stehende Rechtssubjekt „Mensch“ als Bezugspunkt der Entscheidung mangels jedweder Einwirkungsoptionen nur als Zuordnungsgröße der rechtlich vorgesehenen und im Entscheidungssystem antizipierten Folgen behandelt wird. Eine humane Minimalgarantie muss mithin dahingehend bestehen, dass sich auch vollautomatisiert abgewickelte Verwaltungsverfahren nicht völlig eines Kerns menschlicher Trägerschaft sowohl auf Seiten der Beteiligten als auch auf Seiten der Behörde entledigen dürfen.1173 4. Zusammenfassung Trotz einer prima facie auszumachenden inhaltlichen Passgenauigkeit der durch die Objektformel geprägten Menschenwürdegehalte auf Phänomene vollautomatisierter Verfahrensabwicklung, ist der Menschenwürdegarantie bei genauerer Betrachtung im Ergebnis nur eine eingeschränkte Rolle als Determinante der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit vollautomatisierter Verwaltungsverfahren und regelhafter Leitfaden ihrer konkreten Ausgestaltung zu attestieren. Nur für Extremszenarien lassen sich aus ihr wirklich praktikable, einerseits materielle und andererseits verfahrenskonzeptionelle Grenzen ableiten. Außerhalb der abgesteckten Grenzbereiche kann eine sachgerechtere und feinsinnigere Steuerung der Zulässigkeit und Ausgestaltung vollautomatisierter Verwaltungsverfahren dagegen über rechtsstaatliche Vorgaben bewirkt werden, die sich in ihren Ausprägungen als Verfahrensrechte im Verwaltungsverfahren niederschlagen.1174

1172  Begriff nach Golla, DÖV 2019, 673 (675), der sich wiederum an Dürig, AöR 81 (1956), 117 (127) anlehnt; ähnlich aus methodischer Perspektive auch Herold, Demokratische Legitimation automatisiert erlassener Verwaltungsakte, S. 80. 1173  Vgl. implizit auch Wischmeyer, AöR 143 (2018), 1 (40 f. in Fn. 162); Nink, Justiz und Algorithmen, S. 348 f.; andeutungsweise im Kontext der DSG-VO Martini/ Nink, NVwZ-Extra 10/2017, 1 (3); Hähnchen/Schrader/Weiler/Wischmeyer, JuS 2020, 625 (634). Golla, DÖV 2019, 673 (680) spricht in diesem Zusammenhang von einem Recht gegen den Staat auf menschliche Befassung. Dieses Recht bedeutet allerdings nicht, dass die vollautomatisierte Bearbeitung von Sachverhalten durch den Bürger willkürlich ausgeschlossen, sondern nur eben eine Befassung eines Menschen herbeigeführt werden kann. Das Verfahren kann, sollte eine menschliche Bearbeitung nicht notwendig sein, dann wieder in die automatisierte Bearbeitung zurückgeführt werden. Vgl. zu diesem Komplex sodann eingehender § 5 C. I. 2. b) aa) (3) und II., 2. c). 1174  So im Kern auch die These von Eifert, E-Government, S. 131  ff., insbes. 135 ff.

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§ 5 Verfassungs-, Unions- und Verfahrensrecht

IV. Automatisierte Einzelentscheidungen und effektiver gerichtlicher Rechtsschutz Schließlich gilt es noch die effektive Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG auf begrenzende Gehalte hinsichtlich der Ausgestaltung vollautomatisierter Verwaltungsverfahren hin zu untersuchen. 1. Wirksame Kontrolle bei automatisierter Entscheidungserzeugung Als „Schlussstein im Gewölbe des Rechtsstaates“1175 verlangt das Gebot effektiven Rechtsschutzes unter anderem eine wirkungsvolle gerichtliche Kontrolle ergangener Verwaltungsentscheidungen1176, mithin deren vollständige und unabhängige Überprüfung in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht durch das Gericht.1177 Dieser Maßstab gilt unverändert auch für automa­ tisiert erzeugte Entscheide.1178 Da sich trotz der tendenziell eher geringen Bedeutung des Verfahrensaspekts im deutschen Verwaltungsrecht1179 eine effektive gerichtliche Kontrolle dabei nicht in einer rein inhaltlichen Ergebniskontrolle erschöpft, sondern die Rechtmäßigkeit einer Entschei­ dung – auch in materieller Hinsicht – in gewissem Umfang von dem der Sachentscheidung vorgehenden Entscheidungsprozess abhängt1180, beispielsweise im Hinblick auf eine ausreichende behördliche Sachverhaltsermittlung, bei bestehenden Entscheidungsspielräumen oder im Rahmen anzustellender Gefahrprognosen, wird als Grundvoraussetzung für das Gelingen einer effek­tiven Prüfung des Streitbegehrens regelmäßig ein gewisses Maß an gerichtlicher Nachvollziehbarkeit auch dieses Entscheidungsverfahrens not-

1175  Der Begriff ist in der Literatur inzwischen als allgemein konsentiert zu betrachten, vgl. nur Degenhart, Staatsrecht I, Rn. 434; Ipsen, Staatsorganisationsrecht, Rn. 809; Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Art. 19 Abs. 4, Rn. 35; Enders, in: BeckOK GG, Art.  19, Rn.  74 m. w. N. 1176  Vgl. nur BVerfGE 35, 263 (274); 84, 34 (49); 101, 106 (122 f.); 113, 273 (310) (st. Rspr.); Ipsen, Staatsorganisationsrecht, Rn. 821. 1177  BVerfGE 61, 82 (111); 84, 34 (49); 101, 106 (122 f.); Enders, in: BeckOK GG, Art. 19, Rn. 74. 1178  v. Alemann, BDVR-RS 2021, 13. 1179  Vgl. Schröder, VerwArch 110 (2019), 328 (341), der allerdings auch auf gegenläufige Tendenzen in neuerer Zeit hinweist, etwa Grünewald, Die Betonung des Verfahrensgedankens (2010); Schmidt-Aßmann, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, § 27, Rn. 65; Gurlit, VVDStRL 70 (2011), 227 (238 ff.). 1180  Vgl. v. Alemann, BDVR-RS 2021, 13 (14 f.) sowie Maurer/Waldhoff, Allg. VerwR, § 19, Rn. 15 unter Verweis auf die Erkenntnisse der Luhmann’schen Entscheidungstheorie.



A. Verfassungsrechtliche Determinanten299

wendig.1181 Diesem Erfordernis steht es sodann im Ausgangspunkt entgegen, wenn die Erzeugung der zu überprüfenden Verwaltungsentscheidung vollständig auf automatisierte Einrichtungen zurückgeht, deren algorithmischen Arbeitsroutinen im Rahmen des Entscheidungsprogramms möglicherweise nicht ohne Weiteres einsehbar sind und für deren Verständnis eine gewisse technische Expertise nötig wird, über die das Gericht selbst nicht unbedingt verfügen mag.1182 2. Nachvollziehbarkeit durch Begründungsmechanismen Eine verfassungsrechtlich bedenkliche Absenkung effektiver gerichtlicher Kontrollmöglichkeiten hat dieser Befund allerdings nicht zwingend zur Folge. Entscheidendes Augenmerk ist vielmehr auf automationsspezifische Verfahrensgestaltungen zu legen, mittels derer die Mindestanforderungen an gerichtlicher Nachvollziehbarkeit auch in automatisierten Verwaltungsverfahren sichergestellt werden können. In diesem Sinne muss dem Gericht zunächst der dem Entscheidungssystem verfügbare Ausgangs-Datenbestand, auf dessen Grundlage die Entscheidung erging, nachvollziehbar gemacht werden, damit eine Überprüfung der Richtigkeit dieser Daten sowie einer ausreichenden behördlichen Sachverhaltsermittlung erfolgen kann.1183 Darüber hinaus sind dem Gericht Kontrollkorridore hinsichtlich der subjektiven Entscheidungsparameter (insbesondere angesichts Ermessenserwägungen, Beurteilungsspielräumen und Gefahrprognosen) einzuräumen, sofern eine Automatisierbarkeit derartiger Entscheidungssituationen überhaupt akzeptiert wird.1184 Die dahingehend erforderliche Transparenz des naturgemäß intransparenten, automatisierten Entscheidungsprozesses lässt sich sodann mittels einer automatisiert generierten Begründung der Verwaltungsentscheidung herstellen, die das Zustandekommen der vorliegenden Entscheidung nachzeichnet und verständlich macht1185, ähnlich wie die manuelle Begründung auch bei auf herkömmliche Weise erzeugten Verwaltungsakten den zentralen 1181  Vgl. auch Schröder, VerwArch 110 (2019), 328 (341 f.); auf Rechtsschutzrisiken im Zusammenhang mit der algorithmenbasierten Steuerung hoheitlichen Handelns ebenfalls hinweisend Hoffmann-Riem, AöR 142 (2017), 1 (25, 32 f.). 1182  Vgl. Schröder, VerwArch 110 (2019), 328 (341). 1183  Vgl. Martini, JZ 2017, 1017 (1020); Engel, VVDStRL 78 (2019), 345 (Aussprache). 1184  Vgl. v. Alemann, BDVR-RS 2021, 13 (14 f.); zur Zulässigkeit automatisierter Ermessens- und Beurteilungsentscheidungen eingehend § 6. 1185  Martini/Nink, NVwZ-Extra 10/2017, 1 (11  f.); Schröder, VerwArch 110 (2019), 328 (342); vgl. auch Martini, JZ 2017, 1017 (1020); Guckelberger, VVDStRL 78 (2019), 235 (274); Michael, in: Stern/Sodan/Möstl, Staatsrecht, § 28, Rn. 46; überwiegend im Kontext intelligenter Systeme Wischmeyer, AöR 143 (2018), 1 (46,

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§ 5 Verfassungs-, Unions- und Verfahrensrecht

Anhaltspunkt der gerichtlichen Kontrolle des Entscheidungsprozesses durch Darlegung der entscheidungserheblichen Erwägungen bildet.1186 In Anbetracht gerichtlichen Rechtsschutzes gegen individuelle Verwaltungsverfügungen ist dabei allerdings zu beachten, dass Mechanismen zur Herstellung einer Nachvollziehbarkeit konkret erzeugter Verwaltungsentscheidungen nicht als Instrumente einer abstrakten Algorithmenkontrolle missverstanden werden dürfen1187, so dass über eine erklärende Erläuterung der konkreten Einzelentscheidung hinaus allenfalls Grundzüge der allgemeinen und vom Einzelfall losgelösten Wirkmechanismen des Entscheidungssystems geboten sind. Eine über solche Grundzüge der Entscheidungslogik hinausgehende Detailtiefe der Begründung ist dagegen zur Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes nicht zu verlangen.1188 Gleichermaßen genügen bei eingesetzten risikoevaluierenden Mechanismen innerhalb des Entscheidungssystems (Risikomanagementsysteme) allgemeinere Ausführungen über die Art der verwendeten Risikoparameter und deren Funktionszusammenhänge1189, soweit deren Überprüfung in einem gerichtlichen Verfahren – beispielsweise zur Überprüfung auf unzulässige Diskriminierungen – entscheidungserheblich werden sollte.1190 54 ff.). Eingehender zur technischen Umsetzung und den konkreten Inhalten der Begründung sodann unter § 5 C. III. 2. 1186  Vgl. Schröder, VerwArch 110 (2019), 328 (342); Wischmeyer, AöR 143 (2018), 1 (57); allgemein zur Rechtsschutzfunktion der Begründung U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 39 VwVfG, Rn. 1 f.; Tiedemann, in: BeckOK VwVfG, § 39, Rn.  5 f.; Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 39, Rn. 5a; für die Kontrolle von Ermessensentscheidungen im Speziellen etwa Riese, in: Schoch/Schneider, VwGO, § 114, Rn. 46 ff. Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass auch bei menschlichen Entscheidungen die inneren Entscheidungsprozesse im Kern opak bleiben und einer erklärenden Offenlegung bedürfen, Intransparenzen mithin kein Proprium automatisierter Systeme sind, vgl. Wischmeyer, AöR 143 (2018), 1 (8, 44 f., 54) m. w. N. im Kontext intelligenter Systeme; Hermstrüwer, AöR 145 (2020), 479 (481); Roth-Isigkeit, DÖV 2020, 1018 (1024 f.); Meyer, ZRP 2018, 233 (239); Hoffmann-Riem, AöR 145 (2020), 1 (15); Nink, Justiz und Algorithmen, S. 138, 337; Michael, in: Stern/ Sodan/Möstl, Staatsrecht, § 28, Rn. 37, 44; vgl. auch Luhmann, Die Kontrolle von Intransparenz, S.  102 f. 1187  Näher hierzu sodann unter § 5 C. III. 2. c). 1188  Vgl. auch Martini, in: Kahl/Ludwigs, HdbVwR I, § 28, Rn. 48 unter Verweis auf den geringen Nutzen einer Offenlegung des Programmcodes für den Rechtsschutz des Bürgers; tendenziell strenger insoweit Hornung, in: Schoch/Schneider, VwVfG, § 35a, Rn. 60. 1189  Vgl. allgemein Hoffmann-Riem, AöR 142 (2017), 1 (32 f. mit Fn. 126), der von „angewandten Maximen und zugrunde gelegten Kriterien“ spricht und zugleich darauf hinweist, dass bei spezifischeren Informationen eine Adaption an die offenliegenden Risikokriterien drohte, was wiederum deren Funktionsfähigkeit und die damit verbundenen rechtsstaatlich-absichernden Effekte erheblich einschränken, wenn nicht gar vollständig negieren würde. Eingehender zu RMS § 5 C. I. 2. b) bb). 1190  Vgl. Trossen, FR 2015, 1021 (1023); für das automatisierte Entscheidungsprogramm des Verwaltungsakts auch Guckelberger, DÖV 2021, 566 (577).



A. Verfassungsrechtliche Determinanten301

Eine allgemeine Hinweispflicht, dass eine vollautomatisierte Entscheidungsfindung stattfindet, erscheint zwar im Interesse der Rechtsklarheit zweckmäßig, insbesondere soweit sich die automatisierte Erzeugung nicht schon aus den Umständen ergibt (z. B. bei Verkehrsleitsystemen) oder der Anschein einer menschlichen (also nicht automatisierten) Entscheidung entsteht, dürfte der effektiven Rechtsschutzgarantie aber – ebenso wie dies bereits bei teilautomatisierten Formen des Verwaltungsakterlasses angenommen wurde1191 – nicht als zwingendes Erfordernis zu entnehmen sein1192, zumal sich für den Betroffenen insoweit keine abweichenden Rechtsfolgen ergeben und ein derartiger Hinweis isoliert betrachtet regelmäßig keine spürbaren Unterschiede hinsichtlich der Wirksamkeit des gerichtlichen Rechtsschutzes zeitigen dürfte1193. Datenschutzrechtlich wird insoweit aber letztlich ein anderes Ergebnis bedingt, wo entsprechende Hinweispflichten existieren.1194 Auch vermehrt erwogene, abstrakte gerichtliche Algorithmen-Kontrollverfahren, im Rahmen derer – am ehesten vergleichbar mit einer Normenkontrolle i. S. d. § 47 VwGO – ein rechtmäßiges Funktionieren des Entscheidungsalgorithmus ex-ante und losgelöst von konkreten Einzelentscheidungen sicher­ gestellt werden soll1195, können unbesehen ihrer rechtspolitischen Sinnhaf­ tigkeit1196 zwar durchaus einen Bestandteil der möglichen regulatorischen 1191  Siehe nur Tegethoff, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 37, Rn. 39; Tiedemann, in: BeckOK VwVfG, § 37, Rn. 51. 1192  Vgl. auch BT-Drs. 18/7457, S. 83; Braun Binder, DStZ 2016, 526 (528); Seer, in: Tipke/Kruse, FGO/AO, § 150 AO, Rz. 50; Frotscher, in: Schwarz/Pahlke, Erstkomm. BestVerfModG, § 155 AO, Rz. 17; Guckelberger, Öffentliche Verwaltung, Rn. 493; a. A. insoweit Beirat VwVfR, NVwZ 2015, 1114 (1116); Windoffer, in: Mann/ Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, § 35a, Rn. 34; für persönlichkeitssensible Bereiche wohl auch Martini, JZ 2017, 1017 (1020). 1193  BT-Drs. 18/7457, S. 83; ebenso Frotscher, in: Schwarz/Pahlke, Erstkomm. BestVerfModG, § 155 AO, Rz. 17; ablehnend Windoffer, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, § 35a, Rn. 34. 1194  Näher hierzu § 5 D. II. 1195  Vgl. Guckelberger, in: FS Herberger, 397 (413); Schröder, VerwArch 110 (2019), 328 (342); ausführlicher Polomski, Der automatisierte Verwaltungsakt, S. 241 ff. m. w. N. aus der älteren Literatur; vgl. insoweit auch Kube, VVDStRL 78 (2019), 289 (321), der auch den Vollzugsalgorithmus als Gegenstand der Rechtsprechung begreift, sowie Engel, VVDStRL 78 (2019), 345 (Aussprache). Für eine Ausweitung von Verbands- und Sammelklagemöglichkeiten Hoffmann-Riem, Recht im Sog der digitalen Transformation, S. 207 f. 1196  Gegen gerichtliche ex-ante Algorithmen-Kontrollverfahren wird zum einen angeführt, dass im Rahmen einer abstrakten Prüfung ggfls. nur schwer Fehler des Algorithmus identifizieren werden können, dessen Zuverlässigkeit sich in stärkerem Maße als bei einer Rechtsnorm erst im Einzelfall materialisiere, Schröder, VerwArch 110 (2019), 328 (342); Guckelberger, in: FS Herberger, 397 (413). Zum anderem würde bei abstrakten Kontrollen eines Vollzugsalgorithmus die Rolle der Gerichte als regelmäßig nur reaktive, nachträgliche und repressive Kontrollinstanzen zunehmend

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§ 5 Verfassungs-, Unions- und Verfahrensrecht

Klaviatur für automatisierte Entscheidungsfindungen bilden, stellen sich jedenfalls aber nicht als zwingendes Mittel zur effektiven gerichtlichen Rechtsschutzgewährung dar. Dem gerichtlichen Verfahren vorgelagerte Zulassungsprüfungen durch unabhängige behördliche Algorithmen-Stellen1197 oder einen „Algorithmen-TÜV“1198 gehören dagegen nicht zum gerichtlichen Rechtsschutz i. e. S. und können insofern nur ergänzende Funktion haben.1199 Im Ergebnis wird auch hinsichtlich des Gebots effektiven Rechtsschutzes i. S. d. Art. 19 Abs. 4 GG kein strukturell angelegter Konflikt zu vollautomatisiert erzeugten Verwaltungsakten erkennbar, sofern im Rahmen von automatisierten Verwaltungsverfahren nicht von den Grundpfeilern eines rechtsstaatlichen Verwaltungsverfahrens, wie diese in den geltenden Verfahrensordnungen in Gestalt der Verfahrensrechte niedergelegt sind, prinzipiell abgerückt wird. Im Hinblick auf die Nachvollziehbarkeit einer getroffenen Verwaltungsverfügung, die für eine effektive gerichtliche Kontrolle unabdingbar ist, nimmt hierbei – analog zu herkömmlichen Verwaltungsverfahren – insbesondere das Erfordernis der Entscheidungsbegründung eine maßgebliche Rolle im Kontext vollautomatisierter Verwaltungsverfahren ein, auf das unten noch detaillierter einzugehen sein wird1200. V. Fazit zu den verfassungsrechtlichen Determinanten Während aus dem Gesetzmäßigkeitsprinzip der Verwaltung zunächst vor allem administrative Überwachungspflichten zur Sicherstellung eines funk­ tionellen und rechtmäßigen Gesetzesvollzugs sowohl vor als auch nach Inbetriebnahme des Systems abzuleiten waren1201, konnte die Notwendigkeit einer parlamentsgesetzlichen Zulassungsentscheidung vollautomatisierter Verwaltungsverfahren nicht per se, wohl aber in besonders grundrechtssensiblen

entfremdet, siehe Polomski, Der automatisierte Verwaltungsakt, S. 243 ff. sowie Lazaratos, Rechtliche Auswirkungen der Verwaltungsautomation, S. 217 f., die hierin sogar einen Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 GG erblicken; kritisch insoweit auch Bull, CR 2019, 547 (551 f.); ders., Der Staat 58 (2019), 57 (68); i. E. offen Guckelberger, in: FS Herberger, 397 (413). 1197  Vgl. nur Hoffmann-Riem, in: Unger/Ungern-Sternberg, Demokratie und KI, 129 (154) m. w. N.; Martini/Nink, NVwZ-Extra 10/2017, 1 (12). 1198  Martini, JZ 2017, 1017 (1021); ders., DÖV 2017, 443 (453). 1199  Vgl. Schröder, VerwArch 110 (2019), 328 (342); vgl. auch Ipsen, Staatsorganisationsrecht, Rn. 820. Zur Rolle behördlicher Zulassungs- bzw. Zertifizierungsverfahren im Rahmen behördlicher Qualitätssicherungspflichten vgl. aber oben § 5 A. II. 2. b) bb) in Fn. 1114. 1200  Siehe § 5 C. III. 1201  Siehe § 5 A. I. 1.



A. Verfassungsrechtliche Determinanten303

Bereichen angenommen werden1202, wobei sich die praktische Virulenz dieser Fragestellung mit Schaffung der §§ 35a VwVfG, 31a SGB X und 155 Abs. 4 AO allerdings weitgehend erledigte. Hinsichtlich der Einhaltung demokratischer Zurechnungsanforderungen offenbarten sich gleichermaßen keine tiefgreifenderen Hemmnisse, indem im Wege einer fortbestehenden Gesetzesbindung und parlamentarischen Verantwortlichkeit einerseits ein sachlich-inhaltlicher Verantwortlichkeitszusammenhang hergestellt wird und andererseits humane Residualelemente innerhalb des automatisierten Verwaltungsverfahrens je für sich ein Mindestmaß an personell-organisatorischer Legitima­ tionskraft erzeugen, in deren Zusammenwirken insgesamt von einem hinreichenden Legitimationsniveau ausgegangen werden kann.1203 Der Rekurs auf Art. 33 Abs. 4 GG erwies sich dagegen im Hinblick auf weitergehende Erkenntnisse im Ergebnis als unergiebig.1204 Zurückhaltung war des Weiteren bei der Aktivierung der Menschenwürdegarantie als programmatisches Leitprinzip und regelhafte Direktive für die Zulassung und konkrete Anleitung vollautomatisierter Verwaltungsverfahren zu üben, welcher lediglich hinsichtlich äußerer Extrembereiche greifbare Grenzen entnommen werden konnten.1205 Insbesondere war festzustellen, dass eine automatisierte Verfahrensabwicklung an sich keine Herabwürdigung der Verfahrensbeteiligten zur bloßen Zuordnungsgröße im Verfahren bedingt.1206 Infolge von Intransparenzen des Entscheidungsprozesses im Raume stehende Defizite bei der Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes ließen sich schließlich durch das Erfordernis automationsspezifischer Begründungs- und Darlegungsmechanismen neutralisieren.1207 Aufs Ganze gesehen kann dem Befund Schröders’ zugestimmt werden, dass sich die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen jedenfalls für determinierte Algorithmen im Ergebnis als „digitalisierungsfreundlich“ erweisen1208, mithin keine grundlegenden und unüberwindbaren Hindernisse hinsichtlich des vollständig automatisierten Erlasses von Verwaltungsakten bzw. der vollautomatisierten Abwicklung von Verwaltungsverfahren erwarten lassen. Trotz dieser prinzipiellen Offenheit bestehenden, verfassungs- und verfahrensrechtlichen Reibungspunkten bei der Umsetzung automatisierter Verwaltungsverfahren muss sodann mittels einer

1202  Siehe

§ 5 A. I. 2. § 5 A. II. 3. 1204  Siehe § 5 A. II. 4. 1205  Siehe § 5 A. III. 1206  Siehe § 5 A. III. 2. b). 1207  Siehe § 5 A. IV. 1208  Schröder, VerwArch 110 (2019), 328 (347); für ein digitalisierungsoffenes Verfassungsverständnis plädiert auch Michael, in: Stern/Sodan/Möstl, Staatsrecht, § 28, Rn. 3. 1203  Siehe

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§ 5 Verfassungs-, Unions- und Verfahrensrecht

an rechtsstaatlichen Anforderungen ausgerichteten Verfahrensgestaltung begegnet werden.

B. Übertragbarkeit auf Anwendungen jenseits standardisierter Prozessabläufe Nachdem in den obigen Kapiteln eine prinzipielle Offenheit des Grundgesetzes gegenüber auf determinierten Algorithmen basierenden automatisierten Entscheidungssystemen erkennbar wurde, bleibt im Anschluss noch der Frage nachzuspüren, ob sich die für determiniert-automatisierte Verwaltungsentscheidungen herausgearbeiteten Leitlinien gleichermaßen auf Anwendungen transponieren lassen, die sich nicht in der Ausführung standardisierter Prozesse erschöpfen, sondern darüber hinaus Elemente einer eigenständigen Korrektur, Anpassung und Fortentwicklung beinhalten, also indeterminierte bzw. „selbstlernende“ Algorithmen bemühen. Die besondere Wichtigkeit einer dahingehend differenzierenden Betrachtung resultiert dabei aus der spezifischen Spannungslage, dass einerseits indeterminierte Entscheidungssysteme in tatsächlicher Hinsicht auf deutlich abweichenden (mathematisch-logischen) Funktionsprinzipien basieren, was – wie zu zeigen sein wird – auch hinsichtlich der rechtlichen Würdigung erhebliche Auswirkungen zeitigt1209, und andererseits oftmals gerade selbstlernende Algorithmen, welche erst in jüngster Zeit einen bisher beispiellosen Grad an informatischer Verfeinerung und Perfektion erfuhren, als Epizentrum digitalisierungsbedingter Verheißungen (nicht nur) für die öffentliche Verwaltung wahrgenommen werden.1210 I. Axiomatisch-deduktive und stochastisch-induktive Modelle Um sich der Problematik sachgerecht annähern zu können, muss zunächst eine begriffliche Fixierung determinierter und indeterminierter Entscheidungssysteme für die weitere Bearbeitung erfolgen. 1. Determinierte Systeme Bisher im Bereich der öffentlichen Verwaltung eingesetzte maschinelle Entscheidungs- oder Entscheidungsunterstützungssysteme entsprachen na1209  Michael, in: Stern/Sodan/Möstl, Staatsrecht, § 28, Rn. 58; krit. insoweit Kube, VVDStRL 78 (2019), 289 (310), nach dem diese Unterscheidung die Breite der Problematik im Zusammenhang mit vollautomatisierten Verwaltungsverfahren verkenne. 1210  Vgl. hier nur Guggenberger, NVwZ 2019, 844 (846 f.); Hill, VM 2018, 287 (288 ff.); Djeffal, KI in der öffentlichen Verwaltung, S. 9 ff.



B. Übertragbarkeit auf indeterminierte Anwendungen305

hezu ausschließlich dem Grundtypus determinierter Systeme1211, die sich vor allem durch eine vollständige Vorzeichnung ihrer Entscheidungsparameter kennzeichnen. Die Regeln des Systems zur Umwandlung der Eingaben („Input“) in Ausgaben bzw. Ergebnisse („Output“), namentlich zur Lösung des ihnen vorgesetzten (Entscheidungs-)Problems, werden in diesem Sinne vollumfänglich im Wege menschlicher Programmierung abgebildet und stehen – unter der Prämisse prinzipieller und systemintrinsischer Unveränderlichkeit – von vornherein fest.1212 Die eigentliche Entscheidung wird durch mechanistisch-deduktives Abarbeiten der fixierten Entscheidungsdeterminanten erzeugt. Jedenfalls aus Sicht der Programmierung hat diese Determinierung – bis auf vereinzelt unvorhergesehene Verkettungen oder Fehler – eine im Grundsatz vollumfängliche Vorhersehbarkeit der vom System produzierbaren bzw. produzierten Ergebnisse zur Folge. 2. Indeterminierte Systeme Indeterminierte bzw. „intelligente“ Systeme1213 brechen dagegen aus dem Prinzip der abschließenden Vorzeichnung der Entscheidungsregeln aus, indem diese die charakteristische Fähigkeit besitzen, aus verfügbaren Datenmengen selbstständig zu lernen, also jene entscheidungsdeterminierenden Regeln weitgehend autonom auf der Basis von „Erfahrungsdaten“ anzupassen oder fortzuschreiben, ohne dass der Entscheidungsprozess durch menschliche Programmierung detailliert vorgezeichnet ist.1214 Dabei bedienen sich 1211  Wischmeyer, AöR 143 (2018), 1 (39 f., 12); Braun Binder, in: Seckelmann, Digitalisierte Verwaltung, Kap. 12, Rn. 21; vgl. auch U. Stelkens in: Stelkens/Bonk/ Sachs, VwVfG, § 35a, Rn. 47; Herold, DSRITB 2018, 453 (455); Guggenberger, NVwZ 2019, 844 (846). 1212  Wischmeyer, AöR 143 (2018), 1 (12, 4 in Fn. 9); Braun Binder, in: Seckelmann, Digitalisierte Verwaltung, Kap. 12, Rn. 21; Reichwald/Pfisterer, CR 2016, 208 (210). 1213  Die Begriffe indeterminierte und „intelligente“ Systeme werden vorliegend synonym verwendet, ohne näher auf eine Definition von „künstlicher Intelligenz“ einzugehen. Letztere erweist sich angesichts der deskriptiven und definitorischen Schwierigkeiten schon bei den Kategorien menschlicher Intelligenz als bisher kaum zufriedenstellend geklärtes Unterfangen, vgl. etwa Guggenberger, NVwZ 2019, 844 ff.; Herberger, NJW 2018, 2825 ff.; Kaplan, Künstliche Intelligenz, S. 15 ff. Maschinelles Lernen wird jedenfalls allgemein als der zukunftsführendste informatische Weg der Erzeugung künstlicher Intelligenz verstanden, vgl. Wischmeyer, AöR 143 (2018), 1 (11 f. mit Fn. 38); Kaplan, Künstliche Intelligenz, S. 44 ff., 52, 53 ff.; Ertel, Grundkurs Künstliche Intelligenz, S. 201; Alpaydin, Maschinelles Lernen, S. 2 ff. 1214  Wischmeyer, AöR 143 (2018), 1 (3, 12) mit Verweis auf einführende Fachliteratur, z. B. Alpaydin, Maschinelles Lernen, S. 3 f.; Ertel, Grundkurs Künstliche Intelligenz, S. 3, 21, 201 ff., 285 ff., 321 ff.; vgl. auch Stiemerling, CR 2015, 762; Ernst, JZ 2017, 1026 (1027); Neubert, DRiZ 2021, 108 sowie Hoffmann-Riem, AöR 142

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indeterminierte Systeme nach dem heute in der Informatik herrschenden Ansatz stochastisch-induktiver Verfahren unter Verwendung großer Datenmengen, indem aus erkannten Korrelationen und Mustern innerhalb des gegebenen Datenbestandes Annahmen darüber abgeleitet werden, welche inhärenten Regeln die vorliegend erkannte Musterbildung am wahrscheinlichsten hervorbrachten und daher auch für zukünftige Anwendungen eine wahrscheinlich korrekte Zuordnung von neuen Inputinformationen ermöglichen werden.1215 Liefert die Anwendung der deduzierten Regeln auf neue Ein­ gaben sodann nach den Maßstäben des Systems hinreichend erfolgreiche Resultate, kommt es durch deren Aufnahme in den Entscheidungsprozess zu einer dynamischen Modifizierung der internen Entscheidungsparameter.1216 Die Determinanten dieser eigentätigen Fortentwicklung des Algorithmus müssen dabei ihrerseits mittels einer vorherigen menschlichen Programmierung abstrakt angeleitet werden, die den selbstständigen Anpassungskorridor, die Art und Weise und den Prozess der Anpassung sowie die Auswahl der involvierten (mathematischen) Modelle diktiert.1217 Auf den Punkt gebracht zeichnet ein indeterminiertes System demnach „das Funktionieren des in seinen Daten dokumentierten Systems nach und simulieren dessen Funk­ tionsweise in die Zukunft“.1218 II. Selbstlernende Systeme als Katalysator des vollautomatisierten Verwaltungsakterlasses? 1. Gesetzessystematische Kompatibilität Auch wenn sich in der gegenwärtigen öffentlichen Verwaltungspraxis noch kaum entsprechende Anwendungsbeispiele finden1219, bilden selbstlernende (2017), 1 (30), der intelligente Agenten so beschreibt, dass sie sich „von ihrem ‚menschlichen Patron‘ emanzipieren und eigenständige Wege der Problemlösung finden und sich an veränderte Umstände anpassen“ können. 1215  Vgl. Alpaydin, Maschinelles Lernen, S. 3 ff., 41; E. Siegel, Predictive Analytics, S. 103 ff., insbes. 147 ff., 171 ff.; Wischmeyer, AöR 143 (2018), 1 (3, 12 f.); vgl. auch Martini, JZ 2017, 1017 (1019); Guggenberger, NVwZ 2019, 844 (845); Neubert, DRiZ 2021, 108. 1216  Wischmeyer, AöR 143 (2018), 1 (13). 1217  Scherer, Harvard J.L. & Tech. 29 (2016), 353 (367); Wischmeyer, AöR 143 (2018), 1 (14). Die „Lernprozesse“ des Algorithmus gehen damit nicht auf eine völlige Selbstursprünglichkeit zurück, die bei Algorithmen im Übrigen auch noch bis auf Weiteres reine Fiktion bleiben wird. 1218  Wischmeyer, AöR 143 (2018), 1 (13). 1219  Vgl. U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35a, Rn. 47; Guggenberger, NVwZ 2019, 844 (846), der allerdings m. w. N. auf erste Anwendungsbeispiele hinweist. Die Bundesregierung der 19. Legislaturperiode sah im Bereich der



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Systeme oder sonstige Ausprägungsformen künstlicher Intelligenz – als nach festgelegten Programmroutinen ohne menschliches Zutun funktionierende technische Einrichtungen1220 – zunächst eine Teilmenge des Begriffs der „automatischen Einrichtung“ i. S. d. Verfahrensordnungen und erweisen sich damit im Ausgangspunkt als jedenfalls gesetzessystematisch kompatibel mit dem verfahrensrechtlichen Regelungsrahmen unter dem BestVerfModG.1221 Jene Kompatibilität folgt zuvörderst daraus, dass sich die vorgegebenen Parameter der automatischen Einrichtung, nach welchen die technische Anlage per definitionem ohne menschliches Zutun arbeiten soll, begrifflich nicht notwendig auf völlig determinierte Steuerungsgrößen beschränken, sondern auch einer (weitgehend) selbstveranlassten Veränderlichkeit unterliegenden Parametern zugewandt sind, die mittels der Vorgabe bloßer Anleitungskorridore zur selbstständigen Fortentwicklung des Systems lediglich einen höheren Grad an der begrifflich geforderten Autonomie aufweisen. Untermauert wird die hier vertretene Indifferenz gegenüber der Determiniertheit ihrer Entscheidungsregeln dabei zum einen durch das gemeinhin als technikoffen begriffene Verständnis der „automatischen Einrichtungen“1222, das bereits per se technisch verengende Begriffsbestimmungen fragwürdig erscheinen lässt. Auch rechtspolitisch macht es wenig Sinn, einen der vielversprechendsten und in neuerer Zeit am stärksten emergierenden Zweige der Informationstechnik begrifflich a priori auszuklammern, sollen doch das BestVerfModG im Allgemeinen und die §§ 35a VwVfG, 31a SGB X und 155 Abs. 4 AO im Speziellen gerade die Zukunftsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung sichern1223. Der in hiesigem Kontext erhobene und insbesondere auf den gesetzgeberischen Willen zurückgeführte Einwand der begrifflichen Beschränkung „automatischer Einrichtungen“ auf bloße „Hilfsmittel behördlichen Handelns“, die „in keinem Fall […] Einfluss auf den qualitativen öffentlichen Verwaltung jedenfalls einen potenziellen Anwendungsbereich intelligenter Systeme, vgl. Eckpunkte der Bundesregierung für eine Strategie Künstliche Intelligenz v. 18.7.2018, S. 9 (Punkt 3.7.). 1220  Eingehend zum Begriff der „automatischen Einrichtungen“ bereits unter § 3 C. I. 1221  Explizit zuletzt Ramsauer/Tegethoff, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, §  35a, Rn. 9a; i. E. auch Waigel, WiVerw 2021, 88 (89), der teleologisch argumentiert; ablehnend dagegen Tönsmeyer-Uzuner, Expertensysteme in der öffentlichen Verwaltung, S. 118 ff., 123 f.; letztlich offenbleibend bei U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/ Sachs, VwVfG, § 35a, Rn. 47; Guggenberger, NVwZ 2019, 844 (846); HoffmannRiem, Recht im Sog der digitalen Transformation, S. 256; aufgeschlossener wohl Schröder, VerwArch 110 (2019), 328 (344 f.), der insoweit einen Gesetzesvorbehalt annimmt und selbstlernende Systeme daher zumindest implizit unter „automatische Einrichtungen“ fassen dürfte. 1222  Siehe § 3 C. I. 1. 1223  Vgl. etwa BT-Drs. 18/7457, S. 1 f., 46 f.; 18/8434, S. 1 f.

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Gehalt eines Entscheidungsverfahrens nehmen“ und damit von vornherein Formen intelligenter Systeme ausschließen1224, verfängt dagegen spätestens seit Erlass des BestVerfModG nicht mehr, mit dem der Gesetzgeber das Aufrücken der automatischen Einrichtungen zum hauptsächlichen Akteur im Verwaltungsverfahren legislativ fixierte und dabei bewusst an den tradierten Begriff anknüpfte1225. Ausgehend von der festgestellten Inklusivität kommen selbstlernende Systeme – als „automatische Einrichtungen“ – damit insbesondere unter dem Zulassungsregime des BestVerfModG grundsätzlich als Trieb- und Räderwerk des automatisierten Erlasses von Verwaltungsakten in Betracht.1226 2. Verfassungsrechtliche Spannungslage und funktional-differenzierende Betrachtungsweise Doch trotz ihrer scheinbaren Kompatibilität auf gesetzessystematischer Ebene stehen dem Einsatz selbstlernender Algorithmen zur automatisierten Erzeugung verbindlicher Verwaltungsentscheidungen im Vergleich zu ihren determinierten Pendants auch deutlichere verfassungsrechtliche Hürden entgegen, die insgesamt in einer klar restriktiveren Grundhaltung des Grundgesetzes diesen gegenüber münden. Um einerseits diesen verfassungsrecht­ lichen Grenzen ausreichend Rechnung zu tragen, andererseits aber auch die Vorzüge selbstlernender Systeme nicht außer Acht zu lassen, insbesondere keiner undifferenzierten und holzschnittartigen Ablehnungshaltung zu verfallen, schlage ich daher für die weitere wissenschaftliche Aufarbeitung des Einsatzes selbstlernender Systeme für den automatisierten Erlass von Verwaltungsakten eine methodische Trennung zwischen verschiedenen Funktionsebenen des Entscheidungssystems vor, namentlich einer „Ebene der Rechtsanwendung“ im engeren Sinne einerseits sowie andererseits sonstigen Elementen des Entscheidungssystems, allen voran den „risikoprüfenden und informationsverifizierenden Komponenten des Algorithmus“, die im Folgenden gesondert auf ihre verfassungsrechtlichen Wechselwirkungen hin zu untersuchen sind. Die in diesem Sinne bezeichnete „Ebene der Rechtsanwendung“ soll dabei diejenigen Bestandteile enthalten, die den Kern juristischer Rechtsanwendung durch eine technische Anlage ausmachen, mithin die inhaltliche Ab­ bildung der rechtlichen Voraussetzungen einer bestimmten Entscheidung in Form der Konturierung der tatbestandlichen Merkmale und Rechtsfolgen 1224  Tönsmeyer-Uzuner,

123.

1225  Hierzu 1226  So

Expertensysteme in der öffentlichen Verwaltung, S. 118,

§ 3 C. II. 1.; vgl. auch Wischmeyer, AöR 143 (2018), 1 (41). auch Waigel, WiVerw 2021, 88 (89).



B. Übertragbarkeit auf indeterminierte Anwendungen309

sowie den Vorgang der Subsumtion unter die Tatbestandsmerkmale als Abgleichungsvorgang zwischen Recht und Realität. Hinsichtlich der „risikoprüfenden und informationsverifizierenden Komponenten des Entscheidungssystems“ werden dagegen sämtliche technischen Vorgänge in den Fokus gerückt, die eine Prüfung des Vorliegens eines risikobehafteten Falles bewirken, beispielsweise durch unvollständige oder fehlerhafte Sachverhaltsdaten oder das Vorliegen atypischer Konstellationen, und dabei typischerweise eine Aussteuerung des Falles an menschliche Sachbearbeiter veranlassen. a) Die Ebene der Rechtsanwendung Beginnen möchte ich die nähere Untersuchung der verschiedenen Funk­ tionsebenen eines algorithmischen Entscheidungssystems mit der These, dass im Rahmen der rechtsanwendenden Komponenten des Systems nach oben beschriebenem Zuschnitt der Einsatz selbstlernender bzw. „intelligenter“ Algorithmen mit den verfassungsrechtlichen Prämissen unter dem Grundgesetz nicht vereinbart werden kann und daher nicht stattfinden darf.1227 Da dieses auf den ersten Blick drastisch anmutende Verdikt freilich eingehenderer Erläuterungen bedarf, sollen folgend die hierfür maßgeblichen verfassungsrechtlichen Hemmnisse nachgezeichnet werden. aa) Selbstmodulierung und Gesetzmäßigkeitsprinzip Ein erstes Hindernis für den Einsatz selbstlernender Algorithmen auf Rechtsanwendungsebene stellen bereits die sich aus dem Prinzip der Gesetz1227  Skepsis gegenüber dem Einsatz selbstlernender Algorithmen bei vollautomatisierten Verwaltungsentscheidungen äußern auch U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 35a, Rn. 47; ders., in: Hill/Kugelmann/Martini, Digitalisierung in Recht, Politik und Verwaltung, 81 (102); Guggenberger, NVwZ 2019, 844 (846); Windoffer, GewArch 2022, 130 (132 f.), die aber allesamt äußerst vage bleiben und keine Differenzierung zwischen rechtsanwendenden und sonstigen Komponenten des Entscheidungssystems vornehmen. Eher ablehnend i. E. wohl auch Guckelberger, in: FS Herberger, 397 (406); dies., VVDStRL 78 (2019), 235 (278); Hoffmann-Riem, Recht im Sog der digitalen Transformation, S. 256; ebenso Britz, in: Hoffmann-Riem/SchmidtAßmann/Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, § 26, Rn. 59; Beirat VwVfR, NVwZ 2015, 1114 (1115 ff.); Polomski, Der automatisierte Verwaltungsakt, S. 98 ff., insbes. 101 f., 105 f. Aufgeschlossener dagegen Waigel, WiVerw 2021, 88 (90 ff.); Hill, VM 2018, 287 (288 f.); Heckmann, in: jurisPK-ITR, Kap. 5, Rn. 637 f. sowie Martini, JZ 2017, 1017 (1022), der offenbar auch bei der eigentlichen Rechtsanwendung von lernfähiger Software ausgeht, die sodann von Risikomanagementsystemen abzusichern sei. Auch der schleswig-holsteinische Gesetzgeber schließt mit § 2 Abs. 2 Nr. 4 ITEG (s. Fn. 292) „datengetriebene Informationstechnologien“ nur bei bestehenden Ermessens- und Beurteilungsspielräumen aus, lässt diese also scheinbar für die Rechtsanwendung bei gebundenen Entscheidungen zu.

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mäßigkeit der Verwaltung ergebenden Anforderungen dar, die insbesondere eine an den gesetzlichen Grundlagen ausgerichtete, materiell sachrichtige Entscheidung verlangen1228. Zuzugeben ist zwar zunächst, dass auch im Einsatzkontext selbstlernender Systeme eine funktionsäquivalente Einhaltung derjenigen qualitätssichernden Anforderungen im Grundsatz möglich erscheint, die das Gesetzmäßigkeitsprinzip den die technischen Einrichtungen einsetzenden Behörden zur Sicherung materieller Entscheidungsrichtigkeit auferlegt1229, beispielsweise in Form eines gewissen Qualitätsniveaus der dem System einzuspeisenden Lerndaten, einer an den gesetzlichen Grundlagen ausgerichteten und diskriminierungsfreien Konzeption der Entscheidungssysteme, einer hinreichenden Trainings- und Testphase vor deren Inbetriebnahme zur Gewährleistung einer systemischen Stabilität mit nur mehr geringen Fehlerpotenzialen und einer auch nach Inbetriebnahme fortlaufenden Vollzugskontrolle der selbstlernenden Software1230, so dass sich auf den ersten Blick ein eher geringes Konfliktpotenzial offenbart. Anders als bei determinierten Entscheidungssystemen bildet bei Involvierung maschineller Lernverfahren aber allein die Erfüllung der genannten Qualitätssicherungspflichten noch kein probates Fundament, auf dessen Grundlage die Gebundenheit des Gesetzesvollzugs letztgültig abgesichert werden kann. Werden selbstlernende Algorithmen nämlich für Prozesse der Rechtsanwendung eingesetzt – denkbar etwa bei unbestimmten Rechtsbegriffen, im Rahmen derer sich ein selbstlernender Algorithmus weitere, neben die anfangs einprogrammierten (ggfls. in Rechtsprechung und Literatur entwickelten) Indikatoren hinzuprogrammiert, oder bei Ermessensentscheidungen1231 deren vorher programmierten Entscheidungsvarianten (vorbehaltlich eines atypischen Falles) um weitere Alternativen ergänzt oder ihre Voraussetzungen angepasst werden – so findet vielmehr gleichzeitig auch eine inhaltliche Verselbstständigung der Rechtsanwendung statt, indem sich das Programm ausgehend von der stochastisch-induktiven Funktionsweise maschineller Lernverfahren durch selbsttätige Modulierungen der rechtlichen Voraussetzungen weitgehend eigenmächtig von seinen gesetzlichen Grundlagen 1228  Siehe

oben § 5 A. I. 1. a). Einzelnen § 5 A. I. 1. a) aa), bb) und cc) sowie b). 1230  Vgl. Guckelberger, VVDStRL 78 (2019), 235 (276  f.) sowie eingehender dies., Öffentliche Verwaltung, Rn. 578 ff.; aus regulatorischer Sicht Wischmeyer, AöR 143 (2018), 1 (23 f.); Martini, JZ 2017, 1017 (1021 f.). Vgl. zu Qualitätsanforderungen und entsprechenden Sicherungspflichten bei selbstlernenden Systemen auch § 5 B. II. 2. c) cc) sowie C. I. 2. b) bb) (4). 1231  Sofern solche überhaupt vollautomatisiert zugelassen werden, hierzu ausführlich § 6. 1229  Im



B. Übertragbarkeit auf indeterminierte Anwendungen311

entfernen kann.1232 Das Entscheidungssystem vollzieht in diesem Sinne dann nicht mehr (primär) das Gesetzesrecht, wie es in ihm vorgelagert inkl. dogmatischer Implikationen, gerichtlichen Auslegungen etc. abgebildet wurde, sondern diejenigen „Regeln“ und Korrelationen, die es nach probabilistischen Annahmen als maßgeblich für die Komposition und Verteilung seiner Trainingsdaten qualifiziert hat, unabhängig davon, ob diese statistischen „Regelzusammenhänge“ die gesetzlichen Voraussetzungen widerspiegeln oder zumindest auf mit den gesetzlichen Vorgaben übereinstimmenden bzw. vereinbaren Annahmen beruhen. Gleich verhält es sich mit dem Subsumtionsvorgang, der zwar als Prozess der Inbezugsetzung von Recht und Realität1233 gewisse Parallelen zu einer Art Klassifikations- und Musterabgleichungaufgabe aufweist, indem das Vorliegen oder Nichtvorliegen der Gehalte eines bestimmten Tatbestandsmerkmals als „Cluster“ verstanden werden können, denen ein gegebener (formalisiert erfasster) Sachverhalt je nach Einschlägigkeit zugeordnet wird, und damit als grundsätzlich geeignet für eine Umsetzung durch selbstlernende Programme erscheint1234, aber trotzdem diese Klassifizierung, die de facto die Subsumtionsleistung darstellt, nicht auf der Grundlage wahrer inhaltlicher Übereinstimmung, sondern statistisch-vermuteter Konvergenz vornimmt und damit gleichermaßen die gesetzlichen Maßgaben in den Hintergrund rückt. Da auf diese Art erzeugte automatisierte Entscheidungen nicht mehr ausschließlich am Gesetzesrecht ausgerichtet sind, sondern weitere inhaltliche, transnormative und zudem auf Wahrscheinlichkeitsurteilen beruhende Determinanten hinzutreten, kommt es zu einer verfassungsrechtlich untragbaren Verwässerung des Primats der gesetzlichen Bindung eines Entscheidungssystems1235, welcher – bis auf ein Absehen vom Einsatz selbstlernender Algorithmen in Rechtsanwendungsprozessen selbst – kaum durch weitere Sicherungsmaßnahmen kompensatorisch entgegengewirkt werden kann1236. Frei1232  Vgl. auch U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35a, Rn. 47; Guggenberger, NVwZ 2019, 844 (846); Hoffmann-Riem, in: Unger/Ungern-Sternberg, Demokratie und KI, 129 (135); Martini, in: Kahl/Ludwigs, HdbVwR I, § 28, Rn. 87 f.; Herold, DSRITB 2018, 453 (456 mit Fn. 21); zust. Guckelberger, Öffentliche Verwaltung, Rn. 592. 1233  Hoffmann-Riem, AöR 142 (2017), 1 (34); eingehender zu damit zusammenhängenden methodischen Fragestellungen § 5 E. 1234  Zum Einsatz maschineller Lernverfahren für Klassifikationsaufgaben Alpaydin, Maschinelles Lernen, S. 3, 5 ff.; Ertel, Grundkurs Künstliche Intelligenz, S. 201 ff. 1235  Vgl. auch Herold, Demokratische Legitimation vollautomatisiert erlassener Verwaltungsakte, S. 231 ff., insbes. 233; Hill, VM 2018, 287 (290); Guggenberger, NVwZ 2019, 844 (846). 1236  Überlegungen bzgl. eines dahingehenden (schließlich auch legitimationsspendenden) Kontrollsystems finden sich indes bei Martini, in: Kahl/Ludwigs, HdbVwR I, § 28, Rn. 87, 89 ff. Hierzu eingehender und krit. § 5 B. II. 2. a) bb) (1) mit Fn. 1243.

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lich lässt sich dem entgegenhalten, dass der Vorgang der Rechtsanwendung häufig eine gewisse Dynamik aufweist, die inhaltliche Konturierung beispielsweise bestimmter Tatbestandsmerkmale, deren Auslegung und Rechtsfolgen insbesondere nicht als apodiktischer Zustand zu verstehen sind, sondern vielmehr auch bei menschlicher Rechtsanwendung, etwa durch abweichende Auslegungs- oder Abwägungsergebnisse, Änderungen unterliegen können. Ein unter dem Gesetzmäßigkeitsprinzip respektabler Wert käme einer durch Algorithmen selbstveranlassten Modulierung der Rechtsanwendungsdeterminanten dabei aber – analog zum menschlichen Rechtsanwender – nur dann zu, wenn dem Algorithmus im Rahmen seiner Fortschreibungen sämt­ liche Quellen und Methoden der Rechtsanwendung, seiner Auslegung und Fortentwicklung zur Verfügung stünden, auf die auch ein menschlicher Rechtsanwender (nach entsprechender Recherche) für seinen juristischen Erkenntnisprozess zurückgreifen könnte und würde. Da trotz (notwendig) menschlicher Anleitung der selbsttätigen Fortschreibungen des selbstlernenden Algorithmus aber – jedenfalls nach dem derzeitigen Stand der Technik – unmöglich die gesamte Bandbreite an potentiellen Rechtserkenntnisquellen in einer für den Algorithmus sinnvollen Verarbeitbarkeit abbildbar sind, bleiben die Ergebnisse einer selbsttätigen Modulierung des Algorithmus unter der Domäne des Gesetzmäßigkeitsprinzips verfassungsrechtlich nicht belastbar. Ganz im Gegenteil verfügen selbstlernende Systeme gerade nicht über ein übergeordnetes inhaltlich-kognitives Verständnis der Gesetzmäßigkeiten der vom System erkannten und angewandten Regeln1237, sondern konstruieren ihr „Wissen“ lediglich über wahrscheinlichkeitstheoretische Annahmen, die aus Sicht der Rechtsordnung keinen hinreichenden Erzeugungsmaßstab für die inhaltlichen Dimensionen und konkreten Regelungsgehalte der Rechtsanwendung bilden.1238 Aus alledem folgt, dass die Vorgänge der Rechtsanwendung im engeren Sinne schon unter den Anforderungen des Gesetzmäßigkeitsprinzips, das insofern strenge Toleranzen hinsichtlich der Validität der abgebildeten Gesetzesinhalte vorgibt, in vollständig prädeterminierten Algorithmen festgeschrieben sein müssen, also nicht einer autonomen Modulierung durch den Algorithmus selbst unterliegen dürfen.1239

1237  Vgl.

Wischmeyer, AöR 143 (2018), 1 (17). im Ansatz auch Hähnchen/Bommel, JZ 2018, 334 (340); vgl. andeutungsweise zudem Herold, DSRITB 2018, 453 (462 f.); a. A. insoweit wohl Waigel, ­WiVerw 2021, 88 (91). 1239  So i.  E. auch Herold, Demokratische Legitimation automatisiert erlassener Verwaltungsakte, S. 240 ff.; tendenziell offener dagegen Michael, in: Stern/Sodan/ Möstl, Staatsrecht, § 28, Rn. 52. 1238  So



B. Übertragbarkeit auf indeterminierte Anwendungen313

bb) Demokratische Defizite selbstlernender Systeme Des Weiteren treten demokratische Vorbehalte gegenüber selbstlernenden Algorithmen hinzu, deren Einsatz gemeinhin mit einer Abschwächung der demokratischen Legitimationszusammenhänge in Verbindung gebracht wird.1240 (1) Selbstmodulation als Problem sachlich-inhaltlicher Legitimation Zum Teil stellen sich die angedeuteten demokratischen Defizite dabei als unmittelbare Folge der oben thematisierten Verwässerung der Gesetzesbindung dar. Dies gilt allen voran für die sachlich-inhaltlichen Legitimationskomponenten, deren Forderung nach effektiver (mittelbarer) Einflussnahme des Staatsvolkes durch parlamentsgesetzliche Determinierung der Staatsgewalt1241 dann nicht hinreichend realisiert werden kann, wenn die von dem Entscheidungssystem angewendeten rechtlichen Regelungen einer selbstveranlassten Modulierung unterliegen und um neue Inhalte angereichert werden können, die mit den gesetzlichen Vorgaben in keinem zwangsläufigen Zusammenhang stehen müssen, oder die Beurteilung der Einschlägigkeit der gesetzlichen Gehalte, mithin die methodische Zu- und Unterordnung des Lebenssachverhalts unter die rechtlichen Maßgaben, auf statistisch-induk­ tiven Wahrscheinlichkeitsprognosen anstelle von wahrhaftiger und kognitiv getragener Konvergenz beruhen.1242 Der Einsatz selbstlernender Algorithmen bei Rechtsanwendungsprozessen ist demnach mit einer erheblichen Entwertung sachlich-inhaltlicher Legitimationsbeiträge verbunden.1243 1240  Vgl. Martini/Nink, DVBl. 2018, 1128 (1134); Martini, in: Kahl/Ludwigs, HdbVwR I, § 28, Rn. 86 f.; Schröder, VerwArch 110 (2019), 328 (344 f.); U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35a, Rn. 47; Edenharter, VerwArch 111 (2020), 341 (349); Guggenberger, NVwZ 2019, 844 (846). 1241  Vgl. zu den Anforderungen des Demokratieprinzips bereits § 5 A. II. 1. a). 1242  Vgl. hierzu bereits eingehend § 5 B. II. 2. a) aa). 1243  Unger, in: ders./Ungern-Sternberg, Demokratie und KI, 113 (122) spricht insofern von einem Versagen der klassischen Steuerungsinstrumente „Gesetz und Aufsicht“ bei intelligenten Maschinen; vgl. zudem Martini, in: Kahl/Ludwigs, HdbVwR I, § 28, Rn. 87, 89 ff., der insoweit allerdings eine demokratische Legitimation auch lernfähiger Systeme für möglich hält, als deren Entscheidungsverhalten durch ein effektives Kontrollsystem auf Fehlerhaftigkeit und die Einhaltung materiell-rechtlicher Vorgaben hin überprüft werden kann. Ob und wie ein solches Kontrollsystem indes realistisch umgesetzt werden kann, bleibt nach gegenwärtigem Technikstand mehr als fraglich: Kontrollsysteme, die in diesem Sinne eine sich von den gesetzlichen Vor­ gaben isolierende Anpassung des Entscheidungsverhaltens eines selbstlernenden Systems feststellen und/oder verhindern sollen, müssten entweder selbst auf indeterminierte Funktionsweisen zurückgreifen und sähen sich infolgedessen den gleichen Kognitions- und letztlich Legitimationsdefiziten ausgesetzt wie der zu überprüfende Ausgangsalgorithmus, vgl. insoweit bereits § 5 B. II. 2. a) aa). Oder sie führten ihre

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(2) Personell-organisatorische Zurechenbarkeit bei Selbstmodulation Doch auch in personell-organisatorischer Hinsicht ist bei Involvierung maschineller Lernverfahren auf Rechtsanwendungsebene von einem hinreichenden demokratischen Verantwortlichkeitszusammenhang nicht mehr auszugehen. Insbesondere kann dieser nicht über diejenigen humanen Residualelemente hergestellt werden, auf deren Grundlage eine personell-organisatorische Legitimation bei determinierten Algorithmen angenommen wurde.1244 (a) Keine effektive Verantwortlichkeit durch Einfluss auf Programminhalte Diese Einschätzung ergründet sich zum einen darauf, dass weder über die eigenständige Programmierung des Entscheidungssystems noch über eine Begleitung, Zertifizierung und inhaltliche Einflussnahme der Behörde bei Fremdprogrammierung eine effektive Letztentscheidungsverantwortlichkeit der die Systeme einsetzenden Hoheitsträger begründet werden mag. Eine effiziente Letztentscheidungsverantwortlichkeit setzte dabei allen voran eine wirksame Kontrollierbarkeit der Entscheidungsinhalte voraus, die ausgehend von der Fähigkeit indeterminierter Algorithmen zur selbstinduzierten Modulierung ihrer Determinanten aber allenfalls noch im ursprüng­ lichen Abschlusszeitpunkt der Systemprogrammierung bzw. nach Beendigung der initialen Lern- und Trainingsphase des Systems, die zumeist unter intensiver menschlicher Anleitung und Überwachung erfolgt1245, angenommen werden könnte. Von diesem Zeitpunkt ausgehend findet sodann ein in der Funktionsweise des Systems angelegter, kontinuierlicher Rückgang des ursprünglichen Kontrolleinflusses mit jeder selbstinduzierten Modulierung Kontrolle alternativ auf determinierte Parameter zurück, die sodann allerdings angesichts ihrer Determiniertheit strukturell ungeeignet für eine effektive Überwachung der potenziell mannigfaltigen statistisch-induktiven Veränderungen des intelligenten Algorithmus erschienen und so die bestehende Lücke demokratischer Rückführbarkeit ebenfalls nicht hinreichend auszufüllen vermöchten. In beiden Fällen einer solchen automatisierten Kontrolle stellte sich zudem die Frage, wieso jene Kontrollebene nicht unmittelbar im Rahmen des Ausgangsalgorithmus selbst implementiert wurde. Eine weitere Alternative bestünde schließlich darin, ein dahingehendes Kontrollsystem nicht als automatisierte, sondern menschlich getragene Überwachung zu verstehen. Da eine solche aber allenfalls stichprobenartig bzw. jedenfalls nicht hinsichtlich jeder Entscheidung durchführbar wäre und überdies eine lediglich auf konkrete Entscheidungen bezogene, nachgelagerte und in die Zukunft gerichtete Kontrolle darstellte, könnte diese gleichermaßen nur als schwaches und für sich betrachtet nicht hinreichendes Fragment einer demokratischen Zurechenbarkeit des gesamten Systems in Ansatz gebracht werden, siehe hierzu ebenfalls unten § 5 B. II. 2. bb) (2) (c). 1244  Hierzu § 5 A. II. 2. b). 1245  Wischmeyer, AöR 143 (2018), 1 (14).



B. Übertragbarkeit auf indeterminierte Anwendungen315

statt, im Zuge derer sich der Algorithmus potenziell von seinen ursprüng­ lichen Inhalten entfernen kann, ohne dass die Anpassungen im Einzelnen konkret vorhergesagt oder nachvollzogen werden können.1246 Eine im Ausgangspunkt womöglich bestandene, zumindest kurzzeitig effektive Letztentscheidungsverantwortlichkeit unterliegt mithin einer kontinuierlichen Verflüchtigung, weshalb die inhaltliche Einflussnahme auf die Programmgestaltung im Kontext selbstlernender Algorithmen letztlich ein strukturell untaugliches Instrument zur beständigen und effektiven Herstellung demokratischer Verantwortlichkeit darstellt.1247 Ein anderes Ergebnis ergibt sich dabei auch nicht unter Einbeziehung einer behördlichen Einflussnahme auf die Programmierung der maschinellen Lernverfahren, die in dem selbstlernenden Algorithmus zur Anwendung kommen. Zwar sind auch intelligente Entscheidungssysteme in Gestalt selbstlernender Algorithmen und anderer Spielarten „künstlicher Intelligenz“, die auf Verfahren eines „machine learning“ beruhen, im Kern als menschengeschaffene Konstrukte zu beschreiben, deren selbstadaptiven Prozesse im Rahmen ihrer ursprünglichen Entwicklung informatisch-humaner Anleitung bedürfen.1248 Die in jener abstrakten Anleitung der algorithmischen Lernprozesse wurzelnden gestalterischen Einflussmöglichkeiten der Behörde erweisen sich sodann aber gleichwohl als ungeeignet zur Herstellung eines ausreichenden personell-organisatorischen Legitimationszusammenhangs: Insbesondere stellen diese in Anbetracht der Abstraktheit der Vorgaben sowie ihres nicht an den inhaltlichen Regelungsgehalten, sondern ausschließlich den selbsttätigen Lern- und Anpassungsprozessen ausgerichteten Bezugspunkts (selbst bei Eigenprogrammierung) eine nur mittelbare und hinsichtlich ihrer Gestaltungswirkungen stark abgeschwächte Form der Einflussnahme auf die konkreten und für den demokratischen Verantwortlichkeitszusammenhang maßgeb­ lichen Entscheidungsinhalte durch demokratisch legitimierte Behördenmit­ arbeiter dar1249, die zudem einer gezielten Steuerbarkeit entzogen ist. Ebenso wenig personell-organisatorisch legitimierend wirkt sich der Umstand aus, dass die dem System initial oder auch laufend zugeführten Datenbestände, 1246  Hoffmann-Riem, in: Unger/Ungern-Sternberg, Demokratie und KI, 129 (135); Herold, Demokratische Legitimation automatisiert erlassener Verwaltungsakte, S. 242, 258 f. 1247  Vgl. insoweit auch Lazaratos, Rechtliche Auswirkungen der Verwaltungsautomation, S. 276; Unger, in: ders./Ungern-Sternberg, Demokratie und KI, 113 (118 f.); i. E. ebenso Ziekow, VwVfG, § 35a, Rn. 16; Nink, Justiz und Algorithmen, S. 328; Herold, Demokratische Legitimation automatisiert erlassener Verwaltungsakte, S. 259. 1248  Hoffmann-Riem, AöR 142 (2017), 1 (28 f.); im Kontext des Algorithmeneinsatzes durch Private Ernst, JZ 2017, 1026 (1027), dessen Gedanken sich m. E. aber hierauf übertragen lassen; zur Funktionsweise selbstlernender Algorithmen bereits § 5 B. I. 2. 1249  Vgl. auch Wischmeyer, AöR 143 (2018), 1 (36).

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auf deren Grundlage sich die selbsttätigen Anpassungsprozesse vollziehen, durch menschliche Behördenmitarbeiter oder ihre Beauftragten aufbereitet und als valider Output klassifiziert wurden1250, da durch die bloße (menschliche) Aufbereitung und normalisierte Erfassung der Daten keine unmittelbaren und verlässlichen Rückschlüsse auf die vom System hieraus extrahierten Regelzusammenhänge möglich sind. Insgesamt bleibt damit festzuhalten, dass hinsichtlich des Grades inhalt­ licher Einflussnahme auf die Systemgestaltung deutliche Restriktionen aus den Spezifika indeterminierter Algorithmen folgen und somit nur wenig Raum einer hierüber vermittelten personell-organisatorischen Legitimation verbleibt. (b) Keine effektive Verantwortlichkeit durch Freigabeentscheidung Ein mit der Einflussnahme auf die Programmgestaltung vergleichbares Schicksal ereilt sodann auch die legitimationsspendenden Wirkungen der behördlichen Entscheidung zum Einsatz bzw. der Freigabe der selbstlernenden Entscheidungssysteme, über die letztlich ebenso keine effektive demokratische Zurechnung erreicht werden kann. Ähnlich wie bei der inhaltlichen Programmgestaltung kann sich die von der Behörde getroffene Einsatz- bzw. Freigabeentscheidung hierbei nicht auf abschließend prädeterminierte Charakteristika der Entscheidungssoftware beziehen1251 und damit – zusammen mit weiteren humanen Residualelementen – eine effektive Verantwortlichkeit seitens der einsetzenden Behörde für die vom System generierten Entscheidungen begründen.1252 Vielmehr kann allenfalls die Programmgestaltung im Abschlusszeitpunkt der Programmierung bzw. bei Beendigung der Anlernphase des Systems als legitimatorischer Anknüpfungspunkt dienen, der ausgehend vom Fehlen einer vorgezeichneten Entscheidungsstruktur und der Fähigkeit des Algorithmus zur selbsttätigen, nicht ohne Weiteres nachvollziehbaren Anpassung allerdings eine auf Beständigkeit angelegte, effektive Verantwortungsübernahme für die vom System erzeugten Entscheidungen nicht zulässt.1253

1250  Wischmeyer, AöR 143 (2018), 1 (14). Regulatorisch stellt eine derartige Verifikation der Datenbestände aber durchaus ein wichtiges Instrument dar. 1251  Schröder, VerwArch 110 (2019), 328 (334). 1252  Vgl. auch Unger, in: ders./Ungern-Sternberg, Demokratie und KI, 113 (118). 1253  So zu Recht auch Schröder, VerwArch 110 (2019), 328 (334).



B. Übertragbarkeit auf indeterminierte Anwendungen317

(c) Operative Verfahrensherrschaft als bloßes Legitimationsfragment Als drittes humanes Residualelement personell-organisatorischer Legitimation kommt schließlich noch eine bei der einsetzenden Behörde verbleibende operative Verfahrensherrschaft nach Inbetriebnahme der indeterminierten Systeme in Betracht.1254 Obgleich die hierbei verlangten, anlasslosen Aussteuerungsmöglichkeiten seitens der behördlichen Amtswalter sowie eine begleitende Vollzugsüberwachung1255 auch bei indeterminierten Systemen realisiert und damit gewisse unmittelbare Einwirkungsmöglichkeiten auf die Entscheidungsprodukte begründet werden können, bilden diese im Ergebnis lediglich ein Fragment des nötigen Legitimationsniveaus ab, das isoliert von weiteren legitimatorischen Faktoren – erst recht im Kontext selbstlernender Systeme – insgesamt keinen ausreichenden Verantwortlichkeitszusammenhang herstellen vermag. Dies gilt umso mehr, als es sich dabei um eine nur auf einzelne Fälle bezogene, nachgelagerte und in die Zukunft gerichtete Kontrollinstanz handelt, die im Hinblick auf ihre legitimierende Wirkung für das System in seiner Gesamtheit qualitativ hinter einer vorgelagerten und unmittelbar-systemischen Kontrolle zurückbleibt. Der Umstand, dass als Bezugspunkt wiederum lediglich der Zeitpunkt der Aussteuerung in Betracht kommt, von dem ausgehend das System fortlaufenden Selbstmodifikationen unterliegen und im aktuellen Zeitpunkt vielleicht sogar bereits abgewandelte Determinanten für derartige Einzelentscheidungen ausweisen kann1256, kommt einschränkend hinzu. Versprechungen besonders zuverlässiger Ergebnisse durch den Einsatz selbstlernender Algorithmen bei der Rechtsanwendung reichen sodann meines Erachtens nicht aus, um die aufgezeigten Zurechnungslücken der Systeme aufzufüllen1257, da der demokratische Legitimationszusammenhang sich nicht primär in der Forderung nach Sachrichtigkeit erschöpft.

1254  Vgl.

hierzu bereits § 5 A. II. 2. b) cc). zu fortlaufenden Überwachungspflichten bei selbstlernenden Systemen Wischmeyer, AöR 143 (2018), 1 (14 f.); vgl. auch Ernst, JZ 2017, 1026 (1027). 1256  Vgl. Schröder, VerwArch 110 (2019), 328 (334). 1257  Vgl. zum Gedanken der „Outputlegitimation“ Unger, in: ders./Ungern-Sternberg, Demokratie und KI, 113 (122 f.); Schröder, VerwArch 110 (2019), 328 (334) unter Verweis auf Tschentscher, Demokratische Legitimation der dritten Gewalt, S. 125 ff., der ein dahingehendes alternatives Legitimationsmodell im Bereich der Judikative vertritt; ablehnend diesbzgl. Herold, Demokratische Legitimation automatisiert erlassener Verwaltungsakte, S. 165 f. 1255  Vgl.

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§ 5 Verfassungs-, Unions- und Verfahrensrecht

(3) Ergebnis zu demokratischen Defiziten selbstlernender Systeme Der Einsatz selbstlernender Algorithmen im Rahmen rechtsanwendender Komponenten eines automatisierten Entscheidungssystems hat verschiedene demokratische Mangelerscheinungen zur Folge, die mit den Spezifika maschineller Lernverfahren in ursächlichem Zusammenhang stehen. Während sich diese Defizite auf sachlich-inhaltlicher Ebene als unmittelbare Folge einer verwässerten Gesetzesbindung darstellen, leidet die demokratische Rückbindung in personell-organisatorischer Hinsicht vor allem unter einer bei Involvierung maschineller Lernverfahren nur abgeschwächten legitimatorischen Kraft derjenigen humanen Residualelemente, die im Rahmen determinierter Entscheidungssysteme in ihrem Zusammenwirken ein hinreichendes Maß an personeller-organisatorischer Rückführbarkeit der Staatsgewalt herstellen1258, namentlich der effektiven inhaltlichen Einflussnahme auf die Programmgestaltung sowie einer bewussten Entscheidung zur Freigabe der Systeme. Vereinzelte, auch beim Einsatz selbstlernender Systeme funktionale Kontrollinstrumente, wie etwa während des operativen Betriebs des intelligenten Entscheidungssystems fortbestehende, anlasslose Aussteuerungsmöglichkeiten und nachsorgende Supervisionspflichten, entfalten dagegen isoliert keinen hinreichenden Verantwortlichkeitszusammenhang. Aufs Ganze gesehen kommt es beim Einsatz selbstlernender Algorithmen auf Ebene der Rechtsanwendung somit zu empfindlichen Absenkungen der demokratischen Zurechenbarkeit vollautomatisiert generierter, verbindlicher Verwaltungsentscheidungen, die insgesamt das für ein hinreichendes Legitimationsniveau notwendige Maß unterschreiten. cc) Gewaltenteilung und effektiver Rechtsschutz Einer selbsttätigen Fortentwicklung des Rechtsanwendungsalgorithmus stehen ferner gewaltenteilende Gesichtspunkte entgegen. Kommt es nämlich zu eigenveranlassten Modulierungen derjenigen Systemkomponenten, die sich im Rahmen eines vollautomatisierten Entscheidungssystems maßgeblich für den Gesetzesvollzug in dem jeweiligen Rechtsbereich verantwortlich zeichnen1259, so entfernt sich der Algorithmus nicht nur von seinen gesetz­ lichen Ausgangsmaßstäben mit allen damit verbundenen Gesetzmäßigkeits-

1258  § 5 B. II. 2. a)

bb) (2). VVDStRL 78 (2019), 289 (311) bezeichnet den Vollzugsalgorithmus insofern als „authentische Übersetzung des Gesetzes“. 1259  Kube,



B. Übertragbarkeit auf indeterminierte Anwendungen319

und Zurechnungsproblemen1260, sondern verschiebt sein Funktionsspektrum auch zunehmend vom bloß administrativen Gesetzesvollzug hin zu rechtssetzenden Attributen1261, die der Verwaltung in dieser Form nicht eingeräumt oder übertragen wurden. Die dem Algorithmus dadurch zuteilwerdende quasinormative Kraft ließe in der Folge die Unterscheidung zwischen den hoheitlichen Bereichen der Exekutive und der Legislative, mithin des Gesetzes und dessen Vollzugs verschwimmen und ist daher auch unter dem Gewaltenteilungsprinzip abzulehnen.1262 Schließlich erwächst aus dem Einsatz selbstlernender Algorithmen auch hinsichtlich der Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes gem. Art. 19 Abs. 4 GG einiges Konfliktpotenzial, das ebenfalls auf ihre charakteristische Fähigkeit zur selbsttätigen Modulierung zurückgeht.1263 Die entscheidende Rolle spielen dabei jene stochastisch-induktiven Methoden, auf deren Grundlage die maschinellen Lern- und Fortschreibungsprozesse des Entscheidungssystems angeleitet und effektuiert werden. Indem diese auf hermeneutischen Schlussfolgerungen beruhen, die regelmäßig unter Auswertung großer Datenmengen aus wahrscheinlichkeitstheoretischen Annahmen und Korrelationen autonom abgeleitet werden, stellen sich die Anpassungsprozesse als genuin opake Vorgänge dar, infolge derer sich nicht nur keine genaueren antizipativen Vorhersagen der von diesen Systemen zu erzeugenden Ergebnissen treffen lassen, sondern auch retrospektiv die Entscheidungsparameter als solche – mithin die Konditionalzusammenhänge zwischen Ausgangsdaten und Endprodukt, die Zusammensetzung und Beschaffenheit der (ggfls. angepassten) Determinanten des Algorithmus oder der Grund für etwaig vorgenommene Anpassungen – selbst unter Experteneinsatz nicht mehr verlässlich rekonstruiert werden können.1264 In der Konse1260  Siehe

(311).

§ 5 B. II. 2. a) aa) und bb); vgl. auch Kube, VVDStRL 78 (2019), 289

1261  Kube, VVDStRL 78 (2019), 289 (311); ebenso Michael, in: Stern/Sodan/ Möstl, Staatsrecht, § 28, Rn. 59; ähnlich Martini, in: Kahl/Ludwigs, HdbVwR I, § 28, Rn. 88. 1262  Kube, VVDStRL 78 (2019), 289 (311, 325); vgl. insoweit auch Degrandi, Die automatisierte Verwaltungsverfügung, S.  150 ff.; Hill, VM 2018, 287 (290); Guggenberger, NVwZ 2019, 844 (846). 1263  Wie oben wird der Blick vorliegend insbesondere auf Rechtsschutz gegenüber automatisierten Einzelentscheidungen gerichtet, nicht aber die gerichtliche Kontrollierbarkeit des Entscheidungsalgorithmus selbst. 1264  Instruktiv insoweit Wischmeyer, AöR 143 (2018), 1 (43, 47): „Die ‚Entscheidungsregel‘ ist vielmehr eine Wahrscheinlichkeitsfunktion über eine große Zahl von gewichteten Variablen aus einer dynamischen Menge von Daten, deren Ergebnis teils noch weiteren mathematischen Verfahren unterzogen wird.“; vgl. auch Meyer, ZRP 2018, 233 (235): „Am ehesten kann man die von der Maschine hergestellten Lösungswege als statistische Regeln deuten, die menschlicher Intuition gleichen“; Mar-

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§ 5 Verfassungs-, Unions- und Verfahrensrecht

quenz wohnt selbstlernenden Entscheidungssystemen eine natürliche und gegenüber determinierten Anlagen gesteigerte Intransparenz inne, die sich auch auf den gerichtlichen Rechtsschutz durchschlägt und Einschränkungen einer vollständigen gerichtlichen Prüfung der automatisiert erzeugten Verwaltungsentscheidung zur Folge hat1265, die sich mit steigender Leistungs­ fähigkeit der Systeme zunehmend potenzieren1266. Da sich eine Rechtsprüfung von Verwaltungsentscheidungen, die durch intelligente bzw. indeterminierte Systeme erzeugt wurden, namentlich nicht auf ein abschließend festgelegtes Entscheidungsprogramm zurückziehen kann, gilt dies umso mehr für Bereiche der gerichtlichen Prüfung eines Streitgegenstandes, deren Würdigung sich nicht auf eine rechtliche Ergebniskontrolle beschränkt, sondern auch die Bestimmungsfaktoren, die jenes Ergebnis konkret hervorbrachten, maßgeblich einbezieht, beispielsweise im Rahmen von – sofern zugelassen – behördlichen Letztentscheidungsspielräumen oder bei prognostischen Elementen der Sachentscheidung. Letztlich stehen dem Einsatz selbstlernender Algorithmen im Rahmen von rechtsanwendenden Komponenten des Entscheidungssystems somit auch unter dem Gesichtspunkt effektiven Rechtsschutzes gewichtige Gründe entgegen, auch wenn sich zumindest diese Probleme bei der Transparenz und Nachprüfbarkeit von Einzelentscheidungen zukünftig womöglich mittels automatisierter Begründungsmechanismen abfedern lassen, durch die das Programm gewissermaßen selbstreflektierend in einer für menschliche Empfänger verständlichen Weise Auskunft über die für eine konkrete Entscheidung tragenden Gründe geben kann.1267 dd) Fazit zum Einsatz intelligenter Systeme auf Rechtsanwendungsebene Der Einsatz indeterminierter Algorithmen im Rahmen der rechtsanwendenden Komponenten eines Entscheidungssystems sieht sich im Ergebnis mit zahlreichen verfassungsrechtlichen Problemen konfrontiert, die letztlich alletini, JZ 2017, 1017 (1019); Nink, Justiz und Algorithmen, S. 336; Hoffmann-Riem, AöR 145 (2020), 1 (16, 31); vgl. bereits § 5 B. I. 2. 1265  So auch Kube, VVDStRL 78 (2019), 289 (311, 318 f.); vgl. auch Schröder, VerwArch 110 (2019), 328 (342); Lazaratos, Rechtliche Auswirkungen der Verwaltungsautomation, S. 276; v. Alemann, BDVR-RS 2021, 13 (15) sowie (überwiegend im Kontext von Ermessensentscheidungen) Herold, DSRITB 2018, 453 (462). Zu den Anforderungen effektiven Rechtsschutzes bereits § 5 A. IV. 1266  Vgl. Wischmeyer, AöR 143 (2018), 1 (43). 1267  Zu dahingehenden Ansätzen einer „explainable AI“ eingehend Wischmeyer, AöR 143 (2018), 1 (54 ff., insbes. 61 f.) m. w. N., der allerdings auch darauf hinweist, dass sich dahingehende Bemühungen bis dato allenfalls in ersten Erprobungsphasen befinden. Näher dazu überdies § 5 C. III. 2. a) m. w. N. in Fn. 1556.



B. Übertragbarkeit auf indeterminierte Anwendungen321

samt auf die spezifische Funktionsweise der dort zur Anwendung kommenden maschinellen Lernverfahren zurückzuführen sind. Zum einen wird die systemintrinsische Rechtsanwendung ausgehend von den probabilistisch-induktiv gesteuerten Selbstanpassungsprozessen um eine Facette inhaltlicher Verselbstständigung erweitert, die eine unter dem Primat des Gesetzmäßigkeitsprinzips verfassungsrechtlich nicht akzeptable Abschwächung der Gesetzesbindung der Verwaltung bedingt.1268 Zum anderen führen die abgesenkte Gesetzesbindung wie auch eine abgeschwächte legitimatorische Kraft der beim Einsatz automatisierter Entscheidungssysteme fortbestehenden humanen Residualelemente dazu, dass für unter Einsatz intelligenter Systeme generierte Verwaltungsentscheidungen ein hinreichender demokratischer Verantwortlichkeitszusammenhang nicht mehr angenommen werden kann.1269 Darüber hinaus entfalten auch rechtsanwendende, intelligente Vollzugssysteme vermittels ihrer selbstinduzierten Anpassungsprozesse nicht nur in gesteigertem Maße quasi­normative Wirkungen, die mit dem Grundsatz der Gewaltenteilung unter dem Grundgesetz konfligieren, sondern kennzeichnen sich auch durch eine gesteigerte Intransparenz ihrer einer fortlaufenden Modulierung unterliegenden Entscheidungsregeln und führen damit zu empfindlichen Einschränkungen in der gerichtlichen Nachvollziehbarkeit automatisiert erzeugter Einzelentscheidungen, wobei zumindest letzterem Punkt in Zukunft ggfls. durch automatisierte Begründungsmechanismen abgeholfen werden kann1270. Im Ergebnis sieht sich der Einsatz selbstlernender Algorithmen und sonstiger Anwendungsformen künstlicher Intelligenz auf der Ebene der Rechtsanwendung damit klaren verfassungsrechtlichen Bedenken ausgesetzt, die sich nicht restlos auflösen lassen, und ist daher im Ergebnis abzulehnen. E con­ trario bedeutet dies, dass im Rahmen der rechtsanwendenden Komponenten eines Entscheidungssystems, mithin bei der inhaltlichen Abbildung und Wiedergabe der Entscheidungsgrundlagen wie auch bei der technischen Subsumtion, die Gesetzmäßigkeiten, die dem zu vollziehenden Sachbereich zugrunde liegen, erkannt, kognitiv verstanden und durch menschliche Programmierung in einen deterministischen Algorithmus überführt werden müssen. Denkbar bleiben unter Berücksichtigung der dargelegten Gesichtspunkte allenfalls softwareinduzierte Vorschläge zur Anpassung rechtsanwendender (Teil-) Komponenten des Entscheidungssystems, die allerdings von einem menschlichen Behördenmitarbeiter nach gewissenhafter Prüfung manuell akzeptiert werden müssen1271, um die oben aufgezeigten Problematiken demokratischer 1268  § 5 B.

II. 2. a) aa).

1269  § 5 B. II. 2. a) bb), 1270  § 5 B. II. 2. a) cc).

insbes. (3).

1271  Vgl. U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 35a, Rn. 47; ders., in: Hill/Kugelmann/Martini, Digitalisierung in Recht, Politik und Verwaltung, 81 (102);

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§ 5 Verfassungs-, Unions- und Verfahrensrecht

Verantwortungsübernahme, sachrichtiger Abbildung des Gesetzes sowie der Nachvollziehbarkeit der Entscheidung wirksam aufzufangen. b) Vorbehalt für andersartige, ggfls. hybride Anwendungsformen künstlicher Intelligenz in der öffentlichen Verwaltung Wie oben gezeigt wurde, geht die hier vertretene Auffassung von einer im Ausgangspunkt ablehnenden Grundhaltung des Grundgesetzes gegenüber dem Einsatz selbstlernender Entscheidungssysteme aus. Präzisierend ist diesbezüglich allerdings zum einen klarzustellen, dass die vorstehend diskutierten Erwägungen lediglich für den Einsatz solcher Systeme beim vollautomatisierten Erlass von Verwaltungsakten nach dem Zuschnitt des BestVerfModG Geltung beanspruchen, mithin keinesfalls als genereller Ausschluss von Anwendungsformen künstlicher Intelligenz in der öffentlichen Verwaltung missverstanden werden dürfen. Der nur unterstützende Einsatz „intelligenter“ technischer Hilfsmittel in der Verwaltung, die nicht den autonomen Erlass rechtsverbindlicher Entscheidungen zum Gegenstand haben und/oder auf ein Zusammenwirken mit menschlichen Akteuren angelegt sind1272, wird von den Ausführungen dagegen nicht erfasst. Da (verfassungs-)rechtliche Pro­ blemstellungen im Kontext letztgenannter Anwendungsformen auf substanziell abweichende rechtliche und tatsächliche Rahmenbedingungen zurückgehen (etwa weil ein konkretes menschliches Entscheidungselement noch vorhanden ist oder weil unmittelbar kein Gesetz vollzogen wird), sind diese unter gänzlich abweichenden Vorzeichen zu lösen, was im Rahmen der vorliegenden Arbeit aber nicht weiter vertieft werden kann. zust. Guggenberger, NVwZ 2019, 844 (846); vgl. auch Nink, Justiz und Algorithmen, S. 328 sowie Albrecht, in: Hoeren/Sieber/Holznagel, Multimedia-Recht, Teil 28, Rn. 78. 1272  Beispielhaft genannt seien hier etwa: Vorgangsbearbeitungssysteme, die Laue, Vorgangsbearbeitungssysteme in der öffentlichen Verwaltung, S. 41 ff., 74 ff. als elektronische Assistenzsysteme zur Unterstützung der Vorgangsbearbeitung in der öffentlichen Verwaltung beschreibt, mit deren Hilfe sich z. B. die gewerberechtliche Festsetzung von Großveranstaltung oder die Erteilung einer straßen- und wegerechtlichen Sondernutzungserlaubnis umsetzen lassen; Systeme zur Realisierung eines sog. predictive policing zur Verbrechensvorsorge (vgl. hierzu etwa Rademacher, AöR 142 (2017), 366 ff.; Sommerer, Personenbezogenens Predictive Policing [2020]) oder ­KI-gestützte Systeme zur Suizidprävention im Justizvollzug (vgl. Esser/Reißmann, JZ 2019, 975 ff.) bzw. zur Gesichtserkennung im Rahmen der allgemeinen Überwachung öffentlicher Räume oder zur Erfüllung grenzpolizeilicher Aufgaben (vgl. hierzu Djeffal, KI in der öffentlichen Verwaltung, S. 11 f.). Vgl. auch Herold, DSRITB 2018, 453 (458, 463) und Ehlers/Pünder, in: dies., Allg. VerwR, § 1, Rn. 97 m. w. N. sowie speziell im Kontext von Ermessensentscheidungen Tischbirek, ZfDR 2021, 307 (313 ff.) m. w. N. und Beispielen aus den Bereichen des Sicherheits-, Verkehrs-, Bau-, Lebensmittel- und Katastrophenschutzrechts.



