Vernetztes Betriebssicherheitsmanagement [2. Aufl.] 978-3-662-48440-1;978-3-662-48441-8

Sicherheitsmanagement im Betrieb ist für Sicherheitsbeauftragte und andere verantwortliche Fachkräfte eine komplexe Hera

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Vernetztes Betriebssicherheitsmanagement [2. Aufl.]
 978-3-662-48440-1;978-3-662-48441-8

Table of contents :
Front Matter ....Pages I-XX
Zusammenspiel von Mensch – Technik – Umwelt (Bernhard Tenckhoff, Silvester Siegmann)....Pages 1-39
Vernetztes Betriebssicherheitsmanagement (Bernhard Tenckhoff, Silvester Siegmann)....Pages 41-81
Grundlagen integrierter Managementsysteme (Bernhard Tenckhoff, Silvester Siegmann)....Pages 83-96
Vermeidung von Rechtsfolgen (Bernhard Tenckhoff, Silvester Siegmann)....Pages 97-110
Qualitätsmanagement nach DIN EN ISO 9000 ff. (Bernhard Tenckhoff, Silvester Siegmann)....Pages 111-121
Risikomanagement (Bernhard Tenckhoff, Silvester Siegmann)....Pages 123-148
Sicherheits- und Gesundheitsschutzmanagement (Bernhard Tenckhoff, Silvester Siegmann)....Pages 149-224
Umweltschutzmanagement (Bernhard Tenckhoff, Silvester Siegmann)....Pages 225-248
Datenschutzmanagement (Bernhard Tenckhoff, Silvester Siegmann)....Pages 249-270
Krisenmanagement (Bernhard Tenckhoff, Silvester Siegmann)....Pages 271-314
Schlusswort (Bernhard Tenckhoff, Silvester Siegmann)....Pages 315-316
Back Matter ....Pages 317-329

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VDI-Buch

Bernhard Tenckhoff Silvester Siegmann

Vernetztes Betriebssicherheitsmanagement 2. Auflage

VDI-Buch

Bernhard Tenckhoff  Silvester Siegmann

Vernetztes Betriebssicherheitsmanagement 2. Auflage

Bernhard Tenckhoff Ostbevern, Deutschland

ISSN 2512-5281 VDI-Buch ISBN 978-3-662-48440-1 https://doi.org/10.1007/978-3-662-48441-8

Silvester Siegmann Institut für Arbeitsmedizin Heinrich Heine Universität Düsseldorf Düsseldorf, Deutschland

ISSN 2512-529X (electronic) ISBN 978-3-662-48441-8 (eBook)

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Springer Vieweg Ursprünglich erschienen unter dem Titel: BSM - Vernetztes Betriebssicherheitsmanagement, bei Dr. Curt Haefner-Verlag, Heidelberg, 2009 © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2009, 2019 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von allgemein beschreibenden Bezeichnungen, Marken, Unternehmensnamen etc. in diesem Werk bedeutet nicht, dass diese frei durch jedermann benutzt werden dürfen. Die Berechtigung zur Benutzung unterliegt, auch ohne gesonderten Hinweis hierzu, den Regeln des Markenrechts. Die Rechte des jeweiligen Zeicheninhabers sind zu beachten. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Springer Vieweg ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer-Verlag GmbH, DE und ist ein Teil von Springer Nature. Die Anschrift der Gesellschaft ist: Heidelberger Platz 3, 14197 Berlin, Germany

Einführung

Ein Unternehmen durch die raue See des Wettbewerbs zu steuern wird immer schwerer. Es stellt hohe Anforderungen an die Konzentration und Leistungsfähigkeit des Kapitäns und seine ganze Besatzung. Dabei sind es nicht nur der aufkommende Sturm und die haushohen Wellen die ihre Fahrt beeinträchtigen, auch ohrenbetäubende Donnerschläge und grelle Blitze machen das Manövrieren schwerer. Hinzu kommen immer mehr Schiffe, die ihnen die sichere Fahrrinne streitig machen oder gar das Schiff zum Sinken bringen wollen. Ein altes Sprichwort sagt: Einen guten Seemann sieht man auch bei schlechtem Wetter

Das soll heißen, je besser der Seemann – Unternehmer – auf diese Einflüsse vorbereitet ist, umso sicherer geht er durch alle Gewässer. Er wird immer als vorbildlicher Steuermann auf der Kommandobrücke stehen. Dies ist ihm allerdings nur möglich, wenn er eine geschlossene Mannschaft hinter sich weiß. Schließlich sitzen alle im gleichen Boot. Steuert auch nur einer in der Mannschaft dagegen, so kommt das Schiff von innen ins Strudeln. Eine weitere Voraussetzung ist ein gutes Schiff, das auch bei extremen Belastungen sicher fährt. Dieses kleine Beispiel soll verdeutlichen, welchen hohen Stellwert Führung, Teamgeist, Motivation und eine sichere Technik für das Überleben eines Unternehmens im Wettbewerb haben. Ein altes chinesisches Sprichwort sagt: Ein Fisch stinkt vom Kopf

Damit wird zum Ausdruck gebracht dass ein Unternehmen nur so gut ist wie es seine „Führung“ vorlebt. Menschen wollen und müssen geführt werden. Das gilt selbst für das kleinste Team. Je mehr die Mitarbeiter durch die Führungskräfte in Entscheidungsprozesse eingebunden werden und ihre Kenntnisse und Erfahrungen einbringen können, umso höher ist deren Motivation. Das Ergebnis ist ein effizient arbeitendes Unternehmen. Daher wird der Partizipation ein immer höherer Stellenwert zuteil. V

VI

Einführung

Führungskräfte müssen daher mehr denn je neben ihren Fachkenntnissen über eine fundierte Sozialkompetenz verfügen. Mitarbeiter an ein Unternehmen zu binden und hocheffizient wirken zu lassen ist nicht mehr eine Frage des Gehaltes. Ein gutes Gehalt bekommt ein Experte, bei dem immer stärker werdenden Fachkräftemangel, von jedem Arbeitgeber bezahlt. Aber was bewegt einen Menschen von dem Süden der Nation mit seiner ganzen Familie in den Norden des Landes zu ziehen? Das sind die zusätzlichen Anreize des neuen Arbeitgebers, wie die soziale Betreuung für ihn und seiner Familie. Aber auch die Angebote der neuen Heimat an Bildungseinrichtungen, Kunst, Kultur, einer guten Infrastruktur und Möglichkeiten der Freizeitgestaltung sind ausschlaggebend für die Entscheidung, den Arbeitgeber zu wechseln. Der Wettlauf um „die Besten“ hat längst eigesetzt. Unternehmen werden lernen maßgeschneiderte Betreuungsmodelle für ihre Mitarbeiter zu entwickeln um deren Sicherheit Gesundheit und Wohlbefinden zu fördern. I

Tipp Ein Unternehmer, der nicht in die Sicherheit, Gesundheit und das Wohlbefinden seiner Mitarbeiter investiert wird auf lange Sicht im Wettbewerb nicht bestehen können!

Neben diesen sozialen Komponenten stehen aber im gleichen Maße die betrieblichen Aufgaben zur Bewältigung an. Die Komplexität der betrieblichen Systeme und Prozesse ist dabei eng verbunden mit einer Vielzahl von gesetzlichen Anforderungen, hohen Verantwortlichkeiten und schwerwiegenden Haftungsfragen. Knapper werdende Rohstoffe, steigende unvertretbare Umweltbelastungen, ein zunehmender Fachkräftemangel und sich rasch verändernde Marktsituationen sind nur einige der Themen, denen sich ein Unternehmen heute ebenfalls permanent stellen muss. Dahinter steht immer wieder die Frage nach dem Überleben im Wettbewerb. Damit erhöht sich zwangsläufig der psychische Druck auf das Management, ebenso wie auf die gesamte Belegschaft. Falsches Denken und Handeln birgt immer größere Risiken. Wie kann man dem entgegen wirken und was muss ein Unternehmen in der Zukunft beachten, um auch weiterhin zu bestehen? Bekannte Schlagworte dafür sind Risikomanagement, Prozessoptimierung und Effizienzsteigerung. Diese Schlagworte mit Leben zu erfüllen ist eine permanente Herausforderung. Da wir fachorientierte Qualifikationen in den vergangenen Jahren verstärkt gefördert haben, müssen nun zusätzlich Generalisten ausgebildet werden, die alle betrieblichen Risiken ermitteln und bewerten können. Diese Aufgabe soll der künftige Betriebssicherheitsmanager mit erfüllen. Einen immer höheren Stellenwert nimmt das Krisenmanagement ein. Nur wer optimal auf mögliche Krisen vorbereitet ist kann ihnen in der Entstehung wirkungsvoll entgegenwirken. Stichwort „Pandemie“: Alle Experten sind sich einig, dass die Influenza-Pandemie mit verheerenden wirtschaftlichen Folgen kommen wird, die Frage ist nur wann und wie bereitet man sich darauf vor. I

Tipp 95 % aller Krisen sind „hausgemacht“ und entstehen durch falsches Verhalten in der Anfangsphase eines Ereignisses!

Einführung

VII

Die Versuche Geschehnisse zu vertuschen oder Unwahrheiten zu kommunizieren um von den eigentlichen Problemen abzulenken, sind meist von kurzer Dauer und schaden dem Unternehmen mehr als sie nutzen. Demnach müssen die Unternehmen für ihr Überleben alle Interessengruppen (Stakeholder) betrachten und bei ihrem Handeln integrieren. Dies sind:    

das öffentliche Interesse des Staates mit all seinen Organen das Interesse der Bevölkerung an Sicherheit und Gesundheit das unternehmerische Interesse an Stabilität und Gewinn das Interesse der Mitarbeiter an einem sicheren Arbeitsplatz

Auch die Kenntnisse zu Haftungsfragen erfahren auf Grund höherer gesetzlicher Anforderungen und steigender Empfindlichkeiten eine immer höhere Bedeutung. Das Risiko, im Unternehmen gegen Unternehmenspflichten zu verstoßen dadurch Schäden zu verursachen und für diese Schäden zu haften, muss durch besondere organisatorische Maßnahmen vermieden werden. Durch eine wirkungsvolle Vernetzung der Managementsysteme lassen sich auch die Risiken von Verstößen gegen Unternehmenspflichten und die dadurch ausgelösten Haftungsrisiken systematisch erfassen und vermeiden. Der Betriebssicherheitsmanager bedarf zur Bewältigung dieser umfangreichen Aufgaben einer weit gefächerten Managementqualifikation sowie einer hohen Fach- und Sozialkompetenz. Seine Qualifikation muss ein prozessorientiertes Denken und ganzheitliches Handeln beinhalten. Nur mit dieser Grundlage wird es dem Betriebssicherheitsmanager ermöglicht, die angestrebten Vernetzungen der Fachdisziplinen vorzunehmen. Schaut man sich alleine die Entwicklung im Arbeits- und Umweltschutz über die letzten Jahre an so wird dem Betrachter sehr schnell deutlich, dass ein Wertewandel stattgefunden hat und immer noch stattfindet. Geht es doch alleine in diesen Disziplinen schon lange nicht mehr darum, Mensch und Umwelt wirkungsvoll zu schützen, sondern das Überleben der Unternehmen im immer härter werdenden Wettbewerb, zu sichern. Ebenso gilt es Rechtsverletzungen und die damit verbundenen Rechtsfolgen wirkungsvoll zu verhindern. Gleichzeitig sind diese Themen zu einer gesellschaftspolitischen Aufgabe geworden. Das Wahren der öffentlichen Interessen an Sicherheit, Gesundheit und Umweltschutz gewinnt immer stärker an Bedeutung. Ein Unternehmen ist heute nicht mehr isoliert zu betrachten, sondern ist Bestandteil des öffentlichen Lebens. Das Ansehen des Unternehmens in der Öffentlichkeit und damit die Imagefrage rücken immer stärker in den Vordergrund. Mit dem vorliegenden Buch wird allen Führungskräften der Aufbau und die Anwendung eines Betriebssicherheitsmanagement allumfassend an praktischen Beispielen erläutert. Ergänzt wird dies durch vertiefende Ausführungen zu beispielhaften Managementsystemen. Mit den vertiefenden Ausführungen dient das Werk gleichsam als Lehrbuch. Die neue VDI Richtlinie 4055 „Betriebssicherheitsmanagement“ wird beispielhaft erläutert.

VIII

Einführung

Die kontinuierliche Anpassungen von Unternehmen an neue Marktsituationen mit ihren immer kürzeren Veränderungszyklen geht vielfach einher mit tief greifenden strukturellen und organisatorischen Neuausrichtungen. Ganze Konzerne werden umgebaut, Hierarchieebenen werden abgebaut, Personal wird reduziert, umgesetzt und mit teilweise gänzlich neuen Aufgaben betraut. Damit ist nicht nur der Versuch unternommen, die Unternehmen auf den harten Wettbewerb einzustellen. Es wird vermehrt auch die Gelegenheit genutzt, den so genannten Speck aus den guten Jahren abzubauen, das heißt die Personaldecke drastisch schlanker zu machen. Das verursacht Ängste, Verunsicherung und Stress in den Führungsebenen und besonders bei den Mitarbeitern. Mit solchen Ängsten ist automatisch ein Rückgang der Qualität der Arbeit sowie der Motivation verbunden. Unternehmen die diese Veränderungsprozesse mit ihren Mitarbeitern vollzogen haben, sind hingegen auf der Gewinnerseite und brauchen den Wettbewerb nicht zu fürchten. Die Systematisierung und Bündelung von Managementsystemen zur Beherrschung der gesamten unternehmerischen Risiken wird dazu vermehrt in einem „Vernetztem Betriebssicherheitsmanagement“ zusammen geführt. Alle diese kontinuierlichen Veränderungen gehen mit einer engen Einbindung aller Mitarbeiter im Unternehmen einher. Partizipial ausgerichtetes Führen ist eine Voraussetzung für das langfristige Überleben am Markt und bildet die Grundlage für eine „Gesundes Unternehmen“.

Aufbau eines Betriebssicherheitsmanagements Alle Veränderungen machen auch vor den Querschnittsorganisationen, wie der Arbeitssicherheit, dem Umweltschutz, dem Qualitätsmanagement, dem Datenschutz und weiteren Sicherheits-, Gesundheits- und Umweltrelevanten Aufgabenstellungen in Unternehmen nicht halt. Auch zu diesen Themen findet in immer mehr Unternehmen eine Optimierung und Bündelung. Unternehmen beginnen mehr und mehr damit ihre innerbetrieblichen Beauftragten in einer Einheit, dem Betriebssicherheitsmanagement, zusammen zu führen. Es hat sich gezeigt, dass diese Bündelung von Funktionen in vielerlei Hinsicht positive Auswirkungen für ein Unternehmen hat. Die Nutzung von Synergiepotentialen, die ganzheitliche Betrachtung von Prozessen, die Bewertung aller unternehmerischen Risiken, sowie das fachübergreifende Vernetzen von Projekten sind nur einige Punkte, die zur Optimierung der betrieblichen Abläufe beigetragen. Aber auch der damit entstandene definierte, innerbetriebliche Ansprechpartner für alle so genannten Stabsfunktionen, bringt dem Unternehmen Vorteile. Dies spüren besonders mittelständische Unternehmen, da sie sich nicht für alle gesetzlichen Anforderungen einen eigenen Beauftragten leisten können. Alleine das Vertreten des gesamten Unternehmens gegenüber Behörden in allen sicherheits-, gesundheits-, datenschutz- und umweltschutzrelevanten Fragen durch nur eine Person bringt ein mehr an Rechtssicherheit für die Geschäftsleitung und alle Führungskräfte.

Einführung

IX

Aus diesen und weiteren Zwangläufigkeiten hat sich die Funktion des Betriebssicherheitsmanagers entwickelt. Diese wird sich auch in den nächsten Jahren noch kontinuierlich weiter entwickeln. Ebenso wird sich das gesamte Aufgabenspektrum des Betriebssicherheitsmanagers stetig verändern. Es ist wie alle betrieblichen Aufgaben stets zu hinterfragen und an neue Gegebenheiten anzupassen. Der Betriebssicherheitsmanager wird mehr und mehr zum engen Partner der Geschäftsleitung in allen sicherheitsrelevanten Fragen. I

Tipp Das Betriebssicherheitsmanagement ersetzt keine vorhandenen Managementsysteme. Es ist ein operatives Instrument zur Bündelung und Vernetzung vorhandener Systeme um Synergien optimal zu nutzen und Effizienzsteigerungen zu erwirken!

In diesem Buch wird der Aufbau und die Umsetzung eines zeitgemäßen Betriebssicherheitsmanagements an praktischen Beispielen dargestellt. Die Autoren haben dazu ihre

Abb. 1 Das Betriebssicherheitsmanagement-System (BSM-S) vernetzt das Risikomanagement und integriert das Betriebssicherheitsmanagement (BSM) und Betriebliche Gesundheitsmanagement (BGM)

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Einführung

langjährigen Erfahrungen eingebracht. Ebenso werden die Funktionen der Stabsabteilung Betriebssicherheitsmanagement und die des Betriebssicherheitsmanagers dargestellt. Es wird dabei unterschieden in Abb. 1:  das Betriebssicherheitsmanagement-System  das Betriebssicherheitsmanagement  den Betriebssicherheitsmanager Auf die einzelnen sich daraus ergebenden Aufgabenstellungen des Unternehmers, der Führungskräfte und des Betriebssicherheitsmanagers und besonders deren vernetzte Vorgehensweise soll eingegangen werden.  Das Betriebssicherheitsmanagement-System ist die Bündelung aller Managementsysteme zur ganzheitlichen Betrachtung und Beherrschung der unternehmerischen Risiken.  Das Betriebssicherheitsmanagement ist die innerbetriebliche Stabsfunktion in der alle Beauftragten Funktionen gebündelt werden und die Vernetzung mit dem Betriebssicherheitsmanagement-System erfolgt  Der Betriebssicherheitsmanager ist die beauftragte Person des Unternehmers für Arbeitssicherheit, Gesundheitsschutz, Umweltschutz, Datenschutz, Brandschutz und entsprechende weitere Beauftragungen. Er leitet das Betriebssicherheitsmanagement.

Bewertung und Vermeidung von Risiken Wer ein Unternehmen optimal bei höchstmöglicher Effizienz leiten und führen will, der muss sich zunächst einen genauen Überblick über „alle“ möglichen Risiken verschaffen. Er muss genau wissen worüber er spricht. I

Tipp Da man nie etwas dem Zufall überlassen darf, muss jede Maßnahme mit einer Risikobewertung beginnen!

Beispielhafte Risiken sind:        

Wirtschaftliche Risiken Kaufmännische Risiken Mitarbeiterrelevante Risiken Betriebliche Risiken Politische Risiken Gesetzliche Risiken Umweltrelevante Risiken Datenschutzrechtliche Risiken

Einführung

       

XI

Kundenbezogene Risiken Öffentlichkeitsbezogenen Risiken Zuliefererbezogene Risiken Anschläge Katastrophen Spionage Medien [. . . ]

Die Aufzählung erhebt keinen Anspruch auf Vollzähligkeit. Sie soll jedoch verdeutlichen, dass eine ganzheitliche Risikobetrachtung die Vernetzung aller Einzelrisiken zu einer gesamten Risikomatrix erfordert. Hierauf wird in einem eigenen Kapitel eingegangen.

Prozessorientiertes Handeln Aus allen bei der Ermittlung gewonnenen Erkenntnissen ist in einem weiteren Schritt eine prozessorientierte Unternehmensstrategie zu entwickeln und umzusetzen. Die Erarbeitung der Strategie soll möglichst innerbetrieblich durch die eigenen Mitarbeiter erfolgen. Damit werden mögliche Rechtsfolgen durch eine Streuung von sensiblen Informationen über das Unternehmen hinaus vermieden. Diese Vorgehensweise bietet ferner die Möglichkeit, sich das Wissen der Beschäftigten, die alle innerbetrieblichen Gegebenheiten am besten kennen optimal zunutze zu machen. Hier befindet sich ein riesiges Kapital, das es optimal zu nutzen gilt. Schlüsselworte dafür sind: Motivation, Kommunikation und Information, aber besonders auch Wissensmanagement. I

Tipp Die Mitarbeiter die vor Ort die Arbeit täglich ausführen, haben darüber die besten Kenntnisse und Erfahrungen!

Nur wer die Mitarbeiter in alle betrieblichen Prozesse einbezieht, kann deren Potentiale optimal und gewinnbringend nutzen. Darauf wird in diesem Buch später näher eingegangen.

Schaffung einer präventiven Unternehmenskultur Ein zeitgemäßes Betriebssicherheitsmanagement muss präventiv agieren und dies nicht nur in Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz, sondern es beinhaltet das gesamte Themenspektrum von „Sicherheit“ und Umweltschutz. Ebenso sind die technischen Einrichtungen, Arbeitsplätze und Arbeitsbedingungen präventiv zu gestalten und zu erhalten.

XII

Einführung

Durch den Wegfall der Grenzen in Europa und die immer weitere Öffnung der globalen Märkte erfolgt eine steigende Vermischung der Belegschaften. Mitarbeiter aus unterschiedlichen Herkunftsländern sind in die Betriebe zu integrieren. Damit ergeben sich neben den sprachlichen Problemen eine Vielzahl kultureller und sozialer Themen, die es zu behandeln gilt. Mit dem demographischen Wandel werden darüber hinaus die Unternehmen vor das immer größer werdende Problem gestellt, geeignete Fachkräfte in ausreichender Zahl auf dem Arbeitsmarkt zu finden. Ganzheitliche Optimierungen von Prozessen können hier neue Personalressourcen schaffen und somit Personallücken schließen. Eine präventive Unternehmenskultur aufzubauen und ständig weiter zu entwickeln ist daher eine Möglichkeit der Zukunftssicherung. Die guten Erfahrungen von „Gesunden Unternehmen“ mit ihren Präventionsprogrammen sollen als Vorbild dienen. Zur Prävention gehört es auch jedes Arbeitsgebiet und die gesamte Organisation stets aufs Neue zu hinterfragen und rechtzeitig an die veränderten Bedingungen anzupassen. Veränderungsbereitschaft, Mobilität und Flexibilität sind berechtigte Forderungen an die Mitarbeiter. Die Aufgabe des Unternehmers ist es, dieses Engagement zu honorieren und zu würdigen. Präventiver Arbeits- und Gesundheitsschutz hilft dem derzeit starken Anstieg von stressbedingten Erkrankungen wirkungsvoll entgegen zu wirken und eine Atmosphäre zu schaffen, in der sich die Mitarbeiter wohlfühlen. Prävention ist aber nicht allein für die Arbeitssicherheit und den Gesundheitsschutz von hoher Bedeutung. Auch Prävention, Krisenmanagement und Datenschutz erhalten einen immer höheren Stellenwert; dies besonders zur juristischen Absicherung von Unternehmen und Führungskräften. Ostbevern Januar 2019

Bernhard Tenckhoff Silvester Siegmann

Inhaltsverzeichnis

1

2

Zusammenspiel von Mensch – Technik – Umwelt . . . . . . . . . . . . . 1.1 Der Weg vom Arbeits- und Gesundheitsschutz zum vernetzten Betriebssicherheitsmanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Der Mensch – Human Faktor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3 Beeinflussung des Menschen durch individuelle Leistungsfaktoren 1.3.1 Physische und psychische Leistungsfaktoren . . . . . . . . . . 1.3.2 Psychische Belastungen am Arbeitsplatz . . . . . . . . . . . . 1.4 Qualifikation von Mitarbeitern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.5 Prioritäten von Schutzmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.5.1 Substitution . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.5.2 Technische Schutzmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.5.3 Organisatorische Schutzmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . 1.6 Partizipatives und ganzheitliches Management von Sicherheit und Gesundheitsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.6.1 Die Mitarbeiter sind zu beteiligen . . . . . . . . . . . . . . . . 1.6.2 Motivation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.6.3 Motivation als Führungsaufgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.6.4 Führung und Partizipation bei Präventionsprojekten . . . . . 1.6.5 Einfluss der Führung auf die Arbeitsfähigkeit . . . . . . . . . 1.6.6 Die Lösung liegt im ganzheitlichen Management . . . . . . . 1.7 Information und Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.8 Moderierte Teamarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.9 Präventiver Arbeits- und Gesundheitsschutz . . . . . . . . . . . . . . 1.10 Wirtschaftlicher Nutzen für das Unternehmen . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Vernetztes Betriebssicherheitsmanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Von Sicherheit und Gesundheit zum Betriebssicherheitsmanagement 2.2 Risikomanagementsystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Krisen- und Notfallmanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4 Betriebliches Gesundheitsmanagement – BGM – . . . . . . . . . . . .

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41 41 43 45 46 XIII

XIV

Inhaltsverzeichnis

2.5 2.6 2.7 2.8

2.9 2.10

2.11 2.12 2.13

2.14

2.15

Umweltmanagementsysteme – UMS – . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Qualitätsmanagementsystem – QMS – . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Datenschutzmanagementsystem – DSMS – . . . . . . . . . . . . . . . . . . Facility Management – FM – . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.8.1 Strategisches und operatives Facility Management . . . . . . . . . 2.8.2 Strategie im Facility Management . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.8.3 Operatives Management . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.8.4 Aus- und Weiterbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vernetzung der Managementsysteme zur Nutzung von Synergien (Abb. 2.1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Konzeption des Betriebssicherheitsmanagements . . . . . . . . . . . . . . 2.10.1 Warum braucht ein Unternehmen ein Betriebssicherheitsmanagement? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.10.2 Welche Ziele erreichen wir mit dem Betriebssicherheitsmanagement? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.10.3 Was bietet ein Betriebssicherheitshandbuch? . . . . . . . . . . . . . 2.10.4 Wie erfolgt die effektive Beherrschung von Risiken? . . . . . . . . 2.10.5 Was bewirkt eine konsequente Steuerung von Prozessen? . . . . . 2.10.6 Prozessorientiertes Betriebssicherheitsmanagement-System – Lenkungskreis – . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wie bedeutend ist eine Verbesserung des wirtschaftlichen Nutzens? . . . Wem dient die Schaffung von Rechtssicherheit? . . . . . . . . . . . . . . . 2.12.1 Welche versicherungsrechtlichen Konsequenzen sind zu erwarten? Einführung eines Betriebssicherheitsmanagements . . . . . . . . . . . . . 2.13.1 Gesellschaftliche Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.13.2 Vernetzung von Managementsystemen . . . . . . . . . . . . . . . . 2.13.3 Ganzheitliches systemisch-evolutionäres Betriebssicherheitsmanagement (Abb. 2.7 ) . . . . . . . . . . . . . 2.13.4 Eingliederung des Betriebssicherheitsmanagers in die Hierarchie (Abb. 2.8 ) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Entstehung des Betriebssicherheitsmanagements . . . . . . . . . . . . 2.14.1 Integration des Betriebssicherheitsmanagements in die oberste Leitung einer Großbaustelle (Abb. 2.9 ) . . . . . . . . . . . . . . . 2.14.2 Einführung des Betriebssicherheitsmanagements auf Konzernebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.14.3 Einbindung in die Konzernstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.14.4 Unternehmensleitlinien Betriebssicherheitsmanagement . . . . . . 2.14.5 Einführung eines Betriebssicherheitsmanagements in Klein- und Mittelbetrieben (KMU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Master-Studiengang Betriebssicherheitsmanagement an der TFH Georg Agricola zu Bochum (TFH) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.15.1 Aufbau und Inhalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

47 47 48 48 49 49 50 51 51 52 53 54 54 55 56 56 63 65 66 66 67 67 68 69 70 71 72 73 74 74 76 76

Inhaltsverzeichnis

2.15.2 Voraussetzungen zur Aufnahme des Studiums . . . . 2.15.3 Perspektiven nach dem Studium . . . . . . . . . . . . 2.16 VDI 4055 „Betriebssicherheitsmanagementsystem (BSM)“ Weiterführende Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XV

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Grundlagen integrierter Managementsysteme . . . . . . . . . . . 3.1 Geschichtliche Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 ISO Normenreihe 9000 ff. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 VDI-Richtlinie 4060 „Integrierte Managementsysteme“ . . . 3.4 Integriertes Management . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4.1 Das St. Galler Managementmodell . . . . . . . . . . . . 3.4.2 Erweiterung nach Bleicher . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4.3 Ameli erläutert in ihrer Arbeit Bleichers Erweiterung Weiterführende Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Vermeidung von Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1 Unternehmerpflichten und Haftungsrisiken . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Wahrnehmung von Betreiberverantwortung . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3 Prüfpflicht nach § 15 Betriebssicherheitsverordnung vom 1. Juni 2015 –BetrSichV– . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4 Betreiber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.1 Übertragung der Betreiberpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.5 Technische Regeln für Betriebssicherheit –TRBS 1151– . . . . . . . . 4.6 Mögliche Rechtsfolgen und deren Vermeidung . . . . . . . . . . . . . . 4.6.1 Einfache Fahrlässigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.6.2 Grobe Fahrlässigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.7 Verwarngeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.8 Geldbußen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.9 Strafe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.10 Zivilrechtliche Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.11 Arbeitsrechtliche Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.12 Verhalten bei Ermittlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.12.1 Aufgaben und Kompetenzen bei Ermittlungen . . . . . . . . . . 4.12.2 Vorgehensweise bei einer staatsanwaltschaftlichen Ermittlung 4.13 Checklisten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.13.1 Fragen der Ermittler am Schadensort . . . . . . . . . . . . . . . 4.13.2 Rechte und Pflichten der Beschuldigten . . . . . . . . . . . . . . 4.13.3 Rechte und Pflichten der Zeugen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Weiterführende Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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XVI

Inhaltsverzeichnis

5

Qualitätsmanagement nach DIN EN ISO 9000 ff. 5.1 Die DIN ES ISO 9000 ff. . . . . . . . . . . . . . 5.2 Die DIN EN ISO 9001:2015 . . . . . . . . . . . 5.3 Ziele der DIN EN ISO 9001 . . . . . . . . . . . 5.4 Wesentliche Inhalte der Normung . . . . . . . . 5.4.1 Kundenorientierung . . . . . . . . . . . . 5.4.2 Qualitätspolitik und -ziele . . . . . . . . 5.4.3 Qualitätsplanung . . . . . . . . . . . . . . 5.5 Interne Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . 5.6 Bewertung des QM-Systems . . . . . . . . . . . 5.7 Controlling im Qualitätsmanagement . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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6

Risikomanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.1 Der Begriff des Risikos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2 Die Haftung von Vorständen, Geschäftsführern und Betriebsleitern . 6.3 Das KonTraG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.4 Organisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.5 Rechtliche Grundlagen der Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.5.1 Corporate Governance Kodex . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.5.2 Aktiengesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.5.3 GmbH-Gesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.5.4 Strafrechtliche Verantwortung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.5.5 Verbandsgeldbuße nach § 30 OWiG . . . . . . . . . . . . . . . . 6.5.6 UmweltHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.5.7 Sarbanes-Oxley Act (für Unternehmen, die an der US-Börse gehandelt werden) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.6 Betriebsbeauftragte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.7 Öffentlich rechtliche Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.8 Ökonomische Gründe für ein Risikomanagementsystem . . . . . . . . 6.8.1 Kalkulation der Kreditzinsen nach Basel II . . . . . . . . . . . . 6.9 Einfluss der Betriebsrisiken auf die Kreditkosten . . . . . . . . . . . . . 6.10 Basel II als Herausforderung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.11 Basel III . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.12 Welche Risikofelder sollten betrachtet werden? . . . . . . . . . . . . . 6.13 Normen/Regeln zum Risikomanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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123 124 127 128 128 129 129 129 129 130 132 133

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134 134 135 136 136 140 142 143 143 144 147

Sicherheits- und Gesundheitsschutzmanagement . 7.1 Arbeitsschutzmanagement . . . . . . . . . . . . 7.2 Arbeitsschutzmanagementsysteme . . . . . . . 7.2.1 OHSAS 18001 und ISO 45001 . . . . .

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149 149 150 152

7

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Inhaltsverzeichnis

7.2.2 7.2.3 7.2.4 7.2.5 7.2.6

7.3

7.4

7.5 7.6 7.7 7.8

7.9

7.10 7.11

7.12 7.13

XVII

Die Entwicklung der ISO 45001 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 Inhalte der ISO 45001:2018 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 Occupational Health- and Risk-Managementsystem (OHRIS) . . 155 Länderausschuss für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik (LASI) 155 Guidelines on Occupational Safety and Health Management Systems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 7.2.7 SCC – Sicherheits Certifikat Contraktoren . . . . . . . . . . . . . . 157 7.2.8 MAAS-BGW . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 Gesundheitsschutzmanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 7.3.1 Begriffsbestimmung von Gesundheit . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 7.3.2 Gesundheitsmodelle der Pathogenese und Salutogenese . . . . . . 162 Verschiedene Modelle zum Zusammenhang zwischen Arbeit und Gesundheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 7.4.1 Das Belastungs-Beanspruchungs-Modell am Beispiel der psychischen Erkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 Aktuelle Tendenzen in der Arbeitswelt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 Veränderung des Krankheitsspektrums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 Kosten von Fehlzeiten und Präsentismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 Demografischer Wandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 7.8.1 Leistungsfähigkeit älterer Beschäftigter: Kompetenz statt Defizit 173 7.8.2 Ermittlung des betrieblichen Handlungsbedarfes . . . . . . . . . . 174 7.8.3 Altersstrukturanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 7.8.4 Handlungsfelder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 7.8.5 Die Bedeutung des Führungsverhaltens im demografischen Wandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 7.8.6 Demografischer Wandel und Personalmanagement . . . . . . . . . 177 Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) . . . . . . . . . . . . . . . . 178 7.9.1 Kernelemente des Betrieblichen Gesundheitsmanagements . . . . 179 7.9.2 BGM vs. BGF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 7.9.3 Ökonomischer Nutzen von BGM und BGF . . . . . . . . . . . . . . 181 7.9.4 DIN SPEC 91020:2012-07 „Betriebliches Gesundheitsmanagement“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 Arbeitsmedizinische Vorsorge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) . . . . . . . . . . . . . . 185 7.11.1 Aspekte des Datenschutzes beim BEM . . . . . . . . . . . . . . . . 189 7.11.2 Aufbewahrung der Daten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 7.11.3 Für die Durchführung verantwortliche Organisationseinheit . . . 190 7.11.4 Aufbewahrungsdauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 7.11.5 Regelung durch Betriebsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 Mitarbeiter und Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung . . . . . . . . . . . . . 191 Beurteilung der Arbeitsbedingungen als zentrales Instrument des Arbeits- und Gesundheitsschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192

XVIII

8

Inhaltsverzeichnis

7.13.1 Praktische Durchführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.13.2 Dokumentation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.13.3 Begrifflichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.14 Einbindung des Betriebsarztes in die Arbeitsplatzbeurteilung . . . . . . . 7.14.1 Rechtliche Forderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.15 Prozessorientierter Ansatz der Arbeitsplatzbeurteilung . . . . . . . . . . . 7.16 Gemeinsame Deutsche Arbeitsschutzstrategie . . . . . . . . . . . . . . . . 7.17 Unterweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.18 Zusammenarbeit der Arbeitsschutzakteure (Tab. 7.11) . . . . . . . . . . . 7.18.1 Gemeinsame Begehung der Arbeitsplätze . . . . . . . . . . . . . . . 7.19 Die Rolle des Betriebsrates im Arbeitsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.20 Der Arbeitsschutzausschuss (ASA) als Kommunikationsplattform auch im Arbeitsschutzmanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.20.1 Geschäftsordnung Arbeitsschutzausschuss . . . . . . . . . . . . . . 7.20.2 Ziel und Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.20.3 Rechtliche Grundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.20.4 Formblatt: ASA-Protokoll . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.21 Die Rolle der Sicherheitsbeauftragten und ihre zukünftige Entwicklung 7.21.1 Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.21.2 Grundsätzliche Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.21.3 Freiwilliger Auftrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.21.4 Beteiligungsrecht bei der Bestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.21.5 Schutz vor Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.21.6 Rollenbild und zukünftige Entwicklung der Sicherheitsbeauftragten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

193 193 195 197 198 198 199 203 206 209 210

Umweltschutzmanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.1 Energieverbrauch und Umweltschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.2 Klimaschutz und Energieeffizienz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.2.1 Was fordert die Norm? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.2.2 Anforderungen an ein Umweltmanagementsystem nach DIN EN ISO 14001 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.2.3 Neue Fassung der ISO 14001 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.2.4 EMAS-Verordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.2.5 Umwelterklärung nach EMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.3 Nachhaltigkeit im Umweltschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.4 Umwelthaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.5 Zertifizierung eines Umweltmanagementsystems . . . . . . . . . . . . . . 8.6 Management des kontrollierten, selektiven Rückbaus von Anlage und Gebäuden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

225 226 226 228

211 212 212 213 213 215 215 216 218 218 219 220 223

229 231 232 234 235 236 236 238

Inhaltsverzeichnis

XIX

8.7

Erscheinungsbild von Bau- und Abbruchabfällen und ihre zeitliche Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 8.7.1 Die Deklaration von Bau- und Abbruchabfällen und die Geschichte der Abfallkataloge (Abb. 8.3) . . . . . . . . . . . . . . . 239 8.7.2 Die Deklaration von Bau- und Abbruchabfällen unter Berücksichtigung der Spiegeleinträge . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 8.8 Verbindlichkeit zur Erstellung eines Rückbau- und Entsorgungskonzeptes 241 8.8.1 Schadstoffkartierung und Rückbaukonzept . . . . . . . . . . . . . . 242 8.9 Dokumentation der Baumaßnahme und Abfallbilanz . . . . . . . . . . . . 243 8.9.1 Praktische Durchführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 8.10 Abfallbilanzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 8.10.1 Definition des Abfallerzeugers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 Weiterführende Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248

9

Datenschutzmanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 9.1 Betriebsärztliche Tätigkeit keine „Auftragsdatenverarbeitung“ . . . . . . 250 9.2 Grundprinzipien beim Umgang mit personenbezogenen Daten . . . . . . 250 9.2.1 Pflichten des Unternehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 9.2.2 Pflichten der Mitarbeiter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 9.3 Rechte der Betroffenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 9.3.1 Verzeichnis Verarbeitungstätigkeiten (VVT) . . . . . . . . . . . . . 252 9.3.2 Die Einwilligung des Betroffenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 9.4 Konsequenzen von Datenschutzverletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 9.5 Konkrete Bedrohungen für Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 9.5.1 Vertraulichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 9.5.2 Integrität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 9.5.3 Verfügbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 9.5.4 Authentizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 9.5.5 Zurechenbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 9.5.6 Revisionsfähigkeit und Rechtssicherheit . . . . . . . . . . . . . . . 255 9.5.7 Verbindlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 9.6 Der betriebliche Datenschutzbeauftragte (DSB) . . . . . . . . . . . . . . . 256 9.7 Datenschutz bei Telearbeitsplätzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 9.7.1 Organisatorische Schutzmaßnahmen – Infrastrukturelle Sicherheit des Telearbeitsplatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 9.7.2 Organisation der Telearbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 9.7.3 Technische Schutzmaßnahmen – Sicherheit des Telearbeitsrechners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 9.7.4 Sichere Kommunikation zwischen Telearbeitsplatz und Server . . 259 9.7.5 Sicherheit des Servers an der Arbeitsstelle . . . . . . . . . . . . . . 259 9.8 Datenarchivierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 9.9 Betriebsrat und Datenschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263

XX

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9.9.1 Stellung Betriebsrat und Datenschutzbeauftragter . . . . . . . . . 9.9.2 Datenschutz bei der Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.9.3 Sinnvolle Regelungen innerhalb des Betriebsrates . . . . . . . . 9.10 Verbotsprinzip und Betriebsvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.11 Informationsrecht (bei Personalakteneinsicht) . . . . . . . . . . . . . . . 9.12 Übertragung der Kontrolle von Mitarbeitern und Besuchern auf einen externen Sicherheitsdienst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.13 Grundlegende Standards zum IT-Sicherheitsmanagement . . . . . . . . 9.14 Datenschutz und Social Media . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Krisenmanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 10.1 Krise – Gefahr und Chance zugleich – . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 10.2 Was ist eine Unternehmenskrise? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 10.3 Wen kann die Krise treffen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 10.4 Ursachen von Unternehmenskrisen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 10.5 Auswirkungen bei Unternehmenskrisen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 10.6 Krisenkommunikation und der Einfluss der Medien . . . . . . . . . . . . . 277 10.7 Lücke bei der Krisenprävention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 10.8 Einfaches Krisenmanagementsystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 10.8.1 Aktives/Antizipatives Krisenmanagement . . . . . . . . . . . . . . 282 10.8.2 Präventives Krisenmanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 10.8.3 Reaktives/Repulsives Krisenmanagement . . . . . . . . . . . . . . . 282 10.8.4 Liquidatives Krisenmanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 10.9 Der Krisenstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 10.10 Brandschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 10.11 Brandschadensanierung (VdS 2357) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 10.12 Organisation der betrieblichen Ersten-Hilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 10.13 Krisenprävention bei Auslandseinsätzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 10.14 Influenza Pandemie-Planung im Rahmen des Krisenmanagements . . . . 304 10.15 Chancenpotenziale nutzen (Abb. 10.10) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 10.16 Business Continuity Management (BCM), Business Continuity Planning (BCP), Supply Chain Management (SCM) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 10.17 Krisenkommunikation und Social Media . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310 10.18 Homepages und Dark Sites . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313

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Schlusswort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315

Weiterführende Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319

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Zusammenspiel von Mensch – Technik – Umwelt

Der Stellenwert der Mitarbeiter in den Unternehmen als entscheidender Wirtschaftsfaktor wird besonders durch den demographischen Wandel deutlich. Nur mit motivierten leistungsfähigen Mitarbeitern lassen sich auf Sicht betriebliche Prozesse optimal gestalten und eine notwendige Effizienz erzielen. Der Mensch ist damit als einer der entscheiden Wirtschaftsfaktor bestätigt. Die sichere und zuverlässige Technik hat den gleichen Stellenwert. Der Mensch gestaltet und bedient diese Technik. Er ist daher täglich an der Nahtstelle und gleichsam das Bindeglied der betrieblichen Abläufe. Mit fortschreitender Erkenntnis wurde die Notwendigkeit der Einbindung aller Umweltbelange in das unternehmerische Handeln erkannt.

1.1 Der Weg vom Arbeits- und Gesundheitsschutz zum vernetzten Betriebssicherheitsmanagement Durch den Wegfall der Grenzen in Europa und die immer weitere Öffnung der globalen Märkte erfolgt eine steigende Vermischung der Belegschaften. Mitarbeiter aus unterschiedlichen Herkunftsländern sind in die Betriebe zu integrieren. Damit ergeben sich neben den sprachlichen Problemen eine Vielzahl kultureller und sozialer Themen, die es zu behandeln gilt. Mit dem demografischen Wandel werden darüber hinaus die Unternehmen vor das immer größer werdende Problem gestellt, geeignete Fachkräfte in ausreichender Zahl auf dem Arbeitsmarkt zu finden. So muss zum Beispiel das größte Logistikunternehmen der Bundesrepublik Deutschland innerhalb der nächsten 10 Jahre 50 % der altersbedingt ausscheidenden Belegschaft ersetzen. Das sind hierbei rund 10.000 Mitarbeiter pro Jahr. Es wird immer schwieriger sie auf dem Markt zu finden und den dazu erforderlichen Wissenstransfer zu organisieren und praktizieren. Was für einen Großkonzern gilt, kann bei einem Kleinbetrieb schon das ausscheiden eines einzelnen Mitarbeiters bedeuten.

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019 B. Tenckhoff und S. Siegmann, Vernetztes Betriebssicherheitsmanagement, VDI-Buch, https://doi.org/10.1007/978-3-662-48441-8_1

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Zusammenspiel von Mensch – Technik – Umwelt

Ganzheitliche Optimierungen von Prozessen können hier neue Personalressourcen schaffen und somit Personallücken schließen. Eine präventive Unternehmenskultur aufzubauen und ständig weiterzuentwickeln ist daher die zentrale Möglichkeit der Zukunftssicherung. Die guten Erfahrungen von „Gesunden Unternehmen“ mit ihren Präventionsprogrammen sollen als Vorbild dienen. Wenn du ein Schiff bauen willst, fang nicht an, Holz zusammenzutragen, Bretter zu schneiden und Arbeit zu verteilen, sondern wecke in den Männern die Sehnsucht nach dem großen, weiten Meer (Antoine de Saint-Exupéry).

1.2 Der Mensch – Human Faktor Der Mensch ist das Maß aller Dinge, sowohl im beruflichen Alltag als auch im privaten Bereich. Der Mensch bringt einerseits bestimmte Fähigkeiten und Fertigkeiten mit, andererseits wird er mit bestimmten Risiken seines Arbeitsplatzes und seiner Arbeitsumgebung konfrontiert. I

Tipp Unfallverhütung ist mehr als die Vermeidung von Unfällen, Gesundheitsschutz ist mehr als die Vermeidung von Krankheiten, Umweltschutz ist mehr als die Vermeidung von Umweltschäden.

Wenn man dieser Sichtweise folgt, steht der Mensch bei der Gestaltung der Arbeit im Mittelpunkt; er hat eine Schlüsselfunktion inne. Das bedeutet nicht, dass die Arbeitsplätze angepasst werden müssen, weil es Gesetze, Vorschriften und Regeln gibt, sondern weil die Mitarbeiter optimale Arbeitsbedingungen brauchen um gesund und leistungsfähig zu bleiben. Das ist gleichsam eine entscheidende Grundlage zur Minimierung von Risiken.

1.3 Beeinflussung des Menschen durch individuelle Leistungsfaktoren Menschen sind an den Arbeitsplätzen unterschiedlichen Risiken ausgesetzt. Die Wechselwirkungen zwischen Menschen, Technik und Umwelt bergen vielfältige Risiken und lassen die Gefährdungen nicht selten zur Gefahr werden. Das Ergebnis sind Unfälle, Krankheiten, Störfälle und/oder Umweltschäden. Das Zusammenspiel von Mensch, Technik und Umwelt ist dabei an unterschiedliche Faktoren gebunden. Der Mensch plant, baut, wartet und bedient die Technik. Besonders von seiner Einstellung und seinem Verhalten ist es abhängig, ob die Technik sicher funktioniert und die Umwelt nachhaltig geschützt wird.

1.3

Beeinflussung des Menschen durch individuelle Leistungsfaktoren

3

In den vergangenen Jahren erfolgte in der Arbeitswelt ein technisch – organisatorischer so wie ein wirtschaftlich – struktureller Wandel. Mit diesen einschneidenden Veränderungen verschoben sich vielfach die Belastungen (Abb. 1.1), denen die Menschen bei der Arbeit ausgesetzt sind. Körperliche Belastungen wie:  Körperliche Schwerarbeit,  ständige einseitige Bewegungen und  arbeiten in Zwangshaltung haben abgenommen. Neue weitreichende Belastungen traten in den Vordergrund, die psychischen Belastungen. Die psychischen Faktoren der modernen Arbeitswelt sind zur bestimmenden Gefährdung geworden. Dies betrifft gleichermaßen alle Arbeitsbereiche. Der Stressbericht der BAuA (2012) weist insbesondere die Gleichzeitigkeit verschiedener Arbeiten, starker Termin- und Leistungsdruck, ständig sich wiederholende Arbeitsvorgänge, Druck durch Störungen und Unterbrechungen als primäre negative Beanspruchung an den Arbeitsplätzen aus.

Abb. 1.1 Die Menschen sind an ihren Arbeitsplätzen vielen unterschiedlichen Gefährdungen ausgesetzt. (Bild BAuA)

4

1

Zusammenspiel von Mensch – Technik – Umwelt

1.3.1 Physische und psychische Leistungsfaktoren Die Voraussetzung für eine hohe Qualität von Produkten und Dienstleistungen ist einerseits eine sicher funktionierende Technik. Andererseits die physische und psychische Leistungsfähigkeit der Menschen. Dabei ist zu bedenken, dass Menschen ständigen individuellen Schwankungen und persönlichen Einflüssen unterworfen sind. Somit verfügt jeder Mensch über seine ganz persönlichen Leistungsvoraussetzungen. Diese kann man nicht programmieren und nach gewünschten Verfahren ablaufen lassen. Diese individuellen Leistungsvoraussetzungen sind:  Die Leistungsfähigkeit  Die Leistungsbereitschaft Die Leistungsfähigkeit, auch habituelle Faktoren genannt, sind Faktoren, die das Verhalten der Menschen langfristig prägen. Diese sind:      

Alter Größe Gewicht Geschlecht Ausbildung Gesundheit

Die Leistungsbereitschaft, auch situative Faktoren genannt, hingegen ist tagesrhythmischen Schwankungen unterworfen. Dies sind:     

Motivation Ermüdung Stimmungslage Übung Arbeitsbedingungen

Die Führungskraft muss diese individuellen Voraussetzungen der Mitarbeiter kennen um sie zum Positiven zu beeinflussen zu können. Das setzt vielfältige Erfahrungen im Umgang mit Menschen voraus. Schulungen und Seminare in Arbeitspsychologie oder Menschenführung vermitteln den überwiegend fachorientierten Führungskräften die notwendigen Kenntnisse. Es gibt aber noch mehr psychische Voraussetzungen des Menschen, die für den sicheren Umgang mit Technik von Bedeutung sind. Das sind innere und äußere Einflussfaktoren. Um beim Auftreten einer betrieblichen Situation wie einer Betriebsstörung richtig zu

1.3

Beeinflussung des Menschen durch individuelle Leistungsfaktoren

5

entscheiden sind alle menschlichen Faktoren positiv zu beeinflussen. Das geschieht nicht von selber, sondern ist das Ergebnis eines langen Lern- und Erfahrungsprozesses. Dabei werden Entscheidungen gesteuert von:  Inneren Einflüssen  Äußeren Einflüssen  Äußeren Bedingungen Die inneren Einflussfaktoren spiegeln die Qualifikation, Erfahrungen und Kompetenzen wieder. Aber auch die positive Einstellung, eine Lösung zu finden und die Störung umgehend zu beseitigen. Je besser ein Mitarbeiter für seine Arbeit qualifiziert ist und je klarer seine Kompetenzen und Zuständigkeiten definiert sind, umso sicherer wird seine Entscheidung ausfallen. Dabei wird der erfahrene Mitarbeiter mehr Sicherheit und Besonnenheit an den Tag legen als der Unerfahrene. Die Führungskraft muss wissen, was sie dem jeweiligen Mitarbeiter zumuten kann. Gerade in Zeiten der betrieblichen Neuausrichtung werden all zu oft Mitarbeiter mit neuen Aufgaben betraut, ohne sie darauf entsprechend vorzubereiten oder zu schulen. Hierzu ein Beispiel aus der Energieversorgung

Vor der Liberalisierung des Energiemarktes hatten die Versorgungsunternehmen feste Versorgungsgrenzen mit festen Kunden. Es war ein sicheres Geschäft. Die Mitarbeiter dieser Unternehmen hatten einen sicheren Arbeitsplatz inne mit Aufgaben, auf die sie langsam vorbereitet wurden. Sie konnten in das „Netz“ hinein wachsen. Mit der Liberalisierung setzte der Wettbewerb unter den Versorgungsunternehmen ein. Ein Ergebnis war eine Personalreduzierung von teilweise über 50 %. Die erfahrenen Mitarbeiter wurden mit 51 Jahren in den Vorruhestand geschickt. Eine, wie sich später herausstellte, enorme Vernichtung von Kompetenzen und Erfahrungen. Die unerfahrenen jungen Mitarbeiter mussten nun diese Aufgaben in kürzester Zeit übernehmen. Es blieb nicht die Zeit sie hinein wachsen zu lassen. Teilweise hatten sie ihre Berufsausbildung gerade erst hinter sich. Das ist grundsätzlich nicht schlecht. Für viele Aufgaben ist jedoch eine fundierte betriebliche Erfahrung eine wichtige Voraussetzung. Dazu zählt das Schalten in Versorgungsnetzen. Die Ausbildung zum Schaltberechtigten erfolgte früher Schritt für Schritt über etwa zwei Jahre. Dabei wurden die Mitarbeiter von erfahrenen Kollegen unterstützt und auf Eignung getestet. So bekamen sie die für das Schalten notwendige Selbstsicherheit. Plötzlich waren die Erfahrenen im Vorruhestand und die Jungen mussten alles was zum Schalten gehört in teilweise wenigen Wochen erlernen. Viele waren damit überfordert, trauten sich aber nicht, dass zu sagen. Sie konnten im Alltag die Situation besonders bei Netzstörungen nicht immer richtig einschätzen. Die Folgen waren Verunsicherung und sogar Angst. Das bedeutet Stress mit teilweise gesundheitlichen Folgen, die sich vielleicht erst in Jahren bemerkbar machen. Stimmt die Qualifikation und können Entscheidungsprozesse ruhig und besonnen mit den erforderlichen Kompetenzen erfolgen, so werden sie Stück für Stück zu einer festen

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1

Zusammenspiel von Mensch – Technik – Umwelt

Gewohnheit. Nur wenn es gelingt positives Verhalten zur Gewohnheit werden zu lassen ist eine Nachhaltigkeit gewährleistet. Da dies ein sich ständig ändernder Prozess ist, muss auch immer aufs Neue daran gearbeitet werden. Aber auch von außen wirken Einflüsse auf den Menschen, beeinflussen die Entscheidung (Abb. 1.2). So ist der Druck, der bei einem Produktionsausfall von aufgebrachten Kunden ausgeht, für den unerfahrenen Mitarbeiter ein Stress- und Verunsicherungsfaktor. Kommt dazu noch ein Fehlverhalten von Vorgesetzten, so kann die Konzentration auf das eigentliche Beseitigen der Störung stark beeinträchtigt werden. Letztlich spielen auch noch die Situationen am Arbeitsplatz selber eine Rolle im Verhalten der Menschen. Mögliche Gefährdungen können dabei ausgehen von:    

dem Arbeitsbereich der Arbeitsumgebung der Arbeitsausführung (möglicherweise auch einem aufgebrachten Kunden der gegenüber Mitarbeitern gewalttätig wird)

Abb. 1.2 Individuelle innere und äußere Voraussetzungen beeinflussen die Entscheidung des Menschen zum Positiven oder Negativen. (Bild BAuA)

1.3

Beeinflussung des Menschen durch individuelle Leistungsfaktoren

7

Abb. 1.3 Der betriebliche Ablauf ist abhängig vom Zusammenspiel von Mensch – Technik. (Bild BAuA)

Abb. 1.4 TOP – Qualifikation und Organisation ergänzen eine sichere Technik zum „sicheren Betrieb“. (Bild BAuA)

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1

Zusammenspiel von Mensch – Technik – Umwelt

Werden alle genannten Faktoren positiv beeinflusst, ist das Zusammenwirken von Mensch und Technik ohne Risiko möglich (Abb. 1.3). Das Ergebnis ist „Sicherheit“ (Abb. 1.4).

1.3.2 Psychische Belastungen am Arbeitsplatz Unter psychischer Belastung versteht man die Gesamtheit aller erfassbaren Einflüsse, die von außen auf den Menschen zukommen und psychisch auf ihn einwirken. Das sind alle Einflüsse, die auf Konzentration, Denken, Fühlen und Lernen des Menschen abzielen. Als psychische Beanspruchung bezeichnet man die individuelle, zeitlich unmittelbare und nicht langfristige Auswirkung der psychischen Belastung des Menschen in Abhängigkeit von seinen individuellen Voraussetzungen und seinem Zustand. In den vergangenen Jahren haben Arbeitsschützer, Arbeitsmediziner, Arbeitspsychologen, Krankenkassen und die Unfallversicherungsträger festgestellt, dass psychische Belastung in allen Branchen auftritt und an allen Arbeitsplätzen zunimmt. Psychische Belastung führt bei den Beschäftigten zu Beanspruchungen, die nicht unbedingt negativ sein müssen: Beanspruchungen können auch positiv sein, beispielsweise im Sinne von Herausforderung oder Motivation. Problematisch wird es aber immer dann, wenn psychische Belastung negative Beanspruchungen nach sich zieht, wenn beispielsweise Stress oder gesundheitliche Beeinträchtigungen entstehen. Psychische Belastungen am Arbeitsplatz stellen ein zunehmendes Problem in den Unternehmen dar. Die Krankheitsfälle wegen psychischer Störungen steigen und vermehrt leiden Mitarbeiter unter Stress. So kommt es vermehrt zu Produktionsausfällen und Motivationsverlust. Wer etwas gegen psychische Belastungen an den Arbeitsplätzen unternehmen will muss über die nötigen Hintergrundkenntnisse verfügen:    

Was sind psychische Belastungen am Arbeitsplatz? Welche Folgen haben sie für Mitarbeiter und Unternehmen? Wie lassen sich psychische Belastungen am Arbeitsplatz erkennen? Was kann der Arbeitgeber zur Verminderung von Stress am Arbeitsplatz tun?

Stress zählt inzwischen zu den häufigsten arbeitsbedingten Gesundheitsproblemen in Europa. 2010 waren etwa 35 % der europäischen Arbeitnehmer davon betroffen (Abb. 1.5). Über 60 % aller Fehlzeiten sind auf psychosoziale Belastungen zurückzuführen. Von einer weiter steigenden Zahl wird inzwischen ausgegangen. Damit ist berufsbedingter Stress eine der größten Risikofaktoren für Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit (Abb. 1.5). Psychische Belastung am Arbeitsplatz resultiert in der Regel aus vier unterschiedlichen Quellen. Dazu gehören die Arbeitsaufgabe, die Arbeitsorganisation, die Arbeitsumgebung und die sozialen Beziehungen am Arbeitsplatz.

1.3

Beeinflussung des Menschen durch individuelle Leistungsfaktoren

9

Abb. 1.5 AOK Studie zeigt eine deutlich steigende Tendenz auf

Menschen stehen unter Stress, wenn eine Situation Sie im Griff hat und nicht umgekehrt. Typische Stressreaktionen können sein: 1. Körperliche Reaktionen wie Herzklopfen, beschleunigte Atmung, Blutdruckanstieg, Schwitzen, Verstopfung, Verspannung 2. Gedankliche und gefühlsmäßige Reaktionen wie Unsicherheit, Überempfindlichkeit, innere Anspannung, Angst, Nervosität, Gereiztheit, Konzentrationsschwäche und gedankliches Kreisen um den Belastungsfaktor 3. Verhalten: Meiden der stressauslösenden Situation, gereiztes Verhalten, sozialer Rückzug Auch Mitarbeiter können selbst einiges dafür tun, damit es erst gar nicht zu solchen Beeinträchtigungen kommt. Westfälische Nachrichten Psychisch Kranke brauchen Hilfe Bei psychischen Erkrankungen kann frühzeitige Unterstützung lange Krankschreibungen oder die Frühverrentung verhindern. Darauf weist die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) in Berlin hin. Depressionen, Burn-out oder Angststörungen sind nach Statistiken der Krankenkassen mittlerweile die vierthäufigste Krankheit am Arbeitsplatz und der Hauptgrund für vorzeitiges Ausscheiden aus dem Beruf. Führungskräften falle gerade der Umgang mit psychisch Erkrankten aber schwer. Die passende Strategie, den richtigen

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Zusammenspiel von Mensch – Technik – Umwelt

Ton bei psychischen Erkrankungen von Mitarbeitern zu treffen, gehört zu den schwersten Aufgaben, die auf einen Vorgesetzten zukommen können, so Dirk Windemuth, Arbeitspsychologe am BGAG-Institut Arbeit und Gesundheit der DGUV in Dresden. Arbeitgeber, die psychisch erkrankten Mitarbeitern ihre Unterstützung anbieten wollen, sollten sich deshalb entsprechend beraten lassen. (dpa)

1.4 Qualifikation von Mitarbeitern Der richtige Mann zur richtigen Zeit an der richtigen Stelle (Abb. 1.4). Dieser alte Ausspruch ist für ein optimales Betriebssicherheitsmanagement von hoher Bedeutung. Gerade in Zeiten immer kürzerer Veränderungszyklen ist ein besonderes Augenmerk darauf zu richten, für alle neu entstandenen oder veränderten Arbeitsplätze rechtzeitig über die entsprechend qualifizierten Mitarbeiter zu verfügen. Dies gilt für die eigenen Mitarbeiter, für neu Einzustellende und letztlich für Leiharbeitnehmer. Die Aufgabe der Fachbereiche ist es dem Personalmanagement rechtzeitig den Bedarf zu benennen, damit die Personalabteilung mit dem entsprechenden Vorlauf reagieren kann. Der Fachbereich muss dabei dem Personalmanagement auch die erforderlichen fachlichen Anforderungen angeben. Die Aufgabe des Personalmanagements ist es, diesen Anforderungen entsprechend Mitarbeiter intern oder extern zu suchen. Bietet der Arbeitsmarkt keine entsprechenden Fachkräfte, so sind erforderliche Qualifizierungsmaßnahmen einzuleiten und durchzuführen. Da das viel Zeit in Anspruch nehmen kann, müssen Personalplanungen sehr frühzeitig vorgenommen werden. Bei dem steigenden Fachkräftemangel wird in den nächsten Jahren ein Wettlauf um die guten Fachkräfte einsetzen. Der Unternehmer, der rechtzeitig eigene Mitarbeiter für neue Aufgaben qualifiziert, wird sich damit am Markt Vorteile verschaffen. Es ist zu unterscheiden in einer:  Grundausbildung  Betrieblichen Zusatzausbildung  Spezialausbildung Die Grundausbildung ist die Berufsausbildung, wie Lehre, Studium, die ein Mitarbeiter entweder mitbringt oder in der unternehmenseigenen Ausbildung erwirbt. Das Ausbilden des künftigen Nachwuchses hat für das Unternehmen enorme Vorteile. Man lernt frühzeitig die Stärken und Schwächen des Mitarbeiters kennen und kann rechtzeitig beginnen, die unternehmensspezifischen Anforderungen zu vermitteln. Die auszubildenden Mitarbeiter lernen von Beginn an die Firmenkultur kennen. Dies besonders in Hinsicht auf Sicherheit und Umweltschutz. Dazu ist es jedoch von Bedeutung, dass der Nachwuchs richtig geleitet und geführt wird. Der Unternehmer muss sehr sorgfältig prüfen, wen er mit der Ausbildung beauftragt. Die Ausbilder müssen über die erforderliche Fach- und Sozialkompetenz verfügen. Die betrieblichen Zusatzausbildungen sind ebenfalls vom Personalmanagement zu organisieren. Sie können betriebsintern oder extern durchgeführt werden.

1.5

Prioritäten von Schutzmaßnahmen

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Betriebsspezifische Ausbildungen sind z. B.:       

Kranführerausbildung Fahren von Flurförderzeugen Sachkundige Sachverständige Brandschutzfachkraft Sicherheitsfachkraft Umweltschutzbeauftragte

Alle diese Ausbildungen werden mit einem Befähigungsnachweis im Rahmen einer Prüfung abgeschlossen. Der Nachweis dient dem Mitarbeiter und dem Unternehmer im Schadensfall der Vermeidung von Rechtsfolgen. Spezialausbildungen sind Zusatzqualifikationen, die Mitarbeiter in entsprechenden internen oder externen Schulungen erwerben. Zusatzqualifikationen sind:          

Managementqualifikationen Führungskräfteschulungen in Führungsverantwortung und rechtliche Konsequenzen Ausbildung in Moderationstechnik Rhetorikschulungen Präsentationstechniken Kurse zu PC-Anwendungen Sprachkurse für ausländische Mitarbeiter Fremdsprachenkurse Erste Ausbildung Ausbildung zum Sicherheitsbeauftragten

Diese Aufzählung lässt sich endlos fortsetzen. Der Nachweis der Spezialausbildung erfolgt in der Regel durch eine Teilnahmebescheinigung.

1.5 Prioritäten von Schutzmaßnahmen Die Rangfolge von Schutzmaßnahmen hat im Arbeits- und Umweltschutz immer nach den Prioritäten von technischen Schutzmaßnahmen hin zu persönlicher Schutzausrüstung zu erfolgen. Ein Verzicht oder eine Umkehrung dieser Rangfolge darf nur in begründeten Ausnahmefällen erfolgen. Dies kann zum Beispiel der Fall sein wenn zwei Unternehmen mit extrem unterschiedlichen Sicherheitsstandards fusionieren. Da nach dem Arbeitsschutzgesetz Arbeitssicherheit immer mit dem Ziel einer Verbesserung zu erfolgen hat gilt für das fusionierte Unternehmen der höhere Standard als Basis. In dem anderen Unternehmensteil kann für eine zu bestimmende Übergangszeit zum Beispiel dem Körperschutz

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1

Zusammenspiel von Mensch – Technik – Umwelt

Vorrang gegeben werden. Dies sollte aber, besonders zur juristischen Absicherung mit der Aufsichtsbehörde abgestimmt werden.

1.5.1

Substitution

Primäres Ziel muss es sein, gefährdende Tätigkeiten oder gefährliche Stoffe durch ungefährliche oder minder gefährliche zu ersetzen.

1.5.2

Technische Schutzmaßnahmen

Im vorgenannten Abschnitt wurde der hohe Stellenwert der Mitarbeiter für das Unternehmen verdeutlicht: Sie sind das wertvollste Kapital. Ein weiteres bedeutendes Vermögen des Unternehmens ist die Technik (Abb. 1.6). Dieses Kapital gilt es genauso zu „pflegen und schützen“ wie die Mitarbeiter. Denn nur mit einer zuverlässigen Technik lässt sich sicher produzieren. Eine sichere Technik hat auch die oberste Priorität bei den Schutzmaßnahmen (Abb. 1.7). Von Technik selber sollten keine Gefahren ausgehen. Erst wenn die Sicherheit durch die Technik nicht mehr erreicht werden kann, dürfen andere Maßnahmen greifen. Dies sind die organisatorischen Maßnahmen.

1.5.3 Organisatorische Schutzmaßnahmen Zu den organisatorischen Aufgaben gehört es zunächst die Verantwortlichkeiten eindeutig zu regeln. I

Tipp Jeder im Unternehmen muss wissen wem er was sagen muss und wer ihm was zu sagen hat!

Abb. 1.6 Schutz durch technische Sicherheitsmaßnahmen haben immer Vorrang vor organisatorischen Maßnahmen und Körperschutz. (Bild BAuA)

1.5

Prioritäten von Schutzmaßnahmen

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Abb. 1.7 Die Rangfolge der Prioritäten im Arbeitsschutz gilt auch für den Umweltschutz. (Bild BAuA)

Darüber darf es an keinem Arbeitsplatz Zweifel geben. Die oberste Verantwortung liegt immer beim Unternehmer. Er hat die Sicherheit seiner Mitarbeiter zu garantieren. Die Sicherheit für Dritte, wie Mitarbeiter von Fremdunternehmen hat er hingegen zu organisieren. Man spricht in diesem Zusammenhang von der Verkehrssicherungspflicht. Ab einer gewissen Größe kann der Unternehmer diese Verantwortung nicht mehr alleine tragen. Er muss weitere Führungskräfte mit in die Verantwortung einbeziehen. Er delegiert Teile seiner Verantwortung an seine Mitarbeiter. Den Mitarbeitern mit Führungsverantwortung müssen diese Verantwortlichkeiten klar benannt werden. Dazu ist die Schriftform unerlässlich (Abb. 1.8). Somit gibt es im Unternehmen so viele Führungskräfte, wie es Führungsebenen gibt. Die Abgrenzungen der Führungsebenen haben sowohl nach oben und unten, wie auch zu den Nachbarbereichen zu erfolgen. Nur so lassen sich die Zuständigkeiten klar zuordnen.

Abb. 1.8 Die Organisationsverantwortung des Unternehmers unterscheidet sich in Garantenpflicht und Verkehrssicherungspflicht

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1

Zusammenspiel von Mensch – Technik – Umwelt

Abb. 1.9 Es kann in einem Verantwortungsbereich immer nur eine Person das „Sagen“ haben

I

Tipp Es darf in einem Zuständigkeitsbereich immer nur eine Person die Verantwortung haben, Abb. 1.9.

Dieser Grundsatz gilt besonders auf Baustellen, wo mehrere unterschiedliche Arbeitsgruppen zeitgleich tätig sind (Abb. 1.10). Jede dieser Arbeitsgruppen hat einen verantwortlichen Aufsichtsführenden. Arbeiten mehrere Arbeitsgruppen zusammen, so haben sich die Aufsichtsführenden untereinander zur Vermeidung gegenseitiger Gefährdungen abzustimmen. Für diese Aufgabe ist durch den Auftraggeber ein Koordinator zu benennen. Auf Baustellen ist es vielfach erforderlich, einen hauptamtlichen Koordinator einzusetzen. Dieser Koordinator nach Arbeitsschutzgesetz/BGV A1 ist nicht mit dem Sicherheitskoordinator nach der Betriebssicherheitsverordnung und dem Sicherheits- und Gesundheitsschutzkoordinator nach Baustellenverordnung zu verwechseln (siehe dazu Kap. 7).

Abb. 1.10 Arbeiten mehrere Gruppen gleichzeitig in einem Bereich so müssen die Arbeiten zur Vermeidung gegenseitiger Gefährdungen durch einen Koordinator aufeinander abgestimmt werden

1.6

Partizipatives und ganzheitliches Management von Sicherheit und Gesundheitsschutz

15

Ferner sind die Arbeitsabläufe genau zu planen und zu organisieren. Arbeiten müssen immer in der erforderlichen Zeit und ohne Druck ausgeführt werden können. Wird unter extremen Zeitdruck gearbeitet entsteht Hektik, die oft in Unfällen oder Störfällen endet.

1.6 Partizipatives und ganzheitliches Management von Sicherheit und Gesundheitsschutz Ein Veränderungsprozess, wie der Aufbau eines integrierten Management-Systems, ist immer nur dann effizient und nachhaltig, wenn es gelingt, die Mitarbeiter mitzunehmen. Das bringt eine hohe Identifikation und Motivation. Ebenso fließen alle betrieblichen Erkenntnisse und Erfahrungen der Mitarbeiter unmittelbar in den Prozess ein. Dazu ist eine partizipative Managementstrategie zu wählen. Wegge et al. (2009) beschreiben in einem Beitrag die positiven Effekte der Partizipation:  Förderung des unternehmerischen Denkens der Mitarbeiter,  Förderung höherer Arbeitsmotivation und Entscheidungsgüte,  Förderung wirtschafts- und gesellschaftspolitischer Ziele (Herstellung von Lohn- und Gehaltsgerechtigkeit). Die Weltgesundheitsorganisation (1994) und die Internationale Arbeitsorganisation (2001) empfehlen seit langem, die Beschäftigten in die Gestaltung von Sicherheit, Gesundheit und Wohlbefinden am Arbeitsplatz einzubeziehen. Selbiges leitet sich auch aus den Arbeiten von Haines und Wilson (1998) über die Weiterentwicklung der Gesellschaft hin zu einem Mehr an Mitspracherecht in den Organisationen ab. Hignett et al. (2005) kommt zu ähnlichen Ergebnissen. Malchaire (1999, 2004, 2006, 2007) zeigt in seinen Arbeiten zur partizipativen Managementstrategie SOBANE (Screening, Oberservation, Analysis, Expertise) in ganz hervorragender Weise die Übertragbarkeit des partizipativen Ansatzes gerade auf den Arbeitsschutz. „Partizipation“ im Sinne Malchaires bedeutet dabei nicht nur die „Befragung“ der Mitarbeiter mittels Fragebögen sondern die „direktive, aktive und gleichstellende Zusammenarbeit zwischen Arbeitnehmern und Vorgesetzten bei der Gestaltung des Betriebslebens, wobei hinreichend Informationen und Befugnisse zu erteilen sind, um die Gesundheit, die Sicherheit und das Wohlbefinden des Personals sowie die technische und wirtschaftliche Gesundheit des Unternehmens sicher zu stellen und auf optimalem Niveau zu halten“ (Malchaire 2007). Für den Mitarbeiter bedeutet dies aber auch, dass er die Prävention in erster Linie mitgestalten soll, er steht im Mittelpunkt „seiner“ Prävention und ist nicht „nur“ Zielobjekt. Das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert und vom Projektträger DLR (Arbeitsgestaltung und Dienstleistungen) innerhalb des Förderschwerpunkts „Präventiver Arbeits- und Gesundheitsschutz“ betreute interdisziplinären Forschungs- und Gestaltungsprojekt PARGEMA (Partizipatives Gesundheitsmanagement; www.pargema.

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Zusammenspiel von Mensch – Technik – Umwelt

de, letzter Zugriff Juli 2009) ging in eine vergleichbare Richtung. Ziel war/ist hierbei, die Beschäftigten als Experten ihrer eigenen Gesundheit ernst zu nehmen, sie selbst zu aktiv Beteiligten werden zu lassen. Von entscheidender Bedeutung ist es, das die Partizipation in eine nachhaltige Strategie eingebettet ist, sonst besteht die Gefahr, dass Handlungsressourcen, die durch Partizipation aufgebaut wurden, im täglichen Arbeitshandeln nicht genutzt werden können und vermutlich sogar wieder verloren gehen (Preußner 2003).

1.6.1 Die Mitarbeiter sind zu beteiligen Jedem Mitarbeiter muss bewusst sein, dass arbeitssicherheitsgerechte und gesundheitsbewusste Denkweise vom Vorstand gewollt ist und die Unternehmungsführung dies auch glaubhaft vorlebt. Die Umsetzung dieser Denkweise in die tägliche Arbeit muss jedoch von allen Mitarbeitern vollzogen werden (Abb. 1.11). Dies erhöht insbesondere die Identifikation eines jeden einzelnen Mitarbeiters mit dem Unternehmen und den Präventionsprogrammen.

1.6.2 Motivation Die Mitarbeiterführung und -motivation spielt in jedem Managementsystem eine entscheidende Rolle. So natürlich auch in der Betriebssicherheit. Die Schlüsselworte zur Erreichung der „Sicherheit“ lauten „Arbeitsumgebungsbedingungen“, „Qualifikation“, „Information“, „Kommunikation“ und besonders „Motivation“. Verfügen die Führungskräfte neben ihrer notwendigen Fachkompetenz über die ebenfalls notwendige hohe Sozialkom-

Abb. 1.11 Nur gemeinsam ist das Ziel eines gesunden Unternehmens zu erreichen

1.6

Partizipatives und ganzheitliches Management von Sicherheit und Gesundheitsschutz

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Abb. 1.12 Da Motivation eine Kraft ist, die sich verbraucht, muss sie immer wieder durch motivierende Maßnahmen aufgebaut werden

petenz, so wird es ihnen gelingen, den Mitarbeitern auch bei diesen so genannten weichen Faktoren Vorbild zu sein und sie sicher durch den betrieblichen Alltag zu führen. Umweltschäden, Störfälle, Arbeitsunfälle und Verhaltensfehler sind Ereignisse im Berufsalltag, die in vielen Fällen nicht zufallsbedingt sind. Bei einer Vielzahl dieser Ereignisse lässt sich durch eine Analyse feststellen, dass vor dem Eintreten des Ereignisses teilweise mehrfach die Möglichkeit bestand, dieses zu vermeiden. Oft fehlt es dabei nur an einer positiven Einstellung zum sicheren Arbeiten. Wir Menschen verfügen über eine positive Eigenschaft, die das Leben lebenswert macht: Wir können negative Erfahrungen vergessen oder verdrängen. „Die Zeit heilt alle Wunden“ sagt ein bekanntes altes Sprichwort dazu. Mit Arbeitssicherheit sind in der Regel negative Erfahrungen, wie Unfall, Not, Leid und Tadel verbunden. Ferner hatte schon Maslow (1908–1970) in seinen Werken herausgearbeitet, dass der Mensch kein natürliches Grundbedürfnis für seine eigene Sicherheit hat. Das sind die hauptsächlichen Gründe, warum es uns Menschen schwer fällt, positive Verhaltensweisen nachhaltig zu praktizieren. Das Schlagwort zur Verbesserung der Sicherheitseinstellung heißt Motivation. Wenn es uns gelingt etwas zu machen, das nicht unserem Naturell entspricht, haben wir es geschafft uns dahin gehend zu motivieren. Das fällt uns oft sehr schwer und bedarf einer ständigen Konzentration (Abb. 1.12).

1.6.3 Motivation als Führungsaufgabe Die zentrale Rolle in punkto Motivation fällt den betrieblichen Vorgesetzten zu. Sie werden, ohne es vielfach selbst zu bemerken, ständig durch die Mitarbeiter auf ihr Verhalten hin beobachtet. Die Motivation der Mitarbeiter zum sicheren Verhalten ist demnach im erheblichen Maße eine Führungsaufgabe. Die Einstellung der Unternehmensleitung und aller Führungskräfte ist dabei der entscheidende Faktor. Positive Verhaltensänderungen

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können immer nur mit einer gewissen Sorgfalt und Konsequenz erreicht werden. Die Führungskräfte müssen dabei mit positiven Verhaltensweisen vorangehen. Die Mitarbeiter orientieren sich zwar im starken Maße an dem, was der „Chef“ sagt oder schreibt, aber vielmehr an dem, was er vorlebt (Abb. 1.13)! Eines der wichtigsten Instrumente ist hierbei die Unterweisung. Sie dient nicht nur dazu, die beschäftigten auf die mit ihren Tätigkeiten verbundenen Gefahren hinzuweisen und angemessenen zu informieren, sonder sie ist auch ein hervorragendes Mittel zur Motivation der Mitarbeiter zu einem sicherheits- und gesundheitsgerechten Verhalten (Wittmann und Siegmann 2009). Daher ist es auch nicht ausreichend, die Mitarbeiter alleine durch den Einsatz von elektronischen Medien (CBT D Computer Based Training) zu unterweisen. Diese können die Unterweisung ergänzen, aber keinesfalls die Face-to-face-Unterweisung ersetzen. Darauf weist z. B. die BG Chemie aktuell ausdrücklich hin (Schreiber-Costa 2009). Ebenso stellt der Ausschuss für Gefahrstoffe (AGS) durch eine auf seiner Sitzung am 4./5. Mai 2009 beschlossene Änderung des Kap. 4 „Unterweisung“ der TRGS 555 „Betriebsanweisung und Information der Beschäftigten“ klar, dass trotz des Einsatzes elektronischer Unterweisungsmedien auf eine mündliche Unterweisung nicht verzichtet werden kann und darf. Wichtige Elemente der Motivation sind Lob und Anerkennung, aber auch berechtigter Tadel. Lob und Anerkennung sollten dabei immer überwiegen. Ein Tadel durch einen Vorgesetzten kommt einer offiziellen Mahnung gleich und sollte nur ausgesprochen werden, wenn es sinnvoll und nachvollziehbar begründet werden kann. Als Lob hingegen reicht oft schon eine einfache Kenntnisnahme aus. Direktes Loben und Tadeln muss immer unter vier Augen erfolgen, denn nur so kann Konkurrenzdenken und Schadenfreude vermieden werden. Wird ein einzelner Mitarbeiter vor einer Gruppe gelobt, so fühlen sich alle anderen Gruppenmitglieder als schlecht und getadelt. Sie wurden schließlich nicht gelobt. Das Gleiche gilt für Tadel vor der Gruppe. Hier entsteht vielfach das Solidaritätsverhalten der Gruppe. „Das war doch nicht so schlimm. Dafür hätte er ihn nicht so tadeln müssen. Nächstes Mal bin ich wohl dran.“ Oder im Gegenteil: „Es wurde ja auch höchs-

Abb. 1.13 Führungskräfte werden immer beobachtet. Ihr positives Verhalten sind die wirkungsvollsten Signale im Arbeitsschutz

1.6

Partizipatives und ganzheitliches Management von Sicherheit und Gesundheitsschutz

19

te Zeit, dass er es mal vom Chef gesagt bekommt.“ Soll Lob oder Tadel vor der Gruppe stattfinden, dann ist die gesamte Gruppe zu loben oder zu tadeln. Jedes System funktioniert nur so gut, wie die Mitarbeiter die es leben. Eine der wichtigen Säulen ist daher eindeutig die Mitarbeiterführung. Nicht jeder Mitarbeiter reagiert gleich, jeder hat sein eigenes Profil und erfordert daher einen individuellen Führungsstil. Das situative Führungsmodell von Hersey und Blanchard (1987) setzt am LeadershipQuadranten an und unterscheidet die Führungsstile Unterweisen bzw. Anweisen („Telling“), Verkaufen („Selling“), Beteiligen („Partizipating“) und Delegieren („Delegating“), Abb. 1.14. Als Situationsvariablen werden die Fähigkeit der Mitarbeiter bezüglich der zu realisierenden Aufgabe, d. h. dass Maß an Fachwissen, Fertigkeiten und Erfahrung, sowie die Bereitschaft bzw. Motivation zur Aufgabenrealisierung einbezogen. Ausgehend von dem so bestimmten Entwicklungsstand der Mitarbeiter wird der geeignete Führungsstil bestimmt. Nach Hersey und Blanchard (1987) ist ein lenkender Führungsstill dann effizient, wenn der Mitarbeiter über geringe Fähigkeiten und einer eher gering ausgeprägten Motivation verfügt. Ein delegierender Stil wird von den Autoren dann empfohlen, wenn auf Mitarbeiterseite sehr gut entwickelte Fähigkeiten und eine hohe Motivation vorhanden sind. Hier

Abb. 1.14 Das situative Führungsmodell basierend auf den „Leadership-Quadranten“. (Nach Hersey und Blanchard 1987)

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Zusammenspiel von Mensch – Technik – Umwelt

sollte der Vorgesetzte die Motivation und das Selbstvertrauen stärken und dem Mitarbeiter helfen, eigene Lösungen zu entwickeln.

1.6.4 Führung und Partizipation bei Präventionsprojekten Gerade bei der Ein- und Durchführung von Gesundheitsprojekten hängt der Erfolg in entscheidendem Maße von der Unterstützung des Top-Managements ab. Durch mangelnde Einbeziehung und fehlende Information durch das Top-Management wird das mittlere Management verunsichert und es entwickelt Skepsis gegen das Projekt, die sich auf die Mitarbeiter überträgt. Die Arbeit von Preußner (2003) zeigt deutlich, dass sich das erlebte Verhalten des Managements als Indikator für das Vertrauen in Präventionsmaßnahmen erweist. Vermutlich entsteht dort, wo eine Präventionsmaßnahme z. B. im Rahmen einer Gesundheitsförderungsinitiative erstmalig eingeführt wird, Vertrauen vor allem dadurch, dass die geplanten Maßnahmen vom Management getragen werden. Dies würde aus Sicht der Beschäftigten im Wesentlichen dadurch erzeugt werden, dass sich Entscheidungsträger aller Ebenen selbst mit dem notwendigen Engagement auf ein solches Vorhaben einlassen. Aus betrieblicher Sicht sollte demzufolge zunächst das gesamte Management z. B. an einer Maßnahme der Gesundheitsförderung beteiligt werden, bevor auf der Ebene der Beschäftigten z. B. Gesundheitszirkel stattfinden. Dadurch können Widerstände im mittleren Management abgebaut werden, welches eine wesentliche Voraussetzung für die Beteiligung der Beschäftigten ist. Der Wandel zu einer gesundheitsförderlichen Arbeitsgestaltung kann nicht von kurzfristiger Natur sein. Die Bereitschaft, tatsächlich die Verhältnisse zu verändern und dafür auch investive Maßnahmen vorzunehmen, sollte bei der Geschäftsleitung vorhanden sein. Es ist daher von entscheidender Bedeutung, dass gerade Maßnahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung in ein betriebliches Gesundheitsmanagement eingebettet werden. Beschäftigte werden von betrieblichen Präventionsprojekten zum Gesundheitsschutz nur dann profitieren, wenn sie langfristig angelegt sind, d. h. dass sie erst nach langjähriger konsequenter Umsetzung die gewünschten Erfolge zeigen können. Die wesentlichen Voraussetzungen ihrer Wirksamkeit werden vor allem in der Institutionalisierung ihrer Aufgaben gesehen, die beispielsweise durch eine feste Zuweisung von Personal und Budget gewährleistet wird (Badura 1999), Abb. 1.15. Ist dies nicht der Fall, verpufft die Beteiligung der Belegschaft zu einem Alibivorhaben, welches mehr Schaden als Nutzen bringt. Gerade bei den bereits gesundheitlich beeinträchtigten Beschäftigten wirken sich fehlende Verbesserungen am Arbeitsplatz kritisch aus. Zum einen bleiben die gesundheitlichen Risiken bestehen und zum anderen wurde gelernt, dass sich Beteiligung nicht lohnt. Die z. B. von der Zirkelarbeit enttäuschten Beschäftigten könnten sich zurückziehen und würden vermutlich nur noch schwer für weitere Aktivitäten zu mobilisieren sein. Dass missglückte Partizipation den Kreis der „Verweigerer“ und Inaktiven erhöht, wurde auch in anderen Arbeiten erläutert (Wehner und Endres 1997).

1.6

Partizipatives und ganzheitliches Management von Sicherheit und Gesundheitsschutz

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Abb. 1.15 Förderungsmodell der Arbeitsfähigkeit nach Illmarinen mit den vier Handlungsfelder der Prävention. (Modifiziert nach Tempel und Giesert 2005, Abdruck mit freundlicher Genehmigung von Tempel)

1.6.5 Einfluss der Führung auf die Arbeitsfähigkeit Ilmarinen und Tempel (2002) geben vier „Handlungsfelder“ zum Erhalt bzw. zur Verbesserung der Arbeitsfähigkeit an. So sind Präventionsmaßnahmen möglich in Bezug auf    

die individuelle Gesundheit, den Arbeitsinhalt und die Arbeitsumgebung, Aspekte der Arbeitsorganisation und Führung sowie die professionelle Kompetenz des Arbeitnehmers.

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1

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Auf diesen Feldern sollte interveniert werden, um die Arbeitsfähigkeit zu erhöhen. Nachhaltige Erfolge zur Erhöhung der Arbeitsfähigkeit werden nach Ilmarinen & Tuomi vor allem dann erzielt, wenn die Präventionsansätze „multidimensional“ sind, d. h. wenn gleichzeitig auf mehreren der vier Handlungsfelder interveniert wird. Eine kompetente Führungsorganisation, die ihre Aufgaben verantwortungsvoll wahrnimmt, und eine gute Personalentwicklung sind wesentliche Faktoren, um eine gesundheitsförderliche Arbeitskultur im Betrieb zu schaffen. Die unmittelbaren Vorgesetzten haben den größten Einfluss auf einen solchen Prozess zur Förderung und Aufrechterhaltung der Arbeitsfähigkeit im Unternehmen. Die Bedeutung dieser Fragen drückt sich auch darin aus, dass in dem Steuerkreis eines Präventionsprojektes grundsätzlich die Geschäftsführung persönlich oder wenigstens der Betriebssicherheitsmanager vertreten sein muss (Tempel und Giesert 2005). Dies erlangt vor dem Hintergrund des demografischen Wandels immer mehr Bedeutung. Richenhagen und Meyer-Falcke (2005) zitieren eine über 10 Jahre laufende Längsschnittstudie Studie von Tuomi und Ilmarinen (1999) die zeigt, dass erst eine Kombination aus Maßnahmen verschiedener Handlungsfelder auch mittelfristig noch wirksam ist. Ohne geeignete betriebliche Maßnahmen zum demografischen Wandel nahm die Arbeitsfähigkeit im untersuchten Kollektiv mit steigendem Alter im Regelfall ab (siehe Abb. 1.16, schwarze Kurve). Durch Maßnahmen der verhaltensbezogenen Gesundheitsförderung konnte sie immerhin für einige Jahre gesteigert werden, fiel dann aber ab, da die Nachhaltigkeit fehlte (graue Kurve). Erst durch eine Kombination von Fitnessprogrammen, ergonomischen Verbesserungen und angemessenem Führungsverhalten ließ sich die Arbeitsfähigkeit bis weit über das 60. Lebensjahr auf das gleiche Niveau bringen, das die Beschäftigten im Alter von 45 hatten (weiße Kurve).

Abb. 1.16 Arbeitsfähigkeit in Abhängigkeit vom Alter bei unterschiedlichen betrieblichen Interventionsmaßnahmen (Arbeitsfähigkeit ermittelt durch Interviews; Punkteskala von 7 D schlecht bis 49 D sehr gut). (Prinzipdarstellung nach Tuomi und Ilmarinen 1999)

1.6

Partizipatives und ganzheitliches Management von Sicherheit und Gesundheitsschutz 23

1.6.6 Die Lösung liegt im ganzheitlichen Management Der traditionelle vorschriftenorientierte Ansatz hilft im modernen Arbeitsschutz nicht weiter. Ein auf ganzheitliche Prävention ausgerichtetes, zukunftsfähiges Arbeitsschutzverständnis geht vom Wertschöpfungsprozess aus und belegt den Nutzen der präventiven Maßnahmen für den gesamten Wertschöpfungsprozess. Ein modernes systemischevolutionäres Management-System wie das Betriebssicherheitsmanagement-System verfolgt einen ganzheitlichen Ansatz und erfüllt die zeitgemäße Forderung nach einem optimal strukturierten Vorgehen sowie vernetztem Wirken. Es bildet den Bezugsrahmen für das Verhalten der Mitarbeiter und maximiert die Lebensfähigkeit des Unternehmens. Es schafft Rechtssicherheit und ist ein nicht zu unterschätzender Wirtschaftsfaktor. Das Betriebssicherheitsmanagement-System ersetzt keine vorhandenen Managementsysteme. Es ist ein operatives Instrument zur Bündelung und Vernetzung vorhandener Systeme, um Synergien optimal zu nutzen und Effizienzsteigerungen zu erwirken. Die monetäre Quantifizierung von Effekten des betrieblichen Arbeitsschutzes ist problematisch, da gesundheitsrelevante Auswirkungen oft kaum abschätzbar sind und der monetäre Effekt nicht unmittelbar erkennbar ist. Die Ergebnisse in den Studien hierzu sind teils konsistent, teils aber auch sehr heterogen, was eine Verallgemeinerung deutlich erschwert. Dennoch wurden, parallel zu den medizinischen Untersuchungen und Tests, auf internationaler Ebene bereits Überlegungen zu den finanziellen Auswirkungen gemacht, die primär auf die aus Absentismus entstehenden Kosten und den direkten Krankheitskosten aufbauen. Der ROI (Return on Invest) von vielen Maßnahmen des modernen Arbeits- und Gesundheitsschutzes konnte in Studien bereits belegt werden (Helmenstein et al. 2004; Sockoll et al. 2008; Niehaus 2008; usw.). Auch die aktuelle Studie von Bräunig Ende 2008 bestätigte dies. Wer diese Effekte nutzen will, kommt um ein zeitgemäßes Management wie das Betriebsmanagement nicht herum (Abb. 1.17). Das Arbeitsschutzgesetz bietet mit seinen erweiterten Anforderungen zukunftsorientierten Unternehmen die Chance, einen dynamisierten und ganzheitlichen Arbeits- und Gesundheitsschutz als Katalysator für eine effiziente Personalstrategie und -arbeit zu nutzen und in betriebliche Prozesse zu integrieren. Maßgeblich für die Wettbewerbs- und Leistungsfähigkeit des Unternehmens sind neben Gesundheitsschutz, Gesundheitserhalt und Gesundheitsförderung auch sicheres Arbeiten, entwicklungsfähige Qualifikationen, breite Kompetenzen und starke Motivation der Mitarbeiter. Auch hat die Gesamtheit aller wirtschaftlichen und haftungsrechtlichen Verantwortungen eines Unternehmens sowie die Einhaltung gesetzlicher Vorschriften und Auflagen inzwischen eine so hohe Komplexität erfahren, dass es den Führungskräften immer schwerer fällt notwendige Entscheidungen zu erkennen und zu treffen. Die in den letzten Jahren vollzogenen Anpassungen von Unternehmen an neue Marktsituationen mit ihren immer kürzeren Veränderungszyklen gingen vielfach einher mit tief greifenden organisatorischen Neuausrichtungen. Ganze Konzerne wurden umgebaut, Hierarchieebenen wurden abgebaut, Personal wurde reduziert, umgesetzt und mit teilweise gänzlich neuen Aufgaben

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Zusammenspiel von Mensch – Technik – Umwelt

Abb. 1.17 Forderungen an ein Präventionsprojekt. (Tenckhoff und Siegmann 2009a)

betraut. Modernes Management wird eine wichtige Rolle spielen für die Compliance des Unternehmens. Mit der Einführung von (Teil-)Managementsystemen wie Qualitäts-, Umwelt- und Arbeitsschutzmanagementsystemen wurde den Unternehmen Werkzeuge in die Hand gegeben, die Umsetzung zentraler Themen mit formalisierten Systemen in die Unternehmensführung aufzunehmen. Hierfür sprechen viele gute Gründe, aber es birgt sich darin auch ein nicht unerhebliches Gefahrenpotenzial:  Mit Teilmanagementsystemen laufen die Unternehmen Gefahr, das zentrale Ziel eines Führungssystems – die ganzheitliche Führung eines Unternehmens – nicht zu erreichen,  es gibt thematische Überschneidungen zwischen den Managementsystemen, so stellen sie z. B. alle Anforderungen an Schulungen; stellen Qualität, Umweltschutz und Arbeitssicherheit Anforderungen an die Beschaffung; kümmern sich Umweltschutz und Arbeitssicherheit um Gefahrstoffe etc., so dass es zu Doppelarbeit und im schlimmsten Fall sogar zu widersprüchlichen Regelungen kommen kann. Als Lösung bietet sich an, die Managementsysteme nicht getrennt voneinander und vom restlichen Führungssystem des Unternehmens aufzubauen, sondern als integriertes Managementsystem. Die Haftungsrisiken für Geschäftsführer und deren Führungskräfte wurden durch das „Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich“ (KonTraG) erheblich erweitert. Das Risiko, im Unternehmen gegen Unternehmenspflichten zu verstoßen, da-

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Information und Kommunikation

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durch Schäden zu verursachen und für diese Schäden zu haften, muss durch besondere organisatorische Maßnahmen vermieden werden. Durch eine wirkungsvolle Vernetzung der Managementsysteme lassen sich auch die Risiken von Verstößen gegen Unternehmenspflichten und die dadurch ausgelösten Haftungsrisiken systematisch erfassen und vermeiden. Wenn man alle Gesetze studieren wollte, hätte man gar keine Zeit, sie zu übertreten (Johann Wolfgang von Goethe (1794–1832)).

Die zahlreichen Veränderungen in den Anforderungen an die Betriebe haben auch vor den Querschnittsorganisationen, wie der Arbeitssicherheit, dem Umweltschutz, dem Datenschutz und weiteren Sicherheits- und Gesundheitsbereichen nicht halt gemacht. Auch hier hat vielerorts eine Optimierung und Bündelung stattgefunden. Die Systematisierung und Bündelung von Managementsystemen zur Beherrschung der gesamten unternehmerischen Risiken ist dazu vielfach in einem modernen zukunftsorientierten Betriebssicherheitsmanagement-System zusammen geführt worden.

1.7 Information und Kommunikation Alle im vorgenannten Abschnitt angesprochenen Qualifizierungen sind als die so genannten Basisqualifikationen zu sehen die als Grundlage für ein sicheres und motiviertes Wirken im Unternehmen gelten. Sie sind ein bedeutender Bestandteil der Personalentwicklung. Die eigentliche unternehmerische Personalentwicklung, das heißt, das nachhaltige Aufbauen der gesamten Belegschaft zu reifen und mündigen „Betrieblichen Persönlichkeiten“ zu werden findet jedoch bei der Arbeitsausführung und der Arbeitsgestaltung statt. Die Schlüsselworte dazu lauten Information und Kommunikation. I

Tipp Durch Information und Kommunikation werden Mitarbeiter zu reifen und mündigen „betrieblichen Persönlichkeiten“ entwickelt!

Diese hohe Bedeutung der Information und Kommunikation für die Motivation der Mitarbeiter und damit die Effizienz und Qualität der Arbeit ist auch heute noch vielfach Führungskräften nicht bewusst. Mitarbeiter wollen sich mit:      

ihrer Arbeit ihrem Arbeitsergebnis ihren Arbeitsplatz ihrer Arbeitsumgebung ihren Arbeitskollegen ihrem Arbeitgeber

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im vollen Umfang identifizieren. Die Arbeit ist ein bedeutender Bestandteil unseres Lebens und unserer Persönlichkeit. Menschen wollen mit Stolz über ihre Arbeit berichten. Dazu gehört es, dass sie über ihre Arbeit und die gesamten betrieblichen Geschehnisse bestens informiert sind. Findet „keine“ Information und Kommunikation mit dem Unternehmer und den Führungskräften zu den unternehmerischen Gegebenheiten statt, werden Gerüchte und Spekulationen genährt. Die Mitarbeiter werden verunsichert und beschäftigen sich mehr mit sich selber als mit ihrer Arbeit. Das Ergebnis sind ein Rückgang der Motivation und Qualitätsverluste. Unternehmer, die jede erdenkliche Möglichkeit der Information und eine stets offene Kommunikation fördern, haben die Gerüchteküche geschlossen und somit systematische Zeitverschwendung verhindert. Eine gute Information ist schnell gelesen, über ein Gerücht wird hingegen lange gesprochen. Kommunikation darf sich nicht nur auf die fachlichen Dinge beschränken. Es muss auch Raum für eine zwischenmenschliche Kommunikation sein; jedoch alles zu seiner Zeit. Eine gute Möglichkeit der Information ist dem Unternehmer durch die Werkszeitschriften geboten. Da die Inhalte der Zeitschrift an die Mitarbeiter gerichtet sind und nicht an die Kunden, sollten die Artikel auch sehr nahe an den Informationsbedürfnissen der Belegschaft sein. Sie sind stolz, wenn sie sich oder ihren Kollegen darin wieder finden. Die Texte müssen dazu in ihrer Sprache verfasst sein und durch Fotos von den Arbeitsplätzen ergänzt werden. Mit hochglanzpolierten Texten und gekauften Fotos fliegt man über die Köpfe der Belegschaft hinweg und erreicht die Mitarbeiter nie. Einfach und gut verständlich ist besser. Ein Interview mit einem Mitarbeiter an seinem Arbeitsplatz kommt besser an, als ein hochglanzpolierter Fachbeitrag. Natürlich müssen Unternehmer und Führungskräfte die Werkszeitschrift zu einem gewissen Teil auch für ihre Informationen an die Mitarbeiter nutzen. Das gilt auch für das Betriebssicherheitsmanagement. Das „muss“ in jeder Ausgabe mit einer ansprechenden Information vertreten sein. Selbst in kleinen oder mittleren Unternehmen lassen sich kleine Schriften ein- bis zweimal im Jahr erstellen. Mit der Werkszeitschrift wird den Mitarbeitern die Möglichkeit geboten, ihre Familien und Freunde über ihre Arbeit zu informieren.

1.8 Moderierte Teamarbeit Gemeinsam sind wir stark. Mit der Devise sind viele Unternehmen in den zurückliegenden Jahren von den traditionellen hierarchischen Führungsstilen abgegangen und haben zur moderierten Teamarbeit gewechselt. Dabei ist Teamarbeit als solches nichts Neues. Bereits Henry Ford hat um 1900 erkannt, dass die Produktion von Autos im Team effizienten und gewinnbringender erfolgt. Ford führte damit auch gleichsam als erster Unternehmer die Fließbandarbeit ein. Ein bewährtes Produktionssystem, dass sich sehr schnell weltweit durchsetzte um den ständig steigenden Bedarf an Produkten zu decken. In den folgenden Jahren galt es, die Teamarbeit weiter zu entwickeln.

1.8

Moderierte Teamarbeit

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Welche Vor- und Nachteile Teamarbeit in sich bergen, konnte schon früh an den Beispielen Toyota und Volvo erkannt werden. Toyota setzte bei der Produktion auf eine konsequent geführte hierarchische Teamarbeit. Die Teammitglieder erhielten ihre Anweisungen vom Management und hatten diesen zu folgen. Eingebrachte Vorschläge zur Verbesserung der Abläufe seitens des Teams fanden kaum Berücksichtigung. Das Team produzierte lediglich entsprechend der Vorgaben gemeinsam das Auto. Volvo hingegen setzte auf eine völlig neue Form der Partizipation bei der Teamarbeit. Das Unternehmen überlies es dem Team zu entscheiden, wann und wie sie das Auto produzieren. Die Ergebnisse waren dadurch sehr stark von der Geschlossenheit und Einstellung des jeweiligen Teams abhängig. Die Qualität und Quantität der Produktion viel in den einzelnen Team demzufolge unterschiedlich aus. Beide Formen der Teamarbeit erhöhten zwar die Produktion, brachten aber nicht den gewünschten langfristigen Erfolg. Sie waren aber der Beginn eines Prozesses zu Weiterentwicklung einer hocheffizienten Teamarbeit. Bei der Teamarbeit darf nichts dem Zufall überlassen werden. Ein Team ist nur so stark wie seine Mitglieder. Auch bei der Teamarbeit gilt, die richtige Person mit der richtigen Qualifikation zur richtigen Zeit an der richtigen Stelle. Darüber hinaus ist die offene positive Einstellung aller Mitglieder zur Teamarbeit unerlässlich. In den achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts wurde mehr und mehr erkannt, dass eine moderierte Teamarbeit gleichsam ein probates Instrument ist um betriebliche Prozesse und Abläufe optimal zu gestalten. Ein Team wird dann gebildet, wenn eine komplexe Aufgabenstellung oder ein komplexes Verhalten eine interdisziplinäre Zusammenarbeit erfordert. Teams werden dabei für unterschiedliche Zielsetzungen mit unterschiedlich zeitlicher Dauer gebildet. In diesem Sinne ist ein Team eine Gruppe von Mitarbeitern, die für einen ganzen, geschlossenen Prozessschritt verantwortlich ist und die das Ergebnis ihrer Arbeit als Produkt oder Dienstleistung an einen internen oder externen Empfänger liefert. Bei der Teambildung sollte Fachkompetenz nicht das einzige Kriterium sein. Darüber hinaus sollte analysiert werden, inwieweit die Chemie zwischen Vorgesetztem und Mitarbeiter untereinander stimmt. Somit können persönliche Unverträglichkeiten reduziert werden. Bei funktionierenden Teams sind Umbesetzungen denkbar und eine weitere erfolgreiche Teamarbeit möglich (Abb. 1.18). Folgende Kriterien machen ein Team stark:        

Hohe Motivation der Teammitglieder und oberen Führungskräfte Gegenseitige und teamübergreifende Anerkennung Fähigkeiten und Talente optimal nutzen Ideen willkommen heißen und einfordern Klare Aufgabenverteilung im Team Führung durch den Teamleiter Gegenseitiges Vertrauen im Team und durch das Management Offene und sachliche Kommunikation

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Abb. 1.18 Jeder muss seine Erfahrungen einbringen. Durch Teamarbeit werden Kompetenzen ganzheitlich genutzt

 Kein eigennütziges Handeln innerhalb des Teams  Gegenseitige Unterstützung aller Beteiligten Bei richtiger Vorbereitung und Durchführung führt dies zu einem gänzlich neuen Miteinander und damit neuen Unternehmenskultur. Der Vorgesetzte gibt nicht mehr nur seine Anweisungen, sondern bespricht die Arbeiten mit seinem Team und führt eine gemeinsame Lösung herbei. Das kann er aber nur, wenn er die Moderationstechnik auch erlernt hat. Ein Team braucht Führung, das ist keine Frage. Die Art der Führung eines Teams muss allerdings erlernt werden. Das Schwierigste für den Vorgesetzten bei den Teamgesprächen ist es, sich zurück zu nehmen und überwiegend zu lenken und anzuregen. Bei ihm laufen die Fäden zusammen und er steuert geschickt die Gespräche. Ebenso sorgt er dafür, dass die Gespräche nicht ausufern und sachlich auf den Punkt gebracht werden. Ein schlecht zusammengesetztes Team kann hingegen nicht zielführend tätig werden. Es gilt, die „Fünf Todsünder der Teamarbeit“ schon bei der Auswahl der Teammitglieder zu vermeiden. Die fünf Todsünder der Teamarbeit lauten:     

Gegenseitiges Misstrauen unter den Teammitgliedern Unzureichende Kommunikation im Team und mit weiteren Betroffenen Überheblichkeit des Teams oder einzelner Mitglieder Sorglosigkeit bei der Durchführung der Aufgabe Missachtung eigenen Regel einschließlich unternehmerischer Vorgaben

Zeitgemäße agierende und zukunftsorientierte Unternehmen wissen um die Stärke ihrer Mitarbeiter und fördern eine Teamorientierte Unternehmenskultur über alle hierarchischen Ebenen. Die Entwicklung und Förderung dieser Kultur ist ein ständiger Prozess, der regelmäßig zu hinterfragen und zu aktualisieren ist.

1.8

Moderierte Teamarbeit

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Die moderierte Teamarbeit ist auch ein wertvolles Instrument für ein effizientes Wissensmanagement. Sind umfangreichere Vorschläge zu bearbeiten oder kleinere Prozesse zu gestalten, so bietet sich dazu immer die Teamarbeit an. Solche Teams, die in der Regel nur für eine kurze Zeit zusammen kommen, müssen sich selber zusammenstellen dürfen. Dies ist die Aufgabe des Teamleiters, der natürlich ebenfalls in Moderationstechnik geschult wurde. Beispiel Orpheus

Das Orpheus Chamber Orchestra ist ein sehr erfolgreiches und erstaunliches Unternehmen, denn es arbeitet ohne Dirigenten. In sogenannten „process demonstrations“ haben Fach- und Führungskräfte die Möglichkeit, während einer Orchesterprobe zu beobachten, wie Selbstmanagement gelebt wird. Was ist das Geheimrezept und was können Wirtschaftsunternehmen von einem Orchester lernen? Der Geschäftsführer des Orchesters stand Rede und Antwort. Was unterscheidet das Orpheus Chamber Orchestra von anderen, traditionellen Orchestern? Das Orpheus Chamber Orchestra hat keinen Dirigenten oder, um es mit anderen Worten zu sagen, es hat nicht eine, sondern viele Führungskräfte. In den meisten Orchestern entscheidet der Dirigent nicht nur, welche Musik gespielt wird, sondern auch, wie diese gespielt wird. Wie bei einem autokratischen Manager wird von Orchestermusikern erwartet, dass sie den Anweisungen des Dirigenten strikt folgen. Statt der traditionellen festen Führungsposition des Dirigenten hat das Orpheus Orchester ein einzigartiges System kollaborativer Führung entwickelt, in dem jedes Mitglied an Führungspositionen teilhat, entweder indem man als Konzertmeister die Gruppe in Proben und Aufführungen oder indem man eines der vielen verschiedenen formellen und informellen Teams leitet. Ohne einen Dirigenten als Filter sind die Mitglieder ungewöhnlich empfindlich für die Bedürfnisse der Organisation. Das Ergebnis sind bessere Produkte und zufriedenere Mitarbeiter als in vielen traditionellen Orchestern. Sie nennen das System, nach dem das Orchester arbeitet, „Orpheus Prozess“. Was heißt das genau? Der Orpheus Prozess basiert auf bestimmten Prinzipien. Zum Beispiel: Gib denen Verantwortung zum Selbstmanagement und Macht, die die Arbeit tatsächlich machen. Manager und Führungskräfte haben diesen allgemeinen Refrain sehr oft in den letzten Jahren gehört. Aber die Realität ist eine andere, es wird sich häufig damit schwer getan, Machtbefugnisse an Mitarbeiter abzutreten. Die Musiker in unserem Orchester entscheiden jedoch tatsächlich selbst, wer die Gruppe leiten wird oder wie ein bestimmtes Musikstück gespielt werden soll. Ein anderes Beispiel ist das Konsensprinzip. In vielen Organisationen werden die wichtigsten Entscheidungen vom Top-Management gefällt in der Regel ohne Input von Linienarbeitern. Bei Orpheus ist das nicht so. Wir versuchen, kreative Systeme zu entwickeln, die Konsens begünstigen. Unsere Musiker müssen bereit sein, der Sichtweise anderer zuzuhören und Kompromisse einzugehen.

