Vermögen als Vermächtnis: Leben und Werk der Stifter Christian und Asta Holler 9783486705935, 9783486704891

Christian Holler begann in der Weimarer Republik als Vermittler von Industrieversicherungen. Als er 1969 starb, leitete

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Vermögen als Vermächtnis: Leben und Werk der Stifter Christian und Asta Holler
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Edelmann · Vermögen als Vermächtnis

Heidrun Edelmann

Vermögen als Vermächtnis Leben und Werk der Stifter Christian und Asta Holler

Oldenbourg Verlag München 2011

Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

© 2011 Oldenbourg Wissenschaftsverlag GmbH, München Rosenheimer Straße 145, D-81671 München Internet: www.oldenbourg-verlag.de Das Werk einschließlich aller Abbildungen ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Bearbeitung in elektronischen Systemen. Konzept und Herstellung: Karl Dommer Umschlagentwurf: hauser lacour Umschlagabbildung: Christian und Asta Holler, Kunstmuseum Wolfsburg Dieses Papier ist alterungsbeständig nach DIN/ISO 9706. Satz: Typodata GmbH, München Druck: Memminger MedienCentrum, Memmingen Bindung: Buchbinderei Klotz, Jettingen-Scheppach ISBN 978-3-486-70489-1

Inhalt

Geleitwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . August François von Finck

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Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gradmann & Holler – eine Zukunft für Christian Holler jun. . . . . . . . . . . . 2. Vom Neckar an den Main – vom Main an die Spree . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Christian Holler und Josepha Rosa Adamek, geb. Griessler . . . . . . . . . . . . . 4. Im nationalsozialistischen „Wirtschaftswunder“ an die Spitze . . . . . . . . . . . 5. Der Krieg und die Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Neuer Anfang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Übernahmen in Wolfsburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Der Generalist. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Kooperation und Expansion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10. Industrieversicherungen in neuer Dimension. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11. Ein Vermögen mit dem VVD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12. Bewahrung des Vermögens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13. Kämpfe und Kompromisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14. Letztwillige Verfügungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15. Der Tod Asta Hollers und die Gründung der Stiftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16. Die Holler-Stiftung im ersten Jahrzehnt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17. Verkauf des VVD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18. Das zweite Jahrzehnt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

9 13 21 29 45 57 69 85 101 117 137 147 163 185 205 219 237 251 261

Anmerkungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

271

Nachwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Christoph-Marc Pressler

311

Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Quellen- und Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Ungedruckte Quellen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . – Archive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . – Zeitzeugen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Gedruckte Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

321 323 323 323 323 323 324 325

Abbildungsnachweise. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

331

Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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5

Geleitwort

Im September 1990, ein Jahr nach dem Tod Asta Hollers, nahm die Holler-Stiftung ihre Arbeit auf. Damit verwirklichte sich, was die Eheleute Holler bereits Anfang der sechziger Jahre testamentarisch verfügt hatten: Ihr Vermögen fiel einer gemeinnützigen Stiftung als Alleinerbin zu. Asta Holler, die ihren Mann Christian um zwanzig Jahre überlebte, stellte Werte bereit, die bestimmte Leistungen ohne zeitliche Beschränkung ermöglichen sollen. Andere handeln seither stellvertretend für sie. Die im Staat organisierte Allgemeinheit übt das Aufsichtsrecht aus und schützt die Stiftung als juristische Person in ihrem Bestand, damit sie die in der Satzung verankerten Zwecke erfüllen kann. Die HOLLER-STIFTUNG besteht seit zwei Jahrzehnten. Zwar berechtigt dies noch nicht dazu, ein Jubiläum zu feiern. Doch gab es gute Gründe, die Geschichte der jungen Stiftung von einer Historikerin untersuchen und niederzuschreiben zu lassen: Bei der Stiftung selbst und ihren verbliebenen Beteiligungsgesellschaften wie auch bei den Begünstigten arbeiten zunehmend Menschen, die – wie den Verfasser dieser Zeilen – persönlich nichts mehr mit Asta Holler und ihrem bereits 1969 verstorbenen Ehemann Christian verbindet. Ihnen und künftigen Generationen im Wirkungsbereich der Stiftung soll über Herkunft, Leben und Werk des Stifterehepaares berichtet werden, darüber, woher das Stiftungsvermögen stammt und wer es erwirtschaftet hat, wie die Stiftungszwecke zueinander kamen, wie die Stiftung entstand und was sie seither geleistet hat. Damit erfüllen wir jene Vorgabe der Satzung, die es neben der Achtung des Stifterwillens und der Erhaltung des Stiftungsvermögens zur „oberste(n) Pflicht der Stiftungsorgane“ erklärt, „das Andenken der Stifterin zu ehren“. Zudem veröffentlicht das vorliegende Buch im Wortsinn die Arbeit der HOLLER-STIFTUNG. Als steuerbegünstigte Einrichtung tut sie gut daran, Rechenschaft über ihr gemeinnütziges Wirken nicht nur vor den zuständigen Behörden, sondern auch gegenüber der Allgemeinheit abzulegen. Im Spätsommer 2007 wählte mich das Kuratorium der Holler-Stiftung als Nachfolger meines Vaters zu seinem Vorsitzenden. Asta Holler hatte gewünscht, dass stets ein Mitglied unserer Familie diese Position im Aufsichtsgremium einnehme. Kuratorium und Vorstand standen in ihrer vierten Amtsperiode und konnten bereits auf langjährige eigene oder die Erfahrungen ihrer Vorgänger bauen. Wenn Asta Holler den Mitgliedern des Kuratoriums auch nicht zugestanden hat, über die Stiftungszwecke zu bestimmen, weist die Satzung doch Spielräume auf, die unsere Verantwortung fordern. Diese auch in Zukunft zum Wohle der HOLLER-STIFTUNG zu tragen ist uns Verpflichtung und Ehre zugleich. August François von Finck Vorsitzender des Kuratoriums der Holler-Stiftung 7

Einleitung

Die Bedeutung von Stiftungen nimmt kontinuierlich zu.1 Eine schrittweise liberalisierte und vereinfachte Stiftungsgesetzgebung auf Bundes- wie Länderebene hat Stiftern das Stiften, Stiftungsorganen ihre Arbeit und den zuständigen Behörden die Aufsicht erleichtert. Als Teil der Zivilgesellschaft, jener Sphäre zwischen Staat, Markt und Privatem, rücken Stiftungen zunehmend in den Blick sowohl einer interessierten Öffentlichkeit als auch verschiedener wissenschaftlicher Disziplinen. Neben der Beschreibung der Biografien des Stifterehepaares und einem Bericht über die Arbeit der Stiftung in den ersten zwanzig Jahres ihres Bestehens, will die vorliegende Untersuchung einen Beitrag zur Debatte über diese Entwicklung leisten. Als gemeinsames Merkmal „Großer Stifter“ lässt sich allenfalls erkennen, dass sie eine „große“ Stiftung hinterlassen haben.2 Gäbe es nicht die Holler-Stiftung mit ihren ansehnlichen Ausschüttungen, würde sich vermutlich kaum jemand für „Leben und Werk“ der Eheleute Holler interessieren. Doch erwies sich die „Vorgeschichte“ der Holler-Stiftung als facettenreich und spannend, nicht zuletzt weil hier Entwicklungen angelegt sind, die auf das Profil der Stiftung einwirkten. Viele Geschichten fließen zusammen: die des Sohnes eines Königlich Bayerischen Offiziers, der nicht in die Fußstapfen seines Vaters treten konnte, und die der Tochter eines kleinen Wiener Beamten, die zeitlebens mit ihrer Herkunft haderte; jene einer Generalagentur der ALLIANZ, die sich parallel zu den wirtschaftlichen Konjunkturen und Krisen des 20. Jahrhunderts zu einem der bedeutenden Industrieversicherungsmakler mauserte; die der Kfz-Versicherung in der Bundesrepublik Deutschland, welche das Phänomen der massenhaften Verbreitung von Personenkraftwagen widerspiegelt; und schließlich die einer der großen gemeinnützigen privaten Stiftungen in Deutschland. Mag beim Aufsetzen des gemeinsam Testaments der Eheleute von 1963 neben dem Wunsch eines kinderlosen Paares, etwas „Bleibendes“ zu hinterlassen, Idealismus noch eine größere Rolle gespielt haben, erweisen sich die Motive für das Weglassen eines Stiftungszweckes und das Hinzutreten anderer als anscheinend banal. Hinter dem Stiftungsgeschäft, das Asta Holler 1987 vollzog, ist jedenfalls keine Vision mehr auszumachen. Wie der Cocktail mit fünf verschiedenen Destinatären entstand, lässt sich nur historisch erklären. Dieses Buch erzählt, wie es dazu kam, dass Asta Holler außer – wie bereits 1963 vorgesehen – dem SOS-Kinderdorf e. V. und dem HermannGmeiner-Fonds e. V. auch das Freiburger Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene e. V., die Wolfsburger Kunststiftung Volkswagen und am Ende noch die Baseler Hildegard-Hospiz Stiftung als Begünstigte bestimmte. Einer dieser Zwecke sollte dazu dienen, der Stiftung die wichtigste Ertragsquelle zu sichern. Nöte und Neigungen der Stifterin machten es den bisweilen berechnend agierenden Anwälten der potentiellen Destinatäre leicht, ihre Ziele zu erreichen. 9

Die Studie untersucht, wie die Stiftung eingerichtet wurde und ihre Arbeit aufnahm. Welche Interessen überwogen, als Stiftungsorgane später meinten, den Willen der Stifterin „fortschreiben“ zu müssen? Wie reagierte die Stiftung auf grundlegend veränderte Herausforderungen beim Umgang mit dem Stiftungsvermögen, und wie nutzte sie neue, von der Stiftungsgesetzgebung gewährte Spielräume? Wie gestaltete sie schließlich das Verhältnis zu ihren Destinatären? Der Nutzen, der von den ausgezahlten Stiftungsmitteln ausgeht, muss in diesem Buch nicht beschrieben werden. Die Begünstigten sorgen selbst für Publizität und sind über allgemein zugängliche Medien in der Öffentlichkeit hinlänglich präsent. Wenn der seinerzeitige Bundespräsident Roman Herzog, das Beispiel großer US-amerikanischer Stiftungen mit allgemeiner Zwecksetzung und großer Variabilität des „‚operativen‘ Handelns“ vor Augen, Ende des 20. Jahrhunderts die Hoffnung formulierte, auch in Deutschland möchten Stiftungen zu „Motoren des Wandels, zu IdeenAgenturen für die Lösung der Probleme unserer Gesellschaft“ werden3, verbietet es der Holler-Stiftung deren Satzung, trotz ihres umfangreichen Vermögens einen solchen Anspruch zu erheben. Ein Nachwort erläutert aber nicht nur, nach welchen Grundsätzen das gegenwärtige Management das Stiftungsvermögen rentierlich verwaltet, sondern auch wie es versucht, innerhalb der vom Stiftungszweck gesetzten Grenzen in der Kommunikation mit den Destinatären möglichst viel Kreativität zu entfalten. Historische Dokumente, die Informationen über Herkunft, Werk und Leben der Eheleute Holler und ihre Unternehmen enthalten, sind nicht eben reichlich auf uns überkommen. Doch ergänzen sich Zeugnisse aus verschiedenen Staats- und Kommunal-, Unternehmens- und Kirchenarchiven wechselseitig. Frau Barbara Eggenkämper und ihre Mitarbeiter im Firmenhistorischen Archiv der ALLIANZ AG (München) und Herr Markus Holmer im VICTORIA-Archiv (Düsseldorf, heute ERGO-Archiv) standen über die Bereitstellung von Archivalien hinaus für lange und instruktive Gespräche bereit. Frau Andrea Assenmacher, Assistentin der Zentralen Geschäftsleitung der MARSH GmbH (Stuttgart), und Frau Ulrike Gutzmann vom Unternehmensarchiv der VOLKSWAGEN AG (Wolfsburg) danke ich für ihre freundliche Hilfe. An dieser Stelle sei auch erwähnt, dass die Autorin sich keine bessere Einführung in die Geschichte deutscher Versicherungen vorstellen kann als die beeindruckende Arbeit von Gerald D. Feldman über „Die Allianz und die deutsche Versicherungswirtschaft 1933–1945“. In Wien seien unter den Bediensteten des Magistrats und den Mitarbeitern der Pfarrkanzleien, welche die Autorin geduldig mit Detailinformationen versorgten, besonders Robert Holovlasky (Magistratsabteilung 35) und Conny Schmidt (Pfarre MariaTreu) genannt. Rund drei Dutzend Zeitzeugen haben in Gesprächen und schriftlichen Berichten manche Entwicklung rekonstruiert und manchen Sachverhalt beschrieben, manches Urteil gefällt sowie manche Anekdote aufgewärmt – und einander dabei nicht 10

selten widersprochen. Karl Ludwig Barths und Hubertus Löffel, Kurt Stroh und Matthias Oebel, Jürgen Schow und Klaus Kaminsky sowie nicht zuletzt Felix Reis standen nach dem ersten Interview unermüdlich für Rückfragen bereit. Peter Böckli las das Manuskript und regte Verbesserungen an. Allen sei gedankt, ermöglichten sie es doch, eine stimmige Geschichte zu schreiben. Frau Cordula Hubert betreute mich als eine kluge und behutsame Lektorin. Das gegenwärtige Stiftungsmanagement hatte im Einvernehmen mit dem Stiftungskuratorium den Auftrag erteilt, eine „Chronik“ der Holler-Stiftung zu verfassen. Mein Vorschlag, „Leben und Werk“ der Eheleute Holler, die Herkunft des Stiftungsvermögens, die Entstehung der Stiftungszwecke und das Wirken der Stiftung in den ersten zwanzig Jahren ihres Bestehens zum Gegenstand der Untersuchung zu machen, fand die Billigung der Stiftungsorgane. Die Stiftung als Auftraggeberin hat von mir weder erwartet, die Charaktere der Stifter zu verklären, noch, heikle Vorgänge in deren Viten oder in der Arbeit der Stiftung zu verschweigen oder zu beschönigen. Sie hat eine gründliche Forschungsarbeit ermöglicht, ohne jemals Einfluss auf deren Ergebnisse zu nehmen. Um die „wissenschaftliche Forderung nach prinzipieller Nachvollziehbarkeit bzw. Widerlegbarkeit“ zu erfüllen4, wird die Holler-Stiftung ein Archiv einrichten, das außer dem kleinen Nachlass der Eheleute Holler Dokumente aus der Vorgeschichte der Stiftung sowie deren wachsenden Bestand an Altakten aufnehmen wird. Wenn Menschen, die mit dem Gedanken spielen, eine Stiftung zu gründen oder zu hinterlassen, aus den Erfahrungen lernen können, welche Asta Holler nicht erspart blieben und welche die Holler-Stiftung im Laufe ihrer zwanzigjährigen Arbeit machte, und wenn dies ein Beitrag zu einer künftigen vergleichenden Stiftungsgeschichtsschreibung sein darf, hat die Untersuchung ihr Ziel erreicht.

11

1. „Gradmann & Holler“ Eine Zukunft für Christian Holler junior

Dass ihr Sohn bereits als junger Mann von 26 Jahren damit beginnen würde, seinen Lebensunterhalt als Versicherungsagent zu verdienen, hatten sich die Eltern Christian Hollers vermutlich nicht gewünscht. Eher dürfte ihnen ein Werdegang wie der des Vaters vorgeschwebt haben, der erst im Anschluss an eine Karriere als Offizier des bayerischen Heeres zur Versicherungswirtschaft gefunden hatte. Der Vater, Christian Friedrich Holler, war am 19. März 1853 in München zur Welt gekommen. Sohn des „Hofconditors“ Christian Holler und dessen Frau Therese, geborene Gotter, trat er mit 12 Jahren ins Königlich Bayerische Kadettencorps ein, eine höhere Lehranstalt, welche auf die Offizierslaufbahn vorbereitete. Er fiel durch vorzügliche Leistungen auf. 1871, als Bayern soeben dem Deutschen Reich beigetreten war, begann er seine Laufbahn im bayerischen Heer als „Premierliutenant“. Mit dem Erreichen des 45. Lebensjahres schied er 1898 – inzwischen Major – aus dem Militärdienst aus. Zum Zivilberuf wählte er eine Tätigkeit im Versicherungswesen.1 Autodidakten waren in dieser Branche als Quereinsteiger, insbesondere auf dem Gebiet der Vermittlung von Versicherungen, keine Seltenheit. Gerade ehemalige Offiziere, scheint es, fanden hier eine neue Aufgabe. Holler arbeitete zunächst für die Bayerische Versicherungsbank AG. Hervorgegangen aus der Bayerischen Hypotheken- und Wechselbank und eng mit der Wirtschaft verbunden, betrieb diese, wie im 19. Jahrhundert nicht unüblich, gleichzeitig das Bankund das Versicherungsgeschäft. Seit der Jahrhundertwende untersagten neue Gesetze eine solche Verbindung. Daher wurde die Versicherungsabteilung 1906 aus der Bank herausgelöst, und die Bayerische Hypotheken- und Wechselbank übernahm die Aktien der neuen Gesellschaft, die aber weiterhin als Bayerische Versicherungsbank firmierte.2 Im selben Jahr wechselte Holler zur Badischen Feuerversicherungs-Bank. Dieses Unternehmen gehörte der Münchener Rückversicherungsgesellschaft, die eng mit der Allianz kooperierte. Die Badische Feuerversicherungs-Bank berief den Major a. D. zu ihrem Generalbevollmächtigten für Württemberg und Hohenzollern mit Sitz in Stuttgart. Holler heiratete die dreizehn Jahre jüngere Christine Schwankel. Wir wissen wenig über sie; doch Briefe, die sie während des Zweiten Weltkriegs an ihren Sohn schrieb, weisen sie als gottesfürchtige und selbstbewusste Frau aus, warmherzig und von großer Bescheidenheit. Ein Enkel erinnert sich ihrer als temperamentvoll. Die Eheleute wohnten in Pasing, seinerzeit noch bei München gelegen. Zwei Kinder gingen aus der Ehe hervor. Anna wurde 1898 geboren. Am 11. März 1900, einem Sonntag, kam ein Sohn zur Welt. Wie schon Vater und Großvater erhielt er den Rufnamen Christian, ergänzt durch die Patennamen Konrad und Josef. In der Familie und später von guten Freunden wurde er stets „Christl“ genannt. Mit Vater Hollers Wechsel zur Badischen Feuerversicherungs-Bank siedelte die Familie nach Stuttgart über. Sie wohnte in der Johannesstraße auf der Höhe der Schloßstraße. 13

Christine Holler, geb. Schwankel (1866–1943)

Stuttgart, längst eines der wichtigsten deutschen Wirtschaftszentren, galt zu Beginn des 20. Jahrhunderts bereits als eine „Versicherungshochburg“. Carl Gottlieb Molt (1842–1910) hatte hier ein geschlossenes Konzept für Unfallund Haftpflicht, Kranken- und Sterbegeldversicherungen entwickelt sowie 1875 den Allgemeinen Deutschen Versicherungs-Verein gegründet. Dieser gehörte zu den bestorganisierten Unternehmen seiner Zeit und etablierte sich, im ganzen Reich vertreten, in der Spitzengruppe der deutschen Versicherungsgesellschaften.3 „Christl“ sollte, wie schon sein Vater, Offizier werden. Nach jeweils drei Jahren Volksschule und Realgymnasium in Stuttgart trat er im September 1912 ins Königlich Bayerische Kadettenkorps in München ein. Auf dieser „Pflanzschule für das Offizierskorps des Heeres“ sollten „auf allgemein sittlicher Grundlage … pflichttreue Charaktere“ erzogen werden.4 Ende 1913 sah sich der verantwortliche Hauptmann veranlasst, Vater Holler einen Brief zu schreiben. Der Sohn hatte sich nämlich nachmittags mehrfach mit einem Fähnrich getroffen. Nach der „Zöglingsvorschrift“ war den Kadetten ein „Ausgang zu unverheirateten jungen Leuten nur ausnahmsweise und nur mit der Genehmigung des Kommandeurs erlaubt“. Obwohl der Fähnrich als untadelig galt, missbilligte der Hauptmann den Kontakt zwischen dem Knaben und dem jungen Mann. Er könne sich „nicht vorstellen … wo Kadett und Fähnrich den Nachmittag verbringen. In der Kasernstube? Das wäre für den Jungen noch nicht passend oder im Kaffeehaus? Da ist der Fähnrich mir zu jung. Und nur spazieren gehen, das geht auch nicht den ganzen Nachmittag.“ Eine Ausnahme lasse sich gegenüber dem Kommandeur nicht begründen, und „nachdem Ihr Sohn so wie so oft genug eingeladen ist, glaube ich, dass er auf die Einladung bei dem Fähnrich verzichten kann“. Der Hauptmann schob den Eskapaden des Dreizehnjährigen einen Riegel vor, konnte Vater Holler aber auch berichten, dass er mit „Fleiß und Führung“ des Sohnes „recht zufrieden“ sei.5 Konfirmiert wurde „Christl“ im Frühjahr 1914 in der St. Mattheus-Kirche, die der Kadettenanstalt benachbart lag. Der Pfarrer wählte für ihn den Konfirmationsspruch: 14

Christian Holler als junger Kadett, Weihnachten 1912

Vater Christian Friedrich (1853–1940) und Sohn Christian Konrad, 1914

„So jemand auch kämpft, wird er doch nicht gekrönt, er kämpfte denn recht.“6 Im Herbst begann der Erste Weltkrieg. Im dritten Kriegsjahr, gerade siebzehnjährig, bestand der junge Holler die „Not-Klassenreifeprüfung für die VI. Klasse“, die im Sommer 1918 nachträglich zur „Notreifeprüfung“ erklärt wurde. Seine Stärken lagen in den Fächern Religion und Deutsch, Französisch und Englisch sowie Physik und nicht zuletzt Geschichte. In Latein und Mathematik, Chemie, Zeichnen und Turnen reichte es indessen nur für ein „genügend“. Auf dem Reifezeugnis hieß es: „Bei größerem Fleiße hätte der Zögling in manchen Fächern leicht bessere Leistungen erzielen können.“7 Christian Holler, der die Geselligkeit liebte und kein Kind von Traurigkeit war, hatte offenbar andere Prioritäten gesetzt. Nachdem das bayerische Heer Vater Holler schon 1915 als Oberstleutnant reaktiviert hatte, war im April 1917 auch der Sohn zum Soldaten geworden. Als Fahnenjunker ging er an die Front, zunächst nach Lothringen, dann nach Italien. Im Mai 1918 avancierte er zum Fähnrich, im September wegen besonderer Tapferkeit8 – er hatte sich eine schwere Armverletzung zugezogen – bereits zum Leutnant. Die Funktion seines rechten Armes blieb zeitlebens eingeschränkt. Nachdem der Erste Weltkrieg im November geendet hatte, wurde Christian Holler in München im März 1919 als „Leutnant d. Res. a. D.“ aus dem Militärdienst entlassen.9 Damit endete – vorläufig – 15

Christian in der „Kasernstube“ vor einem Tableau schöner Frauen

die Offizierskarriere des nunmehr Neunzehnjährigen. Die zwangsweise geschrumpfte Reichswehr der Weimarer Republik konnte ihn nicht aufnehmen. Als Zivilist hielt sich Christian Holler fortgesetzt in München auf und erlebte dort eine turbulente Zeit. Ende 1918 hatte die Novemberrevolution die bayerische Monarchie gestürzt. Im Februar 1919 war Kurt Eisner, Unabhängiger Sozialdemokrat an der Spitze der revolutionären Regierung, erschossen und bald darauf die kommunistische Münchner Räterepublik ausgerufen worden. Um diese niederzuschlagen, marschierten Anfang Mai Freikorps in die Stadt ein. Aus nächster Nähe konnte Christian Holler in diesen Tagen ein spektakuläres Novum in der Geschichte von Medien und Politik verfolgen. Am 8. Mai zog das Freikorps Werdenfels, dessen militärische Bedeutung eher gering war, in bunten „Gebirglerkostümen“ im Triumphzug durch München. Dabei entstanden Fotoserien, die, umgehend massenhaft reproduziert, im Bürgertum reißenden Absatz fanden und einen Mythos vom Heldentum dieses „Volksheeres“ begründeten, den sich später die Nationalsozialisten zu nutze machten.10 Auch Christian Holler sandte eine Fotopostkarte mit dem Freikorps Werdenfels an seine Eltern in Stuttgart, wo der Vater, 1918 als Oberst aus dem Militärdienst entlassen, sich bereits wieder aufhielt. „Ich nehme mir jeden Tag einen Brief vor“, schrieb er, „bei uns geht es aber so zu – man kommt einfach nicht dazu. Das heißt sich alles mündlich … zu erzählen.“11 Am 11. Mai war der Spuk vorüber, das Freikorps Werdenfels bereits offiziell aufgelöst.12 Noch bevor im August 1919 der Freistaat Bayern durch die Verabschiedung seiner parlamentarisch-demokratischen Verfassung entstand, hatte Christian Holler München verlassen, um in die Stadt seiner Kindheit zurückzukehren. Am 1. Juli trat er ein Volontariat im Bankhaus Albert Schwarz an.13 Danach, von Anfang 1921 bis Ende März 1922, beschäftigte ihn die Dresdner Bank, zunächst als Assistenten, dann als selbständigen Händler im Börsenbüro.14 Zum 1. April 1922 wechselte er zur Disconto-Gesellschaft, für die er als selbständiger Effektenhändler und Börsenvertreter für 16

Das Freikorps Werdenfels auf einer Fotopostkarte

Freiverkehrswerte tätig wurde.15 Ein Testament der Eltern aus dem Jahre 1923 führt den Sohn als „Bankbeamten“ an.16 Der Bankenbereich stand zu dieser Zeit noch in einem wesentlich höheren Ansehen als das Versicherungswesen17, in dem der Vater sich betätigt hatte. Der junge Christian Holler sammelte seine Berufserfahrungen im Bankwesen, besonders im Aktienhandel, zu einer Zeit, deren wirtschaftliche Entwicklung unübersichtlicher nicht hätte verlaufen können. Um den Übergang von der Kriegs- zur Friedenswirtschaft zu bewältigen, hatten die Geldinstitute zunächst viel Personal eingestellt, auch weniger erfahrene Kräfte. Mit einer Inflation des Ausmaßes, wie sie sich von 1919 bis Ende 1923 in Schüben entwickelte, hatte es die Branche in ihrer Geschichte noch nie zu tun gehabt. Die Wirtschaft trat die „Flucht in die Sachwerte“ an, und Kredite wurden in der Regel erst bei fortgeschrittener Entwertung zurückgezahlt. Die Banken erlitten beträchtliche Verluste; das schwächte ihre Position gegenüber der Industrie. Während die Mark 1923 nur noch ein Millionstel ihres Wertes von 1914 besaß, erreichte der Diskontsatz mit 90% seinen Höchststand. Schließlich brach das deutsche Finanz- und Geldsystem zusammen.18 Da sich der immense zusätzliche Aufwand an Verwaltung und Buchhaltung, den die Inflation mit sich gebracht hatte, mit der Einführung der Rentenmark erheblich reduzierte, bauten die Unternehmen des Finanzsektors ihr Personal stark ab.19 Ende 1923 schied Christian Holler aus der Disconto-Gesellschaft aus. Die Zeugnisse, die er hier und zuvor beim Bankhaus Albert Schwarz sowie bei der Dresdner Bank erhalten hatte, waren durchweg voll des Lobes über den jungen Mann.20 Im November 1923 gab die vom Reich unabhängige Rentenbank als Übergangswährung die Rentenmark aus. Eine endgültige Stabilisierung der Währung konnte 17

jedoch nur mit der Lösung des Reparationsproblems gelingen. Im August 1924 bescherte das Londoner Schuldenabkommen dem Deutschen Reich die Reichsmark, um dessen Zahlungsfähigkeit als Reparationsschuldner wieder herzustellen. Aber noch ließ sich nicht mit Sicherheit sagen, ob die Währung damit nachhaltig konsolidiert war. Die gebeutelten Banken warteten ab und hielten sich mit der Neu- oder Wiedereinstellung von Personal zurück. Nach seinem Ausscheiden aus der DiscontoGesellschaft trat Christian Holler keine neue Stelle an. Es ist anzunehmen, dass er dem Vater im Versicherungsgeschäft zur Hand ging und so Erfahrungen in der Sparte Lebensversicherungen sammeln konnte. Am 5. August 1926 entstand in Stuttgart die „Gradmann & Holler oHG“. Der Gesellschaftsvertrag, von Erich Gradmann und höchstwahrscheinlich Christian Holler sen. unterfertigt, ist nicht überliefert.21 Der Eintrag ins Handelsregister beim Amtsgericht Stuttgart erfolgte am 9. Oktober.22 Eine Festschrift von 1951 berichtet, die Partner hätten jeweils „ihr besonderes Steckenpferd“ mitgebracht, nämlich „Maschinen“ der eine und „Leben“ der andere.23 „Gegründet in Stuttgart, eröffnet in Frankfurt“, heißt es weiter. In Frankfurt am Main nämlich gab es seit dem 1. August 1926 den einzigen Büroraum der jungen Firma. Dort arbeitete als Schreibkraft die aus Bad Aussee stammende „Mitz“ Rummetsch. Hier, im Zentrum des Rhein-Main-Gebietes, wo sich Maschinen- und Werkzeugbau, die Fabrikation elektrotechnischer Apparate und nicht zuletzt Unternehmen der chemisch-pharmazeutischen Industrie ballten, herrschte in diesen Jahren Aufbruchsstimmung. Der für seine zupackende Art weithin bekannte Oberbürgermeister Ludwig Landmann, seit 1924 im Amt, förderte die Ansiedlung neuer Industrien und setzte alles daran, die Energiewirtschaft sowie die Elektrizitäts- und Gasversorgung der Stadt zu verbessern und ihre Verkehrsanbindung von Grund auf zu modernisieren. Die Eröffnung eines neuen Flughafens und die Gründung der HAFRABA, eines Zusammenschlusses von Städten sowie Großunternehmen der Bauwirtschaft und der Automobilindustrie zur Projektierung einer Autobahn von Hamburg über Frankfurt nach Basel, stellten Frankfurt eine spektakuläre Zukunft als „Verkehrsmittelpunkt für ganz Südwestdeutschland“ in Aussicht.24 Über Erich Gradmann, der als erster im Firmennamen aufscheint, wissen wir wenig. Er kam 1894 in Straßburg25 zur Welt und erhielt seine Schulausbildung im Privatinternat der Gustav-Werner-Stiftung in Reutlingen. Im Ersten Weltkrieg diente er von 1915 bis Kriegsende als Fahrer beim Train-Bataillon 19 an der Westfront.26 Vor dem Krieg dürfte er eine Ausbildung zum Versicherungskaufmann absolviert haben, denn ohne diese hätte sich die Allianz später nicht von ihm vertreten lassen. Die Gesellschaft datiert den Beginn der Zusammenarbeit mit Gradmann auf den 1. April 1920.27 Erich Gradmann muss erfolgreich akquiriert haben, sodass ihm die Allianz eine Agentur in Heilbronn übertrug.28 18

Den zweiten Teil des Firmennamens steuerte Christian Friedrich Holler bei. Er stand bereits im 74. Lebensjahr. Zwar war es zu dieser Zeit für Männer, die leitende Positionen einnahmen, nicht unüblich, ihrem Beruf auch im fortgeschrittenen Alter nachzugehen, zumal der Krieg die nachfolgende Generation stark dezimiert hatte. Doch ist anzunehmen, dass der Vater als Mitbegründer der Firma Gradmann & Holler nicht in eigener Sache handelte.29 Der Unternehmenszweck bestand nämlich darin, eine Generalagentur der Allianz einzurichten. Im Gegensatz zu seinem Sohn, der im Versicherungswesen noch keinen Ruf genoss, dürfte Christian Holler sen. in der Lage gewesen sein, seinen Teil an der Kaution aufzubringen, welche eine Generalagentur der Versicherungsgesellschaft üblicherweise zu stellen hatte.30 Zudem war er inzwischen selbst ein „Allianz-Mann“ geworden. Denn die Aktien der Badischen Feuerversicherungs-Bank, die Holler in Stuttgart vertreten hatte, waren 1921 im Zuge eines „Gemeinschaftsvertrages“ zwischen der Münchner Rück und der Allianz an Letztere übertragen worden.31 Ob auch die Hollersche Seite einen Agenturvertrag in die neue Gesellschaft einbrachte, lässt sich nur vermuten.32 In jedem Fall kamen Mittel, Reputation und Verbindungen Christian Friedrich Hollers dem Vorhaben zugute, gemeinsam mit Erich Gradmann eine Generalagentur der Allianz zu übernehmen. Auf der Höhe der Technik und der gesellschaftlichen Entwicklung, was die Palette der zu versichernden Risiken betrifft, innovativ, wenn es um die Organisation des Unternehmens und stets rationellere Arbeitsmethoden ging, führend im Auslandsengagement, hatte die Allianz in den zehn Jahren seit Beginn des Ersten Weltkrieges, während sich das Geschäft aller deutschen Versicherer halbierte, das ihre mehr als verdoppelt.33 Dank hoher Devisenvorräte gelang es während der Inflation, etliche andere Gesellschaften dem Unternehmen einzugliedern. Seit 1922 firmierte die 1889 gegründete „Allianz Versicherungs-AG“ als „Allianz Konzern“. Der Vorstand integrierte die erworbenen Gesellschaften klug zu einem Ganzen. Zugleich wurde das wachsende Unternehmen konsequent rationalisiert. Zu den zahlreichen Zweigniederlassungen, die der Konzern systematisch errichtete, gehörte 1923 auch diejenige im prosperierenden Stuttgart. Die Berliner Generaldirektion indessen wurde von der Verwaltung der Versicherungsbestände zunehmend befreit, um sich ganz den strategischen Aufgaben des Konzerns und der Pflege des Auslandsmarktes zu widmen.34 Erfolgreich steuerte sie das gestärkte Unternehmen durch die Hyperinflation und die Stabilisierungskrise nach der Währungsreform. 1922, noch bevor die Inflation ihren Höhepunkt erreichte, hatte die Allianz zusätzlich das Lebensversicherungsgeschäft aufgenommen, agierte in diesem Sektor erfolgreich und kaufte schwächere Unternehmen auf.35 Der Allianz-Konzern hatte sich bis Mitte der zwanziger Jahre zur größten deutschen Versicherungsgesellschaft entwickelt. Für diese Gesellschaft als Generalagent zu arbeiten, war ein Vorhaben mit Zukunft. 19

2. Vom Neckar an den Main – vom Main an die Spree

Am 16. Oktober 1926 schloss die Zweigniederlassung Stuttgart der Allianz Versicherungs-AG in Berlin einen Vertrag mit der Gradmann & Holler oHG. Erstere, die „Gesellschaft“, übertrug letzterer, der „Firma“, rückwirkend zum 1. August eine Generalagentur für Württemberg.1 Gradmann & Holler erhielt damit Vollmacht, „alle auf dieses Mandat bezughabenden Geschäfte und Obliegenheiten nach Maßgabe der von der Gesellschaft erteilten oder noch zu erteilenden allgemeinen und besonderen Weisungen und aufgrund der nachfolgenden Bestimmungen auszuführen“. Als Sitz der Firma wie der Generalagentur und auch als Gerichtsort im Falle von Streitigkeiten legte der Vertrag Stuttgart fest. Doch während die Generalagenten einer Gesellschaft gemeinhin einen fest abgegrenzten Bezirk vertraten2, war Gradmann & Holler berechtigt, Versicherungen auch außerhalb des Gebietes der Zweigniederlassung Stuttgart zu vermitteln, hatte diese dann jedoch – mit einer Ausnahme, auf die noch einzugehen sein wird – jeweils derjenigen Landesdirektion der Allianz zu überweisen, in deren Einzugsbereich das Geschäft lag. Beteiligt waren in den nächsten zwei Jahrzehnten außer der Zentrale in Berlin die Landesdirektionen Stuttgart und München, Köln und Frankfurt.3 Als Generalagent der Allianz war es Gradmann & Holler verboten, „gleichzeitig andere Versicherungs-Gesellschaften in den gleichen Zweigen zu vertreten oder für solche tätig zu sein“. Der Konkurrenz durften sie ein Geschäft erst dann anbieten, wenn die Allianz es definitiv abgelehnt hatte und, „wenn irgend möglich“, auch davon in Kenntnis gesetzt worden war. Diese Regelung spiegelt das verstärkte Bemühen der Gesellschaft in diesen Jahren wider, ihre Vertreter zum Abschluss ausschließlich von Allianz-Versicherungen anzuhalten.4 Zunächst auf ein Jahr beschränkt, bezuschusste die Allianz den Unterhalt eines am 1. August errichteten Büros der Firma in Frankfurt/Main mit monatlich 400 RM. Für Reisen, die „einer der Herren Firmen-Inhaber“ im Auftrag der Gesellschaft unternehme, musste sie „Eisenbahnfahrtkosten II. Klasse“ sowie pro Tag 20 RM Spesen gewähren. Die Erstattung höherer Unkosten konnte fallweise die Maschinenabteilung der Generaldirektion genehmigen. Gradmann & Holler durfte Versicherungsverträge nur mit Zustimmung der Gesellschaft abschließen. Auch das Inkasso, also der Einzug der laufenden Prämien, lag bei der Allianz. Ausnahmsweise direkt kassierte Gelder hatte die Agentur umgehend der Gesellschaft zu überweisen. Der Vertrag verpflichtete die Firma ausdrücklich, „etwa für Rechnung der Gesellschaft vereinnahmte Gelder … getrennt von den übrigen in ihrem Besitz befindlichen Geldern aufzubewahren, sowie über sie besonders Buch und Rechnung zu führen“. Für die Dauer des Vertragsverhältnisses standen der Firma „von den eingegangenen Prämien aller durch sie vermittelten bezw. ihr überwiesenen Versicherungen“ Provisionen zu, deren Höhe auf einer nicht erhaltenen „Anlage“ 21

verzeichnet war. Im Falle einer Vertragskündigung sollten die Inkassoprovisionen für das aufgebaute Geschäft, Lebensversicherungen ausgeschlossen, der Firma so lange – um 25% gekürzt – weiter vergütet werden, „bis die am Kündigungstage bestehenden Ablaufperioden der einzelnen Versicherungen ihr Ende erreicht“ hätten.5 Der Vertrag formulierte schließlich etliche Weisungsbefugnisse der Allianz gegenüber der Generalagentur sowie Regeln für deren Geschäftsführung. Insgesamt arbeitete Gradmann & Holler am kurzen Zügel der Versicherungsgesellschaft. Als Vertragsnehmer unterschrieben Erich Gradmann und Christian Holler sen. Ihren Namenszügen ist ein Stempel mit dem Text GRADMANN & HOLLER / General-Vertreter des ‚Allianz-Konzerns‘ beigefügt. Vater Hollers Unterschrift unter dem Vertrag ist die letzte und einzige Spur, die er als Versicherungskaufmann hinterlassen hat. Wann immer später in Festschriften oder Reden bei Firmenjubiläen der Ursprung von Gradmann & Holler zur Sprache kam, wurde wie selbstverständlich Christian Holler jun. als derjenige genannt, der sich 1926 mit Erich Gradmann zusammengetan hätte. Auch die Spesen, welche den vielreisenden „Herren Firmeninhabern“ nach dem Vertrag zustanden, dürften an den Sohn geflossen sein, der de facto Gradmanns Partner war.6 Auf dem Stempel, der den Unterschriften der Vertreter der Versicherungsgesellschaft unter dem Agenturvertrag beigegeben war, stand ,Allianz‘ / Versicherungs-AktienGesellschaft / Zweigniederlassung Stuttgart. Dieser Stempel war im Jahr darauf überholt, denn 1927 verschmolz die Allianz mit der Gruppe des Stuttgarter Vereins, der aus dem Allgemeinen Deutschen Versicherungs-Verein von Carl Gottlieb Molt hervorgegangen war. Anders als zur Inflationszeit handelte es sich hierbei nicht mehr um die Einverleibung eines schwachen Konkurrenten, sondern um eine freiwillige, zum beiderseitigen Vorteil strategisch abgewogene Fusion zweier gesunder Konzerne. Dies drückte sich nicht zuletzt in einem neuen gemeinsamen Firmennamen aus, der bis 1940 beibehalten wurde: „Allianz und Stuttgarter Verein Versicherungs-AG“. Durch das Zusammengehen mit dem Stuttgarter Verein ließ sich der Konkurrenzvorsprung des größten deutschen Versicherungskonzerns auch im zukunftsträchtigen Lebensversicherungsgeschäft sichern. Nach der Fusion wurde die Hauptverwaltung der Lebensversicherungssparte nach Stuttgart verlegt.7 Die Gruppenversicherung, welche die Allianz-Leben 1925 aufgenommen hatte8, sollte später zu einer Spezialität von Christian Holler jun. werden. Die Sparte Maschinenversicherung, Erich Gradmanns Gebiet, war in Deutschland Anfang des 20. Jahrhundert eingeführt worden. Sie gewährte Ersatz für Schäden, die sich „durch Einwirkung von Betriebsstörungen auf die Maschinen“ ergeben. Versichert wurden vor allem „Maschinen und maschinelle Einrichtungen verschiedener Art, Dampf-, Gas-, Wasser- und elektrische Motore, Dynamos usw.“. Es ging insbesondere um Schäden, die infolge von Ungeschicklichkeit, Fahrlässigkeit oder Böswil22

ligkeit entstehen, auch als Ergebnis von Unfällen oder Kurzschluss, ferner von Sturm, Wolkenbruch und Eisgang auf dem Betriebsgelände. Die Maschinenversicherung bot somit, wie andere Sachversicherungen auch, nur „bei einem bestimmten umgrenzten Gefahrenkomplex“ Schutz; doch wurden gegen Prämienzuschläge auch Schäden versichert, die andere Ursachen hatten.9 Die Allianz führte die Maschinenversicherung seit 1919 als selbständige Branche.10 Während des Ersten Weltkrieges und in den anschließenden Jahren von Inflation und Hyperinflation war die deutsche Industrie von der internationalen Entwicklung abgekoppelt und ins Hintertreffen geraten. Nach der Stabilisierung der Währung setzte eine „Rationalisierungswelle“ ein. Von einer modernen industriellen Fertigung versprach man sich, voll der Bewunderung für das amerikanische Vorbild, Wohlstand für breite Bevölkerungsteile und damit auch die Lösung der sozialen Probleme einer Industriegesellschaft. Ausländisches, vor allem US-amerikanisches Kapital strömte nach Deutschland. Industrieanlagen wurden erneuert und die Fertigungskapazitäten ausgedehnt. Dass die neuen hochwertigen Anlagen rentabel arbeiten würden, erhoffte man für die Zukunft. Die zunehmende Bedeutung der Maschine spiegelte sich in neuen Versicherungszweigen wider. Die Hyperinflation des Krisenjahres 1923 im Hinterkopf, „suchte die Investitionsgüterindustrie möglichst umfassenden Versicherungsschutz gegen die Risiken, die während der Errichtung technischer Anlagen den kalkulierten Ertrag der ausführenden Unternehmen bzw. der Lieferanten gefährden konnten“. Dieser Forderung entsprach die Montageversicherung, welche die Atlantic-Versicherung und die Allianz 1924 mit Unterstützung der Münchner Rückversicherung auf den Markt brachten. Sie bietet eine komplette Deckung nach dem Allgefahrenkonzept unter Einbeziehung der Feuer-, Explosions- und Naturgefahrenrisiken. Einem solchen Bündel von Gefahren war bis dahin nur durch den Abschluss unterschiedlicher Einzelversicherungen zu begegnen gewesen. Die Montageversicherung wurde um die Maschinengarantieversicherung ergänzt. Diese deckt die Kosten für die Reparatur von Folgeschäden an versicherten Sachen, die durch Konstruktionsmängel, Material- oder Montagefehler verursacht wurden.11 Dass sie den „technischen Versicherungen“, wie man heute sagt, erhöhte Bedeutung beimaß, unterstrich die Allianz, als sie 1924 in Berlin unter der Leitung ihres Vorstandsmitglieds Victor Schroeter eine „Industrieabteilung“ einrichtete. Im selben Jahr erschien die erste Ausgabe der „Nachrichten der Maschinen-Versicherung des AllianzKonzerns“ als Beilage zur „Allianz Zeitung“. Seit 1925 kam als selbständige Publikation der „Maschinen-Schaden“ heraus. In seinem Geleitwort zum jungen Blatt stellte der Redakteur dessen Edition in den Kontext der wirtschaftlichen Gesamtentwicklung. Da Goldreserven nicht mehr vorhanden seien, beeinflusse ein größerer Maschi23

Werbung in einer neuen Zeitschrift

nenschaden die Wirtschaftlichkeit eines Unternehmens „meist ganz bedeutend“. Vorbedingung, um die internationale Konkurrenzfähigkeit der deutschen Wirtschaft wieder zu erlangen, seien „wirtschaftliche Höchstleistungen“ und „wirtschaftliches Arbeiten in den Betrieben ohne Kraft- und Energievergeudung“. Beides sei nur zu 24

erreichen, „wenn die Betriebe sich lediglich dem Ausbau und der Modernisierung ihrer Betriebsanlagen widmen können und von allen große Geldausgaben verursachenden Betriebsunfällen an ihren Maschinen bzw. deren Auswirkungen verschont werden“.12 Verträge, die Erich Gradmann vor der Gründung der Generalagentur an die Allianz vermittelt hatte, bildeten den Grundstock des Maschinengeschäftes der Firma.13 1924/25 war es ihm gelungen, drei Policen der Neckarwerke zu akquirieren, die der Allianz eine Jahresprämie von 34 269 RM einbrachten. Zur Neckarwerke AG mit Sitz in Esslingen gehörten etliche Kraftwerke der Region. Aus der geschäftlichen Verbindung Erich Gradmanns mit Adolf Frick, dem Direktor des Hauptwerkes in Altbach, erwuchs eine lebenslange Freundschaft.14 Die Technischen Werke Stuttgart schlugen 1924/25 bereits mit knapp 17 000 RM Prämie zu Buche. Zur selben Zeit warb Gradmann auch die renommierte Aalener Papierfabrik Gebr. Palm mit anfangs knapp 1000 RM Prämie ein. Mit der expandierenden Amperwerke AG (München), die der Allianz Mitte der zwanziger Jahre knapp 30 000 RM Prämie zahlten, sowie den Coblenzer Elektrowerken und den Elektrowerken Westerwald, die der Gesellschaft zusammen gut 26 000 RM an Prämie einbrachten, befanden sich bereits Firmen in Gradmanns Portefeuille, die außerhalb Württembergs und damit des Bereichs der Allianz-Zweigniederlassung Stuttgart lagen.15 Eine Generalagentur, die ihr Geschäft nicht mit Privatleuten, sondern mit Unternehmen machen wollte, konnte ihren Wirkungskreis nicht auf eine Region beschränken. Das Prämienaufkommen, das Gradmann & Holler der Allianz bereits im ersten Geschäftsjahr bescherte, betrug in der Sparte „Maschinen“ 172 913 RM.16 Von Frankfurt aus dürften bereits auch der Großkunde Elektrizitätswerk Schlesien AG in Breslau und die Oberschlesischen Elektrizitätswerke in Gleiwitz akquiriert worden sein.17 Indem Erich Gradmann vornehmlich Energieerzeuger und -versorger versicherte, setzte er auf eine Branche, die sich stark ausdehnte. Die Produktionsanlagen, in welche die deutsche Industrie seit der Stabilisierung von Währung und Wirtschaft investierte, benötigten Elektrizität. 1924 war mit dem Bau einer Nord-Süd-Leitung begonnen worden, welche die Kohlekraftwerke an Rhein und Ruhr mit den Wasserkraftwerken der Alpen verbinden sollte. 1925 erfolgte der Zusammenschluss des Netzes der Rheinisch Westfälisches Elektrizitätswerk AG (RWE) mit dem des Karlsruher Badenwerkes. Indem die Leitung bis nach Österreich verlängert wurde, wo die RWE inzwischen Beteiligungen an Wasserkraftwerken besaß, ließ sich auch von dort aus Strom einspeisen.18 Unter den Schlagworten „Großkrafterzeugung“ und „Großstromversorgung“ trieb die in Reichsbesitz befindliche Elektrowerke AG in Mitteldeutschland, wo sie an fast allen Landesversorgungsunternehmen beteiligt war, den rationellen Ausbau der öffentlichen Stromversorgung voran und entwickelte sich zum 25

Mammutkonzern.19 Bis 1928 vervierfachten sich die Turbinenleistungen der deutschen Kraftwerke gegenüber 1914.20 1930 existierte ein Verbundnetz, das Steinkohlekraftwerke in Schlesien mit Braunkohlekraftwerken in Mitteldeutschland, diese wiederum mit Stein- und Braunkohlekraftwerken an Ruhr und Rhein sowie Wasserkraftwerken in Süddeutschland und dem Alpenraum verband. Ingenieure wie Oskar von Miller, der Schöpfer des Walchenseekraftwerkes, und Oskar Oliven, Vorstandsvorsitzender der Gesellschaft für elektrische Unternehmungen AG (Gesfürel) in Berlin, warteten 1930 mit Vorschlägen für ein engmaschiges deutsches bzw. europäisches Verbundnetz auf.21 Auch die Allianz widmete den Energieerzeugern nach dem Ersten Weltkrieg besondere Aufmerksamkeit, denn die während des Krieges nicht ersetzten und daher überalterten Turbinen waren für Schäden besonders anfällig. Die Regulierungen trafen die Gesellschaft schmerzlich, sodass sie bereits 1920 begann, die von ihr versicherten Kraftwerke regelmäßigen Revisionen zu unterziehen. Dafür stand ein wachsender Stab eigener Ingenieure bereit.22 Von den Unternehmen, die Erich Gradmann schon vor der Gründung der Generalagentur für die Allianz geworben hatte, befanden sich viele unter dem Dach der Gesfürel, der ältesten und bedeutendsten Holding der deutschen Elektrizitätswirtschaft mit Sitz in Berlin. Diese existierte seit 1894 und war an etlichen Kraftwerkgesellschaften sowie städtischen Verkehrs- und Energieversorgungsunternehmen, aber auch an der Knorr-Bremse AG, der Hirsch-Kupfer- und Messingwerke AG, der Norddeutsche Kabelwerke AG, der AGO Flugzeugwerke AG und nicht zuletzt an der AEG beteiligt. Die Gesfürel finanzierte diese Beteiligungen hauptsächlich über die Ausgabe von Anleihen. „Geschäfte der ‚Gesfürel‘ in der Maschinen- und Lebensversicherungsbranche“ nahm § 1 des Agenturvertrages von der Regelung aus, dass Versicherungen, die außerhalb des Einzugsbereichs der Zweigniederlassung Stuttgart vermittelt wurden, der jeweils zuständigen Landesdirektion der Allianz zu überweisen seien.23 Und während der Generalagentur für jeden vermittelten Versicherungsvertrag im Bereich „Maschinen“ sowohl bei dessen Abschluss als auch für das laufende Inkasso 15% Provision zustanden, galten für Geschäfte mit Unternehmen der Gesfürel niedrigere Sätze, nämlich 12,5% Abschluss- und 10% Inkassoprovision.24 Stromerzeuger und -versorger, die zu dieser Holding gehörten, ließen sich vermutlich „im Paket“ bearbeiten und erforderten daher weniger Aufwand sowohl bei Abschluss und Inkasso als auch bei der Regulierung von Schäden. Bereits im Mai 1927 gründete Gradmann & Holler eine Niederlassung in Berlin, und die Firma bezog Räume in der Nähe des Anhalter Bahnhofs. In Frankfurt hielten sich die Inhaber ohnehin selten auf, waren sie doch, um Kunden zu gewinnen, dauernd unterwegs. Diese rege Reisetätigkeit behielten sie bei – außer wenn sie, wie es in der 26

Festschrift von 1951 mit keckem Stolz heißt, „gerade in Berlin die Allianz in Schwung brachten“.25 Bereits 1928 wurde in Berlin Am Karlsbad 33, in der Nähe der Potsdamer Brücke, ein größeres Büro angemietet, in dem vier Angestellte arbeiten konnten. Für den Sprung nach Berlin hatte es gute Gründe gegeben. Die Stadt galt zum einen als „Zentrum der deutschen Versicherungswirtschaft“.26 Zum andern saßen hier die Hauptverwaltungen zahlreicher Großunternehmen. Nicht zuletzt ließen sich von Berlin aus auch die Kraftwerke der Kohlenreviere Mittel- und Ostdeutschlands gut bearbeiten. Das war umso wichtiger, als sich der Anteil der in Sachsen-Anhalt und in der Niederlausitz geförderten Braunkohle an der Stromerzeugung seit 1926 sprunghaft vergrößerte.27 Die Firma Gradmann & Holler hatte sich an der Spree niedergelassen, als das politische und wirtschaftliche Chaos der Nachkriegszeit überwunden war und die Verhältnisse sich zu stabilisieren schienen. Die Jahre der zweiten Hälfte des Dezenniums gelten als die „Goldenen Zwanziger“. Künstler aller Genres zog es nach Berlin. Hier entfaltete sich eine weltstädtische Kultur eigener Art, die nicht zuletzt den radikalen Bruch mit dem Kaiserreich lebte. Dabei existierte eine latent hohe Arbeitslosigkeit neben dem zur Schau gestellten Wohlstand, zunehmende Bereitschaft zu politischer Gewalt neben liberaler Offenheit und kultureller Experimentierfreude. Die wirtschaftlichen Probleme dieser Jahre waren vielfältig und miteinander verflochten. So stiegen in Deutschland die Löhne teilweise stärker an als die Produktivität; Produktion und Absatz ließen sich nicht in Einklang bringen; der Geldmarkt blieb labil, der Kapitalmarkt schwach. Gerade ein Jahr nachdem Gradmann & Holler sich in Berlin niedergelassen hatte, begann die Wirtschaft zu kriseln. Die Unternehmer rechneten mit sinkenden Gewinnen. Als Ende Oktober 1929 die Kurse an der New Yorker Börse stürzten, markierte dieser „Schwarze Freitag“ den Beginn einer internationalen Wirtschaftskrise ungekannten Ausmaßes. Die deutsche Wirtschaft geriet ins Taumeln. Die Industrieproduktion sank um 40%. Als die NSDAP ihre Sitze bei den Reichstagswahlen vom September 1930 verachtfachte, schockierte das die internationalen Geldgeber: Kredite wurden abgezogen oder gekündigt. Um ihre Währungsreserven zu verteidigen, musste die Reichsbank den Diskontsatz erhöhen. Die Konjunktur trudelte in den Abgrund, und die Arbeitslosenquote stieg 1932 auf über 30%. Während bei der Allianz das Neugeschäft in der Sparte „Leben“ in der Krise zurückging, etliche Verträge gekündigt wurden und sich der Bestand 1932 sogar geringfügig verkleinerte28, arbeitete sich der Konzern in der Sparte „Maschinen“ systematisch in die Gewinnzone vor. 1930 hielt er 97,2% aller Maschinen-Versicherungsverträge im Deutschen Reich.29 Nach Jahren, in denen parallel zu den Prämieneinnahmen auch die Kosten der Schadenregulierung gewachsen waren, konnte die Gesellschaft in ihrem Geschäftsbericht für 1929 den „Verlauf der Maschinen-Versicherung“ als „trotz 27

der industriellen Krisis einigermaßen befriedigend“ erklären. Es hätten sich die „Betriebsberatungen und -Revisionen“ gut bewährt. Von den versicherten Firmen werde dieses Vorgehen begrüßt, weil ihnen „durch verhütete Schäden Betriebsstillstände und Ausfälle erspart bleiben“.30 1931 schließlich, als die Weltwirtschaftskrise ihrem Tiefpunkt zusteuerte, konnte die Gesellschaft verkünden: „Das relativ befriedigende Ergebnis der Maschinen-Versicherung, die uns jahrelang Sorge gemacht hatte, ist in erster Linie auf die Auswirkungen unseres schadenverhütenden Revisionsdienstes zurückzuführen.“31 Hinzu trat, dass in etlichen Branchen die Maschinen stillstanden, also zum Leidwesen der Unternehmen wie der Arbeitslosen „geschont“ wurden, während die Prämien für ihre Versicherung in der Regel unvermindert flossen. 1932 richtete die Allianz in Berlin, angesiedelt bei der Generaldirektion, ihre erste Materialprüfstelle ein. Die Gesellschaft, für die Gradmann & Holler als Generalagent arbeitete, beherrschte den „Maschinenmarkt“ inzwischen konkurrenzlos. Die Krise schob den Konzentrationsprozess in der Versicherungsbranche erneut an. 1929 gliederte sich der Allianz-Konzern die zusammengebrochene Frankfurter Allgemeine Versicherungs-AG ein. Die Zahl der Allianz-Angestellten wuchs weiter.32 Die Weltwirtschaftskrise konnte auch den Erfolgskurs der Firma Gradmann & Holler kaum bremsen. Im späteren „Westen“ verwaltete sie 1930/31 für die Allianz allein im Maschinengeschäft ein Prämienaufkommen von weit mehr als einer halben Million RM. Die zunächst noch schlechte Schadensbilanz ließ die Abschluss- und Inkassoprovisionen, die der Generalagentur zustanden, unberührt. An Neugeschäft mangelte es nicht. Mit dem Bergwerk Frielendorf kam 1928/29 eine Braunkohlenzeche im hessischen Schwalm-Eder-Kreis mit einer Jahresprämie von 2650 RM hinzu, die bis 1930/31 auf knapp 13 000 RM anstieg. Das Gemeinschaftswerk Hattingen, ein bedeutender Stromerzeuger im Besitz der Vereinigte Elektrizitätswerke Westfalen AG, schlug im selben Jahr mit fast 120 000 RM Prämie zu Buche. 1929/30 konnte Gradmann & Holler das Gersteinwerk in Werne bei Hamm gewinnen, das die Kohle der umliegenden Zechen verstromte. Es brachte der Allianz sogleich eine Jahresprämie von über 70 000 RM ein. Auf dem Tiefpunkt der Krise gelang es 1931/32 noch, das Wasserkraftwerk Marbach, die 1929 gegründeten Städtischen Werke Wuppertal sowie die Bergische Elektrizitätsversorgung in Essen-Kupferdreh als Versicherungsnehmer der Allianz in der Sparte „Maschinen“ einzuwerben.33 Was Erich Gradmann und Christian Holler in diesen Jahren bereits von Berlin aus in Ost- und Mitteldeutschland akquirierten, ist nicht mehr nachzuweisen. Jedenfalls suchte die Firma am Ende der Weltwirtschaftskrise erneut größere Geschäftsräume, nun in allerbester Lage im Herzen Berlins. Die neue Adresse lautete seit 1934: Französische Straße 8.

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3. Christian Konrad Holler und Josepha Rosa Adamek, geb. Griessler

Im Dezember 1933 heirateten der „Versicherungsmakler Christian Konrad Josef Holler“ und „Josepha Rosa Adamek, geborene Griessler, ohne Beruf“.1 Für Christian Hollers Frau bildeten ihre Herkunft und ihr Leben vor 1933 stets ein Tabu. Informationen, die sie später über ihre Geschichte preiszugeben schien, vernebelten die Dinge eher. Mit Ungereimtheiten wie, ihr Vater sei in der Habsburger Monarchie Rittmeister2 gewesen und „Beamter im Präsidium des Nationalrates“3, gar „im Duell gestorben“4, und sie habe in Wien das renommierte Institut Sacré Coeur besucht5, auch ein Internat in Kroatien und dann Medizin studiert6, oder sie stamme aus einer „vermögenden Familie“7 und sei in erster Ehe mit einem holländischen Grafen verheiratet gewesen8, untergrub sie ihr Glaubwürdigkeit. Sie beflügelte die Phantasie ihrer Mitmenschen, provozierte hämische Kommentare und machte sich damit wenig Freunde. Sollte sich der erfolgreiche Christian Holler, Sohn eines höheren Offiziers und Absolvent der Königlich Bayerischen Kadettenanstalt, bemüht haben, seiner Frau zu versichern, dass ihm deren ‚einfache‘ Herkunft wie auch die Tatsache, dass sie bei der Heirat nicht mehr ihren Mädchennamen trug, nichts bedeuteten, tat er das anscheinend mit wenig Überzeugungskraft. Josepha Rosa Griessler kam 1904 in Wien zur Welt, als dritte Tochter der Eheleute Josef und Anna Griessler. Der Vater war 1863 als Sohn eines Wirtschaftsbesitzers, eines Gastwirts also, in Hornstein geboren worden. Das Städtchen gehörte seinerzeit zu Ungarn und wurde nach dem Ersten Weltkrieg dem Burgenland zugeschlagen. Hier, im einstigen westungarischen Grenzgebiet, waren nach den Türkenfeldzügen gegen Wien im 16. Jahrhundert die verwüsteten und aufgelassenen Dörfer im Rahmen einer riesigen Umsiedlungsaktion mit rund hunderttausend Kroaten neu besiedelt worden. Ein Ödenburger Militärpass, den er 1895 im Pfarramt von St. Ottmar in Wien vorlegte, wies Josef Griessler als ehemaligen Landwehrmann aus.9 Als Beruf gab er „Amtsdiener im Parlament“ an, arbeitete also am Sitz der österreichischen Volksvertretung. Auch zwei Brüder Josef Griesslers waren von Westungarn in die Weltstadt Wien gezogen.10 Wiens Einwohnerzahl nahm Ende des 19. Jahrhunderts stark zu, denn unzählige Menschen aus allen Teilen des großen Habsburgerreiches hofften, hier eine Chance zu finden. Josephas Mutter, Anna Griessler, stammte aus Wien, wo sie 1868 schlicht als „Tochter der Anna Zechner“ zur Welt gekommen war. „Uneheliche“ Kinder wurden zu jener Zeit geschmäht und benachteiligt. Josef Griessler hat also seine zukünftige Frau entweder sehr geliebt und sich landläufige Vorurteile nicht zu eigen gemacht oder mag Dankbarkeit für sein Entgegenkommen erwartet haben, als er sie im Februar 1895 heiratete. Dass eine Großmutter Anna Zechners eine geborene Werdmüller von Elgg war, hielt die Familie offenbar hoch; das Ölgemälde der auffallend schönen Frau befand sich später im Besitz Asta Hollers.11 29

Das Parlamentsgebäude in Wien heute

Josef und Anna Griessler wohnten zunächst in der Adamsgasse 13, im Bezirk Landstraße, Wiens Diplomatenviertel. Hier dürfte 1896 noch die Tochter Maria zur Welt gekommen sein.12 Anna Clementine, genannt Anny, wurde 1898 bereits in der Josefstadt geboren, dem kleinsten und damals wie heute feinsten der Wiener Innenbezirke. Hier wohnten die Eltern zunächst in der Georgsgasse 4, einem kleinen Haus, in dem 1864 der Dichter Friedrich Hebbel mit seiner Frau, der Burgschauspielerin Christine Enghaus, gelebt hatte.13 Um die Jahrhundertwende zogen die Griesslers in die Josefstädter Straße 14. Wie schon von der Georgsgasse 4 konnte Josef Griessler auch von hier aus seine Arbeitsstätte, das prächtige, von Theophil Hansen entworfene und 1883 fertiggestellte Parlamentsgebäude, in wenigen Minuten bequem zu Fuß erreichen. Das neoklassizistische Bauwerk liegt zwischen dem Wiener Rathaus und dem Justizpalast vis à vis der Hofburg, deren Ausmaße und Pracht die Größe des mächtigen Habsburger Reiches symbolisierten. Um die Wende zum 20. Jahrhundert wandelte sich Wien unter Bürgermeister Karl Lueger, der seine Popularität nicht zuletzt antisemitischer Demagogie verdankte und Hitler in manchem als Vorbild diente, zu einer modernen Großstadt. Fernleitungen versorgten die rasch wachsende Metropole mit Trinkwasser, Schulen und Spitäler wurden gebaut, Parks und Grüngürtel angelegt. Mit zwei Millionen Einwohnern war Wien 1908 die sechstgrößte Stadt der Welt.14 Die Fortschritte bei der Entwicklung des innerstädtischen Personenverkehrs konnte die Familie Griessler aus nächster Nähe verfolgen. Die neue dampfbetriebene Stadtbahn, eröffnet im Jahr 1898, brachte dem Bezirk mit der Station Josefstädter Straße 30

einen eigenen Anschluss. Die Pferdebahn, welche bis dahin durch die Straße gefahren war, wurde 1901 durch eine elektrische Straßenbahn ersetzt. Seit 1913 verlief hier eine der ersten Wiener Autobuslinien.15 Am 15. Dezember 1904 bekamen Maria und Anny eine kleine Schwester. Die Hebamme wohnte im selben Haus. Elf Tage nach der Geburt wurde der Säugling, wie schon seine Schwester Anna, in der nahegelegenen Pfarrkirche Maria-Treu, bekannter als „Piaristenkirche“, auf den Namen Josepha Rosa getauft. Während der Name des Vaters wie auch der seiner Mutter Josefa noch schlicht mit „f“ geschrieben wurde, ließen die Eltern Griessler ihre Jüngste als Josepha mit „ph“ eintragen. Das galt als vornehm und entsprach der Mode der Zeit. In der Familie wurde die Kleine „Josefine“ gerufen und dann auch wieder mit „f“ geschrieben.16 Zur Patin wählten die Eltern Rosa Griehsler17, eine „Fleischhauersgattin“, offenbar eine Schwägerin des Vaters. Die Patentante und ihr Mann wohnten in der Rothenhofgasse 4, im weniger feinen, mit Mietskasernen dicht besetzten Bezirk Favoriten. Ein 1952 angefertigter Auszug aus dem Geburtsregister, den Asta Holler benötigte, um ein Visum für Brasilien zu beantragen, zeugt von dem vergeblichen Versuch, das Wort „Fleischhauersgattin“ durch einen großen Tintenklecks unlesbar zu machen. Überliefert blieben sowohl die noch identifizierbare Fleischhauersgattin als auch der Versuch, sie zu tilgen. Dass die berühmte Paula Wessely, 1907 in Wien geboren, Tochter eines Fleischhauers war, dessen Schwester obendrein als Burgschauspielerin reüssierte, hatte sich vermutlich nicht zu Asta Holler herumgesprochen.18 Wenige Monate vor Josefine war in Wiener Neustadt, in der Nachbarschaft der Daimler-Motorenwerke, auch Louise Porsche auf die Welt gekommen. Es sollte rund ein halbes Jahrhundert dauern, ehe sich die Wege dieser ungleichen Frauen kreuzten. Als Josefine geboren wurde, galt die Josefstadt als das Wohnviertel wohlhabender Notare, Anwälte und vor allem höherer Beamter.19 Josefstädter Straße 14 war zweifellos eine gute Adresse. Das Haus beeindruckt noch heute durch eine ansehnliche Fassade. Wie konnte sich ein Amtsdiener, der am Ende seines Lebens monatlich nicht mehr als 206 Schilling Pension bezog, um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert eine Wohnung in dieser Lage leisten?20 Das Gebäude Josefstädter Straße 14, errichtet 1875, besteht aus zwei Wohnhäusern mit einem Innen- und einem Hinterhof.21 Nur im Vorderhaus gab es große, helle Wohnungen; Zimmer im Hinterhaus waren vor der Sanierung eng und düster – aber für die Griesslers bezahlbar. Nicht auszuschließen ist auch, dass die fünfköpfige Familie in der Hausmeisterwohnung lebte. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts gab es in jedem besseren Wiener Stadthaus „Hausbesorger“, häufig Frauen, deren Männer einer anderweitigen Arbeit nachgingen. Die Miete der Hausbesorger wurde mit dem Lohn verrechnet, hinzu kamen Trinkgelder.22 Im Hinterhaus zu wohnen oder unter den Sprösslingen der besser situierten Mieter als Hausbe31

sorger-Kind zu gelten, kann von Josefine als erniedrigend empfunden worden sein, mag aber zugleich ihren Wunsch nach sozialem Aufstieg befördert haben. Mehreren Menschen, denen Asta Holler später begegnete, fiel auf, dass sie fließend Kroatisch sprach. Sie soll das mit dem Besuch eines Internats in Kroatien erklärt haben. Aber als Josefine zehn Jahre alt war – vorher dürfte sie keine Internatserfahrungen gesammelt haben –, begann der Erste Weltkrieg. Niemand schickt sein Kind während des Krieges von Wien auf den Balkan, zumal in ein Land, das bestrebt war, sich vom Habsburger Reich zu lösen. Doch um Kroatisch zu lernen, brauchte Josefine nur in den Sommerferien zu den Großeltern in das rund 40 Kilometer entfernte Hornstein zu fahren. Noch heute herrscht hier in vielen Ortschaften als Sprache das sogenannte „Burgenlandkroatisch“ vor. Asta Holler gab vor, die renommierte Schule von Sacré Coeur besucht zu haben, und erklärte damit zugleich, warum sie gut Französisch sprach23 und schrieb. Die lückenlos überlieferten Unterlagen dieses Instituts, welche die Namen aller Elevinnen und die Jahre ihres Schulbesuchs verzeichnen, bestätigen das nicht.24 Das Archiv der Kongregation Unsere Liebe Frau von Sion, deren Mädchenschule noch heute, nicht weit von der Josefstädter Straße entfernt, in der Burggasse liegt und die ebenfalls Französisch unterrichtete, ging während des Zweiten Weltkrieges verloren.25 Wenn Asta Holler im Zusammenhang mit ihrer Schulbildung gelegentlich den Begriff Internat verwendete, mag das auch daher rühren, dass schon zur Zeit ihrer Kindheit und Jugend viele Schulen in Wien als sogenannte Halbinternate geführt wurden, modern ausgedrückt: als Ganztagsschulen, wo es für die Kinder auch Mittagessen gab. In einem katholischen „Internat“, berichtete Asta Holler später einmal, als Wein ihre Zunge gelöst hatte, habe sie Mitschülerinnen Gefallen erwiesen, indem sie „sündige“ Geschichten erfand, mit welchen die Mädchen mangels tatsächlicher Missetaten dann zur obligatorischen Beichte angetreten seien.26 Es gibt Lebensumstände, die zum Schwindeln erziehen. Anregend auf die heranwachsende Josefine Griessler dürfte das traditionell offene und tolerante Milieu der Josefstadt gewirkt haben. Dieses verdankte sich nicht zuletzt den vielen Musikern und Malern, Schriftstellern und Theaterschaffenden, die hier lebten und arbeiteten. Der Maler Gustav Klimt etwa, 1897 bis 1905 Präsident der von ihm mitbegründeten avantgardistischen Künstlervereinigung Secession, besaß sein erstes eigenes Atelier in der Josefstädter Straße 21, schräg gegenüber der Nummer 14. Stefan Zweig wohnte um die Ecke, Albert Schweitzer, Theologe, Arzt und Musiker, in der nahen Schlösselgasse, bevor er 1913 nach Lambarene ging.27 Im Haus Josefstädter Straße 26, kaum fünfzig Meter hügelaufwärts, lag und liegt das berühmte Theater in der Josefstadt, das schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts auf eine bewegte Geschichte zurückblickte. Direktor Josef Jarno, der den Betrieb von 1899 bis 1923 leitete, ver32

stand es, neben konventionelles Boulevardtheater – mit dem sich das Haus finanzierte – anspruchsvolle avantgardistische Stücke auf den Spielplan zu setzen, und machte sich um das moderne Theater in Wien äußerst verdient. Auf die Ära Jarno folgten die Jahre von Max Reinhard, der hier seit 1924 mit einem Ensemble glanzvoller Namen auf höchstem Niveau inszenierte. Josefine, 20 Jahre alt, konnte dies aus nächster Nähe miterleben. Nach dem Ersten Weltkrieg und dem Zerfall des Habsburgerreiches wurde 1918 die Republik ausgerufen und Wien zur Bundeshauptstadt eines neuen föderalen Staates erklärt. Das Parlamentsgebäude beherbergte fortan den vom Volk direkt gewählten Nationalrat und den Bundesrat, die Länderkammer. Vater Griessler wurde anscheinend dem Nationalrat als Amtsdiener zugeteilt. In den folgenden Jahren gerieten Zehntausende Wiener wegen Wohnungsmangel und Arbeitslosigkeit in Existenznot; politische und soziale Unruhe kennzeichneten bis auf Weiteres die Stadt, die nun den Wasserkopf eines Kleinstaates bildete. Um mit Unterstützung des Völkerbundes ihre Währung stabilisieren zu können, verpflichte sich die junge Republik Österreich im Herbst 1922 zur Entlassung von 100 000 Staatsbeamten. Ob diese Maßnahme auch Angehörige von Josefine oder sie selbst betraf, wissen wir nicht. Den amtlichen Unterlagen zufolge war Josefa28 Griessler während der gesamten zwanziger Jahre, wenn auch mit mehreren Unterbrechungen, in Wien gemeldet; bis zum Frühjahr 1926 stets in der Josefstädter Straße 14. Im Wiener Adressbuch, dem sogenannten „Lehmann“, der allerdings keine amtlichen, vielmehr nur von den Bewohnern selbst angegebene Daten enthält – auch solche, die bereits nicht mehr zutrafen – , taucht 1925 in der Josefstädter Straße 14 neben dem Amtsdiener Josef Griessler zum ersten und einzigen Mal auch „Josefine, Beankb[ea]mtin“ auf. Als „B[ea]mtin d[er] Öst[erreichisch-]ung[arischen] Bank“ war im „Lehmann“ unter dieser Adresse schon 1920/21 Josefines ältere Schwester Anna verzeichnet gewesen. Die Österreichisch-Ungarische Bank ging Ende 1922 in Liquidation; an ihre Stelle trat die wesentlich kleinere Österreichische Nationalbank. Eigentlich verzeichnet der „Lehmann“ nur Hauptmieter und Hausbesitzer. Dass Anna und Josefine jeweils eine eigene Wohnung hatten, ist angesichts des Wohnraummangels im Wien dieser Jahre eher unwahrscheinlich.29 Anna Griessler heiratete im September 1922 einen Robert Bukwich, zog nach Graz, gebar die Tochter Herta und starb 1968 in Graz als „Beamtensgattin“.30 Zu den Wohnungseigentümern in der Josefstädter Straße 14 gehörte 1921/22 laut „Lehmann“ auch der „techn.[ische] B[ea]mt[e]“ Koloman Münzl, der Ehemann von Josefines ältester Schwester Maria. Im Mai 1926 meldete Josefa Griessler sich offiziell aus der Josefstädter Straße 14 ab. „Frankreich“ halten die amtlichen Unterlagen als Ziel fest. Dort könnte sie ihre Französischkenntnisse vertieft haben. Zurück meldete sich dreieinhalb Monate später 33

allerdings Josefa Adamek, deren Familienstand „geschieden“ lautete und die angab, vorher in Karlsbad gewesen zu sein. Josefine musste also irgendwann, wahrscheinlich nicht vor ihrem 18. Geburtstag Ende 1922, geheiratet haben. Da sie der Behörde vor 1926 keinen Wohnungswechsel melden musste, gab es auch keinen Anlass, den Familiennamen zu korrigieren. So blieb der Mädchenname im Register stehen, bis es im September 1926 zu der Rückmeldung kam.31 Während der „Lehmann“ für die Josefstädter Straße 14 nie eine Josefine Adamek anführt, taucht 1925 eine Frau dieses Namens in Wien XIV/XV, in der Graumanngasse 41, als „Kleidermacherin“ sowie im Branchenverzeichnis unter derselben Adresse als „Schneiderin“ auf. Da die amtlichen Meldeunterlagen dort für keinen Zeitpunkt eine Josefine Adamek ausweisen, unterhielt diese in der Graumanngasse vermutlich nur ihre Werkstatt. Eine weitere Person mit diesem Namen kennt der „Lehmann“ in den zwanziger Jahren nicht. Die Heiratsbücher ihrer Geburts- und Taufkirche enthalten keinen Hinweis darauf, wer Josefines erster Ehemann war.32 Doch lebte in der Graumanngasse 41 nach den amtlichen Unterlagen von 1911 bis zu seinem Tod im Jahre 1969 Viktor Johann Adamek, ein 1891 geborener Zuckerbäckermeister, von dem eine Eheschließung im Juni 1926 belegt ist.33 Folgen wir den Meldeunterlagen, war Josefa Rosa Adamek zu diesem Zeitpunkt bereits geschieden – ob von dem 13 Jahre älteren Zuckerbäcker, lässt sich nicht beweisen. Nach den amtlichen Meldeunterlagen kam Josefa Adamek im Herbst 1926 für rund zwei Monate in der Wohnung ihres Schwagers in der Josefstädter Straße unter, bevor sie sich abmeldete und als Ziel Deutschland nannte. Elf Monate später, im Oktober 1927, kehrte sie zurück, allerdings in die Kirchengasse 11 im Bezirk Neubau, wo inzwischen ihre Eltern wohnten. Neubau galt als weniger feines Quartier. Wahrscheinlich arbeitete der Vater nicht mehr, und eine bescheidenere Lage musste reichen. Im „Lehmann“ taucht Vater Griessler 1928 als „Pens[ionist]“ wieder auf. Josefa Adamek war fast drei Jahre lang amtlich in der Kirchengasse 11 gemeldet. Dann verschwand sie für 17 Monate, gab an, „verreist“ zu sein, und nannte bei ihrer Rückkehr im März 1932 als vorherige Adresse „Dresden, Gartenstraße 2“. Sie meldete sich allerdings nicht in die elterliche Wohnung zurück, sondern zu Schwester und Schwager, die nun in der Fuhrmanngasse wohnten, nach wie vor im Bezirk Josefstadt. Laut „Lehmann“ war der Schwager seit 1926 „Architekt“. Josefa blieb nur zehn Tage in Wien und meldete sich dann via „Brunn am Gebirge“ ab. Nach sechseinhalb Monaten kam sie wieder – allerdings von der Nordseeinsel Norderney. Zwei Monate später verschwand sie endgültig aus Wien. „Abgemeldet: Deutschland“ halten die amtlichen Unterlagen fest. Es trifft sich, dass die ‚andere‘ Josefine Adamek, die Kleidermacherin in der Graumanngasse, 1932 zum letzten Mal im „Lehmann“ erscheint. Danach kennt das 34

Begrüßung

Adressbuch in ganz Wien keine Josefine Adamek mehr. Unerklärt bleibt, warum im Eintrag von Josef Griessler in der Wiener Heimatrolle34 neben dem Namen seiner Tochter Josefa der Hinweis „HOLLER (Christian) verh. in Brasilien“ steht.35 Die spätere Asta Holler könnte, nachdem die Verhältnisse eine Tätigkeit im Bankwesen nicht mehr erlaubten, auf Schneiderei umgesattelt haben. Geschmack und Geschick wurden ihr stets attestiert, ja, auch Sachverstand.36 Sie mag eine Werkstatt in der Graumanngasse betrieben haben, im selben Haus, in dem Viktor Johann Adamek wohnte, der für kurze Zeit ihr Ehemann gewesen sein kann. Als sie sich im November 1932 in aller Form aus Wien abmeldete, veranlasste sie offenbar auch, dass ihr Name fortan nicht mehr im „Lehmann“ erschien. Für die Zeiten, als Josefa Adamek zwischen 1926 und 1932 nicht in Wien war, vermerken die Meldeunterlagen abwechslungsreiche Aufenthaltsorte. Ob sie in Frankreich und Karlsbad, Brunn am Gebirge, Dresden und Norderney als Schneiderin ihren Lebensunterhalt verdiente oder auf andere Weise ihr Glück suchte, wissen wir nicht. Den Sommer 1932, als sich die Überwindung der Wirtschaftskrise andeutete, verbrachte sie auf Norderney. Doch weder verzeichnet sie die „Badezeitung“ als Gast noch das amtliche Melderegister als Saisonarbeiterin.37 Josefa Adamek kam entweder als „Begleitung“ und wurde darum nicht namentlich erfasst oder gehörte zu jenen Gästen, die Strände abseits des überwachten Badebetriebs vorzogen, wo sie auch keine Kurkarte brauchten und sich daher nicht registrieren ließen.38 Das Jahr 1932 bescherte Norderney den „sonnigsten Sommer seit 1911“. Wenn im selben Jahr eine Polizeiverordnung hier das öffentliche Nacktbaden untersagte, zeugt das nicht zuletzt davon, dass solches nach Ansicht der Behörden überhand genommen hatte – und sich vermutlich auch nicht unterbinden ließ.39 Christian Holler ging gern nackt an den Strand.40 Nordseesonne bräunt intensiv. In der Zeit der ersten Verliebtheit nannte „Christl“ seine spätere Ehefrau „Negerlein“, womit er auf deren nahtlose Bräune angespielt haben mag. Unterschrieben mit „Dein Negerlein“ ist ein undatierter Brief an Christian Holler, der zweifellos von seiner späteren Ehefrau stammt. Der kurze Text in konventioneller Schönschrift ist kess formuliert und sitzt perfekt im Blatt; die Buchstabengröße zeugt von 35