B. Übertragbarkeit auf indeterminierte Anwendungen323

c) Sonstige, insbesondere risikobewertende und informationsverifizierende Komponenten des Entscheidungssystems Die andere notwendige Präzisierung war indes bereits in den Ausgangsprämissen angelegt, indem eine methodische Trennung zwischen rechtsanwendenden und sonstigen Elementen des Entscheidungssystems vorgeschlagen und die oben dargelegten Antipathien des Grundgesetzes lediglich auf die Funktionsebenen der Rechtsanwendung bezogen wurden. Zu untersuchen bleibt somit an dieser Stelle noch die Frage, welcher Beurteilung die übrigen Komponenten eines algorithmischen Entscheidungssystems zu unterziehen sind, wobei ein besonderes Augenmerk auf risikoprüfende und informationsverifizierende Funktionsebenen des Systems gelegt wird. Schlagen sich hier die für die rechtsanwendenden Komponenten ausschlaggebenden Problembereiche des Verfassungsrechts ebenso begrenzend durch, oder ist eine aufgeschlossenere Betrachtungsweise angezeigt? Und kann überhaupt ein funktionaler Mehrwert beim risikoprüfenden Einsatz selbstlernender Algorithmen erwartet werden, der eine derartige Technikgestaltung rechtfertigt? In gleicher Manier wie bei der Betrachtung der rechtsanwendenden Funktionsebenen will ich meine Überlegungen auch hier mit der – diesmal allerdings positiven – These beginnen, dass der Einsatz intelligenter bzw. selbstlernender Algorithmen im Rahmen von risikoprüfenden Funktionsebenen – anders als bei rechtsanwendenden Komponenten – im Ergebnis keinen grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet und im Gegenteil sogar zweckmäßig und wünschenswert erscheint.1273 aa) Indeterminierte Algorithmen als Katalysatoren einer Risikoevaluation Ihren Ursprung nimmt obige These dabei zunächst in einer rein tatsäch­ lichen, primär effektivitätsorientierten Betrachtung, auf deren Grundlage selbstlernenden Algorithmen eine geradezu prädestinierte Eignung und Güte für Aufgaben risikoevaluierender Natur im Rahmen von automatisierten Entscheidungssystemen attestiert werden muss. Wie oben gezeigt wurde, basieren selbstlernende Algorithmen im Kern auf statistischen Korrelationen und 1273  Für den Einsatz selbstlernender Systeme im Rahmen risikoprüfender Mechanismen algorithmischer Entscheidungssysteme auch Müller-Franken, StuW 2018, 113 (119); Tischbirek, ZfDR 2021, 307 (325); vgl. zudem Maier, JZ 2017, 614 (615 f., 617); Herold, InTeR 2019, 7 (10); Roth-Isigkeit, DÖV 2020, 1018; Anzinger, DStJG 42 (2019), 15 (48); andeutungsweise und ohne Differenzierung zwischen Funktionsebenen auch Djeffal, DVBl. 2017, 808 (815); kritischer gegenüber dem Einsatz von Anwendungsformen künst­ licher Intelligenz für vollautomatisierte Verwaltungsakte und ebenfalls nicht zwischen verschiedenen Funktionsebenen differenzierend Guckelberger, VVDStRL 78 (2019), 235 (278).

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daraus deduzierten Regelableitungen, die wiederum auf neuen (System-)Input angewendet werden, um wahrscheinlich richtige Ergebnisse für die Zukunft zu erzeugen.1274 Die spezifischen Stärken intelligenter Systeme liegen damit keinesfalls in einem besonders ausgeprägten kognitiven Verständnis der rechtlich maßgebenden Faktoren begründet, von dem ausgehend sich etwa eine gesteigerte Qualität des Gesetzesvollzugs erreichen ließe, sondern vielmehr in der schieren Leistungsfähigkeit einer technischen Symbiose aus auf probabilistischen Gesetzmäßigkeiten beruhenden Funktionsmustern, ex­ tremen Verarbeitungsgeschwindigkeiten und für den menschlichen Geist unfassbaren Datenkapazitäten1275, durch die dem selbstlernenden System eine beispiellose Befähigung zur (positiven) Mustererkennung, (negativen) Erkennung von Musterabweichungen wie auch Clusterbildungs- und Zuordnungsaufgaben zuteilwird.1276 Zusammen mit typischen sprachkognitiven Schwächen, die Algorithmen auch nach aktuellem Entwicklungsstand nach wie vor inhärent sind1277, werden sinnvolle Einsatzbereiche intelligenter Technik dementsprechend vor allem auf tatsächlicher Ebene verortet und weniger in komplexeren rechtlichen Prüfungen erblickt.1278 Algorithmischen Entscheidungssystemen immanente Aufgaben einer Risikoprüfung, die beispielsweise Prozesse des Erkennens unvollständiger, fehlerhafter oder unplausibler Sachverhaltsinformationen und/oder die Identifikation atypischer oder anderweitig „risikobehafteter“ Fallkonstellationen (z. B. besondere Ausnahme- und Härtefälle) umfassen, stellen sich dabei als natürliche Anwendungsform eines Musterabgleichungsvorgangs dar, indem gerade über den Abgleich mit einer großen Anzahl verifizierter Ausgangsdaten für eine Einschätzung des automatisierten Bearbeitungsrisikos aussagekräftige Auffälligkeiten bestimmter Sachverhalte gegenüber denjenigen Parametern herausgestellt werden können, die das System selbsttätig als typische Verteilung der Zuordnungsgrößen aus seinen bisherigen (verifizierten) Erfahrungsdaten destilliert hat.1279 Auf diese Weise identifizierte Übereinstimmungen, Abweichungen oder Ähnlichkeiten und deren relative Ausmaße im Vergleich zum typischen Streumuster 1274  Siehe

§ 5 B. I. 2. Alpaydin, Maschinelles Lernen, S. 2 ff., 17; vgl. auch Wischmeyer, AöR 143 (2018), 1 (12 f.); Stiemerling, CR 2015, 762 (764). 1276  Vgl. Ertel, Grundkurs Künstliche Intelligenz, S. 201 ff.; Alpaydin, Maschinelles Lernen, S. 4 ff., Stimac, Wie Computer lernen, abrufbar unter https://www.golem. de/news/kuenstliche-intelligenz-wie-computer-lernen-1810-135633.html (letzter Aufruf 17.12.2021); vgl. auch Martini, in: Kahl/Ludwigs, HdbVwR I, § 28, Rn. 83. 1277  Vgl. Wischmeyer, AöR 143 (2018), 1 (17 f., 41 in Fn. 164); im unionsrecht­ lichen Kontext Martini/Nink, NVwZ-Extra 10/2017, 1 (4). 1278  Wischmeyer, AöR 143 (2018), 1 (40); zust. Unger, in: ders./Ungern-Sternberg, Demokratie und KI, 113 (117). 1279  Alpaydin, Maschinelles Lernen, S. 9 f. spricht insoweit von der „Ausreisser“sowie „Neuheitserkennung“ als Anwendungsbereiche maschinellen Lernens. 1275  Vgl.



B. Übertragbarkeit auf indeterminierte Anwendungen325

der Parameter können dabei wiederum je für sich oder im Verbund wertend gewichtet, in Relation zu- oder Abhängigkeit voneinander gesetzt und dynamischen Anpassungen unterzogen werden, wodurch sich im Ergebnis mit hoher statistischer Genauigkeit Aussagen darüber treffen lassen, welche der Verfahren nach statistischer Indikation wegen wahrscheinlich unvollständiger oder fehlerhafter Falldaten, fallspezifischer Ausnahmesituationen oder sonstigen Atypien als „risikobehaftet“ aus den automatisierten Verarbeitungsvorgängen auszusteuern und einer menschlichen Bearbeitung zu überantworten sind. Da die Feststellung von automatisierten Bearbeitungsrisiken eines Falles somit eng mit muster- und abweichungserkennenden Prozessen korreliert, entstehen starke Synergien mit dem Einsatz selbstlernender Algorithmen, die für solche Aufgabenprofile eine enorme Treffsicherheit versprechen und deren Zuverlässigkeit sich im Zuge ihres Einsatzes sogar immer weiter steigert, indem die Maßstäbe des Systems einer fortlaufenden und selbstinduzierten Verfeinerung unterliegen, je mehr Einzelfälle einer risikoeinschätzenden Beurteilung unterzogen und damit wiederum selbst Teil der induzierten Maßstäbe zur Risikobewertung werden. Im Vergleich zu determinierten und deduktiven (Risikoprüfungs-)Systemen, die im Wesentlichen auf vorfestgelegte Risikoparameter und weitgehend rigide Grenzwerte oder Zusammenhänge beschränkt sind, liegt die funktionale Überlegenheit stochastisch-induktiver Verfahren dabei gerade bei komplexen und hoch variablen Regelsystemen auf der Hand1280 und kann im Übrigen auch die mit der Programmierung betrauten Personen von der kaum antizipierbaren Herkulesaufgabe entlasten, eine übergeordnete „Logik“ der Unvollständigkeit oder Fehler- bzw. sonstigen Risikohaftigkeit der zu überwachenden Verwaltungsentscheidungen auszuarbeiten und informatisch in der Programmierung umzusetzen.1281 Alles in allem versprechen selbstlernende Algorithmen eine überragende, determinierte Systeme bei weitem übertreffende Funktionalität hinsichtlich der Erkennung rechtlicher Risiken und erweisen sich damit als geradezu prädestiniertes Instrument zur effektiven Realisierung risikoevaluierender Mechanismen innerhalb automatisierter Entscheidungssysteme.1282 1280  Wischmeyer, AöR 143 (2018), 1 (14); zust. Nink, Justiz und Algorithmen, S. 204; vgl. auch Herold, DSRITB 2018, 453 (456); Waigel, WiVerw 2021, 88 (90) sowie Neumann, Sachverständigenauskunft zum Einsatz von RisikomanagementSystemen im Vollzug des Steuerrechts, S. 6: „Selbstlernende Ansätze […] sind daher in Reliabilität und Flexibilität regelmäßig überlegen“. 1281  Vgl. im allgemeineren Kontext Wischmeyer, AöR 143 (2018), 1 (14). 1282  Vgl. auch Braun Binder, in: Unger/Ungern-Sternberg, Demokratie und KI, 161 (174) m. w. N.; Wischmeyer, AöR 143 (2018), 1 (14); Neumann, Sachverständigenauskunft zum Einsatz von Risikomanagement-Systemen im Vollzug des Steuerrechts, S. 6; Unger, in: ders./Ungern-Sternberg, Demokratie und KI, 113 (116);

326

§ 5 Verfassungs-, Unions- und Verfahrensrecht

bb) Verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit intelligenter Risikoevaluation Unbesehen ihrer dargestellten Eignung muss aber noch der Frage nachgegangen werden, inwiefern sich diejenigen verfassungsrechtlichen Reibungspunkte, die für den Einsatz selbstlernender Algorithmen auf den rechtsanwendenden Funktionsebenen maßgeblich waren1283, auf die risikoevaluierenden Komponenten des Entscheidungssystems durchschlagen und dort ähn­ liche Probleme verursachen oder abmildernde Gesichtspunkte zum Tragen kommen. (1) Funktionalität als Rechtfertigungsfigur Im Ausgangspunkt stellt eine vielversprechende Funktionalität selbstlernender Algorithmen für sich genommen grundsätzlich keine erschöpfende Rechtfertigung für ihren Einsatz dar, sofern nicht auch aus verfassungsrechtlicher Perspektive bestehende Einwände ausgeräumt werden können. Mit Blick auf den Einsatzzweck risikoprüfender Funktionsebenen eines juristischen Entscheidungssystems kann dieser Einschätzung im vorliegenden Kontext allerdings nur eingeschränkt Gültigkeit attestiert werden. Indem diese bei Entscheidungen, die bei fortgesetzter maschineller Bearbeitung womöglich in einem fehlerhaften Ergebnis münden würden, eine Aussteuerung aus den automatisierten Bearbeitungsprozessen bewirken, stehen risikoprüfende Mechanismen in einem engen Verwirklichungszusammenhang mit der Absicherung rechtsstaatlicher Anforderungen, allen voran in Gestalt einer Gewährleistung sachrichtiger Entscheidungen und der Sicherstellung einer ausreichenden Sachverhaltsermittlung als notwendige Grundlage einer jeden materiell richtigen Entscheidung1284. Im Zusammenwirken mit dem Umstand, dass der Grad der Zweckerreichung der risikoevaluierenden Komponenten eines Entscheidungssystems dabei gerade mit ihrer risikoindikativen ZuverSchmidt, Das modernisierte Besteuerungsverfahren, S. 162; aus der Perspektive der Kompromittierungssicherheit Müller-Franken, StuW 2018, 113 (119); Maier, JZ 2017, 614 (615), der trotz gewisser Bedenken hinsichtlich ihrer praktischen Umsetzbarkeit selbstlernende Algorithmen als „Hoffnung der effizienten Aussteuerung durch Risikomanagementsysteme“ versteht, sowie unten § 5 C. I. 2. b) bb) (2) (b); skeptisch dagegen Waldhoff, DStJG 42 (2019), 59 (80); tendenziell auch Drüen, DStJG 42 (2019), 193 (214). Als konkretes Beispiel eines auf indeterminierten Arbeitsprozessen basierenden Risikomanagementsystems kann das System NEPOMUK 2.1 angeführt werden, das seit 2011 in 15 Bundesländern zur Ermittlung der Wahrscheinlichkeit einer Beteiligung an einem Umsatzsteuer-Karussellgeschäft eingesetzt wird, vgl. Herold, DSRITB 2018, 453 (459); Baden-Württemberg LT-Drs. 15/1047, S. 19. 1283  Siehe § 5 B. II. 2. a) aa) – cc). 1284  Spilker, Behördliche Amtsermittlung, S. 53 f.; Guckelberger, in: FS Herberger, 397 (410); zur Amtsermittlungspflicht eingehender § 5 C. I.



B. Übertragbarkeit auf indeterminierte Anwendungen327

lässigkeit steht und fällt, kommt der Funktionstüchtigkeit dieser Teilsysteme dadurch auch ein unmittelbar verfassungsrechtlich durchschlagender Gehalt zu, der in besonderem Maße im Kontext selbstlernender Algorithmen als Rechtfertigungsposten aktiviert werden kann. Die selbstlernenden Systemen inhärente funktionale Überlegenheit kann insofern doch als erster Anhaltspunkt für die verfassungsrechtliche Zulässigkeit ihres Einsatzes auf den risikoevaluierenden Funktionsebenen des Entscheidungssystems fruchtbar gemacht werden. (2) Abgeschwächte verfassungsrechtliche Problemlage Darüber hinaus erweisen sich auch die verfassungsrechtlichen Konflikt­ herde eines Einsatzes selbstlernender Algorithmen im Ergebnis als weniger stark ausgeprägt als es bei den rechtsanwendenden Funktionsebenen festzustellen war. (a) Gesetzmäßigkeit, Gewaltenteilung, Rechtsschutz Dies äußert sich zum einen darin, dass im Rahmen der risikoprüfenden Funktionsebenen eines Entscheidungssystems eine Gefahr inhaltlicher Verselbstständigung nicht zu befürchten ist. Freilich können sich zwar auch die Determinanten der risikoevaluierenden Subsysteme den für selbstlernende Algorithmen charakteristischen Modulierungen unterziehen und selbsttätig ihre Entscheidungsregeln anhand probabilistischer Induktionen dynamisch anpassen, wodurch selbstlernende Systeme überhaupt erst ihre überlegene Funktionalität im Bereich der Risikoerkennung erlangen.1285 Da diese Teilsysteme allerdings nicht mit der eigentlichen Rechtsanwendung betraut sind, betrifft die fortbestehende systeminhärente Dynamik der Parameter nicht die für das Gesetzmäßigkeitsprinzip maßgeblichen Gesetzes- und Rechtsinhalte, an die unter anderem die Verwaltung gebunden ist, sondern lediglich die überwiegend ablauf- und verfahrensorganisatorische Entscheidung, ob die Rechtsanwendung in dem konkreten Verfahren wahrscheinlich zuverlässig durch das (determinierte) algorithmische System bewältigt werden können wird oder eine menschliche Involvierung zur Erzielung eines (wahrscheinlich) besseren Ergebnisses angezeigt ist.1286 Die gesetzlichen Rechtsgrund­ 1285  Siehe

hierzu bereits oben § 5 B. II. 2. c) aa). insoweit auch Unger, in: ders./Ungern-Sternberg, Demokratie und KI, 113 (116): „Zwar treffen [Risikomanagementsysteme] keine Entscheidungen und liefern nicht einmal Entscheidungsgrundlagen. Sie wirken sich aber auf die Prüfungs­ intensität der Besteuerung im Einzelfall aus“. Vgl. zudem Braun Binder, in: Unger/ Ungern-Sternberg, Demokratie und KI, 161 (178); Martini/Nink, NVwZ-Extra 10/2017, 1 (10); Martini, Blackbox Algorithmus, S. 88; Schröder, VerwArch 110 1286  Vgl.

328

§ 5 Verfassungs-, Unions- und Verfahrensrecht

lagen werden dabei allenfalls indirekt abgebildet. Auch wenn es wohl falsch wäre zu behaupten, die risikoevaluierenden Mechanismen übten mit der so erfolgenden Zuordnung zu einem menschlichen oder technischen Sach­ entscheidungsprozess keinerlei Einfluss auf die Rechtsanwendung aus, so kommt es dadurch trotzdem nicht zu einer inhaltlichen Modulierung der unmittelbar entscheidungsmaßgeblichen, gesetzesinhaltlichen Entscheidungs­ regeln, welche – wie oben gezeigt wurde1287 – mit einer Absenkung der Gesetzesbindung einherginge. Im Gegenteil wird der Gesetzesbindung in besonderem Maße dadurch Geltung verschafft, dass auch in atypischen Konstellationen oder bei unzureichenden bzw. fehlenden Sachverhaltsinformationen sachrichtige Entscheidungen durch gezielte Aussteuerungen hinreichend garantiert werden können. Als Konsequenz des Ausbleibens rechtsinhaltlicher Verselbstständigungen entfalten indeterminierte Risikoprüfungssysteme zudem weder verbindlichen Rechtsregeln gleichkommende, quasinormative Wirkungen noch lassen diese Einschränkungen des Rechtsschutzes bezüglich der getroffenen Einzelentscheidungen befürchten, so dass auch die auf das Prinzip der Gewaltenteilung und die effektive Rechtsschutzgarantie gestützten Bedenken im hiesigen Kontext letztlich nicht verfangen. (b) Demokratische Legitimation Zum anderen erscheint es sachgerecht, bei den risikobewertenden Bestandteilen des Entscheidungssystems von vornherein von reduzierten legitimatorischen Anforderungen auszugehen1288, da diese nicht unmittelbar die (gesetzes-)inhaltlichen Entscheidungsgrundlagen der vollautomatisierten Verwaltungsentscheidung und mit ihnen den besonders legitimationsbedürftigen Kern der Ausübung der Staatsgewalt verkörpern, sondern lediglich zu der Auswahl berufen sind, ob die Staatsgewalt (beim Feststellen von bestehenden Risiken) besser durch – ohne Weiteres demokratisch legitimierte – menschliche Amtswalter oder die – ebenso demokratisch legitimierten1289 – (2019), 328 (340); Neumann, Sachverständigenauskunft zum Einsatz von Risikomanagement-Systemen im Vollzug des Steuerrechts, S. 3 f.; Seer, in: Tipke/Kruse, AO/ FGO, § 88 AO, Rz. 68 f.; Engel, VVDStRL 78 (2019), 344 f. (Aussprache). 1287  § 5 B. II. 2. a) aa). 1288  Vgl. zur Absenkung der Legitimationsanforderungen bei selbstlernenden Systemen auch Herold, Demokratische Legitimation automatisiert erlassener Verwaltungsakte, S. 259. (Teil)Systeme einer selbstlernenden Risikobewertung werden nach hier vertretener Ansicht auch als ihrerseits legitimationsbedürftige „Ausübung“ von Staatsgewalt i. S. d. Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG verstanden, da diese eine zentrale Rolle als rechtsstaatlicher Absicherungsmechanismus während des gesamten automatisierten Verfahrens einnehmen und auch eine nicht zu unterschätzende Steuerungswirkung im Hinblick auf die zu treffende (Abschluss)Entscheidung entfalten. 1289  Hierzu zusammenfassend § 5 A. II. 3.



B. Übertragbarkeit auf indeterminierte Anwendungen329

determinierten Rechtsanwendungsprozesse ausgeübt werden soll. Hinsichtlich dieser verringerten Legitimationsanforderungen dürfte es sodann als ausreichend zu erachten sein, dass die besondere Zuverlässigkeit indeterminierter Risikoerkennungsmechanismen in gesteigertem Maße die Gesetzmäßigkeit der Entscheidungsfindung effektuiert und so die sachlich-inhaltliche Legitimationskomponente der getroffenen Letztentscheidungen forciert, die in der Praxis oftmals ohnehin als gewichtigster Legitimationsstrang verstanden wird1290. Insofern kann im Kontext indeterminierter Risikoprüfungssysteme durchaus von einer Art „Output-Legitimation“ gesprochen werden, also einer demokratischen Legitimation, die sich aus dem besonderen Zuverlässigkeits- und Validitätsgewinn automatisierter Entscheidungssysteme durch selbstlernende Risikoprüfungsebenen ergibt.1291 Eine nach wie vor zu fordernde, fortlaufende Supervision1292 der indeterminierten Risikoprüfungskomponenten eines Entscheidungssystems durch die einsetzende Behörde kommt schließlich als personell-organisatorischer Legitimationsfunken flankierend hinzu. (c) Zwischenergebnis Anders als dies bei den rechtsanwendenden Prozessen der Fall war, sprechen gegen den Einsatz selbstlernender Algorithmen auf den sonstigen Funktionsebenen eines algorithmischen Entscheidungssystems alles in allem keine grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Einwände. Im Gegenteil erscheint deren Einsatz vor dem Hintergrund möglichst funktionaler Systeme zweckmäßig und wünschenswert. Unter den sonstigen Funktionsebenen eines Entscheidungssystems wurden dabei vor allem risikoprüfende und informationsverifizierende Teilsysteme in den Blick genommen, die nach dem aktuellen Entwicklungsstand die geeignetsten Anwendungsfelder für stochastisch-­ induktive Maschinenlernverfahren darstellen. Bei fortlaufender Perfektionierung selbstlernender Systeme wäre in Zukunft aber auch deren Einsatz bei anderen Verfahrenselementen außerhalb der Rechtsanwendung i. e. S. denkbar, beispielsweise im Rahmen einer Anhörung durch intelligente Sprach­ 1290  Vgl.

Huster/Rux, in: BeckOK GG, Art. 20, Rn. 95. hierzu Unger, in: ders./Ungern-Sternberg, Demokratie und KI, 113 (122 f.) m. w. N. sowie Schröder, VerwArch 110 (2019), 328 (334), der dahingehende Überlegungen aber im allgemeinen Kontext selbstlernender Algorithmen anstellt, ohne zwischen Rechtsanwendung und Risikoprüfung zu unterscheiden; generell abhlehnend hinsichtlich dieser Kategorie dagegen Herold, Demokratische Legitimation automatisiert erlassener Verwaltungsakte, S. 165 f. 1292  Strenge Anforderungen an eine parlamentarische und exekutive Kontrolle stellt auch hier Herold, Demokratische Legitimation automatisiert erlassener Verwaltungsakte, S.  283 ff. 1291  Vgl.

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§ 5 Verfassungs-, Unions- und Verfahrensrecht

erkennungssoftware1293, die Freitexteingaben oder sogar gesprochene Einlassungen erfassen und entsprechend verarbeiten kann, wobei sich die obigen Erwägungen auf derartige Erweiterungen des Einsatzspektrums selbstlernender Systeme unter nur geringfügigen Modifikationen übertragen ließen. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt können dahingehende Entwicklungen aber lediglich als gedanklicher Ausblick auf künftige technische Verheißungen verstanden werden. cc) Sicherungsmechanismen beim Einsatz intelligenter Risikoevaluation Wird der risikoprüfende Einsatz selbstlernender Algorithmen im Rahmen automatisierter Entscheidungssysteme grundsätzlich befürwortet, so ist darin trotzdem kein Freibrief hinsichtlich der Art und Weise ihres Einsatzes zu sehen. Vielmehr müssen selbstlernende Risikoprüfungselemente auch bei ihrer Umsetzung gewissen verfassungsrechtlichen Mindeststandards genügen, die sich im Kern an den herausgearbeiteten Qualitätssicherungspflichten bei determinierten Systemen orientieren1294, ausgehend von den Spezifika intelligenter Systeme aber teils gewisse Ergänzungen erfordern. Aus Gründen des Umfangs sollen diese nur kurz angeschnitten werden. Zum einen ist darauf aufmerksam zu machen, dass die auch für das Verfassungsrecht maßgebliche funktionale Qualität selbstlernender Systeme – neben einer gewissenhaften technischen Konstruktion des Systems und den verwendeten mathematischen und prognostischen Modellen1295 – zunächst in einem starken Abhängigkeitsverhältnis zum Qualitätsniveau derjenigen Daten steht, auf deren Grundlage die selbstinduzierten Prozesse des Systems operieren, mithin ihr initiales „Regelwerk“ entwerfen und ihre fortlaufenden Anpassungen unternehmen.1296 Wird das System dagegen bereits zu Beginn seiner 1293  Vgl.

Waigel, WiVerw 2021, 88 (89). hierzu bereits § 5 A. I. 1. a) und b). Ausführlich zu den rechtlichen Anforderungen an indeterminierte Systeme zudem Guckelberger, Öffentliche Verwaltung, Rn. 578 ff. Ein verbindlicher Orientierungsrahmen könnte zukünftig den Normen einer europäischen KI-Regulierung zu entnehmen sein, vgl. etwa Art. 9, 10, 13, 14 des Entwurfs einer Verordnung zur Festlegung harmoninisierter Vorschriften für künstliche Intelligenz (KI-VO-E), COM(2021)/206 final; zu diesem Entwurf eingehender Hoffmann-Riem, Recht im Sog der digitalen Transformation, S. 151 ff. Landesrechtliche Impulse können insoweit auch die in §§ 6 ff. ITEG (s. Fn. 292) normierten Anforderungen bieten. 1295  Wischmeyer, AöR 143 (2018), 1 (24); Martini, in: Kahl/Ludwigs, HdbVwR I, § 28, Rn. 91. 1296  Vgl. Wischmeyer, AöR 143 (2018), 1 (23); vgl. auch Guckelberger, Öffent­ liche Verwaltung, Rn. 594; Guggenberger, NVwZ 2019, 844 (850); Martini, JZ 2017, 1017 (1021 f.); Herold, DSRITB 2018, 453 (460 f.); Hoffmann-Riem, in: Unger/Ungern-Sternberg, Demokratie und KI, 129 (137); zu externen Zertifizierungsverfahren 1294  Vgl.



B. Übertragbarkeit auf indeterminierte Anwendungen331

Trainingsphase bzw. im fortlaufenden Betrieb mit fehlerhaften, unvollständigen, verfälschten oder aus anderen Gründen für die konkrete Aufgabenerledigung nicht hinreichend aussagekräftigen Daten gespeist, kann in diesem Sinne eine gute Ergebnisqualität schwerlich erwartet werden.1297 Die Sicherstellung eines qualitativen Mindestniveaus der verwendeten Daten für die konkrete Aufgabe der Risikoerkennung stellt sich damit als erste verpflichtende Vorbedingung eines funktionalen und damit verfassungsgemäßen Einsatzes dar. Begleitet werden die Anforderungen qualitativ hochwertiger Daten zum anderen von vor- und nachsorglichen Qualitätssicherungspflichten der einsetzenden Behörde zur präventiven Entwicklungsbegleitung und Erprobung sowie fortlaufenden Ergebnisüberwachung der Systeme.1298 Da intelligente Systeme angesichts ihrer Dynamik und Wandelbarkeit nur eingeschränkt einer vorgelagerten normativen Richtigkeitskontrolle zugänglich sind, kommt dabei der nachsorgenden Dimension der Überwachungspflichten eine besondere Bedeutung zu1299, im Rahmen derer unter anderem eine fortlaufende Evaluation dahingehend anzustellen ist, ob die vom System verwendeten Korrelationen und Annahmen noch prädikative Aussagekraft entfalten, oder nur zufällige statistische Artefakte darstellen, und ob sich unzulässige Diskriminierungen in den risikoindizierenden Entscheidungsregeln verfestigt haben, die ggfls. aus dem System isoliert werden müssen.1300 Praktisch umsetzen lassen sich diese Pflichten dabei nicht nur durch stichprobenartige oder turnusmäßige Prüfungen, sondern vor allem auch mittels auf algorithmische Simulationen und Kontrollen gestützte Ergebnisanalysen.1301 Mit der AufdeMartini/Nink, NVwZ-Extra 10/2017, 1 (12); aus Sicht der Informatik Pruß/Sarre, DSRITB 2018, 545 ff. 1297  Wischmeyer, AöR 143 (2018), 1 (23); vgl. auch Hermstrüwer, AöR 145 (2020), 479 (492 ff.). 1298  Vgl. auch Guckelberger, Öffentliche Verwaltung, Rn. 584 ff., 587 ff.; Martini/ Nink, NVwZ-Extra 10/2017, 1 (12); Martini, JZ 2017, 1017 (1022); zu präventiven Erprobungs- und fortlaufenden Überwachungspflichten bei deterministischen Systemen bereits § 5 A. I. 1. a) bb), cc) und b). 1299  Vgl. Martini/Nink, NVwZ-Extra 10/2017, 1 (12); ähnlich Braun Binder, in: Unger/Ungern-Sternberg, Demokratie und KI, 161 (179 f.). 1300  Vgl. Wischmeyer, AöR 143 (2018), 1 (23); Martini/Nink, NVwZ-Extra 10/2017, 1 (12 f.); vgl. auch Guggenberger, NVwZ 2019, 844 (850); Martini, JZ 2017, 1017 (1021); Engel, VVDStRL 78 (2019), 344 f. (Aussprache). Siehe hierzu auch § 5 C. I. 2. b) bb) (4) (c). Skeptisch hinsichtlich der Isolation einzelner Prädikatoren Hermstrüwer, AöR 145 (2020), 479 (501); zum Phänomen der sog. proxy discrimination beim Algorithmeneinsatz in der Verwaltung Buchholtz/Scheffel-Kain, NVwZ 2022, 612 ff. (insbes. 616 f.). 1301  Vgl. Martini/Nink, NVwZ-Extra 10/2017, 1 (12 f.); Martini, JZ 2017, 1017 (1021 f.); Engel, VVDStRL 78 (2019), 344 f. (Aussprache).

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§ 5 Verfassungs-, Unions- und Verfahrensrecht

ckung von Unstimmigkeiten oder unzulässigen Strukturen bzw. Tendenzen des Systems gehen sodann korrespondierende Reaktions- und Anpassungspflichten einher.1302 Gleichzeitig müssen hinreichende Vorkehrungen zum Schutz vor Manipulationen der Systeme, beispielsweise durch bewusst falsche Input-Informationen1303, zur technischen Sicherheit und Zuverlässigkeit und zur Verhinderung ihrer Antizipierung und Umgehung getroffen werden. Trotz aller genannten Anforderungen darf schließlich nicht übersehen werden, dass einem auf statistisch-induktiven Ableitungen basierenden System stets ein natürliches Maß an Fehlbarkeit in Gestalt falsch-positiver und falsch-negativer Entscheidungen innewohnt, so dass sich auch bei einwandfreier Beachtung der zu fordernden Qualitätssicherungspflichten niemals ein perfektes System kreieren lassen wird.1304 Solange sich die Fehlerquoten unterhalb von – ebenfalls unausweichlich bestehenden – menschlichen Fehlerquoten bewegen bzw. mit indeterminierten Systemen ohnehin eine menschlich nicht erreichbare Güte der Risikoerkennung erzielt werden kann, sollten mit diesem Umstand allerdings keine grundlegenden rechtlichen Probleme verbunden sein. III. Fazit zum Einsatz selbstlernender Systemkomponenten Bei der Übertragung der unter § 5 A. für determinierte Entscheidungssysteme erarbeiteten Grundsätze auf Softwareanwendungen jenseits standardisierter Prozessabläufe war zuallererst festzustellen, dass selbstlernende Systeme und andere Anwendungsformen künstlicher Intelligenz eine Teilmenge des Begriffs der „automatischen Einrichtungen“ bilden und damit im Ausgangspunkt – insbesondere unter dem Zulassungsregime der §§ 35a VwVfG, 31a SGB X und 155 Abs. 4 AO – als potenzielle Pulsgeber des vollautomatisierten Erlasses von Verwaltungsakten in Frage kommen.1305 Was die verfassungsrechtliche Zulässigkeit des konkreten Einsatzes indeterminierter ­Algorithmen innerhalb vollautomatisierter Verwaltungsverfahren anbelangt, wurde sodann allerdings – ausgehend von einer auch verfassungsrechtlich verschärften Ausgangslage im Vergleich zu determinierten Systemen – eine 1302  Vgl. zu Anpassungspflichten bei deterministischen Systemen bereits § 5 A. I. 1. a) cc) (2). 1303  Vgl. zu Manipulationen selbstlernender Systeme Wischmeyer, AöR 143 (2018), 1 (17), der in Fn. 60 auf die Möglichkeit von Filtertechnologien hinweist, die zur Vermeidung der Manipulierung des selbstlernenden Systems eingesetzt werden können und die Gefahren zumindest verringern; auf Manipulationsrisiken ebenfalls hinweisend Hoffmann-Riem, AöR 142 (2017), 1 (25). 1304  Wischmeyer, AöR 143 (2018), 1 (24); Guckelberger, Öffentliche Verwaltung, Rn. 581, 623. 1305  Siehe § 5 B. II. 1.



B. Übertragbarkeit auf indeterminierte Anwendungen333

methodische Differenzierung zwischen verschiedenen Funktionsebenen eines Entscheidungssystems vorgeschlagen, die im Hinblick auf den dortigen Einsatz indeterminierter Algorithmen jeweils anhand ihrer spezifischen Funk­ tionsmerkmale beurteilt werden müssen. Während dabei für Systemkomponenten, die mit der Rechtsanwendung im eigentlichen Sinne betraut sind, insbesondere aufgrund einer verfassungsrechtlich nicht akzeptablen Verwässerung der Gesetzesbindung1306 sowie eines insgesamt unzureichenden Maßes an demokratischer Verantwortlichkeit1307 eine Implementierung selbstlernender Algorithmen abgelehnt wurde1308, offenbarten sich diese angesichts ihrer Leistungsfähigkeit bei mustererkennenden und -abgleichenden Aufgaben vor allem im Bereich risikoevaluierender Funktionsebenen des Entscheidungssystems als funktional überlegenes und daher geradezu prädestiniertes Instrument1309, dem in dieser Funktion auch keine grundsätzlichen Bedenken von Verfassungs wegen entgegenzuhalten waren1310, solange gewisse ver­ fassungsrechtliche Mindeststandards in Form von vor- und nachsorglichen Qualitätssicherungspflichten beachtet werden1311. Der hierin zum Ausdruck kommenden funktional-differenzierenden Betrachtungsweise kommt dabei letztlich eine austarierende Rolle zu, die die Gefahren und Chancen des Einsatzes von Anwendungsformen künstlicher Intelligenz innerhalb weitgehend autonomer juristischer Entscheidungssysteme in ein optimales Verhältnis zwischen der Wahrung verfassungsrecht­ licher Grundprämissen und notwendiger Digitalisierungsoffenheit zu setzen versucht. Indem die rechtsanwendenden Funktionselemente aus dem verfassungsrechtlich zulässigen Anwendungsspektrum selbstlernender Algorithmen herausgenommen werden, ihr Einsatz bei den übrigen, insbesondere risikoprüfenden Komponenten aber zu akzeptieren und sogar ausdrücklich anzuraten ist, werden in diesem Sinne nicht nur die verfassungsrechtlichen Risiken ernst genommen, die mit indeterminierten Algorithmen zweifellos verflochten sind und Anlass für einschränkende Lösungen geben. Vielmehr wird auch rechtspolitisch fragwürdigen und für die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung kontraproduktiven Tendenzen entgegengetreten, juristische Entscheidungssysteme von vornherein und vollständig vor den Potenzialen leistungsstarker „intelligenter“ (Teil-)Systeme zu verschließen. Eine Grenzziehung nach Funk­tionsebenen des Entscheidungssystems stellt sich dabei meines Erachtens – ausgehend von den diskutierten Konfliktpunkten – nicht nur 1306  Siehe 1307  Siehe 1308  Siehe 1309  Siehe 1310  Siehe 1311  Siehe

§ 5 B. II. 2. a) aa). § 5 B. II. 2. a) bb). § 5 B. II. 2. a) dd). § 5 B. II. 2. c) aa). § 5 B. II. 2. c) bb). § 5 B. II. 2. c) cc).

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§ 5 Verfassungs-, Unions- und Verfahrensrecht

als die verfassungsrechtlichen Problemlagen treffend abbildender, sondern auch praktisch handhabbarer und damit letztlich geeignetster Anknüpfungspunkt eines dahin orientierten Ausgleichs der gegenläufigen Interessenlagen dar.

C. Verfahrensgrundsätze vollautomatisierter Verwaltungsverfahren Nachdem in den obigen Kapiteln die verfassungsrechtlichen Vorgaben von einer eher grundsätzlichen Perspektive her darauf untersucht wurden, ob und unter welchen Prämissen verbindliche Verwaltungsentscheidungen in vollautomatisierten Verwaltungsverfahren überhaupt unter dem Grundgesetz zulässig erscheinen, gilt es nun den Blick verstärkt auf die konkrete Durchführung automatisierter Verwaltungsverfahren und die dort anzulegenden Maßstäbe zu richten. Als geronnene Manifestationen verfassungsrechtlicher Anforderungen an ein zielgerichtetes, rechtsstaatliches und faires Verwaltungsverfahren spielen hierbei vor allem die einfachrechtlich konkretisierten Verfahrensgrundsätze und -rechte eine entscheidende Rolle, die in den Verfahrensordnungen kodifiziert wurden und auch für vollautomatisiert erlassene Verwaltungsakte – als insoweit „gewöhnliche“, ein Verwaltungsverfahren i. S. d. §§ 9 VwVfG und 8 SGB X initiierende Abschlussentscheidungen – gleichermaßen verbindlich bleiben.1312 Ungeachtet der grundsätzlichen Einbettung in das bewährte verfahrensrechtliche Instrumentarium, wird das System der bisherigen Verfahrensregelungen dabei aber dennoch vor große Herausforderungen gestellt, zumal automationsbezogene Regelungen in den Verfahrensordnungen insgesamt eher spärlich gesät sind und auch mit dem Best­ VerfModG kaum entsprechende Anpassungen des Verfahrensrechts an vollautomatisierte Verwaltungsverfahren einhergingen.1313 Der Schwerpunkt der Betrachtung soll im Folgenden auf dem Amtsermittlungs- und Anhörungsgrundsatz sowie der Begründungspflicht liegen, die zu den fundamentalsten Säulen der Verwaltungsverfahrensrechte gehören. Sonstige verfahrensrecht­ liche Gehalte wie beispielsweise Akteneinsichtsrechte1314 müssen dagegen aus Gründen des Umfangs ausgeblendet bleiben.

1312  Vgl. im sozialrechtlichen Kontext etwa Heße, in: BeckOK SozialR, § 31a SGB X, Rn. 7, 4; Mutschler, in: BeckOGK Sozialrecht, § 31a SGB X, Rn. 4; vgl. auch BT-Drs. 18/8434, S. 122; Roth-Isigkeit, DÖV 2020, 1018; Schmitz/Prell, NVwZ 2016, 1273 (1275); Stegmüller, NVwZ 2018, 353 (358). Die Anwendbarkeit der verwaltungsaktbezogenen Verfahrensregelungen als bewährtes Instrumentarium wurde dabei explizit beabsichtigt, vgl. dazu die Nachweise unter § 4 A. II. 3. 1313  Vgl. Berger, DVBl. 2019, 1234 (1236 mit Fn. 12); zu dahingehenden gesetzgeberischen Defiziten bereits § 4 B. II. 3. c) dd) (3).



C. Verfahrensgrundsätze vollautomatisierter Verwaltungsverfahren335

I. Automatisierte Amtsermittlung 1. Der Untersuchungsgrundsatz als Garant rechtsstaatlicher Sachrichtigkeit Wie es bereits die Kodifikationen der §§ 24 VwVfG, 20 SGB X und 88 AO nahelegen, werden die Verwaltungsverfahren sämtlicher Verfahrenssäulen durch den Untersuchungsgrundsatz geprägt, der es der jeweils verantwortlichen Behörde aufträgt, den für ihre Entscheidung maßgeblichen Sachverhalt von Amts wegen aufzuklären und dadurch dem besonderen öffent­ lichen Interesse an der sachlichen Richtigkeit behördlichen Handelns Rechnung zu tragen.1315 Der Untersuchungsgrundsatz stellt sich dabei nicht nur als Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips allen voran in Gestalt der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und des Grundsatzes eines fairen Verfahrens dar1316, sondern dient – verbunden mit entsprechenden Dokumentationspflich­ ten1317 – gleichzeitig dem Rechtsschutz der Beteiligten1318 wie auch dem Grundrechtsschutz, soweit in der Sache Grundrechte berührt werden.1319 Da nur eine vollständige und tatsächlich zutreffende Ermittlung der für den Fall maßgeblichen Umstände Gewähr für das Treffen materiell recht­ mäßiger Entscheidungen bietet1320, wird die Behörde im Ausgangspunkt zu einer umfassenden Aufklärung des entscheidungserheblichen Sachverhalts 1314  Eingehendere Überlegungen zum Akteneinsichtsrecht in automatisierten Verwaltungsverfahren finden sich erstmals bei Guckelberger, Öffentliche Verwaltung, Rn.  510 ff. 1315  Vgl. nur Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 24, Rn. 1 f., 6; Kallerhoff/ Fellenberg, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 24, Rn. 1; Weber, in: BeckOK ­SozialR, § 20 SGB X, Rn. 2 ff.; Wünsch, in: Koenig, AO, § 88, Rn. 1 ff.; Seer, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 88 AO, Rz. 1; Ahrendt, NJW 2017, 537. 1316  Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 24, Rn. 3; Kallerhoff/Fellenberg, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 24, Rn. 1; Mutschler, in: BeckOGK Sozialrecht, § 20 SGB X, Rn. 2; Kobor, in: BeckOK AO, § 88, Rn. 5; BVerfG NJW 2004, 1022 (1025); Berg, Die Verw 9 (1976), 161 (165); eingehend zum verfassungsrechtlichen Hintergrund Kobor, Kooperative Amtsermittlung im Verwaltungsrecht, S. 55 ff.; Spilker, Behördliche Amtsermittlung, S. 52 ff. 1317  Vgl. Britz, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, § 26, Rn. 76 ff.; Kallerhoff/Fellenberg, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 24, Rn. 3. 1318  Kallerhoff/Fellenberg, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 24, Rn. 1; Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 24, Rn. 3; vgl. auch Pünder, JuS 2011, 289 (291 f.). 1319  Vgl. Hufen, NJW 1982, 2160 (2163); Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 24, Rn. 3 m. w. N.; im asylrechtlichen Kontext BVerfGE 54, 341 (359). 1320  Vgl. Spilker, Behördliche Amtsermittlung, S. 53 f.; Guckelberger, in: FS Herberger, 397 (410) sowie bereits Polomski, Der automatisierte Verwaltungsakt, S. 112 f.

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§ 5 Verfassungs-, Unions- und Verfahrensrecht

verpflichtet.1321 Hierzu sind neben den fallrelevanten Tatsachen selbst, die ihrerseits insbesondere vom Gegenstand des Verfahrens abhängen, auch diejenigen Rechtssätze zu zählen, welche die formellen und materiellen Tatbestandsvoraussetzungen der zu treffenden behördlichen Entscheidung determinieren und damit die Voraussetzungen für den positiven oder negativen Abschluss des Verwaltungsverfahrens herstellen.1322 Umfang und Intensität der konkret notwendigen Ermittlungen richten sich sodann nach den Erfordernissen des Einzelfalls1323, wobei die Auswahl der Mittel zur Erforschung der maßgeblichen Umstände dem pflichtgemäßen (Verfahrens-)Ermessen der Behörde anheimgestellt ist.1324 Neben das klassische Bild des behördlichen Sachbearbeiters, der sämtliche notwendigen Informationen hoheitlich und individuell ausermittelt, können damit beispielsweise auch kommunikative Formen der Sachverhaltsaufklärung etwa durch freiwillige oder – je nach fachrechtlichen Vorgaben – auch verpflichtende Mitwirkungsbeiträge der Beteiligten treten, die nur mehr einer nachvollziehenden Vollständigkeitsund Plausibilitätskontrolle durch die verantwortliche Behörde unterliegen.1325 Als Ziel am Ende der jeweiligen Ermittlungstätigkeit steht sodann im Grundsatz die Bildung einer vernünftige Zweifel ausschließenden Überzeugung der Behörde vom Vorliegen oder Nichtvorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen der maßgeblichen Rechtsnormen, wobei das Fachrecht auch ein abweichendes Beweismaß vorsehen kann.1326 2. Durchführung der Amtsermittlung in vollautomatisierten Verfahren Wie in § 3 herausgearbeitet wurde, stellt es eines der prägenden Charakteristika vollständig automatisiert erlassener Verwaltungsakte dar, dass auch die dem eigentlichen Erlassvorgang vorgelagerten Verfahrensabschnitte ohne in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 24, Rn. 7a. in: Knack/Henneke, VwVfG, § 24, Rn. 28; Heßhaus, in: BeckOK VwVfG, § 24, Rn. 11; Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 24, Rn. 7a, 12. 1323  Bedeutsam können hierbei beispielsweise die Entscheidungserheblichkeit der jeweiligen Umstände, das notwendige Maß an Überzeugungsbildung, die Folgenschwere einer Entscheidung oder der zu erwartende Ermittlungserfolg sein, vgl. Kallerhoff/Fellenberg, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 24, Rn. 26; Rätke, in: Klein, AO, § 88, Rn. 20 f. 1324  BVerwG UPR 1999, 145 (146); BVerwGE 150, 74, (79 Rn. 28); Pünder, in: Ehlers/Pünder, Allg. VerwR, § 14, Rn. 30; Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 24, Rn. 7; vgl. auch Weber, in: BeckOK SozialR, § 20 SGB X, Rn. 14. 1325  Vgl. Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 24, Rn. 9 f.; Kallerhoff/Fellenberg, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 24, Rn. 50; vgl. für das (insoweit beispielhafte) Steuerverfahren Seer, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 88 AO, Rz. 3. 1326  Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 24, Rn. 7, 15; Kallerhoff/Fellenberg, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 24, Rn. 5, 26. 1321  Ramsauer, 1322  Ritgen,



C. Verfahrensgrundsätze vollautomatisierter Verwaltungsverfahren337

menschliche Beteiligung durchgeführt werden.1327 Der Modus des vollautomatisierten Verwaltungsakterlasses zeitigt damit gerade für die Art und Weise der Sachverhaltsermittlung im Verwaltungsverfahren weitreichende Aus­ wirkungen, indem diese nunmehr ebenfalls eine automatisierte Umsetzung verlangt.1328 In umgekehrter Weise entfaltet aber auch die Sachverhaltsermittlung eine ihren herkömmlichen Wirkungsumfang übersteigende Bedeutung in automatisierten Verwaltungsverfahren, da sich – bei gleichzeitig struktureller Abschwächung nachträglicher Kontrollinstanzen durch fehlende menschliche Entscheider1329 – in dieser – neben der sachrichtigen und vollständigen Abbildung der gesetzlichen Grundlagen im Entscheidungssystem, die eng mit der Sachverhaltsermittlung verwoben ist1330 – ein substanzieller Teil der sachlichen Richtigkeitskontrolle im Hinblick auf die erzeugten Verwaltungsentscheidungen vollzieht.1331 Ausgehend von dieser eigentümlichen Wechselwirkung zwischen Sachverhaltsermittlung und Verfahrensautomation stellt sich damit die Frage, wie eine Sachverhaltsaufklärung in vollautomatisierten Verwaltungsverfahren in concreto beschaffen sein muss, um einerseits ihrer absichernden Wirkung hinsichtlich der Gesetzmäßigkeit automatisierter Entscheidungen gerecht zu werden, sich andererseits aber auch in ein Verfahrensumfeld einzubetten, das auf eine menschliche Beteiligung nahezu vollständig verzichtet. Dem soll im Folgenden nachgegangen werden. a) Vollautomatisierte Sachverhaltsermittlung als technischer Informationserhebungs-, -akkumulationsund -bereitstellungsvorgang Nicht missverstanden werden darf der im obigen Sinne geforderte Prozess einer „vollautomatisierten Sachverhaltsermittlung“ dabei zunächst dahingehend, dass vormals spezifisch humane Elemente der Sachverhaltsaufklärung, wie diese in herkömmlichen Verwaltungsverfahren zum Beispiel in Gestalt von mündlichen oder telefonischen Ab- bzw. Rückfragen, der Einholung von Informationen anderer Behörden im Wege der Amtshilfe, Augenscheinseinnahmen, Zeugen- und Sachverständigenvernehmungen etc.1332 denkbar wä1327  Siehe

§ 3 C. II. 2., insbes. d). Berger, in: Knack/Henneke, VwVfG, § 35a, Rn. 52. 1329  Vgl. Eifert, E-Government, S. 144; vgl. auch Pitschas, in: Hoffmann-Riem/ Schmidt-Aßmann/Folke Schuppert, Reform des Allgemeinen Verwaltungsrechts, 219 (293 ff.).  1330  Vgl. hierzu bereits § 5 A. I. 1. a) aa). 1331  Vgl. auch Polomski, Der automatisierte Verwaltungsakt, S. 113 m. w. N.; Laza­ ratos, Rechtliche Auswirkungen der Verwaltungsautomation, S. 157. 1332  Vgl. zu typischen Beweismitteln etwa §§ 26 Abs. 1 VwVfG, 21 Abs. 1 SGB X sowie Heßhaus, in: BeckOK VwVfG, § 24, Rn. 9. 1328  Vgl.

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§ 5 Verfassungs-, Unions- und Verfahrensrecht

ren, schlicht im Rahmen des eingesetzten Entscheidungssystems aktiv-planerisch übernommen und gewissermaßen im Sinne etwa einer „Vernehmung durch die Maschine“1333 digital nachgeahmt werden1334, was nicht nur dem Automationsgedanken als „Mehr“ gegenüber einer nur digitalen Abbildung analoger Prozesse1335 zuwiderliefe, sondern ausgehend von unverändert bestehenden sprachkognitiven Schwächen algorithmischer Systeme bereits an den Grenzen der technischen Realisierbarkeit selbst beim Einsatz modernster informatischer, ggfls. selbstlernender Verfahren scheiterte1336. Stattdessen stellt sich eine Sachverhaltsermittlung in vollautomatisierten Verfahren im Ausgangspunkt als spezifisch technischer Vorgang der Erhebung, Akkumulation und Bereitstellung von Informationen dar, der darauf gerichtet ist, der Entscheidungssoftware die entscheidungserheblichen Informationen in für das System verarbeitbarer Form für ihre Entscheidungsfindung verfügbar zu machen1337, und der trotz der Andersartigkeit seiner Ausfüllungsprinzipien mit keiner grundsätzlichen Reduktion der Reichweite des Untersuchungsgrundsatzes1338 einhergeht.1339 Ein bedeutsames Instrument zur Verwirklichung dieser Aufgabe ist dabei zum einen in gezielten Abfragen der entscheidungsrelevanten Tatsachen zu erblicken, die in Gestalt von elektronischen Formularfeldern, definierten Aus1333  Begriff nach Polomski, Der automatisierte Verwaltungsakt, S. 53; vgl. auch Hagemann, Datenverarbeitung in der Rechtsfindung, S. 110 f. 1334  Vgl. auch Baldauf, DStR 2016, 833 (836). Ein in diese Richtung tendierendes Verständnis scheint wohl aber auch Polomski, Der automatisierte Verwaltungsakt, S. 53 f. zugrunde zu legen, der bei einer „programmgestützte[n], gezielte[n] Abfrage von Informationen“ dennoch eine „Simulation der menschlichen Wahrnehmung“ für notwendig hält. 1335  Vgl. hierzu bereits § 2 A. VI. a) und b). 1336  Vgl. Martini/Nink, NVwZ-Extra 10/2017, 1 (4) im Kontext der Berücksichtigung formulierter Stellungnahmen des Betroffenen; vgl. auch Polomski, Der automatisierte Verwaltungsakt, S.  53 ff. 1337  Vgl. bereits Hagemann, Datenverarbeitung in der Rechtsfindung, S. 110 ff., der letztlich krit. bleibt; Polomski, Der automatisierte Verwaltungsakt, S. 53 f.; vgl. zur Andersartigkeit der Amtsermittlung (im Kontext des vollautomatisierten Besteuerungsverfahrens) auch Frotscher, in: Schwarz/Pahlke, Erstkomm. BestVerfModG, § 155 AO, Rz. 4; vgl. zudem Ramsauer/Tegethoff, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 35a, Rn. 10a; Maier, JZ 2017, 614 (615); Ahrendt, NJW 2017, 537 (537 f.); Berger, in: Knack/Henneke, VwVfG, § 35a, Rn. 38. 1338  In diese Richtung aber Kallerhoff/Fellenberg, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 24, Rn. 57d unter Verweis auf Beirat VwVfR, NVwZ 2015, 1114 (1116); ähnlich zudem Braun Binder, NVwZ 2016, 960 (964); Berger, in: Knack/Henneke, VwVfG, § 35a, Rn. 53 f. 1339  So auch Prell, apf 2017, 237 (240); Stegmüller, NVwZ 2018, 353 (357 f. mit Fn. 26); i. E. ähnlich Frotscher, in: Schwarz/Pahlke, Erstkomm. BestVerfModG, § 155 AO, Rz. 4; Spilker, FR 2022, 211 (212 f.).



C. Verfahrensgrundsätze vollautomatisierter Verwaltungsverfahren339

wahloptionen (multiple choice) oder sonstigen Eingabemasken von der einsetzenden Behörde so einzurichten sind, dass die für die Fallbearbeitung notwendigen Sachverhaltsinformationen in für das System unmittelbar verwertbarer Weise erhoben werden.1340 Auf diese Weise lassen sich insbesondere diejenigen Informationen erfassen, die von den Beteiligten selbst im Wege entsprechender Erklärungen und Einlassungen beigesteuert werden können, die angesichts der Sachnähe der Beteiligten zum Verfahrensgegenstand oftmals eine besondere Güte versprechen und vor allem für Antragsverfahren eine wichtige Rolle spielen.1341 Wie schon bei kommunikativen Aufklärungsformen in herkömmlichen Verwaltungsverfahren darf die Behörde dabei im Grundsatz auf die Richtigkeit der Angaben vertrauen, womit die Verantwortung für die Validität der Sachverhaltsinformationen zumindest teils auf den Beteiligten übertragen wird.1342 Zum anderen können sich die Entscheidungssysteme notwendige Informationen aus einem Abgleich mit bereits vorhandenen Datenbanken beschaffen1343, die den Behörden beispielsweise auf der Basis von Daten übermittlungspflichtiger Dritter1344, Daten aus vorherigen Verwaltungsverfahren zur Sache oder auf sonstigem Wege erlangten Daten (zu früheren Zeitpunkten zu anderen Zwecken erhobene Daten etc.) zur Verfügung stehen. Auch hier ist den übermittelten und vorhandenen Datenbeständen ein prinzi­ pielles – gegenüber bürgerseitig übermittelten Daten ggfls. gesteigertes1345 – 1340  Vgl. Berger, DVBl. 2019, 1234 (1236); dies., in: Knack/Henneke, VwVfG, § 35a, Rn. 53; vgl. auch Herold, Demokratische Legitimation automatisiert erlassener Verwaltungsakte, S. 47; Beirat VwVfR, NVwZ 2015, 1114 (1115); Engel, JZ 2014, 1096 (1099) und bereits (eher kritisch) Lazaratos, Rechtliche Auswirkungen der Verwaltungsautomation, S. 150 ff. sowie im Kontext des Besteuerungsverfahrens Maier, JZ 2017, 614 (615). 1341  Vgl. Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 24, Rn. 10; vgl. zur Bedeutung von Anträgen oder Erklärungen der Betroffenen zudem bereits § 4 B. III. 2. a) dd). 1342  Vgl. Berger, DVBl. 2019, 1234 (1236); dies., in: Knack/Henneke, VwVfG, § 35a, Rn. 38, 53; vgl. auch U. Stelkens, in: Hill/Kugelmann/Martini, Digitalisierung in Recht, Politik und Verwaltung, 81 (92); Braun Binder, DÖV 2016, 891 (896); Volquardsen, in: Schwarz/Pahlke, Erstkomm. BestVerfModG, § 88 AO, Rz. 10; res­ triktiv im Hinblick auf eine auch nur geringfügige Verantwortungsteilung im Allgemeinen Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 24, Rn. 10a m. w. N. 1343  Vgl. auch bereits Berger, DVBl. 2019, 1234 (1236); Herold, Demokratische Legitimation automatisiert erlassener Verwaltungsakte, S. 47. 1344  Beispielhaft sei an dieser Stelle auf steuerrechtlichen Datenübermittlungspflichten verwiesen, etwa für Rentenbezugsmitteilungen gem. § 22a Abs. 1 EStG, Lohnsteuerbescheinigungen gem. § 41b Abs. 1 EStG oder Altersvorsorgebeiträge gem. § 10a Abs. 5 EStG, die mit Einfügung des § 93c AO im Zuge des BestVerfModG zudem verfahrensmäßig harmonisiert und systematisiert wurden, vgl. hierzu bereits § 2 B. VI. 2. m. w. N. 1345  Volquardsen, in: Schwarz/Pahlke, Erstkomm. BestVerfModG, §  88 AO, Rz. 11.

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§ 5 Verfassungs-, Unions- und Verfahrensrecht

Vertrauen im Hinblick auf ihre Validität entgegenzubringen. Beide vorgenannten Varianten stellen insoweit eine (verfahrens-)ermessensgerechte Auswahl geeigneter Mittel zur Sachverhaltsaufklärung in automatisierten Verfahren dar.1346 Auch wenn die oben beispielhaft angeführten und nach gegenwärtigem Technikstand sicherlich relevantesten Datenbeschaffungsmethoden keineswegs einen Anspruch auf Vollständigkeit im Hinblick auf potenziell automationsgeeignete Sachverhaltsaufklärungsinstrumente erheben, also durchaus noch andere Varianten insbesondere bei fortschreitender Entwicklung in Zukunft in Betracht kommen1347, steht für die vollautomatisierte Sachverhaltsermittlung als Konsequenz ihrer im Ausgangspunkt ausschließlich technischen Prägung a priori fest, dass diese im Vergleich zu den theoretisch mannigfaltigen Möglichkeiten in menschlich durchsetzten Verwaltungsverfahren mit einer tendenziellen Verengung der potenziell kompatiblen Informationskanäle1348, namentlich einer Verengung auf Informationskanäle, die zur autonomen Kommunikation mit technischen Schnittstellen fähig sind, einhergeht. Insoweit als die Spezifika der automatisierten Sachverhaltsermittlung dadurch eine gesteigerte Dependenz von entsprechenden Mitwirkungsakten bedingen, die mit den technisch induzierten Verengungen auf kompatible Informationskanäle zusammenhängen, kann die gesetzliche Anerkennung und Zulassung vollständig automatisiert erzeugter Verwaltungsentscheidungen dabei zumindest implizit als programmatische Kooperationsanordnung zwischen Beteiligten und Verwaltung in vollautomatisierten Verwaltungsverfahren verstanden werden.1349 Damit ein technisch verarbeitbarer Informationserhebungs- und -akkumulationsvorgang, wie er oben beispielhaft anhand der gezielten Abfrage sachverhaltsrelevanter Informationen und dem fallbezogenen Abgleich mit verfügbaren Datenbanken beschrieben wurde, sodann überhaupt dem Ziel einer technisch verwertbaren Verfügbarmachung der maßgeblichen Sachverhalts­ 1346  Vgl. hierzu Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 24, Rn. 11 sowie bereits § 5 C. I. 1. 1347  Herold, Demokratische Legitimation automatisiert erlassener Verwaltungsakte, S. 48 weist etwa auf die Möglichkeit hin, dass die nötigen Informationen dem System auch über den Einsatz spezifischer Sensorik quasi durch eine technische „Wahrnehmung der Umwelt“ (z. B. Kameras, Induktionsschleifen, Bewegungs- und Drucksensoren) verfügbar gemacht werden können, was sich allerdings nur bei bestimmten Anwendungsfeldern als sinnvoll erweisen dürfte. 1348  Zur Verengung der potenziellen Informationskanäle bereits § 4 B. III. 2. a) dd); vgl. zudem Guckelberger, in: FS Herberger, 397 (404). 1349  Vgl. zu Kooperationsverhältnissen zwischen Verwaltung und Privaten im Kontext des Untersuchungsgrundsatzes allgemein Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 24, Rn. 10a ff.; vgl. auch Di Fabio, NVwZ 1999, 1153 (1156); Weiß, DVBl. 2002, 1167.



C. Verfahrensgrundsätze vollautomatisierter Verwaltungsverfahren341

informationen gerecht werden kann, muss der Prozess der Sachverhaltsermittlung als logische Vorbedingung einer umfassenden Antizipierung unterzogen werden1350, da nur dann ein rein technischer Abgleichungsvorgang in Gestalt von binären Zuordnungen und ohne eigene, systemintrinsische Kognitionsfähigkeit als Substitut einer kognitiv-willentlich veranlassten, individuell-bedarfsgesteuerten und menschlich zumindest begleiteten Amtsermittlung in Betracht kommen kann. In diesem Sinne müssen neben den für die abzuwickelnden Fallkonstellationen typischerweise entscheidungserheblichen Tat­sachen selbst auch Umfang, Art und Weise und notwendiges Beweismaß der Sachverhaltsaufklärung konzeptuell im System vorweggenommen werden und sich dementsprechend in den Eingabeformularen, Abgleichen etc. niederschlagen, wobei – wie auch schon bei der sachrichtigen und vollständigen Abbildung der rechtlichen Grundlagen der Entscheidung, die mit der Sachverhaltsermittlung eng verwoben ist – die Programmierung des juristischen Entscheidungssystems eine entscheidende Rolle einnimmt, an die in der Folge inhaltlich vergleichbare Begleitungs- und Kontrollpflichten zu stellen sind1351. b) Automationsspezifische Amtsermittlungsdefizite und kompensatorische Mechanismen Als unvermeidliche Konsequenz und gleichzeitig auch Ziel der notwendigen Antizipierung einer automatisiert durchgeführten Sachverhaltsermittlung ist sodann zu beobachten, dass – ebenso wie dies für die automatisierte 1350  Vgl. zur Antizipierung der Sachverhaltsermittlung durch Formulare und Eingabemasken bereits Lazaratos, Rechtliche Auswirkungen der Verwaltungsautomation, S. 150 ff.; vgl. auch Guckelberger, Öffentliche Verwaltung, Rn. 446; Schmitz/Prell, NVwZ 2016, 1273 (1277); Kallerhoff/Fellenberg, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 24, Rn. 57c. 1351  Vgl. zu den Qualitätssicherungspflichten der Behörde im Kontext des Gesetzmäßigkeitsprinzips § 5 A. I. 1. Wie schon der Verweis auf binäre Zuordnungen und das Erfordernis der umfassenden Antizipation implizieren, liegen dem beschriebenen technischen Informationserhebungs- und -akkumulationsvorgang determinierte Algorithmen zugrunde. Auch wenn indeterminierte Algorithmen auf der Ebene der risikoevaluierenden Komponenten eines Entscheidungssystems als verfassungsrechtlich zulässig eingeordnet und stark befürwortet wurden, vgl. § 5 B. II. 2. c) und III., und die Vorgänge einer Risikoevaluierung der zu entscheidenden Fallkonstellationen klar der Sachverhaltsermittlung zuzurechnen sind, ist ihr Einsatz in Bezug auf die besagte Antizipierungsleistung der Sachverhaltsermittlung abzulehnen, da sich in der Abfrage derjenigen Sachverhaltsinformationen, die für den Erlass einer bestimmten Verwaltungsentscheidung notwendig sind, implizit auch die zwingend determiniert vorzuhaltende inhaltliche Konturierung der Tatbestandsmerkmale und sonstigen rechtlichen Voraussetzungen widerspiegelt, und insofern bereits das Gesetzmäßigkeitsprinzip entgegensteht, vgl. hierzu bereits § 5 B. II. 2. a) aa).

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Rechtsanwendung insgesamt festzustellen war1352 – ein Standardisierungsprozess der Amtsermittlung einsetzt, der signifikant den Grad der Standardisierung übersteigt, dem die behördliche Amtsermittlung insbesondere in Bereichen unechter Massenverfahren seit jeher in gewissem Maße zugeneigt war1353, sei es durch die zulässige Zugrundelegung typischer Sachverhalte, sofern keine konkreten Anhaltspunkte eine Einzelfallprüfung erforderlich machen1354, den Einsatz strukturierter Formulare zur Abfrage der relevanten Sachverhaltsinformationen1355 oder eine etwa in steuerlichen Massenverfahren von vornherein nur mehr an einer strukturellen Verifikation der gemachten Angaben ausgerichteten Amtsermittlung1356. Auf der Kehrseite birgt diese Entwicklung freilich die genuine Gefahr einer strukturellen Vernachlässigung individueller und atypischer Fallkonstellationen, die in einem schematisierten, tendenziell eher grobkörnig geratenen Sachverhaltsaufklärungsraster naturgemäß keine hinreichende Berücksichtigung erfahren können, für die Sachrichtigkeit der Entscheidung aber dennoch von maßgeblicher Bedeutung sind und dadurch im Einzelfall falsche Verwaltungsentscheidungen befürchten lassen.1357 Es entsteht insofern ein automationsspezifisches Amtsermittlungsdefizit1358, das zur Wahrung der rechtsstaatlichen Postulate des Unter­ suchungsgrundsatzes1359 nach kompensatorischen Mechanismen verlangt. 1352  Vgl.

etwa § 5 A. I. 1. a) aa). bezogen auf die Rechtsanwendung insgesamt Berger, NVwZ 2018, 1260 (1262 f.); dies., in: Knack/Henneke, VwVfG, § 35a, Rn. 28, die zudem darauf hinweist, dass Standardisierung dabei auch rechtsstaatlichen Bedürfnissen nach einem einheitlichen Gesetzesvollzug dient. 1354  Kallerhoff/Fellenberg, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 24, Rn. 26; Heßhaus, in: BeckOK VwVfG, § 24, Rn. 12. 1355  Berger, NVwZ 2018, 1260 (1262); dies., in: Knack/Henneke, VwVfG, § 35a, Rn. 28, 54. 1356  Seer, StbJb. 2016/2017, 539 (540 ff., 543); ders., DStR 2008, 1553 (1554); Drüen, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 88 AO, Rz. 17; Schmidt/Schmitt, in: FS Spindler, 529 (533 f.); Drüen, in: Schön/Beck, Zukunftsfragen des deutschen Steuerrechts, 1 (9); Jansen, Das Steuerverfahren im Spannungsfeld von Europa- und Verfassungsrecht, S. 30 ff.; für ein deutlich strengeres Beweismaß (sog. „Überzeugungsgewissheit“) dagegen etwa Müller-Franken, Maßvolles Verwalten, S. 279 ff., 305 ff. 1357  Vgl. auch BT-Drs. 18/8434, S. 121 f.; Guckelberger, in: FS Herberger, 397 (410); dies., GewArch 2019, 457 (463); Berger, DVBl. 2019, 1234 (1235); Britz, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, § 26, Rn. 63; Schröder, VerwArch 110 (2019), 328 (340 f.); Prell, apf 2017, 237 (240); Schmitz/Prell, NVwZ 2016, 1273 (1277); Kallerhoff/Fellenberg, in: Stelkens/ Bonk/Sachs, VwVfG, § 24, Rn. 57c; Siegel, DVBl. 2017, 24 (27). 1358  Vgl. Siegel, DVBl. 2017, 24 (27); Kallerhoff/Fellenberg, in: Stelkens/Bonk/ Sachs, VwVfG, § 24, Rn. 57c. 1359  Vgl. hierzu bereits eingangs § 5 C. I. 1. 1353  Vgl.



C. Verfahrensgrundsätze vollautomatisierter Verwaltungsverfahren343

Eine dahingehende Notwendigkeit wurde dabei auch vom Gesetzgeber wahrgenommen, der im Zuge des BestVerfModG mit den §§ 24 Abs. 1 S. 3 VwVfG, 31a S. 2 SGB X, 88 Abs. 5 und 150 Abs. 7 S. 1 AO die Verfahrensordnungen um zwar überwiegend deklaratorische1360, im Kern aber als rechtstaatliche Absicherungen verstandene1361 Ergänzungen des jeweils geltenden Untersuchungsgrundsatzes anreicherte. Auch wenn besagten Normen zunächst implizit die Klarstellung entlockt werden kann, dass sich nach den gesetzgeberischen Vorstellungen automatische Einrichtungen per se ohne Weiteres zur Sachverhaltsermittlung eignen, es also eine „Amtsermittlung“ unter dem ausschließlichen Einsatz „automatischer Einrichtungen“ durchaus geben kann1362, bleiben diese in Bezug auf ihre inhaltlichen Forderungen weitgehend unspezifisch und treffen stattdessen nur an den Zielvorstellungen orientiere Aussagen: Bedeutsame Einzelfallumstände, „die im automatisierten Verfahren nicht ermittelt würden“, müssen demnach trotz der grundsätzlichen Absenz menschlicher Einflüsse von der Behörde berücksichtigt werden, wobei allerdings offenbleibt, auf welche Art und Weise diese Berücksichtigung stattzufinden hat.1363 Lediglich das Steuerverfahrensrecht wird in dieser Hinsicht präziser und umschreibt – anders als VwVfG und SGB X1364 – mit sog. qualifizierten Freitext- bzw. Datenfeldern, die gem. § 150 Abs. 7 S. 1 AO vorzuhalten sind und nach § 155 Abs. 4 S. 3 AO einen Anlass zur menschlichen Bearbeitung durch Amtsträger auslösen1365, sowie „automa­ tionsgestützten Systeme[n]“ „zur Beurteilung der Notwendigkeit weiterer Ermittlungen und Prüfungen“ (sog. Risikomanagementsysteme) zwei konkrete Instrumente zur Umsetzung der kompensatorischen Anforderungen, die 1360  So die h. M., vgl. BT-Drs. 18/8434, S. 121, 122; Schmitz/Prell, NVwZ 2016, 1273 (1277); Köhler, WzS 2018, 279 (283); Ramsauer/Tegethoff, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 35a, Rn. 2; deutlich auch Stegmüller, NVwZ 2018, 353 (357 f.), der die Ergänzungen deshalb für unnötig hält, sowie bereits § 2 A. VI. 2., B. VI. 2., C. Lediglich mit den steuerverfahrensrechtlichen Regelungen der §§ 88 Abs. 5, 150 Abs. 7 S. 1 AO sind angesichts ihres höheren Konkretisierungsgrads verstärkt konstitutive Wirkungen verbunden. 1361  Vgl. BT-Drs. 18/8434, S. 121, 122; 18/7457, S. 48  f., 69 f.; Beirat VwVfR, NVwZ 2015, 1114 (1116); Kallerhoff/Fellenberg, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 24, Rn. 57c; Mutschler, in: BeckOGK Sozialrecht, § 31a SGB X, Rn. 15.; Luthe, in: jursPK-SGB X, § 31a, Rn. 48. 1362  Berger, DVBl. 2019, 1234 (1236); dies., in: Knack/Henneke, VwVfG, § 35a, Rn. 53; vgl. auch Hoffmann-Riem, AöR 145 (2020), 1 (28); ders., Recht im Sog der digitalen Transformation, S.  256 f. 1363  Vgl. Kallerhoff/Fellenberg, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 24, Rn. 57d. 1364  Der Grund für die sehr offene Formulierung war hierbei wohl das außerordentlich breite Anwendungsfeld des VwVfG und SGB X, vgl. Schmitz/Prell, NVwZ 2016, 1273 (1277). 1365  Vgl. BT-Drs. 18/7457, S. 79, 83; Volquardsen in: Schwarz/Pahlke, Erstkomm. BestVerfModG, § 88 AO, Rz. 28.

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§ 5 Verfassungs-, Unions- und Verfahrensrecht

unmittelbar aber ausschließlich für abgabenrechtliche Verfahren Geltung beanspruchen. Ausgehend von der Diskrepanz zwischen einerseits nur zielorientierten Vorgaben und andererseits der Benennung spezifischer Maßnahmen soll im Folgenden der Versuch unternommen werden, unabhängig von der fachlichen Prägung der jeweiligen Verfahren bestehende Merkmale und Anforderungen der verlangten Berücksichtigung bedeutsamer Einzelfallumstände freizulegen, um auf deren Grundlage allgemeinere Lehren im Hinblick auf rechtsstaatlich notwendige, kompensatorische Mechanismen im Rahmen einer automatisiert durchgeführten Amtsermittlung formulieren zu können. aa) Q  ualifizierte Freitextfelder und automatisierte Äußerungsaufforderungen mit Aussteuerungsfolge als individualitätsintegrativer Mechanismus Wie es die §§ 24 Abs. 1 S. 3 VwVfG, 31a S. 2 SGB X im Ansatz bereits zum Ausdruck bringen, drängen die technisch geprägten Informationsermittlungs- und -akkumulationsprozesse einer automatisierten Sachverhaltsermittlung zuvörderst auf einen die Individualitäten des Einzelfalles integrierenden Mechanismus, welche in den standardisierten Eingabemasken und Datenübermittlungsformularen nicht abgebildet werden können. (1) Schnittstellen zur Implementation individuellen Vorbringens In diesem Sinne muss in dem eingesetzten Entscheidungssystem zunächst überhaupt eine konzeptionelle Möglichkeit seitens des Betroffenen angelegt sein, individuelle Umstände und Besonderheiten des Falles in das konkrete Verwaltungsverfahren einfließen zu lassen1366, wobei der Behörde hinsichtlich der technischen Umsetzung einer solchen Integration individuellen Vorbringens verschiedene und nicht auf bestimmte Verfahren festgelegte Optionen zur Verfügung stehen, solange der individuelle Charakter der möglichen Eingaben gewahrt bleibt, der für die kompensatorische Funktion gegenüber standardisierungsbedingten Ermittlungsdefiziten freilich eine entscheidende Rolle spielt.1367 1366  Kallerhoff/Fellenberg, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 24, Rn. 57d; Martini, in: Kahl/Ludwigs, HdbVwR I, § 28, Rn. 45; Bull, Der Staat 58 (2019), 57 (77 f.); vgl. auch BT-Drs. 18/8434, S. 122; Prell, apf 2017, 237 (240); Guckelberger, Öffentliche Verwaltung, Rn.  686 f.; dies., in: FS Herberger, 397 (410); Schmitz/Prell, NVwZ 2016, 1273 (1277); Beirat VwVfR, NVwZ 2015, 1114 (1115); Siegel, DVBl. 2017, 24 (27) sowie G. Kirchhof, in: FS BFH, 361 (382), der im Kontext des Steuerrechts von einem „Individualisierungsvorbehalt“ spricht. 1367  Vgl. auch Kallerhoff/Fellenberg, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, §  24, Rn. 57d; Prell, apf 2017, 237 (240).



C. Verfahrensgrundsätze vollautomatisierter Verwaltungsverfahren345

Im Ausgangspunkt ließe sich das individuelle Vorbringen so beispielsweise auch per aufgezeichneter Sprachnachricht oder eingescannter handschriftlicher Bemerkungen berücksichtigen. Vor allem in Antragsverfahren werden sich angesichts ihrer leichten Realisierbarkeit und Eingängigkeit in der Nutzung aber oftmals qualifizierte Freitextfelder als zweckmäßigste Variante herauskristallisieren, in die der Betroffene frei von inhaltlichen und formalen Restriktionen in maschinenschriftlicher Form die seiner Meinung nach besonderen Fallumstände eintragen kann.1368 Unnötige Medienbrüche werden dabei gleichzeitig vermieden. Keine zulässige Vorgehensweise ist dagegen in technischen Vorkehrungen zu erblicken, die lediglich ein Ankreuzen einschlägiger Umstände ermöglichen1369 oder andere enumerativ geprägte Auswahloptionen (z. B. drop down-Listen) vorhalten1370, da solche Ansätze erneut ein Mindestmaß an Typisierung der anwählbaren Optionen erforderlich machen und damit der rechtsstaatlich geforderten Individualität der möglichen Angaben nicht ausreichend Rechnung tragen, sofern diese nicht ihrerseits wieder durch ein freies Textfeld oder andere, individuelle Eingaben ermöglichende Maßnahmen flankiert werden. Der Umstand, dass der Berücksichtigungsmechanismus zudem vor allem auf den „Normalfall“ übersteigende Individualitäten, Komplexitäten oder fallbezogene Atypien ausgerichtet ist, die naturgemäß ohnehin kaum einer standardisierten Abbildung zugänglich wären, kommt hier noch erschwerend hinzu. Schwieriger gestaltet sich die Umsetzung eines die Einzelfallindividualität integrierenden Mechanismus schließlich bei Fallkonstellationen, die nicht dem Typus eines Antragsverfahrens entsprechen, wo häufig von vornherein in größerem Umfang auf Mitwirkungsbeiträge des Betroffenen in Form von Anträgen, Erklärungen etc. zurückgegriffen wird und dadurch bereits natürliche Schnittstellen für individuelle Einzelfallangaben existieren. Nichtsdestotrotz kann auch in automatisierten Offizialverfahren eine rechtsstaatlich absichernde Erhebung indivi­duellen Vorbringens technisch sichergestellt werden, indem bei1368  Vgl. Guckelberger, VVDStRL 78 (2019), 235 (267); Bull, Der Staat 58 (2019), 57 (77); Prell, apf 2017, 237 (240); Kallerhoff/Fellenberg, in: Stelkens/Bonk/ Sachs, VwVfG, § 24, Rn. 57d; v. Harbou, JZ 2020, 340 (343). Zur Frage einer dahingehenden Ausfüllungspflicht im steuerrechtlichen Kontext Spatscheck/Spilker, DStR 2021, 2161 (2163, 2167). 1369  So aber Kallerhoff/Fellenberg, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, §  24, Rn. 57d; vgl. für das Steuerverfahren auch Seer, in: Tipke/Kruse, FGO/AO, § 155 AO, Rz. 56. 1370  Vgl. im unionsrechtlichen Kontext auch Martini/Nink, NVwZ-Extra 10/2017, 1 (4). Zum Teil werden auch Ankreuzfelder für möglich gehalten, die den Bürger auf die Beifügung einer formlosen persönlichen Anlage verweisen, vgl. Baum, NWB 2016, 2636 (2642). Eine solche Vorgehensweise erscheint zwar vor dem Hintergrund der Wahrung des individuellen Charakters der Angaben als grundsätzlich möglich (hier würde allein durch die Auswahl ausgesteuert), angesichts etwaig entstehender Medienbrüche aber nicht unbedingt als zweckmäßig.

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§ 5 Verfassungs-, Unions- und Verfahrensrecht

spielsweise dem Betroffenen vor einer automatisiert erzeugten Verwaltungsentscheidung eine mit Fristsetzung versehene Aufforderung zur Eingabe fallrelevanter Besonderheiten in ein zur Verfügung gestelltes Portal selbst­ tätig durch das System zugestellt wird, die ggfls. mit Informationen über den im Falle der Nichtäußerung zugrunde gelegten Sachverhalt kombiniert werden kann.1371 In besonders eilbedürftigen Verfahren, die eine vorherige Äußerungsmitteilung nicht zulassen, wird darüber hinaus der (vollautomatisierte) Erlass eines aufschiebend bedingten Bescheides vorgeschlagen, der seine Wirksamkeit erst dadurch erlangt, dass sich der Betroffene nicht innerhalb einer bestimmten Frist bei der Amtsstelle meldet (konkludente oder ausdrückliche Anerkennung).1372 Die Beifügung eines Hinweises, dass aufgrund der vollautomatisierten Bescheidung lediglich das Vorbringen in Gestalt der formularmäßigen Angaben berücksichtigt wird1373, erscheint zwar verwaltungskommunikativ sachgerecht, lässt sich aber nicht als zwingende Voraussetzung aus rechtsstaatlichen Postulaten ableiten, zumal diese Eigenheit automatisierter Verfahren bereits hinreichend aus den Rahmenbedingungen des Verfahrens ersichtlich wird und hinsichtlich der Validität und Vollständigkeit der betroffenenseitigen Angaben ohnehin keinen Unterschied machen darf. (2) T  atsächliche Berücksichtigung individueller Angaben durch Aussteuerung Neben der konzeptuellen Möglichkeit ihres Vorbringens setzt eine nicht nur placebohafte Integration von Einzelfallumständen des Weiteren voraus, dass diese im Verwaltungsverfahren auch tatsächliche Berücksichtigung erfahren.1374 Diesem Erfordernis kann in vollautomatisierten Verfahren sodann nur dadurch Rechnung getragen werden, dass den individuellen Angaben des Betroffenen eine Aussteuerung des konkreten Verfahrens aus den automatisierten Arbeitsprozessen bei gleichzeitiger Überantwortung an menschliche 1371  Vgl. im Kontext der Anhörung bereits Degrandi, Die automatisierte Verwaltungsverfügung, S.  100 f.; Lazaratos, Rechtliche Auswirkungen der Verwaltungsautomation, S.  203 ff.; Pitschas, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Folke Schuppert, Reform des Allgemeinen Verwaltungsrechts, 219 (295); Eifert, E-Government, S. 143 in Fn. 538. 1372  Degrandi, Die automatisierte Verwaltungsverfügung, S. 99; Lazaratos, Rechtliche Auswirkungen der Verwaltungsautomation, S. 205 ff. 1373  Beirat VwVfR, NVwZ 2015, 1114 (1116); zustimmend wohl Guckelberger, in: FS Herberger, 397 (409 f.); vgl. auch Wischmeyer, AöR 143 (2018), 1 (22); Martini, JZ 2017, 1017 (1020). 1374  BT-Drs. 18/8434, S.  122; Kallerhoff/Fellenberg, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 24, Rn. 57e; vgl. auch Frotscher, in: Schwarz/Pahlke, Erstkomm. BestVerfModG, § 155 AO, Rz. 13; Bull, Der Staat 58 (2019), 57 (78).



C. Verfahrensgrundsätze vollautomatisierter Verwaltungsverfahren347

Behördenmitarbeiter nachfolgt.1375 Die notwendige Aussteuerungsfolge stellt sich dabei zuvörderst als unmittelbare Konsequenz der Rahmenbedingungen individuellen Vorbringens dar, zumal individuelle, also keinen formalen oder inhaltlichen Restriktionen unterworfene Angaben denknotwendig nur in menschlicher Sprache formuliert und kommunikativ transportiert werden können, eine tatsächliche und kognitiv getragene Berücksichtigung solchen Vorbringens aber – ausgehend von bis auf Weiteres kaum behebbaren sprachkognitiven Schwächen technischer Anlagen – nach derzeitigem Technikstand schlichtweg nicht von einem algorithmischen Entscheidungssystem geleistet werden kann1376 und sich auch jede schematisierte oder antizipierte Form der Berücksichtigung – sofern überhaupt möglich – vor dem Hintergrund des individuellen Charakters der möglichen Angaben verbietet. Dies gilt unabhängig von der technischen Implementation der Einspeisungskanäle des individuellen Vorbringens selbst für solche Umsetzungsvarianten, die die individuellen Eingaben in unmittelbar technisch verwertbarer, also mit den tech­ nischen Schnittstellen des Entscheidungssystems kommunikationsfähiger Form1377 vorhalten, da auch diese sprachliche Angaben darstellen und insofern sprachliche Kognitionsfähigkeiten erforderlich machen, die technisch derzeit nicht simulier- bzw. substituierbar sind. Im Übrigen ist auch der Nachprüfungsaspekt der Integrationsmöglichkeit individuellen Vorbringens zu betonen, der eine Kompensation des Wegfallens menschlicher Einflüsse auf Entscheidungsebene und auch deshalb eine menschliche Berücksichtigung der individuellen Umstände verlangt.1378 Ausgehend von der Zweckmäßigkeit qualifizierter Freitextfelder und der sprachkognitiven Notwendigkeit einer Aussteuerungsfolge lässt sich damit letztlich eine nicht unerhebliche Kongruenz zwischen den verschiedenen Verfahrensordnungen zumindest dahingehend feststellen, dass im Kontext einer automatisierten Amtsermittlung 1375  BT-Drs. 18/8434, S.  122; Kallerhoff/Fellenberg, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 24, Rn. 57e; Berger, in: Knack/Henneke, VwVfG, § 35a, Rn. 52; Prell, apf 2017, 237 (240); Schmitz/Prell, NVwZ 2016, 1273 (1277); Beirat VwVfR, NVwZ 2015, 1114 (1115); Bull, Der Staat 58 (2019), 57 (77 f.); Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 24, Rn. 8; vgl. auch Kube, VVDStRL 78 (2019), 289 (323); Seer, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 155 AO, Rz. 47; § 150 AO, Rz. 50; Hoffmann-Riem, AöR 145 (2020), 1 (28); Mellinghoff, in: FS BFH, 421 (428, 434 f.); P. Kirchhof, DStR 2018, 497 (501); Siegel, DVBl. 2017, 24 (27). 1376  Vgl. zu den technischen Schwierigkeiten von Algorithmen im Umgang mit Sprache Wischmeyer, AöR 143 (2018), 1 (17 f., 41 in Fn. 164); im unionsrechtlichen Kontext Martini/Nink, NVwZ-Extra 10/2017, 1 (4). 1377  Dies wäre z. B. bei Freitextfelder der Fall, in die maschinenschriftliche und damit unmittelbar computerlesbare Angaben gemacht werden können. Nicht unmittelbar verwertbar wegen zusätzlicher Medienbrüche wären dagegen etwa eingescannte handschriftliche Einlassungen, Sprachaufzeichnungen etc. 1378  Vgl. Berger, DVBl. 2019, 1234 (1237); dies., in: Knack/Henneke, VwVfG, § 35a, Rn. 26.