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Zusammenspiel von Mensch – Technik – Umwelt

1.9 Präventiver Arbeits- und Gesundheitsschutz Das Wörterbuch „Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz“ aus dem Jahr 2000 definiert: „Prävention ist Vorsorge und Schutz vor Ereignissen, die das Individuum oder eine Gemeinschaft von Menschen existenziell bedrohen und gefährden können, z. B. Krankheiten, Katastrophen, Unfälle, Verbrechen“. Grundsätzlich lassen sich defensive Prävention und aktive Prävention unterscheiden. Die defensive Prävention richtet sich auf Vorkehrungen, um die Folgen von Schadensfällen zu begrenzen. Dazu gehören neben dem Rettungswesen und der ersten Hilfe auch alle Arten von Schutzausrüstungen, wie z. B. der Airbag in einem Auto, der den Aufprall nach einem Auffahrunfall auffängt. Die defensive Prävention ist in diesem Sinne eng mit der Rehabilitation verknüpft. Im Unterschied dazu ist die aktive Prävention darauf ausgerichtet, mögliche Not- und Gefahrensituationen schon im Vorfeld auszuschließen. Ein Bespiel dafür ist das Verbot giftiger Substanzen in Baustoffen. Für die Psychologie der Arbeitssicherheit und des Gesundheitsschutzes steht vor allem die aktive Prävention im Vordergrund. Sie verlangt, dass die Ergebnisse bedingungs- und systemorientierter Analysen der Arbeitsaufgaben und Anforderungen, insbesondere der Wechselwirkungen im Arbeitssystem, frühzeitig in Maßnahmen umgesetzt werden, um die Unfall- und Gesundheitsgefahren, aber auch umweltrelevante Risiken, schon vor ihrem Auftreten zu verhindern. Präventive Maßnahmen können auf verschiedenen Ebenen angesiedelt sein. Sie können sich auf die Abwehr einer unmittelbaren Gefahr oder auch auf die Vermeidung langfristiger Gesundheitsprobleme durch langfristige Überlastung und Stress beziehen. 1. Einsatz von Sicherheitstechnik zur Eliminierung bzw. Abkapselung von Gefahr 2. ergonomische Gestaltung der Arbeitsplätze und -geräte zur Erhöhung der Zuverlässigkeit und Vermeidung langfristiger Schäden 3. Arbeitsstrukturierung und Arbeitsorganisation sowie Schaffung gesundheitsförderlicher Arbeitsinhalte und -bedingungen, wozu auch umfassende Managementkonzepte und Sicherheitszirkel gehören 4. optimale Motivierung und Qualifikation der Akteure und Schaffung einer angemessenen Sicherheitskompetenz, vor allem an Arbeitsplätzen mit einem hohen Risikopotential. Die dafür nötigen präventiv orientierten Analysen stützen sich auf Erfahrung und Gefährdungsermittlungen, die auf rückwirkend durchgeführten Unfall- und Störfallanalysen beruhen bzw. auf Auswertungen zu Unfallhäufigkeiten, Gefahren, und Erkrankungen. Entwicklung eines präventiven Arbeits- und Gesundheitsschutzes – Beispiel –

Am Beispiel der Versorgungswirtschaft soll der hohe Stellenwert der Prävention verdeutlicht werden. Unfällen, Störfällen, Krisen und Umweltschäden zuvor zukommen und nicht erst tätig zu werden wenn der Schadensfall eingetreten ist, muss eine zeitgemäße Aufgabenstellung jeglicher Sicherheitsarbeit sein. Präventives Handeln bringt

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Präventiver Arbeits- und Gesundheitsschutz

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dem Unternehmen erhebliche wirtschaftliche Vorteile. Sein Image steigt, sowohl bei den Kunden als auch bei den Behörden und in der Öffentlichkeit. Das nachstehende Präventionsprojekt ist vom Autor über Jahre als damaliger Leiter des Betriebssicherheitsmanagements entwickelt worden. Generell hat sich zu der Zeit der Präventionsgedanke schnell ausgebreitet. Inzwischen hat er viele Facetten angenommen und ist Grundlage der meisten Managementsysteme geworden. Das verdeutlicht, wie es den Sicherheits- und Umweltexperten gelungen ist, sich den neuen Herausforderungen anzupassen. Dieser Prozess wird sich in den nächsten Jahren mit steigender Geschwindigkeit fortsetzen. Deshalb werden künftig verstärkt präventiv denkende und vernetzt handelnde Betriebssicherheitsmanager benötigt. Präventiver Arbeits- und Gesundheitsschutz: Betrieblicher Luxusartikel oder strategisches Unternehmensziel? Diese Frage galt es zu beantworten und überzeugend der Geschäftsleitung darzulegen. Besonders Finanzvorstände mussten erkennen, dass Investitionen in die Sicherheit und Gesundheit der Mitarbeiter eine „Geld zurück Garantie“ bedeuteten. Die Versorgungsunternehmen befinden sich seit Jahren in einem Prozess struktureller Veränderungen zur Anpassung zunächst an die liberalisierten Strommärkte und nahtlos übergehend an die Energiewende. Im Zuge dieses Prozesses mussten und müssen weiterhin in allen Bereichen der Unternehmen enorme Kosten eingespart werden. Die Energieversorger in Deutschland sind damit vor völlig neuen Herausforderungen gestellt worden. Alle Unternehmen befinden sich seit dieser Zeit in einem permanenten Prozess struktureller Veränderungen zur Anpassung. Auch die Personalstrategie der Unternehmen ist davon einschneidend betroffen. Die Personalpolitik musste sich bei deutlich sinkenden Mitarbeiterzahlen umfassend auf die künftigen Herausforderungen einstellen. Dazu sind zukunftsorientierte und beschäftigungssichernde Konzepte entwickelt worden. Bei vielen Unternehmen wurde dabei ein Präventionsprogramm als Kernstück zukünftiger Tätigkeiten in Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz begriffen. EU-Rahmenrichtlinie „Arbeitsschutz“ Mit der Umsetzung der Europäischen Rahmenrichtlinie in das deutsche Arbeitsschutzgesetz wurden die Anforderungen an den Arbeits- und Gesundheitsschutz zusammenfassend und breiter formuliert. Das Gesetz lässt den Unternehmen einen großen Handlungs- und Entscheidungsspielraum. Insbesondere die Prävention nimmt damit einen zentralen Platz in der Arbeit der Arbeitssicherheits- und Gesundheitsschutzexperten ein. Das Arbeitsschutzgesetz bietet mit seinen erweiterten Anforderungen zukunftsorientierten Unternehmen die Chance, einen dynamisierten und ganzheitlichen Arbeitsund Gesundheitsschutz als Katalysator für eine effiziente Personalstrategie und -ar-

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beit zu nutzen und in betriebliche Prozesse zu integrieren. Maßgeblich für die Wettbewerbs- und Leistungsfähigkeit des Unternehmens sind neben Gesundheitsschutz, Gesundheitserhalt und Gesundheitsförderung auch sicheres Arbeiten, entwicklungsfähige Qualifikationen, breite Kompetenzen und starke Motivation der Mitarbeiter. Unternehmer haben erkannt, dass Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz eine gute Möglichkeit bieten, die Motivation und Leistungsfähigkeit der Beschäftigten zu steigern und somit Kosten einzusparen. Es wurde das Ziel verfolgt, die neuen Dimensionen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes als positive Gestaltungselemente der künftigen Unternehmens- und Personalstrategie aufzugreifen und entsprechend betrieblich zu gestalten. Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz spielen somit eine maßgebliche Rolle in der Unternehmensstrategie und bildeten einen bedeutenden Eckpfeiler der Personalentwicklung. Die Qualität von Produkten und Dienstleistungen ist in Zukunft neben dem Preis als der wichtigste Faktor im Wettbewerb zu sehen. Diese Qualität wird nicht nur allein durch die Technik beeinflusst, sondern insbesondere durch den Menschen, seine Arbeitsleistung und sein Arbeitsverhalten. Ein hoher Qualitätsanspruch verlangt einen hohen Standard in der Arbeitssicherheit und im Gesundheitsschutz. Um diesen geforderten Qualitätsanspruch bei deutlich reduziertem Personalbestand erfüllen zu können, muss die Gesundheit und das Kreativitäts- und Innovationspotential der Beschäftigten gefördert werden. Konzept und Einführung eines betriebsspezifischen Präventionsprogramms – Beispiel –

Das Konzept ist schrittweise entwickelt und umgesetzt worden. Im Vordergrund stand bei der Umsetzung dass ein aktives Mitwirken der Geschäftsleitung eingefordert und alle Mitarbeiter zur effizienten Gestaltung angehalten wurden. Jedem Mitarbeiter muss bewusst sein, dass arbeitssicherheitsgerechte Denkweise vom Vorstand gewollt ist und die Unternehmungsführung dies auch glaubhaft vorlebt. Die Umsetzung dieser Denkweise in die tägliche Arbeit muss jedoch von allen Mitarbeitern vollzogen werden (Abb. 1.19). Dies erhöht insbesondere die Identifikation eines jeden einzelnen Mitarbeiters mit dem Unternehmen und dem Präventionsprogramm. Das Präventionsprogramm mit dem Namen „AGM 2000 plus“ ist in ein ganzheitliches Betriebssicherheitsmanagementsystem eingebunden (Abb. 1.20). In diesem Managementsystem sind Arbeitsschützer und Betriebsärzte gleichberechtigte Partner. Die Fachkräfte für Arbeitssicherheit und die Betriebsärzte nehmen ihre jeweiligen fachspezifischen, sicherheitstechnischen oder medizinischen Aufgaben in jeweils eigener Verantwortung wahr. Sie arbeiten jedoch teamförmig an allen Aufgaben im Unternehmen mit bei denen ihre jeweilige Qualifikation und Kompetenz benötigt wird. Der Unterschied dieses Präventionsprogramms zu anderen Präventionsprogrammen besteht erstens in der „Richtung“ aus der es beeinflusst wird. Zweitens sind die meisten anderen Systeme umfassend und befassen sich vor allem mit den Organisationspflichten des Unternehmens. Im Gegensatz dazu bekommt das Präventionsprogramm die wichtigsten Impulse von den Mitarbeitern.

1.9

Präventiver Arbeits- und Gesundheitsschutz

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Abb. 1.19 Nur gemeinsam ist das Ziel eines gesunden Unternehmens zu erreichen

Abb. 1.20 Ein Logo wirkt als Leitbild des Präventionsprojekts und dient der Identifikation

Die Ziele des Präventionsprogramms machen folgendes deutlich:     

Gestaltung einer präventiven Sicherheits- und Gesundheitskultur Senkung der Unfallzahlen und Steigerung der Gesundheitsquote Wirtschaftlicher Nutzen für das Unternehmen Einführung der moderierten Teamarbeit Ganzheitliche Betrachtungsweise von Problemen und Lösungen im Arbeitsumfeld und im privaten Bereich  Steigerung der Kompetenz in Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz  Weniger gestörte Betriebsabläufe Bestandteile des Präventionsprogramms Es gibt zwei wichtige Bestandteile: die Sicherheits- und Gesundheitsteams und die einzelnen Module. Sicherheits- und Gesundheitsteams bilden den zentralen Baustein im Präventionsprogramm (Abb. 1.21).

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Zusammenspiel von Mensch – Technik – Umwelt

Abb. 1.21 Der Kreativität zur Gestaltung von Präventionsprojekten sind keine Grenzen gesetzt. Es muss nur den betrieblichen Bedürfnissen entsprechen

Die Teams bieten jedem Mitarbeiter die Möglichkeit sich aktiv bei Entscheidungen über sein Arbeitsumfeld zu beteiligen und somit selbst an einem gesunden und sicheren Arbeitsplatz mitzuwirken. Zur Lösung besonderer Probleme und zur Bearbeitung von vorgegebenen Themen wie Lärm, Wirbelsäule und Gefahrstoffe sowie weiterer freier Themen werden Sicherheits- und Gesundheitsteams eingerichtet. Sie bieten eine große Anzahl von Chancen für die einzelnen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie für das Unternehmen:  Aktivierung des Kreativitäts- und Innovationspotentials der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter  Probleme dort zu erkennen und zu lösen, wo sie tagtäglich entstehen  aktive Mitgestaltung betrieblicher Arbeitsbedingungen; dadurch erhöhtes Selbstwertgefühl und Identifikation der Beschäftigten mit ihrer Arbeit  Sicherheitsarbeit und Gesundheitsschutz effizienter zu gestalten Alle Arbeitsergebnisse werden protokolliert und Verbesserungsvorschläge, die nicht sofort von den direkten Vorgesetzen umgesetzt werden können, werden einer Projektgruppe vorgetragen. Um Themen der Arbeitssicherheit und des Gesundheitsschutzes zu behandeln, wurden komplette Module zu Themen wie z. B. Lärm, Gefahrstoffe, Sucht, Umweltschutz, Stressbewältigung und Verkehrssicherheit erstellt, die sowohl aus Informations- und Schulungsmaterial, Aktionsprogrammen als auch aus Checklisten, Videofilmen und Hörspielen bestehen.

1.10

Wirtschaftlicher Nutzen für das Unternehmen

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Als Einstieg zu den einzelnen Schwerpunktthemen wurden Veranstaltungen durchgeführt. Diese wurden individuell gestaltet und geben jedem Mitarbeiter die Möglichkeit sich zu den unterschiedlichen Themen zu informieren. Diese Module werden unternehmensweit zur Umsetzung angeboten. Dem Hauptleitsatz des Präventionsprogramm folgend, „von den Mitarbeitern gestaltet“, werden immer neue Module entwickelt und alte Module überarbeitet, die insbesondere durch die Anregungen und Kritiken der Mitarbeiter leben und gestaltet werden. Bei allen Aktivitäten, die im Zusammenhang mit dem Präventionsprogramm durchgeführt worden sind sticht ein Projekt hervor: das Kooperationsprojekt mit der Berufgenossenschaft und der in diesem Zusammenhang neu gegründeten Betriebskrankenkasse. Das Projekt behandelte zwei Themen. Zum einen die Vermeidung von Muskel- und Skeletterkrankungen zum anderen wurde das Retten von Masten und der Beachtung möglicher Gefährdungen durch das Hängetrauma behandelt. In dem Zusammenhang war die besondere Aufgabenstellung der Ersten Hilfe von Bedeutung. Hierfür wurden Aktionen zu diesen Themen für alle im Freileitungsbereich tätigen Mitarbeiter angeboten. Beispielhaft seien hier Aktionen aufgezählt:  Entwicklung von Methoden zur Rettung von verunfallten Personen von Stahlgittermasten  Erstellung eines Training-Programms zur Stärkung des Bewegungsapparates unter intensiver Regie der Betriebskrankenkasse und der Arbeitsmedizin  Optimierung von Auffanggurten unter Berücksichtigung des Hängetraumas durch einen moderierten Sicherheitszirkel  Mit einem eigens entwickelten Messsystem wurden Belastungsmessungen am Mast durch das Berufsgenossenschaftliche Institut (BIA) ermittelt und rechnergestützt ausgewertet.  Gemeinsame Aktionsveranstaltung  Einsatz des Schulungsbusses der Berufsgenossenschaft Das Kooperationsprojekt zeigt ein gutes Beispiel, welche Möglichkeiten es für Unternehmen wie Institutionen gibt, um zukunftsweisende Prävention zu betreiben. Das Präventionsprogramm ist, wie im Kooperationsprojekt aufgezeigt von enger und intensiver Zusammenarbeit mit der Betriebskrankenkasse des Unternehmens geprägt.

1.10 Wirtschaftlicher Nutzen für das Unternehmen Eine entscheidende und wichtige Frage war von Beginn an, welchen – insbesondere wirtschaftlichen – Nutzen das Unternehmen von einem Arbeitssicherheits- und Gesundheitsmanagement hat.

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Zusammenspiel von Mensch – Technik – Umwelt

Hierzu kann folgendes gesagt werden: Alle Beteiligten waren sich bewusst, dass ein wirtschaftlicher Nutzen, den es zweifelsfrei gibt, nur sehr schwer nachzuweisen ist. Aber grundsätzlich kann gesagt werden, dass eine Kostenersparnis durch weniger unfall- und krankheitsbedingte Ausfalltage und durch weniger Störungen im betrieblichen Ablauf erzielt wird. Wir wissen natürlich, dass diese beiden Aussagen sich nicht einfach auf das eingeführte Managementsystem zurückführen lassen. Aber es kann dennoch festgehalten werden, dass das Präventionsprogramm einen großen Einfluss auf diese beiden Punkte hat und auch in Zukunft haben wird. Dies ist schon allein dadurch begründet, dass sich nicht klar nachweisen lässt, wie die so genannten „weichen Faktoren“, wie gesteigerte Mitarbeitermotivation und verbessertes Betriebsklima, sich auf die beiden oben genannten Punkte auswirken. Chancen integrierter Präventionsprogramme Beim Präventionsprogramm handelt es sich um einen mittel- bis längerfristigen Prozess dessen Erfolg an einige Bedingungen geknüpft ist. Zur weiteren erfolgreichen Umsetzung des Präventionsprogramms müssen einige Vorraussetzungen erfüllt sein (Abb. 1.22):  Die volle Unterstützung durch den Vorstand und den nächsten Ebenen ist unverzichtbare Voraussetzung für Erfolg und Akzeptanz.  Es ist den Linienverantwortlichen oft schwer zu vermitteln, welche Chancen ein integriertes Arbeitssicherheits- und Gesundheitsmanagement bringen kann. Dessen Tragweite wird oft nicht wahrgenommen, auch mangelt es gelegentlich an eigener Kompetenz.  Die scheinbar „weichen Faktoren“ werden bisher unterschätzt. Mit der technologisch-organisatorischen Entwicklung spielen zunehmend kombinierte, vorwiegend psychisch-mentale Belastungen und Beanspruchungen eine ausschlaggebende Rolle.  Die Darstellung der unternehmensstrategischen Chancen eines ganzheitlichen Arbeitsund Gesundheitsschutzes und dessen Kosten und Nutzen für das Unternehmen und die Beschäftigten ist ein notwendiges Element zur dauerhaften Absicherung dieses Handlungsfeldes. Entscheidend ist es daher, die breiten Ansatzpunkte eines präventiven und ganzheitlichen Arbeits- und Gesundheitsschutzes als Chance für eine innovative und wettbewerbsorientierte Gestaltung in den Unternehmen zu begreifen. Der Wettbewerb verlangt eine hohe Qualität der Produkte und Dienstleistungen. Verstärkter Kostendruck lässt keine unnötigen Betriebsstörungen mehr zu. Konnten wir uns Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz in wirtschaftlichen „Hoch-Zeiten“ als Instrument leisten, so brauchen wir ihn heute zur Wettbewerbssicherung. Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz ist dabei als Aufgabenstellung aller im Unternehmen und nicht nur der Arbeitsschutzexperten zu sehen.

1.10

Wirtschaftlicher Nutzen für das Unternehmen

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Abb. 1.22 Der Weg zur Präventionskultur ist in vielen kleinen Schritten zu begehen

Das Präventionsprogramm versteht sich als ein strategisches Instrument, das diesen Umgestaltungsprozess aktiv unterstützt. Mittelfristiges Ziel ist die Integration einer präventiven Sicherheits- und Gesundheitsschutzkultur in alle Unternehmensprozesse. Zusammenfassung

Das Zusammenwirken von Mensch, Technik und Umwelt ist vielen unterschiedlichen Einflüssen unterworfen. Wir Menschen stellen dabei ein nicht unerhebliches Risiko dar. Wir sind es, die die Technik planen, errichten, betreiben und auch wieder abbauen. Das Bewusstsein für unsere tägliche Verantwortung für alles was auf der Welt geschieht zu schärfen ist eine mühsame Arbeit. Wir Menschen sind eben einer Vielzahl von unterschiedlichen Einflüssen unterworfen. All zu oft lassen wir uns dabei von einem sicheren Weg abbringen. Meist weil wir meinen, dass es so für uns einfacher ist. Oft aber auch, weil wir den richtigen Weg nicht kennen oder erkennen. Viele Mensche behaupten, wir seien zu Sklaven der Technik geworden. Dies stimmt in keiner Weise. Die Technik alleine macht nur das, was wir von ihr verlangen. Wozu wir sie entwickelt und gebaut haben. Vielfach gerät sie uns dabei außer Kontrolle. Dies geschieht aber fast ausschließlich durch einen falschen Umgang und unserer fehlenden Einstellung. Das Ganze stets zum Guten zu wenden erfordert viel Psychologie, Disziplin und Selbsterkenntnis. Es wurden dafür die Begriffe Information, Kommunikation und Motivation verwendet. Es sind auch die Schlüsselworte für positives oder negatives betriebliches Verhalten. Eine motivierende Unternehmenskultur aufzubauen und zu erhalten ist viel

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schwerer, als die komplizierte Technik zu errichten und zu betreiben. Das liegt eben daran, dass wir Menschen viel komplizierter sind als die komplizierte Technik. Wir werden auch anders gesteuert und funktionieren daher in jeder Situation unterschiedlich. Eine besondere Tragweite hat dies im Zusammenhang mit unserem Umgang mit der Umwelt. Alle Menschen dieser Erde wissen inzwischen, dass unser Lebensraum keine endlosen Ressourcen bietet und wir auf dem Weg sind, die noch vorhandnen Stück für Stück zu zerstören. Was hält uns aber davon ab, dass wirkungsvoll und nachhaltig zu verhindern? Ist es unsere Gier nach Macht und Wohlstand. Wie groß muss der Schaden an der Umwelt erst einmal sein, bis wir es wirklich verinnerlichen und versuchen zu retten was noch zu retten ist? Hoffentlich ist es dann nicht zu spät. Wir betreiben dabei den Umweltschutz nicht primär für uns. Solange wir leben wird noch alles funktionieren. Wir müssen es für unsere Kinder tun. Sie brauchen einen gesunden Lebensraum. Da alle diese Fragen immer schwieriger zu beantworten sind und unsere Verantwortung, besonders als Führungskraft immer weiter steigt, ist es wichtig entsprechend qualifizierte und motivierte Führungspersönlichkeiten zu haben. Diese brauchen neben ihren fundierten Fachkenntnissen hohe Kenntnisse der Psychologie. Das Lernen wird uns deshalb unser Leben lang begleiten. Wenn es uns gelingt die menschlichen Einflussfaktoren zu beherrschen und positive Verhaltensweisen zu entwickeln, so brauchen wir uns um unsere Zukunft nicht zu fürchten. Wir sind dann auf dem richtigen Weg zu einem „gesunden Unternehmen“.

Literatur Verwendete Literatur B. Badura Betriebliche Gesundheitspolitik Der Weg zur gesunden Organisation Springer Verlag Haines, H.; Wilson, J. R.: Development of a framework for participatory ergonomics. Contract Research Report 174 / 1998, Health and Safety Executive, London, England: Crown, HSE Books, 1998. Helmenstein, C., Hofmarcher, M., Kleissner, A., Riedel, M., Röhrling, G., Schnabl A.: „Ökonomischer Nutzen Betrieblicher Gesundheitsförderung“, (2004), Studie im Auftrag des Österreichischen Bundeskanzleramts, Sektion Sport; Institut für Höhere Studien (IHS), Wien; ESCE Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Forschung, Eisenstadt Hersey und Blanchards Situative Führungstheorie-Analyse Free online Library for Manager Hignett, S.; Wilson, J. R.; Morris, W.: Finding ergonomic solutions – participatory Approaches. In: Occupational Medicine, 55, 2005, S. 200–207. Ilmarinen, J. und Tempel, J. (2002): Arbeitsfähigkeit 2010 – Was können wir tun, damit Sie gesund bleiben? Hamburg: VSA-Verlag Malchaire, J.: Participative management strategy for occupational health, safety and well-being risks. In: G Ital Med Lav Ergon.; 28(4), 2006, S. 478–486. Malchaire, J.: SOBANE – A participative management strategy to improve health and safety at work. Occupational Hygiene and Work Physiology Unit, Catholic University of Louvain, Brussels, Belgium 2007.

Literatur

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Niehaus, M., Magin, J. Marfels, B., Vater E. G., Werkstetter, E. (2008): Betriebliches Eingliederungsmanagement. Studie zur Umsetzung des Betrieblichen Eingliederungsmanagements nach § 84 Abs. 2 SGB IX. Studie im Auftrag des BMAS, Berlin Richenhagen, G. (2005): Alternde Belegschaften – Handlungsmöglichkeiten für Unternehmen. In: Meyer-Falcke, A. und Leßwing G. (Hrsg.): Arbeitsschutz – Sicherheit und Gesundheit im Betrieb; Fach-Datenbank für Fachkräfte für Arbeitssicherheit und Betriebsärzte. 39. Aktualisierung, Markt Schwaben: UB Media AG Gottfried Richenhagen und Andreas Meyer-Falcke Demografischer Wandel – ein Thema auch für Betriebsärzte S. Schreiber-Costa „E-Learning“ allein reicht nicht. BGUV Forum 2009 Sockoll, I., Kramer, I. Bödeker, W. (2008): „IGA-Report 13 – Wirksamkeit und Nutzen betrieblicher Gesundheitsförderung und Prävention – Zusammenstellung der wissenschaftlichen Evidenz 2000 bis 2006“; www.iga-info.de Tempel, J. & Giesert, M. (2005). Das Arbeitsfähigkeitskonzept unterstützt den Wunsch nach guter Arbeit. Gute Arbeit, 17 (2), 15–17. Tuomi, K. und Ilmarinen, J. (1999): Work, Lifestyle, Health and Work Ability among ageing Municipal Workers in 1981–1992, 220–232. In: Ilmarinen, J. and Louhevaara, W. (Eds.): FinnAge – Respect for the aging: Action programme to promote health, work ability and well-being of aging workers in 1990–96. Helsinki: Finnish Institute of Occupational Health Wehner und Endres 1997- Peußner Bochum Gesundheitsmanagement durch Partizipation Wittmann, A., Siegmann, S.: „Gefährdungsbeurteilung und Risikomanagement“ LBW (auch als CD oder online), Ecomed-Verlag, Landsberg, Loseblattsammlung, seit 2009, ISBN 978-3-60966331-9

Weiterführende Literatur A. Lohmann-Haislah: Stressreport Deutschland 2012. Psychische Anforderungen, Ressourcen und Befinden 1. Auflage. Dortmund: Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin 2012. Preußner, I. (1997). Bestandsaufnahme der betrieblichen Gesundheitsförderung. Ergebnisse aus einer Expert/innenbefragung in Berlin und Brandenburg. WSI Mitteilungen, 12, 877–883. Prof. Dr. Günter Schulz, Prof. Bernd Tenckhoff – Vernetztes Betriebssicherheitsmanagement als Teil der Unternehmensstrategie für die Zukunft – Sicherheitsingenieur 11/2004 Ewald Siller, Jürgen Schliephacke – Fremdpersonal und Leiharbeitnehmer – Tiberius Verlag Bernd Tenckhoff – Anlagentechnik für elektrische Verteilernetze Band 2 Arbeitssicherheit – 2. Auflage 1994 – VWEW/VDE-Verlag Bernd Tenckhoff – Teamarbeit – Prävention im sich wandelnden Versorgungsmarkt – Technische Überwachung, Oktober 1999 Bernd Tenckhoff – Integrierte Förderung von Arbeitssicherheit und Gesundheit – BKK Bundesverband 6/2001 Bernhard Tenckhoff – Haftung im Arbeitsschutz – die BG 122. Jahrgang September 2010 Bernhard Tenckhoff, Silvester Siegmann – Neue Dimension der betrieblichen Managementsysteme – Basi Infoprint Herbst 2008 Bernhard Tenckhoff, Silvester Siegmann – Betriebssicherheitsmanagement, Ganzheitliche Anforderungen erfordern ganzheitliche Systeme – DGUV Forum August 2010 WHO European Center for Environment and Health: Global Strategy on occupational health for all the way to health at work. Recommendation of the 2nd meeting of the WHO Collaborating Centres in Occupational Health, Bejing, China, 11–14 October, 1994.

2

Vernetztes Betriebssicherheitsmanagement

Das Betriebssicherheitsmanagement ist ein übergeordnetes innerbetriebliches Managementsystem zur ganzheitlichen Gestaltung, Lenkung und Entwicklung eines Unternehmens in der Weise, dass die mit den betrieblichen Prozessen verbundenen Risiken ermittelt, minimiert und das definierte Restrisiko als akzeptabel und verantwortbar vertreten wird. Das Betriebssicherheitsmanagement verfolgt einen ganzheitlichen Ansatz und erfüllt die zeitgemäße Forderung nach einem optimal strukturierten Vorgehen sowie vernetztem Wirken. Es bildet den Bezugsrahmen für das Verhalten der Mitarbeiter und maximiert die Leistungsfähigkeit des Unternehmens. Ebenso schafft es Rechtssicherheit und ist ein nicht zu unterschätzender Wirtschaftsfaktor. Das Betriebssicherheitsmanagement bündelt und vernetzt alle Managementsysteme in einem Betriebssicherheitsmanagementsystem. Grundsätze der Organisation und der betrieblichen Umsetzung werden im Betriebssicherheitshandbuch festgelegt. Leiter des Betriebssicherheitsmanagements ist der Betriebssicherheitsmanager.

2.1

Von Sicherheit und Gesundheit zum Betriebssicherheitsmanagement

Der Wettbewerb an den Märkten wird zunehmend stärker. Schnelle Reaktionszeiten und scharf kalkulierte Preise reichen in der Regel nicht mehr um sich am Markt durchzusetzen. In der Wertschöpfungskette erwarten Kunden von Lieferanten, dass das Unternehmen nachweislich effizient verwaltet wird. Störungen der Leistungserbringung durch Unzuverlässigkeit aufgrund von Ausfallzeiten und Arbeitsunfällen werden von Kunden immer weniger toleriert. Mit einer Zertifizierung des Arbeitsschutz zum Arbeitsschutzmanagementsystem nach OHSAS 18001 zeigt ein Unternehmen gegenüber Mitarbeitern und Kunden, dass es die Anforderungen des Standards umfassend erfüllt und ein effektives Arbeitsschutzmanagement lebt. © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019 B. Tenckhoff und S. Siegmann, Vernetztes Betriebssicherheitsmanagement, VDI-Buch, https://doi.org/10.1007/978-3-662-48441-8_2

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Vernetztes Betriebssicherheitsmanagement

Eine Zertifizierung nach OHSAS 18001 hat folgende primären Ziele:  Senkung der Unfallzahlen durch Systematisierung aller arbeitssicherheits- und gesundheitsschutzrelevanten Tätigkeiten  Erhöhung der Rechtssicherheit durch konsequente Einhaltung aller relevanten, rechtlichen Vorschriften  Stärkere Identifikation und Motivation der Mitarbeiter durch Einbindung – auch der Führungskräfte – in die Prozesse von Arbeits- und Gesundheitsschutz  Steigerung des Sicherheitsbewusstseins der Mitarbeiter  Nachweisen des Einsatzes für Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz gegenüber verschiedener externen Interessengruppen und Behörden (Geschäftspartner, Öffentlichkeit, Berufsgenossenschaft etc.) Mit dem Arbeitsschutzmanagementsystem ist ein erster wesentlicher Schritt zur Beherrschung der unternehmerischen Risiken begangen worden. Die Beherrschung aller unternehmerischen Risiken ist aber mehr. Risiken können grundsätzlich durch interne und externe Einflüsse in allen Unternehmensbereichen auftreten. Aus diesem Grund sind sämtliche betrieblichen Prozesse, Funktionsbereiche und Organisationen unabhängig von Hierarchiestufen zu untersuchen, ob aus ihnen Risiken resultieren können, die nach Art oder Umfang den Bestand des Unternehmens gefährden können. Es muss somit gewährleistet werden, dass alle wesentlichen Risiken eines Unternehmens erfasst und ganzheitlich bereichsübergreifend betrachtet werden. Die Gesamtheit aller wirtschaftlichen und haftungsrechtlichen Verantwortungen eines Unternehmens sowie die Einhaltung gesetzlicher Vorschriften und Auflagen hat eine hohe Komplexität erfahren. Zur Beherrschung der in sich jeweils weitreichenden Themenstellungen sind in den vergangenen Jahren eine Vielzahl unterschiedlicher Managementsysteme entwickelt worden. Einige der Managementsysteme sind:          

Risikomanagement Krisen- und Notfallmanagement Arbeitsschutzmanagement Gesundheitsschutzmanagement Umweltschutzmanagement Datenschutzmanagement Qualitätsmanagement Facilitymanagement ... ...

2.2 Risikomanagementsystem

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2.2 Risikomanagementsystem Ein Risikomanagementsystem verfolgt das Ziel, frühestmöglich betriebliche Risiken zu erkennen und zu umgehen. Der Begriff des Risikomanagementsystems wird oft mit dem Begriff des Risikomanagements gleichgestellt. Ein wirkungsvolles Risikomanagement ist nur möglich, wenn detaillierte Kenntnisse über alle Unternehmensrisiken vorhanden sind. Die Risiko-Identifikation liefert Risiko-Informationen für die nachgelagerten Schritte des Risikomanagementprozesses, insbesondere für die:  Risikobewertung, da nur diejenigen Risiken auch bewertet werden können, die vorher identifiziert wurden,  Risikosteuerung und -überwachung, da nur für diejenigen Risiken Maßnahmen zur Risikobewältigung definiert werden können und deren Ausführung überwacht werden kann, die im Rahmen der Risikobewertung priorisiert wurden. Risiken können grundsätzlich in allen Unternehmensbereichen auftreten. Aus diesem Grund sind sämtliche betrieblichen Prozesse und Funktionsbereiche unabhängig von Hierarchiestufen zu untersuchen, ob aus ihnen Risiken resultieren können, die nach Art oder Umfang den Bestand des Unternehmens gefährden können. Das Risikomanagementsystem muss somit gewährleisten, dass alle wesentlichen Risiken erfasst werden. Bei einem Top-down-Vorgehen startet die Risikoidentifikation bei der Unternehmensleitung und wird von dort aus in die Unternehmensbereiche nach unten entlang der Unternehmenshierarchie fortgesetzt. Beim Bottom-up-Vorgehen werden die Risiken beginnend auf der untersten Ebene der Unternehmenshierarchie identifiziert. Eine beispielhafte Übersicht über die verschiedenen Risikobereiche gibt die folgende Auflistung, die allerdings keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt und für die Gegebenheit in einem speziellen Unternehmen ergänzt oder angepasst werden muss: Externe Risiken:    

    

Wirtschaftliche Rahmenbedingungen (z. B. Wachstum, Kaufkraft) Politische Risiken Gesetzliche Verordnungen, regulatorischer Rahmen zur Ausübung des Geschäftes (z. B. Umweltauflagen, Dosenpfand, Arbeitsschutz, Datenschutz, zusätzliche Auflagen etc.) Änderungen bei Kundenbedürfnissen Konkurrenz aus Niedriglohnländern Energie- und Treibstoffkosten Anschläge Spionage

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Vernetztes Betriebssicherheitsmanagement

Technologische Risiken:     

Veränderungen auf der Lieferantenseite Fehlende Entwicklungsressourcen Ausfall eines Entwicklungspartners Ähnliche Produkte vom Wettbewerb schneller auf dem Markt als die eigenen Technologische Entwicklungen, die bestehende Produkte ersetzen (Produktlebenszyklus)  Verzögerungen bei der Fertigstellung neuer Produkte  Neue Wettbewerber mit moderner Fertigungstechnologie Betriebstechnische Risiken:         

Ineffiziente überalterte Produktionsmaschinen/Geräte/Anlagen Ungenügende Arbeitsplätze/Arbeitsstätten Komplizierte Fertigungsverfahren Schlechte logistische Abläufe von Beschaffung über Produktion bis zur Auslieferung/Entsorgung Fehlende Wartung und Instandhaltung Nicht verfügbare Ersatzteile Unsichere unfallgefährdende Maschinen Umweltbelastende Maschinen Ungeeignete Werkzeuge Geräte und Hilfsmittel Leistungswirtschaftliche Risiken:

         

Abhängigkeit von wenigen Lieferanten Engpässe bei notwendigem Material Abhängigkeit von wenigen Großkunden, Wegfall wichtiger Großkunden Vermarktungsintensität Steigende Vertriebskosten Umsatzausfälle Verlust von Vertriebskanälen Fehler im Management von Geschäftspartnern Fehlende Internationalisierung in Produktion und Vermarktung Fehler in Kundenrechnungen, Forderungsausfälle Finanzwirtschaftliche Risiken:

 Liquiditätsbedarf aufgrund neuer Angebote  Margenreduktion durch Wettbewerbsdruck auf Preise  Strittige Forderungen

2.3 Krisen- und Notfallmanagement

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 Verlängerung bei Debitorenzielen  Verspätete Kapitalmaßnahmen  Zu niedrige Eigenkapitalquote Organisatorische Risiken:                 

Nicht ausreichende Personaldecke Fehlendes Fachpersonal Schlechte Arbeitsorganisation/Arbeitsstrukturierung Kostspielige Arbeitsabläufe Unklare Arbeitsaufträge Unzureichende Unterweisungen/Schulungen/Weiterbildung Fehlende Verhaltensregeln Falsches Führungsverhalten Belastende Arbeitszeitregelungen Fehlende Motivation Unzureichende Unternehmenskultur Schleppender Informationsfluss Fehlende Entscheidungsbereitschaft Störungen im technischen Ablauf Ausfall von Führungskräften, Kündigung von Leistungsträgern Qualifikation von Mitarbeitern Fehlende Nachfolgeregelung

Damit im Rahmen eines Risikomanagementprozesses eine effiziente Risikovorsorge möglich ist, müssen die einzelnen Risiken zunächst identifiziert, beschrieben und bewertet werden. Anschließend veranschaulicht eine einfache Matrix die Einordnung der Einzelrisiken. Nach der Einordnung der Risiken gilt es durch geeignete Maßnahmen Risikopositionen im Sinne des Unternehmens zu beeinflussen.

2.3

Krisen- und Notfallmanagement

Das Krisen- und Notfallmanagement beinhaltet alle organisatorischen, personellen und sachlichen Maßnahmen um im Ernstfall optimal und strukturiert handeln zu können. Das Ziel ist eine adäquate und effektive Vorbereitung gegenüber „Unerwartetem“. Zwischenfälle, die Betriebsabläufe stören oder Unternehmen schädigen, treten häufig auf. Notfälle ereignen sich seltener, Katastrophen sind die Ausnahme. Außergewöhnliche Ereignisse können ein Unternehmen jederzeit treffen. Sie können plötzlich eintreten, oder sich langsam anbahnen. Man kann sich von ihnen überraschen lassen, oder man kann glauben, darauf vorbereitet zu sein. Die Auswirkungen können in beiden Fällen verheerend sein.

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2

Vernetztes Betriebssicherheitsmanagement

Viele Unternehmen sind auf unerwartete Vorfälle nicht ausreichend vorbereitet. Beim Eintritt eines Ernstfalls sind nicht nur technische Anlagen und die Funktionsfähigkeit des Unternehmens bedroht sondern auch das Leben von Menschen. Zwischenfälle, Notfälle und Katastrophen wie zum Beispiel Naturereignisse, Sabotageakte oder Terroranschläge treten in unterschiedlicher Ausprägung, zu jeder Tages- und Nachtzeit sowie meist vollkommen unerwartet auf. Für Unternehmen sowie Behörden ist es wichtig, Ereignisse frühzeitig zu erkennen, die zur Beeinträchtigung des Betriebes, der Schädigung von Personen oder Sachwerten führen können. Über die „Ereigniswahrnehmung und -wertung“ hinaus, müssen dann direkt entsprechende Maßnahmen eingeleitet werden, um auf Krisen- und Notfälle bestmöglich vorzubereitet zu sein. Eine solche Vorgehensweise trägt zusätzlich zur Sicherung der Existenz des Unternehmens, der Einrichtung oder „öffentlicher Strukturen“ über den Krisenfall hinaus bei.

2.4 Betriebliches Gesundheitsmanagement – BGM – Das betriebliche Gesundheitsmanagement legt Grundsätze für eine Gestaltung, Lenkung und Entwicklung betrieblicher Strukturen und Prozesse, um Arbeit, Organisation und Verhalten am Arbeitsplatz gesundheitsförderlich zu gestalten, fest. Sie sollen den Beschäftigten und dem Unternehmen gleichermaßen zugutekommen. Jedes Unternehmen ist erfolgreicher mit motivierten und gesunden Mitarbeitern. Eine Studie der Harvard Medical School und des Institute for Health and Productivity Management kommt zu dem Ergebnis, dass von 1,50 C, die ein Unternehmen in Gesundheit investiert, 5,60 C als Ertrag zurückkommen. Wenn ein Unternehmen nachhaltig gesundheitsgerecht gestalten werden soll, ist das Betriebliche Gesundheitsmanagement die geeignete Methode, die mit einem geplanten, gesteuerten, systematischen und ganzheitlichen Prozess erfolgreich dazu beiträgt. Ziel ist es, die Mitarbeiterzufriedenheit und Motivation zu fördern, ungenutzte Gesundheitsressourcen zu aktivieren und damit gesicherte Bedingungen für die Leistungsfähigkeit Ihrer Mitarbeitenden zu schaffen. Mitarbeiter, die sich wohl und gesund fühlen, arbeiten besser, verfügen über eine größere Zufriedenheit und ein größeres Vertrauen in die eigenen Gestaltungskräfte und Fähigkeiten. Das wirkt sich vermindernd auf den Krankenstand aus. Fehlzeiten und Fluktuation verringern sich – und damit auch die Personalkosten in Ihrem Unternehmen. I

Tipp Betriebliches Gesundheitsmanagement stärkt alle Gesundheitspotenziale in Ihrem Unternehmen und kommt somit Ihren Beschäftigten und Ihrem Unternehmen gleichermaßen zugute.

Ziel des BGM ist, die Belastungen der Beschäftigten zu optimieren und die persönlichen Ressourcen zu stärken. Durch gute Arbeitsbedingungen und Lebensqualität am

2.6 Qualitätsmanagementsystem – QMS –

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Arbeitsplatz wird auf der einen Seite die Gesundheit und Motivation nachhaltig gefördert und auf der anderen Seite die Produktivität, die Produktqualität, die Dienstleistungsqualität und die Innovationsfähigkeit eines Unternehmens erhöht. Hier entsteht für Arbeitgeber und Arbeitnehmer eine Win-Win-Situation und das Unternehmensimage als guter Arbeitgeber im Sinne von „Corporate Social Responsibility“ wird verbessert. Letzteres ist angesichts der demografischen Entwicklung und dem damit verbundenen Konkurrenzkampf um qualifizierte Nachwuchskräfte nicht zu unterschätzen. Die Idee des betrieblichen Gesundheitsmanagements geht auf die Ottawa-Charta von 1986 zurück, die als Ziel die Befähigung der Bevölkerung zu einem selbstbestimmten Umgang mit Gesundheit sowie die gesundheitsförderliche Gestaltung der Lebenswelt und der Gesundheitsdienste formuliert.

2.5 Umweltmanagementsysteme – UMS – Umweltmanagementsysteme koordinieren und steuern umweltrelevante Aktivitäten eines Unternehmens, reduzieren die Umwelteinwirkungen des Unternehmens und garantieren somit langfristig den Unternehmenserfolg. Die Basis stellt hier das Anstreben eines zertifizier baren Umweltmanagementsystem-Standards (z. B. nach ISO 14001) dar. Das Umweltmanagementsystem wird in der Regel nach den individuellen Bedürfnissen der Organisation aufgebaut. Beim Aufbau können Vorgaben und Normen Hilfestellung geben. Die bekanntesten sind die Umweltmanagement-Norm ISO 14001. Diese Vorgaben stellen jeweils Mindestanforderungen an das Umweltmanagementsystem, wie z. B. die schriftliche Festlegung einer betrieblichen Umweltpolitik, die die Einhaltung von Anforderungen des Umweltrechts beinhalten muss. Zudem sollen mit Umweltzielen die Verantwortlichkeiten für umweltrelevante Aufgaben und Abläufe festgelegt werden. Viele Organisationen, die ihr Umweltmanagementsystem entsprechend den Vorgaben der ISO 14001 aufgebaut haben, lassen ihr UMS von externen Auditoren zertifizieren, um die ökologische Glaubwürdigkeit des UMS in der Öffentlichkeit und bei Kunden zu erhöhen und dadurch einen strategischen Geschäftsvorteil zu erzielen.

2.6 Qualitätsmanagementsystem – QMS – Qualitätsmanagement stellen sicher, dass die Systemqualität, Prozessqualität und die Produktqualität in einer Organisation geprüft und verbessert wird. Ziel eines Qualitätsmanagementsystems ist eine dauerhafte Verbesserung der Unternehmensleistung. Das System ist dabei grundsätzlich anwendbar auf alle Branchen, Unternehmensgrößen und -strukturen. Das System beschreibt die Methodik und liefert das Handwerkzeug, nach dem die Mitarbeiter im Qualitätsmanagement eines speziellen Unternehmens dann ihre individuellen Verfahren zur Sicherung und Verbesserung der Qualität ausrichten. Für Produkte in Europa mit CE-Zeichen gelten EU-Richtlinien mit Gesetzesbedeutung, welche

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Vernetztes Betriebssicherheitsmanagement

ein Qualitätsmanagementsystem verbindlich vorschreiben. Die ISO 9000-Normenreihe und EU-Richtlinien in Verbindung mit CE-Zeichen unterscheiden:  Qualitätsmanagementsystem: Es erstreckt sich auf mindestens alle Teile der Herstellung  Vollständiges Qualitätsmanagementsystem: Es bindet alle Teile von Herstellung, Vertrieb und Entwicklung der Produkte in das QMS ein. In vielen Branchen ist den Unternehmen vorgeschrieben, ein Qualitätsmanagementsystem einzuführen, um die Fähigkeit eines Unternehmens zu dokumentieren.

2.7 Datenschutzmanagementsystem – DSMS – Der Datenschutz legt fest, unter welchen Voraussetzungen (Rechtsgrundlage, Erforderlichkeit, Zweckbindung, Datenvermeidung etc.) personenbezogene Daten unter Einhaltung bestimmter technischer und organisatorischer Maßnahmen verarbeitet werden dürfen. Datenschutzmanagement ist eine Managementmethode, um die gesetzlichen und betrieblichen Anforderungen des Datenschutzes systematisch zu planen, zu organisieren, zu steuern und zu kontrollieren. Ausgangspunkt bildet die Idee, Unternehmen und Behörden eine Systematik an die Hand zu reichen, die sich in die Geschäftsprozesse integrieren lässt, um Datenschutz langfristig und nachvollziehbar innerhalb der Organisation zu verankern. Ein Datenschutzmanagementsystem kann nach den Maßstäben internationaler Managementstandards aufgesetzt werden.

2.8

Facility Management – FM –

Facility Management, auch Liegenschaftsverwaltung oder Anlagenmanagement genannt, bezeichnet die Verwaltung und Bewirtschaftung von Gebäuden, Anlagen und Einrichtungen. In Deutschland ist dieser Fachbegriff in der DIN EN 15221-1 „Facility Management“ und in den GEFMA-Richtlinien „Standards im Facility Management“ genormt. Es umfasst die professionelle Abwicklung von Sekundärprozessen und gehört zu den Querschnittsfunktionen eines Unternehmens. Dazu gehören technische, infrastrukturelle und kaufmännische Aufgaben, die nicht in das Kerngeschäft einer Organisation fallen, sondern dieses unterstützen. Die GEFMA „German Facility Managements Association“ engagiert sich erfolgreich in der Normungsarbeit für das Facility Management. Das erarbeitete Richtlinienwerk ist Basis für qualitätsorientierte FM-Dienstleistungen und für Branchenkonsens. Die GEFMA-Richtlinie 100 – Grundsätze – definiert den Begriff des „Facility Managements“ entsprechend dem Stand von Wissenschaft und Forschung sowie dem Verständnis

2.8 Facility Management – FM –

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der mitwirkenden Marktteilnehmer. Ziel dieser Richtlinie ist es dabei nicht, den bereits zahlreichen Definitionen von Facility Management eine weitere hinzuzufügen, sondern frühere zutreffende Definitionen unter Einbeziehung der gewonnenen Erfahrungen und Erkenntnisse weiter zu entwickeln und damit das Facility Management als eine gleichwertige Managementdisziplin neben dem Qualitäts-, Umwelt-, Arbeitsschutz-, Finanz- oder Produktionsmanagement einzuordnen. Bei der Erstellung der Richtlinie wurde darauf geachtet, Widersprüche mit anderen bestehenden Regelwerken möglichst zu vermeiden. Vielmehr wurden bestehende Festlegungen von Teilaspekten des Facility Managements unter einem gemeinsamen Dach zusammenzufassen und Änderungen nur dort vorzunehmen, wo dies unerlässlich erschien. Ganz bewusst erfolgt eine enge Anlehnung an DIN EN ISO 9000.

2.8.1 Strategisches und operatives Facility Management Durch die zunehmende Auslagerung verschiedener Aufgaben eines Unternehmens wächst der Markt für Dienstleistungen in diesem Bereich. Das Gebäudemanagement ist ein Teil des Facility Managements und umfasst neben der Hausverwaltung auch die bauliche Betreuung von Gebäuden. Gebäude, Liegenschaften und betriebliche Abläufe werden im Facility Management ganzheitlich betrachtet. Ziel der koordinierten Abwicklung von Prozessen ist dabei, die Betriebs- und Bewirtschaftungskosten dauerhaft zu senken, Fixkosten zu flexibilisieren, die technische Verfügbarkeit der Anlagen zu sichern sowie den Wert von Gebäuden und Anlagen langfristig zu erhalten.

2.8.2

Strategie im Facility Management

Die Ausrichtung des strategischen Facility Managements leitet sich direkt aus der jeweiligen Unternehmensstrategie ab. Die Strategie bestimmt, in welchen Geschäftsfeldern ein Unternehmen tätig sein soll, wie der Wettbewerb in diesen Geschäftsfeldern zu bestreiten ist und was die langfristige Erfolgsbasis oder Kernkompetenz des Unternehmens darstellt. Während in fast allen Unternehmensbereichen schon seit vielen Jahren Maßnahmen zur Strategieumsetzung getroffen werden, erfolgt dieses im Facility Management nur unzureichend. Dies zeigt, dass das Facility Management erst in geringem Maße als strategische Ressource von den meisten Unternehmen erkannt wird, obwohl dadurch ein zunehmend erfolgskritischer Wettbewerbsfaktor latent vorhanden ist. Die Vernachlässigung einer wertorientierten Betrachtung des Immobilienvermögens gerade in nonproperty-companies basiert auf der Unterschätzung seiner Relevanz auf den Gesamtunternehmenserfolg durch das Management. Die nachfolgenden Zahlen verdeutlichen jedoch den Stellenwert der Immobilien für den Unternehmenserfolg, welcher sich aus der enormen Kapitalbindung ergibt:

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Vernetztes Betriebssicherheitsmanagement

 Das Anlagevermögen von Industrieunternehmen besteht zu 30 bis 40 % aus Eigentum an Grund und Boden sowie Immobilien.  Die immobilienbezogenen Kosten, bezogen auf die Bilanzsumme als Kennziffer, machen ca. 10 % aus.  Nach den Personalkosten nehmen die Immobilienkosten den zweiten Platz der Ausgaben ein.  Bei Industrieunternehmen betragen die Immobilienkosten ca. 5 % des Umsatzes, bei Dienstleistungsunternehmen sogar 7 bis 9 %. Das Management, welches Immobilien als Teil der Unternehmensstrategie begreift und behandelt, kann durch einen aktiven und ergebnisorientierten Umgang mit ihnen einen positiven Beitrag zum Unternehmensergebnis erwirtschaften und so die Wettbewerbsfähigkeit steigern. Die Unternehmen erreichen dadurch einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil. Deshalb ist die Bedeutung des Facility-Managements auch und gerade für Nonproperty-Unternehmen so wichtig. Erstaunlicherweise verfügen die meisten Unternehmen noch nicht einmal über ein Informationssystem, das aktuelle, grundstücks- und gebäudebezogene Daten bereithält. So ist das Erreichen jeglicher Ziele für ein Unternehmen an Strategien gebunden, welche Chancen und Risiken in sich bergen. Um die Unternehmensziele zu erreichen, externe Erwartungen zu erfüllen, effizient arbeiten und dauerhaft am Markt bestehen zu können, müssen Organisationen ihre Risiken kennen und aktiv durch ein Risikomanagement gestalten. Das Risikomanagement als Bestandteil des Betriebssicherheitsmanagements trägt so zur Effizienz von Organisationen, Prozessen und Systemen im gesamten Unternehmen bei. Besonders deshalb ist es notwendig das Facility Management im Betriebssicherheitsmanagement zu integrieren.

2.8.3 Operatives Management Das operative Management kennzeichnet Maßnahmen aus allen Bewirtschaftungskernaufgaben einer Liegenschaft und beinhaltet Hauptteile des klassischen Gebäudemanagements. Es sieht das Gebäude jedoch aus ganzheitlicher Sicht über dessen gesamte Lebensdauer und Nutzungsbestimmung in Abstimmung mit der strategischen Unternehmensausrichtung. Dabei ist zu unterscheiden in: die Eigentümersicht und die Nutzersicht. Die Eigentümersicht wird geprägt durch alle Leistungen des Immobilien- und Gebäudemanagements und die Nutzersicht durch die Organisation aller Bedarfe im Rahmen des Facility Management rund um die Wertschöpfung, die in der jeweiligen Immobilie durchgeführt wird. Ist der Eigentümer gleichsam Nutzer integriert das Facility Management das Immobilien- und Gebäudemanagement. Hierfür werden verschiedene Bereiche, Aufgaben und Programme unterschieden.

2.9 Vernetzung der Managementsysteme zur Nutzung von Synergien (Abb. 2.1)

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 Das Kaufmännische Management stellt die Wirtschaftlichkeit des Gebäudebetriebes und des Arbeitsplatzbetriebs sicher und umfasst alle kaufmännischen Leistungen unter Beachtung der Immobilienökonomie und betriebswirtschaftlichen Ökonomie einer Unternehmung.  Das Technische Management umfasst Leistungen, die zum Betreiben und Bewirtschaften der baulichen und technischen Anlagen und Einrichtungen eines Gebäudes und der Bereitstellung des Arbeitsplatzes und deren Prozesse erforderlich sind.  Das Infrastrukturelle Management erbringt und überwacht die bedarfsgerechten gebäudebezogenen und die wertschöpfungsunterstützenden Dienstleistungen.  Querschnittsaufgaben stellen ihre Aktivitäten allen Kernbereichen zur Verfügung wie z. B. das Flächenmanagement welches so die Verwaltung und Nutzung von Flächen organisiert und eine ständige Flächenoptimierung bei Belegschafts-, Nutzungsänderungen, Neu- bzw. Umbaumaßnahmen durchführt. Einen wichtigen Aspekt stellt die Betreiberverantwortung dar. Sie besteht gegenüber den Beschäftigten, der Umwelt, Dritten und Behörden. Der Facility Manager ist für die Organisation und Durchführung verantwortlich. Zur Betreiberverantwortung gehört die Ergreifung von Schutzmaßnahmen zum sicheren Betrieb, des Umweltschutzes, die Verkehrssicherungspflicht und die Pflicht, Behörden Auskunft zu erteilen.

2.8.4 Aus- und Weiterbildung Seit einiger Zeit hat sich Facility Management als eigene Wissenschaft etabliert, wird als Studiengang an vielen Hochschulen angeboten und entwickelt sich zu einer eigenständigen Management-Disziplin. Darüber hinaus gibt es andere Studienfächer, etwa Bauingenieurwesen oder Architektur, Betriebssicherheitsmanagement, in denen Facility Management als Vertiefungsrichtung angeboten wird.

2.9 Vernetzung der Managementsysteme zur Nutzung von Synergien (Abb. 2.1) Jedes der beispielhaft genannten Managementsysteme für sich soll unternehmerische Aktivitäten systematisieren, steuern und kontrollieren. Dies wird durch Prozesse, Strukturen, Zielsetzungen, Prozeduren und regelmäßigem Controlling angestrebt. Dabei greifen die Managementsysteme mehr und mehr ineinander und bieten eine Vielzahl von Schnittmengen. Es ist daher notwendig ein vernetztes übergreifendes Denken und Handeln als Führungsinstrument zu initiieren und Mitarbeiter in der Anwendung zu qualifizieren. Falsche Bewertungen von Risiken, mit entsprechenden Fehlentscheidungen, können die wirtschaftliche Stabilität eines Unternehmens gefährden und Rechtsfolgen für die Verantwortlichen auslösen.

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2

Vernetztes Betriebssicherheitsmanagement

Abb. 2.1 Vernetzung von Aufgaben zum Betriebssicherheitsmanagementsystem

Immer häufiger wird erkennbar, dass es den Führungskräften nur schwer oder gar nicht mehr möglich ist, alle Managementsysteme der Unternehmenssicherheit sprich Betriebssicherheit im erforderlichen Umfang zu erkennen und ganzheitliche Entscheidungen zu treffen. Wir benötigen zwar verstärkt den fachlichen Spezialisten, gleichsam aber auch den vernetzt denkenden und handelnden Generalisten. Er muss die Führungskräfte in der Linie wirkungsvoll unterstützen und entlasten. Es geht dabei nicht darum die Führungskräfte von ihren verantwortungsvollen Aufgaben zu entbinden. Es geht darum, dass sich die Führungskräfte auf ihre wesentlichen fachlichen Aufgaben konzentrieren können. Diese Entlastung erfahren die Unternehmensleitung und Führungskräfte durch den Betriebssicherheitsmanager.

2.10

Konzeption des Betriebssicherheitsmanagements

Die Kompetenz und Einsatzbereitschaft der Mitarbeiter im Unternehmen, sowie die gute Zusammenarbeit untereinander, führen zu einer hohen Effizienz, zu Kundenzufriedenheit und zu fortlaufenden Verbesserungen der Arbeitsprozesse. Die Aufgabe von Unternehmern und Führungskräften ist es daher, ein wertschätzendes und gesundes Betriebsklima zu schaffen. Denn die genannten unerschöpflichen Potentiale motivierter Mitarbeiter sind in Zeiten hoher Konjunkturschwankungen und globaler Veränderungen die wichtigste Erfolgsgarantie.

2.10 Konzeption des Betriebssicherheitsmanagements

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Beispielhafte Grundpfeiler dazu werden gebildet durch:  Ein zukunftsorientiertes, vernetztes Betriebssicherheitsmanagement  Eine rechtlich abgesicherte Organisationsstruktur  Eine gemeinsam getragene hohe Kommunikationskultur

2.10.1 Warum braucht ein Unternehmen ein Betriebssicherheitsmanagement? Betriebsstörungen, Unfälle, Umweltschäden und Qualitätseinbußen haben zumeist verhaltensbedingte Ursachen bzw. beruhen auf Schwachstellen in Organisation, Motivation, Partizipation oder Kommunikation. Um eine kontinuierliche Verbesserung der Betriebssicherheit zu erzielen und um Synergiepotentiale optimal zu nutzen, muss ein Schwerpunkt der betrieblichen Sicherheitsarbeit präventiv ausgerichtet sein. Ein wirksames Betriebssicherheitsmanagementsystem schafft Transparenz und ermöglicht dem Unternehmer, die Belange der Betriebssicherheit von vornherein in alle seine unternehmerischen Entscheidungen einzubeziehen. Die Aufgabenstellungen von Arbeitssicherheit, Gesundheitsschutz, Umweltschutz, Datenschutz und Qualitätsmanagement usw. haben einen immer höheren Stellenwert in allen Unternehmen erfahren. Zunehmend gewinnen die Bereiche Prozessmanagement, Risikomanagement und Krisen- und Notfallmanagement an Bedeutung. Schon jetzt ist der Bedarf an integrierten und vernetzenden Betriebssicherheitsmanagementsystemen in Großund Mittelbetrieben vorhanden. Ein Betriebssicherheitsmanagementsystem ermöglicht es, unter präventiven Ansätzen ein ganzheitliches vernetztes Managementsystem für das Unternehmen zu entwickeln und in den betrieblichen Alltag nachhaltig umzusetzen. Mit dem Betriebssicherheitsmanagementsystem lassen sich die Ziele und die Strategie der Betriebssicherheitspolitik definieren. Es legt die Organisation, die Zuständigkeiten, Aufgaben, Verantwortlichkeiten und Kompetenzen, zur Aufrechterhaltung der vorgegebenen Betriebssicherheitspolitik fest. Große Unternehmen installieren vermehrt eine innerbetriebliche Stabsabteilung Betriebssicherheitsmanagement. Klein- und Mittelbetriebe nutzen immer häufiger die Möglichkeit die Aufgabe einem externen Dienstleistern zu übertragen. Er ist neben seiner Fachkompetenz in der Lage, das Unternehmen aus seiner neutralen Position zu betrachten. Der Betriebssicherheitsmanager ist der qualifizierte Experte, der übergreifend die Disziplinen vernetzt und zusammenführt. Er kennt die gesetzlichen Anforderungen und er hat es gelernt, diese für die betriebliche Anwendung auf zu bereiten. Damit verschafft er den Führungskräften die nötige Rechtssicherheit.

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2

2.10.2

Vernetztes Betriebssicherheitsmanagement

Welche Ziele erreichen wir mit dem Betriebssicherheitsmanagement?

Mit dem Betriebssicherheitsmanagementsystem werden keine vorhandenen Managementsysteme ersetzt. Es werden ausschließlich Schnittmengen der Systeme bearbeitet um Synergien optimal zu nutzen und Mehrfacharbeit zu vermeiden. Dies führt zu einer nicht unerheblichen Effizienzsteigerung. Demzufolge ist es ein operatives Instrument zur ganzheitlichen Betrachtung und Beherrschung der betrieblichen Risiken. Mit dem Betriebssicherheitsmanagement lassen sich Ziele wie:          

die ganzheitliche Bewertung von Risiken, eine Vernetzung der betrieblichen Managementsysteme, der Wirtschaftlichen Nutzen für das Unternehmen erzielen; durch Partizipation und Verbesserung der Motivation eine Erhöhung der Effizienz erwirken; das ganzheitliche Betrachten betrieblicher Prozesse zur kontinuierlich Verbessern, weniger gestörte Betriebsabläufe, Verbesserung der Gesundheitsquote und Unfallbilanz, Gestaltung einer präventiven Sicherheits- und Gesundheitskultur, Schaffung von Rechtssicherheit, Vermeidung von Organisationsverschulden,

realisieren.

2.10.3 Was bietet ein Betriebssicherheitshandbuch? Die unternehmerischen Vorgaben zum Betriebssicherheitsmanagement erfolgt mit dem Betriebssicherheitshandbuch. Es ist primär das innerbetriebliche Regelwerk, mit dem die Betriebssicherheitspolitik des Unternehmens festgelegt und das Betriebssicherheitsmanagementsystem mit seiner Organisation sowie der Vorgehensweise zur Anwendung vorgegeben ist. Das Handbuch beschreibt das Betriebssicherheitsmanagementsystem anhand seiner Elemente und nennt alle wesentlichen Vorgaben für die Organisation, Struktur, Aktivitäten und Verhaltensweisen. Gleichsam dient es gegenüber den Behörden als Organisationsnachweis und verschafft somit Rechtssicherheit. Alle betriebsspezifischen Festlegungen sind im Betriebssicherheitshandbuch dokumentiert. Das Betriebssicherheitshandbuch ist als Kompendium aufgebaut und beinhaltet im Hauptteil die Unternehmensleitlinien mit den Grundsätzen zur Organisation, Struktur und den Verantwortungen. Im Anhang befinden sich erforderliche Verfahrensanweisungen. Die Verfahrensanweisungen konkretisieren den Inhalt und Umfang der im Betriebssicherheitsmanagement-System vernetzten Management-Systeme. Ein Hauptziel der Verfahrensanweisungen ist es, die Verantwortlichkeiten fach- und sachgerecht zu übertragen

2.10 Konzeption des Betriebssicherheitsmanagements

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und die Verknüpfung innerhalb der Unternehmensorganisation herzustellen. Verfahrensanweisungen beschreiben gleichsam die Vorgehensweise zur sicheren und störungsfreien Betriebsführung, Planung, Errichtung, Änderung und Inbetriebnahme neuer Anlagen, Betriebsstätten und Gebäude sowie die Durchführung relevanter Änderungen. Inhalt des Betriebssicherheitshandbuchs – Beispiel –

Folgende Inhalte sollte ein ganzheitliches Betriebssicherheitshandbuch mindestens enthalten:               

Unternehmensleitlinien Leitlinien zum Betriebssicherheitsmanagement Organisationsstruktur und Verantwortungen Ermittlung und Bewertung von betrieblichen Risiken Umsetzung rechtlicher Anforderungen Betriebssicherheitsrelevante Punkte der Beschaffung und Logistik Betriebssicherheitsrelevante Punkte der Betriebsführung Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz Umweltschutz Objektschutz und Brandschutz Krisen- und Notfallmanagement Regelmäßige Prüfungen und Dokumentationen Fremdfirmenmanagement Datenschutz und Datensicherheit Qualitätsmanagement

Die Erarbeitung und Fortschreibung des Betriebssicherheitshandbuchs erfolgt im Auftrag der Geschäftsleitung durch das Betriebssicherheitsmanagement in enger Zusammenarbeit mit allen betreffenden Fachbereichen.

2.10.4 Wie erfolgt die effektive Beherrschung von Risiken? Risiken entstehen dadurch, dass die Auswirkungen unternehmerischer Entscheidungen nur bedingt vorhergesagt werden können. Daher ist eine der wichtigsten Aufgaben der Unternehmensleitung, Risiken zu erfassen, zu beurteilen und in der Folge durch geeignete Maßnahmen zu beeinflussen. Unter Risikomanagement versteht man die Führung des Unternehmens aus der Gesamtschau aller seiner Risiken und ihrer Beherrschung. Mit Gefahren ist planvoll und zielgerichtet umzugehen. Durch die systematische Anwendung der Instrumente sollen die Unternehmensentscheidungen möglichst weit in den Bereich der kalkulierten Wahrscheinlichkeiten verschoben werden. Hierzu muss sich das Management zunächst aller wesentlichen Risiken bewusst werden und entscheiden, welche Maßnah-

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Vernetztes Betriebssicherheitsmanagement

men im Umgang mit ihnen zu treffen sind. Dadurch sollen bestehende und vor allem auch potenzielle Risiken kalkulierbar und somit kontrollierbar werden. Grundlegend sind für ein Unternehmen zu definieren:      

Risikostrategie Risikoidentifikation Risikoanalyse Risikobewertung Risikosteuerung Risikoüberwachung

In der Folge ergeben sich daraus die zu treffenden Maßnahmen, die unterteilt werden können in Maßnahmen zur:    

Risikovermeidung Risikosenkung Risikoüberwälzung: Absicherung z. B. durch Versicherungen Risikoübernahme: D. h. das Unternehmen trägt das Risiko

Ein ganzheitliches bereichsübergreifendes Risikomanagement ist ein grundlegender Bestandteil der Aufgaben des Betriebssicherheitsmanagements. Die Vernetzung mit dem kaufmännischen Risikomanagement ermöglicht die weitere Nutzung von Synergien und leistet einen nicht zu unterschätzenden Betrag zur Wirtschaftlichkeit.

2.10.5 Was bewirkt eine konsequente Steuerung von Prozessen? Ein ergebnisorientiertes und sicherheitsbewusstes Denken und Handeln macht es erforderlich, die betrieblichen Prozesse so optimal wie möglich ablaufen zu lassen. Ein konsequent angewendetes Betriebssicherheitsmanagementsystem betrachtet einen Unternehmensablauf als ganzheitlichen Prozess, der in einer Vielzahl von Teilprozessen untergliedert ist. Es verschafft ein Höchstmaß an Transparenz und ermöglicht es, ein Unternehmen mit hoher Effizienz zu betreiben. Gleichzeitig werden damit die verschiedenen Disziplinen vernetzt und alle Synergien genutzt.

2.10.6 Prozessorientiertes BetriebssicherheitsmanagementSystem – Lenkungskreis – Der Ablauf eines Unternehmens ist ein Prozess, der gelenkt und geführt werden muss. Jedes weitere innerbetriebliche Projekt stellt in der Regel ebenfalls einen Prozess dar. Daher ist es unumgänglich, eine Prozessstrategie zu entwickeln und die Organisation

2.10 Konzeption des Betriebssicherheitsmanagements

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Abb. 2.2 Der Lenkungskreis steuert den gesamten betrieblichen Prozess

darauf anzupassen. Um die Kontrolle über das Gesamtprojekt „Unternehmen“ und alle Einzelprozesse zu haben ist ein oberstes Steuerungsinstrument erforderlich. Dies ist der so genannte Lenkungskreis (Abb. 2.2). Die Mitglieder des Lenkungskreises müssen durch die Geschäftsleitung ausgewählt und eingesetzt werden. Der Betriebssicherheitsmanager ist in dem Kreis ein wichtiges Mitglied. Er muss den Lenkungskreis aktiv unterstützen und bei seinen Sitzungen moderieren. Alle Fachbereiche müssen in dem Lenkungskreis eingebunden sein. Die Geschäftsleitung darf sich darin lediglich als gleichrangiges Mitglied fühlen. Sie sollte nicht die Leitung innehaben. Diese muss einer der benannten Prozessmanager mit dem Betriebssicherheitsmanager übernehmen. Dies besonders, um auch an der Stelle den Linienverantwortlichen den Rücken für ihre eigentlichen Aufgaben frei zu halten.

2.10.6.1 Prozessmanager Je gründlicher ein Prozess vorbereitet wird, umso reibungsloser ist der Ablauf. Dazu ist es zunächst erforderlich, die Verantwortlichkeiten zu regeln. Es genügt dabei nicht alleine, dass für die Projektbegleitung die erforderlichen kompetenten Fachleute zur Verfügung stehen, sie müssen auch die Zeit haben, die Projektarbeit gründlich durchführen zu können. Daher ist es vielfach ratsam, für die Leitung eines Projektes nicht den Linienverantwortlichen zu nehmen. Er ist bereits durch seine alltäglichen Aufgaben extrem stark ausgelastet. Viel effizienter ist es, dafür eine qualifizierte Führungskraft zu bestimmen. Die Anzahl der Projektmanager ist dabei von der Anzahl der Projekte abhängig. Häufig ist es wegen der Überschneidung von Prozessen erforderlich, dass sich die Prozessmanager im Tagesgeschäft untereinander informieren und abstimmen. Dazu bietet sich ebenfalls ein festgelegtes, regelmäßiges Arbeitsgespräch an. In den Kreis gehört zwingend der Betriebssicherheitsmanager als Berater und Moderator.

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Vernetztes Betriebssicherheitsmanagement

2.10.6.2 Prozessplanung Planung, Vorbereitung und Dokumentation nehmen zusammen die gleiche Zeit in Anspruch wie die eigentliche Durchführung. Bei großen Prozessen, wie dem Errichten einer neuen Produktionsstätte, laufen Vorbereitungen, Durchführungen und Nachbereitungen zwangsläufig parallel. Der zu berücksichtigende Zeitrahmen zur Prozessgestaltung beträgt:  25 % Vorbereitung  50 % Durchführung/Ablauf  25 % Nachbereitung/Dokumentation

2.10.6.3 Prozessablauf Alles was vorgeplant werden kann, hilft den eigentlichen Prozess störungsfrei und effizient ablaufen zu lassen. Das spart Zeit und Geld. Einer der häufigsten Fehler bei der Planung von Prozessen ist das Anlegen des Zeitplans. Es sollte möglichst von der festgelegten Inbetriebnahme aus rückwärts geplant werden. Wenn zum Beispiel eine neue Produktionsstraße errichtet werden soll, ist die Erste und wichtigste Frage: Wann muss die Produktion beginnen, um das neue Produkt wie geplant auf den Markt zu bringen? Von dem Zieltermin an muss rückwärts jeder einzelne Schritt betrachtet werden. So erreicht man genau den Zeitpunkt, an dem spätestens mit den Arbeiten begonnen werden muss. Erfolgt zu Termin die Produktion nicht, so kann dass erhebliche Folgen haben. Beispielhafte Schritte einer Prozessplanung sind (zeitlich umgekehrter Ablaufplan):                  

Inbetriebnahme der Produktion Vorbereitung der Produktion Letzte Einweisung des Bedienpersonals Übergabe aller Pläne und Unterlagen für den Betrieb Probeläufe und Reinigung der Anlage und letzte Anstricharbeiten Abschließende Errichtung aller Zuwege und Außenanlangen Errichtung der Sozialbereiche Installation und Inbetriebnahme des Steuer- und Kontrollraums Einbau der Produktionsmaschinen Anlieferung der Maschinen und Geräte Erstellen der Installationen und Versorgungsleitungen Errichten der Gebäude Einweisung der Baufirmen Aufbau der Baustelleneinrichtungen Vergabe der Aufträge Einreichen der Genehmigungsunterlagen bei den Behörden Erstellen der Ausschreibungsunterlagen Erstellen aller Detailplanungen und Pflichten

2.10 Konzeption des Betriebssicherheitsmanagements

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Abb. 2.3 Zeitplan eines Prozesses ohne Störungen

Abb. 2.4 Unerwartete Störungen machen jeden Zeitplan zunichte

   

Erstellen der Entwurfspläne Festlegung des Zeitplans Festlegung der Ablauforganisation Bestimmung eines Projektmanagers, Bauleiters, Koordinators und Betriebssicherheitsmanagers

Die Aufzählung ist nicht vollständig, verdeutlicht aber die Komplexität im Ablauf von Prozessen. Es ist bei der Planung wichtig, Zeiträume für „unverhofft“ zu berücksichtigen (Abb. 2.3). Denn selbst bei der besten Vorplanung lassen sich nicht alle Eventualitäten ausschließen. Kaum wurde mit den Arbeiten begonnen, da ereignete sich auch schon ein schwerer Unfall. Lieferverzögerungen führten zu weiteren Zeitverschiebungen (Abb. 2.4). Der eingeplante Freiraum für „unverhofft“ war schnell verbraucht. Die zeitliche Verzögerung brachte enorme Verluste. Nicht zuletzt, weil die Konkurrenz zwischenzeitlich mit ihrem Produkt auf dem Markt war. Einführung einer neuen Ankertechnik – Beispiel –

Für die Errichtung einer Tunnelstrecke muss eine neue Ankertechnik erprobt und eingeführt werden. Anker werden im Tunnelbau zur Absicherung des Gebirges gegen Einsturz verwendet. Bisher kommt überwiegend eine spezielle Dübel-Technik zur Anwendung. Zum Einbringen der Dübel werden bis zu 6 m tiefe Löcher in das Gebirge

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Vernetztes Betriebssicherheitsmanagement

gebohrt. Darin wird ein Spreizdübel aus Metall eingesetzt und die Ankerstange verschraubt. Bei dieser Technik wird nicht immer die gewünschte Haltbarkeit erreicht. Das ist abhängig von der Art des Gebirges. Bei weichem Gestein lösen sich einzelne Anker oder sie lassen sich erst gar nicht festschrauben. Kosten und zeitintensives Nacharbeiten und das Setzen zusätzlicher (Sicherheit) Anker ist bei der Technik regelmäßig erforderlich. Auch ist die Zahl von Unfällen auf Grund von herabfallendem Gestein überdurchschnittlich hoch. Da in dem zu errichtenden Tunnel ein besonders poröses Gebirge angetroffen wurde, ist das Risiko von Störungen und Unfällen besonders hoch. Es soll daher eine gänzlich neue Klebetechnik erprobt werden. Die Hersteller der Klebeanker und die Tunnelbauer waren gleichermaßen um ein gutes Ergebnis bemüht. Folgende Anforderungskriterien galt es zu erfüllen:            

Der sichere Sitz im Gebirge muss durch den Kleber gewährleistet werden Die Belastbarkeit der Anker sollte sich erhöhen Der Arbeitsablauf sollte vereinfacht und Nacharbeit vermieden werden Der zeitliche Aufwand war zu minimieren Eine gefahrlose Verwendung des Klebers musste möglich sein Sauberer Einbau ohne Auslaufen von Kleber und schnelle Abbindung Gefahrloser Transport und sichere Lagerung Problemlose Entsorgung von Resten und Gebinden Keinerlei Transport und Lagerbeschränkungen Keine zusätzlichen Brandgefahren Herstellergarantien zur langfristigen Haltbarkeit Keine zu erwartenden Umweltbelastungen bei sachgerechter Verwendung

Ein junger Ingenieur wird zum Projektmanager benannt. Zur Einhaltung der Gesamtbauzeit werden für die Testphase drei Monate vorgegeben. Das Projektteam besteht aus je einem Mitarbeiter der Bereiche:     

Logistik/Einkauf Technik/Projektmanager Produktion Betriebssicherheitsmanagement Hersteller der Klebeanker Folgende Arbeitsteilung wurde in der ersten Sitzung des Projektteams festgelegt:

Projektmanager  Leiten des Projektes und Verantworten des Ergebnisses  Führen des gesamten Schriftwechsels und der Protokolle

2.10 Konzeption des Betriebssicherheitsmanagements

   

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Anleiten der Ausführung vor Ort Abstimmung mit dem Lenkungskreis Verfolgen des Ablaufplans Auswertung aller Ergebnisse

Logistik              

Liefergarantien Preisverhandlungen Liefermengen Lieferzeiten Abnahmeverpflichtung Herstellergarantien Anlieferung Transport zum Einbauort Zwischenlagerung Lagerung vor Ort Belieferungsabstände Rücktransporte Entsorgung Größen der Gebinde

Technik     

Projektmanagement Erstellen der Verfahrensanweisung Durchführung der Tests Prüfung der Festigkeiten Technische Bewertung der Ergebnisse

Produktion       

Einbau der Anker in die erstellten Bohrlöcher Herrichten des Arbeitsplatzes einschließlich Be- und Entlüftung Bewertung des Arbeitsablaufes Erfüllen des vorbeugenden Brandschutzes Schulung der Ausführenden Beschaffung der persönlichen Schutzausrüstung Aushändigen der Betriebsanweisungen, Verfahrensanleitung und Gefahrstoffmerkblätter nach Erläuterung an die Mitarbeiter  Durchführen der Arbeitsschutzunterweisung  Unterstützen der einbezogenen Fachbereiche

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Vernetztes Betriebssicherheitsmanagement

Betriebssicherheitsmanagement             

Moderation der Projektsitzungen Beratung der Projektmitglieder in allen Fragen Prüfung aller vom Hersteller übergebenen Unterlagen Durchführen und Auswerten der Risikoanalyse Durchführen und Auswerten der Arbeitsplatzmessung Erstellen der Betriebsanweisungen Koordination der erforderlichen Schulungen Beschaffung aller gesetzlichen Unterlagen Abstimmung mit den Behörden für Arbeits- und Umweltschutz Abklären aller brandschutz- und lüftungstechnischen Fragen Überprüfung der sicheren Arbeitsweise Durchführen eines Kurzworkshops zur Prozessoptimierung Einarbeitung ins Betriebssicherheitshandbuch

Diese Auflistung ist nicht abschließend. Sie zeigt jedoch, wie mit einer konsequent Arbeitsteilung effizient gearbeitet werden kann. Das Projekt wurde pünktlich abgeschlossen. Die Linienverantwortlichen waren nur für die endgültigen Entscheidungen gefordert. Sie hatten ansonsten Zeit für ihre alltäglichen Aufgaben. Durch das Betriebssicherheitsmanagement wurden alle Beteiligten optimal vernetzt und unterstützen. Unnötige Absprachen wurden vermieden. Die Aufgabenstellung war nach 4 Projektsitzungen erfolgreich abgeschlossen. Die gemeinsam durch die technische- und kaufmännische Abteilung ermittelte Kosteneinsparung für den ersten Tunnelkilometer wurde mit 168.000 C beziffert. Das System findet inzwischen eine breite Anwendung. Prozessgestaltung durch Mitarbeiter Kai Sen, KVP und TQM sind für die Fachleute bekannte Begriffe, mit denen Veränderungsprozesse durchgeführt und Qualitätssteigerungen erzielt werden sollen. Alle diese Systeme haben ihre Berechtigung, können aber in der Regel, mit ihren theoretischen Ansätzen, den Erfordernissen eines gewachsenen Unternehmens nicht gerecht werden. Vielfach werden sie von Außen über das Unternehmen gestülpt und finden daher nicht die erforderliche Akzeptanz. Ein höherer Effekt lässt sich erzielen, wenn aus allen diesen theoretischen Ansätzen ein unternehmensspezifisches integriertes Betriebssicherheitsmanagement-System entwickelt wird. Dies sollte möglichst im Unternehmen durch die eigenen Mitarbeiter erfolgen. Das bringt eine hohe Identifikation und Motivation. Ebenso fließen alle betrieblichen Erkenntnisse und Erfahrungen der Mitarbeiter unmittelbar in den Prozess ein. Eine Grundvoraussetzung dazu ist eine Vertrauensbasis zwischen der Geschäftsleitung und den Mitarbeitern. Haben die Mitarbeiter das sichere Gefühl, bei ihrem Einsatz keine persönlichen Nachteile zu erlangen, so werden sie sich voll einbringen. Es gibt gute Beispiele wo Mitarbeiter in solch einem Projekt ihre

2.11 Wie bedeutend ist eine Verbesserung des wirtschaftlichen Nutzens?

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eigene Abteilung aufgelöst haben. Sie konnten erkennen, dass mit einer anderen Organisation dem betrieblichen Ablauf besser gedient werden kann. Die Garantie auf einen anderen Arbeitsplatz hatten sie ja. I

Ein Veränderungsprozess, wie der Aufbau eines Betriebssicherheitsmanagement-Systems, ist immer dann effizient und nachhaltig, wenn es gelingt, die Mitarbeiter mitzunehmen!

Da die Mitarbeiter unmittelbar erfahren, dass sie mit ihrer Arbeit nicht nur die Zukunft des Unternehmens, sondern auch ihren Arbeitsplatz sichern, ist eine hohe Identifikation gewährleistet. Es gibt eine Vielzahl von positiven Beispielen, bei denen es den Mitarbeitern mit ihrem Einsatz sogar gelungen ist, die Schließungen des Unternehmens zu verhindern. Einige dieser Projekte sollen als Anhaltspunkt für eigene Projektplanungen dienen.

2.11 Wie bedeutend ist eine Verbesserung des wirtschaftlichen Nutzens? Optimal informierte, in die betrieblichen Prozesse eingebundene, hochmotivierte Mitarbeiter, arbeiten nicht nur sicher und gut, sie erleiden auch weniger Unfälle. Das Ergebnis ist ein Anstieg von ungestörten Betriebsstunden und ein Rückgang gesundheitsbedingten Ausfalltage. Der rechnerische Nachweis dazu ist individuell unternehmensspezifisch zu führen. Gelenkwellenhersteller – Beispiel –

Mit dem folgenden Beispiel soll verdeutlicht werden, wie bei einer partizipativen Unternehmensführung Mitarbeiten gelingen kann, die Betriebsabläufe so zu optimieren, dass eine Effizienzsteigerung erzielt wird, mit der das Überleben eines Unternehmens gesichert werden kann. Ein Gelenkwellenhersteller, der in Schwierigkeiten geraten war, weil sein einziger Auftraggeber von sich aus den Preis für die Gelenkwellen um 25 % reduziert hatte, stand über Nacht vor der Frage, ob und wie er mit dieser Situation fertig werden kann. Das Unternehmen mit etwa 1000 Mitarbeitern schien vor dem Aus zu stehen. In den unmittelbar eingeleiteten Gesprächen zwischen der Geschäftsleitung und den Arbeitnehmervertretern wurde entschieden, alles zu versuchen um das Unternehmen vor der Schließung zu retten. Geschäftsleitung und Arbeitnehmervertreter verständigten sich dahingehend, dass die Mitarbeiter selber versuchen sollten, in Teams, für alle betrieblichen Prozesse Optimierungsvorschläge zu erarbeiten. Diese galt es in einem weiteren Schritt zu ganzheitlichen Lösungen zu vernetzen. Auf den Einsatz eines externen Unternehmensberaters wurde aus Zeit- und Kostengründen verzichtet. Lediglich ein externer Experte wurde als Moderator zu Rate gezogen.

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Vernetztes Betriebssicherheitsmanagement

Abb. 2.5 Die direkten Ausfallkosten von Mitarbeitern summieren sich schnell zu Millionen Euro

Den Mitarbeitern gelang es, die Qualität der Produktion zu verbessern und Betriebsstörungen auf ein Minimum zu reduzieren. Logistische Prozesse wurden so optimiert, dass es keine unnötigen Engpässe und Stillstände mehr gab. Alle Materialien waren zur richtigen Zeit an der richtigen Stelle. Ebenso wurden die Maschinen optimal eingesetzt, gewartet und instand gehalten. Das Unternehmen erfuhr durch den die Situation und den daraus resultierenden Prozess eine neue Form des Umgangs miteinander und entwickelte sich zu einem ganzheitlichen Team. Eine gänzlich neue Unternehmenskultur war binnen kurzer Zeit entstanden. Durch die Einbindung aller Fachbereiche und die Nutzung von Synergien erfolgte eine optimale Vernetzung. Ein bedeutender Effekt war auch die starke Reduzierung der Unfall- und krankheitsbedingten Ausfalltage von neun auf unter drei Prozent (Abb. 2.5 und 2.6). Dies trug dazu bei, dass das Unternehmen die vom Auftraggeber

Abb. 2.6 Präventiver Arbeitsschutz kostet kein Geld, er bringt einen Gewinn

2.12 Wem dient die Schaffung von Rechtssicherheit?

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vorgegebene Preisreduzierung kompensieren konnte. Alleine die Einsparungen durch die Reduzierung der Unfall und krankheitsbedingten Ausfalltage brachte dem Unternehmen enorme Einsparungen. Heute gehört das Unternehmen zu einem der führenden Zulieferer mehrerer Automobilehersteller. Der eingesetzte externe Moderator hat gleichermaßen als Koordinator fungiert und damit die Funktion des Betriebssicherheitsmanagers eingenommen. Das Betriebssicherheitsmanagement wurde zur festen Einrichtung des Unternehmens.

2.12 Wem dient die Schaffung von Rechtssicherheit? Wir haben es im betrieblichen Alltag mit ständig neuen und sich ändernden gesetzlichen Vorschriften und Regeln zu tun. Diese zu überblicken und stets einzuhalten ist den Führungskräften nicht möglich. Sie benötigen daher einfache Verhaltensregeln, die ihnen helfen im Schadensfall den Nachweis zu erbringen, dass sie ihren Pflichten nachgekommen sind. Jede Führungskraft in der hierarchischen Linie vom Unternehmer bis zum Teamleiter trägt Verantwortung für die unterstellten Mitarbeiter und die im Zuständigkeitsbereich vorhandene Technik. Diese Verantwortung beinhaltet immer gleichermaßen die Fachverantwortung und die Führungsverantwortung. Denn Verantwortung ist nicht teilbar. Die Aufgabe der Führungskräfte ist es, den gesamten betrieblichen Ablauf unter dem Gesichtspunkt von Sicherheit, Gesundheit und Umweltschutz zu organisieren. Maßnahmen der Organisation sind:  Organisation von Arbeits- und Produktionsabläufen sowie Maßnahmen zum Umweltschutz  Beschaffung von geeigneten Anlagen, Maschinen, Werkstoffen, Materialien und Hilfsmitteln  Personalauswahl, Personalführung und Personalüberwachung  Kontrolle der Arbeiten und Anlagen in regelmäßigen Abständen  Dokumentation von durchgeführten Maßnahmen und Prüfungen  Berichterstattung an die nächste Führungsebene und Geschäftsleitung  Einholung von Genehmigungen Kommen Unternehmer und Führungskräfte den Pflichten, die sie aufgrund ihrer Stellung im Unternehmen haben nicht nach, so liegt ein schuldhafter Verstoß vor. Steht dieser Verstoß in einem direkten Zusammenhang mit einem Schadensereignis, so setzen sie sich einem Haftungsrisiko aus. Sie können für ihr Fehlverhalten zur Verantwortung gezogen werden. Dies kann von ordnungswidrigkeitsrechtlichen über strafrechtliche bis hin zu arbeitsrechtlichen Folgen reichen. Rechtsfolgen werden aber erst dann ausgelöst, wenn durch ein aktives Handeln oder schuldhaftes Unterlassen gegen Rechtspflichten verstoßen wurde.

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Vernetztes Betriebssicherheitsmanagement

Der Betriebssicherheitsmanager hat es gelernt, die für den betrieblichen Praktiker unverständlichen Gesetze und Regeln unternehmensspezifisch aufzubereiten und umzusetzen. Er entlastet damit die gesamten Mitarbeiter und schafft Rechtsicherheit.

2.12.1

Welche versicherungsrechtlichen Konsequenzen sind zu erwarten?

Sachversicherer werden künftig verstärkt die Tarifgestaltung an ein transparentes Risikomanagement des Versicherungsnehmers ausrichten. Die Basis dazu bildet Solvency II. Solvency II ist ein Projekt der EU-Kommission zu einer grundlegenden Reform der Versicherungsaufsicht in Europa. Erkennbar wird Solvency II auch Auswirkungen auf die Betriebssicherheit haben. Die Regelungen der Versicherungsträger können, neben der gesetzlich geregelten Überwachung der Unternehmen, einen Quasi-Basisstandart für das Arbeitsschutzmanagement bilden. Besonders deutlich werden sich die Auswirkungen von Standards im Risikomanagement bei der Verknüpfung der Risikomanagement-, Qualitäts-, Umweltschutz- und Arbeitsschutzmanagementsysteme usw. zu einem Betriebssicherheitsmanagement auswirken. Durch Nutzung von Synergie und die Bündelung der Ressourcen ist, im vergleich zu einzelnen, isolierten Managementsystem, ein wirtschaftlich effizienteres Management möglich. Die Folge ist auf Sicht eine günstigere individuelle Beitragsgestaltung durch den Versicherer. Was kann mit einem Betriebssicherheitsmanagement erreicht werden?:  Kontinuierliche Verbesserung der betrieblichen Prozesse sowie die Vermeidung betriebsbedingter Störungen  Verbesserung von Mitarbeiterzufriedenheit und Betriebsklima  Sensibilisierung zum Arbeits- und Gesundheitsschutz  Senkung der Unfallzahlen und Steigerung der Gesundheitsquote  Allgemein besseres Firmenimage als „gesundes“ Unternehmen  Verknüpfung von Sicherheit und Gesundheitsschutz mit Qualität und Umweltschutz  Verbesserung von Qualifikationen auf allen Ebenen  Verbesserung des Informationsflusses  Klare Zuordnung von Verantwortlichkeiten Die Aufzählung ist keineswegs abschließend. Sie ist beispielhaft für den hohen Nutzen den der Unternehmer mit einem Betriebssicherheitsmanagement für sich und seine Mitarbeitern erzielen kann.

2.13 Einführung eines Betriebssicherheitsmanagements Die in den letzten Jahren vollzogenen Anpassungen von Unternehmen an neue Marktsituationen mit ihren immer kürzeren Veränderungszyklen gingen vielfach einher mit

2.13 Einführung eines Betriebssicherheitsmanagements

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tief greifenden organisatorischen Neuausrichtungen. Ganze Konzerne wurden umgebaut, Hierarchieebenen wurden abgebaut, Personal wurde reduziert, umgesetzt und mit teilweise gänzlich neuen Aufgaben betraut. Die Betrachtungen der Stake-Holder sind im Management der Vergangenheit sehr stark auf Kunden und Lieferanten ausgerichtet gewesen. In Zukunft werden die weiteren Stake-Holder Kapitalgeber, Konkurrenz, Staat und Öffentlichkeit im betrieblichen Management an Bedeutung gewinnen. Modernes Management wird eine wichtige Rolle spielen für die Compliance des Unternehmens.

2.13.1 Gesellschaftliche Anforderungen Auch die gesellschaftlichen Veränderungen beeinflussen die Arbeitswelt. Durch den Wegfall der Grenzen in Europa und die immer weitere Öffnung der globalen Märkte erfolgt eine steigende Vermischung der Belegschaften. Mitarbeiter aus unterschiedlichen Herkunftsländern sind in die Betriebe zu integrieren. Damit ergeben sich neben den sprachlichen Problemen eine Vielzahl kultureller und sozialer Themen, die es zu behandeln gilt. Mit dem demografischen Wandel werden darüber hinaus die Unternehmen vor das immer größer werdende Problem gestellt, geeignete Fachkräfte in ausreichender Zahl auf dem Arbeitsmarkt zu finden. Ganzheitliche Optimierungen von Prozessen können hier neue Personalressourcen schaffen und somit Personallücken schließen. Eine präventive Unternehmenskultur aufzubauen und ständig weiterzuentwickeln ist eine zentrale Möglichkeit der Zukunftssicherung. Die guten Erfahrungen von „Gesunden und sicheren Unternehmen“ mit ihren Präventionsprogrammen sollen als Vorbild dienen.

2.13.2 Vernetzung von Managementsystemen Die zahlreichen Veränderungen in den Anforderungen an die Betriebe haben auch vor den Querschnittsorganisationen, wie der Arbeitssicherheit, dem Umweltschutz, dem Datenschutz und weiteren Sicherheits- und Gesundheitsbereichen nicht halt gemacht. Mit der Einführung von (Teil-)Managementsystemen wie Qualitäts-, Umwelt- und Arbeitsschutzmanagementsystemen wurde den Unternehmen Werkzeuge in die Hand gegeben, die Umsetzung zentraler Themen mit formalisierten Systemen in die Unternehmensführung aufzunehmen. Hierfür sprechen viele gute Gründe, aber es birgt sich darin auch ein nicht unerhebliches Gefahrenpotenzial:  Mit Teilmanagementsystemen laufen die Unternehmen Gefahr, das zentrale Ziel eines Führungssystems – die ganzheitliche Führung eines Unternehmens – nicht zu erreichen,  es gibt thematische Überschneidungen zwischen den Managementsystemen, so stellen sie z. B. alle Anforderungen an Schulungen; stellen Qualität, Umweltschutz und Ar-

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Vernetztes Betriebssicherheitsmanagement

beitssicherheit Anforderungen an die Beschaffung; kümmern sich Umweltschutz und Arbeitssicherheit um Gefahrstoffe etc., so dass es zu Doppelarbeit und im schlimmsten Fall sogar zu widersprüchlichen Regelungen kommen kann. Als Lösung bietet sich an, die Managementsysteme nicht getrennt voneinander und vom restlichen Führungssystem des Unternehmens aufzubauen, sondern als integriertes Managementsystem.

2.13.3 Ganzheitliches systemisch-evolutionäres Betriebssicherheitsmanagement (Abb. 2.7) Das Betriebssicherheitsmanagement ist ein ganzheitliches systemisch-evolutionäres Managementsystem zur Unterstützung der Gestaltung, Lenkung und Entwicklung eines Unternehmens in einer Weise, dass die mit seinen betrieblichen Prozessen verbundenen Risiken als akzeptabel und verantwortbar gelten. Die Gesamtheit des Betriebssicherheitsmanagement ist untergliedert in:    

Betriebssicherheitsmanagement Betriebssicherheitsmanagement-System Betriebssicherheitsmanager Betriebssicherheitshandbuch

Abb. 2.7 Ganzheitlich vernetztes Betriebssicherheitsmanagement-System

2.13 Einführung eines Betriebssicherheitsmanagements

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2.13.4 Eingliederung des Betriebssicherheitsmanagers in die Hierarchie (Abb. 2.8) Der Betriebssicherheitsmanager ist der innerbetriebliche Experte, der sich fachübergreifend in alle betrieblichen Prozesse einbringt und die Funktionen der Beauftragten koordiniert und zusammenführt. Er nimmt Aufgaben als beauftragte Person des Unternehmers für Arbeitssicherheit, Gesundheitsschutz, Krisen- und Notfallmanagement, Qualität, Umweltschutz, Datenschutz, Brandschutz usw. war oder führt und vernetzt die Beauftragten als fachlicher Leiter; er leitet das Betriebssicherheitsmanagement. Neben seinen internen Aufgaben vertritt er das Unternehmen gegenüber den Aufsichtsbehörden und ist damit sowohl intern als auch extern der definierte Ansprechpartner. Der Betriebssicherheitsmanager kennt die gesetzlichen Anforderungen und hat es gelernt, diese für die Umsetzung aufzubereiten. Damit entlastet er die Führungskräfte und verschafft ihnen Rechtssicherheit. Für sein Handeln, besonders seine Beratung in Rechtsfragen, trägt er die Verantwortung. Der Unternehmer und die Führungskräfte müssen sich auf seine Ausführungen zu sicherheits- und umweltrelevanten Gesetzen und Regeln verlassen können. Der Betriebssicherheitsmanager ist somit nicht nur beratend sondern gleichsam operativ tätig. Er gehört mit seiner Funktion und Verantwortlichkeit der oberen Führungsebene an. Zu den Aufgaben des Betriebssicherheitsmanagers zählen insbesondere:  Sicherstellen der betrieblichen und gesetzlichen Vorschriften in den Bereichen Arbeitssicherheit, Gesundheitsschutz, Umweltschutz, Datenschutz, Strahlenschutz, Qua-

Abb. 2.8 Integration des Betriebssicherheitsmanagements in die Organisation des Unternehmens (Abbildung mit %-Angaben 80/20)

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Vernetztes Betriebssicherheitsmanagement

litätsmanagement, Objektsicherungsmanagement, Krisen-/Notfallmanagement, Brandschutz, Fremdfirmenmanagement usw. Erarbeiten der Grundsätze zum Betriebssicherheitsmanagement-System Koordination und fachliche Führung der Beauftragten in den unterschiedlichen Fachgebieten. Erstellung und Fortschreibung des Betriebssicherheitshandbuchs Mitwirkung in internen und externen Kreisen zur Prozessteuerung. Zusammenarbeit mit den Behörden und Vertretung der Geschäftsleitung Berichterstattung und Analyse zum Betriebssicherheitsmanagement-Systems Weitere Aufgaben werden unternehmensspezifisch zugeordnet bzw. übernommen.

2.14 Die Entstehung des Betriebssicherheitsmanagements Die Entstehung des Betriebssicherheitsmanagements geht auf die Errichtung eines Großkraftwerks zurück. Der neue Kraftwerksblock wurde um 1990 in ein bestehendes Kraftwerksgelände integriert. Das Gelände war Teil eines Industrieparks mit einigen Betrieben der chemischen- und stahlerzeugenden Industrie. Die Errichtung einer solchen Anlage stellt hohe Anforderungen an Sicherheit, Umweltschutz, Objektschutz usw. Sie lässt keine Kompromisse zu. Zunächst galt es, die Oberbauleitung mit einer optimierten Anzahl an Fachgebieten zu besetzen. Der Bauherr forderte zusätzlichen einen definierten Ansprechpartner für alle anstehenden Querschnittsaufgaben wie Sicherheit, Gesundheit, Umweltschutz usw. Dem neubenannten „Betriebssicherheitsmanager“ wurde, die Koordination der Beauftragten übertragen. Für Querschnittsfunktionen, wie dem Brandschutz und der Objektsicherung übernahm er Fach- und Führungsverantwortung. Ebenso die Vertretung gegenüber den Behörden in allen Bereichen. Ziel war ein definierter Ansprechpartner für den Oberbauleiter und eine optimierte Abstimmung unter den Beauftragten. Dazu wurde vorgegeben:  Alle gesetzlichen Forderungen und Auflagen zu erfüllen.  Die Vermeidung von Unfällen und Störfällen auf der Baustelle.  Einhaltung aller umweltrelevanten Anforderungen an die Anlage, Öffentlichkeit und benachbarte Betriebe.  Gründung einer Werkfeuerwehr.  Organisation des Strahlenschutzes.  Organisation aller Objektsicherungsmaßnahmen.  Koordination der Fremdunternehmen in allen sicherheitsrelevanten Themen  Vertretung der Oberbauleitung gegenüber Aufsichtsbehörden.  Organisation der arbeitsmedizinischen Betreuung.

2.14 Die Entstehung des Betriebssicherheitsmanagements

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 Vorbereitung und Durchführung notwendiger Schulungen/Unterweisungen für Eigenund Fremdpersonal.  Einführen wirksamer Zugangskontroll- und Arbeitsfreigebesysteme.  Durchführung notwendiger Begehungen der Baustelle  Organisation des Krisenstab und Notfallmanagement Dabei galt es Mehrfacharbeit zu vermeiden und Schnittstellen zu optimieren. Ebenso Synergiepotentiale zu identifizieren und optimal zu nutzen.

2.14.1

Integration des Betriebssicherheitsmanagements in die oberste Leitung einer Großbaustelle (Abb. 2.9)

Mit der Oberbauleitung wurde durch den Vorstand des Konzerns ein Manager betraut, der über umfangreiche Erfahrungen im Errichten und Betreiben von Kraftwerken verfügte. Für ihn hatte die Sicherheit alleroberste Priorität. Die weiteren Mitglieder der Oberbauleitung wurden durch ihn bestimmt. Sie bestand aus dem:     

Oberbauleiter selber als Vertreter des Bauherren Bauleiter des Errichter-Konsortium Bereichsleiter Finanzen/Recht Leiter Kaufmännischer Bereich/Öffentlichkeitsarbeit Betriebssicherheitsmanager

Die Oberbauleitung kam mindestens wöchentlich zusammen. Es wurde aus allen Bereichen aktuell Bericht erstattet. Alle anstehenden Aufgaben wurden Abgestimmt und in die nachgeschalteten Projektkreise zur weiteren Bearbeitung übermittelt. Im Zuge der Inbetriebnahme wurden teilweise täglich Besprechungen abgehalten. Das Ergebnis aller Bemühungen zeigte sich in einer ausgesprochen positiven Unfallbilanz, sowie einer vorzeitigen Fertigstellung und Inbetriebnahme der Anlage von neun Monaten. Auch wurde, durch einen offenen Dialog mit der Öffentlichkeit, eine notwendige Akzeptanz geschaffen. Das Kraftwerk konnte störungsfrei in Betrieb genommen werden. Alle behördlichen Auflagen wurden erfüllt.

Abb. 2.9 Organisation der Oberbauleitung

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Vernetztes Betriebssicherheitsmanagement

Aufbau- und Ablauforganisation des Betriebssicherheitsmanagements auf der Großbaustelle Die primäre Aufgabe des Betriebssicherheitsmanagers bestand zunächst in der Ausgestaltung der Aufbauorganisation. Dies erfolgte bereits innerhalb der Planungsphase, also rechtzeitig vor dem Beginn der Bauausführungen. Für alle zu bestellenden Beauftragten konnten im Konzern erfahrene Fachexperten gefunden werden. Vielfach wurden zur Optimierung der Prozesse und Minimierung der Beauftragten mehrere Funktionen in einer Person vereint. So wurde dem künftigen Leiter der Werkfeuerwehr die Objektsicherung übertragen. Alle umweltrelevanten Aufgaben wurden einem Umweltschutzbeauftragten vereint. Ebenso wurde im Strahlenschutz verfahren. Dem Betriebssicherheitsmanager oblag primär die Aufgabe der Koordination und Vertretung gegenüber den Behörden. Auch seitens aller Behördenvertreter wurde es begrüßt, einen definierten Ansprechpartner zu haben. Für die Ablauforganisation wurde seitens der Oberbauleitung Wert darauf gelegt, dass das Betriebssicherheitsmanagement integrierter Bestandteil aller Prozesse ist. Ein effizientes Betriebssicherheitsmanagement wurde eingefordert und war von allen nachgelagerten Ebenen bis hin zum Mitarbeiter vor Ort zu gestalten. Der gesamte Ablauf der Errichtung und Inbetriebnahme wurde in einer Vielzahl von Prozess unterteilt. Dem Prozessmanager oblag die Aufgabe der Querinformation und Integration aller erforderlichen Fachdisziplinen. Somit wurde gleichsam eine fachbereichsübergreifende Teamarbeit initiiert und praktiziert. Ein der Oberbauleitung nachgeschalteter Lenkungskreis steuerte die gesamten Prozesse. Er fungierte als das operative Bindeglied zwischen der Oberbauleitung, den Fachbereich und dem Betriebssicherheitsmanagement. Je nach Aufgabenstellung wurden durch den Lenkungskreis permanente oder temporäre nachgelagerte Prozessteam gebildet. Eine offene Kommunikation unter allen an der Errichtung beteiligten internen und externen Fachgruppen erfolgte durch eine rechnergestütztes Informationssystem, welches ein Selektieren und somit Fokussierung auf der wesentlichen Informationen ermöglichte. Das Betriebssicherheitsmanagement hat sich als probates Instrument der Prozesssteuerung bewährt. Durch seine klare Strukturierung und konsequente Anpassung an den Aufgabenumfang ist es auf jede Unternehmensform, besonders Mittel- und Kleinbetriebe, übertragbar.

2.14.2

Einführung des Betriebssicherheitsmanagements auf Konzernebene

Aus den positiven Erfahrungen mit dem Betriebssicherheitsmanagement bei der Errichtung und dem Betrieb des Kraftwerks stellte sich zwangläufig die Frage der Übertragung des Systems auf den gesamten Konzern. Ein konsequent praktiziertes Betriebssicherheitsmanagement wurde als ein hervorragend unterstützendes Instrument identifiziert, alle Konzernweiten Querschnittsfunktionen mit hoher Effizienz zu führen.

2.14 Die Entstehung des Betriebssicherheitsmanagements

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Um alle gesetzlichen Anforderungen zu erfüllen und um Rechtssicherheit zu erlangen, strebte der Vorstand bereits einen einheitlichen Sicherheitsstandard für den Konzern an. Er hat daher die Einführung eines Betriebssicherheitsmanagement-System beschlossen. Zur Wahrung der Neutralität wurde der neu geschaffene Bereich dem Personalvorstand zugeordnet. Mit dieser Zuordnung wurde gleichsam die Mittlerfunktion von Beauftragten zwischen den Interessen des Arbeitgebers und Arbeitnehmern gefördert. Die Mitsprache der Arbeitnehmervertreter ist besonders in diesen Bereichen von großer Bedeutung.

2.14.3 Einbindung in die Konzernstruktur Mit der Einführung des Betriebssicherheitsmanagements wurde seitens des Vorstands auch die Weitergestaltung der ganzheitlichen Partizipation der Mitarbeiter als Unternehmenskultur vorgegeben. Es galt, diese Vorgabe auf allen Ebenen mit Leben zu erfüllen. Die weiterführenden Kompetenzen und Verantwortlichkeiten des Betriebssicherheitsmanagers wurden definiert. Zu seinen künftigen Aufgaben zählen insbesondere:  Erstellung der Unternehmensleitlinie zum Betriebssicherheitsmanagement-System als Vorstandsanweisung  Erarbeitung und Einführung der Aufbau- und Ablauforganisation Betriebssicherheitsmanagement für den Konzern  Information der Unternehmensbereiche auf allen Führungsebenen zu den Zielen des Betriebssicherheitsmanagement-Systems  Gründung der Regelkreise zur Koordination der Beauftragten in den unterschiedlichen Fachgebieten und untereinander.  Sicherstellen der Aufbereitung und Umsetzung von betrieblichen und gesetzlichen Vorschriften in den Bereichen Arbeitssicherheit, Gesundheitsschutz, Umweltschutz, Datenschutz, Strahlenschutz, Qualitätsmanagement, Objektsicherungsmanagement, Krisen-/Notfallmanagement, Brandschutz, Fremdfirmenmanagement usw. nach einheitlichen Standards  Erstellung und Fortschreibung des Betriebssicherheitshandbuchs  Mitwirkung bzw., Integration der Beauftragten in interne und externe Fachgruppen zur Prozessteuerung.  Zusammenarbeit mit Behörden und Fachverbänden, der Geschäftsleitung, den Betriebsvertretungen  Berichterstattung und Analyse zum Betriebssicherheitsmanagement-Systems Weitere Aufgaben werden bedarfsorientiert zugeordnet bzw. übernommen.