Das Katzenjammer-Negerlein

einem ausgeprägten Selbstbewusstsein. Der Adressat könne es doch „unmöglich verantworten“, dass sie „fürchterlich traurig“ werden würde, wenn sie ihn nicht vor dessen geplanter „kleiner Sommerreise“ noch sähe. Er möge sie doch am Morgen, bevor er in seinen „Laden“ gehe, noch anrufen. Die „kleine Sommerreise“ fand wohl 1933 statt, und Josepha Rosa Adamek hielt sich vermutlich bereits in Berlin auf. Der mit „Negerlein“ unterschriebene wie auch ein weiterer undatierter Brief enthalten Zeichnungen. Eine illustriert die Vorderseite eines Briefes, ist mit sicherem Strich zu Papier gebracht und anschließend gekonnt koloriert worden. Eine junge Frau in kniekurzem Kleid, unter dem die Ansätze der Seidenstrümpfe zu sehen sind – nach Haarfarbe und Frisur ganz die spätere Asta Holler – fällt einem heimkehrenden Mann, zweifellos Christian, um den Hals. Diesen scheint die stürmische Begrüßung zu verblüffen; er lässt Koffer und Schlüsselbund fallen, macht aber noch keine Anstalten, die junge Frau zu umarmen. Da diese nicht mehr mit den Füßen auf dem Boden steht, ihre Fußspitzen vielmehr nach hinten weisen, hängt sie wie ein Mühlstein um seinen Hals. Der junge Mann müsste sie nun bald festhalten, andernfalls sie vor ihm auf die Knie glitte. Der andere Brief enthält keinen geschlossenen Text, dafür drei erzählende Karikaturen, deren einzige handelnde und leidende Person jeweils die spätere Asta Holler ist. Auf der Vorderseite geht es darum, „Christl“ wissen zu lassen, dass zwei kleine Scotchterrier namens „Black and White“ auf ihn warteten, weil sie „am Sonntag was unternehmen“ wollten. Darunter ist eine Badewanne gezeichnet, in der unbekleidet eine fröhliche Josefine sitzt, ein Fässchen mit der Aufschrift „Fichtennadel“ in Reichweite. Ein Schild über der Wanne lädt zum „Badefest auf dem Wolkenkratzer“ am nächsten Tag ein. Bevor dieser Brief übergeben wurde, muss die Zeichnerin erfahren haben, dass der Geladene bereits andere Pläne hatte. „Du alter Hund, verlässt mich“, schalt sie ihn, nachträglich mit aufgeregter Hand eingefügt, um ihm dann zwei Telefonnummern zu nennen, unter denen er sie „also bitte“ anrufen möge. Die Karikatur auf der Rückseite wurde vermutlich anschließend gezeichnet. Vollmond und Sterne deuten an, dass es Nacht ist. Eine Zeile mit Noten, welche die Melodie „Hänschen klein …“ abbilden, ist mit dem Text „Ruf mich an, Sonntag früh, sonst weine ich einen See!!“ unterlegt. Josefine, als Troubadourin im Zentrum abgebildet, singt und spielt dazu auf einer Gitarre, deren Bänderschmuck das Mono36

Neue Sachlichkeit in der Cicerostraße 58

gramm „CH“ ziert. In großer Schrift wird der Empfänger des Briefes dazu aufgefordert, das „furchtbare Katzenjammer-Negerlein“ anzurufen. In welchen beklagenswerten Zustand der Sehnsuchtsschmerz die Absenderin bringen könnte, illustriert die Zeichnung auf dem gegenüberliegenden Blatt: Offenkundig alkoholisiert und ziemlich abgerissen, mit knappem Röckchen und sichtbaren Strapsen, das Gesicht hilflos verzogen, sitzt diese zwischen etlichen geleerten und teils umgefallenen Gläsern und Flaschen, umgeben von drei erbärmlichen Katern. Außer diesen vier Blättern sind keine Arbeiten aus der Feder Asta Hollers erhalten. Ihr späterer Chauffeur erinnert sich, sie habe gelegentlich beiläufig etwas gezeichnet.41 Die überlieferten Arbeiten Asta Hollers zeugen von großem Talent und ausgedehnter Praxis.42 Ihre treffsichere Komik und auch ihre Qualität mögen den Empfänger erheitert und fasziniert haben. Schätzte er es auch, dass die Urheberin sich ihm – wie auf der kolorierten Zeichnung – an den Hals warf? Als die beiden illustrierten Briefe entstanden, waren die Alltage von „Christl“ und dem „Negerlein“ offenkundig nicht aufeinander abgestimmt. Er fühlte sich ihr nicht so verbunden, dass er sie über geplante Reisen informiert hätte. Sie wiederum schimpfte wie ein Rohrspatz darüber, dass er eine „Geheimnummer“ hatte und für sie „unerreichbar“ war. Offenbar lag ihr mehr als ihm daran, den Kontakt enger zu gestalten, war sie treibende Kraft, als es darum ging, aus der Affäre eine dauerhafte Verbindung zu machen. Der Nachdruck, mit dem Bilder wie Texte Zuwendung und Nähe fordern, zeugt jedenfalls von einem unausgewogenen Verhältnis. Josepha Rosa Adamek könnte nach Berlin gezogen sein, nachdem sie Christian Holler oder einen Mann aus dessen Bekanntenkreis kennengelernt hatte. Vielleicht hoffte sie, als Schneiderin oder auch als Modezeichnerin, die den Stil ihrer Zeit beherrschte, in Berlin zu reüssieren.43 Vor der Weltwirtschaftskrise war die Bekleidungsindustrie die gewinnträchtigste Branche der mondänen Metropole gewesen. Der Heiratsurkunde vom Dezember 1933 ist zu entnehmen, dass Christian Holler zu dieser Zeit nahe dem Kurfürstendamm in der Wilmersdorfer Cicerostraße 58 wohnte. Josepha Adamek gab als Adresse Cicerostraße 60 an. Hier wohnte auch einer der 37

Christian Holler um 1930

beiden Trauzeugen, der Kaufmann Oskar Stöve.44 Beide Hausnummern gehörten zum sogenannten WOGA-Komplex45, einem städtebaulichen Ensemble des Architekten Erich Mendelsohn. Das spektakuläre wie anspruchsvolle, der Neuen Sachlichkeit verpflichtete Projekt war zwischen 1925 und 1931, teilweise mit amerikanischem Kapital, realisiert worden. Der Komplex umfasste das „Universum“, bekannt als das Premierenkino der Ufa, das berühmte „Kabarett der Komiker“, eine Ladenstraße sowie ein Apartmenthaus und eine langgestreckte Wohnanlage an der Cicerostraße. Auf fünf Stockwerken gab es hier anspruchsvoll ausgestattete Wohnungen mit jeweils vier Zimmern, eines davon als „Mädchenzimmer“ gedacht. Man befand sich in der Cicerostraße 58 in „guter Gesellschaft“. Unter den Mietern führt das Berliner Adressbuch46 neben „Ch. Heller“ (sic!) einen weiteren Kaufmann, zwei Direktoren, einen Schauspieler und eine Schauspielerin sowie einen promovierten Juristen auf; zwei Bewohnerinnen galten schlicht als „Frau“. Eine Josefine Adamek verzeichnet das Berliner Adressbuch Anfang der dreißiger Jahre nicht. Da sie keinen eigenen Telefonanschluss besaß, ist anzunehmen, dass sie keine Hauptmieterin einer Wohnung war. Doch dürfte sie gemeinsam mit „Black and White“, ihren beiden Hunden, die stark an das Label der gleichnamigen Whisky-Marke erinnern, kaum zur Untermiete gewohnt haben. Christian Holler, scheint es, hatte etwas zu verlieren, wenn er sich binden würde. Der gesellige junge Mann genoss das lebendige Berlin der „Goldenen Zwanziger“. Holler und seine Freunde Heinz Kuhlo und Willi Preisendanz galten als lebenslustiges Trio. Charmant, attraktiv und gut situiert, flogen ihnen die Herzen vieler Berlinerinnen zu. Zum Verdruss seiner beiden Freunde verließ als erster Christian Holler die umschwärmte Junggesellenclique.47 Seinen Entschluss, mit 33 Jahren zu heiraten, mag die Einsicht befördert haben, dass dies dem Geschäft nicht schaden konnte. Der Partner Erich Gradmann hatte bereits im Frühjahr 1932 – in zweiter Ehe – eine Berlinerin zur Frau genommen. 38

Josefine Adamek

Christian Hollers berufliche Erfolge werden von Menschen, die ihn gekannt haben, immer wieder damit erklärt, dass er ein begnadeter Netzwerker gewesen sei. Eine vorzeigbare Frau an seiner Seite konnte ihm die Aufmerksamkeit jeder Gesellschaft sichern. Wie eine Fotografie belegt, entsprach Josepha Adamek dem Schönheitsideal, ja, dem Stereotyp der Zeit: kurze gescheitelte Haare, filigrane Augenbrauen, schmaler glänzend kirschroter Mund, eher Garçonne denn Vollweib. Gemeinsam mit dieser Frau würde er fortan als Gastgeber agieren, das Ehepaar könnte Hausfeste veranstalten und Menschen zusammenführen. Im Oktober 1933 reiste Josepha Adamek nach Wien, wohl um Dokumente für ihre geplante zweite Heirat zu besorgen. Sie dürfte ihre Eltern in der Kirchengasse und ihre Schwester Maria getroffen haben, die mit ihrem Mann weiterhin in der Josefstadt wohnte.48 Josefine ließ bei diesem Aufenthalt in Wien ihren Eintrag ins Geburts- und Taufbuch der Pfarre Maria-Treu in der Rubrik „Vater“ korrigieren. Nicht mehr „Amtsdiener“ wie bei Josepha Rosas Geburt, sondern – was nicht mehr war, aber nach mehr klang – „Beamter im Präsidium des Nationalrates“ sollte der Vater nun sein. Dass es in der Habsburger Monarchie noch keinen „Nationalrat“ gab, irritiert nur den historisch interessierten Leser. Ein Auszug aus dem Geburts- und Taufbuch, den Asta Holler 1952 anfertigen ließ, suggeriert, dass sie 1904 als Tochter eines „Beamten im Präsidium des Nationalrates“ auf die Welt kam. Kopien dieses Auszugs, der auch die auffällig kaschierte Fleischhauersgattin enthält, verwendete Asta Holler wann und wo immer sie fortan eine Geburtsurkunde beizubringen hatte. Die Wiener Behörden indessen führten Vater Griessler bis zu seinem Tod als Amtsdiener.49 Die Hochzeit fand am Ende des unseligen Jahres 1933 statt. Am 31. Januar war das Kabinett Hitler vereidigt worden. Als Ende Februar in Berlin der Reichstag brannte, lieferte das der neuen Regierung den Vorwand, politische Gegner in „Schutzhaft“ zu nehmen. Mit dem Ermächtigungsgesetz mutierte Deutschland Ende März zu einer Diktatur. Jüdische Mitbürger wurden diskriminiert und zunehmend entrechtet. Die 39

„Geburts- und Taufschein“ Asta Hollers

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Nationalsozialisten lösten Gewerkschaften wie Parteien auf, schalteten die Presse gleich, ließen Bücher „undeutscher“ Autoren öffentlich verbrennen, erklärten moderne Kunst für „entartet“ und verboten sie. Zugleich ergriff die neue Regierung Maßnahmen, um die eben wieder angesprungene Konjunktur in Schwung zu bringen; durch Staatsaufträge schuf sie zusätzliche Arbeitsplätze. Die Zahl derer, die nach elenden Jahren wieder in Lohn und Brot standen, wuchs rasch. Am 7. Dezember 1933, eine Woche vor Astas 29. Geburtstag, gaben sich Josepha Rosa Adamek und Christian Konrad Holler auf dem Standesamt in Berlin-Wilmersdorf das Ja-Wort. Eine Familienfeier fand nicht statt. Der Gesundheitszustand des Brautvaters, der kein halbes Jahr mehr zu leben hatte, ließ das nicht zu. Auch Christians Schwester Anna, die 1922 den Apotheker Felix Reis geheiratet hatte und mit ihrer fünfköpfigen Familie in Bad Liebenzell am Schwarzwald lebte, kam eine Reise zu diesem Zeitpunkt nicht gelegen. Der jüngste Sohn Felix nämlich, 1929 geboren, litt an einer lebensbedrohenden „nassen“ Lungenentzündung und wurde monatelang von seiner Mutter gepflegt. Weihnachten 1933 war niemandem zum Feiern zumute. Als der Vierjährige Ostern 1934 genesen war, schmückte man zu seiner Freude einen Tannenbaum. Christian Hollers Neffe erinnert sich an dieses unkonventionelle Osterfest – und auch daran, dass sein Onkel und dessen Frau zu Besuch kamen. Bei dieser Gelegenheit trafen Anna Reis und ihre Familie Asta Holler zum ersten Mal. Ihre Schwiegereltern in München-Pasing lernte die junge Frau Holler im Zuge dieser Reise wahrscheinlich ebenfalls kennen. Später besuchten die Eltern Holler ihren Sohn und ihre Schwiegertochter in Berlin. Als am 26. Mai 1934 in Wien Josef Griessler starb, wurde seine jüngste Tochter in der Todfallsaufnahme unter der Rubrik „großjährige Kinder“ bereits als „Josefine Holler, geb. Griessler, Bankiersgattin“ aufgeführt. Das klang gut; im Berliner Adressbuch rangierte Christian Holler bis 1938 allerdings schlicht als „K[au]fm[ann]“, danach als „Vers[icherungs-] Makler“. Ob Josefine am Begräbnis ihres Vaters teilnahm, ist ungewiss. Einen Monat vor seinem Tode war Vater Griessler „wegen Geistesschwäche beschränkt entmündigt“ worden. Als Beistand hatte das Bezirksgericht Innere Stadt vorläufig den Schwiegersohn Koloman Münzl bestellt. Mit einer Vollmacht seiner Schwiegermutter versehen, erledigte dieser nach Josef Griesslers Tod die erforderlichen Behördengänge. Er übernahm auch die Kosten für die „Städt[ische] Leichenbestattung“ in Höhe von 266 Schilling und 10 Groschen. Josef Griessler hatte kein Testament geschrieben und hinterließ keine Ersparnisse. Bei einer Pension von 206 Schilling, die er monatlich von der Finanzlandesdirektion bezogen hatte, konnten er und seine Frau Anna nichts zurücklegen. Als Verlassenschaft tauchten lediglich 48 Schilling und 38 Groschen an „Spitalseffekten“ auf, die dem Schwiegersohn zum teilweisen Ausgleich der 41

Vater und Sohn Holler im Garten des Hauses Bitterstraße

Begräbniskosten „an Zahlungsstatt“ überlassen wurden. Astas Mutter wohnte laut „Lehmann“ bis 1962 als „B[un]d[es] Beamt[en] W[it]we“ in der Kirchengasse 11, Stiege 7.50 Nach einer Auskunft ihrer einzigen Nichte Herta MestreBukwich soll Asta Holler sich, ohne dass ihr Mann davon gewusst hätte, „in rührender Weise“ um ihre Mutter gekümmert haben.51 In der Todfallsaufnahme von Josef Griessler wird „Cicerostraße 58“ als Berliner Adresse seiner Tochter Josefine Holler genannt. Demnach wohnte diese inzwischen bei ihrem Ehemann. Dort machte 1934 Kurt Stroh, der spätere Juniorpartner von Gradmann & Holler, ihre Bekanntschaft. Seine ältere Schwester lebte mit ihrem Mann in Berlin und war mit den Hollers bekannt. Als der dreizehnjährige Knabe die junge Frau Holler in einer langen hellgrauen Flanellhose sah, zu der sie eine gelbe Bluse trug, hinterließ das bei ihm einen bleibenden Eindruck; sie war eine „tolle Frau“.52 Asta Hollers Attraktivität verhinderte nicht, dass dem Charme ihres Mannes auch in den nächsten Jahrzehnten mehr als eine Frau erlag. Im Frühjahr 1935 mieteten die Hollers in Berlin-Dahlem einen Trakt einer größeren Villenanlage in der Bitterstr. 8–12.53 Vorher hatte darin Willy Fritsch gewohnt, der Ufa-Star und Schwarm aller Backfische.54 Seit dem 28. März 1935 war hier „HOLLER geb. Adamek-Griehsler (sic!), Asta Josepha“ gemeldet.55 Das ist der älteste amtliche Nachweis für den Wechsel des Rufnamens. Genau so zu heißen wie der erste Filmstar in der Geschichte des Kinos, die geniale Schauspielerin Asta Nielsen, mag Frau Holler als schmeichelhaft empfunden haben. Womöglich hatte sie „Asta“ zunächst nur als Teil eines Firmennamens gewählt. Das Berliner Adressbuch weist nämlich zwischen 193456 und 1943 „Holler A Konfekt f D C25 Kaiserstraße 11–12 T.“ aus. Führte Christian Hollers Ehefrau nahe dem damaligen Alexanderplatz im Bezirk Mitte ein Geschäft für Damenkonfektion? Warum hatte sie dann auf dem Standesamt „ohne Beruf“ angegeben? Schickte es sich für die Ehefrau eines aufstrebenden Industrieversicherungsmaklers nicht, einer Berufstätigkeit nachzugehen? 42

Nachträglich, vermutlich erst nach dem Zweiten Weltkrieg, wie Schriftvergleiche nahelegen, hat Asta Holler eine Ergänzung ihres Eintrages im Geburts- und Taufregister der Pfarre Maria-Treu in Wien vornehmen lassen. In der Rubrik „Name des (der) Getauften“ steht dort unter „Josepha Rosa“ seither „Asta (Rufname)“. Der heutigen Pfarrkanzleisekretärin ist es ein Rätsel, wie dieser undatierte Eintrag ohne Hinweis auf eine Urkunde erfolgen konnte, die den Namenswechsel belegt hätte.57 1989/90, bei der Vollstreckung des Testaments, gab der Eintrag in den Matriken der Pfarre Maria-Treu sogar den Nachweis ab, dass „Asta Holler“ und „Josepha Rosa Holler“ identisch seien.58 Auch Christian Holler entschloss sich irgendwann, seinem Namen Glanz zu verleihen, indem er den Zweitnamen Konrad in scheinbar amerikanischer Weise zum „middlename“ erhob. Bei dem Kürzel „CKH“ wäre die Zunge freilich gestolpert; doch „Christian C. Holler“ klang weltmännisch. In der Firma nannte man ihn später nur „CCH“.

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4. Im nationalsozialistischen „Wirtschaftswunder“ an die Spitze

Mit dem Umzug in die Französische Straße siedelte sich die Firma Gradmann & Holler 1934 in der Nachbarschaft der Allianz Generaldirektion an. Zugleich gewann sie mehr Selbständigkeit. Denn auf der Etage mit acht Räumen, welche sie jetzt besaß, gab es auch eine „Maschinenabteilung nebst Ingenieurbüro“, die Schäden in eigener Regie bearbeiten konnte. Die Festschrift zum 25-jährigen Bestehen feiert das 1951 als großen Fortschritt; hier habe die „Keimzelle der gesamten Firma“ gelegen, die bald mehrere Ingenieure beschäftigte. Der Aufschwung nach der Krise, auch als „Wirtschaftswunder“ verbrämt, verdankte sich seit 1934/35 zunehmend der Tatsache, dass ein immer größerer Teil der deutschen Staatsausgaben in die Rüstung floss.1 An dieser Konjunktur partizipierten auch die Versicherer. Das gelang, wie der amerikanische Historiker Gerald D. Feldman belegte, nur durch ein hohes Maß an Anpassung. 1933 hatte die nationalsozialistische Deutsche Arbeitsfront diejenigen Versicherungsgesellschaften übernommen, die zuvor mit den Gewerkschaften verbunden gewesen waren, und sich zu einer „ernstzunehmenden Kraft“ in der Branche entwickelt; es stand zu befürchten, die Nationalsozialisten könnten das Versicherungswesen über kurz oder lang verstaatlichen.2 Die Allianz-Generaldirektoren Kurt Schmitt und Eduard Hilgard waren daher bereit, sich im Rahmen der neuen Wirtschaftsordnung, die erst allmählich Konturen annahm, im Interesse ihrer Branche und nicht zuletzt ihres Unternehmens zu engagieren. Der politisch naive, aber ehrgeizige Kurt Schmitt nahm Hitlers Angebot, Wirtschaftsminister zu werden, Ende Juni 1933 zudem an, weil er es für seine Pflicht hielt – „sowohl meinem Land als auch der Welt gegenüber“ – ein „Abgleiten ins Radikale“ zu verhindern.3 Indem Hitler mit Schmitt einen „Repräsentanten der Großwirtschaft“ zum Minister ernannte, bewahrte er dem Regime die Kooperationsbereitschaft der privaten Wirtschaft.4 Angeekelt kollabierte Schmitt nach einem Jahr im Amt und gab es auf.5 Zuvor hatte er Hilgard gewonnen, die Führung der neu geschaffenen Reichsgruppe Versicherungen zu übernehmen. Die Allianz hatte sich verbandlich immer stark engagiert, und indem Hilgard sich entschloss, sein neues Amt „zum Wohle der Privatversicherung“ zu verwalten, stellte er sich in diese Tradition. Zudem vermutete er eine Chance, „wenigstens auf unserem Gebiete gegen die Übergriffe der Partei ankämpfen zu können“. Nicht nur, wenn es darum ging, Personal für Staatsfunktionen bereitzustellen, bemühte sich die Allianz, Opferbereitschaft zu demonstrieren. Sie verzichtete auch auf jeden Gewinn aus dem Verkauf neuer Feuerversicherungspolicen an Firmen, die seit 1936 für den Vierjahresplan produzierten, mit dem das Regime die deutsche Wirtschaft auf Kriegskurs brachte.6 Gemeinnütziges Verhalten konnten die deutschen Versicherungen ferner in einer Sparte bekunden, die in Deutschland erst mit einiger Verzögerung an Bedeutung gewann. Im Laufe der Weltwirtschaftskrise hatte sich gezeigt, dass die Träger der staat45

lichen Sozialversicherung ihre gesetzlich vorgesehenen Verpflichtungen nur unzureichend erfüllen konnten. Seit 1933 erließ die neue Regierung einige Gesetze, die den drohenden Zusammenbruch der Sozialversicherung verhinderten. Doch die Durchschnittssätze der Alters- und Invalidenrenten bewegten sich selbst nach vierzigjähriger Versicherungszeit nur zwischen 20 und 35% des früheren Einkommens. Das reichte nicht, um den Lebensunterhalt alter oder invalider Arbeiter und Angestellter abzusichern. Zusätzliche Hilfe war notwendig. Als Mittel der Wahl galt die Gruppenlebensversicherung. Sie bot einem Unternehmen deutliche Vorteile gegenüber Zuwendungen an herkömmliche Pensionskassen, weil die Prämienzahlungen an eine Versicherungsgesellschaft steuerlich als Betriebsausgaben galten7 und die aufwendige Verwaltung einer Pensionskasse im Unternehmen entfiel.8 Zahlreiche Dissertationen, die in der zweiten Hälfte der dreißiger Jahren zum Thema „Gefolgschaftsversorgung auf betrieblicher Grundlage“9 geschrieben wurden, betonen die „wichtige sozialpolitische Aufgabe“10, welche diese übernommen hätten, und verweisen regelmäßig darauf, dass damit Punkt 15 des Parteiprogramms der NSDAP erfüllt werde, der einen „großzügigen Ausbau der Altersversicherung“ forderte.11 Gruppenversicherungen waren von den Versicherern ursprünglich aufgenommen worden, um im härter werdenden Konkurrenzkampf nach der Währungsreform von 1924 Prämienrabatte gewähren zu können. Das Reichsaufsichtsamt für Privatversicherung reglementierte diese Sparte daraufhin streng. Doch die Nachfrage nach einer Altersvorsorge auf betrieblicher Basis entsprach im Deutschen Reich – wie übrigens in allen Industrieländern – offenkundig dem Zuge der Zeit. Im Frühjahr 1934 gab die Aufsichtsbehörde Bestimmungen heraus, welche die „Gruppenversicherungsverträge von Arbeitgebern zur Versorgung ihrer Arbeitnehmer und deren Angehörigen“ klar von sogenannten „Begünstigungsverträgen“ unterschieden.12 Nach der Neukodifikation der Richtlinien beeilten sich die Gesellschaften, Gruppenversicherungen mit vorteilhafter Prämiengestaltung anzubieten. Die hohen Zuwächse der deutschen Lebensversicherer seit der Weltwirtschaftskrise speisten sich ganz überwiegend aus dieser Sparte. Die Gesamtzahl der Gruppenpolicen13 stieg von gut dreihunderttausend Ende 1932 auf über 2,7 Millionen Ende 1938. Dabei fielen mehrere hunderttausend Personen unter Verträge, die mit der NSDAP und ihr nahestehenden Organisationen abgeschlossen wurden. Den Löwenanteil an diesen Neugeschäften sicherte sich die Allianz. Neben den Organisationen schlossen aber auch Wirtschaftsunternehmen Gruppenverträge ab.14 Durch solche Versicherungen erfassten die Gesellschaften bis 1940 rund neun Millionen Personen.15 Auf diese Weise demonstrierte nicht nur die private Versicherungswirtschaft ihre Bereitschaft, „das Gemeinwohl über die eigenen Interessen zu stellen“, und rechtfertigte damit ihre Existenz im nationalsozialistischen Deutschland.16 Im „Leistungswettkampf der Betriebe“, den die Deutsche Arbeitsfront 46

seit 1937 mit großem propagandistischem Aufwand inszenierte17, war es auch für einen „Betriebsführer“ nur vorteilhaft, wenn er die Altersversorgung seiner „Gefolgschaft“ durch den Abschluss einer Gruppenlebensversicherung aufstockte.18 Als „Betriebsführer“ galt inzwischen auch der mit den Hollers befreundete Hans Leonard Hammerbacher. Der 1893 geborene Jurist und Volkswirt hatte während der Inflationszeit die Finanzen der renommierten Verlagsgesellschaft von Otto Eysler neu geordnet und damit deren Fortbestand gesichert.19 Eysler, aus Wien stammend, gab unter anderem die gesellschaftssatirischen „Lustigen Blätter“, die in der Weimarer Republik hohe Auflagen erzielten, die „Elegante Welt“ und den „Roland“ heraus. Ein großer Teil der vielen Zeichner und Literaten, die er beschäftigte, kam aus seiner Heimatstadt.20 Hammerbacher gehörte dem Vorstand der „Dr. Eysler & Co. AG“ an, bis er nach Eyslers Tod 1928 zur Berliner Vogue-Verlag GmbH wechselte. Hammerbacher wirkte also in dem Milieu, das auch die talentierte Modezeichnerin Asta Holler angezogen haben könnte. Von 1930 bis 1933 betätigte er sich in der Reichshauptstadt als Wirtschaftstreuhänder.21 Als die Hollers im Dezember 1933 heirateten, brach Hammerbacher in Berlin gerade seine Zelte ab, da ihn in Mannheim eine neue Aufgabe erwartete. In den folgenden Jahrzehnten gehörten er und seine Frau Nelly zu den besten Freunden von Christian und Asta Holler. Ein Brief Hammerbachers aus dem Jahr 1954 zeugt von der Sympathie, welche die beiden Paare verband: „Seid ihr beiden lieben Menschen von ganzem Herzen bedankt. Dich, liebe Asta, umarme ich noch einmal ganz besonders, denn ich weiß ja, dass du mit Deinem einzigartigen Geschmack und Deiner einem so lieblich eingehenden Herzenswärme dieses Geschenk ausgesucht hast. Den besonders lieben und innigen Geburtstagskuss erwidere ich zunächst theoretisch, werde ihn aber bei unserem nächsten Zusammensein trotz des abfärbenden Lippenstiftes mir noch holen…“22 Die Firma Brown, Boveri & Co. AG (BBC) in Mannheim, die Maschinen und Elektromotoren herstellte, berief Hammerbacher 1934 in ihren Vorstand. Als Finanzchef stellte er das Unternehmen nach einer tiefgreifenden Sanierung wieder auf sichere Beine.23 In sein Ressort fielen auch Versicherungsangelegenheiten. Nicht eben liebenswürdige Zungen behaupteten, es sei das Verdienst Astas gewesen, dass ihr Mann Mitte der dreißiger Jahre für Gradmann & Holler bei der Victoria Leben in Berlin einen Gruppenlebensversicherungsvertrag mit BBC abschließen konnte. Sie habe das erste Geschäft in dieser zukunftsträchtigen Sparte und damit eines der größten während der dreißiger Jahre überhaupt eingefädelt.24 Während Erich Gradmann von Beginn an als Fachmann für Maschinenversicherungen galt, fand Christian Holler in den Gruppenlebensversicherungen sein Metier. BBC entwickelte sich zum größten badischen Rüstungsbetrieb. Bis Mitte 1944 stieg die Zahl der Mitarbeiter auf 7900 an. Bei Kriegsende belief sich die Prämie, welche die 47

Victoria Leben jährlich für die Gruppenlebensversicherung von der Gesellschaft erhob, auf rund 380 000 RM.25 Hammerbacher, der eine jüdische Ehefrau hatte und – wie sein Freund Christian Holler – nie in die NSDAP eintrat, wurde 1940 als „wirtschaftlich wichtige Person“ gleichwohl zum „Wehrwirtschaftsführer“ ernannt. Wegen seiner offenbar regimekritischen Haltung verhaftete ihn Anfang 1944 die Gestapo und verhörte ihn zwei Wochen lang im Gefängnis des Reichssicherheitshauptamtes in Berlin.26 Christian Holler gewann auch andere Unternehmen dafür, „Gefolgschaftsversicherungen“ abzuschließen, darunter den Höchstdruckkesselbauer Dürrwerke AG. Welche Abschluss- und welche Inkassoprovisionen Gradmann & Holler dabei verdiente, ist nicht nachzuweisen, zumal diese in der Regel fallweise ausgehandelt wurden.27 Bei den Kunden im Osten lässt sich nicht einmal mehr unterscheiden, ob es sich bei den an die Allianz gezahlten Prämien um solche für Sach- oder für Lebensversicherungen handelte. Die Gruppenlebensversicherung mit BBC galt als „Pionierleistung“28 und dürfte Mitte der dreißiger Jahre bei der Victoria Leben in Berlin unter Dach und Fach gewesen sein29 – ob mit oder ohne Billigung der Allianz, wissen wir nicht. Christian Holler lieferte damit jedenfalls sein Gesellenstück, und es war an der Zeit, ihn auch de jure in die Gradmann & Holler oHG einsteigen zu lassen. 1936 schied der nunmehr dreiundachtzigjährige Christian Holler sen. aus dem Gesellschaftervertrag von 1926 aus, der „mit allen Rechten und Pflichten“ auf seinen Sohn überging und zugleich „in wesentlichen Punkten“ geändert wurde. Spätestens mit dem neuen Vertrag stand Christian Holler eine zehnprozentige Vorzugsprovision zu.30 Die Firma Gradmann & Holler existierte nun zehn Jahre. Am 1. August 1936 feierte man das Jubiläum. Am selben Tag wurde in Berlin die Eröffnung der XI. Olympischen Sommerspielen bombastisch zelebriert. Hakenkreuzfahnen und solche mit Olympischen Ringen flatterten nebeneinander im Wind, und die Jugend der Welt sollte sich von der Friedensliebe und Weltoffenheit des nationalsozialistischen Staates überzeugen. Die zehn Mitarbeiter von Gradmann & Holler indessen hatte es in den entlegenen Spreewald verschlagen, wo man es sich an diesem Samstag bei „Aal grün mit Gurkensalat“ gut gehen ließ.31 Auf diesen und andere Betriebsausflüge kamen Ehepartner nicht mit; das bezeugen viele Fotoserien. 1936 wurde auch der Agenturvertrag zwischen Gradmann & Holler und der Allianz neu aufgelegt.32 Nach wie vor durfte die Firma Verträge nur mit Zustimmung der Gesellschaft abschließen. Doch im Unterschied zu 1926 konnte sie „das Inkasso ihrer Versicherungsscheine, Nachträge und Prämienrechnungen“ nun selbst besorgen. Hatte die Firma bis dahin „etwa vereinnahmte Gelder“ binnen acht Tagen der Gesellschaft zu überweisen, durfte sie sich für Überweisungen jetzt zwei Wochen Zeit lassen, verfügte also fortan über beträchtliche liquide Mittel. Gradmann & Holler war zwar nach wie vor verpflichtet, über „für Rechnung der Gesellschaft vereinnahmte 48

10 Jahre Gradmann & Holler – „Aal grün mit Gurkensalat“ im Spreewald

Gelder … besonders Buch und Rechnung zu führen“, sicherte aber im selben Paragraphen zu, „für fremde nicht unter diesen Vertrag fallende Geschäfte besondere Bank- und Postscheckkonten einzurichten“. Wenn die Allianz hier Regelungsbedarf sah, kamen Geschäfte der Firma mit anderen Gesellschaften inzwischen offenbar häufiger vor. Auch ein Passus, der es der Firma 1926 nicht gestattete, „gleichzeitig andere Versicherungs-Gesellschaften in den gleichen Zweigen zu vertreten oder für solche tätig zu sein“, wurde abgeschwächt. Fortan war Gradmann & Holler berechtigt, Geschäfte in denjenigen Versicherungssparten, welche die Allianz nicht betrieb, „anderen Gesellschaften zuzuführen“. Auch Risiken, welche die Gesellschaften des AllianzKonzerns abgelehnt hatten, konnte die Firma der Konkurrenz anbieten – wenn „irgend möglich“ aber erst, nachdem sich die Allianz damit einverstanden erklärt hatte. Sofern Kunden das wünschten, durfte Gradmann & Holler nun sogar Offerten mehrerer Gesellschaften einholen, war jedoch gehalten, der Allianz davon Kenntnis zu geben. Im Falle von Verträgen, bei denen die Allianz als führende Gesellschaft33 fungierte, konnte die Firma die restlichen Beteiligungen „nach freiem Ermessen“ an andere Versicherer vergeben. Ganz neu war, dass die Vermittlung von Rückversicherungen „freigestellt“ wurde, also nicht unter den Agenturvertrag fiel. Die Größe der Risiken, deren Versicherung Gradmann & Holler inzwischen vermittelte, legte es offenbar nahe, die Aufnahme dieser Sparte einzuräumen. Neue Regelungen verabredeten die Allianz und Gradmann & Holler auch für den Fall einer Aufhebung des Vertrages. Hatte die „beiden Teilen jederzeit freistehende Kündigungsfrist“ 1926 noch drei Monate betragen, belief sie sich jetzt auf sechs Monate, 49

jedoch zum Ende eines Kalenderjahres. 1926 war noch vereinbart worden, dass Verträge, die Gradmann & Holler selbst verwaltete, nach einer Kündigung des Agenturvertrags auf die Allianz übergingen. Seit 1936 aber konnte die Verwaltung – außer im Falle „groben Verschuldens der Firma“ – nach Vertragsende „bei der Firma“ bleiben, die sich verpflichtete, diesen Bestand nach den Weisungen der Allianz „gewissenhaft“ zu verwalten. Strenger als 1926 sah der neue Vertrag den sofortigen Verlust des Inkassoprovisionsanspruchs für den Fall vor, dass Gradmann & Holler versuchen sollte, bei der Allianz bestehende Versicherungen auf andere Gesellschaften zu übertragen. Wegen der zusätzlichen Kosten, die Gradmann & Holler durch die Verwaltung von Verträgen und die Schadenregulierung entstanden, gewährte die Allianz seit 1936 „Bürokostenzuschüsse“. Während sich die Höhe der erstattungsfähigen Fahrtkosten und der Spesen nicht änderte, sollten fortan auch Reisen mit dem Schlafwagen II. Klasse bezahlt werden. Für die Genehmigung höherer Unkosten war nun nicht mehr die Maschinenabteilung, sondern die jeweilige Landesdirektion zuständig. Die veränderten Klauseln zeugen davon, dass Gradmann & Holler aus dem Agenturvertrag von 1926 herauswuchs. Die Firma beanspruchte gegenüber der Allianz mehr Spielraum, als einer Generalagentur gemeinhin zustand. Ihre Marktposition ermutigte sie 1936 offenbar, mit der Rolle eines freien Maklers zu liebäugeln. Der neue Vertrag wurde von Erich Gradmann und Christian Holler jun., seinem frischgebackenen Partner, unterzeichnet. Die Firma nannte sich jetzt schon nicht mehr „Generalvertreter des ‚Allianz-Konzern‘“, wie 1926, sondern schlicht „Assekuranz“. Nachdem der neue Vertrag Gradmann & Holler auch ausdrücklich freistellte, sich „in einzelnen Sparten zu spezialisieren“, versah sie ihre Geschäftsbriefbögen bald mit dem Zusatz „Spezialisten für Maschinen-, Montage- und Garantie-Versicherungen“.34 Die Sparten, auf die Gradmann & Holler sich spezialisiert hatte, gewannen nach der Großen Depression zunehmend an Bedeutung. 1936 kletterten die eingenommenen Prämien der Allianz in der Maschinenversicherung bereits um rund 20%; doch weil die Schäden nach Anzahl und Durchschnittshöhe „nicht unerheblich“ zunahmen, verbesserte sich das technische Ergebnis vorerst nicht. Seit 1936 wurde auch die 1924 aufgenommene Montageversicherung für die Allianz attraktiv, denn die Prämieneinnahmen stiegen auf 682 000 RM, die Schäden aber nur auf 442 000 RM an.35 Obwohl die Montageversicherung mehr noch als die Maschinenversicherung großschadenexponiert ist, setzte sie sich durch. Dieser Erfolg verdankt sich nicht zuletzt dem weltweiten Risikoausgleich durch Rückversicherer.36 In der Maschinengarantieversicherung überstiegen die Schäden zwischen 1932 und 1937 zwar die Prämien, aber die Sparte wurde weitergeführt, weil sie als Wegbereiter für die Maschinenversicherung galt.37 Erst 1938, als es nochmals eine „kräftige Prämiensteigerung“ gab, war das Ergebnis trotz vermehrter Schäden „befriedigend“, weil die Nachfrage nach Bauwesen50

Totalschaden einer 200-PS-Gleichstrom-Dampfmaschine 1937

versicherungen gestiegen war. Für das Jahr 1939 konnte der Geschäftsbericht im Sammelbereich „Maschinen-, Montage-, Garantie- und Bauwesenversicherung“ erneut sowohl eine „anhaltend kräftige Prämiensteigerung“ als auch ein befriedigendes Ergebnis verkünden. Den „systematischen Ausbau“ der einträglichen Bauwesenversicherung betrieb die Allianz mit „besondere(r) Sorgfalt“.38 Die größte Baustelle im Deutschen Reich war zu dieser Zeit der Westwall, das System von Verteidigungsanlagen an der deutschen Westgrenze. Ob Gradmann & Holler sich im Falle der Bauwesenversicherung als Generalagent der Allianz verstehen musste, blieb stets umstritten, denn als die Agentur 1926 gegründet wurde, bot die Gesellschaft diese Sparte noch nicht an. „In den Jahren 1924/25“, berichtete Erich Gradmann 1965, „bemühte ich mich um den Abschluss eines Bauwesen-Generalvertrages für eines der größten deutschen Bauunternehmen. Die Allianz, Abt. Maschinenversicherung, lehnte die Übernahme dieses Risikos, wie überhaupt eine Bauwesen-Versicherung, ab. / Ich war daher gezwungen, den Vertrag unter Führung einer Hamburger Versicherungsgesellschaft in England zu decken.“39 Die systematischen Anstrengungen zur Schadenverhütung und Schadenminderung begründeten den Konkurrenzvorsprung der Allianz bei den Technischen Versicherungen. Ihre Berliner Materialprüfstelle untersuchte jährlich Zehntausende von Schäden. Anhand dieses reichen Anschauungsmaterials konnte die Gesellschaft ihre Kunden gezielt zu schadenverhütenden Maßnahmen anhalten. 1937 richtete sie in Berlin eine von Grund auf modernisierte Prüfstelle in einem neuen Gebäude ein. Das Regime sparte nicht mit Lob für solche Anstrengungen.40 Diese fügten sich passgenau in die Autarkiepolitik des Dritten Reiches ein, die der Vierjahresplan von 1936 noch in51

tensivierte.41 Ein Sprecher der Abteilung Schadenverhütung des Amtes für Volkswohlfahrt der NSDAP rief dazu auf, dem deutschen Volksvermögen endlich die Milliarden zu erhalten, „die jährlich nutzlos durch Brand, Unfall, Betrug, Schädlinge und anderes“ vergeudet würden. Insbesondere Maschinen müssten solange wie möglich genutzt werden.42 Dass die Allianz verschiedene Maschinenversicherungen anbot und ihre Kunden zugleich darüber aufklärte, wie sich Schäden möglichst vermeiden ließen, förderte nicht zuletzt das Image der Gesellschaft, dem Gemeinwohl verpflichtet zu sein. Sie unterstrich damit ihre Daseinsberechtigung als private Versicherungsgesellschaft. Dort wo die Allianz Maschinen von Elektrizitätswerken und den ihnen oft angeschlossenen Kohlegruben versicherte, verdankte sie dieses Geschäft großenteils ihrer Generalagentur Gradmann & Holler, die sich in der Energiewirtschaft inzwischen einen Namen gemacht hatte. Diese befand sich fortgesetzt im Aufwind, zumal das Dritte Reich die Stromerzeugung in seine Pläne zur Kriegsvorbereitung einbezog. 1935 gab Wirtschaftsminister Hjalmar Schacht, der Nachfolger Kurt Schmitts, die Losung von der „Wehrhaftmachung der deutschen Energieversorgung aus“.43 Das Energiewirtschaftsgesetz unterstellte die Elektrizitätsversorgung vom selben Jahr an der Reichsaufsicht und trieb die Rationalisierung wie Konzentration der Branche voran.44 Über die staatliche Vereinigte Industrie Unternehmungen AG (Viag), die „oftmals geradezu aggressiv den Zielen des Hitler-Staates“ folgte, verstärkte das NS-Regime seinen Einfluss auf die Branche.45 Als der Vierjahresplan das Tempo der Kriegsvorbereitung erhöhte, stieg auch die ohnehin große Nachfrage nach Elektrizität. Mit der Stromerzeugung wuchs die zu versichernde Erzeugungskapazität. Wann Gradmann & Holler während der Zeit des Dritten Reiches welches Neugeschäft in der Sparte „Maschinenversicherung“ akquirierte, lässt sich nur lückenhaft ermitteln.46 Doch dürfte das meiste aus Mittel- und Ostdeutschland gestammt haben. Die höchste Prämie brachte die reichseigene Elektrowerke AG, die neben der RWE inzwischen der führende Stromerzeuger in Europa war. Mit der Anhaltische Kohlenwerke AG (AKW) gehörte ein Kunde aus dem Bereich der Kohleförderung dazu; die Abbaubetriebe lagen in der Niederlausitz. Elektrowerke und AKW unterstanden seit 1934 der staatlich verordneten Braunkohle-Benzin AG (BRABAG), welche die Gewinnung von synthetischem Treibstoff vorantrieb. Unter den Großkunden befanden sich ferner die Braunkohlen- und Brikett-Industrie AG (BUBIAG) und die Elektrizitätswerk Schlesien AG mit Sitz in Breslau sowie die Städtischen Elektrizitätswerke Berlin (BEWAG) und die Oberschlesische Elektrizitätswerke AG im damaligen Gleiwitz. Gradmann & Holler betreute außerdem Unternehmen, die nicht oder nur mittelbar mit der Energieerzeugung zu tun hatten, wie die Vereinigten Schlesischen Granitwerke mit Sitz in Breslau, eine der größten deutschen Firmen im Bereich der Natur52

steinindustrie, oder die Porzellanfabrik Sophienau im Landkreis Waldenburg, die Markführerin für elektrotechnisches und Hochspannungsporzellan. Die genannten Unternehmen galten durchweg als rüstungswichtig. Häufig schlossen sie auch Gruppenlebensversicherungen ab.47 Welche Provisionssätze Gradmann & Holler als einem Generalagenten der Allianz zustanden, ist nicht mit letzter Gewissheit zu ermitteln. Eine 1946 angefertigte Notiz der Maschinenabteilung hält fest, dass bei Maschinenversicherungen im allgemeinen sowohl für den Abschluss als auch für das Inkasso 15% der Jahresprämie als Provision an die Agentur flossen. Für Montage- und Garantieversicherungen lagen die Abschluss- wie die Inkassoprovision bei 12,5%. Bei Unternehmen, die sich unter dem Dach der Gesfürel oder der Vereinigte Elektrizitätswerke Westfalen AG befanden, betrug die Inkassoprovision lediglich 10% der Jahresprämie.48 Für eine 1938 abgeschlossene Maschinen- und Feuerversicherung der Elektrowerke AG und der ihr zugehörigen Braunschweigische Kohlen-Bergwerke AG stand Gradmann & Holler eine jährliche Inkassoprovision von RM 14 000 zu. 49 Spätestens seit 1934 erhielt Gradmann & Holler von der Allianz eine Gewinnbeteiligung in Höhe von 2 ½% der Differenz zwischen 75% der Prämie und den Schäden.50 Auch in den dreißiger Jahren nahm die Allianz nicht alle Risiken von ihrer Generalagentur an. 1960 erinnerte sich Erich Gradmann, dass 1938 „einer unserer größten Kunden“ eine Maschinenbetriebsunterbrechungsversicherung beantragt habe. „Selbstverständlich“ sei auch dieses Risiko der Allianz angeboten worden. Die habe das Geschäft abgelehnt mit der Begründung, sie übernehme keine derartigen Versicherungen.51 Auch dieser Vertrag sei daraufhin „an eine in Deutschland konzessionierte englische Gesellschaft“ gegangen.52 Dabei dürfte es sich um die Liverpool & London & Globe Insurance Company Ltd. gehandelt haben, die eine Niederlassung in Berlin-Schöneberg unterhielt.53 1939 übernahm die Allianz den Bestand dieser Niederlassung an technischen Versicherungen.54 So dürfte Erich Gradmanns Akquise doch noch bei ihr gelandet sein. Aber wenn es fortan um Maschinenbetriebsunterbrechungs- oder auch um Bauwesenversicherungen ging, fühlte Gradmann & Holler sich nicht mehr selbstverständlich an die Allianz gebunden. Der Wandel von der Versicherungsagentur zum unabhängigen Versicherungsmakler sollte sich freilich noch über Jahrzehnte hinziehen. Doch die Firma gehörte jetzt „zu den größten Versicherungsvermittlern Deutschlands“; bei der technischen Versicherung von Elektrizitätswerken galt sie als Marktführer.55 Mochten Maschinen-, Montage- und GarantieVersicherung der Allianz in der Anlaufzeit auch kaum etwas einbringen – die Provisionen, die ihrer Generalagentur für Abschluss und Inkasso zustanden, hingen davon nicht ab. Erich Gradmann und Christian Holler kamen angesichts des großen Neuge-

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Terrassenidylle

schäfts und rasch steigender Prämieneinnahmen auf ihre Kosten, ja, zu ansehnlichem Vermögen. Vermutlich begannen die Hollers schon in der Bitterstraße, sich mit Antiquitäten einzurichten. Anders als Christian, dessen Junggesellenwohnung – der Architektur des Gebäudes entsprechend – modern gehalten war, bevorzugte Asta offenbar barockes Mobiliar und dazu passenden Zierrat. Auch an ihrer Garderobe sparte sie nicht. Für einen Bibermantel, den sie 1936 anschaffte, hätte ein – für seinerzeitige Verhältnisse gut verdienender – Metallfacharbeiter 73, für einen 1938 gekauften Bocharabreitschwanz 181 Bruttowochenlöhne aufwenden müssen.56 Ohne zu ahnen, dass Berlin seine Rolle als Reichshauptstadt binnen eines knappen Jahrzehnts ausgespielt haben sollte, entschlossen sich die Hollers schon bald, ihr gemietetes Haus in der Bitterstraße aufzugeben. In der Amselstraße, einem Neubaugebiet, ebenfalls in Dahlem, erstanden sie ein rund 2000 Quadratmeter großes Grundstück in bester Lage. Hollers wählten eine Gegend, wo prominente Künstler lebten; auch die nationalsozialistische Elite entdeckte das bürgerliche Dahlem für sich.57 1937 lagen die Zeichnungen für einen „Landhausneubau“ auf dem Tisch. Der Entwurf stammte von Fritz August Breuhaus de Groot, einem der „prominentesten und meistbeschäftigten Architekten Deutschlands“, der zugleich als eine der „schillerndsten Architektenpersönlichkeiten seiner Zeit“ gilt und für seinen Stil den Begriff der „kultivierten Sachlichkeit“ gewählt hatte.58 Als „Bauherr“ findet sich auf den Plänen allein der Name „Christian Holler“. Im Frühjahr 1938 konnte das neue Haus bezogen werden. Die Berliner Einwohnermeldekartei hält fest, dass Asta Holler hier, in der Amselstraße 18, seit dem 16. März 1938 – merkwürdigerweise als Mieterin – gemeldet war.59 Das Berliner Adressbuch führt Christian Holler später als Eigentümer dieses Hauses. Inzwischen hatten im benachbarten Bezirk Grunewald auch die Gradmanns eine Villa gebaut. Im Adressbuch steht als Eigentümerin des Hauses Hagenstraße 33 „Gradmann … Liselotte Frau“, die anscheinend auf diese Weise wirtschaftlich abgesichert wurde. Das neue Domizil der Hollers war, zumindest im Erdgeschoss, ganz auf Repräsentation ausgelegt. Man kam durch den Vorgarten in eine große überdachte Loggia und betrat dann einen Windfang, von dem aus sich die Garderobe erreichen ließ. Hinter einem weiteren Vorraum lag eine knapp 70 Quadratmeter große Wohnhalle mit Ka54

Christian Holler im Garten des Hauses Amselstraße

min und halbrundem Erker, ihr vorgelagert eine teilweise überdachte Südostterrasse von rund 115 Quadratmetern Fläche. Sie ging in einen Garten über, der zwei Hunden viel Platz bot. Von der Wohnhalle aus erreichte man durch ein langgestrecktes Blumenzimmer, eine Art Wintergarten mit Fenstern zur Terrasse hin, ein 25 Quadratmeter großes Speisezimmer. Diesem benachbart lagen eine Anrichte, verbunden mit einer großen Küche, ausgelegt um Speisen für Gesellschaften zu bereiten. Von der Küche aus gelangte man in den Keller, wo sich die üblichen Vorrats- und Abstellräume sowie eine Waschküche nebst Trockenraum und eine Heizanlage mit Kohlenlager befanden. Vom Blumenzimmer aus führte eine zweite Treppe direkt in eine geräumige Trinkstube samt Bar, der sich der Weinkeller und ein „Ping-Pong-Raum“ anschlossen. Im Obergeschoss war für die „Dame“ und den „Herrn“ ein eigener Schlafraum vorgesehen, beide ergänzt um Ankleidezimmer und Bad. Asta konnte von ihrem Schlafzimmer aus eine Loggia betreten. Ihr Reich war größer als das ihres Mannes. Der kürzeste Weg in dessen Schlafzimmer führte durch eine Verbindungstür in ihrem Bad. Auf derselben Ebene befanden sich auch ein geräumiges Gästezimmer sowie zwei kleine Zimmer, jeweils mit einem Waschbecken ausgestattet, für die Dienstmädchen. Mehr als ein Bett und ein Schrank, ein Korbsessel und ein Tischchen fanden hier nicht Platz.60 Das Personal teilte sich, auch mit den Gästen, eine Toilette auf dem Flur.61 Der Inhalt einer Kofferkammer zeugte davon, dass die Hollers auch für Fernreisen bestens ausgestattet waren.62 Ein Kinderzimmer fehlte in diesem Haus. Das besagt nicht, dass sich die Hollers nicht nach Kindern gesehnt hätten. Sie mögen vielmehr um die Sensibilität des Themas „unerfüllter Kinderwunsch“ gewusst haben. Astas Mutter hatte das 36. Lebensjahr vollendet gehabt, als sie ihre jüngste Tochter zur Welt brachte. Das neue Haus hätte sich umbauen oder erweitern lassen. Asta Holler widmete sich stets mit Hingabe der Innengestaltung der Wohnungen und Häuser, welche die Eheleute besaßen, und kümmerte sich selbst um kleinste Details.63 55

Die Villa wurde nobel eingerichtet. Auf dem Veloursfußboden in der großen Halle, möbliert mit Antiquitäten, lagen acht orientalische Läufer und Teppiche, unter anderem ein großer Afghan. Im Raum befanden sich ferner ein Stutzflügel und eine Bibliothek, die „meist schöne Literatur“ enthielt, aber auch ein „Hohner Schifferklavier“. Leuchter und Lampen, Vasen und andere Dekorationsgegenstände waren teils europäischer, teils fernöstlicher Herkunft. Die Bilder an den Wänden stammten aus dem 17., 18. und 19. Jahrhundert. Am Tisch des Esszimmers konnten zehn Gäste sitzen. Hochwertiges Porzellan reichte für 12 und 24 Personen. Das Tafelsilber war im Chippendale-Muster gehalten; Hummer- und Austerngabeln, Kaviar- sowie Krebsmesser gab es für je 24 Personen. In den Schlafräumen regierte der barocke Stil, wobei Astas Zimmer eine Überfülle von Möbeln und Ziergegenständen beherbergte.64 Es heißt, Breuhaus de Groot habe einen Auftrag nur angenommen, wenn der Bauherr versprach, seine antiken Möbel nicht in das neue Haus zu übernehmen.65 Die Hausherrin ignorierte die Vorgaben des Architekten. Der Kauf des Grundstücks sowie Bau und Ausstattung der Villa hatten die Hollers nicht illiquid gemacht. Im Februar 1939 investierte Christian Holler in den Erwerb der „Wertschutz-Versicherungs-Vermittlung Gesellschaft mit beschränkter Haftung“. Für 14 000 RM kaufte er sämtliche Geschäftsanteile im Nennwert von 10 000 RM. Vorbesitzer war die Victoria Feuer-Versicherungs-AG in Berlin gewesen, welche die Gesellschaft, die vorher als „Wertheim-Versicherungs-Vermittlung Gesellschaft mit beschränkter Haftung“ registriert war, ihrerseits Anfang 1932 von der A. Wertheim G.m.b.H. und der Wertheim Grundstücks-Gesellschaft m.b.H. gekauft hatte. Das Unternehmen war 1922 als „Wertheim Versicherungsgesellschaft mit beschränkter Haftung“ gegründet worden, sein „Gegenstand“ von Beginn an die „Vermittlung von Versicherungen aller Art“ gewesen.66 Wie schon Erich Gradmann, der bereits den „Schlesischen Versicherungsdienst“ erstanden hatte67, besaß auch Christian Holler nun eine eigene Firma. Welche Absicht die Partner damit verfolgten, wissen wir nicht. Als im September 1939 mit dem Überfall deutscher Truppen auf Polen der Zweite Weltkrieg begann, veränderte das über kurz oder lang ohnehin die Geschäftsgrundlage.

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5. Der Krieg und die Folgen

„Das Versicherungsgewerbe hat“, um mit Feldman zu sprechen, „allen Grund, den Frieden dem Krieg vorzuziehen, denn jeder Krieg bringt eine Vermehrung der Todesfälle, birgt per definitionem Risiken jedweder Art, kappt internationale Verbindungen und erschwert die Geschäftstätigkeit.“ Doch die deutsche Versicherungswirtschaft richtete sich bemerkenswert gut ein. Vor 1939, als das Dritte Reich auf den Krieg zusteuerte, ging es ihr um „Gefahrenreduktion“. Nach 1939 galt, solange ein deutscher Sieg möglich erschien, die „Chancenmaximierung“ als Gebot der Stunde. Die Versicherungen finanzierten Aufrüstung und Krieg in großem Maßstab mit, indem sie ihre Gelder in Reichsanleihen anlegten. Bis 1940 zeichneten die Gesellschaften solche Papiere in einem Gesamtvolumen von 1,4 Mrd. RM. Da das Regime die Gewährung von Krediten einschränkte, waren sie auf dieses unvorteilhafte Geschäft angewiesen. Als sich seit 1942 die Niederlage abzeichnete, wollte man Vorsorge für die Zeit danach treffen und kooperierte zugleich – um im Geschäft zu bleiben – fortgesetzt mit einem Regime, das bis zuletzt den „Endsieg“ beschwor. Als das Reich militärisch in die Defensive geriet, wurden die versicherten Objekte höher taxiert, und das Prämienaufkommen stieg an. Letztlich zehrten die Verluste, die der Bombenkrieg und die Gebietseinbußen mit sich brachten, diese Steigerung auf.1 Schon vor dem Überfall auf Polen, dem Kriegsbeginn, hatte das Dritte Reich angrenzende Territorien annektiert. Im März 1938 war Österreich „angeschlossen“ worden, im Herbst kam das „Sudetenland“ dazu und im Frühjahr 1939 die „Resttschechei“. Parallel zu dieser Expansion dehnte sich die Allianz aus: nach Österreich, in die zerschlagene Tschechoslowakei hinein und dann in weitere Länder, die das Dritte Reich seiner Machtsphäre eingegliedert hatte. Bald arbeiteten deutsche und österreichische Versicherer eng zusammen. Die im „Altreich“ bewährten Gruppenlebensversicherungen wurden für die Organisationen der NSDAP, aber auch für Großunternehmen der Industrie, auf die „Ostmark“, wie Österreich nun hieß, ausgedehnt. Im besetzten Polen richtete die Allianz 1939/40 umgehend Zweigstellen ein.2 Auch die Firma Gradmann & Holler vergrößerte ihren Aktionsradius. Anfang Mai 1940 bestätigte Vater Holler in einem Brief den Empfang einer Karte seines Sohnes aus Prag, wo Christian sich zweifellos geschäftlich aufgehalten hatte. Weiter schrieb er: „Ich teile Deine Ansicht, dass der Krieg nicht über den Sommer dauern wird. Großartig aber, was unsere Reichswehr schon alles geleistet hat.“ Ermutigt durch die militärischen Erfolge, wurde das Geschäft auf die besetzten Gebieten ausgedehnt.3 Doch nachdem schon die Ingenieure von Gradmann & Holler eingezogen worden waren, bekam am 21. Juni 1940 auch Christian Holler den Gestellungsbefehl. Eine Woche später hielt er sich bereits zu einem vierzehntägigen „Einweisungslehrgang“ in Eindhofen auf. Als Reserveleutnant „zur Verfügung“ wurde er im „Luftgau Holland“ der Kraftfahrbereitschaft Haarlem zugeteilt.4 Aus einem Brief, den sein Vater ihm An57

fang Juli schrieb, spricht Erstaunen. „Hast Du Dich um militärische Stellung … beworben oder haben sie Dich dazu geholt. Mich wunderte es schon, wenn das erstere zutrifft, weil Du dich gerade in der letzten Zeit so sehr um Objekte in Prag und Wien beworben hattest. Hoffentlich sitzt das schon so fest, dass Dich niemand aus dem Sattel heben kann. … Wollte Gott, Du hättest Recht, dass im September alles vorbei sei. Dass Du währenddessen keinen Urlaub beanspruchen kannst, ist ganz klar. Wir freuen uns nur, dass Du eine Dich befriedigende Stelle gefunden hast.“ Und dann bittet der stolze Vater: „Du trägst doch im Dienst Uniform und Mutter würde es sehr freuen, wenn Du Dich uns in dieser und Mütze photographiert vorstellen würdest.“5 Anders als vermutet, kehrte Christian Holler nicht nach wenigen Monaten ins Geschäftsleben zurück, sondern trug Uniform und Mütze bis 1945. Briefe, die seine Eltern während des Krieges an ihn oder Asta schrieben, bewahrte er sorgsam auf. Ihr Zustand zeugt davon, dass sie oft auseinander- und wieder zusammengefaltet wurden. Offenbar führte Christian sie stets mit sich. Eingebettet in Berichte über Sorgen und Freuden des Alltags kommentieren die Eltern auch immer wieder aktuelle politische Geschehnisse. So bekannte die Mutter 1939 ihr Entsetzen über das „Unglaubliche im Bürgerbräukeller“6, nachdem Hitler dort knapp dem Bombenanschlag des schwäbischen Schreinergesellen Johann Georg Elser, eines Einzeltäters, entgangen war. Der nationalsozialistischen Propaganda gelang es, die deutsche Bevölkerung gegen „Engländer und Juden“ aufzubringen, die angeblichen „Hintermänner des Attentats“.7 Im Juni 1940 schrieb die Mutter an ihren Sohn in Holland, sie habe von Frau Rummetsch in Stuttgart die Nachricht vom „plötzlichen Ableben von Max Henz“ erhalten. „Über die Todesursache wissen wir nichts. Wir vermuten, dass in der Hauptsache seine jüdische Abstammung schuld daran trägt – ein unglückseliges Stück Menschenskind weniger.“8 Maximilian Henz, von den Kollegen „Maxi“ genannt, war im Berliner Büro von Gradmann & Holler angestellt gewesen. Nachdem deutsche Truppen Mitte Juni 1940 Paris eingenommen hatten und Hitler auf die Zustimmung der meisten Deutschen bauen konnte, mussten Menschen wie er, die das Regime seit der „Machtergreifung“ immer gröber terrorisierte, noch mehr um ihre Würde und ihr Leben fürchten.9 Christian Holler führte inzwischen zwei Fahrzeugkolonnen, die sich aus holländischen Zivilfahrern und deutschen Begleitmannschaften zusammensetzten. In einer Beurteilung vom 24. Oktober 1940 heißt es neben üblichen Floskeln wie, er sei im Kameradenkreis geachtet und bejahe die nationalsozialistische Weltanschauung, dass er die Schwierigkeiten, welche die Zusammensetzung der beiden Kolonnen aus zwei Nationalitäten mit sich brächte, „durch Umsicht und energische Führung“ gemeistert habe.10 Im Oktober 1940 verbrachte Christian ein paar Tage in Berlin. „Es wird Dir und Asta der Abschied schon schwer geworden sein“, schreibt die Mutter ihm. Sie hoffe, dass er nun bald wieder zu Hause sein dürfe, denn er sei „ja doch die Seele des Geschäfts“. 58

Asta täte ihr wegen der vielen Fliegerangriffe auf Berlin leid, „da gehören schon starke Nerven her“. Seit dem Sommer 1940 bombardierten die Briten gelegentlich Berlin, wobei es sich um weitgehend wirkungslose, sogenannte „Störangriffe“ handelte11, die allerdings im Herbst 1940 auch dem Anwesen der Hollers „geringfügigen Schaden“ zufügten.12 Die Sorge der Mutter mag umso größer gewesen sein, als die Hollers zu dieser Zeit noch hofften, Eltern zu werden. Es heißt, Asta sei mehrmals schwanger gewesen, auch während des Krieges noch.13 Christian Holler machte bei der Luftwaffe rasch Karriere. Am 1. November 1940 zum Oberleutnant befördert, wurde er mit seinen beiden Transportkolonnen „wegen seiner besonderen Umsicht“ meist zu „schwierigen Ferntransporten“ eingesetzt, war „wegen seiner Hilfsbereitschaft und wegen seines Könnens geachtet und beliebt“, und die Fürsorge für seine Soldaten lag ihm „besonders am Herzen“. Am 1. März 1941 stand er bereits im Rang eines „Hauptmann d. R. z. V.“14 Sein Vater erlebte diese Beförderung nicht mehr. Im 88. Lebensjahr erlag er am 15. November 1940 einem Krebsleiden. Christian, aus Holland kommend, und Asta, von Berlin aus angereist, nahmen an der Beerdigung teil. Aus demselben Monat stammt eine Fotografie Christian Hollers am Strand in Dünkirchen.15 Auf zwei Kolonnenführerbesprechungen in der ersten Hälfte des Jahres 1941, deren Tagesordnungen überliefert sind, ließ Holler sich vertreten. Im Februar 1941 ging es unter anderem um die „Einsatzbereitschaft der Kfz. mit besonderem Hinweis auf die im Frühjahr zu erwartenden Kampfhandlungen“, die „durch richtige Wartung und Pflege der Kfz. und ordnungsgemäßes Fahren“ zu erhalten und durch „Kfz.-Apelle“ zu überprüfen sei.16 Das nächste Lebenszeichen von Christian Holler ist eine Menukarte aus Berlin vom 29. März 1941. Knapp drei Monate vor dem Überfall auf die Sowjetunion bedeutete ein Wochenendbesuch des Hauptmanns Holler bei seiner Frau in Berlin noch nichts Außergewöhnliches. Es gab an jenem Samstag Argenteuiller Spargel und frische Erdbeeren, selbstverständlich Kaviar und Champagner. Der Anlass muss ein besonderer gewesen sein, sonst hätte Christian Holler, der exquisite Essen gewohnt war, die Karte mit den sechs Gängen nicht verwahrt. Zu Beginn der Woche, am 24. März, hatte Hans Heß, der Vorstandsvorsitzende des Allianz Konzerns, sein 60. Lebensjahr vollendet gehabt. Die effektive Struktur sowie die spezifische Firmenkultur, die den Allianz Konzern auszeichneten, verdankten sich maßgeblich der außerordentlichen organisatorischen Begabung und persönlichen Integrität dieses Mannes, welcher der Gesellschaft seit 1918 angehörte und den die Mitarbeiter verehrten.17 Hans Heß trat nie der NSDAP bei und nahm an keinem Betriebsappell der Deutschen Arbeitsfront teil. Keines seiner drei Kinder war bei der Hitlerjugend; er stand in Kontakt zu Menschen, welche die Verschwörung des „20. Juli“ 59

geplant hatten. „Persönliche Autorität und Popularität“ des Vorstandsvorsitzenden Hans Heß waren offenbar so groß, dass er sich erlauben konnte, „politisch abstinent zu bleiben und nationalsozialistische Pflichtübungen wie Hitlergrüße, Teilnahme an Aufmärschen und Gesängen Schmitt und Hilgard zu überlassen“.18 Die Hollers gehörten anscheinend zum Kreis derjenigen, die Heß zu einem privaten Geburtstagsessen einlud. Korrespondenz belegt, dass Heß sich dem fast zwanzig Jahre jüngeren Christian Holler in väterlicher Weise verbunden fühlte. Heß dürfte es auch gewesen sein, der Holler beigesprungen war, als 1940 die Deutsche Industrie-Versicherungsstelle GmbH die von Gradmann & Holler verwaltete Maschinen- und Feuerversicherung der Elektrowerke AG samt jener der Braunschweigischen Kohlen-Bergwerke AG an sich reißen wollte. Alle drei Gesellschaften gehörten der Viag, die unter den verschärften Bedingungen der Kriegswirtschaft die Potentiale ihrer Töchter bündeln wollte.19 Ohne den Vorstandsvorsitzenden der Allianz hätte Holler es kaum geschafft, den Segen des mächtigen Viag-Vorstandsvorsitzenden Alfred Olscher zu einer Ablöseregelung einzuholen, welche Gradmann & Holler die Auszahlung fünf weiterer Jahresprovisionen zusicherte, insgesamt 70 000 RM.20 Heß sprach von Christian Holler als „unser alter Mitarbeiter“.21 Das Geburtstagsbankett in Berlin dürfte vorerst das letzte gesellschaftliche Ereignis gewesen sein, an dem Christian Holler teilnahm. Einen Tag nach dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion, am 23. Juni 1941, wurde er ins „Operationsgebiet Ostfront“ verlegt.22 Der Nachlass der Eheleute Holler enthält undatierte Fotografien, die offenbar dort entstanden sind. Sie zeigen Christian Holler zu verschiedenen Jahreszeiten in weiter Landschaft, beim Verladen schwerer Sprengbomben, vor zerstörten Brücken oder zwischen Ruinen. Auf einem Bild – offenbar im Sommer aufgenommen – weist ein Richtungsschild in deutscher Sprache den Weg nach Ostrogoshsk, einer Stadt am östlichsten Frontverlauf, knapp 500 km nordwestlich von Stalingrad. Ein Wegweiser im Mittelgrund, auf dem der Name „Holler“ steht, informiert offenbar über die Lage der Anlaufstelle seiner Transportkolonne. Die erfolgreiche Offensive der Roten Armee an dieser Front zwischen dem 13. und dem 27. Januar 1943 wird von sowjetischen Militärhistorikern als das „Stalingrad am oberen Don“ bezeichnet, da sie eine Verlegung deutscher Verbände nach Osten verhinderte.23 Ende Januar 1943 kapitulierten die in Stalingrad eingekesselten deutschen Truppen. Aus einem Brief der Mutter an Christian Holler von Anfang Februar 1943 spricht Erleichterung. Sie sei „glücklich zu lesen, dass Du und Deine Männer aus dem furchtbaren Geschehen gut heraus gekommen seid“. Asta müsse wahrscheinlich „ins Büro“. Es beunruhige sie stark, dass „alles mobilisiert“ werde. Da sei doch „Not am Mann“. Sie könne das alles „nicht beurteilen“ und sich nur „aufs Radio verlassen“, aber „die“ sagten „auch nicht alles“.24 60

Hauptmann Holler im „Operationsgebiet Ostfront“

Während im Rundfunk zu hören war, wie Reichspropagandaminister Goebbels im Berliner Sportpalast die fanatisierten Teilnehmer einer Großkundgebung fragte, ob sie den „totalen Krieg“ wollten und ihm ein vieltausendfaches „Ja!“ entgegenschallte, bekannte Christine Holler gegenüber ihrem Sohn, dem Luftwaffenoffizier, unbemäntelt die Hoffnung, „dass der unselige Krieg bald ein Ende nehmen möge, dass man sich wieder hat und persönlich alles sagen kann“. Sie „habe im L[eben] keinen sehnlicheren Wunsch, als den, dass wir zusammen den heißersehnten Frieden feiern dürfen und einmal sorgenlos zusammen sein können“. Seinen 43. Geburtstag müsse Christian „in trüber Stimmung verbringen“, außer es komme die „frohe Nachricht“, dass „Friedensverhandlungen eingeleitet“ seien.25 Anfang März, zu ihrem 78. Geburtstag, erhielt Christine Holler von ihrem Sohn aus Breslau per Luftpost ein Päckchen mit erlesenen Lebensmitteln.26 Am 11. März 1943, Christians Geburtstag, starb sie an einem Gehirnschlag. Das Gedonner von Flugabwehrkanonen hatte der schreckhaften alten Dame zugesetzt.27 Asta erfuhr vom Tod ihrer Schwiegermutter durch ein Telegramm ihrer Schwägerin Anna Reis.28 Während Christian seinen Einsatzort nicht verlassen durfte, reiste sie zur Beerdigung nach Pasing.29 In diesem Sommer wurde Christian Holler vom „Einsatzgebiet Ostfront“ zurück nach Holland beordert. Vom 12. Juli 1943 liegt eine „Kriegs-Beurteilung“ über ihn vor, die inhaltlich wie vom Duktus her von den drei anderen, standardisierten Beurteilungen abweicht. Hauptmann Holler habe einen „etwas undurchsichtigen Charakter“ und trage „gern auf zwei Achseln Wasser“. Seine „nationalsozialistische Haltung“ sei „unbekannt“, seine „dienstliche(n) Leistungen“ wie auch sein Auffassungsvermögen gut. Ferner verfüge er über „gute technische Kenntnisse“. Doch sei er „stark von sich eingenommen u[nd] überheblich“. Eine Beförderung stehe nicht an.30 Nach den Kriterien, die für das Abfassen solcher Beurteilungen galten, muss diese als gehässig angesehen werden. Vorstellbar ist, dass Christian Holler den gleichrangigen Hauptmann 61

zuvor, etwa bei einem gemeinsamen Besuch im Casino, durch die ihm gelegentlich eigene Arroganz gereizt hatte. Der könnte vorher Hollers Geduld durch unqualifiziertes Verhalten strapaziert haben. Doch verlor der Verfasser der Kriegs-Beurteilung an Glaubwürdigkeit, weil er nicht den Stil wahrte, den Offiziere untereinander pflegten. Die allzu platt vorgebrachte Kritik dürfte den zuständigen Kommandeur daher kaum beeindruckt haben.31 Ein in der Beurteilung erwähnter Vorschlag, Christian Holler das „Kriegsverd.-Kreuz II. Kl. m. Schw.“ zu verleihen, wurde allerdings nicht realisiert. Doch schon die nächste Beurteilung vom Oktober 1943 enthält wieder die üblichen Formulierungen und betont, Christian Holler sei „vielseitig interessiert“ und versuche, „mit eigenen Ideen die in sein Aufgabengebiet fallenden Angelegenheiten zu fördern“. Er sei „im Kameradenkreis wegen seines guten und kameradschaftlichen Wesens sehr beliebt“. Nach einem 18-tägigen „Trsp. Bearb. Lehrgang Venlo“ war Holler seit dem 25. August als Sachbearbeiter bei „Genst. 4. Abt. (III)“ eingesetzt. Nachdem er sich „schnell in den Aufgabenkreis eines Sachbearbeiters für Transportkolonnen eingearbeitet“ hatte, wurde er am 1. Dezember 1943 zum „Major d. R. z. V.“ befördert. Seit dem 15. März 1943 gehörte er einer „Kraftfahr-Ausb. Abt“ in Warschau an.32 Asta Holler, so heißt es, bemühte sich, ihren Mann, der die Vorzugsprovision, die ihm mit dem 1936 erneuerten Gesellschaftervertrag zugestanden worden war, während der gesamten Zeit seiner Abwesenheit vom Geschäft weiter bezog33, in der Firma zu vertreten. Sie sei fast täglich im Büro erschienen und habe darauf bestanden, dass wichtige Firmenpost nur in ihrer Gegenwart geöffnet wurde – was den Betrieb behindert und Erich Gradmann geärgert habe.34 Seit dem Frühjahr 1943 arbeitete sie ihrer Schwiegermutter zufolge täglich zehn Stunden als „französisch Sekretärin in einem luxemburgischen Rüstungsbetrieb“, der in Berlin offenbar eine Niederlassung hatte.35 Im August 1943 ließ Asta Holler Möbel, Teppiche und Bilder, Ziergegenstände und Hausrat sowie ausgewählte Kleidung von sich und ihrem Mann „gegen Bombenschäden“ bei einem Gastwirt in Beutel in der Nähe von Templin in der Uckermark einlagern. Erich Gradmann hatte hier eine Jagd gepachtet, und man besaß ein Sommerhaus. Die nach Beutel geschafften Sachen dürften leicht einen Möbelwagen gefüllt haben. Eine unvollständige Liste der verlagerten Gegenstände verzeichnet Antiquitäten aller Art, aber auch luxuriösen Hausrat und Pelze.36 Unter die deponierten Objekte geriet zudem eine Kiste mit persönlichen Gegenständen Herbert Stengers, eines Bruders der langjährigen Steuerberaterin Christian Hollers. Er hatte sich in der Amselstraße einquartiert, nachdem er zweimal „ausgebombt“ worden war. Anscheinend wusste Asta nichts von Stengers Kiste, deren Inhalt ihn als einen hochrangigen SSMann auswies. In dem Gepäck lagen auch Einladungen von Hitler und Rudolf Heß.37 62

Erich Gradmann leitete die Firma vier Jahre lang allein. Die Sparten, auf die Gradmann & Holler sich spezialisiert hatte, florierten bis weit in den Krieg hinein. 1940 verzeichnet der Geschäftsbericht der Allianz für die Maschinenversicherung wieder ein „kräftiges Anwachsen der Prämieneinnahme“. Trotz stärkeren Schadenanfalls als in den Vorjahren sei das Ergebnis befriedigend, die Bauwesenversicherung „weiterhin erfolgreich ausgebaut“ worden. Letztere wies zwischen 1938 und 1942 eine Verdreifachung der Prämieneinnahmen auf. Auch die Bedeutung der Gruppenlebensversicherung nahm während des Krieges noch zu. Waren bei Allianz Leben Ende 1940 knapp 3,2 Millionen Menschen versichert, erhöhte sich deren Zahl bis Ende 1943 auf 4,8 Millionen, wobei mehr als die Hälfte des Gesamtwertes auf Gruppenpolicen entfiel.38 Bei der Allianz hieß es nach Kriegsende rückblickend, dass Gradmann & Holler nicht nur „große Abschlüsse in Leben“ tätige, sondern auch „Spezialistin … für den Abschluss von Pensionsversicherungen ganzer Betriebe“ sei.39 Doch riss der Krieg auch Lücken in die Kassen der Versicherungsgesellschaften. Zwischen Januar und November 1942 starben 17 537 Kunden von Allianz Leben; das kostete die Gesellschaft gut 40 Millionen RM. Nach der verlorenen Schlacht um Stalingrad stieg die Zahl der bei der Allianz versicherten Kriegstoten auf 37 000, die Auszahlungssumme auf 90 Millionen RM. Dank hoher Kriegszuschläge, die das Reichsaufsichtsamt bei den Prämien genehmigte, ging es Gesellschaften wie Allianz Leben dennoch gut.40 Eine Festschrift zum 25-jährigen Bestehen von Gradmann & Holler hielt 1951 fest, das Geschäft habe sich im Krieg „weiter vergrößert“.41 1946 schrieb Erich Gradmann in einem Brief an seinen Partner, er habe neben dem Geschäft in West- und Süddeutschland „noch den ganzen heutigen russischen Sektor und Wien“ bewältigt und „so nebenbei noch ein Neugeschäft gebracht, das sich sehen lassen konnte“.42 Um welches Neugeschäft es sich handelte, lässt sich nur bruchstückhaft rekonstruieren. Eines der energieerzeugenden Unternehmen, das Gradmann & Holler naturgemäß erst während des Krieges als Kunden gewonnen haben konnte, war die Elektrizitätswerk Westpreußen AG mit einer Jahresprämie bei Kriegsende von 33 000 RM.43 Eine Akquise in Kattowitz brachte nach 1939 fast zehnmal soviel Jahresprämie. Unmittelbar nach dem Überfall auf Polen hatte das Reich die Steinkohlegruben im polnischen Teil Oberschlesiens konfisziert.44 Sie galten als besonders kriegswichtig und gerieten daher großenteils in Staatsbesitz. Sechs Gruben übernahm die Energieversorgung Oberschlesien AG (EVO), ein von Rüstungsminister Albert Speer gegründeter Staatskonzern mit Sitz in Kattowitz. Seit 1942, als sich die deutsche Wirtschaft darauf einrichtete, dass der Krieg länger dauern würde als erwartet, stieg wiederum die Nachfrage nach elektrischer Energie; vielerorts wurden neue Kraftwerke geplant. Die EVO nahm den Bau zweier hochmoderner Steinkohle-Großkraftwerke in Angriff. Am Standort Lagischa sollte das Kraftwerk „Walter“, in Jaworzno „Wilhelm“ 63

entstehen.45 Um diese Vorhaben realisieren zu können, forderte das Unternehmen im nahegelegenen Vernichtungslager Auschwitz Häftlinge an. In Lagischa, wo im Juni 1943 mit der Errichtung eines KZ-Nebenlagers begonnen wurde, gab es im Jahr darauf 700 bis 800 Häftlinge, zumeist polnische und ungarische Juden. Bewacht von SSLeuten, verrichteten sie Erd- und Transportarbeiten, gossen Betonfundamente und beschickten eine Industriebahn. Häftlinge wurden „auf der Flucht erschossen“, erschlagen und ertränkt, gefoltert und bei „Sportübungen“ zu Tode gehetzt. Die Leichname wurden im Vernichtungslager Birkenau verbrannt. Im September 1944 ordnete Speer den Stopp der Bauarbeiten an. Soweit noch arbeitsfähig, kamen die Häftlinge auf die Baustelle des Kraftwerks „Wilhelm“.46 Dort hatten die Arbeiten im März 1943 begonnen. Das angeschlossene Lager „Neu-Dachs“ durchliefen weit über dreizehntausend aus Auschwitz entsandte Häftlinge. Ein Teil von ihnen arbeitete in den Jaworznoer Steinkohlegruben, die Mehrzahl auf der Großbaustelle. Unzureichend ernährt und gekleidet, schufteten die Häftlinge unter härtesten Bedingungen. Hinzu kamen Misshandlungen und Schikanen. Entkräftete Häftlinge wurden in Birkenau getötet.47 Wann die Policen der Energieversorgung Oberschlesien im Portefeuille von Gradmann & Holler landeten, wissen wir nicht. Doch dürfte mit den Großbaustellen in Lagische und Jaworzno erheblicher Versicherungsbedarf entstanden sein. Neben verschiedenen Maschinen- wurden vermutlich Bauwesenversicherungen abgeschlossen. Die Jahresprämie, welche der Staatskonzern bei Kriegsende an die Allianz zu entrichten hatte, belief sich auf beachtliche RM 305 231,50.48 Gradmann & Holler betreute auch die „persönlichen Versicherungen“ einschließlich zweier Lebensversicherungen des technischen Leiters der EVO.49 Wenn die Firma Gradmann & Holler Versicherungsverträge für die Neckarwerke oder die Amperwerke ausarbeitete, nahm man zuvor stets die technischen Anlagen oder die Baustellen dieser Unternehmen in Augenschein. Das kann im Falle der EVO nicht anders gewesen sein. Es waren großenteils „ziemlich schmutzige Geschäfte“, welche die Allianz „im Osten“ betrieb50, bilanziert Feldman. Gradmann & Holler verdiente als Generalagent mit. Die Berliner Zentrale der Firma musste während des Krieges mehrfach verlegt werden. Monate bevor die Royal Air Force im November 1943 ihre Hauptoffensive auf die Reichshauptstadt startete, trafen bereits am 1. März britische Bomben die Geschäftsräume von Gradmann & Holler in der Französischen Straße. Erich Gradmann wich daraufhin in ein provisorisches Büro in der Lennéstraße am Tiergarten aus. Nachdem hier in der Nacht vom 22. auf den 23. November Bomben eingeschlagen waren, zog man in seine Villa im Grunewald um. Am 12. September 1944 wurde auch das Büro in Stuttgart, das 1931 an die Stelle des Frankfurter Büros getreten war, vollständig zerbombt. „Nur ein kleiner Koffer mit 64

Die Generaldirektion der Allianz in Ruinen

den wichtigsten Unterlagen blieb erhalten.“ Den hatte die tüchtige „Mitz“ Rummetsch vor den Flammen gerettet und das Büro anschließend in ihrer Privatwohnung untergebracht. Am 19. Oktober entstand auch hier großer Brandschaden. Frau Rummetsch, versiert in allen Angelegenheiten, betreute das Stuttgarter Büro, das „mehr die verwaltungstechnischen Belange des Betriebes“ wahrnahm, zehn Jahre lang weitgehend allein.51 Im Herbst 1944 setzten die Angriffe US-amerikanischer Bomber auf Berlin ein. Seit Februar 1945 wurde die Stadt nahezu pausenlos angegriffen. Damit bereitete die amerikanische Luftwaffe der anrückenden verbündeten Roten Armee das Terrain. Weite Teile Berlins, Wohn- wie Geschäftsviertel, lagen in Schutt und Asche. Die Infrastruktur brach zusammen. Während Asta Holler, den Terrier „Hobby“ zurücklassend, Berlin Richtung Westen verließ, überstanden Erich und Lilo Gradmann das Inferno vom Frühjahr 1945 in Beutel bei Templin. Notdürftig betrieb Hollers Partner zwischen April und Juni 1945 von hier aus die Firma52, die inzwischen ein jährliches Prämienvolumen von weit über drei Millionen Reichsmark verwaltete.53 Nachdem die Rote Armee Templin und Umgebung besetzt hatte, begannen befreite Zwangsarbeiter zu plündern. Das Sommerhaus der Gradmanns wurde weitgehend leergeräumt. Das Einlagerungsgut der Hollers – Fahrräder und Grammophon, Küchenherd, Staubsauger und Geschirr, barocke Schränke und Kommoden, Bilder und etliche Engelsköpfe, diverse antike Uhren und Spieldosen, neun Perserteppiche und Brücken, Wäsche, Anzüge, Pelze und Wintermäntel – wechselte ebenfalls den Besitzer. „Schöne Polenmädchen gaben eine Modenschau der Fa. Gradholl“, berichtete Erich Gradmann später in einem Brief an seinen Partner. Als zwischen den Sachen der Hollers das Gepäck Herbert Stengers auftauchte, fürchteten die Gradmanns um ihr Lebens.54 Sie kehrten umgehend nach Berlin zurück. „Beutel haben wir jedenfalls abgeschrieben und ich empfehle Dir, das gleiche zu tun“, empfahl Erich Gradmann seinem Partner. 55 Der Gastwirt wurde deportiert, seine Schwester, die sich um ihn kümmerte, erschossen.56 65

Politisch nunmehr verdächtig, zog die Firma in Berlin die besondere Aufmerksamkeit der sowjetischen Besatzungsmacht auf sich. Ende Juni 1945 räumten „Russen“ den Firmensafe aus und verbrannten im Garten der Gradmanns nicht nur sämtliche Firmenakten, sondern auch die Büroeinrichtung samt Telefon sowie Formulare, Stempel und Büromaterial. Schreib- und Rechenmaschinen wurden beschlagnahmt.57 Die Gradmanns mussten ihr Haus verlassen und in den Keller ziehen. Die Firma kam als Untermieter in einer Wohnung in der Bornimerstr. 17 in Berlin-Halensee unter; das bedeutete: „offene Fenster, ohne Telefon, dafür sehr kalt und zugig und fast ohne Licht, weil fast nie Strom da ist“. „Dies alles und mehr“, teilte Erich Gradmann Christian Holler zornig mit, „haben wir Deinem speziellen Freund St. zu verdanken … Wir sind ihm dafür zeitlebens dankbar, denn er hätte uns viel ersparen können, wenn er bei seinem letzten Besuch sein Raritätengepäck mitgenommen hätte.“58 Scheinbar beiläufig berichtete Erich Gradmann im ersten Brief, der seinen Partner nach Kriegsende erreichte, auch, dass Otto Hübener „kurz vor dem Fall von Berlin von der SS erschossen“ worden sei, sein Bruder sich noch in Berlin aufhalte und „auch im Keller“ wohne. Otto Hübener, der 1919 zusammen mit Walter Jauch in Hamburg die Versicherungs- und Rückversicherungsmaklerfirma Jauch & Hübener, den späteren Hauptkonkurrenten von Gradmann & Holler, gegründet hatte, war 1945 in Hamburg wegen Verbindungen zum Widerstand verhaftet, nach Berlin verbracht und im April wenige Tage nach Hans von Dohnanyi, Dietrich Bonhoeffer und anderen hingerichtet worden.59 Als das erste Lebenszeichen von Erich Gradmann in Stuttgart eintraf, war die Zukunft der Verträge in Ost- und Mitteldeutschland, die sich im Portefeuille der Firma befanden, teils besiegelt, teils noch ungewiss. Fest stand, dass deutsche Versicherungen keinen Zugang mehr zu den Gebieten östlich der Oder und der Görlitzer Neiße hatten. Seinen „Schlesischen Versicherungsdienst“ konnte Erich Gradmann abschreiben. Für das Gebiet der späteren DDR entschied der Oberbefehlshaber der sowjetischen Besatzungstruppen am 23./25 Juli 1945: „Die bis zum Einmarsch der Roten Armee existierenden Versicherungsgesellschaften erneuern ihre Arbeit nicht.“ Da aber der Alliierte Kontrollrat weder die deutschen Privat- noch die Sozialversicherungsgesetze aufgehoben hatte, musste das nicht als unabänderlich gelten. Doch praktisch wurden alle Privatversicherungen in den Ländern Brandenburg und Mecklenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen lahmgelegt, indem neue Landesgesetze dort Monopolversicherungsanstalten installierten. Auf diese Staatsbetriebe gingen die Bestände der privaten Versicherungen über. In Berlin galt zwischen dem 4. Oktober und dem 12. November 1945 ein Arbeitsstopp für die gesamte Versicherungswirtschaft.60 Alle Bank- und Postscheckkonten waren auf unbefristete Zeit gesperrt.61 66

Erich Gradmann verkaufte seine Leica, damit etwas Bargeld in die Firmenkasse kam. Die Löhne für die vier Angestellten setzte er herunter. Er hoffte, dass größere Prämien von der Anhaltische Kohlenwerke AG (AKW) und der Braunkohlen- und Brikett-Industrie AG (BUBIAG), zwei alten Großkunden, deren Jahresprämien bei Kriegsende rund 300 000 beziehungsweise 225 000 RM betragen hatten, den Grundstock zu einem Neuaufbau legen könnten. Doch war die AKW womöglich längst verstaatlicht, und die vertrauten Ansprechpartner der BUBIAG befanden sich „irgendwo im russ[ischen] Sektor in Haft“. Bald stellte sich heraus, dass Unternehmen, deren Verwaltung zwar in Berlin lag, die hier aber nicht produzierten, in der Stadt keine Versicherungen abschließen durften. „Wenn diese Zustände länger anhalten, können wir den Betrieb hier zumachen“, klagte Erich Gradmann. Es sei „nur ein Dahinvegetieren“, von geregelter Arbeit könne keine Rede sein. Ende Dezember berichtete er, „dass alle Augenblicke neue behördliche Anordnungen den Abschluss neuer Versicherungen erschweren oder ganz unmöglich machen oder einfach verbieten“. Die Konten waren nach wie vor gesperrt, die Einnahmen „gleich null“.62 Immerhin bekam die Firma im Anschluss an die Registrierung der Allianz als deren Generalagentur eine Gewerbebetriebsgenehmigung. Zugleich bemühte Gradmann sich darum, sie als selbständige OHG eintragen zu lassen. Obwohl die Verstaatlichung der AKW absehbar und zunehmend fraglich war, ob die Allianz in der Sowjetischen Zone überhaupt würde versichern dürfen, setzte Erich Gradmann noch im Januar 1946 alles daran, den großen Vertrag mit der AKW „wieder in Schwung zu bringen“, und kümmerte sich bereits um Details.63 Da es praktisch keine Alternative gab, griff er nach jedem Strohhalm. Angesichts der ungewissen Zukunft der Privatversicherungen im Einzugsbereich Berlins empfahl Christian Holler seinem Partner „die Basis der Firma zu erweitern“; er möge die Vermittlung von Immobilien aufnehmen. Sobald die Verhältnisse wieder normal wären, könne man in diesem Bereich ein „großes Geschäft“ erwarten, denn Grundstücke würden „zwangsläufig in vielen Fällen den Besitzer wechseln“. Er selbst beabsichtige in Stuttgart Ähnliches aufzuziehen. Auch stellte Holler zur Diskussion, ob die Firma angesichts ihrer guten Verbindungen zur Industrie nicht mit gebrauchten Maschinen handeln solle.64 Gradmann musste seinen Partner enttäuschen. Für Immobiliengeschäfte herrschte eine „Gewerbesperre“; der Maschinenhandel war nicht nur verboten, sondern auch „mangels Masse uninteressant“. Nirgendwo in Deutschland waren die Maschinenverluste durch sowjetische Demontagen so hoch wie in den Westsektoren Berlins.65 Indessen überlegte Erich Gradmann, wie man die Städtischen Elektrizitätswerke Berlins (BEWAG), die „natürlich auch nicht ungerupft aus dem Chaos hervorgegangen“ seien, als Kunden wieder „aufbauen“ könnte. Trotz diverser Demontagen sei bei der BEWAG genug übrig geblieben, um „einen respek67

tablen Maschinenvertrag aufzuziehen“. Zudem ließen sich die guten Beziehungen und das Verhandlungsgeschick jenes Mannes nutzen, dem man „mehr oder weniger“ das Geschäft mit der oberschlesischen EVO, also den Kraftwerksbauten bei Kattowitz, zu verdanken habe und der in Berlin eine Beschäftigung suche.66 Er wurde eingestellt. Sachkundig und detailliert schilderte er Christian Holler Ende Januar 1946 die Situation auf dem Berliner Versicherungsmarkt und berichtete über den Verbleib und gegebenenfalls die neue Funktion alter Kontaktleute sowie entstehende Netzwerke im Westen. Wortreich, aber vage stellte er die Wiederbelebung beziehungsweise den Neuabschluss verschiedener Industrieversicherungsverträge in Aussicht.67 Am 17. April 1946 gab Erich Gradmann in einer Aktennotiz an Christian Holler lapidar die Information der Allianz weiter, „dass zur Zeit keine Möglichkeit mehr besteht, Versicherungen jeglicher Art und ganz gleich in welcher Sparte außerhalb Berlins abzuschließen oder weiterzuführen“.68 Der Standort Berlin, von dem aus die Firma Gradmann & Holler Ost- und Mitteldeutschland verwaltet und an dem sie glänzend verdient hatte, war isoliert und damit weitgehend wertlos geworden. Knapp zwei Drittel aller Verträge, ein Prämienvolumen von jährlich fast zwei Millionen RM, gingen verloren.69 Das Berliner Personal von Gradmann & Holler wurde 1946 reduziert und wenn möglich auf die anderen Büros verteilt. 1947 zog die Wertschutz GmbH in die Büroräume von Gradmann & Holler in der Bornimer Straße ein und erledigte das verbliebene, kaum nennenswerte Geschäft der Firma mit.70 Erich Gradmann und seine Frau harrten bis 1948 in Berlin aus.

