Versammlungen jenseits des öffentlichen Straßenraums: Eine schutzpflichtenrechtliche Untersuchung des räumlichen Schutzgehalts von Art. 8 I GG [1 ed.] 9783428585298, 9783428185290

Die Arbeit beschäftigt sich mit der Problematik der Nutzung von Flächen für Versammlungszwecke. Sie untersucht, ob neben

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Versammlungen jenseits des öffentlichen Straßenraums: Eine schutzpflichtenrechtliche Untersuchung des räumlichen Schutzgehalts von Art. 8 I GG [1 ed.]
 9783428585298, 9783428185290

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Tübinger Schriften zum Staats- und Verwaltungsrecht Band 107

Versammlungen jenseits des öffentlichen Straßenraums Eine schutzpflichtenrechtliche Untersuchung des räumlichen Schutzgehalts von Art. 8 I GG

Von Karolin Sophie Dirscherl

Duncker & Humblot · Berlin

KAROLIN SOPHIE DIRSCHERL

Versammlungen jenseits des öffentlichen Straßenraums

Tübinger Schriften zum Staats- und Verwaltungsrecht Herausgegeben von Christia n Sei ler in Gemeinschaft mit J o c h e n v o n B e r n s t o r f f , M i c h a e l D r o e g e , M a r t i n He c k e l, K a r l -He r m a n n K ä s t n e r, F e r d i n a n d K i r c h h o f, H a n s v o n M a n g o l d t , M a r t i n Ne t t e s h e i m, G ü nt e r P ü t t n e r, B a r b a r a R e m m e r t , M i c h a e l R o n e l l e n f i t s c h, J o h a n n e s S a u r e r, Wo l f g a n g G r a f V i t z t hu m sämtlich in Tübingen

Band 107

Versammlungen jenseits des öffentlichen Straßenraums Eine schutzpflichtenrechtliche Untersuchung des räumlichen Schutzgehalts von Art. 8 I GG

Von Karolin Sophie Dirscherl

Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Eberhard Karls Universität Tübingen hat diese Arbeit im Jahr 2021 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

D 21 Alle Rechte vorbehalten

© 2022 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Satz: TextFormA(r)t, Daniela Weiland, Göttingen Druck: CPI buchbücher.de GmbH, Birkach Printed in Germany ISSN 0935-6061 ISBN 978-3-428-18529-0 (Print) ISBN 978-3-428-58529-8 (E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die Arbeit wurde im Sommersemester 2021 von der Juristischen Fakultät der Eberhard Karls Universität Tübingen als Dissertation angenommen. Entstanden ist das Buch in meiner Zeit als Wissenschaftliche Mitarbeiterin am dortigen Lehrstuhl für Staats- und Verwaltungsrecht, Öffentliches Wirtschaftsrecht, Kommunalrecht. Gesetzgebung, Rechtsprechung und Literatur sind überwiegend auf dem Stand vom Juni 2021, vereinzelt sind Nachträge erfolgt. Die Arbeit geht zurück auf die Anregung meiner Doktormutter Frau Professor Dr. Barbara Remmert, der ich für die Möglichkeit danken möchte, mich im Rahmen meiner Dissertation mit diesem Thema zu beschäftigen und zugleich an ihrem Lehrstuhl als Wissenschaftliche Mitarbeiterin tätig zu sein. Sie hat mich bei meinem Promotionsvorhaben sowohl durch ihre Gesprächsbereitschaft als auch durch zahlreiche konstruktive Anmerkungen, gute Ideen und Aufmunterung unterstützt und weitergebracht. Die letzten beiden Jahre waren für mich in fachlicher und auch in persönlicher Hinsicht eine bereichernde Zeit. Vielen Dank für diese Erfahrungen. Auch möchte ich mich bei meiner Zweitgutachterin Frau PD Dr. Iris Kemmler für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens sowie für wertvolle Anregungen bedanken. Dank gilt auch Herrn Professor Dr. Christian Seiler für die Aufnahme meiner Dissertation in die Schriftenreihe der „Tübinger Schriften zum Staats- und Verwaltungsrecht“. Allen ehemaligen und derzeitigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Lehrstuhls von Frau Professor Dr. Remmert danke ich für ihre Hilfsbereitschaft, Freundlichkeit und die stets angenehme Arbeitsatmosphäre. Ein ganz besonderer Dank gilt schließlich meiner Familie und meinen Freunden für ihren moralischen und auch anderweitig währenden Beistand, für ihre Hilfsbereitschaft und Rücksichtnahme. Insbesondere meinen Eltern und meiner Schwester danke ich für ihre vielfältige und stets bedingungslose Unterstützung und Ermutigung auf meinem Lebens- und Bildungsweg. Stuttgart, im Oktober 2021

Karolin Sophie Dirscherl

Inhaltsverzeichnis A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 I. Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 II. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 B. Art. 8 I GG und der öffentliche Straßenraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 1. Der öffentliche Straßenraum i. S. d. Straßenrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 a) Gesetzliche Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 aa) Straßenrecht und Straßenverkehrsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 bb) Bundesrechtliche und landesrechtliche Rechtsquellen . . . . . . . . . . . . 18 b) Die öffentliche Straße: Ein Privatgrundstück mit Bedürfnis nach einer Sonderrechtsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 aa) Die Straße als Privatgrundstück . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 bb) Die Bereitstellung von Straßen als Verwaltungsaufgabe . . . . . . . . . . . 20 cc) Eigentum an öffentlichen Straßen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 c) Die Widmung: Begründung und Rechtsfolgen einer Sonderrechtsordnung . 22 aa) Entstehung der „öffentlichen“ Straße . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 bb) Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 (1) Beschränkung des Privateigentums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 (2) Bestimmung des Straßenbaulastträgers und des Sachherrn . . . . . 26 (3) Nutzbarmachung für den Bürger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 d) Bindung an Art. 1 III, 20 III GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 2. Der Straßengebrauch: Einfachgesetzliche Regelungen des Straßenrechts . . . 29 a) Der Gemeingebrauch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 aa) Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 bb) Adressatenkreis und erlaubnisfreie Benutzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 cc) Umfang und Schranken des Gemeingebrauchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 b) Die Sondernutzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 3. Straßenrecht und Versammlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 4. Art. 8 I GG und die Nutzung des öffentlichen Straßenraums . . . . . . . . . . . . . 39 a) Grundrechtliche Gewährleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 b) Konflikt: Erlaubnisfreiheit und Sondernutzungserlaubnis . . . . . . . . . . . . . 39

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Inhaltsverzeichnis II. Rechtsprechung und Literatur zum Verhältnis von Art. 8 I GG und dem Straßenrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 1. Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 a) Einfachrechtliche Lösungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 b) Betonung der grundrechtlichen Dimension und Schutzpflicht . . . . . . . . . 44 aa) Grundlegende Bedeutung von Art. 8 I GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 bb) Grundrechtlich garantiertes Benutzungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 c) Spezialität des Versammlungsrechts gegenüber dem Straßenrecht . . . . . . 47 d) Dogmatische Begründungsversuche und Bedeutung des öffentlichen Straßenraums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 2. Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 3. Zusammenfassung und Problemverdeutlichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 III. Bestehen und Qualifikation eines Straßenbenutzungsrechts aus Art. 8 I GG  . . . . 57 1. Auslegung von Art. 8 I GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 a) Wortlaut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 b) Geschichtliche Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 aa) Griechische Agora und römisches Forum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 bb) Die Vorgängernorm: Art. 123 WRV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 c) Systematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 d) Sinn und Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 e) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 2. Problem bei der Qualifikation des Straßenbenutzungsrechts . . . . . . . . . . . . . 70 a) Straßenbenutzungsrecht als abwehrrechtlicher Unterlassungsanspruch . . 70 b) Kritik und Einordnung in den status activus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 IV. Dogmatische Begründung: staatliche Schutzpflicht zugunsten „realer“ Freiheit

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1. Erste Annäherung an die grundrechtliche Schutzpflichtendimension . . . . . . 76 a) Anhaltspunkte im Grundgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 b) Die Anerkennung und Begründung der Schutzpflicht in Rechtsprechung und Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 2. Bestimmung des Anwendungsbereichs der Schutzpflichtendimension . . . . . 80 a) Ausgangssituation: Bürger – Staat – Bürger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 b) „Erweitertes“ Schutzpflichtverständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 aa) Bedürfnis nach „Erweiterung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 bb) Grundgedanke: Herstellung „realer“ Freiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 cc) Die Ausrichtung der Grundrechte auf die „reale“ Freiheit . . . . . . . . . 82 dd) Vergleichbarkeit: „Werteordnungsrechtsprechung“ des BVerfGs . . . . 83

Inhaltsverzeichnis

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c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 3. Inhalt und Umfang der Schutzpflichtendimension zugunsten „realer Freiheit“: Allgemeine Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 a) Unbestimmtheit und Wirkungsweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 b) Staatlicher Gestaltungsspielraum und Untermaßverbot . . . . . . . . . . . . . . . 90 c) Verpflichtungsadressaten und Schutzstufen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 aa) Primäre Schutzpflichtenstufe: Gesetzgebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 bb) Sekundäre Schutzpflichtenstufe: Exekutive und Judikative . . . . . . . . 95 cc) Arbeitsteiliges Zusammenwirken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 d) Subjektiver Schutzanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 aa) Schutzanspruch auf primärer Schutzpflichtenstufe . . . . . . . . . . . . . . . 101 bb) Schutzanspruch auf sekundärer Schutzpflichtenstufe . . . . . . . . . . . . . 102 V. Anwendung des Schutzmodells auf Art. 8 I GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 1. Art. 8 I GG als Grundrecht mit Schutzpflichtendimension . . . . . . . . . . . . . . . 103 2. Konkreter Inhalt und Umfang der Schutzpflicht aus Art. 8 I GG . . . . . . . . . . 104 3. Staatliche Umsetzung der Schutzpflicht aus Art. 8 I GG . . . . . . . . . . . . . . . . 106 a) Straßenrechtsgesetzgebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 b) Anwendung des Straßenrechts durch Exekutive und Judikative . . . . . . . . 108 aa) Bestand an öffentlichen Straßen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 bb) Nutzung der öffentlichen Straßen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 VI. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 C. Art. 8 I GG und die Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen . . . . . . . . . . . . . 112 I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 1. Begriff der „sonstigen staatlichen Einrichtungen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 2. Die Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen als private Flächen mit Bedürfnis nach einer besonderen Nutzungsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 a) Die Bereitstellung der Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen als ­Verwaltungsleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 b) Die Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen als Privatgrundstücke bzw. -gebäude . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 3. Nutzbarmachung für die Bürger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 a) Begründung der „Öffentlichkeit“ an den Flächen sonstiger staatlicher ­Einrichtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 b) Nutzungsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 aa) Nutzungsrechte durch Gesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 bb) Nutzungsrechte durch Satzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124

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Inhaltsverzeichnis cc) Nutzungsrechte durch Allgemeinverfügung i. S. d. § 35 S. 2 Alt. 2 oder 3 VwVfG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 dd) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 c) Inhalt und Umfang der Nutzungsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 aa) Einrichtungszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 bb) Nutzungsarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 cc) Zulassungserfordernis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 dd) Kapazität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 4. Bindung an Art. 1 III, 20 III GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 5. Inanspruchnahme der Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen durch Versammlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 II. Rechtsprechung und Literatur zu Art. 8 GG und den Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 1. Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 a) Sonderbenutzung der Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen und Einfluss der Grundrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 b) Anerkennung eines Bedürfnisses der Grundrechtsträger auf Nutzung der Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 c) Weiterentwicklung der Berücksichtigungspflicht aus Art. 8 I GG und Lösung von der öffentlichen Zweckbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 d) Fortführung der Rechtsprechung und Konkretisierung der Einzelfall­ betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 e) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 2. Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 III. Die staatliche Schutzverpflichtung aus Art. 8 I GG in Bezug auf die Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 1. Eignung der Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen als Versammlungs­ flächen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 a) Freie Zugänglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 b) Öffentlichkeits- bzw. Kommunikationsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 2. Inhalt und Reichweite des Schutzgehalts von Art. 8 I GG für die Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 a) Grundsatz: Keine strukturelle Abhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 b) Ausnahme: Verdichtung auf Benutzungsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 aa) Keine Verfügbarkeit anderer geeigneter Versammlungsflächen: Monopolstellung des Einrichtungsträgers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 bb) Spezifischer Ortsbezug durch Versammlungsthema . . . . . . . . . . . . . . 167 cc) Grenze der Schutzpflicht: Einrichtungszweck und Gewährleistung der Aufgabenerfüllung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168

Inhaltsverzeichnis

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3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 IV. Umsetzung der staatlichen Schutzverpflichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 1. Abstrakt-generelle Regelung der Flächennutzung durch die (Landes-)Gesetzgeber und die Einrichtungsträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 2. Sekundäre Schutzpflichtenebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 a) Bestand an geeigneten Versammlungsflächen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 b) Nutzung der Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen . . . . . . . . . . . . . 176 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 V. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 D. Art. 8 I GG und die privaten Flächen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 1. Begriffsbestimmung der privaten Flächen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 2. Geltung der Privatrechtsordnung und der Privatautonomie . . . . . . . . . . . . . . . 182 3. Die Öffnung privater Flächen und deren Nutzbarmachung für die Bürger . . . 183 a) Begründung der „Öffentlichkeit“ an den privaten Flächen . . . . . . . . . . . . 184 b) Nutzungsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 aa) Nutzungsrechte durch Gesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 bb) Einräumung von Nutzungsrechten durch den privaten Flächeneigen­ tümer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 (1) Nutzungsrechte durch Vertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 (2) Nutzungsrecht durch einseitige Gestattung . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 c) Inhalt und Umfang der Nutzungsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 d) Nutzungsarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 4. Grundrechtsbindung und Grundrechtsberechtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 5. Inanspruchnahme der privaten Flächen durch Versammlungen . . . . . . . . . . . 195 II. Rechtsprechung und Literatur zu Art. 8 GG und den privaten Flächen . . . . . . . . 197 1. Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 a) Entwicklung der Grundrechtswirkung im Verhältnis zwischen Privaten . . 197 aa) Dogmatisches Fundament: Das Lüth-Urteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 bb) Weiterentwicklung der Lüth-Rechtsprechung und Bezugnahme zur Schutz­pflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 (1) „Handelsvertreter-Beschluss“ und „Bürgschaftsentscheidung“ . . 199 (2) „Parabolantennen-Beschluss“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 (3) „Ehevertrags-Urteil“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203

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Inhaltsverzeichnis b) Bedeutung von Art. 8 I GG für die Zulässigkeit der Nutzung privater Flächen für Versammlungszwecke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 aa) „Fraport-Urteil“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 bb) Anwendung der Fraport-Rechtsprechung in der Praxis . . . . . . . . . . . 206 (1) Keine Versammlung auf Hosteldach . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 (2) „Bierdosen- Flashmob“ für die Freiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 cc) Nutzung privater Flächen für Versammlungszwecke aus verwaltungsrechtlicher Perspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 dd) Streik auf privatem Parkplatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 c) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 2. Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 III. Die staatliche Schutzverpflichtung aus Art. 8 I GG in Bezug auf die privaten ­Flächen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 1. Eignung privater Flächen als Versammlungsflächen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 a) Freie Zugänglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 b) Öffentlichkeits- und Kommunikationsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 2. Inhalt und Reichweite des Schutzgehalts von Art. 8 I GG für die privaten ­Flächen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 a) Grundsatz: keine strukturelle Abhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 b) Ausnahme: Verdichtung auf konkreten Schutzanspruch . . . . . . . . . . . . . . 222 aa) Keine Verfügbarkeit anderer geeigneter Versammlungsflächen: Monopolstellung des privaten Flächeneigentümers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 bb) Spezifischer Ortsbezug durch Versammlungsthema . . . . . . . . . . . . . . 224 cc) Grenze der Schutzpflicht: Grundrechte des privaten Flächeneigen­ tümers und Gewährleistung des originären Nutzungszwecks . . . . . . . 224 c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 IV. Umsetzung der staatlichen Schutzverpflichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 1. Abstrakt-generelle Regelung der Nutzung privater Flächen durch den Gesetzgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 2. Sekundäre Schutzpflichtenebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 V. Bedürfnis nach (landes-)gesetzgeberischem Tätigwerden? . . . . . . . . . . . . . . . . . 234

E. Schlussbetrachtung und Gesamtergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267

A. Einleitung I. Problemstellung Ein derzeit wieder aktuelles Problem ist die Inanspruchnahme von Flächen zu Versammlungszwecken. Das zeigt sich insbesondere daran, dass das BVerfG sich mit diesem Thema innerhalb kurzer Zeit mehrfach auseinandersetzen musste und dabei den Versuch unternommen hat, Art. 8 I GG in Bezug auf die Nutzung privater Flächen für Versammlungszwecke weiterzuentwickeln. Das Bedürfnis nach der Nutzung solcher Flächen für die Durchführung von Versammlungen hat seinen Ursprung darin, dass Versammlungen ihrem Wesen nach auf eine unmittelbare Appel- bzw. Außenwirkung in der Öffentlichkeit ausgerichtet sind. Sie sind dementsprechend in einer spezifischen Weise auf Flächen angewiesen, die einem breiten Publikum zugänglich sind. Dass solche Flächen nicht mehr nur im traditionellen öffentlichen Straßenraum zu finden sind, sondern auch Flächen von staatlichen Einrichtungen wie zum Beispiel von Universitäten für die Durchführung von Versammlungen geeignet sein können, zeigt das Urteil zur Bonner Hofgartenwiese1. Die Fraport-Entscheidung2 und die Entscheidung zum „Bierdosen-Flashmob“3 verdeutlichen, dass vermehrt auch Einkaufszentren4 und Flughäfen in ihrer Öffentlichkeitsfunktion den öffent­ lichen Straßenraum ergänzen. Teilweise werden sogar ganze Innenstadtareale in die Hand von Privaten verlagert wie z. B. der Mercedes Platz in Berlin5 oder der ebenso im Zentrum von Berlin liegende Potsdamer Platz, auf dem 2016 ein kanadischer Immobilieninvestor Grundstücke mit siebzehn Gebäuden, zehn Straßen und zwei Plätzen mit einer Gesamtfläche von rund 270.000 Quadratmetern erworben hat.6 Dadurch entstehen zunehmend Örtlichkeiten, die ihrer Funktion nach 1

BVerwGE 91, 135 ff. BVerfGE 128, 226 ff. 3 BVerfGE 139, 387 ff. 4 So z. B. das Centro in Oberhausen. 5 Der Mercedes-Platz ist ein Platz in Berlin, der im Zentrum des Unterhaltungsviertels an der East Side Gallery liegt. Neben ca. 20 Gastronomieeinrichtungen beinhaltet das Areal u. a. eine Konzerthalle, ein Kino u. drei Hotels. S. dazu die Beschreibung der Stadt Berlin https://www.berlin.de/orte/5630419-1834033-mercedes-platz.html (zuletzt abgerufen am 22. 04. 2021). 6 Das Areal am Potsdamer Platz wird als Sony Center bezeichnet. Es besteht aus mehreren Gebäuden, die um einen Platz angesiedelt sind, u. einem dazugehörigen Straßennetz. Das Center beinhaltet neben Büroflächen, auch Wohnfläche, ein Kino, ein Unterhaltungszentrum sowie Flächen für Einzelhandel u. Gastronomie. S. dazu https://www.deutschlandfunknova.de/beitrag/ privatgelaende-im-oeffentlichen-raum; https://www.tagesspiegel.de/berlin/potsdamer-platz 2

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A. Einleitung

öffentlichen Marktplätzen und Fußgängerzonen als Begegnungs- und Kommunikationsorten gleichkommen. Es besteht ein breites Spektrum von potentiellen Versammlungsflächen, das wie folgt untergliedert werden kann: öffentliche Straßen i. S. d. Straßenrechts, Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen und private Flächen. Die Frage, wie sich Art. 8 I GG auf die Nutzbarkeit dieser unterschiedlichen Flächenkategorien für Versammlungszwecke auswirkt, ist noch nicht abschließend geklärt. Während grundsätzlich anerkannt ist, dass Art. 8 I GG in Bezug auf öffentliche Straßen das einfache Straßenrecht „überlagert“ und verfassungsrechtlich überformt mit der Folge, dass im Ergebnis die straßenrechtliche Erlaubnispflicht für die Durchführung einer Versammlung entfällt,7 hat sich für Flächen staatlicher Einrichtungen und für private Flächen noch keine einheitliche Lösung herausgebildet.8 Können Studenten, Gewerkschaften oder Schüler9 das Universitätsgelände, das städtische Museum oder eine private Parkanlage für Demonstrationen gegen die Lehre, für den Klimaschutz oder für sonstige Themen nutzen? Falls es keinen einfachrechtlichen Anspruch gibt, erwächst dieser eventuell aus Art. 8 I GG? Oder kann die staatliche Einrichtung die Nutzung einer ihr gehörenden Fläche für Versammlungszwecke untersagen, ohne einer Duldungspflicht zu unterliegen? Gibt es eine Verpflichtung zur Widmung dieser Flächen auch zu Versammlungszwecken? Können im Einzelfall sogar Private aus Art. 8 I GG in Anspruch genommen werden? Aufgabe dieser Arbeit ist es, für alle drei Flächenkategorien herauszuarbeiten, wie, wo und durch wen sich die grundrechtlichen Wertungen von Art. 8 I GG in welchen Situationen entfalten können. Obwohl die Auswirkungen des Art. 8 I GG in Bezug auf die Nutzungsmöglichkeiten des öffentlichen Straßenraums zumindest vom Ergebnis her grundsätzlich als geklärt gelten, lohnt es sich, diese Thematik, die gewissermaßen als „Ursprung“ der Flächennutzungsproblematik gilt, als Ausgangspunkt der Untersuchung auch für die Flächen staatlicher Einrichtungen und für die von Privaten zu nehmen. Dementsprechend ist es erforderlich, die in Rechtsprechung und Literatur anerkannte Beeinflussung des öffentlichen Straßenraums durch Art. 8 I GG genauer zu untersuchen und hierbei der Frage nachzugehen, worauf die für selbstverständlich gehaltene Annahme, dass man öffentliche Straßen für Versammlungen erlaubnisfrei nutzen darf, beruht und wie genau diese Annahme in die Wirkungsdimension des Art. 8 I GG eingefügt werden kann. Dafür in-berlin-konzern-kauft-strassen-in-berlin-geht-das/12794066.html; https://www.tagesspiegel. de/wirtschaft/immobilieninvestor-in-berlin-der-potsdamer-platz-ist-verkauft/12786574.html (zuletzt abgerufen am 22. 04. 2021). Vgl. auch die werbende Beschreibung unter https://www. potsdamer-platz.net/sony-center/ (zuletzt abgerufen am 22. 04. 2021). 7 S. unten unter B. II. 3. 8 S. unten unter C. II. 2. u. unter D. II. 1. c) u. D. II. 2. 9 Die Arbeit verwendet im Folgenden allein aus Gründen der besseren Lesbarkeit das generische Maskulinum. Weibliche u. anderweitige Geschlechteridentitäten werden dabei selbstverständlich immer mitgemeint.

II. Gang der Untersuchung

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muss im Rahmen einer Auslegung des Art. 8 I GG in Bezug auf die Nutzung von Flächen zur Grundrechtsausübung geklärt werden, ob sich die Versammlungsfreiheit auf eine Abwehrdimension beschränkt oder ob nicht vielmehr daneben auch eine leistungsrechtliche Seite gegeben ist, die den Zugang zu bestimmten Flächen zu Versammlungszwecken gewährleistet. Es stellt sich damit die Frage, ob Art. 8 I GG nicht auch verstärkt von seiner realen Ausübbarkeit durch die Grundrechtsberechtigten her betrachtet werden muss. Ein solches Verständnis von Art. 8 I GG spräche den Staat weniger in seiner traditionellen Rolle als Gefährder der in Art. 8 I GG garantierten Freiheit, sondern vielmehr als deren „Beschützer“ an. Die Inanspruchnahme des Staates zum Schutz der grundrechtlichen Gewährleistungen ist anerkanntermaßen Gegenstand der Schutzpflicht. Es ist daher naheliegend, dass auch zur Lösung des hier aufgeworfenen Problems der Blick der Schutzpflichtendimension von Grundrechten zugewendet werden muss. In einem ersten Schritt ist daher zu untersuchen, ob die grundrechtliche Schutzpflichten­ dimension ein taugliches Erklärungsmodell für die Auswirkungen von Art. 8 I GG auf die Nutzbarkeit des öffentlichen Straßenraums bildet. Sodann soll dieser Ansatz auf die anderen beiden Flächenkategorien übertragen werden. Ziel dieser Arbeit ist es, mittels der grundrechtlichen Schutzpflicht insgesamt einen Erklärungsversuch zu leisten, der die Auswirkungen von Art. 8 I GG bzw. die Bindung an Art. 8 I GG für die Nutzungsmöglichkeiten aller drei Flächenkategorien einheitlich umsetzen kann.

II. Gang der Untersuchung Die Untersuchung beginnt in Teil B zunächst mit einer Darstellung der Flächenkategorie „öffentlicher Straßenraum“, wobei insbesondere die einfachrechtlichen Regelungen des Straßenrechts in den Blick genommen werden.10 Anschließend werden bestehende Probleme zwischen den Gewährleistungen des Art. 8 I GG und den Regelungen des Straßenrechts aufgezeigt.11 Wie diese Konflikte aufgelöst werden können und welche Auswirkungen Art. 8 I GG für die Anwendung der straßenrechtlichen Regelungen beigemessen werden, kann insbesondere an Hand der Rechtsprechung zum Verhältnis von Art. 8 I GG und dem öffentlichen Straßenraum nachvollzogen werden. Diese Rechtsprechung wird daher unter dem Aspekt der versammlungsspezifischen Nutzung öffentlicher Straßen näher untersucht.12 Im Anschluss wird ein Überblick gegeben, welche Erklärungsansätze sich zu dieser Thematik in der Literatur entwickelt haben.13 Vor diesem Hintergrund sollen dann die Gehalte des Art. 8 I GG unter Anwendung der klassischen Ausle-

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S. unter B. I. 2. a) u. b). Dazu unter B. I. 3. u. B. I. 4. 12 S. unter B. II. 1. 13 S. unter B. II. 2. 11

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A. Einleitung

gungsmethoden herausgearbeitet werden.14 Darauf aufbauend soll gezeigt werden, dass die Schutzpflichtendimension der Grundrechte im Rahmen von Art. 8 I GG für die Nutzung von Flächen zu Versammlungszwecken Geltung beansprucht, wie diese konkret ausgestaltet ist und dass die Schutzpflicht auch als Erklärungsmodell für die zum öffentlichen Straßenraum ergangene Rechtsprechung herangezogen werden kann.15 In Teil C wird, nachdem die Flächenkategorie der staatlichen Einrichtungen dargestellt wurde,16 die Rechtsprechung und Literatur zur Nutzung staatlicher Einrichtungen zu Versammlungszwecken analysiert.17 Sodann untersucht die Arbeit, ob das für den öffentlichen Straßenraum gefundene Modell der Grundrechtsverwirklichung auch hier Anwendung finden kann, wie dieses Modell in Bezug auf die zweite Flächenkategorie inhaltlich konkret ausgestaltet ist und welche Wirkungen es gegenüber wem entfaltet.18 Teil D geht ähnlich vor. Begonnen wird erneut mit einer allgemeinen Charakterisierung der privaten Flächen und des für sie geltenden rechtlichen Rahmens.19 Dabei werden insbesondere bestehende Unterschiede zu den anderen beiden Flächenkategorien herausgearbeitet. Anschließend betrachtet die Arbeit einschlägige Gerichtsentscheidungen zur versammlungsspezifischen Nutzung privater Flächen und die dazu bestehenden Auffassungen in der Literatur.20 Anschließend wird untersucht, ob das in Teil B erarbeitete Lösungsmodell auch auf die versammlungsspezifische Nutzung privater Flächen übertragen werden kann und welche Wirkungen es in Bezug auf die dritte Flächenkategorie konkret erzeugt.21 Nach einer kurzen Darstellung und Bewertung bereits existierender gesetzlicher Regelungen bzw. Regelungsvorschläge, die die versammlungsspezifischen Nutzung privater Flächen zum Gegenstand haben,22 endet die Arbeit mit einer Schlussbetrachtung, in der die maßgeblichen Erkenntnisse der Arbeit zusammengefasst werden.23

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Dazu unter B. III. Hierzu unter B. IV. u. B. V. 16 S. unter C. I. 17 Dazu unter C. II. 18 Hierzu unter C. III. u. C. IV. 19 Unter D. I. 20 S. dazu unter D. II. 21 Hierzu unter D. III. u. D. IV. 22 Dazu unter D. V. 23 Unter E. 15

B. Art. 8 I GG und der öffentliche Straßenraum I. Einführung Der erste Teil widmet sich den von Art. 8 I GG ausgehenden Wirkungen in Bezug auf die Nutzung des öffentlichen Straßenraums für Versammlungen unter Zugrundelegung der Lösungen in Rechtsprechung und Literatur.

1. Der öffentliche Straßenraum i. S. d. Straßenrechts Dazu bedarf es zunächst einer Beschreibung der Flächenkategorie „öffentlicher Straßenraum“ sowie der hierfür relevanten einfachgesetzlichen Regelungen. Erst wenn die Besonderheiten dieses potentiellen Versammlungsraumes aufgezeigt wurden, können im Hinblick auf die später zu untersuchenden Flächenkategorien relevante Unterschiede bzw. Gemeinsamkeiten herausgearbeitet und bei der Übertragung des für den Straßenraum gefundenen Lösungsmodells berücksichtigt werden. Daher ist es notwendig zu bestimmen, was genau unter dem öffentlichen Straßenraum zu verstehen ist, wie dieser entsteht, welche Bindungen hier gelten und insbesondere welche Nutzungsmöglichkeiten bereits gesetzlich vorgesehen sind. a) Gesetzliche Regelungen aa) Straßenrecht und Straßenverkehrsrecht Einfachgesetzliche Regelungen über öffentliche Straßen finden sich zum einen in den Vorschriften des Straßenrechts und zum anderen in denen des Straßenverkehrsrechts,1 die aufgrund des gemeinsamen Regelungsgegenstandes „Straße“ in einem sachlichen Zusammenhang stehen.2 Allerdings weisen die beiden Rechtsmaterien insbesondere im Hinblick auf ihre Zielsetzungen wesentliche Unterschiede auf: Während das Straßenrecht Bestimmungen über die Entstehung, die Nutzung und die Unterhaltung öffentlicher Straßen beinhaltet,3 befasst sich das Straßenverkehrs 1

Vgl. Steiner, in: Steiner / Brinktrine, Bes.VwR, § 4 Rn. 20; Axer, in: Schoch, Bes.VwR, Kap. 6 Rn. 11; Schnebelt, in: Schnebelt / K romer, StR BW, 1. Abschn. Rn. 23; Papier / Durner, in: Ehlers / Fehling / P ünder, Bes.VwR II, § 43 Rn. 7. 2 Vgl. BVerfGE 40, 371 (378). 3 Vgl. Steiner, in: Steiner / Brinktrine, Bes.VwR, § 4 Rn. 20; Axer, in: Schoch, Bes.VwR, Kap. 6 Rn. 1; Kenntner, ÖffR BW, Rn. 971; Herber, in: Kodal, Straßenrecht, Kap. 4 Rn. 4; Papier / Durner, in: Ehlers / Fehling / P ünder, Bes.VwR II, § 43 Rn. 7.

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B. Art. 8 I GG und der öffentliche Straßenraum

recht unter ordnungsrechtlichen Gesichtspunkten mit den Pro­blemen der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs.4 Es regelt damit, jedenfalls im Schwerpunkt, einen Sachbereich der Gefahrenabwehr.5 Da es bei der Frage, ob öffentliche Straßen zu Versammlungszwecken beansprucht werden können, in erster Linie um die Bereitstellung und Berechtigung zur Nutzung des öffentlichen Straßenraums geht, sind für diese Arbeit vor allem die straßenrechtlichen Regelungen von Relevanz. Auf straßenverkehrsrechtliche Bestimmungen wird daher nur am Rande eingegangen.6 bb) Bundesrechtliche und landesrechtliche Rechtsquellen7 Aus der verfassungsrechtlichen Kompetenzverteilung8 folgt, dass das Straßenrecht teils bundes-, teils landesrechtlich geregelt ist. Das Straßenrecht ist Bundesrecht, soweit es um die Rechtsverhältnisse an den Bundesfernstraßen (Bundesautobahnen und Bundesstraßen einschließlich der Ortsdurchfahrten) geht. Geregelt ist es im Bundesfernstraßengesetz (FStrG), das auf der Grundlage des Art. 74 I Nr. 22 GG9 als Materie der konkurrierenden Gesetzgebung erlassen wurde.10 Die Straßengesetze der Länder erfassen die übrigen Straßen (die Landstraßen erster und zweiter Ordnung, die Gemeindestraßen und die sonstigen öffentlichen Straßen).11 4

Vgl. Axer, in: Schoch, Bes.VwR, Kap. 6 Rn. 16; Steiner, in: Steiner / Brinktrine, Bes.VwR, § 4 Rn. 23; Schnebelt, in: Schnebelt / K romer, StR BW, 1. Abschn. Rn. 24; Kenntner, ÖffR BW, Rn. 973; Herber, in: Kodal, Straßenrecht, Kap. 4 Rn. 4.3; Papier / Durner, in: Ehlers / Fehling /  Pünder, Bes.VwR II, § 43 Rn. 7. 5 Vgl. Steiner, in: Steiner / Brinktrine, Bes.VwR, § 4 Rn. 23; Axer, in: Schoch, Bes.VwR, Kap. 6 Rn. 16; Papier / Durner, in: Ehlers / Fehling / P ünder, Bes.VwR II, § 43 Rn. 7; BVerfGE 40, 371 (380); 67, 299 (314). 6 Zur Frage der Abgrenzung bzw. des Verhältnisses von Straßen- u. Straßenverkehrsrecht s. ausführlich bei Schnebelt, in: Schnebelt / K romer, StR BW, 1. Abschn. Rn. 24 ff. sowie bei Herber, in: Kodal, Straßenrecht, Kap. 4 Rn. 4 ff.; kurze Erläuterung auch bei Steiner, in: Steiner / Brinktrine, Bes.VwR, § 4 Rn. 24 u. bei Papier / Durner, in: Ehlers / Fehling / P ünder, Bes.VwR II, § 43 Rn. 7 ff. Das Verhältnis der beiden Rechtsquellen wird relevant bei der Bestimmung des Inhalts u. Umfangs des Gemeingebrauchs, sodass hierauf noch unter B. I. 2. a) cc) eingegangen wird. 7 Das europäische Straßenrecht wird in dieser Arbeit ausgelassen, s. dazu aber dezidiert Herber, in: Kodal, Straßenrecht, Kap. 3. 8 S. ausführlich zur Kompetenzverteilung im Straßenrecht BVerfGE 40, 371 (378 ff.). 9 Zur genauen Bestimmung, was unter „Landstraßen für den Fernverkehr“ zu verstehen ist, Herber, in: Kodal, Straßenrecht, Kap. 2 Rn. 18 f.; Grupp, in: Marschall, FStrG, § 1 Rn. 1; Schnebelt, in: Schnebelt / K romer, StR BW, 1. Abschn. Rn. 3; Lorenz / Will, StrG BW, § 1 Rn. 3; Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Henneke,  GG, Art.  74 Rn.  301; Degenhart, in: Sachs, GG, Art. 74 Rn. 97; Maunz, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 74 Rn. 241. 10 Vgl. Steiner, in: Steiner / Brinktrine, Bes.VwR, § 4 Rn. 21; Axer, in: Schoch, Bes.VwR, Kap. 6 Rn. 4; Herber, in: Kodal, Kap. 2 Rn. 16; Lorenz / Will, StrG BW, § 1 Rn. 6; Schnebelt, in: Schnebelt / K romer, StR BW, 1. Abschn. Rn. 3, 12; Herber, in: Kodal, Straßenrecht, Kap. 2 Rn. 15; Papier / Durner, in: Ehlers / Fehling / P ünder, Bes.VwR II, § 43 Rn. 13. 11 Vgl. Axer, in: Schoch, Bes.VwR, Kap. 6 Rn. 6; Steiner, in: Steiner / Brinktrine, Bes.VwR, § 4 Rn. 22 mit Aufzählung aller Landesstraßengesetze; Schnebelt, in: Schnebelt / K romer, StR BW, 1. Abschn. Rn. 5, 15; Papier / Durner, in: Ehlers / Fehling / P ünder, Bes.VwR II, § 43 Rn. 14; s. dazu auch Papier, Recht der öffentlichen Sachen, 18 f.

I. Einführung

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Für diese Arbeit werden zur Vereinfachung nur die Regelungen des Landes­ straßengesetzes Baden-Württemberg (StrG BW)12 herangezogen, wobei für die anderen Landesstraßengesetze und das Bundesfernstraßengesetz inhaltlich das Gleiche gilt.13 b) Die öffentliche Straße: Ein Privatgrundstück mit Bedürfnis nach einer Sonderrechtsordnung Nachdem der gesetzliche Rahmen abgesteckt ist, rückt nun das Substrat des Straßenrechts, also die „öffentliche Straße“ in den Fokus der Untersuchung. Insbesondere soll den Fragen nachgegangen werden, aus was sich eine öffentliche Straße zusammensetzt, wie sie entsteht und welche Rechtsordnungen für sie gelten. Dabei wird sich zeigen, dass die Bezeichnung „öffentliche Straße“ im allgemeinen Sprachgebrauch nicht immer mit den tatsächlich bestehenden rechtlichen Gegebenheiten übereinstimmen muss. aa) Die Straße als Privatgrundstück Die „öffentlichen Straße“ wird in § 2 I StrG BW definiert. Danach sind öffentliche Straßen i. S. d. Gesetzes Straßen, Wege und Plätze, die dem öffentlichen Verkehr gewidmet sind. Eine konkrete Bestimmung dazu, was eine „Straße“ ist, enthält das StrG BW aber nicht. In § 2 II StrG BW findet sich allerdings eine gegenständliche Umschreibung der Straße,14 wonach zur öffentlichen Straße insbesondere der Straßenkörper, d. h. vor allem gem. § 2 II Nr. 1a) StrG BW der Straßenuntergrund, aber auch Brücken und Tunnel sowie nach § 2 II Nr. 1b) StrG BW Fahrbahnen und Parkplätze zählen können. Dadurch macht das StrG BW zumindest deutlich, dass die Straße zunächst einfach nur ein abgegrenzter Teil der Erdoberfläche ist und damit die Eigenschaften eines Grundstücks i. S. d. Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) und der Grundbuchordnung erfüllt.15 Wenn eine Straße neu gebaut wird, ist sie im rechtlichen Sinne also erst einmal nur ein mit einer Straße bebautes Grundstück.16 Das gilt unabhängig von dem jeweiligen Bauherrn oder der Verkehrsbedeutung der Straße – bei einer Zufahrtsstraße zu einem Friedhof ebenso wie bei einer Autobahn. Dieses Straßengrundstück untersteht als unbeweg 12

Das StrG BW wurde am 20. 3. 1964 erlassen u. gilt inzwischen, nach wiederholten Novellierungen, i. d. F. der Bekanntmachung vom 11. 5. 1992, GVBl. 1992, 329, ber. S. 683. 13 Die Leitfunktion des Bundesfernstraßengesetzes für den Erlass der landesrechtlichen Regelungen ist der Grund für die größtenteils gegebene Einheit des Straßenrechts, vgl. Papier /  Durner, in: Ehlers / Fehling / P ünder, Bes.VwR II, § 43 Rn. 14; Steiner, in: Steiner / Brinktrine, Bes.VwR, § 4 Rn. 22; Axer, in: Schoch, Bes.VwR, Kap. 6 Rn. 6. 14 Vgl. Lorenz / Will, StrG BW, § 2 Rn. 2. 15 Vgl. Herber, in: Kodal, Straßenrecht, Kap. 6 Rn. 14. 16 Im Ansatz bei Lorenz / Will, StrG BW, § 2 Rn. 3 f.

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B. Art. 8 I GG und der öffentliche Straßenraum

liche Sache i. S. d. Bürgerlichen Rechts der Privatrechtsordnung. Die öffentliche Straße ist daher Gegenstand des bürgerlich-rechtlichen Eigentums, wobei Eigentum an der Straße Eigentum am Straßengrundstück bedeutet.17 Für die öffentliche Straße gelten daher grundsätzlich zunächst die eigentumsrechtlichen Regelungen des BGB, vgl. §§ 903 ff. BGB.18 bb) Die Bereitstellung von Straßen als Verwaltungsaufgabe Die Beförderung und der Transport von Menschen und Sachgütern sind ein zentrales Thema moderner Staatlichkeit.19 Verkehrswege und -anlagen bilden gewissermaßen die „Lebensadern“20 eines jeden Staatswesens und der arbeitsteiligen Gesellschaft. Daraus erwächst das Bedürfnis, dass der Staat nutzbare Verkehrswege zur Verfügung stellt. Im föderativen Staat des Grundgesetzes richtet sich dieses Erfordernis an den Bund, die Länder, die Kreise und die Gemeinden.21 Die Bereitstellung von öffentlichen Straßen, ihre Planung und ihr Bau, ihr Betrieb und ihre Unterhaltung sind deshalb eine originäre und notwendige staatliche Aufgabe, die herkömmlich als Verwaltungsleistung in den Formen des öffentlichen Rechts erbracht wird.22 Diese Verwaltungsaufgabe wird „Straßenbaulast“ genannt, vgl. § 9 I 1 StrG BW.23 Die für die Wahrnehmung der Straßenbaulast zuständigen Körperschaften werden als „Träger der Straßenbaulast“ bezeichnet, vgl. §§ 43–45 StrG BW.24 Das sind, in Abhängigkeit zur jeweiligen Straßengruppe, entweder das Land (§ 43 I StrG BW), die Land- und Stadtkreise (§ 43 II StrG BW) oder die Gemeinden (§§ 43 III 1, 44 StrG BW).

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Vgl. Herber, in: Kodal, Straßenrecht, Kap. 6 Rn. 14 „im Regelfalle“. In diese Richtung auch Herber, in: Kodal, Straßenrecht, Kap. 6 Rn. 14; vgl. i. E. Kluth, in: Wolff / Bachof, VerwR II, § 76 Rn. 3, 19. 19 Vgl. Schnebelt, in: Schnebelt / K romer, StR BW, 1. Abschn. Rn.19; Steiner, in: Steiner /  Brinktrine, Bes.VwR, § 4 Rn. 2. 20 Diesen Begriff verwenden Steiner, in: Steiner / Brinktrine, Bes.VwR, § 4 Rn. 2 sowie Axer, in: Schoch, Bes.VwR, Kap. 6 Rn. 3. 21 Vgl. Steiner, in: Steiner / Brinktrine, Bes.VwR, § 4 Rn. 2. 22 Vgl. Lorenz / Will, StrG BW, § 9 Rn. 3; Grupp, in: Marschall, FStrG, § 1 Rn. 2; Rinke, in: Kodal, Straßenrecht, Kap. 1 Rn. 12.1; Axer, in: Schoch, Bes.VwR, Kap. 6 Rn. 3; Schnebelt, in: Schnebelt / K romer, StR BW, 1. Abschn. Rn. 19; Steiner, in: Steiner / Brinktrine, Bes.VwR, § 4 Rn. 3, 21; so i.E: auch Kenntner, ÖffR BW, Rn. 1065. 23 Vgl. Steiner, in: Steiner / Brinktrine, Bes.VwR, § 4 Rn. 35; Schnebelt, in: Schnebelt /  Kromer, StR BW, 2. Abschn. Rn. 167 f.; Tegtbauer, in: Kodal, Straßenrecht, Kap. 13 Rn. 4. 24 Vgl. Steiner, in: Steiner / Brinktrine, Bes.VwR, § 4 Rn. 29; Kenntner, ÖffR BW, Rn. 1066; Axer, in: Schoch, Bes.VwR, Kap. 6 Rn. 10; Schnebelt, in: Schnebelt / K romer, StR BW, 5. Abschn. Rn. 182; Tegtbauer, in: Kodal, Straßenrecht, Kap. 13 Rn. 7, ausführlicher in Kap. 14. 18

I. Einführung

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Der Träger der Straßenbaulast handelt durch seine Straßenbaubehörden, vgl. § 50 StrG BW. Diese vollziehen das Straßenrecht.25 Soweit die Gemeinde als Straßenbaubehörde berufen ist (§§ 50 III Nr. 1b), 50 III Nr. 2b) und § 50 III Nr. 3 StrG BW), liegt zwar eine Pflichtaufgabe vor (vgl. § 9 StrG BW), die aber den weisungsfreien Selbstverwaltungsaufgaben i. S. d. Art. 28 II 1 GG zuzuordnen ist.26 cc) Eigentum an öffentlichen Straßen Es wurde bereits festgestellt, dass an öffentlichen Straßen privatrechtliches Eigentum besteht. Das wirft die Frage auf, wer Eigentümer des Straßengrundstücks ist. Regelungen über das Eigentum an öffentlichen Straßen finden sich in den §§ 10–12 StrG BW. In diesem Regelungsabschnitt kommt zum Ausdruck, dass in der Regel das zivilrechtliche Eigentum an der Straße und die in der Straßenbaulast zum Ausdruck kommende öffentlich-rechtliche Sachherrschaft27 in einer Hand vereinigt sein sollen.28 Das StrG BW sieht also grundsätzlich vor, dass der Träger der Straßenbaulast zugleich auch Eigentümer des Straßengrundstücks ist.29 Diese Identität ist aber durchaus nicht zwingend. Dies lässt sich § 12 I StrG BW entnehmen, der explizit die Konstellation erfasst, dass der Straßenbaulastträger nicht Eigentümer des Straßengrundstücks ist. Es besteht also auch die Möglichkeit, dass ein Privater Eigentümer der Straße ist und bleibt.30 Da die Straßenbaulast als öffentliche Aufgabe aber im Grundsatz31 stets in der Hand einer juristischen Person des öffentlichen Rechts liegen muss,32 fallen in dieser Konstellation das zivilrechtliche Eigentum an der öffentlichen Straße und die öffentlich-rechtliche Sachherrschaft über dieses Straßengrundstück auseinander. Das hätte grundsätzlich zur Folge, 25

Vgl. Axer, in: Schoch, Bes.VwR, Kap. 6 Rn. 10; Steiner, in: Steiner / Brinktrine, Bes.VwR, § 4 Rn. 28; Kenntner, ÖffR BW, Rn. 1066; Lorenz / Will, StrG BW, § 50 Rn. 2. 26 Vgl. mit Begründung bei Schnebelt, in: Schnebelt / K romer, StR BW, 2. Abschn. Rn. 184; Steiner, in: Steiner / Brinktrine, Bes.VwR, § 4 Rn. 31. 27 Vgl. Lorenz / Will, StrG BW, § 10 Rn. 4. Dazu, wie genau die aus der Straßenbaulast folgende Sachherrschaft ausgestaltet ist, vgl. unten unter B. I. c) bb). 28 Vgl. § 12 I StrG BW, wonach bei einem Wechsel der Straßenbaulast das Eigentum mitübergeht, wenn es bisher dieser Körperschaft zustand. 29 Vgl. Schnebelt, in: Schnebelt / K romer, StR BW, 3. Abschn. Rn. 56; Herber, in: Kodal, Straßenrecht, Kap. 8 Rn. 14; Lorenz / Will, StrG BW, § 10 Rn. 4. 30 Vgl. hierzu § 12 I StrG BW, der explizit die Konstellation umschreibt, dass der Straßenbaulastträger nicht Eigentümer des Straßengrundstücks ist. Mit ausführlicher Differenzierung zwischen Rechts- u. Funktionsträger Papier, Recht der öffentlichen Sachen, 59 f.; zu der Möglichkeit, dass Eigentum u. Träger der Straßenbaulast nicht identisch sind Schnebelt, in: Schnebelt / K romer, StR BW, 3. Abschn. Rn. 57. 31 Eine Ausnahme hierzu bildet § 45 I 1 StrG BW, welcher die Möglichkeit eröffnet, die Straßenbaulast durch öffentlich-rechtlichen Vertrag einem anderen u. dementsprechend auch einem Privaten zu übertragen, vgl. hierzu Tegtbauer, in: Kodal, Straßenrecht, Kap. 15 Rn. 1 ff. 32 Ähnlich formuliert bei Schnebelt, in: Schnebelt / K romer, StR BW, 1. Abschn. Rn. 19, der die Straßenbaulast als „in den Formen des öffentlichen Rechts erbrachte Verwaltungsleistung der zuständigen Hoheitsträger…“ bezeichnet.

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B. Art. 8 I GG und der öffentliche Straßenraum

dass der private Straßeneigentümer weiterhin von seinen aus §§ 903 ff. BGB folgenden Rechten Gebrauch machen könnte und der Straßenbaulastträger dadurch bei der Wahrnehmung der sich aus der Straßenbaulast ergebenden Rechte und Pflichten behindert wäre. In diesem Fall der fehlenden Identität zwischen dem Eigentümer des Straßengrundstücks und dem Träger der Straßenbaulast muss aber auch gewährleistet sein, dass die Verwaltungsleistung „öffentliche Straße“ erbracht wird. Das verdeutlicht, dass allein die Geltung nur der für das Straßengrundstück geltenden eigentumsrechtlichen Regelungen gem. §§ 903 ff. BGB nicht ausreichend sein kann. Vielmehr muss daneben ein Regelungsregime treten, das das private Eigentum an dem Straßengrundstück so ausgestaltet, dass die Erfüllung der sich aus der Straßenbaulast ergebenden Aufgaben ermöglicht wird. Dies gilt auch dann, wenn Eigentum und Straßenbaulast zusammenfallen.33 c) Die Widmung: Begründung und Rechtsfolgen einer Sonderrechtsordnung Ein solches Regelungsregime wird durch den Rechtsakt der Widmung konstituiert,34 der eine Sache mit einer öffentlichen Zweckbestimmung verbindet35 und sie damit zu einer „öffentlichen“ Sache macht.36 Der Begriff der „öffentlichen Sache“ ist eine im deutschen Verwaltungsrecht fest etablierte37 Sammelbezeichnung für einen unterschiedlich abgesteckten Kreis höchst ungleichartiger Vermögensgegenstände.38 Verbunden werden diese Gegenstände insbesondere durch eine Gemeinsamkeit. Diese besteht darin, dass diese Gegenstände aufgrund der ihnen kraft Widmung zukommenden öffentlichen Zweckbestimmung eine besondere Rechtsstellung aufweisen, die sie von den übrigen Gegenständen abhebt.39 Ihr Rechtsstatus bestimmt sich danach nicht nur nach der Privatrechtsordnung, sondern auch nach einer verwaltungsrechtlichen Sonderrechtsordnung.40

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Ähnlich auch Papier / Durner, in: Ehlers / Fehling / P ünder, Bes.VwR II, § 43 Rn. 1. Vgl. Kenntner, ÖffR BW, Rn. 976; Schnebelt, in: Schnebelt / K romer, StR BW, 3. Abschn. Rn. 46; Steiner, in: Steiner / Brinktrine, Bes.VwR, § 4 Rn. 39; Axer, in: Schoch, Bes.VwR, Kap. 6 Rn. 40; Kluth, in: Wolff / Bachof, VerwR II, § 75 Rn. 1; Herber, in: Kodal, Kap. 8 Rn. 1; Papier / Durner, in: Ehlers / Fehling / P ünder, Bes.VwR II, § 43 Rn. 3; Lorenz / Will, StrG BW, § 2 Rn. 8; Papier, Recht der öffentlichen Sachen, 39. 35 Vgl. Papier, Recht der öffentlichen Sachen, 39; Herber, in: Kodal, Straßenrecht, Kap. 8 Rn. 1. 36 Stellvertretend für viele Kluth, in: Wolff / Bachof, VerwR II, § 75, Rn. 1. 37 So Papier, Recht der öffentlichen Sachen, 1; vgl. auch Axer, in: Schoch, Bes.VwR, Kap. 6 Rn. 39. 38 Vgl. Kluth, in: Wolff / Bachof, VerwR II, § 74, Rn. 3; Papier, Recht der öffentlichen Sachen, 1. 39 Papier, Recht der öffentlichen Sachen, 1. 40 Kluth, in: Wolff / Bachof, VerwR II, § 74 Rn. 3; Papier, Recht der öffentlichen Sachen, 1., s. dazu genauer unten B. I. 1. c) bb) (1) u. (2). 34

I. Einführung

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Die Widmung ist damit das Instrument, das die für das Straßengrundstück geltende Privatrechtsordnung mit der Verwaltungsaufgabe „öffentliche Straße“ verbindet. Die Widmung bildet also das wesentliche Charakteristikum der Flächenkategorie „öffentlicher Straßenraum“. Aufgrund dieser zentralen Bedeutung ist es für die Arbeit erforderlich, die Relevanz der Widmung für die Entstehung der öffentlichen Straße genauer zu erörtern und diese insbesondere auf ihre Rechtswirkungen hin zu untersuchen. aa) Entstehung der „öffentlichen“ Straße Damit ein Straßengrundstück zur „öffentlichen“ Straße i. S. d. Straßenrechts wird, muss es also – wie auch aus § 2 I StrG BW hervorgeht – dem öffentlichen Verkehr gewidmet werden.41 Die Widmung wird dementsprechend zu Recht als „juristische[r] Geburtsakt der öffentlichen Straße“42 bezeichnet. Damit der öffentliche Rechtsstatus wirksam wird, muss zu dem Rechtsakt der Widmung noch als Realakt die tatsächliche Indienststellung hinzutreten.43 Ab diesem Moment ist die Straße eine öffentliche Straße und damit eine sog. öffentliche Sache.44 Aufgrund dieser konstitutiven Bedeutung der Widmung wird deutlich, dass die Bezeichnung einer Straße als „öffentliche“ Straße also gerade nicht vom Eigentum an dem Straßengrundstück, sondern allein von der Widmung abhängig ist.45 Daher macht es für den Öffentlichkeitsstatus einer Straße i. S. d. Straßenrechts auch keinen Unterschied, ob die Gemeinde, der Landkreis oder das Land Eigentümer des jeweiligen Straßengrundstücks ist oder ob das Straßengrundstück im Eigentum eines Privaten steht. Auch eine im Eigentum eines Privaten stehende Straße kann folglich eine „öffentliche“ Straße sein, wenn sie gewidmet ist. 41 Vgl. Herber, in: Kodal, Straßenrecht, Kap. 6 Rn. 1, 4; Steiner, in: Steiner / Brinktrine, Bes. VwR, § 4 Rn. 35; Axer, in: Schoch, Bes.VwR, Kap. 6 Rn. 60; Herber, in: Kodal, Straßenrecht, Kap. 6 Rn. 1. 42 So z. B. Steiner, in: Steiner / Brinktrine, Bes.VwR, § 4 Rn. 39. 43 Papier, Recht der öffentlichen Sachen, 39; Kluth, in: Wolff / Bachof, VerwR II, § 75 Rn. 21; Papier / Durner, in: Ehlers / Fehling / P ünder, Bes.VwR II, § 43 Rn. 43. 44 Vgl. Herber, in: Kodal, Kap. 6 Rn. 1; Kluth, in: Wolff / Bachof, VerwR II, § 74 Rn. 16; Papier, Recht der öffentlichen Sachen, 18. Unterschieden wird zwischen den öffentlichen Sachen im Verwaltungsgebrauch, die für die interne Nutzung der Verwaltungsträger selbst bestimmt sind, u. den öffentlichen Sachen im Zivilgebrauch, die extern durch Dritte genutzt werden können. Innerhalb der Sachen im Zivilgebrauch wird wiederum differenziert zwischen Sachen im Anstalts-, Gemein- und Sondergebrauch. Die öffentliche Straße ist zu den öffent­ lichen Sachen im Gemeingebrauch zu rechnen. Diese öffentlichen Sachen im Gemeingebrauch kennzeichnen sich dadurch, dass sie einer unbeschränkten Öffentlichkeit unmittelbar u. ohne besondere Zulassung zu einer bestimmungsgemäßen Benutzung zur Verfügung, vgl. Herber, in: Kodal, Straßenrecht, Kap. 6 Rn. 1; zu dieser Differenzierung auch Kluth, in: Wolff / Bachof, VerwR II, § 74 Rn. 10 ff.; Papier, Recht der öffentlichen Sachen, 17; s. auch Salzwedel, DÖV 1963, 241 (242). 45 Vgl. Kenntner, ÖffR BW, Rn. 976; Axer, in: Schoch, Bes.VwR, Kap. 6 Rn. 40.

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Die Widmung bildet gleichzeitig auch das Abgrenzungsmerkmal zu den „tatsächlich öffentlichen“ Straßen und den sog. „Privatstraßen“.46 „Tatsächlich öffentliche“ Straßen wie etwa der Parkplatz eines Supermarktes, die Verkehrswege einer Autowaschanlage oder der im Eigentum der Bahn stehende Bahnhofsvorplatz,47 sind zwar aufgrund einer stillschweigenden Duldung oder im Interesse und erklärten Einverständnis des Grundstückseigentümers wie öffentliche Straßen für den allgemeinen Verkehr benutzbar, wurden aber nicht als solche gewidmet.48 Liegt zusätzlich keine Duldung durch den privaten Straßeneigentümer im Hinblick auf die Nutzbarkeit der Straße durch einen nicht näher bestimmten Personenkreis vor, handelt es sich um eine nicht dem öffentlichen Verkehr dienende „Privatstraße“.49 Die Widmung ergeht als Verwaltungsakt in Form der Allgemeinverfügung nach § 35  S. 2, 2. und 3. Alt. des Landesverwaltungsverfahrensgesetzes (LVwVfG).50 Rechtsgrundlage der Widmung bilden §§ 2 I, 5 I StrG BW. Wer für die Widmung zuständig ist, bestimmt § 5 II StrG BW. Danach hängt die Widmungskompetenz davon ab, in welche Gruppe (vgl. § 3 I StrG BW) die Straße eingestuft werden soll. Zuständig ist dann die nach der (künftigen) Straßenklasse zu bestimmende Straßenbaubehörde,51 für eine Gemeindestraße also z. B. die Gemeinde52, vgl. §§ 5 II Nr. 2, 50 III Nr. 3 StrG BW. Die Entscheidung über die Widmung und ihre konkrete inhaltliche Ausgestaltung stehen im Ermessen der Straßenbaubehörde.53 Nach § 5 I StrG BW ist materielle Voraussetzung der Widmung, dass der Straßenbaulastträger verfügungsbefugt ist.54 Die erforderliche Verfügungsbefugnis ist insbesondere gegeben, wenn der Straßenbaulastträger Eigentümer des Straßengrundstückes 46 Vgl. Steiner, in: Steiner / Brinktrine, Bes.VwR, § 4 Rn. 41; Axer, in: Schoch, Bes.VwR, Kap. 6 Rn. 1; zur Abgrenzung zur Privatstraße Herber, in: Kodal, Straßenrecht, Kap. 5 Rn. 12 u. Lorenz / Will, StrG BW, § 2 Rn. 11. 47 Beispiele aus Axer, in: Schoch, Bes.VwR, Kap. 6 Rn. 1. 48 Vgl. Schnebelt, in: Schnebelt / K romer, StR BW, 2. Abschn. Rn. 35; Axer, in: Schoch, Bes. VwR, Kap. 6 Rn. 1; Steiner, in: Steiner / Brinktrine, Bes.VwR, § 4 Rn.  41; Lorenz / Will, StrG BW, § 2 Rn. 12. Aus der Zielrichtung des Straßenverkehrsrechts, Gefahren für die Sicherheit u. Leichtigkeit des Verkehrs abzuwenden, folgt aber die Geltung der StVO auch für „tatsächlich öffentliche Straßen“, s. mit dieser Begründung v. a. Schnebelt, in: Schnebelt / K romer, StR BW, 2. Abschn. Rn. 36; vgl. Herber, in: Kodal, Straßenrecht, Kap. 4 Rn. 4.2 u. ausführlich in Kap. 5 Rn. 18. 49 Vgl. Axer, in: Schoch, Bes.VwR, Kap. 6 Rn. 1. 50 Lorenz / Will, StrG BW, § 5 Rn. 21; Kenntner, ÖffR BW, Rn. 980; Kluth, in: Wolff / Bachof, VerwR II, § 75 Rn. 12; Lorenz / Will, StrG BW, § 5 Rn. 21; Herber, in: Kodal, Kap. 8 Rn. 19; Schnebelt, in: Schnebelt / K romer, StR BW, 3. Abschn. Rn. 51; Axer, in: Schoch, Bes.VwR, Kap. 6 Rn. 56; Papier / Durner, in: Ehlers / Fehling / P ünder, Bes.VwR II, § 43 Rn. 39. 51 Vgl. Axer, in: Schoch, Bes.VwR, Kap. 6 Rn. 57; Schnebelt, in: Schnebelt / K romer, StR BW, 3. Abschn Rn. 52; Kenntner, ÖffR BW, Rn. 982; Lorenz / Will, StrG BW, § 5 Rn. 30. 52 Die Organzuständigkeit innerhalb der Gemeinde bestimmt sich nach den §§ 24 I 1, 44 I, II 1 GemO, wobei die Widmung i. d. R. kein Geschäft der laufenden Verwaltung darstellt u. deshalb ein Beschluss des Gemeinderats erforderlich ist, vgl. § 44 II 1 GemO, so Lorenz / Will, StrG BW, § 5 Rn. 34; Axer, in: Schoch, Bes.VwR, Kap. 6 Rn. 57. 53 Lorenz / Will, StrG BW, § 5 Rn. 22; Sauthoff, in: Müller / Schulz, FStrG, § 2 Rn. 15; Herber, in: Kodal, Kap. 8 Rn 35; zur konkreten inhaltlichen Ausgestaltung s. unten unter B. I. 2. a) cc). 54 Vgl. Herber, in: Kodal, Straßenrecht, Kap. 8 Rn. 15; Lorenz / Will, StrG BW, § 5 Rn. 15; Sauthoff, in: Müller / Schulz, FStrG, § 2 Rn. 4.

I. Einführung

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ist.55 Für den Fall, dass Eigentum und Straßenbaulast auseinanderfallen, kennt § 5 I StrG BW Alternativen. Der Straßenbaulastträger kann danach trotz fehlendem Eigentum verfügungsbefugt sein, wenn er die Zustimmung des Eigentümers bzw. des Nutzungsberechtigten erhält oder wenn der Baulastträger den Besitz an dem Grundstück durch vertragliche Überlassung seitens des bisherigen Eigentümers, durch Einweisung nach § 40a StrG BW oder in einem sonstigen gesetzlich geregelten Verfahren erlangt hat.56 bb) Rechtsfolgen Die zentrale Stellung der Widmung ergibt sich allerdings nicht nur aus ihrer konstitutiven Bedeutung für die Entstehung der öffentlichen Straße, sondern insbesondere auch aus den mit ihr verbundenen rechtserheblichen Wirkungen. Diese als „Rechtsfolgen“ der Widmung bezeichneten Auswirkungen betreffen sowohl den privatrechtlichen Eigentümer des Straßengrundstücks als auch den (künftigen) Träger der Straßenbaulast sowie den einzelnen Bürger. (1) Beschränkung des Privateigentums Für den privatrechtlichen Eigentümer führen die mit der Widmung verbundenen Rechtsfolgen vor allem zu einer Einschränkung seiner eigentumsrechtlichen Befugnisse. Zwar wird sein Eigentum nicht aufgehoben, aber die durch die Widmung begründete öffentliche Zweckbindung, die fortan auf dem Straßengrundstück lastet, führt zu einer „Modifikation“ bzw. „Überlagerung“ seines Eigentums mit der Folge, dass seine privatrechtliche Verfügungsmacht insoweit eingeschränkt ist.57 Die aus der Widmung folgenden Beschränkungen können dabei als öffentlichrechtliche Dienstbarkeit eigener Art begriffen werden.58 Die praktische Konse 55

Vgl. § 5 I StrG BW. Vgl. § 5 I StrG BW; Schnebelt, in: Schnebelt / K romer, StR BW, 3. Abschn. Rn. 55 ff.; Axer, in: Schoch, Bes.VwR, Kap. 6 Rn. 58; Herber, in: Kodal, Straßenrecht, Kap. 8 Rn. 15; Kluth, in: Wolff / Bachof, VerwR II, § 75 Rn. 23 ff.; Lorenz / Will, StrG BW, § 5 Rn. 16 ff.; Sauthoff, in: Müller / Schulz, FStrG, § 2 Rn. 4 ff. 57 Vgl. Herber, in: Kodal, Straßenrecht, Kap. 8 Rn. 8; Steiner, in: Steiner / Brinktrine, Bes. VwR, § 4 Rn. 36; Kenntner, ÖffR BW, Rn. 976; Kluth, in: Wolff / Bachof, VerwR II, § 76 Rn. 2; Papier, Recht der öffentlichen Sachen, 80; Axer, in: Schoch, Bes.VwR, Kap. 6 Rn. 62. Das StrG BW enthält keine Regelungen zu den Rechtsfolgen der Widmung. Doch belegt § 5 VIII StrG BW, dass den Straßengesetzen die Vorstellung einer das Privateigentum überlagernden öffentlichen Sachherrschaft zugrunde liegt, so ausdrücklich Axer, in: Schoch, Bes.VwR, Kap. 6 Rn. 62. Diese Arbeit folgt der Annahme des sog. „modifizierten Privateigentums“, andere vertreten die Auffassung vom sog. „öffentlichen Eigentum“, s. dazu Kluth, in: Wolff / Bachof, VerwR II, § 76 Rn. 9 ff. u. bei Papier, Recht der öffentlichen Sachen, 5 ff. 58 Vgl. Kenntner, ÖffR BW, Rn. 976; Steiner, in: Steiner / Brinktrine, Bes.VwR, § 4 Rn. 39; Schnebelt, in: Schnebelt / K romer, StR BW, 3. Abschn. Rn. 48; Axer, in: Schoch, Bes.VwR, Kap. 6 Rn. 62. 56

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B. Art. 8 I GG und der öffentliche Straßenraum

quenz dieser „Dienstbarkeit“ ist, dass den Eigentümer des Straßengrundstücks eine weitreichende Duldungspflicht für alle von der Widmung erfassten Nutzungen59 trifft.60 Insoweit werden seine eigentumsrechtlichen Befugnisse (§§ 903 i. V. m. 985, 1004 BGB) durch die öffentlich-rechtliche Sachherrschaft überlagert, verdrängt oder modifiziert61 (vgl. §§ 986 I, 1004 II BGB).62 Dem privatrechtlichen Eigentümer verbleibt also nur eine sehr begrenzte Restherrschaft an seinem Straßengrundstück, die von der Rechtsprechung auch als „inhaltsleere Hülse“63 bezeichnet wird.64 Gleichzeitig ist der Straßeneigentümer aber in demselben Maße von gesetzlichen Verpflichtungen zur Unterhaltung der Straße und Abwehrrechten Dritter gegen die Nutzung der Straße, wie sie aus § 906 BGB folgen, befreit.65 (2) Bestimmung des Straßenbaulastträgers und des Sachherrn Der Zweckbestimmung der öffentlichen Straße wird jedoch allein durch die Beschränkung des Privateigentums noch nicht hinreichend Genüge getan. Denn der Eigentümer des Straßengrundstücks ist privatrechtlich ja gerade nicht verpflichtet, seine Sache in einem bestimmten Sinne herzustellen oder in einem gebrauchs­ fähigen Zustand zu erhalten. Da es aber für die Erfüllung des durch die Widmung begründeten Zwecks der öffentlichen Straße erforderlich ist, die Straße in einem gebrauchsfähigen Zustand zu erhalten, legt die in der Widmung vorzunehmende Einstufung zugleich auch den Träger der Straßenbaulast (Sach- oder Wegeherr), also Land, Kreis oder Gemeinde fest, welcher fortan eben diese Unterhaltungspflichten zu erfüllen hat, vgl. § 9 und §§ 43 f. StrG BW.66 Zumeist fallen – wie bereits angedeutet – das privatrechtliche Eigentum an dem Straßengrundstück und die aus der Straßenbaulast folgende öffentlich-rechtliche Sachherrschaft in einer Person zusammen. Wo dies aber nicht der Fall ist, könnte 59

S. dazu noch unter B. I. 2. Vgl. Herber, in: Kodal, Kap. 8 Rn. 8; Papier, Jura 1979, 93 (94); Kluth, in: Wolff / Bachof, VerwR II, § 76 Rn. 4; Papier / Durner, in: Ehlers / Fehling / P ünder, Bes.VwR II, § 43 Rn. 37. 61 Vgl. § 903 S. 1 BGB „soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen“. 62 Vgl. Herber, in: Kodal, Straßenrecht, Kap. 6 Rn. 17; Axer, in: Schoch, Bes.VwR, Kap. 6 Rn. 62; Steiner, in: Steiner / Brinktrine, Bes.VwR, § 4 Rn. 36; Papier / Durner, in: Ehlers /  Fehling / P ünder, Bes.VwR II, § 43 Rn. 5. 63 Z. B. BayVGHE, 50, 64 (65). 64 Vgl. Rinke, in: Kodal, Kap. 1 Rn. 12.6; Kluth, in: Wolff / Bachof, VerwR II, § 76 Rn. 2 ff.; Papier, Recht der öffentlichen Sachen, 9 f., 41; Herber, in: Kodal, Kap. 6 Rn. 17, Kap. 8 Rn. 9. 65 Dies ergibt sich v. a. daraus, dass gem. § 12 I StrG BW dem Straßenbaulastträger die Ausübung der Rechte u. Pflichten des Eigentümers zustehen u. dieser folglich für die Unterhaltung der Straße Sorge tragen muss u. fortan auch die sich aus § 906 BGB ergebenden Rechte wahrnehmen kann (dazu noch ausführlich unter B. I. 1. c) bb) (2). Vgl. dazu auch Kluth, in: Wolff /  Bachof, VerwR II, § 76 Rn. 6; Grupp, in: Marschall, FStrG, § 1 Rn. 7, § 2 Rn. 20. 66 Vgl. Kluth, in: Wolff / Bachof, VerwR II, § 76 Rn. 25, 30 ff.; Tegtbauer, in: Kodal, Straßenrecht, Kap. 13 Rn. 1; Schnebelt, in: Schnebelt / K romer, StR BW, 3. Abschn. Rn. 49; Lorenz /  Will, StrG BW, § 5 Rn. 41; Papier / Durner, in: Ehlers / Fehling / P ünder, Bes.VwR II, § 43 Rn. 38. 60

I. Einführung

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die privatnützige Wahrnehmung von Eigentümerbefugnissen die gemeinwohlorientierte Ausübung der öffentlichen Sachherrschaft behindern. Um auch hier die Realisierung der öffentlichen Zweckbestimmung der Straße sicherzustellen, wird dem Straßenbaulastträger nach § 12 I StrG BW die Stellung des Grundstückeigentümers zur Ausübung übertragen. In der Folge übt nun der nicht mit dem Privateigentümer identische Straßenbaulastträger die tatsächliche Sachherrschaft i. S. d. § 903 BGB über das Straßengrundstück aus, nimmt die mit dem Grundstück verbundenen dinglichen Rechte wahr und kann sich auf die bürgerlichrechtlichen Abwehrrechte gem. § 1004 BGB berufen.67 (3) Nutzbarmachung für den Bürger Die Erbringung der Verwaltungsleistung „öffentliche Straße“ dient insbesondere der Befriedigung von Verkehrsbedürfnissen der Bevölkerung. Dafür ist es erforderlich, die öffentliche Straße für den Bürger auch in rechtlicher Hinsicht nutzbar zu machen. Durch die Widmung für den öffentlichen Verkehr gem. § 2 I StrG BW erhält die öffentliche Straße ihre Zweckbestimmung: Sie soll fortan dem Verkehr der Allgemeinheit dienen. Zusammen mit der Indienststellung wird für den Bürger damit in tatsächlicher Hinsicht die Nutzung der öffentlichen Straße ermöglicht. In rechtlicher Hinsicht erwächst dem Bürger daraus allerdings noch kein Nutzungsrecht.68 Ein Anspruch auf Nutzung der öffentlichen Straße ist aber insbesondere dann für den Bürger von Relevanz, wenn der Eigentümer der Straße, d. h. der 67

Vgl. Lorenz / Will, StrG BW, § 12 Rn. 3 ff.; Kluth, in: Wolff / Bachof, VerwR II, § 76 Rn. 24; Schnebelt, in: Schnebelt / K romer, StR BW, 3. Abschn. Rn. 51. Die Wahrnehmung dieser Befugnisse steht dem Straßenbaulastträger gem. § 12 I StrG BW jedoch nur in dem Umfang zu, in dem dies die Aufrechterhaltung des Gemeingebrauchs (s. dazu unter B. I. 2. a)) erfordert, vgl. Lorenz / Will, StrG BW, § 12 Rn. 2 ff.; Schnebelt, in: Schnebelt / K romer, StR BW, 3. Abschn. Rn. 51. 68 Vgl. Papier / Durner, in: Ehlers / Fehling / P ünder, Bes.VwR II, § 43 Rn. 35 mit der Formulierung, dass „dem Wesen einer öffentlichen Straße…ein uneinschränkbares, umfassendes Nutzungsrecht für alle Verkehrsteilnehmer nicht immanent [ist].“; s. auch Grupp, in: Marschall, § 7 Rn. 1, wonach der Begriff des Gemeingebrauchs „die normativ begründete Nutzungsmöglichkeit“ umfasst u. der in § 7 Rn. 3 vom „kraft Gesetzes eröffneten Gemeingebrauch“ spricht; so i. E. auch Lorenz / Will, StrG BW, § 13 Rn. 3: „Begründung einer zulassungsfreien Zugriffsnutzung“ durch den Gemeingebrauch sowie Sauthoff, in: Müller / Schulz, FStrG, § 7 Rn. 1 „Berechtigung, die Straße (…) zu nutzen“. Das wird z. T. anders gesehen bei öffentlichen Einrichtungen der Gemeinde, bei denen der Nutzungsanspruch unmittelbar der Widmung u. nicht den Regelungen der Gemeindeordnung entnommen wird, vgl. Brüning, in: Ehlers / Fehling /  Pünder, Bes.VwR III, § 64 Rn. 197, wonach ein Anspruch auf Zulassung Gemeindefremder sich allein aus der Widmung ergeben kann, wenn diese auch Ortsfremde erfasst. Vgl. auch Haak, in: Steiner / Brinktrine, Bes.VwR, § 1 Rn. 251: „Der Benutzungsanspruch geht in jener Konstellation [dann, wenn Ortsfremde die öffentliche Einrichtung nutzen möchten und die Widmung das auch vorsieht] nicht aus den Gemeindeordnungen hervor, sondern entstammt unmittelbar dem Recht der Gemeinde (insbes. (…) dem Widmungsakt (…)).“ Zum Entstehen und zur Begründung von Nutzungsrechten an gemeindlichen öffentlichen Einrichtungen noch unter C. I. 3. b).

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B. Art. 8 I GG und der öffentliche Straßenraum

Straßenbaulastträger oder ein Privater, eine Nutzung der Straße verhindern oder zumindest von seiner Erlaubnis abhängig machen möchte. Es bedarf also einer Norm, die den Bürger zu einer zulassungsfreien Zugriffsnutzung der öffentlichen Straße berechtigt.69 Wesentliche Rechtsfolge der Widmung ist daher vor allem die Begründung des Gemeingebrauchs nach § 13 I 1 StrG BW,70 nach dem die Straße im Rahmen der Widmung jedermann und unmittelbar ohne besondere Zulassung zur Verfügung steht. Hieraus erwächst dem Bürger ein gesetzlich normiertes Benutzungsrecht,71 das mit einer entsprechenden Duldungspflicht für den Straßeneigentümer verbunden ist.72 Der Gemeingebrauch ist damit auch Ausfluss der auf dem Privateigentum an der Straße als Dienstbarkeit lastenden öffentlich-recht­ lichen Sachherrschaft.73 Seine Gewährleistung ist die hauptsächliche Aufgabe bei der Erfüllung der Straßenbaulast.74 Daneben wird für den Bürger auch die Möglichkeit eröffnet, die Straße über den Gemeingebrauch hinaus mit einer Sondernutzungserlaubnis zu beanspruchen.75 d) Bindung an Art. 1 III, 20 III GG Ein weiteres neben der Widmung hervorzuhebendes Charakteristikum die die Grundrechtsbindung unter anderem der vollziehenden Gewalt normieren. Erneut muss zwischen dem privatrechtlichen Straßeneigentümer und dem öffentlich-rechtlichen Sachherrn unterschieden werden. Ist der Straßenbaulastträger zugleich auch Straßeneigentümer, dann ist er als Träger öffentlicher Gewalt sowohl im Hinblick auf seine verbleibenden Eigentümerbefugnisse als auch bei der Ausübung seiner Rechte und Pflichten im Rahmen der Straßenbaulast an die Grundrechte gebunden.76 Aufgrund der Überlagerung des Privateigentums durch die öffentliche Sachherrschaft des Straßenbaulastträger besteht aber auch bei einer gewidmeten Privatstraße eine Bindung des öffentlich-rechtlichen Sachherrn an die Grundrechte. Die 69

Vgl. Lorenz / Will, StrG BW, § 12 Rn. 3. Vgl. Schnebelt, in: Schnebelt / K romer, StR BW, 3. Abschn. Rn. 47; Lorenz / Will, StrG BW, § 5 Rn. 6, 7; Papier, Recht der öffentlichen Sachen, 4; Kenntner, ÖffR BW, Rn. 980, 1012; Grupp, in: Marschall, § 7 Rn. 3; Papier / Durner, in: Ehlers / Fehling / P ünder, Bes.VwR II, § 43 Rn. 37; Stahlhut, in: Kodal, Straßenrecht, Kap. 25 Rn. 2; Herber, in: Kodal, Straßenrecht, Kap. 8 Rn. 9. Kluth, in: Wolff / Bachof, VerwR II, § 75 Rn. 3 bezeichnet den Gemeingebrauch als mittelbare, objektiv-rechtliche Folge der Widmung. 71 Vgl. Lorenz / Will, StrG BW, § 13 Rn. 10; Schnebelt, in: Schnebelt / K romer, StR BW, 6. Abschn. Rn. 220; Axer, in: Schoch, Bes.VwR, Kap. 6 Rn. 99; Steiner, in: Steiner / Brinktrine, Bes.VwR, § 4 Rn. 124; Papier / Durner, in: Ehlers / Fehling / P ünder, Bes.VwR II, § 43 Rn. 37; Grupp, in: Marschall, § 7 Rn. 1. 72 Vgl. Papier, Recht der öffentlichen Sachen, 77; Axer, in: Schoch, Bes.VwR, Kap. 6 Rn. 62; Kluth, in: Wolff / Bachof, VerwR II, § 77 Rn. 9; Papier / Durner, in: Ehlers / Fehling / P ünder, Bes. VwR II, § 43 Rn. 37; Grupp, in: Marschall, § 2 Rn. 22. 73 Vgl. Lorenz / Will, StrG BW, § 5 Rn. 6. 74 Vgl. Stahlhut, in: Kodal, Kap. 25, Rn. 2. 75 Vgl. Papier / Durner, in: Ehlers / Fehling / P ünder, Bes.VwR II, § 43 Rn. 37. 76 Vgl. Papier, Recht der öffentlichen Sachen, 128. 70

I. Einführung

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Straßenbaubehörde unterliegt daher bei der Wahrnehmung ihrer Gestattungs- oder Vergabebefugnis in Bezug auf das öffentliche Straßenwesen stets der Grundrechtsbindung gem. Art.1 III GG, 20 III GG.

2. Der Straßengebrauch: Einfachgesetzliche Regelungen des Straßenrechts Wie Alltagserfahrungen verdeutlichen, wird der öffentliche Straßenraum verschiedenartig und mitunter auch in konfliktträchtiger Weise zu unterschiedlichen Zwecken genutzt: Man denke nur an den Passanten, der die Straße klassisch zu Fortbewegungszwecken nutzt, an den Bürger, der auf der Straße stehen bleibt, um zu kommunizieren, an Vertreter einer Vereinigung, die durch das Verteilen von Flugblättern auf sich aufmerksam machen möchten, an den Musiker, der durch seine musikalische Darbietung auf der öffentlichen Straße zur Unterhaltung der Passanten beitragen will und nicht zuletzt an diejenigen, die im öffentlichen Straßenraum eine Versammlung abhalten möchten.77 Damit diese unterschiedlichen Arten, den öffentlichen Straßenraum zu benutzen, nicht in zeitlicher oder räumlicher Hinsicht miteinander konfligieren, bedarf es einer gesetzlichen und administrativen Steuerung, die die unterschiedlichen Straßennutzungsmöglichkeiten koordiniert.78 Diese Aufgabe wird durch das StrG BW wahrgenommen, welchem die Intention zugrunde liegt, alle potentiellen Nutzungsmöglichkeiten in einem abschließenden Katalog von Nutzungsarten zu erfassen.79 Das StrG BW unterscheidet dabei im Grundsatz80 zwischen zwei verschiedenen  – oben bereits angesprochenen – Nutzungsformen: dem Gemeingebrauch und der Sondernutzung. a) Der Gemeingebrauch aa) Begriff Der Gemeingebrauch an öffentlichen Straßen ist in § 13 I 1 StrG BW legal­ definiert als der jedermann gestattete Gebrauch der öffentlichen Straße im Rahmen der Widmung und der Straßenverkehrsvorschriften innerhalb der verkehrsüblichen Grenzen. 77

Zu den unterschiedlichen Nutzungsmöglichkeiten der Straße s. Axer, in: Schoch, Bes. VwR, Kap. 6 Rn. 2 u. Steiner, in: Steiner / Brinktrine, Bes.VwR, § 4 Rn. 120. 78 Vgl. Steiner, in: Steiner / Brinktrine, Bes.VwR, § 4 Rn. 120. 79 Vgl. Steiner, in: Steiner / Brinktrine, Bes.VwR, § 4 Rn. 120; Stahlhut, in: Kodal, Kap. 25 Rn. 1. 80 Der Anliegergebrauch wird in dieser Arbeit nicht behandelt, dazu aber z. B. Schnebelt, in: Schnebelt / K romer, StR BW, 6. Abschn. Rn. 224 ff.; Axer, in: Schoch, Bes.VwR, Kap. 6 Rn. 522 ff.; Steiner, in: Steiner / Brinktrine, Bes.VwR, § 4 Rn. 134 ff.; Stahlhut, in: Kodal, Straßenrecht, Kap. 26.

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bb) Adressatenkreis und erlaubnisfreie Benutzung Der Legaldefinition kann unmittelbar entnommen werden, dass „Jedermann“ den Gemeingebrauch in Anspruch nehmen kann.81 Daraus folgt, dass seine Ausübung nicht auf einen bestimmten Personenkreis beschränkt werden darf.82 Dem steht nicht entgegen, dass die Widmung auch bestimmte Beschränkungen im Hinblick auf die Art des Gebrauchs oder für bestimmte Zwecke vorsehen kann, vgl. § 5 III 2 StrG BW83. In diesen Fällen ist nämlich für „Jedermann“, der diese Art des Gebrauchs ausüben oder zu diesem Zweck die öffentliche Straße nutzen möchte, der Gemeingebrauch eröffnet.84 Aus der Möglichkeit der Benutzung durch „Jedermann“ und der Tatsache, dass § 13 I 1 StrG BW ausdrücklich keine Erlaubnispflicht vorsieht, ergibt sich ferner, dass die gemeingebräuchliche Nutzung der öffentlichen Straße nicht von einer besonderen Zulassung abhängig ist und damit erlaubnisfrei eröffnet ist.85 Dieser Grundsatz der Erlaubnisfreiheit schließt dabei sowohl das Erfordernis eines einseitigen Zulassungsakts durch die Behörde als auch die „Vorschaltung“ eines Vertragsschlusses aus.86 cc) Umfang und Schranken des Gemeingebrauchs Nach § 13 I 1 StrG BW wird der Gemeingebrauch „im Rahmen der Widmung“ gewährt. Die Widmung eröffnet damit nicht nur den Gemeingebrauch, sondern legt auch – objektiv rechtlich – den Umfang und die Grenzen dessen fest, was noch unter die erlaubnisfreie Benutzung fällt, und bestimmt damit den sog. „abstrakten“ Gemeingebrauch.87

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§ 13 I 1 StrG BW. Vgl. Schnebelt, in: Schnebelt / K romer, StR BW, 6. Abschn. Rn. 202; Kluth, in: Wolff /  Bachof, VerwR II, § 77 Rn. 1; Papier, Recht der öffentlichen Sachen, 103; Stahlhut, in: Kodal, Straßenrecht, Kap. 25 Rn. 14; Grupp, in: Marschall, FStrG, § 7 Rn. 5. 83 Zur Beschränkung i. S. d. § 5 III 2 StrG BW später ausführlich unter B. I. 2. a) cc). 84 Vgl. Stahlhut, in: Kodal, Straßenrecht, Kap. 25 Rn. 15; Papier, Recht der öffentlichen Sachen, 103; Grupp, in: Marschall, FStrG, § 7 Rn. 5. 85 Vgl. Stahlhut, in: Kodal, Straßenrecht, Kap. 25 Rn. 15; Schnebelt, in: Schnebelt / K romer, StR BW, 6. Abschn. Rn. 202. Dies wird auch durch den Umkehrschluss aus § 16 I StrG BW verdeutlicht, der für die Sondernutzung der Straße ausdrücklich eine Erlaubnispflicht normiert, vgl. Schnebelt, in: Schnebelt / K romer, StR BW, 6. Abschn. Rn. 202; Pappermann / L öhr, JuS 1980, 350 (351). 86 Vgl. Kluth, in: Wolff / Bachof, VerwR II, § 77 Rn. 3; Papier, Recht der öffentlichen Sachen, 103 f. 87 Vgl. Schnebelt, in: Schnebelt / K romer, StR BW, 6. Abschn. Rn. 204; Axer, in: Schoch, Bes. VwR, Kap. 6 Rn. 83; Lorenz / Will, StrG BW, § 13 Rn. 16; Stahlhut, in: Kodal, Kap. 25 Rn. 10; Kluth, in: Wolff / Bachof, VerwR II, § 77 Rn. 7, 12, 28; Salzwedel, DÖV 1963, 241 (244). 82

I. Einführung

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Der Umfang dieses „abstrakten“ Gemeingebrauchs folgt zum einen als normative Konsequenz aus der zwingend mit der Widmung zu verbindenden Einstufung88 der Straße gem. § 5  III  1 StrG BW.89 Durch die Einstufung wird die öffentliche Straße einer der in § 3 I StrG BW aufgeführten Straßengruppen zugeordnet.90 Dadurch wird die Verkehrsfunktion der öffentlichen Straße z. B. als Landesstraße, Kreisstraße oder Gemeindestraße festgelegt, was auch ihre öffent­ liche Zweckbestimmung konkretisiert.91 So dient z. B. eine öffentliche Straße nach ihrer Einstufung als Landesstraße gem. § 3 I Nr. 1 StrG BW nur der Ermöglichung des Durchgangsverkehrs innerhalb des Landes und als Gemeindestraße i. S. d. § 3 I Nr. 3 StrG BW dem örtlichen Verkehr.92 Zum anderen können in der Widmung selbst bereits gewisse Nutzungsbeschränkungen nach objektiven Kriterien i. S. d. § 5 III 2 StrG BW vorgesehen sein, etwa auf bestimmte Benutzungsarten (z. B. Verkehr mit Pkw, mit Fahrrad oder zu Fuß), Benutzungszwecke (Besuch der Kirche, der Schule, des Friedhofs) und Benutzungskreise (Besucher der Kirche, der Schule oder des Friedhofs).93 Dagegen ist eine Beschränkung der Nutzung nach subjektiven Aspekten (z. B. nur für Bewohner eines Ortsteils oder Angehörige eines religiösen Bekenntnisses) aufgrund der öffentlich-rechtlichen Zweckbestimmung der Straße, dem Verkehr der Allgemeinheit zu dienen, nicht zulässig.94 Ist also beispielsweise eine Straße im Hinblick auf ihre Benutzungsart dem Radverkehr gewidmet, so ist der Gemeingebrauch von vornherein nur für die Nutzung der öffentlichen Straße durch Radfahrer eröffnet, vgl. §§ 5 III 2 i. V. m. 3 II Nr. 4 StrG BW. Eine Befahrung dieser Straße mit einem Pkw wäre damit nicht mehr vom Umfang des Gemeingebrauchs i. S. d. § 13 I 1 StrG BW erfasst. Darüber hinaus wird der „abstrakte“ Gemeingebrauch im Hinblick auf Art und Maß der gemeingebräuchlichen Nutzung öffentlicher Straßen durch den in § 2 I StrG BW vorgegebenen Widmungszweck bestimmt.95 Danach müssen öffent­ 88

Allgemein zur Einstufung Herber, in: Kodal, Straßenrecht, Kap. 9 Rn. 1 ff. Vgl. Schnebelt, in: Schnebelt / K romer, StR BW, 6. Abschn. Rn. 205; Papier, Recht der öffentlichen Sachen, 102; Kluth, in: Wolff / Bachof, VerwR II, § 77 Rn. 28; Steiner, in: Steiner /  Brinktrine, Bes.VwR, § 4 Rn. 123. 90 Vgl. Steiner, in: Steiner / Brinktrine, Bes.VwR, § 4 Rn. 44; Herber, in: Kodal, Straßenrecht, Kap. 8 Rn. 5; Schnebelt, in: Schnebelt / K romer, StR BW, 3. Abschn. Rn. 49; Lorenz / Will, StrG BVW, § 5 Rn. 41; Kenntner, ÖffR BW, Rn. 981. 91 Vgl. Herber, in: Kodal, Straßenrecht, Kap. 8 Rn. 5; Lorenz / Will, StrG BW, § 3 Rn. 8. 92 Aufgrund der spezifischen u. besonders intensiven Beziehung des einzelnen zur Straße im örtlichen Bereich ist in § 3 II StrG BW eine weitere Aufteilung der Gemeindestraßen in verschiedene Unterarten vorgesehen, vgl. Lorenz / Will, StrG BW, § 3 Rn. 25. 93 Vgl. Lorenz / Will, StrG BW, § 5 Rn. 45 ff.; Axer, in: Schoch, Bes.VwR, Kap. 6 Rn. 61; Schnebelt, in: Schnebelt / K romer, StR BW, 3. Abschn. Rn. 205; Herber, in: Kodal, Straßenrecht, Kap. 8 Rn. 6; Kluth, in: Wolff / Bachof, VerwR II, § 75 Rn. 5; Steiner, in: Steiner / Brinktrine, Bes.VwR, § 4 Rn. 123; Papier, Recht der öffentlichen Sachen, 102. 94 Vgl. Lorenz / Will, StrG BW, § 5 Rn. 47; Herber, in: Kodal, Straßenrecht, Kap. 8 Rn. 6. 95 Vgl. Schnebelt, in: Schnebelt / K romer, StR BW, 6. Abschn. Rn. 207; Kenntner, ÖffR BW, Rn. 1013; Lorenz / Will, StrG BW, § 13 Rn. 17. 89

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B. Art. 8 I GG und der öffentliche Straßenraum

liche Straßen dem „öffentlichen Verkehr“ dienen.96 Dieser gesetzlich vorgesehene Verkehrsbezug der gemeingebräuchlichen Nutzung einer öffentlichen Straße wird zusätzlich durch die Formulierung des § 13 I 1 StrG BW hergestellt, wonach der Gebrauch der öffentlichen Straße nur „innerhalb der verkehrsüblichen Grenzen“ gestattet ist.97 Dementsprechend beschränkt sich die Nutzung einer öffent­ lichen Straße im Rahmen des Gemeingebrauchs immer auch auf diesen Verkehrszweck.98 Der Begriff „Verkehr“ wird im StrG BW nicht definiert, sodass die Frage, wann eine Nutzung der Straße zu Zwecken des Verkehrs erfolgt, nur durch eine Auslegung des Verkehrsbegriffs bestimmt werden kann. Betrachtet man den Wortlaut „Verkehr“ unter Berücksichtigung der gebräuchlichen Funktion der Straße als Instrument zur Überwindung von Distanzen, kommt man zu dem Auslegungsergebnis, dass eine Nutzung zu Zwecken des Verkehrs jedenfalls immer dann anzunehmen ist, wenn sie in der Absicht der Ortsveränderung erfolgt.99 Dieses Verkehrsverständnis wird auch durch die historische Entwicklung des Straßenrechts unterstützt, das von Beginn an die Fortbewegung auf Straßen als zentralen Regelungsgegenstand hatte.100 Verkehr im straßenrechtlichen Sinne meint daher in erster Linie die Fortbewegung von Menschen und Sachen.101 Unstreitig fehlt es daher an einem Verkehrsverhalten, wenn schon objektiv die Nutzung der Straße ohne Ortsveränderung erfolgt, z. B. beim Aufstellen von Gegenständen und bei Eingriffen in den Straßenkörper.102 Die Nutzung der Straßen zur Fortbewegung erfasst jedoch deren tatsächlichen Gebrauch nur zum Teil. Während außerörtliche Straßen, insbesondere durch den Transport von Personen 96

Im Gegensatz zur bundesrechtlichen Regelung des § 7 I FStrG, wonach der Gebrauch der Bundesfernstraßen jedermann im Rahmen der Widmung u. der verkehrsbehördlichen Vorschriften „zum Verkehr“ gestattet ist, fehlt in § 13 I 1 StrG BW eine ausdrückliche Bezugnahme auf den Verkehrszweck. Hierzu ausführlich Schnebelt, in: Schnebelt / K romer, StR BW, 6. Abschn. Rn. 201, 207. 97 Vgl. Schnebelt, in: Schnebelt / K romer, StR BW, 6. Abschn. Rn. 207; Kenntner, ÖffR BW, Rn. 1013. 98 Vgl. Kenntner, ÖffR BW, Rn. 1013; Steiner, in: Steiner / Brinktrine, Bes.VwR, § 4 Rn. 121; Schnebelt, in: Schnebelt / K romer, StR BW, 6. Abschn. Rn. 207; Lorenz / Will, StrG BW, § 13 Rn. 17; Stahlhut, in: Kodal, Straßenrecht, Kap. 25 Rn. 10, 18; Kluth, in: Wolff / Bachof, VerwR II, § 77 Rn. 12; Grupp, in: Marschall, FStrG, § 7 Rn. 7; Papier, Jura 1979, 93 (95). 99 So i. E. Grupp, in: Marschall, FStrG, § 7 Rn. 8; Kenntner, ÖffR BW, Rn. 1013; Stahlhut, in: Kodal, Straßenrecht, Kap. 25 Rn. 19 mit Verweis auf die Begründung zum FStrG; Lorenz / Will, StrG BW, § 13 Rn. 17 argumentiert mit der herkömmlichen Zielsetzung der Straßen. 100 Zur historischen Entwicklung z. B. Rinke, in: Kodal, Straßenrecht, Kap. 1 Rn. 5 ff. 101 Darüber besteht Einigkeit, vgl. Kenntner, ÖffR BW, Rn. 1013; Axer, in: Schoch, Bes. VwR, Kap. 6 Rn. 85; Schnebelt, in: Schnebelt / K romer, StR BW, 6. Abschn. Rn. 208; Kluth, in: Wolff / Bachof, VerwR II, § 77 Rn. 12; Grupp, in: Marschall, FStrG, § 7 Rn. 8; Stahlhut, in: Kodal, Kap. 25 Rn. 19; Lorenz / Will, StrG BW, § 13 Rn. 17. 102 Vgl. Axer, in: Schoch, Bes.VwR, Kap. 6 Rn. 85; Stahlhut, in: Kodal, Kap. 25 Rn. 20; Kluth, in: Wolff / Bachof, VerwR II, § 77 Rn. 13; Papier, Recht der öffentlichen Sachen, 87; Papier / Durner, in: Ehlers / Fehling / P ünder, Bes.VwR II, § 43 Rn. 52.

I. Einführung

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und Gütern, tatsächlich überwiegend zur Fortbewegung genutzt werden, zeigt sich in innerörtlichen Straßen ein anderes Erscheinungsbild. Straßen innerhalb geschlossener Ortslage erfüllen neben dem Fortbewegungszweck auch eine Aufenthalts- und Erschließungsfunktion.103 So ist in zentralen städtischen Bereichen – wie eingangs bereits angedeutet – das Straßenbild häufig gekennzeichnet durch ein Nebeneinander von Händlern, Musikanten und Passanten, die Gespräche führen.104 Infolgedessen ist das mit der Auslegung ermittelte Verständnis des „Verkehrs“ i. S. e. Nutzung der Straße zur Ortsveränderung zu eng. Daher ist im Ergebnis weitgehend übereinstimmend anerkannt, dass die übliche Form der Straßennutzung auch die Möglichkeit zur Kontaktaufnahme und Kommunikation in der Öffentlichkeit miteinschließen muss.105 Dieser sog. „kommunikative Verkehr“ ist daher in den Verkehrsbegriff einzubeziehen und damit vom Gemeingebrauch erfasst.106 Allerdings ist hierbei zu beachten, dass die öffentlichen Straßen nichtsdestotrotz primär als Verkehrseinrichtung geschaffen werden. Kommunikative Aktivitäten dürfen folglich „allenfalls als Nebenzweck des verkehrsbezogenen Verhaltens […], nicht aber als vom Verkehrsinteresse isolierter Hauptzweck“107 verfolgt werden.108 Von diesen den abstrakt möglichen Gemeingebrauch an der öffentlichen Straße regelnden Bestimmungen sind die Regelungen des Straßenverkehrsrechts109 zu unterscheiden, welche den sog. „konkreten“ Gemeingebrauch erfassen.110 Während die straßenrechtlichen Bestimmungen die Zweckbestimmung der Verkehrsfläche abstrakt festlegen und damit den Inhalt des Gemeingebrauchs bestimmen, normieren die Straßenverkehrsvorschriften Beschränkungen, denen die konkrete

103 Vgl. Grupp, in: Marschall, FStrG; § 7 Rn. 11; Stahlhut, in: Kodal, Straßenrecht, Kap. 25 Rn 22 ff.; Sauthoff, in: Müller / Schulz, FStrG, § 7 Rn. 22; Lorenz / Will, StrG BW, § 13 Rn. 22; Kenntner, ÖffR BW, Rn. 1018; Schnebelt, in: Schnebelt / K romer, StR BW, 6. Abschn. Rn. 208. 104 Vgl. Grupp, in: Marschall, FStrG, § 7 Rn. 11. 105 Vgl. Grupp, in: Marschall, FStrG, § 7 Rn. 11; OLG Stuttgart, NJW 1976, 201 (202); Hufen, DÖV 1983, 353 (355); Stahlhut, in: Kodal, Kap. 25 Rn 22; Lorenz / Will, StrG BW, § 13 Rn. 22; Sauthoff, in: Müller / Schulz, FStrG, § 7 Rn. 22; Papier / Durner, in: Ehlers / Fehling / P ünder, Bes.VwR II, § 43 Rn. 56. Zu der Frage, wie dieses Ergebnis gewonnen wird, wird noch unter B. II. u. B. III. 1. ausführlich Stellung genommen. 106 Vgl. VGH Mannheim, NVwZ-RR 2002, 740 (742); Axer, in: Schoch, Bes.VwR, Kap. 6 Rn. 90; Schnebelt, in: Schnebelt / K romer, StR BW, 6. Abschn. Rn. 209; Lorenz, StrG BW, § 13 Rn. 23; Grupp, in: Marschall, FStrG, § 7 Rn. 12; ausführlicher insbes. auch zur Rechtsprechungsentwicklung Kenntner, ÖffR BW, Rn. 1018 ff. 107 VGH Mannheim, VBlBW 1987, 137 (140); NVWZ 1998, 91 (91). 108 Vgl. Schnebelt, in: Schnebelt / K romer, StR BW, 6. Abschn. Rn. 208; Lorenz / Will, StrG BW, § 13 Rn. 23. 109 Vgl. § 13 I 1 GemO, wonach der Gebrauch der öffentlichen Straßen nur iRd Straßenverkehrsvorschriften gestattet ist. 110 Vgl. Schnebelt, in: Schnebelt / K romer, StR BW, 6. Abschn. Rn. 204, 210; Kluth, in: Wolff / Bachof, VerwR II, § 77 Rn. 30; Axer, in: Schoch, Bes.VwR, Kap. 6 Rn. 83; Grupp, in: Marschall, FStrG; § 7 Rn. 16; Steiner, in: Steiner / Brinktrine, Bes.VwR, § 4 Rn. 123; Stahlhut, in: Kodal, Straßenrecht, Kap. 25 Rn. 11 mit der Bezeichnung „individueller“ Gemeingebrauch.

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B. Art. 8 I GG und der öffentliche Straßenraum

Ausübung des Gemeingebrauchs unterliegen.111 Diese Unterscheidung wird deutlich bei der Qualifizierung von Nutzungen, die zum einen gegen die Widmung und zum anderen gegen das Verkehrsrecht verstoßen: Wird z. B. eine als Fußgängerweg gewidmete öffentliche Straße gem. §§ 5 III 2 i. V. m. 3 II Nr. 4 c) von einem Fahrradfahrer genutzt, dann wird der Rahmen der Widmung überschritten und es liegt schon kein straßenrechtlicher Gemeingebrauch vor. Wird dagegen diese Straße zwar durch einen Fußgänger genutzt, aber unter Verstoß gegen eine Vorschrift der StVO, ändert dieser Verstoß nichts am Charakter der widmungsgemäßen Benutzung als Gemeingebrauch, macht diese aber insgesamt rechtlich unzulässig.112 Daneben ergibt sich der Umfang des „konkreten“ Gemeingebrauchs aus dem in § 13 I 2 StrG BW normierten Erfordernis der Gemeinverträglichkeit113, wobei dieses bereits in der straßenverkehrsrechtlichen Grundbestimmung des § 1 II StVO enthalten sowie in den Einzelvorschriften der StVO konkretisiert ist.114 Als eigenständige Grenze für den Gemeingebrauch ist die Gemeinverträglichkeit daher nur für die von den straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften nicht erfassten Nutzungen, also insbesondere im Rahmen des „kommunikativen Verkehrs,“ von Relevanz.115 b) Die Sondernutzung Insbesondere in Anbetracht der Beschränkung des abstrakten Gemeingebrauchs auf die Beanspruchung der öffentlichen Straße zu Verkehrszwecken fallen viele weitere potentielle Nutzungsmöglichkeiten der öffentlichen Straße nicht unter diesen Gebrauchstypus. Dennoch findet das berechtigte Interesse der Bürger, die öffentliche Straße auch über die Grenzen des Gemeingebrauchs hinaus, also ins 111

Vgl. Lorenz / Will, StrG BW, § 13 Rn. 32; Grupp, in: Marschall, FStrG; § 7 Rn. 16 f.; ausführlich zum Verhältnis von Straßenverkehrsrecht u. Straßenrecht („Vorbehalt“ des Straßenrechts u. „Vorrang“ des Straßenverkehrsrechts) bei Herber, in: Kodal, Straßenrecht, Kap. 4 Rn. 4 ff.; Schnebelt, in: Schnebelt / K romer, StR BW, 6. Abschn. Rn. 210 ff.; Kluth, in: Wolff / Bachof, VerwR II, § 77 Rn. 30; Pappermann / L öhr, JuS 1980, 350 (354); Papier / Durner, in: Ehlers /  Fehling / P ünder, Bes.VwR II, § 43 Rn. 7 ff. 112 Vgl. Lorenz / Will, StrG BW, § 13 Rn. 37; Axer, in: Schoch, Bes.VwR, Kap. 6 Rn. 83; ­Schnebelt, in: Schnebelt / K romer, StR BW, 6. Abschn. Rn. 212. 113 Gem. § 13 I 2 StrG BW liegt kein Gemeingebrauch vor, „wenn durch die Benutzung einer öffentlichen Straße der Gemeingebrauch anderer unzumutbar beeinträchtigt wird.“ Vgl. zur Gemeinverträglichkeit auch Schnebelt, in: Schnebelt / K romer, StR BW, 6. Abschn. Rn. 219; Stahlhut, in: Kodal, Straßenrecht, Kap. 25 Rn. 30; VGH BW, DÖV 1989, 128 (129); Kluth, in: Wolff / Bachof, VerwR II, § 77 Rn. 10.; Axer, in: Schoch, Bes.VwR, Kap. 6 Rn. 84. 114 Vgl. Schnebelt, in: Schnebelt / K romer, StR BW, 6. Abschn. Rn. 219; Axer, in: Schoch, Bes.VwR, Kap. 6 Rn. 84; Kluth, in: Wolff / Bachof, VerwR II, § 77 Rn. 21; Stahlhut, in: Kodal, Straßenrecht, Kap. 25 Rn. 30.2; Sauthoff, in: Müller / Schulz, FstrG, § 7 Rn. 31; Lorenz / Will, StrG BW, § 13 Rn. 39; vgl. auch Pappermann / L öhr, JuS 1980, 350 (354). 115 Vgl. Stahlhut, in: Kodal, Straßenrecht, Kap. 25 Rn. 30.1; Grupp, in: Marschall, FStrG, § 7 Rn. 19; Sauthoff, in: Müller / Schulz, FstrG, § 7 Rn. 31.

I. Einführung

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besondere nicht nur zur Fortbewegung, nutzen zu können, im Straßenrecht Berücksichtigung. Das StrG BW sieht nämlich – wie schon erwähnt – noch weitere Nutzungsarten vor, wozu insbesondere die Sondernutzung gem. § 16 I 1 StrG BW zählt.116 Hiervon ist eben der Straßengebrauch erfasst, der den von der Widmung bestimmten Rahmen (abstrakter Gemeingebrauch) überschreitet und darüber hinaus den Gemeingebrauch beeinträchtigt oder zumindest beeinträchtigen kann,117 wobei eine solche Beeinträchtigung regelmäßig nur dann abzulehnen ist, wenn die Nutzung in der Tiefe des Straßenkörpers und damit außerhalb des Verkehrsraums erfolgt.118 Daher ist grundsätzlich jede Oberflächennutzung, die sich jenseits des gesetzlich oder durch Widmung festgelegten Gemeingebrauchs bewegt, eine gemeingebrauchsbeeinträchtigende Sondernutzung.119 Gemeingebrauch und Sonder­nutzung der öffentlichen Straße stehen damit in einem „Wechselverhältnis“:120 Wird der Gemeingebrauch überschritten, liegt eine Sondernutzung vor.121 Sondernutzungen der Straße stellen demgemäß z. B. das Aufstellen von Baugerüsten oder das Abstellen eines Pkws als Werbeträger dar.122 Solche Nutzungen, die über den Gemeingebrauch hinausgehen und diesen sogar beeinträchtigen, können angesichts der mit ihnen verbundenen Konflikt­gefahr nicht jedermann beliebig offenstehen. Vielmehr müssen gemeingebrauchsüberschreitende Benutzungen sowohl mit den öffentlichen Interessen als auch mit denen des Privateigentümers der öffentlichen Sache – wenn vorhanden – in Einklang gebracht werden. Dieser Interessenausgleich kann am besten mithilfe eines 116

Vgl. Grupp, in: Marschall, FStrG, § 8 Rn. 3. Das Erfordernis der „Beeinträchtigung“ des Gemeingebrauchs ergibt sich aus dem Abgrenzungsbedürfnis zu der in § 21 StrG BW geregelten „sonstigen Benutzung“, die sich nach bürgerlichem Recht richtet, wenn die Benutzung den Gemeingebrauch nicht beeinträchtigt wird, vgl. Lorenz / Will, StrG BW, § 16 Rn. 2; Schnebelt, in: Schnebelt / K romer, StR BW, 6. Abschn. Rn. 244; Grupp, in: Marschall, FStrG, § 8 Rn. 1; Stahlhut, in: Kodal, Straßenrecht, Kap. 27 Rn. 9. Nutzungsformen, die den Gemeingebrauch nicht beeinträchtigen, berühren nicht die öffentlich-rechtliche Zweckbindung der Straße, sodass die Einräumung von Benutzungsrechten weiter der Verfügungsbefugnis des zivilrechtlichen Eigentümers untersteht. Diese Begründung mit praktischen Anwendungsfällen ist insbes. bei Kenntner, ÖffR BW, Rn. 1031 zu finden, s. dazu auch Schnebelt, in: Schnebelt / K romer, StR BW, 6. Abschn. Rn. 242 u. Lorenz /  Will, StrG BW, § 16 Rn. 4; Papier, Recht der öffentlichen Sachen, 119. 118 Vgl. Schnebelt, in: Schnebelt / K romer, StR BW, 6. Abschn. Rn. 242; Papier / Durner, in: Ehlers / Fehling / P ünder, Bes.VwR II, § 43 Rn.  71; Steiner, in: Steiner / Brinktrine, Bes.VwR, § 4 Rn. 131. 119 Vgl. Papier / Durner, in: Ehlers / Fehling / P ünder, Bes.VwR II, § 43 Rn. 68; Papier, Recht der öffentlichen Sachen, 119. 120 Vgl. Lorenz / Will, StrG BW, § 16 Rn. 5; Grupp, in: Marschall, FStrG, § 8 Rn. 3; das Verhältnis der beiden Nutzungstypen zueinander wird auch als „Substraktionsmethode“ bezeichnet, vgl. Axer, in: Schoch, Bes.VwR, Kap. 6 Rn. 81; Schnebelt, in: Schnebelt / K romer, StR BW, 6. Abschn. Rn. 239. 121 Dies gilt nur dann, wenn § 21 StrG BW nicht eingreift. 122 Weitere Beispiele u. Fallgruppen des Sondergebrauchs u. a. bei Stahlhut, in: Kodal, Straßenrecht, Kap. 27 Rn. 4; Grupp, in: Marschall, FStrG, § 8 Rn. 4; Schnebelt, in: Schnebelt /  Kromer, StR BW, 6. Abschn. Rn. 240. 117

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B. Art. 8 I GG und der öffentliche Straßenraum

öffentlich-rechtlichen123 Zulassungserfordernisses vorgenommen werden.124 Die Sondernutzung nach § 16 I 1 StrG BW ist daher grundsätzlich125 mit einem präventiven Verbot belegt, das aber unter Erlaubnisvorbehalt steht (Ausgleichs- und Verteilungsfunktion der Sondernutzungserlaubnis).126 Der Bürger hat folglich erst nach der Erlaubniserteilung ein Recht bzw. einen Anspruch auf die Sondernutzung der Straße.127 Die Erlaubnis wird meist128 in der Form eines Verwaltungsaktes durch die nach §§ 16 II i. V. m. 50 III StrG BW entsprechend der jeweiligen Straßeneinstufung zuständigen Straßenbaubehörde erteilt.129 Eine zusätzliche privatrechtliche Zustimmung des Straßeneigentümers ist, selbst wenn Straßenbaulast und Eigentum nicht in der Hand eines Rechtsträgers liegen, aufgrund der bereits erläuterten Verdrängung der Eigentümerbefugnisse durch die mit der Widmung begründete öffentlich-rechtliche Zweckbestimmung der Straße nicht erforderlich.130 § 16 II 1 StrG BW stellt ausdrücklich klar, dass über die Erteilung der Erlaubnis nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden ist. Für den Antragsteller besteht daher kein Rechtsanspruch auf Erlaubniserteilung, sondern nur auf fehlerfreie Ermessensausübung bei der Antragsbescheidung.131 Ermessenskriterien werden in 123

Entsprechend dem durch die Widmung begründeten öffentlichen Sachstatus wird die Benutzung der Straße grds. öffentlich-rechtlich geordnet, sodass sich auch die Sondernutzung i. S. d. § 16 I StrG BW nach öffentlichem Recht bestimmt, vgl. Grupp, in: Marschall, FStG, § 8 Rn. 2; Papier, Recht der öffentlichen Sachen, 1210; Steiner, in: Steiner / Brinktrine, Bes.VwR, § 4 Rn. 125. 124 Vgl. Schnebelt, in: Schnebelt / K romer, StR BW, 6. Abschn. Rn. 245; Kluth, in: Wolff /  Bachof, VerwR II, § 78 Rn. 1; Axer, in: Schoch, Bes.VwR, Kap. 6 Rn. 103; Stahlhut, in: Kodal, Straßenrecht, Kap. 27 Rn. 14; Grupp, in: Marschall, FStrG, § 8 Rn. 8; Lorenz / Will, StrG BW, § 16 Rn. 29; vgl. dazu BVerwGE 84, 71 (75 f.). 125 Als Ausnahme hierzu können kommunale Satzungen für Gemeindestraßen etwas Abweichendes vorsehen, vgl. § 16 VII LStrG BW; s. dazu Stahlhut, in: Kodal, Straßenrecht, Kap. 27 Rn. 35 sowie Lorenz / Will, StrG BW, § 16 Rn. 78 ff.; auch bei Schnebelt, in: Schnebelt / K romer, StR BW, 6. Abschn. Rn. 268 ff. 126 Vgl. Schnebelt, in: Schnebelt / K romer, StR BW, 6. Abschn. Rn. 245; Axer, in: Schoch, Bes.VwR, Kap. 6 Rn. 103; Kluth, in: Wolff / Bachof, VerwR II, § 78 Rn. 7; Sauthoff, in: Müller /  Schulz, FStrG, § 8 Rn. 6. 127 Vgl. Schnebelt, in: Schnebelt / K romer, StR BW, 6. Abschn Rn. 265; Lorenz / Will, StrG BW, § 16 Rn. 63. 128 Daneben besteht auch die Möglichkeit der Erteilung der Erlaubnis in einem öffentlichrechtlichen Vertrag, vgl. § 54 S. 2 LVwVfG. Für die Zulässigkeit u. Wirksamkeit des Vertrags gelten dann die Regeln der §§ 54 ff. LVwVfG. S. dazu insbes. Lorenz / Will, StrG BW, § 16 Rn. 50 ff.; speziell zur Sondernutzungserlaubnis im Rahmen eines Werbenutzungsvertrags VGH BW, VBlBW 1994, 17 (20). 129 Eine Besonderheit besteht gem. § 17 I 1, 2 StrG BW für Ortsdurchfahrten, bei welchen die Gemeinde nach Einholung der Zustimmung der für die freien Strecken zuständigen Straßenbaubehörde über die Sondernutzung entscheidet, vgl. Schnebelt, in: Schnebelt / K romer, StR BW, 6. Abschn. Rn. 246, 260; Axer, in: Schoch, Bes.VwR, Kap. 6 Rn. 106; Kenntner, ÖffR BW, Rn. 1032; Grupp, in: Marschall, FStG, § 8 Rn. 7; Kluth, in: Wolff / Bachof, VerwR II, § 78 Rn. 8; Papier, Recht der öffentlichen Sachen, 121. 130 Vgl. Schnebelt, in: Schnebelt / K romer, StR BW, 6. Abschn. Rn. 263; Kluth, in: Wolff /  Bachof, VerwR II, § 78 Rn. 12; Papier, Recht der öffentlichen Sachen, 125. 131 Vgl. Schnebelt, in: Schnebelt / K romer, StR BW, 6. Abschn. Rn. 247 f.; Lorenz / Will, StrG BW, § 16 Rn. 19; Axer, in Schoch, Bes.VwR, Kap. 6 Rn. 113. Im Einzelfall kann aber, insbes.