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2.14.4

Vernetztes Betriebssicherheitsmanagement

Unternehmensleitlinien Betriebssicherheitsmanagement

Ergänzend zu den Grundsatzleitlinien des Unternehmens, werden Leitlinien zum Betriebssicherheitsmanagement erarbeitet. Damit sind die künftigen Grundsätze an eine Vernetzung der Fachbereiche mit den Beauftragten und Querschnittsfunktionen festgelegt. Leitlinien zum Betriebssicherheitsmanagement – Beispiel –

Die nachstehenden beispielhaften Leitlinien werden durch den Regelkreis der Beauftragten erarbeitet, mit allen Fachbereichen abgestimmt und durch den Vorstand erlassen. Unternehmensleitlinie Betriebssicherheitsmanagement-System Das Betriebssicherheitsmanagementsystem des Unternehmens legt systematisch Grundsätze und Vorgehensweisen des Betriebssicherheitsmanagements (Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz, Umweltschutz, Datenschutz, Strahlenschutz, Krisen-Notfallmanagement, Objekt- und Brandschutz, Qualitätsmanagement) fest. Das kaufmännische Risikomanagementsystem des Unternehmens, dessen Ziel die Absicherung des Unternehmens ist, ist nicht Gegenstand des vernetzten Betriebssicherheitsmanagements. Das Betriebssicherheitsmanagementsystem ist im Betriebssicherheitshandbuch und den zugehörigen Verfahrensanweisungen dokumentiert. Es gilt unternehmensweit. Verantwortlich für die Organisation, die im Betriebssicherheitshandbuch beschrieben wird und die Wahrnehmung der in dem Werk beschriebenen Aufgaben ist der Vorstand. Der Betriebssicherheitsmanager ist für die Dokumentation dieser Organisation, deren Umsetzung und der weiteren Pflege des Handbuchs verantwortlich. Er berichtet dem Vorstand, der auf diese Weise zeitnah in die Entscheidungsprozesse miteinbezogen wird. Macht es die Komplexität einer Aufgabenstellung notwendig erfolgen ergänzende Festlegungen in Form von Verfahrensanweisungen. Die jeweiligen Organisationseinheiten und Gesellschaften des Unternehmens haben den Auftrag, die Regelungen zum Betriebssicherheitsmanagement umzusetzen. Erlassen durch den Vorstand

2.14.5 Einführung eines Betriebssicherheitsmanagements in Klein- und Mittelbetrieben (KMU) Ebenso wie in allen Großbetrieben, hat sich auch in den meisten Klein- und Mittelbetrieben in den vergangenen Jahren ein tiefgreifender Wandel vollzogen. Neben dem steigenden Kostendruck im immer härter werdenden Wettbewerb ist der verstärkte Zugang zu internationalen Märkten mit ständigen Veränderungen verbunden. Eine hohe Flexibilität bei der Anpassung der Betriebsabläufe und Betriebsorganisation an die sich immer schneller verändernden Gegebenheiten, erfordert daher von allen Akteuren ein verantwortungsbewusstes und effizientes Handeln.

2.14 Die Entstehung des Betriebssicherheitsmanagements

75

Ein individuell auf die unternehmensspezifischen Gegebenheiten und Erfordernisse angepasstes Betriebssicherheitsmanagement ist für ein KMU ein probates Instrument der wirtschaftlichen Betriebsführung unter Einbehaltung aller Sicherheitsanforderungen. Alle gesetzlichen Regelungen und Verantwortlichkeiten gelten gleichermaßen für Großunternehmen wie für jedes KMU. Im Gegensatz zu Großunternehmen verfügt ein KMU jedoch in der Regel nicht über hinreichend Personal für eine eigene Stabsabteilungen. Deshalb muss ein Organisationsrahmen geschaffen werden, mit dem sichergestellt ist, dass die gesetzlichen Anforderungen erfüllt werden können. Das Betriebssicherheitsmanagement bietet diesen Rahmen. Es sollte sich im Unternehmen schrittweise aus der bestehenden Organisation heraus entwickeln. Die beschriebene Vorgehensweise von Großunternehmen kann als Orientierung dienen. Die im Unternehmen bestellte Fachkraft für Arbeitssicherheit ist für diese Aufgabe besonders prädestiniert. Sie hat den Umgang mit Gesetzen und Vorschriften und deren Umsetzung gelernt. Die DGUV Vorschrift 2 „Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit“ gibt dafür den nötigen Handlungsspielraum. Vermehrt werden den Fachkräften für Arbeitssicherheit daher zusätzliche Beauftragungen wie beispielsweise:        

Datenschutzbeauftragter Gefahrstoffbeauftragter Gefahrgutbeauftragter Gewässerschutzbeauftragter Abfallbeauftragter Brandschutzbeauftragter Objektsicherungsbeauftragter Immissionsschutz-Störfallbeauftragter

übertragen. Diese Bündelung von Aufgaben bietet sich, besonders zur Nutzung aller Synergien und zur wirksamen Entlastung der Geschäftsleitung für ein KMU an. Damit steht im Unternehmen für alle Mitarbeiter ein definierter Ansprechpartner für Fragen von Sicherheit, Gesundheit und Umweltschutz zur Verfügung. Die Fachkunde für die vorgenannten Beauftragungen ist in Teilbereichen bereits in der Ausbildung und den Aufgaben der Fachkraft für Arbeitssicherheit enthalten. Der erforderliche zeitliche Aufwand an Fortbildung, hält sich damit in einem vertretbaren Rahmen. Dies besonders, da die Fortbildungseinrichtung bei der Fachkraft für Arbeitssicherheit auf vorhandene Grundkenntnisse aufbauen kann. Ist es einem Unternehmen nicht möglich, einem Mitarbeiter die gesamten Aufgaben des Betriebssicherheitsmanagements zu übertragen, so kann es auf einen externen Dienstleister zurückgreifen. Das ist gleichermaßen für alle wie auch für jede Einzelne der erforderlichen Beauftragungen möglich. Dieser Schritt sollte immer dann begangen werden, wenn er sich wirtschaftlich trägt. Die überwiegende Zahl der vorgenannten Fortbildungseinrichtungen bieten fachkompetente überbetriebliche Dienste an.

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2

Vernetztes Betriebssicherheitsmanagement

Der VDI Ausschuss 4055 bearbeitet die VDI Richtlinie „Betriebssicherheitsmanagement“. Die Richtlinie wendet sich vornehmlich an KMU. Das in der Richtlinie dargestellte Betriebssicherheitsmanagement ermöglicht es dem Unternehmer, die Bestandteile der betrieblichen Sicherheit in geeigneter Weise zu identifizieren und die betrieblichen Risiken im erforderlichen Umfang zu managen. Der Gründruck ist in 2015 erscheinen. Fazit: Die Einführung und Anwendung eines Betriebssicherheitsmanagements läuft für ein KMU nach dem gleichen strategischen Muster ab wie in einem Großunternehmen. Da die vielfältigen Beauftragungen in der Regel nicht den zeitlichen Arbeitsaufwand erfordern und für diese Aufgabe nur einige geeignete Mitarbeiter zur Verfügung stehen, ist das Betriebssicherheitsmanagement besonders für ein KMU ein optimales Instrument der effizienten und wirtschaftlichen Unternehmensführung. Mit der Fachkraft für Arbeitssicherheit steht dem Unternehmen bereits ein fachkompetenter Mitarbeiter zur Verfügung. Durch eine schrittweise Fortbildung lässt er sich kontinuierlich zum Betriebssicherheitsmanager weiterqualifizieren.

2.15 Der Master-Studiengang Betriebssicherheitsmanagement an der TFH Georg Agricola zu Bochum (TFH) Als bundesweit erste Hochschule bietet die TFH seit Sommersemester 2006 den MasterStudiengang Betriebssicherheitsmanagement an. Weitere Hochschulen folgten mit gleichartigen Studiengängen zu „Sicherheit und Gesundheit“. Die grundsätzliche Initiative zum Aufbau des Studiengangs erfolgte durch den Autor dieses Werkes, Bernhard Tenckhoff. Silvester Siegmann gehörte zu den ersten Absolventen. Das zweisemestrige Studium wird in Kooperation mit der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA), der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV, vormals HVBG) und der Gesellschaft für Datenschutz und Datensicherheit e. V. (GDD) durchgeführt. Es richtet sich vor allem an berufstätige Hochschulabsolventen und wird berufsbegleitend, das heißt überwiegend freitagabends und samstagvormittags sowie in Blockseminaren, veranstaltet. Die Studierenden schließen mit einer sechsmonatigen Masterarbeit und dem Titel Master of Science (M.Sc.) ab. Die Masterarbeit wird in der Regel über ein eigenes betriebliches Projekt geschrieben, so dass die Studierenden ihr Masterarbeit in die tägliche Arbeit integrieren können. Für den Studiengang wird eine Studiengebühr von insgesamt 10.000 C erhoben.

2.15.1

Aufbau und Inhalte

Betriebssicherheitsmanagement bündelt die Fachgebiete Sicherheit und Gesundheit, Qualitätsmanagement, Umweltschutz, Datenschutz, IT-Sicherheit, Brandschutz, Betriebssicherheit und Risikomanagement. Der Studiengang vermittelt den Studierenden wesentliche Kenntnisse des integrierten Personal- und Sicherheitsmanagements und soll sie be-

2.15 Der Master-Studiengang Betriebssicherheitsmanagement

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fähigen, übergreifende Aufgaben in einem Unternehmen zu übernehmen. Ebenso können die Studierenden mit dem erfolgreichen Abschluss des Studiums eine Reihe von Zusatzqualifikationen und Zertifizierungen im Beauftragtenwesen erwerben.

2.15.2

Voraussetzungen zur Aufnahme des Studiums

Der Master-Studiengang Betriebssicherheitsmanagement setzt ein abgeschlossenes Hochschulstudium der Ingenieur- oder Naturwissenschaften und eine mindestens einjährige Berufserfahrung voraus. Bei anderen Hochschulabschlüssen ist eine entsprechende einschlägige Berufserfahrung nachzuweisen. Module des Studiums sind:     

Arbeits- und Gesundheitsmanagement Umweltschutzmanagement Qualitätsmanagement Datenschutz und IT-Security Vernetztes Betriebssicherheitsmanagement Folgende Zertifikate werden im Rahmen des Studiums erworben:

    

Fachkraft für Arbeitssicherheit Beauftragter für Abfall Beauftragter für Gewässerschutz Beauftragter für Immissionsschutz Qualitätsmanagementbeauftragter für technische Prozesse, Material, Dienstleistung, Wartung, Errichtung von Anlagen, usw.  Zertifizierte Qualifikation zum Datenschutzbeauftragten  Integriertes und vernetztes Managen von Sicherheit, Gesundheit und Umweltschutz, Brandschutzbeauftragter (CFPA Europe und vfdb)

2.15.3

Perspektiven nach dem Studium

Absolventen des Studiengangs Betriebssicherheitsmanagement haben gute Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Fundierte Kenntnisse des Personal- und Sicherheitsmanagements werden in Unternehmen und Behörden immer wichtiger. Viele Qualifikationen, die das Betriebssicherheitsmanagement miteinander vernetzt, sind schon jetzt gefragt. Mit dem zu Studienbeginn akkreditierten Master-Studiengang erwerben Absolventen eine internationale Zusatzqualifikation, die sie zur Übernahme von Führungsaufgaben in Industrie und Behörden befähigt. Der Master berechtigt zudem zur Promotion an einer Universität und gewährt die Zugangsberechtigung für die Laufbahnen des höheren Dienstes (NRW).

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2

Vernetztes Betriebssicherheitsmanagement

2.16 VDI 4055 „Betriebssicherheitsmanagementsystem (BSM)“ Die Richtlinie VDI 4055 wendet sich an den Unternehmer, der ein BSM in seinem Unternehmen etablieren will. Das in dieser Richtlinie dargestellte BSM soll es dem Unternehmer ermöglichen, die Bestandteile der betrieblichen Sicherheit in geeigneter Weise zu identifizieren und systematisch zu beherrschen. Berücksichtigt werden sollten dazu zum Beispiel die folgenden BSM-Aspekte (Gefahrenkategorien D Teilbereiche des BSM):          

Arbeitsschutz (Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz) Umweltschutz Personen/Veranstaltungsschutz Security/Intrusionsschutz Brandschutz Maschinen, Anlagen, Systeme, Betriebsmittel Waren, Produkte, Güter, Gefahrstoffe Datenschutz, Datensicherheit Notfallvorsorge/Krisenmanagement Gebäudeinfrastruktur

Ein bestehendes und im besten Fall auch zertifiziertes QM-/AS-/UM-System erleichtert bzw. unterstützt den Aufbau eines BSM. Ein BSM trägt mit den bestehenden Managementsystemen zur Stärkung der nachhaltigen Rechtssicherheit bei. Durch ein BSM werden die vorhandenen Managementsysteme optimal miteinander vernetzt und Synergien genutzt; beispielsweise können so Doppelarbeiten vermieden werden. Ein kontinuierlicher Verbesserungsprozess (KVP – siehe Pkt. 3.5) ist Voraussetzung und muss mit eingebunden werden. Finanzaspekte und betriebswirtschaftliche Risiken eines Unternehmens werden in dieser Richtlinie nicht behandelt. Struktur der VDI 4055:     

Vorbemerkung Einleitung/Zielsetzung Anwendungsbereich Begriffe Anforderungen an ein BSM – Allgemeine Anforderungen – Vision, und Grundsatzerklärung (Politik) zur betrieblichen Sicherheit – Planung – Rechtliche Verpflichtungen und andere Anforderungen – Zielsetzungen, Einzelziele und Programm(e) – Verwirklichung und Betrieb – Überprüfung – Managementbewertung

2.16 VDI 4055 „Betriebssicherheitsmanagementsystem (BSM)“

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 Anhang: – Vorstellung der Musterfirma – Musterleitfaden zur Visionsentwicklung (Figgel) – Beispiel einer Grundsatzerklärung zum BSM (Beispiel muss noch um die spezifischen Anfoderungen der verknüpften BSM-Module wie QM, Arbeitsschutzmanagementsystem etc. ergänzt werden) – Beispiel einer einfachen Business Impact Analyse – Matrix zur Ermittlung betrieblicher Risiken – Bestätigung der Übertragung von Unternehmerpflichten im Betriebssicherheitsmanagement – Muster Mitarbeiter-/Presseinformation – Synopsentabelle BSM zu weiteren Managementsystemen – Handlungsfelder als Tabelle (checklistentauglich) einfügen – Indikatoren und Kennzahlen der betrieblichen Sicherheit  Schrifttum  Literatur  Index Zusammenfassung

Jedes Unternehmen muss konsequent das Ziel verfolgen, seine Marktposition zu erhalten oder gar auszubauen, um im immer härter werdendem nationalem und internationalem Wettbewerb zu überleben. Dazu sind die betrieblichen Prozesse zu optimieren und stets an sich verändernde Situationen anzupassen. Es hat sich besonders für die gewerblichen Unternehmen gezeigt, dass gerade die Ersparnis durch Prozessoptimierung einen wesentlichen Präventionsanlass bildet. Dies gilt gleichermaßen für die öffentlichen Verwaltungen und Dienstleistungsunternehmen. Die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens ist damit in immer stärkerem Maße von seiner Sicherheits- und Gesundheitspolitik abhängig. Daraus resultiert ein enger Zusammenhang zwischen der Marktwirtschaft und dem Arbeitsschutzniveau. Ein generelles Ziel aller Unternehmen ist die Minimierung oder gar Beseitigung betriebsbedingte Störungen, wie Maschinenstörungen, Materialfehler, Fehllieferungen, Fehlproduktionen usw. Jede ungestörte Betriebsstunde erhöht nicht nur die wirtschaftliche Stabilität des Unternehmens, sondern gleichsam die Qualität der Produkte oder Dienstleistung. Sie fördert im besonderen Maße auch die Sicherheit und Gesundheit der Mitarbeiter. Die Mitarbeiter, vom Unternehmer bis hin zu den Werktätigen vor Ort nehmen eine Schlüsselrolle ein. Ihre positive Einstellung zum Unternehmen ihre Motivation und ihre Einsatzbereitschaft bilden die existentielle Grundlage des Unternehmens. Präventive Maßnahmen der Sicherheit und Gesundheit dienen der ganzheitlichen Optimierung aller Prozesse im Unternehmen. Sie nutzen Synergien und vermeiden Risiken. Das Ergebnis sind „(wirtschaftlich) gesunde und sicher arbeitende Unter-

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2

Vernetztes Betriebssicherheitsmanagement

nehmen“. Risiken werden frühzeitig ermittelt und mit dem Ziel der Vermeidung von Gefährdungen auf ein akzeptables Minimum reduziert. Die Aufgabenstellungen von Arbeitssicherheit, Gesundheitsschutz, Umweltschutz, Datenschutz und Qualitätsmanagement nehmen in allen Unternehmen einen immer höheren Stellenwert ein. Zunehmend gewinnen die Bereiche Prozessmanagement, Risikomanagement und Krisenmanagement an Bedeutung. Mehr und mehr ist der Bedarf an ein integriertem Sicherheits- und Gesundheitsmanagement sowohl in Groß- und Mittelbetrieben, als auch in Behörden und Verwaltungen erforderlich. Unternehmen benötigen fach- und sozialkompetente Manager für Sicherheit und Gesundheit, die vernetzt agieren und ganzheitlich vorgehen. Vorausschauende Unternehmen bündeln die gesamten Funktionen ihrer unterschiedlichen Beauftragten im Betriebssicherheitsmanagement. Damit hat sich im Arbeitsschutz ein gravierender Wandel vollzogen. Durch die gezielten Maßnahmen der Arbeitsschutzphilosophie aus den 70iger Jahren ist das Unfallgeschehen auf ein so niedriges Niveau gebracht worden, dass die Unfallsenkungskosten keinen nennenswerten Beitrag zur Wirtschaftlichkeit mehr bilden. Der Arbeitsschutz des 21. Jahrhunderts verfolgt das Ziel einer Ertragssteigerung für das Unternehmen durch ganzheitliche Arbeits- und Gesundheitsschutz-Maßnahmen. Dies ist besonders vor dem Hintergrund zu betrachten, dass die sozialen Faktoren und psychosomatischen Erkrankungen immer mehr an Bedeutung gewinnen. Ein gravierender Anstieg von Ausfalltagen durch psychische Erkrankungen ist ein entscheidender Indikator dafür, dass deren Ursachen mehr Aufmerksamkeit gewidmet werden muss. Sind diese Erkrankungen doch nicht nur mit langen Ausfallzeiten verbunden, sie führen gleichsam zu einem enormen wirtschaftlichen Schaden für das Unternehmen. Der „AOK Fehlzeiten-Report 2013“ belegt in beeindruckender Weise diesen Trend. Er zeigt auf, dass Mitarbeiter mit psychischen Erkrankungen dem Unternehmer dreimal so lange fehlen, wie Mitarbeiter, die aus anderen Gründen krankgeschrieben sind. Laut der Studie nehmen immer mehr Menschen in Deutschland Alkohol und Nikotin zu sich und bedienen sich pharmazeutischer Mittel, um den Anforderungen am Arbeitsplatz gerecht zu werden. Zwischen 2002 und 2012 stieg die Zahl der Fehltage an den Arbeitsplätzen, die durch den Konsum stimulierender Medikamente verursacht wurden, um fast 400 %. Das wissenschaftliche Institut der AOK Wido registrierte 2012 gegenüber 2002 ein Plus von 350.000 Arbeitsunfähigkeitstagen auf 2,42 Mio., die der Einnahme der Alltagsdrogen zugeordnet werden konnten. Allein die alkoholbedingten psychischen Folgeerscheinungen und Verhaltensstörungen führen zu mehr als einer Million Fehltage. Den volkswirtschaftlichen Schaden durch Medikamenten-, Tabak- und Alkoholmissbrauch veranschlagt die AOK in der Studie auf 60,25 Mrd. C. Seit langen Jahren bemühen sich Experten darum den Nachweis zu bringen, dass sich Prävention für ein Unternehmen wirtschaftlich rechnet. Ausfallkosten für Unfälle und betriebsbedingte Krankheiten dienten dabei vielfach als Berechnungsgrundlage.

Weiterführende Literatur

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In 2010 initiierten die Internationale Vereinigung für Soziale Sicherheit (IVSS), die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) und die Berufsgenossenschaft Energie Textil Elektrotechnik Medienerzeugnisse (BG ETEM) eine internationale Studie zu „Calculating the international return on prevention for companies: Costs and benefits of investments in occupational safety and health“ (siehe www.dguv.de/prävention/rop). Die international ausgerichtete Studie befasste sich mit der Frage, ob sich betrieblicher Arbeits- und Gesundheitsschutz für die Unternehmen lohnt. Die Ergebnisse der Studie zeigen deutlich den wirtschaftlichen Nutzen der Prävention für das Unternehmen auf. Aus einzelwirtschaftlicher Sicht konnte auf internationaler Ebene ein „Return on Prevention“ in Höhe von 2,2 ermittelt werden. Das bedeutet, wenn ein Unternehmen jährlich 1 C für jeden Beschäftigten in Prävention investiert, errechnet sich ein wirtschaftlicher Erfolg von 2,2 C. Die Frage, ob sich ein vernetztes Betriebssicherheitsmanagement wirtschaftlich „lohnt“ kann daher nun eindeutig mit ja beantwortet werden.

Weiterführende Literatur Prof. Dr. Günter Schulz, Prof. Bernd Tenckhoff – Vernetztes Betriebssicherheitsmanagement als Teil der Unternehmensstrategie für die Zukunft – Sicherheitsingenieur 11/2004 Ewald Siller, Jürgen Schliephacke – Fremdpersonal und Leiharbeitnehmer – Tiberius Verlag Bernd Tenckhoff – Anlagentechnik für elektrische Verteilernetze Band 2 Arbeitssicherheit – 2. Auflage 1994 – VWEW/VDE-Verlag Bernd Tenckhoff – Teamarbeit – Prävention im sich wandelnden Versorgungsmarkt – Technische Überwachung, Oktober 1999 Bernd Tenckhoff – Integrierte Förderung von Arbeitssicherheit und Gesundheit – BKK Bundesverband 6/2001 Bernhard Tenckhoff – Haftung im Arbeitsschutz – die BG 122. Jahrgang September 2010 Bernhard Tenckhoff, Silvester Siegmann – Neue Dimension der betrieblichen Managementsysteme – Basi Infoprint Herbst 2008 Bernhard Tenckhoff, Silvester Siegmann – Betriebssicherheitsmanagement, Ganzheitliche Anforderungen erfordern ganzheitliche Systeme – DGUV Forum August 2010

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Grundlagen integrierter Managementsysteme

Das angestrebte Ziel eines integrierten Managementsystems liegt darin, die Anforderungen an vorhandene verschiedene Managementbereiche in eine einheitliche Struktur zusammenzuführen. Integration bedeutet dabei nicht ein Aneinanderfügen, sondern ein von einer ganzheitlichen und prozessorientierten Betrachtung ausgehendes Verbinden. Abgrenzungen, wie sie sich bei Einzelbetrachtungen von Qualität, Sicherheit, Gesundheit, Krise und Umwelt ergeben, vermieden werden. Zur effektiven Nutzung müssen die unternehmensspezifischen Prozesse miteinander vernetzt und ganzheitlich gesteuert werden. Das Ziel eines integrierten Managementsystems eine ganzheitlich abgestimmter und ausgerichteter Prozess, um mit minimalem Aufwand die Effektivität der Unternehmensergebnisses zu verbessern.

3.1 Geschichtliche Entwicklung Eines der ersten Bekenntnisse zum „Qualitätsmanagement“ stammt vom russischen Zaren Peter I. vom 11. Januar 1723: Nach Angaben des Deutschen Historischen Instituts (DHI) in Moskau und lagen die ältesten russischen Waffen-Produktionszentren in Kaschira, Tula und Ustyuschna. Bis auf Tula war ihre Fertigung für militärische Verwendung gering und es kam nicht zur kontinuierlichen Waffenherstellung oder zur Entstehung von Großhandwerksbetrieben. Staatliche oder halbstaatliche Manufakturen bildeten sich erst relativ spät aus. Die „Imperatorkij Tulskij Oruzejnyj Zavod“ (Kaiserliche Waffenfabrik in Tula) wurde bereits 1595 von Zar Boris Godunow gegründet. Sie gelangte aber erst unter Peter I. ab 1705 zu anhaltender Bedeutung und erhielt 1712 mit starken Wassermühlen die Voraussetzungen für eine Massenproduktion. Handwerkliche Produktionsweisen dominierten auch hier bis weit in das 19. Jahrhundert und wurden erst spät von Staatsbetrieben und vor allem privaten Fabriken verdrängt.

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019 B. Tenckhoff und S. Siegmann, Vernetztes Betriebssicherheitsmanagement, VDI-Buch, https://doi.org/10.1007/978-3-662-48441-8_3

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3

Grundlagen integrierter Managementsysteme

Nachdem es in der russischen Armee zu einer Mehrzahl von Unfällen beim Gebrauch der Gewehre aus der Tulaer Waffenfabrik gekommen war, entdeckte Zar Peter I. die Bedeutung eines „Qualitätsmanagements“, wenn auch in einer dem damaligen russischen Zeitgeist entsprechenden Variante: Ich befehle, den Besitzer der Tulaer Waffenfabrik, Kornil Beloglasow, auszupeitschen und zur Arbeit ins Kloster zu schicken, da er, dieser Schurke, sich erdreistete, den Truppen des Herrschers untaugliche Büchsen und Gewehre zu verkaufen. Der Oberkontrollierer Frol Fuks ist auszupeitschen und nach Afow zu verbannen, da er untaugliche Waffen mit einem Prüfzeichen versah. Der Waffenkanzlei wird befohlen, von Petersburg nach Tula umzusiedeln und Tag und Nacht die Herstellung zu überwachen. Mögen die Waffenmeister und Gehilfen aufpassen, wie die Kontrollierer die Prüfzeichen stempeln. Kommen Zweifel auf, ist die Waffe durchzusehen und durch Schießen zu prüfen. Mit zwei Waffen ist jeden Monat solang zu schießen, bis sie unbrauchbar geworden sind. Kommt in den Truppen während des Gefechts ein Ausfall durch Unachtsamkeit der Waffenmeister und Gehilfen vor, sind sie gnadenlos auf den nackten Hintern auszupeitschen. Der Besitzer erhält 25 Peitschenschläge und hat einen Tscherwonez Strafe je untaugliche Waffe zu zahlen. Der Oberkontrollierer ist bis zur Bewusstlosigkeit zu prügeln. Der Oberwaffenmeister ist zum Unteroffizier zu degradieren. Der Waffenmeister ist als Schreiber einzusetzen. Dem Gehilfen ist der sonntägliche Wodka für ein Jahr zu entziehen. Dem neuen Besitzer der Waffenfabrik, Demidow, befehle ich, den Waffenmeistern und Gehilfen Hütten zu bauen, nicht schlechter als die des Besitzers. Sind sie schlechter, Demidow möge nicht beleidigt sein, befehle ich ihn hinzurichten. 11. Januar 1723 Peter I.

Sehr eindrucksvoll und ausführlich beschreibt Staehle (1999) die Entwicklung hin zu Managementsystemen. Er stellt den Weg vom ausgehenden 18. Jahrhundert, geprägt durch handwerkliche Arbeit, über das Verlagswesen und die Manufaktur bis hin zur Fabrik dar, deren schnelle Ausbreitung über das gesamte Bundesgebiet durch die Erfindung der zentralen Energiequellen wie Wind, Wasser, später Dampf und Gas, bis sie schließlich um 1880 durch die dezentrale Energieart Elektrizität, erheblich unterstützt, sogar erst ermöglicht wird. In der fabriktypischen Produktionsweise liegt der Schlüssel zur Notwendigkeit eines Managements. „Die Spezialisierung des Arbeiters auf einen einzigen, leicht zu erlernenden Arbeitsgang nimmt zu; die Aufgaben- und Rollenteilung zwischen Arbeiter und Management (kaufmännische und technische Direktion) wird weiter ausdifferenziert.“ Er kennzeichnet das Fabriksystem weiter durch hohe Mechanisierung, hohe Arbeitsteilung und Massenfertigung in großen zentralisierten Werkstätten. Der auf Seiten der Firmeneigner stark steigende Kapitaleinsatz verlangt nach möglichst exakten ökonomischen Daten, schriftlichen Verträgen und der Formalisierung der organisatorischen Strukturen und Abläufe innerhalb der Betriebe. „Hierzu sind Managementfunktionen, wie Planung (Prognose, Arbeitsvorbereitung), Organisation (Abteilungsbildung) und Kontrolle (Aufsicht, Rechnungslegung) notwendig.“

3.1 Geschichtliche Entwicklung

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In der Literatur taucht der Begriff „Management“ nach Staehle (1999) im England des 19. Jh. auf. Eine systematische Verbindung der Funktionen des „Accountant“ und „Engineer“ als Grundlage des Managements leisten erstmals Garcke & Fells in dem Buch „Factory Accounting“ (1887). Als Ausgangspunkt wissenschaftlicher Analysen von Arbeit und Management gelten die Studien von F. W. Taylor, der in seinen Arbeiten „Shop Management“ (1903) und „The Principles of Scientific Management“ (1911) ein Konzept entwickelte, in dem die „Entwicklung von Methoden der Analyse von Arbeitsprozessen und deren Zerlegung in möglichst kleine Aufgabenelemente, die in verschiedenen Arbeiten erledigt werden“ beschrieben wird. Heute werden diese Überlegungen auch als „Taylorismus“ bezeichnet. Taylor lieferte „die Bezeichnung für eine neue Denkweise des Managements, die geprägt ist von dem rationellen Einsatz von Menschen und Maschinen im Produktionsprozess, einer am Best-Arbeiter orientierten Maximalleistung, entsprechenden Personalauswahl und Personal Anreiz Systemen und der konsequenten Trennung von ausführender und planender Tätigkeit (Funktionsmeistersystem)“ (Straehle 1999). Die Kerngedanken des „Scientific Management“ hat Taylor in Form von ManagementPrinzipien als allgemeingültige Handlungsregeln niedergelegt. Danach erfordert nach Taylor ein effizientes Management u. a.:  die Trennung von Planung und Ausführung und die weitgehende Teilung der Arbeit,  die Kontrolle der Ausführung durch das Management,  die leistungsgerechte Differenzierung finanzieller Anreize (Akkordsätze) nach Maßgabe von Zeitstudien und  eine funktionale Gliederung der Organisation und der Vorgesetztenaufgaben. Der Kern der Managementaufgabe bestand für Taylor in der Kontrolle. Die unternehmerische Organisation war für ihn eine funktionale Gliederung und somit nicht individuell nach Unternehmen vorzunehmen. Die Ideen von Taylor wurden von seinen Schülern F. B. Gilbreth (1868–1924) und L. Gilbreth (1878–1972) weiterentwickelt. Als Höhepunkt des „Taylorismus“ gilt der „Fordismus“ – die Erfolge Henry Fords mit der Fließbandarbeit. Die Mechanisierung und das Fließband erfüllten dabei zwei Funktionen: Zum einen erhöhte sich die Durchlaufgeschwindigkeit der Materialien und Teile und somit auch die Produktivität und Produktionsmenge. Zum anderen wurde das Arbeitstempo nicht mehr durch den Arbeiter selbst sondern durch die Bandgeschwindigkeit bestimmt. Das Lebenswerk Henry Fords stellte einen Höhepunkt der amerikanischen Rationalisierungsbewegung dar. Die Arbeiter fanden dies aber belastend und unbefriedigend. 1913 betrug die Fluktuation bei FORD 380 % (König 2003). Charles Chaplin ließ sich persönlich als Gast durch die Fabrik Henry Fords führen und überzeichnete später in seinen „Modern Times“ die Fließbandarbeit ins Skurrile. Henry Ford ließ 1925 für den Ergänzungsband der „Encyclopaedia Britannica“ einen Artikel „Mass Production“ schreiben. Darin hieß es: „Massenproduktion bedeutet nicht nur die Produktion großer Mengen, denn dies könnte man auch ohne die Erfordernisse der

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3

Grundlagen integrierter Managementsysteme

Massenproduktion haben. Massenproduktion bedeutet auch nicht nur Maschinenproduktion, die es auch ohne Ähnlichkeiten zur Massenproduktion geben könnte. Massenproduktion heißt, die Prinzipien Kraft, Genauigkeit, Wirtschaftlichkeit, Systematik, Kontinuität, Geschwindigkeit und Wiederholung in der Produktion zur Geltung zu bringen. Das übliche Ergebnis ist eine Betriebsorganisation, die zu niedrigsten Kosten, in kontinuierlichen Mengen ein nützliches, vom Material, der Qualität und der Form her einheitliches Gut erzeugt. Die notwendige Vorbedingung der Massenproduktion ist eine latente oder offen daliegende Kapazität der Massenkonsumtion, d. h., dass diese in der Lage ist, die großen Produktionsmengen aufzunehmen. Die beiden gehen Hand in Hand.“ (König 2003). „Modern Times“ – Entwicklung einer Qualitätskultur Bereits frühzeitig stellte Bleicher fest, dass Managementsysteme die Rahmenbedingungen der durch die Organisation festgelegten strukturellen und prozessualen Regelungen unterstützen und füllen. Damit die Managementsysteme den Funktionen der Diagnose, Planung und Kontrolle gerecht werden können, müssen sie die Beziehungen und Verhaltensweisen des Systems Unternehmung und der für diese Unternehmung relevanten Umwelt abbilden.

QUALITÄT DER GESELLSCHAFT INFRASTRUKTUR

ZIVILISATION

KULTUR

QUALITÄT DER UNTERNEHMUNG KULTUR POLITIK

STRUKTUREN SYSTEME

EINRICHTUNGEN

FÜHRUNG

MITARBEITER

QUALITÄT DER PROZESSE MATERIAL

ARBEIT

INFORMATION

ENERGIE

QUALITÄT DER LEISTUNGEN PRODUKTE (HARDWARE UND SOFTWARE)

Abb. 3.1 Hierarchie der Qualität. (Seghezzi)

DIENSTLEISTUNGEN (SERVICE UND INTERAKTION)

3.2 ISO Normenreihe 9000 ff.

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Nach Seghezzi (2007) erfolgte in den 80er-Jahren ein Umbruch von der Qualitätssicherung zum Qualitätsmanagement. Es reichte nicht mehr aus, sich auf die Prüfung der Produktqualität zu konzentrieren. Vielmehr ist die Beherrschung der Prozessketten vom Lieferanten bis zum Kunden gefragt. Dies ist nicht nur eine technische Aufgabe, sondern eine Managementaufgabe, an der viele Mitarbeiter und Führungskräfte teilhaben. Eine ganzheitliche Betrachtung und der Abschied vom früheren Taylorismus sind deshalb notwendig geworden. Inzwischen ist nach Seghezzi eine Qualitätshierarchie (Abb. 3.1) entstanden, welche die Wechselwirkung zwischen Produkten und Dienstleistungen, Prozessen, Unternehmen und Gesellschaft zum Ausdruck bringt. Gleich bleibende Produkte und Dienstleistungen sind nur zu erreichen, wenn die Prozesse beherrscht werden. Dazu sind fehlerfreies Material, richtige Informationen, störungsfrei bereitgestellte Energie und gute Arbeit nötig. Die Qualität der Prozesse wird man nur dann im Griff haben wenn die Qualität der Unternehmung die notwendigen Voraussetzungen bietet. Unternehmenskultur und Geschäftspolitik spielen eine wichtige Rolle. Die Strukturen und Systeme sind auf gleich bleibende, von den Kunden bezahlbare Leistungen auszurichten. Die Einrichtungen müssen die Erbringung gleich bleibender Leistungen gestatten und sorgfältig kontrolliert und gewartet werden. Die Führung muss Qualität aktiv bewirtschaften und die Mitarbeiter müssen qualifiziert, geschult und motiviert sein.

3.2 ISO Normenreihe 9000 ff. In einem derart umfassenden Qualitätsmanagement beschäftigen sich Führungskräfte aus allen Bereichen, wie dem Verkauf, dem Personalwesen, den Finanzabteilungen, der Logistik und vielen anderen, immer intensiver mit Qualität und deren Bewirtschaftung. Mit dieser Veränderung einher gingen die rasche Verbreitung der ISO-Normenreihe 9000, der wachsende Einfluss von „Total Quality Management“ und das Streben nach „Excellence“. Zu den zentralen Methoden des Qualitätsmanagements gehört in modernen Systemen – z. B. der ISO-Normenreihe 9000 – das Prozessmanagement (Stausberg et al. 2005). Bei der Einführung eines Prozessmanagements werden die Prozesse systematisch auf den Kunden ausgerichtet. Ein Prozess – der als eine Abfolge von Tätigkeiten verstanden wird, die zu einem konkreten Ergebnis führen – ist sowohl zeitlich als auch inhaltlich abgegrenzt. Ein Prozess besteht aus einem Hauptprozess, diversen Teilprozessen und Prozessschritten. Diese unterteilen sich nach Stausberg in folgende vier Hauptkategorien:    

Management- oder Führungsprozesse, Schlüssel-, Geschäfts-, Kern oder Hauptprozesse, Unterstützungsprozesse und Mess-, Analyse und Verbesserungsprozesse.

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Grundlagen integrierter Managementsysteme

Leistung

Award-Niveau EFQM-Modell (2) Excellence

TQM

EFQM-Modell (1)

Verbesserte Leistung

ISO 9004

Compliance ISO 9001

Modell

Abb. 3.2 Kontinuum der Modelle für Qualitätsmanagementsysteme. (Nach Cambell 2006)

Die DIN EN ISO 9000 beschreibt einen Prozess als einen Satz von in Wechselbeziehungen oder Wechselwirkung stehenden Tätigkeiten, der Eingaben in Ergebnisse umwandelt. Einfacher gesagt: Eine Abfolge von Tätigkeiten, die einen Input (z. B. Rohstoffe) in einen Output (z. B. ein Produkt) umwandelt. Nach Cambell (2006) stellen die Qualitätsmanagementsysteme nach der ISO-9000erSerie und der Modelle für Exzellenz ein Kontinuum mit steigender Leistung dar (Abb. 3.2). Die Normen der ISO-9000er-Serie enthalten produkt- und kundenbezogene Forderungen (DIN EN ISO 9001:2000) bzw. Anleitungen zur Leistungsverbesserung des ganzen Unternehmens bezogen auf alle interessierten Parteien (DIN EN ISO 9004:2000). Exzellenz-Modelle enthalten Kriterien für eine quantitative Bewertung der Leistung und ermöglichen ein tiefer greifendes Benchmarking.

3.3 VDI-Richtlinie 4060 „Integrierte Managementsysteme“ Von Bedeutung ist auch die Richtlinie VDI 4060 „Integrierte Managementsysteme (IMS): Handlungsanleitung zur praxisorientierten Einführung“. Sie bietet eine pragmatische Handlungsanleitung zum Aufbau integrierter Managementsysteme in Unternehmen aller Branchen und Größen. Sie unterstützt dabei, potenzielle Unternehmensrisiken rechtzeitig zu erkennen und zu eliminieren oder zumindest zu verringern. Dazu bezieht sie Qualität, Umwelt, Sicherheit und weitere Bereiche mit in Integrierte Managementsysteme ein. Die Richtlinie wendet durchgehend die Prinzipien der kontinuierlichen Verbesserung und der Risikobetrachtung an. Es bleibt ein Freiraum für zukünftige Aspekte, zum Beispiel Hygiene- oder Risikomanagement, die derzeit noch nicht die ihnen gebührende Aufmerk-

3.3 VDI-Richtlinie 4060 „Integrierte Managementsysteme“

QualitätsManagement

UmweltManagement

RisikoManagement

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ArbeitsschutzManagement

PersonalManagement

KnowledgeManagement

FinanzManagement

InnovaonsManagement

………………..Management

………………..Management

………………..Management

………………..Management

………

………

………

Abb. 3.3 Der Begriff Management wird zunehmend inflationär gebraucht und die Zahl der genormten und ungenormten Managementsysteme steigt stetig an

samkeit erfahren. Diese können nach der in der Richtlinie vorgestellten Vorgehensweise jederzeit in das „Integrierte Managementsystem“ eingefügt werden. Somit bietet die Richtlinie den Verantwortlichen in Unternehmen praxisorientierte Hilfestellung, ohne ihre Entscheidungsfreiheit einzuengen. Das Blatt 1 der Richtlinie VDI 4060 beschreibt die Grundlagen integrierter Managementsysteme und stellt zwei Methoden der Einführung vor. Das Blatt 2 enthält eine beispielhafte Sammlung von Darstellungen solcher Systeme aus Unternehmen, die diese bereits erfolgreich anwenden. Sie vermittelt einen Eindruck, unter welchen Voraussetzungen und mit welchem Aufwand ein Integriertes Managementsystem eingeführt wurde. Die Anzahl von Systemen und die Anzahl an zertifizierten Betrieben ist in den letzten Jahren stetig angestiegen. Die Anzahl der integrierten Systeme ist aber noch verschwindend gering und wird in den nächsten Jahren alleine schon auf Grund des Kostendruckes zunehmen. Mittlerweile wird aber der Begriff Management zunehmend inflationär gebraucht und die Zahl der genormten und ungenormten Managementsysteme steigt stetig an (Abb. 3.3). In der Folge agiert die deutsche Industrie verstärkt gegen weitere Standards/Systeme und es entwickelt sich derzeit ein leichter Gegentrend gegen Managementsysteme.

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Grundlagen integrierter Managementsysteme

Ameli stellt fest, dass die Klärung der Frage nach dem tatsächlichen wirtschaftlichen Potenzial von Managementsystemen sowie nach deren Beitrag zur Rentabilität und dadurch ihrer wirtschaftlichen Stärkung des Unternehmens in seiner Marktposition in Anbetracht des rasanten Anstiegs der Anzahl zertifizierter Unternehmen – insbesondere in den europäischen Ländern – vom volkswirtschaftlichen Interesse ist. Offenbar werden Managementsysteme nicht als Chance einer organisatorischen und strategischen Neugestaltung des Unternehmens und damit als Möglichkeit zur Stärkung eigener Wettbewerbsfähigkeit wahrgenommen, sondern als kostspieliges Marketinginstrument (miss)verstanden. Der Umgang mit den Managementsystemen entsteht nicht aus einer inneren strategischen Überzeugung zur Entwicklung neuer Methoden, Denkansätze und Strukturen, um die wachsende Komplexität der Managementaufgaben besser zu meistern. Er entsteht eher aus einem vom Markt aufoktroyierten Zugzwang, möglichst kostengünstig über die betriebliche Ist-Zustandsaufnahme und Vergleich mit den Normmindestanforderungen das werbewirksame Zertifikat zu erlangen. Dieser kritischen Wertung entsprechend stellt Ulich nach seiner empirischen Untersuchung fest, dass die Qualität in erster Linie als Messproblem und nicht als Managementproblem angesehen wird. Die Unternehmen suchten die Lösung ihrer Qualitätsprobleme vor allem in einer Zertifizierung. Der Nutzen von Managementsystemen muss daher von allen beteiligten Akteuren überzeugend vermittelt werden.

3.4 Integriertes Management Mit der Einführung von (Teil-)Managementsystemen wie Qualitäts-, Umwelt- und Arbeitsschutzmanagementsystemen wurde den Unternehmen ein Werkzeug in die Hand gegeben, die Umsetzung zentraler Themen mit formalisierten Systemen in die Unternehmensführung aufzunehmen. Hierfür sprechen viele gute Gründe, aber es birgt sich darin auch ein nicht unerhebliches Gefahrenpotenzial:  mit Teilmanagementsystemen laufen die Unternehmen Gefahr, das zentrale Ziel eines Führungssystems – die ganzheitliche Führung eines Unternehmens – nicht zu erreichen,  es gibt thematische Überschneidungen zwischen den Managementsystemen, so stellen sie z. B. alle Anforderungen an Schulungen; stellen Qualität, Umweltschutz und Arbeitssicherheit Anforderungen an die Beschaffung; kümmern sich Umweltschutz und Arbeitssicherheit um Gefahrstoffe etc., so dass es zu Doppelarbeit und im schlimmsten Fall sogar zu widersprüchlichen Regelungen kommen kann. Als Lösung bietet sich an, die Managementsysteme nicht getrennt voneinander und vom restlichen Führungssystem des Unternehmens aufzubauen sondern als integriertes Managementsystem. Ausgangspunkt sind die Unternehmensprozesse, die erfasst und in

3.4 Integriertes Management

91

einem Modell abgebildet werden. Die Anforderungen aus den Managementsystemen werden in Aufgaben und Pflichten umformuliert und den Unternehmensprozessen bzw. einzelnen Tätigkeiten zugeordnet. I

Tipp „Das Management ist die schöpferischste aller Künste: Es ist die Kunst, Talente richtig einzusetzen.“ (Nach R. McNamara)

3.4.1 Das St. Galler Managementmodell Das St. Galler Managementmodell ist im Kontext einer grundsätzlichen Auffassung von einem systemorientierten Management an der Hochschule St. Gallen entstanden. Es wurde von Walter Krieg und Hans Ulrich mit dem Ziel entwickelt, ein Modell – basierend auf einer systemorientierten Managementlehre – für die Hochschulausbildung von zukünftigen Führungskräften bereitzustellen. Gegenstand des St. Galler Managementmodells war eine abstrakte Betrachtung von Unternehmung und Führung. Somit wurden Führungssysteme nicht mehr unmittelbar durch Systematisierung praktischer Erfahrungen gewonnen, sondern auf der Basis formeller Modelle entwickelt. Die St. Galler Managementkonzeption ist eines der wenigen Managementmodelle, welche den weiten Führungsbegriff im Sinne der Steuerung ganzer Systeme, also des gesamten Unternehmens verstehen. Seine Idee ist die Ausdehnung der systemorientierten Betriebswirtschaftslehre auf die Führungsprobleme von Unternehmen. Aus diesem Grund besteht das St. Galler Managementmodell aus dem Unternehmensmodell, dem Führungsmodell und dem Organisationsmodell: Das Unternehmensmodell ist die zentrale Position dieses Konzepts. Es zeigt sich in den Dimensionen Umwelt, Märkte, Funktionsbereiche und Gestaltungsebenen repetitiver und kreativer Aufgaben. Nach den Autoren dieses Konzepts, Ulrich und Krieg, sind die Zielvorstellungen, von der Unternehmensphilosophie ausgehend, im Einklang mit der Umwelt entworfen und werden mit geeigneten Maßnahmen realisiert. Obwohl das St. Galler Managementmodell durchaus konventionelle Planungsüberlegungen beinhaltet, findet die Mitarbeiterführung hier wenig Beachtung. Das Organisationsmodell übernimmt und gliedert die Dimensionen des Unternehmensmodells, wobei eine Präferenz für Matrixstrukturen sichtbar wird. Auch das zweite Teilmodell des St. Galler Managementmodells zeigt wenig Bezug zur Mitarbeiterführung. Das Führungsmodell besteht aus drei Teilen: Führungsstufen (Unternehmenspolitik, Planung und Disposition), Führungsphasen (Ziel-, Mittel- und Verfahrensfestlegungen) und Führungsfunktionen (Entscheiden, Ingangsetzung und Kontrollieren). Es zeigt eine weitgehende Identität mit dem konventionellen Aufbau der Unternehmensplanung. Auch das Führungsmodell trägt keine neuen Ergebnisse zur Personenführung bei. Es liefert lediglich die Erkenntnis, dass Personenführung nicht losgelöst von der Führung des Gesamtunternehmens betrieben werden kann.

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I

3

Grundlagen integrierter Managementsysteme

Tipp „Gesagt ist nicht gehört, verstanden ist nicht einverstanden, durchgeführt ist nicht beibehalten.“ (Nach K. Lorenz)

1998 wurde an der Universität St. Gallen ein umfassendes Projekt zur Erneuerung des St. Galler Management-Modells in Gang gesetzt. Es führte 2002 zum neuen Ansatz einer integrierten Managementlehre. Damit tritt die traditionsreiche St. Galler Sicht auf die Unternehmung und die mit ihrem Management verbundenen Herausforderungen in eine neue Entwicklungsstufe ein. Die Federführung dieses Projektes lag bei Prof. Dr. Johannes Rüegg-Stürm, der den Bezugsrahmen in seinem Buch „Das neue St. Galler ManagementModell“ Ende 2002 der Öffentlichkeit vorstellte.

3.4.2 Erweiterung nach Bleicher Bleicher entwickelte noch vor Rüegg-Stürm, aufbauend auf das 1974 von Ulrich und Krieg konzipierte St. Galler Management Modell, das Konzept eines integrierten Managements. Als ein Leitfaden soll damit nach Bleicher dem Manager „. . . eine Systematik für seine Gedankenführung [in die Hand gegeben werden], die es ihm erleichtert, von isolierten Teillösungen Abstand zu nehmen. Anhand einer vorgegebenen Struktur für seine Denk- und Dialogprozesse lässt sie ihn Gesamtzusammenhänge erkennen und Interdependenzen von Entscheidungen in seine Überlegungen einbeziehen. Diese Einsicht in die ganzheitlichen Auswirkungen auch isolierter Entscheidungen möge den Manager zu Korrekturen bei seinem Vorgehen veranlassen, um damit einen korrekten Beitrag zur Entwicklung eines integrierten Managements leisten zu können“ (Bleicher 1999). Bleicher bezeichnete das St. Galler Managementmodell von 1974 als „Leerstellengerüst für Sinnvolles und Ganzheitliches“ und bestätigte somit die grundsätzliche Richtigkeit dieses Modells. Mit seinem Konzept des integrierten Managements versuchte er das St. Galler Managementmodell (Abb. 3.4) in der Kernaussage mit den von ihm beobachteten Veränderungen seit 1974 weiterzuentwickeln und den aktuellen Gegebenheiten anzupassen. Dabei verlässt er die Einteilung des St. Galler Managementmodells in Unternehmens-, Führungs- und Organisationsmodell, indem er das Management grundlegend in normatives, strategisches und operatives Management aufteilt. Nach seiner Auffassung machen die von ihm beobachteten Veränderungen eine Neigung des Managements hin zu integrativen Ansätzen notwendig, so dass dies den Schwerpunkt seines neuen Konzeptes bildet.

3.4.3 Ameli erläutert in ihrer Arbeit Bleichers Erweiterung Normatives Management Die Ebene des normativen Managements beschäftigt sich mit den generellen Zielen der Unternehmung, mit Prinzipien, Normen und Spielregeln, die darauf ausgerichtet sind, die Lebens- und Entwicklungsfähigkeit der Unternehmung in

3.4 Integriertes Management

93

Abb. 3.4 Ganzheitliches Konzept der Unternehmensführung. (Modifiziert nach Bleicher 1999)

ManagementPhilosophie NORMATIVES MANAGEMENT UNTERNEHMUNGSPOLITIK

UNTERNEHMUNGSVERFASSUNG

UNTERNEHMUNGSKULTUR

MISSIONEN

STRATEGISCHES MANAGEMENT ORGANISATIONSSTRUKTUREN

PROBLEMVERHALTEN

PROGRAMME

MANAGEMENTSYSTEME

OPERATIVES MANAGEMENT ORGANISATORISCHE PROZESSE

AUFTRÄGE

DISPOSITIONSSYSTEME

STRUKTUREN

LEISTUNGS- UND KOOPERATIONSVERHALTEN

VERHALTEN AKTIVITÄTEN

UNTERNEHMUNGSENTWICKLUNG

UnternehmensVerfassung

Horizontale Integration

UnternehmensPolitik

Horizontale Integration

UnternehmensKultur

Normative Managementebene. (In Anlehnung an Ameli 2000)

dem wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Umfeld sicherzustellen. Das normative Management wirkt somit in seiner konstitutiven Rolle begründend für alle Handlungen des Managements. Ausgehend von einer unternehmerischen Vision werden auf dieser Ebene die Unternehmenspolitik und -ziele abgeleitet und festgelegt. Die Politik stützt sich einerseits auf eine strukturdeterminierende Unternehmungs-Verfassung, die konstitutionelle Rahmenbedingungen hierfür absteckt. Andererseits bedarf es zur Realisierung der Unternehmungs-Politik einer entsprechenden Unternehmungs-Kultur, die diese in gemeinsamen Werten reflektiert.

94

3

Grundlagen integrierter Managementsysteme

Strategisches Management Das strategische Management ist auf den Aufbau, die Pflege und die Ausbeutung von Erfolgspotenzialen ausgerichtet, für die Ressourcen eingesetzt werden müssen. Während das normative Management begründend Einfluss nimmt, ist es Aufgabe des strategischen Managements, richtend einzuwirken. Im Mittelpunkt der strategischen Managementaufgabe stehen die Transformation der normativen Unternehmensziele in eine entsprechende Unternehmungs-Planung und die Festlegung von Programmen zu deren Umsetzung. Die Realisierung dieser Programme setzt als Rahmenbedingung geeignete strukturelle und personelle Konzepte voraus. Dabei eignen sich Managementsysteme zur Festlegung geeigneter Strukturen. Ein adäquates Personalmanagement fördert ein entsprechend notwendiges Problemverhalten.

StrukturelleKonzepte/ Management-Systeme

Horizontale Integration

Unternehmens-Planung/ Programme

Horizontale Integration

Problemverhalten/ PersonelleKonzepte

Strategische Managementebene. (In Anlehnung an Ameli 2000)

Operatives Management Normatives und strategisches Management finden ihre Umsetzung im operativen Vollzug, der im Ökonomischen auf leistungs-, finanz- und informationswirtschaftliche Prozesse ausgerichtet ist und im Sozialen auf die Effektivität des Mitarbeiterverhaltens. Die Funktion des operativen Managements besteht darin, normativstrategische Vorgaben praktisch in Operationen umzusetzen. Im Zentrum des Problemlösungsprozesses steht die Lenkung einzelner Aufträge, die Anpassung von Organisationsstrukturen sowie des Mitarbeiterverhaltens an die Anforderungen situativer Gegebenheiten. Bleicher verfolgte mit seinem Konzept das Ziel, einen gesamthaften Ansatz zu der vom Lebenszyklus der Unternehmung abhängigen Integration des normativen, strategischen und operativen Managements zu ermöglichen, um so von der jeweiligen Entwicklungsphase der Unternehmung spezifische Problemstellungen und Profile finden und lösen zu können. Seghezzi (1996) baute in das neutrale Ordnungsgerüst von Bleicher das Wissen über Qualitätsmanagement ein und schuf damit das Konzept „Integriertes Qualitätsmanagement“, welches als ein Teilkonzept der allgemeinen Managementlehre die Aufgaben des Qualitätsmanagements umfassend behandelt. Damit lassen sich alle qualitätsspezifischen Aspekte unmittelbar zu allgemeinen Managementaspekten in Beziehung setzen. Das Kon-

Organisatorische Prozesse

Horizontale Integration

AusführungsProgramme

Horizontale Integration

Operative Managementebene. (In Anlehnung an Ameli 2000)

Leistungs-und KooperationsVerhalten

Weiterführende Literatur

95

zept von Seghezzi bildet einen Integrationsrahmen, durch welchen Qualität und Qualitätsmanagement in die Betriebswirtschaftslehre eingebettet wurden. Die Betrachtungen der Stake-Holder (Anspruchsgruppen) sind im Qualitätsmanagement der Vergangenheit sehr stark auf Kunden, Lieferanten und Mitarbeitende ausgerichtet gewesen. Nach Seghezzi werden in Zukunft die weiteren Stake-Holder Kapitalgeber, Konkurrenz, Staat und Öffentlichkeit im Qualitätsmanagement an Bedeutung gewinnen. Modernes Qualitätsmanagement wird eine wichtige Rolle spielen für die Compliance des Unternehmens. Wobei in der Medizin „Compliance“ beschreibt, ob der Patient das tut, was der Arzt ihm vorschreibt und mit „Compliance“ allgemein das regelkonforme Verhalten eines Unternehmens bezeichnet wird. Zusammenfassung

Unternehmen installieren Managementsysteme um den gesetzlichen Anforderungen gerecht zu werden und die betrieblichen Prozesse so effektiv wie möglich zu steuern. Managementsysteme erfüllen in der Regel einen definierten betrieblichen Zweck und sind in der Regel an vielfältige gesetzliche Anforderungen orientiert. Die einzelnen betrieblichen Managementsysteme unterscheiden sich besonders hinsichtlich der gesetzlichen Vorgaben voneinander. Jedoch gibt es auch Gemeinsamkeiten in den Anforderungen die eine Nutzung von Synergien zur Optimierung ermöglichen. Somit wird die Effizienz in der Anwendung gesteigert und das Ziel, den unterschiedlichen Managementsystemen eine einheitliche Struktur zu geben, erreicht. Ratsam ist es dabei die Grundstruktur der Managementsysteme an anerkannten Managementsystemnorme wie zum Beispiel der DIN EN ISO 9001 dem TQM-Modell oder der EFQM zu orientieren.

Weiterführende Literatur Adams, H. W., Rademacher, H. (Hrsg.): „Qualitätsmanagement, Strategie, Struktur, Systeme“ Frankfurter Allgemeine Zeitung, Verl.-Bereich Wirtschaftsbücher, Frankfurt/Main, 1994 Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht (2003): Konsultationspapier – Die Neue Baseler Eigenkapitalvereinbarung. http://www.bundesbank.de/download/bankenaufsicht/pdf/CP3_Deutsch.pdf. (05.12.2006). Knut Bleicher Das Konzept Integriertes Management Management Bundesministerium der Justiz (1996): Arbeitsschutzgesetz – ArbSchG. http://www.gesetze-iminternet.de/arbschg/BJNR124610996.html. (16.01.2007) Haufe – Arbeitsschutz Office Professional – Haufe Lexware Verlag König, Wolfgang: Massenproduktion und Technikkonsum. Entwicklungslinien und Triebkräfte der Technik zwischen 1880 und 1914. Nohl J, Thiemecke H.: Systematik zur Durchführung von Gefährdungsanalysen, Verlag für neue Wissenschaft GmbH, 1988 Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Lage: Auszug aus dem Jahresgutachten 2005/06 – Unternehmensfinanzierung im Wandel. http://www.sachverstaendigenratwirtschaft.de/download/ziffer/z683_743j05.pdf. (30.01.2007). Saghezzi Integriertes Qualitätsmanagement C. Hansen Verlag

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3

Grundlagen integrierter Managementsysteme

Schirmeister, R.; Michel, P.: Tangiert Basel II den Arbeitsschutz; Praktische Arbeitsmedizin. Nr. 8, 2007, S. 8–11 Prof. Dr. Günter Schulz, Prof. Bernd Tenckhoff – Vernetztes Betriebssicherheitsmanagement als Teil der Unternehmensstrategie für die Zukunft – Sicherheitsingenieur 11/2004 W. Staehle Management Eine verhaltenswissenschaftliche Perspektive Verlag Franz Vahlen 1999 M. Stausberg Herausgeber Einführung eines Prozessmanagements

4

Vermeidung von Rechtsfolgen

Kommen Unternehmer und Führungskräfte den Pflichten, die sie aufgrund ihrer Stellung im Unternehmen haben nicht nach, so liegt ein schuldhafter Verstoß vor. Steht dieser Verstoß in einem direkten Zusammenhang mit einem Schadensereignis, so setzen sie sich einem Haftungsrisiko aus. Sie können für ihr Fehlverhalten zur Verantwortung gezogen werden. Dies kann reichen von ordnungswidrigkeitsrechtlichen über strafrechtliche bis hin zu arbeitsrechtlichen Folgen. Rechtsfolgenwerden aber erst dann ausgelöst, wenn durch ein aktives Handeln oder schuldhaftes Unterlassen gegen Rechtspflichten verstoßen wurde. Führungskräfte müssen einen überblick über die für ihr Aufgabengebiet einschlägigen Rechtsvorschriften haben. Tritt ein Unfall oder Schadensfall ein und kann hingegen die verantwortliche Führungskraft nicht den Nachweis erbringen, dass sie alles unternommen hat um den Eintritt zu verhindern, setzt sie sich Rechtfolgen aus.

4.1

Unternehmerpflichten und Haftungsrisiken

Jedes Unternehmen unterliegt einer Vielzahl von Gesetzen, Verordnungen, Unfallverhütungsvorschriften und sonstigen Bestimmungen. Die Anforderungen des Gesetzgebers an die sorgfältige Wahrnehmung von Verantwortung durch Unternehmen haben sich in den letzten Jahren laufend verschärft. Unternehmer und Führungskräfte sind deshalb zunehmenden Haftungsrisiken ausgesetzt. Bei Unfällen mit Personenschaden kann eine persönliche, strafrechtliche Haftung drohen. Aus diesen Gründen ist es wichtig, ihre Pflichten zu kennen und Risiken möglichst frühzeitig zu identifizieren. Organisationsverschulden kann so vermieden werden. Durch den Aufbau einer sicheren Betriebsorganisation, wie dem Betriebssicherheitsmanagement, können Restrisiken beherrscht werden. Der sachliche Umfang der Unternehmerverantwortung kann sich auf alle Maßnahmen erstrecken, welche notwendig sind, damit die vom Gesetzgeber geforderten Schutzziele nicht durch das Betreiben von Anlagen und Einrichtungen gefährdet werden. © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019 B. Tenckhoff und S. Siegmann, Vernetztes Betriebssicherheitsmanagement, VDI-Buch, https://doi.org/10.1007/978-3-662-48441-8_4

97

98

4

Vermeidung von Rechtsfolgen

Um Schadensfälle und Rechtsfolgen im Unternehmen zu vermeiden, sind die Maßnahmen der Sicherheit genau so gründlich zu planen wie die Anlagen und die Produktion. Besonders bei der Sicherheit darf man nichts dem Zufall überlassen. Jede Führungskraft weiß, dass sich Schadensfälle auch bei höchstem Sicherheitsstandard nicht gänzlich vermeiden lassen. Ist es einmal zu einem Schadensfall gekommen, muss der Nachweis erbracht werden können, dass alles getan wurde, um den Eintritt zu vermeiden.

4.2 Wahrnehmung von Betreiberverantwortung Ein optimal geführtes Unternehmen basiert auf prozessorientiertem Handeln. Dieser Ansatz trägt nicht nur zu einem effizienten Betriebsablauf bei. Klare Verantwortungsstrukturen und standardisierte Abläufe sowie Controlling-Mechanismen sichern darüber hinaus die Wahrnehmung der Betreiberverantwortung und garantieren damit die Rechtssicherheit. In den letzten Jahren haben sich die Anforderungen des Gesetzgebers an die sorgfältige Wahrnehmung von Verantwortung durch Unternehmen und die darin handelnden Personen sukzessive verschärft. Die fortschreitende Harmonisierung der europäischen Gesetzgebung mit der Umsetzung in nationales Recht führt neben der Angleichung auch zu einer Aktualisierung von Vorschriften. Bisherige Aufgaben der Überwachungsorganisationen (z. B. TÜV) werden auf die Unternehmen selbst übertragen.

4.3

Prüfpflicht nach § 15 Betriebssicherheitsverordnung vom 1. Juni 2015 –BetrSichV–

Die Betreiberverantwortung ist die Summe aller Betreiberpflichten, die den Betreiber einer Anlage in seiner Eigenschaft als Unternehmer treffen. Die sich daraus ergebende Verantwortlichkeit besteht in seiner Haftung für den Fall, dass er eine der daraus resultierenden Pflichten schuldhaft verletzt. Schuldhaft ist eine solche Pflichtverletzung, wenn sie vorsätzlich oder fahrlässig erfolgt. In Bereichen, in denen bedeutende Sachwerte oder gar Leib und Leben von Menschen gefährdet sind, stellt die einschlägige Rechtsprechung hohe Anforderungen an die ordnungsgemäße Wahrnehmung der Betreiberverantwortung, so dass die Rechtsprechung im Rahmen des Verschuldens einen strengen Sorgfaltsmaßstab anlegt. Die rechtlichen Folgen können existenzvernichtend sein – Schadenersatz, Schmerzensgeld und sogar strafrechtliche Konsequenzen sind die Folge. Diese zu vermeiden ist Aufgabe des Managements. Unterschiedlichste Normen können eine rechtliche Verantwortlichkeit im Sinne der Betreiberverantwortung begründen. Eine insoweit bedeutsame ist § 15 BetrSichV. Die Verordnung gilt für die Verwendung von Arbeitsmitteln. Ziel der Verordnung ist es, die Sicherheit und den Schutz der Gesundheit von Beschäftigten bei der Verwendung von

4.4 Betreiber

99

Arbeitsmitteln zu gewährleisten. Dementsprechend bestimmt sie in § 15 BetrSichV, dass überwachungsbedürftige Anlagen regelmäßig wiederkehrenden Prüfungen unterliegen. Gem. § 15 Abs. 1 BetrSichV hat der Betreiber die Prüffristen für überwachungsbedürftige Anlagen auf der Grundlage einer sicherheitstechnischen Bewertung zu ermitteln. Es ist daher die Pflicht des Betreibers, eine solche sicherheitstechnische Bewertung durchzuführen, die Prüffristen festzulegen und für Durchführung der Prüfungen durch eine zuständige Stelle zu sorgen.

4.4 Betreiber Der Betreiber im Sinne der BetrSichV ist verantwortlich für den sicheren Betrieb und kann eine natürliche oder juristische Person sein. Betreiber ist, wer Eigentümer oder Besitzer einer Anlage ist und sie nutzt oder wer die tatsächliche oder rechtliche Möglichkeit hat, die notwendigen Entscheidungen im Hinblick auf die Sicherheit der Anlage zu treffen. Auf die Eigentumsverhältnisse kommt es nicht an. So kann auch ein Pächter oder Vermieter Betreiber sein.

4.4.1 Übertragung der Betreiberpflichten Die genannten Betreiberpflichten können grundsätzlich an Führungskräfte übertragen werden. Allerdings scheidet eine restlose Befreiung des Unternehmers von jeglicher Verantwortung aus. Zur größtmöglichen Absicherung sind bei der Delegation im Rahmen der Vertragsgestaltung einige grundsätzliche Dinge zwingend beachten:    

Klare Definition der zu übertragenden Pflichten Sorgfältige Auswahl der Führungskräfte Ausstattung mit den erforderlichen Mitteln und Kompetenzen Einweisung und Überwachung

Liegen alle Voraussetzungen vor, kann sich der Unternehmer im Regelfall exkulpieren. Die Verantwortlichkeit liegt dann überwiegend bei den Führungskräften. Wird dagegen nicht wirksam übertragen, so trifft den Unternehmer der Vorwurf des sog. Organisationsverschuldens. In diesem Fall verbleibt es bei seiner Betreiberverantwortung und damit seiner Haftung. Die neue Betriebssicherheitsverordnung geht teilweise neue Wege. Durch sie wird im Hinblick auf die besprochenen Betreiberpflichten die bisher notwendige sicherheitstechnische Bewertung abgeschafft. Stattdessen wird allgemein eine sog. Gefährdungsbeurteilung nötig werden. Die materiellen Anforderungen verändern sich durch dieses bisher im Arbeitsschutz übliche Element allerdings wohl nicht maßgeblich. Die haftungsrechtliche

100

4

Vermeidung von Rechtsfolgen

Problematik bleibt in jedem Fall bestehen. Zudem wird die Möglichkeit, besonders prüfpflichtige Anlagen anstelle einer externen zugelassenen Überwachungsstelle durch den Betreiber in eigener Verantwortung zu prüfen, erweitert. Eine Erweiterung der Haftung bei der Durchführung der Prüfung in eigener Verantwortung ist eine zwangsläufige Folge. Die Kenntnis dieser Erfordernisse sowie vor allem die ausreichende Dokumentation ordnungsgemäßen Handelns verschafft die für ein erfolgreiches Unternehmen notwendige Sicherheit vor unangenehmen Folgen – wie z. B. einem Bußgeld oder Schadenersatzansprüchen Geschädigter. Nur durch ein wirksames Anweisungs- und Nachweissystem sowie der Verfolgung der technischen Anforderungen und Veränderungen der Verkehrssicherungs- und Betreiberpflichten wird es im Schadensfall gelingen, rechtssicher nachweisen zu können, dass die Umstände, die zu dem Schaden oder Unfall geführt haben, im haftungsrechtlichen Sinne nicht vorwerfbar waren. Dies gilt nicht nur für Aufzugsanlagen, sondern auch für alle weiteren technischen Einrichtungen und Anlagen.

4.5

Technische Regeln für Betriebssicherheit –TRBS 1151–

Gefährdungen an der Schnittstelle Mensch – Arbeitsmittel – Ergonomische und menschliche Faktoren, Arbeitssystem – Die TRBS konkretisiert im Rahmen des Anwendungsbereichs die Anforderungen der Betriebssicherheitsverordnung. Bei Einhaltung der Technischen Regel kann der Arbeitgeber insoweit davon ausgehen, dass die entsprechenden Anforderungen der Verordnung erfüllt sind. Wählt der Arbeitgeber eine andere Lösung, muss er damit mindestens die gleiche Sicherheit und den gleichen Gesundheitsschutz für die Beschäftigten erreichen.

4.6 Mögliche Rechtsfolgen und deren Vermeidung Kommen Unternehmer und Führungskräfte den Pflichten, die sie aufgrund ihrer Stellung im Unternehmen haben nicht nach, so liegt ein schuldhafter Verstoß vor. Steht dieser Verstoß in einem direkten Zusammenhang mit einem Schadensereignis, so setzen sie sich einem Haftungsrisiko aus. Sie können für ihr Fehlverhalten zur Verantwortung gezogen werden. Dies kann reichen von ordnungswidrigkeitsrechtlichen über strafrechtliche bis hin zu arbeitsrechtlichen Folgen. Rechtsfolgenwerden aber erst dann ausgelöst, wenn durch ein aktives Handeln oder schuldhaftes Unterlassen gegen Rechtspflichten verstoßen wurde. Führungskräfte müssen einen überblick über die für ihr Aufgabengebiet einschlägigen Rechtsvorschriften haben. Keiner verlangt, dass sie alle Vorschriften im Detail kennen. Sie müssen jedoch wissen, wo sie sich Rat holen können, wenn es erforderlich ist. Bestens geeignet dafür ist der Betriebssicherheitsmanager oder Manager für Sicherheit und Gesundheit. Er hat aufgrund seiner speziellen Qualifikation fundierte Kenntnisse über die Interpretation der einschlägigen Rechtsvorschriften. Auf dessen Rat muss sich die Füh-

4.6 Mögliche Rechtsfolgen und deren Vermeidung

§§ Gesetz §§

101

Tun oder Unterlassen Rechtswidrig Vorwerfbar bzw. Schuldhaft

Rechtsfolgen

? ? Verstoß wodurch ? ? Wissen Willen Gesetz

T A T

Vorsatz

Wissen Sorgfalt Voraussicht

T A T

Einfache Fahrlässigkeit

Wissen Gefahr Glück

T A T

Grobe Fahrlässigkeit

Abb. 4.1 Staatsanwälte und Richter bewerten den Grad eines Verstoßes gegen Rechtspflichten

rungskraft verlassen können. Kommt es zu einem Schadensfall, der auf einen falschen Rat des Betriebssicherheitsmanagers oder Managers für Sicherheit und Gesundheit zurückzuführen ist, so trägt er dafür die Verantwortung und setzt sich Rechtsfolgen aus. Tritt ein Unfall oder Schadensfall ein und kann hingegen die verantwortliche Führungskraft nicht den Nachweis erbringen, dass sie alles unternommen hat um den Eintritt zu verhindern, setzt sie sich Rechtfolgenaus. Je nach dem Grad des Verstoßes und des eingetretenen Schadensfalls werden diese unterschieden in (Abb. 4.1):  einfache Fahrlässigkeit  grobe Fahrlässigkeit

4.6.1 Einfache Fahrlässigkeit – Vorwerfbare Handlung – Eine einfache Fahrlässigkeit liegt vor, wenn jemand der allgemeinen Sorgfaltspflicht nicht nachgekommen ist. Er hätte aufgrund seines Fachwissens aufmerksamer handeln müssen. Er hat es etwas zu leicht genommen.

102

4.6.2

4

Vermeidung von Rechtsfolgen

Grobe Fahrlässigkeit

– Strafbare Handlung – Eine grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn jemand den Schaden für möglich gehalten und trotzdem falsch gehandelt hat. In diesem Fall hat die Person darauf spekuliert, dass der Schaden nicht eintritt. Er hat ein zu hohes Restrisiko akzeptiert. Die einfache Fahrlässigkeit langt bereits zur Verhängung eines Verwarngeldes oder einer Geldbuße. Bei einer groben Fahrlässigkeit wird in der Regel eine Geldbuße verhängt. Bei grober Fahrlässigkeit besteht zusätzlich auch ein Schadensersatzanspruch durch Dritte. Dies jedoch nur für belegte Ansprüche, die über den Rahmen der gesetzlichen Versicherung hinausgehen. Die Berufsgenossenschaften haben ebenfalls einen Regressanspruch. Eine vorwerfbare Handlung wird dabei nach dem Ordnungswidrigkeitengesetzt (OWiG) geahndet. Dem entgegen gilt bei strafbaren Handlungen das Strafgesetzbuch (StGB). Welche Rechtsform jeweils zur Anwendung kommt, wird in den meisten Fällen durch die Staatsanwaltschaft bzw. Gerichte entschieden. Darüber hinaus gibt es noch die zivilrechtliche Haftung, die nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) und teilweise dem Sozialgesetzbuch (SGB) geahndet wird. Dies gilt gleichsam für alle Schäden an Mensch und Umwelt gemäß dem Umwelthaftungsgesetz (UmweltHG). Die genannten Rechtsfolgen werden, je nach Verstoß, durch die dabei betroffenen Behörden oder Personen ausgelöst. Dies sind bei einfachen Delikten z. B. die Staatlichen Arbeitsschutzbehörden oder die Berufsgenossenschaften. Erst bei schweren Verstößen erfolgt eine Einleitung von Rechtsfolgen durch die Staatsanwaltschaft oder auf deren Antrag durch die Gerichte. Bei grobfahrlässig herbeigeführten Schäden, wie schwerer Körperverletzung ist die Auslösung von Rechtsfolgen durch Unternehmer, Mitarbeiter und betroffene Dritte möglich. Besonders wichtig ist es zu wissen, dass dem Staatsanwalt das Ordnungswidrigkeitengesetz als sein Handlungsinstrument zufällt. Ziel des Gesetzes ist es, bei Fahrlässigkeit die Ordnung wieder herzustellen. Kommt der Staatsanwalt bei seinen Ermittlungen allerdings zu der Überzeugung, dass keine einfache sondern eine grobe Fahrlässigkeit vorliegt, darf er nicht mehr nach dem Ordnungswidrigkeitengesetz ahnden. Seine Zuständigkeit ist damit zunächst beendet. Jetzt muss er einen Strafantrag an das Gericht stellen. Der Richter hat nun über den Fall zu entscheiden. Er wiederum kann seinerseits eine Verurteilung nach dem Ordnungswidrigkeitengesetz oder nach dem Strafgesetzbuch fällen. Erfolgt eine Verurteilung nach dem Strafgesetzbuch, so gilt der Verurteilte als vorbestraft und somit unzuverlässige Person in der gewerblichen Wirtschaft. Das kann arbeitsrechtliche Folgen nach sich ziehen. Eine Führungskraft sollte bei allem Handeln bedenken, dass im Schadensfall Behördenvertreter in das Unternehmen kommen, um den Hergang zu ermitteln. Diese Personen kennen den Betrieb und die Arbeiten in der Regel nicht. Für sie gilt zunächst alles was dort abläuft als gefährlich. Sie haben deshalb kein Verständnis, wenn nicht alle möglichen Schutzmaßnahmen ergriffen wurden. Ermittlungen laufen auch immer nach dem Grundsatz, dass der Verunfallte selber an seinem Unfall keine Schuld trägt. Erst wenn sich im Laufe der Ermittlungen herausstellt, dass alle Schutzmaßnahmen vorgegeben waren, wird

4.9 Strafe

103

ein Fehlverhalten des Mitarbeiters untersucht. Rechtsfolgen selber können von Verwarngeldern bis zu Freiheitsstrafen reichen.

4.7 Verwarngeld Die einfachste Form der gesetzlichen Rechtsfolgen ist das Verwarngeld. Reichen mündliche oder schriftliche Verwarnungen von Berufsgenossenschaften, Staatlichen Ämtern für Arbeitsschutz zur Wiederherstellung der Ordnung nicht aus, so kann basierend auf § 56 des Ordnungswidrigkeitengesetzes durch diese Behörden ein Verwarngeld verhängt werden. Es soll als einfacher Denkzettel zum bewussten Handeln ermahnen und stellt somit keine Strafe dar. Zur Verhängung eines Verwarngeldes reicht bereits ein einfacher Verstoß gegen Rechtsvorschriften aus. Ein Schadensereignis ist dabei nicht Voraussetzung.

4.8

Geldbußen

Auch die Geldbuße stellt noch keine rechtliche Strafe dar. Sie wird ebenfalls nach dem Ordnungswidrigkeitengesetz geahndet. Der Schadensfall ist auch dabei nicht Voraussetzung. Eine Geldbuße wird verhängt, wenn die Ermittlungen ergeben haben, dass ein einfacher Denkzettel nicht ausreicht. Neben den Arbeitsschutzbehörden können Geldbußen auch von den Staatsanwaltschaften und Gerichten verhängt werden. Dies ist immer dann möglich, wenn der Tatbestand der einfachen Fahrlässigkeit vorliegt. Verwarngelder und Geldbußen ziehen keine weiteren Folgen nach sich. Eine Führungskraft sollte sich immer wieder vor Augen führen, was im betrieblichen Alltag durch ihre Anweisungen an Schaden entstehen kann. Dann ist zu überlegen, wie ein Aufsichtsbeamter den Fall bewerten würde. Kommt die Führungskraft zu dem Schluss, dass ein unbedarfter Externer den Sachverhalt als grob Fahrlässig einstufen würde, müssen auch zum eignen Schutz sofort entsprechende Verbesserungen eingeleitet werden. Ansonsten folgt eine Strafe.

4.9 Strafe Bei grob fahrlässigen Verstößen gegen Rechtsvorschriften, wie Gefährdung von Leben, Gesundheit und Umwelt sowie bei Körperverletzung, Umweltschäden und Tötung, erfolgt eine Ahndung nach dem Strafgesetzbuch. Auslöser dieser strafrechtlichen Verfolgung sind die Staatsanwaltschaften als Kläger und die Gerichte. Strafen können je nach Schwere des Deliktes als Geldstrafe oder Freiheitsstrafe auferlegt werden. Bei allen Verwarngeldern, Geldbußen und Strafen gilt, dass sie durch den Betroffenen selber zu tragen sind. Eine Absicherung dagegen, etwa durch eine Versicherung ist nicht möglich.

104

4.10

4

Vermeidung von Rechtsfolgen

Zivilrechtliche Haftung

Den wohl schwierigsten und umfangreichsten Komplex stellen die zivilrechtlichen Haftungsmöglichkeiten dar. Zivilrechtliche Haftungsmöglichkeiten sind:    

Haftung für Sach- und Vermögensschäden Haftung für Personenschäden Haftung für Umweltschäden Haftung für Sach- und Vermögensschäden

Ein Haftungsanspruch besteht immer für Sach- und Vermögensschäden, wenn jemand schuldhaft einen Schaden verursacht hat. Diesen Anspruch kann ein Unternehmer auch bei einem Mitarbeiter geltend machen, wenn dieser dem Unternehmen einen Schaden durch grob fahrlässiges Verhalten zugefügt hat.

4.11 Arbeitsrechtliche Maßnahmen Ein Verstoß gegen Sicherheits- und Umweltschutzvorschriften stellt immer eine Verletzung des Arbeitsvertrages dar und gibt dem Unternehmer die Möglichkeit, arbeitsrechtliche Maßnahmen einzuleiten. Sie können, von einer mündlichen Verwarnung bis hin zur Kündigung reichen. Nach § 3 Entgeltfortzahlungsgesetz und weiteren ähnlich lautenden Gesetzen ist der Unternehmer auch nicht zur Lohnfortzahlung verpflichtet, wenn eine Erkrankung auf einen selbstverschuldeten Arbeitsunfall beruht.

4.12 Verhalten bei Ermittlungen Unfälle, Schadensfälle und Umweltschäden sind Ereignisse, die immer unerwartet und zur falschen Zeit eintreffen. Sie können in wenigen Stunden ein gesamtes Unternehmen lähmen oder gar zum Stillstand bringen. Sind Unternehmer und Führungskräfte nicht bestens auf ein solches unerwartetes Ereignis vorbereitet, so kann es schnell zu einer nachhaltigen Krise kommen. Jeder schwere Unfall, jeder große Schadensfall und jeder Umweltschaden mit erheblichen Auswirkungen zieht automatisch behördliche Ermittlungen nach sich. Eine der wichtigsten Aufgaben ist es nun, weiteren juristischen Schaden und damit Rechtsfolgen vom Unternehmen und allen Betroffenen abzuwenden. Gerade in den ersten Stunden werden durch falsches Verhalten Rechtsfolgen ausgelöst, die durch eine gute Vorbereitung hätten vermieden werden können. Aber wie bereitet sich ein Unternehmen mit allen seinen Mitarbeitern auf solch einen Fall vor? Das richtige Verhalten, sprich die Spielregeln gegenüber Behördenvertreten bei

4.12 Verhalten bei Ermittlungen

105

Ermittlungen allen im Unternehmen zu vermitteln ist Aufgabe des Betriebssicherheitsmanagers oder Manager für Sicherheit und Gesundheit und eines gut organisierten Krisenstabs. Es geht dabei nicht darum, etwas Falsches zu sagen, sondern die Emotionen des ersten Eindrucks zu relativieren. Die Behördenvertreter verfolgen bei ihren Ermittlungen das Ziel, möglichst schnell unverfälschte Informationen über das Ereignis zu erhalten. Unternehmer und Führungskräfte müssen das Ziel verfolgen, Ruhe und Besonnenheit in die Situation zu bekommen um überlegt handeln zu können. Viele Führungskräfte haben sich in Schwierigkeiten gebracht, weil sie sich zu schnell zu Aussagen hinreißen lassen. Sie meinen schnell alles klären zu müssen. I

Tipp Erst eine Nacht darüber schlafen!

Am nächsten Tag stellt sich der Sachverhalt immer ganz anders dar. Außerdem liegen weitere hilfreiche Informationen vor. Auch bestand zwischenzeitlich die Möglichkeit einer ersten Rechtsberatung. Anwälte kennen die Sprache der Ermittlungsbeamten und Richter bestens und wissen, was zu sagen ist oder wann man schweigen sollte. Ist ein Ermittlungsverfahren zu erwarten, müssen die Anwälte die Gespräche übernehmen und die gesamte Korrespondenz führen. Ein Rechtsanwalt spricht die Sprache des Staatsanwalts und des Richters. Er ist daher bei Ermittlungen immer einzuschalten! Diese Aufgabe muss ein externer Anwalt übernehmen. Der firmeninterne Rechtsanwalt wird in der Regel als befangen abgelehnt und sollte sich daher auf die zusätzliche interne Beratung beschränken. Außerdem muss er dem Krisenstab zur Verfügung stehen.

4.12.1 Aufgaben und Kompetenzen bei Ermittlungen Ein größeres Schadensereignis zieht immer unterschiedliche Ermittlungen nach sich. Diese sind:  Polizeiliche Ermittlungen Hierbei geht es um die Spurensicherung und die Absicherung von Gefahrenbereichen zur Vermeidung weiterer Schäden. Die Polizei informiert in der Regel die Kriminalpolizei und Staatsanwaltschaft. Sie leiten keine direkten Rechtsfolgen ein.  Kriminalpolizeiliche Ermittlungen Die Kriminalpolizei ist ebenfalls um die Spurensicherung bemüht und versucht zu ermitteln, ob es sich um eine kriminelle Tat handelt. Sie führt auch Ermittlungen im Auftrag der Staatsanwaltschaft durch und leiten damit Rechtsfolgen ein.  Staatsanwaltschaftliche Ermittlungen Der Staatsanwalt kommt nur bei schweren Schadensfällen zur Ermittlung vor Ort. Er ist dabei bemüht, so viele unverfälschte Informationen wie möglich zu erhalten. Dazu

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4

Vermeidung von Rechtsfolgen

nimmt er erste Befragungen vor. Der Staatsanwalt ist verpflichtet alle Beteiligten auf ihr Aussageverweigerungsrecht hinzuweisen. Der Staatsanwalt leitet Rechtsfolgen nachdem Ordnungswidrigkeitengesetz und dem Strafgesetzbuch ein und erhebt Anklage vor dem Gericht.  Ermittlungen der staatlichen Arbeitsschutzaufsicht Die Aufsichtsbeamten ermitteln die Ursachen von Unfällen und Gesundheitsschäden. Der Staatsanwalt bedient sich bei den Ermittlungen der Aufsichtsbeamten als Experten in Arbeitssicherheit und lässt durch sie Gutachten zum Schadenshergang erstellen. Aufsichtsbeamte leiten ebenfalls Rechtsfolgen ein. Diese Aufgaben werden teilweise den Unfallversicherungsträgern übertragen.  Ermittlungen der Unfallversicherungsträger Die Unfallversicherungsträger ermitteln bei Verstößen gegen Arbeitsschutzbestimmungen auf der Grundlage des Sozialgesetzbuches und bei Unfällen und Gesundheitsschäden. Sie führen als gesetzlicher Unfallversicherer auch Ermittlungen aus versicherungsrechtlicher Sicht durch. Durch Unfallversicherungsträger werden ebenfalls Rechtsfolgen eingeleitet.  Ermittlungen des staatlichen Amtes für Umweltschutz Die Aufsichtsbeamten ermitteln die Ursachen von Umweltschäden. Die Staatsanwaltschaft bedient sich bei Ermittlungen der Aufsichtsbeamten als Experten im Umweltschutz und lässt durch sie Gutachten zum Schadenshergang erstellen. Aufsichtsbeamte leiten Rechtsfolgen ein.

4.12.2

Vorgehensweise bei einer staatsanwaltschaftlichen Ermittlung

Wenn durch ein Schadensereignis rechtlich schützenswerte Güter wie Leben, Gesundheit oder Umwelt beeinträchtigt oder gefährdet sind, können Staatsanwaltschaften Ermittlungen mit dem Ziel einleiten, Verantwortliche für dieses Ereignis zur Rechenschaft zu ziehen. Folgende Punkte sind vor der Ermittlung durch die zu befragende Person zu klären:    

Können sich die ermittelnden Personen per Ausweis legitimieren? Nachfragen, ob es sich um eine reine Erkundigung handelt oder um eine Vernehmung. Hinterfragen, gegen wen eventuell ermittelt wird. Klarstellen, ob man als Zeuge oder Beschuldigter vernommen werden soll. Da es keine weitere Möglichkeit gibt, muss die ermittelnde Person dies genau sagen.  Abklären, welche konkreten Vorwürfe erhoben werden. Geht es um eine Ordnungswidrigkeit oder Straftat? Finden die Ermittlungen am Ort des Geschehens statt ist dafür Sorge zu tragen, dass sich keine unbeteiligten Personen in dem Bereich befinden. Alle Antworten zu den Fragen sollten sorgsam überlegt sein. Wenn überhaupt, dann nur mit ganz kurzen Sätzen auf die direkten Fragen antworten.

4.12 Verhalten bei Ermittlungen

107

     

Waren sie an der Arbeitsstelle tätig? „Ja.“ Was war ihre Aufgabe? „Ich habe das Getriebe montiert.“ Wer ist ihr Vorgesetzter? „Herr Schulz.“ Was haben sie gesehen? „Wie jemand vom Gerüst stürzte.“ Wie ist es dazu gekommen? „Kann ich nicht sagen.“ Warum können sie das nicht sagen? „Habe nur gesehen wie er plötzlich neben mir aufgeschlagen ist.“  Was haben sie dann gemacht? „Erste Hilfe geleistet und den Vorgesetzten gerufen.“ Zur Person müssen Aussagen getätigt werden. Zur Sache sollten Beschuldigte die Aussage verweigern und sich über ihren Anwalt schriftlich äußern. Am Ende der Vernehmung ist ein schriftliches Protokoll zu erstellen. Zeugen und Beschuldigte müssen darauf achten, dass dies die Vernehmung richtig wieder gibt. Die Kopie der Protokolle verbleibt im Unternehmen. Sie sind unmittelbar dem Anwalt zukommen zu lassen. Zusammenfassung Der haftungsrechtliche Alltag unterliegt in jedem Unternehmen strengen Spielregeln, die es einzuhalten gilt. Dies gilt besonders in extremen Stresssituationen, wie bei schweren Unfällen und Schadensfällen. Je gründlicher sich ein Unternehmen auf diese unverhofften Situationen vorbereitet hat umso geringer ist ein zu erwartendes Haftungsrisiko. Die wohl rechtlich schwierigste Position haben dabei die Führungskräfte vor Ort inne. Sie geben direkte Anweisungen an der Arbeitsstelle und müssen sich im Schadensfall dafür rechtfertigen. Daher ist es von besonderer Bedeutung, dass gerade diese Personengruppe intensiv auf solche unverhofft eintretende Ereignisse vorbereitet wird. Wir benötigen ausschließlich Führungskräfte mit hoher Fach und Sozialkompetenz, die sich im Schadensfall vor ihre Mitarbeiter stellen und ihnen die erforderliche Rückendeckung geben. Alle betrieblichen Praktiker wissen, was mit diesen Sätzen gemeint ist. Steht, von der Unternehmensleitung ausgehend, jeder für seine Kollegen ein und versucht zu helfen, so werden alle Betroffenen gestärkt und motiviert sich auch weiterhin für das Unternehmen einzusetzen. Vorschnelle innerbetriebliche Sanktionen bei Unfällen und Schadensfällen können schnell nach außen dringen. Das kommt einer Vorverurteilung gleich. Deshalb ist es wichtig, dass möglichst keine innerbetrieblichen Sanktionen erfolgen, so lange der Staatsanwalt ermittelt.

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4

Vermeidung von Rechtsfolgen

4.13 Checklisten 4.13.1 Fragen der Ermittler am Schadensort

Fragen des Ermittlers Wer trägt in diesem Bereich die Verantwortung?

Was ist passiert?

Welche Personenschäden/Umweltschäden sind entstanden? Wer hat die Arbeiten freigegeben und die Mitarbeiter eingewiesen? Wer hat das Fremdpersonal in die Örtlichkeiten eingewiesen? Wann sind die Mitarbeiter zuletzt unterwiesen worden? Wurden für die Arbeiten Gefährdungsbeurteilungen erstellt? Welche Betriebsanweisungen gibt es für die Arbeiten?

Antworten durch Betroffene und Zeugen Da, wie bereits erwähnt, Verantwortung nicht teilbar ist, darf sich jetzt nur eine Person als Verantwortlicher ausgeben. Melden sich zwei oder mehrere Personen, wird bereits ein Organisationsverschulden unterstellt. Schlimmer ist allerdings, wenn sich keine Person als verantwortlich zeigt. Handelt es sich um eine kleine Arbeitsgruppe mit einem Aufsichtsführenden, so ist der Vorgesetzte in der Nachweispflicht, dass er dem Mitarbeiter die Aufsicht übertragen hat. Deshalb sollte bei der Einteilung der Arbeitsgruppen der Vorgesetzte in seinen Dokumentationen, neben dem Vermerk zur Arbeit, auch den Namen des Aufsichtsführenden aufschreiben. Nur der Verantwortliche gibt Auskunft über den Hergang. Er soll jetzt zunächst nur das Geschehen knapp erläutern und nichts zu den gesamten Arbeiten sagen. Dazu erst und das auch ganz knapp, wenn es hinterfragt wird. Jeder unnötige Satz kann belastend werden. Auch da gibt es nur knappe Antworten zu Anzahl der Verletzten und/oder Umfang des Umweltschadens. Dies ist die wichtigste Aufgabe des unmittelbaren Vorgesetzten. Alle Betroffenen müssen wissen wer das ist und dies entsprechend bestätigen. Die Aussage eines Betroffenen oder Zeugen; Ich weis nicht, eigentlich hat uns hier niemand eingewiesen, zieht immer Rechtsfolgen nach sich. Der schriftliche Nachweis über die erfolgte Einweisung sollte an dem Einsatzort zugegen sein. Gibt es diese schriftliche Bestätigung nicht, läuft man Gefahr, dass die Fremdmitarbeiter behaupten, nicht eingewiesen zu sein. Jeder versucht nämlich seine Haut zu retten. Dazu sollte auf jeden Fall der schriftliche Nachweis erbracht werden. Dies kann später erfolgen. Liegt die letzte schon über ein Jahr zurück, kann es einen Vorwurf hinsichtlich der Fürsorgepflicht geben. Ja! Diese gemäß § 5 Arbeitsschutzgesetz vorgeschrieben Analysen müssen schriftlich vorliegen. Es genügt jedoch, wenn sie später gezeigt werden. Betriebsanweisungen nach Arbeitsschutzgesetz müssen ebenfalls in Schriftform vorliegen. Sie müssen den Mitarbeitern jederzeit zugänglich sein. Die betroffenen Mitarbeiter müssen dies bestätigen.

4.13

Checklisten

Fragen des Ermittlers Waren weitere Personen in diesem Bereich, die den Hergang gesehen haben? Wie sind die Erste Hilfe und der Brandschutz organisiert?

109 Antworten durch Betroffene und Zeugen Jetzt ist die Frage nach Zeugen gestellt. Diese sollten möglichst nicht mehr in dem Bereich sein. Als Aussage wird akzeptiert, dass sie zu ihrer eigenen Sicherheit weggeschickt wurden. Die Namen der Personen sind jedoch zu benennen. Auch dazu sollte der Vorgesetzte verbindliche Aussagen tätigen können. Der benannte Ersthelfer sollte sich als solcher zu erkennen geben. Im Zweifelsfall ist es der Aufsichtsführende. Er muss allerdings den Nachweis der Ausbildung erbringen können.

4.13.2 Rechte und Pflichten der Beschuldigten

Rechte und Pflichten der Beschuldigten Besteht bei einer Vorladung die Pflicht des Erscheinens? Besteht die Pflicht, Angaben zur Person zu machen? Besteht die Pflicht, Angaben zur Sache zu machen? Besteht das Recht auf eine schriftliche Äußerung? Besteht das Recht, die Anwesenheit eines Rechtsbeistands zu verlangen?

Vor der Polizei oder der Ord- Vor dem Staatsanwalt nungsbehörde Nein Ja, zwangsweise Vorführung nach Androhung ist zulässig Ja Ja Nein Ja

Nein, sofern Auskunfts- oder Zeugnisverweigerungsrecht besteht Ja

Ja

Ja

4.13.3 Rechte und Pflichten der Zeugen

Rechte und Pflichten der Zeugen Besteht bei einer Vorladung die Pflicht des Erscheinens? Besteht die Pflicht, Angaben zur Person zu machen? Besteht die Pflicht, Angaben zur Sache zu machen? Besteht das Recht auf eine schriftliche Äußerung? Besteht das Recht, die Anwesenheit eines Rechtsbeistands zu verlangen?

Vor der Polizei oder der Ord- Vor dem Staatsanwalt nungsbehörde Nein Ja, bei Ausbleiben sind Zwangsmittel zulässig Ja Ja Nein Ja Ja

Nein, sofern Auskunfts- oder Zeugnisverweigerungsrecht besteht Liegt im Ermessen des Staatsanwalts Ja

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4

Vermeidung von Rechtsfolgen

Zusammenfassung

Der haftungsrechtliche Alltag unterliegt in jedem Unternehmen strengen Spielregeln, die es einzuhalten gilt. Dies gilt besonders in extremen Stresssituationen, wie bei schweren Unfällen und Schadensfällen. Je gründlicher sich ein Unternehmen auf diese Situationen vorbereitet hat, umso geringer ist ein zu erwartendes Haftungsrisiko. Die wohl rechtlich schwierigste Position haben dabei die Führungskräfte vor Ort. Sie geben direkte Anweisungen an der Arbeitsstelle und müssen sich im Schadensfall dafür rechtfertigen. Daher ist es von besonderer Bedeutung, dass gerade diese Personengruppe intensiv auf solche unverhofft eintretenden Ereignisse vorbereitet wird.

Weiterführende Literatur Prof. Dr. Günter Schulz, Prof. Bernd Tenckhoff – Vernetztes Betriebssicherheitsmanagement als Teil der Unternehmensstrategie für die Zukunft – Sicherheitsingenieur 11/2004 Ewald Siller, Jürgen Schliephacke – Fremdpersonal und Leiharbeitnehmer – Tiberius Verlag Bernd Tenckhoff – Anlagentechnik für elektrische Verteilernetze – Band 2 Arbeitssicherheit – 2. Auflage 1994 – VWEW/VDE-Verlag Bernd Tenckhoff – Teamarbeit – Prävention im sich wandelnden Versorgungsmarkt – Technische Überwachung, Oktober 1999 Bernd Tenckhoff – Integrierte Förderung von Arbeitssicherheit und Gesundheit – BKK Bundesverband 6/2001 Bernhard Tenckhoff – Haftung im Arbeitsschutz – die BG 122. Jahrgang September 2010 Prof. Bernhard Tenckhoff: Richtiges Verhalten bei Haftungsrisiken im Arbeitsschutz – Haufe Lexware – Bernhard Tenckhoff, Silvester Siegmann – Neue Dimension der betrieblichen Managementsysteme – Basi Infoprint Herbst 2008 Bernhard Tenckhoff, Silvester Siegmann – Betriebssicherheitsmanagement, Ganzheitliche Anforderungen erfordern ganzheitliche Systeme – DGUV Forum August 2010

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Qualitätsmanagement nach DIN EN ISO 9000 ff.

Das Wort „Qualität“ stammt aus dem Lateinischen („qualis“ D „wie beschaffen“ oder „von welcher Art“ als Pendant zu „talis“ D „so beschaffen“) und beschreibt nach allgemeinsprachlicher Auffassung die Beschaffenheit, Güte oder den Wert eines Objekts. Die Normenreihe definiert den Begriff „Qualität“ formal als den Grad, in dem ein Satz inhärenter Merkmale Anforderungen erfüllt. Der Volksmund sagt: I

Tipp Qualität ist, wenn der Kunde wiederkommt!

Die Kurzbezeichnung „ISO“ stammt vom griechischen Wort „isos“ ab, das „gleich“ bedeutet, und steht als Kürzel für die „Internationale Organisation für Normung“ (International Organization for Standardization). Sie erarbeitet internationale Normen in allen Bereichen mit Ausnahme der Elektrik und der Elektronik, für die die Internationale elektrotechnische Kommission (IEC) zuständig ist, und mit Ausnahme der Telekommunikation, für die die Internationale Fernmeldeunion (ITU) zuständig ist. Die nationale Normungsorganisation der Bundesrepublik Deutschland mit Sitz in Berlin ist das „DIN“ (Deutsches Institut für Normung e. V.). Das DIN ist ein eingetragener Verein, wird privatwirtschaftlich getragen und ist laut einem Vertrag mit dem Bund die zuständige Normungsorganisation für die europäischen und internationalen Normungsaktivitäten. Das Kürzel „EN“ zeigt an, dass es sich hierbei um eine anerkannte Europäische Norm handelt.

5.1

Die DIN ES ISO 9000 ff.

Die 9000 ff. – Normenreihe ist prozessorientiert aufgebaut und versteht unter einem Prozess einen Satz von in Wechselbeziehung oder Wechselwirkung stehenden Tätigkeiten, der Eingaben in Ergebnisse umwandelt. Für jeden Prozess gibt es dabei die davon be-

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019 B. Tenckhoff und S. Siegmann, Vernetztes Betriebssicherheitsmanagement, VDI-Buch, https://doi.org/10.1007/978-3-662-48441-8_5

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Qualitätsmanagement nach DIN EN ISO 9000 ff.

troffenen internen oder externen Kunden, die als Ergebnis die Erfüllung ihrer vorher festgelegten Erwartungen an das Produkt oder die Dienstleistung erwarten. Ganz grundsätzlich kann dabei zwischen folgenden Arten von Prozessen unterschieden werden (Abb. 5.1):  Managementprozesse: Zu ihnen zählen z. B. die strategische Planung, Festlegen der Geschäftspolitik und -ziele, Kommunikation und Managementbewertung.  Ressourcenprozesse: Bereitstellung von Ressourcen für die Managementprozesse, für die Realisierung und für die Messung.  Produktrealisierung/Kernprozesse: Bereitstellung des Produktes. Sie sind die eigentlich wertschöpfenden Prozesse für das Unternehmen. Immer wieder gibt es dabei die Diskussion, ob das Betriebssicherheitsmanagement nicht ein Kernprozess ist, da die Wertschöpfung eindeutig ist.  Messungs-, Analyse- und Verbesserungsprozesse: Hierzu zählen Mess-, Überwachungs- und Auditprozesse. Eigentlich sind diese Prozesse aber mehr integraler Bestandteil der 3 oben genannten Prozesse. Der prozessorientierte Ansatz der Normenreihe trägt zum funktionsübergreifenden Denken bei und hilft das Gesamtunternehmen transparent zu machen und in der Folge somit besser zu überblicken. Auf alle Prozesse innerhalb des Unternehmens ist der bekannte PDCA-Regelkreis (Plan-Do-Check-Act) anzuwenden. Die ISO 9000-Normenfamilie besteht aus den folgenden Normen:    

DIN EN ISO 9000: Grundlagen und Begriffe DIN EN ISO 9001: Anforderungen an QM-Systeme DIN EN ISO 9004: Leitfaden zur Leistungsverbesserung DIN EN ISO 19011 – Leitfaden für das Auditieren von Qualitäts- und Umweltmanagementsystemen

Abb. 5.1 PDCA: Auch als Deming-Kreis oder in ähnlicher Form als Shewhart-Kreis oder Ishikawa-Kreis bekannt

5.2 Die DIN EN ISO 9001:2015

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Am 19. Mai 2017 startete der Entwurf E DIN EN ISO 9004:2017-06 in die Phase der öffentlichen Kommentierung. ISO 9004:2017 ist quasi eine empfehlende Anleitung zur erfolgreichen Anwendung von ISO 9001:2015.

5.2 Die DIN EN ISO 9001:2015 Die moderne Normausrichtung fördert einen prozessorientierten Ansatz, dies ist die Grundlage dafür integrierte Managementsysteme in den Unternehmen zu installieren. Daher wurde auch seit der DIN EN ISO 9001 darauf geachtet, dass sich die verschiedenen Managementsysteme ergänzen und eventuell auftretende Synergien genutzt werden. Somit soll es dem Unternehmen ermöglicht werden, ein integriertes Managementsystem aus z. B. DIN EN ISO 9001 („Qualitätsmanagementsysteme – Anforderungen“), DIN EN ISO 14001 („Umweltmanagementsysteme – Anforderungen mit Anleitung zur Anwendung“) und OHSAS 18001:2007 (Arbeits- und Gesundheitsschutz – Managementsysteme – Anforderungen) bzw. seit 2018 der neuen DIN ISO 45001 aufzubauen. Alle relevanten Tätigkeiten werden als Prozesse beschrieben, untersucht und nach den gesetzten Zielen ausgerichtet. Ebenso müssen die Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Prozessen gesehen und verstanden werden. Ziel ist es, die Prozesse detailliert zu beschreiben und diese über Kennzahlen zu lenken und somit zu beherrschen. Im November 2015 wurde die aktuelle DIN EN ISO 9001:2015 veröffentlicht. In der Neufassung geht es um folgende 7 Handlungsfelder, die von Qualitätsverantwortlichen neu überdacht werden müssen:  Strategische Ausrichtung der Organisation Das Qualitätsmanagementsystem muss in die strategische Ausrichtung der Organisation eingebunden werden. Die oberste Leitung muss dazu sicherstellen, dass die Qualitätspolitik und die Qualitätsziele mit der strategischen Ausrichtung und dem Kontext der Organisation vereinbar sind. Der Einfluss sowohl interner als auch externer belange ist zu berücksichtigen.  Erweiterung der Zielgruppen DIN EN ISO 9001:2015 fordert eine Festlegung von für das QM-System relevanten interessierten Parteien und deren Anforderungen.  Prozessmanagement wird wichtiger DIN EN ISO 9001:2015 legt größeres Gewicht auf den prozessorientierten Ansatz  Verteilung der Verantwortlichkeiten DIN EN ISO 9001:2015 nimmt die oberste Leitung für das Qualitätsmanagement stärker in die Verpflichtung. Diese soll die Verantwortung für die Wirksamkeit und die Leistungsfähigkeit des QM-Systems tragen und andere Führungskräfte in ihrer Führungsrolle für das QM-System stärken.

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Qualitätsmanagement nach DIN EN ISO 9000 ff.

 Risikomanagement Völlig neu aufgenommen in die DIN EN ISO 9001:2015 wurde die Forderung nach einem systematischen Umgang mit Risiken und Chancen.  Dokumentation Bei der Umsetzung der Dokumentation bietet die Revision der Norm DIN EN ISO 9001 viel mehr Spielraum. Ein QM-Handbuch, in vielen Unternehmen DAS Instrument, um Überblick über das gesamte Unternehmen, das QM-System, die Strukturen und Abläufe abzubilden, wird mit der Revision nicht mehr explizit gefordert.

5.3

Ziele der DIN EN ISO 9001

Der grundsätzliche Zweck eines Qualitätsmanagementsystems nach der ISO 9001:2008 ist das Erreichen der Erfüllung von Kundenanforderungen, der ständiger Verbesserung, von ständigem Nachweis anforderungsgerechter Produkte und Dienstleistungen sowie dem Erhalt der Kundenzufriedenheit. Um diese Anforderungen zu erfüllen müssen Qualitätsziele festgelegt werden unter Einhaltung der acht Grundsätze des Qualitätsmanagements. Ganz klare Pflichten in Bezug auf Qualität hat die Unternehmensleitung zu übernehmen. Sie hat:  die Bedeutung und Wichtigkeit von Kundenanforderungen innerhalb des Unternehmens zu vermitteln  die Qualitätspolitik zu erarbeiten und festzulegen  die Qualitätsziele zu definieren  Management-Reviews durchzuführen  Ressourcen zum Aufbau und zur Pflege des QM-Systems bereitzustellen Durch diese Forderungen der ISO 9001 wird die Unternehmensleitung in die grundsätzlichen Fragen für den Aufbau eines QM-Systems eingebunden. In Bezug auf Kundenorientierung wird von ihr verlangt, dass die Kundenanforderung ermittelt und mit dem Ziel der Erhöhung der Kundenzufriedenheit erfüllt wird. Im Einzelnen fordert die Norm:  die ständige Verbesserung des QM-Systems und damit der Produkte und Dienstleistungen zur Erhöhung der Kundenzufriedenheit  die Orientierung an den Unternehmensprozessen  die Gestaltung des QM-Systems anhand Managementprinzipien:  Kundenorientierung  Führung  Einbeziehung der Personen  prozessorientierter Ansatz

5.4 Wesentliche Inhalte der Normung

   

115

systemorientierter Managementansatz ständige Verbesserung sachbezogener Ansatz zur Entscheidungsfindung Lieferantenbeziehungen zum gegenseitigen Nutzen

5.4

Wesentliche Inhalte der Normung

Wichtige Inhalte der Norm sind im Folgenden aufgeführt. Forderungen an das QM-System:  Darstellung der betrieblichen Prozesse und deren Wechselbeziehungen  Prozesse und deren Ergebnisse messen, überwachen und analysieren Dies kann z. B. durch eine Prozessmatrix erfolgen, der die vorhandenen Verfahrensanweisungen zugeordnet werden. Die Verfahren müssen überwacht werden beispielsweise mit Kennzahlen.