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6. Neuer Anfang

Irgendwann im Herbst 1944 hatte Asta Holler Berlin mit kleinem Gepäck verlassen. „Das Wenige, das ich von Berlin mitnahm, wurde mir noch unterwegs geplündert, sodass ich buchstäblich nur mehr das Hemd auf dem Leibe besaß“, schrieb sie 1946 in einem Brief an Erich Gradmann.1 Den ältesten erhaltenen Hinweis auf ihren Verbleib bildet ein 1944, vermutlich im Herbst, entstandenes Foto: vorn ein Misthaufen mit scharrenden Hühnern, daneben eine Schar ausgewachsener Enten, im Hintergrund zwei stattliche landwirtschaftliche Gebäude. In der Mitte steht ein hochgewachsener, gut gekleideter Herr mittleren Alters, der beide Hände in die Hüften stemmt. „1944 Peppenhoven Christian Kraemer“ lautet die Bildunterschrift. Peppenhoven ist eine Ansammlung von Gehöften im Schatten einer Wasserburg derer von Böselager, rund 30 Kilometer südwestlich von Bad Godesberg am Rande der Eifel gelegen. Der Junggeselle Christian Kraemer war Pächter eines großen Böselagerschen Hofes, auf dem viele Menschen in Arbeit und Brot standen.2 Asta Holler könnte hier ihren vierzigsten Geburtstag erlebt haben. Eine weitere Spur führt nach Marienheide, einer Gemeinde im Bergischen Land, rund 50 Kilometer östlich von Köln. US-Soldaten nahmen den Ort am 12. April 1945 ein; im Juni ging die Besatzung auf die Briten über. Ein Arzt bescheinigte Asta Holler, sie habe hier zwischen dem 24. April und dem 31. August, also gut vier Monate lang, in der Inneren Abteilung einer „Krankenhaus-Sonderanlage“ als „medizinische Sekretärin“ gearbeitet und beherrsche „perfekt Schreibmaschine und Stenografie“. Das Zeugnis erwähnt, Asta Holler habe „sechs Semester Medizin“ studiert3, und attestiert ihr ein „weit darüber hinausgehendes medizinisches Wissen“. Sie sei „in jeder Beziehung eine große Hilfe“ gewesen, habe Laboruntersuchungen vorgenommen, täglich beim Röntgen geholfen und sich auf diesem Gebiet vervollkommnet. Der Arzt drückte seine Hoffnung aus, dass sie ihre Fähigkeiten „nicht brach liegen“ lassen möge, und empfahl der Vierzigjährigen, ihr Studium in Kürze zu vollenden, um „ihr reiches Wissen und ihre große Menschlichkeit, sowie ihr stets opferbereites, von Pflichtgefühl und Zuverlässigkeit getragenes Wesen in den Dienst der leidenden Menschheit“ stellen zu können.4 Wie dieses Zeugnis zustande gekommen ist, bleibt ein Rätsel. Die Einrichtung in Marienheide, in der Asta Holler gearbeitet haben soll, war im Zuge der „Krankenhaus-Sonderanlagen Aktion-Brandt“ als eines jener vielen Ausweichkrankenhäuser gebaut worden, über die Karl Brandt, Begleitarzt Hitlers und verantwortlich für das Euthanasie-Programm, seine umfassenden gesundheitspolitischen Vollmachten absichern wollte.5 Sie diente zunächst als Militärlazarett und wurde dann in ein ziviles Krankenhaus umgewandelt.6 Christian Holler war in Schleswig Holstein in englische Gefangenschaft geraten und bereits im August nach Stuttgart entlassen worden. Weil es zwischen der US-Zone, in der Stuttgart lag, und der britischen Zone mit vielen wichtigen alten wie auch poten69

tiellen Kunden vor allem im Ruhrgebiet keine Postverbindung gab, richtete Holler in Bad Godesberg, am Südrand der Britischen Zone, ein sogenanntes Korrespondenzbüro ein. Es gelang ihm, für sich und seine Frau eine zunächst begrenzte Zuzugsgenehmigung zu erhalten. Da die Firma nach wie vor in Stuttgart registriert und Holler dort auch in der Schottstraße 67 gemeldet war, lieferte er seinen ausgefüllten „Meldebogen aufgrund des Gesetzes zur Befreiung von Nationalsozialismus und Militarismus vom 5. 3. 1946“, in dem er selbst sich als „nicht belastet“ einstufte, Ende Mai hier ab. Am 1. September wurde ihm beschieden, dass er als „vom Gesetz nicht betroffen“ gelte.7 Während in Godesberg zunächst ein Zimmer in einem Privathaus in der Kronprinzenstraße, dem Wohnhaus der Eltern von Hollers Schreibkraft, als Büro diente8, kamen die Eheleute in zwei „bescheiden möblierten Zimmern mit Küchenbenutzung“ in der Mirbachstraße 5 unter, wohin auch vertrauliche Post zu senden war.9 Holler beklagte im ersten Brief an seinen Partner Gradmann, dass es nicht nur an Möbeln und Teppichen fehle, sondern „sogar am einfachsten Hausrat, nämlich Tellern, Kaffeetassen u.s.w.“. Über Stuttgart erfuhren die Hollers, dass ihr Berliner Haus „vollkommen ausgeraubt“ war. Die US-amerikanische Militärverwaltung hatte es inzwischen beschlagnahmt und wieder instand gesetzt.10 Von den Plünderungen in Beutel, der Deportation des Gastwirts, der Erschießung von dessen Schwester und der Tatsache, dass „die Russen alles, was von St. und Deiner Frau noch vorhanden war nunmehr mitgenommen“ hätten, informierte Erich Gradmann seinen Partner im Laufe des Herbstes durch Briefe. Anfang Dezember 1945 erfuhren die Hollers, dass ihr Hund nicht mehr lebte. Die Frau, bei der er untergekommen war, hatte ihn vergiften lassen, weil sie nicht einmal ihre eigenen Hunde „durchfüttern“ konnte.11 „Die Nachricht vom Tod unseres lieben Hobby hat meine Frau und mich sehr erschüttert, denn er wäre uns ja als letztes Andenken an die Amselstraße wenigstens geblieben“, bemerkte Christian Holler am Schluss eines geschäftlichen Briefes an Erich Gradmann.12 Teils von Bad Godesberg, teils von Stuttgart aus begann Christian Holler umgehend, bestehende Versicherungsverträge zu betreuen und neue anzubahnen. Er bemühe sich „in äußerst strapaziösen Reisen von unserem Geschäft zu retten, was zu retten ist, dies wird mir in der englisch-amerikanischen Zone zum großen Teil auch gelingen, insbesondere was die Elektrizitätswerke betrifft“13, schrieb er seinem Partner bereits Ende September 1945 nach Berlin. Wenn Holler alte Kunden der Firma zwangsläufig ohne Unterlagen besuchte, störte das die Unternehmen kaum, lag ihnen doch daran, ihre Anlagen fortgesetzt versichert zu wissen. Im Dezember 1945 beschrieb Holler, wie seine Reisen abliefen, „beispielsweise wenn man, wie ich, das letzte Mal von Hagen nach Frankfurt sage und schreibe 30 Stunden, darunter 12 Stunden auf offenem 70

Kohlenwagen“ unterwegs sei. Auch „in den sogenannten Schnellzügen“ fahre man „meist auf offenem Perron und immer stehend ohne Scheiben“.14 Die „offenen Kohlenwagen“ werden in Festschriften und Zeitzeugenberichten regelmäßig angeführt und gelten als Beleg dafür, wie kühn und unter welchen Strapazen Christian Holler den Aufbau des Geschäftes im Westen angefasst habe. Holler war den gesamten November 1945 über auf Reisen und kehrte erst Anfang Dezember nach Godesberg zurück. Zu dieser Zeit bestand noch Hoffnung, dass der Standort Berlin seine Bedeutung behielte. Zum einen, so schien es, würde hier bald wieder eine „zentrale Regierungsgewalt“ eingesetzt; zum andern hatte der Vorstand der Allianz unter Hans Heß entschieden, die Generaldirektion für Maschinen erneut in Berlin anzusiedeln.15 In den Briefen des vor Betriebsamkeit sprühenden Christian Holler an seinen in Berlin festsitzenden und weitgehend zur Untätigkeit verurteilten Partner klingen bisweilen Vorwürfe an. Gradmanns Berichte hätten ihn, Holler, „wenig entzückt“, und auch die Art, in der Gradmann geschrieben habe, hätte ihn „offen gestanden sehr deprimiert“.16 Verstand Holler nicht, dass die Widrigkeiten, die ihm im Westen die Arbeit erschwerten, kaum zu vergleichen waren mit den Problemen, die sich Gradmann in Berlin stellten? Mit dem „gemütlichen“ Schwaben Erich Gradmann auf der einen Seite, den die Mitarbeiter liebten, ja, gelegentlich mit ihm Skat spielten, dem jedes Repräsentieren fremd war und der seine Arbeit so besorgte, dass ihm als passioniertem Waidmann genug Zeit für lange Aufenthalte in der Natur blieb, und dem rastlosen, bisweilen cholerischen Christian Holler auf der anderen Seite, den die Mitarbeiter bewunderten, aber auch fürchteten, und der „nie etwas anbrennen ließ“, trafen Charaktere aufeinander, die unterschiedlicher kaum hätten sein können. Zeitzeugen berichten, Holler habe es hervorragend verstanden, seine Leute mitzureißen, jedem die Aufgabe zu stellen, an der er wachsen konnte, und das Personal mental wie materiell optimal zu pflegen. Wie die Allianz unter Hans Heß seit den zwanziger Jahren eindrucksvoll demonstriert hatte, steht und fällt in der Versicherungsbranche der Erfolg des Geschäftes mit der Personalpolitik, bilden hier doch qualifizierte und motivierte Mitarbeiter das eigentliche Kapital. Ein Brief, den Christian Holler an seine „lieben alten, treuen Berliner“ richtete, um sie im Advent 1945 zum Durchhalten aufzurufen, belegt, dass er seine Sache verstand: „Ihr wisst gar nicht, wie Ihr mir fehlt und was ich für eine Sehnsucht nach Euch und Berlin habe, wenn ein Brief von Euch kommt! Ich weiß, was für schwere Tage und Monate Ihr hinter Euch habt und dass auch das Heute in Berlin für Euch alles andere wie leicht ist. Dazu kommt, dass unsere Firma nach Jahren größter Blüte heute schwer um ihre Existenz kämpft, um den Übergang aus tiefer Depression in hoffentlich bessere Tage zu finden. Ihr dürft Euch darauf verlassen, dass ich alles daran setzen werde, die Firma durchzuhalten und sie wieder auf die Höhe zu bringen, auf der sie war. Ich müsste kein echter Berliner geworden sein, wenn ich nicht an das Wiederkommen von Berlin, an dem auch ich mit ganzem Herzen hänge, glauben würde.

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Wenn ich heute noch nicht nach Berlin zurückgehe, so hat dies seinen Grund darin, dass ich hier zur Zeit mehr am Platze bin und für die Firma tun kann, als dort. Ich habe mich in den letzten Monaten, weiß Gott, mehr geplagt als vor 20 Jahren, im Gründungsjahr der Firma. Ich tue es aber gern, da ich überzeugt bin, dass nach der ganzen schweren Zeit für uns alle und die Firma auch wieder sonnige Tage kommen werden. Darum haltet weiterhin so treu zusammen wie bisher, der Tag wird kommen an dem wir wieder wie früher zusammen den Weihnachtskaffee trinken werden. Ich wünsche jedem einzelnen von Euch, auch von meiner Frau, für sich und seine Familie alles Gute für Weihnachten und ein hoffentlich glücklicheres Neues Jahr.“

Doch Ende des Monats ließen es die Nachrichten aus Berlin immer ungewisser erscheinen, ob die beiden mitteldeutschen Großkunden, die Anhaltische Kohlenwerke AG und die reichseigene Elektrowerke AG, zu halten wären. „Verträge dieser Größenordnung“, vermutete Holler, seien „im zukünftigen Deutschland nur noch bei Kohle und Elektrizität“ möglich.17 Nach dieser Erkenntnis handelte er längst. Bereits zum 1. Januar des Jahres 194618 gelang es ihm, den „Schadenschutzverband“ mit Sitz in Bochum, der sich zwischen 1936 und 1943 schon einmal im Portefeuille der Generalagentur befunden hatte, als Kunden wiederzugewinnen.19 Die Jahresprämien der 15 zusammengeschlossenen Unternehmen summierten sich auf knapp 190 000 RM. Die Gelsenkirchener Bergwerks-Gesellschaft Hibernia AG, die Dortmunder Harpener Bergbau AG und die Hertener Bergbau AG Ewald-König Ludwig waren die wichtigsten Einzelkunden im Verband.20 Im Mai 1946 unterstrich Erich Gradmann in einem Schreiben an die Allianz-Generaldirektion, dass „ja unsere Maschinenabteilung im Westen bereits über 200 000 RM Neugeschäft im Jahr gebracht“ habe. Rechnet man alte Kunden hinzu, deren Verträge aus der Zeit zwischen 1928 und 1931 datieren, verwaltete das Godesberger Büro in der Sparte Maschinen bereits ein Prämienaufkommen von gut einer halben Million RM.21 Die Bedeutung des neuen Standorts im Westen drückte sich auch darin aus, dass die Allianz sich weigerte, den im Agenturvertrag vereinbarten Bürokostenzuschuss, der seit Mai 1945 nicht mehr gezahlt worden war, weiter oder gar rückwirkend an das Berliner Büro fließen zu lassen. Als „Ausgleich“ erhielt nun das Godesberger Büro 300 RM von der Kölner Zweigniederlassung der Gesellschaft.22 Im April 1946 hoffte niemand mehr, dass es sich bei der vom Oberbefehlshaber der sowjetischen Besatzungstruppen im Sommer 1945 verfügten praktischen Lahmlegung der Privatversicherung nur um eine befristete Maßnahme handelte. Mitteldeutschland fiel als Betätigungsfeld für Privatversicherer definitiv fort.23 Wie für die Versicherungsgesellschaften galt auch für Makler wie Gradmann & Holler: „Da nicht alle … im Westen so große Bestände besaßen, dass sie in diesen den technischen Ausgleich für ihr Gesamtgeschäft finden konnten, verschärfte sich der Wettbewerb.“24 In dieser Konkurrenz hatte Christian Holler der Firma eine gute Ausgangsposition verschafft. 72

Als Holler seinem Partner Erich Gradmann wenige Monate später klagte, er sei nicht mehr in der Lage, das Geschäft in West- und Süddeutschland allein zu bewältigen, und fände auch keine Zeit, Neugeschäft zu akquirieren, nahm dieser das zum Anlass, sich Luft zu machen. Er verstehe, wie sehr Holler belastet sei, habe er selbst die Firma doch auch jahrelang allein geführt, „dazu noch den ganzen heutigen russischen Sektor und Wien und habe so nebenbei noch ein Neugeschäft gebracht, das sich sehen lassen konnte. Vielleicht gibst Du nun zu, dass ich mich 5 Jahre lang habe abarbeiten müssen ohne 10% Vorzugsprovision zu beanspruchen. Im Gegenteil, ich habe trotzdem die seinerzeitigen Voraussetzungen für unsere frühere Abmachung hinfällig waren, auf eine Kündigung verzichtet, wenn ich auch manchmal im Stillen gedacht habe, du würdest von selbst, zumindest während Deiner Nichtanwesenheit darauf verzichten. Ich bin darüber nicht unglücklich, nur um eine Erfahrung reicher.“25 Das Verhältnis der beiden Partner, deren Verbindung auf Christian Hollers Vater zurückging, war auch in anderen Fragen nicht eben von Harmonie gekennzeichnet. So beabsichtigte Holler im Frühjahr 1946, in Stuttgart einen ehemaligen Prokuristen des Konkurrenten Jauch & Hübener nicht nur einzustellen, sondern war auch offen für dessen Forderung, zumindest gegenüber Dritten als Partner auftreten zu dürfen.26 Dem würde er, schrieb Gradmann, „unter keinen Umständen zustimmen“; ihm genüge die „Ehe“ mit Holler vollkommen, „zu dritt wäre sie unerträglich“. Doch sei er „durchaus damit einverstanden“, den hochqualifizierten Erwin Glaser als „erste Kraft“ zu nehmen, obgleich ihm dessen Gehaltsansprüche „etwas hoch“ erschienen. 27 Nach einem Gastspiel in Köln trat im Herbst 1946 auch der Ingenieur Erich Nutz, der in den dreißiger Jahren in der Berliner Zentrale tätig gewesen war, in die Stuttgarter Niederlassung ein. Mit ihm kam seine Frau, die in Berlin die Buchhaltung besorgt hatte. Zum 1. August 1946 stellte Christian Holler in Bad Godesberg den ersten Mitarbeiter ein und folgte bei dessen Wahl einem Prinzip, das er wann irgend möglich hochhielt: Matthias Oebel hatte „gedient“. Ehemaligen Soldaten, möglichst Offizieren, traute Holler sowohl ein vorteilhaftes Auftreten nach außen gegenüber den Kunden zu als auch Führungsstärke und Fürsorge gegenüber dem Personal innerhalb der Firma.28 Oebel, der eine Lehre bei der Godesberger Stadtverwaltung vorweisen konnte, hospitierte an zwei bis drei Vormittagen in der Woche in allen wichtigen Sparten bei der Kölner Niederlassung der Allianz und erhielt so sein „theoretisches Rüstzeug“. Zugleich knüpfte er wertvolle Kontakte zu „Allianz-Leuten“ und wusste nicht zuletzt – wir schreiben das Jahr 1946 – die „gute Kantine“ der Niederlassung zu schätzen, denn „da kriegte man was zu essen“.29 Mitte August, nachdem mühsam eine Zuzugsgenehmigung für ihn errungen worden war, stieß als dritter Mann der Ingenieur Ulrich Behn, welcher der Firma seit Mitte 73

der dreißiger Jahre angehörte, zum Godesberger Büro. Er war im Frühjahr 1946 aus der Kriegsgefangenschaft nach Berlin entlassen worden, doch Gradmann hatte dort keine Verwendung mehr für ihn.30 Das Einraum-Büro in Godesberg taugte zwar als Brückenkopf in der Britischen Zone, doch fand Holler den Standort bald zu abgelegen. Er bereitete daher einen Umzug in das stark zerbombte Köln vor, der Anfang Oktober 1946 stattfand. „Ein kleiner Dreiradwagen genügte, um das gesamte Personal und Material der Firma zu transportieren.“31 Das Büro in Köln-Ehrenfeld bestand bereits aus zwei Zimmern, wurde gleichwohl bald zu klein, und die wachsende Belegschaft der Firma packte selbst mit an, um Baumaterial für die Herrichtung größerer Büroflächen im vorteilhafter gelegenen Gereonshaus zu beschaffen. Ihren Wohnsitz behielten die Hollers vorerst in Godesberg, wo sie inzwischen eine Etage in der Dürener Straße, einer guten Wohngegend, gemietet hatten. Es scheint, als habe Christian Holler seine Frau mit den Informationen, die er Ende 1945 von seinem Partner über die schlimmen Ereignisse in Beutel erhalten hatte, nicht konfrontieren wollen. Denn im Dezember 1946 schickte Asta Holler eine Vollmacht mit beigefügtem „Verzeichnis der verlagerten Gegenstände“ an Erich Gradmann und bat ihn, sich nach ihren Sachen zu erkundigen. Sie sei „für jedes Stück dankbar“, denn sie habe „ja gar nichts“; Freunde hätten ihr zwar geholfen, aber sie lebe „zwischen gepumpten Möbeln und Sachen“. Der Gastwirt, den sie für einen ehrlichen Mann halte, werde, was er habe „retten“ können, sicher herausgeben. Wer interessiere sich schon für ihre alten Familienfotos – für sie aber seien diese „eine schöne Erinnerung an Dinge die nie wiederkehren“. Auch bei „Vater Hanisch“ – wohl ebenfalls in Beutel – stehe noch eine Kiste mit Geschirr, Lebensmitteln und Büchern. „Wenn ich die Bücher haben könnte, die haben für Hanisch ja keinen Wert … Wie könnte ich das Geschirr alles brauchen, das in Beutel stand, ich habe ja nicht mal eine eigene Tasse“, beschwor sie Gradmann Ende 1946.32 Aus der Kölner Phase datiert eine Episode, die von mehreren Zeitzeugen als Beleg für Christian Hollers abergläubische Neigung kolportiert wird. Ulrich Behn hatte für das neue Büro mit größter Mühe einen Telefonanschluss bekommen. Er teilte Christian Holler die Nummer mit, und der errechnete rasch die Quersumme. Als „13“ herauskam, lehnte er den Anschluss, den das Geschäft so dringend benötigte, ab. Erst nach Wochen gelang es Behn, einen neuen Anschluss mit anderer Nummer zu erhalten, und Christian Holler bemerkte zufrieden: „Seh’n Sie Behn, es geht doch alles!“33 Die Jahresprämien allein der Maschinenversicherungsverträge, die Gradmann & Holler Anfang 1947 im Westen verwaltete, beliefen sich in Stuttgart auf gut 400 000 RM, in Köln bereits auf knapp 700 000 RM. Während Stuttgart, stellt man diesen Zahlen diejenigen Verträge gegenüber, die in der „Gewinnabrechnung 1940–1945“ enthalten 74

sind, im Vergleich zu den Kriegsjahren an Kunden verloren hatte, waren die Prämien, die Gradmann & Holler im Einzugsbereich der Allianz-Landesdirektion Köln jetzt betreute, seit Kriegsende fast auf das Dreifache angestiegen. Inzwischen hatte Holler nämlich auch das Kommunale Elektrizitäts-Werk ‚Mark‘ AG in Hagen/Westf. als neuen Kunden gewonnen, der allein mit einer Jahresprämie von über 200 000 RM zu Buche schlug.34 Während in Berlin in den ersten elf Monaten des Jahres 1947 insgesamt gerade einmal gut 42 000 RM zusammenkamen, gingen im selben Zeitraum in den Westzonen 200 000 RM an Provisionen ein.35 Eine Tabelle für das gesamte Jahr 1947 stellt Einnahmen von rund 301 000 RM ins Verhältnis zu Ausgaben von insgesamt 221 000 RM.36 Christian Holler akquirierte erfolgreich. Das allein erklärt nicht, warum er gegenüber seinem in Berlin ausharrenden Partner im November 1947 einen „Nachtrag zum Gesellschafter-Vertrag“ durchsetzen konnte, der ihn abermals begünstigte: „Herr Christian Holler erhält alljährlich bei der Verteilung des Reingewinns vorweg 24 000 RM; der verbleibende Gewinn wird 50 zu 50 geteilt.“ Ferner heißt es: „Die per 1. 1. 1946 aktivierten Provisionen Schadenschutzverband sowie die Gewinnbeteiligung 1940– 1945 werden im Verhältnis 55 für Herrn Holler und 45 für Herrn Gradmann gutgeschrieben…“37 Seit Anfang 1946 zahlte die Allianz ihrer Generalagentur keine Gewinnbeteiligung mehr, erhöhte aber die Provisionen 1947 generell auf 15%. Gleichzeitig wurde der Bürokostenzuschuss gestrichen.38 Die Gewinnbeteiligung für die Jahre 1940–45, die im Oktober 1947 ausgezahlt wurde, belief sich auf 37 711,60 RM.39 Den Bemühungen der Firma, das Geschäft auszudehnen, kamen im Sommer 1948 die Reform der Währung und eine weitgehende Aufhebung der Rohstoffbewirtschaftung zugute. Infolge der Abwertung aller Vermögenswerte verfügten die Unternehmen in der Regel nur über geringe Kapitalreserven. Entsprechend groß war daher die Bereitschaft, sich gegen Verluste zu versichern. Da das „3. Gesetz zur Neuordnung des Geldwesens“ es den Versicherungsgesellschaften erlaubte, den vertraglich vereinbarten Schutz sofort in D-Mark anzubieten, blieb der überwiegende Teil der Versicherungsverträge über den Tag der Währungsreform erhalten, und es „konnte sogar in Revision früherer Unterversicherungen gesteigerter Versicherungsschutz erreicht werden“.40 Christian Holler setzte sich energisch und selbstbewusst für seine Kunden ein. So telegrafierte er Ende 1949 an die Maschinen-Abteilung der Allianz in Wiesbaden: „FALLS SIE SCHADEN DUERRWERKE NICHT SOFORT ANERKENNEN MACHE DARUF (sic!) AUFMERKSAM DASS VERTRAG MIT SICHERHEIT FUER IMMER VERLOREN GEHT STOP WIR LEHNEN WEITERE VERANTWORTUNG AB = HOLLER.“41 Die Dürrwerke blieben als zufriedener Kunde von Gradmann & Holler bei der Allianz versichert.42 75

Kurz nach der Währungsreform trat in Stuttgart der 1921 dort geborene und von Hause aus mit dem schwäbischen Unternehmertum verbundene Kurt Stroh bei Gradmann & Holler ein. Eigentlich hatte er Flugzeugbau studieren wollen und sich daher, als er nach dem Abitur eingezogen wurde, freiwillig zur Luftwaffe gemeldet. Dort überlebte er den Krieg beim „fliegenden Personal“. Danach machte er eine zweijährige Lehre als Industriekaufmann, legte seine Gehilfenprüfung ab und stand zunächst ohne berufliche Perspektive da. Christian Holler, der Stroh seit dessen Besuch in Berlin kannte, traf diesen im Sommer 1947 an einem oberbayerischen See wieder. Weil er Verstärkung für die Stuttgarter Niederlassung suchte, bot er dem Mittzwanziger an, „Versicherungsmakler“ zu werden. Den stimmte das zunächst skeptisch, fürchtete er doch, Leuten „mit dem Fuß in der Tür … Versicherungen aufschwätzen“ zu müssen. Aber ein Gespräch im Stuttgarter Büro belehrte ihn eines Besseren, und er willigte ein, bei der Allianz einen einjährigen Kurs zu absolvieren, der eigens für Kriegsteilnehmer eingerichtet worden war. Am 1. August 1948 trat er offiziell bei der Firma ein. Hier lernte er viel von Erwin Glaser, dem „ausgeliehenen“ Jauch & Hübener-Mann, und galt bald als ein Aspirant auf die spätere Nachfolge eines der kinderlosen Firmeninhaber.43 Eine Begebenheit aus dieser Zeit wurde in der Firma später gern kolportiert, weil Christian Hollers Reaktion als bezeichnend galt. Erwin Glaser chauffierte Holler in einem VW-„Käfer“ von Stuttgart nach Mannheim, wo der Kunde Brown, Boveri & Cie. AG besucht werden sollte. Glaser, ein feinsinniger Mensch, wies Holler auf ausnehmend schöne Wolkenformationen am Himmel hin, wurde von diesem aber zurechtgewiesen. Der Himmel interessiere ihn nicht, Glaser solle schneller fahren, man müsse ankommen.44 In Berlin starb im Sommer 1948 Albert Draeger, der langjährige Geschäftsführer der Wertschutz GmbH. Sein Nachfolger wurde am 1. Oktober 1948 Heinz Müller, ein ehemaliger Oberleutnant, der wiederum das kleine Geschäft von Gradmann & Holler mit verwaltete.45 1950 gab man das behelfsmäßige Büro in der Bornimer Straße auf und bezog in der Lietzenburger Straße die repräsentativen Räume einer „alten befreundeten Firma“, den zerschlagenen und inzwischen sozialisierten Anhaltischen Kohlenwerken.46 Ende 1948 verließ Erich Gradmann mit seiner Frau Berlin und siedelte sich in Stuttgart an.47 Obwohl bei schlechter Gesundheit und nachlassendem Augenlicht, kümmerte er sich umgehend wieder um sein altes Spezialgebiet, die Kraftwerke und die Energieversorger. Was den „Bestand an Maschinenversicherungen“ des Büros Stuttgart betrifft, lassen sich Zahlen vom 1. Januar 1948 solchen vom 1. August 1949 gegenüberstellen. Die in dieser Sparte von der Firma verwaltete Versicherungssumme stieg von knapp 67 Millionen RM auf fast 122 Millionen DM an. Entsprechend er76

höhte sich das Prämienvolumen von fast 432 000 RM auf knapp 740 000 DM. Dies rührte zum einen daher, dass zahlreiche Kunden neu gewonnen werden konnten, darunter Großunternehmen wie die Energieversorgung Schwaben (EVS), die den Bau eines 1938 begonnenen Dampfkraftwerkes in Marbach vorantrieb und 1951 fertig stellte, oder die Bayerische Elektrizitäts-Lieferungs-Gesellschaft (BELG). Beide zusammen erhöhten das Prämienaufkommen auf einen Schlag um fast 140 000 DM. Zum andern stockten etwa die Isar-Amper-Werke und Wintershall ihre Versicherungssummen beträchtlich auf.48 Bei den vom Kölner Büro verwalteten Maschinenversicherungen traf dies auf die Verträge mit dem Gemeinschaftskraftwerk Hattingen, dem Gersteinwerk in Werne, den Vereinigten Elektrizitätswerken und der Bergischen Elektrizitätsversorgung zu. Zwischen der Währungsreform und dem 1. August 1950 gingen bei der Allianz aus den von Gradmann & Holler vermittelten Maschinenversicherungen an die 2,7 Millionen DM an Prämien ein, von denen der Firma 25% Inkassoprovision zustanden. Mehr als die Hälfte des Prämienaufkommens verwaltete das Düsseldorfer Büro, wobei die Schadenquote der dort liegenden Verträge mit 120% besonders hoch war. Bis Ende 1951 flossen der Allianz, vermittelt durch Gradmann & Holler, weitere 1,8 Millionen DM an Prämien zu, und die Schadenquote verbesserte sich.49 Die Aufteilung Deutschlands in Besatzungszonen mit je eigenen Regeln für die Privatversicherung50 nötigte die Allianz zur Einrichtung dreier „Zonenhauptgeschäftsstellen“. Diese wurden gebildet durch die Zweigniederlassungen Hamburg und Stuttgart sowie eine „Auffangstelle“ für die Generaldirektion in München. Im Oktober 1948 fiel die Entscheidung, München auf Dauer zum Sitz der Zentrale zu machen.51 Die Firma Gradmann & Holler zog im Februar 1949 nach. In Stuttgart zwei Monate lang auf seine Aufgabe vorbereitet, übernahm ein Herr Pressler als Niederlassungsleiter das Münchner Büro. Man kam im Arco-Palais-Block unter, später in größeren Räumlichkeiten in der Theatinerstraße. Das Geschäft entwickelte sich zunächst langsam. Die Provisionseinnahmen beliefen sich 1949 auf gerade einmal 5 000 DM, denen noch Ausgaben von knapp 26 000 DM gegenüberstehen. Die im ersten Jahr eingeworbenen Verträge bildeten ein Konglomerat von Auto- und Unfall-, aber auch einigen Feuer-, Transport- und Haftpflicht- sowie Einbruch-Diebstahl- und Reisegepäckversicherungen.52 Das Münchner Büro vermittelte zunehmend an die örtliche Geschäftsstelle der Victoria, wobei zunächst Kraftfahrzeugversicherungen dominierten, seit 1951 aber Unfallversicherungen mit einem Prämienaufkommen von annähernd 100 000 DM an die erste Stelle rückten und auch die Prämien für Lebensversicherungen nunmehr annähernd 60 000 DM betrugen.53 Zur Kernmannschaft der Firma Gradmann & Holler gehörten 1949 neben den beiden Inhabern und der altgedienten Prokuristin Mitz Rummetsch, die Herren Glaser 77

Martinsgans-Essen Düsseldorf 1952 – in der Mitte Felix Reis

und Behn, Nutz, Stroh und Pressler. Ihre Jahresgehälter waren nach Qualifikation und Verantwortung gestaffelt. Mit 11 000 DM führte Glaser die Liste an, die „alten“ Mitarbeiter Behn und Nutz erhielten 9600 und 6200 DM, Pressler 5785 und Stroh 4230 DM. Die höchsten Reisespesen entstanden Behn, der offenbar die ausgedehnte britische Zone bearbeitete. Während Glaser mit 6744 DM Provision deutlich vor Behn mit knapp 3948 DM lag, überstieg die Provision des Neulings Stroh mit 4455 DM bereits deutlich dessen Jahresgehalt. Dabei entstanden Stroh vergleichsweise geringe Reisespesen; er wirkte offenbar vornehmlich im Großraum Stuttgart.54 Um näher an „Industrierevier und Kohlenpott“ zu gelangen, siedelte das Kölner Büro – nun mit einem „richtigen Möbelwagen“ – nach Düsseldorf um, wo in der Breiten Straße bereits eine ganze Etage zur Verfügung stand. Nach langer Bauphase reichten die Räume beim Einzug am 1. März 1950 für die gewachsene Belegschaft kaum noch aus, und die Firma zog weiter in ein Gebäude am Martin-Luther-Platz. Neben Christian Holler, der nach wie vor viel auf Reisen war, arbeiteten hier bald 12 Angestellte. Die Leitung der Niederlassung lag bei Ulrich Behn. Matthias Oebel erinnert sich an die „Aufwärtsbewegung“, die eingesetzt habe, „sobald wir in Düsseldorf waren“.55 In das Düsseldorfer Büro von Gradmann & Holler trat 1953 auch Christian Hollers Neffe Felix Reis ein. Nach dem Abitur hatte er von 1949 bis 1951 bei der AllianzNiederlassung in Stuttgart eine Lehre als Versicherungskaufmann absolviert und dann in England bei einem Versicherungs- und Rückversicherungsmakler sowie bei Lloyds Berufserfahrungen gesammelt.56 Nach Düsseldorf, seit 1946 Sitz der Landesregierung von Nordrhein-Westfalen, verlegten die Hollers auch ihren privaten Wohnsitz und bezogen im Stadtteil Pempelfort eine Mietwohnung. Auf Ischia besaßen sie bereits eine geräumige Villa, in der Asta 78

mehr Zeit verbringen konnte als ihr vielbeschäftigter Ehemann. Der war an einer gefährlichen Geschwulst am Hals erkrankt, die sich operativ entfernen ließ. Es blieb aber eine rechtsseitige Fazialis (Gesichtslähmung), die Christian Holler mit eiserner Disziplin zu beherrschen lernte. Als seine Schwester Anna ihn wegen seines erfolgreichen Sprechtrainings bewunderte, erklärte er auf Schwäbisch: „Verdien’ doch mei’ Geld mid’r Gosch.“57 Bereits 1950 hatten die Eheleute ein Testament geschrieben, in dem sie sich wechselseitig zu Vermächtnisnehmern von gerade einmal 30 000 DM einsetzten.58 Es heißt, die in Wien aufgewachsene Asta Holler habe in Düsseldorf, der vom rheinischen Wirtschaftsbürgertum geprägten Stadt, nicht recht heimisch werden können. Auch Christian Hollers Liebe zu München mag dafür gesprochen haben, dorthin zu übersiedeln. In der Bogenhausener Pienzenauerstraße baute man Anfang der fünfziger Jahre mit Marshallplan-Mitteln ein Haus.59 In Düsseldorf saß die Firma Gradmann & Holler am Martin-Luther-Platz im selben Haus wie die Frankfurter Versicherung. Über deren goldenem Firmennamen prangte bald selbstbewusst und gleichgewichtig der eigene. Gegenüber der Kundschaft sollte nicht der Eindruck entstehen, man logiere gewissermaßen zur „Untermiete“ bei der Frankfurter, die bekanntermaßen zum Allianz-Konzern gehörte, und stehe womöglich in einem Abhängigkeitsverhältnis zu beiden.60 Der Status, nach wie vor „nur“ ein Generalagent der Allianz zu sein, machte der aufstrebenden Firma Gradmann & Holler zunehmend zu schaffen. Seit 1947 verhandelte Christian Holler mit der Gesellschaft darüber, welche Sparten fortgesetzt unter den Generalagenturvertrag fallen sollten und wo die Firma als freier Makler agieren dürfe. Im Mai 1948 bat Holler Alfred Haase, Vorstandsmitglied der Allianz und Vertrauter von Hans Heß, brieflich, er möge „der Ordnung halber, die am 15. v. M. mit Herrn Dr. Heß getroffene Vereinbarung bestätigen, wonach sich der Vertrag mit der Allianz lediglich auf die Maschinen-, Montage- und Garantie-Versicherung“ erstrecke. Der Jurist Haase antwortete Holler, dessen Unterhaltung mit Heß in Frankfurt habe „lediglich den Zweck (gehabt), seine grundsätzliche Bereitwilligkeit zu der von Ihnen gewünschten Vertragsänderung zu erfahren. Dass darüber hinaus selbstverständlich die neuen vertraglichen Vereinbarungen erst getroffen werden müssen, ehe der alte Vertrag erloschen ist, bedarf doch wohl keiner Erwähnung.“61 Unter dem 25. April 1951 konnte Mitz Rummetsch auf dem Rand des ersten Blattes des Agenturvertrages mit der Allianz von 1936 schließlich vermerken, dass dieser „nur noch hinsichtlich Masch[inen,] Mont[age] u[nd] Garantie“ bestehe.62 Im Oktober 1948 war der nunmehr 67-jährige Hans Heß als Vorsitzender des Vorstandes zurück- und in den Allianz-Aufsichtsrat eingetreten, dem er bis 1954 vorsaß. Christian Holler stand sich nach wie vor gut mit ihm. Ende 1946 hatte er ihm seinen Freund Hans Leonhard Hammerbacher als Mitglied für den neu zu formierenden 79

Allianz-Aufsichtsrat empfehlen können.63 1948 trat der BBC-Direktor in das Gremium ein und gehörte ihm 15 Jahre lang an.64 Der Vorsitz im Allianz-Vorstand ging im selben Jahr auf Hans Goudefroy über. Außer seiner Nähe zu den Industriegebieten an Rhein und Ruhr bot der neue Standort Düsseldorf Gradmann & Holler den Vorteil, dass hier die „Victoria am Rhein“ saß. 1923 hatte sich die Berliner Victoria-Versicherungsgruppe Stützpunkte im besetzten Rheinland geschaffen. Nach dem Zweiten Weltkrieg konnte die Gesellschaft von hier aus in der späteren Bundesrepublik tätig werden.65 Christian Holler, der schon während seiner Berliner Jahre ein gutes Verhältnis zur Victoria gepflegt und auch die Wertschutz GmbH von ihr erworben hatte, war bald nach seiner Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft in Kontakt zur Victoria am Rhein getreten. Anfang Januar 1946 schrieb er an seinen Partner in Berlin: „Hast Du Stuttgart eine Abschrift des BBC-Unfallvertrages übersandt? Die Victoria am Rhein, welche den Vertrag nunmehr bearbeitet, hat dringend darum gebeten.“66 Der Vertrag wurde in Düsseldorf weitergeführt.67 Gradmann & Holler brachte auch Maschinenversicherungen bei der Victoria unter. Schon 1945 vermittelte Christian Holler erste Verträge. Das jährliche Prämienvolumen, das über die Büros in Düsseldorf, Stuttgart und München an die Abteilung für Maschinenversicherung der Victoria floss, betrug 1951 knapp eine Viertelmillion DM.68 Ob die Allianz von diesen Verträgen erfuhr, ist nicht bekannt. Insgesamt erhöhte sich die jährliche Summe der Prämien, welche der Victoria aus Abschlüssen zuflossen, die Gradmann & Holler vermittelt hatten, zwischen 1948 und 1951 von knapp 35 000 auf gut 550 000 DM. Dabei fiel mit Abstand am stärksten die Sparte Lebensversicherung ins Gewicht. Eine kleine Notiz in den Akten der Victoria erklärt, woher diese Prämien großenteils stammten: „Aus dem Kollektiv-LebensBestand Volkswagenwerk, BBC und 6 kleineren Verträgen erflossen in der Zeit vom 21. 6. 48 bis 31. 12. 51 DM 3 123 000,–.“ An Abschlussprovisionen für andere Lebensversicherungsverträge standen der Düsseldorfer Niederlassung von Gradmann & Holler 1949 gut 27 000, 1950 gut 91 000 und 1951 gut 75 000 DM zu.69 Während die Provisionen für Kollektivversicherungen fallweise ausgehandelt wurden, entsprachen die anderen Abschluss- und Inkassovergütungen, wie schon in Berliner Zeiten, den hohen Sätzen der Generalagenturen der Victoria: „Leben 32‰, Rente 4%, Unf. 25% und Ink. Prov. 15%“.70 Kollektivlebensversicherungen gewannen für Gradmann & Holler seit der Währungsreform noch an Bedeutung. Da der Kapitalmarkt vorerst eng war, fehlten der westdeutschen Wirtschaft die Mittel für Investitionen. Die Versicherungsgesellschaften indessen verfügten über eine hohe Liquidität, denn in ihre Kassen flossen ununterbrochen die Prämien aus Verträgen jedweder Größenordnung. Daher erlangten soge80

Hollers mit Hammerbachers Anfang der 50er Jahre auf der Düsseldorfer „Kö“

nannte Schuldscheindarlehen „große Bedeutung für Kapitalmarkt und Versicherungswesen“; sie dienten dem Darlehensgeber als Kapitalanlage, dem Darlehensnehmer als Finanzierungsinstrument.71 Die Unternehmen schlossen Gruppenversicherungen für ihre Belegschaften ab. Im Gegenzug gewährten die Gesellschaften ihnen Schuldscheindarlehen. So gelang es, „durch steuerlich begünstigte Versorgungsleistungen die Liquidität im Unternehmen zu halten“.72 Die Firma Gradmann & Holler erkannte ihre Chance als Vermittler. „Das haben wir entwickelt“, erinnert sich Kurt Stroh. „Da war Gradmann groß drin.“73 Erich Gradmann kümmerte sich um Darlehen für süddeutsche Energieversorger, zum Beispiel für die Energieversorgung Schwaben74 und den neuen Großkunden Bayerische Elektrizitäts-Versorgungsgesellschaft.75 Holler betreute die Brown, Boveri & Co. AG in Mannheim, wo sein Freund Hammerbacher jetzt dem Vorstand vorsaß, sowie das Volkswagenwerk. Matthias Oebel erinnert sich an Christian Hollers Vorgehen: „Da ging es drum, dass Kapital beschafft wurde für die Industrie … Er hat also für seine Kunden und auch für andere, die es werden sollten, bei den Versicherern Geld besorgt, die das dann als Darlehen vergeben haben, und dafür haben wir die Versicherungen dann entweder festklopfen können oder ausweiten können, was noch nicht da war, um die Dinge dann zu entwickeln. … Und die Versicherungen, die hatten ja das Geld, denn die Prämien der kleinen Leute, die liefen ja weiter.“76 Christian Holler führte den Kampf um neue Kunden mit harten Bandagen. Gradmann & Holler engagierte sich nicht nur dort, wo bisher kein oder nur unzureichender Versicherungsschutz bestand oder wo es galt, neu gegründete Unternehmen zu versichern. Man umwarb vielmehr auch Betriebe, die bisher direkt bei einer Gesellschaft versichert waren oder dies zunächst vorgehabt hatten. Angebote der Firma, 81

Versicherungsverträge sachkundig und im Interesse der Versicherten zu verwalten oder auch zu deren Vorteil zu modifizieren, erschienen nach der Währungsreform, als alle Unternehmen scharf kalkulieren mussten, besonders attraktiv. So gelang es Christian Holler zum Beispiel, eine Kollektiv-Versicherung, die seit Längerem zwischen einem unterfränkischen Energieversorger und einem Agenten der Victoria vorbereitet worden war, kurz vor dem Abschluss an sich zu ziehen. Den Ausschlag gab vermutlich, dass er dem Unternehmen auch einen „größeren Kredit“ zu beschaffen versprach. Der mit der Sache bis dahin befasste Agent bot Holler daraufhin seine Mitarbeit an, sei er doch mit den „versicherungsmäßigen Bedürfnisse(n)“ des Unternehmens gut vertraut. In der „Provisionsfrage“ versprach er, sich „selbstverständlich … mit dem zu bescheiden, was Sie mir zubilligen“.77 Holler wies das Ansuchen zurück, indem er auf die „sehr umfangreichen Geschäftsbeziehungen“ verwies, die seine Firma mit der Victoria verbänden, führe man dieser doch „jährlich Prämien in Höhe einer siebenstelligen Ziffer“ zu. „Genau wie Ihnen heute, so ist es uns auch schon selbst ergangen, dass wir lange Zeit an irgendwelchen Projekten gearbeitet haben und dann ein anderer das Geschäft machte. Dies ist nun einmal in unserem Beruf nicht zu vermeiden, da wir alle im freien Konkurrenzkampf stehen.“78 „Es ist Pech, dass Herr Holler nunmehr den Vogel abschießt,“ konstatierte der Leiter der regional zuständigen VictoriaGeschäftsstelle, der eine „Provisionsbeteiligung“ des Agenten seiner Gesellschaft für recht und billig befunden hatte.79 In einem anderen Fall teilte eine Heidelberger Firma ihrer bisherigen Versicherungsgesellschaft, der Iduna, im Mai 1950 lapidar mit, sie habe die Firma Gradmann & Holler „mit sofortiger Wirkung“ beauftragt, ihre Versicherungen zu verwalten; es ging um sechs Feuer-Policen, acht Auto-, eine Betriebshaftpflicht, eine KollektivUnfall- und nicht zuletzt um eine „Gefolgschaftsversicherung“ – wie es bruchlos im NS-Jargon hieß.80 Den Versuch der Heidelberger Victoria-Geschäftsstelle, zumindest die Kfz-Verträge weiter zu verwalten, die inzwischen einer ihrer Mitarbeiter mühevoll akquiriert hatte, schmetterte Gradmann & Holler ab: „Veranlassen Sie bitte, dass Herr Henne künftighin jeden Besuch bei der Kraftanlagen A. G. unterlässt. Wenn Herr Henne weiterhin die Firma besucht, werden wir uns gezwungen sehen, bei der Generaldirektion entsprechende Schritte gegen Herrn Henne einzuleiten.“81 Schließlich bestätigte der Versicherungsnehmer der Victoria schriftlich, seine „sämtlichen Versicherungen“ würden von der Firma Gradmann & Holler „bearbeitet und verwaltet“.82 Dass die Firma sich in den geschilderten und etlichen vergleichbaren Fällen durchsetzen konnte, verdankte sie nicht zuletzt der starken Stellung am Markt, die sie seit der Währungsreform errungen hatte. Die Victoria konstatierte Anfang 1951, Gradmann & Holler führe ihr inzwischen ein „verhältnismäßig großes Geschäft“ zu. In Erwar82

25-jähriges Firmenjubiläum 1951 – U. Behn, Ch. u. A. Holler, E. u. L. Gradmann

tung einer „wirkliche(n) Vergrößerung“ des Geschäftes in Berlin ging die Gesellschaft Anfang 1951 auch auf die Forderung der Firma ein, ihr befristet einen Außendienstmitarbeiter hauptamtlich zu überlassen. Die Tatsache, auf die Wertschutz-Geschäftsführer Heinz Müller hinwies, dass auch bereits die Konkurrenz, nämlich die Allianz, einen qualifizierten Mann abgestellt hätte, trug zum Entgegenkommen der Victoria bei. Da sie eine „ausbaufähige Geschäftsbeziehung“ vermutete, schickte sie für drei Monate einen „tüchtigen Victorianer“ nach Berlin.83 Ernst Pohl, der Leiter der in Wiesbaden ansässigen Maschinen-Abteilung der Allianz, hielt Anfang 1952 fest: „Die hohe Provisionseinnahme setzt die Firma G. & H. in den Stand, ihr eigenes Büro ständig zu vergrößern und damit wächst ihr Einflusskreis.“84 Als Gradmann & Holler im Herbst 1951 fünfundzwanzigjähriges Jubiläum feierte, reservierte man für die rund fünfzig geladenen Festgäste das gesamte TraifelbergHotel auf der Schwäbischen Alb. Folgt man der Festschrift, die aus diesem Anlass erschien, stand die Firma zu diesem Zeitpunkt „bereits größer da wie zur Zeit ihrer höchsten Blüte“.85 Christian Holler freilich schickte sich gerade an, sämtliche Geschäftsanteile eines Unternehmens an sich zu bringen, mit dem er dereinst mehr verdienen sollte denn als Partner von Erich Gradmann.

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7. Übernahmen in Wolfsburg

In der britischen Zone, die Christian Holler seit seiner Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft bearbeitete, lag das Wolfsburger Volkswagenwerk. Als 1948 die Konkurrenz unter den Pkw-Produzenten einsetzte, befand es sich in einer bevorzugten Ausgangsposition, denn die Militärverwaltung hatte hier, zunächst für den Eigenbedarf, dann auch für deutsche Behörden, alte Fahrzeuge reparieren und daneben bereits laufend neue fertigen lassen.1 Nach der Währungsreform zog die Nachfrage nach Personenkraftwagen rasch an. Der neue Generaldirektor Heinrich Nordhoff, ein ehemaliger Opel-Mann, den die Briten mit ungewöhnlich viel Macht ausgestattet hatten, motivierte die wachsende Belegschaft durch wirtschaftliche und soziale Zugeständnisse sowie durch seine mitreißenden Ansprachen zu hoher Leistung.2 Die Anlagen des Volkswagenwerkes wie auch die Beschäftigten waren gegen verschiedene Risiken versichert. Ein „Ausschließlichkeitsvertrag“ garantierte dem Wolfsburger Makler Heinrich Kurig die Vermittlung sämtlicher Verträge.3 Die Police für das riesige Kraftwerk mit einer Versicherungssumme von 14,3 Millionen DM hielt 1948 die Frankfurter Versicherungs-AG, die auch die Haftpflicht-, die Unfall- und die Kaskoversicherung für den Fahrzeugpark der Fabrik führte.4 Ferner gab es bereits neben der gesetzlichen eine freiwillige Kollektivunfallversicherung, für die das Werk jährlich 190 000 DM aufwandte. Anfang 1949 belief sich die Prämie für die Maschinen des Kraftwerks auf rund 90 000 DM. Hermann Knott, von den Briten auf Ersuchen Nordhoffs als Treuhänder des Werkes eingesetzt, erkundigte sich beim Zonenaufsichtsamt für Privatversicherungen, nach welchen gesetzlichen Regeln Versicherungsverträge aufgelöst werden könnten.5 Dann handelte er. In seinem Monatsbericht für Februar 1949 hielt er fest, die „Leistungen der Versicherungsgesellschaften“ stünden „in keinem rechten Verhältnis zu dem Prämienaufwand“; die Verträge seien „demgemäß gekündigt worden“.6 Die Entscheidung, durch Kurig vermittelte Versicherungsverträge zu sistieren, dürften die Männer um Nordhoff nicht gefällt haben, ohne zuvor kompetent über vorteilhafte Alternativen unterrichtet worden zu sein. Zweifellos war Christian Holler hier involviert, stand er doch seit 1948 in Kontakt mit der Autofabrik.7 Die Victoria-Versicherung, an die Holler zunehmend vermittelte, datiert den Beginn ihrer Geschäftsbeziehungen zum Volkswagenwerk ebenfalls auf dieses Jahr.8 Offenbar ordnete Christian Holler die Versicherungsangelegenheiten des Volkswagenwerkes nach der Währungsreform neu und reiste dazu öfters nach Wolfsburg. Im August 1949 verhandelte er zum Beispiel mit Knott „betr. Versicherung von Vorstandsmitgliedern“.9 Zum 1. Oktober 1949 schloss das Werk eine „allgemeine Gruppenversicherung“ mit zehnjähriger Laufzeit ab.10 Da Generaldirektor Nordhoff sich in allen wichtigen Fragen die letzte Entscheidung vorbehielt, dürfte auch er Holler kennen gelernt haben. Was Versicherungen angeht, 85

„…in freundschaftlicher Verbundenheit!“ – Heinrich Nordhoff 1949

war Nordhoff kein Laie. Sein Vater Johannes leitete in Berlin von 1920 bis 1940 und – bereits im Ruhestand – seit 1946, weil politisch unbelastet, erneut die renommierte Berlinische Feuer-Versicherungs-Anstalt. Sein Bruder Hans gehörte seit 1947 deren Vorstand an.11 Nordhoff wusste um das Potential, das im Volkswagenwerk steckte, und auch um die Vorteile, die ein Großunternehmen daraus ziehen konnte, wenn es sich eines angesehenen, überregional arbeitenden Maklers bediente. Die Marktmacht der Firma Gradmann & Holler würde bei Verhandlungen mit den Versicherungsgesellschaften ins Gewicht fallen und dem Werk zugute kommen. Der Wolfsburger Makler Heinrich Kurig hatte nicht nur die Versicherungen des Werkes betreut. Seine Familie besaß auch sämtliche Anteile an einer „Volkswagen-Versicherungsdienst GmbH“. Die Initiative, diese zu gründen, hatte 1947 Rudi Mehl ergriffen, zu jener Zeit Leiter der Zweigniederlassung der Frankfurter Versicherungs-AG in Hamburg. Mehl war 1929 maßgeblich am Aufbau der Allgemeinen AutomobilVersicherungs-AG (AAVAG) beteiligt gewesen, einem Versicherungsvermittlungsdienst der Adam Opel AG. Dieser bot nach dem Vorbild des amerikanischen Mutterkonzerns General Motors Kfz-Versicherungen als einen Service an, der den Verkauf flankieren sollte. 1932 übernahm die Frankfurter die AAVAG, die nun als Opel Automobil-Versicherungs-AG (OVAG) firmierte, und verpflichtete mit deren Vorstandsmitglied Rudi Mehl einen Fachmann, dem sie zweifellos ihre spätere vorzügliche Stellung in dieser Sparte verdankte. Um den Außendienstmitarbeitern der Versicherungsgesellschaften ihre Erwerbsgrundlage zu sichern, verbot am 14. Februar 1938 eine Verordnung des Reichskommissars für Preisbildung Automobilherstellern und -händlern, Vermittlungsdienste für Kfz-Versicherungen zu betreiben.12 Die OVAG wurde aufgelöst.13 Nach dem Zweiten Weltkrieg griff Mehl die Idee der markengebundenen Kfz-Versicherung wieder auf. Das Volkswagenwerk war 1947 die einzige deutsche Pkw-Fabrik, die einigermaßen regelmäßig produzierte. Mehl schlug Hermann Münch, der – in 86

Personalunion – vor Knott Cheftreuhänder und vor Nordhoff Generaldirektor des Werkes gewesen war, die Gründung eines „Versicherungsdienstes“ vor, wurde jedoch an Heinrich Kurig verwiesen. Der besaß zum einen den „Ausschließlichkeitsvertrag“, zum andern war zu diesem Zeitpunkt ungewiss, ob die Verordnung vom Februar 1938 noch galt, die Herstellern und Händlern die Vermittlung von Kfz-Versicherungen verbot. Jedenfalls konnte Mehl dem Vorstandsvorsitzenden der Frankfurter Anfang Januar 1948 berichten, das Volkswagenwerk habe am 17. Dezember 1947 „die Errichtung des Volkswagen-Versicherungsdienstes“ genehmigt.14 Ein Vertrag mit zehnjähriger Laufzeit zwischen dem Werk und Kurig hielt fest, dass die Kfz-Versicherung von Volkswagen jeweils dann obligatorisch über diesen Vermittlungsdienst zu erfolgen habe, wenn Fahrzeuge auf Kredit verkauft würden. Die Frankfurter Versicherungs-AG übernahm die Führung eines Pools, an dem sich zunächst die Erste Allgemeine Unfall- und Schadensversicherungs-Gesellschaft mit einer Quote von 30% beteiligte.15 Die Reparatur von Kasko-Schäden an den versicherten Fahrzeugen musste in eigenen oder vom Volkswagenwerk autorisierten Werkstätten erfolgen. An eine vom Werk zu bestimmende „Stelle für Sozialbelange des Werkes“ hatte Kurig jährlich 30% des Reingewinns abzuführen. Er verpflichtete sich ferner, ein „ständiges Büro innerhalb des Werksgeländes“ anzumieten, lag doch dem Unternehmen an einer „reibungslose(n) Zusammenarbeit“. Diesem stand auch das Recht zu, beim Volkswagen-Versicherungsdienst jährlich eine Buchprüfung vorzunehmen.16 Generaldirektor Münch, der dem Aufsichtsrat der Ersten Allgemeinen angehörte, konnte sich zugute halten, ihr ein potentiell erkleckliches Geschäft vermittelt zu haben. Gleichermaßen stolz wie umständlich berichtete er den Briten Ende 1947, der Vertrag mit Kurig, an dem man wochenlang gearbeitet habe, verwirkliche „Gedankengänge, welche in früheren Jahren bereits bei der Firma Adam Opel AG in die Tat umgesetzt worden sind und die in den heutigen Zeiten noch eine größere Beachtung verdienen als vorher“. Die „Vorteile für das Volkswagenwerk“ lägen auf der Hand, wenn es die Verwendung des Namens „Volkswagen-Versicherungsdienst“ konzessioniere. Man vertraue sich „einer Maklerfirma mit gutem Ansehen und von größter Tüchtigkeit“ an, die seit Jahren erfolgreich für das Werk arbeite. Der Käufer eines Wagens sei „von Anfang an versicherungsmäßig gedeckt“ und wisse, dass im Falle eines Schadens „eine bestmögliche und sachgemäße Reparatur in einer VW-Werkstatt“ erfolge. Die Abwicklung finde direkt zwischen der VW-Werkstatt und dem VVD statt, was dem Werk indirekt zum Vorteil gereiche. Zudem komme der Käufer „versicherungsmäßig in eine neue Bindung zum Werk“ und werde vermutlich „bei Anschaffung eines neuen Wagens wiederum das Volkswagenwerk bevorzugen“. Außerdem sei beim Kauf auf Kredit der unter Eigentumsvorbehalt gelieferte Wagen obligatorisch gegen Kasko-Schäden versichert. Die von Kurig ausgewählten Versicherungsgesell87

schaften gehörten „in ihrer Branche zum ersten Range“. Münch bat die Briten um eine schnelle Entscheidung; damit der VVD sein Geschäft aufnehmen könne, müsse die Firma Kurig noch viel Vorbereitungsarbeit leisten.17 Nachdem die Briten Hermann Münch zum 1. Januar 1948 als Generaldirektor abgesetzt hatten, wurde der Vertrag mit Kurig durch Heinrich Nordhoff am 17. Januar abermals unterfertigt und somit bestätigt.18 Gegenüber der Frankfurter verpflichtete Kurig sich auf zehn Jahre, Kfz-Versicherungsanträge zu bearbeiten, Policen auszustellen, Prämien zu erheben sowie Schäden abzuwickeln und zu regulieren. Als Provision und Abgeltung der Verwaltungsarbeiten standen dem VVD 20% der Nettoprämien zuzüglich einer Vergütung in Höhe von 50% der Ausfertigungsgebühren zu. Die Kosten der selbständigen Regulierung von Kaskoschäden sollten mit zusätzlich 3% der Gesamtprämie honoriert werden.19 „VERTRAEGE VOLKSWAGENWERK SONNABEND UNTERZEICHNET WIR STARTEN = RUDI MEHL“, erfuhr daraufhin Otto Pape, der Vorstandsvorsitzende der Frankfurter, durch ein Telegramm seines Hamburger Niederlassungsleiters.20 Die Versicherer überließen dem VVD mehr Aufgaben, als sie Vermittlern üblicherweise zubilligten, und damit zusätzliche Einnahmen. Offenbar erteilte bereits das britische Zonenaufsichtsamt für Privatversicherungen Kurig die dafür erforderliche Ausnahmegenehmigung. Das seit 1952 bestehende Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen gewährte diese fortgesetzt und prüfte sporadisch, ob der VVD die zusätzlichen Arbeiten tatsächlich besorgte.21 Das wirtschaftliche Gewicht der Verträge stand außer Zweifel. Hermann Münch22, der sich zugute hielt, den VVD mit aus der Taufe gehoben zu haben, war sich dessen bewusst, als er noch im Januar bei der Frankfurter vorstellig wurde, um auch in deren Aufsichtsrat einen Sitz zu reklamieren.23 Doch den erhielt 1952 sein Nachfolger Heinrich Nordhoff.24 Im selben Jahr trat Nordhoff in den Aufsichtsrat der Berlinischen Feuer-Versicherungs-Anstalt ein25, die neben der Frankfurter und der Ersten Allgemeinen bald zu den Pool-Gesellschaften des VVD gehörte. 26 Rudi Mehl hatte „nicht nur die Idee“ gehabt, den Versicherungsdienst zu gründen, sondern stellte auch, sachverständig wie er war, „mehr oder weniger allein“ die Gesellschaft „nach dem bekannten Muster von Opel auf die Beine“. Als Gegenleistung erwog Kurig zunächst, ihm 20% der Geschäftsanteile zu überlassen, zog dann aber eine „reine Familien-GmbH“ vor. Ersatzweise bot er Mehl eine Provisionsbeteiligung aus dem Prämienumsatz von zunächst 1¼, schließlich doch nur ¾% an. Mehl akzeptierte.27 Die Gesellschaft wurde am 10. Februar 1948 mit einem Stammkapital von 20 000 RM vor einem Wolfsburger Notar gegründet. Kurig hielt 12 000, seine Frau und seine Tochter übernahmen jeweils 4000 RM.28 Am 28. Februar erfolgte der Eintrag einer 88

„Volkswagen-Versicherungsdienst Gesellschaft mit beschränkter Haftung“ ins Handelsregister beim Amtsgericht in Fallersleben.29 Als Gegenstand des Unternehmens vermerkt das Register die Vermittlung von Kraftfahrzeugversicherungen insbesondere für Volkswagen sowie die Betreuung des Kundenkreises in Kfz-Schadensfällen.30 Erster Geschäftsführer wurde Heinrich Kurig, zweiter ein Gotthard Sladeczek. Dem Verwaltungsrat saß der VW-Chefbuchhalter Hans Hiemenz vor, ein ehemaliger OpelMann. Zweiter Vorsitzender wurde Rudi Mehl, Beisitzer der bei Volkswagen für Verkauf und Kundendienst zuständige Karl Feuereissen. Noch am Tag der Eintragung ins Handelsregister erschienen die „VVD-Richtlinien Nr. 1“, welche den Volkswagenhändlern „Aufgabe und Bedeutung“ der neuen Einrichtung erläuterten und ihnen erklärten, wie Kfz-Versicherungen abzuschließen und Schäden in den Bereichen „Haftpflicht“, „Unfall“ und „Kasko“ zu regulieren seien. Die „Abwicklung von Kaskoschäden“ beanspruchte den meisten Raum, sah doch das Konzept eine direkte Abrechnung zwischen Werkstatt und VVD ohne Zwischenschaltung der Versicherer vor.31 Insbesondere dieser Service, der den Wagenbesitzern jedweden „Regulierungsschriftwechsel“ ersparte, sollte eine Versicherung durch den VVD attraktiv machen. Die organisierten Versicherungsaußendienstler liefen gegen die Gründung des VVD Sturm. Ihr Sprachrohr, die Zeitschrift „Versicherungsvermittlung“, beklagte, durch eine zentrale Versicherung aller Volkswagen werde ein großer Teil des Kfz-Geschäftes monopolisiert und der Versicherungsaußendienst, „dessen wirtschaftliche Notlage hinreichend bekannt“ sei, „ausgeschaltet“. Man berief sich auf die solidarprotektionistische Verordnung aus der NS-Zeit und drohte, „alle notwendigen Schritte“ gegen den VVD zu unternehmen.32 In der Tat geriet die junge Firma in Bedrängnis.33 Mehl bekannte intern, der VVD sei „nun einmal auf unserem Mist gewachsen und niemand wird uns ohne weiteres die Erklärung als fair abnehmen, wir hätten an eine Versicherungsvermittlung des VWHändlers geglaubt, ohne dass ihm hierin in irgend einer Form ein besonderes Interesse einzuräumen wäre“. Nach außen hin erklärte er sich für das allzu freimütige Rundschreiben zwar nicht verantwortlich, unternahm jedoch im Interesse eines ungetrübten Verhältnisses zum Volkswagenwerk alles, damit das „Händlerprovisions-Verbot“ von 1938 aufgehoben oder ein Verstoß dagegen zumindest bis auf weiteres nicht geahndet würde. Mehl war zuversichtlich: „Bevor die Geschäftsführer des VVD und etwa sein Beirat ins Gefängnis wandern, wird die Bude von Assekuranzlern verschiedenster Gattung … überfüllt sein.“34 Abgesehen von den organisierten Außendienstlern regte sich tatsächlich bald niemand mehr über das Konzept des VVD auf. Während etliche Versicherungsgesellschaften den Volkswagenhändlern trotz der ungeklärten Rechtslage und ohne Rück89

sicht auf ihren eigenen Außendienst bis zu 20% Provision für den Abschluss von KfzVersicherungen anboten, hatten sich im April 1948 bereits „alle maßgebenden VW-Verteiler35 unter Einwirkung der Verkaufsleitung des Werkes“ für den VVD entschieden. Vorerst stagnierte jedoch das Geschäft. „Da der freie Verkauf gleich Null ist, läuft unsere Produktion (von Policen, he) ganz langsam an (bisher nur 25 Anträge…)“, berichtete Mehl Ende April 1948 nach Frankfurt.36 Nach der Währungs- und Bewirtschaftungsreform vom 20. Juni explodierte zwar die Nachfrage nach Volkswagen, aber die aufgelaufenen Verluste und die Währungsumstellung zehrten das Stammkapital des VVD zunächst restlos auf. Hinzu trat eine „außerordentlich mangelhaft(e)“ Buchhaltung; Ausgaben ließen sich vielfach nicht mehr belegen. Bis Ende 1948 wurde kein Gewinn erzielt; vielmehr erhöhten sich die Verluste noch.37 Der „Volkswagenversicherungsdienst Heinrich Kurig“, auf dessen Vorteile das Volkswagenwerk seine Händler regelmäßig – „im Interesse der Versicherungsnehmer, die gleichzeitig Ihre Kunden sind“ – hinwies und der in den zusammengeschlossenen Westzonen inzwischen zwei „feste Vertretungsgebiete“ eingerichtet hatte, kam nicht auf die Beine.38 Anfang Februar 1949 besprach Knott sich mit zwei Vertretern des Zonenaufsichtsamtes für Privatversicherungen in Hamburg. Was er dort erfuhr, rückte die VVD-Angelegenheit in ein neues Licht. Denn „irgendwelche gesetzlichen Bestimmungen, die eine Beteiligung des Volkswagenwerkes (als Kraftwagenhersteller) an einer Versicherungs-Vermittlungsfirma verbieten“, gab es anscheinend nicht. Wie Knott weiter notierte, seien „beide Herren als ganz selbstverständlich davon aus (gegangen), dass das Werk an dem VVD – wie schon der Name erweise – beteiligt sei“. Gründe, die vor Jahresfrist noch für einen Aufbau des VVD ohne Beteiligung des Werkes gesprochen hätten, bestünden nicht mehr, und es sei zweifelhaft, ob es sie jemals „in der behaupteten Weise“ gegeben habe. Daher sei die Frage, ob das Werk den VVD übernehmen oder sich an ihm beteiligen solle, „erneut zu prüfen“.39 Bestärkt durch die Bewertung des Zonenaufsichtsamtes, wandte Knott sich am 2. April an die Militärregierung, die nach wie vor alle Rechtsgeschäfte des Volkswagenwerkes genehmigen musste. Den mit Kurig Ende 1947 abgeschlossenen und Anfang 1948 durch Nordhoff besiegelten Vertrag erklärte er kurzerhand zu einem „Vorvertrag“. Aus dem dürfe auf keinen Fall ein „Vertrag“ entstehen, könne das Volkswagenwerk doch im Interesse des „künftigen Eigentümers“ niemandem das Recht gewähren „sich Volkswagen-Versicherungsdienst zu nennen“. Man wolle eine „eigene, dem Volkswagenwerk allein gehörende Gesellschaft gründen“, deren Erträge dem Unternehmen „ungeschmälert zugute“ kämen.40 Als erstes Tochterunternehmen der Volkswagenwerk GmbH nahm zwei Monate später – noch unter britischer Kontrolle – die Volkswagen-Finanzierungsgesellschaft mbH (VFG) ihre Arbeit auf. 90

Um den VVD reorganisieren zu können, wandte das Volkswagenwerk sich zunächst an Rudi Mehl. Dem musste im Interesse seiner Gesellschaft an einer professionelleren Führung des VVD liegen. Knott erwähnte später, dass Kurig seine Anteile abtrat „aufgrund von Verhandlungen“, die Mehl mit ihm geführt habe.41 Auch nach dessen eigener Aussage wurde Kurigs Bereitschaft, den VVD zu verkaufen, von Mehl „gesteuert“ und „herbeigeführt“, und zwar zu Bedingungen, „zu denen sich die in Betracht kommenden neuen Gesellschafter bereits im Frühjahr 1949 bekannt hatten“.42 Bei diesen „neuen Gesellschaftern“ handelte es sich um Christian Holler, der Kurigs Part schon in anderen Versicherungsangelegenheiten übernommen hatte, und Werner Meyer zu Bexten, den Direktor der Braunschweigischen Staatsbank. Anfang Oktober war Heinrich Kurig weichgeklopft. Am 6. d.M. trafen Oskar Wilhelm Jensen, im Werk verantwortlich für „Finanzpolitik und Fabrikorganisation“, und Hermann Knott, inzwischen Leiter der Rechtsabteilung, Rudi Mehl und Karl Feuereissen, als Beiratsmitglieder des VVD, sowie Christian Holler mit Kurig zusammen. 40% des Gesellschaftskapitals ließ man ihm „ganz bewusst“, damit er vorerst „nach außen hin“ noch als Gesellschafter des VVD erschiene.43 Doch verzichtete Kurig „mit sofortiger Wirkung … auf die Ausübung aller Rechte“ aus seinem verbliebenen Geschäftsanteil.44 Dafür sollte er hundert Monate lang ein Entgelt von 500 DM erhalten. Gegen eine Pauschalabfindung von monatlich 1300 DM auf die Dauer von ebenfalls hundert Monaten versprach er, jede Werbung in Kreisen der VW-Organisation zu unterlassen, und sicherte zu, auch den Bestand nicht anzutasten. Als Ausgleich für entgangene Provisionen für Überführungsversicherungen sollte er in den nächsten zwei Jahren jeweils 7500 DM erhalten.45 Obwohl der VVD noch keinen Gewinn abwarf, erhielt Kurig für seinen Rückzug einen ansehnlichen Preis, denn alle Beteiligten erwarteten, dass der Gesellschaft eine glänzende Zukunft bevorstünde. Die Ablösesumme belief sich insgesamt auf knapp 200 000 DM. Am 19. Oktober fand in Wolfsburg das große Revirement statt. Heinrich Kurig mit Frau und Tochter sowie Christian Holler, zugleich in Vollmacht Werner Meyer zu Bextens, trafen vor einem ins Volkswagenwerk zitierten Notar zusammen, um die Übertragung von Geschäftsanteilen beurkunden zu lassen. Gertrud und Ursula Kurig traten ihre Anteile von jeweils 4000 DM an Holler beziehungsweise Meyer zu Bexten ab. Von Kurigs Anteil gingen 4000 DM zu gleichen Teilen an die beiden neuen Gesellschafter, die damit jeweils 6000 DM am VVD hielten, bei Kurig blieben 8000 DM Stammkapital. Dieser erklärte, seinen verbliebenen Geschäftsanteil „auf Verlangen jederzeit“ an Holler und Meyer zu Bexten zu übertragen.46 Er quittierte, von Holler und dem nicht anwesenden Meyer zu Bexten 12 000 DM erhalten zu haben.47 Holler zahlte für den Bankdirektor mit. Das Volkswagenwerk streckte die Summe vor.48 91