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den einschlägigen Gesetzen nicht genannt, sodass die für die Abwägung maßgeblichen Aspekte aus einer straßenrechtlichen Betrachtungsweise unter besonderer Berücksichtigung des Widmungszwecks entwickelt werden müssen.132 Zu berücksichtigen sind demnach in erster Linie die sich aus der Wahrnehmung der Straßenbaulast ergebenden wegerechtlichen Belange,133 d. h. vor allem die Erhaltung der Straßensubstanz und Straßenbaumaßnahmen, darüber hinaus das Ausmaß der Beeinträchtigung des Gemeingebrauchs durch die beabsichtigte Sondernutzung sowie die Erfordernisse der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs.134

3. Straßenrecht und Versammlungen Nachdem ein Überblick über die im StrG BW vorgesehenen einfachgesetz­ lichen Regelungen über die möglichen Nutzungsarten der öffentlichen Straße gegeben wurde, kann nun das Verhältnis der versammlungsspezifischen Nutzung des öffentlichen Straßenraums zu den straßenrechtlichen Regelungen in den Blick genommen werden. Hierfür sollen grundrechtliche Wertungen zunächst noch unberücksichtigt bleiben. Es ist festzustellen, dass sich im StrG BW keine speziellen Regelungen darüber finden, ob die Abhaltung einer Versammlung im öffentlichen Straßenraum zulässig ist bzw. ob die Sich-Versammelnden sogar ein Nutzungsrecht für diese Flächenkategorie haben können.135 Somit bleibt es im Grundsatz auch für die spezifische Nutzung der öffentlichen Straße zu Versammlungszwecken bei den beiden straßenrechtlichen Gebrauchstypen des Gemeingebrauchs und der Sondernutzung. Dementsprechend stellt sich die Frage, ob die Durchführung einer Versammlung auf einer öffentlichen Straße als Nutzung i. S. d. § 13 I 1 StrG BW grundsätzlich erlaubnisfrei oder ob diese als Sondernutzung nach § 16 I 1 StrG BW erlaubnisbei verfassungsrechtlich geschützten Belangen, eine Ermessensreduktion auf Null angenommen werden mit der Folge, dass lediglich die Entscheidung über eine Erlaubniserteilung rechtmäßig ist, vgl. Axer, in: Schoch, Bes.VwR, Kap. 6 Rn. 1113; Schnebelt, in: Schnebelt / K romer, StR BW, 6. Abschn. Rn. 248; Stahlhut, in: Kodal, Straßenrecht, Kap. 27 Rn. 1; Papier, Recht der öffentlichen Sachen, 121; Grupp, in: Marschall, FStrG, § 8 Rn. 8. 132 Vgl. Schnebelt, in: Schnebelt / K romer, StR BW, 6. Abschn. Rn. 249; Axer, in: Schoch, Bes. VwR, Kap. 6 Rn. 114; Grupp, in: Marschall, FStrG, § 8 Rn. 17; Sauthoff, in: Müller / Schulz, § 8 Rn. 8; Papier / Durner, in: Ehlers / Fehling / P ünder, Bes.VwR II, § 43 Rn. 70; VGH Kassel NVwZ 1994, 189 (190); VGH Mannheim NVwZ-RR 1997, 677 (678). 133 Vgl. Schnebelt, in: Schnebelt / K romer, StR BW, 6. Abschn. Rn. 250; VGH München NVWZ 1985, 207 (207); Stahlhut, in: Kodal, Kap. 27 Rn. 14; Lorenz / Will, StrG  BW, § 16 Rn. 30; Grupp, in: Marschall, FStrG, § 8 Rn. 17. 134 Vgl. Grupp, in: Marschall, FStrG, § 8 Rn. 17; Schnebelt, in: Schnebelt / K romer, StR BW, 6. Abschn. Rn. 250; BVerwG, NJW 1978, 1973 (1938); VGH Mannheim, DÖV 1994, 568 (568); Axer, in: Schoch, Bes.VwR, Kap. 6 Rn. 114 ff.; Sauthoff, in: Müller / Schulz, FStrG, § 8 Rn. 9; Grupp, in: Marschall, FStrG, § 8 Rn. 17; Lorenz / Will, StrG BW, § 16 Rn. 30 ff.; Stahlhut, in: Kodal, Kap. 27 Rn. 14; Kluth, in: Wolff / Bachof, VerwR II, § 78 Rn. 8. 135 Vgl. auch Rinke, in: Kodal, Kap. 1 Rn. 12.9.

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B. Art. 8 I GG und der öffentliche Straßenraum

pflichtig ist. Je nachdem, wie die Frage beantwortet wird, haben die Sich-Versammelnden entweder immer einen straßenrechtlichen Benutzungsanspruch oder nur nach der Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis. Beim Versuch, die Versammlung dem Gemeingebrauch zuzuordnen, ist zunächst festzuhalten, dass die Versammlung den öffentlichen Straßenraum jedenfalls nicht – wie es die gemeingebräuchliche Nutzung voraussetzt – primär zum Zwecke der Ortsveränderung beansprucht. Bei der Abhaltung einer Versammlung im öffentlichen Straßenraum geht es vor allem um die Nutzung der Straße als Publikationsmedium: ähnlich wie ein Megaphon zur Meinungsverbreitung genutzt wird, nutzen die Sich-Versammelnden die Infrastruktur des öffentlichen Straßenraums, um ein breites Publikum zu erreichen. Zwar ist grundsätzlich auch der kommunikative Verkehr vom Gemeingebrauch erfasst (s. o.), aber eben nur, so lange der kommunikative Zweck nicht in den Vordergrund tritt.136 Da eine Ortsveränderung der Sich-Versammelnden, wenn eine solche überhaupt stattfindet, überwiegend nur Mittel zum Zweck, d. h. zur Verbreitung ihres Anliegens, ist, kann schon deshalb eine gemeingebräuchliche Nutzung der öffentlichen Straße durch die Versammlung verneint werden. Darüber hinaus ist eine Versammlung auch dazu geeignet, aufgrund ihrer räumlichen Dimension, der potentiell hohen Lautstärke und der häufig großen Anzahl der Teilnehmer den Gemeingebrauch Dritter nicht nur unerheblich zu beeinträchtigen, sodass hierdurch die öffentlichen Straßen mehr als verkehrsüblich in Anspruch genommen werden. Selbst unter Zugrundelegung des weiten Verkehrsbegriffs stellt die Abhaltung einer Versammlung daher – das ist nicht ganz unumstritten137 – bei Außerachtlassung aller grundrechtlichen Einflüsse keine gemeingebräuchliche Nutzung des öffentlichen Straßenraums mehr dar.138 Folglich handelt es sich bei der Nutzung öffentlicher Straßen zu Versammlungszwecken im Grundsatz stets um eine Sondernutzung, die nach § 16 I 1 StrG BW an sich erlaubnispflichtig ist. In der Konsequenz wäre eine öffentliche Versammlung unter freiem Himmel nicht nur bei der nach dem Versammlungsgesetz (VersG) zuständigen Behörde anzumelden,139 sondern bedürfte darüber hinaus noch einer weiteren Erlaubnis gem. § 16 I 1 StrG BW von der zuständigen Straßenbaubehörde. Lässt man die grundrechtlichen Wertungen also unberücksichtigt, ist festzuhalten, dass den Sich-Versammelnden nach den einfachgesetzlichen Regelungen des Straßenrechts ein Recht zur Nutzung des öffentlichen Straßenraums erst nach der Erteilung eine Sondernutzungserlaubnis zusteht.

136

Vgl. hierzu S. 24 f. Den Gemeingebrauchscharakter öffentlicher Versammlungen bejahen z. B. Salzwedel, in: v. Münch, Besonderes Verwaltungsrecht, 695 (717); Quilisch, Die demokratische Versammlung, 181; Ott, NJW 1985, 2384 (2385). 138 Vgl. Gallwas, JA 1986, 484 (491); Brohm, JZ 1985, 501 (506); Grupp, in: Marschall, FStrG, § 7 Rn. 12; Lorenz / Will, StrG BW, § 13 Rn. 40; Stahlhut, in: Kodal, Kap. 25 Rn. 116; Depenheuer, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 8 Rn. 162. 139 Vgl. § 14 I VersG. 137

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4. Art. 8 I GG und die Nutzung des öffentlichen Straßenraums Nachdem nun die einfachgesetzliche Lage für das Verhältnis von Versammlung und öffentlichem Straßenraum geklärt ist, werden in einem nächsten Schritt die grundrechtlichen Wertungen von Art. 8 I GG unter diesem Aspekt näher untersucht. Hierfür soll es an dieser Stelle noch genügen, einen groben Überblick über die in Art. 8 I GG enthaltenen Gewährleistungen zu geben. a) Grundrechtliche Gewährleistung Der Wortlaut des Art. 8 I GG ist auf den ersten Blick nicht weiterführend: In Absatz 1 garantiert Art. 8 GG das Recht aller Deutschen, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln. Absatz 2 regelt für Versammlungen unter freiem Himmel die Beschränkbarkeit dieses Rechts durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes. Aus den Formulierungen des Art. 8 I GG lässt sich also nicht unmittelbar ablesen, ob dort ein Anspruch auf Nutzung des öffentlichen Straßenraums zu Versammlungszwecken gegenüber dem Staat verankert ist. b) Konflikt: Erlaubnisfreiheit und Sondernutzungserlaubnis Art. 8 I GG umschreibt nicht nur die Grenzen des Grundrechtsschutzes („friedlich und ohne Waffen“), sondern legt auch fest, dass gewisse staatliche Beschränkungsmaßnahmen ausgeschlossen werden. Zum Gewährleistungsgehalt des Grundrechts gehört daher, dass Versammlungen, vorbehaltlich des Art. 8 II GG, keiner Anmeldung und Erlaubnis bedürfen.140 Hieraus lassen sich eventuell Rückschlüsse für das Verhältnis von Art. 8 I GG zu dem geltenden Straßenrecht und die dort normierte Erlaubnispflicht ziehen. Das setzt jedoch voraus, dass die Gewährleistung „ohne Erlaubnis“ überhaupt auf das Straßenrecht Anwendung findet. Dafür ist die genaue Bedeutung der Erlaubnisfreiheit zu ermitteln. Aus dem Wortlaut von Art. 8 I GG geht zunächst hervor, dass die Versammlung als solche nicht von einer Erlaubnis abhängig gemacht werden darf. Eine Erlaubnis kann definiert werden als vorherige behördliche Genehmigung einer künftigen Versammlung. Es handelt sich also um eine staatliche Willenserklärung.141 Die Sondernutzungserlaubnis nach dem Straßenrecht ist eine behördliche Zustimmungserklärung im Vorfeld der konkreten Straßennutzung. Sie bezieht sich jedoch nicht unmittelbar

140

Vgl. Gusy, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Bd. 1, Art. 8 Rn. 35; Geis, in: Friauf / Höfling, Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Bd. 1, Art. 8 Rn. 39; Hoffmann-Riem, in: Merten /  Papier, Hdb GR, Bd. IV, § 106 Rn. 63. 141 Vgl. Gusy, in: v. Mangoldt / K lein / Starck, GG, Bd. 1, Art. 8 Rn. 35.

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B. Art. 8 I GG und der öffentliche Straßenraum

auf die Durchführung der Versammlung, sondern auf die Nutzung des öffent­ lichen Straßenraums über den Gemeingebrauch hinaus. Legt man also ein enges Verständnis der Erlaubnisfreiheit zugrunde, das sich nur auf die Abhaltung einer Versammlung als solche bezieht, würde die in den Straßengesetzen normierte Erlaubnispflicht für Sondernutzungen nicht mit der in Art. 8 I GG garantierten Erlaubnisfreiheit in Konflikt geraten. Die Erlaubnisfreiheit könnte demgegenüber aber auch so verstanden werden, dass all diejenigen Erlaubnispflichten, die sich lediglich mittelbar auf die Durchführung einer Versammlung auswirken, ausgeschlossen sein sollen. Dann wäre durch die Erlaubnisfreiheit gewährleistet, dass die Durchführung einer Versammlung insgesamt nicht durch ein irgendwie ausgestaltetes Erlaubnisverfahren erschwert werden dürfe,142 selbst wenn die Erlaubnispflicht sich nicht auf den Akt des Versammelns als solchen bezöge. Konsequenterweise würde sich dann das verfassungsrechtliche Verbot einer Erlaubnispflicht auch auf Erlaubnisvorgaben aus anderen Rechtsgebieten erstrecken, sofern die Anwendung dieser Erlaubnisvorschriften dazu führen würde, die Durchführung der Versammlung von einer behördlichen Kontrollerlaubnis abhängig zu machen.143 Indem die Benutzung des öffentlichen Straßenraums für Versammlungszwecke der Erlaubnispflicht nach § 16 I 1 StrG BW unterliegt, wird der Versammlung ein behördliches Kontrollverfahren vorgeschaltet, das prinzipiell geeignet ist, die Durchführung der Versammlung insgesamt zu verhindern. Unter Zugrundlegung dieses „weiten“ Verständnisses der Erlaubnisfreiheit, bestünde folglich ein Konflikt zwischen Art. 8 I GG und der nach dem Straßenrecht erforderlichen Sondernutzungserlaubnis. Es kann also festgestellt werden, dass sich die Gewährleistung der Erlaubnisfreiheit in Art. 8 I GG mit der für Sondernutzungen statuierten Erlaubnispflicht nach den Straßengesetzen „reibt“. Bereits hieraus ergibt sich, dass ein Recht zur Nutzung des öffentlichen Straßenraums für Versammlungszwecke „irgendwie“ in Art. 8 I GG mitenthalten sein muss. Anhaltspunkte für die Frage, wie diese Reibung aufzulösen ist bzw. wie genau ein Recht zur Nutzung der öffentlichen Straßen von Art. 8 I GG erfasst sein könnte, könnten sich aus der Rechtsprechung und der Literatur zum Verhältnis von Versammlungs- und Straßenrecht ergeben.

142 Vgl. Hoffmann-Riem, in: Merten / Papier, Hdb GR, Bd. IV, § 106 Rn. 63; Gusy, in: v. Mangoldt / K lein / Starck,  GG, Bd.  1, Art.  8 Rn.  35. 143 So auch Hoffmann-Riem, in: Merten / Papier, Hdb GR, Bd. IV, § 106 Rn. 66.

II. Verhältnis von Art. 8 I GG und dem Straßenrecht

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II. Rechtsprechung und Literatur zum Verhältnis von Art. 8 I GG und dem Straßenrecht 1. Rechtsprechung144 Insbesondere zu Beginn der in dieser Arbeit analysierten Rechtsprechung thematisieren die Gerichte vor allem das Verhältnis von der in Art. 5 I 1 Var. 1 GG gewährleisteten Meinungsfreiheit zu den Regelungen des öffentlichen Straßenrechts. Die von Art. 8 I GG garantierte Versammlungsfreiheit gerät in Bezug auf die Nutzung des öffentlichen Straßenraums erst einige Zeit später in den Fokus der Gerichte. Wie die Wahrnehmung der Meinungsfreiheit ist aber auch die Ausübung der Versammlungsfreiheit für den Grundrechtsträger ein wichtiges Instrument, um sich aktiv in den Prozess der öffentlichen Meinungsbildung einzubringen und dadurch die demokratische Willensbildung im Staat zu beeinflussen.145 Art. 8 I GG und Art. 5 I 1 Var.1 GG werden daher beide als „Kommunikationsgrundrecht“146 bezeichnet und stehen insoweit in einem engen Kontext zueinander:147 Während die Versammlungsfreiheit die besondere Art und Weise der Verwirklichung der 144 Für die Rechtsprechungsanalyse wurde die einschlägige Rechtsprechung zum Verhältnis von Art. 8 I, 5 I 1 Var. 1 GG zum Straßenrecht untersucht. Die Auswahl ist durch eine Stichwortsuche per Juris zustande gekommen. Die Rechtsprechung wird historisch dargestellt. Erfasst sind Entscheidungen unterschiedlicher Instanzen u. Gerichte. Rein wiederholende Entscheidungen werden weggelassen. Die dadurch bedingte Zufälligkeit der Auswahl hat keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Da nicht nur die baden-württembergische Rechtsprechung untersucht wurde, werden in diesem Abschnitt – anders als zuvor – auch Straßengesetze anderer Länder u. das Bundesfernstraßengesetz thematisiert. Die Rechtsprechung wurde zur besseren Verdeutlichung in mehrere Phasen unterteilt u. nach inhaltlich ähnlichen Ansätzen gruppiert. 145 Vgl. Kloepfer, in: Isensee / K irchhof, HdbStR Bd. VII, § 164 Rn. 1; Geis, in: Friauf / Höfling, Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Bd. 1, Art. 8 Rn. 12; Blanke, in: Stern / Becker, Grundrechte, Art. 8 Rn. 2; zu dieser „demokratischen Grundrechtsauslegung“ auch Gusy, in: v. Mangoldt / K lein / Starck, GG, Bd. 1, Art. 8 Rn. 11; s. dazu auch BVerfGE 69, 315 (343): Versammlungen als „Ausdruck gemeinschaftlicher, auf Kommunikation angelegter Entfaltung“, zu diesem Urteil noch ausführlich unten unter B. II. 1. b) aa). Diese Sichtweise ist nicht unbestritten, vgl. kritisch Depenheuer, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 8 Rn. 33; Bedenken äußert auch Kloepfer, in: Isensee / K irchhof, HdbStR Bd. VII, § 164 Rn. 14 ff. 146 Diese Bezeichnung findet sich z. B. bei Gusy, in: v. Mangoldt / K lein / Starck,  GG, Bd.  1, Art. 8 Rn. 29; bei Kloepfer, in: Isensee / K irchhof, HdbStR Bd. VII, § 164 Rn. 2 sowie bei Geis, in: Friauf / Höfling, Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Bd. 1, Art. 8 Rn. 12. Die Kommunikationsgrundrechte umfassen mehrere unterschiedliche Freiheitsbereiche mit sich teilweise überschneidenden Gewährleistungen. Weitere Ausprägungen der Kommunikationsgrundrechte sind neben der Meinungs- u. Versammlungsfreiheit die von Art. 5 I 1 Var. 2 GG gewährleistete Informationsfreiheit, die von Art. 5 I 2 GG geschützte Freiheit von Presse, Rundfunk u. Medien sowie die Vereinigungsfreiheit des Art. 9 GG, vgl. z. B. Kloepfer, in: Isensee / K irchhof, HdbStR Bd. VII, § 164 Rn. 2. 147 Vgl. Geis, in: Friauf / Höfling, Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Bd. 1, Art. 8 Rn. 12; Kloepfer, in: Isensee / K irchhof, HdbStR Bd. VII, § 164 Rn. 2; Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Bd. I, Art. 8 Rn. 15 f.

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B. Art. 8 I GG und der öffentliche Straßenraum

Meinungsfreiheit vor allem im öffentlichen Bereich schützt, sichert die Meinungsfreiheit die inhaltliche Aussage einer Versammlung.148 Daher liegt es nahe, dass die Rechtsprechung für beide Grundrechte im Hinblick auf das jeweilige Verhältnis zu den Regelungen des Straßenrechts zu ähnlichen Ergebnissen kommt. Dementsprechend können sich aus den Entscheidungen zu Art. 5 I 1 Var. 1 GG und der Nutzung des öffentlichen Straßenraums auch Anhaltspunkte für die Lösung der aufgezeigten Reibung149 zwischen Art. 8 I GG und dem öffentlichen Straßenrecht ergeben. Daher wird, obwohl für diese Arbeit eigentlich nur Art. 8 I GG im Fokus der Untersuchung steht, auch die vor allem ältere relevante Rechtsprechung über die Auswirkungen von Art. 5 I 1 Var. 1 GG auf das öffentliche Straßenrecht beleuchtet. a) Einfachrechtliche Lösungen Den ersten wichtigen Meilenstein setzt eine Entscheidung des OLG Düsseldorf über die straßenrechtliche Beurteilung der Verteilung von politischen Schriften im öffentlichen Straßenraum aus dem Jahr 1975.150 Die bis dato anerkannte Rechtsprechung sah in der Verteilung von politischen Schriften auf öffentlichen Straßen eine den straßenrechtlichen Gemeingebrauch überschreitende Sondernutzung, sodass hierfür stets eine Erlaubnis nach dem Straßenrecht einzuholen war.151 Das OLG Düsseldorf folgt dieser Rechtsprechung zwar insoweit, als es die Verteilung von politischen Schriften auf öffentlicher Straße als Sondernutzung nach dem öffentlichen Straßenrecht einordnet.152 Allerdings entscheidet das Gericht in Abkehr zu den vorherigen Entscheidungen, „daß Verteilung und Verkauf politischer Schriften auf öffentlichen Straßen im Hinblick auf das Recht der freien Meinungsäußerung und Meinungsverbreitung nicht der nach § 18 StrWG NRW153 grundsätzlich bestehenden Erlaubnispflicht unterliegen“.154 Begründet hat das OLG Düsseldorf 148

Vgl. Gusy, in: v. Mangoldt / K lein / Starck, GG, Bd. 1, Art. 8 Rn. 11; als „Ventilfunktion“ bezeichnet von Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Bd. I, Art. 8 Rn. 17; zu diesem Wechselverhältnis auch Schemmer, in: Epping / Hillgruber, BeckOK GG, Art. 5 Rn. 17; ausführlich zum Verhältnis von Versammlungs- u. Meinungsfreiheit Ullrich, Das Demonstrationsrecht, 274 ff. 149 S. oben unter B. I. 4. b). 150 OLG Düsseldorf, NJW 1975, 1288 f. 151 Vgl. für Art. 5 I GG, BVerwG NJW 1975, 1289 (1290): „Zwar hat der Zweck der Wahlpropaganda, für den hier Sondernutzungserlaubnisse begehrt worden sind, gewichtige Auswirkungen für die Frage, ob ein Anspruch auf Erteilung einer Erlaubnis steht oder die Ermessensausübung der Behörde beschränkt ist; er vermag aber die Zulässigkeit der Erlaubnis selbst (…) nicht in Frage zu stellen.“; i. E. auch OLG Hamm, DVBl. 1977, 289 (291); vgl. auch BVerwG, DVBl. 1970, 873 (873); OVG Münster, DVBl. 1972, 509 (509); VGH München, DVBl. 1967, 920 (920); OVG Münster, DÖV 1975, 205 (205); VGH München, DÖV 1976, 532 (532); OLG Celle, NJW 1976, 204 (204). 152 OLG Düsseldorf, NJW 1975, 1288 (1288). 153 Straßen- u. Wegegesetz des Landes Nordrhein-Westfalen. 154 OLG Düsseldorf, NJW 1975, 1288 (1288); i. E. auch für eine erlaubnisfreie Sondernutzung: OLG Celle, NJW 1975, 1894 (1894).

II. Verhältnis von Art. 8 I GG und dem Straßenrecht

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diese Annahme mit der von Art. 5 I 1 Var. 1 GG ausgehenden „Ausstrahlungskraft“ auf das einfache Recht. Diese habe zur „Folge, daß der einfachen Norm vom grundrechtlichen Wertsystem her ein spezifisch verfassungsrechtlicher Gehalt zufließt, der fortan ihre Auslegung und Abgrenzung bestimmt“.155 Zum selben Ergebnis kommt das OLG Stuttgart in einem Beschluss aus dem Jahr 1975,156 wenn auch mit einer anderen Begründung. Ihm zufolge kann das Verteilen von politischen Flugblättern im Bereich des Baden-Württembergischen Straßengesetzes noch vom Gemeingebrauch gedeckt sein157 und unterliegt demnach keiner Erlaubnispflicht. Begründet hat das Gericht diese Auffassung damit, dass „der Widmungszweck (…) sich zumindest bei innerörtlichen Straßen nicht auf ‚Verkehr‘ im Sinne bloßen Fortbewegens oder umständebedingten Stehenbleibens [beschränkt], sondern (…) grundsätzlich auch die Möglichkeit zum Austausch von Informationen und Meinungen [beinhaltet]. In diesem Sinne fungieren öffentliche Straßen und Plätze über die Ermöglichung von Ortsveränderung und Fortbewegung hinaus auch als allgemein zugängliches Forum der Kontaktaufnahme und Kommunikation, wie sie (…) historisch gewachsen und für die lebendige Gemeinschaft von wesentlicher Bedeutung sind.“158 Als Hilfserwägung führt das OLG Stuttgart zusätzlich an, dass „selbst wenn das Baden-Württembergische Straßengesetz den Widmungszweck der Straße ursprünglich auf den Fortbewegungsverkehr im engeren Sinne hätte beschränken wollen, (…) heute der Gemeingebrauch verfassungskonform im Lichte der grundrechtlichen Wertordnung interpretiert werden [muss]“.159 Speziell zur Erlaubnis von Versammlungen auf öffentlichen Straßen, also zu dem Verhältnis von Art. 8 I GG zum öffentlichen Straßenrecht, nimmt das OVG Lüneburg 1978 Stellung.160 Das Gericht entscheidet, dass die Behörde bei dem ihr im Rahmen der Erteilung der Sondernutzungserlaubnis zustehenden Ermessen das Grundrecht der Versammlungsfreiheit „zu beachten“ hat.161 Dieses schütze nicht nur vor staatlichen Eingriffen, sondern „verpflichtet“ den Staat auch weitgehend dazu, Versammlungen unter freiem Himmel zu ermöglichen.162 Diese drei gerichtlichen Entscheidungen verdeutlichen zunächst vor allem, dass die Rechtsprechung schon recht früh163 das Bedürfnis der Bürger erkannt hat, öf 155

OLG Düsseldorf, NJW 1975, 1288 (1288). OLG Stuttgart, NJW 1976, 201–203. 157 OLG Stuttgart, NJW 1976, 201 (201); i. E. auch für ein erweitertes Verständnis des Gemeingebrauchs OVG Berlin, NJW 1973, 2044 (2046); OLG Frankfurt, NJW 1976, 203 (204); OLG Bremen, NJW 1976, 1360 (1360); OLG Hamm, NJW 1976, 2172 (2173). 158 OLG Stuttgart, NJW 1976, 201 (202). 159 OLG Stuttgart, NJW 1976, 201 (202); s. zum „weiten“ Verkehrsbegriff des Gemein­ gebrauchs schon oben unter B. I. 2. a) cc). 160 OVG Lüneburg, NJW 1978, 1939. 161 OVG Lüneburg, NJW 1978, 1939 (1939). 162 OVG Lüneburg, NJW 1978, 1939 (1939). 163 Hier v. a. noch für das Verhältnis von Art. 5 I GG zum Straßenrecht. 156

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B. Art. 8 I GG und der öffentliche Straßenraum

fentliche Straßen auch zu anderen Zwecken als der Fortbewegung, insbesondere zur Ausübung ihrer Grundrechte aus Art. 5 I 1 Var. 1, 8 I GG erlaubnisfrei nutzen zu wollen. Zwar wählen die Entscheidungen dabei unterschiedliche Begründungswege: entweder wird versucht, den Gemeingebrauchsbegriff auf kommunikative Tätigkeiten hin zu erweitern,164 die Erlaubnispflicht wird ausnahmsweise verneint165 oder es wird eine Beeinflussung der Ermessensentscheidung bei der Erlaubniserteilung über die Sondernutzung durch die grundrechtlichen Wertungen von Art. 8 I GG angenommen166. Jedoch sind sich die Gerichte im Ergebnis darin einig, eine Erlaubnispflicht für die Nutzung des öffentlichen Straßenraums zu kommunikativen Zwecken zu verneinen. Weiterhin haben die gerichtlichen Entscheidungen gemein, dass sie den Konflikt zwischen den von Art. 5 I GG und Art. 8 I GG geschützten Verhaltensweisen und der grundsätzlich für straßenrechtliche Sondernutzungen angeordneten Erlaubnispflicht anhand der Kategorie des einfachen Straßenrechts lösen. In anderen Worten: Vermittelt über die straßengesetzlich vorgesehenen Nutzungsformen, wird unter Berücksichtigung der von Art. 8 I GG bzw. Art. 5 I GG ausgehenden Wirkungen ein einfachrechtlicher Nutzungsanspruch für den öffentlichen Straßenraum konstruiert, wenn dieser für Versammlungszwecke bzw. für Zwecke der Meinungskundgabe genutzt werden soll. Die Bestrebung der Gerichte, die Abhaltung von Versammlungen auf öffentlichen Straßen von der grundsätzlich bestehenden straßenrechtlichen Erlaubnispflicht freizustellen, lässt aber noch eine weitere wichtige Erkenntnis zu: Der von Art. 8 I GG bzw. Art. 5 I 1 Var. 1 GG gewährleistete Freiheitsbereich kann sich im Hinblick auf die Beanspruchung des öffentlichen Straßenraums nicht mehr ohne Probleme in ein rein abwehrrechtliches Eingriffsdenken einfügen. Indem das OVG Lüneburg ausdrücklich in seinem Beschluss zwischen dem Schutz vor staatlichen Eingriffen und der staatlichen Verpflichtung zur Ermöglichung der Abhaltung von Versammlungen differenziert,167 deutet es bereits an, dass neben der abwehrrechtlichen Dimension des Art. 8 I GG eine „weitere Dimension“ stehen muss, die zur Lösung der Frage, ob die Grundrechtsträger den öffentlichen Straßenraum für Versammlungen nutzen dürfen, beitragen kann. b) Betonung der grundrechtlichen Dimension und Schutzpflicht aa) Grundlegende Bedeutung von Art. 8 I GG Diese bereits durch das OVG Lüneburg angedeutete „weitere Dimension“ der Versammlungsfreiheit wird vom BVerfG in seiner Grundsatzentscheidung, dem sog. „Brokdorf-Beschluss“168 aus dem Jahr 1985, aufgegriffen und konkretisiert. Es 164

OLG Stuttgart, NJW 1976, 201 ff. OLG Düsseldorf, NJW 1975, 1288 f. 166 OVG Lüneburg, NJW 1978, 1939 (1939). 167 Vgl. OVG Lüneburg, NJW 1978, 1939 (1939). 168 BVerfGE 69, 315 ff. 165

II. Verhältnis von Art. 8 I GG und dem Straßenrecht

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ist das erste Mal überhaupt, dass sich das BVerfG eingehend mit dem Versammlungsgrundrecht aus Art. 8 I GG befasst. Inhaltlich geht es in dem Beschluss um mehrere Verfassungsbeschwerden gegen ein Verbot von Demonstrationen, die gegen die Errichtung des Kernkraftwerks Brokdorf geplant waren. Bereits in seinem ersten Leitsatz betont das BVerfG die „grundlegende Bedeutung“ der Versammlungsfreiheit, die ein „unentbehrliche[s] Funktionselement eines demokratischen Gemeinwesens“ bilde.169 Das BVerfG nimmt hier Bezug auf den bereits anerkannten Wert der Meinungsfreiheit für die demokratische Staatsordnung170 und überträgt dieses Verständnis auf das Grundrecht der Versammlungsfreiheit.171 Aus dieser „grundlegende[n] Bedeutung“ der Versammlungsfreiheit folge die Verpflichtung der Behörden und Gerichte, die vom Gesetzgeber normierten grundrechtsbeschränkenden Gesetze „im Lichte der grundlegenden Bedeutung dieses Grundrechts (…) auszulegen“.172 Ferner konkretisiert das BVerfG den Gewährleistungsbereich von Art. 8 I GG: Als Abwehrrecht garantiere Art. 8 I GG den Grundrechtsträgern das Selbstbestimmungsrecht über Ort, Zeitpunkt, Art und Inhalt der Veranstaltung.173 Im Hinblick auf Art. 8 II GG und die Beschränkbarkeit von Versammlungen unter freiem Himmel argumentiert das Gericht, dass aufgrund der solchen Versammlungen zukommenden Außenwirkungen ein Regelungsbedarf besteht, um unter anderem „die realen Voraussetzungen für die Ausübung [von Versammlungen] zu schaffen“.174 Fast nebensächlich anerkennt das BVerfG zudem, dass es möglich ist, eine Schutzpflicht aus Art. 8 I GG zu bejahen, die darauf zielt, die Durchführung von Versammlungen und Aufzügen zu ermöglichen sowie die Grundrechtsausübung vor Störungen und Ausschreitungen Dritter zu schützen.175 Bekräftigt hat das Gericht ferner die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung176 darin, dass die Grundrechte nicht nur die Ausgestaltung des materiellen Rechts beeinflussen, sondern zugleich Maßstäbe für eine den Grundrechtsschutz effektuierende Organisations- und Verfahrensgestaltung sowie für eine grundrechtsfreundliche Anwendung vorhandener Verfahrensvorschriften setzen.177 Es bestehen nach Auffassung des BVerfGs auch keine Bedenken, diese Rechtsprechung auf die Versammlungsfreiheit zu übertragen, zumal diesem Grundrecht auch ein wesentlicher verfahrens- und organisationsrechtlicher Gehalt zukomme.178

169

BVerfGE, 69, 315 (Ls. 1). BVerfGE 69, 315 (344 f.). Zur Bedeutung von Art. 5 I GG: z. B. BVerfGE 7, 198 (208): „Für die freiheitlich-demokratische Staatordnung ist es [das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung] schlechthin konstituierend“. 171 Vgl. BVerfG 69, 315 (345), 315 (346 f.), 315 (349). 172 BVerfGE 69, 315 (Ls. 1); 315 (348), 315 (349). 173 BVerfGE 69, 315 (343). 174 BVerfGE 69, 315 (348). 175 Vgl. BVerfGE 69, 315 (355). 176 S. dazu u. a.: BVerfG, NJW 1980, 759 (761 f.); 1981, 1436 (1437); 1983, 1179 (1180). 177 Vgl. BVerfGE 69, 315 (355). 178 BVerfGE 69, 315 (355 f.). 170

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B. Art. 8 I GG und der öffentliche Straßenraum

Zwar geht es in diesem Beschluss nicht explizit um den Konflikt zwischen Art. 8 I GG und der Nutzung des öffentlichen Straßenraums, sondern um die Verfassungsmäßigkeit der §§ 14, 15 VersG. Dennoch können die grundlegenden Aussagen des Gerichts zur Bedeutung der Versammlungsfreiheit auch für die sich in dieser Arbeit stellende Frage der Auswirkungen der Versammlungsfreiheit auf das öffentliche Straßenrecht fruchtbar gemacht werden. Indem das Gericht die hohe Bedeutung von Art. 8 I GG für die demokratische Staatsordnung herausstellt und die von dem Versammlungsgrundrecht ausgehenden Auswirkungen auf die Gestaltung des materiellen Rechts, die Organisationsgestaltung und die Anwendung vorhandener Verfahrensvorschriften betont, bringt nun auch das BVerfG eine von Art. 8 I GG ausgehende, bis dato zumindest nicht explizit erwähnte „Dimension“ ins Spiel. Diese zeichnet sich, fasst man die Aussagen des BVerfGs zusammen, vor allem dadurch aus, dass der Staat durch alle Gewalten umfassend dafür Sorge tragen muss, dass die Bedeutung von Art. 8 I GG hinreichend berücksichtigt wird. Der Staat wird demzufolge durch Art. 8 I GG verpflichtet, die Versammlungsfreiheit tatsächlich zur Geltung zu bringen. Die bereits zu Beginn der Arbeit gewonnene Erkenntnis, dass sich der Freiheitsbereich von Art. 8 I GG nicht nur in einem abwehrrechtlichen Verständnis erschöpft,179 wird nun also auch durch das BVerfG bestätigt. Durch die in dem „Brokdorf-Beschluss“ ausgesprochene Verpflichtung des Staates zur verfassungskonformen Anwendung des einfachen Rechts unter Berücksichtigung von Art. 8 I GG wird der Staat insgesamt nicht mehr primär als Gefährder der Freiheit, sondern als deren Garant adressiert. Diese „Garantenstellung“ des Staates im Hinblick auf die Verwirklichung der Versammlungsfreiheit zeigt sich in besonderem Maße in der Aussage des BVerfG, dass der Gesetzgeber die tatsächlichen Voraussetzungen für die reale Ausübung der Versammlungsfreiheit schaffen müsse.180 bb) Grundrechtlich garantiertes Benutzungsrecht Ein Jahr später, im Grundsatzurteil zur Sitzblockade181, formuliert das BVerfG explizit, dass die von Art. 8 I GG garantierte Selbstbestimmung über Art und Ort der Veranstaltung ein Recht zur Mitbenutzung der im Allgemeingebrauch stehenden Straßen einschließt.182 Im Gegensatz zu der zu Beginn beleuchteten Rechtsprechung der OVGe und der OLGe,183 die zur Lösung des Konflikts zwischen der Erlaubnispflicht nach dem Straßengesetz und der grundsätzlich von Art. 8 I GG garantierten Erlaubnisfreiheit der Versammlung184 die Straßennutzung zu Versammlungszwecken in die einfachrechtlich vorgesehenen straßenrechtlichen Nut 179

Vgl. oben unter B. II. 1. a). Vgl. BVerfGE 69, 315 (348). 181 BVerfGE 73, 206 ff. 182 BVerfGE 73, 206 (249). 183 Vgl. oben unter B. II. 1. a). 184 S. dazu oben unter B. I. 4. b). 180

II. Verhältnis von Art. 8 I GG und dem Straßenrecht

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zungsformen „Gemeingebrauch“ und „Sondernutzung“ einordnen und mit deren Hilfe eine Erlaubnisfreiheit für die Abhaltung einer Versammlung auf öffent­ licher Straße konstruieren, geht das BVerfG einen anderen Lösungsweg. Interpretiert man die Formulierung „im Allgemeingebrauch stehenden Straßen“ so, dass hiermit der öffentliche Straßenraum gemeint ist, begründet das BVerfG also ein Straßen­benutzungsrecht unmittelbar mit der grundrechtlichen Bestimmung des Art. 8 I GG. Wie genau dieses Recht ausgestaltet sein soll, als Abwehrrecht oder als Ausprägung einer – wie auch immer gearteten – Leistungsdimension, führt das BVerfG aber nicht explizit aus. Das macht aber bereits deutlich, dass das BVerfG mit einer gewissen Selbstverständlichkeit davon ausgeht, dass die Sich-Versammelnden zur Ausübung ihrer grundrechtlich garantierten Freiheit ein Recht auf Benutzung des öffentlichen Straßenraums haben müssen. c) Spezialität des Versammlungsrechts gegenüber dem Straßenrecht Ein weiterer wichtiger Beschluss zum Verhältnis von Art. 8 I GG zum öffentlichen Straßenrecht ergeht 1987 durch den VGH Kassel.185 Die Kernaussage der Entscheidung ist, dass „die wirksame Wahrnehmung des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit (…) zum Gemeingebrauch an öffentliche Straßen und Wegen [gehöre]“.186 Ferner argumentiert das Gericht, dass die Rechtsvorschriften des Straßengesetzes und der Straßenverkehrsordnung hinter den speziellen Regelungen des Versammlungsgesetzes zurücktreten, soweit öffentliche Verkehrsflächen zu Demonstrationszwecken in Anspruch genommen werden.187 Anders als das BVerfG rekurriert der VGH Kassel abermals auf die einfachrechtlichen Kategorien und nimmt eine erweiternde Auslegung des Begriffs „Gemeingebrauch“ vor. Ein neuer Aspekt wird durch den VGH Kassel aber dadurch in die Diskussion gebracht, dass die Straßengesetze für Versammlungen auf öffentlichem Grund hinter dem Versammlungsgesetz zurücktreten. Nach dieser Auffassung bestimmt sich die Zulässigkeit der Abhaltung einer Versammlung im öffentlichen Straßenraum folglich allein nach den Vorschriften des Versammlungsgesetzes. Danach muss die Versammlung „nur“ gem. § 14 VersG bei der Versammlungsbehörde angemeldet werden. Darüber hinaus sind dann folgerichtig auch keine weiteren Voraussetzungen für die Abhaltung einer Versammlung auf öffentlichen Straßen erforderlich, insbesondere bedarf sie keiner Sondernutzungserlaubnis nach dem Straßenrecht. Im Ergebnis führt also auch die vom VGH Kassel angenommene Vorrangigkeit des Versammlungsgesetzes vor dem Straßenrecht dazu, dass die Sich-Versammelnden den öffentlichen Straßenraum zu Versammlungszwecken erlaubnisfrei nutzen können.

185

VGH Kassel, NJW 1988, 2125 f. VGH Kassel NJW 1988, 2125 (Ls.). 187 VGH Kassel, NJW 1988, 2125 (2126). 186

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B. Art. 8 I GG und der öffentliche Straßenraum

Diese Argumentation wird durch das BVerwG188 im Jahr 1989 für die Erlaubnispflicht nach § 29 II StVO aufgegriffen. Gem. § 29 II 1 StVO bedürfen Veranstaltungen, für die Straßen mehr als verkehrsüblich in Anspruch genommen werden, der Erlaubnis. Nach Auffassung des Gerichts stelle die in Rede stehende Aktivität zwar eine nach § 29 II StVO grundsätzlich erlaubnispflichtige Veranstaltung dar,189 allerdings sei eine Anwendung von § 29 II StVO dann ausgeschlossen, wenn die Veranstaltung eine öffentliche Versammlung unter freiem Himmel i. S. d. §§ 14, 15 VersG ist. Begründet hat das Gericht dieses Ergebnis damit, dass die Regelungen im VersG spezieller seien und § 29 II StVO zurücktreten müsse.190 Die Spezialität des VersG gegenüber den straßenverkehrsrechtlichen Regelungen habe ihren Grund darin, dass der Ausgleich zwischen der verfassungsrechtlich gewährleisteten Versammlungsfreiheit und der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung nach den Vorstellungen des Gesetzgebers nicht im Rahmen eines vorgeschalteten Erlaubnisverfahrens, sondern allein nach Maßgabe des § 15 VersG erfolgen solle. Eine straßenverkehrsrechtliche Erlaubnispflicht würde sich demgegenüber als ein unzulässiger Eingriff in das Versammlungsrecht darstellen und werde deshalb von der Ausschlusswirkung der Vorschriften des VersG erfasst.191 Das BVerwG entwickelt den vom VGH Kassel begründeten Ansatz also in Bezug auf die Erlaubnispflicht für Versammlungen nach der StVO weiter. Zwar geht es in der Entscheidung um eine straßenverkehrsrechtliche Erlaubnispflicht, die Argumentation lässt sich jedoch vom Gedanken her auf das Straßenrecht und die dort normierte Sondernutzungserlaubnispflicht übertragen. Gemeinsames Ziel ist die Freistellung der Abhaltung einer Versammlung im öffentlichen Straßenraum von einer öffentlich-rechtlichen Erlaubnispflicht. Dieses Ziel wird nach der Auffassung des Gerichts über eine Verdrängung der straßenverkehrsrechtlichen Regelungen durch das insoweit speziellere VersG erreicht. Indem das BVerwG in der Anordnung der Erlaubnispflicht nach § 29 II StVO einen unzulässigen Eingriff in die Versammlungsfreiheit sieht, wird deutlich, dass es hier ein „weites“ Verständnis192 der in Art. 8 I GG gewährleisteten Erlaubnisfreiheit zugrunde legt. Nach Auffassung des BVerwGs bezieht sich die Erlaubnisfreiheit des Art. 8 I GG also auch auf die straßenrechtlichen Erlaubnisanforderungen. Dies wiederum lässt die Schlussfolgerung zu, dass auch das BVerwG davon ausgehen muss, dass Art. 8 I GG die erlaubnisfreie Nutzung des öffentlichen Straßenraums zu Versammlungszwecken „irgendwie“ gewährleistet. Worauf dieses Verständnis genau zurückzuführen ist bzw. wie es sich genau dogmatisch begründen lässt, wird allerdings auch vom BVerwG offengelassen.

188

BVerwGE 82, 34 ff. BVerwGE 82, 34 (35 f.). 190 BVerwGE 82, 34 (38), 34 (39 f.). 191 BVerwGE, 82, 34 (40 f.). 192 S. dazu oben unter B. I. 4. b). 189

II. Verhältnis von Art. 8 I GG und dem Straßenrecht

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d) Dogmatische Begründungsversuche und Bedeutung des öffentlichen Straßenraums Dass das BVerwG aber zumindest den Versuch unternommen hat, diese Fragen zu beantworten, zeigt die Entscheidung zur Bonner Hofgartenwiese193 aus dem Jahr 1992. Nach seiner darin zum Ausdruck kommenden Auffassung garantiert Art. 8 I GG die Versammlungsfreiheit als Abwehrrecht und kann daher „grundsätzlich keine Leistungsansprüche gegen den Staat (…)“ gewährleisten.194 Vielmehr setze die vom Selbstbestimmungsrecht des Grundrechtsträgers erfasste Entscheidung über Ort und Zeit der Veranstaltung die rechtliche Verfügungsbefugnis über den Versammlungsort voraus.195 Art. 8 I GG begründe also „kein Benutzungsrecht, das nicht schon nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen besteht“.196 Dennoch erkannte das Gericht – wie zuvor schon das BVerfG197 – an, dass dem Inhaber eines Grundrechts ein Anspruch auf solche Maßnahmen zuwachsen könne, die zum Schutz seines grundrechtlich gesicherten Freiheitsraums unerlässlich sind.198 Diese Maßnahmen zu verwirklichen, sei primär Aufgabe des Gesetzgebers, sodass ein unmittelbar aus der Verfassung folgender Leistungsanspruch nur in Ausnahmefällen zu rechtfertigen sei.199 Die Entscheidung zur Bonner Hofgartenwiese bezieht sich zwar nicht auf die Nutzung des öffentlichen Straßenraums, sondern auf eine im Eigentum einer Universität stehenden Fläche200, beinhaltet aber dennoch zwei bedeutsame Aussagen auch für das Verhältnis von Art. 8 I GG zum öffentlichen Straßenraum. Das Gericht betont zum einen, dass Art. 8 I GG kein Benutzungsrecht begründen könne, das nicht schon nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen besteht. Nimmt man diese Aussage beim Wortlaut, dann stünden der Schutz des Zugangs und der Nutzung von Flächen zu Versammlungszwecken unter dem Vorbehalt eines Zugangs- bzw. Nutzungsrechts nach Maßgabe „allgemeiner Rechtsgrundsätze“. Das würde in konsequenter Fortentwicklung bedeuten, dass an den einfachrechtlichen Nutzungsformen festzuhalten ist und die Abhaltung einer Versammlung damit von einer Erlaubnispflicht abhängig gemacht werden dürfte. In Anbetracht des Entscheidungskontextes, also der Nutzung einer im Eigentum einer Universität stehenden Fläche, darf diese Aussage aber nicht wörtlich genommen werden. Vielmehr steht hinter der Formulierung wohl das Bedürfnis des Gerichts, den Unterschied 193

BVerwGE 91, 135 ff. BVerwGE 91, 135 (138). 195 BVerwGE 91, 135 (138). 196 BVerwGE 91, 135 (138). 197 S. dazu oben unter B. II. 1. b) aa). 198 BVerwGE 91, 135 (139); siehe für die Wissenschaftsfreiheit auch BVerfG, NJW 1973, 1176 (1177). 199 Vgl. BVerwGE 91, 135 (139). 200 Die Nutzung sonstiger Flächen staatlicher Einrichtungen zu Versammlungszwecken wird in Teil C unter C. näher untersucht. 194

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B. Art. 8 I GG und der öffentliche Straßenraum

zwischen „frei“ nutzbaren Flächen, d. h. dem öffentlichen Straßenraum, und Flächen, die nicht dem öffentlichen Verkehr i. S. d. Straßenrechts gewidmet wurden, darzustellen. Die Aussage ist also nur so zu verstehen, dass kein Benutzungsrecht aus Art. 8 I GG für Flächen außerhalb des öffentlichen Straßenraums folgt. Damit sagt das Gericht aber wiederum implizit, dass die Versammlungsfreiheit für die Flächenkategorie der öffentlichen Straßen ein Benutzungsrecht gewährleistet. Zum anderen verdient noch eine weitere Aussage dieser Entscheidung besondere Beachtung: Das BVerwG betont, dass es generell Ansprüche des Grundrechtsträgers auf Maßnahmen des Staates zur Sicherung seines Freiheitsraumes, also hier speziell auf die Schaffung von Nutzungsmöglichkeiten geeigneter Flächen, für möglich hält. Mit dieser Argumentation verlässt das BVerwG das Schema einer rein abwehrrechtlichen Sichtweise und führt zumindest im Hinblick auf die das Versammlungsrecht schützende Maßnahmen eine leistungsrechtliche Dimension in die Flächennutzungsproblematik ein.201 In gewisser Weise vereint diese Entscheidung des BVerwGs also zwei sich in der Rechtsprechung abzeichnende Entwicklungen: Auf der einen Seite die grundsätzliche Erkenntnis der Gerichte, dass Art. 8 I GG im Ergebnis „irgendwie“ die erlaubnisfreie Nutzung des öffentlichen Straßenraums zu Versammlungszwecken gewährleisten muss, und auf der anderen Seite die insbesondere im „Brokdorf-­ Beschluss“ des BVerfGs angedeutete Inanspruchnahme des Staates als Garant der Versammlungsfreiheit, der dafür Sorge tragen muss, dass die Grundrechtsträger von ihrem Recht aus Art. 8 I GG auch tatsächlich Gebrauch machen können. Auch das VG Stuttgart greift in einem Urteil202 aus dem Jahr 2006 die Frage der Bedeutung der öffentlichen Straßen für die Ausübung der durch Art. 8 I GG geschützten Versammlungsfreiheit auf. Die Versammlungsfreiheit sei aus dem Kreis der politisch-kommunikativen Grundrechte dasjenige mit der begriffsnotwendig größten Außenrelevanz. Sie finde deshalb auf öffentlichen Wegen, die eine Erschließungsfunktion aufweisen, ihren natürlichen Platz, weswegen für die Durchführung einer Versammlung auf einem öffentlichen Weg oder Platz keine straßenrechtliche Sondernutzungserlaubnis erforderlich sei.203 Damit liefert das Urteil, im Vergleich zu der bisher untersuchten Rechtsprechung, ein inhaltliches Argument, das die besondere Bedeutung des öffentlichen Straßenraums für die tatsächliche Ausübung des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit erklärt. Das Gericht verdeutlicht mit der Aussage, dass Versammlungen auf öffentlichen Straßen ihren „natürlichen Platz“ finden, dass die Grundrechtsträger zur Durchführung einer Versammlung in besonderer Weise auf die Zurverfügungstellung und die Nutzung öffentlicher Straßen angewiesen sind. Die Nutzung des 201

Diese Interpretation der Entscheidung zur Bonner Hofgartenwiese findet sich ähnlich auch bei Sachs, JuS 1993, 686 (687). 202 VG Stuttgart, VBlBW 2007, 231 ff. 203 VG Stuttgart, VBlBW 2007, 231 (233).

II. Verhältnis von Art. 8 I GG und dem Straßenrecht

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öffentlichen Straßenraums ist also nach Auffassung des VG Stuttgart gewissermaßen Voraussetzung für die effektive Ausübung des grundrechtlich gesicherten Freiheitsraums. Aus dieser Angewiesenheit der Sich-Versammelnden auf die Nutzbarkeit öffentlicher Straßen folgert das Gericht, dass die Nutzung dieser Fläche gerade nicht von einer Erlaubnispflicht abhängig gemacht werden darf. Fasst man diesen Begründungsansatz mit den zuvor herausgestellten Entwicklungslinien der Rechtsprechung zusammen, kann man also Folgendes festhalten: Die Grundrechtsträger sind aufgrund der besonderen Bedeutung des öffentlichen Straßenraums für die effektive Ausübung der Versammlungsfreiheit auf die Nutzung öffentlicher Straßen angewiesen. Daraus folgt, dass Art. 8 I GG die Flächennutzung im Ergebnis auch erlaubnisfrei gewährleisten muss. Im Hinblick auf die Umsetzung dieser Gewährleistung wird der Staat in die Pflicht genommen. Eine weiterführende Entscheidung zur Reichweite der von Art. 8 I GG ausgehenden Wirkungen trifft der VGH Kassel in einem Beschluss aus dem Jahr 2008.204 Dieser Beschluss behandelt die Zulässigkeit einer Fahrraddemonstration auf einer Autobahn. Das Gericht beschließt, dass trotz der Bestimmung in § 1 III FStrG, wonach Bundesautobahnen für den Schnellverkehr mit Kraftfahrzeugen bestimmt sind, eine Nutzung der Autobahnen für Versammlungszwecke nicht von vornherein ausgeschlossen ist.205 Auch Bundesautobahnen seien öffentliche Straßen, sodass ihnen trotz ihres besonderen straßenrechtlichen Status keine rechtliche Sonderstellung zukomme.206 Die in § 1 III FStrG getroffene Zweckbestimmung regle nur die Grenzen des Gemeingebrauchs, was aber nicht bedeute, dass abweichende Nutzungen ausnahmslos ausgeschlossen seien.207 Obwohl die Nutzung der Autobahn für eine Demonstration eindeutig eine Sondernutzung im straßenrechtlichen Sinne darstellt, entscheidet das Gericht, dass nur die Versammlungsbehörde die Entscheidung über die Zulässigkeit einer Versammlung auf einer Autobahn zu treffen hat.208 Diese Annahme resultiert nach Auffassung des VGH Kassel daraus, dass § 15 VersG die „Zuständigkeit über alle die Durchführung der Versammlung betreffenden Entscheidungen auf die Versammlungsbehörde [konzentriert], sodass Erlaubnisvorschriften in anderen Gesetzen (…) keine Anwendung finden.“209 Bei der zu treffenden Ermessensentscheidung dürfe die Behörde dann auch den Widmungszweck berücksichtigen, wobei bei einer Autobahn die Verkehrsinteressen grundsätzlich eine gewichtigere Bedeutung haben als bei innerörtlichen Straßen und Plätzen. So folgert das Gericht, dass ein Autobahnabschnitt grundsätzlich nur dann für eine Versammlung genutzt werden könne, wenn eine direkte Verbindung zwischen dieser Nutzung und dem mit der Veranstaltung verfolgten Ziel bestehe. Anderenfalls fehle für die mit der Einschränkung des Autobahnverkehrs verbun 204

VGH Kassel, NJW 2009, 312 ff. VGH Kassel, NJW 2009, 312 (Ls. 1). 206 VGH Kassel, NJW 2009, 312 (313). 207 VGH Kassel, NJW 2009, 312 (313). 208 VGH Kassel, NJW 2009, 312 (313). 209 VGH Kassel, NJW 2009, 312 (313). 205

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B. Art. 8 I GG und der öffentliche Straßenraum

denen Gefährdungen und Behinderungen die Legitimation durch die Ausübung des Grundrechts aus Art. 8 I GG.210 Diese Entscheidung liefert Maßstäbe für die Auflösung der Kollision zwischen der Zweckbestimmung einer öffentlichen Straße und den Interessen der Sich-­ Versammelnden. Zunächst kann den Aussagen des Gerichts entnommen werden, dass Art. 8 I GG die Zweckbestimmung der Straße überwinden kann, da allein ihr Status als öffentliche Straße ausschlaggebend ist. Zudem geht aus dem Beschluss hervor, dass es sich bei der Nutzung einer öffentlichen Straße über die Zweck­ bestimmung hinaus zwar um eine Sondernutzung i. S. d. Straßenrechts handelt, die aber nicht einer Erlaubnis durch die Straßenbehörde nach dem Straßenrecht bedarf, sondern deren Zulässigkeit allein durch die Versammlungsbehörde zu beurteilen ist. Im „Fraport-Urteil“211 aus dem Jahr 2011 konkretisiert das BVerfG das von Art. 8 I GG gewährleistete Selbstbestimmungsrecht der Sich-Versammelnden über den Versammlungsort und hält fest, dass die Versammlungsfreiheit die Durchführung von Versammlungen dort gewährleistet, wo ein allgemeiner öffentlicher Verkehr eröffnet ist.212 Hiervon erfasst sei, unabhängig von einfachrechtlichen Bestimmungen, zunächst der öffentliche Straßenraum. Dieser sei „das natürliche und geschichtlich leitbildprägende Forum“, auf dem Bürger ihre Anliegen besonders öffentlichkeitswirksam zur Geltung bringen und hierüber die Kommunikation anstoßen können.213 Vor allem innerörtliche Straßen und Plätze bilden Orte des Informations- und Meinungsaustausches sowie der Pflege menschlicher Kontakte. In besonderer Weise gelte dies für Fußgängerzonen und verkehrsberuhigte Bereiche.214 Mit diesen Einrichtungen werde vor allem auch das Anliegen verfolgt, den kommunikativen Verkehr zu gewährleisten.215 Hieran knüpfe das Versammlungsrecht unter Berücksichtigung der allgemeinen straßen- und straßenverkehrsrechtlichen Bestimmungen an.216 Dabei überlagere aber das Versammlungsrecht die straßenrechtlichen Bestimmungen partiell, sofern dies für eine effektive Wahrnehmung der Versammlungsfreiheit erforderlich sei.217 Öffentliche Versammlungen und Aufzüge fänden „hier die Bedingungen, um Forderungen einem allgemeinen Publikum zu Gehör zu bringen und Protest oder Unmut sinnbildlich ‚auf die Straße zu tragen‘“.218 210

VGH Kassel, NJW 2009, 312 (313 f.). BVerfGE 128, 226 ff. Das „Fraport-Urteil“ wird in Teil C u. D erneut aufgegriffen u. in diesem Rahmen unter anderen Aspekten genauer untersucht. S. dazu unter C. II. 1. c) sowie unter D. II. 1. b) aa). 212 BVerfGE 128, 226 (251). 213 BVerfGE 128, 226 (251). 214 BVerfGE 128, 226 (251). 215 BVerfGE 128, 226 (251). 216 BVerfGE 128, 226 (252). 217 BVerfGE 128, 226 (252). 218 BVerfGE 128, 226 (252). 211

II. Verhältnis von Art. 8 I GG und dem Straßenrecht

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Dieses Urteil bildet gewissermaßen den vorläufigen End- und Höhepunkt der Rechtsprechung über das Verhältnis von Art. 8 I GG zu den einfachrechtlich vorgesehenen Nutzungsformen des öffentlichen Straßenrechts. Wie alle Gerichte zuvor im Grundsatz auch, geht das BVerfG davon aus, dass die Nutzung des öffentlichen Straßenraums von Art. 8 I GG „irgendwie“ gewährleistet sein muss, also unmittelbar aus Art. 8 I GG ein Nutzungsrecht für öffent­liche Straßen folgt. Im Hinblick auf die konkrete Umsetzung dieses von Art. 8 I GG gewährleisteten Nutzungsrechts geht das BVerfG von einer insoweit bestehenden Vorrangigkeit des Versammlungsrechts aus, sodass die straßenrechtliche Erlaubnispflicht nicht zur Anwendung gelangt. Diese Vorrangigkeit greift nach der Aussage des BVerfGs immer dann ein, wenn die Aushebelung der Regelungen des Straßenrechts erforderlich ist, um eine effektive Wahrnehmung der Versammlungsfreiheit zu gewährleisten. Besonders betont wird also, dass der Staat insgesamt sicherstellen muss, dass den Grundrechtsträgern die Versammlungsfreiheit nicht nur „rechtlich“ zugesichert ist, sondern dass sie diese auch tatsächlich und effektiv wahrnehmen können. Als Argument für die Nutzbarmachung gerade des öffentlichen Straßenraums wird, ähnlich wie bereits durch das BVerfG im „Brokdorf-­Beschluss“219 und durch das VG Stuttgart220, dessen besondere Bedeutung als Forum der Kommunikation und des Meinungsaustausches betont.

2. Literatur Obwohl das einfache Recht eigentlich eine Erlaubnispflicht für die Versammlung als straßenrechtliche Sondernutzung vorsieht, ist man sich auch in der Literatur im Wesentlichen einig, dass eine öffentliche Versammlung grundsätzlich den öffentlichen Straßenraum erlaubnisfrei nutzen können muss und nur nach dem VersG anzumelden ist.221 219

BVerfGE 69, 315 ff. VG Stuttgart, VBlBW 2007, 231–234. 221 Für einen Anspruch auf Sondernutzung: Gusy, in: v. Mangoldt / K lein / Starck,  GG, Bd.  1, Art. 8 Rn. 45; für die Anerkennung eines abwehrrechtlich geschützten Nutzungsrechts von öffentlichen Sachen im Gemeingebrauch: Höfling, in: Sachs, GG, Art. 8 Rn. 41 sowie Blanke, in: Stern / Becker, Grundrechte, Art. 8 Rn. 41; für die Ablehnung der Erlaubnispflichtigkeit: Kunig, in: v. Münch / Kunig, GG, Bd. 1, Art. 8 Rn. 31; für eine Überlagerung des Straßen- u. Wegerechts durch das VersG: Müller-Franken, in: Schmidt-Bleibtreu / Hoffmann / Hennecke, GG, Art. 8 Rn. 58; für die Zuordnung zum genehmigungsfreien Gemeingebrauch: Geis, in: Friauf / Höfling, Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Bd.  1, Art. 8 Rn. 76; für eine partielle Überlagerung des öffentlichen Sachenrechts durch Art. 8 I GG: Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Bd. I, Art. 8 Rn. 11; für die Begründung eines eigenen Straßenbenutzungsrechts aus Art. 8 I GG: Gallwas, JA 1986, 484 (492); Bairl-Vaslin, Das Verhältnis der Versammlungsfreiheit zum Straßenrecht u. Straßenverkehrsrecht, 141 ff.; Burgi, DÖV 1993, 633 (640); Ott, NJW 1985, 2384 (2386); Lorenz, JuS 1993, 375 (376); Kniesel, in: Dietel / Gintzel / K niesel, VersG, Teil I, Rn. 34; für die Lösung mihilfe einer inhaltlichen Modifikation u. Überlagerung des Straßenrechts durch Art. 8 I GG: z. B. Depenheuer, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 8 Rn. 162; Kloepfer, in: Isensee / K irchhof, HdbStR Bd. VII, § 164 Rn. 91. 220

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B. Art. 8 I GG und der öffentliche Straßenraum

3. Zusammenfassung und Problemverdeutlichung Dieser fragmentarische Überblick über die Rechtsprechung und die Literatur hat die Problematik des Hineinwirkens von Art. 8 I GG in die straßenrechtliche Benutzungsordnung verdeutlicht. Schon früh haben die Gerichte erkannt, dass die Grundrechtsträger den öffentlichen Straßenraum zu Versammlungszwecken nutzen können müssen und dass das Straßenrecht diesem Bedürfnis der Versammlungsteilnehmer mit seiner für Sondernutzungen des öffentlichen Straßenraums statuierten Erlaubnispflicht entgegenstehen kann. Die „Reibung“ zwischen der in Art. 8 I GG garantierten Erlaubnisfreiheit der Versammlung und der z. B. in § 16 I 1 StrG BW für Sondernutzungen der öffentlichen Straße grundsätzlich geregelten Erlaubnispflicht222 wird übereinstimmend dadurch aufgelöst, dass Versammlungen im öffentlichen Straßenraum von der Sondernutzungserlaubnispflicht freigestellt werden. Das wird entweder mittels eines verfassungskonform interpretierten erweiterten Gemeingebrauchsbegriffs, im Wege einer Befreiung von der grundsätzlich für Sondernutzungen vorgesehenen Erlaubnispflicht oder durch die Annahme einer Vorrangigkeit des Versammlungsrechts vor dem Straßenrecht konstruiert. Mithilfe welcher dieser Begründungsansätze die Erlaubnisfreiheit erreicht wird, ist dabei aber nur von theoretischer Bedeutung. Entscheidend ist vielmehr, dass diese ganz unterschiedlichen Lösungen zur Freistellung der Versammlung im öffentlichen Straßenraum von der straßenrechtlichen Erlaubnispflicht von den Gerichten und auch in der Literatur übereinstimmend mit den von Art. 8 I GG ausgehenden Wirkungen begründet werden. Diese Wirkungen gilt es daher näher zu untersuchen. Außer Frage steht dabei, dass die Versammlungsfreiheit aus Art. 8 I GG aufgrund der in Art. 1 III, 20 III GG angeordneten umfassenden Bindung der staatlichen Gewalt an die Grundrechte auch beim Erlass des Straßenrechts durch den (Landes-)Gesetzgeber und bei der sich anschließenden Anwendung dieses Rechts durch die Behörden Berücksichtigung finden muss. Das ist zwar eine notwendige, aber noch keine hinreichende Begründung, um die von Rechtsprechung und Literatur angenommene Beeinflussung des Straßenrechts durch Art. 8 I GG zu erklären. Da der Staat nur an das gebunden sein kann, was das jeweilige Grundrecht, hier Art. 8 I GG, garantiert, ist der konkrete Inhalt der Bindung entscheidend. Folglich muss der Nachweis erbracht werden, dass Art. 8 I GG die Nutzung des öffentlichen Straßenraums zu Versammlungszwecken „mitgewährleistet“. In der Entscheidung zur Bonner-Hofgartenwiese223 und im „Fraport-Urteil“224 wird zwar deutlich, dass sowohl das BVerwG als auch das BVerfG ausdrücklich davon ausgehen, dass Art. 8 I GG ein Recht zur Mitbenutzung der Flächen des öffentlichen Straßenraums beinhaltet. Eine dogmatische Begründung dafür bleiben die Gerichte dabei allerdings schuldig. Das darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Annahme eines aus Art. 8 I GG folgenden Straßenbenutzungsrechts keine Selbstverständlichkeit ist. 222

Dazu oben unter B. I. 4. b). BVerwGE 91, 135 ff.; s. dazu unter B. II. 1. d). 224 BVerfGE 128, 226 ff., s. dazu unter B. II. 1. d). 223

II. Verhältnis von Art. 8 I GG und dem Straßenrecht

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Die grundrechtlichen Gewährleistungen sind nämlich dem Grunde nach vor allem darauf angelegt, einen Freiheitsraum des Grundrechtsträgers gegenüber staatlichen Eingriffen abzuschirmen. In dieser sog. Abwehrfunktion fungieren die Grundrechte als negative Kompetenznormen, aus denen bei Vorliegen eines staatlichen Eingriffs in den durch das Grundrecht geschützten Freiheitsraum Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche gegen den Staat folgen.225 Betrachtet man unter diesem abwehrrechtlichen Freiheitsverständnis das Grundrecht der Versammlungsfreiheit, dann ist von Art. 8 I GG primär „nur“ die Verhaltensfreiheit gewährleistet,226 sich mit anderen zu einem bestimmten Zweck körperlich zu versammeln und versammelt zu bleiben.227 In diesen von Art. 8 I GG geschützten Freiheitsbereich soll der Staat nicht z. B. durch Verbote und Auflagen eingreifen. Bei der Wahrnehmung ihres Rechts, sich körperlich zu versammeln und versammelt zu bleiben, sind die Grundrechtsträger nicht auf eine irgendwie geartete Mitwirkung bzw. auf eine „Leistung“ des Staats angewiesen. Diese Verhaltensmöglichkeit resultiert allein aus dem von Art. 8 I GG abwehrrechtlich garantierten Freiheitsraum228. Allerdings bleibt bei dieser ersten Betrachtung des Schutzbereichs von Art. 8 I GG noch unberücksichtigt, dass das Versammlungsgrundrecht im Vergleich zu anderen Grundrechten in besonderem Maße eine räumliche Dimension aufweist: Die Versammlungsteilnehmer benötigen einen Ort, an dem sie sich körperlich versammeln können. Nur wenn ein solcher Ort vorhanden ist, können sie von der Verhaltensfreiheit des Sich-Versammelns auch tatsächlich Gebrauch machen. Ist dieser Versammlungsort beispielsweise der eigene Vorgarten oder eine sonstige im Eigentum der Grundrechtsträger stehende Fläche, bereitet diese räumliche Dimension der Versammlungsfreiheit keine Probleme. Diese Flächen stehen in der Verfügungsgewalt der Versammlungsteilnehmer und sind eindeutig deren abwehrrechtlich geschützten Freiheitsraum zugeordnet. Versammeln sich die Grund 225 Diese sog. liberale Grundrechtstheorie gibt nach übereinstimmender Auffassung die Bedeutung der meisten Freiheitsgrundrecht im Kern richtig wieder; s. dazu näher z. B. bei Gusy, in: v. Mangoldt / K lein / Starck, GG, Bd. 1, Art. 8 Rn. 44; Depenheuer, in: Maunz / Dürig,  GG, Art. 8 Rn. 111; Sachs, in: Sachs, GG, Vor Art. 1 Rn. 64; so auch st. Rspr. seit BVerfGE 7, 198 (204 f.); vgl. insbes. BVerfGE 21, 362 (369); 50, 290 (337); 61, 82 (101); 68, 193 (205); ferner etwa BVerfGE 115, 320 (358); zur primären Bedeutung der Grundrechte als Abwehrrechte auch BVerfGE 96, 56 (64); BVerfG, NJW 2001, 2078 (2079) mit der Formulierung „Konzeption der Grundrechte als Abwehrrechte“. 226 Zum Begriff der Verhaltensfreiheit z. B. Sachs, in: Merten / Papier, HdB GR, Bd. II, § 39 Rn. 18 f. 227 Vgl. Geis, in: Friauf / Höfling, Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Bd. 1, Art. 8 Rn. 15; Gusy, in: v. Mangoldt / K lein / Starck, GG, Bd. 1, Art. 8 Rn. 15; Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Bd. I, Art. 8 Rn. 31 Depenheuer, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 8 Rn. 59. 228 Der abwehrrechtlich garantierte Freiheitsraum wird hier verstanden als eine grundrechtlich geschützte Freiheit, die sich realisieren kann, ohne dass für den Grundrechtsträger gewisse, nicht in seiner Sphäre liegende Voraussetzungen erfüllt sein müssen. Der Grundrechtsträger kann diese Freiheit gewissermaßen „aus sich selbst heraus“ ausüben, ohne eine „Leistung“ entgegennehmen zu müssen. Vgl. auch Sachs, in: Merten / Papier, HdB GR, Bd. II, § 39 Rn. 19, der dann von „natürlicher“ Verhaltensfreiheit spricht, wenn sie sich ohne festgelegte Vorbedingungen entfalten kann.

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B. Art. 8 I GG und der öffentliche Straßenraum

rechtsträger also auf einer Fläche, die in ihrer Verfügungsgewalt steht, machen sie ausschließlich von ihrer abwehrrechtlich geschützten Verhaltensfreiheit Gebrauch. Einer Mitwirkung des Staates bedarf es hier nicht. Anders stellt sich die Situation beim Gebrauch von Flächen im öffentlichen Straßenraum zu Versammlungszwecken dar. Diese unterstehen, wie bereits verdeutlicht, der Verfügungsgewalt des Staates.229 Es handelt sich also um Flächen, über deren Verwendung die Grundrechtsträger nicht frei entscheiden können. Möchten die Versammlungsteilnehmer öffentliche Straßen für die Abhaltung einer Versammlung nutzen, ist dieses Verhalten also zumindest auf den ersten Blick nicht mehr von ihrer abwehrrechtlich gewährleisteten Verhaltensfreiheit erfasst. Ein rein abwehrrechtliches Verständnis des Art. 8 I GG stößt hier dementsprechend an seine Grenzen. Dies ist aber nur dann der Fall, wenn Art. 8 I GG tatsächlich auch den abwehrrechtlichen Schutz von Versammlungen auf solchen für den Grundrechtsträger „fremden“, d. h. nicht seiner Verfügungsgewalt unterliegenden Flächen, beinhaltet. Geklärt werden muss also, ob das Grundgesetz den Gewährleistungsbereich des Art. 8 I GG auf die Nutzung von dem Grundrechtsträger „eigenen“ Flächen beschränkt oder ob es die Versammlungsfreiheit „umfassender“, also auch in Bezug auf die Nutzung „fremder“ Flächen schützt. Art. 8 II GG enthält einen Gesetzesvorbehalt für Versammlungen „unter freiem Himmel“. Dagegen sind Versammlungen „in geschlossenen Räumen“ vorbehaltlos gewährleistet.230 Versammlungen, die gegenüber ihrer Umwelt räumlich nicht abgegrenzt sind, weisen aufgrund der dadurch bedingten erhöhten Offenheit für Dritte im Vergleich zu räumlich begrenzten Versammlungen ein gesteigertes Konfliktpotential auf. Um das Risiko von Störungen für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, das von eben diesen Versammlungen ausgeht, zu verringern, können Versammlungen „unter freiem Himmel“ gem. Art. 8 II GG beschränkt werden. Vor diesem Hintergrund ist eine Versammlung „unter freiem Himmel“ also eine solche Versammlung, die nach allen Seiten hin offen ist, sodass eine nicht bestimmbare Personenanzahl grundsätzlich unbegrenzt Zutritt zu ihr hat.231 Versammlungen, die auf Flächen stattfinden, die in der eigenen Verfügungsgewalt der Grundrechtsträger stehen, sind demgegenüber selten für jedermann frei zugänglich – man denke wiederum an den im Privateigentum stehenden Vorgarten oder an die gemietete Wohnung. Diese Versammlungsflächen fallen dementsprechend überwiegend unter die Kategorie der Versammlungen „in geschlossenen Räumen“. Wäre Art. 8 I GG von vornherein auf ebendiese „privaten“ Versammlungen beschränkt, dann wäre der Anwendungsbereich von Art. 8 II GG denkbar gering. Ohne tiefergehende Auslegung ergibt sich also bereits aus dem Wortlaut von Art. 8 II GG, dass das Grundgesetz – auch 229

S. dazu unter B. I. 1. b) cc) u. B. I. 1. c) bb) (2). Vgl. z. B. Depenheuer, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 8 Rn. 132. 231 Dies ist allgemeine Meinung, s. z. B. Höfling, in: Sachs, GG, Art. 8 Rn. 61; Depenheuer, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 8 Rn. 133; Schultze-Fielitz, in: Dreier, GG, Bd. I, Art. 8 Rn. 66; ausführlich Gusy, in: v. Mangoldt / K lein / Starck, GG, Bd. 1, Art. 8 Rn. 54 ff. 230

III. Bestehen und Qualifikation eines Straßenbenutzungsrechts  

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unter historischer Betrachtung – wohl nicht nur die „private“ Versammlung auf im Eigentum des Grundrechtsträgers stehenden Flächen vor Augen hat. Vielmehr ist davon auszugehen, dass Art. 8 I GG vor allem auch Versammlungen auf einer der Öffentlichkeit zugänglichen Fläche unter abwehrrechtlichen Schutz stellt. Es kann also bereits hier festgehalten werden, dass Art. 8 I GG im Ergebnis auch Versammlungen auf für den Grundrechtsträger „fremden“, d. h. nicht seiner Verfügungsgewalt unterliegenden Flächen, schützen muss. Dementsprechend stellt sich dann aber die Frage, ob das übliche Verständnis von Art. 8 I GG als Abwehrrecht diesem Befund überhaupt gerecht werden kann: Indem der Staat Straßen baut und mithilfe der Widmung und der Normen des einfachrechtlichen Straßenrechts dem Bürger die Nutzung dieser Flächen eröffnet, bietet er eine der allgemeinen Öffentlichkeit zugänglichen Fläche in Form des öffentlichen Straßenraums an und schafft damit für die Abhaltung von Versammlungen überhaupt erst geeignete Flächen. Bei der Beanspruchung des öffentlichen Straßenraums als eine nicht der Verfügungsgewalt des Grundrechtsträgers unterstehenden, für ihn „fremden“ Fläche zu Versammlungszwecken geht es also gerade nicht um den Schutz vor oder um die Abwehr von staatlichen Eingriffen. Im Gegenteil: Die Sich-Versammelnden sind hier in besonderer Weise auf die staatliche Mithilfe angewiesen. Wie auch schon teilweise in der analysierten Rechtsprechung zum Ausdruck kam,232 wird der Staat hier gerade nicht als Störer adressiert, sondern vielmehr als „Garant“ der Freiheit. Die überwiegende Annahme, dass Art. 8 I GG „irgendwie“ ein Benutzungsrecht für öffentliche Straßen beinhaltet, ist vor diesem Hintergrund also gerade keine Selbstverständlichkeit. Näher zu untersuchen ist daher zunächst, worauf das Verständnis, dass Art. 8 I GG ein Recht zur Mitbenutzung des öffentlichen Straßenraums gewährleistet, beruht. Dies lässt sich am besten mittels einer Auslegung von Art. 8 I GG beantworten. Im Anschluss muss dann der Frage nachgegangen werden, wie ein Straßenbenutzungsrecht der Sich-Versammelnden von Art. 8 I GG gewährleistet wird, wie also diese „Garantenstellung“ des Staates konkret umgesetzt werden kann.

III. Bestehen und Qualifikation eines Straßenbenutzungsrechts aus Art. 8 I GG  Die bisherigen Erwägungen haben ergeben, dass Art. 8 I GG den Grundrechtsträger auch dann schützen muss, wenn er die für ihn „fremde“ Fläche des öffentlichen Straßenraums für Versammlungszwecke benötigt. Im Folgenden soll untersucht werden, ob sich dieses „vorläufig“ gewonnene Ergebnis auch durch eine Auslegung von Art. 8 I GG bestätigen lässt: Erfasst Art. 8 I GG tatsächlich das Recht der Grundrechtsträger, den öffentlichen Straßenraum für die Abhaltung einer Versammlung zu nutzen? Das wirft die damit einhergehende Frage auf, ob 232

Vgl. unter B. II. 1. b) aa) u. unter B. II. 1. d).

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B. Art. 8 I GG und der öffentliche Straßenraum

Art. 8 I GG diesbezüglich nicht verstärkt von seiner realen Ausübbarkeit durch die Grundrechtsberechtigten her betrachtet werden muss.

1. Auslegung von Art. 8 I GG a) Wortlaut „Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.“233 Betrachtet man den Wortlaut von Art. 8 I GG, lässt dieser, jedenfalls auf den ersten Blick, keine Schlussfolgerung auf ein Straßenbenutzungsrecht zu. Art. 8 I GG erklärt eindeutig, „wer“ von diesem Grundrecht Gebrauch machen darf („alle Deutschen“), „wie“ die Versammlungsfreiheit nur ausgeübt werden darf („friedlich und ohne Waffen“) und „was“, also welches Verhalten geschützt ist („sich (…) zu versammeln“). Die Frage nach dem „Wo“, also danach, ob Art. 8 I GG auch ein Recht auf eine Fläche zur Abhaltung der Versammlung gibt, wird gerade nicht ausdrücklich geregelt.234 Dieser Befund legt nahe, dass Art. 8 I GG das „Wo“ auch nicht in seinen Schutzgehalt mitaufnimmt. Bleibt man bei diesem Ergebnis stehen, würde man allerdings dem Wortlaut von Art. 8 I GG in seiner Gesamtheit nicht gerecht werden. Zwar enthält Art. 8 I GG nicht ausdrücklich einen Flächen- bzw. Ortsbezug, ein solcher könnte sich aber aus dem Begriff „sich (…) zu versammeln“ ergeben. In Zusammenschau mit dem Subjekt „alle Deutschen“ wird deutlich, dass Menschen bei einer Versammlung i. S. d. Art. 8 I GG physisch anwesend sein müssen. Um die körperliche Anwesenheit mehrerer Menschen zu ermöglichen, ist eine Fläche erforderlich, auf der sich diese zusammenfinden können. Dem Wortlaut von Art. 8 I GG lässt sich also zumindest entnehmen, dass eine Versammlung die gleichzeitige körperliche Anwesenheit mehrerer Personen235 an einem Ort erfordert.236 Bloß virtuelle Versammlungen im Internet sind also beispielsweise keine Versammlungen i. S. d. Art. 8 I GG.237 233

Art. 8 I GG. Vgl. Wimmer, MDR 1964, 280 (281); Depenheuer, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 8 Rn. 59; vgl. dazu auch Samper, BayVBl. 1969, 77 (77 ff.); Stöcker, DÖV 1983, 993 (996 ff.). 235 Die Frage, wie viele Teilnehmer für die Annahme einer Versammlung erforderlich sind, wird in dieser Arbeit nicht thematisiert. Nach der in der Literatur h. M. sollen zwei Personen ausreichen, vgl. Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Bd. I, Art. 8, Rn. 24; Höfling, in: Sachs, GG, Art. 8 Rn. 13; Kniesel, in: Dietel / Gintzel / K niesel, VersG, Teil I, Rn 67; Kloepfer, in: Isensee / K irchhof, HdbStR Bd. VII, § 164 Rn. 24; Gusy, in: v. Mangoldt / K lein / Starck, GG, Bd. 1, Art. 8 Rn. 15. Mehr als zwei Personen fordert aber z.B Hölscheidt, DVBl. 1987, 666 (667), der sich für mind. drei Personen ausspricht; Depenheuer, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 8 Rn. 44, der davon ausgeht, dass eine Untergrenze von sieben Teilnehmern dem typischen Versammlungsbild näherkommt als zwei oder drei Menschen; ähnlich auch Laubinger / Repkewitz, VerwArch 2001, 585 (615). 236 Zu diesem Ergebnis kommt auch Depenheuer, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 8 Rn. 45; hierzu allg. OVG Münster, NVwZ 2017, 648 (649). 237 Stellvertretend für die h. M. Depenheuer, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 8 Rn. 45; Klutzny, RDV 2006, 50 (51 ff.); a. A. Pötters / Werkmeister, ZJS 2011, 222 (226). 234

III. Bestehen und Qualifikation eines Straßenbenutzungsrechts  

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Bereits dadurch wird deutlich, dass die Versammlungsteilnehmer einen Ort für die Ausübung ihrer grundrechtlich gewährleisteten Freiheit benötigen. Ohne zur Verfügung stehende Flächen ist die Abhaltung einer Versammlung nicht möglich.238 Welche Flächenkategorien hierfür in Betracht kommen bzw. tatsächlich beansprucht werden können, wird durch Art. 8 I GG nicht ausdrücklich bestimmt. Mit Blick auf Art. 8 II GG konnten allerdings bereits zwei grundsätzliche Flächentypen näher konkretisiert und unterschieden werden. So hat die Auslegung von Art. 8 II GG zum einen ergeben, dass Art. 8 I GG auf jeden Fall die Abhaltung von Versammlungen auf den Grundrechtsträgern „eigenen“ Flächen schützt. Zum anderen ergibt sich aus dem Gesetzesvorbehalt für Versammlungen „unter freiem Himmel“, dass Art. 8 I GG auch davon ausgeht, dass die Versammlungsteilnehmer grundsätzlich auf Flächen, die der breiten Öffentlichkeit zugänglich sind, die Möglichkeit haben müssen, von ihrem Grundrecht Gebrauch zu machen.239 „Unter freiem Himmel“ ist eine Versammlung – wie bereits dargestellt – nämlich dann, wenn sie zu allen Seiten unbegrenzt ist, d. h. jedermann Zutritt zu der Versammlung hat.240 Aufgrund des bereits im Wortlaut von Art. 8 I GG deutlich gewordenen spezifischen Flächenbezugs der Versammlungsfreiheit und mit Blick auf Art. 8 II GG liegt die Annahme nahe, dass das von Art. 8 I GG garantierte Recht, sich „unter freiem Himmel“ zu versammeln, auch ein Recht der Grundrechtsträger miteinschließt, sich auf Flächen zu versammeln, die jedermann frei zugänglich sind. Da solche Flächen eben typischerweise im öffentlichen Straßenraum zu finden sind, kann der Wortlaut von Art. 8 I, II GG bereits als Argument für ein Benutzungsrecht der Versammlungsteilnehmer für öffentliche Straßen gewertet werden. b) Geschichtliche Aspekte Eine historische Untersuchung241 von Versammlungsflächen und der Versammlungsfreiheit könnte diesen Eindruck verfestigen.

238

So z. B. auch Gallwas, JA 1986, 484 (491); Ehrentraut, Die Versammlungsfreiheit im amerikanischen und deutschen Verfassungsrecht, 44; Prothmann, Die Wahl des Versammlungs­ ortes, 30. 239 S. oben unter B. II. 3. 240 Dies ist allgemeine Meinung, s. z. B. Höfling, in: Sachs, GG, Art. 8 Rn. 61; Depenheuer, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 8 Rn. 133; Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Bd. I, Art.8 Rn. 66; Gusy, in: v. Mangoldt / K lein / Starck, GG, Bd. 1, Art. 8 Rn. 54 ff. 241 Die historische Auslegung der Versammlungsfreiheit hat keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sondern beschränkt sich auf einen historischen Rückblick auf traditionelle Versammlungsräume u. eine dogmengeschichtliche Auslegung von Art. 123 WRV. Siehe umfassend zur Geschichte der Versammlungsfreiheit aber z. B. Hoffmann-Riem, in: Merten / Papier HdB GR, Bd. IV, § 106 Rn. 5–12; Depenheuer, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 8 Rn. 9–28; Quilisch, Die demokratische Versammlung, 30 ff.; speziell zur geschichtlichen Entwicklung der Versammlungsfreiheit als politische Freiheit Schwäble, Das Grundrecht der Versammlungsfreiheit, 17 ff.

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B. Art. 8 I GG und der öffentliche Straßenraum

aa) Griechische Agora und römisches Forum Dass die Durchführung von Versammlungen bei historischer Betrachtung stets einen Bezug zu öffentlich zugänglichen Flächen aufweist, beweist eine lange Tradition: Bereits seit ca. 800 v. Chr. wurde der Bevölkerung im antiken Griechenland unter anderem für die Abhaltung von Versammlungen die Agora zur Verfügung gestellt.242 Ursprünglich bezeichnete dieser Begriff noch die Versammlung selbst, später beschrieb er aber einen zentralen Ort des griechischen Gemeinwesens.243 Die griechische Agora wurde in vielfältiger Weise genutzt:244 Sie diente als Fest- und Marktplatz245 der „Strukturierung gemeinschaftlichen Lebens im Raum“246 und „gehörte“ in dieser öffentlichen Funktion dem Volk.247 Dementsprechend war die Agora auch im geographischen Zentrum der sich entwickelnden Städte angesiedelt und genoss bei der Planung und dem Bau der Städte sogar Priorität.248 Ihre wohl bedeutendste Funktion nahm die Agora aber als Plattform zur Abhaltung politischer Versammlungen ein.249 Im alten Rom bildete sich ab dem 6. Jahrhundert v. Chr. – in Fortsetzung der griechischen Tradition – das Forum heraus. Das Forum bot der städtischen Bevölkerung des Römischen Reichs eine Fläche, auf der sie politische Versammlungen abhalten, aber auch zu anderen gesellschaftlichen Ereignissen zusammenkommen konnte. Ähnlich der griechischen Agora bildete das römische Forum das politische, ökonomische, juristische und gesellschaftliche Zentrum der Stadt.250 Allerdings trat mit dem Ende des Römischen Reichs ein räumlicher Wandel ein: fortan waren geschlossene Räume die Örtlichkeiten, in denen gesellschaftliche Zusammenkünfte und Ereignisse stattfanden.251 Dieses Phänomen setzt sich auch in der frühen Neuzeit fort. Bürgerliche Kommunikation fand hier vor allem im Privaten statt.252 Eine Kehrtwende erfolgte erst mit der Französischen Revolution, durch die die politische Öffentlichkeit wieder zunehmend auf die Straßen und 242 Vgl. Hölscher, Öffentliche Räume in frühen griechischen Städten, 1998, 29; Hölscher, Aus der Frühzeit der Griechen, 20; Ernst, in: FS Schmidt-Jortzig, 79 (85 f.). 243 Vgl. Kenzler, Studien zur Entwicklung und Struktur der griechischen Agora in archaischer und klassischer Zeit, 29, 31; Bleicken, Die athenische Demokratie, 192. 244 Dazu Hölscher, Öffentliche Räume in frühen griechischen Städten, 38; Hölscher, Aus der Frühzeit der Griechen, 21 ff. 245 Vgl. Habermas, Strukturwandel der Öffentlichkeit, 56. 246 Hölscher, Öffentliche Räume in frühen griechischen Städten, 15 f. 247 Vgl. Hölscher, Öffentliche Räume in frühen griechischen Städten, 15 f. 248 Hölscher, Öffentliche Räume in frühen griechischen Städten, 36; Ernst, in: FS SchmidtJortzig, 79 (86). 249 Vgl. Ernst, in: FS Schmidt-Jortzig, 79 (86); Hölscher, Aus der Frühzeit der Griechen, 25: Hölscher, Öffentliche Räume in frühen griechischen Städten, 38. 250 Vgl. Hölscher, Öffentliche Räume in frühen griechischen Städten, 33 f.; Ernst, in: FS Schmidt-Jortzig, 79 (86); Bleicken, Die athenische Demokratie, 192. 251 S. Ernst, in: FS Schmidt-Jortzig, 79 (86). 252 S. dazu ausführlicher Habermas, Strukturwandel der Öffentlichkeit, 90 ff., 96 f.

III. Bestehen und Qualifikation eines Straßenbenutzungsrechts  

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Plätze getragen wurde.253 Diese historische Betrachtung verdeutlicht, dass städtische Straßen und Plätze seit der griechischen und römischen Antike traditionelle Versammlungsflächen bildeten.254 In der heutigen Zeit ist der öffentliche Straßenraum mit seinen unterschied­ lichen Nutzungsmöglichkeiten die Fläche, die in ihrer Öffentlichkeitsfunktion der griechischen Agora bzw. dem römischen Forum am nächsten kommt. Historisch betrachtet sind Versammlungen „unter freiem Himmel“ also vor allem solche, die im öffentlichen Straßenraum, stattfinden. bb) Die Vorgängernorm: Art. 123 WRV Auf die Frage, ob den Versammlungsteilnehmern aber tatsächlich auch ein Anspruch auf die Nutzung dieser Flächen zu Versammlungszwecken zukommt, könnte die dogmengeschichtliche Untersuchung von Art. 8 I GG eine Antwort bereithalten. Aufschlüsse könnten sich hierzu insbesondere aus der Vorgängernorm zu Art. 8 I GG der Weimarer Reichsverfassung (WRV)255 ergeben, die sich eng am Wortlaut256 des Art. VIII § 161 der Paulskirchenverfassung257 orientiert.258 Nach Art. 123 I WRV hatten alle Deutschen „das Recht, sich ohne Anmeldung oder besondere Erlaubnis friedlich und unbewaffnet zu versammeln.“ Gem. Art. 123 II WRV konnten Versammlungen unter freiem Himmel „durch Reichsgesetz anmeldepflichtig gemacht und bei unmittelbarer Gefahr für die öffentliche Sicherheit verboten werden.“259 Während zuvor wie z. B. in der Preußischen Verfassung260,

253

Dazu Quilisch, Die demokratische Versammlung, 41 ff. Vgl. auch Siehr, Das Recht am öffentlichen Raum, 203; Gornik, Die Bindung der Betreiber öffentlicher Räume, 62. 255 Die Verfassung des Deutschen Reiches, verkündet am 11. August 1919 (RGBl. 1919, 1383), abgedruckt bei Huber, Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, Bd. 3, 129 ff. 256 Art. VIII § 161 der Paulskirchenverfassung: „Die Deutschen haben das Recht, sich friedlich und ohne Waffen zu versammeln; einer besonderen Erlaubniß dazu bedarf es nicht. Volksversammlungen unter freiem Himmel können bei dringender Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit verboten werden.“ 257 Die Verfassung des Deutschen Reiches, verkündet am 28. März 1949 (RGBl. 1849, 101), abgedruckt bei Huber, Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, Bd. 1, 375 ff. 258 Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Bd. I. Art. 8 Rn. 4; Gusy, in: v. Mangoldt / Klein / Starck,  GG, Bd. 1, Art. 8 Rn. 4; Kraujuttis, Versammlungsfreiheit, 45. Quilisch, Die demokratische Versammlung, 50, 80. Auf ein gesondertes Eingehen auf Art. VIII § 161 der Paulskirchenverfassung wird daher verzichtet. S. dazu aber z. B. Kühne, Die Reichsverfassung der Paulskirche, 408 ff.; Kraujuttis, Versammlungsfreiheit, 21 ff. 259 Die Versammlungsfreiheit wurde allgemein zu den Grundrechten gezählt, die nicht bloß Programmsätze, sondern unmittelbar geltendes Recht waren, vgl. Schmitt, in: Anschütz /  Thoma, HdB dt. StaatsR, Bd. II, 1932, 598 ff. m. w. N.; Kraujuttis, Versammlungsfreiheit, 47 f. 260 Die Verfassungsurkunde für den Preußischen Staat, verkündet am 31. Januar 1850 (Pr. GS. 1850, 17), abgedruckt bei Huber, Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, Bd. 1, 501 ff. 254

62

B. Art. 8 I GG und der öffentliche Straßenraum

Versammlungen „unter freiem Himmel“ von einer behördlichen Genehmigung bzw. Erlaubnis abhängig waren,261 waren sie nun ausdrücklich durch Art. 123 WRV in die grundrechtliche Garantie der Erlaubnisfreiheit miteinbezogen.262 Die nahezu identische Formulierung des Art. 8 I GG zeigt, dass die grundrechtliche Gewährleistung der Versammlungsfreiheit an die Versammlungsfreiheit der WRV anknüpft.263 Dem Wortlaut von Art. 123 WRV lässt sich zwar keine ausdrückliche Aussage über das Bestehen eines grundrechtlich garantierten Straßenbenutzungsrechts entnehmen. Allerdings war man sich im Ergebnis einig, dass Art. 123 WRV ein Straßenbenutzungsrecht zu Versammlungszwecken gewährleisten musste.264 In diesem Sinne lassen sich z. B. Aussagen Jellineks deuten: „Die Straße gehört nun einmal dem ‚Volke‘, ein Hausrecht des Herrn der Straße Umzügen gegenüber würde dem Sinn der RV. widersprechen“.265 Deutlich wird dieses Verständnis auch in einer Formulierung v. Jans, der Versammlungen unter freiem Himmel definiert als Veranstaltungen auf öffentlichen Wegen, Straßen und Plätzen.266 Ähnlich geht auch Delius davon aus, dass das Paradebeispiel einer Versammlung „unter freiem Himmel“ die Versammlung auf öffentlichen Straßen ist.267 Besonders ausdrücklich findet sich das Straßenbenutzungsrecht der Versammlungsteilnehmer in einer Kommentierung Waldeckers: „die Straße ist nun einmal für das Versammlungsrecht freigegeben, (…)“.268 Nicht zuletzt wird dieses Verständnis bestätigt durch eine Formulierung von Anschütz, wonach „als ‚Versammlungen unter freiem Himmel‘ im Sinne des Abs. 2 (…) auch Aufzüge (Umzüge) auf öffentlichen Straßen und Plätzen“ gelten269. Diese Aussagen deuten darauf hin, dass zur Zeit des Weimarer Reiches für Versammlungen „unter freiem Himmel“ übereinstimmend davon aus 261

Art. 29 der Preußischen Verfassung: „Alle Preußen sind berechtigt, sich ohne vorgängige obrigkeitliche Erlaubnis friedlich und ohne Waffen in geschlossenen Räumen zu versammeln. Diese Bestimmung bezieht sich nicht auf Versammlungen unter freiem Himmel, welche auch in bezug auf vorgängige obrigkeitliche Erlaubnis der Verfügung des Gesetzes unterworfen sind.“ Text abgedruckt bei Huber, Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, Bd. 1, 503 f. Dazu Kraujuttis, Versammlungsfreiheit, 27 ff.; Quilisch, Die demokratische Versammlung, 62 ff. 262 Vgl. Ullrich, Das Demonstrationsrecht, 46, 51. 263 Vgl. Hofmann-Riem, in: Merten / Papier, HdB GR, Bd. IV, § 106 Rn. 9; Depenheuer, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 8 Rn. 27; Blanke, in: Stern / Becker, Grundrechte, Art. 8 Rn. 14; Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Bd. I, Art. 8 Rn. 6; Gusy, in: v. Mangoldt / K lein / Starck,  GG, Bd. 1, Art. 8 Rn. 5; Fromme, Von der Weimarer Verfassung zum Bonner Grundgesetz, 210; Sachs, in: Stern, StaatsR, Bd. IV/1, 1194: Quilisch, Die demokratische Versammlung, 92. 264 Vgl. Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reiches, 572; Jellinek, Verwaltungsrecht, 490; so auch Sachs, in: Stern, StaatsR, Bd. IV/1, 1226 f. Allgemein zur Versammlungsfreiheit in der Lehre der Weimarer Zeit Quilisch, Die demokratische Versammlung, 81 ff. 265 Jellinek, Verwaltungsrecht, 490. 266 Vgl. v. Jan, in: FS zur Feier des fünfzigjährigen Bestehens des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, 98 (99). 267 Vgl. Delius, in: Nipperdey, Die Grundrechte und Grundpflichten der Reichsverfassung, Bd. 2, 152. 268 Waldecker, in: Anschütz / T homa, HdB dt. StaatsR, 1932, 648. 269 Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reiches, 572.

III. Bestehen und Qualifikation eines Straßenbenutzungsrechts  

63

gegangen wurde, dass die Grundrechtsträger für die Wahrnehmung der Versammlungsfreiheit, den öffentlichen Straßenraum erlaubnisfrei nutzen können müssen. Obwohl auch aus Art. 123 WRV ein Straßenbenutzungsrecht der Grundrechtsträger nicht ausdrücklich hervorgeht, wurde ein solches also zumindest mitgedacht.270 Da Art. 8 I GG an die Formulierung von Art. 123 WRV anknüpft, kann davon ausgegangen werden, dass auch die zu Art. 123 WRV entwickelte Auffassung, dass die Grundrechtsträger den öffentlichen Straßenraum erlaubnisfrei nutzen dürfen, für die in Art. 8 I GG gewährleistete Versammlungsfreiheit übernommen werden sollte.271 Dementsprechend wurde im Parlamentarischen Rat auch nicht ausdrücklich über die Aufnahme eines Straßenbenutzungsrechts für Versammlungen „unter freiem Himmel“ in den Wortlaut von Art. 8 GG diskutiert.272 Hat der Grundgesetzgeber das Vorverständnis aus der Zeit der Weimarer Republik übernommen, könnte das auch erklären, warum die Rechtsprechung und die Literatur mit einer gewissen Selbstverständlichkeit von einem Straßenbenutzungsrecht der Grundrechtsträger ausgehen,273 obwohl ein solches gerade nicht ausdrücklich in den Verfassungstext mitaufgenommen ist. cc) Zwischenergebnis Die Heranziehung von Art. 123 WRV und die historische Betrachtung traditioneller Versammlungsräume bestätigen damit die bereits mithilfe des Wortlauts von Art. 8 I GG gewonnene Annahme, dass Art. 8 I GG ein Recht der Versammlungsteilnehmer, die öffentlichen Straßen und Plätze zu nutzen, garantieren muss.274

270

Nach Sachs, in: Stern, StaatsR, Bd. IV/1, 1226 f. war die Nutzung von „öffentlichen Straßen und Plätzen (auch) für Versammlungen (…) in Deutschland schon lange vor dem Grundgesetz anerkannt“. 271 Vgl. Sachs, in: Stern, StaatsR, Bd. IV/1, 1227; Blanke, in: Stern / Becker, Grundrechte, Art. 8 Rn. 14; Wimmer, MDR 1964, 280 (281); vgl. Ausführungen von Thoma, dass Art. 8 GG gegenüber Art. 123 WRV nur „geringe (…) Änderungen“ bringe, Kritische Würdigung des vom Grundsatzauschuß beschlossenen und veröffentlichten Grundrechtskatalogs, 25. 10. 2948, Drs. PR 11.48–244, 2 (9), abgedruckt bei Pikert / Werner, Der Parlamentarische Rat, Bd. 5/I, 370. 272 Vgl. die Zusammenfassung der Beratungen von Matz, JöR 1951, Bd. 1, 113 ff. 273 Vgl. hierzu insbes. BVerfGE 128, 226 (251): der öffentliche Straßenraum, als „das natürliche und geschichtlich leitbildprägende Forum, auf dem Bürger ihr Anliegen besonders wirksam in die Öffentlichkeit tragen und hierüber die Kommunikation anstoßen können.“ 274 Zu dem Ergebnis, dass die Geschichte der Versammlungsfreiheit für die Annahme eines Straßenbenutzungsrecht spricht, kommt auch das LG Hamburg, DVBl. 1952, 314 (315). So i. E. auch Bairl-Vaslin, Das Verhältnis der Versammlungsfreiheit zum Straßenrecht und Straßenverkehrsrecht, 151.

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B. Art. 8 I GG und der öffentliche Straßenraum

c) Systematik Ein systematischer Vergleich zu anderen Grundrechten,275 die ebenfalls eine staatliche „Mithilfe“ für ihre praktische Ausübbarkeit fordern,276 könnte für die Frage, ob Art. 8 I GG ein Recht gegenüber dem Staat, die öffentlichen Straßen zu nutzen, gewährleistet, beitragen. Ein solches den Staat als „Freiheitsgaranten“ aktivierendes Grundrecht ist z. B. Art. 14 I GG. Rechtlich gewährleistet ist von Art. 14 I GG das Eigentum. Das Eigentum verkörpert alle vermögenswerten Rechte, die dem Berechtigten von der Rechtsordnung in der Weise zugeordnet sind, dass dieser die damit verbundenen Befugnisse nach eigenverantwortlicher Entscheidung zu seinem privaten Nutzen ausüben darf.277 Da es kein „natürliches Eigentum“278 gibt, muss eine Rechtsordnung bestehen, die diese Rechtsposition ausgestaltet und so das grundrechtlich geschützte Eigentum zunächst kreiert.279 Daher sieht Art. 14 I 2 GG ausdrücklich vor, dass „Inhalt und Schranken (…) [des Eigentums] durch Gesetze bestimmt“ werden. Unmittelbar aus Art. 14 I 2 GG folgt also die staat­ liche Verpflichtung, durch die gesetzliche Bestimmung von Inhalt und Schranken einen Grundbestand von Normen zu schaffen oder bestehen zu lassen, die Eigentum i. S. v Art. 14 I GG begründen.280 Nur, wenn der Staat diese Leistung erbringt, ist es dem Grundrechtsträger möglich, tatsächlich von seiner Eigentumsfreiheit Gebrauch zu machen.281 Anhand des Beispiels von Art. 14 I 2 GG wird deutlich,282 dass die Grundrechte „reale“283, d. h. für den Bürger auch tatsächlich realisierbare Freiheiten, garantieren 275 Andere Grundrechte, die für ihre reale Wirksamkeit auf staatliche Hilfe zwingend angewiesen sind, sind z. B. die Erbrechtsgarantie aus Art. 14 I GG oder der besondere Schutz der Ehe gem. Art. 6 I GG. Dazu mit weiteren Beispielen Kirchhof, in: Merten / Papier, HdB GR, Bd. I, § 21 Rn. 1; Isensee, in: Isensee / K irchhof, HdbStR, Bd. IX, § 190 Rn. 71 f. 276 Rüfner, in: Gitter / T hieme / Zacher, FS Wannagat, 379 (385) bezeichnet Freiheitsrechte, die ohne staatliche Hilfe nicht ausgeübt werden können, als „notleidende Grundrechte“. 277 BVerfGE 115, 97 (111 f.). 278 Diesen Begriff verwenden Ehlers, VVDStRL 1992, 211 (214); Depenheuer / Froese, in: v. Mangoldt / K lein / Starck,  GG, Art.  14 Rn.  31; Dietlein, in: Stern, StaatsR, Bd. IV/1, 2168, 2170. Nach Depenheuer, in: Merten / Papier, HdB GR, Bd. V, § 111 Rn. 44, 47 ist nur das „reale Substrat“ des Eigentums dem Gesetzgeber vorgeben. 279 Vgl. Kirchhof, in: Merten / Papier, HdB GR, Bd. I, § 21 Rn. 1; parallel für das Erbrecht Isensee, in: Isensee / K irchhof, HdbStR, Bd. IX, § 190 Rn. 71. 280 Vgl. z. B. Axer, in: Epping / Hillgruber, BeckOK GG, Art. 14 Rn. 7 f.; Depenheuer / Froese, in: v. Mangoldt / K lein / Starck,  GG, Art.  14 Rn.  31; Becker, in: Stern / Becker, Grundrechte, Art. 14 Rn. 130; Wieland, in: Dreier, GG, Bd. I, Art. 14 Rn. 27; Dietlein, in: Stern, StaatsR, Bd. IV/1, 2170 u. 2172; Depenheuer, in: Merten / Papier, HdB GR, Bd. V, § 111 Rn. 44 u. 46 ff. 281 Vgl. z. B. Papier / Shirvani, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 14 Rn. 121; Ehlers, VVDStRL 51 (1992), 211 (216); Sachs, Verfassungsrecht II, 575 Rn. 4; Wendt, in: Sachs, GG, Art. 14 Rn. 60; Depenheuer / Froese, in: v. Mangoldt / K lein / Starck, GG, Art. 14 Rn. 98, 100 u. 222. 282 Auf die genaue Bedeutung u. auf die sozialstaatliche Begründung dieses Freiheitsbegriffs wird hier noch nicht eingegangen. Dazu aber unten unter B. IV. 2. b). 283 Der Begriff der „realen Freiheit“ geht zurück auf Konrad Hesse, vgl. Hesse, in: Hesse /  Reicke / Scheuner, FS Smend, 71 (85).

III. Bestehen und Qualifikation eines Straßenbenutzungsrechts  

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wollen, und eben nicht als ein nur theoretisches Konstrukt bestehen sollen.284 Auf diese „reale“ Freiheit ist der Staat verpflichtet, sodass er gegebenenfalls – neben der rechtlichen Garantie – zusätzlich die Bedingungen schaffen muss, die gegeben sein müssen, damit die Grundrechtsträger ihre grundrechtlich gewährleistete Freiheit auch tatsächlich ausüben können.285 Überträgt man diesen allgemeinen, allen Freiheitsgrundrechten zugrundeliegenden Gedanken auf Art. 8 I GG, folgt daraus, dass der Staat auch bei der Zurverfügungstellung von Flächen für Versammlungen in die Pflicht genommen werden kann, wenn das dazu dient, die tatsächliche Ausübbarkeit der Versammlungsfreiheit zu gewährleisten. Bei einer Versammlung in geschlossenen Räumen können sich die Versammlungsteilnehmer die hierfür benötigten Flächen (meistens) selbst beschaffen. In diesem Fall muss der Staat also keine weiteren Bedingungen schaffen, damit Grundrechtsträger von ihrer in Art. 8 I GG garantierten Freiheit Gebrauch machen können. Anders ist das bei Flächen, die für die Abhaltung von Versammlungen „unter freiem Himmel“ in Betracht kommen: Diese sind für die Versammlungsteilnehmer – wie bereits dargestellt –286 grundsätzlich nicht frei verfügbar. Insoweit sind die Grundrechtsträger also zwingend auf staatliche Mithilfe angewiesen, um von ihrer Versammlungsfreiheit auch „unter freiem Himmel“ Gebrauch machen zu können. Für die Durchführung einer Versammlung „unter freiem Himmel“ ist vor allem die tatsächliche Bereitstellung bzw. Bereithaltung von öffentlichen Straßen durch den Staat erforderlich. Zwar beschränkt sich die für die Grundrechtsausübung notwendige staatliche Mithilfe häufig auf die rein rechtliche Ausgestaltung der grundrechtlichen Freiheit, sodass wie z. B. bei Art. 14 I GG die tatsächliche Beschaffung einer eigentumsfähigen Sache selbstverständlich nicht verlangt werden kann.287 Dies steht der Annahme, dass der Staat im Rahmen von Art. 8 I GG auch zur tatsächlichen Bereitstellung des öffentlichen Straßenraums, also des Substrats 284

Zum grundrechtlichen Schutz realer Freiheit v. a. Krebs, in: Merten / Papier, HdB GR; Bd. II, § 31 Rn. 98 f.; dass es dem Grundgesetz um die Gewährleistung realer Freiheit geht, vertritt auch Hesse, in: Hesse / Reicke / Scheuner, FS Smend, 71 (85); vgl. auch Rüfner, in: Gitter /  Thieme / Zacher, FS Wannagat, 379 (386); Krebs, Vorbehalt des Gesetzes, 78 ff.; Häberle, VVDStRL 1972, 43 (96 ff.); Alexy, Theorie der Grundrechte, 460 f. So im Ergebnis auch die Rechtsprechung, die jedenfalls negatorischen Grundrechtsschutz auch gegenüber Beeinträchtigungen der tatsächlichen Voraussetzungen der Freiheitswahrnehmung gewährt, vgl. BVerfGE 6, 55 (81 f.); 38, 61 (85); 46, 120 (137 f.); 76, 1 (49 ff.). 285 Zu diesem grundrechtlichen Konzept auch Isensee, in: Isensee / K irchhof, HdbStR, Bd. IX, § 190, speziell in Rn. 91; Kirchhof, in: Merten / Papier, HdB GR, Bd. I, § 21 Rn. 6; Kirchhof, in: Depenheuer et al., Die Einheit des Staates, 51 (61 ff.); Trute, Die Forschung zwischen grundrechtlicher Freiheit und staatlicher Institutionalisierung, 254 ff.; Scherzberg, Grundrechtsschutz und „Eingriffsintensität“, 142 ff., 183 ff.; Hesse, EuGRZ 1978, 427 (433). Das BVerfG spricht in diesem Zusammenhang von einer staatlichen Schutz- u. Förderungspflicht, vgl. BVerfGE 112, 74 (84). 286 S. oben unter B. II. 3. 287 S. dazu z. B. Papier / Shirvani, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 14 Rn. 144; Axer, in: Epping /  Hillgruber, BeckOK GG, Art. 14 Rn. 24; Leisner, in: Isensee / K irchhof, HdBStR, Bd. VIII, § 173 Rn. 61 f.; Depenheuer / Froese, in: v. Mangoldt / K lein / Starck, GG, Art. 14 Rn. 100; Dietlein, in: Stern, StaatsR, Bd. IV/1, 2140; Becker, in Stern / Becker, Grundrechte, Art. 14 Rn. 145.

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B. Art. 8 I GG und der öffentliche Straßenraum

selbst, verpflichtet werden kann, aber nicht entgegen. Die unterschiedliche „Art“ staatlich geforderter Leistung zeigt vielmehr, dass jedes Grundrecht für die Frage, welche Mithilfe des Staates für die tatsächliche Ausübung der Freiheit erforderlich ist, isoliert betrachtet werden muss und gerade nicht für alle Grundrechte verallgemeinert werden kann. Im Wege des systematischen Vergleichs konnte also gezeigt werden, dass der Staat stets dafür zu sorgen hat, dass die Freiheitsgrundrechte von ihren Trägern auch tatsächlich ausgeübt werden können. Darauf aufbauend trifft den Staat im Rahmen von Art. 8 I GG für Versammlungen „unter freiem Himmel“ die Pflicht, öffent­ lichen Straßenraum zur Verfügung zu stellen. Das spricht dafür, dass Art. 8 I GG auch ein Recht der Versammlungsteilnehmer gegenüber dem Staat gewährleistet, die öffentlichen Straßen für die Ausübung ihrer Versammlungsfreiheit zu nutzen. d) Sinn und Zweck Zuletzt könnte es der Sinn und Zweck der Versammlungsfreiheit erfordern, dass den Grundrechtsträgern ein Straßenbenutzungsrecht aus Art. 8 I GG zukommen muss. Um den Sinn und Zweck des Grundrechts zu ermitteln, muss untersucht werden, welches Ziel das Grundrecht erreichen möchte. Herkömmlicherweise werden für Art. 8 I GG zwei Interpretationsmodelle unterschieden: die demokratische und die liberal-menschenrechtliche Auslegung.288 Das demokratische Grundrechtsverständnis289 betont die politische Dimension der Versammlungsfreiheit. Hiernach ist das von Art. 8 I GG verfolgte Ziel insbesondere die durch die Abhaltung von Versammlungen ermöglichte Einflussnahme auf den politischen Prozess. Die Versammlungsfreiheit ist nach diesem Verständnis also vor allem ein Mittel zur Verstärkung der individuellen Meinungsfreiheit in den öffentlichen Bereich hinein.290 Art. 8 I GG stellt insoweit nicht nur eine Ergänzung des demokratischen Entscheidungsfindungsprozesses, sondern „ein Stück ursprünglich-ungebändigter unmittelbarer Demokratie“291 dar.292 Demgegenüber sieht das liberal-menschenrechtliche 288 Diese beiden Traditionslinien stehen sich nicht im Sinn eines Ausschließlichkeitsverhältnisses gegenüber, sondern ergänzen sich wechselseitig, vgl. z. B. Gusy, in: v. Mangoldt /  Klein / Starck, GG, Bd. 1, Art. 8 Rn. 9, 13.  289 Allgemein zur demokratischen Funktion der Versammlungsfreiheit z. B. Depenheuer, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 8 Rn. 30 ff.; Kloepfer, in: Isensee / K irchhof, HdbStR Bd. VII, § 164 Rn. 1, 12 f.; Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Bd. I, Art. 8 Rn. 16 f.; Gusy, in: v. Mangoldt /  Klein / Starck, GG, Bd. 1, Art. 8 Rn. 11 f.; Höfling, in: Sachs, GG, Art. 8 Rn. 8; Ullrich, das Demonstrationsrecht, 92 ff.; Krebs, Vorbehalt des Gesetzes, 63 f. 290 Z. B. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rn. 404; Gusy, in: v. Mangoldt / K lein /  Starck,GG, Bd. 1, Art. 8 Rn. 11. 291 Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rn. 404; zit. von BVerfGE 69, 315 (347). 292 Krit. zur Qualifizierung von Art. 8 I GG als politisches bzw. demokratisches Grundrecht Depenheuer, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 8 Rn. 33 ff.; Kloepfer, in: Isensee / K irchhof, HdbStR Bd. VII, § 164 Rn. 14 ff.; Gusy, in: v. Mangoldt / K lein / Starck, GG, Bd. 1, Art. 8 Rn. 12; Höfling, in: Sachs, GG, Art. 8 Rn. 9 ff.