5.4.1

Kundenorientierung

 Kundenbedürfnisse ermitteln und in interne Forderungen umsetzen. Ziel: „Kundenzufriedenheit“  Dabei sind zu berücksichtigen: – Kundenforderungen an Produkt, Verfügbarkeit, Lieferung und Unterstützung – übrige Forderungen, die für den Zweck des Produktes erforderlich sind – gesetzliche und andere Forderungen  Der „Beauftragte der obersten Leitung“ muss das Bewusstsein über die Kundenforderungen in der Organisation fördern

5.4.2

Qualitätspolitik und -ziele

 Die Qualitätspolitik muss auf ihre fortdauernde Angemessenheit bewertet und die hierzu benötigten Dokumente gelenkt werden.  Es sind messbare Qualitätsziele festzulegen, die der ständigen Verbesserung dienen

5.4.3 Qualitätsplanung Zur Erreichung der Qualitätsziele müssen die Prozesse die benötigten Mittel und die ständige Verbesserung des Qualitätsmanagementsystems ermittelt, geplant und dokumentiert werden.

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5

5.5

Qualitätsmanagement nach DIN EN ISO 9000 ff.

Interne Kommunikation

Bezüglich der Prozesse ist die Kommunikation zwischen den verschiedenen Ebenen und Funktionsbereichen sicherzustellen. Der Output des Vorprozesses ist der Input des Nachfolgeprozesses.

5.6

Bewertung des QM-Systems

Unter „Managementbewertung“ wird in der Norm festgehalten, dass die Organisation ihr eigenes Qualitätsmanagementsystem in geplanten Abständen bewertet. Dabei muss eine klare Systematik der Vorgehensweise ersichtlich sein. Das so genannte „ManagementReview“ soll dazu dienen, die fortdauernde Eignung, Angemessenheit und Wirksamkeit des QM-Systems sicherzustellen. Das Ergebnis der Analyse soll Möglichkeiten zur Verbesserung des Systems aufzeigen und somit zu Änderungen führen. Es bezieht sich auf die Qualitätspolitik und Qualitätsziele. Zu diesen periodischen Überprüfungen des QMSystems müssen geeignete Aufzeichnungen angefertigt werden. Bei der Bewertung sollen berücksichtigt werden:     

Auditergebnisse und Kundenrückmeldungen Prozessleistung und Produktkonformität Vorbeugungs- und Korrekturmaßnahmen Maßnahmen aus vorangegangenen Bewertungen Veränderungen, die sich auf das QM-System auswirken können

Management von Ressourcen (Abb. 5.2):  Die erforderlichen Mittel müssen zur Verwirklichung und Verbesserung der Prozesse sowie zur Erreichung der Kundenzufriedenheit bestimmt und bereitgestellt werden.  Die Wirksamkeit von Schulungsmaßnahmen ist zu prüfen.  Es ist sicherzustellen, dass sich die Mitarbeiter der Bedeutung ihrer Tätigkeit bewusst sind. Kundenforderungen:  Hierzu gehören vom Kunden formulierte und nicht formulierte Forderungen an das Produkt sowie behördliche oder gesetzliche Forderungen  Regelungen zur Kommunikation mit dem Kunden (Produktinformationen, Auftragsbearbeitung, Kundenbeschwerden)

5.6 Bewertung des QM-Systems

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Abb. 5.2 Ressourcen, die vom Management zur Verfügung gestellt werden müssen

Entwicklung:  Bei Entwicklungsänderungen sind auch die Auswirkungen auf gelieferte Produkte zu beurteilen. Beschaffung:  Die Lieferanten müssen nach in ihren Fähigkeiten objektiv bewertet und ausgewählt werden. Die Lieferantenbeurteilung muss nach festgelegten Kriterien erfolgen.  Messung, Analyse, Verbesserungen  Messung und Überwachung von Prozessen  Messung der Kundenzufriedenheit  Datenanalyse  ständige Verbesserung durch Audits, Datenanalysen, Korrektur- und Vorbeugungsmaßnahmen und Managementbewertungen Eine weitere wichtige Forderung der Norm ist eine klar dokumentierte Lenkung der Dokumente. Die Verfahren für Erstellung, Änderung, Genehmigung, ungültige Dokumente und die Verteilung muss klar festgelegt sein. Die Unterlagen und Software müssen für die Ausführung eines Auftrags nach den 3 r’s:  mit dem richtigen Ausgabestand,  zum richtigen Zeitpunkt,  am richtigen Ort zum Einsatz kommen. Eine Prüfung der Dokumente muss immer nach dem 4-AugenPrinzip erfolgen.

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5

5.7

Qualitätsmanagement nach DIN EN ISO 9000 ff.

Controlling im Qualitätsmanagement

Das Controlling ist Teil des Führungssystem im Unternehmen. Übersetzt man den Begriff „Controlling“ nur einfach, dann kommt die Assoziation mit den Wörtern „kontrollieren“ oder „Kontrolle“. Im betriebswirtschaftlichen Kontext trifft es den Sinn aber eher, wenn man es mit Begriffen wie „Lenkung, Steuerung, Regelung“ etc., belegt. Das Controlling ist ein wichtiges Teilsystem im Rahmen des Gesamtführungs- oder Managementsystems von Unternehmen. I

Tipp If you can’t measure it, you can’t manage it!

Eine wichtige Rolle spielen dabei Kennzahlen. Darunter sind solche Daten zu verstehen, die in verdichteter Form über einen zahlenmäßig erfassbaren Tatbestand informieren. Neben den hinlänglich bekannten finanziellen Kennzahlen, gibt es auch einige im Arbeitsschutz. Dabei sind die sehr leicht erfassbaren „Klassiker“ wie Unfallzahlen und Krankenstand nur der eine Teil. Gerade auch in einem umfassenden Ansatz interessieren die „weichen“ Kennzahlen wie z. B. Teilnahme an Schulungen, Arbeitszufriedenheit, allgemeines Befinden, Verbesserungsvorschläge im Arbeitsschutz, Meldung von „Beinahe-Unfällen“ oder gefährlichen Situationen. Bewährt hat sich diesbezüglich in einigen Unternehmen das AhA-System, ein Instrument der Situativen Gefährdungsbeurteilung (Aufmerksamkeit hilft Allen). Hierbei werden nicht nur unsichere technische Zustände, sondern vor allem auch unsichere Handlungen bei Arbeitskollegen beobachtet und angesprochen. Die daraus resultierenden Kennzahlen können bereits im Vorfeld von Unfällen wichtige Erkenntnisse liefern. Aber auch diese System muss in eine offene Kommunikationskultur integriert werden. I

Tipp Nur Sprechenden kann geholfen werden!

Typische Kategorien auf den AhA-Karten sind:           

Sauberkeit und Ordnung Fortbewegung/Transport Arbeitskoordination/-abläufe ungesicherte Gefahrenstellen Erlaubnisscheine Qualifikation Brandschutz Korrosion Schwingungen Leckagen ...

5.7 Controlling im Qualitätsmanagement

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Die AhA-Methode dient unter anderem der:      

Einübung sicherer Arbeitsabläufe Beseitigung unsicherer Handlungen Beseitigung unsicherer Zustände Beteiligung aller Mitarbeiter am Arbeits- und Gesundheitsschutz Verbesserung der individuellen Gefährdungserkennung Ergänzung der systematischen Gefährdungsbeurteilung

Das traditionelle Controlling ist aber in weiten Teilen einschränkt. Zum Beispiel Änderungen in der Unternehmensumwelt schlagen sich erst zeitverzögert in den Finanzkennzahlen nieder zumal diese auch vergangenheitsorientiert sind und auch nur sehr eingeschränkt über Ursachen informieren. Auch sind sie zu sehr an kurzfristigen, taktischen Zielen orientiert und ignorieren die wachsende Bedeutung externer Stakeholder. Diese Schwächen sollen mit dem Ansatz der Balanced Scorecard (BSC) zumindest teilweise überwunden werden mit dem Ziel, die vorhandenen Kennzahlensysteme den gestiegenen Anforderungen der Unternehmen anzupassen. Kaplan & Norton weisen darauf hin, dass die Balanced Scorecard (BSC) nach der Erstellung im Unternehmen in das aktuelle Managementsystem integriert werden muss. Durch die BSC wird die eindimensionale finanzielle Sichtweise um eine Kunden-, eine interne Prozess- und eine Lern- und Entwicklungsperspektive ergänzt. Durch Robert Kaplan und David Norton, die beiden Erfinder der BSC, wurde mit der Darstellung gegenseitiger Abhängigkeiten von mehreren Perspektiven und der Vision/Strategie ein innovatives Controlling-Instrument geschaffen. Aufgabe des Betriebssicherheitsmanagers ist auch, diese in das Betriebssicherheitsmanagement zu integrieren. Die Zertifizierung eines Unternehmens nach der DIN EN ISO 9001 garantiert nicht die hochwertige Qualität von Produkten oder Dienstleistungen. Es werden nur Vorgaben gemacht, wie eine Organisation vorzugehen hat, damit es ein wirksames Qualitätsmanagement-System aufbaut. Sehr häufig vergessen wird dabei die Rolle der Mitarbeiter. Aus Erfahrungen bei der Einführung von Qualitätsmanagement-Systemen weiß man, dass der Erfolg einer Implementierung des Qualitätsmanagements erheblich von dem Faktor Mitarbeiter abhängt. Gerade bei der Einführung eines Qualitätsmanagements im Unternehmen gewinnt die Motivation des Mitarbeiters grundlegende Bedeutung. Durch Umstellungen und Veränderungen kommen auf den Mitarbeiter neue Anforderungen und Aufgaben zu, wie z. B. das Dokumentieren von Abläufen oder das konsequente Prozessdenken, aber auch neue Richtlinien beim Umgang mit internen und externen Kunden. Adams und Rademacher (1994) unterteilen die Einführung von Qualitätsmanagementsystemen in Stufen, an denen sie jeweils auch Aufgaben zur Motivation der Mitarbeiter aufzeigen:

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5

Qualitätsmanagement nach DIN EN ISO 9000 ff.

 Einführung eines Qualitätsmanagementsystems: Motivation der Mitarbeiter durch Information (z. B. Broschüren Plakate und Informationsbriefe).  Umsetzung: Dialog mit den Mitarbeitern als Motivationsmittel. Schulungen durch einen ausgebildeten Angehörigen des Unternehmens.  Nach der erfolgreichen Umsetzung: Auch jetzt noch sollte mit Motivation durch Kreativität, den Mitarbeitern immer wieder die Möglichkeit gegeben werden, durch Workshops oder externe Seminare selber neue Ideen zu entwickeln.  Qualitätszirkel: Weitere Einbeziehung der Mitarbeiter beim Entscheidungsprozess. Die Einführung eines QM-Systems stößt bei den Mitarbeitern auf Akzeptanz wenn es gelingt, diese von der Notwendigkeit und dessen Vorteile für den einzelnen Mitarbeiter zu überzeugen. Zusammenfassung

Im Gegensatz zu alten Qualitätsmanagement-Systemen sind heute zielführende Managementstrukturen gefragt, die konsequent auf Wirtschaftlichkeit ausgerichtet sind. Ziele wie Ressourcenschonung, Schadens- und Haftungsabwehr, betriebswirtschaftlich rechenbare Verbesserungen auf Produkt-, Prozess- und Organisationsebene wie auch die konsequente Markfestigung definieren das Anforderungsprofil eines modernen QM-Systems. Die ISO 9001 dient hierbei als Orientierungshilfe, deren Fokus deutlich erweitert wird. Die Realisierung dieser Ziele bedingt eine lenkbare und flexible Organisationsstruktur. Die Verwirklichung dieses Anspruchs gibt dem Anwender die volle Souveränität zurück, hocheffiziente und marktorientierte Lösungen zu schaffen. Die Zertifizierung eines Qualitätsmanagement-Systems nach ISO 9001 als Nachweis der unternehmerischen Sorgfaltspflicht – Kunden, Versicherungen oder Behörden gegenüber – besitzt weiterhin einen hohen Stellenwert. Vermehrt gewinnt die Darlegung auch bei möglichen Kreditgebern im Zuge Basel II an Bedeutung und wird dies zukünftig vermehrt nach der Umsetzung von Solvency II. Qualitätsmanagement ist heute mehr, als die Optimierung ausgewählter Prozesse. Zielorientierte Planung und kontrollierte Umsetzung stehen für eine Praxis, die konsequent auf Wirtschaftlichkeit ausgerichtet ist. Im Vordergrund steht dabei die optimale Verzahnung der Unternehmensinteressen und -ziele mit der Systemgestaltung. Als Ergebnis des Managementsystems stehen der praktische und wirtschaftliche Nutzen für das Unternehmen.

Literatur Verwendete Literatur Adams, H. W., Rademacher, H. (Hrsg.): „Qualitätsmanagement, Strategie, Struktur, Systeme“ Frankfurter Allgemeine Zeitung, Verl.-Bereich Wirtschaftsbücher, Frankfurt/Main, 1994

Literatur

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Weiterführende Literatur Anduleit, M: „Datenarchivierung nach Vorschrift“ Prakt. Arb.med. 2008; ISSN 1861-6704; 10: 22– 25 Belfor international journal: „Im Angesicht des Risikos“ Belfor international GmbH, Duisburg, 03, 2004 Bundesverband Informationswirtschaft Telekommunikation und neue Medien e. V. (BITCOM), Publikationen, Leitfäden, Juristische Praxishilfen Burgartz, Röhrig, Information Security Management, Praxishandbuch für Aufbau, Zertifizierung und Betrieb, Grundwerk 2003 Dreyer, A.: „Krisenmanagement im Tourismus: Grundlagen, Vorbeugung und kommunikative Bewältigung“ München, Wien: Oldenbourg, 2001 Gola, Jaspers, Das BDSG im Überblick, 3. überarbeitete und erweiterte Auflage 2006, Datakontext – Fachverlag, Frechen HVBG: „Visionen für die Prävention – Leitgedanken zur zukünftigen Gestaltung der berufsgenossenschaftlichen Prävention“ Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften, St. Augustin, 2004 Meyer-Falcke, A., Siegmann, S.: Betriebliche Gefährdungsbeurteilung: Grundlage und prägendes Element betriebsärztlichen Handelns, In: Arbeitsmedizin, Sozialmedizin, Umweltmedizin, Gentner Verlag, 35, 8, 2000, 382–388 Pieper, R. et.al. (2005): Handbuch Arbeitsschutz – Sicherheit und Gesundheit im Betrieb. 2. Auflage. Frankfurt am Main: Bund-Verlag.

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Risikomanagement

In den vergangenen Jahren ist es im schwierigen wirtschaftlichen Umfeld zu zahlreichen Zusammenbrüchen von Unternehmungen gekommen. Diese wurden nach der Wahrnehmung in der Öffentlichkeit sowie auch (zumindest zum Teil), nach Meinung der Gerichte, durch fehlendes Risikobewusstsein verursacht. Risiken entstehen dadurch, dass die Auswirkungen unternehmerischer Entscheidungen nur bedingt vorhergesagt werden können. Daher ist eine der wichtigsten Aufgaben der Unternehmensleitung, Risiken zu erfassen, zu beurteilen und in der Folge durch geeignete Maßnahmen zu beeinflussen. Unter Risikomanagement versteht man die Führung des Unternehmens aus der Gesamtschau aller seiner Risiken und ihrer Beherrschung. Mit Gefahren ist planvoll und zielgerichtet umzugehen. Durch die systematische Anwendung der Instrumente sollen die Unternehmensentscheidungen möglichst weit in den Bereich der kalkulierten Wahrscheinlichkeiten verschoben werden. Hierzu muss sich das Management zunächst aller wesentlichen Risiken bewusst werden und entscheiden, welche Maßnahmen im Umgang mit ihnen zu treffen sind. Dadurch sollen bestehende und vor allem auch potenzielle Risiken kalkulierbar und somit kontrollierbar werden. Das moderne Risikomanagement entstand nach dem 2. Weltkrieg in den USA und wurde in den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts in europäischen Unternehmen eingeführt. Ursprünglich ging es von der Versicherungspolitik großer amerikanischer Unternehmen aus, die versuchten ihre Versicherungsprämien nachhaltig zu reduzieren. Die Versicherungsgesellschaften ihrerseits forderten daraufhin unternehmensinterne Sicherheitsmaßnahmen. Bei den betrachteten Risiken handelte es sich hauptsächlich um versicherbare Risiken. Heute wird unter dem Begriff des Risikomanagements die Gesamtheit aller Störungsmöglichkeiten in einem Unternehmen verstanden. I

Tipp „Ein Industriebetrieb lebt davon, dass er etwas produziert und verkauft. Wenn eine Gefahr auftritt, dann kann er nicht mehr produzieren, dann hat er Ausfälle. Das kann ruinös sein. Also muss er, wenn er wirtschaftlich langfristig

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019 B. Tenckhoff und S. Siegmann, Vernetztes Betriebssicherheitsmanagement, VDI-Buch, https://doi.org/10.1007/978-3-662-48441-8_6

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Risikomanagement

denkt, vorbeugende und sichernde Maßnahmen für den Gefahrenfall installieren – und das sind Sicherheitslösungen.“ Prof. Albert Jugel, Vorstandsvorsitzender Dräger Safety AG & Co. KGaA

6.1

Der Begriff des Risikos

In dem für den Unternehmer relevanten Recht, dem „Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich“ (KonTraG) ist keine Definition des Risikobegriffs enthalten. „Risiko“ leitet sich vermutlich vom frühitalienischen „riscare“ her, kann also mit „wagen“, „sich etwas trauen“ übersetzt werden. In Lexika wird der Begriff des Risikos als die kalkulierte Prognose eines möglichen Schadens bzw. Verlustes im negativen Fall (Gefahr) beschrieben, als Antonym zum Begriff der Sicherheit „Sicherheit“ (Sicherheit ist das Nichtvorhandensein eines unzulässigen Risikos.). Skiba (1973) definiert im Taschenbuch Arbeitssicherheit Risiko – wie in der Versicherungsmathematik seit Jahrzehnten üblich – als das Produkt aus Eintrittswahrscheinlichkeit bzw. Eintrittshäufigkeit und Ereignisschwere bzw. Schadensausmaß. Dies ist auch die offizielle Definition des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung für Globale Umweltveränderungen (WBGU). Für die Quantifizierung eines Risikos wurden in den letzten Jahren verschiedene Instrumente entwickelt, die bekanntesten sind sicherlich die Risikomatrix nach Nohl und besonders im technischen Bereich der Risikograph nach EN 954-1 „Sicherheit von Maschinen – Sicherheitsbezogene Teile von Steuerungen“. Diese Norm hat bis im Bereich Maschinensicherheit als internationaler Stand der Technik etabliert. Überblick über bewährte Methoden zur Risikoanalyse und -bewertung:        

Entscheidungstabellentechnik, FMEA D Failure Mode and Effect Analysis, FTA D Fehlerbaumanalyse – Technische Schwachstellenanalyse, WACC: Bestimmung der erforderlichen Gesamtkapitalrendite, Monte-Carlo-Simulation, Penetrationstest zur Bewertung der IT-Firewall gegen das Internet, Risikograph nach EN 954-1, Störfallablaufanalysen.

Der bei Lehder immer wieder auftretende Begriff des Grenzrisikos, also der Grenze zwischen vertretbaren bzw. akzeptablen und nicht vertretbaren bzw. inakzeptablen Risiken muss selbstverständlich als Anforderung im Rahmen des Risikomanagementsystems definiert werden: Welche Schäden bzw. welche Kosten ist man bereit, als Restrisiko zu akzeptieren? Diese Frage ist sicherlich einfacher zu beantworten, wenn es um rein monetäre Risiken geht als die Entscheidung, körperliche Schäden und beruflich bedingte Erkrankungen als Restrisiken zu akzeptieren.

6.1 Der Begriff des Risikos

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Fasst man alle möglichen finanziellen Verluste, Umweltschäden und auch monetär schwer erfassbare Dinge wie beispielsweise Imageschäden unter dem Begriff Risiko zusammen, so kann man die Risikobeurteilung als Beurteilung aller Gefährdungen unter besonderer Berücksichtigung der Folgen und der Wahrscheinlichkeit eines möglichen Schadens Beschreiben. Eine Risikobeurteilung enthält also eine Beurteilung aller Risiken für Arbeitnehmer (D Gefährdungsbeurteilung) und Arbeitgeber, ebenso wie Risiken für den Betrieb, für Gebäude etc. und kaufmännische Risiken. Typische Risiken in Unternehmen aus Sicht des Arbeitsschutzes sind beispielsweise Brände, Unfälle aber auch berufsbedingte Erkrankungen. Die Folgen können Schäden an Gebäuden, Schäden an Maschinen aber auch Personenschäden sein. Letztere so gering wie nur irgend möglich zu halten ist Sinn und Zweck der Gefährdungsbeurteilung im Arbeitsschutz. Für alle anderen Risiken ist es sinnvoll, diese auf ein vertretbares Maß zu reduzieren, wobei das vertretbare Maß zum einen durch die schwere der Folgen bedingt ist, zum anderen aber auch durch die Kosten für die Prävention. Beispielsweise ist es sicherlich technisch möglich, ein Gebäude unbrennbar auszustatten, so dass jegliche Brände im Keim erstickt werden. Die Frage ist hier jedoch, inwiefern der Aufwand gerechtfertigt ist, beispielsweise dann, wenn die Installation einer derartigen Brandschutzanlage den Gebäudewert weit überschreitet. Gleichermaßen kann das Für- und Wider für eine Brandschutzversicherung davon abhängen, was diese jährlich kostet und wie hoch der Schaden bei einem Totalverlust des Gebäudes wäre. Unter Umständen ist es sinnvoller, in den baulichen Brandschutz zu investieren als das Gebäude zu versichern, selbst wenn alle 20 Jahre mit einem Totalverlust zu rechnen ist. Wichtig ist bei derartigen Überlegungen aber stets auch, inwiefern die Überlebensfähigkeit eines gesamten Unternehmens evtl. von einem größeren Schadensereignis betroffen sein kann. Hier können nach den Vorgaben des KonTraG dann sogar Entscheidungsträger in einem Unternehmen von Anteilseignern haftbar gemacht werden, wenn sie nicht ausreichend Risikovorsorge betrieben haben. Bei all diesen beispielhaften Überlegungen muss jedoch klar sein, dass das Gebäude den Grundanforderungen, wie sie für eine Sicherheit, Flucht und Rettung der Bewohner und Beschäftigten erforderlich ist, genügen muss. Dementsprechende Forderungen ergeben sich selbstverständlich aus der Gefährdungsbeurteilung im Arbeitsschutz. Um mit den verbliebenen Restrisiken vernünftig umgehen zu können, empfiehlt es sich, regelmäßig zu hinterfragen, ob diese noch vertretbar sind bzw. heute mit erträglichem Aufwand weiter reduziert werden können. Derartige Systeme, die dieses leisten kann man unter dem Stichwort Risikomanagementsysteme zusammenfassen. Diese bilden einen Rahmen für strategische betriebliche Planungen und sind gleichsam einer der wichtigsten Pfeiler für einen anhaltenden Unternehmenserfolg. I

Tipp Unter Risikomanagement versteht man somit die Führung des Unternehmens aus der Gesamtschau aller seiner Risiken und ihrer Beherrschung. Mit Gefahren ist planvoll und zielgerichtet umzugehen.

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6

Risikomanagement

Aus der Formulierung des § 91 Abs. 2 AktG (Aktiengesetz) und aus der Begründung zu dieser Vorschrift sowie aus der allgemeinen Begründung zum KonTraG folgt, dass der Gesetzgeber folgende vom Unternehmen zu definierende Komponenten für ein funktionierendes Risikomanagementsystem gefordert werden:  Frühwarnsysteme,  Controlling und  Internes Überwachungssystem. Beim Ausbau und der Implementierung eines Risikomanagements sollten bereits vorhandene Teilsysteme, wie die Elemente des Controllings und der Internen Kontrollsysteme genutzt und ausgebaut werden. Der Ablauf des Risikomanagementprozesses vollzieht sich – wie in allen modernen Managementsystemen in Form eines Regelkreises (Abb. 6.1). Ausgehend von einer Risikostrategie sind die Risiken zu identifizieren, zu analysieren, zu bewerten, zu steuern und zu überwachen. Zur erfolgreichen Umsetzung kommt es darauf an, das Risikomanagement als einen kontinuierlichen Prozess im Unternehmen zu etablieren und in die wesentlichen Unternehmensprozesse zu integrieren. Seine Konzeption muss dabei gewährleisten, dass auf Veränderungen der risikobestimmenden Faktoren in angemessener Zeit reagiert werden kann. Als Teilprozesse sind dabei vom Unternehmen zu definieren:      

Risikostrategie, Risikoidentifikation, Risikoanalyse, Risikobewertung, Risikosteuerung und Risikoüberwachung.

In der Folge ergeben sich daraus die zu treffenden Maßnahmen, die unterteilt werden können in Maßnahmen zur:  Risikovermeidung: Verzicht auf die risikobehafteten Geschäfte/Tätigkeiten etc.,  Risikosenkung: Reduktion der Wahrscheinlichkeit des Eintretens von Schadensereignissen bzw. der Höhe des potenziellen Vermögensverlustes oder aber auch Senkung des Risikos durch Teilung z. B. durch Gemeinschaftsgeschäfte,  Risikoüberwälzung: Absicherung z. B. durch Versicherungen und  Risikoübernahme: Das heißt das Unternehmen trägt das Risiko.

6.2 Die Haftung von Vorständen, Geschäftsführern und Betriebsleitern

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Abb. 6.1 Vorgaben einer Risikosteuerung und -überwachung

In einem ersten Schritt sollten die Risiken in einem Übersichtbogen zusammengestellt werden: Risiko

Folgenim „worst-case“

Eintrittswahr- Bewertung scheinlichkeit

Maßnahme Verantwortlich

Termin

6.2 Die Haftung von Vorständen, Geschäftsführern und Betriebsleitern Haftungsrisiken für Vorstände, Geschäftsführer und Betriebsleiter steigen. Jede Haftung setzt einen Verstoß gegen eine Unternehmenspflicht voraus. Haftungsrisiken vermeiden heißt, Unternehmenspflichten kennen/ermitteln, delegieren, aktualisieren, erfüllen, dokumentieren und kontrollieren. Diese 6 Aufgaben sind für die Unternehmensführung unverzichtbar. Meier (2007) arbeitet in einem Beitrag die erweiterten Haftungsrisiken für Vorstände, Geschäftsführer und Betriebsleiter durch das „Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich“ (KonTraG) heraus:

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6

6.3

Risikomanagement

Das KonTraG

Das KonTraG ist ein umfangreiches Artikelgesetz, dass am 1. Mai 1998 in Kraft trat. Es präzisierte die Vorschriften des HGB (Handelsgesetzbuch) und des AktG (Aktiengesetz). Ziel ist es, die Corporate Governance (gute und verantwortungsvolle Unternehmensführung) zu verbessern. Kern des KonTraG ist eine Vorschrift, die Unternehmen dazu zwingt, ein unternehmensweites Früherkennungssystem für Risiken einzuführen und zu betreiben. Wörtlich schreibt das Gesetz dazu in § 91 Abs. 2 AktG: Der Vorstand hat geeignete Maßnahmen zu treffen, insbesondere ein Überwachungssystem einzurichten, damit den Fortbestand der Gesellschaft gefährdende Entwicklungen früh erkannt werden.

Die Rechtsprechung hatte zwar schon vor Inkrafttreten des KonTraG betont, dass ein Risikomanagement zu den allgemeinen Sorgfaltspflichten der Geschäftsführung gehört, durch diese Regelung kommt es aber zu einer Konkretisierung und Klarstellung der allgemeinen Leitungsaufgabe des Vorstands (§ 76 Abs. 1 AktG) sowie der Sorgfaltspflicht des Vorstands (§ 93 Abs. 1 Satz 1 AktG). Dabei ist zu beachten, dass die in § 93 Abs. 2 AktG formulierte Rechtsfolge, gesamtschuldnerische Haftung der Vorstandsmitglieder, auch für die fehlende Einrichtung eines Überwachungssystems anzuwenden ist. Dies wird durch die in § 93 Abs. 2 AktG normierte Beweislastumkehr noch verstärkt, da jedes Vorstandsmitglied im Schadensfall nachweisen muss, dass es seinen Pflichten in ausreichendem Maße nachgekommen ist.

6.4 Organisation Gem. der rechtlichen Vorgabe müssen die Unternehmen die Einhaltung einschlägiger Vorschriften organisieren. Vorstände, Geschäftsführer und Betriebsleiter haben für die Einhaltung zu sorgen und bei Tochterfirmen darauf hinzuwirken. Es haften alle Mitarbeiter mit Entscheidungsbefugnis, denen Unternehmenspflichten eigenverantwortlich übertragen wurden. Dazu zählen auch die leitenden Angestellten, Betriebsleiter, Abteilungsleiter und Schichtführer. Auch die Dokumentation ist von entsprechender Bedeutung: Durch das KonTraG wurde § 289 Abs. 1 HGB dahin gehend geändert, dass im Lagebericht des Unternehmens auch auf die Risiken der künftigen Entwicklung einzugehen ist. § 315 Abs. 1 HGB stellt die gleichen Anforderungen an den Konzernlagebericht.

6.5 Rechtliche Grundlagen der Haftung

6.5 6.5.1

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Rechtliche Grundlagen der Haftung Corporate Governance Kodex

Vorstände und Geschäftsführer haben die Unternehmenspflichten einzuhalten. Sie werden ausgelöst durch ihre Tätigkeit für das Unternehmen. Verletzen sie ihre Pflichten, haften sie persönlich gegenüber ihrer Gesellschaft. Diese Rechtslage ist im Corporate Governance Kodex unter 4.1.3 formuliert. Der Vorstand hat für die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen zu sorgen und wirkt auf deren Beachtung durch die Konzernunternehmen hin.

6.5.2

Aktiengesetz

Im Aktienrecht ist die Organisationspflicht des Vorstandes einer Aktiengesellschaft in § 91 Abs. 2 AktG geregelt. Die Organisationspflichten des Vorstandes sind vom Vorstand höchstpersönlich zu erfüllen. Sie können nicht delegiert werden. Bei Organisationsverschulden haften alle Vorstände gegenüber ihrer Gesellschaft nach § 93 Abs. 1 und 2 AktG für den Schaden, der durch Gesetzesverstöße verursacht wird. Untereinander haften sie als Gesamtschuldner. Nach der Beweislastregelung des § 93 Abs. 2 AktG wird im Zweifel ein Organisationsverschulden des Vorstandes vermutet und als bewiesen angesehen. Vorstandsmitglieder, die ihre Pflichten verletzen, sind der Gesellschaft zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens als Gesamtschuldner verpflichtet. Ist streitig, ob sie die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters angewandt haben, so trifft sie die Beweislast.

Vorstände müssen daher jederzeit die Erfüllung ihrer Organisationspflicht selbst beweisen können, um nicht in Beweisnot zu geraten.

6.5.3 GmbH-Gesetz Das gleiche gilt nach § 43 GmbHG für die Geschäftsführer einer GmbH. Geschäftsführer, welche ihre Obliegenheiten verletzen, haften der Gesellschaft solidarisch für den entstandenen Schaden.

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6

6.5.4

Risikomanagement

Strafrechtliche Verantwortung

Unternehmen sind gesellschaftsrechtlich entweder als Aktiengesellschaft (AG) oder als Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) organisiert. Sie sind juristische Personen. Pflichten aus Umweltrecht, Arbeitsschutzrecht, Gesellschaftsrecht etc. sind den Unternehmen zugewiesen. Die Unternehmen sind „Anlagenbetreiber“, „Abfallerzeuger“ oder „Hersteller“. Vorstände, Geschäftsführer, Betriebsleiter und die Unternehmensmitarbeiter sind natürliche Personen. Sie sind nicht ohne weiteres strafrechtlich verantwortlich für die Einhaltung der Unternehmenspflichten. Unternehmensmitarbeiter sind vielmehr nach § 14 StGB nur aus 2 Gründen verpflichtet und strafrechtlich verantwortlich, 1) wenn sie erstens Organe der Gesellschaft sind, also Vorstände oder Geschäftsführer oder 2) wenn sie zweitens Mitarbeiter des Unternehmens sind, denen Unternehmenspflichten ausdrücklich übertragen wurden.

6.5.4.1 § 14 StGB Handeln für einen anderen „(1) Handelt jemand als vertretungsberechtigtes Organ einer juristischen Person oder als Mitglied eines solchen Organs, als vertretungsberechtigter Gesellschafter einer rechtsfähigen Personengesellschaft oder als gesetzlicher Vertreter eines anderen, so ist ein Gesetz, nach dem besondere persönliche Eigenschaften, Verhältnisse oder Umstände (besondere persönliche Merkmale) die Strafbarkeit begründen, auch auf den Vertreter anzuwenden, wenn diese Merkmale zwar nicht bei ihm, aber bei dem Vertretenen vorliegen.“ Ohne § 14 StGB bestünde eine Strafbarkeitslücke. Die juristischen Personen hätten zwar die Unternehmenspflichten und die besonderen persönlichen Merkmale wie „Abfallerzeuger“ oder „Hersteller“. Juristische Personen können jedoch nicht handeln, um die Unternehmenspflichten einzuhalten. Der Mitarbeiter könnte sich damit verteidigen, als natürliche Person habe er zwar handeln können, wäre jedoch nicht verpflichtet gewesen. Niemand wäre verantwortlich und strafbar. Um dies zu verhindern, bestimmt § 14 StGB, dass die Unternehmenspflichten auf die Vertreter des Unternehmens anzuwenden sind, obwohl die besonderen persönlichen Merkmale nur beim vertretenen Unternehmen und nicht bei seinen Vertretern (natürlichen Personen) vorliegen. Kennen Vorstände, Geschäftsführer und Betriebsleiter die Pflichten des Unternehmens nicht, haben sie keine Chance sie einzuhalten. Sie müssen sämtliche Unternehmenspflichten lückenlos ermitteln. Unkenntnis schützt nicht vor Strafe. Nur in Ausnahmefällen führt der unvermeidbare Verbotsirrtum nach § 17 StGB zur Straffreiheit. Hierfür ist nachzuweisen, dass eine umfangreiche Suche nach der Pflicht erfolglos geblieben ist.

6.5 Rechtliche Grundlagen der Haftung

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6.5.4.2 § 17 StGB Verbotsirrtum „Fehlt dem Täter bei Begehung der Tat die Einsicht, Unrecht zu tun, so handelt er ohne Schuld, wenn er diesen Irrtum nicht vermeiden konnte. Konnte der Täter den Irrtum vermeiden, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.“ Strafbar machen sich in Unternehmen fast ausnahmslos die Mitarbeiter wegen Unterlassungsdelikten. Unternehmensmitarbeiter haben etwas unterlassen, obwohl sie zu einem bestimmten gesetzeskonformen Verhalten verpflichtet waren. Vermeiden lassen sich Unterlassungsdelikte im Unternehmen, wenn bekannt ist, wozu Vorstände, Geschäftsführer, Betriebsleiter und die übrigen Unternehmensmitarbeiter in bestimmten Situationen verpflichtet sind. Jeder im Unternehmen muss seine Pflichten kennen. Obwohl Vorstände, Geschäftsführer und Betriebsleiter strafrechtlich für Verstöße gegen Unternehmenspflichten höchstpersönlich haften, können sie wegen der Vielzahl der Vorschriften höchstpersönlich die Unternehmenspflichten nicht einhalten. Vermeiden lässt sich dieses Risiko des Gesetzesverstoßes nur durch die Delegation der Unternehmenspflichten auf Unternehmensmitarbeiter. Die Unternehmenspflichten müssen so delegiert werden, dass die jeweils Verantwortlichen in der Lage sind, sie auch einzuhalten. Das Risiko eines Deliktes im Unternehmen kann durch unklare Zuweisung von Pflichten verursacht werden. Wenn nicht klar ist, welcher Unternehmensmitarbeiter welche Unternehmenspflicht zu erfüllen hat, besteht das Risiko, dass sich einer auf den anderen verlässt und die Rechtspflicht im Ergebnis unerfüllt bleibt. Fehlerhaft delegierte Pflichten hat der Vorstand, Geschäftsführer oder Betriebsleiter zu verantworten. Vorstände, Geschäftsführer und Betriebsleiter haben deshalb nur die Wahl, entweder die Unternehmenspflichten höchstpersönlich zu erfüllen oder sie an Unternehmensmitarbeiter eindeutig zu delegieren. Für jede nicht delegierte Pflicht haften sie persönlich.

6.5.4.3 § 130, § 9 OWiG Nach dem Ordnungswidrigkeitengesetz haften Inhaber von Unternehmen bei einem Gesetzesverstoß im Unternehmen. „§ 130 OWiG (1) Wer als Inhaber eines Betriebes oder Unternehmens vorsätzlich oder fahrlässig die Aufsichtsmaßnahmen unterlässt, die erforderlich sind, um in dem Betrieb oder Unternehmen Zuwiderhandlungen gegen Pflichten zu verhindern, die den Inhaber als solchen treffen und deren Verletzung mit Strafe oder Geldbuße bedroht ist, handelt ordnungswidrig, wenn eine solche Zuwiderhandlung begangen wird, die durch gehörige Aufsicht hätte verhindert oder wesentlich erschwert worden wäre. Zu den erforderlichen Aufsichtsmaßnahmen gehören auch die Bestellung, sorgfältige Auswahl und Überwachung von Aufsichtspersonen.

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6

Risikomanagement

(2) (. . . ) (3) Die Ordnungswidrigkeit kann, wenn die Pflichtverletzung mit Strafe bedroht ist, mit einer Geldbuße bis zu einer Million Euro geahndet werden. (. . . )“ Vorstände, Geschäftsführer und Betriebsleiter werden durch § 9 OWiG in die Verantwortung einbezogen, weil sie für eine juristische Person handeln. „§ 9 OWiG Handeln für einen anderen (1) Handelt jemand 1. als vertretungsberechtigtes Organ einer juristischen Person oder als Mitglied eines solchen Organs, 2. als vertretungsberechtigter Gesellschafter einer rechtsfähigen Personengesellschaft oder 3. als gesetzlicher Vertreter eines anderen, so ist ein Gesetz, nach dem besondere persönliche Eigenschaften, Verhältnisse oder Umstände (besondere persönliche Merkmale) die Möglichkeit der Ahndung begründen, auch auf den Vertreter anzuwenden, wenn diese Merkmale zwar nicht bei ihm, aber bei dem Vertretenen vorliegen.“ Den Betriebsleitern, Vorständen und Geschäftsführern drohen Geldbußen bis zu einer Million Euro, wenn es im Unternehmen zu einer Zuwiderhandlung kommt. Das ist schon dann der Fall, wenn ein Verstoß gegen eine strafrechtlich sanktionierte Betriebspflicht festgestellt wird, auch wenn Täter und Tathergang nicht zu ermitteln sind. Betriebsleiter, Vorstände und Geschäftsführer hätten den Verstoß mit erforderlichen Maßnahmen verhindern oder wesentlich erschweren müssen. Vermeiden lässt sich das Risiko einer Ordnungswidrigkeit wegen eines Gesetzesverstoßes im Unternehmen nur, wenn Betriebsleiter, Vorstände und Geschäftsführer beweisen können, dass sie den Verstoß gegen eine Betriebspflicht „wesentlich erschwert haben“. Was unter „erforderlichen Maßnahmen“ zur Verhinderung oder zum Erschweren der Verletzung einer Betriebspflicht zu verstehen ist, hat die Rechtssprechung zu § 130 OWiG entschieden. Danach sind u. a. alle Mitarbeiter fortlaufend über die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften zu unterrichten, Unternehmenspflichten müssen Mitarbeitern aufgabengerecht zugewiesen werden, die Einhaltung gesetzlicher Vorschriften ist zu kontrollieren und der Betriebsinhaber muss die Oberaufsicht wahrnehmen.

6.5.5 Verbandsgeldbuße nach § 30 OWiG Für einen Rechtsverstoß, der von einem leitenden Unternehmensangehörigen begangen wird, kann nicht nur die handelnde natürliche Person, sondern auch das Unternehmen

6.5 Rechtliche Grundlagen der Haftung

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sanktioniert werden. Hierzu sieht § 30 OWiG die Möglichkeit einer „Verbandsgeldbuße“ vor. Die Möglichkeit einer Verbandsgeldbuße besteht unabhängig von der Ahndung des Verstoßes gegen die unmittelbar handelnde Person.

6.5.6

UmweltHG

Ein weiteres Risiko für Unternehmer ergibt sich aus § 6 Abs. 1 UmweltHG. Der Unternehmer kann für Umweltschäden in Anspruch genommen werden, die außerhalb des Unternehmensstandortes festgestellt werden. § 6 Ursachenvermutung (1) Ist eine Anlage nach den Gegebenheiten des Einzelfalles geeignet, den entstandenen Schaden zu verursachen, so wird vermutet, daß der Schaden durch diese Anlage verursacht ist. Die Eignung im Einzelfall beurteilt sich nach dem Betriebsablauf, den verwendeten Einrichtungen, der Art und Konzentration der eingesetzten und freigesetzten Stoffe, den meteorologischen Gegebenheiten, nach Zeit und Ort des Schadenseintritts und nach dem Schadensbild sowie allen sonstigen Gegebenheiten, die im Einzelfall für oder gegen die Schadensverursachung sprechen. (2) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn die Anlage bestimmungsgemäß betrieben wurde. Ein bestimmungsgemäßer Betrieb liegt vor, wenn die besonderen Betriebspflichten eingehalten worden sind und auch keine Störung des Betriebs vorliegt. (3) Besondere Betriebspflichten sind solche, die sich aus verwaltungsrechtlichen Zulassungen, Auflagen und vollziehbaren Anordnungen und Rechtsvorschriften ergeben, soweit sie die Verhinderung von solchen Umwelteinwirkungen bezwecken, die für die Verursachung des Schadens in Betracht kommen. (4) Sind in der Zulassung, in Auflagen, in vollziehbaren Anordnungen oder in Rechtsvorschriften zur Überwachung einer besonderen Betriebspflicht Kontrollen vorgeschrieben, so wird die Einhaltung dieser Betriebspflicht vermutet, wenn 1. die Kontrollen in dem Zeitraum durchgeführt wurden, in dem die in Frage stehende Umwelteinwirkung von der Anlage ausgegangen sein kann, und diese Kontrollen keinen Anhalt für die Verletzung der Betriebspflicht ergeben haben, oder 2. im Zeitpunkt der Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs die in Frage stehende Umwelteinwirkung länger als zehn Jahre zurückliegt. Für Dritte außerhalb eines Unternehmensstandortes ist es schwer zu beweisen, dass ein Unternehmen einen Umweltschaden verursacht hat. Deshalb wird zunächst der mit dem Umweltschaden belastete Dritte durch die Beweislastumkehr nach § 6 Abs. 1 UmweltHG privilegiert. Er muss nur schlüssig behaupten, dass möglicherweise sein Umweltschaden durch ein anderes Unternehmen mit einem Standort außerhalb seines Unternehmensstandorts verursacht wurde.

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6

Risikomanagement

Vermeiden lässt sich dieses Risiko durch den sog. Normalbetriebsnachweis. Normalbetrieb herrscht dann, wenn ein Unternehmen alle Betriebspflichten kennt, einhält und die Einhaltung seiner Betriebspflichten beweisen kann. Mit diesem Normalbetriebsnachweis vermeidet ein Unternehmen, auf bloße schlüssige Behauptung ohne Beweis der Verursachung für Umweltschäden haften zu müssen. Es bleibt das Risiko, dass der Normalbetrieb bewiesen werden kann. Vermeiden lässt sich dieses Risiko, indem das Unternehmen alle vorgeschriebenen Kontrollen über die Einhaltung der Betriebspflichten durchführt. Ergibt sich bei der Kontrolle kein Anlass zu Zweifeln an der Einhaltung der jeweiligen Betriebspflicht, wird ihre Einhaltung nach § 6 Abs. 4 Umwelthaftungsgesetz vermutet. Wer Betriebspflichten kontrolliert, begründet somit eine gesetzliche Vermutung für ihre Einhaltung.

6.5.7 Sarbanes-Oxley Act (für Unternehmen, die an der US-Börse gehandelt werden) Der am 30. Juli 2002 von US-Präsident George W. Bush unterzeichnete Sarbanes-Oxley Act (SOA) stellt die bedeutendste Änderung der US-Wertpapiergesetze dar. Er umfasst dabei Bestimmungen zur Einführung eines „Public Company Accounting Oversight Boards“ (PCAOB), zur Kontrolle und Überwachung von Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, und erweitert in Section 302, „Corporate Responsibility for Financial Reports“, die Verantwortlichkeiten der Unternehmensleitung. Dies umfasst die persönliche Haftung der Unternehmensführung, verschärfte strafrechtliche Bestimmungen bei unrichtiger eidesstattlicher Bestätigung und Unregelmäßigkeiten der Rechnungslegung (Unternehmensbetrug), erweiterte Aufbewahrungspflichten für Dokumente und die persönliche Unterzeichnung der Steuererklärung durch den CEO. Im Rahmen des Risikomanagements spielt vor allem Section 404, „Management Assessment of Internal Controls“, eine Rolle. RisikoAssessment und Überwachung stellt dabei einen integralen Bestandteil des internen Kontrollsystems dar. Im Assessment kommt es darauf an, Risiken quantitativ zu bewerten und ihren Einfluss auf die Zielgrößen zu bestimmen. Es sind sowohl interne als auch externe Risikofaktoren zu berücksichtigen und der Handlungsbedarf festzulegen. Dadurch wird Risikomanagement im Rahmen eines internen Kontrollsystems für alle Unternehmen, die an einer amerikanischen Börse notiert sind zur Pflicht.

6.6 Betriebsbeauftragte Die Betriebsbeauftragten (z. B. für Gewässerschutz, Immissionsschutz, Störfallrecht) sind vom Gesetzgeber als Mitarbeiter mit Stabsfunktion zur Unterstützung der Vorstände, Betriebsleiter und Geschäftsführer und aller Entscheidungsträger mit Linienfunktion eingesetzt.

6.7 Öffentlich rechtliche Vorgaben

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Die Entscheidungsträger mit Linienfunktion und die Beauftragten mit Stabsfunktion haben unterschiedliche Aufgaben und Interessen. Sie haften auch unterschiedlich. Die Mitarbeiter im Unternehmen mit Entscheidungsbefugnis (Linie) haften strafrechtlich, wenn sie die Erfüllung ihrer Pflichten unterlassen. Sie haben den Schutz der Rechtsgüter Arbeitnehmergesundheit, Boden, Wasser, Luft etc. zu garantieren. Strafrechtlich sind sie Schutzgaranten. Die Unternehmenspflichten sind von den Entscheidungsträgern aus der Linie zu erfüllen. Die Hauptaufgabe der Betriebsbeauftragten ergibt sich beispielhaft aus § 54 BImSchG. Sie beraten den Betreiber, überwachen die Einhaltung der Vorschriften dieses Gesetzes und der auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnung und die Erfüllung erteilter Bedingungen und Auflagen und klären die Betriebsangehörigen über die von der Anlage verursachten schädlichen Umwelteinwirkungen sowie über die Einrichtungen und Maßnahmen zur ihrer Verhinderung unter Berücksichtigung der sich aus diesem Gesetz oder Rechtsverordnung auf Grund dieses Gesetzes ergebenden Pflichten auf. Zum Überwachen gehört das Ermitteln, Aktualisieren, Formulieren und Dokumentieren der Unternehmenspflichten. Alle übrigen Beauftragten sind in gleicher oder ähnlicher Weise verpflichtet. Die Beauftragten mit Stabsfunktion haften nicht strafrechtlich, sondern nur arbeitsrechtlich gegenüber ihrem Arbeitgeber. Sie garantieren die Überwachung der Pflichten im Unternehmen. Sie sind deshalb Überwachungsgaranten. Sie werden jedoch auch strafrechtlich verantwortlich, wenn sie zum Entscheidungsträger werden. Vermeiden lässt sich ihre arbeitsrechtliche Haftung für unterlassene oder fehlerhafte Aufklärung über Unternehmenspflichten oder mangelhafte Überwachung der Einhaltung von Unternehmenspflichten, indem sie ein Managementsystem zur Verwaltung der Unternehmenspflichten aufbauen und unterhalten. Mit dem Managementsystem muss sichergestellt werden, dass die Unternehmenspflichten erfüllt werden.

6.7 Öffentlich rechtliche Vorgaben Schließlich hat nach § 52 a BImSchG der Betreiber oder der Verantwortliche der zuständigen Behörde mitzuteilen, auf welche Weise sichergestellt ist, dass die dem Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen und vor sonstigen Gefahren, erheblichen Nachteilen und erheblichen Belästigungen dienenden Vorschriften und Anordnung beim Betrieb beachtet werden.

Ein Mitglied aus einem mehrköpfigen Organ eines Unternehmens muss nach § 52 a BImSchG ein Managementsystem zur Einhaltung der Unternehmenspflichten gegenüber der zuständigen Behörde nachweisen. I

Tipp Die Haftung der Vorstände, Geschäftsführer und Betriebsleiter ergibt sich aus einer Vielzahl von Rechtsvorschriften. Das Risiko, im Unternehmen gegen

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Risikomanagement

Unternehmenspflichten zu verstoßen, dadurch Schäden zu verursachen und für diese Schäden zu haften, muss durch besondere organisatorische Maßnahmen vermieden werden. Mit einem geeigneten Risikomanagementsystem lassen sich die Risiken von Verstößen gegen Unternehmenspflichten und die dadurch ausgelösten Haftungsrisiken systematisch erfassen und vermeiden.

6.8

Ökonomische Gründe für ein Risikomanagementsystem

Aber die Forderung nach einem Risikomanagement hat auch eine ökonomische Seite (Schirmeister und Michel 2007): Anliegen wie die Arbeitssicherheit finden dann Beachtung durch Vorstand oder Geschäftsleitung einer Unternehmung, wenn unmittelbare Auswirkungen auf die Wertschöpfungskette, mithin auf Liquidität und Erfolg bestehen. Deshalb liegen Überlegungen, den Arbeitsschutz, seine Vorzüge aber auch Kosten monetär zu bewerten, nahe (bspw. Lüdeke 2006). Neben solchen direkten finanziellen Auswirkungen, die auf dem Produktionsausfall oder notwendigen Kompensationsmaßnahmen für Ausfalltage (wie Überstunden oder Ersatzpersonal) beruhen, ist eine weitere, weniger offensichtliche Facette des Arbeitsschutzes zu beachten: In Folge der Neuregelungen des Baseler Ausschusses für Bankenaufsicht, die unter dem Namen „Basel II“ bekannt sind, hat der Arbeitsschutz als Teil eines funktionierenden Risikomanagementsystems Einfluss auf die Kreditwürdigkeit wie auch die Kreditkosten von Unternehmungen. Diese Zusammenhänge sollen im Folgenden näher beleuchtet werden.

6.8.1 Kalkulation der Kreditzinsen nach Basel II Zur Durchführung ihrer Geschäfte benötigen Unternehmungen Ressourcen wie Maschinen, Material, Software und Arbeitskräfte. Diese laufend zu erwerben, setzt bei Geschäftsaufnahme und Geschäftsausweitung ausreichend Kapital voraus, wobei die Einnahmen aus Umsätzen typischerweise erst verzögert eingehen. Verfügt die Gesellschaft (oder der Unternehmer) nur begrenzt über eigene Mittel, füllen Banken mit ihren Kreditangeboten die entstehenden Lücken aus. Dieser Darlehensfinanzierung kommt im Geschäftsleben, insbesondere bei kleinen und mittelgroßen Unternehmen eine überragende Bedeutung zu (vgl. Sachverständigenrat 2006, S. 477). Vergeben „Kreditinstitute“ (daher ihre offizielle Bezeichnung) Darlehen, lassen sie sich von zwei Überlegungen leiten:  Mit der Vergabe eines Darlehens sind Banken unternehmerisch tätig: Sie beschaffen Kapital (beispielsweise durch Spareinlagen von Privatkunden) und verleihen dieses an Firmen, wobei sie über ihre Refinanzierungskosten – also den Sparzins, den sie an die Privatkunden bezahlen – und ihre Betriebskosten (für Gebäude, Personal, EDV usw.) hinaus noch einen Gewinn (die „Marge“) erzielen wollen.

6.8 Ökonomische Gründe für ein Risikomanagementsystem

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 Die Vergabe eines Kredites ist ein riskantes Geschäft, da der Firmenkunde selbst nicht immer das Kapital zuzüglich Zinsen in vollem Umfang und/oder pünktlich zurückzahlen kann. Diese Risiken müssen Banken bei der Kreditvergabe sorgfältig abwägen („Kreditwürdigkeitsprüfung“), ggf. eine Anfrage abschlägig bescheiden, aber auch bei Zusage einen teilweisen Kreditausfall von vornherein einkalkulieren. Hierzu werden die Kunden hinsichtlich ihrer künftig zu erwartenden Zahlungskraft („Bonität“) eingeschätzt. Im anglo-amerikanischen Finanzmarktsystem ist es traditionell üblich, diese Bonität eines Kunden zu einer einzigen Kenngröße zu verdichten, was als Rating bezeichnet wird. Rating erlaubt daher auf recht anschauliche Weise, die Kreditwürdigkeit und die einhergehenden Risiken zu erfassen. Bekanntes und populäres Beispiel ist hier sicherlich der „AAA-Kunde“ von höchster Bonität, dessen Zahlungsunfähigkeit als extrem unwahrscheinlich eingestuft wird. Die Bedeutung des Bankensystems für die Prosperität und den Wohlstand eines Landes ist der Politik schon lange bewusst, aber auch die besonderen Risiken, die mit diesen Geschäften einhergehen. Folglich – und das gilt weltweit – unterliegen Banken und Finanzmärkte einer strikten staatlichen Aufsicht. In Deutschland nimmt die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (kurz: BAFin) diese Aufgabe wahr, gestützt auf zahlreiche spezielle Gesetze. Mit der zunehmenden internationalen Verflechtung der Weltwirtschaft, insbesondere aber der Geld- und Kapitalmärkte, entstand in den letzten drei Jahrzehnten die Notwendigkeit, auch die Bankenaufsicht der verschiedenen Länder aufeinander abzustimmen, zu koordinieren und auf diese Weise die Stabilität des Finanzsektors zu gewährleisten. Dies mündete in ein unabhängiges internationales Gremium, das an die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich angelehnt wurde. Da diese in Basel beheimatet ist, firmiert das Gremium als „Baseler Ausschuss“. Einer breiteren Öffentlichkeit wurde er 1988 bekannt, indem er als weltweit anerkannten Standard forderte, Kreditrisiken durch Eigenkapital der Banken zu neutralisieren. Gemeint ist mit dieser Festlegung, die zwischenzeitlich als „Basel I“ in den Sprachgebrauch eingegangen ist, dass Banken nicht ausschließlich mit Fremdkapital – also Kundeneinlagen oder Darlehen von anderen Banken – ihre Kredite refinanzieren dürfen. Vielmehr müssen mindestens 8 % der Kreditsumme durch Eigenkapital „unterlegt“ werden, bei dem es sich um Einlagen von Gesellschaftern oder Aktionären handelt. Aus Sicht der Bank besteht die Crux an dieser Auflage darin, dass für sie Fremdkapital recht günstig zu bekommen ist: Privatkunden geben sich bereits mit einer ein- bis dreiprozentigen Verzinsung ihrer Ersparnisse zufrieden, genießen dafür allerdings ein hohes Maß an Sicherheit, ihre Einlage samt Zinsen auch tatsächlich wieder zu erhalten. Hingegen gehen Eigenkapitalgeber ein ungleich höheres Risiko ein, da sie bei Zahlungsschwierigkeiten der Bank ihr gesamtes Kapital verlieren würden; dies wird knapp in der Aussage „Eigenkapital haftet“ zusammengefasst. Das Risiko lassen sich Aktionäre und Gesellschafter mit Renditen ihrer Einlage von 20 % und mehr ausgleichen, die allerdings nur bei erfolgreichem Geschäftsverlauf tatsächlich ausgezahlt werden. Für die Bank ist Eigenkapital daher so teuer, dass sie dafür keinen Kunden

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Risikomanagement

Abb. 6.2 Kreditkalkulation. (Nach Schirmeister und Michel 2007)

findet, der bei ihr einen Kredit ordern möchte. In einer Mischkalkulation aus Eigen- und Fremdkapital entstehen jedoch Angebote, die marktfähig sind. Die Umsetzung von Basel I in nationale Gesetze erwies sich, soweit in einem Land zuvor nicht schon entsprechende Regelungen gültig waren, als sehr wirksame Maßnahme, um das Geldwesen zu schützen. Basel II führt diesen Standard fort und erweitert ihn um einen wesentlichen Aspekt: Je schlechter eine kreditsuchende Unternehmung geratet ist, umso höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Zins- und Tilgungsleistungen ins Stocken geraten oder gar ganz ausfallen. Folglich muss sich die Bank bei schlechtem Rating mit mehr haftendem Eigenkapital absichern, bei einem Kunden guter Bonität hingegen genügt auch relativ weniger des teuren Eigenkapitals. Kredite müssen daher künftig risikoadjustiert vergeben werden. Die nachfolgende Abbildung demonstriert dies anhand eines Darlehens über 100.000 C, das wahlweise an Kunden vergeben wird, deren Rating von AAA (exzellent), über BBB (befriedigend) zu B (noch ausreichend) variiert. Basis der Kalkulation des Darlehenszinssatzes sind die Kosten, die der Bank durch Bereitstellung des Kapitals entstehen. Dabei wird sie gerade so viel des teuren Eigenkapitals aufbringen, wie zwingend erforderlich ist, und den Rest der Kreditsumme mit Fremdkapital finanzieren. Nach Basel I sind das für den 100.000 C-Kredit gerade 8 %, also 8000 C Eigenkapital, die zu 20 % verzinst werden müssen. Es entstehen also Kosten von 1600 C (D 20 % von 8000 C), mithin betragen die Eigenkapitalkosten 1,6 %. Für eine Unternehmung, die mit BBB geratet ist, ändert sich bei Basel II nichts, da hier weiterhin 8 % der Kreditsumme mit Eigenkapital unterlegt werden (vgl. Abb. 6.2, mittlere Spalte). Die fehlenden 92.000 C werden dann mit Fremdkapital finanziert, das sich im Beispiel zu 3 % verzinst. Bezogen auf die 100.000 C sind dies Kosten von 2760 C (D 3 % von 92.000 C), also 2,76 %. Insgesamt resultiert daher ein Darlehenszins von 4,36 %, der sich aus 1,60 %Punkten für das Eigenkapital und 2,76 %-Punkten für das Fremdkapital zusammensetzt. Unterschiede zwischen besser oder schlechter geratenen Unternehmungen werden nunmehr über variierende Risikogewichte berücksichtigt (vgl. Abb. 6.3). Für den AAA-Kun-

6.8 Ökonomische Gründe für ein Risikomanagementsystem Abb. 6.3 Risikogewichte nach Ratingklassen. (Vgl. Baseler Ausschuss 2003, S. 12; nach Schirmeister und Michel 2007)

139 Ratingraster nach RisikoStandard & Poor´s gewicht AAA AA+ AA AAA+ A ABBB+ BBB BBBBB+ BB BBB+ B BCCC D

0,2

0,5

1,0

1,5

den ist beispielsweise ein Risikogewicht von 0,2 anzusetzen, was besagt, dass für ihn nur 0,2 der normalen Eigenkapitalunterlegung nötig sind; folglich sinken die Kosten auf 0,32 % (D 20 % von 0,2  8000 C D 320 C) bezogen auf die 100.000 C. Hingegen steigen bei einem B-Kunden, dessen Risikogewicht 1,5 beträgt, die Eigenkapitalkosten auf 2,40 %, da 12.000 C Eigenkapital nötig sind, die zu 20 % verzinst werden müssen (20 % von 12.000 C D 2400 C). Zwar nehmen umgekehrt mit abnehmender Bonität die Kosten des Fremdkapitals ab, aber eben nur mäßig, so dass die Refinanzierungskosten insgesamt zwischen dem AAA-Kunden mit 3,27 % und dem B-Kunden mit 5,04 % augenfällig differieren. Neben den Betriebskosten (für Gebäude, Personal, EDV etc.), die unabhängig vom Kundenrating in gleicher Höhe (hier von 1,30 % der Kreditsumme) angesetzt werden, schlägt sich die Bonität ein weiteres Mal in den Kreditkosten nieder: Statistiken der Vergangenheit zeigen, dass mit abnehmendem Rating die Ausfallwahrscheinlichkeit des Darlehens zunächst schwach, danach erheblich ansteigt (vgl. Abb. 6.4, Fußzeile). Je nach Zusammensetzung ihres Kundenkreises verfügt jede Bank über ihren eigenen diesbezüglichen Datensatz. Stets gilt aber das Prinzip, die erwarteten Ausfallkosten werden von vorne herein in den Kreditzins einkalkuliert; d. h., jeder Kunde zahlt regelmäßig einen Anteil seiner Zinsen, um der Bank die Ausfälle anderer Darlehensnehmer decken zu helfen. So entspricht der Ratingklasse B beispielsweise eine Ausfallwahrscheinlichkeit von 6,7 %, d. h., von 1000 Kreditnehmern kommen (voraussichtlich) 67 ihren Zins- und Til-

140

6

Risikomanagement

Abb. 6.4 Risikokostenkalkulation. (Nach Schirmeister und Michel 2007)

gungszahlungen nicht mehr nach. In Abb. 6.4 sind darauf aufbauend die Risikokosten je Kredit errechnet, wie sie in die Kalkulation gemäß Abb. 6.2 eingehen. Aufsummiert über alle Komponenten resultieren schließlich die Gesamtkosten eines Kredits, die, erhöht um die Marge der Bank, den von der Unternehmung jeweils geforderten Darlehenszins liefern.

6.9 Einfluss der Betriebsrisiken auf die Kreditkosten Sind Unternehmungen auf Bankdarlehen angewiesen, hängt es also an ihrem Rating, wie teuer dieser Kredit wird: Ein glänzend eingestufter AAA-Kunde mit höchster Bonität zahlt im Beispiel für ein Darlehen 6,58 % Zinsen, während der B-Kunde dafür 15,74 % aufbringen müsste (siehe Abb. 6.2)! Da aber das Gros kleiner und mittelgroßer Firmen bestenfalls den Ratingklassen B zuzuordnen ist, wird ein gutes Rating resp. dessen Verbesserung existentiell. Denn – und das belegen die Ausfallwahrscheinlichkeiten in Abb. 6.4 – mit einer geringfügig verbesserten Bonitätseinstufung (z. B. von B auf B+) sinken die Kreditkosten nachhaltig! Wie gelangt nun eine Bank zu ihrem Ratingurteil über einen kreditsuchenden Firmenkunden? In dieser zentralen Frage legt sich Basel II nicht definitiv fest, fordert vielmehr, plausible und unmittelbar einleuchtende Kriterien beizuziehen, die zu einer aussagekräftigen Differenzierung der Risiken führen (siehe hierzu Baseler Ausschuss 2003, S. 84). Dies beinhaltet einen gewissen Gestaltungsfreiraum für die Kreditinstitute (bzw. für die darauf spezialisierten Ratingagenturen wie Moody’s oder Standard & Poor’s). Die rele-

6.9 Einfluss der Betriebsrisiken auf die Kreditkosten

141

vanten Faktoren lassen sich aber stets in zwei Kategorien einteilen: In der ersten finden sich die „harten“ Fakten, die quantitativ bewertet werden können. Anhand von Geschäftsberichten, Ergebnis- und Finanzplanungen werden Finanz- und Ertragslage des Unternehmens beurteilt und hieraus Folgerungen für deren Zahlungskraft in der Zukunft gezogen. Die zweite Klasse umfasst qualitative Aspekte, so genannte „weiche“ Faktoren wie Unternehmensstrategie, Management und Personal (siehe hierzu IFD 2006, S. 17). Auch diese haben einen nachhaltigen Einfluss auf Erfolg und Bonität, so dass ihnen im Ratingprozess gebührende Aufmerksamkeit gewidmet wird. Ein Aspekt, der branchenabhängig nicht unerheblich die Betriebsrisiken aus Sicht von Dritten beeinflusst, ist dabei die Arbeitssicherheit, weil von ihr in hohem Maße der kontinuierliche Produktions- und Wertschöpfungsfluss abhängt. Demzufolge interessiert sich die Bank zunehmend für den Arbeitsschutz und lässt sich von den zuständigen Experten dessen Entwicklungsstand erläutern und dokumentieren (vgl. VDSI 2006). Bei derartigen Arbeitsrisiken können zwei Formen unterschieden werden: Zum einen besteht die Gefahr von Arbeitsunfällen, zum anderen treten arbeitsbedingte Erkrankungen auf, bei denen der Arbeitsprozess entweder die Ursache für das Krankheitsbild ist oder zu dessen Verschlechterung wie bei Hörschäden und Krebserkrankungen beiträgt (vgl. Pieper et al. 2005, S. 19). Im Rahmen des Arbeitsschutzes wird ein bewusster Umgang mit diesen Risiken angestrebt, damit Sicherheit und Gesundheitsschutz der Beschäftigten gewährleistet und verbessert werden (vgl. § 1, Abs. 1 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG)). Dies ist nicht nur eine gesetzlich verankerte Pflicht des Arbeitgebers, sondern auch im Interesse der Unternehmung, da die Kosten des Ausfalls eines Arbeitnehmers in Folge eines Arbeitsunfalls und dessen Folgekosten nicht vernachlässigbar sind. Als Bestandteil des Ratingurteils – beispielsweise wie viele unfallbedingten Fehlzeiten sind innerhalb eines Jahres im Betrieb aufgetreten – wirken sich diese unter Basel II nunmehr auch mittelbar auf die Kreditkosten aus, so dass ihre systematische Vermeidung noch weiter an Bedeutung gewinnt. Generell spielt bei der Ermittlung des Ratingurteils der Umgang mit existierenden und potenziellen Risiken – als der Gefahr, dass Planung und Realisierung (merklich) voneinander abweichen – eine zentrale Rolle. Die angemessene Berücksichtigung der eingegangenen Risiken wird durch Basel II also nicht nur von den Kreditinstituten, sondern in Folge davon auch von deren kreditnachfragenden Kunden verlangt. Unternehmungen agieren auf sich ständig verändernden Märkten, sind also permanent der Gefahr ausgesetzt, ihre erfolgswirtschaftliche Leistungsfähigkeit wie ihre Zahlungskraft einzubüßen. Neben diesen umfeldbezogenen und unternehmensstrategischen Risiken existieren weitere Gefahren, die sich in die Kategorien leistungs- und finanzwirtschaftliche, informationstechnische und personalbezogene Risiken untergliedern lassen. Die systematische Identifizierung von relevanten Risiken und die Entwicklung von Strategien, wie mit ihnen umzugehen ist, erweist sich daher als ein Markenzeichen guter Unternehmungsführung. I

Tipp Institutionalisiert als Risikomanagementsystem sollen Risiken frühzeitig erkennbar, bewertbar und somit steuerbar werden, um das Gefährdungspotential nachhaltig zu senken.

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6

Risikomanagement

Abb. 6.5 Zusammenhang zwischen Risikomanagement und Kreditkosten. (Nach Schirmeister und Michel 2007)

Neben der grundlegenden Aufgabe der Existenzsicherung erfüllt ein gutes Risikomanagement die Forderungen der Bank nach einem bewussten Umgang der Unternehmung mit ihren denkbaren Gefährdungen. Ein verbessertes Risikomanagement trägt zur Senkung der Ausfallwahrscheinlichkeit des Kreditnehmers bei, da weniger unvorhergesehene Situationen eintreten bzw. das Vorgehen bei eventuellem Eintritt einer solchen bereits vorher durchdacht wurde. Die niedrigere Ausfallwahrscheinlichkeit wird sich in einem verbesserten Rating niederschlagen, da diese korreliert sind. Die Folge der verbesserten Bonitätsbewertung sind sinkende Kreditkosten (vgl. Abb. 6.5). Allerdings bleibt im Einzelfall die Frage offen, mit welcher Gewichtung das Risikomanagement in das Ratingurteil eingeht und ob es sich hierbei um eine adäquate Berücksichtigung dieses Faktors handelt.

6.10

Basel II als Herausforderung?

Arbeitssicherheit als Instrument zur Senkung der Kreditzinsen? Die Zusammenhänge sind weder einfach noch auf der Hand liegend – aber sie existieren! Als Kernbestandteil des Risikomanagements geht der Arbeitsschutz in das Ratingurteil ein. Dies gilt stets, auch wenn der konkrete Einfluss branchen- und unternehmensabhängig stark differieren wird und die Wirkung auf die Kreditzinsen kaum exakt in Prozentpunkten auszudrücken ist. Dieses Rating wird einer Unternehmung „von außen“ aufoktroyiert, sobald es sich bei einer Bank Geschäftskapital beschaffen möchte. Bei genauerem Hinsehen vermag dieser Druck, die Bonität halten oder sogar verbessern zu müssen, recht heilsam sein, sich intensiver mit möglichen Gefährdungen jedweder Art und Tragweite systematisch auseinander zu setzen. Dies schützt keineswegs vor Verlusten, reduziert aber deren Häufigkeit, mindert deren Folgen und eröffnet auf diese Weise die Chance, die eigene Organisation zu stabilisieren und für künftige Herausforderungen fit zu machen. Das kann für eine Unternehmung einen Quantensprung in ihrer Entwicklung bedeuten, bei dem die Senkung der Kreditkosten lediglich als angenehmer Nebeneffekt registriert wird. I

Tipp Aktiv gestaltend oder reaktiv anpassend – alle in einer Unternehmung mit Führungsverantwortung betrauten Personen werden sich der Herausforderung durch Basel II stellen müssen.

6.12 Welche Risikofelder sollten betrachtet werden?

143

6.11 Basel III Der Begriff Basel III bezeichnet ein Reformpaket des Basler Ausschusses der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) für die bereits bestehende Bankenregulierung Basel II. Der Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht hatte am 16.12.2010 sein neues Regelwerk, „Basel III“ genannt, veröffentlicht und im Laufe der Jahre ergänzt und überarbeitet. Im Januar 2013 wurden die endgültigen Regeln zur Liquidity Coverage Ratio veröffentlicht. Basel III im weiteren Sinne umfasst zusätzlich die Basel-II-Rahmenvereinbarung „Internationale Konvergenz der Kapitalmessung und Eigenkapitalanforderungen“ von 2004 sowie die weiteren Beschlüsse des Baseler Ausschusses für Bankenaufsicht seit damals. So hat der Baseler Ausschuss bereits in 2009, aktualisiert in 2010 bzw. 2011, in einem ersten Maßnahmenpaket auf die sog. „Subprime“-Krise reagiert und strengere Regelungen, insbesondere für Verbriefungen und das Marktrisiko, beschlossen. I

Hinweis Seit 2013 löste Basel III schrittweise Basel II ab. Grund der Reform waren Schwächen der bisherigen Bankenregulierung, die durch die Finanzkrise ab 2007 offengelegt wurden. Die Umsetzung in der Europäischen Union erfolgte über eine Neufassung der Eigenkapitalrichtlinie, die am 1. Januar 2014 mit umfassenden Übergangsbestimmungen in Kraft trat.

Zukünftig werden aber auch weitere Regelungen Ansprüche an ein funktionierendes Risikomanagementsystem stellen: So stehen für die Unternehmen bereits jetzt die Auswirkungen von Solvency II vor der Tür. Bei Solvency II handelt es sich um eine Modernisierung der Solvabilitätsvorschriften. Das Projekt „Solvency II“ wurde Anfang 2000 durch die EU-Kommission ins Leben gerufen und soll das Solvabilitätssystem in Europa weiter verbessern und mit den Regelungen des Bankwesens harmonisieren. Auch die Versicherungen müssen dadurch ihr Eigenkapital an die individuellen und operationellen Risiken anpassen, was wiederum auf deren Kunden zurückfällt. I

Tipp Die ganzheitliche Bewertung aller betrieblichen Risiken macht das Zusammenspiel aller handelnden Personen unumgänglich. Dabei geht es sowohl um die technischen, betrieblichen wie auch finanziellen Risiken.

6.12 Welche Risikofelder sollten betrachtet werden? Der Unternehmer kann sich nur gegen Gefahren schützen, wenn er sich seiner kritischen Tätigkeitsfelder und der sie bestimmenden Faktoren bewusst ist. Folgende Risikofelder existieren in fast allen Unternehmen:  Organisation: Aufbau- und Ablauforganisation, Pflichtendelegation, Informationsmanagement, Medienlandschaft, Krisen- und Notfallmanagement . . .

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6

Risikomanagement

 Mitarbeiter: Arbeits- und Gesundheitsschutz, demografischer Wandel, Arbeitsverträge, Beendigung der Beschäftigung, Diebstahl, Fortbildung, Gewalt gegen Mitarbeiter . . .  technische Störungen: bottle-neck-Anlagen, Feuer, Überschwemmung, Wartung, Lecks . . .  Stake-Holder: Behörden, Geldgeber, Versicherer, Kunden, Nachbarschaft, Interessenverbände, Politik . . .  Projektaktivitäten: Planungen, Vereinbarungen, Haftungsfragen, Abhängigkeiten . . .  Umweltschutz: Abfall, Emissionen, Schadstoffe, Umwelthaftung . . .  Informationsrisiken: Datenschutz, Datensicherung . . .  Ökonomie: Auftragslage, Rentabilität, Liquidität, Bonität . . .  Sicherheitsrisiken: Bewachung, Diebstahl, Anschläge . . .  ...  ...

6.13 Normen/Regeln zum Risikomanagement Obwohl es derzeit keine deutsche Norm für ein betriebliches Risikomanagementsystem gibt, existieren Normen: ISO 31000: Risk Management – Principles and Guidelines for Implementation Die internationale Norm ISO 31000 Risiko Management. Zusammen mit dem überarbeiteten ISO IEC Guide 73 „Vocabulary“ wurde diese Norm im Oktober 2009 veröffentlicht. In der neuen ISO 31000 Risikomanagementsystem sind dabei drei Prinzipien verankert:  das Risikomanagement wird als Führungsaufgabe verstanden.  in der Norm wird versucht, einen sogenannten Top-down-Ansatz (Betrachtung von Sinnzusammenhängen vom Allgemeinen zum Konkreten) umzusetzen.  die ISO 31000 stellt eine sehr allgemein gehaltene Basis dar, die versucht, alle unterschiedlichen Risiken in einer Organisation zu berücksichtigen. Sie bietet sich als Alternative zum COSO Standard an. Er geht es deutlich über einen rein finanzorientierten, internen Kontrollansatz hinaus und erleichtert es Organisationen, das Risikomanagement direkt in ihr vorhandenes prozessorientiertes Managementsystem zu integrieren und damit Synergien zu realisieren. Die Norm ist grundsätzlich in drei Teile gegliedert:  Risikomanagement-Framework: Politik, Integration in die Prozesse, Verantwortlichkeiten, Ressourcen, interne und externe Kommunikation, Reporting,  Risikomanagement-Prozess: Kommunikation, Erarbeitung der Risikokriterien, Risikobeurteilung, die Risikoanalyse, die Risikobewertung, Risikobewältigung,  Überwachung und Überprüfung.

6.13

Normen/Regeln zum Risikomanagement

145

COSO Enterprise Risk Management Framework Dies wohl älteste Regelwerk (COSO: The Committee of the Sponsoring Organization of the Treadway Commission) im Risikomanagement entstand in den 80er-Jahren. Ab 1992 wurde es durch die SEC (Securities and Exchange Commission) als Standard für interne Kontrollsysteme anerkannt. Die Version 2004 wird als „Enterprise Risk Management Framework“ bezeichnet Die Umsetzung erfolgt im Rahmen der Sarbanes Oxley Acts. Australien/New Zealand Die australische-neuseeländische Norm AS/NZS 4360, mittlerweile in ihrer dritten Version von 2004, war 1995 die erste international anerkannte Risikomanagementnorm. Damit übernahm sie eine Vorreiterrolle und setzte Maßstäbe für die Entwicklung von Standards des Risikomanagements in anderen Regionen. AS/NZS 4360 kann anhand eines so genannten Risikomanagement-Kreislaufs, der heute in abgewandelter Form die Basis von nahezu jedem Risikomanagementsystem ist, dargestellt werden. Dieser besteht aus sieben aufeinander folgenden Phasen: I II III IV V VI VII

Formulierung einer Risikostrategie Risikoidentifikation Risikoanalyse Risikogewichtung Risikohandhabung Risikokommunikation und -dokumentation Risikokontrolle und -überwachung

Österreich 2004 wurde mit dem Regelwerk 49000 ff. des Österreichischen Normungsinstituts (ON) ein erstes Regelwerk für integriertes Risikomanagement eingeführt. Sie gilt als Anwendungsnorm der ISO 31000 und liegt derzeit in der aktuellen Fassung 2014 vor. Zusammen mit Vertretern der „Swiss Association for Quality“ wurde diese im Arbeitskreis „Risikomanagement“ entworfen, wobei besonders der Aspekt der Einbettung des Risikomanagementsystems in das übergeordnete Managementsystem des Unternehmens und die Harmonisierung zwischen Risikomanagement und Qualitätsmanagement im Vordergrund standen. Am 1. Januar 2014 wurde die vierte Version der ONR-Normenreihe veröffentlicht: ONR 49000: 2014 01 01: „Risikomanagement für Organisationen und Systeme – Begriffe und Grundlagen – Umsetzung von ISO 31000 in die Praxis“. Ihre Struktur hat sie beibehalten. In ONR 49002 werden mit drei Leitfäden die Einbettung des Risikomanagements in das Managementsystem und Methoden zur Risikobeurteilung dargestellt. Des weiteren Anleitungen, wie das Notfall- und Krisenmanagement als Bestandteile des Risikomanagements abgebildet werden kann. ONR 49003 definiert die Anforderungen an die Qualifikationen eines Risikomanagers.

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6

Risikomanagement

In der ONR 49000 (Begriffe und Grundlagen) wird der Begriff des „Risiko’s“ weiter gefasst als früher. Während die Norm sich bisher analog zur ISO 31000 lediglich auf ökonomische Ziele bezog, werden Unsicherheiten neu auch bezüglich Tätigkeiten und Anforderungen betrachtet. Als Umsetzungshilfe werden Ursachen für Unsicherheiten beispielhaft aufgezeigt. Zudem wird der Begriff des „credible worst case“ präzisiert. Die Glaubwürdigkeit eines Szenarios wird bereits als gegeben erachtet, wenn es aufgrund von Expertenwissen als möglich und begründet angesehen werden muss, auch wenn es noch nie eingetreten ist. Die Umsetzung des Risikomanagements wird durch maßgebliche Neuerungen in der ONR 49001 (Umsetzung von ISO 31000 in der Praxis) unterstützt. Der Teil „Risikomanagement-System“ präsentiert sich in der neuen ISO-Normenstruktur gemäß ISO Annex SL. Mit diesem Schritt ist die Vergleichbarkeit mit anderen ISO-Standards gegeben und wird die gleichartige betriebsinterne Umsetzung ermöglicht. Der Annex SL der ISO ist ein Leitfaden für die Entwickler von Managementsystemstandards und bildet die Basis für die neue ISO 9001:2015 und ISO 14001:2015.  ONR 49000: Begriffe und Grundlagen  ONR 49001: Risikomanagement  ONR 49002-1: Leitfaden für die Einbettung des Risikomanagements in das Managementsystem  ONR 49002-2: Leitfaden für die Methoden der Risikobeurteilung  ONR 49002-3: Leitfaden für das Notfall-, Krisen- und Kontinuitätsmanagement  ONR 49003: Anforderungen an die Qualifikation des Risikomanagers Beispielhaft an dieser Stelle die Gliederung der ONR 49001 Risikomanagementsystem: ... ... ... ... 4. Allgemeines incl. Dokumentation 5. Verantwortung der Leitung  Risikopolitik  Managementbewertung  Beauftragte der obersten Leitung 6. Management von Ressourcen 7. Risikomanagement-Prozess 8. Systemüberwachung  Interne Audits 9. Verbesserungen  Korrektur- und Vorbeugungsmaßnahmen Schon an diesem kurzen Auszug wird deutlich, wie gut sich z. B. die österreichische Regel in vorhandene Systeme wie z. B. DIN ISO 9000 ff. integrieren lässt.

Literatur

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Lediglich für den Bereich der Medizintechnik gibt es eine in Deutschland verbindliche Norm:  ISO DIN EN 14971:2009 Medizinprodukte – Anwendung des Risikomanagements auf Medizinprodukte Die Norm ist stark produktbezogen und definiert Risiko als Gesundheitsrisiko des Patienten aus der Anwendung des Medizinprodukts. Neben der Gesundheit werden auch weitere zu schützende Güter wie z. B. die Umwelt explizit in der Norm erwähnt. Zusammenfassung

Risiken beherrschen bedeutet die ermittelten Risiken entweder mit einem vertretbaren Aufwand zu vermeiden bzw. zu reduzieren oder durch steuernde Maßnahmen in einem tolerierbaren Bereich zu halten. Die Risikopolitik ist hierfür eine wichtige Referenz. Im Rahmen der Steuerung der Risiken müssen Möglichkeiten gefunden werden, die eine Reaktion auf das identifizierte und bewertete Risikospektrum erlauben und gleichzeitig im Einklang mit der festgelegten Risikopolitik stehen. Zum Beherrschen der Risiken zählt auch die Risikoüberwachung.

Literatur Verwendete Literatur Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht (2003): Konsultationspapier – Die Neue Baseler Eigenkapitalvereinbarung. http://www.bundesbank.de/download/bankenaufsicht/pdf/CP3_Deutsch.pdf. (05.12.2006). IFD – Initiative Finanzstandort Deutschland (2006): Rating Broschüre. http://www.finanzstandort. de/BaseCMP/documents/5000/final_ratingbroschuerefr_homepage.pdf. (30.01.2007) Lehder G, Skiba R: Taschenbuch Arbeitssicherheit, ESV Bielefeld, 2005 Lüdeke, A. (2006): Ein Instrument zur monetären Bewertung der Arbeitsunfähigkeit. Praktische Arbeitsmedizin. Nr. 5. S. 36–39. Meier, N: Die Haftung von Vorständen, Geschäftsführern und Betriebsleitern. Praktische Arbeitsmedizin. Nr. 8, 2007, S. 32–35 Nohl J, Thiemecke H.: Systematik zur Durchführung von Gefährdungsanalysen, Verlag für neue Wissenschaft GmbH, 1988 Pieper, R. et.al. (2005): Handbuch Arbeitsschutz – Sicherheit und Gesundheit im Betrieb. 2. Auflage. Frankfurt am Main: Bund-Verlag. Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Lage: Auszug aus dem Jahresgutachten 2005/06 – Unternehmensfinanzierung im Wandel. http://www.sachverstaendigenratwirtschaft.de/download/ziffer/z683_743j05.pdf. (30.01.2007). Schirmeister, R.; Michel, P.: Tangiert Basel II den Arbeitsschutz; Praktische Arbeitsmedizin. Nr. 8, 2007, S. 8–11 Skiba R: Taschenbuch Arbeitssicherheit, ESV Bielefeld, 1973 & 1994 VDSI – Verband Deutscher Sicherheitsingenieure e. V. (2006): Stellungnahme vom 12.05.2006. http://www.vdsi.de/webcom/show_article.php/_c-43/_nr-23/_lkm-67/i.html. (16.01.2007).

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6

Risikomanagement

Weiterführende Literatur Bundesministerium der Justiz (1996): Arbeitsschutzgesetz – ArbSchG. http://www.gesetze-iminternet.de/arbschg/BJNR124610996.html. (16.01.2007) Ehrmann, H. (2005): Kompakt-Training Risikomanagement: Rating – Basel II. Ludwigshafen: Kiehl. Dr. Albert Ritter: Risikomanagement, Haufe Arbeitsschutz Office Professional Online, Ritter, HI666951, Stand: 21.01.2014

Sicherheits- und Gesundheitsschutzmanagement

Auf dem Weg hin zu einer optimalen konkurrenzfähigen Unternehmensführung mit hochmotivierten Mitarbeitern gewinnt das betriebliche Sicherheits- und Gesundheitsmanagement immer mehr an Bedeutung. Und dieses geht weit über das reine Durchführen von Arbeitsschutzmaßnahmen hinaus. Was es bedeutet, ein ganzheitliches bereichsübergreifendes Sicherheits-Gesundheitsmanagement einzuführen und alltäglich zu praktizieren soll dieser Abschnitt verdeutlichen. Es werden einzelne Handlungsschritte wie Zielbildung, Ressourcenplanung, Analyse der Situation, Durchführung von Maßnahmen sowie deren Bewertung auf der Grundlage praktischer Betriebserfahrungen dargestellt.

7.1

Arbeitsschutzmanagement

Ein effektives Arbeitsschutzmanagementsystem motiviert Mitarbeiter und erhöht ihre Leistungsbereitschaft. Es verringert Risiken und sorgt für eine gesunde und sichere Arbeitsumgebung. Auch Arbeitsschutzbehörden und Berufsgenossenschaften sind von den Vorteilen eines derartigen Systems überzeugt und unterstützen Betriebe beim Systemaufbau. In Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz darf man nichts dem Zufall überlassen. Arbeitssicherheit ist genauso gründlich zu planen und zu organisieren wie, die betrieblichen Prozesse selber. Gute auf die betrieblichen Prozesse abgestimmte Arbeitsschutzmanagementsysteme (AMS) bilden eine optimale Grundlage dazu. Arbeitsschutzmanagement ist nicht nur in Deutschland, sondern Global zu einem wichtigen Thema im Arbeitsschutz geworden. Diese Systeme sind ein nachhaltig wirkendes Instrument des Arbeitsschutzes und erhöhen somit die Compliance des Unternehmens. I

Tipp Arbeitsschutzmanagement ist ein nachhaltig wirkendes Instrument des Arbeitsschutzes und erhöht somit die Compliance des Unternehmens!

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019 B. Tenckhoff und S. Siegmann, Vernetztes Betriebssicherheitsmanagement, VDI-Buch, https://doi.org/10.1007/978-3-662-48441-8_7

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7

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7

Sicherheits- und Gesundheitsschutzmanagement

Abb. 7.1 Aspekt der Nachhaltigkeit im Arbeitsschutzmanagementsystem

7.2 Arbeitsschutzmanagementsysteme Es lässt sich zwangsläufig folgern, dass ein betriebliches Arbeitsschutzmanagementsystem zweifellos das effektivste Instrument ist, Arbeitsschutz planmäßig, zielorientiert und systematisch in die betriebliche Gesamtorganisation zu integrieren, dies in geeigneter Weise zu dokumentieren und im Sinne eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses zu pflegen und weiter zu entwickeln (Abb. 7.1). Das Arbeitsschutzmanagement umfasst die Organisation aller Bereiche des Arbeitsschutzes, der Arbeitssicherheit und den Gesundheitsschutz in Arbeitsstätten. Da der Themenbereich des Arbeitsschutzes sehr umfangreich sein kann und viele Vorschriften und Gesetze beachtet werden müssen, empfiehlt sich die Einführung eines Arbeitsschutzmanagementsystems. Bei der Einführung eines solchen Systems sollten die 10 Kernelemente für die Integration des Arbeitsschutzes in die betriebliche Organisation beachtet werden. Die 10 Kernelemente sind:          

Arbeitsschutzpolitik und -ziele Integration in die Führung Mitarbeiterbeteiligung Integration in die Aufbauorganisation Ressourcen bereitstellen Kommunikation und Zusammenarbeit Integration in die betrieblichen Prozesse Organisation arbeitsschutzspezifischer Prozessen Bewertung von Stand und Entwicklung Maßnahmen zur kontinuierlichen Verbesserung

7.2 Arbeitsschutzmanagementsysteme

I

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Tipp Ein Unternehmen ist gesetzlich dazu verpflichtet, eine geeignete Ablauf-und Aufbauorganisation zu installieren. Das ist nur mit einem geplanten und zielgerichteten Handeln zu erreichen; mit einem umfassenden und prozessorientierten Betriebssicherheitsmanagement!

Auf internationaler Ebene gibt es eine stattliche Anzahl von Aktivitäten zu Arbeitsschutzmanagementsystemen. Im Folgenden ein Überblick der wesentlichen Systeme:  Australien: „Handbook – A Management System for Occupational Health, Safety and Rehabilitation in the Construction Industry“, 1994  Niederlande: Sicherheit Certifikat Contraktoren (SCC), bereits 1994 wurde in den Niederlanden das Zertifizierungssystem VCA (Veiligheids Checklijst Aannemers) von dem Raad voor Accreditatie (Niederländischer Akkreditierungsrat RvA) zugelassen. Nach dessen erfolgreicher Einführung wurde im September 1995 ein an deutsches Recht angepasstes SCC-Zertifizierungs-System entwickelt und in das deutsche Akkreditierungssystem aufgenommen,  Norwegen (Normvorschlag): „Management Principles for Enhancing Quality of Products and Services, Occupational Health and Safety and the Environment“, 1995  Australien und Neuseeland (Normentwurf): „Occupational Health and Safety Management Systems – General Guidelines on Principles, Systems and Supporting Techniques“, 1996  Spanien (Vornorm): „Prevention of Occupational Risks“, 1996  Irland (Normentwurf): „Code of Practice for an Occupational Health and Safety Management System“, 1997  GB: „Successful Health & Safety Management HS(G)65“, Leitfaden der Health & Safety Executive (HSE), 1991  NL: „Sicherheits-Certifikat-Contraktoren“ (SCC), 1994  GB: „Guide to Occupational Health and Safety Management Systems, BS 8800“, Norm des British Standard Institute (BSI), 1996  GB: „Occupational Health and Safety Assessment Series, OHSAS“, AMS-Standard, 1999/2000  ILO: „Guidelines on Occupational Safety and Health Management Systems (ILOOSH)“, 2001 Die größte Bedeutung dürfte dabei der Leitfaden der britischen Health and Safety Executive „Successful Health & Safety Management HS(G)65“ haben, er wurde 1991 herausgegeben und 1997 überarbeitet. Hierbei handelt es sich um einen Vorschlag für ein normiertes Arbeitsschutzmanagementsystem, das einen Rahmen vorgibt und dem der aus dem Qualitätsmanagement bekannte PDCA – Regelkreis als Ansatz zugrunde liegt. Dieser Leitfaden gilt als Grundlage aller internationalen Standards zu Arbeitsschutzmanagementsystemen.

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Sicherheits- und Gesundheitsschutzmanagement

Aber auch auf nationaler Ebene gibt es in der Bundesrepublik Deutschland eine Reihe von Aktivitäten zu Arbeitsschutzmanagementsystemen. Die wesentlichen:  Arbeitsschutz- und sicherheitstechnischer Check in Anlagen (ASCA), Hessen 1993  Occupational Health- and Risk-Managementsystem (OHRIS), Bayern 1998  5 Bausteine für einen gut organisierten Betrieb – auch in Sachen Arbeitsschutz, Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften 1998  Sicher mit System, Steinbruchs-Berufsgenossenschaft, 1999  Eckpunkte des BMA, der obersten Arbeitsschutzbehörden der Bundesländer, der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung und der Sozialpartner zur Entwicklung und Bewertung von Konzepten zu Arbeitsschutzmanagementsystemen, 1999  Spezifikation zur freiwilligen Einführung, Anwendung und Weiterentwicklung von Arbeitsschutzmanagementsystemen (AMS), LV 21, Leitfaden des Länderausschusses für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik (LASI), 2000  Handlungshilfe zur freiwilligen Anwendung von Arbeitsschutzmanagementsystemen für kleine und mittlerer Unternehmen (KMU), LV 22, (LASI), 2001  Leitfaden für Arbeitsschutzmanagementsysteme, („Nationaler Leitfaden“), 2002 veröffentlicht  Managementanforderungen der BGW zum Arbeitsschutz (MAAS-BGW), Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege, 2004  Arbeitsschutzmanagementsystem-Konzept der Berufsgenossenschaft der Feinmechanik und Elektrotechnik, 2005  Arbeitsschutzmanagementsystem AMS BAU: 11 Arbeitsschritte zum sicheren und wirtschaftlichen Baubetrieb, Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft, 2006 An dieser Stelle seien kurz exemplarisch die grundlegenden Arbeitsschutzmanagementsysteme diskutiert, die auf nationaler Ebene wirken:

7.2.1

OHSAS 18001 und ISO 45001

Die OHSAS 18001 Arbeitsschutzmanagementsysteme – Spezifikation wurde, sozusagen mangels einer internationalen ISO-Norm, von verschiedenen Organisationen als „private“ Arbeitschutzmanagementsystem-Norm verabschiedet und vom Britischen Normungsinstitut (BSI) veröffentlicht. Die Norm orientiert sich eng an der DIN EN ISO 9001:2000 und der DIN EN ISO 14001 und ist heute international eine der wichtigsten Grundlagen für eine Beurteilung von Arbeitsschutzmanagementsystemen. Sie ist ein Zertifizierungssystem für den Arbeits- und Gesundheitsschutz, das von international tätigen Zertifizierungsgesellschaften entwickelt wurde. Das Sicherheits- und Gesundheitsmanagement nach OHSAS 18001 kann in vorhandene Managementsysteme nach ISO 14001 (Umweltmanagementsystem) oder ISO 9001 (Qualitätsmanagementsystem) integriert werden.

7.2 Arbeitsschutzmanagementsysteme

153

Seit Juli 2007 liegt eine überarbeitete Version OHSAS 18001:2007 vor, parallel auch als British Standard BS OHSAS 18001:2007.

7.2.2

Die Entwicklung der ISO 45001

Im März 2013 reichte die BSI bei der ISO [International Organisation for Standardisation] einen Vorschlag zur Erarbeitung einer internationalen Arbeitsschutz-Norm, auf Basis der BS OHSAS 18001, ein. Im Juli 2013 wurde dieser Vorschlag von den ISO-Mitgliedern mehrheitlich angenommen. Das Projektkomitee ISO/PC 283 entwickelte im Oktober 2013 einen Working Draft, in dem u. a. die Namensgebung [ISO 45001] beschlossen wurde. Als Rahmen für die Erarbeitung der ISO 45001 diente die High Level Structure [HLS], um die Integration des AMS in andere Managementsysteme, wie z. B. Qualität, Energie und Umwelt zu ermöglichen. Seit November 2015 liegt ein Draft International Standard [DIS] vor, der bis Herbst 2016 als ISO 45001:2016 veröffentlicht werden sollte. Nach der Veröffentlichung des Norm-Entwurfs wurden mehr als 3000 Kommentare aus der ganzen Welt eingereicht. Der DIS 1 hatte nicht die notwendige Dreiviertel-Mehrheit erhalten. 28 % der nationalen Normengremien lehnten den Entwurf der international geplanten Norm ab. Im Juni 2016 wurde aufgrund dessen auf der international PC 283 Sitzung in Toronto beschlossen, dass ein zweiter Draft International Standard [DIS 2] erforderlich ist. Die Beratungen zu allen Kommentaren und Einsprüchen sowie die Vorbereitung des DIS 2, haben im Februar 2017 in Wien stattgefunden. Der DIS 2 orientiert sich nach Überarbeitung noch stärker an der HLS sowie an den bestehenden Normen ISO 9001 und ISO 14001 und hat zum Ziel, auf große Zustimmung bei der Normkommission zu stoßen. Der DIS 2 wurde im Juli 2017 veröffentlicht und im September in Melaka bei einer Zustimmung von 88 % von der internationalen Normkommission angenommen. Nach einmonatiger Editierung wurde im November 2017 der Final Draft International Standard [FDIS] veröffentlicht. Die neue Norm für den Arbeits- und Gesundheitsschutz in Unternehmen wird von dort an die ISO 45001:2018 sein. Aufbau der ISO 45001:2018: 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8.

Anwendungsbereich Normative Verweisungen Begriffe und Definitionen Kontext der Organisation Leitung Planung Unterstützung Betrieb

154

7

Sicherheits- und Gesundheitsschutzmanagement

9. Leistungsbewertung 10. Verbesserung

7.2.3

Inhalte der ISO 45001:2018

Folgende Neuerungen und Spezifizierungen sind nach dem CD 2 in der ISO 45001:2018 festgelegt: 1. Definitionen zu Begriffen, wie z. B. Arbeits- und Gesundheitsschutzrisiken, Kompetenz, Beteiligung, Ausgliedern und Chancen im Arbeits- und Gesundheitsschutz sind festgelegt. 2. Dem Kontext der Organisation wird mehr Beachtung geschenkt und in den wesentlichen Kriterien des Managementsystems berücksichtig [Politik, Ziele, Prozesse, Aufbauorganisation]. Insbesondere gilt dies bei Veränderungen des Marktes [z. B. Kundenanforderungen] oder Produktionsprozessen [z. B. verändertes Material]. 3. Die oberste Führung muss Verantwortung und Engagement im Arbeits- und Gesundheitsschutz tragen und seine Führungskräfte ausreichend einbinden. Das Bewusstsein der Führungskräfte hinsichtlich des Arbeits- und Gesundheitsschutzes muss gestärkt und nachgewiesen werden. 4. Nicht nur Risiken werden ermittelt und bewertet, sondern auch Chancen für mehr Sicherheit und Gesundheit identifiziert und gefördert. 5. Alle Beteiligten im und außerhalb des Unternehmens, wie z. B. Leiharbeitnehmer werden berücksichtigt. Das „Ausgliedern“ von Prozessen muss im AMS beachtet werden. 6. Alle Gefährdungen und Belastungen werden identifiziert und bewertet, auch die psychischen Gefährdungen. 7. Gleichzeitig sind die Chancen zu berücksichtigen, die Arbeit, Arbeitsorganisation und Arbeitsumgebung an die Beschäftigten anzupassen. Aber auch Chancen, die in der Veränderung liegen sind zu berücksichtigen. 8. Neben dem systematischen Bearbeiten von Verbesserungsmaßnahmen, muss auch die Effektivität des Managementsystems ständig überprüft werden. 9. Die Bewusstseinsbildung bei allen Akteuren erhält höhere Relevanz und geht über Schulungen und Unterweisungen hinaus. [Siehe Punkt 3, Politik + Ziele] 10. Die Beteiligung der Beschäftigten und deren Vertreter wird berücksichtigt. 11. Für interne Audits wird auf die DIN EN ISO 19011:2013 verwiesen. 12. Die Anforderungen an die ISO 45001:2018 sind gesetzliche und ergänzende Bestimmungen. 13. Das Wissen der Organisation hinsichtlich des Arbeits- und Gesundheitsschutzes wird berücksichtigt. 14. Die Integration des Arbeits- und Gesundheitsschutzes in alle Prozesse des Unternehmens ist notwendig. So werden auch „nicht gesundheits- und arbeitsschutzspezifische“ Prozesse, wie z. B. Beschaffung berücksichtigt.

7.2 Arbeitsschutzmanagementsysteme

7.2.4

155

Occupational Health- and Risk-Managementsystem (OHRIS)

Das Occupational Health- and Risk-Managementsystem (OHRIS) wurde von der Bayerischen Staatsregierung entwickelt und hat über die Landesgrenzen hinaus eine gewisse Bekanntheit erlangt, da es bereits 1998 – und damit als erstes der relevanten Arbeitsschutzmanagementsysteme – veröffentlicht wurde. Im Unterschied zu anderen Managementsystemen bezieht OHRIS ausdrücklich auch die Anlagensicherheit mit ein. Im Jahr 2005 erschien eine Revision, die auf die zwischenzeitlich erfolgten Revisionen der DIN EN ISO 9001 und DIN EN ISO 14001 reagierte; damit sollte die Integrationsfähigkeit verbessert werden.

7.2.5 Länderausschuss für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik (LASI) Ausgehend vom Gemeinsamen Standpunkt zu Managementsystemen im Arbeitsschutz (BArbBl. 09.1997) und den darauf basierenden Eckpunkten des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung (BMA, heute BMWA), der obersten Arbeitsschutzbehörden der Bundesländer, der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung und der Sozialpartner (BArbBl. 02.1999) hat der Länderausschuss für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik (LASI) Anforderungen festgelegt, die bei der Einführung von Arbeitsschutzmanagementsystemen zu beachten sind. Diese sind als LASI-Veröffentlichung (LV) erschienen: LV 21: Arbeitsschutzmanagementsysteme – Spezifikation zur freiwilligen Einführung, Anwendung und Weiterentwicklung von Arbeitsschutzmanagementsystemen (AMS). Im Aufbau der LASI-Spezifikation erkennt man die Systemelemente des OHRIS wieder (Bayern war an der Erarbeitung beteiligt), auch hier wird der PDCA-Zyklus nicht ausdrücklich erwähnt, dennoch lassen sich die Forderungen den Schritten Plan-Do-Check-Act zuordnen.

7.2.6

Guidelines on Occupational Safety and Health Management Systems

Seit Herbst 1999 entwickelt auch die Internationale Arbeitsorganisation – International Labour Organisation (ILO) – basierend auf einem ILO-Bericht zu AMS eigenständige „Guidelines on Occupational Safety and Health Management Systems“. Dieser Leitfaden soll als internationaler Rahmen den einzelnen Staaten Hilfestellung bei der Entwicklung nationaler Konzepte zu AMS geben. Im April 2001 ist der Leitfaden im Rahmen eines Expertentreffens in Genf beraten und vom Verwaltungsrat der ILO im Juni verabschiedet worden. Anfang Dezember 2001 ist eine gedruckte englische Fassung (deutsche Übersetzung: ILO Leitfaden AMS) des Leitfadens vom International Labour Office der ILO herausgegeben worden (ISBN 92-2-111634-4). Der Leitfaden beruht auf international vereinbarten Grundsätzen der drei in der IAO vertretenen Parteien. Diese drittelparitätische Vorgehensweise bietet die erforderliche

156

7

Sicherheits- und Gesundheitsschutzmanagement

Abb. 7.2 Ebenen des ILO Leitfadens für Managementsysteme

Stärke und Flexibilität und ist eine geeignete Grundlage für die Entwicklung einer nachhaltigen Sicherheitskultur in einer Organisation. Die IAO hat deshalb einen freiwilligen Leitfaden für Arbeitsschutzmanagementsysteme erarbeitet, der die Werte und Instrumente der IAO in Bezug auf die Sicherheit und den Gesundheitsschutz von Arbeitnehmern widerspiegelt. Auf nationaler Ebene soll der Leitfaden (Abb. 7.2):  zur Schaffung eines Rahmens für nationale Arbeitsschutzmanagementsysteme (AMS) verwendet werden, der vorzugsweise von nationalen Gesetzen und Vorschriften unterstützt wird,  Orientierung geben für die Entwicklung freiwilliger Vereinbarungen zur stärkeren Einhaltung von Vorschriften und Standards, um eine ständige Verbesserung der Arbeitsschutzleistung herbeizuführen,  Orientierung geben für die Entwicklung eines nationalen AMS-Leitfadens und spezifischer AMS-Leitfäden, um den tatsächlichen Bedürfnissen von Organisationen, abhängig von ihrer Größe und der Art ihrer Aktivitäten, gerecht werden zu können. Auf der Ebene der Organisation soll der Leitfaden:  Orientierung geben für die Integration von AMS-Elementen in die Organisation als Teil der Politik- und Managementvereinbarungen,  alle Angehörigen der Organisation, insbesondere Arbeitgeber, Inhaber, das Management, Arbeitnehmer und ihre Vertreter motivieren, angemessene Arbeitsschutzmanagementprinzipien und -verfahren anzuwenden, um die Arbeitsschutzleistung ständig zu verbessern.

7.2 Arbeitsschutzmanagementsysteme

157

In Deutschland wurde seit September 2001 unter Einbeziehung der beteiligten Kreise, an einem nationalen Leitfaden für AMS und einem damit verbundenen Umsetzungskonzept gearbeitet. Diese beiden Elemente eines nationalen Rahmenkonzepts für AMS wurden am 19.06.2002 in der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) in Dortmund der Öffentlichkeit vorgestellt. Der Leitfaden ist in der Ausgabe 1/2003 des Bundesarbeitsblatts veröffentlicht worden.

7.2.7 SCC – Sicherheits Certifikat Contraktoren Das SCC-Regelwerk beschreibt die Vorgehensweise, die bei der Zertifizierung von Kontraktoren nach SCC (Sicherheits Certifikat Contraktoren) anzuwenden ist. Es behandelt sowohl den eigentlichen Zertifizierungsprozess als auch die Anforderungen, die an alle daran Beteiligten gestellt werden. In der deutschen Industrie werden Kontraktoren für technische Dienstleistungen und Personaldienstleister eingesetzt. Die Kontraktoren sind Unternehmer, die auf Grund eines Dienst- oder Werkvertrages für ihren Auftraggeber bestimmte technische Dienst- oder Werkleistungen erbringen. Personaldienstleister sind Unternehmen, die Personal anderen Unternehmen überlassen und dort Arbeiten gem. Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) ausführen (z. B. in Raffinerien, chemischen Werken o. ä.). Durch ihr Firmenmanagement und durch das Verhalten ihrer Mitarbeiter wirken die Kontraktoren und das überlassene Personal wesentlich auf den Sicherheits-, Gesundheitsund Umweltschutz-(SGU)-Standard ihrer Auftraggeber und damit auch auf deren Qualitätsstandards ein. Aus diesem Grunde prüfen die Unternehmen der Industrie die SGUManagement-Systeme der Kontraktoren und Personaldienstleister. Bereits 1994 wurde in den Niederlanden das Zertifizierungssystem VCA (Veiligheids Checklijst Aannemers) von dem Raad voor Accreditatie (Niederländischer Akkreditierungsrat RvA) zugelassen. Nach dessen erfolgreicher Einführung wurde im September 1995 ein an deutsches Recht angepasstes SCC-Zertifizierungs-System entwickelt und von der TGA – Trägergemeinschaft für Akkreditierung GmbH – in das deutsche Akkreditierungssystem aufgenommen. Inzwischen hat sich eine europäische SCC-Plattform etabliert, in der zurzeit die Sektorkomitees aus Belgien, Deutschland, den Niederlanden, Österreich und der Schweiz beteiligt sind. Hauptaufgabe dieser SCC-Plattform ist u. a. die Vergleichbarkeit der Systeme und die gegenseitige Anerkennung zu gewährleisten (Tab. 7.1). Das SCC-Zertifikat kann gemeinsam mit anderen Zertifikaten, z. B. DIN EN ISO 9001 oder DIN EN ISO 14001 erworben werden.

158

7

Sicherheits- und Gesundheitsschutzmanagement

Tab. 7.1 Zusammenhang zwischen den Abschnitten der OHSAS-Dokumente und denen der ILOOSH-Richtlinie Nr.