Heinrich Kurig räumte sein Büro im Werk, verließ Wolfsburg und lebte fortan in Hamburg. Die ihm zustehende Pauschalabfindung von 130 000 DM trat er am 22. November an die Braunschweigische Staatsbank ab.49 Die gesamte Ablösesumme wurde in den nächsten zehn Jahren den laufenden Einnahmen des VVD entnommen. In einer Festschrift der Ersten Allgemeinen, die später auch in Österreich Partnerin des VVD wurde, heißt es, Hollers „junge Frau Asta“, die aus einer „vermögenden Familie“ gestammt habe, sei, um Kurig auszuzahlen, bereit gewesen mit 50 000 DM „helfend einzuspringen“.50 Wie es zu dieser Version kam, weiß nur Asta Holler. Unmittelbar nach der Übertragung der Geschäftsanteile, die nun mehrheitlich bei Holler und Meyer zu Bexten lagen, fällte die „Gesellschafterversammlung“ des VVD den „Beschluss“ einen „Aufsichtsrat“ zu bestellen. Holler trat wiederum zugleich „in Vollmacht“ für den abwesenden Meyer zu Bexten an. Doch dürfte es Hermann Knott gewesen sein, der entschieden hatte, dass neben Christian Holler als Vorsitzendem und dem absenten Meyer zu Bexten er selbst und Oskar W. Jensen diesen Aufsichtsrat bildeten.51 Die Ende November nachträglich revidierte Satzung des VVD bestimmte einen Aufsichtsrat als Organ der Gesellschaft.52 Für seine Teilnahme an der „Gesellschafterversammlung“ und an der „Aufsichtsratssitzung“ stellte Holler dem VVD 167,– DM in Rechnung.53 Noch am 19. Oktober erklärte Heinrich Nordhoff Christian Holler, welche Rolle das Volkswagenwerk für den Makler – jedenfalls zu diesem Zeitpunkt – vorgesehen hatte: „Wir danken verbindlichst dafür, dass Sie so freundlich waren, sich für den VVD als Gesellschafter zur Verfügung zu stellen. Wir bestätigen Ihnen hiermit, dass wir Sie von allen Kosten und steuerlichen Belastungen freistellen werden, die sich für Sie aus der Tatsache Ihres Besitzes von Geschäftsanteilen dieser Gesellschaft ergeben. Wir bitten Sie, die Rechte aus dem Geschäftsanteil, insbesondere das Stimmrecht, nur im Benehmen mit dem Volkswagenwerk und nach dessen Weisung auszuüben; das gleiche gilt für eine etwaige Tätigkeit als Aufsichtsratsmitglied der Gesellschaft. Wir bitten Sie weiterhin um Ihr Einverständnis dazu, dass Sie jederzeit auf unseren Wunsch den Geschäftsanteil in der vorgeschriebenen Form an eine von uns zu bezeichnende natürliche oder juristische Person abtreten werden. Ihr Einverständnis mit Vorstehendem bitten wir Sie, auf beiliegender Copie dieses Schreibens zu vermerken und diese uns zurückzusenden.“54

Das Zugeständnis55, Holler „alle Kosten und steuerlichen Belastungen“ zu ersparen, war gerechtfertigt, weil Nordhoff den Makler anscheinend als eine Art Treuhänder betrachtete, bei dem Kurigs Geschäftsanteile lediglich zwischenlagern sollten. Holler unterschrieb Nordhoffs Revers sofort und sandte eine Ausfertigung nach Wolfsburg zurück. Tags darauf klärte Nordhoff das Verhältnis des Volkswagenwerks zum neu aufgestellten VVD. Die Gesellschaft dürfe weiterhin die Firmenbezeichnung „Volkswagen-Versi92

cherungsdienst“ führen. Dafür müsse der VVD, anders als im nicht aufgehobenen Vertrag von Ende 1947 vereinbart, dem Werk 15% seines jeweiligen Bruttoumsatzes vergüten und diese Beträge vierteljährlich überweisen. Da dem VVD in der Aufbauphase noch besondere Unkosten entstünden, sollten die Zahlungen erst 1950 beginnen.56 Knapp einen Monat später änderte Nordhoff diesen Vertrag dahingehend, dass der VVD dem Werk für das Recht, den Begriff „Volkswagen“ in seinem Firmennamen zu führen, vom 1. Januar 1950 an 2% der eingenommenen Nettoprämie zu überlassen hatte.57 Das Volkswagenwerk, so scheint es, konnte die Konditionen, zu denen es die Namensführung konzessionierte, nach Belieben ändern; es saß am längeren Hebel.58 Gleichwohl hatte Christian Holler, der zu dieser Zeit auch einen neuen Feuerversicherungsvertrag für das Volkswagenwerk anbahnte, seine Unabkömmlichkeit unter Beweis gestellt und offenbar das Vertrauen Nordhoffs gewonnen. Auf einem gerahmten Porträt des Generaldirektors, das der Makler hinterließ, steht: „Christian Holler in freundschaftlicher Verbundenheit! / Nordhoff / Nov. 49“.59 Als Aufsichtsratsvorsitzender des VVD beeilte Holler sich, eine Altlast zu beseitigen: die Provisionsforderung Rudi Mehls an Kurig, die der Mann, von dem die Gründung des Versicherungsdienstes einst ausgegangen war, nunmehr erhob. Würde der VVD die erwartete Entwicklung nehmen, stünde Mehl später jährlich ein nicht unbeträchtlicher Betrag zu. Lapidar wies Holler ihn am 25. November darauf hin, dass der Aufsichtsrat des VVD seinen Anspruch „unbedingt“ ablehne. Holler trat die Flucht nach vorn an, indem er seine Sicht der Dinge in einer „Aktennotiz“ darlegte, die er an Hans Heß, den Aufsichtsratsvorsitzenden der Allianz, und an Hans Goudefroy, deren Vorstandsvorsitzenden, schickte. Wortreich würdigte Holler die Verdienste Mehls um die Schaffung des VVD, die dieser allerdings erworben habe, als er noch nicht, wie inzwischen der Fall, Vorstandsmitglied der Frankfurter gewesen sei. Kurig sei anlässlich der Abtretung seiner Geschäftsanteile mitgeteilt worden, dass die neuen Anteilseigner seine gegenüber Mehl eingegangene Verpflichtung – wenn diese überhaupt je zu Recht bestanden habe – nicht übernähmen. Gegenüber Mehl hätten die neuen Anteilseigner erklärt, nicht in Kurigs Verpflichtung einzutreten, weil Mehl doch „als Vorstandsmitglied der Frankfurter unmöglich Provisionsempfänger einer Maklerfirma für ein Geschäft, das bei seiner eigenen Firma laufe, sein könne“. Eine Annahme der Provision durch Mehl, so Holler, verstoße in dessen Position gegen die guten Sitten und sei auch mit dem Aktienrecht nicht vereinbar. Gleichwohl halte Mehl seinen Anspruch aufrecht. Auf das Angebot, einen Volkswagen geschenkt zu bekommen und dafür auf den Provisionsanspruch zu verzichten, gehe er nicht ein.60 Hatte Holler in seinem Anschreiben an Heß die Erwartung geäußert, die Frankfurter werde „die Angelegenheit hinsichtlich der rechtlichen Seite überprüfen lassen“, damit „die Sache noch in diesem Jahr“ – in seinem Sinne – „in befriedigender Weise beige93

legt“ werden könne61, ging diese Rechnung so schnell nicht auf. Nicht nur Mehl antwortete umgehend und erinnerte Holler daran, dass bei den Verkaufsverhandlungen ein „meine Belange betreffendes ‚Arrangement‘“ noch „ausdrücklich zugesichert“ und die Rechtmäßigkeit seiner Ansprüche erst „nach dem notariellen Akt“ in Zweifel gezogen worden sei.62 Hans Heß, der dem Generalagenten seiner Gesellschaft bis dahin stets großes Wohlwollen entgegen gebracht hatte, hielt Holler eine Standpauke. Über seiner Lebensarbeit hätten als Motto stets die Worte „Tue niemand Unrecht, verhilf vielmehr, soweit es in Deiner Macht steht, immer dem Recht zum Siege!“ gestanden. So habe er Holler zu dessen Recht verholfen, als der um einen Teil der Früchte seiner Arbeit gebracht werden sollte. „In der gleichen Lage befindet sich heute Herr Mehl.“ Dem habe Kurig anfangs „fest zugesagt“, ihm 20% der Geschäftsanteile am VVD zu überlassen, ihn nach dessen Gründung aber zu der „bekannte(n) Gewinnbeteiligung“ überredet. Nun komme „ein Dritter von irgend einer Seite her, der mit der Gründung nicht das Geringste zu tun gehabt“ habe, und wolle Mehl „mit einer durchsichtigen Begründung den materiellen Verdienst streitig machen“. Heß führte dann Beispiele dafür an, dass Vorstandsmitglieder in „Sonderfällen“ sehr wohl Provisionen erhielten. Obwohl ihn die Angelegenheit persönlich nicht tangiere, stehe er Mehl bei, weil er nicht wolle, dass diesem Unrecht geschehe. „Verdienen Sie und Ihre Hintermänner an diesem Geschäft einmal etwas weniger, als was Sie sich gedacht hatten und lassen Sie Herrn Mehl den ihm für seine Arbeit gebührenden Lohn.“ Mehl werde anstelle der „Gewinnbeteiligung“, wenn diese Holler „unsympathisch“ sei, sicherlich, wie ursprünglich zugesagt, einen 20%igen Geschäftsanteil akzeptieren.63 Holler ließ sich auf Heß’ Vorschlag nicht ein. Zum einen waren die Ansprüche Rudi Mehls niemals vor einem Notar fixiert worden. Zum andern verliehen das Potential, das im VVD steckte, und die Position, die Gradmann & Holler bereits wieder am Markt gewonnen hatte, ihm gegenüber den Versicherungsgesellschaften genug Macht, dass er die moralischen Appelle des Aufsichtsratsvorsitzenden der Allianz ignorieren konnte, ohne Nachteile befürchten zu müssen. Der Vorstandsvorsitzende Goudefroy ließ mit einer Stellungnahme auf sich warten. Erst Anfang 1950 teilte er Holler als seine „persönliche Auffassung“ lediglich mit, dass die zwischen Kurig und Mehl getroffenen Vereinbarungen „zwar nicht nichtig“ seien, „aber auch nicht der usance“ entsprächen. Auf der nächsten Aufsichtsratssitzung solle die Frage erörtert werden.64 Die Angelegenheit verlief im Sande. Der VVD wurde reorganisiert. Bereits am 1. Oktober 1949 war Karl Tiedke, ein Fachmann für Kaskoschäden, zum Geschäftsführer ernannt worden. Er kam von der Frankfurter und dürfte noch von Rudi Mehl empfohlen worden sein.65 Christian Holler stimmte den Konditionen, zu denen Tiedke eingestellt wurde, rückwirkend zu.66 94

Am 24. Oktober hatte Holler in Stuttgart das Ehepaar Knott zu Gast. Zurück in Wolfsburg, bedankte Knott sich artig: „Die Stunden waren sehr nett.“ Dann teilte er mit, was er mit Tiedke besprochen hatte, denn „als Aufsichtsratsvorsitzender der Gesellschaft“ müsse Holler ja bei seinem nächsten Besuch in Wolfsburg „die endgültigen Entscheidungen treffen“. Was Knott zur Sprache brachte, wirft auch ein Licht auf den Zustand des VVD, dessen Verhältnis zum Volkswagenwerk und die Rolle Hollers. Knott bot an, das Werk könne Einkäufe für den VVD vornehmen, damit dieser in den „Genuss etwaiger Abschluss- und Mengenrabatte“ komme und auch schneller beliefert werde. Aktuell gehe es um die Beschaffung von vier Schreibmaschinen, da der VVD nur „eine einzige Reiseschreibmaschine“ besitze. Ferner regte Knott eine Ausdehnung des Geschäftes auf Berlin an. Ob womöglich Hollers „dortiges Büro unter Umständen in das Geschäft eingeschaltet und gewissermaßen die örtliche Vertretung übernehmen“ könnte? Ferner müsse geklärt werden, wie die „Provisionszahlungen im Rahmen des Kundendienstes des VW“ zu handhaben seien. Knott teilte Holler auch mit, dass der VVD einen seiner beiden Pkw mit Zustimmung des Werkes an Kurig verkauft habe; der andere sei 50 000 km gelaufen und müsse ersetzt werden. Im selben Brief kündigte Knott an, einen „Nachtragsbetrag“ von 13 244,70 DM für die „Altersversorgung“ auf „Ihr Konto“ – wohl das Firmenkonto von Gradmann & Holler – zu überweisen.67 Werksversicherungen und VVD liefen bei Christian Holler zusammen. Nur einen Absatz in Knotts Brief markierte Holler mit zwei kräftigen Strichen und teilte dem Geschäftsführer der Wertschutz in Berlin umgehend mit, es werde ihm „voraussichtlich“ möglich sein, der Gesellschaft ein „größeres Geschäft zuzuführen“. Mit dieser Ankündigung endete ein Schreiben, in dem es Holler hauptsächlich darum gegangen war, der Berliner Firma Mut zuzusprechen. „Ich bin keineswegs pessimistisch für Berlin gestimmt, denn sonst hätte ich die beiden Firmen dort schon längst liquidiert.“ An einen Verkauf der Wertschutz denke er ebenfalls nicht, zumal sich dafür derzeit keine Bewertungsgrundlage finden lasse. Er schließe jedoch nicht aus, dass, wenn die Verhältnisse sich einmal konsolidiert hätten, er Müller einen Geschäftsanteil anbieten werde, um ihn „an dem Geschäft zu interessieren“.68 Genauso wenig wie Mehl am VVD wurde Müller jemals an der Wertschutz beteiligt. Doch bei seinem nächsten Aufenthalt in Berlin lieh Holler von seiner Gesellschaft 6000 DM und verpflichtete sich, das Darlehen „zum Erwerb von Geschäftsanteilen der Volkswagen-Versicherungsdienst GmbH“ zu verwenden. Zweck sei es, der Wertschutz GmbH die VVD-Vertretung für Berlin zu sichern.69 Am 5. Dezember 1949 teilte Knott der Kasse des Volkswagenwerkes mit, Holler habe „in Anrechnung auf die seinerzeit empfangenen“ 12 000 DM „im eigenen Namen“ 6000 DM und im Namen der Wertschutz GmbH 4000 DM entrichtet.70 Die Kasse quittierte Hollers Zahlungen 95

März 1950 – der hunderttausendste Volkswagen seit Kriegsende

allerdings erst im Laufe des Monats.71 Unter dem 20. Dezember, nachdem Holler einen Scheck über weitere 2000 DM geschickt hatte, bestätigte man ihm, sein „anlässlich des Erwerbs der VVD-Anteile gebildetes Konto“ sei nunmehr „ausgeglichen“.72 Obwohl offiziell Vorsitzender des Aufsichtsrats, begegnete Holler Tiedke, seinem Geschäftsführer, nicht als Vorgesetzter. Er erteilte ihm Aufträge vorerst nur im ausdrücklichen „Einvernehmen mit Dr. Knott“, zum Beispiel als Tiedke gegenüber dem Außendienst anordnen sollte, dass Händlern für finanzierte Wagen keine Provision zu zahlen sei, oder als er ihm auftrug, die Frankfurter Versicherungs-AG zur Überlassung von „Block-Policen“ zu drängen. Holler bat Tiedke auch, alles für den Start einer Reisegepäckversicherung vorzubereiten, was er „schon mit Herrn Mehl besprochen“ habe. Um die 1950 einzuführende „Überführungspolice“ kümmerte Holler sich ebenfalls im Einzelnen. Wenn er einen Brief an Tiedke im Dezember 1949 mit „Ihr ergebener …“ unterschrieb, zeugt das davon, dass er sich nicht als dessen Chef begriff, vielmehr, sich stets auf Knott berufend, im Volkswagenwerk die oberste Instanz sah.73 Holler hatte vom Werk insgesamt 12 000 DM geliehen gehabt und mit Hilfe der Wertschutz zurückgezahlt. Meyer zu Bexten, der sich stets von Holler vertreten ließ, erklärte im April 1950 vor seinem Braunschweiger Notar, den Anteil von 4000 DM „mit Gewinnbezugsrecht ab 6. 10. 1949“, also dem Tag, als mit Kurig die Konditionen seines Rückzugs aus dem VVD vereinbart worden waren, an die Wertschutz abzutreten. Diese trug auch die Kosten für die Beurkundung.74 Heinz Müller nahm vor Hollers Berliner Notar die Abtretung an.75 Tatsächlich handelte es sich dabei, wie Müller feststellte, um die „gleichen“ 4000 DM, die von der Wertschutz bereits im Dezember 1949 beim Volkswagenwerk eingezahlt worden waren.76 Der Braunschweiger Bankdirektor hatte also, wann immer er Anteile am VVD erwarb oder abtrat, Scheckheft oder Brieftasche nicht zücken müssen. Wertschutz-Geschäftsführer Müller bevollmächtigte nun seinerseits Christian Holler, die Berliner Gesellschaft fortan zu vertreten.77 96

Im Herbst 1950 lagen de jure 50%, de facto 60% der Geschäftsanteile am VVD bei Christian Holler oder seiner Wertschutz. Nun schien es Knott an der Zeit, jenes Zugeständnis zurückzunehmen, das Nordhoff Holler im Oktober 1949 gemacht hatte, nämlich ihn freizustellen „von allen Kosten und steuerlichen Belastungen“, die ihm aus dem Besitz der VVD-Anteile entständen. Im selben Schreiben hatte Holler sich allerdings auch verpflichtet, die Rechte aus seinem Geschäftsanteil am VVD nur „im Benehmen mit dem Volkswagenwerk und nach dessen Weisung auszuüben“ sowie seinen Anteil jederzeit an eine vom Werk zu bestimmende Person abzutreten. Er entledigte sich des Schriftstücks per Einschreiben an Knott vom 9. September 1950.78 „Nach Rücksprache mit Herrn Dr. Knott“ schlug die Geschäftsführung des VVD Holler auch die Übertragung des noch bei Kurig verbliebenen Anteils von 8000 DM an den VVD vor,79 was Anfang November 1950 geschah. Auf der nächsten Gesellschafterversammlung des VVD übte Christian Holler das Stimmrecht für sich, die Wertschutz und, wie inzwischen üblich, auch für Meyer zu Bexten aus. Er „beschloss“ vor einem Wolfsburger Notar, der sich wiederum im Volkswagenwerk eingefunden hatte, „einstimmig“, das Gesellschaftskapital des VVD im Verhältnis 1:1 von RM auf DM umzustellen.80 Im März 1951 übertrug auch Meyer zu Bexten seine restlichen 2000 DM auf den VVD. Wenige Tage darauf übernahm Geheimrat Johannes Gassner, ein Freund Nordhoffs, die vom VVD gehaltenen Anteile von insgesamt 10 000 DM, um sie im Dezember an die Wertschutz weiterzureichen. Hier landeten zwei Wochen später außerdem die von Holler bis dahin noch selbst gehaltenen Anteile. Holler verkaufte sie seiner Gesellschaft zu einem 150% über dem Nennwert liegenden Preis. Fortan gehörte die VVD GmbH der Wertschutz GmbH in Berlin.81 Die einstige Reichshauptstadt war wirtschaftlich in eine prekäre Lage geraten, nachdem sich das Verhältnis zwischen Westalliierten und Sowjetunion im Zuge von DMark-Einführung und Blockade verhärtet hatte. Die Gründung zweier deutscher Staaten im Jahre 1949 zementiert die Insellage West-Berlins. Um zu überleben, war die Stadt auf massive Wirtschaftshilfe durch die junge Bundesrepublik angewiesen. Eine wichtige Maßnahme bildete dabei das „Gesetz zur Förderung der Wirtschaft von Groß-Berlin (West)“ vom 7. März 1950, das steuerliche Anreize zur Produktion, Investition und Arbeitsaufnahme in West-Berlin schaffen sollte.82 In den nächsten vier Jahrzehnten profitierte die Wertschutz GmbH von diesem und weiteren Gesetzen zur Förderung der Berliner Wirtschaft. Auf Anraten von Christian Hollers Steuerberaterin berechnete die Gesellschaft dem VVD auch eine ansehnliche sogenannte Gestionsgebühr, um Verwaltungsarbeiten abzugelten, die ihr als Muttergesellschaft entstanden. In den siebziger und achtziger Jahren betrug die jährlich Gebühr eine halbe Million DM.83 Dass aller Gewinn, den der VVD fortan machen würde, in die Steueroase 97

Berlin floss, wusste nur ein kleiner Kreis von Personen um Christian Holler und Heinrich Nordhoff. Die Verbindung zwischen dem Generaldirektor und seinem Versicherungsmakler ging inzwischen über das Geschäftliche hinaus. Auch Asta griff ein. 1951 schickte sie Nordhoff einen bereits auf den Namen „Blackie“ getauften Spanielwelpen. Dieses persönliche Geschenk zeugt entweder von einem sehr vertrauten Verhältnis der Hollers zu Familie Nordhoff, oder Asta riskierte einen veritablen Faux pas. Als Blackie im Hause Nordhoff landete, stand der Generaldirektor vor einer der größten Herausforderungen seiner Laufbahn. Infolge des „Korea-Booms“ verknappten sich bei anziehender Nachfrage nach Volkswagen Rohstoffe und wichtige Vorprodukte sowie nicht zuletzt Arbeitskräfte dramatisch. Nordhoff pokerte hoch, kalkulierte die Risiken geschickt und meisterte die Probleme in einem Kraftakt sondergleichen. Das Volkswagenwerk hängte seine Konkurrenz ab. Nordhoffs ungewöhnlich starke Position im Management blieb auf Jahre hinaus unangefochten. Erst Wochen nachdem der Spaniel in Wolfsburg eingetroffen war, erhielt Asta von Nordhoff einen zweiseitigen handschriftlichen Brief. Der Generaldirektor bat galant um Verzeihung für seine Säumigkeit – „ich bin etwas überlastet“ –, bedankte sich überschwänglich und beschrieb in vertraulichem Plauderton die misslichen Umstände, unter denen der Hund zunächst außer Haus hatte gegeben werden müssen. Erst als zufällig im Weinkeller in einem Kistchen ein „Brief von unserem Freunde Christian“ auftauchte, den dieser Anfang des Jahres zum Geburtstag geschrieben hatte, seien ihm seine „Sünden“ eingefallen. Längst spiele Blackie mit dem gleichaltrigen, inzwischen genesenen Hund seiner Töchter und sei eine „teils lebendige, teils belebende Erinnerung an die Güte und die Freundschaft der Spender“. Abschließend berichtete Nordhoff der Gattin des Versicherungsmaklers von seinen jüngsten Erlebnissen als Kunstsammler und bezog sich dabei auf vorausgegangene Gespräche sowie gemeinsame Bekannte.84 Mag das bizarre Geschenk Asta Hollers im Hause Nordhoff auch Kopfschütteln hervorgerufen haben, zurückweisen oder ignorieren konnte man es nicht. Denn Christian Holler hatte sich für den Generaldirektor unentbehrlich gemacht. Im Dezember 1951 trafen, offensichtlich unter den Absendern verabredet, drei fast gleich lautende Schreiben bei Holler ein. „Nachdem die Entwicklung beim VVD seit dem Übergang der Geschäftsanteile auf Sie zu einer erfreulichen Klärung und Stabilisierung gegenüber den seinerzeit vorgefundenen, vielfach unklaren Zuständen geführt hat, glaube ich mich zu der Bitte an Sie berechtigt, mir zu gestatten, dass ich hiermit mein Aufsichtsratsmandat niederlege“, schrieb Hermann Knott. Jensen schloss sich dem an und dankte noch für die „ausgezeichnete Zusammenarbeit in den Angelegenheiten der Gesellschaft“. Unter Hinweis auf das Vorgehen Jensens und 98

Knotts wollte auch Geheimrat Gassner „nicht versäumen“, sein Aufsichtsratsmandat niederzulegen.85 Nachdem sich der Aufsichtsrat des VVD soweit liquidiert hatte, dass er nur noch aus dem Vorsitzenden bestand, beauftragte Christian Holler seinen Berliner Freund und Notar Hermann Auert, die Satzung der VVD GmbH neu zu fassen. Ein Fallerslebener Notar beurkundete die Änderung im Januar 1952. Der „Gegenstand des Unternehmens“ erweiterte sich merklich. Nunmehr sollte es um „die Vermittlung von Versicherungen jeder Art, insbesondere Kraftfahrzeugversicherungen, sowie die Betreuung des Kundenkreises in Schadensfällen“ gehen, und die Gesellschaft war fortan „zur Vornahme aller Rechtsgeschäfte berechtigt, die diesen Zwecken mittelbar oder unmittelbar förderlich sind“. Auch sollte die Firma „sich an gleichen oder ähnlichen Unternehmungen … beteiligen“ dürfen. Der Aufsichtsrat fiel weg. An seine Stelle trat die Gesellschafterversammlung; ihrer Zustimmung bedurften alle wichtigen Entscheidungen, die über das Tagesgeschäft hinausreichten.86 Christian Holler war 1948 als Mitinhaber der Firma Gradmann & Holler zum Volkswagenwerk in Kontakt getreten. Auf Briefen, die den VVD betrafen, gab er jedoch stets seine Düsseldorfer Privatadresse im Absender an. Wenn auch das Werk und der VVD selbst Schreiben an Holler, in denen es um den VVD ging, fortgesetzt an „Gradmann & Holler“ in Düsseldorf sandten, bestätigte den Eingang doch seit Anfang 1952 ein Stempel mit der Aufschrift „Privatsekretariat Holler“.87 Dass Christian Holler nach und nach in den Besitz des VVD gelangte, war zunächst weder vom Volkswagenwerk so geplant worden, noch hatte er selbst diesen Prozess zu steuern vermocht. Er hatte lediglich in einer turbulenten wie entscheidenden Phase der Werksentwicklung bewiesen, dass er unentbehrlich war. Irgendwann erkannte auch Erich Gradmann, dessen Gesundheitszustand zu Beginn der fünfziger Jahre geschwächt war88, was für ein Kuckuckskind sein Sozius ins kleine Nest der Berliner Wertschutz GmbH, deren Stammkapital sich Anfang 1952 auf 10 000 DM belief89, bugsiert hatte. Sein Versuch, sich 1953 mit einem neuaufgelegten „Schlesischen Versicherungsdienst“ ein ähnliches Imperium zu schaffen, kam über Sondierungsgespräche mit der Victoria-Versicherung nicht hinaus.90 Hollers Alleingang soll das Verhältnis der beiden Männer stark belastet, wenn nicht zerrüttet haben. Dieter Spielberger, langjähriger Justitiar und Niederlassungsleiter in Stuttgart, erinnert sich, Erich Gradmann habe sich von Holler hintergangen gefühlt. Holler habe dem entgegengehalten, dass er Gradmann eine Partnerschaft angetragen, dieser aber die Bedeutung des VVD verkannt habe.91 Kurt Strohs Feststellung, „sie mussten ja miteinander schirren“92, mag erklären, warum sie es bei allen Differenzen noch zwei Jahrzehnte lang als Gradmann & Holler zusammen aushielten.

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8. Der Generalist

Seine großen Erfolge als vielseitiger Makler verbuchte Christian Holler in den 50er Jahren. Nachdem die Auswirkungen des Korea-Booms überwunden waren, begann in der Bundesrepublik eine Phase andauernden wirtschaftlichen Wachstums. Industrielle Expansion, Export und beginnender Massenkonsum kennzeichneten es. Angesichts der stürmischen Entwicklung der Wirtschaft reichten die Kapazitäten der Versicherer für eine angemessene Betreuung der Industrie nicht aus. Zwar beherrschte die Allianz bei den Maschinen-Versicherungen unangefochten den Markt. Doch alles in allem genoss das Privatgeschäft noch Vorrang.1 Die Versorgungslücke beim Industriegeschäft glich zu einem ansehnlichen Teil die Generalagentur Gradmann & Holler aus. Die jährliche Prämieneinnahme, welche die Firma der Gesellschaft vermittelte, stieg zwischen 1949 und 1960 um knapp das Fünffache, von rund 2,2 auf 10,2 Millionen DM, und belief sich in diesem Zeitraum insgesamt auf über 65 Millionen DM.2 Zu den Unternehmen, die Gradmann & Holler unter vielen anderen für die Allianz betreute, gehörten außer dem Volkswagenwerk die AEG und BBC, die Dürrwerke und Jucho, die Technischen Werke Stuttgart und die Volta-Werke sowie nach wie vor etliche Energieerzeuger im süddeutschen Raum und im Ruhrgebiet.3 In Sparten, wo die Firma der Allianz nicht verpflichtet war, reüssierte sie am expandierenden Markt als freier Makler. Großunternehmen von Weltrang wie auch mittelständische Firmen zählten zu ihren Kunden. Die Wirkungskreise von Erich Gradmann und Christian Holler überschnitten sich kaum. Gradmanns Schwerpunkt blieben „seine Kraftwerke“4, eine Branche, deren Bedeutung kontinuierlich wuchs. Zwischen 1950 und 1970 stieg das Stromaufkommen von rund 45 Mrd. kWh mit häufig zweistelligen jährlichen Zuwachsraten auf über 200 Mrd. kWh an.5 Die Allianz hielt in ihrem Geschäftsbericht für 1958 fest, dass „die höhere Einnahme in der Maschinenversicherung“ wie in den Vorjahren „zu einem großen Teil aus Erweiterungen bereits versicherter Kraftwerke“ herrühre.6 Erich Gradmann, dessen Einladung zur Jagd auf die Schwäbische Alb seine Kunden gern folgten, galt nach wie vor als der Fachmann für die Maschinenversicherungen der wichtigen Energiebranche. Anders als Gradmann jonglierte Holler mit mehreren Versicherungssparten. Dabei stützte er sich auf fachkundiges Personal, in der Regel Experten auf ihrem Gebiet, an die er höchste Ansprüche stellte. Er erwartete einerseits absolute Loyalität und fühlte sich andererseits in patriarchalischer Weise verantwortlich, wenn ein Mitarbeiter in eine wirtschaftliche Notlage oder private Krise geriet. Christian Holler, wird immer wieder berichtet, ließ niemanden „hängen“. Es freute ihn zum Beispiel, einem jungen Familienvater zu einem Eigenheim verhelfen zu können.7 Doch während Holler leitenden Angestellten Spitzengehälter zahlte, lehnte er es ab, seinen Teil zu deren Altersversorgung beizutragen. Erwin Glaser zog es daher Anfang 1953 101

vor, zu Jauch & Hübener zurückzukehren; Erich Nutz wechselte 1957 zur Allianz.8 An Glasers Stelle trat Hansgeorg von der Osten, den die Firmeninhaber seit langem kannten, hatte er doch während des Krieges zunächst die Zweigstelle im besetzten Kattowitz, dann in Breslau die Verwaltungszentrale der Allianz für den „Warthegau“ geleitet.9 Von der Osten galt bald als „intellektueller Kopf“ von Gradmann & Holler.10 1957 holte Holler Alexius D. Vukailovic in die Firma, einen frischgebackenen Betriebswirt. Dieser war durch eine innovative Diplomarbeit über Fragen der Rückversicherung aufgefallen und hatte als Student bereits Erfahrungen in der Branche gesammelt. Eine Rückversicherung verkleinert das Risiko für die einzelnen beteiligten Versicherer, indem diese ihrerseits, nachdem sie den Höchstbetrag bestimmt haben, den sie bei einem Schaden auf ein einzelnes Risiko tragen können, den darüberhinausgehenden Betrag bei einer anderen Gesellschaft gegen Zahlung einer Prämie in Rückdeckung geben. Wie alle Anwärter auf eine leitende Position war auch Vukailovic vor seiner Einstellung von Christian Holler zu einem gemeinsamen Essen mit Asta in ein erstklassiges Münchner Restaurant eingeladen worden und hatte diese „Prüfung“ bestanden.11 Mit Elan und Hartnäckigkeit ging der junge Mann an die Arbeit und sorgte dafür, dass Gradmann & Holler sich auch als Rückversicherungsmakler etablierte. Christian Holler genoss das Vertrauen vieler Unternehmer, die seinen Rat und seine Vermittlung – nicht nur in Versicherungsdingen – schätzten. Er kannte „Gott und die Welt“, heißt es, und sei ein begnadeter „Netzwerker“ gewesen.12 Gestützt auf eine gleichermaßen qualifizierte wie hochmotivierte Mannschaft, agierte er als Generalist. Am Beispiel des Volkswagenwerkes lässt sich veranschaulichen, wie er vorging. Als ein wichtiger Wohlstandsindikator gilt weltweit die Anzahl der Menschen, die sich statistisch einen Personenwagen teilen. Hierbei lag die junge Bundesrepublik Deutschland hinter vergleichbaren Industriestaaten zurück. Die Fahrzeuge, mit denen im Laufe der fünfziger Jahre der Anschluss gelang, lieferte in großer Zahl das Volkswagenwerk. Das Wolfsburger Unternehmen war Lokomotive wie Nutznießer des wirtschaftlichen Aufschwungs. Alles drehte sich darum, die rasch wachsende Nachfrage nach „Käfern“ zu bedienen, also die Fertigungskapazitäten auszubauen und Arbeitskräfte anzuwerben. In der „Ära Nordhoff“, zwischen 1948 und 1968, stieg die jährliche Produktion bei stets hoher Exportquote von knapp 20 000 auf fast 1,8 Millionen Wagen an, die Investitionen kletterten von weniger als zehn auf weit über 700 Millionen DM.13 Mit Zweigwerken und Töchtern im In- und Ausland stand das Volkswagenwerk, in seiner Branche jahrelang Marktführer, an der Spitze aller deutschen Unternehmen. „Volkswagen“ wurde zum Synonym für „Wirtschaftswunder“. 102

Christian Holler hatte sich bald nach der Währungsreform in Wolfsburg als eine Art „Hofmakler“ positioniert. Seit 1949 vermittelte die Firma Gradmann & Holler „fast das gesamte Versicherungspaket“ des Werkes.14 Holler besorgte dem Großunternehmen sowohl Lebens-, Renten- und Unfallversicherungen als auch Feuer- und Betriebsunterbrechungs-, Transport- und verschiedene Maschinenversicherungen. Führungskräfte schlossen Lebensversicherungen über Gradmann & Holler ab.15 Daneben und nicht zuletzt vermittelte Hollers VVD Kfz-Versicherungen und betreute die Besitzer von Volkswagen in Schadensfällen. Das Volkswagenwerk war zu Hollers Lebzeiten der mit Abstand größte Einzelkunde von Gradmann & Holler, das Düsseldorfer Büro, von wo aus es betreut wurde, bald die „umsatzträchtigste Niederlassung“.16 Für das erfolgreiche Unternehmen zu arbeiten, das seinerseits eine Vielzahl von Zulieferbetrieben beschäftigte, wirkte zugleich als denkbar beste Werbung. Christian Holler pflegte den niedersächsischen Großkunden nach allen Regeln der Kunst. Nicht auszuschließen ist, dass sich seine Position als exklusiver Makler des Volkswagenwerkes auch verdeckten „Prämienrückvergütungen“ verdankte, die zwischen Vermittlern und Kunden so unüblich nicht waren und nicht unbedingt pekuniär erfolgen mussten. Ein Zeitzeuge spielte in diesem Zusammenhang darauf an, dass Nordhoff als Generaldirektor des Volkswagenwerkes jahrelang lediglich ein „Staatssekretärsgehalt“ bezogen habe.17 So, wie Wolfsburg für Christian Holler „Chefsache“ war, kümmerte sich auch Heinz Nordhoff persönlich um Versicherungsangelegenheiten, während in großen Unternehmen üblicherweise der Finanzvorstand dafür zuständig ist. Ein Teil der Verträge, die Christian Holler für das Volkswagenwerk aushandelte, gehörte aus der Perspektive des Unternehmens zu den Sozialleistungen. Mag zu ihrem Zustandekommen nicht unwesentlich beigetragen haben, dass die Victoria am Rhein den Wolfsburgern im Gegenzug ein größeres Schuldscheindarlehen gewährte18, passte es doch trefflich in Nordhoffs Konzept betrieblicher Sozialpolitik, der Belegschaft per Gruppenlebensversicherung eine Betriebsrente einzuräumen. Der rasch wachsenden Nachfrage nach „Käfern“ stand in Wolfsburg nämlich ein chronischer Mangel an Arbeitskräften gegenüber, vom Fehlen einer Stammbelegschaft ganz zu schweigen, war doch der Grundstein für das Werk 1938 mitten in einer Agrarregion gelegt worden.19 Betriebsrenten galten als probates Mittel, Arbeitskräfte an ein Unternehmen zu binden.20 Allein zwischen der Währungsreform und Ende 1951 verbuchte die Victoria 2 272 000 DM Prämie für „Kollektiv-Lebensversicherungen“ des Volkswagenwerkes, welche durch Christian Holler auf zehn Jahre vermittelt worden waren.21 In einer Ansprache vor der Belegschaft rückte Nordhoff diese Betriebsrente ins rechte Licht. Die Kosten der Altersversorgung trage das Werk allein; die Mittel dazu entsprängen dem „Erfolg 103

Ihrer Arbeit“. „Die Leistung, die Sie vollbringen, die Sparsamkeit, mit der Sie im Betrieb wirtschaften, die Sorgfalt, mit der Sie vermeidbare Ausgaben, Leerlauf, Reibungen, Ausschuss und Fehler vermeiden, wird sich direkt in dem Betrage widerspiegeln, den wir jährlich für die Altersversorgung aufwenden können.“22 Daneben zahlte das Volkswagenwerk den Beschäftigten eine Unfallversicherung – die man also nach der Kündigung im Frühjahr 1949 erneuert hatte – und eine Todesfallversicherung, die Hinterbliebenen ein Sterbegeld von 4000 DM versprach.23 Maschinenversicherungen des Volkswagenwerkes, die bei der Frankfurter bestanden hatten und gekündigt worden waren, handelte Holler neu aus. Dabei gelang es ihm vielfach, „Sonderzugeständnisse“ für das Unternehmen herauszuholen. So verzichtete die Frankfurter etwa auf Abschreibungen „neu für alt“ oder auf Nachweise für die Abrechnung sogenannter „Stillstandsrabatte“.24 In den folgenden Jahren erstritt Holler weitere Konzessionen. Ende der fünfziger Jahre belief sich die Jahresprämie für Maschinenversicherungen auf rund dreihunderttausend DM, wobei die Schadenquote bei etwa 50% lag.25 Als Christian Holler Generaldirektor Nordhoff im Spätsommer 1953 brieflich über den Stand der im März 1950 abgeschlossenen26 Feuerversicherung informierte – mit 64 Millionen DM „Grundsumme“ und 128 Millionen DM „Höchstsumme“ bestehe keine Gefahr der Unterversicherung –, offerierte er ihm zugleich eine weitere Versicherung, die zu dieser Zeit als Novität galt: eine Feuer-Betriebsunterbrechungsversicherung. Nicht zuletzt weil Fortschritte beim industriellen Rechnungswesen die Schadenregulierung wesentlich zu erleichtern versprachen, sagten Experten dieser Sparte nach der Währungsreform eine große Zukunft voraus. Von der Versicherungswirtschaft wurde gefordert, diesem Zweig, der bis dahin von deutschen Gesellschaften noch kaum angeboten wurde, „durch eine systematische Ausweitung des Marktes … den notwendigen Wagnisausgleich und damit die erforderliche innere Festigkeit zu verschaffen.“27 Die Allianz AG nahm Betriebsunterbrechungsversicherungen gerade erst auf.28 Holler erläuterte Nordhoff eingehend, um was es sich bei einer Feuer-Betriebsunterbrechungsversicherung (FBU) handele. Im Allgemeinen ersetze sie „den durch einen Feuerschaden entgehenden Geschäftsgewinn, sowie die laufenden Geschäftsunkosten29 und Arbeiterlöhne“. Im Falle des Volkswagenwerkes empfehle er, sich auf „laufende Geschäftsunkosten“ und „Arbeiterlöhne“ zu beschränken. Da das Werk für beides zusammen jährlich rund 120 bis 150 Millionen DM aufwendete, würde die Jahresprämie für die FBU 120–180 000 DM betragen. Bei den Versicherern sei die FBU nicht beliebt, erklärte Holler weiter, „weil bereits ein Brand, von dem z. B. nur die Pressen oder nur das Kraftwerk oder nur die Abteilung Fertigmontage betroffen wäre, eine längere Unterbrechung für den ganzen Betrieb zur Folge haben könnte“. Da sich der Prämiensatz nach der Feuerprämie richte, müsse gegebenenfalls „in harten Ver104

handlungen mit den Versicherern versucht werden, die unterste Grenze durchzusetzen“, denn die von Gradmann & Holler für das Werk „durchgeholte Feuerprämie“ liege beträchtlich unter dem branchenüblichen Bedarfsprämiensatz. Wahrscheinlich müsse der Kreis der Versicherer erweitert werden, denn „Gesellschaften, die nicht am Feuerrisiko beteiligt sind, werden keinesfalls das BU-Risiko allein zeichnen“. Um den Generaldirektor für den Abschluss der neuen Versicherung zu erwärmen, brachte Holler schließlich zwei maßgeschneiderte Argumente vor. Er wusste um Nordhoffs Jahre bei General Motors und das Interesse, das dieser „Amerika“ als Vorbild entgegenbrachte. So machte er ihn darauf aufmerksam, dass die FBU „in den Vereinigten Staaten dieselbe Verbreitung wie die Feuerversicherung hat, da ja kaum ein Feuerschaden denkbar ist, der nicht wenigstens eine teilweise Unterbrechung des Betriebes zur Folge hat und damit auch einen Betriebsunterbrechungsschaden, der meist wesentlich empfindlicher ist als der Feuerschaden selbst“. Ferner sprach ein Spezifikum des Wolfsburger Arbeitsmarktes für eine FBU: „Im vorliegenden besonderen Fall muss noch beachtet werden, dass bei einer längeren Betriebsunterbrechung die Gefahr des endgültigen Abwanderns von Spezialarbeitern besteht, wenn diese entlassen werden, da eine vorübergehende Beschäftigung bei anderen umliegenden Industrien nicht möglich sein dürfte.“30 Holler trug diesen Gesichtspunkt vor, als das im Herbst 1952 herausgebrachte und in vieler Hinsicht verbesserte „Export“-Modell im In- und Ausland die Nachfrage nach Volkswagen zusätzlich belebt hatte. Auf dem heimischen Markt gingen außer den nach wie vor überwiegenden Bestellungen gewerblicher Kunden bereits zunehmend solche von Privatleuten ein. Der „Käfer“ eroberte allmählich neue Käuferschichten. Die Wolfsburger Fertigungskapazitäten mussten also weiter ausgebaut werden. Der Arbeitskräftemangel drohte ein Dauerproblem, ja, die Achillesferse der Produktion zu werden. Bereits am nächsten Tag war Hollers Angebot Gegenstand einer Besprechung der Hauptabteilungsleiter.31 Heinz Nordhoff, von Holler inzwischen noch mit einem von der Victoria herausgebrachten Informationsblatt „Allgemeine Versicherungsbedingungen für die Versicherung gegen Schaden durch Betriebsunterbrechung und infolge Brand, Blitzschlag oder Explosion“32 ausgestattet, erschien die Angelegenheit wichtig genug, Holler persönlich zu antworten. Es leuchte ihm ein, schrieb er, dass eine Feuer-Betriebsunterbrechungsversicherung bei den Gesellschaften „nicht allzu beliebt“ sei. Doch zeigte Nordhoff sich „überzeugt, dass wir einen Weg für die Durchführung finden werden“.33 Bald darauf präsentierte Christian Holler einen detaillierten Vorschlag. Er berichtete Nordhoff, dass er wegen der „Unterbringung“ der FBU zunächst mit der ‚führenden‘ in der Feuerversicherung, der Berlinischen Feuer verhandelt und auch einige andere daran beteiligte Gesellschaften konsultiert habe. Nunmehr glaube er, die FBU zu ei105

ner Jahresprämie von 190 320 DM bei einer Versicherungssumme von 155 Millionen DM pro Jahr unterbringen zu können.34 Einzelheiten handelten Mitarbeiter des Düsseldorfer Büros mit Hermann Knott aus. Drei Wochen später lag das Ergebnis vor. Insgesamt 25 Gesellschaften wollten sich an einer Feuer-Betriebsunterbrechungsversicherung für das Volkswagenwerk beteiligen, „führend“ die Berlinische Feuer mit 13,5%, dann Gerling mit 10%, die Landschaftliche Brandkasse Hannover mit 9% und die Magdeburger Feuerversicherungsgesellschaft mit 7,5%; mit je 5% der Nordstern, die Aachener und Münchner sowie die Colonia und die Württembergische Feuerversicherungs-AG. Die restlichen Gesellschaften, darunter die Allianz, lagen bei 4 und weniger Prozent. Die Gesamtjahreshaftsumme sollte aber nur noch 150 Millionen DM, die Jahresprämie netto 171 776 DM betragen. Der Tag, an dem Christian Holler Nordhoff erstmals wegen einer FBU angeschrieben hatte, lag nicht einmal zwei Monate zurück.35 Doch noch war das Geschäft nicht unter Dach und Fach. Horst Schiemann, der Vorstandsvorsitzende der Berlinischen Feuer, kündigte Nordhoff seinen Besuch in Begleitung je eines Vorstandsmitgliedes der Allianz und der Victoria an. Es gehe um eine „neue örtliche Besichtigung“, um „den Höchstschadensbetrag mit Rücksicht auf die zu nehmende Rückversicherung feststellen zu können“. Nordhoff werde wahrscheinlich auch Herrn Holler hinzuziehen wollen36 – was der Fall war. Ende November fand die Betriebsbesichtigung statt. Noch ehe der offizielle Bericht vorlag, trug Schiemann Nordhoff seine Bedenken vor. Er bezweifele, ob sich der – von Christian Holler – veranschlagte Prämiensatz halten lasse.37 Schließlich bekam Nordhoff von Holler den offiziellen Bericht der Begehung. Aus der kritischen Perspektive der Versicherer liefert er eine aufschlussreiche Momentaufnahme von den Fertigungsanlagen der größten deutschen Fabrik am Vorabend eines gigantischen Investitionsschubes sowie vom Zustand des Arbeitsmarktes und auch der Energieversorgung am Standort Wolfsburg.38 Am Sylvestertag des Jahres 1953 schrieb Christian Holler an Heinz Nordhoff: „Erfreulicherweise kann ich Ihnen mitteilen, dass keine der beteiligten Gesellschaften wegen einer Prämienerhöhung an uns herangetreten ist. Allerdings musste Herr Dr. Schiemann, der einen zu großen Appetit bei der Zeichnung zeigte, den Anteil der Berlinischen von 13 ½ auf 10% reduzieren. Die freigewordenen Anteile haben wir ohne Schwierigkeiten bei anderen deutschen Gesellschaften untergebracht. / Ich freue mich, dass es noch zum Jahresende gelungen ist, diese Angelegenheit im Sinne des Werkes zu erledigen…“39 Dass Holler, was die Versicherungssumme und die Jahresprämie der FBU betraf, mit seinem Angebot auf Anhieb richtig gelegen hatte, dürfte seiner Reputation als Makler nur genützt haben. Zugleich hatte er Pionierarbeit beim Etablieren einer neuen Versicherungssparte geleistet. 106

Aufräumarbeiten nach dem Großfeuer im Volkswagenwerk

Als das Volkswagenwerk die Fertigung des begehrten Transporters 1956 vor allem wegen des Arbeitskräftemangels in Wolfsburg nach Hannover und 1958 den AggregateBau nach Kassel verlagerte, wurden die Feuer- und die FBU-Versicherung auf diese Risiken ausgedehnt. In den fünfziger Jahren entrichtete das Unternehmen für alle drei Werke eine „Feuerprämie“ von annähernd drei Millionen DM. Für die FBU flossen allein in den drei Jahren 1957 bis 1959 zweieinhalb Millionen DM an Prämie.40 1958 brannte es im Volkswagenwerk. Der Schaden belief sich auf rund 130 000 DM und war durch die Feuerversicherung gedeckt. Aus der FBU stand dem Unternehmen eine Entschädigung von rund 375 000 DM zu.41 Ende 1959 brach im Werk ein Großfeuer aus. In seinem üblichen persönlichen Bericht an Nordhoff zur Jahreswende zog Christian Holler Bilanz. Der Schaden habe „wieder einmal bewiesen, dass auch in einer ganz modern gebauten und feuertechnisch überwachten Fabrik große Feuerschäden möglich sind. Es wird von größter Wichtigkeit sein, die aus dem Schaden gewonnenen Erkenntnisse für Schadenverhütungsmaßnahmen in der Zukunft auszuwerten, 107

obwohl natürlich jeder Schaden immer anders liegen wird.“42 Ohne angemessenen Versicherungsschutz, das war Hollers Botschaft, komme auch das redlich um die Verhütung von Schäden bemühte Volkswagenwerk nicht aus. Die Höhe des Schadens, den das Großfeuer Ende 1959 verursacht hatte, ließ sich erst gegen Ende des Folgejahres beziffern. Er belief sich auf insgesamt etwa 13 Mio. DM. Wegen dieses Schadens, erklärte Holler Nordhoff, hätten die Gesellschaften der Feuerpolice vom 1. Januar 1960 an eine „verhältnismäßig geringfügig(e)“ Prämienaufbesserung erbeten, von 0,40 auf 0,47‰ mit einer Franchise von 3000 DM für „unbedeutende Schäden“. Für die FBU, die naturgemäß erst abgerechnet werden konnte, nachdem das Geschäftsergebnis für 1960 vorlag, würden die Versicherer 1,5 Millionen DM „in Reserve“ stellen. Der Prämiensatz der FBU sei von bisher 1‰ auf ¾‰ gesenkt und dafür ein Maximum von 100 Millionen DM pro Schadensfall sowie auch hier eine Franchise von 3000 DM vereinbart worden. „Die genannten Feuer- und FeuerBU-Prämien liegen erheblich niedriger als gleichartige Prämien für Automobilfabriken in England und USA“, betonte Christian Holler. Zur Deckung der beiden Risiken wurden 1960 52 deutsche und ausländische Gesellschaften mit Quoten von ¼ bis 8% herangezogen. Die Rückversicherung erstreckte sich praktisch auf alle Länder der Welt; sogar das russische Rückversicherungs-Institut war beteiligt. Ende 1960 nahm Christian Holler auch Verhandlungen wegen einer Maschinen-Betriebsunterbrechungsversicherung für das werkseigene Kraftwerk auf. Dem Vertrag lag ein Schadensmaximum von 100 Millionen DM zugrunde.43 Einen größeren Posten als Feuer- und FBU-Versicherung bildete im Etat des Volkswagenwerkes der Versicherungsschutz gegen Schäden beim Transport der Produkte, also zunächst vor allem des „Käfers“, aber auch von Transportern, Stationärmotoren und Teilen in alle Welt. Bei absolut steigenden Zahlen betrug der Exportanteil an der Inlandsproduktion seit 1955 stets mehr als die Hälfte.44 Um in Hamburg, der „Domäne aller deutschen Versicherungsmakler“45, Fuß zu fassen, erwarb Gradmann & Holler 1953 die Erwin Warnecke GmbH und gründete in der Hansestadt zugleich eine Niederlassung. Die VW-Transportpolice wurde fortan nicht mehr in Düsseldorf, sondern in Hamburg bearbeitet und sollte sich zur „größten in Deutschland gedeckten Transportversicherungspolice“ entwickeln.46 Für Gradmann & Holler war sie gleichermaßen personalintensiv wie „prämienträchtig“, unter den von der Firma vermittelten Transportversicherungen gleichwohl nur eine unter vielen.47 1954/55, als der Export des Volkswagenwerkes in die USA schier explodierte, trat der damals knapp dreißigjährige Walther Leisler Kiep bei Gradmann & Holler ein. Er verfügte über Erfahrungen sowohl in der Automobil- als auch in der Versicherungsbranche. „Ausgesprochen vorteilhaft“ für die Firma erwiesen sich nicht zuletzt jene Kontakte, die Kiep während seiner Tätigkeit als Hauptbevollmächtigter für Deutsch108

land bei der Insurance Company of North America gesammelt hatte.48 Christian Holler stellte dem weltgewandten jungen Mann mit bester familiärer Verankerung im Wirtschaftsbürgertum in Aussicht, bei guter Zusammenarbeit einmal Partner zu werden. Im neueingerichteten Frankfurter Büro von Gradmann & Holler angesiedelt, betreute Kiep zunächst hauptsächlich die Transportversicherung. Er war in den großen Hafenplätzen an der Westküste der USA maßgeblich am Aufbau der Organisation beteiligt und kümmerte sich dort – bisweilen als Hafenarbeiter verkleidet und von seinen „Kollegen“ mit Prügel bedroht – um die Feststellung und die Regulierung von Schäden. 49 Karl Ludwig Barths, in den fünfziger Jahren in der Exportabteilung des Volkswagenwerkes tätig, erinnert sich an Besprechungen, bei denen es um die Versicherung der Auslandsverschiffungen ging. Die Sitzungen leitete stets Hermann Knott, inzwischen Justitiar des Unternehmens. Man versammelte sich an einem großen Tisch. Auf der einen Seite nahmen die „VW-Leute“, auf der anderen die Versicherer Platz. „Christian Holler saß mit am Tisch, hörte sich das alles an. Dann wurden Dokumente ausgetauscht. Beim Versand hatten wir einen Herrn …, der die Verschiffungen machte, die Verträge mit den Reedereien, der auch die Zielhäfen kannte, Mombasa oder Yokohama oder was. Er wusste über die Verhältnisse Bescheid und hatte die Information, was da veranlasst worden war, um den Schadenanfall zu mindern. Da hat man denen die Auflage gegeben: Wenn ihr weiter Volkswagen von uns haben wollt, dann müsst ihr diese und jene technischen Einrichtungen anschaffen. Das wurde dann von VW-Seite eingewandt, um zu verhindern, dass die Prämien hochgingen, sich nur an dem Schadenverlauf ausrichteten. Dann wurden die Argumente ausgetauscht bis zum Schluss, und schließlich zogen sich die Parteien zur Beratung zurück. Die Versicherer hatten ihre Forderungen gestellt und wir sagten: ‚Nee, das kommt gar nicht in Frage. Das trägt unser Geschäft nicht.‘ Dann gingen wir in separate Räume, und die Arbeit des Herrn Holler begann. Der ging erst in den einen Raum und dann in den andern Raum, hörte sich an, was die zu sagen hatten, und dann ging er in der zweiten oder spätestens dritten Runde zu dem einen und sagte: ‚Also, das kriegt Ihr nicht durch. Das kommt nicht in Frage. Man könnte vielleicht mal bis dahin gehen.‘ Dann ging er in den andern Raum und sagte dasselbe. Uns sagte er: ‚Ihr müsst den Versicherern Zugeständnisse machen. So geht das nicht. Ihr müsst denen mindestens das und das bieten.‘ Er machte das so gekonnt! Holler war ja auch ein Herr. Der war so überzeugend. Wenn die Parteien dann wieder im großen Raum zusammenkamen, dann war eigentlich alles geregelt. Man hatte sich geeinigt, ging Mittagessen und dann wurde das unterschriftlich bestätigt.“50

Das Volkswagenwerk eroberte weitere Exportmärkte; es änderte sich das Produkt, die Methode der Verschiffung oder auch nur das Wetter über dem Ozean. Die Transportversicherung war daher immer wieder neu auszuhandeln. So galt es, die Prämie für Transporte nach den USA im Frühjahr 1959 zu sanieren, weil die Bilanz 1957/58 „katastrophal“ ausgefallen war und verschiedene „erstklassige Gesellschaften“ sich vom Risiko getrennt oder ihre Zeichnungsquote stark reduziert hatten. Eine „kräftige Erhöhung“ lasse sich nicht vermeiden, schrieb Holler zum Jahreswechsel 1958/59 an Nordhoff. Doch sei erst nach Ablauf eines Jahres zu beurteilen, ob die Police dadurch für die Versicherer tragbar werde.51 109

Im ersten Halbjahr 1959 kam die Versicherungsprämie für jeden in die USA importierten Volkswagen bei 11 $ zu liegen, eine Summe, die Carl H. Hahn, mit 33 Jahren schon Leiter von VW of America (VWoA) und auch bereits als Nordhoffs Nachfolger gehandelt, für zu hoch hielt, verteuerte sie doch nicht zuletzt den Wagenpreis. Als Holler auf der Rückreise von São Paulo, wo zwischen ihm und Nordhoff in dieser Angelegenheit offenbar Einvernehmen geherrscht hatte, in New York mit Hahn zusammentraf, läuteten bei ihm die Alarmglocken. Denn der ehrgeizige Carl H. Hahn plante, die Transporte von Deutschland nach den USA in „Selbstversicherung“ zu nehmen und als Rückversicherung lediglich eine „fpa-Deckung einschließlich Krieg“ abzuschließen.52 Hahn handelte im Einvernehmen mit Chefsyndikus Knott. Der hatte Nordhoff bereits Ende November in einem Brief aus den USA mitgeteilt, Volkswagen sei dort nunmehr „groß und stark genug, um das Transportversicherungsrisiko in der Hauptsache in Selbstversicherung zu nehmen“. Zugleich warf Knott Holler vor, sich nicht energisch genug um ein neues Angebot der Versicherer zu bemühen. Mögliche Prämieneinsparungen zum Jahresbeginn kämen dem Unternehmen daher noch nicht zugute. Das koste VWoA unnötig Geld.53 Angesichts der Provision, die für seine Firma auf dem Spiel stand, konnte Holler kein Interesse an einer Selbstversicherung der Transporte durch VWoA haben. Zurück in Europa, schrieb er sofort an Nordhoff, um ihm detailliert zu erklären, warum Hahns Rechnung nicht aufgehe. Schäden durch den Bruch von Einbaudecken in den Schiffen, wie sie „schon wiederholt vorgekommen“ wären, seien dann zum Beispiel nicht mehr versichert. Angesichts der für 1960 erwarteten Lieferungen in die USA im Umfang von 150 000 bis 160 000 Fahrzeugen hoffe VWoA offenbar, einen „Risikoausgleich durch die große Zahl“ zu finden. Man meine, Beschädigungen, die bisher von den Versicherern bezahlt worden seien, leicht selbst abwickeln zu können und mit ungefähr 6,50 $ Unkosten pro Wagen auszukommen. Diese Summe gehe von einem angenommenen Durchschnittsschaden von 4,25 $ aus, zuzüglich 1 $ Gebühr für die Havarie-Kommissare und 1,25 $ fpa-Prämie. Holler erläuterte Nordhoff, dass der dieser Rechnung zugrunde gelegte überaus günstige „Durchschnittsschaden“ des ersten Halbjahres 1959 von dem „ausgesprochenen Schönwetterjahr auf See, insbesondere auf dem Nordatlantik“ herrühre. Da inzwischen aber ein „Großschaden“ eingetreten sei, stehe der zuletzt gezahlten Prämie von 11 $ nunmehr ein durchschnittlicher Schaden von 7 und nicht mehr von 4,25 $ pro Wagen gegenüber. Die Rechnung von VWoA sei auch insofern „sehr optimistisch“, als sie nicht berücksichtige, dass die Abwicklung von fünfzig- bis sechzigtausend Schäden zusätzliches Personal erfordere und entsprechende Kosten verursache. Als realistisch sah Holler demgegenüber folgende Rechnung an: 5 $ Durchschnittsschaden, 1 $ Gebühr für die Havariekommissare und 1,25 $ fpa-Prämie. Weil 1959 110

„Käfer“-Transport in alle Welt – versichert über Gradmann & Holler

„wesentlich besserer“ gewesen sei als die Vorjahre, würden sich die Versicherer wahrscheinlich auf ein Prämie von 9 statt 11 $ einlassen. Der „Gewinn“, den VWoA meine erzielen zu können, schrumpfe damit auf 1,75 $ pro Fahrzeug zusammen. Die Kalkulation von VWoA sei aber auch insofern „recht problematisch“, als bei einer Regulierung im eigenen Hause „schon eine allgemeine Lohnerhöhung in USA das Bild sehr erheblich verändern“ könne. Abschließend bat Holler Nordhoff um dessen „grundsätzliche Entscheidung“, ob er in Hahns Sinn an die Versicherer herantreten solle. Anfang des nächsten Jahres sei in Wolfsburg eine Besprechung mit deutschen Versicherern geplant, an der auch Hahn teilnehmen werde.54 Nordhoff erklärte sich – „liebenswürdigerweise“, wie Holler drei Wochen später dankbar festhielt – bereit, dieser Sitzung zu präsidieren.55 Hahn, sich seiner Sache sicher, hatte seinen vermeintlichen Coup bereits mit dem gleichaltrigen Walther Leisler Kiep in New York bei einem Kaviarfrühstück gefeiert und von seiner Entscheidung „stolz nach Hause“ berichtet. Er landete aber, wie er sich augenzwinkernd erinnert, „auf dem Bauch“. „Der Einfluss von Herrn Holler war größer als der unsrige. Man war nicht so leichtsinnig wie wir jungen Leute.“56 Es blieb bei der von Christian Holler vorgeschlagenen Deckung der Transportversicherung in die USA. Nachdem „Schadensverhütungsmaßnahmen“ den Verlauf der Versicherung von Transporten in die USA im Laufe des Jahres wieder „günstig“ gestaltet hatten, konnte die für 1960 errechnete Durchschnittsprämie von über 8 $ im Folgejahr auf 6 $ gesenkt werden.57 Für alle anderen Länder wurde die Transport-Generalpolice um 10% reduziert.58 Solange es gelang, Schäden zu vermeiden, und nicht allzu schlechtes 111

Wetter über dem Atlantik den Transport beeinträchtigte, ließ sich der robuste „Käfer“, der „schon mal einen Puff vertragen“ konnte59, als gutes Risiko unterbringen. War das Volkswagenwerk in Deutschland lange größter Kunde von Gradmann & Holler, folgte die Maklerfirma dem Unternehmen auch bei seiner weltweiten Expansion. Die Initiative dazu ging von Christian Holler aus, der, anders als Erich Gradmann, die Industriekontakte in überseeischen Ländern auch persönlich pflegte.60 Hollers besonderes Interesse gehörte dem brasilianischen Markt. Gemeinsam mit Asta bereiste er das exotische Land im dortigen Sommer 1952/53 zum ersten Mal.61 1955 stellte ein neugewählter Präsident in Brasilien die Weichen für die Entwicklung zu einer modernen Industriegesellschaft. Mit beeindruckenden Investitionen und Wachstumsraten gingen aber eine hohe Auslandsverschuldung, steigende Inflation und die Verelendung breiter Bevölkerungsschichten einher. 1955 wurde in São Paulo „Pallas Gradmann & Holler do Brasil, Corretores de Seguros Ltda.“ gegründet. Der Name Pallas war von Brasilianern leichter auszusprechen als der deutsche Firmenname und damit einprägsamer. Außer dem Volkswagenwerk investierten viele andere deutsche Großunternehmen in Brasilien. Sie und die aufblühende einheimische Industrie bildeten den Markt, auf dem Pallas akquirierte. Zur Betreuung des Auslands- und Rückversicherungsgeschäftes entstand 1955 die Gradmann, Holler & Co. GmbH als selbständige Tochtergesellschaft mit Sitz in Frankfurt/M.62 Weitere Stützpunkte errichtete Gradmann & Holler 1957 in Toronto und 1959 in Buenos Aires. Man vermittelte Industrieversicherungen insbesondere an dort ansässige deutsche und amerikanische Tochterunternehmen. Gradmann & Holler vertrat in Argentinien wie auch in Brasilien zugleich die große US-amerikanische Versicherungs-Maklergesellschaft Alexander & Alexander, die später in Marsh & McLennan aufging. 1962 übernahm Felix Reis die Leitung der argentinischen Niederlassung.63 Für Erich Gradmann und Christian Holler erschien es Ende der 50er Jahre an der Zeit, ihre Nachfolge zu bedenken. Am 22. November 1958 wurde die Offene Handelsgesellschaft in eine Kommanditgesellschaft umgewandelt. Die beiden Senioren fungierten als Komplementäre, Kurt Stroh und Walther Leisler Kiep, die Junioren, stiegen als Kommanditisten ein. Der altgediente Ulrich Behn erhielt diesen Status „auf Zeit“, bis zu seinem Eintritt in den Ruhestand. Um die Ehefrauen der Komplementäre abzusichern, rangierten diese fortan ebenfalls als Kommanditistinnen. Die Ausschüttungen an die Gesellschafter erfolgten zu 40% als Tätigkeits- und zu 60% als Beteiligungsvergütungen. Die Senioren erhielten jeweils 11%, die Junioren und Behn 6% Tätigkeitsvergütung. Die Beteiligungsvergütung ging zu jeweils 19% an die Senioren, zu 8,75% an die Ehefrauen sowie zu 1,5% an die Junioren und Behn.64 Die Senioren blieben persönlich haftende Gesellschafter, Stroh und Kiep wurden zu „tätigen“ Kom112

Erich Gradmann und Juniorpartner Kurt Stroh 1958

manditisten bestellt. Der Gesellschaftsvertrag legte fest, dass „bei Ableben eines Gesellschafters die Gesellschaft zwischen den verbleibenden Gesellschaftern unter Ausschluss einer Liquidation fortgesetzt“ wird. Erben oder Vermächtnisnehmer verstorbener Gesellschafter sollten, sofern sie nicht selbst zugleich Gesellschafter waren, mit dem Todestag des verstorbenen Gesellschafters ausscheiden und lediglich Anspruch auf Zahlung einer Abfindung zum Buchwert haben. Diese Klausel sollte den Bestand der nunmehr drei Jahrzehnte alten Maklerfirma garantieren. Im Falle des Todes eines Gesellschafters sollten die verbleibenden Anteilseigner ausdrücklich von Sonderbelastungen durch Auszahlungen zu Lasten des Firmenwertes oder Ertragswertes freigestellt sein.65 Diese Vereinbarung wurde in allen späteren Fassungen des Vertrages beibehalten. Wenn Liselotte Gradmann und Asta Holler auch fortan ihr Status als Kommanditistinnen einte, beschränkte sich der Kontakt der Ehepaare Gradmann und Holler auf das Nötigste.66 In Deutschland wie im Ausland trat Christian Holler gegenüber seinen Kunden in der Regel wie ein freier Makler auf, obwohl das nicht dem Status von Gradmann & Holler entsprach. Zwar fielen verschiedene Sparten, in denen die Firma vermittelte, von vornherein nicht unter den 1926 geschlossenen Agenturvertrag mit der Allianz, und im Frühjahr 1948 hatte der Vorstandsvorsitzende Hans Heß Christian Holler zugestanden, die Agenturbindung „nur noch in den Branchen Maschinen-, Garantie- und Montage-Versicherung“ bestehen zu lassen.67 Zudem operierte die Allianz im Maschinengeschäft unangefochten als Marktführer, und Gradmann & Holler hätte in dieser Sparte vermutlich auch als freier Makler ganz überwiegend an sie vermittelt. Doch Holler empfand die Bindung an eine Gesellschaft als Makel, nicht zuletzt als Hindernis, um zum Hauptkonkurrenten, der Hamburger Maklerfirma Jauch & Hübener, aufschließen zu können.68 Bei einer einseitigen Kündigung des Agenturvertrages wäre Gradmann & Holler allerdings Gefahr gelaufen, dass die Allianz die Firma 113

„nicht mehr als Vermittler akzeptiert hätte, und die Energiekunden hätten dann wegen der faktischen Monopolstellung sich direkt mit der Allianz arrangieren müssen, und Gradholl69 hätte das Geschäft verloren“.70 Also versuchte Holler es immer wieder auf dem Verhandlungswege. Ende Januar 1953 beschied der Allianz-Vorstandsvorsitzende Goudefroy ihm, dass man seinem Wunsch, „zukünftig auch im Maschinengeschäft als Makler für uns tätig zu sein, oder … Ihnen eine maklerähnliche Stellung einzuräumen, nicht entsprechen“ könne.71 Holler suchte Goudefroy daraufhin persönlich in München auf. Es sei „unmöglich“, erklärte er dem Vorstandsvorsitzenden, einem Kunden begreiflich zu machen, dass man wegen der engen Bindung an die Allianz ein etwaiges „Konkurrenzangebot“ nicht beachten dürfe. Angesichts ihrer Monopolstellung sollte sich die Allianz doch entschließen können, Gradmann & Holler endlich Makler werden zu lassen. Goudefroy entgegnete, dass, wenn Holler der Allianz eine Monopolstellung attestiere, es ihm doch ein Leichtes sein müsse, Konkurrenzangebote zu deren Gunsten „aus dem Feld zu schlagen, wie er das in den letzten 20 Jahren mit sichtbarem Erfolg schon getan habe“. Die Argumentation drehte sich im Kreis, und Holler betonte immer wieder, dass es sich für ihn um eine Frage des Prestiges handele. Wenn die „Ehe der Allianz mit der Maklerfirma Gradmann & Holler“ nicht zustande komme, schlug er schließlich vor, dann sollten beide Gesellschaften doch „im Zustand einer wilden Ehe leben“. Als Makler könne Gradmann & Holler sich verpflichten, „alle Geschäfte zunächst der Allianz anzutragen“.72 Goudefroy lehnte das ab; ihm graue „vor den Kindern dieser wilden Ehe“.73 Weder gab Christian Holler auf, noch vergaß er, seinen bekannten Charme spielen zu lassen. Er antwortete Goudefroy, dass „die unehelichen Kinder immer Kinder der Liebe seien“, und bedauerte, dass das von ihm vorgeschlagene „Gentleman’s Agreement“ nicht auf Zustimmung stoße. Er akzeptierte Goudefroys Vorschlag, eine Aussprache in größerem Kreis stattfinden zu lassen, bat aber darum, den Aufsichtsratsvorsitzenden Hans Heß daran zu beteiligen, „der auch unser vollstes Vertrauen hat und mit dem wir in 25 Jahren jede Differenz beilegen konnten“.74 Setzte Christian Holler auch nach der drei Jahre zurückliegenden Kontroverse um Rudi Mehls Provisionsansprüche gegenüber dem VVD weiterhin auf das Wohlwollen des einstigen Mentors oder pokerte er nur hoch? Heß lehnte es jedenfalls ab, Hollers Wunsch nachzukommen.75 Bei der Allianz beriet man die Angelegenheit erst einmal intern, befürchtete man doch „über kurz oder lang“ eine einseitige Kündigung des Agenturvertrages durch Gradmann & Holler. Goudefroy erwartete für diesen Fall „u. U. auch Rückwirkungen auf andere Branchen, insbesondere die Kfz.-Branche“.76 Was die Allianz-Führung im Sommer 1953 im Zusammenhang mit möglichen Folgen einer Kündigung des Agenturvertrages durch Gradmann & Holler diskutierte, gibt Aufschluss über die seinerzeitige Marktmacht der Generalagentur. Ernst Meyer, 114

seit 1952 verantwortlich für den gesamten Kfz-Versicherungsbereich, fürchtete, Gradmann & Holler sei in der Lage, „das Prämienniveau in der Maschinenbranche durch Unterbieten und Aushandeln von Vertragsofferten zu unterminieren“; dann könne Holler „die von ihm offenbar angestrebte beherrschende Stellung in der deutschen Maschinenversicherungsbranche … erreichen“. Dem ließe sich nur mit „eigenen Prämiennachlässen“ begegnen, oder indem man es „grundsätzlich ablehne, Geschäft von Gradmann & Holler zu nehmen“. Der Leiter der Abteilung für Maschinen-Versicherung, Ernst Pohl, hatte sich umgehört. Auch große Firmen, habe er „zu seiner Überraschung“ feststellen müssen, hielten demnach „sehr viel von den Herren Gradmann und Holler“. Daraus könnten sich „u.U. erhebliche Schwierigkeiten nach Kündigung des Generalagenturvertrages ergeben“. Ein Teil der Herren befürchtete, dass es im Falle einer Kündigung durch Gradmann & Holler „wahrscheinlich gar nicht möglich“ wäre, von der Firma angebotene Verträge nicht zu akzeptieren. Wenn die AllianzGesellschaften aber bereit wären, auch nach Aufhebung des Agenturvertrages „Geschäft“ von Gradmann & Holler zu nehmen, sei schwer einzusehen, warum man der Firma nicht gleich die Maklereigenschaft gewähren solle. Zur Zeit ließen sich daran womöglich noch Bedingungen zum eigenen Vorteil knüpfen. Goudefroy und Pohl wagten diesen Schritt gleichwohl nicht. Allerdings wollte man es „wegen der Ausstrahlung auf andere Branchen, insbesondere die Kfz.-Versicherung“ auf keinen Fall zu einem Bruch mit Gradmann & Holler kommen lassen.77 Das Verhältnis zwischen Ernst Pohl, dem Leiter der Maschinenabteilung, und Erich Gradmann war seit Jahren gereizt, denn der promovierte Ingenieur konnte es offenbar nie verwinden, dass ein „Laie“ wie Gradmann in seinem Metier hohes Ansehen genoss.78 Um die Spannungen zu entschärfen, sollten alle Schäden, die bei den Maschinen-Kunden von Gradmann & Holler auftraten, fortan zentral bei der Generaldirektion zusammengefasst werden. Die gewünschte „Regulierungsvollmacht“ bis zu 10 000 DM gestand man der Generalagentur aber noch nicht zu. Diese Frage sollte geprüft werden, sobald Erkenntnisse bei der zentralen Bearbeitung der Schäden dies rechtfertigten.79 Zugleich trug man Beweise dafür zusammen, dass die Firma „trotz ihrer engen Bindung an die Allianz in der Maschinenbranche fremd geht“.80 Wenn die Allianz ihrer Generalagentur Gradmann & Holler auch lange nicht den Status eines Maklers zugestehen mochte und dadurch deren Unmut auf sich zog, war die Gesellschaft doch immer darauf bedacht, den Partner nicht zu verprellen. Dabei fiel zum einen nach wie vor Erich Gradmanns feste Verankerung bei den Energieerzeugern ins Gewicht. Zum andern hielt Christian Holler einen neuen Trumpf in der Hand: Sein Volkswagen-Versicherungsdienst führte einer Allianz-Tochter Kfz-Versicherungsverträge in großer Zahl zu und übertraf sich dabei Jahr für Jahr selbst.