III. Bestehen und Qualifikation eines Straßenbenutzungsrechts  

67

Verständnis293 in dem Schutz der Versammlungsfreiheit einen Ausdruck gemeinschaftlicher Persönlichkeitsentfaltung und stellt damit die Sicherung der Freiheit des Einzelnen zu kollektivem Handeln in den Vordergrund.294 Dabei erschöpft sich die Bedeutung der Versammlungsfreiheit aber nicht bloß drin, die Meinungsäußerung im Kollektiv zu gewährleisten. Ihren darüber hinausgehenden Wert erlangt sie vor allem dadurch, dass im Wege der kollektiven Freiheitsausübung eine erhöhte Aufmerksamkeit und Durchsetzungskraft für die von der Versammlung verfolgten Anliegen erzeugt wird.295 Lässt man Versammlungen in geschlossenen Räumen, die aufgrund der Ortswahl meist weniger auf die Erzielung von Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit ausgerichtet sind, unberücksichtigt, drängt sich eine entscheidende Gemeinsamkeit der beiden Interpretationsmodelle auf: Das Ziel einer Versammlung, die „unter freiem Himmel“ abgehalten wird, ist es, bestimmte Überzeugungen296 im Kollektiv „auf die Straße“ zu tragen und „einem allgemeinen Publikum zu Gehör zu bringen“.297 Der übergeordnete Sinn und Zweck der Versammlungsfreiheit, eine mög 293

Ausführlich beschrieben von Gusy, in: v. Mangoldt / K lein / Starck, GG, Bd. 1, Art. 8 Rn. 9 f. 294 Vgl. BVerfGE 69, 315 (343): Versammlungen als „Ausdruck gemeinschaftlicher, auf Kommunikation angelegter Entfaltung“; für diese Interpretation wohl auch Schneider, in: Epping /  Hillgruber, BeckOK GG, Art. 8 Rn. 1; Kloepfer, in: Isensee / K irchhof, HdbStR, Bd. VII, § 164 Rn. 2; Depenheuer, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 8 Rn. 1; Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Bd. I, Art. 8 Rn. 15; Gusy, in: v. Mangoldt / K lein / Starck, GG, Bd. 1, Art. 8 Rn. 9; Höfling, in: Sachs, GG, Art. 8 Rn. 12; Müller-Franken, in: Schmidt-Bleibtreu / Hoffmann / Henneke,  GG, Art. 8 Rn. 3. 295 Vgl. Gusy, in: v. Mangoldt / K lein / Starck, GG, Bd. 1, Art. 8 Rn. 9; Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Bd. 1, Art. 8 Rn. 17. 296 In Rechtsprechung u. Literatur werden unterschiedliche Auffassungen zu der Frage vertreten, inwieweit materielle Anforderungen an den Inhalt der von den „Versammlungsteilnehmern“ verfolgten Zwecke zu stellen sind: Teilweise wird vertreten, dass jeder Zweck, mit Ausnahme reiner Konsumfunktion, ausreicht. Teilweise wird der Versammlungsbegriff beschränkt auf Versammlungen, die auf eine gemeinsame Meinungsbildung u. –äußerung gerichtet sind, unabhängig davon, ob es sich um öffentliche oder private Themen handelt. Das engste Normverständnis erfordert, dass die Versammlung die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung bezweckt. Diese Frage ist jedoch für die Frage nach einem Straßenbenutzungsrecht der Grundrechtsträger nicht relevant. Zu den unterschiedlichen Versammlungsbegriffen z. B. Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Bd. I, Art. 8 Rn. 27 f.; Depenheuer, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 8 Rn. 48 ff.; Schneider, in: Epping / Hillgruber, BeckOK GG, Art. 8 Rn. 7 ff.; Gusy, in: v. Mangoldt / K lein / Starck, GG, Bd. 1, Art. 8 Rn. 17 f. A. A. aber BVerfGE 104, 92 (104); Schwäble, Das Grundrecht der Versammlungsfreiheit, 86 ff. Einen Überblick über den Versammlungsbegriff in der Rspr. des BVerfGs gibt z. B. Hofmann-Riem, in: Merten / Papier, HdB GR, Bd. IV, § 106 Rn. 45 ff. Welchen Inhalt eine Versammlung hat, wird jedoch relevant, wenn es darum geht, ob im Einzelfall die Fläche einer sonstigen staatlichen Einrichtung oder eine private Fläche für die Durchführung einer Versammlung genutzt werden dürfen. Dazu noch unter C. III. 2. b) bb) sowie unter D. III. 2. b) bb). 297 So ausdrücklich BVerfGE 128, 226 (252); nach Burgi, DÖV 1993, 633 (638) ist die Versammlungsfreiheit das Grundrecht mit der „begriffsnotwendig größten Außenrelevanz“; für das schweizerische Recht ausdrücklich auch Bosshart, Demonstrationen auf öffentlichem Grund, 1: „unmittelbaren Apellwirkung in der Öffentlichkeit“.

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B. Art. 8 I GG und der öffentliche Straßenraum

lichst breite Außenwirkung zu erzielen, bestätigt damit den über die Wortlautauslegung bereits herausgestellten Flächenbezug von Art. 8 I GG.298 Diesem Sinn und Zweck von Art. 8 I GG lassen sich darüber hinaus konkrete Anforderungen an die „Art“ bzw. „Beschaffenheit“ der Flächen entnehmen. Ist das wesentliche Ziel einer Versammlung die Erzielung von Außenwirkung, müssen die Grundrechtsträger auf Flächen zurückgreifen können, auf denen sie möglichst viel Gehör finden. Es besteht also ein Bedarf nach Örtlichkeiten, auf denen sich ein breites Publikum bewegen kann.299 Der öffentliche Straßenraum steht aufgrund seiner Widmung für den Gemeingebrauch grundsätzlich jedem offen. Wie bereits dargestellt,300 erfüllen öffentliche Straßen innerhalb geschlossener Ortslagen neben dem Fortbewegungszweck auch eine Aufenthalts- und Erschließungsfunktion.301 So ist innerorts das Straßenbild häufig gekennzeichnet durch ein Nebeneinander von Händlern, Musikanten und Passanten, die Gespräche führen. Im öffentlichen Straßenraum entstehen also zwangsläufig Flächen der Begegnung, der Auseinandersetzung und der Kommunikation.302 Diese vielfältige Nutzung lässt ein breites Versammlungspublikum entstehen, wodurch der öffentliche Straßenraum zu einem „besonders öffentlichkeitswirksame[n] Podium [wird], um unmittelbar vor Ort (…) allein durch physische Präsenz Aufmerksamkeit“303 für das versammlungsspezifische Anliegen zu gewinnen.304 Damit steht fest, dass der öffentliche Straßenraum als Versammlungsfläche zumindest prädestiniert ist. Das verdeutlicht auch die Versammlungspraxis: Versammlungen finden in der Regel in Fußgängerzonen, auf Marktplätzen oder in anderen innerstädtischen Bereichen statt.305 Die bloße Eignung des öffentlichen Straßenraums für die Abhaltung von Versammlungen „unter freiem Himmel“ erklärt aber noch nicht, warum die Versammlungsteilnehmer gleichzeitig auch ein darauf gerichtetes, grundrechtlich garantiertes Nutzungsrecht haben müssen. In Anlehnung an die im Wege der systematischen Auslegung gewonnene Erkenntnis, dass der Staat zur Herstellung „realer“ Freiheit verpflichtet ist, kommt ein solches Recht zumindest dann in Betracht, wenn neben dem öffentlichen Straßenraum keine geeigneten Flächen für Versammlungen „unter freiem Himmel“ zur Verfügung stehen. Der städtische Raum ist grundsätz 298

Vgl. auch Formulierung des BVerfGE 128, 226 (265): „spezifischem Raumbezug“. Vgl. Krisor-Wietfeld, Rahmenbedingungen der Grundrechtsausübung, 36; Wimmer, MDR 1964, 280 (280); Schwerdtfeger, Die Grenzen des Demonstrationsrechts, 29 f. 300 S. oben unter B. I. 2. cc). 301 Vgl. Grupp, in: Marschall, FStrG; § 7 Rn. 11; Stahlhut, in: Kodal, Straßenrecht, Kap. 25 Rn 22 ff.; Sauthoff, in: Müller / Schulz, FStrG, § 7 Rn. 22; Lorenz / Will, StrG BW, § 13 Rn. 22; Kenntner, ÖffR BW, Rn. 1018; Schnebelt, in: Schnebelt / K romer, StR BW, 6. Abschn. Rn. 208. 302 Vgl. Grupp, in: Marschall, FStrG, § 7 Rn. 11; zu den unterschiedlichen Funktionen der Straße ausführlich Siehr, Das Recht am öffentlichen Raum, 204 ff., insbes. 205. 303 Prothmann, Die Wahl des Versammlungsortes, 33. 304 S. auch Bairl-Vaslin, Das Verhältnis der Versammlungsfreiheit zum Straßenrecht und Straßenverkehrsrecht, 153; Prothmann, Die Wahl des Versammlungsortes, 32. 305 Vgl. Bairl-Vaslin, Das Verhältnis der Versammlungsfreiheit zum Straßenrecht und Straßenverkehrsrecht, 154, Fn. 49; für das schweizerische Recht Bosshart, Demonstrationen auf öffentlichem Grund, 33. 299

III. Bestehen und Qualifikation eines Straßenbenutzungsrechts  

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lich durch das öffentliche Straßenrecht bestimmt. Daher sind unbebaute Grundstücke privater Eigentümer, die für die Abhaltung einer Versammlung grundsätzlich in Betracht kommen und die von den jeweiligen Eigentümern auch für eine solche Nutzung freigegeben werden, innerorts kaum zu finden.306 Hinzu kommt, dass bei Versammlungen mit besonders vielen Teilnehmern der öffentliche Straßenraum häufig auch die einzige geeignete Fläche ist, die den Andrang einer großen Anzahl von Menschen bewältigen kann.307 Zwar könnte man die Grundrechtsträger auf Flächen außerhalb der Stadt verweisen, auf denen auch große Menschenmengen Platz hätten. Allerdings wäre hier nicht garantiert, dass die Versammlungsteilnehmer eine möglichst große Außenwirkung erreichen.308 Da die Versammlung aber – wie gesehen – zusammentritt, um bei einem möglichst breiten Publikum Gehör zu finden, bedarf sie der Infrastruktur des öffentlichen Straßenraums. Demnach stehen den Grundrechtsträgern tatsächlich keine anderen Flächen zur Verfügung, die für die Abhaltung von Versammlungen „unter freiem“ Himmel gleichermaßen geeignet sind. Hätten die Versammlungsteilnehmer also kein Benutzungsrecht am öffentlichen Straßenraum, wäre nicht garantiert, dass sie von ihrer in Art. 8 I GG garantierten Freiheit auch tatsächlich Gebrauch machen können. Diese faktischen Gegebenheiten zeigen also, dass die Nutzung des öffentlichen Straßenraums für die Abhaltung einer Versammlung „unter freiem Himmel“ nicht nur besonders geeignet, sondern sogar notwendig ist.309 e) Zwischenergebnis Der Wortlaut, die historische Betrachtung sowie die Auslegung des Art. 8 I GG nach seinem Sinn und Zweck verdeutlichen in ihrer Gesamtheit, dass die Grundrechtsträger gerade auf die Nutzung des öffentlichen Straßenraums zur Ausübung 306

Vgl. Bairl-Vaslin, Das Verhältnis der Versammlungsfreiheit zum Straßenrecht und Straßenverkehrsrecht, 153. 307 Vgl. Zehelein, Kommunikativer Straßenverkehr, 67; Enders / Hofmann-Riem / Poscher /  Kniesel / Schulze-Fielitz, ME VersG 2011, Begr. zu § 21, I., 1.; Prothmann, Die Wahl des Versammlungsortes, 32. 308 Vgl. auch Röthel, Grundrechte in der mobilen Gesellschaft, 98; Bairl-Vaslin, Das Verhältnis der Versammlungsfreiheit zum Straßenrecht und Straßenverkehrsrecht, 153; Prothmann, Die Wahl des Versammlungsortes, 30; für das schweizerische Recht Bosshart, Demonstrationen auf öffentlichem Grund, 2. 309 So BVerfGE 128, 226 (251): der öffentliche Straßenraum, als „das natürliche und geschichtlich leitbildprägende Forum, auf dem Bürger ihr Anliegen besonders wirksam in die Öffentlichkeit tragen und hierüber die Kommunikation anstoßen können.“ Vgl. Enders /  Hoffmann-­Riem / Kniesel / Poscher / Schulze-Fielitz, ME VersG 2011, Begr. § 21, I., 1.; Zehelein, Kommunikativer Straßenverkehr, 68; Brohm, JZ 1985, 501 (507); Burgi, DÖV 1993, 633 (638); Röthel, Grundrechte in der mobilen Gesellschaft, 97 f.; Ehrentraut, Die Versammlungsfreiheit im amerikanischen und deutschen Verfassungsrecht, 159; Hoffmann, Grundrechte und straßenrechtliche Benutzungsordnung, 70; Lorenz, JuS 1993, 375 (375); vgl. auch Kersten / Meinel, JZ 2007, 1127 (1131), für das schweizerische Recht Bosshart, Demonstrationen auf öffentlichem Grund, 2; Bairl-Vaslin, Das Verhältnis der Versammlungsfreiheit zum Straßenrecht und Straßenverkehrsrecht, 153; Hölscheidt, DVBl. 1987, 666 (669).

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B. Art. 8 I GG und der öffentliche Straßenraum

ihrer Versammlungsfreiheit „unter freiem Himmel“ angewiesen sind. Die Versammlungsfreiheit ist damit zwar theoretisch, aber jedenfalls nicht real ohne die Nutzung des öffentlichen Straßenraums denkbar. Mithilfe der systematischen Auslegung wurde aber deutlich, dass der Staat – ähnlich wie z. B. bei Art. 14 I 2 GG – auch im Rahmen von Art. 8 I GG dafür Sorge tragen muss, dass die Grundrechtsträger von ihrer rechtlich gewährleisteten Freiheit auch tatsächlich Gebrauch machen können. Daraus ergibt sich als rechtliche Konsequenz, dass Art. 8 I GG „insoweit ein Recht zur Mitbenutzung der im Allgemeingebrauch stehenden Straßen ein[schließen muss]“310.311 Der Staat wird also unmittelbar durch Art. 8 I GG verpflichtet, für Versammlungen Flächen des öffentlichen Straßenraums zur Verfügung zu stellen.312 Die Auslegung von Art. 8 I GG konnte damit das zunächst nur vorläufig gewonnene Ergebnis, dass die Versammlungsfreiheit ein Benutzungsrecht für die Flächen des öffentlichen Straßenraums garantiert, bestätigen.

2. Problem bei der Qualifikation des Straßenbenutzungsrechts Dieses Ergebnis wirft konsequenterweise die Frage auf, wie das auf den öffentlichen Straßenraum bezogene Straßenbenutzungsrecht der Grundrechtsträger im Rahmen von Art. 8 I GG dogmatisch erklärt werden kann. a) Straßenbenutzungsrecht als abwehrrechtlicher Unterlassungsanspruch Art. 8 I GG wird vor allem als „klassisches“ Abwehrrecht313 gesehen, sodass es naheliegt, auch das Straßenbenutzungsrecht in diesen status negativus314 der Versammlungsfreiheit einzuordnen. Maßgeblich für die Qualifikation eines Grundrechts als negatives oder positives Statusrecht ist die äußere Form der vom Staat 310

BVerfGE 73, 206 (249). So die überwiegende Auffassung: z. B. Gallwas, JA 1986, 484 (492); Röthel, Grundrechte in der mobilen Gesellschaft, 98; Bairl-Vaslin, Das Verhältnis der Versammlungsfreiheit zum Straßenrecht und Straßenverkehrsrecht, 154; Burgi, DÖV 1993, 633 (638); Quilisch, Die demokratische Versammlung, 180; Wimmer, MDR 1964, 280 (280); Schwäble, Das Grundrechtrecht der Versammlungsfreiheit, 109, 171. A. A. wohl Brohm, JZ 1985 501 (506 f.); Ehrentraut, Die Versammlungsfreiheit im amerikanischen und deutschen Verfassungsrecht, 159; Schwerdt­ feger, Die Grenzen des Demonstrationsrechts, 30; Hölscheidt, DVBl. 1987, 666 (669); für das schweizerische Recht Bosshart, Demonstrationen auf öffentlichem Grund, 2. 312 Vgl. ausdrücklich Hölscheidt, DVBl. 1987, 666 (669): „Art. 8 I GG den Staat verpflichtet, für Demonstrationen öffentlichen Raum zur Verfügung zu stellen (…).“ 313 Z. B. Höfling, in: Sachs, GG, Art. 8 Rn. 40; Gusy, in: v. Mangoldt / K lein / Starck,  GG, Bd. 1, Art. 8 Rn. 44; Müller-Franken, in: Schmidt-Bleibtreu / Hoffmann / Henneke,  GG, Art.  8 Rn. 5; Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Bd. I, Art. 8 Rn. 59. 314 Die Kategorien des status negativus u. status positivus gehen zurück auf Jellinek, System der subjektiven öffentlichen Rechte, 94 ff.; 114 ff. Analyse u. Kritik z. B. bei Alexy, Theorie der Grundrechte, 229 ff.; Scherzberg, Grundrechtsschutz und „Eingriffsintensität“, 214 ff. 311

III. Bestehen und Qualifikation eines Straßenbenutzungsrechts  

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begehrten Handlung.315 Soll der Staat aktiv tätig werden, geht es um den status positivus, um das Grundrecht in seiner leistungsrechtlichen316 Dimension. Wird von dem Staat ein Unterlassen verlangt, ist der status negativus, die abwehrrechtliche Seite des Grundrechts, einschlägig.317 Demnach folgt das Straßenbenutzungsrecht für Versammlungsteilnehmer dann aus dem status negativus von Art. 8 I GG, wenn vom Staat für die Umsetzung der Straßennutzung zu Versammlungszwecken ein Unterlassen verlangt wird. Auf den ersten Blick liegt ein abwehrrechtliches Verständnis der Straßennutzung für Versammlungszwecke nahe: Der öffentliche Straßenraum ist als Fläche tatsächlich vorhanden. Die Verwirklichung des Straßenbenutzungsrechts der Versammlungsteilnehmer verlangt vom Staat, verkörpert durch die Straßenbaubehörden, in Bezug auf den öffentlichen Straßenraum also „nur“, gegen die Nutzung der öffentlichen Straßen durch die Grundrechtsträger nicht einzuschreiten, diese also zu dulden.318 Das Dulden bestimmter Verhaltensweisen erfordert kein aktives Tun, sondern das Unterlassen negativer Einwirkungen.319 Stellt man also isoliert auf das nach außen hin sichtbare Verhalten des Staates ab, resultiert das Straßenbenutzungsrecht aus dem status negativus von Art. 8 I GG. Bei dieser rein äußerlichen Betrachtung des vom Staat verlangten Verhaltens darf aber nicht stehen geblieben werden. Hierbei bleibt nämlich dogmatisch unberücksichtigt, dass der Anspruch der Versammlungsteilnehmer bzw. die entsprechende staatliche Verpflichtung zur Bereitstellung des öffentlichen Straßenraums zu Versammlungszwecken im Ergebnis aus einem Leistungsaspekt heraus ermöglicht wird:320 Die Straßenbaubehörden können die oben beschriebene Unterlas 315

Zur Erschließung des Berechtigungsgehalts eines Grundrechts vom Verpflichtungsgehalt her s. Krebs, in: Merten / Papier, HdB GR, § 31 Rn. 73 ff. 316 „Leistungsrechte“ werden an dieser Stelle noch weit verstanden. Die Bezeichnung soll alle auf aktives staatliches Tun gerichtete Verpflichtungen erfassen. 317 Alexy, Theorie der Grundrechte, 395; Lübbe-Wolff, Die Grundrechte als Eingriffsabwehrrechte, 34; Rüfner, in: Merten / Papier, HdB GR, Bd. II, § 40 Rn. 1; Jarass, in: Merten / Papier, HdB GR, Bd. II, § 38 Rn. 16, 22, 48 f.; Schwabe, Probleme der Grundrechtsdogmatik, 10, 13 ff.; Koch, Grundrechtsschutz, 85 f.; Stern, in: Isensee / K irchhof, HdBStR, Bd. V, § 109 Rn. 41 ff.; Isensee, in: Isensee / K irchhof, HdBStR, Bd. IX, § 191 Rn. 144 f.; vgl. auch Burgi, DÖV 1993, 633 (636); Hesse, in: Däubler-Gmelin u. a., FS Mahrenholz, 541 (543 f.). A. A. aber KrisorWittfeld, Rahmenbedingungen der Grundrechtsausübung, 166. 318 Vgl. Burgi, DÖV 1993, 633 (636), der insoweit von einem „gewähren lassen“ spricht u. damit die Annahme einer Leistung ablehnt; dazu auch Ehrentraut, Die Versammlungsfreiheit im amerikanischen und deutschen Verfassungsrecht, 159, der von einem „schlichten Dulden“ spricht; Siehr, Das Recht am öffentlichen Raum, 467; Höfling, in: Sachs, GG, Art. 8 Rn. 41; so auch Stern, in: Stern, StaatsR, Bd. III/1, 701 f., der allgemein für die Nutzung sächlicher Mittel das Verhalten der öffentlichen Gewalt auf eine Duldung beschränkt sieht; s. auch Schwabe, Grundrechtsdogmatik, 15, 244 ff. Dazu allgemein Murswiek, in: HdBStR, Bd. IX, § 192 Rn. 72. 319 Vgl. Schwabe, Grundrechtsdogmatik, 15; Stern, in: Stern, StaatsR, Bd. III/1, 701; Burgi, Erholung in freier Natur, 264. 320 Vgl. Ehrentraut, Die Versammlungsfreiheit im amerikanischen und deutschen Verfassungsrecht, 159; Brohm, JZ 1985, 501 (507); Murswiek, in: HdbStR IX, § 192 Rn. 72.

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B. Art. 8 I GG und der öffentliche Straßenraum

sungsverpflichtung nur erfüllen, wenn erstens der Staat dafür sorgt, dass öffent­ liche Straßen gebaut und zweitens mithilfe des Straßenrechts auch tatsächlich zur Nutzung bereitgestellt werden.321 Die Grundrechtsträger sind folglich, soweit sie von ihrer Versammlungsfreiheit im öffentlichen Straßenraum Gebrauch machen wollen, „notwendig auf die Inanspruchnahme einer staatlichen Leistung angewiesen“322. Hier erscheint der Staat  – entgegen dem klassischen abwehrrechtlichen Verständnis – eindeutig nicht als Gefährder, sondern als „Garant“ der Versammlungsfreiheit, der durch aktives Tun dafür sorgt, dass die Grundrechtsträger von ihrer in Art. 8 I GG gewährleisteten Freiheit auch tatsächlich Gebrauch machen können. Ist die Form des Verhaltens, das vom Staat gefordert wird, aber ein aktives Handeln, geht es um den status positivus eines Grundrechts. Es ist also gerade nicht möglich, die ursprünglich nicht existierende und durch aktives staatliches Handeln erst ermöglichte Nutzung öffentlicher Straßen nur durch staatliches Unterlassen zu bewirken.323 Bevor man vorschnell die „klassische“ Abwehrdimension verlässt, könnte man noch erwägen, ob – trotz dieser Leistungsmomente – auch die aktive staatliche Bereithaltung von Flächen des öffentlichen Straßenraums zu Versammlungszwecken als eine staatliche Unterlassungspflicht konstruiert werden könnte. Dies ist „im Wege der doppelten Negation“324 möglich: Das Straßenbenutzungsrecht der Versammlungsteilnehmer kann als objektive Verpflichtung des Staates begriffen werden, es zu unterlassen, den öffentlichen Straßenraum für Versammlungszwecke nicht zur Verfügung zu stellen. Dieser objektiven Verpflichtung entspräche dann das aus Art. 8 I GG folgende, gegen die Straßenbaubehörden325 gerichtete, subjektive Recht der Versammlungsteilnehmer, die Nichtgewährung der Benutzung des öffentlichen Straßenraums für Versammlungszwecke, zu unterlassen. Kommen die Straßenbaubehörden dieser Unterlassungsverpflichtung nicht nach, sondern fordern z. B. die vorherige Einholung einer Sondernutzungserlaubnis, greifen sie in das von Art. 8 I GG abwehrrechtlich gewährleistete Straßenbenutzungsrecht 321

Vgl. dazu auch Ehrentraut, Die Versammlungsfreiheit im amerikanischen und deutschen Verfassungsrecht, 159; zwischen den beiden Stufen differenzierend auch Mayen, Der grundrechtliche Informationsanspruch, 159; Prothmann, Die Wahl des Versammlungsortes, 150, zieht den Vergleich zur Zweistufentheorie bei öffentlichen Einrichtungen u. differenziert zwischen dem „Ob“ (Entstehung der Straße) u. dem „Wie“ (Nutzung der Straße), wobei auch Prothmann der ersten Stufe Leistungscharakter zuspricht, darauf aber nicht weiter eingeht. 322 Krebs, VerwArch 1976, 329 (332); vgl. Ehrentraut, Die Versammlungsfreiheit im amerikanischen und deutschen Verfassungsrecht, 159; vgl. Zehelein, Kommunikativer Straßenverkehr, 55 für Art. 5 I GG. 323 Vgl. Murswiek, in: HdbStR IX, § 192 Rn. 72; Zehelein, Kommunikativer Straßenverkehr, 55 f. Nach Huber, DÖV 1955, 129 (130) ist der Gemeingebrauch „ein staatlich geschaffenes und staatliche verliehenes Recht.“ 324 Mayen, Der grundrechtliche Informationsanspruch, 125. 325 Genau genommen richtet sich der Anspruch nicht gegen die Straßenbaubehörde, sondern gegen ihren Verwaltungsträger, da Rechte u. Pflichten jeweils nur zwischen Rechtsträgern bestehen können. Die Straßenbaubehörde ist insoweit nur das die Pflicht bzw. den Anspruch erfüllende Organ.

III. Bestehen und Qualifikation eines Straßenbenutzungsrechts  

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ein.326 Gegen das staatliche „Nichtgewährenlassen“ der Nutzung des öffentlichen Straßenraums zu Versammlungszwecken können sich die Grundrechtsträger dann mithilfe ihres aus dem status negativus von Art. 8 I GG folgenden Unterlassungsanspruch zur Wehr setzen.327 Es scheint also zumindest möglich, ein so konkretisiertes Straßenbenutzungsrecht der Versammlungsteilnehmer mit der abwehrrechtlichen Schutzwirkung des Art. 8 I GG dogmatisch zu erklären.328 b) Kritik und Einordnung in den status activus Wie die oben verwendeten „sperrigen“ Formulierungen erkennen lassen, ist die Qualifikation des Straßenbenutzungsrechts als ein aus dem status negativus von Art. 8 I GG folgender Unterlassungsanspruch aber eine rein sprachliche Scheinkonstruktion:329 Das Recht der Grundrechtsträger, die öffentlichen Straßen für 326

So z. B. Burgi, DÖV 1993, 633 (639). Diese Argumentation ist häufig zu finden unter dem Stichwort „Eingriff kraft Unterlassens“, das den Versuch umschreibt, die Abwehrrechte zu rekonstruieren u. den Eingriffsbegriff auf ein Unterlassen auszudehnen. Dabei geht es aber i. E. um die Ausweitung des grundrecht­ lichen Schutzbereichs bzw. um die Definition des Freiheitsbegriffs; dargestellt von Mayen, Der grundrechtliche Informationsanspruch, 123 ff., 125, 155 ff.; in Bezug auf die Nutzung fremden Eigentums Schwabe, Grundrechtsdogmatik, 247. Allgemein Stern, in: Stern, StaatsR, Bd. III/1, 703; auch Lübbe-Wolff, Die Grundrechte als Eingriffsabwehrrechte, 226 f.; Hillgruber, in: Isensee /  Kirchhof, HdBStR, Bd. IX, § 200 Rn. 81 f.; Cremer, Freiheitsgrundrechte, 136 ff.; Lerche, Übermaß und Verfassungsrecht, 265 f.; i. E. auch Murswiek, Die staatliche Verantwortung für die Risiken der Technik, 107, der in der Verletzung einer Schutzpflicht die staatliche Verletzung des Grundrechts als Abwehrrechts sieht; Burgi, Erholung in freier Natur, 266 f. 328 Vgl. Ehrentraut, Die Versammlungsfreiheit im amerikanischen und deutschen Verfassungsrecht, 159, der zumindest erwägt, ob der Anspruch der Versammlungsteilnehmer nicht Ausprägung der dem Abwehrrecht innewohnenden Unterlassungsverpflichtung ist; dazu auch Prothmann, Die Wahl des Versammlungsortes, 151 ff., 154, der diese Konstruktion für einen „juristisch konstruierbaren und gangbaren Weg hält“; vgl. auch Röthel, Grundrechte in der mobilen Gesellschaft, 167 aber beschränkt auf den Fall, dass die Straßennutzung unerlässliche Voraussetzung für die Freiheitsverwirklichung ist; s. auch Burgi, DÖV 1993, 633 (636), der bereits durch den Nachweis, dass der Staat ein Unterlassen schuldet, die Abwehrdimension bejaht; Siehr, Das Recht am öffentlichen Raum, 468; unter dem Stichwort „Abwehrrechte und Rahmenbedingungen“ auch Krisor-Wittfeld, Rahmenbedingungen der Grundrechtsausübung, 162 ff.; dazu auch Kopp, NJW 1994, 1753 (1755); i. E. auch Gornik, Die Bindung der Betreiber öffentlicher Räume, 382 ff.; Höfling, in: Sachs, GG, Art. 8 Rn. 41 f.; Kniesel, in: Dietel / Gintzel / K niesel, VersG, Teil I Rn.  34; Gusy, in: v. Mangoldt / K lein / Starck,  GG, Bd.  1, Art. 8 Rn. 45; Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Bd. I, Art. 8 Rn. 35, 115 mit klarer Aussprache gegen den leistungsrechtlichen Charakter der Zurverfügungstellung von öffentlichen Straßen; zu der grundsätzlichen Möglichkeit einer abwehrrechtlichen Erklärung auch Murswiek, in: HdbStR IX, § 192 Rn. 72. 329 S. auch Lübbe-Wolff, Die Grundrechte als Eingriffsabwehrrechte, 205, die anschaulich formuliert, dass diese Vorgehensweise als „einen Beigeschmack von Trick und Sophisterei“ habe. Nach Mayen, Der grundrechtliche Informationsanspruch, 129, „erweist sich diese abwehrrechtliche Begründung als Scheinlösung“; s. auch Prothmann, Die Wahl des Versammlungsortes, 152, der diesen Vorwurf aber im Anschluss wieder relativiert; nach Murswiek, in: HdbStR IX, § 192 Rn. 72 handelt es sich um eine „formalistisch-konstruierende Betrachtungsweise“. 327

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B. Art. 8 I GG und der öffentliche Straßenraum

Versammlungszwecke zu nutzen, wird durch die doppelte Negation gerade nicht zur Folge und zum Bestandteil des grundrechtlichen Abwehranspruchs, sondern bleibt inhaltlich ein auf positives staatliches Tun gerichteter Anspruch, der lediglich im Gewand der abwehrrechtlichen Dogmatik erscheint.330 Ansonsten könnte jede grundrechtliche Leistungspflicht sprachlich in eine aus dem status negativus folgende grundrechtliche Unterlassungsverpflichtung umgedeutet werden. So könnte beispielsweise auch Art. 14 I 2 GG als staatliche Pflicht konstruiert werden, die Nichtausgestaltung des Eigentums durch Gesetz zu unterlassen.331 Damit wäre auch die eindeutig auf ein aktives staatliches Tun gerichtete Bestimmung des Art. 14 I 2 GG eine Unterlassungspflicht und demzufolge Ausfluss des status negativus von Art. 14 I GG. Eine Pflicht zur Unterlassung einer Unterlassung ist aber eine Pflicht zur Leistung, und ein Anspruch auf Unterlassung einer Unterlassung bleibt ein Leistungsanspruch.332 Die Versammlungsteilnehmer haben also – positiv formuliert – einen Anspruch gegen die Straßenbaubehörden, den öffentlichen Straßenraum zu Versammlungszwecken zur Verfügung zu stellen und nicht darauf, dies nicht zu unterlassen. Der Umstand, dass die Norm auf die Nichtzurverfügungstellung der Straße durch die Straßenbehörden abwehrrechtlich zu reagieren scheint, ändert also im Ergebnis nichts an der Qualifikation des Straßenbenutzungsrechts als Leistungsrecht.333 Daraus folgt insgesamt, dass für eine dogmatische Erklärung des aus Art. 8 I GG folgenden Straßenbenutzungsrechts jedenfalls nicht bei einem rein abwehrrechtlichen Verständnis, d. h. ohne jeden Rückgriff auf leistungsrechtliche Grundrechtsgehalte stehen geblieben werden kann.334 Vielmehr gehen Leistungs- und Abwehrdimension bei dem aus Art. 8 I GG folgenden Straßenbenutzungsrecht der 330 Vgl. Mayen, Der grundrechtliche Informationsanspruch, 130; Lübbe-Wolff, Die Grundrechte als Eingriffsabwehrrechte, 34; zum schweizerischen Recht Bosshart, Demonstrationen auf öffentlichem Grund, 118, der sich für die Annahme einer positiven staatlichen Leistung ausspricht. 331 Vgl. auch Remmert, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 103 I Rn. 27 mit dem anschaulichen Beispiel, dass so die Verpflichtung eines Käufers zur Zahlung des Kaufpreises als Verpflichtung begriffen werden könnte, die Nichtzahlung zu unterlassen. 332 So Remmert, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 103 I Rn. 27 in Bezug auf den auf staatliches Tun gerichteten Anspruch auf rechtliches Gehör. 333 So z. B. auch Zehelein, Kommunikativer Straßenverkehr, 56, 70; Murswiek, in: HdbStR IX, § 192 Rn. 72 spricht sich für eine teilhaberechtliche Begründung aus. 334 Vgl. Zehelein, Kommunikativer Straßenverkehr, 70; dazu auch Murswiek, in: HdbStR IX, § 192 Rn. 72. Nach Brohm, JZ 1985, 501 (507), greift die abwehrrechtliche Funktion von Art. 8 I GG nur gegenüber einschränkenden Verfügungen der Behörden; vgl. auch Höfling / Burkiczak, in: Friauf / Höfling, Berl. Komm. GG, Art. 103 Rn. 31 in Bezug auf die Einordnung des Anspruchs auf rechtliches Gehör in die abwehrrechtliche Dimension; gegen eine abwehrrecht­ liche Konstruktion spricht sich auch Scherzberg, Grundrechtsschutz und „Eingriffsintensität“, 144 ff., insbes. 152 aus. A. A. aber z. B. Prothmann, Die Wahl des Versammlungsortes, 154 ff., der ein Straßenbenutzungsrecht als ein Fall des abwehrrechtlichen Störungsbeseitigungsanspruchs konstruiert u. so eine abwehrrechtliche Begründung bejaht. Hierzu näher bei Cremer, Freiheitsgrundrechte, 141 ff. Vgl. für Art. 5 III GG Mayen, Der grundrechtliche Informationsanspruch, 126, 134 ff.

IV. Dogmatische Begründung 

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Versammlungsteilnehmer gewissermaßen ineinander über.335 Erforderlich ist daher ein ganzheitlicher Erklärungsansatz, der beide Aspekte, also Leistungs- und Abwehrcharakter des Straßenbenutzungsrecht dogmatisch begründen kann.

IV. Dogmatische Begründung: staatliche Schutzpflicht zugunsten „realer“ Freiheit Die Inanspruchnahme des Staates zum aktiven Schutz der grundrechtlichen Gewährleistungen ist anerkanntermaßen Gegenstand der grundrechtlichen Schutzpflicht336.337 Daher ist es naheliegend, dass auch zur Lösung des hier aufgeworfenen Problems die grundrechtliche Schutzpflichtendimension ein taugliches Erklärungsmodell für die Auswirkungen von Art. 8 I GG auf die Nutzbarkeit des öffentlichen Straßenraums zu Versammlungszwecken bildet. Um herauszufinden, ob das zutrifft, sind zunächst die allgemein geltenden Grundsätze und insbesondere die Wirkungsweise der grundrechtlichen Schutzpflichtendimension zu bestimmen.338 Erst im Anschluss kann der Versuch unternommen werden, diese allgemein geltenden Grundsätze der grundrechtlichen Schutzpflicht auf Art. 8 I GG und die Nutzung des öffentlichen Straßenraums für Versammlungen zu übertragen.339 Gelingt dies, kann überprüft werden, ob der Staat seiner Schutzpflicht tat 335 So i. E. auch Mayen, Der grundrechtliche Informationsanspruch, 159; Prothmann, Die Wahl des Versammlungsortes, 150. Diese beiden Autoren ziehen hieraus allerdings „nur“ den Schluss, dass damit die Nutzung des vom Staat geschaffenen Substrats mit der Abwehrdimension erklärt werden kann. Eine einheitliche Lösung für alle Komponenten des Straßenbenutzungsrechts wird nicht gesucht. Röthel, Grundrechte in der mobilen Gesellschaft, 102 ist ebenfalls der Auffassung, dass sich das Straßenbenutzungsrecht zumindest nicht ausschließlich in den Kategorien des Abwehrrechts erfassen lässt. Nach Hölscheidt, DVBl. 1987, 666 (669) ist Art. 8 I GG „kein reines Abwehrrecht, sondern hat auch eine leistungsrechtliche Komponente“. 336 Die Schutzpflicht wird teilweise um das Attribut „staatlich“ u. teilweise auch um den Begriff „grundrechtlich“ ergänzt, wobei diese unterschiedlichen Formulierungen inhaltlich keine Auswirkungen haben. Die Verwendung der unterschiedlichen Begriffe resultiert nur daraus, dass die „staatliche“ Schutzpflicht auf den Adressaten abstellt, während die „grundrecht­ liche“ Schutzpflicht auf das Schutzobjekt bezogen ist; vgl. z. B. Isensee, in: Isensee / K irchhof, HdBStR, Bd. IX, § 191 Rn. 191. 337 Die Lehre von der Schutzpflicht ist, trotz der Differenzen im Hinblick auf die unterschiedlichen Begründungsansätze u. ihre genaue Ausgestaltung, ein fester Bestandteil der Grundrechtslehre, vgl. Isensee, in: Isensee / K irchhof, HdBStR, Bd. IX, § 191 Rn. 25. Die umfassende Akzeptanz der Schutzpflicht zeigt sich in der Fülle an Literatur zu diesem Thema: z. B. Murswiek, Die staatliche Verantwortung für die Risiken der Technik, 88 ff.; Klein, NJW 1989, 1633 (1633 ff.); Calliess, in: Merten / Papier, HdB GR, Bd. II, § 44 Rn. 4; Störring, Das Untermaßverbot, 27 ff.; Schmitz, Grundrechtliche Schutzpflichten, 78 ff.; Hufen, Staatsrecht II, § 5 Rn. 5; Kingreen / Poscher, Grundrechte, Rn. 133 ff.; Dreier, in: Dreier, GG, Bd. I, Vorb. Rn. 101 ff.; Calliess, JZ 2006, 321 (322 ff.); Stern, in: Stern, StaatsR, Bd. III/1, 931 ff.; Dietlein, Die Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten, 34 ff. 338 Dazu unter B. IV. 2. u. 3. 339 Dazu unter B. V. 1. u. 2.

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B. Art. 8 I GG und der öffentliche Straßenraum

sächlich nachkommt.340 Damit zeigt sich zugleich auch, ob die zu Beginn dieser Arbeit aufgestellte These, dass die Schutzpflicht als Erklärungsmodell für die in Rechtsprechung und Literatur angenommenen Auswirkungen von Art. 8 I GG auf die straßenrechtliche Benutzungsordnung herangezogen werden kann, richtig ist.341

1. Erste Annäherung an die grundrechtliche Schutzpflichtendimension a) Anhaltspunkte im Grundgesetz Das Grundgesetz beinhaltet eine Reihe von Anhaltspunkten für eine Inanspruchnahme des Staates zum aktiven Schutz grundrechtlicher Gewährleistungen. So findet sich bereits im ersten Artikel der Verfassung die Formulierung: „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“342 Art. 1 I 2 GG formuliert damit einen gleichrangigen343 Doppelauftrag an den Staat: Während der Begriff des Achtens auf den status negativus zielt, kann dem Begriff „schützen“ ein Moment aktiven staatlichen Handelns entnommen und damit als Verweis auf den grundrechtlichen status positivus angesehen werden. Art. 1 III GG spricht darauf aufbauend die Bindung der gesamten staatlichen Gewalt an die Grundrechte aus. Geht man davon aus, dass Art. 1 I 2 GG Grundrechtsqualität hat,344 und berücksichtigt man seine Stellung am Anfang des Grundrechtsteils, liegt die Hypothese nahe, dass Art. 1 III GG die gesamte staatliche Gewalt auch auf den Schutz der Menschenwürde in Art. 1 I 2 Alt. 2 GG verpflichtet.345 Dadurch wird bereits deutlich, dass das Grundgesetz neben der klassischen Abwehrdimension ausdrücklich eine staatliche Schutzdimension – jedenfalls für die Menschenwürde  – vorsieht. Auch Art. 6 I GG („besondere[r] Schutze der staatlichen Ordnung“) und Art. 6 IV GG („Schutz und Fürsorge der Gemeinschaft“) lassen sich als Belege dafür heranziehen, dass die Verfassung von dem Bestehen einer grundrechtlichen Schutzpflichtendimension bezüglich dieser Grundrechte ausgeht.346 Ein subjektives Recht der Grundrechtsträger auf Schutz

340

Unter B. V. 3. Unter B. VI. 342 Vgl. Art. 1 I 2 GG, Hervorh. d. Verf. 343 Vgl. Isensee, in: Isensee / K irchhof, HdBStR, Bd. IX, § 191 Rn. 28. 344 Zur Rechtsnatur von Art. 1 I 2 GG z. B. Cremer, Freiheitsgrundrechte, 235 ff., insbes. 255, der die Grundrechtsqualität i. E. bejaht. Zustimmend auch: Häberle, in: Isensee / K irchhof, HdBStR, Bd. I, § 20 Rn. 74; Hermes, Das Grundrecht auf Schutz von Leben und Gesundheit, 140. Ablehnend aber z. B. Dreier, in: Dreier, GG Bd. I, Art. 1 Rn. 125. 345 Vgl. dazu auch Krings, Grund und Grenzen grundrechtlicher Schutzansprüche, 50; Murswiek, Die staatliche Verantwortung für die Risiken der Technik, 125 f.; Isensee, in: Isensee /  Kirchhof, HdBStR, Bd. IX, § 191 Rn. 28. 346 Zur Schutzpflicht des Art. 6 GG z. B. Dieltein, Die Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten, 30 f. 341

IV. Dogmatische Begründung 

77

findet sich ausdrücklich aber nur in dem von Art. 6 IV GG gewährleisteten Schutzund Fürsorgeanspruch der Mutter.347 Abgesehen von den genannten Bestimmungen ist die grundrechtliche Schutzpflichtendimension für die anderen grundrechtlichen Bestimmungen zwar nicht unmittelbar dem Verfassungstext zu entnehmen.348 Die vorhandenen grundgesetzlichen Anhaltspunkte verdeutlichen in ihrer Zusammenschau aber, dass der Verfassung und speziell den grundrechtlichen Bestimmungen eine staatliche Schutzverpflichtung jedenfalls nicht fremd ist. Ihr konkreter Anwendungsbereich, ihr genauer Inhalt und Umfang können dem Verfassungstext allerdings selbst unmittelbar nicht entnommen werden. b) Die Anerkennung und Begründung der Schutzpflicht in Rechtsprechung und Literatur Diesen grundgesetzlichen Befund greift auch das BVerfG auf: „Die Freiheitsgrundrechte (…) schützen nicht nur vor Eingriffen der Staatsgewalt in eine dem Individuum verbürgte Freiheitssphäre. Vielmehr verpflichten sie den Staat auch, diese Freiheitssphäre zu schützen und zu sichern.“349 Diese Worte zeigen, dass das BVerfG eine allgemeine, den Freiheitsgrundrechten zukommende Schutzfunktion anerkennt. Entwickelt hat das BVerfG die grundrechtliche Schutzpflicht anhand des Grundrechts auf Leben gem. Art. 2 II 1 GG,350 wobei es mittlerweile diese Schutzpflichtendimension auf eine Vielzahl weiterer Grundrechtsbestimmungen erstreckt und bereichsspezifisch fortentwickelt hat.351 Zwar finden sich auch in der

347

So z. B. auch Krings, Grund und Grenzen grundrechtlicher Schutzansprüche, 51; Dietlein, Die Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten, 144; Robbers, Sicherheit als Menschenrecht, 186; Ruffert, Vorrang der Verfassung, 154. 348 Z. T. werden auch die grundrechtlichen Gesetzesvorbehalte u. Schutzbereichsbegrenzungen zur Begründung einer staatlichen Schutzaufgabe herangezogen. Vgl. z. B. Krings, Grund und Grenzen grundrechtlicher Schutzansprüche, 51 f.; dazu auch Isensee, in: Isensee / K irchhof, HdBStR, Bd. IX, § 191 Rn. 34 f.; Unruh, Zur Dogmatik der grundrechtlichen Schutzpflichten, 27. Darüber hinaus finden sich auch Schutzanordnungen außerhalb des Grundrechtsteils, z. B. in der Zuweisung von Schutzaufgaben in den Kompetenzkatalogen (z. B. Art. 73 I Nr. 1 GG: „Schutz der Zivilbevölkerung“) sowie in Art. 20a GG, der den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen fordert. Vgl. dazu Krings, Grund und Grenzen grundrechtlicher Schutzansprüche, 52 ff.; Isensee, in: Isensee / K irchhof, HdBStR, Bd. IX, § 191 Rn. 36. Eine Zusammenfassung dieser „versteckten“ Schutzpflichten gibt Dietlein, Die Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten, 31 ff. 349 BVerfGE 92, 26 (46), (Hervorh. d. Verf.). 350 Vgl. BVerfGE 39, 1 (41 f.); 46, 160 (164); 49, 89 (132). Fortentwickelt u. vertieft in BVerfGE 88, 203 (251 ff.). S. die Zusammenfassung der Rechtsprechung zur Schutzpflicht aus Art. 2 II 1 GG bei Hermes, Das Grundrecht auf Schutz von Leben und Gesundheit, 43 ff. 351 Vgl. BVerfGE 56, 54 (73): Aus Art. 2 II GG folgt „die Pflicht der staatlichen Organe, sich schützend und fördernd“ vor die im Grundrecht „genannten Rechtsgüter zu stellen“; zu Art. 12 I GG BVerfGE 92, 26 (46). Eine ausführliche Bestandsaufnahme der SchutzpflichtenJudikatur findet sich bei Sczcekalla, Die sog. grundrechtlichen Schutzpflichten, 92 ff.

78

B. Art. 8 I GG und der öffentliche Straßenraum

Literatur schon früh vereinzelt Kerngedanken zur Rechtsfigur der Schutzpflicht.352 Ihr wesentliches Gepräge erhielt sie aber durch das BVerfG.353 Nach dessen Rechtsprechung resultieren die Schutzpflichten aus objektiven Wertentscheidungen354 des jeweils betroffenen Grundrechts.355 Jedes Grundrecht beinhalte einen „objektiv-rechtlichen Gehalt“356, dem die allgemeine staatliche Verpflichtung entnommen werden könne, die jeweilige Freiheitssphäre des Individuums durch aktives Handeln zu schützen und zu sichern.357 Ergänzend sieht das BVerfG die Schutzpflicht in der Schutzverpflichtung der Menschenwürde gem. Art. 1 I Alt. 2 GG verankert.358 Das BVerfG vertritt damit eine Kombination dieser beiden Begründungsansätze, wenn es formuliert:359 „Ihren Grund hat diese Schutzpflicht in Art. 1 I GG, der den Staat ausdrücklich zur Achtung und zum Schutz der Menschenwürde verpflichtet; ihr Gegenstand und – von ihm her – ihr Maß werden durch Art. 2 II GG näher bestimmt“.360 Das BVerfG hat inzwischen vielen, mangels entsprechender Gelegenheit aber noch nicht allen Grundrechten ausdrücklich einen entsprechenden Schutzgehalt zugesprochen.361 Es ist gleichwohl davon auszugehen, dass nach der Auffassung des Gerichts grundsätzlich alle Freiheits-

352

V. a. Dürig, Der Grundrechtssatz von der Menschenwürde, in: Glaeser / Häberle, Gesammelte Schriften, 127 (128, 133). 353 Vgl. Krings, Grund und Grenzen grundrechtlicher Schutzansprüche, 60; Isensee, in: Isensee / K irchhof, HdBStR, Bd. IX, § 191 Rn. 146; Dietlein, Die Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten, 17; Unruh, Zur Dogmatik der grundrechtlichen Schutzpflichten, 29; Ruffert, Vorrang der Verfassung, 141. Eine kurze Übersicht zur Entwicklung der Schutzpflicht in der Rechtsprechung des BVerfGs gibt z. B. Klein, NJW 1989, 1633 (1634 f.); Isensee, in: Isensee / K irchhof, HdBStR, Bd. IX, § 191 Rn. 146 ff.; Unruh, Zur Dogmatik der grundrechtlichen Schutzpflichten, 29 ff.; Stern, in: Stern, StaatsR, Bd. III/1, 939 ff. Umfassender Krings, Grund und Grenzen grundrechtlicher Schutzansprüche, 60 ff.; Schmitz, Grundrechtliche Schutzpflichten, 80 ff.; Hesse, in: Däubler-Gmelin u. a., FS Mahrenholz, 541 (547 ff.). 354 Grundlegend zur objektiven Wertentscheidung BVerfGE 7, 198 (205); 35, 79 (114). Der eigentliche Urheber dieser Rechtsfigur ist aber Dürig, Grundrechte und Zivilrechtsordnung, in: Glaeser / Häberle, Gesammelte Schriften, 215 (233 ff.). 355 Vgl. etwa BVerfGE 39, 1 (41 f.); 46, 160 (164); 49, 89 (141 f.); 56, 54 (73). 356 Z. B. BVerfGE 39, 1 (42); 56, 54 (73); 53, 30 (57). 357 BVerfGE 39, 1 (41 f.). Vgl. auch 52, 214 (220 f.); 56, 54 (73). Dazu z. B. Krings, Grund und Grenzen grundrechtlicher Schutzansprüche, 164 ff. 358 So v. a. BVerfGE 39, 1 (41). Ebenso BVerfGE 46, 160 (164); 49, 24 (53); 49, 89 (132); 88, 203 (251); 90, 145 (195); 115, 118 (152). Zur Rolle von Art. 1 I 2 GG in der SchutzpflichtenRechtsprechung des BVerfGs z. B. Szczekalla, Die sog. grundrechtlichen Schutzpflichten, 102 f. Zur Begründung der Schutzpflichtenfunktion zieht das BVerfG z. T. auch das Sozialstaatsprinzip heran, vgl. BVerfGE 81, 242 (255); 89, 214 (232). Das wird vielfach kritisiert, z. B. von Ruffert, Vorrang der Verfassung, 165. 359 So auch Calliess, JZ 2006, 321 (322). 360 BVerfGE 88, 203 (251 f.); 115, 118 (152). 361 Eine Zusammenfassung aller Grundrechte, denen das BVerfG Schutzpflichtgehalte zugesprochen hat, findet sich bei Sczcekalla, Die sog. grundrechtlichen Schutzpflichten, 104 f.

IV. Dogmatische Begründung 

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grundrechte den Staat zum Schutz verpflichten können.362 In der Literatur ist diese Rechtsprechung jedenfalls vom Ergebnis her auf breite Zustimmung gestoßen,363 wobei die dogmatische Herleitung der grundrechtlichen Schutzpflicht häufig von der des BVerfGs abweicht.364. Für die nachfolgenden Ausführungen wird auf die Anerkennung der grundrechtlichen Schutzpflicht in Rechtsprechung und Literatur zurückgegriffen und das grundsätzliche Bestehen der Schutzpflichtendimension als gegeben vorausgesetzt.

362

S. BVerfGE 92, 26 (46): „Die Freiheitsgrundrechte“ (Hervorh. d. Verf.); verallgemeinernd auch BVerfGE 102, 370 (393); 109, 133 (186); 109, 190 (236). Vgl. auch Erichsen, Jura 1997, 85 (86); Stern, in: Stern, StaatsR, Bd. III/1, 944. 363 Vgl. Hermes, Das Grundrecht auf Schutz von Leben und Gesundheit, 58 ff., 208 ff.; Stern, in: Stern, StaatsR, Bd. III/1, 931 ff.; Isensee, in: Isensee / K irchhof, HdBStR, Bd. IX, § 191 Rn. 162, 169; Calliess, in: Merten / Papier, HdB GR, Bd. II, § 44 Rn. 8; Steinberg, NJW 1984, 457 (458 f.); Dietlein, Die Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten, 51 ff.; Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rn. 350; Alexy, Theorie der Grundrechte, 410 ff.; ­Sczcekalla, Die sog. grundrechtlichen Schutzpflichten, 244; Dreier, in: Dreier, GG, Bd. I, Vorb. Rn. 101 ff.; Ruffert, Vorrang der Verfassung, 141 ff. Krit. aber Schwabe, Probleme der Grundrechtsdogmatik, 213 ff.; Murswiek, Die staatliche Verantwortung für die Risiken der Technik, 88 ff. Kritisiert wird z.T auch die dogmatische Herleitung grundrechtlicher Schutzpflichten durch das BVerfG im Wege der Werteordnungslehre. Dazu grundlegend Schmitt, Die Tyrannei der Werte, 1967, 37 ff.; s. auch Jestaedt, Grundrechtsentfaltung im Gesetz, 1999, 72 ff.; Isensee, in: Isensee / K irchhof, HdBStR, Bd. IX, § 191 Rn. 169; Murswiek, in: Merten / Papier, HdB GR, Bd. II, § 28 Rn. 80; Calliess, Rechtsstaat und Umweltstaat, 438; Cremer, Freiheitsgrundrechte, 217 f. Zusammengefasst von Unruh, Zur Dogmatik der grundrechtlichen Schutzpflichten, 50 ff. Dem BVerfG in seiner objektiv-rechtlichen Begründungsvariante aber zustimmend z. B. Jarass, in: Badura / Dreier, FS 50 Jahre BVerfG, Bd. 2, 35 (39 f.); Ruffert, Vorrang der Verfassung, 158 f.; Stern, in: Stern, StaatsR, Bd. III/1, 948 f.; Unruh, Zur Dogmatik der grundrechtlichen Schutz­pflichten, 57; Maurer, StaatsR I, § 9 Rn. 20 f.; Dolderer, Objektive Grundrechtsgehalte, 198. 364 Die staatliche Schutzpflicht wird teilweise aus dem klassischen Verständnis der Staatsaufgabe „Sicherheit“ abgeleitet. So z. B. Krings, Grund und Grenzen grundrechtlicher Schutzansprüche, 85 ff.; Isensee, Das Grundrecht auf Sicherheit, 21 ff.; 33; Isensee, in: Isensee / K irchhof, HdBStR, Bd. IX, § 191 Rn. 181 ff.; Robbers, Sicherheit als Menschenrecht, 29 ff.; Murswiek, in: Merten / Papier, HdB GR, Bd. II, § 28 Rn. 80; Murswiek, Die staatliche Verantwortung für die Risiken der Technik, 102 ff.; Hermes, Das Grundrecht auf Schutz von Leben und Gesundheit, 148 ff.; Cremer, Freiheitsgrundrechte, 258 ff.; dazu auch Klein, NJW 1989, 1633 (1635 f.); Dietlein, Die Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten, 21 ff.; Ruffert, Vorrang der Verfassung, 154 ff. Andere Autoren beziehen sich auf den Wortlaut von Art. 1 I GG, z. B. Herdegen, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 1 I Rn. 78. Teilweise wird die Schutzpflicht auch im Wege einer umfassenden Grundrechtsinterpretation hergleitet, so z. B. Robbers, Sicherheit als Menschenrecht, 186 ff.; Hermes, Das Grundrecht auf Schutz von Leben und Gesundheit, 187 ff. Für eine Heranziehung der unterschiedlichen Begründungsansätze in ihrer Zusammenschau z. B. Ruffert, Vorrang der Verfassung, 166. Für eine abwehrrechtliche Konzeption der Schutzpflicht demgegenüber v. a. Schwabe, Probleme der Grundrechtsdogmatik, 213 ff.; aber auch Murswiek, Die staatliche Verantwortung, 88 ff.; für schutzrechtliche Fälle, die bereits einfachrechtlich geregelt sind, auch Lübbe-Wolf, Die Grundrechte als Eingriffsabwehrrechte, 75 ff., 118 f., 136 ff.

80

B. Art. 8 I GG und der öffentliche Straßenraum

2. Bestimmung des Anwendungsbereichs der Schutzpflichtendimension a) Ausgangssituation: Bürger – Staat – Bürger In der Literatur und Rechtsprechung besteht zudem überwiegend Einigkeit darüber, dass die grundrechtliche Schutzpflichtendimension jedenfalls und gerade auf von privaten Dritten ausgehende Gefahren für grundrechtliche Schutzgüter reagiert.365 So formuliert z. B. das BVerfG, dass die staatlichen Organe verpflichtet seien, „sich schützend und fördernd“ vor die Grundrechte zu stellen und sie insbesondere „vor rechtswidrigen Eingriffen von seiten anderer zu bewahren“.366 Der Anwendungsbereich der grundrechtlichen Schutzpflichtendimension wird also primär auf Situationen beschränkt, in denen der Staat Maßnahmen ergreifen muss, um das grundrechtliche Schutzgut vor Übergriffen Privater zu schützen.367 Dieser so verstandenen staatlichen Schutzpflicht liegt demnach nicht das klassische zweiseitige Rechtsverhältnis der grundrechtlichen Abwehrdoktrin „Bürger-Staat“, sondern das Dreiecksverhältnis „Bürger – Staat – Bürger“ zugrunde.368 b) „Erweitertes“ Schutzpflichtverständnis aa) Bedürfnis nach „Erweiterung“ Bei der Anerkennung eines Straßenbenutzungsrechts der Versammlungsteilnehmer in Bezug auf den öffentlichen Straßenraum aus Art. 8 I GG geht es darum, den Staat für die Schaffung der tatsächlichen Voraussetzungen, die für die Grund 365

So formuliert ausdrücklich z. B. Isensee, in: Isensee / K irchhof, HdB StaatsR, Bd. IX, § 191 Rn. 192, dass die Schutzpflicht „Schutz der Grundrechte vor privaten Übergriffen“ bedeute. Vgl. auch Klein, NJW 1989, 1633 (1633); Krings, Grund und Grenzen grundrechtlicher Schutzansprüche, 190; Calliess, in: Merten / Papier, HdB GR, Bd. II, § 44 Rn. 18; Schmitz, Grundrechtliche Schutzpflichten, 108 f.; Störring, Das Untermaßverbot, 28; Unruh, Zur Dogmatik der grundrechtlichen Schutzpflichten, 75 f.¸ Kuch, DÖV 2019, 723 (724); Ruffert, Vorrang der Verfassung, 195, 201. 366 BVerfGE 39, 1 (42); 46, 160 (164); 53, 30 (57); 56, 54 (73); 115, 118 (152); 121, 317 (356). 367 Vgl. Jarass, in: Merten / Papier, HdB GR, Bd. II, § 38 Rn. 24; Alexy, Theorie der Grundrechte, 410; Dreier, in: Dreier, GG, Bd. I, Vorb. Rn. 101; Isensee, Das Grundrecht auf Sicherheit, 34 f.; Isensee, in: Isensee / K irchhof, HdBStR, Bd. IX, § 191 Rn. 3, 5; Schmitz, Grundrechtliche Schutzpflichten, 108 f.; Robbers, Sicherheit als Menschenrecht, 124; Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rn. 350; Kuch, DÖV 2019, 723 (724 f.); Calliess, Rechtstaat und Umweltstaat, 312 ff. Teilweise wird auch diskutiert, ob der Schutz gegen sich selbst u. vor Naturgefahren miteinzubeziehen ist, vgl. z. B. Krings, Grund und Grenzen grundrechtlicher Schutzansprüche, 203 ff., 214 ff.; Schmitz, Grundrechtliche Schutzpflichten, 109 ff. 368 Vgl. z. B. Jarass, in: Merten / Papier, HdB GR, Bd. II, § 38 Rn. 24; Jarass, AöR 120, 345 (351); Schmitz, Grundrechtliche Schutzpflichten, 108; Störring, Das Untermaßverbot, 28; Isensee, in: Isensee / K irchhof, HdBStR, Bd. IX, § 191 Rn. 5; Calliess, in: Merten / Papier, HdB GR, Bd. II, § 44 Rn. 18; Kuch, DÖV 2019, 723 (724 f.); Pietrzak, JuS 1994, 748 (748).

IV. Dogmatische Begründung 

81

rechtsausübung erforderlich sind, in Anspruch zu nehmen.369 In dieser Situation droht also  – lässt man konkurrierende Versammlungen außer Betracht  – keine Gefahr von dritter (privater) Seite. Eine der grundrechtlichen Schutzpflicht klassischerweise zugrundeliegende Dreieckssituation370 ist folglich nicht gegeben.371 Damit stellt sich aber die Frage, ob die staatliche Schutzpflicht auch für die Fälle, die dogmatisch richtige Lösung ist, in denen der Staat aktiv werden muss, um dem Grundrechtsträger die tatsächlichen Voraussetzungen, die er für die Ausübung seiner Freiheit benötigt, bereitzustellen. Das setzt voraus, dass sich der Anwendungsbereich der Schutzplicht nicht auf das „klassische“ Verständnis beschränkt, sondern darüber hinaus auch diese Situationen erfasst, insoweit also „erweitert“372 werden kann. Diese „Erweiterung“ gelingt jedenfalls dann, wenn sowohl das Bedürfnis des Grundrechtsträgers nach Schutz vor Gefahren von dritter Seite als auch die Forderung nach Schaffung tatsächlicher Grundrechtsvoraussetzungen durch den Staat auf einem einheitlichen Grundgedanken basiert, der den Ausgangspunkt der grundrechtlichen Schutzpflichtendimension bildet und dadurch beide Schutzkonstellationen gewissermaßen unter einem „Dach“ vereinen kann. bb) Grundgedanke: Herstellung „realer“ Freiheit Dem staatlichen Schutz vor Privaten und der Schaffung tatsächlicher Grundrechtsvoraussetzungen durch den Staat ist gemein, dass in beiden Situationen dem Grundrechtsträger die aus dem abwehrrechtlichen status negativus folgende staatliche Unterlassungsverpflichtung nicht weiterhilft: Wird die grundrechtlich geschützte Freiheit durch das Verhalten eines privaten Dritten gefährdet, begehrt der Grundrechtsträger kein Unterlassen des Staates, sondern sein aktives Einschreiten gegen den Übergriff des Privaten.373 Auch in dem Fall, dass der Bürger für seine Grundrechtsausübung auf „Leistungen“ öffentlicher Rechtsträger wie z. B. die Schaffung von öffentlichen Straßen, angewiesen ist, wird vom Staat ein Tätigwerden verlangt.374 Damit geht es also jeweils um eine den Grundrechtsgehalten zu entnehmende Verpflichtung des Staates zu positivem Handeln.375 Ein bloßes Unterlassen des Staates würde in beiden Fällen dazu führen, dass die Grundrechts-

369

So bereits oben unter B. II. 3. u. B. III. 1. e) sowie unter B. III. 2. b). Im Folgenden wird dieses Schutzpflichtverständnis als „klassisch“ bezeichnet. 371 Vgl. Klein, DVBl. 1994, 489 (490) in Fn. 26 zur Schutzpflicht aus Art. 6 GG. 372 Der Begriff der „Erweiterung“ wird hier nur verwendet, um deutlich zu machen, dass das „klassische“ Verständnis der Schutzpflicht insoweit „zu eng“ ist. Ob es sich dabei tatsächlich um eine Erweiterung handelt, oder ob die Schutzpflicht nicht von vornherein weit verstanden werden muss, ist dabei nicht entscheidend. 373 Vgl. z. B. Klein, NJW 1989, 1633 (1633). 374 Vgl. Jarass, AöR 120, 345 (356). 375 Vgl. Jarass, AöR 110, 363 (394 f.); Jarass, in: Badura / Dreier, FS 50 Jahre BVerfG, Bd. 2, 35 (40); Klein, NJW 1989, 1633 (1633); Ruffert, Vorrang der Verfassung, 267; Ziekow, Über Freizügigkeit und Aufenthalt, 586; Pietrzak, JuS 1994, 748 (748). 370

82

B. Art. 8 I GG und der öffentliche Straßenraum

träger376 von ihrer grundrechtlich gewährleisteten Freiheit tatsächlich nicht mehr Gebrauch machen könnten. Die positive Inanspruchnahme des Staates basiert daher auf dem Grundgedanken, dass der Staat durch aktive Maßnahmen „reale“, also tatsächlich wahrnehmbare Freiheit für den Grundrechtsträger gewährleisten soll.377 Der Freiheitsbegriff der Grundrechte ist folglich das entscheidende Kriterium, an dem für eine „Erweiterung“ der „klassischen“ grundrechtlichen Schutzpflichtendimension auch auf das bipolare Verhältnis Staat  – Bürger angesetzt werden muss.378 cc) Die Ausrichtung der Grundrechte auf die „reale“ Freiheit Bereits die systematische Auslegung von Art. 8 I GG hat ergeben, dass den Grundrechte insgesamt ein „realer“ Freiheitsbegriff zugrunde liegt.379 Ohne vertieft auf den dogmatischen Hintergrund dieses Freiheitsverständnisses eingehen zu wollen, lässt sich die Annahme, dass die Grundrechte auf den Schutz „realer“ Freiheit ausgerichtet sind, noch mit folgenden Erwägungen ergänzend bekräftigen: Die Grundrechte berechtigen den Bürger dazu, von der jeweils grundrechtlich geschützten Verhaltensweise Gebrauch zu machen oder aber dies zu unterlassen. Hätte der Grundrechtsträger von vornherein mangels „realer“ Freiheit nicht die Möglichkeit, zwischen dem Gebrauch oder dem Nichtgebrauch zu wählen, wäre diese rechtliche Erlaubnis wertlos.380 Hinzu kommt, dass unter den Bedingungen der modernen Industriegesellschaft viele Grundrechtsträger „reale“ Freiheit gerade nicht aus ihrer autonomen Sphäre heraus verwirklichen können, sondern dafür wesentlich auf staatliche Unterstützung angewiesen sind.381 376

Beim Dreiecksverhältnis ist hier nur der Grundrechtsträger gemeint, der vom Staat Schutz begehrt. 377 Vgl. zur Schutzpflicht im Dreiecksverhältnis Dietlein, Die Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten, 74. 378 Allgemein zum Freiheitsbegriff als essentielles Element der Grundrechtsdogmatik Krebs, in: Merten / Papier, HdB GR, Bd. II, § 31 Rn. 7, der der Auffassung ist, dass „der Freiheits­begriff der Grundrechte ein, wenn nicht das entscheidende Konstruktionselement im dogmatischen System der grundrechtlichen Gewährleistungen ist.“ Für die entscheidende Bedeutung des Freiheitsbegriffs auch Klein, Anmerkung, in: VVDStRL 1972, 170; Grabitz, Freiheit und Verfassungsrecht, 47; Haverkate, Rechtsfragen des Leistungsstaats, 72 f. 379 S. dazu oben unter B. III. 1. c). Für diesen „positiven“ Freiheitsbegriff etwa Häberle, VVDStRL 1972, 135 Ls 19 (3); Grabitz, Freiheit und Verfassungsrecht, 37 ff.; Krebs, in: Merten /  Papier, HdB GR, Bd. II, § 31 Rn. 97 ff.; Rupp, JZ 1971, 401 (402); Hesse, EuGRZ 1978, 427 (430). 380 Vgl. Alexy, Theorie der Grundrechte, 460 f.; dargestellt von Böckenförde, Staat, Gesellschaft, Freiheit, 238; Sailer, DVBl. 1976, 521 (527 f.); Hesse, in: Däubler-Gmelin u. a., FS Mahrenholz, 541 (544); Hesse, in: Hesse / Reicke / Scheuner, FS Smend, 71 (85 f.); vgl. auch Häberle, VVDStRL 1972, 98; Rüfner, in: Gitter / T hieme / Zacher, FS Wannagat, 379 (386); Rupp, JZ 1971, 401 (402); Grimm, NVwZ 1985, 865 (866); Mayen, Der grundrechtliche Informationsanspruch, 256. 381 Vgl. Grimm, NVwZ 1985, 865 (866); angedeutet auch von Scheuner, DÖV 1971, 505 (510); Rupp, JZ 1971, 401 (401 f.); Sailer, DVBl. 1976, 521 (527).

IV. Dogmatische Begründung 

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Zudem erfährt die Ausrichtung der Grundrechte auf die „reale“ Freiheit in dem Bekenntnis des Grundgesetzes zum „sozialen Rechtstaat“ in Art. 28 I GG und zur Sozialstaatlichkeit in Art. 20 I GG ihre verfassungsrechtliche Begründung und Legitimation.382 Die Sozialstaatsgarantie des Art. 20 I GG nimmt die Erkenntnis, dass „reale“ Freiheit existentiell auf staatliches Handeln angewiesen ist, in sich auf. Da der Inhalt der Grundrechte wiederum durch das Sozialstaatsprinzip mitgeprägt wird, enthalten auch die Grundrechte als dessen Konkretisierung sozialstaatliche Aufträge zur Entfaltung und Effektuierung individueller Freiheitschancen.383 Das verfassungsrechtlich bezweckte Ineinandergreifen von rechtlicher Freiheits­ garantie und staatlicher Sozialgestaltung macht deutlich, dass die grundrechtlichen Gewährleistungen nicht nur auf die rechtliche Einräumung von Freiheitsrechten, sondern auch auf die Eröffnung tatsächlich wahrnehmbarer Freiheitschancen ausgerichtet sind.384 Die damit vollzogene Synthese mit dem Sozialstaatsprinzip ergänzt den Schutzumfang der Grundrechte also um ein „staatliches Aktionsprogramm zugunsten „realer“ Freiheit“.385 dd) Vergleichbarkeit: „Werteordnungsrechtsprechung“ des BVerfGs Bei genauerer Betrachtung zeigt sich auch in der „Werteordnungsrechtsprechung“386, dass das BVerfG im Ergebnis von einer grundrechtlichen Verpflich 382

Allgemein zur Deutung der Soziaalstaatsklausel Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rn. 208 ff.; Schnapp, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 20 Rn. 3, 6 ff., 49 ff.; Sommermann, in: v. Mangoldt / K lein / Starck, GG, Bd. II, Art. 20 Rn. 99 ff.; Wittreck, in: Dreier, GG, Bd. II, Art. 20 (Sozialstaat) Rn. 24 ff. 383 Vgl. Krebs, VerwArch 1976, 329 (333); Krebs, in: Merten / Papier, HdB GR, Bd.  II, § 31 Rn. 101; Krebs, Vorbehalt des Gesetzes, 73 f., 122 f.; dargestellt von Böckenförde, Staat, Gesellschaft, Freiheit, 238; Friauf, DVBl. 1971, 674 (676); Isensee, in: Isensee / K irchhof, HdBStR, Bd. IX, § 190 Rn. 184. S. auch BVerfGE 75, 40 (61 ff., insbes. 65). 384 Vgl. Häberle, DÖV 1972, 729 (731); Scherzberg, Grundrechtsschutz und „Eingriffsintensität“, 142 f.; Friauf, DVBl. 1971, 674 (676). 385 Krebs, in: Merten / Papier, HdB GR, Bd. II, § 31 Rn. 97 ff., insbes. Rn. 101. Vgl. zu dieser Begründung Häberle, VVDStRL 1972, 43 (90 ff.); Schneider, in: Merten / Papier, HdB GR, Bd. I § 18 Rn. 86 f. Häberle, in: Hablitzel / Wollenschläger, FS Küchenhoff, Halbbd. II, 453 (456); Grabitz, Freiheit und Verfassungsrecht, 205 ff.; Krebs, Vorbehalt des Gesetzes, 72 ff.; Scherzberg, Grundrechtsschutz und „Eingriffsintensität“, 139 ff.; Friauf, DVBl. 1971, 674 (676). Eine Darstellung dieser Konzeption findet sich bei Böckenförde, Staat, Gesellschaft, Freiheit, 238 ff.; Haverkate, Rechtsfragen des Leistungsstaats, 72 ff. u. bei Murswsiek, in: Isensee /  Kirchhof, HdBStR, Bd. IX, § 192 Rn. 92. Argumente gegen dieses Freiheitsverständnis u. dessen Konsequenzen beschreibt Murswsiek, in: Isensee / K irchhof, HdBStR, Bd. IX, § 192 Rn. 96 ff. 386 Synonym verwendet das BVerfG auch die Begriffe „Wertordnung“, „Wertsystem“ (s. z. B. BVerfGE 7, 198 (205); 32, 98 (107 f.); 52, 131 (165)) oder „Grundentscheidungen“, „Grundsatznormen“, „objektive Normen“, „objektivrechtlicher Gehalt“ u. ä., dazu z. B. Szczekalla, Die sog. grundrechtlichen Schutzpflichten, 99 f. Unabhängig davon, welchen Begriff das Gericht wählt, meint es damit eine Erweiterung der grundrechtlichen Wirkungen über die abwehrrechtlichen Rechtsfolgen hinaus. So z. B. auch Jarass, AöR 110, 363 (368). Daher sollte die Wortwahl des BVerfGs insoweit nicht überschätzt werden.

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B. Art. 8 I GG und der öffentliche Straßenraum

tung des Staates auf die Herstellung „realer“ grundrechtlicher Freiheit ausgeht.387 Besonders deutlich ergibt sich das aus der „Numerus-clausus-Rechtsprechung“388 des BVerfGs. Hier vertritt das Gericht die Auffassung, dass den Grundrechten ein Recht auf Teilhabe an staatlichen Leistungen entnommen werden kann, wenn das jeweilige Freiheitsrecht „ohne tatsächliche Voraussetzungen, es in Anspruch nehmen zu können, wertlos“ wäre.389 Das gelte insbesondere dann, wenn der Staat ein „faktisches, nicht beliebig aufgebbares Monopol“390 für sich in Anspruch nimmt und „die Beteiligung an staatlichen Leistungen zugleich notwendige Voraussetzung für die Verwirklichung von Grundrechten ist.“391 Das BVerfG geht also davon aus, dass der Staat in ihm selbst zugewiesenen Verantwortungsbereichen nicht passiv bleiben darf, sondern aktiv werden muss, damit die grundrechtlichen Freiheiten, deren Verwirklichung von staatlicher Tätigkeit abhängt, „real“ werden.392 Für die Wissenschaftsfreiheit gem. Art. 5 III GG hat das BVerfG diese grundsätzlich objektive staatliche Verpflichtung um eine subjektive Seite ergänzt, sodass „dem einzelnen Träger des Grundrechts (…) aus der Wertentscheidung ein Recht auf solche staatliche Maßnahmen [erwächst], (…), die zum Schutz seines grundrechtlich gesicherten Freiheitsraums unerlässlich sind“.393 Aus diesen Formulierungen ergibt sich mit einer besonderen Deutlichkeit vor allem der allgemeine Gedanke, dass die Grundrechte auch nach der Auffassung des BVerfGs nicht nur rechtliche Handlungsmöglichkeiten des Einzelnen gegenüber dem Staat abwehrrechtlich absichern, sondern den Staat darüber hinaus auch dazu verpflichten, dafür einzustehen, dass sich die grundrechtlichen Handlungsbefugnisse auch tatsächlich ausüben lassen. Das BVerfG geht also  – mithilfe der Begründung einer grundrechtlichen Werteordnung – davon aus, dass eine staatliche Schutzverpflichtung und gegebenenfalls ein Anspruch der Grundrechtsträger darauf bestehen, dass die rechtlich garantierte grundrechtliche Freiheit zur „realen“ Freiheit wird.394 In diesem Sinne erfasst das BVerfG mit dem Oberbegriff der grundrechtlichen Schutzpflicht sowohl die Pflicht des Staates zum Schutz des Grundrechts vor Eingriffen von dritter Seite als auch die staatliche Pflicht zur Förderung der tatsächlichen Möglichkeiten der Inanspruchnahme des grundrechtlich geschützten Freiheitsraums.395

387

Vgl. Sailer, DVBl. 1976, 521 (528 f.). Als solche bezeichnet z. B. durch das BVerfGE 147, 253 (263). Die Numerus-clausus Rechtsprechung beinhaltet die Entscheidungen BVerfGE 33, 303; 43, 291. 389 BVerfGE, 33, 303 (331). 390 BVerfGE, 33, 303 (331 f.). 391 BVerfGE, 33, 303 (332). 392 Vgl. Klein, NJW 1989, 1633 (1634). 393 So zur Wissenschaftsfreiheit BVerfGE 35, 79 (116). 394 Diese Feststellung findet sich auch bei Sczcekalla, Die sog. grundrechtlichen Schutzpflichten, 245 f. Vorsichtig auch Haverkate, Rechtsfragen des Leistungsstaats, 87. 395 Zu dieser Erkenntnis kommt auch Ziekow, Über Freizügigkeit und Aufenthalt, 586. Es ist nicht entscheidend, ob man die staatliche Verpflichtung aus objektiven grundrechtlichen Gehalten oder aus der staatlichen Verpflichtung zur Gewährleistung „realer“ Freiheit ableitet. 388

IV. Dogmatische Begründung 

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c) Zwischenergebnis Die aus den Grundrechten (i. V. m. dem Sozialstaatsprinzip) zu entnehmende Verpflichtung des Staates zum Schutz „realer“ Freiheit für die Bürger bildet folglich die Grundlage der grundrechtlichen Schutzpflichtendimension.396 Aus ihr folgt die staatliche Verpflichtung, die rechtlichen und tatsächlichen Voraussetzungen, die für die reale Ausübung der grundrechtlichen Freiheit erforderlich sind, durch aktive Förderung und Unterstützung zu sichern und teilweise auch erst bereitzustellen.397 Der grundrechtliche Schutzbereich stellt sich damit im Kontext der grundTrotz der unterschiedlichen Bezeichnungen geht es übereinstimmend um eine Verpflichtung des Staates, aktive Maßnahmen zum Schutz der grundrechtlich garantierten Freiheiten zu ergreifen. 396 Vgl. das Schutzmodell von Krebs, in: Merten / Papier, HdB GR, Bd. II, § 31 Rn. 98 ff., vgl. insbes. Rn. 100. S. auch Scherzberg, Grundrechtsschutz und „Eingriffsintensität“, 153; angedeutet auch von Grimm, NVwZ 1985, 865 (866). S. auch BVerfGE 88, 203 (258). Im Folgenden wird daher – in Abgrenzung zur „klassischen“ Schutzpflicht – die Bezeichnung Schutzpflicht zugunsten „realer“ Freiheit gewählt. Für eine Einordnung der Schutzpflichten als Oberbegriff, der alle aus den Grundrechten abgeleitete staatliche Handlungspflichten verklammert wohl auch Klein, DVBl. 1994, 489 (491); Schmidt, in: ErfK, Arbeitsrecht, GG, Einleitung Rn. 37; Herdegen, in: Manz / Dürig, GG, Art. 1 III Rn. 21. A. A. aber Ziekow, Über Freizügigkeit und Aufenthalt, 587, der keinen Grund sieht die Schutzpflicht im Dreiecksverhältnis mit der staatlichen Förderungspflicht zu vereinigen. Diese sei eher Ausprägung einer möglichen Dimension der Grundrechte als Leistungsrechte. Gegen eine solche Zusammenfassung ist wohl auch die h. L. Vgl. z. B. Dreier, in: Dreier, GG, Bd. I, Vorb. Rn. 89, 104; Alexy, Theorie der Grundrechte, 410; Dietlein, Die Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten, 102 f.; Klein, NJW 1989, 1633 (1636); Murswiek, Die staatliche Verantwortung für die Risiken der Technik, 110. 397 Ausdrücklich BVerfGE 88, 203 (258). Vgl. Friauf, DVBl. 1971, 674 (676 f.); Rupp, JZ 1971, 401 (402); Schaumann, JZ 1970, 48 (49); Sailer, DVBl. 1976, 521  (529); Rüfner, in: Gitter / T hieme / Zacher, FS Wannagat, 379 (386); Maurer, StaatsR I, § 8 Rn. 78; Scherzberg, Grundrechtsschutz und „Eingriffsintensität“, 143, 153 f.; Häberle, DÖV 1972, 729 (731); s. auch Häberle, VVDStRL 1972, 43 (73); Isensee, in: Isensee / K irchhof, HdBStR, Bd. IX, § 190 Rn. 91; Schneider, in: Merten / Papier, HdB GR, Bd. I § 18 Rn. 82, 88; Hesse, EuGRZ 1978, 427 (430); Friauf, DVBl. 1971, 674 (676). Verallgemeinernd wird diese Grundrechtsdimension auch als „Grundrechtsvoraussetzungsschutz“ bezeichnet, s. dazu allgemein Schneider, in: Merten / Papier, HdB GR, Bd. I, § 18 Rn. 92; Kirchhof, in: Merten / Papier, HdB GR, Bd. I, § 21 Rn. 7 ff. Vgl. auch Jarass, AöR 110, 363 (397) u. Jarass, in: Badura / Dreier, FS 50 Jahre BVerfG, Bd. 2, 35 (50), der die auf die objektivrechtliche Wertentscheidung gestützten Funktionen dogmatisch zusammenfassen möchte. Vgl. auch Kopp, NJW 1994, 1753 (1754 f.), der Schutzpflicht aber als „Förderungspflicht“ bezeichnet. I. E. auch Sailer, DVBl. 1976, 521 (529). Klein, DVBl. 1994, 489 (491) stimmt in seiner Fn. 38 Böckenförde dabei zu, dass die Schutzpflicht der zentrale Begriff der objektiv-rechtlichen Dimension der Grundrechte darstellt. Zu demselben Ergebnis kommt auch das institutionelle Grundrechtsverständnis, das auch von dem Gedanken der Abhängigkeit grundrechtlicher Realisierungschancen von sozialen Voraussetzungen u. einer konkreten Ordnung ausgeht, vgl. die Darstellung von Böckenförde, Staat, Gesellschaft, Freiheit, 228 ff. Gegen die dogmatische Integration beider „Modelle“ wird z. T. argumentiert, dass aufgrund der Dreieckssituation andere Voraussetzungen gelten müssen, wie im bipolaren Verhältnis Staat-Bürger, vgl. Ziekow, Über Freizügigkeit und Aufenthalt, 586 f.

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rechtlichen Schutzpflicht als ein die Staatsgewalt aktivierendes398 Schutzgut dar: Der Staat ist nicht Grundrechtsgegner, sondern Grundrechtsgarant.399 Zusammenfassend kann also festgehalten werden, dass der Anwendungsbereich der so verstandenen grundrechtlichen Schutzpflichtendimension allgemein immer dann eröffnet ist, wenn und soweit der Bürger, um von seiner grundrechtlichen Freiheit Gebrauch zu machen, auf aktive Maßnahmen öffentlicher Rechtsträger angewiesen ist.400 Welcher konkrete Inhalt und Umfang dieser – hier noch relativ abstrakt erscheinenden – Schutzverpflichtung zugunsten „realer“ Freiheit zukommt, insbesondere welche Wirkungsdimension sie im Einzelfall entfalten kann, sollen die nachfolgenden Ausführungen verdeutlichen.

3. Inhalt und Umfang der Schutzpflichtendimension zugunsten „realer Freiheit“: Allgemeine Grundsätze Die konkrete Bestimmung des Inhalts und Umfangs der grundrechtlichen Schutzpflichtendimension ist vor allem vom jeweils betroffenen Grundrecht abhängig. Erst aus der Interpretation der einzelnen Grundrechtsgehalte ergibt sich, ob und in welchem Umfang Maßnahmen zur Realisierung der grundrechtlichen Freiheit notwendig sind und ob der Staat diese ergreifen darf oder sogar ergreifen muss.401 Losgelöst von den Differenzierungen der Einzelgrundrechte können aber auch allgemein geltende Aussagen über den Inhalt und Umfang der grundrecht­ lichen Schutzpflichtendimension getroffen werden, die bei der Ableitung konkreter Schutzgehalte aus den entsprechenden Grundrechten als eine Art „Allgemeiner Teil“ zu berücksichtigen sind. Die folgenden Ausführungen greifen größtenteils auf die in Rechtsprechung und Literatur bereits (mehr oder weniger konkret) vorgenommene inhaltliche Ausarbeitung der „klassischen“ grundrechtlichen Schutzpflichtendimension zurück. Dabei wird aber berücksichtigt, dass das hier ver 398

Die staatliche Schutzpflicht ist dementsprechend stets Ausfluss des positiven Status des Grundrechtsträgers. Vgl. Isensee, in: Isensee / K irchhof, HdBStR, Bd. IX, § 191 Rn. 3; Calliess, in: Merten / Papier, HdB GR, Bd. II, § 44 Rn. 18; Jarass, AöR 120, 345 (367); Friauf, DVBl. 1971, 674 (677); Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rn. 350; Stern, in: Stern, StaatsR, Bd. III/1, 945; Schneider, in: Merten / Papier, HdB GR, Bd. I, § 18 Rn. 45; ausführlich Dietlein, Die Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten, 34 ff.; Alexy, Theorie der Grundrechte, 410 ff., insbes. 420 f.; Schaumann, JZ 1970, 48 (49); Robbers, Sicherheit als Menschenrecht, 125; Ruffert, Vorrang der Verfassung, 201; Calliess, JZ 2006, 321 (326); Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, 350; so auch Grimm, NVwZ 1985, 865 (869) für die Verfahrensgestaltung. Die gegenteilige Auffassung sieht die Schutzpflicht als Ausfluss des abwehrrechtlichen status negativus, so v. a. Schwabe, Probleme der Grundrechtsdogmatik, 213. 399 Vgl. Dietlein, Die Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten, 18; Stern, in: Stern, StaatsR, Bd. III/1, 946; Ruffert, Vorrang der Verfassung, 155; diese Rolle des Staates betont auch bereits Scheuner, DÖV 1971, 505 (510); Hesse, EuGRZ 1978, 427 (430); Pietrzak, JuS 1994, 748 (748); speziell für die Polizei Isensee, Das Grundrecht auf Sicherheit, 52 f. 400 Vgl. Kopp, NJW 1994, 1753 (1754); Schneider, in: Merten / Papier, HdB GR, Bd. I, § 18 Rn. 88. 401 Vgl. Isensee, in: Isensee / K irchhof, HdBStR, Bd. IX, § 190 Rn. 90.

IV. Dogmatische Begründung 

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wendete Schutzpflichtenverständnis auf der Ausrichtung der Grundrechte auf den Schutz „realer“ Freiheiten basiert, sodass die vorgefundenen Grund-sätze dementsprechend gegebenenfalls neu justiert und angepasst werden.402 a) Unbestimmtheit und Wirkungsweise Im Rahmen des grundrechtlichen status negativus kann der Inhalt des vom Staat begehrten Verhaltens eindeutig festgelegt werden: Der Grundrechtsträger fordert vom Staat, den „Eingriff“ in seine Freiheitssphäre zu unterlassen. Der Inhalt des Abwehranspruchs bildet also das genaue Gegenteil zu der eingreifenden Handlung des Staates.403 Der Inhalt und die Reichweite der grundrechtlichen Schutzpflicht ist dagegen weniger leicht zu bestimmen.404 Selbst in den Fällen, in denen das Grundgesetz ausdrücklich grundrechtliche Schutzansprüche normiert wie z. B. bei dem Anspruch der Mutter auf Schutz und Fürsorge gem. Art. 6 IV GG, können den Grundrechten keine Angaben darüber entnommen werden, wie dieser Anspruch konkret durch den Staat umzusetzen ist.405 Während das abstrakte Schutzziel dem Staat aufgrund der Bindungsanordnung des Art. 1 III GG also grundrechtlich aufgetragen ist,406 wird der Weg zum Ziel, d. h. die Frage, wie genau der Staat das ihm grundrechtlich aufgegebene Schutzziel erreichen soll, verfassungsrechtlich nicht vorgegeben.407 Das führt zu der Annahme, dass der den Grundrechten zu entneh 402

Die Arbeit hat dabei nicht den Anspruch die grundrechtliche Schutzdimension in allen ihren Einzelheiten zu entfalten u. dogmatisch aufzuarbeiten. Insbes. die Aspekte der Schutzpflicht, die für die anschließende Betrachtung der Straßenbenutzung im Rahmen von Art. 8 I GG von Bedeutung sind, sollen gezielt herausgearbeitet u. erörtert werden. 403 Dazu, dass die Schutzpflicht ein weniger konkretes staatliches Handeln fordert, als das Abwehrrecht ausdrücklich BVerfGE 96, 56 (64); s. auch Hesse, in: Däubler-Gmelin u. a., FS Mahrenholz, 541 (545); Cremer, Freiheitsgrundrechte, 273; Jarass, in: Merten / Papier, HdB GR, Bd. II, § 38 Rn. 31; vgl. auch Hermes, Das Grundrecht auf Schutz von Leben und Gesundheit, 117 f.; Robbers, Sicherheit als Menschenrecht, 160; Grimm, NVwZ 1985, 865 (869). Ausdrücklich auch BVerfGE 96, 56 (64). 404 Statt vieler Mayen, Der grundrechtliche Informationsanspruch, 257. 405 Vgl. auch Stern, in: Stern, StaatsR, Bd. III/1, 711; Krebs, in: Merten / Papier, HdB GR, Bd. II, § 31 Rn. 114. 406 Vgl. Klein, JuS 2006, 960 (960); Klein, DVBl. 1994, 489 (495); Borowksi, Grundrechte als Prinzipien, 430; Hesse, in: Däubler-Gmelin u. a., FS Mahrenholz, 541 (545); Friauf, DVBl. 1971, 674 (677); Rüfner, in: Gitter / Thieme / Zacher, FS Wannagat, 379 (386); Krebs, in: Merten /  Papier, HdB GR, Bd. II, § 31 Rn. 113; anschaulich auch Pietrzak, JuS 1994, 748 (752): „Geschuldet wird nur der Erfolg (…)“. Auch BVerfGE 88, 203 (254). 407 Vgl. BVerfGE 92, 26 (46). S. auch Klein, NJW 1989, 1633 (1637); Scherzberg, Grundrechtsschutz und „Eingriffsintensität“, 184; Klein, DVBl. 1994, 489 (495); Alexy, Theorie der Grundrechte, 420; Störring, Das Untermaßverbot, 55; Unruh, Zur Dogmatik der grundrechtlichen Schutzpflichten, 79; Friauf, DVBl. 1971, 674 (677); Hesse, in: Däubler-Gmelin u. a., FS Mahrenholz, 541 (545); Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rn. 350; Krebs, in: Merten /  Papier, HdB GR, Bd. II, § 31 Rn. 114; Rüfner, in: Gitter / T hieme / Zacher, FS Wannagat, 379 (386 f.); Robbers, Sicherheit als Menschenrecht, 160; Bumke, Der Grundrechtsvorbehalt, 69; Grimm, NVwZ 1985, 865 (869); Scheuner, DÖV 1971, 505 (510).

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mende Schutzauftrag zugunsten „realer“ Freiheit jedenfalls grundsätzlich nicht den Erlass abschließender Bestimmungen über den konkreten Inhalt und die Reichweite der Förderung der tatsächlichen Voraussetzung der Freiheitswahrnehmung bezwecken kann.408 Insgesamt wirkt die grundrechtliche Schutzverpflichtung zugunsten „realer“ Freiheit daher vor allem als eine abstrakte Vorgabe, die dem Staat als Ziel aufträgt, „reale“ Freiheit für das jeweilige Grundrecht im Rahmen der rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten unter Abwägung aller Gesichtspunkte zu verwirklichen.409 Die grundsätzliche Unbestimmtheit des Inhalts der grundrechtlichen Schutzpflicht schließt jedoch nicht aus, dass sich das allgemein vorgegebene Ziel des Schutzes „realer“ Freiheit auf bestimmte verfassungsrechtlich vorgegebene Schutzergebnisse und im Einzelfall sogar auf das Ergreifen einer konkreten staatlichen Schutzmaßnahme „verdichten“ kann.410 Dies ist insbesondere immer dann anzunehmen, wenn die Auslegung des jeweiligen Grundrechts411 ergibt, dass die grundrechtlich gewährleistete Freiheit bzw. die grundrechtlich geschützte Verhaltensweise von der Bereitstellung einer bestimmten staatlichen Leistung abhängig ist und es ohne diese staatliche Leistung mehr oder weniger leerlaufen würde.412 Vorausgesetzt ist also, dass die generelle Möglichkeit der Grundrechtsausübung gefährdet ist oder in anderen Worten, dass die Ausübung des Grundrechts struktu-

408 Vgl. Scherzberg, Grundrechtsschutz und „Eingriffsintensität“, 184; Calliess, in: Merten /  Papier, HdB GR, Bd. II, § 44 Rn. 26; Schmitz, Grundrechtliche Schutzpflichten, 126; Borowksi, Grundrechte als Prinzipien, 430; Hermes, Das Grundrecht auf Schutz von Leben und Gesundheit, 117 f. 409 Vgl. Scherzberg, Grundrechtsschutz und „Eingriffsintensität“, 185, 186 f., 193 ff.; Krings, Grund und Grenzen grundrechtlicher Schutzansprüche, 263; Rüfner, in: Merten / Papier, HdB GR, Bd. II, § 40 Rn. 48, 54; Brohm, JZ 1994, 213 (217 f.); Böckenförde, in: Böckenförde / Jekwitz /  Ramm, Soziale Grundrechte, 14. S. auch Alexy, Theorie der Grundrechte, 75 f., 420 f., der insoweit von einem „Optimierungsgebot“ spricht. S. auch Schmitz, Grundrechtliche Schutzpflichten, 126; Hermes, Das Grundrecht auf Schutz von Leben und Gesundheit, 261, 263; Mayen, Der grundrechtliche Informationsanspruch, 258; Bumke, Der Grundrechtsvorbehalt, 70 bezeichnet diese Schutzverpflichtung als „Schutz- und Förderpflicht“; s. auch Scheuner, DÖV 1971, 505 (513); Müller, Der Staat 1990, 33 (38). Nach Brohm, JZ 1994, 213 (218) ähnelt die Wirkung der Grundrechte der Funktion von Staatszielen; dazu auch Dolderer, Objektive Grundrechtsgehalte, 295 ff.; Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rn. 350. Nach Hesse, EuGRZ 1978, 427 (439) kommt den Grundrechten die Funktion von „Richtlinien und Impulsen“ zu. Dem steht auch nicht das Verbindlichkeitspostulat des Art. 1 III GG entgegen, den dieser bindet die staatliche Gewalt nur insoweit, wie der Regelungsgehalt der grundrechtlichen Verpflichtung geht, vgl. Dolderer, Objektive Grundrechtsgehalte, 298. 410 Vgl. Schmitz, Grundrechtliche Schutzpflichten, 126; Krebs, in: Merten / Papier, HdB GR, Bd. II, § 31 Rn. 114; Hermes, Das Grundrecht auf Schutz von Leben und Gesundheit, 265; als „Handlungspflicht“ bezeichnet von Bumke, Der Grundrechtsvorbehalt, 72; zu der Möglichkeit, dass sich die Schutzpflicht zu konkreten Schutzmaßnahmen verdichtet auch Häberle, VVDStRL 1972, 43 (91); Kopp, NJW 1994, 1753 (1756). Dazu auch BVerfGE 77, 170 (215). 411 Vgl. Brohm, JZ 1994, 213 (218); BVerfGE 56, 54 (81). 412 Vgl. BVerwGE 23, 347 (349 f.); 27, 360 (364); BVerfGE 35, 79 (115 f.).

IV. Dogmatische Begründung 

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rell von der Bereitstellung staatlicher Leistungen abhängig ist.413 Die Verdichtung grundrechtlicher Schutzgehalte auf konkrete Schutzmaßnahmen muss sich allerdings zusätzlich an dem „Vorbehalt des Möglichen“ orientieren.414 Anderenfalls wäre der Staat dazu verpflichtet, jedermann die tatsächlichen Voraussetzungen dafür bereitzuhalten, jedes Grundrecht nach seinen Vorstellungen jederzeit ausüben zu können.415 Dann könnte z. B. Art. 13 I GG die staatliche Verpflichtung entnommen werden, jedem Grundrechtsberechtigten auch tatsächlich eine Wohnung zu verschaffen, weil ohne Besitz von Wohnraum die in Art. 13 I GG garantierte Freiheit leerlaufen würde.416 Im Hinblick auf die begrenzte (finanzielle) Leistungsfähigkeit des Staates ist die Ableitung so umfassender staatlicher Schutzmaßnahmen nicht umsetzbar und kann daher verfassungsrechtlich nicht bezweckt sein.417 Dem Staat ist die Erbringung bestimmter Schutzmaßnahmen aber jedenfalls dann möglich, wenn er hierfür auf ein bereits bestehendes (rechtliches oder tatsäch­ liches) „Leistungssubstrat“ zurückgreifen kann, also über die Schutzmittel verfügt, die für die Grundrechtsrealisierung im Einzelfall zwingend erforderlich sind.418 Dann besteht jedenfalls die Chance, dass der Staat grundrechtlich verpflichtet ist, diese Schutzmaßnahmen zu ergreifen. Das gilt umso mehr, wenn der Staat eine Monopolstellung über die zur Grundrechtsausübung benötigten Mittel innehat. In diesem Fall können sich die Grundrechtsträger, die für die „reale“ Freiheit benötigten Gegebenheiten nämlich gerade nicht selbst beschaffen. Nach alledem ist eine Verdichtung grundrechtlicher Schutzgehalte auf konkrete Schutzvorgaben also dann möglich, wenn die Auslegung des Grundrechts ergibt, dass das Grundrecht selbst von dem Bestehen bestimmter faktischer oder rechtlicher Gegebenheiten, die für die generelle Ausübung der jeweils garantierten Freiheit zwingend erforderlich sind,419 ausgeht und der Staat auch tatsächlich über diese Gegebenheiten verfügt oder diese zumindest den Grundrechtsträgern verschaffen bzw. deren Verteilung steuern kann.420 Dann kann dem grundrechtlichen

413 Vgl. dazu die Rechtsprechung des BVerfGs, insbes. BVerfGE 12, 205 (262 f.); 31, 314 (326 f.); 35, 79 (115 f.); 73, 118 (153). S. auch Sailer, DVBl. 1976, 521 (527). 414 Vgl. Murswiek, in: Isensee / K irchhof, HdStR, Bd. IX, § 192 Rn. 63 f.; Schneider, in: Merten /  Papier, HdB GR, Bd. I, § 18 Rn. 87; Streuer, Die pos. Verpflichtungen, 132 f. So auch das BVerfG in BVerfGE 33, 303 (333); Schmitz, Grundrechtliche Schutzpflichten, 144 f. Vgl. auch BVerfGE 90, 107 (116). 415 Vgl. Schneider, in: Merten / Papier, HdB GR, Bd. I, § 18 Rn. 93. 416 Dieses Beispiel erwähnt auch Murswiek, in: Isensee / K irchhoff, HdBStR, Bd. IX, § 192 Rn. 91. 417 Rüfner, in: Merten / Papier, HdB GR, Bd. II, § 40 Rn. 50 bezeichnet ein solches Verständnis als „illusionär. Vgl. auch Murswiek, in: Isensee / K irchhoff, HdBStR, Bd. IX, § 192 Rn. 65, 109. S. auch BVerfGE 33, 303 (334). 418 Zu diesem Kriterium insbes. BVerfGE, 33, 303 (330 ff.). 419 Vgl. Schneider, in: Merten / Papier, HdB GR, Bd. I, § 18 Rn. 93 f.; Grimm, NVwZ 1985, 865 (869); Kopp, NJW 1994, 1753 (1756); s. auch Murswiek, in: Isensee / K irchhof, HdBStR, Bd. IX, § 192 Rn. 111; BVerfGE 35, 79 (116). 420 Vgl. BVerfGE, 33, 303 (331 f.).

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Schutzauftrag unter dem Vorbehalt des Möglichen eine entsprechende Verpflichtung des Staates zur Herstellung bzw. Bereithaltung eben dieser vorausgesetzten Gegebenheiten entnommen werden.421 Insoweit wirkt die grundrechtliche Schutzpflicht zugunsten „realer“ Freiheit als konkretisierte staatliche Realisierungs- bzw. Handlungspflicht.422

b) Staatlicher Gestaltungsspielraum und Untermaßverbot Infolge der inhaltlichen Unbestimmtheit der grundrechtlichen Schutzpflichtendimension und ihrer darauf gründenden Wirkungsweise als allgemeines Förderungsgebot zugunsten „realer“ Freiheit, kommt dem Staat jedenfalls bei der Umsetzung seiner Schutzverpflichtung, d. h. bei der konkreten Mittelauswahl, ein weiter „Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum“ zu.423 Allerdings ist – wie bereits erläutert – das Schutzziel mit der staatlichen Verpflichtung auf die Herstellung „realer“ Freiheit verfassungsrechtlich vorgegeben.424 Das bedeutet zum einen, dass der Staat jedenfalls bei der Frage, „ob“ er überhaupt Schutzmaßnahmen ergreift, keinen Entscheidungsspielraum hat. Zum anderen errichtet die Zielvorgabe der „realen“ Freiheit im Hinblick auf die staatliche Mittelauswahl auch eine die Staatsgewalt bindende untere Grenze an Mindestschutz, das sog. Untermaßverbot.425 Dieses gebietet dem Staat für einen Minimalstandard an „realer“ Freiheit zu sorgen. Demnach ist der Staat bei der Mittelauswahl zumindest daran gebunden, ein Minimum an tatsächlichen Bedingungen individueller Freiheitsver-

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Berücksichtigt man diese Kriterien, bleibt die „Verdichtung“ der der Schutzpflicht grundsätzlich zu entnehmenden allgemeine Zielvorgabe auf konkrete Schutzmaßnahmen auf Einzelfälle beschränkt, sodass auch nicht die Gefahr eines ausufernden, die staatlichen Kapazitäten überschreitenden allgemeinen Grundrechtsvoraussetzungsschutz besteht. 422 Vgl. Scherzberg, Grundrechtsschutz und „Eingriffsintensität“, 191; Bumke, Der Grundrechtsvorbehalt, 69 ff. 423 So z. B. BVerfGE 77, 170 (214 f.). Vgl. auch Isensee, in: Isensee / K irchhof, HdBStR, Bd. IX, § 191 Rn. 293; Stern, in: Stern, StaatsR, Bd. III/1, 950; Calliess, in: Merten / Papier, HdB GR, Bd. II, § 44 Rn. 26; Jarass, in: Merten / Papier, HdB GR, Bd. II, § 38 Rn. 31. 424 Vgl. auch Scherzberg, Grundrechtsschutz und „Eingriffsintensität“, 209. 425 Vgl. BVerfGE 88, 203 (254): Erforderlich ist danach „ein (…) angemessener Schutz, entscheidend ist, daß er als solcher wirksam ist.“ Calliess, in: Merten / Papier, HdB GR, Bd. II, § 44 Rn. 26, 30; Dietlein, Die Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten, 131 ff.; Klein, DVBl. 1994, 489 (495); Cremer, Freiheitsgrundrechte, 310 ff.; Ruffert, Vorrang der Verfassung, 218 ff.; Krings, Grund und Grenzen grundrechtlicher Schutzansprüche, 297 ff.; angedeutet auch von Krebs, in: Merten / Papier, HdB GR, Bd. II, § 31 Rn. 117. Nach Hesse, in: Däubler-Gmelin u. a., FS Mahrenholz, 541 (545) ist nur die „Wirksamkeit“ der Wahrnehmung der Schutzpflicht eindeutig von der Verfassung vorgegeben. Manche Autoren zweifeln aber daran, dass das Untermaßverbot einen sich vom Übermaßverbot unterscheidenden, eigenständigen Gehalt hat, so z. B. Unruh, Zur Dogmatik der grundrechtlichen Schutzpflichten, 83 ff.; krit. auch Erichsen, Jura 1997, 85 (88). Die unterschiedlichen Meinungen werden gruppiert von Sczcekalla, Die sog. grundrechtlichen Schutzpflichten, 323 f.

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wirklichung, den grundrechtlichen Schutzgehalten entsprechend, auszugestalten.426 Auch der Gestaltungsspielraum der staatlichen Organe im Hinblick auf die Auswahl des Schutzmittels ist daher jedenfalls insoweit einzuschränken, als nur solche Schutzmaßnahmen in Betracht zu ziehen sind, die einen Minimalstandard an Schutz „realer“ Freiheit auch tatsächlich realisieren können, also effektiv sind.427 Der Umfang des staatlichen Gestaltungsspielraums bei der Erfüllung der grundrechtlichen Schutzpflichtendimension ist davon abhängig, welche Wirkungsweise dem grundrechtlichen Schutzgehalt im Einzelfall entnommen werden kann. Wenn sich der Schutzgehalt eines Grundrechts mit den oben genannten Kriterien auf die staatliche Verpflichtung zur Herstellung eines ganz bestimmten Schutzergebnisses bzw. auf das Ergreifen einer konkreten Schutzmaßnahme verdichtet hat,428 ist analog dazu auch der staatliche Gestaltungsspielraum begrenzt.429 Der Gestaltungsspielraum des Staates wird also immer enger, je näher die dem entsprechenden Grundrecht zu entnehmende Schutzvorgabe einer bestimmten Realisierungs- bzw. Handlungspflicht kommt.

c) Verpflichtungsadressaten und Schutzstufen Adressat der Schutzverpflichtung zugunsten „realer“ Freiheit ist die nach Art. 1 III GG grundrechtsgebundene Bundes- und Landesstaatsgewalt430 in allen ihren Er­scheinungen, d. h. Gesetzgebung,431 vollziehende Gewalt432 und Rechtspre-

426

So auch Hermes, Das Grundrecht auf Schutz von Leben und Gesundheit, 261. Vgl. Klein, JuS 2006, 960 (960 f.); Hermes, Das Grundrecht auf Schutz von Leben und Gesundheit, 261; Robbers, Sicherheit als Menschenrecht, 161; Calliess, JZ 2006, 321 (328); Scherzberg, Grundrechtsschutz und „Eingriffsintensität“, 208 f. 428 S. oben unter B. IV. 3. a). 429 So formuliert das BVerfG im Schleyer-Urteil BVerfGE 46, 160 (164 f.): Die „Freiheit in der Wahl der Mittel zum Schutz des Lebens kann sich in besonders gelagerten Fällen auch auf die Wahl eines bestimmten Mittels verengen, wenn ein effektiver Lebensschutz auf andere Weise nicht zu erreichen ist“. Vgl. auch Alexy, Theorie der Grundreche, 422; Preu, JZ 1991, 265 (268); Hermes, Das Grundrecht auf Schutz von Leben und Gesundheit, 265. 430 S. allgemein zur Bindung der staatlichen Gewalt z. B. Starck, in: v. Mangoldt / K lein /  Starck, GG, Bd. I, Art. 1 Rn. 221 ff.; Stern, in: Stern, StaatsR, Bd. III/1, 1201 ff.; speziell zur Schutzpflicht 950. Zur vertikalen Verteilung der Schutzpflichtenverantwortung im Bundesstaat: Krings, Grund und Grenzen grundrechtlicher Schutzansprüche, 251 ff. 431 Unter Berücksichtigung des föderalen Systems werden von dem Begriff Gesetzgebung sowohl der Bundes- als auch die Landesgesetzgeber erfasst. 432 Zur „vollziehenden Gewalt“ i. S. d. Art. 1 III GG zählen auch die kommunalen Körperschaften, sodass auch deren Organe für ihren Kompetenzbereich der grundrechtlichen Schutzpflicht unterworfen sind, vgl. Dolderer, Objektive Grundrechtsgehalte, 168 f. Speziell zur Kompetenz bei der Erledigung grundrechtlicher Schutzaufgaben durch Gemeinden s. Kästner, NVwZ 1992, 9 (9 ff.). Darüber hinaus sind auch öffentlich-rechtlich verfasste Körperschaften, wie z. B. Universitäten an die Schutzgehalte der Grundrechte gebunden, s. z. B. Dolderer, Objektive Grundrechtsgehalte, 169. 427

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chung.433 Die Schutzgehalte treffen die unterschiedlichen Staatsgewalten dabei jeweils nach Maßgabe ihres spezifischen Funktionskreises.434 Die grundrechtliche Schutzpflicht enthält dementsprechend je nachdem, welche staatliche Organisationseinheit zur Umsetzung berufen ist, in Inhalt und Wirkungsweise zu unterscheidende Realisierungs- bzw. Handlungsaufträge. Die Frage nach der Art und der Auswahl der Mittel, die die Adressaten jeweils zur Erfüllung ihrer grundrechtlichen Schutzverpflichtung ergreifen müssen, soll im Folgenden bereichsspezifisch für die unterschiedlichen Staatsgewalten untersucht werden. Dabei können die aus der Schutzpflicht folgenden staatlichen Realisierungs- und Handlungsgebote allgemein in zwei Schutzpflichtenstufen eingeteilt werden.435 aa) Primäre Schutzpflichtenstufe: Gesetzgebung Angesichts ihrer verfassungsrechtlichen Unbestimmtheit sind die grundrechtlichen Schutzpflichten im Hinblick auf die zu ergreifenden Schutzmaßnahmen konkretisierungsbedürftig.436 Dieses Bedürfnis nach Konkretisierung verlangt aufgrund der von der Verfassung vorgegebenen Direktiven aus Gesetzesvorbehalt, Parlamentsvorbehalt und Wesentlichkeitstheorie ein gesetzgeberisches Tätigwerden.437 Die grundrechtlichen Schutzpflichten erfordern daher grundsätzlich eine 433

Isensee, in: Isensee / K irchhof, HdBStR, Bd. IX, § 191 Rn. 217; Calliess, in: Merten / Papier, HdB GR, Bd. II, § 44 Rn. 6; Dolderer, Objektive Grundrechtsgehalte, 168 f.; Dietlein, Die Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten, 70; Häberle, in: Hablitzel / Wollenschläger, FS Küchenhoff, Halbbd. II, 453 (468). Vgl. auch BVerfGE 39, 1 (42); 46, 160 (164); 77, 170 (215); ausdrücklich BVerfGE 49, 89 (142). Allgemein zur Bindung an die Grundrechte: BVerfGE 128, 226 (244). 434 Vgl. Kästner, NVwZ 1992, 9 (10); Wahl / Masing, JZ 1990, 553 (559 f.); Schmitz, Grundrechtliche Schutzpflichten, 127; Stern, in: Stern, StaatsR, Bd. III/1, 951; Roth, Faktische Eingriffe in Freiheit und Eigentum, 442 f.; Klein, DVBl. 1994, 489 (494); Krebs, in: Merten / Papier, HdB GR, Bd. II, § 31 Rn. 115. 435 Vgl. zu dieser Einteilung (allerdings bezogen auf das „klassische“ Schutzpflichtenverständnis) v. a. Murswiek, Die staatliche Verantwortung für die Risiken der Technik, 108. Daran angelehnt auch Krings, Grund und Grenzen grundrechtlicher Schutzansprüche, 243 ff.; krit. Dietlein, Die Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten, 130 ff. Diese Einteilung soll allerdings keine Vor- bzw.- Nachrangigkeit der jeweiligen Schutzpflichten bedeuten. Es bleibt dabei, dass die grundrechtliche Schutzpflicht sich einheitlich an die gesamte Staats­gewalt richtet u. nicht nach den Adressaten differenziert. 436 S. oben unter B. IV. 3. a), auch zu den Ausnahmefällen, dass einem grundrechtlichen Schutzgehalt doch eine konkrete Schutzvorgabe entnommen werden kann. 437 Vgl. BVerfGE 56, 54 (81). S. auch Schmitz, Grundrechtliche Schutzpflichten, 127; ­Dolderer, Objektive Grundrechtsgehalte, 199; Stern, in: Stern, StaatsR, Bd. III/1, 951; Krebs, Vorbehalt des Gesetzes, 79; Ruffert, Vorrang der Verfassung, 202; Pietrzak, JuS 1994, 748 (753); Streuer, Die pos. Verpflichtungen des Staates, 141. Insbes. dann, wenn zur Umsetzung der Schutzpflicht in Grundrechte Dritter eingegriffen werden muss, ist ein Gesetz aufgrund des Gesetzesvorbehalts zwingend erforderlich. So z. B. Unruh, Zur Dogmatik der grundrecht­ lichen Schutzpflichten, 23; Wahl / Masing, JZ 1990, 557 f.; Erichsen, Jura 1997, 85 (87 f.). Allgemein zum Gesetzes- und Parlamentsvorbehalt z. B. Ossenbühl, in: Isensee / K irchhof, HdBStR, Bd. V, § 101 Rn. 11 ff., 41 ff. m. w. N.; Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rn. 200, 508.

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Umsetzung durch das einfache Recht.438 Erst mithilfe dieses von der Gesetzgebung zu entwerfenden „Schutzkonzept[s]“439 lässt sich der verfassungsrechtlich unbestimmte Schutzauftrag zu bestimmten staatlichen Schutzpflichten verdichten und erst so realisiert er sich auch gegenüber dem schutzsuchenden Bürger.440 Das Bestehen einer einfachen Rechtsordnung, die die grundrechtlichen Schutzgehalte ausgestaltet, bildet insoweit die erste wesentliche Voraussetzung für die staatliche Gewährleistung grundrechtlicher „realer“ Freiheit.441 Der primäre Adressat der Schutzpflicht ist daher die gesetzgebende Gewalt.442 Als Handlungsauftrag an die Gesetzgebung beinhaltet die Schutzpflicht auf der primären Schutzpflichtenstufe das Gebot zur normativen Entfaltung der Grundrechte.443 Konkret verpflichtet dieser dynamische444 Gesetzgebungsauftrag die LeZum Wesentlichkeitskriterium z. B. Krebs, in: Merten / Papier, HdB GR, Bd. II, § 31 Rn. 116; Preu, JZ 1991, 265 (268 f.); Ossenbühl, in: Isensee / K irchhof, HdBStR, Bd. V, § 101 Rn. 52 ff. Dazu auch noch unter D. IV. u. V. 438 Vgl. Isensee, in: Isensee / K irchhof, HdBStR, Bd. IX, § 191 Rn. 281 ff.; Unruh, Zur Dogmatik der grundrechtlichen Schutzpflichten, 24; Wahl / Masing, JZ 1990, 553 (558 f.); Krebs, Vorbehalt des Gesetzes, 92. S. auch BVerfGE 88, 203 (254). 439 BVerfGE 88, 203 (261). 440 Zur Konkretisierungsfunktion z. B. Stern, in: Stern, StaatsR, Bd. III/1, 951. Vgl. ­Unruh, Zur Dogmatik der grundrechtlichen Schutzpflichten, 24; Isensee, in: Isensee / K irchhof, HdBStR, Bd. IX, § 191 Rn. 267; s. auch Friauf, DVBl. 1971, 674 (678); Krings, Grund und Grenzen grundrechtlicher Schutzansprüche, 243 f. Dementsprechend gelten die Schutzpflichten auch als „gesetzesmediatisiert“, vgl. Isensee, Das Grundrecht auf Sicherheit, 44; Calliess, JZ 2006, 321 (326). Teilweise werden sie auch als nicht „self-executing“ bezeichnet, so z. B. Schmitz, Grundrechtliche Schutzpflichten, 128. 441 Vgl. Klein, DVBl. 1994, 489 (491); Isensee, in: Isensee / K irchhof, HdBStR, Bd. IX, § 190 Rn. 161; Krings, Grund und Grenzen grundrechtlicher Schutzansprüche, 245; sinngemäß auch Krebs, Vorbehalt des Gesetzes, 79 f. 442 Friauf, DVBl. 1971, 674 (677); Stern, in: Stern, StaatsR, Bd. III/1, 951; Jarass, AöR 110, 363 (395); Dietlein, Die Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten, 181; Dolderer, Objektive Grundrechtsgehalte, 199 sieht den Gesetzgeber als „primären Schutzpflichtenadressat“ an; vgl. auch Hermes, Das Grundrecht auf Schutz von Leben und Gesundheit, 118, 266, insbes. auch 268 „Primat der Legislative“; Robbers, Sicherheit als Menschenrecht, 204; Ruffert, Vorrang der Verfassung, 201 ff. Erlässt die Exekutive aufgrund einer Ermächtigung des Gesetzgebers Rechtsverordnungen, gilt insoweit auch für die Exekutive das zur primären Schutzpflichtenstufe Gesagte. Ausführlich zur autonomen Rechtssetzung durch die Exekutive Ossenbühl, in: Isensee / K irchhof, HdBStR, Bd. V, § 104 Rn. 1 ff.; zum Erlass von Rechtsverordnungen Ossenbühl, in: Isensee / K irchhof, HdBStR, Bd. V, § 103, Rn. 1 ff. 443 Grimm, NVwZ 1985, 865 (868) bezeichnet das als „implizite[n] Gesetzgebungsauftrag“. 444 Der Gesetzgeber genügt seiner grundrechtlichen Schutzverpflichtung aber nicht bereits dadurch, dass er ein Schutzgesetz erlässt, das im Zeitpunkt seines Inkrafttretens den schutzrechtlichen Anforderungen entspricht. Vielmehr ist er zu einem dynamischen Rechtsgüterschutz angehalten. Das bedeutet, dass er auch schon vorhandene Schutzvorkehrungen überprüfen muss u. diese ggfs., wenn sie den grundrechtlichen Schutzanforderungen nicht mehr genügen, nachbessern oder sogar ersetzen muss. Zum „dynamischen Rechtsgüterschutz“ erstmalig BVerfGE 49, 89 (137); s. auch Isensee, in: Isensee / K irchhof, HdBStR, Bd. IX, § 191 Rn. 286 f.; Murswiek, Die staatliche Verantwortung für die Risiken der Technik, 181 ff.; ­Calliess, in: Merten / Papier, HdB GR, Bd. II, § 44 Rn. 26; Erichsen, Jura 1997, 85 (88); Unruh, Zur Dogmatik der grundrechtlichen Schutzpflichten, 24 f.