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§ 5 Verfassungs-, Unions- und Verfahrensrecht

und deren spezifischen Anforderungen die Postulate der §§ 24 Abs. 1 S. 3 VwVfG und 31a S. 2 SGB X mit den zwingenden Vorgaben des Steuerverfahrensrechts, das gem. §§ 150 Abs. 7 S. 1, 155 Abs. 4 AO ebenfalls zwingend aussteuernde Freitextfelder vorsieht, de facto regelmäßig nicht wesentlich auseinanderfallen werden.1379 (3) Grenzen der Integration individuellen Vorbringens Wie bereits aus der Eingrenzung auf „für den Einzelfall bedeutsame“ Umstände in den §§ 24 Abs. 1 S. 3 VwVfG, 31a S. 2 SGB X hervorgeht, sollen die einzelfallintegrativen Mechanismen des Entscheidungssystems nicht durch jedes beliebige Vorbringen in Gang gesetzt werden.1380 Insbesondere darf eine durch individuelle Angaben (in einem Freitextfeld oder auf sonstige Weise) veranlasste Aussteuerungsmöglichkeit nicht als missbräuchliches Umgehungsinstrument verstanden werden, das den vollautomatisierten Ablauf des Verwaltungsverfahrens – durch die Eingabe individueller Angaben – letztlich der freien Disposition des Beteiligten überließe, zumal die §§ 24 Abs. 1 S. 3 VwVfG, 31a S. 2 SGB X keineswegs ein Recht auf individuelle Prüfung in jedem Einzelfall voraussetzen.1381 Zwingend ist die personelle (Weiter-)Bearbeitung nach „gewillkürter“ Aussteuerung daher nur dann, wenn die gemachten individuellen Angaben tatsächliche Relevanz für das konkrete Verfahren zeitigen, die rein automatisierte Bearbeitung des konkreten Sachverhalts durch das eingesetzte Entscheidungssystem selbst also die individuellen Umstände des Einzelfalles nicht oder nicht hinreichend abbilden würde.1382 Erforderlich wird insofern eine vorgelagerte Relevanzprüfung der gemachten Angaben, die darüber entscheidet, ob das Verfahren tatsächlich ausgesteuert bleibt und in der Folge menschlich zu bearbeiten oder (wegen fehlender Relevanz der Angaben) in die automatisierten Arbeitsabläufe zurückzuführen ist1383. Auch wenn zum Teil eine automatisierte Erledigung dieser 1379  Diesen

Umstand begrüßt auch Guckelberger, Öffentliche Verwaltung, Rn. 686. in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, §  24, Rn.  57e; Mutschler, in: BeckOGK Sozialrecht, § 31a SGB X, Rn. 13; Heße, in BeckOK SozialR, § 31a SGB X, Rn. 5. 1381  Prell, apf 2017, 237 (241); Kallerhoff/Fellenberg, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 24, Rn. 57e; Schmitz/Prell, NVwZ 2016, 1273 (1277); vgl. auch bereits Schmidt/Schmitt, in: FS Spindler, 529 (546). 1382  Vgl. Prell, apf 2017, 237 (241); vgl. auch Kallerhoff/Fellenberg, in: Stelkens/ Bonk/Sachs, VwVfG, § 24, Rn. 57e. 1383  Zur Möglichkeit der Rückführung ins automatisierte Verfahren bereits § 3 C. 5. c). 1380  Kallerhoff/Fellenberg,



C. Verfahrensgrundsätze vollautomatisierter Verwaltungsverfahren349

Relevanzprüfung für möglich gehalten wird1384, muss an dieser Stelle richtigerweise auf einer menschlichen Prüfung durch Behördenmitarbeiter beharrt werden1385: Dies ergibt sich zum einen daraus, dass schon hinsichtlich der Automatisier- bzw. Standardisierbarkeit der in Rede stehenden Relevanzprüfung erhebliche Zweifel bestehen, die sich ausgehend vom individuellen Charakter der frei gemachten Angaben kaum vernünftig antizipieren lassen dürfte und auch selbstlernende Lösungen hier wohl keinen wirklichen Erfolg versprechen1386.1387 Es stellte sich zudem die Frage, warum – bei unterstellter Antizipierbarkeit der Relevanz des Tatsachenvorbringens – diese Erkenntnisse nicht von vornherein im Entscheidungssystem abgebildet und von diesem im Rahmen der automatisierten Sachverhaltsermittlung abgefragt wurden, so dass für ein individuelles Vorbringen ggfls. gar kein Anlass bestanden hätte.1388 Des Weiteren ließe sich die Notwendigkeit einer menschlichen Bearbeitung auch aus dem Nachprüfungscharakter der Relevanzprüfung ableiten, der einer Automatisierung ohnehin a priori entgegensteht.1389 Schließlich sprechen aber vor allem rechtsstaatliche Gründe gegen eine automatisierte Relevanzprüfung der gemachten Angaben, ruft man sich Zweck und Funktion der durch Freitextfeld mit Aussteuerungsfolge verwirklichten Einzelfallintegration ins Gedächtnis: Da diese als rechtstaatlich absicherndes Instrument gegen eine durch Schematisierung der Amtsermittlung drohende Einzelfallblindheit und zur Sicherstellung gesetzmäßiger Entscheidungen zum Einsatz kommt, darf der einzelfallintegrative Mechanismus im Rahmen eines juristischen Entscheidungssystems gerade nicht dadurch unterwandert werden, dass seine innersten Funktionsprinzipien wiederum in entscheiden1384  Vgl. etwa Schmitz/Prell, NVwZ 2016, 1273 (1277); Prell, apf 2017, 237 (241); Kallerhoff/Fellenberg, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 24, Rn. 57e. 1385  So i. E. wohl auch Luthe, in: Schlegen/Voelzke, jurisPK-SGB X, § 31a, Rn. 53; Köhler, WzS 2018, 279 (283 f.); Mutschler, in: BeckOGK Sozialrecht, § 31a SGB X, Rn. 13; v. Harbou, JZ 2020, 340 (343); vgl. ebenfalls bereits § 3 C. 5. c) mit Fn. 561. 1386  Da es in diesem Kontext nicht um eine negative Musterabgleichung in Form eines Aussortierens von Musterabweichungen ginge (vgl. § 5 B. I. 2. und insbes. II. 2. c) aa)), sondern ein positives und kognitiv-getragenes Verarbeiten eines individuellen Inputs zu leisten ist, erscheint insbesondere das Funktionsprofil von indeterminierten Prozessabläufen insoweit als wenig geeignet. 1387  Eine automatisierte Erkennung nicht relevanter Eingaben käme allenfalls bei zusammenhangslosen Zahlen- und Zeichenfolgen in Betracht, was aber nichts an der Notwendigkeit der strukturellen Vorhaltung eines menschlichen Prüfers ändert. 1388  Vgl. hierzu im Kontext eines vollautomatisierten Widerspruchsverfahrens auch Martini/Nink, DVBl. 2018, 1128 (1135). 1389  Vgl. im Kontext der Zwecke des verwaltungsrechtlichen Widerspruchsverfahrens Martini/Nink, DVBl. 2018, 1128 (1135); Berger, DVBl. 2019, 1234 (1237), die beim „Wegfall der menschlichen Entscheidungsebene“ eine Kompensation „auf der Kontrollebene“ verlangt; vgl. auch dies., in: Knack/Henneke, VwVfG, § 35a, Rn. 26; Guckelberger, VVDStRL 78 (2019), 235 (272 f.).

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dem Umfang auf Standardisierungen beruhen und damit letztlich unter dem Deckmantel einer rechtsstaatlich absichernden Aussteuerung nur eine weitere Ebene nicht einzelfallinklusiver Schematisierung darstellen. Findet aufgrund fehlender Fallrelevanz der Angaben sodann eine Rückführung in die automatisierten Verfahrensabläufe statt, so kann die begriffliche Prägung als vollständig automatisiert erlassener Verwaltungsakt lediglich insoweit bestehen bleiben, als keine echte sachliche Prüfung des Einzelfalls stattfand. Endgültig ausgesteuerte Verfahren münden dagegen nicht mehr in vollständig automatisierten Erlass eines Verwaltungsakts.1390 Im Gegensatz zu §§ 24 Abs. 1 S. 3 VwVfG und 31a S. 2 SGB X scheint das Steuerverfahrensrecht auf den ersten Blick sodann strengere Maßstäbe hinsichtlich der Grenzen einer Integrierung individuellen Vorbringens an­ zulegen, wo gem. § 155 Abs. 4 S. 3 AO Angaben des Steuerpflichtigen „in einem dafür vorgesehenen Abschnitt oder Datenfeld“ i. S. d. § 150 Abs. 7 S. 1 AO, „die nach seiner Auffassung Anlass für eine Bearbeitung durch Amtsträger sind“, einen regelbeispielhaft genannten Anlass zur menschlichen Bearbeitung darstellen und damit offenbar ohne weitere Einschränkungen eine Aussteuerung verlangen. Doch auch dort besteht der Anlass zur Bearbeitung durch Amtsträger nur „soweit“ Angaben i. S. d. § 150 Abs. 7 S. 1 AO in den Freitext- bzw. Datenfeldern gemacht wurden, wodurch die Pflicht zur manuellen Bearbeitung von vornherein nur im Umfang der Eintragung entstehen kann.1391 Erweisen sich die Angaben im Freitext- bzw. Datenfeld als offensichtlich nicht fallrelevant oder können diese keinerlei Auswirkungen auf eine abweichende Steuerfestsetzung haben, so ist eine individuelle menschliche Prüfung – ähnlich zu den Regelungen der §§ 24 Abs. 1 S. 3 VwVfG, 31a S. 2 SGB X – insgesamt als nicht erforderlich anzusehen, so dass im Ergebnis auch hier kein willkürlicher Ausschluss des automatisierten Verfahrens durch Inanspruchnahme der Möglichkeiten individuellen Vorbringens möglich ist.1392 Derartige Verfahren können dann gleichermaßen in die automatisierten Abwicklungsprozesse zurückgeführt werden.1393 Die festge1390  Zum Vorliegen eines vollständig automatisiert erlassenen Verwaltungsakts im Kontext von Aussteuerungsmechanismen § 3 C. II. 5. 1391  Rosenke, BeckOK AO, § 155, Rn. 237. 1392  So zu Recht auch Rüsken, in: Klein, AO, Art. 155, Rn. 56; a. A. offenbar Trossen, AO-StB 2017, 309 (310); Baldauf, DStR 2016, 833 (835) („Antragsrecht auf personelle Bearbeitung“) unter Verweis auf die Gemeinsame Stellungnahme des Deutschen Richterbundes und des Bundes Deutscher Finanzrichterinnen und Finanzrichter zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens v. 27.8.2015, Nr. 20/15, S. 11 (zu § 88 Abs. 6 AO-E); auf die faktische Ausschlussmöglichkeit hinweisend Seer, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 155 AO, Rz. 56; Schmidt, Das modernisierte Besteuerungsverfahren, S. 185 f.; vgl. auch Bull, DVBl. 2017, 409 (414) („niederschwellige […] Möglichkeit“). 1393  Rüsken, in: Klein, AO, Art. 155, Rn. 56.



C. Verfahrensgrundsätze vollautomatisierter Verwaltungsverfahren351

stellte Beachtlichkeit nur relevanten Vorbringens in der AO gebietet letztlich auch der verfahrensrechtliche Gleichlauf zwischen den verschiedenen Verfahrenssäulen, wie er im Grundsatz vom Gesetzgeber des BestVerfModG angestrebt wurde.1394 Teleologische Gründe einer fachrechtlichen Differenzierung dahingehend, dass im Steuerverfahrensrecht auch die Eingabe etwa wirrer Zahlen- und Zeichenfolgen eine endgültige menschliche Bearbeitung herbeiführen können soll, sind hier jedenfalls ersichtlich. Alles in allem wird durch qualifizierte Freitextfelder mit Aussteuerungsfolge ein entscheidender Beitrag zur Berücksichtigungsfähigkeit der Einzelfallindividualitäten geleistet werden, die andernfalls kaum in den standardisierten Informationsakkumulations- und -bereitstellungsprozessen einer automatisierten Amtsermittlung abgebildet würden. bb) R  isikomanagementsysteme als strukturelle Plausibilitätsund Risikokontrolle Individuelle Eingabefelder mit Aussteuerungsfolge tragen – wie oben dargestellt – durch die Integration individueller Fallumstände in die automatisierten Verwaltungsverfahren maßgeblich zur Kompensation standardisierungsbedingter Amtsermittlungsdefizite bei, reichen aber isoliert noch nicht aus, um das vom Untersuchungsgrundsatz rechtsstaatlich geforderte Maß an Sachrichtigkeit der automatisiert getroffenen Entscheidungen im Einzelfall herzustellen. Insbesondere verlassen sich individuelle Eingabemöglichkeiten zum einen ausschließlich auf die Handlungsbereitschaft und Kenntnisse des Betroffenen, der letztlich aktiv die Eingaben veranlassen muss, sich als oftmals rechtsunkundiger Bürger aber ggfls. gar nicht der Relevanz individueller oder sogar atypischer Fallumstände für das Verfahren gewahr ist oder möglicherweise auch bewusst Eingaben unterlässt, weil sich davon Vorteile versprochen werden.1395 Dabei müssen freilich auch in solchen Situationen Atypien und Individualitäten zur Erzeugung sachrichtiger Einzelentscheidungen berücksichtigt werden. Für Sachverhaltsinformationen, die vom Betroffenen oder etwa mitteilungspflichtigen Dritten außerhalb individueller Eingabemöglichkeiten zum Beispiel über Eingabemasken, Übermittlungsformulare 1394  Vgl.

BT-Drs. 18/8434, S. 120 ff.; vgl. hierzu auch bereits § 3 B. II. Guckelberger, VVDStRL 78 (2019), 235 (267). Vgl. zudem v. Harbou, JZ 2020, 340 (343); Hähnchen/Schrader/Weiler/Wischmeyer, JuS 2020, 625 (628); G. Kirchhof, in: FS BFH, 361 (378 f.). Guckelberger, Öffentliche Verwaltung, Rn. 447 stellt insoweit zielführende (und bereits bei der Entscheidung über eine Vollautomatisierung zu berücksichtigende) Überlegungen an, wie beim Bürger diesbzgl. bestehende Wissensnachteile abgemildert werden könnten, etwa durch Illustration typischer „Normalfälle“ oder Sensibilisierung für mögliche Besonderheiten im Rahmen des automatisierten Verfahrens. 1395  Vgl.

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§ 5 Verfassungs-, Unions- und Verfahrensrecht

und Datenabgleiche1396 erhoben wurden und dem System bereits in normalisierter Form vorliegen, verbietet es zum anderen das besondere öffentliche Interesse an der sachlichen Richtigkeit hoheitlicher Entscheidungen, dass diese quasi ungeprüft ohne weitere Plausibilitätskontrolle der Entscheidungsfindung zugrunde gelegt werden.1397 Insofern bedarf es neben aussteuernden Freitext- bzw. Datenfeldern noch eines weiteren kompensatorischen Mechanismus, der einerseits eine nachvollziehende Plausibilitätskontrolle von extern herrührenden Falldaten und andererseits eine von Betroffeneneingaben unabhängige Risikoevaluation hinsichtlich der sachrichtigen Entscheidbarkeit eines bestimmten Sachverhalts durch das automatisierte Entscheidungssystem in sich vereint und damit die noch offenen Flanken der automatisierten Sachverhaltsermittlung deckt. Dieses zweite Element zur Kompensation automationsbedingter Defizite in der Amtsermittlung wird dabei gemeinhin in sog. Risikomanagementsystemen erblickt1398, die als technische Subsysteme innerhalb eines juristischen Entscheidungssystems eine strukturelle Plausibilitäts- und Risikokontrolle der Sachverhalte leisten können. Wie schon bei den individuellen Eingabemöglichkeiten durch aussteuernde Freitext- und Datenfelder gem. §§ 150 Abs. 7 S. 1, 155 Abs. 4 S. 3 AO liefert das Steuerverfahrensrecht jedenfalls seit Erlass des BestVerfModG1399 auch im Kontext von Risikomanagementsystemen die bei Weitem ausdifferenziertesten Regelungen, nicht nur, weil 1396  Vgl.

zu den Einspeisungsmethoden § 5 C. I. 2. a). Seer, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 155 AO, Rz. 46; Mellinghoff, in: FS BFH, 421 (428); allg. zum Erfordernis einer zumindest nachvollziehenden Kontrolle Ziekow, VwVfG, § 24, Rn. 10; Ramsauer, in Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 24, Rn. 6, 9 f.; im sehr stark auf kooperative Amtsermittlungsformen zurückgreifenden Steuerverfahrensrecht wird insofern von einer strukturellen Verifikationspflicht gesprochen, vgl. BVerfG BStBl. II 1991, 654 = BVerfGE 84, 239; BStBl. II 2005, 56 = BVerfGE 110, 94; BFH GrS BStBl. II 2016, 265 (Rz. 77); Jansen, Das Steuerverfahren im Spannungsfeld von Europa- und Verfassungsrecht, S. 30 ff.; Seer, StbJb. 2016/2017, 539 (543, 549); ders., in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 88 AO, Rz. 4. 1398  Vgl. BT-Drs. 18/7457, S. 48 f., 69 f.; Braun Binder, in: Seckelmann, Digitalisierte Verwaltung, Kap. 12, Rn. 11; dies., in: Jusletter IT vom 22. September 2016, Rz. 10; Baldauf, DStR 2016, 833 (836); Berger, DVBl. 2019, 1234 (1236); Seer, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 155 AO, Rz. 46; ders., StuW 2015, 315 (324); ders., StbJb 2016/2017, 539 (549 f.); Frotscher, in: Schwarz/Pahlke, Erstkomm. BestVerfModG, § 155 AO, Rz. 4; Mellinghoff, in: FS BFH, 421 (428); Kaluza/Baum, NWB 2013, 2728 (2730 f.); vgl. auch Guckelberger, Öffentliche Verwaltung, Rn. 446. 1399  Auch schon vor Erlass des BestVerfModG bot das Steuerverfahrensrecht den am weitesten fortgeschrittenen Anknüpfungspunkt für Risikomanagementsysteme, insbes. mit der Verordnungsermächtigung des § 88 Abs. 3 S. 1 AO a. F., die durch das Steuerbürokratieabbaugesetz vom 20.12.2008 eingefügt wurde (vgl. BT-Drs. 16/10940, S.  9 f.; Haunhorst, DStR 2010, 2105 (2107)), bis zu ihrer Aufhebung im Zuge des BestVerfModG aber letztlich ungenutzt blieb, s. Maier, JZ 2017, 614 (Fn. 8); Baldauf, DStR 2016, 833 (835) sowie bereits § 2 B. IV. in Fn. 248 und VI. 2. 1397  Vgl.



C. Verfahrensgrundsätze vollautomatisierter Verwaltungsverfahren353

dort bereits sehr weitgehend die strukturellen Rahmenbedingungen automationsgestützter Verwaltungsentscheidungen (in Form von elektronischen Erklärungsportalen, Datenübermittlungen mitteilungspflichten Dritter etc.) bestehen, sondern angesichts riesiger und jährlich wiederkehrender Fallquanti­ täten1400 und einer in der Folge nur mehr an der strukturellen Verifikation ausgerichteten, kooperativen Amtsermittlung1401 gleichzeitig auch eine enorme Notwendigkeit automatisierter Risikomanagementsysteme existiert. Insbesondere werden in § 88 Abs. 5 AO n. F. Risikomanagementsysteme nicht nur ausdrücklich erwähnt und legaldefiniert, sondern im Sinne einer umfassenden Rechtsgrundlage auch konkreten Mindestanforderungen und weiteren Vorgaben unterworfen.1402 In den anderen Verfahrensordnungen finden sich dagegen – abgesehen von den sehr allgemeinen Postulaten der §§ 24 Abs. 1 S. 3 VwVfG, 31a S. 2 SGB X, die eine Berücksichtigungspflicht einzelfallbedeutsamer Angaben in automatisierten Verfahren vorsehen – keine weiterführenden Kodifizierungen, worin einerseits die Bestätigung eines dahingehenden gesetzgeberischen Defizits1403, andererseits die Anerkennung eines entsprechenden Ausgestaltungsspielraums der jeweiligen Verwaltungen gesehen werden kann. Nichtsdestotrotz ist der Einsatz von Risikomanagementsystemen keineswegs auf das Steuerverfahrensrecht beschränkt, sondern stellt auch in den übrigen Verfahrenssäulen ein wirksames und – unter den Anforderungen der §§ 24 Abs. 1 S. 3 VwVfG, 31a S. 2 SGB X – sogar notwendiges Instrument zur Sicherstellung der rechtstaat­ lichen Anforderungen an eine automatisierte Sachverhaltsermittlung dar.1404 Die Ausführungen zu Risikomanagementsystemen gelten daher im Ausgangs­ punkt für sämtliche Verfahrenssäulen.

1400  Vgl. Seer, in: Tipke/Lang, SteuerR, § 21, Rz. 5 (jährlich mehr als 120 Mio. Verwaltungsakte der Finanzämter); ders., StbJb 2016/2017, 539 (540) unter Verweis auf BRH, Bericht über den Vollzug der Steuergesetze v. 17. Jan. 2012, S. 11 (ca. 38 Mio. Steuererklärungen im Jahr 2009); vgl. auch BMF, Die Steuerverwaltung in Deutschland, S. 23; BT-Drs. 17/1351, S. 2. 1401  Vgl. Seer, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 88 AO, Rz. 4; Drüen, DStJG 31 (2008), 167 (169 ff.). 1402  Vgl. Baldauf, DStR 2016, 833 (836) und Trossen, FR 2015, 1021 (1022). 1403  Hierzu bereits § 2 A. VI. 3. a) und E. sowie § 4 B. II. 3. c) dd) (3). 1404  Vgl. auch Berger, NVwZ 2018, 1260 (1263); dies., DVBl. 2019, 1234 (1236); Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 24, Rn. 8; ebenso Schröder, VerwArch 110 (2019), 328 (341); Hähnchen/Schrader/Weiler/Wischmeyer, JuS 2020, 625 (635) sprechen insoweit von einer „Vorbildwirkung für das gesamte Verwaltungsrecht“; indifferent diesbzgl. noch Braun Binder, in, Seckelmann, Digitalisierte Verwaltung, Kap. 12, Rn. 17. Guckelberger, Öffentliche Verwaltung, Rn. 688 hält insoweit offenbar zufällige Stichprobenprüfungen für ausreichend.

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§ 5 Verfassungs-, Unions- und Verfahrensrecht

(1) Funktionsweise und Zielsetzung von Risikomanagementsystemen Wie bereits oben angeschnitten wurde, handelt es sich bei Risikomanagementsystemen (im vorliegenden Kontext) um technische Subsysteme eines übergeordneten juristischen Entscheidungssystems (z. B. zur Erzeugung vollständig automatisierter Verwaltungsakte), deren Arbeitsprozesse im Sinne eines eigenständigen „Software-Layers“ grundsätzlich isoliert von anderen Funktionsebenen des Systems, insbesondere seinen rechtsanwendenden Komponenten1405 operieren. Ziel dieser risikoevaluierenden Softwarekomponenten ist es dabei, zur Sicherstellung der Gesetzmäßigkeit des Verwaltungshandelns spezifische Risiken einer automatisierten Entscheidung einzelner Sachverhalte anhand bestimmter Risikoindikatoren zu identifizieren und zu bewerten, die sich aus den automationsbedingten Ermittlungsdefiziten, mithin den notwendigen Standardisierungen und dem gesteigerten Rückgriff auf erklärte oder in sonstiger Weise extern erhobene Daten ergeben.1406 Der Gesetzgeber spricht insoweit eher kryptisch von der „systematischen Erfassung und Bewertung von Risikopotenzialen sowie der Steuerung von Reaktionen in Abhängigkeit von den festgestellten Risikopotenzialen“.1407 „Risiken“ und „Risikopotenziale“ eines Sachverhaltes knüpfen dabei freilich nicht an das Ausbleiben eines gewünschten Belastungserfolgs oder das Eintreten einer unliebsamen Begünstigung beim Betroffenen an1408, sondern beschreiben vielmehr eine auf gewisse Indikatoren gestützte Annahme, dass bei einem bestimmten Sachverhalt wahrscheinlich keine sachrichtige Entscheidung durch das automatisierte Entscheidungssystem getroffen werden kann1409, beispielsweise weil dem System Eingaben nicht schlüssig erscheinen, Anzeichen unvollständiger, falscher oder missbräuchlicher Angaben bzw. Sach­ verhaltsdaten bestehen oder sich Indizien einer möglicherweise atypischen 1405  Zur vorliegend vertretenen funktional-differenzierenden Betrachtungsweise § 5 B. II. 2. 1406  Vgl. Braun Binder, in: Seckelmann, Digitalisierte Verwaltung, Kap.  12, Rn. 11; dies., in: Jusletter IT vom 22. September 2016, Rz. 10; Seer, StuW 2015, 315 (324); ders., StbJb 2016/2017, 539 (549); Kaluza/Baum, NWB 2013, 2728 (2730 f.). 1407  BT-Drs. 18/7457, S. 69. 1408  Hierin wären unter dem Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung bzw. der Besteuerung ohnehin keine tragfähigen Maßstäbe zu erblicken, vgl. im Kontext der Besteuerungsgleichheit Seer, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 88 AO, Rz. 12 ff.; Tipke, Steuerrechtsordnung III, 1455 f.; vgl. auch Maier, JZ 2017, 614 (616 f.); Nagel/Waza, DStZ 2008, 321 (323); Schmidt/Schmitt, in: FS Spindler, 529 (530 f., 535) m. w. N. 1409  Vgl. im Kontext des Steuerrechts auch Nagel/Waza, DStZ 2008, 321 (323); Drüen, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 88 AO, Rz. 407; Münch, DStR 2013, 212; Baum, NWB 2015, 2850 (nicht ein möglicher Steuerausfall als „Risiko“, sondern die rechtswidrige Steuerfestsetzung als solche, unabhängig vom fiskalischen Erfolg); eingehend zu Begriff und Inhalt des „Risikos“ auch Drüen, DStJG 42 (2019), 193 (207 ff.).



C. Verfahrensgrundsätze vollautomatisierter Verwaltungsverfahren355

Sachverhaltskonstellation zeigen etc. Als Maßstab kann dem Risikomanagementsystem dabei freilich nicht der Ausschluss jedweden Risikos einer sachwidrigen Entscheidung zugrunde gelegt werden, was sich bei realistischer Betrachtung ohnehin nicht erreichen ließe.1410 Vielmehr muss es um eine unter Gesetzmäßigkeitsgesichtspunkten hinreichende Aufdeckungsquote1411 von wahrscheinlich nicht (sachrichtig) automatisiert entscheidbaren Einzelfällen gehen, durch die ein optimales Verhältnis zwischen den vorhandenen (naturgemäß begrenzten) Personalressourcen und gesetzmäßigen Verwaltungshandelns hergestellt wird.1412 Risikomanagementsysteme stellen damit keineswegs ein Substitut der rechtlichen Prüfung eines konkreten Einzelfalles dar1413, sondern sichern diese (hier in ihrem automatisierten Abwicklungsmodus) nur als eigenständige, von den rechtsanwendenden Komponenten grundsätzlich isolierte Funk­tionsebene strukturell ab. (2) Modellierungsansätze von Risikomanagementsystemen Hinsichtlich der technischen Umsetzung eines risikoevaluierenden „System-Layers“ bestehen im Ausgangspunkt zweierlei grundlegend verschiedene Modellierungsansätze, die je mit spezifischen Vor- und Nachteilen einhergehen.1414 (a) Der deterministische Ansatz Zum einen kann die Ausgestaltung von Risikomanagementsystemen auf sog. theoriegeleiteten Modellen basieren, die sich durch ihre deterministische Natur auszeichnen. Im Rahmen solcher Modellierungsansätze werden die für die anzustellende Risikoevaluierung maßgeblichen Risikoparameter, also 1410  Vgl. auch Volquardsen, in: Schwarz/Pahlke, Erstkomm. BestVerfModG, § 88 AO, Rz. 23. In diese Richtung tendenziell aber BRH, Bemerkungen zur Haushaltsund Wirtschaftsführung des Bundes v. 7. Dez. 2009, BT-Drs. 17/77, S. 178 f. 1411  Neumann, Sachverständigenauskunft zum Einsatz von RisikomanagementSystemen im Vollzug des Steuerrechts, S. 3 spricht insofern von „praktisch signifikanter Wahrscheinlichkeit, prüfungsrelevante Fälle zu erkennen“. 1412  Vgl. BT-Drs. 18/7454, S. 70; vgl. auch Schmidt/Schmitt, in: FS Spindler, 529 (540). 1413  Seer, StbJb 2016/2017, 539 (550); ders., DStZ 2016, 605 (609). 1414  Überblick zu den Modellierungsansätzen bei Neumann, Sachverständigenauskunft zum Einsatz von Risikomanagement-Systemen im Vollzug des Steuerrechts, S. 5 ff.; vgl. auch Meyer, JZ 2017, 614 (615); Schmidt, Das modernisierte Besteuerungsverfahren, S.  159 ff.

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§ 5 Verfassungs-, Unions- und Verfahrensrecht

diejenigen Mess- und Zuordnungsgrößen, die letztlich qua ihrer (angenommenen) indiziellen Kraft darüber entscheiden, ob ein Sachverhalt als „riskant“ einzuordnen ist,1415 auf der Basis von Hypothesen über bestimmte risikogeneigte Wirkzusammenhänge und vermutete Einflussfaktoren formuliert und vorweg im Risikomanagementsystem als konstante Entscheidungsregeln hinterlegt, wobei die eigentliche Prüfung des Risikopotenzials im Wege eines Abgleichs der standardisiert vorliegenden Sachverhaltsdaten mit den festgelegten Risikofaktoren erfolgt (sog. „In-or-Out“-Prüfung).1416 Als aussagekräftige Risikoparameter1417 eignen sich dabei zum einen rein objektive Kriterien, wie etwa Wertgrenzen oder Wertbereiche1418, Abweichungen von Daten übermittlungspflichtiger Dritter1419, Widersprüche innerhalb des erklärten Sachverhalts1420, eine Vielzahl von Einkunftsarten, risikogeneigte Branchen1421, Abweichungen von Branchenwerten, Auslandssachverhalte oder das Bestehen von Verlustvorträgen1422, erstmalig auftretende bzw. wegfallende Sachverhalte1423 etc., die je nach indizieller Kraft auch unterschiedlich gewichtet werden können. Zusätzliche Komplexität und ­ggfls. auch Genauigkeit kann dadurch gewonnen werden, dass die festgelegten Prüfungsparameter nicht nur absolute Größen und Grenzen enthalten, sondern auch Relationswerte, Abhängigkeiten zwischen mehreren Prüfungsparametern, Wertentwicklungen oder Wertschwankungen etwa zwischen 1415  Vgl. Baldauf, DStR 2016, 833 (836); Schmidt, Das modernisierte Besteuerungsverfahren, S. 155. 1416  Vgl. Meyer, JZ 2017, 614 (615); Neumann, Sachverständigenauskunft zum Einsatz von Risikomanagement-Systemen im Vollzug des Steuerrechts, S. 5; vgl. auch Schmidt, Das modernisierte Besteuerungsverfahren, S. 159 f. 1417  Einen kurzen Überblick bietet Schmidt, Das modernisierte Besteuerungsverfahren, S.  155 ff. 1418  BRH, Bemerkungen zur Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes v. 7. Dez. 2009, BT-Drs. 17/77, S. 177; BRH, Bericht über den Vollzug der Steuer­ gesetze v. 17. Jan. 2012, S. 11; Münch, DStR 2013, 212 (213); vgl. auch Baum, NWB 2015, 2850 (2851); Meyer, JZ 2017, 614 (615). 1419  Münch, DStR 2013, 212 (213); vgl. auch Baum, NWB 2015, 2850 (2851); Braun Binder, in: Jusletter IT vom 22. September 2016, Rz. 8; dies., in: Jusletter IT vom 25. Mai 2016, Rz. 16. 1420  Münch, DStR 2013, 212 (213). 1421  Schmidt/Schmitt, in: FS Spindler, 529 (543); vgl. auch Henselmann/Haller, DStR 2018, 1033 (1034) m. w. N. (z. B. bargeldintensive oder saisonalen Schwankungen unterworfene Branchen). 1422  Vgl. Henselmann/Haller, DStR 2018, 1033 (1035 ff.) mit weiteren potentiellen Risikofaktoren im Kontext der E-Bilanz-Taxonomie für die Auswahl von Betriebsprüfungen. 1423  BRH, Bemerkungen zur Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes v. 7. Dez. 2009, BT-Drs. 17/77, S. 177; Münch, DStR 2013, 212 (213).



C. Verfahrensgrundsätze vollautomatisierter Verwaltungsverfahren357

Veranlagungszeiträumen1424 oder dynamische Wertbereiche abbilden1425. Zum anderen kommt auch ein Rückgriff auf subjektive, also auf persönlichen Eigenschaften oder Umständen des Betroffenen beruhende Risikofaktoren in Betracht1426, beispielsweise sog. „Compliance-Faktoren“, die an das bisherigen Zahlungs- und Erklärungsverhalten oder eine kreative Gestaltungsvergangenheit anknüpfen, oder sonstige persönliche Merkmale des Betroffenen oder seiner Berater1427, wobei sich dort freilich in besonderem Maße grundrechtliche Problemlagen (insbesondere in Form von Diskriminierungen und 1424  BRH, Bemerkungen zur Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes v. 7. Dez. 2009, BT-Drs. 17/77, S. 177; BRH, Bericht über den Vollzug der Steuergesetze v. 17. Jan. 2012, S. 11; Münch, DStR 2013, 212 (213); vgl. auch Baum, NWB 2015, 2850 (2851). 1425  Vgl. Maier, JZ 2017, 614 (615). 1426  Hinsichtlich der Zulässigkeit einer Verwendung subjektiver Risikoparameter hat sich bisher keine einheitliche Linie gefunden. Während diese zum Teil begrüßt wird, vgl. etwa Haunhorst, DStR 2010, 2105 (2109); Nagel/Waza, DStZ 2008, 321 (326); Schmidt/Schmitt, in: FS Spindler, 529 (542 f.); im Zusammenhang mit indeterminierten Systemen auch Braun Binder, in: Unger/Ungern-Sternberg, Demokratie und KI, 161 (174), äußern sich andere Literaturstimmen eher kritisch, vgl. z. B. Baldauf, DStR 2016, 833 (837); Müller-Franken, StuW 2018, 113 (119); Mellinghoff, in: FS BFH, 421 (436); Tipke, Steuerrechtsordnung III, 1479; tendenziell auch Mann, DStR 2009, 506 (508). Funktionell betrachtet spricht Vieles für die Einbeziehung subjektiver Risikokriterien, zumal sich in Risikomanagementsystemen ein Großteil der sachlichen Richtigkeitskontrolle in automatisierten Verwaltungsverfahren vollzieht und daher eine uneingeschränkte Funktionalität von oberster Priorität ist, die wiederum eine Einbeziehung sämtlicher aussagekräftiger Kriterien voraussetzt, auch wenn diese in der Person des Betroffenen begründet liegen. Dass subjektive Risikoparameter Aussagekraft in Bezug auf die Risikohaftigkeit eines Verfahrens entfalten können und entsprechend auch von menschlichen Bearbeitern in verschiedentlichem Umfang (bewusst oder unbewusst) berücksichtigt werden, liegt dabei auf der Hand: Der Steuerberater, der häufig durch kreative Gestaltungen auffällt, induziert in diesem Sinne durchaus ein potentielles Risiko, dass bestimmte seiner Gestaltungen unzulässig sind, ebenso wie Steuerpflichtige, die in der Vergangenheit unzureichend oder sogar bewusst unwahr ihre Verhältnisse erklärt haben, eine erhöhte Wahrscheinlichkeit der Risikobehaftung des Sachverhaltes nahelegen. Die Grenze der Verwertbarkeit besteht hierbei freilich in der Sicherstellung einer tatsächlichen, statistisch belastbaren Aussagekraft des Merkmals und damit Zusammenhängend der Verhinderung einer diskriminierenden Verwendung der subjektiven Risikoparameter, vgl. hierzu § 5 C. I. 2. b) bb) (4) (a) und (c). In Zukunft dürften diesbzgl. zudem die Anforderungen einer entstehenden europäischen KI-Regulierung zu beachten sein, vgl. insbes. Art. 5 Abs. 1 lit. c) des Entwurfs einer VO zur Festlegung harmonisierter Vorschriften für künstliche Intelligenz, COM(2021) 206 final. 1427  Vgl. Baldauf, DStR 2016, 833 (836 f.) m. w. N.; Seer, in: Tipke/Kruse, AO/ FGO, § 88 AO, Rz. 70; ders., DStR 2008, 1553 (1555); Haunhorst, DStR 2010, 2105 (2109); Mann, DStR 2009, 506 (508); speziell zum Subjektrisiko und der Steuervita Seer, StuW 2003, 40 (49 f.); ders., StbJb 2004/2005, 53 (67 f.). Hier kann auch die Verwendung grund- und gleichheitsrechtlich besonders brisanter Risikodeterminanten im Raume stehen, wie etwa vermutete Verfahrensrisiken anhand der Konfession oder

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unverhältnismäßigen Grundrechtseingriffen) entwickeln können, die vorliegend aus Gründen des Umfangs aber lediglich angeschnitten werden sollen1428. Auswahl und Festlegung der Risikoparameter obliegen dem Verfahrensermessen der einsetzenden Behörde.1429 Trotz der eher einfacheren Funktionsmechanismen deterministischer Risikomanagementsysteme1430 sind diese in der Lage bei richtiger Ausgestaltung, insbesondere bei Verwendung aussagekräftiger und prädikativer Risikokriterien und deren fortlaufenden Validierung, die rechtsstaatlichen Absicherungen einer automatisierten Sachverhaltsermittlung effektiv zu leisten. (b) Selbstlernende Modellierungsansätze Der andere, wesentlich komplexere, gleichzeitig aber auch deutlich vielversprechendere Gestaltungssansatz liegt dagegen in selbstlernenden Risikomanagementsystemen, die im Ausgangspunkt keine deterministischen, sondern stochastisch-induktive Modelle für die Risikoevaluierung dienstbar machen. Die Risikoparameter werden dabei nicht auf der Grundlage von theoretischen Modellannahmen vorformuliert, sondern im Rahmen einer ersten Lern- und Trainingsphase des Systems durch den Einsatz maschineller Lernverfahren1431 aus einem gegebenen Ausgangsdatenbestand selbsttätig entwickelt, anhand ihrer Aussagekraft gewichtet und als Risikoindikatoren im System hinterlegt, wobei sämtliche stochastisch-relevanten Zusammenhänge und Wechselwirkungen des Datenbestandes im Hinblick auf die Risikohaftigkeit eines Sachverhaltes berücksichtigt werden.1432

ethnischen Herkunft der Betroffenen im Sozialverwaltungsverfahren, vgl. Martini/ Nink, NVwZ-Extra 10/2017, 1 (9). 1428  Näheres zu Diskriminierungen bei der Risikobewertung unter § 5 C. I. 2. b) bb) (4) (c); vgl. zudem § 5 B. II. 2. c) cc). Zu grundrechtlichen Fragen im Kontext eines Steuerberaters Mann, DStR 2009, 506 (507 f.); Baldauf, DStR 2016, 833 (836 f.). 1429  Für die Finanzbehörden Seer, in: Tipke/Kruse, § 155, Rz. 55; § 88, Rz. 69; allg. hins. des „Anlasses“ zur personellen Bearbeitung Frotscher, in: Schwarz/Pahlke, Erstkomm. BestVerfModG, § 155 AO, Rz. 12. 1430  Vgl. Maier, JZ 2017, 614 (615). 1431  Zur Funktionsweise maschineller Lernverfahren bereits § 5 B. I. 2. Hervorzuheben sind im Kontext einer Risikoevaluierung insbesondere die Ausreisser- und Neuheitserkennung als spezifische Anwendungsbereiche maschineller Lernverfahren, siehe Alpaydin, Maschinelles Lernen, S. 9 f. 1432  Vgl. Neumann, Sachverständigenauskunft zum Einsatz von Risikomanagement-Systemen im Vollzug des Steuerrechts, S. 5 f.; Schmidt, Das modernisierte Besteuerungsverfahren, S. 162.



C. Verfahrensgrundsätze vollautomatisierter Verwaltungsverfahren359

Das so erzeugte Risikomodell ist sodann ebenfalls nicht als starres Regelwerk zu verstehen, sondern unterliegt einem fortlaufenden und selbstständigen Anpassungsprozess anhand des kontinuierlichen Dateninputs, der dem Risikomanagementsystem insbesondere in Gestalt der Ergebnisse angeordneter, zufälliger, turnusmäßiger oder sonst wie veranlasster menschlicher Prüfungen von einzelnen Sachverhalten zugeführt wird, um seine Zielerreichung durch die Reduktion von false-positive und false-negative Zuordnungen zu optimieren.1433 In diesem Sinne findet eine fortlaufende Perfektionierung der Risikoerkennung statt, indem die Maßstäbe des Systems einer fortlaufenden und selbstinduzierten Verfeinerung unterliegen, je mehr Einzelfälle einer risikoeinschätzenden Beurteilung unterzogen und damit wiederum selbst Teil der induzierten Maßstäbe zur Risikobewertung werden.1434 Auch wenn in nächster Zeit wohl größtenteils auf theoriegeleitete Risikomanagementsysteme zurückzugreifen sein wird1435 und der Rückgriff auf indeterministische Modellierungsansätze bei risikoevaluierenden Subsystemen insbesondere in der Anfangszeit einen deutlich gesteigerten Organisations- und Implementierungsaufwand bei fortlaufender Überprüfung und Optimierung des Systems erwarten lässt sowie auch besondere Schwierig­ keiten hinsichtlich der Nachvollziehbarkeit und Diskriminierungsfreiheit von durch derartige Systeme getroffenen Entscheidungen zur Folge haben kann1436, handelt es sich gerade bei letzterem Modellierungsansatz im Gegensatz zu deterministischen Risikokriterien dennoch um die funktional klar überlegene Methode einer wirksamen Kompensation automationsbedingter Defizite der Amtsermittlung durch eine effektive Risikoerkennung und daran anknüpfende menschliche Bearbeitung prüfungsbedürftiger Fälle1437, die zu1433  Neumann, Sachverständigenauskunft zum Einsatz von RisikomanagementSystemen im Vollzug des Steuerrechts, S. 5 f. 1434  Hierzu bereits § 5 B. II. 2. c) aa). 1435  Vgl. Maier, JZ 2017, 614 (616); Unger, in: ders./Ungern-Sternberg, Demokratie und KI, 113 (116); vgl. auch BRH, Bericht über den Vollzug der Steuergesetze v. 17. Jan. 2012, S. 5, 21 ff.; Volquardsen, in: Schwarz/Pahlke, Erstkomm. BestVerfModG, § 88 AO, Rz. 22 sowie Schmidt/Schmitt, in: FS Spindler, 529 (542 ff.) zu bisher eingesetzten Systemen im Steuerrecht. 1436  Vgl. Maier, JZ 2017, 614 (615 f.); Neumann, Sachverständigenauskunft zum Einsatz von Risikomanagement-Systemen im Vollzug des Steuerrechts, S. 5 f. 1437  Vgl. zur überragenden Funktionalität indeterminierter Systeme bei risikoevaluierenden Aufgaben bereits § 5 B. II. 2. c) aa); vgl. auch Braun Binder, in: Unger/ Ungern-Sternberg, Demokratie und KI, 161 (174) m. w. N.; Wischmeyer, AöR 143 (2018), 1 (14); Neumann, Sachverständigenauskunft zum Einsatz von Risikomanagement-Systemen im Vollzug des Steuerrechts, S. 6; Schmidt, Das modernisierte Besteuerungsverfahren, S. 162; Maier, JZ 2017, 614 (615); Unger, in: ders./UngernSternberg, Demokratie und KI, 113 (116) sowie unter Verweis auf eine besondere Kompromittierungssicherheit Müller-Franken, StuW 2018, 113 (119); skeptisch dagegen Waldhoff, DStJG 42 (2019), 59 (80) sowie tendenziell auch Drüen, DStJG 42

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dem nach hier vertretener Auffassung eine verfassungsrechtlich zulässige und sogar wünschenswerte Anwendungsform intelligenter Algorithmen darstellt1438. Den rechtsstaatlichen Anforderungen einer automatisierten Sachverhaltsermittlung würde insofern in besonderem Maße Rechnung getragen werden. Dabei können die selbsttätig erzeugten und fortentwickelten Risikofaktoren ggfls. auch durch determiniert vorgegebenen Risikokriterien ergänzt werden, beispielsweise um bestimmte Kriterien unabhängig von den Induk­ tionen des Systems abzudecken, wobei gerade Kombinationsformen beider Modellierungsansätze im Ergebnis wohl optimale Ergebnisse liefern können1439. (3) Folgen der Risikoidentifikation: risikoinduzierte Aussteuerung Identifiziert das System sodann relevante Risiken hinsichtlich der automatisierten Entscheidbarkeit eines bestimmten Sachverhaltes (z. B. wegen unvollständiger oder unplausibler Angaben oder atypischer Umstände), so muss eine Aussteuerung des konkreten Verfahrens (mit erhöhtem Risikopotenzial) zur menschlichen Bearbeitung an einen Behördenmitarbeiter erfolgen, der die notwendigen Ermittlungen bzw. eine manuelle Prüfung des Sachverhaltes durchzuführen hat (sog. risikoinduzierte Aussteuerung).1440 Dies wird ausdrücklich auch in § 88 Abs. 5 S. 3 Nr. 2 AO n. F. als Mindestanforderung eines maschinellen Risikomanagementsystems genannt. Mit dem Risiko sachwidriger Entscheidung verbundene Sachverhalte werden dadurch von den risikoarmen Sachverhalten abgesondert, wobei die begrenzten Personalressourcen auf die Prüfung risikobehafteter Fälle fokussiert werden können.1441 Bei komplexeren Verfahren ist auch eine nur partielle Prüfung der konkret mit einem Risikovermerk versehenen Prüfungspunkte durch einen mensch­ lichen Sachbearbeiter denkbar, wobei die Prüfung der restlichen Voraussetzungen in den automatisierten Verarbeitungsprozessen belassen bleibt.1442 (2019), 193 (214); gegen eine vollständig KI-gestützte Sachverhaltsermittlung zu Recht Waigel, WiVerw 2021, 88 (90). 1438  Siehe § 5 B. 2. c), insbes. bb). 1439  Ähnlich Maier, JZ 2017, 614 (619); Schmidt, Das modernisierte Besteuerungsverfahren, S. 176; vgl. auch Anzinger, DStJG 42 (2019), 15 (38). 1440  Berger, in: Knack/Henneke, VwVfG, § 35a, Rn. 38, 53 f.; vgl. auch Münch, DStR 2013, 212 (213 f.); Seer, StuW 2015, 315 (324); Maier, JZ 2017, 614 (615). 1441  Vgl. BT-Drs. 18/7457, S. 48, 69; Seer, in: Tipke/Lank, SteuerR, § 21 Rz. 7; vgl. auch Schmidt, DStJG 31 (2008), 37 (47 ff.). 1442  Vgl. etwa BT-Drs. 18/7457, S. 70; BRH, Bericht über den Vollzug der Steuergesetze v. 17. Jan. 2012, S. 25 f.; BRH, Bemerkungen zur Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes v. 7. Dez. 2009, BT-Drs. 17/77, S. 177; Münch, DStR 2013, 212 (214.). Die Beschränkung der Nachprüfung auf bestimmte Aspekte darf allerdings nicht als zwingende Restriktion der menschlichen Nachprüfungsbefugnisse im Sinne



C. Verfahrensgrundsätze vollautomatisierter Verwaltungsverfahren361

Das begriffliche Attribut eines vollständig automationsgestützt erlassenen Verwaltungsakts kann dadurch allerdings verloren gehen.1443 Schlagen dagegen keine der determinierten oder intelligent induzierten Risikofilter an, findet nach Abwicklung der automatisierten Arbeitsprozesse des Entscheidungssystems ein vollständig automatisierter Erlass des Verwaltungsakts statt, der bei richtiger Funktionsweise des Risikomanagementsystems mit hoher Wahrscheinlichkeit sachrichtig ausfallen wird.1444 (4) Verfassungsrechtliche Mindestanforderungen Damit Risikomanagementsysteme ihrem kompensatorischen Auftrag gegenüber automationsbedingten Amtsermittlungsdefiziten vollends gerecht werden können, müssen diese zudem unabhängig von dem ihnen zugrundeliegenden Modellierungsansatz und neben den oben bereits angeschnittenen Aspekten weitere verfassungsrechtliche Mindestanforderungen erfüllen, da sich nur bei einem hinreichenden Maß an Effektivität der Risikobewertung und -steuerung die – trotz individueller Eingabefelder – rechtsstaatlich noch offenen Flanken einer vollständig automatisierten Sachverhaltsermittlung in vertretbarer Weise schließen lassen. Um den Rahmen der vorliegenden Untersuchung hierbei nicht zu sprengen, sollen im Folgenden allerdings nur einige zentrale Aspekte angeschnitten werden, ohne diese einer erschöpfenden Diskussion zu unterziehen. (a) Geeignete Auswahl und indikative Kraft der Risikoparameter Die naheliegendste Mindestanforderung ist zunächst qualitativ geprägt und bezieht sich auf den Funktionskern der eingesetzten Risikomanagementsysteme, der essentiell von der indikativen Kraft der zugrunde gelegten Risikokriterien abhängt. Ausgehend von der funktionellen Einheit zwischen Risikobewertung und Risikokriterien ist es daher unerlässlich, die Aussagekraft und Güte sowie eine zweckmäßige Auswahl der eingesetzten Risikoparameter bereits anfänglich sicherzustellen und diese – im Sinne nachsorgender Qualitätssicherungspflichten – fortlaufend zu überprüfen und ggfls. anzupassen, bei deterministisch geprägten Systemen in Form ihrer fortlaufenden Validierung, bei Systemen, die Elemente der Indetermination aufweisen, in Form eines maschinentechnischen Vorbehalts der Aussteuerung vorgeschrieben sein, vgl. Kube, VVDStRL 78 (2019), 289 (317 f.) sowie bereits § 5 A. II. 2. b) cc). 1443  Vgl. hierzu bereits § 3 C. II. 5. b) und c). 1444  Im Kontext der Steuerfestsetzung Münch, DStR 2013, 212 (213 f.); BRH, Bemerkungen zur Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes v. 7. Dez. 2009, BTDrs. 17/77, S. 177; Schmidt, DStJG 31 (2008), 37 (47 ff.).

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einer fortlaufenden Optimierung der entwickelten Risikomodelle.1445 Für das Steuerverfahrensrecht hat dies insbesondere in § 88 Abs. 5 S. 3 Nr. 4 AO („regelmäßige Überprüfung der Risikomanagementsysteme auf ihre Ziel­ erfüllung“) normativen Niederschlag gefunden. Im Rahmen der Risikokriterien müssen dabei ebenso technische Vorkehrungen getroffen werden, dass auch möglicherweise atypische Sachverhalte identifiziert werden können1446, da Risikomanagementsysteme gerade auch einer von Betroffeneneingaben unabhängigen Risikoevaluation hinsichtlich der sachrichtigen Entscheidbarkeit eines individuellen Sachverhalts verpflichtet sind.1447 Entgegen stellenweise geäußerter Zweifel hinsichtlich der technischen Realisierbarkeit einer solchen automatisierten Identifizierung von Atypien1448 kommt es hierfür nicht auf eine (positive) Antizipierung atypischer Sachverhaltskonstellationen an, die in der Tat naturgemäß nicht zu leisten sein dürfte,1449 sondern lediglich auf eine in Gestalt der Risikoparameter formulierte Definition eines „typischen Sachverhaltsrahmens“, außerhalb dessen Determinanten Sachverhalte (gewissermaßen negativ abgleichend) mit der Vermutung ihrer Atypie belegt werden, was sich technisch abbilden lassen dürfte. Risikomanagementsysteme fungieren insofern nicht als positive Fehleraufdeckungsinstanz, sondern stellen nur ein softwareinternes Warnsystem dar, bei dessen Anschlagen eine aktive Fehlerprüfung erst nahegelegt wird.1450 Insgesamt sind die Risikoparameter in ihrem Zusammenwirken so zu bestimmen, dass mit einer aus rechtsstaatlicher Warte hinreichenden Zuverläs1445  Neumann, Sachverständigenauskunft zum Einsatz von RisikomanagementSystemen im Vollzug des Steuerrechts, S. 6; vgl. auch Engels (Hrsg.), Schriftenreihe des Bundesbeauftragten für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung, Band 13 (2006), S. 150; Drüen, DStJG 42 (2019), 193 (216 ff.); Müller-Franken, StuW 2018, 113 (119); Schmidt/Schmitt, in: FS Spindler, 529 (539 f.); vgl. zu Qualitätssicherungspflichten im Kontext selbstlernender Risikomanagementsysteme zudem bereits § 5 B. II. 2. c) cc). 1446  Vgl. Schröder, VerwArch 110 (2019), 328 (341). 1447  Vgl. hierzu bereits § 5 C. I. 2. b) bb) vor (1). 1448  Vgl. beispielsweise Martini/Nink, DVBl. 2018, 1128 (1129). 1449  Atypien würden insofern gewissermaßen zu typischen bzw. typisierten Fallgruppen umdeklariert werden. Eine solche Antizipierung kann des Weiteren nur unvollständig bleiben. 1450  So zu auch Recht Seer, DStZ 2016, 605 (609): „das Risikomanagement […] lässt nur ‚rote Lampen brennen‘, gibt Warnungen heraus, oder mit anderen Worten: ‚schlägt an‘ “; vgl. auch Nagel/Waza, DStZ 2008, 321 (326). Dies gilt insbesondere für indeterminierte Risikomanagementsysteme: Braun Binder, in: Unger/UngernSternberg, Demokratie und KI, 161 (174) spricht insofern von einer „KI-basierte[n] Anomaliesuche unter Zugrundelegung von maschinellem Lernen“. Auch Nink, Justiz und Algorithmen, S. 200 attestiert indeterminierten Algorithmen die Fähigkeit, „Abweichungen vom Durchschnitt [leicht] zu erfassen und mit einem ‚Distanzmaß‘, also dem Grad der Abweichung, zu versehen“.



C. Verfahrensgrundsätze vollautomatisierter Verwaltungsverfahren363

sigkeit Sachverhalte, die automatisiert wahrscheinlich nicht sachrichtig entschieden würden, erkannt und zur händischen Bearbeitung ausgesteuert werden1451, um den angestrebten Optimierungsauftrag zwischen personellen Verwaltungsressourcen und der Gesetzmäßigkeit des Verwaltungshandelns zu erreichen.1452 Eine unzuverlässige Risikoerkennung, signifikante Fehlerquoten oder strukturelle „blind spots“ des Risikomanagementsystems müssen auf diese Weise vermieden werden.1453 (b) Zufällige, turnusmäßige, behördenseitige Aussteuerungen Zur oben bereits angedeuteten Wahrnehmung des Validierungs-, Evaluierungs- und Optimierungsauftrags der eingesetzten Risikoparameter einerseits, andererseits um eine letzte Unberechenbarkeit der Risikoprüfung bei den Betroffenen zu erreichen, muss die risikoinduzierte Aussteuerung zudem durch zufällige und – sofern fachrechtlich zweckmäßig – turnusgebundene Aussteuerungen flankiert werden1454, was sich für das Steuerverfahrensrecht in § 88 Abs. 5 S. 3 Nr. 1 AO ebenfalls normativ niederschlägt. Unabhängig von zufälligen und turnusmäßigen Aussteuerungen ist schließlich durch eine jederzeitig gewillkürte Möglichkeit zur Aussteuerung bestimmter Verfahren seitens der Behördenmitarbeiter schon aus Gründen der demokratischen Legitimation eine fortbestehende humane Herrschaft über den operativen Ablauf des Verfahrens zu sichern.1455 § 88 Abs. 5 S. 3 Nr. 3 AO zeigt dies gesetzlich für das Steuerverfahrensrecht an.

1451  Zu

möglichen Risikoparametern bereits § 5 C. I. 2. b) bb) (2) (a). Vgl. BT-Drs. 18/7454, S. 70; vgl. auch Schmidt/Schmitt, in: FS Spindler, 529 (540) sowie bereits oben § 5 C. I. 2. b) bb) (1). 1453  Vgl. zu strukturellen Funktionsdefiziten bei Risikomanagementsystemen insbesondere durch indikationsschwache Risikoparameter (hier bloßer Abgleich von Wertgrenzen ohne Schlüssigkeitsprüfung, wobei Bedeutung einzelner Posten nicht erfasst werden konnte) etwa BRH, Bericht über den Vollzug der Steuergesetze v. 17. Jan. 2012, S. 22 ff., 27 ff.; vgl. auch BRH, Bericht über die Steuerermäßigung für haushaltsnahe Dienstleistungen und Handwerksleistungen nach § 35a EStG v. 1. Feb. 2011, BT-Drs. 17/4641, S. 10 f.; BRH, Bemerkungen zur Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes v. 7. Dez. 2009, BT-Drs. 17/77, S. 177 f.; Neumann, Sachverständigenauskunft zum Einsatz von Risikomanagement-Systemen im Vollzug des Steuerrechts, S. 7. 1454  Seer, StbJb 2016/2017, 539 (549 f.); ders., StuW 2015, 315 (324); vgl. auch Schmidt/Schmitt, in: FS Spindler, 529 (539 f.); Schmidt, DStJG 31 (2008), 37 (48); Nagel/Waza, DStZ 2008, 321 (323); skeptisch Braun Binder, in: Unger/UngernSternberg, Demokratie und KI, 161 (179). 1455  Vgl. Guckelberger, in: FS Herberger, 397 (412 f.); Kube, VVDStRL 78 (2019), 289 (317); Drüen, DStJG 42 (2019), 193 (215 f.); Nagel/Waza, DStZ 2008, 321 (324 f.) sowie bereits § 5 A. II. 2. b) cc). 1452  Vgl.

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§ 5 Verfassungs-, Unions- und Verfahrensrecht

(c) Diskriminierungsfreiheit der Risikobewertung Obgleich einer der Vorzüge algorithmischer Funktionsebenen gemeinhin in der gesteigerten Gleichmäßigkeit und Unbefangenheit ihrer Funktionsprozesse erblickt wird, können sich auch in algorithmischen Entscheidungsvorgängen diskriminierende Tendenzen manifestieren, wenn entweder Diskriminierungen bereits im Rahmen einer determinierten Programmgestaltung angelegt sind oder sich – bei selbstlernenden Systemen – diskriminierende Effekte im Laufe anfänglicher und/oder kontinuierlicher Trainingsphasen der maschinellen, stochastisch-induktiven Lernprozesse1456 allmählich in die induzierten Entscheidungsregeln einschleifen.1457 Ausgehend von ihrem abstrahierten und auf größere Fallzahlen angelegten Anwendungsspektrum wird diesen dabei sogar eine gegenüber manueller Verfahrensbearbeitung gesteigerte Breitenwirkung zuteil, was insoweit eine besondere Sensibilität und rechtliche Kontrollbedürftigkeit hinsichtlich inhärenter Diskriminierungen anzeigt.1458 Als weitere Anforderung an risikoevaluierende Subsysteme muss daher verlangt werden, dass potentiellen Diskriminierungstendenzen innerhalb der eingesetzten Algorithmen sowohl schon bei Einrichtung als auch im fortlaufenden Betrieb des Systems wirksam Rechnung getragen wird, auch wenn Diskriminierungen auf den risikoevaluierenden Funktionsebenen nicht die letztgetroffene Verwaltungsentscheidung selbst, sondern nur die der eigentlichen Entscheidung vorgelagerte Kontrollauswahl des Risikomanagementsystems betreffen.1459 Da Diskriminierungstendenzen innerhalb algorithmischer Entscheidungsprozesse ein weitreichendes Problemfeld darstellen, dessen wissenschaftliche Aufarbeitung vor allem in Situationen grundrechtlich gesteigerter Betroffenheit1460 schwierige und grundlegende Fragen aufwirft, soll in der vorliegenden Untersuchung allerdings bereits aus Platzgründen nicht in eine erschöpfende Diskussion eingetreten werden, sondern 1456  Zur

Funktionsweise intelligenter Systeme § 5 B. I. 2. Schröder, VerwArch 110 (2019), 328 (340); Martini/Nink, NVwZ-Extra 10/2017, 1 (9); Ernst, JZ 2017, 1026 (1028 f.); Michael, in: Stern/Sodan/Möstl, Staatsrecht, § 28, Rn. 40; eingehender Hermstrüwer, AöR 145 (2020), 479 (492 ff.). 1458  Martini/Nink, NVwZ-Extra 10/2017, 1 (10). 1459  Martini/Nink, NVwZ-Extra 10/2017, 1 (10); Martini, Blackbox Algorithmus, S. 88; Schröder, VerwArch 110 (2019), 328 (340); vgl. auch Neumann, Sachverständigenauskunft zum Einsatz von Risikomanagement-Systemen im Vollzug des Steuerrechts, S.  3 f.; Seer, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 88 AO, Rz. 69; Engel, VVDStRL 78 (2019), 344 f. (Aussprache); Unger, in: ders./Ungern-Sternberg, Demokratie und KI, 113 (116); Braun Binder, in: Unger/Ungern-Sternberg, Demokratie und KI, 161 (178); Krumm, DB 2017, 2182 (2191) sowie bereits § 5 B. II. 2. c) cc) und bb) (2) (a). 1460  Vgl. etwa zum Bereich des sog. predictive policing Rademacher, AöR 142 (2017), 366 (381 ff.); eingehend Sommerer, Personenbezogenens Predictive Policing, S.  170 ff. 1457  Vgl.



C. Verfahrensgrundsätze vollautomatisierter Verwaltungsverfahren365

stattdessen lediglich ein Verweis auf einige berücksichtigenswerte Gedanken erfolgen, die sich innerhalb eines an anderer Stelle erfolgenden und breiteren wissenschaftlichen Diskurses als Denkansätze fruchtbar machen ließen.1461 Eine abschließende Beurteilung der verfassungsrechtlichen Grenzen algorithmischer Diskriminierungen durch risikoevaluierende Funktionsebenen und damit korrespondierend der konkreten Anforderungen an entsprechende technische oder aufsichtliche Unterbindungs- bzw. Verhinderungsmechanismen kann hier mithin nicht geleistet werden.1462 Als ersten Aspekt speziell im Kontext von Risikomanagementsystemen innerhalb eines vollständig automatisierten juristischen Entscheidungssystems gilt es meines Erachtens zu bedenken, dass sich die grund- und gleichheitsrechtlichen Wirkungen der – von der inhaltlichen Sachentscheidung abgekoppelten1463 – Aussteuerungsfolgen, sofern in diesen diskriminierungsbedingt ein grundrechtlich relevanter Eingriff erblickt werden kann, alles in allem klar am unteren Ende des Intensitätsspektrums bewegen werden, mithin lediglich eine Aussteuerung des Verfahrens aus den automatisierten Ar­ beitsprozessen bewirken1464, damit der Sachverhalt – wie dies in gewöhn­ lichen Verfahren ohnehin der Fall gewesen wäre – von menschlichen Behördenmitarbeitern geprüft werden kann.1465 Eine Aussteuerung wegen erkannter Risikobehaftung darf dabei insbesondere nicht als inkriminierender Generalverdacht gegenüber dem Bürger oder gar als Sanktion verstanden werden1466, 1461  Weiterführend zu Diskriminierungen durch algorithmenbasierte Systeme Nink, Justiz und Algorithmen, S. 167 ff.; Martini, Blackbox Algorithmus, S. 47 ff., 73 ff.; Wischmeyer, AöR 143 (2018), 1 (26 ff.); einführend auch Härtel, LKV 2019, 49 (56 ff.); konkrete Vorschläge zur Bewältigung von Diskriminierungsrisiken im Rahmen von indeterminierten Systemen macht Hermstrüwer, AöR 145 (2020), 479 (496 ff.). 1462  Im Zusammenhang mit Diskriminierugstendenzen algorithmischer Entscheidungsprozesse steht auch die Frage nach der verfassungsrechtlich zulässigen Verwendbarkeit subjektiver Risikokriterien, die ggfls. auch besonders sensible Merkmale aufgreifen können, vgl. hierzu bereits § 5 C. I. 2. b) bb) (2) (a) mit Fn. 1426, 1427 und 1428. 1463  S. Anfang Kapitel (c) sowie bereits § 5 B. II. 2. c) bb) (2) (a). 1464  Ähnlich Braun Binder, in: Unger/Ungern-Sternberg, Demokratie und KI, 161 (178) unter Verweis auf Krumm, DB 2017, 2182 (2191), der diesbzgl. eine datenschutzrechtliche Entscheidungsqualität i. S. d. Art. 22 DSG-VO sowie eine freiheitsund gleichheitsrechtliche Relevanz verneint. 1465  Zum Teil wird deshalb sogar angenommen, eine Aussteuerung zur individuellen Bearbeitung durch einen Behördenmitarbeiter könne für sich genommen gar keine Verletzung der Rechte der Beteiligten darstellen, vgl. U. Stelkens, in: Hill/Kugelmann/Martini, Digitalisierung in Recht, Politik und Verwaltung, 81 (111); Guckelberger, in: FS Herberger, 397 (409). 1466  In diese Richtung P. Kirchhof, DStR 2018, 497 (503); ders., VVDStRL 78 (2019), 334 f. (Aussprache), der von „Generalverdacht mit Entlastungsmöglichkeit“ spricht.

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sondern stellt ein vor dem Hintergrund des Amtsermittlungsgrundsatzes und des (verfassungsrechtlichen) Gesetzmäßigkeitsprinzips berechtigtes Anliegen dar, auch in automatisierten Verfahren sachrichtige Entscheidungen sicherzustellen. Strukturell ist sie mit dem Vorgang eines menschlichen Sachbearbeiters vergleichbar, der bei überschlägiger Durchsicht eines Falles gewisse Auffälligkeiten entdeckt und daraufhin in eine genauere Prüfung eintritt. Wirklich eigenständige Belastungsfolgen werden durch das sodann menschliche Erfolgen der Sachverhaltsbearbeitung daher – wenn überhaupt – in kaum messbarem Umfang hinzugefügt. Zudem lässt sich – anders gewendet – den Grund- und Gleichheitsrechten auch nur schwerlich ein betroffenenseitiges Recht entnehmen, von einer menschlichen Prüfung des eigenen Sachverhaltes verschont zu bleiben, ebenso wie kehrseitig kein Recht auf willkürlichen Ausschluss der automatisierten Bearbeitung bejaht werden kann1467. Diese Gedanken lassen sich dabei auch auf potenziell mittelbare Grundrechtsbeeinträchtigungen beruflich (mit)involvierter Personengruppen1468 übertragen. Des Weiteren sollte sich vor Augen geführt werden, dass sich auch bei menschlich veranlassten Entscheidungen sowohl hinsichtlich Plausibilität und Risikohaftigkeit eines Sachverhaltes als auch hinsichtlich der abschließenden Sachentscheidung selbst realistisch betrachtet eine vollständige und nachvollziehbare Diskriminierungsfreiheit kaum erreichen lassen wird, wo häufig ein zumindest unterbewusster „Entscheidungsbias“ in Form von gewissen Vorannahmen, Vorverständnissen, politischen Dispositionen, Sozialisationseffekten, Erwartungen und sonstigen menschlichen Interna besteht, sich menschliche Amtspersonen also ebenfalls in erheblichem Maße als fehlbar und intransparent erweisen, wenn es um die Vermeidung sachfremder oder verbotener Gesichtspunkte geht.1469 Dieses Argument darf dabei keineswegs als Rechtfertigungsversuch eines verfassungsrechtlich bedenklichen Zustands durch die Existenz einer anderen, gleichermaßen verfassungsrechtlich problematischen Befindlichkeit missverstanden werden, kann aber einen hilfreichen Anhaltspunkt zur Nachschärfung der Anforderungsmaßstäbe bieten, die vernünftiger-, realistischer- und zweckmäßigerweise an die Güte, Fehlbarkeit und Zuverlässigkeit von algorithmischen Entschei1467  Vgl. Prell, apf 2017, 237 (241); Kallerhoff/Fellenberg, in: Stelkens/Bonk/ Sachs, VwVfG, § 24, Rn. 57e; Schmitz/Prell, NVwZ 2016, 1273 (1277) sowie bereits § 5 C. I. 2. b) aa) (3). 1468  Z. B. hinsichtlich eines Compliance-Faktors für Steuerberater im Steuerverwaltungsverfahren, vgl. Baldauf, DStR 2016, 833 (836 f.). 1469  Meyer, ZRP 2018, 233 (238); Hermstrüwer, AöR 145 (2020), 479 (481, 489); vgl. auch Wischmeyer, AöR 143 (2018), 1 (44, 54); Hoffmann-Riem, in: Unger/Ungern-Sternberg, Demokratie und KI, 129 (141); ders., Die Verw 49 (2016), 1 (12 ff., insbes. 14 ff.); zur Fehleranfälligkeit menschlicher Entscheidsfindung (überwiegend im Kontext richterlicher Entscheidungen) ausführlich auch Nink, Justiz und Algorithmen, S.  28 ff.



C. Verfahrensgrundsätze vollautomatisierter Verwaltungsverfahren367

dungssystemen angelegt werden können. Der oben angedeuteten gesteigerten Breitenwirkung algorithmisch festgelegter oder verfestigter Diskriminierungs- und Verzerrungstendenzen1470 steht schließlich auch eine in den grund­legenden Funktionsmechanismen von Algorithmen angelegte, bessere Steuerbarkeit eines Ausschlusses oder einer gezielten Nichtberücksichtigung bestimmter unerwünschter Aspekte im Vergleich zu menschlichen Entscheidern1471 als Gegenpol gegenüber, selbst im Rahmen von selbstlernenden Systemen.1472 (d) Mindestmaß an Transparenz und Nachvollziehbarkeit Aus Gründen effektiven Rechtsschutzes zum einen und zur Entdeckung von Diskriminierungstendenzen zum anderen müssen Risikomanagementsysteme des Weiteren ein Mindestmaß an Transparenz und Nachvollziehbarkeit ihrer Entscheidungsprozesse zulassen1473, das insbesondere durch strukturell im System angelegte und automatisierte Begründungs- bzw. Erklärungsmechanismen erfüllt werden kann1474. Besondere Probleme im Zusammenhang mit Transparenzanforderungen ergeben sich vor allem beim Einsatz indeterminierter Systeme, deren spezifischen Funktionsweisen in Form von wahrscheinlichkeitstheoretischen Annahmen und Korrelationen, die aus großen Datenmengen abgeleitet und stetig selbsttätig fortentwickelt werden, als ­natürliche Antagonisten gegenüber der Transparenz und Nachvollziehbarkeit ihrer Arbeitsprozesse auftreten1475 und deren Bewältigung beispielsweise NVwZ-Extra 10/2017, 1 (10). menschlichen Entscheidern lassen sich diskriminierenden Tendenzen lediglich mittelbar im Wege einer guten Aus- und Fortbildung, Personalauswahl und Dienstaufsicht vermindern; unmittelbare Einwirkungen auf die Entscheidungsprozesse sind freilich nicht möglich, vgl. Meyer, ZRP 2018, 233 (238); im Kontext von predictive policing-Software Rademacher, AöR 142 (2017), 366 (384 f.); vgl. auch Ernst, JZ 2017, 1027 (1029). 1472  Zu Methoden einer Ausfilterung unerwünschter Risikoparameter selbst bei intelligenten Systemen Meyer, ZRP 2018, 233 (238); Engel, VVDStRL 78 (2019), 344 f. (Aussprache); Ernst, JZ 2017, 1027 (1029); Wischmeyer, AöR 143 (2018), 1 (28 f.); Kischel, BeckOK GG, Art. 3, Rn. 218c. 1473  Seer, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 88 AO, Rz. 69; vgl. auch Marx, Ubg 2016, 358 (361 f.); Höreth/Stelzer, DStZ 2016, 520 (521). 1474  Vgl. auch Schröder, VerwArch 110 (2019), 328 (342); Martini, JZ 2017, 1017 (1020); ders./Nink, NVwZ-Extra 10/2017, 1 (11 f.) (je im Kontext der datenschutzrechtlichen Anforderungen); Guckelberger, VVDStRL 78 (2019), 235 (274); Wischmeyer, AöR 143 (2018), 1 (46, 54 ff.) sowie bereits § 5 A. IV. 1475  Vgl. auch Kube, VVDStRL 78 (2019), 289 (311, 318 f.); Meyer, ZRP 2018, 233 (235); Schröder, VerwArch 110 (2019), 328 (342); Lazaratos, Rechtliche Auswirkungen der Verwaltungsautomation, S. 276; Wischmeyer, AöR 143 (2018), 1 (42 ff.) sowie bereits § 5 B. II. 2. a) cc). 1470  Martini/Nink, 1471  Bei

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§ 5 Verfassungs-, Unions- und Verfahrensrecht

durch automatisierte Erklärungsmechanismen der entwickelten Risikomodelle noch nicht abschließend geklärt werden kann1476. Zu beachten ist allerdings, dass es sich hierbei nur um eine Nachvollziehbarkeit der Risikoauswahl selbst, also etwa hinsichtlich der Aussteuerung eines bestimmten Sachverhaltes, nicht aber der Verwaltungsentscheidung in der Sache handeln kann, so dass auch unter Berücksichtigung der eher geringen Belastungs­ folgen1477 keine übertriebenen Anforderungen an eine Nachvollziehbarkeit einer Aussteuerungsentscheidung in sämtlichen Einzelheiten angelegt werden dürfen. (e) Verhinderung der Antizipation und Umgehung des Risikomanagements Trotz eines Mindestmaßes an Nachvollziehbarkeit muss für risikoevaluierende Funktionsebenen sodann aber gleichzeitig verhindert werden, dass Transparenz in Berechenbarkeit umschlägt und sich in der Folge eine Umgehbarkeit der Risikoprüfung seitens der Betroffenen einstellt, die ihre Zielerreichung und damit ihren rechtsstaatlich-kompensatorischen Auftrag für die automatisierte Amtsermittlung unterminieren würde.1478 Da Risikomanagementsysteme dabei ein elementares Glied in der Kette rechtsstaatlich notwendiger Absicherungsmechanismen bilden, könnte eine verfassungsrechtlich bedenkenlose Ausgestaltbarkeit vollständig automatisierter Verwaltungsverfahren so insgesamt in Frage gestellt werden. Aus diesem Grund ist es geboten, die den risikoevaluierenden Subsystemen zugrundeliegenden Risikoparameter einer grundsätzlichen Geheimhaltung zu unterwerfen, soweit andernfalls die Funktionalität des Risikomanagementsystems und damit dessen rechtsstaatlich-kompensatorischer Auftrag gefährdet wäre.1479 Da auch in händischen Verwaltungsverfahren die für durchgeführte Plausibilitätsanalysen herangezogenen internen Kriterien und Kennzahlen nicht uneingeschränkt offengelegt wurden, ist hierin zunächst keine grundlegend neuartige Praxis 1476  Vgl. zu Bestrebungen einer sog. „explainable AI“ Wischmeyer, AöR 143 (2018), 1 (54 ff., insbes. 61 f.) m. w. N. 1477  Vgl. § 5 C. I. 2. b) bb) (4) (c). 1478  Vgl. allgemein Hoffmann-Riem, AöR 142 (2017), 1 (32 f. mit Fn. 126); vgl. auch Schmidt/Schmitt, in: FS Spindler, 529 (539); Maier, JZ 2017, 614 (617); MüllerFranken, StuW 2018, 113 (121). 1479  Vgl. Schmidt/Schmitt, in: FS Spindler, 529 (539); Rätke, in: Klein, AO, § 88, Rn. 105; Müller-Franken, StuW 2018, 113 (117, 121); Maier, JZ 2017, 614 (617); kritisch gegenüber der Geheimhaltung dagegen etwa Marx, Ubg 2016, 358 (361 ff.); Seer, DStZ 2016, 605 (608); ders., StuW 2015, 315 (324 f.); Heintzen, DÖV 2015, 780 (786 f.); für eine Offenlegung der Prüfkriterien zumindest gegenüber einer unabhängigen und demokratisch legitimierten Prüfinstanz aber Neumann, Sachverständigenauskunft zum Einsatz von Risikomanagement-Systemen im Vollzug des Steuerrechts, S. 9.



C. Verfahrensgrundsätze vollautomatisierter Verwaltungsverfahren369

zu sehen.1480 Im Zusammenspiel mit den unverändert vorauszusetzenden Transparenzanforderungen1481 genügen bei Risikoevaluationsmechanismen inner­halb des juristischen Entscheidungssystems deshalb insoweit allgemeinere Ausführungen über die Art der verwendeten Risikoparameter sowie grobe Funktionszusammenhänge1482 ohne aussagekräftige Details der Risikoprüfung preiszugeben, soweit die Überprüfung der Risikoauswahl in einem gerichtlichen Verfahren – beispielsweise zur Überprüfung auf unzulässige Diskriminierungen oder eine willkürliche Auswahl – überhaupt entscheidungserheblich werden sollte.1483 Das Geheimhaltungserfordernis der Details im Hinblick auf eingesetzte Risikoparameter betrifft dabei vor allem auf determinierten Modellierungsansätzen beruhende Systeme. Für selbstlernende Risikomanagementsysteme wirkt sich deren aus ihrer naturgemäßen Dynamik und Opazität resultierende erschwerte Nachvollziehbarkeit hinsichtlich der Verhinderung einer Berechenbarkeit der Risikoprüfung an dieser Stelle ohnehin positiv aus.1484 Eine formal-gesetzliche Verankerung der Risikoparameter ist bereits vor dem Hintergrund des Geheimhaltungserfordernisses abzulehnen und lässt sich auch keinesfalls ohne Weiteres als Erfordernis aus dem Vorbehalt des Gesetzes und der Wesentlichkeitslehre ableiten.1485 Auf normativer Ebene haben sich die dargelegten Grundsätze für das Steuerverfahrensrecht in § 88 Abs. 5 S. 4 AO niedergeschlagen, der die Veröffent­ lichung der „Einzelheiten der Risikomanagementsysteme“ verbietet, „soweit dies die Gleichmäßigkeit und Gesetzmäßigkeit der Besteuerung gefährden könnte“. Im Sinne allgemeiner Lehren finden diese allerdings auch auf den Einsatz von Risikomanagementsystemen in vollautomatisierten Verwaltungsverfahren der anderen Verfahrenssäulen Anwendung. Weitergehende EinzelNJW 2016, 2769 (2772). oben § 5 C. I. 2. b) bb) (4) (d). 1482  Vgl. allgemein Hoffmann-Riem, AöR 142 (2017), 1 (32 f. mit Fn. 126), der von „angewandten Maximen und zugrunde gelegten Kriterien“ spricht; vgl. auch Seer, StbJb 2016/2017, 539 (550): „zumindest die Art der RMS-Kriterien“; auf die Gefahr eines „Auslotens“ der Risikokriterien aufgrund entsprechender Erfahrungswerte beispielsweise eines Steuerberaters auch ohne Offenlegung von Details sowie die Gefahr eines strukturellen Vollzugsdefizits bei fortwährender Lockerung oder gar Offenlegung der Prüfparameter hinweisend Maier, JZ 2017, 614 (617). 1483  Vgl. Trossen, FR 2015, 1021 (1023); Rätke, in: Klein, AO, § 88, Rn. 105. 1484  Müller-Franken, StuW 2018, 113 (119). 1485  So aber: Baldauf, DStR 2016, 833 (837) m. w. N.; Mann, DStR 2009, 506 (508); a. A. Seer, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 88 AO, Rz. 69. Auch die Abstraktionshöhe formal-gesetzlicher Regelungen spricht klar gegen eine sinnvolle, praxisorientiert-effektive Fixierung der Risikokriterien. Bei entsprechend vager Formulierung der Kriterien würde dagegen zunehmend das Transparenzinteresse der Betroffenen missachtet werden. Eine Grundrechtswesentlichkeit i. S. d. Wesentlichkeitslehre ist im Übrigen angesichts der nur geringen Eingriffsintensität jedenfalls bei nur risikoevaluierenden Funktionsebenen, vgl. hierzu § 5 C. I. 2. b) bb) (4) (c), mehr als fraglich. 1480  Zaumseil, 1481  Hierzu

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§ 5 Verfassungs-, Unions- und Verfahrensrecht

heiten können ggfls. im Wege eines in-camera-Verfahrens in ein gerichtliches Verfahren eingebracht werden.1486 3. Ergebnis zur automatisierten Amtsermittlung Der allen voran im Gesetzmäßigkeitsprinzip aus Art. 20 Abs. 3 GG verwurzelte und die Verfahren sämtlicher Verfahrenssäulen prägende Untersuchungsgrundsatz steht in einer eigentümlichen Wechselbeziehung zur vollautomatisierten Abwicklung von Verwaltungsverfahren, die unter der Prämisse vollständiger Automation zum einen grundlegende Transformationsleistungen der ursprünglich vom Menschen her gedachten1487 Sachverhaltsermittlung abverlangt, sich andererseits aber auch in ein besonderes Abhängigkeitsverhältnis zu sachverhaltsaufklärenden Verfahrenselementen manövriert, in denen sich ein substanzieller Teil der sachlichen Richtigkeitskontrolle in automatisierten Verwaltungsverfahren vollzieht.1488 In seinem automatisierten Verwirklichungsmodus erschöpft sich der Amtsermittlungsvorgang dabei nicht in der Simulation spezifischer humaner Amtsermittlungselemente, sondern stellt sich als spezifisch technischer Informationsakkumulations- und -bereitstellungsvorgang dar, der darauf gerichtet ist, der Entscheidungssoftware die entscheidungserheblichen Informationen in einer für das System verarbeitbaren Form für ihre Entscheidungsfindung bereitzustellen und der vor allem durch gezielte Informationsabfragen über elektronische Formulare und Eingabemasken sowie Abgleiche aus Datenbanken verwirklicht wird. Trotz der Andersartigkeit seiner Ausfüllung und Umsetzung und der mit den technischen Spezifika korrespondierenden Verengung der verfügbaren Informationskanäle sowie der gesteigerten Dependenz von betroffenenseitigen Mitwirkungsakten, ist eine prinzipielle Reduktion der Geltungskraft des Untersuchungsgrundsatzes damit nicht verbunden.1489 Als logische Vorbedingung setzen die technischen Informationsakkumulations- und -bereitstellungsvorgänge eine Antizipierung der Sachverhaltsaufklärung im Entscheidungssystem voraus, die im Wege der Programmierung realisiert werden muss.1490 Es setzt mithin ein Standardisierungsprozess der Sachverhaltsermittlung ein, der mit fehlenden Plausibilitätskontrollen und der Gefahr einer strukturell schwindenden Berücksichtigungsfähigkeit individueller Einzelfallumstände in einem automationsinduzierten Amtsermitt1486  Vgl. insoweit für das Steuerverfahrensrecht § 86 Abs. 2 S. 2 und Abs. 3 FGO sowie BT-Drs. 18/7457, S. 68 f. und Maier, JZ 2017, 614 (617 und Fn. 35). 1487  Vgl. hierzu Berger, in: Knack/Henneke, VwVfG, § 35a, Rn. 1, 38, 55. 1488  Siehe § 5 C. I. 2. vor a). 1489  Siehe § 5 C. I. 2. a). 1490  Siehe § 5 C. I. 2. a).



C. Verfahrensgrundsätze vollautomatisierter Verwaltungsverfahren371

lungsdefizit mündet, das zur Absicherung der rechtsstaatlichen Postulate des Untersuchungsgrundsatzes wiederum eine Notwendigkeit kompensatorischer Mechanismen hervorruft, die jedenfalls im Ausgangspunkt auch in den normativen Vorgaben des BestVerfModG wahrgenommen wurde.1491 Zum einen hat eine Kompensation defizitärer Einzelfallberücksichtigung durch Mechanismen zu erfolgen, die mögliche Individualitäten der Einzelfälle in das Verwaltungsverfahren integrieren können, wofür typischerweise qualifizierte Freitextfelder oder automatisierte Äußerungsaufforderungen je mit Aussteuerungsfolge als zweckmäßigste Instrumente in Betracht kommen.1492 Defizite bei der Sicherstellung einer nachvollziehenden Kontrolle externer Sachverhaltsdaten und der Erkennung atypischer Konstellationen müssen zum anderen durch den Einsatz sog. Risikomanagementsysteme, also technischer Subsysteme zur Erkennung spezifischer Risiken einer automatisierten Entscheidung einzelner Sachverhalte, aufgefangen werden, die eine strukturelle und automatisierte Plausibilitäts- und Risikokontrolle unabhängig von betroffenenseitigen oder sonstigen verwaltungsexternen Angaben leisten können und für deren rechtsstaatliche Ausgestaltung § 88 Abs. 5 Sätze 3 und 4 AO wertvolle Anhaltspunkte auch außerhalb des Steuerverfahrensrechts liefern.1493 Werden sodann derartige kompensatorischen Mechanismen vorgehalten, die ein effektives Gegengewicht gegenüber den antizipierungs- und standardisierungsbedingten Ermittlungsdefiziten bilden, so kann von einer unter den rechtsstaatlichen Postulaten des Untersuchungsgrundsatzes ordnungsgemäßen Sachverhaltsermittlung i. S. d. §§ 24 VwVfG, 20 SGB X und 88 AO in automatisierten Verwaltungsverfahren ausgegangen werden. Automatisierte Amtsermittlung bedeutet damit im Ergebnis, dass die Idealvorstellung der aktiv-menschlichen und individuell-bedarfsorientierten Sachverhaltsermittlung mit Einzelkontrolle der Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben, die so ohnehin in weiten Teilen der Verwaltungspraxis nicht (mehr) durchgehalten werden kann, vollständig durch einen spezifisch technischen und fallbezogenen Datenakkumulations- und -bereitstellungsvorgang ersetzt wird, der zur Absicherung der rechtsstaatlichen Gehalte des Untersuchungsgrundsatzes mit einzelfallintegrativen Elementen und einer maschinell durchgeführten, strukturellen Plausibilitäts-, Verifikations- und Risikokon­ trolle angereichert ist, um auch in nicht human durchsetzten Verwaltungsverfahren ein verfassungsrechtlich zulässiges Maß an Sachrichtigkeit einzelner Entscheidungen hervorzubringen.1494 Ein Vollzugsmodell, das eine ermitt1491  Siehe

§ 5 C. I. 2. b) vor aa). § 5 C. I. 2. b) aa). 1493  Siehe § 5 C. I. 2. b) bb). 1494  Vgl. auch für das vollautomatisierte Besteuerungsverfahren Maier, JZ 2017, 614 (615 ff.); Ahrendt, NJW 2017, 537 (538 ff.) sowie allgemein U. Stelkens, in: Hill/ 1492  Siehe

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lungsrichterliche Überzeugung in jedem Einzelfall antizipieren soll, kann in vollautomatisierten Verwaltungsverfahren erst recht nicht hergestellt werden.1495 II. Automatisierte Anhörung 1. Verfassungsrechtliche Hintergründe und Kerngehalte des Anhörungsgrundsatzes Als weiteres Fundamentalprinzip der Verfahrensordnungen harrt der Anhörungsgrundsatz i. S. d. §§ 28 VwVfG, 24 SGB X und 91 AO näherer Betrachtung, der im Ausgangspunkt ebenso wie die bisher behandelten Verfahrensprinzipien auch in vollautomatisierten Verfahren Geltung beansprucht.1496 Als wichtigstes Verfahrensrecht des Beteiligten und Katalysator von Vertrauen, Transparenz und Akzeptanz im Hinblick auf das Verfahren und seine abschließende Entscheidung1497 trägt dieser dem fundamentalen Anliegen des Bürgers auf rechtliches Gehör im Verwaltungsverfahren Rechnung und findet – wenn auch im Einzelnen nicht abschließend geklärt – jedenfalls im Rechtsstaatsprinzip und dem Recht auf ein faires Verfahren1498, überwiegend auch im Objektverbot der Menschenwürde1499 sowie dem materiellen Grund-

Kugelmann/Martini, Digitalisierung in Recht, Politik und Verwaltung, 81 (92); Berger, in: Knack/Henneke, VwVfG, § 35a, Rn. 38; vgl. auch Martini/Nink, NVwZ-Extra 10/2017 1 (8). 1495  Vgl. Seer, StbJb 2016/2017, 539 (543); Drüen, in: Schön/Beck, Zukunftsfragen des deutschen Steuerrechts, 1 (13). Neben dem damit verbundenen Antizipierungsaufwand, der in keinem Verhältnis zu den erzielbaren Effizienzsteigerungen stünde, würde ein solches auch die technischen und praktischen Grenzen algorithmischer Entscheidungssysteme sprengen. 1496  Vgl. Luthe, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, § 31a, Rn. 60; Braun Binder, NVwZ 2016, 960 (964). 1497  Schoch, NVwZ 1983, 249 (251) m.  w. N.; Ramsauer, in Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 28, Rn. 1 f.; Seer, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 91 AO, Rz. 1; BVerfGE 84, 34 (45 f.); Krasney, NVwZ 1986, 337 (338 f.); Strohbusch, DVP 2013, 271 (274). 1498  BT-Drs. 7/910, S. 51; BVerfGE 7, 275 (278 f.); OVG Lüneburg DVBl. 1989, 887 (888); Polomski, Der automatisierte Verwaltungsakt, S. 129; Schoch, NVwZ 1983, 249 (251 f.); Krasney, NVwZ 1986, 337; Söhn, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 91 AO, Rz. 14; Herrmann, in: BeckOK VwVfG, § 28, Rn. 1; Ramsauer, in Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 28, Rn. 3 m. w. N. 1499  Vgl. BVerfG NJW 2000, 1709 (1709  f.); BVerwG NVwZ 2001, 94 (95); Kallerhoff/Mayen, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 28, Rn. 2; Herrmann, in: BeckOK VwVfG, § 28, Rn. 1; Söhn, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 91 AO, Rz. 14; Ramsauer, in Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 28, Rn. 3 m. w. N.; krit. insoweit aber Bartels, Die Anhörung Beteiligter im Verwaltungsverfahren, S. 26 f.; krit.