OHSAS Einführung

Nr. – 3.0 – 1.0 – – –

4.1

Vorwort Anwendungsbereich Normative Verweisungen Begriffe und Definitionen A&G-ManagementsystemElemente (nur Titel) Allgemeine Forderungen

4.2

A&G-Politik

4.3 4.3.1

Planung (nur Titel) Gefährdungserkennung, Risikobewertung und Festlegung der Lenkungsmaßnahmen

4.3.2

Gesetzliche und andere Forderungen

4.3.3

Zielsetzungen und Programm(e)

4.4

Implementierung und Durchführung (nur Titel) Ressourcen, Aufgaben, Verantwortlichkeit und Befugnis

1 2 3 4

4.4.1

4.4.2 4.4.3

Fähigkeit, Schulung und Bewusstsein Kommunikation, Mitbestimmung und Beratung

ILO-OSH-Richtlinie Einführung Das Arbeits- und Gesundheitsschutzmanagementsystem in der Organisation Die International Labour Organisation Zielsetzungen Literatur Glossar –

3.0

Das Arbeits- und Gesundheitsschutzmanagementsystem in der Organisation 3.1 Arbeits- und Gesundheitsschutzpolitik 3.16 Ständige Verbesserung – Planung und Umsetzung (nur Titel) 3.7 Erstmalige Prüfung 3.8 Planung, Entwicklung und Umsetzung des Systems 3.10 Gefahrenabwehr 3.10.1 Vorbeugende und lenkende Maßnahmen 3.10.2 Änderungsmanagement 3.10.5 Beauftragung 3.7.2 (Erstmalige Prüfung) 3.10.1.2 (Vorbeugende und lenkende Maßnahmen) 3.8 Planung, Entwicklung und Umsetzung des Systems 3.9 Arbeits- und Gesundheitsschutzziele 3.16 Ständige Verbesserung – – 3.3 3.8 3.16 3.4

4.4.4

Dokumentation

3.2 3.6 3.5

4.4.5

Lenkung der Dokumente

3.5

Verantwortung und Zuständigkeit Planung, Entwicklung und Umsetzung des Systems Ständige Verbesserung Fähigkeit und Schulung Arbeitnehmerbeteiligung Kommunikation Dokumentation des Arbeits- und Gesundheitsschutzmanagementsystems Dokumentation des Arbeits- und Gesundheitsschutzmanagementsystems

7.2 Arbeitsschutzmanagementsysteme

159

Tab. 7.1 (Fortsetzung) Nr. 4.4.6

OHSAS Ablauflenkung

Nr. 3.10.2 3.10.4 3.10.5 4.4.7 Notfallvorsorge und Gefahren- 3.10.3 abwehr 4.5 Kontrollmaßnahmen (nur Ti- – tel) 4.5.1 Leistungsmessung und -über- 4.5.1 wachung 4.5.2 Bewertung der Einhaltung von – Rechtsvorschriften 4.5.3 Nichtkonformität, – Korrektur- und Vorbeugungsmaßnahmen 4.5.3.1 Vorfalluntersuchung 3.12

3.16 4.5.3.2 Nichtkonformität, 3.15 Korrektur- und Vorbeugungsmaßnahmen 4.5.4 Lenkung von Aufzeichnungen 3.5 4.5.5 4.6

7.2.8

Internes Audit Managementbewertung

3.13 3.14 3.16

ILO-OSH-Richtlinie Änderungsmanagement Beschaffung Beauftragung Notfallvorbeugung, Notfallvorsorge und Gefahrenabwehr Auswertung (nur Titel) Leistungsüberwachung und -messung – –

Untersuchung von Arbeitsverletzungen, Erkrankungen, Krankheiten und Vorfällen und ihre Auswirkungen auf die Arbeits- und Gesundheitsschutzleistung Ständige Verbesserung Vorbeugungs- und Korrekturmaßnahmen

Dokumentation des Arbeits- und Gesundheitsschutzmanagementsystems Audit Managementbewertung Ständige Verbesserung

MAAS-BGW

Arbeits- und Gesundheitsschutz lässt sich auch im Gesundheitswesen ideal mit betrieblichem Qualitätsmanagement verknüpfen. Die Managementanforderungen zum Arbeitsschutz der Berufsgenossenschaft Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (MAAS-BGW) bilden die Grundlage für die Integration des Arbeitsschutzes in ein QualitätsmanagementSystem. Sie enthalten ausschließlich Anforderungen an das Management – Forderungen also, welche die Organisation des Arbeitsschutzes im Betrieb betreffen. Der Kriterienkatalog der Norm DIN EN ISO 9001 wird durch die Einbindung der MAAS-BGW erweitert. Außerdem werden durch den BGW-Ansatz in folgenden Bereichen zusätzliche schriftliche Festlegungen zum Arbeitsschutz notwendig: Ermittlung und Umsetzung gesetzlicher, berufsgenossenschaftlicher und behördlicher Anforderungen; arbeitsmedizinische Vorsorge; Beurteilung der Arbeitsbedingungen; Integration der Arbeitsschutzanforderungen in

160

7

Sicherheits- und Gesundheitsschutzmanagement

die Beschaffung; Umgang mit Gefahrstoffen; Erstprüfung und wiederkehrende Prüfungen und Notfall-Management. Gemäß MAAS-BGW wird mit der Integration des Arbeitsschutzes in ein Qualitätsmanagementsystem nach DIN EN ISO 9001 der prozessorientierte Ansatz dieser Norm für das Management des betrieblichen Arbeitsschutzes nutzbar gemacht. Sichere und gesunde Arbeitsbedingungen für die Mitarbeiter lassen sich effizienter erreichen, wenn die Verwirklichung des Arbeitsschutzes eingeordnet in die betrieblichen Prozesse in ihrer Verknüpfung und Wechselwirkung geleitet und gelenkt wird, einschließlich der Prozesse zur ständigen Verbesserung des Managementsystems. In der Anlage finden sie eine umfassende Zusammenstellung der Forderungen bedeutender Managementsysteme. Dies soll die synergetischen Potenziale verdeutlichen, die integrierte Managementsysteme bieten. Allen Arbeitsschutzmanagementsystemen liegt dabei ein auf ganzheitliche Prävention ausgerichtetes zukunftsfähiges Arbeitsschutzverständnis zu Grunde (Tab. 7.2)

Tab. 7.2 Veränderung des Arbeitsschutzverständnisses. (Cernavin 2008) Traditionelles Arbeitsschutzverständnis Geht von Vorschriften aus Belegt Nutzen der Maßnahmen für die Verhütung von Unfällen und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren Zielt auf Gefahrenverhütung (und versucht die Wirtschaftlichkeit seiner Maßnahmen nachzuweisen) sowie auf Rechtssicherheit Pflegt und fördert mängelfreie Technik und unterwiesene Beschäftigte Ist technikorientiert Betrachtet Einzelprobleme – monokausale Lösungen (Schutzeinrichtung defekt, Mängel beseitigen) Ist ein Thema von Experten Organisiert nur die Belange des Arbeitsschutzes Versteht eine Gefährdungsbeurteilung als Betrachtung von Einzelproblemen

Entwicklungsspektrum

Auf ganzheitliche Prävention ausgerichtetes, zukunftsfähiges Arbeitsschutzverständnis Geht vom Wertschöpfungsprozess aus Belegt Nutzen der präventiven Maßnahmen für den gesamten Wertschöpfungsprozess Zielt auf Produktivität, Leistungsbereitschaft, Fehlervermeidung (und Gefahrenvermeidung als Folge davon) sowie auf Rechtssicherheit Pflegt und fördert Ressourcen (Menschen, soziale Beziehungen, Arbeitsmittel, Gebäude) Ist prozessorientiert Betrachtet Organisations- und Arbeitssysteme – systemische Lösungen Ist integriert in die Arbeitsabläufe und in das Führungsverhalten Ist ein nützlicher Beitrag zur Gesamtorganisation des Unternehmens Nutzt die Gefährdungsbeurteilung als Betrachtung von Prozessen

7.3 Gesundheitsschutzmanagement

161

Tab. 7.2 (Fortsetzung) Traditionelles Arbeitsschutzverständnis

Entwicklungsspektrum

Sieht in der Gefährdungsbeurteilung ausschließlich ein Arbeitsschutzinstrument Ist eine (geduldete) Zusatzaufgabe im Unternehmen

7.3

Auf ganzheitliche Prävention ausgerichtetes, zukunftsfähiges Arbeitsschutzverständnis Betreibt die Gefährdungsbeurteilung als Teil der betrieblichen Schwachstellenanalyse und des Verbesserungsprozesses Ist erwünschter Bestandteil des Risikomanagements (nach Basel II)

Gesundheitsschutzmanagement

Wenn man sich die Entwicklung von Gesundheit als Wert anschaut, dann stellt man fest, dass es diesen über viele Jahrtausende explizit gar nicht gegeben hat. Es ist anzunehmen, dass eine Reflektion nur dann stattfand, wenn man sich verletzte oder trauerte und das Jagen oder Sammeln oder Tanzen nicht mehr ohne weiteres durchführbar war. Signifikant und sprunghaft wurde Gesundheit als Wert im Zuge der Aufklärung Mitte des 18. Jahrhunderts sichtbar. Die Menschen fingen an, darüber nachzudenken, was sie tun können, um ihren Gesundheitsstatus zu erhalten oder sogar zu verbessern (z. B. regelmäßig Hände waschen, Latrinen desinfizieren, Wasser abkochen, Leibesübungen durchführen). Der Wert der Gesundheit wurde also mit seinen positiven Funktionalitäten (Verringerung von Infektionen, Abnahme der Säuglingssterblichkeit u. a.) erkannt und von den primären Alltagshandlungen entkoppelt. Im 19. Jahrhundert schuf Otto von Bismarck die bis heute existierenden 3 Säulen der Sozialversicherung: Krankenversicherung, Unfallversicherung und Rentenversicherung. Mitte des 20. Jahrhunderts übernahmen die Menschen selbst mehr Verantwortung für sich und ihre Gesundheit und begannen Prävention zu betreiben. Sie fingen an, sich aus „gesundheitlichen“ Gründen zu bewegen oder darauf zu achten, sich bewusst gesund zu ernähren. Daraufhin entwickelte sich ein Gesundheitsmarkt mit dem nun auch Geld verdient werden konnte. Gesundheit begann sich zum Produktivfaktor zu entwickeln. Menschen wollten sich jetzt auch „besser fühlen“, „potenter sein“ oder „attraktiver aussehen“. Dienstleistungsangebote verbreiteten sich rasch (z. B. Bioläden, Fitnessstudios, Gesundheitsmedien). Von hier an war es nur ein kleiner Schritt, um Gesundheit auch in die Betriebe zu holen und zu fragen, wie betriebliche Gesundheitsleistungen organisiert und Arbeit insgesamt gesundheitsgerechter zu gestalten war. Heute gilt Gesundheit als der höchste Wert schlechthin. Gesundheit ist tatsächlich zur treibenden Kraft geworden (Dr. I. Weinrich/J. Lang: Betriebliches Gesundheitsmanagement, Arbeitsschutz Office Professional, Haufe Lexware 2017).

162

7

Sicherheits- und Gesundheitsschutzmanagement

7.3.1 Begriffsbestimmung von Gesundheit Die Vielzahl der Definitionen des Begriffs Gesundheit verdeutlicht die Komplexität und Perspektivenabhängigkeit durch die verschiedenen Herangehensweisen zur Bestimmung von Gesundheit auf Grund von Zeit- und Kontextunterschieden. Die World Health Organization identifizierte Gesundheit als „. . . state of complete physical, mental and social well being and not merely the absence of disease and infirmity“. Diese Definition geht über das Ursprüngliche Verständnis von Gesundheit als Abwesenheit von Krankheit hinaus. 1984 wurde die Begriffsbestimmung von Gesundheit von der WHO Working Group redefiniert als „the extent to which an individual or group is able on the one hand to realise aspirations and satisfy needs and on the other hand, to change and cope with the environment“. Durch den allgemeinen Wandel der Arbeit, Technik, Wirtschaft und Gesellschaft ist eine Veränderung der Anforderungen an den Menschen sowie eine Veränderung des Krankheitsspektrums zu vermehrt auftretenden psychischen Erkrankungen zu erkennen. Eine rein kurativ orientierte Betrachtungsperspektive ist völlig unzureichend, denn das Lebensumfeld und die auf den Menschen einwirkenden Faktoren gilt es zu analysieren. Dem liegt ein ganzheitliches Verständnis der Gesundheit zu Grunde, da geistige und seelische Gemütszustände ebenso wie die Einflüsse des Umfeldes einbezogen werden. In diesem Verständnis wird Gesundheit von physischen, psychischen und sozialen Aspekten bedingt.

7.3.2 I

Gesundheitsmodelle der Pathogenese und Salutogenese Tipp Pathogenese und Salutogenese sind generell zwei völlig unterschiedliche Betrachtungsperspektiven.

Im vergangenen Jahrhundert wurde medizinische Wissenschaft und Praxis von kurativen Fragestellungen und dem praktischen Interesse an der Krankheitsbehandlung geprägt – Prävention und Gesundheitsförderung wurden fast völlig vernachlässigt. Diese pathogenetisch orientierte Sichtweise, die Suche nach den Ursachen von Krankheit wird gegenüber der salutogenetischen Perspektive, der Frage nach den Faktoren guter Gesundheit, nahezu abgelöst.

7.3.2.1 Pathogenese In der Pathogenese wird von einem biomedizinischen Modell ausgegangen, das durch die Zweiteilung, der Gegenpole „gesund“ und „krank“, geprägt ist. Diese Sichtweise, d. h. das Verständnis von Gesundheit als Abwesenheit von Krankheit war bis zum zwanzigsten Jahrhundert vorherrschend. Als krank wird der Mensch bezeichnet, wenn er auf Grund messbarer, medizinischer Kriterien von seiner Referenzgruppe abweicht. Die Ursachen für Krankheit wird ausschließlich externen Faktoren oder genetischen Defekten zugeschrieben, denen ausschließlich eine somatische Behandlungstherapie entgegenwirken kann.

7.4 Verschiedene Modelle zum Zusammenhang zwischen Arbeit und Gesundheit

163

Ein Zusammenspiel von Körper und Geist wird in der Pathogenese ausgeschlossen und der Mensch somit von der eigenen Verantwortung für seinen körperlichen Zustand oder gegebenenfalls dem Heilungsprozess entbunden. Pathogenetische Ansätze der Gesundheitsförderung haben zum Ziel die Risiken zur Entstehung von Krankheiten zu vermeiden oder zumindest herabzusetzen.

7.3.2.2 Salutogenese Im Jahre 1986 wurde durch die Weltgesundheitsorganisation in Ottawa die nach dem Ort benannte Ottawa Charta veröffentlicht. „Gesundheitsförderung zielt auf einen Prozess, allen Menschen ein höheres Maß an Selbstbestimmung über ihre Gesundheit zu ermöglichen und sie damit zur Stärkung ihrer Gesundheit zu befähigen. Um ein umfassendes körperliches, seelisches und soziales Wohlbefinden zu erlangen, ist es notwendig, dass sowohl einzelne als auch Gruppen ihre Bedürfnisse befriedigen, ihre Wünsche und Hoffnungen verwirklichen sowie ihre Umwelt meistern bzw. verändern können.“ (Ottawa Charta) Es wird davon ausgegangen, dass die Gesundheit durch mehrere Faktoren beeinflusst wird. Nicht nur biologische Faktoren (Pathogenese), sondern auch psychologische sowie soziale Aspekte beeinflussen die Gesundheit. Grundlegend ist die Frage welche Faktoren den menschlichen Organismus gesund halten und was zur Gesundheitsförderung beiträgt bzw. wie ein Mensch trotz massiver externer Einflüsse gesund bleiben kann. Die Frage nach den Faktoren, die menschliche Gesundheit erhalten oder fördern, ist heute von immer größer werdender Bedeutung. Gesundheit ist als komplexes, mehrdimensionales Konstrukt zu verstehen, welches von verschiedenen Faktoren bedingt und beeinflusst wird.

7.4 Verschiedene Modelle zum Zusammenhang zwischen Arbeit und Gesundheit Verschiedene theoretische Modelle haben das Ziel den Zusammenhang zwischen der Arbeit und der Gesundheit zu beleuchten. Im Folgenden sollen beispielhaft zwei Modelle vorgestellt werden. Das Job-Demand-Control-Modell nach Karasek & Theorell, 1990 (Abb. 7.3) Das Job-Demand-Control-Modell geht davon aus, dass die Arbeitstätigkeit mit Hilfe der Dimensionen Arbeitsintensität und Tätigkeitsspielraum beschrieben werden kann. Es werden dabei vier Arbeitsformen unterschieden, die jeweils mit unterschiedlichen Konsequenzen für die Gesundheit und das Wohlbefinden des Arbeitnehmers einhergehen. Hervorzuheben ist jedoch die Erkenntnis, dass ein Anstieg der Arbeitsintensität mit negativem Befinden oder sogar psychosomatischen Beschwerden einhergeht. Der Anstieg des Tätigkeits- bzw. Entscheidungsspielraumes hat hingegen eine positive Auswirkung auf das Wohlbefinden und die Gesundheit. Besonders positiv wirkt sich eine angemessene Erhöhung beider Parameter aus. Hingegen kann eine hohe Arbeitsbelastung bei geringem

164

7

Entscheidungsspielraum/ Kontrolle

hoch

Sicherheits- und Gesundheitsschutzmanagement

low strain

aktiv

gering passiv

gering

high strain

hoch

quantitative Anforderungen

Abb. 7.3 Darstellung in Anlehnung an Karasek & Theorell, 1990

Tätigkeitsspielraum z. B. zu erhöhtem Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und psychischen Störungen führen. Das Modell beruflicher Gratifikationskrisen nach Siegrist, 1996 Welche Bedeutung der Balance zwischen Verausgabung in der Arbeit und der erhaltenen Belohnung beizumessen beschriebt Siegrist in seinem Modell der beruflichen Gratifikationskrisen. In der heutigen Arbeitswelt wird berufliche Verausgabung oft nicht entsprechend entlohnt und ein Ungleichgewicht der beiden Parameter kann dann zu negativen Konsequenzen für die Gesundheit und allgemeiner Demotivation führen. In der heutigen Zeit müssen die Mitarbeiter ein unausgeglichenes Verhältnis von Verausgabung und Bedrohung oft über einen längeren Zeitraum hinweg erleben. Hat der Mitarbeiter Angst vor der Arbeitslosigkeit, so wird er dieses Missverhältnis eher akzeptieren, als seine Stelle zu riskieren. Eine weitere Situation in der das außer Balance geratene Verhältnis akzeptiert wird ist die Aussicht auf verbesserte Karrierechancen (z. B. ein unbezahltes Praktikum bei einer renommierten Firma). Dragano betont, dass unter anderem bei einem unausgeglichenen Verhältnis von Verausgabung und Belohnung das Risiko einer Befindensbeeinträchtigung vierfach erhöht sei (Abb. 7.4). Zusammenfassend sind auf Grund der zwei vorgestellten Modelle die körperlichen Folgeschäden auf Grund von arbeitsbezogener Fehlbelastung auf hohe Verausgabung und einen geringen Tätigkeitsspielraum bei unangemessener Belohnung zurückzuführen.

7.4 Verschiedene Modelle zum Zusammenhang zwischen Arbeit und Gesundheit

165

extrinsisch ● Anforderungen ● Verpflichtungen (arbeitsplatzspezifisches Anforderungsprofil),

● Lohn, ● Wertschätzung, ● Aufstiegschancen, ● Arbeitsplatzsicherheit, Verausgabung

Belohnung

intrinsisch ● kritisch Bewältigung, d.h. berufliche Kontrollbestrebungen

Abb. 7.4 Darstellung in Anlehnung an Siegrist 1996

7.4.1

Das Belastungs-Beanspruchungs-Modell am Beispiel der psychischen Erkrankungen

Innerhalb des Belastungs-Beanspruchungskonzept versteht man unter „Belastungen“ die Gesamtheit aller Bedingungen, die bei der Arbeit auf den Menschen einwirken. Von der Belastung sind Beanspruchungen zu differenzieren. Unter „Beanspruchungen“ versteht man die Gesamtheit aller Auswirkungen, der bei der Arbeit auftretenden Belastungen. In Abhängigkeit von individuellen Einflussfaktoren und Gegebenheiten kann jedoch eine gleich hohe Belastung bei verschiedenen Personen zu unterschiedlich hoher Beanspruchung führen. Der Zusammenhang zwischen den arbeitsbedingten Einflüssen und der psychischen Beanspruchung die daraus resultieren soll im Folgenden am Belastungs-BeanspruchungsModell am Beispiel der psychischen Erkrankungen näher betrachtet werden. Die Bundesagentur für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) stellt in der Broschüre zum Thema „Psychische Belastung und Beanspruchung im Berufsleben“ die Signifikanz der psychischen Belastung als Antriebsquelle heraus. Definition psychischer Belastung nach DIN EN ISO 10075-1: 2000 Psychische Belastung ist die Gesamtheit aller erfassbaren Einflüsse, die von außen auf den Menschen zukommen und psychisch auf ihn einwirken.

166

7

Sicherheits- und Gesundheitsschutzmanagement

Tab. 7.3 Einflussfaktoren psychischer Belastung bei der Arbeit Einflussfaktoren Arbeitsaufgabe Arbeitsmittel Arbeitsumgebung Arbeitsorganisation Arbeitsplatz

Merkmale Art und Umfang der Tätigkeit wie z. B. Verantwortung, Vollständigkeit der Tätigkeit und Abwechslungsreichtum Alle technischen Komponenten am Arbeitsplatz wie z. B. Werkzeuge und Computer Physikalisch-chemisch-biologische Arbeitsumgebung wie z. B. Beleuchtung, Raumluft und soziale Arbeitsumgebung Regelungen bezüglich der Arbeit wie z. B. Arbeitszeit und Arbeitsablauf Direkte Arbeitsumgebung wie z. B. Konzeption des Bildschirmarbeitsplatzes

Im Unterschied zum Alltagsverständnis von Belastungen ist hier „psychische Belastung“ wertneutral definiert. Das Zusammenwirken objektiv erfassbarer Belastungsfaktoren führt demnach zu psychischer Belastung (Tab. 7.3). Definition psychischer Beanspruchung nach DIN EN ISO 10075-1: 2000 Psychische Beanspruchung ist die unmittelbare (nicht langfristige) Auswirkung der psychischen Belastung im Individuum in Abhängigkeit von seinen jeweiligen überdauernden und augenblicklichen Voraussetzungen, einschließlich der individuellen Bewältigungsstrategien. Psychische Beanspruchung ist demnach das Resultat der bewussten und unbewussten Verarbeitung der Belastungsfaktoren, die auf den Menschen einwirken. Die gleichen beruflichen Anforderungen können je nach Person zu einem unterschiedlichen Beanspruchungsgrad führen. Abhängig von der subjektiven Verarbeitung und dem Belastungsgrad kann es zu kurz- bzw. langfristigen Beanspruchungsfolgen kommen, die positiver oder negativer Natur sein können.

7.5

Aktuelle Tendenzen in der Arbeitswelt

Moderne Arbeitswelten sind durch verstärkten Wettbewerb, permanenten Leistungsdruck und veränderten Arbeits- und Organisationsstrukturen geprägt. Die Zunahme an wirtschaftlichem Wettbewerb durch Globalisierung und Technisierung hat eine Vielzahl belastender Faktoren zur Folge (Abb. 7.5). Die Veränderungen der Arbeitsbedingungen sowie der Arbeitsbelastungen wird als Belastungsstrukturwandel bezeichnet und kennzeichnet die Rückläufigkeit der körperlichen Beeinträchtigung und die Zunahme psychischer und sozialer Anforderungen der Arbeit. Die Arbeitstätigkeit geht auf Grund der technischen Weiterentwicklung oft mit körperlicher Unterforderung einher. Es sind demzufolge eher die Zwangshaltungen z. B. am Bildschirmarbeitsplatz und die recht eingeschränkte Muskelbeanspruchung, die eine Belastung für den Körper darstellen.

7.5 Aktuelle Tendenzen in der Arbeitswelt

167

Abb. 7.5 Belastungs-Beanspruchungs-Modell

Die steigende Bedeutung und Nutzung von Maßnahmen elektronischer Datenverarbeitung führt zu zunehmender Automatisierung und Handlungskontrolle der Arbeitsprozesse. Des Weiteren führt die Technisierung zur Abnahme sozialer Beziehungen im Unternehmen und erschwert die Kooperationsmöglichkeiten, wodurch eine Zunahme der psychosozialen Belastungen zu verzeichnen ist. Die fortschreitende Individualisierung und Flexibilisierung führt zusätzlich dazu, dass die soziale Unterstützung nahezu verloren geht. Die Überschneidung der Bereiche Ar-

168

7

Sicherheits- und Gesundheitsschutzmanagement

beit und Familie kann hier als weiterer Problemfaktor herausgegriffen werden (Stichwort „Familienfreundlicher Betrieb“). Eine weitere Veränderung in der Arbeitswelt wird durch die Einflüsse der demografischen Entwicklung Deutschlands geprägt. Der von Experten prognostizierte Bevölkerungsrückgang führt zu einer Reduktion der Erwerbstätigenzahlen. Die sinkende Geburtenrate geht jedoch mit einer sich steigernden Lebenserwartung und einem somit großem Anteil älterer Menschen an der Gesamtbevölkerung einher. Das erhöhte Risiko altersbedingter Erkrankungen stellt neue Herausforderungen an die Konzeption und Organisation der Arbeit. Die aktuellen Entwicklungen in der Arbeitswelt sind von temporären oder längerfristigen Arbeitslosigkeitsperioden, unsichere Anstellungsverhältnisse, flexiblen Arbeitszeiten – die in der aktuellen Tendenz oftmals unbezahlte Wochenend- und Mehrarbeit bedeuten – sowie von Leiharbeits- und Zeitverträgen gekennzeichnet. Diesbezüglich weist auch die Hans Böckler Stiftung darauf hin, dass durch den wirtschaftlichen Aufschwung Deutschlands quantitativ mehr Arbeit vorhanden sei, diese jedoch kaum zu neuen Arbeitsplätzen führt. In Form von Überstunden und Mehrarbeit wird das Arbeitskräftedefizit der Unternehmungen kompensiert, welche jedoch meist zu keiner angemessenen Lohnsteigerung führen würde.

7.6 Veränderung des Krankheitsspektrums Der Wandel der Arbeitsbedingungen und Arbeitsanforderungen führt zu einer Veränderung der psychischen, physischen und sozialen Belastungsstrukturen, welche wiederum Einfluss auf das Krankheitsspektrum haben. Drei Viertel der Ausfalltage werden von sechs Krankheitsgruppen geprägt: Krankheiten des Muskel-Skelett-Systems (26,5 %), der Verletzungen und Vergiftungen (15,7 %), des Atmungssystems, der psychischen Störungen (8,9 %), des Verdauungssystems (6,6 %) und Krankheiten des Kreislaufsystems (4,6 %). Der Anstieg psychischer Erkrankungen der BKK Pflichtmitglieder hat von 1976 bis 1991 zu einer Verdopplung des prozentualen Anteils der Krankheitstage geführt und ist seitdem um weitere 35 % angestiegen. Zahlreiche Studien der Krankenkassen belegen, dass die Anzahl ärztlich diagnostizierter Arbeitsunfähigkeit auf Grund psychischer Störungen ansteigt (Abb. 7.6), während der Krankenstand insgesamt zurückgeht (Abb. 7.7). In einer Studie der BKK wurde hohen Kosten psychischer Fehlbelastung hingewiesen: So entstanden in Deutschland durch psychische Belastungen am Arbeitsplatz rund 24,5 Mrd. C Krankheitskosten. Diese ließen sich untergliedern in 11,1 Mrd. C für Kosten der Krankheitsbehandlung und 13,4 Mrd. C Kosten des Produktivitätsausfalls durch Arbeitsunfähigkeit.

7.6 Veränderung des Krankheitsspektrums

169

Arbeitszeitenverlängerung in Betrieben 30%

Arbeitszeitenverlängerung in %

25%

20%

15%

10%

5%

0% Jahr 2005

Jahr 2007

Jeder vierte Betrieb hat bis 2007 die Arbeitszeiten verlängert

Abb. 7.6 Darstellung in Anlehnung an die Ergebnisse der WSI-Betriebsrätebefragung. (Quelle: Hans Böckler Stiftung)

AU-Tage je Mitglied 25

20

15 AU-Tage je Mitglied 10

5

0 1994

1997

2000

Abb. 7.7 Entwicklung der AU-Tage

2002

2004

2005

2006

170

7

Sicherheits- und Gesundheitsschutzmanagement

starken Lärm* schwere Lasten* Zwangshaltung* physisch belastet durch

repetitive Bewegungen*

psychisch belastet durch monotone Tätigkeit sehr hohes Arbeitstempo* Arbeiten unter Termindruck* komplexe Tätigkeit 0%

20%

40%

60%

80%

Abb. 7.8 Belastungen am Arbeitsplatz (* jeweils mindestens während der Hälfte der Arbeitszeit). (Quelle: Hans Böckler Stiftung)

7.7 Kosten von Fehlzeiten und Präsentismus Die BKKn verzeichnen den niedrigsten Krankenstand seit dreißig Jahren – dieser erste Blick auf die Fehlzeiten in Deutschland scheint äußerst positiv. Lange Zeit wurden die Kosten der Arbeitsunfähigkeitstage diskutiert – der sogenannte Absentismus. Fehlzeiten lassen sich auf vier Ursachen zurückführen:  Unfallbedingte Ursachen (Arbeits- und Freizeitunfälle)  Fehlzeiten die gesetzlich oder vertraglich geregelt sind (z. B. Mutterschutz, Urlaub)  Fehlzeiten „medizinisch-biologischer“ Natur (individuelle Gründe und arbeitsplatzspezifische Faktoren)  Motivationale Gründe (z. B. Unzufriedenheit des Mitarbeiters) Krankheitsbedingte Fehlzeiten führten dazu, dass im Jahr 2000 über dreißig Milliarden Euro von den Unternehmen in Deutschland gezahlt werden mussten, um Lohnersatzleistungen zu erbringen. Diese Summe setzte sich aus der Entgeltfortzahlung in Höhe von 27 Mrd. C, sowie dem Krankengeld von 3,5 Mrd. C. Die zusätzlichen Kosten der auf Fehlzeiten basierenden Produktionsausfälle beliefen sich im Jahre 2000 auf 47 Mrd. C. Seit 1994 ist eine nahezu kontinuierlich fallende Fehlzeitenquote zu beobachten. Fraglich ist jedoch ob es seitdem wirklich weniger Kranke gibt oder liegt es daran, dass auch erkrankte Arbeitnehmer anwesend sind?

7.7 Kosten von Fehlzeiten und Präsentismus

171

Tab. 7.4 Präsentismus vs. Absentismus Anwesenheit Abwesenheit/Krankmeldung

Krankheit Präsentismus Arbeitsunfähigkeit

Gesundheit Arbeitsfähigkeit Absentismus

Es ist bekannt, dass die Entwicklung des Krankenstandes und die wirtschaftliche Situation prozyklisch verlaufen. Die prekäre Situation des Arbeitsmarktes scheint demnach grundlegenden Einfluss auf die Fehlzeitenquote zu nehmen. In den Medien wird darüber berichtet, dass viele Unternehmen ihre Produktionsstätten ins Ausland verlegen, um Lohnkosten einzusparen. Des Weiteren führt der Anstieg von befristeten Arbeitsverträgen und der Inanspruchnahme von Leiharbeiter zur Angst den eigenen Arbeitsplatz zu verlieren. Trotz gesundheitlicher Beschwerden gehen die Menschen vermehrt zur Arbeit. Diese Entwicklung wird als Präsentismus bezeichnet und bildet die Kehrseite des Absentismus (Tab. 7.4). Mitarbeiter, die trotz gesundheitlichen Einschränkungen zur arbeiten gehen, können ihr eigentliches Potenzial nicht voll ausschöpfen. Es ist davon auszugehen, dass bei dauerhafter Arbeitspräsenz trotz gesundheitlicher Einschränkung eine Beeinträchtigung des Gesundheitszustandes und Intensivierung der Krankheitssymptome stattfindet. Es ist zu vermuten, dass Präsentismus zu einer weiteren Verschlechterung des Gemütszustandes führt und somit auch negativen Einfluss auf das Betriebsklima ausüben kann. Gerade bei KMU kann dies dramatische Folgen haben, da die negative Stimmung sich schnell in der gesamten Unternehmung ausbreitet. Bei Betrachtung der ökonomischen Auswirkungen des Präsentismus konnte in verschiedenen wissenschaftlichen Studien festgestellt werden, dass die Kosten die durch Präsentismus entstehen die Kosten der Fehlzeiten sogar übertreffen (Abb. 7.9). Es wurde herausgefunden, dass durch Depressionen oder Schmerzen entstandene Produktivitätsver-

krankheitsbedingte Abwesenheit der Mitarbeiter

nicht eingebrachtes Potential anwesender Mitarbeiter (Präsentismus)

Abb. 7.9 Eisberg-Modell

172

7

Sicherheits- und Gesundheitsschutzmanagement

luste bei der Arbeit die Kompensierungskosten dreimal so hoch ansiedeln, als wenn der Mitarbeiter gefehlt hätte. Gerade klein- und mittelständische Unternehmen können vom krankheitsbedingten Mitarbeiterausfall schwer getroffen werden. Oft bedeutet das den Verlust eines Auftrages oder interessanter Geschäftskunden.

7.8

Demografischer Wandel

Die Alterszusammensetzung der deutschen Bevölkerung wandelt sich: Eine geringe Geburtenrate und die verlängerte Lebenserwartung führen dazu, dass es immer mehr Ältere und demgegenüber weniger Jüngere geben wird. „Alternde Gesellschaft“ und „demografischer Wandel“ sind vor allem aus der Diskussion um die Sicherheit der Altersrente bekannt. Aber auch für Unternehmen bahnen sich große Veränderungen an. Schon in einigen Jahren kann es zu einem Mangel an qualifizierten Arbeitskräften kommen, denn das Angebot insbesondere an jüngeren Arbeitskräften wird sich deutlich verringern (Richenhagen und Meyer-Falcke 2005). Für Unternehmen erfordern diese Entwicklungen neue Personalstrategien. Die, die schon heute eine vorausschauende Personalpolitik betreiben, haben strategische Vorteile gegenüber den Unternehmen, die den demografischen Wandel ignorieren. Der Gesundheitszustand der Beschäftigten ist eine der wesentlichen Voraussetzung für die Bewältigung der demografischen Herausforderung. Das gilt sowohl für die Gesundheit der heute noch jungen, als auch die der schon Älteren. Der Beitrag zeigt mögliche Handlungsansätze auf, mit denen sich Betriebsärzte in diesem Kontext aktiv einbringen können. Unternehmen müssen sich bereits heute darauf einstellen, dass in Zukunft:      I

qualifizierte Bewerber auf dem Arbeitsmarkt ein knappes Gut werden, nur attraktive „Marken-Unternehmen“ geeignete Mitarbeiter rekrutieren können Innovation immer mehr eine Sache der Älteren im Unternehmen sein wird ungesunde Arbeitsplätze von heute morgen teuer bezahlt werden müssen am Ende der Wertschöpfungskette immer öfter ältere Kunden stehen Tipp Für Unternehmen erfordert der demografische Wandel neue Personalstrategien. Die Unternehmen, die schon heute eine vorausschauende Personalpolitik betreiben, haben strategische Vorteile!

Die Anzahl der Kinder pro Frau beträgt in Deutschland zurzeit etwa 1,4 gegenüber ca. 2,5 Mitte der 1960iger Jahre. Durch Fortschritte in Gesundheitswesen, Hygiene, Ernährung, Wohnsituation und Arbeitsbedingungen sowie durch gestiegenen materiellen Wohlstand hat das Sterblichkeitsniveau der Menschen in Deutschland parallel dazu stark abgenommen. Erleben heute mindestens 50 % der Männer und 70 % der Frauen ihr 75. Lebensjahr, so waren es Anfang der 1970er Jahre lediglich ca. 40 % aller Männer und 60 %

7.8 Demografischer Wandel

173

aller Frauen (Statistisches Bundesamt 2003). Diese beiden Entwicklungen führen dazu, dass die Bevölkerungszahl insgesamt schrumpft und sich zudem die Altersstruktur spürbar verändert: Der Anteil junger Menschen unter 20 Jahren nimmt stark ab, während die Anzahl der über 60jährigen stark zunimmt. Was für die Bevölkerung insgesamt gilt, trifft auch auf die Erwerbsbevölkerung zu. So werden im Jahre 2020 die 50- bis 64jährigen die „Mittelalten“ (d. h. die 35- bis 49jährigen) als stärkste Gruppe abgelöst haben. Diese als Kohortenwechsel bezeichnete Veränderung findet vermutlich in den Jahren 2013 bis 2015 statt. Von dieser Entwicklung hin zu alternden Unternehmen sind Unternehmen je nach Branche und derzeitigem Altersaufbau unterschiedlich betroffen, aber über alle Erwerbspersonen betrachtet ist sie nicht aufzuhalten. Wenn Unternehmen altern, führt dies zu Situationen, die ihre Wettbewerbs- und insbesondere ihre Innovationsfähigkeit gefährden können. Die potenzielle Gefährdung entsteht dabei nicht, weil ältere Mitarbeiter generell weniger leistungsfähig wären, sondern dann, wenn bisherige Unternehmensstrategien unter dem Eindruck des demografischen Wandels nicht in Frage gestellt werden:  So ist es heute z. B. in Betrieben mit hoher Spezialisierung üblich, dass junge Beschäftigte „junge“ Produkte betreuen, die in modernen Arbeitsverfahren erstellt werden, während Ältere vornehmlich mit solchen zu tun haben, die schon lange „auf dem Markt sind“ und traditionell erarbeitet werden (Pack et al. 2000).  Der jetzt schon in einigen Bereichen festzustellende Mangel an Fachkräften verschärft sich zum einen durch die anhaltenden Frühverrentungsmaßnahmen, zum anderen durch die nicht ausreichenden Ausbildungsanstrengungen.  Bei vielen Tätigkeiten summieren sich die Belastungsfolgen im Laufe des Berufslebens so gravierend auf, dass ein innovatives und produktives Arbeiten bis ins Rentenalter erschwert oder unmöglich gemacht wird. I

7.8.1

Tipp Wenn bisherige Unternehmensstrategien unter dem Druck des demografischen Wandels nicht in Frage gestellt werden, kann dies zu einer Gefährdung der Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit führen!

Leistungsfähigkeit älterer Beschäftigter: Kompetenz statt Defizit

Die Leistungsfähigkeit älterer Mitarbeiter wird vielfach noch vor dem Hintergrund eines Defizitmodells betrachtet. Das Altern im Erwerbsleben ist demzufolge dadurch gekennzeichnet, dass bestimmte physische und psychische Fähigkeiten nachlassen. Diesem Ansatz zufolge sind ältere Arbeitnehmer „generell weniger innovativ, leistungsfähig, kreativ und belastbar als jüngere Beschäftigte“ (Pack et al. 2000). Das Defizitmodell gilt aber seit Beginn der 1990er Jahre als empirisch widerlegt (McEvoy und Cascio 1989; Aviolio et al.

174

7

Sicherheits- und Gesundheitsschutzmanagement

1990). Hinzu kommt, dass Unterschiede zwischen einzelnen Beschäftigten oftmals viel größer sind als zwischen Älteren und Jüngeren. Dem Defizitmodell gegenüber steht das Kompetenzmodell, wonach der Mensch in jeder Lebensphase Kompetenzen besitzt, die sich von denen früherer Lebensabschnitte unterscheiden. In diesem Modell wird „eine altersspezifische Beeinträchtigung . . . nicht gänzlich bestritten. Es besteht dabei [jedoch] . . . so viel Kapazität zur Kompensation, dass nicht von einem durchgängigen altersbedingten Abbau geistiger Funktionen gesprochen werden kann. Ein großer Teil kognitiver Leistungen wird eben nicht durch das Lebensalter bestimmt, sondern beeinflusst durch individuelle und soziale Lebensbedingungen“ (Marquardt 2003). An der Gestaltung dieser Lebensbedingungen (der privaten ebenso wie der arbeitsrelevanten) setzen die möglichen Handlungsoptionen an.

7.8.2

Ermittlung des betrieblichen Handlungsbedarfes

„Quick-Check“ Um einschätzen zu können, ob betriebsspezifischer Handlungsbedarf besteht, muss die Frage beantwortet werden: „Wie zukunftsfest ist die Arbeits- und Personalpolitik des Unternehmens im Hinblick auf den demografischen Wandel?“. Eine orientierende Einschätzung ermöglicht z. B. der in Tab. 7.5 wiedergegebene „Quick-Check“ (GiGA 2005).

Tab. 7.5 „Quick-Check“ zur orientierenden Einschätzung des Handlungsbedarfs eines Unternehmens im Hinblick auf den demografischen Wandel Quick-Check-Feststellung Die Zusammensetzung der Altersgruppen im Unternehmen ist bekannt und fließt in personalpolitische Entscheidungen ein. Die Altersstruktur besteht zu gleichen Teilen aus jungen, mittelalten und älteren Mitarbeitern. Die Arbeitstätigkeiten sind so gestaltet, dass Mitarbeiter diese bis zum 65. Lebensjahr ausführen können. Die Mitarbeiter werden aktiv bei der Gestaltung ihrer Arbeitsbedingungen beteiligt. Es gelingt dem Unternehmen problemlos, den Bedarf an jungen Fachkräften auszubilden oder zu rekrutieren. Alle Mitarbeiter – auch ältere – erhalten die Chance, sich zu qualifizieren und ihre Kompetenzen zu erweitern. Der Wissensaustausch zwischen älteren, erfahrenen Mitarbeitern und dem Nachwuchs wird gezielt gefördert. Allen Mitarbeitern wird im Unternehmen eine berufliche Entwicklungsperspektive geboten.

Trifft eher zu

Trifft eher nicht zu

7.8 Demografischer Wandel

175

7.8.3 Altersstrukturanalyse Grundlage jedes betrieblichen Handlungsplanes zur Thematik des demografischen Wandel muss eine geeignete Analyse und Fortschreibung der Altersverteilung der Beschäftigten sein. Dabei ist es im Regelfall nicht ausreichend, eine komprimierte Altersverteilung für den gesamten Betrieb zu erarbeiten, da diese z. B. nicht erkennen lässt, ob bei bestimmten Beschäftigtengruppen oder in bestimmten Abteilungen ein besonders großer Handlungsdruck vorliegt. Aussagekräftiger sind so genannte Altersstrukturanalysen, die die Altersverteilung bezogen auf einzelne Organisationseinheiten, Funktionsgruppen und Qualifikationsniveaus erheben und auf die Zukunft projizieren. Darüber hinaus ist es mit Hilfe dieses Instrumentariums möglich, durch Eingabe betriebsspezifischer Annahmen verschiedene Zukunftsszenarien durchzuspielen und zu diskutieren. Auf Grund einer solchen Altersstrukturanalyse kann man z. B. leicht erkennen, welchen prozentualen Anteil die über 50jährigen – getrennt nach Funktionsgruppen – heute und in nächsten Jahren ausmachen, wenn das Unternehmen seine bisherigen Personalpolitik beibehält, und was demzufolge geeignete Rekrutierungsstrategien sind.

7.8.4

Handlungsfelder

Abb. 7.10 zeigt, auf welche Handlungsfelder sich die Maßnahmen zur Bewältigung des demografischen Wandels im Unternehmen erstrecken können. Allerdings ist erst eine Kombination aus Maßnahmen verschiedener Handlungsfelder auch mittelfristig noch wirksam, wie eine über 10 Jahre laufende Längsschnittstudie von Tuomi und Ilmarinen (1999) zeigt. Ohne geeignete betriebliche Maßnahmen zum demografischen Wandel nahm die Arbeitsfähigkeit im untersuchten Kollektiv mit steigendem Alter im Regelfall ab (siehe Abb. 7.11 schwarze Kurve). Durch Maßnahmen der verhaltensbezogenen Gesundheitsförderung konnte sie immerhin für einige Jahre gesteigert werden, fiel dann aber ab, da die Nachhaltigkeit fehlte (graue Kurve). Erst durch eine Kombination von Fitnessprogrammen, ergonomischen Verbesserungen und angemessenem Führungsverhalten ließ sich die Arbeitsfähigkeit bis weit über das 60. Lebensjahr auf das gleiche Niveau bringen, das die Beschäftigten im Alter von 45 hatten (weiße Kurve).

7.8.5 Die Bedeutung des Führungsverhaltens im demografischen Wandel Das Führungsverhalten ist der einzige Faktor, für den Ilmarinen und Tempel (2002) einen hoch signifikanten Einfluss auf die Verbesserung der Arbeitsfähigkeit in der sechsten Lebensdekade nachweisen konnten. Beispiele für alternsgerechte Führung sind danach:

176

7

Sicherheits- und Gesundheitsschutzmanagement

Abb. 7.10 Mögliche Handlungsfelder für die betriebliche Intervention in Zusammenhang mit dem demografischen Wandel

Weiterbildung

Arbeitsgestaltung

Gesundheit

Demografischer Wandel Unternehmenskultur

Führungsverhalten Personalmanagement

50 Individuelle Gesundheitsförderung, ergonomische Maßnahmen, verbessertes Führungsverhalten

45

Arbeitsfähigkeit

40

Nur individuelle Gesundheitsförderung

35 30

Keine Maßnahmen 25 20 40

45

50

55

60

65

Alter (Jahre)

Abb. 7.11 Arbeitsfähigkeit in Abhängigkeit vom Alter bei unterschiedlichen betrieblichen Interventionsmaßnahmen (Arbeitsfähigkeit ermittelt durch Interviews; Punkteskala von 7 D schlecht bis 49 D sehr gut). (Prinzipdarstellung nach Tuomi und Ilmarinen 1999)

7.8 Demografischer Wandel

177

 realistische, vorurteilsfreie Einschätzung des Leistungsvermögens Älterer,  Anerkennung ihrer Leistungen, aber auch Thematisierung von Leistungseinschränkungen,  Praktizieren eines kooperativen Führungsstil, der individuelle Arbeitsplanung zulässt,  Förderung des Dialogs zwischen jüngeren und älteren Beschäftigten,  Gestaltung alternsgerechter Erwerbsverläufe,  positive Beeinflussung des Weiterbildungsverhaltens älterer Mitarbeiter. I

Tipp Das Führungsverhalten ist der einzige Faktor für einen hoch signifikanten Einfluss auf die Verbesserung der Arbeitsfähigkeit älterer Mitarbeiter!

I

Tipp Beständige berufliche Weiterbildung ist in der Wissensgesellschaft unabdingbar!

In keiner Unternehmenskultur darf der Fokus ausschließlich auf eine Beschäftigtengruppe gelegt werden. Im Kontext einer alternden Belegschaft haben die Jungen und die „Mittelalten“ die gleiche wichtige Bedeutung (Jürgenhake et al. 2003) wie die Älteren. Gleichwohl muss die Unternehmenskultur auch (!) von einer Wertschätzung gegenüber älteren Mitarbeitern getragen werden. Beispiele für Maßnahmen aus dem Bereich der Unternehmenskultur sind:  Entwicklung und Umsetzung von Unternehmensgrundsätzen, die auf einen langfristigen Erhalt der Arbeitsfähigkeit setzen  Maßnahmen, die Führungskräfte zum Einstellungswandel in Bezug auf die Leistungsfähigkeit älterer Beschäftigter ermuntern  Workshops zum Thema „Ältere Beschäftigte“  Verankerung einer alternsgerechten Arbeits- und Personalpolitik im Unternehmensleitbild

7.8.6

Demografischer Wandel und Personalmanagement

Die Rekrutierung junger, motivierter und gut ausgebildeter Nachwuchskräfte wird zur großen Herausforderung für die Betriebe. Ein Weg ist, frühzeitig Kooperationen mit Schulen der Region anzubahnen und durch Präsentationen, Praktika, betriebsrelevante Inhalte im Schulunterricht etc. zu pflegen (Wingen 2003). Beispiele für personalwirtschaftliche Maßnahmen, die sich an altersstrukturellen Zielsetzungen orientieren (Pack et al. 2000), sind:  Tätigkeitswechsel auf horizontaler Ebene, um betriebsinterne Laufbahnen zu ermöglichen (z. B. Aufwertung der Fachlaufbahn),  Berücksichtigung der betrieblichen Altersstruktur bei Personalentscheidungen mit dem Ziel, einen „gesunden Altersmix“ zu erhalten,

178

7

Sicherheits- und Gesundheitsschutzmanagement

 Durchführung von Wiedereingliederungsmaßnahmen für bisher unerschlossenen Personengruppen (z. B. Frauen nach der Familienphase oder ältere Arbeitslose),  Schaffung eines positiven Betriebsklimas, um unerwünschte Abgänge und innere Kündigungen zu vermeiden. I

Tipp Die Rekrutierung junger, motivierter und gut ausgebildeter Nachwuchskräfte wird zur großen Herausforderung für die Betriebe!

Insgesamt wird es unter den Rahmenbedingungen des demografischen Wandels immer wichtiger, im Hinblick auf die „Ressource Mensch“ integrativ und strategisch vorzugehen.

7.9 Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) Eine besondere Rolle im betrieblichen Gesundheitsschutz wird zukünftig das „Betriebliche Gesundheitsmanagement“ spielen. (Walter et al. 2006) Betriebliches Gesundheitsmanagement zielt auf die Unternehmenskultur, auf Klima und Führung. Es zielt auf die Qualifizierung der Beschäftigten, ihr gesundheitsbewusstes Verhalten und insbesondere auch auf eine gesundheitsförderliche Arbeitsgestaltung. Einem vorzeitigen Verschleiß der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf allen Unternehmensebenen wird dadurch entgegen gewirkt. Das Betriebsergebnis wird gesteigert und der langfristige Unternehmenserfolg gesichert. Betriebliches Gesundheitsmanagement ermöglicht:  das Vertrauen der Beschäftigten zu erhöhen und die Bindung an Aufgaben und Unternehmensziele zu stärken  Störungen in Abläufen und Arbeitsprozessen abzubauen  Informationsfluss, Kooperation und Teamarbeit zu verbessern  den Wissensaustausch zu erleichtern  Kontroll- und Koordinationskosten zu senken  Stress, Fehlzeiten und Fluktuation zu reduzieren  die Arbeitseffizienz zu steigern  die Qualität der Produkte und Dienstleistungen zu verbessern I

Tipp „BGM ist die Entwicklung betrieblicher Rahmenbedingungen, betrieblicher Strukturen und Prozesse, die die gesundheitsförderliche Gestaltung von Arbeit und Organisation und die Befähigung zum gesundheitsförderlichen Verhalten der Mitarbeiter zum Ziel haben!“ (Definition des BGM durch den Weiterbildungsstudiengang BGM an der Universität Bielefeld)

Da die so genannten „weichen Unternehmensfaktoren“ zunehmend ins Zentrum der Aufmerksamkeit von Analysten und Managern rücken, diese zugleich aber auch von zen-

7.9 Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM)

179

Abb. 7.12 Zusammenhang zwischen Organisation, Gesundheit und Arbeitsverhalten. (Walter et al. 2006)

traler Bedeutung für die Gesundheit der Beschäftigten sind, liegen hier noch viele ungenutzte Potenziale und Synergien. Auf ihre Erschließung zielt das Betriebliche Gesundheitsmanagement. Die zentrale Maxime lautet: „Gesundheit fördert Arbeit“ (s. Abb. 7.12).

7.9.1

Kernelemente des Betrieblichen Gesundheitsmanagements

Ein wesentlicher Erfolgsfaktor für Betriebliches Gesundheitsmanagement ist das ausdrückliche „Wollen“ des Topmanagements. Betriebliches Gesundheitsmanagement wird seine volle Wirksamkeit nur dann entfalten, wenn es vom Topmanagement als Führungsaufgabe erkannt und wahrgenommen und in Kooperation mit der Arbeitnehmervertretung aktiv und dauerhaft unterstützt wird (Walter et al. 2006). Um notwendige Veränderungen in der Unternehmensorganisation anzustoßen und voranzutreiben, wird ein für strategische Entscheidungen autorisiertes Gremium benötigt. Daher ist für die Einführung und die dauerhafte Steuerung von Betrieblichem Gesundheitsmanagement die Einrichtung eines Lenkungsausschuss in Form eines Arbeitskreises Gesundheit anzuraten. Grundlage für zielgerichtete Aktivitäten im Betrieblichen Gesundheitsmanagement sind der Aufbau einer integrierten Dateninfrastruktur und die Entwicklung eines Kennzahlensystems. Dies ermöglicht eine kontinuierliche quantitative Betrachtung des für das betriebliche Gesundheitsmanagement relevanten Unternehmensgeschehens. Die Einführung und Verankerung eines Betrieblichen Gesundheitsmanagements erfolgt über die vier Kernprozesse: Diagnose, Interventionsplanung, Interventionsdurchführung und Evaluation. Die damit befassten Experten sollten für diese Aufgabe ausreichend qualifiziert sein, d. h. über das erforderliche Fachwissen, Methoden- und Prozesskenntnisse verfügen.

180

7

Sicherheits- und Gesundheitsschutzmanagement

Das betriebliche Gesundheitsmanagement lässt sich in drei Handlungsfelder unterteilen:  Betriebliche Gesundheitsförderung  Arbeits- und Gesundheitsschutz sowie  Betriebliche Eingliederung/Disability Management Für ein erfolgreiches BGM bedarf es folgender betrieblicher Voraussetzungen:     

Unternehmensphilosophie Vision/Ziel belastbare Datenlage (Quantität) Hypothesen (Qualität) Kennzahlen

7.9.2

BGM vs. BGF

Sehr häufig wird „Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM)“ mit „Betrieblicher Gesundheitsförderung (BGF)“ gleichgesetzt. Dies ist ein großer Fehler, da hierdurch der eigentlich wichtige Managementansatz des BGM „vergessen“ wird. Betriebliche Gesundheitsförderung ist immer nur ein Teil des betrieblichen Gesundheitsmanagements: I

Tipp C Führungs-/Unternehmenskultur C Arbeitsplatzgestaltung C Arbeitsorganisation/-zeit C Qualifikation C Gesundheitsschutz/-förderung D Gesundheitsmanagement „Betriebliche Gesundheitsförderung (BGF) umfasst alle gemeinsamen Maßnahmen von Arbeitgebern, Arbeitnehmern und Gesellschaft zur Verbesserung von Gesundheit und Wohlbefinden am Arbeitsplatz ...!“ (Luxemburger Deklaration zur Gesundheitsförderung)

BGF besetzt die Handlungsfelder Verhältnisprävention (gesundheitsgerechte Arbeits-/ Arbeitsinhalts-Gestaltung), Verhaltensprävention (Bewegungsförderung, Rückenschule, Stressprävention, Ernährungsberatung) und bedient sich Instrumenten wie z. B. Gesundheitszirkel, ASA etc.. Sie beschreibt einzelne Maßnahmen zur Verhaltensmodifikation der Mitarbeiter oder auch zeitlich befristete Interventionen in das Betriebsgeschehen, um die Gesundheit der Beschäftigten zu erhalten oder den Gesundheitszustand zu verbessern.

7.9 Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM)

181

BGM hingegen ist ein Konzept der bewussten Steuerung, Integration und Entwicklung aller betrieblichen Prozesse mit dem Ziel der Erhaltung und Förderung der Gesundheit und des Wohlbefindens der Beschäftigten. I

Tipp BGF beschreibt einzelne Maßnahmen zur Verhaltensmodifikation der Mitarbeiter oder auch zeitlich befristete Interventionen. BGM hingegen ist ein Konzept der bewussten Steuerung, Integration und Entwicklung aller betrieblichen Prozesse!

Man kann also von Entwicklung sprechen von der eher themenzentrierten Projektebene des BGF hin zu einer insbesondere strukturellen Optimierung im Rahmen des BGM. Die Betriebliche Gesundheitsförderung hat im Gegensatz zum BGM eine rechtliche Grundlage und wurde erstmals 1988 in Ansätzen zu Maßnahmen zur Gesundheitsförderung in Betrieben im Gesundheitsreformgesetz festgehalten. Heute findet sich die betriebliche Gesundheitsförderung in § 20 SGB V wieder.

7.9.3 Ökonomischer Nutzen von BGM und BGF Die monetäre Quantifizierung von Effekten aus betrieblicher Gesundheitsförderung (BGF) ist problematisch, da gesundheitsrelevante Auswirkungen oft kaum abschätzbar sind und der monetäre Effekt nicht unmittelbar erkennbar ist. Die Ergebnisse in den Studien sind teils konsistent, teils aber auch sehr heterogen, was eine Verallgemeinerung deutlich erschwert. Dennoch wurden, parallel zu den medizinischen Untersuchungen und Tests, auf internationaler Ebene bereits Überlegungen zu den finanziellen Auswirkungen gemacht, die primär auf die aus Absentismus entstehenden Kosten und den direkten Krankheitskosten aufbauen. Eine sehr saubere Studie aus jüngerer Zeit von Helmenstein et al. (2004) zeigte für Österreich einen ökonomischen Nutzen der BGF in Höhe von 1,7 % des Bruttoinlandsprodukts. Sehr viel höher jedoch dürfte der Nutzen ausfallen, wenn die betriebliche Gesundheitsförderung in ein umfassendes betriebliches Gesundheitsmanagement in Verbindung mit einem Betriebssicherheitsmanagement eingebettet wird, da gerade durch diese umfassenden Managementkonzepte die Nachhaltigkeit gewährleistet wird. Dies wird auch in einer deutschen Studie zu Wirksamkeit und Nutzen betrieblicher Gesundheitsförderung und Prävention deutlich, in der die wissenschaftliche Evidenz im Zeitraum 2000 bis 2006 zusammengestellt wurde (Sockoll et al. 2008). Im gewählten Veröffentlichungszeitraum konnten von Sockoll et al. insgesamt zehn relevante Reviews ausfindig gemacht werden, deren Anliegen es ist, den ökonomischen Nutzen von Maßnahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung und Prävention zu untersuchen. Wie bereits angesprochen, kommen die einbezogenen Studien übereinstimmend zu dem Urteil, dass sich betriebliche Gesundheitsförderung und Prävention auszahlt. Positive Evidenz hinsichtlich des ökonomischen Nutzens konnte sowohl für Interventionen allgemein als auch

182

7

Sicherheits- und Gesundheitsschutzmanagement

für krankheitsspezifische Interventionen festgestellt werden. Zu den am häufigsten genutzten ökonomischen Variablen zählen in den untersuchten Studien die Krankheitskosten und die Kosten durch krankheitsbedingte Fehlzeiten (Absentismus). Trotz verschiedener Evaluationsansätze weist ein Großteil der Studien auf einen positiven Effekt hinsichtlich einer Senkung der Krankheitskosten und der durch Absentismus hervorgerufenen Kosten hin. Die Studien gehen im Falle der Krankheitskosten von einem Kosten-NutzenVerhältnis (Return on Investment, ROI) von 1:2,3 bis 1:5,9 aus. Die Einsparungen in Bezug auf die Fehlzeiten werden mit Werten zwischen 1:2,5 bzw. 1:4,85 bis 1:10,1 angegeben. In wenigen Fällen wird die ökonomische Evaluation durch Aussagen hinsichtlich der Produktivität ergänzt. Wie aus der Literatur jedoch hervorgeht, mangelt es deutlich an Methoden zur Ermittlung des Zusammenhangs zwischen Gesundheit und Arbeitsleistung bzw. Produktivität. Daraus resultiert, dass die Evidenzbasis für einen monetären Nutzen der betrieblichen Gesundheitsförderung und Prävention in Bezug auf die Arbeitsleistung aktuell noch stark limitiert ist. Um den ökonomischen Nutzen von Betrieblichem Gesundheitsmanagement (BGM) zu bewerten, reichen rein monetäre Betrachtungen, wie es bei traditionellen Investitionsanalysen der Fall ist, bei Maßnahmen des BGM nicht aus. Erweiterte Wirtschaftlichkeitsanalysen (EWA) können hier Abhilfe schaffen, da sie ergänzend zu monetären Analysen, auch nicht in Geldeinheiten messbare Größen wie bspw. Zufriedenheit und Motivation der Mitarbeiter oder die Imageverbesserung des Unternehmens bewerten. Dies ist besonders elementar, da diese weichen Faktoren oft einen entscheidenden Anteil an der Wirtschaftlichkeit und somit Amortisation einer Investition in das BGM haben. Um eine ganzheitliche Effizienz des BGM und somit dessen nachhaltige Wirtschaftlichkeit zu gewährleisten, ist die Implementierung eines Betriebliches Gesundheitsmanagementcontrolling (BGMC) notwendig. Es ermöglicht, innerhalb eines Regelkreises, den ständigen Vergleich zwischen gesetzten Zielen und deren Erreichung. Somit wird die Möglichkeit geschaffen, bei Zielabweichungen steuernd einzugreifen und den BGM-Systemzustand kontinuierlich zu verbessern. Zum derzeitigen Zeitpunkt sind noch keine wissenschaftlich gesicherten Untersuchungen für ein ganzheitliches BGM verfügbar, die sich verallgemeinern ließen. Ein ökonomisch sinnvoller ROI, der über dem einer reinen BGF liegt, kann aber als gesichert angenommen werden. I

7.9.4

Tipp Arbeits- und Gesundheitsschutz kostet kein Geld, sondern ist Wertschöpfungsfaktor!

DIN SPEC 91020:2012-07 „Betriebliches Gesundheitsmanagement“

Die DIN-Spezifikation 91020 legt Anforderungen an ein BGM fest, die es einer Organisation ermöglichen, ihre betrieblichen Rahmenbedingungen, Strukturen und Prozesse so zu entwickeln und umzusetzen, dass das Arbeitssystem und die Organisation des Betrie-

7.9 Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM)

183

bes gesundheitsgerecht und leistungsfördernd gestaltet und die Mitarbeiter zum gesundheitsfördernden Verhalten befähigt werden. DIN Spec 91020 geht über die rechtlichen Verpflichtungen zu Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit und Maßnahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung hinaus und gibt dem Betrieb Anleitungen mit dem Ziel, in einem komplexen, anspruchsvollen und sich ständig ändernden Umfeld nachhaltigen Erfolg durch den Einsatz des BGM zu erreichen. Alle in dieser Spezifikation festgelegten Anforderungen sind allgemeiner Natur und auf alle Betriebe anwendbar, unabhängig von deren Branche und Größe, deren unterschiedlichen geografischen, kulturellen und sozialen Bedingungen und von der Art der bereitgestellten Produkte bzw. Dienstleistungen. Diese DIN Spec BGM ermöglicht es einem Betrieb, sein eigenes BGM mit in Beziehung stehenden Anforderungen anderer Managementsysteme (z. B. 9001 ff. im Qualitätsmanagement) in Einklang zu bringen oder mit diesen Managementsystemen zusammenzuführen. Dies wird durch Zugrundelegung des ISO Guide 83 („High level structure and identical text for management system standards and common core management system terms and definitions“) bei der Struktur der Spezifikation gewährleistet. Auch die neue DIN ISO 45001 „Arbeitsschutzmanagementsysteme – Anforderungen mit Leitlinien zur Anwendung“ ist somit voll kompatibel (Tab. 7.6).

Tab. 7.6 Gegenüberstellung ISO 45001:2018 und DIN SPEC 91020:2012 ISO 45001:2018 4 Kontext der Organisation 4.1 Verständnis der Organisation und ihres Kontextes 4.2 Verstehen der Erfordernisse und Erwartungen von Beschäftigten und anderen interessierten Parteien 4.3

4.4 5 5.1 5.2 5.3 5.4

Festlegen des Anwendungsbereiches des A&GManagementsystems A&G-Managementsystem Führung und Beteiligung der Beschäftigten Führung und Verpflichtung Politik Rollen, Verantwortlichkeiten, Haftung und Befugnisse Konsultation und Beteiligung von Beschäftigen

DIN SPEC 91020:2012 4.1 Das Umfeld der Organisation verstehen 4.1 Das Umfeld der Organisation verstehen 4.1 4.2 8.1.3 4.3

4.4 5 5.1 5.2 5.3 8.1.3

Das Umfeld der Organisation verstehen Die Erfordernisse und Erwartungen der Interessierten Parteien verstehen Mitarbeiterorientierung Der Anwendungsbereich des BGMSystems Betriebliches Gesundheitsmanagementsystem Führungsverhalten Führung und Selbstverpflichtung der Leitung Betriebliche Gesundheitspolitik Aufgaben, Verantwortung und Befugnisse Mitarbeiterorientierung

184

7

Sicherheits- und Gesundheitsschutzmanagement

Tab. 7.6 (Fortsetzung) ISO 45001:2018 6 Planung 6.1 Maßnahmen zum Umgang mit Risiken und Chancen 6.2 Planung und Erreichung von A&G-Zielen 7 Unterstützung 7.1 Ressourcen 7.2 Kompetenzen 7.3 Bewusstsein 7.4 Information und Kommunikation 7.5 Dokumentation 8 Betrieb 8.1 Betriebliche Planung und Steuerung 8.1.3 Management von Veränderungen 8.1.4 Ausgegliederte Prozesse 8.1.5 Beschaffung 8.1.6 Vertragspartner

DIN SPEC 91020:2012 6 Planung 6.1 Ermittlung und Bewertung von Gesundheitschancen und -risiken 6.2 Betriebliche Gesundheitsziele und Planung der Zielerreichung 7 Unterstützung 7.1 Bereitstellung von Ressourcen 7.2 Kompetenz, Qualifikation 7.3 Bewusstsein 7.4 Kommunikation 7.5 8 8.1

Dokumentation Betrieb Betriebliche Planung und Steuerung

8.1.2

Produkt- und dienstleistungsspezifische Auswirkungen auf das BGM-System Ausgegliederte Prozesse Infrastruktur Produkt- und dienstleistungsspezifische Auswirkungen auf das BGM-System Ermittlung und Bewertung von Gesundheitschancen und -risiken Produkt- und dienstleistungsspezifische Auswirkungen auf das BGM-System Evaluation der Leistung Überwachung, Messung, Analyse und Evaluation Internes Audit Managementbewertung Verbesserung Fehler und Korrekturmaßnahmen im Betrieblichen Gesundheitsmanagement Kontinuierliche Verbesserung

8.1.5 8.1.4 8.1.2 6.1

8.2 9 9.1 9.2 9.3 10 10.1 10.2

7.10

Notfallvorsorge und Gefahrenabwehr Leistungsbewertung Überwachung, Messung, Analyse und Bewertung Internes Audit Managementbewertung Verbesserung Störungen, Nichtkonformität und Korrekturmaßnahmen Kontinuierliche Verbesserung

8.1.2 9 9.1 9.2 9.3 10 10.1 10.2

Arbeitsmedizinische Vorsorge

Die Arbeitsmedizinische Vorsorge ist in der „Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV)“ geregelt. Arbeitsmedizinische Vorsorge kann technische und organisatorische Schutzmaßnahmen nicht ersetzen, durch persönliche Aufklärung und Beratung der Beschäftigten über arbeitsbedingte Gesundheitsgefahren aber gut ergänzen.

7.11

Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM)

185

Ziel arbeitsmedizinischer Vorsorge ist die Früherkennung und Verhütung arbeitsbedingter Erkrankungen. Zugleich soll arbeitsmedizinische Vorsorge einen Beitrag zum Erhalt der Beschäftigungsfähigkeit und zur Fortentwicklung des betrieblichen Arbeitsschutzes leisten. Beschäftigte haben das Recht, sich auf ihren Wunsch hin arbeitsmedizinisch beraten und untersuchen zu lassen. Bei bestimmten Gefährdungen am Arbeitsplatz muss der Arbeitgeber den Beschäftigten arbeitsmedizinische Vorsorge anbieten. Sind die Gefährdungen besonders groß, ist eine Pflichtvorsorge vorgeschrieben. Mittel der arbeitsmedizinischen Vorsorge sind: 1. arbeitsmedizinische Vorsorgetermine beim Arzt einschließlich der Aufklärung und Beratung des Beschäftigten über die mit bestimmten Tätigkeiten verbundenen Gesundheitsgefährdungen sowie körperliche und klinische Untersuchungen, sofern diese erforderlich sind und der Beschäftigte diese Untersuchungen nicht ablehnt, 2. die Erfassung und Bewertung der Ergebnisse und Befunde aus der Vorsorge, 3. arbeitsmedizinisch begründete Vorschläge an den Arbeitgeber für Maßnahmen des Arbeitsschutzes im Betrieb. Vor Inkrafttreten der ArbMedVV 2008 fanden sich Vorschriften zur arbeitsmedizinischen Vorsorge in verschiedenen fachspezifischen Verordnungen (z. B. Gefahrstoffverordnung, Biostoffverordnung) und im Unfallverhütungsrecht. Die Überführung der Vorschriften in eine Verordnung und die einheitliche Regelung der Pflichten von Arbeitgebern und Ärzten hat zu mehr Transparenz und Rechtsklarheit geführt. Die Erste Verordnung zur Änderung der ArbMedVV aus dem Jahr 2013 (BGBl I, S. 3882; ArbMedVV 2013) bewirkte weitere Rechtsklarheit, insbesondere zur Abgrenzung von arbeitsmedizinischer Vorsorge und Eignungs- bzw. Tauglichkeitsuntersuchungen. Am 19. November 2016 wurde die ArbMedVV im Anhang angepasst; die Begrifflichkeiten wurden zeitgleich mit Anpassungen in der Gefahrstoffverordnung mit dem EU-Recht harmonisiert (Beispiele: keimzellmutagen, Kategorie 1A; siehe BGBl. 2016 I, S. 2549, 2566 f.). Hintergrund war die Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen (CLP-Verordnung).

7.11 Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) Das Betriebliche Eingliederungsmanagement ist in einer Reihe präventiver Instrument zu sehen die auf die Arbeitsfähigkeit der Beschäftigten im Betrieb abzielen. Alle Unternehmer in Deutschland sind nach § 84 SGB IX aufgefordert, für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die innerhalb eines Jahres länger als 6 Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig sind, ein betriebliches Eingliederungsmanagement durchzuführen. Seit dem 01.05.2004 ist mit dem § 84 Abs. 2 SGB IX das Gesetz über das Betriebliche Ein-

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7

Sicherheits- und Gesundheitsschutzmanagement

gliederungsmanagement in Kraft. Ihm vorausgegangen war die gesetzliche Verankerung der Bestimmung über die Prävention in § 84 Abs. 1 SGB IX sowie die Bestimmung über die Integrationsvereinbarung in § 83 SGB IX. Eine weitere rechtliche Grundlage ist der § 28 SGB IX zur „Stufenweise Wiedereingliederung“. Ist ein Mitarbeiter länger oder wiederholt arbeitsunfähig, klärt das Unternehmen mit welchen Leistungen oder Hilfen die Arbeitsfähigkeit wieder erreicht, erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und der Arbeitsplatz erhalten werden kann. Für die Einleitung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements ist die Zustimmung und Beteiligung der betroffenen Mitarbeiter notwendig. Der Betriebsrat – bei Schwerbehinderten außerdem die Schwerbehindertenvertretung – ist zu beteiligen. Soweit erforderlich sollte der Betriebsarzt hinzugezogen werden. Während § 84 Abs. 1 SGB IX sich auf Schwerbehinderte bezieht und auf Gefährdung des Arbeits- und Beschäftigungsverhältnisses aus verhaltens-, personen- oder betriebsbedingten Gründen und als Methode eine „Erörterung“ vorsieht, bezieht sich § 84 Abs. 2 auf alle Beschäftigten und im Prinzip auf Gefährdungen des Beschäftigungsverhältnisses, die aus Krankheitsgründen resultieren. Als Methode wird im § 84 Abs. 2 SGB IX ein „Managementverfahren“ beschrieben. Es wird hier detailliert geregelt, wie das spezifische Präventionsverfahren als „Betriebliches Eingliederungsmanagement“ abzulaufen hat (Niehaus 2008). Nach Niehaus schreiben die Bestimmungen im Einzelnen vor, dass:  der Arbeitgeber für die Durchführung des BEM verantwortlich ist  es für alle Mitarbeiter gilt, unabhängig davon, ob sie schwerbehindert sind oder nicht  das BEM bei lang- und kurzfristigen Erkrankungen angeboten werden soll, sobald die Summe der Krankheitstage/AU-Tage einen Zeitraum von 6 Wochen innerhalb eines Jahres überschreitet  die betriebliche Interessenvertretung einbezogen wird  bei Schwerbehinderten die Schwerbehindertenvertretung mit hinzuzuziehen ist  die betroffene Person oder ihr gesetzlicher Vertreter über die Ziele sowie über Art und Umfang der für das BEM erhobenen Daten vorab zu informieren ist  das BEM nur mit Zustimmung der betroffenen Person erfolgen kann  Betriebsärzte im Bedarfsfall hinzugezogen werden sollten  und dass – je nach Bedarfsfall – die gemeinsamen Servicestellen und bei schwerbehinderten Beschäftigten die Integrationsämter hinzuzuziehen sind, die die erforderlichen Leistungen zur Teilhabe oder begleitende Hilfen im Arbeitsleben innerhalb der Frist des § 14 SGB IX (14 Tage nach Antragsstellung) bereitstellen Mit den Regelungen des § 84 Abs. 2 SGB IX ist detailliert ein Verfahren des Fallmanagements beschrieben, die Bezeichnung „Betriebliches Eingliederungsmanagement“ ist im Gesetz dafür festgelegt (Abb. 7.13).

7.11

Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM)

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Tab. 7.7 Niehaus (2008) stellt in Ihrer Studie Kosten und Nutzen für die Alternativen BEM und ohne BEM gegenüber Kosten Fallmanagement

Arbeitszeit interner Beteiligter am BEM: Integrationsteam, Führungskräfte usw. Vergütung Betriebsarzt

Arbeitsplatzanpassung, technische Hilfen Organisation und Durchführung von Arbeitsversuchen Qualifizierungskosten für betroffenen Mitarbeiter (BEMFälle): Freistellung, Anleitung Kosten für Abfindung oder Anwaltskosten

Nutzen Reduzierung AU-Tage Leistungssteigerung durch adäquaten Einsatz (25 %) Neueinstellung und Einarbeitung Indirekter Nutzen: Verbesserung der Arbeitszufriedenheit und Motivation Imagefaktor, der sich auf Personalrekrutierung auswirkt

Mit BEM Meist Zusatzaufgaben für vorhandenes Personal; ansonsten ca. 1 Vollzeitstelle je 30 Fälle Zusatzaufgabe für vorhandenes Personal Nach Bedarf

Ohne BEM Entfällt

Nicht im Rahmen des BEM, jedoch fallweise umfangreicher Besprechungsaufwand Entfällt, soweit fallbezogen keine Beratungsleistungen erbracht werden Entfällt

Je nach Fall; u. U. reduziert um die Fördermittel Aufgabe des Fallmanagers, Entfallen Zeiteinsatz Führungskraft und andere Freistellungstage oder Entfallen stunden; Lehrgangskosten; evtl. reduziert um Fördermittel Entfallen Anwaltskosten je nach Fall; Näherungswert für Abfindungen: 0,5 Bruttojahresgehälter ca. 15– 20 T C Mit BEM Ohne BEM Je AU-Tag ca. 300 C Wert Keine Reduzierung; u. U. Zunahder Arbeitsleistung me der AU-Tage Je Tag ca. 75 C Keine Leistungssteigerung Entfällt

Ca. 2–3 Monatsgehälter bei Produktionsmitarbeitern

Positive Effekte, Größenordnung kaum einzuschätzen Positive Effekte, Größenordnung kaum einzuschätzen

Keine positiven Effekte

Keine positiven Effekte

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Sicherheits- und Gesundheitsschutzmanagement

Frühzeiges Erkennen der gesundheitlich eingeschränkten Mitarbeiter Handlungsbedarf besteht spätestens dann, wenn ein Mitarbeiter 6 Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig ist.

Kontaktaufnahme mit den betroffenen Mitarbeitern Das Unternehmen nimmt Kontakt auf mit dem betroffenen Mitarbeiter und klärt mit ihm in einem ersten Schri Fragen über die Möglichkeiten des weiteren Einsatzes und die Ziele und Vorstellungen der des Mitarbeiters selbst ab. Alle sich hieraus ergebenden weiteren Schrie bedürfen der zu dokumenerenden Zusmmung des Mitarbeiters.

Beteiligung des Betriebs-/Personalrates Besteht Handlungsbedarf, schaltet der Mitarbeiter den Betriebs-/Personalrat bzw. bei einem schwerbehinderten Mitarbeiter die Schwerbehindertenvertretung ein

Weitere Umsetzungsschrie Nach Erfassung der Ausgangssituaon besprechen das Unternehmen und der Mitarbeiter, welche Maßnahmen notwendig sind, um eine schnelle Rückkehr in den Betrieb zu erreichen. Bei Bedarf sollte der Betriebsarzt hinzugezogen werden.

Abb. 7.13 Prinzipieller Ablauf des BEM

Auf der Grundlage der vorliegenden Daten der Studie, der Auswertung der Experteninterviews und der vertiefenden Studie in den Betrieben konnte Niehaus (2008) feststellen, dass das BEM geeignet ist, den Krankenstand zu senken, einen Beitrag zur Wiederherstellung der Leistungsfähigkeit der betroffenen Mitarbeiter zu leisten und die Erwerbsbeteiligung zu sichern. Die Daten legen nahe, dass die vom Gesetzgeber formulierten Ziele des BEM in vielen Fällen – jedoch nicht immer – erreicht werden. Eine genaue Quantifizierung der betriebswirtschaftlichen Effekte im Sinne eines Return of Investment wäre auf der Datengrundlage der von Niehaus vorgelegten Studie mit zu vielen Schätzgrößen versehen und deshalb wenig valide. Für die volkswirtschaftliche Analyse konnte festgestellt werden, dass das BEM im Sinne einer von Experten eingeforderten Strategie in einem volkswirtschaftlichen bedeutsamen Handlungsfeld wirkt (Tab. 7.7). Der Nutzen des BEM besteht in einem erkennbaren Beitrag zur Reduzierung der Kosten, die durch arbeitsbedingte Erkrankungen und Frühberentungen entstehen. Auch darf der Erhalt der Arbeitskraft und die Motivation der Mitarbeiter nicht unterschätzt werden.

7.11

Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM)

7.11.1

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Aspekte des Datenschutzes beim BEM

Nach der flächendeckenden Einführung des BEM ergeben sich auch einige datenschutzrechtliche Fragen. Diese betreffen vor allem den Umgang mit den Daten, die bei der Durchführung des BEM gesammelt werden. Mit dieser Problematik hatte sich 2006 das Unabhängige Landeszentrum für Datenschutz in Schleswig-Holstein (ULD) auseinandergesetzt: Einwilligung des betroffenen Arbeitnehmers und ihre Reichweite: Zunächst ist festzuhalten, dass das BEM immer mit einer Datenerhebung beim Betroffenen beginnt. Bereits aus § 84 Abs. 2 SGB IX ergibt sich, dass der Betroffene dafür in jedem Fall seine Einwilligung gegebenen haben muss, was dokumentiert werden muss. I

Tipp Beim betrieblichen Eingliederungsmanagement sind wichtige Aspekte des Datenschutzes zu beachten! (Stichwort: Zweck der Einwilligung)

Im Hinblick auf den weiteren Umgang mit den erhobenen Informationen muss auf den Sinn und Zweck des BEM abgestellt werden. Dieses dient dazu, führzeitig Konstellationen zu erkennen und zu verhindern, aus denen sich eine lang anhaltende Arbeitsunfähigkeit entwickeln kann, die in der Folge zu Belastungen sowohl für das Unternehmen als auch für den betroffenen Mitarbeiter führen würde. Die Durchführung betrieblichen Eingliederungsmanagements ist eine Aufgabe, die nach der zitierten Vorschrift dem Unternehmen als zusätzliche Nebenpflicht im Arbeitsverhältnis aufgeben wurde. Sie ist in erster Linie am Erhalt und Bestand des Arbeitsverhältnisses orientiert. Im Hinblick auf diesen Zweck gibt der Betroffene seine Einwilligung zur Erhebung von Daten im Rahmen des BEM. Dies korrespondiert mit der zitierten Vorschrift, wonach die betroffene Person gerade auf die Ziele des BEM „sowie auf Art und Umfang der hierfür erhobenen und verwendeten Daten hinzuweisen ist“. Wird auf der Grundlage dieses Hinweises eine Einwilligung gegeben, so bezieht diese sich offensichtlich nur auf diesen Zweck und nicht auf weitere vom Unternehmen verfolgte Zwecke. Daraus ergibt sich, dass die für die Zwecke des BEM erhobenen und gespeicherten Daten nicht ohne Weiteres für sonstige arbeitsvertragsrechtliche Zwecke verwendet werden dürfen. Das Überführen von Daten, die im Wege des BEM erhoben wurden, in die Sphäre der allgemeinen zur Abwicklung des Arbeitsvertrages gespeicherten Daten würde zu einer unzulässigen Zweckänderung der Daten führen. Daraus folgt insbesondere, dass die im Wege des BEM erhobenen Daten beispielsweise zur gesundheitlichen Situation des Betroffenen nicht ohne Weiteres in ein Kündigungsverfahren mit der Begründung einer krankheitsbedingten Kündigung einfließen dürfen.

7.11.2

Aufbewahrung der Daten

Aus diesem grundsätzlich unterschiedlichen Zweck der bei der Durchführung des BEM erhobenen Daten ergibt sich auch, dass die erhobenen Daten nicht mit sonstigen Daten der

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Sicherheits- und Gesundheitsschutzmanagement

Personalakte zusammengeführt werden dürfen. Daher ist die Auffassung zutreffend, wonach die fraglichen Informationen getrennt von der Personalakte geführt werden müssen, insoweit vergleichbar mit den Akten des Betriebsarztes. Von hier aus würde es auch Zweifeln begegnen, wenn die bei der Durchführung des BEM erhobenen Daten auf eine vermeintliche Einwilligung des Betroffenen gestützt, mit den regulären Personaldaten bzw. der Personalakte zusammengeführt würden. Bekanntlich ist die Einwilligung im Arbeitsverhältnis ein problematisches Instrument, da ihre Freiwilligkeit in vielen Fällen kaum vorliegen wird. Aus diesem Grund wird ausdrücklich empfohlen, einen solchen Schritt nicht in Betracht zu ziehen.

7.11.3 Für die Durchführung verantwortliche Organisationseinheit Der von der eigentlichen Durchführung des Arbeitsverhältnisses unterschiedliche Zweck des BEM führt auch dazu, dass dieses nicht von der Personalabteilung, sondern von einer gesonderten Organisationseinheit durchgeführt werden sollte. Da Voraussetzung für die Aufnahme des BEM in jedem Fall eine Langzeiterkrankung des Mitarbeiters ist, bietet es sich an, den Betriebsarzt in die Durchführung einzubinden. Dieser wäre auch die geeignete Stelle, um die im Wege des BEM anfallenden Informationen zu speichern. Es begegnet keinen Bedenken, wenn das BEM einer Ad-hoc-Organisationseinheit zugeordnet wird, die mit Vertretern des Arbeitgebers und den unterschiedlichen in § 84 Abs. 2 SGB IX genannten Interessenvertretungen besetzt ist. Dabei wird realistischerweise auch in Kauf zu nehmen sein, dass die Vertreter des Arbeitgebers aus der Personalabteilung kommen. Allerdings ist darauf zu achten, dass das im Wege der Durchführung des BEM erworbene Wissen nicht unmittelbar in Personalentscheidungen einfließt. Verwendung der Informationen im gerichtlichen Verfahren Nachdem im Wege der Durchführung des BEM bestimmte Informationen gesammelt und verwertet wurden, ist es danach auch nur den Mitgliedern der genannten Arbeitsgruppe erlaubt, auf die Informationen zuzugreifen. Allerdings sind Konstellationen denkbar, in denen Einzelheiten aus dem BEM auch für andere Zwecke genutzt werden. Dies kann der Fall sein, wenn der betroffene Mitarbeiter (beispielsweise im Wege eines Kündigungsschutzverfahrens) geltend macht, das BEM sei nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden. In diesem Falle obliegt es dem Unternehmen anhand der im BEM gesammelten Informationen und der dabei erzeugten Unterlagen nachzuweisen, dass dieses tatsächlich in hinreichender Qualität stattgefunden hat. Bei der Durchführung des BEM werden regelmäßig sensitive Daten i. S. v. § 3 Abs. 9 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) gesammelt, da es sich um Daten über die Gesundheit und möglicherweise noch weitere Daten jener Kategorie handelt. Gleichwohl ist eine Verwendung dieser Daten in einem gerichtlichen Verfahren wie oben angesprochen zulässig. Dies ergibt sich aus § 28 Abs. 6 Nr. 3 BDSG, soweit dieses zur Anwendung kommt. Danach ist die Verarbeitung sensitiver Daten zulässig, soweit dies zur Geltendmachung rechtlicher Ansprüche vor Gericht erforderlich ist.

7.12

Mitarbeiter und Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung

7.11.4

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Aufbewahrungsdauer

Eine weitere Fragestellung betrifft die Dauer, für die die Daten, die im Wege der Durchführung des BEM erhoben wurden, gespeichert werden dürfen. Entscheidend wird hier sein, ob die mit dem BEM adressierte Dauererkrankung überwunden werden kann und das Arbeitsverhältnis wieder zu einem Normalzustand zurückfindet. Gelingt dies und stabilisiert sich dieser Zustand über einen längeren Zeitraum, so stellt das BEM lediglich eine Episode in der gesamten Historie des Arbeitsverhältnisses dar. Im Allgemeinen wird man nach einer Phase von drei Jahren davon ausgehen können, dass das seinerzeit durchgeführte BEM auch für zukünftige Entwicklungen im Arbeitsverhältnis keine Rolle mehr spielt. An diesen Überlegungen hat sich auch die Festsetzung der Speicherungsdauer zu orientieren.

7.11.5 Regelung durch Betriebsvereinbarung Die Speicherdauer sollte ebenso wie sonstige Einzelheiten des Verfahrens (beispielsweise die Zusammensetzung der oben angesprochenen Ad-hoc-Kommission) bereits im Voraus festgelegt werden. Dazu bietet es sich an, eine Betriebsvereinbarung bzw. Dienstvereinbarung abzuschließen. Alle oben angesprochenen Punkte sollten darin geregelt werden.

7.12 Mitarbeiter und Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung Immer wieder taucht in den Unternehmen die Frage auf, ob ein Mitarbeiter vor Ablauf seiner durch einen Arzt attestierten Arbeitsunfähigkeit (AU) seine Tätigkeit einfach wieder aufnehmen kann, wenn er sich wieder gesund fühlt oder ob er sich durch einen Arzt arbeitsfähig beurteilen lassen muss: Eine „Gesundschreibung“ gibt es nicht! Die ärztliche AU-Bescheinigung hat den Charakter eines ärztlichen Gutachtens, beinhaltet jedoch kein Arbeitsverbot. Der Mitarbeiter kann dann seine Tätigkeit wieder aufnehmen, wenn er sich dazu gesundheitlich in der Lage sieht, unabhängig von der Dauer der Krankschreibung. In den Gesetzestexten ist dazu allerdings nichts Konkretes zu finden. Es gibt jedoch eine ganze Reihe von juristischen Kommentaren sowie Aussagen der gesetzlichen Kranken- bzw. Unfallversicherungen. Diese lauten einhellig, dass aus unfallversicherungsrechtlicher Sicht keine Risiken gesehen werden, und dass keine krankenversicherungsrechtlichen Nachteile zu befürchten seien, wenn ein arbeitsunfähig erkrankter Mitarbeiter – im Einvernehmen mit dem Unternehmen – im Rahmen des Zumutbaren seine Arbeitstätigkeit ausübt. Dies sollte natürlich auch der Krankenkasse mitgeteilt werden. Das Unternehmen ist – und das ist sehr wichtig – aufgrund seiner Fürsorgepflicht gehalten, für den Erhalt der Gesundheit seiner Mitarbeiter Sorge zu tragen. Aus diesem Grund

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Sicherheits- und Gesundheitsschutzmanagement

sollte unbedingt geprüft werden, ob der Mitarbeiter, der vorzeitig trotz Krankschreibung seine Arbeit aufnehmen will, tatsächlich den Eindruck macht, wieder einsatzfähig zu sein. Im Zweifelsfall sollte man ihn lieber wieder nach Hause schicken. Die Entscheidung liegt dabei stets beim Mitarbeiter selbst. Die Prüfung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung auf ihre Berechtigung ist dem Betriebsarzt ja ohnehin im Arbeitssicherheitsgesetz ausdrücklich untersagt. Davon abgesehen kann der Betriebsarzt aber – wenn die erforderliche Vertrauensbasis da ist – sicher helfen.

7.13 Beurteilung der Arbeitsbedingungen als zentrales Instrument des Arbeits- und Gesundheitsschutzes Hintergrund der Forderung zur Beurteilung der Arbeitsbedingungen gem. Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) ist es, potenzielle Gefahren möglichst an der Quelle zu erkennen und durch geeignete Schutzmaßnahmen direkt am Ursachenort zu vermeiden. Hierdurch wird insbesondere der Präventionsgedanke aus der EG-Rahmenrichtlinie 89/391 EWG im Hinblick auf eine vorherige Beurteilung sämtlicher arbeitsbezogener Aspekte hinsichtlich ihres Risikos für die Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer umgesetzt. Um dieses Ziel zu erreichen, fordert das Arbeitsschutzgesetz Arbeitsplatzbeurteilungen für jeden individuellen Arbeitsplatz. Bei Gruppen ähnlicher Arbeitsplätze, die zu Arbeitsbereichen zusammengefasst werden können, ist exemplarisch eine Untersuchung vorzusehen (Kiparski und Siegmann 1997, 1998). Entsprechend dem Arbeitsschutzgesetz muss die Arbeitsplatzbeurteilung je nach Art der Tätigkeit (ArbSchG § 5 Abs. 2) durchgeführt werden. Dies bedeutet, dass es nicht ausreicht, nur die allgemeinen Gefährdungen im Arbeitsbereich (Werkhalle, Werkstatt, . . . ) zu untersuchen. Vielmehr müssen die Belastungen und Gefährdungen an jedem einzelnen Arbeitsplatz beurteilt und dokumentiert werden. Gleichartige Arbeitsplätze können dabei zusammenfassend beurteilt werden. Da aber bestimmte Arbeitsbereiche und Arbeitsstätten Gefährdungen aufweisen, die nicht an einen einzelnen Arbeitsplatz bzw. an eine spezielle Tätigkeit gebunden sind (z. B. Lärm, Beleuchtung) ist es durchaus sinnvoll, diese getrennt von den Gefährdungen am Arbeitsplatz zu erfassen. Somit sollte eine arbeitsbereichs- und eine tätigkeitsbezogene Arbeitsplatzbeurteilung durchgeführt werden. In besonderen Fällen kann es notwendig sein, personenbezogene Arbeitsplatzbeurteilungen durchzuführen (z. B. bei Beschäftigung von schwangeren Frauen, stillenden Müttern, Jugendlichen, Behinderten). Eine sinnvoll durchgeführte Arbeitsplatzbeurteilung, in der ganzheitlich alle physischen und psychischen Arbeitsanforderungen einbezogen werden, ist die Grundlage zur wirkungsvollen und gezielten Verbesserung der Arbeitssicherheit und des Gesundheitsschutzes im Betrieb. Die Beurteilung am Arbeitsplatz sollte generell folgende wesentliche Faktoren berücksichtigen:

7.13

Beurteilung der Arbeitsbedingungen

193

7.13.1 Praktische Durchführung Gemäß Arbeitsschutzgesetz ist der Arbeitgeber zur Durchführung der Arbeitsplatzbeurteilung verpflichtet. In der Praxis wird dieser die hiermit verbundenen Tätigkeiten in der Regel an seine Führungskräfte delegieren, die sich ihrerseits vom Sicherheitsingenieur und vom Betriebsarzt beraten lassen werden. Im Bereich der Betreuung von Kleinst-, Klein- und Mittelbetrieben ist es in der Praxis jedoch üblich, dass der Unternehmer auf Grund mangelnder Kenntnisse den bestellten Fachkräften für Arbeitssicherheit und den Betriebsärzten diese Aufgabe überträgt. Gegebenenfalls kann es erforderlich sein, die Dienstleistung der Arbeitsplatzbeurteilung extern bei qualifizierten sicherheitstechnischen und arbeitsmedizinischen Diensten mit entsprechenden Messstellen für Arbeitsumweltfaktoren hinzuzukaufen oder den bereits bestellten Mitarbeitern entsprechende Einsatzzeiten einzuräumen (Kiparski und Siegmann 1997, 1998). Große Bedeutung kommt der Einbeziehung der Beschäftigten bei der Arbeitsplatzbeurteilung zu. Sie können aufgrund ihrer Erfahrungen wichtige Hinweise zu Gefahren, Risiken und Belastungen an ihrem Arbeitsplatz geben. Der ausschließlichen Durchführung der Arbeitsplatzbeurteilung durch die Beschäftigten kann jedoch nicht zugestimmt werden, da diese häufig die bestehenden Gefahren entweder über- oder unterbewerten (Beispiele: Gefährdungen durch Strahlenbelastungen am Bildschirmarbeitsplatz, Gefährdungen beim Heben von Lasten oder beim Umgang mit Gefahrstoffen). Besonderes Augenmerk ist auf die Gefährdung und Belastung besonders schutzbedürftiger Personengruppen (z. B. Jugendliche, Schwangere, stillende Mütter und Behinderte) zu legen. In Tab. 7.8 finden Sie den Ablauf einer dem modernen Prozessansatz folgenden Arbeitsplatzbeurteilung.

7.13.2

Dokumentation

Verbunden mit der Arbeitsplatzbeurteilung ist die Dokumentation der Ergebnisse. Besondere Bedeutung bekommt die Dokumentation im Falle eines Unfalls oder des Auftretens einer arbeitsbedingten Erkrankung, um gegebenenfalls eine Kausalbeziehung zwischen Exposition und Krankheitsbild herstellen zu können. I

Tipp Gut durchgeführte Arbeitsplatzbeurteilungen, verbunden mit der Dokumentationspflicht, sind probate Mittel, mögliche Gefahren und Risiken frühzeitig zu erkennen, Gegenmaßnahmen einzuleiten, Betriebsstörungen zu verhindern, Ausfallzeiten und Kosten zu vermeiden und letztendlich die Compliance des Unternehmens zu sichern!

Die zukünftige Entwicklung wird sicherlich hin zur Risikobeurteilung führen. Fasst man nämlich alle möglichen finanziellen Verluste, Umweltschäden und auch monetär

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7

Sicherheits- und Gesundheitsschutzmanagement

Tab. 7.8 Ablauf einer prozessorientierten Arbeitsplatzbeurteilung. (Nach: Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAUA) (2004): Ratgeber zur Ermittlung gefährdungsbezogener Arbeitsschutzmaßnahmen im Betrieb, 4. Aufl. Dortmund/Berlin, S. 20) Aufgabenstellung festlegen

Arbeitssystem, Tätigkeit, Arbeitsbereich festlegen, das beurteilt werden soll Prozessschritte festlegen, die dieses Arbeitssystem, diese Tätigkeit, diesen Arbeitsbereich beeinflussen. Prozessschritte können zum Beispiel sein: – Vertragsabschluss – Planung – Beschaffung – Personaleinsatz – Arbeitsvorbereitung – Information/Kommunikation – Produktion/Leistungserbringung – Außerdem sollten die Prozesse betrachtet werden, die sich durch die grundlegende Aufbau- und Betriebsorganisation des Unternehmens ergibt Gefährdungen Gefährdungen ermitteln, die in den einzelnen Prozessschritten verursacht ermitteln werden können. Dabei für jeden Prozessschritt folgende Aspekte beachten: – arbeitsplatz- und tätigkeitsbezogene (Arbeitsabläufe, Arbeitsmittel, Arbeitsstoffe) – personenbezogene – arbeitsstättenbezogene – arbeitsmittelbezogene Bei den Gefährdungen können die vorhandenen Systematiken zu Gefährdungen genutzt werden; vgl. zum Beispiel BGR A1 „Grundsätze der Prävention“ Risikobewertung/ Im Vergleich zu einem SOLL-Zustand (Schutzzielen) die Risiken in den Schutzziele einzelnen Prozessschritten bewerten (hier bietet der prozessorientierte Ansatz eine Verknüpfung zu einem Risikomanagement im Unternehmen insgesamt) SOLL-Zustände (Schutzziele) leiten sich ab aus: – normierten Schutzzielen (Gesetze, Verordnungen, Vorschriften, Normen) – bewährten sicheren und/oder gesundheitsgerechten Lösungen – arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen Maßnahmen fest- Für die einzelnen Prozessschritte sind Maßnahmen festzulegen, wie die legen Gefährdungen vermieden werden können Auch Verantwortliche und Fristen zur Umsetzung und zur Kontrolle der Maßnahmen festlegen Wirkungskontrolle Wirkungskontrolle durchführen und entsprechende Verbesserungsmaßnahmen festlegen Dazu kann es erforderlich sein, die Gefährdungen noch einmal differenzierter zu ermitteln und eine neue Risikobewertung vorzunehmen Dokumentation Vorhandene Gefährdungen, festgelegte Maßnahmen und Ergebnisse der Wirksamkeitsüberprüfung dokumentieren

7.13

Beurteilung der Arbeitsbedingungen

195

schwer erfassbare Dinge wie beispielsweise Imageschäden unter dem Begriff Risiko zusammen, so kann man die Risikobeurteilung als Beurteilung aller Gefährdungen unter besonderer Berücksichtigung der Folgen und der Wahrscheinlichkeit eines möglichen Schadens Beschreiben. Eine Risikobeurteilung enthält also eine Beurteilung aller Risiken für Arbeitnehmer (D Arbeitsplatzbeurteilung) und Arbeitgeber, ebenso wie Risiken für den Betrieb, für Gebäude etc. und kaufmännische Risiken.

7.13.3 Begrifflichkeiten Sehr häufig gehen hier aber auch Begriffe (Gefährdungsbeurteilung und Beurteilung der Arbeitsbedingungen etc.) durcheinander. Mit § 5 Arbeitsschutzgesetz – ArbSchG wird Artikel 6 Abs. 3 Buchstabe a Satz 1 der Richtlinie 89/391/EWG des Rates vom 12. Juni 1989 über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer bei der Arbeit umgesetzt. Artikel 6 Abs. 3 Buchstabe a Satz 1 Richtlinie 89/391/EWG: Unbeschadet der anderen Bestimmungen dieser Richtlinie hat der Arbeitgeber je nach Art der Tätigkeiten des Unternehmens bzw. Betriebs folgende Verpflichtungen: a. Beurteilung von Gefahren für Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer, unter anderem bei der Auswahl von Arbeitsmitteln, chemischen Stoffen oder Zubereitungen und bei der Gestaltung der Arbeitsplätze. Dem folgenden Satz 2 ist zu entnehmen, dass der Richtliniengeber implizit fordert, dass der Arbeitgeber die nötigen Maßnahmen trifft: Die vom Arbeitgeber aufgrund dieser Beurteilung getroffenen Maßnahmen zur Gefahrenverhütung sowie die von ihm angewendeten Arbeits- und Produktionsverfahren müssen erforderlichenfalls  einen höheren Grad an Sicherheit und einen besseren Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer gewährleisten;  in alle Tätigkeiten des Unternehmens bzw. des Betriebes und auf allen Führungsebenen einbezogen werden; Die Beurteilung der Arbeitsbedingungen gemäß § 5 ArbSchG gliedert sich folglich in die Unterpunkte:  Gefährdungen ermitteln  Gefährdungen beurteilen  Maßnahmen festlegen § 6 Abs. 1 ArbSchG ist im Zusammenhang mit den §§ 3–5 ArbSchG genannten Grundpflichten des Arbeitgebers zu sehen. Die Vorschrift wurde aufgenommen, um Transparenz

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Sicherheits- und Gesundheitsschutzmanagement

und Nachvollziehbarkeit von Entscheidungsgrundlagen in das betriebliche Arbeitsschutzsystem zu bringen (siehe auch Kommentar Arbeitssicherheitsrecht, Herausgeber: Dr. Jürgen Spinnarke und Dr. Gerhard Schork http://www.forkel-verlag.de/online/asir.html). Der Gesetzgeber hat in diesem Punkt dem Arbeitgeber bezüglich formeller Anforderungen der Dokumentation Handlungsspielraum eingeräumt, gibt aber die Punkte und Ziele vor, die der Dokumentation zu entnehmen sein müssen:  Ergebnis der Gefährdungsbeurteilung (Gefährdungen ermitteln und beurteilen)  Die festgelegten Maßnahmen des Arbeitsschutzes  Ergebnis der Überprüfung Auch in der Gefahrstoffverordnung werden die Schritte „Gefährdungsbeurteilung D ermitteln und beurteilen einer Gefährdung“ und „Ergreifen von Maßnahmen“ getrennt behandelt. Der feine Unterschied zwischen Gefährdungsbeurteilung und Beurteilung der Arbeitsbedingungen ist somit darin zu sehen, dass bei der Beurteilung der Arbeitsbedingungen neben dem Ermitteln und Beurteilen der Gefährdung auch die nötigen Maßnahmen des Arbeitsschutzes festgestellt werden. In der betrieblichen Praxis verschwimmen aber vielfach diese Begrifflichkeiten bzw. werden nicht differenziert verwendet. Wenn von der Gefährdungsbeurteilung gesprochen wird, sind öfters alle drei Schritte (zum Teil auch vier) Schritte gemeint: ermitteln, beurteilen, Maßnahmen festlegen (Ergebnis überprüfen/Erfolgskontrolle) (Abb. 7.14).

Abb. 7.14 Ablauf der Arbeitsplatzbeurteilung als Regelkreis

Vorbereiten

Aktualisieren

Überprüfen

Ermitteln

Dokumentieren

Durchführen

Beurteilen

Festlegen

7.14 Einbindung des Betriebsarztes in die Arbeitsplatzbeurteilung

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Sehr häufig werden auch die Begriffe „Gefährdungsanalyse“ und „Gefährdungsbeurteilung“ scheinbar willkürlich benutzt. Der Begriff der Gefährdungsanalyse oder Gefährdungs- und Belastungsanalyse war in den alten UVV BGV A6/A7 enthalten. Die Inhalte hinter diesen Begrifflichkeiten sind prinzipiell identisch. Teilweise wird die Gefährdungsanalyse auch als komplexe oder detaillierte Gefährdungsbeurteilung bezeichnet. Zurückzuführen ist das Begriffswirrwar auf die politischen Rahmenbedingungen beim Zustandekommen des Arbeitsschutzgesetzes Mitte der 1990er Jahre. Dort wurde argumentiert, der Begriff „Analyse“ sei, insbesondere mit Blick auf kleine und mittlere Betriebe, problematisch. Verwechselungsgefahr besteht zudem mit dem Begriff der Gefahrenanalyse, der sich auf entsprechende Pflichten des Herstellers/Inverkehrbringers z. B. von Maschinen bezieht (EG-Maschinenrichtlinie) und nicht auf den Kontext des betrieblichen Arbeitsschutzes.

7.14 Einbindung des Betriebsarztes in die Arbeitsplatzbeurteilung Sehr häufig wird die Arbeitsplatzbeurteilung automatisch dem „Hoheitsgebiet“ der Sicherheitsingenieure zugeschrieben. Nach den Vorgaben des Arbeitssicherheitsgesetzes (ASiG) von 1973 sind die Betriebsärzte (§ 3 ASiG) und die Fachkräfte für Arbeitssicherheit (§ 6 ASiG) die Berater der Betriebe in allen Fragen, die in Zusammenhang mit Arbeit und Gesundheit auftreten. Offensichtlich hat diese seit über 25 Jahren bestehende gesetzlich vorgegebene „Bringschuld“ der Arbeitsschutzberater noch nicht überall Eingang in die betriebliche Praxis gefunden. Dabei bildet gerade die aktuelle BGV A2 dazu eine wunderbare Grundlage. In „jüngeren“ Arbeitsschutzvorschriften (ganz aktuell die neue GefstoffV und die Änderungen in der BioStoffV) wird die Beraterrolle daher erneut betont. Die an der Gesamtheit aller Beschäftigten orientierte Beratung des Arbeitgebers hinsichtlich Schwerpunkten möglicher gesundheitlicher Gefährdungen war schon immer eine Schwerpunktaufgabe der Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit; zusammengefasst unter dem Begriff „Gefährdungsbeurteilung“ wird die Bedeutung dieser Kernaufgabe seit 1996 durch deren ausdrückliche Erwähnung im ASiG (Art. 2 Arbeitsschutzartikelgesetz: Anpassung der §§ 3 und 6 ASiG) unterstrichen. Damit gehört diese Dienstleistung – im Gegensatz zu den zahlreichen speziellen Vorsorgeuntersuchungen unstrittig – zum Katalog der auf die betriebsärztlichen Einsatzstunden anzurechnenden Tätigkeiten und birgt hervorragende Möglichkeiten zur praktischen Umsetzung der neuen BGV A2 (Tab. 7.9). Durch den diskutierten möglichen zukünftigen Wegfall des Einsatzstundenmodells würde das Ganze noch immens an Bedeutung gewinnen. Der spezifisch medizinische Inhalt kommt dadurch zum Tragen, dass der Betriebsarzt der einzige der im Konzert der Arbeitsschutzberater Tätigen ist, der mögliche Gefährdungen unter gesundheitlichen Aspekten kompetent bewerten und notwendige Präventivmaßnahmen in eine Prioritätenliste einordnen kann.

198

7

Sicherheits- und Gesundheitsschutzmanagement

Tab. 7.9 Einbindung des Betriebsarztes in die Arbeitsplatzbeurteilung durch den Gesetzes- und Verordnungsgeber ASiG ArbSchG GefStoffV BioStoffV

ArbStättV BetrSichV LasthandhabV LärmVibrationsArbSchV GenTSV Verordnung zum Schutz der Mütter am Arbeitsplatz

7.14.1

§ 3 Aufgaben der Betriebsärzte § 4 Allgemeine Grundsätze § 5 Beurteilung der Arbeitsbedingungen § 7 Informationsermittlung und Gefährdungsbeurteilung § 15 Arbeitsmedizinische Vorsorge § 5 Informationen für die Gefährdungsbeurteilung § 6 Gefährdungsbeurteilung bei gezielten Tätigkeiten § 7 Gefährdungsbeurteilung bei nicht gezielten Tätigkeiten § 8 Durchführung der Gefährdungsbeurteilung § 3 Einrichten und Betreiben von Arbeitsstätten § 3 Gefährdungsbeurteilung § 3 Übertragung von Aufgaben § 5 Fachkunde § 8 Allgemeine Schutzpflicht, Arbeitsschutz § 1 Beurteilung der Arbeitsbedingungen § 3 Weitere Folgerungen aus der Beurteilung

Rechtliche Forderung

In zahlreichen Gesetzen und Verordnungen wird diese Beteiligung zwar direkt oder indirekt gefordert, in der täglichen Praxis findet man dies aber leider häufig nicht so umgesetzt. In der folgenden Zusammenstellung finden sie eine Auswahl der wichtigsten Stellen, an denen sie diese Forderung finden: Der spezifisch medizinische Inhalt der Arbeitsplatzbeurteilung kommt dadurch zum Tragen, dass der Betriebsarzt der einzige der im Konzert der Arbeitsschutzberater Tätigen ist, der mögliche Gefährdungen unter gesundheitlichen Aspekten kompetent bewerten und notwendige Präventivmaßnahmen in einer Prioritätenliste einordnen kann. Er allein kann zudem sachkundig entscheiden, ob beispielsweise eine als Ersatzstoff vorgesehene chemische Substanz tatsächlich das Auftreten gesundheitlicher Beeinträchtigungen verhindern kann oder sekundärpräventive Maßnahmen unabweisbar sind (Meyer-Falcke und Siegmann 2000, 2001; Wittmann und Siegmann 2008).

7.15 Prozessorientierter Ansatz der Arbeitsplatzbeurteilung Die moderne Prozessorientiertheit ist die Voraussetzung für integrierte Managementsysteme. Dies lässt sich auch auf die Arbeitsplatzbeurteilung anwenden. Zunächst muss man dazu das Arbeitssystem in seiner Prozessorientiertheit betrachten (Abb. 7.15).

7.16

Gemeinsame Deutsche Arbeitsschutzstrategie

199

Wertschöpfungsprozess und Arbeitssystem Arbeitssystem Arbeitsumgebung Arbeitsmittel/ -stoffe

Soziale Beziehung

Person (Führungskräfte)

Person (Beschäftigte)

Organisation (soziales System Unternehmenskultur) Auftrag/Arbeitsaufgabe Angebot Auftrag

Produkt/Leistung Beschaffung PersonalZeitplanung

Arbeitsvorbereitung

Leistung erbringung Produktion

Vertreib Marketing

Wertschöpfungsprozess Unternehmensentwicklung

Kunden Abb. 7.15 Wertschöpfung und Arbeitssystem. (Cernavin 2008)

Wenn man nun die einzelnen Bestandteile des Systems mit den Augen des Arbeitsschützers betrachtet, so fallen die vielfältigen Themen des Arbeitsschutzes in den einzelnen Bereichen auf (Abb. 7.16). Folgende Aspekte (Tab. 7.10) lassen sich in den einzelnen Prozessschritten finden, die zu möglichen Gefährdungen führen können (Cernavin 2008).