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9. Kooperation und Expansion

Mit dem Erwerb der Volkswagen-Versicherungsdienst GmbH hatte Christian Holler auf eine Sparte gesetzt, die in der Bundesrepublik Deutschland parallel zur raschen Verbreitung von Personenkraftwagen expandierte. Da neben der Steuer vor allem Versicherungsprämien die Haltung eines Kraftfahrzeugs mit fixen Kosten belasten, sah der VVD seine Aufgabe darin, das Verhältnis von Preis und Leistung in diesem Bereich zu verbessern und einen attraktiven Service bei der Regulierung von KaskoSchäden anzubieten. Dabei kooperierte Christian Holler auf dem heimischen Markt wie in Europa und Übersee eng mit Führungskräften des Volkswagenkonzerns. Die Existenz des Volkswagen-Versicherungsdienstes als eigenständiger Gesellschaft außerhalb der VW-Organisation hing fortgesetzt davon ab, ob das Werk ihm zwei Rechte gewährte: Zum einen durfte der VVD den geschützten Begriff „Volkswagen“ gegen eine jährlich zu entrichtende Gebühr im Firmennamen führen, was ihn werbewirksam als Teil der viel bewunderten Welt von Volkswagen erscheinen ließ. Zum andern konnte er sich auf die Händler und Werkstätten der VW-Vertriebsorganisation stützen, die den Kontakt zum Versicherungskunden herstellten und pflegten. Auch wenn der „Namensführungsvertrag“ 1953 ausnahmsweise für zehn Jahre geschlossen wurde1, wusste Christian Holler, dass auf Dauer nur überzeugende Leistungen dem VVD den Status sicherten, den er ihm in unruhiger Zeit verschafft hatte. Der Markt der Kfz-Versicherungen stellte in der sozialen Marktwirtschaft der jungen Bundesrepublik eine Sonderheit dar, ein Relikt aus der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg. Zum einen war die Verordnung von 1938, die es Automobilherstellern und -händlern verboten hatte, Vermittlungsdienste für Kfz-Versicherungen zu betreiben, 1948 nur halbherzig aufgehoben worden. Zunächst galt daher, dass „natürliche und juristische Personen und sonstige Personenvereinigungen, die Kraftfahrzeuge und Kraftfahrzeugbedarf herstellen, vertreiben, ausbessern oder deren Absatz finanzieren“, Kfz-Versicherungen zwar vermitteln, jedoch dafür nicht mehr als 5% des Versicherungsbeitrages als einmalige Abschlussprovision „vereinbaren, fordern oder annehmen“ durften.2 1950 regelte eine Verordnung des Bundeswirtschaftsministeriums – das „letzte von einer Preisbehörde ausgehende berufsordnende Gesetz“ – die Frage der Provisionen in der Kraftfahrzeugversicherung neu. Demnach standen allen hauptberuflichen Vermittlern von Kfz-Versicherungen bis zu 12% Provision zu. Arbeiteten sie jedoch überwiegend mit Kfz-Herstellern oder -Händlern, -Werkstätten oder -Finanzierungsinstituten zusammen, durfte die Provision nur 9½% betragen. Eine zusätzliche Vergütung von maximal 2½% stand beiden Gruppen zu, wenn sie regelmäßig Versicherungsscheine und Nachträge ausfertigten oder Schäden selbst regulierten und eine schriftliche Regulierungsvollmacht bis mindestens 500 DM pro Schadensfall besaßen. Für nebenberuflich Tätige waren die Abschluss- und die Folgeprovision auf 5% begrenzt, für solche aus dem Kfz-Gewerbe allerdings auf einmalig 117

2½%.3 Ob diese Regelung mit den Bestimmungen des Grundgesetzes über die Gewerbefreiheit im Einklang stand, war umstritten.4 Für das Volkswagenwerk als Hersteller hätte es sich jedenfalls nicht gelohnt, die Vermittlung von Kfz-Versicherungen in eigener Regie zu betreiben, zumal es bereits Löhne und Gehälter zahlte, die deutlich über denen des VVD lagen. Zum anderen galten in der Kfz-Versicherung Einheitstarife. Sie waren 1938 vom NSRegime verordnet worden, um Preisauftriebstendenzen entgegenzuwirken.5 Das „Zwangskartell“6 blieb bis Anfang der sechziger Jahre bestehen. Vor allem das Argument der Versicherer, wegen des „Annahmezwangs“ in der Kfz-Haftpflicht, der seit 1939/40 auch in Deutschland galt7, müsse eine „jederzeitige Erfüllbarkeit der Verträge durch eine auskömmliche Prämie gewährleistet sein“8, ließ das Bundeswirtschaftsministerium von einer Aufhebung des Einheitstarifs zunächst absehen, zumal die Schadenentwicklung in dieser Phase der Verbreitung von Personenkraftwagen kaum zu überblicken war. Das Ministerium erhöhte mehrmals die Prämien, senkte sie teilweise wieder und veränderte deren Gefüge, schrieb Rückvergütungen wie Boni vor und laborierte mit Franchisen. Der Wettbewerb verschob sich zwangsläufig „vom Gebiet der Preise (Prämien) auf das Gebiet der Leistungen (Schadenregulierungen)“.9 Hier lag jahrzehntelang die Stärke des VVD, der nicht zuletzt zur „Betreuung von Volkswagen-Kunden in Schadensfällen“ entstanden war. Wie es das bereits 1947 formulierte Konzept vorsah, konnte jeder Käufer eines Volkswagens Kfz-Versicherungen, also Haftpflicht-, Kasko- und Unfallversicherung, direkt beim Händler abschließen. Mit der Deckungskarte als Nachweis eines vorläufigen Haftpflicht-Versicherungsschutzes konnte dieser dem Kunden umgehend die Zulassung seines erworbenen Fahrzeugs zum Straßenverkehr verschaffen. Ein Kaskoschaden verursachte dem Kunden kaum bürokratischen Aufwand, weil der VVD eine Regulierungsvollmacht besaß, die in den fünfziger Jahren für Schäden bis zu 500 DM galt. Da ein „Käfer“ vergleichsweise wenig kostete und die VW-Werkstätten günstig arbeiteten, war dies bereits ein ansehnlicher Betrag, der im Zuge des allgemeinen Preisanstiegs in den nächsten Jahrzehnten laufend stieg. Ohne Hinzuziehung eines externen Sachverständigen konnten Schäden im Rahmen der Regulierungsvollmacht in der Werkstatt des Händlers unverzüglich repariert und mit dem VVD abgerechnet werden. Trat ein Versicherungsfall ein, während der Kunde sich auf einer Inlandsreise befand, konnte jeder VW-Händler anhand der Wagenpapiere telefonisch in Wolfsburg ermitteln, wie dessen Besitzer versichert war, und daraufhin Reparaturen veranlassen.10 Die Police „reiste mit dem Auto“. Es zeichnete den VVD gegenüber seinen Konkurrenten aus, dass er von Beginn an eine „Mobilitätsgarantie“ anbot11, auch wenn der werbewirksame Begriff erst Jahrzehnte später aufkam. Im Zusammenhang mit der Regulierung von Kaskoschäden erforderliche Telefonate, Kosten für „Sachbearbeiter“ und 118

andere Sonderleistungen rechnete der VVD gegenüber dem Versicherer akribisch als sogenannte „Schadenermittlungskosten“ ab. So floss dem Händler neben der bescheidenen Provision ein zusätzlicher Erlös zu.12 Nicht zuletzt band das Verfahren die Kunden an die Marke Volkswagen. 1950 ergänzte der VVD seine Leistungen um eine Überführungsversicherung für Neuwagen. Sobald ein Fahrzeug das Werk verließ und bis der Kunde es in Empfang nahm, war es gegen Kaskoschäden versichert. Die Prämie zahlte die VW-Organisation, was den Käufer entlastete. 1951 arbeiteten im Außen- und im Innendienst des VVD an die 70, 1952 bereits knapp 80 Leute.13 1953 stellte der VVD von mechanischen Adressiermaschinen auf das automatische Lochkarten-Verfahren um.14 In diesem Jahr trat der 1922 geborene Günther Obst ein, der bald die Betriebsorganisation leitete und zum zweiten Mann neben Tiedke aufrückte.15 In München und Stuttgart, Städten mit besonders hoher Kundendichte, entstanden „Schadenbüros“ des VVD. Diese konnten, von Wolfsburg autorisiert, Schäden am Ort und daher beschleunigt bearbeiten.16 Seit 1956 gab es „Außenstellen“ in Nürnberg und Hamburg, jeweils bei den VW-Großhändlern angesiedelt. Bis 1961 stieg ihre Zahl auf 10 an.17 Hier fanden die bereits 1949 begonnenen systematischen Schulungen der Händler in Versicherungsfragen statt. Der VVD arbeitete mit der Effizienz eines überschaubaren, mittelständischen Unternehmens. Während sich die Zahl der Mitarbeiter zwischen 1951 und 1961 von 68 auf 315, also nicht einmal um den Faktor fünf vergrößerte, stieg die Zahl der verwalteten Verträge von 19 670 auf rund 262 000, somit um mehr als das Dreizehnfache an.18 Die von Christian Holler 1952 erneuerte Satzung erlaubte es dem VVD, „Versicherungen jeder Art“ zu vermitteln. So handelte man seit 1954 auch Verträge für die Betriebe der VW-Handelsorganisation aus, von einer Betriebshaftpflicht über diverse Sachversicherungen bis zu Unfall- und Rechtsschutzversicherungen, aber auch die Altersversorgung und private Versicherungen für die Inhaber und Mitarbeiter.19 Die Versicherungsgesellschaften verdienten gut an den Verträgen, die der VVD vermittelte und verwaltete. Dazu trug zweifellos bei, dass Nordhoff jahrelang nur ein Pkw-Modell, den legendären „Käfer“, produzieren ließ; das hielt die Reparaturkosten in Grenzen. Wenngleich die Haftpflicht in manchen Jahren mit Verlust abschloss, schossen die vom VVD errechneten technischen Überschüsse bei der Kasko-Versicherung in die Höhe und betrugen Mitte der fünfziger Jahre bereits an die 2,3 Millionen DM.20 Gleichzeitig schwoll die Namensführungsgebühr an, die der VVD an das Volkswagenwerk abführte. 1951 belief sie sich noch auf 126 000, 1955 bereits auf 346 000 und überschritt 1960 die Millionengrenze.21 Doch bot der VVD nicht nur einen guten Service für Volkswagen-Kunden an. Spätestens seit der Mitte der fünfziger Jahre wirkte er auch als Lobbyist. Es gelang, Verord119

nungen des Bundeswirtschaftsministeriums, welche die Kfz-Versicherung betrafen, zugunsten der Volkswagenhalter zu korrigieren und schließlich deren Neuordnung am Ende des Jahrzehnts zu beeinflussen. Schon bald nach der Währungsreform von 1948 dominierten Kfz-Versicherungen das Neugeschäft der Gesellschaften. Aber die Schadenhäufigkeit und die durchschnittliche Schadenhöhe stiegen überproportional zu den eingenommenen Prämien.22 Noch 1948 beantragten die Versicherer daher bei der Verwaltung für Wirtschaft die Ermittlung einer „gerechten Bedarfsprämie“.23 Als Zwischenlösung kam eine „einheitliche Erhöhung der Haftpflicht- und Fahrzeugprämien“ zunächst bis Mitte 1950 zustande.24 1950 überstieg die Zahl der zugelassenen Kraftwagen bereits den Vorkriegsstand. Miserable Straßenverhältnisse und unzureichendes fahrerisches Können der frischgebackenen Autobesitzer führten dazu, dass die Entwicklung der Schäden „selbst die vorsichtige Kalkulation der Versicherer“ übertraf.25 Das inzwischen zuständige Bundeswirtschaftsministerium erhöhte daher noch im August 1950 die Tarife, lockerte aber durch ein System der „rückwirkenden Beitragsermäßigung aus technischem Überschuss bei schadenfreiem Verlauf der Versicherungsverträge“ die starre Preisbindung etwas auf.26 Das sollte zugleich die Zahl der gemeldeten Bagatellschäden und damit den Verwaltungsaufwand der Gesellschaften reduzieren.27 Die Versicherer betonten seinerzeit, dass damit auch „ein Moment des Wettbewerbs“ in die „starre Regelung“ der Kfz-Versicherungen eingeführt worden sei.28 Für 1951 erstattete in der Kfz-Haftpflicht knapp die Hälfte aller Versicherer Teile der Prämie, während in der Kasko-Versicherung nur etwa ein Siebtel der Gesellschaften eine Rückvergütung leistete.29 Die Vertragsgesellschaften des VVD gaben 1951, 1952 und 1953 jeweils 10% auf die Haftpflichtprämie zurück, 1953 auch auf die Kaskoprämie.30 Seit 1953 zahlten die Pool-Gesellschaften, zu denen neben der Frankfurter und der Ersten Allgemeinen bald auch die Nordhoff nahestehende Berlinische Feuerversicherung gehörte31, trotz großer technischer Überschüsse, die ihnen nicht zuletzt die vom VVD betreuten Kasko-Versicherungen brachten, keine Gewinnbeteiligung mehr.32 Wegen eines angeblich „schlechten Schadenverlaufs“ im Jahr 1952 verordnete das Bundeswirtschaftsministerium zum 1. Januar 1953 eine Tarifänderung. Die kam die Besitzer von Volkswagen teuer zu stehen. Um eine direkte Prämienerhöhung zu vermeiden, hob die Behörde zum einen die Selbstbeteiligung in der Voll-Kaskoversicherung an. Der Betrag von 300 DM, den VW-Fahrer bis dahin bevorzugt gewählt hatten, erhöhte sich jäh auf 500 DM. Zum andern wurde die bisherige Tarifklasse 24–28 PS, in die der „Käfer“ gehörte, praktisch mit der 29–30 PS-Klasse zusammengelegt. Ausschließlich für die neue Klasse wurden die Kasko-Jahresprämien erhöht. Hatten diese bisher je nach der Höhe des Selbstbehalts zwischen 165 und 539 DM ge120

legen, beliefen sie sich nun auf 190 bis 600 DM. Die Versicherer hatten eine direkte Prämienerhöhung gefordert, weil ihrer Ansicht nach Erzeugnisse der Marke Volkwagen, aus denen die betroffene PS-Klasse hauptsächlich bestand, zum allgemein schlechten Schadenverlauf besonders beigetragen hätten. Die Unzufriedenheit des VVD war groß, denn die direkte Erhöhung der Kasko-Prämie in der „Käfer“-Klasse verteuerte diese um rund 11%.33 Anfang 1953 reichte Nordhoff beim Wirtschaftsministerium eine Beschwerde ein34, und auch der VVD klopfte an Bonner Türen. Der Erfolg ließ auf sich warten. Jedenfalls entrichteten die Volkswagenfahrer als die „zahlenmäßig wohl bedeutendste Gruppe von Versicherungsnehmern“ jahrelang überhöhte Prämien, „vor denen sie Wettbewerbstarife bewahrt hätten“.35 Nach den Berechnungen des VVD bescherte die Verteuerung der Kasko-Prämie für den Volkswagen den Pool-Gesellschaften 1953 einen sprunghaften Anstieg der technischen Überschüsse von 34 000 auf 1 410 000 DM.36 Die Schadenstatistik rechtfertigte die Prämienerhöhung vom 1. Januar 1953 nicht37, denn Volkswagenfahrer verursachten keineswegs mehr Unfälle als die Besitzer anderer Marken. Das Bundeswirtschaftsministerium gestand daher eine Rücknahme der Erhöhung grundsätzlich zu, doch dem Volkswagenwerk behagte auch diese „Reform“ nicht. Der „Käfer“ nämlich, dessen Motorleistung Anfang 1954 von 25 auf 30 PS gesteigert worden war38, drohte bei einer Teilung der Klasse „über 23–30 PS“, wie sie nun bevorstand, in die höhere Tarifklasse zu geraten. Anfang 1955 berichtete VVD-Geschäftsführer Karl Tiedke in einem Brief an Heinrich Nordhoff beflissen über seine Betriebsamkeit in Bonn. Er habe an einer Besprechung der Verbände teilgenommen, die dem Arbeitsausschuss für Fragen der Kraftfahrtversicherung angehören, und dabei „das Unsinnige der vorgesehenen Tarifänderung“ näher erläutern können. Alfred Till, der ständige Vertreter des Werkes in Bonn, habe den Präsidenten des Verbandes der Automobilindustrie gebeten, gegen die Tarifänderung zu protestieren.39 Über einen direkten Draht zur ausschlaggebenden Abteilung „Preise“ im Wirtschaftsministerium verfügten zu diesem Zeitpunkt weder das Werk noch der VVD. Tiedke konzipierte auch einen Brief, den Nordhoff wiederum an Bundeswirtschaftsminister Erhard schicken konnte. Darin hieß es: „Da die Tarifsenkung durch den günstigen Schadenverlauf der Volkswagen veranlasst ist, sollte es Sinn der Prämienherabsetzung sein, diese auch den Besitzern von Volkswagen zugute kommen zu lassen, was nur erreicht werden kann, wenn, wie bisher für die Gruppe über 28–30 PS in der Fahrzeug-Kasko-Versicherung die gleiche Prämie festgesetzt wird, wie für die Gruppe über 23–28 PS.“ Tiedkes Entwurf erläuterte detailliert, wie die Tarifreform zu erfolgen habe, damit „Hunderttausende von Volkswagenbesitzern in den Genuss der ihnen zukommenden Prämiensenkung gelangen können“.40 Nordhoff hielt sich an Tiedkes Entwurf. Es gelang sowohl die Kasko-Prämie in der PS-Gruppe des Volkswagens um 121

rund 10% zu senken als auch die Selbstbeteiligung von 300 DM, allerdings gegen eine leicht erhöhte Prämie, wieder einzuführen.41 Nach diesem Erfolg lud der VVD den Leiter der Abteilung „Preise“ im Bundeswirtschaftsministerium, der auch für die regulierten Tarife in der Kfz-Versicherung zuständig war, nach Wolfsburg ein. Karl Tiedke und Christian Holler empfingen Ministerialrat Hellmut Bormann Mitte Juni 1955 in den Geschäftsräumen des VVD im Volkswagenwerk. Dass Bormann vom VVD „außerordentlich beeindruckt“ gewesen sei und offen für dessen Anregungen, teilte Tiedke Nordhoff umgehend brieflich mit. Ausführlich zitierte er den Mann aus Bonn. So hätte Bormann erkannt, dass sich auf den VVD nicht die herkömmlichen Begriffe Vermittlungs- oder Maklerfirma anwenden ließen. „Praktisch“ sei die Firma aufgrund der übernommenen Aufgaben vielmehr einer Versicherungsgesellschaft gleichzusetzen. Auch wünsche der Ministerialrat, vom VVD in Zukunft über die Entwicklung der Schäden in der Kfz-Versicherung und alle allgemein damit zusammenhängenden Fragen informiert zu werden. Er wolle diese Angaben bei der künftigen Gestaltung von Prämien oder sonstigen von der Bundesregierung zu erlassenden Bestimmungen auf dem Sektor der Kraftfahrzeugversicherung nutzen. Im Übrigen vertrete Bormann die Ansicht, dass bei der Kaskoversicherung neue Wege zu beschreiten seien. Von den Versicherungsgesellschaften erhalte er dafür aber keine Anregungen und bitte daher den VVD um Mitarbeit. Dies habe man „bereitwilligst“ zugesagt. Mit Bormann bestehe auch Einigkeit darüber, dass eine weitere Differenzierung der Prämientarife nötig sei. Für Fabrikate oder PSGruppen, deren Schadenverlauf es rechtfertige, ließen sich niedrigere Prämien festsetzen. Dann komme „der für bestimmte Fabrikate, so vor allem den Volkswagen entstandene beträchtliche technische Überschuss auch tatsächlich den Haltern dieses Fabrikates zugute“ und werde nicht „absorbiert“. Ferner habe sich Bormann erkundigt, welche Provisionssätze Kraftfahrzeughändlern gebührten, die Versicherungen vermittelten.42 Holler habe dem Ministerialrat erläutert, dass für VW-Händler eine laufende Vergütung von 5% sehr wohl angemessen sei, denn sie betreuten alle über den VVD versicherten Wagenbesitzer ständig und würden nicht lediglich, wie oft fälschlich geglaubt, nur die Adressen interessierter Käufer weiterreichen. Von der anschließenden Besichtigung des Volkswagenwerkes sei Bormann stark beeindruckt gewesen, berichtete Tiedke weiter. Man habe sich in der beiderseitig gewonnenen Überzeugung getrennt, dass dieser Besuch die Basis für eine enge Zusammenarbeit mit Bormanns Abteilung gelegt habe. Zweifellos werde das Bundeswirtschaftsministerium die Erfahrungen und statistischen Ergebnisse des VVD in Zukunft bei seinen Entscheidungen auf dem Gebiete der Kraftfahrzeugversicherung nutzen.43 Nachdem Bundeswirtschaftsminister Ludwig Erhard bereits 1953 „gewisse steuerliche“ Maßnahmen angekündigt hatte, „um den Gebrauch von Kraftfahrzeugen in 122

Deutschland weiter zu steigern“, brachte das Verkehrsfinanzgesetz vom Frühjahr 1955 eine ansehnliche Reduktion der Pauschalsteuer für Personenkraftwagen. Gleichzeitig setzten sinkende Einkommen- und Lohnsteuertarife Kaufkraft frei, was indirekt ebenfalls der Verbreitung von Personenkraftwagen in neue Käuferschichten zugute kam.44 Der VVD, der über eine breite Datenbasis verfügte, beobachtete die Entwicklung des Kfz-Marktes akribisch. Demnach traten seit Mitte der fünfziger Jahre neben die noch dominierende Gruppe der gewerblichen Käufer zunehmend auch sogenannte „Festbesoldete“ als Kunden. Die Vorschläge des VVD zur Reform der Kfz-Versicherung sollten die Haltung eines Fahrzeugs der „Käfer“-Klasse vor allem für diese neue, größere Käuferschicht verbilligen. Jahrelang stritt der VVD vehement für die „Neuwertversicherung“ und die „Wochenendversicherung“ – zugleich zwei frühe Versuche, das Tarifsystem zu segmentieren, um vorteilhafter konkurrieren zu können. Dem Gedanken, eine „Neuwertversicherung“ zu fordern, lag die Erkenntnis zugrunde, dass, sofern es den vom VVD verwalteten Bestand betraf, 1954 und erst recht 1955 die Zahlungen für Kaskoschäden bei einer Abrechnung auf Neuwertbasis nur unwesentlich höher ausgefallen wären. Die „geringen Mehraufwendungen“, befand der VVD, hätten die Versicherer ohne weiteres und ohne jede Prämienerhöhung tragen können, da sie Verwaltungskosten eingespart hätten.45 Die Versicherten aber würde der verbesserte Schutz ihres Eigentums durch eine „Neuwertversicherung“ zum Kauf eines Wagens ermutigen. Auch die Idee zu einer preisgünstigen „Wochenendversicherung“ geht auf die mutmaßlichen Bedürfnisse derjenigen zurück, die als nächste für den Erwerb von Personenkraftwagen in Frage kamen. Die neue Käuferschicht der Beamten und Angestellten benutze diese für „private Zwecke“ und „im wesentlichen am Wochenende und während des Urlaubs“, hatte der VVD ermittelt. Eine „reguläre Fahrzeugkaskoversicherung neben den sonstigen festen Haltungskosten“ sei für diese Gruppe zu teuer.46 Im Herbst 1955 übersandte der VVD Heinrich Nordhoff den Entwurf für ein weiteres Schreiben an den Bundeswirtschaftsminister, in dem für eine „Neuwertversicherung“ und eine „Wochenendversicherung“ als zusätzliche Tarifarten in der Kasko-Versicherung plädiert wurde. „Hunderttausende Volkswagenbesitzer“ würden dies begrüßen.47 Nordhoff übernahm den Entwurf.48 Sein Inhalt wurde in Bormanns Abteilung „Preise“ mit Vertretern der Versicherungsgesellschaften und nun auch unter Hinzuziehung des VVD diskutiert. Wie Tiedke Nordhoff berichtete, gelang es ihm, den skeptischen Vertreter der Allianz, Ernst Meyer, davon zu überzeugen, dass ein Missbrauch der Neuwertversicherung auszuschließen sei. Meyer sah ein, dass „die Herbeiführung eines Totalschadens“ eine so hohe Geschwindigkeit erfordere, dass es dem Fahrer „in der Regel unmöglich“ sei, „zuvor abzuspringen“.49 Er plädierte schließlich selbst für die Neuwertversicherung.50 Stolz berichtete Tiedke Nordhoff, dass „das 123

Bundeswirtschaftsministerium“ – Tiedke meinte den ihm gewogenen Ministerialrat Bormann – „unsere Bestrebungen sehr stark unterstützt“.51 Am Ende des Jahres 1955, in dem das Werk den millionsten „Käfer“ produziert und der VVD die hunderttausendste Police ausgefertigt hatte, war Christian Holler mit der Arbeit seines Wolfsburger Unternehmens zufrieden. In einem sorgfältig aufgesetzten, gewiss nicht an einem Tag entstanden Brief an Heinrich Nordhoff schrieb er: „Hochverehrter Herr Professor! Nachdem das Jahr 1955 zu Ende geht, habe ich das Bedürfnis, Ihnen für das mir und den mir nahestehenden Firmen auch in diesem Jahr wieder geschenkte Vertrauen aufrichtig zu danken. Eine besondere Freude war es für mich, dass der VVD mit Ihrer Hilfe eine Prämiensenkung in diesem Jahr in der Kaskoversicherung durchsetzen und damit zu einer Verbilligung der Wagenhaltungskosten beitragen konnte. Es bleibt zu hoffen, dass es dem VVD gelingt, seine Pläne hinsichtlich der Einführung einer Neuwert- und Wochenendversicherung im nächsten Jahr durchzuführen und damit den Versicherungsschutz für die Volkswagenfahrer wesentlich zu verbessern. Ich sehe die besondere Aufgabe des VVD nicht nur in der schnellen Bedienung seiner Kunden sowie einer raschen und kulanten Schadenregulierung, sondern vor allem auch in der Kontrolle der VW-Versicherungsprämie, die er aufgrund seines Zahlenmaterials durchzuführen in der Lage ist; damit wird der VVD ein Instrument in Ihrer Hand, um in der Prämienfrage dann einzugreifen, wenn Sie es für notwendig erachten. Ich wäre daher sehr dankbar, wenn Sie auch in Zukunft dem VVD Ihre Unterstützung geben würden, damit dieser unbeeinflusst von der Prämienpolitik der Gesellschaften im Sinne einer Verbilligung der Wagenhaltungskosten wirken kann. Besonders erfreulich ist, dass auch das Bundeswirtschaftsministerium dies nunmehr erkannt und engen Kontakt mit uns aufgenommen hat. Vielleicht werden die heute noch abseits stehenden Händler eines Tages doch erkennen, dass die Unterstützung des VVD in ihrem eigenen Interesse liegt. Für das neue Jahr erlaube ich mir, Ihnen alle guten Wünsche, vor allem für die Erhaltung Ihrer Gesundheit zu übermitteln und verbleibe mit ergebensten Grüßen Ihr Christian Holler“52

Der „enge Kontakt“ des VVD zum „Bundeswirtschaftsministerium“ wurde weiter gepflegt. So versorgte Tiedke Ministerialrat Bormann mit Daten über die hohen Gewinne der Versicherungsgesellschaften in der Kfz-Versicherung, um ihn von der Notwendigkeit einer Prämienreduktion zu überzeugen. Für 1955 liege der vom VVD statistisch ermittelte technische Überschuss in der Kaskoversicherung für Fahrzeuge mit über 23–30 PS noch deutlich höher als im Vorjahr. Man müsse daher annehmen, dass auch der Verlauf bei den nicht über den VVD kaskoversicherten Volkswagen in diesem Jahr günstig gewesen sei.53 Da der Verband der Haftpflicht-, Unfall- und Kraftverkehrsversicherer e. V. seine Schadenstatistik erst Monate später vorlegen konnte, zog Bormann es bald vor, sich auf das Material des VVD zu stützen.54 Dass der Ministerialrat den VVD ein ums andere Mal für dessen sorgfältig und zeitnah 124

VVD-Werbung in einem Handbuch für Volkswagenfahrer

geführte Schadenstatistik lobte, behielt Tiedke nicht für sich. Kopien seiner Korrespondenz mit Bormann gingen regelmäßig an Nordhoff. In der zweiten Hälfte der fünfziger Jahre reifte im Bundeswirtschaftsministerium die Erkenntnis, dass es nicht länger nur darum gehen könne, das System der Einheitstarife zu ergänzen oder zu modifizieren – vielmehr stand dieses bald selbst zur Disposition. Stolz berichtete Tiedke Nordhoff im Frühjahr 1956, er habe Bormann davon überzeugen können, dass man „ernsthaft eine fakultative Prämienfestsetzung anstreben müsse, wenn nicht wenigstens eine Teilfreigabe des Tarifs durchzuführen sei und somit die Gesellschaften in Hinsicht auf diese Prämiengestaltung freie Hand bekämen“. Bormann habe zugesagt, die durch den VVD erlangten „objektiven Informationen und Anregungen“ bei der Gestaltung der Kfz-Versicherung zu nutzen, „umso mehr, als er in dieser Hinsicht von den in den Gremien vertretenen Versicherungsgesellschaften nur einseitig und seiner Meinung nach auch nur unzulänglich unterrichtet werde“.55 Im Spätsommer fasste Christian Holler in einem Brief an Nordhoff den Stand beim „Tauziehen um die Freigabe der Kfz-Tarife“ zusammen. Dieses werde wohl noch eine Weile andauern, eine Freigabe sich „letzten Endes“ aber nicht verhindern lassen. „Wir bleiben in stetem Kontakt mit Herrn Ministerialrat Bormann, damit wir nicht von einer plötzlichen Freigabe überrascht werden.“56 1958 beantragten die Versicherungsgesellschaften eine beträchtliche allgemeine Erhöhung der Haftpflichtprämie. Sie begründeten dies damit, dass sie zwar bei der Kaskound der Unfallversicherung gut verdienen, bei der Kfz-Haftpflichtversicherung aber nach wie vor Verluste einfahren würden.57 Für den „Käfer“ sollten sich die Prämien um 37,5% erhöhen. Zum Ausgleich sollte es einen größeren „Bonus“ geben. Dieser war Ende 1954 auf Betreiben der Versicherer als Ergänzung zur Rückvergütung, gleichsam als „Prämienkorrektur“ verordnet worden und sollte bei zweijährigem 125

schadenfreiem Verlauf 10, bei dreijährigem 20% Nachlass auf die Prämie ausmachen.58 „Was hat aber der Bonus für einen Sinn“, spottete Christian Holler in einem Brief an Nordhoff, „wenn ich ihn von vornherein durch meine Prämie bezahlen muss und im besten Falle bei schadenfreiem Verlauf wieder zurückbekomme“.59 Eine Prämienerhöhung in dem geforderten Ausmaß hielt Holler für „unnötig und außerdem für psychologisch sehr unklug“. Jeder könne „in der Zeitung lesen“, welche Gewinne etwa die Allianz im Kfz-Geschäft mache; eine Prämienerhöhung würde daher „einen Sturm hervorrufen“. Gesellschaften, die „unrationell“ und deshalb mit Verlust arbeiteten, müssten „die Quittung dafür bekommen“, denn letzten Endes werde, wenn die Prämie nicht reiche, doch immer nur „Vater Staat“ um Hilfe angegangen. Mit neuen Ideen in der Kfz-Versicherung würden die Gesellschaften indessen nicht aufwarten, denn es sei „natürlich viel einfacher, mit einem garantierten Gewinn zu arbeiten“. Holler räumte ein, dass auch bei der Marke Volkswagen in der HaftpflichtVersicherung „ein kleiner Verlust“ entstehe, der aber durch die Gewinne bei Kasko-, Teilkasko- und Unfallversicherung mehr als ausgeglichen werde – „ganz abgesehen von den Kapitalerträgen“ der Versicherer. Wenn diese auch bereit seien, die KaskoPrämie für Volkswagen im Schnitt um rund 20% zu senken, reiche das als Äquivalent für die Erhöhung der Haftpflicht-Prämie keineswegs aus. Da das Ministerium einer Prämienerhöhung „im großen und ganzen reserviert“ gegenüberstehe, werde es sich vermutlich durch eine Freigabe der Prämien „aus der Affäre ziehen“. Auch Holler bevorzugte diese Lösung, weil sich zum einen die Versicherer vom Ministerium letztlich nicht in die Karten schauen lassen würden, was ein „ewiges Hin und Her“ über die Berechtigung von Prämienerhöhungen zur Folge hätte. Im „freien Wettbewerb“ aber werde sich „sicher eine vernünftige Prämie einspielen“. Zum andern, vertraute Holler Nordhoff an, habe das Bundesaufsichtsamt für Privatversicherungen vorgeschlagen, sich nach einer Freigabe der Kfz-Prämien von jeder Gesellschaft deren Tarife zur Genehmigung vorlegen zu lassen, damit es „unseriöse Prämienschleuderei“ von vornherein unterbinden könne. „Ich würde es sehr begrüßen“, bat er Nordhoff, „wenn Sie die Freigabe der Prämien durch ein entsprechendes Kabel an das BWM oder an Herrn Minister Erhard unterstützen würden“.60 1959 verordnete das Wirtschaftsministerium, dass der Einheitstarif von 1962 an bis 1965 abzubauen und durch eigene Tarife der Versicherungsgesellschaften, sogenannte „Unternehmenstarife“, zu ersetzen sei.61 Diese Entscheidung, so vermutete Holler gegenüber Nordhoff, hätten die Versicherer bestimmt nicht gewollt, sie sei vielmehr das Ergebnis ihrer endlosen „Taktiererei“. Eine konkurrenzfähige „VW-Prämie“, erläuterte er weiter, lasse sich nur mit „schärfster Kalkulation“ anbieten. Doch werde der VVD, da er über solide Statistiken verfüge, „dem Bedürfnis einer marktgerechten billigen Prämie“ Rechnung tragen können.62 Bei allen Vorbehalten gegenüber dem 126

Verfahren begrüßte Holler die Freigabe der Kfz-Versicherungstarife, wohl wissend, dass diese Liberalisierung auch Nordhoffs Maximen entsprach. An der Schwelle zu den sechziger Jahren verschwand ein Relikt aus der Zeit der nationalsozialistischen Planwirtschaft. In enger Kooperation mit dem Volkswagenwerk, wenn nicht als dessen verlängerter Arm, hatte der VVD seinen Teil dazu beigetragen. Die Deregulierung der Kfz-Versicherung umfasste auch die Provisionen. Das Entgelt für hauptamtliche Versicherungsvermittler wurde zwar mit der Begründung, das Volumen der Kfz-Versicherung sei seit 1952 „erheblich angestiegen“ und werde „wegen der ständig wachsenden Motorisierung auch in den kommenden Jahren weiter ansteigen“, von 12 auf 10% der Jahresprämie herabgesetzt.63 Aber eine Sonderregelung für nebenberufliche Versicherungsvermittler aus dem Kfz-Gewerbe, die bis dahin deren Provisionsansprüche ausdrücklich gedeckelt hatte, gab es nicht mehr. Es hieß jetzt schlicht: „Für die nebenberufliche Vermittlertätigkeit in der Kraftfahrtversicherung dürfen als Abschluss- und als Folgeprovision höchsten 5 vom Hundert des Versicherungsbeitrages vereinbart, angenommen oder gewährt werden.“64 Die VW-Großhändler in Köln und Berlin, die 1960 als einzige noch nicht mit dem VVD kooperierten65, mögen ihren Standpunkt daraufhin überdacht haben. Der VVD förderte den Absatz von Volkswagen durch kulante Schadenregulierungen nicht nur in der Bundesrepublik Deutschland. Vollauf zufrieden konnte das Werk auch mit dem Engagement des Versicherungsdienstes auf wichtigen Auslandsmärkten sein. Schon 1953 gründete Holler in Österreich das erste Tochterunternehmen. Es arbeitete eng mit der Porsche Konstruktionen GmbH zusammen, die seit 1948 die Volkswagen-Generalvertretung für Österreich besaß.66 Porsche war nicht am Vermögen, sondern ausschließlich am bereinigten Gewinn des VVD-Österreich mit 50% still beteiligt. Die Gesellschafterleistung der österreichischen VW-Generalvertretung bestand „in der Anbahnung und dem Abschluss von Versicherungsverträgen durch ihre Außenorganisation“.67 Zwischen 1950 und 1960 erhöhte sich in Österreich die Zahl der Personenkraftwagen von 164 auf 17,5 Einwohner pro Fahrzeug.68 Seit 1956 war Volkswagen Marktführer. Die Gesellschaften, an die der VVD Österreich vermittelte, waren die Erste Allgemeine Versicherungs-AG und die Versicherungsanstalt der österreichischen Bundesländer. 1956 verlegte der VVD seinen Sitz von Salzburg nach Wien, wo Holler bald auch die Kreditstelle für Volkswagen und Porsche Automobile GmbH gründete. Im selben Jahr räumten der deutsche und der österreichische VVD ihren Kunden wechselseitig ein, Schäden in den beiden Nachbarländern jeweils so zu behandeln, als wären sie im eigenen Land eingetreten. Mit dieser Innovation sammelte der VVD wichtige Erfahrungen für den späteren Europa-Schadendienst. 1958 erfasste der VVD Österreich bereits 50% aller im Lande zugelassenen Volkswagen und die Kreditstelle für Volkswagen und Porsche Automobile rund 60% aller finanzierten 127

VVD Wien 1956 – Asta Holler, Louise Porsche-Piëch, Walther Leisler Kiep

Fahrzeuge der beiden Marken.69 1960 führte Holler für den VVD Österreich umgerechnet 87 000 DM an Namensführungsgebühren an das Volkswagenwerk ab.70 Hollers österreichischer Partner, die Porsche Konstruktionen GmbH, war 1947 gemeinsam von Louise Porsche-Piëch und ihrem Bruder Ferry gegründet worden. Nach dem Tod ihres Mannes im Jahre 1952 stand Louise allein an der Spitze des österreichischen Porsche-Unternehmens. Die Mutter von vier Kindern erwarb sich als Geschäftsfrau hohes Ansehen. Für ihre Verdienste wurde ihr 1959 der Titel eines Kommerzialrates zuerkannt. Die im selben Jahr wie Asta Holler in Wien geborene Unternehmerin fuhr rasant Auto und war eine passionierte Jägerin. Sie hatte nach ihrem Schulbesuch in Wien Zeichnen und Malerei studiert und praktizierte beides bis ins hohe Alter. Christian Holler schätzte Louise Porsche-Piëch außerordentlich; er und seine Frau pflegten ein freundschaftliches Verhältnis zu ihr.71 Der VVD folgte dem Volkswagenwerk auch nach Brasilien, wo im März 1953 die VW do Brasil zunächst als GmbH entstand und sich 1955 unter 20%iger Beteiligung der brasilianischen Unternehmensgruppe Monteiro-Aranha (MASA) in eine Aktiengesellschaft umwandelte. Wahrscheinlich wohnten Christian und Asta Holler, als sie das südamerikanische Land zum ersten Mal bereisten, im März 1953 der Gründung der dortigen VW-Tochtergesellschaft bei.72 Unter der Leitung von Friedrich Wilhelm, genannt „Bobby“, Schultz-Wenk – einem engen Vertrauten Heinrich Nordhoffs – nahm VW do Brasil 1954 in einer gemieteten Halle die Montage von Limousinen 128

Beginn der Käfer-Produktion in Brasilien – Heinz Nordhoff mit Bobby Schultz-Wenk

und Transportern auf. Bereits 1957 liefen in einer eigenen Fabrik in São Bernardo, seinerzeit der größten Niederlassung eines deutschen Unternehmens im Ausland, die ersten montierten Transporter vom Band, Anfang 1959 die ersten „Käfer“. In den nächsten Jahren trat an die Stelle der Montage zunehmend die Eigenfertigung mit brasilianischen Vorprodukten.73 Mit Bobby Schultz-Wenk, der die brasilianische VWTochter bis 1969 als Generaldirektor leitete, verband Christian Holler eine lebenslange Freundschaft. Asta Holler wurde Patin von Schultz-Wenks Tochter Christiane, welche die Eheleute 1963 auch in ihrem Testament bedachten.74 Holler setzte auf das Entwicklungspotential der brasilianischen Wirtschaft und investierte dort in verschiedene Geschäfte. Er zitierte gern Stefan Zweig, der 1941 den kulturpolitischen Essay „Brasilien, ein Land der Zukunft“ geschrieben hatte, fügte aber stets ironisch hinzu „…und wird es ewig bleiben“.75 Das exotische Brasilien zog Asta Holler an, und sie begleitete ihren Mann häufig auf dessen regelmäßigen Reisen dorthin. Das erste Unternehmen in Brasilien, an dem sich der VVD als Haupteigentümer beteiligte, war die von Christian Holler Mitte 1953 gegründete Gesellschaft Pallas Viagens e Turismo Ltda. in São Paulo, ein Reisebüro.76 Es bot seine Dienste vor allem den Niederlassungen der zahlreichen deutschen Unternehmen im Großraum São Paulo an, wodurch ein Netz von Kontakten gepflegt wurde. Im August 1955, im selben Jahr wie Gradmann & Holler do Brasil, entstand in São Paulo auch die Gesellschaft V.V.D. Volkswagen Servicio de Seguros S.A., kurz „VVD Seguros“ genannt. Das neue 129

Unternehmen wolle „alle Sparten von Versicherungen abschließen; KFZ-Versicherungen sollen bevorzugt werden“, berichtete in der Bundesrepublik Deutschland die Zeitschrift „Versicherungswirtschaft“.77 46% des Gesellschaftskapitals hielt der VVD Deutschland, 44% Christian Holler und 10% zunächst ein in Brasilien ansässiger Bruder Walther Leisler Kieps, später ein brasilianischer Geschäftsmann. Noch im selben Jahr gründete Holler unter 50%iger Beteiligung von VW do Brasil die VVD de Crédito, Financiamento e Investimentos S. A.78 Mit der Brasilpart S.A. richtete er eine Holdinggesellschaft ein, deren Anteile mehrheitlich beim VVD lagen. Sie finanzierte brasilianischen VW-Händlern den Aufbau ihres Geschäftes. Auf diese Weise war der VVD in etlichen brasilianischen Bundesstaaten mit bis zu 50% an den Händlern beteiligt. In dem Maße, wie diese sich kapitalisierten, wurden die Beteiligungen, zumeist an die Händler selbst, wieder verkauft.79 VVD Seguros mietete in São Paulo zunächst ein Büro im neunten Stock des Edeficío California in der Rua Barão de Itapetininga. Bereits nach zwei Jahren zog die Firma in größere Räume an der Praça da República um, gelegen in der Stadtmitte. In Guarujá, 90 km von São Paulo entfernt, an einem der schönsten Strände des Landes, erwarb VVD Seguros im 11. Stock eines Hochhauses ein geräumiges Appartement, über das die Hollers privat verfügten und das auch Geschäftsfreunde nutzten.80 Infolge der angelaufenen Montage von VW-Transportern, berichtete Christian Holler Nordhoff Ende 1958, könne sich VVD Seguros gut entwickeln. Der „Service-Gedanke“ habe sich „allmählich in Brasilien herumgesprochen und erstaunlichen Anklang gefunden“. Doch sei der Verlauf der Kasko-Versicherung so schlecht, dass sich die Gesellschaften „nur durch Ausgleichsgeschäfte zur Zeichnung bewegen“ ließen. Die erforderliche Kompensation verschaffte Holler ihnen mit lohnenden Industrieversicherungen. Die Finanzierungsgesellschaft VVD Crédito hatte indessen noch wenig zu tun; erst 2,2% der Produktion von VW do Brasil wurde auf Kredit verkauft.81 In Brasilien, das Erich Gradmann Zeit seines Lebens nicht besuchte, stellte das Verhältnis zwischen dem VVD und Gradmann & Holler eine Besonderheit dar. Christian Holler hatte erreicht, dass VVD Seguros neben Kfz-Versicherungen auch das gesamte Industrieversicherungsgeschäft von VW do Brasil sowie das etlicher anderer großer Unternehmen betreute. Zwar beschäftigten VVD Seguros und Pallas Gradmann & Holler anfangs noch je eigenes Personal. Doch die Geschäfte wickelte VVD Seguros weitgehend allein ab. Gradmann & Holler und die brasilianische VVD-Tochter schlossen ein sogenanntes „Arbeitsabkommen“, wonach letztere die gesamten Personalkosten trug. Im Gegenzug überließ Gradmann & Holler dem VVD – neben dem Firmennamen „Pallas“ – 70% der Agenturprovisionen für alle Verträge, die in ihrem Namen geschlossen wurden.82 Der neutrale Name Pallas sollte gegenüber den Industriekunden den Verdacht entkräften, dass sie es beim „V.V.D. Volkswagen Servicio de Seguros 130

S.A.“ womöglich mit einem Makler zu tun hätten, der zum Volkswagen-Konzern gehörte. Da viele dieser Industriekunden Zulieferer von VW do Brasil waren, befürchteten sie sonst nämlich, der Automobilhersteller könnte über ihre Versicherungsangelegenheiten Einblick in ihre Preiskalkulationen nehmen. Bosch und Krupp, Mannesmann und AEG sind nur einige Unternehmen, die VVD Seguros unter dem Namen „Pallas“ betreute.83 Alfred Engling, ein Versicherungsmakler, den SchultzWenk vermittelt hatte, leitete Gradmann & Holler do Brasil wie auch VVD Seguros bis 1970. Die Geschäfte der verschiedenen Gesellschaften in Brasilien, an denen Christian Holler beteiligt war und die hier nicht vollständig aufgeführt werden können, griffen vorteilhaft ineinander und trugen maßgeblich zum wirtschaftlichen Erfolg der international agierenden Holler-Gruppe bei. Als Christian Holler 1969 starb, zeigten neun Beteiligungsgesellschaften den Tod ihres „Presidente“ in einer großen brasilianischen Tageszeitung an.84 Wie in Brasilien bemühte sich Holler auch in anderen Ländern, dem Volkswagenwerk zuzuarbeiten. Dessen wichtigsten Exportmarkt bildeten die USA. Mitte der 50er Jahre stiegen die Ausfuhren dorthin sprunghaft an und beliefen sich 1956 bereits auf knapp 75 000 Wagen.85 Es lag im Interesse von VW of America, in den USA einen Versicherungsdienst anzubieten, wie er sich in Deutschland bewährt hatte. Christian Holler veranlasste daher eine gründliche Untersuchung des US-amerikanischen Marktes für Kfz-Versicherungen. Zunächst knüpfte er in New York selbst die erforderlichen Kontakte. Er arbeitete mit einem renommierten Broker, einem großen amerikanischen Versicherer und einer anerkannten Anwaltskanzlei zusammen und zog auch die „World Wide Automobiles Corp.“ hinzu. Auf seinen guten Ruf bedacht, gründete er nicht sogleich eine Firma in den USA, deren Auflösung „zu unliebsamen Kommentaren von verschiedenen Seiten“ geführt hätte, sondern richtete lediglich die „Volkswagen Insurance Service Plan“ als Anlaufstelle mit eigenem Büro in New York ein. Die weitere Arbeit delegierte er an „besonders qualifizierte Mitarbeiter“, namentlich an Felix Reis, der Erfahrungen auf dem englischen Versicherungsmarkt gesammelt hatte und inzwischen bei Gradmann & Holler in Düsseldorf eingesetzt war.86 Das Ergebnis der Analyse ernüchterte. Zwar galten in den fünf untersuchten US-Staaten verschiedene Versicherungsgesetze. Doch alle verboten es den Händlern, für die Vermittlung von Kfz-Versicherungen eine Provision entgegenzunehmen. Bekanntlich kassierten sie eine solche unter der Hand. Für eine „offizielle Volkswagen Insurance-Service Gesellschaft“ verbot sich dieses Verfahren, denn jedwede Zuwendung an einen Händler hätte dem VVD mit Sicherheit eine Klage eingebracht. Den Händlern wurde eine maßgeschneiderte Police angeboten und ihnen die Aktion durch „günstige Verkaufsund Einkaufsfinanzierungsmöglichkeiten“ schmackhaft gemacht. Sie zeigten sich auch interessiert „an der außerordentlich einfachen Handhabung der Schadensregu131

lierung“, die dem deutschen Vorbild folgen sollte. Aber die Hoffnung der VW-Generalimporteure, die Händler würden auf eine Provision verzichten, trog. Christian Holler teilte Nordhoff daher im Sommer 1956 mit, dass er den Plan, in den USA einen VVD einzurichten, trotz erheblicher Vorarbeiten und Investitionen vorerst nicht mehr verfolgen wolle. Seine Partnerfirma in New York suche aber nach Möglichkeiten, wie man dort auf legalem Wege weiterkommen könne.87 Zu einem Engagement des VVD in den USA kam es nie. 1959 gründete der VVD ein Tochterunternehmen in Südafrika. Das Volkswagenwerk betrieb hier seit 1956 einen Montagefabrik, hatte aber Mühe, gegenüber der bereits etablierten europäischen Konkurrenz zu bestehen. Christian Holler schickte seinen Neffen Felix Reis, der seit 1957 in Wolfsburg für den VVD arbeitete, nach Südafrika.88 Es gelang Reis sogleich, „verkaufshemmende Entwicklungen“, die „von der Versicherungsseite“ kamen, „aufzufangen“. Dies sei auf Dauer aber nur möglich, berichtete Holler Nordhoff zur Jahreswende 1959/60, wenn das große deutsche Prämienvolumen als Ausgleich herangezogen werde, wozu es gegenüber den Versicherern aber einiger Überzeugungsarbeit bedürfe.89 Die Anteile an der südafrikanischen VVD-Tochter lagen zu 49% beim VVD, zu 51% beim Volkswagenwerk.90 Der Makler Christian Holler wusste: Wenn er, sei es in Brasilien, in Südafrika oder wo auch immer, für das Volkswagenwerk oder andere Unternehmen „schlechte“ Risiken unterbringen wollte, musste er den Versicherungsgesellschaften zugleich ein Geschäft anbieten, das sich für sie lohnte. Diesen Zusammenhang mit seinen Konsequenzen begriff offenbar nicht einmal sein Wolfsburger Geschäftsführer. Karl Tiedke fand vielmehr, dass die Poolgesellschaften des VVD allzu hohe technische Überschüsse kassierten, und warb daher seit Mitte der fünfziger Jahre immer wieder für den Gedanken, entweder eine eigene „Volkswagen-Versicherungsgesellschaft“ zu gründen oder zusätzliche Versicherer in den Pool zu holen. Tiedkes Argumente klangen plausibel. Anfang 1959 schrieb er Holler, es lasse sich „eine gewisse Besorgnis in Ansehung der durch die Allianz dargestellten Machtfülle nicht gänzlich unterdrücken“. Um gute Arbeit leisten zu können, müsse der VVD aber „frei und unabhängig“ sein. Tiedke riet Holler erneut, für den Bereich der Kasko-Versicherung eine „eigene Gesellschaft“ zu gründen. Der gegenwärtige Zeitpunkt sei dafür „in Bezug auf Herrn Professor Nordhoff von der psychologischen Seite her“ besonders günstig. Zwar hätte Holler dem Vorstandsvorsitzenden der Allianz 1952 zugesichert, die „Neugründung einer Versicherungsgesellschaft oder ähnliches im Zusammenhang mit dem Versicherungsgeschäft des Volkswagenwerkes“ nicht vorzunehmen zu wollen. Doch sei diese Erklärung inzwischen „grundsätzlich überholt“. Wenn sich der VVD „aus der Machtsphäre der Allianz“ herauslöste, könnte er als „Versicherungsgesellschaft“ auftreten, wäre für alle mit der Kfz-Versicherung befassten Instanzen ein „Gesprächspartner“ und 132

nähme stärker Einfluss. Angesichts der massiven „Verschiebung der Käuferschichten“ schlug Tiedke eine „enge Anlehnung“ an die Raiffeisen-Kassen vor.91 Christian Holler ging auf Tiedkes Vorschläge nicht ein. Sein VVD hatte sich in den fünfziger Jahren als Vermittlungsgesellschaft zu einem gewichtigen Mitspieler auf dem Kfz-Versicherungsmarkt entwickelt und bildete neben der Firma Gradmann & Holler eine zweite Säule seiner Maklertätigkeit. Die Masse an Kfz-Geschäft, das er einer Allianz-Tochter brachte, stärkte seine Macht am Markt. So konnte er Pakete schnüren, in denen „schlechte“ Risiken „gute“ ausglichen. Diese Kompetenz machte ihn im In- und Ausland zu einem begehrten Partner nicht nur des Volkswagenwerkes. Holler kehrte die gesellschaftsrechtliche Selbständigkeit des VVD niemals hervor. Er nahm in Kauf, dass dieser, wie es bereits der Vertrag mit Kurig von 1947 vorschrieb, als Mieter ein „ständiges Büro innerhalb des Werksgeländes“ unterhielt. Während Haftpflichtschäden bei der „führenden“ Frankfurter Versicherungs-AG an deren Sitz in der Abteilung „Privat Kraft-Schaden Versicherungsdienste“ reguliert wurden, arbeitete der VVD angesichts des chronischen Platzmangels, der im Wolfsburger Werk herrschte, unter ungünstigen räumlichen Verhältnissen. Zeitweilig lagen einzelne Büros des VVD so weit auseinander, dass die Angestellten Fahrräder benutzten, um sie zu erreichen. Jahrelange logierte die Geschäftsführung in notdürftig umgewidmeten Sanitärräumen. Die Firma nahm stets mit zerschlissenen Büromöbeln Vorlieb – „ärmlich aber sauber“ sei man eingerichtet, frotzelten die Mitarbeiter.92 Mussten Gäste empfangen werden, stand seit 1959 im 10. Stock des neu errichteten Verwaltungshochhauses ein nicht eben großer Raum zur Verfügung, den sich der VVD obendrein mit der Volkswagen Finanzierungsgesellschaft teilen musste.93 Doch konnte es Holler nur recht sein, dass der Name seiner Firma wie auch deren Postanschrift den Eindruck erweckten, der VVD sei Bestandteil der VW-Organisation und es handele sich bei dessen Mitarbeitern im Innen- wie im Außendienst um „Werksleute“.94 Seit Mitte der fünfziger Jahre schrieb Christian Holler zu jeder Jahreswende einen persönlich gehaltenen Brief an Heinrich Nordhoff, in dem er zum einen darüber berichtete, welche Leistungen sowohl der VVD als auch die Firma Gradmann & Holler im ablaufenden Jahr für das Volkswagenwerk erbracht hatten; zum andern kommentierte er Entwicklungen in der Versicherungswirtschaft. Hollers Briefe an Nordhoff ließen in Anrede und Grußformel nie einen Zweifel daran aufkommen, wer „oben“ und wer „unten“ war. Bitten und Anregungen trug der Makler zurückhaltend vor. Zweifellos hofierte er den Generaldirektor, doch es spricht aus seinen Zeilen auch der Stolz eines Kaufmanns, der wusste, dass er hochwertige Dienstleistungen anbot. Nachdem ein Wohn- und Geschäftshaus der Wertschutz GmbH in Berlin am Kurfürstendamm unter weidlicher Nutzung von Sonderabschreibungen im Rahmen der 133

Herrenrunde am Rand der Hochzeitsgesellschaft: VW-Pressesprecher Novotny, Nordhoff, Knott und Holler 1959

Hochzeitsgäste Asta und Christian Holler

Berlin-Förderung fertiggestellt worden war und Asta Holler im sechsten Stock des Hauses eine Gästewohnung geschmackvoll eingerichtet hatte, nutzte diese gelegentlich auch der Generaldirektor des Volkswagenwerkes.95 Gefälligkeiten dieser Art gegenüber dem wichtigsten Kunden, den er quasi an seinem Erfolg teilhaben ließ, erleichterten Christian Holler gewiss das Geschäft. Gleichwohl kam es zwischen dem Generaldirektor und dem Makler niemals zu einem vertraulichen „Du“. Christian Holler soll aber, mit Bobby Schultz-Wenk und dem Vergaserfabrikanten Alfred Pierburg, zu der kleinen Herrenrunde gehört haben, die Heinrich Nordhoff alljährlich zu einem privaten Geburtstagsessen einlud.96 Im Sommer 1959, als in Wolfsburg die Hochzeit von Nordhoffs Tochter Elisabeth mit Louise Porsche-Piëchs ältestem Sohn Ernst wie ein Volksfest gefeiert wurde, luden die Brauteltern auch die Hollers ein. Diese gehörten zu den wenigen „Freunden des Hauses“, die außer den Mitgliedern der beiden Familien in 22 offenen weißen „Käfer“Cabriolets durch die Stadt zur Trauungsmesse chauffiert wurden.97 In einem weißen Spitzenkleid machte die sonnengebräunte Asta Holler an der Seite ihres gebrechlich wirkenden Ehemannes eine blendende Figur. Sie verwahrte zahlreiche Fotos von dem großen Ereignis sowie eine Menükarte mit den offenbar von ihr gesammelten Autogrammen aller Gäste.98 Dass der VVD außerhalb der Volkswagenwerk GmbH existierte und verdiente, wurde im Management des Unternehmens während der fünfziger Jahre nicht problemati134

siert. Solange Hollers Firma im In- und Ausland durch Leistung überzeugte und überdies eine ansehnliche „Royalty“ abführte und solange sich im Werk alles darum drehte, die stets zu gering bemessenen Produktionskapazitäten auszudehnen und besser zu nutzen, konnte die organisatorische Auslagerung der Serviceleistung KfzVersicherung sogar als Teil der Bemühungen angesehen werden, die Fertigungstiefe zu reduzieren.99

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10. Industrieversicherungen in neuer Dimension

Am Übergang von den fünfziger zu den sechziger Jahren stieß die wirtschaftliche Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland in neue Dimensionen vor.1 Dies berührte auch das Geschäft von Versicherungsgesellschaften und Maklern, denn mit der Expansion der Industrie stiegen die zu versichernden Werte. Der Geschäftsbericht der Allianz AG von 1962 hält für die „Maschinenversicherung“ fest, dass sich der „Anteil risikoreicher Einzelobjekte mit hohem Wert“ fortgesetzt erhöhe; das erschwere „Lagebeurteilungen auf längere Sicht“. Lohn- und Preissteigerungen als Folge von Vollbeschäftigung und Arbeitskräftemangel – den der Bau der Berliner Mauer im August 1961 noch verschärfte – würden sich auf die Höhe der Schadenleistungen auswirken, Mehrschichtenbetrieb, Mangel an Fachpersonal sowie Automatisierung den Schadenaufwand vergrößern und Reparaturen verteuern. Versicherungssummen mussten angepasst und Vertragsbedingungen überarbeitet werden. Schäden zu verhüten rückte immer stärker ins Zentrum der Bemühungen.2 Auch der Prämienumsatz von Gradmann & Holler wuchs. Die Mitte der fünfziger Jahre in der gesamten Industrie einsetzende „Entwicklung ins Große“ galt nicht zuletzt für die von Erich Gradmann betreuten Energieerzeuger.3 Zwar ahnte niemand, dass ein 1959 verkündetes Gesetz über die friedliche Nutzung der Kernenergie der Firma einst exzellentes Geschäft bringen sollte, doch die Nachfrage der produzierenden Wirtschaft wie von Privathaushalten nach Strom nahm bereits in den sechziger Jahren gewaltig zu.4 Auch beim Volkswagenwerk verschoben sich die Dimensionen aller Eckdaten. Nachdem die Rentenreform von 1957 Kaufkraft freigesetzt hatte, beschleunigte das die Herausbildung der Massenkonsumgesellschaft. 1960 kauften erstmals mehr private als gewerbliche Kunden einen Personenkraftwagen. Die Jahresproduktion des VW-Konzerns überstieg jetzt die Stückzahl von einer Million. Der Export – Voraussetzung für die Rentabilität einer hochrationalisierten Massenfertigung in den deutschen Werken – wies ebenfalls imposante Wachstumsraten auf. Der Wert der Produktionsanlagen wie auch die Summe der Löhne und Gehälter, die in Wolfsburg und Braunschweig, Hannover und Kassel sowie seit 1964 auch in Emden gezahlt wurden, erhöhte sich gewaltig. Vom Düsseldorfer Büro aus überwachte Christian Holler die Versicherungen des Volkswagenwerkes nach wie vor persönlich. Ehrgeizig vertrat er die Interessen seines größten Kunden. Hochkompetente Mitarbeiter der Firma erarbeiteten „maßgeschneiderte Versicherungskonzepte“ und besorgten eine spartenübergreifende „Rundumbetreuung“.5 1967 betrug die Jahresprämie aller Maschinenversicherungen des Volkswagenwerkes, die von Gradmann & Holler vermittelt bei der Frankfurter VersicherungsAG liefen, knapp 760 000 DM. Holler hatte „besondere Zugeständnisse“ ausgehandelt. Als solche galten eine „100%ige Ersatzleistung zum Zuschlag von nur 12,5‰, Eilfracht prämienfrei eingeschlossen“ und „25% Stillstandsrabatt ohne Nachweisung“. 137

Bei einer Schadenquote von rund 39% sah die Gesellschaft den Verlauf dieser Policen rückblickend als „sehr gut“ an.6 Wie schon in den fünfziger Jahren zahlte das Volkswagenwerk auch in den Sechzigern eine hohe Prämie für die Transportversicherung. Es lieferte zu Beginn dieser Dekade in rund 150 Länder.7 Von 1960 auf 1961 wurde bei den exportierten „Käfern“ die Halbmillionenmarke überschritten. Bei kontinuierlichem Anstieg der absoluten Zahlen lag der Anteil des Exports an der Inlandsproduktion stets deutlich über 50%, gegen Ende der sechziger Jahre zeitweilig über 60%. 1968 wurden von den im Inland produzierten Fahrzeugen erstmals mehr als eine Million ausgeführt.8 Die Jahresprämie, die das Volkswagenwerk für die Versicherung des Transports seiner Erzeugnisse innerhalb Europas und nach allen Kontinenten entrichtete, wuchs zum Ende der sechziger Jahre auf einen zweistelligen DM-Millionenbetrag an. Christian Holler und die Hamburger Niederlassung, welche die Transportpolice bearbeitete, setzten fortgesetzt alles daran, für das Unternehmen Prämien auszuhandeln, die den Preis des „Käfers“ wie auch des gefragten Transporters auf den Märkten der Welt möglichst gering belasteten. Die Verträge liefen jeweils nur über ein Jahr, um dann neu ausgehandelt zu werden. 1961 gelang es, die Prämie pro Wagen nach den USA, dem weitaus wichtigsten Exportmarkt von Volkswagen, von 6 $ auf 5,60 $ zu drücken.9 In den nächsten Jahren stieg sie wieder an, nicht zuletzt weil die Transportschäden zunahmen, als das Volkswagenwerk von der Ein-Typen-Politik abging und seine Modellpalette vorsichtig ergänzte. Als Christian Holler Nordhoff an der Jahreswende 1967/68 zum letzten Mal mit dem üblichen persönlichen Brief informierte, berichtete er ihm stolz und zufrieden, dass die beteiligten Versicherer die Prämie für 1967 und 1968 wegen des günstigen Schadenverlaufs auf 4,65 $ gesenkt hätten.10 Am Beispiel der 1953 erstmals abgeschlossenen FBU-Versicherung des Volkswagenwerkes lässt sich zeigen, wie im Laufe der sechziger Jahre für eine Generalagentur wie Gradmann & Holler die kompetente Betreuung bestehender großer Verträge immer wichtiger wurde. 1962 belief sich der FBU-Versicherungswert beim Volkswagenwerk bereits auf fast 1,5 Milliarden DM11 und wuchs bis 1965, nicht zuletzt wegen der stark steigenden Löhne und Gehälter12, auf 2,3 Milliarden DM13 an. Die auszuhandelnden Prämien bewegten sich nun in einer Dimension, die alle Beteiligten energisch in die Verhandlungen einsteigen ließ. Zwischen Christian Holler und Horst Schiemann, dem Generaldirektor der „führenden“ Berlinischen, entbrannte ein Konkurrenzkampf. Wer vertrat die Interessen des Volkswagenwerkes besser? Schiemann versuchte regelmäßig, sich Nordhoff, Aufsichtsratsmitglied seiner Gesellschaft, zu verpflichten und Hollers Einfluss zurück zu drängen. Wegen der Größe des Risikos musste Gradmann & Holler, insbesondere bei der Rückversicherung, auch Angebote auf dem internationalen Versicherungsmarkt prüfen. 138

Dank der beharrlichen und einfallsreichen Bemühungen von Alexius D. Vukailovic war die Firma inzwischen als Rückversicherungsmakler ins Geschäft gekommen und hatte dabei internationale Verbindungen geknüpft. Versicherungsschutz für Anlagen der Großindustrie ließ sich nur noch durch Atomisierung der Risiken herstellen – wenn nötig durch mehrstufige Rückversicherung. Nachdem der große Feuerschaden im Volkswagenwerk 1961 zu Hollers Zufriedenheit abgerechnet worden war, erschien ihm ein mit 100 Millionen DM angesetzter „Höchstschaden“ in der FBU-Versicherung als nicht mehr ausreichend.14 Die von den deutschen Versicherern geforderten Prämienerhöhungen hielt er aber für überzogen. Darum empfahl er, die FBU des Volkswagenwerkes auf dem Wege einer „zentralgesteuert geordneten Rückversicherung“ unterzubringen. Im Frühjahr 1961 prüfte er, ob es in den USA eine Möglichkeit gäbe, die von deutschen Versicherern zu deckende Schadensumme von 150 Millionen DM durch eine sogenannte Schadenexcedentenrückversicherung auf 250–300 Millionen DM zu erweitern.15 Ohne dass Holler davon erfuhr, holte Nordhoff eine zweite Meinung ein. Was Ernst Meyer, im Vorstand der Allianz für den Vertrieb zuständig, dem Generaldirektor „Persönlich! Vertraulich!“ unterbreitete, klang naturgemäß weit weniger zuversichtlich als Hollers Sicht der Dinge. Um das FBU-Risiko des Werkes auf dem internationalen Markt platzieren zu können, reiche erstens die Prämie nicht, weil das Volkswagenwerk „im Gegensatz zu anderen ähnlichen Risiken“ keine Sprinkleranlage besitze und eine außerordentlich große Halle einen „zentralen Schwerpunkt für die Betriebsstillegungsgefahr“ biete. Zweitens sei die „Provisionsbelastung“ zu hoch, und der Makler müsse, wenn er die Unterbringung des Risikos nicht gefährden wolle, auf einen Teil seiner Courtage verzichten. Drittens dürfe das Angebot nur von einer Stelle, „in diesem Falle durch die Berlinische Feuerversicherungsanstalt über die Münchner Rückversicherungsgesellschaft“ lanciert werden.16 Naturgemäß war auch Meyer Partei. Als die Versicherer schließlich bei einer Prämie von 1,25‰ eine Deckungssumme von maximal 200 Millionen DM anboten, weigerte sich Nordhoff, mehr als 1‰ zu bezahlen. Holler pflichtete ihm bei; er wisse, dass dieser Satz auf dem englischen Versicherungsmarkt durchaus unterzubringen sei. Unter Hinweis auf die Verbesserung der Feuerschutzeinrichtungen seit dem Großschaden vom Dezember 1959, in die das Werk rund 20 Millionen DM investiert habe, beauftragte das Unternehmen die beteiligten Gesellschaften, sich „gemeinsam mit Herrn Holler“ um die gewünschte Deckung von 200 Millionen DM zu einer Prämie von maximal 1‰ zu bemühen.17 Als die führende Berlinische zwei Monate später erklärte, dass diese Forderung nicht realisierbar sei, entschied Nordhoff, es „bei der bisherigen Höhe der Deckung zu den bisherigen Sätzen“ zu belassen, den Vertrag also unverändert fortzuführen.18 Christian Holler bestärkte ihn in diesem Entschluss und empfahl, eine „Beruhigung des 139

Marktes“ abzuwarten.19 Doch schon wenige Tage später übersandte er dem Generaldirektor eine als „vertraulich“ gekennzeichnete „Backgroundinformation“, die Walther Leisler Kiep eingeholt hatte. Die beigefügte Kopie des Schreibens einer britischen Gesellschaft, der „größte(n) europäische(n) Feuerversicherung“, bestätigte anscheinend Hollers Annahme, dass man sich bei einer Prämie von 1‰ keineswegs mit einem Schadenslimit von 150 Millionen DM begnügen müsse.20 Doch lieber wollte Nordhoff den alten Vertrag weiterlaufen lassen. Man dürfe „den Perfektionismus … nicht zu weit treiben“. Immerhin versprach er, sich vorerst „mit niemandem weiter in Verbindung (zu) setzen“, vielmehr auf ein Signal Hollers zu warten, wie künftig zu verfahren sei.21 Dass er am alten FBU-Vertrag festzuhalten gedenke, teilte Nordhoff auch den zwei Dutzend Abgesandten von Versicherern und Rückversicherern mit, die das Werk im September inspizierten. Holler bestärkte Nordhoff fortgesetzt darin, dass Abwarten „die notwendige Beruhigung auf dem deutschen und englischen Versicherungsmarkt“ bringen werde.22 Trotz der von Meyer vorgebrachten Bedenken schien der Generaldirektor Christian Holler zu vertrauen; denn als dieser ihn kurz darauf über äußerst niedrige FBU-Prämien bei den Konkurrenten Ford und Opel informierte und eine vorsorgliche Kündigung zum Jahresende empfahl – dann werde man „zu günstigeren Bedingungen kommen“23 –, folgte Nordhoff dem Rat seines Maklers und löste über die führende Berlinische postwendend den Vertrag.24 Schiemann fühlte sich durch Hollers Vorpreschen brüskiert, und als er zudem von Nordhoffs Stellvertreter und Finanzvorstand Wolfgang Siebert erfuhr, dass die Angelegenheit „zunächst mit Herrn Holler“ erörtert werden sollte, drängte er Nordhoff, an diesen Besprechungen teilnehmen zu dürfen, um „Pannen“ zu vermeiden.25 Christian Holler hielt sich an Siebert. Dieser setzte Anfang Oktober 1962 ein förmliches Schreiben an Holler auf, gleichsam einen Freibrief, der dessen Rolle als „Hofmakler“ des Volkswagenwerkes bestätigt und ihm weitreichende Kompetenzen eingeräumt hätte. Eine Neugestaltung des FBU-Vertrages, hieß es darin, lasse sich „nach unserer Auffassung am besten dadurch verwirklichen, dass die Federführung für diese gemeinsamen Bemühungen in Ihre Hand gelegt wird, da Sie seit vielen Jahren das Vertrauen aller Beteiligten genießen. Wir bitten Sie daher, sich um Besorgung des entsprechenden Versicherungsschutzes, dessen Art und Umfang wir in mehreren gemeinsamen Debatten erörterten, zu bemühen und die in Frage kommenden Versicherer gegebenenfalls entsprechend zu verständigen. Durch Ihre Einschaltung auf dem direkten als auch auf dem Rückversicherungswege glauben wir, die vorhandenen Kapazitäten auf den Versicherungsmärkten am besten ausschöpfen zu können.“ Doch Sieberts Entwurf ging Nordhoff entschieden zu weit. Statt zu unterschreiben, vermerkte er: „Das mag die Auffassung von Herrn Holler sein, aber so geht das nicht. Die Federführung liegt bei uns, und wir bedienen uns beider, Herrn Hollers und der Ber140

Holler und Nordhoff auf der Hannover-Messe

linischen. Das geben wir nicht aus der Hand.“26 Angesichts der Summen, um die es inzwischen ging, mochte der Generaldirektor sich nicht mehr allein auf Christian Holler stützen. Kurz darauf teilte Holler Nordhoff unbeirrt mit, er glaube, das FBU-Risiko „wunschgemäß“ auf dem Weltmarkt unterbringen zu können, und habe entsprechende Schritte bereits in die Wege geleitet.27 Am nächsten Tag berichtete er Siebert, „volle Deckung ohne eine Beschränkung der Höchstschadenssumme“ erreicht zu haben. Da die Größenordnung des Geschäfts über die Kraft der deutschen Vorzeichner hinausgehe, versuche er, Deckung von etwa 60–70% auf dem englischen Markt zu beschaffen; den Rest von 30–40% müssten deutsche Gesellschaften unter Führung der Berlinischen übernehmen. Holler beklagte sich über Schiemann, der sich nicht wie vereinbart regelmäßig mit ihm abstimme, sondern Nordhoff sogar falsch informiere. Er bitte daher um einen baldigen Besprechungstermin.28 Wenige Tage darauf beschwerte auch Schiemann sich. Hollers Entsendung einiger Mitarbeiter nach London, um die Plazierungsmöglichkeit der veränderten FBU-Versicherung zu sondieren, was nicht mit der Berlinischen abgestimmt gewesen sei, habe „Unruhe in den Rückversicherungsmarkt gebracht“, womit „den Interessen des Werkes wenig gedient sei“.29 Siebert erkannte offenbar richtig, dass es Holler wie Schiemann um „Prestigefragen“ ging, und schlug Nordhoff vor, beide gemeinsam in Wolfsburg berichten zu lassen. „Wenn die Herren sich in unserer Gegenwart darüber aussprechen, können wir als der Herr des Geschäfts mit beiden die nächsten Schritte abstimmen.“30 141

Da sich der gekündigte FBU-Vertrag nicht rechtzeitig erneuern ließ, erklärte das Volkswagenwerk gegenüber Gradmann & Holler und der Berlinischen, den laufenden Vertrag um ein halbes Jahr verlängern und die Verhandlungen erst Anfang 1963 fortsetzen zu wollen.31 Doch bereits zum Jahresende unterbreiteten Holler und Kiep einen „nach langen Verhandlungen mit der Berlinischen“ gemeinsam gefassten Plan: Zunächst sollten die deutschen Versicherer unter Führung der Berlinischen kontrolliert zeichnen. Falls sich nur ein Teil der Versicherungssumme decken lasse, wolle man direkt in England eine zweite Police zu den deutschen Prämien und Bedingungen auflegen. Sollte dann noch eine Deckungslücke bestehen, müsste diese vom Volkswagenwerk als Selbstbehalt getragen werden. Abweichend vom Vorschlag der Berlinischen plädierte Gradmann & Holler für einen Prämiensatz von 1‰. Man teile die Meinung „maßgebender englischer Versicherer“, dass „von einer höheren Prämie keine bessere Unterbringungsmöglichkeit“ zu erwarteten sei.32 Doch die Berlinische zog nicht mit, schätzte sie doch die erforderliche Höchstschadensquote viel größer ein als Holler.33 Mitte 1963 gelang schließlich eine „Neuordnung“ der FBU des Volkswagenwerkes, wobei allerdings die Prämie, wenn auch „mit besonderen Zugeständnissen“, stark angehoben wurde.34 1963 verabredeten die wichtigsten deutschen Versicherungsgesellschaften ein „Feuerprämienkartell“, was über kurz oder lang zu höheren Prämien in der Feuer- wie in der FBU-Versicherung führen musste. Doch auch die Unternehmen der Automobilindustrie rückten zusammen. Man wartete ab, wie sich das Volkswagenwerk als größter Hersteller mit den Gesellschaften arrangieren würde. Es gelang Holler – wie auch immer – die Versicherer „zu zwingen, ihr altes Versprechen wirklich einzuhalten und die FBU-Prämie für das Jahr 1965 um DM 240 000 zu senken“.35 Die Versicherung erstreckte sich inzwischen auf sämtliche VW-Zweigwerke, wobei der Prämienkalkulation 1965 bereits ein „Jahresersatzwert“ von 2,3 Milliarden DM „für fortlaufende Geschäftskosten, Gewinne, Gehälter, Löhne u.s.w.“ zugrunde lag. Die Prämie belief sich nun auf 1,2‰.36 Der FBU-Vertrag von 1965 stand bald wieder zur Verhandlung an, denn der anzusetzende „Jahresersatzwert“ erhöhte sich rasch und überschritt noch 1966 die Marke von 2,5 Milliarden DM. Doch trotz eines günstigen Schadenverlaufs konnte Holler auf dem deutschen Versicherungsmarkt wenig für das Unternehmen bewegen. Er prüfte, ob sich die amerikanische Factory Mutuals-Gruppe heranziehen ließe, doch forderten die Amerikaner die Installation einer Sprinkleranlage, bevor sie sich engagieren würden.37 Nordhoff erklärte Holler lapidar, dass ihm der Vorschlag, Sprinkleranlagen zu installieren, „im Prinzip sehr gut“ gefalle; doch werde es „wie bisher noch immer“ auch hierbei gelingen, „einen Weg zu finden, der allen vernünftigen Interessen gerecht wird“.38 Vorerst beließ es das Werk bei den herkömmlichen Feuerschutzmaßnahmen. 142

„Der amerikanische Markt hält sich bei der Indeckungnahme ungesprinklerter Risiken sehr zurück“, teilte Holler Nordhoff am Jahresende auf Maklerdeutsch mit. So erhöhte sich im Laufe des Jahres 1967 die Deckungslücke sowohl in der Feuer- als auch in der FBU-Versicherung auf 14%. Schließlich einigte man sich mit den beteiligten deutschen Gesellschaften bei beiden Verträgen für die kommenden fünf Jahre auf eine 10%ige Selbstbeteiligung des Volkswagenwerkes, was den Prämienaufwand jeweils um 10% reduzierte.39 Das Ende der Laufzeit sollten weder der Generaldirektor des Volkswagenwerkes noch sein Makler erleben. Die Erfolge, die Gradmann & Holler bei der Vermittlung von Versicherungsverträgen für Großunternehmen einfuhr, beruhten zum einen auf der Kompetenz des Mitarbeiterstabes. Hochqualifizierte und spezialisierte Versicherungskaufleute und Ingenieure zogen es noch vor, für einen Makler – oder eine Generalagentur – zu arbeiten. Hier verdienten sie besser und fanden interessantere Aufgaben als unter dem Dach von Versicherungsgesellschaften, deren geschäftlicher Schwerpunkt noch beim Privatgeschäft lag. Zum andern genossen die Seniorchefs von Gradmann & Holler das persönliche Vertrauen der Entscheidungsträger großer Unternehmen, das in langjährigen Geschäftsbeziehungen gewachsen war. In einem Brief, mit dem sich Christian Holler 1965 für die Glückwünsche Heinrich Nordhoffs zu seinem 65. Geburtstag bedankte, wich er von der sonst stets förmlichen Anrede ab und erklomm mit „Sehr verehrter, lieber Herr Nordhoff!“ den Gipfel der Intimität. Er wisse, schrieb Holler, dass er ohne Nordhoffs Vertrauen nicht in der Lage gewesen wäre, in den vergangenen fast siebzehn Jahren „so erfolgreich“ mit dem Volkswagenwerk zusammenzuarbeiten.40 Netzwerke, die im Laufe der Jahrzehnte entstanden, bedurften kontinuierlicher Pflege. So führte Holler eine Personenkartei, die regelmäßig aktualisiert wurde und die es ihm erlaubte, sich rasch mit Informationen etwa über neu bestellte Führungskräfte und deren Zuständigkeitsbereiche zu versorgen.41 Die Pflege der Kunden fand aber auch auf dem Parkett statt. Auf Christian Hollers Initiative ging es zurück, dass die Firma Gradmann & Holler in den sechziger Jahren zum Auftakt der alle zwei Jahre stattfindenden Internationalen Automobilausstellungen in Frankfurt stets zu einem Empfang lud. Die Vorstände und Direktoren der Automobilunternehmen wie der Teilehersteller kamen gern, weil es sich bei der Maklerfirma um eine „neutrale Stelle“ handelte.42 Asta Holler trug wesentlich dazu bei, diesen wiederkehrenden Veranstaltungen den Rang eines gesellschaftlichen Ereignisses zu verleihen. Sie sei eine „hervorragende Gastgeberin“ gewesen, die beim Betreten eines Saales alle Blicke auf sich gezogen habe.43 Kontakte zu knüpfen und zu pflegen, Vertrauen aufzubauen und als diskreter Ratgeber bereit zu stehen, gehörte zu Christian Hollers Stärken. Er habe stets den direkten Weg zu Vorstandsmitgliedern von Versicherungsgesellschaften und Industrieunter143

nehmen gewählt. Zum einen erlaubte dies seine Position am Markt. Zum andern öffnete ihm aber auch die Art seines Auftretens – kompetent, verbindlich und charmant – die Türen der Chefetagen. Kurt Stroh erinnert sich: „In unserm Geschäft muss man erstens mal ein Kontaktmensch sein. Wenn man das nicht ist, konnte man der beste Fachmann sein … Aber ohne unerhörte Fachkenntnisse konnte man es auch nicht machen.“44 Christian Holler vereinte zweifellos beide Eigenschaften in seiner Person. Ehemalige Mitarbeiter berichten, zu diesem und jenem Unternehmer oder leitenden Manager habe er ein „enges Verhältnis“ oder einen „guten Draht“ gehabt. Immer wieder wird eine „Freundschaft“ zwischen ihm und Heinrich Nordhoff kolportiert; der Makler habe den Generaldirektor jederzeit unangemeldet aufsuchen können. Während die überlieferte Korrespondenz dies keineswegs belegt, dürfte allein das Geraune, Holler stehe zu Nordhoff – und anderen einflussreichen wie angesehenen Männern der Wirtschaft – auf besonders gutem Fuße, dem Makler zum Vorteil gereicht und ihm weitere Türen geöffnet haben. Seit 1964 kooperierte Gradmann & Holler mit einer amerikanischen Maklerfirma. Blick durch die Wirtschaft berichtete dazu, der „EWG-Raum“ werde für amerikanische Versicherungsmakler interessant, die ihre Kunden auch in Europa beraten wollten. So baue zum Beispiel die New Yorker Maklerfirma Marsh & McLennan hier ein Netz auf. „In der Bundesrepublik ist die Firma Gradmann & Holler diesem Netz angeschlossen und vermittelt für amerikanische und kanadische Firmen Versicherungen.“45 Fünf Jahre später meldete das Handelsblatt, dass Marsh & McLennan, „die größte Versicherungsmaklerfirma der Welt“, zusammen mit ihren bisherigen „Exklusivrepräsentanten“ in Europa, darunter Gradmann & Holler in Deutschland, gemeinsam mit französischen Maklern in Paris die Firma Jutheau & Marsh & McLennan gegründet habe.46 Für die Internationalisierung des Geschäftes trat außer Christian Holler maßgeblich Walther Leisler Kiep ein. Als dieser sich im Herbst 1965 für die CDU in den Bundestag wählen ließ, war insbesondere Holler davon nicht eben angetan, hatte er doch gehofft, dass der 26 Jahre jüngere Partner einmal seinen Platz einnehmen würde.47 Doch vermochte Kiep der Maklerfirma auch als Politiker zu nützen, ließen sich doch in den Wirtschaftskreisen seiner Partei geschäftliche Kontakte knüpfen und pflegen. In lebhafter Erinnerung geblieben ist den Beteiligten, dass Kiep zu den Empfängen, welche Gradmann & Holler regelmäßig zu Beginn der Internationalen Automobilausstellung in Frankfurt gab, prominente Politiker mitbrachte, die diesen Veranstaltungen zusätzliche Attraktivität verliehen. Zum 1. Januar 1968 wurden Kiep und Stroh zu Komplementären, das heißt zu unbeschränkt persönlich haftenden Gesellschaftern der Gradmann & Holler KG ernannt. Ihr Anteil an der Firma war nach Ulrich Behns Pensionierung im Jahre 1967 auf insgesamt jeweils 11,5% angestiegen.48

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Franz Josef Strauß im Gespräch mit Asta Holler auf einem Empfang am Rande der Internationalen Automobilausstellung

Im Zusammenhang mit dem stärkeren internationalen Engagement der Firma hatte Christian Holler es als besonders hinderlich empfunden, dass Gradmann & Holler nach wie vor als Generalagentur der Allianz rangierte. 1961 wurde er bei Goudefroys designiertem Nachfolger Alfred Haase vorstellig und erläuterte auch dem, es sei nicht zuletzt „im Rahmen des internationalen Geschäfts unmöglich“, dass seine Firma auf dem Gebiet von „Maschinen, Montage und Garantie“ an eine Gesellschaft gebunden bleibe. Als freier Makler könnte Gradmann & Holler der Allianz einen Besitzschutz auf den vorhandenen Bestand einräumen, die Firma ihrerseits von der Allianz außer der Provision eine Gewinnbeteiligung erhalten. Dies sei „der sicherste Weg“, der Gesellschaft die Firma „treu zu halten“. Aber auch unter Haase blieb die Allianz stur. Haase bedauerte sogar „außerordentlich, dass seinerzeit Herr Dr. Heß bezüglich der anderen Branchen der Firma … die Freiheit gegeben“ hätte.49 1963, als das Prämienvolumen, das Gradmann & Holler der Allianz brachte, sich bereits auf rund 15 Millionen DM im Jahr belief, trat – „um den Vertrag … attraktiv zu machen“ – die Gesellschaft dem Gedanken näher, ihrem Generalagenten eine zehnprozentige Gewinnbeteiligung „für die Versicherungsverträge der Maschinenversicherung einschließlich MBU, Montage und Garantie“ zu gewähren. Doch dieser lehnte das Angebot ab, weil dadurch „festgelegt worden wäre, dass sich der Agenturvertrag auf alle diese Zweige erstreckt“ hätte.50 Der Streit um den Ausstieg aus dem Vertrag mit der Allianz zog sich hin. Es war ausgerechnet Hansgeorg von der Osten, der ehemalige Allianz-Mann, der als Justitiar von Gradmann & Holler jahrelang für eine Auflösung des Agenturvertrags focht. Vom 145

erfolgreichen Ende dieses Ringens zu Beginn der siebziger Jahre51 erfuhren Christian Holler und Erich Gradmann nicht mehr. 1965 bestand die Allianz bei einigen großen Verträgen – „von denen GRADHOLL mehrere verwaltet“ – auf einer Provisionskürzung. Die Firma stimmte zu, habe sie doch, wie die Gesellschaft feststellte, eingesehen, dass sie dazu beitragen müsse, die Kosten zu senken. Sie könne gegenüber ihren Kunden „eine zu hohe Belastung der Prämie durch Provision nicht mehr rechtfertigen“.52 1966 verschaffte Gradmann & Holler der Allianz in allen Maschinenversicherungssparten Nettoprämieneinnahmen von knapp 17 Millionen DM. Ein Jahr später lagen diese bereits deutlich darüber.53 Das System, in dem die Provisionen quasi automatisch mit den Prämien wuchsen, stieß an seine Grenzen. Erich Gradmann und Christian Holler sollten die strukturellen Veränderungen, welche dieser Wandel forderte, nicht mehr erleben. Dass die Allianz ihre Interessen gegenüber Gradmann & Holler mit einer gewissen Zurückhaltung vertrat, lag auch daran, dass Hollers Volkswagen-Versicherungsdienst GmbH ihrer Tochter, der Frankfurter Versicherungs-AG, kontinuierlich und in wachsendem Umfang einträgliches Geschäft in der Sparte Kfz-Versicherungen vermittelte.