C. Verfahrensgrundsätze vollautomatisierter Verwaltungsverfahren373

rechtsschutz durch Verfahren1500 verfassungsrechtliche Abstützung. Hervorhebung verdient zudem der Aspekt der Gesetzmäßigkeit des Verwaltungshandelns, indem die Anhörung als direkter Informationskanal zum Entscheidungsbetroffenen zugleich ein sachnahes und probates Sachverhaltsaufklärungsinstrument verkörpert, allen voran für Entscheidungen, die genauere, aus der Sphäre des Betroffenen herrührende Kenntnisse der Verhältnisse voraussetzen.1501 Inhaltlich ist dem Beteiligten unter den §§ 28 Abs. 1 VwVfG, 24 Abs. 1 SGB X und 91 Abs. 1 AO1502 grundsätzlich Gelegenheit zu geben, sich zu den entscheidungserheblichen Tatsachen und auch den wesentlichen rechtlichen Grundlagen der zu treffenden Entscheidung äußern zu können, die jeweils vorher entsprechend mitgeteilt werden müssen.1503 Gelegenheit zur Äußerung bedeutet in diesem Sinne sodann nicht nur die Eröffnung einer Stellungnahmemöglichkeit an sich, sondern auch eine vorherige Unterrichtung über die beabsichtigte Durchführung eines Verfahrens gerichtet auf den Erlass eines Verwaltungsakts (oder Verwaltungsvertrags) sowie die anschließende Kenntnisnahme und ernsthafte Berücksichtigung des Vorbringens im Verfahren, damit eine echte Einflussmöglichkeit des Bürgers auf Gang und Ergebnis des Verfahrens geboten wird.1504 2. Anhörung in vollautomatisierten Verfahren Werden diese Grundsätze nun als Maßstab für den vollautomatisierten Abwicklungsmodus von Verwaltungsverfahren zugrunde gelegt, der unter dem Regime des BestVerfModG auch innerhalb der dem eigentlichen Erlasshinsichtlich der Heranziehung der Menschenwürde für die Austarierung verfahrensrechtlicher Fundamentalprinzipien auch bereits oben unter § 5 A. III. 2. a) und 4. 1500  BVerwGE 74, 109 (112 f.); 88, 286 (288); NVwZ-RR 2013, 44 (45); BVerfGE 56, 216 (236); Hufen, NJW 1982, 2160 (2163); Ramsauer, in Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 28, Rn. 3 m. w. N. 1501  Spilker, Behördliche Amtsermittlung, S. 120  f.; Kallerhoff/Mayen, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 28, Rn. 8; Ramsauer, in Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 28, Rn. 1 f.; vgl. auch BVerfGE 58, 45 (66 f.); VGH München BayVBl. 1988, 496 (497). 1502  Die steuerverfahrensrechtliche Ausgestaltung als „Soll“-Vorschrift zieht dabei keine substanziellen inhaltlichen Abweichungen nach sich, vgl. Seer, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 91, Rz. 2. 1503  Herrmann, in: BeckOK VwVfG, § 28, Rn. 15 f.; Pünder, in: Ehlers/Pünder, Allg. VerwR, § 14, Rn. 37. Der Bezug der Anhörung auch auf Rechtsfragen ist im Einzelnen streitig, vgl. Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 28, Rn. 30; Kallerhoff/Mayen, in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 28, Rn. 41 je m. w. N., soll vorliegend aber nicht weiter vertieft werden. 1504  Vgl. BVerwGE 66, 111 (114); BVerwG NVwZ-RR 1991, 337; BVerfGE 27, 248 (252); Kallerhoff/Mayen, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 28, Rn. 34 ff.; Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 28, Rn. 12 ff.

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§ 5 Verfassungs-, Unions- und Verfahrensrecht

vorgang vorgelagerten Verfahrenselemente eine Absenz menschlicher Mitwirkungsbeiträge voraussetzt1505, so ist im Ausgangspunkt kein großes Maß an Vorstellungskraft erforderlich, das sich hieraus ergebende Umsetzungs­ dilemma jedenfalls einer persönlichen oder (fern)mündlichen Durchführung der Anhörung zu erkennen, die verfahrensorganisatorisch einem vollautomatisierten Verwaltungsverfahren des dargestellten Zuschnitts diametral entgegensteht. Das ursprünglich anthropozentrische Institut der Anhörung fordert die Vollautomation von Verwaltungsverfahren insofern (erneut) heraus.1506 Es stellt sich mithin die Frage, wie mit dem Anhörungserfordernis im weitgehend enthumanisierten Verwirklichungsmodus eines automatisierten Verwaltungsverfahrens umgegangen werden muss, dem gerade in diesem Kontext eine besondere Schutzfunktion und Bedeutung als vornehmstes Kontrollrecht des Bürgers zugesprochen wird1507 und in dessen Umsetzung sich gleichzeitig – als natürliche Gelegenheit der Einbringung des eigenen Standpunkts in das Verfahren – ein wichtiges Instrument der Sachverhaltsermittlung materialisiert, die in vollautomatisierten Verfahren ebenfalls in standardisierter Art und Weise abgewickelt werden muss1508. a) Generelle Ausnahme- und Ausschlussbereiche Als wenig problematisch erweist sich die Situation dabei zunächst beim Erlass begünstigender Verwaltungsakte, für die eine Anhörung von vornherein nicht erforderlich ist und sich die Frage einer technischen Durchführung oder Entbehrlichkeit selbiger folglich nicht stellt, vgl. §§ 28 Abs. 1 VwVfG, 91 Abs. 1 AO, 24 Abs. 1 SGB X.1509 Auch für ablehnende und andere nicht lediglich begünstigende Verwaltungsakte wird mit der überwiegenden Rechtsprechung und Teilen der Literatur eine zwingende Anhörungspflicht im Ergebnis abzulehnen sein, zumal der Beteiligte hier bereits im Rahmen seines Antrags Gelegenheit erhält, sich zum Sachverhalt zu äußern.1510 Die Pro­ 1505  Siehe

§ 3 C. II. 2., insbes. d) und E. in: Knack/Henneke, VwVfG, § 35a, Rn. 56. 1507  Vgl. Berger, NVwZ 2018, 1260 (1264); dies., in: Knack/Henneke, VwVfG, § 35a, Rn. 26; Polomski, Der automatisierte Verwaltungsakt, S. 128, 139; in diese Richtung auch Braun-Binder, DÖV 2016, 891 (895). 1508  Siehe zur automatisierten Amtsermittlung bereits § 5 C. I., insbes. 2. a); vgl. auch Guckelberger, in: FS Herberger, 397 (405): „in einem mündlichen Gespräch lässt sich manches Missverständnis aufklären“. 1509  Vgl. Eifert, E-Government, S. 124  f.; Guckelberger, in: FS Herberger, 397 (409). 1510  Vgl. BT-Dr. 7/910, S. 51; BVerwG NJW 1983, 2044 (2045); Herrmann, in: BeckOK VwVfG, § 28, Rn. 13 m. w. N.; vgl. auch Weber, in: BeckOK SozialR, § 24 SGB X, Rn. 7; BSGE 68, 42; BSG NZS 1996, 130; Eifert, E-Government, S. 124 f.; a. A. etwa Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 28, Rn. 26 ff.; Grünewald, in: 1506  Berger,



C. Verfahrensgrundsätze vollautomatisierter Verwaltungsverfahren375

blematik einer automationsgerechten Umsetzung der Anhörung wird mithin auch dort weniger virulent.1511 b) Unergiebigkeit der Ausnahmevorschriften für teilautomatisierte Verwaltungsakte Jedenfalls aber in den übrigen Fallgruppen, insbesondere bei eingreifenden Verwaltungsakten, wird es dagegen zum Schwur kommen, ob und wie den rechtlichen Anforderungen des Anhörungsgrundsatzes in weitgehend enthumanisierten Verwaltungsverfahren Genüge getan werden kann. Keinen gangbaren Lösungsweg bietet dabei sodann die Annahme einer generellen Entbehrlichkeit der Anhörung nach den Verfahrenserleichterungsvorschriften für teilautomatisierte Verwaltungsakte gem. den §§ 28 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG, 24 Abs. 2 Nr. 4 SGB X und 91 Abs. 2 Nr. 4 AO1512. Ausgehend von dem gesetzessystematischen Inklusivitätsverhältnis zwischen vollständig und teilweise automatisiert erlassenen Verwaltungsakten sind diese Normen im Grundsatz zwar als regelungstechnisch anwendbar zu qualifizieren1513, erweisen sich aber letztlich – wie oben gezeigt wurde – aus verschiedenen Gründen als faktisch inkompatibel mit der verfahrensrecht­ lichen Wirklichkeit vollautomatisiert erlassener Verwaltungsakte unter dem Regime des BestVerfModG1514. Neben diversen Einzelaspekten, wie etwa dem steuerverfahrensrechtlichen Ausschluss der Anwendung auf Steuerbescheide als Hauptanwendungsfall vollautomatisiert erlassener Verwaltungsakte1515, oder der ausschließlichen Bezugnahme auf „gleichartige Verwaltungsakte in größerer Zahl“ im Sozialverfahrensrecht, die sich nicht notwendig mit dem automatisierten Erlass eines Verwaltungsakts deckt1516, statuiert hier allen voran Obermayer/Funke-Kaiser, VwVfG, § 28, Rn. 18; Seer, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 91 AO, Rz. 4; vermittelnd etwa Ritgen, in: Knack/Henneke, VwVfG, § 28, Rn. 26 m. w. N. 1511  Aus Gründen der Zweckmäßigkeit erfolgt in der Praxis häufig dennoch eine Anhörung in derartigen Fällen, vgl. etwa Herrmann, in: BeckOK VwVfG, § 28, Rn. 13, so dass sich zumindest insoweit ein Bedürfnis nach ihrer Umsetzung in vollautomatisierten Verfahren ergeben kann. 1512  Vgl. etwa die dahingehenden Andeutungen bei Luthe, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, § 31a, Rn. 60 für das Sozialverwaltungsverfahren; U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35a, Rn. 51 für den Bereich des VwVfG und unter Verweis auf die frühere Diskussion um die Ermessensausübung im Rahmen der Norm; i. E. krit. Guckelberger, in: FS Herberger, 397 (410). 1513  Vgl. oben § 4 B. II. 3. b) und c) dd) (1). 1514  Vgl. § 4 B. II. 3. c) cc) und dd) (2). 1515  Siehe § 4 B. II. 3. c) cc) (1) (b). 1516  Siehe § 4 B. II. 3. c) cc) (1) (a).

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§ 5 Verfassungs-, Unions- und Verfahrensrecht

die Binnensystematik der Normen ein umfassendes anwendungsstrukturelles Hindernis, die nämlich im Kern auf individuelle Einzel­fallentscheidungen in vom Gesetzgeber als atypisch verstandenen Fallkon­stellationen angelegt ist, im Rahmen derer aufgrund der besonderen Umstände die Verwirklichung der Verfahrensrechte ohnehin nur unwesentlich zur Disposition steht und daher eine dem Verfahrensermessen der Behörde anheimgestellte Absenkung der Anforderungen ermöglicht wird1517, nach hier vertretener Auffassung aber gerade nicht zu der einer konkreten Einzelentscheidung weit vorgelagerten, verfahrensorganisatorischen Entscheidung eines pauschalen (Anhörungs-) Verzichts – mit allen damit verbundenen Abwägungen – ermächtigen kann.1518 Ein solches Vorgehen könnte gesetzessystematisch allenfalls bei Schaffung einer ausdrücklichen Gesetzesgrundlage zum (generellen) Anhörungsverzicht als zulässig eingeordnet werden.1519

1517  Siehe

§ 4 B. II. 3. c) cc) (2) und dd) (2). diese Richtung aber Guckelberger¸ VVDStRL 78 (2019), 235 (273 f.); vgl. auch Berger, in: Knack/Henneke, VwVfG, § 35a, Rn. 56 sowie bereits die verfassungskonforme Auslegung der §§ 28 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG, 91 Abs. 2 Nr. 4 AO bei Lazaratos, Rechtliche Auswirkungen der Verwaltungsautomation, S. 198 ff. m. w. N. aus der älteren Literatur; ähnlich zur hier vertretenen Auffassung i. E. auch Martini/ Nink, NVwZ-Extra 10/2017, 1 (12 in Fn. 114), die aber mit einer äußerst restriktiven Anwendung aufgrund der Einzelfallbezogenheit der Ausnahmeregelung argumentieren. Eine solche „vorgelagerte Abwägung“ der Gebotenheit einer Anhörung für bestimmte Einzelfälle wird wohl auch rein tatsächlich kaum sachgerecht geleistet werden können. 1519  Dies könnte beispielsweise durch entsprechende Erweiterung der Ausnahmeregelungen zur Anhörung um folgenden Passus geschehen: „Werden Verwaltungsakte vollständig durch automatische Einrichtungen (§ 35a) erlassen, kann von der Anhörung ungeachtet des Einzelfalls abgesehen werden, wenn nicht eine Anhörung nach dem Zuschnitt der (konkreten) automatisierten Verfahren zur effektiven Wahrung der Verfahrensrechte des Beteiligten oder Sicherstellung sachrichtiger Entscheidungen notwendig erscheint“. Vgl. zu ähnlichen Änderungsvorschlägen hins. des § 28 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG bereits Lazaratos, Rechtliche Auswirkungen der Verwaltungsautomation, S. 203, der m. E. dabei allerdings die Problematik der wertend am Einzelfall ausgerichteten Binnensystematik der Norm zu wenig berücksichtigt. Auf die Frage der Verfassungsmäßigkeit einer dahingehenden Entbehrlichkeitsvorschrift kann im Rahmen dieser Arbeit nicht näher eingegangen werden. Allerdings gilt es dabei zu berücksichtigen, dass Anforderungen und Gehalte des Anhörungserfordernisses angesichts seines von weitreichenden Heilungs- und Unbeachtlichkeitsvorschriften ausgehenden Bedeutungsschwundes nicht überspannt werden dürfen, vgl. hierzu Spieker gen. Döhmann, VVDStRL 78 (2019), 347 (Aussprache), die insofern von einer „Farce“ spricht, zu der das Anhörungsrecht verkommen sei. Andererseits müssen aber auch die im Folgenden darzulegenden Verwirklichungsmöglichkeiten einer „technischen Anhörung“ berücksichtigt werden. 1518  In



C. Verfahrensgrundsätze vollautomatisierter Verwaltungsverfahren377

c) Die Informalität der Anhörung als Anker ihrer technischen Umsetzung Ob die Notwendigkeit einer dahingehenden gesetzgeberischen Modifikation tatsächlich attestiert werden muss, kann sodann aber letztlich dahinstehen, zumal sich eine sachgerechte (und technisch praktikable) Bewältigung des Anhörungserfordernisses – soweit bestehend – in vollautomatisierten Verwaltungsverfahren auch innerhalb des verfassungsrechtlich abgesteckten und einfachgesetzlich konkretisierten Rahmens der §§ 28 Abs. 1 VwVfG, 24 Abs. 1 SGB X und 91 Abs. 1 AO erreichen lässt. Der hier propagierte, auch um Simplifizierung bemühte Lösungsansatz gründet dabei auf dem über sämtliche Verfahrenssäulen hinweg anerkannten Umstand, dass die verfahrensorganisatorische Umsetzung des Anhörungsgrundsatzes im Ausgangspunkt und vorbehaltlich spezialgesetzlicher Anordnungen keinerlei formalen Bindungen unterworfen und in der genaueren Durchführung dem Verfahrensermessen der Behörde anheimgestellt ist.1520 Auch wenn aktive und personell-kommunikative Durchführungsformen (z. B. fernmündlich) häufig – u. a. aufgrund unmittelbarer Rückfragemöglichkeiten – als zweckmäßigste und deshalb vorzugswürdige Varianten einer An­ hörung angesehen werden, besteht demnach unter dem Anhörungsgrundsatz insbesondere auch die Möglichkeit zur schriftlichen sowie – unter der Voraus­setzung elektronischer Zugangseröffnung i. S. d. §§ 3a Abs. 1 VwVfG, 87a Abs. 1 S. 1 AO und 36a Abs. 1 SGB I – elektronischen Stellungnahme als zulässige Form der Anhörungsgewährung1521, die sich verfahrensorganisatorisch ohne Weiteres in eine automatisierte Verfahrensgestaltung einbetten lassen: Sofern hinsichtlich ablehnenden Entscheidungen und anderen nicht lediglich begünstigenden Verwaltungsakten überhaupt eine Anhörungsverpflichtung erblickt wird oder sich die Behörde freiwillig aus Zweckmäßigkeitserwägungen für ein Anhörungselement entscheidet, kann hierbei in ­Antragsverfahren die Anhörungsgewährung zum einen ein Stück weit darin erblickt werden, dass der Bürger seine tatsächlichen Angaben bereits in den vorgesehenen Eingabemasken des Entscheidungssystems macht.1522 Da 1520  Herrmann, in: BeckOK VwVfG, § 28, Rn. 17; BVerwG DVBl. 1986, 430; DVBl. 2014, 303 (305); OVG Weimar NVwZ-RR 1997, 287 (288); Söhn, in: Hübsch­ mann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 91 AO, Rz. 116 ff.; Wünsch, in: Koenig, AO, § 91, Rn. 17; Mutschler, in: BeckOGK Sozialrecht, § 24 SGB X, Rn. 17; vgl. insoweit auch Guckelberger, Öffentliche Verwaltung, Rn. 691. 1521  Guckelberger, GewArch 2019, 457 (460); vgl. auch dies., Öffentliche Verwaltung, Rn. 691; BVerwG DVBl. 1986, 430; Pünder, in: Ehlers/Pünder, Allg. VerwR, § 14, Rn. 37. 1522  Vgl. Baum, NWB 2016, 2636 (2642); vgl. auch Beirat VwVfR, NVwZ 2015, 1114 (1115) sowie OVG Münster NVwZ 1983, 746.

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§ 5 Verfassungs-, Unions- und Verfahrensrecht

stan­dardisierte Eingabefelder allerdings unmöglich sämtliche Individualitäten des Einzelfalles abbilden können1523, ist zum anderen erforderlich, dass zusätzlich (qualifizierte) Freitextfelder (typischerweise unmittelbar innerhalb der Eingabemasken) vorgehalten werden, die individuelle Einlassungen seitens des Betroffenen zulassen, um dem Anspruch auf rechtliches Gehör ausreichend Rechnung zu tragen.1524 Schwieriger gestaltet sich auch hier die Situation in Offizialverfahren, wo allerdings entweder – ähnlich zum Vorgang automatisierter Sachverhaltsermittlung – in Gestalt einer automatischen, mit Fristsetzung versehenen Aufforderung an den Bürger zur Äußerung vor Entscheidungserlass ggfls. kombiniert mit dem im Falle der Nichtäußerung zugrunde gelegten Sachverhalt oder eines durch Nichtäußerung innerhalb einer bestimmten Frist aufschiebend bedingt erlassenen Verwaltungsakts ebenfalls praktikable Umsetzungsvarianten existieren.1525 In beiden Ausgangssituationen erfordert die Gewährung rechtlichen Gehörs – im Sinne einer realen Einflussmöglichkeit des Bürgers – die tatsächliche Berücksichtigung der Angaben, die mangels hinreichender sprachkognitiver Fähigkeiten auch moderner Entscheidungssysteme erneut nur im Wege einer Aussteuerung an menschliche Mitarbeiter geleistet werden kann.1526 Äußerungs- bzw. Einlassungsmöglichkeiten mit bloß enumerativem Charakter sind insofern als nicht ausreichend individualitätsintegrierende Instrumente zu qualifizieren und damit unzulässig.1527 3. Ergebnis zur Anhörung in automatisierten Verfahren Im Ergebnis sind es damit – je nach Grundtypus des Verwaltungsverfahrens – qualifizierte Freitextfelder und automatisierte Äußerungsaufforderungen jeweils mit Aussteuerungsfolge, die unter den einfachrechtlichen Konkretisierungen der Verfahrensgrundsätze einerseits praktikable und andererseits den verfassungsrechtlichen Postulaten gerecht werdende Lösungsansätze zur Umsetzung des Anhörungsgrundsatzes in automatisierten Verwaltungs1523  Vgl.

zum Bereich der standardisierten Amtsermittlung bereits § 5 C. I. 2. a). in: FS Herberger, 397 (409 f.); Trossen, AO-StB 2017, 309 (310); einschränkender nunmehr Guckelberger, DÖV 2021, 566 (574); vgl. zu qualifizierten Freitextfeldern bereits § 5 C. I. 2. b) aa); vgl. auch Baldauf, DStR 2016, 833 (834 f.) und Baum, NWB 2016, 2636 (2642). 1525  Vgl. Degrandi, Die automatisierte Verwaltungsverfügung S. 99 f.; Lazaratos, Rechliche Auswirkungen der Verwaltungsautomation S. 204 ff.; Polomski, Der automatisierte Verwaltungsakt, S. 139; Eifert, E-Government, S. 143; vgl. auch bereits § 5 C. I. 2. b) aa) (1). 1526  Vgl. hierzu bereits oben § 5 C. I. 2. b) aa) (2) und (3). 1527  Siehe bereits § 5 C. I. 2. b) aa) (1).; vgl. auch Martini/Nink, NVwZ-Extra 10/2017, 1 (4) im Kontext von Art. 22 DSG-VO; für die Möglichkeit individueller Einlassungen auch Guckelberger, in: FS Herberger, 397 (409 f.). 1524  Guckelberger,



C. Verfahrensgrundsätze vollautomatisierter Verwaltungsverfahren379

verfahren bieten. Im Einzelnen und soweit vorstehend nicht besonders erwähnt sind hier die im Rahmen der automatisierten Sachverhaltsermittlung herausgearbeiteten Grundsätze entsprechend zur Anwendung zu bringen.1528 Qualifizierten Freitextfeldern respektive Äußerungsaufforderungen, die jeweils eine Aussteuerung des Verfahrens aus den automatisierten Verarbeitungsprozessen zur Folge haben, wird insofern eine eigentümliche Doppelfunktion innerhalb vollautomatisierter Verwaltungsverfahren zuteil, indem diese einerseits als einzelfallintegratives Element der Sachverhaltsermittlung bereits im Rahmen des Untersuchungsgrundsatzes rechtsstaatlich-kompensatorische Funktionen wahrnehmen und andererseits als Gewährleistungsmechanismus rechtlichen Gehörs operieren.1529 In dieser Doppelrolle stellen sie eine rechtsstaatliche Ausgestaltung automatisierter Verwaltungsverfahren sicher. III. Automatisierte Begründung 1. Verfassungsrechtliche Hintergründe und Kerngehalte der verwaltungsverfahrensrechtlichen Begründungspflichten Als letztes Fundamentalprinzip der Verfahrensordnungen ist schließlich auf Begründungspflichten einzugehen, die in den §§ 39 VwVfG, 35 SGB X und 121 AO einfachrechtlich kodifiziert wurden1530, ihren Ursprung allerdings gleichermaßen in verfassungsrechtlichen Grundsätzen finden, namentlich dem Rechtsstaatsprinzip1531, in ihrer transparenzsichernden Funktion dem Demokratieprinzip1532, dem Grundrechtsschutz durch Verfahren bei 1528  Siehe

§ 5 C. I. 2. b) aa). auch Luthe, in: jurisPK-SGB X, § 31a, Rn. 48; Baum, NWB 2016, 2636 (2642); Frotscher, in: Schwarz/Pahlke, Erstkomm. BestVerfModG, § 155 AO, Rz. 13; Seer, in: Tipke/Kruse, FGO/AO, § 155 AO, Rz. 56; Littmann, in: Hauck/Noftz, SGB X, § 31a, Rn. 14; krit. zu dieser Doppelrolle Guckelberger, DÖV 2021, 566 (574). 1530  Die verschiedenen Begründungspflichten sind inhaltlich weitgehend identisch. Lediglich im Abgabenverwaltungsverfahren wird gem. § 121 Abs. 1 AO („soweit dies zu seinem Verständnis erforderlich ist“) eine gegenüber dem VwVfG und SGB X nur reduzierte allgemeine Begründungspflicht angeordnet, um den praktischen Bedürfnissen der Steuerverwaltung Rechnung zu tragen, siehe BT-Drs. VI/1982, S. 211 f.; BTDrucks. 7/4292, S. 27; Söhn, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 121 AO, Rz.  55 ff.; Seer, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 121 AO, Rz. 1, 8. 1531  BT-Drs. 7/910, S. 60; BVerfGE 6, 32 (44); 49, 24 (66); Kischel, Die Begründung, S.  64 ff.; Tiedemann, in: BeckOK VwVfG, § 39, Rn. 2; Ramsauer, in: Kopp/ Ramsauer, VwVfG, § 39, Rn. 5a m. w. N.; Seer, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 121 AO, Rz. 2. 1532  Kischel, Die Begründung, S. 106  ff., 114; Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 39, Rn. 5a. 1529  Vgl.

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§ 5 Verfassungs-, Unions- und Verfahrensrecht

entsprechender Grundrechtsbetroffenheit1533 sowie der effektiven Rechtsschutzgewährleistung1534. In Gestalt bestimmter Dokumentationsanforderungen nehmen Begründungspflichten dabei die Rolle eines verfahrensrecht­ lichen Bindeglieds zwischen einer nach außen getroffenen Verwaltungsentscheidung und den dahinterstehenden, internen Erwägungen ein, in der sie nicht nur Rechtsschutz- und Akzeptanzfunktionen erfüllen, indem der Betroffene über die Gründe einer Entscheidung informiert und von dieser möglichst überzeugt oder zumindest in die Lage versetzt wird, die Erfolgsaussichten eines gegen diese gerichteten Rechtsbehelfs zu eruieren,1535 sondern auch durch Reflektion und Dokumentation des (eigenen) behördlichen Vorgehens Elemente der Selbst- und Fremdkontrolle der Behörde etablieren1536. 2. Begründungspflichten bei vollautomatisiert erlassenen Verwaltungsakten Für in vollautomatisierten Verwaltungsverfahren zustande gekommene Verwaltungsakte ändert sich an dieser Ausgangssituation zunächst wenig: Da die in §§ 39 VwVfG, 35 SGB X und 121 AO konkretisierten Begründungserfordernisse gem. der jeweiligen Absätze 1 für sämtliche schriftlichen, elektronischen und schriftlich oder elektronisch bestätigten Verwaltungsakte greifen und vollautomatisiert erlassene Verwaltungsakte nicht von ihren Ver­ kör­ perungsformen abhängen1537, zeitigt das weitgehende Wegfallen menschlicher Verfahrensteilhabe1538 keinerlei Auswirkungen auf das grundsätzliche Bestehen der Begründungspflicht1539. Vorbehaltlich der in den Absätzen 2 der Nor1533  Kischel, Die Begründung, S. 123  ff.; Laubinger, VerwArch 73 (1982), 60 (75 f.); Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 39, Rn. 5a. Zum Teil wird auch hierbei auf die Menschenwürde rekurriert, kritisch dazu Dolzer, DÖV 1985, 9 (12); Tiedemann, in: BeckOK VwVfG, § 39, Rn. 2 sowie bereits § 5 A. III. 2. 1534  BVerfGE 6, 32 (44); 84, 34 (49); BVerwGE 84, 375 (388); 91, 262 (264 ff.); 87, 141 (150); BFH/NV 2004, 1062; Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 39, Rn. 5a; Tiedemann, in: BeckOK VwVfG, § 39, Rn. 5; Fritsch, in: Koenig, AO, § 121, Rn. 2. 1535  BVerwGE 83, 345 (356 f.); 91, 262 (264 f.); Kischel, Die Begründung, S. 48 ff., 52 ff.; Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 39, Rn. 4; Tiedemann, in: BeckOK VwVfG, § 39, Rn. 5; Mutschler, in: BeckOGK Sozialrecht, § 35 SGB X, Rn. 2 ff.; Seer, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 121 AO, Rz. 2a, 4; Schoch, Jura 2005, 757; Dolzer, DÖV 1985, 9 (10); Kube, VVDStRL 78 (2019), 289 (318). 1536  BVerwG NVwZ 1993, 677 (679); Kischel, Die Begründung, S. 40 ff., 48 ff.; Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 39, Rn. 4a; Mutschler, in: BeckOGK Sozialrecht, § 35 SGB X, Rn. 4; Seer, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 121 AO, Rz. 3, 5; Wischmeyer, AöR 143 (2018), 1 (56 f.). 1537  Siehe § 3 C. III. 1538  Zu den begrifflichen Charakteristika zusammenfassend § 3 D. 1539  Vgl. hierzu bereits Maunz¸ BayVBl. 1967, 86 (87).



C. Verfahrensgrundsätze vollautomatisierter Verwaltungsverfahren381

mierungen geregelten Ausnahmetatbestände ist eine Begründung des Verwaltungsakts daher auch für vollständig automatisiert erlassene Verwaltungsverfügungen nach wie vor erforderlich1540, die nach Durchlauf der selbsttätigen Arbeitsprozesse typischerweise einer schriftlichen (durch Ausdruck) oder elektronischen (durch Generierung eines digitalen Dokuments) Verkörperung zugeführt werden1541. Ohne nachvollziehbare Begründung bleibt in diesem Sinne auch eine objektiv völlig richtige vollautomatisierte Verwaltungsentscheidung verfassungs- wie einfachrechtlich defizitär1542 und befeuert darüber hinaus Widerstände und Vorbehalte gegenüber der Technik1543, die gerade auch auf ein gewisses Maß an Akzeptanz und Vertrauen angewiesen ist1544. Teleologisch betrachtet leuchtet diese Weichenstellung unmittelbar ein: Obgleich bei automatisierter Generierung einer Entscheidungsbegründung eine Selbstkontrolle der Verwaltung im Einzelfall unrealistisch erscheint1545, kann diese durchaus der Nachvollziehbarkeit der Entscheidung durch den Betroffenen und auch durch die Gerichte zu Gute kommen, so dass zumindest Fremdkontroll-, Rechtsschutz- und Akzeptanzfunktionen der Begründung unverändert ihre Gültigkeit behalten.1546 Anzeichen einer generellen Entbehrlichkeit des Begründungserfordernisses in automatisierten Verwaltungsverfahren ergeben sich somit keine und können nach hier vertretener Auffassung auch nicht unter Rückgriff auf die Ausnahmetatbestände der Absätze 2, insbesondere § 39 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG und seine Parallelnormen beim Einsatz automatischer Einrichtungen hergeleitet werden. Ähnlich wie bereits im Kontext des Anhörungsgrundsatzes ist hier zwar im Grundsatz von einer gesetzessystematischen Interoperabilität der Normen auszugehen, die sich allerdings – unter anderem aufgrund des Fortfalls des Regelungszwecks der Ausnahmetatbestände und anwendungssystematischer Hindernisse – nicht in einer tatsächlichen Verwertbarkeit für moderne, vollautomatisierte Verwaltungsverfahren fortsetzt und insbesondere nicht zu einem generellen Dispens von verfahrensrechtlichen Rechtspositionen ermächtigt.1547 Ganz im Gegen1540  Vgl. Schröder, VerwArch 110 (2019), 328 (342); Ramsauer/Tegethoff, in: Kopp/ Ramsauer, VwVfG, § 35a, Rn. 9a; eingehender Roth-Isigkeit, DÖV 2020, 1018 ff. 1541  Vgl. hierzu § 3 C. III. und § 4 B. I. 1. 1542  Kube, VVDStRL 78 (2019), 289 (318); vgl. auch Schröder, VerwArch 110 (2019), 328 (342). 1543  Wischmeyer, AöR 143 (2018), 1 (58). 1544  Vgl. nur Mann, in: Seckelmann, Digitalisierte Verwaltung, Kap. 29, Rn. 1, 49. 1545  Anders insoweit offenbar Martini/Nink, NVwZ-Extra 10/2017, 1 (12). 1546  Guckelberger, VVDStRL 78 (2019), 235 (274); dies., Öffentliche Verwaltung, Rn. 524; vgl. auch Wischmeyer, AöR 143 (2018), 1 (58); Martini/Nink, NVwZ-Extra 10/2017, 1 (12). 1547  Siehe bereits § 4 B. II. 3. b), c) bb) sowie dd) (1) und (2); vgl. auch Guckelberger, VVDStRL 78 (2019), 235 (274), die aufgrund der Leistungsfähigkeit heutiger

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§ 5 Verfassungs-, Unions- und Verfahrensrecht

teil wird Begründungspflichten gerade im Kontext vollautomatisierter Verwaltungsverfahren eine besondere Rolle als verfahrensrechtlicher Antagonist zu mit algorithmischen Entscheidungssystemen typischerweise assoziierten Intransparenzen zugeschrieben.1548 a) Umsetzung einer automatisierten Begründung Hinsichtlich der konkreten Umsetzung der unverändert bestehenden Begründungspflicht in automatisierten Verwaltungsverfahren gilt sodann jedenfalls für determinierte juristische Entscheidungssysteme, dass die Implementation eines „automatisierten Begründungsmechanismus“ nach heutigen Maßstäben informatischer Systeme keine technische Herausforderung darstellt und sich insbesondere im Wege vorformulierter Textelemente mit variablen Lücken, Varianten, Aneinanderreihungen etc. realisieren lassen dürfte, die automatisiert hinzugefügt werden und an das Vorliegen bestimmter Sachverhaltsumstände oder bestimmte Eingaben geknüpft sind, je nach dem zu welcher Entscheidung das System in der Sache gelangt.1549 Die anklingende Zuversicht in der Umsetzung derartiger Begründungsmechanismen rührt vor allem daher, dass auch die der eingesetzten Entscheidungssoftware zugrundeliegenden Entscheidungsregeln, auf die die automatisiert erlassenen Verfügungen letztlich vollumfänglich zurückgehen, eine Vorwegnahme im System erfahren haben und vollumfänglich determiniert sind, so dass die Grund­ voraussetzungen auch einer Standardisierbarkeit bestimmter Begründungselemente, die jeweils mit bestimmten Entscheidungsparametern und ihren Variationen bzw. Kombinationen zusammenhängen, von vornherein dem System immanent sind.1550 Eine menschliche Intervention, die – ausgehend von den sprachkognitiven Schwächen algorithmischer Systeme – in Umfang und Intensität mit den Erfordernissen einer automatisierten Anhörung, der IT-Systeme eine Streichung des § 39 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG fordert; in diese Richtung i. E. auch Siegel, DVBl. 2020, 552 (556); Martini/Nink, NVwZ-Extra 10/2017, 1 (11 f.); Hornung, in: Schoch/Schneider, VwVfG, § 35a, Rn. 40 sowie bereits Lazaratos, Rechtliche Auswirkungen der Verwaltungsautomation, S. 361 f. 1548  Vgl. Martini, JZ 2017, 1017 (1020); ders./Nink, NVwZ-Extra 10/2017, 1 (11); vgl. auch bereits Polomski, Der automatisierte Verwaltungsakt, S. 160 f. 1549  Vgl. auch Martini/Nink, NVwZ-Extra 10/2017, 1 (12 mit Fn. 115); Martini, JZ 2017, 1017 (1020); Guckelberger, GewArch 2019, 457 (462); Rechsteiner, in: Jusletter IT vom 26. November 2018, Rz. 26, 36; Eifert, E-Government, S. 124; Polomski, Der automatisierte Verwaltungsakt, S. 166; Anzinger, DStJG 42 (2019), 15 (40) sowie bereits Voth, DStR 1981, 291 und Lazaratos, Rechtliche Auswirkungen der Verwaltungsautomation, S. 361 ff., der ebenfalls bereits standardisierte Erläuterungstexte für Computerbescheide vorschlägt. Eine gewisse Skepsis äußert dagegen Hoffmann-Riem, AöR 145 (2020), 1 (29). 1550  Vgl. hierzu auch Martini/Nink, NVwZ-Extra 10/2017, 1 (12 in Fn. 115).



C. Verfahrensgrundsätze vollautomatisierter Verwaltungsverfahren383

Berücksichtigung individuellen Vorbringens im Rahmen der sachverhaltsermittelnden Prozesse oder der Prüfung von als risikohaft eingestuften Sachverhalten vergleichbar wäre1551, ist hier gerade nicht erforderlich. Die so beschriebene Verknüpfung von Entscheidungsregeln und korrespondierenden Begründungselementen muss dabei bereits konzeptionell in der Programmierung des Entscheidungssystems angelegt sein.1552 Eine bloße technische Protokollierung des Programmablaufs muss dagegen vor dem Hintergrund des Rechtfertigungscharakters der Begründung als ungenügend abgelehnt werden.1553 Weitaus größere Schwierigkeiten wird das Bemühen um eine Begründung ergangener Verwaltungsentscheidungen dagegen bei algorithmischen Systemen hervorrufen, deren inhaltlichen Entscheidungsparameter Elemente der Indetermination aufweisen, im vorliegenden Kontext automatisiert erlassener Verwaltungsakte also insbesondere innerhalb der rechtsanwendenden Funk­ tionsebenen auf selbstlernende Algorithmen zurückgreifen. Da die Entscheidungsparameter dort ausgehend von den stochastisch-induktiven Funktionsweisen maschineller Lernverfahren1554 einer fortlaufenden Selbstmodulation unterliegen und sich deshalb selbst unter Hinzuziehung von Experten sowohl die Entscheidungsregeln als auch deren selbstinduzierte Anpassung – wenn überhaupt – nur mehr unter äußerst schwierigen Bedingungen rekonstruiert lassen1555, ist ein automatisierter Begründungsmechanismus für auf diesen Regeln basierende, abschließend getroffene Einzelentscheidungen mit erheblichen und strukturellen Komplikationen verbunden, die seine zuverlässige Umsetzbarkeit insgesamt in Frage stellen.1556 Da nach hier vertretener Auf1551  Vgl.

hierzu jeweils bereits § 5 C. I. 2. b) aa) b), bb) (3) und II. 2. c). Martini, JZ 2017, 1017 (1020). 1553  Roth-Isigkeit, DÖV 2020, 1018 (1024). 1554  Zu den Funktionsweisen indeterminierter Systeme bereits § 5 B. I. 2. 1555  Vgl. zur Problematik der Nachvollziehbarkeit indeterminierter Algorithmen bereits § 5 B. II. 2. cc) m. w. N. 1556  Vgl. auch Martini/Nink, NVwZ-Extra 10/2017, 1 (12 in Fn. 115); Schröder, VerwArch 110 (2019), 328 (342); Rechsteiner, in: Jusletter IT vom 26. November 2018, Rz. 26 und 36; optimistischer dahingehend aber Meyer, ZRP 2018, 233 (237), der es KI-Anwendungen in naher Zukunft ohne Weiteres zutraut, eine begründende Darstellung des gefundenen Ergebnisses zu generieren, ohne dass dabei die technischen Abläufe der Algorithmen selbst (das „innere Prozessieren“) dargestellt werden müsste. Vgl. auch Wischmeyer, AöR 143 (2018), 1 (61) m. w. N., der auf gegenwärtige Bemühungen zur Entwicklung einer „explainable AI“ (XAI) hinweist, die in der Lage sein soll, Auskünfte über die für ihre Entscheidung maßgeblichen Gründe in einer für menschliche Empfänger verständlichen Form aufbereiten können, vgl. insoweit Herberger, NJW 2018, 2825 (2828) m. w. N. im Kontext medizinischer Anwendungsfelder intelligenter Systeme; Martini, JZ 2017, 1017 (1020, insbes. Fn. 36); Hermstrüwer, AöR 145 (2020), 479 (499) m. w. N. sowie zu aktuell diskutierten informatischen Ansätzen der Erklärbarkeit Käde/von Maltzan, DSRITB 2019, 339 (345 ff.). 1552  Vgl.

384

§ 5 Verfassungs-, Unions- und Verfahrensrecht

fassung der Einsatz selbstlernender Algorithmen im Rahmen der rechtsanwendenden Funktionsebenen eines juristischen Entscheidungsprogramms allerdings als verfassungsrechtlich unzulässig zu qualifizieren ist1557, stellt sich die Frage der Begründbarkeit indeterminierter Entscheidungen hier – zumindest aktuell – ohnehin nicht. b) Inhalte und Tiefe der Begründung In inhaltlicher Hinsicht hat auch die Begründung eines automatisiert erlassenen Verwaltungsakts im Grundsatz die wesentlichen rechtlichen und tatsächlichen Gründe zu enthalten, die die getroffene Entscheidung getragen haben, vgl. §§ 39 Abs. 1 S. 2 VwVfG, 35 Abs. 1 S. 2 SGB X.1558 Hierzu gehören regelmäßig zumindest Angaben zur Rechtsgrundlage, dem zugrunde gelegten Sachverhalt einschließlich der personenbezogenen Datengrundlage, die der Entscheidung zugrunde gelegt wurde1559, den tatbestandlichen Voraussetzungen und dazu, inwiefern diese Tatbestandsvoraussetzungen als einschlägig angesehen werden.1560 Im Falle von Ermessensentscheidungen, die nach den gegenwärtigen Regelungen des BestVerfModG allerdings gesetzlich vom Anwendungsbereich automatisierter Verwaltungsakte ausgeschlossen sind1561, wären zudem noch die für die konkrete Ermessensausübung ausschlaggebenden Gesichtspunkte aufzuführen, vgl. §§ 39 Abs. 1 S. 3 VwVfG, 35 Abs. 1 S. 3 SGB X.1562 Umfang und Tiefe der Erläuterungen richten sich Im Einzelnen können hierzu aufgrund des frühen Entwicklungsstandes aber noch keine definitiven Aussagen getroffen werden; skeptisch diesbzgl. etwa Kumkar/RothIsigkeit, JZ 2020, 277 (285); Roth-Isigkeit, DÖV 2020, 1018 (1020). 1557  Siehe § 5 B. II. 2. a), insbes. dd). 1558  Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 39, Rn. 18a. Trotz der eingeschränkten Begründungspflicht gilt dies im Grundsatz auch für § 121 AO, vgl. Füssenich, in: BeckOK AO, § 121, Rn. 24; Seer, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 121 AO, Rz. 10; Söhn, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 121 AO, Rz. 76, 79. 1559  Vgl. Martini, JZ 2017, 1017 (1020); Engel, VVDStRL 78 (2019), 345 (Aussprache); vgl. hins. der Datengrundlagen der Sachverhaltsfeststellung zudem VerfGH Saarbrücken NZV 2018, 275. 1560  Vgl. Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 39, Rn. 18a m. w. N. aus der Rechtsprechung; vgl. auch Söhn, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 121 AO, Rz. 76, 79. 1561  Eingehend zur Automatisierbarkeit exekutiver Letztentscheidungsrechte § 6. 1562  Trotz vereinzelt abweichender Wortwahl (insbes. „soll“ und „muss“) bestehen i. E. nur marginale Unterschiede zwischen den Verfahrenssäulen. So darf auch im allgemeinen Verwaltungsverfahrensrecht trotz Formulierung als „Soll“-Vorschrift nur in Ausnahmefällen von einer Darlegung der Ermessenserwägungen abgesehen werden, vgl. Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 39, Rn. 25; U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 39, Rn. 65 ff.; vgl. hierzu auch Füssenich, in: BeckOK AO, § 121, Rn. 24.3; Seer, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 121 AO, Rz. 11.



C. Verfahrensgrundsätze vollautomatisierter Verwaltungsverfahren385

dabei ebenfalls nach den Anforderungen der konkret zu treffenden Entscheidungen.1563 Ausgehend vom grundsätzlichen Fehlen menschlicher Verfahrensbeteiligung besteht ein wesentlicher Unterschied zum Vorgehen in herkömmlichen Verwaltungsverfahren sodann aber darin, dass für automatisierte Begründungsmechanismen im Rahmen determinierter Entscheidungssysteme sowohl Inhalt als auch Umfang der Begründung einer abschließenden Antizipierung im Entscheidungssystem für die jeweils möglichen Entscheidungsvarianten zugeführt werden müssen, ähnlich wie bereits eine Antizipierung der sachverhaltsermittelnden Vorgänge1564 sowie die Antizipierung der Rechtsanwendung in determinierten Systemen selbst1565 als Charakteristika vollautomatisiert abgewickelter Verwaltungsverfahren identifiziert wurden. Eine Vorwegnahme und damit einhergehende Standardisierung der Begründung mündet dabei nicht zwangsläufig in einer Vernachlässigung der verfassungsrechtlich fundierten Begründungspflichten, zumal die Funktionen des Begründungserfordernisses – als Teil des Entscheidungs-Outputs und nicht des Informations-Inputs – in weit geringerem Umfang individualitäts­ integrierende Züge aufweisen, als dies im Rahmen der Anhörung oder bei (weiteren) Teilen der Sachverhaltsermittlung anzunehmen war. Zwar wird zu Recht konsentiert, dass inhaltlich abstrakte, rein floskelhafte Erläuterungen der Begründung und ihren Funktionen keineswegs gerecht werden können1566, weshalb auch eine Collage aus verschiedenen Textbausteinen, die keinen ausreichenden Bezug zu der zu begründenden Entscheidung herstellt, einen Begründungsmangel hervorrufen kann1567. Die Verwendung formularmäßiger oder sonst wie standardisierter Begründungen wird dadurch allerdings nicht prinzipiell ausgeschlossen, sofern ein hinreichender inhaltlicher Bezug auf den konkret entschiedenen Sachverhalt verbleibt1568, wovon auch 1563  Vgl. Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 39, Rn. 21; U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 39, Rn. 43 f.; Mutschler, in: BeckOGK Sozialrecht, § 35 SGB X, Rn. 8 je m. w. N. aus der Rechtsprechung; vgl. zu den eingeschränkten Anforderungen des § 121 AO auch BFH BeckRS 2004, 25003273; Füssenich, in: BeckOK AO, § 121, Rn. 23. 1564  Siehe § 5 C. I. 2. a). 1565  Siehe § 5 A. I. 1. a) aa). 1566  Martini/Nink, NVwZ-Extra 10/2017, 1 (12); Obermayer, in: ders./Funke-Kaiser, VwVfG, § 39, Rn. 23; Tiedemann, in: BeckOK VwVfG, § 39, Rn. 30; Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 39, Rn. 18; OVG Münster NVwZ 1982, 326. 1567  U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 39, Rn. 42; OVG Münster NVwZ-RR 1996, 173 (173 f.); FG Düsseldorf DStRE 2001, 212 (214); vgl. auch VGH München NVwZ-RR 2003, 837. 1568  Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 39, Rn. 18; U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 39, Rn. 44; BVerwG NVwZ 1983, 476 (478); VGH München BeckRS 2019, 8692 (Rn. 11).

386

§ 5 Verfassungs-, Unions- und Verfahrensrecht

in der tagtäglichen menschlichen Verwaltungspraxis reger Gebrauch gemacht wird1569. Werden Begründungsaufgaben durch automatisierte Begründungsmechanismen in der Weise wahrgenommen, dass mit den jeweils im Entscheidungssystem determiniert hinterlegten Entscheidungsvariablen verknüpfte Begründungselemente je nach getroffener Entscheidung und damit Einschlägigkeit bestimmter dahinterstehenden Entscheidungsparameter automatisch zu einer Gesamtbegründung eines Sachverhalts zusammengefügt werden, so ist – trotz Rückgriffs auf standardisierte Teilstücke – dieser hinreichend konkrete Einzelfallbezug ohne Weiteres anzunehmen, zumal die Zusammenfügung der Begründungselemente in ihrer konkreten Gestalt gerade die im verfahrensgegenständlichen Sachverhalt gegebene Komposition der als einschlägig erkannten Entscheidungsparameter widerspiegelt, die gleichzeitig auch die tragenden Gründe der automatisiert getroffenen Entscheidung darstellen. Während des Verfahrenslaufs hinzugefügte, fallrelevante individuelle Ausführungen, die ebenfalls im Rahmen der Begründung zu berücksichtigen sind1570 und ohnehin zur Aussteuerung des Sachverhaltes aus den automatisierten Arbeitsprozessen führen1571, können dagegen im Rahmen der sodann erfolgenden individuellen Begründung berücksichtigt werden. c) Erläuternde Begründung versus abstrakte Algorithmenkontrolle Schließlich gilt es noch darauf hinzuweisen, dass die Antizipierung einer rechtfertigenden Begründung konkreter Verwaltungsentscheidungen – auch unter Berücksichtigung allseitiger Forderungen nach Transparenz- und Nachvollziehbarkeit algorithmischer Entscheidungssysteme1572 – nicht als völlige Offenlegung der internen Entscheidungsprozesse des Systems missverstanden werden darf. Dies bedeutet zunächst, dass unter dem Regime der Begründungspflichten gem. §§ 39 VwVfG, 35 SGB X und 121 AO über die einzelfallbezogenen Gründe der konkret getroffenen Entscheidung hinaus, die je nach Inhalt der 1569  Vgl.

nur Tiedemann, in: BeckOK VwVfG, § 39, Rn. 31. Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 39, Rn. 19; Mutschler, in: BeckOGK Sozialrecht, § 35 SGB X, Rn. 9. 1571  Zur Aussteuerungsfolge bei Eingaben in qualifizierte Freitextfelder (sowohl in ihrer Funktion als einzelfallintegrativer Mechanismus im Rahmen der Sachverhaltsaufklärung als auch als Gewährleistungsgarant rechtlichen Gehörs) § 5 C. I. 2. b) aa) (2) und II. 2. c). 1572  Vgl. zur Forderung nach Transparenz (insbes. intelligenter) algorithmischer Entscheidungen etwa Wischmeyer AöR 143 (2018), 1 (46 ff.); Guggenberger, NVwZ 2019, 844 (850); Herberger, NJW 2018, 2825 (2828); eingehend Martini, Blackbox Algorithmus, S.  176 ff. 1570  Vgl.



C. Verfahrensgrundsätze vollautomatisierter Verwaltungsverfahren387

zu treffenden Entscheidung ggfls. sehr wohl auch Elemente des (konkreten) Entscheidungsprozesses enthalten müssen (beispielsweise bei Gefahrprognosen oder – sofern zugelassen – Ermessensspielräumen), im Grundsatz keine Erläuterungen der allgemeineren und vom Einzelfall losgelösten Wirkmechanismen des Entscheidungssystems geboten sind und dahingehend allenfalls eine sich auf die absoluten Grundzüge der Entscheidungslogik beschränkende Detailtiefe verlangt werden kann1573. Diese bereits den kodifizierten Begründungspflichten immanente Einschränkung rührt daher, dass dem Begründungserfordernis im Einzelfall Genüge getan werden muss, Ausführungen über den Vollzugsalgorithmus selbst allerdings vor allem die Umstände der innerbehördlichen Entscheidungsfindung losgelöst vom Einzelfall betreffen, die sich inhaltlich nicht unmittelbar mit der nach außen hin zu kommunizierenden Begründung einer konkreten Verwaltungsentscheidung decken und damit gar nicht den Anforderungen des Begründungserfordernisses entsprechen.1574 Die ebenfalls am Einzelfall ausgerichteten Rechtsschutz-, Akzeptanz- und Fremdkontrollfunktionen der Begründungspflichten bleiben von der Nachvollziehbarkeit der abstrakten Funktionsprozesse des Entscheidungssystems ebenso weitgehend unberührt. Das Erfordernis der Einzelfallbegründung einer Verwaltungsentscheidung darf in diesem Sinne nicht unter dem breiten Topos der Transparenz algorithmischer Entscheidungen zum Vehikel einer abstrakten Algorithmenkontrolle der im Entscheidungssystem eingesetzten Software umgestaltet werden, ebenso wenig wie die Begründung erlassener Verwaltungsakte in menschlichen Verfahren ein Instrument des Dienst- und Beamtenrechts darstellt, das eine ordnungsmäßige Arbeitsweise des Sachbearbeiters sicherstellt. Eine solche abstrakte Algorithmenkontrolle wäre stattdessen durch andere Institute wahrzunehmen, beispielsweise besondere Verfahrens- und Rechtsschutzarten oder spezielle behördliche Kontrollstellen1575, sofern eine Überprüfung allein anhand der produzierten Endergebnisse, die unverändert gerichtlicher Kon­ trolle unterliegen, zusammen mit behördeninternen Kontroll- und Überwachungspflichten1576 nicht als ausreichend erachtet werden, was jedenfalls bei determinierten Rechtsanwendungssystemen meines Erachtens keinen grund1573  In diese Richtung Martini, JZ 2017, 1017 (1020); ders./Nink, NVwZ-Extra 10/2017, 1 (11 f.); vgl. auch Roth-Isigkeit, DÖV 2020, 1018 (1024 f.); Ramsauer/­ Tegethoff, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 35a, Rn. 9a; aus Sicht des schweizerischen Rechts Rechsteiner, in: Jusletter IT vom 26. November 2018, Rz. 24. Für eine stärker am Algorithmus selbst ausgerichtete Kontrolle tendenziell aber Hoffmann-Riem, AöR 145 (2020), 1 (30). 1574  Vgl. Kube, VVDStRL 78 (2019), 289 (319). 1575  Zu speziellen Instanzen einer Algorithmenkontrolle bereits §  5 A. IV. 2. m. w. N. in Fn.  1195 ff. 1576  Hierzu insbes. § 5 A. I. 1. a) bb) und cc).

388

§ 5 Verfassungs-, Unions- und Verfahrensrecht

sätzlichen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnete. Auch hinsichtlich der Detailtiefe der konkret generierten Einzelbegründungen ist daher ein gewisses Maß an Zurückhaltung geboten, die zwar durchaus alle wesent­ lichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe sowie die tragenden Gesichtspunkte einer etwaigen Ermessensausübung oder sonstiger exekutivischer Spielräume erkennen lassen, aber keinen Einblick in die Herzkammer des Systems in Form der genauen internen Programmabläufe oder gar des Quellcodes gewähren müssen1577, zumal auch bei Entscheidungen menschlicher Behördenmitarbeiter – als „soziale Systeme“1578 – der Nachvollziehbarkeit der rein verwaltungsinternen Entscheidungsprozesse natürliche Grenzen gesetzt sind und diese keiner detaillierten Protokollierung unterliegen können1579. 3. Ergebnis zur automatisierten Begründung Zusammenfassend ist also festzuhalten, dass die unverändert bestehenden Begründungspflichten bei vollständig automatisiert erlassenen Verwaltungsakten durch automatisierte Begründungsmechanismen umgesetzt werden müssen, die standardisierte Begründungselemente, die mit den im Entscheidungssystem determiniert hinterlegten Entscheidungsparametern inhaltlich verknüpft sind, je nach getroffener Entscheidung und als einschlägig erkannten Entscheidungsparametern zu einer die wesentlichen rechtlichen und tatsächlichen Entscheidungsgrundlagen wiedergebenden Gesamtbegründung der automatisiert erzeugten Entscheidung zusammenfügen und dadurch eine individuell formulierte oder menschlich zusammengesetzte Begründung des Verwaltungsakts ersetzen. Da der Einsatz selbstlernender Algorithmen im Rahmen der rechtsanwendenden Funktionsebenen eines Entscheidungssystems nach vorliegend vertretener Auffassung abgelehnt wird, kommen die 1577  So auch Ramsauer/Tegethoff, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 35a, Rn. 9a; tendenziell strenger Hornung, in: Schoch/Schneider, VwVfG, § 35a, Rn. 60. 1578  Wischmeyer, AöR 143 (2018), 1 (44). 1579  Vgl. Wischmeyer, AöR 143 (2018), 1 (44 f., 54) m. w. N.; Ernst, JZ 2017, 1026 (1029); Meyer, ZRP 2018, 233 (239) Michael, in: Stern/Sodan/Möstl, Staatsrecht, § 28, Rn. 37, 44; vgl. auch Nink, Justiz und Algorithmen, S. 138, 337. Technisch wäre eine detaillierte Nachvollziehbarkeit der Entscheidungsprozesse jedenfalls bei determinierten Systemen ohne Weiteres möglich, wodurch insoweit eine stärkere Kontrolldichte gegeben wäre als bei menschlichen Entscheidungen, wo – abgesehen von den mehr oder weniger glaubwürdigen Einlassungen des jeweiligen Sachbearbeiters – keine gesicherten Informationen über dessen inneren Entscheidungsprozess verfügbar sind, s. auch Ernst, JZ 2017, 1026 (1029); Unger, in: ders./Ungern-Sternberg, Demokratie und KI, 113 (122) m. w. N. Jedenfalls kann es nicht Aufgabe des Begründungserfordernisses sein, eine solche über den Einzelfall hinausgehende Entscheidungstransparenz herzustellen. Für dahingehend höhere Transparenzansprüche bzgl. algorithmischer Systeme tendeziell aber Nink, Justiz und Algorithmen, S. 337 f.



C. Verfahrensgrundsätze vollautomatisierter Verwaltungsverfahren389

beschriebenen automatisierten Begründungsmechanismen lediglich bei jedenfalls hinsichtlich der Rechtsanwendung determinierten Systemen in Betracht, wo diese allerdings auch – ausgehend von der notwendigen Antizipation auch der Rechtsanwendungsvorgänge im System – die Grundvoraussetzungen ihrer Umsetzung vorfinden. Hinsichtlich Inhalt und Umfang der Begründung gelten im Ausgangspunkt die gleichen Maßstäbe wie auch in menschlich durchsetzten Verwaltungsverfahren, mit dem Unterschied, dass diese einer Antizipierung und Verknüpfung mit den Entscheidungsdeterminanten in Gestalt der verschiedenen Begründungselemente bedürfen. Es ist allerdings darauf zu achten, dass die einzelfallorientierten Begründungspflichten nicht zu Instanzen einer abstrakten Algorithmenkontrolle ausarten, für die – sofern als notwendig erachtet – andere Instrumente bestenfalls außerhalb individueller Verwaltungsverfahren geschaffen werden müssen. Werden sodann automatisierte Begründungsmechanismen der beschriebenen oder einer vergleichbaren Art innerhalb juristischer Entscheidungssysteme vorgehalten, können die verfassungsrechtlich fundierten Funktionen der Begründungserfordernisse auch unter den einfachrechtlichen Kodifizierungen der §§ 39 VwVfG, 35 SGB X und 121 AO ebenfalls für in vollautomatisierten Verfahren zustande gekommene Verwaltungsakte als erfüllt angesehen werden. IV. Zusammenfassendes Fazit Bei der vollautomatisierten Durchführung von Verwaltungsverfahren handelt es sich um einen verfahrensorganisatorischen Abwicklungsmodus, der ein bisher nicht dagewesenes Ausmaß an technischer Durchdringung in sich verinnerlicht und das ursprünglich anthropozentrisch und individuell-bedarfsorientiert konstruierte Verwaltungsverfahrensrecht dementsprechend vor enorme Herausforderungen stellt. Indem in vielen Bereichen eine softwarebasierte Antizipierung bestimmter, ggfls. vormals primär human geprägter Verfahrenselemente zum charakteristischen Vehikel der Automatisierung aufsteigt1580, geht diese nicht nur mit einer zeitlichen Verlagerung wesentlicher verfahrensrechtlicher Vorgänge in Bereiche der Verfahrensvorbereitung außerhalb der Grenzen des Verwaltungsverfahrens i. e. S. der §§ 9 VwVfG, 8 SGB X einher, sondern bedingt in gewisser Weise auch eine perspektivische Verschiebung der verfahrensorganisatorischen Ausrichtung weg vom Einzelfall und hin zur Abbildung standardisierter Inhalte, wobei beide der beschriebenen Modifikationen sodann aber dennoch in die konkreten Einzelverfahren hineinwirken und diese prägen. In der Folge nehmen mit Programmierleistungen und technischen Funk1580  Vgl.

§ 5 C. I. 2. a), II. 2. c) und A. I. 1. a) aa).

390

§ 5 Verfassungs-, Unions- und Verfahrensrecht

tionsebenen naturgemäß gerade außerhalb der klassischen verfahrensrecht­ lichen und verfahrensorganisatorischen Domäne liegende Rahmenbedingungen eine entscheidende Rolle in und für automatisierte Verwaltungsverfahren ein. Verschärft wird die Situation zudem dadurch, dass trotz Einbettung vollautomatisierter Verwaltungsakte in das bewährte verfahrensrechtliche Instrumentarium1581 selbst im Zuge des die Vollautomatisierung normativ anerkennenden BestVerfModG kaum besondere Vorschriften geschaffen wurden, die gesetzliche Leitlinien speziell für die Situation ohne menschliche Mitwirkung zustande kommender Verwaltungsakte bieten können, wodurch ein bereits zuvor – letztlich seit der Phase der „Elektronifizierung“ der Verwaltung1582 – zu attestierendes gesetzgeberisches Defizit perpetuiert wird1583. Keine Linderung vermögen in dieser Hinsicht auch die ursprünglich auf teil­ automatisiert erlassene Verwaltungsakte bezogenen Verfahrens- und Form­erleichterungsvorschriften zu verschaffen, zumal diese – ungeachtet ihrer gesetzessyste­matischen Anwendbarkeit – kaum verfahrensrechtlich sub­ stanzielle Rückschlüsse zulassen1584. Trotz des disruptiven Potenzials einer vollständigen Verfahrensautomation und der normativen Überforderung der althergebrachten Verfahrensregelungen muss unter den gegenwärtig geltenden Verfahrensordnungen dennoch im Ergebnis keine Unzulässigkeit oder rechtliche Unmöglichkeit der Abwicklung automatisierter Verwaltungsverfahren gefolgert werden. Stattdessen wohnt den bestehenden verfahrensrechtlichen Regelungen jedenfalls im Auslegungswege ein ausreichendes Maß an Offenheit und Flexibilität inne, unter dem sich die vorherrschende technische Durchdringung der Verfahrensvorgänge sachgerecht einbetten und damit eine auch verfassungsrechtlich tragfähige Bewältigung des neu hinzugewonnenen Instituts vollständig automatisiert erlassener Verwaltungsakte erreichen lässt. Neben den oben bereits aufgezeigten Zügen der Antizipation von Verfahrenskomponenten liegt das Augenmerk hierbei insbesondere auf einzelfallintegrativen und risikobe­ wertenden Mechanismen1585, die sich als Schnittstellen einer Rückbindung der ansonsten grundsätzlich vollmaschinell ablaufenden Arbeitsprozesse an menschliche Einflussfaktoren darstellen und in dieser Eigenschaft rechtsstaatlich-kompensatorische Funktionen gegenüber standardisierungs- und antizipierungsinduzierten Defiziten wahrnehmen. Zusammen mit den allgemein an automatisierte Rechtsanwendungssysteme zu stellenden verfassungs-

1581  Vgl.

hierzu § 4 A. II. 3. hierzu § 2 A. VI. 3. a). 1583  Siehe § 2 A. VI. 3. a) und E. sowie § 4 B. II. 3. c) dd) (3). 1584  Siehe § 4 B. II. 3. c) dd) (2). 1585  Siehe § 5 C. I. 2. b) aa) und bb) sowie II. 2. c). 1582  Vgl.



D. Unionsrechtliche Maßgaben391

rechtlichen Anforderungen1586 fügen sich die aus den zentralen einfachrechtlich kodifizierten Verfahrensprinzipien abgeleiteten Eckpfeiler automatisierter Verwaltungsverfahren zu einem verfahrenssäulenübergreifenden Gesamtrechtskomplex zusammen, unter dem nach vorliegend vertretener Auffassung eine verfassungsrechtlich zulässige Implementierung und Ausgestaltung vollautomatisierter Verwaltungsverfahren und vollständig automatisiert erlassener Verwaltungsakte anzunehmen ist.

D. Unionsrechtliche Maßgaben Nachdem in den obigen Kapiteln sowohl eine Beleuchtung verfassungsrechtlicher Anforderungen an vollautomatisierte Verwaltungsverfahren erfolgte1587 als auch eine verstärkt auf die konkrete Abwicklung derartiger Verfahren zentrierte Perspektive anhand der zentralen verfahrensrechtlichen Grundsätze eingenommen wurde1588, muss nun in einem Folgeschritt der aus den überwiegend bruchstückhaften und automationsunspezifischen Regelungen des nationalen Verfassungs- und Verfahrensrechts abgeleitete Rechtsrahmen der Automatisierung noch an unionsrechtlichen Positionen gespiegelt werden, die allen voran in Gestalt datenschutzrechtlicher Vorgaben spezialisierte Regelungen für Situationen automatisiert erzeugter Einzelentscheidungen vorhalten und insofern auf Überlagerungen des nationalen Rechts der automatisierten Verwaltungsentscheidungen hin zu durchleuchten sind. Wie bereits oben angedeutet, sollen hierbei allerdings nur einige zentrale automationsspezifische Aspekte der DSG-VO in den Fokus gerückt werden.1589 I. Verbot automatisierter Einzelfallentscheidungen, Art. 22  DSG-VO Den vordringlichsten unionsrechtlichen Maßstab für vollautomatisierte Verwaltungsentscheidungen bildet Art. 22 DSG-VO, der zusammen mit den

1586  Eingehend

§ 5 A. § 5 A. und B. 1588  Siehe § 5 C. 1589  Aufgrund der untersuchungsgegenständlichen Fokussierung auf öffentliche Verwaltungstätigkeit unterbleibt auch eine nähere Befassung mit der Richtlinie (EU) 2016/680 vom 27. April 2016 u. a. zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die zuständigen Behörden zum Zwecke der Verhütung, Ermittlung, Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten oder der Strafvollstreckung (ABl. EU L 119/89, Ber. 2018 L 127/9 und 2021 L 74/36 – sog. JI-RL), welche den Mitgliedstaaten die Umsetzung speziellerer Regelungen zum Datenschutz für den Bereich der Gefahrenabwehr und Strafverfolgung aufgibt. 1587  Siehe

392

§ 5 Verfassungs-, Unions- und Verfahrensrecht

übrigen Regelungen der Datenschutz-Grundverordnung (DSG-VO)1590 gem. Art. 99 Abs. 2 DSG-VO, 288 Abs. 2 AEUV seit dem 25.5.2018 unmittelbare Geltung im europäischen Rechtsraum beansprucht. 1. Regelungsgehalte des Art. 22 DSG-VO Art. 22 Abs. 1 DSG-VO beinhaltet das Recht einer jeden betroffenen Person, nicht einer ausschließlich auf einer automatisierten Verarbeitung – einschließlich Profiling – beruhenden Entscheidung unterworfen zu werden, die ihr gegenüber rechtliche Wirkung entfaltet oder sie in ähnlicher Weise erheblich beeinträchtigt. Eine ungeprüfte Unterwerfung des Individuums unter maschinelle Entscheidungen und eine damit einhergehende Degradierung des Einzelnen zum bloßen Objekt eines automatisierten Verarbeitungsvorganges, in dem die Personalität des Betroffenen und die Individualität des konkreten Falls zurückgestellt werden, sollen nach der Ratio der Norm verhindert werden.1591 Erfasst sind demnach ausschließlich Konstellationen echter automatisierter Entscheidungsfindungen, in denen keine inhaltliche Bewertung durch eine natürliche Person vorausgeht oder nachfolgt, also ein Algorithmus die alleinige Entscheidung fällt.1592 Ob die automatisierten Entscheidungen auf determinierte oder lernfähige Systeme zurückgehen, ist dabei unerheblich.1593 Der eine Entscheidungsfindung bloß unterstützende oder vorbereitende Einsatz von softwarebasierten EDV-Anlagen wird dagegen vom Anwendungs­ bereich grundsätzlich nicht umfasst.1594 Des Weiteren ist notwendig, dass die so zustande kommenden Entscheidungen eine in irgendeiner Weise nachteil1590  Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung), ABl. EU L 119/1. 1591  Martini/Nink, NVwZ-Extra 10/2017, 1 (3); Martini, JZ 2017, 1017 (1019); ders., in: Paal/Pauly, DS-GVO, Art. 22, Rn. 1; von Lewinski, in: BeckOK DatenschutzR, Art. 22 DSG-VO, Rn. 2; Ernst, JZ 2017, 1026 (1030). 1592  Wischmeyer, AöR 143 (2018), 1 (50 in Fn. 201); Martini/Nink, NVwZ-Extra 10/2017, 1 (3); Martini, Blackbox Algorithmus, S. 172; ders., JZ 2017, 1017 (1020); Hladjk, in: Ehmann/Selmayr, DSG-VO, Art. 22, Rn. 6; von Lewinski, in: BeckOK DatenschutzR, Art. 22 DSG-VO, Rn. 23 ff.; Hoffmann-Riem, AöR 145 (2020), 1 (24); Rein formale Bearbeitungseinwirkungen, Stichprobenkontrollen oder die bloße Mittelung der Entscheidung durch einen Menschen, ohne ausreichende Handlungsmacht, von der automatisierten Entscheidung abzuweichen, bleiben aber unbeachtlich, siehe Martini/Nink, NVwZ-Extra 10/2017, 1 (3); ders., Blackbox Algorithmus, S. 172; von Lewinski, in: BeckOK DatenschutzR, Art. 22 DSG-VO, Rn. 23 ff. 1593  Wischmeyer, AöR 143 (2018), 1 (50). 1594  Martini, in: Paal/Pauly, DS-GVO, Art. 22, Rn. 20; ders., JZ 2017, 1017 (1020); ders./Nink, NVwZ-Extra 10/2017, 1 (3); Wischmeyer, AöR 143 (2018), 1 (50 mit Fn. 201); Hladjk, in: Ehmann/Selmayr, DSG-VO, Art. 22, Rn. 6; von Lewinski,



D. Unionsrechtliche Maßgaben393

hafte1595 rechtliche Wirkung für den Betroffenen nach sich ziehen oder ihn zumindest in vergleichbarer Weise erheblich beeinträchtigen.1596 2. Anwendung auf vollständig automatisiert erlassene Verwaltungsakte a) Einschlägigkeit des Art. 22 DSG-VO Wie im obigen Kapitel herausgearbeitet wurde, handelt es sich bei vollautomatisiert erlassenen Verwaltungsakten um eine automationsmaximierte Spielart des Verwaltungsakterlasses, die sich dadurch auszeichnet, dass nicht nur die Rechtsanwendung und Bescheidformulierung, sondern auch sämt­ liche diesen vorgelagerten Verfahrensabschnitte grundsätzlich ohne personelle Mitwirkung ablaufen.1597 Sie stellen damit eine echte Form rein algorithmischer Entscheidungsfindung dar, die zudem in der Handlungsform eines Verwaltungsakts1598 als hoheitliche und einseitig-verpflichtende Individualverfügungen unmittelbare Rechtswirkungen gegenüber der betroffenen Person zeitigt1599. Da ferner auch bei vollautomatisierten Verwaltungsverfahren regelmäßig die Verarbeitung personenbezogener Daten im Raume steht1600 und die DSG-VO in ihrem Anwendungsbereich nicht auf den privatrecht­ in: BeckOK DatenschutzR, Art. 22 DSG-VO, Rn. 16, 27; unscharf insoweit Hoffmann-Riem, AöR 142 (2017), 1 (35 f.). 1595  Dies ergibt sich aus dem Wortlaut der Norm und einer systematischen Zusammenschau mit der nationalen Vorgänger-Vorschrift des § 6a BDSG a. F., vgl. Martini, in: Paal/Pauly, DS-GVO, Art. 22, Rn. 28; von Lewinski, in: BeckOK DatenschutzR, Art. 22 DSG-VO, Rn. 33. Im Einzelnen besteht diesbezüglich aber noch einiger Klärungsbedarf, vgl. zum Streitstand Kumkar/Roth-Isigkeit, JZ 2020, 277 (279) m. w. N. 1596  Martini/Nink, NVwZ-Extra 10/2017, 1 (3); vgl. auch Hoffmann-Riem, AöR 145 (2020), 1 (24); ders., Recht im Sog der digitalen Transformation, S. 265 („nur belastende Entscheidungen“). 1597  Siehe § 3 C. II. 2. d) und zusammenfassend D. 1598  Zur Rechtsnatur bereits § 4 A. 1599  Vgl. Dreyer/Schulz, Was bringt die DSG-VO für ADM-Systeme?, S. 19 f. sowie Hladjk, in: Ehmann/Selmayr, DSG-VO, Art. 22, Rn. 9. 1600  Der Anwendungsbereich der datenschutzrechtlichen Vorschriften ist damit an sich grundsätzlich eröffnet, vgl. Dreyer/Schulz, Was bringt die DSG-VO für ADMSysteme?, S. 19; Martini/Nink, DVBl. 2018, 1128 (1133 ff.); Martini, DÖV 2017, 443 (452); differenzierend insoweit Schröder, VerwArch 110 (2019), 328 (337). Selbst wenn in bestimmten (praktisch wohl kaum vorkommenden) Fällen wegen fehlender Verarbeitung personenbezogener Daten eine Anwendbarkeit der DSG-VO bezweifelt werden müsste, so wäre i. E. doch deren Einhaltung zu empfehlen, zumal bei Implementation vollautomatisierter Verfahren allen voran vorgelagerte Organisations-, Beschaffungs- und Ausgestaltungsentscheidungen im Zentrum stehen, die angesichts ihrer erschwerten nachträglichen Veränderlichkeit von vornherein um eine Einhaltung der rechtlichen Regularien in allen Szenarien bemüht sein sollten.

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lichen Sektor beschränkt ist, sondern insbesondere auch die Tätigkeit der öffentlichen Verwaltung reglementiert1601, unterfallen vollautomatisiert erlassene Verwaltungsakte nach dem Zuschnitt der §§ 35a VwVfG, 31a SGB X und 155 Abs. 4 AO damit als rechtsverbindliche Einzelfallentscheidungen ohne Weiteres dem Anwendungsbereich der Norm und werden von dem statuierten Verbot erfasst1602, gleichgültig ob dem Entscheidungssystem determinierte oder – nach hier vertretener Auffassung allerdings nur hinsichtlich der Risikoevaluierung zulässige1603 – selbstlernende Funktionsprinzipien innewohnen. b) Manueller Bekanntgabevorgang und Aussteuerungsmechanismen Ohne Belang für die Anwendbarkeit des Art. 22 DSG-VO bleiben darüber hinaus sowohl der menschliche Ursprung der Programmierung des Entscheidungssystems1604 als auch der Umstand, dass der Bekanntgabevorgang nach hier vertretener Auffassung für die Qualifikation als vollautomatisiert erlassener Verwaltungsakt nicht notwendig ebenfalls vollautomatisiert abzulaufen hat1605. Letzterer ist nämlich nicht dem zu diesem Zeitpunkt bereits vollständig abgeschlossenen Entscheidungsvorgang i. e. S. zuzuordnen, sondern betrifft lediglich die Zugangsvoraussetzungen der inhaltlich feststehenden Entscheidung zur Herstellung der rechtlichen Wirksamkeit des angeordneten Regelungsgehalts. Eine händische Bekanntgabe führt aus diesem Grund nicht zu einer spezifischen Richtigkeits- und Plausibilitätsprüfung, wie sie für ein 1601  Ernst, JZ 2017, 1026 (1029, 1031); von Lewinski, in: BeckOK DatenschutzR, Art. 22 DSG-VO, Rn. 2, 6, 29 f.; Martini/Nink, DVBl. 2018, 1128 (1133); Berger, in: Knack/Henneke, VwVfG, § 35a, Rn. 24; Hoffmann-Riem, Recht im Sog der digitalen Transformation, S. 264 f. Für den Bereich der Gefahrenabwehr und Strafverfolgung sieht Art. 11 JI-RL eine dem Art. 22 DSG-VO im Wesentlichen vergleichbare Regelung vor, die durch § 54 BDSG (allerdings nur im Wege eines einfachrechtlichen Fachgesetzesvorbehalts) national umgesetzt wurde. 1602  Vgl. etwa BT-Drs. 14/4329, S. 37; von Lewinski, in: BeckOK DatenschutzR, Art. 22 DSG-VO, Rn. 29 f.; Ramsauer/Tegethoff, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 35a, Rn. 7a; Hornung, in: Schoch/Schneider, VwVfG, § 35a, Rn. 14 f.; vgl. auch Martini/ Nink, NVwZ-Extra 10/2017, 1 (3). Zur streitigen Frage einer notwendig belastenden Wirkung der automatisierten Entscheidung Martini, in: Paal/Pauly, DS-GVO, Art. 22, Rn. 28; ders./Nink, NVwZ-Extra 10/2017, 1 (3); Hornung, in: Schoch/Schneider, VwVfG, § 35a, Rn. 15. Auch diesbzgl. ist allerdings zu beachten, dass es bei der Implementation automatisierter Entscheidungssysteme vor allem um die vorgelagerte organisatorische Einrichtung bzw. Anschaffung des Systems geht, die nachträglich nur erschwert abänderbar ist und deshalb um eine Einhaltung der rechtlichen Regularien in allen Szenarien bemüht sein sollte. 1603  Siehe § 5 B. II. 2. a) dd), c) und III. 1604  Martini, Blackbox Algorithmus, S. 173. 1605  Siehe hierzu § 3 C. II. 3., insbes. c) und d).



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Ausscheiden aus dem Anwendungsbereich des Art. 22 DSG-VO mangels Ausschließlichkeit der automatisierten Entscheidung zu verlangen wäre.1606 Auch in der organisatorischen Verfahrenskonzeption angelegte Aussteuerungsmechanismen, die im Falle ihres Auslösens zu einem Ausscheiden des Verfahrens aus den automatisierten Verarbeitungsprozessen bei gleichzeitiger Überleitung in eine menschliche Weiterbearbeitung führen1607, hindern die Anwendbarkeit des Art. 22 DSG-VO nicht, zumal es im Hinblick auf den Entscheidungsprozess in seiner Gesamtheit zunächst bei einer rein automatisierten Entscheidungsfindung verbleibt. Lediglich in den konkret ausgesteuerten und nicht umgehend (nach bloßer Evidenzprüfung) zurückgeführten1608 Verfahren kommt Art. 22 DSG-VO nicht mehr zum Tragen: Da der menschliche Bearbeiter dort in umfassender Weise zur individuellen menschlichen Prüfung des jeweiligen Sachverhalts angehalten ist, die sich gerade nicht in einer nur „formalen Bearbeitung“ im Sinne eines schlichten Bestätigungs­ aktes erschöpft1609, liegt in diesen konkreten Aussteuerungsfällen keine ausschließlich automatisierte Einzelentscheidung i. S. d. Norm mehr vor. 3. Ausnahmetatbestände und verfahrensmäßige Mindestgarantien Obgleich in einem automatisierten Verfahren erzeugte Verwaltungsakte den Restriktionen des Art. 22 Abs. 1 DSG-VO unterfallen, wird diesen angesichts der Rückausnahmen gem. Art. 22 Abs. 2 DSG-VO für Vertragsverhältnisse, besondere unionale oder nationale Regelungen oder Fälle ausdrücklicher Einwilligung des Betroffenen keine uneingeschränkte Geltungskraft zuteil. Soweit sich die Behörde nicht auf eine ausdrückliche betroffenenseitige Einwilligung i. S. d. Art. 22 Abs. 2 lit. c) DSG-VO stützen kann, unterfallen vollständig automatisiert erlassene Verwaltungsakte i. S. d. §§ 35a VwVfG, 31a SGB X und 155 Abs. 4 AO dabei richtigerweise der mitgliedstaatlichen Öffnungsklausel des Art. 22 Abs. 2 lit. b) DSG-VO.1610 1606  Ähnlich Martini, Blackbox Algorithmus, S. 173, der von der bloßen Mitteilung einer automatisiert getroffenen Entscheidung spricht, die den Automatisierungszusammenhang des Art. 22 DSG-VO nicht unterbreche; zust. Guckelberger, DÖV 2021, 566 (568); so wohl auch Hornung, in: Schoch/Schneider, VwVfG, § 35a, Rn. 14 mit Fn. 31; vgl. allgemein zu den Auswirkungen einer menschlichen Involvierung bereits § 5 D. 1. sowie Fn. 1592. 1607  Zu Aussteuerungsmechanismen § 3 C. II. 5. 1608  Vgl. zu konkret ausgesteuerten Verfahren und ihrer Rückführung auch § 3 C. II. 5. b) und c). 1609  Vgl. allgemein Martini, in: Paal/Pauly, DS-GVO, Art. 22, Rn. 17 ff.. 1610  Martini, Blackbox Algorithmus, S.  171; ders., in: Paal/Pauly, DSG-VO, Art. 22, Rn. 33; ders./Nink, NVwZ-Extra 10/2017, 1 (3 in Fn. 37, 5); Hornung, in: Schoch/Schneider, VwVfG, § 35a, Rn. 17; zust. Braun Binder, in: Seckelmann, Digi-

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Die Einschlägigkeit dieser Rückausnahme führt sodann aber freilich nicht zu einer vollständigen Aufhebung der persönlichkeitsschützenden Wirkungen der Norm. Vielmehr bleiben gem. Art. 22 Abs. 2 lit. b) Hs. 2 DSG-VO gewisse Mindestgarantien des Persönlichkeitsschutzes einzuhalten, indem „angemessene Maßnahmen zur Wahrung der Rechte und Freiheiten sowie der berechtigten Interessen der betroffenen Person“ vorzuhalten sind. Neben der Frage der Zulässigkeit automatisierter Entscheidungen an sich strahlen die regulatorischen Gehalte des Art. 22 DSG-VO damit auch auf die konkrete Ausgestaltung und Abwicklung der zugrundeliegenden Entscheidungsverfahren aus. Nähere Spezifikationen über Zuschnitt und Wirkungsweisen der geforderten Maßnahmen bleibt die Norm allerdings schuldig. Lediglich in Art. 22 Abs. 3 Hs. 2 DSG-VO (sowie ErwGr. 71 UAbs. 1 S. 4 DSG-VO) finden sich gewisse Andeutungen über deren Inhalt und Zielrichtungen, die für den hier einschlägigen Fall des Art. 22 Abs. 2 lit. b) DSG-VO allerdings nicht unmittelbar gelten. Da die DSG-VO in der Sache aber ein gleichwertiges Schutzniveau anstrebt, spricht Vieles dafür, die beispielhaft aufgezählten Mindestgehalte des Art. 22 Abs. 3 DSG-VO – zusammen mit den allgemeineren Ausführungen in ErwGr. 71 UAbs. 1 S. 4 und UAbs. 2 S. 1 – dennoch zumindest als allgemeine Richtschnur dahingehend fruchtbar zu machen, welche unionsrechtlichen Erwartungen in verfahrensorganisatorischer Hinsicht an die dem nationalen Gestaltungsspielraum unterliegenden „an­ gemessenen Maßnahmen“ gestellt werden, wobei dem nationalen Gesetzgeber insoweit gewissermaßen freiere Ausgestaltungsmöglichkeiten gegenüber den konkreteren Vorgaben des Art. 22 Abs. 3 DSG-VO zugebilligt wer-

talisierte Verwaltung, Kap. 12, Rn. 6; ebenso der Bundesdatenschutzgesetzgeber, BTDrs. 18/11325, S. 106, sowie auch Berger, in: Knack/Henneke, VwVfG, § 35a, Rn. 25; Schäfer/Zentgraf, GewArch 2021, 492 (493); Roth-Isigkeit, DÖV 2020, 1018 (1022); Ramsauer/Tegethoff, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 35a, Rn. 7a; Prell, in: BeckOK VwVfG, § 35a, Rn. 11a; Köhler, WzS 2018, 279 (284); Guggenberger, NVwZ 2019, 844 (846); wohl auch Prell, apf 2017, 237 (239); a. A. von Lewinski, in: BeckOK DatenschutzR, Art. 22 DSG-VO, Rn. 64, der in § 35a VwVfG nur eine gesetzgeberische Klarstellung erblickt, dass automatisierte Verwaltungsakte mit verfahrensrechtlichen Prinzipien vereinbar seien. Jedenfalls genügte § 35a VwVfG nach Auffassung von Lewinski’s nicht den Anforderungen des Art. 22 Abs. 2 lit. b) DSGVO; ebenso: Hornung, in: Schoch/Schneider, VwVfG, § 35a, Rn. 18 ff., der infolgedessen von der Europarechtswidrigkeit auch der §§ 155 Abs. 4 und 31a SGB X ausgeht. Diesen Ansichten ist allerdings entgegenzuhalten, dass § 35a VwVfG (und seine parallelen Normierungen) nicht isoliert für sich zur Erfüllung der verfahrensmäßigen Anforderungen i. S. d. Normen berufen ist, sondern dass – wie Martini/Nink, NVwZExtra 10/2017, 1 (8) treffend anmerken – „der Regelungsverbund des Fachverfahrens […] als Gesamtkonzept den Vorgaben genügen“ muss, insofern also das gesamte Verwaltungsverfahrensrecht in Ansatz gebracht werden kann; zust. insoweit wohl Buchner, in: Kühling/Buchner, DSG-VO, Art. 22, Rn. 48a.