7.16 Gemeinsame Deutsche Arbeitsschutzstrategie Zur Gefährdungsbeurteilung wurde im Rahmen der Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie (GDA) eine „Leitlinie Gefährdungsbeurteilung und Dokumentation“ verfasst. Zusätzlich zu den o. a. Punkten ist an dieser Stelle das Vorgehen der Aufsichtspersonen bei der Beurteilung der von den Betrieben erstellten Gefährdungsbeurteilungen:

200

7

Sicherheits- und Gesundheitsschutzmanagement

Tab. 7.10 Themen einer prozessorientierten Arbeitsplatzbeurteilung Mögliche Prozessschritte zur Umsetzung einer Arbeitsaufgabe Vertragsabschluss

Planung

Beschaffung

Personaleinsatz

Mögliche Themen im Wertschöpfungsprozess, die Ursachen für Gefährdungen sein können

– Aspekte der Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit im Angebot/in der Aufgabenbeschreibung berücksichtigt – In Kalkulation Aspekte sicherer und störungsfreier Arbeitsverfahren berücksichtigt. – Aspekte der Sicherheit und Gesundheit im Vertrag berücksichtigt – Zeitplanung berücksichtigt Belastungssituationen – Ablaufplanung berücksichtigt Belastungssituationen, Möglichkeiten der Arbeitsverfahren, Befähigungen der Personen – Anforderungen an Führungskompetenzen – Festlegung sicherer und gesundheitsgerechter Arbeitsverfahren – Einsatzplanung von Arbeitsstoffen – Schnittstellen zu anderen Unternehmen und der Umgebung – Raumbedarf und Raumqualität (Qualität und Ergonomie der benötigten Arbeitsstätten) – Entsorgung Bedarfsplanung aller Ressourcen zur Umsetzung der Arbeitsaufgabe inklusive Arbeitsschutzanforderungen Zur Verfügungsstellung der finanziellen und sachlichen Mittel zur Umsetzung der Arbeitsaufgabe inklusive Arbeitsschutzanforderungen Einbindung von Fachkräften für Arbeitssicherheit und Betriebsärzten in die Planungen – Beschaffung von Arbeitsmitteln, die qualitätsbewusstes, sicheres und gesundheitsgerechtes Arbeiten ermöglichen – Beschaffung von Arbeitsstoffen, die qualitätsbewusstes, sicheres und gesundheitsgerechtes Arbeiten ermöglichen – Beschaffung der erforderlichen PSA – Qualität der Nachunternehmer – Qualität der Lieferanten – Verantwortlichkeiten und Weisungsbefugnisse – Pflichtenübertragung – Arbeitsanweisungen (mit integriertem Arbeitsschutz) – Körperliche Eignung der Beschäftigten für die Arbeitsaufgabe – Beschäftigungsbeschränkungen – Arbeitszeitregelungen – Vertretungsregelungen – Pausenregelungen – Notwendige Aus- und Fortbildung

7.16

Gemeinsame Deutsche Arbeitsschutzstrategie

201

Tab. 7.10 (Fortsetzung) Mögliche Prozessschritte zur Umsetzung einer Arbeitsaufgabe Arbeitsvorbereitung

Information/ Kommunikation

Produktion/Leistungserbringung Grundlegende Aufbau-Betriebsorganisation

Mögliche Themen im Wertschöpfungsprozess, die Ursachen für Gefährdungen sein können

– Einsatz von Arbeitsmitteln, die qualitätsbewusstes, sicheres und gesundheitsgerechtes Arbeiten ermöglichen (geeignet, geprüft, gekennzeichnet, ergonomisch) – Einsatz von Arbeitsstoffen, die qualitätsbewusstes, sicheres und gesundheitsgerechtes Arbeiten ermöglichen – Besondere Maßnahmen bei gefährlichen Arbeiten – Wechselwirkung von Gefährdungen – Materialfluss/Transportabläufe – Lagerflächen und Standorte für Arbeitsmittel – Verkehrswege – Betriebsanweisungen – Erforderliche PSA – Koordination – Informationen über die Arbeitsaufgaben, Weisungsbefugnisse – Unterweisungen – Informationswege (zum Beispiel bei Mängeln, Störungen, Verbesserungsvorschlägen) – Informationsorte (zum Beispiel wo Informationen über Arbeitsaufgaben sowie sicheres und qualitätsbewusstes Arbeiten zu finden sind; Arbeitsschutzvorschriften) – Regelmäßige Besprechungen über Umsetzung der Arbeitsaufgabe inklusive Themen der Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit – Kontrolle der geplanten Maßnahmen – Anpassung und Verbesserung der Maßnahmen – Leitlinien und Unternehmensziele mit Aussagen zu Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit – Führungsqualität (zum Beispiel Einbindung der Mitarbeiter, Anerkennung von Leistungen, Vorbildfunktion, Verbesserung von Sicherheit und Gesundheit) – Mitarbeiterbeteiligung und Einbeziehung der Erfahrungen der Mitarbeiter über Störungen, Fehler, Schwachstellen – Personalentwicklung inklusive Arbeitsschutzkompetenzen/interne und externe Fortbildung – Zielvereinbarungen mit allen Führungskräften/Beschäftigten inklusive sicheres und gesundheitsgerechtes Arbeiten – Controlling (inklusive Verhalten und Umsetzung von Sicherheit und Gesundheit) – Prüfungen von Arbeitsmitteln – Einbindung der Fachkräfte für Arbeitssicherheit (als Prozessberater) – Erste Hilfe – Brandschutz – Arbeitsmedizinische Vorsorge – Gesundheitsförderung – Sozialeinrichtungen

202

7

Sicherheits- und Gesundheitsschutzmanagement

Wertschöpfungsprozess und Arbeitsschutzthemen des Arbeitssystems Arbeitsumgebung z. B.: Raumqualität, physikalische Umgebung, chemische Umgebung, Informationsdarstellung, Arbeitsmittelgestaltung, Arbeitsplätze, Verkehrswege usw.

Arbeitsmittel/-stoffe z. B.: Bau- und Ausrüstung, Anforderungen, Kennzeichnugnen, Umgang, Prüfungen, Ersatzstoffe, Schutzausrüstung, Entsorgung usw.

Personen (Mitarbeiter/Führungskräfte) z. B.: Leistungsfähigkeit, -bereitschaft, Gesundheit/Ressourcen, physische Belastungen, psychische Belastungen; Kompetenzen/ Qualifikation, Kooperation, Beteiligung usw.

Organisation (soziales System) Auftrag/Arbeitsaufgabe

z. B.: Verantwortlichkeiten, Anweisungen,Unterweisung, Ermittlungen/Prüfungen, Vereinbarungen; Kommunikation KVP, Führungsverhalten, Unternehmenskultur usw.

Produkt/Leistung

Wertschöpfungsprozess Unternehmensentwicklung

Abb. 7.16 Wertschöpfung und beispielhafte Arbeitsschutzthemen im Arbeitssystem. (Cernavin 2008)

In der Regel sollte eine Aufsichtsperson bei jeder Betriebsbesichtigung die Gefährdungsbeurteilung ansprechen. Dabei überprüft sie, ob die Gefährdungsbeurteilung der betrieblichen Situation angemessen durchgeführt und dokumentiert wurde. Es sind drei Fälle zu unterscheiden:  Die Gefährdungsbeurteilung wurde nicht durchgeführt  Die Gefährdungsbeurteilung wurde nicht angemessen durchgeführt  Die Gefährdungsbeurteilung wurde angemessen durchgeführt Die Aufsichtsperson lässt sich in diesem Zusammenhang Unterlagen zur Gefährdungsbeurteilung vorlegen und überprüft stichprobenartig Arbeitsplätze. Die Gefährdungsbeurteilung wurde nicht durchgeführt: Der Arbeitgeber wird zu seinen Pflichten und zu den Möglichkeiten der Hilfestellung beraten. Erkennt die Aufsichtsperson Gefährdungen, gegen die keine ausreichenden Arbeitsschutzmaßnahmen ergriffen wurden, ist der Arbeitgeber in der Regel schriftlich aufzufordern, die Gefährdungsbeurteilung in einer angemessenen Frist durchzuführen und die Dokumentation vorzuhalten. Eine Nachverfolgung wird durchgeführt.

7.17

Unterweisung

203

Eine Gefährdungsbeurteilung ist nicht angemessen durchgeführt, wenn:        

die betriebliche Gefährdungssituation offensichtlich unzutreffend bewertet wurde wesentliche Gefährdungen des Arbeitsplatzes/der Tätigkeit nicht ermittelt worden sind wesentliche Arbeitsplätze/Tätigkeiten nicht beurteilt wurden besondere Personengruppen nicht berücksichtigt wurden Maßnahmen des Arbeitgebers nicht ausreichend oder ungeeignet sind keine Wirksamkeitskontrolle durchgeführt wurde die Beurteilung nicht aktuell ist erforderliche Unterlagen des Arbeitgebers nicht aussagefähig bzw. plausibel sind

Der Arbeitgeber wird in der Regel schriftlich aufgefordert, die Gefährdungsbeurteilung in einer angemessenen Frist nachzubessern. Ggf. wird eine Nachverfolgung durchgeführt. Eine Gefährdungsbeurteilung wurde angemessen durchgeführt, wenn:  die betriebliche Gefährdungsbeurteilung im Wesentlichen durchgeführt und zutreffend bewertet wurde  Maßnahmen des Arbeitgebers ausreichend und geeignet sind  Wirksamkeitskontrollen durchgeführt werden  die Beurteilung aktuell ist  die Dokumentation in Form und Inhalt angemessen vorliegt Wurden bei der Stichprobenprüfung nur kleine Mängel festgestellt, ist eine mündliche Beratung ausreichend.

7.17 Unterweisung Unterweisungen sind eines der wichtigsten Instrumente im organisatorischen Arbeitsschutz. Kennen die Beschäftigten die mit ihrer Tätigkeit verbundenen Gefahren können sie sich bewusst vor diesen schützen. Daher muss der Arbeitgeber oder Verantwortliche eines Arbeitsbereiches die Beschäftigten über Sicherheit und Gesundheitsschutz während ihrer Arbeitszeit ausreichend und angemessen zu informieren. I

Tipp Stets muss sich der Unterweisende auch davon überzeugen, dass die Unterwiesenen verstanden haben, worum es geht; insbesondere bei Mitarbeitern, die mit der deutschen Sprache nicht gut vertraut sind, ist dies nicht unbedingt einfach zu bewerkstelligen!

Grundsätzlich gilt für Unterweisungen:  Unterweisungen zu allen sicherheitsrelevanten Themen  Unterweisungen mindestens einmal jährlich durchführen

204

7

Sicherheits- und Gesundheitsschutzmanagement

 Unterweisungen sollen mündlich erfolgen und arbeitsplatzbezogen durchgeführt werden  Inhalt, Teilnehmer und Datum der Unterweisung dokumentieren  Falls möglich sollen Unterweisungen anhand der Betriebsanweisungen erfolgen.  Beschäftigte müssen die Teilnahme an der Unterweisung mit Unterschrift bestätigen  Sinnvoll ist es, sich von den Beschäftigen auch schriftlich bestätigen zu lassen, dass sie den Inhalt der Unterweisung verstanden haben Falls für bestimmte Tätigkeiten (oder dem Umgang mit Gefahrstoffen) Betriebsanweisungen erstellt wurden, bietet es sich an, die Beschäftigten anhand dieser Anweisungen zu unterweisen. Sinnvoll ist dies aber nur, wenn die Betriebsanweisung eindeutig, vollständig und aktuell ist. Forderungen an den Inhalt von Betriebsanweisungen:  Der Inhalt einer Betriebsanweisung muss vollständig sein, d. h. alle notwendigen Informationen müssen enthalten sein. Insbesondere gilt daher:  Alle sicherheitsrelevanten Zusammenhänge sind eindeutig zu beschreiben  Die richtige Reihenfolge der Informationen muss gewählt werden  Der Aufbau muss logisch gegliedert sein Betriebsanweisungen müssen den Beschäftigten selbstverständlich auch nach einer erfolgten Unterweisung zur Verfügung stehen. Um jederzeit als angemessene Orientierungshilfe dienen zu können, muss der Inhalt der Anweisung schnell erfasst werden können, was bedeutet, dass die Betriebsanweisung nicht zu lang werden darf. Eine Gestaltung in einheitlichen Farben (Maschinenbetriebsanweisungen blau, Gefahrstoffbetriebsanweisungen orange, Biostoffbetriebsanweisungen grün) hat sich ebenso bewährt wie die Verwendung gängiger Piktogramme. Bildhafte Darstellungen erleichtern die Wahrnehmung, unterstützen die richtige Interpretation und helfen Missverständnisse aufgrund mangelnder Sprachkenntnisse zu vermeiden. Anforderungen an die Gestaltung der Anweisung:  Schriftgröße muss für alle Mitarbeiter gut lesbar sein  Text muss übersichtlich gegliedert sein (z. B. in die von den Berufsgenossenschaften vorgeschlagenen Felder Anwendungsbereich, Gefahren für Mensch und Umwelt, Schutzmaßnahmen und Verhaltensregeln, Verhalten bei Störungen, Verhalten bei Unfällen (erste Hilfe), Sachgerechte Entsorgung bzw. Instandhaltung, Folgen der Nichtbeachtung)  Einheitliche Begriffswahl verhindert Fehlinterpretationen  Die Betriebsanweisung muss für den Beschäftigten jederzeit zugänglich sein bzw. am Ort der Gefährdung ausgehangen werden Sehr gut lassen sich auch die monatlichen Unterweisungen und SGU-Baustelleninspektion auf Baustellen bei Unternehmen kombinieren, die nach SCC zertifiziert sind:

7.17

Unterweisung

205 Monatliche Unterweisung / SGU-Baustelleninspektion

Ort Themen Unterweisung

Themen für Baustelleninspektion

Unterweiser Name

Teilnehmer Name

gefährliche Arbeiten* Zustand: Werkzeuge, Geräte, Einrichtungen

Gefahrstoffe

Arbeitsschutzinformationen

Zustand: Verbandskästen, Feuerlöschgeräte

Ordnung und Sauberkeit

Geschäftsführer Bereichsleiter Obermonteur (Bauleiter) SiFa Name Vorname

Unterschrift

Aktuelle Sicherheits- und Unfallhinweise vom Werk den Teilnehmern vermittelt Inspektionsergebnis: Keine aktuellen Abweichungen Datum, Unterschrift Abweichungen

Maßnahmen

Datum

Verantwortlicher

*Im Sinne des § 8 BGV A1 „Grundsätze der Prävention“ sind gefährliche Arbeiten z. B. solche, bei denen eine erhöhte oder besondere Gefährdung aus dem Arbeitsverfahren, der Art der Tätigkeit, den verwendeten Stoffen sowie aus der Umgebung gegeben sein kann. Eine erhöhte Gefährdung kann z. B. durch mechanische, elektrische, chemische, biologische, thermische Gefahren oder durch Strahlungsenergie gegeben sein. Eine besondere Gefährdung kann z. B. bei mehr als einer Gefährdung oder einer Gefährdung und zusätzlich mehreren Beeinträchtigungen, z. B. Umgebungseinflüsse, physiologische oder psychologische Faktoren, gegeben sein.

206

7

Sicherheits- und Gesundheitsschutzmanagement

Gefährliche Arbeiten sind z. B. Schweißen in engen Räumen, Befahren von Behältern oder engen Räumen, Befahren von Silos, Feuerarbeiten in brand- oder explosionsgefährdeten Bereichen oder an geschlossenen Hohlkörpern, Druckproben und Dichtigkeitsprüfungen an Behältern, Erprobung von technischen Großanlagen (z. B. Kesselanlagen), Sprengarbeiten, Arbeiten in gasgefährdeten Bereichen, Fällen von Bäumen, Betreten von Kanalisationsanlagen, der Einsatz bei der Feuerwehr.

7.18

Zusammenarbeit der Arbeitsschutzakteure (Tab. 7.11)

Die Zusammenarbeit des Betriebsarztes und der Fachkraft für Arbeitssicherheit wird unter anderem durch § 10 des Arbeitssicherheitsgesetzes geregelt: Die Betriebsärzte und die Fachkräfte für Arbeitssicherheit haben bei der Erfüllung ihrer Aufgaben zusammenzuarbeiten. Dazu gehört es insbesondere, gemeinsame Betriebsbegehungen vorzunehmen. Die Betriebsärzte und die Fachkräfte für Arbeitssicherheit arbeiten bei der Erfüllung ihrer Aufgaben mit den anderen im Betrieb für Angelegenheiten der technischen Sicherheit, des Gesundheits- und des Umweltschutzes beauftragten Personen zusammen.

I

Tipp „Zusammenkommen ist der Anfang, Zusammenarbeit ist der Erfolg!“ (Henry Ford)

Gemeinsame Aufgabe: Prävention Die traditionelle Rollenverteilung von Fachkräften für Arbeitssicherheit und Betriebsärzten war die, den Betriebsarzt in allen Fragen des Gesundheitsschutzes als Experten und die Fachkraft für Arbeitssicherheit für die Fragen der Arbeitssicherheit zu benennen. Unter „Gesundheitsschutz“ wurde dabei der Schutz vor längerfristig mit Schädigungen assoziierten Belastungen, insbesondere zur Vorbeugung von Berufskrankheiten verstanden, wohingegen die „klassische Arbeitssicherheit“ den Schutz der Beschäftigten vor Unfällen zur Aufgabe hatte. In den Paragrafen 3 (Aufgaben der Betriebsärzte) und 6 (Aufgaben der Fachkräfte für Arbeitssicherheit) sieht das Arbeitssicherheitsgesetz eine differenziertere Aufgabenverteilung vor: Zwar sind Betriebsarzt und Fachkraft für Arbeitsschutz gleichwertige Berater des Arbeitgebers und die meisten Aufgaben werden beiden Experten gleichermaßen übertragen, allerdings gibt es doch Unterschiede in der im Gesetz vorgesehenen Aufgabenverteilung, die ihren Ausgangspunkt auch in den unterschiedlichen Ausbildungen und den unterschiedlichen Möglichkeiten der Intervention im Betrieb haben. Das gemeinsame Ziel von Betriebsärzten und Fachkräften für Arbeitssicherheit ist eine kontinuierliche Verbesserung des Arbeits- und Gesundheitsschutzes für die Beschäftigten. Hierzu erarbeiten sie idealerweise prospektiv umfassende Konzepte für einen ganzheitlichen Ansatz im Betriebssicherheitsmanagement.

7.18

Zusammenarbeit der Arbeitsschutzakteure (Tab. 7.11)

207

Tab. 7.11 Aufgaben des Arbeitssicherheitsgesetzes an Fachkräfte für Arbeitssicherheit und Betriebsärzte. Unterschiede in den Aufgaben sind durch Unterstreichen hervorgehoben; Es zeigt sich, dass die meisten Aufgaben an beide Experten gemeinsam übertragen werden. (Wittmann und Siegmann 2008 ) § 3 Aufgaben der Betriebsärzte (1) Die Betriebsärzte haben die Aufgabe, den Arbeitgeber beim Arbeitsschutz und bei der Unfallverhütung in allen Fragen des Gesundheitsschutzes zu unterstützen. Sie haben insbesondere 1. den Arbeitgeber und die sonst für den Arbeitsschutz und die Unfallverhütung verantwortlichen Personen zu beraten, insbesondere bei a) der Planung, Ausführung und Unterhaltung von Betriebsanlagen und von sozialen und sanitären Einrichtungen, b) der Beschaffung von technischen Arbeitsmitteln und der Einführung von Arbeitsverfahren und Arbeitsstoffen, c) der Auswahl und Erprobung von Körperschutzmitteln, d) arbeitsphysiologischen, arbeitspsychologischen und sonstigen ergonomischen sowie arbeitshygienischen Fragen, insbesondere des Arbeitsrhythmus, der Arbeitszeit und der Pausenregelung, der Gestaltung der Arbeitsplatze, des Arbeitsablaufs und der Arbeitsumgebung, e) der Organisation der „Ersten Hilfe“ im Betrieb, f) Fragen des Arbeitsplatzwechsels sowie der Eingliederung und Wiedereingliederung Behinderter in den Arbeitsprozeß, g) der Beurteilung der Arbeitsbedingungen, 2. die Arbeitnehmer zu untersuchen, arbeitsmedizinisch zu beurteilen und zu beraten sowie die Untersuchungsergebnisse zu erfassen und auszuwerten,

§ 6 Aufgaben der Fachkräfte für Arbeitssicherheit Die Fachkräfte für Arbeitssicherheit haben die Aufgabe, den Arbeitgeber beim Arbeitsschutz und bei der Unfallverhütung in allen Fragen der Arbeitssicherheit einschließlich der menschengerechten Gestaltung der Arbeit zu unterstützen. Sie haben insbesondere 1. den Arbeitgeber und die sonst für den Arbeitsschutz und die Unfallverhütung verantwortlichen Personen zu beraten, insbesondere bei a) der Planung, Ausführung und Unterhaltung von Betriebsanlagen und von sozialen und sanitären Einrichtungen, b) der Beschaffung von technischen Arbeitsmitteln und der Einführung von Arbeitsverfahren und Arbeitsstoffen, c) der Auswahl und Erprobung von Körperschutzmitteln, d) der Gestaltung der Arbeitsplatze, des Arbeitsablaufs, der Arbeitsumgebung und in sonstigen Fragen der Ergonomie, e) der Beurteilung der Arbeitsbedingungen, 2. die Betriebsanlagen und die technischen Arbeitsmittel insbesondere vor der Inbetriebnahme und Arbeitsverfahren insbesondere vor ihrer Einführung sicherheitstechnisch zu überprüfen,

208

7

Sicherheits- und Gesundheitsschutzmanagement

Tab. 7.11 (Fortsetzung) § 3 Aufgaben der Betriebsärzte 3. die Durchführung des Arbeitsschutzes und der Unfallverhütung zu beobachten und im Zusammenhang damit a) die Arbeitsstätten in regelmäßigen Abstanden zu begehen und festgestellte Mangel dem Arbeitgeber oder der sonst für den Arbeitsschutz und die Unfallverhütung verantwortlichen Person mitzuteilen, Maßnahmen zur Beseitigung dieser Mangel vorzuschlagen und auf deren Durchführung hinzuwirken, b) auf die Benutzung der Körperschutzmittel zu achten, c) Ursachen von arbeitsbedingten Erkrankungen zu untersuchen, die Untersuchungsergebnisse zu erfassen und auszuwerten und dem Arbeitgeber Maßnahmen zur Verhütung dieser Erkrankungen vorzuschlagen, 4. darauf hinzuwirken, daß sich alle im Betrieb Beschäftigten den Anforderungen des Arbeitsschutzes und der Unfallverhütung entsprechend verhalten, insbesondere sie über die Unfall- und Gesundheitsgefahren, denen sie bei der Arbeit ausgesetzt sind, sowie über die Einrichtung und Maßnahmen zur Abwendung dieser Gefahren zu belehren und bei der Einsatzplanung und Schulung der Helfer in „Erster Hilfe“ und des medizinischen Hilfspersonals mitzuwirken. (2) Die Betriebsärzte haben auf Wunsch des Arbeitnehmers diesem das Ergebnis arbeitsmedizinischer Untersuchungen mitzuteilen; § 8 Abs. 1 Satz 3 bleibt unberührt. (3) Zu den Aufgaben der Betriebsärzte gehört es nicht, Krankmeldungen der Arbeitnehmer auf ihre Berechtigung zu überprüfen.

§ 6 Aufgaben der Fachkräfte für Arbeitssicherheit 3. die Durchführung des Arbeitsschutzes und der Unfallverhütung zu beobachten und im Zusammenhang damit a) die Arbeitsstätten in regelmäßigen Abstanden zu begehen und festgestellte Mangel dem Arbeitgeber oder der sonst für den Arbeitsschutz und die Unfallverhütung verantwortlichen Person mitzuteilen, Maßnahmen zur Beseitigung dieser Mangel vorzuschlagen und auf deren Durchführung hinzuwirken, b) auf die Benutzung der Körperschutzmittel zu achten, c) Ursachen von Arbeitsunfällen zu untersuchen, die Untersuchungsergebnisse zu erfassen und auszuwerten und dem Arbeitgeber Maßnahmen zur Verhütung dieser Arbeitsunfälle vorzuschlagen, 4. darauf hinzuwirken, daß sich alle im Betrieb Beschäftigten den Anforderungen des Arbeitsschutzes und der Unfallverhütung entsprechend verhalten, insbesondere sie über die Unfall- und Gesundheitsgefahren, denen sie bei der Arbeit ausgesetzt sind, sowie über die Einrichtungen und Maßnahmen zur Abwendung dieser Gefahren zu belehren und bei der Schulung der Sicherheitsbeauftragten mitzuwirken.

7.18

Zusammenarbeit der Arbeitsschutzakteure (Tab. 7.11)

Zuständigkeit des Betriebsarztes

Arbeitssicherheit

7.18.1

Gesundheitsschutz

Beschaffung technischer Arbeitsmittel Brandschutz Unfallursachenforschung Baustellenbetreuung Persönliche Schutzausrüstung Arbeitsplatzgestaltung Physikalische Einwirkungen Gefahrstoffe Begehungen Mitwirkung im Arbeitsschutzausschuss Gefährdungsbeurteilungen Bildschirmarbeit Arbeitszeit als Belastungsfaktor Untersuchung arbeitsbedingter Erkrankungen Biologische Arbeitsstoffe Auslandseinsätze Arbeitshygiene Hautschutz Erste Hilfe und Notfallmanagement Psychosoziale Belastungen Vorsorgeuntersuchungen Wiedereingliederungsmanagement Gesundheitsmanagement Betriebsärztliche Sprechstunde

Zuständigkeit der Fachkraft für Arbeitssicherheit

Abb. 7.17 Innerbetriebliche Aufgabenverteilung zwischen Fachkräften für Arbeitssicherheit und Betriebsärzten. (Wittmann und Siegmann 2008)

209

Gemeinsame Begehung der Arbeitsplätze

Regelmäßige Begehungen durch den Betriebsarzt und die Fachkraft für Arbeitssicherheit sind ein wesentliches Instrument, um Gefährdungen und arbeitsbedingte Gesundheitsgefahren im betrieblichen Alltag rechtzeitig zu erkennen und zu vermindern. Die Begehungen dienen in erster Linie dazu, sich „an Ort und Stelle“ ein umfassendes Bild von den tatsächlichen Arbeitsbedingungen zu machen. Nur so können Arbeitgeber und die Beschäftigten praxisgerecht und fundiert beraten werden. Gemeinsame Begehungen durch Fachkraft für Arbeitssicherheit und Betriebsarzt wie im § 10 des ASiG gefordert sind quasi als „Gefährdungsbeurteilung durch Experten vor Ort“ ein wesentliches Element zur Verbesserung des betrieblichen Arbeits- und Gesundheitsschutzes. Eine enge Zusammenarbeit aller in einem Betrieb für das Arbeitsschutzmanagement zuständigen Personen ist eine der wichtigsten Voraussetzungen für eine kontinuierliche Verbesserung der Arbeitsbedingungen. Der guten Zusammenarbeit von Fachkräften für Arbeitssicherheit und Betriebsärzten kommt hierbei eine Schlüsselrolle zu (Abb. 7.17). Diese Zusammenarbeit ist schon im Arbeitssicherheitsgesetz und der BGV A2 gefordert und sollte neben den gemeinsam durch beide Experten durchgeführten Begehungen und der Zusammenarbeit im Arbeitsschutzausschuss auch eine enge Zusammenarbeit bei der Durchführung der Arbeitsplatzbeurteilung sowie gemeinsame Berichte an den Arbeit-

210

7

Sicherheits- und Gesundheitsschutzmanagement

geber umfassen. Von besonderer Bedeutung ist auch die gemeinsame Bearbeitung bestimmter Aufgabenfelder, bei denen sich die einzelnen Professionen ideal ergänzen. Dies sind neben Beratungen zum Umgang mit älteren Arbeitnehmern, zur Arbeitsplatz- bzw. Arbeitszeitgestaltung und zu Auslandseinsätzen auch Felder wie die Verhütung arbeitsbedingter Erkrankungen, Bildschirmarbeitsplätze, Erste Hilfe, Gefahrstoffe, physikalische Einsätze, persönliche Schutzausrüstung und das betriebliche Wiedereingliederungsmanagement. I

Tipp Kooperation trägt zur Beherrschung der Vielfältigkeit und Komplexität des Arbeitsschutzes bei, verstärkt die präventive Wirkung, erhöht die Akzeptanz des Arbeitsschutzes, bündelt verfügbare Ressourcen!

7.19 Die Rolle des Betriebsrates im Arbeitsschutz Die Verantwortung für die Arbeitssicherheit im Betrieb ist gleichmäßig auf viele Schultern verteilt: Unternehmer, Betriebssicherheitsmanager, Vorgesetzte, Meister, Fachkräfte für Arbeitssicherheit, Betriebsarzt und Betriebsrat ziehen alle an einem Strang, um Ausfallzeiten und somit Kosten durch Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten zu vermeiden. Eine besondere Stelle kommt dabei dem Betriebsrat zugute. Er ist der Vermittler in Sachen Arbeitsschutz zwischen Mitarbeiter und Unternehmer. Die Rechte und Pflichten des Betriebsrates in Sachen Arbeitsschutz regelt unter anderem das Betriebsverfassungsgesetz. Es enthält Vorschriften die den Umgang zwischen den Beteiligten regeln. An erster Stelle steht die Pflicht des Betriebsrates, darüber zu wachen, dass die gesetzlichen und die unfallversicherungsrechtlichen Vorschriften eingehalten werden, und zwar sowohl vom Unternehmen als auch von den Mitarbeitern. Dazu gehört vor allem, dass:    

das Unternehmen seinen Pflichten nachkommt die Vorgesetzten richtig einbezogen werden die Organisation des Arbeitsschutzes den Regelungen entspricht alle Aufgaben richtig verteilt sind und wahrgenommen werden

Stellt der Betriebsrat fest, dass dies nicht der Fall ist, muss er sich für die Durchführung der rechtlichen Vorgaben einsetzen. Damit er diese Pflicht auch wahrnehmen kann, hat er das Recht:     

rechtzeitig und umfassend informiert zu werden, zwei Mitglieder in den Arbeitsschutzausschuss zu entsenden, an Betriebsbegehungen und Unfalluntersuchungen teilzunehmen, Unterlagen, die für den Arbeitsschutz von Belang sind, einzusehen und Schon bei der Planung oder Umgestaltung von Arbeitsplätzen und Arbeitsabläufen eingebunden zu werden.

7.20 Der Arbeitsschutzausschuss (ASA) als Kommunikationsplattform

211

Sinn der frühzeitigen und breiten Einbindung ist es, dass dieser sich nicht erst einschaltet, wenn „Not am Mann“ ist, sondern am Aufbau eines umfassenden, präventiv wirkenden Arbeitsschutzes mitarbeitet.

7.20

Der Arbeitsschutzausschuss (ASA) als Kommunikationsplattform auch im Arbeitsschutzmanagement

In Betrieben mit durchschnittlich mehr als 20 Beschäftigten hat der Unternehmer einen Arbeitsschutzausschuss zu bilden. Der Arbeitsschutzausschuss hat spezifische Aufgaben und ist eine hervorragende Kommunikationsplattform für das Arbeitsschutzmanagementsystem. Grundsätzlich hat der ASA bei Bedarf zusammenzutreten. Der § 11 Satz 4 des Arbeitssicherheitsgesetzes (ASiG), nachdem der ASA mindestens einmal vierteljährlich zusammentritt, ist als eine Mindestforderung anzusehen, die bei Bedarf überschritten werden kann, aber nicht unterschritten werden darf. Das Gesetz lässt hier keine Ausnahmen zu. Sollten die Sitzungen nicht durchgeführt werden, ist zwar eine direkte Möglichkeit zur Ahndung einer Ordnungswidrigkeit bei Nichterfüllung von § 11 ASiG nicht gegeben. Die zuständige Behörde kann jedoch die erforderlichen Pflichten aus diesem Gesetz per Ordnungsverfügung verbindlich anordnen (§ 12 Abs. 1 ASiG). Diese Ordnungsverfügung kann dann, nachdem sie rechtskräftig geworden ist, mit den Mitteln des Verwaltungszwangs (z. B. Zwangsgeld) umgesetzt werden. Weiterhin kann nach § 20 ASiG eine rechtskräftige, vollziehbare Anordnung als Ordnungswidrigkeit geahndet werden. Diese kann mit einem Bußgeld von bis zu 25.000 C geahndet werden. Der ASA hat folgende Mitglieder:  Unternehmer oder ein von ihm Beauftragter, z. B. ein Betriebsleiter oder ein Niederlassungsleiter  zwei Betriebsratsmitglieder (Betriebsverfassungsgesetz § 89),  Betriebsarzt  Fachkraft für Arbeitssicherheit  Sicherheitsbeauftragte Im Zeitalter der Vernetzung tritt auch immer häufiger die Frage auf, ob Arbeitsschutzausschusssitzungen auch per Videokonferenzen durchgeführt werden können: Im ASiG existiert kein Ausschluss für eine solche Vorgehensweise. Es muss nur gewährleistet sein, dass den entsprechenden Teilnehmern aller Standorte (insbesondere den örtlichen Betriebsratsmitgliedern und den örtlichen Sicherheitsbeauftragten) der Arbeitsschutzausschusssitzung die Möglichkeit der aktiven Teilnahme, insbesondere des Vorschlagsrecht gewahrt bleibt. Es sollte aber auch bedacht werden, dass standortspezifische Probleme besser in einem kleineren Kreis am Standort erörtert werden können. Alle Teilnehmer sollten über die Maßnahmen informiert werden und in die Entscheidung über die Einführung von Videokonferenzen mit eingebunden werden. Prinzipiell

212

7

Sicherheits- und Gesundheitsschutzmanagement

kann der Arbeitgeber auch einen Beauftragten zu den entsprechenden Sitzungen entsenden. Es empfiehlt sich, die Aufgaben des ASA in einer „Geschäftsordnung“ sauber festzulegen und die Sitzungen rechtssicher zu dokumentieren. Im Folgenden finden sie ein Muster für eine Geschäftsordnung und für ein Protokoll, das auch den Anforderungen eines SCCSystems genügt:

7.20.1

Geschäftsordnung Arbeitsschutzausschuss

Der Arbeitsschutzausschuss befasst sich mit Arbeitsschutz- und Unfallverhütungsanliegen. Zu diesem Zweck tritt er mindestens vierteljährlich oder bei Anlass zusammen. Mitglieder des ASA sind:     

Unternehmer (oder ein von ihm bestellter Beauftragter), ggf. zwei Abgeordnete des Betriebsrats, Betriebsarzt, Fachkraft für Arbeitssicherheit, Sicherheitsbeauftragte.

7.20.2

Ziel und Aufgaben

Ziel des ASA ist die ganzheitliche und interdisziplinäre Betrachtung von Arbeitsschutzproblemen, das gemeinsame Handeln bezüglich des Arbeitsschutzes und die Möglichkeit des präventiven Vorgehens. Der ASA ist fester Bestandteil des Betriebssicherheitsmanagementsystems und berät Anliegen der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes, hat aber keine Anordnungsbefugnis. Er behandelt Themen mit übergeordnetem Charakter wie beispielsweise:  Generelle Regelungen der Arbeitsschutzorganisation und des Betriebssicherheitsmanagementsystems,  Beratung über Ergebnisse von Arbeitsplatz- bzw. Risikobeurteilungen,  Stärkung des Präventionsgedankens,  Einführung und Entwicklung von betrieblichen Gesundheitsberichten und hierauf beruhenden Programmen des Betrieblichen Gesundheitsmanagements (BGM),  Notwendige Maßnahmen im Rahmen des Betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM),  Beobachtung der Arbeitsschutzrelevanten Kennzahlen,  Aktualisierung arbeitsschutzrelevanter Teile des Krisenmanagements.

7.20 Der Arbeitsschutzausschuss (ASA) als Kommunikationsplattform

7.20.3

213

Rechtliche Grundlage

 Die rechtliche Grundlage für den ASA bildet § 11 des Arbeitssicherheitsgesetzes (ASiG). Neben der Zusammensetzung des ASA ist auch festgelegt, dass sich der Ausschuss mindestens einmal vierteljährlich treffen muss. Ein Arbeitsschutzausschuss empfiehlt sich generell. Eine gesetzliche Verpflichtung zur Einrichtung eines ASA besteht bei Betrieben mit mehr als 20 Beschäftigten  Ebenfalls ein Teilnahmerecht haben die weiteren Beauftragten für technische Sicherheit, Gesundheits- und Umweltschutz (zum Beispiel Hygienefachkraft, Umweltschutzbeauftragte, Strahlenschutzbeauftragte) und die Schwerbehindertenvertretung. Es gilt das Formblatt FB „ASA-Protokoll“, dieses entspricht auch den Forderungen einer SCC-Zertifizierung.

7.20.4

Formblatt: ASA-Protokoll

Datum, Uhrzeit: Ort: Protokollführer: Teilnehmer Betriebsarzt:

Name Dr. Musterba

anwesend A

SiFa:

Herr Mustersifa

Geschäftsführung

Dr. Muster

A X A

Betriebsrat

Herr Rat

Sicherheitsbeauftragte

Frau Sicher

fehlt

E A

A D anwesend; F D fehlend; E D entschuldigt

vertreten durch

214

7

Sicherheits- und Gesundheitsschutzmanagement

Feste Abfrageelemente zu jeder Sitzung Pos. Text, Maßnahme

A B C D

E F

G

nein

Maßnahme siehe Aktionsplan – Position

Gibt es Erkenntnisse zu neuen Gefährdungspotenzialen? Sind aus Pos. A abgeleitet zusätzliche arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen notwendig? Gab es Rückmeldungen z. B. von Fremdfirmen? Wurden die sich aus den Inspektionsprotokollen ggf. ableitenden Korrektur-, Vorbeugungs- und Verbesserungsmaßnahmen systematisch bewertet und wirksam umgesetzt? Gibt es Korrektur-, Vorbeugungs- und Verbesserungsmaßnahmen in mehreren Bereichen, die die gleiche Ursache haben? Entsprechen die ggf. vom Team benutzten Gerätschaften den Vorschriften (z. B. Arbeitsmittelbenutzungsverordnung, UVV etc.)? Gab es (meldepflichtige) Unfälle, Beinaheunfälle oder unsichere Situationen und wurden wirksame Korrektur- und Vorbeugungsmaßnahmen abgeleitet?

Jahresplan mit Status und Sondermaßnahmen Pos. Zuständig/ Text, Maßnahme Sonderaktion Termin (ja/nein)

Aktionsplan Zuständig

Text, Maßnahme

Verbesserungsvorschläge Pos. Zuständig/ Text, Maßnahme Termin

Zieltermin

Maßnahme wirksam (ja/nein)

Termin

Maßnahme wirksam

erledigt

Maßnahme wirksam

7.21 Die Rolle der Sicherheitsbeauftragten und ihre zukünftige Entwicklung

215

Termine I. Quartal: jeweils 13.30 Uhr II. Quartal: III. Quartal: IV. Quartal: Besonderheiten: Keine. (Muster mit freundlicher Genehmigung der WS InnoCon GmbH & Co. KG, Essen)

7.21

Die Rolle der Sicherheitsbeauftragten und ihre zukünftige Entwicklung

In Unternehmen mit regelmäßig mehr als 20 Beschäftigten hat der Unternehmer unter Beteiligung des Betriebsrates oder Personalrates nach Maßgabe des § 22 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) Sicherheitsbeauftragte zu bestellen. In Unternehmen mit besonderen Gefahren kann der Unfallversicherungsträger anordnen, dass Sicherheitsbeauftragte auch dann zu bestellen sind, wenn die Mindestbeschäftigtenzahl von 20 Beschäftigten unterschritten wird. Für Unternehmen mit geringen Gefahren für Leben und Gesundheit kann der Unfallversicherungsträger die Zahl 20 in seiner Unfallverhütungsvorschrift erhöhen. Die Sicherheitsbeauftragten unterstützen den Arbeitgeber und die Führungskräfte bei der Durchführung der Maßnahmen zur Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten. Die Sicherheitsbeauftragten sind die Ansprechpartner für die Fachkräfte für Arbeitssicherheit und Betriebsärzte. Sie sollten zur Vermeidung von Interessenkollisionen selbst in keiner betrieblichen Vorgesetztenfunktion sein. Auch sollten sie nicht Mitglied des Betriebsrates sein, da Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz zu den ureigensten Aufgaben des Arbeitgebers zählen und somit nicht von Betriebsratsmitgliedern ausgeübt werden sollten.

7.21.1

Entwicklung

Historischer Vorgänger des Sicherheitsbeauftragten war der frühere Unfallvertrauensmann. Dies klingt noch nach in einem Urteil des Landgerichts Trier vom 29. September 1967 (7 Ms 14/67 – II 59/67). Dort heißt es, seine Stellung entspreche der eines Vertrauensmannes: „Er hat für die von ihm vertretenen Betriebsangehörigen gegenüber dem Betriebsinhaber auf die Beachtung der Sicherheitsvorschriften zu achten und den Betriebsinhaber aufzufordern, die entsprechenden Sicherheitsvorschriften zu treffen“. Bis 1973 war der Sicherheitsbeauftragte die einzige durch Gesetz vorgeschriebene personelle Institution für Arbeitssicherheit im Betrieb. Erst durch das „Gesetz über Betriebsärzte, Sicherheitsingenieure und andere Fachkräfte für Arbeitssicherheit“ vom 12. Dezember 1973 (BGBl. I S. 1885), das zuletzt durch Artikel 226 der Verordnung vom 31. Ok-

216

7

Sicherheits- und Gesundheitsschutzmanagement

tober 2006 (BGBl. I S. 2407) geändert worden ist, kamen die weiteren Stake Holder ins Spiel. Heute ist der Sicherheitsbeauftragte ein wichtiger Bestandteil der Arbeitsschutzorganisation und ehrenamtlicher Helfer der betrieblichen Arbeit für Arbeitssicherheit und Gesundheit. Doch wo geht seine Entwicklung hin? Auf Grund der Entwicklung der Fachkräfte für Arbeitssicherheit hin zu „Managern für Sicherheit und Gesundheit“ sowie die Entwicklung der Betriebsärzte hin zu „Betrieblichen Gesundheitsmanagern“ wird es sicherlich auch eine Entwicklung der Sicherheitsbeauftragten hin zu „Beauftragten für Sicherheit und Gesundheit“ geben. Viele Betriebe beschreiten bereits diesen Weg. Die Zeit wird zeigen, wo der Weg enden wird.

7.21.2

Grundsätzliche Aufgaben

Die Sicherheitsbeauftragten haben eine Schlüsselrolle bei der Beteiligung der Mitarbeiter bei der Gestaltung von Sicherheit und Gesundheit. Auch der Gesetzgeber und die Unfallversicherungsträger sehen in den Sicherheitsbeauftragten die Akteure, die in den Unternehmen die Maßnahmen des Präventionsauftrags unterstützen und die in die Organisation des Arbeitsschutzes aktiv einzubinden sind. Die Sicherheitsbeauftragten kennen die Stärken und Schwächen der Kolleginnen und Kollegen, mit denen sie täglich zusammenarbeiten, und die Arbeitsverhältnisse vor Ort. Zur sozialen Kompetenz gehört es, diese Kenntnisse bei verschiedensten Anlässen engagiert zum Wohle Ihre Kollegen einzubringen. Die Sicherheitsbeauftragten sprechen die „Sprache“ der Mitarbeiter, sie verfügen idealerweise über Fingerspitzengefühl im Umgang mit ihren Gesprächspartnern, und sie müssen von diesen anerkannt sein. Zu seinen grundsätzlichen Aufgaben gehört es, sich vom Vorhandensein und der ordnungsgemäßen Benutzung der vorgeschriebenen Schutzeinrichtungen und persönlichen Schutzausrüstungen zu überzeugen und auf Unfall- und Gesundheitsgefahren für die Versicherten aufmerksam zu machen. Auch auf neue Kollegen sollte er ein wachsames Auge haben. Es gehört aber sicherlich nicht zu seinen Aufgaben sicherheitstechnische Überprüfungen von Anlagen oder Werkzeugen durchzuführen!

Tab. 7.12 Der/die Sicherheitsbeauftragte und die Fachkraft für Arbeitssicherheit im Vergleich Sicherheitsbeauftragte/r Rechtsgrund- § 22 Abs. 1 SGB VII: In Betrieben lage mit regelmäßig mehr als 20 Beschäftigten hat der Unternehmer Sicherheitsbeauftragte zu bestellen Rechtliche Freiwillige. ehrenamtliche TätigStellung keit; dem direkten Vorgesetzen unterstellt

Fachkraft für Arbeitssicherheit § 1 ff. ASiG und DGUV V 2: Unternehmen sind sicherheitstechnisch zu betreuen

Haupt- oder nebenamtliche Tätigkeit oder Tätigkeit durch vertragliche Vereinbarung; der Unternehmensleitung direkt unterstellt („Stabsstelle“)

7.21 Die Rolle der Sicherheitsbeauftragten und ihre zukünftige Entwicklung

217

Tab. 7.12 (Fortsetzung) Sicherheitsbeauftragte/r Gem. BGV A1 „Grundsätze der Prävention“ Anlage 2 Mindesteinsatz- Lfd. im Rahmen der betrieblichen zeit Tätigkeit Anzahl

Bestellung

Durch den Arbeitgeber (Schriftform) unter Beteiligung des Betriebsrates

Aufgaben

Unterstützung des Arbeitgebers bei der Durchführung der Maßnahmen des Arbeitsschutzes und der Unfallverhütung. Dazu gehört u. a.: – Kontrolle auf Vorhandensein und ordnungsgemäßer Benutzung von Schutzeinrichtungen und persönlicher Schutzausrüstung – auf Unfallgefahren aufmerksam machen, beraten und aufklären – Verbesserungen vorschlagen

Qualifikation

Fachliche und persönliche Eignung, Schulung bei einem UVT erwünscht Mitglied

Arbeitsschutzausschuss Weisungsbefugnis Verantwortung

In der Funktion als Sicherheitsbeauftragter keine Keine rechtliche Verantwortung

Fachkraft für Arbeitssicherheit Gem. Einsatzzeit nach DGUV V 2 Anlagen In Abhängigkeit von den Festlegungen der Unfallversicherungsträger, Anlagen der DGUV V 2 Schriftlich durch den Arbeitgeber mit – Zustimmung des Betriebsrates bei im Unternehmen beschäftigten Sicherheitsfachkräften – Anhörung von Betriebsrat bei externer Sicherheitsfachkraft Unterstützung des Arbeitgebers in allen Fragen der Arbeitssicherheit, einschließlich der menschengerechten Gestaltung der Arbeit. Dazu gehört u. a.: – Beratung des Arbeitgebers und der für Sicherheit und Gesundheitsschutz Verantwortlichen im Unternehmen – Überprüfung von Betriebsanlagen und technischen Arbeitsmitteln, insbesondere vor der ersten Inbetriebnahme – Beobachtung der Durchführung der Arbeitsschutz- und Unfallverhütungsmaßnahmen – Einwirkung auf das sicherheitsgerechte Verhalten der Beschäftigten – der Beurteilung der Arbeitsbedingungen – . . . (siehe ASiG) § 4 DGUV V 2 „Sicherheitstechnische Fachkunde“ Mitglied Keine oder durch Vertrag geregelte Befugnisse in der Funktion als Fachkraft für Arbeitssicherheit Keine oder gesondert vertraglich geregelte Verantwortung für die Durchführung des Arbeitsschutzes Verantwortung für die richtige fachliche Beratung

218

7

Sicherheits- und Gesundheitsschutzmanagement

Eine wichtige Informationsquelle zur Erfüllung seiner Aufgaben sind die Gefährdungsbeurteilungen und Betriebsanweisungen, an denen er sich orientieren kann. Die Sicherheitsbeauftragten sind nicht zu verwechseln mit den Fachkräften für Arbeitssicherheit (siehe Tab. 7.12).

7.21.3

Freiwilliger Auftrag

Die BGV A1 „Grundsätze der Prävention“ beschreibt die Aufgaben des Sicherheitsbeauftragten im Wesentlichen in § 20: „(2) Die Sicherheitsbeauftragten haben den Unternehmer bei der Durchführung der Maßnahmen zur Verhütung von Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren zu unterstützen, . . . “ sowie in „(4) Der Unternehmer hat sicherzustellen, dass die Fachkräfte für Arbeitssicherheit und Betriebsärzte mit den Sicherheitsbeauftragten eng zusammenwirken.“. Vorbild für die heutige Aufgabenbeschreibung – u. a. auch § 22 Abs. 2 SGB VII – war demgegenüber die Definition, wie sie sich in einer Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 28. Mai 1974 (2 RU 79/72) findet: Der Sicherheitsbeauftragte „hat sich insbesondere von dem Vorhandensein und der ordnungsgemäßen Benutzung der Schutzeinrichtungen fortlaufen zu überzeugen“. Die obersten Sozialrichter leiteten daraus ab, die Bestellung von Sicherheitsbeauftragten sei zwar eine vom Arbeitgeber zu treffende Maßnahme; es bestehe jedoch keine Pflicht des dafür ausgewählten Arbeitnehmers, die Aufgaben – entgegen eigenem Willen – wahrzunehmen. Eine solche Verpflichtung sei nämlich dem Arbeitsverhältnis nicht grundsätzlich immanent und könne mithin nicht ohne weiteres durch das Direktionsrecht des Arbeitgebers verwirklicht werden. Aus diesem Grunde ist der Arbeitgeber auf Aufklärung und Überzeugung angewiesen.

7.21.4

Beteiligungsrecht bei der Bestellung

Die Bestellung der Sicherheitsbeauftragten erfolgt seit Beginn 1997 „unter Beteiligung des Betriebsrates oder Personalrates“ (§ 22 (1) SGB VII). Bei der Bestellung handelt es sich um eine „Maßnahme zur Verhütung von Dienst- und Arbeitsunfällen sowie sonstiger Gesundheitsschädigungen“.

7.21 Die Rolle der Sicherheitsbeauftragten und ihre zukünftige Entwicklung

219

Die Bestellung hat in jedem Fall schriftlich zu erfolgen (siehe folgende Abbildung; Wittmann & Siegmann)

7.21.5 Schutz vor Haftung Weiterhin beachtlich ist das eingangs erwähnte Urteil des Landgerichts Trier aus einem anderen Grunde. Bei Arbeitsunfällen wird immer wieder die Frage nach der strafrechtlichen Verantwortlichkeit auch solcher Betriebsangehöriger aufgeworfen, die mit der betrieblichen Prävention betraut sind.

220

7

Sicherheits- und Gesundheitsschutzmanagement

Dabei kann grundsätzlich eine Bestrafung wegen fahrlässiger Körperverletzung oder Tötung in Betracht kommen. Wird nämlich ein Fahrlässigkeitsdelikt durch Unterlassen einer Handlung begangen, stellt sich die Frage, ob die Person eine Rechtspflicht zum Handeln – die sog. Garantenpflicht – trifft. In Bezug auf Sicherheitsbeauftragte wird eine solche Garantenstellung jedoch einhellig abgelehnt – so seinerzeit durch das Landgericht Trier und später durch das Oberlandesgericht Düsseldorf (Urt. v. 29. April 1976, 3 Ss (Owi(1469775). Die Sicherheitsbeauftragten sollten unter Beteiligung des Betriebsrates schriftlich bestellt werden. Eine Bestellung wird jeweils dem Sicherheitsbeauftragten übergeben, eine in die Personalakten eingefügt.

7.21.6

Rollenbild und zukünftige Entwicklung der Sicherheitsbeauftragten

Die Betriebsärzte (ca. 10.000) und Fachkräfte für Arbeitssicherheit (ca. 75.000) sind die primären Ansprechpartner der Sicherheitsbeauftragten. Es gab in 2010 nach DGUV-Angaben 524.748 Sicherheitsbeauftragte in Deutschland (DGUV 2010). Bei der Ausübung ihrer Tätigkeiten stoßen Sicherheitsbeauftragte in ganz Europa immer wieder auf Hindernisse (Kaluza 2011). Wenig ist den meisten Akteuren über ihr Rollenbild bekannt. Im Rahmen einer Studie (Siegmann 2012) wurden Sicherheitsbeauftragte verschiedener Betriebsgrößen in Deutschland mittels eines standardisierten Fragebogens dazu befragt, wie sie ihr Rollenbild und Ihre Einbindung wahrnehmen. An der Umfrage, die vom Verband Deutscher Sicherheitsingenieure (VDSI), der Deutschen gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) und den Zeitschriften Sicherheitsbeauftragten/Sicherheitsingenieur (Konradin Verlag) unterstützt wurde, beteiligten sich rund 1500 Sicherheitsbeauftragte. Die Zusammenarbeit mit dem BA wird in 18,5 % als „sehr gut“ und bei 38,2 % als „gut“ und mit der Sifa wird von 36,2 % als „sehr gut“ und 41,8 % als „gut“ empfunden. 22,2 % empfinden die Akzeptanz durch den Vorgesetzten als „sehr gut“ und 46,4 % als „eher gut“. Die Akzeptanz der Kollegen ist geringer: 14,8 % empfinden sie als „sehr gut“ und 48,7 % als „eher gut“. Die Frage nach dem Grad der Umsetzung ihrer Vorschläge beantworten 14,5 % mit „sehr oft“, 39,9 % „eher oft“ und 39,1 % „teilweise“. Die Gefährdungsbeurteilung (GBU) ist für 63,1 % ein wichtiges Instrument; 22,4 % fühlen sich bei der Erstellung der GBU voll eingebunden und 30,9 % teilweise. 51,1 % der Sibe sind Ersthelfer, 16,5 % Brandschutzbeauftragte und 7 % Evakuierungshelfer; weitere 1,0 % Pandemiehelfer. 75,2 % würden sich die Erstellung von Plattformen zum Austausch mit anderen Sibe wünschen. Insgesamt sind 12,3 % „sehr zufrieden“ und 52,9 % „eher zufrieden“ mit ihrer Tätigkeit als Sibe.

7.21 Die Rolle der Sicherheitsbeauftragten und ihre zukünftige Entwicklung

221

Zusammenfassend ließ sich Folgendes aus der Studie ableiten: Die i. d. R. sehr gut ausgebildeten Sibe sind ein wichtiger Bestandteil der Arbeitsschutzorganisation, der viel zu selten in den Fokus rückt. Nur 53,7 % der Befragten arbeiten „gut“/„sehr gut“ mit den BA zusammen (Abb. 7.18). Hier liegt ein großes Potential brach. Ein großer Bedarf besteht an der Erstellung von Plattformen (z. B. im Web 2.0 mit seinen Social Media) zum außerbetrieblichen, fachlichen Austausch. Diese könnten dann auch zur Verbesserung der Zusammenarbeit mit den Betriebsärzten und der fachlichen Fortbildung in Gesundheitsfragen genutzt werden. Angesichts des Betriebsärztemangels sollten diese Wege zur Optimierung der Zusammenarbeit genutzt werden. Die Zusammenarbeit mit den Fachkräften für Arbeitssicherheit sieht da deutlich besser aus (Abb. 7.19), bietet aber trotzdem „noch Luft nach oben“. Ein weiterer Schritt ist die Weiterentwicklung der „Sicherheitsbeauftragten“ hin zu „Beauftragten für Sicherheit und Gesundheit“. Die Sicherheitsbeauftragten sind die Ansprechpartner für die Fachkräfte für Arbeitssicherheit und Betriebsärzte. Die Entwicklung der Fachkräfte für Arbeitssicherheit hin zu „Managern für Sicherheit und Gesundheit“ und „Betriebssicherheitsmanagern“ sowie die Entwicklung der Betriebsärzte hin zu „Betrieblichen Gesundheitsmanagern“ erfordert somit auch eine Entwicklung der Sicherheitsbeauftragten hin zu „Beauftragten für Sicherheit und Gesundheit“. Ansonsten wird eine Lücke entstehen, der Kontakt bricht ab und eine erfolgreiche Mitarbeiterbeteiligung an den Managementsystemen mit Bezug zu Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz wird nicht mehr möglich sein (Siegmann und Tenckhoff 2010). Der Begriff „Beauftragter für Sicherheit und Gesundheit“ konkretisiert die neue Aufgabenstellung im Unternehmen und

Wie funktioniert Ihre Zusammenarbeit... ...mit dem Betriebsarzt? 60

%-Anteil

50 38,2

40

27,1

30 20

18,5 12,4

10

3,9

0 sehr gut

eher gut

mittelmäßig

eher schlecht sehr schlecht k. A. = 194

Abb. 7.18 Nur 56,7 % der Befragten arbeiten „gut“/„sehr gut“ mit den BA zusammen. Hier liegt ein großes Potential brach

222

7

Sicherheits- und Gesundheitsschutzmanagement

Wie funktioniert Ihre Zusammenarbeit... ...mit der Fachkraft für Arbeitssicherheit? 60

%-Anteil

50 41,8 40

36,2

30 20

15,6

10

5,5 0,9

0 sehr gut

eher gut

mittelmäßig

eher schlecht sehr schlecht k. A. = 89

Abb. 7.19 Dahingegen arbeiten 78 % der Befragten „gut“/„sehr gut“ mit der Sifa zusammen

verdeutlicht die fachliche Anbindung an den „Manager für Sicherheit und Gesundheit“ und den „Betrieblichen Gesundheitsmanager“ und damit die Einbindung in eine ganzheitliche betriebliche Sicherheits- und Gesundheitsorganisation (Siegmann 2010). So fordert es ja auch eigentlich die BGV A1 „Grundsätze der Prävention“ in § 20: „(2) Die Sicherheitsbeauftragten haben den Unternehmer bei der Durchführung der Maßnahmen zur Verhütung von Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren zu unterstützen, . . . “ sowie in „(4) Der Unternehmer hat sicherzustellen, dass die Fachkräfte für Arbeitssicherheit und Betriebsärzte mit den Sicherheitsbeauftragten eng zusammenwirken.“. Eine Weiterentwicklung der Sicherheitsbeauftragten hin zum „Beauftragten für Sicherheit und Gesundheit“ setzt somit die Forderungen der aktuellen BGV A1 in idealer Weise um (Tenckhoff und Siegmann 2011; Siegmann und Angerer 2012)! Wie diese Anforderungen in der zukünftigen DGUV Vorschrift 1 aussehen, darf man mit Spannung erwarten. Zusammenfassung

Mehr und mehr dringt ins öffentliche Bewusstsein, dass zu einseitige Belastungen wie z. B. langes Sitzen oder Stehen ebenso schädlich für den menschlichen Organismus ist wie das Arbeiten unter extremen physischen Belastungen. Hinzu kommen die psychischen Belastungen durch Arbeitsdichte und Stress. Der menschliche Körper ist für unterschiedliche Arten der Bewegung konzipiert. Sitzt ein Mitarbeiter zu lange, ohne sich zu bewegen verhärten seine Muskeln. Es kommt zu Verspannungen und Schmerzen in Rücken, Schultern und Kopf. Probleme mit Muskeln und Gelenken treten auf, und der Kreislauf wird ebenso beeinträchtigt wie der Stoffwechsel. Übergewicht mit allen gesundheitlichen Folgeerscheinungen und sogar Depressionen werden begünstigt.

Literatur

223

Das ist nur ein kleines Beispiel das verdeutlichen soll, dass es daher im Interesse und Aufgabenbereich der Unternehmen liegen muss, ein betriebliches Gesundheitsmanagement zu etablieren. Dafür ist es notwendig, die Mitarbeiter nach den Umständen zu befragen, die ihnen im Arbeitsalltag schädlich erscheinen. Analysen der Fehlzeiten und Berichte der Krankenkassen helfen auch beim Feststellen der verbesserungswürdigen Situationen. In Bürojobs zeigt sich hier fast immer, dass das lange Sitzen Auslöser zahlreicher gesundheitlicher Einschränkungen ist.

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224

7

Sicherheits- und Gesundheitsschutzmanagement

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Weiterführende Literatur BGI 587: „Arbeitsschutz will gelernt sein – Ein Leitfaden für den Sicherheitsbeauftragten“ Eine neue Kultur der Achtsamkeit für Gesundheit in der Evangelischen Kirche von Westfalen (EKvW) Dr. Uta Walter Zentrum für wissenschaftliche Weiterbildung an der Universität Bielefeld e.V. Gruber, H. & Reidt, U.: „Sicherheitsbeauftragte in der Praxis“, VTI Verlag, Bochum, 2008 Wittmann, A., Siegmann, S.: „Gefährdungsbeurteilung und Risikomanagement“ LBW (auch als CD oder online), Ecomed-Verlag, Landsberg, Loseblattsammlung, seit 2009, ISBN 978-3-60966331-9

8

Umweltschutzmanagement

Die Einführung eines Umweltmanagementsystems nach den Standards ISO 14001 (bzw. DIN EN ISO 14001) sowie EMAS II als Nachweis der unternehmerischen Sorgfaltspflicht – Kunden, Versicherungen, Banken oder Behörden gegenüber – besitzt hohen Stellwert. Das Ziel, eine im Umwelt-, so wie auch im Arbeitsschutzbereich, lenkbare und flexible Organisationsstruktur zu schaffen, führt frühzeitig zur Erkennung und Vermeidung unternehmerischer Risiken. Gleichzeitig trägt der Aufbau eines solchen Systems zur Einsparung von Energie und Rohstoffen und damit zu wirtschaftlichen Verbesserungen bei. Die Unternehmenspflicht zur Einhaltung geltender Umweltrechtsprechung, mit den daraus hervorgehenden Genehmigungen, bildet die Basis für die Prozessanalyse unter Umweltgesichtspunkten. Die gesetzeskonforme Umsetzung gibt den Unternehmen die nötige rechtliche – damit unternehmerische Sicherheit – hocheffiziente und umweltorientierte Lösungen zu schaffen. Hinzu kommt der Anspruch an ein funktionales Managementsystem mit Zukunft mit praktischem und wirtschaftlichem Nutzen für das Unternehmen. Nachhaltigkeit erfordert vor allem die Ausrichtung des Wirtschaftens am Kreislaufgedanken. Dazu gehören auch intelligente Produktionsprozesse, die dabei helfen, den Rohstoff- und den Wasserverbrauch zu senken und die Abfälle möglichst gering zu halten. Der verantwortungsbewusste Umgang mit Ressourcen trägt zum wirtschaftlichen Erfolg bei, da er zu erheblichen Kosteneinsparungen führt. Um Produkte und Dienstleistungen anzubieten, die in allen Phasen möglichst umweltverträglich sind, müssen ökologische Kriterien bereits bei der Planung berücksichtigt werden. Dazu gehört es auch, die zukünftigen Bedürfnisse der Kunden und der Gesellschaft frühzeitig zu erkennen und einzubeziehen.

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019 B. Tenckhoff und S. Siegmann, Vernetztes Betriebssicherheitsmanagement, VDI-Buch, https://doi.org/10.1007/978-3-662-48441-8_8

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226

8

Umweltschutzmanagement

8.1 Energieverbrauch und Umweltschutz Trotz aller Anstrengungen zur Förderung erneuerbarer Energien und zur Energieeinsparung kann ein Großteil des Verbrauchs auch in Zukunft nur durch fossile Energien und Kernkraft gedeckt werden. Voraussichtlich erst ab Mitte dieses Jahrhunderts können erneuerbare Energien einen nennenswerten Beitrag leisten, zumal ihre Nutzung noch auf längere Zeit mit einem vergleichsweise hohen Kostenaufwand verbunden sein wird. Mit dem Einsatz fossiler Energieträger ist jedoch zwangsläufig der Ausstoß von Schadstoffen verbunden. Zwar konnten die Industrieländer bei den „klassischen“ Luftschadstoffen wie Schwefeldioxid, Stickoxiden, Staub oder flüchtige organische Verbindungen in den vergangenen Jahren große Fortschritte erzielen. Mit steigendem Energieverbrauch nimmt nun aber in den großen Städten und industriellen Ballungszentren der Schwellenländer die Luftverschmutzung durch Verkehr, Wohnraumheizung und Industrie dramatische Ausmaße an. Und für ein schnelle Abhilfe nach westlichem Vorbild sind die Kosten der Vermeidungstechnologien häufig noch zu hoch. Der Weltenergierat hält daher trotz aller Akzeptanzprobleme die Kernkraft für eine der bedeutendsten Optionen, um eine langfristige und umweltverträgliche Sicherung der Energieversorgung zu meistern.

8.2 Klimaschutz und Energieeffizienz Genauso drängend wie die Luftreinhaltung ist der Klimaschutz. Da Treibhausgase – die wichtigsten sind CO2 , Methan und Distickstoffoxid – global wirken, steht dieses Thema seit Jahren auf der Agenda internationaler Verhandlungen. Zwar ist noch nicht abschließend geklärt, in welchem Maße der Anstieg der globalen Temperatur vom Menschen verursacht wird. Auf jeden Fall geht aber das Intergovernmental Panel on Climate Change (www.ipcc.ch) davon aus, dass die steigende Konzentration von Treibhausgasen in der Atmosphäre weiterhin zu einem Anstieg der globalen Durchschnittstemperaturen führen wird. Das international besetzte wissenschaftliche Beratergremium prophezeit einen tiefgreifenden Klimawandel. Erste Maßnahmen, um diesem Einhalt zu gebieten, wurden bei den Klimakonferenzen in Kyoto (1997), Bonn (2001) und Marrakesch (2001) sowie deren Folgekonferenzen diskutiert und beschlossen. Als Vorreiter des Klimaschutzes gilt Deutschland, auf das immerhin über 80 % aller EU-Reduktionspflichten für Treibhausgasemissionen entfallen. Zwischen 1990 und 1999 hat sich hierzulande die Energieproduktivität um rund 15 % erhöht. Gleichzeitig sanken die CO2 -Emissionen um rund 16 %. Nach den Berechnungen des Fraunhofer Instituts für Systemtechnik, Abteilung Energietechnik und Energiepolitik, gehen nur etwa die Hälfte davon auf die „wall fall profits“ der Wiedervereinigung zurück. Netto sei immer noch eine Reduzierung um neun Prozent zu verzeichnen. Das Statistische Bundesamt betonte in seinem Bericht zu den umweltökonomischen Gesamtrechnungen 2000, dass insbesondere die Bereiche Kohlenbergbau, Energieversorgung, chemische Industrie sowie Kokerei und Mineralölverarbeitung „bedeutende Beiträge zur Minderung der CO2 -Emissionen

8.2 Klimaschutz und Energieeffizienz

227

zwischen den Jahren 1991 und 1998 geliefert“ hätten. Und auch weiterhin leisten die deutschen Unternehmen ihren Beitrag zur Steigerung der Energieeffizienz: Zwischen 2000 und 2020 kann sich die Entkoppelung von Wirtschaftswachstum und Energieverbrauch weiter fortsetzen, da der Primärenergieverbrauch laut Szenario I des Energieberichts des Bundesministeriums für Wirtschaft trotz eines Zuwachses des realen Bruttoinlandsprodukts von rund 45 % um absolut 3 % sinken wird. Zur Reduktion der CO2 -Emissionen haben die Verbände der deutschen Energiewirtschaft und der energieintensiven Branchen ergänzend zu ihrer im Jahr 2000 eingegangenen Selbstverpflichtung im Frühjahr 2001 mit der Bundesregierung ein „Aktionsprogramm Klimaschutz“ vereinbart: Mit einem Bündel freiwilliger

EG-Recht z.B. Abfallrahmenrichtlinie

Bundesrecht z.B. Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz, Nachweisverordnung, Abfallwirtschaftskonzept- und Bilanzverordnung, Transportgenehmigungsverordnung, Verordnung zur Umsetzung des Europäischen Abfallverzeichnisses etc….

Landesrecht z.B. Landesabfallgesetz, Erlasse

Kommunalrecht z.B. Abfallsatzungen

Sonstiges z.B. Verwaltungsvorschriften (TA Abfall), Verfügungen , Technische Regeln, VDI-und DIN-Vorschriften, Höchstrichterliche Rechtsprechungen, Regionale bzw. örtliche Regelungen

Abb. 8.1 Hierarchie des Umweltrechts am Beispiel des Abfallrechts

228

8

Umweltschutzmanagement

Maßnahmen sowie öffentlich geförderter Vorhaben soll in konkreten und quantifizierten Schritten bis zum Jahr 2010 eine Senkung von 45 Mio. t CO2 pro Jahr erreicht werden. Die rechtlichen Grundlagen des Umweltschutzes unterliegen einer Hierarchie (Abb. 8.1). Umweltschutzmanagementsystem nach DIN EN ISO 14001 (Umweltmanagementsysteme – Anforderungen mit Anleitung zur Anwendung) Im Zusammenhang mit der Vorbereitung der UNCED-Konferenz im Jahre 1992 in Rio, wurde die Internationale Organisation for Standardisation aufgefordert einen Beitrag zur Unterstützung der Umweltbemühungen der Wirtschaft und Industrie zu leisten. Die ISO 14000 ist eine international gültige Norm für Umweltmanagementsysteme, welche auf einer freiwilligen Basis für alle Branchen anwendbar ist. Die Norm DIN EN ISO 14001:2005 war für die Darlegung eines Umweltschutzmanagementsystems festgelegt worden. Die Norm hatte eine eigene Struktur (war ähnlich der OHSAS 18001) und enthielt ausschließlich Anforderungen zum Umweltschutzmanagement.

8.2.1 Was fordert die Norm? Die Norm fordert die Darlegung der festgelegten Anforderungen, so dass ersichtlich wird, wie die Aufbau- und Ablauforganisation in einem Unternehmen bezüglich des Umweltschutzes festgelegt wurde. Die Norm ist in 4 Abschnitte und 2 Anhänge aufgeteilt, wobei in einem Abschnitt die Anforderungen festgelegt wurden, die ein Unternehmen bei einer Zertifizierung darlegen muss:     

Einleitung Anwendungsbereich Normative Verweisungen Begriffe Anforderungen an ein Umweltmanagementsystem – Allgemeine Anforderungen – Umweltpolitik – Planung – Verwirklichung und Betrieb – Überprüfung – Managementbewertung  Anhang A „Anleitung zur Anwendung dieser internationalen Norm“

Ein Unternehmen, das eine Zertifizierung nach DIN EN ISO 14001 anstrebt, muss die Anforderungen schriftlich darlegen. Wie das Unternehmen dieses tut, ist offengehalten worden. Erfahrungsgemäß ist es von Vorteil, die Darlegung in Form eines Mana-

8.2 Klimaschutz und Energieeffizienz

229 • Organisation und Verantwortung, • Schulung, • Kommuniukation, • Dokumentation, • Ablauflenkung, • Notfallplanung, • etc.

• Umweltpolitik, • Managementprogramm, • Zielsetzung, • etc.

Plan

Do

Act

Check

• Bewertung durch die oberste Leitung, • etc.

• Überwachung und Messung, • Korrekturmaßnahmen, • interne Audits, • etc.

Abb. 8.2 Anforderungen der DIN EN ISO 14001

gementhandbuchs vorzunehmen. Dieses Managementhandbuch sollte dem Unternehmen angepasst sein gem. dem Leitsatz: „so wenig wie möglich, so viel wie nötig“. Die Integration in ein Qualitätsmanagementsystem (z. B. nach DIN EN ISO 9001) und/oder in Arbeitsschutzmanagementsysteme (z. B. nach MAAS-BGW oder OHSAS 18001) wird empfohlen. Das Modell der DIN EN ISO 14001 beruht auf dem bekannten Plan-Do-Check-ActPrinzip (PDCA). Ziele und Prozesse müssen in Übereinstimmung mit der Umweltpolitik festgelegt und verwirklicht sowie ständig überwacht werden. Die Leistung des Umweltmanagementsystems wird durch das Konzept der ständigen Verbesserung optimiert.

8.2.2

Anforderungen an ein Umweltmanagementsystem nach DIN EN ISO 14001

Den ersten Teil von Anforderungen stellen die Allgemeinen Anforderungen dar. Die Einführung und die Verbesserung eines Umweltmanagementsystems soll zu einem höheren Wirkungsgrad der umweltorientierten Leistung führen. Jedoch führt die Einführung und das Betreiben eines Umweltmanagementsystems allein von sich aus noch nicht zur sofor-

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Umweltschutzmanagement

tigen Verringerung ungünstiger Umweltauswirkungen. Das Unternehmen muss ein Umweltmanagementsystem einführen, dokumentieren, verwirklichen, aufrechterhalten und ständig verbessern. Es muss den Anwendungsbereich bestimmen, dokumentieren und deren Anforderungen festlegen. Das oberste Führungsgremium legt die Umweltpolitik des Unternehmens fest. Es werden die Absichten und Grundsätze definiert, zu denen sich eine Organisation in Bezug auf ihre Umweltleistung verpflichtet. Bezüglich der Umweltauswirkungen von Tätigkeiten, Produkten und Dienstleistungen muss sie angemessen sein. Die Umweltpolitik beinhaltet die Verpflichtung zur ständigen Verbesserung der Umweltleistung, zur Vermeidung von Umweltbelastungen sowie zur Einhaltung gesetzlicher Forderungen. Sie bildet den Rahmen umweltbezogener Ziele. Die Planung als wesentliche Anforderung umfasst drei Schwerpunkte:  Die Umweltaspekte der Tätigkeiten, Produkte und Dienstleistungen sind zu ermitteln.  Die rechtlichen Verpflichtungen und andere Anforderungen sind einzuhalten und darzustellen. Dazu sind geeignete Verfahren festzulegen.  Umweltbezogene Zielsetzungen und Einzelziele sowie das Programm zur Verwirklichung der Zielsetzung müssen festgelegt werden. Zielsetzungen und Einzelziele sind messbar zu gestalten. Zur Zielerreichung müssen Verantwortlichkeiten, Mittel und Zeitrahmen festgelegt werden. Das Ziel besteht in der kontinuierlichen Verbesserung der Umweltleistung des Unternehmens. Die Verwirklichung und Betrieb eines Umweltmanagementsystems stellen eine weitere grundlegende Anforderung bei der Einführung dar. Die Implementierung beinhaltet sieben Bereiche:  Das erforderliche Personal, dessen spezielle Fähigkeiten, die Infrastruktur der Unternehmensorganisation sowie technische und finanzielle Mittel werden zur Verfügung gestellt. Die Ressourcen, Aufgaben, Verantwortlichkeiten und Befugnisse werden im Rahmen des Umweltmanagementsystems festgelegt. Diese müssen dokumentiert und kommuniziert werden. Es ist eine konkrete Verantwortlichkeit durch das Management zu bestimmen (Umweltbeauftragter).  Um das Verständnis für die Auswirkungen von Tätigkeiten, die selbst oder durch Fremde ausgeführt werden, zu vermitteln, werden Mitarbeiter zu umweltrelevanten Tätigkeiten geschult und sensibilisiert.  Im Hinblick auf die Umweltaspekte und das Umweltmanagementsystem wird die Kommunikation zwischen den Mitarbeitern verschiedener Funktionen und Ebenen gefördert.  Die Dokumentation des Umweltmanagementsystems erfolgt in einem Handbuch und umfasst die Umweltpolitik, Zielsetzungen und Einzelziele, die Beschreibung des Geltungsbereiches sowie deren Hauptelemente und Hinweise auf zugehörige Dokumente.

8.2 Klimaschutz und Energieeffizienz

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 Alle benötigten Dokumente werden gelenkt. Durch die Organisation sind Verfahren einzuführen, die sicherstellen, dass Dokumente freigegeben, bewertet und aktualisiert werden können. Dokumente müssen lesbar, leicht identifizierbar und vor Ort verfügbar sein.  Die Organisation muss in Erfüllung ihrer Umweltpolitik, Zielsetzungen und Einzelziele alle bedeutenden Abläufe, Tätigkeiten und Anlagen identifizieren und so planen und steuern, dass sie unter festgesetzten Bedingungen ausgeführt werden. Es müssen auch Forderungen an Zulieferer und Auftragnehmer festgelegt werden.  Zur Vermeidung und Begrenzung von Umweltauswirkungen muss die Organisation mögliche Unfall- bzw. Notfallsituationen ermitteln, Maßnahmen zur Vorsorge erarbeiten und auf ihre Eignung prüfen. Das Umweltmanagementsystem wird regelmäßig überprüft und bewertet, um Eignung, Angemessenheit und Wirksamkeit sicherzustellen. Die Bewertungsergebnisse müssen alle Entscheidungen und Maßnahmen enthalten, die Änderungen der Umweltpolitik, die Zielsetzungen und Einzelziele sowie anderer Elemente des Systems in Übereinstimmung mit der Verpflichtung der ständigen Verbesserung aufweisen.

8.2.3 Neue Fassung der ISO 14001 Am 15. September 2015 wurde die novellierte Fassung der ISO-Norm veröffentlicht. Die deutsche Fassung DIN EN ISO 14001:2015 folgte im November. Die wesentlichen Neuerungen sind:  Einführung der einheitlichen Grundstruktur für ISO-Managementsystemnormen („High-Level-Structure“)  Stärkung der Leitungsverantwortung für das Umweltmanagement und Integration in die Geschäftsprozesse der Organisation  stärkere Betonung der Umweltleistungsverbesserung und deren Messung durch entsprechende Kennzahlen  Durchführen einer Kontextanalyse, in der übergreifende Themen und Entwicklungen bestimmt werden, die für die Organisation und ihr Umweltmanagementsystem relevant sind  es ist zu bestimmen, inwiefern die Umwelt Auswirkungen auf die Organisation haben kann (z. B. durch Folgen des Klimawandels oder der Übernutzung natürlicher Ressourcen)  Analyse von Stake Holdern zur Bestimmung und Berücksichtigung ihrer Erwartungen und Anforderungen  Bestimmung und Berücksichtigung der Risiken, die mit bedeutenden Umweltaspekten, bindenden Verpflichtungen und anderen Themen und Anforderungen einhergehen können

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Umweltschutzmanagement

 verstärkte Berücksichtigung des Lebensweges, d. h. der vor- und nachgelagerten Umweltauswirkungen  die Erstellung umfassender Ökobilanzen ist allerdings keine Anforderung der Norm Um Organisationen Hilfestellungen zur Anwendung und Umsetzung der novellierten ISO 14001 an die Hand zu geben, wurde der Norm zum einen ein ausführlicher Anhang beigefügt. Dieser enthält Erläuterungen zur Struktur, Begrifflichkeiten und allen Kapiteln des Normtextes. Zum anderen wurde parallel auch die Norm ISO 14004 – Umweltmanagementsysteme: Allgemeine Leitlinien zur Verwirklichung aktualisiert. Sie enthält Leitlinien zu Aufbau, Umsetzung, Aufrechterhaltung und Verbesserung eines Umweltmanagementsystems und kann auch unabhängig von der ISO 14001 genutzt werden.

8.2.4 EMAS-Verordnung EMAS (Eco Management and Audit Scheme) ist eine Verordnung der Europäischen Union. Diese gilt unmittelbar in allen Mitgliedsstaaten der EU, hat darüber hinaus aber keine rechtlich bindende Wirkung. Mit der Verordnung Nr. 196/2006 (EG 2006) wurde EMAS zum ersten Mal aktualisiert. Erstmals in Kraft trat EMAS im April 1995 (Verordnung Nr. 1836/93 (EWG 1993)), die folgende Version wurde als EMAS II und die aktuelle entsprechend als EMAS III bezeichnet. Im Mittelpunkt bei EMAS steht:    

die ständige Verbesserung der betrieblichen Umweltleistung die Einbeziehung der Mitarbeiter/Arbeitnehmer die Information der Öffentlichkeit durch eine Umwelterklärung die Einhaltung des Umweltrechts Bundesumweltminister Gabriel (2006): . . . EMAS ist eine smarte Kombination von Rechtsnormen und Kontrolle auf der einen Seite und Eigenverantwortung auf der anderen. EMAS macht es möglich, professionell, systematisch und schnell die Punkte zu erkennen, an denen Unternehmen ihre Umweltbilanz verbessern und gleichzeitig Kosten einsparen können. Damit verbessern sie über EMAS auch ihre Geschäftsbilanz . . .

Mit ersten der Novellierung der EMAS-Verordnung hatte eine deutliche Angleichung der beiden Systeme stattgefunden. In Ihr sind die Forderungen der DIN EN ISO 14001 enthalten. Bisherige Entwicklung von EMAS:  EG-Verordnung von 1993 (EMAS I)  Einführung aufgrund eigener Initiative, kein Ordnungsrecht  Anwendung in Deutschland seit 1995

8.2 Klimaschutz und Energieeffizienz

233

 Inkrafttreten der ISO 14001 im Jahre 1996  Novelle der EMAS-Verordnung 2001 (EMAS II)  Aktuell EMAS III Die Novellierung der EMAS sollte auf Basis Art. 15 Abs. 1 EMAS-VO ursprünglich spätestens fünf Jahre nach Inkrafttreten (2001) erfolgen. Insgesamt sollten die Vorschriften in der Novellierung EMAS III gestrafft und harmonisiert werden. EMAS-Organisationen müssen vor der ersten Registrierung nachweisen, dass sie die einschlägigen Umweltvorschriften einhalten. Der Prüf-Beitrag des Gutachters wird verstärkt und die Verfahren zur Registrierung bzw. Löschung werden harmonisiert. EMAS-registrierte Organisationen sollen künftig über ihre Umweltleistung anhand bestimmter Kernindikatoren berichten. Diese Kernindikatoren werden für die Umweltbereiche Energieeffizienz, Material- und Ressourceneffizienz, Abfall, Emissionen und Biodiversität/Flächenverbrauch festgelegt werden. Neue freiwillig einzuhaltende Referenzdokumente sollen bewährte Praktiken im Umweltmanagement weiter harmonisieren helfen. Umweltgutachter sollen auf diese Dokumente als Vergleichsmaßstab bei ihrer Wirksamkeitsanalyse Bezug nehmen. Die Registrierung eines Standortes nach EMAS II erfolgte in einer Reihe von Einzelschritten:        

Festlegung der betrieblichen Umweltpolitik Durchführung der Umweltprüfung Aufbau des Umweltmanagementsystems Durchführung der Umweltbetriebsprüfung Erstellung der Umwelterklärung Begutachtung durch den Umweltgutachter Registrierung Revalidierung

Für EMAS II mussten folgende zusätzliche Anforderungen im Vergleich zur DIN EN ISO 14001 beachtet werden: Umweltbetriebsprüfung: umfassende Untersuchung der Umweltfragen, Umweltauswirkungen und Umweltleistung unter Beachtung der Schlüsselbereiche: Rechts- und Verwaltungsvorschriften, Erfassung und Verzeichniserstellung für alle wesentlichen Umweltaspekte, Kriterien zur Bewertung der Wesentlichkeit der Umweltaspekte, Umweltmanagementtechniken und Umweltmanagementverfahren, Reaktionsbewertung früherer Vorfälle. Implementierung: Erfolgt grundsätzlich nach den Anforderungen der DIN EN ISO 14001. Umwelterklärung: Eine zentrale Forderung der EMAS-VO. Registrierung: Gegenstück zur Zertifizierung nach ISO 14001. Ein zugelassener Umweltgutachter überprüft das Managementsystem und die Umwelterklärung, wobei die Begutachtung dem Zertifizierungsaudit nach DIN EN ISO 14001 gleicht.

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8

Umweltschutzmanagement

8.2.5 Umwelterklärung nach EMAS In der EG-Verordnung wird der Unterrichtung der Öffentlichkeit über die Umweltauswirkungen von betrieblichen Tätigkeiten ein hoher Stellenwert eingeräumt. Folgende Punkte sollten in einer Umwelterklärung enthalten sein:  eine Beschreibung der Tätigkeit des Unternehmens an dem betreffenden Standort  beine Beurteilung aller wichtigen Umweltfragen im Zusammenhang mit den betreffenden Tätigkeiten  eine Zusammenfassung der Zahlenangaben über Schadstoffemissionen Abfallaufkommen, Rohstoff-, Energie und Wasserverbrauch und ggf. über Lärm und andere bedeutsame umweltrelevante Aspekte, soweit angemessen  sonstige Faktoren, die den betrieblichen Umweltschutz betreffen  eine Darstellung der Umweltpolitik, des Umweltprogramms und des Umweltmanagementsystems des Unternehmens für den betreffenden Standort  den Termin für die Vorlage der nächsten Umwelterklärung  den Namen des zugelassenen Umweltgutachters Die Norm für Umweltmanagementsysteme DIN EN ISO 14001 wurde wie o. a. 2015 überarbeitet. Dies machte Änderungen für EMAS III erforderlich: Mit der Verordnung (EU) 2017/1505 bleiben EMAS und ISO 14001:2015 kompatibel. Wesentliche Änderungen Für die erstmalige Bestandsaufnahme (Umweltprüfung) und Bewertung der Umweltaspekte müssen nun „relevante Umweltzustände“ wie Klima, Luft- und Wasserqualität, Verfügbarkeit natürlicher Ressourcen und die biologische Vielfalt betrachtet werden. Interne und externe Themen können ausdrücklich auch kulturelle, soziale und politische Aspekte oder strategische Ausrichtung, Kultur und Fähigkeiten sein. In Analogie zur ISO 14001:2015 müssen Unternehmen nun den Kontext der Organisation sowie Stake Holder mit deren Erfordernissen und Erwartungen bestimmen, also zum Beispiel von Kunden, Lieferanten, Beschäftigten, Anwohnern oder Vereinen. Risiken und Chancen müssen betrachtet werden. Der „Lebensweg“ gewinnt an Bedeutung: Er muss beim Bewerten der Umweltaspekte von Tätigkeiten, Produkten und Dienstleistungen berücksichtigt werden. Und das Bewerten von indirekten Umweltaspekten beschränkt sich nicht mehr auf das bloße Verringern negativer Umweltauswirkungen, auch ein möglicher Nutzen für die Umwelt soll betrachtet werden. Als Anforderungen an das Umweltmanagementsystem werden die Abschnitte 4 bis 10 der ISO 14001:2015 übernommen. Beide Systeme – EMAS und ISO – sollen dadurch kompatibel sein. Diejenigen Anforderungen, die über die Umweltmanagementnorm hinausgehen, werden aufgelistet. Beibehalten werden vor allem Rechtskonformität als Zertifizierungsvoraussetzung, Verbesserung der tatsächlichen Umweltleistung, erweiterte Mit-

8.3 Nachhaltigkeit im Umweltschutz

235

arbeiterbeteiligung und die Pflicht zur externen Berichterstattung in Form einer Umwelterklärung. Nach ISO 14001:2015 ist die Pflicht zur Benennung einer/eines Managementbeauftragten entfallen, bei EMAS bleibt dagegen diese Pflicht bestehen. Der Managementbeauftragte ist also auch weiterhin wichtiger Ansprechpartner im Unternehmen. Organisationen müssen angeben, wie sie ihre gesetzten Ziele und Maßnahmen erreichen und ihre bindenden Verpflichtungen einhalten können. Auch die interne Berichterstattung gegenüber der Geschäftsleitung gewinnt an Bedeutung.

8.3

Nachhaltigkeit im Umweltschutz

Vom 03.–14.06.1992 fand in Rio de Janeiro die weltweite UN-Konferenz über Umwelt und Entwicklung statt, an der ca. 10.000 Delegierte aus über 170 Staaten teilnahmen. Auf dem Gipfel wurde in der „Agenda21“ der Begriff der „nachhaltigen Entwicklung“ als ein Ziel beschrieben, dass Einfluss auf das Handeln der Menschen, Verwaltungen und Betriebe haben muss, um die Befriedigung der menschlichen Grundbedürfnisse in einer qualitativ hochwertigen Umwelt mit denen einer gesunden Wirtschaft für alle miteinander in Einklang zu bringen. Die Agenda21 ist ein Aktionsprogramm für das 21. Jahrhundert, welches die Handlungsfelder, Umsetzungsmöglichkeiten, Akteure und die Finanzierungsfrage darstellt. In Kapitel 30 fordert die Agenda21 die Privatwirtschaft, einschließlich transnationaler Unternehmen auf, die Rolle des Umweltmanagements als eine der höchsten unternehmerischen Prioritäten und als Schlüsseldeterminante für eine nachhaltige Entwicklung anzuerkennen. Die Nachhaltigkeit eines Umweltmanagementsystems wird durch die drei Aspekte Öko- und Sozial-Effektivität, Öko- und Sozial-Effizienz und die Integration gekennzeichnet: Öko- und Sozial-Effektivität Die Öko-Effektivität (ökologische Wirksamkeit) misst den Grad der absoluten Umweltverträglichkeit, das heißt wie gut das angestrebte Ziel der Minimierung von Umweltweinwirkungen erreicht wurde. Die Sozial-Effektivität misst den Grad der wirksamen Erfüllung sozialer Anliegen. Öko- und Sozial-Effizienz Die Öko-Effizienz ist definiert als das Verhältnis von Wertschöpfung zu ökologischer Schadschöpfung und stellt die sprachliche Verkürzung von „ökonomischökologische Effizienz“ dar. Analog dazu ist die Sozial-Effizienz zu verstehen, welche die Wertschöpfung in das Verhältnis zu entstehenden sozialen Schäden setzt. Integration Die Integration ist die eigentliche Herausforderung des unternehmerischen Nachhaltigkeitsmanagements. Unter Integration wird die gleichzeitige Berücksichtigung und Verbesserung der Effektivität und der Effizienz, jeweils im ökologischen und im sozialen Sinne, und die Einbettung sowohl des ökologischen als auch des sozialen Managements in das konventionelle Management verstanden.

236

8

Umweltschutzmanagement

8.4 Umwelthaftung Das Bundesumweltministerium hatte nach langen Verhandlungen im März 2005 den Gesetzentwurf über die Umwelthaftung zur Vermeidung und Sanierung von Umweltschäden – Umweltschadensgesetz (USchadG) – vorgelegt. Das Gesetz trat im November 2007 in Kraft (Zuletzt geändert 04. August 2016). Das Gesetz basiert auf der EU-Umwelthaftungsrichtlinie 2004/35/EG, die bis zum 30. April 2007 in nationales Recht umzusetzen war. Mit dem Gesetz wird die Grundlage geschaffen, die Vermeidung, Sanierung und Haftung von Umweltschäden einheitlich zu regeln. Das Umweltschadensgesetz beinhaltet ein neues öffentlich-rechtliches Haftungskonzept für Schädigungen von Arten und natürlichen Lebensräumen (Biodiversität), sowie Umweltschädigungen von Gewässern und Böden. Das Umweltschadensgesetz greift insbesondere auch die bisher nicht erfassten ökologischen Schäden auf und begründet eine unternehmerische Verantwortlichkeit gegenüber der Behörde. Verantwortlicher im Sinne des Umweltschadensgesetzes ist derjenige, der die Umwelt und Ökologie belastende Tätigkeit entweder selbst ausführt oder nur bestimmt, wenn sie tatsächlich von anderen ausgeführt werden. Insofern kann jeder Unternehmer, aus dessen Bereich eine Umweltschaden verursacht wurde, zur Haftung herangezogen werden. Da Unternehmen auch für Schäden aus dem genehmigten Betrieb von Anlagen, Einrichtungen und auch Fahrzeugen haften, stellen behördliche Genehmigungen und Erlaubnisse keine Grundlage für eine entsprechende Haftungsfreistellung dar. Aus dem Umweltschadensgesetz resultiert ein hohes Klagerisiko, da der potenzielle Klägerkreis auch die Umweltverbände einschließt. Unternehmen und ihre Verantwortungsträger sollten das resultierende Haftungsrisiko erkennen und sind gut beraten, ein entsprechendes betriebliches Risikomanagement auf der Basis fundierter Risikoanalysen aufzubauen und so das Umweltschadens- und Haftungsrisiko so reduziert zu halten, dass ein Umweltschaden und damit die Gefährdung der betrieblichen Existenz weitgehend vermieden wird.

8.5 Zertifizierung eines Umweltmanagementsystems Aufgabe des Zertifizierers ist die Validierung des Managementsystems, mittels Unterlagenprüfung und „Audit“ (lat. audire D zuhören, anhören). Dabei gilt es zu erfassen, ob die dem System zugrunde liegenden Gesetze, Richtlinien, Normen, Kunden- und eigene Zielsetzungen in der täglichen Praxis wirksam umgesetzt wurden. Auf Basis des Auditberichts erteilt die Zertifizierungsstelle das Zertifikat. Umweltmanagement ist heute mehr, als die Optimierung ausgewählter Prozesse. Zielorientierte Planung und kontrollierte Umsetzung stehen für eine umweltgerechte Praxis, welche die Wirtschaftlichkeit der Prozesse ausreichend berücksichtigt. Dabei werden verdeckte Ressourcen durch Einsparungspotenziale gefördert und umgesetzt, von denen Umwelt und Wirtschaft in gleicher Weise profitieren. Als Ergebnis des Managementsystems stehen der ressourcenschonende und effektive wirtschaftliche Nutzen für das Unternehmen.

8.5 Zertifizierung eines Umweltmanagementsystems

237

Ein wichtiger Faktor für den Erfolg ist die aktive Einbindung der Mitarbeiter, so wie in allen anderen Managementsystemen auch. Mit geeigneten Strategien und Umsetzungsplänen muss das Unternehmen für einen optimalen Informations- und Know-how-Fluss sorgen, um in der Praxis nachhaltig wirksame Ergebnisse zu erzielen. Um die im Rahmen der verschiedenen Umweltgesetze geforderten Beauftragten zu überschauen finden Sie in der Anlage 3 des Buches eine Tabelle zur Übersicht. Der Umweltschutz hat in den hoch entwickelten Ländern der Welt eine außerordentlich positive Entwicklung erlebt. Die Politik auf allen Ebenen – der Gemeinden, der Länder, des Bundes, aber auch der Europäischen Union – hat auf neuer oder wesentlich verbesserter gesetzlicher Grundlage und durch viel freiwilliges Engagement entscheidende Verbesserungen der Wasser- und Luftqualität, der Verminderung und Wiederverwertung von Abfallmengen sowie beim Umgang mit Chemikalien und bei der Sicherung der noch verbliebenen Artenvielfalt erzielt. Besonders dringlich zu lösen sind nun die Aufgaben, die für jede einzelne Bürgerin und jeden einzelnen Bürger nicht so sichtbar, riechbar, hörbar und fühlbar sind. Dazu gehören insbesondere die massiven Herausforderungen des Klimaschutzes sowie der umwelt- und entwicklungspolitischen Zusammenarbeit mit den Entwicklungsländern, die weit mehr als die entwickelten Länder auf wirtschaftliche Entwicklung angewiesen sind. Dazu gehören aber auch der Bodenschutz und die immer dringlicher werdende Veränderung der Konsumstrukturen und besonders des Mobilitätsverhaltens. Grundsätzliche Regelungen zum Umweltmanagement sind in einer Konzernrichtlinie zusammenzustellen, die von allen Führungsgesellschaften und auch von den Finanzbeteiligungen einzuhalten ist. Dasselbe gilt für die ergänzenden Rahmenvorgaben zur Ausgestaltung des Umweltmanagements. Danach müssen in allen Gesellschaften folgende Punkte erfüllt sein:         

Aufstellen einer unternehmensspezifischen Umweltpolitik Erarbeitung von Umweltprogrammen mit Zielen und Maßnahmen Dokumentation der Aufbau- und Ablauforganisation für den Umweltschutz Benennung verantwortlicher Personen für das Umweltmanagement und den Umweltschutz Dokumentation der Pflichten aus öffentlichrechtlichen Vorschriften Genehmigungen etc., soweit diese den Umweltschutz betreffen Darlegung der Maßnahmen zur Einbindung des Umweltschutzes in die Geschäftsprozesse Einführung eines Berichts-, Kontroll- und Steuerungssystems zur Umsetzung der erforderlichen Maßnahmen sowie zur Optimierung des Umweltmanagements Schulung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die umweltrelevante Tätigkeiten ausüben Regelungen zum Störfall- und Krisenmanagement

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8

Umweltschutzmanagement

8.6 Management des kontrollierten, selektiven Rückbaus von Anlage und Gebäuden Gerade in Zeiten des industriellen Wandels von großer Bedeutung ist für die Unternehmen der kontrolliert selektive Rückbau von ehemals industriell genutzten Anlagen und Gebäuden, an den viele Forderungen des Umweltschutzes gestellt werden. Daher wollen die Autoren an dieser Stelle hier noch gesondert drauf eingehen. In Deutschland werden täglich 129 ha Fläche verbraucht! Ein Schwerpunkt der städtebaulichen Planung liegt daher auf der Entwicklung der Innenbereiche. Dabei handelt es sich häufig um bebaute Grundstücke, die einer gewerblichen oder industriellen Nutzung unterlagen (Industriebrachen) und nun einer neuen Nutzung zugeführt werden sollen. Die am Projekt Beteiligten haben hierbei häufig mit schadstoffbelasteten Baumaterialien zu tun, deren Handling aus Arbeitsschutz- und Umweltschutzaspekten heraus besondere Anforderungen stellt und zudem bei einem kontrolliert durchgeführten selektiven Rückbau die Gesamtkosten minimiert. Nach dem Inkrafttreten des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes (KrW/AbfG) am 27.09.1994 und dem zugehörigen Landesabfallgesetz (LAbfG) ist die stoffliche Verwertung von Abfällen in das Zentrum der abfallrechtlichen Zielvorgaben gerückt worden. Damit ist aufgrund einer weitgehenden Anforderung an eine hochwertige Verwertung von Bauabfällen der sogenannte kontrolliert selektive Rückbau an die Stelle des unkontrollierten Abrisses mit der Stahlkugel getreten. Darüber hinaus ist beim Rückbau von vormals industriell und gewerblich genutzten Gebäuden und Anlagen eine Vielzahl von Regelungen aus den Bereichen Umweltrecht, Gefahrstoffrecht und Arbeitsschutz zu beachten. Beim Rückbau von Gebäuden und Anlagen können sich im Zuge der Baumaßnahme negative Auswirkungen auf die Umwelt ergeben. Sie werden entweder erst aufgrund eines Aufschlusses des vorhandenen Bodens im Rahmen der Baumaßnahme erkennbar, oder durch eine Entfernung der vorhandenen Versiegelung ausgelöst. Die gesetzlichen Vorgaben hinsichtlich dieser eventuell anzutreffenden Umweltgefährdungen sind in den folgend aufgeführten Rahmengesetzen definiert. Seit dem Jahr 1999 sind in dieser Hinsicht das Bundesbodenschutzgesetz (BBodSchG) mit der zugehörigen Bundes-Bodenschutz- und Altlastenverordnung (BBodSchV) in Kraft getreten und bilden eine bundesweit einheitliche Bewertungsgrundlage für Bodenkontamination bei der Untersuchung von Altablagerungen und Altstandorten. Die Berücksichtigung der weiteren Schutzgüter ist durch das Wasserhaushaltsgesetz (WHG) (betr. Oberflächen- und Grundwasser) sowie das Bundes-Immissionsschutzgesetz (BlmSchG) (betr. Umgebungsluft, Lärm) geregelt. Da beim Rückbau ehemals industriell genutzter Gebäude und Anlagen mit einem Auftreten von Gefahrstoffen zu rechnen ist, sind beim Rückbau auch die im Zusammenhang mit dem Arbeitsschutz zu beachtende Gesetze, Verordnungen und Regeln aus dem Bereich des Chemikalien- und Gefahrstoffrechts zu beachten (ChemG, GefStoffV, TRGS).

8.7 Erscheinungsbild von Bau- und Abbruchabfällen und ihre zeitliche Entwicklung

239

8.7 Erscheinungsbild von Bau- und Abbruchabfällen und ihre zeitliche Entwicklung Bis Mitte der 90’er Jahre sprach man von Baustellenabfällen. Diese waren ein Materialgemisch aus Resten von Baustoffen, Bauhilfsstoffen, Bauchemikalien und Bauzubehör, vermischt mit Anteilen von Bodenaushub, Bauschutt, Verpackungsmaterialien, Textilien, Kabeln, Grünabfällen, Haus-, Sperr- und Sondermüll. Dieser Abfall zeigte enorme Schwankungsbereiche in seiner Zusammensetzung auf (hoher Anteil mineralischer Bestandteile von 40–80 Massen%). Später wurden Bodenaushub (Bodenanteil > 50 %), Straßenaufbruch (mineralisch/ungebunden oder hydraulisch gebunden aus der Trag- oder Frostschutzschicht, bitumengebunden und teerhaltig) und den Bauschutt (inhomogenes Materialgemisch aus vorwiegend mineralischen Bestandteilen wie Beton, Ziegel, Kalksandstein, Gips, Naturstein, Keramik und Glas sowie geringen Anteilen nicht mineralischer Stoffe, Bauschuttanteil > 50 %) separiert. Mit Inkrafttreten der Gewerbeabfallverordnung zum 01.01.2003 ist der Baustellenabfall (heute: Bau- und Abbruchabfall) durch Einzelfraktionen gekennzeichnet und zwar mindestens durch Glas, Kunststoffe, Metalle, gefährliche Abfälle sowie die bereits oben genannten Abfallarten Straßenaufbruch (getrennt in teerstämmig und bituminös), Boden und Steine sowie Bauschutt (ggf. sogar in einzelne Unterfraktionen wie Beton, Ziegel, Fliesen und Keramik aufgeteilt).

8.7.1

Die Deklaration von Bau- und Abbruchabfällen und die Geschichte der Abfallkataloge (Abb. 8.3)

Die abfallrechtliche Zuordnung/Deklarierung der Abfälle wird seit 1980 anhand eines Abfallartenkataloges vorgenommen, damals der bundesdeutsche LAGA-Abfallartenkatalog (5-stelliger Abfallschlüssel, rein stoffbezogen). Er wurde am 01.01.1999 durch den Europäischen Abfallartenkatalog (EAKV/Verordnung zur Einführung des Europäischen Abfallartenkatalogs) abgelöst (6-stelliger Abfallschlüssel, stoff- und herkunftsbezogen). Seit dem 01. Januar 2002 wurden die Abfallbezeichnungen nach der Verordnung über das Europäische Abfallverzeichnis (AVV) angewendet. Der Übergang vom LAGA-Abfallartenkatalog zur EAKV diente der Vereinheitlichung des europaweiten Vorgehens bei der Einstufung von Abfällen (z. B. Probleme bei grenzüberschreitender Verbringung von Abfällen). Die EAKV hatte ein „Umstufen“ der Abfälle zur Folge, was zu einem Rückgang der Anzahl besonders überwachungsbedürftiger Abfälle führte. Der Europäische Abfallkatalog wurde fortgeschrieben und als AVV sehr kurzfristig in deutsches Recht überführt. Die Zuordnungskriterien für gefährliche Abfälle sind auf Europaebene vereinheitlicht. Man orientiert sich bei der Zuordnung von Abfällen am europäischen Gefahrstoffrecht.

240

8

Getrennt erfasste Abfallfraktionen zur Verwertung

Gemischte Bau – und Abbruchabfälle zur Sortierung

Umweltschutzmanagement

Bau- und Abbruchabfälle zur Beseitigung

Bauschutt Altholz (PCB-frei) Boden und Steine

Verwertung in einer zugelassenen Sortieranlage

getrennt erfasster Restmüll

getrennt erfasste bes. überw. bed. Abfälle

Straßenaufbruch Metalle Sortierrückstand

ja Kunststoffe getrennt erfasste bes. überw. bed. Abfälle

nein

Überlassungspflicht a. d. öffentl.–rechtl.Ents.träger

Andienungspflicht a. d. öffentl.–rechtl.Ents.träger

Verwertung - stofflich - thermisch

Beseitigung

Abb. 8.3 Abfallfraktionen beim Rückbau. (M. Zirngibl)

8.7.2

Die Deklaration von Bau- und Abbruchabfällen unter Berücksichtigung der Spiegeleinträge

Ob ein Abfall besonders überwachungsbedürftig ist und ob ein Abfall verwertet oder beseitigt wird hat unmittelbare Rechtsfolgen für die Praxis:  Andienungspflichten für Abfälle zur Beseitigung ! unbedingt die Abfallsatzung der kreisfreien Stadt oder des Kreises heranziehen oder die zuständige Untere Abfallwirtschaftsbehörde um Auskunft bitten (Beratungspflicht)  Nachweisführung Die Zuordnung von Abfällen zu einer Abfallschlüsselnummer kann mit einer Handlungshilfe der Länderarbeitsgemeinschaft Abfall (LAGA) vorgenommen werden. Im Zweifel sollte sich das Unternehmen an die zuständige Untere Abfallwirtschaftsbehörde (Beratungspflicht) wenden. Auf die Entsorgung von besonders überwachungsbedürftigen Abfällen ist besondere Sorgfalt zu legen (Abb. 8.4).

8.8 Verbindlichkeit zur Erstellung eines Rückbau- und Entsorgungskonzeptes

241

Andienungs- und Überlassungspflicht

Überlassungspflicht

Andienungspflicht

(an kommunalen Entsorgungsträger)

(an def. Landesstellen)

besteht für:

besteht nicht für:

•Abfälle aus priv. Haushaltung, sofern keine Verwertung beabsichgt oder er hierzu nicht in der Lage ist

•Eigenentsorger

•Abfälle zur Beseigung aus anderen Herkunsbereichen

•Nicht besonders überwachungsbedürige Abfälle zur Verwertung bei gemeinnützigen oder gewerblichen Sammlungen

•Gewerbeabfälle zur Verwertung, wenn kein öffentl. Interesse besteht

•kann durch Länder für bes. überwachungsbedürige Abfälle zur Beseigung besmmt werden

•für bes. überwachungsbedürige Abfälle zur Verwertung

•Abfälle, die einer Rücknahme- oder Rückgabepflicht unterliegen oder freiwillig nach § 15 KrW-/AbfG zurückgenommen werden

•wenn bis 06. Oktober 1996 durch Länder besmmt: Bestandsschutz •durch Länder besmmbar bei Verordnungsgrundlage durch den Bund • § 13 (4) KrW-/AbfG

•§ 13 (1) KrW-/AbfG

Abb. 8.4 Andienungs- und Überlassungspflicht. (M. Zirngibl)

8.8

Verbindlichkeit zur Erstellung eines Rückbau- und Entsorgungskonzeptes

In der Regel wird der kontrollierte Rückbau durch die Forderung der Erstellung eines sogenanntes Rückbau- und Entsorgungskonzeptes im Vorfeld bzw. bei Einreichung eines Abbruchantrages bei der Bauordnungsbehörde oder als Auflage im Genehmigungsbescheid vom Bauherrn gefordert. Das Konzept wird somit für den Bauherrn verbindlich. Mit dem Einfließen des Konzeptes in das Leistungsverzeichnis im Rahmen der Ausschreibung macht er es auch für den Auftragnehmer verbindlich. Der erste Schritt einer fachgutachterlichen Begleitung ist die den Rückbau vorbereitende Schadstoffkartierung, in der die Bausubstanz und Einbauten auf sensorisch erkennbare oder vermutete Gefahr- und Schadstoffe geprüft wird. Auf dieser Basis wird in Hinblick auf o. g. Fragestellungen durch den Fachgutachter ein Rückbau und Entsorgungskonzept erstellt. Seit der Einführung des Bundesbodenschutzgesetzes wird von der zuständigen unteren Bodenschutzbehörde zusätzlich für den Fall, dass durch die Baumaßnahme eine Entsiegelung vorhandener Oberflächenbefestigungen stattfindet, eine Gefährdungsabschätzung im Hinblick auf mögliche Gefährdungen des Bodens und des Grundwassers verlangt. Abschließend wird die Durchführung des kontrolliert selektiven Rückbaus durch den beteiligten Fachgutachter dokumentiert sowie in der abschließenden Abfallbilanz unter Anlage der Entsorgungsbelege der Verbleib der beseitigten und verwerteten Abfälle dargestellt.