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11. Ein Vermögen mit dem VVD

Im „Handbuch der deutschen Kraftfahrtversicherung“ von 1961 heißt es einleitend, die Jahreswende 1959/1960 habe eine „grundlegende Umstellung“ mit sich gebracht. Die seit 1938 bestehende Bindung durch einen „Einheitstarif“ sei aufgehoben und die Kfz-Versicherung den „Grundsätzen der sozialen Marktwirtschaft“ unterworfen worden. Die Gesellschaften konnten auch erstmals entscheiden, nach welchen Gesichtspunkten sie Beitragsermäßigungen aus technischem Überschuss gewähren wollten. Dies führte bereits 1960 zu einem „starken Wettbewerb“. Nach einer Übergangszeit, in der zunächst preisrechtlich kontrollierte sogenannte „Unternehmenstarife“ den Einheitstarif ablösten, sollte sich die staatliche Aufsicht „auf das unbedingt nötige Ausmaß“ beschränken.1 Fortan konnten die einzelnen Versicherer „auf der Grundlage der unterschiedlichen Zusammensetzung ihrer Versichertenbestände“ miteinander in Wettbewerb treten. Sie ersannen bald Kriterien zur Segmentierung der Kunden, um möglichst „gute“ Risiken zu gewinnen, nämlich Versicherungsnehmer, von denen sich annehmen ließ, dass sie weniger Schäden verursachen würden als andere. 1967 genehmigte das Bundeswirtschaftsministerium die Aufteilung der bis dahin gültigen Tarifgruppe „N“ (Normal) in „M“ (Mittelstädte) und „G“ (Großstädte), sodass die Versicherer vom Wohnsitz des Kunden abhängig unterschiedliche Prämien erheben konnten. Mit neuen „Leistungspaketen“ kaschierten sie Tariferhöhungen, die erforderlich erschienen, um das Verhältnis von Prämieneinnahmen und Schadenquote auszugleichen.2 Die Deregulierung der Kfz-Versicherung geschah zu einer Zeit, als in der Bundesrepublik Deutschland die Zahl der privaten Halter diejenige der gewerblichen zu übersteigen begann. Der Geschäftsbericht der Allianz für 1961 spricht von einer „zweite(n) Motorisierungswelle“, mit der zunächst auch eine Zunahme schwerer und tödlicher Unfälle einherging.3 Parallel zur raschen Verbreitung von Personenkraftwagen entwickelte sich die Kfz-Versicherung ebenfalls zum „typischen Massengeschäft“.4 Beim VVD stieg die Zahl der Neuversicherten von 1959 auf 1960 um 50 Prozent an. Hatte man 1961 die fünfhunderttausendste Police ausgefertigt, folgte 1965 die millionste, und an der Wende zu den siebziger Jahren wurde die Zweimillionengrenze überschritten. Das Netz des VVD-Außendienstes verdichtete sich rasch. Die Zahl der bei den VW-Großhändlern angesiedelten Außenstellen betrug 1965 bereits 15.5 Damit das wachsende Geschäftsvolumen besser bewältigt werden konnte, stellte Christian Holler seinem Geschäftsführer Karl Tiedke 1961 drei Stellvertreter an die Seite.6 Zu den Innovationen, mit denen der VVD den veränderten Herausforderungen des Marktes begegnete, gehörte 1962 der sogenannte „Europaschadendienst“. Was sich zwischen Österreich und der Bundesrepublik Deutschland bewährt hatte, wurde Anfang 1962 auf alle westeuropäischen Staaten übertragen, in denen es VW-Importeure 147

und -Händler gab. Die neue Service-Leistung versprach nach Hollers Ansicht ein Erfolg zu werden, weil „jeder VW-Fahrer fast im gesamten europäischen Ausland seine Kasko-Schäden bargeldlos sofort repariert“ bekomme und darüber hinaus „jede Hilfe im Falle von Haftpflichtschäden durch die Auslandsorganisation des VVD und der Händler“ erhalte. „Kein anderes Fabrikat“ könne seinen Käufern „einen solchen Kundendienst“ bieten.7 In den nächsten Jahren, als die Bürger der Bundesrepublik sich in wachsendem Maße Auslandsreisen leisteten, fand der Europaschadendienst bei diesen Touristen großen Anklang.8 Der VVD verfügte neben den Ablegern in Wien, São Paulo und Johannesburg bald über Tochtergesellschaften in Amsterdam (1960) und Mailand (1961), London (1962) und Paris (1962). Er vermittelte die Kfz-Versicherung dort an inländische Gesellschaften, während die Rückversicherung in der Regel über seine deutschen Poolgesellschaften lief. Gegenüber Nordhoff stellte Holler befriedigt fest: „Ich glaube, dass der VVD als Kundendiensteinrichtung auf dem Versicherungsgebiet nicht zuletzt deshalb erfolgreich ist, weil er den nationalen Belangen der einzelnen Länder durch Deckung bei den jeweiligen Gesellschaften des Landes Rechnung trägt.“ Dass es zunächst nicht gelang, in Belgien und auf dem für Volkswagen so wichtigen Schweizer Markt Fuß zu fassen, bedauerte Christian Holler Ende 1962 in seinem traditionellen Weihnachtsbrief an Heinrich Nordhoff nachdrücklich.9 Mitte 1965 gelang es, in Zürich einen VVD auf die Beine zu stellen. Der Schweizer Generalimporteur Walter Haefner, selbst im Kfz-Versicherungsgeschäft engagiert, hatte eine Zusammenarbeit stets abgelehnt, Asta Holler vergeblich versucht, bei ihm vorzusprechen, um ihn umzustimmen.10 Vermutlich bewegte erst Heinrich Nordhoff auf Bitten Hollers hin den mit ihm befreundeten Haefner, der auch dem Aufsichtsrat der Volkswagen AG angehörte, dazu, eine VVD-Tochter in der Schweiz zumindest zu dulden.11 Bereits Ende 1967 wies der VVD Zürich – „obwohl ihm von Seiten des Importeurs überhaupt keine Unterstützung zuteil wurde“ – einen Prämienbestand von 500 000 CHF auf, und Christian Holler erwartete eine gute Entwicklung.12 1966 entstand eine VVD-Tochter in Mexiko, obwohl Nordhoff Hollers Engagement in diesem Land, das keinen Haftpflichtzwang kannte, strikt ablehnte.13 Da die Allianz eine Beteiligung an der Rückversicherung der mexikanischen Risiken verweigerte, beschaffte Holler eine solche in England14, wo Gradmann & Holler inzwischen gute Kontakte pflegte. Doch letztlich lohnte sich das VVD-Engagement in Mexiko nicht, und der VVD gab das Geschäft 1976 wieder auf.15 1967 hätte der VVD – wäre er ein Versicherer gewesen – mit einem Prämienvolumen von 156 Millionen DM an achter Stelle aller deutschen Kfz-Versicherer gestanden. Der Schadenfreiheitsrabatt, den er seinen Kunden auszahlte, betrug 1967 rund 41 Millionen DM. Als in der Rezession von 1967 der Pkw-Absatz stagnierte, ging in die148

VVD-Großraumbüro im Volkswagenwerk 1962

sem Jahr auch der Vertragsbestand des VVD erstmals um rund 2% zurück.16 Allerdings konnte der VVD den Anteil der über ihn versicherten Kraftfahrzeuge an den Auslieferungen des Volkswagenwerkes von 31 auf 38% steigern. Wegen des wachsenden Arbeitsumfangs stieg man 1967 mit einer IBM 360/30 in die elektronische Datenverarbeitung ein.17 Durch konsequente Rationalisierung der Büroarbeit blieb die Zahl der Mitarbeiter des VVD bis 1990 stets unter 500; in derselben Zeit verdoppelte sich in etwa der Vertragsbestand.18 Zugleich wurde das Gefüge der Versicherungstarife durch diffizile Segmentierungen immer komplizierter. Wie schon in den fünfziger Jahren litt der VVD, den das Werk fortgesetzt als Mieter beherbergte, unter Platzmangel. Ende 1964 erinnerte Holler Nordhoff daran, dass er „vor ungefähr 5 Jahren“ bereits darum gebeten habe, für den VVD Räume in einem seinerzeit projektierten neuen Kundendienstgebäude einzuplanen. Doch Hollers Gesellschaft hatte nur einen weiteren Speisesaal zugewiesen bekommen und war wiederum für Büros in einem geplanten zweiten Hochhausneubau vorgemerkt worden. Nach dem Scheitern des Bauprojektes wurde die „Raumnot“ des VVD, der inzwischen 400 Mitarbeiter beschäftigte, „sehr akut“. Die Gänge und die Registratur eingerechnet, entfielen auf jeden Angestellten nur 3,5 Quadratmeter Arbeitsfläche. Holler erlaubte sich daher, „die Frage zur Diskussion (zu) stellen“, ob das Werk nicht irgendwo auf dem Werksgelände ein Gebäude errichten lassen könnte, „in dem speziell der VVD und vielleicht die eine oder andere Abteilung des Werkes“ unterzubringen wären.19 Als die Organisationsabteilung erneut abwiegelte und vorschlug, dem VVD „übergangsweise Büroräume in der Größe eines Speisesaals in Aussicht zu stellen, die jedoch nicht im direkten Anschluss an die jetzigen Büroräume liegen“, platzte Nordhoff der Kragen. „Wir haben eine ganz außerordentliche Vermehrung des 149

Büroraumes in den letzten Jahren zu verzeichnen, um das Vielfache der Zunahme der Büroangestellten. Ich kann deshalb nicht verstehen, dass der VVD nicht sehr bald menschenwürdig untergebracht werden kann.“20 Im Januar 1965 schien das Problem – vorerst – gelöst zu sein. Unvergleichlich höher als die Miete, die der VVD für seine Büroräume im Wolfsburger Volkswagenwerk zahlte, war die Gebühr, welche er und seine Töchter jährlich für das Namensführungsrecht entrichteten. Der Betrag, der 1958 noch bei 560 000 DM gelegen hatte, überstieg 1960 erstmals die Millionengrenze. Nachdem bei VW do Brasil Ende der fünfziger Jahre sowohl die Fertigung von Lieferwagen als auch die von „Käfern“ angelaufen war, erschien es Nordhoff an der Zeit, auch mit VVD Seguros in São Paulo einen Vertrag zu schließen, der die Bedingungen regelte, unter denen die Firmenbezeichnung der brasilianischen VVD-Tochter das Wort „Volkswagen“ enthalten durfte. Demnach sollten 5% der Brutto-Einnahmen aus Provisionen und Gebühren für Versicherungsvermittlung sowie aus etwaigen Unkostenerstattungen durch Versicherungsgesellschaften mit einem DM-Scheck an eine deutsche Bank gezahlt werden.21 Doch die brasilianische Zentralbank lehnte 1962 eine Registrierung des Vertrages ab, weil, wie sie befand, „Namensführung“ im Versicherungssektor nicht erforderlich sei, und unterband damit den Transfer der Royalty nach Deutschland.22 Es gab einen Ausweg. VVD Seguros überwies die vereinbarten Gebühren „zur substanzerhaltenden Anlage“ monatlich an die „Transalme“23, ein Unternehmen unter ausschließlicher Kontrolle von VW do Brasil.24 VVD Seguros entrichtete die Royalty lediglich auf Provisionen aus dem Industrieversicherungsgeschäft mit VW do Brasil, aus Geschäften mit brasilianischen Volkswagenhändlern sowie aus der Vermittlung von Kfz-Versicherungen. Vermittlungsgebühren, die VVD Seguros auf der Basis des Arbeitsabkommens mit Pallas Gradmann & Holler do Brasil einnahm, wurden getrennt davon verbucht und waren nicht lizenzpflichtig.25 Mit der Aufnahme der Massenfertigung in neuen Fabrikanlagen in São Bernardo do Campo Ende 1959 bot VW do Brasil der Konkurrenz die Stirn. Sinkende Preise ließen die Nachfrage nach „Käfern“ und Transportern sprunghaft ansteigen. Ein Rückstand gegenüber der Konkurrenz bestand allerdings noch auf dem Gebiet der Absatzfinanzierung. VVD de Crédito erhielt von VW do Brasil ein Darlehen, das sich bis Ende 1959 auf 34 Millionen Cruzeiros belief und unter der Bedingung gewährt wurde, dass sie selbst dieses durch hohe eigene Bankkredite ergänzte.26 Anfang 1960 wurden die Geschäftsbereiche innerhalb von VVD de Crédito klar voneinander getrennt. VW do Brasil betrieb die Finanzierung von Automobilkrediten fortan auf eigenes Risiko und erhielt auch sämtliche aus dieser Sparte stammende Gewinne. 1962 erhöhte VW do Brasil seine Beteiligung an VVD de Crédito auf 80 Prozent.27 In diesem Jahr steigerte VW seinen Marktanteil auf gut 42% und übernahm damit die Marktführerschaft von 150

Asta Holler in São Paulo zwischen einem Vertreter der katholischen Kirche und Alfred Engling

Der Erzbischof von São Paulo und Christian Holler Ende der sechziger Jahre

Willy’s Overland, dem schärfsten Konkurrenten, hinter dem Renault stand.28 Um mehr Mittel für die Finanzierung von Volkswagen-Käufen bereithalten zu können, stimmte Wolfsburg 1965 einer Kapitalerhöhung um 540 auf 900 Millionen Cruzeiros zu, wovon den größten Teil VVD de Crédito aus eigenen Rücklagen zur Verfügung stellte.29 VW do Brasil nahm die Finanzierungsgesellschaft, die anfangs je zur Hälfte Volkswagen und dem VVD gehört hatte, zunehmend in die eigene Hand. Auch in den 60er Jahren reiste Christian Holler regelmäßig nach Brasilien und legte die Richtlinien für die Geschäftspolitik in dem südamerikanischen Land persönlich fest. Er besuchte wichtige Kunden und veranstaltete Empfänge für die Leiter deutscher Tochterunternehmen in Brasilien.30 Asta spielte die Rolle der Gastgeberin mit Bravour. 1964 brach in Brasilien die Demokratie zusammen; in den nächsten zwei Jahrzehnten herrschte eine zwischen 1967 und 1974 zunehmend repressive Militärdiktatur.31 In einem Land, dessen politisches System Patronage und Klientelwesen kennzeichneten, waren gute Beziehungen besonders wichtig. Geschäftsführer Alfred Engling, eine schillernde Figur, verstand sich auf deren Pflege und ließ sich in Brasilien mit etlichen Orden dekorieren. Vertreter der Holler-Gruppe wurden zu Empfängen geladen, wo sie wichtige Politiker und Vertreter des hohen Klerus trafen. Auf der Gehaltsliste des VVD Seguros stand als „Public Relations Com.“ ein pensionierter Oberst des berüchtigten militärischen Geheimdienstes Serviço Nacional de Informações do Brasil (SNI). Er machte sich nützlich, wenn er zum Beispiel bei der Zollkontrolle voranging. Die brasilianischen Beamten verzichteten dann auf eine Durchsicht des Gepäcks. Asta Holler führte gern hohe Dollarbeträge in ihrer Handtasche mit sich. Der Oberst kümmerte sich später auch darum, dass Spenden seiner Patronin für das Kinderdorf São Bernardo sicher dort eintrafen.32 Angesichts der hohen Gewinne, die der VVD im In- und Ausland machte, wurde nach der Teilprivatisierung des Volkswagenwerkes Anfang der sechziger Jahre im neu 151

Alfred Engling und der Public Relations Commissary von VVD Seguros

eingesetzten Vorstand erstmals die Frage diskutiert, ob die prosperierende Gesellschaft nicht ins Unternehmen zu integrieren sei. Auf einer Vorstandssitzung im Oktober 1961 vertrat Finanzvorstand Wolfgang Siebert die Ansicht, Versicherung wie auch Finanzierung der Fahrzeuge seien „Nebengeschäfte“ des Verkaufs. „Bei dem immer schärfer werdenden Wettbewerb sollte man natürlich auch die Versicherungskosten mit ins Kalkül ziehen, um der Konkurrenz voraus zu sein.“ Für jene Länder, in denen das Volkswagenwerk mit Tochtergesellschaften vertreten sei, habe man mit Holler verabredet, dass sich das Werk mit 51% an den VVD-Töchtern beteilige. Während Holler die Fachleute stelle und Volkswagen sich dessen „große Erfahrungen auf diesem Gebiet zu nutze machen“ könne, behalte Volkswagen „bestimmenden Einfluss auf die Gesellschaften“. Man müsse daher überlegen, ob es nicht „zweckmäßig“ sei, sich auch an der Wolfsburger Muttergesellschaft mit 51% zu beteiligen, handele es sich doch um eine „sehr gewinnträchtige Angelegenheit“. Doch Nordhoff fuhr seinem Stellvertreter in die Parade. Zweifellos liege es nahe, „die Volkswagen-Versicherung einheitlich zu gestalten“. Aber dieser Wunsch sei bisher „einseitig“, und „Herr Holler müsste nach dem Preis gefragt werden“. Vielleicht sei auch der jetzige Zustand besser als eine unmittelbare Beteiligung. Von Holler könne zudem nicht ohne weiteres erwartet werden, „dass er sich vom Einfluss auf eine allein von ihm geschaffene Organisation ohne entsprechende Gegenleistung“ zurückziehe. Nicht zuletzt würde es „große Beunruhigung“ nach sich ziehen, wenn man diese Frage, „die mit viel Takt und Vorsicht zu behandeln wäre“, jetzt stellte.33 Versicherungsangelegenheiten diskutierte der VW-Vorstand vorerst nicht mehr. Ende 1962, als es um die Frage ging, ob Volkswagen in den USA eine Versicherungsgesellschaft gründen sollte, vertrat Nordhoff die Ansicht, dass man „als Automobilfabrik überhaupt kein Versicherungsrisiko eingehen“ könne und dürfe.34 Als Carl H. Hahn 1962 und 1963 fortgesetzt darauf drängte, VW of America solle sich in den USA an einer Kfz-Versicherungsgesellschaft beteiligen, betonte auch Finanzvorstand 152

Verabschiedung des Generaldirektors – Nordhoff und Hahn 1962 in den USA

Siebert, zu dem Christian Holler inzwischen im Zusammenhang mit den Werksversicherungen guten Kontakt unterhielt, dass sich in Europa die Regelung, „über Gradmann & Holler und den VVD“ zu versichern, bewährt habe und von dieser Linie auch in den USA nicht abgewichen werden dürfe.35 Ausgerechnet der südafrikanische und der französische VVD, jene beiden Gesellschaften, an denen das Volkswagenwerk mit 51% beteiligt war, fuhren seit Mitte der sechziger Jahre Verluste ein.36 Das Interesse des Werkes, sich in der Versicherungsvermittlung zu engagieren, schien vorerst gedämpft. Die Namensführungsgebühren, die das Unternehmen vom VVD in der Bundesrepublik und seinen besonders erfolgreichen Töchtern in Österreich und Brasilien, aber durchaus auch von denen in Italien und Holland, England und der Schweiz alljährlich kassierte37, waren sichere Einnahmen, für die das Werk weder investieren noch etwas riskieren musste. Bereits Mitte 1965 teilte die Werksleitung dem VVD mit, dass man nicht die Absicht habe, von dem Recht Gebrauch zu machen, den Namensführungsvertrag zum 31. Dezember 1968 zu kündigen. Die Vereinbarungen sollten vielmehr bis zum 31. Dezember 1973 in Kraft bleiben und danach erstmalig mit einer Frist von einem Jahr auf diesen Termin kündbar sein.38 Das Verhältnis zwischen dem VVD und dem Volkswagenwerk erschien unverbrüchlich, und aufgeräumt schrieb Christian Holler Ende 1966 an Heinrich Nordhoff, die „Ergebnisse der Royalty-Verträge sind für ein Dienstleistungsgewerbe recht erfreulich und werden Ihnen sicher auch Freude gemacht haben“.39 Bis Ende 1967 entrichteten der VVD und seine ausländischen Töchter rund 20 Millionen DM an Namensführungsgebühren an das Volkswagenwerk. Dabei galt anscheinend fortgesetzt die Vereinbarung von 1949, dass der Versicherungsdienst jährlich 2% der von ihm eingenommenen Nettoprämie abführte. Als das Werk auf diese Vergütung vom 1. Januar 1968 an gut 9% Umsatzsteuer zu zahlen hatte statt wie bisher 4%, trug man dem VVD an, die Mehrbelastung hälftig zu übernehmen. Holler willigte ein.40 Im Frühjahr 1968 blickte der Wolfsburger VVD auf sein zwanzigjähriges Bestehen zurück, was zweifellos ein Grund zum Feiern gewesen wäre. Doch beließ man es dabei, 153

65. Geburtstag Heinz Nordhoffs: Gratulant Christian Holler, im Hintergrund Karl Tiedke

des 20. Februar 1948, als Heinrich Kurig die VVD GmbH ins Handelsregister hatte eintragen lassen, lediglich intern zu „gedenken“.41 Jede spektakuläre Festlichkeit, in deren Rahmen notwendig die Tatsache der wirtschaftlichen Eigenständigkeit der GmbH zur Sprache gekommen wäre, hätte womöglich schlafende Hunde geweckt. In den 50er und 60er Jahren wurde das Stammkapital der VVD GmbH regelmäßig erhöht und lag Ende 1968 bei 2 Millionen DM. Die Gewinne flossen an die Berliner Wertschutz GmbH. Als sich der Ost-West-Konflikt zuspitzte, bezweifelten die Eheleute Holler, ob es richtig sei, die VVD-Beteiligungen von einer Gesellschaft halten zu lassen, die ihren Sitz in Berlin hatte, der „Frontstadt“ des Kalten Krieges. Die Niederschlagung des Ungarn-Aufstandes von 1956 vor Augen und noch bevor sich die politische Weltlage weiter verschärfte, schaltete Christian Holler seiner Wertschutz GmbH, deren Stammkapital sich jetzt auf 100 000 DM belief, eine Muttergesellschaft in der als sicher geltenden Schweiz vor: Am 18. Januar 1961, als ahnte er den Bau der Berliner Mauer im August des Jahres, richtete Holler in Basel die mit einem verhältnismäßig kleinen Grundkapital von 100 000 CHF ausgestattete Assivalor AG ein. Er übertrug 90% der Geschäftsanteile der Berliner Wertschutz GmbH an die neue Gesellschaft, 10% blieben bei ihm. Dem fünfköpfigen Verwaltungsrat der Assivalor AG, dessen Mitglieder Holler ausgewählt hatte und dem er selbst präsidierte, gehörten gemäß geltendem Aktienrecht drei schweizerische Staatsbürger an. Der Verwaltungsrat bildete zugleich den Aufsichtsrat wie auch den Vorstand der Gesellschaft und entschied über alle Investitionen. Ein von der obersten eidgenössischen Steuerbehörde genehmigter Optionsvertrag gestand einerseits Holler das Recht zu, die Beteiligung der Assivalor AG an der Wertschutz GmbH ungeachtet ihres realen Wertes jederzeit zum Nennwert von 90 000 DM zurückzunehmen. Der Vertrag galt „unwiderruflich und unbefristet“. Andererseits erlaubte es ein sogenanntes „Andienungsrecht“ der Assivalor AG, Holler die Wertschutz-Anteile jederzeit und unbeschränkt auch gegen dessen Willen zurückgeben zu dürfen. Das wäre aber nur dann von Be154

Haus der Hollers in Grünwald bei München

lang gewesen, wenn die Wertschutz GmbH erheblich an realem Wert verloren hätte. Dass die schweizerischen Steuerbeamten gegen diese Konditionen nichts einwandten, zeugt davon, dass sie – unmittelbar vor der einsetzenden Massenmotorisierung – das Potential der Wertschutz GmbH unterschätzten. Die tatsächliche Entwicklung führte dazu, dass de facto alle Vorteile bei Christian Holler zu liegen kamen. Mit der Verlagerung eines beträchtlichen Teils seines Vermögens in die Schweiz befand er sich, wie immer sich die Dinge entwickeln sollten, auf der sicheren Seite. Die Statuten der Assivalor AG von 1961 wurden in den nachfolgenden Jahren „gehegt und gepflegt“.42 Neben den 90% an der Wertschutz hielt die Assivalor AG bald 35% an der Automotriz SA und 40,5% an der Inmuebles SA, zwei mexikanischen Gesellschaften, an denen Holler teilweise auch direkt beteiligt war, sowie 10% am VVD Wien und 49% am VVD Zürich. Der junge Jurist Peter Böckli engagierte sich laufend, vor allem nach Christian Hollers Tod, für das Fortbestehen des einmal gewährten Optionsrechts und blieb später als angesehener Advokat auch der Holler-Stiftung verbunden.43 Zu der Zeit, als die Hollers einen Großteil ihres Vermögens in die Schweiz verlagerten, entschlossen sie sich auch, innerhalb Münchens umzuziehen. 1960 begann der Bau der Kennedybrücke über die Isar, und in der Pienzenauerstraße war eine starke Zunahme des Verkehrslärms abzusehen. Die Wertschutz GmbH erwarb daher zwei Grundstücke von jeweils 4000 qm in der südlich von München gelegenen Gemeinde Grünwald. In deren Ortsteil Geiselgasteig hatte 1959 mit der Gründung der Bavaria Atelier GmbH die Renaissance der alten Filmgesellschaft eingesetzt. Wegen der Nähe zu den Studios siedelte sich viel Prominenz an, und Grünwald entwickelte sich zu 155

einem Nobelort. An der Gabriel-von-Seidl-Straße ließen die Hollers eine ansehnliche Villa errichten – wiederum nach Plänen Fritz August Breuhaus de Groots, der 1937 bereits ihr Berliner Landhaus entworfen hatte. „In einem ‚Breuhaus‘ zu residieren, stellt Bauherren und Bewohnern seit jeher ein ebenso wohlklingendes wie diskretes Zeugnis höchster gesellschaftlicher und finanzieller Potenz sowie erlesenen Geschmackes aus,“ heißt es in einem Porträt über den Architekten.44 Das gemeinsame Projekt des Hausbaus verband die Eheleute noch einmal, belebte die Erinnerung an die schönen Berliner Jahre. Doch in den Glückwünschen der leitenden Mitarbeiter zum Einzug schwang bereits Skepsis mit. Weil der Hausherr „Tag und Nacht und zu welcher Jahreszeit und in welchem Erdteil auch immer für das Wohl und Gedeihen der Firma tätig“ sei, würden „die geschäftlichen Dinge“ auch in Zukunft vor den Mauern seines Hauses keinen Halt machen; „my home is my castle“ gelte also nur eingeschränkt. Dennoch möge „innerhalb der schützenden Grenzen“ des neuen Anwesens in der von der Hausherrin geschaffenen Atmosphäre „liebevoll gestalteter Kultur das Banale der geschäftlichen Erörterungen“ zurücktreten.45 Eine Zeitlang lud Christian Holler an Sonntagvormittagen zu Herrenrunden in das repräsentative Haus ein. Dass in dieser Runde direkte Gespräche über „Geschäfte“ als Tabu galten46, dürfte ihren Wert für das Pflegen und Knüpfen von Verbindungen nur erhöht haben. Eigentümerin der Villa war die Wertschutz GmbH.47 Zu Beginn der sechziger Jahre erschien es den Hollers an der Zeit zu regeln, was mit ihrem Vermögen im Falle ihres Ablebens zu geschehen habe. 1963 setzten sich die Eheleute in einem gemeinsamen Testament, das ein nicht mehr vorliegendes von 1961 aufhob, „gegenseitig zum alleinigen unbeschränkten Erben“ ein, wobei der Überlebende als „freier Vollerbe des Zuerstversterbenden“ über das Vermögen verfügen durfte. Sie bedachten die Kinder und Enkel von Christians Schwester Anna sowie zwei Patenkinder mit Geldvermächtnissen in Höhe von jeweils 40 000 DM, wobei Neffe Felix, genau wie die Geschäftsführer von VVD Wolfsburg, VVD Seguros und Wertschutz, 100 000 DM erhalten sollte. Verdienten Mitarbeiterinnen der Wertschutz und von Gradmann & Holler standen 40 000 oder 50 000 DM zu. Für eine Freundin des Hauses, einen Hausmeister und eine Haushälterin hatten die Hollers jeweils 25 000 DM vorgesehen. Verwandte von Astas Seite wurden nicht bedacht.48 Für ihre Nichte Herta Mestre-Bukwich soll Asta Holler zu deren Hochzeit im Jahre 1955 ein Sparbuch angelegt haben, das diese aber nie erhielt.49 Das Testament von 1963 bestimmte Hollers Neffen Felix Reis als denjenigen, der, „wo Christian Holler Geschäftsführer ist, in dessen Stellung nachrücken“ sollte. Zu dieser Zeit vertrat Reis Gradmann & Holler in Argentinien. 1966 lehnte er das Angebot ab, die Firmen der Holler-Gruppe in Brasilien zu leiten. Stattdessen setzte er seine berufliche Laufbahn außerhalb des Hollerschen Imperiums fort und arbeitete zunächst als 156

freier Makler in Argentinien. 1968 ging er mit seiner Frau und seinen beiden in der Zwischenzeit geborenen Töchtern wieder nach Südafrika.50 Den Hollers galt er jetzt als Persona non grata. Zu Testamentsvollstreckern wurden der Düsseldorfer Wirtschaftsprüfer des VVD Georg Deter, Hollers Steuerberaterin Erika Meinhart-Stenger und der Vorstandsvorsitzende der Allianz AG Alfred Haase bestellt. Als Ersatzmann für Deter erscheint bereits der junge Berliner Wirtschaftsprüfer Dieter Schütze. Jedem Testamentsvollstrecker sollte eine „angemessene Vergütung“ von 10 000 DM zustehen. Als alleinigen Erben des zuletzt sterbenden Ehegatten sah das Testament bereits eine Stiftung vor: „Der Überlebende von uns errichtet … unter dem Namen Christian C. und Asta Holler Stiftung eine rechtsfähige öffentliche Stiftung des bürgerlichen Rechts…“ Es forderte, die zum Nachlass des Ehemannes gehörenden Beteiligungen an der Wertschutz GmbH und an der Assivalor AG „solange wie möglich“ für die Stiftung zu erhalten und nicht zu veräußern; nur deren Erträge sollten für die Aufgaben der Stiftung verwendet werden. Eine dem Testament beigegebene Satzung hielt deren Zwecke fest. Zur einen Hälfte sollten die Mittel an den „SOS-Kinderdorf e. V.“ fließen. Ende der 40er Jahre war auf Initiative des Vorarlbergers Hermann Gmeiner in Innsbruck ein Hilfswerk für Waisenkinder gegründet worden und oberhalb der Tiroler Ortschaft Imst seit 1950 das erste Kinderdorf entstanden. In Österreich fand das einleuchtende Konzept „Mutter-Geschwister-Haus-Dorf“ rasch die Unterstützung tausender regelmäßiger Kleinspender; auch erste vermögende Einzelspender ließen sich bald gewinnen. Der von den Hollers 1963 bedachte „SOS-Kinderdorf e. V.“ war Anfang 1955 in München gegründet, das erste deutsche Kinderdorf 1958 in Dießen am Ammersee eröffnet worden. Die Hollers kannten Hermann Gmeiner, der in ihrem Münchener Haus als Gast verkehrte.51 Offenbar überzeugte dessen soziale Vision das kinderlose Ehepaar. Die Stiftungssatzung von 1963 erwähnt eigens die von Gmeiner angestrebte „Erziehung im Geiste der christlichen Sittenlehre“. Mit der anderen Hälfte der Stiftungsausschüttungen wollten die Hollers in Bayern ansässigen „bedürftigen Begabten“ ein Hochschulstudium ermöglichen, „ohne Ansehung des Geschlechtes, der Rasse, der Nation, der Religion und der Person“. Ausdrücklich nennt die Satzung die Finanzierung von Studienreisen und Studienaufenthalten im Ausland. Die jungen Menschen sollten die Chance bekommen, „sich mit ganzer Kraft dem Studium zu widmen“. Der „Sputnikschock“ hatte Ende der 50er Jahre in der westlichen Welt eine Diskussion über die Effizienz der Bildungssysteme ausgelöst, und es wurde gefordert, diese zu steigern. Die „Stiftung Volkswagenwerk“, die ihre Entstehung im Jahre 1960 ebenfalls nicht zuletzt dieser Debatte verdankte52, mag die Hollers zu ihrer Entscheidung angeregt haben. Denkbar ist auch, dass sie „bedürftigen Begabten“ einen Weg ebnen wollten, den sie selbst nicht hatten beschreiten können. Über die 157

Annahme von Unterstützungsanträgen sollte ein Stiftungskuratorium entscheiden, dem die Satzung zumindest in dieser Hinsicht Handlungsautonomie einräumte.53 Die Stiftungssatzung von 1963 enthält konkrete Vorgaben, wie das nicht näher spezifizierte „Grundstockvermögen“ in seinem Bestand dauernd zu erhalten sei. Es müsse „zur Hälfte in Rentehäusern54 und zur anderen Hälfte in guten Aktien deutscher und ausländischer Unternehmen“ angelegt werden, nicht jedoch „in Pfandbriefen und Industrieobligationen“. Als Organe der Stiftung schrieb die Satzung einen Vorstand als gesetzlichen Vertreter sowie ein fünfköpfiges Kuratorium vor. Bei dessen Besetzung galt noch das Prinzip, Vertretern der Begünstigten Verantwortung zu übertragen. Daher sollten ihm der erste und der zweite Vorsitzende des SOS-Kinderdorf e. V. angehören sowie je ein Vertreter der Universität und der Technischen Hochschule München, zu bestimmen jeweils vom Senat dieser Hochschulen. Den Vorsitz im Kuratorium sollte ein Vorstandsmitglied einer bedeutenden privaten Versicherungsgesellschaft übernehmen, zu benennen vom Stiftungsreferenten der Stadt München. Schließlich enthält die Satzung eine detaillierte Geschäftsordnung für das Kuratorium und beschreibt dessen Aufgaben. Es konnte den Stiftungsvorstand berufen, und seine Mitglieder sollten ehrenamtlich arbeiten, lediglich Barauslagen erstattet bekommen. Die Stiftung hatte aus ihrem Reinertrag „vorweg das Grab des Stifters und seiner Ehefrau in würdiger Weise zu erhalten und zu pflegen“.55 Sollten die Hollers den Wunsch gehegt haben, mit der Stiftung „der Nachwelt etwas Bleibendes zu hinterlassen“, teilten sie dieses Motiv mit vielen kinderlosen Stiftern.56 Nicht mehr vorhandene Verfügungen aus den Jahren 1964, 1966 und 1968 modifizierten das Testament von 1963.57 Jenes vom September 1966 hob die Regelung auf, dass der in Ungnade gefallene Neffe Felix Reis die Nachfolge Christian Hollers antreten sollte; auch das für ihn angesetzte Geldvermächtnis fiel nun weg.58 Im Juni 1968 wurden weitere Vermächtnisse geändert. Christian und Asta Holler gingen inzwischen häufig getrennter Wege. Asta hielt sich viel auf Ischia auf; nachdem das eigene Haus, das man dort besessen hatte, verkauft worden war, in einem Hotel. Zu offiziellen Anlässen traten beide noch gemeinsam an. Aber wenn Christian Holler auch ein festes Verhältnis zu einer anderen Frau pflegte, verband die Eheleute die Entscheidung, das gemeinsame Vermögen nach ihrem Tod in eine wohltätige Stiftung fließen zu lassen. Ende 1966 brach sich Christian Holler in Buenos Aires bei einem Autounfall das rechte Bein. Er erholte sich davon nicht mehr richtig, sondern „wurde immer weniger“.59 Auch die Armverletzung aus dem Ersten Weltkrieg machte ihm zunehmend zu schaffen.60 Er trat etwas kürzer. Verhandlungen mit Kunden und Versicherungsgesellschaften überließ er häufiger seinen erfahrenen Mitarbeitern. Doch bestimmte er weiterhin „die Richtlinien der Politik“. Das Geschehen an der Börse verfolgte er nach 158

wie vor mit großem Interesse und ordnete an, welche Aktien durch seine „Vermögensholding“, die Wertschutz GmbH, zu kaufen, welche abzustoßen seien.61 Ein Grundstück an der portugiesischen Atlantikküste, das er einst erworben hatte, um hier seinen Lebensabend zu verbringen, blieb unbebaut. Seiner Geliebten hatte Christian Holler Anfang 1967 einen verschlossenen Umschlag überlassen, in dem sich ein auf den 7. Januar datierter Barscheck über 100 000 DM befand. Die Begünstigte sollte diesen „nach seinem Ableben“ einlösen, um sich mit dem Geld „frei von fremder Hilfe“ eine „eigene Existenz aufbauen“ zu können.62 Für datierte Barschecks gilt eine Vorlegungsfrist von acht Tagen. Dem Aussteller, im Bankwesen versiert, dürfte dies bekannt gewesen sein. Heinrich Nordhoff, ein Jahr älter als Christian Holler, erlitt im Frühjahr 1967 einen Herzinfarkt. Der Aufsichtsrat stellte ihm als designierten Nachfolger Kurt Lotz an die Seite, der bis dahin den Mannheimer Elektrokonzern BBC geleitet hatte. Nach einem weiteren Herzinfarkt im Sommer traf Nordhoff ein Schlaganfall. Lotz leitete während der Abwesenheit des Generaldirektors bis Ende Oktober die Sitzungen des Vorstands, straffte die Diskussionen und ließ klare Beschlüsse fassen. Obwohl Nordhoff den Vorsitz noch offiziell innehatte, schwand sein Einfluss. Viele, die den Generaldirektor in den Jahren seiner spektakulären Erfolge gefeiert hatten, kritisierten inzwischen beißend dessen Versäumnisse.63 Ungeachtet etwaiger geschäftlicher Nachteile in der Zukunft verbot Christian Holler sich jeden Opportunismus und stand zu Heinz Nordhoff, was dieser ihm hoch anrechnete.64 Ein Schreiben der Frankfurter an die Maschinenabteilung der Generaldirektion der Allianz in München machte deutlich, was die Zeitgenossen erwarteten. „Mit dem Nachlassen des persönlichen Einflusses von Herrn Prof. Nordhoff und aufgrund der Bestrebungen der Versicherungsabteilung und der Kraftwerks-Leitung (…) müssen wir aber jetzt damit rechnen, dass auch andere Gesellschaften beim VW-Werk zu Gehör kommen.“ Weil die Verbindung der Frankfurter zum Volkswagenwerk stets „eine besonders enge und freundschaftliche“ gewesen war, hatte man die Kontinuität der Geschäftsbeziehungen bis dahin für selbstverständlich gehalten. Der Empfänger des Schreibens schien den Wandel nicht zu begreifen, als er handschriftlich anmerkte: „Lotz ist doch AR-Mitglied der Allianz!“65 Doch persönliche, auf Treu und Glauben fußende Beziehungen sollten in Zukunft eine immer geringere Rolle spielen. Im April 1968 starb Heinrich Nordhoff. In Brasilien erkrankte Bobby Schultz-Wenk unheilbar und musste die Führung des Werkes dem von der Auto Union abkommandierten VW-Manager Rudolf Leiding überlassen.66 Eine Ära ging zu Ende. Als Indiz dafür, dass nach Nordhoffs Tod und Schultz-Wenks Erkrankung die Karten neu gemischt werden sollten, mag auch das Bemühen des Werkes gelten, die von Holler gegründete VVD de Crédito in Brasilien vollends zu übernehmen. Rudolf Leiding, 159

Christian Holler im September 1969

der Ende 1968 als neuer Generaldirektor von VW do Brasil an die Stelle Schultz-Wenks getreten war, forderte Mitte 1969 für VW-Kunden die Möglichkeit, „praktisch ohne Anzahlung (zu) kaufen“. „Schon deshalb“ sei ein erhöhter Kapitaleinsatz bei der VVD de Credito nötig. Herrn Engling habe er vor einigen Tagen „beiläufig davon in Kenntnis gesetzt“, dass VW do Brasil in Zukunft bei der VVD Credito „auf jeden Gewinn verzichten“ wolle, und er wisse, dass Engling „Herrn Holler entsprechend berichtet“ habe. „Vielleicht erleichtert das Ihre Gespräche mit Herrn Holler. Wir hätten natürlich auch die Möglichkeit, mit den Leistungen der VVD Credito an die äußerste Grenze zu gehen, um das Interesse der Gruppe Holler weiter zu dämpfen.“67 Am 11. September 1969, als zum Auftakt der Internationalen Automobilausstellung in Frankfurter/Main der traditionelle Empfang der Firma Gradmann & Holler stattfand, versammelte Christian Holler zum letzten Mal seine Geschäftspartner um sich. Ein Foto zeigt ihn als kranken Mann. Er selbst aber hielt sich für „vollkommen gesund“. Mitte Oktober suchte er wegen einer akuten Bronchitis einen Arzt auf und ließ sich mit Medikamenten versorgen. Dann traten Herzrhythmusstörungen auf, und er fühlte sich allgemein schwach. Um die Symptomatik abklären zu lassen, begab er sich am 20. Oktober in Berlin in stationäre Behandlung. Die Ärzte stellten einen ausgedehnten Anterolateral-Infarkt fest und veranlassten eine EKG-Dauerüberwachung. Ein „ausgesprochen delirantes Bild“, das sich in den nächsten Stunden entwickelte, interpretierten sie als „Alkoholentzugs-Delirium“. In den Morgenstunden des nächsten Tages erlitt Holler einen Kreislaufkollaps, der sich aber rasch beheben ließ. Im Laufe des dritten Tages besserte sich sein Zustand zusehends; Holler wurde „bewusstseinsklar“, der Blutdruck normalisierte sich, und er fühlte keine Beschwerden. Doch abends kam es plötzlich zu einem Herzstillstand. Der Patient verlor das Bewusstsein, und sein Atem setzte aus. Reanimationsmaßnahmen blieben ohne Erfolg. Auch wenn der Obduktionsbefund Christian Holler nachträglich eine höchst labile Gesundheit 160

attestierte68, kam der Tod am 22. Oktober 1969 für seine Mitmenschen unerwartet. Asta Holler hatte auf Ischia vom kritischen Gesundheitszustand ihres Ehemannes erfahren. Als sie in Berlin eintraf, lebte er nicht mehr. Noch am 23. Oktober erkundigte sie sich bei seiner Geliebten nach „eventuellen Forderungen“. Diese verneinte, trüge sie doch bereits die Quittung einer Bank in der Tasche, bei der sie den ihr einst überlassenen Scheck eingelöst habe. Zwei Tage später stellte sich allerdings heraus, dass die Bank sich weigerte, das Geld auszuzahlen, weil die Vorlegungsfrist des Barschecks um Jahre überschritten war.69 Asta Holler, die Alleinerbin, genehmigte eine nachträgliche Einlösung des Schecks. Die Anzeige, mit der die Firma Gradmann & Holler den Tod ihres Mitbegründers und persönlich haftenden Gesellschafters bekanntgab, erhielt den Aufruf, „statt vorgesehener Kranzspenden“ Geld für die SOS-Kinderdörfer auf ein Sonderkonto bei der Bayerischen Hypotheken- und Wechselbank zu überweisen. Es gingen an die 300 mehr und weniger hohe Spenden ein, aber auch rund 50 Kränze von Firmen und Privatpersonen, deren Schleifen von Christian Konrad Hollers weltweitem Engagement zeugten. Am 3. November fand auf dem Grünwalder Friedhof die Trauerfeier statt.70 Den VVD vertraten lediglich Karl Tiedke und Günther Obst. Tiedke war über Nacht von Wolfsburg angereist und hatte sein Schlafwagenabteil mit einem Kranz von sich und seiner Frau geteilt.71 Allianz-Vorstand Ernst Meyer und Walther Leisler Kiep hielten die Trauerreden. Anschließend richtete die Firma Gradmann & Holler einen Stehempfang im Hotel Continental aus. Heinz Müller, der seit über zwei Jahrzehnten in Berlin die Geschäfte der Wertschutz GmbH geführt hatte, konnte nicht nach München reisen. Die Aufregung im Zusammenhang mit dem Tod Christian Hollers hatte den ohnehin schwer leberkranken Mann so mitgenommen, dass er ins Krankenhaus musste.72 Friedrich Wilhelm Schultz-Wenk starb noch im selben Jahr.73 Das gemeinsame Testament der Eheleute Holler war eindeutig. Die Holler-Gruppe gehörte nun der Witwe. Ihr oblag es, das Vermögen, welches in den letzten zwei Jahrzehnten überwiegend mit der Vermittlung von Kfz-Versicherungen verdient worden war, mit ihrem Tod einer Stiftung zu übertragen.

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12. Bewahrung des Vermögens

Christian Holler war überraschend gestorben. Zwar handelte es sich bei seinen Mitarbeitern im Düsseldorfer Büro und auch bei den Geschäftsführern der Gesellschaften der Holler-Gruppe um kompetente und erfahrene Leute – doch letzte Entscheidungen gefällt, das Ganze im Blick gehabt und gelenkt hatte stets Christian Holler. Seine Autorität beruhte auf den Erfolgen mehrerer Jahrzehnte; die Loyalität der Mitarbeiter auf allen Ebenen galt zu einem beträchtlichen Teil seiner Person. Nun klaffte im Zentrum dieses Imperiums eine Lücke. Konnte diese Mitte unbesetzt bleiben? Genügte es, wenn die Geschäftsführer wie gehabt ihren Aufgaben nachgingen und sich dabei kollegial abstimmten? Noch vor Hollers Beerdigung knapp zwei Wochen nach seinem Tod wurden an seine Witwe und Alleinerbin von verschiedenen Seiten Probleme und Wünsche herangetragen. Unter Berufung auf angebliche mündliche Zusagen Hollers oder langjährige Arbeitsschwerpunkte, etwa die Betreuung des brasilianischen VVD Seguros im Zusammenhang mit der Vermittlung von Industrieversicherungen oder eine Aufgabe bei der Versicherung von Fahrzeug-Transporten für das Volkswagenwerk, wurden Ansprüche auf Geschäftsanteile am VVD erhoben. Asta Holler wiederum schien nicht gewusst zu haben, dass der Status ihres Mannes bei Gradmann & Holler nicht einfach auf sie überging. Als sie in der Münchner Niederlassung der Firma in der Brienner Straße dessen Schreibtisch übernehmen, sich auch bereits in Personalangelegenheiten einmengen und nicht akzeptieren wollte, dass der Niederlassungsleiter sich dagegen verwahrte, wurde sie von Erich Gradmann fernmündlich auf ihre beschränkten Rechte als Kommanditistin hingewiesen und gab sich schließlich geschlagen.1 Am 1. November 1969, ebenfalls noch vor Christian Hollers Leichenfeier, erhielt Asta Holler einen Brief von Heinz Müller, verfasst im Krankenhausbett. Der Geschäftsführer der Wertschutz wollte der Witwe einen „Gesamtüberblick“ verschaffen, damit sie „Gegenwart und Zukunft“ ihrer Unternehmensgruppe „mit den Augen Ihres Mannes“ sehen könne. Er klärte sie zunächst über das Verhältnis der Holler-Gruppe zur Maklerfirma Gradmann & Holler auf. „Herr Holler“ habe immer auf einer klaren Trennung zwischen den beiden Gruppen bestanden. „Mehr oder weniger massive Versuche“ der beiden Juniorpartner von Gradmann & Holler, Anteile an der HollerGruppe zu erwerben, habe er immer – „ich möchte fast sagen hohnlächelnd“ – abgewiesen und ihm, Müller, dann eher amüsiert davon berichtet. Müller erläuterte der Witwe, dass, außer in Brasilien, wo bei Pallas Beteiligungen von „Gradholl“2 und VVD zusammenträfen, oder „an der Peripherie“, etwa in Mexiko, die Holler-Gruppe in keiner „wirtschaftliche(n) oder auch nur sachliche(n) Verbindung mit der Maklerfirma Gradmann & Holler“ stehe. Wo beide Firmen zusammenarbeiteten, hätten die jeweiligen Verantwortlichen sich stets problemlos abgestimmt; daher wundere es ihn, dass man dieser Tage mit „Pseudoproblemen“ an Asta Holler herantrete. „Wenn 163

Heinz Müller – Ratgeber der Witwe Christian Hollers

dieses Vorgehen Methode annimmt, müsste man wohl mit der Faust auf den Tisch schlagen … das würden wir mit Vergnügen übernehmen.“3 Im Hauptteil seines Briefes ging Heinz Müller auf den VVD ein. Der gegenwärtige Vertrag mit dem Volkswagenwerk über die Namensführung laufe noch vier Jahre. Es sei aber zu befürchten, dass „nach Ende der Ära Nordhoff“ das Volkswagenwerk wenn nicht den VVD insgesamt, so doch „zumindest die Majorität“ werde übernehmen wollen. Zum Kündigungstermin müsse man sich auf Verhandlungen einrichten und bis dahin den Wert der Geschäftsanteile der VVD GmbH von einer neutralen Wirtschaftsprüfergesellschaft ermitteln lassen. Wie Müller „von Herrn Tiedke persönlich“ erfahren habe, sei diesem „der VVD im Werksbesitz mindestens so lieb … wie im privaten Besitz“. Tiedke werde also in diesem Zusammenhang die Interessen der Holler-Gruppe nicht wahrnehmen können. Auch Versuche „Herr(n) Kiep(s)“, gegenüber dem VW-Vorstand „Interessen von Gradmann & Holler mit Interessen der Wertschutz-Gruppe (zu) verbinden“, seien von dem Verstorbenen „stets mit größtem Nachdruck verhindert worden“. Müller riet Asta Holler, „das in zwanzig Jahren bewährte Prinzip Ihres Mannes“ aufrechtzuerhalten: Wenn Fragen von grundsätzlicher Bedeutung mit dem Volkswagenwerk zu verhandeln seien, dürfe sie sich weder durch die Juniorpartner von Gradmann & Holler noch durch die Geschäftsleitung des VVD vertreten lassen. Deren persönliche Interessen stünden dem entgegen. Auch Alfred Engling, der Geschäftsführer in Brasilien, komme als Sachwalter der Holler-Gruppe nicht in Frage. Er sei für Aufgaben, „die einer Vertraulichkeit bedürfen“, nicht geeignet. Seine Bestellung zu einem Geschäftsführer der Wertschutz sei lediglich das „Etikett“ für die Zahlung einer monatlichen Beihilfe von 500 DM gewesen. Christian Holler habe sicherlich gute Gründe dafür gehabt, „alle Vorfälle der WertschutzGeschäftsführung“ von Engling fernzuhalten, und auch bereits mit VW-Chef Kurt Lotz darüber gesprochen, ob er einer „Freigabe des Herrn Dr. Solzer“, der den VWKonzern noch in Australien vertrat, zustimmen würde, damit dieser in Brasilien Englings Nachfolge antreten könnte. Heinz Müller, der Christian Holler zweifellos nahe 164

gestanden hatte, bot mit diesem Brief die Wertschutz GmbH als Zentrum für das Hollersche Imperium an und forderte die Witwe auf, ihm ihr Vertrauen zu schenken.4 Noch 1969 ließ Asta Holler sich zum Geschäftsführer der Wertschutz GmbH bestellen, berechtigt, die Gesellschaft allein zu vertreten. Als erstes beförderte sie Günther Obst zum 1. Dezember 1969 vom stellvertretenden zum mit Tiedke gleichgestellten Geschäftsführer des VVD. Tiedke war der Tod Christian Hollers schwer angekommen; er ergab sich vollends dem Alkohol und endete in der Abhängigkeit.5 Karl Tiedke hatte das Unternehmen in direkter Abstimmung mit Christian Holler geführt. Als Günther Obst aufrückte, gab es eine Art Doppelspitze. Dieses Schema wurde in den nächsten Jahrzehnten beibehalten. Mit Obst, einem Versicherungstechniker par excellence, dessen Stärken als akribischer Organisator ebenfalls außer Frage standen, schuf Asta Holler sich einen Adlatus, der ihren autokratischen Stil goutierte und seinerseits entsprechend in den VVD hineinregierte. Christian Holler hatte kurz vor seinem Tode eine Umstrukturierung der brasilianischen Firmen der Holler-Gruppe gewünscht, um deren Schlagkraft zu verbessern. Günther Obst war für drei Monate nach Brasilien gereist, um Hollers Anliegen ins Werk zu setzen. Das Resultat war umstritten. Geschäftsführer Alfred Engling beklagte sich wegen „unpassender Einmischung“ durch Obst. Doch Christian Holler starb, bevor er hätte einschreiten können.6 Auch andere Beteiligte fanden, Obst sei über das Ziel hinausgeschossen und habe Firmen liquidiert, die der Gruppe fortgesetzt von Nutzen hätten sein können; er habe „die prosperierende Vielfalt“ des dortigen Geschäfts zerschlagen.7 Asta Holler soll den Erlös aus der Liquidation der brasilianischen Firmen in die Zukunft des VVD investiert haben. Günther Obst hielt jedes Alltagsgeschäft von seiner Chefin fern. Doch so wenig sie ihm „von oben“ hineinredete, würdigte oder förderte Obst Eigeninitiative bei den Mitarbeitern des VVD. Die Befugnisse der Prokuristen waren überaus eng definiert; täglich um 17 Uhr ließ Obst sie zum Rapport antreten. Der unzeitgemäße Führungsstil leistete einer Verkrustung des VVD Vorschub.8 Personell herrschte im VVD stets starke Kontinuität. In den siebziger Jahren und auch in der zweiten Hälfte der Achtziger gab es vier stellvertretende Geschäftsführer. Noch 1969 trat Asta Holler auch in die Position der Präsidentin des Verwaltungsrates der Assivalor AG in Basel ein und beteiligte sich fortan „intelligent an allen Entscheidungen“. Das ihrem Mann 1961 zugestandene Optionsrecht ging uneingeschränkt auf sie als Alleinerbin über. Namens des Verwaltungsrates der Assivalor AG wurde Peter Böckli in den nächsten Jahren regelmäßig schriftlich oder persönlich bei der Eidgenössischen Steuerverwaltung vorstellig und vergewisserte sich, dass das 1961 erteilte Optionsrecht fortgesetzt galt.9 Die Bilanzsumme der Assivalor hatte, als 165

Christian Holler starb, gerade einmal 24 Millionen CHFr betragen und stieg auch bis 1972 erst auf 35 Millionen CHFr an.10Asta Holler nannte Ursula Hug, die Direktorin der Assivalor, die dem Verwaltungsrat über Jahrzehnte akribisch und loyal zuarbeitete, „Huglein“ und machte die qualifizierte Frau auf diese Weise klein. Seit 1978 gehörte Cyrill Bürgel dem Verwaltungsrat der Assivalor AG an. August von Finck, der den Vermögensfachmann wegen seines selbstlosen sozialen Engagements schätzte11, hatte ihn Asta Holler vermittelt. Als Jurist betreute Bürgel die Vermögen einiger schweizerischer Familien und hatte sich dabei auch einen Namen als Stiftungsberater gemacht. Dass Asta Holler ihren Berliner Steuerberater Dieter Schütze 1978 bat, „die sich nach deutschem Recht ergebenden steuerlichen Konsequenzen zu prüfen“, welche die Gründung einer Stiftung nach schweizerischem Recht mit sich brächte, ging wahrscheinlich auf eine Anregung Cyrill Bürgels zurück.12 Heinz Müller, der das Krankenhaus nicht mehr verließ, starb im Februar 1970. Gerd Müller und Hans-Joachim Suchi waren bereits im Januar zu stellvertretenden Geschäftsführern der Wertschutz ernannt worden.13 Mit Heinz Müllers Tod fiel für Asta Holler die Option weg, der Wertschutz die Gesamtleitung der Gruppe anzuvertrauen. Wider Erwarten entschloss sie sich, selbst in die großen Schuhe Christian Hollers zu steigen. Mancher, der sie bis dahin an der Seite ihres Mannes als zuständig für den „gesellschaftlichen“ Teil des Geschäftes kennengelernt hatte, wunderte sich, dass die begüterte Frau, die gerade ihr 65. Lebensjahr vollendete, nicht einen beschaulichen Lebensabend in Luxus vorzog. Sie „hätte aus ihrem Leben was machen können“14, habe es doch „nicht nötig“ gehabt, sich selbst um die Geschäfte zu kümmern.15 Die Witwe Christian Hollers legte fortan Wert darauf, mit „Gnädige Frau“ angeredet zu werden. Asta Holler lebte weiterhin in Grünwald. Im Gebäudekomplex des Arabella-Parkhotels in München richtete sie ein Büro ein, das der VVD als „Außenstelle“ führte. Sie verwendete die verbliebenen Briefbögen ihres Mannes und ließ oberhalb von dessen Namen jeweils FRAU ASTA HOLLER schreiben. Die Buchhalterin Hella StadelmayerMuttar, eine Vertraute ihres Mannes, die er im Zweiten Weltkrieg bei der Luftwaffe kennengelernt hatte, beschäftigte sie weiter. Asta Holler selbst beschrieb ihren Status gegenüber einem Fremden 1975 knapp so: Sie habe „verschiedene Büros, das Ganze zusammengefasst in einer Holding, und der Chef der Holding bin ich“.16 In den „verschiedenen Büros“, vornehmlich in Berlin und Wolfsburg, Basel und São Paulo arbeiteten kompetente Geschäftsführer, die bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben von der Eigentümerin weder ernsthaft kontrolliert noch angeleitet werden konnten. Dazu fehlten ihr Erfahrung und Detailkenntnis. Nicht selten mussten die Geschäftsführer taktvoll Einwände oder Vorschläge zurückweisen, die an den zu lösenden Problemen vorbeizielten. Auch wenn sie sich in viele Themen einarbeitete, war Asta Holler klug genug, nicht den Anspruch zu erheben, in kaufmännischen Dingen 166

Empfang am Flughafen – Asta Holler und Gerd Müller

als große Strategin zu wirken. Sie setzte nicht auf Sachverstand, um führende Mitarbeiter oder Geschäftspartner für sich einzunehmen. Überzeugend wirkte vielmehr ihre Entschiedenheit, das, was ihr Mann aufgebaut hatte, solange sie lebte weiterzuführen. Jeder spürte, dass sie das „wirklich zu ihrer Herzenssache“ gemacht hatte.17 Asta Holler zeigte „Präsenz“18 und reiste regelmäßig – vorzugsweise mit dem Flugzeug – nach Wolfsburg und Berlin, Wien und Mailand, Amsterdam und São Paulo. Sie besaß eigene Geschäftszimmer bei den Tochtergesellschaften und stand auf deren Gehaltsliste, so dass zumindest ein Teil ihrer Einkünfte nicht als steuerlich unvorteilhafter „passiver Erwerb“ zählte. So entlohnte sie zum Beispiel der VVD-Wien für eine „Konsulententätigkeit“.19 Wenn Asta Holler die Niederlassungen besuchte, liebte sie es, in erstklassigen Hotels abzusteigen und immer dieselben Suiten zu bewohnen. Die ortsansässigen Geschäftsführer wurden verpflichtet, mit ihr Essen zu gehen, wobei ihre Unsicherheiten betreffend die Etikette, Zerwürfnisse mit dem Personal oder ihr gelegentlich überhebliches, bisweilen unberechenbares Gebaren von manchen, die dabei waren, amüsiert und tolerant, von anderen abfällig und schadenfroh kolportiert werden. Geschäftsführer des österreichischen VVD erinnern sich, dass Asta Hollers Verhältnis zu Louise Porsche-Piëch, der sie zu Lebzeiten ihres Mannes freundschaftlich verbunden gewesen war, zunehmend gefror, wobei es Asta Holler gewesen sei, die regelmäßig gehässige Attacken gegen die Gleichaltrige geritten habe, die ihr in so vielem voraus war.20 Asta Holler orientierte sich an ihrem verstorbenen Ehemann, wenn sie es sich zum Prinzip machte, guten Kontakt zu „wichtigen“ Leuten zu halten. Als Ehefrau des Industriemaklers Christian Holler war sie es gewohnt, sich in exklusiven Kreisen zu bewegen. Wie Holler, dessen gleichermaßen präzis argumentierende wie stilvolle und charmante Briefe bekannt waren, bevorzugte auch sie dieses Medium. Zu besonderen Anlässen und solange ihre Gesundheit es erlaubte, schrieb sie mit der Hand. Die noch wenig ausgeprägte, eher brave Feder aus der Zeit, als sie „Christl“ illustrierte Liebes167

briefe schickte, hatte sich zu einer kräftigen, ja, harten, absolut unverwechselbaren Handschrift ausgebildet. Dass die brieflich gepflegten Kontakte zugleich ein gewisses Maß an Geselligkeit provozierten, woran der zunehmend vereinsamenden Asta Holler gelegen war, bildete einen willkommenen Nebeneffekt. „Kontaktpflege“ dürfte auch bei Christian Holler nicht nur aus Dialogen bestanden haben, die das Geschäft im engeren Sinne betrafen – und diesem gleichwohl zugute gekommen sein. Während der zwei Jahrzehnte, die Asta ihren Mann überlebte, lösten bei der Volkswagen AG in Wolfsburg vier Vorstandsvorsitzende einander ab. Korrespondenz Asta Hollers mit Kurt Lotz, der Nordhoff direkt gefolgt war, ist nicht überliefert. Doch dessen Nachfolger Rudolf Leiding kannte sie aus der kurzen Zeit, als er die brasilianische VW-Tochter aus der Krise geführt hatte. Er war ihr dort nach dem Tod ihres Mannes verständnisvoll begegnet, und sie bedankte sich noch Jahre später bei ihm dafür, dass er 1970 „dagewesen“ sei. In das selbe Jahr fiel auch die von VW do Brasil maßgeblich unterstützte Gründung der Kinderdorfes São Bernardo do Campo etwa 35 Kilometer südöstlich von São Paulo. Asta Holler stiftete die ersten fünf von später insgesamt zwölf Familienhäusern. Eines nannte sie „Haus Christian“, ein anderes „Haus Asta“.21 Mit Spenden beteiligte sie sich am weiteren Aufbau sowie am laufenden Unterhalt der Einrichtung, die sich bald der SOS-Kinderdorf-Organisation anschloss. Der gemeinsame Einsatz für das Kinderdorf São Bernardo do Campo, auf den Leiding später auch ausdrücklich einging22, verband Asta Holler mit dem VW-Manager. Als Leiding im Frühjahr 1971, wiederum als Troubleshooter, nach Deutschland zurückkehrte, um den Vorsitz des Vorstandes der Audi NSU Auto Union AG in Ingolstadt zu übernehmen, gratulierte sie ihm „mit einem lachenden und einem weinenden Auge“ und bekannte ihren Kummer darüber, dass er nun nicht mehr in Brasilien sei, sie dort nicht mehr zu ihm „kommen“ könne und er Freunden wie Gesprächspartnern fehlen werde. Er, der „ungekrönte König von Brasilien“, habe „drüben das Werk wieder flottgemacht“.23 Nach Leidings Berufung zum Vorstandsvorsitzenden in Wolfsburg im Herbst 1971 schickte Asta Holler Blumen und einen Brief, schrieb zu Weihnachten und zum Neuen Jahr; doch es dauerte lange, ehe der vielbeschäftigte Unternehmensleiter ihr einen Termin gewährte. Durch den VVD hatte Asta Holler Leidings Geburtsdatum ermitteln lassen und welche „Liebhabereien“ er pflege.24 Am 4. September 1974 feierte er seinen 60. Geburtstag. Auf dem Empfang entstand ein Foto, das Asta Holler in einem angeregten und offenkundig einvernehmlichen Gespräch mit dem Vorstandsvorsitzenden zeigt und das der VVD etliche Jahre später, als er sein 40-jähriges Jubiläum feierte, für geeignet hielt, seine enge Verbundenheit mit dem Volkswagenwerk zu belegen. Solange Leiding das Unternehmen leitete, scheint er auf Asta Hollers regelmäßig übermittelte gute Wünsche und Geschenke nur der Höflichkeit halber eingegangen zu sein. Als er An168

60. Geburtstag Rudolf Leidings 1974

fang 1975 aus dem VW-Vorstand ausschied und ihr dies in einem persönlichen Schreiben mitteilte, bekundete Asta Holler in einem längeren Brief temperamentvoll ihr Bedauern und pries Leidings Leistungen, die erst nach dessen Ausscheiden in Verkaufserfolge umschlugen. Zum Geburtstag und zu Weihnachten erreichten ihn auch in den nächsten Jahren Briefe, Telegramme und Blumen von Asta Holler, für die er und seine Frau sich regelmäßig bedankten.25 Als im Februar 1975 Toni Schmücker Leidings Nachfolge antrat, hieß es, er habe den zu dieser Zeit wohl „schwersten Job in der deutschen Industrie“ übernommen.26 Schmücker war Asta Holler bis dahin unbekannt. Sie ließ sich sogleich seine biografischen Daten zusammenstellen. Auch dem neuen Vorstandsvorsitzenden gratulierte sie – „gleichzeitig auch im Namen meiner Firma“ – zu seiner Berufung. Wie er wisse, stehe „die Firma Volkswagen Versicherungs Dienst GmbH seit fast dreißig Jahren in engem Kontakt mit dem Volkswagenwerk. Nach dem Todes (sic!) meines Mannes vor fünf Jahren habe ich seinen Pflichtenkreis im In- und Ausland übernommen, und ich hoffe und wünsche, dass das gleiche gute Einvernehmen, das uns bisher mit dem Werk und dem Vorstand des Werkes verbunden hat, seine Fortsetzung auch bei Ihnen finden möge“. Asta kündigte einen Besuch in der zweiten Märzhälfte an, wurde aber auf einen nicht näher bestimmten späteren Zeitpunkt vertröstet. Ohne bereits seine Bekanntschaft gemacht zu haben, gratulierte Asta Holler Schmücker Ende April zum Geburtstag und ließ ihm „Glücksklee“ schicken.27 Die Witwe Christian Hollers brachte sich gegenüber den Vorstandsvorsitzenden des Volkswagenwerkes, die auf Heinz Nordhoff folgten, regelmäßig mit charmanten Briefen in Erinnerung. Hätten die Adressaten sich die Mühe gemacht, zumindest die Geburtstagsglückwünsche zu erwidern, wäre diese Post noch vorhanden. Asta heftete 169

nämlich akribisch jedes Stück Papier ab, das ihre gute Beziehung zur Vorstandsetage des Werkes bezeugte – von Briefen über vorgedruckte Weihnachtsgrüße bis zu unpersönlichen Kärtchen, die an gelieferten Blumen hingen. Auf mehr Resonanz als bei den Vorstandsvorsitzenden stieß Asta Holler, als sie sich um jene Führungskräfte bemühte, in deren Zuständigkeit die Belange des VVD fielen. Zum einen handelte es sich um Friedrich Thomée, der schon Mitte der sechziger Jahre unter Heinz Nordhoff zum Finanzvorstand ernannt worden war und dem die Verlängerung des Namensführungsvertrages oblag, zum andern um Werner P. Schmidt, als Vertriebschef zuständig für die Händler und Werkstätten, die unmittelbaren Partner des VVD. Mit Thomée hatte Christian Holler schon in den sechziger Jahren zusammengearbeitet. So waren Arrangements über den Versicherungsschutz der mexikanischen Tochter des Wolfsburger Werkes getroffen und damit – zu Thomées vollster Zufriedenheit – das Engagement der Firma in der „besonders schwierigen Anlaufphase“ flankiert worden. Als Holler 1969 starb, liefen erneut Verhandlungen über Versicherungen in Mexiko. Thomées Vermittlung verdankte es sich offenbar auch, dass als Nachfolger für Alfred Engling in Brasilien zum 1. April 1970 Alfred Solzer hatte gewonnen werden können.28 1983 bemerkte Asta Holler rückblickend, dass sie sich, als sie nach dem Tode ihres Mannes „neue Aufgaben“ übernahm, „trotz der allgemeinen Feindschaft“ um Thomées Freundschaft bemüht habe.29 Im Frühjahr 1970 gratulierte sie ihm zum 50. Geburtstag und übersandte ein Geschenk. Der Überschwang, mit dem Thomée sich bedankte, unterscheidet sein Schreiben von Briefen, die Asta Holler normalerweise erhielt. „Meine Verehrung gilt Ihnen so wie Ihr Gatte meiner Hochschätzung immer sicher war.“ Er wünschte der Witwe „nach dem schweren Verlust alles erdenklich Gute und – soweit wie wir Menschen es überhaupt erwarten dürfen – ungetrübtes Glück“. „Wenn Ihnen die Gewissheit, hier in Wolfsburg einen guten Freund zu haben, dazu verhelfen würde, wäre ich sehr froh.“ Von dem sprachgewandten Finanzchef des Volkswagenwerkes fühlte Asta Holler sich angenommen. 1971 ließ er sich in seinem Dankschreiben für Glückwünsche und Geschenk zum Geburtstag auch über inflationäre Tendenzen in der westlichen Hemisphäre aus. „Da diese Gedankengänge Ihre weltweiten Überlegungen ebenfalls berühren, würde ich Ihnen gern bei nächster Gelegenheit meine Ansichten darüber vortragen.“ Er hoffe, Asta Holler „bald einmal wiedersehen zu dürfen“. Solche Schmeicheleien müssen Asta Holler gutgetan haben, war sie doch in dieser Hinsicht nicht verwöhnt. Im Sommer 1971 legte sie Thomée bei einem Besuch in Wolfsburg stolz das Original des noch bis Ende 1973 laufenden Namensführungsvertrages vor – „unterschrieben von Prof. Dr. Nordhoff“, wie sie in einem Brief betonte, den sie 170

einer Kopie des Vertrages beigab. Sie bedankte sich für einen „gemütlichen Lunch“ und „freundschaftliches Interesse“, das Thomée ihr entgegenbringe. Bereits im März 1972 wurde ihr bestätigt, dass das Volkswagenwerk von seinem Recht, den Namensführungsvertrag zum Ende des Jahres 1973 zu kündigen, keinen Gebrauch machen wolle; die Vertrag verlängerte sich daher automatisch bis Ende 1978. Doch das Werk erhöhte die Lizenzgebühr auf 9,36% des Jahresbruttoumsatzes. Was Heinz Müller in seinem Brief unmittelbar nach Christian Hollers Tod befürchtet hatte, blieb vorerst aus. Zum einen plagten das Volkswagenwerk andere Sorgen, als sich mit einer Eingliederung des VVD zu befassen. Man bereitete die Produktion des „Passat“ und des „Golf“ vor und leitete damit einen grundlegenden Wandel der Modellpolitik ein. Am 1. Juli 1974 lief im Wolfsburger Stammwerk der letzte Käfer vom Band. Zum andern wäre eine gewisse Hemmschwelle zu überwinden gewesen, hätte man der charmanten Witwe Christian Hollers den Stuhl vor die Türe setzen wollen. Außerdem hielt der Finanzchef der Volkswagenwerk AG persönlich ein Jahrzehnt lang seine schützende Hand über den VVD. Keine Führungskraft des Volkswagenwerkes außer Friedrich Thomée ging selbst auf Asta Holler zu, schrieb ihr zum Geburtstag, sandte Geschenke, freute sich über Begegnungen und versprach ihr, „wie bisher gerne mit Rat und Tat zur Seite stehen“ zu wollen. Bald ließ auch Frau Thomée regelmäßig grüßen, wurde aber, wie alle anderen Ehefrauen, mit deren Männern Asta Holler korrespondierte, selbst nie mit Glückwünschen oder Geschenken bedacht. Als Thomée sich 1972 für ein Geburtstagsgeschenk bedankte, teilte er ihr mit, er könne „aus der Ferne konstatieren, dass und wie sie mit Ihrer schwierigen Aufgabe“ fertig werde. „Mit Hochachtung und – verzeihen Sie bitte – manchmal mit leichtem Schmunzeln verfolge ich Ihr Wirken. Es ist wunderbar!“ Wer außer Thomée konnte der gestrengen Witwe so etwas schreiben, ohne einen Rüffel zu riskieren? „Wie herrlich setzen Sie sich ab von dem Gehabe aufdringlicher, sogenannter alter Freunde“, ließ er sie wissen. Er stehe zur Verfügung, wenn sie „irgendwann eine freundschaftliche Aussprache“ suche. Begegnungen mit Thomée sowie dessen Briefe haben Asta Holler augenscheinlich beglückt. 1973 dankte sie ihm für seine „Güte“ und sein „großes menschliches Verständnis“, mit dem er ihr erlaube, mit allen ihren „großen und kleinen Sorgen“ zu ihm zu kommen, und dass er dann „immer einen Rat und Hilfe“ für sie bereithalte. Die vertrauliche Anrede „Lieber Herr Dr. …“ wählte Asta Holler in diesen Jahren ausschließlich gegenüber Thomée. Weihnachten 1972 kündigte sie diesem an, sie werde zu einem bevorstehenden gemeinsamen Mittagessen „ein Herz voller Sorgen“ mitbringen, die sie bei ihm „abladen“ wolle. Als Thomée im Dezember 1973 eine Verabredung in Wolfsburg wegen eines unvorhersehbaren Krankenhausaufenthaltes nicht wahrnehmen konnte, war Asta Holler tief betroffen. Es tue ihr „so von ganzem Herzen leid“, 171

dass ausgerechnet er, „der immer Lustige, Strahlende, Vitale“ plötzlich krank sei. „Ich hatte mich so sehr auf ein Wiedersehen mit Ihnen gefreut, – nicht nur aus egoistischen, geschäftlichen Motiven – denn ein Zusammensein mit Ihnen bedeutet mir viel, es gibt mir eine gewisse Ruhe und Sicherheit“. Wem wagte Asta Holler, die ihre Gefühle in der Regel nicht preisgab, sich von dieser Seite zu zeigen? Sie besorgte Lesestoff für den vermeintlich Bettlägerigen. Ein „nettes lustiges Buch“, entschied sie praktisch denkend, werde ihn mehr freuen als Blumen. Diese machten nur Arbeit, welche die Schwestern nicht gern täten, und er, Thomée, sei dann der Leidtragende. Zu Asta Hollers 70. Geburtstag hoffte der Finanzchef, dass „nicht überschwere Belastungen“ ihr die „seelische Ausgeglichenheit“ nehmen mögen. Er und seine Frau wünschten ihr daher, dass sie „in dieser harten Zeit die wenigen guten Freunde haben“ möge, die man „einfach zum Leben braucht“. Als Asta Holler sich bedankte, schrieb sie auch: „Ich weiß, wie viel ich Ihnen und Ihrer Hilfe und Fürsprache verdanke und kann Sie nur bitten, mich auch im neuen Jahr nicht zu verlassen.“30 Im Handeln Friedrich Thomées verlängerte sich für die Witwe Christian Hollers die „Ära Nordhoff“ in die Gegenwart. Auch mit Werner P. Schmidt, der zwei Jahre lang Präsident von VW do Brasil gewesen und seit Anfang 1975 in Wolfsburg für den Vertrieb verantwortlich war, entspann sich ein Briefwechsel, der anderthalb Jahrzehnte andauerte und gelegentlich Schmidts Ehefrau Annely einbezog. Galant hofierte Schmidt Asta Holler nach einem gemeinsamen „netten Abend“ mit ihm und seiner Frau am Rande der Frankfurter Internationalen Automobilausstellung im September 1975. „Sie waren eine charmante Gastgeberin; unsere Unterhaltung war so anregend, dass wir kaum auf geschäftliche Themen zu sprechen gekommen sind.“ Schmidt schickte anschließend einen Blumenstrauß, den Asta Holler allerdings nicht zu sehen bekam, weil sie Ferien machte. Ihre „Leute“ hätten den Strauß zum Grab von „Herrn Holler“ – wie sie ihren Mann gegenüber Dritten stets nannte – gebracht, „und ich weiß, dass sich auch mein Mann darüber gefreut hat“. Sie machte keinen Hehl daraus, dass sie das Zusammensein in Frankfurt besonders „gemütlich und schön“ gefunden habe und sich „wirklich freuen“ würde, wenn Schmidt und seine „liebe Frau“ nach München kämen, „damit wir uns wiedersehen könnten“.31 Den gesellschaftsrechtlichen Status des VVD außerhalb des VW-Konzerns tastete vorerst niemand an. Die Firma widmete sich ungehindert ihren Aufgaben. Anfang 1970 trat die Nürnberger Allgemeine im Pool der Versicherer an die Stelle der Berlinischen Feuer. Im selben Jahr zog der VVD in Wolfsburg ins „Burgwall-Center“ um, einen Neubaukomplex an der Braunschweiger Straße. Da dessen Eigentümer in Finanznot geraten war, ließ sich ein vorteilhafter langfristiger Mietvertrag abschließen. Endlich litt der VVD nicht mehr unter Raumnot. 469 Beschäftigte betreuten einen Bestand von 427 000 Verträgen32, die ungefähr das Dreifache an Risiken deckten. 172

Gruppenbild für Asta Holler zum 70. Geburtstag: die Geschäftsführer des VVD und ihre Stellvertreter (1. v. l. Karl Ludwig Barths, 3. v. l. Günther Obst)

Um gegenüber der Händlerschaft keine Zweifel an seiner Nähe zur VW-Organisation aufkommen zu lassen, verfügte der VVD über zwei Briefkopfversionen. Auf den Geschäftsbögen, die das Amtsgericht zu sehen bekam, erschien Asta Holler als Aufsichtsrat der VVD GmbH; im Schriftverkehr mit den Händlern tauchte der Name „Holler“ nicht auf. 33 Anfang 1970 erschien in der BILD-Zeitung eine sechsteilige Anzeigenserie des VVD, in welcher Automobilbesitzern die Vorteile einer Versicherung über den VVD erläutert wurden34 und auch der Eindruck entstehen konnte, es handele sich beim VVD um einen Service des Volkswagenwerkes. Seit Ende 1971 gewährte das Werk dem VVD das Recht, außer dem Begriff „Volkswagen“ auch die „Buchstabengruppe VW“ und das Firmenlogo „VW im Kreis“ zu verwenden.35 Im Frühjahr 1972 ergänzte der VVD seinen Europa-Schadendienst um die „Schnellregulierung“ von Haftpflichtschäden. 2400 Partnerbetriebe boten den Kunden fortan einen raschen und bargeldlosen Service.36 Hier zog der VVD der Konkurrenz davon. Im Sommer 1972 ging Karl Tiedke nach 23-jähriger Tätigkeit als Geschäftsführer des VVD in Pension. Seit Dezember 1969 hatte Günther Obst ihm gleichberechtigt zur Seite gestanden. Um einen Nachfolger für Tiedke zu finden, wandte Asta Holler sich an Friedrich Thomée und Carl H. Hahn, der nach Differenzen mit Leiding kurz vor seinem Wechsel zur Continental Gummi-Werke AG stand. Man schlug ihr Karl Ludwig Barths vor. Der gelernte Groß- und Außenhandelskaufmann hatte seit den fünfziger Jahren in der Exportabteilung des Volkswagenwerkes gewirkt und war 1962 zum Präsidenten der wichtigen Verkaufsgesellschaft in Kanada aufgerückt. Das Werk habe seinerseits Wert darauf gelegt, die Leitung des VVD mit „jemandem, den sie kannten“, zu besetzen, erinnert sich Barths, sei der Versicherungsvermittlungsdienst doch eine „wichtige Unterstützung für den VW-Vertrieb“ gewesen. Ein „Gesellschafterbeschluss“ der VVD GmbH ernannte Barths zum „Sprecher“ und damit zum 173

ersten Mann des Unternehmens. Auslandserfahren und parkettsicher vertrat er den VVD nach außen und war nicht zuletzt bestens mit der VW-Vertriebsorganisation vertraut. Den Innenbetrieb lenkte als „Verwaltungschef“ Günther Obst.37 Im Februar 1973, als der VVD 25 Jahre bestand, hatte die Gesellschaft seit ihrer Gründung 2,4 Millionen Policen ausgefertigt und rund 2,5 Millionen Schäden abgewickelt. Den 473 Mitarbeitern bescherte das Jubiläum eine verbesserte Altersversorgung.38 Der VVD arbeitete den Versicherern nach wie vor erfolgreich zu. Die Höhe der Prämien in der Kfz-Haftpflicht-Versicherung war inzwischen nach Schadensklassen gestaffelt. Dem lagen Statistiken über die „Schadenerfahrung“ zugrunde, die der VVD mit großer Akribie führte und die Merkmale wie „Modell“ oder „Region“ festhielten. Veränderten sich die Korrelationen, „dann wurde eine Region mal hoch, eine andere mal runter gestuft“. Im Bereich der Kaskoversicherung ermittelte man, bei welchen VW-Modellen nach Unfällen welche Reparaturkosten entstanden. Diese Daten lieferten der Allianz wichtige Anhaltspunkte bei der systematischen Analyse von Schadensursachen. Anhand ihrer Befunde schlug die Versicherungsgesellschaft den Fahrzeugherstellern dann bestimmte Veränderungen an ihren Modellen vor, damit im Schadensfalle die Reparaturkosten und schließlich die vom Fahrzeughalter zu zahlende Versicherungsprämie niedrig blieben. „VW hat da sehr gut mitgespielt“, erinnert sich Barths, wusste man doch, dass die Höhe des Versicherungstarifs beim Autokauf eine wichtige Rolle spielt. Der Leiter der renommierten Schadenforschungsstelle der Allianz „kam auch nach Wolfsburg und hat mit den Leuten vom Werk an Ort und Stelle überlegt, wie man es machen kann. So hat man baldowert, bis man etwas hatte, was dann auch in der Produktion preiswert zu machen war“.39 Angesichts des Volumens an Policen, das der VVD inzwischen bearbeitete, galt es, die Vorteile der elektronischen Datenverarbeitung auszuschöpfen. Günther Obst und die Fachleute vom VVD berieten mit der Firma IBM, welche neuen EDV-Geräte in Frage kämen. Nach einer internen Erörterung „wurde für Frau Holler eine einfache Aktennotiz gemacht, dass wir das brauchen und dass das so und soviel kostet“. Es bedurfte mal mehr, mal weniger Überzeugungskraft, ehe Asta Holler solche Ausgaben genehmigte.40 Schließlich unterschrieb sie „mit Riesenlettern … und dann wurden die Sachen angeschafft“.41 Seit 1974 arbeitete der VVD mit einer IBM 370/135. Damit kam die Umstellung auf eine „aktenlose“ Verwaltung der Policen und Bearbeitung der Schäden auf den Weg. Nachdem der Volkswagen-Konzern die Vertriebsorganisationen von VW und Audi zusammengeführt hatte, beendete 1975 auch die 1965 als „VVD Verwaltungs- und Organisationsgesellschaft mbH“ angetretene und 1969 in „Auto Union-Versicherungsdienst GmbH“ (AUVD) umbenannte VVD-Tochter ihre Tätigkeit. Im selben Jahr brachte VW-Leasing ein für Einzelabnehmer obligatorisches „Dienstleistungs174

paket B“ auf den Markt, das auch Kfz-Versicherungen umfasste. Diese wurden allerdings nicht über den VVD, sondern gemeinsam mit dem Haftpflichtverband der Deutschen Industrie angeboten.42 Der VVD konnte dem nichts entgegensetzen. Was den Namensführungsvertrag des VVD mit dem Volkswagenwerk betraf, schien einer fortdauernden Kooperation nichts im Wege zu stehen. Anfang 1975 wurden alle bestehenden Vereinbarungen in einem Vertrag zusammengefasst, der auch die AUDI NSU AUTO UNION AG und ihre Marken einbezog. Er hätte bis Ende 1979 gegolten. Doch noch im Laufe des Jahres 1975, bald nachdem Toni Schmücker den Vorsitz von Rudolf Leiding übernommen hatte, beschloss der VW-Vorstand im Herbst 1975, dass „Namensführungs- und Markenrechte nur an solche Gesellschaften vergeben werden sollen, an denen die Volkswagenwerk AG mehrheitlich beteiligt ist oder auf deren Geschäftspolitik sie (mindestens) einen wesentlichen Einfluss ausüben kann“.43 Das Signal war eindeutig: Außer dem VVD gab es keine Gesellschaft, auf die dieser Beschluss anzuwenden gewesen wäre.44 Praktisch folgte vorerst aber nichts. Gefahr für den Bestand des Lebenswerkes ihres Mannes vermutete Asta Holler Anfang 1976 eher in Brasilien. Sie reiste regelmäßig, stets und gern begleitet von Günther Obst, einmal im Frühjahr und einmal im Herbst für drei bis vier Wochen in dieses Land. Wenn möglich verbrachte sie den Todestag ihres Mannes im brasilianischen Frühling. Sie hielt sich länger auf, als es die Geschäfte erfordert hätten, und legte Wert darauf, bei allen Gesprächen zwischen dem VVD und dessen brasilianischer Tochter anwesend zu sein. Ohne ihren Mann fand Asta Holler in Brasilien keinen Gefallen mehr daran, an Empfängen von Kunden teilzunehmen, und lehnte es auch ab, dass VVD Seguros seinerseits wie vordem geschäftsfördernde Geselligkeiten initiierte.45 Gern besuchte sie indessen „ihr“ SOS-Kinderdorf oder hielt sich am Strand von Guarujá auf; sie liebte das Land und erholte sich gut, ja, sie hat sich dort „voll erlebt“.46 Seit 1966 waren in Brasilien die Versicherungen nahezu aller Sparten „verbindlich tarifiert“.47 Für Prämien wie für Maklerprovisionen gab es keinen Verhandlungsspielraum. Auch Firmen, die große Werte versicherten, mussten durchweg eine festgelegte, hohe Maklerprovision entrichten. Doch fanden sich Wege, die starren Richtlinien zu unterlaufen. Wie andere Industriemakler auch, richtete VVD Seguros respektive Pallas für größere Unternehmen eigene Maklerfirmen ein, verwaltete diese und teilte mit ihnen die Courtage zu einem jeweils verabredeten Prozentsatz.48 Nachdem sich die mit 20% am Kapital der VW do Brasil AG beteiligte Gruppe Monteiro Aranha (MA) unter Verweis auf die in Brasilien allgemein übliche Praxis der verdeckten Provisionsrückvergütung jahrelang bemüht hatte, an den Provisionen der Versicherungen von VW do Brasil zu partizipieren, sahen die Beteiligten 1975 einen Weg, diesem Wunsch zu entsprechen. Eine Änderung der Rechtslage erlaubte es jetzt, Versicherungen durch 175

zwei Makler zu vermitteln. Ende 1975 gründete daraufhin die Gruppe MonteiroAranha als hundertprozentige Tochtergesellschaft eigens die MASA Corretagem de Seguros (MCS). Zwischen dieser, der Volkswagen AG und VVD Seguros wurde vereinbart, ab Anfang 1976 auf alle Versicherungspolicen von VW do Brasil sowohl VVD Seguros als auch MCS drucken zu lassen. MCS sollte, ohne jemals für den Abschluss von Versicherungen für VW do Brasil tätig zu werden, 50% der Provisionen erhalten, und davon – entsprechend den Beteiligungsverhältnissen bei VW do Brasil – 80% auf ein DM-Konto der Volkswagenwerk AG in Deutschland weiterleiten. Diese Regelung wurde getroffen, obwohl bekannt war, dass es sich dabei „hintergründig um eine Umgehung der gesetzlichen Bestimmungen“ handelte.49 Den Namensführungsvertrag des VVD für Brasilien berührte das Abkommen nicht. VVD Seguros sollte die 5%ige Gebühr aber nur noch auf seinen Anteil des Umsatzes entrichten.50 Umgerechnet auf die jeweiligen Jahresdurchschnittskurse belief sich die bis dahin an Transalme gezahlte Royalty abzüglich der brasilianischen Gewinnsteuer von 25% im Durchschnitt der Jahre 1973 bis 1977 auf erkleckliche 1 125 300 DM.51 Asta Holler war 1975 von den Vorarbeiten für die auf den ersten Blick etwas kompliziert anmutende Übereinkunft zwischen Volkswagen, VVD und MCS offenbar nur unzureichend unterrichtet worden. Als sie Ende Januar 1976 davon erfuhr, konnte sie das Ergebnis nicht einordnen. Aufgebracht setzte sie sich selbst an die Schreibmaschine und konzipierte einen Brief an Toni Schmücker, den sie darum bat, seinen „Einfluss für eine sachlich gerechtfertigte Regelung geltend zu machen“. Sie schickte den Entwurf an Thomée, dem sie vertraute und von dem sie wissen wollte, ob sie den Brief „in dieser Form weitersenden“ könnte. „Meine letzte und einzige Hoffnung sind Sie, lieber Herr Professor Thomée, und ich danke Ihnen für alles, für Ihr Verständnis, für Ihre Güte und für Ihre Hilfsbereitschaft.“ Sie hoffe, „dass diese Nervenbelastung bald ein Ende“ finde, denn sie könne es „wirklich nicht mehr lange ertragen“.52 Inzwischen stand Asta Holler der Neffe ihres verstorbenen Mannes, Felix Reis, zur Seite. In Südafrika war seine Ehe zerbrochen. Auf dem Weg nach Indonesien, wo neue Geschäfte ihn erwarteten, hatte er im Frühjahr 1975 Zwischenstation in München gemacht. Asta Holler traf ihn, ließ ohne sein Wissen ein graphologisches Gutachten – mit glänzender Bewertung – über ihn anfertigen53 und stellte ihn kurzerhand ein. Die steuerlichen Vorteile der Berlin-Präferenzklausel nutzend, ernannte sie ihn pro forma zum Geschäftsführer der Wertschutz GmbH, von der er sein Gehalt bezog. Tatsächlich lebte er in München und ging ihr dort zur Hand. Vieles sprach dafür, dass Asta Holler, die inzwischen die Siebzig überschritten hatte, dem Neffen ihres Mannes über kurz oder lang die Leitung der Holler-Gruppe übertragen würde. Durch Aushänge ließ sie in Wolfsburg und bei allen deutschen Niederlassungen des VVD bekanntgeben, dass sie ihn zu ihrem „Generalbevollmächtigten“ ernannt habe.54 Im 176