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den.1611 Unter Berücksichtigung dieser Leitlinien gilt es nunmehr im Folgenden zu eruieren, wie die geforderten Mindestgarantien in vollautomatisierten Verwaltungsverfahren des dargestellten Zuschnitts konkret einer verfahrensorganisatorischen Umsetzung zugeführt werden können, die den Postulaten des Art. 22 DSG-VO gerecht wird. a) Recht auf persönliches Eingreifen des Verantwortlichen Art. 22 Abs. 3 Hs. 2 DSG-VO1612 benennt als erstes das Recht auf Erwirkung eines menschlichen Eingreifens seitens des Verantwortlichen als verfahrensmäßige Mindestgarantie, da erst eine effektive Möglichkeit zur Herbeiführung einer willentlichen Zäsur der vollautomatisierten Verarbeitungsprozesse durch Veranlassung einer menschlichen Intervention der Subjektstellung des Betroffenen im Verfahren umfassend Geltung verschafft.1613 Verfahrensorganisatorisch verlangt ein dahingehendes Erwirkungsrecht lediglich einen nicht auf spezielle technische Implementierungen festgelegten Aussteuerungsmechanismus aus den automatisierten Arbeitsvorgängen und in die Obhut menschlicher Sachbearbeiter1614, der sich zur Sicherstellung der Effektivität der Erwirkungsmöglichkeit nicht nur in der Herbeiführung einer bloß „formalen Intervention“ erschöpfen darf, sondern der eingreifenden Person eine tatsächliche Beeinflussung des Entscheidungsergebnisses oder wesentlicher Aspekte des Datenverarbeitungsprozesses eröffnen muss1615. Kehrseitig kann nach Sinn und Zweck der Norm aber dennoch nur ein Erwirkungsrecht aus berechtigten Gründen des Betroffenen im Einzelfall gemeint sein, beispielsweise beim Vorliegen besonderer Einzelfallumstände aus Sicht des Betroffenen, da ansonsten das in Art. 22 DSG-VO vorgesehene Regelungssystem durch eine bedingungslose Aussteuerungsforderung des Betrof-

1611  Vgl. Martini/Nink, NVwZ-Extra 10/2017, 1 (5, 13); Martini, Blackbox Algorithmus, S. 171 f. sowie Fn. 46; ders., in: Paal/Pauly, DSG-VO, Art. 22, Rn. 35a; Roth-Isigkeit, DÖV 2020, 1018 (1023); für eine Auslegung im Lichte des Art. 22 Abs. 3 DSG-VO bzw. für eine Orientierung an Art. 22 Abs. 3 DSG-VO auch Köhler, WzS 2018, 279 (284); Prell, in: BeckOK VwVfG, § 35a, Rn. 11a; ders., apf 2017, 237 (239); Hornung, in: Schoch/Schneider, VwVfG, § 35a, Rn. 17; zurückhaltender insoweit wohl Wischmeyer, AöR 143 (2018), 1 (51 in Fn. 202). 1612  Vgl. insoweit auch ErwGr. 71 S. 4 DSG-VO. 1613  Ein völlig entmenschlichtes Verfahren würde den Betroffenen dagegen verobjektivieren, vgl. hierzu bereits § 5 A. III. 3. b). 1614  Denkbar sind hier sowohl Freitextfelder oder auch bloße Ankreuzfelder in Antragsverfahren als auch automatisierte Äußerungsaufforderungen in Offizialverfahren. 1615  Vgl. Martini/Nink, NVwZ-Extra 10/2017, 1 (4).

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fenen ins Gegenteil verkehrt würde.1616 Insofern ist der mit Art. 22 DSG-VO auch zugunsten automatisierter Entscheidungsfindungen auf der Basis moderner Big-Data-Technologien und deren enormen ökonomischen Wertschöpfungspotenzialen austarierte Interessenausgleich zu berücksichtigen.1617 b) Recht auf Darlegung des eigenen Standpunkts Eng verbunden mit der möglichen Erwirkung einer menschlichen Intervention ist das ebenfalls von Art. 22 Abs. 3 Hs. 2 DSG-VO1618 als „angemessene Maßnahme“ angeführte Recht auf Darlegung des eigenen Standpunkts, das eine betroffenenseitige Gelegenheit verlangt, in Bezug auf die automatisierte Entscheidung komplizierte Zusammenhänge erläutern oder Spezifika des Einzelfalles vortragen zu können1619 und dabei ebenfalls ein Mindestmaß an tatsächlicher Rezeption und inhaltlicher Auseinandersetzung mit den dargelegten Aspekten voraussetzt.1620 Verfahrensorganisatorisch ist auch hier von einer Umsetzung mittels eines verfahrenskonzeptionell zu implementierenden Aussteuerungsmechanismus auszugehen, der zwar ebenfalls nicht auf bestimmte technische Verfahren festgelegt ist1621, im hiesigen Kontext aber – anders als es für das Recht auf bloßes menschliches Eingreifen zwingend notwendig wäre – nach seinem Sinn und Zweck die Einspeisung individueller Angaben ermöglichen muss1622, da nur dann der eigene Standpunkt ggfls. in Form von atypischen Besonderheiten eines Einzelfalles hinreichend eingebracht werden kann. Nicht nur das Erfor1616  Zu Recht Martini/Nink, NVwZ-Extra 10/2017, 1 (4); Martini, in: Paal/Pauly, DS-GVO, Art. 22, Rn. 39a. 1617  Vgl. Martini, in: Paal/Pauly, DS-GVO, Art. 22, Rn. 8. 1618  Vgl. insoweit auch ErwGr. 71 UAbs. 1 S. 4 DSG-VO. 1619  Vgl. Martini/Nink, NVwZ-Extra 10/2017, 1 (4). 1620  Vgl. von Lewinski, in: BeckOK DatenschutzR, Art. 22 DSG-VO, Rn. 49.1; Hladjk¸ in: Ehmann/Selmayr, DSG-VO, Art. 22, Rn. 15; Martini/Nink, NVwZ-Extra 10/2017, 1 (4). 1621  Die zweckmäßigste Umsetzungsvariante werden auch hier in den häufigsten Fällen qualifizierte Freitextfelder bieten, die unmittelbar im Entscheidungssystem angelegt sind und maschinenschriftliche Eingaben frei von inhaltlichen oder formalen Restriktionen erlauben, vgl. Ziekow, NVwZ 2018, 1169 (1171 f.); Martini/Nink, DVBl. 2018, 1128 (1133); vgl. auch Guckelberger, VVDStRL 78 (2019), 235 (267); Prell, apf 2017, 237 (240); Kallerhoff/Fellenberg, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 24, Rn. 57d sowie bereits § 5 C. I. 2. b) aa) (1) und II. 2. c). Theoretisch sind aber auch andere Verfahren denkbar, wie beispielsweise Sprachaufzeichnungen oder ein­ gescannte handschriftliche Einlassungen. In Offizialverfahren treten automatisierte Äußerungsaufforderungen an die Stelle von Eingaben in Freitextfelder, siehe § 5 C. I. 2. b) aa) (1). 1622  Vgl. auch Ziekow, NVwZ 2018, 1169 (1171 f.); Martini/Nink, DVBl. 2018, 1128 (1133).



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dernis hinreichender inhaltlicher Rezeption des Vorbringens, sondern auch der zwingend zu verlangende individuelle Charakter der Eingaben bedingen sodann – bis auf Weiteres – unweigerlich eine menschliche Berücksichtigung und Prüfung der Einlassungen, da technische Systeme selbst nach gegenwärtigem Technikstand nicht mit hinreichender Zuverlässigkeit in der Lage sind, komplexere menschliche Einlassungen kognitiv zu erfassen und zu verwerten.1623 Im Zuge dieser menschlichen Sichtung kann gleichzeitig eine Prüfung der Fallrelevanz der gemachten Angaben vorgenommen werden, die hier gleichermaßen als allgemeine Grenze des Darlegungsrechts des eigenen Standpunkts fungiert, um den in Art. 22 DSG-VO getroffenen Interessenausgleich zwischen Persönlichkeitsrechten einerseits und wirtschaftlichen Potenzialen zukünftiger Schlüsseltechnologien nicht zu unterminieren.1624 Eine Rückführung in das automatisierte Verfahren nach erfolgter menschlicher Überprüfung, beispielsweise aufgrund unschlüssiger oder nicht fallrelevanter Angaben, bleibt in jedem Fall möglich, da Art. 22 DSG-VO dem Betroffenen kein Recht auf vollständige persönliche Verfahrensabwicklung, sondern nur auf Erwirkung persönlichen Eingreifens mit echter Einflussmöglichkeit sowie Darlegung und hinreichende Rezeption des eigenen Standpunkts einräumt.1625 Deutlich hervor tritt schließlich der enge Zusammenhang zwischen dem Recht auf Darlegung des eigenen Standpunkts und dem Recht auf Erwirkung menschlichen Eingreifens, die sich regelmäßig gegenseitig bedingen und komplementär zueinander wirken. Das Erwirken einer menschlichen Intervention wird in diesem Sinne regelmäßig gerade zum Zwecke der Darlegung des eigenen Standpunktes erfolgen (z. B. wegen aus Sicht des Betroffenen vorliegenden atypischen Umständen), während – wie gezeigt wurde – die Darlegung des eigenen Standpunktes umgekehrt eine menschliche Intervention herbeiführen muss. Verfahrensorganisatorisch ist daher zu empfehlen, dass beide 1623  Martini, in: Paal/Pauly, DSG-VO, Art. 22, Rn. 39b; ders./Nink, NVwZ-Extra 10/2017, 1 (4); Wischmeyer, AöR 143 (2018), 1 (17 f., 41 in Fn. 164); siehe hierzu insbes. bereits § 5 C. I. 2. b) aa) (2). Eine menschliche Auswertung der Einlassungen erscheint auch vor dem Hintergrund der in ErwGr. 71 UAbs. 2 S. 6 DSG-VO gleichermaßen geforderten organisatorischen Maßnahmen sinnvoll, die der für die automatisierte Entscheidungsfindung Verantwortliche zur Sicherstellung der Korrektur von Faktoren, die zu unrichtigen personenbezogenen Daten führen, und der Minimierung des Fehlerrisikos zu treffen hat. 1624  Vgl. zu einer entsprechenden Relevanzprüfung der gemachten Angaben bereits § 5 C. I. 2. b) aa) (3) m. w. N., wo eine automatisierte Relevanzprüfung der Eingaben nach hier vertretener Auffassung abgelehnt wird. 1625  Vgl. hierzu bereits oben; vgl. auch Martini/Nink, NVwZ-Extra 10/2017, 1 (4 in Fn. 39), die in diesem Zusammenhang von „Rationalitätsgrenzen des Rechts auf Eingreifen einer Person“ sprechen. Zu den begrifflichen Implikationen einer Rückführung ausgesteuerter Verfahren in die automatisierten Verarbeitungsprozesse bereits § 3 C. II. 5. c).

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verfahrensmäßigen Mindestgarantien mittels eines gemeinsamen, individuelle Ein- bzw. Angaben erlaubenden Aussteuerungsmechanismus kumulativ umgesetzt werden, der insofern eine Doppelfunktion erfüllt.1626 Zweckmäßigerweise sollte es sich hierbei des Weiteren um denselben Aussteuerungsmechanismus handeln, der regelmäßig in Form von qualifizierten Freitextfelder oder automatisierten Äußerungsaufforderungen sowohl bereits im Rahmen der automatisierten Sachverhaltsermittlung als individualitätsinkludierender Mechanismus1627 als auch im Rahmen der automatisiert verwirklichten Anhörung1628 konzeptionell im Entscheidungssystem vorzuhalten ist. Insofern können multiple Funktionen synergetisch wahrgenommen werden. c) Recht auf Anfechtung und inhaltliche Neubewertung der Entscheidung Das in Art. 22 Abs. 3 Hs. 2 DSG-VO zuletzt genannte und autonom europarechtlich auszulegende Recht auf „Anfechtung der Entscheidung“ ist nach der wohl herrschenden Überzeugung als Anspruch auf Überprüfung der automatisiert getroffenen Entscheidung im Sinne einer inhaltlichen Neubewertung zu verstehen1629 und setzt deshalb nach seiner Ratio ebenfalls effektive Abänderungsbefugnisse seitens der prüfenden Stelle voraus. Letzte Unklarheiten verblieben bisher allerdings noch bei der Frage, von welchen Instanzen diese inhaltliche Überprüfung durchgeführt werden muss. Während manche Autoren das „Anfechtungsrecht“ dabei lediglich beim „Verantwortlichen“ i. S. d. Art. 4 Nr. 7 DSG-VO (regelmäßig also der die Entscheidungssysteme einsetzenden Behörde) verortet sehen und daher im Kontext verwaltungsrechtlicher Entscheidungen insbesondere eine (ausgangs-)behördliche Überprüfungsmöglichkeit jenseits der verwaltungsprozessualen Klage und aufsichtsbehördlicher Kontrollen verlangen1630, verweist die überwie1626  Anders insoweit Martini/Nink, NVwZ-Extra 10/2017, 1 (4 in Fn. 39), die eine rein automatisierte Prüfung des dargelegten Standpunktes bzw. der automatisierten Entscheidung für möglich halten, sofern der Betroffene nicht auch von seinem Recht auf menschliches Eingreifen Gebrauch gemacht hat. Eine derartige Aufspaltung beider Mindestgarantien erscheint mir aber weder praxisgerecht noch zweifelsfrei technisch umsetzbar. 1627  Siehe § 5 C. I. 2. b) aa) (1). 1628  Siehe § 5 C. II. 2. c) und 3. 1629  von Lewinski, in: BeckOK DatenschutzR, Art. 22 DSG-VO, Rn. 50; Martini/ Nink, NVwZ-Extra 10/2017, 1 (4); vgl. auch Kumkar/Roth-Isigkeit, JZ 2020, 277 (284 f.). 1630  So Martini/Nink, NVwZ-Extra 10/2017, 1 (4); dies., DVBl. 2018, 1128 (1133); zust. Buchner, in: Kühling/Buchner, DSG-VO, Art. 22, Rn. 31; vgl. auch Martini, in: Paal/Pauly, DSG-VO, Art. 22, Rn. 39c.



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gende Anzahl der Literaturstimmen durchaus auch auf nicht unbedingt gegenüber dem Verantwortlichen selbst bestehende, ggfls. sogar verwaltungsexterne Kontrollmechanismen zur Ausfüllung des „Rechts auf Anfechtung“, wie etwa die Aufsichtsbeschwerde, das behördliche Widerspruchsverfahren gem. §§ 68 ff. VwGO oder die verwaltungsgerichtliche Klage.1631 In systematischer und teleologischer Hinsicht ist die erstere, insbesondere von Martini und Nink vertretene Sichtweise dabei keineswegs von der Hand zu weisen, haben sich doch auch die übrigen verfahrensmäßigen Mindestgarantien im Rahmen des (hier nur gewisse Leitlinien vorzeichnenden) Art. 22 Abs. 3 DSG-VO allesamt nicht an externe Kontrollinstanzen, sondern ausdrücklich an den „Verantwortlichen“ gerichtet, der im Übrigen als Betreiber des Entscheidungssystems und damit zumindest mittelbarer Urheber der Entscheidung naturgemäß auch selbst über die größte Sachnähe sowie absolute, jedenfalls aber den geringsten Restriktionen unterworfene Einwirkungsund Änderungsmöglichkeiten verfügt. Dennoch ist meines Erachtens der sachgerechtere Lösungsweg darin zu erblicken, im Einklang mit der überwiegenden Literaturmeinung neben formlosen Rechtsbehelfen insbesondere das bewährte Rechtsschutzsystem der VwGO als ausreichende „Anfechtungsmöglichkeiten“ i. S. d. Norm zu akzeptieren und insbesondere nicht die Implementierung eines neuartigen und besonderen behördlichen Verfahrens im Sinne eines „Automations-Widerspruchs“ o.  Ä. zu fordern.1632 Diese Überzeugung rührt vor allem daher, dass im Bereich des Erlasses hoheit­ licher Verwaltungsentscheidungen – anders als dies womöglich im zivilrechtlichen Kontext automatisierter Entscheidungsfindungen der Fall sein mag, wo keine kleinteilige verfahrensrechtliche Einhegung existiert, an der sich die Entscheidungsfindung sowie die erzeugten Entscheidungen messen lassen müssten1633 – eine auch automatisierte Entscheidungsfindung unter den Verfahrensordnungen – wie dies bereits oben eingehend gezeigt wurde inklusive der beschriebenen automationsbedingten Sicherungsmechanismen1634 – ohnehin bereits einem Niveau rechtesichernder, verfahrensrechtlicher Einfas1631  von Lewinski, in: BeckOK DatenschutzR, Art. 22 DSG-VO, Rn. 51; vgl. auch Berger, in: Knack/Henneke, VwVfG, § 35a, Rn. 25; Guckelberger, VVDStRL 78 (2019), 235 (273 mit Fn. 220, 354 [Aussprache]). 1632  Einen dahingehenden Weg hat indes jüngst und erstmalig das schleswig-holsteinische IT-Einsatz-Gesetz v. 16. März 2022 beschritten, welches gem. § 12 ITEG eine von anderen Rechtsbehelfen unabhängige und zu diesen subsidiäre „KI-Rüge“ bei einer „auf einer datengetriebenen Informationstechnologie […] beruhenden Entscheidung einer öffentlichen Stelle“ implementierte. 1633  Vgl. insoweit von Lewinski, in: BeckOK DatenschutzR, Art. 22 DSG-VO, Rn. 52. 1634  Verwiesen sei insofern nur auf behördliche Qualitäts- und Überwachungspflichten, qualifizierte Freitextfelder und Risikomanagementsysteme, siehe § 5 A. I. 1. a), b), C. I. 2. b) aa) (1), II. 2. c).

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sung und Durchdringung unterworfen ist, das schlicht weder ein wirkliches Bedürfnis nach weiteren Kontrollverfahren nahelegt noch einen daraus folgenden Mehrwert erkennen lässt, um den Betroffenenrechten hinreichende Geltung zu verschaffen. Rechtstechnisch lässt sich dieses Ergebnis sodann ohne Weiteres auf der Grundlage des gesteigerten Gestaltungsspielraums des nationalen Gesetzgebers bei Gebrauchmachen von der nationalen Öffnungsklausel des Art. 22 Abs. 2 lit. b) DSG-VO normativ untermauern, im Rahmen dessen die konkreten verfahrensmäßigen Spezifizierungen des Art. 22 Abs. 3 DSG-VO eben nur als allgemeine Leitlinien hinsichtlich der „angemessenen Maßnahmen“ i. S. d. Art. 22 Abs. 2 lit. b) DSG-VO fungieren können, so dass gewisse Entscheidungsfreiräume beispielsweise auch hinsichtlich des Verzichts auf ein weiteres, ausgangsbehördliches Kontrollverfahren beim nationalen Gesetzgeber verbleiben. Das bewährte Rechtsschutzinstrumentarium der VwGO ist damit – gepaart mit weiteren formlosen Rechtsbehelfen – als hinreichende Verwirklichungsmethode eines „Rechts auf Anfechtung der Entscheidung“ im Bereich hoheitlicher Entscheidungserzeugung zu quali­ fizieren. Die in jüngerer Zeit durch die Landesgesetzgeber zurückgefahrene Bedeutung des behördlichen Widerspruchsverfahrens könnte zumindest in diesem Kontext eine erneute Aufwertung erfahren.1635 d) Faire und transparente Verarbeitung der Daten Neben den konkreteren verfahrensmäßigen Mindestgarantien, die aus Art. 22 Abs. 2 lit. b) i. V. m. Abs. 3 Hs. 2 DSG-VO abgeleitet werden können, erwähnt ErwGr. 71 UAbs. 2 S. 1 DSG-VO zudem noch die Gewährleistung einer fairen und transparenten Verarbeitung der personenbezogenen Daten gegenüber der betroffenen Person, worin eine Art Fundus allgemeiner Verhaltens- und Verwendungsregeln im Kontext personenbezogener algorithmischer Entscheidungsfindungen zum Ausdruck kommt, zu dem unter anderem die Verwendung geeigneter mathematischer oder statistischer Verfahren im Rahmen der algorithmischen Verfahren, die Sicherstellung einer korrekten und aktuellen Datenbasis als Grundlage der Verarbeitungen, die Sicherung der Integrität, Vertraulichkeit und Authentizität der Daten, das Implementieren technischer und organisatorischer Vorsorgemaßnahmen zur Minimierung von Fehlern, unrichtigen oder verzerrten Ausgangsdaten und sonstigen Risiken sowie zur Verhinderung und Korrektur von diskriminierenden Wirkungen

1635  So auch Guckelberger, VVDStRL 78 (2019), 235 (273 in Fn. 220 und 354 [Aussprache]). Tischbirek, ZfDR 2021, 307 (327). Vgl. insoweit zudem VGH München, Beschl. v. 26.01.2021 – 7 ZB 20.2029, juris (Rn. 11 ff.); VGH Mannheim, Beschl. v. 13.11.2020 – 2 S 2134/20, juris (Rn. 15 ff.).



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des Systems gehören.1636 Inhaltlich lassen sich hierbei im Einzelnen weit­ läufige Überschneidungsbereiche mit denjenigen Qualitätssicherungs- und Überwachungspflichten ausmachen, die die solche Entscheidungssysteme einsetzenden Behörden bei automatisierten Entscheidungsfindungen im Rahmen determinierter und selbstlernender Systeme und/oder risikoevaluierenden Funktionsmodulen ohnehin bereits von Verfassungs wegen einzuhalten haben, so dass unter Verweis auf die obigen Ausführungen auf ein näheres Eingehen an dieser Stelle verzichtet werden kann.1637 e) Erläuterung der Entscheidung Ungeachtet seiner strittigen Einordnung als zwingender Mindeststandard i. S. d. Art.  22 Abs.  3  DSG-VO1638 wird laut ErwGr. 71 UAbs. 1 S. 4 DSGVO schließlich noch ein Anspruch auf „Erläuterung der nach einer entsprechenden Bewertung getroffenen Entscheidung“ als „angemessene Garantie“ genannt1639, worunter inhaltlich – jedenfalls für die unter Art. 22 Abs. 2 lit. b) DSG-VO zugelassene automatisierte Verwaltungstätigkeit – letztlich eine erklärende Begründung der automatisiert erzeugten Entscheidung im Einzelfall analog zu den national verfahrensrechtlichen Pendants der §§ 39 VwVfG, 35 SGB X und 121 AO zu verstehen ist, die im Kontext vollautomatisierter Verwaltungsverfahren automatisiert anhand der im Fall zutreffenden Entscheidungsparameter generiert werden muss.1640 Angesichts der wesentlichen Parallelen zwischen unionsrechtlich geforderten und national verfahrensrechtlich angeordneten Begründungspflichten sei hinsichtlich der technischen Umsetzung, Inhalte und Umfang einer solchen erklärenden Einzelfallbegründung auch hier auf die entsprechenden Ausführungen im Rahmen einer automatisierten Begründung nach den nationalen verfahrensrechtlichen Vorschriften verwiesen1641, so dass sich eine erneute Diskussion er­ übrigt. 1636  Vgl. Martini, in: Paal/Pauly, DSG-VO, Art. 22, Rn. 36, 39d  f.; ders./Nink, NVwZ-Extra 10/2017, 1 (4 f.); vgl. auch Wischmeyer, AöR 143 (2018), 1 (23 f.). 1637  Vgl. § 5 A. I. 1. a) und b), B. II. 2. c) cc) sowie C. I. 2. b) bb) (4). 1638  Zum Streitstand m. w. N. Kumkar/Roth-Isigkeit, JZ 2020, 277 (280 f.), die dies i. E. ablehnen. 1639  Vgl. Hladjk, in: Ehmann/Selmayr, DS-GVO, Art. 22, Rn. 15; jedenfalls als „angemessene Maßnahme“ i. S. d. Art. 22 Abs. 3 DSG-VO bejahend Kumkar/RothIsigkeit, JZ 2020, 277 (281); Roth-Isigkeit, DÖV 2020, 1018 (1022 f.); Hornung, in: Schoch/Schneider, VwVfG, § 35a, Rn. 17; skeptisch insoweit aber Hermstrüwer, AöR 145 (2020), 479 (499 f.); Sesing, MMR 2021, 288 (292). 1640  Vgl. auch Buchner, in: Kühling/Buchner, DS-GVO, Art. 22, Rn. 31 ff., 34; Guckelberger, VVDStRL 78 (2019), 235 (274 in Fn. 227). 1641  Siehe § 5 C. III.

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f) Anforderungen bei besonderen Kategorien personenbezogener Daten Für besondere Kategorien personenbezogener Daten nach Art. 9 Abs. 1 DSG-VO, zu denen unter anderem die rassische und ethnische Herkunft, die Gesundheit, die sexuelle Orientierung oder politische Überzeugungen gehören, postuliert Art. 22 Abs. 4 DSG-VO darüber hinaus zusätzliche Hürden, die im Rahmen der Entwicklung sowie des Einsatzes automatisierter Entscheidungssysteme, die auf derartige Daten zurückgreifen, beachtet werden müssen. Automatisierte Einzelentscheidungen beruhend auf solchen besonders persönlichkeitssensitiven Daten werden darin einem grundsätzlichen Verbot unterworfen, sofern nicht eine der normierten Rückausnahmen entweder in Form einer ausdrücklichen Einwilligung der betroffenen Person in die Erhebung der Datengrundlage i. S. d. Art. 9 Abs. 2 lit. a) DSG-VO oder einer unionsrechtlichen oder mitgliedstaatlichen Zulassung unter den Voraussetzungen des Art. 9 Abs. 2 lit. g) DSG-VO greift, die automatisierte Entscheidung jeweils selbst auf eine Ausnahme des Abs. 2 gestützt werden kann und „angemessene Maßnahmen zum Schutz der Rechte und Freiheiten sowie der berechtigten Interessen der betroffenen Person getroffen wurden“.1642 Im Hinblick auf die Rückausnahme der unionalen oder mitgliedstaatlichen Öffnungsklausel muss die zulassende Norm dabei ein erhebliches öffentliches Interesse verfolgen, den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und den Wesensgehalt des Persönlichkeitsschutzes wahren sowie hinreichende Schutzmaßnahmen „zur Wahrung der Grundrechte und Interessen der betroffenen Person“ treffen.1643 Als „erhebliches öffentliches Interesse“ können sodann nicht nur die Abwehr von Gefahren für absolut geschützte Rechtsgüter, sondern auch die Unversehrtheit der Rechtsordnung im Übrigen sowie andere Belange von erheblichem Allgemeininteresse in Betracht kommen, sofern die Verhältnismäßigkeits- und Wesensgehaltsanforderungen eingehalten werden.1644 Hinsichtlich der zu fordernden Erheblichkeit kann ErwGr. 52 DSG-VO gewisse Anhaltspunkte bieten. Im verwaltungsrechtlichen Kontext ist ein besonderes Augenmerk auf ErwGr. 52 S. 3 DSG-VO zu richten, wonach der europäische Verordnungsgeber eine auf Daten nach Art. 9 Abs. 1 DSG-VO beruhende 1642  Vgl. von Lewinski, in: BeckOK DatenschutzR, Art. 22 DSG-VO, Rn. 58 ff.; Martini/Nink, NVwZ-Extra 10/2017, 1 (6). 1643  Im Einzelnen Schiff, in: Ehmann/Selmayr, DSG-VO, Art. 6, Rn. 45 ff. 1644  Vgl. Frenzel, in: Paal/Pauly, DSG-VO, Art. 9, Rn. 39. Beispielhaft sei hier etwa die Effizienz der privaten Krankenversicherung, vgl. von Lewinski, in: BeckOK DatenschutzR, Art. 22 DSG-VO, Rn. 60; Thüsing, RDV 2018, 14 (17 f.), oder die effektive Ahndung von Straftaten, Schiff, in: Ehmann/Selmayr, DSG-VO, Art. 6, Rn. 47, genannt. Eingehender zum erheblichen öffentlichen Interesse Schiff, in: Ehmann/Selmayr, DSG-VO, Art. 6, Rn. 45 ff.



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automatisierte Einzelentscheidung für ausnahmsweise zulässig hält, „wenn sie erforderlich ist, um rechtliche Ansprüche […] in einem Verwaltungsverfahren […] geltend zu machen, auszuüben oder zu verteidigen“. In Bezug auf die gem. Art. 22 Abs. 4 DSG-VO vorzuhaltenden Schutzmaßnahmen für die Rechte, Freiheiten und berechtigten Interessen des Betroffenen kann sodann trotz Verweises auf „angemessene und spezifische Maßnahmen“ gem. Art. 9 Abs. 2 lit. g) i. V. m. Art. 22 Abs. 4 DSG-VO für automatisierte Entscheidungssysteme in der öffentlichen Verwaltung weitgehend auf das bereits im Kontext des Art. 22 Abs. 1 und Abs. 2 lit. b) DSG-VO herausgearbeitete verfahrensmäßige Instrumentarium zur Sicherung der Betroffenenrechte und -interessen zurückgegriffen werden, das regelmäßig auch hinsichtlich besonders sensibler Datenverarbeitungen effektive Kontrollebenen etabliert und lediglich im Bedarfsfall um spezifische, im Lichte der konkret verarbeiteten besonderen Daten ausgestaltete Mechanismen erweitert werden muss1645. Insoweit ist also insbesondere auf Rechte zur Erwirkung eines menschlichen Eingreifens, zur Darlegung des eigenen Standpunkts, zur Herbeiführung einer inhaltlichen Neubewertung der Entscheidung und auf erklärende Begründung einer Einzelentscheidung sowie behördliche Pflichten zur Einhaltung allgemeiner Verwendungs-, Qualitäts- und Überwachungsanforderungen im Kontext automatisierter Entscheidungssysteme zu verweisen. II. Automationsspezifische Auskunfts- und Informationsrechte Gem. Art. 12 ff. DSG-VO treten überdies verschiedene Auskunfts- und Informationspflichten seitens des für die personenbezogene Datenverarbeitung Verantwortlichen als weiterer zentraler Schutzmechanismus hinzu, die eine effektive Wahrnehmung der Betroffenenrechte oftmals überhaupt erst ermöglichen.1646 Im Zusammenhang mit automatisierten Einzelentscheidungen gilt es dabei konkret Art. 13 Abs. 2 lit. f) und 14 Abs. 2 lit. g) DSG-VO hervorzuheben, die eine Aufklärungspflicht dahingehend statuieren, dass das Stattfinden einer automatisierten Entscheidungsfindung sowie aussagekräftige Informationen über die involvierte Logik sowie die Tragweite und die voraussichtlichen Auswirkungen der Verarbeitung mitgeteilt werden. Ferner gewährt Art. 15 Abs. 1 lit. h) DSG-VO das Recht, in Fällen der Unsicherheit oder Unkenntnis eine nachträgliche Bestätigung über das Bestehen einer automatisierten Entscheidungsfindung sowie deren Automatisierungslogik zu verlangen (Auskunftsanspruch), das sich inhaltlich mit obig genannten Infor1645  In Betracht kommen z. B. Löschungspflichten, vgl. Schiff, in: Ehmann/Selmayr, DSG-VO, Art. 6, Rn. 51. 1646  Knyrim, in: Ehmann/Selmayr, DS-GVO, Art.  13 und Art. 14, je Rn. 1; Schmidt-Wudy, in: BeckOK DatenschutzR, Art. 13 DSG-VO, Rn. 2.

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mationspflichten deckt.1647 Perspektivisch bildet sich in den Art. 12 ff. DSGVO dabei gewissermaßen ein entgegengesetzter Blickwinkel im Vergleich zu national-verfahrensrechtlichen Begründungspflichten für automatisiert erlassene Verwaltungsakte ab1648, die ihrerseits einer erläuternden Begründung einer bereits konkret erzeugten Einzelentscheidung (ergo des Ergebnisses einer konkreten Anwendung des Entscheidungsprogramms) harren und dabei nach hier vertretener Auffassung gerade nicht als Instrument einer abstrakten Algorithmenkontrolle fungieren (sollen)1649, wohingegen die in den Art. 12 ff. DSG-VO angelegten Informations- und Auskunftsrechte durchaus eher auf eine Aufklärung über den automatisierten Entscheidungsverarbeitungsvorgang an sich ausgerichtet sind, was sich bereits daran zeigt, dass die Informations- und Aufklärungspflichten auf den Zeitpunkt der Datenerhebung, nicht aber denjenigen der Entscheidungserzeugung, -formulierung oder -kund­gabe bezogen sind1650. Während sodann die Umsetzung von Hinweisen (und entsprechenden Auskunftspflichten) bezüglich des Stattfindens einer automatisierten Entscheidung an sich keine größeren Schwierigkeiten bereitet und im hoheitlichen Bereich schlicht die zuständige öffentliche Stelle dazu veranlasst wird, auf die Möglichkeit vollständig automatisiert erzeugter Entscheidungen in den betreffenden Verwaltungsverfahren hinzuweisen1651 bzw. die entsprechende Auskunft zu erteilen, besteht unverändert einige Unsicherheit bezüglich der Frage, welches Maß an Umfang und Tiefe der Angaben im Rahmen der Pflichterfüllung insbesondere hinsichtlich der „involvierten Logik“ verlangt werden muss, um „aussagekräftige Informationen“ im Sinne der Normen zu erhalten.1652 Zum Teil wird diesbezüglich ein extensives Verständnis 1647  Vgl. auch Kumkar/Roth-Isigkeit, JZ 2020, 277 (283). Die Auskunfts- und Informationsrechte nach den Art. 12 ff. DSG-VO werden überdies an einigen Stellen durch nationale Vorschriften konkretisiert bzw. eingeschränkt, auf die der Übersichtlichkeit wegen hier aber nicht näher eingegangen werden soll. Beispielhaft sei lediglich § 33 BDSG genannt, der in Abs. 1 Nr. 1 für öffentliche Stellen Einschränkungen der Informationspflichten gem. Artikel 14 Abs. 1, 2 und 4 DSG-VO unter Vorhaltung gewisser Kompensationen in Abs. 2 vorsieht. 1648  Vgl. auch Kumkar/Roth-Isigkeit, JZ 2020, 277 (283); Guckelberger, DÖV 2021, 566 (575). 1649  Siehe § 5 C. III. 2. c). 1650  Vgl. Wischmeyer, AöR 143 (2018), 1 (51); Kumkar/Roth-Isigkeit, JZ 2020, 277 (282 f.); Dreyer/Schulz, Was bringt die DSG-VO für ADM-Systeme?, S. 25, 30 f. 1651  Vgl. insoweit auch Martini/Nink, NVwZ-Extra 10/2017, 1 (8). In Antragsverfahren bietet es sich hierbei an, die entsprechenden Hinweise bereits im Umfeld der Eingabemaske vorzuhalten; in Offizialverfahren könnten die Hinweispflichten im Zuge der Äußerungsaufforderung erfüllt werden. 1652  Zu Anwendungsbereich und Inhalt der Informationspflichten ausf. Sesing, MMR 2021, 288 ff.



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der Informations- und Auskunftspflichten befürwortet, wonach eine detaillierte Offenlegung der dem automatisierten Entscheidungssystem zugrundeliegenden Formel als für die Rechtswahrung des Betroffenen notwendig anzusehen sei.1653 Die wohl überwiegende Auffassung geht indes zu Recht davon aus, dass nicht der gesamte, der Entscheidung zugrundeliegende Algorithmus in Form seines Programmcodes und der Rohdaten gegenüber den Betroffenen offengelegt werden muss, da dies zu einer Offenbarung von teils enorm werthaltigen und ggfls. bestimmte Geschäftsmodelle tragenden Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen zwinge und der Schutzzweck der Normen auch durch die bloße Einsichtsgewährung in die Grundannahmen der Algorithmuslogik bzw. Bewertungsmaßstäbe erreicht werden könne.1654 Diese restriktivere Auslegung deckt sich auch mit dem herrschenden Verständnis der grammatikalisch eng verwandten Vorgängerregelungen der Art. 12 lit a), 15 DS-RL sowie der partiellen Parallelregelungen der §§ 37 und 31 BDSG n. F. (§§ 6a und 28b BDSG a. F.), für die allesamt ein sehr zurückhaltender Maßstab angelegt wurde, nach dem ganz allgemeine Ausführungen, kurze Stellungnahmen zur generellen Entscheidungsstruktur oder Einblicke in die grundlegenden Entscheidungsmaßstäbe als ausreichend anerkannt wurden.1655 Ganz im Gegenteil wird eine detailliertere Einsichtmöglichkeit in Rohdaten und Quellcode beim Bürger mangels entsprechendem Expertenwissen ohnehin in den wenigsten Fällen einen wirklichen Mehrwert im Hinblick auf die Identifikation fehlerhafter Datenverarbeitungen erwarten lassen.1656 Eine in die Einzelheiten gehende Offenlegung der eingesetzten Algorithmen ist damit im Rahmen der Informations- und Auskunftspflichten der 1653  So etwa Schmidt-Wudy, in: BeckOk DatenschutzR, Art. 15 DSG-VO, Rn. 78 ff., 78.3; Bäcker, in: Kühling/Buchner, DS-GVO, Art. 13, Rn. 54; vermittelnder Hammersen/Eisenried, ZD 2014, 342 (345). Weitreichende Offenlegungspflichten statuiert auch das schleswig-holsteinischen ITEG (Fn. 292) für den Einsatz „datengetriebener Informationstechnologien“, vgl. § 6 ITEG. 1654  Martini, in: Paal/Pauly, DSG-VO, Art. 22, Rn. 36; Paal/Hennemann, in: Paal/ Pauly, DSG-VO, Art. 13, Rn. 31a ff.; Wischmeyer, AöR 143 (2018), 1 (50 ff.); Buchner, in: Kühling/Buchner DS-GVO, Art. 22, Rn. 35; i. E. auch Roth-Isigkeit, DÖV 2020, 1018 (1025); Kumkar/Roth-Isigkeit, JZ 2020, 277 (284 ff.); Guckelberger, Öffentliche Verwaltung, Rn. 499; Ramsauer/Tegethoff, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 35a, Rn. 9a; vgl. zudem BGH NVwZ 2014, 747 (750 Rn. 26 ff.). 1655  Wischmeyer, AöR 143 (2018), 1 (50) m. w. N. aus der Literatur. 1656  Martini/Nink, NVwZ-Extra 10/2017, 1 (11 mit Fn. 108.); Wischmeyer, AöR 143 (2018), 1 (53); Roth-Isigkeit, DÖV 2020, 1018 (1025). Strassemeyer, DSRITB 2019, 31 (38) verweist zudem auf die allg. Nachvollziehbarkeits- und Verständlichkeitsgebote der Art. 5 Abs. 1, 12 Abs. 1 DSG-VO, denen bei einer dahingehenden Offenlegung ebenfalls wohl kaum gedient wäre; ähnlich insoweit Dreyer/Schulz, Was bringt die DSG-VO für ADM-Systeme?, S. 25.

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Art. 12 ff. DSG-VO nicht zu verlangen.1657 Es genügt insofern eine verständliche Erläuterung der generellen Funktionsweisen und Entscheidungsgrundlagen des Datenverarbeitungssystems; beim Einsatz maschineller Lernverfahren ist eine Beschreibung der Kernelemente des Systems als ausreichend zu erachten1658. Dies gilt umso mehr im Bereich der öffentlichen Verwaltung, sofern algorithmische Entscheidungssysteme auch zur Risikobewertung der Vollständigkeit, Plausibilität und Validität der Daten eingesetzt werden, da andernfalls eine Adaption des Bürgers an die offenliegenden Risikokriterien zu befürchten ist, was wiederum deren Funktionsfähigkeit erheblich einschränken, wenn nicht gar vollständig negieren würde. Insbesondere hinsichtlich der risikoprüfenden Teile des Algorithmus sind deshalb mit Blick auf den Umgehungs- und Missbrauchsschutz allgemeinere und unspezifische Ausführungen über die eingesetzten Risikoparameter und deren Funktionszusammenhänge als ausreichend zu erachten.1659 Für steuerliche Risikomanagementsysteme bestehen auf der Grundlage der Öffnungsklausel des Art. 23 Abs. 1 lit. e) und h) DSG-VO darüber hinaus Ausnahmen von den Informationspflichten gem. § 32a Abs. 1 Nr. 1 AO in Fällen des Art. 13 Abs. 3 DSG-VO (Weiterverarbeitung der Daten zu einem anderen Zweck) sowie gem. § 32b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 lit. a) AO in den Fällen des Art. 14 Abs. 1, 2 und 4 DSG-VO (Datenerhebung bei Dritten), die jeweils eine ansonsten bestehende Gefährdung der in der Zuständigkeit der Finanzbehörden liegenden Aufgaben voraussetzen und dabei speziell auch auf die unein­ geschränkte Funktionsfähigkeit automatisierter Risikomanagementsysteme durch Geheimhaltung ihrer Ausgestaltung zielen (vgl. §§ 32a Abs. 2 Nr. 2, 32b Abs. 1 S. 2 AO).1660 Das nachträgliche Auskunftsrecht des Art. 15 DSG-

1657  So speziell für die öffentliche Verwaltung auch Martini/Nink, NVwZ-Extra 10/2017, 1 (10 f.); vgl. auch Wischmeyer, AöR 143 (2018), 1 (52); Ernst, JZ 2017, 1026 (1033). 1658  Vgl. Martini, JZ 2017, 1017 (1020); Sesing, MMR 2021, 288 (291 f.), der m. w. N. u. a. die berücksichtigten Daten, spezifischen Eigenschaften der eingesetzten Lernverfahren sowie Einschätzungen zu Aussagekraft und Ungenauigkeitspotenzial der Entscheidungen benennt. 1659  Für steuerliche Risikomanagementsysteme erweisen sich diese Anforderungen als mit den Veröffentlichungsverboten des § 88 Abs. 5 S. 4 AO kompatibel, die lediglich „Einzelheiten der Risikomanagementsysteme“ erfassen, die Preisgabe allgemeinerer Prinzipien dagegen im Umkehrschluss zulassen dürften, vgl. Braun Binder, in: Unger/Ungern-Sternberg, Demokratie und KI, 161 (175); ähnlich Drüen, DStJG 42 (2019), 193 (212 f.); Guckelberger, Öffentliche Verwaltung, Rn. 500. 1660  Vgl. Braun Binder, in: Unger/Ungern-Sternberg, Demokratie und KI, 161 (165 ff.), die aufgrund der Ausnahmevorschriften davon ausgeht, dass die Funktionsgrundlagen der finanzbehördlichen Risikomanagementsysteme weitgehend unbekannt bleiben werden.



D. Unionsrechtliche Maßgaben409

VO wird über den Ausnahmetatbestand des § 32c Abs. 1 Nr. 1 AO ausgeschlossen.1661 III. Ergebnis zu den unionsrechtlichen Einflüssen und Zusammenführung mit nationalem Verfahrensrecht In der Zusammenschau der behandelten unionsrechtlichen Maßgaben lässt sich festhalten, dass in vollautomatisierten Verwaltungsverfahren zustande gekommene Verwaltungsakte unter dem Regime des BestVerfModG zwar grundsätzlich dem Anwendungsbereich des Verbots automatisierter Einzelfall­ entscheidungen gem. Art. 22 Abs. 1 DSG-VO unterfallen1662, die Kodifika­ tionen der §§ 35a VwVfG, 31a S. 1 SGB X und 155 Abs. 4 AO aber gleichzeitig als Rechtsvorschriften i. S. d. nationalen Öffnungsklausel des Art. 22 Abs. 2 lit. b) DSG-VO zu qualifizieren sind und damit eine Rückausnahme zu den Einschränkungen des Abs. 1 bilden1663. Die Rückausnahme des Art. 22 Abs. 2 lit. b) DSG-VO setzt dabei zur Sicherung eines gewissen Schutz­ niveaus voraus, dass verfahrensmäßige Mindestgarantien „zur Wahrung der Rechte und Freiheiten sowie der berechtigten Interessen der betroffenen Person“ bei der automatisierten Entscheidung vorgehalten werden, womit die regulatorischen Gehalte des Art. 22 DSG-VO sowohl auf die Frage der Zulässigkeit einer automatisierten Entscheidung an sich als auch die Ausgestaltung und Abwicklung der diesen zugrundeliegenden automatisierten Entscheidungsverfahren ausstrahlen. Hinsichtlich des konkreten Zuschnitts der geforderten Mindestgarantien bleibt die DSG-VO weitgehend offen. Art. 22 Abs. 3 DSG-VO und die Ausführungen des ErwGr. 71 können insoweit allerdings – trotz ihrer nicht unmittelbaren Anwendbarkeit – als allgemeine Leitlinien eines im Grundsatz gleichwertigen Schutzniveaus der Norm fruchtbar gemacht werden, so dass jedenfalls ein Recht auf Erwirkung einer menschlichen Intervention, auf ­Darlegung des eigenen Standpunkts, auf Anfechtung der getroffenen Entscheidung, auf eine erklärende Begründung derselben sowie auf eine faire und transparente Verarbeitung der Daten zum Kreis der „angemessenen Maßnahmen“ i. S. d. Art. 22 Abs. 2 lit. b) DSG-VO zu zählen sind.1664

1661  Vgl. Krumm, DB 2017, 2182 (2194); Braun Binder, in: Unger/Ungern-Sternberg, Demokratie und KI, 161 (166 in Fn. 26). Die Norm wurde zuletzt im Zuge des Jahressteuergesetzes 2020 vom 21.12.2020 (BGBl. I, S. 3096) erweitert. 1662  Siehe § 5 D. I. 2. 1663  Siehe § 5 D. I. 3. vor a). 1664  Siehe § 5 D. I. 3. vor a) sowie a)–e).

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Eingebettet in den bestehenden verfahrensrechtlichen Regelungsverbund1665, dessen Maßgaben sich – wie oben gezeigt werden konnte – auf einen automationszentrierten und gleichzeitig menschliche Mitwirkungsbeiträge weitgehend ausschließenden Abwicklungsmodus des Verfahrens transponieren lassen, erfüllt der konkrete Zuschnitt vollautomatisierter Verwaltungsakte nach den §§ 35a VwVfG, 31a S. 1 SGB X und 155 Abs. 4 AO die unter Art. 22 DSG-VO unionsrechtlich vorgesehenen Anforderungen.1666 Im Einzelnen offenbart die Verwirklichung der Postulate des Art. 22 DSGVO in vollautomatisierten Verwaltungsverfahren dabei gleichzeitig weitläufige Überlappungen mit der verfahrensorganisatorischen Realisation von bereits aus den nationalen Verfahrensprinzipien abzuleitenden Anforderungen, woraus sich für die technische Umsetzung des einzusetzenden Entscheidungssystems wertvolle Synergien ergeben können: Dies trifft allen voran für Freitextfelder oder automatisierte Äußerungsaufforderungen zu, die indivi­ duelle Eingaben zulassen und im Grundsatz eine Aussteuerung des Verfahrens an menschliche Bearbeiter veranlassen, welche insofern nicht nur als einzelfallintegrativer Mechanismus einer Sachverhaltsermittlung und Gewährleistung rechtlichen Gehörs im Rahmen des Anhörungsgrundsatzes fungieren, sondern sich auch als Erwirkungsmöglichkeit menschlichen Eingreifens und als Darlegungsmöglichkeit des eigenen Standpunkts i.  S.  d. unions­rechtlichen Vorgaben darstellen und damit multiple Funktionen innerhalb des Entscheidungssystems in sich vereinen.1667 Ähnlich präsentiert sich die Situation bei erläuternden Begründungspflichten bzgl. getroffener Einzelentscheidungen1668 sowie der Einhaltung allgemeiner Verwendungs- und Qua­ litätsstandards im Umgang mit algorithmischen Entscheidungssystemen1669, die ebenso in beiden Rechtsmaterien verankert sind. Die ebenfalls speziell auf automatisierte Einzelentscheidungen zugeschnittenen Teilregelungen der Auskunfts- und Informationsrechte der Art. 12 ff. 1665  So

treffend Martini/Nink, NVwZ-Extra 10/2017, 1 (8). i. E. auch Martini/Nink, NVwZ –Extra 2017, 1 (13); Berger, in: Knack/ Henneke, VwVfG, § 35a, Rn. 25; Ramsauer/Tegethoff, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 35a, Rn. 7a; Köhler, WzS 2018, 279 (284); vgl. zudem Ziekow, VwVfG, § 35a, Rn.  4; a. A. Hornung, in: Schoch/Schneider, VwVfG, § 35a, Rn. 18 ff., der infolgedessen von der Unionsrechtswidrigkeit der Normen ausgeht; für § 35a VwVfG auch von Lewinski, in: BeckOK DatenschutzR, Art. 22 DSG-VO, Rn. 64. 1667  Ausdrücklich im Kontext (allein) der Sachverhaltsermittlung Prell, apf 2017, 237 (240 f.); vgl. hinsichtlich einer verfahrensorganisatorisch-kumulativen Umsetzung beider Rechtsebenen andeutungsweise auch Ziekow, NVwZ 2018, 1169 (1172); Guckelberger, VVDStRL 78 (2019), 235 (266 f.); Martini/Nink, NVwZ-Extra 10/2017, 1 (8).); dies., NVwZ 2017, 681 (682); von Lewinski, in: BeckOK DatenschutzR, Art. 22 DSG-VO, Rn. 49 sowie bereits § 5 D. I. 3. a) und b). 1668  Siehe § 5 D. I. 3. e). 1669  Siehe § 5 D. I. 3. d). 1666  So



E. Exkurs: Rechtstheoretische Grenzen algorithmischer Rechtsanwendung411

DSG-VO fungieren dagegen in Bezug auf die Verfahrensordnungen eher als Ergänzung national-verfahrensrechtlicher Postulate, insbes. der Begründungs­ pflichten, indem ein auf den Datenverarbeitungsprozess fokussierter, im Ergebnis freilich nicht grenzenloser Transparenzmechanismus etabliert wird, der zumindest im Ansatz Züge einer abstrakten Algorithmenkontrolle annimmt, die von den national-verfahrensrechtlichen Begründungspflichten nicht geleistet werden kann und soll1670.

E. Exkurs: Rechtstheoretische Grenzen algorithmischer Rechtsanwendung Nachdem mit den obigen Betrachtungen der verfassungs-, verfahrens- und unionsrechtlichen Rahmenbedingungen vollautomatisierter Verwaltungsentscheidungen sowohl prinzipielle Zulässigkeitsfragen als auch auf eine konkrete verfahrensorganisatorische Abwicklung bezogene Eckpunkte einer ausführlichen Behandlung unterzogen wurden, soll nun zum Abschluss des Kapitels noch ein kleinerer Exkurs zu einer rechtstheoretisch grundlegenden Vorfrage dieses neuartigen Rechtsinstituts gewagt werden, deren positive Beantwortung sich allerdings weder im aktuelleren Automationsdiskurs des Verwaltungsrechts1671 noch im Kontext der jüngsten legislativen Ergänzungen1672 grundlegenden Zweifeln ausgesetzt sah und deshalb auch im bisherigen Gang der Untersuchung als Grundprämisse unterstellt wurde. Ihren Ursprung nehmen die Überlegungen dabei in der Selbstverständlichkeit, dass der Erlass eines Verwaltungsaktes die Anwendung von Recht voraussetzt, namentlich die Subsumtion eines (vorher aufzudeckenden) tatsächlichen Lebensvorgangs unter die für diesen maßgeblichen und in bestimmter Art und Weise auszulegenden rechtlichen Grundlagen1673. Dieser methodische Grundmechanismus der Inbezugsetzung abstrakt-genereller rechtlicher Regeln mit einem konkreten Lebenssachverhalt1674 liegt freilich auch vollautomatisiert erlassenen Verwaltungsakten zugrunde, mit einem fundamentalen Unterschied allerdings dahingehend, dass sich der vollautomatisierte Verwaltungsakterlass kategorial gerade durch das grundsätzliche Fehlen menschlicher 1670  So

bereits unter § 5 C. III. 2. c). nur U. Stelkens, in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35a, Rn. 1; Guckelberger, VVDStRL 78 (2019), 235 (263 f.); Berger, NVwZ 2018, 1260 (1262 f.); ­Eifert, E-Government, S. 129. 1672  Insbesondere der Gesetzgeber des BestVerfModG hat dahingehend keinerlei Vorbehalte zu erkennen gegeben, vgl. BT-Drs. 18/7457, S. 48 f., 82 f.; 18/8434, S.  120 ff. 1673  Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, S. 395 f.; Hähnchen/ Bommel, JZ 2018, 334 (336). 1674  Hoffmann-Riem, AöR 142 (2017), 1 (34). 1671  Vgl.

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Mitwirkung während des Verwaltungsverfahrens auszeichnet1675, dort also nicht – wie üblich – der Mensch, sondern „automatische Einrichtungen“ zur Umsetzung der Rechtsanwendungsvorgänge berufen sind. Aus rechtstheoretischer Sicht lässt sich daher durchaus die Frage formulieren, ob solche autonom von unmittelbarer menschlicher Willenssteuerung agierenden Entscheidungsinstanzen überhaupt einer Rechtsanwendung im methodischen Sinne fähig sein können, die gemeinhin als komplexe juristische Denk- und Arbeitsleistung verstanden wird1676. Im Sinne einer Vergewisserung über methodische Grundfragen soll dem im Folgenden nachgespürt werden. Da an dieser Stelle allerdings bereits umfangsbedingt kein Anspruch auf eine erschöpfende Untersuchung der rechtstheoretischen Implikationen algorithmischer Rechtsanwendung erhoben werden kann und jedenfalls aus Sicht der Rechtspaxis diesbezüglich auch keine ernsthaften Bedenken Platz greifen, will ich mich dabei auf einige wesentliche, einen eher pragmatischen Standpunkt einnehmende Überlegungen beschränken, die in einem eingehenderen Diskurs ggfls. erkenntnisstiftend Anklang finden können. I. Algorithmische Rechtsanwendung als Kategorienfehler Algorithmen lassen sich als Vollzugsbefehle zur schrittweisen Lösung von Problemen beschreiben. Einer formallogischen Grundstruktur folgend führen sie eine Vielzahl von Handlungsanweisungen nach einem programmierten Arbeitsablauf nacheinander aus und erzeugen dabei anhand diverser Ein­ gaben (Input) ein Ergebnis (Output), zu deren Erzeugung sie programmiert wurden.1677 Dies gilt vor allem für Algorithmen, die auf vollständig determinierten Arbeitsprozessen basieren, im Grundsatz aber auch für selbstlernende Algorithmen, deren „Lernvermögen“ ebenfalls menschlicher Anleitung bedarf1678, die dabei aber deutlich indirekter und mittelbarer ausfällt1679. Da intelligente Systeme nach hier vertretener Auffassung allerdings nicht als Teil der rechtsanwendenden Funktionsebenen eines Entscheidungssystems 1675  Siehe

zusammenfassend § 3 D. etwa Kube, VVDStRL 78 (2019), 358 (Aussprache); Engel, JZ 2014, 1096 (1097). 1677  Vgl. nur Alpaydin, Maschinelles Lernen, S. 2; Hoffmann-Riem, AöR 142 (2017), 1 (2 f.); ders., Recht im Sog der digitalen Transformation, S. 35 f.; Hill, Philosophy & Technology 29 (2016), 35 (47 ff.); Buchholtz, JuS 2017, 955. 1678  Scherer, Harvard J.L. & Tech. 29 (2016), 353 (367); Wischmeyer, AöR 143 (2018), 1 (14); vgl. auch Adrian, Rechtstheorie 48 (2017), 77 (96), der insoweit unter Verweis auf Heinz von Foerster, Sicht und Einsicht, S. 12 f., von „nicht-triviale[n] Maschinen“ spricht, sowie bereits § 5 B. I. 2. 1679  Zu den daraus folgenden Problemen demokratischer Verantwortlichkeit bereits § 5 B. II. 2. a) bb). 1676  Vgl.



E. Exkurs: Rechtstheoretische Grenzen algorithmischer Rechtsanwendung413

eingesetzt werden dürfen1680, bleiben diese hier außer Betracht. In Zusammenschau mit dem Umstand, dass auch materielle Rechtssätze im Kern konditionale Verhaltensanleitungen in Gestalt von Sollenssätzen darstellen1681, die konkrete Interessenlagen gegeneinander ausgleichen, also im Grundsatz einer quasi-algorithmischen Logik folgen, scheint die funktionale Grundstruktur von Algorithmen sodann im Ausgangspunkt eine natürliche Eignung juristischer Entscheidungsprogramme zur praktischen Umsetzung von Rechtsnormen nahezulegen.1682 Trotzdem sprechen verschiedene Autoren Algorithmen dahingehende Leistungsmerkmale prinzipiell ab.1683 Ihren Ursprung nehmen diese kritischen Sichtweisen zum einen in dem Dilemma, dass algorithmische Rechtsanwendung – jedenfalls nach gängiger technischer Konstruktion der Entscheidungssysteme1684 – zur Herstellung der 1680  Siehe § 5 B. II. 2. a) dd). Von der herausgearbeiteten (verfassungsrechtlichen) Unzulässigkeit ihres dahingehenden Einsatzes abgesehen, könnte eine auf indeterminierte Algorithmen zurückgehende Rechtsanwendung zudem wohl nur schwerlich als valider Rechtsanwendungsvorgang qualifiziert werden, zumal deren Zuordnungen über die Einschlägigkeit eines (formalisierten) Tatbestandsmerkmals letztlich auf ein bloßes Wahrscheinlichkeitsurteil zurückgingen, dem auch unter rechtstheoretischen Gesichtspunkten kein valider Wert zukommen dürfte, vgl. insoweit die ähnliche Argumentation bei § 5 B. II. 2. a) aa). Zwar ist auch eine (mechanistisch-abgleichende) Rechtsanwendung im Bereich (voll)determinierter Algorithmen nicht von einem unmittelbaren kognitiven Verständnis getragen. Aufgrund der vorgängigen Formalisierung und Antizipierung der Rechtsanwendung (hierzu sogleich) sowie der infolgedessen abschließend feststehenden Inhalte der Rechtsanwendungsparameter, ist meines Erachtens ein solches dort allerdings nicht im Einzelfall erforderlich. 1681  Zippelius, Juristische Methodenlehre, S. 28  ff.; Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S.  250 ff., 255 f.; Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn. 115 f.; Buchholtz, JuS 2017, 955 (956). 1682  Vgl. Martini/Nink, DVBl. 2018, 1128 (1129); Adrian, Rechtstheorie 48 (2017), 77 (93, 113 f.); vgl. auch Schmidt, Das modernisierte Besteuerungsverfahren, S. 160; Luhmann, Recht und Automation, S. 35 ff., insbes. 43 ff.; Ehlers, Jura 1991, 337 (340); Ahrendt, NJW 2017, 537 (539 f.); Herold, DSRITB 2018, 453 (454); Hähnchen/Schrader/Weiler/Wischmeyer, JuS 2020, 625 (626 f.); im Kontext von KIAnwendungen Guggenberger, NVwZ 2019, 844 (844 f.); für das Privatrecht Grigoleit, AcP 2018, 601 (603 f.); auf Parallelen zwischen Algorithmen und rechtlichen Regelungsstrukturen ebenso hinweisend Hoffmann-Riem, AöR 142 (2017), 1 (9 f.). 1683  Vgl. Kube, VVDStRL 78 (2019), 358 (Aussprache); Kotsoglou, JZ 2014, 451 (451, 456 f.); Buchholtz JuS 2017, 955 (959); Simitis, Automation in der Rechtsordnung, S. 21 ff.; mit gewissen Einschränkungen Berger, DVBl. 2017, 804 (807); dies., in: Knack/Henneke, VwVfG, § 35a, Rn. 49; krit. auch Enders, JA 2018, 721 (725); Meder, JZ 2019, 689 (695); Hähnchen/Schrader/Weiler/Wischmeyer, JuS 2020, 625 (629); Tober, MMR 2021, 779 (780 ff.). 1684  Vgl. hierzu beispielhaft das von Raabe/Wacker/Oberle/Baumann/Funk, Recht ex machina, S. 11 ff., 60 skizzierte System im Bereich des Datenschutzrechts, die von Laue, Vorgangsbearbeitungssysteme in der öffentlichen Verwaltung, S. 41 ff., 74 ff. vorgestellten Vorgangsbearbeitungssysteme oder die vom Gesetzgeber ins Auge ge-

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§ 5 Verfassungs-, Unions- und Verfahrensrecht

technischen Verarbeitungsfähigkeit einer (vorherigen) Formalisierung der anzuwendenden Rechtsnormen bedarf1685, rechtliche Regelungen aber in natürlicher Sprache abgefasste menschliche Konstrukte darstellen, die ausgehend von interpretationsoffenen, auf Sinndeutung angewiesenen und einer fortlaufenden Wandelbarkeit unterliegenden Begriffen sowie wesensimmanenten Mehrdeutigkeiten und Kontextvarianzen einer logischen Formalisierung kategorisch unzugänglich seien und sich folglich unmöglich in das Korsett einer formallogisch-technischen Programmiersprache pressen ließen1686, deren Eindeutigkeit und Kontextinvarianz die Anwendungsvoraussetzungen des Algorithmus bilden1687. Zum anderen könne ein algorithmischer „Rechtsanwendungsautomat“ allenfalls einen mechanischen Abgleichungsvorgang leisten, frei von einem kognitiven Verständnis der umzusetzenden Verhaltensanweisungen, rechtswissenschaftlichem Metawissen oder gar sozialen oder ethischen Entscheidungskomponenten.1688 Einer juristischen Subsumtion im Sinne des Inbezugsetzens der Rechtsregeln mit der Lebenswirklichkeit1689 könne dies nicht gerecht werden, die als in „Wechsel­ schritten“ erfolgender Prozess des „Voraus- und Zurückblickens“1690 eines fasste vollautomatisiert erfolgende Steuerfestsetzung, vgl. BT-Drs. 17/7547, S. 48 f. Der Ansatz von Adrian, Schönhof und Cheptsov, vgl. hierzu Adrian, Rechtstheorie 48 (2017), 77 (120), verzichtet dagegen auf eine vorherige Formalisierung natürlicher Sprache in Maschinensprache, da eine semantische Bedeutung von (auch juristischer) Sprache von vornherein als nicht existent angesehen wird, vgl. ebd. S. 88 ff., insbesondere S.  93 ff. 1685  Vgl. Raabe/Wacker/Oberle/Baumann/Funk, Recht ex machina, S. 60, 69 ff., 172 ff.; Engel, JZ 2014, 1096 (1097); Kotsoglou, JZ 2014, 451 (453 f., 456); Buchholtz, JuS 2017, 955 (956); Hoffmann-Riem, AöR 142 (2017), 1 (17); Schmidt, ­DSRITB 2020, 1033 (1042); Simitis, Rechtliche Anwendungsmöglichkeiten kybernetischer Systeme, S. 10; vgl. auch bereits § 5 A. I. 1. a) aa). 1686  Vgl. Hoffmann-Riem, AöR 142 (2017), 1 (25 ff.); Zippelius, Juristische Methodenlehre, S.  106 ff.; Buchholtz, JuS 2017, 955 (957); Kotsoglou, JZ 2014, 451 (453 f., 456); ders., JZ 2014, 1100 (1101, 1103); vgl. auch Simitis, Rechtliche Anwendungsmöglichkeiten kybernetischer Systeme, S. 9 ff.; Enders, JA 2018, 721 (725); Grupp, AnwBl. 2014, 660 (664) sowie Berger, DVBl. 2017, 804 (807); dies., in: Knack/ Henneke, VwVfG, § 35a, Rn. 49, die hiervon aber gewisse Rückausnahmen bildet. 1687  Hoffmann-Riem, AöR 142 (2017), 1 (28); Buchholtz, JuS 2017, 955 (957); Kotsoglou, JZ 2014, 451 (453 f.); Raabe/Wacker/Oberle/Baumann/Funk, Recht ex machina, S. 70. 1688  Buchholtz, JuS 2017, 955 (957); Hoffmann-Riem, AöR 142 (2017), 1 (30); (für intelligente Systeme) Wischmeyer, AöR 143 (2018), 1 (12 f.); Hähnchen/Bommel, JZ 2018, 334 (337); Hoffmann-Riem, AöR 145 (2020), 1 (14); Grupp, AnwBl. 2014, 660 (664); Meder, JZ 2019, 689 (695); kritisch m. w. N. auch Schmidt, Das modernisierte Besteuerungsverfahren, S. 160. 1689  Vgl. Hoffmann-Riem, AöR 142 (2017), 1 (34); Möllers, Juristische Methodenlehre, § 4, Rn. 2 ff. 1690  Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 207.



E. Exkurs: Rechtstheoretische Grenzen algorithmischer Rechtsanwendung415

„­­Hin- und Herwandern[s] des Blickes zwischen Obersatz und Lebenssach­ verhalt“1691, mithin eines „Auslotens“ zwischen den „Extremen“ eingetretener und nicht eingetretener Tatbestandsverwirklichung1692 bedürfe, das insbesondere bei Generalklauseln und auslegungsbedürftigen Rechtsbegriffen dem Rechtsanwender ein nicht in einem Algorithmus reproduzierbares1693 Wert­ urteil abverlange.1694 Gesetzesanwendung dürfte daher nicht als stures Abspulen des in einer Norm in vermeintlich eindeutigen Konditionalbeziehungen niedergelegten Regelprogramms „oder gar als eine allein den Prinzipien formaler Logik folgende Subsumtion“1695, also ein bloßes „Nachsprechen von Vorgeschriebenem“1696 verstanden werden. Vielmehr handele es sich um ein „rechtsfortbildendes Nachdenken dessen, was der Gesetzgeber gesagt hat und mit seinem Text erreichen wollte“1697, wobei auch – für den Algorithmus ebenfalls nicht erschließbare – rechtsdogmatische Implikationen einfließen müssten, die das typischerweise unvollständige Recht erst mit der zu seiner Anwendung nötigen systematischen Aufbereitung erfüllten1698. Ausgehend von Formalisierungsschwierigkeiten natürlicher (Rechts-)Sprache und methodischen Inkompatibilitäten algorithmischer Funktionsvorgänge wird die Rechtsanwendung damit im Ergebnis als (ausschließlich) sozialer Akt charakterisiert1699, der nur durch menschliche, nicht aber algorithmisch operierende Akteure ausgeführt werden könne.1700 Formen algorithmischer Logische Studien zur Gesetzesanwendung, S. 15. JA 2018, 721 (725). 1693  Vgl. insoweit Engel, JZ 2014, 1096 (1097); Buchholtz, JuS 2017, 955 (958); vgl. auch Hoffmann-Riem, AöR 142 (2017), 1 (30). 1694  Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 288 f.; vgl. auch Hähnchen/ Bommel, JZ 2018, 334 (336 f.); Hähnchen/Schrader/Weiler/Wischmeyer, JuS 2020, 625 (627); Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn. 667 f., 694 f.; Meder, JZ 2019, 689 (695); mit geringen Einschränkungen Simitis, Rechtliche Anwendungsmöglichkeiten kybernetischer Systeme, S. 11 f. 1695  Hoffmann-Riem, AöR 142 (2017), 1 (27); ders., Die Verw 49 (2016), 1 (2 ff., 12 ff.); ders., Recht im Sog der digitalen Transformation, S. 51; so aber Gruber, Verwaltungsentscheidungen vom Computer, S. 93 ff. 1696  P. Kirchhof, DStR 2018, 497 (498); vgl. auch Jestaedt, in: Ehlers/Pünder, Allg. VerwR, § 11, Rn. 11. 1697  P. Kirchhof, DStR 2018, 497 (498). 1698  Vgl. Simitis¸ AcP 172 (1972), 131 (138); Schuhr, Rechtsdogmatik als Wissenschaft, S. 120; Kotsoglou, JZ 2014, 451 (455), Buchholtz, JuS 2017, 955 (957); vgl. auch Hoffmann-Riem, AöR 142 (2017), 1 (26); Brohm, VVDStRL 30 (1972), 245 (246 ff.). 1699  Hoffmann-Riem, AöR 142 (2017), 1 (27 f.): „Die für Rechtsetzung und -anwendung typischen Vorgehensweisen […] können mithilfe von Algorithmen zwar simuliert, aber nicht inhaltlich voll ‚nachgebaut‘ werden.“; Buchholtz, JuS 2017, 955 (956). 1700  Vgl. Kotsoglou, JZ 2014, 451; Buchholtz, JuS 2017, 955 (957  ff.); Kube, VVDStRL 78 (2019), 358 (Aussprache); Enders, JA 2018, 721 (725); i. E. weniger 1691  Engisch, 1692  Enders,

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Rechtsanwendung kämen letztlich einem Kategorienfehler gleich. Ein durch juristische Entscheidungssysteme wahrgenommener Gesetzesvollzug, wie dieser beispielsweise unter dem vollständig automatisierten Erlass von Verwaltungsakten im Zuge des BestVerfModG ins Auge gefasst wurde, müsste demnach bereits aus prinzipiellen Gründen unterbleiben. II. Algorithmen als methodisch valide Rechtsanwendungsinstanzen Der ganz überwiegende Teil des Literaturspektrums1701 sowie – spätestens seit Erlass des BestVerfModG – auch der nationale und unionale Gesetzgeber1702 hegen dagegen keine grundlegenden Zweifel an rechtstheoretisch zulässigen Möglichkeiten algorithmischer Rechtsanwendung und beschreiten damit im Hinblick auf eine sinnstiftende Zusammenführung juristischer Tätigkeitsfelder mit modernen informationstechnischen Potenzialen den meines Erachtens einzig gangbaren Weg. Wie eingangs bereits angedeutet, soll es mit diesem Verdikt aber keineswegs darum gehen, Einfluss und Wert der juristischen Methodik und rechtstheoretischer Einsichten hier in Abrede zu stellen, sondern vielmehr bestehende argumentative Unvollständigkeiten in den bisherigen Überlegungen dahingehend aufzufüllen, dass die Diskussion um eine pragmatischere Perspektive insbesondere mit Blick auf den massenhaften Gesetzesvollzug in der öffentlichen Verwaltung angereichert wird, die bisher lediglich vereinzelt1703 und damit noch zu wenig in Ansatz gebracht wurde. streng Hoffmann-Riem, AöR 142 (2017), 1 (27 ff., insbes. 30, 34); ders., in: Unger/ Ungern-Sternberg, Demokratie und KI, 129 (142); vgl. auch Berger, DVBl. 2017, 804 (807); dies., in: Knack/Henneke, VwVfG, § 35a, Rn. 49, die letztlich auch Ausnahmebereiche anerkennt. 1701  Vgl. nur U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35a, Rn. 1 ff.; Berger, NVwZ 2018, 1260 (1262 f.); Adrian, Rechtstheorie 48 (2017), 77 (77 ff., 113 ff.); Engel, JZ 2014, 1096 (1097 ff.); Groß, VerwArch 95 (2004), 400 (409); Eifert, EGovernment, S. 129; Polomski, Der automatisierte Verwaltungsakt, S. 55 f.; Bull, Verwaltung durch Maschinen, S. 70 f.; Nink, Justiz und Algorithmen, S. 192 f.; Herold, Demokratische Legitimation automatisiert erlassener Verwaltungsakte, S. 60 f., 80 ff.; Britz, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, § 26, Rn. 27, 59; i. E. (jedenfalls in bestimmten Bereichen) auch Guckelberger, VVDStRL 78 (2019), 235 (263 f.); dies., Öffentliche Verwaltung, Rn. 429 ff.; Mellinghoff, DStJG 42 (2019), 287 (307); Waigel, WiVerw 2021, 88 (91); Luhmann, Recht und Automation, S. 72 f. 1702  Guckelberger, VVDStRL 78 (2019), 235 (264 in Fn. 167) weist in diesem Kontext auf das unionale Zollrecht, das in weiten Teilen automatisiert vollzogen werden soll (siehe hierzu Limbach, DVBl. 2015, 547 (550 ff.)), sowie die Einführung eines algorithmenbasierten Reiseinformations- und -genehmigungssystems (hierzu Buckler, DÖV 2020, 749 ff.) hin. Auch die Existenz beispielsweise des Art. 22 DSGVO legt beredtes Zeugnis hierüber ab. 1703  Vgl. etwa Engel, JZ 2014, 1096 (1097 ff.).



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1. Algorithmische Rechtsanwendung als Produkt humaner Antizipierung Zunächst lohnt es sich dabei, gewisse Präzisierungen hinsichtlich der Anwendungsszenarien und des damit zusammenhängenden Funktionsprofils der ins Auge gefassten Entscheidungssysteme vorzunehmen, in der vorliegenden Untersuchung also vor allem solcher Systeme, die i. S. d. §§ 35a VwVfG, 31a S. 1 SGB X und 155 Abs. 4 AO zum vollständig automatisierten Erlass von Verwaltungsakten fähig sind. So kann es nämlich nicht Ziel einer dahingehend umzusetzenden algorithmischen Rechtsanwendung sein, eine formalisierte Verarbeitbarkeit des Rechts in seiner Gänze herbeizuführen, was – wie dies die oben angeführten Autoren eindrucksvoll darlegten – wenig bestreitbar auf absehbare Zeit mit kaum überwindbaren technischen wie auch methodischen Hürden konfrontiert sein wird, insbesondere im Hinblick auf die Kontingenz natürlicher (Rechts-)Sprache. Einen allgemeinen Gesetzesvollzugsalgorithmus, der quasi Normen beliebiger Rechtsgebiete eo ipso anzuwenden im Stande ist, wird es daher – zumindest bis auf Weiteres – nicht geben können. Stattdessen wird in der vorliegenden Untersuchung der Vollzug bestimmter, abgegrenzter Normkomplexe betreffend den Erlass konkreter Verwaltungsentscheidungen betrachtet, deren Anwendung auf Einzelfälle mittels vorgelagerter menschlicher Programmierung in ein algorithmisches Entscheidungsprogramm überführt wurde1704 und auf der Grundlage dieser menschlichen Antizipierungsleistung – verbunden mit einer ebenfalls formalisierten Verfügbarmachung der relevanten Sachverhaltsdaten im Rahmen eines automatisierten Sachverhaltsermittlungsvorgangs1705 – im Wege eines zuordnenden, zugegebenermaßen mechanischen Abgleichs zwischen den rechtlichen Maßstäben und tatsächlichen Umständen sinnstiftend nachgebildet werden kann. Dies gilt jedenfalls soweit, als es sich um einen Rechtskomplex handelt, der in Anbetracht seiner Struktur, Komplexität, Einzelfallvarianz, Wertungsoffenheit etc. einer dahingehenden Antizipierung zugänglich ist, was freilich nicht auf sämtliche Rechtsmaterien zutreffen wird. Genau besehen steht damit weniger eine Formalisierung des Rechts bzw. der die zu treffenden Verfügungen determinierenden Normen als Funktionsprämisse im Fokus algorithmischer Rechtsanwendung der hier betrachteten Art, sondern vielmehr eine Formalisierung der Anwendung dieses Rechts bzw. der maßgeblichen Normen auf die zu entscheidenden Einzelfälle.1706 1704  Zu dieser Abbildung der rechtlichen Grundlagen im Entscheidungssystem bereits § 5 A. I. 1. a) aa). 1705  Siehe § 5 C. I. 2. a). Hierin liegt der Unterschied zum begrifflichen Zuschnitt des teilautomatisierten Erlasses eines Verwaltungsakts nach bisherigem Verständnis, siehe § 3 C. I. und II. 1. 1706  Insoweit zu Recht ebenfalls auf den Rechtsanwendungsvorgang abhebend Buchholtz, JuS 2018, 955 (956): „Legal Tech ‚funktioniert‘ nämlich nur unter der

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Die Formalisierung der Anwendung von Recht beinhaltet dabei zwar freilich auch eine Formalisierung der anzuwendenden Normen, die unverändert das gesetzlich verbindliche Regelwerk für die zu entscheidenden Fallkonstella­ tionen enthalten, wird darüber hinaus aber ergänzt durch eine Formalisierung auch der Anwendungsebene der Normen, die in gewisser Weise ein natürliches Gegengewicht zur Kontingenz menschlicher Sprache bildet. Diese umfasst sämtliche normanwendungsrelevanten Aspekte, die auch bei mensch­ licher Rechtsanwendung zu berücksichtigen wären, wie etwa die zugrunde zu legende (normspezifische) Auslegung, dogmatische Implikationen, ungeschriebene Tatbestandsmerkmale, die gesamtsystematische Einbettung und Wechselwirkungen mit anderen Normen, ergangene Rechtsprechung, ggfls. einschlägiges ungeschriebenes Richter- oder Gewohnheitsrecht, verfassungsund ggfls. unionsrechtliche Erwägungen etc., die gleichermaßen formalisiert und im Wege der Programmierung in dem Entscheidungssystem festgelegt werden müssen.1707 Die Antizipierungsleistung im Entscheidungssystem erschöpft sich somit nicht nur in der Abbildung von abstrakten Norminhalten, sondern stellt auch einen konkreten Anwendungsbezug des maßgeblichen Normkomplexes und seiner Inhalte her, innerhalb dessen sich sodann die Bedeutungen, Kontextvarianzen und semantischen Differenzierungen der speziell auf diesen Anwendungskontext bezogenen, zu formalisierenden (Rechts-)Sprache als durchaus stabil, vorhersehbar und damit handhabbar, mithin algorithmisch abbildbar erweisen.1708 An die Stelle einer – zugegebenermaßen schwer realisierbaren1709 oder sogar für begrifflich unmöglich gePrämisse, dass sich der Rechtsanwendungsvorgang [Hervorhebung durch den Verfasser] vollständig in die Sprache des Computers übersetzen lässt.“ Einen ähnlichen Gedanken diskutiert zudem überzeugend Nink, Justiz und Algorithmen, S. 212 mit Fn. 302: „Jedoch erscheint es für die Formalisierung von Rechtssätzen auch nicht notwendig, den Normen selbst einen Wahrheitswert zuzuschreiben […]. Relevant ist vielmehr, dass die Beziehung einer Norm zu einem Lebenssachverhalt entweder wahr oder falsch sein kann“ (Hervorhebung im Original). Zur Antizipierung der Rechtsanwendung im Entscheidungssystem bereits § 5 A. I. 1. a) aa). 1707  Vgl. auch Engel, JZ 2014, 1096 (1098), nach dem das juristische Schema der Fallprüfung „bei ausfüllungsbedürftigen Normen und Generalklauseln durch eine differenzierte Kasuistik strukturiert wird“. 1708  Vgl. insoweit Engel, JZ 2014, 1096 (1098); zust. Herold, Demokratische Legitimation automatisiert erlassener Verwaltungsakte, S. 78 f. 1709  Vgl. insoweit aber den Ansatz von Adrian, Rechtstheorie 48 (2017), 77 ff., insbes, 101 ff., der eine Semantik der Sprache für eine Illusion hält und den Versuch unternimmt, eine Quasi-Quantentheorie der juristischen Sprache zu entwickeln, auf deren Grundlage algorithmische Rechtsanwendung möglich werden soll. Juristisches Denken könne demnach durch Maschinen simuliert werden, indem die Maschine aus der Gesamtheit der verwendeten Rechtssprache in Gesetzen, Urteilen und sonstigen Rechtserkenntnisquellen anhand statistisch-induktiver Verfahren „eine künstliche, syntaktische Struktur […] der Sprachpraktiken und Reaktionen einer großen Zahl von […] Juristen, die zu einem bestimmten rechtlichen Problem einen Text verfassen“



E. Exkurs: Rechtstheoretische Grenzen algorithmischer Rechtsanwendung419

haltenen1710 – allgemeinen Indexierung von (Rechts-)Sprache tritt demnach eine anwendungsspezifische Formalisierung (nur) der dem jeweiligen Normkomplex in seiner spezifischen Anwendung auf Einzelfälle zuzuordnenden (Rechts-)Sprache, infolge derer – korrespondierend mit der einhergehenden Reduktion der sprachlichen Kontingenz – auch das Formalisierungsdilemma natürlicher (Rechts-)Sprache zumindest deutlich abgeschwächt werden dürf­te. Die in diesem Zusammenhang geäußerte Idee einer „Indexierung von Ka­ suistik“1711 vermag dabei den Blick für den beschriebenen Anwendungsbezug der Indexierung der Rechtssprache weiter zu schärfen und ist in diesem Einsatzkontext keineswegs als von vornherein zum Scheitern verurteilter ­ Irrweg abzutun1712, da hierbei eben kein holistischer, sondern ein auf einen klar abgrenzbaren Normkomplex bezogener und die dort vorherrschenden menschlichen Anwendungsspezifika mit berücksichtigender Ansatz verfolgt wird. Dass die Formalisierungsleistung der Rechtsanwendung, die im System abzubilden ist, dabei insbesondere für die Einarbeitung der anwendungsspezifischen Aspekte unweigerlich auf die Beteiligung von Juristen am Prozess der Entwicklung, Programmierung und Überwachung des Entscheidungssystems angewiesen ist1713, damit der zwischen natürlicher Rechts- und technischer Programmiersprache bestehende „Medienbruch“ überwunden werden kann1714, liegt sodann auf der Hand und ist weniger als Kapitulation vor methodischen Hürden oder Eingeständnis ihrer Unüberwindbarkeit zu deuten1715, sondern vielmehr Ausdruck einer redlichen und unter dem Gesetzmäßigkeitsprinzip gebotenen Erstellung eines stabilen automatisierten Entscheidungssystems, das mit einer verfassungsrechtlich hinreichenden Zuverlässigentwickelt und diese dann auf neue Rechtsfragen anwendet, Zitate ebd. auf S. 106. Auch wenn wir i.  E. hinsichtlich der prinzipiellen Möglichkeit algorithmischer Rechtsanwendung einer Meinung sind, so halte ich doch dieses allein auf statistischen Verteilungen bestimmter „Sprachquanten“ gestützte und unabhängig von der hinter den sprachlichen Wendungen stehenden Bedeutung und Systematik der rechtlichen Regeln, sofern sich diese überhaupt als praktisch umsetzbar erweist, als nicht wünschenswerte und vor dem Hintergrund des Gesetzmäßigkeitsprinzips auch verfassungsrechtlich problematische Form der Rechtsanwendung. 1710  Kotsoglou, JZ 2014, 451 (453 f.); ders., JZ 2014, 1100 (1101). 1711  Kotsoglou, JZ 2014, 1100 (1101); sinngemäß auch Engel, JZ 2014, 1096 (1098) und Buchholtz, JuS 2017, 955 (958). 1712  So Kotsoglou, JZ 2014, 1100 (1101). 1713  So ausdrücklich und zu Recht Raabe/Wacker/Oberle/Baumann/Funk, Recht ex machina, S. 171, 176 ff.; vgl. auch Lazaratos, Rechtliche Auswirkungen der Verwaltungsautomation, S. 144; Guckelberger, in: FS Herberger, 397 (414); Hähnchen/Bommel, JZ 2018, 334 (337); Britz, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, § 26, Rn. 11; Tober, MMR 2021, 779 (782 f.) sowie bereits § 5 A. I. 1. a) aa) m. w. N. 1714  Hähnchen/Bommel, JZ 2018, 334 (337). 1715  In diese Richtung aber Kotsoglou, JZ 2014, 451 (454).

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keit ohne menschliche Intervention in geeigneten Rechtsmaterien rechtmäßige Entscheidungen in konkreten Verwaltungsverfahren zu erzeugen im Stande ist und dabei – je nach Anwendungsgebiet – im Verhältnis zur Dogmatik und menschlichen Rechtsanwendung von vornherein auf Inklusivität und Koexistenz, nicht Ausschließlichkeit und verdrängende Konkurrenz angelegt ist1716. Unter Berücksichtigung der dargestellten Anwendungsbezogenheit der Formalisierungen lassen sich nach meinem Verständnis letztlich viele der geäußerten Bedenken insbesondere hinsichtlich einer Formalisierbarkeit von (Rechts-)Sprache zumindest für die hier ins Auge gefassten Modelle algorithmischer Rechtsanwendung ausräumen. Ein „digitaler Neo-Positivismus“1717 kann angesichts der Begrenzung auf konkrete und geeignete Rechtsbereiche sowie der menschlichen Antizipierung der formalisierten Rechtsanwendung jedenfalls nicht ernsthaft befürchtet werden. 2. Qualitative und methodische Abstufungen juristischer Subsumtion Ein ähnlich optimistisches Verdikt muss sodann letztlich auch für den Vorgang der Subsumtion gefällt werden, der sich unter Anlegung eines pragmatischeren Blickwinkels ebenfalls im Kontext algorithmischer Entscheidungssysteme methodisch verträglich in den Griff bekommen lässt. Obgleich nämlich den methodischen Grundaussagen zur juristischen Subsumtion im Ausgangspunkt zweifellos darin zuzustimmen ist, dass sich im Kern der zu vollbringenden Inbezugsetzung von Recht und Wirklichkeit mehr als ein rein statischer und inhaltsblinder Abgleich feststehender Eigenschaften und Zustände manifestiert, so ist es doch – wie ich meine – ebenfalls nicht als Zerrbild der Realität zu entlarven, dass nicht jedweder in der Lebenswirklichkeit tagtäglich stattfindende Rechtsanwendungs- und Subsumtionsvorgang ebenjenem Archetyp juristischen Begründens1718 uneingeschränkt entspricht, mithin nicht jede Rechtsanwendung als wertendes „Hinund Herwandern“ des Blickes und simultaner Prozess der Rechtserzeugung, in dem der Gesamtheit der Rechtsordnung Ausdruck verliehen wird, qualifiziert werden kann. Ganz im Gegenteil würde ein allzu striktes Beharren auf eine dahingehend methodenstrenge Grundkonstruktion des Subsumtionsmechanismus in erheblichem Maße die praktische Realität der Rechtsanwendung in verschiedenen Rechtsmaterien außer Acht lassen, allen voran (aber nicht ausschließlich) in Bereichen unechter Massenverwaltung wie beispiels1716  Vgl. insoweit auch Engel, JZ 2014, 1096 (1099 f.); vgl. zudem Michael, in: Stern/Sodan/Möstl, Staatsrecht, § 28, Rn. 38, 56. 1717  Hoffmann-Riem, AöR 142 (2017), 1 (17); ders., AöR 145 (2020), 1 (38). 1718  Vgl. nur Möllers, Juristische Methodenlehre, § 1, Rn. 29 ff.