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gislative dazu, die Rechtsordnung so auszugestalten, dass in ihr und durch sie die grundrechtlich gewährleisteten Freiheiten zu „realen“ Freiheiten werden können.445 Zur Erfüllung dieser Pflicht hat die Legislative zum einen Bestand an Normen zu erlassen, die den grundrechtlich geschützten Freiheitsraum vor solchen Gefahren, die die „reale“ Freiheit beeinträchtigen können, schützen.446 In Anlehnung an den Sprachgebrauch des BVerfGs können diese Schutzgesetze als grundrechtsgebotene Normen bezeichnet werden, soweit ihr Vorhandensein von der Verfassung zwingend gefordert wird.447 Darüber hinaus kann es die Eigenart des Grundrechts im Einzelfall erfordern, dass die gesetzgebende Gewalt erst die vom Grundrecht vorausgesetzten Freiheitsräume schaffen muss. Insoweit ist die Legislative zum Erlass von grundrechtsausgestaltenden bzw. –koordinierenden Normen verpflichtet.448 Dem einfachen Recht kommt unter einem schutzpflichtenorientieren Blickwinkel also gerade keine die Staatsgewalt ausgrenzende, sondern eine schutzpflichtverwirklichende und -konkretisierende Funktion zu.449 Die Grundrechte geben – wie bereits verdeutlicht – in der Regel nicht vor, wie der Gesetzgebungsauftrag zu erfüllen ist.450 Aufgrund der grundrechtlichen Verpflichtung der Staatsgewalt zu einem wirksamen Grundrechtsschutz, dürfen die in Wahrnehmung der Schutzpflicht erlassenen Normen aber jedenfalls den am Untermaßverbot ausgerichteten Mindestschutz nicht unterschreiten.451 445

Vgl. Klein, DVBl. 1994, 489 (491); Brohm, JZ 1994, 213 (217). Ausführlich zur Bedeutung der Gesetzgebung bei der Verwirklichung der Freiheitsrechte, Schaumann, JZ 1970, 48 (48 ff.); Müller, Der Staat 1990, 33 (38). Das beinhaltet v. a. die Nachbesserung bereits bestehender Gesetze, vgl. Streuer, Die pos. Verpflichtungen des Staates, 151; Hermes, Das Grundrecht auf Schutz von Leben und Gesundheit, 268 f. 446 Vgl. Dietlein, Die Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten, 128. Hierzu zählt v. a. die Konstellation der „klassischen“ Schutzpflichtendimension. Dieser Verpflichtung kommt der Staat v. a. durch zivilrechtliche Verbotsregelungen, aber auch im Wege der Strafrechtsgesetzgebung nach. S. dazu Murswiek, Die staatliche Verantwortung für die Risiken der Technik, 108 ff. 447 Vgl. BVerfGE 49, 89 (142): „Daraus können sich verfassungsrechtliche Schutzpflichten ergeben, die es gebieten, rechtliche Regelungen so auszugestalten, dass auch die Gefahr von Grundrechtsverletzungen eingedämmt bleibt.“ S. auch BVerfGE 56, 54 (78) oder BVerfGE 53, 30 (31, 65 f.) zur Schutzpflicht aus Art. 2 II GG: Vorschriften, die „der Staat in Erfüllung seiner aus Art. 2 II GG folgenden Schutzpflicht erlassen hat“. 448 Vgl. Dietlein, Die Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten, 128. Eine Aufzählung der Funktionen des einfachen Rechts findet sich bei Isensee, in: Isensee / K irchhof, HdBStR, Bd. IX, § 190 Rn. 162; auch Hesse, EuGRZ 1978, 427 (439); Stern, in: Stern, StaatsR, Bd. III/1, 1301 f. 449 Vgl. BVerfGE 63, 343 (357); Krebs, Vorbehalt des Gesetzes, 74; Isensee, in: Isensee / K irchhof, HdBStR, Bd. IX, § 190 Rn. 161; Kirchhof, in: Merten / Papier, HdB GR, Bd. I, § 21 Rn. 29. 450 S. oben unter B. IV. 3. a)  u. b). Daher hat v. a. der Gesetzgeber bei der Umsetzung der Schutzpflicht einen weiten „Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum“. So z. B. BVerfGE 77, 170 (214); 96, 56 (64). Vgl. Stern, in: Stern, StaatsR, Bd. III/1, 952; Hesse, in: Däubler-Gmelin u. a., FS Mahrenholz, 541 (555); Friauf, DVBl. 1971, 674 (677); Streuer, Die pos. Verpflichtungen des Staates, 141. Umfassend zur Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers Cremer, Freiheitsgrundrechte, 291 ff.; Krebs, in: Merten / Papier, HdB GR, Bd. II, § 31 Rn. 114 f.; Krebs, Vorbehalt des Gesetzes, 95. 451 Allgemein dazu unter B. IV. 3. b). Vgl. auch BVerfGE 77, 381 (404); 88, 203 (254) „der verfassungsrechtlichen Forderung nach einem Tätigwerden des Gesetzgebers (…) schon dann

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bb) Sekundäre Schutzpflichtenstufe: Exekutive und Judikative Aufgrund der primären Bedeutung der Gesetzgebung für die Umsetzung der staatlichen Schutzverpflichtung können Exekutive und Judikative grundsätzlich nicht im Wege des unmittelbaren Rückgriffs auf die grundrechtlichen Schutzgehalte Schutzmaßnahmen ergreifen.452 Im Gegenteil – sie sind zur Wahrnehmung ihrer Schutzpflichten auf das Vorhandensein einer gesetzlichen Grundlage angewiesen bzw. an diese gebunden.453 Aufgrund dieser Angewiesenheit auf das einfache Recht wird die Wahrnehmung der Schutzpflicht durch Judikative und Exekutive – soweit letztere nicht in der Rolle des Verordnungs- oder Satzungsgebers agiert454 – in dieser Arbeit als sekundäre Schutzpflichtenstufe bezeichnet.455 Gegenüber der Exekutive und der Judikative beinhaltet die grundrechtliche Schutzpflicht zugunsten „realer“ Freiheit zunächst das Gebot, die Normen, die der Gesetzgeber in Umsetzung seiner Schutzverpflichtung erlassen hat, im Rahmen ihrer Tätigkeit zu vollziehen.456 Neben diesem Vollzugsgebot entfaltet die grundrechtliche Schutzpflicht gegenüber der Rechtsprechung457 und der Verwaltung ihre Wirkung auch bei der Anwendung des gesetzlich vorgegebenen Schutzpronachgekommen, wenn objektiv eine gesetzliche Regelung vorhanden ist, die nach den allgemeinen Grundsätzen der Gesetzesauslegung den in Frage stehenden Sachverhalt erfaßt u. den Anforderungen der Schutzpflicht inhaltlich genügt“. 452 S. dazu Hermes, Das Grundrecht auf Schutz von Leben und Gesundheit, 272; Isensee, in: Isensee / K irchhof, HdBStR, Bd. IX, § 191 Rn. 308. Zu den Ausnahmen gleich auf S. 103 f. 453 Vgl. Dietlein, Die Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten, 129, 182. Dies ist v. a. dann relevant, wenn die Schutzpflicht staatliche Maßnahmen fordert, die die grundrechtlichen Freiheitsbereiche Dritter beeinträchtigen können. Diesen Aspekt betont Möstl, Die staatliche Garantie, 102 f. Die Schutzpflicht kann aus sich heraus keine Kompetenzen begründen, sondern binden den Staat bei der Wahrnehmung bestehender Kompetenzen, vgl. BVerfGE 81, 310 (334). So auch Isensee, in: Isensee / K irchhof, HdBStR, Bd. IX, § 191 Rn. 217; Schmitz, Grundrechtliche Schutzpflichten, 128; Roth, Faktische Eingriffe in Freiheit und Eigentum, 442 f. 454 Für den Erlass von Rechtsverordnungen oder Satzungen durch die Exekutive gelten hingegen die Grundsätze der primären Schutzpflichtenstufe. S. schon oben Fn. 465, aber auch unten Fn. 492. 455 Vgl. die Begründung von Krings, Grund und Grenzen grundrechtlicher Schutzansprüche, 244. 456 Vgl. Krings, Grund und Grenzen grundrechtlicher Schutzansprüche, 246 f.; Hermes, Das Grundrecht auf Schutz von Leben und Gesundheit, 271; Isensee, in: Isensee / K irchhof, HdBStR, Bd. IX, § 191 Rn. 267; Cremer, Freiheitsgrundrechte, 358; Möstl, DÖV 1998, 1029 (1036); Stern, in: Stern, StaatsR, Bd. III/1, 951. 457 Die Gerichte kontrollieren gleichzeitig auch die Wahrung der Schutzpflicht durch die Gesetzgebung u. die Verwaltung. Dem BVerfG fällt dabei die Aufgabe zu, den Gesetzgeber bei der Umsetzung der Schutzpflichten zu überwachen. Soweit Maßnahmen der Verwaltungsbehörden zu überprüfen sind, sind die Verwaltungsgerichte zur Kontrolle berufen. Sie überprüfen, ob die Exekutive, sowohl bei Untätigkeit als auch bei aktivem Handeln, Schutzpflichten missachtet hat u. müssen sodann die eigenen Anforderungen der Schutzgebote wahren, s. dazu Stern, in: Stern, StaatsR, Bd. III/1, 951. Zur Bedeutung der Fachgerichtsbarkeit für die Schutzpflicht Preu, JZ 1991, 265 (265).

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gramms.458 Die zuständigen Organe sind verpflichtet, die entsprechenden grundrechtlichen Schutzgehalte als Auslegungsrichtlinie für mehrdeutige Rechtsbegriffe heranzuziehen, sowie als Direktive bei der Ausübung von gesetzlich eingeräumten Ermessensspielräumen zu berücksichtigen.459 Dabei können die ausführende und die rechtsprechende Gewalt auch ausgleichend und korrigierend eingreifen. Dies ist vor allem dann relevant, wenn die Gesetzgebung beim Normerlass die grundrechtlichen Schutzgehalte nicht hinreichend berücksichtigt hat, oder wenn sich die tatsächlichen Umstände so verändert haben, dass die Gesetzgebung dieser Veränderung in grundrechtlicher Hinsicht noch nicht Rechnung getragen hat.460 Für die Verwirklichung der staatlichen Schutzpflichtendimension bedeutet das, dass die Schutznormen im Zweifel von den sie anwendenden Behörden ergänzend so auszulegen sind, dass sie den verfassungsrechtlich geforderten Schutz rechtlich tatsächlich gewährleisten können.461 Insoweit werden Exekutive und Judikative, anders als beim schutzrechtlichen Vollzugsgebot, nicht vermittelt über das einfache Recht,462 sondern unmittelbar durch die Verfassung selbst zu einer den jeweiligen grundrechtlichen Schutzgehalt zur Geltung bringenden Gesetzesanwendung verpflichtet.463 In engen Grenzen können Exekutive und Judikative aber auch selbst unmittelbar aus den Grundrechten heraus verpflichtet werden, bestimmte Schutzmaßnahmen zu ergreifen. Vor allem im Rahmen der sog. gesetzesfreien Verwaltung kann die Exekutive unmittelbare Handlungsanweisungen durch die grundrechtlichen Schutzgehalte empfangen.464 Darüber hinaus kommt ein unmittelbarer Rückgriff auf die Grundrechte nur für den seltenen Fall in Betracht, dass der Gesetzgeber seiner Schutzverpflichtung überhaupt nicht nachkommt, sodass auch eine ergänzende oder korrigierende Anwendung bestehender Schutznormen ausscheidet.465 Die Judikative kann dann, wenn die von ihr festgestellten Defizite 458

Vgl. Dietlein, Die Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten, 129; Isensee, in: Isensee / K irchhof, HdBStR, Bd. IX, § 191 Rn. 285; Hermes, Das Grundrecht auf Schutz von Leben und Gesundheit, 271. 459 Vgl. Möstl, DÖV 1998, 1029 (1036); Krings, Grund und Grenzen grundrechtlicher Schutzansprüche, 247; Stern, in: Stern, StaatsR, Bd. III/1, 951; Schmitz, Grundrechtliche Schutzpflichten, 129; Dietlein, Die Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten, 71 f.; Cremer, Freiheitsgrundrechte, 358; Hermes, Das Grundrecht auf Schutz von Leben und Gesundheit, 271. Zur „Grundrechtlichen Ausstrahlungswirkung auf die Verwaltung“ s. Dolderer, Objektive Grundrechtsgehalte, 224 ff. 460 Für Art. 2 II 1 GG Hermes, Das Grundrecht auf Schutz von Leben und Gesundheit, 272. 461 Vgl. Dietlein, Die Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten, 184; Hermes, Das Grundrecht auf Schutz von Leben und Gesundheit, 271. 462 Vgl. Hermes, Das Grundrecht auf Schutz von Leben und Gesundheit, 271: „ohne dass es regelmäßig eines unmittelbaren Rückgriffs auf das Grundrecht bedürfe.“ Auch Cremer, Freiheitsgrundrechte, 358. 463 Vgl. Hermes, Das Grundrecht auf Schutz von Leben und Gesundheit, 271 f. 464 S. Stern, in: Stern, StaatsR, Bd. III/1, 1350; Dietlein, Die Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten, 129; Krings, Grund und Grenzen grundrechtlicher Schutzansprüche, 247 f.; Rüfner, in: Isensee / K irchhof, HdBStR, Bd. IX, § 197 Rn. 42. 465 Vgl. Krings, Grund und Grenzen grundrechtlicher Schutzansprüche, 247 f. u. insbes. 285 ff.: Verfassungsunmittelbare „Notbefugnis“; Hermes, Das Grundrecht auf Schutz von Leben

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in der Schutzgesetzgebung in angemessener Frist nicht beseitigt werden und eine eklatante und nicht hinnehmbare Schutzlücke droht, lückenschließend und rechtsfortbildend tätig werden,466 allerdings beschränkt durch die Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung.467 Je mehr Normen, die Legislative in Umsetzung ihrer Schutzpflicht erlassen hat und je konkreter diese sind, desto genauer lässt sich beschreiben, was die zur Normanwendung berufenen Staatsorgane zu tun haben, um ihrer Schutzpflicht zu genügen.468 Anders als auf der primären Schutzpflichtenstufe verdichtet sich die abstrakte Zielvorgabe Schutz „realer“ Freiheit auf der sekundären Schutzpflichtenstufe daher regelmäßig zu bestimmten staatlichen Handlungspflichten.469 cc) Arbeitsteiliges Zusammenwirken Die grundrechtliche Schutzpflicht gebietet dem Staat, alle ihm rechtlich und tatsächlich verfügbaren Mittel so effektiv wie möglich einzusetzen, um den verfassungsrechtlich vorgegebenen Schutzauftrag tatsächlich zu erfüllen. Das bedeutet, dass der Staat insgesamt ein wirksames Schutzkonzept für die Gewährleistung „realer“ Freiheit bereithalten muss. Allein durch den Erlass von Rechtsnormen ist dem Gebot, den verfassungsrechtlichen Schutzauftrag tatsächlich zu erfüllen, und Gesundheit, 272; Stern, in: Stern, StaatsR, Bd. III/1, 1555 f.; Isensee, in: Isensee / K irchhof, HdBStR, Bd. IX, § 191 Rn. 308 f. unter Verweis auf BVerfGE 46, 160 (164 f.). A. A. Röthel, JuS 2001, 424 (428), allerdings nur im Hinblick auf die Rechtsprechung. Dagegen wohl auch Wahl / Masing, JZ 1990, 553 (562). 466 Vgl. BVerfGE 89, 276 (286 ff.); 96, 56 (64). Auch Möstl, DÖV 1998, 1029 (1036); H ­ ermes, Das Grundrecht auf Schutz von Leben und Gesundheit, 269, 272. Allerdings sind die Fachgerichte, wenn sie feststellen, dass eine gesetzliche Schutzregelung unzureichend ist berechtigt bzw. verpflichtet, nach Art. 100 GG vorzugehen. Hieraus ergibt sich auch, dass die Fachgerichte bestehende Schutzlücken nicht eigenständig schließen dürfen, sondern die Feststellung über eine Schutzpflichtverletzung des Gesetzgebers allein dem BVerfG zusteht. Vgl. Isensee, in: Isensee / K irchhof, HdBStR, Bd. IX, § 191 Rn. 288; Preu, JZ 1991, 265 (270). Lediglich in den Fällen, in denen überhaupt keine Schutznorm durch den Gesetzgeber erlassen wurde scheidet eine konkrete Normenkontrolle gem. Art. 100 I GG aus, vgl. Hillgruber, in: Maunz /  Dürig, GG, Art. 97 Rn. 74. 467 Auf die verfassungsrechtliche Problematik der richterlichen Rechtsfortbildung wird hier nicht näher eingegangen. S. dazu aber allgemein Jachmann-Michel, in: Maunz / Dürig,  GG, Art. 95 Rn. 13 ff.; Hillgruber, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 97 Rn. 63 ff.; Bumke, Der Grundrechtsvorbehalt, 204 ff. Zu den Grenzen z. B. Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Bd. II, Art. 20 (Rechtsstaat) Rn. 103 f.; Durner, JA 2008, 7 (10 ff.); zuletzt auch BVerfGE 128, 191 (210); 132, 99 (127). 468 Vgl. Klein, DVBl. 1994, 489 (496). 469 Vgl. Friauf, DVBl. 1971, 674 (677); für „Staatszielbestimmungen“ Möstl, Die staat­liche Garantie, 75 f.; Krebs, in: Perten / Papier, HdB GR, Bd. II, § 31 Rn. 109. Anders, wenn die Exekutive zum Erlass von Rechtsverordnungen ermächtigt wird. Dann gilt das zur primären Schutzpflichtenstufe Gesagte (vgl. Fn. 465 u. 477): Der Exekutive kommt dann beim Erlass der Rechtsverordnung grundsätzlich ein weiter Gestaltungsspielraum zu, der sich nur in Ausnahmefällen auf bestimmte Schutzvorgaben verdichten lässt.

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B. Art. 8 I GG und der öffentliche Straßenraum

nicht genüge getan.470 Der Staat muss darüber hinaus auch für die Umsetzung dieser Schutznormen sorgen. Dementsprechend enthält die Schutzpflicht neben dem Gesetzgebungsauftrag an die Legislative auch einen Vollzugsauftrag.471 Erst mithilfe einer wirksamen Handhabung der schutzpflichtverwirklichenden Rechtsordnung durch die Exekutive und Judikative entfalten die gesetzlich vorgesehenen Schutzmaßnahmen gegenüber den Grundrechtsträgern tatsächlich ihre Wirkung.472 Erst dann entscheidet sich, ob und inwieweit der Staat die gesetzlich vorgesehenen Schutzmöglichkeiten effektiv wahrnimmt.473 Art. 1 III GG verpflichtet daher nicht nur jede einzelne Staatsgewalt isoliert zur Umsetzung der grundrechtlichen Schutzgehalte, sondern ordnet ein arbeitsteiliges Zusammenwirken aller Staats­gewalten bei der Schutzpflichtenerfüllung an. Insoweit kann auch von einer „gesamtschuldnerischen“ Verpflichtung aller in Betracht kommender Träger öffentlicher Gewalt gesprochen werden.474 Die Überprüfung, ob der Staat seiner Schutzpflicht nachgekommen ist, darf folglich nicht bei der Schutzmaßnahme nur einer Staatsgewalt stehenbleiben. Vielmehr muss das gesamte Schutzkonzept, d. h. sämtliche Schutzmaßnahmen aller drei Gewalten, kumulativ berücksichtigt werden.475 Das hat zur Folge, dass unter Umständen eine weniger detaillierte Umsetzung der Schutzpflicht der Gesetzgebung durch ergänzende Schutzmaßnahmen der Exekutive und Judikative ausgeglichen werden kann.476 In der Praxis der staatlichen Schutzpflichtenumsetzung ist die legislative Schutzverpflichtung inzwischen weniger relevant als die der Exekutive und Judikative. Das hat seinen Grund darin, dass beinahe alle grundrechtlich geschützten Freiheitsbereiche durch zum Teil recht detaillierte Rechtsnormen näher ausgestaltet und konkretisiert worden sind.477 Insoweit wurde den grundrechtlichen Schutz­ gehalten – wenn auch häufig unbewusst – durch den Gesetzgeber bereits größtenteils Rechnung getragen. Die Schutzverpflichtung des Gesetzgebers beschränkt 470 Vgl. Krings, Grund und Grenzen grundrechtlicher Schutzansprüche, 245: Die Gesetzgebung ist „notwendige, jedoch nicht hinreichende Voraussetzung zur Erfüllung der Schutzpflicht.“ S. auch Murswiek, Die staatliche Verantwortung für die Risiken der Technik, 111. 471 Vgl. Robbers, Sicherheit als Menschenrecht, 125; Isensee, in: Isensee / K irchhof, HdBStR, Bd. IX, § 191 Rn. 306 f.; Wahl / Masing, JZ 1990, 553 (558 f.). 472 Vgl. Wahl / Masing, JZ 1990, 553 (558 f.); Murswiek, Die staatliche Verantwortung für die Risiken der Technik, 111; Isensee, das Grundrecht auf Sicherheit, 41. 473 Störring, Das Untermaßverbot, 49.vgl. auch Isensee, das Grundrecht auf Sicherheit, 41. 474 Vgl. Stern, in: Stern, StaatsR, Bd. III/1, 712; Roth, Faktische Eingriffe in Freiheit und Eigentum, 443. 475 Vgl. Möstl, DÖV 1998, 1029 (1036); Störring, Das Untermaßverbot, 50; Schmitz, Grundrechtliche Schutzpflichten, 147; Hermes, Das Grundrecht auf Schutz von Leben und Gesundheit, 261. Auch das BVerfG berücksichtigt regelmäßig bei einer gegen die Legislative gerichteten Verfassungsbeschwerde die Schutzaktivitäten aller Staatsgewalten, z. B. BVerfGE 56, 54 (82 ff.). 476 Vgl. BVerfGE 49, 89 (135). 477 Vgl. Jaeckel, Schutzpflichten im deutschen und europäischen Recht, 97; Streuer, Die pos. Verpflichtungen des Staates, 153. Z. B. für Art. 2 II 1 GG Hermes, Das Grundrecht auf Schutz von Leben und Gesundheit, 273.

IV. Dogmatische Begründung 

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sich daher in der Regel auf die Nachbesserung bereits bestehender Regelungen und Gesetze.478 Dementsprechend entfaltet die grundrechtliche Schutzpflichtendimension gegenüber der Legislative nur noch an wenigen Stellen überhaupt eine normative Wirkung.479 Wesentlich praxisrelevanter ist die grundrechtliche Schutzpflicht daher bei der Anwendung und der Auslegung des einfachen Gesetzesrechts durch die Exekutive und Judikative.480 d) Subjektiver Schutzanspruch Von der Zuerkennung eines subjektiven Rechts hängt die Möglichkeit der gerichtlichen Durchsetzung der Schutzpflicht ab.481 Von entscheidender Bedeutung ist daher auch die Frage, inwieweit der grundrechtlichen Schutzverpflichtung zugunsten „realer“ Freiheit des Staates ein Anspruch des Grundrechtsträgers auf Schutz korrespondiert.482 Nach der Schutznormtheorie483, die auch im Verfassungsrecht zur Ermittlung subjektiv-öffentlicher Rechte herangezogen werden kann, vermittelt die grundrechtliche Schutzpflichtendimension den Grundrechtsträgern dann ein subjektives Recht, wenn die Grundrechte einen zwingenden Rechtssatz des objektiven Rechts enthalten, der zumindest auch dem Schutz von Individuen zu dienen bestimmt ist und dem Grundrechtsträger die Rechtsmacht zur Durchsetzung verleiht.484 Die Grundrechte entfalten in ihrer Ausprägung als Schutzpflichten zugunsten „realer“ Freiheit die objektive Verpflichtung des Staates, dem Grund 478

Vgl. Hermes, Das Grundrecht auf Schutz von Leben und Gesundheit, 268 f.; Pietrzak, JuS 1994, 748 (752); Streuer, Die pos. Verpflichtungen des Staates, 151 f. 479 Vgl. Wahl / Masing, JZ 1990, 553 (560); Krings, Grund und Grenzen grundrechtlicher Schutzansprüche, 245 f. 480 S. Krings, Grund und Grenzen grundrechtlicher Schutzansprüche, 246; Hermes, Das Grundrecht auf Schutz von Leben und Gesundheit, 273. 481 Die Schutzpflicht kann durch die Grundrechtsträger vor den Verwaltungsgerichten oder vor dem BVerfG mithilfe der Verfassungsbeschwerde gerichtlich durchgesetzt werden. Vgl. Isensee, in: Isensee / K irchhof, HdBStR, Bd. IX, § 191 Rn. 323; Jarass, in: Badura / Dreier, FS 50 Jahre BVerfG, Bd. 2, 35 (46). Zur praktischen Relevanz auch Dietlein, Die Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten, 136. 482 Einen kurzen Überblick über die Auffassung in Rechtsprechung u. Literatur gibt Klein, NJW 1989, 1633 (1636 f.). Für Krings, Grund und Grenzen grundrechtlicher Schutzansprüche, 235 stellt sich die Frage nicht, da er die Schutzpflicht von vornherein als eine subjektive Dimension der Grundrechte versteht; so auch Calliess, in: Merten / Papier, HdB GR, Bd. II, § 44 Rn. 24. Allgemein zur Diskussion um subjektive Rechte Unruh, Zur Dogmatik der grundrechtlichen Schutzpflichten, 58 ff.; Stern, in: Stern, StaatsR, Bd. III/1, 554 ff.; Alexy, Theorie der Grundrechte, 159 ff. 483 S. zur Schutznormtheorie Wahl, in: Schoch / Schneider / Bier, VwGO, Bd. I, Vorb. § 42 I Rn. 94 ff.; Huber, in: v. Mangoldt / K lein / Starck, Art. 19 Rn. 395 ff. Vgl. auch BVerfGE 51, 193 (211). 484 Vgl. Stern, in: Stern, StaatsR, Bd. III/1, 987; Dolderer, Objektive Grundrechtsgehalte, 386; Scherzberg, Grundrechtsschutz und „Eingriffsintensität“, 212 f.; Jarass, in: Badura / Dreier, FS 50 Jahre BVerfG, Bd. 2, 35 (48); Dietlein, Die Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten, 143; Sachs, in: Sachs, GG, Vor Art. 1 Rn. 39.

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B. Art. 8 I GG und der öffentliche Straßenraum

rechtsträger die tatsächliche Ausübung der grundrechtlichen Freiheit zu ermöglichen. Gerade das Verhalten des individuellen Grundrechtsträgers soll gefördert werden,485 sodass die grundrechtlichen Schutzpflichtengehalte vor allem dessen Interessen zu dienen bestimmt sind.486 Entscheidend ist demnach nur, ob die Grundrechtsträger auch die Rechtsmacht zur Durchsetzung ihrer Schutzrechte haben sollen. Dafür spricht, dass eine Beschränkung auf eine rein objektive Verpflichtung eine erhebliche Schwächung der grundrechtlichen Normwirkung zur Folge hat.487 Eine Subjektivierung der Schutzpflicht führt gleichzeitig zu einem höheren Maß an Realisierung.488 Zu Recht hat das BVerfG zum objektiven Gehalt der Wissenschaftsfreiheit festgestellt, dass ohne subjektives Recht „die wertentscheidende Grundsatznorm ihrer Schutzwirkung weitestgehend beraubt“ wäre.489 Daher steht den Grundrechtsträgern aus dem jeweiligen Grundrecht ihrem Schutzbedürfnis entsprechend auch ein Anspruch auf Schutz zu und zwar gegen alle Staatsorgane, die nach Art. 1 III GG Adressaten der Schutzpflicht sind.490 485

Vgl. Alexy, Theorie der Grundrechte, 414 f.; Robbers, Sicherheit als Menschenrecht, 135 ff.; Klein, NJW 1989, 1633 (1637); Unruh, Zur Dogmatik der grundrechtlichen Schutzpflichten, 64. 486 Vgl. Jarass, in: Badura / Dreier, FS 50 Jahre BVerfG, Bd. 2, 35 (48 f.); Alexy, Theorie der Grundrechte, 414; Bleckmann, StaatsR II, 284 f.; Robbers, Sicherheit als Menschenrecht, 188 f. Die Anerkennung eines subjektiven Rechts auf Schutz entspricht also gerade dem „individualistischen Charakter der Grundrechte des Grundgesetzes“, so Isensee, in: Isensee / K irchhof, HdBStR, Bd. IX, § 191 Rn. 322. S. auch BVerfGE 50, 290 (337); Alexy, Theorie der Grundrechte, 159 ff., 414 f.; Robbers, Sicherheit als Menschenrecht, 143; Unruh, Zur Dogmatik der grundrechtlichen Schutzpflichten, 64; Klein, NJW 1989, 1633 (1637); Störring, Das Untermaßverbot, 68 ff.; so i. E. auch Klein, DVBl. 1994, 489 (493); Herdegen, in: Maunz / Dürig,  GG, Art. 1 III Rn. 29. 487 Jarass, in: Merten / Papier, HdB GR, Bd. II, § 38 Rn. 36. 488 Vgl. Alexy, Der Staat 1990, 49 (61); Klein, DVBl. 1994, 489 (493); Erichsen, Jura 1997, 85 (89). 489 BVerfGE 35, 79 (116). 490 Während die Literatur früher häufig der Anerkennung auch subjektiver Rechte aus objektiven Grundrechtsgehalten mit Zurückhaltung begegnete, ist man sich in jüngerer Zeit einig, dass den objektivrechtlichen Gehalten generell subjektive Rechte entsprechen, vgl. Kingreen / Poscher, Grundrechte, Rn. 115; Klein, NJW 1989, 1633 (1637); Isensee, in: Isensee /  Kirchhof, HdBStR, Bd. IX, § 191 Rn. 322; Calliess, in: Merten / Papier, HdB GR, Bd. II, § 44 Rn. 24; Alexy, Theorie der Grundrechte, 414 f.; Dolderer, Objektive Grundrechtsgehalte, 387; Klein, DVBl. 1994, 489 (493); Möstl, Die staatliche Garantie, 88 f.; Scherzberg, Grundrechtsschutz und „Eingriffsintensität“, 219; Störring, Das Untermaßverbot, 68 ff.; Krings, Grund und Grenzen grundrechtlicher Schutzansprüche, 241 f.; Borowski, Grundrechte als Prinzipien, 379. Auch das BVerfG erkennt eine subjektive Rechtsposition an, vgl. BVerfGE 125, 39 (78): „Aus den Grundrechten ist vielmehr eine Schutzpflicht des Staates für das geschützte Rechtsgut abzuleiten, deren Vernachlässigung von den Betroffenen mit der Verfassungs­beschwerde durchgesetzt werden kann.“ S. dazu die Nachweise bei Jarass, in: Badura / Dreier, FS 50 Jahre BVerfG, Bd. 2, 35 (47); dies konstatieren auch Klein, NJW 1989, 1633 (1637); Robbers, Sicherheit als Menschenrecht, 142 f.; Ruffert, Vorrang der Verfassung, 237. Für eine Beschränkung auf evidente Fälle z. B. Brohm, JZ 1994, 213 (218); Dietlein, Die Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten, 172. Den subjektiven Charakter ganz ablehnend z. B. Hesse, EuGRZ 1978, 427 (433).

IV. Dogmatische Begründung 

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Das subjektive Schutzrecht geht in seinem Inhalt und Gegenstand nicht weiter als die staatliche Schutzverpflichtung, sondern ist mit dieser deckungsgleich.491 Da der Staat durch die grundrechtliche Schutzpflichtendimension grundsätzlich lediglich auf das Erreichen eines abstrakten Schutzziels verpflichtet wird,492 entspricht auch das damit korrespondierende subjektive Recht des Grundrechtsträgers in der Regel nur einem allgemeinen Anspruch auf Realisierung dieser Zielvorgabe.493 Zieht man das Untermaßverbot als Maßstab für den gebotenen Mindestschutz hinzu, können die Grundrechtsträger mithilfe ihres Schutzanspruchs also grundsätzlich „nur“ durchsetzen, dass der Staat zur Erfüllung seiner Schutzpflicht effektiv tätig wird, also insgesamt wirksame Schutzmaßnahmen ergreift.494 Die richterliche Kontrolle setzt demnach in der Regel erst dann ein, wenn die staatlichen Organe gänzlich untätig geblieben sind oder wenn offensichtlich ist, dass die getroffenen Maßnahmen völlig ungeeignet und unzulänglich sind.495 aa) Schutzanspruch auf primärer Schutzpflichtenstufe Ein auf einer Schutzpflicht beruhender Anspruch des Grundrechtsträgers auf Normerlass kommt dementsprechend nur in Ausnahmefällen in Betracht. Selbst wenn das vom Gesetzgeber geschaffene Normprogramm Mängel bei der Umsetzung der Schutzpflicht aufweist, können aufgrund des Gebots des arbeitsteiligen Zusammenwirkens aller staatlichen Gewalten die übrigen Staatsorgane auf der Basis der vom Gesetzgeber bereitgestellten Rechtsordnung ein wirksames und damit entsprechend dem Untermaßverbot auch ausreichendes Schutzniveau gewährleisten.496 Ein Anspruch des Grundrechtsträgers auf „Schutzpflichtengesetzgebung“ kommt daher allenfalls dann in Betracht, wenn der Gesetzgeber gänzlich untätig bleibt und dem Schutzpflichtendefizit auch mithilfe der Exekutive und der Judikative nicht abgeholfen werden kann.497 491

Störring, Das Untermaßverbot, 68; Jarass, in: Merten / Papier, HdB GR, Bd. II, § 38 Rn. 37; Scherzberg, Grundrechtsschutz und „Eingriffsintensität“, 219 ff.; Ruffert, Vorrang der Verfassung, 241 f.; vgl. auch Maurer, StaatsR I, § 9 Rn. 21; Jarass, in: Merten / Papier, HdB GR, Bd. II, § 38 Rn. 37; Klein, DVBl. 1994, 489 (495). S. auch BVerfGE 77, 170 (214). 492 S. oben unter B. IV. 3. a). 493 Vgl. Möstl, Die staatliche Garantie, 118; Robbers, Sicherheit als Menschenrecht, 172. 494 Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rn. 350; Breuer, Jura 1979, 401 (404) bezeichnet das als „Minimalstandard des grundrechtlichen status positivus“. 495 BVerfGE 56, 54 (71); 77, 170 (214 f.); 77, 381 (405). Vgl. Möstl, Die staatliche Garantie, 106; Hesse, in: Däubler-Gmelin u. a., FS Mahrenholz, 541 (556). In diesem beschränkten Maße wird auch ein subjektiver Individualanspruch auf gerichtliche Kontrolle von denjenigen für möglich gehalten, die sich für eine grundsätzlich nur objektive Wirkung der staatlichen Verpflichtung auf Schaffung „realer“ Freiheit aussprechen, vgl. z. B. Böckenförde, in: Böckenförde /  Jekewitz / Ramm, Soziale Grundrechte, 7 (14 f.). 496 Vgl. Preu, JZ 1991, 265 (270); Möstl, DÖV 1998, 1029 (1036); Störring, Das Untermaßverbot, 50; ausführlich zur gerichtlichen Prüfung einer legislativen Verletzung grundrechtlicher Schutzpflichten Cremer, Freiheitsgrundrechte, 324 ff. 497 Vgl. Preu, JZ 1991, 256 (270); Hermes, Das Grundrecht auf Schutz von Leben und Gesundheit, 268 f.; Isensee, Das Grundrecht auf Sicherheit, 51.

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B. Art. 8 I GG und der öffentliche Straßenraum

Die aus den Schutzgehalten der Grundrechte folgenden Handlungspflichten haben gegenüber der Legislative regelmäßig (nur) die Wirkung von Zielnormen und können keine auf bestimmte Schutzmaßnahmen konkretisierte Gesetzgebungsaufträge vermitteln. Der Grundrechtsträger kann im Wege des Anspruchs auf Gesetzgebung also grundsätzlich gerade nicht verlangen, dass die Legislative eine ganz bestimmte Schutzmaßnahme bzw. ein konkretes Schutzmittel ergreifen muss.498 Der Anspruchsinhalt auf der ersten Schutzpflichtenstufe beschränkt sich daher in der Regel darauf, dass der Gesetzgeber solche Schutzgesetze erlassen muss, die geeignet sind, das abstrakte Ziel „realer“ Freiheit zu gewährleisten. Nur in den Fällen, in denen die grundrechtliche Schutzpflicht dem Staat nicht nur das Schutzziel vorgibt, sondern diesen auf ein ganz bestimmtes verfassungsrechtlich vorgegebenes Schutzmittel verpflichtet,499 verdichtet sich – in Anbetracht des dann beschränkten Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers – auch das subjektive Recht des Grundrechtsträgers zu einem ganz konkreten Schutzanspruch.500

bb) Schutzanspruch auf sekundärer Schutzpflichtenstufe Demgegenüber verdichtet sich die Schutzpflicht zugunsten „realer“ Freiheit auf der sekundären Stufe regelmäßig zu konkreten Handlungspflichten der Exekutive und Judikative.501 Die Grundrechtsträger haben dementsprechend auch einen einklagbaren Anspruch gegen die Verwaltung und die Rechtsprechung darauf, dass sie diese konkrete Schutzleistung ihnen gegenüber erbringen. Dabei erübrigt sich der unmittelbare Rückgriff auf den verfassungsrechtlichen Schutzanspruch jedenfalls immer dann, soweit der Schutzpflicht durch einfachrechtliche Normen hinreichend nachgekommen wird.502 Dann entfaltet der grundrechtsunmittelbare Schutzanspruch seine Wirkung bei der Auslegung des einfachen Rechts aber dahin, dass die entsprechenden Normen dem Grundrechtsträger auch ein subjektives

498

Dolderer, Objektive Grundrechtsgehalte, 387; Jarass, in: Merten / Papier, HdB GR, Bd. II, § 38 Rn. 37; Jarass, in: Badura / Dreier, FS 50 Jahre BVerfG, Bd. 2, 35 (49); Krebs, in: Merten /  Papier, HdB GR, Bd. II, § 31 Rn. 117. 499 S. dazu oben unter B. IV. 3. b). 500 Dazu BVerfGE 39, 1 (45 ff.); 46, 160 (164 f.); 115, 118 (160); Isensee, in: Isensee / K irchhof, HdBStR, Bd. IX, § 191 Rn. 322; Klein, NJW 1989, 1633 (1637); Dolderer, Objektive Grundrechtsgehalte, 387 f.; Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rn. 350; Scherzberg, Grundrechtsschutz und „Eingriffsintensität“, 219. Ganz in diesem Sinne lassen sich auch die Aussagen des BVerfGs in BVerfGE 77, 170 (215) deuten: „Der mit einer solchen Schutzpflicht verbundene grundrechtliche Anspruch ist mit Blick auf diese Gestaltungsfreiheit nur darauf gerichtet, dass die öffentliche Gewalt Vorkehrungen zum Schutze des Grundrechts trifft, die nicht gänzlich ungeeignet oder völlig unzulänglich sind. Nur unter ganz besonderen Umständen kann sich diese Gestaltungsfreiheit in der Weise verengen, daß allein durch eine bestimmte Maßnahme der Schutzpflicht Genüge getan werden kann“. 501 S. oben unter B. IV. 3. d) bb). 502 Isensee, in: Isensee / K irchhof, HdBStR, Bd. IX, § 191 Rn. 324.

V. Anwendung des Schutzmodells auf Art. 8 I GG  

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Recht vermitteln.503 Der Anspruch ist inhaltlich, je nach Situation, auf die Anwendung bestimmter Schutzregelungen, auf eine die grundrechtlichen Schutzgehalte berücksichtigende Auslegung oder auf eine schutzpflichtenorientierte Ermessensausübung, gerichtet.504 Wenn die grundrechtliche Schutzpflicht im Einzelfall zu einer Ermessensreduzierung auf Null führt, kann der Grundrechtsträger sogar einen Anspruch auf eine ganz bestimmte, von der zuständigen Behörde zu erbringende Schutzleistung geltend machen.505

V. Anwendung des Schutzmodells auf Art. 8 I GG Aufbauend auf diesen allgemein geltenden Grundsätzen der Schutzpflicht zugunsten „realer“ Freiheit, kann nun der Versuch unternommen werden, die Auswirkungen von Art. 8 I GG auf die Nutzbarkeit des öffentlichen Straßenraums zu Versammlungszwecken in das Modell der grundrechtlichen Schutzpflichtendimension einzufügen. Gelingt das, d. h. kann eine darauf gerichtete Schutzpflicht aus Art. 8 I GG bejaht werden, ist im Anschluss zu überprüfen, ob bzw. wie der Staat seiner Schutzverpflichtung nachkommt.

1. Art. 8 I GG als Grundrecht mit Schutzpflichtendimension Der „Anwendungsbereich“ der staatlichen Schutzpflicht zugunsten „realer“ Freiheit ist eröffnet, wenn die Grundrechtsträger auf aktive Maßnahmen des Staates angewiesen sind, um ihre grundrechtliche Freiheit tatsächlich, d. h. „real“, ausüben zu können. Art. 8 I GG entfaltet demnach immer dann einen die staatliche Gewalt aktivierenden Schutzgehalt, wenn für die Versammlungsteilnehmer staatliche Mitwirkung zwingend erforderlich ist, damit sie ihre in Art. 8 I GG gewährleistete Freiheit tatsächlich wahrnehmen können.506 Im Rahmen von Art. 8 I GG kommen grundsätzlich mehrere, diese grundrechtliche Schutzpflicht auslösende Momente in Betracht. Hierzu zählt z. B. das Bedürfnis der Grundrechtsträger nach staatlichem Schutz vor Störungen der Versammlung durch Dritte. Entsprechend dem oben gewonnenen Auslegungsergebnis507 ist die „reale“ Ausübung der von Art. 8 503

Vgl. Krebs, in: Merten / Papier, HdB GR, Bd. II, § 31 Rn. 121; Isensee, in: Isensee / K irchhof, HdBStR, Bd. IX, § 191 Rn. 324. Ausführlich zur Auswirkung der Schutzpflicht auf die Zuerkennung einfachrechtlicher Schutzansprüche Dietlein, Die Lehre von den grundrecht­lichen Schutzpflichten, 193 ff., insbes. 203 ff. 504 Vgl. Krebs, in: Merten / Papier, HdB GR, Bd. II, § 31 Rn. 120; Isensee, Das Grundrecht auf Sicherheit, 51. 505 Allgemein zur Ermessensreduzierung BVerwGE 11, 95 (95 ff.). Zum Einfluss grundrechtlicher Schutzpflichten auf das Ermessen z. B. Dietlein, Die Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten, 187 ff.; Isensee, Das Grundrecht auf Sicherheit, 53 ff. 506 S. oben unter B. IV. 2. c). 507 S. oben unter B. III. 1. e).

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B. Art. 8 I GG und der öffentliche Straßenraum

I GG gewährleistete Freiheit, sich „unter freiem Himmel“ zu versammeln, aber vor allem darauf angewiesen, dass der Staat den Grundrechtsträgern zu diesem Zwecke die Nutzung des öffentlichen Straßenraums ermöglicht. Dementsprechend entfaltet Art. 8 I GG eine Schutzpflichtendimension zugunsten „realer“ Freiheit in Bezug auf die Nutzung des öffentlichen Straßenraums zu Versammlungszwecken. Dass auch die Gerichte von einer solchen Schutzpflicht aus Art. 8 I GG ausgehen, hat schon die Rechtsprechungsanalyse gezeigt.508 So hat das BVerfG im „Brokdorf-Beschluss“ angedeutet, dass Art. 8 I GG als „Grundentscheidung“ in seiner Bedeutung über den Schutz gegen staatliche Eingriffe hinausreichen soll,509 und dass in Bezug auf Art. 8 II GG ein Regelungsbedarf besteht, „die realen Voraussetzungen für die Ausübung [von Versammlungen] zu schaffen.510 Das führt das Gericht zu der nur nebenbei getroffenen Feststellung, dass es möglich ist, eine Schutzpflicht aus Art. 8 I GG zu bejahen, die insbesondere darauf zielt, die Durchführung von Versammlungen zu ermöglichen.511 Auch das BVerwG äußert sich in der Entscheidung zur Bonner Hofgartenwiese in diese Richtung. Danach könne dem Inhaber eines Grundrechts ein Anspruch auf solche Maßnahmen zuwachsen, die zum Schutz seines grundrechtlich gesicherten Freiheitsraums unerlässlich sind.512 In Anlehnung an die allgemeinen Ausführungen zur grundrechtlichen Schutzpflichtendimension wird nunmehr deutlich, dass die Gerichte in ihrer Argumentation – teilweise zwar versteckt – Art. 8 I GG nicht in seiner abwehrrechtlichen Ausprägung in Position bringen, sondern auf eine Art. 8 I GG zu entnehmende Schutzpflichtendimension abstellen. An die Feststellung, dass Art. 8 I GG tatsächlich einen Schutzgehalt in Bezug auf die Nutzung der öffentlichen Straßen durch die Grundrechtsträger entfaltet, schließt sich die Frage an, welche konkreten staatlichen Schutzmaßnahmen sich hieraus ableiten lassen bzw. was die Grundrechtsträger diesbezüglich vom Staat verlangen können.

2. Konkreter Inhalt und Umfang der Schutzpflicht aus Art. 8 I GG Grundsätzlich ist der Staat aufgrund der Schutzpflichtendimension des Art. 8 I GG auf das allgemeine Schutzziel verpflichtet, die „reale“ Ausübbarkeit der Versammlungsfreiheit für die Grundrechtsträger zu gewährleisten. Aus diesem noch relativ unbestimmten Schutzgehalt folgt zunächst „nur“, dass der Staat all diejenigen rechtlichen und tatsächlichen Voraussetzungen zu schaffen und bereit 508

Dazu oben unter B. II. 1. sowie die Zusammenfassung unter B. II. 3. Vgl. BVerfGE 69, 315 (343). 510 BVerfGE 69, 315 (348). 511 Vgl. BVerfGE 69, 315 (355). 512 Vgl. BVerwGE 91, 135 (139). 509

V. Anwendung des Schutzmodells auf Art. 8 I GG  

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zuhalten hat, die erforderlich sind, damit die Grundrechtsträger ihr Versammlungsgrundrecht tatsächlich ausüben können. Während sich der grundrechtlichen Schutzpflichtendimension also regelmäßig keine konkreteren Schutzvorgaben entnehmen lassen können, zeigt sich bei Art. 8 I GG in Bezug auf dessen räumliche Dimension eine Besonderheit: Die Auslegung des Versammlungsgrundrechts hat ergeben, dass die Grundrechtsträger ganz entscheidend gerade auf die Nutzung von öffentlichen Straßen angewiesen sind, um von ihrer Versammlungsfreiheit auch „unter freiem Himmel“ Gebrauch machen zu können.513 Anderenfalls würde die in Art. 8 I GG garantierte Freiheit in tatsächlicher Hinsicht leerlaufen. Die Ausübung der Versammlungsfreiheit „unter freiem Himmel“ ist damit strukturell von der Bereitstellung des öffentlichen Straßenraums durch den Staat abhängig. Dem Staat ist die Erbringung dieser grundrechtsgebotenen „Leistung“ auch möglich, da er die Verfügungsgewalt über den öffentlichen Straßenraum innehat und daher über die Nutzung dieser Flächen in einer Art Monopolstellung entscheiden kann.514 Im Unterschied zum Bedürfnis der Versammlungsteilnehmer nach Schutz vor störenden Gegendemonstrationen ist damit das staatliche Mitwirkungserfordernis in Bezug auf die Zurverfügungstellung öffentlicher Straßen schon im Grundrechtssatz von Art. 8 I GG, insbesondere in Zusammenschau mit Art. 8 II GG, selbst unmittelbar normativ angelegt. Es handelt sich hierbei also gerade nicht um eine beliebige faktische Freiheitsausübungsvoraussetzung, sondern um eine solche, die die Verfassung als gegeben vorgefunden hat und von der denknotwendig die Ausübung der Grundrechte abhängt. Der Schutzgehalt der Versammlungsfreiheit entfaltet daher im Hinblick auf diese räumliche Dimension eine intensivere handlungssteuernde normative Kraft, die über die grundsätzliche Wirkung der Schutzpflicht als abstrakte Schutzzielvorgabe hinausgeht. In Anlehnung an die oben verwendete Formulierung ist die Schutzpflicht zugunsten „realer“ Versammlungsfreiheit in Bezug auf die Flächennutzung auf ein konkretes Schutzziel, nämlich die erlaubnisfreie Bereitstellung von öffentlichen Straßen für Versammlungszwecke „verdichtet“. Für Versammlungen „unter freiem Himmel“ bedeutet das, dass der Staat aufgrund dieses „verdichteten“ Schutzgehalts von Art. 8 I GG verpflichtet ist, den Grundrechtsträgern die Nutzung des öffentlichen Straßenraums zu Versammlungszwecken zu ermöglichen. Darauf ist auch der gegen den Staat gerichtete Schutzanspruch der Versammlungsteilnehmer aus Art. 8 I GG gerichtet. Die Grundrechtsträger können dementsprechend vom Staat gem. Art. 8 I GG verlangen, dass dieser ihnen die erlaubnisfreie Nutzung der öffentlichen Straßen zu Versammlungszwecken ermöglicht, oder in anderen Worten formuliert: Sie können gegenüber dem Staat ein aus der Schutzpflichtendimension von Art. 8 I GG folgendes „Benutzungsrecht“ für die Flächen des öffentlichen Straßenraums geltend machen. 513

S. zur Auslegung unter B. III. 1. Zur Verfügungsgewalt über den öffentlichen Straßenraum näher unter B. I. 1. b) cc)  u. unter B. I. 1. c) bb) (1) sowie konkret zum straßenrechtlichen Nutzungsregime unter B. I. 2. S. zum Kriterium der Monopolstellung unter B. IV. 3. a). Wie genau der Staat in Bezug auf Versammlungen über den öffentlichen Straßenraum verfügt bzw. verfügen muss, wird gleich näher dargestellt unter B. V. 3.

514

106

B. Art. 8 I GG und der öffentliche Straßenraum

Trotz dieser verfassungsrechtlich vorgegeben konkreten Zielvorgabe, kann dem Schutzgehalt von Art. 8 I GG nicht unmittelbar entnommen werden, wie, d. h. mit welchen rechtlich oder tatsächlichen Maßnahmen der Staat dieses Schutzergebnis erreichen soll. Ihm verbleibt daher bei der Umsetzung der Zielvorgabe, also bei der konkreten Ausformung des „Straßenbenutzungsrechts“ der Versammlungsteilnehmer ein Gestaltungsspielraum. Dieser Gestaltungsspielraum wird mangels ausdrücklicher Vorgaben im Normtext von Art. 8 I GG allein durch das Untermaßverbot gesteuert.515 Diese untere Grenze an gebotenem Mindestschutz verlangt vom Staat und seinen Organen, dass sie solche Maßnahmen zur Umsetzung der Schutzzielvorgabe ergreifen, die „effektiv“ sind, d. h. das Schutzergebnis auch tatsächlich erreichen. Übertragen auf den Schutzgehalt von Art. 8 I GG bedeutet das, dass die vom Staat ergriffenen Schutzmaßnahmen insgesamt gewährleisten können müssen, dass die Grundrechtsträger für die Durchführung einer Versammlung „unter freiem Himmel“ die öffentlichen Straßen tatsächlich beanspruchen dürfen. Reichen die staatlichen Schutzmittel nicht aus, um das von Art. 8 I GG vorgegebene Schutzergebnis zu erzielen, verstößt der Staat gegen das Untermaßverbot und verletzt damit die Grundrechtsträger in ihrem Recht aus Art. 8 I GG. Diese haben dann die Möglichkeit sich hiergegen vor den Verwaltungsgerichten und gegebenenfalls mithilfe der Verfassungsbeschwerde zur Wehr zu setzten, um auf diesem Weg ihr „Straßenbenutzungsrecht“ einzuklagen. Diese Überlegungen führen zu der Frage, ob der Staat seiner Schutzverpflichtung aus Art. 8 I GG aktuell hinreichend nachkommt. Um das beantworten zu können, müssen zunächst die unterschiedlichen staatlichen Maßnahmen, die dazu dienen, den Versammlungsteilnehmern ihr Straßenbenutzungsrecht zu ermöglichen, ausfindig bzw. erkenntlich gemacht werden und anschließend anhand der Kriterien des Untermaßverbots auf ihre Eignung zur Gewährleistung eines Straßenbenutzungsrechts für die Versammlungsteilnehmer hin überprüft werden.

3. Staatliche Umsetzung der Schutzpflicht aus Art. 8 I GG Aufgrund des Grundsatzes des arbeitsteiligen Zusammenwirkens im Rahmen der staatlichen Schutzpflichtenerfüllung516 müssen bei der Kontrolle, ob der Staat gegen das Untermaßverbot verstößt, alle staatlich ergriffenen Schutzmaßnahmen in ihrer Gesamtheit berücksichtigt werden. In Anlehnung an die oben vorgenommene Differenzierung zwischen primärer und sekundärer Schutzpflichtenstufe517 wird dafür zunächst in den Blick genommen, wie die Gesetzgebung zur Erfüllung der staatlichen Schutzverpflichtung aus Art. 8 I GG beiträgt.

515

S. zum staatlichen Gestaltungsspielraum u. zum Untermaßverbot oben unter B. IV. 3. b). S. zum arbeitsteiligen Zusammenwirken bei der Schutzpflichtenerfüllung unter B. IV. 3. c) cc). 517 S. unter B. IV. 3. c) aa) u. bb). 516

V. Anwendung des Schutzmodells auf Art. 8 I GG  

107

a) Straßenrechtsgesetzgebung Mit den straßenrechtlichen Bestimmungen über die Straßenbaulast gem. § 9 StrG BW, §§ 43 ff. StrG BW sowie dem Rechtsinstitut der Widmung (§ 5 StrG BW) eröffnet das baden-württembergische Straßenrecht dem jeweiligen Träger der Straßen­baulast, d. h. entweder dem Land, den Kreisen oder den Gemeinden, die Möglichkeit, öffentliche Straßen zu bauen und bereitzustellen, vgl. § 2 I StrG BW518.519 Aufgrund der rechtlichen Begründung der Verwaltungsaufgabe „Straßen­ baulast“ werden die Straßenbaulastträger ergänzend dazu verpflichtet, für den Erhalt und die Unterhaltung bereits bestehender öffentlichen Straßen zu sorgen.520 Das Straßenrecht beinhaltet damit einen Grundbestand an Nomen, mit denen die tatsächliche Voraussetzung für das von Art. 8 I GG geforderte Straßenbenutzungsrecht der Versammlungsteilnehmer, nämlich das Vorhandensein des Substrats „öffentlicher Straßenraum“, gewährleistet werden kann. Rechtliche Regelungen zur Schaffung und Erhaltung öffentlicher Straßen allein sind aber noch nicht ausreichend, um die staatliche Schutzpflicht aus Art. 8 I GG „effektiv“ umzusetzen. Zusätzlich bedarf es Normen, die den Grundrechtsträgern die Nutzung des öffentlichen Straßenraums zur Versammlungszwecken auch ermöglichen. Im Straßenrecht des Bundes und der Länder ist die Straßennutzung zu Versammlungszwecken nicht speziell geregelt.521 Dementsprechend findet sich auch keine straßenrechtliche Vorschrift, die den Versammlungsteilnehmern ausdrücklich ein Nutzungsrecht am öffentlichen Straßenraum einräumt. Allerdings wird mithilfe der Widmung der Straßen für den öffentlichen Verkehr gem. § 2 I StrG BW i. V. m. § 5 StrG BW und der Regelung des Gemeingebrauchs gem. § 13 I StrG BW für alle Bürgern ein subjektives Recht begründet, den öffentlichen Straßenraum erlaubnisfrei zu nutzen.522 Der Gemeingebrauch an öffentlichen Straßen ist jedoch auf Nutzungen, die sich im Rahmen des „öffentlichen Verkehrs“ bewegen, beschränkt.523 Die Durchführung einer Versammlung im öffentlichen Straßenraum fällt – wie bereits gezeigt –524 grundsätzlich nicht darunter. Das bedeutet, dass die Grundrechtsträger – zumindest auf den ersten Blick – jedenfalls nach 518

„Öffentliche Straßen im Sinne dieses Gesetzes sind Straßen, Wege und Plätze, die dem öffentlichen Verkehr gewidmet sind.“ S. zur Entstehung der öffentlichen Straßen insbes. unter B. I. 1. b). 519 Stellvertretend für die Straßengesetze des Bundes u. der Länder werden erneut die Normen des baden-württembergischen Straßengesetzes (StrG BW) herangezogen. Im Folgenden wird daher allein die Schutzpflichtenumsetzung anhand des baden-württembergischen Straßenrechts geprüft. Das Ergebnis kann in Anbetracht der Vergleichbarkeit der straßenrechtlichen Bestimmungen auf die straßenrechtlichen Bestimmungen der anderen Bundesländer übertragen werden. 520 Dazu unter B.1.b)bb). 521 So bereits festgestellt u. analysiert unter B. I. 3. 522 Ausführlich zum Gemeingebrauch oben unter B. I. 2. a). 523 Zum Umfang u. den Schranken des Gemeingebrauchs unter B. I. 2. a) cc). 524 S. dazu oben unter B. I. 3.

108

B. Art. 8 I GG und der öffentliche Straßenraum

dem straßenrechtlichen Schutzkonzept gerade keinen Rechtsanspruch aus § 13 I StrG BW darauf haben, den öffentlichen Straßenraum für Versammlungszwecke zu nutzen. Hierzu sind sie gem. § 16 I StrG BW vielmehr erst nach der Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis berechtigt.525 Damit ist die Frage aufgeworfen, ob die straßenrechtlichen Nutzungsregelungen, die Schutzzielvorgabe aus Art. 8 I GG, den Grundrechtsträgern die Straßennutzung für die Durchführung von Versammlungen „unter freiem Himmel“ zu ermöglichen, überhaupt „effektiv“ erfüllen. An dieser Stelle ist maßgeblich zu berücksichtigen, dass im baden-württembergischen Straßenrecht die Entscheidung über die Erteilung der Sondernutzungserlaubnis als Ermessensentscheidung ausgestaltet ist.526 Zudem ist der Begriff des „Verkehrs“ im Rahmen des Gemeingebrauchs nicht definiert und daher einer Auslegung zugänglich.527 Auf diesem Weg eröffnen die straßenrechtlichen Normen den zum Vollzug des Straßenrechts berufenen Staatsorganen sowie den die Anwendung des Straßenrechts kontrollierenden Verwaltungsgerichten einen Spielraum, den diese zur weiteren Umsetzung der staatlichen Schutzpflicht nutzen können. Ob der Staat seine Schutzpflicht aus Art. 8 I GG „effektiv“ erfüllt, bestimmt sich dementsprechend entscheidend danach, wie das straßenrechtliche Schutzkonzept im Einzelfall durch die Verwaltung und durch die zuständigen Fachgerichte angewendet wird. b) Anwendung des Straßenrechts durch Exekutive und Judikative aa) Bestand an öffentlichen Straßen Die Straßenbaulastträger bzw. die für sie handelnden Straßenbaubehörden528 müssen zunächst vor allem dafür sorgen, dass der öffentliche Straßenraum vorhanden und instandgehalten wird. Insoweit verpflichtet Art. 8 I GG die Straßenbaulastträger „nur“ dazu, ihrer gesetzlich normierten Straßenbaulastverpflichtung nachzukommen Einen darüber hinausgehenden Gehalt hat Art. 8 I GG hier nicht.529 Die Erbringung der einfachrechtlich angeordneten Verwaltungsaufgabe „Straßenbaulast“ stellt sich damit als Erfüllung des aus Art. 8 I GG folgenden staatlichen Schutzauftrags dar. Der Schutzpflichtgehalt der Versammlungsfreiheit aus Art. 8 I GG wirkt insoweit gegenüber den Straßenbaulastträgern „nur“ vermittelt durch die straßenrechtlichen Regelungen. 525

S. zur Sondernutzung unter B. I. 2. b). Dazu unter B. I. 2. b). 527 Zur Auslegungsfähigkeit des Begriffs „Verkehr“ schon oben unter B. I. 2. a). 528 S. allgemein zur Zuständigkeitsverteilung im Straßenrecht unter B. I. 1. b) bb). 529 Demgegenüber ist die Anwendung der straßenrechtlichen Nutzungsregelungen allein nicht ausreichend, um der Schutzverpflichtung aus Art. 8 I GG nachzukommen, s. dazu gleich unter B. V. 3. b) bb). 526

V. Anwendung des Schutzmodells auf Art. 8 I GG  

109

Angesichts des existenten, breit ausgebauten öffentlichen Straßensystems530 kann derzeit davon ausgegangen werden, dass die Straßenbaulastträger insoweit ihre Schutzverpflichtung erfüllen. Die Grundrechtsträger haben daher aktuell keinen Anspruch aus Art. 8 I GG gegen die Straßenbaulastträger auf die Schaffung von neuen bzw. von mehr öffentlichen Straßen.531 Ein solcher Anspruch aus Art. 8 I GG kann allenfalls dann angenommen werden, wenn sich der Bestand an öffentlichen Straßen dergestalt verringert, dass die Durchführung von Versammlungen „unter freiem Himmel“ mangels „tatsächlichem“ Grundrechtssubstrat schlechterdings unmöglich ist.532 Das ist praktisch aber nicht vorstellbar. bb) Nutzung der öffentlichen Straßen Darüber hinaus sind die das Straßenrecht vollziehenden Straßenbaubehörden zur Anwendung des straßenrechtlichen Nutzungsregimes im Einzelfall berufen. Die Straßenbaubehörden und die Verwaltungsgerichte sind bei dieser Aufgabenerfüllung allerdings nicht „frei“, sondern aufgrund des Schutzauftrags aus Art. 8 I GG verpflichtet, die im straßenrechtlichen Schutzkonzept belassenen „Schutzlücken“ so zu füllen, dass den Versammlungsteilnehmern die Nutzung der öffentlichen Straßen im Ergebnis ermöglicht wird. In diesem Fall werden die Straßenbaubehörden und die Gerichte also nicht „nur“ vermittelt durch die Normen des einfachen Straßenrechts, sondern unmittelbar durch Art. 8 I GG zu einer den Schutzgehalt zur Geltung bringenden Gesetzesanwendung verpflichtet. Die Kombination aus dem straßenrechtlichen Schutzkonzept und dem Schutzgehalt aus Art. 8 I GG konkretisiert die allgemeine Schutzverpflichtung von Exekutive und Judikative aus Art. 8 I GG zu einem bestimmten Schutzauftrag: Dieser verpflichtet die Straßenbaubehörden und die Verwaltungsgerichte dazu, die straßenrechtlichen Nutzungsregelungen im Einzelfall so anzuwenden, dass die Nutzung des öffentlichen Straßenraums für Versammlungszwecke zumindest im Ergebnis von der gesetzlich angeordneten Erlaubnispflichtigkeit freigestellt ist. Wie genau sie diese konkretisierte Schutzverpflichtung im Rahmen des straßenrechtlichen Schutzkonzepts erfüllen, bleibt – mangels entsprechender Vorgaben aus Art. 8 I GG – ihnen überlassen. Die Straßenbaubehörden bzw. die, die Anwendung des Straßenrechts überprüfenden Verwaltungsgerichte können entweder den Begriff des „Verkehrs“

530

Aktuelle Zahlen zum Straßennetz in der BRD finden sich auf der Homepage des BMVI unter https://www.bmvi.de/SharedDocs/DE/Artikel/G/infrastruktur-statistik.html (zuletzt abgrufen am 22. 04. 2021). 531 Inhaltlich würde es sich wohl um einen Anspruch gegen den zuständigen Straßenbaulastträger auf Widmung eines Straßengrundstücks durch die jeweilige Straßenbaubehörde zum öffentlichen Verkehr handeln, vgl. § 2 I StrG, § 5 I BW. 532 In diesem Fall müsste ein Verstoß gegen das Untermaßverbot bejaht u. dementsprechend eine Verletzung der Versammlungsteilnehmer in ihrem Grundrecht aus Art. 8 I GG angenommen werden.

110

B. Art. 8 I GG und der öffentliche Straßenraum

so auslegen, dass auch Versammlungen noch unter den erlaubnisfreien Gemeingebrauch i. S. v. § 13 I StrG BW subsumiert werden können,533 oder sie können im Rahmen von § 16 I StrG BW speziell für versammlungsspezifische Nutzungen von einer Ermessensreduktion auf Null ausgehen, sodass sie den Grundrechtsträgern die Erlaubnis zur Nutzung des öffentlichen Straßenraums erteilen müssen. In beiden Fällen können Exekutive und Judikative die aus Art. 8 I GG folgende staatliche Schutzpflicht tatsächlich erfüllen.534 Dabei haben sie gleichzeitig auch die Möglichkeit – anders als bei einer pauschalen Regelung durch das Straßenrecht – gegenläufige Interessen anderer Verkehrsteilnehmer in ihre Auslegungsbzw. Ermessenserwägungen miteinfließen zu lassen. Darauf, dass der durch die einfachrechtlichen Bestimmungen des Straßenrechts angelegte und von Art. 8 I GG auf ein bestimmtes Schutzergebnis konkretisierte Schutzauftrag durch die Exekutive und der Judikative tatsächlich umgesetzt wird, haben die Grundrechtsträger einen Anspruch.

4. Zwischenergebnis Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass bei derzeitiger Rechtslage ein staatliches Schutzkonzept besteht, das alle rechtlichen und tatsächlichen Voraussetzungen dafür bereithält, dass die Versammlungsteilnehmer für die Durchführung einer Versammlung „unter freiem Himmel“ tatsächlich den öffentlichen Straßenraum nutzen können. Ein Verstoß des Staates gegen das Untermaßverbot kann insoweit also nicht festgestellt werden.

533

Dazu teilweise schon oben unter B. I. 2. a) cc) u. unter B. I. 3., dort aber noch unter Außerachtlassung der grundrechtlichen Einflüsse. 534 Eine weitere Möglichkeit, die auch in der Rechtsprechungsanalyse zum Ausdruck kam, ist die Annahme einer Vorrangigkeit des Versammlungsrechts, das aufgrund seiner Spezialität das Straßenrecht, speziell für versammlungsspezifische Straßennutzungen, verdrängt (s. dazu unter B. II. 1. c). Allerdings widerspricht diese Vorgehensweise der grundsätzlichen Verfassungs- u. Gesetzesbindung von Verwaltung u. Rechtsprechung gem. Art. 1 III, 20 III GG. Mangels originärer Verwerfungskompetenz der Verwaltung u. der Fachgerichte, dürften sie das Straßenrecht nämlich nur dann bei der Entscheidung des Einzelfalles unangewendet lassen, wenn es in Bezug auf versammlungsspezifische Nutzungen vom BVerfG gem. Art. 100 GG für verfassungswidrig erklärt wurde. Anderenfalls würden sie ihre Kompetenzen überschreiten, da aus der Schutzpflicht selbst keine „neuen“ Kompetenzen erwachsen. Da eine schutzpflichtenberücksichtigende Anwendung des Straßenrechts möglich u. effektiv ist, ist diese Vorgehensweise zur Erfüllung der staatlichen Schutzpflicht aus Art. 8 I GG abzulehnen. Zur Verwerfungskompetenz der Verwaltung z. B. auch Gril, JuS 2000, 1080 (100 ff., insbes. 1085), der sich explizit gegen eine solche Befugnis ausspricht. Ablehnend jedenfalls für förmliche Gesetze auch Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Bd. II, Art. 20 (Rechtsstaat) Rn. 98. Krit. zu dieser Vorgehensweise auch Brohm, JZ 1985, 501 (508), der sich aber auf andere Argumente stützt.

VI. Ergebnis  

111

VI. Ergebnis Die Ausführungen zeigen damit, dass die Schutzpflicht zugunsten „realer“ Freiheit ein taugliches Erklärungsmodell für das in Rechtsprechung und Literatur angenommene Hineinwirken von Art. 8 I GG in die straßenrechtliche Benutzungsordnung darstellt.535 Die übereinstimmende Rechtsprechung der Fachgerichte und auch des BVerfGs, dass die Abhaltung einer Versammlung im öffentlichen Straßenraum im Ergebnis nicht erlaubnispflichtig sein darf,536 erklärt sich unter diesem Blickwinkel als Erfüllung des aus Art. 8 I GG folgenden staatlichen Schutzauftrags, den Versammlungsteilnehmern die Nutzung öffentlicher Straßen zu ermöglichen.

535 536

S. zur Rechtsprechungsanalyse unter B. II. So festgestellt unter B. II. 3.

C. Art. 8 I GG und die Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen Nachdem geklärt ist, dass sich das in Rechtsprechung und Literatur stets als selbstverständlich angesehene Straßenbenutzungsrecht von Versammlungsteilnehmern mithilfe der Schutzpflichtendimension des Art. 8 I GG begründen lässt, soll im folgenden Abschnitt untersucht werden, ob dieser für den öffentlichen Straßenraum gefundene Erklärungsansatz auf die Nutzung der Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen1 zu Versammlungszwecken übertragen werden kann. Besteht nämlich kein einfachrechtlicher Anspruch der Sich-Versammelnden auf Nutzung solcher Flächen zu Versammlungszwecken, stellt sich erneut die Frage, ob Art. 8 I GG eine solche Rechtsposition garantieren kann. Ergibt die Auslegung von Art. 8 I GG, dass im Grundsatz auch für diese zweite Flächenkategorie aus dem Versammlungsgrundrecht eine Schutzpflicht des Staates zugunsten realer Freiheit folgt,2 ist im Anschluss zu klären, wie diese staatliche Schutzverpflichtung aus Art. 8 I GG in Bezug auf die Flächen sonstiger staat­ licher Einrichtungen konkret ausgestaltet ist.3 Dabei soll der Fokus darauf liegen, ob sich der Schutzgehalt des Art. 8 I GG auch für die zweite Flächenkategorie auf ein konkretes Benutzungsrecht der Versammlungsteilnehmer verdichtet. Insbesondere ist in diesem Kontext der Frage nachzugehen, wie es sich auswirkt, dass die Grundrechtsträger grundsätzlich bereits die öffentlichen Straßen für die Abhaltung einer Versammlung erlaubnisfrei nutzen dürfen. Zu überlegen ist auch, ob sich eine eventuell bestehende konkrete staatliche Schutzpflicht aus Art. 8 I GG auf alle Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen bezieht, oder ob für diese zweite Flächenkategorie die Ableitung bestimmter Pflichten bzw. Rechte vielmehr vom jeweiligen Einzelfall abhängig ist. Abschließend soll überprüft werden, ob und wie der Staat seinen gegebenenfalls aus Art. 8 I GG folgenden Pflichten im Hinblick auf die Flächen der zweiten Kategorie nachkommt.4

1

Zur Begriffsbestimmung s. unten unter C. I. 1. Dazu unter C. III. 1. 3 Dazu unter C. III. 2. 4 Dazu unter C. IV. 2

I. Einführung 

113

I. Einführung Bevor die von Art. 8 I GG ausgehenden Wirkungen in Bezug auf die Nutzung der Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen in den Blick genommen werden können, ist zunächst eine allgemeine Beschreibung der zweiten Flächenkategorie notwendig. Dabei sollen insbesondere die Gemeinsamkeiten und Unterschiede herausgearbeitet werden, die zwischen den Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen und dem bereits untersuchten Prototyp einer Versammlungsfläche, dem öffent­ lichen Straßenraum, bestehen. Das Ergebnis dieses Vergleichs ist entscheidend für die Beantwortung der Frage, ob der für den öffentlichen Straßenraum gefundene Erklärungsansatz auf die Nutzung der Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen zu Versammlungszwecken übertragen werden kann.

1. Begriff der „sonstigen staatlichen Einrichtungen“ Für die hier als Flächen „sonstiger staatlicher Einrichtungen“ bezeichnete Flächenkategorie gibt es weder eine gesetzliche Definition, noch findet sich in Literatur und Rechtsprechung eine einheitliche Begriffsbestimmung.5 Der Begriff ist daher für die Zwecke der Arbeit einzugrenzen.6 Das Attribut „sonstige“ dient in diesem Zusammenhang allein der Klarstellung, dass auch der öffentliche Straßenraum grundsätzlich unter die hier verwendete Definition der Kategorie der „staatlichen Einrichtung“ subsumiert werden kann, im folgenden Abschnitt aber von der Untersuchung ausgenommen sein soll. Der Begriff der „staatlichen Einrichtung“ wird in dieser Arbeit als eine Sammelbezeichnung für alle Grundstücke und Gebäude7

5 In der Literatur finden sich allerdings Definitionen für die gemeindlichen öffentlichen Einrichtungen, wobei auch diese z. T. sehr unterschiedlich ausfallen. Vgl. z. B. Axer, Die Widmung als Schlüsselbegriff, 140 ff.; Lange, Kommunalrecht, Kap. 13 Rn. 3; Ossenbühl, DVBl. 1973, 289 (289); Schoch, NVwZ 2016, 257 (259); Engels / Krausnick, Kommunalrecht, § 7 Rn. 39; Röhl, in: Schoch, Bes.VwR, Kap. 2 Rn. 166; Brüning, in: Ehlers / Fehling / P ünder, Bes.VwR III, § 64 Rn. 192 ff.; Haak, in: Steiner / Brinktrine, Bes.VwR, § 1 Rn. 248; Ennuschat, in: Ennuschat / I bler / Remmert, ÖffR in BW, § 1 Rn. 301. Daneben finden sich auch Begriffs­ bestimmungen für die Kategorie der „öffentlichen Sachen“. S. dazu z. B. Kluth, in: Wolff /  Bachof, VerwR II, § 74, Rn. 3; Papier, Recht der öffentlichen Sachen, 1. Allgemein zum Verhältnis von gemeindlicher öffentlicher Einrichtung, öffentlicher Anstalt und öffentlicher Sache z. B. ­Erichsen, Jura 1986, 148 (142); Dietlein, Jura 2002, 445 (448); Frotscher, in: Püttner, HdBKWP 3, § 52, 136 ff. 6 Die hier gewählte Begriffsbestimmung orientiert sich maßgeblich an den in Literatur u. Rechtsprechung vorherrschenden Definitionen für gemeindliche öffentliche Einrichtungen u. für „öffentlichen Sachen“. Die daraus entstammenden Begriffsmerkmale werden z. T. unter Berücksichtigung der hier relevanten Flächennutzungsproblematik miteinander kombiniert. 7 Nicht erfasst sind demnach nicht betretbare Sachen, die z. T. aber unter die Kategorie der gemeindlichen öffentlichen Einrichtungen oder der „öffentlichen Sachen“ fallen können. So z. B. die Homepage einer Gemeinde, vgl. OVG NW DVBl. 2015, 1467 oder der Chor einer Gemeinde, s. dazu VG Leipzig, LKV 2006, 142 (143).

114

C. Art. 8 I GG und die Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen 

verwendet, die in staatlicher Trägerschaft stehen8, die unmittelbar oder jedenfalls mittelbar einem öffentlichen Zweck dienen (Gemeinwohlfunktion)9 und die in dieser Funktion der Allgemeinheit, einer beschränkten Öffentlichkeit oder zumindest einem Einzelnen bereitgestellt sind.10 Zu den Flächen staatlicher Einrichtungen zählen damit nicht nur die klassischen gemeindlichen11 Grünanlagen,12 Kinderspielplätze, Schwimmbäder, Festplätze, Friedhöfe und Bibliotheken13, sondern 8

Mit dem Attribut sind allgemein all diejenigen juristischen Personen bzw. Körperschaften des öffentlichen Rechts erfasst, die in irgendeiner Form Staatsgewalt ausüben können u. insoweit gem. Art. 1 III GG an die Grundrechte gebunden sind. Vgl. dazu Ehlers, in: Ehlers /  Pünder, Allg. VerwR, § 1 Rn. 4, der das als staatliche Verwaltung im organisatorischen Sinne bezeichnet. Ausführlicher zur Grundrechtsbindung noch unter C. I. 4. Einrichtungen, die privatrechtlich organisiert sind, stehen in „staatlicher Trägerschaft“, solange der staatliche Träger die öffentliche Zweckbindung der Einrichtung ggfs. durchsetzen kann. Für die Einordnung einer Einrichtungsfläche in die zweite Flächenkategorie ist dementsprechend die Organisations- bzw. Rechtsform, in der die Einrichtung betrieben wird, unerheblich. Die Wahl der Organisationsform hat allein Auswirkungen darauf, wie u. gegen wen ein Nutzungsanspruch im Einzelfall geltend gemacht werden muss. Vgl. Haak, in: Steiner / Brinktrine, Bes.VwR, § 1 Rn. 252. S. allgemein zum Tätigwerden der Verwaltung in privatrechtlicher Form Ehlers, in: Ehlers /  Pünder, Allg. VerwR, § 3 Rn. 80 ff., zur Bindung an das öffentliche Recht insbes. Rn. 88 ff.; Engels / Krausnick, Kommunalrecht, § 7 Rn. 45; Schoch, NVwZ 2016, 257 (259 f.); Kluth, in: Wolff / Bachof / Stober / K luth, VerwR II, § 74 Rn.  15; Geis, Kommunalrecht, § 10 Rn. 21; Röhl, in: Schoch, Bes.VwR, Kap. 2 Rn. 167. Allgemein zur Organisationsform von gemeindlichen öffentlichen Einrichtungen z. B. Lange, Kommunalrecht, Kap. 13 Rn. 21 ff.; Brüning, in: Ehlers / Fehling / P ünder, Bes.VwR III, § 64 Rn. 195; Dietlein, Jura 2002, 445 (446 f.). 9 S. zu den unterschiedlichen öffentlichen Aufgaben, die die sonstigen staatlichen Einrichtungen wahrnehmen unter C. I. 2. a). 10 Ähnliche Begriffsbestimmungen finden sich bei Roth, Die kommunalen öffentlichen Einrichtungen, 38; Pappermann-Andriske, in: Pappermann / Löhr / Andriske, Recht der öffentlichen Sachen, 9; Erbguth / Guckelberger, Allg.VerwR, § 33 Rn. 1, die sich allerdings auf Einrichtungen mit Zulassungserfordernis beschränken. Vgl. auch Ossenbühl, DVBl. 1973, 289 (289); Röhl, in: Schoch, Bes.VwR, Kap. 2 Rn. 166; Burgi, Kommunalrecht § 16 Rn. 1. Z. T. werden die sonstigen staatlichen Einrichtungen mit Blick auf das besondere Zulassungserfordernis (s. dazu unter C. I. 3. c) cc)) auch unter dem Terminus „öffentliche Sache in anstaltlicher Nutzung“ bzw. öffentliche Sache „im Anstaltsgebrauch“ zusammengefasst, vgl. Schön, Die Zulassung zu anstaltlich genutzten öffentlichen Einrichtungen, 5; Papier, Recht der öffent­ lichen Sachen, 27 ff.; Detterbeck, AllgVerwR, Rn. 995; Häde, JuS 1993, 113 (117 f.); Erbguth, Jura 2008, 193 (199). Krit. dazu aber z. B. Axer, Die Widmung als Schlüsselbegriff, 140 f.; Axer, DÖV 2013, 165 (170). S. auch Burgi, Kommunalrecht, § 16 Rn. 9, der sich dafür ausspricht, stattdessen den Begriff der öffentlichen Sachen im „Einrichtungsgebrauch“ zu verwenden. 11 Überwiegend sind die Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen zugleich auch kommunale öffentliche Einrichtungen. Daher wird im Folgenden für die Beschreibung des rechtlichen Rahmens dieser Flächenkategorie häufig mit kommunalrechtlicher Literatur u. Rechtsprechung gearbeitet. Im Folgenden wird exemplarisch allein auf die gemeindlichen öffentlichen Einrichtungen abgestellt. Das dazu Gesagte gilt aber gleichermaßen für alle kommunalen öffentlichen Einrichtungen. Für den Landkreis ergibt sich das z. B. aus § 16 I LKrO BW. 12 S. dazu z. B. die Entscheidung des OVGs NRW, wonach die „Rheinwiese“ unabhängig von der Anlage von Wegen, Laternen etc., eine der öffentlichen Nutzung gewidmete öffent­ liche Einrichtung der Gemeinde darstellt, vgl. OVG Münster, NJW 1976, 820 (821). 13 Weitere Beispiele gemeindlicher öffentlicher Einrichtungen nennen z. B. Röhl, in: Schoch, Bes.VwR, Kap. 2 Rn. 166; Brüning, in: Ehlers / Fehling / P ünder, Bes.VwR III, § 64 Rn. 192; Burgi, Kommunalrecht, § 16 Rn. 5.

I. Einführung 

115

auch die für die Bürger zugänglichen Flächen sämtlicher weiterer Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts wie z. B. die der bereits in der Einleitung erwähnten Universitäten. Ferner können im Grundsatz auch die Flächen von Verwaltungs- und Regierungsgebäuden,14 also z. B. von Rathäusern, Landratsämtern und Ministerien erfasst sein.

2. Die Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen als private Flächen mit Bedürfnis nach einer besonderen Nutzungsordnung a) Die Bereitstellung der Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen als Verwaltungsleistung Die Flächen der sonstigen staatlichen Einrichtungen weisen zwar – wie die Beispiele verdeutlichen – zum Teil eine höchst unterschiedliche Zweckbestimmung auf. Sie sind aber durch die Tatsache, dass mit ihnen die jeweiligen Einrichtungen alle in irgendeiner Form Leistungen der Daseinsvorsorge zur Befriedigung bestimmter Bedürfnisse der Bevölkerung erbringen, miteinander verbunden.15 Während eine gemeindliche Grünanlage vor allem zu Erholungszwecken der Bevölkerung bereitgestellt wird, dient eine Universität in der Verbindung von Forschung, Lehre, Studium und Weiterbildung der Pflege und Entwicklung der Wissenschaften16 und erfüllt auf diesem Wege unter anderem die Nachfrage von Studierenden nach wissenschaftlicher Lehre. Schließlich werden in einem Rathaus Verwaltungsleistungen abgewickelt, die gegenüber den Bürgern zu erbringen sind. Die Bereitstellung dieser Einrichtungen und damit auch ihrer Flächen für die Bevölkerung ist daher, wie auch schon für die „öffentlichen Straßen“ festgestellt,17 eine originäre und notwendige staatliche Verwaltungsleistung.18 Die für 14

Die Tatsache, dass diese grundsätzlich v. a. intern durch die Angestellten genutzt werden u. daher i. d. R. nicht einer Nutzung durch die allgemeine Öffentlichkeit offenstehen, wird dann relevant, wenn es um die Frage des Bestehens eines Benutzungsanspruchs der Bürger geht. Zum Benutzungsanspruch noch unter C. I. 3. b). 15 Vgl. Ossenbühl, DVBl. 1973, 289 (289); Burgi, Kommunalrecht, § 16 Rn. 1. Vgl. auch Kraicziczek, Bedeutung und Grenzen der Benutzungsordnungen, 32, der die Angewiesenheit der Einwohner auf gemeindliche öffentliche Einrichtungen beschreibt. Allgemein zur kommunalen Daseinsvorsorge Brüning, in: Ehlers / Fehling / P ünder, Bes.VwR III, § 64 Rn. 191; Röhl, in: Schoch, Bes.VwR, Kap. 2 Rn. 160, 166; Haak, in: Steiner / Brinktrine, Bes.VwR, § 1 Rn. 247; Lenski, JuS 2012, 984 (988), die die Bereitstellung kommunaler öffentlicher Einrichtungen sogar als Instrument kommunikativer Daseinsvorsorge betrachtet. Allgemein zur Daseinsvorsorge im Kommunalrecht Reusch, Gemeindliche Rechtspflichten, 22 ff. 16 Vgl. die Aufgabenbestimmung in § 2 I Nr. 1 des Gesetzes über die Hochschule in BadenWürttemberg (LHG BW) i. d. F. v. 1. 01. 2005 (GBl. 2005, 1). 17 S. oben unter B. I. 1. b) bb). 18 Vgl. zur Leistungsverwaltung z. B. Ehlers, in: Ehlers / P ünder, Allg. VerwR, § 1 Rn. 55. Speziell für die kommunale Daseinsvorsorge z. B. Röhl, in: Schoch, Bes.VwR, Kap. 2 Rn. 160.

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C. Art. 8 I GG und die Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen 

die Wahrnehmung dieser Verwaltungsleistung zuständigen Körperschaften werden im Folgenden als „Einrichtungsträger“ bezeichnet. Zu ihnen gehören der Bund, die Länder, die Gemeinden und Kreise sowie die sonstigen Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts19 wie z. B. die Universitäten. Die Einrichtungsträger handeln dabei durch ihre Behörden bzw. Organe, also z. B. durch den Gemeinderat bzw. den Bürgermeister bei gemeindlichen öffentlichen Einrichtungen oder durch das Rektorat oder den Senat bei Universitätseinrichtungen.20 Die Wahrnehmung der beschriebenen Verwaltungsleistungen fällt überwiegend in den Bereich der weisungsfreien Selbstverwaltung der Einrichtungsträger,21 sodass diesen grundsätzlich die Entscheidung darüber obliegt, „wie“ sie die Leistungserbringung durch die Einrichtung im Einzelfall organisieren und ausgestalten.22

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Zum Begriff der öffentlichen Körperschaft z. B. Kluth, in: Wolff / Bachof / Stober, VerwR II, § 85 Rn. 5 ff., 25 ff.; Peine / Siegel, Allg. VerwR, Rn. 140; Burgi, in: Ehlers / P ünder, Allg. VerwR, § 8 Rn. 12. Zum Begriff der Anstalt des öffentlichen Rechts Wallerath, Allg. VerwR, § 5 Rn. 12 ff.; Peine / Siegel, Allg. VerwR, Rn. 145; Kluth, in: Wolff / Bachof / Stober, VerwR II, § 86 Rn. 8 ff. 20 Die gesetzliche Zuständigkeitsverteilung folgt für den Gemeinderat aus § 24 I i. V. m. § 39 II Nr. 11 GemO BW u. für den Bürgermeister aus § 42 I i. V. m. § 44 GemO BW. Für das Rektorat einer Universitätseinrichtung ergibt sich die Zuständigkeit aus § 16 I, III LHG BW und für den Senat aus § 19 LHG BW. 21 Der Betrieb gemeindlicher öffentlicher Einrichtung zählt zu den Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft u. damit zu der von Art. 28 II 1 GG verfassungsrechtlich abgesichert Selbstverwaltungsgarantie. Dabei kann die Bereitstellung einer gemeindlichen öffentlichen Einrichtung entweder eine freiwillige oder eine Pflichtaufgabe sein. Die Bereitstellung von Friedhöfen (§ 1 I 1 BestattG BW) u. die von Schulen (§ 27 II SchG BW) zählen z. B. zu den Pflichtaufgaben einer Kommune, während die Öffnung eines Museums, Theaters oder Stadtparks mangels gesetzlicher Anordnung eine freiwillige Aufgabe darstellt. Allgemein zum System gemeindlicher Aufgaben z. B. Brüning, in: Ehlers / Fehling / P ünder, Bes.VwR III, § 64 Rn. 61 ff., insbes. 64 ff.; Röhl, in: Schoch, Bes.VwR, Kap. 2 Rn. 67 ff., insbes. 69; Haak, in: Steiner / Brinktrine, Bes.VwR, § 1 Rn. 83 ff. Für sonstige staatliche Einrichtungen wie z. B. die Universitäten ergibt sich das Recht zur Selbstverwaltung aus Art. 20 II LV BW sowie § 58 I 3 des Hochschulrahmengesetzes (HRG) i. d. F. v. 19. 01. 1999 (BGBl. I, 18) u. aus § 8 I, IV, V LHG BW. Dazu v. Coelln, in: v. Coelln / Haug, BeckOK HoschulR BW, § 8 Rn. 16; Hartmer, in: Hartmer / Detmer, HochschulR, Kap. IV, Rn. 19 ff. u. Rn. 25. Ausgenommen vom Bereich weisungsfreier Selbstverwaltung der Hochschulen sind Angelegenheiten, deren Wahrnehmung der Fachaufsicht durch das Ministerium unterliegen, vgl. z. B. § 67 II LHG BW. S. dazu v. Coelln, in: v. Coelln / Haug, BeckOK HoschulR BW, § 8 Rn. 19. Im Rahmen der weisungsfreien Selbstverwaltung unterstehen die Einrichtungsträger (nur) der Rechtsaufsicht. Vgl. allgemein zur Kommunalaufsicht z. B. Brüning, in: Ehlers / Fehling / P ünder, Bes.VwR III, § 64 Rn. 76 ff.; Röhl, in: Schoch, Bes.VwR, Kap. 2 Rn. 75 ff.; Evertz, Die Bedeutung der Grundrechte, 43. Für die Universitäten v. Coelln, in: v. Coelln / Haug, BeckOK HoschulR BW § 8 Rn. 18. 22 Vgl. für den gemeindlichen Aufgabenkreis Ennuschat, in: Ennuschat / I bler / Remmert, ÖffR in BW, § 1 Rn 39 f.; Brüning, in: Ehlers / Fehling / P ünder, Bes.VwR III, § 64 Rn. 2, 64 ff., 191 verwendet den Begriff „kommunalpolitisches Ermessen“. Zu diesem Gestaltungsspielraum auch Röhl, in: Schoch, Bes.VwR, Kap. 2 Rn. 41; Haak, in: Steiner / Brinktrine, Bes.VwR, § 1 Rn. 91, 93; Evertz, Die Bedeutung der Grundrechte, 43 ff.; Geis, Kommunalrecht, § 6 Rn. 6; Lange, Kommunalrecht, Kap. 13 Rn. 32 ff.; Axer, Die Widmung als Schlüsselbegriff, 147, 160; Lenski, JuS 2012, 984 (988). Das Ermessen des Einrichtungsträgers im Hinblick auf das „Wie“

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b) Die Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen als Privatgrundstücke bzw. -gebäude Wie an den Straßengrundstücken besteht auch an den Grundstücken und Gebäuden der sonstigen staatlichen Einrichtungen, also z. B. an einem Schulgelände, einem Stadttheater, dem Vorplatz einer Universität oder einer gemeindlichen Parkanlage privatrechtliches Eigentum i. S. d. BGB.23 Für diese Flächen gelten daher zunächst die eigentumsrechtlichen Regelungen der §§ 903 ff. BGB. Eigentümer dieser Flächen sind dabei in der Regel die jeweiligen Einrichtungsträger selbst, also z. B. die Gemeinde bei dem Gebäude eines Stadttheaters. Möglich ist aber auch, dass ein anderer öffentlicher Rechtsträger oder sogar ein Privater Eigentümer der Fläche der sonstigen staatlichen Einrichtung ist.24 Das betrifft z. B. die Hochschulgebäude in Baden-Württemberg, deren Eigentümer das Land Baden-Württemberg und nicht die jeweilige Hochschule selbst ist.25 Würden auf die Grundstücke und Gebäude sonstiger staatlicher Einrichtungen alleine die eigentumsrechtlichen Regelungen der §§ 903 ff. BGB Anwendung finden, könnte der jeweilige (staatliche oder private) Eigentümer eine Nutzung dieser Flächen durch die Bürger mithilfe seiner privatrechtlichen Befugnisse z. B. aus § 903 BGB nach seinem Belieben steuern und auf diesem Wege die tatsächliche Erbringung der Verwaltungsleistung behindern.26

3. Nutzbarmachung für die Bürger Damit die Möglichkeit einer solchen zweckwidrigen, nicht dem Gemeinwohl entsprechenden Nutzung des Eigentums ausgeschlossen ist, besteht also im Grundder Ausgestaltung der Leistungserbringung wirkt sich insbes. bei der Frage aus, ob u. wenn ja, mit welchem Inhalt u. Umfang subjektive Nutzungsrechte an den Flächen der sonstigen staatlichen Einrichtungen den Bürgern eingeräumt werden. S. dazu unten unter C. I. 3. b). Insbes. die Gemeinde kann i. d. R. auch über das „Ob“ der Errichtung einer gemeindlichen öffent­lichen Einrichtung entscheiden, wenn sie hierzu nicht bereits durch ein Gesetz verpflichtet wird. Dazu z. B. Burgi, Kommunalrecht § 10 Rn. 22 f.; Lange, Kommunalrecht, Kap. 13 Rn. 35 ff.; Engels / Krausnick, Kommunalrecht, § 7 Rn. 46; Schoch, NVwZ 2016, 257 (260). 23 S. für die öffentlichen Straßen oben unter B. I. 1. b) aa). Allgemein für öffentliche Sachen Manssen, JuS 1992, 745 (745). 24 Vgl. Kluth, in: Wolff / Bachof / Stober / K luth, VerwR II, § 76 Rn.  19; Hoffmann, Die kommunale öffentliche Einrichtung, 30; Mohl, Die kommunalen öffentlichen Einrichtungen, 49. In diesem Fall ist der Einrichtungsträger dann z. B. Mieter oder Pächter der Fläche. 25 Die Hochschulgebäude sind in Baden-Württemberg als Landesimmobilien dem Ministerium für Finanzen zugeordnet. Der Landesbetrieb Vermögen u. Bau Baden-Württemberg ist für die Wahrnehmung der Eigentümer- u. Bauherrenfunktion an diesen Immobilien zuständig. Vgl. § 2 I des Gesetzes zur Reform der Staatlichen Vermögens- u. Hochbauverwaltung BadenWürttemberg i. d. F. v. 14. 12. 2004, GBl. 2004, 891. 26 Vgl. Röhl, in: Schoch, Bes.VwR, Kap. 2 Rn. 161: „Besonders dann, wenn es um existentielle notwendige Güter geht, kann der Einzelne nicht auf ein Belieben der Behörde verwiesen sein.“

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satz auch für die Flächen der sonstigen staatlichen Einrichtungen ein Bedarf nach einer besonderen öffentlich-rechtlichen Nutzungsordnung, die diese Flächen dem ausschließlichen Zugriff der Privatrechtsordnung entzieht und dadurch die grundsätzliche Nutzbarkeit der Flächen durch die Bürger sicherstellt.27 Wie schon verdeutlicht, werden die privaten Straßengrundstücke durch die Widmung mit der Zweckbestimmung versehen, dem „öffentlichen Verkehr“ zu dienen. Als „öffentliche“ Straßen sind sie dann für die Bürger nutzbar.28 a) Begründung der „Öffentlichkeit“ an den Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen Dementsprechend ist  – neben ihrer tatsächlichen Bereitstellung29  – auch für die Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen ein besonderer Rechtsakt erforderlich,30 mit dem die Einrichtungsträger die öffentliche Zweckbindung der Einrichtung verbindlich festlegen und dadurch die grundsätzliche Nutzbarkeit der Einrichtungsflächen sicherstellen.31 Während das Straßenrecht den Rechtsakt,

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Das wurde bereits für den öffentlichen Straßenraum unter B. I. 1. b) cc) festgestellt. Vgl. oben unter B. I. 1. c) aa) u. B. I. 1. c) bb) (3). 29 Die Indienststellung ist zwar auch für die Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen eine zwingende Voraussetzung, damit sie genutzt werden können. Sie ist aber nicht hinreichend, um die Gemeinwohlfunktion bzw. die Öffentlichkeit der Einrichtung auch rechtlich abzusichern. Vgl. zum Erfordernis der Indienststellung z. B. Pappermann-Andriske, in: Pappermann /  Löhr / Andriske, Recht der öffentlichen Sachen (1987), 2; Axer, Die Widmung als Schlüsselbegriff, 34; Häde, JuS 1993, 113 (114); Müller, in: Wolff / Bachof / Stober / K luth, VerwR II, § 86 Rn. 72. Eine Ausnahme davon gilt aber dann, wenn der tatsächlichen Bereitstellung im Wege der Auslegung eine konkludente Erklärung des Verwaltungsträgers entnommen werden kann, dass er die Nutzung der Einrichtung durch bestimmte Personen auch in rechtlicher Hinsicht garantieren möchte. In diesem Fall fallen tatsächliche Bereitstellung u. rechtliche Erklärung in einem Akt zusammen. Vgl. z. B. Häde, JuS 1993, 113 (115). Zur konkludenten Begründung von Nutzungsrechten aber noch ausführlicher unter C. I. 3. b) cc). 30 A. A. aber Büermann, Die Rechtsstellung der gemeindlichen Veranstaltungsräume, 71 ff., der die Auffassung vertritt, dass an die Stelle der „Widmung“ als Kreationsakt der öffentlichen Einrichtung das Merkmal der Nutzbarkeit durch die Allgemeinheit treten solle. Das kritisiert z. B. Axer, Die Widmung als Schlüsselbegriff, 145. So auch für den öffentlichen Straßenraum oben unter B. I. 1. c) bb) (3). 31 Daher werden die (Flächen der) sonstigen staatlichen Einrichtungen auch überwiegend unter die Sammelbezeichnung der „öffentlichen Sachen“ subsumiert, vgl. z. B. Manssen, JuS 1992, 745 (746); speziell zur Bedeutung der „Widmung“ insbes. bei gemeindlichen öffent­lichen Einrichtungen Dietlein, Jura 2002, 445 (448); Axer, Die Widmung als Schlüsselbegriff, 145; Ossenbühl, DVBl. 1973, 289 (290); Zundel, JuS 1991, 472 (473); Brüning, in: Ehlers / Fehling /  Pünder, Bes.VwR III, § 64 Rn. 193; Haak, in: Steiner / Brinktrine, Bes.VwR, § 1 Rn. 249; Röhl, in: Schoch, Bes.VwR, Kap. 2 Rn. 168; Püttner / Lingemann, JA 1984, 121 (122). Allgemein für öffentliche Sachen Pappermann-Andriske, in: Pappermann / Löhr / Andriske, Recht der öffentlichen Sachen, 2, 13 ff.; Löhr, in: Pappermann / Löhr / A ndriske, Recht der öffentlichen Sachen, 136; Papier, Recht der öffentlichen Sachen, 4; Kment / Weber, JA 2013, 119 (120). Die sonstigen staatlichen Einrichtungen werden dabei überwiegend den „öffentliche Sachen“ 28

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der die „privaten“ Straßen zu „öffentlichen“ macht, ausdrücklich als Widmung32 bezeichnet und sogar dessen Form, Inhalt und Rechtsfolgen detailliert bestimmt,33 finden sich für die Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen kaum vergleichbare gesetzliche Regelungen.34 Lediglich die Gemeindeordnungen beinhalten eine allgemeine Bestimmung zur Aufgabe der Gemeinde, „in den Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit die für das wirtschaftliche, soziale und kulturelle Wohl ihrer Einwohner erforderlichen öffentlichen Einrichtungen“ zu schaffen (vgl. § 10 II 1 der Gemeindeordnung für Baden-Württemberg (GemO BW35)), ohne sich dabei aber näher zu Inhalt, Form und Verfahren des Rechtsakts zu äußern, der die gemeindliche Einrichtung zu einer „öffentlichen“ macht.36 In Anlehnung an den straßenrechtlichen Begriff wird der Rechtsakt, mit dem die Gemeinde ein privates Grundstück oder Gebäude zu einer „öffentlichen Einrichtung“ i. S. d. § 10 II GemO BW erklärt, häufig ebenfalls als Widmung bezeichnet.37 Diese gleichlautende Benennung darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass der als „Widmung“ bezeichnete Rechtsakt je nachdem, ob er im straßenrechtlichen Kontext oder in Bezug auf die Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen verwendet wird, ganz

im „Anstaltsgebrauch“ zugeordnet. Vgl. Geis, Kommunalrecht, § 10 Rn. 15; Papier / Durner, in: Ehlers / P ünder, AllgVerwR, § 39 Rn. 27 ff.; Haak, in: Steiner / Brinktrine, Bes.VwR, § 1 Rn. 249. Die Einrichtungen, die zwar tatsächlich eine Gemeinwohlfunktion haben, aber nicht durch einen Rechtsakt mit einer öffentlichen Zweckbindung versehen sind, sodass an ihnen weiter rein privatrechtliche Herrschaftsrechte u. Nutzungsverhältnisse bestehen, sind dementsprechend von der zweiten Flächenkategorie nicht erfasst. Das betrifft die sog. tatsächlichen öffentlichen Sachen, z. B. ein dem Publikumsverkehr geöffnetes Schwimmbad. Vgl. Papier / Durner, in: Ehlers / P ünder, AllgVerwR, § 38 Rn. 6 f. S. dazu schon auch für die öffentlichen Straßen unter B. I. 1. c) aa). 32 Vgl. § 5 StrG BW u. § 2 StrG BW. 33 Die Widmung öffentlicher Straßen ergeht als Verwaltungsakt in Form einer Allgemeinverfügung, an die das Straßenrecht zwingende Formvorgaben macht, vgl. insbes. § 5 IV 1 StrG BW. S. dazu oben unter B. I. 1. c) aa). 34 Vgl. Axer, DÖV 2013, 165 (166); Dietlein, Jura 2002, 445 (448); Hoffmann, Die kommunale öffentliche Einrichtung, 24; Papier, Jura 1979, 93 (98). Allgemein dazu, dass das Straßen­ recht mehr Regelungen für „öffentliche Sachen“ enthält auch Ennuschat, in: Ennuschat / I bler /  Remmert, ÖffR in BW, § 1 Rn. 313. 35 Gemeindeordnung für Baden-Württemberg, i. d. F. v. 24. 07. 2000, GBl. 2000, 581, ber. 698. Für die anderen Bundesländer z. B. Art. 21 I 1 BayGO; § 12 I BbgKVerf; § 20 I HessGO; § 14 II KV MV; § 30 I NdsKomVG; § 8 II GO NRW; § 14 II GO Rh.- Pf.; § 19 I KSVG; § 10 II SächsG; § 24 I KVG LSA; § 18 I GO SH; § 14 I ThürKO. Für die Landkreise ist dasselbe in § 16 I 1 LKrO BW geregelt. 36 Das wird in der Rechtsprechung u. Literatur z. T. überhaupt nicht festgestellt. Anders aber z. B. Lange, DVBl. 2014, 753 (753). 37 So die überwiegende Literatur. Stellvertretend z. B. Röhl, in: Schoch, Bes.VwR, Kap. 2 Rn. 168; Fleckenstein, in: Dietlein / Pautsch, KommunalR BW, § 10 Rn. 11; Ossenbühl, DVBl. 1973, 289 (289 f.); Haak, in: Steiner / Brinktrine, Bes.VwR, § 1 Rn. 249; Brüning, in: Ehlers /  Fehling / P ünder, Bes.VwR III, § 64 Rn. 193; Lange, Kommunalrecht, Kap. 13 Rn. 6, 13; ­Ossenbühl, DVBl. 1973, 289 (289 f.); Erichsen, Jura 1986, 148 (149); Axer, Die Widmung als Schlüsselbegriff, 145 ff. Für öffentliche Sachen allgemein Pappermann-Andriske, in: ­Pappermann / Löhr / Andriske, Recht der öffentlichen Sachen, 2. 

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unterschiedliche rechtliche Wirkungen haben kann.38 Fest steht, dass die öffentliche Zweckbindung der sonstigen staatlichen Einrichtungen dazu führt, dass die Einrichtungsträger bei der Bereitstellung der Einrichtungsflächen – wie auch die Straßenbaulastträger  – speziellen öffentlich-rechtlichen Bindungen unterliegen, sodass sie jedenfalls nicht mehr uneingeschränkt von ihren (privatrechtlichen) Befugnissen Gebrauch machen können. Dadurch ist die grundsätzliche Nutzbarkeit der Einrichtungsflächen für die Bürger sichergestellt.39 Welche Rechtsfolgen der Rechtsakt, mit dem die öffentliche Zweckbindung sonstiger staatlicher Einrichtungen begründet wird, im Einzelfall darüber hinaus erzeugt, kann jedoch – anders als bei den öffentlichen Straßen40 – nicht pauschal bestimmt werden, sondern ist für jede Einrichtungsfläche gesondert zu ermitteln.41 Aufgrund der fehlenden gesetzlichen Regelungen ist der Rechtsakt, durch den die Einrichtungsträger die öffentliche Zweckbindung der staatlichen Einrichtung anordnen, auch nicht an eine bestimmte Form gebunden. Er kann daher wie die straßenrechtliche Widmung durch Verwaltungsakt, aber auch durch Ratsbeschluss oder Satzung ergehen.42 So bestimmt beispielsweise die Benutzungssatzung der 38 Zur Widmung u. zu den dadurch begründeten Rechtsfolgen bei öffentlichen Straßen s. oben unter B. I. 1. c). Der Gesetzgeber hat für die Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen im Unterschied zum Straßenrecht keine das privatrechtliche Eigentum verdrängende, durch die „Widmung“ begründete öffentlich-rechtliche Sachherrschaft normiert. Daher hat nach Axer, NVwZ 1996, 114 (115 f.) die „Widmung“ gemeindlicher öffentlicher Einrichtungen auch keine sachenrechtliche Wirkung, sondern ist nur Kreationsakt u. als Instrument zur Nutzungsregelung Grundlage des Nutzungsanspruchs. Dazu auch Stelkens, DÖV 2013, 493 (528 ff.); Axer, NVwZ 1996, 114 (116); Axer, DÖV 2013, 165 (166, 170); Stelkens, in: Stelkens / Bonk / Sachs, VwVfG, § 35 Rn. 320 ff., insbes. Rn. 324 f.; Papier, Recht der öffentlichen Sachen, 50; Papier, Jura 1979, 93 (100); Ehlers, DVBl. 1986, 912 (919) sowie Hoffmann, Die kommunale öffentliche Einrichtung, 24; Pappermann-Andriske, in: Pappermann / Löhr / A ndriske, Recht der öffent­lichen Sachen (1987), 136; Manssen, JuS 1992, 745 (747 f.). Spricht man sich gegen eine entsprechende „dingliche“ Wirkung der „Widmung“ bei den Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen aus, wäre der ggfs. vom Einrichtungsträger zu unterscheidende Flächeneigentümer allein durch die Zweckbindung nicht am Gebrauchmachen seiner Befugnisse aus §§ 903 ff. BGB gehindert. So z. B. Stelkens, DÖV 2013, 493 (529). Geht man aber von einer dinglichen Wirkung aus u. steht die Fläche nicht im Eigentum des Einrichtungsträgers, bedarf der Rechtsakt, der die Zweckbindung anordnet, der Zustimmung des Flächeneigentümers, vgl. z. B. Hoffmann, Die kommunale öffentliche Einrichtung, 30; Mohl, Die kommunalen öffentlichen Einrichtungen, 51. S. dazu schon oben für die Widmung der öffentlichen Straßen unter B. I. 1. c) aa). 39 Damit unterscheiden sich die sonstigen staatlichen Einrichtungen jedenfalls von Privateinrichtungen der Gemeinde. Vgl. Mohl, Die kommunalen öffentlichen Einrichtungen, 27; Ossenbühl, DVBl. 1973, 289 (290); Kluth, in: Wolff / Bachof / Stober / K luth, VerwR II, § 76 Rn. 2 ff., 17 ff.; Pappermann-Andriske, in: Pappermann / Löhr / Andriske, Recht der öffentlichen Sachen (1987), 15; Brehm, Benutzungsregelungen, 6; Ehlers, DVBl. 1986, 912 (919). 40 Zu den Rechtsfolgen der straßenrechtlichen Widmung s. unter B. I. 1. c) bb). 41 Vgl. Axer, DÖV 2013, 165 (171 f.). Zu den Rechtsfolgen der öffentlichen Zweckbindung der Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen, insbes. im Hinblick auf das Bestehen von Nutzungsrechten, ausführlich unter C. I. 3. b). 42 Vgl. Engels / Krausnick, Kommunalrecht, § 7 Rn. 41; Dietlein, Jura 2002, 445 (449); ­Ossenbühl, DVBl. 1973, 289 (290); Röhl, in: Schoch, Bes.VwR, Kap. 2 Rn. 168; PappermannAndriske, in: Pappermann / Löhr / Andriske, Recht der öffentlichen Sachen, 14; Lange, Kommunalrecht, Kap. 13 Rn. 13; Axer, Die Widmung als Schlüsselbegriff, 145 f.

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Universitätsbibliothek Freiburg43 in ihrem § 1, dass die Universitätsbibliothek eine „öffentliche“ wissenschaftliche Bibliothek ist. Schließlich kann die „Öffentlichkeit“ der Einrichtungsfläche auch im Wege einer konkludenten bzw. stillschweigenden Erklärung des Einrichtungsträgers erfolgen.44 Entscheidend ist jeweils, dass der Wille des Einrichtungsträgers deutlich wird, dass die Einrichtungsfläche fortan einem öffentlichen Zweck dienen soll.45 Indizien für das Vorliegen einer konkludenten Erklärung können sich insbesondere aus dem Einrichtungszweck selbst, aus der faktischen Zurverfügungstellung der Einrichtungsfläche für die Allgemeinheit bzw. einen bestimmten Personenkreis oder aber aus einer vom Einrichtungsträger erlassenen Benutzungsordnung ergeben.46 Sofern sich ein Erklärungswille nicht abschließend feststellen lässt, besteht – zumindest für gemeindliche öffentliche Einrichtungen – die allgemeine Vermutung, dass eine der Allgemeinheit zur Verfügung gestellte gemeindliche Einrichtung auch eine „öffentliche“ Einrichtung ist.47 43

Benutzungsordnung v. 10. 10. 1994 gem. § 28 V des Universitätsgesetzes, erlassen durch den Verwaltungsrat der Universität Freiburg i. Br., abrufbar unter https://www.ub.uni-freiburg. de/rechtliches/benutzungsordnung/ (zuletzt abgerufen am 22. 04. 2021). 44 In der Praxis dominiert wohl – jedenfalls mit Blick auf gemeindliche öffentliche Einrichtungen – die konkludent erfolgende Widmung, was auch ein Blick auf die Rechtsprechung verdeutlicht: s. z. B. OVG Münster, NJW 1969, 1077 (1077); OVG Münster, NJW 1976, 820 (822); VGH BW, NVwZ-RR 1989, 135 (135); BayVGH, NJW 1989, 2491 (2491); VGH BW, NVwZ-RR 1992, 500 (501); VGH Mannheim, NVwZ-RR 1996, 681 (682). Aus der Literatur Schoch, NVwZ 2016, 257 (260); Burgi, Kommunalrecht, § 16 Rn. 6; Engels / Krausnick, Kommunalrecht, § 7 Rn. 41 f.; Röhl, in: Schoch, Bes.VwR, Kap. 2 Rn. 168; Dietlein, Jura 2002, 445 (448); Lange, Kommunalrecht, Kap. 13 Rn. 13; Zundel, JuS 1991, 472 (473); Erichsen, Jura 1986, 148 (151); Hoffmann, Die kommunale öffentliche Einrichtung, 26 ff.; Brüning, in: Ehlers / Fehling / P ünder, Bes.VwR III, § 64 Rn.  193; Haak, in: Steiner / Brinktrine, Bes.VwR, § 1 Rn. 249; Axer, DÖV 2013, 165 (168); Papier / Durner, in: Ehlers / P ünder, AllgVerwR, § 40 Rn. 14; Papier, Jura 1979, 93 (98). Die Rechtsprechung hat allerdings darauf hingewiesen, dass eine auf einer tatsächlichen Überlassungspraxis beruhenden konkludente Erklärung bei kommunalen öffentlichen Einrichtungen nur wirksam sei, wenn von einer zumindest stillschweigenden Billigung durch die zuständige Gemeindevertretung ausgegangen werden kann, vgl. z. B. BayVGH, NJW 2012, 1095 (1096). Zur Bedeutung der tatsächlichen Bereitstellung auch für die Begründung von Nutzungsrechten sowie deren Inhalt u. Umfang gleich ausführlich unter C. I. 3. b) cc). 45 Vgl. z. B. OVG NJW 1976, 820 (821); BayVGH, NJW 1989, 2491 (2491); VGH Mannheim, NVwZ-RR 1996, 681 (682); BayVGH, NVwZ-RR 2014, 110 (110 f.). S. auch Gern / Brüning, Deutsches Kommunalrecht, Rn. 921; Geis, Kommunalrecht § 10 Rn. 16; Engels / Krausnick, Kommunalrecht, § 7 Rn. 42; Zundel, JuS 1991, 472 (473); Püttner / Lingemann, JA 1984, 121 (122). 46 Ein weiteres Indiz für eine konkludente Widmung bei gemeindlichen öffentlichen Einrichtungen kann z. B. die Gebührenerhebung sein, vgl. Dietlein, Jura 2002, 445 (448). S. allgemein zu den Indizien Ossenbühl, DVBl. 1973, 289 (290); Erichsen, Jura 1986, 148 (151); Zundel, JuS 1991, 472 (473); Pappermann-Andriske, in: Pappermann / Löhr / Andriske, Recht der öffentlichen Sachen, 14; Lange, Kommunalrecht, Kap. 13 Rn. 14. 47 Dazu Dietlein, Jura 2002, 445 (448); Erichsen, Jura 1986, 148 (151); Geis, Kommunalrecht § 10 Rn. 16; Lange, Kommunalrecht, Kap. 13 Rn. 14; Ossenbühl, DVBl. 1973, 289 (290); Hoffmann, Die kommunale öffentliche Einrichtung, 28 ff. Aus der Rechtsprechung z. B. OVG Münster, NJW 1976, 820 (821), auch zu den Anforderungen an eine Widerlegung der Vermutung durch die Gemeinde. Krit. dazu äußert sich aber z. B. Axer, Die Widmung als Schlüsselbegriff, 146, nach dem die Widmung kraft Vermutung in die Nähe einer Fiktion gerät.