Mai 1976 ging sie in einer Rede vor Mitarbeitern in São Paulo auf deren Zukunftssorgen ein: „Sie sehen heute in mir eine alte Frau, deshalb Ihre Sorgen? Keine Angst deshalb, ich bin aus einer sehr langlebigen Familie – vielleicht überlebe ich Sie alle noch! Doch wenn ich nicht mehr da bin, wird Herr Felix Reis, ein Neffe meines Mannes und heute meine rechte Hand, an meine Stelle treten, mit allen Rechten und Pflichten die Firmen weiterführen und für Sie sorgen, wie mein Mann und ich es bisher getan haben.“55 Testamentarisch besiegelte Asta Holler diesen Vorsatz nicht. Reis sprach im Frühjahr 1976 mit Thomée, woraufhin MCS, Volkswagen und VVD sich wie geplant arrangierten. Asta Holler begegnete Thomée unvermindert herzlich, gratulierte ihm 1976 wieder handschriftlich zum Geburtstag und merkte an: „Ich hätte Ihnen meine Wünsche und Angebinde gern persönlich überbracht, leider bin ich zur Zeit in Mexico und Brasilien und versuche das, was mein Mann mit großer Mühe aufgebaut hat, zu erhalten.“56 Während Asta Holler gegenüber Mitarbeitern und Geschäftspartnern Wert darauf legte, keine Schwäche zu zeigen, bangte sie doch seit Mitte der siebziger Jahre geradezu panisch um den Bestand der Holler-Gruppe, das „Werk ihres Mannes“. Unrast und Angst beherrschten sie. Sie befürchtete auch stets ein Vorrücken der „Russen“ nach Westen. In den siebziger Jahren bemühte sie sich daher erfolgreich, eine vollgültige Niederlassungsbewilligung für die Schweiz zu erhalten, um eine sichere Zufluchtsstätte in einem neutralen Land zu wissen. Sie hatte eine Wohnung in Zug gemietet, dort bereits die erforderliche Frist von fünf Jahren „gewohnt“ und sich als unbeschränkt steuerpflichtig erklärt. Die pauschalierte Steuer, die sie als Ausländerin zu entrichten hatte, belief sich allerdings auf eine Summe, die ihr kaum weh getan haben dürfte. Asta Holler investierte auch in die Pflege guter Beziehungen zu schweizerischen Staatsbürgern, etwa zu zwei Direktoren des Schweizer Bankvereins. Sie legte großen Wert auf Treue gegenüber diesem Institut und ließ ihre Geldgeschäfte ausschließlich dort abwickeln. Ferner stand sie sich gut mit den schweizerischen Verwaltungsräten ihrer Assivalor AG. Einen Teil ihres Vermögens hatte sie in südafrikanischen Krüger-Rand angelegt, welche sie in der Schweiz verwahren ließ. Nach Ansicht Peter Böcklis dienten auch ihre Investitionen in Brasilien und in Mexiko dem Ziel, „Fluchtorte“ zu schaffen. Sie sei „ein Mensch ohne Zuhause“ gewesen.57 Asta Holler hielt die Monatszeitschrift ESOTERA im Abonnement58, die seinerzeit führende Publikation in Sachen „New Age“ und Okkultismus. Sie ließ Horoskope erstellen – auch ihr eigenes – und baute bei Personalentscheidungen auf die fragwürdigen Befunde graphologischer Gutachten. Seit 1975 wohnte Asta Holler okkultischen Sitzungen bei, von denen etliche Protokolle überliefert sind.59 Die Treffen fanden teilweise in ihrem Haus in Grünwald statt. Sie wurden geleitet von einer Frau aus ihrem Bekanntenkreis, die als Trance-Medium fungierte, und verliefen stets nach demselben 177

Ritual. Eingangs sprach das Medium pseudoreligiösen Trost aus; dann vermittelte es den Kontakt zu Verstorbenen, die um Ansichten und Ratschläge befragt werden durften. Es ist nicht überliefert, dass Asta Holler sich Menschen aus ihrem Umfeld je in vergleichbarer Weise offenbart hätte wie bei diesen Treffen. Bemerkenswert ist, wie gut das Trance-Medium über Asta Hollers geschäftliche und private Sorgen informiert war. Es handelte sich um die Ehefrau eines Vorstandsmitgliedes eines Weltkonzerns und Großkunden von Gradmann & Holler in Deutschland wie auch von Pallas in Brasilien.60 Im Sommer 1975 wurde Asta Holler – im Auftrage Christians, musste sie annehmen – zunächst nebulös bedeutet, es komme darauf an, dass sie sich „verwirkliche“. Sie müsse das „allzu Menschliche“ von sich lösen, damit sie „frei im Handeln“ werde. Asta erwog, „alles wegzuschenken“. Doch davon riet man ihr entschieden ab. Sie solle sich lediglich von Pflichten lösen, die das Leben „unnütz schwerer“ machten, und „ihr“ Leben leben. Asta erwiderte, ein Leben ohne Verpflichtungen sei „leer“, doch wurde ihr bedeutet, die eigentliche Aufgabe, die auf sie warte, sei „viel größer“. Asta bekannte, dies schwer zu verstehen, sei doch „seine ganze Liebe … sein Geschäft“ gewesen. Der Rat an die 71-Jährige, kürzer zu treten, schien so gar nicht zu den Maximen ihres sechs Jahren zuvor verstorbenen Ehemannes passen zu wollen. Ende August 1975 traf man erneut zusammen. Diesmal wollte Asta Holler erfahren, was sie „in Brasilien“ unternehmen solle, dort sei „jetzt ein schweres Problem aufgetaucht, das wirst Du wissen“. Es dürfte sich um die Pläne zur Provisionsrückvergütung an die Gruppe Monteiro Aranha gehandelt haben. Im April des Jahres hatte Asta vier Wochen in Brasilien zugebracht und muss von einem bevorstehenden Arrangement gehört haben. Wie die Transkription festhält, ging die Antwort des Mediums zur Sache. „Er“, also Christian, sage ihr, „zieh dich zurück, es ist im Augenblick sehr wichtig – du gewinnst nicht, du verlierst sehr viel, schließe also ab so rasch es geht, hast Du verstanden“. Dagegen protestierte Asta; das gehe nicht. „Das musst Du tun“, insistierte die Stimme. „Unmöglich“, begehrte Asta Holler auf. Doch wurde sie ermahnt, „nichts von dem, was er gesprochen“ habe, „ungehört“ zu lassen. Sie sträubte sich weiter: „Irgendwo kommt die Pflicht und nicht nur das Denken an sich selbst“. Dieser Pflicht, versuchte das Medium sie zu beruhigen, werde sie enthoben. Selbst Asta Hollers Hinweis auf ihre „Pflicht gegen andere“ überzeugte die Stimme nicht. Schließlich verzichtete sie auf weiteren Widerspruch.61 Asta Holler begeisterte sich auch für Uri Geller, der sich im Sommer 1972 einige Zeit in München aufhielt. Die BILD-Zeitung brachte eine sechsteilige Serie über dessen angebliche „paranormale“ Fähigkeiten: Besteckteile und Schlüssel verbögen sich ohne erkennbare Einwirkung, „kaputte“ Uhren gingen wieder, und Straßenbahnen würden stehenbleiben, wenn der Magier es nur „wollte“. Es fanden sich sogar Wissen178

DER SPIEGEL 28. 1. 1974

schaftler, die in der BILD-Zeitung ihre Ratlosigkeit gestanden. Jung und hübsch, redegewandt und wohlerzogen faszinierte der junge Israeli sein Publikum. Im HiltonHotel logierend, galt er als „the hottest ticket in town“ und eroberte die Herzen der Münchner. Mit der Schwiegertochter einer Nachbarin von Asta Holler kam es zu einer Affäre.62 Geller habe sie besucht und ihr „viele Dinge gezeigt“, berichtete Asta Holler zwei Jahre später in einem Brief. So bat er sie, von einem Blumenstrauß eine „winzige Knospe“ abzupflücken. Sie musste die Knospe eine Minute lang in der geschlossen Faust bewahren und hielt anschließend „eine große, voll aufgeblühte Margarite“ in der Hand. Ferner bat Geller sie um „etwas aus Gold“, dessen Verlust ihr „nichts ausmachen würde“. „Auf sein Geheiß“ legte sie ein Goldstück in eine Dose, hielt diese in einer Hand und bedeckt sie mit der anderen. Aus acht bis zehn Metern Entfernung gelang es Geller beim dritten Versuch, das Goldstück verschwinden zu lassen. Es tauchte nie wieder auf, obwohl Geller, wie Asta Holler beteuerte, weder die Münze noch die Dose irgendwann berührt hatte.63 Uri Geller berichtete fast vierzig Jahre später, Asta Holler habe ihm einen Talisman geschenkt, den er noch besitze, und er habe sich mit ihr unter anderem darüber unterhalten, dass Reichtum zu Wohltätigkeit verpflichte. Asta Holler habe ihn bei dem Schlagertexter und Drehbuchautor Walter Brandin eingeführt64, dessen Name in der Unterhaltungsbranche etwas galt. Um dem jungen Mann „zu helfen“, arrangierte Asta Holler auch eine Party, zu der „ca. 60 bekannte Männer der Wirtschaft“ kamen. Geller habe unter anderen „den größten Skeptiker, den Bankier August von Finck“, gebeten, seine Armbanduhr auf den Tisch zu legen, deren Zeiger „ohne jegliche Berührung“ beschleunigt gewandert wären und „plötzlich acht Stunden mehr“ angezeigt hätten. 65 August von Finck bestätigte dies.66 Inzwischen international berühmt, zog Uri Geller im Januar 1974 mit einem spektakulären Auftritt die deutsche Fernseh-Nation in seinen Bann. Erneut verformten sich Löffel, und reparaturbedürftige Uhren begannen zu ticken. Nun behaupteten auch in Deutschland – wie zuvor schon in England, Dänemark und Schweden – 179

Tausende von Fernsehzuschauern, sogar bei ihnen zu Hause hätten sich metallene Gegenstände verbogen und defekte Uhren von allein wieder in Gang gesetzt. Nach dem Ausbruch der „Geller-Epidemie“ lud das Fernsehmagazin „Titel, Thesen, Temperamente“ zwei Professoren zu einer Diskussion über dieses Phänomen ein. Der Psychosomatiker Horst-Eberhard Richter warnte davor, dass „Wundergläubigkeit und Hörigkeit gegenüber dem Faszinierenden … erneut in politische Unmündigkeit umschlagen“ könnten. Sein Gesprächspartner, der Psychologe Hans Bender, konzedierte anschließend in der Zeitschrift für Parapsychologie und Grenzgebiete der Psychologie, dass die „Geller-Epidemie“ in der Tat „ein gewichtiges psychohygienisches Problem“ darstelle. „Fundierte Aufklärung“ sei erforderlich, die „das ‚Wunderbare‘ in den Raum der Besonnenheit“ bringe und „dem Aberglauben in seinen zwei Formen“, nämlich sowohl dem „kritiklosen Okkultgläubigen“ als auch dem „kritiklos Anti-Okkultgläubigen“ entgegentrete. Zu Gellers Fähigkeiten bemerkte Bender, dass „nur eingehende wissenschaftliche Untersuchungen unter kontrollierbaren Laboratoriumsbedingungen“ ein Urteil darüber zuließen, ob Uri Geller ein „psychokinetisches Medium“ sei.67 Diese Stellungnahme umreißt Benders schillernde Position gegenüber Okkultem. Der als Wissenschaftler umstrittene Hans Bender hatte 1950 in Freiburg das „Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene e. V.“ (IGPP) als freie Forschungsstätte gegründet. Als er 1954 an der Freiburger Universität ein Extraordinariat für Grenzgebiete der Psychologie erhielt, fand die parapsychologische Forschung Eingang in den Kanon akademischer Disziplinen. 1967 folgte die Einrichtung eines Lehrstuhls für Psychologie und Grenzgebiete der Psychologie, den Bender bis zu seiner Emeritierung im Jahre 1975 innehatte. In den Monaten nach Uri Gellers aufsehenerregendem Fernsehauftritt ging das IGPP zum einen verschiedenen Deformationsphänomenen nach. Zum andern führte man eine „Interview- und Fragebogenuntersuchung“ durch. Diese sollte ein psychosoziales Profil „,okkult‘ ansprechbarer Personen“ ermitteln, die vorgaben, dass Geller bei ihnen zu Hause „PK-Reaktionen“, also psychokinetische Deformationen, ausgelöst hätte. Dass während oder nach Gellers Auftritt an verschiedenen Orten „echte PKPhänomene“ aufgetreten wären, bezweifelte Bender nicht.68 Als der Professor sich Anfang 1975 im Fernsehen erneut wohlwollend zu Uri Geller äußerte, schrieb Asta Holler ihm umgehend einen Brief. Bisher habe sie sich „zurückgehalten“ und sich nicht zu den „negativen Vermutungen und Verdächtigungen“ gegenüber Geller geäußert. Doch nun wolle sie ihre „Überlegungen“ mitteilen, denn „der Junge“ täte ihr leid. Sie beschrieb ihre Erlebnisse mit Geller aus dem Jahre 1972, um zu untermauern, dass dieser „kein Schwindler“ sei. Ihrer Bitte um Verzeihung, falls sie Bender „mit diesem Brief belästigt“ haben sollte, fügte Asta Holler als Rechtfertigung 180

an, sie finde, „man sollte so einen Menschen fördern und ihn nicht durch Misstrauen mutlos machen“.69 Drei Wochen später antwortete Bender. Er bedauerte, dass „DematerialisierungsPhänomenen“ wie dem verschwundenen Goldstück so lange kein Glauben geschenkt werde, wie nicht filmische Dokumente ausschlössen, dass es sich um einen Trick handele. Die „Trick-Leute der ganzen Welt“ hätten sich gegen Uri Geller „verschworen“, weil er ihnen offenbar „unerträgliche Konkurrenz“ mache. Überall erschienen Artikel, die nicht nur Geller, sondern „die ganze Parapsychologie als Täuschung und Trick“ hinstellten. Angesichts der weltweiten Bekanntheit von Geller sei die Situation „geradezu prekär“ geworden. Er selbst sei von Uri Gellers „medialen Fähigkeiten“ überzeugt, aber „geradezu sicher, dass er auch trickt“. Bender bekundete sein Interesse, „Näheres über Gellers Leistungen“ im Hause Asta Hollers zu erfahren, und bat darum, sie anrufen zu dürfen, wenn er einmal in München sei.70 Die Reaktion des Professors muss Asta Holler beeindruckt haben, denn schon in ihrem Antwortbrief stellte sie Bender in Aussicht, 25% „des jährlich anfallenden Betrages“ einer geplanten Stiftung „für parapsychologische Forschungszwecke abzuzweigen“. Das zu begünstigende Institut habe lediglich seine Gemeinnützigkeit nachzuweisen.71 Als Hans Bender diesen Brief erhielt, wusste er zweifellos nicht, über welches Vermögen die geplante Stiftung einst verfügen würde, geschweige denn, wie reich Asta Holler war. Doch angesichts der chronisch prekären finanziellen Lage des Instituts kam jeder Zuwendung existenzielle Bedeutung zu. Asta Hollers Brief „schlug hier ein wie eine Bombe“, erinnert sich Eberhard Bauer, langjähriger und engster Mitarbeiter Hans Benders.72 Dass das IGPP dereinst über Mittel verfügen sollte, die jene noch übertreffen, welche der 1968 verstorbene Amerikaner Chester F. Carlson, der Erfinder der Xerographie, der „American Society for Psychical Research“ als bis dato „greatest benefactor“ auf diesem Gebiet bereitgestellt hatte73, wagte in Freiburg niemand auch nur zu hoffen. Sie habe sich Zeit ihres Lebens für Parapsychologie interessiert, gestand Asta Holler dem Professor im April 1975, und sei „ganz allein, ohne Erben, mit einem nicht ganz unbeträchtlichen Vermögen“. Die „für die Parapsychologie“ vorgesehenen 25% aus der geplanten Stiftung würden als Betrag jährlich eine „sechsstellige Ziffer“ ausmachen. Als sie versuchte, sich mit Bender zu einem persönlichen Gespräch zu verabreden, zählte sie wichtigtuerisch ihre Verpflichtungen auf, „ich muss nämlich arbeiten, das geht nicht anders“. Zunächst werde sie für einige Wochen nach Brasilien fliegen, dann nach Wolfsburg – „da ist ein neuer Generaldirektor“74 –, anschließend nach Wien und nach Italien. Man einigte sich auf den Nachmittag des 2. Mai zu „Kaffee und Kuchen“ in München. „Ich sitze ohne Köchin da“, klagte Asta; daher treffe man sich im „Büro des VVD“. Was der Name bedeute, wolle sie gelegentlich erklären.75 181

Nach dem ersten Treffen bedankte sich Bender bei Asta Holler für eine Spende von 5000 DM. Verwendet für die Ergänzung der Video-Anlage, komme diese „einer laufenden Untersuchung über das merkwürdige Phänomen des ‚Löffelbiegens‘ sehr zugute“. Bender legte seinem Brief das Manuskript eines Vortrages über C. G. Jung bei, der bald von verschiedenen Rundfunk-Sendern übertragen werden sollte.76 Umgehend lud Asta Holler den Professor erneut nach München ein. Der hatte ohnehin vor, dorthin zu reisen, und nannte auch den seriös anmutenden Grund: Zusammen mit einem Physiker wolle er am Physikalischen Institut der Universität Experimente mit einem „Löffelbieger“ durchführen. Asta Holler sollte bestimmen, wann sie ihn treffen mochte. Bender legte dem Brief erste Ergebnisse einer Fragebogen-Untersuchung zum „Geller-Effekt“ bei und umschmeichelte seine Gönnerin damit, dass ja sie „Uri eine Starthilfe“ gegeben habe. Wegen eines Ende 1975 erlittenen Sturzes, bei dem sie sich verschiedene Brüche zuzog, vergingen einige Wochen, ehe Bender Asta Holler wieder besuchen konnte. Man traf sich im neuen Büro des VVD in der Brienner Straße und fachsimpelte „über die Lage der Parapsychologie“, das „Interesse der Physiker“ daran sowie über Uri Geller. Asta Holler bekundete „Verständnis“ für die „eminente wissenschaftliche Bedeutung“ der Parapsychologie infolge der „Änderung des Zeitgeistes“, und Bender erklärte ihr, dass „schneller Fortschritt von größeren finanziellen Möglichkeiten in allen Ländern“ abhänge. Asta Holler musste das Gefühl haben, mit dem Professor auf Augenhöhe zu diskutieren – und goutierte das zweifellos. Sie bedauerte, dass „die Angelegenheit der Stiftung … immer noch schleppe“, weil das bayerische Kultusministerium die vorgelegte Satzung nicht akzeptiere. „Die ganze Holding-Gesellschaft“, erwähnte sie noch, werde bei ihrem Tode in die Stiftung eingehen, die dann mit einem jährlichen Ertrag von über einer Million DM rechnen könne.77 Überblickte sie, als der „Chef der Holding“, ihre Vermögensverhältnisse nicht? Im August 1976 entstand die „Christian C. und Asta Holler-Stiftung“, mit einem Kapital von 500 000 DM. Den Stiftungszweck hatte Asta Holler gegenüber dem Testament von 1963 verändert: Neben 50% für den „SOS Kinderdorf e. V.“ und 25% für den „Hermann-Gmeiner-Fonds Deutschland e. V.“, der Kinderdörfer in aller Welt förderte, trat mit ebenfalls 25% das „Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene e. V.“. Die „Unterstützung von bedürftigen Begabten zur Ermöglichung eines Studiums an einer Hochschule“ fiel weg, weil dies einen vergleichsweise hohen Verwaltungsaufwand erfordert hätte.78 Zu Mitgliedern des Kuratoriums, dem sie selbst vorsaß, bestimmte Asta Holler vier weitere Personen. Stellvertretender Vorsitzender wurde der Bankier August von Finck jun., Gesellschafter der seinerzeit drittgrößten deutschen Privatbank, des Bankhauses Merck Finck & Co. Schon zu dessen Vater hatten Christian und Asta Holler neben dem geschäftlichen auch regen gesell182

schaftlichen Kontakt gepflegt. Mit dem Münchner Verleger Ewald Heinrich von Kleist, Sohn eines Verschwörers um Stauffenberg und Anfang der sechziger Jahre Initiator der „Wehrkundetagung“, berief Asta Holler einen alten Freund ihres verstorbenen Mannes ins Kuratorium. Diesem gehörten ferner Josef Huber an, seinerzeit Chef der Protokollabteilung der Bayerischen Staatskanzlei, sowie Karl Kornis, der Generaldirektor der Ersten Allgemeinen Versicherungs-AG, Wien.79 Der Österreicher Kornis blieb für sie trotz des Adelsaufhebungsgesetzes von 1919 ein „Graf“. Das Kuratorium ernannte Felix Reis zum Stiftungsvorstand. Die Zahlungen an die Destinatäre setzten 1977 ein. Die – später so genannte – „kleine“ Stiftung sollte als Versuchsfeld für die posthum zu errichtende „HOLLER-STIFTUNG“ dienen, musste diesen Zweck aber verfehlen, weil ihre Satzung für „Experimente“ keinen Spielraum bot.80 Anders als die im gemeinsamen Testament der Eheleute Holler von 1963 konzipierte Stiftung, war die „Christian C. und Asta Holler-Stiftung“ von 1976 bei der Vergabe der Stiftungsmittel nicht einmal teilweise autonom.

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13. Kämpfe und Kompromisse

Mit der Gründung der „Christian C. und Asta Holler-Stiftung“ hatte Asta Holler den 1963 mit ihrem Mann gefassten Entschluss partiell umgesetzt. Die Mittel für die „kleine“ wie auch für die posthum zu errichtende Stiftung sollte zu beträchtlichen Teilen der VVD erwirtschaften. An die 1963 im gemeinsamen Testament mit ihrem Mann getroffene Verabredung, dessen Muttergesellschaften, also die Wertschutz GmbH in Berlin und die Assivalor AG in der Schweiz, nicht zu veräußern, sondern lediglich die Erträge „für die Aufgaben des Erben“, also der Stiftung, zu verwenden, fühlte Asta Holler sich gebunden. Ja, dieses Vermächtnis zu erfüllen, war ihr zum Lebensinhalt geworden. Solange Fragen des Namensführungsvertrages in die Zuständigkeit Friedrich Thomées fielen – daran klammerte sie sich Mitte der siebziger Jahre – konnte der VVD die ihm zugedachte Aufgabe erfüllen. Das war umso wichtiger, als der Stiftung aus der Firma Gradmann & Holler KG keine nennenswerten Mittel zufließen würden. Der Gesellschaftsvertrag von 1958 verbot das. Nachdem im Juni 1971 auch Erich Gradmann gestorben war, hatte sich der Kommanditanteil der beiden Witwen zum 1. Januar 1972 auf jeweils 27,5% erhöht; je 22,5% lagen bei den Komplementären Stroh und Kiep.1 Der Kontakt der Kommanditistinnen zu Gradmann & Holler wie auch untereinander beschränkte sich auf die Teilnahme an Gesellschafterversammlungen, wenn es um Kapitalerhöhungen oder Anteilsabtretungen ging. Sie erschienen auch zur Feier des 50-jährigen Jubiläums der Firma im Jahre 1976.2 Damit Marsh & McLennan 1975 mit einem Anteil von 15% als Kommanditistin bei Gradmann & Holler aufgenommen werden konnte, traten Stroh und Kiep jeweils eine 5%ige Quote ihrer Beteiligung an die amerikanische Maklerfirma ab. Asta Holler hatte sich bereden lassen, es ihnen gleich zu tun. Für 3,75 Mio. DM gab sie eine Quote von 5% her und war danach nur noch mit 22,25% an Gradmann & Holler beteiligt.3 Die Partnerschaft mit Marsh & McLennan stärkte die Position von Gradmann & Holler auf dem Markt. Nachdem der 1936 mit der Allianz geschlossene Agenturvertrag im Februar 1973 einvernehmlich gelöst worden war, konnte die Firma nun auch im Bereich der Technischen Versicherungen als freier Makler agieren.4 Die Allianz ihrerseits hatte Anfang der siebziger Jahre energisch begonnen, das Industrie- und Firmengeschäft auszubauen, und entwickelte sich „zur allerersten Adresse für die Industrieversicherung in Deutschland“.5 Da es bei Prämien und Provisionen inzwischen um gigantische Summen ging, bildeten sich neue Formen der direkten Kooperation zwischen Versicherungsgesellschaften und Industrie heraus.6 Auch dem Volkswagenwerk bot die Allianz an, eine eigene Maklerfirma zu gründen, der Provisionen in Millionenhöhe zugeflossen wären. Das Nachsehen hätte die Firma Gradmann & Holler gehabt, die „seit 1949 … fast das gesamte Versicherungspaket der VW AG“ vermittelte.7 Walther Leisler Kiep erklärte Finanzchef Thomée, dass Gradmann & Holler 185

für Versicherungen des Volkswagenwerkes auf dem Weltmarkt stets günstige Prämien habe durchsetzen können.8 Um sowohl auf das Know-how der vertrauten Maklerfirma nicht verzichten zu müssen als auch von deren Verbindung mit Marsh & McLennan, „dem größten Versicherungsmakler der Welt“, zu profitieren, gestand das Werk Gradmann & Holler eine Beteiligung von einem Drittel an der zu gründenden VW-Versicherungs-Vermittlungs-GmbH (VWV) zu.9 Genau genommen handelte es sich um ein Verfahren zur Provisionsrückvergütung10, zumal die Versicherungen für das Volkswagenwerk weiterhin vor allem in der Düsseldorfer Niederlassung von Gradmann & Holler bearbeitet wurden.11 In Brasilien hatte man Erfahrungen mit diesem Vorgehen gesammelt. Doch bevor der Vorstand die Gründung der VWV im April 1976 offiziell beschloss, wurde Walther Leisler Kiep, neben Kurt Stroh persönlich haftender Gesellschafter von Gradmann & Holler, Mitte Februar zum Finanzminister des Landes Niedersachsen berufen. Der Inhaber dieses Amtes war seit der Bildung der Volkwagenwerk AG deren „geborener“ Aufsichtsrat. Kiep trat umgehend als persönlich haftender Gesellschafter von Gradmann & Holler zurück und blieb, solange er sein Staatsamt innehatte, stiller Teilhaber. Dennoch hatte er Mühe, der Öffentlichkeit zu erläutern, dass sich die Beteiligung von Gradmann & Holler an der jüngsten Volkswagentochter nicht seiner Zugehörigkeit zur Niedersächsischen Landesregierung verdankte, sondern einer in Jahrzehnten gewachsenen Geschäftsverbindung.12 Als Kommanditistin von Gradmann & Holler war auch Asta Holler an der VWV GmbH indirekt beteiligt. Ende 1976 kam es zu zwei Abkommen zwischen dieser und dem VVD über Kfz-Versicherungen für Werksangehörige. Demnach durfte zum einen die VWV in den VW-Werken Ingolstadt und Neckarsulm für den VVD akquirieren und erhielt dafür als Provision 5% der Nettoprämie; in den anderen inländischen Werken sollten die Außenstellen des VVD die Kfz-Versicherungen weiterhin „exklusiv“ anbieten können.13 Zum andern vereinbarten die beiden Gesellschaften eine „enge Zusammenarbeit“ bei der Versicherung von Bahnüberführungen und Ersatzteiletransporten zu den VW-Händlern. Sowohl mit dem Volkswagenwerk als auch mit den Versicherungsgesellschaften wollte man über Transportversicherungsfragen gemeinsam verhandeln.14 Dass die VWV GmbH in die Domäne des VVD einzudringen versuchte, beunruhigte Asta Holler. Sie hielt sich weiterhin an Friedrich Thomée. Am 26. Januar 1977 übergab sie ihm den Entwurf eines Briefes, mit dem das Volkswagenwerk bestätigen sollte, dass der VVD „weiterhin den Auftrag hat, den Volkswagen und Audi Vertrieb durch seinen besonderen Kundendienst auf dem Gebiet der Versicherung zu fördern“. Dann wurden vier „Maßnahmen“ angeführt, die der VVD in Erledigung seines „Auftrags“ hätte treffen sollen. Es ging erstens um Fragen der Kooperation mit den VW- und 186

Audi-Betrieben, zweitens darum, welche Sparten der VVD innerhalb der VWVertriebsorganisation anbieten dürfte, drittens um die Frage, wer die Kfz-Versicherungen der Mitarbeiter aller deutschen Werke des Konzerns vermitteln sollte, und schließlich um eine enge Zusammenarbeit von VVD und VW-Vertriebsleitung bei allen „Maßnahmen und Aktionen zur Vertriebsförderung und Werbung“. Thomée bat die involvierten Geschäftsbereiche, Asta Hollers Ersuchen zu prüfen. In der Abteilung Zentrales Versicherungswesen fanden sich außer einer „Vereinbarung über die Royalty“ keine Unterlagen über „die Aufgabenstellung des VVD im Konzernbereich“. Der Entwurf ging weiter an die Rechtsabteilung und landete dort auf dem Schreibtisch von Jürgen Schow. Im Begleitschreiben hieß es, dass, bevor eine Antwort an Thomée gehe, diese vorher mit der ebenfalls betroffenen Vertriebsabteilung abzustimmen sei. Die Abteilung Zentrales Versicherungswesen hatte bereits mit Kurt Stroh ausgemacht, dass er „bei Herrn Reis“ feststellen werde, „wie dieser Briefentwurf zustande gekommen“ sei und was er bezwecke.15 Einen Monat später lag eine gemeinsame Stellungnahme der Abteilungen Zentrales Versicherungswesen und Rechtswesen vor. Mit den Leitungen von Vertrieb Inland und Vertrieb Export sei man sich einig, „eine so weitgehende Erklärung“ abzulehnen. So ein „Vertrag“ laufe auf ein „zeitlich unbegrenztes und unkündbares Rechtsverhältnis“ hinaus, was nicht akzeptabel sei. Insbesondere im Ausland sei zudem „zweifelhaft, ob und wenn ja in welchem Umfang sich die Tätigkeit des VVD verkaufsfördernd“ auswirke. Eine Abstimmung von Werbemaßnahmen sei daher nicht erforderlich, zumal man „eigene Konzepte“ des Vertriebes nicht „verbauen“ dürfe. „Im Hinblick auf die künftige Konzern-Identifikation sollte jede nicht zwingend notwendige Bindung an Nicht-Konzerngesellschaften und jede Einräumung von Rechten in Verbindung mit konzerneigenen Leistungen vermieden werden.“16 Asta Hollers Versuch, Aufgaben und Status des VVD abzusichern, lief ins Leere. Im Laufe des Jahres 1978 musste im Volkswagenwerk erneut über die Fortsetzung des Namensführungsvertrages entschieden werden. Ende Juni führte Asta Holler eine „lange Unterhaltung“ mit Thomée. In einem handschriftlichen Brief an Vertriebschef Werner P. Schmidt bemerkte sie dazu, sie hoffe, dass das Resultat der Unterredung auch Schmidts Zustimmung finden werde, „denn wir hätten damit eine gemeinsame dauernde Verbindung erreicht“.17 Begleitet von ihrem Generalbevollmächtigten Felix Reis, traf Asta Holler Ende August mit Jürgen Schow, dem Chefsyndikus des Volkswagenwerkes zusammen, um die „rechtliche und wirtschaftliche Situation“ des VVD zu erörtern. Es ging vor allem um eine mögliche Beteiligung der Volkswagenwerk AG an der VVD GmbH sowie um die Abgrenzung von VVD und VWV. Die „Gesprächsatmosphäre“ sei „sehr gut“ gewesen, vermerkte Schow, als er für Thomée die Ergebnisse zusammenfasste. Er habe aber 187

den Eindruck gewonnen, dass eine Beteiligung von VW am VVD „nicht zu erreichen“ sei. Asta Holler zeige „absolut keine Verkaufsbereitschaft, auch nicht hinsichtlich einer Minderheitsbeteiligung“ oder eines „Beteiligungssurrogat(s)“. Sie habe außerdem eine Reihe von konkreten Bedenken dagegen angeführt. So besitze der VVD als einziger Versicherungsvermittler eine Genehmigung des Bundesaufsichtsamtes für Versicherungswesen, Aufgaben auszuführen, die normalerweise den Versicherern oblägen; jede Beteiligung eines Dritten gefährde diese Ausnahmegenehmigung. Würde das Werk sich am VVD beteiligen, bestünde auch die Gefahr, dass dieser seinen Beschäftigten dann den überdurchschnittlichen VW-Haustarif zahlen müsse, was er aber wirtschaftlich nicht verkraften könnte. Schow gab selbst zu bedenken, dass die an das Werk gezahlte Royalty den verbleibenden VVD-Gewinn übersteige und „zwangsläufig sinken“ würde, wenn das Werk Anteile am VVD besäße. Realisierbar erscheine indes die Bildung eines VVD-Aufsichtsgremiums, in das auch das Volkswagenwerk Mitglieder entsenden könnte, um „einen gewissen Einfluss auf die VVD-Geschäftsführung“ zu erhalten. Frau Holler wolle ihre Zustimmung zu einem solchen „Kontrollorgan“ allerdings an eine Verlängerung des Namensführungsvertrages um 10 Jahre koppeln. Man habe sich darauf geeinigt, dass der VVD seinem Firmennamen das Logo der Verkaufs- und Kundendienstorganisation „V.A.G.“ vorausstelle. Was die „Eigentumsverhältnisse am VVD“ betreffe, habe er „trotz intensiven Befragens nichts Neues“ erfahren können. Über die Wertschutz GmbH in Berlin laufe aber „alles auf Frau Holler zu“. Schows abschließendes Urteil klang ambivalent. Es könne das „vertragliche Namensführungsrecht“ nicht lediglich als „Gegenstand eines einfachen Leistungsaustauschverhältnisses“ gesehen werden, denn die Verbindung des Werkes zum VVD trage wegen ihrer jahrzehntelangen Dauer „fast gesellschaftsähnliche Züge“; eine „‚schlichte‘ Kündigung“ sei daher „mindestens problematisch“. Außerdem lasse sich der VVD nicht innerhalb der einjährigen Auslaufzeit des Vertrages ersetzen. Schow empfahl daher, die von Asta Holler nicht abgelehnte „Verwaltungs- (Bei-)ratslösung“ weiterzuverfolgen, damit das Werk Einfluss auf die Geschäftspolitik des VVD nehmen könne. Wenn man den Namensführungsvertrag angesichts des „geringfügigen Entgegenkommens von Frau Holler“ kündigen wollte, ließe man sich auf einen Rechtsstreit ein. Am Rande dieser Passage vermerkte Schow mit Bleistift: „Frau Holler: Das wäre ‚unanständig‘“.18 Asta Holler bestand darauf, das, was sie mit Schow besprochen hatte, noch mit Thomée persönlich zu erörtern. Das geschah am 25. Oktober. Bei dieser Gelegenheit berichtete sie auch über die 1976 gegründete „Christian C. und Asta Holler-Stiftung“.19 Sie erklärte, dass „testamentarische Verfügungen“ es ihr verböten, einer Beteiligung der Volkswagenwerk AG am VVD zuzustimmen.20 Mit dem Hinweis auf den letzten 188

Willen ihres verstorbenen Mannes verschaffte sie sich allenthalben Respekt. An dessen Stelle dafür zu kämpfen, dass der VVD „nicht in fremde Hände fiele“, wurde ihr zum Lebensinhalt.21 Wer immer seine Position einem autonomen VVD unter Asta Holler verdankte, begrüßte deren Standhaftigkeit. Wie lange Christian Holler selbst auf der Unabhängigkeit seiner Gesellschaft bestanden hätte, wissen wir freilich nicht. Zeitgenossen vermuten, er hätte „den Stier bei den Hörnern gepackt“ und den VVD beizeiten für einen „guten Preis“ dem Werk überlassen.22 Doch für seine Witwe war der VVD nicht nur ein Geschäft, sondern inzwischen auch die Bühne, auf der sich ihr Leben abspielte. Im Dezember 1978 musste der Volkswagen-Vorstand entscheiden, ob der Namensführungsvertrag sich automatisch um fünf Jahre verlängern oder mit einjähriger Frist gekündigt werden sollte. Man nutzte diesen Umstand, um in einer neuen VVD-Satzung die Möglichkeit zur Einflussnahme auf die Gesellschaft zu verankern. So wurde am 14. Dezember als zusätzliches Organ der GmbH ein Beirat bestimmt, bestehend aus fünf Mitgliedern, drei entsandt vom VVD, zwei von der Volkswagenwerk AG. Die Amtszeit sollte drei Jahre betragen, der Vorsitzende jeweils der einen, sein Stellvertreter der anderen Gruppe entstammen. Asta Holler war „für die Dauer ihrer aktiven Tätigkeit“ der Vorsitz vorbehalten; danach sollte er auf einen Vertreter der Volkswagenwerk AG übergehen. Satzungsänderungen sowie Veräußerung, Abtretung oder Verpfändung von Geschäftsanteilen bedurften der vorherigen Zustimmung des Beirates. Dieser sollte mindestens dreimal im Jahr zusammentreten und außerdem dann, wenn ein Mitglied oder die Geschäftsführung das verlangten. Beschlüsse konnten – auch schriftlich – nur mit einer Mehrheit von vier Fünfteln der abgegebenen Stimmen gefasst werden.23 Den beiden vom Volkswagenwerk entsandten Mitgliedern stand damit eine Art Vetorecht zu. Aktiv steuern konnten sie die Geschäftspolitik aber nicht.24 Als Voraussetzung für den neuen Namensführungsvertrag wurde auch bereits eine Geschäftsordnung für den Beirat festgelegt.25 Diese sah an Aufgaben und Rechten unter anderem vor, dass der Beirat die Richtlinien der Geschäftspolitik bestimmte, die Geschäftsführung überwachte sowie die Bücher der Gesellschaft einsehen und prüfen konnte, und führte Geschäftsvorgänge auf, die der Beirat vorab genehmigen musste. Ausdrücklich hieß es auch, dass „Jahresbudget und Finanzplan“ der Zustimmung des Beirates bedürften.26 Ihren 74. Geburtstag am 15. Dezember 1978 verbrachte Asta Holler noch in Wolfsburg – „arbeitenderweise“, wie sie Friedrich Thomée kurz darauf schrieb, „aber irgendwie doch ganz zufrieden, da es statt der Geburtstagsfeier einen Beirat gab“. Sie sprach dem Finanzvorstand ihren „ganz besonderen Dank“ dafür aus, dass er ihr „so hilfreich und freundschaftlich zur Seite gestanden“ habe; „denn Sie wissen, dass dies alles für mich eine schwere Angelegenheit war“.27 Um der Verlängerung des Namens189

führungsvertrages willen hatte Asta Holler offenbar zwischen zwei Übeln wählen müssen; der Beirat schien das kleinere gewesen zu sein. Nachdem das Volkswagenwerk seinen Einfluss auf den VVD gesichert hatte, konnte man den Namensführungsvertrag, der bis Ende 1979 lief, noch im Dezember zum 1. Januar 1979 erneuern. Er wurde wiederum zwischen dem VVD auf der einen und der VW AG sowie der AUDI NSU AUTO UNION AG auf der anderen Seite geschlossen und betraf auch den Gebrauch der Marke „V.A.G.“.28 Mit dem neuen Namen „V.A.G.-Versicherungs-Service: VVD“ stand der VVD jetzt – zumindest dem Etikett nach – in einer Reihe mit den Konzerntöchtern „V.A.G. Leasing“ und „V.A.G. Kredit Bank“. Das lag durchaus im Interesse des VVD, demonstrierte es doch dessen Nähe zur VW-Organisation. Der VVD hatte weiterhin 9,36% des Jahres-Bruttoumsatzes aus Provisionen sowie 4,68% der jährlichen Unkostenerstattung durch die Frankfurter-/Allianz-Versicherung an die Volkswagenwerk AG zu zahlen. Die Gebühr ging zu 90% an die VW AG und zu 10% an die AUDI NSU AUTO UNION AG.29 Das Recht des Volkswagenwerkes, Auskunft über die Umsätze des VVD zu erhalten sowie dessen Geschäftsunterlagen einmal jährlich einzusehen, wurde bestätigt. Abschließend hieß es: „Dieser Vertrag setzt den Fortbestand der gegenwärtigen Eigentumsverhältnisse an den Geschäftsanteilen des VVD und der darüber getroffenen Regelungen voraus.“ Die Laufzeit betrug wiederum fünf Jahre.30 Rückblickend bemerkte Chefsyndikus Schow 1982: „Die Forderung von Frau Holler, als Gegenleistung für ihre Zustimmung zur Beiratslösung eine zehnjährige Vertragsverlängerung zu bekommen, wurde erfolgreich abgewehrt.“31 Das Volkswagenwerk entsandte Friedrich Thomée und Jürgen Schow in den Beirat. Asta Holler entschied sich für August von Finck jun. und Karl Kornis, die beide auch dem Kuratorium der „Christian C. und Asta Holler-Stiftung“ angehörten. Bevor der Beirat zum ersten Mal zusammentrat, kamen seiner Vorsitzenden Bedenken, ob es richtig wäre, dass Kornis, der immerhin den Partner des VVD in Österreich und zugleich eine der Poolgesellschaften in Deutschland vertrat, sämtliche Finanzunterlagen des VVD einsehen könnte, wie es die zwischen ihr und dem Volkswagenwerk verabredete Geschäftsordnung vorschrieb. Thomée leuchtete diese Sorge ein, und in der Endfassung der Satzung, die der Beirat auf seiner ersten Sitzung beschloss, tauchte ein „Finanzplan“ auf der Liste der vorab zustimmungspflichtigen Punkte nicht mehr auf.32 Die konstituierende Sitzung des Beirates sollte, abgestimmt auf Thomées Terminkalender, am 21. Februar stattfinden. Ergeben dankte Asta Holler Thomée und Schow in einem offiziellen Einladungsschreiben für die „liebenswürdige Bereitschaft, dem Beirat meiner Gesellschaft als Mitglied beizutreten“.33 Eine Woche vor der anberaumten Sitzung erfuhr sie, dass Thomée „eine andere wichtige dienstliche Verpflichtung“ dazwischen gekommen war. Sie musste von Finck und Kornis absagen. Schließlich 190

tagte der Beirat doch – vollzählig – am 21. Februar in den Räumen des VVD im Wolfsburger Burgwall-Center. Bevor man in die Tagesordnung eintrat, unterstrich Thomée „den Wunsch, den VVD als wesentliche Institution zur Förderung des VW und Audi Vertriebs langfristig zu sichern und vor plötzlicher Gefährdung zu schützen“.34 Bestrebungen im Unternehmen, die gesellschaftsrechtliche Unabhängigkeit des VVD zu beenden, war vorerst der Wind aus den Segeln genommen. In einem von Schow angefertigten ausführlichen Protokollentwurf nahm neben jenen Tagesordnungspunkten, die Konstituierung und Geschäftsordnung des Beirates sowie das Geschäft in einigen europäischen Ländern betrafen, Brasilien den größten Raum ein. Unter den Auslandstöchtern des VVD brachte die brasilianische mit Abstand die höchsten Erträge. Probleme in Brasilien beanspruchten Asta Holler in der nächsten Zeit heftig. Bereits Ende 1978 hatte sie Thomée am Ende eines Briefes vielsagend bedeutet, dass ihr „Brasilien“ inzwischen „nicht nur den Beruf, sondern auch das Herz schwer“ mache.35 Bei ihrem letzten Besuch im November 1978, berichtete sie dem Beirat, habe der Generaldirektor von VW do Brasil, Wolfgang Sauer, gedroht, „dem VVD die Werksversicherungen weg(zu)nehmen“, falls nicht bis zum Januar 1979 positiv über eine Beteiligung von VW do Brasil an VVD Seguros entschieden werde. Thomée ergänzte, dass überdies „seitens der anderen Beteiligten bei Pallas“, also bei der Firma Gradmann & Holler, der Wunsch bestehe, „das lukrative Industriegeschäft zu Pallas herüberzuziehen und das verlustreiche andere (Kfz) Geschäft bei VVD zu belassen“. Dieses Problem sei allerdings „nicht Sache des Werkes“. Doch müsse eine Lösung gefunden werden, die es VW do Brasil erlaube, seinen Provisionsanteil von 50% auf legalem Wege zu erhalten. Weitergehende Ansprüche erhebe man nicht. Von Finck regte an, Sauer in einem Brief mitzuteilen, dass das Volkswagenwerk mit der Bestellung des Beirates „die schützende Hand über den VVD“ halte. Nach Thomées einleitender Erklärung musste der Bankier annehmen, dass dem so wäre. Der Beirat beschloss, dass seine Vorsitzende in Begleitung von Jürgen Schow, ihrem Stellvertreter, in der zweiten Märzhälfte nach Brasilien reisen und dort klärende Gespräche führen sollte.36 Der Status quo des VVD Seguros blieb insofern erhalten, als er die Industrieversicherungen von VW do Brasil auch künftig vermitteln sollte. Doch die Provisionsrückvergütung spielte sich nach wie vor in der landesüblichen Grauzone ab. Immerhin schien eine veränderte Politik der brasilianischen Regierung über kurz oder lang einen Erwerb der MCS durch VW do Brasil zu erlauben, sodass die Rückvergütung direkt ins Unternehmen geflossen wäre.37 Sie hätte dann jeweils am Jahresende an beide Aktionäre ausgeschüttet werden können, und die komplizierten jährlichen DM-Überweisungen der Gruppe Monteiro-Aranha nach Wolfsburg wären entfallen. Auf jeden Fall, hielt Schow fest, strebe VW do Brasil „für die Zukunft eine ‚legalisierte‘ Lösung“ an.38 191

Volkswagen schien tatsächlich eine „schützende Hand“ über den VVD zu halten, und Asta Holler war davon überzeugt, dass sich dies vor allem ihrem guten Verhältnis zu Friedrich Thomée verdankte. Der war im April erkrankt, und sie hatte dem Vorstandsvorsitzenden Schmücker versprechen müssen, von dieser Nachricht keinen Gebrauch zu machen. Es betrübte sie zutiefst, dass sie Thomée nicht „mit irgendwelchen Liebesbeweisen das Krankenlager … erleichtern“ durfte, müsse man sich doch „um einen so lieben Freund“ wie ihn „kümmern“. Sie riet ihm, sich zu schonen, hoffte, er werde seinen Geburtstag am 1. Mai mit seiner „sehr lieben Frau in voller Gesundheit feiern können“, und schenkte ihm eine italienische Barock-Plastik. „Die Idee dabei war, dass der liebe Gott sie behüten und beschützen möge und Sie uns allen gesund erhalte“.39 Zu ihrem 75. Geburtstag am Ende des Jahres erhielt Asta Holler vom Ehepaar Thomée ein Bonsai-Apfelbäumchen. Sie bedankte sich überschwänglich: Sie werde den Baum „wie ein Baby täglich 2 x gießen“ und ebenso oft an Thomée denken, „denn wenn ich Sie in diesem Jahr auch gar nicht mehr sehe, so bleiben wir doch mit Apfelblüten miteinander verbunden“.40 Zu Weihnachten erhielt sie von den Thomées noch eine „rote Riesenorchidee“, die sie „unwahrscheinlich schön“ fand.41 Asta Holler pflegte Kontakte zu Führungskräften des Volkswagenwerkes mit großem Aufwand. Doch wenn sie dabei persönliche Bekenntnisse riskierte, stand sie sich leicht selbst im Wege. Ein Briefwechsel von Anfang 1980 zeigt, wie schwer sie es anderen machte, ihr vertrauensvoll zu begegnen. Annely Schmidt, die Ehefrau des VW-Verkaufsvorstandes, bedankte sich mit einem längeren Brief für Weihnachtswünsche und -geschenke und teilte auch mit, dass ihr Vater gestorben sei. Sie habe davon während eines Indienurlaubs mit ihrem Mann durch ein Telegramm erfahren und die Reise abgebrochen. Offen schilderte Annely Schmidt, was sie auf dem Subkontinent empfunden hatte. Die Reise sei ein „Reinfall“ gewesen, „die seelische Belastung nach spätestens 3 Tagen mehr, als man ertragen konnte und wollte: Armut, Hunger, daraus resultierende Krankheiten und Missbildungen, soziale Missstände…, daneben für uns Touristen das Anschauungsprogramm der unvorstellbaren Pracht und Verschwendungssucht Einzelner in ihren Palästen, Mausoleen, Tempeln. Ich kann nur hoffen, dass die Zeit diese Ereignisse und grausamen Bilder der letzten Wochen ein wenig retuschiert.“42 Zweifellos freute Asta Holler sich außerordentlich über diesen selten persönlichen Brief und antwortete umgehend. Sie kondolierte und ließ die Trauernde wissen, wie leid es ihr tue, dass sie „ausgerechnet auf Ihrer Indienreise diese schmerzliche Nachricht“ erhalten habe. Sie selbst sei mit ihrem Mann mehrere Male dort gewesen und habe sich bemüht, nur das Schöne zu sehen, wovon es „sagenhaft“ viel gebe. „Es ist nur schade, dass Sie Ihre Reise so schnell abbrechen mussten, denn nach kurzer Zeit gewöhnt man sich daran, sowohl den Reichtum wie die Armut dort zu sehen, nimmt beides als gegeben hin, erfreut sich aber trotzdem an der Schönheit des 192

Landes.“43 Fortan beschränkte Frau Schmidt sich darauf, in ihren Neujahrsgrüßen an Asta Holler Höflichkeitsfloskeln freundlich zu variieren. Es wurde zunehmend einsam um Asta Holler. Als Felix Reis 1980 eine zweite Ehe einging, empfand sie das offenbar als Verrat, und ihr Verhältnis zum Neffen Christian Hollers kühlte sich ab. Er habe in München geheiratet und die Stadt damit öffentlich zu seinem Hauptwohnsitz bestimmt, könne also unter der Geltung der Berlin-Präferenzklausel nicht Geschäftsführer der Wertschutz GmbH bleiben, brachte sie als Begründung vor, als sie seine Alleinvertretungsbefugnis für die Gesellschaft widerrief.44 Im Oktober 1980 erteilte die Geschäftsführung des VVD Felix Reis Generalvollmacht, die ihn berechtigte, den VVD gemeinsam mit einem Geschäftsführer in allen gesetzlich zulässigen Fällen gerichtlich und außergerichtlich zu vertreten.45 Asta Holler misstraute ihrem – wie sie fortan stets betonte: angeheirateten – Neffen und ließ, auch wenn Dritte ihr Betragen wohlmeinend kritisierten, nicht davon ab, Felix Reis vor Publikum herabzusetzen.46 Ende Januar 1980 ließ Asta Holler durch Karl Ludwig Barths, den Sprecher der VVDGeschäftsführung, Friedrich Thomée die Bilanz des VVD überbringen – die „wie besprochen nur in Ihren Händen bleibt“ – und bat ihn, einen Termin für die nächste Beiratssitzung zu bestimmen, damit sie „die anderen Herren“ rechtzeitig dazu einladen könne.47 Die Sitzung fand am 8. Mai 1980 in München statt. Im Mittelpunkt stand wiederum das Thema „VVD Brasilien“. Schow berichtete anschließend nach São Paulo, man habe „zur endgültigen Bereinigung der Situation“ dort erneut eine Beteiligung an VVD Seguros gefordert. Von „Frau Holler“ sei das aber, „wie erwartet, wieder abgelehnt“ worden. Sie bezweifele überdies, ob das brasilianische Recht eine Beteiligung überhaupt zulasse. Der Beirat habe Schow schließlich beauftragt, sich mit sachkundigen Juristen beider Parteien zu beraten.48 Am 1. Mai 1980 hatte Friedrich Thomée seinen 60. Geburtstag gefeiert. Bei Asta Holler bedankte er sich für eine „ganz besondere Aktentasche“, erinnerte an „die Gemeinsamkeiten“ und bekundete, er wolle „gern noch mehr helfen“.49 Asta Hollers nächster Hilferuf erreichte den Finanzvorstand Ende September. Demnach erwartete Sauer in Brasilien von ihr dringend eine Entscheidung „in Sachen Provisionsrückvergütung an das Werk über die Masa“. Schon im Mai habe er ihr gedroht, wenn sie sich nicht bald etwas „einfallen“ ließe, „wüsste er, was er tun würde“, aber dann würde sie, Asta Holler, sich „wundern“. „Ich bitte Sie herzlich, lassen Sie mich nicht im Stich, denn ich bin durch dies alles mit meiner Gesundheit und mit meinen Nerven schon fast am Ende.“ Sie käme jederzeit gern zu einem Gespräch nach Wolfsburg.50 Doch Thomée musste nicht mehr intervenieren um die Lage zu entspannen. Sauers Drohworte verpufften. Schow hatte nämlich errechnen lassen, dass die – von Asta Holler rigoros abgelehnte – Beteiligung von VW do Brasil an VVD Seguros 80–90%51 193

betragen müsste, wollte das Unternehmen mindestens soviel Gewinn herausschlagen, wie es gegenwärtig an Provisionsrückvergütung über die MASA erhielt. Gegen eine Beteiligung sprach überdies, dass VW do Brasil als Gesellschafter von VVD Seguros die Daten anderer Industrieversicherungskunden hätte einsehen können; wahrscheinlich verlöre VVD Seguros diese Kunden dann. Zudem würde der hohe Preis, den Volkswagen für eine Beteiligung an VVD Seguros zu entrichten hätte, das angestrebte wirtschaftliche Ergebnis „auf längere Zeit neutralisieren“. Kurt Stroh bot noch an, dass anstelle von VVD Seguros fortan Pallas Gradmann & Holler do Brasil die Versicherungen des brasilianischen Volkswagenwerkes vermitteln und VW do Brasil eine 30%ige Beteiligung einräumen, also in São Paulo ein ähnliches System installieren könnte wie 1976 in Wolfsburg mit der VWV-GmbH. Dagegen machte VVD Seguros geltend, dass sich mit dem Kfz-Versicherungsgeschäft allein nicht rentabel arbeiten lasse; für Volkswagen sei dieses aber als „Verkaufsförderungsinstrument“ unverzichtbar.52 Als kurz darauf neue brasilianische Gesetze den Unternehmen zum Ausgleich inflationsbedingter Entwertungen hohe Rückstellungen vorschrieben, so dass bei Pallas Gradmannn & Holler nur ein „relativ geringfügiger ausschüttungsfähiger Gewinn“ angefallen wäre, kam Kurt Strohs Angebot nicht mehr in Betracht.53 Im Oktober 1980 erfuhr Thomée von Schow, dass als einzige Lösung für das Problem „Provisionsrückfluss“ die Übernahme der Versicherungsabteilung von VW do Brasil durch VVD Seguros bleibe. Gemeint war: VVD Seguros sollte fortan die Personal- und Gemeinkosten dieser Abteilung tragen.54 Doch dem stand brasilianisches Recht entgegen.55 Das Problem, wie Teile der hohen Provision, die VVD Seguros bei der Vermittlung von Industrieversicherungen für VW do Brasil kassierte, legal an das Werk zurück fließen könnten, blieb ungelöst. Zum Jahresende tauschten Asta Holler und Thomée die üblichen Geburtstags- und Weihnachtsgrüße und -geschenke aus. Asta Holler hoffte, dass die Wünsche, „zumindest was die Gesundheit“ betreffe, sich erfüllten, alles andere schaffe sie schon, denn bekanntlich sei sie „ein alter Kämpfer“.56 In Deutschland verdiente der VVD nach wie vor gut. Die Einführung des Regionaltarifsystems im Jahre 1977 hatte dem Umsatz neue Impulse gegeben. Seit 1980 kamen in den Büros des VVD Mehrfarbendatensichtgeräte zum Einsatz. Im Laufe der nächsten Jahre stellte man vollständig auf elektronische Datenverarbeitung um; das „aktenlose Büro“57 wurde Realität. Das Unternehmen, dessen Erträge nach Asta Hollers Tod die Stiftung nähren sollten, florierte. 1980 führte der VVD insgesamt 7,3 Mio., 1981 bereits 8,2 Mio. DM Royalty an den Volkswagenkonzern ab.58 Asta Holler pflegte weiterhin Kontakt zu Hans Bender, dessen Freiburger Institut seit 1976 alljährlich zwischen 8000 und 9000 DM aus der „kleinen“ Stiftung erhielt. „Über interessante Forschungsergebnisse würde ich Ihnen gerne einmal persönlich berichten“, schrieb Bender ihr im Frühjahr 1981. „Wir untersuchen zur Zeit gemeinsam mit 194

Um Asta Holler besorgt: Hans Bender

Physikern der Université Mulhouse einen überaus dramatischen Spukfall in Mulhouse, wo ein ‚Poltergeist‘ eine kleine Familie so in Unruhe versetzt, dass sie nun ihr Eigentums-Appartement verkauft und nach den Antillen auswandert.“ Asta Holler musste sich von Bender wie eine Vertraute informiert fühlen. Regelmäßig erkundigte sich der drei Jahre jüngere Professor nach ihrem Befinden und garnierte seine Sorge mit Komplimenten über ihre ungebrochene Schaffenskraft. „Ich hoffe sehr, dass Sie die gesundheitliche Krise gut überstehen. Niemandem wird es – fürchte ich – gelingen, die stresshafte Überbelastung von Ihnen fernzuhalten, das wäre doch wohl nötig, um Ihnen einmal eine Entspannung zu verschaffen, die Ihre Vitalität dann wahrscheinlich zu wahren Wundern der Erholung verwenden würde. Aber wahrscheinlich brauchen Sie ständige Bewegung und ständiges Gefordertsein, um sich wohlzufühlen.“59 Solche Liebenswürdigkeiten taten der alten Dame gut. Im Frühjahr 1981 gratulierte Asta Holler Toni Schmücker zum sechzigsten Geburtstag – mit demselben Text, den sie 1974 bereits Rudolf Leiding hatte zuteil werden lassen.60 Mitte des Jahres erlitt Schmücker, der die Firma sechs Jahre lang mit Geschick und Glück gesteuert hatte, einen schweren Herzinfarkt. Friedrich Thomée, ältestgedientes Vorstandsmitglied, der bereits vier Vorsitzende erlebt hatte, leitete während Schmückers Klinikaufenthalt das Unternehmen und hoffte, ihm nachzufolgen. Er vertrat ihn im September auch offiziell bei der Eröffnung der Internationalen Automobilausstellung in Frankfurt.61 Nachdem Asta Holler sich bereits im Frühjahr vergeblich um einen Termin für eine Beiratssitzung in München bemüht hatte, unternahm Schow Mitte August einen weiteren Anlauf bei Thomée; eine solche Zusammenkunft dauere „erfahrungsgemäß ja nicht sehr lange…“.62 Thomées Terminkalender erlaubte eine Sitzung am 3. November, und die Vorsitzende lud am 13. Oktober dazu ein.63 Anfang Oktober kehrte Schmücker täglich für einige Stunden an seinen Schreibtisch zurück. Als er Vertriebs-Vorstand Werner P. Schmidt als seinen Nachfolger empfahl, 195

verstörte dies Thomée so sehr, dass dieser Wolfsburg Hals über Kopf verließ.64 Asta Holler wusste, was sie an Thomée hatte, und schickte einen langen handgeschriebenen Brief hinterher. Sie bat Thomée „inständig“, seinen „Urlaub“ abzubrechen und die Arbeit wieder aufzunehmen. Er möge sich „durch das Geschmiere der Zeitungen und das Kesseltreiben der Kollegen nicht aus der Ruhe bringen“ lassen. „Wir alle stehen zu Ihnen, Sie werden gebraucht, es ist keiner von diesen Heckenschützen, der es mit Ihnen aufnehmen könnte, der nur einen Bruchteil ihres Wissens und Könnens besäße, der Sie nur im Geringsten ersetzen könnte.“ Auch der kranke Schmücker brauche ihn dringend. „Sie können doch nicht alles, was Sie so großartig aufgebaut haben im Stich lassen. … Kommen Sie sofort zurück, ich beschwöre Sie, geben Sie nicht auf, ich weiß, dass Sie es wieder schaffen werden!!!“65 Asta Hollers leidenschaftlicher Appell stimmte Thomée nicht um. Er trat von seinem Vorstandsamt zurück. Das Kandidatenkarussel rotierte bereits66, und Thomée wurde als zukünftiger Vorstandsvorsitzender nicht mehr in die engere Wahl gezogen. Der Finanzchef bewies in diesen Wochen nämlich keine glückliche Hand, als es darum ging, den finanziellen Schaden zu begrenzen, der dem VW-Konzern durch den Kauf des Büromaschinenherstellers Triumph-Adler entstanden war. Um der „Diversifikation“ der Produktpalette willen hatte Thomée 1979 durchgesetzt, dass die Volkswagenwerk AG eine angebliche „Perle der deutschen Datenverarbeitung“67 erwarb. Das hatte sich inzwischen als eine Fehlentscheidung erwiesen, die den Konzern noch Milliarden kosteten sollte.68 Ein Jahr später schrieb Thomée der alten Dame, er habe erfahren, dass auch sein gutes Verhältnis zu ihr ihm geschadet hätte.69 Mit Friedrich Thomée verlor Asta Holler ihren Gewährsmann im Vorstand der Volkswagenwerk AG.70 Der Aufsichtsrat bestimmte Carl H. Hahn zu Schmückers Nachfolger. Asta kannte den neuen Vorsitzenden. Die Verbindung bestand aus der Zeit, als er dem Vorstand unter Heinrich Nordhoff als Vertriebschef angehört hatte. Sie hielt den Kontakt aufrecht, als Hahn 1972 zum Reifenhersteller Continental wechselte und das defizitär übernommene Unternehmen als Vorstandsvorsitzender wieder in die Gewinnzone brachte. Alljährlich zu Weihnachten schickte sie den Hahns eine prächtige Azalee; 1976, zu seinem 50. Geburtstag, erhielt Carl H. Hahn eine Flasche alten Genever.71 Anfang 1982 trat er in Wolfsburg an. Asta Holler beglückwünschte ihn mit einer Schale vierblättriger Kleeblätter, die VVD-Geschäftsführer Barths nach exakten Anweisungen zuvor besorgt hatte; es durfte nämlich „kein ausgewachsener hoher“ Klee sein.72 Hahn bedankte sich umgehend. Man werde sich sicherlich „in absehbarer Zeit einmal wiedersehen“, einen Termin könne er noch nicht nennen.73 Fiel Hahns Amtsantritt in eine Phase abgeschwächter Automobilkonjunktur, die auch dem Volkswagenwerk zusetzte, brachte er das Unternehmen 1984 wieder auf Ertragskurs. Eine vorwärtsweisende Modellpolitik und der Aufstieg von Audi verbinden sich fortan mit 196

seinem Namen. Vor allem aber sollte er das Wolfsburger Unternehmen durch die Übernahme neuer Produktionsstätten in die Riege der Weltkonzerne führen.74 Als die dreijährige Amtszeit der Mitglieder des VVD-Beirates am 31. Dezember 1981 endete, hatte das Gremium – satzungswidrig – insgesamt erst zweimal getagt. Während Asta Holler erneut Kornis und von Finck berief75, musste das Volkswagenwerk Ersatz für den ausgeschiedenen Thomée bestellen. Schow schlug Werner P. Schmidt vor, den Vertriebschef, handele es sich doch beim VVD um „ein wesentliches Verkaufsförderungsinstrument“.76 Zweifellos bedachte Schow auch, dass Asta Holler mit dem Ehepaar Schmidt lockeren privaten Kontakt hielt, was die Atmosphäre im Beirat womöglich entspannt hätte. Ein halbes Jahr verging, ehe der VW-Vorstand entschied, Harald Wischenbart, den Leiter des Vertriebsbereichs Inland, in den VVD-Beirat zu entsenden.77 Dessen Vorsitzende erfuhr davon erst etliche Wochen später und verwahrte sich sogleich gegen die Personalie – Wischenbart sei kein Vorstandsmitglied! Hahn persönlich bedeutete ihr am Telefon, dass Wischenbart „der einzige und ein absolut vollwertiger Partner“ für sie sei, und Asta Holler lenkte ein.78 Kurz zuvor hatte sie Werner P. Schmidt zu dessen 50. Geburtstag noch mit einem lebhaften Brief und einem Fischfossil aus Brasilien bedacht; sie wisse, dass er das Land liebe.79 Brasilien bedeute Asta Holler fortgesetzt viel. Die „Geschäftsreisen“ dorthin ließen sie aufblühen. Sie nahm in São Paulo an den Sitzungen von VVD Seguros teil und führte 1986 Klaus Windmüller als Nachfolger von Alfred Solzer ein. Sie tafelte gern mit den brasilianischen und den sie begleitenden deutschen Geschäftsführern als Mittelpunkt einer großen Herrenrunde, verbrachte die Wochenenden am Strand von Guarujá und besuchte trotz der langen und strapaziösen Fahrt – es war ein Arm des Billing-Stausees mit einer Fähre zu überqueren, auf die sie oft stundenlang zu warten hatte – regelmäßig „ihr“ SOS-Kinderdorf São Bernardo. Sie hatte dort inzwischen unter anderem ein Gemeinschaftszentrum errichten und einen artesischen Brunnen bohren lassen, sorgte für die Stabilisierung eines bebauten Hanggeländes sowie für gepflasterte Straßen und Wege. Sie überzeugte sich selbst, wie das gespendete Geld, das von ihrem Privatkonto stammte, verwendet wurde. Immer bestand sie darauf, den Dorfbewohnern Süßigkeiten mitzubringen, und es bereitete ihr Spaß, ja, machte sie glücklich, „den Kindern aller Rassen und Farben … beim Spielen zuzuschauen“.80 Die Mitarbeiter des Dorfes verehrten ihre Wohltäterin und fürchteten bisweilen ihre Strenge. Asta Holler, die sie „eiserne Lady“ nannten, sei eine „starke Persönlichkeit“ gewesen, „mit etwas verhärtetem und traurigem Gesichtsausdruck“. Doch habe hinter der „eisernen Rüstung“ ein „goldenes Herz“ geschlagen.81 Während Asta Holler in Europa der Argwohn quälte82, nicht ernst genommen zu werden, dürfte sie in Brasilien den lateinamerikanischen Überschwang genossen haben, mit dem man ihr Hochachtung und Dankbarkeit entgegenbrachte. 197

Seit März 1982 wurde im Volkswagenwerk beraten, wie über die Fortsetzung des Ende 1984 auslaufenden Namensführungsvertrages mit dem VVD zu entscheiden sei. „Dabei ist die jahrzehntelange Dauer der Verbindung Volkswagenwerk AG – VVD zu berücksichtigen. Sie verleiht dieser Verbindung über ein einfaches Leistungsverhältnis hinaus den Charakter einer langfristigen Kooperation“, hielten Schow und der Konzernverantwortliche für das Versicherungswesen in einer Aktennotiz fest. Dass sich „der Widerstand von Frau Holler gegen eine Beteiligung des Volkswagenwerkes am VVD (oder sogar den Vollerwerb) vor dem Hintergrund des Auslaufens des NFV überwinden“ lasse, sei nach bisherigen Erfahrungen „wenig wahrscheinlich“. Vermutlich werde sie wieder die „testamentarischen Verfügungen“ ins Feld führen. In jedem Falle müsse noch 1983 entschieden werden, ob der Vertrag einfach weiterlaufen solle, man einen Erwerb oder eine Beteiligung anstrebe – beides sei „kaum realistisch“ – oder ob man den Vertrag zum 1. Januar 1985 kündigen und durch eine „eigene Organisation“ ersetzen wolle.83 In einer Vorlage, die Schow für eine Vorstandssitzung am 19. April erarbeitete, hieß es ferner, dass der „Abstimmungsmodus“ des VVD-Beirates dem Volkswagenwerk einen Einfluss sichere, welcher der eines Gesellschafters nahe komme.84 Die „starke Stellung des Beirates“ habe sich bis dahin allerdings „wenig ausgewirkt“, denn Sitzungen seien „u. a. aus Termingründen“ nur selten abgehalten worden.85 Ende 1982 kam es zwischen Asta Holler und dem Volkswagenwerk zu einem Dissens über die Gründe, die 1979 zur Einrichtung des Beirats geführt hatten. Asta Holler meinte, es sei seinerzeit vor allem darum gegangen, „für die Auslands- und Überseebeteiligungen des VVD eine Institution zu schaffen, die bei auftretenden Problemen und Schwierigkeiten bei den ausländischen Tochtergesellschaften der Volkswagenwerk AG und den Importeuren“ Einfluss ausüben könne.86 Hahn rückte die Sache zurecht. Die Bildung des Beirates habe „in unmittelbarem Zusammenhang mit der Fortsetzung des Namensführungsvertrages“ gestanden. Seinerzeit hätte man Asta Holler den „Konzerngrundsatz“ erläutert, wonach die Volkswagenwerk AG Namensführungs- und Markenrechte nur an Gesellschaften vergebe, an denen sie „mehrheitsbeteiligt“ sei oder „deren Geschäftspolitik sie auf anderem Wege in gewisser Weise beeinflussen“ könne. Da Asta Holler eine Beteiligung des Volkswagenwerkes am VVD „leider“ abgelehnt habe, sei die „Beiratslösung“ gewählt worden.87 Mit welchen Worten womöglich Friedrich Thomée Ende 1978 die Installation des Beirats im persönlichen Gespräch mit Asta Holler bemäntelt hatte, interessierte niemanden mehr. Im Frühjahr 1983 sprach Schow mit Asta Holler erneut über eine „Beteiligung der Volkswagenwerk AG am VVD Deutschland“. Die Witwe Christian Hollers nahm wiederum „den bekannten Standpunkt“ ein und bekräftigte, die VVD-Geschäftsanteile stünden der zukünftigen Holler-Stiftung zu.88 198

Anfang Mai 1983 fand in München die dritte und – ohne dass die Beteiligten dies wissen konnten – letzte Sitzung des Beirats statt. Der Überblick, den seine Vorsitzende über die Geschäftsentwicklung des Jahres 1982 gab, konnte die Begehrlichkeit des Volkswagenwerkes nur anstacheln. Der VVD hatte sein Ergebnis in Deutschland nämlich „trotz rückläufiger Neuwagenverkäufe“ gegenüber 1981 abermals verbessern können. Das Prämienvolumen belief sich hier gegenüber 422 Mio. DM 1980 jetzt auf 440 Mio. DM. Die Zahl der versicherten Risiken war von knapp 1,39 Mio. auf gut 1,46 Mio. gestiegen.89 VVD-Sprecher Barths hatte 1980 eine Forderung der Händlerschaft aufgegriffen, als er in enger Kooperation mit dem führenden Versicherer eine Gebrauchtwagengarantieversicherung einrichtete. Dies geschah innerhalb kürzester Frist, während Günther Obst Urlaub machte. Der VVD stellte sich damit den veränderten Herausforderungen des nunmehr zunehmend gesättigten Pkw-Marktes.90 1981 brachte die neue Police fast 150 000 Anmeldungen. In diesem Jahr belief sich der Gewinn des VVD erstmals auf deutlich mehr als 10 Mio. DM.91 Der VVD profitierte auch davon, dass die Neuwagenpreise gestiegen und Reparaturen teurer geworden waren, denn immer mehr Wagenbesitzer entschieden sich für eine Vollkaskoversicherung. An die Händler und Werkstätten flossen 1982 neben 20 Mio. DM an Provisionen rund 117 Mio. DM an Reparaturkosten sowie 25 Mio. DM in Zusammenhang mit Gebrauchtwagengarantie-Schäden, insgesamt 162 Mio. DM. Die Royalty stieg auf 11,9 Mio. DM an. Auch der VVD-Wien verbesserte sein Ergebnis. Weniger erfreuliche Entwicklungen in den Niederlanden, der Schweiz und Italien fielen daneben kaum ins Gewicht. Den VVD-Frankreich jedoch musste der Beirat liquidieren.92 1983 vermittelte der VVD für 30% der im Inland ausgelieferten Fahrzeuge des VW-Konzerns die Versicherungen.93 In Brasilien fand sich Anfang 1983 endlich eine legale Lösung für das leidige Problem der Provisionsrückvergütungen. Mit der „São Bernardo Corretora de Seguros S/C Ltda.“, kurz „Corretora“ genannt, entstand eine neue Versicherungsmaklergesellschaft. Sie gehörte zu 100% der Stiftung „Fundação Volkswagen“, einer Versorgungseinrichtung für bedürftige Arbeiter von VW do Brasil. VW do Brasil überführte seine gesamte Versicherungsabteilung an die Corretora, die fortan deren Personal- und Gemeinkosten trug. Am 1. Mai 1983 nahm die Corretora das „Geschäft“ auf, indem sie die von VVD Seguros an VW do Brasil rückzuvergütenden Provisionen auf sich verbuchte. Wie bis dahin MCS, war die Corretora in das Vermittlergeschäft „nicht aktiv eingeschaltet“. Ihren „Gewinn“ erhielt die Fundação, und VW do Brasil reduzierte seinen jährlichen Zuschuss zur Erhaltung des Stiftungsvermögens um einen Betrag in derselben Höhe.94 Von einer direkten Beteiligung am VVD Seguros konnte VW do Brasil daher noch einmal absehen. 199

Im Frühjahr 1983 schien es Carl H. Hahn an der Zeit, sich der Angelegenheit VVD selbst anzunehmen. Er erinnerte sich, dass er Anfang der sechziger Jahre „schon mal einen Kündigungsbrief geschrieben“ hatte. Jetzt war der Kapitalbedarf bei Volkswagen außerordentlich hoch.95 Vor Hahns Treffen mit Asta Holler informierten Wischenbart und Schow den Vorstandsvorsitzenden schriftlich über die Entwicklung und den Stand der Dinge. Hahn wusste nun, dass der VVD „über verschiedene Zwischengesellschaften“ Asta Holler gehörte, in welchen Ländern er prosperierte, wann der Namensführungsvertrag auslief und dass Volkswagen jährlich rund 10 Mio. DM an Lizenzgebühren kassierte. Er erfuhr, „das Nachfolgeproblem Frau Holler“ sei „prekär“, und sie selbst habe das inzwischen erkannt. Ein Beteiligungserwerb sei 1978 gescheitert und als „Minderlösung“ ein Beirat gegründet worden, „um wenigstens eine Einflussmöglichkeit für Volkswagen zu schaffen“. Die Vergabe des Namensführungsrechtes sei „an die Person von Frau Holler geknüpft“. Die begreife es als ihre Pflicht, „das Werk ihres Mannes zu erhalten“, sehe aber nicht ein, dass das „am besten durch eine Beteiligung von Volkswagen am VVD gewährleistet“ sei. Schow und Wischenbart empfahlen: „Erwerb oder Beteiligung von Volkswagen am VVD – vielleicht stufenweise zunächst 26% mit Option auf 51% bei Ausscheiden von Frau Holler aus der aktiven Tätigkeit“.96 Die Sorge, dass der VVD die ihm zugedachte Funktion, als operatives Unternehmen Erträge für die Stiftung zu erwirtschaften, nach ihrem Ausscheiden wahrscheinlich nicht mehr würde erfüllen können, verbot es der alten Dame, sich zur Ruhe zu setzen. Wenn ihre Kräfte versagten, würde Volkswagen nach dem VVD greifen. Doch solange sie das Geschäft führte, ließ sich Vermögen auf die Seite der zukünftigen Stiftung bringen. Sie war entschlossen, bis zu ihrem 90. Geburtstag durchzuhalten.97 Ein Autounfall, bei dem sie sich eine Gehirnerschütterung zuzog, verhinderte, dass Carl H. Hahn Anfang Juni 1983 mit Asta Holler wie verabredet Mittagessen gehen konnte. Er schickte Blumen und schlug ein Treffen „nach Ihrer Genesung“ in Wolfsburg vor.98 Im Juli bedankte er sich für eine „Königlich-Bayerische Wetterstation plus bayerischer Uhr“ zu seinem Geburtstag; er hoffe auf ein Treffen im Herbst.99 Asta Holler legte eine persönlich aufgemachte, von Hahn unterschriebene Drucksache, die „Sie, Ihre Familie oder Ihre Mitarbeiter“ scheinbar exklusiv dazu einlud, ein neues VW-Modell zu besichtigen oder Probe zu fahren, ordentlich unter ihrer Privatkorrespondenz ab.100 Mochte Hahn es darauf absehen, den VVD dem VW-Konzern einzuverleiben, wurden im Unternehmen doch auch andere Rechnungen angestellt. Den Revisionsberichten ließ sich entnehmen, welche Zahlungen der VVD während der laufenden Vertragsperiode an die Volkswagenwerk AG geleistet hatte. Chefsyndikus Schow unterbreitete dem an Thomées Stelle getretenen Finanzchef Rolf Selowsky das Ergebnis: 200

„Die Jahreseinnahmen von weit über DM 8 Mio sprechen aus meiner Sicht für eine Fortsetzung des Vertragsverhältnisses. Es ist durchaus unsicher, ob wir Zahlungen in dieser Höhe auch als Allein- oder Mehrheitsgesellschafter des VVD … erzielen könnten.“101 Gleichwohl ermittelte die Abteilung Rechtswesen kurz darauf die kartellrechtlichen Aspekte einer Beteiligung am VVD. Zweifellos beherrsche der VVD innerhalb der V.A.G.-Organisation den Markt, doch sei fraglich, ob diese Position durch eine Beteiligung noch verstärkt werde. Denn „durch den Namensführungsvertrag, Besetzung und Funktion des Beirates wie auch personell und örtlich“ seien Volkswagenwerk AG und VVD bereits so eng verzahnt, dass eine Beteiligung die Marktverhältnisse „kaum spürbar“ beeinflussen würde. Daher unterliege ein Beteiligungserwerb von mindestens 25% zwar der Fusionskontrolle; angesichts der ohnehin engen Verbindung sei ein Verbot aber kaum zu erwarten.102 Die Frage, wie mit dem VVD zu verfahren sei, war im VW-Management umstritten.103 Er habe keine „unnötigen Kriegsschauplätze“ gewollt, erinnert sich Hahn, aber geahnt, „was man da alles verdienen“ könnte, und sich gesagt, „du musst zumindest soviel Geld aus dem VVD bekommen, als wenn du ein Kapital dort investiert hättest“.104 In der Vorweihnachtszeit traf Asta Holler sich in München mit Carl H. Hahn zum Abendessen. Sie bekundete ihre große Freude über diesen Besuch, „auch wenn er mehr geschäftlicher als privater Natur war“.105 Kurz darauf bedankte sich Hahns Ehefrau handschriftlich für die übliche „besonders hübsche Azalee“ und bemerkte, ihr Mann habe sich gefreut, sie, Asta Holler, „neulich wiederzusehen“ und berichtet, wie „fabelhaft“ sie aussehe.106 Für das neue Jahr übermittelte Hahn Asta Holler „für Ihr persönliches Wohlergehen“ und den „Erfolg ihrer Unternehmensgruppe“ seine „besten Wünsche in herzlicher Verbundenheit“.107 Die Gesundheit Asta Hollers hatte 1983 merklich nachgelassen. Ende des Jahres schrieb sie einen langen Brief an Thomée, der inzwischen für den Haftpflichtverband der Deutschen Industrie wirkte. Sie sei wegen verschiedener Operationen und Unfälle das ganze Jahr über nicht in Wolfsburg gewesen und habe nur mit Mühe und dauernden Kopfschmerzen ihre Arbeit erledigen können. „Man ist im Werk sogar so weit gegangen, dass man mir den Vertrag kündigen wollte und ich habe es nur durch meinen persönlichen Einsatz, meine Energie und, wenn Sie es so wollen, mit meinem Dickkopf erreicht, dass ich gesiegt habe.“108 Was Asta Holler gegenüber Thomée als „Sieg“ bezeichnete, dürften die ersten Schritte auf einem Ausweg gewesen sein, den sie womöglich selbst ersonnen hatte. Wie Jürgen Schow sich erinnert, hörte er eines Tages von Carl H. Hahn, Asta Holler wolle einen Teil ihres Vermögens dem Volkswagenwerk schenken. Es sollten „Mittel nach Wolfsburg fließen“, habe Hahn in einer Notiz festgehalten; ein „Erbvertrag“ solle geschlossen werden. „Ihr kriegt von mir 50% der Erträge meines angesammelten Vermögens“, soll 201

Asta Holler gesagt haben, „dafür erwarte ich von euch, dass ihr den Vertrag immer fortsetzt“. Die Mittel seien – wofür auch immer – gemeinnützig einzusetzen.109 Anfang 1984 ermahnte Hans Bender die alte Dame so eindringlich, Rücksicht auf ihre Gesundheit zu nehmen, wie es ihr sonst wohl niemand anzutragen vermochte. Er sei froh, das sie „die Zügel ihres Büros“ wieder in die Hand genommen habe und damit auch die ihm „noch nicht ganz begreiflichen weltweiten Organisationen“. Bender legte einen Brief von dem inzwischen berühmten Uri Geller bei, dem sie „vor Jahren den Start in Europa“ ermöglicht habe, sowie ein Foto, das Geller „als glücklichen Familienvater“ zeigte. Neben Gesundheit und Erfolg im Neuen Jahr wünschte Bender Asta Holler „die Einsicht, dass auch eine Frau mit so unbegreiflicher Fitness Ruhe und Entspannung braucht, um ihren Aufgaben und der offenbar noch häufigen Präsenzpflicht in anderen Kontinenten gerecht zu werden“.110 Bender konnte nicht wissen, unter welchem Druck seine Gönnerin inzwischen stand. Am 15. Februar 1984 erhielt Asta Holler einen Blumenstrauß an dem ein vom Händler geschriebenes Kärtchen hing: „Mit herzlichen Grüßen und Dank für das interessante Gespräch Ihr C. H. Hahn.“ Am 8. März gingen erneut Blumen bei ihr ein, angefügt eine Visitenkarte Hahns: „Mit vielen Wünschen für das Erreichen unserer Ziele, herzlichst!“111 Für einem Rosenstrauß, der danach eintraf, ließ sich zunächst kein Absender identifizieren, und Asta Holler verdächtigte ihr Hausmeisterehepaar, die anhängende Karte unterschlagen zu haben. Schließlich konnte Hahn als Absender ermittelt werden. Sie habe sich „unendlich gefreut“, schrieb Asta Holler ihm, denn nun habe sie gewusst, dass er es gewesen sei, der „so freundschaftlich“ ihrer gedacht hätte. Dreimal bat sie in diesem Brief um Entschuldigung für ihre „Undankbarkeit“ und kam dann zu der Sache, derentwegen Hahn sie hofierte. „Da ich bis jetzt über die von uns besprochene Angelegenheit nichts mehr gehört habe, werde ich also mit meinem Notar alles besprechen und hoffe, dass wir dies zu unser beiden Zufriedenheit erledigen können.“ Nach ihrer Rückkehr von einer bevorstehenden Brasilienreise könne man sich „vielleicht über alles unterhalten“.112 Ob Asta Holler im Frühjahr 1984 wie gewohnt nach Brasilien würde reisen können, erschien eine Zeitlang ungewiss. Peter Böckli erinnert sich, dass Nierenprobleme ihr zu schaffen machten. Ihr Charakter habe sich zunehmend verhärtet. Sie habe das „nach unten ausgespielt“, Felix Reis „herumkommandiert“, und auch Günther Obst, der inzwischen ihr engster Vertrauter war, habe immer wieder „seinen Rücken hinhalten“ müssen.113 Auf Hans Bender, der Asta Holler am 1. März in München besuchte, machte sie einen „müden Eindruck“. Ihr Sehvermögen habe sich nach einer Nierenoperation „rapide verschlechtert“; sie könne nur noch „mit großer Mühe in hellem Licht mit einer großen Lupe etwas entziffern“. Sie streite sich mit dem Personal und traue ihrem „Dienerehepaar“ nicht über den Weg, übernehme sich chronisch 202

und scheine niemanden zu haben, der sie „auf den großen Stress aufmerksam“ mache. Asta Holler vertraute Bender an, man habe ihr geraten, das Haus zu verkaufen und sich im Hotel „Vier Jahreszeiten“ einzumieten und versorgen zu lassen, was sie jedoch ablehne. Asta Holler habe sich „eingehend“ nach den Zielen des Instituts erkundigt und vom Entstehen eines Testaments gesprochen, „welches dem Institut einen bestimmten hohen Betrag für jährliche Auszahlung aus den Zinsen des offenbar sehr großen Vermögens“ aussetzen werde. Bender, mit seinem Institut chronisch in Geldnot, erwog – trotz oder wegen Asta Hollers nachlassender Gesundheit – sie „bei einem nächsten Treffen zu bitten, dem Institut diese Absicht … schriftlich mitzuteilen“.114 Am Tag nach dem Telefonat mit Bender fuhr Asta Holler nach Wolfsburg115 und reiste anschließend nach Brasilien. Nach ihrer Rückkehr nahm sich der Vorstandsvorsitzende der Volkswagenwerk AG die Zeit, in Wolfsburg mit ihr zu sprechen, unter anderem über „Zonenrandsonderabschreibungen“. Sie musste das Gefühl haben, er kümmere sich um sie, als er ihr im Juli auch noch einen längeren Aktenvermerk über die Möglichkeit solcher Abschreibungen beim Bau von Bürogebäuden schickte. Die Empfängerin bedankte sich „herzlich“; diese Regelungen seien ihr bereits bekannt, doch könne der VVD sie nicht nutzen, weil der Mietvertrag über die Büros im Burgwall-Center bis 1990 laufe.116 Am 11. Oktober 1984 widerrief Asta Holler alle älteren letztwilligen Verfügungen und setzte eine noch zu errichtende gemeinnützige Stiftung in München zu ihrer alleinigen Erbin ein. Wie schon das Testament von 1963 ordnete auch dieses an, dass die zum Nachlass gehörenden Beteiligungen, also die Wertschutz GmbH und die Assivalor AG, „solange wie möglich erhalten bleiben und nicht veräußert werden“ sollten. Die Gesellschaften hätten „solange wie möglich unter ihrer bisherigen Geschäftsführung (zu) verbleiben“. Die Reinerträge der Stiftung sollten zur einen Hälfte an den Gmeiner-Fonds Deutschland, die SOS-Kinderdörfer und an das Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene ausgeschüttet werden, zur anderen Hälfte an eine „vom Volkswagenwerk Wolfsburg neu zu gründende gemeinnützige Stiftung“. Die Zahlungen an diese Stiftung mit vorerst offenem Zweck waren konditioniert: „Sollte das Volkswagenwerk den Namensführungsvertrag ‚Volkswagen‘-Versicherungsdienst GmbH kündigen, entfällt mit dem gleichen Zeitpunkt die Auszahlung des vorstehend angeordneten Vermächtnisses von 50% an das Werk sowie die vom Volkswagen-Versicherungsdienst GmbH jährlich zu zahlende 10,5%ige Royalty. In diesem Falle steht die 50%ige Stiftungsausschüttung mit sofortiger Wirkung den ersten drei Vermächtnisnehmern unwiderruflich zu gleichen Teilen zu.“ Weitere Vermächtnisse und die Testamentsvollstrecker sollten in einem Zusatztestament angeordnet werden. Asta Holler unterschrieb mit fester Hand.117 203

Das vergleichsweise kurze Testament war offenbar unter Zeitdruck entstanden. Doch erfüllte es seinen Zweck. Nur zwei Wochen vor dem Auslaufen und damit so knapp wie nie zuvor, wurde am 17. Dezember 1984 der Namensführungsvertrag um wiederum fünf Jahre verlängert; dem Volkswagenwerk standen fortan 10,5% vom Jahresbruttoumsatz des VVD zu.118 Hatte Asta Holler 1978 der Einsetzung eines Beirates für den VVD zustimmen müssen, in welchem den VW-Vertretern ein Vetorecht zustand, versprach sie nun einer vom Volkswagenwerk noch zu gründenden gemeinnützigen Stiftung mit vorerst unbestimmtem Zweck die Hälfte des Reinertrages der künftigen Holler-Stiftung. Sie hoffte, auf diese Weise den VVD erhalten zu können, der seinerseits den überwiegenden Teil der Stiftungsmittel erwirtschaften sollte. Asta Holler beanspruchte nicht mitzuentscheiden, wofür die von der Holler-Stiftung später nach Wolfsburg fließenden Mittel zu verwenden wären. Auch der Vorstand der Volkswagenwerk AG hatte Hahns Vorschlag gebilligt, bevor geklärt war, welcher Sache die „vom Volkswagenwerk Wolfsburg neu zu gründende gemeinnützige Stiftung“ dienen sollte. Jedoch kamen Kräfte im VW-Vorstand, die auf eine Inkorporation des VVD in den Konzern drängten, noch nicht zum Zuge.119 Asta Holler schien mit dem Handel zufrieden zu sein. Dass er zwischen ihr und dem Vorstandsvorsitzenden persönlich zustande gekommen war, wertete ihn auf. „Hahn konnte ihr alles unterschieben“120, sie vertraute ihm und verehrte ihn. Er stammte aus einem „unbestreitbar bürgerlichen“ Elternhaus, war ihr „gesellschaftlich überlegen“, und sie sah in ihm einen „Fürsten Nachkriegsdeutschlands“.121 Mochten die Inhalte seiner zahlreichen Briefe und Karten noch so belanglos, die Schmeicheleien und Blumensträuße teils noch so berechnend gewesen sein – der einsamen Asta Holler waren sie Lebenselixier. Doch taugte der Handel mit Hahn dazu, den VVD nachhaltig gegen eine Übernahme durch Volkswagen zu sichern?