E. Exkurs: Rechtstheoretische Grenzen algorithmischer Rechtsanwendung421

weise der Steuerverwaltung, wo die massenhaft zu vollziehenden Regelungsmaterien jedenfalls in bestimmten Teilbereichen oder Einzelfragen nicht selten in einer Weise (ggfls. sogar nahezu abschließend) wissenschaftlich und dogmatisch durchdrungen, gerichtlich geklärt sowie regelmäßig bereits tausendfach anwendungserprobt sind, dass diese nur mehr eines gleichförmigen Vollzuges harren, ohne dass es jedes Mal aufs Neue einer genuinen Auslegung, gesamtdogmatischen Einbettung und wertenden Begründung bedürfte.1719 Dies trifft symptomatisch vor allem auf den Bereich des verwaltungsbehördlichen Gesetzesvollzugs zu, der sich in aller Regel in nicht geringem Umfang durch eine stärkere Gebundenheit, etwa im Wege von Einzelweisungen oder Auslegungsvorgaben durch Verwaltungsvorschriften,1720 sowie eine eher ergebnisorientierte anstatt rechtserkenntnisschaffende Ausrichtung auszeichnet und damit letztlich von vornherein in stärkerem Maße von schematisch-abarbeitenden Zügen durchsetzt ist.1721 Diese Charakteristik fällt umso ausgeprägter aus, je stärker die jeweilige Rechtsmaterie in die Domäne eines unechten Massenvollzugs hineinreicht, im Rahmen dessen innerhalb kurzer Entscheidungszeiträume eine Vielzahl oftmals ähnlicher oder gleich gelagerter Sachverhalte abgearbeitet werden muss. Daneben können auch überwiegend triviale Rechtsbereiche existieren, deren administrative Ausführung ausgehend von der Simplizität ihrer Rechtsgrundlagen ohnehin schwerlich an das Niveau einer „Entscheidung“ im eigentlichen Sinne heranreichen, etwa wenn es nur um die Feststellung des Vorliegens einfacher Tatbestandsmerkmale und daran anknüpfende Rechtsfolgen, z. B. den Erlass eines Wassergebührenbescheids nach Eingabe des Zählerstandes im Internet oder eine KfzZulassung, geht.1722 In diesen hier lediglich beispielhaft aufgezeigten (Rechts-)Anwendungsfeldern erweist sich die Subsumtion im Grunde als genau das, was sie aus der Perspektive einer strengen Methodenlehre nie sei bzw. sein könne, nämlich als ein überwiegend mechanistischer Vorgang1723, der mehr oder weniger stur 1719  Vgl.

auch Engel, JZ 2014, 1096 (1097 ff.). Guckelberger, Öffentliche Verwaltung, Rn. 430. Eine „Programmierung“ des Gesetzesvollzugs durch Abschichtung der rechtlichen Maßstäbe ist insofern kein neues Phänomen. 1721  Vgl. Guckelberger, VVDStRL 78 (2019), 235 (264); Berger, NVwZ 2018, 1260 (1262 f.); vgl. auch Herold, Demokratische Legitimation automatisiert erlassener Verwaltungsakte, S. 76; Simitis, Rechtliche Anwendungsmöglichkeiten kybernetischer Systeme, S. 12. 1722  Vgl. Köhler, WzS 2018, 279 (280); zwischen „problematische[n] […] Einzelentscheidungen“ und „schlichte[r] Normanwendung“ differenzierend Wieacker, in: FS v. Caemmerer, 45 (46, 50 ff.) m. w. N.; nach Anwendungsgebieten unterscheidend auch Nink, Justiz und Algorithmen, S. 211 ff., insbes. 220 f. 1723  Ähnlich (i. E. aber deutlich zurückhaltender) bereits Simitis, Rechtliche Anwendungsmöglichkeiten kybernetischer Systeme, S. 12. 1720  Ebenso

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Schemata und klare konditionale Abhängigkeiten befolgt, um auf breiter Basis weitgehend vorhersehbare Entscheidungen zu treffen. Ein struktureller Missstand verbirgt sich hinter diesem Zustand sodann nicht unbedingt, sondern vielmehr einerseits das Resultat der (ggfls. durch Gerichte, Dogmatik, behördliche und sonstige Rechtsanwender etc.) handhabbar gemachten Anwendungspraxis sowie andererseits eine dahingehende praktische Notwendigkeit, da andernfalls insbesondere in Bereichen unechter Massenverwaltung der Gesetzesvollzug bei den gegebenen knappen Personalressourcen und enormen Fallzahlen schnell an die Grenzen des Machbaren stoßen würde. Individualität bildet insofern nicht den alleinigen Maßstab einer methodisch und praktisch brauchbaren Rechtsanwendung, sondern muss vielmehr mit den ebenfalls zu berücksichtigenden Interessen der Berechenbarkeit und Stabilität der Rechtsordnung in Ausgleich gebracht werden.1724 Eine weitere Nachschärfung und Sensibilisierung für die bereits eingangs angedeuteten und in den weiteren Ausführungen vertieften qualitativen Abstufungen verschiedener Rechtsanwendungsvorgänge vermag schließlich vermittels eines kurzen Seitenblicks auf die richterliche Rechtsanwendung und Subsumtion gelingen, die richtigerweise einer völlig anderen Bewertung unterzogen werden muss als dies für die oben ins Auge gefassten Situationen, also beispielsweise die administrative Rechtsanwendung beim massen- und regelhaften Vollzug der Gesetze, der Fall sein konnte. Diese methodische Differenzierung rührt daher, dass der Richter im gewaltenverschränkten Staatsgefüge der Bundesrepublik Deutschland zur letztverbind­ lichen Rechtsauslegung für die konkreten, von ihm zu entscheidenden Streitigkeiten berufen ist, mithin die Funktion eines Letztinterpreten des Gesetzes einnimmt1725, in deren Ausfüllung er dem Recht vermittels einer genuin eigenständigen, nachvollziehenden, aber auch individuell wertenden Anwendung auf den Einzelfall Geltung zu verschaffen hat und dabei mit jeder Rechtsanwendung in schöpferischer Tätigkeit simultan zur Rechtskonkretisierung und Rechtsfortbildung beiträgt1726. Rechtsprechen beinhaltet in diesem Sinne in der Tat mehr als nur das stoische Abarbeiten von vorgegebenen Arbeitsroutinen. Es beschreibt einen Akt des wertenden Interessenausgleichs (gerade) im Einzelfall, der zugleich das Recht in jeder einzelnen 1724  So überzeugend Herold, Demokratische Legitimation automatisiert erlassener Verwaltungsakte, S. 76 m. w. N., die herausstellt, dass sich dieser Zielkonflikt je nach Blickwinkel aus einer grundrechtlichen oder rechtsstaatsprinzipiellen Spannungslage ergibt. 1725  Kube, VVDStRL 78 (2019), 289 (321); Hillgruber, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG, Art. 92, Rn. 63. 1726  Kube, VVDStRL 78 (2019), 289 (321); BVerfG NVwZ 2018, 1203 (1222) – Sondervotum Hermanns; Schmidt, Das modernisierte Besteuerungsverfahren, S. 161.



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Anwendung fortschreibt1727, so dass insofern bereits aus rein methodischen Gründen ein Humanvorbehalt gerechtfertigt erscheint.1728 Bereichen außerhalb der richterlichen Rechtsanwendung wird dieses Proprium dagegen nicht oder nur eingeschränkt zuteil, insbesondere wenn es sich um Regelungsmaterien handelt, deren Ausführung – sei es aufgrund einer einfacheren normativen Struktur, eines massenhaften und gleichförmigen Gesetzesvollzugs und/oder einer gesicherten dogmatischen Durchdringung – sich zumindest in den jeweiligen Teilbereichen oder Einzelfragen als überwiegend mechanistischer Vorgang darstellt und damit von juristischen Entscheidungssystemen wahrgenommen werden kann. 3. Zusammenführung der Argumente und Fazit In gleicher Weise wie also eine menschliche Rechtsanwendung unter gewissen Rahmenbedingungen überwiegend mechanistische Züge anzunehmen im Stande ist, kann damit auch eine Gesetzesanwendung durch algorithmische Akteure in solchen Regelungsmaterien zuverlässige Ergebnisse liefern und letztlich eine methodisch valide Kategorie der Rechtsanwendung kon­ stituieren, die einerseits in Anbetracht ihrer Struktur, Komplexität, Einzelfallvarianz, Wertungsoffenheit etc. an sich den für eine algorithmische Rechts­anwendung notwendigen Antizipierungen zugänglich sind und andererseits überwiegend von auf schlichte Ausführung angelegten Anordnungsgehalten und/oder einer etablierten und hinreichend gefestigten Vollzugs­ praxis beherrscht werden, ohne dass dadurch gleichzeitig ein methodischer Sonderweg beschritten werden müsste.1729 Im Zusammenspiel mit der For1727  Martini/Nink, DVBl. 2018, 1128 (1136); krit. insoweit auch Bull, Der Staat 58 (2019), 57 (80). 1728  Ebenso Martini/Nink, DVBl. 2018, 1128 (1136); Berger, in: Knack/Henneke, VwVfG, § 35a, Rn. 26; Guckelberger, Öffentliche Verwaltung, Rn. 428; Schröder, VerwArch 110 (2019), 328 (347); zu methodischen (und technischen) Grenzen richterlicher Rechtsanwendung ausführlich auch Nink, Justiz und Algorithmen, S. 139 ff., 242 ff. Daneben bestehen freilich noch weitere, insbesondere verfassungsrechtliche Gründe für eine ausschließlich menschliche Wahrnehmung rechtsprechender Aufgaben, allen voran die Unabhängigkeit des Richters gem. Art. 97 Abs. 1 GG, der Anspruch auf den gesetzlichen Richter gem. Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG sowie der Anspruch auf rechtliches Gehör gem. Art. 103 Abs. 1 GG, vgl. hierzu bereits § 5 A. III. 3. a) in Fn. 1169 sowie eingehend Nink, Justiz und Algorithmen, S. 261 ff., 354 f. 1729  So i. E. auch Engel, JZ 2014, 1096 (1098); ähnlich Martini, in: Kahl/Ludwigs, HdbVwR I, § 28, Rn. 98 sowie Guckelberger, VVDStRL 78 (2019), 354 (Aussprache), die bei der Rolle des Juristen bei der Rechtsanwendung zwischen komplexen Rechtsnormen, die auf eine menschliche Anwendung und der Ermittlung ihres Sinngehalts angewiesen sind, und klaren und einfachen Regelungen differenziert, die soweit vorgezeichnet sind, dass deren Anwendung nicht notwendig eine menschliche Beteiligung erfordert; für eine Abstufung zwischen verschiedenen Regelungsmaterien

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malisierung der Rechtsanwendung bzw. der anwendungsbezogenen Formalisierung der einschlägigen Rechtssprache nimmt die algorithmische Rechtsanwendung dabei genau besehen sogar weniger die Gestalt einer originären Subsumtion, sondern eher diejenige einer Subordination unter die (ggfls. vielschichtigen) Subsumtionen an, die in dem juristischen Entscheidungssystem auf der Grundlage der menschlichen Antizipierungsleistung in der Programmierung hinterlegt wurden.1730 Elemente kreativer Innovation1731, juristischer Intuition und rechtswissenschaftlichen Metawissens1732 oder eines initiativ-gestalterischen Antriebs, von bestehenden Strukturen abzuweichen1733, die zweifellos kaum mittels rein logischer Entscheidungsabhängigkeiten in einem algorithmischen System sinnvoll simuliert oder reproduziert

i. E. auch Berger, DVBl. 2017, 804 (807 in Fn. 24); dies., in: Knack/Henneke, VwVfG, § 35a, Rn. 49 (Fn. 77), die zwar im Grundsatz vom Erfordernis des menschlichen Rechtsanwenders für die von Wertungen und Dezision durchzogene und auf naturgemäß unpräzise menschliche Sprache beruhende Rechtsanwendung ausgeht, aber auch die Existenz von Rechtsbereichen bzw. Rechtssätzen anerkennt, bei denen der Wertungsanteil geringer ist und das dortige Entscheidungsverfahren einer algorithmischen Abbildung zugänglich sei; ähnlich aus zivilrechtlicher Perspektive Rühl, JZ 2020, 809 (815); Hoch, AcP 219 (2019), 646 (657 f.); Grupp, in: Hartung/Bues/ Halbleib, Legal Tech, 259 (262 f. 265); eine Formalisierung in „unkomplizierten Fällen“ bejaht auch Buchholtz, JuS 2017, 955 (958) und nennt dabei die gewerberechtliche Unzuverlässigkeit gem. § 35 GewO als Beispiel, da dieses Merkmal durch eine umfangreiche Kasuistik geklärt worden sei; bei komplexeren Problemen versage dagegen eine Formalisierung; eine korrekte Rechtsfolgenermittlung einer rechtsanwendenden „machina“ in einer „großen Anzahl der Fälle“ erkennt letztlich auch Kotsoglou, JZ 2014, 1100 (1102 f.) an, der den Fokus des deutschen Rechtssystems allerdings im individuellen Einzelfall erblickt, der nicht hinreichend abgebildet werden könne; i. E. offen hinsichtlich einer (zumindest unterstützenden) algorithmischen Rechtsanwendung wohl Hähnchen/Bommel, JZ 2018, 334 (336). 1730  Vgl. zum Gedanken der Subordination Engel, JZ 2014, 1096 (1098 in Fn. 18). Insofern könnte also durchaus argumentiert werden, dass auch im Rahmen einer algorithmischen Rechtsanwendung der hier betrachteten Art letztlich der Mensch einer Norm „folgt“ (vgl. Kotsoglou, JZ 2014, 451 [456 f.]), also diese in einer wertendnachvollziehenden Weise zur Anwendung bringt, während die Maschine in methodischer Hinsicht lediglich ein technisches Hilfsmittel darstellt, mit der dieses „Folgen“ multiplikativ für eine unbestimmte Anzahl von Sachverhalten ausgeführt werden kann. In diesem Sinne könnte auch Tober, MMR 2021, 779 (780 ff.) verstanden werden. Da ein IT-System Gesetze in anderer Weise als ein Mensch vollziehe, spricht sich Guckelberger, VVDStRL 78 (2019), 235 (265 in Fn. 167); dies., Öffentliche Verwaltung, Rn. 430 deshalb dafür aus, ein anderes Wort als „Subsumtionsautomat“ zu verwenden. 1731  Vgl. Guggenberger, NVwZ 2019, 844 (849) m. w. N.; Hoffmann-Riem, AöR 145 (2020), 1 (14). 1732  Hähnchen/Bommel, JZ 2018, 334 (337); Hoffmann-Riem, AöR 145 (2020), 1 (14) („Judiz“). 1733  Adrian, Rechtstheorie 48 (2017), 77 (114).



E. Exkurs: Rechtstheoretische Grenzen algorithmischer Rechtsanwendung425

werden können1734, erweisen sich unter diesen Gegebenheiten in weiten Teilen als obsolet. Situationen der Rechtsanwendung innerhalb an sich antizipierungsfähiger und algorithmisch vollziehbarer Rechtsmaterien, in denen tatsächlich das gesteigerte Flexibilitätspotenzial menschlicher Rechtsanwendung (bis hin zur bewussten Verweigerung rechtskonformen Verhaltens, statt „blinder“ Rechtsbefolgung) für eine „richtige“ Rechtsverwirklichung notwendig werden sollte1735, nehmen dort letztlich nur die Rolle atypischer Einzelfälle ein, die gerade nicht den Maßstab für den regelhaften Gesetzesvollzug in diesem Bereich und seine prinzipielle Eignung zur algorithmischen Abwicklung bilden sollten, sondern vielmehr mit den Mitteln eines funktionalen Risikomanagements vom Entscheidungssystem aus den automatisierten Bearbeitungsvorgängen herausgenommen und in die menschliche Bearbeitung und Entscheidung überführt werden müssen. Algorithmische Rechtsanwendung der in dieser Untersuchung betrachteten Art ist schlussendlich als Produkt menschlicher Antizipierung zu verstehen und stellt sich dabei weniger als originärer, erforschender und erkenntnisstiftender Rechtsfindungsprozess, sondern mehr als mechanischer Abgleichungsvorgang auf der Grundlage einer menschlich antizipierten Blaupause der sachgemäßen Anwendung des betreffenden Normkomplexes, mithin als eine Art nachsprechende und simulierte Rechtsanwendung durch Algorithmen dar, die in geeigneten Anwendungsbereichen durchaus als probates Substitut eines menschlichen Sachbearbeiters fungieren kann und somit nicht von vornherein als Rechtsanwendungsinstanz disqualifiziert werden darf, was bereits bei rein rechtspolitischer Betrachtung im gegenwärtigen Digitalzeitalter unmöglich ein wünschenswertes Ergebnis darstellen kann.1736 Das Verdikt, in einem Computerprogramm werde das Recht allenfalls verkürzt und vereinfacht interpretiert1737, erweist sich damit seinerseits als vergröbernde und letztlich wenig erhellende Simplifizierung des vorliegenden Problemkomplexes und lässt sich folglich in dieser Pauschalität nicht durchhalten. Vielmehr bestehen – wie aufgezeigt wurde – außerhalb komplexer, stark situationsgebundener oder etwa planerische Gestaltung enthaltender Materien durchaus zahlreiche Sachbereiche, die lediglich einer massenhaften und/oder schlicht-ausführenden Vollziehung bedürfen, ohne dass dabei den jeweiligen Vollzugsvorgängen die Qualität eines eigenständigen und werten1734  Vgl. Guggenberger, NVwZ 2019, 844 (849); Adrian, Rechtstheorie 48 (2017), 77 (114); vgl. auch Hill, DÖV 2017, 433 (442). 1735  Vgl. Hoffmann-Riem, AöR 142 (2017), 1 (34) unter Verweis auf den von Luhmann in diesem Zusammenhang geprägten Begriff der „brauchbaren Illegalität“. 1736  Dies gilt umso mehr, als die geäußerten rechtsmethodischen Zweifel nicht nur vorübergehende Probleme oder Hindernisse, sondern eher eine strukturelle und dauerhafte Unvereinbarkeit anzuzeigen scheinen. 1737  P. Kirchhof, DStR 2018, 497 (504).

426

§ 5 Verfassungs-, Unions- und Verfahrensrecht

den recht­lichen Erkenntnisvorgangs zukommen würde. Und dort sind automatisierte Subsumtions- und Rechtsanwendungsvorgänge durchaus in der Lage, zuverlässige und sachrichtige Ergebnisse zu erzielen, jedenfalls sofern sich die zu vollziehenden Normen in programmierte IT-Systeme transponieren lassen1738.

1738  Guckelberger, VVDStRL 78 (2019), 235 (264); vgl. auch Engel, JZ 2014, 1096 (1098 ff.).

§ 6 Der vollautomatisierte Erlass von Verwaltungsakten und Formen exekutivischer Letztentscheidungskompetenzen Zum Abschluss der begrifflichen, systematischen und rechtlichen Aufarbeitung vollständig automatisiert erlassener Verwaltungsakte unter der Ägide des BestVerfModG soll der Betrachtungshorizont nunmehr noch dahingehend erweitert werden, dass auch solche – zuvor weitgehend ausgeblendete – Entscheidungssituationen mit in die Untersuchung einbezogen werden, innerhalb derer Bereiche exekutivischer Letztentscheidungsbefugnisse eröffnet sind, welche nicht nur eine wesentliche verwaltungspraktische Rolle einnehmen, sondern als genuin zugewiesene Entscheidungsfreiräume auch das Selbst­ verständnis der Verwaltung prägen. Unter dem Paradigma einer weitgehend enthumanisierten Verfahrensabwicklung stellt sich dort insbesondere die Frage, ob und inwieweit Erscheinungsformen solcher Letztentscheidungskompetenzen auf Seiten der Verwaltung auch durch nichtmenschliche Operatoren im Rahmen von algorithmischen Entscheidungssystemen zulässigerweise ausgefüllt werden können und somit überhaupt als Ausschnitt eines vollständig automatisierten Verwaltungsakterlasses in Betracht kommen, was den Gegenstand der nachfolgenden Überlegungen bilden wird. Neben der selbstverständlichen Berücksichtigung von Ermessensspiel­ räumen auf Rechtsfolgenseite sowie Beurteilungsspielräumen auf tatbestandlicher Ebene als klassische Vertreter exekutiver Letztentscheidungsrechte finden dabei in einem Seitenblick auch Auslegungsspielräume bei (stark) unbestimmten bzw. wertungsoffenen Rechtsbegriffen Erwähnung, die insofern erkenntnisstiftende Rückschlüsse auf eine sachgerechte Auflösung der damit zusammenhängenden Problemstellungen zulassen können, obschon der Verwaltung bei Letzteren kein echter, eingeschränkt justiziabler Entscheidungsfreiraum eingeräumt wird. Da sich die ihrer automatisierten Wahrnehmbarkeit zugrundeliegenden Streitpunkte im Wesentlichen unter vergleichbaren Vorzeichen stellen, werden hierbei sämtliche (relevanten) Kategorien von exe­kutivischen Entscheidungsspielräumen weitestgehend zusammen im Rahmen einer einheitlichen Betrachtung thematisiert1739, wobei 1739  Allgemein für ein einheitliches Grundmodell administrativer Entscheidungsspielräume plädierend etwa Jestaedt, in: Ehlers/Pünder, Allg. VerwR, § 11, Rn. 31 ff.; vgl. auch Schmidt-Aßmann, Ordnungsidee, S. 206 m. w. N.

428

§ 6 Der vollautomatisierte Erlass von Verwaltungsakten

Ermessensspielräume1740 angesichts ihrer enormen praktischen Bedeutung aber dennoch regelmäßig im Zentrum der Überlegungen stehen werden, die lediglich an bestimmten Stellen um speziellere Aspekte im Zusammenhang mit tatbestandlichen (Beurteilungs-)Spielräumen anzureichern sind.

A. Paradigmatische Unvereinbarkeit nach gesetzlichem Leitbild I. Allgemeines Verwaltungsverfahrensrecht Wird zunächst das allgemeine Verwaltungsverfahrensrecht als Ausgangspunkt der Untersuchung zugrunde gelegt, so zeichnen sich unmittelbar klare Vorbehalte des Gesetzgebers gegenüber solchen Formaten vollautomatisierter Entscheidungsfindung ab, innerhalb derer Kontingente behördlicher (Letzt-) Entscheidungsspielräume enthalten sind: Indem der vollständig durch automatische Einrichtungen bewerkstelligte Erlass von Verwaltungsakten dort einerseits gem. § 35a VwVfG bei bestehenden Ermessens- oder Beurteilungsspielräumen ausdrücklich ausgeschlossen wird und die Norm andererseits auch als legislative Warnung an den prinzipiell abweichungsbefugten Fachgesetzgeber1741 zur Einhaltung rechtsstaatlicher Verfahrensanforderungen aufgefasst werden kann1742, bringt der Gesetzgeber eine grundlegend skeptische, ja sogar abneigende Grundhaltung gegenüber algorithmischen Wahrnehmungs- bzw. Ausübungsformen exekutivischer Letztentscheidungsbefugnisse zum Ausdruck1743. Auch wenn die Gesetzesmaterialien in diesem Punkt überwiegend unspezifisch bleiben und kaum detailliertere Hintergründe preisgeben, geht die dahingehende gesetzgeberische Positionierung insbesondere auf die Prämisse zurück, dass die Ausübung von Ermessen wie auch die individuelle Beurteilung eines tatbestandlich komplexen Sachverhalts als abwägende Bewertungsvorgänge jeweils eine menschliche Willensbetätigung voraussetzen und deshalb nicht durch automatisierte Verarbeitungsprozesse

1740  Gemeint ist vorliegend das Rechtsfolgenermessen der Verwaltung; andere Variationen des Ermessens (z. B. Rechtssetzungs-, Verfahrens-, Planungsermessen etc.) bleiben unberücksichtigt. 1741  Insoweit stellten die Ausschlüsse des § 35a VwVfG keine zusätzliche Reduzierung des Einsatzbereichs vollautomatisierter Verfahren dar, vgl. Ziekow, NVwZ 2018, 1169 (1171); Prell, apf 2017, 237 (240); Schmitz/Prell, NVwZ 2016, 1273 (1276); Schröder, VerwArch 110 (2019), 328 (343 f.); Berger, in: Knack/Henneke, VwVfG, § 35a, Rn. 30, 43. 1742  Zur „Warnfunktion“ des § 35a VwVfG etwa Ziekow, NVwZ 2018, 1169 (1171); Schmitz/Prell, NvwZ 2016, 1273 (1276); Kube, VVDSTRL 78 (2019), 289 (304 in Fn. 74). 1743  Vgl. BT-Drs. 18/8434, S. 121 f.



A. Paradigmatische Unvereinbarkeit nach gesetzlichem Leitbild429

vorgenommen werden können1744, womit der Gesetzgeber letztlich den rechtsstaatlich fundierten Bedenken des Beirats Verwaltungsverfahrensrecht beim Bundesministerium des Innern im Vorfeld des entsprechenden Gesetzgebungsvorhabens zu folgen scheint1745. II. §§ 31a S. 1 SGB X und 155 Abs. 4 AO Weniger deutliche Aussagen über Begrenzungen des einfachrechtlich determinierten Anwendungsbereichs vollautomatisierter Verwaltungsverfahren können dagegen zunächst den sozial- und steuerverfahrensrechtlichen Normierungen der §§ 31a S. 1 SGB X und 155 Abs. 4 AO entnommen werden, die sich einer vollautomatisierten Entscheidungserzeugung nur bei einem bestehenden „Anlass“ zur Bearbeitung des Einzelfalls durch einen Amtsträger versperren und damit zumindest ihrem Wortlaut nach keinen expliziten Ausschluss bei eingeräumten Ermessens- oder Beurteilungsspielräumen vorsehen.1746 Ihrer grammatikalischen Offenheit steht bei genauerer Betrachtung sodann aber die insoweit unmissverständliche Gesetzesbegründung entgegen, die eine „Bearbeitung durch einen Amtsträger“ auch dann als „zwingend“ einordnet, wenn „das anzuwendende materielle Recht eine Ermessensentscheidung oder einen Beurteilungsspielraum vorsieht“1747, das Bestehen e­ ines Beurteilungs- oder Ermessensspielraumes also – neben den für das Steuerverfahren in §§ 155 Abs. 4 S. 3 i. V. m. 150 Abs. 7 S. 2 AO ausdrücklich normierten Angaben in qualifizierten Freitextfeldern sowie risikoinduzierten bzw. zufälligen Aussteuerungen1748 – ausdrücklich zu einem „Anlass“ zur personellen Bearbeitung i. S. d. Normen erhebt.1749 1744  BT-Drs. 18/8434, S. 122; vgl. auch Beirat VwVfR, NVwZ 2015, 1114 (1115). Ob der Gesetzgeber das Erfordernis menschlicher Willensbetätigung dabei auf rechtliche oder doch technische Hindernisse zurückführt, kann ausgehend von der insoweit uneindeutigen Gesetzesbegründung letztlich nicht abschließend festgestellt werden. 1745  Vgl. Beirat VwVfR, NVwZ 2015, 1114 (1115); U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/ Sachs, VwVfG, § 35a, Rn. 2, 37. 1746  Rosenke, in: BeckOK AO, § 155, Rn. 238; Braun Binder, DStZ 2016, 526 (529); Herold, DSRITB 2018, 453 (453 f.). 1747  BT-Drs. 18/8434, S. 121 im Kontext des § 31a SGB X. Aufgrund der angestrebten Einheitlichkeit der Rechtsinstitute lassen sich diese Erwägungen auf das insoweit wortgleiche Steuerverfahrensrecht übertragen, vgl. Braun Binder, in: Seckelmann, Digitalisierte Verwaltung, Kap. 12, Rn. 16. 1748  Vgl. insoweit BT-Drs. 18/7457, S. 82 f. sowie zu risikoinduzierten Aussteuerungen bereits § 5 C. I. 2. b) bb) (3). 1749  Vgl. BT-Drs. 18/8434, S. 121  f. sowie BT-Drs. 18/7457, S. 83 speziell im Kontext des § 155 AO, wobei für das Steuerverfahrensrecht ebenjene Einschränkung weniger explizit kommuniziert wird, zumal sich die umfassten Anwendungsfelder des § 155 Abs. 4 AO ohnehin bereits größtenteils auf gebundene Entscheidungen be-

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§ 6 Der vollautomatisierte Erlass von Verwaltungsakten

In gleicher Weise wie § 35a VwVfG machen somit im Ausgangspunkt auch die sozial- und steuerverfahrensrechtlichen Regelungen der §§ 31a S. 1 SGB X und 155 Abs. 4 AO ihre Anwendbarkeit von eingeräumten Ermessens- oder Beurteilungsspielräumen abhängig, wobei dieser inhaltliche Gleichlauf vor dem Hintergrund, dass die Rechtsfigur des vollständig automatisiert erlassenen Verwaltungsakts auch vom Gesetzgeber als fachsäulenübergreifend-einheitliches Institut verstanden wird1750, nicht weiter verwundert. III. Steuerverfahrensrechtliche Anzeichen automatisierten Ermessens Abweichend von der über sämtliche Verfahrenssäulen hinweg einheitlich festzustellenden, restriktiven Grundhaltung finden sich lediglich in den steuerverfahrensrechtlichen Vorschriften gewisse normative Anhaltspunkte einer Aufweichung der grundsätzlichen Beschränkung auf tatbestandlich wie auch rechtsfolgenseitig gebundene Entscheidungen1751, die auf Bereiche einer vollautomatisierten Wahrnehmbarkeit exekutivischer Entscheidungsspielräume hindeuten.

schränken (zu Ausnahmen allerdings sogleich unter § 6 A. III.). Vgl. zudem Braun Binder, in: Seckelmann, Digitalisierte Verwaltung, Kap. 12, Rn. 14, 16; dies., NVwZ 2016, 960 (961); Köhler, WzS 2018, 279 (284 f.); v. Harbou, JZ 2020, 340 (342); Littmann, in: Hauck/Noftz, SGB X, § 31a, Rn. 9; Hornung, in: Schoch/Schneider, VwVfG, § 35a, Rn. 50, 53; jedenfalls hins. § 31a SGB X auch Windoffer, in: Mann/ Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, § 35a, Rn. 11; a. A. mit Blick auf § 31a S. 1 SGB X aber offenbar Luthe, in: Schlegen/Voelzke, jurisPK-SGB X, § 31a, Rn. 37, der insoweit von einem bewussten Verzicht des Gesetzgebers auf weitere Einschränkungen im Sozialverfahrensrecht ausgeht; a. A. in Bezug auf § 155 Abs. 4 AO zudem Frotscher, in: Schwarz/Pahlke, Erstkomm. BestVerfModG, § 155 AO, Rz. 7, der in bestehenden Beurteilungsspielräumen kein Hindernis einer vollautomatisierten Bearbeitung und damit keinen „Anlass“ zur personellen Bearbeitung erblickt. 1750  Vgl. BT-Drs. 8434, S. 120, 122; U. Stelkens, in: Hill/Kugelmann/Martini, ­Digitalisierung in Recht, Politik und Verwaltung, 81 (90); Prell, in: BeckOK VwVfG, § 35a, Rn. 22 sowie bereits § 3 B. II. m. w. N. Abweichungsmotive hinsichtlich dessen grundlegender Ausgestaltung sind zudem nicht erkennbar. Skeptisch insoweit aber Herold, Demokratische Legitimation automatisiert erlassener Verwaltungsakte, S. 278 mit Fn. 56; von keinem vergleichbar strengen Ausschluss von Entscheidungsspielräumen im Steuerverfahrensrecht geht i. E. auch Windoffer, in: Mann/Sennekamp/Uecht­ ritz, VwVfG, § 35a, Rn. 12 aus. 1751  Vgl. Helbich, DStR 2017, 574 (576 ff.); Gersch, in: Klein, AO, § 5, Rn. 1; Littmann, in: Hauck/Noftz, SGB X, § 31a, Rn. 10; DtSV, Stellungnahme v. 24.9.2015, S. 11 ff., insbes. 12 f., abrufbar unter https://www.dstv.de/wp-content/uploads/archiv/ 2015-s-13-refentwurf-modernisierung-besteuerungsverfahren.pdf (letzter Aufruf am 6.4.2021); Braun Binder, NVwZ 2016, 960 (961).



A. Paradigmatische Unvereinbarkeit nach gesetzlichem Leitbild431

1. Normative Spuren „automatisierter Ermessenstatbestände“ So „dürfen“ gem. § 149 Abs. 4 S. 3 AO beispielsweise Vorabanforderungen von Steuererklärungen1752 auf der Grundlage einer automationsgestützten Zufallsauswahl angeordnet werden1753, die begrifflich allerdings nur dann als vollständig automatisierter Erlass eines Verwaltungsakts zu qualifizieren sind, wenn die Entscheidung in der Sache tatsächlich von einem algorithmischen System abschließend getroffen wird und nicht lediglich als (Auswahl-) Vorbereitung einer sodann doch menschlich veranlassten Vorabanforderung anzusehen ist1754. Darüber hinaus sind gem. § 155 Abs. 4 S. 1 und S. 2 Nr. 1 AO unter anderem Rücknahme- und Widerrufsentscheidungen von Anrechnungsverfügungen und mit diesen verbundenen Verwaltungsakten von den eröffneten Möglichkeiten vollautomatisierter Erzeugung umfasst, die – sofern es sich nicht um Steuerbescheide handelt1755 – gem. §§ 130, 131 AO klassische Ermessensentscheidungen darstellen.1756 Auch die Beifügung von gem. § 120 AO grundsätzlich ermessensgebundenen Nebenbestimmungen wird durch § 155 Abs. 4 S. 2 Nr. 2 AO für vollständig automationsgestützt durchführbar erklärt, soweit dies durch eine Verwaltungsanweisung des BMF oder der obersten Landesfinanzbehörden allgemein angeordnet ist.1757 Schließlich kam es im Zuge des JStG 20191758 zu einer Erweiterung der steuerverfahrensrechtlichen Möglichkeiten, ausschließlich automationsgestützte Verwal1752  Vorabanforderungen stellen dabei Ermessens-Verwaltungsakte dar, siehe FG Hamburg, Urt. v. 27.4.2012 – 6 K 95/11, juris Rn. 25; Seer, in: Tipke/Kruse, AO/ FGO, § 149 AO, Rz. 31. 1753  Helbich, DStR 2017, 574 (574, 576 f.). 1754  In letzterem Fall fände nur ein hybrider Einsatz eines algorithmischen Systems statt, der die menschliche Erzeugung einer Verwaltungsentscheidung lediglich unterstützt. Unerheblich wäre aber, ob das jeweilige Verwaltungsverfahren auf ein menschliches Initiativmoment zurückgeht, ob die Entscheidung auch automatisiert bekanntgegeben wurde oder in welcher Form die Entscheidung verkörpert ist, vgl. zur begrifflichen Einordnung bereits § 3 D.  1755  Jedenfalls Anrechnungsverfügungen sind lediglich als sonstige Steuerverwaltungsakte zu qualifizieren, Seer, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 155 AO, Rz. 50; Gercke, in: Koenig, AO, § 155, Rn. 71b. Die Korrekturvorschriften für Steuerbescheide gem. §§ 172 ff. AO sind dagegen überwiegend zwingend ausgestaltet, vgl. auch Braun Binder, NVwZ 2016, 960 (962). 1756  Helbich, DStR 2017, 574 (577); vgl. auch Braun Binder, NVwZ 2016, 960 (962). Hornung, in: Schoch/Schneider, VwVfG, § 35a, Rn. 50 in Fn. 110 sieht hierin einen „gesetzgeberische[n] Fehler“; a. A. insoweit Gercke, in: Koenig, AO, § 155, Rn. 71b. 1757  Insoweit spricht die Gesetzesbegründung explizit das Bestehen eines Ermessensspielraumes an, der durch die geforderte „Anordnung“ aber faktisch auf null verengt werde, BT-Drs. 18/7454, S. 83. 1758  Hierzu bereits § 2 B. VII.

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§ 6 Der vollautomatisierte Erlass von Verwaltungsakten

tungsakte zu erlassen, indem unter anderem auch eine Fristverlängerung i. S. d. § 109 AO – als Ermessensentscheidung1759 – gem. des neu hinzugefügten § 109 Abs. 4 AO für eine vollautomatisierte Anordnung geöffnet wurde.1760 2. Keine Abkehr von ablehnender Grundkonzeption Trotz dieser normativen Andeutungen lassen sich die darin fundierten, letztlich vereinzelt bleibenden Spuren „automatisierter Ermessenstatbestände“ in der AO in der Gesamtschau dennoch nicht als Anzeichen eines grundlegenden gesetzgeberischen Sinneswandels hin zu einer großzügigeren Öffnung vollautomatisierter Verfahren auch bei eingeräumten Entscheidungsspielräumen interpretieren. Diese Einschätzung speist sich zum einen daraus, dass die meisten der im Kontext der genannten Anhaltspunkte eröffneten Letztentscheidungsbefugnisse hinsichtlich des Umfangs ihrer inhaltlichen Selbstbestimmbarkeit kaum an echte Entscheidungsfreiräume heranreichen, die für ihre Ausfüllung tatsächlich eine individuelle Berücksichtigung der Einzelfallumstände des Sachverhaltes erforderlich machen würden1761, weshalb Aufweichungen in diesen Bereichen nicht als Indikation einer systematisch angelegten Öffnung missverstanden werden dürfen. So erschöpft sich etwa im Rahmen von automatisierten Vorabanforderungen auf der Grundlage einer Zufallsauswahl gem. § 149 Abs. 4 S. 3 AO ein etwaiges „Ermessen“ von vornherein in der zufälligen Auswahl des Anordnungsadressaten1762; Einzelfallgerechtigkeit wird mithin gerade durch das Element des Zufalls hergestellt; individuelle Umstände, die im Einzelfall eine von der zufälligen Auswahl abweichende Entscheidung anzeigen würden, sind dagegen nur schwer vorstellbar1763 und 1759  BFH BStBl. II 2003, 550; Brandis, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 109 AO, Rz.  4 m. w. N. 1760  Die ebenfalls neu hinzugefügten Möglichkeiten der vollautomatisierten (und isolierten) Anordnung von Verspätungszuschlägen gem. § 152 Abs. 2, Abs. 11 S. 2 AO sowie Säumniszuschlägen gem. § 254 Abs. 2 S. 3 AO sehen dagegen keinerlei Entscheidungsspielräume der Behörde vor, vgl. BT-Drs. 19/13436, S. 193 f. 1761  Vgl. insoweit auch die Formulierung „durchstrukturierte[r] Entscheidungsfelder“ bei Rüsken, in: Klein, AO, § 155, Rn. 87. 1762  Dies deutet letztlich auch Helbich, DStR 2017, 574 (576, 579) an, der die automatische und zufällige Vorabanforderung i. E. aber doch als kaum mit dem „geforderten Moment einer sachgerechten Ermittlung der atypischen Umstände des Einzelfalls“ vereinbar ansieht. 1763  Helbich, DStR 2017, 574 (576) nennt insoweit nicht verfügbare Belege auf Seiten des Steuerpflichtigen zur Erstellung der Steuererklärung als Beispiel für ein Absehen von einer Vorabanforderung aus individuellen Gründen.



A. Paradigmatische Unvereinbarkeit nach gesetzlichem Leitbild433

ließen sich ohne Weiteres auch bei rein algorithmischer Abwicklung berücksichtigen.1764 Auch bei der vollständig automationsgestützten Beifügung von Nebenbestimmungen gem. § 155 Abs. 4 S. 2 Nr. 2 AO kann genau besehen von einem echten Ermessensspielraum de facto nur eingeschränkt die Rede sein. Ausgehend von der i. S. d. Norm geforderten allgemeinen Anordnung durch eine Verwaltungsanweisung des Bundesministeriums der Finanzen oder der obersten Landesfinanzbehörden geht der Gesetzgeber in den erfassten Fällen nicht nur von einer (wie auch immer gearteten) „Ermessensbindung“ der zuständigen Behörde aus, die „im Ergebnis einer Ermessensreduzierung auf Null“ gleichkomme.1765 Vielmehr werden mit der Anordnung von Vorläufigkeitsvermerken i. S. d. § 165 AO sowie Nachprüfungsvorbehalten gem. § 164 AO auch Hauptanwendungsfälle der Norm benannt1766, deren Ermessensausfüllung auf eine überaus großzügige, „fast schon konditional ausgestaltet[e]“1767 Handhabung in der Praxis zurückgeht, die einer Berücksichtigung individueller Einzelfallumstände in aller Regel keine allzu große Bedeutung zukommen lässt1768 und in der bisherigen Praxis auch bereits ohne Einflussmöglichkeiten eines persönlichen Sachbearbeiters automationsgestützt berücksichtigt wurden1769. Zum anderen symbolisiert der Gesetzgeber selbst nach wie vor sein klares Festhalten an Ermessens- und Beurteilungsspielräumen als Kriterien für eine Bestimmung zuzulassender, automationsgeeigneter Verfahren, indem er – neben den bereits oben besprochenen ausdrücklichen und impliziten Bezügen1770 – etwa die als verbundene Verwaltungsakte bereits unter § 155 Abs. 4 S. 2 Nr. 1 AO fallenden und isoliert neuerdings unter § 152 Abs. 2, Abs. 11 S. 2 AO einer vollständig automa­ tionsgestützten Anordnung zugänglichen Verspätungszuschläge im Zuge des BestVerfModG1771 – wohl mit Blick auf ihre zukünftige Automatisierbar-

1764  Vgl. die insoweit ähnliche Argumentation – allerdings im Zusammenhang mit der Anordnung eines Vorbehalts der Nachprüfung bzw. Vorbehaltsvermerks – bei Helbich, DStR 2017, 574 (579). 1765  BT-Drs. 18/7457, S. 83; vgl. auch Frotscher, in: Schwarz/Pahlke, Erstkomm. BestVerfModG, § 155 AO, Rz. 11; Helbich, DStR 2017, 574 (577 f.); Braun Binder, DÖV 2016, 891 (894); Stuhlfauth, in Obermayer/Funke-Kaiser, VwVfG, § 35a, Rn. 8. 1766  BT-Drs. 18/7457, S. 83; Helbich, DStR 2017, 574 (577). 1767  Helbich, DStR 2017, 574 (577). 1768  Vgl. Helbich, DStR 2017, 574 (577), der insoweit auch von „einer Form ‚intendierten Ermessens‘ “ spricht; vgl. auch Rüsken, in: Klein, AO, § 155, Rn. 87 f.; Specker, in: BeckOK AO, § 164, Rn. 80; Heuermann, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 164 AO, Rz. 22. 1769  So für den Vorläufigkeitsvermerkt ausdrücklich BT-Drs. 18/7457, S. 83. 1770  Vgl. hierzu bereits § 6 A. I., II., III. und V. 1771  Die Neufassung des § 152 AO war gem. Art. 97 § 8 Abs. 4 EGAO aber erstmals auf nach dem 31.12.2018 einzureichende Steuererklärung anzuwenden.

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§ 6 Der vollautomatisierte Erlass von Verwaltungsakten

keit1772 – in bedeutsamen Anwendungsfällen1773 sowohl hinsichtlich der Anordnung des Zuschlags als auch seiner Höhe nach bewusst zu gebundenen Tatbeständen umfunktioniert hat1774 und selbst im Zuge der jüngsten Erweiterungen des JStG 2019 an verschiedenen, der Automation nunmehr eröffneten Stellen in sich geradezu selbstvergewissernder Weise betont, dass bei den nunmehr vollautomatisiert möglichen Anordnungen jeweils keine Ermes­ sens- und Beurteilungsspielräume bestünden1775. 3. Allenfalls punktuelle und systemwidrige Aufweichungen Zu verzeichnen sind daher allenfalls punktuelle Aufweichungen, die sich auch kaum mit der bisherigen (Binnen-)Systematik des Gesetzgebers in Einklang bringen lassen. Eine besondere Rolle nimmt diesbezüglich allen voran die im Zuge des JStG 2019 hinzugefügte Fristverlängerungsmöglichkeit gem. § 109 Abs. 4 AO ein, welche einerseits eine klassische, vom Gesetz­ geber als solche erkannte Ermessensentscheidung darstellt, die eine indi­ viduelle Beurteilung der Einzelfallumstände erfordert1776, andererseits aber trotzdem das Kriterium des fehlenden „Anlasses“ zur personellen Bearbeitung des Einzelfalls, das nach bisherigem legislativen Verständnis unter anderem mit dem Bestehen von Ermessens- und Beurteilungsspielräumen verknüpft war1777, als tatbestandliche Grenze für sich operationalisiert1778 und zudem dennoch nach expliziter gesetzgeberischer Entscheidung für „vollständig automationsgestützt“ vollziehbar erklärt wird1779, wobei sodann al1772  Zuvor existierte mit § 152 Abs. 5 AO a. F. eine Ermächtigungsgrundlage zugunsten des BMF, unter anderem die Festsetzung eines Verspätungszuschlags im automatisierten Besteuerungsverfahren durch allgemeine Verwaltungsvorschriften zu regeln. Hierzu kam es allerdings nie, da die komplexen Ermessenskriterien des § 152 Abs. 2 AO a. F. als einer computerisierten Festsetzung unzugänglich angesehen wurden, vgl. insoweit auch Seer, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 152 AO, Rz. 42 ff.; § 155 AO, Rz. 51. 1773  Vgl. BT-Drs. 18/7457, S. 80; Rosenke, in: BeckOK AO, § 152, Rn. 350. 1774  Vgl. BT-Drs. 18/7457, S. 80, wobei das zukünftige Fehlen eines Ermessensspielraums besonders betont wird; Rätke, in: Klein, AO, § 152, Rn. 1; Rosenke, in: BeckOK AO, § 152, Rn. 350; Baum, NWB 2016, 2706 (2712 ff.). 1775  BT-Drs. 19/13436, S. 193, 193 f. 1776  Achsnich, in: BeckOK AO, § 109, Rn. 211. 1777  Siehe § 6 A. V. 1778  Diese Kombination führte unter Anwendung der bisherigen Binnensystematik des BestVerfModG bereits für sich zu einer inneren Widersprüchlichkeit der Norm, da dieser bei Gleichsetzung eines eingeräumten Ermessensspielraums mit einem „Anlass“ zur personellen Bearbeitung von vornherein kein Anwendungsbereich mehr verbliebe. 1779  BT-Drs. 19/13436, S. 190.



A. Paradigmatische Unvereinbarkeit nach gesetzlichem Leitbild435

lerdings „entsprechende Ermessensrichtlinien der obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder – zum Beispiel im Rahmen eines Risikomanagementsystems – zu berücksichtigen“ seien, „um eine gleichmäßige und gesetzmäßige Festsetzung von Steuern und Steuervergütungen sowie Anrechnung von Steuerabzugsbeträgen und Vorauszahlungen zu gewährleisten“1780. Insbesondere der unvermittelte Rekurs auf zu berücksichtigende „Ermessensrichtlinien“, die nach dem Verständnis des Gesetzgebers offenbar – zumindest in Bezug auf § 109 Abs. 4 AO – trotz Ermessens einen „Anlass“ zur personellen Bearbeitung i. S. d. Norm auszuschließen vermögen und innerhalb der entwickelten Leit­ linien allenfalls in „allgemeinen Anordnungen“ i. S. d. § 155 Abs. 4 S. 2 Nr. 2 AO bei der vollautomatisierten Beifügung von Nebenbestimmungen als vergleichbare Kategorie – dort allerdings auf normativer Ebene – wiedergefunden werden können, lässt sich nur schwer mit der bisherigen normativen Binnensystematik im Umgang mit administrativen Entscheidungsspielräumen bei vollautomatisierter Abwicklung von Verwaltungsverfahren konsolidieren. IV. „Bestehen“ des Entscheidungsspielraums Als eng verbunden mit der Zulässigkeit automatisierter Wahrnehmungsformen administrativer Entscheidungsspielräume unter den gesetzlichen Vor­ gaben des BestVerfModG erweist sich sodann auch die Frage, welche tatbestandliche Reichweite der Gesetzgeber dem Erfordernis des „Bestehens“ des Entscheidungsspielraums bzw. eines „Anlasses“ zur personellen Bearbeitung i. S. d. §§ 35a VwVfG, 31a S. 1 SGB X und 155 Abs. 4 AO beizumessen gedachte. 1. Rein normative und verfahrensbezogene Auslegung Denkbar wäre hierbei zum einen eine rein normative, sich ausschließlich an den fachgesetzlichen Prüfprogrammen orientierende Auslegung des Begriffs, die ein Eingreifen der in Rede stehenden tatbestandlichen Begrenzungen in der Folge allein von der abstrakt-normativen Einräumung entsprechender Entscheidungsspielräume im Rahmen der Ermächtigungsgrundlage abhängig machen würde.1781 Obwohl eine dahingehende Interpretation durchaus gewichtige Gesichtspunkte für sich reklamieren kann, indem etwa 1780  BT-Drs.

19/13436, S. 191 (Hervorhebung durch den Verfasser). insbes. Windoffer, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, § 35a, Rn. 30. Einer Anknüpfung an die jeweilige Ermächtigungsnorm scheint des Weiteren auch Hoffmann-Riem, AöR 145 (2020), 1 (27) zugeneigt zu sein („in der eine automatisierte Entscheidung ermöglichenden Norm“). 1781  So

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Ermessens- und Beurteilungsspielräume als (abstrakte) gesetzgeberische Kriterien zur Identifikation automationsungeeigneter Rechtsmaterien verstanden werden, die eine Notwendigkeit menschlicher Entscheidung anzeigen,1782 legt die überwiegende Meinung im Schrifttum – wohl vor allem mit ergebnisorientiertem Einschlag1783 – der Auslegung des „Bestehens“ eine stärker auf die konkret zu automatisierenden Verwaltungsverfahren bezogene Perspektive zugrunde und hält demnach auch normativ grundsätzlich als Ermessens- oder Beurteilungsentscheidungen ausgestaltete Verfahren für einer vollautomatisierten Abwicklung zugänglich, soweit in den konkreten Verfahren nach Anwendung des materiellen Rechts keine Ermessens- und Beurteilungsspielräume (mehr) bestehen.1784 Dies könne insbesondere bei einer Ermessensreduktion auf Null angenommen werden, die vermittels bestehender (ermessensleitender) Verwaltungsvorschriften oder auf Grund einer ständigen Verwaltungspraxis im Wege einer behördlichen Selbstbindung eingetreten sei, sofern die Berücksichtigung von besonderen Umständen im Einzelfall durch die Möglichkeit einer individuellen Aussteuerung gewährleistet werde.1785 2. Inkonsistenz einer verfahrensbezogenen Auslegung Gegenüber einer solchen konkreter begriffenen Auslegung des „Bestehens“ eines Ermessens- oder Beurteilungsspielraums bzw. des „Anlasses“ zur per1782  Vgl.

Djeffal, DVBl. 2017, 808 (814); vgl. auch BT-Drs. 18/8434, S. 122. zur materiellen Bedeutung dieser Argumentation über die Reichweite des gesetzlichen Tatbestands hinweg § 6 B. I. 2. sowie II. b) bb). 1784  Vgl. Braun Binder, DÖV 2016, 891 (894); dies., NVwZ 2016, 960 (961, 963) unter Verweis auf Polomski, Der automatisierte Verwaltungsakt, S. 56 m. w. N. aus der älteren Literatur; v. Harbou, JZ 2020, 340 (342); Siegel, DVBl. 2017, 24 (26); Herold, DSRITB 2018, 453 (455); ähnlich Schäfer/Zentgraf, GewArch 2021, 492 (493 ff., 495); vgl. auch Luthe, SGb 2017, 250 (253 ff.); Hornung, in: Schoch/Schneider, VwVfG, § 35a, Rn. 34, 36, 53; U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35a, Rn. 40; zust. Guckelberger, Öffentliche Verwaltung, Rn. 442 ff.; Schmitz/Prell, NVwZ 2016, 1273 (1276); Martini/Nink, DVBl. 2018, 1128 (1129 f.); im Hinblick auf die Auslegung des „Bestehens“ letztlich offenbleibend Djeffal, DVBl. 2017, 808 (814 f.). 1785  Braun Binder, DÖV 2016, 891 (894); dies., NVwZ 2016, 960 (961, 963), je unter Verweis auf Polomski, Der automatisierte Verwaltungsakt, S. 56  ff.; zust. U.  Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35a, Rn. 40 f.; v. Harbou, JZ 2020, 340 (342); Guckelberger, Öffentliche Verwaltung, Rn. 81; dies., GewArch 2019, 457 (461 f.); Martini/Nink, DVBl. 2018, 1128 (1129  f.); Hornung, in: Schoch/ Schneider, VwVfG, § 35a, Rn. 34, 36, 53; Ziekow, VwVfG, § 35a, Rn. 13 spricht sich insofern für eine teleologische Reduktion der Norm aus; vgl. im Zusammenhang mit Rücknahme- und Widerrufsentscheidungen auch Schmitz/Prell, NVwZ 2016, 1273 (1276). 1783  Vgl.



A. Paradigmatische Unvereinbarkeit nach gesetzlichem Leitbild437

sonellen Bearbeitung müssen bei genauerer Betrachtung allerdings erhebliche Zweifel angemeldet werden, auch wenn womöglich semantische Implikationen eines „Bestehens“ sowie gewisse gesetzgeberische Andeutungen1786 zunächst in eine dahingehende Richtung weisen mögen. Die nachfolgenden Gesichtspunkte sind dabei aber als rein auf die tatbestandliche Reichweite der §§ 35a VwVfG, 31a S. 1 SGB X und 155 Abs. 4 AO bezogen zu verstehen; die rechtliche Zulässigkeit automatisierter Ermessens- oder Beurteilungsentscheidungen über die Tatbestände des BestVerfModG hinaus wird sodann erst an späterer Stelle thematisiert.1787 Zum einen muss von vornherein klargestellt werden, dass auch eine konkreter begriffene Auslegung des „Bestehens“ in jedem Falle nicht an konkreten Einzelverfahren und dort im konkreten Einzelfall bestehenden Ermessens- oder Beurteilungsspielräumen ausgerichtet sein kann, da die insoweit notwendig zu treffenden, strukturellen Organisationsentscheidungen beim Einsatz algorithmischer Entscheidungssysteme (in Form ihrer Ausgestaltung, Programmierung, Anschaffung, Inbetriebnahme etc.)1788 der Phase einer Abwicklung konkreter Verwaltungsverfahren weit vorgelagert sind und einer dahingehenden Auslegung damit diametral entgegenstehen. Die einfachrechtlich ausgeformten Kriterien einer Zulassung von vollautomatisierten Verfahren können bereits deshalb nicht sachgerecht vom konkreten Einzelfall abhängig gemacht werden. Aus diesem Befund folgt gleichzeitig auch, dass die Figur der Ermessensreduktion auf Null nach ihrem klassischen Zuschnitt als ausnahmsweise und im Einzelfall eintretende Verengung eines eingeräumten Entscheidungsspielraums auf nur eine einzige rechtmäßige Handlungsalternative1789 ebenfalls nicht zu einem Entfallen des „Bestehens“ eines Entscheidungsspielraums bzw. „Anlasses“ zur personellen Bearbeitung i. S. d. Normen führen kann1790, zumal diese jeweils eine individuelle, alle Einzelfallum-

1786  So etwa der Verweis auf zu berücksichtigende „Ermessensrichtlinien“, BTDrs. 19/13436, S. 191, oder eine „Ermessensbindung […], die im Ergebnis einer Ermessensreduzierung auf Null gleich kommt“, BT-Drs. 18/7457, S. 83. Vgl. zudem BT-Drs. 18/8434, S. 122. 1787  Siehe § 6 B. 1788  Vgl. Eifert, E-Government, S. 125 f. sowie bereits § 5 A. I. 1. a) aa) und § 4 B. II. 3. c) dd) (2). 1789  BVerwGE 69, 90 (94); 11, 95 (97); 16, 214 (218); Di Fabio, VerwArch 86 (1995), 214 (215 f.); Hain/Schlette/Schmitz, AöR 122 (1997), 32 (39 ff., 44 ff.); Je­ staedt, in: Ehlers/Pünder, Allg. VerwR, § 11, Rn. 85; Aschke, in: BeckOK VwVfG, § 40, Rn. 72; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 40, Rn. 102b; Maurer/Waldhoff, Allg. VerwR, § 7, Rn. 24; Wernsmann, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 5 AO, Rz. 230 f.; Gersch, in: Klein, AO, § 5, Rn. 12. 1790  Dies erkennt auch Braun Binder, DÖV 2016, 891 (894) an; zust. Ziekow, VwVfG, § 35a, Rn. 13.

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stände berücksichtigende Entscheidung erfordert1791 und deshalb in gleicher Weise auf den konkreten Einzelfall bezogen ist.1792 Denkbar bliebe im Rahmen einer konkreter begriffenen Auslegung des „Bestehens“ somit allenfalls die (von den dahingehenden Literaturmeinungen auch hervorgehobene) Berücksichtigung von administrativen Selbstbindungstatbeständen1793 innerhalb der jeweils (konkret) zu vollziehenden Regelungsbereiche, die mit Blick auf ihre typisierenden Reduktionswirkungen in Bezug auf die dort eingeräumten Entscheidungsspielräume ihrer Natur nach trotzdem noch eine gewisse Abstraktionshöhe aufweisen müssen und folglich keinem vergleichbar starken Einzelfallbezug unterliegen.1794 Doch auch eine so geartete Anreicherung des „Bestehens“-Begriffs um konkreter auf die zu vollziehenden Verwaltungsverfahren bezogene Facetten lässt sich meines Erachtens kaum mit der – zugegebenermaßen nur andeutungsweise und nicht durchweg konsistent zum Ausdruck kommenden – Gesamtkonzeption des Gesetzgebers in Einklang bringen und muss deshalb im Ergebnis abgelehnt werden. Insbesondere darf das Vorliegen eines Selbstbindungstatbestandes seitens der Verwaltung nicht zum Einfallstor einer tatbestandlichen Relativierung der einschränkenden Voraussetzungen der §§ 35a VwVfG, 31a S. 1 SGB X, 155 Abs. 4 AO bzw. ihrer mühelosen Umgehbarkeit umfunktioniert werden. Diesen Befund legt allen voran bereits die den genannten Vorschriften immanente Begrenzungsfunktion nahe, die durch die Implementierung von als Begrenzung verstandenen Voraussetzungen für die Zulassung vollautomatisierter Entscheidungen absichernde Vorkehrungen zur Wahrung rechts1791  Am Beispiel der Änderung einer Anrechnungsverfügung nach § 130 AO Helbich, DStR 2017, 574 (577). 1792  So i.  E. auch Siegel, DVBl. 2017, 24 (26); ähnlich Hornung, in: Schoch/ Schneider, VwVfG, § 35a, Rn. 36; dies verkennend Waigel, WiVerw 2021, 88 (92). Mit der Rücknahme einer unionsrechtswidrigen Beihilfe gem. § 48 VwVfG weisen Schäfer/Zentgraf, GewArch 2021, 492 (493 f.) insoweit allerdings auf einen echten Grenzfall hin: Denn bei dieser im Ausgangspunkt dem Verwaltungsermessen anheimgestellten Entscheidung ist aufgrund unionsrechtlicher Überlagerungen ebenfalls von einer Ermessensreduktion auf Null auszugehen (EuGH NJW 1998, 47; Schoch, in: Schoch/Schneider, VwVfG, § 48, Rn. 310 f.), wobei jene Schrumpfung des Entscheidungsspielraums sodann aber weniger stark aus den konkreten Einzelfallumständen zu folgen scheint, sondern genereller im Falle einer Unionsrechtswidrigkeit der zurückzunehmenden Verwaltungsentscheidung anzunehmen wäre. 1793  Hierzu allgemein Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 40, Rn. 103 ff. 1794  Unter diese Kategorie könnten auch die Institute eines sog. vorgeprägten bzw. intendierten Ermessens gefasst werden, die – als die Ermessensbetätigung in eine gewisse Richtung vorzeichnende Fallgruppen – ebenfalls jeweils Spielarten einer Schematisierung der Ermessensausübung beschreiben, im Folgenden aber nicht näher thematisiert werden sollen. Zur Figur des vorgeprägten und intendierten Ermessens eingehender Drüen, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 5 AO, Rz. 13 f.; Wernsmann, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 5 AO, Rz. 134 ff., je m. w. N.



A. Paradigmatische Unvereinbarkeit nach gesetzlichem Leitbild439

staatlicher Verfahrensprinzipien treffen.1795 Einer solchen Begrenzungs- und Absicherungsfunktion würde es dabei grundlegend zuwiderlaufen, wenn eine durch administrativ gesetzte Selbstbindungstatbestände eintretende Ermessenssteuerung1796 faktisch zur weitgehenden Unbeachtlichkeit solcher einschränkenden Voraussetzungen führen könnte.1797 Das „Bestehen“ des Entscheidungsspielraums kann in diesem Sinne nur als gesetzgeberische ­Grenzziehung verstanden werden, nicht aber als (indirekter) Auftrag an die Ver­ waltung, über automationsgeeignete Verfahren qua Selbstbindung zu ­ent­scheiden1798. Des Weiteren kann eine Berücksichtigungsfähigkeit von Selbstbindungstatbeständen bei der Auslegung des „Bestehens“ auch nicht überzeugend auf die Norm des § 155 Abs. 4 S. 2 Nr. 2 AO zurückgeführt werden1799, die in Gestalt der „allgemeinen Anordnung“ durch Verwaltungsanweisung des BMF oder der obersten Landesfinanzbehörden bei der automatisierten Beifügung von Nebenbestimmungen zwar eine strukturell vergleichbare Situation zum Gegenstand hat, die Berücksichtigung der dadurch eintretenden (Ermessens-)Bindungswirkungen1800 allerdings auch ausdrücklich – quasi als Spezialfall – normativ anordnet. Eine Verallgemeinerung dieses Mechanismus auf das „Bestehen“ eines Entscheidungsspielraums generell und jenseits dieser speziellen gesetzlichen Anordnung erscheint daher bereits aus diesem Grund wenig stimmig.1801 Ganz im Gegenteil kann der Norm im Umkehrschluss eher die Aussage entnommen werden, dass in allen anderen Fällen in Bezug auf Entscheidungsspielräume eingetretene Bin1795  Insbesondere im Kontext des § 35a VwVfG: Ramsauer/Tegethoff, in: Kopp/ Ramsauer, VwVfG, § 35a, Rn. 3; U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35a, Rn. 1; Prell, in: BeckOK VwVfG, § 35a, Rn. 3. Der Gedanke der Begrenzungsfunktion lässt sich dabei gleichermaßen auf die sozial- und steuerverfahrensrechtlichen Vorschriften übertragen, die den „Anlass“ zur personellen Bearbeitung ebenfalls – zumindest teilweise – als Identifikations- und Abgrenzungsmerkmal für automationsgeeignete Verfahren verstehen, vgl. auch BT-Drs. 18/8434, S. 121 f. 1796  Dies gilt ungeachtet des Umstands, dass ihr unmittelbarer Wirkungsgrund im Gleichbehandlungsgebot oder dem Vertrauensschutzprinzip begründet liegt, vgl. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 40, Rn. 104; Jestaedt, in: Ehlers/Pünder, Allg. VerwR, § 11, Rn. 86 m. w. N. 1797  Ähnlich auch Stegmüller, NVwZ 2018, 353 (357); Windoffer, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, § 35a, Rn. 30 je im Kontext des § 35a VwVfG. 1798  Vgl. insoweit auch Windoffer, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, § 35a, Rn. 30; ähnlich zudem Nink, Justiz und Algorithmen, S. 187 in Fn. 200; anders wohl Frotscher, in: Schwarz/Pahlke, Erstkomm. BestVerfModG, § 155 AO, Rz. 12; Seer, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 155 AO, Rz. 55. 1799  Einen solchen Schluss nimmt aber Braun Binder, DÖV 2016, 891 (894 mit Fn. 29 und 30) vor. 1800  Vgl. BT-Drs. 18/7457, S. 83. 1801  Vgl. insoweit auch den vergleichbaren Gedanken bei Rosenke, in: BeckOK AO, § 155, Rn. 238.

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dungswirkungen durch eine „Anordnung“ gerade keine Rolle spielen sollen. Schließlich kommen durch Selbstbindungstatbestände eintretende Ermessensbindungen auch nur bedingt einer echten Ermessensreduktion auf Null im Sinne einer Verdichtung der Handlungsoptionen auf eine (voll-)konditionale Entscheidungsstruktur gleich, die die Annahme eines tatsächlichen und vollständigen „Nicht-(Mehr)-Bestehens“ des Entscheidungsspielraums i. S. d. Normen rechtfertigen würde, zumal einerseits die Selbstbindung jedenfalls bei unvorhergesehenen atypischen Sonderfällen nicht durchgreift, eine Pflicht zur individuellen Ermessensentscheidung insoweit also bestehen bleibt1802, und Selbstbindungstatbestände andererseits von vornherein unter dem Vorbehalt ihrer zukünftigen Änderung stehen1803.1804 Zusammenfassend kann somit festgestellt werden, dass selbst bei Zugrundelegung einer konkreter begriffenen Auslegung des (negativen) Tatbestandsmerkmals des „Bestehens“ eines Entscheidungsspielraums oder eines „Anlasses“ zur personellen Bearbeitung gewichtige Gründe dafür sprechen, dass eine (einzig denkbare) Einbeziehung gegebener Selbstbindungstatbestände seitens der Verwaltung (in Form von ermessensanleitenden Verwaltungsvorschriften oder einer ständigen Verwaltungspraxis) sinnvollerweise keinen Ausschluss des „Bestehens“ auf tatbestandlicher Ebene der Normen bedingen kann1805, wodurch sich eine Unterscheidung zwischen einer rein-normativen und einer konkreter-begriffenen Auslegung des „Bestehens“ jedenfalls hinsichtlich der tatbestandlichen Reichweite der §§ 35a VwVfG, 31a S. 1 SGB X und 155 Abs. 4 AO letztlich weitgehend erübrigt.1806

1802  Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 40, Rn. 122a; Aschke, in: BeckOK VwVfG, § 40, Rn. 70; BVerwGE 70, 127 (142); OVG Münster NWVBl. 2009, 231 (232); 2012, 117 (120); Jestaedt, in: Ehlers/Pünder, Allg. VerwR, § 11, Rn. 78, 86; vgl. auch Ramsauer/Tegethoff, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 35a, Rn. 14; § 40, Rn. 59; im Kontext der Figur des intendierten Ermessens Helbich, DStR 2017, 574 (577); für das Steuerrecht allg. Drüen, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 5 AO, Rz. 50. 1803  Vgl. Jestaedt, in: Ehlers/Pünder, Allg. VerwR, § 11, Rn. 86 („Infolgedessen wird sich auf der Grundlage des Gleichheitssatzes nur ausnahmsweise eine Ermessensreduzierung auf Null einstellen.“); Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 40, Rn. 125. 1804  Vgl. insoweit auch Köhler, WzS 2018, 279 (284) sowie Siegel, DVBl. 2017, 24 (26), der im Zusammenhang mit der (vergleichbaren) Fallgruppe des intendierten Ermessens eine automatisierte Abwicklung aufgrund der nach wie vor erforderlichen Einzelfallprüfung hinsichtlich des Vorliegens einer atypischen Situation zu Recht ablehnt, eine solche bei einer durch Selbstbindungstatbestände seitens der Verwaltung eingetretenen Ermessensbindung sodann aber widersprüchlicher Weise befürwortet, weil diese Situation einer „originären Bindung gleichgestellt werden“ könne. Zust. insoweit Ziekow, VwVfG, § 35a, Rn. 13. 1805  So i. E. auch Stegmüller, NVwZ 2018, 353 (357) sowie Windoffer, in: Mann/ Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, § 35a, Rn. 30.



A. Paradigmatische Unvereinbarkeit nach gesetzlichem Leitbild441

V. Fazit zur gesetzlichen Ausgangslage Anknüpfend an die verfahrensrechtlichen Kodifikationen des vollständig automatisiert erlassenen Verwaltungsakts gem. den §§ 35a VwVfG, 31a S. 1 SGB X und 155 Abs. 4 AO ist in der Gesamtschau von einer sehr reservierten, ganz überwiegend abneigenden Grundhaltung des Gesetzgebers gegenüber automatisierten Wahrnehmungsformen administrativer Entscheidungsspielräume auszugehen. Während die allgemein verwaltungsverfahrensrechtliche Regelung des § 35a VwVfG diese mittels eines expliziten Ausschlusses von Entscheidungen mit Anteilen administrativer Letztentscheidungsbefugnisse zum Ausdruck bringt, fallen die sozial- und steuerverfahrensrechtlichen Kodifikationen der §§ 31a S. 1 SGB X, 155 Abs. 4 AO ihrem Wortlaut nach zwar deutlich weniger restriktiv aus, bestätigen bei verständiger Auslegung des „Anlasses“ zur personellen Bearbeitung und unter Zugrundelegung der Prämisse einer fachsäulenübergreifend-einheitlichen Grundkonzeption des vollständig automatisiert erlassenen Verwaltungsakts unter dem BestVerfModG aber letztlich gleichermaßen die dahingehenden gesetzgeberischen Vorbehalte. Lediglich in der AO finden sich handfestere normative Hinweise auf die Existenz möglicher Bereiche automatisierter Ermessensausübung, die allerdings angesichts festzustellender Einschränkungen hinsichtlich ihrer ­Verallgemeinerungsfähigkeit und teils auch gegenläufiger Indizien im Ergebnis trotzdem kaum als grundlegende gesetzgeberische Abkehr von der im Ausgangspunkt nahegelegten Zurückhaltung interpretiert werden können. In Gestalt der von § 155 Abs. 4 S. 1 und S. 2 AO umfassten Rücknahme- und Widerrufsentscheidungen sowie automatisiert angeordneter Fristverlängerungen gem. § 109 Abs. 4 AO können allenfalls punktuelle Aufweichungen verzeichnet werden, die sich in die sich unter dem BestVerfModG abzeichnende Binnensystematik aber kaum widerspruchsfrei integrieren lassen. Aufs Ganze gesehen kann somit – trotz vereinzelter normativer Anomalien – eine überaus restriktive einfachrechtliche Ausgangslage im Hinblick auf eine automatisierte Wahrnehmung administrativer Entscheidungsspielräume attestiert werden, die auch nicht mittels einer konkreter begriffenen Auslegung des „Bestehens“ des Entscheidungsspielraums bzw. des „Anlasses“ zur personellen Bearbeitung teleologisch konsequent relativiert werden kann.

1806  Vgl. insoweit auch Ramsauer/Tegethoff, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 35a, Rn. 14, der in einer (tatbestandlichen) Beschränkung des § 35a VwVfG auf tatsächlich in konkreten Verwaltungsverfahren bestehende Entscheidungsspielräume keine praktische Relevanz sieht, zumal sich eine Ermessensreduzierung in unechten Massenverfahren regelmäßig nicht ergeben werde.

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§ 6 Der vollautomatisierte Erlass von Verwaltungsakten

B. Vollautomatisierte Ermessens- und Beurteilungsentscheidungen jenseits der tatbestandlichen Grenzen der §§ 35a VwVfG, 31a S. 1 SGB X, 155 Abs. 4 AO Anknüpfend an die normative Ausgangslage ist nun in einem zweiten Schritt zu evaluieren, inwiefern die festzustellende und überwiegend restriktive Grundhaltung des Gesetzgebers – sozusagen als Automationsgrenze – auch sachlich gerechtfertigt werden kann. Von Interesse wird dabei insbesondere sein, ob jenseits der aufgezeigten einfachrechtlichen Maßstäbe nicht doch ein aufgeschlosseneres Verdikt im Hinblick auf vollautomatisierte Entscheidungen mit Anteilen administrativer Entscheidungsspielräume bzw. vollautomatisierte Wahrnehmungsformen Letzterer angezeigt wäre, die unter bestimmten Umständen durchaus als technisch mögliche und rechtlich zulässige Variante eines vollständig automatisierten Verwaltungsakterlasses in Betracht kommen können. Gleichzeitig muss eine kritische Auseinandersetzung mit der legislativen Anknüpfung an Ermessens- und Beurteilungsspielräume als Kriterien einer Grenzziehung zwischen automationsgeeigneten und -ungeeigneten Verfahrenskomplexen erfolgen. I. Einschätzungen im Schrifttum In der bisherigen wissenschaftlichen Diskussion zeigt sich hinsichtlich der Automatisierbarkeit nicht gebundener Verwaltungsentscheidungen zunächst ein insgesamt differenziertes und in den argumentativen Grundprämissen aufgefächertes Meinungsspektrum. 1. Ablehnende Auffassungen Zum einen ist ein nicht unerheblicher Anteil an Literaturstimmen zu verzeichnen, die – in ähnlicher Weise wie die vorzufindenden legislativen Signale – von einer grundsätzlichen Inkompatibilität der Ausfüllung adminis­ trativer Entscheidungsspielräume mit rein technisch abgewickelten Verwaltungsverfahren ausgehen. Zum Teil werden dahingehende Meinungen dabei auf eher methodisch-­ dogmatisch begriffene Problempunkte zurückgeführt, indem algorithmischen Entscheidungssystemen insbesondere die Fähigkeit zur Erzeugung wertender Entscheidungen prinzipiell abgesprochen wird, welche für die Ausfüllung exe­kutivischer Letztentscheidungsverantwortlichkeiten eine wesentliche Grund­voraussetzung konstituiere.1807 Die Ausübung eines Ermessens wie 1807  Vgl. Schmitz/Prell, NVwZ 2016, 1273 (1276); Beirat VwVfR, NVwZ 2015, 1114 (1115).



B. Vollautomatisierte Ermessens- und Beurteilungsentscheidungen443

auch die Ausfüllung eines Beurteilungsspielraums setzten in diesem Sinne bereits wesensmäßig eine individuelle Abwägung und damit menschliche Willensbetätigung voraus, die ein algorithmisches System – zumindest derzeit – nicht leisten könne.1808 Ausgehend von ihrer „Persönlichkeitsabhängigkeit“ sowie der „Unmöglichkeit der vollständigen Simulation menschlicher Entscheidung“1809 sei jedenfalls eine Ermessensausübung als „menschliches Problemlösungsverhalten, welches von der gesamten Persönlichkeitsstruktur des Entscheiders geprägt sein soll“ dementsprechend „unprogrammierbar“.1810 Darüber hinaus und anknüpfend an die methodischen Bedenken treten zum Teil noch eher teleologisch-funktional begründete Überlegungen hinzu: Da normative Gestaltungsspielräume der Wahrung und Gewährleistung von Einzelfallgerechtigkeit dienten, die unter Einsatz algorithmischer Systeme ebenso (noch) nicht zuverlässig hergestellt werden könne, setzten die Ermessensausübung sowie die individuelle Beurteilung eines Sachverhalts auch bereits nach ihrer legislatorischen Zielrichtung stets eine einzelfallbezogene menschliche Willensbetätigung voraus.1811 Insbesondere die Ermessensaus1808  Vgl. Schmitz/Prell, NVwZ 2016, 1273 (1276); Prell, in: BeckOK VwVfG, § 35a, Rn. 13 f.; ders., apf 2017, 237 (240), die auf rechtsstaatliche Anforderungen verweisen; Braun Binder, DÖV 2016, 891 (894), die über die Selbstbindung der Verwaltung und eine entsprechende Auslegung des „Bestehens“ i. E. aber trotzdem Möglichkeiten automatisierter Ermessensentscheidungen sieht; Beirat VwVfR, NVwZ 2015, 1114 (1115), der sich ebenfalls gewisse Rückausnahmen offenhält; SchmidtAßmann, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, Verwaltungsrecht in der Informationsgesellschaft, 405 (423 f.); Degrandi, Die automatisierte Verwaltungsverfügung, S. 44 ff., insbes. 47; DtSV, Stellungnahme v. 24.9.2015, S. 12, abrufbar unter https:// www.dstv.de/wp-content/uploads/archiv/2015-s-13-refentwurf-modernisierung-be steuerungsverfahren.pdf (letzter Aufruf am 8.4.2021); vgl. auch BT-Drs. 18/8434, S. 122; Berger, in: Knack/Henneke, VwVfG, § 35a, Rn. 49; Guckelberger, in: FS Herberger, 397 (406 ff.); Landkreistag Sachsen-Anhalt, Rundschr. 577/2016, S. 2, abrufbar unter h ­ ttps://www.kommunales-sachsen-anhalt.de/media/custom/2348_5489_1. PDF?1479368747 (letzter Aufruf 11.10.2021); Stegmüller, NVwZ 2018, 353 (357); Bull, DVBl. 2017, 409 (412); Helbich, DStR 2017, 574 (575 f.), der zum Teil auch wenig überzeugende begriffsethymologische Argumente in Bezug auf die „Ausübung“ von Ermessen bemüht; Suhr, JuS 1968, 351 (356); eine „persönliche Entscheidungsverantwortung“ des Amtswalters bei „problematischen Einzelentscheidungen“ ebenfalls betonend: Wieacker, in: FS v. Caemmerer, 45 (58 f., 66); offenbleibend i. E. bei Britz, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, § 26, Rn. 59. 1809  Degrandi, Die automatisierte Verwaltungsverfügung, S. 44 ff. 1810  Degrandi, Die automatisierte Verwaltungsverfügung, S. 47. 1811  Martini/Nink, NVwZ-Extra 10/2017, 1 (2); dies., DVBl. 2018, 1128 (1129); Köhler, WzS 2018, 279 (284); Siegel, DVBl. 2017, 24 (26); vgl. auch Braun Binder, in: Seckelmann, Digitalisierte Verwaltung, Kap. 12, Rn. 20; dies., NVwZ 2016, 960 (961, 963); dies., DÖV 2016, 891 (894); Rosenke, in: BeckOK AO, § 155, Rn. 238; Ramsauer/Tegethoff, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 35a, Rn. 13; Windoffer, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, § 35a, Rn. 28; nur auf Beurteilungsspielräume

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übung müsse als vom Gesetzgeber zur Einzelfallsteuerung eingeräumter Spielraum an sämtlichen Besonderheiten des Einzelfalles ausgerichtet sein, was einer notwendig schematisierenden Programmierung und Automatisierung fundamental entgegenstehe.1812 Es gehe um das Treffen zweckmäßiger und gerechter Einzelfallentscheidungen, was mit einer antizipierten Fest­ legung wertgebundener Entscheidungen im Zeitpunkt der Programmierung nicht vereinbart werden könne.1813 Das „individuelle Element der Einzelfallentscheidung, das durch die Einräumung von Ermessen erhalten werden soll“, würde insoweit verlorengehen.1814 2. Aufgeschlossenere Meinungen Den geäußerten Grundsatzbedenken steht zum anderen eine signifikante Anzahl an Auffassungen gegenüber, die im Hinblick auf eine automatisierte Ausfüllung von Ermessens- und Beurteilungsspielräumen eine aufgeschlossenere Haltung einnehmen und dies verschiedentlich argumentativ abstützen.1815 beziehend: Siegel, VerwArch 105 (2014), 241 (259); Kallerhoff/Fellenberg, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 24, Rn. 57 f.; Tönsmeyer-Uzuner, Expertensysteme in der öffentlichen Verwaltung, S. 112 f.; Simitis, Rechtliche Anwendungsmöglichkeiten kybernetischer Systeme, S. 9 ff.; Bull, Verwaltung durch Maschinen, S. 87 f.; Degrandi, Die automatisierte Verwaltungsverfügung, S. 79; Laue, Vorgangsbearbeitungssysteme in der öffentlichen Verwaltung, S. 198 ff., insbes. 201 ff.; Lazaratos, Recht­ liche Auswirkungen der Verwaltungsautomation, S. 219 ff.; Polomski, Der automatisierte Verwaltungsakt, S.  56 ff.; Bull, DVBl. 2017, 409 (412); Mellinghoff, in: FS BFH, 421 (429); ders., DStJG 42 (2019), 287 (308); Seibel, VerwArch 74 (1983), 325 (341); Maunz¸ BayVBl. 1967, 86 (87); aus schweizerischer Sicht Rechsteiner, in: Jusletter IT vom 26. November 2018, Rz. 29 f. 1812  Vgl. Lazaratos, Rechtliche Auswirkungen der Verwaltungsautomation, S.  219 ff.; Laue, Vorgangsbearbeitungssysteme in der öffentlichen Verwaltung, S. 201 f.; Köhler, WzS 2018, 279 (284); krit. insoweit auch G. Kirchhof, in: FS BFH, 361 (379). 1813  Simitis, Rechtliche Anwendungsmöglichkeiten kybernetischer Systeme, S. 9; Degrandi, Die automatisierte Verwaltungsverfügung, S. 79; vgl. auch TönsmeyerUzuner, Expertensysteme in der öffentlichen Verwaltung, S. 113. 1814  Tönsmeyer-Uzuner, Expertensysteme in der öffentlichen Verwaltung, S. 113. 1815  Vgl. etwa Luthe, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, § 31a, Rn. 32 ff., insbes. 37 ff., 41; ders., SGb 2017, 253; U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35a, Rn. 41 ff.; ders., Hill/Kugelmann/Martini, Digitalisierung in Recht, Politik und Verwaltung, 81 (112 f.); Schröder, VerwArch 110 (2019), 328 (333); Eifert, E-Gov­ ernment, S.  127 ff.; Herold, Demokratische Legitimation automatisiert erlassener Verwaltungsakte, S.  219 ff.; Tischbirek, ZfDR 2021, 307 (320), der m. E. allerdings zu wenig zwischen determinierten und indeterminierten Systemen differenziert; Ritgen, in: Bauer/Heckmann/Ruge/Schallbruch/Schulz, VwVfG, § 35, Rn. 57; Djeffal, DVBl. 2017, 808 (814 f.); Rüsken, in: Klein, AO, § 155, Rn. 87 f.; Luhmann, Recht und Automation, S. 72 f.; jedenfalls aus technischer Sicht Anzinger, DStJG 42 (2019), 15 (33).



B. Vollautomatisierte Ermessens- und Beurteilungsentscheidungen445

Zum Teil knüpfen diese etwa an den Gedanken einer Art „Generalisierungsermächtigung“ an, die einer (Ermessens-)Norm ggfls. entnommen werden könne und darüber entscheide, inwieweit diese die Verwaltung auch zur vollautomatisierten, d.  h. schematisierten Ausfüllung des Ermessensspielraums berechtige.1816 In ähnlicher Weise wird stellenweise zudem der Zweck der jeweiligen Ermessensermächtigung i. S. d. §§ 40 VwVfG, 5 AO, 39 Abs. 1 S. 1 SGB I als Determinante einer zulässigen Ermessensautomatisierung bemüht, sofern dieser nicht gerade auf die individuelle Würdigung eines Einzelfalls durch einen persönlich betrauten Amtswalter gerichtet sei, sondern stattdessen eine administrative Entscheidung zugunsten effizienterer Verwaltungsabläufe erlaube, wobei im Zweifelsfalle aber von einer automatisierten Ermessensausübung abzusehen sei.1817 Auch aus teleologischer Perspektive müsse nicht jede auf einer Ermessensnorm beruhende Entscheidung unmittelbar von einem Menschen getroffen werden, da die Funktionen des Ermessens ebenso bei Automatisierung der Entscheidungsvorgänge erreicht werden könnten1818, insbesondere wenn von einer im Zuge der Automatisierung intensivierten „Humanisierung des Verfahrens“ durch Konzentration der personellen Ressourcen auf problematische Fälle ausgegangen wird1819, wie dies vom Gesetzgeber im Zuge des BestVerfModG explizit beabsichtigt wurde1820. Darüber hinaus sprechen sich einige Literaturstimmen für eine Automatisierbarkeit von Ermessensentscheidungen bei bestehenden Selbstbindungstatbeständen seitens der Verwaltung aus, die durch ermessensleitende Verwaltungsvorschriften oder eine ständige Verwaltungsübung eingetreten sind1821, jedenfalls sofern noch eine Aussonderung bestimmter Verfah1816  Eifert, E-Government, S. 127 ff., insbes. 130 f.: „Es ist also jeweils der materiellen Norm, die der Verwaltung die Gestaltungsspielräume überträgt, auch zu entnehmen, welches Ausmaß an konkretisierender Gestaltung der Verwaltung zukommen soll.“; zust. Ritgen, in: Bauer/Heckmann/Ruge/Schallbruch/Schulz, VwVfG, § 35, Rn. 57; ebenfalls zum Teil bereits auf den Wortlaut oder Sinn einer Gesetzesnorm abhebend: Degrandi, Die automatisierte Verwaltungsverfügung, S. 79 f.; Polomski, Der automatisierte Verwaltungsakt, S. 57 f. mit Fn. 164; Laue, Vorgangsbearbeitungssysteme in der öffentlichen Verwaltung, S. 201 f. 1817  Herold, Demokratische Legitimation automatisiert erlassener Verwaltungsakte, S. 219 ff., die für Beurteilungsspielräume im Wesentlichen ähnlich argumentiert; vergleichbare Überlegungen anhand der Zwecke der Ermächtigungsnormen finden sich bereits bei Degrandi, Die automatisierte Verwaltungsverfügung, S. 79 f.; Laue, Vorgangsbearbeitungssysteme in der öffentlichen Verwaltung, S. 201 f.; Polomski, Der automatisierte Verwaltungsakt, S. 57 f. mit Fn. 164. 1818  Luthe, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, § 31a, Rn. 41; Djeffal, DVBl. 2017, 808 (814 f.). 1819  Djeffal, DVBl. 2017, 808 (814 f.). 1820  BT-Drs. 18/7457, S. 48; 18/8434, S. 96. 1821  Vgl. Polomski¸ Der automatisierte Verwaltungsakt, S. 56 ff., insbes. 58 und 94; Tönsmeyer-Uzuner, Expertensysteme in der öffentlichen Verwaltung, S. 112 ff.;

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ren zur Berücksichtigung individueller Umstände im Einzelfall gewährleistet sei1822. Die dort unter dem Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG effektuierten Bindungswirkungen würden insoweit eine programmierte Ausdeutung des Ermessensspielraums1823 rechtfertigen1824, wodurch eine algorithmische Ermessensausübung letztlich der Praxis der generellen Ermessensausübung angenähert wird.1825 Schließlich rückt eine weitere beachtliche Literaturströmung die praktische Umsetzbarkeit und technische Abbildbarkeit der vollautomatisiert zu vollziehenden (Ermessens- oder Beurteilungs-)Normen in den Fokus der Betrachtung und zieht damit – anders als die bisherigen Lösungsansätze – eine technisch-pragmatische Grenze als entscheidenden Maßstab einer Automationseignung eröffneter Entscheidungsspielräume ein.1826 Ihren Überlegungen zufolge liege dem Konflikt um eine automatiBraun Binder, DÖV 2016, 891 (894); dies., NVwZ 2016, 960 (963); Martini/Nink, DVBl. 2018, 1128 (1129 f.); Siegel, DVBl. 2017, 24 (26), der dies bei den Bindungswirkungen eines „intendierten Ermessens“ allerdings ablehnt; U. Stelkens, in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35a, Rn. 40 f.; v. Harbou, JZ 2020, 340 (342); Guckelberger, Öffentliche Verwaltung, Rn. 81; dies., GewArch 2019, 457 (461 f.); Nink, Justiz und Algorithmen, S. 186 f. mit Fn. 194 und S. 190; Frotscher, in: Schwarz/ Pahlke, Erstkomm. BestVerfModG, § 155 AO, Rz. 7; Gruber, Verwaltungsentscheidungen vom Computer, S. 72 f.; Brinkmann/Grimmer/Lenk/Rave, Verwaltungsautomation, S.  36 f.; v. Berg, Automationsgerechte Rechts- und Verwaltungsvorschriften, S.  28 f.; Kerkau, Automatische Datenverarbeitung, S. 34; aufgeschlossen auch Ziekow, NVwZ 2018, 1169 (1171); Heckmann, in: jurisPK-ITR, Kap. 5, Rn. 639; Ehlers/Pünder, in: dies., Allg. VerwR, § 1, Rn. 102. 1822  Vgl. Polomski¸ Der automatisierte Verwaltungsakt, S. 56 ff., insbes. 58 und 94; Tönsmeyer-Uzuner, Expertensysteme in der öffentlichen Verwaltung, S. 113 f.; Braun Binder, DÖV 2016, 891 (894); Martini/Nink, DVBl. 2018, 1128 (1129 f.); mit Ausnahme eines „intendierten Ermessens“ Siegel, DVBl. 2017, 24 (26); v. Harbou, JZ 2020, 340 (342); U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35a, Rn. 40 f.; vgl. auch Guckelberger, in: FS Herberger, 397 (407 f.); Nink, Justiz und Algorithmen, S. 190; Gruber, Verwaltungsentscheidungen vom Computer, S. 64 ff., 72 f. 1823  Polomski, Der automatisierte Verwaltungsakt, S. 58 spricht insoweit von einer „Teilexaktifizierung“ der Norm. 1824  Vgl. Gruber, Verwaltungsentscheidungen vom Computer, S. 72  f.; v. Berg, Automationsgerechte Rechts- und Verwaltungsvorschriften, S. 28 f. 1825  Zur generellen Ermessensausübung allgemein Maurer/Waldhoff, Allg. VerwR, § 7, Rn. 14. 1826  Luthe, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, § 31a, Rn. 32 ff., insbes. 37 ff., 41; ders., SGb 2017, 250 (253 ff.); vgl. auch Guckelberger, VVDStRL 78 (2019), 235 (265); Schröder, VerwArch 110 (2019), 328 (333) sowie U. Stelkens, in: Stelkens/ Bonk/Sachs, VwVfG, § 35a, Rn. 41 ff., insbes. 41 f., 45 f.; ders., Hill/Kugelmann/ Martini, Digitalisierung in Recht, Politik und Verwaltung, 81 (112 f.), der neben Entscheidungsspielraum-verengenden (Selbst-)Bindungswirkungen etwa mit der Bezugnahme auf die „Varianz und Gewichtung“ der „Anlassfälle“ auch Aspekte einer verlässlichen Umsetzbarkeit und damit technisch-pragmatische Gesichtspunkte anklingen lässt. Gewisse Tendenzen in diese Richtung lassen letztlich auch Martini/Nink, DVBl.