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b) Nutzungsrechte Wie schon gezeigt, dient die Erbringung der jeweiligen Verwaltungsleistung durch die sonstigen staatlichen Einrichtungen insbesondere der Befriedigung unterschiedlicher Daseinsvorsorgebedürfnisse der Bevölkerung.48 Aus der Perspektive der Bürger ist daher entscheidend, dass die Einrichtungsflächen für sie nutzbar sind. Aufgrund der durch die Zweckbindung begründeten Gemeinwohlfunktion der Einrichtungen und der tatsächlichen Indienststellung der Einrichtungsflächen wird für die Bürger deren Nutzung jedenfalls in tatsächlicher Hinsicht ermöglicht. Für den Fall, dass die Einrichtungsträger bzw. die gegebenenfalls davon zu unterscheidenden Flächeneigentümer eine Nutzung verhindern möchten, sind die Bürger aber auf das Vorhandensein eines Anspruchs angewiesen, mit dem sie ihr Nutzungsbegehren gegenüber dem Einrichtungsträger und eventuell gegenüber dem davon zu unterscheidenden Flächeneigentümer auch rechtlich durchsetzen können.49 aa) Nutzungsrechte durch Gesetz Im öffentlichen Straßenraum entstehen als Rechtsfolge der Widmung unter anderem die im Straßenrecht ausdrücklich normierten Nutzungsrechte. So begründet § 13 I 1 StrG BW ein subjektives Recht der Bürger auf eine erlaubnisfreie Nutzung der öffentlichen Straßen im Rahmen des Gemeingebrauchs und § 16 I 1 StrG BW gibt den Nutzungswilligen für darüber hinausgehende Sondernutzungen einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über die Erteilung einer entsprechenden Sondernutzungserlaubnis. Wird sie erteilt, besteht ein Anspruch auf die Sondernutzung.50 Mit den straßenrechtlichen Regelungen vergleichbar scheint auf den ersten Blick § 10 II 2 GemO BW zu sein. Danach sind „die Einwohner (…) im Rahmen des geltenden Rechts berechtigt, die öffentlichen Einrichtungen der Gemeinde nach gleichen Grundsätzen zu benutzen.“51 Zumindest für die Flächen

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Vgl. oben unter C. I. 2. a). So schon für den öffentlichen Straßenraum unter B. I. 1. c) bb) (3). Zu der umstrittenen Wirkung der öffentlichen Zweckbestimmung bei den Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen gegenüber dem (privaten) Flächeneigentümer bereits in Fn. 597. 50 S. dazu oben unter B. I. 1. c) bb) (3) u. speziell zum Straßengebrauch unter B. I. 2. Zu dieser Wirkung der Widmung Stelkens, DÖV 2013, 493 (533). 51 Z. T. wird bei den Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen nicht von einem Benutzungsanspruch, sondern „nur“ von einem Anspruch auf Zulassung ausgegangen. Da der (Zulassungs-)Anspruch aus § 10 II 2 GemO BW ein gebundener Anspruch ist, macht diese Unterscheidung für gemeindliche öffentliche Einrichtungen in der Praxis keinen Unterschied. In beiden Situationen darf der Anspruchsteller bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen die Einrichtung nutzen, entweder mit oder ohne Zulassung. Allgemein dazu Lange, Kommunalrecht, Kap. 13 Rn. 19, 57; Büermann, Die Rechtsstellung der gemeindlichen Veranstaltungsräume, 81 f.; Mohl, Die kommunale öffentliche Einrichtung, 130 ff.; Papier, Recht der öffentlichen Sachen, 29 ff.; Hoffmann, Die kommunale öffentliche Einrichtung, 43 ff.; Roth, Die kommunalen öffentlichen Einrichtungen, 116 ff.; Frotscher, in: Püttner, HdBKWP 3, § 52, 49

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gemeindlicher öffentlicher Einrichtungen sehen die Gemeindeordnungen also ausdrücklich ein gesetzliches Nutzungsrecht vor,52 das auch mit einer entsprechenden Duldungspflicht jedenfalls des Einrichtungsträgers verbunden ist.53 Allerdings ist das in den Gemeindeordnungen normierte Nutzungsrecht durch den jeweiligen Einrichtungszweck54 auf bestimmte Nutzungsarten sowie auf Einwohner und sog. Forense beschränkt.55 Für „Ortsfremde“ und für Nutzungen, die den Einrichtungszweck übersteigen, enthalten die gemeinderechtlichen Vorschriften dagegen weder einen unmittelbaren Benutzungsanspruch noch eine anderweitige, mit der straßenrechtlichen Sondernutzung des § 16 I StrG BW vergleichbare Nutzungsregelung.56 Auch für alle weiteren sonstigen staatlichen Einrichtungen wie z. B. für die Universitäten fehlt es an vergleichbaren gesetzlichen Regelungen, die den Bürgern ein Recht auf eine erlaubnisfreie Zugriffsnutzung der Einrichtungsflächen einräumen.57 Die Frage der Nutzung der Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen lässt sich dementsprechend anhand der vorhandenen gesetzlichen Regelungen kaum beantworten.58 Anders als bei öffentlichen Straßen hängt das Bestehen subjektiver Nutzungsrechte an den Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen daher vor allem davon ab, ob die Einrichtungsträger selbst einen ent-

149 f. Zum Erfordernis der Zulassung u. den Auswirkungen auf das Nutzungsrecht später aber näher. S. dafür unter C. I. 3. c) cc). 52 So auch Axer, Die Widmung als Schlüsselbegriff, 168 ff.; Burgi, Kommunalrecht, § 16 Rn. 15; Geis, Kommunalrecht § 10 Rn. 26; Evertz, Die Bedeutung der Grundrechte, 88. 53 Vgl. Stelkens, DÖV 2013, 493 (529). Ob auch der vom Einrichtungsträger ggfs. zu unterscheidende Flächeneigentümer zur Duldung der Nutzung verpflichtet ist, hängt davon ab, ob man dem Rechtsakt, der die Zweckbestimmung festlegt, dingliche Wirkung gegenüber dem privaten Eigentümer beimisst. Das ist aber umstritten. S. dazu schon in Fn. 597. 54 Zum Einrichtungszweck u. seinen Auswirkungen auf den Inhalt u. den Umfang der Nutzungsrechte s. unten unter C. I. 3. c) aa). 55 Einwohner der Gemeinde ist gem. § 10 I GemO BW, wer in der Gemeinde wohnt. Die den Einwohner gleich gestellten Forensen sind in § 10 III u. IV GemO BW definiert. Zum berechtigten Personenkreis s. z. B. Brüning, in: Ehlers / Fehling / P ünder, Bes.VwR III, § 64 Rn. 197; Burgi, Kommunalrecht, § 16 Rn. 19 ff.; Ossenbühl, DVBl. 1973, 289 (295); Becker / Sichert, JuS 2000, 348 (349). Eine Ausnahme gilt aber für die Kommunalverfassung Brandenburg, die in § 12 I BbgKVerf „Jedermann“ ein Benutzungsrecht an kommunalen öffentlichen Einrichtungen gewährt. 56 Vgl. Brüning, in: Ehlers / Fehling / P ünder, Bes.VwR III, § 64 Rn. 197; Röhl, in: Schoch, Bes.VwR, Kap. 2 Rn. 169; Axer, Die Widmung als Schlüsselbegriff, 171; Dietlein, Jura 2002, 445 (449); Roth, Die kommunalen öffentlichen Einrichtungen, 132; Schoch, NVwZ 2016, 257 (258); Stelkens, DÖV 2013, 493 (528). 57 Zwar gibt es noch weitere spezielle einfachgesetzliche Vorschriften, wie z. B. § 24 SGB VIII, § 70 GeWO, § 22 PBefG. Dazu ausführlich Lange, Kommunalrecht, § 13 Rn. 50 ff.; s. auch Schoch, NVwZ 2016, 257 (258). Diese Anspruchsgrundlagen gelten aber nur für bestimmte staatliche Einrichtungen, die im Kontext dieser Arbeit, in dem es um die subjektiven Rechte auf Flächennutzung geht, nicht relevant sind. Das deshalb das Bedürfnis erwächst, aus der „Widmung“ selbst Nutzungsansprüche abzuleiten, wird von Axer, NVwZ 1996, 114 (114 f.) deutlich gemacht. 58 Auch Axer, NVwZ 1996, 114 (114).

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sprechenden (Außen-)Rechtssatz erlassen, der den Bürgern einen Anspruch auf Nutzung der Einrichtungsflächen gewährt. bb) Nutzungsrechte durch Satzung Zum Teil regeln die Einrichtungsträger die Benutzung ihrer Einrichtungs­f lächen in Benutzungssatzungen,59 zu deren Erlass sie aufgrund ihrer umfassenden Organisationsgewalt in Selbstverwaltungsangelegenheiten berechtigt sind.60 Da diese Satzungen, soweit sie die Benutzung durch die Bürger betreffen, Rechtssatzqualität haben61 und sich die Einrichtungsträger selbst an die Einhaltung der in der Satzung ausgesprochenen Verpflichtungen halten müssen, können sie den Nutzungswilligen grundsätzlich eine subjektive Rechtsposition vermitteln.62 Beispielsweise bestimmt die bereits erwähnte Benutzungsordnung der Universitätsbibliothek Freiburg63 ausdrücklich in ihrem § 3 I, dass der Benutzer „gemäß der Benutzungsordnung das Recht auf die in ihr genannten und der Zulassung entsprechenden Leistungen der Bibliothek hat“. Aus der Satzung geht in diesem Fall eindeutig hervor, dass die Nutzungwilligen auch einen Anspruch auf Benutzung der Bibliothek haben sollen.

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S. ausführlich zur gemeindlichen Rechtssetzung am Beispiel von Benutzungssatzungen Becker / Sichert, JuS 2000, 144 (144 ff.). 60 Z. T. haben die Gemeindeordnungen dieses Recht der Gemeinde ausdrücklich normiert: vgl. etwa Art. 24 I Nr. 1 Bay GO. Allerdings folgt bereits aus Art. 28 II 1 GG u. § 4 I 1 GemO BW eine Generalermächtigung zum Erlass kommunaler Satzungen. Soweit keine Grundrechtseingriffe mit dem Satzungserlass verbunden sind, bietet diese Generalermächtigung auch eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage, sodass keine spezielle Rechtsgrundlage erforderlich ist. Vgl. Röhl, in: Schoch, Bes.VwR, Kap. 2 Rn. 145; Brüning, in: Ehlers / Fehling / P ünder, Bes. VwR III, § 64 Rn. 170 f.; Burgi, Kommunalrecht, § 15 Rn. 32; Haak, in: Steiner / Brinktrine, Bes.VwR, § 1 Rn. 206; Engels / Krausnick, Kommunalrecht, § 7 Rn. 55; Becker / Sichert, JuS 2000, 144 (147 f.). Das Satzungsrecht der Universitäten folgt aus ihrem Recht zur Selbstverwaltung u. ergibt sich z. B. auch ausdrücklich aus § 8 IV, V, VI LHG BW. S. zum universitären Satzungsrecht Hartmer, in: Hartmer / Detmer, HochschulR, Kap. IV, Rn. 27 ff.; v. Coelln, in: v. Coelln / Haug, BeckOK HoschulR BW § 8 Rn. 26. Allgemein zu Satzung als autonome Rechtsetzung juristischer Personen z. B. Remmert, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 80 Rn. 210; Werner, Rechtsquellen des deutschen öffentlichen Rechts, 47 ff.; Hill / Martini, in: HoffmannRiem / Schmidt-Aßmann / Voßkuhle, Grundlagen VwR II, § 34 Rn. 26 ff. 61 Vgl. Brüning, in: Ehlers / Fehling / P ünder, Bes.VwR III, § 64 Rn. 169; Hill / Martini, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann / Voßkuhle, Grundlagen VwR II, § 34 Rn. 26; Schmidt-­ Aßmann, Kommunale Rechtssetzung, 5, 40; Haak, in: Steiner / Brinktrine, Bes.VwR, § 1 Rn. 203; Roth, Die kommunalen öffentlichen Einrichtungen, 148, 210; Büermann, Die Rechtsstellung der gemeindlichen Veranstaltungsräume, 97; Schoch, NVwZ 2016, 257 (258); Dietlein, Jura 2002, 445 (449 Fn. 48). 62 So z. B. für ein kommunales Hallenbad BayVGH, NVwZ-RR 1998, 193 (194). Vgl. auch Stelkens, DÖV 2013, 493 (534). 63 Benutzungsordnung v. 10. 10. 1994 gem. § 28 V des Universitätsgesetzes, erlassen durch den Verwaltungsrat der Universität Freiburg i. Br., abrufbar unter https://www.ub.uni-freiburg. de/rechtliches/benutzungsordnung/ (zuletzt abgerufen am 22. 04. 2021).

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Ein anderes Beispiel stellt die in Satzungsform durch den Gemeinderat der Universitätsstadt Tübingen beschlossene Benutzungsordnung für die Stadtbücherei dar.64 Zwar gibt in diesem Fall bereits § 10 II 2 GemO BW den Einwohnern der Gemeinde einen gesetzlichen Anspruch auf Nutzung, sodass es insoweit nicht auf eine Einräumung eines „zusätzlichen“ subjektiven Nutzungsrechts durch den Einrichtungsträger ankommt. Allerdings ist – wie schon gezeigt65 – die Frage nach einer solchen subjektiven Rechtsposition zumindest dann aufgeworfen, wenn ein Ortsfremder, der sich nicht auf § 10 II 2 GemO BW stützen kann, die Bücherei nutzen möchte. § 1 I der Satzung der Stadt Tübingen bestimmt, dass es sich um eine „öffentliche“ Kultur- und Bildungseinrichtung handelt und begründet damit die öffentliche Zweckbindung der Bücherei.66 § 2 regelt die Benutzung der Bücherei und erklärt in seinem Abs. 1, dass die Benutzung „allen“ offensteht. Der Wortlaut des § 2 I der Benutzungsordnung räumt den Nutzern zwar nicht ausdrücklich einen Benutzungsanspruch ein. Ob ein entsprechendes subjektives Recht auf Nutzung gewährt werden soll, ist in diesem Fall also im Wege der Auslegung der Satzungsbestimmungen zu ermitteln. Dabei sprechen insbesondere der Wortlaut des § 2 I der Satzung unter Berücksichtigung des in § 1 I bestimmten Zwecks dafür, dass die Öffnung der Bücherei den individuellen Interessen „aller“ Benutzungswilligen zu dienen bestimmt ist. Insoweit kann also § 2 der Satzung der Wille der Stadt Tübingen entnommen werden, nicht nur den Einwohnern, sondern auch Ortsfremden ein subjektives Recht auf Nutzung der Bücherei einzuräumen. Auch in diesem Beispiel liegt also ein Außenrechtssatz des Einrichtungsträgers in Form einer Satzungsbestimmung vor, der die Benutzung der Einrichtung durch die Benutzungsinteressenten regelt und aus dem sich – jedenfalls im Wege der Auslegung – auch ein subjektives Nutzungsrecht ableiten lässt. Zudem wird deutlich, dass bei gemeindlichen öffentlichen Einrichtungen der gesetzliche Benutzungsanspruch gem. § 10 II 2 GemO BW nicht abschließend ist, sondern die Gemeinde darüber hinausgehend auch Ortsfremden z. B. durch den Erlass einer entsprechenden Satzungsregelung eine solche Rechtsposition einräumen kann.67

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Satzung v. 6. 02. 2017, i. d. F. v. 7. 02. 2019, abrufbar unter https://www.tuebingen.de/ verwaltung/uploads/stadtbuecherei_benutzungsordnung.pdf. (zuletzt abgerufen am 22. 04. 2021). 65 S. oben unter C. I. 3. b) aa). 66 S. zur Begründung der öffentlichen Zweckbindung einer sonstigen staatlichen Einrichtung u. der möglichen Rechtsform bereits oben unter C. I. 3. a). 67 Vgl. Frotscher, in: Püttner, HdBKWP 3, § 151 f.; Lange, Kommunalrecht, Kap. 13 Rn. 45; Axer, NVwZ 1996, 114 (116); Püttner / Lingemann, JA 1984, 121 (123 f.); Schoch, NVwZ 2016, 257 (262); Dietlein, Jura 2002, 445 (449 Rn. 48); Becker / Sichert, JuS 2000, 348 (349); VGH München, NVwZ-RR 2003, 771 (771); OVG Saarlouis, NVwZ-RR 2010, 972 (973). Die gesetzliche Normierung eines Benutzungsanspruchs in den Gemeindeordnungen ist daher, soweit er sich mit den durch die Gemeinde z. B. durch eine Benutzungsordnung selbst eingeräumten Benutzungsrechten deckt, nur deklaratorisch. Vgl. Lange, Kommunalrecht, Kap. 13 Rn. 44; Evertz, die Bedeutung der Grundrechte, 89 f.

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cc) Nutzungsrechte durch Allgemeinverfügung i. S. d. § 35 S. 2 Alt. 2 oder 3 VwVfG Für den Fall, dass keine Benutzungsregelung in Satzungsform besteht und auch § 10 II 2 GemO BW als Rechtsquelle nicht greift, können Ansprüche auf Nutzung der Einrichtungsflächen auch aus einer „sonstigen Erklärung“ der Einrichtungsträger resultieren. Damit aus einer solchen Äußerung, die weder Satzungs- noch Gesetzesqualität aufweist, subjektive Nutzungsrechte für die Bürger folgen können, muss sie die Merkmale eines Verwaltungsaktes erfüllen,68 d. h. die Erklärung muss nach ihrem Inhalt insbesondere darauf ausgerichtet sein, eine Rechtsfolge nach außen zu setzen, um dadurch einen Anspruch zu begründen.69 Ergeht die Regelung in der Form einer schriftlichen Allgemeinverfügung i. S. d. § 35 S. 2 Alt. 2 oder 3 VwVfG70, wird häufig der Begriff „Benutzungsordnung“ verwendet.71 Allerdings fehlt es insbesondere in den Fällen, in denen bereits der die „Öffentlichkeit“ der Einrichtung begründende Rechtsakt konkludent bzw. stillschweigend erfolgt,72 an einer ausdrücklichen Erklärung der Einrichtungsträger, in der den Bürgern explizit subjektive Nutzungsrechte eingeräumt werden bzw. aus der sich zumindest Anhaltspunkte für eine entsprechende Rechtsposition ableiten lassen können. Das betrifft beispielsweise manche Flächen einer Universität wie die Gänge in den Gebäuden, den Vorplatz oder die sonstigen Außenflächen auf dem Universitätsgelände. Während die Nutzung bestimmter Universitätseinrichtungen 68 Dass ein Verwaltungsakt ein subjektives Recht begründen kann, ergibt sich klarstellend auch aus § 48 I 2 VwVfG. S. dazu Schoch, NVwZ 2016, 257 (258); allgemein auch v. Alemann /  Scheffczyk, in: Bader / Ronellenfitsch / Abel, BeckOK VwVfG, § 35 Rn. 63; Henneke / Berger, in: Knack / Henneke, VwVfG, § 35 Rn. 153. 69 Entscheidend ist insoweit der „Regelungscharakter“ der Äußerung. S. dazu allgemein v.  Alemann / Scheffczyk, in: Bader / Ronellenfitsch / Abel, BeckOK VwVfG, § 35 Rn. 139 ff.; Henneke / Berger, in: Knack / Henneke, VwVfG, § 35 Rn. 37; Stelkens, in: Stelkens / Bonk / Sachs, VwVfG, § 35 Rn. 141 ff. Aus der Rechtsprechung BVerwGE 36, 192 (194); 77, 268 (271); BVerwG NJW 1985, 693 (694); NVwZ 1988, 941 (941); NJW 2007, 1478 (1479 Rn. 22). 70 Dazu v. Alemann / Scheffczyk, in: Bader / Ronellenfitsch / Abel, BeckOK VwVfG, § 35 Rn. 266 ff.; Henneke / Berger, in: Knack / Henneke, VwVfG, § 35 Rn. 206; Stelkens, in: Stelkens /  Bonk / Sachs, VwVfG, § 35 Rn. 328 ff., insbes. 338 ff.; Windoffer, in: Mann / Sennekamp / Uechtritz, VwVfG, § 35 Rn. 134, 138 f. Ob es sich um eine sach- oder benutzungsbezogene Allgemeinverfügung handelt, hängt davon ab, ob die Nutzungsregelung mit dem Rechtsakt, der die Zweckbestimmung festlegt, zusammenfällt (dann eher sachbezogen) oder gesondert (dann benutzungsbezogen) erfolgt. 71 Stellvertretend für die Literatur Stelkens, in: Stelkens / Bonk / Sachs, VwVfG, § 35 Rn. 338 m. w. N. sowie Stelkens, DÖV 2013, 493 (534) u. auch Windoffer, in: Mann / Sennekamp /  Uechtritz, VwVfG, § 35 Rn. 139. Beispiele für solche Benutzungsordnungen finden sich in der Rechtsprechung u. a. bezüglich einer Stadthalle, s. dazu VG Bayreuth, BeckRS 2009, 48133 oder bezüglich eines Kinderspielplatzes, vgl. VGH Mannheim, NVwZ-RR 2012, 939 (941 f.). Diese als Benutzungsordnung bezeichnete Allgemeinverfügung darf aber nicht mit der in Satzungsform erlassenen Benutzungsordnung verwechselt werden. Zur Benutzungsordnung in Satzungsform bereits oben unter C. I. 3. b) bb). 72 Zu dieser Möglichkeit bereits unter C. I. 3. a).

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wie z. B. der Bibliothek regelmäßig durch entsprechende Benutzungsordnungen konkret geregelt ist, fehlt es für die genannten Flächen zum Teil auch schon an einer Aussage der Universität darüber, ob und durch wen diese Flächen überhaupt nutzbar sein sollen. Da aber ein Verwaltungsakt gem. § 37 II 1 VwVfG „in anderer Weise“ erlassen werden kann, kann eine Benutzungsregelung in der Form einer Allgemeinverfügung, die den Bürgern einen Benutzungsanspruch vermittelt, auch aus einer konkludenten bzw. stillschweigenden Erklärung des Einrichtungsträgers folgen.73 Anhaltspunkte für das Vorliegen einer konkludenten Allgemeinverfügung ergeben sich primär aus dem tatsächlichen Verhalten der Einrichtungsträger, in diesem Fall also aus der tatsächlichen Bereitstellung der Flächen. Zudem muss das tatsächliche (Öffnungs-)Verhalten der Einrichtungsträger nach dem maßgeblichen objektiven Empfängerhorizont auch unmissverständlich den einschlägigen Erklärungswert, d. h. die Einräumung eines subjektiven Nutzungsrechts, aufweisen, vgl. § 37 I VwVfG („inhaltlich hinreichend bestimmt“).74 In tatsächlicher Hinsicht sind im genannten Beispiel der Universität die fraglichen Flächen für jedermann frei zugänglich und werden dementsprechend auch von ganz verschiedenen Personen zu vielfältigen Zwecken genutzt. Das sind z. B. der Student, der die Gänge des Universitätsgebäudes betritt, um zu seiner Vorlesung zu kommen, der Dozent, der seine Pause auf dem Vorplatz der Universität verbringt, die Reinigungskraft, die die universitären Räumlichkeiten säubert oder aber der Passant, der auf die Innenräume der Universität ausweicht, um schneller von A nach B zu gelangen. Gegen all diese Nutzungen schreitet der Einrichtungsträger, in diesem Beispiel die Universität, grundsätzlich nicht ein. Versehen die Einrichtungsträger ihre Flächen durch einen (konkludenten) Rechtsakt mit einer öffentlichen Zweckbindung und öffnen sie anschließend zur Nutzung durch die Bürger, dann erfolgt die tatsächliche Bereitstellung der Einrichtungsflächen – jedenfalls nach dem objektiven Empfängerhorizont – gerade zur Erfüllung der von der Einrichtung wahrzunehmenden öffentlichen Aufgabe. Der tatsächlichen Bereitstellung kann daher aus der Perspektive eines objektiven Empfängers in der Regel die Erklärung der Einrichtungsträger entnommen werden, dass die Einrichtungsflächen diesem öffentlichen Zweck entsprechend genutzt werden dürfen bzw. sogar benutzt werden sollen. Insoweit folgt also aus der tatsächlichen Bereitstellung der Flächen eine konkludente Nutzungsregelung, mit der sich die Einrichtungsträger, wie beim Erlass einer Benutzungssatzung, selbst verpflichten, die zweckgemäße Benutzung der Einrichtungsflächen in dem von

73 Vgl. VGH München, NVwZ-RR 2003, 771 (771). Allgemein Stelkens, in: Stelkens /  Bonk / Sachs, VwVfG, § 37 Rn. 79: § 37 II VwVfG „setzt den konkludenten VA geradezu voraus.“ Gegen die Anerkennung einer „konkludenten“ Allgemeinverfügung durch die tatsächliche Bereitstellung aber Stelkens, DÖV 2013, 493 (534), nach dem es sich der Sache vielmehr um die Anerkennung „lokalen Gewohnheitsrechts“ handelt. 74 Vgl. Stelkens, in: Stelkens / Bonk / Sachs, VwVfG, § 37 Rn. 79.

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ihnen festgelegten Rahmen zu ermöglichen.75 Da eine solche Selbstverpflichtung auch den Individualinteressen der Nutzer zu dienen bestimmt ist,76 bildet in diesem Fall die tatsächliche Bereitstellung der Einrichtungsflächen als konkludente Allgemeinverfügung i. S. d. § 35 S. 2 Alt. 2 oder 3 VwVfG selbst die Rechtsquelle für ein subjektives Nutzungsrecht.77 Das veranschaulicht auch das aufgeworfene Beispiel der Nutzung der Flächen einer Universität. Die öffentliche Aufgabe einer Universität liegt gem. § 2 I Nr. 1 LHG BW insbesondere darin, in der Verbindung von Forschung, Lehre, Studium und Weiterbildung der Pflege und Entwicklung der Wissenschaften zu dienen. Das spricht dafür, dass die tatsächliche Bereitstellung der Universitätsflächen aus der Perspektive eines objektiven Empfängers jedenfalls den individuellen Interessen 75 Ähnlich auch Axer, Die Widmung als Schlüsselbegriff, 177. Zur Maßgeblichkeit des Einrichtungszwecks für die Bestimmung von Inhalt u. Umfang des Nutzungsrechts s. gleich unter C. I. 3. c) aa). 76 In diesem Fall ist die durch die Bereitstellung der Einrichtung entstehende Nutzungsmöglichkeit für die Bürger nicht nur eine faktische Begünstigung. Vgl. Axer, Die Widmung als Schlüsselbegriff, 177; i. E. auch Müller, in: Wolff / Bachof / Stober / K luth, VerwR II, § 86 Rn. 72; Lange, Kommunalrecht, Kap. 13, Rn. 44; Brüning, in: Ehlers / Fehling / P ünder, Bes. VwR III, § 64 Rn. 197, wobei häufig aber nur pauschal auf die Widmung als Rechtsgrundlage verwiesen wird, ohne auf die Voraussetzungen, die für die Ableitung dieser Rechtsposition aus der „Widmung“ im Einzelnen erforderlich sind, einzugehen. A. A. aber Kluth, in: Wolff /  Bachof / Stober / K luth, VerwR II § 86 Rn. 72, nach dem der bloße Bestand einer öffentlichen Anstalt für Interessenten nur einen „Rechtsreflex“. 77 In der Literatur wird dazu überwiegend pauschal auf die „Widmung“ als Anspruchsgrundlage abgestellt. Für ein aus der Widmung folgendes Nutzungsrecht spricht sich insbes. Axer, DÖV 2013, 165 (170 f.) aus, der in der Widmung einen Akt rechtsschöpferischer Selbstbindung sieht, der den Einrichtungsträger verpflichtet, die zweckgemäße Benutzung in dem festgelegten Rahmen zu ermöglichen. Ausführlich dazu auch Axer, Die Widmung als Schlüssel­begriff des Rechts der öffentlichen Sachen, 177. S. auch Axer, NVwZ 1996, 114 (116 f.), wonach der Vorteil dieser Konstruktion sich v. a. dann zeige, wenn ein gesetzlicher Anspruch fehlt, wie das bei öffentlichen Einrichtungen von Bund u. Land der Fall ist. S. auch Dietlein, Jura 2002, 445 (449 Fn. 48), wonach ein Nutzungsrecht für Ortsfremde aus der Öffnung der Einrichtung folgen kann, soweit diese durch VA oder Satzung erfolgt. Vgl. Brüning, in: Ehlers / Fehling / P ünder, Bes.VwR III, § 64 Rn. 197, wonach ein Anspruch auf Zulassung Gemeindefremder sich allein aus der Widmung ergeben kann, wenn diese auch Ortsfremde erfasst. Vgl. auch Haak, in: Steiner / Brinktrine, Bes.VwR, § 1 Rn. 251: „Der Benutzungsanspruch geht in jener Konstellation [dann, wenn Ortsfremde die öffentliche Einrichtung nutzen möchten und die Widmung das auch vorsieht] nicht aus den Gemeindeordnungen hervor, sondern entstammt unmittelbar dem Recht der Gemeinde (insbes. (…) dem Widmungsakt (…)).“. S. auch Stelkens, Die Verwaltung 2013, 493 (534): „Insoweit ist die Widmung Rechtsquelle  – nicht nur rein tatsächliche Entscheidung“ sowie Stelkens, in: Stelkens / Bonk / Sachs, VwVfG, § 35 Rn. 324: „Sie [die Widmung] ist letztl. Anspruchsgrundlage.“ I. E. auch Röhl, in: Schoch, Bes.VwR, Kap. 2 Rn. 168 f.; Lange, in: Püttner, HdBKWP, 3, § 52, 169; Lange, Kommunalrecht, Kap. 13 Rn. 44; Engels / Krausnick, Kommunalrecht, § 7 Rn. 50. Aus der Rechtsprechung z. B. OVG Saarlouis, NVwZ-RR 2010, 972 (973); VGH München, NVwZ-RR 2003, 771 (771) allerdings im Zusammenwirken mit Art. 3 I GG. Ablehnend aber Roth, Die kommunalen öffentlichen Einrichtungen, 155 f.; Evertz, Die Bedeutung der Grundrechte, 89 f.; wohl auch Müller, in: Wolff / Bachof / Stober / K luth, VerwR II, § 86 Rn.  73.

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solcher Personen zu dienen bestimmt ist, die auf die Nutzung der Universität, sei es als Student, Dozent oder wissenschaftlicher Mitarbeiter, angewiesen sind bzw. die die Flächen insbesondere zu dem in § 2 I Nr. 1 LHG BW bestimmten Zweck nutzen möchten. Aber auch die Beanspruchung der Einrichtungsflächen durch die Reinigungskraft zur Säuberung der Räumlichkeiten führt „mittelbar“ dazu, dass die Universität ihre öffentliche Aufgabe wahrnehmen kann. Insoweit kann der tatsächlichen Bereitstellung der Universitätsflächen durch die Universität jedenfalls ihre konkludente bzw. stillschweigende Erklärung entnommen werden, dass die Bürger, die die Flächen dem Einrichtungszweck entsprechend nutzen möchten oder deren Nutzung dem Einrichtungszweck zumindest mittelbar zu Gute kommt, auch einen Anspruch auf Benutzung haben sollen. Für Nutzungen, die mit der öffentlichen Aufgabe der Einrichtung nicht in (unmittelbarem oder mittelbarem) Zusammenhang stehen, ist hingegen im Einzelfall zu ermitteln, ob die Einrichtungsträger ihre Flächen auch für solche Nutzungen bereitstellen und sogar entsprechende Rechte begründen. Beispielsweise wird der Vorplatz einer universitären Einrichtung,78 insbesondere, wenn sich auf ihm begehbare Wege befinden, die an das öffentliche Verkehrsnetz angrenzen, in der Regel nicht nur von Studenten oder Dozenten genutzt, sondern genauso von „normalen“ Passanten zu Verkehrszwecken verwendet. Schreitet die Universität gegen eine Nutzung des Vorplatzes auch als Verkehrsweg nicht ein und versieht ihn z. B. sogar aktiv mit Bänken und Wegen, dann erklärt sie aus der Sicht eines objektiven Dritten, dass sie die Fläche nicht nur für die Wissenschaft und Lehre, sondern auch zu Verkehrs- bzw. Erholungszwecken bereitstellt. In diesem Fall haben konsequenterweise auch Verkehrsteilnehmer und sonstige Passanten einen Anspruch auf Nutzung des universitären Vorplatzes. Während die Flächen einer Universität, aber auch die einer gemeindlichen Grünanlage oder eines Museums aufgrund ihrer öffentlichen Aufgabe auf die Nutzung durch Verwaltungsexterne, also durch die Bürger ausgerichtet sind,79 sind die Flächen von Regierungs- und Verwaltungsgebäuden infolge ihrer öffentlichen Zweckbestimmung vor allem für eine interne80 Nutzung durch die Verwaltung vorgesehen.81 Versieht beispielsweise die Gemeinde ein Gebäude mit der öffentli 78

Angelehnt ist dieses Beispiel an den Geschwister-Scholl-Platz in Tübingen. Hierbei handelt es sich um einen öffentlich zugänglichen Platz, der sich vor der sog. Neuen Aula der Universität Tübingen auf dem Universitätsgelände befindet. Er grenzt an drei Seiten an den öffentlichen Straßenraum an u. fügt sich durch seine gepflasterten Wege u. Sitzgelegenheiten reibungslos in das öffentliche Verkehrsnetz ein. Die Neue Aula beinhaltet die Juristische Fakultät, Lehrstühle, das Juristische Seminar, Hörsäle, den Audimax sowie einen Feststaal für (kulturelle) Veranstaltungen. 79 Dann wird die Einrichtung häufig als Einrichtung „im Zivilgebrauch“ bezeichnet. Z. B. Papier / Durner, in: Ehlers / P ünder, AllgVerwR, § 39 Rn. 1; Papier, Jura 1979, 93 (95). 80 Dann z. T. bezeichnet als Einrichtung im „Verwaltungsgebrauch“. Vgl. Papier / Durner, in: Ehlers / P ünder, AllgVerwR, § 39 Rn. 1; ausführlich in Rn. 48 ff.; Papier, Jura 1979, 93 (95); Detterbeck, AllgVerwR, Rn. 1001 ff.; Mohl, Die kommunalen öffentlichen Einrichtungen, 75. 81 Vgl. Brüning, DÖV 2003, 389 (394); Kment / Weber, JA 2013, 119 (121 f., 123); Häde, JuS 1993, 113 (118); Axer, DÖV 2013, 165 (169).

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chen Zweckbestimmung „Rathaus“ und stellt diese Fläche tatsächlich zur Nutzung bereit, erklärt sie damit konkludent, dass die Amtsträger und sonstigen Angestellten eine Benutzungsberechtigung für die Flächen des Rathausgebäudes haben.82 Daneben besteht aber auch ein Interesse der Bürger, die Verwaltungs­gebäude zu benutzen. Das trifft vor allem auf Behördengänge zu, bei denen die Bürger auf die Infrastruktur des Verwaltungsgebäudes angewiesen sind wie z. B. auf ein Bürgeramt für die Ausstellung eines Reisepasses oder auf ein Rathaus für die Durchführung einer standesamtlichen Trauung. Diese Beispiele veranschaulichen, dass die Nutzung der Verwaltungsgebäude durch die Bürger aber nicht nur in deren Interesse erfolgt. Vielmehr ermöglicht sie der Verwaltung zum Teil überhaupt erst die Aufgabenerfüllung. Das spricht dafür, dass die Einrichtungsträger mit der tatsächlichen Bereitstellung der Verwaltungsgebäude auch den Bürgern jedenfalls für Behördengänge konkludent einen Anspruch auf Nutzung dieser Fläche einräumen.83 Zudem schließt die Tatsache, dass Regierungs- und Verwaltungsgebäude aufgrund ihrer öffentlichen Zweckbestimmung primär als Dienstgebäude der Erfüllung interner Verwaltungsaufgaben dienen, nicht aus, dass die Einrichtungsträger im Einzelfall bestimmte Flächen dieser Gebäude auch mit einer anderen Zweckbestimmung versehen können. So kann die Gemeinde beispielsweise den Balkon eines Rathauses als Veranstaltungsort für Vereinsfeste bereitstellen.84 Die Nutzung des Rathausbalkons ist dann nicht für dienstliche Zwecke, sondern explizit für eine verwaltungsexterne Verwendung durch die Bürger eröffnet. In diesem Fall haben die Nutzungswilligen nicht nur für Behördengänge einen Anspruch auf Nutzung des Rathauses, sondern auch für die Durchführung eines Vereinsfestes.

82 Stellvertretend Kment / Weber, JA 2013, 119 (123). Da die Regierungs- u. Verwaltungsaufgaben dieser staatlichen Einrichtungen nur dann erfüllt werden können, wenn Amtsträger u. sonstigen Angestellte deren Flächen betreten u. nutzen können, dient die Nutzung der Regierungs- u. Verwaltungsgebäude durch diesen Personenkreis „unmittelbar“ der Erfüllung der öffentlichen Aufgaben der Verwaltungs- u. Regierungsgebäuden. Es kann dahingestellt bleiben, ob es sich bei der Nutzungsberechtigung der Amtsträger u. Angestellten an den Flächen von Verwaltungs- u. Regierungsgebäuden um einen Anspruch i. S. e. einer Außenrechtsposition oder um eine innenrechtliche Position handelt, die kein subjektives Recht begründet. Entscheidend ist für diese Arbeit nämlich nur, dass jedenfalls die Bürger einen Benutzungsanspruch i. S. e. Außenrechts haben. 83 Z. T. wird dieses Zutrittsrecht der Bürger an Regierungs- u. Verwaltungsgebäuden aber auch „nur“ als ein notwendiger Annex zur Wahrnehmung der Verwaltungsangelegenheiten durch die Behörde angesehen, das den Bürgern kein subjektives Recht auf Nutzung vermitteln könne. Vgl. Detterbeck, AllgVerwR, Rn. 1002; Erbguth / Guckelberger, Allg. VerwR, § 34 Rn. 1; Kluth, in: Wolff / Bachof / Stober / K luth, VerwR II, § 74 Rn.  11; Papier / Durner, in: Ehlers /  Pünder, AllgVerwR, § 39 Rn. 49; Peine / Siegel, Allg. VerwR, Rn. 1098; Mohl, Die kommunalen öffentlichen Einrichtungen, 75 ff.; Kment / Weber, JA 2013, 119 (123). 84 Das Beispiel des Rathausbalkons ist angelehnt an eine Entscheidung des OVG Münster, DVBl. 1971, 218 f. Danach kann ein Rathaus, trotz seiner Funktion als Dienstgebäude, zumindest partiell eine gemeindliche öffentliche Einrichtung sein u. damit gerade zur Nutzung durch die Bürger bereitgestellt sein. Dasselbe kann auch für einen Rathaussaal gelten. S. dazu OVG Bremen, NJW 1990, 931 ff.

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dd) Zwischenergebnis Es kann festgestellt werden, dass die Bürger – abgesehen von § 10 II 2 GemO BW  – nur dann einen Anspruch auf Nutzung der Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen haben, wenn ihnen die Einrichtungsträger eine solche Rechtsposition durch einen Rechtssatz in Form einer Nutzungsregelung einräumen. Ob die Einrichtungsträger die Bürger zur Nutzung berechtigen, ist für jede Einrichtungsfläche  – häufig durch Interpretation des tatsächlichen Öffnungsverhaltens der Einrichtungsträger – gesondert zu ermitteln. Für das Bestehen eines Benutzungsanspruchs ist insbesondere die jeweilige Zweckbestimmung entscheidend, mit der die Einrichtungsträger die jeweiligen Flächen versehen.85 Während den Nutzungswilligen an den Flächen des öffentlichen Straßenraums ein Benutzungsanspruch kraft Gesetzes zusteht, steht die Entscheidung über die Nutzungsgewährung bei den Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen damit grundsätzlich im Ermessen der Einrichtungsträger.86 Das bedeutet, dass die Bürger auch keinen Anspruch auf Nutzung der Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen haben, bevor nicht die Einrichtungsträger eine entsprechende Nutzungsregelung erlassen. c) Inhalt und Umfang der Nutzungsrechte aa) Einrichtungszweck Wie schon angedeutet wurde,87 ist der konkrete Einrichtungszweck nicht nur entscheidend für die Frage, ob überhaupt subjektive Nutzungsrechte bestehen. Er ist auch für die Bestimmung des Umfangs und der Grenzen bestehender Nutzungsrechte maßgeblich.88 Im Straßenrecht ist der Inhalt der Widmung gesetzlich durch

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Vgl. auch Roth, Die kommunalen öffentlichen Einrichtungen, 170. Vgl. Kluth, in: Wolff / Bachof / Stober, VerwR I, § 43 Rn. 59; Dietlein, Jura 2002, 445 (449); Papier, Recht der öffentlichen Sachen, 32 f.; BVerwGE 39, 235 (237 f.). Daher wird in der Literatur häufig zwischen einem „dinglichen“ Nutzungsregime bei öffentlichen Straßen u. einem „bloß“ obligatorischen Nutzungsrecht an den Flächen der sonstigen staatlichen Einrichtungen differenziert. Vgl. z. B. Röhl, in: Schoch, Bes.VwR, Kap. 2 Rn. 163 f.; Papier / Durner, in: ­Ehlers / P ünder, AllgVerwR, § 38 Rn. 24 ff. 87 S. dazu die Erwägungen unter C. I. 3. b) cc). 88 Das gilt auch für die öffentlichen Straßen, bei denen das Recht auf Gemeingebrauch gem. § 13 I 1 StrG BW ausdrücklich nur „im Rahmen der Widmung“ gewährt wird. Für öffentliche Einrichtungen einer Gemeinde ergibt sich diese Beschränkung des Benutzungsrechts aus der Formulierung in § 10 II 2 GemO BW: „im Rahmen des geltenden Rechts“. Hierunter fallen u. a. die den Einrichtungszweck konkretisierenden Vorschriften. Zur Bedeutung des Einrichtungszwecks für den Inhalt u. Umfang der Nutzungsrechte Axer, DÖV 2013, (165), 168, Dietlein, Jura 2002, 445 (450); Zundel, JuS 1991, 472 (473); Ossenbühl, DVBl. 1973, 289 (296); Fleckenstein, in: Dietlein / Pautsch, KommunalR BW, § 10 Rn. 20; Röhl, in: Schoch, Bes. 86

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§ 2 I StrG BW („öffentlichen Verkehr“) vorgegeben.89 Demgegenüber fehlt es für die Flächen der sonstigen staatlichen Einrichtungen an einer vergleichbaren gesetzlichen Zweck- bzw. Nutzungsvorgabe.90 Zwar sollen z. B. gemeindliche öffentliche Einrichtungen entsprechend § 10 II 1 GemO BW allgemein dem wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Wohl ihrer Einwohner dienen und auch die öffentliche Aufgabe einer Universität wird von § 2 I LHG BW mit der Pflege und Entwicklung der Wissenschaften vorgegeben. Allerdings sind diese gesetzlichen Zweckbestimmungen für die Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen eher vage und abstrakt. Den jeweiligen Einrichtungsträgern ist es daher selbst überlassen, den öffentlichen Zweck der Einrichtung zu konkretisieren und zu entscheiden, in welchem Umfang sie die Einrichtung den Bürgern zur Verfügung stellt.91 Bei der Festsetzung der konkreten Zweck- und Nutzungsbestimmung der Einrichtungsflächen haben die Einrichtungsträger aufgrund ihres Selbstverwaltungsrechts grundsätzlich92 einen weiten Gestaltungsspielraum.93 In Anlehnung an den straßenrechtlich vorgesehenen Widmungsinhalt94 können sie daher im Rahmen der Zweckbestimmung bestimmen, welche Benutzungsart an der Einrichtungsfläche zulässig sein soll, in welchem Umfang die Benutzung gewährt werden soll und welcher Benutzerkreis95

VwR, Kap. 2 Rn. 168; Brüning, in: Ehlers / Fehling / P ünder, Bes.VwR III, § 64 Rn. 193; Haak, in: Steiner / Brinktrine, Bes.VwR, § 1 Rn. 249; Hoffmann, Die kommunale öffentliche Einrichtung, 69; Evertz, Die Bedeutung der Grundrechte, 88 f.; Sodan / Ziekow, Grundkurs ÖffR, § 87 Rn.  23. Vgl. aus der Rechtsprechung OVG Münster, NJW 1976, 820 (822 f.); BayVGH, NVwZ 1982, 120 (121). 89 S. dazu oben unter B. I. 1. c) bb) (3) sowie zum Umfang u. den Schranken des Gemein­ gebrauchs auf Verkehrszwecke unter B. I. 2. a) cc). 90 Vgl. die Feststellung von Axer, Die Widmung als Schlüsselbegriff, 147 u. speziell für die Zweckbestimmung von Friedhöfen Axer, DÖV 2013, 165 (168). 91 Vgl. Roth, Die kommunalen öffentlichen Einrichtungen, 134; Axer, Die Widmung als Schlüsselbegriff, 147; Kraicziczek, Bedeutung und Grenzen der Benutzungsordnungen, 161; Ossenbühl, DVBl. 1973, 289 (296); Kment / Weber, JA 2013, 119 (120); Axer, NVwZ 1996, 114 (116); Lange, in: Püttner, HdBKWP, 3, § 52, 166; Fleckenstein, in: Dietlein / Pautsch, KommunalR BW, § 10 Rn. 20; Helbich, JuS 2017, 507 (507); Axer, DÖV 2013, 165 (168) bezeichnet die Zweckbestimmung daher als ein „Instrument zur Nutzungsregelung“; OVG Münster, NVwZRR 1993, 318 (318). 92 Der Gestaltungsspielraum ist durch die von der Einrichtung wahrzunehmenden öffent­ lichen Aufgabe begrenzt. Das bedeutet, dass die Einrichtungsträger bei der Ausgestaltung der Nutzung der Einrichtungsflächen nicht die Erfüllung der durch Gesetz festgelegten (z. B. § 2 I Nr. 1 LHG BW) oder der sich selbst verbindlich aufgegebene öffentlichen Aufgabe behindern dürfen. Darüber hinaus ergeben sich allgemeine Grenzen der Zweck- u. Nutzungsbestimmung aus der (Grund-)Rechtsbindung der Einrichtungsträger, dazu aber noch unter C. I. 4. 93 Vgl. Gern / Brüning, Deutsches Kommunalrecht, Rn. 937; Brehm, Benutzungsregelungen, 129; Ossenbühl, DVBl. 1973, 289 (296); Lange, Kommunalrecht, Kap. 13 Rn. 67; Geis, Kommunalrecht, § 10 Rn. 40; BayVGH, NVwZ-RR 1988, 71 (72). S. dazu schon oben unter C. I. 2. a). 94 Vgl. z. B. § 2 I StrG BW („öffentlicher Verkehr“) sowie 5 III 2 StrG BW „(Benutzungsarten“, „Benutzungszwecke“, „Benutzerkreise“) i. V. m. § 3 I StrG BW. Ausführlich dazu oben unter B. I. 2. a) cc). S. auch Axer, NVwZ 1996, 114 (116). Zum Inhalt der Widmung z. B. Papier / Durner, in: Ehlers / Fehling / P ünder, Bes.VwR II, § 43 Rn. 34. 95 Vgl. Lange, Kommunalrecht, Kap. 13 Rn. 15; Axer, NVwZ 1996, 114 (116).

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berechtigt sein soll.96 Schließlich können die Einrichtungsträger auch darüber entscheiden, ob die Nutzung der Einrichtungsflächen einen speziellen Zulassungsakt erfordert und an welche Kriterien dieser gebunden ist.97 Die Einrichtungsträger können den öffentlichen Zweck der Einrichtung und damit auch den Inhalt und den Umfang des Nutzungsrechts ausdrücklich, z. B. in einer Satzung, ausgestalten.98 Daneben bestimmt sich der Nutzungszweck der Einrichtung maßgeblich nach den gesamten Umständen des Einzelfalls. Dazu zählt insbesondere das tatsächliche (Öffnungs-)Verhalten, das – selbst wenn die Einrichtungsträger zuvor eine ausdrückliche Zweckbestimmung getroffen haben – zu einer konkludenten Zweckerweiterung führen kann.99 Eröffnet beispielsweise eine Gemeinde eine Grünanlage und versieht sie durch eine Satzungsbestimmung ausdrücklich mit dem Nutzungszweck „Erholung“, beschränkt sie den gemeinderechtlichen Benutzungsanspruch auf Nutzungen, die der Erholung dienen. Die Bürger, die in der Grünanlage spazieren möchten oder auf einer Bank ein Buch lesen wollen, haben dementsprechend einen Benutzungsanspruch. Lässt die Gemeinde in den folgenden Jahren mehrfach auch die Durchführung von Konzerten auf diesen Flächen zu, erweist sich dieses Verhalten aus der Sicht eines objektiven Empfängers unter Umständen als eine konkludente Erweiterung des ursprüng­lichen Erholungszwecks der Grünanlage. In diesem Fall ist vom Nutzungszweck der Grünanlage fortan auch die Abhaltung von (kommerziellen) Konzertveranstaltungen erfasst. Infolgedessen haben dann nicht nur erholungssuchende Bürger, sondern auch Konzertveranstalter ein subjektives Recht auf Nutzung der Grünanlage.

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Trifft die Benutzungsordnung neben speziellen Nutzungsregelungen auch Bestimmungen, die der Gewährleistung der Zweckbestimmung dienen, ist sie als „Ordnungsrecht“ vergleichbar mit der Aufgabe des Straßenverkehrsrechts bei öffentlichen Straßen. So für Friedhöfe Axer, DÖV 2013, 165 (196). Zur Bedeutung des Straßenverkehrsrechts im Verhältnis zum Straßenrecht s. oben unter B. I. 1. a) aa). 97 Vgl. z. B. Lenksi, JuS 2012, 984 (988). 98 Vgl. z. B. BayVGH, NVwZ-RR 1998, 193 (194) für ein kommunales Hallenbad. Die Gemeinde besitzt im Rahmen ihrer Satzungsautonomie eine satzungsrechtliche Gestaltungsfreiheit, s. dazu Gern / Brüning, Deutsches Kommunalrecht, Rn. 944; Brüning, in: Ehlers / Fehling /  Pünder, Bes.VwR III, § 64 Rn. 174, 196; Röhl, in: Schoch, Bes.VwR, Kap. 2 Rn. 144; Haak, in: Steiner / Brinktrine, Bes.VwR, § 1 Rn. 202 ff., 251. Dazu auch schon oben unter C. I. 3. b) bb). 99 Vgl. Zundel, JuS 1991, 472 (473); Ossenbühl, DVBl. 1973, 289 (296); Fleckenstein, in: Dietlein / Pautsch, KommunalR BW, § 10 Rn. 21; Schoch, NVwZ 2016, 257 (261); Geis, Kommunalrecht, § 10 Rn. 20; Ennuschat, in: Ennuschat / I bler / Remmert, ÖffR in BW, § 1 Rn. 364; Hoffmann, Die kommunale öffentliche Einrichtung, 27 f., 69; VGH BW, NVwZ 1998, 540 (504 f.). Ob das tatsächliche Verhalten des Einrichtungsträgers auch zur Einschränkung einer förmlichen Zweckbestimmung führen kann, ist umstritten. Z. T. wird verlangt, dass eine Zweckänderung nur in der Form der ursprünglichen Zweckbestimmung erfolgen kann. Dazu z. B. Stelkens, in: Stelkens / Bonk / Sachs, VwVfG, § 35 Rn. 325 a; Lange, DVBl. 2014, 753 (757); Geis, Kommunalrecht, § 10 Rn. 25.

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bb) Nutzungsarten Entsprechend der im Straßenrecht gesetzlich vorgesehenen Unterteilung der Nutzungsarten in Gemeingebrauch und Sondernutzung100 kann im Grundsatz auch für sämtliche Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen zwischen einer sich im Rahmen des Einrichtungszwecks bewegenden ordentlichen Flächenbenutzung und einer darüber hinausgehenden Beanspruchung, die häufig als Sonderbenutzung101 bezeichnet wird, unterschieden werden.102 Letztere ist anzunehmen, wenn sich die Art der Nutzung außerhalb der öffentlichen Zweckbestimmung bewegt oder wenn der Nutzungsinteressent nicht zum vorgesehenen Benutzerkreis gehört.103 Im Gegensatz zur straßenrechtlichen Sondernutzung, die gesetzlich in § 16 I StrG BW geregelt ist,104 fehlt für die Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen aber jedenfalls ein gesetzliches und überwiegend auch ein satzungsrechtliches „Sondernutzungskonzept“.105 Während die Bürger, die die Einrichtungsflächen im Rahmen des durch den Einrichtungsträger bestimmten öffentlichen Zwecks nutzen möchten, grundsätzlich auch einen entsprechenden Benutzungsanspruch haben,106 besteht demgegenüber auf eine Nutzung, die über den Einrichtungszweck hinausgeht – lässt man grundrechtliche Wertungen (noch) außer Betracht107 – weder ein subjektives Nutzungsrecht noch ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über das Nutzungsbegehren.108 Der Nutzungsinteressent hat in diesen Fällen 100

S. dazu oben unter B. I. 2. Der Begriff Sonderbenutzung wird für sonstige staatliche Einrichtungen in Abgrenzung zum straßenrechtlich vorgeprägten Begriff der Sondernutzung verwendet. Vgl. Detterbeck, AllgVerwR, Rn. 999; dazu in Bezug auf öffentliche Einrichtungen allgemein Axer, Die Widmung als Schlüsselbegriff, 186 ff.; Axer, DÖV 2013, 165 (171); Löhr, in: Pappermann / Löhr /  Andriske, Recht der öffentlichen Sachen, 134. 102 Vgl. Erbguth / G uckelberger, Allg.VerwR, § 33 Rn. 3 ff.; Papier / D urner, in: Ehlers /  Pünder, AllgVerwR, § 39 Rn. 38, 41; Hoffmann, Die kommunale öffentliche Einrichtung, 179; Detterbeck, AllgVerwR, Rn. 999; Peine / Siegel, Allg. VerwR, Rn. 1094 ff.; Löhr, in: Pappermann / Löhr / Andriske, Recht der öffentlichen Sachen, 134 f.; Roth, Die kommunalen öffent­ lichen Einrichtungen, 170 f.; Papier, Recht der öffentlichen Sachen, 32 f. 103 Vgl. Erbguth, Jura 2003, 193 (199); Axer, DÖV 2013, 165 (171 Fn, 50). Beispiele für eine Sonderbenutzung der Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen (auch aus der Rechtsprechung) nennt Stelkens, DÖV 2013, 493 (530). 104 S. zur straßenrechtlichen Sondernutzung oben unter B. I. 2. b). 105 Vgl. auch die Feststellung von Papier / Durner, in: Ehlers / P ünder, AllgVerwR, § 39 Rn. 43; Stelkens, DÖV 2013, 493 (531); Papier, Recht der öffentlichen Sachen, 33. 106 Vgl. Löhr, in: Pappermann / Löhr / Andriske, Recht der öffentlichen Sachen, 135. Der Anspruch folgt dann entweder aus § 10 II 2 GemO BW, aus einer Benutzungssatzung oder aus einer ausdrücklichen oder konkludenten Allgemeinverfügung der Einrichtungsträger. S. dazu grundlegend schon oben unter C. I. 3. b). 107 Zu den Wirkungen von Art. 8 I GG auf die Zulässigkeit einer Sonderbenutzung an den Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen noch unter C. II. u. unter C. III. 108 Das ist umstritten. Vgl. insoweit die Feststellung von Stelkens, DÖV 2013, 493 (532). Gegen einen (allgemeinen) Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung z. B. Löhr, in: Pappermann / Löhr / Andriske, Recht der öffentlichen Sachen, 135; Erbguth, Jura 2008, 193 (199); Papier, Recht der öffentlichen Sachen, 33 f.; Dietlein, Jura 2002, 445 (450); Roth, Die 101

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folglich erst nach der Erteilung einer Erlaubnis ein subjektives Recht auf Nutzung der Flächen der sonstigen staatlichen Einrichtungen.109 Die Entscheidung über die Erlaubniserteilung liegt im Ermessen der Einrichtungsträger.110 Die für die Abwägung maßgeblichen Aspekte ergeben sich insbesondere aus der öffentlichen Zweckbestimmung der Einrichtung. Die Einrichtungsträger müssen demnach in erster Linie berücksichtigen, dass die Sonderbenutzung die Erfüllung der von der Einrichtung wahrzunehmenden öffentlichen Aufgabe nicht beeinträchtigen darf.111 cc) Zulassungserfordernis Die Einrichtungsträger können – im Gegensatz zum öffentlichen Straßenraum, bei dem die zulassungsfreie Nutzung durch Jedermann die Regelnutzung darstellt (vgl. § 13 I 1 StrG BW)112 – aufgrund ihrer Gestaltungsfreiheit in Selbstverwaltungsangelegenheiten113 auch die ordentliche Nutzung ihrer Einrichtung von einer besonderen Zulassungsentscheidung abhängig machen.114 Sehen die Einrichtungsträger ein Zulassungserfordernis vor, wirkt sich das auf den Nutzungsanspruch aus: Die Bürger haben dann ein subjektives Recht auf Nutzung der Einrichtungsfläche erst nach vorheriger Zulassung.115 Der Nutzungsanspruch an den Flächen sonstikommunalen öffentlichen Einrichtungen, 170; so auch noch BVerwGE 39, 235 (237). Zu dieser Entscheidung aber noch näher unter C. II. 1. a). Für das Bestehen eines Anspruchs auf fehlerfreie Ermessensausübung aber Haak, in: Steiner / Brinktrine, Bes.VwR, § 1 Rn. 253; Burgi, Kommunalrecht, § 16 Rn. 43; Erbguth / Guckelberger, Allg.VerwR, § 33 Rn. 4; Peine / Siegel, Allg. VerwR, Rn. 1096; Roth, Die kommunalen öffentlichen Einrichtungen, 170 f.; Hoffmann, Die kommunale öffentliche Einrichtung, 179 f.; Röhl, in: Schoch, Bes VwR, Kap. 2 Rn. 169; Axer, Die Widmung als Schlüsselbegriff, 188; Fehling, JuS 2003, 246 (247). Für eine Verpflichtung des Einrichtungsträgers zu einer zumindest ermessensfehlerfreien Abwägung unter Berücksichtigung von Art. 8 I GG unter besonderen Umständen s. Papier / Durner, in: Ehlers / P ünder, AllgVerwR, § 39 Rn. 44. 109 Vgl. Axer, DÖV 2013, 165 (171); Müller, in: Wolff / Bachof / Stober / K luth, VerwR II, § 86 Rn. 94. 110 Vgl. Löhr, in: Pappermann / Löhr / Andriske, Recht der öffentlichen Sachen, 135; Axer, DÖV 2013, 165 (171). 111 Vgl. Stelkens, DÖV 2013, 493 (532); Axer, DÖV 2013, 165 (171). 112 Bei öffentlichen Straßen darf die gemeingebräuchliche Nutzung i. S. v. § 13 I 1 StrG BW gerade nicht von einer besonderen Zulassung abhängig gemacht werden, sodass diese stets erlaubnisfrei eröffnet ist. S. dazu oben unter B. I. 2. a) bb). 113 S. dazu schon oben unter C. I. 3. c) aa). 114 Ein Grund für diese Gestaltungsmöglichkeit liegt in der beschränkten Nutzungskapazität bei vielen Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen, die ein besonderes Regelungsbedürfnis in Form einer Zulassung hervorrufen kann. S. zur Kapazität gleich unter C. I. 3. c) dd). 115 Z. B. Lange, Kommunalrecht, Kap. 13 Rn. 57; Engels / Krausnick, Kommunalrecht, § 7 Rn. 49. Dann wird häufig anhand der Zweistufentheorie, die insbes. bei einer Nutzung von gemeindlichen öffentlichen Einrichtungen herangezogen wird, zwischen dem „Ob“ der Zulassung u. dem „Wie“ der Nutzung unterschieden. Dazu grundlegend BVerwGE 32, 333 (334); BVerwG, NJW 1990, 134 f. Aus der Literatur z. B. Dietlein, Jura 2002, 445 (451); Röhl, in: Schoch, Bes.VwR, Kap. 2 Rn.  172. Zum Verhältnis von Zulassungsakt u. Zulassungsanspruch Roth, Die kommunalen öffentlichen Einrichtungen, 116 ff.

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ger staatlicher Einrichtungen kann daher entweder als ein unmittelbares Recht auf Nutzung ausgestaltet sein oder als ein Anspruch auf Zulassung zur Nutzung der entsprechenden Fläche116. Besteht ein Anspruch der Nutzungsinteressenten auf Zulassung zur Nutzung, ergeht die Entscheidung über die Zulassung wie z. B. bei § 10 II 2 GemO BW, in Gestalt eines gebundenen Verwaltungsaktes oder als öffentlich-rechtlicher Vertrag.117 Zum Teil wird sogar pauschal von einem Zulassungserfordernis für die Nutzung sämtlicher Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen ausgegangen.118 Allerdings lässt sich beispielsweise die Nutzung der Grünfläche einer Parkanlage119, des Vorplatzes einer Universität oder eines Kinderspielplatzes mangels ausdrücklichen Zulassungsaktes kaum von der Nutzung einer öffentlichen Straße unterscheiden.120 Auch im Hinblick auf ein Friedhofsgelände kann zwar für die Grabnutzung ein Zulassungserfordernis bejaht werden. Die frei zugänglichen Friedhofswege können demgegenüber ohne einen ausdrücklichen Zulassungsakt (im Rahmen der Öffnungszeiten) betreten und begangen werden.121 In den Fällen, in denen eine Manifestation des Zulassungsaktes nach außen fehlt,122 kann von einem Zulassungserfordernis nur dann ausgegangen werden, wenn man annimmt, dass die Benutzung durch eine stillschweigende bzw. konkludente Zulassung ermöglicht wird.123 Zu Recht wird die Frage aufgeworfen, ob die Annahme einer stillschweigenden Zulassungsentscheidung in diesen Fällen nicht „die Grenze sinnvoller juristischer Fiktion übersteigt“.124 Ob die Annahme eines Zulassungserfordernisses für die Nutzung sämtlicher Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen richtig ist, 116

Vgl. Frotscher, in: Püttner, HdBKWP 3, § 52, 150; Lange, Kommunalrecht, Kap. 13 Rn. 57. 117 Vgl. Engels / Krausnick, Kommunalrecht, § 7 Rn. 49; Lange, DVBl. 2014, 753 (757); ­Dietlein, Jura 2002, 445 (450); Fleckenstein, in: Dietlein / Pautsch, KommunalR BW, § 10 Rn. 18. 118 Vgl. Hoffmann, Die kommunale öffentliche Einrichtung, 43 f.; Erbguth, Jura 2008, 193 (199); Engels / Krausnick, Kommunalrecht, § 7 Rn. 49; Roth, Die kommunalen öffentlichen Einrichtungen, 116; Kment / Weber, JA 2013, 119 (121 ff.); Detterbeck, AllgVerwR, Rn. 995 f.; Peine / Siegel, Allg. VerwR, Rn. 1092; Vgl. Frotscher, in: Püttner, HdBKWP 3, § 52, 149 (1983); Häde, JuS 1993, 113 (117); Erbguth / Guckelberger, Allg. VerwR, § 33 Rn. 1. Anhand dieses Zulassungserfordernis grenzt die überwiegende Auffassung in der Literatur die öffentlichen Sachen im Gemeingebrauch (d. h. insbes. die öffentlichen Straßen) von den öffentlichen Sachen im „Anstaltsgebrauch“ ab. S. stellvertretend Erbguth, Jura 2008, 193 (199); Peine / Siegel, Allg. VerwR, Rn. 1083, 1092; Salzwedel, DÖV 1963, 241 (242). 119 Vgl. Peine / Siegel, Allg. VerwR, Rn. 1085. 120 Vgl. Schoch, NVwZ 2016, 257 (265); Axer, NVwZ 1996, 114 (115); Axer, DÖV 2013, 165 (170); Lange, Kommunalrecht, Kap. 13 Rn. 19. 121 Vgl. Axer, DÖV 2013, 163 (169 f.). 122 Vgl. Ossenbühl, DVBl. 1973, 289 (291); Lange, Kommunalrecht, Kap. 13 Rn. 58; Roth, Die kommunalen öffentlichen Einrichtungen, 116; Stelkens, DÖV 2013, 493 (528 f.). 123 S. z. B. Müller, Wolff / Bachof / Stober, VerwR III, § 88 Rn. 62. 124 So ausdrücklich Lange, DVBl. 2014, 753 (756 f.). S. auch Schoch, NVwZ 2016, 257 (265); Axer, DÖV 2013, 165 (170); nach Detterbeck, AllgVerwR, Rn. 996 ist es zumindest „unklar, worin die besondere Zulassung (…) bestehen soll“.

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darf daher auch angesichts des Wortlauts von § 10 II 2 GemO BW, der eine Zulassung gerade nicht verlangt, bezweifelt werden.125 dd) Kapazität Während sich die öffentlichen Straßen als Verkehrsnetz durch das gesamte Stadt-, Land- und Bundesgebiet ziehen und deren Nutzungskapazität damit quasi unerschöpflich ist, sind die Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen häufig räumlich beschränkt.126 Das betrifft z. B. die nutzbare Fläche eines Theaters oder einer Stadthalle.127 Das wirkt sich auf den Inhalt des Nutzungsanspruchs aus, der immer nur innerhalb der Kapazitätsgrenzen der Flächen der sonstigen staatlichen Einrichtungen bestehen kann. Ist deren Kapazität erschöpft, kann konsequenterweise auch kein Nutzungsanspruch bestehen.128 Ein Anspruch auf Kapazitätserweiterung besteht  – wie auch bei den öffentlichen Straßen129  – grundsätzlich nicht.130 Ist die Kapazitätsgrenze der Einrichtungsflächen erreicht, obliegt es den Einrichtungsträgern, nach pflichtgemäßem Ermessen eine Auswahl zwischen den einzelnen Nutzungsinteressenten zu treffen.131 125 Vgl. Ossenbühl, DVBl. 1973, 289 (291); Lange, Kommunalrecht, Kap. 13 Rn. 59. Dagegen spricht auch, dass in den genannten Beispielen die Kapazität der Einrichtungsflächen nicht wesentlich beschränkter ist, als bei öffentlichen Straßen, sodass insoweit auch kein Regelungsbedürfnis in Form einer Zulassungsentscheidung besteht. Zur Kapazität gleich näher unter C. I. 3. c) dd). 126 Gemeindliche Grünanlagen oder Flächen einer Universitätseinrichtung sind im Hinblick auf ihre Nutzungskapazität aber vergleichbar mit öffentlichen Straßen. 127 Vgl. auch Schön, Die Zulassung zu anstaltlich genutzten Einrichtungen, 10, der das Merkmal der feststehenden u. absehbaren Grenze der Leistungskapazität als entscheidendes Abgrenzungskriterium der Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen zu den öffentlichen Straßen ansieht. 128 Vgl. Engels / Krausnick, Kommunalrecht, § 7 Rn. 52; Brüning, in: Ehlers / Fehling / P ünder, Bes.VwR III, § 64 Rn. 198; Schoch, NVwZ 2016, 257 (264); Gern / Brüning, Deutsches Kommunalrecht, Rn. 938; Ossenbühl, DVBl. 1973, 289 (296); Fleckenstein, in: Dietlein / Pautsch, KommunalR BW, § 10 Rn. 23; Evertz, Die Bedeutung der Grundrechte, 124 f.; Becker / Sichert, JuS 2000, 348 (350); Röhl, in: Schoch, Bes.VwR, Kap. 2 Rn. 170; Roth, Die kommunalen öffentlichen Einrichtungen, 163 ff. Aus der Rechtsprechung z. B. BayVGH, 1998, 193 (194). 129 S. dazu oben unter B. V. 3. b) aa). 130 Vgl. Dietlein, Jura 2002, 445 (451); Geis, Kommunalrecht, § 10 Rn. 23; Püttner / Lingemann, JA 1984, 121 (127); Becker / Sichert, JuS 2000, 348 (349); BayVGH, 1998, 193 (194); OVG Münster, NVwZ-RR 1993, 318 (318). Für einen grundrechtlich fundierten Anspruch auf Schaffung öffentlicher Einrichtungen in Ausnahmefällen aber z. B. Roth, Die kommunalen öffentlichen Einrichtungen, 76 mit dem Hinweis, dass das noch nicht abschließend geklärt ist. Ausführlich dazu auch Evertz, Die Bedeutung der Grundrechte, 54 ff. Zu den Voraussetzungen eines Anspruchs auf Schaffung von öffentlichen Straßen bereits oben unter B. V. 3. b) aa). 131 In Betracht kommt dann ggfs. nur ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung. Vgl. Becker / Sichert, JuS 2000, 348 (350); Engels / Krausnick, Kommunalrecht, § 7 Rn. 52; Ennuschat, in: Ennuschat / I bler / Remmert, ÖffR in BW, § 1 Rn. 367; Roth, Die kommunalen öffentlichen Einrichtungen, 169; Dietlein, Jura 2002, 445 (451); Geis, Kommunalrecht, § 10 Rn. 41; Lange, Kommunalrecht, Kap. 13 Rn. 85; OVG Münster, NVwZ-RR 1993, 318 (318); zu den Auswahlkriterien Püttner / Lingemann, JA 1984, 121 (127 f.).

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C. Art. 8 I GG und die Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen 

4. Bindung an Art. 1 III, 20 III GG Eine Gemeinsamkeit, die die beiden Flächenkategorien, öffentlicher Straßenraum und Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen, miteinander verbindet, ist, dass die Einrichtungsträger sonstiger staatlicher Einrichtungen wie die Straßenbaulastträger132 als Träger öffentlicher Gewalt gem. Art. 1 III, 20 III GG an die Grundrechte gebunden sind.133 Das gilt unabhängig von der jeweiligen Organisationsform der sonstigen staatlichen Einrichtung, also auch dann, wenn die Einrichtungsträger eine privatrechtliche Form gewählt haben.134 Sind die Einrichtungsträger zugleich Flächeneigentümer, dann sind sie als Träger öffentlicher Gewalt sowohl im Hinblick auf ihre privatrechtlichen Eigentümerbefugnisse als auch bei der Ausübung ihrer Rechte und Pflichten im Rahmen der Erbringung der Verwaltungsleistung an die Grundrechte gebunden. Diesen grundrechtlichen Wertungen sind die Einrichtungsträger daher bereits bei dem Rechtsakt, der die „Öffentlichkeit“ der Einrichtung begründet, im Rahmen der Ausgestaltung der Benutzung(-sordnung)135 und schließlich auch bei der Entscheidung über das konkrete Nutzungsbegehren verpflichtet.136 Selbst wenn die Einrichtungsträger den Bürgern kein subjektives Nutzungsrecht einräumen, sind sie folglich bei der Ausübung ihrer privatrecht­ lichen Befugnisse aus §§ 903 ff. BGB stets an die grundrechtlichen (Schutz-)Gehalte gebunden. Das bedeutet, dass sie in keinem Fall wie Private von ihrer Ausschließungsbefugnis Gebrauch machen können.

5. Inanspruchnahme der Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen durch Versammlungen Nachdem ein Überblick über den rechtlichen Rahmen der Flächenkategorie der sonstigen staatlichen Einrichtungen verschafft wurde, kann nun das Verhältnis der versammlungsspezifischen Nutzung dieser Flächenkategorie zu den jeweiligen Nutzungsregelungen in den Blick genommen werden. Dabei ist zunächst allgemein festzuhalten, dass weder der gemeinderechtliche Benutzungsanspruch aus § 10 II 2 GemO BW noch die sonstigen vom Einrichtungsträger getroffenen 132

S. dazu oben unter B. I. 1. d). Allgemein Fehling, JuS 2003, 246 (247). Zur Grundrechtsbindung der Gemeinde Engels /  Krausnick, Kommunalrecht, § 7 Rn. 56. 134 Vgl. Burgi, Kommunalrecht, § 16 Rn. 50. 135 Dazu OVG Lüneburg NVwZ 2017, 728 (729); Brehm, Benutzungsregelungen, 131; Röhl, in: Schoch, Bes.VwR, Kap. 2 Rn. 170. S. auch Brüning, in: Ehlers / Fehling / P ünder, Bes.VwR III, § 64 Rn. 173. 136 Vgl. Geis, Kommunalrecht, § 10 Rn. 26, 32. Allgemein zur Geltendmachung von Freiheitsgrundrechten im Zusammenhang mit der Benutzung gemeindlicher öffentlicher Einrichtungen Evertz, Die Bedeutung der Grundrechte, 136 ff.; Roth, Die kommunalen öffentlichen Einrichtungen, 148 f.; angedeutet auch von Fehling, JuS 2003, 246 (248) u. von Gallwas, JA 1986, 484 (491). Dazu in Bezug auf Art. 8 I GG noch ausführlich unter C. IV. 133

I. Einführung 

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Nutzungsbestimmungen spezielle Regelungen darüber enthalten, ob die Nutzung dieser Flächen zu Versammlungszwecken zulässig ist bzw. ob die Versammlungsteilnehmer einen Anspruch auf Nutzung dieser Flächen haben. Für welche konkreten Nutzungen ein entsprechender Benutzungsanspruch besteht, beurteilt sich bei den Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen, wie bereits verdeutlicht, maßgeblich nach der öffentlichen Aufgabe, die die Einrichtungsträger mit der Bereitstellung der Einrichtungsflächen erfüllen sowie dem jeweiligen Einrichtungszweck.137 Bei der Durchführung einer Versammlung auf den Grundstücken und Gebäuden sonstiger staatlicher Einrichtungen geht es den Versammlungsteilnehmern insbesondere um die Nutzung dieser Flächen als Publikationsmedium zur öffentlichkeitswirksamen Verbreitung ihres Anliegens.138 Stellen die Einrichtungsträger die Flächen ihrer Einrichtung gerade (auch) für diesen Zweck bereit, haben die Versammlungsteilnehmer in der Regel einen Benutzungsanspruch,139 zumindest aber einen Anspruch auf Zulassung zur Nutzung.140 Erfasst der Einrichtungszweck hingegen keine versammlungsspezifischen Nutzungen, haben die Sich-Versammelnden erst nach der Erteilung einer entsprechenden (Sonderbenutzungs-)Erlaubnis durch den Einrichtungsträger ein subjektives Nutzungsrecht.141 In der Regel werden die Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen von den Einrichtungsträgern nicht als „Versammlungsbühne“ zur Nutzung bereitgestellt. Daher ist die versammlungsspezifische Verwendung der Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen grundsätzlich eine Flächennutzung, die nicht vom Einrichtungszweck erfasst ist. Das veranschaulichen auch die folgenden Beispiele: Möchten sich die Versammlungsteilnehmer auf einer gemeindlichen Grünanlage versammeln, dann nutzen sie diese Fläche nicht zu Erholungszwecken. Auch die versammlungsspezifische Verwendung der Fläche auf einem Universitätsgelände entspricht nicht deren eigentlichem Nutzungszweck „Wissenschaft, Forschung und Lehre“ zu dienen.142 Auf eine solche Sonderbenutzung der Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen zu Versammlungszwecken besteht aber  – lässt man grundrecht­ liche Wertungen (noch) außer Betracht – kein Anspruch. Die begehrte Nutzung der Fläche zu Versammlungszwecken ist damit regelmäßig von einer Erlaubnis bzw. Zulassung abhängig, deren Erteilung im Ermessen der Einrichtungsträger liegt.143

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Dazu oben unter C. I. 3. b) cc) u. C. I. 3. c) aa). Zur ordentlichen Benutzung u. zur Sonderbenutzung an den Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen unter C. I. 1. 3. c) bb). 138 Dasselbe wurde bereits für die Nutzung der öffentlichen Straßen für versammlungszwecke festgestellt. S. dazu u. a. unter B. I. 3. 139 S. dazu schon oben unter C. I. 3. b) u. C. I. 3. c) bb). 140 Vgl. zum Zulassungserfordernis die Ausführungen unter C. I. 3. c) cc). 141 Zu diesen Nutzungsarten bereits ausführlicher unter C. I. 3. c) bb). 142 Allerdings kann das Thema der Versammlung, wenn es einen besonderen Bezug zum Einrichtungszweck hat, bei der Frage, ob sich der Schutzgehalt von Art. 8 I GG zu einer Bereitstellungspflicht „verdichtet“, relevant werden. Dazu noch ausführlicher unter C. III. 2. b) bb). 143 Vgl. allgemein unter C. I. 3. c) bb).

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C. Art. 8 I GG und die Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen 

Damit ist die Ausgangsproblematik bei versammlungsspezifischen Nutzungen der Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen dieselbe wie im öffentlichen Straßenraum:144 Bei beiden Flächenkategorien treffen die Grundrechtsträger auf eine Fläche, die sie unter Erweiterung des gesetzlich (für den öffentlichen Straßenraum) oder durch die Einrichtungsträger selbst festgelegten (in der Regel für die Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen) Nutzungszwecks verwenden wollen. In beiden Situationen haben die Versammlungsteilnehmer keine eigene Verfügungsbefugnis über die Nutzung dieser Flächen. Aufgrund des fehlenden (einfachrechtlichen) Benutzungsanspruchs sind sie daher auf die Erlaubnis des Einrichtungsträgers bzw. des öffentlich-rechtlichen Sachherrn angewiesen, um diese Flächen für Versammlungszwecke zu verwenden.145 Es kann somit festgehalten werden, dass die Grundrechtsträger ihre Versammlungsfreiheit auch auf den Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen grundsätzlich nicht, wie von Art. 8 I GG für Versammlungen „unter freiem Himmel“ aber vorgesehen ist, „ohne (…) Erlaubnis“, ausüben können. Auch in Bezug auf die zweite Flächenkategorie „reibt“ sich also die Gewährleistung der Erlaubnisfreiheit in Art. 8 I GG mit der für Sonderbenutzungen erforderlichen Erlaubnis des Einrichtungsträgers. Daher stellt sich auch in Bezug auf die Nutzung der Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen zu Versammlungszwecken die Frage, wie die „Reibung“ zwischen dem abwehrrechtlichen Schutzgehalt von Art. 8 I GG und den nutzungsrechtlichen Bestimmungen aufzulösen ist. Angesichts der Grundrechtsbindung der Einrichtungsträger gem. Art. 1 III, 20 III GG146 spricht an dieser Stelle bereits einiges dafür, dass der für den öffentlichen Straßenraum gefundene Lösungsansatz zumindest im Grundsatz auch auf die Nutzung der Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen zu Versammlungszwecken übertragen werden kann.147 Kann Art. 8 I GG im Wege der Auslegung entnommen werden, dass den Grundrechtsträgern auch die Nutzung dieser Flächen für die Durchführung einer Versammlung (im Einzelfall) möglich sein muss, sind die Einrichtungsträger als grundrechtsgebundene Träger öffentlicher Gewalt nämlich gem. Art. 1 III, 20 III  GG zur Umsetzung dieses Schutzgehaltes verpflichtet. Eine Analyse der einschlägigen Rechtsprechung und Literatur könnte in einem ersten Schritt zur Beantwortung der Frage beitragen, ob Art. 8 I GG überhaupt eine Schutzpflichtendimension in Bezug auf die Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen entfaltet. Gehen die Gerichte von einem entsprechenden Schutzgehalt des Grundrechts der Versammlungsfreiheit aus, ist ferner zu untersuchen, wie sie diesen gegenüber der Zweckbestimmung des Einrichtungsträgers zur Geltung bringen.

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Zum Verhältnis der straßenrechtlichen Regelungen zu Versammlungen bereits oben unter B. I. 3. 145 S. für den öffentlichen Straßenraum ausführlich oben unter B. I. 3. u. unter B. I. 4. b). 146 Dazu unter C. I. 4. 147 Der Lösungsansatz für den öffentlichen Straßenraum wird unter B. IV. u. B. V. ausführlich dargestellt.

II. Rechtsprechung und Literatur zu Art. 8 GG  

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II. Rechtsprechung und Literatur zu Art. 8 GG und den Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen148 1. Rechtsprechung Wie schon die Rechtsprechungsanalyse für den öffentlichen Straßenraum gezeigt hat, wird das Grundrecht der Versammlungsfreiheit in der Rechtsprechung erst seit dem „Brokdorf-Beschluss“149 aus dem Jahr 1985 ausführlich thematisiert.150 Vor diesem Zeitpunkt setzten sich die Gerichte aber bereits mit der grundsätz­lichen Problematik auseinander, ob die Bürger die Nutzung der Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen auch über deren öffentliche Zweckbestimmung hinaus verlangen können. Dementsprechend können sich bereits aus diesen frühen gerichtlichen Entscheidungen Anhaltspunkte zur Auflösung der „Reibung“ zwischen Art. 8 I GG und der für versammlungsspezifische Nutzungen der Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen bestehenden Erlaubnispflicht ergeben. Zu Beginn der nun folgenden Rechtsprechungsanalyse steht daher erneut151 nicht Art. 8 I GG im Fokus der Untersuchung, sondern die Frage, ob für die Gerichte die (Freiheits-) Grundrechte bei der Beurteilung, ob eine Einrichtungsfläche über die öffentliche Zweckbestimmung hinaus genutzt werden darf, überhaupt eine Bedeutung haben. a) Sonderbenutzung der Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen und Einfluss der Grundrechte Den Ausgangspunkt bildet ein Urteil des BVerwGs aus dem Jahr 1972.152 In der sog. Schleusenentscheidung setzt sich das Gericht damit auseinander, ob ein Händler auf einem Schleusengelände, das vom Gericht als nichtrechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts qualifiziert wird,153 Gegenstände verkaufen darf. Zunächst entscheidet das BVerwG, dass aus § 5 S. 1 des Bundeswasserstraßen 148 Für die Rechtsprechungsanalyse wurde die einschlägige Rechtsprechung zum Verhältnis von Art. 8 I GG bzw. sonstigen Freiheitsgrundrechten zu den Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen u- den daran begründeten Nutzungsmöglichkeiten untersucht. Die Auswahl ist erneut durch eine Stichwortsuche per Juris und Beck-online zustande gekommen. Die Rechtsprechung wird historisch dargestellt, wobei sowohl Entscheidungen von den Verwaltungs- u. Oberverwaltungsgerichten, vom Bundesverwaltungsgericht als auch vom BVerfG erfasst sind. Die auf diesem Weg zufällig zusammengekommene Auswahl an Entscheidungen hat keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Die Rechtsprechung wurde zur besseren inhaltlichen Verdeutlichung in unterschiedliche Phasen unterteilt. 149 BVerfGE 69, 315 ff. 150 Dazu bereits oben unter B. II. 1. b) aa). 151 So auch schon im Rahmen der Rechtsprechungsanalyse für den öffentlichen Straßenraum unter B. II. 1. 152 BVerwGE 39, 235 ff. 153 Vgl. BVerwGE 39, 235 (236).

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C. Art. 8 I GG und die Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen 

gesetzes (WaStrG)154 kein unmittelbarer Anspruch des Händlers auf Zulassung zur Benutzung der Schleuse folge. Es begründet diese Annahme damit, dass der spezialgesetzlich geregelte Benutzungsanspruch den Händler nur zu einem „Befahren“ der Schleuse, nicht aber zu der begehrten gewerblichen Benutzung berechtige.155 Im Anschluss macht das BVerwG allgemeine Ausführungen zum rechtlichen Nutzungsregime, das für die Flächen öffentlicher Anstalten gilt. Dabei stellt es fest, dass „die Möglichkeit ihrer Benutzung in der Regel als ‚Destination‘ gewährt [wird]“, „soweit kein unmittelbarer Anspruch auf Zulassung zur Benutzung der Anstalt besteht“.156 Maßgeblich für den Kreis der Berechtigten sei der „Anstaltszweck“.157 Sodann subsumiert das BVerwG, dass der Anstaltszweck einer Schleusenanlage nicht die vom Händler beabsichtigte gewerbliche Tätigkeit decke.158 Daher bestehe auch kein Anspruch des Nutzungsinteressenten auf ermessensfehlerfreie Entscheidung der Schleusenverwaltung über die Zulassung zur Benutzung.159 Sie könne ihre Zulassungsentscheidung „grundsätzlich ohne eine Verpflichtung zu ermessensfehlerfreier Entscheidung“ treffen.160 Die bisher referierten Ausführungen des BVerwGs liefern damit zwar keine neuen Erkenntnisse, sondern beschränken sich auf eine Darstellung der bis dato allgemein anerkannten Rechtslage für die Nutzung der Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen. Das BVerwG geht jedoch darüber hinaus, wenn es sich anschließend mit der Frage beschäftigt, ob sich ein Anspruch des Klägers auf Nutzung des Schleusengeländes zu Verkaufszwecken aus Art. 12 I GG ergeben könne.161 Da nach Auffassung des BVerwGs schon der Schutzbereich von Art. 12 I GG nicht tangiert ist, lehnt es im Ergebnis Art. 12 I GG als Grundlage sowohl eines subjektiven Rechts auf Benutzung als auch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über den Zulassungsantrag ab.162 Infolgedessen sind der Schleusenentscheidung weitergehende Ausführungen des BVerwGs zu der Frage, wie sich Freiheitsgrundrechte auf die Nutzung sonstiger staatlicher Einrichtungen über den Einrichtungszweck hinaus auswirken können, nicht zu entnehmen. Abschließend setzt sich das Gericht damit auseinander, ob sich aus Art. 3 I GG ein subjektives Recht des Händlers auf Nutzung der Schleuse ergeben könne.163 Nach seiner Auffassung setzt 154

S. § 5 des Bundeswasserstraßengesetzes vom 2. April 1968, veröffentlicht im BGBl. II, 173: „Jedermann darf im Rahmen der Vorschriften des Schiffahrtsrechts einschließlich des Schiffahrtabgabenrechts sowie der Vorschriften dieses Gesetzes die Bundeswasserstraßen mit Wasserfahrzeugen befahren.“ 155 Vgl. BVerwGE 39, 235 (236 f.). 156 Vgl. BVerwGE 39, 235 (237 f.). 157 BVerwGE 39, 235 (237). 158 Vgl. BVerwGE 39, 235 (237 f.). 159 Vgl. BVerwGE 39, 235 (238). 160 BVerwGE 39, 235 (238). 161 Die in diesem Zusammenhang maßgebliche Passage finden sich nicht in dem in der amtlichen Sammlung abgedruckten Teil der Entscheidungsgründe. Sie ist aber abgedruckt in BVerwG, NJW 1973, 724 (725). 162 S. BVerwG, NJW 1973, 724 (725). 163 Vgl. BVerwGE 39, 235 (238 f.).

II. Rechtsprechung und Literatur zu Art. 8 GG  

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eine Berufung des Nutzungsinteressenten auf das Gleichheitsgrundrecht aber das Vorhandensein einer Rechtsgrundlage voraus, die dem Nutzungsinteressenten einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über die Zulassung einräumt.164 Eine Verpflichtung der Verwaltungsbehörden gegenüber dem Einzelnen auf Beachtung des Gleichheitssatzes könne nur dann angenommen werden, wenn sie überhaupt zur Ermessensausübung verpflichtet sind.165 Im Schleusenfall fehle aber eine entsprechende spezialgesetzliche Rechtsgrundlage, die dem Händler ein Benutzungsrecht oder wenigstens einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung einräumen könnte.166 Das BVerwG gibt mit seinen grundrechtlichen Erwägungen zwar zu erkennen, dass Freiheits- und Gleichheitsgrundrechte bei der Frage, ob der Nutzungsinteressent die Fläche einer sonstigen staatlichen Einrichtung nutzen darf, grundsätzlich eine Rolle spielen können. Insbesondere in Bezug auf Art. 3 I GG geht das Gericht in der Schleusenentscheidung aber davon aus, dass die Geltendmachung des Gleichheitsgrundrechts das Vorhandensein einer rechtlichen Grundlage voraussetzt. Da eine entsprechende Rechtsgrundlage bei einer Sonderbenutzung der Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen aber regelmäßig nicht vorhanden ist, vertritt das BVerwG also zu diesem Zeitpunkt (noch) die Auffassung, dass die Einrichtungsträger jedenfalls bei der Entscheidung über eine Sonderbenutzung ihrer Einrichtungsflächen keinerlei grundrechtlicher Verpflichtung gegenüber dem Nutzungsinteressenten unterliegen. Ähnlich lassen sich ferner zwei Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (BayVGH) deuten. Im Jahr 1983 entscheidet der BayVGH über das Begehren eines Insassen einer Justizvollzugsanstalt, der die Stadtbibliothek für Studienzwecke nutzen wollte.167 Anspruchsgrundlage kann insoweit nur der gemeinderechtliche Benutzungsanspruch sein, der in Bayern seine gesetzliche Grundlage in § 21 I 1 BayGO hat. Da nach der Auffassung des Gerichts der Gefangene aber nicht zu dem von § 21 I 1 BayGO168 berechtigten Benutzerkreis zählt und dieser von der zuständigen Stelle auch nicht durch die bisherige Zulassungspraxis erweitert worden ist, könne er sein Begehren jedenfalls nicht hierauf stützen.169 Auch eine andere spezialgesetzliche Anspruchsgrundlage bestehe nicht. Im Anschluss erörtert der BayVGH daher, ob aus den Freiheitsgrundrechten (in diesem Fall Art. 5 I 1 Var. 2 GG oder Art. 12 I GG) eine entsprechende Rechtsposition folgen könne. Das Gericht schließt sich zwar der Rechtsprechung des BVerwGs 164

Vgl. BVerwGE 39, 235 (238). Vgl. BVerwGE 39, 235 (238 f.). 166 Vgl. BVerwGE 39, 235 (239). 167 BayVGH, BayVBl. 1983, 374. 168 Vgl. § 21 I 1 der Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern (BayGO), i. d. F. der Bekanntmachung vom. 22. 11. 1998, GVBl. 1998, 796: „Alle Gemeindeangehörigen sind nach den bestehenden allgemeinen Vorschriften berechtigt, die öffentlichen Einrichtungen der Gemeinde zu benutzen.“ 169 Vgl. BayVGH, BayVBl. 1983, 374 (374). 165

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C. Art. 8 I GG und die Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen 

insoweit an, als es im Ergebnis einen Benutzungsanspruch aus den Freiheitsgrundrechten ablehnt.170 Allerdings macht der BayVGH zu dieser Thematik weitergehende Ausführungen: Art. 5 I 1 GG scheide als Anspruchsgrundlage aus, da dieses Grundrecht schon inhaltlich nicht einschlägig sei und darüber hinaus als „reines Abwehrrecht“ den Staat oder eine öffentliche Körperschaft nicht zur Übermittlung bestimmter Informationen zwingen könne.171 Im Gegensatz dazu könne Art. 12 I GG zumindest in Ausnahmefällen eine Anspruchsgrundlage für die Benutzung der Bibliothek darstellen. Das setze aber voraus, dass „die begehrte und der Behörde mögliche Leistung zum Schutz des grundrechtlich gesicherten Freiheitsraumes unerlässlich ist,“172 was im konkreten Fall nicht zutreffe.173 Der BayVGH bestätigt seine Rechtsprechung kurze Zeit später im Jahr 1985.174 Erneut beschäftigt sich das Gericht mit der Frage, ob sich aus den Freiheitsgrundrechten im Einzelfall ein Recht auf eine nicht von einer Benutzungsordnung vorgesehene Nutzung ergeben kann.175 In diesem Fall geht es um die Nutzung eines Stadtachivs, das vom BayVGH als gemeindliche öffentliche Einrichtung qualifiziert wird.176 Das Gericht stellt auch in dieser Entscheidung zunächst fest, dass unmittelbar aus den einschlägigen Grundrechten (Art. 5 III GG und Art. 12 I GG) grundsätzlich kein Anspruch auf eine nicht von der Benutzungsordnung vorgesehene Nutzung der kommunalen öffentlichen Einrichtung folgen könne.177 Wie schon in der Entscheidung aus dem Jahr 1983 bejaht der BayVGH eine Ausnahme von diesem Grundsatz aber dann, „wenn die begehrte und der Behörde mögliche Leistung zum Schutz des grundrechtlich gesicherten Freiheitsraums unabdingbar ist“.178 In diese Rechtsprechungslinie reiht sich schließlich ein Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW) aus dem Jahr 1984 ein,179 in dem es um die Nutzung eines städtischen Schulgrundstücks für die Durchführung einer privaten Volksbefragung geht. Da diese Art der Benutzung nach Auffassung des OVGs NRW nicht vom gemeinderechtlichen Benutzungs­ 170

Vgl. BayVGH, BayVBl. 1983, 374 (374). Vgl. BayVGH, BayVBl. 1983, 374 (374). 172 BayVGH, BayVBl. 1983, 374 (374). 173 Vgl. BayVGH, BayVBl. 1983, 374 (374). 174 BayVGH, NJW 1985, 1663 f. Zu dieser Entscheidung auch Langer, JA 1985, 545 ff. sowie Erichsen, Jura 1986, 196 (197 f.). 175 Gegenstand der Entscheidung ist zwar ausschließlich eine prinzipale Normenkontrolle der Benutzungsordnung des Stadtarchivs. Im Kontext der Rechtmäßigkeitsprüfung der Zulassungsschranken der Benutzungsordnung stellt der BayVGH allerdings die im Text ausgeführten grundrechtlichen Erwägungen an. 176 Vgl. die Feststellung des Bay VGH, NJW 1985, 1663 (1663). 177 Vgl. BayVGH NJW, 1985, 1663 (1664). 178 BayVGH, NJW 1985, 1163 (1664). 179 OVG Münster, NVwZ 1984, 665 f. Damals wurde das Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen üblicherweise „OVG Münster“ genannt. Die Arbeit verwendet im Text einheitlich den inzwischen gängigeren Begriff „OVG NRW“. 171

II. Rechtsprechung und Literatur zu Art. 8 GG  

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anspruch erfasst ist,180 setzt sich das Gericht ebenfalls mit der Frage auseinander, ob aus den Freiheitsgrundrechten ein subjektives Recht des Antragstellers auf Nutzung des Schulgeländes zum Zwecke der Durchführung einer Befragung folgt. Das Gericht kommt zu dem Ergebnis, dass ein grundrechtlicher Teilhabeanspruch nur bei einer „existentiellen Gefährdung der grundrechtlichen Gewährleistungen“ in Betracht komme.181 Allerdings stehe eine solche Gefährdung im zu entscheidenden Fall nicht in Rede, sodass das OVG NRW, wie auch der BayVGH, im Ergebnis einen Anspruch unmittelbar aus einem Freiheitsgrundrecht ablehnt.182 Insgesamt kann festgehalten werden, dass sich die Verwaltungsgerichte bei der Anerkennung grundrechtlicher Ansprüche auf eine den Einrichtungszweck übersteigende Nutzung der Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen zurückhalten. Während sich das BVerwG in seiner Schleusenentscheidung zu dieser Thematik nur beiläufig äußert, reduzieren die anderen beiden Verwaltungsgerichte die Ableitung subjektiver Nutzungsrechte aus den Freiheitsgrundrechten auf seltene Ausnahmefälle. Im Gegensatz zur frühen straßenrechtlichen Rechtsprechung183 sehen die Gerichte zu diesem Zeitpunkt also noch keine zwingende grundrechtliche Verpflichtung, den Nutzungsinteressenten die Nutzung der Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen über den Einrichtungszweck hinaus (erlaubnisfrei) zu gewähren. Nichtsdestotrotz zeigen insbesondere die Entscheidungen des BayVGHs und des OVGs NRW, dass die Gerichte offenbar zumindest in der Theorie davon ausgehen, dass die Freiheitsgrundrechte die Einrichtungsträger in Ausnahmefällen auch zur Bereitstellung ihrer Flächen für zweckfremde Nutzungen verpflichten können. Vor allem der BayVGH deutet in seiner Entscheidung aus dem Jahr 1983 an, dass die Grundrechte als Abwehrrechte subjektive Rechte auf Nutzung von Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen nicht garantieren können. Ohne es ausdrücklich zu benennen, bejahen die Verwaltungsgerichte also bereits zu diesem Zeitpunkt einen leistungsrechtlichen Gehalt der Freiheitsgrundrechte auch in Bezug auf die Nutzung der Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen, der nur im jeweils zu entscheidenden Fall nicht zum Tragen kommt. Diese „leistungsrechtliche“ Deutung der frühen Rechtsprechung wird dadurch unterstützt, dass sich die Gerichte bei der Aufstellung der Voraussetzungen, die ihrer Auffassung nach für die Ableitung von Benutzungsansprüchen aus den Freiheitsgrundrechten im Einzelfall gegeben sein müssen, an den Kriterien orientieren, die bereits aus der „Numerus-claususRechtsprechung“ des BVerfGs bekannt sind.184 Zwar fehlen Aussagen darüber, wie dieser den Staat verpflichtende Gehalt der Freiheitsgrundrechte im Einzelfall zu begründen ist. Der Rekurs auf die „Numerus-clausus-Rechtsprechung“ legt aller 180

S. dazu die Begründung in OVG Münster, NVwZ 1985, 665 (666). OVG Münster, NVwZ 1984, 665 (665 f.). 182 Vgl. OVG Münster, NVwZ 1985, 665 (666). 183 S. dazu insbesondere unter B. II. 1. a). 184 S. insbesondere BVerfGE 33, 303 (332). 181

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C. Art. 8 I GG und die Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen 

dings nahe, dass zumindest der BayVGH und das OVG NRW vom Bestehen einer grundrechtlich fundierten Schutzpflicht zugunsten „realer“ Freiheit in Bezug auf die Nutzung der Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen ausgehen, die den Staat in Ausnahmefällen zur Zurverfügungstellung der Einrichtungsflächen bzw. zur Nutzungsgewährung verpflichten kann.185 Wie diese Garantenstellung des Staates inhaltlich ausgestaltet sein kann, wird kurze Zeit später vom BVerfG in dem für Art. 8 I GG grundlegenden „Brokdorf-Beschluss“186 aus dem Jahr 1985 für das Grundrecht der Versammlungsfreiheit aufgegriffen und konkretisiert.187 Entscheidend für die nachfolgende Rechtsprechungsanalyse ist vor allem die in diesem Beschluss ausgesprochene Verpflichtung des Staates, durch alle Gewalten dafür Sorge zu tragen, dass die Bedeutung von Art. 8 I GG bei staatlichen (Zulassungs-) Entscheidungen hinreichend berücksichtigt wird.188 b) Anerkennung eines Bedürfnisses der Grundrechtsträger auf Nutzung der Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen Ihren eigentlichen Ausgangspunkt findet die Rechtsprechung zur Abhaltung von Versammlungen auf den Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen in der bereits erwähnten Entscheidung des BVerwGs zur Bonner Hofgartenwiese189 aus dem Jahr 1992. Darin beschäftigt sich das BVerwG vor allem mit der Fragestellung, ob die Universität Bonn verpflichtet ist, die in ihrem Eigentum stehende „Hofgartenwiese“ für die Abhaltung einer Großkundgebung zur Verfügung zu stellen bzw. eine entsprechende Nutzung der Fläche zu dulden. Bei der „Hofgartenwiese“ handelt es sich um eine in der Innenstadt von Bonn gelegene Rasenfläche, die sich im Eigentum der Universität Bonn befindet und die in der Vergangenheit durch die Bürger vor allem als Spiel- und Liegewiese genutzt wurde. Zwar wurde die Wiese auch wiederholt für Großkundgebungen zur Verfügung gestellt. Allerdings hat der Senat der Universität zwischenzeitlich diese Nutzung vom Einrichtungszweck explizit ausgenommen. Die von der Klägerin begehrte Nutzung der Hofgartenwiese als Versammlungsfläche ist also im Ergebnis eine den Einrichtungszweck übersteigende Sonderbenutzung. Da auf diese – wie bereits gesehen – grundsätzlich jedenfalls kein einfachrechtlicher Anspruch besteht,190 konzentriert sich das BVerwG in der Entscheidung auf die Bedeutung der Grundrechte. Insbesondere beschäftigt es sich nun erstmals mit der Frage, ob sich aus Art. 8 I GG ein Anspruch der Grundrechtsträger gegen die Universität ergeben kann, ihnen die Nutzung der Hofgartenwiese zu Versammlungszwecken bereitzustellen. 185

S. zur entsprechenden Deutung der „Numers-clausus-Rechtsprechung“ oben unter B. IV.  2. b) dd). 186 BVerfGE 69, 315 ff. 187 Vgl. BVerfGE 69, 315 (355 f.). 188 Vgl. insbesondere BVerfGE 69, 315 (384) sowie 69, 315 (355). S. dazu die Auswertung unter B. II. 1. b) aa). 189 BVerwGE 91, 135 ff. 190 S. auch die Feststellung des BVerwGs in BVerwGE 91, 135 (137).

II. Rechtsprechung und Literatur zu Art. 8 GG  

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Im Rahmen seiner Untersuchung kommt das BVerwG zunächst zu dem Ergebnis, dass jedenfalls die Ableitung eines generellen Anspruchs der Versammlungsteilnehmer gegen die Universität auf Nutzung der Hofgartenwiese nicht in Betracht kommt.191 Es begründet diese Annahme damit, dass Art. 8 I GG als Abwehrrecht „grundsätzlich keine Leistungsansprüche gegen den Staat und schon gar nicht Ansprüche gegen eine Universität auf Überlassung eines Grundstücks zu Versammlungs- und Demonstrationszwecken [gibt]“.192 Art. 8 I GG erfasse nämlich „nicht das Recht, fremdes Grundeigentum nach Belieben in Anspruch zu nehmen. Dies gilt grundsätzlich auch für ein Grundstück, das – wie die Hofgartenwiese – nach dem Willen des Trägers als öffentliche Einrichtung der Allgemeinheit nur im Rahmen einer eingeschränkten Zweckbestimmung [als Liege- und Spielwiese] zur Verfügung steht. Aus Art. 8 I GG lässt sich eine generelle Verpflichtung des Trägers der Einrichtung zur Erweiterung der von ihm festgelegten öffentlichen Zweckbestimmung nicht entnehmen.“193 Festzuhalten ist, dass das BVerwG zumindest ein generelles grundrechtliches Benutzungsrecht aus Art. 8 I GG für sämtliche Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen außerhalb des öffentlichen Straßenraums ablehnt, wenn nach dem Willen des Einrichtungsträgers die Fläche nur einem eingeschränkten Zweck dienen soll.194 Insoweit macht das Gericht die Bestimmung des Schutzgehalts von Art. 8 I GG also maßgeblich von einfachrechtlichen Vorgaben, insbesondere von dem durch den Einrichtungsträger selbst festgelegten Umfang des Einrichtungszwecks, abhängig. Gleichzeitig relativiert das BVerwG aber seine ablehnende Haltung gegenüber der Ableitung von Benutzungsansprüchen aus Art. 8 I GG für die Flächen außerhalb des öffentlichen Straßenraums, indem es die Begriffe „grundsätzlich“ und „generell“ verwendet. Das Gericht geht also offenbar davon aus, dass in bestimmten Einzelfällen Art. 8 I GG ein Recht erfasst, die Fläche einer öffentlichen Einrichtung trotz entgegenstehender Zweckbestimmung zu Versammlungszwecken zu nutzen. Diese angedeutete Ausnahmesituation greift das BVerwG anschließend sogar explizit auf, wenn es erklärt, dass „dem Inhaber eines Grundrechts ein Anspruch auf solche Maßnahmen zuwachsen [kann], die zur Sicherung seines Freiheitsraumes unerlässlich sind“.195 Einschränkend fügt es jedoch hinzu, dass die Verwirklichung dieser Maßnahmen primär dem Gesetzgeber obliege, sodass „ein unmittelbar aus der Verfassung herzuleitender Leistungsanspruch nur in außergewöhnlichen Fällen zu rechtfertigen“ sei.196 Berücksichtigt man den Kontext dieser Entscheidung, spricht sich das BVerwG also dafür aus, dass in diesen Ausnahme­ fällen unmittelbar aus Art. 8 I GG Ansprüche auf Bereitstellung der Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen für Versammlungszwecke folgen können, selbst 191

Vgl. BVerwGE 91, 135 (138). BVerwGE 91, 135 (138). 193 BVerwGE 91, 135 (138 f.). 194 S. dazu die Auswertung unter B. II. 1. d). 195 BVerwGE 91, 135 (139), s. dazu auch schon oben unter B. II. 1. d). 196 Vgl. BVerwGE 91, 135 (139). 192

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C. Art. 8 I GG und die Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen 

wenn diese spezifische Nutzungsart nicht von der öffentlichen Zweckbestimmung der Einrichtungsfläche bzw. dem Einrichtungszweck erfasst ist. Das Gericht äußert sich auch zu der Frage, wie sich diese „leistungsrechtliche“ Dimension von Art. 8 I GG im Einzelfall gegenüber den nutzungsrechtlichen Regelungen der Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen durchsetzen kann. Es verweist diesbezüglich auf eine aus Art. 8 I GG folgende Verpflichtung des Einrichtungsträgers, den Nutzungszweck seiner Einrichtungsfläche auf Versammlungen zu erweitern.197 Da nach der Auffassung des BVerwGs aber jedenfalls keine entsprechende generelle Verpflichtung der Universität Bonn besteht,198 lässt es dahingestellt, inwieweit Bund, Länder und Gemeinden in Ausnahmefällen tatsächlich verpflichtet sein könnten, geeignete öffentliche Grundstücke für Versammlungszwecke zur Verfügung zu stellen.199 Erkenntnisreicher ist demgegenüber der Schluss der Entscheidung: Das BVerwG beendet seine Ausführungen mit der klarstellenden Bemerkung, dass die Ablehnung einer generellen Verpflichtung zur Bereitstellung des Universitätsgeländes für Versammlungen die Universität nicht davon entbinde, über einen Nutzungsantrag der Versammlungsteilnehmer auf Überlassung der Hofgartenwiese nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, sofern diese von der Universität als öffentliche Einrichtung betrieben werde.200 Obwohl ein genereller Rechtsanspruch auf Nutzung der Hofgartenwiese für die Durchführung der Großkundgebung ausscheide, „muss die Bekl. bei der Entscheidung über einen Antrag auf Erteilung der Sondernutzungserlaubnis doch das Gewicht des Interesses der antragstellenden Klägerin an der Wahrnehmung ihres Grundrechts auf Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit gebührend berücksichtigen“.201 Nach Auffassung des BVerwGs ist die Universität Bonn also dazu verpflichtet, über eine Nutzung ihrer Hofgartenwiese, die den Rahmen des Einrichtungszwecks überschreitet, unter Berücksichtigung von Art. 8 I GG zu entscheiden. Da im konkreten Fall keine einfachrechtliche Rechtsgrundlage vorhanden war, die eine entsprechende Ermessensverpflichtung der Universität hätte anordnen können, geht das BVerwG wohl davon aus, dass Art. 8 I GG selbst die Grundlage dieser Berücksichtigungspflicht bildet.202 197

Vgl. BVerwGE 91, 135 (138 f.): „Aus Art. 8 I GG [lasse] sich eine generelle Verpflichtung des Trägers der Einrichtung zur Erweiterung der von ihm festgelegten öffentlichen Zweck­ bestimmung nicht entnehmen.“ 198 Vgl. BVerwGE 91, 135 (139): „Denn bereits mit der Schaffung und Unterhaltung einer der Öffentlichkeit ansonsten frei zugänglichen Grünfläche hat die Beklagte mehr getan, als einer Universität im Rahmen ihrer Gemeinwohlverpflichtung obliegt.“ 199 Vgl. BVerwGE 91, 135 (139). 200 Vgl. BVerwGE 91, 135 (139 f.). 201 BVerwGE 91, 135 (140). 202 So wohl auch die Deutung von Schlink, NJW 1993, 609 (610). Andere Interpretation aber von Burgi, DÖV 1993, 633 (641), nach dessen Auffassung ein Rückgriff auf grundrechtliche Wertungen für die Begründung eines Anspruchs auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über den Zulassungsantrag nicht erforderlich ist. Dies ergebe sich vielmehr aus den Grundlagen des Öffentlichen Sachenrechts.