242

8

Umweltschutzmanagement

8.8.1 Schadstoffkartierung und Rückbaukonzept Die Notwendigkeit zur Durchführung einer Schadstoffkartierung ist u. a. aus der Ermittlungspflicht von Gefahrstoffen aus der GefStoffV abzuleiten. Die Notwendigkeit der Erstellung eines Rückbau- und Entsorgungskonzeptes lässt sich aus den oben genannten Gesetzen und Verordnungen ableiten. Konkret wird die Maßnahme auf Basis des KrW/AbfG in Form einer Auflage im Genehmigungsverfahren für die Abrissmaßnahme gefordert. Im Rahmen der Schadstoffkartierung wird die Bausubstanz und das Anlageninventar auf entsorgungs-, arbeitsschutz- und umweltrelevante Baustoffe und Einbauten wie Asbest, künstliche Mineralfaser (KMF), Leuchtstoffröhren, auffällige Anstriche oder augenscheinliche Verunreinigungen der Massivkonstruktion durch Betriebs- und Schmiermittel usw. geprüft. Dazu sind Proben auf der Basis sensorischer Auffälligkeiten oder sonstiger Erkenntnisse (historische Recherche) zu entnehmen und chemische Analysen auf die jeweiligen Gefahr- und Schadstoffe durchzuführen (Abb. 8.5). Man kann grundsätzlich unterscheiden:  Primäre Belastungen (als Zusatzstoff bei der Herstellung eingebracht)  Sekundäre Belastungen (Austritt aus einem Kontaminierten Baustoff mit Belastung eines bisher nicht kontaminierten Stoffes)  Nutzungsbedingte Kontaminationen (entstehen im Umgang mit Gefahrstoffen)  Kontaminationen aus dem Gebäudeunterhalt (z. B. Schädlingsbekämpfung)  Biologisch bedingte Gefährdungen (z. B. Schimmel und Taubenkot bei ungenutzten Gebäuden) Die Probeentnahmestellen und Ergebnisse sollen raumweise in einer Dokumentation und in Lageplänen dokumentiert werden. Im Rahmen der Schadstoffkartierung werden darüber hinaus auch die Konstruktionsmerkmale der Gebäude und Anlagenstandorte beschrieben und unter Berücksichtigung der auftretenden Schad- und Störstoffe ein

Abb. 8.5 Erkundung kontaminierter Gebäude

Erkundung kontaminierter Gebäude Recherche der Bau- und Nutzungsgeschichte

Probennahme

Bewertung der Erkundungsergebnisse

Gefährdungen – Entsorgung

8.9 Dokumentation der Baumaßnahme und Abfallbilanz

243

Rückbau- und Entsorgungskonzept vorgegeben. Als Störstoffe werden die nicht inerten Baumaterialien bezeichnet, welche aufgrund der Anforderung an sortenreinen Bauschutt nicht in diesen gelangen dürfen. In dieser Phase der Untersuchung können im ungünstigen Fall in der Massivkonstruktion verborgene Schadstoffe unerkannt bleiben. Daher sollten zumindest an einigen Bohrkernen der Wände und Böden orientierende Untersuchungen, basierend auf organoleptischen oder vermuteten Auffälligkeiten der massiven Bausubstanz durchgeführt werden. Die mögliche Belastung wird ansonsten erst im Zuge der chemischen Untersuchungen des Recycling-Bauschutts zur Prüfung der Verwertbarkeit auffällig. Im Gegensatz zu den Erkenntnissen zum Zeitpunkt der Schadstoffkartierung kann dann diese Schadstoffbelastung zu einem Ausschluss oder einer wesentlichen Erschwernis einer Verwertung des angefallenen RC-Bauschutts oder gar einer kostenintensiven Beseitigung oder Behandlung führen. Die „üblichen“ Problemstoffe wie Wellasbest-Dächer oder imprägnierte Konstruktionshölzer werden meist schnell erkannt. Es gibt allerdings auch Stoffe mit hohem Gefährdungspotenzial, die ohne Erkundung durch einen Fachgutachter selten erkannt werden. Im Rückbau- und Entsorgungskonzept werden im Hinblick auf die auftretenden Gefahr- und Schadstoffe auch Hinweise zum Arbeitsschutz, Betrieb der Baustelle und zu den von der zuständigen Behörde vorgegebenen Auflagen zur Verwertung der anfallenden Bauschuttmassen gegeben. Die nach den Kenntnissen der Schadstoffkartierung beim Rückbau anfallenden Abfälle werden im Konzept dokumentiert und Angaben über die geplante Verwertung bzw. Entsorgung gemacht. Die seitens des Fachgutachters erstellte Schadstoffkartierung mit den zugehörigen Vorgaben zum Umgang mit Gefahr- und Schadstoffen sowie Abfällen (Rückbau- und Entsorgungskonzept) sind neben den sonstigen zu berücksichtigenden gesetzlichen und behördlichen Regelungen die Grundlagen für den Rückbau von ehemals industriell genutzten Gebäuden und Anlagen.

8.9 Dokumentation der Baumaßnahme und Abfallbilanz In der Abschlussdokumentation wird die Durchführung der Rückbaumaßnahme hinsichtlich der fachgutachterlichen Vorgaben und Aufsicht beschrieben und seitens des Fachgutachters belegt, dass die o. g. Rechtsnormen und eventuelle spezielle Auflagen der zuständigen Behörden bei der Durchführung der Maßnahme beachtet wurden. In die Dokumentation sind auch die Ergebnisse der einzelnen Baustellenkontrollen sowie sonstige gutachterlicher Maßnahmen wie z. B. die Probenahme während des Rückbaus aufgetretener verdächtiger Baustoffe oder die der Prüfung des angefallenen RCMaterials auf Verwertbarkeit aufzunehmen. Ein wesentlicher Teil der Schlussdokumentation ist die abschließende Abfallbilanz mit einer Aufstellung der angefallenen Abfälle sowie der geltenden Abfallschlüsseln, Angaben zu den beseitigen bzw. verwerteten Massen und den dabei gewählten Entsorgungswegen. Diese seitens der zuständigen Behörde geforderte Dokumentation des Rückbaus und

244

8

Umweltschutzmanagement

der Verbleib der angefallenen Abfälle geht auf die Vorgaben des KrW/AbfG, der NachWV und der AbfKoBiV zurück. Die Notwendigkeit einer Dokumentation des Einbaus von Material in die Baugrube, d. h. im Sinne des Gesetzes in den Boden, des rückgebauten Gebäudes leitet sich aus den Forderungen des § 2 Abs. 2 der LBodSchG NW, WHG und KrW/AbfG ab.

8.9.1 Praktische Durchführung Vor dem Beginn der Baumaßnahme ist das rückzubauende Objekt mit dem Abrissunternehmen, einem Vertreter des Bauherren und dem Fachgutachter zu begehen. Nachdem die Vorgehensweise beim kontrolliert selektiven Rückbau auf Basis des Rückbaukonzeptes und den Auflagen der Abrissgenehmigung mit allen Beteiligten abgesprochen ist, kann der Rückbau des Gebäudes bzw. der Anlage erst nach Einweisung und Freigabe durch den Fachgutachter begonnen werden. Treten mit Asbest und/oder KMF Mineralfasern auf, deren Umgang durch eine TRGS geregelt ist, so sind diese vorrangig zu beachten. Bezüglich Asbest ist beim Rückbau des Gebäudes und der anschließenden Entsorgung der Abfälle die TRGS 519 und bezüglich KMF die TRGS 521 zu beachten. Die gefahrstoffhaltigen Einbauten und Anlagen sind vor dem eigentlichen Abriss unter Beachtung der o. g. Richtlinien auszubauen und die Reststoffe einer qualifizierten Entsorgung zuzuführen. Beim Ausbau dieser Baustoffe und Anlagenteile ist auf eine zerstörungsfreie Arbeit nach den Vorgaben der jeweiligen TRGS zu beachten, um eine Freisetzung von Schadstoffen zu vermeiden. Bei der weiteren Entkernung sind die Anlagen, Bauteile und Baumaterialien aus dem Gebäude zu entfernen, welche sonstige Gefahr- oder Schadstoffe enthalten oder aus nicht inerten Baustoffen bestehen. Um einer Beschädigung vorzubeugen, sind in einem sehr frühen Arbeitsgang die Leuchtstoffröhren mit den Lampenhalterungen abzubauen. Anschließend sind die sonstigen Einbauten, Anlagen und Baumaterialien zu entfernen, welche beim Abriss nicht zerstört werden dürfen, da ansonsten Schad- oder Störstoffe in den Bauschutt eingetragen werden können. In diesem Arbeitsschritt sind auch teerhaltige und bituminöse Dachbedeckungen und Bodenbeläge, Einbauten aus Gipskarton, sowie Verschmutzungen durch lose schadstoffbelastete Betriebsmittel und Vorkommen von Siedlungsabfällen zu entfernen. Nach der Entfernung der Gefahrstoffe und sonstiger entsorgungsrelevanter Materialien aus dem Innenbereich kann der eigentliche Rückbau des Gebäudes bzw. der Anlage beginnen. Das Gebäude oder der Abschnitt ist dazu durch den Fachgutachter freizugeben (Abb. 8.6). Dies gilt für alle Phasen des kontrolliert selektiven Rückbaus. Die Arbeiten können erst nach Freigabe durch den zuständigen Fachgutachter fortgesetzt werden. In Einzelfällen ist die Entfernung schadstoffbelasteter Bauteile erst beim Abriss möglich. Dies ist der Fall, wenn z. B. Dacheindeckungen mit Dachpappen und Gussasphalt aus technischen Gründen nicht vor dem Rückbau des Dachs abgetragen werden können. Hier sind auch Aspekte der Arbeitssicherheit zu beachten. Die teerhaltigen oder bituminösen

8.9 Dokumentation der Baumaßnahme und Abfallbilanz

245

Materialien sind so vorsichtig wie möglich von der Bausubstanz des Dachaufbaus abzutrennen. Das dabei anfallende massive Baumaterial ist vom übrigen Bauschutt getrennt zu halten, da hier in der Regel noch höhere Schadstoffgehalte (hier: PAK) zu erwarten sind. Abscheider und verdächtige Rohrleitungen sind vor dem Rückbau auf Betriebsmittelfreiheit zu prüfen und vor dem Rückbau der Massivsubstanz abzutrennen. In Zweifelsfall sind die bekannten Ansprechpartner des Bauherren anzusprechen. Sonstige schadstoffbelastete massive Bausubstanz ist ebenfalls zu entfernen und während der weiteren Maßnahme abgetrennt zu halten. In diesen Fällen sind auf jeden Fall Beprobungen zur analytischen Erfolgskontrolle durchzuführen. Während der gesamten Baumaßnahme ist auch der anfallende Bauschutt auf sensorische Auffälligkeiten regelmäßig zu überprüfen und auffällige Materialien zu entfernen. Im Fall besonderer Auffälligkeiten sind umgehend die zuständigen Vertreter des Bauherren und der Fachgutachter zu benachrichtigen. Insgesamt ist durch die angewendete Vorgehensweise im Rahmen des Rückbaus sicherzustellen, dass nur mineralische Bestandteile der Bausubstanz in den Bauschutt gelangen (ausgenommen asbesthaltige Bauteile und nicht verwertbare Fraktionen wie Gips o. ä.). Nicht inerte Störstoffe sind umgehend auszusortieren. Nach der nach diesen Vorgaben durchgeführten Entkernung und anschließendem Rückbau der aufstehenden Gebäudeteile ist mit dem Rückbau der Bodenplatte und Fundamente nach Freigabe durch den Fachgutachter zu beginnen. Vor dem Rückbau der Bodenplatte ist noch einmal zu prüfen, ob Abläufe, Kanäle und ähnliche Anlagen im Bodenbereich des Gebäudes frei von Betriebsmitteln sind. Diese Problematik ist auch beim laufenden Abbruch zu beachten. Beim Rückbau der Bodenplatten und der Fundamente sind eventuell belastete Bereiche abzutrennen, um eine eventuelle Verwertbarkeit der sonstigen Massivsubstanz weiter gewährleisten zu können. Die Arbeiten dürfen erst nach Freigabe durch den Fachgutachter fortgeführt werden.

Abb. 8.6 Prinzipielles Vorgehen beim kontrolliert selektiven Rückbau ehemals industriell genutzter Anlagen und Gebäude

Rückbau Erstellung eines Rückbau- und Entsorgungskonzepts Erstellung eines Arbeitschutzkonzepts Genehmigung Ausschreibung und Vergabe

Ausführung und fachgutachterliche Überwachung Abschlussdokumentation

246

8

Umweltschutzmanagement

Sollten unerwartete Kontaminationen im aufgeschlossenen Untergrund oder den Fundamenten auftreten, sind die Arbeiten sofort einzustellen und die zuständigen Stellen des Bauherren und der Fachgutachter zu benachrichtigen. Bei den folgenden Arbeiten in kontaminierten Bereichen ist dann darauf zu achten, dass durch die Arbeiten keine Kontaminationen in den unbelasteten Bauschutt oder Aushub getragen werden. Die an den Rückbau anschließende Aufbereitung des Bauschutts wird durch den beteiligten Fachgutachter regelmäßig überwacht. Insgesamt ist durch die angewendete Vorgehensweise im Rahmen des Rückbaus sicherzustellen, dass nur mineralische und unbelastete Bestandteile der Bausubstanz in die Brechanlage gelangen. Vor einer Verwertung des gebrochenen RC-Materials wird dieses auf Sortenreinheit und analytisch nach den Vorgaben der LAGA-Richtlinie 20 geprüft. Dabei sind in der Regel Chargen zu je 500 t des zur Verwertung vorgesehenen Materials auf die Parameter der o. g. LAGA-Richtlinie zu untersuchen. Die folgende Abbildung verdeutlicht die Vorgehensweise bei kontrolliert selektiven Rückbau der Gebäudesubstanz eines ehemaligen industriell oder gewerblich genutzten Standorts.

8.10

Abfallbilanzen

Im Rahmen von Abbruchmaßnahmen von industriell genutzten Gebäuden oder Anlagen fallen in der Regel die verschiedensten Abfälle an. Dabei ist stets auf eine ordnungsgemäße Beseitigung oder Verwertung der Abfälle nach dem Stand der Technik zu achten. Nach der geltenden Rechtslage ist dabei einer Verwertung Vorrang vor einer Beseitigung einzuräumen. Im Fall einer Beseitigung von anfallendem Abfall ist jeweils zu prüfen, ob der Anschluss- und Benutzungszwang in der Abfallsatzung der zuständigen Stadt oder des Kreises zu berücksichtigen ist. Sollte dies der Fall sein, ist vorab zu prüfen, ob die angefallenen Massen oder die vorhandene Belastung eine Entsorgung auf diesen Anlagen ausschließen könnte. Im Einzelfall können im Zusammenhang mit der vorgesehenen Verwertung oder Beseitigung weitere speziell chemische Untersuchungen notwendig werden. Hier ist zum Beispiel die Bestimmung des Heizwertes zu nennen, wenn Abfälle außerhalb des Geltungsbereiches des geltenden Anschluss- und Benutzungszwangs energetisch verwertet werden sollen. In diesem Fall muss der Abfall nach dem § 3 Abs. 2 KRW/AbfG u. a. einen Heizwert von mindestens 11.000 kJ/kg aufweisen. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass die vorgesehene Beseitigung schadlos, umweltgerecht und nach dem Stand der Technik erfolgen muss. Dies ist der zuständigen Behörde grundsätzlich zu belegen. Im Hinblick auf die wasserwirtschaftlichen und hydrogeologischen Standortbedingungen ist eine Verwertung von Bauschutt oder Bodenaushub darüber hinaus auch mit den Behörden abzustimmen, in deren Zuständigkeitsbereich das Material verwertet werden soll.

8.10 Abfallbilanzen

247

Die Abfallbilanz ist ein wesentlicher Teil der abschließenden fachgutachterlichen Dokumentation des kontrolliert selektiven Rückbaus. In dieser Abfallbilanz werden Art, Menge und Verbleib sowie die Eigenschaften der angefallenen Abfälle dokumentiert. Sie wird ergänzt durch die Entsorgungsbelege der im Rahmen des Rückbaus angefallenen Abfälle ((Vereinfachte) Entsorgungsnachweise, Begleit- und Übernahmescheine, ggf. Rechnungen, Lieferbelege oder Wiegekarten).

8.10.1 Definition des Abfallerzeugers Abbruchunternehmer, da die baustellentypischen Abfälle bei der Ausübung seiner handwerklichen Tätigkeit anfallen (§ 3 KrW-/AbfG): Jede natürliche oder juristische Person, durch deren Tätigkeit Abfälle anfallen. Ausnahme: bei großen Bau- und Abbruchmaßnahmen erhält der Bauherr eine Erzeugernummer für das Abbruchprojekt, mit der er die gesetzlich vorgeschriebenen Nachweisverfahren (NachwV) durchführt. I

Tipp Erzeuger und Besitzer von Abfällen besitzen beide die Pflicht zur ordnungsgemäßen Abfallentsorgung (z. B. § 5 Abs. 2 KrW-/AbfG: sowohl Abfallerzeuger als auch Abfallbesitzer sind verpflichtet, Abfälle entsprechend des § 6 KrW-/AbfG zu verwerten). Die Überwachungsbehörde kann sich also auch an den Besitzer der Abfälle wenden (D derjenige, der die tatsächliche Sachherrschaft über den Abfall hat).und wird soweit möglich den tatsächlichen Verursacher einer Ordnungswidrigkeit belangen. Zusammenfassung

Werden bereits bestehende Prozesse eines Qualitätsmanagementsystems und Instrumente des betrieblichen Arbeits- und Gesundheitsschutzes genutzt – ergänzt durch den Aspekt Umwelt, so kann der Aufwand verringert und das Thema Umwelt- und Arbeitsschutz systematisch bearbeitet werden. Diese Vorgehensweise lohnt sich in mehrfacher Hinsicht: Wird die Gefährdungsbeurteilung regelmäßig durchgeführt und aktualisiert, so fördert dies die Gesundheit und Sicherheit der Beschäftigten. Gesetzliche Forderungen nach ergonomischer sowie alters- und alternsgerechter Gestaltung von Arbeitsmitteln werden erfüllt. Mitarbeiter sind zufrieden, ihre Leistungsfähigkeit wird erhalten, im Idealfall bis zum regulären Renteneintrittsalter. Forderungen im Umweltschutz werden erfüllt. Mitarbeiter erkennen ihren Beitrag und werden zu Botschaftern für ein sicheres, gesundes und umweltgerechtes Unternehmen. Die Qualität der Produkte und Dienstleistungen nimmt zu. Unternehmen steigern ihre Attraktivität als Arbeitgeber und können so Beschäftigte an ihr Unternehmen binden und im Wettbewerb um Fachkräfte neue Mitarbeiter gewinnen.

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8

Umweltschutzmanagement

Weiterführende Literatur Dr. J. Sauer Haufe Arbeitsschutz Office Professional: Betrieblichen Umwelt- und Arbeitsschutz im Qualitätsmanagementsystem integrieren Kiparski R. v., Siegmann S.: Gefährdungs-/Belastungsanalysen, In: arbeitsmedizin und arbeitsschutz aktuell, 1998, 201–209 Meyer-Falcke, A., Siegmann, S.: Betriebliche Gefährdungsbeurteilung: Grundlage und prägendes Element betriebsärztlichen Handelns, In: Arbeitsmedizin, Sozialmedizin, Umweltmedizin, Gentner Verlag, 35, 8, 2000, 382–388 Meyer-Falcke, A., Siegmann, S.: Die Rolle des Betriebsarztes bei der betrieblichen Gefährdungsbeurteilung, In: Meyer-Falcke, Leßwing (Hrsg): Arbeitsschutz – Sicherheit und Gesundheit im Betrieb, UB Media Fach-Datenbank auf CD-ROM, Update 02/2001 Bernd Tenckhoff: Teamarbeit – Prävention im sich wandelnden Versorgungsmarkt – Technische Überwachung, Oktober 1999 Bernhard Tenckhoff, Silvester Siegmann – Neue Dimension der betrieblichen Managementsysteme – Basi Infoprint Herbst 2008 Bernhard Tenckhoff, Silvester Siegmann: Betriebssicherheitsmanagement, Ganzheitliche Anforderungen erfordern ganzheitliche Systeme – DGUV Forum August 2010

9

Datenschutzmanagement

Dieses Kapitel beschreibt die Anforderungen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten. Die zunehmende Digitalisierung der Arbeits- und Geschäftswelt bringt erhöhte Pflichten zum Schutz der Persönlichkeitsrechte von Mitarbeitern und Kunden mit sich. Ein automatisierte Verarbeitung von personenbezogenen Daten erfordert nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts aus dem Volkszählungsurteil 1983 stets eine Einwilligung des Betroffenen oder eine Rechtsvorschrift als Grundlage. Wer also personenbezogene Daten erheben, verarbeiten oder nutzen will, muss sich vorher klar machen, auf welcher Rechtsgrundlage dies erfolgen darf. Zum Beispiel das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) enthält solche Rechtsgrundlagen Diese sind allerdings nur als Auffanggesetz konzipiert, d. h. bereichsspezifische Normen, die den Umgang mit personenbezogenen Daten regeln, gehen vor (bundesrechtliche Vorrangnormen). Neben der Einhaltung der gesetzlichen Erhebungs-, Verarbeitungsgrund und Nutzungsgrenzen, hat ein Unternehmen als verantwortliche Stelle zahlreiche Informationspflichten, sowie Rechte des Betroffenen zu beachten. Außerdem enthält das BDSG Regelungen zur Sicherstellung einer effektiven internen und externen Kontrolle des Datenschutzes und der Datensicherheit. Ebenso sind entsprechende Sanktionen für die Nichteinhaltung der Regelungen des BDSG vorhanden. Der Datenschutz gewinnt aber auch zunehmend eine Bedeutung für das Image eines Unternehmens, da die Fälle von Verstößen immer mehr Eingang in die Medienlandschaft gewinnen. Der sachgerechte Umgang mit personenbezogenen Daten wird immer noch in vielen Unternehmen in Deutschland vernachlässigt und zeigt zum Teil große Defizite. Obwohl der Umgang und der Transfer dieser Daten zur täglichen Routine in vielen Bereichen gehören, werden die Regelungen des BDSG häufig vernachlässigt.

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019 B. Tenckhoff und S. Siegmann, Vernetztes Betriebssicherheitsmanagement, VDI-Buch, https://doi.org/10.1007/978-3-662-48441-8_9

249

250

9.1

9

Datenschutzmanagement

Betriebsärztliche Tätigkeit keine „Auftragsdatenverarbeitung“

Bei der Tätigkeit des Betriebsarztes handelt es sich nicht um eine „Auftragsdatenverarbeitung“ im Sinne des BDSG oder der EU-DSGVO, sondern um eine „Funktionsübertragung“. Bei der sog. „Funktionsübertragung“ wird eine Stelle (Betriebsarzt) für eine andere Stelle (Arbeitgeber) dergestalt tätig, dass die „eingeschaltete“ Stelle für die andere einen bestimmten Auftrag wahrnimmt (z. B. arbeitsmedizinische Vorsorge) und dazu in eigenem Namen alle erforderlichen Entscheidungen trifft (der Betriebsarzt ist weisungsfrei). In der Regel wird eine derartige „andere“ Stelle beauftragt, wenn diese über ein bestimmtes Fachwissen (Arbeitsmedizin) oder über Erfahrungen und Möglichkeiten verfügt, die der „Auftraggeber“ nicht besitzt. Charakteristisch für die „Auftragsdatenverarbeitung“ hingegen ist, dass sich die datenschutzrechtlich verantwortliche Stelle eines Dritten für die Durchführung bestimmter Datenverarbeitungsvorgänge bedient. Die maßgeblichen Entscheidungen über den Umgang mit den personenbezogenen Daten verbleiben aber bei der beauftragenden Stelle. Der Auftragnehmer verfährt lediglich entsprechend den Weisungen des Auftraggebers mit den von ihm überlassenen und für ihn zu verarbeitenden Daten. Dem Betriebsarzt aber ist es schon von Rechts wegen verwehrt, sich in sein Handeln (auch eine Untersuchung ist eine Datenerhebung) reinreden zu lassen. Bei der Auftragsdatenverarbeitung bestimmt aber der Auftraggeber was gemacht wird. Aus dem BDSG leitet sich des Weiteren ab, dass Themen, welche unter die ärztliche Schweigepflicht fallen, grundsätzlich nicht mit einer Auftragsdatenverarbeitung abgearbeitet werde können.

9.2 Grundprinzipien beim Umgang mit personenbezogenen Daten Gemäß BDSG ist die Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung verboten, es sei denn, das BDSG oder eine andere Rechtsvorschrift erlauben diese bzw. ordnen eine solche an, oder der Betroffene willigt ein (Verbot mit Erlaubnisvorbehalt). Daneben sind der Grundsatz der Zweckbindung und zwingende Verfahrensregelungen einzuhalten, deren Nichteinhaltung sich auf die Zulässigkeit auswirken kann. Darüber hinaus erwartet der Gesetzgeber von den Unternehmen in technischer und organisatorischer Hinsicht eine datenschutzgerechte Gestaltung und Verarbeitung von personenbezogenen Daten.

9.2.1 Pflichten des Unternehmers Der Unternehmer bzw. der Datenschutzbeauftragte hat die Zulässigkeit, Erforderlichkeit, Zweckbindung aller erhobenen und gespeicherten Daten zu prüfen. Hierbei handelt es sich um die Sicherstellung der Rechte des Betroffenen und entsprechende, technische und

9.3 Rechte der Betroffenen

251

organisatorische Datenverarbeitungsmaßnahmen. Die erhobenen Daten müssen für die Erfüllung der Arbeitsaufgabe tatsächlich notwendig sein. Bei der Gestaltung und Auswahl von Datenverarbeitungssystemen ist der Grundsatz der Datenvermeidung zu beachten. I

Tipp Es muss das Ziel verfolgt werden, keine oder so wenig wie möglich personenbezogene Daten zu erheben, zu verarbeiten oder zu nutzen!

Mit geeigneten Datensicherungsmaßnahmen hat der Unternehmer sicher zu stellen, dass die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen nicht durch Verlust, Fälschung oder unbefugte Kenntnisnahme durch Dritte verletzt werden.

9.2.2

Pflichten der Mitarbeiter

Die Mitarbeiter, die personenbezogene Daten verarbeiten, sind durch Unterweisung mit den Datenschutzvorschriften vertraut zu machen und auf das Datengeheimnis zu verpflichten. Ein zugeteiltes oder selbst gewähltes Passwort muss vertraulich verwendet und darf Dritten nicht mitgeteilt werden. Die angeordneten Datensicherungsmaßnahmen sind strikt einzuhalten. Die Mitarbeiter sind dafür verantwortlich, dass die ihnen anvertrauten personenbezogenen Daten nur im Rahmen ihrer Aufgabenstellung erhoben, verarbeitet oder übermittelt werden. Eine unbefugte Weitergabe personenbezogener Daten ist strafbar. Die Mitarbeiter sind dafür verantwortlich dass:  die ihnen anvertrauten Daten, Datenträger und Ausdrucke, wenn sie nicht unmittelbar daran arbeiten, unter Verschluss gehalten werden.  Ihre DV-Geräte, ihre Anwendung und ihr Passwort keinem Unbefugten zugänglich sind.  Die Daten, auf von ihnen genutzten DV-Geräten, regelmäßig gesichert werden  Nicht mehr verwendete Datenträger und Ausdrucke vernichtet bzw. gelöscht werden

9.3

Rechte der Betroffenen

Der Unternehmer hat den Betroffenen die erstmalige Speicherung seiner personenbezogenen Daten mitzuteilen. Die Benachrichtigung kann unterbleiben, wenn der Betroffene auf andere Art Kenntnis erhalten hat, dass über ihn Daten gespeichert wurden. Dass ist z. B. der Fall, wenn Daten verarbeitende Prozesse ein Vertragsverhältnis wie Arbeitsvertrag, Kaufvertrag oder Liefervertrag begleiten.

252

9

Datenschutzmanagement

9.3.1 Verzeichnis Verarbeitungstätigkeiten (VVT) Die Basis eines gesetzeskonformen Datenschutzmanagements ist die Erstellung des sog. „Verzeichnis Verarbeitungstätigkeiten (VVT)“ gemäß Art. 30 DS-GVO. Nach Erwägungsgrund 82 der DS-GVO soll der Verantwortliche „zum Nachweis der Einhaltung dieser Verordnung“ das Verzeichnis von Verarbeitungstätigkeiten führen. Weiterhin kann die zuständige Aufsichtsbehörde die Vorlage verlangen, um die betreffenden Stellen hoheitlich zu kontrollieren. Das VVT wird in einer der europäischen Sprachen geführt. Dies kann eine Konzernsprache sein, da der Verantwortliche das VVT im Wesentlichen zu eigenen Zwecken führt. Aus der DS-GVO ergibt sich keine Pflicht, das VVT in der Amtssprache der jeweiligen Aufsichtsbehörde vorzuhalten. Die Trennung in ein internes und ein externes Verzeichnis „für Jedermann“ ist in der DS-GVO nicht mehr vorgesehen. Das VVT steht nur für interne Zwecken und auf Anfrage der zuständigen Aufsichtsbehörde zur Verfügung. Ein „öffentliches Verfahrensverzeichnis“ wird nicht mehr benötigt. Zielsetzung des Verfahrensverzeichnisses ist es, eine Dokumentation zu erstellen, die darüber Auskunft gibt:     

welche personenbezogenen Daten, unter Verwendung welcher automatisierten Verfahren, auf welche Weise verarbeitet oder genutzt werden, welche Datenschutzmaßnahmen durchgeführt werden und wer im Unternehmen Umgang mit diesen Daten hat.

Mit dem Verzeichnis soll sowohl innerhalb des Unternehmens als auch (auf Antrag) für externe Personen und Stellen Transparenz bei der Verarbeitung personenbezogener Daten geschaffen werden. Es wird daher in interne und externe Verfahrensanweisungen unterschieden. Verbessert werden soll damit auch die Auskunftsfähigkeit gegenüber Betroffenen und gegenüber den Aufsichtsbehörden, denen das Verzeichnis im Rahmen ihrer Beratungsbesuche und Überprüfungen zur Orientierung dienen kann. Nicht zuletzt dient ein Verfahrensverzeichnis auch der rechtlichen Absicherung des Unternehmens.

9.3.2 Die Einwilligung des Betroffenen Nach überwiegender Ansicht wird die Einwilligung als eine vorherige Zustimmung definiert (vgl. § 183 BGB). Die Einwilligung hat folglich keine Rückwirkung. Bei Irrtum, Täuschung oder Drohung ist die Einwilligung allerdings rückwirkend anfechtbar (§§ 119, 123, 142 BGB). Von der Anfechtbarkeit ist der Widerruf einer Einwilligung zu unterscheiden. Im Unterschied zur Anfechtung ist ein Widerruf jedoch nur mit Wirkung für die Zukunft möglich. Die näheren Voraussetzungen einer wirksamen Einwilligung sind in

9.5 Konkrete Bedrohungen für Unternehmen

253

§ 4 a BDSG geregelt. Für die Einwilligung ist die Einhaltung der Schriftform unumgänglich (vgl. § 126 BGB); Ausnahmen sind nur für die Forschung und aufgrund besonderer Umstände möglich. Als zulässigkeitsbegründende Rechtsvorschriften kommen in Betracht:     

förmliche Gesetze (Parlamentsgesetze) Rechtsverordnungen autonome Satzungen aufgrund gesetzlicher Ermächtigung Bestimmungen über Arbeitsverhältnisse in Tarifverträgen Betriebsvereinbarungen oder an deren Stelle tretende Einigungsstellensprüche

9.4 Konsequenzen von Datenschutzverletzungen Verstöße gegen das Datengeheimnis können mit Bußgeld oder mit Freiheitsstrafen geahndet werden (siehe Kapitel Rechtsfolgen). Mit einer Buße oder Strafe wird belegt, wer unbefugt geschützte personenbezogene Daten, die nicht offenkundig sind:    

erhebt und verarbeitet zum Abruf mittels automatisierter Verfahren bereithält abruft oder sich oder einem anderen aus Dateien verschafft oder die Übermittlung durch unrichtige Angaben erschleicht

Schadensersatzpflichten entstehen, wenn Rechte des Betroffenen durch unzulässige oder unrichtige Datenverarbeitung verletzt werden. Wenn Mitarbeiter gegen betriebliche Anweisungen verstoßen, können aus nicht datengerechtem Handeln arbeitsrechtliche Maßnahmen abgeleitet werden.

9.5

Konkrete Bedrohungen für Unternehmen

Die meisten Unternehmer haben in den letzten Jahren die Vernetzung von Datensystemen stark vorangetrieben. Ohne Internetanbindungen sind Geschäftsvorgänge heute nicht mehr denkbar. Immer mehr Anwendungen die früher auf dem eigenen Server oder Rechenzentrum liefen, werden heute von einem Out-Sourcing-Partner betrieben. Mit der notwendigen Offenheit des Firmennetzes kommen aber gleichzeitig auch Bedrohungen auf das Unternehmen zu. Die Bedrohungen lassen sich in absichtliche sowie unabsichtliche Bedrohungen unterteilen. Bedrohungen sind:  Abhören von sensitiven Daten  Verkehrsflussanalyse

254

9

Datenschutzmanagement

Abb. 9.1 Grundprinzipen eines präventiven Datenschutzes

 Eingriffe in die Datenübertragung  Modifikation, Zerstörung, Wiederholung und Verzögerung, Verhinderung durch Überlasterzeugung  Sabotage  Vortäuschen einer Identität  Einbringen von Schadsoftware (Viren, Würmer)  Fehler und Ausfall aufgrund von menschlichen Versagen  Mangelhafte Systeme  Umwelteinflüsse  Naturkatastrophen  Alterung von Systemen  Störstrahlung Der Nutzer ist jedoch für die meisten Bedrohungen selber verantwortlich. Schadensprogramme werden bewusst oder unbewusst verbreitet, Informationen ausgespäht, verändert oder missbraucht. Technische Systeme müssen so funktionieren, dass sich der Benutzer auf sie verlassen kann. Informationstechnische Systeme müssen in erster Linie hohe Vertraulichkeit, Integrität und Verfügbarkeit besitzen.

9.5 Konkrete Bedrohungen für Unternehmen

9.5.1

255

Vertraulichkeit

Die Informationen können von Unbefugten nicht eingesehen werden. Das System ist so aufgebaut, dass nur befugte Personen Zugriff auf die Informationen haben können.

9.5.2

Integrität

Informationen, Systeme und Netze können nicht unbemerkt verändert werden. Das System ist so geschaffen, dass eine Veränderung offensichtlich wird.

9.5.3 Verfügbarkeit Informationen, Systeme und Netze sind verfügbar. Das System muss bei einem Zugriff in einem definierten Zeitraum antworten bzw. bestimmte Aktionen auslösen. Jedes System wird in einem Kontext verwendet. Dafür sind in der Regel weitere Eigenschaften nötig wie:    

Authentizität Zurechenbarkeit Revisionsfähigkeit und Rechtssicherheit Verbindlichkeit

9.5.4

Authentizität

Die Identität von Informationen, Systemen, Netzen oder Personen kann zweifelsfrei nachgewiesen werden.

9.5.5 Zurechenbarkeit Aktionen und Informationen können einer auslösenden Instanz (Personen oder Systeme) zugerechnet werden. Die Zurechenbarkeit folgt mitunter aus der Authentizität.

9.5.6

Revisionsfähigkeit und Rechtssicherheit

Alle für den Rechtsverkehr in Systemen und Netzen verwendeten Informationen und Vorgänge gegenüber Dritten sind nachweisbar.

256

9

Datenschutzmanagement

9.5.7 Verbindlichkeit Willenserklärungen oder Daten in digitaler Form sind verbindlich. Verbindlichkeit ergibt sich aus dem Nachweis der Authentizität, der Zurechenbarkeit und der Integrität von Daten. Um die Datensicherheit zu erreichen sind nach dem BDSG bei automatischer Datenverarbeitung folgende Maßnahmen zu ergreifen:        

Zutrittskontrollen, Ausweisleser, Pförtner Zugangskontrolle, Passwortschutz Zugriffskontrolle, Berechtigungs- und Betreiberkonzepte Weitergabekontrolle, Regelungen zum Kommunikationsverkehr Eingabekontrolle, Protokollierungen, Berechtigungskonzepte Auftragskontrolle, Weisungen des Auftraggebers Verfügbarkeitskontrolle, Sicherungskopien, Krisenmanagement Trennungskontrolle, logische Trennung von Daten zu unterschiedlichen Verwendungszwecken

Jede verantwortliche Stelle hat die bei ihr gespeicherten Daten zu sichern. Das erfordert eine erhöhte Aufmerksamkeit beim Transport von Daten, beim Umgang mit dem Passwort, dem Verschluss der Unterlagen und bei der Nutzung von dubiosen Daten. Dazu rät sich die Erstellung einer internen Security Policy an.

9.6 Der betriebliche Datenschutzbeauftragte (DSB) Als interner Ansprechpartner in Datenschutzfragen steht dem Unternehmen der betriebliche Datenschutzbeauftragte (DSB) zur Verfügung. Seine Aufgabe ist es, die Ausführung und Einhaltung des BDSG und anderer datenschutzrelevanter Vorschriften (z. B. des Telekommunikationsgesetzes) zu überwachen. Er soll auf die Wahrung der Rechte der Betroffenen bei der Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten achten. Auch für Kunden, Lieferanten und andere Externe ist er Ansprechstelle. Das Gesetz hebt zwei Aufgaben als besondere Pflicht des DSB hervor. Er hat dafür Sorge zutragen, dass die Programme, mit denen personenbezogene Daten verarbeitet werden, ordnungsgemäß angewendet werden (Datensparsamkeit etc.). In besonderen Fällen obliegt ihm die Pflicht zur Vorabkontrolle. Das heißt, dass der Datenschutzbeauftragte im Vorfeld prüft, ob z. B. die Software, die eingesetzt werden soll, den Anforderungen des Datenschutzes entspricht. Die zweite wichtige Aufgabe des DSB sind Unterweisungs- und Schulungsmaßnahmen für die Mitarbeiter, die mit der Verarbeitung personenbezogener Daten betraut sind. Er muss den Mitarbeitern die Vorschriften des BDSG und anderer Datenschutz relevanter Vorschriften näher bringen. Der Datenschutzbeauftragte ist zur Verschwiegenheit verpflichtet und in seiner Tätigkeit weisungsfrei, das bedeutet, er darf auch dem Unternehmer

9.7 Datenschutz bei Telearbeitsplätzen

257

gegenüber keine Angaben zu persönlichen oder vertraulichen Angelegenheiten machen. Er hat das Recht und die Pflicht, bei strittigen Fragen die externe Aufsichtsbehörde hinzuzuziehen. Ein wichtiges Dokument und Handwerkszeug für den DSB ist das Verfahrensverzeichnis, das er in unterschiedlicher Ausprägung den Beteiligten/Betroffenen zur Verfügung stellen kann. Es dient der Transparenz und als Kontrollmittel, es legt die personenbezogene Datenverarbeitung strukturiert dar. Jeder Mitarbeiter ist zur Unterstützung des Datenschutzbeauftragten verpflichtet. Dies kann z. B. durch aufmerksam machen auf Missstände geschehen oder durch Unterstützung bei Kontrollen am eigenen Arbeitsplatz. Eine weitere Aufgabe des DSB ist, die Kontrolle vor Ort, an den Arbeitsplätzen der Kollegen, die mit personenbezogenen Daten umgehen. Kontrolliert wird z. B., ob der Schutz vor unbefugtem Zugriff gewährleistet ist.

9.7 Datenschutz bei Telearbeitsplätzen Mit der Einrichtung von Telearbeitsplätzen für Mitarbeiter sind aus der Sicht des Datenschutzes sowohl aus technischer wie auch aus organisatorischer Sicht angemessene Schutzmaßnahmen nach dem Stand der Technik zu treffen. Ziel der Schutzmaßnahmen ist es, einerseits den Zugriff Unbefugter auf personenbezogene Daten zu verhindern (Schutzziel des Bundesdatenschutzgesetzes – BDSG –) und andererseits unternehmensinterne Informationen zu schützen. Hierbei wird im Folgenden zugrunde gelegt, dass die Mitarbeiter im festen arbeitsvertraglichem Verhältnis mit dem Unternehmen stehen. Die Telearbeitsplätze werden bei den Mitarbeitern zu Hause eingerichtet. Von den Mitarbeitern werden an den Telearbeitsplätzen auch personenbezogene Daten verarbeitet. Insoweit müssen vom Unternehmen die Anforderungen des BDSG eingehalten werden. Adressat des BDSG ist das Unternehmen, damit obliegt ihm – dem Unternehmen – grundsätzlich die datenschutzrechtliche Verantwortung zur Umsetzung der Anforderungen und Erfüllung der Pflichten aus dem BDSG auch für Telearbeitsplätze. Folgende Maßnahmen müssen zur Gewährung des Datenschutzes und der IT – Sicherheit ergriffen werden.

9.7.1

Organisatorische Schutzmaßnahmen – Infrastrukturelle Sicherheit des Telearbeitsplatzes

Die Telearbeitsplätze müssen in den Wohnungen der Mitarbeiterinnen so eingerichtet sein, dass unbefugte Personen keinen Zugang zur technischen Ausstattung/Hardware (hier der PC; Hard- und Software sind und bleiben Eigentum des Unternehmens) haben. Dies ist durch entsprechende Sicherung des Aufstellungsraumes zu erwirken.

258

9

Datenschutzmanagement

Zur Aufbewahrung dienstlicher Unterlagen (Schriftstücke, Datenträger u. ä.) muss den Mitarbeiterinnen ein verschließbarer Schrank zur Verfügung stehen. Es muss sichergestellt sein, dass weder der Hausgemeinschaft angehörige Personen – auch Familienangehörige – noch fremde Personen Zugriff auf die dienstlichen Unterlagen und die Betriebsmittel haben. Sofern Betriebs- oder Sachmittel wie Ausdrucke oder Datenträger entsorgt werden müssen, hat dies datenschutzgerecht zu geschehen. Hierzu sind diese Sachmittel ausnahmslos in den Betrieb zu verbringen und dort der fachgerechten Entsorgung zuzuführen.

9.7.2

Organisation der Telearbeit

Alle relevanten Maßnahmen und Regelungen zur Telearbeit einschließlich der Modalitäten zur Wartung und Administration der Telearbeitsrechner sind in einer betrieblichen Anweisung zusammenzufassen und den Betroffenen auszuhändigen. In der Anweisung müssen die Betroffenen ausdrücklich darauf hingewiesen werden, dass die Nutzung privater Hard- und Software nicht zulässig ist. Für die Telearbeiterinnen sind ausführliche angemessene Schulungen hinsichtlich der Inhalte der Anweisung und dem Umgang mit der Technik in Hinblick auf den Datenschutz durchzuführen. Die betroffenen Mitarbeiterinnen müssen vor Aufnahme der Tätigkeit mit ihrer Unterschrift den Empfang der Anweisung bestätigen und sich zur Einhaltung der hierin getroffenen Regelungen verpflichten. Außerdem müssen Sie vor Aufnahme der Tätigkeit einwilligen, dass der Telearbeitsplatz vom Datenschutzbeauftragten, dem Vorgesetzten, dem Betriebsrat sowie der Fachkraft für Arbeitssicherheit besichtigt werden dürfen.

9.7.3 Technische Schutzmaßnahmen – Sicherheit des Telearbeitsrechners Die Konfiguration aller Informations- und Kommunikationsgeräte erfolgt von zentraler Stelle aus dem Unternehmen, sodass auch Änderungen auf Betriebssystemebene nur durch die zentrale Administration erfolgen können. Der lokale Datenbestand ist auf ein Minimum zu begrenzen. Ist lokale Datenspeicherung dennoch erforderlich, muss sichergestellt sein, dass diese auf dem Telearbeitsplatz zwangsweise nach der von der Zentrale vorgegebenen Verschlüsselungsmethode verschlüsselt werden. Nicht mehr erforderliche Daten sind frühestmöglich zu löschen. Der Zugriff auf die Programme und Daten des Telearbeitsrechners ist mittels Passwort zu schützen (mindestens 8 Zeichen, es sind sowohl numerische wie auch alphanumerische Zeichen und Sonderzeichen zu verwenden). Das Passwort ist nach jeweils spätestens einem halben Jahr zu erneuern. Wird der Telearbeitsplatz verlassen, muss er mittels Tastatur- und Bildschirmsperre vor unbefugter Benutzung geschützt werden.

9.7 Datenschutz bei Telearbeitsplätzen

9.7.4

259

Sichere Kommunikation zwischen Telearbeitsplatz und Server

Die Datenverbindung zwischen den Telearbeitsplätzen und dem Server des Unternehmens sollten als Remote-Access-Server (RAS) Anbindungen aufgebaut werden, die Administration ist vom Unternehmen aus zu realisieren. Ein guter Schutz der Verbindung vor Angriffen von „außen“ kann auch durch eine VPN-Verbindung (virtuell personel network) sichergestellt werden. Die Router sind ebenso wie die Telearbeitsplätze in gesicherter Umgebung aufzustellen, so dass Unbefugte keinen Zugang haben. Bei der Übertragung der Daten ist zwingend immer eine Verschlüsselung vorzusehen. Sofern die Übertragung von sensiblen Dokumenten erfolgt, müssen diese mit einer digitalen Signatur versehen und verschlüsselt werden.

9.7.5 Sicherheit des Servers an der Arbeitsstelle Das Datennetz des Unternehmens ist durch eine angemessene Firewall (einschließlich Viren-, Spam- und Contentfilter) geschützt. Diese Firewall darf bei Verbindungen zu den Telearbeitsplätzen nicht umgangen werden sondern muss in Ihrer Funktionalität vollständig erhalten bleiben. Zum Verbindungsaufbau zwischen Telearbeitsplatz und Server ist ein Verfahren mit hohem Schutzniveau zu nutzen (Anforderungen an Passwort siehe oben). Hier kann z. B. das „Einfache Einmal-Passwort-Verfahren per SMS“ genutzt oder das Challenge-Response-Verfahren eingerichtet werden. Die Zugriffsrechte sind für jeden einzelnen Telearbeitsplatz auf das erforderliche Mindestmaß zu reduzieren. Die Konfiguration des Gesamtsystems einschließlich des Konzeptes der Zugriffsrechte ist zu dokumentieren. Der Server muss alle erfolgreichen und nicht erfolgreichen Login – Versuche, Kennwortänderungen und Aktionen der Benutzerverwaltung (Löschung und Neueinrichtung von Benutzern) aufzeichnen. Diese Aufzeichnungen sind regelmäßig zu überprüfen, Auffälligkeiten sind zu untersuchen. Bevor die Telearbeitsplätze eingerichtet werden, ist ein schlüssiges Konzept unter Berücksichtigung der oben genannten Mindeststandards zu erstellen und nochmals mit dem Datenschutzbeauftragten abzustimmen. Hierbei sollte auch der Betriebsrat mit einbezogen werden. Auftragsdatenverarbeitung Unter Auftragsdatenverarbeitung (Outsourcing) versteht man jede Art der Verarbeitung von Daten im Auftrag durch externe Dienstleister. Werden personenbezogene Daten im Auftrag durch andere Stellen erhoben, verarbeitet oder genutzt, ist der Auftraggeber weiter für die Einhaltung der Datenschutzvorschriften verantwortlich. Der Auftraggeber hat deshalb einen Auftragnehmer sorgfältig auszuwählen, und zwar unter besonderer Berücksichtigung der beim Auftragnehmer getroffenen Sicherheitsmaßnahmen zum Schutz der Daten.

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9

Datenschutzmanagement

Ist ein geeigneter Auftragnehmer gefunden, so ist der Auftrag schriftlich zu erteilen, wobei festzulegen sind:  die vom Auftragnehmer durchzuführende Datenerhebung, Datenverarbeitung oder Datennutzung  die im Rahmen der Auftragsabwicklung zu treffenden Sicherheitsmaßnahmen (vgl. § 9 BDSG und Anlage zu § 9 BDSG) und  etwaige Unterauftragsverhältnisse (eventuelle Einschaltung von Subunternehmen durch den Auftragnehmer) Bei der schriftlichen Auftragserteilung (Rahmenvertrag) sind – je nach Einzelfall – unter anderem aber auch folgende Gesichtspunkte zu regeln:  Leistungsumfang der zu erbringenden Arbeiten, vorübergehende/dauernde Datenspeicherung und sonstige Aufbewahrung von Datenträgern beim Auftragnehmer, Kopieren von Datenträgern  Transport- und Versendungsformen des Datenmaterials, besondere Transportbehälter, Zeitpunkt und Ort der Anlieferung und Abholung von Datenmaterial, Regelung des Transportrisikos, Verfahren bei der Übergabe (Protokollierung, Lieferscheine), empfangsberechtigte Personen  klare Kompetenz- und Pflichtenabgrenzung zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer  Festlegung über Einzelweisungen durch den Auftraggeber; anweisungsberechtigte Personen des Auftraggebers  von Auftraggeber und Auftragnehmer bei der Abwicklung der Auftragsdatenverarbeitung zu treffende Sicherheitsmaßnahmen nach § 9 BDSG und der Anlage zu § 9 BDSG  Vernichtung/Entsorgung von Schriftstücken und sonstigen Datenträgern durch den Auftragnehmer nach der Verarbeitung; Vernichtung von Test- und Ausschussmaterial  Protokollierung der Auftragsabwicklung beim Auftragnehmer, Kontrollrecht des Auftraggebers beim Auftragnehmer, Prüfungspflichten für beide Seiten im Hinblick auf die ordnungsgemäße Auftragserledigung  Maßnahmen beim Verlust von Datenträgern; bei Störungen des Verarbeitungsablaufs, bei besonderen Vorkommnissen  Einschaltung von Subunternehmen durch den Auftragnehmer (z. B. für Sonderarbeiten, bei Kapazitätsproblemen), Einsatz von Leih-Arbeitskräften, Heimarbeitern; Zulässigkeit?, Rahmenbedingungen dafür?  Kündigungsmöglichkeiten/Vertragsstrafen bei Datenschutz-Verletzungen, Verpflichtungen der Vertragspartner bei Beendigung der Geschäftsbeziehungen

9.8 Datenarchivierung

9.8

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Datenarchivierung

§ 238 Handelsgesetzbuch (HGB) verpflichtet Kaufleute zur Buchführung und Aufbewahrung von Handelsbriefen, die mit dem jeweils gesandten Original übereinstimmen. Um als Handelsbrief zu gelten, reicht bereits ein entfernter, lockerer Zusammenhang mit betrieblichen Interessen aus. Sämtliche Schriftstücke, die der Vorbereitung, Durchführung und dem Abschluss (z. B. Angebote, Auftragsbestätigungen, Lieferschein, jedoch nicht Werbeschreiben und Prospekte) oder der Rückgängigmachung eines Geschäfts (z. B. Reklamationsschreiben) dienen, sind daher als Handelsbriefe anzusehen – E-Mails sind davon nicht ausgeschlossen. § 238 HGB Buchführungspflicht (1) Jeder Kaufmann ist verpflichtet, Bücher zu führen und in diesen seine Handelsgeschäfte und die Lage seines Vermögens nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung ersichtlich zu machen. Die Buchführung muss so beschaffen sein, dass sie einem sachverständigen Dritten innerhalb angemessener Zeit einen Überblick über die Geschäftsvorfälle und über die Lage des Unternehmens vermitteln kann. Die Geschäftsvorfälle müssen sich in ihrer Entstehung und Abwicklung verfolgen lassen. (2) Der Kaufmann ist verpflichtet, eine mit der Urschrift übereinstimmende Wiedergabe der abgesandten Handelsbriefe (Kopie, Abdruck, Abschrift oder sonstige Wiedergabe des Wortlauts auf einem Schrift-, Bild- oder anderen Datenträger) zurückzubehalten. Für Buchungsbelege, Handelsbücher, Inventare, Jahres- und Konzernabschlüsse ist eine Aufbewahrungsfrist von zehn Jahren vorgesehen. Für alle übrigen Dokumente wie Handelsbriefe gelten sechs Jahre. Die Frist beginnt mit dem Schluss des Kalenderjahres, in dem die Unterlagen erstellt bzw. die Handelsbriefe verschickt oder empfangen wurden. Nach Ablauf können die Unterlagen vernichtet werden (Anduleit 2008) Spezialrechtliche Vorgaben zur elektronischen Archivierung finden sich u. a. im Geldwäschegesetz (§ 9), der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift für das Rechnungswesen in der Sozialversicherung (§ 22 SRVwV) sowie in Regelungen für Banken und Krankenhäuser und Ärzte. Letztere Regelungen schreiben sogar eine 30-jährige Aufbewahrungspflicht vor (z. B. § 6 Abs. 1 Krankengeschichtenverordnung, § 28 Abs. 4 Röntgenverordnung sowie § 43 Abs. 3 Strahlenverordnung). In der Pharmabranche gelten spezielle Regelungen für Dokumente aus den Bereichen Forschung, Produktion und Antragsdokumentation, die sich weitgehend an den Vorgaben der Federal Drug Administration (FDA, USA) orientieren. Für Unternehmen, die an US-Börsen notiert sind, greifen mit Sarbanes Oxley (SOX) und der Securities and Exchange Commission (SEC) auch hierzulande weit reichende Archivierungspflichten für E-Mails und elektronische Kommunikation. Die Europäische Union hat am 17. Mai 2006 die 8. Europäische Richtlinie (umgangssprachlich auch EURO-SOX genannt) beschlossen, die ähnlich wie SOX für ausreichende Transparenz in den Jahresabschlüssen sorgen

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Datenschutzmanagement

soll und bis 29. Juni 2008 in allen 27 EU-Mitgliedstaaten in nationales Recht umzusetzen war. Handelsgesetzbuch (HGB): § 238 HGB Pflicht zur Buchführung betrifft jeden Kaufmann § 239 HGB Einzelheiten zur ordnungsgemäßen Führung der Handelsbücher § 257 HGB Aufbewahrungsanforderungen und Aufbewahrungsfristen bis zu 10 Jahren Steuerrecht: § 140 AO §§ 145, 146 AO § 147 AO § 14 IV UStG GDPdU GoBS

Buchführungsrecht Buchführung und Aufzeichnungen Aufbewahrung von Unterlagen, Aufbewahrungsfristen bis zu 10 Jahren Prüfbarkeit digitaler Unterlagen, z. B. Rechnungen Datenzugriff und Prüfbarkeit digitaler Unterlagen Grundsätze ordnungsgemäßer DV-gestützter Buchführungssysteme

Gemäß dem Gesetz zur Kontrolle und Transparenz in Unternehmen (KonTraG) sind Firmen unter anderem dazu verpflichtet, ein effizientes konzernweites Risikomanagement einzuführen (siehe hierzu auch die Kapitel zu den Rechtsfolgen und dem Risikomanagement). Danach müssen Aufsichtsrat und Vorstand einer Aktiengesellschaft zum einen Entwicklungen, die die Existenz des Unternehmens gefährden, frühzeitig erkennen, zum anderen entsprechende Gegenmaßnahmen ergreifen und diese überwachen. Die Risiken, die sich für ein Unternehmen aus der Nutzung der Informationstechnik ergeben – vom Datenverlust oder Datenklau durch externe Attacken über interne Angriffe bis hin zur Datenzerstörung durch fahrlässigen Umgang mit Informationen am Arbeitsplatz –, sind nicht von der Hand zu weisen. Zum Risikomanagement einer Aktiengesellschaft gehört auch die Verpflichtung zur rechtskonformen Archivierung von elektronischen Daten. Insbesondere muss dafür gesorgt sein, dass ausreichende Speicherkapazität sowie entsprechende Schutzvorkehrungen gegen Datenverlust bestehen. Der Unternehmer ist insofern verpflichtet, geeignete Schutzmaßnahmen für die IT-Sicherheit seiner geschäftskritischen Systeme und Daten zu konzipieren, umzusetzen sowie regelmäßig zu kontrollieren und zu aktualisieren. Nach einem neuen Urteil des Landgerichts München vom 5. April 2007 ist es auch zwingend erforderlich, dass diese Schutzmaßnahmen der IT-Strategie im Rahmen des Risikomanagements schriftlich dokumentiert werden, sonst liegt ein schwerwiegender Rechtsverstoß vor, der sanktioniert werden kann. Letztendlich gilt das Risikomanagement für Geschäftsleiter und Kontrollgremien sämtlicher Gesellschaftsformen (Anduleit 2008). Tipps zur technischen Umsetzung der elektronischen Archivierung (Anduleit 2008):  Die elektronische Archivierung erfolgt zweckmäßig in einem auf Industriestandards basierenden Archiv und in einem ISO-genormten Datenformat (Tif, PDF).  Die zu archivierenden Dokumente sind unveränderbar und im Kontext mit übrigen Dokumenten zu betreffenden Geschäftsfällen aufzubewahren.

9.9 Betriebsrat und Datenschutz

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 Das Archivierungssystem muss über effektive Schutz- und Sicherheitsmechanismen verfügen. Unbefugte dürfen insbesondere zu vertraulichen Daten keinen Zugang haben. Vertrauliche Daten (z. B. Personaldaten) müssen verschlüsselt gespeichert werden.  Unzulässige Änderungen der elektronischen Dokumente, auch durch Berechtigte, müssen verhindert werden. Dies kann durch Systemeigenschaften und Art der Speicherung erreicht werden.  Der Abruf der Daten muss problemlos, zeitnah, in korrekter Reihenfolge und über den gesamten geforderten Aufbewahrungszeitraum hinweg erfolgen.  Die Archivierung sollte sich einfach benutzen und betreiben lassen.  Die elektronischen Daten und E-Mails sind zentral zu speichern – auch die von mobilen Geräten (Notebooks mit UMTS-Karten, PDAs, Blackberry etc.).

9.9 Betriebsrat und Datenschutz Aus § 80 des Betriebsverfassungsgesetzes ergibt sich, dass der Betriebsrat und seine Mitglieder einerseits auf die Einhaltung der Regelungen des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) hinzuwirken haben und andererseits diese Regelungen selbst zu beachten haben.

9.9.1 Stellung Betriebsrat und Datenschutzbeauftragter Das Bundesarbeitsgericht hat dem betrieblichen Datenschutzbeauftragten die Kompetenz zur Kontrolle des Datenschutzes beim Betriebsrat abgesprochen. Daraus ergibt sich eine besondere Verantwortung für den Betriebsrat bezüglich der Einhaltung der Datenschutzregelungen. Daneben könnte der Betriebsrat im Rahmen einer Selbstkontrolle einen Beschäftigten zum „Datenschutzbeauftragten des Betriebsrates“ bestellen. Da sich die Ziele des Datenschutzbeauftragten und des Betriebsrats bezüglich des Arbeitnehmerschutzes nicht erheblich voneinander unterscheiden, sollten Betriebsrat und Datenschutzbeauftragter eng und vertraulich zusammenarbeiten. Es empfiehlt sich daher für den Betriebsrat auf die Fachkompetenz des Datenschutzbeauftragten zurückzugreifen und aus Transparenzgründen die Einzelheiten des Zugriffs auf personenbezogene Daten in einer Betriebsvereinbarung zu regeln. Nach dem Betriebsverfassungsgesetz ist der Arbeitgeber sogar dazu verpflichtet dem Betriebsrat „sachkundige“ Arbeitnehmer als Auskunftspersonen zu Verfügung zu stellen. Es ist jedoch zu beachten, dass der Betriebsrat kein direktes Weisungsrecht gegenüber dem Datenschutzbeauftragten hat, da dieser in seiner Eigenschaft direkt der Geschäftsleitung untersteht.

264

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Datenschutzmanagement

9.9.2 Datenschutz bei der Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten Der Betriebsrat hat das Recht, sich zur Erfüllung seiner betriebsverfassungsrechtlichen Aufgaben im erforderlichen Umfang eigene Dateien aufzubauen. Diese Datenverarbeitung dient der Zweckbestimmung der Beschäftigungsverhältnisse. Zur Erfüllung dieser Aufgaben verarbeitet und nutzt der Betriebsrat Arbeitnehmerdaten, wobei dies zunehmend dateimäßig geschieht oder die Daten in vielen Fällen aus Dateien des Unternehmens stammen. Neben der Geheimhaltungspflicht nach § 79 BetrVG hat der Betriebsrat:  organisatorische und technische Maßnahmen zu treffen,  die Mitglieder des Betriebsrates auf das Datengeheimnis zu verpflichten und  seine Mitteilungspflichten zu erfüllen.

9.9.3 Sinnvolle Regelungen innerhalb des Betriebsrates Folgende Regelungen sollten im Sinne des Datenschutzes innerhalb des Betriebsrates getroffen werden, um sicherzustellen, dass die Arbeitnehmerdaten bei ihm in datenschutzgerechter Weise verarbeitet und genutzt werden:  Welche Mitglieder des Betriebsrates dürfen auf welche Personaldateien des Unternehmens zugreifen.  Ob und auf welche Weise werden Mitgliedern des Betriebsrates vor Sitzungen Unterlagen mit besonders schutzbedürftigen Daten zugeleitet. Möglicherweise ist es ausreichend wenn solche Unterlagen in der Sitzung ausgeteilt werden oder die Informationen mündlich weitergegeben werden.  Wie ist mit ausgeteilten Unterlagen nach durchgeführten Sitzungen zu verfahren. Ist eine Aufbewahrung notwendig oder eine Vernichtung angeraten.  Wie wird mit Daten verfahren, die das Unternehmen dem Betriebsrat im Zusammenhang mit der Durchführung von Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechten zur Verfügung stellt. Was geschieht mit diesen Daten nach der Ausübung der Beteiligungsrechte. Werden die Daten zurückgegeben oder vernichtet.  Welche Arbeitnehmerdaten speichert der Betriebsrat zur Aufgabenerfüllung längerfristig. Wie wird bei Berichtigung, Sperrung und Löschung solcher Daten verfahren.  Wie dürfen welche Auskünfte gegeben werden.

9.12 Übertragung der Kontrolle von Mitarbeitern und Besuchern

9.10

265

Verbotsprinzip und Betriebsvereinbarungen

Nach BDSG besteht ein grundsätzliches Verbot der Verwendung von Daten in den Stufen der Erhebung, Nutzung und Verarbeitung (Speichern, Verändern, Übermitteln, Sperren, Löschen). Eine Erlaubnis jedoch, kann durch eine Betriebsvereinbarung gegeben sein, da diese normative Kraft haben. Es ist aber zu beachten, dass Abweichungen von den Regelungen des BDSG nur gestattet sind, wenn der Datenschutz entsprechend der spezifischen Betriebsbedingungen angepasst, präzisiert oder ausgebaut wird. I

Tipp So hat das Bundesarbeitsgericht beispielsweise klargestellt, dass es dem Arbeitgeber regelmäßig nicht gestattet ist, auch nicht mit Zustimmung des Betriebsrates gestattet werden kann, Mitarbeiter am Arbeitsplatz jederzeit und ohne konkreten Hinweis per Video zu überwachen!

9.11 Informationsrecht (bei Personalakteneinsicht) Bei der Festlegung des eigenen Informationsbedarfs hat der Betriebsrat im Einzelfall dem informationellen Selbstbestimmungsrecht der betroffenen Mitarbeiter Rechnung zu tragen. Das die Informationsinteressen des Betriebsrates mit den Belangen des Datenschutzes der Beschäftigten abzuwägen sind, macht hier auch das BetrVG deutlich, da ein Einsichtsrecht in die Personalakten des Beschäftigten nur mit dessen Einwilligung besteht. Daraus ergibt sich, dass dem Betriebsrat ein generelles, von konkreten gesetzlich zugewiesenen Aufgabenstellungen losgelöstes Informationsrecht durch Zugriff auf die Personalakten oder ein Personalinformationssystem nicht zusteht.

9.12 Übertragung der Kontrolle von Mitarbeitern und Besuchern auf einen externen Sicherheitsdienst Durch die Automatisierung der Datenverarbeitung ergibt sich grundsätzlich die Gefahr des Missbrauchs von Daten bzw. der Verletzung der Persönlichkeitsrechte der Betroffenen. Jede Verarbeitung personenbezogener Daten berührt die Persönlichkeitsrechte des Betroffenen, das heißt kollidiert ggf. mit dem jedem einzelnen verfassungsrechtlich verbürgten Recht auf informelle Selbstbestimmung. Daher fordert das BDSG zur Datenvermeidung und Datensparsamkeit auf. Damit wird jedoch nicht das „Erforderlichkeitsprinzip“ aufgehoben, dass also die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten nach den Zulässigkeitstatbeständen des BDSG gestattet sind, wenn sie für den berechtigten Zweck „erforderlich“ sind. Um dem Gebot der Datenvermeidung und Datensparsamkeit zu entsprechen sollten die von dem zu beauftragenden Unternehmen erhobenen Daten bei der Kontrolle der Besucher wenn möglich nicht elektronisch erfasst werden. Es macht zumindest für klei-

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Datenschutzmanagement

nere Unternehmen bei der anfallenden Anzahl der Besucher auch keinen Sinn und sie müssten die Betroffenen jeweils darüber informieren, was in der Regel Misstrauen beim Besucher/Kunden hervorrufen und somit dem Image schaden könnte. Um ggf. zu sehen, ob alle Besucher das Firmengelände wieder verlassen haben oder ggf. im Rahmen der Untersuchung von Diebstählen besser ermitteln zu können ist es völlig ausreichend, handschriftliche, nicht untergliederte und nur chronologisch geführte Listen zu erstellen, in denen vermerkt wird, wann welcher Besucher das Haus betreten und wieder verlassen hat. Diese Listen sind dann z. B. nach drei Werktagen sachgerecht zu vernichten. Ein solches Vorgehen bzgl. der Besucher ist datenschutzrechtlich unbedenklich. Die Kontrolle auffälliger Taschen o. ä. zum Zwecke des Diebstahlschutzes unterliegt dem Hausrecht. Die Kontrolle der Mitarbeiter sollte im Rahmen einer Auftragsdatenverarbeitung vertraglich mit dem externen Sicherheitsdienst geregelt werden. Für die Einstufung als Auftragsdatenverarbeitung in Abgrenzung zu einer Funktionsübertragung bei diesem Outsourcing sprechen folgende Kriterien (Anforderungen an den Vertrag siehe weiter unten):  Fehlende Entscheidungsbefugnis des externen Sicherheitsdienstes als Auftragnehmer über die Daten  Auftragsschwerpunkt ist auf die Durchführung der Verarbeitung gerichtet, die dem Unternehmen als Auftraggeber nach außen in eigener Verantwortung vertritt  das Fehlen einer eigenständigen rechtlichen Beziehung des externen Sicherheitsdienstes als Auftragnehmer zu den Mitarbeitern des eigenen Unternehmens als dem Betroffenen Datenschutzrechtlich ist die Auftragsdatenverarbeitung ähnlich wie die Einschaltung von Arbeitnehmern zu behandeln: Das Unternehmen als Auftraggeber bedient sich einer Firma oder einer Person, die weisungsgebunden personenbezogene Informationen zu verarbeiten hat. Die Verantwortlichkeit für die Datenverarbeitung verbleibt dabei beim Unternehmen als Auftraggeber; es hat deshalb durch geeignete Maßnahmen die datenschutzrechtliche Rechtmäßigkeit der Auftragsdatenverarbeitung sicherzustellen. Die Zeiterfassung der Arbeitszeiten von Mitarbeiter, die vom Lohnbüro weiterverarbeitet wird, sollte durch ein hauseigenes Zeiterfassungssystem erfolgen, welches nicht von dem Outsourcing betroffen ist und somit ohnehin innerhalb des Hauses bereits datenschutzrechtlich geregelt ist. Verbleibt somit die durch das Outsourcing betroffene Zugangskontrolle der eigenen Mitarbeiter: Die Identifikation sollte über unternehmenseigene Identifikationskarten erfolgen, die die Mitarbeiter verpflichtet sind mitzuführen und sollte durch den externen Sicherheitsdienst über die stets aktuelle Datei im Rechner überprüft werden, dadurch kommt es zu einer Auftragsdatenverarbeitung. Durch diese Überprüfung wird sichergestellt, dass nur aktuell berechtigte Mitarbeiter diesen Unternehmensteil betreten. Folgende Punkte sind zu beachten bzw. vertraglich mit dem externen Sicherheitsdienst als Auftragnehmer zu regeln:

9.13

Grundlegende Standards zum IT-Sicherheitsmanagement

267

 Es ist ein Unternehmen aus der EU zu wählen.  Der Auftragnehmer ist sorgfältig auszuwählen, und zwar unter besonderer Berücksichtigung der beim Auftragnehmer getroffenen Sicherheitsmaßnahmen zum Schutz der Daten.  Ist durch das eigene Unternehmen ein geeigneter Auftragnehmer gefunden, so ist der Auftrag schriftlich zu erteilen, wobei festzulegen sind: – die vom Auftragnehmer durchzuführende Datenerhebung, Datenverarbeitung oder Datennutzung, – die im Rahmen der Auftragsabwicklung zu treffenden Sicherheitsmaßnahmen und – etwaige Unterauftragsverhältnisse (eventuelle Einschaltung von Subunternehmen durch den Auftragnehmer).  Der externe Sicherheitsdienst als Auftragnehmer darf die Daten nur im Rahmen der Weisungen des Auftraggebers erheben, verarbeiten oder nutzen. Ist der externe Sicherheitsdienst der Ansicht, dass eine Weisung des Unternehmens gegen das BDSG oder andere Datenschutzvorschriften verstößt, hat er das Unternehmen unverzüglich darauf hinzuweisen.  Regelung der Kündigungsmöglichkeiten/Vertragsstrafen bei Datenschutz-Verletzungen, Verpflichtungen der Partner bei Beendigung der Geschäftsbeziehungen und darüber hinaus.  Kontrollrecht des eigenen Unternehmens beim externen Sicherheitsdienstleister.  Der externe Sicherheitsdienst als Auftragnehmer stellt sicher, dass die mit der Verarbeitung der Daten der befassten Mitarbeiter des Unternehmens gemäß Bundesdatenschutzgesetz (Datengeheimnis) verpflichtet und in die Schutzbestimmungen des Bundesdatenschutzgesetzes eingewiesen worden sind.  Der externe Sicherheitsdienst als Auftragnehmer teilt dem Unternehmen die Kontaktdaten des betrieblichen Datenschutzbeauftragten des Sicherheitsdienstleister mit.  Der externe Sicherheitsdienst als Auftragnehmer unterrichtet das Unternehmen umgehend bei schwerwiegenden Störungen des Betriebsablaufes, bei Verdacht auf Datenschutzverletzungen oder andere Unregelmäßigkeiten bei der Verarbeitung der Daten des Unternehmens.  Das VVT ist entsprechend zu ergänzen.

9.13 Grundlegende Standards zum IT-Sicherheitsmanagement Der grundlegende Standard für ein Informationssicherheits-Managementsysteme (ISMS) ist die ISO/IEC 27001 „Informationssicherheits-Managementsysteme – Anforderungen“ (abgeleitet aus dem British Standard BS 7799:2002). Sie beschreibt die Anforderungen an das Informationssicherheits-Managementsystem in einem Unternehmen. Erklärtes Ziel des Standards ist es, die Anforderungen an ein ISMS im Rahmen eines Prozess-Ansatzes darzustellen. Als Managementstandard richtet sich das Dokument an die Geschäftsleitung und den IT-Sicherheitsbeauftragten.

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Datenschutzmanagement

9.14 Datenschutz und Social Media Es scheint unbestritten, dass soziale Netzwerke faszinieren oder sogar süchtig machen können. Doch die Zeiten der uneingeschränkten Begeisterung gehören längst der Vergangenheit an. Denn die Einwände vieler Kritiker, Datenschützer und Nutzer mehren sich zunehmend. Seit geraumer Zeit stellen sich immer wieder die drängenden Kernfragen des Online-Datenschutzes: Wer entscheidet darüber, was mit den persönlichen Daten geschieht? Wer darf welche Daten nutzen und auch an Dritte weitergeben? Und wer hat die Kontrolle? Diese und andere Datenschutzaspekte dürfen auf keinen Fall außer Acht gelassen werden: Datenschutz versus Datenschatz. Doch eins steht aber auch fest: Es ist immer wieder der Nutzer selbst, der bestimmen kann (muss), welche Informationen er an wen weiter gibt. Manchmal geschieht dies sogar unbewusst: Haupt-Kritikpunkt der Verbraucherschützer zum Beispiel an Facebook ist die „Freundefinder-Funktion“. Damit können Nutzer dieses Netzwerks ihr Adressbuch auslesen lassen und ihre Kontakte zu Facebook einladen, wenn diese noch nicht Mitglied sind. Hierdurch verleite Facebook seine Nutzer dazu, ihren gesamten Datenbestand preiszugeben, Jeder Betrieb sollte in seinen „Social-Media-Richtlinien“ die Mitarbeiter darauf hinweisen, dies nicht zuzulassen. Ebenfalls sollten die Nutzer bei Facebook eine Einstellungs-Korrektur vornehmen: Wer auf seine Seite geht, sollte oben in der Adressleiste des Browsers nachsehen. Denn wenn dort „http“ steht anstatt „https“, hat man keine sichere Verbindung und kann gehackt werden. Der Nutzer muss auf „Kontoeinstellungen“ ! „Kontosicherheit“ gehen und den Haken bei „Facebook sicher durchstöbern“ setzen. I

Tipp „Bewahre die Worte sorgfältiger als die Gelder, die man dir anvertraut“ (Isokrates, 436–336 v. Chr.)

Jeder Unternehmer ist gut beraten, den Datenschutz in seinem Unternehmen rechtssicher zu organisieren. Dies gilt auch für die Daten, die im Umgang mit dem Web 2.0 gewonnen werden. Generell empfiehlt es sich, „Social-Media-Leitlinien“ im Unternehmen einzuführen. Laut einer Studie des IT-Branchenverbandes surfen fast 50 % der Mitarbeiter in der Arbeitszeit auch privat, nicht selten dabei auch auf den Social-Media-Seiten und äußern sich dort u. a. auch über ihr Unternehmen. Hierfür sollten Regeln im Unternehmen aufgestellt werden. Verbote sind nicht zielführend. Besser sollte eine dosierte Nutzung des Internets unter Einhaltung bestimmter Regeln erlaubt werden. Schnell werden auf den Plattformen Äußerungen über das eigene Unternehmen veröffentlicht, mit denen arbeitsrechtliche Nebenpflichten verletzt werden. In der Anlage finden Sie Hinweise zu Hilfestellungen, wie man diese Regelungen rechtssicher und sinnvoll im Unternehmen verfasst.

9.14 Datenschutz und Social Media

269

Zusammenfassung

Am 31. Oktober 2017 ist die letzte Änderung des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) erarbeitet worden. Das Gesetz wurde als Teil des Datenschutz-Anpassungs- und -Umsetzungsgesetz EU (DSAnpUG-EU) beschlossen. Diese neueste Fassung des BDSG wird am 25. Mai 2018 mit der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) in Kraft treten und das noch aktuelle Bundesdatenschutzgesetz komplett ersetzen. Im neuen Gesetz wurde insbesondere die EU-Datenschutzgrundverordnung eingearbeitet. Durch das BDSG wird die Datenverarbeitung mit dem Ziel reglementiert, die Persönlichkeitsrechte der betroffenen Menschen zu schützen. Rechtsvorschriften, die ausdrücklich eine Datenverarbeitung anordnen oder erlauben oder den Umgang mit personenbezogenen Daten speziell regeln, gehen dem Datenschutzgesetz vor. Aus diesem Grund ist sicher zu stellen, dass die für betriebliche Zwecke erhobenen Daten streng vertraulich behandelt und nicht verfälscht, vernichtet oder unberechtigt Dritten zugänglich gemacht werden. Personenbezogene Daten im Sinne des BDSG sind Einzelangaben über persönliche und sachliche Verhältnisse einer bestimmten natürlichen Person. Datenverarbeitende Stellen haben bei jeglicher Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung personenbezogener Daten das BDSG zu beachten, wenn diese unter Einsatz von Datenverarbeitungsanlagen oder aus Dateien erfolgen. Nach langen, bald vierjährigen Verhandlungen hatten sich das Europäische Parlament, der Europäische Rat und die Europäische Kommission am 15. Dezember 2015 über den Inhalt der EU-Datenschutz-Grundverordnung geeinigt. Die Verordnung war am 14. April 2016 vom Europäischen Parlament beschlossen und am 4. Mai 2016 im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht worden. Am 25. Mai 2016 ist die Europäische Datenschutz-Grundverordnung (EU-DS-GVO) in Kraft getreten. Die Verordnung sah eine Übergangszeit von zwei Jahren vor und galt damit ab dem 25. Mai 2018 in der gesamten Europäischen Union direkt. Die EU-Datenschutz-Grundverordnung ist mit 99 Artikeln und 173 Erwägungsgründen deutlich umfangreicher als z. B. das deutsche Bundesdatenschutzgesetz (BDSG). Manches Unternehmen war bereits hiermit überfordert. Auch im Zusammenspiel mit dem Betriebsarzt ergaben sich reichlich Fragen und Herausforderungen. Zudem beauftragt die EU-DS-GVO den nationalen Gesetzgeber zusätzlich, bestimmte Regelungsbereiche in den Mitgliedstaaten auszugestalten oder stellt ihm dies in anderen Bereichen frei. Auch hierzu dient die zweijährige Übergangszeit. Die Einführung der Datenschutz-Grundverordnung geht mit einer bewussten Stärkung der Betroffenenrechte einher. „Ein unionsweiter wirksamer Schutz personenbezogener Daten erfordert die Stärkung und präzise Festlegung der Rechte der betroffenen Personen“ heißt es daher ausdrücklich in Erwägungsgrund (ErwGr) Nr. 11. Mit dem Inkrafttreten der Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) existiert erstmals eine europaweit verbindliche verpflichtende Regelung zur Bestellung betrieblicher und behördlicher Datenschutzbeauftragte.

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Datenschutzmanagement

Der Datenschutzbeauftragte prüft im Rahmen seiner Tätigkeit, ob die in Frage stehenden personenbezogenen Daten zulässig erhoben und für den Vertragszweck erforderlich sind, sowie zweckgebunden eingesetzt werden. Der Datenschutzbeauftragte berät den Unternehmer und die Mitarbeiter. Er steht bei Fragen zum datenschutzgerechten Umgang mit personenbezogenen Daten zur Verfügung. Für besonders sensible Daten ist eine Vorprüfung durch den Datenschutzbeauftragten vorzusehen. Die DSGVO liefert aber auch insofern einen Anreiz für die freiwillige Bestellungen, als Datenschutzbeauftragte – anders als für die Verarbeitung Verantwortliche – Anspruch auf unentgeltliche Beratung durch die Aufsichtsbehörde haben (Art. 57 Abs. 3 DSGVO). Die Anforderungen an die notwendige Fachkunde ergeben sich aus dem Beschluss des Düsseldorfer Kreises vom 24./25. November 2010: „Mindestanforderungen an Fachkunde und Unabhängigkeit des Beauftragten für den Datenschutz nach § 4f Abs. 2 und 3 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG).“ Der Düsseldorfer Kreis ist ein informelles Gremium der Datenschutzaufsichtsbehörden für den nicht-öffentlichen Bereich, um grundsätzliche datenschutzrechtliche Fragen bundesweit abzustimmen. Das Gremium wurde nach seinem ersten Tagungsort, der Stadt Düsseldorf, benannt.

Literatur Verwendete Literatur Anduleit, M: „Datenarchivierung nach Vorschrift“ Prakt. Arb.med. 2008; ISSN 1861-6704; 10: 22–25

Weiterführende Literatur Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht (2003): Konsultationspapier – Die Neue Baseler Eigenkapitalvereinbarung. http://www.bundesbank.de/download/bankenaufsicht/pdf/CP3_Deutsch.pdf. (05.12.2006). Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. Januar 2003 (BGBl. I Nr. 3 vom 24.01.2003, S. 66), zuletzt geändert am 5. September 2005 durch § 13 Abs. 1 des Gesetzes zur Regelung des Zugangs zu Informationen des Bundes (Informationsfreiheitsgesetz – IFG) Bundesverband Informationswirtschaft Telekommunikation und neue Medien e. V. (BITCOM), Publikationen, Leitfäden, Juristische Praxishilfen Burgartz, Röhrig, Information Security Management, Praxishandbuch für Aufbau, Zertifizierung und Betrieb, Grundwerk 2003 Gola, Jaspers, Das BDSG im Überblick, 3. überarbeitete und erweiterte Auflage 2006, Datakontext – Fachverlag, Frechen IFD – Initiative Finanzstandort Deutschland (2006): Rating Broschüre. http://www.finanzstandort. de/BaseCMP/documents/5000/final_ratingbroschuerefr_homepage.pdf. (30.01.2007) Landesbeauftragter für den Datenschutz Niedersachsen, Telearbeit . . . aber datenschutzgerecht, http://cdl.niedersachsen.de/blob/images/C299197_L20.pdf, (23.08.1999) Wittmann, A., Siegmann, S. (2008): Gefährdungsbeurteilung und Risikomanagement. Ecomed sicherheit, Verlagsgruppe Hüthig Jehle Rehm, Landsberg a. L., Loseblattsammlung

Krisenmanagement

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Erfolgreiche Unternehmen und Organisationen entwickeln ein umfassendes Bewusstsein für mögliche Krisen, sie betreiben professionelle Krisenprävention. Das Rezept für eine dauerhafte und erfolgreiche Krisenprävention lautet: Jeden Tag nach vorne schauen, Risiken wahrnehmen, richtig abschätzen und möglichst neutralisieren. Systematische Verfahren zur Früherkennung von Warnsignalen spielen dabei eine wichtige Rolle. Krisenpotenziale erkennen und antizipieren, Infrastrukturen schaffen, Abläufe einüben und Mitarbeiter schulen sind gute Voraussetzungen, um in krisenhaften Situationen souverän zu agieren, statt in einen Schockzustand zu verfallen. Leider sind noch zu viele Unternehmen und Organisationen von diesem Ideal weit entfernt. Krisen gefährden außerdem immer das Image und die Reputation eines Unternehmens. In diesem Zusammenhang darf das mediale Interesse nicht unterschätzt werden. Die Mediengesellschaft, in der wir leben, liebt und produziert deswegen unentwegt große und kleine Krisen, indem sie schlicht jede Gelegenheit zur Berichterstattung nutzt. Schließlich ist die Krise – mehr noch als die bloß schlechte Nachricht – ein hervorragend verkäufliches Gut (Mörle 2004). Leider verfügen noch zu wenig Unternehmen über professionelle Konzepte, die auch den Aspekt der Krisenkommunikation hinreichend berücksichtigen. Auch ist einzelnen Studien zu entnehmen, dass das Bewusstsein in Deutschland für das Thema Krisenprävention und -bewältigung in einigen Branchen noch nicht hinreichend ausgeprägt ist.

10.1 Krise – Gefahr und Chance zugleich – Das Wort „Krise“ ist in unserem Sprachgebrauch meistens negativ besetzt, obwohl es auch Chancen in sich birgt. Das chinesische Schriftzeichen für Krise setzt sich aus den beiden Elementen Gefahr und Chance zusammen. Der Duden beschreibt den Begriff „Krise“ als eine „schwierige Situation, Zeit, die den Höhe- und Wendepunkt einer gefährlichen Entwicklung darstellt“. © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019 B. Tenckhoff und S. Siegmann, Vernetztes Betriebssicherheitsmanagement, VDI-Buch, https://doi.org/10.1007/978-3-662-48441-8_10

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10

Abb. 10.1 Krisen sind für ein Unternehmen Gefahr und Chance zugleich. (Pachurka 2008)

Unternehmenserfolg

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Krisenmanagement

Krise

Unternehmensentwicklung

10.2 Was ist eine Unternehmenskrise? Eine Unternehmenskrise liegt vor, wenn das Ausmaß eines Ereignisses ein Unternehmen in seiner Funktionsfähigkeit oder seinem Bestand existenziell beeinträchtigt, die Auswirkungen schwer beherrschbar sind, oder das Unternehmen auf kurze oder lange Sicht nachhaltig betroffen ist (Abb. 10.2). Eine Unternehmenskrise kann auch als akute Gefährdung der Unternehmensgesundheit interpretiert werden. Grundsätzlich lassen sich drei Typen von Krisen unterscheiden:  Überlebenskrisen: Die wohl schwerste Form der Unternehmenskrise. Es droht die Gefahr der Insolvenz  Steuerungskrise: Sie beruhen z. B. auf Problemen der Führungskultur im Unternehmen

Eine Unternehmenskrise … …bedroht das Unternehmen in seiner Existenz

… kündigt sich in der Regel frühzeitig an

Unternehmenskrise

Abb. 10.2 Unternehmenskrise. (Pachurka 2008)

… ist immer die Summe von Ursachen

10.4 Ursachen von Unternehmenskrisen

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 Veränderungskrise: Hierbei handelt es sich um Krisen, die durch schlecht gemanagte Veränderungen (z. B. Fusionen) hervorgerufen werden können. Ein gutes „ChangeManagement“ gehört für jedes Unternehmen zum Pflichtprogramm

10.3 Wen kann die Krise treffen? In der Vergangenheit bzw. Gegenwart haben sich folgende Branchen als besonders krisenanfällig gezeigt:        

Gesundheit/Pharma Chemie Lebensmittel Energie Fleischerzeugung Versicherungen/Banken Luftfahrt Automobil

Aufgrund der Globalisierung und Schnelllebigkeit unserer Industriegesellschaft kann eine Unternehmenskrise aber auch jede andere Branche jederzeit treffen.

10.4 Ursachen von Unternehmenskrisen Die Ursachen und Wechselwirkungen, die zu einer Unternehmenskrise führen können, sind komplex und lassen sich in der Regel auf die Summe verschiedener interner und externer Ereignisse und Entwicklungen zurückführen. Unternehmenskrisen können entstehen durch:           

Naturereignisse Unglücke/Störfälle Ausfall von Engpassanlagen Managementfehler Personalfehler Fusionen Veruntreuung Korruption Sabotage Industriespionage Produktfehler/Produkthaftungsfälle

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10

Krisenmanagement

Produktionsverlagerungen Wettbewerbsverletzungen Kriminelle Anschläge Erpressungen/Entführungen Angriffe von pressure groups Medien Arbeitsniederlegungen/Streiks ...

Gemeinsam ist ihnen das Versagen der Krisenprävention. Auslöser von Krisen kann auch eine falsche Einschätzung der Risiken einer Unternehmung und des eigenen Leistungsvermögens sein: Kapitän zur See E. J. Smith im Jahre 1907: „Wenn mich jemand fragt, wie ich am besten meine Erfahrungen aus 40 Jahren auf hoher See beschreiben würde, so könnte ich diese Frage lediglich mit ,unspektakulär‘ beantworten. Natürlich gab es schwere Stürme, Gewitter und Nebel, jedoch war ich nie in einen Unfall verwickelt, der es wert wäre, über ihn zu berichten. Ich habe während dieser langen Zeit kaum ein Schiff in Not gesehen noch bin ich selbst in Seenot geraten oder habe mich sonst in einer misslichen Lage befunden, die in irgendeiner Form drohte, zum Desaster zu werden.“ Am 14. April sank die SS Titanic auf ihrer Jungfernfahrt nach einer Kollision mit einem Eisberg. Das Unglück forderte mehr als 1500 Menschenleben, eines davon das des Kapitäns E. J. Smith. Die Reederei geriet in extreme wirtschaftliche Schwierigkeiten.

10.5 Auswirkungen bei Unternehmenskrisen Typische Auswirkungen, die bei Unternehmenskrisen entstehen:              

Personenschäden Hohe Sachschäden Umweltschäden Produktionsausfälle Lange Betriebsunterbrechungen Langanhaltende Lieferengpässe Gewinnverluste Verkaufsrückgänge Mitarbeiterentlassungen Vertrauensverluste Imageschäden Reputationsschäden Werksschließungen Insolvenz

10.5 Auswirkungen bei Unternehmenskrisen

Tag 1

275

Tag X

Ziel: back to business

Krise

Ereignis

Normalzustand

Auswirkungen: - Betriebsunterbrechungen - Vertrauensverluste - Gewinnverluste - Imageschäden - Personenschäden - Sachwertschäden - Umweltschäden - etc. …

Chance

? Gefahr

Zustand nach der Krise

Abb. 10.3 Auswirkungen von Krisen. (Pachurka und Siegmann 2007)

Die Wechselwirkungen, die zu einer Unternehmenskrise führen können, sind komplex und lassen sich in der Regel auf die Summe verschiedener interner und externer Ereignisse und Entwicklungen zurückführen. Unternehmenskrisen können z. B. entstehen durch Naturereignisse, Unglücke/Störfälle, Managementfehler, kriminelle Anschläge und vielen Dingen mehr. Krystek definiert den Begriff „Unternehmenskrise“ folgendermaßen: „Unternehmenskrisen sind ungeplante und ungewollte Prozesse von begrenzter Dauer und Beeinflussbarkeit sowie mit ambivalentem Ausgang (Abb. 10.3). Sie sind in der Lage, den Fortbestand der gesamten Unternehmung substanziell und nachhaltig zu gefährden oder sogar unmöglich zu machen. Dies geschieht durch die Beeinträchtigung bestimmter Ziele (dominanter Ziele), deren Gefährdung oder gar Nichterreichung gleichbedeutend ist mit einer nachhaltigen Existenzgefährdung oder Existenzvernichtung der Unternehmung als selbstständig und aktiv am Wirtschaftsprozess teilnehmender Einheit mit ihren bis dahin gültigen Zweck- und Zielsetzungen“ (Krystek 1987). Die Auswirkungen der Situationen mit Krisenpotenzial können bei mangelnder Krisenprävention verheerend sein. Mangelndes Krisenmanagement im Rahmen des betrieblichen Risikomanagements hat aber auch handfeste betriebswirtschaftliche Folgen (Abb. 10.5). I

Tipp Die Krisenvorsorge ist ein wichtiger Bestandteil des Betriebssicherheitsmanagement-Systems!

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Krisenmanagement

Ereignis

Normalbetrieb

nicht bewältigt

Notfall

bewältigt nicht bewältigt

Unternehmenskrise

bewältigt nicht bewältigt

Katastrophe

bewältigt

Sicherheitsorganisation/ Risk Management

Notfallorganisation

Krisenmanagement/ Katastrophenvorsorge

Zusammenbruch

Abb. 10.4 Situationen mit Krisenpotential treffen jedes Unternehmen einmal. Entscheidend ist die Bewältigungsstrategie. (Abbild in Anlehnung an Romeike 2004)

Konkurs innerhalb von 3 Jahren nach Wiederaufnahme des Betriebes

Betrieb in früherer Form nicht wieder aufgenommen

28 % 43 % 6% Besitzerwechsel

23 %

Voller Marktanschluss im gleichen Segment

Abb. 10.5 Betriebswirtschaftliche Folgen nach Großschaden trotz ausreichenden Versicherungsschutzes nach Angeben der Versicherungswirtschaft

10.6 Krisenkommunikation und der Einfluss der Medien

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10.6 Krisenkommunikation und der Einfluss der Medien Zahlreiche Beispiele aus der Vergangenheit haben aufgezeigt, dass Ereignisse mit Krisenpotenzial erst durch die Medien zu Krisen gemacht wurden. Nur wenige Unternehmen verfügen jedoch über professionelle Pläne, die auch den Aspekt der Krisenkommunikation berücksichtigen. Fehler bei der Kommunikation können ein kritisches Ereignis drastisch verschlimmern. Primäres Ziel der Krisenkommunikation ist die Aufklärung der Öffentlichkeit und der Medien und der direkt betroffenen Gruppen bezüglich der Krise. Des Weiteren versucht das Unternehmen, der Öffentlichkeit und den Medien zu vermitteln, dass es alles Mögliche unternimmt, um größere Schäden abzuwenden und die Situation wieder unter Kontrolle zu bekommen (Abb. 10.4). Öffentlichkeitsarbeit während der Krise:  Information wird sofort und ohne Verzögerung weitergeben  innerhalb der ersten zwei Stunden eine Pressekonferenz einberufen und das sofort ankündigen  Informationsstrom nicht abbrechen lassen (alle 2 h neue Meldungen)  in Krisenzeiten übernimmt der Chef persönlich die Information  in Entscheidungsprozessen Informationsprofis einbeziehen  nur einer spricht – eine Botschaft – keine Widersprüche  den Dialog suchen, Fragen beantworten, nicht ausweichen  Emotional sein. Betroffen sein. Botschaften personalisieren und über die betroffenen Menschen sprechen, nicht über Materielles  die Wahrheit sagen. Keine Spielereien, sondern Fakten. Keine Tricks,  sofortige Hilfe anbieten (z. B. Barzahlung für Auslagen)  Medien benutzen, um Telefon-Nr. bekannt zu geben  die Presse auf Trab halten und mit Hintergrundinformationen versorgen  Presse mit Essen, Getränken und Unterkunft versorgen  vertrauen und gutes Image in guten Zeiten aufbauen. Krisenvorsorge  auf Gleichbehandlung der Medien achten  Multimedial reagieren Betriebe, die der Störfall-Verordnung unterliegen, sind auf eine gerichtsfeste Information der betroffenen Öffentlichkeit bereits im Vorfeld von Schadensereignissen angewiesen: Aus Erfahrung hat sich das Einhalten einer zeitnahen Information an die Medien in unserer modernen Medienlandschaft als Pflicht erwiesen. Pflichten innerhalb der ersten zwanzig Minuten:  Eingehende Information bewerten, ob die unternehmensinterne Definition für eine „Krise“ erfüllt wird  Entscheiden, ob Krisenalarm ausgelöst werden soll  Krisenstab einberufen

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Krisenmanagement

 bei Bedarf Alarmierungskette auslösen  Krisenzentrum aufsuchen  Kommunikationsverbindung vor Ort aufbauen Pflichten innerhalb der ersten Stunde:        

Differenzierte Lagebeurteilung Information und Verhaltensregeln für die Bevölkerung geben, wenn erforderlich Pressekonferenz ankündigen vorbereitete Pressetexte mit allgemeinen Angaben zum Unternehmen für die Pressemappe ausdrucken Kontakt zu „befreundeten“ Pressemitarbeitern herstellen Information an Behörden interne Information an Mitarbeiter ggf. vorbereitete „Dark-Site“ im Internet freischalten Pflichten innerhalb der ersten zwei Stunden:

 Hotline für Medien einrichten  Hotline für Betroffene einrichten, dort sofortige und unkomplizierte Hilfe zusichern  Information an Presse in Form einer Pressekonferenz Pflichten innerhalb der ersten vierundzwanzig Stunden:  weitere Information an die Medien verteilen  weitere Pressekonferenzen abhalten  Hilfe für Betroffene regeln Pflichten innerhalb der ersten Tage:  weitere Hintergrundgespräche mit der Presse  Anzeigen schalten Pflichten innerhalb der ersten Wochen:  weiter Direkt-Kommunikationsmaßnahmen  weitere Werbung, bis das positive Image des Unternehmens in den Medien und der Öffentlichkeit wieder hergestellt ist I

Merke Informationen an die Presse: „ZDF“: Zahlen, Daten, Fakten. Kein Vertuschen, keine Lügen!

10.7

Lücke bei der Krisenprävention

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Auch immer daran denken: „Ohne Mampf kein Kampf“. Dies gilt nicht nur für die Mitglieder des Krisenstabes, sondern auch für die Presse, ein geeignetes Catering wird alle Beteiligten milde stimmen. Gerade die erste Information der Medien und somit der Öffentlichkeit innerhalb der ersten Stunde benötigt eine möglichst hohe Effizienz und Effektivität. Kommunikationsmaßnahmen bzw. -instrument müssen perfekt aufeinander abgestimmt eingesetzt werden. Alleine daraus ergibt sich, dass die Krisenkommunikation im Vorfeld proaktiv vorbereitet werden muss. Oft ist es sinnvoll, sich dafür mit Profis in Verbindung zu setzen. Eine Möglichkeit der optimalen Abstimmung der einzelnen Instrumente ist die Orientierung an den sechs Krisen-W’s:       I

Was ist passiert und was wird unternommen? Wer wird informiert bzw. einbezogen? Wie kann das Vertrauen erhalten bzw. wiedererlangt werden? Wann wird die Öffentlichkeit informiert? Warum kam es zur Krise? Wo wird Stellung genommen? Tipp Eine effektive und effiziente Krisenkommunikation ist unbedingt erforderlich und sollte im Vorfeld von Profis vorbereitet werden!

10.7 Lücke bei der Krisenprävention Leider reicht es nicht mehr aus, nur finanztechnische Kennzahlen zur Früherkennung von Unternehmenskrisen heranzuziehen. Immer mehr Unternehmen realisieren, dass die traditionelle Krisenprävention den gestiegenen Ansprüchen nicht mehr genügt, wie auch zahlreiche Studien belegen. Angesichts der härter werdenden Wettbewerbsbedingungen macht es Sinn, auch mehr Aktivitäten in die „technische“ Krisenprävention zu investieren. Hierzu gehören insbesondere das Durchspielen von „worst-case“-Szenarien, das Aufzeigen von bottle necks in der Produktion, die kontinuierliche Durchführung angemessener Instandhaltungsmaßnahmen sowie die Einführung eines Issue Profiling für Arbeitsmittel. In diesem Zusammenhang muss das zentrale Präventionsinstrument „Gefährdungsbeurteilung“ gemäß Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG), Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) und weiterer Verordnungen besser von den Unternehmen angenommen und genutzt werden. BetrSichV – Betriebssicherheitsverordnung Vom 27. September 2002; zuletzt geändert 6.3.2007 § 10 Prüfung von Arbeitsmitteln ...

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Krisenmanagement

(2) Unterliegen Arbeitsmittel Schäden verursachenden Einflüssen, die zu gefährlichen Situationen führen können, hat der Arbeitgeber die Arbeitsmittel entsprechend den nach § 3 Abs. 3 ermittelten Fristen durch hierzu befähigte Personen überprüfen und erforderlichenfalls erproben zu lassen. Der Arbeitgeber hat Arbeitsmittel einer außerordentlichen Überprüfung durch hierzu befähigte Personen unverzüglich zu unterziehen, wenn außergewöhnliche Ereignisse stattgefunden haben, die schädigende Auswirkungen auf die Sicherheit des Arbeitsmittels haben können. Außergewöhnliche Ereignisse im Sinne des Satzes 2 können insbesondere Unfälle, Veränderungen an den Arbeitsmitteln, längere Zeiträume der Nichtbenutzung der Arbeitsmittel oder Naturereignisse sein. Die Maßnahmen nach den Sätzen 1 und 2 sind mit dem Ziel durchzuführen, Schäden rechtzeitig zu entdecken und zu beheben sowie die Einhaltung des sicheren Betriebes zu gewährleisten. (3) Der Arbeitgeber hat sicherzustellen, dass Arbeitsmittel nach Instandsetzungsarbeiten, welche die Sicherheit der Arbeitsmittel beeinträchtigen können, durch befähigte Personen auf ihren sicheren Betrieb geprüft werden. ... Arbeitskreis „Technische Krisenprävention“ Im Jahr 2006 ereigneten sich in zwei Mitgliedsunternehmen der Hütten- und WalzwerksBerufsgenossenschaft (HWBG) mehrere Großschadenereignisse mit erheblichen Sachschäden. Die Gesamtschadenhöhe belief sich über 400 Mio. C. Beide Betriebe gerieten aufgrund von längerfristigen Produktionsausfällen in Situationen mit Krisenpotential, die jedoch mit unterschiedlichen Konzepten, Strategien und externen Partnern (z. B. Schadensanierer) erfolgreich bewältigt wurden. Diese Ereignisse zeigten aber auch der HWBG Anpassungsbedarf in Bezug auf die Themen ihrer Präventionsarbeit auf. Die HWBG nahm die Großschadenereignisse unter anderem zum Anlass, Ende 2006 einen internen Arbeitskreis (AK) unter der Leitung von Dipl.-Ing. W. Rudolph zu gründen, AK Technische Krisenprävention, und damit gleichzeitig ein neues Präventionsthemenfeld aufzugreifen. Dieser Arbeitskreis verfolgt insbesondere folgende Aufgaben/Ziele:     

die Prävention von Personenschäden die Prävention von Sachschäden/Großschäden das Aufzeigen der Wechselwirkungen von Personen- und Sachschäden Erarbeitung eines Beratungsangebotes für die Krisenprävention und -bewältigung die Sensibilisierung der Mitgliedsunternehmen für das Thema „Techn. Krisenprävention“

Das Themengebiet „Technische Krisenprävention“ ist außerdem als ein zukunftsorientierter Präventionsansatz im Sinne der Leitgedanken des ehemaligen Hauptverbandes der gewerblichen Berufsgenossenschaften (HVBG) „Visionen für die Prävention“ (HVBG

10.8 Einfaches Krisenmanagementsystem

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2004) zu betrachten. Dienstleistungen zu diesem neuen Themengebiet werden sowohl auf Großunternehmen als auch auf kleine und mittlere Unternehmen (KMU) ausgerichtet. Eine erste Praxishilfe „Technische Krisenprävention“ wurde bereits erstellt (Pachurka 2008). Das Geschäft am Laufen zu halten, ist deshalb wichtig für alle Unternehmen. Dies erfordert, Krisenvorsorge in guten Zeiten zu betreiben und sofort nach einem Schadeneintritt die richtigen Schritte einzuleiten sowie die richtigen Partner mit ins Boot zu nehmen. Die konkreten Maßnahmen zur Bewältigung einer Krise lassen sich nach Dreyer (2001) mit der Kurzformel „RACE“ prägnant zusammenfassen: R A C E

Research Action Communication Evaluation

10.8

Krisenidentifikation, Untersuchung Einleitung von Maßnahmen Kommunikation Bewertung und Dokumentation

Einfaches Krisenmanagementsystem

Beim Aufbau eines einfachen Krisenmanagementsystems tun sich viele Unternehmen schwer. Zunächst muss ein Unternehmen ein umfassendes Bewusstsein für mögliche Risiken und Krisen entwickeln. Vor allem müssen die Führungskräfte sensibilisiert und hinreichend ausgebildet werden. Schließlich wird eine schlagkräftige Aufbau- und Ablauforganisation sowie die Bereitstellung von Ressourcen benötigt. Ein einfaches Krisenmanagementsystem sollte folgende Aspekte berücksichtigen: Einfaches Krisenmanagementsystem:          

Klare Abgrenzung der jeweiligen Kompetenzen und Befugnisse Erstellung eines Alarm- und Gefahrenabwehrplanes Kontaktaufnahme mit den entsprechenden Ansprechpartner im Vorfeld Sicherstellung gegenseitiger Erreichbarkeit (aktuelle Telefonnummer„ E-Mail etc.) Benennung des Krisenstabes und Einrichtung eines Krisenführungsraumes Festlegung von Zugangs- und Zufahrtsberechtigungen Regelungen zur Krisenkommunikation Sicherstellung des Informationsflusses Zusammenstellung relevanter Unterlagen für den Krisenfall (Werkpläne etc.) Regelmäßige Übungen mit Nachbereitung

I

Tipp Bevor ein Krisenmanagement entwickelt oder angewendet werden kann, muss vom Unternehmen eindeutig festgelegt werden, wie für das Unternehmen eine „Krise“ definiert ist!

Gerade Betriebe, die der Störfall-Verordnung unterliegen, sind auf eine gerichtsfest dokumentierte Vorbereitung angewiesen:

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10

Krisenmanagement

Verschiedene Teile des Krisenmanagements sind dabei zu unterscheiden:

10.8.1 Aktives/Antizipatives Krisenmanagement Hier geht es noch um potenzielle Krisen. In dieser Phase befindet sich das Unternehmen noch im Normalzustand und es gibt noch keine in den unternehmensintern zu bestimmenden Kennzahlen wahrnehmbaren Krisensymptome. Die zentrale Aufgabe des antizipativen Krisenmanagements ist die gedankliche Vorbereitung auf mögliche Krisen. Man muss hier den Mut haben das undenkbare zu denken. Sehr häufig ist hier im Vorfeld ein geeignetes „Issues Management“ hilfreich.

10.8.2 Präventives Krisenmanagement Das präventive Krisenmanagement bezieht sich auf die zweite Phase des Krisenprozesses, der latenten Unternehmenskrise. Die Krisensymptome sind teilweise noch verdeckt, die Kennzahlen liefern aber bereits den erhärteten Verdacht, dass bereits eine Gefährdung der Erfolgspotenziale vorliegt.

10.8.3 Reaktives/Repulsives Krisenmanagement Die Krise ist bereits eingetreten und das Unternehmen ist sich dessen auch bewusst. Sie ist aber noch beherrschbar. Die zentrale Aufgabe ist die erfolgreiche Zurückschlagung und die daraus folgende Bewältigung der Unternehmenskrise.

10.8.4 Liquidatives Krisenmanagement Dies ist die letzte Phase, die Krise nicht mehr beherrschbar und führt zur Katastrophe. Es kann zu einer möglichen Liquidation des Unternehmens kommen. I

Tipp Alle Organisationseinheiten eines Unternehmens haben die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um den Eintritt einer Krise zu verhindern (Krisenprävention) bzw. beim Eintreten einer Krise negative Auswirkungen für das Unternehmen so weit wie möglich einzugrenzen!

Eines der Instrumente des antizipatives Krisenmanagements ist das „Issues Management“ Dies ist bereits seit den 80er Jahren des vorherigen Jahrhunderts in den USA ein wichtiges Management-Thema und findet seit Ende der 90er Jahre im europäischen Raum ebenfalls Anwendung.

10.9 Der Krisenstab

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Diese Bezeichnung „Issue“ entstammt dem angelsächsischen Sprachraum. Eine wörtliche Übersetzung ins Deutsche wäre „Thema, Angelegenheit etc.“, darunter versteht man in diesem Zusammenhang insbesondere ein Thema öffentlichen Interesses mit hohem Konfliktpotenzial. Issues Management dient als Früherkennungssystem für schwache Signale aus dem Unternehmensumfelds. Der „Vater“ des Konzepts, der amerikanische PR-Berater William Howard Chase, definiert Issues-Management um 1976 herum wie folgt: Issues Management is the capacity to understand, mobilize, coordinate and direct all strategic and policy planning functions and all public affairs/public relations skills toward achievement of one objective: Meaningful participation in creation of public policy that affects personal and institutional destiny.

Durch das „Issues Management“ hat ein Unternehmen oder Organisation also die Möglichkeit, schnell, flexibel und vor allem sensibel auf jede Nachricht und Entwicklung zu reagieren, die für die Identität und Wahrnehmung der Unternehmensmarke wichtig ist und bei Nichtbeachtung Krisenpotenzial entwickeln kann. Das Issue Management lässt sich dabei in fünf Phasen unterteilen:  „Scanning“: Die Identifikation von Issues als grundlegende und somit fast schon wichtigste Phase  „Issues Monitoring“: Analyse und Beobachtung der öffentlichen Meinung und Medien  „Strategic issue diagnosis“: Die strategische Prüfung und Einstufung  „Message Formating“: Wahl der grundlegenden Reaktion/Antwort auf strategische Issues. Hierbei kann noch mal zwischen einem proaktivem und reaktivem Vorgehen unterschieden werden  „Incorporation into strategic plan“: Integration in die strategische Planung Issues durchlaufen im öffentliche Fokus einen Lebenszyklus: Je weiter das Issue in seinem Lebenszyklus voranschreitet, desto geringer wird gleichzeitig die Einflussmöglichkeit des betroffenen Unternehmens. In den USA gilt das Issues Management mittlerweile als Selbstverständlichkeit, in Deutschland hingegen hinkt man dieser Entwicklung noch hinterher.

10.9 Der Krisenstab Primäres Ziel einer Krisenorganisation ist eine schnelle Krisenbewältigung beim eintretenden Ernstfall. Deshalb macht es Sinn, in guten Zeiten einen geeigneten Krisenstab (KS) aufzustellen. Dabei spielt die Personalauswahl eine wichtige Rolle. Wie sich ein Krisenstab zusammensetzt, hängt vor allem von der Struktur und Größe eines Unternehmens ab.