B. Vollautomatisierte Ermessens- und Beurteilungsentscheidungen447

sierte Wahrnehmbarkeit administrativer Letztentscheidungskompetenzen im Kern kein rechtliches, sondern ein faktisches Problem zu Grunde.1827 Maßgeblich sei demnach nicht das Bestehen von Ermessens- oder Beurteilungsspielräumen für sich, sondern „viel allgemeiner die Komplexität der Entscheidungslage“, von der letztlich eine rechtstaatlichen Anforderungen genügende Umsetzbarkeit einer automatisierten Entscheidungsfindung unab­hängig von eingeräumten Letztentscheidungsbefugnissen abhänge.1828 Insbeso­ndere einfacher gelagerte und gut strukturierte Ermessensfälle könnten deshalb in einem automatisierten Verfahren entschieden werden.1829 II. Eigene Stellungnahme Trotz der unter § 6 B. I. 1. dargelegten Bedenken gegenüber einer Automatisierbarkeit von Beurteilungs- oder Ermessensentscheidungen sowie der in dieser Frage restriktiven normativen Ausgangslage1830, kann nach hier vertretenem Standpunkt die bloße Existenz administrativer Letztentscheidungsbefugnisse im Ergebnis nicht zielführend als kategorisches Ausschlusskriterium einer vollautomatisierten Verfahrensabwicklung operationalisiert werden. Insofern ist den diesbezüglich aufgeschlosseneren Meinungsströmungen in ihrer generellen Stoßrichtung zuzustimmen, dass auch Entscheidungskonstellationen, die Ermessens- und Beurteilungsspielräume involvieren, einer Abwicklung in vollautomatisierten Verwaltungsverfahren grundsätzlich zugänglich sein können, wodurch letztlich eine differenziertere und damit im Einzelnen sachgerechte Auflösung der zugrundeliegenden Streit­ fragen ermöglicht wird. Da in der genauen Herleitung und dogmatischen Begründung dieses Ergebnisses sodann allerdings noch gewisse Restunsicherheiten und argumentative Divergenzen auszumachen sind, sollen im Folgenden einige ergänzende Überlegungen in Ansatz gebracht werden, die im Bemühen um eine einheitliche dogmatische Fundierung (auch) vollautomatisierter erlassener Ermessen- und Beurteilungsentscheidungen ggfls. erkenntnisstiftende Rückschlüsse zulassen.

2018, 1128 (1130, 1132) sowie Berger, in: Knack/Henneke, VwVfG, § 35a, Rn. 48 ff.; dies., NVwZ 2018, 1260 (1263) erkennen. 1827  Luthe, jurisPK-SGB X, § 31a, Rn. 37 f. mit Fn. 22. 1828  Luthe, jurisPK-SGB X, § 31a, Rn. 37 f., 40; ders., SGb 2017, 250 (254 f.); vgl. auch U. Stelkens, Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35a, Rn. 42, 46. 1829  Luthe, jurisPK-SGB X, § 31a, Rn. 41; ders., SGb 2017, 250 (255); vgl. auch Rüsken, in: Klein, AO, 14. Aufl. 2018, § 155, Rn. 57a f. 1830  Siehe § 6 A. V.

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1. Automatisiertes Ermessen Einen trefflichen Ausgangspunkt einer argumentativen Annäherung an dogmatische Berechtigungs- und Existenzgründe für eine Automatisierbarkeit auch nicht (voll) gebundener Verwaltungsentscheidungen bildet zunächst eine wesens- und funktionsmäßige Betrachtung der hier in Rede stehenden administrativen Entscheidungsspielräume, wobei der Fokus zunächst auf die praktisch weitaus bedeutsamere Rechtskategorie des (Verwaltungs-)Ermessens gelegt werden muss. Dieses räumt der Behörde eine rechtsfolgenseitige Entscheidungsfreiheit im Sinne einer Auswahl zwischen verschiedenen, rechtlich zulässigen Handlungsvarianten unter Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten ein1831, die durch die Ermöglichung angemessener und sachgerechter Entscheidungen im Einzelfall unter Abwägung der normativen Zielvorgaben nicht nur Räume administrativer Feinsteuerung eröffnet1832, sondern auch einer nur eingeschränkten gerichtlichen Kontrolldichte unterliegt1833. In seinem Kern konstituiert das (Verwaltungs-)Ermessen damit eine normativ eingeräumte Befugnis der Verwaltung zur letztverbindlichen Konkretisierung und/oder Individualisierung einer Rechtsnorm1834, die sich gerade durch ihre Korrektur- und Ersetzungsfestigkeit im Verhältnis zur Judikative und damit einen gewaltenteiligen Ansatz auszeichnet.1835 a) Indifferenz hinsichtlich Ausfüllungsmodi Während der Rechtskategorie des Verwaltungsermessens ausgehend von den dargelegten Charakteristika im Verhältnis zwischen den Staatsgewalten der Judikative und Exekutive zweifellos eine klar abgrenzende und gewisse Verantwortungsbereiche exklusiv zuweisende Grundausrichtung innewohnt, 1831  Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 40, Rn. 13; Aschke, in: BeckOK VwVfG, § 40, Rn. 4; Voßkuhle, JuS 2008, 117; BFH BStBl. II 1972, 919 (920); Drüen, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 5 AO, Rz. 5; Helbich, DStR 2017, 574 (575). 1832  Maurer/Waldhoff, Allg. VerwR, § 7, Rn. 13; Voßkuhle, JuS 2008, 117 (117 f.); Kment/Vorwalter, JuS 2015, 193 (194); Wernsmann, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 5 AO, Rz. 27; Helbich, DStR 2017, 574 (575); Braun Binder, NVwZ 2016, 960 (963); aus Sicht des schweizerischen Rechts: Rechsteiner, in: Jusletter IT vom 26. November 2018, Rz. 28 f. 1833  Riese, in: Schoch/Schneider, VwGO, Vor § 113, Rn. 20 ff.; § 114, Rn. 51 f.; Decker, in: BeckOK VwGO, § 114, Rn. 26; Schoch, Jura 2004, 462 (469); Kment/ Vorwalter, JuS 2015, 193 (194 f., 199). 1834  Schmidt-Aßmann, Ordnungsidee, S. 206; Jestaedt, in: Ehlers/Pünder, Allg. VerwR, § 11, Rn. 71. 1835  Jestaedt, in: Ehlers/Pünder, Allg. VerwR, § 11, Rn. 71; Hoffmann-Riem, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, § 10, Rn. 85, 87, 89; Helbich, DStR 2017, 574 (575).



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welche im Hinblick auf die Letztverbindlichkeit der vorgesehenen Einzelfallsteuerung auch eine entscheidende Rolle für die Realisierung der ermessens­ typischen Funktionen einnimmt, lässt sich der normativen Zuweisung einer dahingehenden Letztentscheidungsbefugnis sodann allerdings keinerlei Aussagegehalt in Bezug auf die Ausfüllungsmodi des eingeräumten Entscheidungsspielraums entnehmen.1836 Vereinfacht gesprochen schreibt der Begriff des Ermessens damit nicht vor, auf welche Weise die der Verwaltung zugewiesenen Spielräume ausgefüllt werden müssen.1837 Eine den gewaltenteiligen Kerngehalten des Ermessens vergleichbare kategorial-zuordnende Trennung zwischen Mensch und Maschine ist in ihm folglich nicht angelegt.1838 Die dem Ermessen zugrunde liegende kompetenzielle Abgrenzung zwischen Verwaltung und Rechtsprechung lässt sich in diesem Sinne nicht gleichzeitig auf eine verfahrensorganisatorische oder gar instanzielle Grenzziehung zwischen menschlichen und maschinellen Rechtsanwendungssubjekten ausweiten. Da sich die Willensbildung im Exekutivbereich zudem generell in einer zielorientierten und nicht allein dem Menschen vorbehaltenen Entscheidungstätigkeit erschöpft1839, können aus der bloßen Existenz eines Ermessensspielraums an sich letztlich keine zwingenden Vorgaben hinsichtlich der Ausfüllung der Letztentscheidungskompetenz mittels natürlicher oder künstlicher Intelligenz abgeleitet werden.1840 Eine Ermessensausübung setzt demnach weder begriffs- noch wesensnotwendig einen menschlichen Entscheidungsträger voraus, sondern kann im Ausgangspunkt auch in einem artifiziellen System umgesetzt werden.1841 b) Ermessenszweckerreichung in automatisierten Verfahren Zweifel an einer Automatisierbarkeit der Ermessensausübung könnten sich demzufolge allenfalls noch unter teleologisch-funktionalen Gesichtspunkten 1836  Vgl. Luthe, in: jurisPK-SGB, § 31a SGB X, Rn. 42; ders., SGb 2017, 250 (255); Martini/Nink, DVBl. 2018, 1128 (1132); Helbich, DStR 2017, 574 (575). 1837  Helbich, DStR 2017, 574 (575), der ausgehend von der Begriffsethymologie des Wortes „ausüben“ i. E. aber dann doch die Befassung eines menschlichen Amtsträgers verlangt; vgl. auch Luthe, in: jurisPK-SGB, § 31a SGB X, Rn. 42; ders., SGb 2017, 250 (255). Ein insoweit anschlussfähiger Gedanke findet sich zudem bei Tischbirek, ZfDR 2021, 307 (322 f.), der klarstellt, dass allein aus der technisch dirigierten Funktionsweise des Systems kein Ermessensausfall folgt. 1838  Vgl. Martini/Nink, DVBl. 2018, 1128 (1132). 1839  Luthe, in: jurisPK-SGB, § 31a SGB X, Rn. 42, der ein allein dem Menschen vorbehaltenes Recht zu willkürlichem Entscheiden als Charakteristikum lediglich der Legislative zuweist. 1840  Martini/Nink, DVBl. 2018, 1128 (1132). 1841  Luthe, in: jurisPK-SGB, § 31a SGB X, Rn. 42.

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ergeben. In Frage steht insofern vor allem, ob die im Kern schematische Vorgehensweise eines algorithmischen Entscheidungssystems den gesetz­lichen Zwecken des Ermessens, also der Herstellung angemessener und einzelfallgerechter Entscheidungen, ausreichend Rechnung tragen kann1842, insbesondere wenn die Eigenschaft des Ermessens als individuelle Rechtskonkretisierungspflicht der Verwaltung betont wird1843. Doch auch in dieser Hinsicht legen bei genauerer Betrachtung gewichtige Anhaltspunkte einen positiveren Befund dergestalt nahe, dass letztlich auch artifizielle Entscheidungssysteme unter schematisierter Abbildung der Entscheidungsspielräume einer rechtmäßigen Ermessenswahrnehmung nicht prinzipiell entgegenstehen, mithin Bereiche einer zulässigen Ermessensautomation grundsätzlich möglich erscheinen. aa) Antizipierbarkeit und Ubiquität wertender Entscheidungsanteile Unter der Prämisse, dass angemessene und sachgerechte Entscheidungen im Einzelfall einer (irgendwie gearteten) Wertung und Abwägung im Zusammenhang mit ihrer Erzeugung bedürfen, muss zunächst der geläufigen Annahme einer völligen Widersprüchlichkeit zwischen wertenden Entscheidungskomponenten und algorithmischen Entscheidungsstrukturen entgegengetreten werden. Freilich kommt Algorithmen nach gegenwärtigem Technikstand (und auch in allernächster Zeit) nicht die originäre Fähigkeit zu, den eingeräumten Entscheidungsspielraum einer komplexen Ermessensvorschrift eo ipso sachgerecht mit Inhalt auszufüllen, zumal algorithmischen Arbeitsvorgängen regelmäßig gerade kein kognitives Verständnis der rechtlichen Maßgaben der anzuwendenden Norm zu eigen sein wird.1844 Allerdings lassen einerseits selbst komplexe Abwägungsentscheidungen dennoch ein gewisses Maß an Standardisierung zu und können damit auch einer Maschine eine Gewichtung bestimmter Aspekte erlauben, sofern dieser die vorzunehmende Gewichtung nach einem bestimmten Muster maschinentechnisch verarbeitbar vorgegeben ist.1845 Zum anderen kommt es genau besehen auch gar nicht auf eine wertende, urtei1842  Vgl. in Bezug auf sozialrechtliche Entscheidungen Martini/Nink, DVBl. 2018, 1128 (1132); vgl. auch Köhler, WzS 2018, 279 (284); Siegel, DVBl. 2017, 24 (26); Braun Binder, DStZ 2016, 526 (529); dies., NVwZ 2016, 960 (961, 963) sowie bereits § 6 B. I. 1. m. w. N. 1843  Vgl. Herold, Demokratische Legitimation automatisiert erlassener Verwaltungsakte, S.  218 m. w. N. 1844  Solche Kognitionsfähigkeiten werden dabei nicht einmal „intelligenten“, also auf indeterminierten Funktionsprinzipien beruhenden Algorithmen zuteil, siehe § 5 B. I. 2. und II. 2. a) aa), bb) (1). 1845  Siegel, VerwArch 105 (2014), 241 (258 f.); vgl. auch Hofmann, Abwägung im Recht, S.  206 ff.



B. Vollautomatisierte Ermessens- und Beurteilungsentscheidungen451

lende oder abwägende Entscheidung des Algorithmus selbst an, dem – wie bereits festgestellt – dahingehende Funktionsprofile ohnehin wesensmäßig fremd sind.1846 Vielmehr bauen algorithmische Entscheidungssysteme der hier betrachteten Art in maßgeblicher Weise auf einer Abstrahierung und nachfolgenden Antizipierung der Rechtsanwendung in den automatisiert zu vollziehenden Regelungsmaterien auf1847, die als Produkt einer interdisziplinären Arbeitsleistung von Informatikern und Verwaltungsjuristen erarbeitet und im Programmcode hinterlegt wird1848 und im Rahmen derer sodann auch sämtliche derjenigen für den Vollzug des jeweiligen Regelungsbereichs relevanten Entscheidungskomponenten in typisierender Weise abgebildet werden, die von wertenden, abwägenden und/oder beurteilenden Faktoren durchsetzt sind.1849 Die sich auf diese Weise realisierende, umfassende Vorzeichnung auch abwägender und wertungserfüllter Entscheidungen oder Entscheidungselemente im Entscheidungssystem, die dem Algorithmus eine subordinierende Zuordnung der zu entscheidenden Fälle erlaubt1850, hat schlussendlich zur Folge, dass jedenfalls in den als typisch zugrunde gelegten Entscheidungskonstellationen durchaus sach- und einzelfallgerechte Ergebnisse hervorgebracht werden. Darüber hinaus stellen sich die Existenz und Notwendigkeit wertender Faktoren bei der Entscheidungsfindung keinesfalls als Proprium administrativer Letztentscheidungsprärogativen dar. Aspekte der Abwägung, Wertung und Gewichtung verkörpern vielmehr Umstände, die der Anwendung eines jeden Rechtssatzes unabhängig von zugewiesenen Ermessens- und Beur­ teilungsspielräumen gemein sind1851 und auf verschiedenen dogmatischen Ebenen erforderlich werden, sei es beim Vorgang der Subsumtion1852, der Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe oder einer Prüfung der Verhältnis1846  Diesen Aspekt betonend aber Prell, apf 2017, 237 (240). Vgl. auch Schmitz/ Prell, NVwZ 2016, 1273 (1276); Stegmüller, NVwZ 2018, 353 (357). 1847  Siehe § 5 A. I. 1. a) aa), E. II. 1. und 3. 1848  So bereits § 5 A. I. 1. a) aa) sowie E. II. 1. je m. w. N. 1849  Vgl. insoweit auch bereits die ähnlichen Überlegungen bei Luhmann, Recht und Automation, S. 72 f. („[wenn] der Maschine […] auch gewisse Vorentscheidungen der […] Ermessensanwendung von Juristen zugestellt werden“) sowie den Gedanken bei Hoffmann-Riem, in: Unger/Ungern-Sternberg, Demokratie und KI, 129 (140), der bei ausschließlichem Algorithmeneinsatz dennoch skeptisch bleibt. Vgl. zudem Windoffer, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, § 35a, Rn. 19 („aufgrund vorgängiger menschlicher Programmierung algorithmisch vorgegebene […] recht­ liche Wertungen“) sowie § 5 A. I. 1. a) aa) und E. II. 1. 1850  Vgl. auch Luhmann, Recht und Automation, S. 72 f. sowie zum Gedanken der Subordination bereits § 5 E. II. 3. 1851  Berger, DVBl. 2017, 804 (808); vgl. auch Jestaedt, in: Ehlers/Pünder, Allg. VerwR, § 11, Rn. 9 ff. 1852  Jedenfalls nach ihrer methodischen Grundkonstruktion, vgl. insoweit § 5 E. I. sowie Windoffer, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, § 35a, Rn. 19.

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§ 6 Der vollautomatisierte Erlass von Verwaltungsakten

mäßigkeit1853 einer Maßnahme. Ausgehend vom Befund einer prinzipiellen Widersprüchlichkeit zwischen wertenden Entscheidungselementen und algorithmischen Entscheidungssystemen müsste eine Automatisierbarkeit von Verwaltungsentscheidungen bereits aus diesem Grund generell, also auch für gebundene Entscheidungen abgelehnt werden, was aber weder rechtspolitisch sinnvoll erscheint noch den gesetzgeberischen Zielvorstellungen entspricht und auch verfassungsrechtlich keineswegs geboten ist1854. Die Existenz wertender Faktoren innerhalb eines Verwaltungsverfahrens mit involvierten Ermessens- oder Beurteilungsspielräumen kann damit als solche jedenfalls keinen überzeugenden Ausschlussgrund derartiger Verfahren von einer vollautomatisierten Abwicklung konstituieren.1855 bb) Standardisierte Ermessensausübung durch administrative Selbstbindung Ein weiterer erkenntnisreicher Gesichtspunkt dafür, dass auf Schematisierungen basierende Ausfüllungskonzepte von administrativen Letztentscheidungsbefugnissen nicht als Kategorienfehler zu begreifen sind und damit in der Folge auch in keinem prinzipiellen Hindernis einer Automatisierbarkeit von Ermessensentscheidungen münden, kann überdies aus einem vergleichenden Blick auf herkömmliche Abwicklungsformen von Verwaltungsverfahren gewonnen werden, im Rahmen derer die Rechtsanwendung insbesondere in Bereichen der Massenverwaltung seit jeher einem gewissen Maß an Standardisierung zugeneigt war1856. Speziell auf die Ausübung von Ermessensspielräumen bezogen gilt es hierbei allen voran die gängige Praxis der sich unter dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG manifestierenden Selbstbindung der Verwaltung durch ermessensleitende Verwaltungsvorschriften und/oder eine ständige Verwaltungsübung anzuführen1857, durch welche der den Entscheidungsfreiräumen innewohnende und der Verwaltung anheimgestellte Auftrag zur Konkretisierung- und Individualisierung des Rechts ebenfalls in beträchtlichem Umfang eine abstrahierte und fallgruppenartige Vorzeichnung erfährt, die mit einer im Wege entsprechender Programmierung

1853  Eine computergestützte Rechtsanwendung insoweit ausdrücklich ablehnend Mellinghoff, DStJG 42 (2019), 287 (308). 1854  Siehe zusammenfassend § 5 A. V. 1855  Vgl. i. E. auch Berger, DVBl. 2017, 804 (808), die aus diesem Grund auch die vorgenommene gesetzliche Differenzierung des § 35a VwVfG (und Parallelnormen) als nicht überzeugend erachtet. 1856  Berger, NVwZ 2018, 1260 (1262), die insoweit auch auf das rechtsstaatliche Bedürfnis eines einheitlichen Verwaltungsvollzugs hinweist; vgl. auch Jestaedt, in: Ehlers/Pünder, Allg. VerwR, § 11, Rn. 78; v. Harbou, JZ 2020, 340 (346). 1857  Allgemein Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 40, Rn. 103 ff.



B. Vollautomatisierte Ermessens- und Beurteilungsentscheidungen453

umgesetzten Antizipierung der Ermessensausübung1858 strukturell vergleichbar ist.1859 Ausgehend von dieser Parallelität erscheint es zunächst wenig einsichtig, warum eine vorgelagerte und abstrakte Steuerung administrativer Ermessensspielräume durch Selbstbindungstatbestände einerseits akzeptiert, eine automatisierte Erzeugung von Ermessensentscheidungen unter der Ägide eines ebenfalls antizipiert angeleiteten algorithmischen Entscheidungs­systems andererseits dagegen mit dem Makel der Undurchführbarkeit gebrandmarkt wird.1860 Dieser Befund gilt umso mehr, als softwarebasierte Computerprogramme, d. h. konkret die Gesamtheit derjenigen algorithmischen Komponenten und Handlungsanweisungen, die dem juristischen Entscheidungssystem zugrunde liegen, nach allgemeiner verwaltungsrechtlicher Dogmatik selbst als Verwaltungsvorschriften eingeordnet werden1861, ihre dogmatische Fundierung mithin unmittelbar derjenigen der Verwaltungsvorschriften entlehnt ist. Entsprechend dieser Überlegungen gelangt ein Teil des Literatur1858  Siehe

oben § 6 B. II. 1. b) aa). Parallele ziehen u. a. auch Kube, VVDStRL 78 (2019), 289 (305); Martini/Nink, DVBl. 2018, 1128 (1129 f.); Ziekow, NVwZ 2018, 1169 (1171); jedenfalls für Ermessensbindungen durch Verwaltungsvorschriften Schröder, VerwArch 110 (2019), 328 (333); Polomski¸ Der automatisierte Verwaltungsakt, S. 56 ff., insbes. 58 und 94; Tönsmeyer-Uzuner, Expertensysteme in der öffentlichen Verwaltung, S. 112 f.; Braun Binder, DÖV 2016, 891 (894); Lazaratos, Rechtliche Auswirkungen der Verwaltungsautomation, S. 222 ff., insbes. 223 f.; Britz, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, § 26, Rn. 59, insbes. 62; Ritgen, in: Bauer/Heckmann/Ruge/Schallbruch/Schulz, VwVfG, § 35, Rn. 57; vgl. zudem Stegmüller, NVwZ 2018, 353 (357); Djeffal, DVBl. 2017, 808 (814 f.); Fadavian, in: v. Lucke, Smart Government, S. 128 f., der insofern sogar von einer besseren und präziseren Ausführung der gewollten Selbstbindung ausgeht; Helbich, DStR 2017, 574 (575) sowie Bull, DVBl. 2017, 409 (412), der in diesem Zusammenhang mit Recht auf das Steuerrecht als eindrucksvolles Beispiel verweist, das mit einer Vielzahl von BMFRundschreiben, allgemeinen Verwaltungserlassen sowie speziellen Anwendungs- und Nichtanwendungserlassen durch eine besonders extensive Praxis der abstrakten Vorzeichnung von Verfahren durch Verwaltungsvorschriften geprägt ist. 1860  Vgl. auch Djeffal, DVBl. 2017, 808 (814 f.); Martini/Nink, DVBl. 2018, 1128 (1129 f.); Kube, VVDStRL 78 (2019), 289 (305); für das Steuerrecht Gercke, in: ­Koenig, AO, § 155, Rn. 71b; überwiegend im Kontext demokratische Zurechnung Schröder, VerwArch 110 (2019), 328 (333). 1861  Siehe nur Möstl, in: Ehlers/Pünder, Allg. VerwR, § 20, Rn. 51; Schmidt, AöR 96 (1971), 321 (352); Hill/Martini, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, § 34, Rn. 67; Hoffmann-Riem, AöR 130 (2005), 5 (59); Eifert, E-Government, S. 129; Redeker, NVwZ 1986, 545 (545 f.); zunehmend einschränkend diesbzgl. allerdings zuletzt Guckelberger, Öffentliche Verwaltung, Rn. 469 ff. m. w. N., die i. E. aber wenig befriedigend in manchen Fällen von einem „aliud“ bzw. „digitalisierten Verwaltungsregelungen für IT-Systeme“ ausgeht, ohne dass daran konkrete dogmatische Implikationen geknüpft werden könnten. Mangels Remonstrationsfähigkeit ebenfalls ablehnend Siegel, in: Stern/Sodan/Möstl, Staatsrecht, § 46, Rn. 41. 1859  Diese

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§ 6 Der vollautomatisierte Erlass von Verwaltungsakten

spektrums deshalb auch zu der Überzeugung, zumindest in Bereichen zulässiger administrativer Selbstbindung eine automatisierte Entscheidungsfindung auch bei (auf Rechtsfolgenseite) nicht vollständig determinierten Entscheidungsgrundlagen im Grundsatz zu akzeptieren.1862 Eine Standardisierung und Antizipierung der Ausfüllung exekutivischer Letztentscheidungsspielräume stellt sich somit bei genauerer Betrachtung keineswegs als Produkt der (zuletzt unter dem BestVerfModG intensivierten1863) Automation von außenwirksamen Verwaltungsentscheidungen dar, sondern ist vielmehr als seit Langem in Dogmatik und ständiger Praxis des Verwaltungsrechts verwurzeltes Konzept zu verstehen, das sich in dem neu hinzugewonnenen Rechts­institut eines vollständig automatisiert erlassenen Verwaltungsakts lediglich in einer anhand der modernen technischen Möglichkeiten weitergedachten Form wiederfindet. Als solches macht es eine im Lichte der bisherigen Dogmatik folgerichtige Einbettung erforderlich, welche jedenfalls nicht sachgerecht in einer generellen Ablehnung automatisierter Ermessensentscheidungen erblickt werden kann. cc) Die Problematik des atypischen Falles Trotz der positiven Signale, die administrativen Selbstbindungen – als im Grunde altgedientes Konzept einer Standardisierung von Letztentscheidungsspielräumen –zugunsten einer Automatisierbarkeit von Ermessensentscheidungen im Ausgangspunkt entnommen werden können, darf sodann aber nicht übersehen werden, dass selbige freilich nur insoweit als Indikator einer Automatisierbarkeit von Ermessensentscheidungen fungieren können, als eine Selbstbindung der Verwaltung überhaupt zulässigerweise reichen kann.1864 Als zentrales Problem und offene Flanke der bisherigen Argumentation erweist sich in diesem Zusammenhang deshalb die – ebenfalls in der Dogmatik des programmgeleiteten Einzelvollzugs verankerte – Erkenntnis, dass sich eine unter administrativen Selbstbindungstatbeständen manifestierende, generelle Ermessensausübung nicht nur in der abstrakten Ausdeutung und Vorzeichnung der eingeräumten Entscheidungsspielräume sowie ihrer (mechanistisch-abgleichenden1865) Anwendung auf den Einzelfall erschöpft. 1862  An dieser Stelle nur Polomski¸ Der automatisierte Verwaltungsakt, S. 56 ff., insbes. 58 und 94; Tönsmeyer-Uzuner, Expertensysteme in der öffentlichen Verwaltung, S.  112 f.; Martini/Nink, DVBl. 2018, 1128 (1129 f.) sowie bereits § 6 B. I. 2. m. w. N. 1863  Vgl. hierzu bereits § 2 A. VI. 3. b), B. VI. und E. 1864  Vgl. insoweit zu Recht Herold, Demokratische Legitimation automatisiert erlassener Verwaltungsakte, S. 216 sowie bereits Lazaratos, Rechtliche Auswirkungen der Verwaltungsautomation, S.  223 f. 1865  Vgl. insoweit bereits § 5 E. II. 2. und 3.



B. Vollautomatisierte Ermessens- und Beurteilungsentscheidungen455

Vielmehr ist zusätzlich eine behördliche Individualisierungsleistung im konkreten Einzelfall erforderlich, die in der Lage ist, denjenigen atypischen Besonderheiten des Einzelfalls Rechnung zu tragen, die im Rahmen der abstrakten und fallgruppenartigen Programmierung des Ermessensspielraums nicht abgebildet werden können, wodurch der jeweilige Entscheidungsfreiraum erst vollumfänglich wahrgenommen wird.1866 Da eine generelle Er­ messensausübung ohne entsprechende Berücksichtigungsfähigkeit atypischer Einzelfallumstände hieran gemessen notwendig unvollkommen, mithin fehlerhaft bleiben muss1867, wird in dieser selbst bei (zulässiger) Antizipierung des Entscheidungsspielraums noch verbleibenden Individualisierungspflicht der Behörde schließlich auch gehäuft ein strukturelles Hindernis der Automatisierbarkeit von Ermessensentscheidungen erblickt.1868 dd) Risikomanagementsysteme als Kompensationsinstrument Obgleich der Dogmatik der programmgeleiteten Ermessensausübung in ihren Kernaussagen ohne Weiteres zuzustimmen, diese vor allem nicht an sich in Zweifel zu ziehen ist, erscheinen aus ihr abgeleitete und auf einen prinzipiellen Ausschluss von automatisierten Ermessensentscheidungen gerichtete Schlussfolgerungen der soeben beschriebenen Art nach hier vertretener Auffassung im Ergebnis dennoch verfehlt. Insbesondere eine verbleibende Individualisierungspflicht der Behörde im Hinblick auf die Ausfüllung des 1866  Im Falle eines atypischen Einzelfalles ist die Behörde sodann zur Abweichung vom Entscheidungsprogramm berechtigt, aber auch verpflichtet. Zu dieser „zweistufigen“ Dogmatik statt vieler nur Möstl, in: Ehlers/Pünder, Allg. VerwR, § 19, Rn. 35 ff.; § 20, Rn. 38; Seibert, in: FS BVerwG, 535 (539 ff., 543 ff., 546 f.); Maurer/Waldhoff, Allg. VerwR, § 7, Rn. 14 ff.; BVerwG, Beschl. v. 27.12.1990 – 1 B 162/90 (juris Rn. 6); für das Steuerrecht Drüen¸ in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 5 AO, Rz. 50 m. w. N. 1867  Möstl, in: Ehlers/Pünder, Allg. VerwR, § 19, Rn. 36 f.; § 20, Rn. 38: „(partieller) Ermessenausfall“; s. auch BVerwGE 15, 196 (202 f.); 19, 48 (55); Seibert, in: FS BVerwG, 535 (546 f.) m. w. N. 1868  Vgl. Laue, Vorgangsbearbeitungssysteme in der öffentlichen Verwaltung, S. 201 ff., insbes. 203; Lazaratos, Rechtliche Auswirkungen der Verwaltungsautomation, S. 222 ff., insbes. 229; Helbich, DStR 2017, 574 (575 f.); Köhler, WzS 2018, 279 (284); ausschließlich in Bezug auf ein intendiertes Ermessen Siegel, DVBl. 2017, 24 (26); aus schweizerischer Perspektive: Degrandi, Die automatisierte Verwaltungsverfügung, S. 79, der auf der Grundlage eines dahingehenden Normzwecks aber bereits Rückausnahmen akzeptiert; Rechsteiner, in: Jusletter IT vom 26. November 2018, Rz. 29; vgl. auch Polomski, Der automatisierte Verwaltungsakt, S. 56 ff., insbes. 58; Tönsmeyer-Uzuner, Expertensysteme in der öffentlichen Verwaltung, S. 113 f. sowie Braun Binder, DÖV 2016, 891 (894), die zur Auflösung des Konflikts i. E. aber eine Aussteuerungsvorrichtung im Entscheidungsprogramm als ausreichend erachten; Herold, Demokratische Legitimation automatisiert erlassener Verwaltungsakte, S. 216; Schmitz/Prell, NVwZ 2016, 1273 (1276); Ritgen, in: Bauer/Heckmann/Ruge/Schallbruch/Schulz, VwVfG, § 35, Rn. 57; Drüen, DStJG 42 (2019), 193 (202 f.).

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§ 6 Der vollautomatisierte Erlass von Verwaltungsakten

Ermessensspielraums vermag eine dahingehende Ablehnung bei genauerer Betrachtung letztlich nicht überzeugend zu stützen, zumal in Form von technisch-implementierten Mechanismen zur Aussteuerung individueller Einzelfälle aus den automatisierten Verarbeitungsvorgängen durchaus Möglichkeiten existieren, um dieser Residualverpflichtung zur Erkennung und Filterung atypischer Einzelfälle auch in vollautomatisierten Verfahren nachzukommen oder zumindest einer etwaigen Abschwächung der Individualisierungsleistung kompensatorisch entgegenzuwirken.1869 Kein entscheidendes Gewicht bei der Erfüllung oder zumindest Kompensation des in Rede stehenden Individualisierungsauftrags kann dabei freilich (allein) auf Formen gewillkürter Aussteuerungen, insbesondere in Gestalt qualifizierter Freitext- bzw. Datenfelder1870, gelegt werden1871, da dieser maßgeblich an die zur Ausübung der eingeräumten Letztentscheidungskompetenz (gerade gegenüber der Judikative) berufene1872 Verwaltung gerichtet ist, gewillkürte Aussteuerungsmechanismen dagegen aber in entscheidendem Maße dem Problembewusstsein, der Aufrichtigkeit sowie der Bereitschaft zur Mitwirkung seitens der Bürger anheimgestellt sind1873, also nur bedingt eine behördliche (Rechts-)Individualisierung substituieren können. Stattdessen ist das Augenmerk auf den Einsatz von Risikomanagementsystemen zu richten, die als technisches Subsystem des juristischen Entscheidungsprogramms1874 im Hinblick auf die Ermessensausübung das Bestehen eines womöglich atypischen und damit abweichungsbedürftigen Einzelfalles 1869  Eine (nicht näher spezifizierte) „Aussteuerung“ bzw. „Aussonderung“ einzelner Verfahren ebenfalls diskutierend bzw. fordernd: Polomski¸ Der automatisierte Verwaltungsakt, S. 58 und 94; Tönsmeyer-Uzuner, Expertensysteme in der öffentlichen Verwaltung, S.  113 f.; Braun Binder, DÖV 2016, 891 (894) unter Verweis auf BT-Drs. 18/7457, S. 83 zu § 155 Abs. 4 S. 2 Nr. 2 AO, wo sich ebenfalls eine dahingehende Andeutung findet; U. Stelkens, in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35a, Rn.  40 f., 46; Guckelberger, in: FS Herberger, 397 (407 f. mit Fn. 83); vgl. auch Djeffal, DVBl. 2017, 808 (815); Martini/Nink, DVBl. 2018, 1128 (1129 f.); Siegel, DVBl. 2017, 24 (26); Gruber, Verwaltungsentscheidungen vom Computer, S. 64 ff., 72 f. Bei Durchführung einer von Ritgen, in: Bauer/Heckmann/Ruge/Schallbruch/Schulz, VwVfG, § 35, Rn. 57 vorgeschlagenen „Vorprüfung“ durch einen Amtswalter läge dagegen kein vollautomatisierter Verwaltungsakterlass mehr vor. 1870  Zu gewillkürten Aussteuerungsmechanismen als kompensatorisches Instrument bei Amtsermittlung und Anhörung bereits § 5 C. I. 2. b) aa) und II. 2. c). 1871  So zu Recht auch Herold, Demokratische Legitimation automatisiert erlassener Verwaltungsakte, S. 216; a.  A. insoweit U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35a, Rn. 41. 1872  Vgl. hierzu bereits oben § 6 B. II. 1. vor a) und a). 1873  Zur Mitwirkungsabhängigkeit gewillkürter Aussteuerungen bereits § 5 C. I. 2. b) bb) vor (1). 1874  Allgemeiner zu Risikomanagementsystemen bereits § 5 C. I. 2. b) bb).



B. Vollautomatisierte Ermessens- und Beurteilungsentscheidungen457

anhand aussagekräftiger Risikodeterminanten hinreichend zuverlässig erkennen und ohne die Notwendigkeit betroffenenseitiger Mitwirkung an einen menschlichen Mitarbeiter aussteuern können.1875 In gleicher Weise wie im Kontext des Untersuchungsgrundsatzes Risiken rechtswidriger Entscheidungen, die durch automationsinduzierte Amtsermittlungsdefizite hervorgerufen werden1876, mittels eingesetzter Risikomanagementsysteme aufgefangen werden können1877, müssen selbige somit auch bei einer automatisierten und damit standardisierten Ausübung von Ermessensspielräumen eine kompensatorische Funktion dergestalt einnehmen, dass automationsbedingte Defizite in der Individualisierbarkeit des jeweiligen Entscheidungsfreiraums im Einzelfall durch eine gezielte Involvierung humanen Sachverstands bei erkannten oder vermuteten Anomalien des jeweiligen Sachverhalts im Vergleich zum festgelegten Typisierungsrahmen des Entscheidungsspielraums abgemildert werden. Angesichts ihrer funktionalen Überlegenheit bei Musterab­ gleichungs- und -zuordnungsaufgaben1878 erscheint im Hinblick auf das Funk­tionsprofil der angedachten (Risikoerkennungs-)Systeme sodann erneut ein Rückgriff auf indeterminierte, also selbstlernende Algorithmen empfehlenswert1879, deren Zuhilfenahme – anders als bei der Automatisierung der Ermessensausübung an sich1880, die der Ebene der Rechtsanwendung i. e. S. zuzuordnen ist1881 – nicht nur unter der Domäne risikoidentifizierender und -evaluierender Funktionsebenen des Entscheidungssystems verfassungsrechtlich akzeptiert werden 1875  Den Einsatz algorithmischer Systeme zur „Herausfilterung“ atypischer Fälle im Hinblick auf eine ordnungsgemäße Ermessensausübung deuten auch Tischbirek, ZfDR 2021, 307 (325 mit Fn. 97); Djeffal, DVBl. 2017, 808 (815) („atypische Fälle durch technische Maßnahmen […] ausgesondert werden.“); Guckelberger, in: FS Herberger, 397 (407 f. mit Fn. 83) sowie Laue, Vorgangsbearbeitungssysteme in der öffentlichen Verwaltung, S. 203 explizit an, wobei letzterer diese Möglichkeit i. E. aber verneint. 1876  Z. B. durch unvollständige, unrichtige oder unplausible Angaben. 1877  Siehe § 5 C. I. 2. b) bb). 1878  Siehe § 5 B. II. 2. c) aa). Zu betonen sind in diesem Zusammenhang die Ausreisser- und Neuheitserkennung als spezifische Anwendungsbereiche maschineller Lernverfahren, siehe Alpaydin, Maschinelles Lernen, S. 9 f. 1879  Zu selbstlernenden Funktionsmodellen bei Risikomanagementsystemen § 5 C. I. 2. b) bb) (b). 1880  Vgl. insoweit auch Herold, DSRITB 2018, 453 (463) sowie aus schweizerischer Sicht Rechsteiner, in: Jusletter IT vom 26. November 2018, Rz. 29; aufgeschlossener bzgl. eines dahingehenden Einsatzes selbstlernender Algorithmen aber Ziekow, NVwZ 2018, 1169 (1171); Guggenberger, NVwZ 2019, 844 (848); gewisse Andeutungen in diese Richtung finden sich zudem bei Djeffal, DVBl. 2017, 808 (815); Schmitz/Prell, NVwZ 2016, 1273 (1276) und Hornung, in: Schoch/Schneider, VwVfG, § 35a, Rn. 33, 36, der i. E. aber skeptisch bleibt. 1881  Zu den Bestandteilen der rechtsanwendenden Funktionsebenen § 5 B. II. 2. vor a).

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§ 6 Der vollautomatisierte Erlass von Verwaltungsakten

kann1882, sondern auch dem determinierten Risikomanagementsystemen inhärenten Dilemma zwischen (wiederum) notwendiger Schematisierung und atypischer Natur abweichungsbedürftiger Einzelfälle ent­geht1883. Gerade in für eine automatisierte Verfahrensabwicklung primär in Frage kommenden Regelungsbereichen, die sich typischerweise durch weniger komplex und einzelfallorientiert gelagerte, massenhaft auftretende und rechtlich begrenzt folgenreiche Situationen auszeichnen, kann dabei ohnehin nur von abgeschwächten Anforderungen an die Rechtsindividualisierung von Seiten der eingeräumten Entscheidungsspielräume ausgegangen werden1884, so dass eine Kompensation der herkömmlich durch menschliche Entscheidungsträgerschaft verantworteten Individualisierungsleistung, die im Übrigen gleichermaßen nicht vor der realen Gefahr eines Übersehens oder Verkennens atypischer Sachlagen gefeit ist1885, mittels einer technischen, bestenfalls stochastisch-induktiven „Ausfilterung“ atypischer Fallkonstellationen im Wege eines Risikomanagementsystems vertretbar und ausreichend erscheint. Eine solche Einschätzung suggerieren schließlich auch die – vereinzelt gebliebenen und binnensystematisch fragwürdigen – Andeutungen des Gesetzgebers hinsichtlich automatisierter Ermessensbereiche in den Dunstkreisen des BestVerfModG sowie des JStG 20191886. Obwohl der Gesetzgeber dort in ähnlicher Weise zum einen mit Blick auf die automatisierte Beifügung von Nebenbestimmungen gem. § 155 Abs. 4 S. 2 Nr. 2 AO eine auf der Grundlage einer „allgemeinen Anordnung“ oberster Finanzbehörden eingetretene „Ermessensbindung“ annimmt1887 und zum anderen im Kontext einer automatisierten Fristverlängerung gem. § 109 Abs. 4 AO die Berücksichtigung „ent­ sprechende[r] Ermessensrichtlinien der obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder“ anmahnt1888, er also allgemeiner betrachtet ebenfalls das 1882  Zu dieser funktional differenzierenden Betrachtungsweise bereits § 5 B. II. 2. vor a) und III. 1883  Dieser Aspekt stellt nach Laue, Vorgangsbearbeitungssysteme in der öffentlichen Verwaltung, S. 203 den wesentlichen Kritikpunkt dar. Vgl. insoweit auch Lazaratos, Rechtliche Auswirkungen der Verwaltungsautomation, S. 229. 1884  Vgl. Eifert, E-Government, S. 130 ff.; Tischbirek, ZfDR 2021, 307 (324 f.); einen ähnlichen Gedankengang verfolgt letztlich auch Herold, Demokratische Legitimation automatisiert erlassener Verwaltungsakte, S. 219 ff., die mit ihrer Anknüpfung an den Zweck der Ermessensermächtigung i. S. d. § 40 VwVfG ebenfalls Ermessensspielräume anerkennt, deren Zweckrichtung nicht gerade in der individuellen Würdigung besonderer Fallmerkmale liegt und daher auch eine generelle bzw. automatisierte Ermessenausübung erlaubt. 1885  Vgl. Djeffal, DVBl. 2017, 808 (815); Fadavian, in: v. Lucke, Smart Government, S. 129. 1886  Hierzu bereits § 6 A. V. 1887  Vgl. BT-Drs. 18/7457, S. 83 sowie bereits § 6 A. III. 1. und insbes. 2. 1888  Vgl. BT-Drs. 19/13436, S. 191 sowie bereits § 6 A. III. 3.



B. Vollautomatisierte Ermessens- und Beurteilungsentscheidungen459

Konzept standardisierter Ermessensspielräume bemüht, findet dagegen eine notwendige Berücksichtigungsfähigkeit atypischer Einzelfälle inklusive einer entsprechenden Abweichungsbefugnis und -pflicht mit keinem Wort Erwähnung, was die Annahme nahelegt, dass der Gesetzgeber in bestimmten Ermessensbereichen offenbar selbst von einer schwächer ausgeprägten Individualisierungspflicht ausgeht. Insgesamt bleibt damit festzuhalten, dass in gleicher Weise wie sich das Konzept einer standardisierten Ausfüllung von administrativen Ermessensspielräumen im neuen Rechtsinstitut des vollautomatisiert erlassenen Verwaltungsakts in einer technisch weitergedachten Form niederschlägt1889 auch eine (rechtliche und tatsächliche) Bewältigung der automationsbedingten Defizite hinsichtlich des im eingeräumten Ermessensspielraum angelegten Auftrags zur Individualisierung des Rechts im Lichte dieser modernen informationstechnischen Möglichkeiten entwickelt werden muss. Ebenjene Rolle nehmen nach hier vertretener Auffassung im juristischen Entscheidungs­ system technisch implementierte und bestenfalls indeterminierten Funktionsprinzipien folgende (Sub-)Systeme zur Risikoerkennung und -evaluierung ein, die bei hinreichend wahrscheinlichen Auswirkungen einer (rein) standardisierten Ermessensausfüllung auf die Rechtmäßigkeit der Einzelentscheidung eine risikoinduzierte Aussteuerung bewirken und so eine zumindest prognostische Berücksichtigungsfähigkeit konkreter und atypischer Einzelfallumstände herstellen.1890 c) Zwischenergebnis Ausgehend von den oben dargelegten Gesichtspunkten bieten letztlich weder wesensbezogene noch funktionelle Einwände einen ausreichend belastbaren Anhaltspunkt, um von einem prinzipiellen Ausschluss automatisierter Wahrnehmungsformen von Ermessensspielräumen ausgehen zu können. Nicht nur erweist sich die Einräumung von Ermessensspielräumen als grundsätzlich indifferent in Bezug auf die Form ihrer Ausfüllung und setzt damit keineswegs kategorisch eine menschliche Ausübung voraus. Vielmehr können auch wertende Entscheidungsanteile, welche für eine Ermessensausübung gemeinhin als notwendig angesehen werden und (rechtsfolgen-)gebundenen Verwaltungsentscheidungen im Übrigen ebenso innewohnen (müssen), durchaus im Wege der Antizipierung in einem algorithmischen Handlungs1889  Siehe

hierzu § 6 B. II. 1. b) bb). auch Kube, VVDStRL 78 (2019), 289 (304 f.). Insofern kann es von vornherein keinen allgemeinen Anspruch auf eine umfassende, sondern nur hinreichende Individualisierung einer Verwaltungsentscheidung geben, vgl. Wischmeyer, AöR 143 (2018), 1 (33 f.). 1890  Vgl.

460

§ 6 Der vollautomatisierte Erlass von Verwaltungsakten

programm gespeichert und so zumindest für die als typisch zugrunde gelegten Konstellationen technisch reproduziert werden. Eine automatisierte Ausübung von Ermessensspielräumen durch ein juristisches Entscheidungssystem erscheint vor diesem Hintergrund grundsätzlich umsetzbar und stellt sich dabei im Kern lediglich als technisch aktualisierte Spielart einer standardisierten Ermessensausübung dar, wie diese unter den Steuerungswirkungen administrativer Selbstbindungen (z. B. durch ermessensleitende Verwaltungsvorschriften) seit langem als verwaltungsrechtliches Konzept in Dogmatik und Praxis verankert ist. Eine rechtliche Bewertung der Automatisierbarkeit von Ermessensentscheidungen hat hiervon ausgehend sinnvollerweise unter Anknüpfung an in diesem Zusammenhang entwickelte Grundsätze zu erfolgen, die eine Zulässigkeit automatisiert erzeugter Ermessensentscheidungen durchaus indizieren, sofern eine Berücksichtigungsfähigkeit atypischer Besonderheiten, mithin ein Rest an e­ chter Individualisierbarkeit des eingeräumten Ermessensspielraums gewährleistet bleibt. In dieser letztgenannten Hinsicht nehmen sodann im Entscheidungsprogramm implementierte Risikomanagementsysteme, die eine Aussteuerung des Verfahrens im (atypischen) Falle einer vermuteten Fehlerhaftigkeit der Entscheidung bei rein standardisierter Ermessensausübung vornehmen, eine kompensatorische Funktion ein, um mit einer Automatisierung notwendig verbundene Defizite in der Ausfüllung des administrativen Individualisierungsauftrags aufzufangen. Insbesondere in Rechtsbereichen, im Rahmen derer z. B. angesichts einer geringer ausgeprägten Komplexität, Einzelfallorientierung und rechtlichen Folgenschwere nur abgeschwächte Individualisierungsanforderungen zum Ausdruck kommen, kann insofern von einer äquivalenten technischen Substitution der herkömmlich menschlich wahrgenommenen Indivi­ dualisierungsleistung ausgegangen werden. 2. Automatisierte Beurteilungsspielräume Ein sehr ähnliches Fazit im Hinblick auf ihre Automatisierbarkeit ist sodann auch im Zusammenhang mit behördlichen Beurteilungsspielräumen zu ziehen, die aufgrund der erheblichen Parallelen zu (rechtsfolgenseitigen) Ermessensspielräumen im Folgenden allerdings nur kurz angeschnitten werden sollen. Ebenso wie das Verwaltungsermessen konstituieren diese eine administrative Letztprogrammierungsbefugnis gerade gegenüber der Gerichtsbarkeit, die sich – im Gegensatz zum Ermessen – aber nicht auf die Seite der Rechtsfolge, sondern die Beurteilung der Einschlägigkeit bestimmter (offener bzw. unbestimmter) Tatbestandsmerkmale, mithin die tatbestandliche Ebene einer behördlichen Ermächtigungsgrundlage bezieht1891 und unter der heute weit-



B. Vollautomatisierte Ermessens- und Beurteilungsentscheidungen461

gehend konsentierten sog. normativen Ermächtigungslehre gleichermaßen nur aus einer entsprechenden normativen Zuweisung erwachsen kann1892. Während hinsichtlich der Antizipierbarkeit und Allgegenwart von wertenden Entscheidungsanteilen auch für tatbestandliche Entscheidungsspielräume vollumfänglich auf die obigen Ausführungen verwiesen werden kann1893 und Beurteilungsspielräume darüber hinaus ebenfalls administrativen Selbstbindungen unterliegen können1894, in Form von normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften diese ja sogar unmittelbar außenwirksame Standardisie­ rungen des Entscheidungsfreiraums kennen1895, kommen allenfalls vor dem Hintergrund der anerkannten Fallgruppen von Beurteilungsspielräumen noch abweichende Beurteilungsansätze in Betracht, die mit Prüfungsentscheidungen, beamtenrechtlichen Beurteilungen, Einschätzungen weisungsfreier Gremien sowie Prognose- und Risikobewertungen unter besonderen Komplexitäts- und Unsicherheitsbedingungen1896 noch am ehesten ein kategorisches Erfordernis menschlicher Beurteilung nahelegen könnten. Doch auch unter diesem Gesichtspunkt resultierte ein dahingehendes Verlangen nach (nur) mensch­licher Entscheidung genau besehen nicht aus dem Wesen des Beurteilungsspielraums, der ähnlich wie das (Verwaltungs-)Ermessen im Kern eine (bloß) kompetenzielle Grenzziehung zwischen Exekutive und Judikative durch Einschränkungen der gerichtlichen Kontrolldichte, nicht aber eine verwaltungsorganisatorische oder gar instanzielle Zuweisung der Rechtsanwendung an menschliche bzw. nicht maschinelle Akteure vornimmt.1897 Vielmehr sind es letztlich die oftmals hochkomplexen, stark einzelfallgeprägten und eine besondere technisch-wissenschaftliche Expertise voraussetzenden Entscheidungskonstellationen, die sich hinter diesen Fallgruppen verbergen und häufig gerade die innere Rechtfertigung der Anerkennung einer eingeschränkt 1891  Jestaedt, in: Ehlers/Pünder, Allg. VerwR, § 11, Rn. 56 („tatbestandsbezogene Letztprogrammierungsbefugnis der Verwaltung“); vgl. auch Schoch, Jura 2004, 612 (613 ff., 618); Kment/Vorwalter, JuS 2015, 193 (195). 1892  Vgl. BVerfG NVwZ 2011, 1062 (1064  f., Rn. 71 ff.); BVerwGE 94, 307 (309 f.); Voßkuhle, JuS 2008, 117 (118); Kment/Vorwalter, JuS 2015, 193 (196 ff.); Aschke, in: BeckOK VwVfG, § 40, Rn. 103; Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 40, Rn. 22, 86. 1893  Siehe § 6 B. II. 1. b) aa). 1894  Vgl. BVerwG NVwZ 1982, 101 (101  f.); Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 40, Rn. 215. 1895  BVerwG NVwZ 2000, 440; BVerwGE 107, 338 (340  f.); 129, 209 (211, Rn. 12); Aschke, in: BeckOK VwVfG, § 40, Rn. 136. 1896  Zu den in der Rechtsprechung anerkannten Fallgruppen allgemein: Jestaedt, in: Ehlers/Pünder, Allg. VerwR, § 11, Rn. 58 ff.; Aschke, in: BeckOK VwVfG, § 40, Rn.  107 ff. 1897  Vgl. insoweit auch U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35a, Rn.  44 f.; Luthe, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, § 31a, Rn. 38 f.; Berger, NVwZ 2018, 1260 (1263).

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§ 6 Der vollautomatisierte Erlass von Verwaltungsakten

kontrollierbaren Letztprogrammierungsbefugnis bilden, die einer automatisierten Wahrnehmung des tatbestandlichen Entscheidungsspielraums mangels hinreichender Standardisierbarkeit entgegenstehen.1898 Außerhalb von solchen tatsächlichen Umsetzungsgrenzen erweist sich eine automatisierte Erzeugung von Verwaltungsentscheidungen mit eröffneten Beurteilungsspielräumen deshalb ebenfalls nicht als prinzipiell ausgeschlossen.1899 III. Konsequenz: Sachwidrigkeit administrativer Letztentscheidungsbefugnisse als normative Automationsgrenze Wie anhand der obigen Überlegungen herausgearbeitet wurde, kommen nach hier vertretener Auffassung sowohl Ermessens- wie auch Beurteilungsentscheidungen im Ausgangspunkt für eine vollständig automatisierte Erzeugung im Rahmen eines juristischen Entscheidungssystems in Betracht. Gewichtige Anhaltspunkte, die den Befund einer kategorischen Unvereinbarkeit von algorithmischen Entscheidungsstrukturen und administrativen Letztentscheidungsbefugnissen rechtfertigen würden, konnten dagegen nicht festgestellt oder bestätigt werden. Da ein intrinsischer Zusammenhang zwischen der normativen Einräumung von Ermessens- und Beurteilungsspielräumen und einer Automatisierbarkeit der Verwaltungsentscheidungen insofern nicht verlässlich hergestellt werden kann, lassen administrative Entscheidungsfreiräume letztlich nur eingeschränkt aussagekräftige und generalisierbare Rückschlüsse auf eine Beurteilung der Automationseignung bestimmter Verwaltungsverfahren zu und taugen folglich kaum als dogmatisch belastbare Automationsgrenze. Neben ihrer insoweit zu engen Konturierung tritt darüber hinaus noch erschwerend hinzu, dass Ermessens- und Beurteilungsspielräume auch in umgekehrter Richtung freilich nicht stellvertretend die gesamte Bandbreite an potentiell automationsungeeigneten Verwaltungsmaterien abzudecken vermögen, in gewisser Weise also gleichzeitig ein zu extensives Merkmal im Hinblick auf Automationsfragen darstellen. Insbesondere können auch (bloß) unbestimmte Rechtsbegriffe, die anerkanntermaßen kein genuines Letztentscheidungsrecht der Verwaltung beinhalten1900, in hohem 1898  Vgl. auch Luthe, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, § 31a, Rn. 38  ff.; ders., SGb 2017, 250 (254 f.); U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35a, Rn.  44 ff.; ders., in: Hill/Kugelmann/Martini, Digitalisierung in Recht, Politik und Verwaltung, 81 (114 f.); zust. Guckelberger, Öffentliche Verwaltung, Rn. 444. 1899  Von einer Zulässigkeit vollautomatisierter Entscheidungen bei bestehenden Beurteilungsspielräumen geht auch Frotscher, in: Schwarz/Pahlke, Erstkomm. BestVerfModG, § 155 AO, Rz. 7 aus. 1900  Statt vieler nur BVerfGE 129, 1 (Rn. 68); Aschke, in: BeckOK VwVfG, § 40, Rn. 25; Schoch, Jura 2004, 612 (614 f.).



B. Vollautomatisierte Ermessens- und Beurteilungsentscheidungen463

Maße wertungsoffene, situative und inhaltlich komplexe Züge annehmen und damit unabhängig von Ermessens- und Beurteilungsspielräumen die Leistungsgrenzen von algorithmischen Entscheidungsstrukturen der hier betrachteten Art1901 sprengen.1902 In diesem Sinne existieren ebenso gebundene Verwaltungsentscheidungen, die anspruchsvolle Rechtsanwendungsleistungen erfordern und daher nicht zielführend in eine automatisierte Abwicklung überführt werden können.1903 Bezogen auf das unter dem BestVerfModG kodifizierte Rechtsinstitut des vollautomatisierten Erlasses von Verwaltungsakten müssen diese aufgezeigten Limitationen in der Aussagekraft hinsichtlich einer Automatisierbarkeit bestimmter Verwaltungsverfahren sodann in der Erkenntnis münden, dass die explizite oder – in Gestalt eines „Anlasses“ zur personellen Bearbeitung – implizite gesetzgeberische Anknüpfung an das (Nicht-)Bestehen von Er­ messens- und Beurteilungsspielräumen im Kontext der §§ 35a VwVfG, 31a S. 1 SGB X und 155 Abs. 4 AO1904 bei Lichte betrachtet den Kern der Pro­ blematik um einen möglichen und sachgerechten Einsatz vollautomatisierter Verwaltungsverfahren in doppelter Hinsicht verfehlt und deshalb richtigerweise als wenig geglücktes Kriterium zur Differenzierung zwischen automationsgeeigneten und -ungeeigneten Verwaltungsmaterien aufzugeben ist.1905 1901  Gemeint sind solche, die auf einer Antizipierung der Rechtsanwendung beruhen, vgl. bereits § 5 A. I. 1. a) aa), E. II. 1. und § 6 B. II. 1. b) b) aa). 1902  Vgl. Luthe, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, § 31a, Rn. 38 ff.; ders., SGb 2017, 250 (254), der als sozialrechtliches Beispiel das Merkmal der „erhebliche[n] Gefährdung der Erwerbsfähigkeit“ gem. § 10 Abs. 1 Nr. 2 lit. a) SGB VI im Bereich der Erwerbsminderungsrente anführt, bei dem es sich um eine stark wertende und von prognostischen Elementen durchzogene Abwägungsentscheidung handelt, die letztlich auf sozialrechtstypische Verteilungskonflikte zurückgeht, sowie Martini/Nink, DVBl. 2018, 1128 (1130), die u. a. die „Unzuverlässigkeit“ eines Gewerbetreibenden gem. § 35 Abs. 1 S. 1 GewO oder „Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses“ etwa gem. § 67 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BNatschG benennen; vgl. auch Schröder, VerwArch 110 (2019), 328 (333); Berger, in: Knack/Henneke, VwVfG, § 35a, Rn. 48, 50; dies., NVwZ 2018, 1260 (1263); dies., DVBl. 2017, 804 (808); v. Harbou, JZ 2020, 340 (342); Hähnchen/Schrader/Weiler/Wischmeyer, JuS 2020, 625 (635); Waigel, WiVerw 2021, 88 (94 f.). In der Gegenstandslosigkeit dieser Unterscheidung im Hinblick auf eine Automatisierbarkeit könnte sodann ein weiteres Indiz dafür erblickt werden, dass der dogmatische Sonderweg einer Differenzierung zwischen unbestimmten Rechtsbegriffen und Ermessen an sich kritisch zu hinterfragen ist. 1903  Vgl. Kube, VVDStRL 78 (2019), 289 (304); Berger, in: Knack/Henneke, VwVfG, § 35a, Rn. 48, 50; U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35a, Rn. 45; v. Harbou, JZ 2020, 340 (342); dies gestehen auch Schmitz/Prell, NVwZ 2016, 1273 (1276) und Prell, apf 2017, 237 (240) zu. 1904  Vgl. zur gesetzlichen Ausgangslage § 6 A. V. 1905  Vgl. auch Luthe, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, § 31a, Rn. 37 ff., 40; ders., SGb 2017, 250 (254 f.); Kube, VVDStRL 78 (2019), 289 (304 f.); U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35a, Rn. 40 ff.; Berger, DVBl. 2017, 804 (808);

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§ 6 Der vollautomatisierte Erlass von Verwaltungsakten

IV. Komplexität der Entscheidungslage als maßgebliche Determinante Anstelle der normativen Einräumung von administrativen Letztentscheidungsrechten muss für eine sachgerechte Bestimmung automationsgeeigneter Verwaltungsrechtsmaterien vielmehr ein anderweitiger Indikator etabliert werden, der nach seiner Grundkonzeption ebenjene Faktoren als Richtmarken in sich abbildet, die zum einen maßgeblichen Einfluss auf die mögliche Automatisierbarkeit von Ermessens- und Beurteilungsspielräumen zeitigen und zum anderen (in umgekehrter Richtung) selbst bei gebundenen Verwaltungsentscheidungen einen Ausschluss der Automatisierbarkeit der Verfahren in bestimmten Fällen bedingen. Ausgehend von den zuvor herausgearbeiteten Grundsätzen, die neben abgeschwächten (Rechts-)Individualisierungspflichten in bestimmten (weniger komplex und einzelfallorientiert gearteten) Rechtsmaterien1906 insbesondere auch die Existenz stark ausfüllungsbedürftiger und situativer Rechtsbegriffe ohne Letztentscheidungskomponente als tragende argumentative Eckpfeiler bemühen1907, ist dieses Ersatzkriterium sodann richtigerweise nicht von rechtlichen oder dogmatischen Maßstäben her zu konstruieren, sondern hängt entscheidend von einer faktischen und auf die technische Umsetzbarkeit bezogenen Betrachtungsweise ab, die wiederum die typischerweise vorzufindende „Komplexität der Entscheidungslage“ in den betreffenden Regelungsmaterien (inklusive bestehender Entscheidungsspielräume) zur zentralen Determinante einer Automatisierbarkeit erheben muss.1908 Insofern ist den oben dies., in: Knack/Henneke, VwVfG, § 35a, Rn. 47 ff.; dies., NVwZ 2018, 1260 (1263). A. A. insoweit Guckelberger, in: FS Herberger, 397 (408 f.) sowie wohl Herold, Demokratische Legitimation automatisiert erlassener Verwaltungsakte, S. 276. 1906  Siehe § 6 B. II. 1. c). 1907  Siehe § 6 B. III. 1908  So insbesondere Luthe, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, § 31a, Rn. 32 ff., insbes. 37 ff., 41; ders., SGb 2017, 250 (253 ff.); vgl. auch Berger, in: Knack/Henneke, VwVfG, § 35a, Rn. 48 ff.; dies., NVwZ 2018, 1260 (1263), die insoweit und unter Verweis auf Luhmann, Recht und Automation, S. 30, 73, 112 ff. von „relative[r] Unbestimmtheit“ der Normen und einer dadurch bedingten Unsicherheit bei der Rechtsanwendung spricht. Ähnlich kann auch bereits Groß, VerwArch 95 (2004), 400 (409) verstanden werden, der i. E. aber zurückhaltend bleibt. Gewisse Ähnlichkeiten finden sich zudem bei Windoffer, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, § 35a, Rn. 19, der das „Komplexitätsniveau der anzustellenden Wertungen [der] betreffenden Verfahren“ als Eignungsgrenze einer Automation ansieht, die automatisierte Ausfüllung von Entscheidungsspielräumen i. E. aber ablehnt, vgl. ebd. Rn. 28, sowie Hornung, in: Schoch/Schneider, VwVfG, § 35a, Rn. 36, 44 und Martini, in: Kahl/ Ludwigs, HdbVwR I, § 28, Rn. 41 ff., 46 f. Erwähnenswert erscheint zudem Nink, Justiz und Algorithmen, S. 188, der eine Automatisierungsfähigkeit behördlichen Ermessens (offenbar nur) bei „komplexen und ‚individuellen‘ Verwaltungsverfahren“



B. Vollautomatisierte Ermessens- und Beurteilungsentscheidungen465

bereits erwähnten technisch-differenzierenden Sichtweisen im Hinblick auf eine Automatisierbarkeit administrativer Letztentscheidungsbefugnisse im Ergebnis zu folgen.1909 Anknüpfend an die dort angestellten, zumeist eher fragmentarisch bleibenden Überlegungen kann das Kriterium der Komplexität der Entscheidungslage sodann dahingehend weiter konkretisiert werden, dass dieses die Gesamtheit aller rechtlichen und tatsächlichen Faktoren im Hinblick auf den Vollzug einer konkreten (Verwaltungs-)Rechtsmaterie einschließt, die einer zuverlässigen Antizipierung der Rechtsanwendung (inklusive der Ausfüllung etwaig bestehender Entscheidungsspielräume) in einem juristischen Entscheidungssystem entgegenstehen oder dieser gegenüber hinderlich sind.1910 In Betracht kommen diesbezüglich zum einen eher in den tatsächlichen Verhältnissen begründete Aspekte, wie beispielsweise eine gesteigerte Komplexität des Sachverhalts bzw. der nötigen Sachverhaltsinformationen1911, ein der Entscheidung inhärenter „Realanteil“ in Gestalt eines besonderen Bezugs auf die Umwelt und tatsächliche Gegebenheiten1912 und/ oder multipolare Beteiligungsstrukturen1913, die je für sich regelmäßig mit erheblichen Schwierigkeiten hinsichtlich einer Standardisierbarkeit der Sachablehnt und dabei die „Möglichkeiten zur Pauschalierung und Standardisierung“ (S. 191) sowie letztlich auch die „Komplexität der Entscheidungslage“ nach Luthe (S. 196) als entscheidende Grenzen der (Voll-)Automatisierung von Ermessensentscheidungen markiert. 1909  An dieser Stelle nur Luthe, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, § 31a, Rn. 32 ff., insbes. 37 ff., 41; Rüsken, in: Klein, AO, 14. Aufl. 2018, § 155, Rn. 57a; U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35a, Rn. 41 ff., insbes. 41 f., 45 f. sowie bereits § 6 B. I. 2. m. w. N. 1910  Einen vergleichbaren Zusammenhang zwischen automatisierten Ermessensentscheidungen und ihrer Antizipierbarkeit stellte bereits Luhmann, Recht und Automation, S. 72 f. her („Im übrigen ist es durchaus möglich, auch Ermessensentscheidungen zu programmieren, wenn sie sich hinreichend häufig wiederholen, und zwar nicht die Einzelfälle, wohl aber die Gesichtspunkte vorhersehbar sind, nach denen sie entschieden werden sollen“ – Zitat auf. S. 73, Hervorhebung durch den Verfasser), auch wenn Luhmann das hauptsächliche Potenzial des Maschineneinsatzes in der Verwaltung i. E. im bloß unterstützenden Einsatz erblickte. An die Vorausbestimmbarkeit der Kriterien einer Aufgabe ebenfalls bereits anknüpfend Degrandi, Die automatisierte Verwaltungsverfügung, S. 96. 1911  Vgl. Berger, in: Knack/Henneke, VwVfG, § 35a, Rn. 59 f.; vgl. zudem Hornung, in: Schoch/Schneider, VwVfG, § 35a, Rn. 54. Insofern spielt auch die für die zu automatisierenden Entscheidungen erforderliche und tatsächlich bzw. rechtlich verfügbare Datenbasis eine entscheidende Rolle, vgl. Thapa/Parycek, in: Kar/Thapa/ Parycek, (Un)Berechenbar? Algorithmen und Automatisierung in Staat und Gesellschaft, 40 (65). 1912  Vgl. Berger, in: Knack/Henneke, VwVfG, § 35a, Rn. 59 f., 62; insoweit zust. Guckelberger, Öffentliche Verwaltung, Rn. 438 mit Bezug auf das Baurecht. 1913  Vgl. Berger, in: Knack/Henneke, VwVfG, § 35a, Rn. 60; vgl. auch Guckelberger, Öffentliche Verwaltung, Rn. 435, 437.

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verhaltsermittlung einhergehen1914 und sich gleichermaßen auf die Ausübung eines eingeräumten Entscheidungsspielraumes durchschlagen. Zum anderen sind auch materielle Erschwernisse mit Blick auf die Komplexität der Entscheidungsmaßstäbe bzw. der Rechtsanwendung zu nennen, insbesondere wenn die in Rede stehenden Rechtsmaterien inhaltliche schwierige Rechtsfragen betreffen, Entscheidungen in stark situativen Kontexten, unter prognostischen Ungewissheitsbedingungen oder zur Auflösung widerstreitender Zielkonflikte verlangen1915 oder etwa in grundrechtsintensiven Entscheidungslagen eine umfangreiche Abwägung zwischen grundrechtlichen Belangen und Allgemeininteressen voraussetzen1916. Schließlich darf nach dem konkreten Zuschnitt der Entscheidungsvariablen – gewissermaßen als Kehrseite der Antizipierung – auch eine technische Identifikation und Isolation atypischer Fallkonstellationen mittels eines Risikomanagementsystems keinen erheblichen Komplikationen begegnen.1917 Die (beispielhafte) Zusammenstellung dieser Merkmale verdeutlicht gleich­zeitig, dass sich das vorliegend in Bezug auf die Automatisierbarkeit administrativer Letztentscheidungsspielräume vorgeschlagene Kriterium der Komplexität der Entscheidungslage letztlich weitgehend mit den allgemeinen Anforderungen an eine Antizipierbarkeit der Rechtsanwendung deckt, die eine wesentliche Funktionsprämisse der automatisierten Erzeugung gesetzmäßiger Verwaltungsentscheidungen darstellt1918. Dem Bestehen eines administrativen Entscheidungsspielraums an sich kommt dagegen kein isolierter Erkenntniswert im Hinblick auf die Automatisierbarkeit bestimmter Verwaltungsentscheidungen zu. Soweit dessen Existenz allerdings ihrerseits auf eine besondere Komplexität der Entscheidungslage zurückgeht, kommen zumindest mittelbare Indizwirkungen in Betracht, welche insbesondere vor dem 1914  Zur

Standardisierung der Sachverhaltsermittlung bereits § 5 C. I. 2. a). Luthe, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, § 31a, Rn. 37; ders., SGb 2017, 250 (254); zust. Hornung, in: Schoch/Schneider, VwVfG, § 35a, Rn. 54; vgl. auch Hoffmann-Riem, AöR 145 (2020), 1 (15). 1916  Berger, in: Knack/Henneke, VwVfG, § 35a, Rn. 61; vgl. in Bezug auf Abwägungsvorgänge allg. auch Hoffmann-Riem, AöR 145 (2020), 1 (14 f.). 1917  Zur Bewältigung einer möglichen Atypik eines Falles bereits § 6 B. II. 1. b) dd). 1918  Vgl. zur informatischen Abbildbarkeit der Rechtsmaterie schon § 5 A. I. 1. a) aa). Nur das gesetzgeberische Merkmal des „Anlasses“ zur personellen Bearbeitung erweist sich insofern als ausreichend flexibel, dass neben der abzulehnenden Anknüpfung an administrative Entscheidungsspielräume auch Gesichtspunkte der Entscheidungskomplexität Anklang finden können, wie dies andeutungsweise und vereinzelt auch der Gesetzgeber zum Ausdruck zu bringen scheint, vgl. BT-Drs. 18/8434, S. 120 f. Bei entsprechender Auslegung erscheint dieses daher grundsätzlich als Automationsgrenze geeignet, vgl. auch Schröder, VerwArch 110 (2019), 328 (333); Herold, Demokratische Legitimation vollständig automatisiert erlassener Verwaltungsakte, S. 277 f. sowie Martini, in: Kahl/Ludwigs, HdbVwR I, § 28, Rn. 47. 1915  Vgl.



B. Vollautomatisierte Ermessens- und Beurteilungsentscheidungen467

Hintergrund tatbestandlicher Beurteilungsspielräume eine nicht unerhebliche Relevanz entfalten können, deren Anerkennung sich regelmäßig gerade auf hochkomplexe, stark einzelfallgeprägte, großen Unsicherheitsfaktoren unterworfene und/oder eine besondere technisch-wissenschaftliche Expertise ­voraussetzende Entscheidungskonstellationen zurückführen lässt.1919 Da dahingehende Entscheidungsbedingungen einer Antizipierung naturgemäß entgegenstehen, kann daher zumindest die Existenz eines tatbestandlichen Beurteilungsspielraumes mit einer gewissen Vermutung gegen seine Automatisierbarkeit in Verbindung gebracht werden.1920 Erlaubt also die – anhand sämtlicher Rahmenbedingungen einer bestimmten Rechtsmaterie zu beurteilende – Komplexität der Entscheidungslage eine sachrichtige und zuverlässige Antizipierung der Rechtsanwendung, so ist eine Automatisierbarkeit dieser Entscheidungen unabhängig von eingeräumten Letztentscheidungsrechten zu bejahen, sofern die Eventualität einer atypischen Sachlage mittels Einsatzes eines Risikomanagementsystems hinreichend technisch aufgefangen werden kann1921. Für die Erzeugung rechtmäßiger Entscheidungen ist darüber hinaus die Beachtung und Einhaltung der herausgearbeiteten allgemeinen verfassungs-, verfahrens- und unionsrecht­ lichen Maßgaben für vollautomatisierte Verwaltungsakte erforderlich1922, die für Ermessens- und Beurteilungsentscheidungen gleichermaßen Geltung beanspruchen.1923 Umgekehrt ist dort, wo sich die zu entscheidenden Fälle 1919  Vgl. zu den weitgehend konsentierten Fallgruppen Aschke, in: BeckOK VwVfG, § 40, Rn. 107 ff. sowie Jestaedt, in: Ehlers/Pünder, Allg. VerwR, § 11, Rn. 58 ff., der überdies noch weitere, allgemeinere Indizien für die Anerkennung eines Beurteilungsspielraums herausarbeitet. Vgl. in Bezug auf eine Steuerung durch Verwaltungsvorschrift zudem Maurer/Waldhoff, Allg. VerwR, § 24, Rn. 45. 1920  Vgl. auch Luthe, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, § 31a, Rn. 38 f.; ders.¸ SGb 2017, 250 (254 f.); U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35a, Rn. 44, 46; ders., in: Hill/Kugelmann/Martini, Digitalisierung in Recht, Politik und Verwaltung, 81 (114 f.) sowie bereits § 6 B. II. 2. Guckelberger, in: FS Herberger, 397 (408) verweist darüber hinaus noch auf die im Kontext tatbestandlicher Beurteilungsspielräume gesteigerte Bedeutung von Verfahrensregelungen zur Kompensation der eingeschränkten Gerichtskontrolle, die ebenfalls gegen eine Automatisierbarkeit sprächen. Da allerdings auch in (voll-)automatisierten Verwaltungsverfahren im Ausgangspunkt von einer äquivalenten Einhaltung der Verfahrensanforderungen auszugehen ist, diese insbesondere nicht notwendig einer strukturellen Aufweichung der Verfahrensrechte gleichkommen, vgl. hierzu bereits § 4 B. III. 2. b) bb) und dd) sowie § 5 A. I. 2. a) und C. I. 2. a), erscheinen dahingehende Bedenken letztlich unbegründet. 1921  Hierzu bereits § 6 B. II. 1. b) dd). 1922  Siehe § 5 A. bis D. 1923  Im Hinblick auf nicht (voll) gebundene Verwaltungsentscheidungen ergeben sich hinsichtlich der verfassungs- und verfahrensrechtlichen Vorgaben insgesamt keine wesentlichen Abweichungen. Insbesondere verdichtet sich eine mit der Einräumung von administrativen Letztentscheidungsrechten einhergehende Abschwächung

468

§ 6 Der vollautomatisierte Erlass von Verwaltungsakten

ausgehend von ihrer Varianz, Komplexität, Kontextualität etc. einer tragfähigen Antizipierung entziehen, eine vollständig automatisierte Erzeugung von Verwaltungsakten ausgeschlossen, selbst wenn keinerlei administrative Letzt­ entscheidungsbefugnisse involviert sind. Dass in den so ermittelten automationsgeeigneten Rechtmaterien die Zwecke der die Entscheidungsspielräume eröffnenden Normen regelmäßig ebenfalls nicht in der Herbeiführung indivisachlich-inhaltlicher Legitimationswirkungen – vgl. etwa Schröder, VerwArch 110 (2019), 328 (332) – nicht zu einer verfassungswidrigen Absenkung der demokratischen Legitimationsanforderungen insgesamt, zumal auch solche Entscheidungsspielräume menschlich antizipiert und fallgruppenartig im Entscheidungsprogramm vorgezeichnet werden müssen, so dass sich die personell-organisatorische Legitimationskomponente ebenfalls aus den verbleibenden humanen Einflussmöglichkeiten speisen kann, vgl. insoweit § 5 A. II. 2. b). Auch der Menschenwürde dürften allenfalls in Extremfällen konkrete Grenzen für automatisierte Ermessens- bzw. Beurteilungsentscheidungen entnommen werden können, etwa wenn sich die Ausfüllung eines bestimmten Ermessens- oder Beurteilungsspielraums aufgrund besonderer Umstände gerade in einer genuin menschlichen Einschätzung vollendet, vgl. hierzu Kube, VVDStRL 78 (2019), 289 (320); Berger, in: Knack/Henneke, § 35a, Rn. 27 sowie bereits die unter § 5 A. III. 3. und 4. formulierten – äußeren – materiellen und verfahrens­ konzeptionellen Grenzen, die aus der Menschenwürde abgeleitet wurden. Im Hinblick auf den Einsatz indeterminierter Algorithmen ist festzustellen, dass nach der hierbei vertretenen funktional-differenzierenden Betrachtungsweise (siehe § 5 B. II. 2. vor a) und III.) die Ermessensausübung als solche, also die Konturierung der Fallgruppen des Ermessens sowie deren Anwendung auf den Einzelfall bzw. die Feststellung ihrer Einschlägigkeit, der Ebene der Rechtsanwendung zuzuordnen ist, so dass für diese – ebenso wie bei (voll) gebundenen Verwaltungsentscheidungen – ein Einsatz selbstlernender Algorithmen vor allem unter den Anforderungen des Demokratie- und Gesetzmäßigkeitsprinzips ausscheiden muss, wobei die dort maßgeblichen verfassungsrechtlichen Bedenken bei Involvierung administrativer Letztentscheidungsbefugnisse sogar noch verstärkt zum Tragen kommen, zumal solche regelmäßig nach einer stärker ausgeprägten personell-organisatorischen Legitimationskomponente verlangen, die über indeterminierte Algorithmen dort nicht mehr hinreichend hergestellt werden kann, vgl. insofern bereits § 5 B. II. 2. a), III. Einen Einsatz selbstlernender Algorithmen insoweit i. E. ebenfalls ablehnend Herold, DSRITB 2018, 453 (463); Guckelberger, GewArch 2019, 457 (462) sowie aus schweizerischer Sicht Rechsteiner, in: Jusletter IT vom 26. November 2018, Rz. 29. Größere Anwendungsbereiche sehen dagegen offenbar Tischbirek, ZfDR 2021, 307 (317 ff., 320); Ziekow, NVwZ 2018, 1169 (1171) und Guggenberger, NVwZ 2019, 844 (848); gewisse Andeutungen in diese Richtung finden sich zudem bei Djeffal, DVBl. 2017, 808 (815); Nink, Justiz und Algorithmen, S. 194 f. sowie Schmitz/Prell, NVwZ 2016, 1273 (1276). Insofern wären lediglich hybride Einsatzformen „selbstlernender Letztentscheidungsspielräume“ denkbar, etwa in Gestalt von Entscheidungsvorschlägen an den Amtswalter, vgl. auch Herold, DSRITB 2018, 453 (458 f., 463). Als zulässig ist sodann aber der Einsatz von indeterminierten Algorithmen im Rahmen von risikoevaluierenden und -bewertenden Systemkompenenten zu bewerten, wie etwa einem Risikomanagementsystem zur Erkennung und Filterung atypischer Fallkonstellationen, die anhand eines Wahrscheinlichkeitsmaßstabs womöglich ein Abweichen vom festgelegten Typisierungsrahmen erforderlich machen, vgl. § 6 B. II. 1. b) dd) sowie bereits § 5 B. II. 2. c) und III.



B. Vollautomatisierte Ermessens- und Beurteilungsentscheidungen469

dueller Einzelentscheidungen liegen werden1924 und im Rahmen dieser womöglich auch am ehesten Anzeichen einer (wie auch immer gearteten) „Generalisierungsermächtigung“ aufzufinden sein mögen1925, stellt sich dabei letztlich nur als Konsequenz einer (in diesen Fallkonstellationen geringer ausgeprägten) Komplexität der Entscheidungslage, nicht aber als Voraussetzung einer überhaupt erst möglichen Automatisierbarkeit der Entscheidungsspielräume dar.1926 Gleiches gilt für die Existenz administrativer Selbstbindungen, die – trotz ihrer Rolle als dogmatisches Fundament einer Standar­ disierung von administrativen Letztentscheidungsrechten – ausgehend vom Kriterium der Komplexität der Entscheidungslage nicht den inneren Grund, sondern lediglich ein aussagekräftiges Indiz einer zulässigen Automatisierbarkeit konkreter Beurteilungs- bzw. Ermessensentscheidungen bilden. V. Zusammenfassendes Fazit Die nach der gesetzlichen Ausgangslage – bis auf singuläre Anomalien1927 – vorzufindende Ablehnungshaltung gegenüber automatisierten, d. h. nicht auf eine aktualisierte menschliche Willensbetätigung zurückgehenden Ausübungsformen administrativer Letztentscheidungsspielräume1928 ist in Zusammenschau der vorstehend diskutierten Erwägungen schlussendlich 1924  So die Auffassung bei Herold, Demokratische Legitimation automatisiert erlassener Verwaltungsakte, S. 219 ff. Vgl. hierzu bereits § 6 B. I. 2. 1925  Auf eine solche hebt Eifert, E-Government, S. 127 ff., insbes. 130 f. ab. Vgl. hierzu ebenfalls bereits § 6 B. I. 2. 1926  Neben der Frage, inwieweit eine (Ermessens- oder Beurteilungs-)Norm überhaupt eine „Generalisierungsermächtigung“ enthalten kann oder nach ihrem Zweck auch eine standardisierte Ausübung eines Entscheidungsspielraums umfasst, ist der gewichtigste Kritikpunkt gegenüber diesen Ansichten darin zu erblicken, dass die – mangels expliziter gesetzlicher Äußerungen – in beiden Fällen notwendige Auslegung der Rechtsnorm und ihrer Zweckrichtung stets einen erheblichen und häufig kaum handhabbaren Unsicherheitsfaktor darstellt, der dem verwaltungsorganisatorischen Aufwand im Vorfeld des Einsatzes und beim laufenden Betrieb automatisierter Entscheidungssysteme strukturell entgegensteht. Darüber hinaus sind auch prinzi­ pielle Bedenken anzumelden, inwieweit abstrakte Normbefehle (in Gestalt einer „­ Generalisierungsermächtigung“ bzw. der (Norm)Zwecke eingeräumter Letztentscheidungsrechte) überhaupt als geeigneter Indikator für eine Automatisierbarkeit konkreter Entscheidungskonstellationen herangezogen werden können, zumal eine standardisierbare Vollziehbarkeit von (Ermessens- oder Beurteilungs-)Normen nicht selten gerade erst aus der Vollzugspraxis heraus sichtbar werden wird, während in gesetzgeberischer Hinsicht dagegen häufig gerade noch keine konkreteren Vorstellungen dies­ bezüglich vorherrschen werden, vgl. insoweit auch Luthe, in: Schlegel/ Voelzke, jurisPK-SGB X, § 31a, Rn. 42. 1927  Vgl. § 6 A. III. 1. und 3. 1928  Siehe § 6 A. V.

470

§ 6 Der vollautomatisierte Erlass von Verwaltungsakten

nicht zu bestätigen. Insbesondere kann ein prinzipieller Ausschluss einer vollständigen Automatisierbarkeit von Verwaltungsentscheidungen mit involvierten Letztentscheidungsrechten der Verwaltung weder unter wesensmäßigen noch dogmatisch-funktionellen Gesichtspunkten sinnvoll befürwortet werden.1929 Da ein innerer und unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Einräumung von Ermessens- oder Beurteilungsspielräumen und einer (rechtlichen wie auch tatsächlichen) Automatisierbarkeit von bestimmten Verwaltungsentscheidungen somit nicht verlässlich herzustellen ist, erweisen sich die im Rahmen der §§ 35a VwVfG, 31a S. 1 SGB X und 155 Abs. 4 AO legislativ bemühten Ausschlusskriterien in der Konsequenz als sachwidrige und letztlich abzulehnende Merkmale einer normativen Grenzziehung zwischen automationsgeeigneten und -ungeeigneten Verwaltungsmaterien, soweit diese explizit oder – in Form eines „Anlasses“ zur personellen Bearbeitung – implizit an das Bestehen eines administrativen Letztentscheidungsspielraumes per se anknüpfen, ohne die genaueren Entscheidungsmodalitäten des jeweiligen Regelungsbereichs in die Beurteilung einzubeziehen.1930 Anstelle der Existenz administrativer Letztentscheidungsrechte muss vielmehr die typischerweise vorzufindende (rechtliche und tatsächliche) Komplexität der Entscheidungslage in den automatisiert zu vollziehenden Verwaltungsmaterien als maßgebliche Determinante einer zulässigen Automatisierbarkeit der Entscheidungen designiert werden, unabhängig davon, ob diese Entscheidungskomplexität – als Gesamtheit aller Umstände, die eine zuverlässige Antizipierbarkeit der Rechtsanwendung hemmen – aus der Einräumung von administrativen Letztentscheidungskompetenzen, schwierigen Tatfragen bzw. einem ggfls. gesteigerten Realanteil der Entscheidungen, der Anwendung stark wertungs- und ausfüllungsbedürftiger unbestimmter Rechtsbegriffe oder sonstigen Komplikationen der Rechtsanwendung inklusive grundrechtsintensiven Entscheidungslagen resultiert.1931 Neben der Einhaltung der herausgearbeiteten allgemeinen verfassungs-, verfahrens- und unionsrechtlichen Anforderungen, die insoweit gleichermaßen Geltung beanspruchen1932, kommt es für den vollständig automatisierten Erlass von rechtmäßigen Ermessens- und Beurteilungsentscheidungen damit entscheidend auf das Maß der Antizipierbarkeit der (hier nicht voll gesetzlich determinierten) Entscheidungskorridore an, mithin deren Überführbarkeit in standardisierte Workflows dergestalt, dass mit einer hinreichenden Zuverlässigkeit gesetzmäßige Sachentscheidungen getroffen werden, wie diese für vollautomatisierte Entscheidungsfindungen generell eine elementare Funk­ 1929  Siehe

§ 6 B. II. 1. a) und b). § 6 B. III. 1931  Siehe § 6 B. IV. 1932  Hierzu § 6 B. IV. mit Fn. 1923. 1930  Siehe



B. Vollautomatisierte Ermessens- und Beurteilungsentscheidungen471

tionsprämisse darstellt, während der Existenz eines Entscheidungsspielraums an sich – abgesehen von mittelbaren Indizwirkungen, die wiederum mit einer inhärenten Entscheidungskomplexität zusammenhängen, insbesondere bei tatbestandlichen Beurteilungsspielräumen – kaum ein eigener Erkenntniswert zukommt.1933 Kann eine zuverlässige Antizipierung insoweit gelingen, stehen einer rein algorithmischen Erzeugung auch nicht voll gebundener Verwaltungsentscheidungen keine prinzipiellen Hindernisse entgegen.