II. Rechtsprechung und Literatur zu Art. 8 GG  

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Damit vereint die Entscheidung des BVerwGs zur Bonner Hofgartenwiese mehrere Entwicklungstendenzen in der Rechtsprechung. Zunächst erkennt das BVerwG das Bedürfnis der Versammlungsteilnehmer an, auch andere staatliche Flächen als den öffentlichen Straßenraum für die Abhaltung ihrer Versammlung nutzen zu dürfen. Hinzu kommt, dass der Staat im Einzelfall als Garant dafür Sorge tragen muss, dass die Grundrechtsträger von ihrem Recht aus Art. 8 I GG auch auf den Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen tatsächlich Gebrauch machen können. Damit kombiniert das BVerwG letztlich die aus der Schutzpflicht zugunsten „realer“ Freiheit folgende Garantenstellung des Staates mit der spezifischen Problematik der Nutzung der Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen zu Versammlungszwecken. Das Gericht entnimmt dem Schutzgehalt von Art. 8 I GG in Bezug auf die Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen dabei aber primär „nur“ den Anspruch der Versammlungsteilnehmer gegen die Einrichtungsträger auf eine angemessene Berücksichtigung der Versammlungsfreiheit bei der Zulassungsentscheidung. Das Interesse der Grundrechtsträger an der Wahrnehmung ihrer in Art. 8 I GG geschützten Versammlungsfreiheit kann sich nach Auffassung des BVerwGs damit, anders als für den öffentlichen Straßenraum anerkannt, nicht in Form eines „generellen Rechtsanspruchs“ gegen die Verfügungsmacht des Einrichtungsträgers durchsetzen.203 Damit ist aus Sicht des BVerwGs die „Wirkungsintensität“ der staatlichen Schutzverpflichtung in Bezug auf die Zulassungsentscheidung des Einrichtungsträgers bei den Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen grundsätzlich geringer als bei den Flächen des öffentlichen Straßenraums. Dann allerdings, wenn die Grundrechtsträger existentiell auf die Nutzung einer Einrichtungsfläche angewiesen sind, um von ihrer Versammlungsfreiheit tatsächlich Gebrauch machen zu können, sollen die Einrichtungsträger gem. Art. 8 I GG zur Bereitstellung ihrer Flächen für Versammlungszwecke trotz entgegenstehender Zweckbestimmung verpflichtet sein können. Das BVerwG geht also davon aus, dass sich der Schutzgehalt von Art. 8 I GG intensivieren bzw. auf ein Flächennutzungsrecht hin konkretisieren kann, je nachdem wie sehr die Versammlungsteilnehmer im Einzelfall auf die Nutzung der Fläche einer sonstigen staatlichen Einrichtung angewiesen sind. Eine weitere wesentliche Entwicklung liegt darin, dass sich die Rechtsprechung des BVerwGs in Bezug auf die Frage, ob und wie sich die Freiheitsgrundrechte auf die Zulassung einer den Einrichtungszweck überschreitenden Nutzung der Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen auswirken können, entscheidend gewandelt hat.204 Während das BVerwG in seinem Schleusenurteil aus dem Jahr 1973 noch einen auf Art. 3 I GG gestützten Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über den Sonderbenutzungsantrag ablehnt, geht es inzwischen davon aus, dass 203

Vgl. auch Schlink, NJW 1993, 609 (610). Vgl. auch Schlink, NJW 1993, 609 (619): „Mit diesem herkömmlichen Verständnis [dass die Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis im „freiem Ermessen“ steht und stets ohne weiteres verweigert werden kann] bricht das BVerwG.“ 204

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C. Art. 8 I GG und die Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen 

unmittelbar aus den Freiheitsgrundrechten selbst eine entsprechende subjektive Rechtsposition der Grundrechtsträger folgen kann.205 Zwar beziehen sich die Aussagen des BVerwGs in der Entscheidung zur Bonner Hofgartenwiese „nur“ auf die Fläche einer Universität. Angesichts der Grundrechtsbindung sämtlicher Einrichtungsträger lässt sich die aus dem Grundrecht der Versammlungsfreiheit folgende Berücksichtigungspflicht aber für alle Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen verallgemeinern. Im Ergebnis unterwirft das BVerwG damit sämtliche Grundstücke und Gebäude, die in staatlicher Trägerschaft stehen, ungeachtet des Umfangs ihrer Zweckbestimmung Ansprüchen auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über eine Nutzung ihrer Flächen zu Versammlungszwecken.206 Dadurch bringt das Gericht die wesentliche Erkenntnis zum Ausdruck, dass die Einrichtungsträger auch jenseits der öffentlichen Zweckbestimmung der Einrichtung eine grundrechts­ gebundene Leistung erbringen und ihnen daher im Unterschied zu privaten Eigentümern in keinem Fall eine „freie“ Verfügungsbefugnis zukommen kann.207 c) Weiterentwicklung der Berücksichtigungspflicht aus Art. 8 I GG und Lösung von der öffentlichen Zweckbestimmung Diese bundesverwaltungsgerichtliche Rechtsprechung wird vom BVerfG in dem bereits erwähnten „Fraport-Urteil“208 aus dem Jahr 2011 aufgegriffen und inhaltlich weiterentwickelt. Da der Flughafenbetreiber als gemischtwirtschaftliches Unternehmen an die Grundrechte gebunden ist,209 können die grundlegenden Ausführungen des BVerfGs zu Art.  8 I GG und der Nutzung des Flughafengeländes auf die Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen übertragen werden.210 In seinem „Fraport-Urteil“ bestätigt das BVerfG zunächst die Judikatur des BVerwGs in der Entscheidung zur Bonner Hofgartenwiese. Auch nach Auffassung des BVerfGs gibt Art. 8 I GG dem Grundrechtsträger kein Zutrittsrecht zu Orten, die der Öffentlichkeit nicht allgemein zugänglich sind oder zu denen schon den äußeren Umständen nach nur zu bestimmten Zwecken Zugang gewährt wird.211 Die 205

So i. E. auch Burgi, DÖV 1993, 633 (641). Vgl. zu dieser Deutung auch Sachs, JuS 1993, 686 (687). 207 Vgl. auch Schlink, NJW 1993, 609 (610). Das Gegenteil vertritt aber noch Ossenbühl, Öffentliche und private Nutzung der Bonner Hofgartenwiese, 28 ff. 208 BVerfGE 128, 226 ff. S. dazu auch schon die Ausführungen oben unter B. II. 1. d). 209 Die Nutzung zivilrechtlicher Formen befreit den Staat nicht von seiner Grundrechts­ bindung. S. dazu die Ausführungen in BVerfGE 128, 226 (244 ff.). 210 Angesichts der Grundrechtsbindung der Fraport-AG gilt inhaltlich das Gleiche, wie für die Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen, unabhängig davon, ob man das Flughafen­ gelände als Fläche einer sonstigen staatlichen Einrichtung bezeichnet. Zur Begriffsbestimmung oben unter C. I. 1. Zu der Frage, wie sich Art. 8 I GG auf Flächen auswirkt, deren Träger keiner Grundrechtsbindung unterliegen, noch ausführlich unter D. 211 Vgl. BVerfGE 128, 226 (251): „Die Versammlungsfreiheit verschafft damit allerdings kein Zutrittsrecht zu beliebigen Orten.“ 206

II. Rechtsprechung und Literatur zu Art. 8 GG  

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Abhaltung von Versammlungen etwa in Verwaltungsgebäuden oder sonstigen der Allgemeinheit nicht geöffneten Einrichtungen sei durch Art. 8 I GG ebenso wenig geschützt wie in einem öffentlichen Schwimmbad oder in einem Krankenhaus.212 Demgegenüber verbürge Art. 8 I GG die Durchführung von Versammlungen aber dort, wo ein allgemeiner öffentlicher Verkehr eröffnet ist. Dies betreffe in erster Linie den öffentlichen Straßenraum als das natürliche und geschichtlich leitprägende Forum, auf dem die Bürger ihr Anliegen besonders wirksam in die Öffentlichkeit tragen können.213 Im Wesentlichen beschreibt das BVerfG damit den bis dahin in der Rechtsprechung ohnehin schon allgemein anerkannten Anwendungsbereich des Grundrechts der Versammlungsfreiheit. Das BVerfG nimmt aber eine entscheidende „Erweiterung“ des Schutzbereichs von Art. 8 I GG vor, wenn es erklärt, dass das Recht, Versammlungen durchzuführen, auch für Stätten außerhalb des öffentlichen Straßenraums gelte, an denen in „ähnlicher Weise“ ein öffentlicher Verkehr eröffnet sei und Orte der allgemeinen Kommunikation entstünden.214 Das Gericht begründet diese „Erweiterung“ des Schutzbereichs von Art. 8 I GG damit, dass heute die Kommunikationsfunktion des öffentlichen Straßenraums zunehmend durch weitere Flächen ergänzt werde und die Versammlungsfreiheit für die Verkehrsflächen solcher Einrichtungen nicht ausgenommen werden könne.215 Das gelte allerdings nur, wenn eine unmittelbare Grundrechtsbindung bestehe oder Private im Wege der mittelbaren Drittwirkung in Anspruch genommen werden können.216 Dort, wo öffentliche Kommunikationsräume eröffnet würden, könne der unmittelbar grundrechtsverpflichtete Staat nicht unter Rückgriff auf frei gesetzte Zweckbestimmungen oder Widmungsentscheidungen den Gebrauch der Kommunikationsfreiheiten aus den zulässigen Nutzungen ausnehmen.217 Wann ein solcher öffentlicher Kommunikationsraum angenommen werden kann, beurteilt das BVerfG maßgeblich anhand von zwei Kriterien: Erforderlich sei zum einen, dass die Fläche der Öffentlichkeit allgemein geöffnet und zugänglich ist.218 Zum anderen verweist das BVerfG auf das „Leitbild des öffentlichen Forums“.219 Charakteristisch für solche Foren sei, dass dort eine Vielzahl von 212

Vgl. BVerfGE 128, 226 (251). Vgl. BVerfGE 128, 226 (251). S. zu der vom BVerfG angesprochenen Eigenschaft des öffentlichen Straßenraums als Stätte des Informations- u. Meinungsaustausches schon oben unter B. II. 1. d). 214 Vgl. BVerfGE 128, 226 (252). 215 Vgl. BVerfGE 128, 226 (252). 216 Vgl. BVerfGE 128, 226 (252). 217 Vgl. BVerfGE 128, 226 (252). 218 Vgl. BVerfGE 128, 226 (252). 219 Das BVerfG bezieht sich insoweit ausdrücklich auf die Kriterien der „public forum“Rechtsprechung aus Kanada u. den USA. Vgl. BVerfGE 128, 226 (253). S. zur U. S.-amerikanischen Rechtsprechung Wendt, NVwZ 2012, 606 (607 ff.). Ausführlich zum „public forum“ im U. S.-amerikanischen u. kanadischen Recht z. B. Krisor-Wietfeld, Rahmenbedingungen der Grundrechtsausübung, 39 ff. 213

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C. Art. 8 I GG und die Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen 

verschiedenen Tätigkeiten und Anliegen verfolgt werden könne und hierdurch ein vielseitiges Kommunikationsgeflecht entstehe.220 Für diese Flächen garantiere Art. 8 I GG das Recht der Versammlungsteilnehmer, das Publikum zu konfrontieren.221 Nicht erfasst seien hingegen Flächen, die in tatsächlicher Hinsicht ausschließlich oder ganz überwiegend nur einer bestimmten Funktion dienen und daher der Allgemeinheit auch nur zu ganz bestimmten Zwecken zur Verfügung stehen.222 Das BVerfG erstreckt damit den Schutzgehalt des Versammlungsgrundrechts im Ergebnis auf alle Flächen, die in ihrer Kommunikationsfunktion dem öffentlichen Straßenraum bzw. dem Leitbild des öffentlichen Forums entsprechen und deren Eigentümer bzw. Träger gem. Art. 1 III, Art. 20 III GG an die Grundrechte gebunden sind. Diese vom BVerfG vorgenommene Erweiterung der von Art. 8 I GG erfassten Versammlungsflächen macht deutlich, dass das Gericht die Reichweite des Schutzpflichtengehalts von Art. 8 I GG nicht danach bestimmt, unter welches Rechtsregime das einfache Recht die jeweiligen Flächen stellt.223 Während die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung die Anerkennung eines Flächennutzungsrechts aus Art. 8 I GG bis dato (noch) maßgeblich vom Einrichtungszweck bzw. der öffentlichen Zweckbestimmung der Einrichtungsfläche abhängig macht,224 beurteilt das BVerfG die Frage, ob das Grundrecht der Versammlungsfreiheit die Nutzung einer bestimmten Einrichtungsfläche garantiert, vor allem nach der tatsächlichen Verwendungsart der Einrichtungsfläche. Im Ansatz entspricht diese Bestimmung des Schutzbereichs von Art. 8 I GG der Entscheidung zur Bonner Hofgartenwiese, in der das BVerwG die Universität trotz entgegenstehender Zweckbestimmung dazu verpflichtet hat, im Rahmen der Zulassungsentscheidung das Grundrecht der Versammlungsfreiheit zu beachten. Im Gegensatz zu den rein feststellenden Ausführungen des BVerwGs versucht das BVerfG aber, die Erweiterung des Schutzbereichs von Art. 8 I GG auf die Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen dogmatisch zu erklären: Angesichts der zunehmenden Bedeutung von Kommunikationsräumen außerhalb des öffentlichen Straßenraums sei es für die Grundrechtsträger zur tatsächlichen Ausübung ihrer in Art. 8 I GG gewährleisteten Versammlungsfreiheit von entscheidender Bedeutung, auch diese Flächen für Versammlungszwecke nutzen zu können.225 Durch 220

Vgl. BVerfGE 128, 226 (253). Vgl. BVerfGE 128, 226 (254). 222 Vgl. BVerfGE 128, 226 (253). 223 Das ergibt sich besonders deutlich aus der Aussage des BVerfG, dass es grundrechtlich unerheblich sei, ob ein solcher Kommunikationsraum mit den Mitteln des öffentlichen Straßen- und Wegerechts oder des Zivilrechts geschaffen werde. S. BVerfGE 128, 226 (252), 224 Diese Auffassung wird vom BVerwG in seiner Entscheidung zur Bonner Hofgartenwiese noch aufgegriffen u. wiedergegeben. Vgl. BVerwGE 91, 135 (139). 225 Diese Kriterien werden unter C. IV. relevant u. dort erneut aufgegriffen. Demgegenüber sieht das Sondervotum des Richters keinen empirischen Beleg für die zunehmende Bedeutung dieser Flächen u. bewertet den öffentlichen Straßenraum als Kommunikationsplattform derzeit noch als ausreichend, vgl. BVerfGE 128, 226 (274). 221

II. Rechtsprechung und Literatur zu Art. 8 GG  

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diese Argumentation wird deutlich, dass wohl auch das BVerfG von einer aus Art. 8 I GG folgenden Schutzpflicht zugunsten „realer“ Freiheit in Bezug auf die Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen ausgeht. Diese Schutzverpflichtung bildet nach Auffassung des Gerichts die dogmatische Grundlage dafür, dass die Einrichtungsträger als Teil der staatlichen Gewalt gem. Art. 8 I GG verpflichtet sein können, dafür zu sorgen, dass die Grundrechtsträger auch auf diesen Flächen ihre Versammlungsfreiheit tatsächlich ausüben können. d) Fortführung der Rechtsprechung und Konkretisierung der Einzelfallbetrachtung Die Verwaltungsgerichte knüpfen in der Folgezeit an diese Rechtsprechung an und differenzieren sie aus. Das zeigt beispielsweise ein Beschluss des OVGs NRW aus dem Jahr 2014.226 Ihm lag der folgende Sachverhalt zugrunde: Auf einer nicht förmlich dem öffentlichen Gebrauch gewidmeten Grünfläche einer Gemeinde fand eine Versammlung statt, mit der die Teilnehmer ihren Portest gegen den auf dieser Fläche geplanten Bau eines Lebensmittelmarktes kundtun wollten.227 Auf Betreiben der Gemeinde wurden nach Beginn der Versammlung Bauzäune auf der Grünfläche errichtet, die das Versammlungsgeschehen nach außen hin abschirmten. Das OVG NRW beschäftigt sich in seinem Beschluss mit der Fragestellung, ob die Versammlungsteilnehmer gem. Art. 8 I GG von der Versammlungsbehörde verlangen können, gegenüber diesen von der Gemeinde veranlassten Störungen geschützt zu werden.228 Das Gericht bejaht das und begründet seine Entscheidung damit, dass die Durchführung einer Versammlung auf einer im städtischen Eigentum stehenden Grünfläche selbst dann unter dem Schutz von Art. 8 I GG stehe, wenn diese Fläche nach den straßenrechtlichen Bestimmungen nicht förmlich dem öffent­lichen Gebrauch gewidmet sei.229 Aufbauend auf der Argumentation des BVerfGs in der Fraport-­Entscheidung ist auch 226

OVG Münster, BeckRS 2014, 48485. Die Entscheidung ergeht im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes, sodass sich die gerichtlichen Ausführungen zur Flächennutzungsproblematik nur auf eine summarische Prüfung beschränken. Weitere verwaltungsgerichtliche Entscheidungen, die die „Fraport-Rechtsprechung“ anwenden, sind z. B. VG Stuttgart. BeckRS 2012, 51799, das i. E. aber die Annahme eines „öffentlichen Forums“ in einem Kopfbahnhof ablehnt; OVG Münster, BeckRS 2016, 112673, allerdings in Bezug auf eine im Eigentum der Stadt stehende Fläche, die von einem Privaten gepachtet wird; OVG Lüneburg, NordÖR 2016, 383 ff.; VG Mainz, BeckRS 2017, 115997; VGH München, BeckRS 2018, 28746 für den befriedeten Bezirk des Landtags; OVG Hamburg, NVwZ 2018, 1077 für Hochschulräumlichkeiten; VG Oldenburg, BeckRS 2018, 34699; VG Düsseldorf, BeckRS 2018, 11110 sowie OVG Münster, BeckRS 2020, 17888. 227 Bei der gemeindlichen Grünfläche handelt es sich um eine von Wegen durchzogene Wiese, die u. a. an einen öffentlichen Spielplatz sowie eine öffentliche PKW-Stellplatzanlage angrenzt. 228 OVG Münster, BeckRS 2014, 48485 Rn. 6. 229 OVG Münster, BeckRS 2014, 48485 Rn. 7, 9.

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nach der Auffassung des OVGs NRW für die Eröffnung des Schutzbereichs von Art. 8 I GG allein entscheidend, dass die „faktisch öffentliche Grünfläche (…) allgemein zugänglich“ ist, sodass auf ihr „in ähnlicher Weise ein allgemeiner öffentlicher Verkehr“ entsteht.230 Eine geringfügige Konkretisierung der „Fraport-­ Rechtsprechung“ nimmt das OVG NRW allerdings vor, wenn es ausführt, dass die Eröffnung eines allgemeinen Verkehrs selbst dann zu bejahen sei, wenn nach Beginn der Versammlung die Grünfläche durch die Errichtung von Bauzäunen nicht mehr allgemein zugänglich sei.231 In diesem Fall verpflichte der Schutzanspruch der Versammlungsteilnehmer aus Art. 8 I GG die Behörden dazu, aktiv gegen Maßnahmen vorzugehen, die die öffentliche Wahrnehmbarkeit der Versammlung, etwa durch das Errichten von Bauzäunen, behindern könnten.232 Vorsorglich weist der Senat am Ende seines Beschlusses noch klarstellend darauf hin, dass eine Grundrechtskollision zwischen der Versammlungsfreiheit und dem Eigentumsrecht der Stadt schon deshalb nicht bestehe, weil einer gemeindlichen Gebietskörperschaft das Eigentumsgrundrecht nicht zustehe.233 Den Abschluss der Rechtsprechungsanalyse bildet ein Beschluss des BVerfGs aus dem Jahr 2014.234 In diesem Beschluss gibt das BVerfG einer Verfassungs­ beschwerde statt, in der sich der Beschwerdeführer gegen die Verurteilung zu einem Bußgeld unter anderem wegen Verstoßes gegen eine Friedhofssatzung richtet. Er hat zuvor auf dem Gelände eines kommunalen Friedhofs eine Demonstration durchgeführt, mit der er seinen Protest gegen eine von der Stadt Dresden initiierte, zeitgleich auf dem Friedhofsgelände stattfindende Gedenkveranstaltung zum Ausdruck bringen wollte. In diesem Zusammenhang setzt sich das BVerfG mit der Frage auseinander, ob der Schutzbereich von Art. 8 I GG auch die Durchführung einer Versammlung auf einem Friedhofsgelände erfasst. Zu Beginn greift das Gericht auf seine Rechtsprechung im „Fraport-Urteil“ zurück, der zufolge die Versammlungsfreiheit zwar kein Zutrittsrecht zu beliebigen Orten verschaffe, aber Art. 8 I GG jedenfalls die Durchführung von Versammlungen dort verbürge, wo ein kommunikativer Verkehr eröffnet sei.235 Ausschlaggebend seien die tatsächliche Bereitstellung des Ortes und der Umstand, ob ein allgemeines öffentliches Forum eröffnet sei.236 Im Anschluss daran erörtert das BVerfG, ob das Friedhofsgelände diese Merkmale erfüllt. Dabei stellt das Gericht zunächst fest, dass ein Friedhof in der Regel einen Ort darstelle, „der sowohl nach seiner Widmung als auch den äußeren Umständen nach nur für begrenzte Zwecke zugänglich ist und nicht als Stätte des allgemeinen öffentlichen Verkehrs und Ort allgemeiner Kommunikation anzusehen ist.“237 Da der „Widmungszweck des Friedhofs allein (…) 230

Vgl. OVG Münster, BeckRS 2014, 48485 Rn. 9. Vgl. OVG Münster, BeckRS 2014, 48485 Rn. 9. 232 Vgl. OVG Münster, BeckRS 2014, 48485 Rn. 20. 233 OVG Münster, BeckRS 2014, 48485 Rn. 21. 234 BVerfG, NJW 2014, 2706 ff. 235 Vgl. BVerfG, NJW 2014, 2706 (2707). 236 Vgl. BVerfG, NJW 2014, 2706 (2707). 237 BVerfG, NJW 2014, 2706 (2707). 231

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den Schutzbereich des Art. 8 I GG jedoch nicht begrenzen [kann], (…) kommt es vielmehr darauf an, inwieweit tatsächlich allgemeine Kommunikation eröffnet ist oder nicht.“238 Darauf aufbauend analysiert das BVerfG, wie das Friedhofsgelände in der konkreten Situation tatsächlich verwendet wurde. Da auf dem Friedhofsgelände eine Gedenkveranstaltung stattgefunden habe, sei diese Fläche „zu einer Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Themen“ genutzt worden.239 Der Friedhof sei damit zumindest für diesen einen Tag zu einem Ort allgemeiner Kommunikation geworden240 Mit dieser Argumentation bejaht das BVerfG im Ergebnis die Eröffnung eines kommunikativen Verkehrs auf dem Friedhofsgelände.241 Jedenfalls an diesem Tage könnten sich die Versammlungsteilnehmer auf den Schutz von Art. 8 I GG berufen.242 Ergänzend fügt das BVerfG in einem Nebensatz hinzu, dass dies umso mehr gelte, weil der Protest auf das Anliegen der Gedenkveranstaltung bezogen sei.243 Die Friedhofsentscheidung des BVerfGs und der Beschluss des OVGs NRW beinhalten auf den ersten Blick wenig neue Erkenntnisse. Auf den zweiten Blick lässt sich aber dennoch eine Weiterentwicklung der „Fraport-Rechtsprechung“ feststellen. Indem das BVerfG und auch das OVG NRW das tatsächliche Geschehen auf dem jeweiligen Gelände allein in dem Zeitpunkt, in dem die Versammlung abgehalten werden soll, beurteilen, konkretisieren sie den Beurteilungsmaßstab für die Annahme eines öffentlichen Forums. Nach Auffassung beider Gerichte kommt es für die Beantwortung der Frage, ob auf einer Einrichtungsfläche in tatsächlicher Hinsicht ein öffentlicher Verkehr eröffnet ist, maßgeblich auf den Zeitpunkt an, in dem die Versammlung abgehalten werden soll. Damit verdeutlichen sie, dass ein öffentliches Forum auf den Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen auch nur punktuell, z. B. für einen Tag, eröffnet sein kann.244 Schließlich erweitert das BVerfG in der Friedhofsentscheidung die Kriterien, die für die Beurteilung maßgeblich sind, ob die Versammlungsteilnehmer im Einzelfall einen Anspruch aus Art. 8 I GG haben, der sie zur Nutzung der Fläche einer sonstigen staatlichen Einrichtung zu Versammlungszwecken berechtigt. Dazu zählt das BVerfG neben 238

BVerfG, NJW 2014, 2706 (2707). Ganz anders entschied das noch das VG Aachen, BeckRS 2009, 31993 für die Nutzung eines Soldatenfriedhofs für Versammlungszwecke: „Das Versammlungsrecht umfasst nicht auch die Ermöglichung von öffentlichen Versammlungen in öffentlichen Einrichtungen, deren Widmungszweck diesen Veranstaltungen entgegen­ steht“. 239 Vgl. BVerfG, NJW 2014, 2706 (2707). 240 Vgl. BVerfG, NJW 2014, 2706 (2707). 241 Vgl. BVerfG, NJW 2014, 2706 (2707). 242 Vgl. BVerfG, NJW 2014, 2706 (2707). 243 Vgl. BVerfG, NJW 2014, 2706 (2707). 244 Anders aber VG Mainz, BeckRS 2017, 115997 Rn. 10 f., wonach allein durch einen Tag der offenen Tür in einer Klinik kein allgemeines öffentliches Forum geschaffen werden, da anderenfalls die Gefahr drohe, dass die Durchführung von Publikumsfesten und Tagen der öffentlichen Tür in öffentlichen Einrichtungen praktisch unmöglich oder zumindest erheblich erschwert wäre. Das Versammlungsrecht sei nur auf öffentlichem Grund gewährleistet, soweit dieser in geeigneter Form dem Gemeingebrauch gewidmet sei.

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C. Art. 8 I GG und die Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen 

der tatsächlichen Verwendungsart der Einrichtungsfläche auch das Thema der Versammlung. Je eher das Versammlungsanliegen einen Bezug zu der tatsächlichen Verwendungsart der Einrichtungsfläche hat, desto intensiver soll sich der Schutzgehalt von Art. 8 I GG auf die Zulassungsentscheidung des Einrichtungsträgers auswirken. e) Zusammenfassung Im Vergleich zur Rechtsprechungsanalyse in Bezug auf die Flächen des öffentlichen Straßenraums fällt auf, dass sich die Gerichte mit der Problematik des Hineinwirkens von Art. 8 I GG in das für die Benutzung der Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen geltende Regelungssystem erst relativ spät auseinanderzusetzen beginnen. Zwar finden sich schon recht früh allgemeine Ausführungen der Gerichte zu der Frage, ob die Bürger die Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen über den Einrichtungszweck hinaus nutzen dürfen. In diesem Kontext werden vereinzelt auch grundrechtliche Erwägungen angestellt. Diese bleiben aber überwiegend theoretisch und abstrakt. Insgesamt galt eine Sonderbenutzungserlaubnis für die Nutzung der Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen daher lange Zeit noch als ein echtes „Privileg“, deren Erteilung der Einrichtungsträger ohne weiteres verweigern kann.245 Diese Auffassung ändert sich grundlegend mit der Entscheidung des BVerwGs zur Bonner Hofgartenwiese. Das Beispiel der Hofgartenwiese steht insoweit stellvertretend für den Erkenntniswandel in der Rechtsprechung, dass auch die Nutzung der Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen für das Grundrecht der Versammlungsfreiheit gem.  Art.  8 I GG von entscheidender Bedeutung sein kann. Hierauf aufbauend entnehmen die Gerichte dem Versammlungsgrundrecht nun unmittelbar eine Verpflichtung der Einrichtungsträger, die Bedeutung der Versammlungsfreiheit im Rahmen der Zulassungsentscheidung zu berücksichtigen. Wie auch die Analyse der einzelnen Entscheidungen zeigt, bejahen die Gerichte also im Ergebnis eine Schutzpflicht des Staates zugunsten realer Freiheit nicht nur für die öffentlichen Straßen, sondern auch in Bezug auf die Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen. Während die Rechtsprechung für die Flächen des öffentlichen Straßenraums aber von Beginn an mit einer gewissen Selbstverständlichkeit ein aus Art. 5 I Var. 1 GG bzw. 8 I GG folgendes, den Widmungszweck überschreitendes Flächennutzungsrecht zu Kommunikationszwecken anerkennt,246 zeigt sich in Bezug auf die Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen die Tendenz, einen vergleichbaren An 245

Das zeigt sich z. B. deutlich in der Schleusenentscheidung des BVerwGs (BVerwGE 39, 235 ff.). S. dazu oben unter C. II. 1. Vgl. auch die analysierende Anmerkung von Schlink, NJW 1993, 609 (610); sowie Siehr, Das Recht am öffentlichen Raum, 573. 246 S. dazu oben unter B. II. 1.

II. Rechtsprechung und Literatur zu Art. 8 GG  

157

spruch auf Ausnahmesituationen zu beschränken. Insbesondere haben die Gerichte in Bezug auf die Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen bislang keine dem „kommunikativen Verkehr“ beim straßenrechtlichen Gemeingebrauch vergleichbare Lösung entwickelt, die die Durchführung einer Versammlung im öffentlichen Straßenraum im Ergebnis von der grundsätzlich erforderlichen Sondernutzungserlaubnispflicht freistellt.247 So bejaht das BVerwG in seiner Entscheidung zur Bonner Hofgartenwiese zwar einen Anspruch der Versammlungseilnehmer aus Art. 8 I GG gegen die Einrichtungsträger. Dieser soll aber grundsätzlich nur darauf gerichtet sein, dass der Einrichtungsträger das Grundrecht der Versammlungsfreiheit bei der Ermessensausübung im Rahmen der Zulassungsentscheidung gebührend berücksichtigt.248 Das BVerfG geht davon aus, dass die Flächen sonstiger staat­ licher Einrichtungen – trotz entgegenstehender Zweckbestimmung – vom Schutzbereich des Art. 8 I GG erfasst sein können, wenn sie in tatsächlicher Hinsicht der Verkehrsfunktion des öffentlichen Straßenraums gleichkommen. Ob daraus aber ein grundrechtliches Benutzungsrecht der Versammlungsteilnehmer resultiert oder „nur“ ein Anspruch auf Berücksichtigung der Versammlungsfreiheit bei der Zulassungsentscheidung, wird von dem Gericht offengelassen. Die Rechtsprechungsanalyse bestätigt damit auf der einen Seite die These, dass es auch für die Lösung der Flächennutzungsproblematik in Bezug auf die Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen entscheidend darum gehen wird, inwieweit der Staat gem. Art. 8 I GG verpflichtet ist, dafür zu sorgen, dass die Versammlungsfreiheit auf den Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen tatsächlich ausgeübt werden kann. Die Zurückhaltung der Gerichte bei der Ableitung eines Benutzungsanspruchs aus Art. 8 I GG deutet auf der anderen Seite aber schon darauf hin, dass der Schutzpflichtengehalt von Art. 8 I GG in Bezug auf die Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen den Staat weniger „intensiv“ auf ein konkretes Schutzergebnis verpflichtet als für die Flächen des öffentlichen Straßenraums.

2. Literatur Die Literatur schließt sich dieser Rechtsprechung größtenteils an. Es wird überwiegend vertreten, dass aus Art. 8 I GG ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über die Bereitstellung einer konkreten Einrichtungsfläche folgt, der sich in Ausnahmefällen im Wege der Ermessensreduktion auch auf ein Flächennutzungsrecht der Versammlungsteilnehmer verdichten kann.249 Die Ausführungen 247

So auch die Deutung von Siehr, Das Recht am öffentlichen Raum, 561. Vgl. BVerwGE 91, 135 (139 f.). 249 Vgl. Hoffmann-Riem, in: Merten / Papier, Hdb GR, Bd. IV, § 106 Rn. 85; Sachs, in: Stern, Staatsrecht IV/1, 1228 f.; Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Art. 8 Rn. 112; Depenheuer, in: Maunz / Dürig,  GG, Art.  8 Rn.  115 f.; Kloepfer, in: Isensee / K irchhof, HdbStR, Bd. VII, § 164 Rn. 19; Höfling, in: Sachs, GG, Art. 8 Rn. 42; Schneider, in: Epping / Hillgruber, BeckOK GG Art. 8 Rn. 30.3. u. 30.4.; Gusy, in: v. Mangoldt / K lein / Starck, GG, Bd. 1, Art. 8 Rn. 76; ­Kniesel, 248

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C. Art. 8 I GG und die Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen 

in der Literatur beschränken sich allerdings häufig auf einen Verweis auf die Entscheidung des BVerwGs zur Bonner Hofgartenwiese und auf das „Fraport-Urteil“ des BVerfGs und bleiben daher überwiegend vage und abstrakt. Obwohl sich Rechtsprechung und Literatur damit zwar im Ergebnis darüber einig sind, dass der Schutzgehalt von Art. 8 I GG unter Umständen auch die Nutzung der Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen zu Versammlungszwecken erfassen kann, ist der genaue Inhalt und die Reichweite dieses grundrechtlichen Gehalts bislang nicht eindeutig geklärt. Insbesondere bleibt in Rechtsprechung und Literatur offen, wann sich der Anspruch der Versammlungsteilnehmer aus Art. 8 I GG auf eine ermessensfehlerfreie Zulassungsentscheidung auf ein Flächen­ nutzungsrecht „verdichtet“. Im folgenden Abschnitt ist daher im Wege der Auslegung von Art. 8 I GG zu untersuchen, ob der Schutzgehalt des Versammlungsgrundrechts tatsächlich auch die Nutzung der Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen erfasst. Kann diese von Rechtsprechung und Literatur vertretene Auffassung bestätigt werden, ist mit Hilfe des oben beschriebenen Schutzpflichtenmodells250 zu ermitteln, wie die Schutzpflichtendimension aus Art. 8 I GG in Bezug auf die zweite Flächenkategorie genau ausgestaltet ist. Dabei steht insbesondere die Frage im Fokus, unter welchen Voraussetzungen aus dem Schutzpflichtengehalt von Art. 8 I GG ein Anspruch der Grundrechtsträger folgt, die Flächen sonstiger staatlicher Einrichtung für die Abhaltung einer Versammlung zu nutzen.

III. Die staatliche Schutzverpflichtung aus Art. 8 I GG in Bezug auf die Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen Wie bereits verdeutlicht, ist Art. 8 I GG ein Grundrecht, das in gesteigertem Maße eine räumliche Dimension aufweist: Die Versammlungsteilnehmer benötigen Flächen, auf denen sie sich körperlich versammeln können und sie können die Bereitstellung dieser Flächen gegebenenfalls auch beanspruchen.251 Der öffentliche Straßenraum bildet mit seiner kommunikativen Verkehrsfunktion und der durch  § 13 I 1 StrG BW grundsätzlich garantierten freien Nutzbarkeit für jedermann zwar das „Leitbild“ für den von Art. 8 I GG rechtlich erfassten „Raum­ in: Dietel / Gintzel / K niesel, VersG, Teil I Rn. 35 ff.; Jarass, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 8 Rn. 15 f.; Blanke, in: Stern / Becker, Grundrechte, Art. 8 Rn. 44 f.; Hofmann-Riem, in: AK GG, Art. 8 Rn. 33, 42; Dürig-Friedl, in: Dürig-Friedl / Enders, Versammlungsrecht, Rn. 47; Zeitler, Grundriss des Versammlungsrechts, Rn. 145; Gornik, Die Bindung der Betreiber öffentlicher Räume, 383 f.; Ehrentraut, Die Versammlungsfreiheit im amerikanischen und deutschen Verfassungsrecht, 172; Gallwas, JA 1986, 484 (491); v. Alemann / Scheffczyk, JZ 2013, 407 (407 f.); Fehling, JuS 2003, 246 (248); Mikešić, NVwZ 2004, 788 (791); a. A. Burgi, DÖV 1993, 633 (641 f.). 250 B. IV. 3. 251 S. dazu bereits ausführlich unter B. II. 3.

III. Die staatliche Schutzverpflichtung aus Art. 8 I GG  

159

typus“.252 Die Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen können aber hinzutreten, wenn sie für die Durchführung von Versammlungen „unter freiem Himmel“ i. S. v. Art. 8 I GG grundsätzlich geeignet sein können.253

1. Eignung der Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen als Versammlungsflächen a) Freie Zugänglichkeit Das Grundrecht der Versammlungsfreiheit setzt voraus, dass die Grundrechtsträger zur Ausübung ihrer Versammlungsfreiheit die Möglichkeit haben müssen, auf Flächen zuzugreifen, die für eine nicht bestimmbare Personenanzahl grundsätzlich frei zugänglich sind.254 Zwar sind alle Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen ihrer öffentlichen Zweckbestimmung nach darauf ausgerichtet, in irgendeiner Form von Bürgern betreten und genutzt zu werden.255 Zur Ausübung der Versammlungsfreiheit „unter freiem Himmel“ eignen sie sich jedoch nur dann, wenn ihre Nutzung auch tatsächlich jedermann offensteht.256 Demnach scheiden von vornherein die Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen als Versammlungsflächen i. S. v. Art. 8 I GG aus, bei denen die individuelle Nutzung vom Einrichtungsträger kontrolliert wird und eine Zulassung nur für einzelne, begrenzte Zwecke erfolgt.257 Sieht der Einrichtungsträger jedoch von einem generellen Zulassungserfordernis ab, bzw. fehlt es, wie bei vielen Einrichtungsflächen (z. B. bei einer gemeindlichen Parkanlage oder einem kommunalen Friedhof), an einer Manifestation des Zulassungsaktes nach außen, sind die Flächen sonstiger staat­licher Einrichtungen, den äußeren Umständen nach in vergleichbarer 252 So ausdrücklich auch BVerfGE 128, 226 (251) zum öffentlichen Straßenraum: „Dieser ist das geschichtlich, leitbildprägende Forum“. S. schon ausführlich zur Bedeutung der öffentlichen Straßen für das Grundrecht der Versammlungsfreiheit unter B. III. 1. 253 So auch die Feststellung von Siehr, Das Recht am öffentlichen Raum, 573. 254 „Unter freiem Himmel“ ist eine Versammlung – wie bereits dargestellt – dann, wenn sie zu allen Seiten unbegrenzt ist, d. h. jedermann Zutritt zu der Versammlung hat. Dies ist allgemeine Meinung, s. z. B. Höfling, in: Sachs, GG, Art. 8 Rn. 61; Depenheuer, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 8 Rn. 133; Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Bd. I, Art.8 Rn. 66; Gusy, in: v. Mangoldt /  Klein / Starck, GG, Bd. 1, Art. 8 Rn. 54 ff. Dazu bereits oben unter B. II. 3. S. auch die Auswertung von Enders, JZ 2011, 577 (577): „Das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis zu versammeln setzt insoweit (…) die allgemeine Zugänglichkeit als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal voraus.“ 255 So auch Burgi, DÖV 1993, 633 (641). S. allgemein zur Zweckbestimmung v. a. unter C. I. 2. a) u. C. I. 3. a). 256 Vgl. BVerfGE 128, 226 (252 f.): „Orte allgemeinen kommunikativen Verkehrs, (…), sind zunächst nur solche, die der Öffentlichkeit allgemein geöffnet und zugänglich sind.“ Dass es für Art. 8 I GG insoweit primär auf die tatsächliche freie Zugänglichkeit ankommt, hat die Rechtsprechungsanalyse unter C. II. 1. c) gezeigt. Dazu auch noch unter C. III. 1. b). 257 Vgl. BVerfGE 128, 226 (253). Allgemein zum Zulassungserfordernis bei den Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen unter C. I. 3. c) cc).

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C. Art. 8 I GG und die Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen 

Weise wie die öffentlichen Straßen für eine nicht bestimmbare Personenzahl frei zugänglich.258 b) Öffentlichkeits- bzw. Kommunikationsfunktion Die Tatsache, dass auch die Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen der Öffentlichkeit allgemein geöffnet und zugänglich sein können, reicht allerdings noch nicht aus, um sie als Versammlungsflächen i. S. v. Art. 8 I GG zu qualifizieren. Die von Art. 8 I GG vorausgesetzte räumliche Dimension wird durch das Ziel einer Versammlung, die „unter freiem Himmel“ abgehalten wird,259 konkretisiert: Den Versammlungsteilnehmern geht es vor allem darum, ihre Überzeugung im Kollektiv in die Öffentlichkeit zu tragen und „einem allgemeinen Publikum zu Gehör zu bringen“.260 Das Grundrecht der Versammlungsfreiheit bezieht sich also auf Flächen, auf denen sich ein breites Versammlungspublikum bewegen kann.261 In Übereinstimmung mit der im „Fraport-Urteil“ zum Ausdruck kommenden Rechtsauffassung des BVerfGs eignen sich die Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen also nur dann als Versammlungsfläche i. S. d. Art. 8 I GG, wenn sie sich, entsprechend dem „Leitbild des öffentlichen Forums“,262 durch ein Nebeneinander vielfältiger Nutzungsarten kennzeichnen und dadurch zu Orten allgemeiner Kommunikation werden (Öffentlichkeits- bzw. Kommunikationsfunktion).263 Das trifft in erster Linie auf die Einrichtungsflächen zu, die schon aufgrund ihrer öffentlichen Zweckbestimmung darauf ausgerichtet sind, einer großen Anzahl von Personen das Zusammenkommen zu ganz unterschiedlichen, insbesondere auch zu kommunikativen Zwecken zu ermöglichen. Dazu zählt z. B. die Grünfläche einer gemeindlichen Parkanlage, der jedermann offenstehende Vorplatz einer Universität oder aber das öffentlich zugängliche Foyer eines kommunalen Theaters. Ähnlich wie im öffentlichen Straßenraum treffen hier unter-

258

Daher nimmt z. B. Axer, DÖV 2013, 165 (170) für die Nutzung der Friedhofswege an, dass es sich um „eine zulassungsfreie und unentgeltliche, damit klassisch gemeingebräuchliche Nutzung“ handelt (Hervorh. d. Verf.). 259 Ausführungen speziell zu den Zielen einer Versammlung „unter freiem Himmel“ bzw. dem Sinn u. Zweck von Art. 8 I GG finden sich bereits oben unter B. III. 1. d). 260 So ausdrücklich auch BVerfGE 128, 226 (252). Nach Burgi, DÖV 1993, 633 (638) ist die Versammlungsfreiheit das Grundrecht mit der „begriffsnotwendig größten Außenrelevanz“. Für das schweizerische Recht ausdrücklich auch Bosshart, Demonstrationen auf öffentlichem Grund, 1: „unmittelbaren Apellwirkung in der Öffentlichkeit“. 261 Vgl. Krisor-Wietfeld, Rahmenbedingungen der Grundrechtsausübung, 36; Wimmer, MDR 1964, 280 (280); Schwerdtfeger, Die Grenzen des Demonstrationsrechts, 29 f. Dazu bereits ausführlich für den öffentlichen Straßenraum oben unter B. III. 1. d). 262 Vgl. v. a. BVerfGE 128, 226 (253). S. die Auswertung zu diesem Urteil unter C. II. 1. c). 263 Vgl. die Auslegung von Art. 8 I GG in Bezug auf den öffentlichen Straßenraum unter B. III. 1. d). So ausdrücklich auch BVerfGE 128, 226 (253): „vielseitiges und offenes Kommunikationsgeflecht“.

III. Die staatliche Schutzverpflichtung aus Art. 8 I GG  

161

schiedliche Bürger aufeinander, die die Einrichtungsflächen in vielfältiger Weise nutzen:264 So stoßen beispielsweise auf dem Vorplatz eines Universitätsgebäudes Studierende, die auf dem Weg zu einer Vorlesung sind, auf Passanten, die den Platz zu Verkehrszwecken nutzen. In einer gemeindlichen Parkanlage treffen erholungssuchende Spaziergänger auf spielende Kinder. Aufgrund der vielfältigen Nutzungsarten entstehen zwangsläufig Orte der Begegnung, der Auseinandersetzung und der Kommunikation. Neben dem eigentlichen Einrichtungszweck (Wissenschaft und Lehre, Erholung usw.) erfüllen diese Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen also auch eine Aufenthalts- und Erschließungsfunktion.265 Sie sind daher geeignete Orte dafür, dass die Grundrechtsträger ihre Überzeugungen im Kollektiv „einem allgemeinen Publikum zu Gehör bringen“ können.266 Im Gegensatz dazu fehlt es an der von Art. 8 I GG geforderten Öffentlichkeitsbzw. Kommunikationsfunktion, wenn die Einrichtungsfläche für die Bürger von vornherein nur für ganz bestimmte Zwecke geöffnet ist.267 Da auf diesen Flächen regelmäßig keine Orte allgemeiner öffentlicher Kommunikation entstehen können,268 eignen sie sich grundsätzlich weder nach ihrer rechtlichen Nutzungs­ bestimmung noch nach ihrer tatsächlichen Verwendungsart als Flächen kollektiver Meinungskundgabe. Das gilt insbesondere für die innerhalb von Einrichtungsgebäuden liegenden Flächen.269 Diese sind zwar (jedenfalls im Rahmen der Öffnungszeiten) grundsätzlich für jedermann frei zugänglich, allerdings wird bei ihnen das tatsächliche Nutzungsverhalten regelmäßig durch die öffentliche Aufgabe bzw. Zweckbestimmung der Einrichtung (mit-)bestimmt. Beispielsweise werden die Flächen in Verwaltungsgebäuden primär zu administrativen Zwecken genutzt, sodass auf den Gängen eines kommunalen Bürgerbüros in der Regel kein Ort der öffentlichen Kommunikation und Auseinandersetzung entsteht. Dasselbe gilt für den Innenbereich eines städtischen Krankenhauses, auf dem sich der Publikumsverkehr grundsätzlich auf Zwecke der medizinischen Behandlung und auf Krankenbesuche beschränkt. Ferner werden auch die Räumlichkeiten in Universitätsgebäuden (Hörsäle, Lehrstühle, etc.) überwiegend im Rahmen des Studien-

264 S. zu dem Kriterium der vielfältigen Nutzung als Merkmal eines sog. „öffentlichen Forums“ auch die Ausführungen in BVerfGE 128, 226 (253). Für öffentliche Einrichtungen Mikešić, NVwZ 2004, 788 (791). 265 Vgl. insoweit die Feststellung für die öffentlichen Straßen unter B. III. 1. d). 266 Die Formulierung verwendet das BVerfG in BVerfGE 128, 226 (252). Auch Burgi, DÖV 1993, 633 (639) ist der Auffassung, dass „Theater, Universitäten oder gemeindliche Mehrzweckhallen durchaus als geeignete Gastgeber der öffentlichen Meinung erscheinen [und] den öffentlichen Wegen darin nicht unähnlich [sind].“ 267 Vgl. BVerfGE 128, 226 (253). Zur Bedeutung der Zweckbestimmung einer Einrichtungsfläche als Grenze des Schutzgehalts von Art. 8 I GG noch unter C. III. 2. b) cc). 268 S. dazu z. B. Papier / Durner, in: Ehlers / P ünder, AllgVerwR, § 39 Rn. 49. Vgl. auch Ehrentraut, Die Versammlungsfreiheit im amerikanischen und deutschen Verfassungsrecht, 174. 269 Die Unterscheidung zwischen Flächen, die im Innenbreich einer staatlichen Einrichtung u. solchen, die außerhalb des Gebäudes liegen, wird auch im Rahmen der Grenze staatlicher Schutzverpflichtung unter C. III. 2. b) cc) aufgegriffen.

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C. Art. 8 I GG und die Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen 

betriebs von Lehrkräften und Studierenden für Wissenschafts- und Lehrzwecke genutzt.270 Auch die Flächen gemeindlicher Friedhöfe werden von den Besuchern hauptsächlich zum Gedenken an die Toten besucht.271 Für die Beurteilung, ob sich die Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen für die „reale“ Durchführung von Versammlungen „unter freiem Himmel“ i. S. d. Art. 8 I GG eignen, kommt es jedoch nicht entscheidend auf deren öffentliche Zweck- und Nutzungsbestimmung an.272 Anderenfalls könnte der Staat im Wege der Zweckbestimmung über den Umfang des von Art. 8 I GG geschützten Freiheits­ bereichs beliebig disponieren. Auch aus normhierarchischen Gründen kann die Beurteilung, ob eine Fläche für die „reale“ Durchführung einer Versammlung „unter freiem Himmel“ geeignet ist i. S. d. Art. 8 I GG, nicht vom Inhalt der öffentlichen Zweck- bzw. Nutzungsbestimmung des Einrichtungsträgers abhängig sein.273 Es kommt vielmehr darauf an, ob die Einrichtungsflächen in tatsächlicher Hinsicht eine Öffentlichkeits- bzw. Kommunikationsfunktion erfüllen.274 Daher ist es zu-

270

Vgl. auch BVerfGE 128, 226 (251): „Die Durchführung von Versammlungen etwa in Verwaltungsgebäuden oder in eingefriedeten, der Allgemeinheit nicht geöffneten Anlagen ist durch Art. 8 I GG ebenso wenig geschützt wie etwa in einem öffentlichen Schwimmbad oder Krankenhaus.“ 271 Vgl. BVerfG, NJW 2014, 2706 (2707); OVG Frankfurt, NVwZ-RR 2004, 844 (845); ­Dürig-Friedl, in: Dürig-Friedl / Enders, Versammlungsrecht, Einl., Rn. 72. 272 So ausdrücklich BVerfG, NJW 2014, 2706 (2707): „Der Widmungszweck des Friedhofs allein kann den Schutzbereich des Art. 8 I GG jedoch nicht begrenzen“. Vgl. auch schon BVerfGE 128, 226 (252): „Dort, wo öffentliche Kommunikationsräume eröffnet werden, kann der unmittelbar grundrechtsverpflichtete Staat nicht unter Rückgriff auf frei gesetzte Zweckbestimmungen oder Widmungsentscheidungen den Gebrauch der Kommunikationsfreiheiten aus den zulässigen Nutzungen ausnehmen.“ 273 Dagegen – allerdings bezogen auf die Widmung öffentlicher Straßen – Röthel, Grundrechte in der mobilen Gesellschaft, 101. A. A. aber z. B. Schwäble, Das Grundrecht der Versammlungsfreiheit, 172 f.; Frowein, NJW 1969, 1081 (1084); Burgi, DÖV 1993, 633 (639). Im Ergebnis geht es bei der Frage, ob die öffentliche Zweckbestimmung eine Fläche dem Schutzgehalt von Art. 8 I GG „entziehen“ kann, darum, ob der Schutzbereich eines Grundrechtes weit ausgelegt wird oder von vornherein unter rechtlichen Aspekten einzuschränken ist. Diese Diskussion wird in der Literatur auch unter der Bezeichnung „enge“ u. „weite“ Schutzbereichstheorie geführt. Grundlegend dazu z. B. Merten, in: Merten / Papier, HdB GR Bd. III, § 56 Rn. 58 ff. Für die enge Schutzbereichstheorie z. B. Kriele, JA 1984, 629 (629 ff.); Isensee, in: Isensee / K irchhof, HdbStR, Bd. IX, § 191 Rn. 88. Für die weite Schutzbereichstheorie z. B. Alexy, Theorie der Grundrechte, 289 ff.; Höfling, Offene Grundrechtsinterpretation, 177 ff. Zu den Positionen der engen u. weiten Schutzbereichstheorie im Kontext der Inanspruchnahme fremder privater Räume für Versammlungszwecke z. B. Prothmann, Die Wahl des Versammlungsortes, 162 ff.; Krisor-Wietfeld, Rahmenbedingungen der Grundrechtsausübung, 176 ff. S. auch Scharlau, Schutz von Versammlungen auf privatem Grund, 217 f. 274 Vgl. BVerfG, NJW 2014, 2706 (2707): „(…) insofern kommt es vielmehr darauf an, inwieweit tatsächlich allgemeine Kommunikation eröffnet ist oder nicht.“ (Hervorh. d. Verf.). S. dazu schon die Auswertung oben unter C. II. 1. c). I. E. auch Hong, in: Peters / Janz, HdB VersR, B. Rn. 36; Schwabe, Grundrechtsdogmatik, 244 ff.; Kniesel / Poscher, in: Lisken /  Denninger, HdB PolR, K. Rn. 75: „Vielmehr kommt es neben der Widmung auf die tatsächliche allgemeine Verkehrsnutzung des Raumes an.“ Die „Auswirkungen“ der öffentlichen Zweckbe-

III. Die staatliche Schutzverpflichtung aus Art. 8 I GG  

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mindest nicht per se ausgeschlossen, dass auch die Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen, deren Nutzung in rechtlicher Hinsicht auf ganz bestimmte Zwecke beschränkt ist, jedenfalls punktuell zu Orten allgemeiner öffentlicher Kommunikation werden können.275 Veranstaltet z. B. die Gemeinde eine öffentliche Gedenkveranstaltung auf einem Friedhof276 oder einen Tag der offenen Tür in einem Rathausgebäude, können auch diese Flächen – trotz entgegenstehender öffentlicher Zweckbestimmung – zumindest während dieser Ereignisse für die Durchführung einer Versammlung „unter freiem Himmel“ i. S. d. Art. 8 I GG geeignet sein. c) Zwischenergebnis Die Ausführungen zeigen, dass angesichts der Vielgestaltigkeit der Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen eine einheitliche Antwort auf die Frage, ob sich ihre Nutzung für die „reale“ Ausübung der Versammlungsfreiheit „unter freiem Himmel“ eignet, nicht möglich ist.277 Die jeweiligen Einrichtungsflächen sind vielmehr im Wege einer Einzelfallbetrachtung unter Berücksichtigung ihrer öffentlichen Zweckbestimmung und insbesondere ihrer tatsächlichen Verwendung (in der konkreten Situation) auf ihre Eignung hin zu beurteilen, eine von Art. 8 I GG erfasste Versammlungsfläche zu sein. Dennoch ist allgemein festzuhalten, dass auch die Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen in vergleichbarer Weise wie die öffentlichen Straßen prinzipiell dazu geeignet sein können, die Versammlungsfreiheit „unter freiem Himmel“ „real“ werden zu lassen. Aus dieser Eignungsfeststellung folgt allerdings noch nicht, dass der Staat gem. Art. 8 I GG auch tatsächlich verpflichtet ist, den Versammlungsteilnehmern die Nutzung dieser Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen zu ermöglichen.278 Eine entsprechende staatliche Verpflichtung ist stimmung durch den Einrichtungsträger auf den Umfang u. den konkreten Inhalt des Schutzgehalts von Art. 8 I GG zeigen sich erst bei der Frage, ob der Einrichtungsträger im Einzelfall tatsächlich verpflichtet ist, seine Fläche für die Durchführung einer Versammlung zur Verfügung zu stellen. S. dazu noch unter C. III. 2. b) cc). 275 Vgl. auch Hong, in: Peters / Janz, HdB VersR, B. Rn. 37. 276 Speziell dazu BVerfG, NJW 2014, 2706 ff. S. auch die Auswertung der Rechtsprechungsanalyse unter C. II. 1. d). 277 Vgl. insoweit auch die Feststellung von Siehr, Das Recht am öffentlichen Raum, 575: „angesichts der Vielgestaltigkeit öffentlicher Einrichtungen [lassen] sich keine übergreifenden Merkmale als Anhaltspunkte für eine einheitliche ‚Indienststellung‘ aller öffentlichen Einrichtungen für ein spezielles Grundrecht finden.“ 278 Zu der damit angesprochenen Unterscheidung in der Literatur zwischen „prima facie“ u. „definitivem“ Grundrechtsschutz Schwabe, Probleme der Grundrechtsdogmatik, 152; ­Borowski, Grundrechte als Prinzipien, 34 ff.; Isensee, in: Isensee / K irchhof, HdbStR, Bd. IX, § 191 Rn. 86. Die Terminologie basiert auf Alexy, Theorie der Grundrechte, 87 ff., 251 ff., 272 ff. Damit vergleichbar ist die Unterscheidung von „Schutzbereich“ u. „effektivem Garantiebereich“ von Krisor-Wietfeld, Rahmenbedingungen der Grundrechtsausübung, 148 f.; 199. Diese Unterscheidungen beziehen sich zwar im Wesentlichen nur auf eine eingriffsabwehrrecht­liche

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C. Art. 8 I GG und die Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen 

nur dann zu bejahen, wenn der Schutzgehalt von Art. 8 I GG vom Staat auch die Bereitstellung der Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen für Versammlungszwecke verlangt.279 Damit ist die Frage nach Inhalt und Reichweite der Schutzpflichtendimension des Art. 8 I GG in Bezug auf die Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen aufgeworfen.280

2. Inhalt und Reichweite des Schutzgehalts von Art. 8 I GG für die Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen Das Grundgesetz garantiert die Versammlungsfreiheit als realisierbare Freiheit und verpflichtet daher den Staat dazu, auch die faktischen Voraussetzungen zu schaffen bzw. bereitzuhalten, die erforderlich sind, damit die Versammlungsteilnehmer von ihrer rechtlich gewährleisteten Versammlungsfreiheit auch tatsächlich Gebrauch machen können.281 Wie bereits gezeigt, konkretisiert sich diese aus Art. 8 I GG folgende (abstrakte) Schutzzielvorgabe auf die konkrete Verpflichtung des Staates, geeignete Flächen für die Durchführung von Versammlungen „unter freiem Himmel“ bereitzustellen bzw. deren (erlaubnisfreie)  Nutzung zu ermöglichen.282 Die Auslegung von Art. 8 I GG hat ferner ergeben, dass der Staat dazu verpflichtet ist, die Nutzung öffentlicher Straßen für Versammlungszwecke zu ermöglichen, weil die Versammlungsteilnehmer zwingend auf die Zurverfügungstellung des öffentlichen Straßenraums angewiesen sind.283 Da auch die Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen prinzipiell geeignet sein können, die Versammlungsfreiheit „unter freiem Himmel“ real werden zu lassen, ist im Folgenden zu untersuchen, ob die Grundrechtsträger zur „realen“ Durchführung ihrer Versammlungsfreiheit „unter freiem Himmel“ ebenso zwingend auf die Bereitstellung dieser Flächen angewiesen sind.284

Perspektive des Grundrechtsschutzes, können i. E. aber auf die Unterscheidung zwischen abstraktem Schutzgehalt u. konkreter staatlicher Schutzverpflichtung übertragen werden. Im Kontext von Art. 8 I GG u. der Nutzung privater Räume Prothmann, Die Wahl des Versammlungs­ ortes, 164 ff. Vgl. auch Krisor-Wietfeld, Rahmenbedingungen der Grundrechtsausübung, 200 f., die den sog. „prima facie“ Schutz von Art. 8 I GG auf sämtliche Orte erstreckt, an dem deutsche Staatsgewalt ausgeübt wird. 279 Vgl. für den öffentlichen Straßenraum unter B. III. 1. d) u. unter B. V. 2. sowie abstrakt für die Ableitung konkreter Schutzpflichten unter B. IV. 3. a). 280 Allgemein zur Bedeutung gemeindlicher öffentlicher Einrichtungen für die Realisierung der Freiheitsgrundrechte bereits Scholz, Einrichtungen 219 ff., 227 ff. sowie Herbig, Die öffentlichen Einrichtungen, 164 ff. 281 S. dazu oben unter B. III. 1. 282 Vgl. oben unter unter B. III. 1. d) u. unter B. V. 1. und B. V. 2. 283 Vgl. oben unter unter B. III. 1. d) u. unter B. V. 1. und B. V. 2. 284 S. zu diesem Kriterium allgemein unter B. IV. 3. a) u. im Kontext der Schutzpflicht in Bezug auf die öffentlichen Straßen unter B. III. 1. d) sowie unter B. V. 1. u. B. V. 2.

III. Die staatliche Schutzverpflichtung aus Art. 8 I GG  

165

a) Grundsatz: Keine strukturelle Abhängigkeit285 Gegen eine Abhängigkeit der Versammlungsteilnehmer von der Nutzung sämtlicher Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen spricht die gewonnene Erkenntnis, dass sich diese Flächen angesichts ihrer Vielgestaltigkeit nicht pauschal für die Durchführung einer Versammlung „unter freiem Himmel“ eignen.286 Hinzu kommt, dass die grundrechtlich garantierte Versammlungsfreiheit regelmäßig nicht „leerläuft“, wenn die Versammlungsteilnehmer nicht auf die Flächen sonstiger staatlicher Einrichtung für die Durchführung einer Versammlung zurückgreifen können. Der Staat stellt mit den öffentlichen Straßen bereits Flächen zur Verfügung, die von den Grundrechtsträger für die Durchführung einer Versammlung erlaubnisfrei genutzt werden können.287 Die Gewährleistung „realer“ Versammlungsfreiheit ist daher nicht strukturell von der staatlichen Bereitstellung der Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen abhängig.288 Dementsprechend folgt aus Art. 8 I GG jedenfalls keine staatliche Schutzverpflichtung, die Nutzung sämtlicher für Versammlungen prinzipiell geeigneter Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen für Versammlungszwecke zu ermöglichen.289 b) Ausnahme: Verdichtung auf Benutzungsanspruch Diese fehlende strukturelle Abhängigkeit schließt allerdings nicht aus, dass die Grundrechtsträger im Einzelfall zur „realen“ Ausübung ihrer von Art. 8 I GG geschützten Versammlungsfreiheit auch auf die Nutzung der Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen zwingend angewiesen sind.290 Der Schutzgehalt von Art. 8 I GG erschöpft sich nämlich nicht darin, dass Versammlungen „unter freiem Himmel“ überhaupt in der Öffentlichkeit stattfinden können.291 Art. 8 I GG gewährleistet den Grundrechtsträgern vielmehr auch das Selbstbestimmungsrecht über die Art und den Umfang der geplanten Versammlung sowie das Recht aus 285

Zu dem Kriterium der strukturellen Abhängigkeit s. oben unter B. IV. 3. a). Vgl. dazu die Rechtsprechung des BVerfGs, insbes. BVerfGE 12, 205 (262 f.); 31, 314 (326 f.); 35, 79 (115 f.); 73, 118 (153). S. auch Sailer, DVBl. 1976, 521 (527). Speziell für den öffentlichen Straßenraum unter B. V. 2. 286 S. dazu die Auswertung oben unter C. III. 1. c). 287 S. zur Schutzpflichtenerfüllung des Staates mittels Bereitstellung öffentlicher Straßen für Versammlungszwecke oben ausführlich unter B. V. 3. b). 288 Vgl. auch die Feststellung von Ehrentraut, Die Versammlungsfreiheit im amerikanischen und deutschen Verfassungsrecht, 174. 289 So ist wohl auch die Aussage des BVerwGs in BVerwGE 91, 135 (138) zu verstehen, wenn es ausführt, dass sich „dem in Art. 8 I GG gewährleisteten Grundrecht auf Versammlungsfreiheit (…) ein genereller Anspruch der Kl. gegenüber der Bekl., auf der Hofgartenwiese Großkundgebungen durchführen zu dürfen, nicht entnehmen [lässt].“ (Hervorh. d. Verf.). 290 Vgl. insoweit auch die Feststellung von Siehr, Das Recht am öffentlichen Raum, 575: „Es kommt auf die Umstände des Einzelfalles an.“ So i. E. auch Sachs, in: Stern, Staatsrecht IV/1, 1228. 291 Vgl. für das Straßennutzungsrecht Röthel, Grundrechte in der mobilen Gesellschaft, 101.

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C. Art. 8 I GG und die Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen 

zuwählen, welche Öffentlichkeit, also insbesondere welcher Ardessatenkreis, erreicht werden soll.292 aa) Keine Verfügbarkeit anderer geeigneter Versammlungsflächen: Monopolstellung des Einrichtungsträgers Insoweit können zunächst die von den Versammlungsteilnehmern gewählte (äußere) Gestaltung einer Versammlung sowie das örtliche Umfeld dazu führen, dass die Fläche einer sonstigen staatlichen Einrichtung tatsächlich die einzige Örtlichkeit ist, auf der die Grundrechtsträger von der Versammlungsfreiheit in der von ihnen gewählten Art und Weise Gebrauch machen können.293 Handelt es sich bei der Versammlung z. B. um eine Großkundgebung, die aufgrund der hohen Teilnehmeranzahl die räumliche Kapazität des in einer Gemeinde verfügbaren öffentlichen Straßenraums übersteigt, kann beispielsweise die Nutzung einer großflächigen gemeindlichen Grünanlage für die „reale“ Durchführung der Versammlung zwingend erforderlich werden.294 Insoweit verfügt die Gemeinde als Einrichtungsträgerin der Grünanlage in einer Art Monopolstellung über die benötigte Versammlungsfläche:295 Würde sie die Nutzung ihrer Grünanlage für Versammlungszwecke untersagen, könnten die Versammlungsteilnehmer die geplante 292 So ausdrücklich BVerfG, NJW 2007, 2167 (269): „Das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit schützt das Interesse des Veranstalters, auf einen Beachtungserfolg nach seinen Vorstellungen zu zielen, also gerade auch durch eine möglichst große Nähe zu dem symbolhaltigen Ort (vgl. BVerfGE 69, 315 (323, 365).“ So i. E. auch Kniesel, in: Dietel / Gintzel / K niesel, VersG, Teil I Rn. 134 f., 141 f.; Kniesel / Poscher, in: Lisken / Denninger, HdB PolR, K. Rn. 73; Deiseroth / Kutscha, in: Breitbach / Deiseroth / Rühl, Versammlungsrecht, Art. 8 GG Rn. 104, § 15 Rdn. 290; Scheidler, DAR 2009, 380 (383). Zum Schutz des „inhaltlichen Gehalts der Straßennutzung“ Röthel, Grundrechte in der mobilen Gesellschaft, 100 f. In Bezug auf die Inanspruchnahme von privaten Räumen für Versammlungszwecke Prothmann, Die Wahl des Versammlungsortes, 198. 293 Speziell für die Überlassung von Räumen einer Universität VGH München, BeckRS 2010, 8580. Zu diesem Kriterium im Kontext der Entscheidung des BVerwGs zur Bonner Hofgartenwiese auch Kniesel, NJW 1996, 2606 (2611). S. auch Gornik, Die Bindung der Betreiber öffentlicher Räume, 353 f., allerdings für private Räume. 294 Vgl. auch Gornik, Die Bindung der Betreiber öffentlicher Räume, 354. 295 Den Aspekt der Monopolstellung benennt auch das BVerwG in der Entscheidung zur Bonner Hofgartenwiese, allerdings ohne darauf weiter einzugehen, s. BVerwGE 91, 135 (139). Vgl. aus der Rechtsprechung auch VGH München, BeckRS 2010, 8580 für die Räumlichkeit einer Universität: „Das Auditorium Maximum hat im Bereich der Stadt Regensburg nach wie vor wegen des Fehlens eines vergleichbaren Saals eine wichtige Funktion auch für außeruniversitäre Veranstaltungen und wird von der UR, die insoweit eine faktische Monopolstellung hat, regelmäßig an private Veranstalter vermietet.“ (Hervorh. d. Verf.). S. auch OVG Hamburg, NVwZ 2018, 1077 (1079). Ebenso stellt Sachs, in: Stern, Staatsrecht IV/1, 1228 auf dieses Kriterium ab, um einen Anspruch auf Nutzung der Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen aus Art. 8 I GG herzuleiten. Mit dem Kriterium der Monopolstellung setzt sich auch Evertz, Die Bedeutung der Grundrechte, 157 ff. allerdings in Bezug auf Art. 12 I GG u. Art. 5 GG auseinander. Dazu auch Scholz, Einrichtungen, 239 f. sowie Krebs, NVwZ 1985, 609 (612).

III. Die staatliche Schutzverpflichtung aus Art. 8 I GG  

167

Versammlung mangels faktischer Gegebenheiten in dem von ihnen vorgesehenen Format der Großkundgebung nicht durchführen. In diesem speziellen Fall sind die Grundrechtsträger also auf die Nutzung der gemeindlichen Grünanlage in einem Maße angewiesen, das mit der strukturellen Abhängigkeit der Versammlungsfreiheit von der Nutzung des öffentlichen Straßenraums vergleichbar ist.296 bb) Spezifischer Ortsbezug durch Versammlungsthema Ferner können die Grundrechtsträger auch dann zwingend auf die Nutzung der Fläche einer sonstigen staatlichen Einrichtung angewiesen sein, wenn zwischen der Wahl einer Versammlungsfläche und dem Versammlungsanliegen eine „untrennbare Wirkungseinheit“297 besteht.298 Voraussetzung dieser „untrennbaren Wirkungseinheit“ ist, dass zwischen dem Thema bzw. dem Zweck einer Versammlung und der Fläche einer sonstigen staatlichen Einrichtung ein spezifischer inhaltlicher oder zeitlicher Zusammenhang besteht, der dazu führt, dass die Versammlung ihr Anliegen nur auf dieser bestimmten Einrichtungsfläche „sinnvoll“ zur Geltung bringen kann.299 Würde der Staat die Grundrechtsträger in dieser Situation pauschal auf die Nutzung des öffentlichen Straßenraums verweisen, könnten sie zwar weiterhin von ihrer Versammlungsfreiheit „irgendwo“ Gebrauch machen.300 296 So argumentiert Fehling, JuS 2003, 246 (248) für die Nutzung der Bonner Hofgartenwiese u. folgert daraus, dass ein Überlassungsanspruch der Versammlungsteilnehmer hätte erwogen werden müssen. So i. E. auch Kniesel, NJW 1996, 2606 (2610). S. dazu auch Siehr, Das Recht am öffentlichen Raum, 573. Allgemein zur Abhängigkeit der Gemeindeeinwohner von den Leistungen der gemeindlichen öffentlichen Einrichtungen Kraicziczek, Bedeutung und Grenzen der Benutzungsordnungen, 32 f., 58. 297 Barczak, in: Ridder / Breitbach / Deiseroth, VersR, § 15 Rn. 248. 298 Vgl. Kniesel, in: Dietel / Gintzel / K niesel, VersG, Teil I Rn. 147. Aus abwehrrechtlicher Perspektive in Bezug auf den Schutz von Versammlungen auf privaten Flächen Scharlau, Schutz von Versammlungen auf privatem Grund, 241. Vgl. insoweit auch die Anmerkung von Saxer, Die Grundrechte und die Benutzung öffentlicher Straßen, 288, dass die Möglichkeit des Ausweichens auf eine andere Versammlungsfläche bei einem engen Sachbezug zwischen dem gewählten Abhaltungsort für eine Versammlung u. deren Thema anders zu beurteilen ist, als beim Fehlen eines inhaltlichen Zusammenhangs. Auch Bosshart, Demonstrationen auf öffentlichem Grund, 138 möchte dieses Kriterium in der Abwägung berücksichtigt wissen. 299 Diesen Aspekt betont i. E. auch Burgi, DÖV 1993, 633 (642) u. nennt als Beispiel die Demonstration gegen eine Schulreform in der Schule. S. auch Röthel, Grundrechte in der mobilen Gesellschaft, 100: „Versammlungen können schon durch die Ortswahl den Gegenstand des Protestes sinnlich fassbar machen. (…) Die Wahl des Versammlungsortes ist damit mehr als eine Formsache.“ Nach Gornik, Die Bindung der Betreiber öffentlicher Räume, 353 kann sich ein besonderes Raumbedürfnis z. B. daraus ergeben, dass „der Raum selbst im Fokus der öffentlichen Debatte steht“. S. dazu auch die Ausführungen von Prothmann, Die Wahl des Versammlungsortes, 31 f. 300 Vgl. Frowein, NJW 1969, 1081 (1084) mit dem Einwand, dass für die Ausübung der Versammlungsfreiheit der Raum genüge, der den Versammlungsteilnehmern normalerweise widmungsgemäß zugänglich ist. Krit. dazu z. B. Röthel, Grundrechte in der mobilen Gesellschaft, 100 f.

168

C. Art. 8 I GG und die Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen 

Allerdings wäre den Versammlungsteilnehmern der von Art. 8 I GG gewährleistete Beachtungserfolg nicht garantiert. Beispielsweise erreichen Studierende, die gegen einen geplanten Beschluss des Universitätssenats zur Änderung der Prüfungsordnung demonstrieren möchten, ihr Ziel am „effektivsten“, wenn sie sich auf dem Universitätsgelände versammeln, bestenfalls genau vor dem Gebäude, in dem der Senat tagt.301 Wären die Studierenden auf den öffentlichen Straßenraum verwiesen, z. B. auf einen öffentlichen Platz im vom Universitätsgelände weit entfernen Stadtzentrum, wäre nicht gewährleistet, dass die Versammlungsteilnehmer mit ihren Anliegen beim Universitätssenat überhaupt Gehör fänden.302 In diesem Fall wäre die Wirkung der Versammlung wesentlich abgeschwächt. Eventuell würde die Durchführung der Versammlung für die Studierenden sogar insgesamt ihren „Sinn“ verlieren,303 sodass die in Art. 8 I GG garantierte Versammlungsfreiheit für sie faktisch leerlaufen würde. Je essentieller die Wahl einer bestimmten Einrichtungsfläche für das Thema bzw. den Zweck einer Versammlung ist, desto eher drängt der Schutzgehalt von Art. 8 I GG also darauf, dass der Staat den Grundrechtsträgern die Nutzung dieser spezifischen Fläche ermöglicht. Auch das BVerfG stellt auf diesen Wirkungszusammenhang zwischen Versammlungsanliegen und Ortswahl ab, wenn es entscheidet, dass aus Art. 8 I GG ein Recht der Versammlungsteilnehmer folgt, ihre Versammlung auf einem Friedhofsgelände abzuhalten, um ihre Bedenken gegen eine dort stattfindende Gedenkveranstaltung zu bekunden.304 In vergleichbarer Weise ist für das OVG Münster das Kriterium des Ortsbezugs ausschlaggebend: Es bejaht die Zulässigkeit der Durchführung einer Versammlung auf der Fläche einer städtischen Grünfläche vor allem deshalb, weil die Grundrechtsträger mit ihrer Versammlung den Bau eines Lebensmittelmarkts verhindern wollen, der auf der städtischen Grünfläche errichtet werden soll.305 cc) Grenze der Schutzpflicht: Einrichtungszweck und Gewährleistung der Aufgabenerfüllung Die äußere Gestaltung einer Versammlung im Hinblick auf Umfang und Größe sowie ihr inhaltlicher Zweck können im Einzelfall also zu einer Verdichtung des Schutzgehalts von Art. 8 I GG auf ein Benutzungsrecht der Grundrechtsträger für die Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen führen. Einschränkend ist jedoch 301 Nach Kniesel, in: Dietel / Gintzel / K niesel, VersG, Teil I Rn. 39 haben Schüler einen Anspruch auf Überlassung von Räumlichkeiten ihrer Schule, wenn bei einer geplanten Demonstration gegen eine bevorstehende Schulreform ein spezifischer Zusammenhang zwischen Versammlungsort u. -thema besteht. 302 Vgl. Kniesel, in: Dietel / Gintzel / K niesel, VersG, Teil I Rn. 142, 147, der weitere Beispiele anführt. 303 Vgl. Scheidler, DAR 2009, 380 (384). 304 Vgl. BVerfG, NJW 2014, 2706 ff. Dazu bereits oben unter C. II. 1. d). 305 Vgl. OVG Münster, BeckRS 2014, 48485. Zu dieser Entscheidung schon oben unter unter C. II. 1. d).

III. Die staatliche Schutzverpflichtung aus Art. 8 I GG  

169

zu beachten, dass der Staat die Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen an sich bereitstellt, um bestimmte öffentliche Verwaltungsaufgaben für die Bürger zu erfüllen.306 Berücksichtigt man die räumliche Dimension einer Versammlung, ihre potentiell hohe Lautstärke sowie die häufig große Anzahl an Versammlungsteilnehmern ist zumindest nicht ausgeschlossen, dass die Abhaltung einer Versammlung auf den Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen die Erfüllung dieser öffentlichen Aufgaben erheblich stört oder sogar gänzlich behindert. Die Grundrechtsträger können daher die Nutzung der Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen jedenfalls dann nicht verlangen, wenn die Durchführung der Versammlung dazu führen würde, dass die öffentliche Verwaltungsaufgabe durch den Einrichtungsträger überhaupt nicht mehr bzw. nur wesentlich erschwert wahrgenommen werden kann. Soweit die öffentliche Zweckbestimmung der Einrichtungsfläche aus der Wahrnehmung dieser öffentlichen Verwaltungsaufgabe resultiert, ist sie daher als Grenze bei der Ableitung konkreter Schutzpflichten zu berücksichtigen.307 Je eher die Nutzung einer Einrichtungsfläche dem Einrichtungszweck dient, desto höher ist die Gefahr, dass eine versammlungsspezifische Nutzung die Aufgabenerfüllung durch die Einrichtung wesentlich beeinträchtigt. Umgekehrt wird die Wahrnehmung der öffentlichen Aufgabe durch die Durchführung einer Versammlung auf der Einrichtungsfläche in der Regel nicht maßgeblich behindert, wenn der Einrichtungsträger die entsprechende Fläche auch für andere (zweckfremde) Nutzungen zur Verfügung stellt bzw. diese zumindest duldet. Das gilt insbesondere dann, wenn die Fläche einer sonstigen staatlichen Einrichtung neben dem origi 306

S. dazu allgemein oben unter C. I. 2. a). Zusätzlich orientiert sich die Verdichtung grundrechtlicher Schutzgehalte auf konkrete Schutzmaßnahmen an dem „Vorbehalt des Möglichen“. S. dazu allgemein unter B. IV. 3. a). Da der „Staat“ als Einrichtungsträger aber über die entsprechenden Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen verfügt bzw. zumindest deren Verteilung steuern kann, ist ihm jedenfalls die tatsächliche Bereitstellung der Einrichtungsflächen für Versammlungen möglich. 307 Vgl. für das Straßenrecht Saxer, Die Grundrechte und die Benutzung öffentlicher Straßen, 225. Allerdings wird der Aspekt der „Aufgabenerfüllung“ bzw. des Einrichtungszwecks im Rahmen der Ableitung von Flächennutzungsrechten aus Art. 8 I GG in der Literatur ganz unterschiedlich bewertet: Beispielsweise stellt Baudewin, Öffentliche Ordnung im Versammlungsrecht, Rn. 278, auf die Maßgeblichkeit der Widmung mit der Begründung ab, dass anderenfalls die Versammlungsfreiheit zur Durchbrechung der Kompetenzordnung des Gesetzgebers instrumentalisiert u. so in das Widmungsrecht des Hoheitsträgers eingegriffen werde. Berger, Jura 2013, 279 (281) erwägt, dass es sich bei dem Interesse des staatlichen Aufgabenträgers, seine ihm durch Zuständigkeit übertragenen Aufgaben ungestört wahrnehmen zu können, um ein verfassungsrechtlich gewährleistetes Gegenrecht handeln könne. Sachs, in: Stern, Staatsrecht IV/1, 1228, möchte den Aspekt der verfassungsrechtlich vorausgesetzten Wahrnehmung der verschiedenen öffentlichen Aufgaben im Rahmen der Rechtfertigung berücksichtigen. Ehrentraut, Die Versammlungsfreiheit im amerikanischen und deutschen Verfassungsrecht, 174 hingegen ordnet den Widmungszweck bereits auf Schutzbereichsebene zur Einschränkung des Schutzgehalts von Art. 8 I GG ein, sodass schon gar keine Rechtfertigung erforderlich ist.

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C. Art. 8 I GG und die Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen 

nären Einrichtungszweck eine allgemeine Öffentlichkeits- und Kommunikationsfunktion erfüllt.308 Das veranschaulicht das bereits genannte Beispiel des universitären Vorplatzes.309 Diese vor dem Universitätsgebäude liegende Fläche ist ein Bereich, der den Zutritt zum Universitätsgebäude ermöglichen und darüber hinaus Studierenden, Lehrkräften und eventuell auch sonstigen Passanten einen allgemeinen Aufenthaltsort bieten soll. Da der universitäre Vorplatz damit als „öffentliches Forum“ auch eine Verkehrs- bzw. Kommunikationsfunktion erfüllt,310 kann die Durchführung einer Versammlung auf dieser Fläche in der Regel schon gar nicht die eigentlichen Aufgaben der Universität behindern. In diesem Fall kann die Universität als Einrichtungsträgerin z. B. das Begehren von Studierenden, diese Fläche zum Protest gegen die Änderung der Prüfungsordnung zu nutzen, jedenfalls nicht pauschal unter Verweis auf die Gewährleistung der öffentlichen Aufgabenerfüllung abweisen. Eine Untersagung der Nutzung des Vorplatzes für Versammlungszwecke käme allenfalls dann in Betracht, wenn die Durchführung der Versammlung den Zugang zu den universitären Gebäuden für Lehrende und Studierende vollständig blockieren würde, so dass die Universität ihre wahrzunehmenden öffentlichen Aufgaben der Lehre und Wissenschaft überhaupt nicht mehr erfüllen könnte. Demgegenüber sind die Hörsäle und Seminarräume im Universitätsgebäude die Orte, an denen primär gelehrt und wissenschaftlich gearbeitet wird. Die Nutzung dieser Flächen dient der Universität also überwiegend zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgabe. Allerdings kann selbst hier noch danach unterschieden werden, ob die Räume im Einzelfall tatsächlich diesem öffentlichen Zweck entsprechend genutzt werden oder ob der Hörsaal z. B. wegen einer Veranstaltungspause leer steht oder gegebenenfalls für sonstige Veranstaltungen wie Konzerte, Festreden, etc. verwendet wird. Zwischen diesen beiden „Extremfällen“, Vorplatz und Hörsaal, liegen die Gänge und Flure im Universitätsgebäude. Diese werden von den Studierenden und Lehrenden nicht für Vorlesungen oder zur wissenschaftlichen Forschung genutzt, sondern dienen primär als Verbindungswege und als Aufenthaltsort der Studierenden für die Zeit zwischen den Vorlesungen. Auch die Gänge in den Universitätsgebäuden erfüllen also eine gewisse Verkehrs- und Aufenthaltsfunktion. Dennoch ist bei diesen Einrichtungsflächen der Bezug zum Einrichtungszweck der Universität stärker ausgeprägt als bei dem außerhalb des Gebäude liegenden Vorplatzes. Aufgrund der räumlichen Nähe zu den Hörsälen und 308

S. zur Öffentlichkeits- u. Kommunikationsfunktion der Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen oben unter C. III. 1. b). Insoweit besteht also ein Zusammenhang zwischen dem für die Eignung herausgearbeiteten Kriterium der Öffentlichkeits- bzw. Kommunikationsfunktion von Versammlungsflächen u. der Grenze der Verdichtung des Schutzgehalts von Art. 8 I GG. Während die Öffentlichkeits- bzw. Kommunikationsfunktion aber primär davon abhängig ist, wie die Einrichtungsfläche in tatsächlicher Hinsicht genutzt wird, kommt es an dieser Stelle v. a. auf die rechtliche Aufgabenbestimmung u. deren Gewährleistung durch die Einrichtungsträger an. 309 Der universitäre Vorplatz wird schon oben unter C. I. 3. b) cc) u. unter C. III. 1. b) erwähnt. 310 Zur Öffentlichkeits- u. Kommunikationsfunktion eines universitären Vorplatzes unter C. III. 1. b).

III. Die staatliche Schutzverpflichtung aus Art. 8 I GG  

171

den Forschungsräumen kann sich das Nutzungsverhalten im Innenbereich einer Universität wesentlich stärker auf den Wissenschafts- und Lehrbetrieb auswirken. Insoweit ist die Gefahr, dass die Durchführung einer Versammlung auf diesen Flächen die Erfüllung der öffentlichen Aufgabe der Universität beeinträchtigt, also wesentlich höher als auf dem Vorplatz außerhalb des Universitätsgebäudes. Wie das Beispiel der unterschiedlichen Flächen einer Universität zeigt, verläuft die „Grenze“ für die Beurteilung, ob die Durchführung einer Versammlung den Einrichtungszweck wesentlich beeinträchtigt oder nicht, häufig zwischen den Flächen, die außerhalb des Einrichtungsgebäudes liegen und denen, die sich im Einrichtungsgebäude befinden. So kann z. B. auch für die versammlungsspezifische Nutzung eines kommunalen Klinikums zwischen Innen- und Außenbereich differenziert werden. Während die Nutzung der Flächen im Krankenhausgebäude primär der medizinischen und pflegerischen Versorgung der Bürger und damit unmittelbar der Erfüllung der öffentlichen Aufgabe eines Krankenhauses dient,311 hat eine mit Bänken ausgestattete Grünfläche, die sich vor dem Krankenhaus auf dem Klinikumsgelände befindet, eine Aufenthalts- und Erholungsfunktion für Patienten und Besucher. Die Nutzung dieser Grünfläche für die Durchführung einer Versammlung würde die wahrzunehmende öffentliche Aufgabe des Krankenhauses in der Regel nicht wesentlich beeinträchtigen. Demgegenüber würde die Veranstaltung einer Protestaktion z. B. auf einer Station im Krankenhaus­gebäude die medizinische Krankenversorgung in erheblichem Umfang behindern. Bei Einrichtungsflächen, bei denen es keinen Innen- und Außenbereich gibt, wie z. B. bei einer kommunalen Parkanlage, kann diese Differenzierung – je nach der Gestaltung im Einzelfall – auf die unterschiedlichen Parkbereiche, also beispielsweise einen Kinderspielplatz oder eine Wiese, übertragen werden.312

3. Zwischenergebnis Die Schutzpflichtendimension von Art. 8 I GG entfaltet damit in Bezug auf die Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen zwar im Grundsatz eine weniger intensive handlungssteuernde normative Kraft als für die Flächen des öffentlichen Straßenraums.313 Wenn aber die Grundrechtsträger im Einzelfall auf die Nutzung 311

Vgl. z. B. die Aufgabenbeschreibung des Klinikums der Stadt Stuttgart gem. § 2 I der Satzung für das Klinikum der Landeshauptstadt Stuttgart v. 25. 10. 2018, erlassen durch den Gemeinderat der Stadt Stuttgart. Die Satzung ist abrufbar unter file:///C:/Users / zxmdp71/ AppData / Local / Temp/5–4-1.pdf (zuletzt abgerufen am 22. 04. 2021). 312 Vgl. für ein Friedhofsgelände OVG Frankfurt, NVwZ-RR 2004, 844 (845 f.). Das OVG Frankfurt differenziert in dieser Entscheidung zwischen dem Friedhofsvorplatz u. dem eigentlichen Friedhofsgelände. 313 Das erklärt, warum Rechtsprechung u. Literatur die Ableitung von Nutzungsrechten an den Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen aus Art. 8 I GG auf Ausnahmefälle beschränken u. im Grundsatz davon ausgehen, dass Art. 8 I GG den Grundrechtsträgern kein generelles Nutzungsrecht für Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen gewährt. S. zur Auswertung von Rechtsprechung und Literatur oben unter C. II. 1. e) u. C. II. 2.

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C. Art. 8 I GG und die Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen 

der Fläche einer sonstigen staatlichen Einrichtung zwingend angewiesen sind und auch die von der Einrichtung wahrzunehmende öffentliche Aufgabe nicht entgegensteht, verdichtet sich der abstrakte Schutzgehalt des Art. 8 I GG zu der staatlichen (Schutz-)Verpflichtung, den Grundrechtsträgern die Fläche einer sonstigen staatlichen Einrichtung für die Abhaltung ihrer Versammlung zur Verfügung zu stellen.314 Darauf ist auch der gegen den Staat gerichtete Schutzanspruch der Versammlungsteilnehmer aus Art. 8 I GG gerichtet. Sie können dann vom Staat verlangen, dass dieser ihnen die (erlaubnisfreie) Nutzung der Einrichtungsfläche für die Durchführung ihrer Versammlung ermöglicht. Insoweit können die Grundrechtsträger also gegenüber dem Staat ein aus der Schutzpflichtendimension des Art. 8 I GG folgendes „Benutzungsrecht“ auch für die Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen geltend machen.315

IV. Umsetzung der staatlichen Schutzverpflichtung Da Art. 8 I GG nicht unmittelbar zu entnehmen ist wie, d. h. mit welchen rechtlichen oder tatsächlichen Maßnahmen der Staat dieses Schutzergebnis erreichen soll,316 bleibt ihm bei der konkreten Ausgestaltung des Flächenbenutzungsrechts der Versammlungsteilnehmer ein Gestaltungsspielraum.317 Die durch das Untermaßverbot aufgestellte Grenze an gebotenem Mindestschutz verpflichtet den Staat „nur“ dazu, insgesamt sicherzustellen, dass die Grundrechtsträger für die Durchführung einer Versammlung „unter freiem Himmel“ im Einzelfall auch die Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen tatsächlich nutzen dürfen.318 Damit stellt sich erneut die Frage, ob der Staat dieser Schutzverpflichtung aus Art. 8 I GG aktuell nachkommt.

314

So auch die überwiegende Literatur u. Rechtsprechung. Dazu oben unter C. II. So i. E. auch Depenheuer, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 8 Rn. 116, der davon ausgeht, dass die Versammlungsteilnehmer einen aus Art. 8 I GG folgenden Benutzungsanspruch für eine gemeindliche Mehrzweckhalle haben, wenn keine Alternative verfügbar ist. Vgl. auch die Argumentation von Hoffmann-Riem, in: Merten / Papier, Hdb GR, Bd. IV, § 106 Rn. 84 für Versammlungsflächen in privater Trägerschaft, der dann „wenn an dem für die Erfüllung des Versammlungszwecks wichtigen Ort kein anderer geeigneter Versammlungsraum verfügbar ist und deren Bereitstellung nicht unzumutbar ist“ einen Kontrahierungszwang bejaht. In Bezug auf Art. 12 I GG auch Evertz, Die Bedeutung der Grundrechte, 159. 316 Zur Unbestimmtheit der Schutzpflicht allgemein unter B. IV. 3. a). 317 Zum staatlichen Gestaltungsspielraum u. zum Untermaßverbot unter B. IV. 3. b). 318 Vgl. dazu die allgemeinen Ausführungen unter unter B. IV. 3. b). Zum Grundsatz des arbeitsteiligen Zusammenwirkens der drei Staatsgewalten bei der Umsetzung der Schutzpflicht unter B. IV. 3. c) cc). 315

IV. Umsetzung der staatlichen Schutzverpflichtung 

173

1. Abstrakt-generelle Regelung der Flächennutzung durch die (Landes-)Gesetzgeber und die Einrichtungsträger Da die Schaffung und die konkrete Ausgestaltung der Nutzung der Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen überwiegend in den weisungsfreien Selbstverwaltungsbereich der Einrichtungsträger fällt,319 trifft die Pflicht zur versammlungsfreundlichen Ausgestaltung der Rechtsordnung neben den (Landes-)Gesetzgebern vor allem die Einrichtungsträger selbst.320 Anders als für die öffentlichen Straßen besteht für die Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen daher kein primär gesetzliches „Schutzkonzept“.321 Durch die gesetzlichen Regelungen zur Schaffung gemeindlicher öffentlicher Einrichtungen (z. B. § 10 II 1 GemO BW) sowie den speziellen Bestimmungen z. B. des Schul-, Hochschul- oder Friedhofsrechts, ist den Gemeinden und den sonstigen Hoheitsträgern die Möglichkeit eröffnet, Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen zu bauen und bereitzustellen. Mit dem Instrument der öffentlichen Zweckbestimmung können die Einrichtungsträger dann dafür sorgen, dass die Einrichtungsflächen den Bürgern auch tatsächlich zur Nutzung bereitstehen.322 Damit ist sichergestellt, dass die „reale“ Voraussetzung für das im Einzelfall von Art. 8  I GG verlangte Flächenbenutzungsrecht der Versammlungsteilnehmer in Form des Vorhandenseins des Substrats „Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen“ gewährleistet werden kann. Die effektive Umsetzung der staatlichen Schutzpflicht verlangt vom Staat neben der Schaffung von Einrichtungsflächen aber auch den Erlass von Rechtssätzen, die den Grundrechtsträgern im Einzelfall die Nutzung dieser Flächen für Versammlungszwecke ermöglichen. Mithilfe der „Widmung“ öffentlicher Einrichtungen323 und der gemeinderechtlichen Regelung gem. § 10 II 2 GemO BW wird ein subjektives Recht für die jeweiligen Gemeindeeinwohner begründet, die Flächen gemeindlicher öffentlicher Einrichtungen (erlaubnisfrei) zu nutzen.324 Für alle anderen Einrichtungsflächen fehlen vergleichbare gesetzliche Regelungen.325 In diesen Fällen besteht ein subjektives Recht der Bürger, die Einrichtungsflächen zu nutzen nur dann, wenn ihnen die Einrichtungsträger eine entsprechende Rechtsposition in 319

Vgl. oben unter C. I. 2. a) u. unter C. I. 3. c) aa). Werden die Einrichtungsträger „rechtssetzend“ tätig, in dem sie beispielsweise eine Benutzungssatzung erlassen oder sonstige Nutzungsregelungen aufstellen, gelten die Grundsätze der primären Schutzpflichtenstufe, vgl. Fn. 465, 477 u. 492. 321 Zu den staatlichen Anforderungen der Schutzpflicht auf primärer Schutzpflichtenebene unter B. IV. 3. c) aa). 322 Zur Entstehung der Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen bereits ausführlich unter C. I. 3. 323 S. zur öffentlichen Zweckbestimmung der Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen oben unter C. I. 3. a). 324 Allgemein zur Bedeutung von § 10 II GemO BW oben unter C. I. 3. b) aa). 325 Vgl. die Ausführungen unter C. I. 3. b) aa). 320

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C. Art. 8 I GG und die Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen 

einer Nutzungsregelung einräumen.326 Die den Bürgern von § 10 II 2 GemO BW oder von den Einrichtungsträgern eingeräumten Benutzungsrechte berechtigen sie jedoch regelmäßig nur zu solchen Nutzungen, die sich im Rahmen der öffentlichen Zweckbestimmung der Einrichtungsfläche bewegen.327 Die Durchführung einer Versammlung zählt – wie schon ausgeführt –328 grundsätzlich nicht dazu. Dementsprechend haben die Versammlungsteilnehmer – jedenfalls auf den ersten Blick – weder nach den gemeinderechtlichen Bestimmungen noch nach den von den Einrichtungsträgern erlassenen Nutzungsregelungen einen Rechtsanspruch darauf, die Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen für Versammlungszwecke zu nutzen. Die begehrte versammlungsspezifische Nutzung ist vielmehr von einer Erlaubnis bzw. Zulassung abhängig, deren Erteilung im Ermessen der Einrichtungsträger liegt.329 Da aus Art. 8 I GG keine staatliche Schutzverpflichtung folgt, die Nutzung sämtlicher für Versammlungen prinzipiell geeigneter Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen für Versammlungszwecke zu ermöglichen,330 ist es zur Wahrung des gebotenen Mindestschutzes auch nicht erforderlich, dass die Einrichtungsträger die versammlungsspezifische Nutzung ihrer Einrichtungsflächen in abstrakt-­ genereller Form regeln. Der Schutzgehalt von Art. 8 I GG verpflichtet die Einrichtungsträger vielmehr „nur“ dazu, die Nutzung ihrer Einrichtungsflächen rechtlich so auszugestalten, dass die Grundrechtsträger für den Fall, dass sie zur „realen“ Ausübung ihrer Versammlungsfreiheit zwingend auf die Nutzung der Fläche einer sonstigen staatlichen Einrichtung angewiesen sind, die Bereitstellung dieser Flächen auch rechtlich verlangen können.331 Dafür ist es ausreichend, wenn die öffentliche Zweckbestimmung der Einrichtung und die gegebenenfalls vorhandenen Nutzungsregelungen einer versammlungsspezifischem Flächennutzung nicht von vornherein generell entgegenstehen und diese zumindest im Einzelfall z. B. im Wege der Erlaubniserteilung zugelassen werden kann.

326

In welcher Form die Nutzungsregelungen ergehen können, wird unter C. I. 3. b) bb) u. cc) ausgeführt. 327 S. insbesondere oben unter C. I. 3. c) aa). Vgl. Roth, Die kommunalen öffentlichen Einrichtungen, 134; Axer, Die Widmung als Schlüsselbegriff, 147; Kraicziczek, Bedeutung und Grenzen der Benutzungsordnungen, 161; Ossenbühl, DVBl. 1973, 289 (296); Kment / Weber, JA 2013, 119 (120); Axer, NVwZ 1996, 114 (116); Lange, in: Püttner, HdBKWP, 3, § 52, 166; Fleckenstein, in: Dietlein / Pautsch, KommunalR BW, § 10 Rn. 20; Helbich, JuS 2017, 507 (507); Axer, DÖV 2013, 165 (168) bezeichnet die Zweckbestimmung daher als ein „Instrument zur Nutzungsregelung“; OVG Münster, NVwZ-RR 1993, 318 (318). 328 Warum das so ist, wird unter C. I. 5. erläutert. 329 So bereits die Feststellung unter C. I. 5. 330 S. oben unter C. III. 2. a). 331 Vgl. für das Straßenrecht Saxer, Die Grundrechte und die Benutzung öffentlicher Straßen, 255: „eine im öffentlichen Interesse liegende Daseinsvorsorgetätigkeit [ist] verfassungskonform auszugestalten.“

IV. Umsetzung der staatlichen Schutzverpflichtung 

175

Zu berücksichtigen ist dabei, dass der öffentliche Zweck, dem die Einrichtungsflächen zu dienen bestimmt sind, teilweise von den Einrichtungsträgern nicht definiert bzw. so offen formuliert ist, dass vielfältige Nutzungsarten erfasst sein können. Dann ist die öffentliche Zweckbestimmung der Einrichtungsfläche einer (verfassungskonformen) Auslegung zugänglich. Zudem ist zu beachten, dass die Entscheidung über die Erteilung der Erlaubnis für Nutzungen, die über den Einrichtungszweck hinausgehen, im Ermessen der Einrichtungsträger liegt.332 Auf diesem Weg bleibt den zur Umsetzung und Anwendung der Nutzungsregelungen berufenen Organen bzw. Behörden der Einrichtungsträger sowie den Verwaltungsgerichten ein Spielraum, den sie zur weiteren Umsetzung der staatlichen Schutzpflicht nutzen können.333 Ob der Staat seine Schutzpflicht aus Art. 8 I GG effektiv erfüllt, hängt daher entscheidend davon ab, wie das durch die Einrichtungsträger ausgestaltete Schutzkonzept im Einzelfall von der Verwaltung und den zuständigen Fachgerichten angewendet wird.

2. Sekundäre Schutzpflichtenebene a) Bestand an geeigneten Versammlungsflächen Da eine große Anzahl ganz unterschiedlicher Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen vorhanden ist, ist davon auszugehen, dass die Einrichtungsträger insoweit ihre Schutzverpflichtung erfüllen. Aus Art. 8 I GG folgt daher (derzeit) kein Anspruch der Versammlungsteilnehmer gegen die Einrichtungsträger auf Schaffung von neuen bzw. mehr für Versammlungen „unter freiem Himmel“ geeignete Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen. Dasselbe gilt auch dann, wenn die Kapazität einer Einrichtungsfläche im Einzelfall erschöpft ist. Eine Verpflichtung der Einrichtungsträger aus Art. 8 I GG auf eine Kapazitätserweiterung bereits bestehender Einrichtungsflächen käme allenfalls dann in Betracht, wenn sich der Bestand an den Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen dergestalt verringert, dass die Abhaltung von Versammlungen „unter freiem Himmel“ mangels „faktischen“ Grundrechtssubstrats unmöglich wird. Das wäre nur für den praktisch undenkbaren Fall zu bejahen, dass sich auch die Flächen des öffentlichen Straßenraums in erheblichem Ausmaß verringern würden.334

332

Vgl. oben unter C. I. 3. c) bb). Die Entscheidung über die Nutzung der Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen für Versammlungszwecke wird vom Staat also nicht generell-abstrakt im Wege der Zweckbestimmung, sondern individuell-konkret durch Einzelfallentscheidungen der zuständigen Behörden u. Organe getroffen. So auch Siehr, Das Recht am öffentlichen Raum, 522. 334 Vgl. für den öffentlichen Straßenraum oben unter B. V. 3. b) aa). 333

176

C. Art. 8 I GG und die Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen 

b) Nutzung der Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen Neben der Schaffung und Bereitstellung von Einrichtungsflächen sind die Organe bzw. Behörden335 der Einrichtungsträger sowie die Verwaltungsgerichte vor allem zur Anwendung der für die Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen geltenden Nutzungsregelungen berufen.336 Sie sind dabei aber nicht „frei“, sondern aufgrund des Schutzauftrags aus Art. 8 I GG verpflichtet, die bestehenden „Spielräume“ zur weiteren Umsetzung der staatlichen Schutzpflicht zu nutzen.337 Das bedeutet konkret, dass die Organe bzw. Behörden und die Verwaltungsgerichte die im Schutzkonzept der Einrichtungsträger belassenen Schutzlücken im Einzelfall so füllen müssen, dass die Versammlungsteilnehmer jedenfalls immer dann die Fläche einer sonstigen staatlichen Einrichtung (erlaubnisfrei) nutzen dürfen, wenn sie entsprechend der genannten Kriterien zwingend darauf angewiesen sind.338 Das Zusammenspiel aus den von den Einrichtungsträgern erlassenen abstrakt-­ generellen Regelungen und dem Schutzgehalt von Art. 8 I GG konkretisiert die allgemeine staatliche Schutzzielvorgabe damit zu einem bestimmten Schutzauftrag der Behörden bzw. Organe und der Verwaltungsgerichte. Die Pflicht zu einer den Schutzgehalt zur Geltung bringenden Normanwendung folgt dabei – wie bereits dargelegt – unmittelbar aus Art. 8 I GG.339 Duldet beispielsweise die Universität als Einrichtungsträgerin die Nutzung des Platzes vor einem Universitätsgebäude für Studierende, Passanten und sonstige Besucher, ist dessen öffentliche Zweckbestimmung aus Sicht eines objektiven Dritten nicht auf die Nutzung für Forschungs- oder Lehrzwecke beschränkt.340 Aufgrund dieser Offenheit des Nutzungszwecks ist es den die Nutzung steuernden Organen der Universität bzw. den kontrollierenden Verwaltungsgerichten möglich, im Einzelfall die Zweckbestimmung so weit auszulegen, dass auch Versammlungen von der (erlaubnisfrei) zulässigen kommunikativen Nutzung des Vorplatzes erfasst sind. 335 Anders als für den öffentlichen Straßenraum kann für die Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen nicht strikt zwischen dem die Nutzungsregelungen aufstellenden Gesetzgeber u. der für die Anwendung im Einzelfall zuständigen Verwaltung differenziert werden. Die Umsetzung der Schutzpflicht in Bezug auf die Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen erfolgt sowohl auf primärer als auch auf sekundärer Schutzpflichtenebene durch die Einrichtungsträger. Daher sind im folgenden Abschnitt mit dem Begriff „Organe bzw. Behörden“ die „ausführenden“ Stellen der jeweiligen Einrichtungsträger gemeint, die für die Anwendung der Nutzungsregelung bzw. für die Entscheidung über die Nutzung der Einrichtungsfläche im Einzelfall zuständig sind. Während diese Stellen bei gemeindlichen öffentlichen Einrichtungen überwiegend als „Behörden“ bezeichnet werden, ist für die sonstigen staatlichen Einrichtungen, wie z. B. für die Universitäten, der Begriff des „Organs“ einschlägig. 336 Vgl. die allgemeinen Ausführungen zur sekundären Schutzpflichtenstufe unter B. IV. 3. c) bb). 337 Zur Grundrechtsbindung der Einrichtungsträger oben unter C. I. 4. 338 Die Kriterien, die bei der Verdichtung des Schutzgehalts von Art. 8 I GG für die Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen maßgeblich sind, werden unter C. III. 2. b) genannt. 339 Dazu allgemein oben unter B. IV. 3. c) bb). 340 Vgl. zur Nutzung eines universitären Vorplatzes schon die allgemeinen Ausführungen unter C. I. 3. b) cc).

IV. Umsetzung der staatlichen Schutzverpflichtung 

177

Lässt es die öffentliche Zweckbestimmung zu, haben die Organe bzw. Behörde und die Verwaltungsgerichte also die Möglichkeit, den Schutzgehalt von Art. 8 I GG schon bei der Auslegung der öffentlichen Zweckbestimmung zu berücksichtigen. Auf diesem Weg kann die gemeinderechtliche Bestimmung des § 10 II 1 GemO BW so interpretiert werden, dass sie gegebenenfalls eine Nutzung der Einrichtungsfläche für Versammlungszwecke miterfasst. Das gilt gleichermaßen für die von den Einrichtungsträgern erlassenen Nutzungsregelungen.341 Das ist allerdings die Ausnahme. In der Regel ist die öffentliche Zweck- und Nutzungsbestimmung durch den Einrichtungsträger so formuliert, dass kein Raum für eine den Schutzgehalt von Art.  8 I GG zur Geltung bringende Auslegung besteht. Sieht z. B. die Benutzung einer gemeindlichen Parkanlage regelnde Satzung ausdrücklich eine Nutzung nur zu „Erholungszwecken“ vor, kann die Durchführung einer Versammlung nicht mehr im Wege der verfassungskonformen Auslegung als von der öffentlichen Zweckbestimmung erfasst angesehen werden.342 In diesen Fällen bleibt allein die Möglichkeit, den Schutzgehalt von Art. 8 I GG bei der Entscheidung über die Zulassung der Flächennutzung für Versammlungszwecke im Einzelfall zu berücksichtigen. Im Gegensatz zum straßenrechtlichen Sondernutzungskonzept gem. § 16 II 1 StrG BW sind die Organe bzw. Behörden bei der Entscheidung über den Einrichtungszweck übersteigende Nutzungen allerdings nicht durch eine gesetzliche Regelung zur pflichtgemäßen Ermessensausübung verpflichtet. Eine entsprechende Verpflichtung lässt sich auch nicht den von den Einrichtungsträgern selbst erlassenen Benutzungsregelungen entnehmen. Damit in diesen Fällen der Schutzgehalt von Art. 8 I GG überhaupt zur Geltung kommen kann, folgt die Verpflichtung der Organe bzw. Behörden über eine Nutzung ihrer Einrichtungsflächen für Versammlungszwecke nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, unmittelbar aus Art. 8 I GG selbst. Der Schutzgehalt von Art. 8 I  GG dirigiert damit nicht nur die jeweilige Ermessensausübung, sondern bildet selbst die Grundlage dafür, dass die Behörden bzw. Organe bei der Zulassungsentscheidung das Grundrecht der Versammlungsfreiheit berücksichtigen müssen. Das entspricht auch der Vorgehensweise des BVerwGs in der Entscheidung zur Bonner Hofgartenwiese.343 Auf diesem Weg kann im Einzelfall speziell für versammlungsspezifische Nutzungen eine Ermessensreduktion auf Null bestehen,344 sodass den 341 Vgl. dazu die Möglichkeit einer versammlungskonformen Auslegung des Verkehrs­ begriffs im Straßenrecht unter B. V. 3. b) bb). 342 Nach Siehr, Das Recht am öffentlichen Raum, 561 ist es kaum überzeugend, ganz unterschiedliche Widmungszwecke, „jeweils grundrechtlich aufzuladen“. Daher erscheine es in Bezug auf die Bonner Hofgartenwiese „doch wenig plausibel, dass der „Erholungszweck“, (…), auch Versammlungen erfassen soll.“ 343 Vgl. oben unter C. II. 1. b). 344 Vgl. für die versammlungsspezifische Nutzung öffentlicher Straßen im Rahmen der Sondernutzung gem. § 16 I 1 StrG BW oben unter B. V. 3. b) bb). Auch die Literatur geht für die Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen i. E. überwiegend von einer Berücksichtigungspflicht von Art. 8 I GG im Rahmen der Ermessensentscheidung aus. Vgl. z. B. Burgi, DÖV 1993, 633 (642); Fehling, JuS 2003, 246 (248); Mikešić, NVwZ 2004, 788 (791).

178

C. Art. 8 I GG und die Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen 

Versammlungsteilnehmern die Erlaubnis zur Nutzung der entsprechenden Fläche der sonstigen staatlichen Einrichtung erteilen werden muss. Sowohl im Rahmen der Ermessensentscheidung als auch bei der Auslegung der öffentlichen Zweckbestimmung können die Behörden bzw. Organe sowie die Verwaltungsgerichte die aus Art. 8 I GG folgende staatliche Schutzpflicht in Bezug auf die Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen tatsächlich erfüllen. Dabei haben sie gleichzeitig die Möglichkeit – anders als bei einer abstrakt-generellen Nutzungsregelung – das öffentliche Interesse an der Erfüllung des Einrichtungszwecks sowie mögliche gegenläufigen Interessen anderer Nutzer in ihre Auslegungs- bzw. Ermessenserwägungen miteinfließen zu lassen. Darauf, dass der durch die Einrichtungsträger im Wege der öffentlichen Zweckbestimmung und der Nutzungsregelungen angelegte und von Art. 8 I GG auf ein bestimmtes Schutzergebnis konkretisierte Schutzauftrag von den Behörden bzw. Organen und den Verwaltungsgerichten tatsächlich umgesetzt wird, haben die Grundrechtsträger einen Anspruch.345

3. Zwischenergebnis Die vom Staat ergriffenen Schutzmaßnahmen können damit in ihrer Gesamtheit gewährleisten, dass die Grundrechtsträger für die Durchführung einer Versammlung „unter freiem Himmel“ im Einzelfall auch die Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen tatsächlich beanspruchen dürfen. Ein Verstoß des Staates gegen das Untermaßverbot kann daher nicht festgestellt werden. Obwohl die (Landes-) Gesetzgeber und die Einrichtungsträger in der Regel die Flächennutzung zu Versammlungszwecken nicht eigens regeln, folgt daher aus Art. 8 I GG keine weitergehende (Schutz-)Verpflichtung der Einrichtungsträger z. B. zur Vornahme einer pauschalen Erweiterung der öffentlichen Zweckbestimmung der Einrichtungs­ fläche auch auf versammlungsspezifische Nutzungen. Da der Schutzgehalt von Art. 8 I GG nicht generell die Nutzung der Flächen der zweiten Flächenkategorie für die Durchführung einer Versammlung verlangt, besteht insbesondere auch keine Notwendigkeit, die versammlungsspezifische Nutzung für sämtliche Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen einheitlich per Gesetz zu regeln.346 345

Insoweit folgt aus Art. 8 I GG in jedem Fall ein Anspruch der Versammlungsteilnehmer gegen die Einrichtungsträger auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über die Nutzung für Versammlungszwecke unter Berücksichtigung der Versammlungsfreiheit. Für den Fall, dass der Schutzgehalt von Art. 8 I GG in einer Weise auf das Ermessen einwirkt, dass nur die positive Entscheidung über die Zulassung ermessensfehlerfrei, gewährt das Grundrecht der Versammlungsfreiheit den Grundrechtsträgern darüberhinaus ein Anspruch unmittelbar auf Zulassung zur Nutzung. So i. E. schon BVerwGE 91, 135 (140). 346 Anders für den öffentlichen Straßenraum: Dort verlangt Art. 8 I GG die generelle Nutzbarkeit des öffentlichen Straßenraums für Versammlungszwecke. Die Nutzungsregelungen des Straßenrechts sind insoweit nicht nur sinnvoll, sondern auch grundrechtlich geboten. Zu dem Hintergrund der unterschiedlichen Lösung für den öffentlichen Straßenraum sowie für die Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen auch Siehr, Das Recht am öffentlichen Raum, 561.

V. Ergebnis 

179

V. Ergebnis Die in der Rechtsprechung anerkannte Verpflichtung der Einrichtungsträger zur Berücksichtigung von Art. 8 I GG im Rahmen der Ermessensentscheidung347 erklärt sich unter diesem Blickwinkel also als Erfüllung des aus Art. 8 I GG folgenden staatlichen Schutzauftrags, den Versammlungsteilnehmern die Nutzung der Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen zu ermöglichen. Die Ausführungen zeigen damit insgesamt, dass die Schutzpflicht zugunsten „realer“ Freiheit auch in Bezug auf die Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen ein taugliches Erklärungsmodell darstellt.

347

Vgl. insbesondere BVerwGE 91, 135 (139 f.).

D. Art. 8 I GG und die privaten Flächen Abschließend ist zu untersuchen, ob das Schutzpflichtenmodell auch eine Antwort auf die derzeit aktuelle Fragestellung bereithält,1 ob sich die Grundrechtsträger im Einzelfall auch auf privaten Flächen2 erlaubnisfrei versammeln dürfen. Ergibt die Auslegung von Art. 8 I GG, dass die aus dem Grundrecht folgende Schutzpflicht zugunsten realer Freiheit im Grundsatz auch diese dritte Flächenkategorie betrifft, ist im Anschluss zu klären, welche konkreten Wirkungen diese Schutzpflicht gegenüber dem Staat und gegenüber etwaigen Nutzungswilligen entfaltet. Kann sich der Schutzgehalt des Art. 8 I GG im Einzelfall auch auf ein Flächennutzungsrecht der Versammlungsteilnehmer in Bezug auf private Flächen verdichten? Wie genau kann der Staat gegebenenfalls ein solches Flächennutzungsrecht gegenüber dem privaten Flächeneigentümer umsetzen? Bei der Beantwortung dieser Fragen ist zu berücksichtigen, dass sich – im Gegensatz zu den bisher untersuchten Flächenkategorien – nun zwei Grundrechtsträger, die Versammlungsteilnehmer und der private Flächeneigentümer, gegenüberstehen. Ein besonderer Fokus liegt dementsprechend darauf, wie sich dieser dogmatisch veränderte Hintergrund3 auf die konkrete Ausgestaltung und das Funktionieren der staatlichen Schutzpflicht aus Art. 8 I GG auswirkt. Entsprechend der bisherigen Vorgehensweise schließt Teil D mit einer Überprüfung ab, ob und wie weit der Staat seinen gegebenenfalls aus Art. 8 I GG folgenden Pflichten im Hinblick auf die privaten Flächen derzeit nachkommt.

I. Einführung Bevor die von Art. 8 I GG ausgehenden Wirkungen in Bezug auf die privaten Flächen in den Blick genommen werden können, erfolgt eine allgemeine Darstellung der dritten Flächenkategorie und des für sie geltenden rechtlichen Rahmens.

1

S. dazu bereits die einführende Problemstellung unter A. I. Zur Begriffsbestimmung s. unter D. I. 1. 3 So spricht auch Prothmann, Die Wahl des Versammlungsortes, 200 von einem „ganz anderen grundrechtsdogmatischen Hintergrund“. Brenneisen / Arndt, NordÖR 2016, 269 (271) wählt die Bezeichnung: „divergierende verfassungsrechtliche Ausgangslage“. 2

I. Einführung  

181

1. Begriffsbestimmung der privaten Flächen Die als private Flächen bezeichnete Flächenkategorie dient für die Zwecke dieser Arbeit als Oberbegriff für alle Grundstücke und Gebäude, deren Eigentümer nicht der Staat, sondern ein Privater ist. Dabei kann es sich sowohl um eine natürliche als auch um eine juristische Person des Privatrechts handeln, an der der Staat keine staatliche Mehrheitsbeteiligung hält.4 Darüber hinaus sind die privaten Flächen dadurch gekennzeichnet, dass sie keiner anderweitigen, z. B. durch öffentliche Zweckbestimmung5 oder vertraglich6 begründeten staatlichen Verantwortung unterliegen.7 Damit erfasst die letzte Flächenkategorie im Ergebnis alle Grundstücke und Gebäude, die im Mehrheitseigentum eines privaten Rechtssubjekts stehen und keinem öffentlichen Zweck zu dienen bestimmt sind. Zu den privaten Flächen zählen folglich nicht nur die „klassischen“ privaten Grundstücke und Gebäude der Bürger wie deren Schrebergärten oder Wohnungen. Genauso sind auch ein im Privateigentum einer GmbH stehendes Einkaufszentrum wie z. B. das Centro in Oberhausen8 oder das Museum eines privaten Sammlers9 von dieser Flächenkategorie erfasst. Ferner stellen sogar ganze Innenstadtareale private Flächen dar wie beispielsweise das Sony Center am Potsdamer Platz oder der ebenso in Berlin liegende Mercedes-Platz.10 4

Zur staatlichen Beherrschung einer juristischen Person des Privatrechts z. B. Enders, in: Epping / Hillgruber, BeckOK GG, Art. 19 Rn. 48; Sachs, in: Sachs, GG, Art. 19 Rn. 110 ff.; Huber, in: v. Mangoldt / K lein / Starck, GG, Art. 19 Rn. 286 ff.; Dreier, in: Dreier, GG, Bd. I, Art. 19 III Rn. 78; Remmert, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 19 III Rn. 65 ff.; Gurlit, NZG 2012, 249 (252); Krüger, DÖV 2012, 837 (840); Masing, in: Bäuerle / Dann / Wallrabenstein, FS Bryde, 409 (417 f.); Papier / Shirvani, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 14 Rn. 338. Aus der Rechtsprechung z. B. BVerfGE 128, 226 (244 ff.); BVerfG, BeckRS 2016, 47127. 5 Wie die Beschreibung der Flächenkategorie der öffentlichen Straßen in Teil B. 1. zeigt, gibt es auch Flächen, die sich zwar im Eigentum eines Privaten befinden, aber aufgrund einer straßenrechtliche Widmung dem Staat zur Erfüllung seiner Verwaltungsaufgaben dienen u. daher partiell in staatlicher Verantwortung liegen. S. oben unter B. I. 1. b) cc) u. B. I. 1. c) bb). 6 Eine vertragliche begründete staatliche Verantwortung kann z. B. aus einer Einschaltung des Privaten als Verwaltungshelfer, in Form einer Beleihung oder durch eine Zusammenarbeit zwischen Staat u. Privatem im Rahmen eines Public Private Partnerships (PPP) folgen. Zur Zusammenarbeit von Staat u. Privaten z. B. Kirchhof, AöR 132, 215 (245 ff.), der das als „Privatisierung der ausführenden Hand“ bezeichnet. Speziell zur Kooperationsform „PPP“ Bonk / Neumann / Siegel, in: Stelkens / Bonk / Sachs, VwVfG, § 54 Rn. 75 ff.; Ziekow, Öffentliches Wirtschaftsrecht, § 8 Rn. 6; Ruthig / Storr, Öffentliches Wirtschaftsrecht, Rn. 608 ff. 7 Vgl. die Begriffsbestimmung für sog. „semi-öffentliche Räume im engeren Sinne“ von Siehr, Das Recht am öffentlichen Raum, 680. 8 Das Centro in Oberhausen ist ein Einkaufs- u. Freizeitzentrum mit über 250 Einzelhandelsgeschäften u. einer großen Anzahl sonstiger touristischer Attraktionen, wie z. B. einem Multiplex-Kino, einer Ausstellungshalle u. einem Erlebnisbad. S. dazu unter z. B. https://www. oberhausen-tourismus.de/de/erleben/centro.php (zuletzt abgerufen am 17. 05. 2021). 9 Zu den privaten Museen zählen z. B. das Museum Ritter in Waldenbuch, vgl. https://www. museum-ritter.de/de/inhalt/home.html oder die Kunsthalle Würth in Schwäbisch Hall, s. unter https://kunst.wuerth.com/de/portal/startseite.php (zuletzt abgerufen am 17. 05. 2021). 10 Dazu bereits in der Einleitung in Fn. 5 u. 6.