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Krisenmanagement

Ein Krisenstab sollte so klein wie möglich und so ausbaufähig wie nötig sein. Für jedes Mitglied sollte außerdem ein Stellvertreter vorgesehen werden. Ein Krisenstab muss ad hoc handlungsfähig sein, sobald ein krisenhaftes Ereignis eintritt. Der Krisenstab darf nur mit wenigen absoluten Entscheidern besetzt sein. Dazu zählen: Kernteam:      

ein Vertreter der Geschäftsleitung der Betriebssicherheitsmanager (BSM) der Chefjurist der Pressesprecher der IT-Chef 2 Assistenten Zusätzlich:

 Unternehmenssicherheit (Werksfeuerwehr, Werksschutz)  Umweltschutz  Fachstellen nach Bedarf Assistenzteam für:       

Herstellen der Arbeitsfähigkeit im Krisenbereich incl. Zugangskontrolle Dokumentation Protokoll Anwesenheitsliste Lagedarstellung (Visualisierung) Administrative Tätigkeiten (Kopieren, Fax etc.) Versorgung, Botengänge

Es ist im Einzelfall zu überlegen, wie die Arbeitnehmervertretung in den Krisenstab eingebunden werden soll. Der KS muss auch unpopuläre Entscheidungen im Sinne der Mitarbeiter treffen können, um größeren Schaden abzuwenden. Das darf die Arbeitnehmervertretung eigentlich nicht mit tragen bzw. entscheiden. Sie ist aber natürlich in jedem Fall fortlaufend zu informieren. Alle weiteren oberen Führungskräfte sind ebenfalls kein Mitglied im Krisenstab. Sie müssen sich voll darauf konzentrieren können, den Normalzustand des Unternehmens wieder herzustellen oder zu erhalten. Es ist sehr sinnvoll für alle o. a. Mitglieder des Krisenstabes eine geeignete Stellvertreterregelung zu finden. Einzelne Mitglieder sind u. U. nicht sofort verfügbar oder selber zu Schaden gekommen. Auch muss eindeutig festgelegt werden, wer den KS einberufen darf. Der BSM muss Geschäftsführer des Krisenstabs sein. Er hat alles zu organisieren und einzuleiten, was für eine effektive Arbeit erforderlich ist. Ferne hat er die Mitglieder zu beraten und regelmäßig zu informieren.

10.9 Der Krisenstab

285

Seine Aufgabe ist auch die Ausstattung der Krisenstabsräume. Es sollten möglichst drei Räume zur Verfügung stehen. Diese sind:  ein Sitzungsraum  ein angrenzender Arbeitsraum  ein angrenzender Presse-Informations-Medienraum Alle Räume müssen mit allen erdenklichen Medien ausgestattet werden, die untereinander vernetzt sind. Ebenso müssen ausreichend Telefone mit allgemeinen und Geheimnummer vorhanden sein. Geheimnummern sind wichtig, da im Ernstfall alle Telefone schnell besetzt sind und somit keine Anrufe getätigt werden können. Der Krisenstabsraum sollte auch abhörsicher sein. Es sollte ebenfalls genügend Verpflegung für einige Tage und ein bis zwei Liegen zu Verfügung stehen. Planunterlagen müssen per PC aber in Papierform vorhanden sein. Auf alle diese Unterlagen muss jedes KS-Mitglied jederzeit, wo immer sie sich auch gerade befinden zugreifen können. Auch müssen die Krisenstabsmitglieder, möglichst über eine geheime Telefonnummer jederzeit erreichbar sein und ihrerseits telefonieren können. Die Aktualität der unterlagen hat der BSM zu gewährleisten. Diese Unterlagen sind:       

Betriebssicherheitshandbuch Checklisten zur Abarbeitung von Krisen Telefonverzeichnisse Organisationspläne Ansprechstellen bei allen Behörden, Rettungsdiensten etc. Planunterlagen über Netze und Anlagen des Unternehmens Betriebsanweisungen und Risikoanalysen

Für alle erdenklichen Krisenfälle sind entsprechende Checklisten zu erstellen. Die KSMitglieder kommen regelmäßig, etwa alle drei Monate, zur Sitzung zusammen. Anlässlich der Sitzungen werden regelmäßig alle Unterlagen gesichtet und abgestimmt. Drüber hinaus muss für das gesamte Unternehmen, etwa jährlich, eine unangekündigte Krisenübung durchgeführt werden. Die Krisenstabsmitglieder müssen auf ihre Aufgabe bestens vorbereitet werden. Dazu gehört unbedingt ein Medientraining. Allen Führungskräften sind regelmäßig notwendige Informationen zukommen zu lassen. Ebenso die Verhaltensregeln. Die Führungskräfte informieren an Hand der unterlagen regelmäßig ihre Mitarbeiter. Manche Krisen können jedoch durch die vorstehende Organisation allein nicht bewältigt werden (z. B. Erpressungen, Entführungen, Großschadenereignisse). Hierbei empfiehlt es sich, erfahrene Berater bzw. Partner hinzuzuziehen.

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Krisenmanagement

Auch darf das Ausmaß der möglichen einströmenden Kräfte auf ein Unternehmen im Krisenfall nicht unterschätzt werden. Diesbezüglich sollte in guten Zeiten ein adäquates Konzept aufgestellt werden: Wer kümmert sich ab wann um wen? Es bietet sich für größere Unternehmen an ihre Krisenorganisation analog den Einsatzkräften der öffentlichen Bereiche zu organisieren (z. B. Bundeswehr und Feuerwehr; Abb. 10.6). Sachgebiet S1 – Personal:  Bereitstellen von Kräften, Einrichten von Reserven und Ablösungen  Heranziehen sonstiger benötigter Kräfte  Führen einer Kräfteübersicht über in Betracht kommende und verfügbare, bereitgestellte und im Einsatz befindliche Kräfte  Einrichtung von „Bereitstellungsräumen“  Festlegen und Sicherstellen des Geschäftsablaufes  Einrichten und Sichern der Führungsräume  Bereitstellen der Ausstattung  Versorgung der Stabsmitglieder

Abb. 10.6 Krisenstab in Anlehnung an Ordnungskräfte wie zum Beispiel gem. Feuerwehrdienstvorschrift 100 (FwDV 100)

10.9 Der Krisenstab

287

Sachgebiet S2 – Lage:       

Beschaffen, Auswerten und Bewerten von Informationen Führen einer Lagekarte Vorbereiten von Lagebesprechungen und Lagemeldungen Information an Krisenstab und andere eigene Stellen Meldung an Geschäftsleitung Führen eines Tagebuches Sammeln, Registrieren und Sicherstellen aller Informationsträger Sachgebiet S3 – Einsatz:

        

Beurteilen der Lage Festlegen von Schwerpunkten Bestimmung erforderlicher Kräfte, Mittel und Reserven Bestimmen und Einweisen von Führungskräften Festlegen der Führungsorganisation Anordnen von Absperrmaßnahmen, Stilllegungen Zusammenarbeit mit Ämtern, Organisationen und Behörden Erteilen von Einsatzaufträgen und Kontrolle der Durchführung Veranlassen von Sofortmaßnahmen Sachgebiet S4 – Versorgung:

 Erstellung der Versorgungslage  Heranziehen von Hilfsmitteln (z. B. Baustoffe, Fahrzeuge, Spezialgerät und -ausrüstungen)  Bereitstellen von Verbrauchsgütern und Einsatzmitteln  Bereitstellen und Zuführen der Verpflegung  Bereitstellen von Unterbringungsmöglichkeiten für Einsatzkräfte, Mitarbeiter, Journalisten u. ä. Sachgebiet S5 – Presse- und Medienarbeit:  Presse- und Medieninformation – Sammeln, Auswählen und Aufbereiten von Informationen aus dem Ereignis – Erfassen, Dokumentieren und Auswerten der Presse- und Medienlage – Erstellen von Presse- und Medieninformationen  Presse- und Medienbetreuung – Information der Presse und der Medienvertreter – Veranlassen von Führungen durch den Schadensbereich

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Krisenmanagement

 Presse- und Medienarbeit – Veranlassen der Unterbringung der Presse- und Medienvertreter – Vorbereiten und Durchführen von Presse- und Medienkonferenzen  Presse- und Medienkoordination – Bündeln, Abstimmen und Steuern der Presse- und Medienarbeit, z. B. mit den Pressesprechern von beteiligten Behörden, betroffenen Unternehmen und insbesondere der Polizei – Halten eines ständigen Kontaktes mit Presse und Medien  Presse- und Medieneinbindung in die Schadensbekämpfung – Veranlassen von Warn- und Suchhinweisen für die Bevölkerung Sachgebiet S6 – Informations- und Kommunikationswesen: (Planen und Durchführen des Informations- und Kommunikationseinsatzes)      

Feststellen des Ist-Zustandes der Führungs- und Fernmeldeorganisation Absprechen der Führungsorganisation mit S3 Feststellen der Einsatzmöglichkeiten von Funktelefonen Aufteilen von Funkkanälen (Handfunksprechgeräte) Erarbeiten eines Kommunikationskonzeptes Sicherstellen der Kontakte mit den Informations- und Kommunikationsdiensten von Behörden  Ausstattung mit Bürokommunikationsmitteln I

Tipp Das Notfallmanagement ist eine besondere Ausprägung des Krisenmanagements und ein Bestandteil des selbigen. Ein Notfall zeichnet sich durch ein enorm hohes Gefährdungspotenzial aus, er ist nicht schleichend oder schleppend, sondern akut und die Reaktionszeit ist extrem niedrig!

Über geeignete und im Notfall auch sofort zur Verfügung stehende Dokumentationen (Verfahrenanweisungen, Notfallpläne, Gefahren-Abwehr-Pläne (GAP)), einer entsprechend ausgelegten Infrastruktur, spezifischer Instrumente und auch mit Hilfe von personelle Ressourcen muss ein Notfallmanagementsystem in den das Krisenmanagement implementiert und manifestiert werden. Elektronische, softwaregesteuerte Notfallmanagementsysteme können den Mitarbeitern helfen schnell zu reagieren. Es muss aber unbedingt beachtet werden, das die IT von der Energieversorgung abhängig und diese im Notfall ausfallen kann! Das Notfallmanagement muss den Mitarbeitern also auch in ausgedruckter Version zur Verfügung stehen. Um auf Notfälle vorbereitet zu sein, empfehlen sich regelmäßige Notfallübungen und Räumungsübungen. Diese können neben dem Sicherstellen des prinzipiellen Funktionierens des Notfallmanagements auch Erkenntnisse liefern, welche Optimierungspotenziale noch ungenutzt sind. Dabei sollten die Übungsszenarien so realitätsnah wie möglich geplant und durchgeführt werden, um alle Parameter des Notfallplans zu überprüfen – die

10.10

Brandschutz

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Funktionalität und Effektivität von organisatorischen, personellen und materiellen Vorkehrungen aber auch die Qualifikationen des Einsatz- und Hilfspersonals.

10.10 Brandschutz Ein typisches Notfallszenario ist ein Großbrand im Betrieb. Anlagen und Gebäude können nach einem Brandschaden mit mehr oder weniger großem Aufwand instand gesetzt, zerstörte Betriebs- und Arbeitsmittel neu beschafft werden. Die Beeinträchtigung der Gesundheit oder gar der Verlust von menschlichem Leben durch den Brand und seine Nebenwirkungen wiegen dagegen ungleich schwerer als der Sachschaden. Sachschäden Nach Angaben des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft e. V. ergibt sich für Großschäden in der industriellen Sachversicherung folgende Statistik der Brandschäden für die Jahre 1980 bis 2003 (Tab. 10.1). In der obigen Aufstellung wurden nur Schäden mit einem Schadenaufwand von mindestens 500.000 C (bis 2001 1 Mio. DM) berücksichtigt. Zwar ist die Anzahl der Großschadensereignisse tendenziell rückläufig, jedoch stieg im gleichen Zeitraum die durchschnittliche Schadenssumme deutlich an. Sachschäden durch Brände wurden in der Vergangenheit zwar seltener, dafür aber auch deutlich teurer.

Tab. 10.1 Aufwendungen der Sachversicherer Jahr 1980 1985 1990 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003

Schadenaufwand [Mrd. C] 0,64 0,79 0,85 1,19 1,13 0,99 0,79 1,10 1,14 0,88 1,02 0,55 0,55

Anzahl 278 289 289 246 267 227 244 222 253 199 183 160 150

Schadendurchschnitt [Mio. C] 2,31 2,74 2,95 4,83 4,24 4,36 3,26 4,97 4,52 4,43 5,57 3,46 3,67

290

10

Krisenmanagement

Personenschäden Brandereignisse in Gebäuden für den Wohnungsbau sowie in Gebäuden besonderer Art oder Nutzung (z. B. Krankenhäuser und Altenpflegeheime) stellen eine ernste Gefahr für die darin lebenden Menschen dar. Dieser Gefahr muss mit geeigneten Maßnahmen begegnet werden. Kern dieser Maßnahmen ist ein schlüssiges Brandschutzkonzept. Allgemeine Feststellungen, die bei der Risikobeurteilung zu berücksichtigen sind:  Sind brennbare Materialien und Zündquellen vorhanden?  Sind Materialien vorhanden, die im Brandfall stark Rauch entwickelnd sein können?  Sind Maßnahmen vorhanden, die der Rauchentwicklung entgegenwirken? (z. B. Rauchabzüge)  Ist während der Belegung oder Benutzung Tageslicht vorhanden oder nicht?  Lage, Ausdehnung, Belegung, Nutzung bzw. Art des Betriebes oder Gebäudes sowie Struktur der Flucht- und Rettungswege Lage:  Ist die Nutzung ober- oder unterirdisch?  Ist die Anlage freistehend oder innerhalb eines Gebäudekomplexes? Ausdehnung:     

Größe der Grundfläche des Gebäudes oder der Anlage Anzahl der ober- und unterirdischen Geschosse Anzahl, Größe und Lage einzelner Betriebs- oder Gebäudeteile Abstand zwischen einzelnen Betriebs- oder Gebäudeteilen Abgeschlossenheit des Betriebes oder Gebäudes gegenüber der Öffentlichkeit zugänglichen Bereichen? Belegung, Nutzung bzw. Art des Betriebes oder Gebäudes:

 Anzahl der Personen  Sind diese mit der Örtlichkeit vertraut oder nicht?  Unterwiesen in das Rettungssystem oder nicht unterwiesen? (Beschäftigte, Besucher, Kunden, Publikum?)  Schichtbetrieb  Brandlast und Brandgefahr durch brennbare Stoffe oder Flüssigkeiten  Explosionsgefahr  Ungesicherte heiße Bäder oder Bäder für Säuren oder Laugen  Langnachlaufende offene Maschinen oder Einrichtungen, die für die Versicherten bei Flucht eine Gefährdung sein können  Gebäude, die der Übernachtung dienen

10.10

Brandschutz

291

 Gibt es Personen im Betrieb oder im Gebäude, die in ihrer Mobilität eingeschränkt sind? Struktur der Flucht- und Rettungswege:    

Lage der Flucht- und Rettungswege Anzahl der Lage der Treppenhäuser Ist der Fluchtweg gradlinig oder verwinkelt? Ist der Flucht- und Rettungsweg von jedem Arbeitsplatz erkennbar?

Aus praktischen Erwägungen sollten alle oben aufgeführten eventuell auftretenden Gefährdungen separat aufgelistet und bewertet werden. Optische Sicherheitsleitsysteme Die Anforderungen an die Struktur der Flucht- und Rettungswege sowie der dazugehörigen Pläne ergeben sich aus der Technischen Regel für Arbeitsstätten (ASR) A2.3 „Fluchtwege und Notausgänge, Flucht- und Rettungsplan“ vom 16. August 2007 und sind meistens (sollten) bereits in der Planungsphase von Architekten und Genehmigungsbehörden berücksichtigt worden. Grundsätzlich ist immer dann eine Sicherheitsbeleuchtung vorzusehen, wenn das Arbeitsstättenrecht oder das Baurecht diese vorschreiben. Darüber hinaus kann die Gefährdungsbeurteilung weitere Anwendungsfälle sowohl für die Sicherheitsbeleuchtung als auch bodennahe Sicherheitsleitsysteme ergeben. Bei möglicher Verrauchung ist im Allgemeinen ein bodennahes Sicherheitsleitsystem erforderlich. Dieses kann grundsätzlich entweder elektrisch oder auch lang nachleuchtend ausgeführt werden. Die Gefährdungsermittlung kann auch ergeben, dass Kombinationen unterschiedlicher Sicherheitsleitsysteme erforderlich sind. Im Allgemeinen kann davon ausgegangen werden, dass bei hoher Personenbelegungsdichte der Einsatz eines elektrisch betriebenen Systems vorteilhaft ist. Bei geringer Personenbelegungsdichte kann ein lang nachleuchtendes System ausreichen. Die Anforderungen an Sicherheitsleitsysteme ergeben sich für den Landbereich aus der Normenreihe DIN 67 510 (1–4) „Deutsche Industrie Norm für langnachleuchtende Pigmente und Produkte“, BGV A 8 „Sicherheits- und Gesundheitsschutzkennzeichnung am Arbeitsplatz“ und BGR 216 „Optische Sicherheitsleitsysteme“. Folgende Anforderungen müssen von einem Sicherheitsleitsystem grundsätzlich erfüllt werden:  zuverlässig – „funktioniert“ auch bei Stromausfall  sichtbar – auch bei starker Verqualmung deutlich erkennbar und auch nach vielen Stunden noch zu erkennen  lückenlos – durchgehende Markierung bis zum nächstgelegenen Notausgang

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10

Krisenmanagement

 beschreibend – was passiert auf dem Weg zum Notausgang? (Treppen, Hindernisse, . . . )  verständlich – in jeder Sprache unmissverständlich zu verstehen Die im Unternehmen ergriffenen Brandschutzmaßnahmen sollten monatlich vom Brandschutzbeauftragten geprüft und protokolliert werden. Um bei diesen Kontrollgängen auch zuverlässig das Vorhandensein aller Feuerlöscher kontrollieren zu können, empfiehlt es sich eine Auflistung dieser Löscher in der Reihenfolge der Begehung zu erstellen und die bei der Begehung überprüfte Aufstellung zur Dokumentation an das Protokoll zu heften. Lfd.Nr. 1 2 3 ...

Standort

Feuerlöschtyp

Löschmitteleinheiten

Kantinenküche Wareneingang Serverraum ...

Fettlöscher ABC-Pulverlöscher Kohlendioxidlöscher ...

6 6 6 ...

Vorh.?

Mängel

10.10

Brandschutz

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Im Folgenden finden Sie eine Muster-Checkliste: Brandschutz - Checkliste Betriebsteil:

Datum:

Prüfer: Monatliche Kontrollen

Kennzeichnung: Fluchtwege, Feuerlöscheinrichtungen, Feuermeldeeinrichtungen, Versorgungseinrichtungen, brennbare Flüssigkeiten, Gase, Explosivstoffe, Rauchverbot, Hinweise für das Verhalten im Brandfalle Funktionsprüfung der Brandschutztüren und -tore Funktionsprüfung Hydranten Funktionsprüfung Alarmierungseinrichtungen Periodische Reinigung oder Prüfung von Geräten und Anlagen – auch Feuerlöscher – notwendig Lagern und Aufbewahren brennbarer Stoffe und Abfälle nur in dafür vorgesehenen Räumen Vorschriftsmäßiges Lagern und Abfüllen brennbarer Flüssigkeiten

In Mängel Mängel Ordnung 1. Ort und Art 2. Verantwortlich 3. Fristen 4. evtl. Ersatzmaßnahmen.

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10

Krisenmanagement

Halber Schichtbedarf brennbarer Flüssigkeiten am Arbeitsplatz Brandschneisen in Lagern

Ausreichend Sicherheitsabstand zwischen brennbaren Stoffen und Wärmequellen Keine Verunreinigungen in Bodenkabelkanälen und auf hochliegenden Leitungen Einhaltung des Rauchverbots Keine Kerzen, brennbaren Dekorationen, privaten Tauchsieder oder Heizgeräte vorhanden Überprüfen und Warten von Feuerlöschanlagen und Rauch- und Wärmeabzugsanlagen (gesonderte Prüfbücher) Regelmäßige Reinigung der Arbeitsplätze, Lüftungs- und Absauganlagen Notausschalter an Maschinen und Geräten Zufahrt, Aufstell- und Bewegungsflächen für die Feuerwehr Schulungen und Übungen erforderlich Sonstiges

Brandschutzbeauftragter Geschäftsführung

Verteiler: Arbeitssicherheit Betriebsleiter Betriebsrat

10.10

Brandschutz

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Feuerlöscher Die Anzahl der benötigten Feuerlöscher ergibt sich aus der BGR 133 „Ausrüstung von Arbeitsstätten mit Feuerlöschern“. Diese BG-Regel wurde in Zusammenarbeit mit dem Bundesverband der Unfallkassen e. V. (BUK), dem Bundesverband der deutschen Industrie (BDI) und dem Verband der Sachversicherer (VdS) erarbeitet. Sie findet Anwendung bei der Ausrüstung von Arbeitsstätten mit Feuerlöschern zur Bekämpfung von Entstehungsbränden. Diese Regeln finden keine Anwendung in Bereichen, die durch besondere gesetzliche Bestimmungen geregelt sind. Dies sind z. B.:  Anlagen, die der Verordnung über brennbare Flüssigkeiten (VbF (jetzt BetrSichV)) unterliegen  Garagen, die den Garagenverordnungen der Länder unterliegen  Wasserfahrzeuge und schwimmende Geräte mit Betriebserlaubnis Das Brandschutzkonzept Ein Brandschutzkonzept umfasst eine aus den bestehenden baulichen und personellen/organisatorischen Voraussetzungen abgeleitete Liste über sämtliche (nicht nur im Brandfall) zu ergreifenden Maßnahmen sowie auch die Begründungen für diese Maßnahmen (Abb. 10.7). Eine ganzheitliche Betrachtung der Problemstellung wird dabei vorausgesetzt. Allgemein wird der Brandschutz in vorbeugenden, organisatorischen und abwehrenden Brandschutz unterteilt. Die einzelnen Maßnahmen des zu erstellenden Brandschutzkonzeptes müssen dabei aufeinander abgestimmt sein, so dass ein reibungsloses Ineinandergreifen der Maßnahmen gewährleistet wird. Der Vorbeugende Brandschutz ist ein wichtiger Bereich des Baurechts. Da dieses in der Bundesrepublik Deutschland Ländersache ist, existieren sehr viele unterschiedliche Landesbauordnungen, die sich mehr oder weniger an einer Musterbauordnung orientieren. In Nordrhein-Westfalen z. B. sind gemäß der Landesbauordnung (BauO NRW) vom 01.03.2000 (GV. NW. Nr. 18 S. 256) Brandschutzkonzepte für sogenannte. Sonderbauten notwendig. Sonderbauten sind z. B. Versammlungsstätten, Verkaufsstätten, Krankenhäuser, Industriebauten, Hochhäuser, Schulen und Gaststätten. Im Brandschutzkonzept müssen alle Aspekte des Brandschutzes berücksichtigt werden, die für die spezielle bauliche Anlage maßgebend sind. In der vfdb-Richtlinie 01/01 „Brandschutzkonzept“ vom Mai 2000 sind die zu berücksichtigenden Aspekte des Brandschutzes aufgeführt. Die einzelnen Maßnahmen des Brandschutzkonzeptes müssen dabei aufeinander abgestimmt sein, so dass ein reibungsloses Ineinandergreifen der Maßnahmen gewährleistet wird. Die Anforderungen an die Struktur der Flucht- und Rettungswege sowie der dazugehörigen Pläne ergeben sich aus der Technischen Regel für Arbeitsstätten (ASR) A2.3 „Fluchtwege und Notausgänge, Flucht- und Rettungsplan“ vom 16. August 2007. In diese neue Arbeitsstättenregel wurde auch die „ Empfehlung des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung zur Aufstellung von Flucht- und Rettungsplänen nach § 55 Arbeits-

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10

Krisenmanagement

Gliederung des Brandschutzes (gem. vfdb-Richtlinie) Abwehrender Brandschutz

Vorbeugender Brandschutz

Baulicher Brandschutz

Anlagentechnischer Brandschutz

Organisatorischer

Baustoffe und Bauteile

Brandmeldeanlagen

Brandschutzordnung

Werksfeuerwehr

Brandabschnitte und Komplextrennung

Feuerlöschanlagen

Brandschutzbeauftragter

Löschwasserversorgung

Flucht- und Rettungswege

Anlagen zur Rauchfreihaltung

Alarmpläne

Löschwasserrückhaltung

Anfahrtswege und Aufstellflächen der Feuerwehr

Sicherheitsstromversorgung

Flucht- und Rettungspläne

Feuerwehrplan

Sicherheitsbeleuchtung

Feuerlöschgeräte

Blitzschutzanlagen

Unterweisung

Brandschutz

Öffentliche Feuerwehr

Abb. 10.7 In der Abbildung ist die Gliederung des Brandschutzes gemäß der vfdb-Richtlinie schematisch dargestellt

stättenverordnung“ (Bekanntmachung des BMA vom 10.12.1987 – IIIb 2 – 34.507–8) übernommen. Fluchtwege und Notausgänge Fluchtwege verstehen sich als Verkehrswege, an die besondere Anforderungen zu stellen sind und die der Flucht aus einem möglichen Gefährdungsbereich und in der Regel zugleich der Rettung von Personen dienen. Fluchtwege müssen ins Freie oder in einen gesicherten Bereich führen. Gemäß der Musterbauordnung (MBO) muss jede Nutzungseinheit mit mindestens einem Aufenthaltsraum wie Wohnungen, Praxen etc. in jedem Geschoss über mindestens zwei voneinander unabhängige Rettungswege ins Freie vorhanden sein. Diese Formulierung lässt die Fehlinterpretation zu, dass auch Geschosse, in denen sich keine Aufenthaltsräume befinden, zwei unabhängige Rettungswege haben müssen. Dies ist hier aber nicht gemeint. In der Landesbauordnung Nordrhein-Westfalens ist diese Formulierung geändert. Dort heißt es: Für jede Nutzungseinheit müssen in jedem Geschoss mit einem

10.10

Brandschutz

297

Aufenthaltsraum zwei Rettungswege vorhanden sein. D. h. überall dort wo Aufenthaltsräume vorhanden sind, sind zwei voneinander unabhängige Rettungswege notwendig. Die Rettungswege sind so anzuordnen, dass die maximal zulässigen Entfernungen – nach der MBO maximal 35 m – zu Türen, die direkt ins Freie führen, und zu Treppenräumen notwendiger Treppen nicht überschritten werden. In den Sonderbauvorschriften werden im Vergleich zur MBO unterschiedliche maximal zulässige Entfernungen genannt. Die Rettungswege sind durch gut lesbare und dauerhafte Beschilderung zu kennzeichnen. Rettungswege (Treppenräume und notwendige Flure) müssen brandlastfrei gehalten werden. Jedes nicht zu ebener Erde liegende Geschoss eines Gebäudes muss über mindestens eine notwendige Treppe in einem Treppenraum zugänglich sein (baulicher Rettungsweg). Der zweite Rettungsweg kann eine mit Rettungsgeräten der Feuerwehr erreichbare Stelle sein. Dies ist z. B. im Fall eines Hochhauses (Aufenthaltsebene höher als 22 m über Erdoberfläche) nicht möglich, da die Feuerwehren in der Regel für solche Einsätze nicht ausgestattet sind. Im Hochhaus sind zwei bauliche Rettungswege erforderlich. In Verkaufsstätten sind ebenfalls zwei bauliche Rettungswege notwendig, da in der Regel eine derartig hohe Personenanzahl nicht mit Rettungsgeräten der Feuerwehr gerettet werden kann. Insbesondere in Sonderbauten mit einer Vielzahl von Personen ist in der Regel ein zweiter baulicher Rettungsweg erforderlich. Die Rettung einer Vielzahl von Personen über das Rettungsgerät der Feuerwehr ist nicht in angemessener Zeit möglich. Flucht- und Rettungsplan Um die sich im Gebäude befindlichen Personen in die Lage zu versetzen, sich schnell und sicher orientieren zu können, müssen Flucht- und Rettungspläne erstellt werden, die eine möglichst einfache Darstellung der baulichen Gegebenheiten sowie eine unproblematische Lesbarkeit aufweisen. Grundlage der Flucht- und Rettungspläne ist die Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV). Bandschutzbeauftragter Auch wenn es derzeit nicht direkt gesetzlich vorgeschrieben ist, hat sich in der Praxis die Bestellung von Brandschutzbeauftragten bewährt. Der Brandschutzbeauftragte sollte eine mehrjährige Praxis im Vorbeugenden Brandschutz besitzen und/oder eine ausreichende Ausbildung im Vorbeugenden Brandschutz haben. Vergleichbar den Fachkräften für Arbeitssicherheit sollte der Brandschutzbeauftragte unmittelbar der Leitung des Werkes oder Betriebes unterstellt sein, für dessen Brandschutz er zuständig ist. Zu allen den Brandschutz betreffenden Fragen des Unternehmens – auch bei der Planung – sollte er gehört werden. Zu seinen Aufgaben und Pflichten gehört das Erkennen von Gefahren sowie ihre Beurteilung. Er hat dafür zu sorgen, dass sie beseitigt und Schäden möglichst gering gehalten werden.

298

10

Krisenmanagement

Dem Brandschutzbeauftragten sollten insbesondere folgende Aufgaben übertragen werden:  Aufstellen der Brandschutzordnung, der Alarm-, Feuerwehreinsatz- und ggf. Räumungspläne (Katastrophenpläne); zur besseren Übersicht kann es zweckmäßig sein, zusätzlich detaillierte Brandschutzpläne zu erstellen  Organisation und Überwachung der Brandschutzkontrollen im Betrieb  Anweisung und Überwachung der Beseitigung von brandschutztechnischen Mängeln  Festlegen von Ersatzmaßnahmen bei Ausfall oder Außerbetriebsetzen von Brandschutzeinrichtungen  Beratung in Fragen des Brandschutzes, z. B. bei Planung von Neu- und Umbauten, Betriebsveränderungen, beim Aufbau einer Werkfeuerwehr  Verantwortung für den ständigen Kontakt zur zuständen Feuerwehr und für gemeinsame Übungen und Betriebsbegehungen

10.11 Brandschadensanierung (VdS 2357) Unter den Bedingungen, die bei einem Brand herrschen, kann aus unbedenklichen Stoffen, gelagerten Gegenständen, Arbeitsmitteln (z. B. Kopierer) oder Bauteilen eine Vielfalt an Verbrennungsprodukten und Rückständen entstehen, deren Gefahrenpotenzial nur sehr schwierig einzuschätzen ist. Mit den daraus folgenden Anforderungen an den Umweltschutz, die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Personen, die die Sanierungsarbeiten an den Brandstellen durchführen, befasst sich die GDV-Richtlinien zur Brandschadensanierung – VdS 2357 (05). Die VdS Schadenverhütung ist ein Unternehmen des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). Die Richtlinien VdS 2357 wurde im Oktober 2007 neu strukturiert und grundlegend überarbeitet. Sie berücksichtigen die Vorgehensweisen und Schutzkonzepte der Gefahrstoff- und Biostoffverordnung sowie der zugeordneten technischen Regeln zur Gefährdungsbeurteilung (TRGS 400 „Gefährdungsbeurteilung für Tätigkeiten mit Gefahrstoffen“, TRBA 400 „Handlungsanleitung zur Gefährdungsbeurteilung und für die Unterrichtung der Beschäftigten bei Tätigkeiten mit biologischen Arbeitsstoffen“, etc.) und die Festlegung von Schutzmaßnahmen. Zusätzlich berücksichtigen die Richtlinien die Aufgaben und Verantwortlichkeiten, die sich aus der Baustellen-Verordnung und der BGR 128 „Arbeiten in kontaminierten Bereichen“ ergeben. Demnach entspricht die Richtlinien VdS 2357 (05) dem neuesten Stand der sicherheitstechnischen, arbeitsmedizinischen, hygienischen sowie arbeitswissenschaftlichen Anforderungen an die Brandschadensanierung (Abb. 10.8). Die Richtlinie kann in ihrer aktuellen Fassung von der Homepage der VdS Schadenverhütung unter der URL http://www.vds.de herunter geladen werden. I

Tipp Kein Brand ohne Schaden, daher: Nach dem Brand ist vor der Sanierung!

10.11

Brandschadensanierung (VdS 2357)

299 Verantwortlichkeiten Ausführung durch…

Ablaufschema

Brandereignis

Schadenmeldung an den Versicherer

Geschädigter / Versicherungsnehmer

Sicherung der Schadenstelle

Geschädigter / Versicherungsnehmer

Erstbegehung

Regulierungsbeauftragter / Versicherungsnehmer / Beauftragter Dritter

Schutzmaßnahmen nach Abschn. 5.1 und 5.2

Einteilung der Schadenstelle in Gefahren- und Arbeitsbereiche (Abschn. 3.5 und 3.6)

Regulierungsbeauftragter / Versicherungsnehmer / Beauftragter Dritter

Gefahrenbereiche

GB 0

GB 1

GB 2

GB 3

Beauftragung eines Sachverständigen nicht erforderlich

Beauftragung eines Sachverständigen fallbezogen empfohlen

Beauftragung eines Sachverständigen dringend empfohlen

Beauftragung eines Sachverständigen erforderlich

Sofortmaßnahmen Schutzmaßnahmen nach Abschn. 5.1 und 5.2

Gemäß BGR 128 sachkundiges Sanierungsunternehmen

Sanierungs- und Entsorgungskonzept Schutzmaßnahmen nach Abschn. 5.4

Incl. Gefährdungsbeurteilung und Arbeits- und Sicherheitsplan GB 1 Abschn. 5.5

Hausmüll

GB 2 Abschn. 5.6

Gemäß BGR 128 sachkundiger Sachverständiger /sachkundiges Sanierungsunternehmen

GB 3 Abschn. 5.7

Schadenbeseitigung

Gemäß BGR 128 sachkundiges Sanierungsunternehmen

Abnahme und ggf. Ergebniskontrolle

Versicherungsnehmer / Sachverständiger

Entsorgung der Brand- und Sanierungsrückstände entsprechend Entsorgungskonzept

Entsorgungsfachunternehmen

Abb. 10.8 Ablaufschema mit Verantwortlichkeiten gem. VdS 2357

300

10

Krisenmanagement

Brände in Öffentliche Einrichtung, Büround sonstigen Verwaltungsgebäuden

Wohngebäude

Lager, Produktionsstätten von Gewerbe und Industrie

Räumliche Ausdehnung des kontaminierten Bereichs gering

ausgedehnt Brandgut und andere beteiligte Stoffe Geringe Mengen an kunststoffhaltigen Materialien

Große Mengen an kunststoffhaltigen Materialien

Gefahrstoffe Biologische Arbeitsstoffe

Brandverlauf Vollbrandsituation mit geringem Schwelanteil

Ausgeprägter Schwelbrand

Brandverschmutzung

minimale Verschmutzung

Brandverschmutzung

Deutlich sichtbare Verschmutzung

sehr starke Verschmutzung

GB 0

GB 1

GB 2

GB 3

Sachverständiger nicht erforderlich

Sachverständiger fallbezogen empfohlen

Sachverständiger dringend empfohlen

Sachverständiger erforderlich

Abb. 10.9 Leitfaden Gefahreneinschätzung gem. VdS 2357

10.12

Organisation der betrieblichen Ersten-Hilfe

301

Einer der ersten Schritte ist die unverzügliche Meldung des Schadenfalles an den zuständigen Versicherer. Insbesondere bei Bränden mit höherem Gefahrenpotenzial kann dies entscheidenden Einfluss auf die gesamte Schadenabwicklung haben. Diese frühzeitige Meldung des Schadenfalles versetzt den Versicherer in die Lage, rechtzeitig zu reagieren und dadurch u. a. sicherzustellen, dass eine rasche und qualifizierte Beurteilung der Schadensituation vor Ort durch den Versicherer veranlasst werden kann (Abb. 10.9). Vor Beginn der Sanierungsarbeiten sind unterschiedliche Bewertungen vorzunehmen und Entscheidungen zu treffen. In der Regel hat der Betroffene hierzu professionelle Hilfe wie etwa durch den Versicherer, durch Sachverständige oder Sanierungsunternehmen nötig. Nur mit dieser Hilfe kann das Unternehmen schnellstmöglich wieder die Produktion aufnehmen und den Verlust von Vertrauen und einen Imageschaden verhindern. Letztendlich könnte dies auch zum Verlust der Kunden und somit der wirtschaftlichen Grundlage führen. Auf Basis der Erstbegehung durch die o. a. Experten erfolgt die Einteilung der Brandstelle in die Gefahrenbereiche.

10.12 Organisation der betrieblichen Ersten-Hilfe Notfallmaßnahmen und Erste Hilfe sind zentraler Bestandteil der Betriebsorganisation. Grundsätzlich sollte der Unternehmer bei der Einrichtung von Arbeitsstätten, besser noch bei der Planung Notfallmaßnahmen berücksichtigen, um z. B. bei Bränden und anderen gefährlichen Störungen im Betrieb ein sofortiges Verlassen des Arbeitsplatzes zu ermöglichen. Notfallmaßnahmen sind im § 22 der BGV A1 geregelt. Zu den Notfallmaßnahmen gehören u. A. die Aufstellung eines Alarmplanes, eines Flucht- und Rettungsplanes sowie einer Brandschutzordnung. Im Alarmplan wird festgelegt, welche Maßnahmen in Notfällen wie Brand, Unfall, Einbruch, Überfall durchgeführt werden müssen und ist an geeigneten Stellen im Unternehmen auszuhängen. Wichtig ist, dass der Alarmplan regelmäßig im Hinblick auf Änderungen von Telefonnummern und Personalwechsel aktualisiert wird. Versicherte sollten über Inhalte und Abläufe z. B. im Rahmen einer Unterweisung informiert werden. Der Unternehmer hat dafür zu sorgen, dass für die Erste Hilfe und zur Rettung aus der Gefahr die erforderlichen Einrichtungen und Sachmittel zur Verfügung stehen. Die §§ 24–28 der BGV A1 regeln die Erste Hilfe. Zu den Einrichtungen und Sachmitteln gehören insbesondere Meldeeinrichtungen, Erste-Hilfe-Material, Rettungsgeräte, Transportmittel und Sanitätsräume. Das erforderliche Personal umfasst in erster Linie Ersthelfer und Betriebssanitäter sowie Versicherte, die in der Handhabung von Rettungsgeräten und Rettungstransportmitteln unterwiesen sind. Auch kann der Unternehmer zur Sicherstellung der Ersten Hilfe Personen mit einer höher qualifizierten Ausbildung in Erster Hilfe benennen. Dazu gehören

302

10

Krisenmanagement

Personen mit sanitäts- oder rettungsdienstlicher Ausbildung oder Berufe des Gesundheitsdienstes wie z. B. Krankenschwester, Krankenpfleger, Arzthelfer/Arzthelferin, etc. § 24 Abs. 3 BGV A1 verlangt vom Unternehmer, dass Verletzte sachkundig transportiert werden. Oft ist es schwierig, als Laie Verletzungen und Erkrankungen bezüglich der Art des Transportes einzuschätzen. Grundsätzlich gilt bei der Auswahl eines geeigneten Transportmittels, dass die Auswahl im Zweifel durch einen Arzt/Betriebsarzt herbeigeführt wird. Häufig ist kein Arzt/Betriebsarzt wie z. B. auf Baustellen vor Ort, so dass im Zweifel die Rettungsleitstelle zu informieren ist. Wird der Transport durch den öffentlichen Rettungsdienst vorgenommen, so trifft dieser alle weiteren Entscheidungen. In Betrieben sind durch berufsgenossenschaftliche Aushänge oder in anderer geeigneter schriftlicher Form Hinweise u. a. über die Erste Hilfe sowie Angaben über Notruf, Erste-Hilfe- und Rettungs-Einrichtungen sowie Erste-Hilfe-Personal zu geben. Die BGI 510 (Erste-Hilfe-Plakat) sieht ein Feld für Rufnummern und Ansprechpartner vor und sollte nur ausgefüllt und gut lesbar im Betrieb ausgehängt werden. Aushänge sind stets aktuell zu halten. Gemäß § 24 Abs. 6 BGV A1 sind über Erste-Hilfe-Leistungen Aufzeichnungen zu führen und 5 Jahre lang aufzubewahren. Aufzeichnungen können in einem Verbandbuch erfolgen (BGI 511-1) oder aber es kann der „Meldeblock“ (BGI 511-3) verwendet werden. Grundsätzlich ist zu beachten, dass es sich um Daten handelt, die gegen den Zugriff Unbefugter zu sichern sind. Gemäß § 25 der BGV A1 hat der Unternehmer Meldeeinrichtungen vorzuhalten, damit ein Notruf unverzüglich, ohne schuldhaftes Verzögern, abgesetzt werden kann. Notfallsituationen erfordern unverzügliche Hilfe. Da die Möglichkeiten durch den Ersthelfer begrenzt sind, ist frühzeitig fachliche Hilfe über den Notruf zu holen. Das Schicksal eines Patienten hängt von einer frühzeitigen medizinischen Versorgung (erweiterte Maßnahmen u. A. durch den Notarzt) ab. Die Qualität des Notrufs hängt stark vom Inhalt der Meldung ab. Allgemein akzeptiert ist das so genannte 5-W-Schema: Wo ist der Notfall? Ort, Stadtteil, Straße, Hausnummer, Stockwerk. Was ist passiert? Kurze Beschreibung der Situation. Wie viele Verletzte? Wichtige Angabe, um genügend Rettungsfahrzeuge einzusetzen. Welche Art von Verletzungen? Sind Personen lebensgefährlich verletzt? Warten! Erst auflegen, wenn die Leitstelle das Gespräch beendet. Wichtig ist, dass bei der Notfallmeldung unbedingt auf Rückfragen der Rettungsleitstelle bzw. der die Meldung entgegennehmende Stelle gewartet wird. Niemals sollten Gespräche selbst beendet werden. Die annehmende Stelle beendet das Gespräch, wenn keine Rückfragen mehr erforderlich sind. Im Betrieb hat der Unternehmer unter Berücksichtigung der betrieblichen Verhältnisse durch Meldeeinrichtungen und organisatorische Maßnahmen dafür zu sorgen, dass un-

10.12

Organisation der betrieblichen Ersten-Hilfe

303

verzüglich die notwendige Hilfe herbeigerufen und an den Einsatzort geleitet werden kann. Bei Anforderung des Rettungsdienstes sollte der KTW, RTW bzw. NAW je nach Betriebsstruktur z. B. vom Werkstor durch den Betrieb zur Unfallstelle geleitet werden, um Zeitverzögerungen zu vermeiden. Die Mitarbeiter/innen im Betrieb sind bezüglich der Ersten Hilfe zu unterweisen:      

Erste-Hilfe-Organisation Notruf Meldeeinrichtungen Rettungseinrichtungen Erste-Hilfe-Personal etc.

In allen Betrieben und auf Baustellen muss Erste-Hilfe-Material bereitgehalten werden. Geeignetes Erste-Hilfe-Material ist z. B. im kleinen Verbandkasten nach DIN 13157 sowie im großen Verbandkasten nach DIN 13169 enthalten. In Abhängigkeit von der Betriebsart und Zahl der Versicherten gelten für die Ausstattung mit Verbandkästen die in der folgenden Tabelle aufgeführten Richtwerte. Die Verbandkästen sollen auf die Arbeitsstätten so verteilt sein, dass sie von ständigen Arbeitsplätzen höchstens 100 m Wegstrecke oder höchstens eine Geschosshöhe entfernt sind. Sie sollen überall dort aufbewahrt werden, wo die Arbeitsbedingungen dies erfordern. Arbeitsschutzgesetz – ArbSchG „Arbeitsschutzgesetz vom 7. August 1996 (BGBl. I S. 1246), das zuletzt durch Artikel 427 der Verordnung vom 31. August 2015 (BGBl. I S. 1474) geändert worden ist“ [. . . ] § 10 Erste Hilfe und sonstige Notfallmaßnahmen (1) Der Arbeitgeber hat entsprechend der Art der Arbeitsstätte und der Tätigkeiten sowie der Zahl der Beschäftigten die Maßnahmen zu treffen, die zur Ersten Hilfe, Brandbekämpfung und Evakuierung der Beschäftigten erforderlich sind. Dabei hat er der Anwesenheit anderer Personen Rechnung zu tragen. Er hat auch dafür zu sorgen, dass im Notfall die erforderlichen Verbindungen zu außerbetrieblichen Stellen, insbesondere in den Bereichen der Ersten Hilfe, der medizinischen Notversorgung, der Bergung und der Brandbekämpfung eingerichtet sind. (2) Der Arbeitgeber hat diejenigen Beschäftigten zu benennen, die Aufgaben der Ersten Hilfe, Brandbekämpfung und Evakuierung der Beschäftigten übernehmen. Anzahl, Ausbildung und Ausrüstung der nach Satz 1 benannten Beschäftigten müssen in einem angemessenen Verhältnis zur Zahl der Beschäftigten und zu den bestehenden besonderen Gefahren stehen. Vor der Benennung hat der Arbeitgeber den Betriebs- oder Personalrat zu hören. . . . [. . . ]

304

10

Krisenmanagement

Es wird empfohlen, dass an Orten mit hohem Publikumsverkehr wie z. B. Flughäfen, Sportstätten und Einkaufszentren Defibrillatoren installiert werden, die auch von Laien bedient werden können. Durch die Verfügbarkeit von automatisierten externen Defibrillatoren (AED) können auch Laienhelfer in die Lage versetzt werden, durch automatisierte Defibrillation zu einer gesteigerten Reanimationsquote beizutragen.

10.13 Krisenprävention bei Auslandseinsätzen Im Zuge der Globalisierung verstärken immer mehr Unternehmen ihr Auslandsgeschäft. Die Zahl der Auslandseinsätze der Mitarbeiter nimmt ständig zu. Jedoch werden die Risiken, die damit verbunden sind, häufig einfach ausgeblendet. Es wird zu oft leichtfertig mit dem höchsten Gut eines Unternehmens, den Mitarbeitern, umgegangen, obwohl die Risiken ständig zunehmen. Unternehmen, die Mitarbeiter ins Ausland entsenden, müssen regionsabhängig stets mit Naturereignissen wie Erdbeben, Seuchen wie SARS, Vogelgrippe oder Dengue-Fieber, Terror und kriminellen Akten wie Bombenanschlägen oder Entführungen rechnen. Erstaunlich sei auch, dass Unternehmen sich häufig nur um das Visum und die Schutzimpfungen des Entsendungspersonals kümmern, nicht aber um eine umfassende Sicherheitsvorsorge. Dabei umfasst ein gutes Basis-Schutzpaket weitaus mehr Aspekte. Die richtige Personalauswahl vor der Entsendung, die arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchung incl. reisemedizinischer Beratung, die Einweisung in das jeweilige Land und dessen landesspezifischen Gefahren, die Unterstützung bei der Unterkunftssuche, die Auswahl geeigneter Kontaktpersonen vor Ort und eine gesicherte Ansprechbarkeit der Unternehmens rund um die Uhr müssen unbedingt berücksichtigt werden. Für den Ernstfall sind jedoch noch zu wenig Unternehmen professionell vorbereitet. Sie verlassen sich offensichtlich nur auf die Geschicke des Außenministeriums.

10.14 Influenza Pandemie-Planung im Rahmen des Krisenmanagements Die Pandemie-Planung hat inzwischen auch viele Betriebe erreicht. Für die Weltgesundheitsorganisation ist der Ausbruch einer Grippe-Pandemie nur eine Frage der Zeit. Experten rechnen damit, dass in diesem Fall rund 30 % der Arbeitnehmer ausfallen. Eine Pandemie ist eine weltumspannende Epidemie. Erste Pandemien sind bereits seit der Antoninischen Pest (ca. 165–167 n. Chr.) tatsächlich belegt. Neben einer durch Influenzaviren verursachten Pandemie zählt z. B. auch AIDS zu dieser Kategorie, das (seit 1980) bisher etwa 25 Mio. Todesopfer forderte. Im 20. Jahrhundert ereigneten sich drei Influenzapandemien: Die „Spanische Grippe“ 1918–1920 (bis zu 50 Mio. Tote), die „Asiatische Grippe“ 1957 (ca. 1 Mio. Tote) und die „Hong Kong Grippe“ 1968 mit etwa 700.000 Toten.

10.14

Influenza Pandemie-Planung im Rahmen des Krisenmanagements

305

Basis einer rationalen Planung ist ein gutes Verständnis der saisonalen, aviären und pandemischen Influenza. Die Trennung dieser Entitäten ist wichtig, gerade weil sie in der Öffentlichkeit nicht immer klar vollzogen wird. Seit 1978 zirkulieren Viren zweier Influenza A Subtypen (H1 und H3) sowie des Typs B in der menschlichen Bevölkerung und rufen die saisonale Grippe hervor. Der Anteil der Virustypen bzw. Subtypen an den Influenza-Erkrankungen schwankt von Jahr zu Jahr, die Saison 2005/06 war z. B. von Influenza B-Viren dominiert und relativ schwach, während in der Saison 2004/05 Influenza A/H3N2-Viren vorherrschten und eine viel stärkere (und für das Gesundheitssystem folgenreichere) Grippewelle verursachten. Typischerweise baut sich eine saisonale Welle, häufig im Süden beginnend, in wenigen Wochen auf, bevor ganz Deutschland erfasst ist. Die zwischen 2003 und Mitte 2007 aufgetretenen Fälle von aviärer Influenza mit A/H5N1- bzw. A/H7N7-Viren beim Menschen sind Zoonosen, d. h. die Influenzaviren verursachen eine Infektion bei Vögeln und können bei engem Kontakt vom Tier (Wildvögel oder Geflügel) auf den Menschen übertragen werden. Generell treten in denjenigen Ländern die meisten laborbestätigten Erkrankungen von A/H5N1 bei Menschen auf, aus denen auch die meisten Ausbrüche bei Geflügel gemeldet werden. Für das Ausbrechen einer Influenzapandemie müssen folgende Faktoren gegeben sein: Es muss sich ein neuer Influenzasubtyp (z. B. H5 oder H2) in der Bevölkerung etablieren, 1. der pathogen ist, 2. der leicht von Mensch zu Mensch übertragbar ist 3. und gegen den ein Großteil der Bevölkerung nicht immun ist. Die erste und dritte Bedingung werden vom aviären Influenzavirus A/H5N1 erfüllt, weshalb dieses Virus als ein möglicher Kandidat für das nächste pandemische Influenzavirus angesehen wird. Das Virus H5N1 ist derzeit keine besondere Gefahr für den Menschen und das Risiko einer Pandemie durch den Ausbruch in Mitteleuropa nicht erhöht. Die Risiken des Vogelgrippevirus H5N1 sind in folgenden Punkten zu sehen (Stand April 2006):  Extrem aggressiv (virulent) – Letalität bei Hühnern > 95 % – Bei Menschen > 50 %  In Asien außer Kontrolle  Ausbreitung über Zugvögel (Afrika)  „Cluster“ in N-Vietnam, 7 der 10 Mutationen gefunden Überspringen auf den Menschen könnte eine Pandemie nach Art der „Spanischen Grippe“ auslösen. Nach Annahmen des Robert-Koch-Institutes ist im Falle einer Pandemie für die Bundesrepublik Deutschland innerhalb 8 Wochen („Peak“) mit folgender Situation zu rechnen:

306

10

Erkrankungsrate: Arztbesuche: Klinikeinweisungen: Tote:

Krisenmanagement

15–50 % 6 bis 21 Mio. 180.000 bis 600.000 48.000 bis 160.000

Hierbei handele es sich um optimistische Schätzungen, da man hierbei von einer Pathogenität der „Honk Kong-Grippe“ ausgegangen ist und nicht von der höheren Pathogenität der „Spanischen Grippe“. Welcher Betrieb kann einen so hohen Ausfall im Bereich Human Ressources verkraften? Wie viele Betriebe haben sich darauf vorbereitet? Wer denkt auch an die angehörigen seiner Mitarbeiter? Kein Familienvater wird in dieser Situation mit seinen Gedanken im Betrieb sein wenn er überhaupt zur Arbeit kommt (siehe Anlage 2). I

Tipp Durch eine Pandemie würde neben den unmittelbaren gesundheitlichen Auswirkungen auf die Bevölkerung auch die Wirtschaft in Mitleidenschaft gezogen werden!

Zu den besonders betroffenen Wirtschaftszweigen werden wahrscheinlich die Tourismusindustrie, die Gastronomie, die Unterhaltungsindustrie (Konzerte, Großveranstaltungen), das Transportwesen und der Groß- und Einzelhandel gehören. Es wird erwartet, dass pharmazeutische Unternehmen und Hersteller von Schutzausrüstungen aufgrund der starken Nachfrage in diesem Sektor von einer Pandemie zumindest wirtschaftlich profitieren werden. Alle Branchen wären aber während des Pandemiegipfels im eigenen Land durch den Ausfall an Arbeitskräften (eigene Mitarbeiter, Zulieferer, Kooperationspartner) betroffen. Schätzungen gehen bei einem schweren Szenario (wie 1918) von einem Abfall des Bruttoinlandsprodukts (BIP) um 5 % im Pandemiejahr aus, bei einem leichteren Szenario wird mit einer Reduktion des BIP von 1,5 % gerechnet. Nicht zu vernachlässigen sind auch die rein psychologischen Auswirkungen in der Bevölkerung. Als im Frühjahr 2006 auf Rügen A/H5N1-Viren in toten Wildvögeln gefunden wurden, weckten und schürten entsprechende Medienberichte ungerichtete Ängste vor einer Influenza-Pandemie. Die Landwirtschaft und der Tourismus waren die beiden Branchen, die diese Befürchtungen am deutlichsten zu spüren bekamen. Die Bevölkerung und die Wirtschaft müssen sich auf eine über Wochen bis Monate andauernde, ernste Beeinträchtigung einstellen, die wahrscheinlich sämtliche Bevölkerungsschichten betreffen wird. Wann eine solche Bedrohung entstehen kann, lässt sich nicht vorhersagen. Gerade deshalb ist jedes Unternehmen aufgefordert, in der Zeitspanne davor eine möglichst weit reichende und effiziente Vorbereitung für den Pandemiefall zu treffen, da die Zeit zwischen Ausrufung/Feststellung der Pandemie und den Auswirkungen eines solchen Geschehens unter den heutigen Umständen der Globalisierung (Flugverkehr u. ä.) außerordentlich schnell gehen kann. Nur wenn in der Wirtschaft und in öffentlichen Institutionen Verantwortlichkeiten für den Ernstfall definiert, Informationsstränge etabliert und Notfallszenarios festgelegt sind, lassen sich die Folgen einer möglichen Pandemie, sowohl

10.15

Chancenpotenziale nutzen (Abb. 10.10)

307

was die Last in der Bevölkerung durch Krankheit und Tod als auch die wirtschaftlichen Folgen betrifft, so gut wie möglich in Grenzen halten. I

Tipp In diesem Szenario findet sich eine ausgeprägte Schnittstelle zwischen Krisenprävention und betrieblichem Gesundheitsmanagement!

10.15 Chancenpotenziale nutzen (Abb. 10.10) Neben den Gefahren bietet jede Krise auch nutzbares Chancenpotenzial. Unternehmenskrisen müssen daher auch immer als Chance zum Neustart gesehen werden. Diese Phase wird auch als „Recovery als Neustart“ bezeichnet. In dieser Phase gilt es vor allem, das Vertrauen der Kunden und der Öffentlichkeit in das Unternehmen zurück zu gewinnen. Eine Unternehmenskrise muss aber auch intern gegenüber den eignen Führungskräften und Mitarbeitern mental bewältigt werden. Je schneller diese Phase erreicht wird, desto weniger Schaden erleidet ein Unternehmen.

Chancenpotenziale bei Unternehmenskrisen Aufbau neuer Strukturen

Erschließung neuer Märkte Hohe Aufmerksamkeit

Entwicklung neuer Produkte

Vertrauensbeweis gegenüber Kunden Recovery als Neustart Zugewinn an Image/Reputation

Abb. 10.10 Chancenpotenziale bei Unternehmenskrisen. (Pachurka und Siegmann 2007)

308

10

Krisenmanagement

10.16 Business Continuity Management (BCM), Business Continuity Planning (BCP), Supply Chain Management (SCM) Die Geschäftsführung eines Unternehmens muss in die Lage versetzt werden, innerhalb kürzester Zeit alle Maßnahmen zur Wiederherstellung des „Normalzustandes“ – der Business Continuity – zu beschließen. Business Continuity Management (BCM) gewährleistet die Erhaltung der Geschäftstätigkeit auch im Notfall und ist damit Ausdruck einer verantwortungsbewussten Geschäftsführung. Schließlich fordern Kunden, Anleger und Gesetze höchste Verfügbarkeit von Geschäftsprozessen. Die verschiedenen Bereiche der Wertschöpfungskette hängen voneinander ab, gehen ineinander über und werden laufend verändert. Genau hier ist ein ganzheitlicher Lösungsweg notwendig, um Mehraufwand teurer Einzelaktionen in den Ressorts zu vermeiden und die Funktionsfähigkeit des Unternehmens und dessen Prozesse umfassend und übergreifend abzusichern. Viele glauben, für die entstehenden Schäden sind die Sach- und Betriebsunterbrechungsversicherungen da: Die wahren Risiken liegen jedoch im Kunden- und Marktanteilsverlust – hier können sich die Unternehmen nur selbst helfen. Dagegen kann man sich nicht versichern. Eine Notfallplanung oder Wiederanlaufplanung (Business Continuity Planning (BCP)) ist als „Geschäftsaufrechterhaltungs- und -fortsetzungsplanung“ Bestandteil des Risikomanagements und indirekt aus dem KonTraG abzuleiten (Keitsch 2004). Hiefür sind präventiv im Rahmen des BCM Betriebsaufrechterhaltungs- und -fortsetzungsprozeduren zu entwickeln und zu trainieren um die Unternehmenswerte proaktiv zu schützen. Im Bereich des BCM gibt es einen internationalen Standard, den ISO/PAS 22399:200712 „Societal security – Guideline for incident preparedness and operational continuity management“ (Sicherheit und Schutz des Gemeinwesens – Leitfaden für Planung, Vorbereitung und operationelle Kontinuität), der einige Hilfestellungen bietet (Abb. 10.11). Viele der Betriebsprozesse erstrecken sich entlang der logistischen Wertschöpfungskette (Supply Chain): Die besonderen Eigenschaften des (Gesamt-)Systems „Supply Chain“ ergeben sich dabei aus dem spezifischen dynamischen Zusammenwirken der Lieferkettenglieder. Der Begriff des „Supply Chain Management (SCM)“ wurde Anfang der 80er Jahre des vergangenen Jahrhunderts in den USA geprägt. Hier entstand der Gedanke der Integration von verschiedenen Unternehmensaktivitäten. In den 90er Jahren rückte der Begriff vermehrt in den Bereich der Logistik. Aus der Perspektive des SCM folgt die Logistik einem prozessorientierten Ansatz. Übersetzen lässt sich SCM mit dem Management von Versorgungsketten, Lieferketten bzw. Wertschöpfungsketten. Daran wird sofort erkennbar, welches Krisenpotenzial hier zu finden ist. I

Tipp Am Beispiel des Supply Chain Management wird deutlich dass im gesamten betrieblichen Management nur ein umfassender Ansatz Erfolg verspricht. Auch alle Zulieferer sind im Krisenmanagement als Teil des Risikomanagements zu betrachten!

10.16

Business Continuity Management (BCM)

Planung

Analyse der Auswirkung

Recovery Strategie

Systeme, Geschäsakvitäten idenfizieren

Krische Geschäsabläufe verifizieren

Strategien für Geschäsbereiche definieren

BCP-Verantwortliche festlegen

Ausfallrisiken quanfizieren

Krisenmanagement benennen

309

Dokumentaon Einführung

Erstellung von Noallrichtlinien, Testplänen, Checklisten

Test

Durchführung, Dokumentaon, Report

Regelmäßige Anpassung

Aktualisierung, Anpassung, Verbesserung

Recovery Anforderungen festlegen

Abb. 10.11 Implementierung eines Business Continuity Management als elementarem Bestandteil der Prävention. (Abbildung in Anlehnung an Keitsch 2004)

Im Rahmen des Supply Chain Managements (SCM) muss alles betrachtet werden, was entweder in den Betrieb reinkommt (Energie, Rohstoffe etc.) oder wieder raus muss (Produkte, Abfall etc.). Kommt es nur in einem Bereich zu logistischen Problemen oder Engpässen, kann unter Umständen die ganze Produktion still stehen. Ressourcen, die für die kritischen Prozesse eines Unternehmens erforderlich sind, müssen auch im Katastrophenfall zur Verfügung stehen. Bekommt man das Problem nicht schnell genug in den Griff, kann es zu einer Krise führen. Unternehmenskrisen wird es immer geben. Nicht jede Unternehmenskrise ist vermeidbar. Jedoch gibt es systematische proaktive Herangehensweisen, die helfen, Warnsignale frühzeitig wahrzunehmen, Krisenpotenziale zu erkennen und zu antizipieren, Infrastrukturen aufzubauen, Abläufe einzuüben und Mitarbeiter zu schulen. Mit Hilfe einer professionellen Krisenprävention und -bewältigung lassen sich sowohl die Handlungsspielräume als auch die Werte für ein Unternehmen langfristig erhalten. Krisenvorsorge sollte auch unabhängig von der Unternehmensgröße betrieben werden. Vorbereitete Unternehmen bewältigen eine Krise besser als unvorbereitete. Insgesamt hängt auch sehr viel von der Qualität der Unternehmensführung und dem vorhandenen Krisenbewusstsein eines Unternehmens ab. I

Tipp Proaktive Krisenvorsorge ist daher eine wertschöpfende Investition in die Zukunft eines jeden Unternehmens. Das Undenkbare kann schon Morgen in Form einer Krise Realität werden!

310

10

Krisenmanagement

10.17 Krisenkommunikation und Social Media Heutzutage kommt bei der Krisenkommunikation fast kein Unternehmen mehr um die Einbeziehung des Internets und um die sozialen Medien herum. Das gilt auch für Behörden, Berufsgenossenschaften, Institutionen, Kommunen und Organisationen. Insbesondere Aktualität, Anonymität, Schnelligkeit und Reichweite verleihen dem Internet die Doppelfunktion des Feuerlöschers und des Brandbeschleunigers. Fluch oder Segen? In Blogs, Chats und Diskussionsforen können Menschen ihre Ängste, Informationen, Meinungen oder Gerüchte in Windeseile verbreiten. Unternehmen, die nicht in der Lage sind darauf rechtzeitig zu reagieren, können schnell ins Hintertreffen geraten. Umgekehrt bietet das Internet den Unternehmen aber auch eine ideale Informations-, Dialog- und Beobachtungsplattform für die eigene Krisenkommunikation, so dass Fakten zeitnah eingestellt sowie Gerüchte oder Falschmeldungen schnell wieder richtig gestellt werden können. Für jedes Unternehmen ist es daher von steigender Bedeutung im Rahmen seines „Issue Management“ auch diese Medien intensiv zu beobachten (Abb. 10.12). Dieses Instrument ist ein wichtiger Teil des antizipativen Krisenmanagements. Das „Issues Management“ ist bereits seit den 1980er Jahren in den USA ein wichtiges Management-Thema und findet seit Ende der 1990er Jahre im europäischen Raum ebenfalls Anwendung. Diese Bezeichnung „Issue“ entstammt dem angelsächsischen Sprachraum. Eine wörtliche Übersetzung ins Deutsche wäre „Thema, Angelegenheit etc.“, darunter versteht man in diesem Zusammenhang insbesondere ein Thema öffentlichen Interesses mit hohem Konfliktpotenzial. Issues Management dient als Früherkennungssystem für schwache Signale aus dem Unternehmensumfeld.

Abb. 10.12 Jedes Unternehmen sollte im Rahmen seines Issues Management auch die gängigen „Social Media“ berücksichtigen. (Bild: Fotolia)

10.18

Homepages und Dark Sites

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Durch das „Issues Management“ hat ein Unternehmen oder Organisation also die Möglichkeit, schnell, flexibel und vor allem sensibel auf jede Nachricht und Entwicklung zu reagieren, die für die Identität und Wahrnehmung der Unternehmensmarke wichtig ist und bei Nichtbeachtung Krisenpotenzial entwickeln kann. Das Issue Management lässt sich dabei in fünf Phasen unterteilen:  „Scanning“: Die Identifikation von Issues als grundlegende und somit fast schon wichtigste Phase  „Issues Monitoring“: Analyse und Beobachtung der öffentlichen Meinung und Medien (dazu zählen mittlerweile natürlich auch die „Social Media“)  „Strategic issue diagnosis“: Die strategische Prüfung und Einstufung  „Message Formating“: Wahl der grundlegenden Reaktion/Antwort auf strategische Issues. Hierbei kann noch mal zwischen einem proaktivem und reaktivem Vorgehen unterschieden werden  „Incorporation into strategic plan“: Integration in die strategische Planung Issues durchlaufen im öffentliche Fokus einen Lebenszyklus: Je weiter das Issue in seinem Lebenszyklus voranschreitet, desto geringer wird gleichzeitig die Einflussmöglichkeit des betroffenen Unternehmens. In den USA gilt das Issues Management mittlerweile als Selbstverständlichkeit, in Deutschland hingegen hinkt man dieser Entwicklung noch hinterher. Im Zeitalter des Internets bieten spezialisierte Firmen z. T. bereits ein professionelles „Online-Monitoring“ an. Sie durchsuchen dabei regelmäßig im Auftrag ihres Kunden das Internet nach bestimmten Begriffen und Begriffskombinationen, die in den Interessenbereich des Kunden fallen und können so frühzeitig auf Entwicklungen mit Krisenpotenzial hinweisen. Nach Angaben des PR-Trendmonitor September 2010 (Faktenkontor GmbH) führten 50 bis 60 % der Pressestellen bzw. Agenturen bereits ein regelmäßiges Webmonitoring für Ihre Unternehmen bzw. Kunden durch. Die gleiche Studie ergab, dass die Pressestellen und Agenturen die „Social media allgemein“ als aktuelle Top-No.-1-Herausforderung auch für sich selbst ansahen. Auch kleine und mittlere Unternehmen sollten zumindest die regionalen Medien und Fachzeitschriften ihrer Branche regelmäßig beobachten. Es ist kein großer Aufwand sich von einem Mitarbeiter des Unternehmens einen wöchentlichen Pressespiegel zusammenzustellen zu lassen zu allen relevanten Themen, die das Unternehmen betreffen.

10.18 Homepages und Dark Sites Heutzutage hat fast jedes Unternehmen eine eigene Internetpräsenz (Abb. 10.13). Viele nutzen diese Präsenzen auch, um in Krisensituationen schnell reagieren zu können. Krisen laufen fast immer unter einem enormen Zeitdruck ab. Unternehmen sollten daher schon

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Krisenmanagement

Abb. 10.13 Das Internet verbindet die Welt, dadurch werden aber auch alle Meldungen und Gerüchte weltweit für Jedermann verfügbar. (Bild: Fotolia)

Abb. 10.14 Eine vorbereitete „Dark Site“ und geeignete Auftritte in den gängigen Social Media können in Situationen mit Krisenpotenzial schnell freigeschaltet werden und auch bereits im Vorfeld in der Community das Bild des Unternehmens positiv beeinflussen. (Bild: Fotolia)

im „Normalzustand“ im Rahmen ihrer Krisenprävention z. B. so genannte „Dark-Sites“ vorbereiten (Abb. 10.14). Hierbei handelt es sich um Webseiten mit Hintergrundinformationen über das Unternehmen und seine Produkte, die im Krisenfall freigeschaltet werden. Der Wert solcher „Dark Sites“ ergibt sich aus unterschiedlichen Aspekten. Einerseits können sich Journalisten, Anwohner und die Öffentlichkeit unmittelbar über die Ereignisse informieren, andererseits dokumentiert das Unternehmen durch die schnelle Reaktion im Internet, dass es die Ereignisse ernst nimmt. Der Verdacht, etwas würde verharmlost und vertuscht, kommt somit gar nicht erst auf. Auch bekommen die Journalisten „Futter“, sie brauchen sich keine Informationen ausdenken, sondern können auf fertige Texte und Bilder zurückgreifen.

Literatur

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„Klassiker“ wie die Suchmaschine „Google“ beschreiten in der Krisenkommunikation neue interaktive Wege: Nach dem verheerenden Erdbeben in Japan wurden etliche Menschen vermisst und mit dem „Person Finder“ konnte vielen geholfen werden, Informationen über den Aufenthaltsort oder Gesundheitszustand der Vermissten in Erfahrung zu bringen (http://google.org/personfinder/global/home.html). Dieses Beispiel zeigt, welche innovativen Möglichkeiten sich auch im Katastrophenschutz durch die neuen Anwendungen bieten. Zusammenfassung

Zwischenfälle, die Betriebsabläufe stören oder Unternehmen schädigen, treten häufig auf. Notfälle ereignen sich seltener, Katastrophen sind die Ausnahme. Außergewöhnliche Ereignisse können ein Unternehmen jederzeit treffen. Sie können plötzlich eintreten, oder sich langsam anbahnen. Man kann sich von ihnen überraschen lassen, oder man kann glauben, darauf vorbereitet zu sein. Die Auswirkungen können in beiden Fällen verheerend sein. Viele Unternehmen sind auf unerwartete Ereignisse nicht ausreichend vorbereitet. Beim Eintritt eines Ernstfalls sind nicht nur technische Anlagen und die Funktionsfähigkeit des Unternehmens bedroht sondern auch das Leben von Menschen. Zwischenfälle, Notfälle und Katastrophen wie zum Beispiel Naturereignisse, Sabotageakte oder Terroranschläge treten in unterschiedlicher Ausprägung, zu jeder Tages- und Nachtzeit sowie meist vollkommen unerwartet auf. Nicht immer kann man alle Ursachen vorhersehen, wohl aber deren Folgen für das Unternehmen. Die Auswirkungen von Notfällen und Katastrophen können für Unternehmen erheblich sein und im schlimmsten Fall zu einer existenzbedrohenden Krise führen. Ein Krisenmanagement ist optimal, um sich und seine Mitarbeiter bereits im Vorfeld auf solch außergewöhnliche Situationen vorzubereiten. Ziel ist es, Ausfallwahrscheinlichkeiten zu reduzieren und Handlungsfähigkeiten zu gewährleisten.

Literatur Verwendete Literatur Dreyer, A.: „Krisenmanagement im Tourismus: Grundlagen, Vorbeugung und kommunikative Bewältigung“ München, Wien: Oldenbourg, 2001 HVBG: „Visionen für die Prävention – Leitgedanken zur zukünftigen Gestaltung der berufsgenossenschaftlichen Prävention“ Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften, St. Augustin, 2004 Keitsch, D: „Risikomanagement“ Schäffer-Poeschel Verlag Stuttgart, ISBN 3-7910-2295-4, 2. Auflage, 2004 Krystek, U.: „Unternehmenskrisen: Beschreibung, Vermeidung und Bewältigung überlebenskritischer Prozesse in Unternehmungen“ Gabler. Wiesbaden 1987 Mörle, H: „Krisen-PR“ F.A.Z.-Institut für Management-, Markt- und Medieninformationen, ISBN 3-934191-835, Frankfurt am Main, 2004

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Krisenmanagement

Pachurka, C.: „Technische Krisenprävention“ Verlag Technik und Information, Bochum, ISBN 9783-934966-76-5, 2008 Pachurka, C., Siegmann, S.: „Krisen erkennen, bewältigen und vorbeugen – Unternehmenswerte proaktiv schützen –“ Praktische Arbeitsmedizin, 8, 12–17, ISSN 1861-6704, BsAfBEigenverlag, 2007 Romeike, F: „Lexikon Risiko-Management“ WILEY VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, ISBN 3527-50112-6, 1. Auflage, 2004

Weiterführende Literatur Bédé, A, Buerschaper, C, Pohl, G: „Krisenmanagement – Strategien im Krisen- und Notfallmanagement“ Virtuelle Rechtsbibliothek, UBMEDIA, 2006 Belfor international journal: „Phoenix oder Pleite ?“ Belfor international GmbH, Duisburg, 02, 2004 Burgartz, Röhrig, Information Security Management, Praxishandbuch für Aufbau, Zertifizierung und Betrieb, Grundwerk 2003 Kiparski R. v., Siegmann S.: Gefährdungs-/Belastungsanalysen, In: arbeitsmedizin und arbeitsschutz aktuell, 1998, 201–209 Nohl J, Thiemecke H.: Systematik zur Durchführung von Gefährdungsanalysen, Verlag für neue Wissenschaft GmbH, 1988 Pachurka, C., Siegmann, S., Tenckhoff, B.: „Schutz von Unternehmenswerten durch Krisenmanagement“ Sicherheitsingenieur, 8, 11–17, Dr. Curt-Haefner Verlag, Heidelberg, 2007 Prof. Dr. Günter Schulz, Prof. Bernd Tenckhoff – Vernetztes Betriebssicherheitsmanagement als Teil der Unternehmensstrategie für die Zukunft – Sicherheitsingenieur 11/2004 Bernhard Tenckhoff, Silvester Siegmann – Betriebssicherheitsmanagement, Ganzheitliche Anforderungen erfordern ganzheitliche Systeme – DGUV Forum August 2010 Wittmann, A., Siegmann, S. (2008): Gefährdungsbeurteilung und Risikomanagement. Ecomed sicherheit, Verlagsgruppe Hüthig Jehle Rehm, Landsberg a. L., Loseblattsammlung

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Schlusswort

Mit dem Betriebssicherheitsmanagement-System wird allen Unternehmen die Möglichkeit geboten, ein Führungsinstrument zur Anwendung zu bringen, mit dem die künftigen Anforderungen an ein ganzheitliches Risikomanagement erfüllt werden können. Das Ziel ist es dabei, die Absicherung des Unternehmens im Wettbewerb zu gewährleisten. Der ganzheitliche Ansatz und die Vernetzung aller Disziplinen im Betriebssicherheitsmanagement lassen es zu, alle Abläufe im Unternehmen transparent zu gestalten und mit hoher Effizienz durchzuführen. Ausschlaggebend ist dabei die Einstellung des Unternehmers und seiner Führungskräfte zu allen Mitarbeitern. Gelingt es der Führung die Aufmerksamkeit auf die unerschöpflichen Potentiale der Mitarbeiter zu richten und sie zu motivieren, so werden sich alle Mitarbeiter mit ihrer Arbeit und dem Unternehmen identifizieren. Das Ergebnis sind qualitativ hochwertige Produkte und Dienstleistungen. Das Betriebssicherheitsmanagement-System stellt dabei nichts Neues dar. Es ist die Vorgehensweise die sich geändert hat und besonders das Zusammenspiel aller Akteure untereinander. Der Betriebssicherheitsmanager ist neu. Er ist derjenige, der mit einer speziellen Qualifikation ausgestattet, allen im Unternehmen dienend zur Verfügung steht. Er vernetzt die Disziplinen zu einer abgestimmten ganzheitlichen Vorgehensweise, ist Fachberater in allen Fragen von Sicherheit und Umweltschutz, gilt als Sprachrohr zu den Behörden und lenkt die Geschicke des Krisenstabs. Alle seine Arbeiten sind präventiv angesetzt und verfolgen das Ziel, ein gesundes Unternehmen mit zu gestalten. Er kann allerdings nur wertvolle Arbeit leisten, wenn alle von der Geschäftsleistung beginnend ihn unterstützen und akzeptieren. In großen Unternehmen kann dies der Betriebssicherheitsmanager natürlich nicht alleine. Deshalb ist es ratsam, alle seine Aufgaben in einer Stabsabteilung, dem Betriebssicherheitsmanagement, zu vereinen. Der Betriebssicherheitsmanager arbeitet primär auf der Führungsebene. Die klassischen Beauftragten in Arbeitssicherheit, Umweltschutz usw. wird es in größeren Unternehmen auch weiterhin geben müssen. Sie betreuen die Mitarbeiter unmittelbar vor Ort und sind Bindeglied zu den Führungskräften und zum Betriebssicherheitsmanager. © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019 B. Tenckhoff und S. Siegmann, Vernetztes Betriebssicherheitsmanagement, VDI-Buch, https://doi.org/10.1007/978-3-662-48441-8_11

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Schlusswort

Gelingt es dem Unternehmer, mit solch einer Organisation einen neuen Geist zu schaffen, so braucht er den immer härter werdenden Wettbewerb nicht zu fürchten. Die hohen Veränderungsgeschwindigkeiten in der Wirtschaft werden sich nicht verlangsamen. Sie werden sich im Gegenteil weiter erhöhen. Daher ist es heute schon wichtig, nach Wegen zu suchen, wie ein Unternehmen mit den vorhandenen Ressourcen überleben kann. Der Arbeitsmarkt bietet in den nächsten Jahren immer weniger hochqualifizierte Fachkräfte an. Das Rennen um die guten Leute hat bereits begonnen und wird sich noch enorm verstärken. Derjenige, der die vorhandenen Potentiale optimal fördert gewinnt die notwendige Zeit, um sich frühzeitig um den notwendigen Nachwuchs zu bemühen. Die beste Möglichkeit dazu ist die Ausbildung von jungen Menschen. Mit der innerbetrieblichen Berufsbildung hat das Unternehmen die Möglichkeit, eine bedarfsgerechte Qualifikation durchzuführen und gleichzeitig die Sicherheits- und Gesundheitsphilosophie des Unternehmens von Anbeginn in der Verhaltensweise des Nachwuchses zu einer Gewohnheit werden zu lassen. Eine so vollzogene Ausbildung prägt für das gesamte Berufsleben und verstärkt die Bindung zum Unternehmen. Die Investition in den eigenen Nachwuchs ist die beste Kapitalanlage eines Unternehmers und eine optimale Zukunftssicherung. Einige Gremien und Hochschulen haben damit begonnen das Berufsbild des Betriebssicherheitsmanagers zu gestalten und ihn zu qualifizieren. Das ist sicher erst der Anfang eines Entwicklungsprozesses, den es weiterhin auszubauen gilt. Die Autoren haben sich bemüht, dazu Anregungen und Diskussionsgrundlagen zu geben.

Weiterführende Literatur

Adenauer, S. (2002): Die Potenziale älterer Mitarbeiter im Betrieb erkennen und nutzen. Angewandte Arbeitswissenschaft. 172 BAuA (Hrsg.) (2004): Mit Erfahrung die Zukunft meistern! Altern und Ältere in der Arbeitswelt. Dortmund: Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin GfAH / Prospektiv (Hrsg.) (2003): Altersstrukturanalyse aZG© – aus der Zukunft in die Gegenwart. www.intergenerative-personalpolitik.de IIP (Institut für Industriebetriebslehre und Industrielle Produktion der Universität Karlsruhe) (Hrsg.) (2003): Ergebnisse des Projektes Respect. www-iip.wiwi.uni-karlsruhe.de/index.htm INIFES (Internationales Institut für empirische Sozialökonomie Stadtbergen) und SÖSTRA (Institut für Sozialökonomische Strukturanalysen Berlin) (2000): Unternehmensbefragung, 38. In Buck, H., Kistler, E., Mendius, H. G.: Demografischer Wandel in der Arbeitswelt. www.demotrans.de Kentner, M. (2005): Zehn Thesen zum demographischen Wandel in Verbindung mit der Arbeitswelt. Arbeitsmed. Sozialmed. Umweltmed. 40, 2. 74–77 Köchling, A. (2003): Leitfaden zur Selbstanalyse altersstruktureller Probleme in Unternehmen. Dortmund: Gesellschaft für Arbeitsschutz- und Humanisierungsforschung Langhoff, Th. (2003): Betriebliche Gestaltung des demografischen Wandels, 29. In: G.I.B info 3/2003 Arbeitspolitik und Demografischer Wandel. Bottrop: Gesellschaft für innovative Beschäftigungsförderung Trauboth, J. H.: „Schutz der Mitarbeiter im Ausland: Sicherheit der Mitarbeiter vs. wirtschaftliche Sparzwänge?“ 2. Europäischer Kongress für Krise & Management, Wien, 20. & 21. April 2005

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019 B. Tenckhoff und S. Siegmann, Vernetztes Betriebssicherheitsmanagement, VDI-Buch, https://doi.org/10.1007/978-3-662-48441-8

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Stichwortverzeichnis

A Abbruchprojekt, 247 Abfall, 240 Abfallbilanz, 247 Abfallsatzung, 240 Abfallschlüsselnummer, 240 Abfallverzeichnis, 239 Abfallwirtschaftsbehörde, 240 Abgrenzung, 13 Ablauf, 59, 63 Ablauforganisation, 59, 73 Abrissgenehmigung, 244 Abschlussdokumentation, 243 Absentismus, 23, 171, 181 Akkreditierungssystem, 157 Aktiengesellschaft, 129 Aktienrecht, 129 Alarmplan, 301 Alternde Gesellschaft, 172 Altersstruktur, 173 Altersstrukturanalyse, 175 Altersverteilung, 175 Alterszusammensetzung, 172 Altlastenverordnung, 238 Analyse, 116 Anerkennung, 18 Angst, 9 Anlagenmanagement, 48 Anordnungsbefugnis, 212 Anschläge, 275 Anspannung, 9 Anweisung, 204 Arbeit, 25 Arbeitnehmervertreter, 63 Arbeitnehmervertretung, 284 Arbeitsausführung, 6

Arbeitsbedingung, XI, 2, 209 Arbeitsbereich, 6 Arbeitsfähigkeit, 22, 175 Arbeitsgruppe, 14 Arbeitsintensität, 163 Arbeitskräftedefizit, 168 Arbeitsmarkt, 1 Arbeitsmotivation, 15 Arbeitsorganisation, 30 Arbeitsplatzbeurteilung, 192, 209 Arbeitspräsenz, 171 Arbeitspsychologe, 8 Arbeitsschutzaufsicht, 106 Arbeitsschutzausschuss, 211 Arbeitsschutzausschusssitzung, 211 Arbeitsschutzberater, 197 Arbeitsschützer, 8 Arbeitsschutzgesetz, 14 Arbeitsschutzleistung, 156 Arbeitsschutzphilosophie, 80 Arbeitssicherheitsrecht, 196 Arbeitsstrukturierung, 30 Arbeitssystem, 182 Arbeitsteilung, 84 Arbeitsumgebung, 6 Arbeitsunfähigkeit, 168, 189, 191 Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, 192 Arbeitsverhalten, 179 Arbeitsverhältnis, 189, 216 Arbeitswelt, 67 Arbeitszufriedenheit, 118 ArbMedVV, 184 Archivierung, 262 Archivierungssystem, 263 Artikelgesetz, 128 Audit, 236 319

320 Aufbauorganisation, 72 Aufbereitung, 246 Aufgabenelement, 85 Aufgabenfelder, 210 Aufgabengebiet, 100 Aufgabenverteilung, 206 Aufsichtsbehörde, 12 Aufsichtsführende, 14 Aufsichtsperson, 202 Auftragsdatenverarbeitung, 250, 259 Auftragsschwerpunkt, 266 Ausfallkosten, 80 Ausfalltage, 36, 63, 65 Ausfallwahrscheinlichkeit, 142 Authentizität, 255

B Bankenaufsicht, 137 Bankenregulierung, 143 Baseler Ausschuss, 137 Basel II, 120 Basisqualifikation, 25 Bauherr, 70 Bauordnungsbehörde, 241 Bauschutt, 245 Bauschuttmasse, 243 Baustelle, 14 Baustellenabfall, 239 Baustellen-Verordnung, 298 Baustellenverordnung, 14 Baustoffe, 239 Beanspruchung, 165 Beanspruchungsfolgen, 166 Beauftragter, 221 Befähigungsnachweis, 11 Befindensbeeinträchtigung, 164 Befunde, 185 Begehung, 209 Behörde, 46 Belastung, 3, 165 Belastungsanalyse, 197 Belastungsstrukturwandel, 166 Belastungs-Beanspruchungskonzept, 165 Benutzerverwaltung, 259 Benutzungszwang, 246 Berater, 57 Berufsausbildung, 10 Berufserfahrung, 77

Stichwortverzeichnis Berufsgenossenschaft, 35 Beschuldigte, 107 Best-Arbeiter, 85 Betreiberpflicht, 98 Betreiberverantwortung, 98, 99 Betriebsanweisung, 204 Betriebsarzt, 206 Betriebsbesichtigung, 202 Betriebsführung, 55 Betriebsklima, 36, 52, 66 Betriebskosten, 139 Betriebskrankenkasse, 35 Betriebsmittel, 244 Betriebsmittelfreiheit, 245 Betriebsorganisation, 74 Betriebspflicht, 132 Betriebsrat, 210 Betriebssicherheit, 16 Betriebssicherheitshandbuch, 41 Betriebssicherheitsmanagement, X, 41, 68 Betriebssicherheitsmanagement-System, X Betriebssicherheitsmanager, X Betriebssicherheitspolitik, 53, 54 Betriebssicherheitsverordnung, 14 Betriebsstunde, 79 Betriebssystemebene, 258 Betriebsverfassungsgesetz, 210 Bevölkerungsrückgang, 168 Bevölkerungszahl, 173 Beweislastregelung, 129 Beweislastumkehr, 128, 133 Bewertung, 99 Bewirtschaftung, 87 Bildschirmarbeitsplatz, 166, 193 Bildschirmsperre, 258 Biodiversität, 233 Bodenaushub, 239 Bodenschutzbehörde, 241 Bottom-up, 43 Brand, 289 Brandschaden, 289 Brandschadensanierung, 298 Brandschutz, 125 Brandschutzbeauftragte, 297 Brandschutzkonzept, 290, 295 Buchungsbeleg, 261 Bündelung, VIII Bundesbodenschutzgesetz, 238 Bundesdatenschutzgesetz, 190

Stichwortverzeichnis

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Burn-out, 9 Business Continuity Management (BCM), 308

Doppelarbeit, 68 Durchlaufgeschwindigkeit, 85

C Chancenpotenzial, 307 Change-Management, 273 Checkliste, 285 Compliance, 24, 67 Computer Based Training, 18 Controlling, 51, 118 Controlling-Instrument, 119 Corporate Governance, 128 Corporate Governance Kodex, 129 Corporate Social Responsibility, 47 credible worst case, 146

E Effektivität, 83 Effizienz, 1 Effizienzsteigerung, VI, 54, 63 Eigenkapital, 137 Eigenkapitalkosten, 138 Einbauten, 244 einfache Fahrlässigkeit, 101 Einflussfaktor, 5, 38 Einflussmöglichkeit, 311 Eingliederungsmanagement, 185 Einsatzbereitschaft, 52 Einsatzzeit, 193 Einstellungswandel, 177 Einwilligung, 252 Einzelbetrachtung, 83 Einzelprozess, 57 EMAS (Eco Management and Audit Scheme), 232 EMAS-Verordnung, 232 Energieeffizienz, 227 Energieeinsparung, 226 Energieverbrauch, 226 Energiewende, 31 Entgeltfortzahlung, 170 Entscheidungsbefugnis, 135 Entscheidungsprozess, 5 Entscheidungsträger, 135 Entsorgungskonzept, 241 Entwicklung, 41, 84 Entwicklungsressourcen, 44 Erfahrung, 5, 19 Erfolgsgarantie, 52 Ermittlung, 104, 105 Ersatzstoff, 198 Erste-Hilfe-Material, 303 Erste-Hilfe-Personal, 302 Ertragslage, 141 Ertragssteigerung, 80 Erwerbsleben, 173 Europäische Rahmenrichtlinie, 31 Evakuierungshelfer, 220 Evaluation, 179 Evaluationsansatz, 182 Evidenz, 181

D Dark-Sites, 312 Darlehenszins, 138 Daten, 252 Datenerhebung, 250 Datengeheimnis, 251, 253, 264 Dateninfrastruktur, 179 Datenklau, 262 Datenschutz, 249 Datenschutzbeauftragte, 250 Datenschutzmanagement, 48 Datensicherheit, 249 Datenträger, 251 Datenverbindung, 259 Datenverlust, 262 Datenvermeidung, 251 Datenzerstörung, 262 Dauererkrankung, 191 Denken, 8 Depression, 9 Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV), 81 Deutsche Versicherungswirtschaft e. V., 289 Deutsches Institut für Normung e. V., 111 DGUV Vorschrift, 75 Dienstleistung, 197 Dienstleistungsqualität, 47 DIN EN ISO 9000, 112 DIN EN ISO 9001, 113 DIN EN ISO 14001, 231 Dokumentation, 193, 243

322 Existenzgefährdung, 275 Existenzsicherung, 142 Existenzvernichtung, 275 Experte, 69 Exzellenz-Modell, 88

F Fachbereich, 10, 64, 74 Fachexperte, 72 Fachgutachter, 244 Fachkompetenz, 27 Fachkraft für Arbeitsschutz, 206 Fachwissen, 19 Facility Management, 48 Fehlverhalten, 6, 100 Fehlzeiten, 170 Fertigkeit, 19 Fertigungsverfahren, 44 Feuerlöscher, 295 Finanzkennzahl, 119 Firewall, 259 Firmenmanagement, 157 Flächenmanagement, 51 Flucht- und Rettungsplan, 291 Fluktuation, 46, 178 Fordismus, 85 Fortbildungseinrichtung, 75 Fremdfirmenmanagement, 55 Fremdkapital, 137 Frühberentung, 188 Früherkennung, 185 Früherkennungssystem, 283 Fühlen, 8 Führung, 24, 67 Führungsbegriff, 91 Führungsebene, 13 Führungsgremium, 230 Führungsinstrument, 315 Führungskraft, 4 Führungsorganisation, 22 Führungspersönlichkeit, 38 Führungsposition, 29 Führungsprozess, 87 Führungsstil, 26 Führungssystem, 24, 68, 90 Führungsverantwortung, 13 Führungsverhalten, 45, 175 Funktion, 69, 86

Stichwortverzeichnis Funktionsbereich, 43 Funktionsübertragung, 250, 266

G Gebäude, 51 Gebäudemanagement, 49 Gebäudewert, 125 Gefährdungsabschätzung, 241 Gefährdungsanalyse, 197 Gefährdungsbereich, 296 Gefährdungsbeurteilung, 202 Gefährdungssituation, 203 Gefahrenpotenzial, 90 Gefahrstoffrecht, 238 Gefahrstoffverordnung, 196 GEFMA „German Facility Managements Association“, 48 Geldbuße, 103 Genehmigungsverfahren, 242 Generalist, VI, 52 Gereiztheit, 9 Gericht, 102 Gesamtorganisation, 150 Gesamtprojekt, 57 Geschäft, 5 Geschäftsausweitung, 136 Geschäftsfelder, 49 Geschäftskapital, 142 Geschäftsleitung, 32, 70 Geschäftsordnung, 212 Geschäftspolitik, 112 Gesellschaftsrecht, 130 Gestaltung, 41 Gesundheit, 161 Gesundheitsförderung, 20, 162, 175, 181 Gesundheitsmanagement, 20, 46, 149 Gesundheitsmarkt, 161 Gesundheitspotenzial, 46 Gesundheitsprobleme, 8 Gesundheitsressourcen, 46 Gesundheitsschutzkoordinator, 14 Gesundheitsstatus, 161 Gesundheitsteam, 33 Gesundheitswesen, 159 Gesundheitszirkel, 180 Gesundschreibung, 191 Gewässerschutz, 134 Gewerbeabfallverordnung, 239

Stichwortverzeichnis Gratifikationskrisen, 164 grobe Fahrlässigkeit, 101 Großbetrieb, 74 Großschadensereignis, 289 Großunternehmen, 75 Grundausbildung, 10 Grundbedürfnis, 17 Guidelines on Occupational Safety and Health Management Systems, 155

H Haftung, 127 Haftungsanspruch, 104 Haftungskonzept, 236 Haftungsrisiko, 65, 97 Handelsbrief, 261 Handelsgesetzbuch, 261 Handlungsinstrument, 102 Hauptprozess, 87

I Identifikation, 34 Identität, 255 ILO Leitfaden, 155 Immissionsschutz, 134 Immobilien, 49 Immobilienkosten, 50 Inbetriebnahme, 55 Indikator, 20, 79 Industriebrachen, 238 Influenza, 305 Influenzaviren, 305 Information, XI infrastrukturelle Sicherheit, 257 Innovationsfähigkeit, 47, 173 Innovationspotential, 34 Insolvenz, 272 Instrument, 27 Integration, 83, 156 Integrationsamt, 186 Integrationsrahmen, 95 Integrationsvereinbarung, 186 Integriertes Managementsystem, 89 Interessenvertretung, 190 Internationale Arbeitsorganisation, 15 Internationale Vereinigung für Soziale Sicherheit (IVSS), 81

323 Internet, 310 Interventionsdurchführung, 179 Interventionsplanung, 179 Interview, 26 ISO 31000 Risiko Management, 144 ISO Guide 83, 183 ISO-Managementsystemnormen, 231 ISO-Normenreihe 9000, 87 ISO-Normenstruktur, 146 Issues Management, 283 IT-Sicherheit, 76

J Job-Demand-Control-Modell, 163

K Kapital, 12 Kapitaleinsatz, 84 Kapitalgeber, 67 Katastrophe, 30, 45 Kennzahl, 79 Kernaufgabe, 197 Kernelement, 150 Kerngeschäft, 48 Klimawandel, 226 KMU, 75 Kollektiv, 22 Kommunikation, XI Kommunikationskultur, 53 Kommunikationsplattform, 211 Kompensierungskosten, 172 Kompetenz, 5, 23, 32 Konfliktpotenzial, 283 Konkurrenz, 59, 95 Kontaktdaten, 267 Kontamination, 242, 246 Kontextanalyse, 231 KonTraG, 24, 126 Kontrolle, 118 Kontrollrecht, 267 Konzentration, 8, 17 Konzentrationsschwäche, 9 Konzept, 31 Konzern, 67 Konzernrichtlinie, 237 Konzernsprache, 252 Kooperation, 210

324 Kooperationsprojekt, 35 Koordination, 70 Koordinator, 14 Kosten, 32 Krankengeschichtenverordnung, 261 Krankenstand, 170, 188 Krankheit, 162 Krankheitskosten, 168 Krankheitsspektrum, 168 Kreditausfall, 137 Kreditkosten, 136, 139, 142 Kreditsumme, 138 Kreditvergabe, 137 Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes, 238 Kriminalpolizei, 105 Krise, 271 Krisenalarm, 277 Krisenbewältigung, 283 Krisenbewusstsein, 309 Krisenfall, 281 Krisenkommunikation, 271, 277 Krisenmanagement, 80, 275 Krisenmanagementsystem, 281 Krisenorganisation, 286 Krisenpotential, 275 Krisenprävention, 271, 304 Krisenprozess, 282 Krisenstab, 105, 277 Krisenstabsmitglieder, 285 Krisensymptome, 282 Krisenzentrum, 278 Kundenzufriedenheit, 52 Kündigung, 104, 189

L Lagerung, 60 Länderausschuss für Arbeitsschutz, 155 Langzeiterkrankung, 190 Lebenszyklus, 94, 311 Leistungsbereitschaft, 4 Leistungsdruck, 166 Leistungserbringung, 41 Leistungsfähigkeit, 32, 173 Leistungsvoraussetzung, 4 Leiter, 69 Leitfaden, 151 Lenkung, 41, 117 Lenkungskreis, 57, 61

Stichwortverzeichnis Lernen, 8 Liberalisierung, 5 Lieferanten, 44 Liefergarantie, 61 Liegenschaftsverwaltung, 48 Linienfunktion, 135 Liquidität, 136 Lob, 19 Logistik, 60 Luftreinhaltung, 226

M Management Assessment of Internal Controls, 134 Managementbereich, 83 Managementbewertung, 112, 116 Managementdisziplin, 49 Managementfehler, 275 Managementhandbuch, 229 Managementlehre, 92 Managementmethode, 48 Managementqualifikation, VII Managementstrategie, 15 Managementverfahren, 186 Markt, 50 Märkte, 1 Marktposition, 79 Marktrisiko, 143 Mass Production, 85 Massenfertigung, 84 Massenkonsumtion, 86 Massenproduktion, 86 Master of Science, 76 Master-Studiengang, 77 Matrixstruktur, 91 Medienlandschaft, 277 Medientraining, 285 Mindestanforderung, 47 Mitarbeiterausfall, 172 Mitarbeiterzufriedenheit, 66 Moderationstechnik, 28 Moderator, 57 Motivation, XI, 16

N Nachweis, 101 Nachweisverfahren, 247

Stichwortverzeichnis negative Beanspruchung, 3 Nervosität, 9 Norm, 117 Normalbetrieb, 134 normatives Management, 92 Normkommission, 153 Notfall, 302 Notfallmanagement, 45, 71 Notfallmanagementsystem, 288

O Oberbauleiter, 70 Oberbauleitung, 71 Objektsicherung, 72 Occupational Health- and RiskManagementsystem, 155 Öffentlichkeit, 71 Öffentlichkeitsarbeit, 277 OHSAS 18001 Arbeitsschutzmanagementsysteme, 152 Ökonomie, 51 Öko-Effizienz, 235 Online-Datenschutz, 268 operatives Instrument, IX operatives Management, 50, 94 Optimierung, 2 Ordnungsverfügung, 211 Ordnungswidrigkeitengesetz, 102 Organisation, 53 Organisationsebene, 120 Organisationsmodell, 91 Organisationsnachweis, 54 Organisationspflicht, 129 Organisationsrahmen, 75 Organisationsverschulden, 97, 129 Orientierungshilfe, 204 Output, 116 Out-Sourcing-Partner, 253

P Pandemie, 304 Pandemiefall, 306 Pandemiehelfer, 220 Pandemie-Planung, 304 Partizipation, 16 Pathogenese, 162 Person Finder, 313

325 Personalakte, 190 Personalbestand, 32 Personaldaten, 190 Personaldecke, 45 Personalinformationssystem, 265 Personalmanagement, 10 Personalressourcen, 2 personenbezogene Daten, 249 Personengruppe, 107 Personenschaden, 97 Persönlichkeitsrechte, 249 physische Leistungsfähigkeit, 4 Planung, 58 Polizei, 105 Praktiker, 107 Präsentismus, 171 Prävention, 30, 35 Präventionsarbeit, 280 Präventionsauftrag, 216 Präventionsmaßnahme, 20 Präventionsprogramm, 2, 31 Preisreduzierung, 65 Presse-Informations-Medienraum, 285 Primärenergieverbrauch, 227 Prioritätenliste, 198 Problemfaktor, 168 Problemstoff, 243 process demonstrations, 29 Produktion, 44 Produktionsmenge, 85 Produktionssystem, 26 Produktionsweise, 84 Produktivität, 182 Profession, 210 Projektbegleitung, 57 Projektkomitee, 153 Projektmitglieder, 62 Protokoll, 107 Prozess, 56 Prozessablauf, 58 Prozessmanagement, 53 Prozessmanager, 57 Prozessoptimierung, VI Prozessplanung, 58 Prozessqualität, 47 Prozessstrategie, 56 Prozessteam, 72 Prüfung, 117 Prüfungen, 99

326 PR-Trendmonitor, 311 psychische Beanspruchung, 166 Psychische Belastung, 165 psychische Leistungsfähigkeit, 4

Q QM-System, 115 Qualifikation, VII Qualität, 4, 32, 111 Qualitätshierarchie, 87 Qualitätsmanagement, 47, 111 Qualitätsmanagementbeauftragter, 77 Qualitätspolitik, 114 Qualitätsproblem, 90 Qualitätssteigerung, 62 Qualitätsverlust, 26 Qualitätsziele, 114 Quantifizierung, 124 Querschnittsorganisation, VIII, 25, 67

R Rating, 137 Ratingurteil, 140 Räumungsübung, 288 Reaktionsbewertung, 233 Rechnungslegung, 134 Rechtmäßigkeit, 266 Rechtsanwalt, 105 Rechtsberatung, 105 Rechtsfolgen, XI Rechtsgrundlage, 48 Rechtsgüter, 135 Rechtsprechung, 98 Rechtssicherheit, 42 Rechtsverstoß, 132 Rechtsvorschrift, 97 Recovery, 307 Rehabilitation, 30 Rentabilität, 90 Ressource Mensch, 178 Ressourcen, 38, 66 Ressourceneffizienz, 233 Ressourcenplanung, 149 Ressourcenschonung, 120 Restrisiko, 102 Rettungsgerät, 297 Rettungstransportmittel, 301

Stichwortverzeichnis Rettungs-Einrichtung, 302 Rettungsweg, 297 Return on Invest, 23 Richtlinie, 76 Richtlinie VDI 4055, 78 Richtliniengeber, 195 Risiko, 60, 124, 126 Risikobetrachtung, 88 Risikobeurteilung, 125, 195 Risikobewertung, X, 43, 56 Risikobewusstsein, 123 Risikofelder, 143 Risikogewicht, 139 Risikohandhabung, 145 Risikoidentifikation, 56, 126 Risikomanagement, 43, 55, 123 Risikomanagementprozess, 45 Risikomanagementsystem, 43 Risikomatrix, 124 Risikosteuerung, 126 Risikostrategie, 56 Risikovermeidung, 56 Risikovorsorge, 45, 125 Rückbau, 238

S Sabotageakte, 46 Sachverständige, 301 Salutogenese, 162 Sanktion, 107 SCC-Regelwerk, 157 SCC-Zertifikat, 157 Schadenersatz, 98 Schadensbild, 133 Schadensereignis, 97 Schadensersatzanspruch, 102 Schadensfall, 65, 97 Schadensituation, 301 Schadensprogramm, 254 Schadsoftware, 254 Schadstoffemission, 234 Schadstoffkartierung, 241, 242 Schutzausrüstung, 11, 30, 210 Schutzkonzept, 298 Schutzmaßnahme, 11 Schutzniveau, 259 Schwerbehindertenvertretung, 186, 213 Scientific Management, 85

Stichwortverzeichnis Sekundärprozess, 48 Selbstbestimmungsrecht, 265 Selbstkontrolle, 263 Selbstmanagement, 29 Server, 259 Shop Management, 85 Sicherheit, VI, 13 Sicherheitsarbeit, 34, 53 Sicherheitsbeauftragte, 215 Sicherheitsbeleuchtung, 291 Sicherheitsbewusstsein, 42 Sicherheitsdienst, 267 Sicherheitskoordinator, 14 Sicherheitskultur, 156 Sicherheitsstandard, 11, 73, 98 Sicherheitstechnik, 30 Social-Media-Leitlinie, 268 Societal security, 308 Solvency II, 66 Sorgfaltspflicht, 128 soziale Netzwerke, 268 Sozialkompetenz, VI Sozialrichter, 218 Sozial-Effektivität, 235 Speicherung, 251 Speicherungsdauer, 191 Spezialausbildung, 10 Spezialisierung, 84 St. Galler Managementmodell, 91 Staatsanwalt, 102 Staatsanwaltschaft, 102 Stabsabteilung, 53 Stabsfunktion, VIII, 135 Stake-Holder, 95 Stellvertreterregelung, 284 Sterblichkeitsniveau, 172 Steuererklärung, 134 Störfall-Verordnung, 277 strafbare Handlung, 102 Strafe, 103 Straffreiheit, 130 Strafgesetzbuch, 102 Straftat, 106 strategisches Management, 94 Stress, 8 Stressbewältigung, 34 Stresssituation, 107 Struktur, 87 Studierenden, 76

327 Subunternehmen, 260 Supply Chain Management (SCM), 308 Synergie, 64 System, 62, 255 Systematisierung, VIII, 42, 91 Systemqualität, 47

T Tadel, 19 Tarifgestaltung, 66 Tathergang, 132 Taylorismus, 85 Teamarbeit, 27 Teammitglieder, 28 Technik, 2, 12 Technische Krisenprävention, 280 Technische Regel, 100 Teilmanagementsystem, 67 Teilprozess, 87 Telearbeit, 258 Telearbeitsplatz, 258 Telearbeitsrechner, 258 Topmanagement, 179 Top-down, 43 Top-Management, 20 Transport, 60 Treibhausgasemission, 226

U Überschneidung, 90 Überwachungsorganisation, 98 Umgestaltungsprozess, 37 Umwelt, 2 Umweltaspekt, 230, 234 Umweltbeauftragter, 230 Umweltbelange, 1 Umweltbetriebsprüfung, 233 Umwelterklärung, 234 Umweltgutachter, 233 Umwelthaftung, 236 Umweltleistung, 230, 233, 234 Umweltmanagementnorm, 234 Umweltmanagementsystem, 47 Umweltmanagementverfahren, 233 Umweltpolitik, 229 Umweltprogramm, 234 Umweltrecht, 47, 238

328 Umweltrechtsprechung, 225 Umweltschaden, 133 Umweltschadensgesetz, 236 Umweltschutzmanagementsystem, 228 Umweltzustände, 234 Unfall, 65 Unfallverhütung, 2 Unfallverhütungsanliegen, 212 Unfallversicherungsträger, 106 Unternehmen, VII Unternehmensberater, 63 Unternehmensergebnis, 50, 83 Unternehmensform, 72 Unternehmensführung, 127, 149 Unternehmenskrise, 272 Unternehmenskultur, XII, 28, 64, 177 Unternehmensleitlinie, 54, 73, 74 Unternehmensleitung, 52 Unternehmensmitarbeiter, 131 Unternehmensmodell, 91 Unternehmenspflicht, 127 Unternehmensplanung, 91 Unternehmensumwelt, 119 Unternehmungsführung, 16 Unternehmungs-Verfassung, 93 Unterweisung, 18, 204 Unterweisungsmedien, 18 Ursachenort, 192 Ursachenvermutung, 133

V VDI 4060 „Integrierte Managementsysteme (IMS), 88 VDI Richtlinie, 76 VdS Schadenverhütung, 298 Veränderungskrise, 273 Veränderungsprozess, 15, 62 Verantwortlichkeit, 12 Verantwortung, 37, 65 Verantwortungsstruktur, 98 Verarbeitung, 249 Verbandkasten, 303 Verbandsgeldbuße, 133 Verbesserung, 120 Verbesserungsprozess, 78, 112, 150 Verbotsirrtum, 130 Verfahrensanweisung, 54, 61 Verfahrensverzeichnis, 257

Stichwortverzeichnis Verfügbarkeit, 115 Verhaltensfehler, 17 Verhaltensweise, 18 Verhältnisprävention, 180 Verkehrssicherungspflicht, 13 Verkehrsweg, 296 Vernehmung, 106 Vernetzung, IX, 23, 54 Verordnung, 100 Versendungsform, 260 Versicherungspolitik, 123 Versicherungsträger, 66 Versorgungsunternehmen, 5 Verstoß, 100 Vertragsgestaltung, 99 Verursachung, 133 Verwarngeld, 103 Verwarnung, 104 Verwendung, 265 Visionsentwicklung, 79 Vorgesetztenfunktion, 215 Vorrangnorm, 249 Vorsorge, 184 Vorstand, 74 Vorverurteilung, 107

W Wandel, XII Wechselwirkung, 88, 160 Weitergabekontrolle, 256 Weltgesundheitsorganisation, 15 Werkfeuerwehr, 72 Werkszeitschrift, 26 Wertschöpfungsfluss, 141 Wertschöpfungskette, 41, 136 Wertschöpfungsprozess, 23 Wettbewerb, VII, 36 Wettbewerbsfähigkeit, 90 Wettbewerbssicherung, 36 Wiedereingliederung, 186 Wiedereingliederungsmaßnahme, 178 Wirtschaftlichkeit, 51 Wirtschaftsfaktor, 1 Wissensgesellschaft, 177 Wissensmanagement, 29 Wohlbefinden, VI Wohlstand, 38

Stichwortverzeichnis Z Zahlungskraft, 137, 141 Zertifizierung, 41, 119 Zertifizierungssystem, 152 Zeuge, 106 Zirkelarbeit, 20

329 Zurechenbarkeit, 256 Zusammenarbeit, 27 Zusatzausbildung, 10 Zusatzstoff, 242 Zuwiderhandlung, 132