1933  Siehe

ebenso § 6 B. IV.

§ 7 Zusammenfassung in Thesen 1.  Das Konzept einer Verwaltungsmodernisierung in Gestalt einer Assistenz der Verwaltung durch technische Hilfsmittel zur Beschleunigung und Verbesserung der Verwaltungsvorgänge lässt sich nicht ausschließlich als Phänomen neuerer Zeit begreifen, sondern stellt sich als kontinuierlicher Prozess von unterschiedlicher Geschwindigkeit, Dynamik und Perspektive dar, dessen Wurzeln bis zu den kodifizierten Verfahrensordnungen zurückreichen. (§ 2 E.) 2. Ausgehend von dem kodifikatorischen Fundament des Phänomens der Verwaltungsmodernisierung kann der konkrete legislative Modernisierungsprozess in gesetzgeberische Etappen von teils stärkerer, teils weniger stark ausgeprägter Gestaltungskraft eingeteilt werden. Obgleich sich die regulatorische Reichweite der einzelnen Etappen dabei weit überwiegend als nur reaktiv und fragmentarisch erwies, war zumindest über die Verfahrenssäulen hinweg – trotz im Einzelnen unterschiedlichen Wortlauts und fachrechtlicher Besonderheiten – eine systemische Einheitlichkeit der Entwicklungen des Verfahrensrechts zu verzeichnen, welche insbesondere vor dem Hintergrund einer nach systematischer Kohärenz und auch bürgerseitiger Akzeptanz harrenden technischen Fortentwicklung der Verwaltungssphäre zu begrüßen ist. (§ 2 A.–E.) 3.  Über weite Strecken definierte sich der legislative Reformprozess zunächst nahezu ausschließlich über die (Verkörperungs-)Formen des Verwaltungsverfahrens bzw. seiner Bestandteile, Abschnitte, Produkte oder Teilakte, indem – im Sinne einer bloßen „Elektronisierung der Verwaltung“ – bisher analoge Verwaltungsstrukturen und -vorgänge schlicht einer elektronischen Abbildung zugeführt oder durch ein elektronisches Äquivalent ersetzt wurden, so dass nicht nur ein gesetzgeberisches Defizit im Hinblick auf eine von den Verkörperungsformen unabhängige Automatisierung der Verwaltungstätigkeit festzustellen war, sondern auch verwaltungspraktisch dahingehende Modernisierungspotenziale (in Form von Beschleunigungs- und Effizienz­ potenzialen, aber auch einer gesteigerten Rechtsanwendungsgleichheit und verringerten Fehleranfälligkeit) nicht optimal ausgeschöpft werden konnten. (§ 2 A.–E., insbes. A. VI. 3. a)) 4.  Erst mit Erlass des BestVerfModG fand eine bisher beispiellose gesetzgeberische Neuakzentuierung des vormals fast ausschließlich verkörperungsformakzessorischen Entwicklungsprozesses hin zu den Einflüssen eines



§ 7 Zusammenfassung in Thesen473

Technikeinsatzes auf die Art und Weise des Verfahrensablaufs und der Entscheidungsfindung im Binnenbereich des Verwaltungshandelns statt, indem mit der Implementierung eines „vollständig durch automatische Einrichtungen“ bzw. „ausschließlich automationsgestützt“ erlassenen Verwaltungsakts in sämtlichen Verfahrenssäulen eine systemische Revolutionierung eines Kernbereichs außenwirksamer, öffentlicher Verwaltungstätigkeit vollzogen wurde. Mit Fug und Recht kann das BestVerfModG dadurch als entscheidender Wende- und Höhepunkt in der legislativen Ausgestaltung des E-Government angesehen werden. (§ 2 A. VI. 3. b)) 5.  Trotz seines zweifellosen kompensatorischen Einflusses auf die festgestellte defizitäre Gesetzeslage hinsichtlich einer Automatisierung der Verwaltungstätigkeit ist dem BestVerfModG in der Gesamtschau nicht das Prädikat eines umfassend systembildenden Gesetzes zuzuschreiben, zumal dieses erneut – auch im Steuerverfahrensrecht, vor allem aber im allgemeinen und Sozialverfahrensrecht – größtenteils mit singulären sowie nicht mit dem umliegenden Recht abgestimmten Ergänzungen operiert und dabei grundlegende Fragestellungen unbeantwortet lässt, was angesichts des Disruptions­ poten­zials seiner Regelungsmaterien vor dem Hintergrund des seit jeher anthropozentrisch konstruierten Verwaltungsverfahrensrechts unverständlich und beklagenswert erscheint. (§ 2 E.) 6.  Vollständig automatisiert erlassene Verwaltungsakte nach den Regelungen des BestVerfModG sind trotz teils deutlicher textueller und kontextueller Abweichungen im Detail als fachsäulen-übergreifendes und einheitliches Rechtsinstitut konzipiert, dem – vorbehaltlich spezieller fachrechtlich induzierter Modifikationen – eine anhand der §§ 35a VwVfG, 31a S. 1 SGB X und 155 Abs. 4 AO zu entwickelnde einheitliche Dogmatik zugrunde gelegt werden kann. (§ 3 A. II., B. II.) 7. „Vollständig durch automatische Einrichtungen“ bzw. „ausschließlich automationsgestützt“ erlassene Verwaltungsakte i. S. d. §§ 35a VwVfG, 31a S. 1 SGB X und 155 Abs. 4 AO stellen begrifflich eine automationsmaximierte und größtenteils technikrealisierte Spielart eines Verwaltungsakterlasses dar, welche sich durch ein gänzliches Fehlen behördenseitiger mensch­ licher Mitwirkungsmomente während nahezu sämtlicher Verfahrensabschnitte auszeichnet. (§ 3 C., D.) 8. Neben ohne menschliche Beteiligung bewirkten Vorgängen der Subsumtion und Bescheidformulierung, welche bereits zuvor unter der Kategorie „mit Hilfe automatischer Einrichtungen“ erlassener Verwaltungsakte abgedeckt waren, setzt der begriffliche Zuschnitt vollständig automatisiert erlassener Verwaltungsakte i. S. d. BestVerfModG allen voran ein ebenfalls vollautomatisiert, d. h. ohne personelle Mitwirkung erfolgendes Ablaufen des der eigentlichen Entscheidungsfindung vorgelagerten Verwaltungsverfahrens vo-

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§ 7 Zusammenfassung in Thesen

raus, zu dem insbesondere Vorgänge der behördlichen Sachverhaltsermittlung sowie einer Anhörung zu zählen sind. Infolgedessen findet eine Erweiterung des möglichen Einsatz- und Aufgabenspektrums „automatischer Einrichtungen“ i. S. d. Verfahrensordnungen statt. (§ 3 C. I., II. 1. und 2. sowie § 4 B. II. 1.) 9.  Keine begrifflich zwingend vollautomatisierte Abwicklung ist dagegen aus systematischen und teleologischen Erwägungen für der eigentlichen Entscheidungsfindung nachgelagerte Vorgänge der Entscheidungsbekanntgabe zu verlangen, die demnach auch auf herkömmliche Art und Weise durchgeführt werden können. Ebenso ist auch eine Automation des Impulses, der die technischen Verarbeitungsvorgänge zur Herstellung des Verwaltungsakts auslöst, als begriffliches Merkmal abzulehnen, selbst wenn dieser auf den Beginn des Verwaltungsverfahrens i. e. S. bezogen ist. (§ 3 C. II. 3. und 4.) 10. Aussteuerungsmechanismen, die innerhalb der eingesetzten Entscheidungssysteme aus rechtsstaatlich kompensatorischen oder strukturell-planmäßigen Gründen angelegt sind, unterbrechen lediglich hinsichtlich der konkret ausgesteuerten Verwaltungsverfahren den erforderlichen Zusammenhang vollautomatisierter Bearbeitung, so dass für eine im Rahmen dieser Verfahren erzeugte Verwaltungsentscheidung eine Qualifikation als vollständig automatisiert erlassener Verwaltungsakt ausscheiden muss. (§ 3 C. II. 5.) 11.  Im Fall einer Rückführung eines – ungeachtet welchen Grundes – ausgesteuerten Verwaltungsverfahrens kann ausnahmsweise von einer Aufrechterhaltung des begrifflich notwendigen Automationszusammenhangs mit der Folge einer fortbestehenden Qualifikation als vollständig automatisiert erlassener Verwaltungsakt i. S. d. BestVerfModG ausgegangen werden, wenn der Aussteuerung keine substanzielle Prüfung des Verfahrens durch Behördenmitarbeiter, sondern eine bloße – technisch oder menschlich getragene – Evidenzprüfung nachfolgt. (§ 3 C. II. 5. c)) 12. Da die Rechtskategorie vollständig automatisiert erlassener Verwaltungsakte eine Qualifizierung lediglich hinsichtlich der Art und Weise der Herstellung einer Verwaltungsentscheidung statuiert, unterliegt diese Spielart des Verwaltungsakterlasses keinerlei Prädeterminationen im Hinblick auf die Verkörperungsformen der zu erzeugenden Verwaltungsakte. (§ 3 C. III.) 13.  Im Wege teleologischer Reduktion des § 35a VwVfG effektuierte begriffliche Ausnahme- oder Sonderbereiche für bestimmte Fallgruppen automatisiert zustande kommender Verwaltungsakte, beispielsweise solche die keine echte Sachverhaltsermittlung erfordern und/oder bereits vor Erlass des BestVerfModG einen Teil gängiger Verwaltungspraxis bildeten, sind bereits aus Gründen der begrifflichen und systematischen Kohärenz der Rechtskategorie vollständig automatisiert erlassener Verwaltungsakte abzulehnen. Eine ordnungsgemäße Zulassung der Vollautomation i. S. d. § 35a VwVfG kann



§ 7 Zusammenfassung in Thesen475

sodann allerdings auch ohne explizite Erwähnung eines vollständig automatisierten Verwaltungsakterlasses akzeptiert werden, wenn im Wege der Auslegung der Normen nach Sinn und Zweck auch eine vollautomatisierte Erzeugung der jeweiligen Entscheidungen zugelassen sein soll, wodurch praktische Konfliktpotenziale bisher existierender Formen automatisierter Verwaltungsentscheidungen mit den begrifflich einschlägigen Kodifikationen des BestVerfModG größtenteils neutralisiert werden. (§ 3 C. IV.) 14.  In Anlehnung an die dogmatischen Grundsätze, die das Zivilrecht zu mehr oder weniger autonom erzeugten Willenserklärungen entwickelt hat, lassen sich „vollständig durch automatische Einrichtungen“ bzw. „ausschließlich automationsgestützt“ erlassene Verwaltungsakte i. S. d. §§ 35a VwVfG, 31a S. 1 SGB X und 155 Abs. 4 AO plakativ als öffentlich-rechtliche Computer- bzw. Agentenerklärungen beschreiben, die in Gestalt einseitig-verpflichtender und konkret-individueller behördlicher Maßnahmen mit Regelungscharakter und Außenwirkung sämtliche verwaltungsaktbezogenen Begriffsmerkmale unmittelbar erfüllen und demnach als Verwaltungsakte i. S. d. Handlungsformenlehre zu qualifizieren sind. Den kodifikatorischen Fest­ legungen der §§ 35a VwVfG, 31a S. 1 SGB X und 155 Abs. 4 AO in Bezug auf die Rechtsnatur des vollautomatisiert erlassenen „Verwaltungsaktes“ kommt infolgedessen lediglich eine deklaratorische Wirkung zu, welche aus Gründen der Rechtsklarheit dennoch zu begrüßen ist. (§ 4 A.) 15.  Das Vorliegen einer aktuellen menschlichen Willensbetätigung in Bezug auf die konkret erzeugte Verwaltungsentscheidung ist dabei für die Einordnung als „hoheitliche Maßnahme“ im Rahmen der Rechtsformenlehre nicht zu verlangen, sofern die öffentlich-rechtliche Willenserklärung der entscheidungsveranlassenden Behörde auf andere Weise unverändert zugerechnet werden kann. Das Erfordernis einer durch konkrete menschliche Willensbetätigung vermittelten Entscheidungsträgerschaft wird mithin durch eine bloße Zurechenbarkeit der Entscheidung zur verantwortlichen Behörde abgelöst. Anknüpfungspunkte einer solchen Zurechnung können insbesondere in verwaltungsorganisatorischen Vorbereitungsakten im Vorfeld einer Durchführung konkreter (vollautomatisierter) Verwaltungsverfahren erblickt werden, beispielsweise der Programmierung, Anschaffung, Inbetriebnahme oder Zurverfügungstellung der einzusetzenden technischen Entscheidungssysteme, in denen der Wille zur Benutzung einer automatischen Einrichtung zur ausschließlich automatischen Generierung von Verwaltungsakten zum Ausdruck kommt. (§ 4 A. II. 4.) 16. Vollständig automatisiert erlassene Verwaltungsakte i. S. d. BestVerfModG sind kategorial von elektronischen und elektronisch übermittelten Verwaltungsakten zu unterscheiden. Da sich erstere allen voran durch ein grundsätzliches Fehlen menschlicher Mitwirkungsbeiträge während des

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§ 7 Zusammenfassung in Thesen

­ahezu gesamten Verwaltungsverfahrens, mithin abweichende Modalitäten n des Entscheidungserzeugungsprozesses auszeichnen, erweisen sich die ausschließlich an nicht-physischen Verkörperungsformen ausgerichteten Kategorien (qualifiziert) elektronischer und elektronisch übermittelter Verwaltungsakte dabei gegenüber vollständig automatisiert erlassenen Verwaltungsakten als systematisch grundsätzlich indifferente, aber praktisch kombinierbare und auf diese Weise gewisse Synergien hervorbringende Kategorie. (§ 4 B. I.) 17.  Im Verhältnis zur ebenfalls abzugrenzenden Rechtskategorie der „mit Hilfe automatischer Einrichtungen“ erlassenen Verwaltungsakte, welche bereits seit den kodifizierten Urfassungen der Verfahrensordnungen als spezielle Spielart des Verwaltungsakterlasses in verschiedenen Verfahrens- und Formerleichterungsvorschriften erwähnt wird, handelt es sich beim „vollständig durch automatische Einrichtungen“ bzw. „ausschließlich automationsgestützt“ erlassenen Verwaltungsakt nicht um ein wesensverschiedenes Aliud, sondern um einen qualifizierten Unterfall, der sich durch ein (in der dargestellten Weise) gesteigertes Ausmaß an Verfahrensautomation im Vergleich zum nur teilautomatisiert erlassenen Verwaltungsakt auszeichnet. Zwischen beiden Kategorien besteht insofern ein Inklusivitätsverhältnis. (§ 4 B. II. 3. a) und insbes. b) sowie c) dd) (1)) 18.  Anknüpfend an das festgestellte gesetzessystematische Einschließlichkeitsverhältnis zwischen voll- und teilautomatisiert erlassenen Verwaltungsakten ist der Anwendungsbereich derjenigen Normen, die bestimmte Verfahrens- und Formerleichterungen für teilautomatisierte Verwaltungsakte vorsehen, im Wege eines Erst-Recht-Schlusses grundsätzlich auch für vollständig automatisiert erlassene Verwaltungsakte eröffnet. Im Abgleich mit den hierdurch tatsächlich effektuierten normativen Steuerungswirkungen der Ausnahmevorschriften für die Kategorie vollständig automatisiert erlassener Verwaltungsakte erweist sich die mit dem Verdikt systematischer Inklusivität verbundene grundsätzliche Interoperabilität der Verfahrens- und Formerleichterungsregelungen sodann aber weitgehend als Trugschluss. (§ 4 B. II. 3. b), c) dd) (2)) 19.  Neben verschiedenen in der Auslegungs- und Anwendungspraxis einzelner Regelungen begründeten Aspekten, wie etwa inkompatible bzw. obsolet gewordene Regelungszwecke oder das Fehlen eines spezifischen Bedeutungsgehaltes eines Erlasses mittels „automatischer Einrichtungen“, steht insbesondere die übergreifende Binnensystematik der in Rede stehenden Ausnahmevorschriften, welche nach ihrer Grundkonzeption an individuellen Einzelfallentscheidungen in als atypisch verstandenen Situationen und gerade nicht an einer generellen Modifizierbarkeit der Verfahrensausgestaltung ausgerichtet ist, einer breiteren normativen Rezeption im Rahmen vollautomatisiert abgewickelter Verwaltungsverfahren entgegen. Hinsichtlich einer inte­



§ 7 Zusammenfassung in Thesen477

grativen verfahrensrechtlichen Einhegung vollautomatisierter Verwaltungsverfahren ist daher auch insoweit ein Fortbestehen eines gesetzgeberischen Steuerungsdefizits zu attestieren, welches sich bereits in der gesetzlichen Entwicklung der Verwaltungsmodernisierung vor Erlass des BestVerfModG abzeichnete. (§ 4 B. II. 3. c) aa) bis cc), dd) (2), (3)) 20.  Ausgehend von der spätestens im Zuge des BestVerfModG effektuierten Erweiterung des Einsatzspektrums „automatischer Einrichtungen“, das vormals de facto ausschließlich auf die autonome Abwicklung der Subsumtions- und Bescheidformulierungsvorgänge zur Erzeugung der inhaltlichen Regelung beschränkt war, muss eine definitorische Präzisierung ebenjenen Begriffs dahingehend erfolgen, dass auch über die Subsumtions- und Bescheidformulierung hinausgehende, diesen ggfls. vorgelagerte Elemente des Verwaltungsverfahrens von einer ganz oder teilweise selbsttätigen Abwicklung anhand vorher festgelegter Parameter umfasst sind. (§ 4 B. II. 1.) 21.  Auch als Konsequenz des dahingehend erweiterten Anwendungsspektrums „automatischer Einrichtungen“ kommen die im Zuge des BestVerfModG in spezifischen Zusammenhang zum vollständig automatisiert erlassenen Verwaltungsakt implementierten Erweiterungen des Amtsermittlungsgrundsatzes der §§ 24 Abs. 1 S. 3 VwVfG, 31a S. 2 SGB X, 88 Abs. 5, 155 Abs. 4 S. 3 AO aus teleologischen Erwägungen gleichermaßen bei solchen teilautomatisierten Verwaltungsverfahren zur Anwendung, im Rahmen derer lediglich der eigentlichen Entscheidungsfindung vorgelagerte Verfahrensabschnitte einer automatisierten Abwicklung durch „automatische Einrichtungen“ überantwortet sind, während der Bescheid im Übrigen durch Behördenmitarbeiter erstellt wird. (§ 4 B. II. 2.) 22.  Obgleich unter anderem hinsichtlich der jeweils faktischen Rechtswirkungen sowie des Fehlens menschlicher behördenseitiger Mitwirkung bei ihrer Erzeugung erkennbare Parallelen auszumachen sind, müssen vollautomatisiert erlassene Verwaltungsakte von fingierten Verwaltungsakten abgegrenzt werden. Bei vollautomatisiert erlassenen Verwaltungsakten handelt es sich dabei nicht um irreale normative Umgestaltungen qua Fiktion, sondern um real existente, mithin auf ein tatsächliches Verwaltungsverfahren zurückgehende Verwaltungsakte, die lediglich an den Prozess ihrer Entstehung bestimmte Anforderungen dergestalt stellen, dass auf eine menschliche Mitwirkung während des Verfahrens weitestgehend verzichtet wird. (§ 4 B. III. 1., 2. a), b) und c)) 23. Da sich fiktive Verwaltungsakte angesichts des völligen Wegfallens einer Verfahrensdurchführung sowie einer strukturell begrenzten vorgericht­ lichen Rechtmäßigkeitskontrolle jedenfalls aus Sicht verfahrensrechtlicher Gewährleistungen wie auch einer unter dem Gesetzmäßigkeitsprinzip zu verwirklichenden objektiven Richtigkeitskontrolle außenrechtswirksamer

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§ 7 Zusammenfassung in Thesen

Rechtsakte als problematischere Kategorie darstellen, können aus deren Existenz und Akzeptanz zumindest gewisse Rückschlüsse auf die Strenge der an vollautomatisiert erlassene Verwaltungsakte anzulegenden rechtlichen Anforderungen abgeleitet werden. Gewisse Relativierungen einer dahingehenden Übertragbarkeit der Überlegungen vermögen lediglich unter der subjektiv-rechtlichen Sichtweise gewonnen werden, dass automatisierte Entscheidungen als weniger akzeptierte und insoweit „spürbarere“ Beschwer gegenüber den regelmäßig „antrags- oder erklärungsgemäßen“ fiktiven Begünstigungen oder Belastungen empfunden werden können, worin allerdings nur ein Teilausschnitt der objektiv wie subjektiv-verfassungsrechtlichen Anforderungsmatrix an beide Rechtskategorien erblickt werden kann. (§ 4 B. III. c)) 24.  Gegenüber juristischen Entscheidungssystemen, deren Entscheidungsfindung auf vollständig determinierte Funktionsprinzipien zurückgehen, erweisen sich die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen unter dem GG in der Gesamtschau als aufgeschlossen. Sofern trotz der prinzipiellen Offenheit bestehenden, verfassungs- und verfahrensrechtlichen Reibungspunkten mittels einer an rechtsstaatlichen Anforderungen ausgerichteten Verfahrensgestaltung begegnet wird, lassen diese insbesondere keine grundlegenden Vorbehalte erkennen. (§ 5 A. I. bis IV., V.) 25. Der aus dem Gesetzmäßigkeitsprinzip erwachsende Vorrang des Gesetzes stellt an vollständig automatisiert ablaufende Verwaltungsverfahren, die zur autonomen Erzeugung von Verwaltungsakten eingesetzt werden, zuvörderst organisatorisch-technische Anforderungen in Bezug auf deren Zulassung und Ausgestaltung, die als Ausdruck einer administrativen Qualitätsverantwortung nicht nur eine vollständige und sachrichtige Abbildung der normativen Grundlagen des automatisiert zu vollziehenden Rechtsbereichs in dem einzusetzenden Entscheidungssystem – als Mindestvoraussetzung materieller Entscheidungsrichtigkeit – verlangen, sondern jenes Gebot der Sachrichtigkeit auch in zeitlich vor- und nachgelagerte Dimensionen auffächern, die sich in präventiven Begleitungs-, Prüfungs- und Erprobungs- sowie nachgelagerten Überwachungs-, Korrektur- und Änderungspflichten – jeweils auch hinsichtlich einer technisch-funktionalen Vollzugssicherung – manifestieren. (§ 5 A. I. 1.) 26.  Als primär binnenorganisatorische Entscheidung über Modalitäten der Verfahrensabwicklung unterfällt die administrative Zulassung und Nutzung vollautomatisierter Verwaltungsverfahren im Ausgangspunkt dem verfassungsrechtlich verbürgten, allgemeinen Organisations- und Verfahrensermessen der Verwaltung, so dass unter dem Vorbehalt des Gesetzes keine intrinsische Notwendigkeit einer parlamentsgesetzlichen Rechtsgrundlage für die Verfahrensautomatisierung isoliert von den materiell-rechtlichen und übrigen



§ 7 Zusammenfassung in Thesen479

formellen Gehalten des jeweiligen Regelungsbereichs angenommen werden kann, obgleich sich die Virulenz dahingehender Überlegungen mit der Schaffung der §§ 35a VwVfG, 31a SGB X und 155 Abs. 4 AO ohnehin weitgehend erledigte. Lediglich bei besonderer Grundrechtsrelevanz der jeweiligen Regelungsmaterie kann es zur Aktivierung eines Wesentlichkeitsvorbehalts kommen, der sich je nach Intensität und Ausprägung grundrechtlicher Durchsetzung auch zu konkreten und ausdifferenzierten inhaltlichen Regelungsanforderungen in Bezug auf Automationsgehalte verdichten kann. (§ 5 A. I. 2.) 27. Ausgehend von einer im Wesentlichen unverändert fortbestehenden Gesetzesbindung der Verwaltung, die über das Erfordernis der vollständigen und sachrichtigen Abbildung der normativen Rechtsgrundlagen im Entscheidungssystem verfassungsrechtlich effektuiert und abgesichert wird, sowie entsprechenden Weisungs- und Aufsichtsrechten, mittels derer eine parlamentarische Verantwortlichkeit der Regierung aufrechterhalten werden kann, ist von einer ausreichenden sachlich-inhaltlichen Legitimation vollständig automatisiert erlassener Verwaltungsakte auszugehen. (§ 5 A. II. 1.) 28.  Trotz des prinzipiellen Wegfallens eines aktuellen menschlichen Entscheiders während nahezu sämtlicher Abschnitte des Verwaltungsverfahrens bedingt der vollständig automatisierte Erlass eines Verwaltungsaktes kein völliges Entschwinden humaner Verfahrenseinflüsse, welches mangels Rückführbarkeit der konkreten Amtswahrnehmung auf das Staatsvolk eine Erosion personell-organisatorischer Legitimationskomponenten zur Folge hätte. In Gestalt einer bewussten Entscheidung zur Freigabe des Entscheidungssystems, einer hinreichenden Einflussnahme auf dessen inhaltliche Gestaltung sowie einer über den Beginn der Inbetriebnahme hinaus fortbestehenden operativen Verfahrensherrschaft der Behörde wirken vielmehr Residualelemente menschlich-willentlicher Einflussnahme fort, die den vollständig automatisierten Verwaltungsakterlass in ein humanes Handlungsumfeld einbetten und in ihrem Zusammenwirken einen ausreichenden personell-organisatorischen Zurechnungszusammenhang kanalisieren. (§ 5 A. II. 2.) 29.  Im Zusammenwirken der aufgezeigten sachlich-inhaltlichen und personell-organisatorischen Legitimationselemente ist von einem hinreichenden Legitimationsniveau hinsichtlich solcher vollständig automatisiert erzeugter Verwaltungsentscheidungen auszugehen, die – jedenfalls in Bezug auf die Sachentscheidung – auf ein vollständig determiniertes juristisches Entscheidungssystem zurückgehen. (§ 5 A. II. 1. bis 3.) 30.  Obgleich Art. 33 Abs. 4 GG die Ausübung hoheitlicher Befugnisse in Relation zu gewissen personellen Aspekten ihrer Ausübung setzt und dadurch prima facie von einer Zuweisung an menschliche Amtswalter auszugehen scheint, statuiert dieser im Hinblick auf hoheitliches Handeln genau besehen lediglich einen regelhaften Funktionsvorbehalt des – angesichts besonderer

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§ 7 Zusammenfassung in Thesen

Pflicht- und Treuebindungen – als besonders geeignet empfundenen Berufsbeamtentums gegenüber privaten Akteuren, nicht jedoch (auch) einen auf die Ebene konkreter Verwaltungsentscheidungen durchschlagenden Vorbehalt humaner Wahrnehmung dieser Hoheitsgewalt. Aussagen über die Art und Weise der Ausübung hoheitlicher Befugnisse – menschlich oder maschinell – können der Norm somit im Ergebnis nicht entnommen werden, sofern trotz maschinengestützter Prozesse eine Verantwortlichkeit von Vertretern des Berufsbeamtentums an sich sichergestellt ist. (§ 5 A. II. 4.) 31.  Trotz scheinbarer Passgenauigkeit der überwiegend nach der sog. Objektformel konturierten Menschenwürdegehalte auf Phänomene enthumanisierter Verfahrensabwicklung wird der Menschenwürdegarantie des Art. 1 Abs. 1 GG – ausgehend von einem ihr zugrunde zu legenden restriktiven Verständnis als Kernbereichsschutz menschlicher Subjektivität – nur eine stark eingeschränkte Leistungsfähigkeit als Leitmotiv verfahrensorganisatorischer Feinsteuerungen zuteil. Sie erweist sich daher letztlich als wenig geeignete Richtschnur für die Zulassung und insbesondere konkrete verfahrensrechtliche Ausgestaltung automatisiert ablaufender Verwaltungsverfahren. Eine sachgerechtere Justierung der verfahrensrechtlichen Spannungslagen, die entmenschlichte Verwaltungsverfahren aufwerfen, lässt sich insofern über rechtsstaatliche Vorgaben bewirken, die in ihren Ausprägungen als Verfahrensrechte das Verwaltungsverfahren konkret formen und so einen differenzierteren Zugriff erlauben. Allenfalls hinsichtlich äußerer Extrembereiche können aus der Menschenwürdegarantie operable Automationsgrenzen entwickelt werden. (§ 5 A. III.) 32.  Selbst unter Anwendung der Objektformel korreliert das Verdikt einer menschenunwürdigen Missachtung menschlicher Subjektivität nicht notwendig mit der Auswahl der konkret zur Verfahrensdurchführung und Entscheidungsfindung berufenen Instanzen – Mensch oder Maschine –, sondern hängt vielmehr maßgeblich von der konkreten Ausgestaltung der Verfahrensdurchführung und den sich in dieser realisierenden, prozeduralen Sicherungsmechanismen der Subjektstellung des Beteiligten ab, die gleichermaßen in human abgewickelten Verwaltungsverfahren defizitär ausfallen können. Solange und soweit eine angemessene, insbesondere an rechtsstaatlichen Anforderungen orientierte Ausgestaltung der Entscheidungsprozesse einer „Verobjektivierung“ des Einzelnen im Rahmen einer (rein) maschinellen Entscheidung effektiv entgegenwirkt, kann somit keine prinzipielle Notwendigkeit personeller Entscheidungselemente im Sinne eines Humanvorbehalts für verwaltungsrechtliche Entscheidungsfindungen aus der Menschenwürdegarantie des GG abgeleitet werden. (§ 5 A. III. 2. b)) 33. Defizite bei der Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes, die auf Intransparenzen eines vollständig automatisierten Entscheidungsprozesses



§ 7 Zusammenfassung in Thesen481

und infolgedessen eine eingeschränkte gerichtliche Kontrollierbarkeit zurückgehen, können durch das Erfordernis automationsspezifischer Begründungs- und Darlegungsmechanismen neutralisiert werden, mittels derer nicht nur die verwerteten Ausgangsdaten sowie maschinellen Subsumtionsergebnisse nachvollziehbar gemacht, sondern auch entsprechende Kontrollkorridore hinsichtlich der subjektiven Entscheidungsparameter eröffnet werden müssen. (§ 5 A. IV.) 34.  Eine allgemeine Hinweispflicht auf das Stattfinden einer vollautomatisierten Entscheidungsfindung, abstrakt-gerichtliche Kontrollverfahren in Bezug auf ein rechtmäßiges Funktionieren des Entscheidungsalgorithmus wie auch behördliche Zulassungs- und Zertifizierungsverfahren algorithmischer Entscheidungssysteme stellen dagegen keine zwingenden Postulate des effektiven Rechtsschutzprinzips dar. (§ 5 A. IV.) 35. Im Vergleich zu determinierten Entscheidungssystemen, die sich anhand der Vorgaben des GG keinen prinzipiellen Einwänden ausgesetzt sahen, basieren juristische Entscheidungssysteme, die Elemente der Indetermination und Selbstmodulation innerhalb ihrer Arbeitsabläufe aufweisen, in tatsäch­ licher Hinsicht auf fundamental abweichenden (mathematisch-logischen) Funktionsprinzipien, die eine Reihe spezieller verfassungsrechtlicher Pro­ blemlagen aufwerfen und sich deshalb einer signifikant restriktiveren Grundhaltung des Grundgesetzes gegenübersehen. (§ 5 B. II., III.) 36. Selbstlernende Entscheidungssysteme oder sonstige Ausprägungsformen künstlicher Intelligenz, die zur Erzeugung eines Verwaltungsaktes durch selbsttätige Abwicklung bestimmter Abschnitte oder Elemente des Verwaltungsverfahrens beitragen, sind als bloße Konstrukte gesteigerter Autonomie gesetzessystematisch im Begriff der „automatischen Einrichtungen“ zu inkludieren, der insofern nicht die Determination der Steuerungsgrößen der begrifflich geforderten, selbsttätigen Arbeitsprozesse zur Voraussetzung erhebt. Ein vollständig automatisierter Verwaltungsakterlass i. S. d. §§ 35a VwVfG, 31a S. 1 SGB X, 155 Abs. 4 AO kommt demnach im Grundsatz auch unter Einsatz selbstlernender Systeme in Betracht. (§ 5 B. II. 1.) 37.  Um die Gefahren und Chancen des Einsatzes von Anwendungsformen künstlicher Intelligenz innerhalb weitgehend autonomer juristischer Entscheidungssysteme in ein optimales Verhältnis zwischen der Wahrung verfassungsrechtlicher Grundprämissen und notwendiger Digitalisierungsoffenheit zu setzen und so einerseits die mit selbstlernenden Algorithmen verflochtenen verfassungsrechtlichen Risiken ernst zu nehmen, andererseits juristische Entscheidungssysteme aber auch nicht von vornherein und vollständig von den Potenzialen leistungsstarker „intelligenter“ (Teil-)Systeme auszuschließen, wird nach hier vertretener Auffassung eine funktional-differenzierende Betrachtungsweise vorgeschlagen, die eine Beurteilung der verfassungsrecht-

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§ 7 Zusammenfassung in Thesen

lichen Zulässigkeit eines Einsatzes indeterminierter Algorithmen in hiesigen Einsatzkontexten in Relation zu verschiedenen Funktionsebenen des Entscheidungssystems, deren charakteristischen Funktionsmerkmalen sowie den mit letzteren spezifisch verbundenen verfassungsrechtlichen Problemlagen setzt. (§ 5 B. II. 2.) 38.  Auf der Funktionsebene der Rechtsanwendung des Entscheidungssystems, die als Gesamtheit derjenigen Systemkomponenten definiert wird, die den Kern juristischer Rechtsanwendung durch eine technische Anlage ausmachen, mithin die inhaltliche Abbildung der rechtlichen Voraussetzungen einer bestimmten Entscheidung in Form der Konturierung der tatbestand­ lichen Merkmale und Rechtsfolgen sowie der Vorgang der Subsumtion unter die Tatbestandsmerkmale als Abgleichungsvorgang zwischen Recht und Realität, ist eine Implementierung indeterminierter Algorithmen – trotz ihrer gesetzessystematischen Kompatibilität mit dem verfahrensrechtlichen Regelungsrahmen – nach vorliegend vertretener Auffassung ausgeschlossen. Dies resultiert zuvörderst aus einer verfassungsrechtlich nicht akzeptablen Verwässerung der Gesetzesbindung sowie eines insgesamt unzureichenden Maßes an demokratischer Verantwortlichkeit, die sich jeweils als Konsequenz der stochastisch-induktiven Funktionsprinzipien der dort zur Anwendung kommenden maschinellen Lernverfahren darstellen und lediglich durch ein Absehen vom Einsatz indeterminierter Algorithmen ausgeräumt werden können. (§ 5 B. II. 2. a)) 39.  Hinsichtlich der übrigen Funktionsebenen des Entscheidungssystems, unter die nach gegenwärtigem Technikstand vor allem informationsverifizierende und risikoevaluierende Systemkomponenten gefasst werden, kann ein Einsatz selbstlernender Algorithmen nach Auffassung des Autors demgegenüber akzeptiert werden, die sich angesichts ihrer Leistungsfähigkeit bei mustererkennenden und -abgleichenden Aufgaben vor allem im Bereich der Risikobewertung einer automatisierten Einzelentscheidung als funktional überlegenes und daher geradezu prädestiniertes Instrument offenbaren und in dieser (zudem rechtsstaatlich absichernden) Funktion – ausgehend von den insoweit schwächer ausgeprägten verfassungsrechtlichen Spannungen – auch keinen grundsätzlichen Bedenken von Verfassungs wegen ausgesetzt sind, solange gewisse verfassungsrechtliche Mindeststandards in Form von vor- und nachsorglichen Qualitätssicherungspflichten beachtet werden. (§ 5 B. II. 2. c)) 40. Bei der vollautomatisierten Durchführung von Verwaltungsverfahren handelt es sich um einen verfahrensorganisatorischen Abwicklungsmodus, der ein bisher nicht dagewesenes Ausmaß an technischer Durchdringung bedingt und das ursprünglich anthropozentrisch und individuell-bedarfsorientiert konstruierte Verwaltungsverfahrensrecht dementsprechend vor enorme Herausforderungen stellt. Indem eine softwarebasierte Antizipierung zentra-



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ler, vormals überwiegend human geprägter Verfahrenselemente zum charakteristischen Vehikel der Automatisierung aufsteigt, geht diese nicht nur mit einer zeitlichen Verlagerung wesentlicher verfahrensrechtlicher Vorgänge in Bereiche der Verfahrensvorbereitung außerhalb der Grenzen des Verwaltungsverfahrens i. e. S. der §§ 9 VwVfG, 8 SGB X einher, sondern bedingt in gewisser Weise auch eine perspektivische Verschiebung der verfahrensorganisatorischen Ausrichtung weg vom Einzelfall und hin zur Abbildung standardisierter Inhalte, wobei beide der beschriebenen Modifikationen sodann aber dennoch in die konkreten Einzelverfahren hineinwirken und diese prägen. Mit Programmierleistungen und technischen Funktionsebenen nehmen infolgedessen naturgemäß gerade außerhalb der klassischen verfahrensrechtlichen und verfahrensorganisatorischen Domäne liegende Rahmenbedingungen eine entscheidende Rolle in und für automatisierte Verwaltungsverfahren ein. (§ 5 C. IV.) 41. Trotz des disruptiven Potenzials einer vollständigen Verfahrensautomation und der normativen Überforderung der althergebrachten Verfahrensvorschriften über Formen automatisierter Verwaltung wohnt dem geltenden Verfahrensrecht jedenfalls im Auslegungswege ein ausreichendes Maß an Offenheit und Flexibilität inne, unter dem sich die vorherrschende technische Durchdringung der Verfahrensvorgänge sachgerecht einbetten und verfassungsrechtlich tragfähig bewältigen lässt, wobei die legislative Einfassung automatisierter Verwaltungsverfahren gemessen am Folgenreichtum ihrer Postulate dennoch als defizitär bezeichnet werden muss. Zusammen mit den allgemein an automatisierte Rechtsanwendungssysteme zu stellenden verfassungsrechtlichen Anforderungen fügen sich die aus dem bestehenden verfahrensrechtlichen Regelungsverbund abzuleitenden Koordinaten zu einem verfahrenssäulenübergreifenden Gesamtrechtskomplex zusammen, unter dem nach vorliegend vertretener Auffassung eine verfassungs- und verfahrensrechtlich zulässige Implementierung und Ausgestaltung vollautomatisierter Verwaltungsverfahren und vollständig automatisiert erlassener Verwaltungsakte anzunehmen ist. (§ 5 C. IV.) 42. Der die Verwaltungsverfahren sämtlicher Verfahrenssäulen prägende und allen voran dem Gesetzmäßigkeitsprinzip entspringende Untersuchungsgrundsatz steht in einer eigentümlichen Wechselbeziehung zur vollautomatisierten Abwicklung von Verwaltungsverfahren, die unter der Prämisse vollständiger Automation zum einen grundlegende verfahrensorganisatorische Transformationsleistungen der ursprünglich anthropozentrisch konstruierten Sachverhaltsermittlung abverlangt, sich andererseits – bei gleichzeitiger Abschwächung interner Kontrollinstanzen durch fehlende menschliche Entscheider – aber auch in ein besonderes Abhängigkeitsverhältnis zu sachverhaltsaufklärenden Verfahrenselementen manövriert, in denen sich ein sub­

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stanzieller Teil der sachlichen Richtigkeitskontrolle in automatisierten Verwaltungsverfahren vollzieht. (§ 5 C. I. 2. vor a) und I. 3.) 43. Die behördliche Amtsermittlung in vollautomatisierten Verwaltungsverfahren entfernt sich von der tradierten Vorstellung der aktiv-menschlichen, individuell-bedarfsorientierten und einer fortwährenden kognitiven Richtigkeits- und Vollständigkeitskontrolle unterliegenden Sachverhaltsermittlung, die so in Reinform ohnehin in weiten Teilen der Verwaltungspraxis nicht (mehr) durchgehalten werden kann, und stellt sich stattdessen als spezifisch technischer Vorgang der Erhebung, Akkumulation und technisch verarbeitbaren Bereitstellung der entscheidungserheblichen Informationen innerhalb des Entscheidungssystems dar, der – neben weiteren denkbaren Möglichkeiten – maßgeblich durch gezielte Abfragen der entscheidungsrelevanten Tatsachen über Eingabemasken sowie Abgleiche mit anderweitig verfügbaren Datenbeständen als je verfahrensermessensgerechte Aufklärungsinstrumente umgesetzt wird und der trotz der Andersartigkeit seiner Ausfüllungsprinzipien, einer technisch bedingten Verengung der verfügbaren Informationskanäle wie auch der gesteigerten Dependenz von betroffenenseitigen Mitwirkungsakten mit keiner grundsätzlichen Reduktion der Reichweite des Untersuchungsgrundsatzes einhergeht. (§ 5 C. I. 2. a)) 44. Als logische Vorbedingung setzen die technischen Informationsakkumulations- und -bereitstellungsvorgänge eine im Wege der Systemprogrammierung zu realisierende, umfassende Antizipierung der Sachverhaltsaufklärung im Entscheidungssystem voraus, deren Standardisierungseffekte verbunden mit fehlenden Plausibilitätskontrollen und der Gefahr einer strukturell schwindenden Berücksichtigungsfähigkeit individueller Einzelfallumstände in einem automationsinduzierten Amtsermittlungsdefizit münden, das zur Absicherung der rechtsstaatlichen Postulate des Untersuchungsgrundsatzes wiederum eine Notwendigkeit kompensatorischer Mechanismen hervorruft, die jedenfalls im Ausgangspunkt auch in den normativen Vorgaben des BestVerfModG wahrgenommen wurde. (§ 5 C. I. 2. a) und b)) 45. Eine Kompensation defizitärer Einzelfallberücksichtigung muss über bereits im Entscheidungssystem technisch implementierte Mechanismen erfolgen, die nicht nur die Integration etwaiger Besonderheiten des konkreten Einzelfalles in Gestalt individueller Formulierungen – beispielsweise durch qualifizierte Freitextfelder als unmittelbarer Teil der Eingabemaske oder vorgängige automatisierte Äußerungsaufforderungen – erlauben, sondern auch deren tatsächliche Berücksichtigung im Verwaltungsverfahren sicherstellen, sofern die gemachten Angaben tatsächliche Relevanz für das konkrete Verfahren zeitigen, die rein automatisierte Bearbeitung des konkreten Sachverhalts durch das eingesetzte Entscheidungssystem selbst also die individuellen Umstände des Einzelfalles nicht oder nicht hinreichend abbilden würde. (§ 5 C. I. 2. b) aa))



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46.  Hinsichtlich der verfahrensmäßigen Berücksichtigung des so geäußerten Vorbringens bedingen sodann die zwingend zu gewährleistende, vollständige Individualisierbarkeit der Angaben einerseits wie auch sprachkognitive Schwächen gegenwärtiger algorithmischer Konstrukte andererseits, dass den Einlassungen eine Aussteuerung des konkreten Verfahrens aus den automatisierten Arbeitsprozessen bei gleichzeitiger Überantwortung an menschliche Behördenmitarbeiter nachfolgen muss. (§ 5 C. I. 2. b) aa) (2)) 47. Abgesehen von Evidenzfällen (sinnlose Zahlenreihen etc.), die gegebenenfalls einer zuverlässigen automatisierten Ausfilterung zugänglich sein können, ist eine menschliche Befassung – insbesondere vor dem Hintergrund der standardisierungskompensierenden Funktion des Eingabemechanismus – ferner für die vorzunehmende Relevanzprüfung des betroffenenseitigen Vorbringens zu verlangen. (§ 5 C. I. 2. b) aa) (3)) 48.  In gleicher Weise aus den automationsbedingten Ermittlungsdefiziten resultierende Defizite bei der Sicherstellung einer nachvollziehenden Kontrolle externer Sachverhaltsdaten und einer Erkennung atypischer Konstellationen müssen zum anderen durch den Einsatz sog. Risikomanagementsysteme, also technischer Subsysteme zur Identifikation und Bewertung spezifischer Risiken einer automatisierten Entscheidung einzelner Sachverhalte anhand von bestimmten Risikoindikatoren, aufgefangen werden, die eine strukturelle und automatisierte Plausibilitäts- und Risikokontrolle unabhängig von betroffenenseitigen oder sonstigen verwaltungsexternen Angaben leisten können, indem als riskant eingestufte Verfahren zur manuellen Bearbeitung an menschliche Behördenmitarbeiter ausgesteuert werden. (§ 5 C. I. 2. b) bb) vor (1), (1) und (3)) 49. Innerhalb technischer Systeme zur automatisierten Erzeugung von Verwaltungsentscheidungen zum Einsatz kommende Risikomanagementsysteme können auf deterministischen Modellierungsansätzen aufbauen, im Rahmen derer die für die Risikoevaluierung maßgeblichen (objektiven oder subjektiven) Risikoparameter auf der Basis von Hypothesen über bestimmte risikogeneigte Wirkzusammenhänge und vermutete Einflussfaktoren abschließend formuliert und vorweg im Risikomanagementsystem als konstante Entscheidungsregeln hinterlegt werden, oder indeterminierte bzw. selbstlernende Verfahren dienstbar machen, die die Risikoindikatoren nicht nur aus einem gegebenen Ausgangsdatenbestand selbsttätig entwickeln, anhand ihrer Aussagekraft gewichten und unter Berücksichtigung sämtlicher stochastischrelevanter Zusammenhänge des Datenbestandes im Hinblick auf die Risikohaftigkeit eines Sachverhaltes im System hinterlegen, sondern diese auch anhand eines kontinuierlichen Dateninputs, der dem Risikomanagementsystem insbesondere in Gestalt der Ergebnisse angeordneter, zufälliger, turnusmäßiger oder sonst wie veranlasster menschlicher Prüfungen von einzelnen

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Sachverhalten zugeführt wird, fortlaufend auf ihre Aufgabenerfüllung hin optimieren. (§ 5 C. I. 2. b) bb) (2)) 50. Ausgehend von ihren Vorzügen bei der Bewältigung von Aufgaben einer Erkennung von Musterabweichungen empfiehlt es sich jedenfalls für die Zukunft den Fokus auf indeterminierte Modellierungsansätze als funktional überlegene Methode einer Risikoerkennung zu legen, die zudem nach hier vertretener Auffassung eine verfassungskonforme und sogar wünschenswerte Anwendungsform selbstlernender Algorithmen darstellen. (§ 5 C. I. b) bb) (2) (b) und § 5 B. II. 2. c) aa) und bb)) 51.  Da nur bei einem hinreichenden Maß an Effektivität der Risikobewertung und -steuerung die rechtsstaatlich-kompensatorischen Funktionen von Risikomanagementsystemen realisiert werden können, müssen diese unabhängig von dem ihnen zugrundeliegenden Modellierungsansatz verfassungsrechtlichen Mindestanforderungen genügen, zu denen unter anderem eine fortlaufende Sicherstellung der prädikativen Kraft der Risikokriterien, die Vermeidung von Diskriminierungspotenzialen bei der Risikoauswahl sowie eine hinreichende Kompromittierungssicherheit zählen. (§ 5 C. I. 2. b) bb) (4)) 52.  Eine dogmatisch stringente Bewältigung des Anhörungserfordernisses im vollautomatisierten Abwicklungsmodus von Verwaltungsverfahren, der sich ausgehend von seinem weitgehenden Verzicht auf humane Verfahrens­ partizipation als verfahrensorganisatorischer Antagonist gegenüber herkömmlichen Durchführungsformen der Anhörung geriert, gelingt nicht durch generelle Ausnahme- und Ausschlussbereiche oder eine extensive Heranziehung der Ausnahmevorschriften zu teilautomatisiert erlassenen Verwaltungsakten gem. den §§ 28 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG, 24 Abs. 2 Nr. 4 SGB X und 91 Abs. 2 Nr. 4 AO, sondern über die Informalität des Anhörungserfordernisses unter seinen einfachrechtlichen Kodifizierungen, die insbesondere auch die Möglichkeit zur schriftlichen sowie elektronischen Stellungnahme als zulässige Form der Anhörungsgewährung akzeptiert, welche sich verfahrensorganisatorisch unproblematisch in eine automatisierte Verfahrensgestaltung einbetten lassen. (§ 5 C. II. 2.) 53.  Neben Eingaben in vorgesehenen Eingabemasken des Entscheidungssystems selbst, in denen sich insbesondere in Antragsverfahren die Anhörungsgewährung bereits ein Stück weit realisiert, sind hierzu ebenso vor allem qualifizierte Freitextfelder bzw. automatisiert ergehende Äußerungsaufforderungen technisch in dem Entscheidungssystem vorzuhalten, die – vergleichbar zu den Anforderungen des Amtsermittlungsgrundsatzes – frei formulierbare Einlassungen des Betroffenen zulassen müssen, deren tatsächliche Berücksichtigungsfähigkeit im Verfahren mangels hinreichender sprachkognitiver Fähigkeiten auch moderner Entscheidungssysteme im Wege einer Aussteuerung an menschliche Entscheider herzustellen ist. Qualifizier-



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ten Freitextfeldern respektive automatischen Äußerungsaufforderungen, die jeweils eine Aussteuerung des Verfahrens aus den automatisierten Verarbeitungsprozessen zur Folge haben, wird insofern eine Doppelfunktion innerhalb vollautomatisierter Verwaltungsverfahren zuteil, indem diese einerseits als einzelfallintegratives Element der Sachverhaltsermittlung bereits im Rahmen des Untersuchungsgrundsatzes rechtsstaatlich-kompensatorisch in Erscheinung treten sowie andererseits als Gewährleistungsmechanismus rechtlichen Gehörs operieren. (§ 5 C. II. 2. c), 3.) 54.  Die ebenfalls verfassungsrechtlich fundierten und verfahrensrechtlich konkretisierten Begründungspflichten können in vollständig automatisiert abgewickelten Verwaltungsverfahren mittels automatisierter Begründungsmechanismen erfüllt werden, die standardisierte Begründungselemente, die mit den im Entscheidungssystem determiniert hinterlegten Entscheidungs­ parametern inhaltlich verknüpft sind, je nach getroffener Entscheidung zu einer die wesentlichen rechtlichen und tatsächlichen Entscheidungsgrundlagen wiedergebenden Gesamtbegründung der automatisiert erzeugten Entscheidung zusammenfügen und dadurch eine individuell formulierte oder menschlich zusammengesetzte Begründung des Verwaltungsakts ersetzen. Die Grundvoraussetzungen einer technischen Umsetzung solcher Mechanismen sind dem System dabei ausgehend von der notwendigen Antizipation auch der Rechtsanwendungsvorgänge immanent. Hinsichtlich Inhalt und Umfang der Begründung gelten im Grundsatz die gleichen Maßstäbe wie auch in menschlich durchsetzten Verwaltungsverfahren, mit dem Unterschied, dass diese einer Antizipierung und Verknüpfung mit den Entscheidungsdeterminanten in Gestalt der verschiedenen Begründungselemente bedürfen. (§ 5 C. III. 2. a) und b)) 55.  Im Gleichlauf mit den Rahmenbedingungen menschlicher Begründungen dürfen die auf eine konkrete Einzelentscheidung bezogenen und jene gegenüber dem Betroffenen rechtfertigenden Begründungspflichten nicht als Mechanismen einer abstrakten Algorithmenkontrolle – im Sinne einer vollständigen Offenlegung der internen Entscheidungsprozesse oder gar des Quellcodes des Systems zur Überprüfung eines rechtmäßigen Funktionierens – zweckentfremdet werden, für die – sofern eine Überprüfung anhand der produzierten Endergebnisse wie auch behördeninterner Kontroll- und Überwachungspflichten nicht als ausreichend erachtet werden – andere In­ strumente außerhalb individueller Verwaltungsverfahren geschaffen werden müssten. (§ 5 C. III. 2. c)) 56. Als Formen einer rein algorithmischen Entscheidungsfindung, die als hoheitliche und einseitig-verpflichtende Individualverfügungen unmittelbare Rechtswirkungen gegenüber der betroffenen Person zeitigen und regelmäßig auf einer Verarbeitung personenbezogener Daten beruhen, unterfallen in voll-

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automatisierten Verwaltungsverfahren zustandekommende Verwaltungsakte unter dem Regime des BestVerfModG grundsätzlich dem Anwendungs­ bereich des Verbots automatisierter Einzelfallentscheidungen gem. Art. 22 Abs. 1 DSG-VO, obgleich eine Automation (auch) des Bekanntgabevorgangs keine begriffliche Voraussetzung des Rechtsinstituts darstellt und zudem in der Verfahrenskonzeption angelegte Aussteuerungsmechanismen existieren, die im Falle ihres Auslösens zu einem Ausscheiden des Verfahrens aus den automatisierten Verarbeitungsprozessen bei gleichzeitiger Überleitung in eine menschliche Weiterbearbeitung führen. (§ 5 D. I. 2. a) und b)) 57. Die verfahrensrechtlichen Kodifikationen der §§ 35a VwVfG, 31a S. 1 SGB X und 155 Abs. 4 AO über die Zulassung vollautomatisiert erlassener Verwaltungsakte stellen sodann aber Rechtsvorschriften i. S. d. nationalen Öffnungsklausel des Art. 22 Abs. 2 lit. b) DSG-VO dar und bilden infolgedessen umfangreiche Rückausnahmen zu den Einschränkungen des Art. 22 Abs. 1 DSG-VO, sofern verfahrensmäßige Mindestgarantien zur Wahrung der Rechte und Freiheiten sowie der berechtigten Interessen der betroffenen Person vorgehalten werden. Die regulatorischen Gehalte des Art. 22 DSGVO strahlen damit sowohl auf Aspekte der Zulässigkeit einer automatisierten Entscheidung an sich als auch auf die Ausgestaltung und Abwicklung der diesen zugrundeliegenden automatisierten Entscheidungsverfahren aus. (§ 5 D. I. 3.) 58.  Zu den unter der nationalen Öffnungsklausel des Art. 22 Abs. 2 lit. b) DSG-VO erforderlichen verfahrensmäßigen Mindestgarantien, die innerhalb der DSG-VO keine nähere Konkretisierung erfahren, sich ausgehend von einem gleichwertigen Schutzniveau aber zumindest leitlinienhaft an den aufgezählten Mindestgehalten des (nicht unmittelbar anwendbaren) Art. 22 Abs. 3 DSG-VO – zusammen mit den allgemeineren Ausführungen in ­ErwGr. 71 UAbs. 1 S. 4 und UAbs. 2 S. 1 – orientieren können, gehören jedenfalls ein Recht auf Erwirkung einer menschlichen Intervention, auf Darlegung des eigenen Standpunkts, auf Anfechtung der getroffenen Entscheidung, auf eine erklärende Begründung derselben sowie auf eine faire und transparente Verarbeitung der Daten. (§ 5 D. I. 3. a) bis e)) 59.  Im Lichte einer konkreten verfahrensorganisatorischen Umsetzung der „angemessenen Maßnahmen“ unter Art. 22 Abs. 2 lit. b) DSG-VO zeigen sich weitreichende Überlappungsbereiche mit den bereits aus dem nationalen Verfassungs- und Verfahrensrecht abzuleitenden Postulaten für vollautomatisiert erlassene Verwaltungsakte, die eine verfahrenskonzeptionell-synergetische Umsetzung der verschiedenen rechtlichen Anforderungen ermöglichen und zugleich nahelegen. (§ 5 D. I. 3. a) bis e)) 60.  Dahingehende synergetische Potenziale ergeben sich etwa hinsichtlich des unionalen Rechts auf persönliches Eingreifen und auf Darlegung des ei-



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genen Standpunkts einerseits, die für sich bereits eng miteinander verbunden sind, sich regelmäßig gegenseitig bedingen und komplementär zueinander wirken, sowie andererseits den individualitätsinkludierenden und rechtliches Gehör gewährenden Mechanismen im Rahmen einer automatisierten Sachverhaltsermittlung und Anhörung unter den nationalen Verfahrensordnungen, die allesamt mittels einer gemeinsamen, individuelle Angaben zulassenden und eine menschliche Bearbeitung herbeiführenden Aussteuerungsvorkehrung – regelmäßig in Form von qualifizierten Freitextfelder oder automa­ tisierten Äußerungsaufforderungen – verfahrenstechnisch umgesetzt werden können, welche insofern multiple Funktionen in sich vereint. (§ 5 D. I. 3. a), b) sowie C. I. 2. b) aa) und II. 2. c)) 61.  Gleiches gilt für die unionsrechtlichen Gewährleistungen eines Rechts auf Erläuterung der Entscheidung sowie auf eine faire und transparente Datenverarbeitung, die jeweils substanzielle Schnittmengen mit den Anforderungen national verfahrensrechtlicher Begründungspflichten respektive verfassungsrechtlich induzierten Qualitätssicherungs- und Überwachungspflichten aufweisen und dementsprechend vergleichbaren rechtlichen Maßstäben wie auch technischen Anforderungsprofilen unterliegen. (§ 5 D. I. 3. d) und e) sowie § 5 A. I. 1., C. III. 2. a) und b)) 62. Hinsichtlich eines unionsrechtlich geforderten Anfechtungsrechts in Bezug auf die automatisiert getroffene Entscheidung ist der – mangels genauerer Konkretisierungen der jeweiligen Mindestgarantien einzuräumende – Gestaltungsspielraums des nationalen Gesetzgebers bei Gebrauchmachen von der nationalen Öffnungsklausel des Art. 22 Abs. 2 lit. b) DSG-VO als dahingehend ausgeübt zu betrachten, dass nicht neuartig zu implementierende, ausgangsbehördliche Nachprüfungsverfahren, sondern das bewährte Rechtsschutzinstrumentarium der VwGO – gepaart mit weiteren formlosen Rechtsbehelfen – als hinreichende Verwirklichungsmethode eines „Rechts auf Anfechtung der Entscheidung“ im Bereich hoheitlicher Entscheidungserzeugung zu qualifizieren ist. (§ 5 D. I. 3. c)) 63.  Für eine Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten i. S. d. Art. 9 Abs. 1 DSG-VO, die den speziellen Restriktionen wie auch Rückausnahmen der Art. 22 Abs. 4, Abs. 2, 9 Abs. 2 lit. a) und g) DSG-VO unterfällt und in diesem Kontext erneut mehrfach verfahrensmäßige Mindestgarantien verlangt, kann trotz des Verweises auf „angemessene und spezifische Maßnahmen“ gem. Art. 9 Abs. 2  lit. g) i. V. m. Art. 22 Abs. 4  DSG-VO für automatisierte Entscheidungssysteme in der öffentlichen Verwaltung weitgehend auf das bereits im Kontext des Art. 22 Abs. 1 und Abs. 2 lit. b) DSG-VO herausgearbeitete verfahrensmäßige Instrumentarium zur Sicherung der Betroffenenrechte und -interessen zurückgegriffen werden, das regel­ mäßig auch hinsichtlich besonders sensibler Datenverarbeitungen effektive

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Kontrollebenen etabliert und lediglich im Bedarfsfall um spezifische, im Lichte der konkret verarbeiteten besonderen Daten ausgestaltete Mechanismen erweitert werden muss. Ein Vorliegen des gem. Art. 9 Abs. 2 lit. g) DSG-VO erforderlichen öffentlichen Interesses an der Verarbeitung wird ausgehend von den Indikationen des ErwGr. 52 S. 3 DSG-VO für vollautomatisiert abgewickelten Verwaltungsverfahren regelmäßig anzunehmen sein. (§ 5 D. I. 3. f)) 64. Die ebenfalls speziell auf automatisierte Einzelentscheidungen zugeschnittenen Teilregelungen der Auskunfts- und Informationsrechte der Art. 13 Abs. 2 lit. f), 14 Abs. 2 lit. g) und 15 Abs. 1 lit. h) DSG-VO fungieren in Bezug auf die Verfahrensordnungen eher als Ergänzung national-verfahrensrechtlicher Postulate, insbesondere der Begründungspflichten, indem ein auf den Datenverarbeitungsprozess fokussierter, im Ergebnis freilich nicht grenzenloser Transparenzmechanismus etabliert wird, der zumindest im Ansatz Züge einer abstrakten Algorithmenkontrolle annimmt, die von den nationalverfahrensrechtlichen Begründungspflichten nicht geleistet werden kann und soll. (§ 5 D. II.) 65. Hinsichtlich Umfang und Tiefe der „aussagekräftigen Informationen über die involvierte Logik“ ist angesichts des Schutzzwecks der Norm wie auch ihres interessenausgleichenden Charakters im Hinblick auf ebenfalls geschützte Interessen an einer Verwendung dahingehender Systeme richtigerweise ein zurückhaltender Maßstab anzulegen, der lediglich die Offenlegung der generellen Funktionsweisen und Datengrundlagen des Entscheidungs­ systems, nicht jedoch detaillierte Einsichtsmöglichkeiten in Rohdaten und Quellcode verlangt. Dies gilt insbesondere für Entscheidungssysteme der öffentlichen Verwaltung, die auf algorithmische Mechanismen zur Risikobewertung der Vollständigkeit, Plausibilität und Validität der Daten zurückgreifen, wo andernfalls eine Adaption des Bürgers an die offenliegenden Risikokriterien und infolgedessen eine Verfehlung ihrer rechtsstaatlichen Zwecke zu befürchten wäre. (§ 5 D. II.) 66. Eingebettet in den bestehenden national-verfahrensrechtlichen Regelungsverbund, dessen Maßgaben sich – wie gezeigt werden konnte – auf ­einen automationszentrierten und gleichzeitig menschliche Mitwirkungsbeiträge weitgehend ausschließenden Abwicklungsmodus des Verfahrens transponieren lassen, erfüllt der konkrete Zuschnitt vollautomatisiert erlassener Verwaltungsakte nach den §§ 35a VwVfG, 31a S. 1 SGB X und 155 Abs. 4 AO die unter Art. 22 DSG-VO unionsrechtlich – insbesondere in Form verfahrensmäßiger Mindestgarantien – vorgesehenen Anforderungen. Gleichermaßen lassen sich die Auskunfts- und Informationsrechte der Art. 13 Abs. 2 lit. f), 14 Abs. 2 lit. g) und 15 Abs. 1 lit. h) DSG-VO ohne Schwierigkeiten in eine dahingehende automatisierte Verfahrensabwicklung integrieren. (§ 5 D. III.)



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67. Den methodischen Zweifeln an einer Rechtsanwendung durch algorithmische Systeme, die ausgehend von dem Dilemma zwischen Formalisierungsbedürfnis und Formalisierbarkeit natürlicher Rechtssprache, dogmatischen und rechtserzeugenden Momenten der Rechtsanwendung sowie dem Charakter der juristischen Subsumtion als wechselschrittig erfolgender und wertender Prozess des Inbezugsetzens von Recht und Lebenswirklichkeit formuliert werden, ist jedenfalls in der ihnen beigemessenen Rigidität wie auch der Konsequenz der Annahme eines Kategorienfehlers algorithmischer Rechtsanwendung entgegenzutreten. Juristische Entscheidungssysteme sind im Ausgangspunkt zumindest in geeigneten Rechtsbereichen als methodisch valide Rechtsanwendungsinstanzen anzuerkennen, was im Hinblick auf eine sinnstiftende Zusammenführung juristischer Tätigkeitsfelder mit modernen informationstechnischen Potenzialen nach hier vertretener Auffassung den einzig gangbaren Weg darstellt. (§ 5 E. I. und II.) 68. Indem sich die Rechtsanwendung innerhalb juristischer Entscheidungssysteme der hier betrachteten Art gänzlich als Produkt einer menschlichen Antizipierung darstellt, welche keine – angesichts semantischer Kontingenz – kaum umsetzbare allgemeine Indexierung der Rechtssprache im Sinne eines holistischen Gesetzesvollzugsalgorithmus beansprucht, sondern stattdessen eine anwendungsbezogene Formalisierung nur der dem jeweiligen Normkomplex in seiner spezifischen Anwendung auf Einzelfälle zuzuordnenden Rechtssprache bedingt, in der sich zusätzlich sämtliche normanwendungsrelevanten Aspekte niederschlagen, können die Problembereiche betreffend die Formalisierbarkeit der Rechtssprache wie auch die dogmatischen und rechtserzeugenden Bestandteile der Rechtsanwendung nach hiesiger Auffassung letztlich weitgehend ausgeräumt werden. Der konkrete Anwendungsbezug der Formalisierung und letztlich Antizipierung der rechtlichen Grundlagen bildet insofern ein natürliches Gegengewicht zur Kontingenz menschlicher Sprache, innerhalb dessen sich die Kontextvarianzen und semantischen Differenzierungen der speziell auf diesen Anwendungskontext bezogenen, zu formalisierenden (Rechts-)Sprache als durchaus stabil, vorhersehbar und damit handhabbar, mithin algorithmisch abbildbar erweisen. (§ 5 E. II. 1.) 69.  Eine Bewältigung der in der methodischen Grundkonstruktion der juristischen Subsumtion begründet liegenden Reibungspunkte in Bezug auf die Validität algorithmischer Rechtsanwendung gelingt sodann darüber, dass in stärkerem Maße als bisher die qualitativen und letztlich auch methodisch tolerierten Unterschiede zwischen Subsumtionsvorgängen verschiedener Rechtsanwendungskontexte herausgestellt und innerhalb der Diskussion argumentativ fruchtbar gemacht werden. Unter Berücksichtigung der dahingehenden Realitäten praktischer Rechtsanwendung entspricht insbesondere nicht jeder in der Lebenswirklichkeit tagtäglich stattfindende Rechtsanwen-

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dungs- und Subsumtionsvorgang uneingeschränkt ebenjenem Archetyp juristischer Inbezugsetzung von Recht und Realität, wie ihn die (Rechts-)Methodik in seiner reinsten Form beschreibt, sondern unterliegt den Rahmenbedingungen der jeweiligen Anwendungspraxis (teils notwendig) geschuldeten Modifikationen. Mit Rechtsbereichen, die einerseits eine geringere normative und anwendungsstrukturelle Komplexität, Wertungsoffenheit und Einzelfallvarianz aufweisen sowie andererseits von einer etablierten und hinreichend wissenschaftlich und dogmatisch gefestigten Anwendungspraxis beherrscht werden, die nur mehr eines gleichförmigen, ggfls. massenhaften Vollzugs harrt, existieren in diesem Sinne durchaus Domänen praktischer Rechtsanwendung, innerhalb derer sich die juristische Subsumtion als ein überwiegend mechanischer, nicht auf Rechtserkenntnisgewinn oder dogmatische Fortentwicklung angelegter und auf breiter Basis klare konditionale Abhängigkeiten befolgender, mithin vorhersehbarer Rechtsanwendungsvorgang darstellt, der durch algorithmische Systeme sinnstiftend reproduziert werden kann. (§ 5 E. II. 2. und 3.) 70.  Unter den verfahrensrechtlichen Kodifikationen des vollständig automatisiert erlassenen Verwaltungsakts zeichnet sich in der Gesamtschau eine überwiegend abneigende Grundhaltung des Gesetzgebers gegenüber automatisierten, also nicht auf eine aktuelle menschliche Willensbetätigung zurückgehenden Wahrnehmungsformen administrativer Entscheidungsspielräume ab. Während diese in § 35a VwVfG durch einen ausdrücklichen Ausschluss einer automatisierten Entscheidungsfindung in solchen Fallkonstellationen zum Ausdruck kommt, begrenzen die fachverfahrensrechtlichen Normierungen der §§ 31a S. 1 SGB X, 155 Abs. 4 AO den tatbestandlichen Anwendungsbereich des vollautomatisierten Verwaltungsakterlasses zwar grammatikalisch weniger explizit, in der Sache aber übereinstimmend, indem das ­Bestehen administrativer Letztentscheidungskompetenzen zum „Anlass“ einer personellen Bearbeitung deklariert wird, und bestätigen so erneut die Prämisse einer fachsäulenübergreifend-einheitlichen Grundkonzeption des Rechtsinstituts. (§ 6 A. I., II.) 71. Lediglich vereinzelt und andeutungsweise finden sich in den steuerverfahrensrechtlichen Vorschriften Hinweise auf die Existenz möglicher Bereiche automatisierter Ermessensausübung, die mangels dogmatisch belastbarer Verallgemeinerungsfähigkeit und angesichts teils gegenläufiger legislativer Indizien im Ergebnis allerdings nicht als gesetzgeberische Distanzierung von der im Ausgangspunkt nahegelegten Zurückhaltung interpretiert werden können. (§ 6 A. III. 1. und 2.) 72. Automatisierte Fristverlängerungsanordnungen gem. § 109 Abs. 4 AO oder automatisierte Rücknahme- und Widerrufsentscheidungen von Anrechnungsverfügungen und mit diesen verbundenen Verwaltungsakten gem.



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§§ 155 Abs. 4 S. 1 und S. 2 Nr. 1, 130, 131 AO, die angesichts ihres normativen Zuschnitts noch am ehesten als echte Aufweichungen der sich abzeichnenden legislativen Grundhaltung verstanden werden könnten, stellen sich in diesem Zusammenhang lediglich als singulär bleibende und binnensystematisch kaum zu konsolidierende Anomalien dar. (§ 6 A. III. 3.) 73.  Die festzustellende restriktive einfachrechtliche Ausgangslage im Hinblick auf eine automatisierte Wahrnehmung administrativer Entscheidungsspielräume kann nicht mittels einer konkreter begriffenen Auslegung des „Bestehens“ des Entscheidungsspielraums bzw. des „Anlasses“ zur personellen Bearbeitung, welche die Existenz von administrativen Selbstbindungstatbeständen berücksichtigt, teleologisch konsequent relativiert werden. Die den Kodifikationen des vollständig automatisierten Verwaltungsakterlasses inhärente Begrenzungsfunktion setzt insofern – auch im Einklang mit der Spezialregelung des § 155 Abs. 4 S. 2 Nr. 2 AO – eine gesetzgeberische Bestimmung automationsgeeigneter Rechtsmaterien voraus, welche im Falle einer Abhängigkeit von – selbstgesetzten – administrativen Selbstbindungstatbeständen unterminiert würde. (§ 6 A. IV.) 74.  Jenseits der nach hiesigem Verständnis engen tatbestandlichen Grenzen können nach vorliegend vertretener Auffassung sowohl Ermessens- als auch Beurteilungsentscheidungen im Ausgangspunkt einer vollständig automatisierten Erzeugung überantwortet werden, sofern der jeweilige Entscheidungsspielraum inklusive der sich in ihm manifestierenden wertenden Entscheidungsanteile ausgehend von den normativen und praktischen Rahmenbedingungen seiner Ausfüllung einer Antizipierung zugänglich ist und zugleich eine Berücksichtigungsfähigkeit atypischer Besonderheiten, mithin ein Rest an echter Individualisierbarkeit des eingeräumten Entscheidungsspielraums gewährleistet bleibt, wobei in letztgenannter Hinsicht im Entscheidungsprogramm implementierte Risikomanagementsysteme kompensatorische Funktionen einnehmen, die eine Aussteuerung des Verfahrens in als atypisch vermuteten Fällen bewirken. (§ 6 B. II.) 75. Eine automatisierte Ausübung von administrativen Letztentscheidungsspielräumen durch ein juristisches Entscheidungssystem ist unter diesen Prämissen als grundsätzlich umsetzbar anzuerkennen und stellt sich dabei im Kern lediglich als technisch aktualisierte Spielart einer standardisierten Ausfüllung administrativer Letztentscheidungskompetenzen dar, wie diese unter den Steuerungswirkungen administrativer Selbstbindungen (z. B. durch ermessensleitende Verwaltungsvorschriften) seit langem als verwaltungsrechtliches Konzept in Dogmatik und Praxis verankert sind. Ausreichend belastbare Anhaltspunkte, die einen prinzipiellen Ausschluss einer dahingehenden Offenheit automatisierter Entscheidungsverfahren rechtfertigen würden, können dagegen weder unter dogmatischen noch funktionellen Gesichts-

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punkten abgeleitet werden. Insbesondere lässt sich die dem gewaltenteiligen Ansatz des Ermessens entspringende kompetenzielle Abgrenzung zwischen Verwaltung und Rechtsprechung nicht (auch) auf eine verfahrensorganisatorische oder gar instanzielle Grenzziehung zwischen menschlichen und maschinellen Rechtsanwendungssubjekten ausweiten. (§ 6 B. II., insbes. 1. a) und b)) 76. Mangels eines zuverlässig herzustellenden inneren Zusammenhangs zwischen der Einräumung administrativer Entscheidungsspielräume und einer automatisierten Bewältigbarkeit der zugrundeliegenden Entscheidungen erweisen sich die im Rahmen der §§ 35a VwVfG, 31a S. 1 SGB X und 155 Abs. 4 AO legislativ bemühten Ausschlusskriterien in der Konsequenz als sachwidrige und letztlich abzulehnende Merkmale einer normativen Grenzziehung zwischen automationsgeeigneten und -ungeeigneten Verwaltungsrechtsmaterien, soweit diese explizit oder – in Form eines „Anlasses“ zur personellen Bearbeitung – implizit an das Bestehen eines Ermessens- oder Beurteilungsspielraums per se anknüpfen, ohne die genaueren Entscheidungsmodalitäten des jeweiligen Regelungsbereichs in die Beurteilung einzubeziehen. (§ 6 B. III.) 77. Anstelle der Existenz administrativer Letztentscheidungsrechte stellt die typischerweise vorzufindende Komplexität der Entscheidungslage in den automatisiert zu vollziehenden Verwaltungsmaterien die maßgebliche Determinante einer zulässigen Automatisierbarkeit der Entscheidungen dar. Als Gesamtheit der rechtlichen und tatsächlichen Umstände, die einer stabilen Antizipierung entgegenstehen, knüpft dieses Kriterium an die Überführbarkeit der (dort nicht voll gesetzlich determinierten) Entscheidungskorridore in standardisierte Workflows dergestalt an, dass mit einer hinreichenden Zuverlässigkeit gesetzmäßige Sachentscheidungen vom Entscheidungssystem getroffen werden, unabhängig davon, ob diese Entscheidungskomplexität aus der Einräumung von administrativen Letztentscheidungskompetenzen oder anderen Komplikationen der Rechtsanwendung resultiert, wie etwa schwie­ rigen Tatfragen bzw. einem gesteigerten Realanteil der Entscheidungen, der Anwendung stark wertungs- und ausfüllungsbedürftiger unbestimmter Rechtsbegriffe, stark situativen Kontexten, prognostischen Ungewissheitsbedingungen oder grundrechts- und abwägungsintensiven Entscheidungslagen. (§ 6 B. IV.)

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Sachverzeichnis Abfrage  127, 257, 338 ff., 341 f., 370, 484 Agentenerklärung  171 ff., 475 Aktenführung  35, 56, 60, 62 ff., 69, 79 Akzeptanz  32, 60, 65, 89, 102, 372, 380 f., 387, 472, 478 Algorithmenkontrolle, abstrakte  300, 386 ff., 406, 411, 487, 490 Algorithmus, selbstlernender  30, 38, 147, 172, 272, 304 ff., 349, 358 ff., 364 ff., 383 f., 388, 394, 403, 412, 457, 468, 481 f., 485 f. Amtsermittlung  335 ff. –– automationsinduzierte Defizite  125, 341 ff., 457, 484 –– automatisierte   335 ff., 371 f. –– Erweiterung  82, 124 ff., 151, 184 f., 214, 343 f., 348 ff., 353, 477 –– kompensatorische Mechanismen  143, 259, 272, 311, 341 ff., 390 –– kooperative  352 f. Anhörung  372 ff. –– Entbehrlichkeit  191, 200 ff., 210, 374 ff. –– Informalität  377 ff., 486 Anrechnungsverfügung  99 f., 431, 438, 492 Antizipierung, humane  256 ff., 292, 390 –– bzgl. Amtsermittlung  341 f., 362, 370 f. –– bzgl. Begründung  385 ff., 389 –– bzgl. der Rechtsanwendung  257 f., 451 f., 464 ff. –– bzgl. Ermessens- und Beurteilungsspielräumen  451 ff., 454 f., 459, 464 ff.

–– im rechtstheoretischen Kontext  413, 417 ff., 423 ff. Aufsicht  277 f., 400 f., 479 Auslegung  161, 256, 311 f., 390, 418, 421, 435 ff., 451, 475, 483, 493 Auslösungsimpuls  145 ff., 474 Ausreißer  324, 358, 457 Außenwirkung  148, 166 f., 249, 258, 475 Äußerungsaufforderung  344 ff., 371, 378 f., 397 f., 400, 410, 484, 486 f., 489 Aussteuerung  151 ff., 344, 346 ff., 360 ff., 394 f., 397 f., 400, 410, 429, 436, 456, 459 f., 474, 485 ff., 493 Auswahlvorbehalt  143 f. Automationsdiskurs  33, 37, 411 Begrenzungsfunktion  120 f., 141 ff., 149, 155 ff., 438, 493 Begründung  299 ff., 367, 379 ff., 403, 406, 409 ff., 481, 487, 489 f. –– Entbehrlichkeit  196 ff., 381 f. Bekanntgabe  67 f., 79 f., 116, 136 ff., 155, 163, 394 f., 474, 488 Belegvorhaltepflicht  82, 132 Beratungs- und Hinweispflichten  122, 212 Berufsbeamtentum (Funktionsvorbehalt)  287 ff. Betrachtungsweise, funktional-differenzierende  308 ff., 481 f. Beurteilungsspielraum  460 ff., 467, 494 Cluster  311, 324 Computererklärung  172 f., 175, 249 Computerverwaltungsakt  41 f., 72, 94, 168, 181, 187

528 Sachverzeichnis Datenbestand  299, 306, 315 f., 339 f., 358, 484 f. De-Mail-Nachricht  53, 77 Demokratieprinzip  274 ff., 313 ff. Diskriminierung  300, 310, 331, 357 ff., 364 ff., 486 E-Government  31 f., 71, 77 ff., 85 f. Einflussnahme  280 ff., 314 ff. Eingabemaske  339, 341, 344, 351, 370, 377 f., 484, 486 Einrichtungen, automatische  104 ff., 181 ff. Einzelfallgerechtigkeit  443 f. Einzelfallprüfung  205, 342 Elektronisierung (des Verwaltungsverfahrens)  68 ff., 472 Entbehrlichkeit –– der Anhörung s. Amtsermittlung –– der Begründung s. Begründung –– der Namenswidergabe s. Namens­ widergabe Entscheidungsrichtigkeit, materielle  255 ff., 283, 478 Entstehungsvorgang, automatisierter  144 f. Erlassbegriff  115 ff., 133, 136 f., 145 Ermächtigungslehre, normative  461 Ermessen  211, 310, 384, 427 ff. Ermessensreduktion (auf Null)  436 ff., 440 Ermessensrichtlinien  435, 437, 458 Fiktion (eines Verwaltungsakts) s. Verwaltungsakt Formalisierung  414 ff., 417 ff., 491 Formular  135, 338, 341 f., 351, 370 Fortfall (des Regelungszwecks)  191 ff., 196 ff., 381 Freigabe  279, 316 Freitextfeld, qualifiziertes  151 f., 155, 185, 344 ff., 378 f., 386, 397 f., 400, 410, 429, 484, 486 f., 489

Fristverlängerung  83, 432, 434, 441, 458 f., 492 f. Funktion, verfahrensrechtliche  220, 240 Gefahrprognose  298 f., 387 Genehmigungsfiktion  218 ff. Generalisierungsermächtigung  445, 469 Gesetzesvollzugsalgorithmus, allgemeiner  417, 491 Gesetzgebungsdefizit  68 ff., 212 ff. Gesetzmäßigkeit s. Vorrang und Vorbehalt des Gesetzes Gewaltenteilung  224 f., 230, 269, 318 ff., 327 Gewohnheitsrecht  418 Grundrechtsrelevanz  269, 271 ff. Hinweispflicht  301, 346, 481 Humanisierung (des Verfahrens)  131, 233, 445 Humanvorbehalt  287, 292, 423, 480 Indexierung (von Kasuistik)  419 Individualisierung (des Rechts)  448, 452 f., 455 ff., 464 Informationskanäle  234 f., 340, 370, 484 Interdisziplinarität  257, 451 Intransparenz  260, 300, 319 ff., 382 Kategorienfehler  412 ff., 416, 452, 491 Kernbereichsschutz  291 ff., 480 Klassifikation  311 Kontingenz (der Rechtssprache)  417 ff., 491 Kooperationsanordnung  340 Korrelation  306, 311, 319, 323 f., 331, 367 Künstliche Intelligenz –– hybride Anwendungsformen in der öffentlichen Verwaltung  322

Sachverzeichnis529 Legitimation, demokratische –– bei determinierten Systemen  274 ff. –– bei selbstlernenden Systemen  313 ff. –– Personell-organisatorische  278 ff., 314 ff. –– Sachlich-inhaltliche  276 ff., 313 f. Logik, involvierte  406 ff., 490 Massenverwaltung  41 ff., 194 f., 420 ff., 452 Maßnahme (einer Behörde)  167 ff. Menschenwürde  289 ff. Mindestgarantien, verfahrensmäßige  395 ff., 488 f. Modell –– axiomatisch-deduktiv  304 f., 355 ff. –– stochastisch-induktiv  305 f., 358 ff. Musterabweichung  324 f., 486 Mustererkennung/-abgleich/-zuordnung  311, 324, 349, 457 f. Nachprüfungscharakter  155 ff., 164, 349 Nachprüfungsvorbehalt  228, 242, 433 Nachvollziehbarkeit  298 ff., 321 f., 359, 367 ff., 388 Namenswiedergabe (Absehen von)  191 ff. Nebenbestimmung  100, 431, 433, 435, 439, 458 Neuheitserkennung  324, 358, 457 Nichtförmlichkeit  44 Objektformel  289 f., 480 Öffnungsklausel, nationale  395, 402, 404, 408 f., 488 f. Organisationsermessen  142, 268, 271 Output-Legitimation  317, 329 Parallelbetrachtung  100 ff. Plausibilitätskontrolle  336, 352, 370, 484 Programmierung  113, 147 f., 169, 172 ff., 245, 248 f., 257 ff., 280 ff.,

314 ff., 321, 325, 341, 370, 383, 394, 417 ff., 437, 444, 452 f., 455, 475, 484 Qualitätssicherungspflichten s. Überwachungspflichten Rechtmäßigkeitskontrolle  241, 245 ff., 331, 337, 357, 370, 477 Rechtsanwendung, algorithmische  309 ff., 411 ff. Rechtsbegriff, unbestimmter  259, 451, 470, 494 Rechtsprechung  183, 256, 264 f., 310, 418, 449, 494 Rechtsschutz, effektiver  298 ff., 318 Regelungscharakter  166 f. Regelungsverbund  396, 410, 483, 490 Regelungsvorbehalt  101, 160, s. auch Auswahlvorbehalt Residualelemente, humane  279 ff., 314 ff., 327 f. Risikomanagementsystem  76 f., 82, 123, 126, 133, 151 f., 323 ff., 351 ff., 455 ff. Risikoparameter  330 ff., 355 ff., 361 ff. Rückführung (nach Aussteuerung)  s. Aussteuerung Rücknahme- und Widerrufsentscheidung  431, 441, 492 Schematisierung/Standardisierung  125 f., 184, 244 f., 259, 342, 349 ff., 354, 370 f., 385, 450, 452 ff., 458, 461, 469, 484, 485 Selbstbindung (der Verwaltung)  436, 438 ff., 445, 452 ff., 493 Selbstmodulierung  309 ff. Selbstorganschaft  281 Selbstveranlagung  229, 241 Signatur, qualifizierte elektronische  45 f., 52, 54 f., 74 f., 81, 178 Software s. Programmierung Spürbarkeit (einer Belastung)  242, 248 f., 478 Steueranmeldung  73 f., 81, 216, 227 ff.

530 Sachverzeichnis Steueranrechnung  99 f., 431, 438, 492 Subordination  424 Subsumtion  110 f., 114, 129, 138, 149, 162 ff., 181 ff., 190, 240, 309, 311, 321, 411, 414 f., 420 ff., 451, 473, 477, 482, 491 f. Synergien  136, 250, 325, 410, 476 Tatbestandsmerkmale  172, 256, 309, 312, 341, 418, 421, 460, 482 Technikoffenheit  43, 105, 307 Transparenz s. Nachvollziehbarkeit Überlappungsbereiche  403, 410 f., 488 Überwachungspflichten  259 ff., 330 ff., 361 ff., 402 f. Untersuchungsgrundsatz s. Amtsermittlung Verfahrensherrschaft, operative  284 f., 288, 317 f., 479 Verfahrensorganisation  157, 189, 195, 213, 271, 294, 327, 374, 376 f., 389 f., 396 ff., 449, 480, 482 f., 486, 488, 494, s. auch Organisationsermessen Verhältnismäßigkeit  205, 234, 404 Verifikationsprinzip  342, 352 f. Verkehrs- und Lichtzeichenanlagen  161 Verkörperungsformen  158 ff., 176 ff. Verobjektivierung  289, 292 f., 480 Verspätungszuschlag  83, 432 ff. Verwaltungsakt  166 ff. –– elektronisch übermittelter  179 f. –– elektronischer  176 ff.

–– fiktiver  215 ff. –– mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlassener  111 f., 107 ff., 181 ff. –– virtueller  95 Verwaltungsfabrikat  93 Verwaltungsverfahren, vorgelagertes  114 ff. Verwaltungsvorschrift  167, 256, 258, 265, 277, 421, 434, 436, 440, 445, 452 f., 460 f., 493 Verzögerung  204, 264 ff., 277 f. Vollautomatisierung, einfache  160 f. Vorabanforderung (der Steuererklärung)  431 f. Vorbehalt des Gesetzes  268 ff. Vorbereitungshandlungen  113, 127, 136, 149, 173, 249 Vorläufigkeitsvermerk  433 Vorrang des Gesetzes  253 ff., 309 ff. Wesentlichkeitstheorie  269 ff., 369, 479 Widerspruchsverfahren  401 f. Willensäußerung, behördliche  115 ff., 222 Willensbetätigung, menschliche  167 ff., 242, 248 f., 281, 428 f., 443 f., 469 f., 475, 492 Willenserklärung  115 ff., 140, 168, 171 ff., 249 f., 475 Zertifizierung  261, 283, 302, 314, 481 Zufallsauswahl  431 f.