182

D. Art. 8 I GG und die privaten Flächen 

2. Geltung der Privatrechtsordnung und der Privatautonomie An den Grundstücken und Gebäuden der dritten Flächenkategorie besteht denknotwendig privatrechtliches Eigentum i. S. d. BGB. Für diese Flächen gelten damit die eigentumsrechtlichen Regelungen der §§ 903 ff. BGB,11 die den Eigentümer in positiver Hinsicht dazu berechtigen, mit seiner Fläche „nach Belieben“ zu verfahren.12 Ihm obliegt die Entscheidung darüber, wie er sein Grundstück oder Gebäude nutzen möchte. Er kann seine Fläche öffentlich zugänglich machen, er kann sie wirtschaftlich verwerten oder sonst mit einer bestimmten Zweckbestimmung versehen.13 In negativer Hinsicht berechtigen die §§ 903 ff. BGB den Eigentümer dazu, andere von jeder Nutzung seines Eigentums auszuschließen.14 Ist die private Fläche vermietet oder verpachtet, sind auch Mieter bzw. Pächter berechtigt, diese Befugnisse wahrzunehmen (dann §§ 858 ff. BGB).15 Da die privaten Grundstücke keiner öffentlichen Zweckbestimmung unterliegen,16 sind die privaten Flächeneigentümer bei der Ausübung ihrer Dispositionsfreiheit über ihr Eigentum nicht durch öffentlich-rechtliche Bindungen beschränkt.17 11

S. auch Siehr, Das Recht am öffentlichen Raum, 680 f. Vgl. § 903 S. 1 BGB 13 Zur positiven Nutzungsbefugnis des Eigentümers s. z. B. Dathe, Privatrechtliche Grenzen kommunikativer Entfaltung, 198; Berger, in: Jauernig, BGB, § 903 Rn. 2; Herrler, in: ­Palandt, BGB, § 903 Rn. 5; Brückner, in: MüKo BGB, § 903 Rn. 23; Fritzsche, in: Hau / Poseck, BeckOK BGB, § 903 Rn. 17 ff. Aus der Rechtsprechung BGH, NJW 2020, 3382 (3382); NJW 2012, 1725 (1725); NJW 2011, 749 (750); NJW 1981, 573 (574). 14 Zur Ausschließungsbefugnis des Eigentümers s. Brückner, in: MüKo BGB, § 903 Rn. 24; Fritzsche, in: Hau / Poseck, BeckOK BGB, § 903 Rn. 20; Herrler, in: Palandt, BGB, § 903 Rn. 6; Berger, in: Jauernig, BGB, § 903 Rn. 3. Diese Befugnisse werden häufig unter dem Sammelbegriff des „privaten Hausrechts“ zusammengefasst, s. z. B. BGH NJW 2006, 377 (379); NJW 2006, 1054 (1054); BGH ZUM 2013, 571 (571); BGHZ 165, 62 (65 f.); BVerfGE 128, 226 (265). Auch in der Literatur ist diese Bezeichnung gängig, vgl. z. B. Brückner, in: MüKo BGB, § 903 Rn. 53 ff.; Dathe, Privatrechtliche Grenzen kommunikativer Entfaltung, 197 ff.; Nemeczek, Jura 2013, 393 (394); Kadler, NJW 2021, 23 (23); Waldhauser, Fernsehrechte, 68 ff. Die genaue Herleitung des Hausrechts u. seine dogmatische Grundlage sind streitig. S. dazu grundlegend z. B. Wegner, Kommunikationsherrschaft, 16 ff. m. w. N.; Schulze, JZ 2015, 381 (381 ff.); Prothmann, Die Wahl des Versammlungsortes, 76 ff. sowie Engeln, Das Hausrecht und die Berechtigung seiner Ausübung, 18 ff. 15 Vgl. Kadler, NJW 2021, 23 (23); Wegner, Kommunikationsherrschaft, 25. Im Folgenden geht die Arbeit zur Vereinfachung von der Grundkonstellation aus, dass die private Fläche nicht vermietet oder verpachtet ist u. daher auch nur der private Flächeneigentümer die Befugnisse ausübt. Das hierzu Gesagte, kann aber grundsätzlich auch auf den Mieter u. den Pächter übertragen werden. 16 Auch mit der Entscheidung zur Öffnung geht keine gewohnheitsrechtliche Widmung oder öffentliche Zweckbestimmung einher. Vgl. Gornik, Die Bindung der Betreiber öffentlicher Räume, 102; Dietz, WiVerw 2020, 144 (162). 17 Das BVerfG verwendet hierfür den Begriff des „Gutdünkens“, vgl. BVerfGE 128, 226 (266). Zur willkürlichen Ausübung privatrechtlicher Eigentümerbefugnisse auch BGHZ 36, 171 (177); 124, 39 (42 f.); 165, 62 (70); NJW 2000, 1719 (1720); NJW 2012, 1725 (1725); NJW 2014, 311 (313). Vgl. auch Prothmann, Die Wahl des Versammlungsortes, 44; Siehr, Das Recht am öffentlichen Raum, 631; Dietz, WiVerw 2020, 144 (148). Anders für die öffentlichen Straßen (dazu unter B. I. 1. c)) u. für die Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen (vgl. C. I. 2. a) u. C. I. 3.). 12

I. Einführung  

183

Er ist in seiner Entscheidung über die Nutzung der Grundstücke oder Gebäude nur dort eingeschränkt, wo gesetzliche Vorschriften18 (z. B. §§ 19 I Nr. 1 i. V. m. 21 AGG19) oder Rechte Dritter entgegenstehen, vgl. §§ 903 S. 1, 1004 II BGB.20 Das unterscheidet sie von den staatlichen Einrichtungsträgern und den Straßenbaulastträgern, die bei der Ausübung ihrer privatrechtlichen Befugnisse von vornherein dem Gemeinwohl verpflichtet sind21 und sich z. B. jede nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung als „Diskriminierung“ entgegenhalten lassen müssen.22 Demgegenüber kann der private Flächeneigentümer beispielsweise die Entscheidung, seine Fläche für eine Nutzung durch Dritte zu öffnen, jederzeit und ohne Angabe eines sachlichen Grundes wieder aufheben.23 Ferner kann er auch bestimmte Personen oder ganze Personengruppen willkürlich nach subjektiven Präferenzen von der Flächennutzung ausschließen.24

3. Die Öffnung privater Flächen und deren Nutzbarmachung für die Bürger Wie die eingangs genannten Beispiele25 verdeutlichen, werden die privaten Flächen von ihren Eigentümern zu ganz unterschiedlichen Zwecken genutzt. Der Schrebergarten oder die Privatwohnung stehen dabei stellvertretend für all die Grundstücke und Gebäude, die der private Eigentümer nur zu eigenen, also zu rein „privaten“ Zwecken verwenden möchte. Demgegenüber veranschaulichen die anderen Beispiele, dass es auch Situationen geben kann, in denen der private Eigentümer seine Flächen willentlich für die Allgemeinheit oder zumindest einem 18 Eigentumsbeschränkende Regelungen des Privatrechts sind z. B. § 905 S. 2 BGB, aber auch §§ 906, 907, 962 S. 1 BGB. Öffentlich-rechtliche Regelungen, die die eigentumsrecht­ lichen Befugnisse einschränken, ergeben sich u. a. aus dem Straßenrecht (Gemeingebrauch), aus dem Baugesetzbuch (z. B. § 14 BauGB) u. v. m. S. Herrler, in: Palandt, BGB, § 903 Rn. 14 ff.; Fritschze, in: Hau / Poseck, BeckOK BGB, § 903 Rn. 43 ff.; Brückner, in: MüKo BGB, § 903 Rn. 58; Schulte-Nölke, in: Schulze, BGB, § 903 Rn. 10. Speziell zu den eigentumbeschränkenden Regelungen, die den Eigentümer zur Duldung bestimmter Flächennutzungen verpflichten können noch unter D. I. 3. b) aa). 19 Vgl. Brückner, in: MüKo BGB, § 903 Rn. 54; Siehr, Das Recht am öffentlichen Raum, 630 f. S. auch LG Frankfurt, BeckRS 2010, 17277 (17277). 20 Vgl. Fritzsche, in: Hau / Poseck, BeckOK BGB, § 903 Rn. 70 ff.; Schulte-Nölke, in: Schulze, BGB, 903 Rn. 11; § 1004 Rn. 7; Raff, in: MüKo BGB, § 1004 Rn. 206 ff.; Sickor, Jura 2008, 14 (17 f.). 21 S. oben unter unter B. I. 1. c) bb) (1) u. unter C. I. 2. a) u. C. I. 3 a). 22 Vgl. Barzcak, in: Scheffczyk / Wolter, Linien der Rechtsprechung des BVerfGs, Bd. 4, 91 (98). Auch Berger, Jura 2013, 279 (282) hält fest, dass staatliche Rechtssubjekte „einfach- und verfassungsrechtlichen Sonderbindungen unterliegt und (…) seine Aufgabenwahrnehmung nicht nach Belieben gestalten“ darf. 23 Vgl. Siehr, Das Recht am öffentlichen Raum, 630; BGH NJW 2014, 311 (313 f.). 24 Vgl. Dietz, WiVerw 2020, 144 (160, 162); Sickor, Jura 2008, 14 (16 f.); Spieß, DVBl. 1994, 1222 (1222); Christensen, JuS 1996, 873 (873 f.); Mörsdorf, JZ 2012, 688 (690); Nemeczek, Jura 2013, 393 (397). 25 S. unter D. I. 1.

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D. Art. 8 I GG und die privaten Flächen 

bestimmten Personenkreis öffnet.26 So sind beispielsweise die Flächen privater Einkaufszentren, Museen oder Innenstadtareale grundsätzlich für die Allgemeinheit geöffnet und zugänglich.27 In den überwiegenden Fällen sind diese Grundstücke und Gebäude sogar darauf ausgerichtet, von einer großen Anzahl ganz unterschiedlicher Personen betreten bzw. genutzt zu werden.28 a) Begründung der „Öffentlichkeit“ an den privaten Flächen Im Unterschied zu den Flächen des öffentlichen Straßenraums und der sonstigen staatlichen Einrichtungen beruht die „Öffnung“ privater Flächen aber nicht auf einem öffentlich-rechtlichen Rechtsakt,29 sondern auf der privatautonomen Entscheidung des Flächeneigentümers.30 Der Anlass für die Öffnung ist dabei selten uneigennützig und damit in der Regel auch nicht gemeinwohlorientiert.31 In den überwiegenden Fällen verfolgt der private Flächeneigentümer eigene, meist kommerzielle oder wirtschaftliche Ziele, indem er z. B. Bürgern den Zugang zum Einkaufszentrum ermöglicht und diese dadurch zum Kaufen bewegt.32 Ausdruck der Entscheidung des privaten Flächeneigentümers, seine Fläche einer Nutzung durch Dritte zu öffnen, kann zwar eine ausdrückliche privatrechtliche Verpflichtung sein. In den überwiegenden Fällen erfolgt die Öffnung der privaten Fläche allerdings konkludent, ohne dass der private Flächeneigentümer eine ausdrückliche recht­liche Erklärung abgibt.33 Indizien für das Vorliegen einer konkludenten Erklärung können sich insbesondere aus der Zweckbestimmung der privaten Fläche, aus der tatsächlichen freien Zugänglichkeit des Grundstücks oder Gebäudes für die Allgemeinheit oder bestimmte Personen oder aber aus einer vom privaten Flächeneigentümer für die Fläche erlassenen Benutzungs- bzw. Hausordnung ergeben.

26

Zur Entstehung privater Flächen, die „öffentlich“ zugänglich sind: Enders / HofmannRiem / Poscher / Kniesel / Schulze-Fielitz, ME VersG 2011, Begr. zu § 21, I., 2 ff. 27 Dazu gleich ausführlicher unter D. I. 3. 28 Vgl. Gornik, Die Bindung der Betreiber öffentlicher Räume, 199; Prothmann, Die Wahl des Versammlungsortes, 35. 29 Im öffentlichen Straßenrecht beruht die „Öffnung“ auf der straßenrechtlichen Widmung, s. unter B. I. 1. c). Für die Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen wird die „Öffentlichkeit“ im Wege der öffentlichen Zweckbestimmung begründet, s. dazu unter C. I. 3. a). 30 Zur privatautonomen Entscheidungsbefugnis des Flächeneigentümers s. bereits oben unter D. I. 2. b). S. auch Nemeczek, Jura 2013, 393 (395); BGH, NJW 2012, 1725 (1725). 31 Obwohl auch private Flächen in irgendeiner Form der Befriedigung bestimmter Bedürfnisse in der Bevölkerung dienen können, ist ihre Bereitstellung für die Bürger also keine originäre u. notwendige staatliche Verwaltungsleistung. Anders die Bereitstellung der Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen (s. oben unter C. I. 2. a)) u. der Flächen des öffentlichen Straßenraums (vgl. oben unter B. I. 1. b) bb)). 32 So auch die Feststellung von Dietz, WiVerw 2020, 144 (164) u. Gornik, Die Bindung der Betreiber öffentlicher Räume, 199. 33 S. auch Gornik, Die Bindung der Betreiber öffentlicher Räume, 199.

I. Einführung  

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b) Nutzungsrechte Zwar dienen die privaten Flächen nicht der Erfüllung klassischer Daseinsvorsorge- und -fürsorgebedürfnisse der Bevölkerung. Dennoch kann ein Interesse der Bürger daran bestehen, die privaten Flächen nutzen zu können. Aufgrund der Öffnungsentscheidung ermöglicht der private Flächeneigentümer den Bürgern jedenfalls in tatsächlicher Hinsicht die Nutzung. Für den Fall, dass der private Flächeneigentümer eine (bestimmte) Nutzung seiner Fläche verhindern möchte, benötigen die Bürger aber ein subjektives Recht, mit dem sie die von ihnen begehrte Nutzung gegenüber dem privaten Eigentümer rechtlich durchsetzen können. aa) Nutzungsrechte durch Gesetz Nur vereinzelt gewähren gesetzliche Regelungen den Bürgern Nutzungsrechte in Bezug auf private Flächen. Das Privatrecht kennt den für seltene Ausnahmefälle konzipierten allgemeinen Kontrahierungszwang gem. § 826 BGB, der im Einzelfall den privaten Flächeneigentümer zum Abschluss eines Überlassungsvertrags verpflichten und auf diesem Wege dem Nutzungsinteressenten ein Recht zur Nutzung einräumen kann.34 Ein weiteres Beispiel ist § 2 II des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVerfG35).36 Diese Norm räumt bestimmten Personen ein Zugangsrecht für private Betriebsflächen ein. Ein öffentlich-rechtliches Nutzungsrecht für private Flächen sieht beispielsweise § 37 I 1 des Waldgesetzes für Baden-Württemberg (LWaldG BW)37 vor. Danach ist Jedermann das Betreten auch von Privatwäldern38 zu Erholungszwecken gestattet. Auch nach § 59 I des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatschG)39 ist „das Betreten der freien Landschaft auf Straßen und Wegen sowie auf ungenutzten Grundflächen zum Zweck der Erholung (…) allen gestattet“.40 Wie die Beispiele zeigen, beschränken sich diese gesetzlichen Nutzungsrechte aber entweder auf Ausnahmefälle, auf bestimmte Personen oder auf bestimmte Flächen und berechtigen auch nur zu spezifischen Nutzungsarten. Für andere private Flächen oder andere Nutzungsarten enthalten diese Vorschriften daher weder einen unmittelbaren Benutzungsanspruch noch eine anderweitige Nutzungsregelung. 34

Allgemein zum Kontrahierungszwang Bork, in: Staudinger, BGB, Vorb. zu § 145 Rn. 15 ff.; Armbrüster, in: Grunewald / Maier-Reimer / Westermann, Erman, BGB, Vorb. vor § 145 Rn. 27 ff.; Brinkmann, in: Prütting / Wegen / Weinreich, BGB, Vorb. vor §§ 145 ff. Rn. 17; ausführlich ­Busche, Privatautonomie und Kontrahierungszwang, 110 ff. 35 Das Betriebsverfassungsgesetz wurde am 15. 01. 1972 erlassen u. gilt inzwischen, nach wiederholter Novellierung i. d. F. der Bekanntmachung vom 25. 09. 2001, BGBl. I, S. 2518. 36 Dazu auch Wegner, Kommunikationsherrschaft, 28. 37 Das Waldgesetz für Baden-Württemberg wurde am 31. 08. 1995 erlassen u. gilt inzwischen, nach mehrfacher Änderung i. d. F. der Bekanntmachung vom 31. 08. 1996, GBl. 1995, 685. 38 Vgl. § 3 III LWaldG BW. 39 Das Bundesnaturschutzgesetz wurde am 20. Dezember 1976 erlassen u. gilt inzwischen, nach mehrfacher Neufassung i. d. F. der Bekanntmachung v. 29. 07. 2009, BGBl. I, S. 3573 f. 40 Dazu allgemein Siehr, Das Recht am öffentlichen Raum, 621 ff.

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bb) Einräumung von Nutzungsrechten durch den privaten Flächeneigentümer Ähnlich wie bei den Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen41 hängt also auch bei der dritten Flächenkategorie das Bestehen subjektiver Nutzungsrechte vor allem davon ab, dass der private Flächeneigentümer selbst den Bürgern eine entsprechende Rechtsposition einräumt. (1) Nutzungsrechte durch Vertrag Der private Eigentümer kann eine entsprechende Nutzungsberechtigung an seiner Fläche vertraglich entweder in Form eines dinglichen Rechts an der Fläche (z. B. Nießbrauch) oder als obligatorische Berechtigung begründen.42 Letztere kann entweder aus einem Vertrag zur Gebrauchsüberlassung (z. B. Miet-, Pachtvertrag) oder aus einer sonstigen vertraglichen Vereinbarung, die dem Berechtigten nicht zwingend eine eigene Besitzposition einräumt, folgen.43 So kann z. B. der private Eigentümer eines Einkaufszentrums mit einem Musiker einen Vertrag abschließen, der den Musiker dazu berechtigt, auf den Flächen des Einkaufszentrums an einem Tag zu einer bestimmten Uhrzeit ein Konzert zu veranstalten. In diesem Fall folgt aus dem Vertrag ein Recht des Musikers, die Fläche des Einkaufszentrums für den vereinbarten Zeitraum für die Durchführung seines Konzerts zu nutzen. Auch der Besucher eines privaten Museums schließt mit dem privaten Flächeneigentümer in der Regel einen Vertrag, der ihn dazu berechtigt, die Sammlung zu besichtigen und zu diesem Zweck die privaten Ausstellungsräume zu nutzen. (2) Nutzungsrecht durch einseitige Gestattung Für ein Nutzungsrecht ist entscheidend, dass der private Flächeneigentümer in irgendeiner Form seinen Willen äußert, Dritten rechtsverbindlich die Nutzung seines Grundstücks oder Gebäudes zu gewähren.44 Ein subjektives Nutzungsrecht kann daher auch aus einer bloß einseitig erklärten Benutzungsgestattung des pri 41

S. dazu die Feststellung oben unter C. I. 3. b) aa). Anders bei den Flächen des öffent­ lichen Straßenraums, bei denen die Nutzung primär durch Gesetz geregelt ist, vgl. oben unter B. I. 1. c) bb) (3) sowie unter B. I. 2. 42 Vgl. Schulze, JZ 2015, 381 (387). 43 Diese Verträge werden z. T. ganz unterschiedlich benannt. So findet sich z. B. die Bezeichnung „Besuchervertrag“, „Gestattungsvertrag“, „Zuschauervertrag“ oder „Benutzungsvertrag“, vgl. Waldhauser, Fernsehrechte, 232; LG Hannover, BeckRS 2015, 14524 (14524); OLG Rostock, NJW 2006, 1819 (1820) für den Besuch eines Fußballstadions; Breucker, JR 2005, 133 (137); Maaßen, GRUR 2010, 880 (886). 44 Vgl. Schabenberger / Nemeczek, GRUR-Prax 2011, 139 (140).

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vaten Flächeneigentümers folgen.45 Diese Nutzungsgestattung erklärt der private Flächeneigentümer aber in der Regel nicht individuell gegenüber jedem einzelnen Nutzer. Das verdeutlicht die Beispiele des privaten Einkaufszentrums oder des privaten Innenstadtareals, deren Flächen regelmäßig für eine unbestimmte Vielzahl an Personen offenstehen. In diesem Fall hat der private Flächeneigentümer grundsätzlich kein Interesse und auch keine Kapazität, jedem einzelnen Nutzer ausdrücklich die Nutzung seiner Fläche zu gestatten. Es ist vielmehr von einer generellen Nutzungsgestattung auszugehen,46 die der private Flächeneigentümer entweder ausdrücklich z. B. in einer Haus- oder Benutzungsordnung47 oder konkludent erklären kann. Maßgeblicher Anhaltspunkt für die Annahme einer konkludenten Erklärung ist dabei vor allem das tatsächliche Verhalten des privaten Flächeneigentümers, in diesem Fall also das Bereitstellen bzw. die Öffnung seines Grundstücks oder Gebäudes für die Allgemeinheit oder einen bestimmten Personenkreis.48 Öffnet der private Flächeneigentümer z. B. die Flächen seines Einkaufszentrums und gewährt jedermann ohne Prüfung im Einzelfall den Zutritt, gestattet er den Besuchern aus Sicht des nach § 133 BGB maßgeblichen objektiven Empfängerhorizonts unmissverständlich auch die Nutzung seiner Flächen.49 In den meisten Fällen öffnet der private Flächeneigentümer seine Fläche, um damit bestimmte Zwecke zu verfolgen bzw. gewisse Ziele zu erreichen. Im Beispielsfall des privaten Einkaufszentrums sind das vor allem kommerzielle bzw. wirtschaftliche Zwecke. Dementsprechend sind in diesem Fall aus Sicht des Erklärungs­ empfängers von der generellen Nutzungsgestattung der Flächen des privaten Einkaufszentrums nur solche Nutzungen erfasst, die dieser kommerziellen, konsumorientieren Zweckausrichtung des Einkaufszentrums zu Gute kommen bzw. dienen.50 45 Vgl. Schulze, JZ 2015, 381 (388); Wegner, Kommunikationsherrschaft, 27; Kaiser, in: Staudinger, BGB, § 1004 Rn. 543, 564. Im Folgenden wird zur Vereinfachung von Gestattung gesprochen. Damit sind alle Erklärungen des privaten Flächeneigentümers gemeint, mit denen er Dritte in irgendeiner Form zur Nutzung seiner Flächen berechtigt. 46 Vgl. auch Dathe, Privatrechtliche Grenzen kommunikativer Entfaltung, 199: „Die Einwilligung kann dabei auch zugunsten einer unspezifischen Allgemeinheit erfolgen.“ S. auch Nemeczek, Jura 2013, 393 (396). 47 S. zur Haus- u. Benutzungsordnung u. deren Bedeutung für Inhalt u. Umfang der Nutzungsrechte unter D. I. 3. c). 48 Vgl. Schulze, JZ 2015, 381 (388): „Die Verkehrseröffnung ist das factum proprium, zu dem sich der Hausrechtsinhaber in Widerspruch setzt, wenn er seine Verbotsbefugnisse später nach Belieben ausübt (§ 242 BGB).“ Zur (konkludenten) Einräumung von Nutzungsrechten s. auch Waldhauser, Fernsehrechte 72 f.; Prothmann, Die Wahl des Versammlungsortes 97. Aus der Rechtsprechung z. B. BGHZ 124, 39 (42 f.); BGH, NJW 1054 (1054). 49 Ähnlichen Grundsätze gelten auch für die Nutzbarmachung der Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen durch die Einrichtungsträger. S. dazu unter C. I. 3. b) cc). Zur Auslegung empfangsbedürftiger Willenserklärungen nach § 133 BGB s. z. B. Wendtland, in: Hau / Poseck, BeckOK BGB, § 133 Rn. 27 f.; Busche, in: MüKo BGB, § 133 Rn. 29; Dörner, in: Schulze, BGB, § 133 Rn. 8. Aus der Rechtsprechung BGHZ 36, 30 (33); 47, 75 (78); 103, 275 (280); BGH NJW 1992, 11446 (1446 f.); NJW 1990, 3206 (3206 f.). 50 Vgl. dazu die Auslegung der tatsächlichen Öffnung von Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen u. die Bedeutung der Zweckbestimmung für die Einräumung von Nutzungsrechten unter C. I. 3. b) cc).

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Es kann also festgehalten werden, dass aus der tatsächlichen Öffnung einer privaten Fläche für die Allgemeinheit regelmäßig die konkludente Erklärung des privaten Flächeneigentümers folgt, generell all die Nutzungen zu gestatten, die sich im Rahmen der von ihm bestimmten Zweckbestimmung für die jeweilige Fläche bewegen.51 Die Gestattung kann unterschiedliche rechtliche Wirkungen haben, je nachdem, was der private Flächeneigentümer mit ihr erklären möchte: Sie kann soweit gehen, dass den Bürgern ein Anspruch auf Nutzung eingeräumt wird. Sie kann aber auch „nur“ ein Verzicht des privaten Flächeneigentümers auf die Geltendmachung seiner privatrechtlichen Ausschließungsrechte bedeuten bzw. die Widerrechtlichkeit der jeweiligen Nutzung entfallen lassen. Die Arbeit bezeichnet beide recht­liche Wirkungen zusammenfassend als Nutzungsrecht. Dementsprechend haben im Beispielsfall des Einkaufszentrums jedenfalls die Personen, die die Flächen zum Einkaufen oder Bummeln nutzen möchten, auch ein Recht, diese privaten Flächen zu nutzen. Auch dann, wenn ein privater Flächeneigentümer auf seinen Flächen eine Ausstellung eröffnet und Dritten den Zutritt zu den Ausstellungsräumen ermöglicht, haben die Besucher, die die privaten Flächen nutzen möchten, um sich die Ausstellung anzusehen, ein entsprechendes Nutzungsrecht. Für Nutzungen, die nicht der Zweckbestimmung der privaten Fläche entsprechen, ist hingegen im Einzelfall zu ermitteln, ob der private Flächeneigentümer seine Flächen auch für solche „zweckfremden“ Nutzungen bereitstellt. So werden z. B. die Flächen eines privaten Einkaufszentrums nicht nur zum Einkaufen, sondern teilweise auch von Passanten zu Verkehrszwecken oder zur Erholung zwischen den Ladenbesuchen verwendet. Schreitet der private Flächeneigentümer gegen eine Nutzung der Flächen seines Einkaufszentrums zu Verkehrs- oder Erholungszwecken nicht ein, sondern versieht die Flächen des Einkaufszentrums eventuell sogar mit Sitzbänken oder sonstigen Aufenthaltsmöglichkeiten, dann erklärt er unter Umständen aus Sicht des Erklärungsempfängers, dass er die Flächen seines Einkaufszentrums nicht nur zu kommerziellen und wirtschaftlichen Zwecken, sondern daneben auch zu Verkehrs- bzw. Erholungszwecken bereitstellt. Ist im Einzelfall eine entsprechende Erklärung zu bejahen, haben nicht nur die Personen, die die Flächen des Einkaufszentrums zum Einkaufen nutzen, sondern auch sonstige Passanten, die sich auf einer Bank ausruhen oder die Verbindungswege im Einkaufszentrum verwenden, um schneller von A nach B zu kommen, ein entsprechendes Nutzungsrecht an den Flächen des privaten Einkaufszentrums.

51

Vgl. Schulze, JZ 2015, 381 (388); Prothmann, Die Wahl des Versammlungsortes, 97, BGH NJW 2006, 1054 (1054).

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cc) Zwischenergebnis Damit haben die Bürger – abgesehen von den vereinzelt vorgesehenen gesetzlichen Betretungs- bzw. Nutzungsvorschriften – nur dann ein Recht auf Nutzung privater Flächen, wenn ihnen der private Flächeneigentümer eine entsprechende Rechtsposition vertraglich oder im Wege einer einseitigen Gestattungserklärung einräumt. Soweit die Nutzungsgestattung bzw. die vertraglich gewährten Nutzungsrechte reichen, verzichtet der private Flächeneigentümer auf die Ausübung seiner privatrechtlichen Befugnisse. Sie schränken als Rechte Dritter i. S. d. § 903 S. 1 BGB oder als Duldungspflichten gem. § 1004 II BGB die privatrechtlichen Befugnisse des Eigentümers ein.52 Damit korrespondiert ein Nutzungsansrecht der Bürger nach Maßgabe der Zweckbestimmung bzw. der Benutzungs- und Gebrauchsordnung der jeweiligen Fläche.53 Ob die privaten Flächeneigentümer die Bürger zur Nutzung berechtigen, ist für jede private Fläche  – zum Teil durch Auslegung des tatsächlichen Öffnungsverhaltens des privaten Eigentümers – gesondert zu bestimmen. Dabei ist – wie auch bei den Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen – vor allem die jeweilige Zweckbestimmung der privaten Fläche entscheidend.54 Im Ergebnis kann der private Flächeneigentümer also in den oben genannten Grenzen55 nach freiem Belieben darüber entscheiden, wem er die Flächennutzung gestattet und wem nicht. c) Inhalt und Umfang der Nutzungsrechte Ausfluss dieser freien Gestaltungsbefugnis des private Flächeneigentümers ist auch das Recht, daüber zu entscheiden, in welchem Umfang die Benutzung gewährt werden soll, welcher Personenkreis zur Nutzung berechtigt sein soll und in welchen Zeiträumen die Nutzung erlaubt ist.56 Zudem kann er die Nutzung von der Einhaltung gewisser Bedingungen wie z. B. der Zahlung eines Entgelts oder 52

Es ist umstritten, ob obligatorische Rechte „Rechte Dritter“ i. S. d. § 903 S. 1 BGB sind. Ablehnend z. B. Herrler, in: Palandt, BGB, § 903 Rn. 27. Für eine Einbeziehung z. B. OLG Bamberg, NZM 2009, 859 (859). Offengelassen von Fritzsche, in: Hau / Poseck, BeckOK BGB, § 903 Rn. 72. Allgemein anerkannt ist aber, dass sie jedenfalls eine Rechtsausübungsschranke für den Eigentümer bedeuten, vgl. Herrler, in: Palandt, BGB, § 903 Rn. 27. 53 Vgl. Schulze, JZ 2015, 381 (388); BGHZ 124, 39 (42 f.); BGH, NJW 1054 (1054). 54 Für die Zweckbestimmung wird z. T. sogar der Begriff der öffentlich-rechtlich geprägte Begriff der „Widmung“ verwendet, vgl. Schulze, JZ 2015, 381 (386); Schulze, JZ 2016, 453 (454): „geöffnete Räume mit spezifischen Widmungen“. S. auch Wegner, Kommunikationsherrschaft, 27. Vgl. auch schon für die Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen unter C. I. 3. c) aa). 55 S. dazu unter D. I. 2. u. D. I. 3. b) aa). 56 Die Festlegung der Umstände der Benutzung ist Ausfluss der positiven Nutzungsbefugnisse des privaten Flächeneigentümers, s. dazu oben unter D. I. 2. a). Dazu Schulze, JZ 2015, 381 (386); Nemeczek, Jura 2013, 393 (395), Dietz, WiVerw 2020, 144 (160, 162). S. auch BGHZ 110, 371 (383 f.); 124, 39 (43); 165, 62 (70); BGH, NJW 2010, 534 (535); NJW 2012, 1725 (1725).

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von seiner ausdrücklichen Erlaubnis, abhängig machen.57 Derartige Nutzungs­ bestimmungen werden vom privaten Flächeneigentümer entweder individuell oder in abstrakt-genereller Form durch den Erlass von Zugangs- und Nutzungsregelungen in einer Haus- bzw. Benutzungsordnung getroffen.58 So kann beispielsweise die Hausordnung eines privaten Einkaufszentrums eine Nutzung der Flächen nur im Rahmen der Öffnungszeiten vorschreiben oder bestimmte Nutzungen von vornherein verbieten, die den kommerziellen und wirtschaftlichen Zweck des Einkaufszentrums behindern könnten.59 Daher werden häufig z. B. das Betteln, das Mitführen von Haustieren oder der Alkoholkonsum vom privaten Flächeneigentümer pauschal und generell im Wege einer Hausordnung untersagt.60 Ein anderes Beispiel bildet die Hausordnung des Sony Centers in Berlin, nach der unter anderem für das Verteilen von Werbematerial, das Anbringen von Plakaten, aber auch für die Durchführung von Demonstrationen „eine schriftliche Genehmigung durch das Center Management“ erforderlich ist.61 d) Nutzungsarten Ebenso wie bei den anderen beiden Flächenkategorien, kann im Grundsatz also auch für die privaten Flächen, die einer Nutzung durch Dritte geöffnet sind, zwischen einer sich im Rahmen der Zweckbestimmung bewegenden und einer den Nutzungszweck übersteigenden Flächennutzung differenziert werden. Während der private Flächeneigentümer zweckentsprechende Nutzungen seiner Flächen in

57 Vgl. Kirchhof, Private Rechtsetzung, 367; Nemeczek, Jura 2013, 393 (395); Brückner, in: MüKo BGB, § 903 Rn. 26; BGHZ 110, 371 (383 f.); 124, 39 (43); 165, 62 (70); BGH NJW 2006, 377 (379); NJW 2006, 1054 (1054); NJW 2012, 1725 (1725). 58 Vgl. Kadler, NJW 2021, 23 (26); Schabenberger / Nemeczek, GRUR-Prax 2011, 139 (140); Schulze, JZ 2015, 381 (388); Nemeczek, Jura 2013, 393 (395); Waldhauser, Fernsehrechte, 73; Prothmann, Die Wahl des Versammlungsortes, 92 f.; Dathe, Privatrechtliche Grenzen kommunikativer Entfaltung, 199; Kersten / Meinel, JZ 2007, 1127 (1132 f.); Kirchhof, Private Rechtsetzung, 366 f.; Fritschze, in: Hau / Poseck, BeckOK BGB, § 903 Rn. 19; Mayer / Eichel / Klinck, NZM 2018, 689 (690). S. auch BGHZ 124, 39 (43). Ihre Bindungswirkung gegenüber allen, die die Fläche betreten u. nutzen, folgt aus der absolut, gegenüber jedermann geltenden Herrschaftsmacht des Eigentums. Vgl. Kirchhof, Private Rechtsetzung, 366 ff. Daher werden private Hausordnung z. T. als „weiche Form der Rechtsetzung“ bezeichnet. Vgl. Kersten / Meinel, JZ 2007, 1127 (1132). Ob private Hausordnungen tatsächlich Rechtsqualität zukommt, ist für diese Arbeit nicht entscheidend. Zu dieser Diskussion aber ausführlich Kirchhof, Private Rechtsetzung, 366 ff. sowie Bachmann, Private Ordnung, 95 ff. 59 Vgl. auch das Beispiel des botanischen Gartens von Dathe, Privatrechtliche Grenzen, kommunikativer Entfaltung, 199: „So kann beispielsweise der Eigentümer (…) frei darüber befinden, zu welchen Tages- und Uhrzeiten er die Anlage der Allgemeinheit eröffnet und welche Aktivitäten (Sport, Grillen, etc.) hierin gestattet sein sollen.“ 60 Vgl. https://www.mira-einkaufszentrum.de/hausordnung/ (zuletzt abgerufen am 17. 05. 2021). 61 Ein Auszug aus der Hausordnung des Sony-Centers findet sich bei Glasze, Privatisierung öffentlicher Räume?, 165.

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der Regel generell gestattet,62 haben die Bürger, die die private Fläche für zweckfremde Nutzungen verwenden möchten, jedenfalls nicht von vornherein ein generelles Nutzungsrecht. In diesem Fall sind sie regelmäßig auf die Erteilung einer speziellen Gestattung oder auf den Abschluss eines Vertrages mit dem privaten Flächeneigentümer angewiesen, der ihnen eine entsprechende Nutzungsberechtigung einräumt.

4. Grundrechtsbindung und Grundrechtsberechtigung Ungeachtet der Diskussion, ob die Grundrechte auch zwischen Privaten unmittelbar Wirkung entfalten sollen,63 geht diese Arbeit davon aus, dass die Grundrechte nur im Staat-Bürger-Verhältnis berechtigen bzw. verpflichten können.64 Es 62

S. dazu die Ausführungen unter D. I. 3. b) bb) (2). Teilweise finden sich Stimmen in der Literatur, die sich für eine sog. „intensivierte“ mittelbare Grundrechtsbindung privater Eigentümer bzw. eine „quasistaatliche“ Grundrechtsbindung aussprechen. Vgl. z. B. Gornik, Die Bindung der Betreiber öffentlicher Räume, 258 ff., 328 ff., besonders deutlich 375; Fischer-Lescano / Maurer, NJW 2006, 1393 (1394 f.); Katz / Sander, Staatsrecht, Rn. 664; Gamillscheg, AcP 164 (1964), 385 (406 f.); Heintz, JM 2018, 474 (475); Kingreen, JöR 65 (2017), 1 (28, 35 f.); Wendt, NVwZ 2012, 606 (609). Barzcak, in: Scheffczyk / Wolter, Linien der Rechtsprechung des BVerfGs, Bd. 4, 91 (114) wirft die Frage auf, inwiefern „eine quasistaatliche Grundrechtsbindung Privater in der Zukunft eine Rolle spielen wird“. Für eine neue Form der verfassungskonformen Auslegung Kulick, NJW 2016, 2236 (2238 ff.). Z. T. wird auch aufgrund der Fraport-Entscheidung des BVerfGs (BVerfGE 128, 226 (226 ff.), dem Beschluss zum „Bierdosen-Flashmob“ (BVerfG, BeckRS 2015,  48618) sowie der sog. Stadionverbotsentscheidung (BVerfGE 148, 267 (267 ff.)) angenommen, dass sich das BVerfG inzwischen für eine „staatsgleiche Grundrechtsbindung Privater aus Funktionsnachfolge“ bzw. für marktbeherrschende Unternehmen ausspricht, die i. E. einer unmittelbaren Grundrechtsbindung gleichkomme, vgl. z. B. Smets, NVwZ 2016, 35 (35 ff.) mit gleichzeitiger Kritik. Dazu auch Jobst, NJW 2020, 11 (12, 16); Kadler, NJW 2021, 23 (23 f.) sowie Hellgardt, JZ 2018, 901 (903, 908 f.), der eine unmittelbare Drittwirkung Privater als „längst etabliert“ ansieht. Kritisch zu dieser Entwicklung in der Rechtsprechung äußern sich auch Michl, JZ 2018, 910 (911 ff.); Muckel, JA 2020, 411 (416); Heldt, NVwZ 2018, 813 (818). Ob das BVerfG inzwischen tatsächlich von einer Grundrechtsbindung Privater ausgeht, wird unten unter D. II. analysiert. Auch auf der Ebene des Unionsrechts wird eine vergleichbare Diskussion geführt, vgl. EuGH, Urt. v. 12. 7. 2012 – C 171/11; Urt. v. 15. 12. 1995 – C 415/93; EuGH, Urt. v. 22. 11. 2005 – C-144/04; Urt. v. 11. 12. 2007 – 438/05; Urt. v. 17. 7. 2008 – C 94/07; Urt. v. 19. 01. 2010 – C-555/07; Urt. v. 19. 04. 2016 – C 441/14; Urt. v. 06. 11. 2018 – C-569/16. 64 Jedenfalls die Auffassung, dass Grundrechten zwischen Privaten unmittelbar gelten, wird heute grundsätzlich einhellig abgelehnt. S. z. B. Kingreen / Poscher, Grundrechte, Rn. 236 ff.; Stern, in: Stern, StaatsR, Bd. III/1, 1531 f.; Medicus, AcP 192 (1992), 35 (43); Masing, in: Bäuerle /  Dann / Wallrabenstein, FS Bryde, 409 (412); Papier, in: Merten / Papier, HdB GR, Bd. II, § 55 Rn. 22; Hager, JZ 1994, 373 (373); Singer, JZ 1995, 1133 (1135 f.); Dreier, in: Dreier, GG, Bd. I, Vorb., Rn. 98; Herdegen, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 1 III Rn. 64; Höfling, in: Sachs, GG, Art. 1 Rn. 116; Starck, in: Mangoldt / K lein / Starck, GG, Bd. 1, Art. 1 Rn. 303 ff. Anders noch die frühere Rechtsprechung des BAG, vgl. BAG, NJW 1955, 606 (607); NJW 1957, 1688 (1689). Diese Rechtsprechung basierte maßgeblich auf der Rechtsauffassung Nipperdeys, s. insbes. 63

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kann zwar nicht geleugnet werden, dass die individuelle Freiheit der Bürger heutzutage nicht mehr nur durch staatliches Handeln, sondern vermehrt auch durch soziale und wirtschaftliche Machtstrukturen bedroht wird: Immer mehr private Konzerne weisen Handlungsmöglichkeiten und Mechanismen auf, die mit der überlegenen Stellung des Staates vergleichbar sind.65 Das daraus erwachsende Bedürfnis, die Privaten auch voreinander zu schützen,66 ist aber nicht durch eine Ausweitung der Grundrechtsbindung auf Private zu lösen, sondern im Rahmen des traditionellen Grundrechtsverständnisses, das ausschließlich den Staat verpflichtet, Machtungleichgewichten zwischen Privaten sowie strukturellen Abhängigkeiten zu begegnen.67 Nipperdey, Grundrechte und Privatrecht, 14. Allerdings geht auch das BAG heute „nur“ noch von einer mittelbaren Grundrechtswirkung aus, vgl. BAG, NZA 2007, 277 (278). 65 Vgl. Krisor-Wietfeld, Rahmenbedingungen der Grundrechtsausübung, 221; Ehlers, DVBl. 2019, 397 (399); Muckel, JA 2020, 411 (416); Gostomzyk, JuS  2004, 949 (953); Fischer-­ Lescano / Maurer, NJW 2006, 1393 (139 4 f.); Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, 349; Katz / Sander, Staatsrecht, Rn. 659; Dathe, Privatrechtliche Grenzen kommunikativer Entfaltung, 93 f.; Epping, Grundrechte, Rn. 345; Poscher, Grundrechte als Abwehrrechte, 222; Stern, in: Stern, StaatsR, Bd. III/1, 1528 ff.; Papier, in: Merten / Papier, HdB GR, Bd. II, § 55 Rn. 4. Zum Problem strukturellen Ungleichgewichts zwischen Privaten auch BVerfGE 25, 256 (256 ff.); 81, 242 (242 ff.); 89, 214 (214 ff.); 148, 267 (267 ff.). Diese Bedrohung durch private Mächte war der Grund dafür, dass das BAG (früher) für eine teleologische Erweiterung von Art. 1 III GG auf Private plädierte. Vgl. BAG, NJW 1955, 606 (607); BAG NJW 1957, 1688 (1689); Gamillscheg, AcP 164 (1964), 385 (406 ff., 419 ff.); Nipperdey, Grundrechte und Privatrecht, 14 ff. 66 So z. B. Dathe, Privatrechtliche Grenzen kommunikativer Entfaltung, 93 f.; Michl, JZ 2018, 910 (916.); Fischer-Lescano / Maurer, NJW 2006, 1393 (1394 f.); Schnapp / Kaltenborn, Jus 2000, 937 (939); Ehlers, DVBl. 2019, 397 (399); Epping, Grundrechte, Rn. 345; Muckel, JA 2020, 411 (416); Gostomzyk, JuS 2004, 949 (953); Kingreen, JöR 65 (2017), 1 (28, 35 f.); Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rn. 349, 357; Häberle, in: Isensee / K irchhof HdBStR, Bd. I, § 20 Rn. 73; Kingreen / Poscher, Grundrechte, Rn. 239; Isensee, in: Isensee / K irchhof, HdBStR, Bd. IX, § 191, Rn. 1; Papier, in: Merten / Papier, HdB GR, Bd. II, § 55 Rn. 4; Klein, NJW 1989, 1633 (1633 f.); Gusy, in: Masing / Jestaedt / Capitant / Divellec, Strukturfragen des Grundrechtsschutzes in Europa, 93 (93). 67 Bei der Frage, wie die Grundrechte Bedeutung auch für Privatrechtsverhältnisse erlangen können, hat sich zunächst die von Dürig, in: Maunz, FS Nawiasky, 157 (158 Fn. 2, 165 ff.) formulierte These einer „mittelbaren Drittwirkung“ der Grundrechte durchgesetzt. Diese Lösung entspricht der ständigen Rechtsprechung des BVerfGs seit BVerfGE 7, 198 (205 f.). Dazu noch ausführlicher unter D. II. 1. a) aa). Anstatt dem Begriff „mittelbare Drittwirkung“ verwendet das BVerfG teilweise auch die Bezeichnung der „Ausstrahlungswirkung“, vgl. z. B. BVerfGE, 24, 236 (251); 73, 261 (269). Die Auffassung, dass Grundrechte auch in das Privatrecht hineinwirken, kann – unabhängig der Terminologie – heute als herrschend angesehen werden. Stellvertretend Ipsen, StaatsR II, § 2 Rn. 68 ff.; Epping, Grundrechte, Rn. 349; Maurer, StaatsR I, § 9 Rn. 36 ff. Die modernere Literatur sieht die Beeinflussung der Beziehung zwischen Privaten durch die Grundrechte allerdings vermehrt als eine Ausprägung der staatlichen Schutzpflichtendimension an, vgl. Gurlit, NZG 2012, 249 (250); Ehlers, DVBl. 2019, 397 (400); Canaris, Grundrechte und Privatrecht, 30, 38 ff.; Canaris, JuS 1989, 161 (163); Canaris, AcP 184 (1984), 201 (225 ff.); Epping, Grundrechte, Rn. 352; Unruh, Zur Dogmatik grundrechtlicher Schutzpflichten, 71 ff.; Oeter, AöR 119, 529 (529 ff.); Herdegen, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 1 III Rn. 70; Rüfner, in: Isensee / K irchhof, HdBStR, Bd. IX, § 197 Rn. 93; Stern, in: Stern, StaatsR,

I. Einführung  

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Für das traditionelle Grundrechtsverständnis spricht zunächst der Wortlaut des Art. 1 I 2, III GG. Er gibt zu erkennen, dass Grundrechte dem Schutz des Bürgers gegenüber der Staatsgewalt dienen sollen. Insbesondere belegt Art. 1 III GG ausdrücklich, dass die Grundrechte nur die unterschiedlichen Staatsgewalten verpflichten, nicht aber die privaten Bürger.68 Auch lässt sich der Systematik des Grundgesetzes entnehmen, dass eine unmittelbare Bindung der Privaten an die Grundrechte allenfalls als Ausnahme, z. B. im Falle des Art. 9 III 2 GG bestehen soll.69 Das zeigt im Umkehrschlusses, dass in allen anderen Situationen Private gerade nicht an die Grundrechte gebunden sind.70 Ferner ist gegen eine Ausweitung der Grundrechtsbindung auf Private einzuwenden, dass die Grundrechte ihrem Sinn und Zweck nach vor allem dazu dienen, Freiheitssphären der Bürger gegenüber dem Staat abzusichern. Diese Entscheidung würde in ihr Gegenteil verkehrt, wenn mit der grundrechtlich gesicherten Freiheit gleichzeitig in gleichem Maße grundrechtliche Pflichten gegenüber allen anderen Grundrechtsträgern ein-

Bd. III/1, 1560; Papier, in: Merten / Papier, HdB GR, Bd. II, § 55 Rn. 10; Isensee, in: Isensee /  Kirchhof, HdBStR, Bd. IX, § 191 Rn. 1 ff., 174 ff.; Dreier, in: Dreier, GG, Vorb., Rn. 101 ff.; Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rn. 350; Ruffert, Vorrang der Verfassung, 141 ff.; Schnapp / Kaltenborn, Jus 2000, 837 (940 f.); Hermes, NJW 1990, 1764 (1768); Singer, JZ 1995, 1133 (1138); allgemein Hellgardt, JZ 2018, 901 (906); Kopp, NJW 1994, 1753 (1756). Auch das BVerfG begründet die Wirkung der Grundrechte auf Privatrechtsverhältnisse inzwischen auch mit der Schutzfunktion der Grundrechte, vgl. BVerfGE 81, 242 (255 f.); 89, 214 (232 ff.); 103, 89 (100); 137, 273 (313). S. dazu noch unter D. II. 1. a) bb). Zum Verhältnis von Schutzpflicht u. sog. mittelbarer Drittwirkung z. B. Gornik, Die Bindung der Betreiber öffentlicher Räume, 175 ff.; Hermes, NJW 1990, 1764 (1765); Ruffert, Vorrang der Verfassung, 253. 68 Vgl. Papier, in: Merten / Papier, HdB GR, Bd. II, § 55 Rn. 16; Erichsen, Jura 1996, 527 (530); Kingreen / Poscher, Grundrechte, Rn. 238; Prothmann, Die Wahl des Versammlungsortes, 209; Neuner, NJW 2020, 1851 (1853); Dietlein, Die Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten, 54; Poscher, Grundrechte als Abwehrrechte, 223; Guckelberger, JuS 2003, 1151 (1153); Epping, Grundrechte, Rn. 346; De Wall / Wagner, JA 2011, 734 (736); Gurlit, NZG 2012, 249 (250); Barzcak, in: Scheffczyk / Wolter, Linien der Rechtsprechung des BVerfGs, Bd. 4, 91 (102); Schnapp / Kaltenborn, JuS 2000, 937 (940); Dathe, Privatrechtliche Grenzen kommunikativer Entfaltung, 93; Papier, in: Merten / Papier, HdB GR, Bd. II, § 55 Rn. 16; ­Oldiges, in: Wendt / Höfling / Karpen / Oldiges, FS Friauf, 281 (282). 69 Vgl. Stern, in: Stern, StaatsR, Bd. III/1, 1520 f. m. w. N. u. 1570; Herdegen, in: Maunz /  Dürig, GG, Art. 1 III Rn. 64; Oldiges, in: Wendt / Höfling / Karpen / Oldiges, FS Friauf, 281 (283); Prothmann, Die Wahl des Versammlungsortes, 209 f. Zur Verpflichtung von Privaten aus Art. 9 III 2 GG Bauer, in: Dreier, GG, Bd. I, Art. 9 Rn. 88 f.; Maurer, StaatsR I, § 9 Rn. 37; Epping, Grundrechte, Rn. 346; Jarass, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 9 Rn. 49. S. auch die Ausführungen des BVerfGs in BVerfGE 57, 220 (245 f.); 100, 214 (222). Zur ausnahmsweisen Geltung von Art. 10 GG gegenüber privaten Post- u. Telekommunikationsunternehmen s. Starck, in: v. Mangoldt / K lein / Starck, GG, Bd. 1, Art. 1 Rn. 250. 70 Vgl. De Wall / Wagner, JA 2011, 734 (736); Erichsen, Jura 1996, 527 (530); Ehlers, DVBl. 2019, 397 (399); Gurlit, NZG 2012, 249 (250); Guckelberger, JuS 2003, 1151 (1153); Herdegen, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 1 III, Rn. 64; Barzcak, in: Scheffczyk / Wolter, Linien der Rechtsprechung des BVerfGs, Bd. 4, 91 (102); Kingreen / Poscher, Grundrechte, Rn. 238; Dathe, Privatrechtliche Grenzen kommunikativer Entfaltung, 95.

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D. Art. 8 I GG und die privaten Flächen 

hergingen.71 Zuletzt spricht auch die historische Entwicklung der Grundrechte als staatsgerichtete Abwehrrechte72 und die auf die staatlichen Eingriffe zugeschnittene grundrechtliche Schrankendogmatik73 gegen die Annahme einer Bindung der Privaten an die Grundrechte. Im Gegensatz zu den Straßenbaulastträgern und den sonstigen Einrichtungsträgern sind die privaten Flächeneigentümer daher bei den Entscheidungen über die Nutzbarkeit ihrer Grundstücke nicht gem. Art. 1 III, 20 III GG an die Grundrechte gebunden. Sie können ihre privatrechtlichen Befugnisse aus §§ 903 ff. BGB also nicht nur frei und willkürlich,74 sondern grundsätzlich75 auch ohne Rücksicht auf die Grundrechte der Nutzungsinteressenten ausüben. Hinzu kommt, dass sich die Eigentümer privater Flächen gegenüber dem Staat selbst auf Grundrechte berufen können.76 Relevant sind insbesondere das Eigentumsgrundrecht gem. Art 14 I GG77 und für den Fall, dass der private Flächeneigentümer mit der Nutzung 71 Vgl. Barzcak, in: Scheffczyk / Wolter, Linien der Rechtsprechung des BVerfGs, Bd. 4, 91 (102); De Wall / Wagner, JA 2011, 734 (736); Epping, Grundrechte, Rn. 346; Prothmann, Die Wahl des Versammlungsortes, 210; Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rn. 354; Rüfner, in: Isensee / K irchhof, HdBStR, Bd. IX, § 197 Rn. 83; Gornik, Die Bindung der Betreiber öffentlicher Räume, 167; Kopp, NJW 1994, 1753 (1755 f.); Schnapp / Kaltenborn, Jus 2000, 937 (940); Ruffert, JuS 2020, 1 (4); Dreier, in: Dreier, GG, Vorb. Rn. 98. 72 Vgl. Gurlit, NZG 2012, 249 (250); Canaris, AcP 184 (1984), 201 (205); Kingreen /  Poscher, Grundrechte, Rn. 238; Erichsen, Jura 1996, 527 (530); Dietlein, Die Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten, 52; Epping, Grundrechte, Rn. 346; Poscher, Grundrechte als Abwehrrechte, 223 f.; Papier, in Merten / Papier, HdB GR, Bd. II, § 55 Rn. 4, der in Rn. 21 ergänzend rechtsstaatliche Argumente anführt. Zum geschichtlichen Hintergrund auch Gusy, in: Masing / Jestaedt / Capitant / Divellec, Strukturfragen, 93 (95); Dreier, in: Dreier, GG, Bd. I, Art. 1 III Rn. 2 ff. m. w. N. 73 Vgl. Canaris, AcP 184 (1984), 201 (204 f.); Canaris, JuS 1989, 161 (162). Weitere Argumente benennt Ehlers, DVBl. 2019, 397 (400). 74 Dazu bereits oben unter D. I. 2. 75 Unter welchen Voraussetzungen grundrechtliche Wertungen zwischen Privaten eine Rolle spielen können s. unten D. III. 2. b) cc). 76 Im Verhältnis Bürger – Bürger sind diese Grundrechtspositionen aber vollkommen irrelevant. Missverständlich insoweit Prothmann, Die Wahl des Versammlungsortes, 105, nachdem „der Hausherr dem Demonstrationsverlangen in seinem Raum diese Grundrechtsposition entgegensetzen kann“. Die sich „gegenüberstehenden“ Grundrechtspositionen sind, wie sich später noch zeigen wird (vgl. unter D. III. 2. b) cc).) nur für den Staat von Bedeutung, in dem sie ihn bei der Erfüllung seiner grundrechtlichen Verpflichtungen gewissermaßen von beiden Seiten binden. 77 Das Eigentumsgrundrecht gem. Art. 14 I GG schützt das Recht des privaten Flächeneigentümers zur freien Gestaltung der Eigentumsnutzung u. gewährleistet damit das Recht, die privatrechtlichen Befugnisse aus §§ 903 ff., 1004 BGB nach eigenem Belieben zur Durchsetzung eigener Interessen zu verwenden. Dazu Prothmann, Die Wahl des Versammlungsortes, 104 f.; Joite, BLJ, 2011, 100 (104); Wegner, Kommunikationsherrschaft, 160 ff.; Jarass, in: Jarass /  Pieroth, GG, Art. 14 Rn. 16; Papier / Shirvani, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 14 Rn. 146, 161, 163; Isensee, in: Isensee / K irchhof, HdBStR, Bd. VII, § 150 Rn. 64; Wieland, in: Dreier, GG, Bd. I, Art. 14 Rn. 32. Aus der Rechtsprechung z. B. BVerfGE 89, 1, (5 ff.). Das gilt auch für Mieter u. Pächter als Besitzer. S. zum Schutz des berechtigten Besitzers durch Art. 14 I GG BVerfGE 89, 1 (5 f.); 105, 178 (180); BVerwG, NVwZ 2009, 1047 (1048).

I. Einführung  

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seiner Fläche berufliche bzw. unternehmerische Zwecke verfolgt, auch die Berufsfreiheit gem. Art. 12 I GG.78

5. Inanspruchnahme der privaten Flächen durch Versammlungen Nachdem ein Überblick über den rechtlichen Rahmen der privaten Flächen gegeben wurde, ist abschließend zu klären, was speziell für Versammlungen gilt. Möchten die Versammlungsteilnehmer eine private Fläche für die Durchführung ihrer Versammlung nutzen, über die sie als Eigentümer, Mieter oder Pächter frei verfügen können, besteht in rechtlicher Hinsicht kein Konflikt.79 So kann sich z. B. der Eigentümer eines Schrebergartens auf seinem eigenen privaten Grundstück zusammen mit anderen versammeln, ohne zuvor die Zustimmung oder das Einverständnis eines Dritten einholen zu müssen. Niemand kann ihm die Nutzung der eigenen privaten Fläche zur Ausübung seiner Versammlungsfreiheit untersagen. Überwiegend möchten die Versammlungsteilnehmer aber nicht eine eigene, sondern eine Fläche, die im Eigentum eines privaten Dritten steht, für Versammlungszwecke nutzen. In diesem Fall ist zunächst allgemein festzuhalten, dass es, wie auch für die Flächen des öffentlichen Straßenraums und der sonstigen staatlichen Einrichtungen,80 keine speziellen Bundesgesetze gibt, die die Nutzung (fremder) privater Flächen für Versammlungszwecke regeln.81 Damit hängt die Durchführung der Versammlung auf privaten Flächen von der Einräumung einer entsprechenden Nutzungsberechtigung durch den privaten Flächeneigentümer ab.82 Die Versammlungsteilnehmer haben demnach nur dann ein subjektives Recht, private Flächen für die Durchführung ihrer Versammlung zu nutzen, wenn sie sich mit dem Eigentümer vertraglich einigen oder dieser ihnen die begehrte Nutzung ausdrücklich oder konkludent gestattet.83 In der Regel stellen die privaten Eigentümer ihre Flächen aber nicht zu dem Zweck bereit, dort Versammlungen durchzuführen. Im Gegenteil: Die Bereitschaft privater Flächeneigentümer, Versammlungen auf ihren Flächen generell zu erlauben, ist aufgrund des mit Versammlungen 78

Zur Berufsfreiheit des privaten Flächeneigentümers aus Art. 12 I GG z. B. Wegner, Kommunikationsherrschaft, 168 f.; Prothmann, Die Wahl des Versammlungsortes, 105; KrisorWietfeld, Rahmenbedingungen der Grundrechtsausübung, 267. 79 Daher wird die Durchführung einer Versammlung auf einer „eigenen“ privaten Fläche in dieser Arbeit nicht weiter untersucht. 80 S. oben unter B. I. 3. u. unter C. I. 5. 81 So auch die Feststellung von Enders / Hofmann-Riem / Poscher / Kniesel / Schulze-Fielitz, ME VersG 2011, Begr. zu § 21, II. Zu den gesetzlichen Nutzungsrechten an privaten Flächen s. oben unter D. I. 3. b) aa). Einzig das Land Berlin hat im Februar 2021 mit § 20 II VersFG BE ein Gesetz erlassen, dass die Nutzug privater Flächen für Versammlungszwecke regelt. Eine Einordnung u. Bewertung dazu erfolgt unter D. V. 82 So Brenneisen / Arndt, NordÖR 2016, 269 (269). 83 Vgl. dazu auch Prothmann, Die Wahl des Versammlungsortes, 44 f.

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D. Art. 8 I GG und die privaten Flächen 

einhergehenden Störungspotentials eher gering. Das zeigt sich unter anderem darin, dass die von den privaten Flächeneigentümern aufgestellten Benutzungsbzw. Hausordnungen häufig das Demonstrieren auf ihren Flächen entweder von vornherein untersagen oder jedenfalls von ihrer ausdrücklichen Gestattung abhängig machen.84 Damit ist die Ausgangsproblematik bei versammlungsspezifischen Nutzungen privater Flächen im Grundsatz die Gleiche wie im öffentlichen Straßenraum und wie für die Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen: Bei allen drei Flächenkategorien geht es letztlich darum, dass die Bürger für sie „fremde“ Flächen, über deren Benutzung sie nicht selbst verfügen können, für die Durchführung einer Versammlung verwenden möchten. In allen Situationen sind sie aufgrund des fehlenden einfachrechtlichen Nutzungsrechts auf die Erlaubnis des Verfügungsberechtigten angewiesen, um diese Flächen für Versammlungszwecke nutzen zu können. Während bei den Flächen des öffentlichen Straßenraums und den Flächen der sonstigen staatlichen Einrichtungen aber der grundrechtsgebundene Staat über die Nutzung der Fläche zu entscheiden hat, bestimmt bei der letzten Flächenkategorie ein Privater, der keiner Grundrechtsbindung unterliegt, über die Flächennutzung. Im Unterschied zu den bereits untersuchten Flächenkategorien geht es also nicht um ein „zweipoliges“, sondern um ein „dreipoliges“ Grundrechtsverhältnis,85 bei dem zwischen dem grundrechtsverpflichteten Staat an der Spitze und den beiden sich gegenüberstehenden Grundrechtsberechtigen, den Versammlungsteilnehmern auf der einen sowie den Flächeneigentümer auf der anderen Seite, zu differenzieren ist.86 Bevor der Schutzpflichtengehalt von Art. 8 I GG in Bezug auf die Nutzung privater Flächen untersucht wird, soll zunächst in den Blick genommen werden, wie die Rechtsprechung entsprechende Konflikte löst, bei denen sich zwei grundrechtsberechtigte Private mit gegenläufigen Interessen gegenüberstehen. Dabei sollen insbesondere die Entscheidungen betrachtet werden, in denen es ganz speziell um die Nutzung von privaten Flächen zur Grundrechtsausübung, vor allem zur Durchführung von Versammlungen geht. Bejahen die Gerichte im Ergebnis einen Schutzgehalt von Art. 8 I GG auch in Bezug auf die Nutzung privater Flächen, ist im Anschluss zu untersuchen, wie sie diesen gegenüber dem Staat bzw. im Ergebnis gegenüber dem privaten Flächeneigentümer zur Geltung bringen.

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Vgl. schon oben unter D. I. 3. c). Begriff z. B. bei Hellgardt, JZ 2018, 901 (904, 906); Calliess, in: Merten / Papier, HdB GR, Bd. II, § 44 Rn. 18 ff.; Gusy, in: Masing / Jestaedt / Capitant / Divellec, Strukturfragen des Grundrechtsschutzes in Europa, 93 (105): „rechtliches Dreiecksverhältnis“. 86 Vgl. Brenneisen / Arndt, NordÖR 2016, 269 (271). 85

II. Rechtsprechung und Literatur zu Art. 8 GG und den privaten Flächen  

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II. Rechtsprechung und Literatur zu Art. 8 GG und den privaten Flächen 1. Rechtsprechung87 Die Gerichte setzen sich erst seit dem „Fraport-Urteil“ aus dem Jahr 2011 speziell mit der Frage auseinander, wie sich Art. 8 I GG auf die Nutzung privater Flächen für Versammlungszwecke auswirkt. Schon wesentlich früher aber müssen sich die Gerichte, insbesondere das BVerfG mit der grundsätzlichen Problematik beschäftigen, „ob“ die Grundrechte zwischen Privaten Wirkung entfalten können, und wenn ja, „wie“ diese Wirkung genau ausgestaltet ist. a) Entwicklung der Grundrechtswirkung im Verhältnis zwischen Privaten aa) Dogmatisches Fundament: Das Lüth-Urteil Die erste richtungsweisende Entscheidung des BVerfGs zu der Frage, ob und wie Grundrechte auf Privatrechtsverhältnisse einwirken können, betrifft das Grundrecht der Meinungsfreiheit gem. Art. 5 I 1 Alt. 1 GG. In dem sog. Lüth-Urteil88 aus dem Jahr 1958 beschäftigt sich das BVerfG mit einer Verfassungsbeschwerde, mit der sich der Beschwerdeführer gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg (LG Hbg.) wendet. Dieses untersagte dem Beschwerdeführer auf der Grundlage von § 826 BGB einen Boykottaufruf gegen den Film eines Regisseurs, der im Nationalsozialismus angreifbar hervorgetreten ist. Das BVerfG gibt dem Beschwerdeführer Recht und entscheidet, dass die Entscheidung des LGs Hbg. ihn in seinem Grundrecht aus Art. 5 I 1 Alt. 1 GG verletzt. Es ist das erste Mal, dass sich das BVerfG ausdrücklich mit der Thematik beschäftigt, ob „Grundrechtsnormen auf das bürgerliche Recht einwirken und wie diese Wirkung im einzelnen gedacht werden müsse“.89 Hierzu führt es aus, dass

87 Für die Rechtsprechungsanalyse wurde die einschlägige Rechtsprechung zum Verhältnis von Art. 8 I GG bzw. sonstigen Freiheitsgrundrechten zu den privaten Flächen u. den daran begründeten Nutzungsmöglichkeiten untersucht. Die Auswahl ist erneut durch eine Stichwortsuche per Juris u. Beck-online zustande gekommen. Die Rechtsprechung wird historisch dargestellt, wobei sowohl Entscheidungen von den Verwaltungs- u. Oberverwaltungsgerichten, als auch vom BVerfG erfasst sind. Die auf diesem Weg zufällig zusammengekommene Auswahl an Entscheidungen hat keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Die Rechtsprechung wurde zur besseren inhaltlichen Verdeutlichung in unterschiedliche Phasen unterteilt. 88 BVerfGE 7, 198 (198 ff.). 89 BVerfGE, 7 198 (204). Auch schon vor dem Lüth-Urteil hat sich das BVerfG mit dem Verhältnis von Grundrechten u. Privatrecht auseinandergesetzt, so z. B. in BVerfGE 1, 3 (3 ff.); 1, 7 (7 ff.); 3, 313 (213 ff.); 4, 52 (52 ff.); 6, 55 (55 ff.). Da das BVerfG in diesen Entscheidungen

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D. Art. 8 I GG und die privaten Flächen 

„die Grundrechte [zwar] in erster Linie dazu bestimmt [sind], die Freiheitssphäre des einzelnen vor Eingriffen der öffentlichen Gewalt zu sichern“.90 Das BVerfG hält insoweit also an dem traditionellen Grundrechtsverständnis der Grundrechte als „Abwehrrechte des Bürgers gegen den Staat“ fest.91 Dabei bleibt das Gericht aber nicht stehen, sondern postuliert, dass das Grundgesetz in seinem Grundrechtsabschnitt auch „eine objektive Wertordnung“ aufstelle, die „selbstverständlich“ auch das bürgerliche Recht beeinflussen könne.92 Damit spricht sich das BVerfG explizit dafür aus, dass die Grundrechte auch in Streitigkeiten zwischen Privaten Berücksichtigung finden müssen und bejaht damit im Ergebnis das „Ob“ einer Grundrechtswirkung in Privatrechtsverhältnissen. Gleichzeitig deuten diese einleitenden Ausführungen des BVerfGs bereits an, dass es eine entsprechende Bedeutung der Grundrechte für Privatrechtsverhältnisse nicht in deren abwehrrechtlicher Funktion dogmatisch verankert sieht, sondern in einem den Staat aktivierenden Gehalt. Anschließend bezieht das Gericht dann auch konkret zu der Frage Stellung, „wie“ sich der Rechtsgehalt der Grundrechte im Privatrecht entfaltet. Die grundrechtlichen Wertungen seien durch das Medium der dieses Rechtsgebiet unmittelbar beherrschenden Vorschriften zur Geltung zu bringen sowie bei der Auslegung der einzelnen privatrechtlichen Vorschriften zu berücksichtigen. Dabei bieten nach Auffassung des BVerfGs insbesondere die Generalklauseln des Zivilrechts (in diesem Fall § 826 BGB mit dem Begriff der „guten Sitten“) die Möglichkeit, die Wertungen der Grundrechte in das Zivilrecht einfließen zu lassen.93 Aus diesen Ausführungen lassen sich bereits zwei Schlussfolgerungen ziehen: Da das BVerfG von einer staatlichen Pflicht ausgeht, das grundrechtliche „Wertsystem“ in allen Bereichen des Rechts und durch alle Gewalten zur Geltung zu bringen,94 macht es zum einen deutlich, dass seiner Auffassung nach die Grundrechte die Privaten nicht untereinander binden bzw. verpflichten können. Im Ergebnis hält das BVerfG also an dem von Art. 1 III GG vorgegebenen Grundrechtsverständnis fest, nach dem die Grundrechte nur im Staat-Bürger-Verhältnis unmittelbar Rechte und Pflichten auslösen können.95 Zum anderen gibt das BVerfG mit seinen Aussagen vor, mit welchen „Mitteln“ und durch welche „Stellen“ der Staat den grundrechtlichen Wertungen zwischen Privaten Bedeutung verleihen kann. Die Formulierungen des BVerfGs deuten insoweit auf zwei Schritte hin, die aber das Verhältnis der Grundrechte zum Privatrecht nicht besonders problematisiert, ergeben sich daraus keine weiterführenden Hinweise für die in dieser Rechtsprechungsanalyse untersuchten Fragstellung. 90 BVerfGE 7, 198 (204). 91 BVerfGE 7, 198 (204). 92 BVerfGE 7, 198 (205). 93 BVerfGE 7, 198 (205 f.). Das BVerfG verweist hier ausdrücklich auf die von Dürig entwickelte Theorie der mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte, vgl. Dürig, in: FS Nawiasky, 157 (176 ff.). 94 Vgl. BVerfGE 7, 198 (205 f.). 95 Das zeigt sich auch darin, dass das BVerfG die Grundrechtsverletzung nicht in dem Verhalten des Privaten sieht, sondern in dem landgerichtlichen Urteil, vgl. BVerfGE 7, 198 (199).

II. Rechtsprechung und Literatur zu Art. 8 GG und den privaten Flächen  

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erforderlich sind, damit die Grundrechte zwischen Privaten (überhaupt) Wirkung entfalten können: Erstens bedarf es bürgerlichrechtlicher Vorschriften, die nicht im Widerspruch zu den Grundrechten stehen dürfen.96 Damit betont es gleichzeitig die Grundrechtsgebundenheit auch des Privatrechtsgesetzgebers.97 Sind entsprechende Vorschriften vorhanden, hat zweitens der Richter „kraft Verfassungsgebots zu prüfen, ob die von ihm anzuwendenden materiellen zivilrechtlichen Vorschriften in der beschriebenen Weise grundrechtlich beeinflusst sind“.98 Ferner habe er bei der Entscheidung der privatrechtlichen Streitigkeit aufgrund seiner Grundrechtsbindung gem. Art. 1 III GG im Rahmen der Auslegung und Anwendung privatrechtlicher Vorschriften die sich aus den Grundrechten ergebenden Wertungen zu beachten.99 Komme er seiner Verpflichtung nicht nach, indem er die relevanten Grundrechte in seiner Entscheidung gar nicht oder deren Reichweite und Wirkkraft nicht hinreichend beachtet, verletze er „als Träger öffentlicher Gewalt durch sein Urteil das Grundrecht.“100 Das BVerfG betont ferner, dass der Verpflichtung des Zivilrichters ein verfassungsrechtlicher Anspruch des einzelnen Grundrechtsträgers korrespondiere.101 bb) Weiterentwicklung der Lüth-Rechtsprechung und Bezugnahme zur Schutzpflicht Zwar äußert sich das BVerfG nie ausdrücklich zu dem Verhältnis der seit dem Lüth-Urteil angewandten sog. „mittelbaren Drittwirkung“ und seiner Rechtsprechung zur grundrechtlichen Schutzpflicht.102 Allerdings nimmt das Gericht in seinen Entscheidungen vermehrt auch auf die allgemeinen Grundsätze und Argumente seiner Schutzpflichtenrechtsprechung Bezug, wenn es darum geht, grundrechtsrelevante Konflikte zwischen Privaten zu lösen. (1) „Handelsvertreter-Beschluss“ und „Bürgschaftsentscheidung“ Diese Entwicklung zeigt sich insbesondere ab dem sog. „Handelsvertreter-­ Beschluss“103 des BVerfGs aus dem Jahr 1990. Diese Entscheidung betrifft unter anderem die Frage, ob § 90a II 2 HGB a. F., demzufolge im Falle eines vertrag 96

BVerfGE 7, 198 (205). Die Grundrechtsgebundenheit des Privatrechtsgesetzgebers bestätigt das BVerfG auch in seinen nachfolgenden Entscheidungen, vgl. BVerfGE 7, 377 (403 f.); 14, 263 (278); 31, 58 (69 f.); 34, 139 (146); 35, 79 (114); 37, 132 (140); 49, 89 (141 f.); 53, 30 (57); 56, 54 (78 f.); 65, 325 (354). 98 BVerfGE 7, 198 (206). 99 BVerfGE 7, 198 (206). 100 BVerfGE 7, 198 (206 f.). 101 BVerfGE 7, 198 (207): „(…) auf dessen Beachtung auch durch die rechtsprechende Gewalt der Bürger einen verfassungsrechtlichen Anspruch hat“. 102 BVerfGE 39, 1 (41); 46, 160 (164); 49, 89 (142); 53, 30 (57); 56, 54 (73 ff.); 88, 203 (251 ff.). 103 BVerfGE 81, 242 (242 ff.). 97

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lich vereinbarten nachvertraglichen Wettbewerbsverbots der Anspruch des Handelsvertreters auf Entschädigung ausgeschlossen ist, mit Art. 12 I GG vereinbar ist. Im Mittelpunkt der Entscheidung steht vor allem die Überlegung, ob und inwieweit speziell das Grundrecht der Berufsfreiheit gem. Art. 12 I GG zwischen den am Vertrag beteiligten Privaten Wirkung entfaltet. Den Ausgangspunkt der Argumentation des BVerfGs bildet der Gedanke der grundrechtlich geschützten Privatautonomie. Da die Privatautonomie auf dem Prinzip der Selbstbestimmung beruhe, sei der Staat verpflichtet, regelnd einzugreifen, um den Grundrechtsschutz zu sichern, wenn ein Vertragspartner ein so starkes Übergewicht habe, dass dies für den anderen Vertragspartner fremdbestimmend wirke.104 Das BVerfG postuliert damit im Ergebnis eine staatliche Pflicht, immer dann regulierend in die von Art. 2 I GG geschützte Privatautonomie des einen Bürgers einzugreifen, wenn das zur tatsächlichen Herstellung der grundrechtlich gewährleisteten Vertragsfreiheit des anderen Bürgers erforderlich ist. Hier zeigt sich besonders deutlich, dass die vom BVerfG beschriebene staatliche Handlungspflicht in Bezug auf Privatrechtsverhältnisse letztlich auf derselben grundrechtsdogmatischen Erwägung beruht wie auch seine traditionelle Schutzpflichtenrechtsprechung.105 Es geht in beiden Konstellationen darum, dass der Staat die „reale“ Ausübbarkeit der grundrechtlichen Freiheiten nach allen Richtungen hin zu gewährleisten hat. Das Gericht führt weiter aus, dass immer dann, wenn ein Vertragspartner strukturell überlegen ist und die Konsequenzen des Vertrages für den anderen Vertragsteil außergewöhnlich belastend sind, das Vertragsrecht insbesondere mit Hilfe der Generalklausuren eine Korrektur ermöglichen müsse.106 Hier zeigt sich erneut eine Gemeinsamkeit zur Schutzpflichtenrechtsprechung des BVerfGs, nach der primär der Gesetzgeber verpflichtet sei, „offensichtlichen Fehlentwicklungen nicht tatenlos zuzusehen“.107 Darüber hinaus spricht das BVerfG im „Handelsvertreter-Beschluss“ prägnant vom „Schutzauftrag der Verfassung“108, der den Richter verpflichte, den objektiven Grundentscheidungen der Verfassung in Fällen gestörter Vertragsparität mit den Mitteln des Zivilrechts Geltung zu verschaffen.109 In dieser Äußerung kommt nicht nur erneut der Schutzgedanke besonders deutlich zum Ausdruck. Zudem ordnet das BVerfG mit dieser Aussage die Aufgabe des Richters zur verfassungskonformen Anwendung des Zivilrechts zum ersten Mal ausdrücklich in den Kontext der staatlichen Schutzpflicht ein. Auch in der Entscheidung über die Wirksamkeit von Bürgschaften vermögensloser Familienangehöriger aus dem Jahr 1993110 rekurriert das BVerfG nicht nur auf 104

Vgl. BVerfGE 81, 242 (254 f.). Auch Hermes, NJW 1990, 1764 (1764 ff.) stellt in seiner Entscheidungsbesprechung eine Bezugnahme des BVerfGs zur Schutzpflicht fest. 106 Vgl. BVerfGE 81, 242 (255). 107 BVerfGE 81, 242 (255). 108 BVerfGE 81, 242 (256). 109 BVerfGE 81, 242 (256). 110 BVerfGE 89, 214 (214 ff.). 105

II. Rechtsprechung und Literatur zu Art. 8 GG und den privaten Flächen  

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das Lüth-Urteil,111 sondern ergänzend auf die Grundsätze der staatlichen Schutzpflicht.112 So folgert das BVerfG aus der grundrechtlich geschützten Privatautonomie unter anderem „die Pflicht des Gesetzgebers, rechtsgeschäftliche Gestaltungsmittel zur Verfügung zu stellen“.113 Ferner „müsse die Zivilrechtsordnung (…) reagieren und Korrekturen ermöglichen“, wenn eine strukturelle Unterlegenheit des einen Vertragspartners besteht, die für diesen eine ungewöhnliche Belastung bedeute.114 Diese staatliche Pflicht leitet das BVerfG aus Art. 2 I GG und aus dem Sozialstaatsprinzip ab.115 Sowohl der „Handelsvertreter-Beschluss“ als auch die „Bürgschaftsentscheidung“ zeigen, dass das BVerfG potenziellen Machtungleichgewichten zwischen Privaten nicht mit einer Ausdehnung der Grundrechtsbindung bzw. -verpflichtung auf Private begegnet, sondern im Wege der Inpflichtnahme des Staates, der gem. Art. 1 III GG dazu gehalten ist, strukturelle Ungleichgewichte zwischen Privaten zur Herstellung grundrechtlicher Freiheiten auszugleichen. Zwar bezieht sich das BVerfG sowohl in seinem „Handelsvertreter-Beschluss“ als auch in der „Bürgschaftsentscheidung“ weder ausdrücklich auf seine Schutzpflichtenrechtsprechung noch zitiert es die einschlägigen Entscheidungen. In Anlehnung an sein Lüth-­Urteil begründet es die Wirkung der Grundrechte auf Privatrechtsverhältnisse weiterhin hauptsächlich mit der sog. „Ausstrahlungswirkung“. Allerdings verwendet das BVerfG vermehrt schutzpflichtendogmatische Begriffe und betont verstärkt die Verpflichtung des Gesetzgebers, die grundrechtlichen Gehalte zur Geltung zu bringen. Ferner lassen diese beiden Entscheidungen eine Maßstabsbildung dazu erkennen, wann das BVerfG eine entsprechende staatliche Pflicht zum regulierenden Eingreifen in Privatrechtsverhältnisse aus den Grundrechten ableitet. Das ist zum einen der Fall, wenn ein Vertragsteil strukturell unterlegen ist, und zum anderen dann, wenn eine ungewöhnlich starke Grundrechtsbelastung droht. (2) „Parabolantennen-Beschluss“ Eine weitere wichtige Wegmarke in der Rechtsprechung des BVerfGs zur Bedeutung der Grundrechte für Privatrechtsverhältnisse ist der „ParabolantennenBeschluss“ aus dem Jahr 1994.116 Das BVerfG setzt sich in dieser Entscheidung mit der Verfassungsbeschwerde eines Mieters gegen das Urteil des Landgerichts Essen (LG Essen) auseinander. Dieses hatte zuvor entschieden, dass der Mieter keinen Anspruch gegen den Vermieter aus §§ 535, 536 BGB auf Zustimmung zur Installation einer Satellitenempfangsanlage am Wohnhaus hat. Der Beschwerde 111

BVerfGE 89, 214 (229 f.). S. insbesondere ab BVerfGE 89, 214 (231 ff.). 113 BVerfGE 89, 214 (232), Hervorh. d. Verf. 114 BVerfGE 89, 214 (232). 115 BVerfGE 89, 214 (232). 116 BVerfGE 90, 27 (27 ff.). 112

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führer sieht sich durch diese Entscheidung in seinem Recht auf Informationsfreiheit gem. Art. 5 I 1 Hs. 2 GG verletzt und bekommt im Ergebnis vom BVerfG Recht. Zu Beginn seiner Entscheidungsbegründung beschäftigt sich das BVerfG mit der Frage, ob der Schutzbereich von Art. 5 I 1 Hs. 2 GG auch die Installation einer Parabolantenne an fremdem Eigentum erfasst. Das Gericht kommt insoweit zu dem Ergebnis, dass der Schutzbereich von Art. 5 I 1 Hs. 2 GG sich immer dann auch auf die Beschaffung und Nutzung von Empfangsanlagen erstrecke, wenn der Empfang von an die Allgemeinheit gerichteten Rundfunkprogrammen von einer entsprechenden technischen Anlage abhängt.117 Anderenfalls sei das Grundrecht in Bereichen, in denen der Informationszugang technische Hilfsmittel voraussetze, „praktisch wertlos“.118 Im Anschluss daran widmet es sich der Frage, welche Wirkungen dieser grundrechtliche Schutzgehalt von Art. 5 I 1 Hs. 2 GG gegenüber dem Staat entfaltet.119 Erneut zitiert das BVerfG seine Erwägungen im Lüth-Urteil und führt aus, dass die Verfassung vom Rechtsanwender verlange, im Rahmen der Auslegung und bei der Konkretisierung von Generalklauseln die betroffenen Grundrechte zu berücksichtigen, damit ihr wertsetzender Gehalt auch auf der Rechtsanwendungsebene zur Geltung kommen könne.120 Das sei der Grund, weshalb der grundrechtliche Schutzgehalt aus Art. 5 I 1 Hs. 2 GG auch in Streitigkeiten über die Anbringung einer Empfangsanlage im Rahmen der ordentlichen Gerichtsbarkeit Berücksichtigung finden müsse.121 Die Berücksichtigungspflicht treffe in diesem Fall vor allem den Zivilrichter, der – mangels spezieller privatrechtlicher Vorschriften, die die Anbringung von Empfangsvorrichtungen an Mietwohnungen regeln – bei der Auslegung und Anwendung der allgemeinen Vorschriften der §§ 535, 536, 242 BGB dem Grundrecht des Mieters aus Art. 5 I 1 Hs. 2 GG Rechnung tragen müsse.122 Da die Verurteilung zur Duldung einer Empfangsanlage aber gleichzeitig das Grundrecht des Vermieters aus Art. 14 I GG berühre, sei eine fallbezogene Abwägung beider grundrechtlich geschützten Interessen erforderlich.123 Ergebe die Interessenabwägung, dass das Grundrecht des Mieters überwiegt, sei der Staat verpflichtet, das aus Art. 5 I 1 Hs. 2 GG folgende Recht des Mieters zur Anbringung einer Empfangsvorrichtung, gegenüber dem privaten Vermieter umzusetzen.124 Auf den ersten Blick hat der „Parabolantennen-Beschluss“ des BVerfGs wenig gemein mit der in diesem Teil D relevanten Flächennutzungsproblematik. Auf den zweiten Blick zeigen sich aber wesentliche Überschneidungen: In beiden Fällen begehrt ein Privater von einem anderen Privaten die Zustimmung für eine bestimmte 117

Vgl. BVerfGE 90, 27 (32 f.). BVerfGE 90, 27 (32). 119 BVerfGE 90, 27 (33 f.). 120 BVerfGE 90, 27 (33); BVerfGE 7, 198 (205 ff.). 121 BVerfGE 90, 27 (33). 122 BVerfGE 90, 27 (33). 123 BVerfGE 90, 27 (33). 124 Vgl. BVerfGE 90, 27 (35 ff.). 118

II. Rechtsprechung und Literatur zu Art. 8 GG und den privaten Flächen  

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Nutzung seines Eigentums. Der Mieter möchte eine Antenne am Haus des Vermieters anbringen; die Versammlungsteilnehmer möchten eine fremde private Fläche nutzen. Immer geht es darum, ein grundrechtlich geschütztes Verhalten wahrnehmen zu können: Der Mieter möchte von seiner Informationsfreiheit aus Art. 5 I 1 Hs. 2 GG Gebrauch machen, die Versammlungsteilnehmer ihre grundrechtlich geschützte Versammlungsfreiheit gem. Art. 8 I GG ausüben. In beiden Situationen sind sie zur „realen“ Ausübung ihrer Grundrechte auf die Erlaubnis eines Privaten angewiesen. Diese vergleichbare Ausgangslage spricht dafür, dass die in dem „Parabolantennen-Beschluss“ gefundene Lösung des BVerfGs im Grundsatz auf die Nutzung privater Flächen für Versammlungszwecke übertragen werden kann. Der „Parabolantennen-Beschluss“ birgt im Vergleich zu den vorherigen Entscheidungen des BVerfGs zur Bedeutung der Grundrechte in Privatrechtsstreitigkeiten einige wesentlich neue Erkenntnisse. Es ist das erste Mal, dass das BVerfG aus dem Grundrecht des einen Privaten eine staatliche Pflicht entnimmt, dem anderen Privaten eine Pflicht zur Duldung des grundrechtlich geschützten Verhaltens des anderen Teils aufzuerlegen. Ferner zeigt sich in der vom BVerfG im „Parabol­ antennen-Beschluss“ vorgenommenen Schutzbereichsbestimmung, dass das Gericht weiterhin zur dogmatischen Begründung auf die staatliche Schutzpflicht zugunsten „realer“ Freiheit zurückgreift, die den Staat immer dann zum Ergreifen von Schutzmaßnahmen verpflichtet, wenn die Grundrechtsträger auf ein staatliches Handeln angewiesen sind, um tatsächlich ihre grundrechtlich garantierten Freiheiten ausüben zu können. Im Unterschied zum „Handelsvertreter-Beschluss“ und zur „Bürgschaftsentscheidung“ stellt das BVerfG im „Parabol­antennen-Beschluss“ zwar nicht auf das Kriterium der strukturellen Unterlegenheit ab. Es betont aber immerhin die essentielle Angewiesenheit des Mieters auf die Nutzung einer Parabol­ antenne für die Wahrnehmung seiner Informationsfreiheit und die drohende ungewöhnliche starke Grundrechtsbelastung. Zuletzt enthält der „Parabol­antennenBeschluss“ auch Anhaltspunkte dafür, wann das BVerfG den grundrechtlichen Gehalten eine konkrete staatliche Handlungspflicht gegenüber einem anderen Privaten entnimmt. Die Frage, ob der Mieter tatsächlich vom Staat verlangen kann, den Vermieter zur Duldung einer Empfangsanlage zu verpflichten, könne erst nach einer umfassenden Interessenabwägung, die auch die Grundrechte des privaten Vermieters bzw. Flächeneigentümers berücksichtigt, beantwortet werden. (3) „Ehevertrags-Urteil“ Dass das BVerfG an dieser schutzpflichtenorientierten Lösung von Privatrechtskonflikten mit Grundrechtsrelevanz festhält, zeigt abschließend auch das „Ehevertrags-Urteil“ aus dem Jahr 2001.125 Inhalt der Entscheidung ist die Frage, 125

BVerfGE 103, 81 (89 ff.). Auch die Entscheidung des BVerfGs zum Lebensversicherungsvertrag beinhaltet Schutzpflichtenaspekte, vgl. BVerfGE 114, 1 (33 f.).

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inwieweit ordentliche Gerichte von Verfassungs wegen verpflichtet sind, ehevertragliche Abreden, durch die einer der beiden Partner nach der Scheidung zum Unterhaltsverzicht verpflichtet wird, einer Inhaltskontrolle zu unterziehen. Das BVerfG kommt zu dem Ergebnis, dass eine gerichtliche Entscheidung, die eine entsprechende Vereinbarung für wirksam erachtet, unter anderem den nachteilhaft betroffenen Ehepartner in seinem Recht aus Art. 2 I i. V. m. Art. 6 IV GG verletze. Zur Begründung rekurriert es zwar zunächst noch auf seine Ausführungen in der Lüth-­Entscheidung. Im Anschluss greift es aber ergänzend auf Schutzpflichtenüberlegung zurück, wenn es formuliert, dass „der Staat (…) im Privatrecht die Grundrechte des Einzelnen zu schützen und vor Verletzungen durch andere zu wahren“ hat.126 Im Gegensatz zu den vorangehenden Entscheidungen zitiert das BVerfG in seinem Urteil zum Ehevertrag dabei erstmals ausdrücklich seine Schutzpflichtenrechtsprechung.127 Indem das BVerfG betont, dass es im konkreten Fall den Gerichten obliegt, „den grundrechtlichen Schutz durch Auslegung und Anwendung des Rechts zu gewähren und im Einzelfall zu konkretisieren“,128 macht es deutlich, dass diese „mittelbare Drittwirkung“ im Ergebnis nichts anderes ist, als die konkrete Umsetzung der staatlichen Schutzpflicht für den Einzelfall. b) Bedeutung von Art. 8 I GG für die Zulässigkeit der Nutzung privater Flächen für Versammlungszwecke Aufbauend auf diesen allgemeinen Grundlagen kann nun in den Blick genommen werden, ob die Gerichte auch speziell für Art. 8 I GG einen Schutzgehalt bejahen, der den Staat verpflichtet, der Versammlungsfreiheit auch in Privatrechtsverhältnissen Rechnung zu tragen. Bereits im „Brokdorf-Beschluss“ aus dem Jahr 1985 legt das BVerfG die allgemeine Grundlage für eine solche Wirkung der Versammlungsfreiheit, indem es ausdrücklich eine Verpflichtung des Staates postuliert, durch alle Gewalten dafür Sorge zu tragen, dass die Bedeutung von Art. 8 I GG bei staatlichen (Zulassungs-)Entscheidungen hinreichend berücksichtigt wird.129 Ob diese Verpflichtung im Einzelfall auch die staatliche Gewährleistung der Nutzung privater Flächen für Versammlungszwecke erfassen kann, soll im Folgenden untersucht werden.

126

BVerfGE 103, 89 (100). BVerfGE 103, 89 (100) mit Verweis auf BVerfGE 46, 160 (160 ff.); 49, 89 (89 ff.); 53, 30 (30 ff.); 56, 54 (54 ff.); 88, 203 (203 ff.). 128 BVerfGE 103, 89 (100). 129 Vgl. insbesondere BVerfGE 69, 315 (384) sowie 69, 315 (355). S. dazu die Auswertung unter B. II. 1. b) aa). 127

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aa) „Fraport-Urteil“ Ihren eigentlichen Ausgangspunkt findet die Rechtsprechung zur Abhaltung von Versammlungen auf privaten Flächen in dem bereits mehrfach erwähnten „FraportUrteil“ des BVerfGs aus dem Jahr 2011. Obwohl es in dieser bundesverfassungsgerichtlichen Entscheidung um eine Fläche geht, die nicht im Eigentum eines Privaten steht,130 finden sich gleich mehrere allgemeingültige Aussagen des BVerfGs zur Inanspruchnahme privater Flächen für Versammlungszwecke, ohne dass das Gericht explizit auf die staatliche Beherrschung der Fraport-AG Bezug nimmt. So stellt das BVerfG ausdrücklich klar, dass es „grundrechtlich (…) unerheblich [ist], ob ein solcher Kommunikationsraum mit den Mitteln des öffentlichen Straßen- und Wegerechts oder des Zivilrechts geschaffen wird“.131 Das BVerfG geht also davon aus, dass es für die Beurteilung, ob eine Fläche vom räumlichen Schutzgehalt von Art. 8 I GG erfasst ist, nicht auf deren rechtliche Ausgestaltung ankommen kann, sondern allein darauf, dass auf der Fläche in tatsächlicher Hinsicht „ein allgemeiner öffentlicher Verkehr eröffnet ist“.132 Wie bereits an anderer Stelle ausgeführt,133 bejaht das BVerfG ein solches „öffentliches Forum“ immer dann, wenn eine Fläche tatsächlich öffentlich zugänglich ist und für vielfältige, insbesondere kommunikative Nutzungen von den Bürgern verwendet wird. Insoweit deutet die Fraport-Entscheidung also schon daraufhin, dass das BVerfG jedenfalls von der Möglichkeit ausgeht, dass der Schutzgehalt von Art. 8 I GG auch die Nutzung privater Flächen erfasst, wenn diese dem Leitbild des „öffentlichen Forums“ entsprechen und die Versammlungsteilnehmer zur „realen“ Ausübung der Versammlungsfreiheit auf die Nutzung dieser Fläche angewiesen sind. Damit legt das BVerfG bereits im „Fraport-Urteil“ die Weichen für die Lösung des Flächennutzungskonflikts auch in Bezug auf private Flächen. Darüber hinaus äußert sich das BVerfG zu der Frage, wie ein entsprechender Schutzgehalt von Art. 8 I GG in Bezug auf private Flächen zur Geltung zu bringen ist: In einem obiter dictum formuliert es bereits zu Beginn seiner Entscheidung, dass „möglicherweise Private – etwa im Wege der mittelbaren Drittwirkung – unbeschadet ihrer eigenen Grundrechte ähnlich oder auch genauso weit durch die Grundrechte in die Pflicht genommen werden, insbesondere wenn sie in tatsächlicher Hinsicht in eine vergleichbare Pflichten- oder Garantenstellung hineinwachsen wie traditionell der Staat“.134 Das greift das BVerfG einige Absätze später wieder auf,

130

Die Fraport AG befindet sich mehrheitlich in staatlicher Hand. Vgl. dazu schon die Auswertung des Fraport-Urteils unter B. II. 1. d) u. unter C. II. 1. c). 131 BVerfGE 128, 226 (252). 132 Vgl. auch schon oben unter C. II. 1. c). Damit erfolgt die Bestimmung des Schutzbereichs der Versammlungsfreiheit nach Auffassung des BVerfGs losgelöst von der Frage, ob im Einzelfall eine staatliche Fläche oder die Fläche eines Privaten in Anspruch genommen werden soll. So auch die Deutung von Schulenberg, DÖV 2016, 55 (57). 133 So schon unter C. II. 1. c). 134 BVerfGE, 128, 226 (248).

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indem es betont, dass „je nach Gewährleistungsinhalt und Fallgestaltung (…) die mittelbare Grundrechtbindung Privater einer Grundrechtsbindung des Staates (…) nahe oder auch gleichkommen [kann]“.135 Man könnte auf den ersten Blick meinen, dass sich das BVerfG an dieser Stelle für eine (unmittelbare) Grundrechtsbindung bzw. -verpflichtung von Privaten ausspricht. Diese Deutung wird auf den zweiten Blick aber dadurch relativiert, dass das BVerfG gleichzeitig ausdrücklich auf die mittelbare Drittwirkung verweist, die der richtige Hebel sei, um eine entsprechende Inpflichtnahme Privater zu erzielen. Auch die vergleichende Betrachtung des BVerfGs zur Grundrechtsbindung des Staates lässt keine andere Schlussfolgerung zu: Das BVerfG beschreibt hier im Ergebnis „nur“, welche Auswirkungen die Umsetzung der staatlichen Schutzpflicht aus Art. 8 I GG für den privaten Flächeneigentümer haben kann. Die grundsätzliche Wirkweise der Grundrechte stellt es damit aber gerade nicht in Frage. Das macht das Gericht auch im Rahmen seiner Schutzbereichserwägungen in Bezug auf Art. 8 I GG deutlich, indem es ausführt, dass die Versammlungsfreiheit für die Verkehrsflächen von Einkaufszentren, Laden­passagen oder sonstige Begegnungsstätten immer dann nicht ausgenommen werden könne, „soweit eine unmittelbare Grundrechtsbindung besteht oder Private im Wege der mittelbaren Drittwirkung in Anspruch genommen werden können“.136 Mangels Entscheidungserheblichkeit im konkreten Fall äußert sich das BVerfG allerdings weder dazu, wann die Versammlungsteilnehmer gem. Art. 8 I GG tatsächlich vom Staat verlangen können, ihnen auch die Nutzung einer privaten Fläche zu ermöglichen, noch dazu, wie ein entsprechender Schutzgehalt durch den Staat umgesetzt werden könnte. Es bleibt also insgesamt offen, unter welchen Bedingungen nach Auffassung des BVerfGs ein privatrechtlicher Anspruch auf Zulassung zur Nutzung einer privaten Fläche für eine Versammlung bestehen kann. bb) Anwendung der Fraport-Rechtsprechung in der Praxis (1) Keine Versammlung auf Hosteldach Dass die im „Fraport-Urteil“ angedeuteten Grundsätze auch in der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte angewendet werden, zeigt stellvertretend ein Beschluss des VGs Berlin aus dem Jahr 2014.137 Darin entscheidet das Gericht, dass aus Art. 8 I GG jedenfalls kein Anspruch der Versammlungsteilnehmer folge, der sie zur Durchführung einer Versammlung auf dem Dach eines privaten Hostels berechtige. In seiner Begründung führt das VG Berlin aus, dass den Grundrechtsträgern zwar grundsätzlich die Wahl des Versammlungsortes freistehe. Ein

135

BVerfGE 128, 226 (249). BVerfGE 128, 226 (252), Hervor. d. Verf. 137 VG Berlin, BeckRS 2014, 55677. 136

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Rechtsanspruch auf Durchführung der Versammlung an einem bestimmten Ort setze aber voraus, dass es sich um eine öffentliche Straße, einen öffentlichen Weg oder Platz oder um einen sog. Ort des allgemeinen kommunikativen Verkehrs handle.138 Das für die Unterbringung von Asylbewerbern genutzte Hostel stellt nach Auffassung des VGs Berlin aber gerade keinen Ort dar, der der Öffentlichkeit allgemein zugänglich ist, sodass die Durchführung einer Versammlung im Hostel, „durch Art. 8 I GG ebenso wenig geschützt [ist] wie etwa in einem öffentlichen Schwimmbad oder Krankenhaus“.139 Obwohl das VG Berlin im konkreten Fall einen Schutzgehalt von Art. 8 I GG in Bezug auf eine private Fläche verneint, wird doch deutlich, dass das Gericht jedenfalls im Grundsatz davon ausgehen muss, dass aus Art. 8 I GG ein Anspruch auch auf Nutzung einer privaten Fläche folgen kann, soweit es sich um einen Ort des allgemeinen kommunikativen Verkehrs handelt. (2) „Bierdosen- Flashmob“ für die Freiheit Im Jahr 2015 muss sich dann auch das BVerfG in einer Eilentscheidung mit der Frage auseinandersetzen, ob und in welchem Umfang Art. 8 I GG ein Recht garantiert, private Flächen für Versammlungszwecke zu nutzen. Inhaltlich geht es in dem sog. „Bierdosenflashmob-Beschluss“140 darum, ob der im Eigentum einer privaten GmbH & Co KG stehende Nibelungenplatz trotz ausgesprochenen Hausverbots für die Durchführung einer Versammlung genutzt werden darf. Der Platz befindet sich im Stadtzentrum von Passau am Ende einer Fußgängerzone.141 Er ist zwar tatsächlich für den Publikumsverkehr zugänglich, eine öffentliche Zweck­ bestimmung besteht jedoch nicht. Mit der Versammlung auf dem Nibelungenplatz wollen die Veranstalter auf den Verlust staatlichen Gewaltmonopols durch den vermehrten Einsatz privater Sicherheitsdienste sowie auf die zunehmende Beschränkung von Freiheitsrechten (z. B. durch Alkoholverbote) aufmerksam machen. Das BVerfG setzt das Hausverbot der privaten Flächeneigentümerin per einstweiliger Anordnung außer Kraft und gestattet im Ergebnis die Durchführung der Versammlung auf dem Nibelungenplatz. In der Entscheidungsbegründung stellt das BVerfG zunächst ausdrücklich fest, dass sich die Flächeneigentümerin als juristische Person des Privatrechts gem. Art. 19 III GG auf eigene Grundrechte (in diesem Fall Art. 14 I GG) berufen könne.142 Im darauffolgenden Satz formuliert es, dass diese Grundrechtsberechtigung der privaten Flächeneigentümerin aber nicht verhindere, dass sich die Antragstel-

138

VG Berlin, BeckRS 2014, 55677. VG Berlin, BeckRS 2014, 55677. 140 BVerfG, NJW 2015, 2485 (2485 ff.). 141 Der Platz schließt an den Omnibusbahnhof von Passau sowie die Stadtgalerie an u. ist von Cafés, Arztpraxen sowie unterschiedlichen Geschäften umgeben. 142 BVerfG, NJW 2015, 2485 (2485). 139

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ler in einem gerichtlichen Verfahren auf das Grundrecht der Versammlungsfreiheit berufen können.143 Die Gegenüberstellung beider Aussagen erscheint auf den ersten Blick widersprüchlich: Das BVerfG geht einerseits von einer Grundrechts­ berechtigung der privaten Flächeneigentümerin aus, betont aber zugleich, dass die Versammlungsteilnehmer ihr Grundrecht aus Art. 8 I GG geltend machen können. Dieser Widerspruch lässt sich jedoch auf den zweiten Blick auflösen, wenn man den Bezugspunkt der Aussage des BVerfGs berücksichtigt. Die Versammlungsteilnehmer sollen sich nach Auffassung des Gerichts nicht gegenüber dem privaten Flächeneigentümer, sondern in einem gerichtlichen Verfahren, d. h. gegenüber dem ordentlichen Gericht auf ihr Grundrecht berufen können. Das BVerfG hält also auch im „Bierdosenflashmob-Beschluss“ an der grundsätzlichen Unterscheidung zwischen dem grundrechtsverpflichteten Staat auf der einen und den grundrechtsberechtigten Privaten auf der anderen Seite fest.144 Nach diesen allgemeinen Ausführungen zur Grundrechtsberechtigung bzw. -verpflichtung geht das BVerfG konkret auf den räumlichen Schutzgehalt von Art. 8 I GG ein: „Die Versammlungsfreiheit [verbürgt] die Durchführung von Versammlungen dort, wo ein allgemeiner öffentlicher Verkehr eröffnet ist.“145 Im Anschluss daran stellt das BVerfG fest, dass „heute die Kommunikationsfunktion der öffentlichen Straßen, Wege und Plätze zunehmend durch weitere Foren, wie Einkaufszentren, Ladenpassagen oder durch private Investoren geschaffene und betriebene Plätze als Orte des Verweilens, der Begegnung, des Flanierens, des Konsums und der Freizeitgestaltung ergänzt wird“.146 Diese tatsächlichen Veränderungen führen das BVerfG zu der rechtlichen Schlussfolgerung, dass „die Versammlungsfreiheit für die Verkehrsflächen solcher Einrichtungen nicht ausgenommen werden könne, soweit eine unmittelbare Grundrechtsbindung besteht oder Private im Wege der mittelbaren Drittwirkung in Anspruch genommen werden können.147 Durch diese Argumentation wird deutlich, dass das BVerfG wohl von einer aus Art. 8 I GG folgenden Schutzpflicht zugunsten „realer“ Freiheit in Bezug auf die privaten Flächen ausgeht. Diese Schutzverpflichtung bildet nach Auffassung des Gerichts die dogmatische Grundlage dafür, dass der Staat gem. Art. 8 I GG verpflichtet sein kann, dafür zu sorgen, dass die Grundrechtsträger auch auf diesen Flächen ihre Versammlungsfreiheit tatsächlich ausüben können. Die bisher referierten Ausführungen des BVerfGs liefern damit zwar im Ergebnis keine neuen Erkenntnisse, sondern beschränken sich auf eine Darstellung der bereits im „Fraport-Urteil“ angedeuteten Rechtsprechung. Das BVerfG geht jedoch darüber hinaus, wenn es im

143

BVerfG, NJW 2015, 2485 (2485). Aus diesem Grund hat das Gericht im „Bierdosenflashmob-Beschluss“ auch keine staatsähnliche Grundrechtsbindung für Private geschaffen. So aber z. B. Herdegen, in: Maunz /  Dürig, GG, Art. 1 III Rn. 65; Smets, NVwZ 2016, 35 (37 f.). 145 BVerfG, NJW 2015, 2485 (2485). 146 BVerfG, NJW 2015, 2485 (2485). 147 BVerfG, NJW 2015, 2485 (2485). 144

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Anschluss einen Bezug zum konkreten Fall herstellt und für den Nibelungenplatz feststellt, dass „der beabsichtigte Ort der Versammlung zwar im Eigentum einer Privaten [steht], (…) zugleich aber für den Publikumsverkehr offen [ist] und (…) einen Raum des Flanierens, des Verweilens und der Begegnung [schafft], der dem Leitbild des öffentlichen Forums entspricht“.148 Das zeigt, dass die im „FraportUrteil“ vorgenommene Erweiterung des Schutzbereichs von Art. 8 I GG auf private Flächen für das BVerfG keine theoretische Erwägung bleibt, sondern durch das Gericht auch tatsächlich in die Praxis umgesetzt wird. Anschließend setzt sich das BVerfG damit auseinander, wie dieser Schutz­ gehalt von Art. 8 I GG in Bezug auf die private Fläche zur Geltung zu bringen ist. In diesem Rahmen stellt das Gericht zunächst ausdrücklich fest, dass die private Flächeneigentümerin „nicht wie die staatliche Gewalt unmittelbar an Grundrechte gebunden“ sei.149 Allerdings sei die Versammlungsfreiheit „im Wege der mittelbaren Drittwirkung nach Maßgabe einer Abwägung“ zu beachten.150 Im Anschluss äußert sich das BVerfG zum ersten Mal ausdrücklich zur „Reichweite dieser Bindung“151. Diese lasse sich nur „nach dem Grundsatz der praktischen Konkordanz in Ausgleich der sich gegenüberstehenden Grundrechte“ bestimmen.152 Interessant sind dann die weiteren Ausführungen des BVerfGs: Dabei könne „je nach Gewährleistungsinhalt und Fallgestaltung (…) die mittelbare Grundrechtsbindung Privater einer Grundrechtsbindung des Staates nahe- oder auch gleichkommen“.153 Gleichzeitig konstatiert das BVerfG, dass bisher nicht entschieden wurde, was daraus für das Verhältnis von Art. 8 I GG zu den Grundrechten der privaten Flächeneigentümer folgt. Auch könne nicht im Wege des Eilverfahrens entschieden werden, „nach welchen Grundsätzen diese Grundrechtskollision der Privaten (…) untereinander aufzulösen ist“.154 Immerhin lässt das BVerfG nicht ganz ungeklärt, unter welchen Bedingungen Art. 8 I GG im Einzelfall der Vorrang gegenüber den Grundrechten des Flächeneigentümers eingeräumt werden könnte: „Für den Schutz der Kommunikation kommt das insbesondere in Betracht, wenn private Unternehmen die Bereitstellung schon der Rahmenbedingungen öffentlicher Kommunikation selbst übernehmen und damit in Funktionen eintreten, die früher in der Praxis allein dem Staat zugewiesen waren“.155 Zudem lassen sich der anschließenden Folgenabwägung des BVerfGs weitere Kriterien entnehmen, die bei der Bestimmung der Intensität und Reichweite des Schutzgehalts von Art. 8 I GG eine Rolle spielen könnten. Zum

148

BVerfG, NJW 2015, 2485 (2485). BVerfG, NJW 2015, 2485 (2485). 150 BVerfG, NJW 2015, 2485 (2485). 151 BVerfG, NJW 2015, 2485 (2485). 152 BVerfG, NJW 2015, 2485 (2485 f.). 153 BVerfG, NJW 2015, 2485 (2486). 154 BVerfG, NJW 2015, 2485 (2486). 155 BVerfG, NJW 2015, 2485 (2486). 149

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einen stellt das BVerfG darauf ab, dass den Versammlungsteilnehmern durch das Hausverbot die Durchführung der Versammlung an dem von ihnen ausgewählten Ort und zu der von ihnen bestimmten Zeit „unmöglich“ gemacht würde und daher einem „faktischen Verbot“ gleiche.156 Zum anderen berücksichtigt das BVerfG, dass dem „ausgewählten Versammlungsort angesichts des inhaltlichen Themas der Versammlung (…) eine besondere Bedeutung zu[kommt]“.157 Daher könne die Versammlung auch nicht „ebenso gut an anderer Stelle stattfinden“.158 Das BVerfG hebt in diesem Kontext auch seine Rechtsprechung im „Brokdorf-Beschluss“ hervor, nach der die Bürger aufgrund des von Art. 8 I GG garantierten Selbstbestimmungsrecht über den Ort der Versammlung, „selbst entscheiden können [sollen], wo sie ihr Anliegen am wirksamsten zur Geltung bringen können“.159 Indem das BVerfG für die Bestimmung der Rechtweite dieses Schutzgehalts einen Ausgleich zwischen Art. 8 I GG und Art. 14 I GG verlangt, wird deutlich, dass seiner Auffassung nach Art. 8 I GG jedenfalls kein generelles Recht garantiert, sämtliche geeignete private Flächen für Versammlungszwecke zu nutzen.160 Vielmehr kommt nach Auffassung des BVerfGs die Ableitung einer konkreten Schutzpflicht des Staates aus Art. 8 I GG, den Versammlungsteilnehmern auch die Nutzung einer privaten Flächen für die Durchführung ihrer Versammlung zu ermöglichen, wohl nur dann in Betracht, wenn die Abwägung im Einzelfall ergibt, dass das Grundrecht der Versammlungsteilnehmer aus Art. 8 I GG das Grundrecht des privaten Flächeneigentümers gem. Art. 14 I GG überwiegt. Insgesamt ist aber auch festzuhalten, dass die Entscheidung zum „BierdosenFlashmob“ keinen Aufschluss darüber gibt, welche konkrete Wirkung der aus Art. 8 I GG folgende Schutzgehalt in Bezug auf private Flächen für den Staat entfaltet und wie er diesen gegenüber dem privaten Flächeneigentümer umsetzen kann.161 Insbesondere bleibt in der Rechtsprechung des BVerfGs weiterhin ungeklärt, welche zivilrechtlichen Normen die Grundlage für eine staatliche Inpflichtnahme privater Flächeneigentümer zur Umsetzung des Schutzgehalts aus Art. 8 I GG bilden können.162

156

BVerfG, NJW 2015, 2485 (2486). BVerfG, NJW 2015, 2485 (2486). 158 BVerfG, NJW 2015, 2485 (2486). 159 BVerfG, NJW 2015, 2485 (2486). 160 Vgl. auch die Deutung des Fraport-Urteils von Payandeh, JR 2011, 421 (424), wonach die vom BVerfG vorgenommene Abwägung verdeutlicht, dass die Abwägung auf keinem Fall stets zugunsten der Versammlungsfreiheit vorentschieden ist. 161 Der Grund dafür wird wohl darin liegen, dass es sich um eine Eilentscheidung handelt u. das BVerfG deshalb keine Zeit für eine ausführliche Entscheidungsbegründung hatte. So auch die Erwägung von Hettich, VBlBW 2019, 485 (489). 162 Vgl. auch die Feststellung von Hettich, VBlBW 2019, 485 (489). 157

II. Rechtsprechung und Literatur zu Art. 8 GG und den privaten Flächen  

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cc) Nutzung privater Flächen für Versammlungszwecke aus verwaltungsrechtlicher Perspektive Welche Wirkung der Schutzgehalt von Art. 8 I GG in Bezug auf private Flächen speziell für die Entscheidungen der Versammlungsbehörden haben kann, zeigt ein aktueller Berufungsbeschluss des OVGs Lüneburg aus dem Jahr 2020.163 Inhaltlich geht es in der Entscheidung um die Frage, ob die Verlegung einer Aufzugsroute durch die Versammlungsbehörde, die Versammlungsteilnehmer in ihrem Recht aus Art. 8 I GG verletzt. Bedeutung für die hier relevante Problematik erhält der Fall dadurch, dass sich die Aufzugsroute unter anderem auch über eine Privatstraße bewegen sollte, die zu einem Betriebsgelände eines privaten Unternehmens führt, auf dem Waffen produziert und exportiert werden. Gegen diesen Waffenhandel richtete sich die Versammlung mit dem Motto „Von Deutschland geht Krieg aus! Stoppt den Waffenhandel!“. Die private Flächeneigentümerin und die private Pächterin untersagten auf Anfrage eine entsprechende Nutzung der Privatstraße durch die Versammlung. Da nach Auffassung der Versammlungsbehörde eine private Fläche nur mit Zustimmung der Eigentümerin bzw. der Pächterin genutzt werden könne, ordnete sie mit Bescheid auf der Grundlage von § 8 I NVersG164 eine Verlegung der Aufzugsroute an, wodurch den Versammlungsteilnehmern die Nutzung der privaten Fläche im Ergebnis untersagt wurde. Das OVG Lüneburg schließt sich dem vorinstanzlichen Urteil des VGs Lüneburg an und entscheidet, dass der Verlegungsbescheid der Versammlungsbehörde die Versammlungsteilnehmer in ihrem Recht aus Art. 8 I GG verletzt. Die Entscheidung des OVGs Lüneburg weist im Vergleich zu der bisher untersuchten Rechtsprechung vor allem eine Besonderheit auf: Die Beurteilung erfolgt in diesen Fällen nicht aus der Sicht eines ordentlichen Gerichts bzw. des darüber urteilenden BVerfGs, sondern aus einer verwaltungsgerichtlichen Perspektive. Es handelt sich damit nicht – wie in den vorherigen Entscheidungen – um einen originären Privatrechtsstreit, sondern um einen im Verwaltungsrecht angesiedelten Konflikt, an dem sich letztlich aber auch zwei Private gegenüberstehen. Daher ist es auch nur konsequent, wenn das OVG Lüneburg auch in dieser Situation auf die Rechtsprechung des BVerfGs im „Fraport-Urteil“ und im „Bierdosenflashmob-Beschluss“ zurückgreift. So stellt es bereits zu Beginn seiner Ausführungen ausdrücklich klar, dass die private Flächeneigentümerin und die Pächterin zwar nicht unmittelbar an die Grundrechte gebunden seien, die Versammlungsbehörde die Grundrechte aber als objektive Prinzipien im Wege der mittelbaren Drittwirkung bei der erforderlichen Abwägung „beachten“ und nach dem Grundsatz der

163 OVG Lüneburg, BeckRS 2020, 22239. Das vorinstanzliche Urteil ist das Urteil des VGs Lüneburg, BeckRS 2019, 12326. 164 Vgl. § 8 I NVersG: „Die zuständige Behörde kann eine Versammlung unter freiem Himmel beschränken, um eine unmittelbare Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwehren.“

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praktischen Konkordanz in einen gerechten Ausgleich bringen müsse.165 Nach diesen allgemeinen grundrechtsdogmatischen Erwägungen führt das OVG aus, warum der sachlich-räumliche Schutzbereich von Art. 8 I GG in diesem Fall auch die streitgegenständliche private Fläche erfasst.166 In seiner Argumentation wendet das Gericht die Rechtsprechung des BVerfGs zum Leitbild des „öffentlichen Forums“ an.167 Im Rahmen des Kriteriums der öffentlichen Zugänglichkeit stellt es entscheidend darauf ab, dass die private Fläche nicht mit Zugangshindernissen versehen sei und auch nicht durch eine Beschilderung kenntlich gemacht werde, dass es sich um eine Privatstraße handle. Daher könne die streitige private Fläche „grundsätzlich von jedermann ungehindert genutzt werden“.168 Ferner werde die Fläche nicht nur von Betriebsangehörigen und Fahrzeugen des Werksverkehrs, sondern auch von „Joggern, Spaziergängern, Fußgängern, die ihre Hunde ausführen, und Personen, die die Kleingärten aufsuchen, und damit zu unterschiedlichen Zwecken genutzt“.169 Es wird deutlich, dass auch die Verwaltungsgerichte den räumlichen Schutzbereich allein nach tatsächlichen Nutzungsgegebenheiten bestimmen und nicht auf das rechtliche Nutzungsregime, das für die Fläche gilt, abstellen. Dabei geht das OVG Lüneburg im Ergebnis sogar über die Grundsätze der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung hinaus: Obwohl die streitgegenständlichen privaten Flächen nicht – wie das BVerfG im „Fraport-Urteil“ und im „Bierdosenflashmob-Beschluss“ verlangt170 – „der Verbindung von Ladengeschäften, Dienstleistungsanbietern, Restaurantbetrieben und Erholungsflächen dienen und auch nicht wie Einkaufsstraßen oder Fußgängerzonen zum Flanieren und Verweilen einladen“, bejahen sie die Eröffnung eines öffentlichen Verkehrs.171 Nach Auffassung des OVGs Lüneburg kommt es nämlich alleine darauf an, dass die Fläche aufgrund ihrer freien Zugänglichkeit die Bedingungen biete, „um einem allgemeinen Publikum ein Anliegen zu Gehör zu bringen und Protest oder Unmut ‚auf die Straße zu tragen‘“.172 Darauf aufbauend nimmt das OVG Lüneburg auch eine konkrete Bestimmung vor, wie der Staat diesen grundrechtlichen Schutzgehalt von Art. 8 I GG gewährleisten kann: Der normative Anknüpfungspunkt bildet in diesem Fall nach Auffassung des Gerichts der Begriff der „öffentlichen Sicherheit“, der als Tatbestandsvoraussetzung für die Verlegung der Aufzugsroute im Rahmen von § 8 I NVersG 165 Vgl. OVG Lüneburg, BeckRS 2020, 22239 Rn. 31; VG Lüneburg, BeckRS 2019, 12326 Rn. 45. 166 Vgl. OVG Lüneburg, BeckRS 2020, 22239 Rn. 32 ff.; VG Lüneburg, BeckRS 2019, 12326 Rn. 46 ff. 167 Vgl. OVG Lüneburg, BeckRS 2020, 22239 Rn. 33 ff.; VG Lüneburg, BeckRS 2019, 12326 Rn. 43 ff. 168 OVG Lüneburg, BeckRS 2020, 22239 Rn. 37; vgl. VG Lüneburg, BeckRS 2019, 12326 Rn. 47. 169 OVG Lüneburg, BeckRS 2020, 22239 Rn. 38; vgl. VG Lüneburg, BeckRS 2019, 12326 Rn. 47. 170 Vgl. BVerfGE 128, 128, 226 (252); BVerfG, NJW 2015, 2485 (2485). 171 OVG Lüneburg, BeckRS 2020, 22239 Rn. 40. 172 OVG Lüneburg, BeckRS 2020, 22239 Rn. 40.

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relevant ist. Bei der Auslegung dieses Begriffs müsse die Versammlungsbehörde den Schutzgehalt der Versammlungsfreiheit zur Geltung bringen.173 Da die private Flächeneigentümerin und die Pächterin einer Nutzung ihrer Fläche für die Durchführung der Versammlung nicht zugestimmt haben, müsse sie bei der Entscheidung aber gleichzeitig auch deren Eigentumsrecht aus Art. 14 I GG als Teil des Schutzgutes der öffentlichen Sicherheit berücksichtigen.174 Welche rechtlichen Konsequenzen daraus schlussendlich für die Versammlungsteilnehmer und für die Versammlungsbehörde folgen, bestimmt das OVG im Wege einer Abwägung der kollidierenden Grundrechte.175 Bei der Frage, wie die Grundrechtskollisionen zwischen dem Grundrecht der Versammlungsteilnehmer aus Art. 8 I GG und dem der privaten Flächeneigentümerin und der privaten Pächterin aus Art. 14 I GG aufzulösen ist, kommt es zu dem Ergebnis dass der Verlegungsbescheid für die Versammlungsteilnehmer einen erheblichen Eingriff in ihre grundrechtlich geschützte Versammlungsfreiheit bedeute.176 Das begründet das OVG insbesondere damit, dass die Nutzung der privaten Fläche „einen unmittelbaren inhaltlichen Bezug zu dem Versammlungsanliegen“ habe und durch die Streckenverlegung dieses Versammlungsanliegen nicht mehr erreicht werden könne. Demgegenüber sei ein schwerwiegender Eingriff in Art. 14 I GG nicht zu erwarten, da ein rein privater Nutzungszweck an der Fläche ohnehin nicht gegeben sei, die Versammlung in zeitlicher Hinsicht auf drei Stunden begrenzt war und zudem an einem Sonntag stattfand, an dem der Gewerbebetrieb ohnehin nicht wesentlich gestört werden könne.177 Insgesamt zeigt der Beschluss, dass das OVG Lüneburg davon ausgeht, dass im Einzelfall aus Art. 8 I GG ein Recht der Versammlungsteilnehmer folgt, eine private Fläche zu nutzen, selbst wenn der Flächeneigentümer und der Pächter einer entsprechenden Nutzung ausdrücklich nicht zugestimmt haben. Zwar spricht das OVG aufgrund der verwaltungsrechtlichen Einkleidung des Falles und des damit einhergehenden Perspektivwechsels nicht ausdrücklich von einem „Flächennutzungsrecht“ der Versammlungsteilnehmer. Indem es aber im Ergebnis eine Grundrechtsverletzung der Versammlungsteilnehmer in Art. 8 I GG durch den Verlegungsbescheid der Versammlungsbehörde bejaht, geht es gleichzeitig von einem entsprechenden Schutzgehalt des Art. 8 I GG aus, der die Versammlungsbehörde dazu verpflichtet, den Versammlungsteilnehmern die Nutzung dieser privaten Fläche nicht durch einen Verlegungsbescheid zu verhindern. Zudem können der in der Entscheidung vorgenommenen Grundrechtsabwägung Kriterien entnommen 173 Vgl. OVG Lüneburg, BeckRS 2020, 22239 Rn. 27; VG Lüneburg, BeckRS 2019, 12326 Rn. 41. 174 Vgl. OVG Lüneburg, BeckRS 2020, 22239 Rn 28. 175 OVG Lüneburg, BeckRS 2020, 22239 Rn. 41 ff.; VG Lüneburg, BeckRS 2019, 12326 Rn. 49 ff. 176 OVG Lüneburg, BeckRS 2020, 22239 Rn. 43; VG Lüneburg, BeckRS 2019, 12326 Rn. 53. 177 OVG Lüneburg, BeckRS 2020, 22239 Rn. 44 ff.; VG Lüneburg, BeckRS 2019, 12326 Rn. 56.

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werden, unter welchen Bedingungen sich der Schutzgehalt von Art. 8 I GG zu einer konkreten Pflicht des Staates verdichten kann. Maßgeblich sind danach vor allem der inhaltliche Bezug der Versammlung zum Versammlungsort, der Zeitraum der Versammlung, in dem die Versammlung stattfinden soll, der Grad der Störung des Betriebs sowie drohende Schäden am Eigentum. dd) Streik auf privatem Parkplatz Abschließend soll ein im Jahr 2020 ergangener Beschluss des BVerfGs in den Blick genommen werden.178 Darin setzt sich das BVerfG mit der Verfassungs­ beschwerde eines privaten Unternehmens auseinander, dessen Klage gegen eine Gewerkschaft auf Unterlassung von Streikmaßnahmen auf dem Firmenparkplatz ihres privaten Betriebsgelände zuvor vom BAG abgewiesen wurde. Das BVerfG bestätigt in seinem Beschluss die Verfassungsmäßigkeit der Entscheidung des BAGs. Zwar geht es in dieser Entscheidung nicht um Art. 8 I GG, sondern um das Grundrecht der Gewerkschaft auf Koalitionsfreiheit gem. Art. 9 III GG. Allerdings ist die Ausgangsproblematik dieselbe wie bei der Nutzung fremder privater Flächen für Versammlungszwecke: In beiden Fällen geht es um die Frage, ob Private die Fläche eines anderen Privaten zur Ausübung ihrer Grundrechte nutzen dürfen, sowie um die Reichweite privatrechtlicher Befugnisse. Wie schon zuvor stützt sich das BVerfG auch im Streikmaßnahmen-Beschluss auf die „mittelbaren Drittwirkung“ der Grundrechte, indem es bereits zu Beginn der Entscheidung betont, dass die Grundrechte „Private (…) grundsätzlich nicht unmittelbar untereinander selbst“ verpflichten können, sondern nur von den Fachgerichten bei der Auslegung des Fachrechts zur Geltung zu bringen seien.179 Das BVerfG schließt sich insoweit der Rechtsprechung des BAGs an, wonach die Gewerkschaft im konkreten Fall zwingend auf die Nutzung des privaten Firmenparkplatzes angewiesen sei, um ihre Rechte aus Art. 9 III GG „überhaupt wahrnehmen“ zu können.180 Bei einer Nutzungsuntersagung wäre das von Art. 9 III GG umfasste Recht „in Anbetracht der besonderen Lage des Betriebsgeländes faktisch aufgehoben“.181 Insoweit sei es nach Auffassung des BVerfGs sogar „grundrechtlich geboten, gegenläufigen Rechten auch auf dem Betriebsgelände zur Geltung zu verhelfen, wenn diese sonst tatsächlich bedeutungslos würden.“182 Das BVerfG geht in diesem Fall also von einer staatlichen Verpflichtung aus, die „reale“ Grundrechtsfreiheit der Gewerkschaft zu gewährleisten. Dieser Pflicht sei das BAG auch hinreichend nachgekommen, indem es die Unterlassungsklage des privaten Flächeneigentümers abgewiesen hat.183 178

BVerfG, NJW 2020, 3098 (3098 ff.). BVerfG, NJW 2020, 3098 (3098). 180 BVerfG, NJW 2020, 3098 (3099). 181 BVerfG, NJW 2020, 3098 (3099); BAGE 164, 187 (195). 182 BVerfG, NJW 2020, 3098 (3100). 183 BVerfG, NJW 2020, 3098 (3099). 179

II. Rechtsprechung und Literatur zu Art. 8 GG und den privaten Flächen  

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c) Zusammenfassung Das BVerfG legt schon sehr früh im Lüth-Urteil die allgemeinen Grundlagen für seine Rechtsprechung zur Grundrechtswirkung in Privatrechtsverhältnissen. Welche Wirkung speziell das Grundrecht der Versammlungsfreiheit auf die Rechtsverhältnisse zwischen Privaten bzw. auf die privatrechtlichen Befugnisse hat, wird erst ab dem „Fraport-Urteil“ aus dem Jahr 2011 in der Rechtsprechung diskutiert. Bereits in dieser Entscheidung wird deutlich, dass das BVerfG davon ausgeht, dass auch die Nutzung privater Flächen für das Grundrecht der Versammlungsfreiheit von entscheidender Bedeutung sein kann. Diese Auffassung bestätigt das BVerfG dann ausdrücklich in seinem „Bierdosenflashmob-Beschluss“. Gleichzeitig zeigt die Rechtsprechungsanalyse, dass die Gerichte aus der Erkenntnis, dass auch die Nutzung privater Flächen für die Ausübung der grundrechtlich geschützten Versammlungsfreiheit bedeutsam sein kann, kein Recht der Versammlungsteilnehmer gegenüber dem jeweiligen privaten Flächeneigentümer ableiten, ohne dessen Gestattung die private Fläche für die Durchführung ihrer Versammlung zu nutzen. Das BVerfG und die Fachgerichte entnehmen Art. 8 I GG insoweit „nur“ ein Recht gegenüber dem Staat bzw. eine entsprechende staatliche Verpflichtung, die Bedeutung der Versammlungsfreiheit im Rahmen der von ihnen zu treffenden Entscheidung zu berücksichtigen.184 Damit wird deutlich, dass trotz des veränderten grundrechtsdogmatischen Hintergrunds für die Gerichte das Thema der Flächennutzungsproblematik im Rahmen von Art. 8 I GG auch in Bezug auf private Flächen dasselbe bleibt: Erneut geht es um die Verpflichtung des Staates, durch aktive Maßnahmen die „reale“ Ausübung der Versammlungsfreiheit gem. Art. 8 I GG zu gewährleisten. Allerdings zeigt sich in den untersuchten Entscheidungen die allgemeine Tendenz des BVerfGs, staatliche Schutzpflichten, die Privatrechtsverhältnisse berühren, auf spezifische Ausnahmesituationen zu beschränken. Daran hält das BVerfG – wie das „Fraport-Urteil“ und auch der „Bierdosenflashmob-Beschluss“ zeigen – auch speziell für das Grundrecht der Versammlungsfreiheit fest. Zwar gehen das BVerfG und auch die Verwaltungsgerichte im Ergebnis davon aus, dass auch private Flächen – trotz Nutzungsuntersagung durch den privaten Flächeneigentümer – vom Schutzbereich des Art. 8 I GG erfasst sein können, wenn sie in tatsächlicher Hinsicht mit der Verkehrsfunktion öffentlicher Straßen vergleichbar sind. Ob daraus ein Recht der Versammlungsteilnehmer gegenüber dem Staat folgt, z. B. im Zivilrechtsstreit die begehrte Flächennutzung gegenüber dem privaten Flächeneigentümer „durchzusetzen“, oder ob sie „nur“ einen Anspruch auf Berücksichtigung der Versammlungsfreiheit im Rahmen der Entscheidung haben, wird 184

Weniger eindeutig lässt sich hingegen die sog. Stadionsverbotsentscheidung des BVerfGs aus dem Jahr 2018 einordnen, aus der nicht klar hervorgeht, ob sich das BVerfG für eine „nur“ mittelbare oder für eine unmittelbare Grundrechtsbindung von Privaten ausspricht. Das könnte aber daran liegen, dass es in diesem speziellen Fall um die Wirkungen des Gleichheitsgrundrechts gem. Art. 3 I GG geht, vgl. BVerfGE 148, 267 (267 ff.).

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D. Art. 8 I GG und die privaten Flächen 

von den Gerichten hingegen offengelassen. Deutlich wird aber jedenfalls, dass die Gerichte konkrete staatliche Schutzmaßnahmen bzw. Handlungspflichten, die den Versammlungsteilnehmern auch die Nutzung einer privaten Fläche für ihre Versammlung gewährleisten, erst dann annehmen wollen, wenn eine Abwägung mit den Grundrechten des privaten Flächeneigentümers ergibt, dass das Grundrecht der Versammlungsfreiheit im Einzelfall überwiegt. Auch zu der Frage, wie der Staat in diesem Fall das „Flächennutzungsrecht“ der Versammlungsteilnehmer konkret umsetzen kann bzw. muss, enthalten die gerichtlichen Entscheidungen aufgrund der fehlenden Entscheidungserheblichkeit oder ihres Eilcharakters keine Hinweise. Die Rechtsprechungsanalyse verdeutlicht damit auf der einen Seite, dass es auch für die Lösung der Flächennutzungsproblematik in Bezug auf private Flächen vor allem darum gehen wird, inwieweit der Staat gem. Art. 8 I GG verpflichtet ist, dafür zu sorgen, dass die Versammlungsteilnehmer ihre Freiheit, sich zu versammeln, „real“ ausüben können. Auf der anderen Seite weist die Zurückhaltung des BVerfGs bei der Ableitung konkreter Ansprüche aus Art. 8 I GG schon darauf hin, dass der Schutzpflichtengehalt von Art. 8 I GG in Bezug auf private Flächen den Staat wohl nur in seltenen Ausnahmefällen zu einem konkreten Verhalten verpflichten kann.

2. Literatur Die Literatur schließt sich überwiegend der Auffassung des BVerfGs an und spricht sich im Grundsatz übereinstimmend dafür aus, dass der Schutzgehalt von Art. 8 I GG im Einzelfall auch die Nutzung privater Flächen für Versammlungszwecke erfasst.185 Die einschlägigen Ausführungen beschränken sich dabei aber häufig auf einen pauschalen Verweis auf die Rechtsprechung des BVerfGs und die Lehre der „mittelbaren Drittwirkung“.186 Genaue Angaben zur dogmatischen 185 Vgl. Krüger, DÖV 2012, 837 (842); Brenneisen / Arndt, NordÖR 2016, 269 (269 ff.); Wendt, NVwZ 2012, 606 (606 ff.); Payandeh, JR 2011, 421 (424); Hollo, JZ 2021, 61 (69 f.); Joite, BLJ, 2011, 100 (102 ff.); Zeitler, Grundriss des Versammlungsrechts, Rn. 157 ff.; Deiseroth / Kutscha, in: Breitbach / Deiseroth / Rühl, Versammlungsrecht, Art. 8 GG Rn. 113, § 1 VersG Rn. 86 f.; Kniesel, in: Dietel / Gintzel / K niesel, VersG, Teil I Rn. 151; Kniesel / Poscher, in: Lisken /  Denninger, HdB PolR, K. Rn. 76; Gusy, in: Mangoldt / K lein / Starck, GG, Bd.  1, Art. 8 Rn. 43; Müller-Franken, in: Schmidt-Bleibtreu / Hoffmann / Hennecke,  GG, Art.  8 Rn. 19; Höfling, in: Sachs, GG, Art. 8 Rn. 42; Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Bd. I, Art. 8 Rn. 121; Ernst, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 8 Rn. 74 ff.; Schneider, in: Epping / Hillgruber, BeckOK GG, Art. 8 Rn. 30.3, 32 f.; Hoffmann-Riem, in: Merten / Papier, Hdb GR, Bd. IV, § 106 Rn. 85; Hong, in: Peters / Janz, HdB VersR, B Rn. 38; Enders / Hoffmann-Riem / Kniesel / Poscher / Schulze-Fielitz, ME VersG 2011, Begr. § 21, II. 1. ff. 186 Das wird z. B. besonders deutlich bei Kniesel, in: Dietel / Gintzel / K niesel, VersG, Teil I Rn. 151; Kniesel / Poscher, in: Lisken / Denninger, HdB PolR, K. Rn. 76; Höfling, in: Sachs, GG, Art. 8 Rn. 42; Müller-Franken, in: Schmidt-Bleibtreu / Hoffmann / Hennecke,  GG, Art.  8 Rn. 19. Allerdings wird häufig darauf hingewiesen, dass das BVerfG noch nicht abschließend über die Thematik entschieden hat, z. B. Deiseroth / Kutscha, in: Breitbach / Deiseroth / Rühl, Versammlungsrecht, Art. 8 GG Rn. 113.

II. Rechtsprechung und Literatur zu Art. 8 GG und den privaten Flächen  

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Grundlage eines solchen Schutzgehalts der Versammlungsfreiheit für private Flächen und Antworten auf die Frage, welche Wirkung ein entsprechender Gehalt von Art. 8 I GG gegenüber dem Staat und den Versammlungsteilnehmern konkret entfaltet, finden sich in der Literatur seltener.187 Zwar sprechen sich einzelne Stimmen dafür aus, dass der Schutzgehalt von Art. 8 I GG in Bezug auf private Flächen durch eine entsprechende Auslegung der eigentumsrechtlichen Befugnisse aus §§ 903, 1004 BGB zur Geltung gebracht werden könne.188 Überwiegend bleibt es aber auch in der Literatur unklar, auf Grundlage welcher Normen der private Flächeneigentümer im Einzelfall durch den Staat zur Bereitstellung seiner Fläche für Versammlungszwecke verpflichtet werden kann.189 Zum Teil wird die Rechtsprechung des BVerfGs in der Literatur aber auch kritisch betrachtet und in der vom BVerfG vorgenommenen „Erstreckung“ des Schutzbereichs von Art. 8 I GG auf private Flächen eine Tendenz zur Ausdehnung der Grundrechtsbindung auf Private erkannt.190 Insgesamt kann festgehalten werden, dass sowohl in der Rechtsprechung als auch in der Literatur der genaue Inhalt und die Reichweite des Schutzgehalts von Art. 8 I GG in Bezug auf private Flächen bislang nicht eindeutig geklärt ist. Insbesondere bleibt in Rechtsprechung und Literatur offen, wann sich ein Anspruch der Versammlungsteilnehmer aus Art. 8 I GG auf eine staatliche Schutzpflicht verdichtet, den privaten Flächeneigentümer zur Duldung der Versammlung auf seiner Fläche zu verpflichten. Ferner konnte die bisherige Untersuchung nicht verdeutlichen, „wie“ der Staat genau diese Verpflichtung umsetzen kann. Im nächsten Abschnitt geht es daher vor allem darum, im Wege der Auslegung von Art. 8 I GG zu klären, ob der Schutzgehalt der Versammlungsfreiheit tatsächlich auch die Nutzung privater Flächen umfasst. Wenn diese vom BVerfG im „Bierdosenflashmob-Beschluss“ vertretene Auffassung bestätigt werden kann, ist erneut unter Zugrundlegung des Schutzpflichtenmodells191 zu untersuchen, wie diese Schutzpflichtendimension aus Art. 8 I GG in Bezug auf die privaten Flächen 187 Eine ausführliche Auseinandersetzung der Thematik mit eigenen Lösungsvorschlägen bieten hingegen Scharlau, Schutz von Versammlungen auf privatem Grund, 208 ff.; Gornik, Die Bindung der Betreiber öffentlicher Räume, insbes. 381 ff.; Krisor-Wietfeld, Rahmenbedingungen der Grundrechtsausübung, 94 ff., 260 ff.; Prothmann, Die Wahl des Versammlungsortes, 200 ff.; Siehr, Das Recht am öffentlichen Raum, 188 So z. B. Krüger, DÖV 2012, 837 (842); Deiseroth / Kutscha, in: Breitbach / Deiseroth / Rühl, Versammlungsrecht, Art. 8 GG Rn. 117, § 1 VersG Rn. 86 f.; Wendt, NVwZ 2012, 606 (606 f.); Joite, BLJ, 2011, 100 (103 f.); Horst / Kommer, JA 2013, 445 (447 ff.). 189 Vgl. z. B. Hettich, VBlBW 2018, 485 (490); Enders, JZ 2011, 577 (579 f.). Damit verbunden ist häufig die Forderung nach einer gesetzlichen Grundlage, so z. B. Siehr, Das Recht am öffentlichen Raum, 637; Prothmann, Die Wahl des Versammlungsortes, 225 ff.; 236 ff.; Krisor-­Wietfeld, Rahmenbedingungen der Grundrechtsausübung, 260 f. 190 So z. B. Smets, NVwZ 2016, 35 (37 f.); Dietz, DÖV 2021, 147 (151 ff.); Smets, NVwZ 2019, 34 (37); Michl, JZ 2018, 910 (916 ff.); Heintz, JM 2018, 474 (475); Muckel, JA 2020, 411 (415 ff.); ausführlich Dietz, WiVerw 2020, 144 (144 ff.). Eine solche Tendenz konnte in der in dieser Arbeit vorgenommenen Rechtsprechungsanalyse nicht ausgemacht werden. 191 Dazu ausführlich unter B. IV. 3.

218

D. Art. 8 I GG und die privaten Flächen 

genau ausgestaltet ist. Dabei soll vor allem ermittelt werden, unter welchen Voraussetzungen aus dem Schutzpflichtengehalt der Versammlungsfreiheit ein Anspruch der Grundrechtsträger gegenüber dem Staat folgt, eine private Fläche für die Durchführung ihrer Versammlung nutzbar zu machen.

III. Die staatliche Schutzverpflichtung aus Art. 8 I GG in Bezug auf die privaten Flächen Den Ausgangspunkt der nachfolgenden Untersuchung bildet der Umstand, dass die Sich-Versammelnden auf die Nutzung und die Bereitstellung von Flächen angewiesen sind, um von ihrer durch Art. 8 I GG gewährleisteten Freiheit faktisch Gebrauch machen zu können.192 Der Staat muss in Wahrnehmung seiner Schutzpflicht zugunsten „realer“ Freiheit dafür sorgen, dass diesem spezifischen Flächenbedürfnis der Versammlungsteilnehmer nachgekommen wird.193 Die Bejahung einer entsprechenden staatlichen Schutzpflicht aus Art. 8 I GG in Bezug auf private Flächen setzt zunächst voraus, dass auch sie nach dem von Art. 8 I GG vorgegebenem Maßstab für die Durchführung von Versammlungen „unter freiem Himmel“ i. S. v. Art. 8 I GG geeignet sind.194

1. Eignung privater Flächen als Versammlungsflächen Wie die Rechtsprechungsanalyse bereits hinreichend deutlich gemacht hat, kommt es für die Eignung einer Fläche als Versammlungsort i. S. d. Art. 8 I GG, nicht auf deren rechtliche Verfasstheit, sondern auf die tatsächliche Verwendung bzw. Nutzung der Fläche an.195 Die Tatsache, dass für private Flächen „nur“ die eigentumsrechtlichen Regelungen der §§ 903 ff. BGB gelten, und ihre Benutzung damit – anders als der öffentliche Straßenraum oder die Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen – nicht öffentlich-rechtlich ausgestaltet ist, steht daher ihrer Qualifizierung als von Art. 8 I GG rechtlich erfasster Raumtypus nicht entgegen.196 192

S. dazu bereits ausführlich unter B. II. 3. sowie in Bezug auf den öffentlichen Straßenraum unter B. III. 1. a) u. B. III. 1. d). 193 Allgemein zur dogmatischen Begründung u. zum Inhalt der staatlichen Schutzpflicht zugunsten „realer“ Freiheit unter B. IV. 2. u. B. IV. 3. Zur staatlichen Schutzpflicht speziell aus Art. 8 I GG s. oben unter B. V. 2. 194 Für die nachfolgende Untersuchung wird auf die unter C. III. 1. entwickelten Kriterien für die Bestimmung des räumlichen Schutzgehalts von Art. 8 I GG zurückgegriffen. Eine ausführliche Herleitung u. Begründung des aus Art. 8 I GG abgeleiteten Maßstabs erfolgt an dieser Stelle daher nicht mehr. 195 Vgl. BVerfGE 128, 226 (252); BVerfG, NJW 2015, 2485 (2485) sowie OVG Lüneburg, BeckRS 2020, 22239 Rn. 40. 196 Vgl. auch Enders / Hoffmann-Riem / Kniesel / Poscher / Schulze-Fielitz, ME VersG 2011, Begr. § 21 II., 3.: „Für Art. 8 GG kann es jedoch nicht darauf ankommen, unter welches Rechtsregime das einfache Recht Orte stellt, an denen allgemeine Öffentlichkeit aufgrund einer

III. Die staatliche Schutzverpflichtung aus Art. 8 I GG  

219

a) Freie Zugänglichkeit Im Unterschied zu den öffentlichen Straßen und den Flächen sonstiger staat­licher Einrichtungen sind zwar nicht sämtliche private Flächen darauf ausgerichtet, von einer allgemeinen Öffentlichkeit oder jedenfalls von einem bestimmten Personen­ kreis betreten und genutzt zu werden.197 Flächen, die wie der eingangs erwähnte Schrebergarten oder die Privatwohnung von ihrem Eigentümer nur zu rein „privaten“ Zwecken verwendet werden, sind daher – mangels freier Zugänglichkeit – von vornherein nicht vom räumlichen Schutzgehalt des Art. 8 I GG erfasst. Wie bereits in der Einführung und vor allem durch die Rechtsprechungsanalyse deutlich wird, gibt es aber auch eine Vielzahl privater Flächen, die von ihrem Eigentümer bewusst für eine Nutzung durch die Allgemeinheit geöffnet werden.198 Verzichtet der private Flächeneigentümer darüber hinaus auf ein generelles Zulassungserfordernis, können also auch private Flächen für eine nicht bestimmbare Personenzahl in tatsächlicher Hinsicht frei zugänglich sein.199 Das betrifft insbesondere die Flächen privater Innenstadtareale bzw. private Plätze und Straßen sowie die Flächen privater Einkaufszentren, die (zumindest während der Öffnungszeiten) faktisch einem individuell nicht bestimmbaren Personenkreis ohne Zugangshindernis offenstehen und damit für die allgemeine Öffentlichkeit – in ähnlicher Weise wie öffentliche Straßen – frei nutzbar sind.200 Wie schon angedeutet, scheiden demgegenüber die privaten Flächen aus, bei denen die individuelle Nutzung vom jeweiligen Eigentümer kontrolliert wird und eine Zulassung nur für einzelne, begrenzte Zwecke erfolgt. So ist beispielsweise die Fläche eines Kinosaals vom räumlichen Schutzgehalt des Art. 8 I GG grundsätzlich ebenso wenig erfasst wie die Ausstellungsfläche eines Museums oder der Bühnenraum eines Theaters. Daher ist es auch nur konsequent, dass das VG Berlin entschieden hat, dass aus Art. 8 I GG kein Recht folge, auf den privaten Flächen eines Hostels eine Versammlung durchzuführen.201 b) Öffentlichkeits- und Kommunikationsfunktion Insbesondere das tatsächliche Verkehrsgeschehen auf Flächen privater Innenstadtareale und auf sonstigen privaten Plätzen im Stadtzentrum belegen, dass auch private Grundstücke in vergleichbarer Weise wie der öffentliche Straßenraum allgemeinen Verkehrsfunktion hergestellt wird.“ Ferner auch Hollo, JZ 2021, 61 (67) mit dem Verweis, dass im Wortlaut von Art. 8 I GG „keine Einschränkung hinsichtlich des Rechtscharakters des Eigentümers des Versammlungsortes enthalten“ ist. 197 Vgl. bereits oben unter D. I. 3. a). 198 Das trifft insbesondere auf die Flächen privater Einkaufszentren oder privater Innenstadtareale zu. S. dazu oben unter D. I. 3. a). 199 Vgl. dazu die Ausführungen zu den Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen unter C. III. 1. a). 200 So i. E. auch Krisor-Wietfeld, Rahmenbedingungen der Grundrechtsausübung, 96. 201 Vgl. VG Berlin, BeckRS 2014, 55677. S. dazu auch die Auswertung der Entscheidung unter D. II. 1. b) bb) (1).

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D. Art. 8 I GG und die privaten Flächen 

durch ein Nebeneinander vielfältiger Nutzungen gekennzeichnet sein können und dadurch zu Orten allgemeiner Kommunikation werden. So treffen z. B. auf dem im „Bierdosenflashmob-Beschluss“ des BVerfGs relevanten Nibelungenplatz in Passau202 oder auf dem Areal am Potsdamer Platz203 in Berlin Passanten auf Straßenmusiker, Bettler auf Händler und erholungssuchende Spaziergänger auf spielende Kinder. Frei zugängliche private Flächen in Stadtzentren werden damit zwangsläufig zu Orten der Begegnung, der Auseinandersetzung und der Kommunikation. Sie sind vielfach in tatsächlicher Hinsicht nicht von dem sich daran anschließenden öffentlichen Straßenraum unterscheidbar. Demgegenüber fehlt es an der von Art. 8 I GG geforderten Öffentlichkeits- und Kommunikationsfunktion, wenn die private Fläche nur für spezifische Zwecke oder nur durch einen bestimmten Personenkreis tatsächlich genutzt wird.204 So sind zwar auch die Flächen von Supermärkten, Einzelhandelsgeschäften und Restaurants grundsätzlich für jedermann frei zugänglich und sollen angesichts ihrer kommerziellen Zweckausrichtung auch durch eine Vielzahl an Personen besucht werden. Trotzdem erfolgt ihre Nutzung überwiegend nur zu einem bestimmten Zweck: Die Fläche eines Supermarktes oder eines Einzelhandelsgeschäfts wird in der Regel ausschließlich zum Einkaufen und die Fläche eines Restaurants überwiegend zum Essen und Trinken genutzt. Auch die Flächen privater Einkaufszentren sind vorranging für kommerzielle und wirtschaftliche Zwecke der Allgemeinheit geöffnet. Allerdings bieten Einkaufszentren neben diversen Einkaufsmöglichkeiten vermehrt auch Gastronomiebetriebe, Kinos, Friseure, zum Teil sogar Grünflächen und sonstige Flächen zur Erholung für die Besucher an.205 Angesichts dieser breiten Varianz an Nutzungsmöglichkeiten können auch die Flächen privater Einkaufszentren zu Treffpunkten allgemeiner Freizeitgestaltung werden, an denen sich unterschiedliche Bürger – wie auf einem traditionellen öffentlichen Marktplatz – begegnen und miteinander in Kommunikation treten können.206 Überwiegend sind die Flächen in privaten Einkaufszentren sogar darauf ausgerichtet, einer großen Anzahl von Personen das Zusammenkommen zu ganz unterschiedlichen, insbesondere auch zu kommuni-

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S. dazu die Ortsbeschreibung unter D. II. b) bb) (2). Zum Areal am Potsdamer Platz s. oben unter D. I. 1. und in der Einleitung. 204 So auch BVerfGE 128, 226 (253). Vgl. für die Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen unter C. III. 1. b). 205 Vgl. auch Siebel, in: Wehrheim, Shoppingmalls, 77 (81 f.). Beispielsweise lädt das Sony Center am Postdamer Platz in Berlin mit seiner zentral gelegenen u. architektonisch aufwendig gebauten Halle zum Verweilen, zum Einkaufen aber auch zu besonderen Veranstaltungen, wie Filmpremieren ein. Vgl. dazu die werbende Beschreibung unter https://www.potsdamer-platz. net/sony-center/ (zuletzt abgerufen am 22.04.2021). 206 Auch Siehr, Das Recht am öffentlichen Raum, 589 stellt fest, dass „auf diese Weise sehr bewusst öffentlicher Raum im engeren Sinne simuliert [wird], teils sogar mit der erklärten Absicht, bestimmte Funktionen der Stadt zu übernehmen oder zumindest zu ergänzen“. Vgl. auch Joite, BLJ 2011, 100 (103). 203

III. Die staatliche Schutzverpflichtung aus Art. 8 I GG  

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kativen Zwecken zu ermöglichen, um damit den Verkaufszweck zu fördern. Das schließt aber nicht aus, dass auch in Einkaufszentren Flächen verbleiben können, die erkennbar nur zu einem bestimmten Zweck zugänglich sind und tatsächlich auch nur diesem Zweck entsprechend genutzt werden. Hierzu zählen insbesondere die Bereiche innerhalb der einzelnen Geschäfte und Gastronomiebetriebe, aber auch die Sanitärräume.207 Auf diesen Flächen wird gerade keine „Vielzahl von verschiedenen Tätigkeiten und Anliegen verfolgt“.208 Insgesamt ist daher festzuhalten, dass jedenfalls die allgemeinen Verkehrsflächen und Verbindungswege in privaten Einkaufszentren mit der Öffentlichkeits- und Kommunikationsfunktion des öffentlichen Straßenraums vergleichbar sind.209 c) Zwischenergebnis Angesichts der privatautonomen Gestaltungsmöglichkeit des Flächeneigentümers ist eine generelle Antwort auf die Frage, ob sich auch private Flächen für die Durchführung einer Versammlung „unter freiem Himmel“ i. S. d. Art. 8 I GG eignen, nicht möglich. Wie auch bei den Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen kann nur im Wege einer Einzelfallbetrachtung beurteilt werden, ob eine private Fläche vom räumlichen Schutzgehalt des Art. 8 I GG erfasst ist. Dennoch zeigen die Ausführungen, dass in spezifischen Konstellationen auch private Flächen in vergleichbarer Weise wie die öffentlichen Straßen dazu geeignet sein können, die Versammlungsfreiheit „unter freiem Himmel“ „real“ werden zu lassen. Daraus folgt aber noch nicht, dass der Staat gem. Art. 8 I GG auch tatsächlich dazu verpflichtet ist, den Versammlungsteilnehmern die Nutzung dieser privaten Flächen für die Durchführung einer Versammlung zu ermöglichen.210 Das hängt vielmehr vom Inhalt und der Reichweite der Schutzpflichtendimension der Versammlungsfreiheit in Bezug auf die dritte Flächenkategorie ab: Unter welchen Voraussetzungen verlangt der Schutzgehalt von Art. 8 I GG vom Staat, eine private Fläche – entgegen dem Willen des privaten Flächeneigentümers – für die Durchführung von Versammlungen nutzbar zu machen?211

207

S. auch Joite, BLJ 2011, 100 (103) sowie Wendt, NVwZ 2012, 606 (607). BVerfGE 128, 226 (253). 209 So i. E. auch Krisor-Wietfeld, Rahmenbedingungen der Grundrechtsausübung, 96; Wendt, NVwZ 2012, 606 (607). A.a. aber Dietz, WieVerw 2020, 144 (164). 210 Vgl. auch Hollo, JZ 2021, 61 (68) mit dem Hinweis, „dass allein die abstrakt-generelle Schutzbereichseröffnung noch lange nicht bedeutet, dass sich das betroffene Grundrecht in dem konkret zu prüfenden Einzelfall am Ende durchsetzt.“ Vgl. für die Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen unter C. III. 1. c). 211 Anders als bei den vorangehenden Flächenkategorien geht es in diesem Fall jedoch nicht um die Frage, wann der Staat eine in seiner Verfügungsmacht stehende Fläche für Versammlungszwecke bereitstellen muss. S. dazu noch unten unter D. III. 2. b) cc). 208

222

D. Art. 8 I GG und die privaten Flächen 

2. Inhalt und Reichweite des Schutzgehalts von Art. 8 I GG für die privaten Flächen Eine Verdichtung des aus Art. 8 I GG folgenden abstrakten Schutzgehalts auf die konkrete staatliche Pflicht, den Versammlungsteilnehmern die Nutzung der für Versammlungen besonders geeigneten privaten Flächen zu ermöglichen, setzt voraus, dass die Grundrechtsträger zur „realen“ Durchführung einer Versammlung „unter freiem Himmel“ ebenso zwingend auf die (erlaubnisfreie) Nutzung privater Flächen angewiesen sind wie auf die Bereitstellung öffentlicher Straßen.212 a) Grundsatz: keine strukturelle Abhängigkeit Der Staat bietet mit dem öffentlichen Straßenraum und gegebenenfalls mit den nutzbaren Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen grundsätzlich ausreichend Flächen, die die Versammlungsteilnehmer erlaubnisfrei für die Durchführung von Versammlungen „unter freiem Himmel“ nutzen können.213 Zwar sind in den letzten Jahrzehnten vermehrt private Flächen entstanden, die einem öffentlichen Marktplatz oder einer klassischen Fußgängerzone in ihren kommunikativen Funktionen ähneln.214 Allerdings kann jedenfalls derzeit nicht davon ausgegangen werden, dass diese Flächen den öffentlichen Straßenraum in einer den Schutz­gehalt von Art. 8 I GG aktivierenden Art und Weise „verdrängen“.215 Das Grundrecht der Versammlungsfreiheit kann also aktuell auch ohne die erlaubnisfreie Zugriffsmöglichkeit der Grundrechtsträger auf private Flächen ausgeübt werden. Demnach ist die Gewährleistung „realer“ Versammlungsfreiheit jedenfalls (noch) nicht strukturell von der Nutzbarmachung privater Flächen abhängig. Art. 8 I GG entfaltet somit keinen Schutzgehalt, der den Staat dazu verpflichtet, den Versammlungsteilnehmern die generelle Nutzung privater Flächen, die für Versammlungen „unter freiem Himmel“ geeignet sind, für Versammlungszwecke zu ermöglichen. b) Ausnahme: Verdichtung auf konkreten Schutzanspruch Die fehlende strukturelle Abhängigkeit bedeutet aber nicht, dass die Grundrechtsträger im Einzelfall zur „realen“ Ausübung ihrer Versammlungsfreiheit nicht genauso zwingend auf die Nutzung einer privaten Fläche angewiesen sein 212

S. zu diesem Kriterium allgemein unter B. IV. 3. a) u. im Kontext der Schutzpflicht in Bezug auf die öffentlichen Straßen unter B. III. 1. d) sowie unter B. V. 1. u. B. V. 2. Für die Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen unter C. III. 2. a). 213 So auch die Feststellung von Siehr, Das Recht am öffentlichen Raum, 669. 214 Speziell zur steigenden Entwicklung von Einkaufszentren Glasze, Privatisierung öffentlicher Räume?, 164. S. auch die Feststellung von Joite, BLJ 2011, 100 (100). 215 So i. E. auch das abweichende Votum zum „Fraport-Urteil“ von Schluckebier in BVerfGE 128, 226 (274). Vgl. auch schon Burgi, DÖV 1993, 633 (642).

III. Die staatliche Schutzverpflichtung aus Art. 8 I GG  

223

können, wie auf die generelle Nutzung öffentlicher Straßen. Wie auch im Rahmen der Untersuchung für die Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen festgestellt wurde, erschöpft sich der Schutzgehalt der Versammlungsfreiheit nämlich nicht darin, dass überhaupt Flächen für Versammlungen vorhanden sind. Art. 8 I GG gewährleistet den Versammlungsteilnehmern darüber hinaus auch das Recht, sich an dem Ort zu versammeln, an dem sie ihr Anliegen möglichst effektiv zur Geltung bringen können.216 Dieser Gedanke zeigt sich auch im „BierdosenflashmobBeschluss“, wenn das BVerfG betont, dass die Bürger „selbst entscheiden können [sollen], wo sie ihr Anliegen am wirksamsten zur Geltung bringen können“.217 aa) Keine Verfügbarkeit anderer geeigneter Versammlungsflächen: Monopolstellung des privaten Flächeneigentümers Zwar kann derzeit nicht davon ausgegangen werden, dass private Flächen den öffentlichen Straßenraum in räumlicher Hinsicht verdrängen. Gleichwohl können das örtliche Umfeld, die Erreichbarkeit und die tatsächliche Nutzung einer bestimmten privaten Fläche dazu führen, dass der jeweilige Eigentümer in einer Art Monopolstellung über die einzige Örtlichkeit verfügt, auf der die Grundrechtsträger von der Versammlungsfreiheit effektiv, d. h. öffentlichkeitswirksam Gebrauch machen können. Befindet sich z. B. der einzige zentral gelegene Platz einer Stadt in privatem Eigentum, kann die Nutzung dieser privaten Fläche für die „reale“ Durchführung einer Versammlung zwingend erforderlich werden. Müssten die Grundrechtsträger auf eine frei nutzbare öffentliche Fläche ausweichen, die von wesentlich weniger Menschen frequentiert wird, wäre nicht garantiert, dass die Versammlungsteilnehmer ihr Anliegen genauso öffentlichkeitswirksam zur Geltung bringen könnten. Gegebenenfalls würde die Durchführung der Versammlung für die Versammlungsteilnehmer – mangels Versammlungspublikums – sogar insgesamt ihren „Sinn“ verlieren, sodass die in Art. 8 I GG garantierte Freiheit für sie jedenfalls in faktischer Hinsicht leerlaufen würde. In den speziellen Fällen also, in denen keine alternativen öffentlichen Straßen und Plätze vorhanden sind, auf denen die Grundrechtsträger die für eine effektive Durchführung ihrer Versammlung erforderliche Aufmerksamkeit erzielen können, können sie auf die Nutzung 216

So ausdrücklich BVerfG, NJW 2007, 2167 (269): „Das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit schützt das Interesse des Veranstalters, auf einen Beachtungserfolg nach seinen Vorstellungen zu zielen, also gerade auch durch eine möglichst große Nähe zu dem symbolhaltigen Ort (vgl. BVerfGE 69, 315 (323, 365).“ Vgl. auch Kniesel, in: Dietel / Gintzel / K niesel, VersG, Teil I Rn. 134 f., 141 f.; Kniesel / Poscher, in: Lisken / Denninger, HdB PolR, K. Rn. 73; Deiseroth /  Kutscha, in: Breitbach / Deiseroth / Rühl, Versammlungsrecht, Art. 8 GG Rn. 104, § 15 Rdn. 290; Scheidler, DAR 2009, 380 (383). In Bezug auf die Inanspruchnahme von privaten Räumen für Versammlungszwecke Prothmann, Die Wahl des Versammlungsortes, 198. Vgl. auch die allgemeinen Ausführungen für die Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen oben unter C. III. 2. b). 217 Vgl. BVerfG, NJW 2015, 2485 (2486).

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D. Art. 8 I GG und die privaten Flächen 

einer privaten Fläche genauso angewiesen sein wie auf die generelle Nutzbarkeit des öffentlichen Straßenraums.218 bb) Spezifischer Ortsbezug durch Versammlungsthema Die „reale“ Versammlungsfreiheit kann auch dann zwingend von der Nutzung einer privaten Fläche abhängig sein, wenn die Grundrechtsträger ihr Versammlungsanliegen nur auf dieser bestimmten Fläche „sinnvoll“ zur Geltung bringen können, also eine „untrennbare Wirkungseinheit“219 zwischen dem privaten Grund­ stück und dem Thema der Versammlung besteht.220 Die Rechtsprechungsanalyse zeigt, dass sich auch die Gerichte auf dieses Kriterium stützen, wenn es darum geht, die Durchführung einer Versammlung auf einer privaten Fläche zu ermöglichen. So stellt beispielsweise das BVerfG im „Bierdosenflashmob-Beschluss“ darauf ab, dass dem „ausgewählten Versammlungsort angesichts des inhaltlichen Themas der Versammlung (…) eine besondere Bedeutung zu[kommt]“, sodass die Versammlung nicht „ebenso gut an anderer Stelle stattfinden“ könne.221 cc) Grenze der Schutzpflicht: Grundrechte des privaten Flächeneigentümers und Gewährleistung des originären Nutzungszwecks Im Unterschied zu den Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen und dem öffentlichen Straßenraum kann der Staat nicht frei über die Bereitstellung und die Nutzung privater Flächen verfügen. Der Flächeneigentümer entscheidet privatautonom über die Verwendung seiner Fläche.222 Der Staat kann einem aus Art. 8 I GG folgenden Schutzgebot für private Flächen also nur dadurch nachkommen, dass er den jeweiligen Eigentümer dazu verpflichtet, die für Art. 8 I GG essentielle Nutzung seiner Fläche für Versammlungszwecke im Einzelfall zu dulden. Die Konsequenz einer entsprechenden staatlichen Inpflichtnahme des Flächen­ eigentümers ist, dass dieser nicht mehr frei von seinen privatrechtlichen Befugnissen aus §§ 903, 1004 BGB Gebrauch machen kann. Ferner ist nicht auszuschließen, dass die Durchführung einer Versammlung auf einer privaten Fläche

218

So i. E. auch Schulenberg, DÖV 2016, 55 (59); Gornik, Die Bindung der Betreiber öffentlicher Räume, 354; Krisor-Wietfeld, Rahmenbedingungen der Grundrechtsausübung, 264. Dazu auch Siehr, Das Recht am öffentlichen Raum, 635 f. 219 Barczak, in: Ridder / Breitbach / Deiseroth, VersR, § 15 Rn. 248. 220 Diesen Gedanken greifen z. B. auch Schulenberg, DÖV 2016, 55 (59); Prothmann, Die Wahl des Versammlungsortes, 197 f.; Gornik, Die Bindung der Betreiber öffentlicher Räume, 353 f.; Scharlau, Schutz von Versammlungen, 241 auf. S. zu diesem Kriterien auch schon für die Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen unter C. III. 2. b) bb). 221 BVerfG, NJW 2015, 2485 (2486). 222 S. dazu ausführlich unter D. I. 2.

III. Die staatliche Schutzverpflichtung aus Art. 8 I GG  

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den vom Eigentümer bestimmten (kommerziellen oder wirtschaftlichen) Nutzungszweck erheblich stört oder sogar gänzlich behindert. Der Staat kann seine aus Art. 8 I GG folgende Schutzpflicht in Bezug auf private Flächen also immer nur unter gleichzeitiger Begrenzung der grundrechtlich geschützten Positionen des privaten Flächeneigentümers aus Art. 14 I GG und gegebenenfalls aus Art. 12 I GG erfüllen.223 Während für die Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen die Ge­währleistung staatlicher Aufgabenerfüllung bei der Ableitung konkreter Schutzpflichten einschränkend zu berücksichtigen ist,224 bilden in Bezug auf private Flächen die Grundrechte des betroffenen Eigentümers eine Grenze der staatlichen Schutzpflicht aus Art. 8 I GG:225 Wozu der Staat gegenüber dem privaten Flächeneigentümer nicht berechtigt ist, dazu kann er gegenüber den Versammlungsteilnehmern nicht verpflichtet sein.226 Das macht eine Abwägung und verhältnismäßige Zuordnung der unterschiedlichen betroffenen grundrechtlichen Positionen der Versammlungsteilnehmer und der des privaten Flächeneigentümers erforderlich.227 Speziell für die Eigentumsfreiheit bedeutet das, dass der Staat bei der Inpflichtnahme des privaten Eigentümers für Versammlungszwecke die von Art. 14 I GG garantierte Privatnützigkeit des Eigentums und die in Art. 14 II GG festgelegte Sozialpflichtigkeit „in einen gerechten Ausgleich und ein ausgewogenes Verhält-

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So auch Krisor-Wietfeld, Rahmenbedingungen der Grundrechtsausübung, 265; Wendt, NVwZ 2012, 606 (607) sowie BVerfG, NJW 2015, 2485 (2485). Speziell zur Berufsfreiheit des privaten Flächeneigentümers aus Art. 12 I GG z. B. Wegner, Kommunikationsherrschaft, 168 f.; Prothmann, Die Wahl des Versammlungsortes, 105; Krisor-Wietfeld, Rahmenbedingungen der Grundrechtsausübung, 267. Zum Eigentumsgrundrecht des privaten Flächeneigentümers aus Art. 14 I GG z. B. Prothmann, Die Wahl des Versammlungsortes, 104 f.; Joite, BLJ, 2011, 100 (104); Wegner, Kommunikationsherrschaft, 160 ff. 224 S. dazu oben unter C. III. 2. b) cc). 225 Vgl. Dathe, Privatrechtliche Grenzen kommunikativer Entfaltung, 97. Hier wirkt sich das in der Einführung erwähnte „dreipolige“ Grundrechtsverhältnis aus. S. dazu oben unter D. I. 5. u. B. IV. 2. a). Allgemein zum „dreipoligen“ Grundrechtsverhältnis im Rahmen der Schutzpflicht z. B. Calliess, in: Merten / Papier, HdB GR, Bd. II, § 44 Rn. 18; Isensee, Das Grundrecht auf Sicherheit, 34 spricht insoweit von einem „Rechts-Dreieck“. S. auch Lenz / L eydecker, DÖV 2005, 841 (845).; Steinberg, NJW 1984, 457 (459 f.); Wahl / Masing, JZ 1990, 553 (556 ff.); Krings, Grund und Grenzen grundrechtlicher Schutzansprüche, 139 f. 226 Vgl. z. B. Brüning, JuS 2000, 955 (958); Isensee, Das Grundrecht auf Sicherheit, 45; Canaris, JuS 1989, 161 (163). Nach Dietlein, Die Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten, 75 sind „in dem ‚dreidimensionalen‘ Schutzgeflecht (…) die Freiheitsgrenzen des einzelnen Grundrechtsträgers notwendig ‚mitgedacht‘.“ Die an dieser Stelle umstr. Frage, ob das aus der Schutzpflicht resultierende Untermaßverbot mit dem abwehrrechtlichen Übermaßverbot im Hinblick auf die Grundrechte des betroffenen Privaten identisch ist, muss in dieser Arbeit nicht entschieden werden. Allgemein zur Diskussion aber z. B. Borowski, JöR 2002, 301 (323 f.). 227 Vgl. Gusy, in: v. Mangoldt / K lein / Starck, GG, Art. 8 Rn. 43; Ernst in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 8 Rn. 78; Gornik, Die Bindung der Betreiber öffentlicher Räume, 342; ­Krisor-Wietfeld, Rahmenbedingungen der Grundrechtsausübung, 265; Scharlau, Schutz von Versammlungen, 224, 233; Wendt, NVwZ 2012, 606 (607); Schneider, in: Epping / Hillgruber, BeckOK GG, Art. 8 Rn. 32.2.

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D. Art. 8 I GG und die privaten Flächen 

nis bringen“ muss.228 Dabei gilt, dass der Schutz des Eigentums umso geringer ist, „je stärker der soziale Bezug des Eigentumsobjekts ist“.229 Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs kann zunächst festgehalten werden, dass die vom räumlichen Schutzgehalt des Art. 8 I GG erfassten privaten Flächen von dem jeweiligen Eigentümer aus eigenem Interesse für die Allgemeinheit geöffnet werden: Er macht es sich in kommerzieller oder wirtschaftlicher Hinsicht zunutze, dass seine Flächen dem Leitbild des „öffentlichen Forums“ entsprechen und von den Bürgern in vielfältiger Weise verwendet werden.230 In diesem Ausmaß verzichtet der private Eigentümer also auf eine „reine“ Privatnützigkeit231 seines Grundstücks und stellt bewusst einen sozialen Bezug her.232 Daraus folgt, dass der private Flächeneigentümer jedenfalls in Bezug auf solche Nutzungen, die er als „Folge“ seiner privatautonomen Öffnungsentscheidung in Kauf genommen hat, weniger „schutzwürdig“ ist.233 Zugleich darf der durch ihn geschaffene Sozialbezug aber nicht dazu führen, dass der Eigentümer sämtliche Flächennutzungen durch Dritte hinzunehmen hat.234 Anderenfalls wäre die durch Art. 14 I GG garantierte Privatnützigkeit und die grundsätzliche Verfügungsbefugnis des Grundeigentums für ihn (faktisch) aufgehoben.235 Für die Bewertung, ob eine versammlungsspezifische Flächennutzung dem Eigentümer gem. Art. 14 I GG noch zugemutet werden kann, kommt es also da­rauf an, ob und inwieweit die jeweilige Nutzung der privaten Fläche für Versamm 228

BVerfGE 100, 226 (240). So i. E. auch Papier / Shirvani, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 14 Rn. 425; Wieland, in: Dreier, GG, Art. 14 Rn. 104 f.; Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rn. 448; Depenheuer / Froese, in: v. Mangoldt / K lein / Starck, GG, Art. 14 Rn. 205. 229 St. Rspr. vgl. BVerfGE 50, 290 (340); 95, 64 (84); 100, 226 (241) m. w. N. 230 So i. E. auch Wendt, NVwZ 2012, 606 (608); Enders / Hoffmann-Riem / Kniesel / Poscher / Schulze-Fielitz, ME VersG 2011, Begr. § 21 II., 5. 231 So auch OVG Lüneburg, BeckRS 2020, 22239 Rn. 44, wonach ein „rein privater Nutzungszweck“ jedenfalls für im Privateigentum stehende Verkehrsflächen, die „allgemein für den öffentlichen Verkehr freigegeben“ sind, nicht gegeben ist. 232 Vgl. insoweit Wendt, NVwZ 2012, 606 (608); Enders / Hoffmann-Riem / Kniesel / Poscher / Schulze-Fielitz, ME VersG 2011, Begr. § 21 II., 5.  233 So z. B. auch Krisor-Wietfeld, Rahmenbedingungen der Grundrechtsausübung, 266 f. Nach Kniesel, in: Dietel / Gintzel / K niesel, VersG, Teil I Rn. 155 schließt die durch die Öffentlichkeitsfunktion geschaffene Sozialbindung aus, die „Funktionen des öffentlichen Raumes nur selektiv wahrzunehmen; vielmehr müssen mit den kommerziellen Vorteilen (…) auch deren kommunikative [Funktionen] übernommen werden.“ 234 Das ergibt sich bereits aus Art. 14 II GG, der die Allgemeinwohlbindung des Eigentums nur „zugleich“ anordnet u. damit zum Ausdruck bringt, dass dem Eigentümer in jedem Fall auch ein privater Nutzen verbleiben soll. So z. B. auch Depenheuer / Froese, in: v. Mangoldt / K lein / Starck,  GG, Art.  14 Rn.  205, 222. 235 Nach der Auffassung von BVerfGE 100, 226 (243) darf das Eigentumsrecht nicht zu einer Last werden, „die der Eigentümer allein im öffentliche Interesse zu tragen hat, ohne dafür die Vorteile einer privaten Nutzung genießen zu können“. Damit ist die Wesensgehaltsgarantie des Art. 19 II GG angesprochen, die einen absoluten, essentiellen Wesenskern der Eigentumsgarantie schützt. Dazu z. B. Leisner, in: Isensee / K irchhof, HdBStR, Bd. VIII, § 173 Rn. 150; Depenheuer / Froese, in: v. Mangoldt / K lein / Starck, GG, Art. 14 Rn. 236; BVerfGE 100, 226 (241).

III. Die staatliche Schutzverpflichtung aus Art. 8 I GG  

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lungszwecke noch auf das privatautonom gesetzte Risiko des Eigentümers zurück geführt werden kann, seine Fläche öffentlich zugänglich zu machen.236 In den Fällen, in denen die spezifische Angewiesenheit der Versammlungsteilnehmer auf die Nutzung einer privaten Fläche aus einem essentiellen Zusammenhang zwischen Versammlungsort und Versammlungsanliegen folgt,237 ist daher entscheidend, ob der private Flächeneigentümer das Bedürfnis der Versammlungsteilnehmer, gerade auf seiner privaten Fläche demonstrieren zu wollen, „mitverursacht“ hat.238 Möchte beispielsweise eine Versammlung auf den zunehmenden Warenkonsum sowie die damit einhergehende Umweltverschmutzung aufmerksam machen und aus diesem Anlass auf den Flächen eines großen Einkaufszentrums demonstrieren, erscheint der private Eigentümer weniger schutzbedürftig: Er hat mit dem Einkaufszentrum eine Fläche eröffnet, die gerade den Zwecken des Konsums dient. Damit hat er gewissermaßen selbst eine „Ursache“ für die Angewiesenheit der Versammlungsteilnehmer auf seine Fläche gesetzt. Ähnlich kann es sein, wenn sich die Versammlungsteilnehmer wie in dem oben erwähnten Beschluss des BVerfGs zur Durchführung einer Streikmaßnahme auf einem privaten Parkplatz gezielt gegen die Geschäftstätigkeit des privaten Flächeneigentümers wenden.239 Anders kann die Bewertung aber beispielsweise dann ausfallen, wenn die Fläche eines privaten Einkaufszentrums vom Eigentümer unverschuldet zum Tatort einer Straftat wird, die mit dem Einkaufszentrum selbst und dessen Nutzung in keinerlei Zusammenhang steht. Die Verwendung dieser Fläche für Versammlungen, die das Strafrecht und dessen Reformierung zum Thema haben, ist in diesem Fall kein Risiko, das der private Flächeneigentümer mit seiner privatautonomen Öffnungsentscheidung in Kauf genommen hat. Insoweit ist er schutzwürdig. Ein weiteres Kriterium, das bei der verhältnismäßigen Zuordnung von Privatnützigkeit und Sozialbindung der privaten Fläche eine Rolle spielen kann, ist, ob der vom Flächeneigentümer bestimmte Nutzungszweck der privaten Fläche neben einer versammlungsspezifischen Flächennutzung realisierbar bleibt.240 Das kann sicher oft in Bezug auf private Plätze und Straßen im Stadtzentrum, die ohnehin 236

Vgl. dazu den Gedanken des BVerfGs in BVerfGE 128, 226 (252), wonach die Öffnung privater Flächen für eine Vielfalt ganz unterschiedlicher Nutzungen dazu führt, dass der Flächen­eigentümer „auch die politische Auseinandersetzung in Form von kollektiven Meinungskundgaben durch Versammlungen“ auf seinen Flächen nicht grundlos ausschließen darf. Vielmehr bedarf auch der private Flächeneigentümer gewichtiger Gründe, wenn er die Nutzung seiner Fläche für Versammlungszwecke unterbinden möchte, anderenfalls würde er sich „in Widerspruch zu seiner eigenen Öffnungsentscheidung setzen“. 237 S. zu diesem Kriterium oben unter D. III. 2. b) bb). 238 Vgl. auch Gornik, Die Bindung der Betreiber öffentlicher Räume, 391, der einen Bezug zum Eigentum dann bejaht, wenn die private Fläche Symbol für gesellschaftliche Entwicklungen oder das Verhalten Dritter ist, gegen das sich die Versammlungsteilnehmer wenden. 239 BVerfG, NJW 2020, 2098 (3098 ff.). Vgl. dazu die Auswertung oben unter D. II. 1. b) dd). 240 Gornik, Die Bindung der Betreiber öffentlicher Räume, 345 f. bezeichnet dieses Kriterium als „Funktionsvorbehalt“. S. zu diesem Kriterium auch Krisor-Wietfeld, Rahmenbedingungen der Grundrechtsausübung, 267 f. Vgl. zum Funktionsvorbehalt bei den Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen unter C. III. 2. b) cc).

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D. Art. 8 I GG und die privaten Flächen 

von vornherein auf ganz unterschiedliche Nutzungen ausgerichtet sind, bejaht werden. Demgegenüber ist, angesichts des Störungspotentials, das mit einer Versammlung einhergehen kann, insbesondere bei den Flächen in privaten Einkaufszentren nicht ausgeschlossen, dass ihr kommerzieller Nutzungszweck (erheblich) beeinträchtigt wird. So kann z. B. die Durchführung einer Versammlung in einem privaten Einkaufszentrum dazu führen, dass das Betreten von Ladenflächen erschwert wird oder die Verkehrswege für Passanten versperrt werden. Allerdings ist auch zu berücksichtigen, dass die versammlungsspezifische Flächennutzung regelmäßig sowohl in zeitlicher als auch in räumlicher Hinsicht klar umgrenzt ist. Oft wird die vom Flächeneigentümer bestimmte kommerzielle Zweckausrichtung des Einkaufszentrums durch die Nutzung für Versammlungszwecke also nicht vollständig aufgehoben oder dauerhaft verdrängt, sondern allenfalls kurzzeitig beeinträchtigt. Dem privaten Flächeneigentümer verbleibt dann noch ein privater Nutzen seines Eigentums, sodass eine staatliche Verpflichtung zur Duldung der Versammlung in diesem Fall nicht notwendig unverhältnismäßig erscheint. Etwas anderes gilt allerdings dann, wenn die Durchführung der Versammlung auf der privaten Fläche dazu führt, dass der vom privaten Flächeneigentümer bestimmte Nutzungszweck für einen relevanten Zeitraum nicht mehr bzw. nur unter wesentlich erschwerten Bedingungen wahrgenommen werden kann. Das ist z. B. im Falle einer Großdemonstration mit einer hohen Teilnehmerzahl denkbar, die die Flächen eines kleinen Einkaufszentrums für die Durchführung ihrer Versammlung nutzen möchten. In dieser Situation ist nicht ausgeschlossen, dass die Versammlung die räumliche Kapazität der Flächen des Einkaufszentrums so sehr einnimmt, dass eine Nutzung der Fläche für Einkaufszwecke während der Versammlung ganz unmöglich wird.241 Neben der Größe und dem Ausmaß der geplanten Versammlung sowie der räumlichen Kapazität der privaten Fläche können auch die Lautstärke der Versammlung, die Häufigkeit der Beeinträchtigung und insbesondere der Zeitraum, in dem die Versammlung stattfinden soll, eine andere Bewertung rechtfertigen.242 c) Zwischenergebnis Im Gegensatz zu den anderen beiden Flächenkategorien, geht es im Rahmen der dritten Flächenkategorie um einen „Ausgleich bürgerlicher Freiheitssphären“,243 zwischen „gleichberechtigten Grundrechtsträgern“244. Das aus Art. 8 I GG folgende Schutzgebot für private Flächen verlangt vom Staat daher zunächst „nur“, das zwingende Bedürfnis der Versammlungsteilnehmer, eine private Fläche für die „reale“ Durchführung der grundrechtlichen Freiheit aus Art. 8 I GG nutzen 241

So i. E. auch Brenneisen / Arndt, NordÖR 2016, 269 (271). Vgl. auch Prothmann, Die Wahl des Versammlungsortes, 197. 243 BVerfGE 128, 226 (249); 134, 204 (223). 244 BVerfGE 134, 204 (223). 242

IV. Umsetzung der staatlichen Schutzverpflichtung  

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zu können, beim Ausgleich mit den kollidierenden Interessen der Flächeneigentümer zu berücksichtigen und nach dem Grundsatz praktischer Konkordanz zur Geltung zu bringen.245 Das bedeutet aber nicht, dass die Schutzpflichtendimension von Art. 8 I GG für private Flächen „in jedem Fall weniger weit reicht“246 als für die Flächen des öffentlichen Straßenraums oder der sonstigen staatlichen Einrichtungen. Ergibt die Interessenbewertung anhand der im jeweiligen Einzelfall maßgeblichen Kriterien, dass eine Verpflichtung des privaten Flächeneigentümers zur Duldung der Durchführung einer Versammlung auf seiner Fläche dessen Grundrechte nicht unverhältnismäßig einschränkt, verdichtet sich der abstrakte Schutzgehalt von Art. 8 I GG zu der Schutzpflicht des Staates, den Versammlungsteilnehmern die (erlaubnisfreie) Nutzung einer privaten Fläche für die Durchführung ihrer Versammlung zu ermöglichen. Darauf ist der gegen den Staat gerichtete Schutz­anspruch der Sich-Versammelnden gem. Art. 8 I GG gerichtet. In Ausnahmefällen können die Grundrechtsträger also gegenüber dem Staat ein aus der Schutzpflichtendimension des Art. 8 I GG folgendes „Benutzungsrecht“ auch für private Flächen geltend machen.247

IV. Umsetzung der staatlichen Schutzverpflichtung Art. 8 I GG selbst kann nicht unmittelbar entnommen werden, wie der Staat dieses Schutzergebnis erreichen soll.248 Ihm bleibt daher bei der konkreten Ausgestaltung des Flächennutzungsrechts der Versammlungsteilnehmer in Bezug auf private Flächen ein Gestaltungsspielraum. Begrenzt ist der Staat dabei durch die vom Untermaßverbot aufgestellte Grenze an gebotenem Mindestschutz,249 wonach zumindest im Ergebnis gewährleistet sein muss, dass die Versammlungsteilnehmer immer dann, wenn es der Schutzgehalt von Art. 8 I GG verlangt und auch die Grundrechte des privaten Flächeneigentümers nicht entgegenstehen, eine private Fläche für Versammlungszwecke tatsächlich nutzen können. Damit ist ein letztes Mal die Frage aufgeworfen, ob der Staat derzeit dieses von Art. 8 I GG aufgestellte Schutzergebnis erreicht.

245 Vgl. insoweit die Aussage des BVerfGs in BVerfGE 128, 226 (249), wonach die Wirkung der Grundrechte zwischen Privaten „dem Ausgleich bürgerlicher Freiheitssphären untereinander [dient] und (…) damit von vornherein relativ“ ist. 246 BVerfGE 128, 226 (249). 247 Vgl. Brenneisen / Arndt, NordÖR 2016, 269 (269). 248 Zur Unbestimmtheit der staatlichen Schutzpflicht bereits oben unter B. IV. 3. a). 249 Allgemein zum staatlichen Gestaltungsspielraum im Rahmen der Schutzpflicht u. zum Untermaßverbot unter B. IV. 3. b).

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D. Art. 8 I GG und die privaten Flächen 

1. Abstrakt-generelle Regelung der Nutzung privater Flächen durch den Gesetzgeber Spezielle Bundesgesetze, die den Versammlungsteilnehmern die Nutzung einer privaten Fläche – auch entgegen dem Willen des privaten Flächeneigentümers – für Versammlungszwecke ermöglichen, existieren nicht.250 Vielmehr sehen die privatrechtlichen Regelungen der §§ 903 ff., 1004 BGB vor, dass die Durchführung einer Versammlung auf einer privaten Fläche von der privatautonomen Disposition des jeweiligen Flächeneigentümers abhängig ist. Ein subjektives Nutzungsrecht der Versammlungsteilnehmer besteht also allenfalls dann, wenn ihnen der private Flächeneigentümer eine entsprechende Rechtsposition durch einseitige Gestattung oder durch den Abschluss eines Nutzungsvertrags einräumt.251 Weitergehende Ansprüche bestehen nicht. Da aus Art. 8 I GG keine Schutzpflicht des Staates folgt, die Nutzung sämt­ licher für Versammlungen „unter freiem Himmel“ geeigneter privater Flächen für Versammlungszwecke zu ermöglichen,252 ist es zur Wahrung des gebotenen Mindestschutzes aber auch nicht erforderlich, dass die versammlungsspezifische Nutzung privater Flächen in abstrakt-genereller Form geregelt ist. Der Schutzgehalt von Art. 8 I GG verpflichtet den Gesetzgeber insoweit „nur“ dazu, eine Regelung bereitzuhalten, bei deren Anwendung die Grundrechte der Versammlungsteilnehmer neben der privatautonomen Entscheidungsbefugnis des Flächeneigentümers über die Nutzung seiner privaten Fläche berücksichtigt werden können. Zudem muss die Norm gewährleisten, dass die Grundrechtsträger immer dann, wenn sie im Einzelfall zur „realen“ Ausübung ihrer Versammlungsfreiheit zwingend auf die Nutzung der privaten Fläche angewiesen sind und auch die Grundrechte des privaten Flächeneigentümers nicht entgegenstehen, diese für sie essentielle Nutzung auch rechtlich einfordern können. § 1004 II BGB und § 903 S. 1 BGB sind privatrechtliche Normen, die es ermöglichen, Rechte Dritter bei der Ausübung der eigentumsrechtlichen Ausschluss- und Nutzungsbefugnisse des privaten Flächeneigentümers zu berücksichtigen.253 Allerdings setzen beide Regelungen das Vorhandensein einfachrechtlicher Normen voraus, die die entgegenstehenden Rechte Dritter bzw. die Duldungspflicht des Eigentümers ausgestalten.254 Auch sind die §§ 903 S. 1, 1004 II BGB weder ausfül 250 Dazu bereits oben unter D. I. 5. Einzig das Land Berlin hat im Februar 2021 mit § 20 II VersFG BE ein Gesetz erlassen, das die Nutzung privater Flächen für Versammlungszwecke regelt. Eine Einordnung u. Bewertung dazu erfolgt unter D. V. Die anderen Bundesländer haben keine vergleichbare Regelung erlassen. Allerdings gibt es bereits einen Musterentwurf sowie einen aktuellen Gesetzesentwurf, der eine entsprechende Regelung vorsieht. S. dazu auch näher unter D. V. 251 Zur Einräumung von Nutzungsrechten an privaten Flächen s. oben unter D.3.b).bb). 252 Vgl. insoweit das unter D. III. 2. c) formulierte Zwischenergebnis. 253 S. dazu oben unter D. I. 2. 254 Vgl. Fritzsche, in: Hau / Poseck, BeckOK BGB, § 903 Rn. 30, 70 ff.; Schulte-Nölke, in: Schulze, BGB, 903 Rn. 2; § 1004 Rn. 7.

IV. Umsetzung der staatlichen Schutzverpflichtung  

231

lungsbedürftige Generalklauseln noch enthalten sie unbestimmte Rechtsbegriffe, die die ordentlichen Gerichte zur weiteren Umsetzung der staatlichen Schutzpflicht aus Art. 8 I GG nutzen könnten.255 Unmittelbar aus Art. 8 I GG ein im Rahmen von §§ 1004 II, 903 S. 1 BGB entgegenstehendes Recht der Versammlungsteilnehmer oder eine Duldungspflicht des Flächeneigentümers für versammlungsspezifische Flächennutzungen herzuleiten, würde bedeuten, die privaten Flächeneigentümer unmittelbar an die Grundrechte zu binden und damit die oben getroffene Entscheidung gegen eine Grundrechtsbindung Privater zu unterlaufen.256 Die Regelungen der § 1004 II BGB und § 903 S. 1 BGB sind daher nicht dazu geeignet, das aus Art. 8 I GG vorgegebene Schutzergebnis in Bezug auf private Flächen zu erreichen. Allerdings kann der Flächeneigentümer möglicherweise gem.  § 826 BGB257 i. V. m. § 249 I BGB verpflichtet werden, die Nutzung seiner privaten Fläche für Versammlungszwecke im Einzelfall zu gestatten bzw. mit den Versammlungsteilnehmern einen entsprechenden Nutzungsvertrag abzuschließen.258 Dem privaten Flächeneigentümer wäre es dann gem. §§ 903 S. 1, 1004 II BGB versagt, von seinen eigentumsrechtlichen Ausschlussrechten in Bezug auf die versammlungsspezifische Flächennutzung Gebrauch zu machen.259 Der Tatbestand des § 826 BGB bietet mit seiner generalklauselartigen Formulierung und dem Begriff der „guten Sitten“ 255

So auch Hettich, VBlBW 2018, 485 (489); Zeitler, Grundriss des Versammlungsrechts, Rn. 159. A. A. aber Krüger, DÖV 2012, 837 (842 f.); Brenneisen / Arndt, NordÖR 2016, 269 (270); Fritzsche, in: Hau / Poseck, BeckOK BGB, § 1004 Rn. 106; Joite, Bucerius Law Journal, 103 f.; Horst / Kommer, JA 2013, 445 (447); Wendt, NVwZ 2012, 606 (606 f.). Auch Prothmann, Die Wahl des Versammlungsortes, 232 f. ist der Auffassung, dass § 903 S. 1 BGB u. § 1004 II BGB „einen Ansatzpunkt für einen verhältnismäßigen Ausgleich der konfligierenden Grundrechtspositionen“ bieten können. 256 So i. E. auch Zeitler, Grundriss des Versammlungsrechts, Rn. 159. Zur Grundrechts­ bindung bei privaten Flächen oben unter D. I. 4. 257 826 BGB: „Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet.“ 258 Zum Kontrahierungszwang bereits oben unter D. I. 3. b) aa). Speziell zum Kontrahierungszwang aus § 826 BGB Wegner, Kommunikationsherrschaft 33 f., 219 f.; Mörsdorf, JZ 2012, 688 (690); Lorenz, in: Medicus / Lorenz, SchuldR I AT, Rn. 79; Busche, in: MüKo BGB, Vorb. § 145, Rn. 21; Busche, Privatautonomie und Kontrahierungszwang, 151 ff.; Armbrüster, in: Grunewald / Maier-Reimer / Westermann, Erman, BGB, Vorb. vor § 145 Rn. 27 ff.; Brinkmann, in: Prütting / Wegen / Weinreich, BGB, Vorb. vor §§ 145 ff. Rn. 17. Es ist umstr. auf welche Rechtsfolgenanordnung der Kontrahierungsanspruch gestützt werden kann. Die wohl h. M. leitet ihn mittelbar aus der Verpflichtung zum Schadensersatz u. dem Grundsatz der Naturalrestitution gem. § 249 I BGB ab. So z. B. BGHZ 21, 1 (8), 36, 91 (100); OLG Koblenz, NJWRR 1991, 944 (946); Mansel, in: Jauernig, BGB, vor § 145 Rn. 11; Lorenz, in: Medicus / Lorenz, SchuldR I AT, Rn. 80. Die a. A. sieht den quasinegatorischen Abwehranspruch als Grundlage des Kontrahierungsanspruchs, vgl. Busche, Privatautonomie und Kontrahierungszwang, 225 ff.; Bork, in: Staudinger, BGB, Vorb. zu §§ 145 ff. Rn. 27; Wagner, in: MüKo, BGB, Vor § 823 Rn. 39 f. 259 Der als Rechtsfolge von §§ 826 i. V. m. 249 I BGB abgeschlossene (schuldrechtliche) Nutzungsvertrag zwischen Flächeneigentümer u. Versammlungsteilnehmer würde ein entgegenstehendes Recht Dritter i. S. d. § 903 S. 1 BGB sowie eine Duldungspflicht i. S. d. § 1004 II BGB begründen. S. dazu schon oben unter D. I. 3. c).

232

D. Art. 8 I GG und die privaten Flächen 

auch einen Spielraum, den die zur Anwendung im Einzelfall berufenen ordentlichen Gerichte nutzen können, um das Schutzgebot aus Art. 8 I GG zur Geltung zu bringen.260 Mit § 826 BGB ist also eine privatrechtliche Norm vorhanden, die sich zur Umsetzung der aus Art. 8 I GG folgenden staatlichen Schutzpflicht für private Flächen eignen könnte.261 Ob der Staat das Schutzgebot aus Art. 8 I GG effektiv erfüllt, hängt dementsprechend entscheidend davon ab, wie § 826 BGB im Einzelfall von den ordentlichen Gerichten angewendet wird.262

2. Sekundäre Schutzpflichtenebene Die Gerichte sind bei der Anwendung der privatrechtlichen Regelungen nicht „frei“, sondern aufgrund des Schutzauftrags aus Art. 8 I GG dazu verpflichtet, die im Privatrecht bestehenden „Spielräume“ zur weiteren Umsetzung der staatlichen Schutzpflicht zu nutzen.263 Das bedeutet, dass die entscheidenden Gerichte die bestehenden Schutzlücken so „füllen“ müssen, dass die Versammlungsteilnehmer jedenfalls immer dann eine private Fläche (ohne die Zustimmung des Eigentümers) nutzen dürfen, wenn sie entsprechend der oben genannten Kriterien zwingend darauf angewiesen sind und die Grundrechte des betroffenen Eigentümers einer staatlichen Inpflichtnahme nicht entgegenstehen. Dabei resultiert die Verpflichtung der Gerichte zu einer den Schutzgehalt bringenden Normanwendung unmittelbar aus Art. 8 I GG.264 260 Der Begriff der „guten Sitten“ wird insbesondere auch durch grundrechtliche Wertmaßstäbe ausgefüllt, vgl. Busche, Privatautonomie und Kontrahierungszwang, 155 f.; Staudinger, in: Schulze, BGB, § 826 Rn. 6. In Bezug auf § 138 BGB Armbrüster, in: MüKo BGB, § 138 Rn. 20 f. Besonders deutlich auch BVerfGE 7, 198 (206): „Der Rechtsprechung bieten sich zur Realisierung dieses Einflusses vor allem die ‚Generalklauseln‘, die, wie § 826 BGB, zur Beurteilung menschlichen Verhaltens auf außer-zivilrechtliche, ja zunächst überhaupt außerrechtliche Maßstäbe, wie die ‚guten Sitten‘, verweisen. (…) Deshalb sind mit Recht die Generalklauseln als die ‚Einbruchstellen‘ der Grundrechte in das bürgerliche Recht bezeichnet worden.“ S. dazu die Auswertung des Lüth-Urteils unter D. II. 1. a) aa). 261 Vgl. insoweit Ruffert, Vorrang der Verfassung, 232, nach dem § 826 BGB als ein vom Gesetzgeber gewähltes Mittel anzusehen ist, „das von der Verfassung in der jeweiligen Grundrechtsnorm vorgegebene Schutzziel zu erreichen“. 262 Auch nach Ruffert, Vorrang der Verfassung, 233 „vervollständigt [das erkennende Fachgericht] die legislative Erfüllung des grundrechtlichen Schutzauftrages durch eine zivilrechtliche Einzelfallregelung.“ 263 Allgemein zur Pflicht der Gerichte im Rahmen der Schutzpflichtenerfüllung unter B. IV. 3. c) bb). Vgl. auch Ruffert, Vorrang der Verfassung, 233; Armbrüster, in: MüKo, BGB, § 134 Rn. 34; Preu, JZ 1991, 265 (270); Klein, NJW 1989, 1633 (1640); Rüfner, in: Isensee /  Kirchhof, HdBStR, Bd. IX, § 197 Rn. 89, 93. Aus der Rechtsprechung insbesondere BVerfGE 7, 198 (206 f.); 89, 214 (229 ff.); BVerfG NJW 2013, 3086 (3087). 264 Vgl. auch BVerfGE 7, 198 (206): „Der Richter hat kraft Verfassungsgebots zu prüfen, ob die von ihm anzuwendenden materiellen zivilrechtlichen Vorschriften in der beschriebenen Weise grundrechtlich beeinflußt sind; trifft das zu, dann hat er bei Auslegung und Anwendung dieser Vorschriften die sich hieraus ergebende Modifikation des Privatrechts zu beachten.“ (Hervorh. d. Verf.).

IV. Umsetzung der staatlichen Schutzverpflichtung  

233

§ 826 BGB bietet die Möglichkeit, bei der Auslegung und Anwendung des Begriffs „der guten Sitten“ den Schutzgehalt von Art. 8 I GG mit den gegenläufigen Interessen der Flächeneigentümer aus Art. 14 I GG (gegebenenfalls auch aus Art. 12 I GG) abzuwägen. Die abstrakt-generelle Regelung des § 826 BGB und der Schutzgehalt von Art. 8 I GG konkretisieren die allgemeine staatliche Schutzzielvorgabe damit zu einem spezifischen Schutzauftrag der ordentlichen Gerichte.265 Wie das BVerfG im „Bierdosenflashmob-Beschluss“ betont, ist die Versammlungsfreiheit von den Gerichten „im Wege der mittelbaren Drittwirkung nach Maßgabe einer Abwägung“ zu beachten.266 Ergibt die Interessenbewertung, dass die Grundrechte des privaten Flächeneigentümers einer Verdichtung des Schutz­gebots von Art. 8 I GG auf eine konkrete staatliche Pflicht, die Nutzung der privaten Fläche für die Durchführung der Versammlung zu ermöglichen, nicht entgegenstehen, können die ordentlichen Gerichte den privaten Flächeneigentümer gem. § 826 i. V. m. § 249 I BGB dazu verpflichten, die Durchführung der Versammlung auf seiner Fläche zu dulden.267 In diesem Sinne trifft also die in der Rechtsprechungsanalyse deutlich gewordene Auffassung des BVerfGs zu, dass „je nach Gewährleistungsinhalt und Fallgestaltung (…) die mittelbare Grundrechtsbindung Privater einer Grundrechtsbindung des Staates nahe- oder auch gleichkommen [kann]“.268 Der Schutzgehalt von Art. 8 I GG wirkt sich damit nicht nur im Rahmen der Interessenbewertung bei der Auslegung des Begriffs der „guten Sitten“ aus, sondern bildet gleichzeitig die Grundlage dafür, dass die ordentlichen Gerichte bei ihrer Entscheidung das Grundrecht der Versammlungsfreiheit überhaupt berücksichtigen müssen.269 Darauf, dass die Gerichte bei der Anwendung von § 826 BGB die aus Art. 8 I GG folgende staatliche Schutzpflicht umsetzen, haben die Versammlungsteilnehmer einen Anspruch.270 Die vom BVerfG vertretene mittelbare Drittwirkung des Versammlungsgrundrechts271 erklärt sich unter diesem Blickwinkel also als Erfüllung des staatlichen Schutzauftrags aus Art. 8 I GG speziell 265

Vgl. Ruffert, Vorrang der Verfassung, 252. BVerfG, NJW 2015, 2485 (2485). 267 Für die Annahme eines Kontrahierungszwangs im Wege der schutzpflichtenorientierten Auslegung von § 826 BGB in extremen Ausnahmefällen auch Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Bd. 1, Art. 8 Rn. 121; Depenheuer, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 8 Rn. 116; Hoffmann-Riem, in: Merten / Papier, HdB GR, Bd. IV, § 106 Rn. 84; Kniesel, in: Dietel / Gintzel / K niesel, VersG Teil  I, Rn. 58; Sachs, in: Stern, StaatsR, Bd. IV/1, 1226. Zu dieser Möglichkeit auch OVG NRW, NWVBl. 1992, 243 (245). 268 BVerfG, NJW 2015, 2485 (2486). 269 Vgl. auch Oldiges, in: Wendt / Höfling / Karpen / Oldiges, FS Friauf, 305. Canaris, JuS 1998, 161 (163) bezeichnet die Schutzgebotsfunktion treffend als den „missing link“, um die Wirkung der Grundrechte auf die Anwendung u. Auslegung privatrechtlicher Normen zu begründen. 270 Vgl. auch BVerfGE 7, 198 (207): „(…) auf dessen Beachtung auch durch die rechtsprechende Gewalt der Bürger einen verfassungsrechtlichen Anspruch hat.“ S. allgemein zum subjektiven Schutzanspruch der Grundrechtsträger auf sekundärer Schutzpflichtenstufe unter B. IV. 3. d) bb). 271 So insbesondere in BVerfGE, 128, 226 (248); BVerfG, NJW 2015, 2485 (2485). 266

234

D. Art. 8 I GG und die privaten Flächen 

durch die ordentlichen Gerichte im Rahmen der Auslegung und Anwendung des Privatrechts.272

3. Zwischenergebnis Die vom Staat ergriffenen Schutzmaßnahmen können somit in ihrer Gesamtheit gewährleisten, dass die Grundrechtsträger, wenn es der Schutzgehalt von Art. 8 I GG verlangt, auch eine private Fläche für die Durchführung einer Versammlung „unter freiem Himmel“ tatsächlich beanspruchen können. Zwar greift die Generalklausel des § 826 BGB nur in extremen Ausnahmefällen. Da sich der Schutzgehalt von Art. 8 I GG aber derzeit ohnehin nur in spezifischen Situationen und nicht generell zu der staatlichen Pflicht verdichtet, private Flächen für Versammlungszwecke bereitzustellen,273 wahrt der Staat insgesamt die durch das Untermaßverbot aufgestellte Grenze an gebotenem Mindestschutz.

V. Bedürfnis nach (landes-)gesetzgeberischem Tätigwerden? Anders wäre die Bewertung allenfalls dann, wenn die Anzahl privater Flächen, die für die Durchführung von Versammlungen „unter freiem Himmel“ besonders geeignet sind, die zur Verfügung stehenden Flächen des öffentlichen Straßenraums in einer den Schutzgehalt von Art. 8 I GG aktivierenden Weise „verdrängen“. In diesem Fall würde der auf Ausnahmefälle ausgerichtete Kontrahierungsanspruch gem. § 826 BGB dem aus Art. 8 I GG folgenden Schutzgebot nicht gerecht werden, sodass der Erlass einer Regelung notwendig wäre, die den Flächennutzungskonflikt in Bezug auf private Flächen unter hinreichender Berücksichtigung sowohl der Interessen der Versammlungsteilnehmer als auch der Belange der privaten Flächeneigentümer in abstrakt-genereller Form löst.274 Mit § 21 S. 1 ME VersG275 wurde schon im Jahr 2010 ein entsprechender Gesetzesvorschlag gemacht. § 21 S. 1 ME VersG bestimmt, dass „auf Verkehrsflächen von Grundstücken in Privateigentum, die dem allgemeinen Publikumsverkehr 272

Nach Ruffert, Vorrang der Verfassung, 252 vermag „die Schutzpflichtendogmatik die mittelbare Drittwirkung dogmatisch abzusichern und zu präzisieren“. So i. E. auch Klein, DVBl. 1994, 489 (492); Stern, StaatsR III/1, 1575; Canaris, 184 (1984), 201 (225); Krings, Grund und Grenzen grundrechtlicher Schutzansprüche, 335; Möstl, DÖV 1998, 1029 (1036). 273 So die Feststellung unter D. III. 2. c). 274 Da die Gesetzgebungskompetenz für das Versammlungsrecht gem. Art. 74 I Nr. 3 i. V. m. Art. 125 a I GG bei den Ländern liegt, wäre ein aus Art. 8 I GG abzuleitender Regelungsauftrag an die Landesgesetzgeber adressiert. 275 § 21 S. 1 ME VersG: „Auf Verkehrsflächen von Grundstücken in Privateigentum, die dem allgemeinen Publikum geöffnet sind, können öffentliche Versammlungen auch ohne die Zustimmung der Eigentümerin oder des Eigentümers durchgeführt werden.“ § 21 ME VersG ist Teil des Musterentwurfs eines Versammlungsgesetzes (ME VersG), der vom Arbeitskreis

V. Bedürfnis nach (landes-)gesetzgeberischem Tätigwerden? 

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geöffnet sind“, auch ohne die Zustimmung des betroffenen Flächeneigentümers Versammlungen durchgeführt werden können.276 Der Anwendungsbereich der vorgeschlagenen Norm umfasst damit grundsätzlich alle private Flächen, die nach den oben genannten Kriterien für die Durchführung von Versammlungen „unter freiem Himmel“ i. S. d. Art. 8 I GG geeignet sind.277 Damit geht § 21 S. 1 ME VersG über den aus Art. 8 I GG folgenden Schutzgehalt hinaus, der sich – wie bereits gesehen – nur beim Vorliegen weiterer Voraussetzungen tatsächlich zu einer staatlichen Pflicht „verdichtet“, eine private Fläche für die Durchführung einer Versammlung nutzbar zu machen.278 Zwar räumt § 21 S. 1 ME VersG den zur Anwendung berufenen Behörden und Gerichten mit dem Begriff „können“ einen Ermessensspielraum ein, den diese nutzen müssen, um die gegenläufigen Interessen von Versammlungsteilnehmern und privatem Flächeneigentümer miteinander in Ausgleich zu bringen. Dass die Interessen der privaten Flächeneigentümer in der Abwägung Eingang finden müssen, wird allerdings nicht explizit geregelt. Eine ausdrückliche Berücksichtigungspflicht der Interessen der Eigentümer beinhaltet demgegenüber das im Februar 2021 beschlossene Gesetz über die Versammlungsfreiheit in Berlin (Versammlungsfreiheitsgesetz Berlin (VersFG BE)).279 Nach § 20 II S. 2 VersFG BE280 ist eine Zustimmung des privaten Flächeneigentümers zu einer versammlungsspezifischen Nutzung seiner Fläche nur dann nicht erforderlich, wenn gem. § 20 II S. 1 VersFG BE „überwiegende Interessen der privaten Eigentümerinnen und Eigentümer der Durchführung nicht entgegenstehen“.281 Abgesehen von der Verpflichtung, dass die Belange des betroffenen privaten Flächeneigentümers bei der Entscheidung zu berücksichtigen sind, beinhaltet die Regelung aber keine konkreten Maßstäbe und Abwägungsvorgaben, wie die Versammlungsrecht im Juni 2010 vorgelegt wurde. Dieser ist unter https://www.law-school.de/ fileadmin/content/law-school.de/de/units/unit_affil_riem/pdf/32_Arbeitskreis_Versammlungs recht_MEVersG.pdf abrufbar (zuletzt abgerufen am 22. 04. 2021). 276 § 21 S. 1 ME VersG regelt damit im Ergebnis eine öffentliche-rechtliche Duldungspflicht speziell für versammlungsspezifische Flächennutzungen, die den privaten Flächeneigentümer an der Wahrnehmung seiner privatrechtlichen Befugnisse aus §§ 903, 1004 BGB hindert. 277 Zur Eignung s. oben unter D. III. 1. 278 Die in diesem Rahmen maßgeblichen Kriterien werden unter D. III. 2. b) beschrieben. 279 Das Versammlungsfreiheitsgesetz Berlin (VersFG BE) wurde am 23. 02. 2021 beschlossen u. gilt i. d. F. der Bekanntmachung vom 27. 02. 2021, GVBl. 2021, 03227, ber. S. 180 ff. Dazu allgemein Ullrich, DVBl. 2021, 1060 ff. Hervorzuheben ist, dass der Gesetzesentwurf u. a. als gesetzgeberisches Ziel benennt, „den Schutz der Versammlungsfreiheit umfassend zu gewährleisten“. Das macht deutlich, dass der Berliner Gestezgeber beim Erlass des VersFG BE in Umsetzung seiner grundrechtlichen Schutzverpflichtung aus Art. 8 I GG gehandelt hat. 280 § 20 I VersFG BE regelt die Zulässigkeit der Durchführung von Versammlungen auf Flächen von Unternehmen, die überwiegend oder mehrheitlich im Eigentum der öffentlichen Hand stehen oder von ihr beherrscht werden u. thematisiert damit die in dieser Arbeit als Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen bezeichneten Grundstücke. Dazu oben unter C. I. 1. 281 Nach Schlüsselburg, LKV 2021, 211 (216) kodifiziert der Gesetzgeber mit § 20 II VersFG BE den Gehalt des „Bierdose-Flashmob-Beschlusses“ des BVerfGs. In diese Richtung auch Ullrich, DVBl. 2021, 1060 (1062) mit der Auffassung, dass § 20 II VersFG BE deutlich über die Fraportentscheidung des BVerfGs hinausgeht.

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D. Art. 8 I GG und die privaten Flächen 

gegenläufigen Interessen der Versammlungsteilnehmer und des privaten Flächeneigentümers im Einzelfall zu bewerten sind und in welchen Konstellationen der private Flächeneigentümer tatsächlich dazu verpflichtet ist, die Durchführung einer Versammlung auf seinem Grundstück zu dulden.282 Nicht nur vor dem Hintergrund des Wesentlichkeitsgrundsatzes (bzw. des Parlamentsvorbehalts)283, sondern insbesondere auch aus Gründen rechtsstaatlicher Bestimmtheit, die zu einem Mehr an Rechtssicherheit führt,284 wäre es jedoch wünschenswert, wenn nicht nur das „Ob“ der Nutzung privater Flächen für Versammlungszwecke, sondern darüber hinaus auch die wesentlichen Kriterien geregelt würden, die die Behörden bzw. Gerichte bei der Abwägungsentscheidung berücksichtigen müssten. Diesen Desideraten entspricht ein aktueller Gesetzesentwurf der Landesregierung Nordrhein-Westfalen vom Januar 2021.285 § 21 des VersGEinfG NRW286 regelt 282

Vgl. insoweit auch die ähnliche Kritik an § 21 S. 1 ME VersG von Wendt, NVWZ 2012, 606 (609 f.); Prothmann, Die Wahl des Versammlungsortes, 241; Gornik, Die Bindung der Betreiber öffentlicher Räume, 398 f. S. auch die kritische Anmerkung von Ullrich, DVBl. 2021, 1060 (1062). 283 Der sog. Wesentlichkeitsgrundsatz verlangt, dass der Gesetzgeber „in grundlegenden normativen Bereichen, zumal im Bereich der Grundrechtsausübung (…) „alle wesentlichen Entscheidungen selbst (…) treffen“ muss. So BVerfGE 40, 237 (248 ff.); 49, 89 (126 f.); 61, 260 (275); 84, 212 (226); 95, 267 (307 f.); 98, 218 (251); 101, 1 (34). Neben dem grundsätzlichen Bedürfnis nach einer gesetzlichen Regelung, die gegenläufige Interessen gleichgeordneter Grundrechtsträger ausgleicht, folgen aus dem Wesentlichkeitsvorbehalt auch Anforderungen an den Inhalt u. die Regelungsdichte des entsprechenden Gesetzes. Vgl. BVerfGE 34, 165 (192); 49, 89 (127, 129); 57, 295 (327); 83 130 (142); 101, 1 (34). Aus der Literatur Kingreen / Poscher, Grundrechte, Rn. 319; Sachs, in: Sachs, GG, Art. 20 Rn. 117; Grzeszick, in: Maunz / Dürig,  GG, Art. 20 Rn. 106. Speziell im Kontext grundrechtlicher Schutzpflichten Ruffert, Vorrang der Verfassung, 230 f. u. ausführlich in Bezug auf Art. 8 I GG Prothmann, Die Wahl des Versammlungsortes, 239 f. 284 Zu dem aus dem Rechtstaatsprinzip abzuleitenden Aspekt der Rechtssicherheit s. z. B. Grzeszick, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 20 Rn. 58 ff.; Sachs, in: Sachs, GG, Art. 20 Rn. 122 ff.; im Kontext grundrechtlicher Schutzpflichten Ruffert, Vorrang der Verfassung, 230 u. speziell in Bezug auf Art. 8 I GG Prothmann, Die Wahl des Versammlungsortes, 238 f.; Gornik, Die Bindung der Betreiber öffentlicher Räume, 376. 285 Gesetzesentwurf der Landesregierung Nordrhein-Westfalen vom 21. 01. 2021 für ein Gesetz zur Einführung eines nordrhein-westfälischem Versammlungsgesetz u. zur Änderung weiterer Vorschriften (VersammlungsgesetzEinführungsgesetz NRW  – VersEinfG NRW). Abrufbar unter https://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/ MMD17-12423.pdf (zuletzt abgerufen am 22. 04. 2021). 286 § 21 VersEinfG NRW: „Auf Grundstücken in Privateigentum, die dem allgemeinen Publikum zum kommunikativen Verkehr geöffnet sind, können öffentliche Versammlungen auch ohne die Zustimmung der Eigentümerin oder des Eigentümers durchgeführt werden. Die Interessen der Versammlungsbeteiligten und der betroffenen Grundstückseigentümerinnen und Grundstückseigentümer sind in Ausgleich zu bringen. Die Bedeutung des Ortes für das Anliegen der Versammlung, das Hausrecht sowie Art und Ausmaß der Belastung der Eigentümerinnen und Eigentümer sind zu berücksichtigen. Überwiegen die Belange der privaten Eigentümerinnen und Eigentümer, soll die zuständige Behörde einen alternativen öffentlichen

V. Bedürfnis nach (landes-)gesetzgeberischem Tätigwerden? 

237

nicht nur, dass Grundstücke in Privateigentum auch ohne die Zustimmung des betroffenen Eigentümers für Versammlungszwecke genutzt werden können und dass dabei die Interessen der Versammlungsteilnehmer und der Grundstückseigentümer in Ausgleich zu bringen sind. S. 3 bestimmt darüber hinaus, welche Kriterien bei der Abwägung in jedem Fall berücksichtigt werden müssen: Neben der Bedeutung des Ortes für das Versammlungsanliegen soll insbesondere auch Art und Ausmaß der Belastung für den Grundstückseigentümer eine entscheidende Rolle spielen. Ferner regelt die Norm in S. 4, dass für den Fall, dass die Belange des Grundstückseigentümers überwiegen, den Versammlungsteilnehmern ein alternativer öffentlicher Ort angeboten werden soll, der der privaten Fläche hinsichtlich Größe, Bezug zum Versammlungsgegenstand, der zu erwartenden Öffentlichkeitswirkung und der Erreichbarkeit weitestgehend entspricht. Zwar beschreibt § 21 des VersGEinfG NRW damit zwar im Ergebnis lediglich die Abwägungsvorgaben, die bereits aus dem Schutzgebot des Art. 8 I GG in Bezug auf private Flächen folgen287 und hat insoweit „nur“ deklaratorischen Charakter. Angesichts der mit der Normierung der relevanten Abwägungskriterien und der möglichen Rechtsfolgen einhergehenden Rechtssicherheit sowie des „Mehrs“ an parlamentarischer Regelungsdichte wäre der Erlass entsprechender landesgesetzlicher Regelungen, die den Flächennutzungskonflikt für Versammlungen auf privaten Flächen einfachgesetzlich lösen, daher – trotz staatlicher Wahrung des gebotenen Mindestschutzes – zu befürworten.288

Versammlungsort anbieten, der dem privaten Raum hinsichtlich Größe, Bezug zum Versammlungsgegenstand, der zu erwartenden Öffentlichkeitswirkung und der Erreichbarkeit möglichst entspricht.“ 287 S. unter D. III. 2. b). 288 Dafür, dass es auch bei der aktuellen Flächensituation (rechtspolitisch) wünschenswert wäre, eine entsprechende Regelung zu erlassen z. B. Wendt, NVwZ 2012, 606 (609); Enders, JZ 2011, 577 (580); Krüger, DÖV 2012, 837 (843) aus. Für ein zwingendes Bedürfnis nach gesetzgeberischem Tätigwerden hingegen Zeitler, Grundriss des Versammlungsrechts, Rn. 159; Siehr, Das Recht am öffentlichen Raum, 618 ff.; Krisor-Wietfeld, Rahmenbedingungen der Grundrechtsausübung, 260 ff.; Brenneisen / Arndt, NordÖR 2016, 269 (274); Prothmann, Die Wahl des Versammlungsortes, 236 ff.; Hettich, VBlBW 2018, 485 (491).

E. Schlussbetrachtung und Gesamtergebnis Den Untersuchungsgegenstand der Arbeit bildete die Problematik der Nutzung von Flächen für Versammlungszwecke. Das Ziel der Arbeit war es, herauszufinden, ob neben dem traditionellen öffentlichen Straßenraum auch Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen und private Flächen für die Durchführung von Versammlungen genutzt werden können und wie ein aus Art. 8 I GG folgendes Flächennutzungsrecht der Versammlungsteilnehmer dogmatisch erklärt werden kann. Dabei wurde die Arbeit von zwei übergeordneten Leitfragen strukturiert: Während die Frage, ob die grundrechtliche Schutzpflichtendimension ein taug­ liches Erklärungsmodell für die in Rechtsprechung und Literatur angenommenen Auswirkungen von Art. 8 I GG auf die Nutzbarkeit des öffentlichen Straßenraums bildet, in Teil B der Arbeit beantwortet wurde, ging es in Teil C und D vor allem darum, ob dieser Ansatz auf die anderen beiden Flächenkategorien übertragen werden kann und welche Wirkung der grundrechtliche Schutzgehalt von Art. 8 I GG diesbezüglich konkret entfaltet. Unter Zugrundlegung eines „realen“ Freiheitsverständnisses wurde im Teil B der Arbeit gezeigt, dass Art. 8 I GG tatsächlich ein Recht der Grundrechtsträger umfassen muss, den öffentlichen Straßenraum für die Durchführung einer Versammlung zu nutzen.1 Da die „reale“ Ausübung der von Art. 8 I GG gewährleisteten Freiheit, sich „unter freiem Himmel“ zu versammeln, entscheidend davon abhängt, dass die Versammlungsteilnehmer zu diesem Zwecke öffentliche Straßen und Plätze nutzen können, entfaltet Art. 8 I GG eine Schutzpflichtendimension zugunsten „realer“ Freiheit in Bezug auf die Nutzung des öffentlichen Straßenraums zu Versammlungszwecken.2 Für Versammlungen „unter freiem Himmel“ bedeutet das, dass der Staat aufgrund dieses „verdichteten“ Schutzgehalts von Art. 8 I GG verpflichtet ist, den Grundrechtsträgern die Nutzung öffentlicher Straßen zu Versammlungszwecken erlaubnisfrei zu ermöglichen. Darauf ist der gegen den Staat gerichtete Schutzanspruch der Versammlungsteilnehmer aus Art. 8 I GG gerichtet. Die übereinstimmende Auffassung in Rechtsprechung und Literatur, dass die Abhaltung einer Versammlung im öffentlichen Straßenraum im Ergebnis nicht erlaubnispflichtig sein darf,3 konnte unter diesem Blickwinkel als Erfüllung des aus Art. 8 I GG folgenden staatlichen Schutzauftrags, den Versammlungsteilnehmern die Nutzung öffentlicher Straßen zu ermöglichen, erklärt werden. Die Ausführungen in Teil B haben damit die in der Einleitung aufgestellte These, dass 1

S. unter B. III. S. unter B. V. 1. u. 2. 3 Dazu unter B. II. 2

E. Schlussbetrachtung und Gesamtergebnis

239

die grundrechtliche Schutzpflichtendimension ein taugliches Erklärungsmodell für das in Rechtsprechung und Literatur stets als selbstverständlich angesehene Straßen­benutzungsrecht der Versammlungsteilnehmer bildet, bestätigt. Teil C hat ergeben, dass der Schutzgehalt von Art. 8 I GG auch die Nutzung der Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen für Versammlungswecke erfasst, wenn sie in vergleichbarer Weise wie die öffentlichen Straßen dazu geeignet sind, die Versammlungsfreiheit „unter freiem Himmel“ „real“ werden zu lassen.4 In Anlehnung an das in der Rechtsprechung anerkannte „Leitbild des öffentlichen Forums“ wurden zwei Kriterien herausgearbeitet, nach denen sich die Eignung einer Fläche als Versammlungsfläche i. S. d. Art. 8 I GG allgemein beurteilen lässt: Neben der freien Zugänglichkeit kommt es vor allem darauf an, dass die Fläche eine Öffentlichkeits- und Kommunikationsfunktion erfüllt. Ausgehend von einem „realen“ Verständnis der Versammlungsfreiheit bestimmt sich das nicht primär anhand der rechtlichen Zweck- und Nutzungsbestimmung der jeweiligen Fläche, sondern anhand ihrer tatsächlichen Verwendung im Einzelfall. Es hat sich herausgestellt, dass im Unterschied zu den Flächen des öffentlichen Straßenraums aus Art. 8 I GG keine staatliche Schutzpflicht folgt, sämtliche frei nutzbare Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen generell erlaubnisfrei für Versammlungszwecke bereitzustellen.5 Der maßgebliche Grund dafür liegt darin, dass angesichts der den Versammlungsteilnehmern zur Verfügung stehenden öffent­ lichen Straßen und Plätze die „reale“ Ausübung der Versammlungsfreiheit jedenfalls derzeit nicht strukturell von der Nutzung der Flächen sonstiger staat­licher Einrichtungen abhängig ist. Hinzu kommt, dass die öffentliche Zweckbestimmung der jeweiligen Einrichtungsfläche bzw. die Wahrnehmung der öffentlichen Verwaltungsaufgabe durch den Einrichtungsträger als Grenze bei der Ableitung konkreter Schutzpflichten zu berücksichtigen ist. Steht die öffentliche Zweckbestimmung einer Nutzung der Einrichtungsfläche für Versammlungszwecke nicht entgegen, kann sich der abstrakte Schutzgehalt des Art. 8 I GG im Einzelfall allerdings auch zu einer staatlichen (Schutz-)Verpflichtung „verdichten“, den Grundrechtsträgern die Fläche einer sonstigen staatlichen Einrichtung zur Verfügung zu stellen. Ein in diesem Fall aus dem Schutzanspruch des Art. 8 I GG folgendes Benutzungsrecht der Versammlungsteilnehmer ist insbesondere bei einer Monopolstellung des Einrichtungsträgers und im Falle eines spezifischen Ortsbezugs durch das Versammlungsthema anzunehmen. Im Hinblick auf die konkrete Wirkungsweise der grundrechtlichen Schutzpflicht in Bezug auf die Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen konnte die Arbeit feststellen, dass der Schutzgehalt von Art. 8 I GG nicht nur die jeweilige Ermessensausübung dirigiert, sondern selbst die Grundlage dafür bildet, dass die Behörden bzw. die Organe der Einrichtungsträger bei der Zulassungsentscheidung 4 5

Dazu unter C. III. 1. S. hierzu unter C. III. 2.

240

E. Schlussbetrachtung und Gesamtergebnis

das Grundrecht der Versammlungsfreiheit überhaupt berücksichtigen müssen.6 Die von den Gerichten angenommene Verpflichtung der Einrichtungsträger, im Rahmen der Ermessensentscheidung das Grundrecht der Versammlungsfreiheit zu berücksichtigen,7 zeigt sich vor diesem Hintergrund erneut als Erfüllung des aus Art. 8 I GG folgenden staatlichen Schutzauftrags. Unter Heranziehung der bereits in Teil C herausgearbeiteten, für die Bestimmung des räumlichen Schutzgehalts von Art. 8 I GG relevanten Kriterien wurde in Teil D aufgezeigt, dass jedenfalls in spezifischen Konstellationen auch private Flächen in vergleichbarer Weise wie die öffentlichen Straßen dazu geeignet sein können, die Versammlungsfreiheit „unter freiem Himmel“ „real“ werden zu lassen.8 Bei der konkreten Bestimmung von Inhalt und Reichweite des Schutzgehalts von Art. 8 I GG für diese dritte Flächenkategorie ist jedoch einschränkend zu berücksichtigen, dass der Staat den Versammlungsteilnehmern die Nutzung einer privaten Fläche für Versammlungszwecke regelmäßig nur unter gleichzeitiger Begrenzung der grundrechtlich geschützten Position des privaten Flächeneigentümers aus Art. 14 I GG (gegebenenfalls auch aus Art. 12 I GG) ermöglichen kann.9 Sind die Versammlungsteilnehmer im Einzelfall in spezifischer Weise auf die Nutzung einer privaten Fläche für Versammlungszwecke angewiesen, verlangt die aus Art. 8 I GG folgende Schutzpflicht vom Staat daher zunächst „nur“, Art. 8 I GG mit den kollidierenden Interessen des betroffenen Flächeneigentümers abzuwägen und dabei angemessen zu berücksichtigen. Erst dann, wenn die Abwägung ergibt, dass eine Verpflichtung des privaten Flächeneigentümers, die Durchführung einer Versammlung auf seiner Fläche zu dulden, dessen Grundrechte nicht unverhältnismäßig einschränkt, „verdichtet“ sich der abstrakte Schutzgehalt von Art. 8 I GG zu einer Schutzpflicht des Staates, den Versammlungsteilnehmern die Nutzung einer privaten Fläche für die Durchführung ihrer Versammlung zu ermöglichen. Das beurteilt sich vor dem Hintergrund der von Art. 14 I 1 GG gewährleisteten Privatnützigkeit vor allem danach, inwieweit die begehrte Flächennutzung für Versammlungszwecke noch auf das privatautonom gesetzte Risiko des Eigentümers zurückgeführt werden kann, seine Fläche öffentlich zugänglich zu machen. Die vom BVerfG für private Flächen vertretene „mittelbare Drittwirkung“ von Art. 8 I GG ist nach den Ergebnissen der Arbeit also nichts anderes als die Erfüllung des staatlichen Schutzauftrags aus Art. 8 I GG speziell durch die ordentlichen Gerichte. Da sich der Schutzgehalt von Art. 8 I GG damit nur in spezifischen Situationen zu der staatlichen Pflicht „verdichtet“, neben dem öffentlichen Straßenraum auch die Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen und private Fläche für Versammlungszwecke bereitzustellen, wahrt der Staat insgesamt die durch das Untermaßverbot aufgestellte Grenze an gebotenem Mindestschutz, obwohl ein spezielles 6

Dazu unter C. IV. Dazu unter C. II. 8 S. unter D. III. 1. 9 S. unter D. III. 2. 7

E. Schlussbetrachtung und Gesamtergebnis

241

(Landes-)Gesetz, das die Nutzung dieser Flächen für Versammlungszwecke regelt, bisher nur in Berlin existiert. Die dargestellten landesgesetzlichen Regelungsvorschläge aus jüngerer Zeit10 machen aber deutlich, dass aus rechtspolitischer Sicht zunehmend ein Bedürfnis gesehen wird, den Flächennutzungskonflikt zumindest in Bezug auf private Flächen künftig durch eine einfachrechtliche Regelung zu klären. Insbesondere vor dem Hintergrund des Wesentlichkeitsgrundsatzes und der Rechtssicherheit ist es auch nach den Ergebnissen der Arbeit zu begrüßen, wenn spezielle (Landes-)Gesetze geschaffen werden, die die Nutzung privater Flächen für Versammlungszwecke (bundes-)einheitlich regeln und dabei den gegenläufigen Grundrechtspositionen der Versammlungsteilnehmer und der privaten Flächeneigentümer angemessen Rechnung tragen. § 21 des VersGEinfG NRW könnte insoweit als Vorbild dienen.

10

Dazu unter D. V.

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Sachverzeichnis Abstrakt-generelle Regelung  173 ff., 230 ff. Abwägung  88, 135, 202 f., 209, 211 ff., 225, 233 ff. Abwehrdimension  15, 72 ff. Abwehrrechtlicher Unterlassungsanspruch ​ 70 ff. Arbeitsteiliges Zusammenwirken  97 ff. Benutzungsanspruch   38, 122 ff., 131, 133, 138 f., 165, 185 Benutzungssatzung  120, 127 f. „Bierdosen-Flashmob“  207 ff., 215 ff., 224, 233 „Bonner Hofgartenwiese  49 ff., 54, 104, 146 ff., 152, 177 „Brokdorf-Beschluss“  44 ff., 104, 146, 204 Duldungspflicht des Flächeneigentümers ​ 26, 28, 123, 230 f. Eigentum an – Flächen sonstiger staatlicher Einrich­ tungen ​117, 138 – Öffentlichen Straßen  20, 21 f., 23, 25 ff., 28 f., 36 – Privaten Flächen  181 ff., 195 ff., 224 ff. Eigentumsfreiheit  64 f., 194 f., 224 ff., 233, 240 Einrichtungszweck  123, 131 ff., 139, 168 ff. Ermessen  36 f., 96, 103, 108 ff., 131, 135, 177 f., 239 f. Ermessensreduktion auf Null  103, 110, 157 Exekutive  95 ff., 102 f., 108 ff. Flächen sonstiger staatlicher Einrichtungen ​ 112 ff.  – Begriff  113 ff. – Bereitstellung  115 f. – Nutzbarmachung  117 ff. „Fraport-Urteil“  52 f., 150 ff., 205 f.

Garantenstellung  46, 57, 64, 149, 205 Gemeinde  20 f., 116, 119, 122 f., 125, 129 f., 133, 166, 173 Gemeingebrauch  29 ff., 38 Gesetzgebung  92 ff., 101, 107 f. Grundrechtsberechtigung   191 ff. Grundrechtsbindung  28 f., 138, 191 ff. Grundrechtsgefährder  15, 46, 72 Grundrechtsverhältnis 196 Hausordnung  184, 190 Judikative  95 ff., 102 f., 108 ff., 231 f. Kapazität  137 f., 166, 175, 228 Kommunikationsfunktion  160 ff., 170, 219 ff. Kontrahierungszwang  185, 233 f. Legislative  92 ff., 101, 107 f. Leistungsdimension  49, 55, 64 ff., 71 f., 74 f., 81, 88 f. „Leitbild des öffentlichen Forums“  151 f., 158, 160, 205, 226 „Lüth-Urteil“  197 ff. Mittelbare Drittwirkung  191 ff., 204, 206, 233, 240 Monopolstellung  89, 105, 166, 223 Nutzungsarten  29 ff., 134 f., 190 f. Nutzungsrechte – Allgemeinverfügung  126 ff. – Gesetz   122 f., 185 – Satzung  124 ff. – Vertrag 186 – Gestattung  186 ff. – konkludente Einräumung  126 ff. – Inhalt und Umfang  131 ff., 189 f. Nutzungszweck  31, 133, 139 f., 190 f., 224 ff.

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Öffentliche/r – Aufgabenerfüllung  168 ff. – Einrichtung  119, 121 – Sache 23 – Straßenraum, Straße  19 ff. – Zweckbestimmung  31, 169, 175 ff., 181 – Zweckbindung  25, 118, 120 Öffentlichkeitsfunktion  61, 160 ff., 170, 219 ff. Ortsbezug  58, 167 ff., 224 Praktische Konkordanz  209, 212, 229 Privatautonomie  182 f., 200 Private Flächen  180 ff. Privatrechtsordnung  20, 22 f., 118, 182 f. „Reale“ Freiheit  65, 82 ff. Rechtssicherheit 236 Schutzanspruch  99 ff., 172, 222 ff. Schutzpflichtendimension  75 ff. – Anwendung auf Art. 8 I GG  103 ff. – Grenze der Schutzpflicht  168 ff., 224 ff. – Unbestimmtheit und Wirkungsweise ​ 87 ff. Schutzpflichtenstufe  91 ff. – Primäre  92 ff. – Sekundäre  95 ff. Sondernutzung, Sondernutzungserlaubnis ​ 34 ff., 39 ff., 54, 108, 134 Sozialbindung 227 Sozialstaatsprinzip  83, 85, 201 Staatliche Schutzpflicht  75 ff. – Anerkennung und Begründung  77 ff. – Anwendungsbereich  80 ff. – Grundgesetzliche Anhaltspunkte  76

Staatlicher Gestaltungsspielraum  90 f., 106, 132, 172, 229 Straßenbaulastträger  21 f., 24 f., 27, 28, 108 f. Straßenbenutzungsrecht  58 ff., 70 ff. – Abwehrrechtlicher Unterlassungs­ anspruch  70 ff. – Status activus  73 ff. Straßenrecht  17 f., 29 ff., 37 ff., 107 f. Straßenrechtsgesetzgebung  107 f. Straßenverkehrsrecht  17 f. Strukturelle Abhängigkeit  88 f., 165, 222 Traditionelles Grundrechtsverständnis ​ 193 ff., 198 Universität, Fläche einer  126 ff., 132, 160, 170 f., 176 Untermaßverbot  90 f. 101, 106 f., 172, 229, 240 Verhältnismäßige Zuordnung  225 Verpflichtungsadressaten  91 ff. Versammlungsfreiheit – Auslegung  58 ff. – Erlaubnisfreiheit  39, 54 ff. – Grundrechtliche Gewährleistung  39 Versammlungsthema  167 f., 224 Verwaltungsaufgabe  20 f., 107, 169 „Werteordnungsrechtsprechung“  83 ff. Wesentlichkeitsgrundsatz 236 Widmung Zugänglichkeit  159, 184, 219 Zulassungsentscheidung  135 ff., 142, 177 Zulassungserfordernis  135 ff.