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14. Letztwillige Verfügungen Asta Hollers

Am 15. Dezember 1984 vollendete Asta Holler ihr 80. Lebensjahr. Aus diesem Anlass gab sie in einem Münchner Nobelrestaurant ein Herrenessen. Friedrich Thomée, der ihr fortgesetzt „freundschaftliche Verbundenheit“ versicherte, war, „um Peinlichkeiten zu vermeiden“, nicht eingeladen worden.1 Werner P. Schmidt sagte ab; er sei am fraglichen Tag verreist.2 Josef Huber, Protokollchef der Bayerischen Staatskanzlei und Mitglied des Beirates der Christian C. und Asta Holler Stiftung, sowie der AllianzVorstandsvorsitzende Wolfgang Schieren ließen sich kurzfristig entschuldigen.3 Carl H. Hahn nahm die Einladung an und nutzte die Gelegenheit, Asta Holler schon vorab Komplimente zu übermitteln. Sei sie mit Volkswagen anfangs durch ihren „unvergessenen Gatten“ verbunden gewesen, trage sie nunmehr seit 15 Jahren die Verantwortung für eine große Firmengruppe „ganz allein und zweifelsfrei immer mit großem Engagement und unternehmerischem Schwung“. Das habe sicher dazu beigetragen, dass sie „jung geblieben“ sei. „Möge diese Medizin und all die vielen weiteren Elemente, die Sie als Mensch verkörpern, Ihnen auch in Ihrem neuen Lebensjahrzehnt Stärke geben, um Freude und Fortschritt weiter zu erarbeiten.“ Es freue ihn, dass er mit ihr „eine so schöne Verbindung und Verbundenheit“ habe. Dies werde auch dadurch nicht gemindert, dass Gelegenheit, darüber zu sprechen, „immer selten“ gewesen sei.4 Am Morgen ihres Geburtstages verwarf Asta Holler die ursprünglich geplante Anordnung der Tische und bestand darauf, dass alle Gäste an einer einzigen, quadratischen Tafel säßen – „wie bei der Queen“5. Den Champagner brachte sie aus eigenen Beständen mit und musste dafür zu ihrem Erstaunen ein „Korkengeld“ entrichten.6 Siebzehn Herren waren schließlich um sie versammelt. Zu ihrer Rechten saß Karl Kornis, zu ihrer Linken Carl H. Hahn, nächst Kornis Ewald Heinrich von Kleist; daneben Hans-Jürgen Schwepke, im Vorstand der Allianz zuständig für Kfz-Versicherungen, nächst Hahn August von Finck, daneben Otto Freiherr von Feury, Gutsbesitzer und Präsident der Landwirtschaftskammer, jedenfalls ein „wichtiger“ Mann der Münchner Gesellschaft. Ferner waren erschienen Graf Schaesberg, ein Freund des Hauses, sowie der Textilfabrikant Walter Deschler und Werner Freundlich, zwei alte Freunde Christian Hollers; dann Felix Reis und Günther Obst, Prosper Graf zu Castell-Castell, der die Frankfurter Versicherungs-AG vertrat, und Karl Ludwig Barths als Sprecher des VVD sowie Hans Bender, begleitet von einem Assistenten. Bender lernte bei dieser Gelegenheit Cyrill Bürgel kennen, seinen Tischnachbarn, der seit einem Jahr die Idee verfolgte, in der Schweiz ein Hospiz nach englischem Vorbild einzurichten.7 Carl H. Hahn hielt eine Rede auf die Jubilarin. Er habe die Erfahrung gemacht, dass Asta Holler „als Verhandlungspartnerin direkt gefährlich“ sei. Die anwesenden Herren nickten zustimmend, erinnert sich Karl Ludwig Barths. Im Übrigen habe Hahn die Fähigkeiten Asta Hollers als Unternehmerin gepriesen.8 Die Ansicht, dass sie „eine 205

sehr große Unternehmerin“ gewesen sei, vertrat er auch zwei Jahrzehnte später noch.9 In den nächsten Tagen schrieben Asta Holler und Hahn sich wechselseitig Dankesbriefe. Sie dankte ihm für sein Kommen – „trotz Ihrer Überbelastung“ – und für seine Worte des Lobes: „Ich war stolz, dass gerade Sie dies gesagt haben!“ Aus Hahns Geburtstagsgeschenk wurde sie indes nicht schlau: „Ich bitte Sie nur, mir zu sagen, was kann ich damit machen? … Ich bin mir nicht im klaren, ob es auf den Tisch oder an die Wand gehört. Es sieht so wunderschön aus und hoffentlich können Sie mir den Endzweck mitteilen.“10 Hahns Frau Marisa möge entschuldigen, dass sie ihr „nicht extra“ schreibe, aber sie habe noch weit über hundert – vor einer Korrektur hatte es „tausend“ geheißen – Danksagungen zu verschicken.11 Es sei nicht nur eine Geburtstagsfeier gewesen, hieß es in Hahns Brief, „es war ein Stück Geschichte, … ein Stück Geschichte mit Zukunft“. Asta Holler gehöre „zu den letzten der alten Garde – Gott sei Dank in fabelhafter Verfassung“. „So sollten wir den Ratschlag des Professors der Parapsychologie beherzigen, und Sie wissen, welchen seiner Ratschläge ich meine.“12 Nehmen wir an, dass Bender und Hahn der alten Dame nahegelegt hatten, mehr Rücksicht auf ihre Gesundheit zu nehmen. Auch Hans Bender bedankte sich für das Herrenessen, das er als „Newcomer in dem erlesenen Kreise Ihrer Mitarbeiter“ genossen habe. Er stehe nunmehr seit einem Jahrzehnt mit Asta Holler in Kontakt und sei dankbar dafür, dass sie ihre „schützende Hand“ über die Erforschung einer „verborgenen Wirklichkeit“ halte. Wieder einmal sei es für ihn ermutigend gewesen zu sehen, „wie fit“ man in Asta Hollers Alter sein könne, das sich von seinem kaum unterscheide. Eine Spende zum Jahresende habe die Mitarbeiter seines Instituts „angesichts finanzieller Engpässe aufatmen“ lassen.13 Wusste Bender, der keine Vorstellung davon hatte, welche Summen dereinst nach Freiburg fließen würden, dass seine Gönnerin den Anteil des IGPP an den Ausschüttungen um die Hälfte reduziert hatte? Die rege Publikationstätigkeit Hans Benders brach 1986 ab. Nach seinem 80. Geburtstag im Februar 1987, zu dem Asta Holler ihm noch schriftlich gratulierte, ließ seine Merkfähigkeit rapide nach.14 Asta Hollers Chauffeur Otto Sawilla erinnert sich, die „gnädige Frau“ sei „ehrlich traurig“ gewesen, als es Bender, mit dem sie oft „stundenlang dagesessen“ habe, nicht mehr gut gegangen sei.15 Im Januar 1985 leitete Carl H. Hahn den Bericht des VVD über dessen Geschäftsergebnis im Jahre 1984 an die zuständigen Mitglieder des VW-Vorstands weiter und erkundigt sich bei dieser Gelegenheit nach dem „Stand unserer Verhandlungen mit Frau Holler“. Vorstandsmitglied Peter Frerk16 bat daraufhin Chefsyndikus Schow, „gelegentlich … den Fortgang der Erbeneinsetzung (zu) beobachten“ und Hahn zu orientieren.17 Hahn selbst beschränkte sich darauf, die Stifterin zu hofieren. Die tes206

tamentarische Begünstigung einer „vom Volkswagenwerk Wolfsburg neu zu gründende(n) gemeinnützige(n) Stiftung“ war nicht der Endzweck seines Einsatzes. Im Sommer 1985 trat als Ersatz für Karl Ludwig Barths, der die Altersgrenze erreichte, Klaus Vacano als neuer Sprecher des VVD an. Er hatte bis dahin als Bereichsleiter unter Vertriebschef Schmidt gewirkt und verfügte wie sein Vorgänger über internationale Erfahrungen. Mit der Berufung Klaus Kaminskys zum vierten stellvertretenden Geschäftsführer begann ein Generationswechsel. Der gelernte Versicherungskaufmann gehörte dem VVD seit 1966 an und machte sich unter anderem um die Entwicklung hauseigener EDV-Systeme verdient.18 Mit ihren Geschäftsführern im Gefolge erschien Asta Holler auch in diesem Jahr zur Eröffnungsveranstaltung der Internationalen Automobilausstellung in Frankfurt. Das Ereignis gehörte zu den Höhepunkten des zunehmend eingeschränkten gesellschaftlichen Lebens der alten Dame. Im Anschluss an die Ausstellung bedankte sich Carl H. Hahn bei Asta Holler galant „für das schöne Gespräch auf unserem IAA-Stand“ und bat zu entschuldigen, dass er sie hätte warten lassen. „Ich weiß zwar, dass Sie dafür Verständnis haben, mein Bedauern mindert das jedoch in keiner Weise.“ Das Wichtige stand am Schluss. Am 27. November habe er nunmehr vor, sich mit Asta Hollers Notar in München zu treffen, „damit wir die Dinge nicht zu sehr verzögern“.19 Vermutlich ging es Hahn um den verabredeten Erbvertrag zwischen ihm und Asta Holler, der die Verfügungen des Testaments vom Oktober 1984 absichern sollte. Anders als ein Testament kann ein Erbvertrag nur einvernehmlich aufgehoben werden. Anfang November 1985 erhielt Asta Holler auf Betreiben des Generaldirektors der Ersten Allgemeinen, „ihres“ Beiratsmitgliedes Karl Kornis, das „Große Ehrenzeichen der Republik Österreich“. Die offiziellen Fotos von der Verleihungszeremonie zeigen die Einundachtzigjährige in vitaler Haltung. Strahlend nahm sie den Orden entgegen. Als sie erfuhr, dass das „Große Ehrenzeichen“ nicht die höchste Auszeichnung ist, welche die Republik Österreich zu vergeben hat, soll sie verärgert gewesen sein.20 Hahn gratulierte mit fünfmonatigem Verzug21, erregte bei der Geehrten aber dennoch „große Freude“.22 Für ein Buch der Hahns über die Deutsche Oper dankte Asta Holler nach ihrem Geburtstag umgehend; sie hoffe auf ein Wiedersehen bei ihrem nächsten Besuch in Wolfsburg.23 „Möge 1986 Sie weiter so voller Taten erleben, wie wir es von Ihnen gewohnt sind“, antwortete Hahn, nachdem ihre notorische Weihnachts-Azalee eingetroffen war.24 Im April schrieb sie Hahn aus Brasilien. Sie kehre in der zweiten Maihälfte nach Europa zurück und komme auch nach Wolfsburg. Wann er denn einmal „etwas mehr Zeit“ habe, „damit wir uns über verschiedene wichtige geschäftliche Dinge unterhalten können“.25 Carl H. Hahn stand zu dieser Zeit „unter erheblichem Beschuss seiner Vorstandskollegen“, weil er diese in einer wichtigen Personalange207

Übergabe des Großen Ehrenzeichens der Republik Österreich durch den österreichischen Vizekanzler und Handelsminister

legenheit anscheinend übergangen hatte. Sogar seine Ablösung wurde nicht ausgeschlossen und über einen Nachfolger spekuliert.26 Hahns Sekretariat ließ Asta Holler zwischen zwei Abendterminen in der ersten Junihälfte wählen.27 Hahn informierte Asta Holler an diesem Abend wohl darüber, welchen Zweck er für die „vom Volkswagenwerk Wolfsburg neu zu gründende gemeinnützige Stiftung“ ausersehen hatte. Dass es auf ein Kunstmuseum hinauslaufen würde, dürfte die alte Dame nicht zuletzt insofern befremdet haben, als Kunst ihr nichts bedeutete.28 Bei dem Treffen teilte Hahn Asta Holler vermutlich auch mit, dass, anders als sie es offenbar erwartet hatte, Volkswagen dem VVD nach vollzogener Begünstigung der Wolfsburger Stiftung keineswegs die Namensführungsgebühr erlassen würde, sollte doch nicht das Unternehmen selbst, sondern die neue Stiftung bedacht werden.29 Asta Holler muss dies als ungerecht empfunden und begonnen haben, ihre Entscheidung zu überdenken, dass die Erträge der zukünftigen Stiftung zur Hälfte nach Wolfsburg fließen sollte. Die Vergütung aus dem Lizenzvertrag hatte 1985 immerhin rund 13,4 Mio. DM betragen.30 Dem stand ein Gewinn des VVD in Höhe von 16 Mio. DM gegenüber.31 Am 23. Juni 1986 erfuhr der VW-Vorstand von Hahns Plänen, ein Kunstmuseum errichten zu lassen, und setzte ein Gremium ein, das ein Konzept dafür erarbeiten sollte. Chefsyndikus Schow nahm die Sache in die Hand.32 Die „Kunstidee“ sei „by the way“ in einem Gespräch zwischen ihm und Hahn in dessen Dienstzimmer aufgekommen, erinnert sich Jürgen Schow. Asta Holler habe die Mittel zwar sozialen Zwecken zufließen lassen wollen, „doch das Volkswagenwerk verfügte ja über eigene 208

Versorgungswerke und war auch nicht gemeinnützig“.33 Carl H. Hahn ging es darum, das Image der Stadt Wolfsburg durch ein Museum von überregionaler Bedeutung aufzuwerten. „Wir hatten ja damals nichts, was irgendwie eine internationale Ausstrahlung hatte, jenseits von VW.“34 Ein Kunstmuseum, initiiert durch Volkswagen, konnte ein „Marketinginstrument“ bilden, die Förderung der Hochkultur dem Ansehen des Unternehmens zugute kommen.35 Zu seinem 60. Geburtstag am 1. Juli 1986 wünschte sich der Vorstandsvorsitzende der Volkswagen AG Spenden, die „der Kunstförderung dienen“ sollten. Auf einem Sonderkonto der Stadt Wolfsburg gingen rund 170 000 DM ein. Asta Holler, in der Regel gut informiert über Hahns Vorlieben, ignorierte dessen Wunsch und zog es vor, ihm eine Vase zu schenken. Ihr Geburtstagsbrief enthielt denselben Text, der sich 1974 und 1981 bereits in Schreiben an Leiding, Schmücker und Einkaufs-Chef Münzner, Hahns Stellvertreter, bewährt hatte.36 Hahn dankte für die „Wünsche und schönen Worte“; Marisa habe Freude an der „riesigen, schönen Kristallvase“; gern denke er an Asta Holler und deren Gatten – „unsere Verbundenheit, welch schönes Moment unseres Lebens“.37 Ebenfalls am 1. Juli 1986 war in Basel das Hildegard Hospiz eingeweiht worden. Cyrill Bürgel ging es darum, als Ergänzung zu den bestehenden staatlichen und privaten Kliniken ein Kleinspital zu schaffen, „in welchem man in familiärer Umgebung nach Operationen und gegen Lebensende fachkundige und liebevolle Betreuung erhält“.38 Als Vorbild diente das renommierte St. Josef Hospiz in London. Eine Ärztin hatte sich angeboten, das Spital zu leiten. Zugleich begab es sich, dass ein Industrieller nach der Veräußerung seines Unternehmens bereit war, den Kauf und Umbau eines geeigneten Gebäudes zu finanzieren und es der Hospiz-Stiftung fünf Jahre unentgeltlich zu überlassen. Nach dem Grundsatz „beste Qualität bei sparsamer Gestaltung“ wurde das Gebäude mit 24 Betten in Einer-, Zweier- und Dreierzimmern eingerichtet. Ein Drittel der Betten ist für Sterbende bestimmt. Neben Aufenthaltsräumen, einem Speisesaal und einer Teestube sowie einem Kaminzimmer und einem Café auch für Besucher und Gäste gibt es eine ökumenische Hauskapelle.39 Namenspatronin des Palliativspitals ist die christliche Mystikerin und Heilkundige Hildegard von Bingen. Asta Holler reiste in der Regel zweimal jährlich zu den Sitzungen des Verwaltungsrates der Assivalor AG nach Basel. Nachdem das Hildegard Hospiz – als erstes seiner Art im deutschsprachigen Raum – seine Arbeit aufgenommen hatte, besuchte sie dieses regelmäßig. Sie habe sich dort wohlgefühlt und „alles gutgeheißen“. Nach einer Sitzung des Verwaltungsrats der Assivalor AG fand Bürgel einmal eine hinterlassene Tasche mit 30 000 CHF. In der Annahme das Geld gehöre Asta Holler, habe er sie angerufen und gefragt, was damit geschehen solle. Der Geld sei für das Hospiz, die Tasche hätte sie gern zurück, habe sie geantwortet. Sie sei immer für eine Überraschung gut gewesen.40 209

Vorerst blieb es bei solchen Barspenden. Bürgel berichtet, als Vermögensberater habe er seine Kunden nie zur Wohltätigkeit gedrängt, aber auch keinen Hehl aus seiner Ansicht gemacht, dass reiche Menschen verpflichtet seien, Armen abzugeben.41 Über welches Vermögen Asta Holler insgesamt verfügte, war vermutlich nicht einmal ihr selbst bekannt.42 Es schloss nach wie vor einen Kommanditanteil an der Firma Gradmann & Holler ein. Deren aktiven Gesellschaftern bereitete es im Sommer 1986 Sorgen, dass die Zivilgerichte in den letzten Jahren, wenn es um Abfindungsregelungen in Gesellschaftsverträgen ging, in einigen Fällen eine Abfindung zum Buchwert für unzulässig gehalten hatten. Auch beim Ausscheiden von Gesellschaftern durch Tod wurden derartig Abfindungen verschiedentlich bereits in Zweifel zogen. Kurt Stroh, Walther Leisler Kiep und Roland Seul, der seit 1984 als Juniorpartner zu den persönlich haftenden Gesellschaftern gehörte, sowie der Vertreter von Marsh & McLennan unterzeichneten daher gemeinsam am 5. Juni 1986 einen Gesellschafterbeschluss, der diese „erkennbar werdende Tendenz“ in der Rechtssprechung ausdrücklich ablehnte. Trotz der „neueren Rechtsentwicklung“ sollte an der alten Regelung festgehalten, ein Firmen- oder Ertragswert bei der Ermittlung des Auseinandersetzungsguthabens nicht angesetzt werden und auch bei der Bewertung von Beteiligungen außer Betracht bleiben. Der Beschluss betonte den Vorrang der „Sicherheit des Bestandes der Gesellschaft und der Gruppe“, die gegenüber den „Einzelinteressen eines Erben oder Vermächtnisnehmers“ das „höhere schutzwürdige Gut“ darstelle. Asta Holler unterschrieb am 10. Juni in München, Liselotte Gradmann am 2. Juli an ihrem Wohnort Nellingen.43 Die im Umlaufverfahren erteilten Einverständnisse der beiden alten Damen kamen einer Verzichterklärung gleich. Anscheinend hätte Gradmann & Holler in der zweiten Hälfte der achtziger Jahre auch gern einige Aufgaben des VVD übernommen. Jedenfalls versuchte Asta Holler wiederholt, Volkswagen zu einer Erklärung über die Zuständigkeiten des VVD in Abgrenzung zu jenen der 1976 gebildeten VWV GmbH zu bewegen, an der Gradmann & Holler maßgeblich beteiligt war.44 Ende Juli 1986 erhielt Asta Holler von ihrem Notar Germar Hüttinger den Entwurf einer Satzung für die nach ihrem Tode zu errichtende Holler-Stiftung. Die Satzung war als Anlage zu einem Erbvertrag gedacht. Statt 50%, wie im Testament von 1984 vorgesehen, sollten aber nur noch 40% der auszuschüttenden Erträge nach Wolfsburg fließen, die verbleibenden 60% zu gleichen Teilen an den Hermann-Gmeiner-Fonds, die SOS-Kinderdörfer und das IGPP in Freiburg gehen.45 Das Finanzamt München für Körperschaften hegte keine Bedenken gegen diesen Entwurf.46 Doch er blieb in der Schublade. Am 9. September 1986 stellte Chefsyndikus Schow dem VW-Vorstand das Konzept einer „Kunststiftung Volkswagen“ vor. Der Stiftungszweck solle aber „so weit und flexibel“ beschrieben werden, dass „alle denkbaren Maßnahmen der Kunstförderung 210

und Kunstpflege“ in Frage kämen und kein Zwang zu „teuren Investitionen mit Folgekosten“ bestehe. In der Stiftungssatzung solle es heißen: „Zweck der Stiftung ist die Förderung und Pflege der bildenden Kunst insbesondere des zwanzigsten Jahrhunderts in der Region Wolfsburg durch Unterstützung von Kunstausstellungen und sonstigen musealen oder künstlerischen Veranstaltungen, Anschaffung von Exponaten, Errichtung oder Restaurierung von Räumlichkeiten für die Unterbringung und Darbietung von Kunstwerken sowie durch sonstige Maßnahmen, die geeignet sind, diesem Zweck zu dienen.“ Der VW-Vorstand erfuhr bei dieser Gelegenheit auch, dass, abweichend von der testamentarischen Verfügung von Ende 1984, lediglich 40% der Fördermittel einer zukünftigen Holler-Stiftung nach Wolfsburg fließen sollten. Die Zahlungen dieser Stiftung an eine durch die Volkswagen AG zu errichtende Stiftung, erklärte Schow dem VW-Vorstand weiter, würden davon abhängen, dass erstens eine gemeinnützige Verwendung sichergestellt sei und zweitens der Namensführungsvertrag fortbestehe. Es sei vorgesehen, die von Frau Holler testamentarisch getroffenen Regelungen in einen Erbvertrag zu übertragen. Diesen erarbeite bereits ein Notar. Um als Begünstigte in den Vertrag aufgenommen zu werden, müsse die „Kunststiftung Volkswagen“ aber existieren; die Rechtsabteilung bereite dies vor. Schow konnte dem VW-Vorstand berichten, dass sich inzwischen weitere Geldgeber gefunden hatten. Der betagte italienische Generalimporteur Gerhard Gumpert, der im Begriff war, seine Firma zu verkaufen, hatte bereits 5 Mio. DM zugesagt, die Stadt Wolfsburg ebenfalls 5 Mio. versprochen und zugesichert, kostenlos ein Grundstück bereitzustellen. Auch die Spenden, die Carl H. Hahn zum 60. Geburtstag erhalten hatte, sollten in die Kunststiftung fließen. Deren Satzung war bereits ausgearbeitet und mit den zuständigen Behörden abgestimmt worden. Als Stifterin sollte die Volkswagen AG antreten; ein Vorstand für administrative Aufgaben, ein Kuratorium zur Überwachung, ein beratender Expertenbeirat sowie ein wissenschaftlich-künstlerischer Leiter würden die Organe der Stiftung bilden. Um das Genehmigungs- und Anerkennungsverfahren in Gang zu setzen, fehle nur noch die Zustimmung des VWVorstandes, erklärte Schow. Asta Holler und Gerhard Gumpert befänden sich „in einem hohen Lebensalter“. Um den „Mittelfluss nach Wolfsburg zu ermöglichen und … endgültig abzusichern“, möge der Vorstand die Errichtung einer „Kunststiftung Volkswagen“ billigen und ihr einen Gesamtbeitrag von 5 Mio. DM zusichern, davon 1 Mio. als Barleistung bei der Gründung und 4 Mio. als „künftigen Anspruch“. Der VW-Vorstand erteilte seinen Segen und ermächtigte die Abteilung Rechtswesen, die Angelegenheit voranzubringen.47 Im Herbst 1986 ritten Hahn und Schow ihr Steckenpferd in die Zielgerade. Aber während der VW-Vorstand der Errichtung einer „gemeinnützigen Stiftung“ aus den Er211

trägen der zukünftigen Holler-Stiftung als Preis für die fortgesetzte Gewährung des Namensführungsrechtes an den VVD 1984 noch einmütig hatte zustimmen können, stand er jetzt offenbar nicht mehr geschlossen hinter der Idee, mit den zugesagten Mitteln in Wolfsburg ein Kunstmuseum zu bauen. Abgesehen von andersgerichteten Vorlieben der Vorstandsmitglieder, ließ sich nur schwer vermitteln, warum die Volkswagen-Stadt bei angespannter Finanzlage eine solche Investition tätigen sollte. Und in der Frage, wie der VVD dem Konzern besser diene, ob als unabhängiger oder als inkorporierter Betrieb, gingen die Ansichten im Vorstand auseinander. Schow sprach rückblickend von einer „uns schon von Anfang an begleitenden Kritik unserer Kunstaktivitäten“. 48 In den nächsten Wochen kursierten Gerüchte, ob Carl H. Hahn seinen Posten behielte. Unter anderen war Vertriebschef Werner P. Schmidt als Nachfolger im Gespräch.49 Hahn und Schmidt hatten gemeinsam ein Projekt auf den Weg gebracht, das die Konkurrenzfähigkeit des VW-Konzerns auf dem Weltmarkt entscheidend stärkte: die Übernahme des spanischen Kleinwagenherstellers SEAT.50 Der VVD gründete den „Seat Versicherungs Service“ und eine entsprechende Einrichtung, nachdem Volkswagen auch Škoda erworben hatte. Am selben Tag, als die Presse meldete, dass sein Vertrag bis Ende 1991 verlängert werde51, schrieb Carl H. Hahn Asta Holler einen Weihnachtsbrief der gewohnten Art. Es sei für sie ein „Jahr voller unternehmerischer Initiative“ gewesen. Der VVD fände durch Asta Holler unverändert „seinen ‚Antrieb‘“. Sie möge im nächsten Jahr „immer gesund, schaffensfroh und zufrieden sein…, glücklich in Ihrer Aufgabe und dynamisch in Ihrem Wirken“. Für die Weihnachtszeit wünschte er ihr „Stunden der Besinnung, der inneren Zufriedenheit und des besonderen Glücklichseins“.52 Zum Geburtstag schickte er Rosen: „ganz VW gratuliert Ihnen“.53 Auch zur Jahreswende, zweimal als sie Mitte Februar erkrankte und dann wieder zu Ostern gedachten die Hahns der 82-Jährigen mit Rosensträußen.54 Asta Holler bemühte sich fortgesetzt Carl H. Hahn zu treffen, doch ob es zu einem „gemütlichen Essen“ kam, das er ihr im Sommer 1987 in Aussicht stellte55, ist eher ungewiss. Chefsyndikus Schow hatte die Gründung der Kunststiftung Volkswagen inzwischen soweit vorbereitet, dass der Rat der Stadt Wolfsburg dem Vorhaben am 28. Januar 1987 zustimmte und damit den Weg frei machte für die Genehmigung und steuerrechtliche Anerkennung der zukünftigen Institution.56 Man veranschlagte die „Gebäudekosten“ zu diesem Zeitpunkt auf gerade einmal rund 12 Mio. DM.57 Für eine Dauerausstellung mit 70 bis 80 Exponaten waren 1000, für Wechselausstellungen weitere 500 Quadratmeter vorgesehen.58 In Werk und Stadt konnte zu dieser Zeit niemand ermessen, welche Summen die zukünftige Holler-Stiftung dereinst für Wolfsburg bereitstellen würde. 212

Ende Januar 1987 legte Notar Hüttinger einen neuen Entwurf für einen Erbvertrag vor. Inzwischen hatte er geprüft, ob „steuerliche Unschädlichkeit“ gegeben wäre, wenn seine Klientin auch die Basler Hildegard Hospiz-Stiftung zu einer Begünstigten der zukünftigen Holler-Stiftung machte. Bereits Anfang September 1986 hatte Cyrill Bürgel Asta Holler eine Reihe von Schriftstücken überlassen, welche der Basler Stiftung „Steuerfreiheit und Gemeinnützigkeit“ bescheinigten. „Von der Schweiz aus“, erläuterte er, „wären Spenden problemlos.“59 Asta Holler entschloss sich, einen fünften Destinatär in ihr Testament aufzunehmen. Der Erbvertragsentwurf vom Januar 1987 führt daher neben der Förderung der Jugendfürsorge und der Wissenschaft sowie der Kunst und Kultur erstmals „die menschliche und medizinische Betreuung Schwerkranker“ als Stiftungszweck auf.60 Jene 10% der auszuschüttenden Mittel, die nun die Hildegard Hospiz-Stiftung erhalten sollte, wurden dem SOS-Kinderdorf e. V., dem Hermann-Gmeiner-Fonds Deutschland e. V. sowie dem IGPP e. V. abgezogen, denen Asta Holler zuletzt insgesamt 60% zugedacht hatte.61 Indem Asta Holler die Hospiz-Stiftung bedachte, mag sie zugleich gehofft haben, sich die schweizerischen Finanzbehörden gewogen zu stimmen. Peter Böckli, der die Sache der Assivalor AG gegenüber der Steuerverwaltung vertrat, bezweifelte nämlich Mitte der achtziger Jahre, dass die Behörde fortgesetzt zu den Vereinbarungen von 1961 stehen würde. Alle Beamten, die am Vertrag mitgewirkt hatten, waren pensioniert, und die früher personell noch gebündelten Kompetenzen lagen jetzt bei verschiedenen Abteilungen. Generell handelte die Steuerverwaltung inzwischen strenger als 1961. Ins Gewicht fiel auch, dass der Gewinnvortrag und damit das Vermögen der Assivalor AG seit 1982 beträchtlich angewachsen war. Wie von Cyrill Bürgel schon 1976 einmal angeregt, hatte Böckli Asta Holler als Lösung 1985 erneut die Gründung einer Stiftung in der Schweiz vorgeschlagen.62 Sie ließ sich darauf nicht ein. Ein Erbvertrag zwischen Asta Holler und Carl H. Hahn kam nicht zustande. Stattdessen unterschrieb sie am 25. Mai 1987 ein neues Testament, sorgfältiger ausgearbeitet als jenes, das Ende 1984 zwecks Verlängerung des Namensführungsvertrages eilig aufgestellt worden war. Sie widerrief alle älteren Testamente und setzte zu ihrer „alleinigen und ausschließlichen Erbin“ eine „rechtsfähige öffentliche Stiftung des Bürgerlichen Rechts“ ein. Sie konstituierte damit eine „Stiftung von Todes wegen“. Eine solche gilt als vor dem Tod des Stifters entstanden, so dass der Nachlass nach den Vorschriften des Erbrechts übertragen werden kann. Asta Holler erklärte, dass sie „durch keinen Erbvertrag gebunden“ sei. Ein solcher war entbehrlich, weil sie Jürgen Schow, den Chefsyndikus des Volkswagenwerkes und Protagonisten des Wolfsburger Kunstmuseums, zum alleinigen Testamentsvollstrecker bestimmte. Das Testament führte sieben Vermächtnisnehmer auf63, verpflichtete die zukünftige Holler-Stiftung, die Gräber der Eheleute Holler „in würdiger Weise zu erhalten und zu 213

pflegen“, und schloss als Anlage jene Satzung ein, die Anfang des Jahres als Bestandteil eines Erbvertrages entworfen worden war. Die Satzung hielt Namen, Sitz sowie Zweck der Stiftung fest und beschrieb das Stiftungsvermögen, indem sie die wichtigsten Beteiligungen Asta Hollers aufführte. Sie bestimmte die Aufgaben des Kuratoriums und ordnete an, wer Mitglieder in das Aufsichtsgremium berufen konnte. Der Vorstand sollte „aus einer oder mehreren Personen“ bestehen. Schließlich zählte die Satzung die Destinatäre auf – ein Konglomerat, das die Neigungen und Nöte der Erblasserin zum Ausdruck brachte: neben dem SOS-Kinderdorf e. V. und dem Hermann-GmeinerFonds e. V. das Freiburger Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene e. V., die Wolfsburger Kunststiftung Volkswagen und die Basler Hildegard HospizStiftung. Asta Holler bestimmte Dieter Schütze, den von ihr über alle Maßen geschätzten langjährigen Wirtschaftsprüfer des VVD, unbefristet zum „Wirtschaftsprüfer und Steuerberater der Stiftung“. Nachdem die Eheleute Holler ihn bereits 1963 als Testamentsvollstrecker vorgesehen hatten, sollte er nach der Berufung Schows womöglich nicht leer ausgehen. Wie schon die „Christian C. und Asta Holler-Stiftung“ von 1976 sollte auch die „Holler-Stiftung“ keine Handlungsautonomie besitzen. Vorstand und Kuratorium waren lediglich befugt, die „bestimmungsgemäße Verwendung … bei den Empfängern zu prüfen oder durch einen Wirtschaftsprüfer … prüfen zu lassen“. Für den Fall einer Kündigung des Namensführungsvertrages durch Volkswagen sah die Satzung vor, die Finanzierung der Kunststiftung zu beenden und die freiwerdenden Mittel den ersten drei Vermächtnisnehmern zu gleichen Teilen zuzuschlagen.64 Damit übernahm der Notar einen Passus aus dem Testament von 1984, als das Hildegard Hospiz noch nicht zu den Begünstigten gehört hatte. Ob Asta Holler eine Ausnahme des Hospizes von den anwachsungsberechtigten Destinatären wirklich gewünscht oder die misslichen Konsequenzen ihrer jüngsten Verfügung für die Basler Einrichtung gar nicht begriffen hatte, bleibt ungewiss. Sie stieß sich auch nicht an der einleitenden Aussage, sie sei „in erster und einziger Ehe verheiratet“ gewesen „mit Christian C. Holler“. Anders als die Testamente aus den Jahren 1963 und 1984, bestimmte ihr letztes nicht die Höhe einer Vergütung für den Testamentsvollstrecker. Ebenso wenig gab die Stiftungs-Satzung vor, wie sich das Kuratorium nach einem etwaigen Auslaufen des Namensführungsvertrages zu rekrutieren hätte.65 Die Kunststiftung Volkswagen mit Jürgen Schow als Vorstand entstand im Herbst 1987. Sie besaß einen Anfangsetat von 20 Mio. DM, zusammengesetzt aus je 5 Mio. DM der Gumpert-Erben und des schweizerischen Generalimporteurs Walter Haefner, der Volkswagen AG und der Stadt Wolfsburg, die zusätzlich das Baugrundstück bereitstellte. Den Spendern schlossen sich später der niederländische und der belgische Generalimporteur an.66 Vermutlich wollten die Importeure nicht zuletzt Heinrich Nordhoff ihre Reverenz erweisen, denn die Arbeiterstadt Wolfsburg hatte dem 214

Generaldirektor in den fünfziger und sechziger Jahren eine Reihe beachtlicher Kunstausstellungen zu verdanken gehabt.67 Die Satzung der Kunststiftung schrieb vor, dass drei der fünf Mitglieder des Kuratoriums die Volkswagen AG, zwei die Stadt Wolfsburg bestellen sollte.68 Die zukünftige Holler-Stiftung blieb unberücksichtigt. Carl H. Hahns Museum rückte in greifbare Nähe, aber Asta Holler versuchte vergeblich, ihn zu treffen. Bereits im November wünschte er ihr eine „sorglose und besinnliche Vorweihnachtszeit“. Anfang Dezember erreichte sie ihn telefonisch. „Es war eine Freude, mit Ihnen zu telefonieren“, schrieb er anschließend. Zwei Tage vor Heiligabend rief sie ihn zu Hause an. Zu Weihnachten ergänzte Hahn eine vorgedruckte Karte „mit vielen guten Wünschen für ein glückliches 1988“.69 Im Februar 1988 bestand der VVD 40 Jahre. Die Zahl seiner Mitarbeiter war auf 490 angewachsen; er betreute rund 1,4 Mio. Risiken und wickelte pro Jahr 270 000 Schäden ab. Dem VW-Konzern zahlten der VVD und seine Töchter in diesem Jahr eine Royalty von 16 Mio. DM. Mit einer Quote von fast 85% Vollkasko-Anteil an den Haftpflichtversicherungen war der VVD „Branchenspitze“ und trug maßgeblich zur Bindung der Kunden an die Marken des VW-Konzerns bei.70 Die Wolfsburger Geschäftsführung des VVD gab aus Anlass des runden Geburtstags eine Broschüre mit dem Titel „Partner. 40 Jahre VVD“ heraus.71 Diese Schrift erfand die Geschichte des VVD neu. Seitenlang wird die „Fachgruppe Kraftfahrzeugversicherung“ zitiert, eine Unterorganisation der vom NS-Regime gleichgeschalteten Interessenvertretung der Privatversicherer.72 Sie hatte 1938 Überlegungen zur Versicherung des künftigen „Volkswagens“ zu Papier gebracht. Das Leistungsangebot des VVD, befindet man stolz, sei kulanter als die Absichten der Fachgruppe von 1938. Schließlich klingt befremdlich, was über die Rolle Heinrich Nordhoffs und Christian Hollers bei der Entstehung des VVD geschrieben wird. Die beiden Männer hätten die „Vision von einer Volksmotorisierung“ geteilt, heißt es im Jargon von 1938. „Am 28. Februar 1948 starteten beide den Volkswagen-Versicherungs-Dienst VVD.“ Nordhoff habe damit die Voraussetzungen geschaffen, Volkswagenbesitzern eine „preisgünstige Versicherung anbieten zu können“; Christian Holler sei der „zweite Mann der ersten Stunde des VVD“ gewesen. Dieser Mythos schmiedete Christian Holler mit dem legendären Heinrich Nordhoff zusammen und beschwor, quasi als beider Vermächtnis, eine unverbrüchliche Partnerschaft zwischen dem Volkswagenwerk und dem VVD. Geschäftsführer Günther Obst wähnte die Firma gegenüber dem Konzern in einer starken Position, und Asta Holler glaubte im Vertrauen auf Carl H. Hahn, den Fortbestand ihrer Gesellschaft durch hohe Zuwendungen an ein Wolfsburger Kunstmuseum dauerhaft gesichert zu haben. Die Worte, mit denen der Vorstandsvorsitzende Asta Holler zum vierzigjährigen Bestehen des VVD gratulierte, gaben ihrem Optimismus Nahrung. Er würdigte den 215

VVD als ein „Instrument“ der Volkswagen-Absatzorganisation, das sich durch „kundenfreundliche Serviceleistungen“ auszeichne und dazu beitrage, „den guten Ruf des Volkswagen-Kundendienstes zu stärken und zu festigen“. Er sei überzeugt, „dass die bewährte Zusammenarbeit … auch in der Zukunft fortgesetzt und reiche Früchte tragen“ werde. Hahn versäumte nicht, des „verstorbenen Gatten“ und seiner Verdienste um den VVD zu gedenken, die bei Volkswagen „unvergessen“ blieben. Er schloss „mit freundlichem Gruß und allen guten Wünschen für die große Unternehmerin“.73 Wieder überbrachte ein Service Blumen. Asta Holler bedankte sich Anfang März brieflich, nachdem sie mehrfach vergeblich versucht hatte, telefonisch zu Hahn vorzudringen. „Immer noch durch einen Unfall ziemlich behindert“, erledige sie „alles Geschäftliche von zu Hause aus“ und hoffe, bis zum Ende des Monats wieder „voll einsatzfähig“ zu sein. Vielleicht ergebe sich dann die Möglichkeit eines Wiedersehens in München oder Wolfsburg.74 Asta Hollers Brief erhielt einen Eingangsstempel in Hahns Sekretariat, wurde dann an die Abteilung Rechtswesen weitergeleitet und hier von Schow abgelegt. Die alte Dame fiel jetzt in die Zuständigkeit ihres designierten Testamentsvollstreckers. Ende 1988 erschien eine Broschüre der VW-Tochter V.A.G. Leasing, welche die Vertriebsorganisation darüber informierte, dass man vom 1. Januar 1989 an mit dem VVD ein gemeinsames Produktpaket anbieten werde. Unter Einsatz neuer Verfahren der elektronischen Datenverarbeitung verstärkte sich diese Zusammenarbeit in den nächsten Jahren.75 Günther Obst gab sich fortgesetzt selbstsicher. Er wies den Gedanken, der Volkswagen Konzern könne sich den VVD eines Tages einverleiben, weit von sich. „Wir sind ein zu großer Machtfaktor, uns kann keiner“, habe er vertreten und das Thema, was nach Asta Hollers Tod mit dem VVD geschehen werde, zum Tabu erklärt. Erwägungen darüber galten ihm als „Verrat“.76 Zugleich ertrug Obst die wechselhaften Stimmungen der alten Dame, die unter Schmerzen litt und deren Gemüt sich zunehmend verhärtete, mit bemerkenswerter Geduld. Zeitgenossen fanden, sein Verhalten habe bisweilen die Grenze zur Würdelosigkeit überschritten. Während andere Geschäftsführer in Wolfsburg oder Wien es tunlichst vermieden, Asta Holler auf ihren mehrwöchigen Brasilienreisen zu begleiten, verweigerte Obst ihr nie die Gefolgschaft.77 Schon bevor Asta Holler im Februar 1988 ihre letzte Brasilienreise antrat, von der sie sich Stärkung erhoffte, war sie phasenweise verwirrt. Als sie, deren Eleganz früher eher geblendet hatte, beim Wolfsburger VVD in einem fleckigen Kleid erschien, wagte niemand, sie auf den Makel hinzuweisen.78 Als sie Medikamente, die sie mit nach Brasilien nehmen musste, nicht finden konnte, wähnte sie sich bestohlen und beauftragte Felix Reis, Anzeige gegen Unbekannt zu erstatten.79 Betreut von Günther Obst und dem stellvertretenden Geschäftsführer Klaus Kaminsky flog sie Mitte Februar 216

nach São Paulo.80 Gesundheitlich außerstande wie gewohnt ins Kinderdorf São Bernardo zu fahren, ließ sie die Dorfleiter ins VVD-Büro einladen und wählte von einer Wunschliste einige Projekte aus, verlangte Kostenvoranschläge und erteilte dann ihre Genehmigung für Einkäufe oder Instandsetzungsarbeiten. Avelino B. Schmitt, in Brasilien zuständig für die Finanzen der Holler-Gruppe, verwaltete auch Asta Hollers Privatkonto, von dem die Spenden für das Kinderdorf bezahlt wurden.81 Asta Hollers Hinneigung zu den SOS-Kinderdörfern war allgemein bekannt. Nachdem die Eheleute Hahn im April 1988 während eines privaten Besuches in Marokko spontan ein solches besucht hatten und Hahn daraufhin dem SOS-Kinderdorf e. V. einen Scheck über 1000 DM zur Weitergabe an das marokkanische Dorf geschickt hatte, ließ er es sich nicht nehmen, Asta Holler eine Kopie seines Begleitschreibens82 und später noch ein paar Fotos zukommen zu lassen. „Wie Sie sehen, denken wir oft und gern und vor allen Dingen mit sehr vielen guten Wünschen an Sie.“ Diese Zeilen mussten Asta Holler Ende Mai, nach ihrer Rückkehr aus Brasilien, von Felix Reis vorgelesen werden.83 Seinen Dank für Geburtstagsgrüße verband Hahn im Sommer 1988 mit „Genesungswünschen“ und sandte erneut Blumen.84 Asta Hollers Unterschrift auf einem Anschreiben zu einem Bericht über die Geschäftsentwicklung im Jahr 1987 für Jürgen Schow in seiner Eigenschaft als Mitglied des VVD-Beirates wirkt jetzt wieder selbstbewusst und sicher.85 Seit dem Sommer 1988 hielt Asta Holler sich vorwiegend in ihrem Privathaus in Grünwald auf und kam nur noch gelegentlich ins Büro in der Brienner Straße.86 Im September verschlechterte sich ihr Zustand. Einmal lag sie stundenlang hilflos auf dem Fußboden ihres von innen verschlossenen Schlafzimmers, ehe ein Schlüsseldienst die Tür öffnete und die Polizei eine Einlieferung ins Krankenhaus veranlasste. Die Ärzte konstatierten, sie sei „körperlich verwahrlost und geistig verwirrt“, und es wurde erstmals eine Pflegschaft für sie erwogen. In den nächsten Tagen wechselten Phasen geistiger Klarheit mit solchen starker Verwirrtheit einander ab. Sie irrte in der Klinik umher und beschuldigte Fremde, in „ihrem“ Bett zu liegen; sie verließ das Haus mehrmals und wurde orientierungslos in den Parkanlagen aufgegriffen. Sie verweigerte die Einnahme von Medikamenten und gebärdete sich aggressiv gegenüber dem Klinikpersonal und Felix Reis, der sie fast täglich besuchte. Nach einem gut einwöchigen Aufenthalt im Krankenhaus unterschrieb sie, dass sie gegen den Rat der Ärzte auf eigenen Wunsch entlassen werde, und ließ sich von Reis nach Hause fahren. Die verwirrte Asta Holler lehnte es fortgesetzt ab, eine Betreuerin einzustellen.87 Die Menschen um sie waren es gewohnt, sich ihrem Willen zu beugen. Am 21. Oktober 1988 ergänzte Asta Holler ihre testamentarischen Bestimmungen vom Mai 1987, indem sie ihren Testamentsvollstrecker Jürgen Schow auch zum ersten Vorstand der Holler-Stiftung bestimmte. Sein Dienstort sei München; seine Jahresbe217

züge hätten 10% über denen eines ordentlichen Geschäftsführers des VVD zu liegen; ein Dienstwagen nach Wahl aus dem Modellprogramm des VW-Konzerns stehe ihm zur Verfügung; er erhalte Reisekosten und sonstige Aufwendungen im Interesse der Stiftung als Vertrauensspesen; ihm sei Urlaub in angemessenem Umfang zu gewähren; seine Altersversorgung bei Volkswagen sei von der Holler-Stiftung weiterzuführen. Hüttinger bescheinigte seiner Klientin, „einwandfrei geschäfts- und testierfähig“ zu sein. Doch deren Unterschrift geriet bereits schwach und ungelenk.88 Ende November stürzte sie erneut und zog sich am Kopf eine Platzwunde zu, die genäht werden musste.89 Als Günther Obst und Jürgen Schow Asta Holler an ihrem 84. Geburtstag zu Hause aufsuchten, um zu gratulieren, trafen sie eine „sehr einsame Frau“ an. Carl H. Hahn hatte ihr noch einen Kassettenrecorder schenken wollen, Schow davon aber abgeraten, weil sie ein solches Gerät nicht mehr bedienen konnte.90 Bald nach dem Geburtstag brach Asta Holler abermals zusammen, und wieder musste ein Schlüsseldienst sie befreien. Auf Drängen des herbeigerufenen Notarztes ließ sie sich ins überbelegte Harlachinger Krankenhaus bringen. Noch vor Weihnachten veranlasste Felix Reis ihre Verlegung in die private Rinecker-Klinik, wo es einen Arzt gab, dem sie etwas Vertrauen schenkte. Dort verhielt sie sich sehr unruhig und aggressiv, gefährdete sich und andere und wurde daher noch an Heiligabend in die Psychiatrische Klinik Haar überstellt.91 Für den Fall, dass sie ihre privaten und geschäftlichen Angelegenheiten einmal zu Lebzeiten nicht mehr selbst würde regeln können, hatte Asta Holler nichts verfügt. Niemand besaß eine Vorsorgevollmacht, um in dieser Notlage für sie eintreten zu können. Das Krankenhaus stellte einen Antrag auf Pflegschaft für Asta Holler. Um zu verhindern, dass ein Außenstehender damit betraut würde, einigten sich Hüttinger, Reis und Obst rasch auf Jürgen Schow, der als Jurist am besten geeignet zu sein schien, das Ehrenamt zu übernehmen.92 Umgehend empfahlen Hüttinger und Obst ihn nacheinander telefonisch der zuständigen Rechtspflegerin beim Amtsgericht München.93 Am 10. Januar 1989 bestellte das Gericht Schow zu Asta Hollers Gebrechlichkeitspfleger. Es oblag ihm, den Aufenthaltsort der Kranken zu bestimmen, sie ärztlicher Behandlung zuzuführen sowie sich um ihr Vermögen zu kümmern. Ein Verzeichnis darüber per 10. Januar 1989 war dem Amtsgericht so bald wie möglich vorzulegen. Zum Sitz der Pflegschaft erkor Schow das Münchener VVD-Büro, das Felix Reis führen und von wo aus er alle Korrespondenz abwickeln sollte. Post, die Schow aus München erhielt, ging in Wolfsburg zunächst „persönlich / vertraulich …“ an Günther Obst, von dem Asta Hollers Pfleger sie entgegennahm.94

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15. Der Tod Asta Hollers und die Gründung der Stiftung

Als Pfleger Asta Hollers kamen auf Jürgen Schow Aufgaben zu, die weit über das hinausgingen, was mit diesem Amt im Normalfall verbunden ist. Bis zuletzt war in der Holler-Gruppe alles auf die gebrechliche Eigentümerin persönlich zugelaufen. Nun trat Jürgen Schow automatisch in alle Funktionen der Kranken ein. Bei der Wahrnehmung seines Amtes stützte er sich auf jene Funktionsträger im Hollerschen Imperium, die das Geschäft und auch Asta Holler selbst am besten kannten: VVDGeschäftsführer Günther Obst, in dem Schow den „Hauptrepräsentanten der HollerGruppe“1 sah, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer Dieter Schütze sowie Felix Reis. Mitte Januar setzte Schow sich in Wolfsburg mit ihnen zusammen. Es wurde verabredet, dass die Geschäftsleitung der Wertschutz GmbH und der Verwaltungsrat der Assivalor AG Anlagen- oder Finanzdispositionen fortan in eigener Verantwortung treffen und erforderliche Zeichnungsvollmachten nachträglich erhalten sollten. Das „Büro München“, also Felix Reis, würde diese Vorgänge retrospektiv prüfen. Ferner war zu entscheiden, was mit Asta Hollers Wohnungen in München, Düsseldorf und Zug zu geschehen hätte, wie Arzt- und Klinikkosten zu begleichen seien, welche Konten zu sperren wären und von welchen laufende Zahlungen erfolgen sollten. Ein Vermögensverzeichnis musste angefertigt werden, was, wie Schow dem Vormundschaftsgericht unter dem 19. Januar schrieb, „angesichts des weitverzweigten firmlichen und persönlichen Vermögens im In- und Ausland“ längere Zeit in Anspruch nehmen werde.2 Begleitet von Felix Reis, stellte Schow sich Ende Januar bei den Banken in München, Basel und Zürich als Asta Hollers Pfleger vor und trat in ihre Rechte ein. Vor größeren Transaktionen prüfte das Amtsgericht jeweils nach einem schriftlichen Antrag des Pflegers, ob das Interesse des Pfleglings gewahrt bliebe. Anfang Februar besuchte Cyrill Bürgel Asta Holler im Bezirkskrankenhaus Haar. Er legte den Maßstab des mustergültigen Hildegard Hospizes an und empfand die Unterbringung der Kranken daher als entwürdigend. Bürgel leitete alles in die Wege, um eine Verlegung in die private Schreiber-Klinik zu ermöglichen.3 Die Ärzte wiesen darauf hin, dass Asta Hollers Zustand einen Raum mit gesicherten Türen und Fenstern erfordere und psychiatrische wie internistische Versorgung gewährleistet sein müsse. Die Schreiber-Klinik lehnte die Übernahme der Schwerkranken schließlich ab. Als sich Asta Hollers Gesundheitszustand weiter verschlechterte, wurde sie in die Intensivstation der Inneren Abteilung des Krankenhauses Neuperlach gebracht. Eine doppelseitige Lungenentzündung und als deren Folge hoher Blutzucker schwächten sie zusätzlich. Ende Februar verbesserte sich Asta Hollers Gesamtzustand deutlich, sie genoss deftige Speisen sowie Bier, war phasenweise ansprechbar, bat um häufigere Besuche und erkannte dankbar die gute Pflege an. Mit Besuchern konnte sie sich unterhalten. Dennoch hielten die Ärzte es für ratsam, sie in einem Vierbettzimmer zu belassen, weil 219

dies eine bessere pflegerische Betreuung und Überwachung erlaubte. In der zweiten Märzwoche war sie soweit genesen, dass eine Rücküberstellung nach Haar nicht mehr notwendig erschien. Doch Mitte März gewannen Desorientiertheit und Aggressivität in ihrem Verhalten wieder die Oberhand. Was sie zu essen bereit war, hätte ihren Blutzucker erneut in die Höhe schnellen lassen. Nachdem Wertschutz-Geschäftsführer Gerd Müller Anfang März die Villa in Grünwald besichtigt hatte, beschlossen Schow und seine Berater, den beträchtlichen Reparaturstau beheben zu lassen, um einen weiteren Wertverlust des Gebäudes zu verhindern. Nach dem Ausscheiden des Haumeisterehepaares mussten die Kunstgegenstände aus dem Haus gebracht und sicher eingelagert werden. Der Hund „Illo“ fand Aufnahme in einer Hundepension. „Haushüter“ versorgten vorübergehend die Villa, ehe wieder ein Hausmeister eingestellt wurde. Felix Reis konnte unterdessen die Verlegung Asta Hollers in die Pflegestation des Hanns-Seidel-Hauses vorbereiten, eine Einrichtung des Vereins „Münchner Altenwohnstift e. V.“ in Ottobrunn. Eine „vernünftige“ Spende des VVD hatte dies trotz großen Mangels an Pflegeplätzen im Raum München ermöglicht.4 Geschlossene Unterbringung war nicht mehr erforderlich, da Asta Holler sich ohnehin nicht ohne Hilfe auf den Beinen halten konnte. Am 28. März zog sie gegen ihr Sträuben um. Nach zwei Tagen im Pflegeheim wünschte sie, von ihrem Chauffeur abgeholt zu werden. Der Kranken wurde daraufhin das Telefonieren untersagt. Anfang April schien sie sich zu erholen, saß im Rollstuhl und bemühte sich, wieder gehen zu lernen.5 Sie ließ sich pflegen, aß und trank. Doch in der Regel sprach sie unzusammenhängend. Schow, Reis und Obst besuchten sie gelegentlich. Auch Gradmann & Holler-Komplementär Roland Seul sah nach ihr. Bald erkannte sie die Menschen an ihrem Krankenbett nicht mehr.6 Als Gebrechlichkeitspfleger vertrat Jürgen Schow Asta Holler auch in der Firma Gradmann & Holler (G&H), an der sie zusammen mit Liselotte Gradmann nach wie vor als „nicht tätige Kommanditistin“ beteiligt war. Am 3. Mai 1989 nahm er gemeinsam mit Steuerberater Schütze zum ersten Mal an einer Gesellschafterversammlung teil. Liselotte Gradmann, wie Asta Holler nicht mehr in der Lage, der Versammlung beizuwohnen, ließ sich durch ihren Berater Eckart Ebner vertreten. Im Mittelpunkt der von Kurt Stroh geleiteten Sitzung stand, wenn auch unter „Verschiedenes“ protokolliert, die Präsentation eines „Europakonzeptes“ durch die geschäftsführenden Gesellschafter. Die Verwirklichung des Europäischen Binnenmarktes für die Versicherungswirtschaft zum 1. Juli 1990 zwinge die Firma, sich auf verschärfte Konkurrenz einzustellen. Mit Marsh & McLennan (M&M), „dem größten Broker der Welt“, verfüge G&H über einen „idealen Partner“. Doch solange Asta Holler und Liselotte Gradmann noch Kommanditistinnen seien, hätte die Firma bei Verhandlungen mit M&M 220

keine „freie Hand“. Die Komplementäre boten den beiden Witwen daher an, ihre Anteile „quasi im Vorgriff auf die gesellschaftsvertraglichen Nachfolgeregelungen“, die eine Buchwertabfindung vorsahen, sofort „gegen eine Barabfindung auf der Basis der kapitalisierten Gewinne für die restliche Lebenserwartung der jeweiligen Gesellschafterin zuzüglich den Beträgen auf den Kapitalkonten“ an sie abzutreten. Der anfallende Veräußerungsgewinn unterliege in diesem Fall sogar nur dem halben Steuersatz. Die Informationen und Vorschläge der geschäftsführenden Gesellschafter von G&H trafen Schow unvorbereitet. Das von Wirtschaftsprüfer Horst Weyrauch als dem Berater der Firma aufgesetzte Protokoll hält fest, die Vertreter der Kommanditistinnen hätten sich „beeindruckt“ gezeigt „von dem Ausmaß der Veränderungen des Versicherungsmarktes in der EG, die ihnen bisher so nicht bekannt war“. Der „Handlungsbedarf im Interesse der G&H-Gruppe“ habe „grundsätzlich“ ihre Anerkennung gefunden, aber sie hätten um Verständnis dafür gebeten, nicht sofort und eigenmächtig entscheiden zu können. Jedoch wollten Schow und Ebner die geschäftsführenden Gesellschafter „wegen der ernsten Dringlichkeit so bald wie möglich“ über die Ergebnisse ihrer Rücksprachen unterrichten.7 Wenige Tage nach der Gesellschafterversammlung erhielt Schow, der nach wie vor in der Rechtsabteilung der Volkswagen AG in Wolfsburg saß, von Weyrauch eine Kopie des Gesellschafterbeschlusses von 1986, in dem Asta Holler und Liselotte Gradmann ausdrücklich darauf verzichtet hatten, dass bei der Ermittlung ihres Auseinandersetzungsguthabens ein Firmen- oder Ertragswert anzusetzen sei.8 Es folgte, zusammen mit dem Protokoll der Sitzung von Anfang Mai, eine „streng vertrauliche … Problemskizze betr. ‚EG-Binnenmarkt 1990 (1992)‘“, die gleichzeitig an Liselotte Gradmann und ihren Berater Ebner ging. Das Schreiben erläuterte detailliert, welche Schwierigkeiten durch die bevorstehende Liberalisierung auf G&H zukämen und dass sich die Position der Firma nur halten lasse, wenn sie auf ein Angebot von M&M eingehe, ihr von 1990 an die Führungsrolle bei der Wahrnehmung aller M&M-Interessen in Kontinentaleuropa zu übertragen. Dabei setze das amerikanische Unternehmen voraus, „dass die jetzigen Komplementäre bereits heute für einen Zeitpunkt nach dem Ausscheiden der Gründerwitwen aus der Gesellschaft ihre Bereitschaft erklären, M&M die Mehrheit an Gradmann & Holler einzuräumen“. Kiep würde dann ein Sitz im zehnköpfigen Board von M&M Companies in New York und Roland Seul die Position des ersten Managing Directors von M&M für Kontinentaleuropa zustehen.9 Die Botschaft war klar. Die „Gründerwitwen“ sollten ihre Kommanditanteile so bald wie möglich den geschäftsführenden Gesellschaftern von G&H überlassen. Gewissermaßen als Belohnung könnten sie im Gegenzug entsprechend ihrer statistisch zu erwartenden Lebensdauer neben ihrem jeweiligen Kapitalanteil auch ihre Einkünfte vorab ausgezahlt bekommen. Würden sie das Angebot nicht akzeptieren und träte 221

der Erbfall ein, erhielten ihre Erben lediglich ein nach dem Buchwert zu berechnendes Auseinandersetzungsguthaben. Um Schow für die Abfindungslösung zu erwärmen, wiederholte und präzisierte Weyrauch das Angebot der geschäftsführenden Gesellschafter von G&H. Asta Holler sollte gut 13,4 Mio. DM erhalten, eine Summe, die fast 10 Mio. DM über dem grob ermittelten Auseinandersetzungsguthaben läge, das ihren Erben nach ihrem Tod zustünde.10 Blumig ließ sich Weyrauch darüber aus, warum für G&H angesichts der drohenden „neuen Binnenmarktsituation“ ein schleuniges Zusammengehen mit M&M zwingend sei. Seine Appelle an die ökonomische Vernunft des VW-Chefsyndikus sollten diesen offenbar davon ablenken, dass er zuallererst die Interessen seines Pfleglings vertreten musste. Neben dem Betrag von gut 137 Mio. DM, auf den Schow Asta Hollers Vermögen Mitte Mai gegenüber dem Amtsgericht beziffert hatte, mochten sich die Summen, um die es in der Auseinandersetzung mit G&H ging, zudem geringfügig ausnehmen. Wenige Tage darauf setzte Weyrauch telefonisch nach und skizzierte anschließend in einem Schreiben an Schow, wie weiter vorzugehen sei. Schow solle die Angelegenheit am 15. Juni mit Schütze und Reis erörtern. Das erforderliche Schreiben an das Vormundschaftsgericht, welches eine Zustimmung zur Abfindungsregelung sowie zur beabsichtigten Zusage der geschäftsführenden Gesellschafter an M&M genehmigen müsse, möge er „kurzfristig … mit uns abstimmen“.11 Gleichzeitig lagen Schow verschiedene Gesellschafterbeschlüsse von G&H vor, welche die Aufnahme neuer Kommanditisten und diverse Neuregelungen zum Übergang von Geschäftsanteilen betrafen; sie tangierten die Interessen seines Pfleglings zwar nicht unmittelbar, erforderten jedoch ebenfalls seine Zustimmung, die zuerst das Vormundschaftsgericht genehmigen musste. Doch es war nur eine von vielen Aufgaben Jürgen Schows, Asta Hollers Interessen gegenüber G&H zu vertreten. Mitte Juni flog er mit Obst und Reis nach Basel, um an einer Verwaltungsratssitzung und Generalversammlung der Assivalor teilzunehmen. Es wurde unter anderem erörtert, wie mit den von der Assivalor AG gehaltenen Anteilen an der Wertschutz GmbH am vorteilhaftesten zu verfahren sei und welche Anlagestrategie die Assivalor 1989/90 verfolgen solle.12 Als Gebrechlichkeitspfleger vertrat Jürgen Schow Asta Holler auch in ihrer Funktion als Präsidentin des Verwaltungsrates dieser Gesellschaft und bildete zugleich deren Generalversammlung. Trotz seiner weitreichenden Vollmacht war es Jürgen Schow nicht ohne weiteres erlaubt, an Asta Hollers Stelle Schenkungen zu tätigen. Als vom SOS-Kinderdorf São Bernardo do Campo Ende Juni die übliche Wunschliste mit Anschaffungen und Reparaturen eintraf, begründete Schow das Erfordernis, diese Spenden zu tätigen, in aller Gründlichkeit gegenüber dem Amtsgericht. Mit der Spende werde der Wille Frau 222

Hollers erfüllt; ein Transfer der in Brasilien liegenden Guthaben nach Deutschland sei nicht möglich; die brasilianische Währung verliere laufend an Wert. Das Gericht genehmigte daraufhin eine Zahlung von Asta Hollers brasilianischem Privatkonto an das Kinderdorf.13 Schütze rechnete unterdessen das Angebot der Komplementäre von G&H zur Abfindung Asta Hollers nach und befand es für korrekt.14 Am 19. Juni vermerkte Günther Obst, dass sich der VVD – also er selbst – in einer Besprechung mit den Herren Schow, Schütze und Reis für diese Lösung entschieden habe. Schow werde nun „das Weitere veranlassen“. Asta Hollers Pfleger und seine Berater wussten, dass sich Liselotte Gradmann, vertreten durch Eckart Ebner, gegen eine Abfindungslösung entschieden hatte.15 Am 20. Juli übersandte Schow Weyrauch den Entwurf eines Briefes an das Vormundschaftsgericht, in dem er für die Annahme des Abfindungsangebotes plädierte und darauf hinwies, dass das Ausscheiden Frau Hollers aus der Gesellschaft zu Lebzeiten „wirtschaftlich wesentlich günstiger (sei) als dasjenige durch Tod“.16 Am Tag darauf erhielt er von Weyrauch einen Brief mit einer Liste von Aufgaben. Der Berater von G&H instruierte Schow zugleich, wie er bei deren rascher Erledigung vorzugehen hätte.17 Derart unter Druck gesetzt, platzte Schow der Kragen. Er kenne die Probleme seit gerade einmal acht Wochen, befinde sich gegenüber allen anderen Beteiligten in einem „Zeitnachteil von vielen Jahren“ und beanspruche daher für seine Entscheidungen einen „gewissen zeitlichen Spielraum“. Weyrauch möge ihn nicht in einer Weise einengen, die ihm „praktisch jeden einzelnen Schritt“ vorschreibe.18 In einem Brief, den Schow am 24. Juli ans Vormundschaftsgericht schickte, um seine Zustimmung zu einer Abfindung seines Pfleglings durch G&H zu begründen, waren offenbar die Korrekturvorschläge Horst Weyrauchs eingeflossen. Das Schreiben enthielt jetzt auch einen Hinweis darauf, dass Asta Holler einer Aufnahme von M&M und einer späteren höheren Beteiligung der amerikanischen Firma bereits 1975 grundsätzlich zugestimmt habe. Zum andern führte es an, dass G&H in Zukunft „wesentlich intensiver investieren“ müsse, was den Kapitalertrag Asta Hollers in den nächsten Jahren schmälern würde.19 Einer Zustimmung des Vormundschaftsgerichts zu der für Schows Pflegling anscheinend vorteilhaften Abfindungslösung schien nichts im Wege zu stehen. Unterdessen verschlechterte sich Asta Hollers Gesundheitszustand. Nach einem Telefongespräch mit dem behandelnden Arzt teilte Jürgen Schow seinen Beratern am 22. Juni vertraulich mit, dass „nach menschlichem Ermessen“ mit einer Wiederherstellung der Gesundheit Asta Hollers nicht zu rechnen sei. Er werde sein Pflegeramt weiterhin ausüben müssen.20 Nach wie vor als Chefsyndikus in den VW-Konzern eingebunden, widmete Schow der „Pflege“ Asta Hollers inzwischen viel Zeit; ein Honorar stand ihm nicht zu. Obst sprang mit dem VVD ein. Er verpflichtete Schow in aller 223

Form rückwirkend zum 1. Januar 1989 als Berater, womit regelmäßige Honorarzahlungen verbunden waren. Der Vertrag lief bis zum 31. März 1994.21 Asta Holler schien mit ihrem letzten Aufenthaltsort Frieden geschlossen zu haben. In einem Dankschreiben an das Pflegepersonal stellte Felix Reis später fest, sie habe ihre Umgebung im Hans-Seidel-Haus am Ende „voll akzeptiert“.22 Anfang August 1989 bekam sie hohes Fieber, dessen Ursache sich im Pflegeheim nicht abklären ließ. Sie kam erneut ins Perlacher Krankenhaus, wo ihr Blutzucker stark anstieg. In der Nacht vom 16. auf den 17. August starb Asta Holler. Ein Schreiben Horst Weyrauchs an Schow vom Tag darauf bekundete „tiefempfundenes Beileid zum plötzlichen Ableben von Frau Holler“. Man sei „sehr betroffen“, die Nachricht „völlig unerwartet“ gekommen. Sicherlich habe auch Schow nicht angenommen, dass die „Bemühungen um eine eventuelle Abfindungsregelung auf so unerwartete Weise hinfällig“ geworden seien.23 Danach hatte Weyrauch es nicht mehr eilig, nahm auch ein Terminangebot Schows nicht an.24 Am 26. Oktober meldeten unter anderem „Wall Street Journal“ und „Financial Times“, am Tag darauf die „Frankfurter Allgemeine“, dass M&M, seit Jahren mit 15% an G&H beteiligt, die Übernahme der restlichen Anteile vereinbart habe – für 250 bis 300 Mio. DM, vermuteten Fachleute.25 Die drei geschäftsführenden Gesellschafter von G&H, so berichtete das „Wall Street Journal“, würden eine „bedeutende“ („significant“) Anzahl von M&M-Aktien erhalten.26 Kiep, Stroh und Seul räumten der amerikanischen Gesellschaft das Recht ein, nach Liselotte Gradmanns Tod die Mehrheit an G&H zu erwerben. Am 13. November 1989 setzten Schow, Schütze und Obst sich schließlich in Wolfsburg mit Weyrauch zusammen. Die 1958 vereinbarte und zuletzt 1986 bestätigte Regelung, dass bei der Ermittlung eines Auseinandersetzungsguthabens ein Firmenoder Ertragswert nicht angesetzt werden dürfe, sahen die Herren, welche die Sache des Nachlasses Asta Hollers vertraten, als unumstößlich an. Einen Monat später präsentierte Weyrauch den Entwurf einer Auseinandersetzungsvereinbarung und übergab die Jahresabschlüsse seit 1982.27 Schütze prüfte die Unterlagen sowie die von Weyrauch & Kapp angestellten Berechnungen. Die angebotene Summe von knapp viereinhalb Million DM sei „zutreffend ermittelt“ worden, befand er, wobei die anteilige Gewinnabrechnung für 1989 als vorläufig galt und im April 1990 noch ein „Restguthaben“ von knapp 90 000 DM ausgezahlt wurde.28 Am 21. Dezember 1989 unterschrieb Schow in seiner Funktion als Testamentsvollstrecker den endgültigen Auseinandersetzungsvertrag, den die vier „anwachsungsberechtigten“ Gesellschafter bereits unterfertigt hatten. Als wüsste man nicht, wohin die im Oktober mit M&M getroffene Vereinbarung führte, hielt der Vertrag fest, dass die Firma Gradmann & Holler „zwischen den verbleibenden Gesellschaftern unter Ausschluss einer Liquidation und Weiterführung des Firmennamens fortgesetzt“ werde. Mit der Anerkennung des Aus224

einandersetzungsvertrages sollten weitere Ansprüche – „gleich welchen Rechtsgrund oder Namen sie haben mögen“ – nicht mehr geltend gemacht werden können.29 Das Guthaben wurde dem Nachlass Asta Hollers zugeführt.30 Aus ihren Beteiligungen an Gesellschaften der G&H-Gruppe in Brasilien und Kanada flossen zusätzlich knapp 640 000 DM, welche später bereits die Holler-Stiftung entgegennahm. Liselotte Gradmann starb am 13. Februar 1991. G&H war nun offenbar stark daran interessiert, die Verhandlungen um das Auseinandersetzungsguthaben, das den Erben der Gründerwitwe zustand, schnell abzuschließen. Zudem lag die Sittenwidrigkeit des Gesellschafterbeschlusses, mit dem die beiden alten Damen 1986 ihren Verzicht auf eine Abfindung unter Berücksichtigung des Firmen- oder des Ertragswertes erklärt hatten, inzwischen auf der Hand. Es gelang Liselotte Gradmanns Nachlassverwalter, ein Vielfaches der Summe zu erstreiten, die Asta Hollers Erbin erhalten hatte. Das Geld kam der Erich und Liselotte Gradmann-Stiftung (Stuttgart) zugute, die seit dem Frühjahr 1991 nach ihrem satzungsmäßigen Stiftungszweck „ältere, vor allem alleinstehende Menschen, die wegen ihrer körperlichen, geistigen oder seelischen Verfassung hilfsbedürftig oder die wirtschaftlich bedürftig sind“, unterstützt.31 Die Beisetzung Asta Hollers auf dem Grünwalder Friedhof fand am 25. August „im engsten Kreise“ 32 statt, nicht einmal 40 Personen folgten dem Sarg.33 Hatte der VVD 1969, zu Christian Hollers Beerdigung, nur Tiedke und Obst entsandt, reisten diesmal, ganz der starren hierarchischen Ordnung im Unternehmen entsprechend, lediglich Klaus Vacano und Günther Obst nach München. Mehr Teilnehmer aus Wolfsburg wären undenkbar gewesen.34 Niemand sprach am Grab. Es sei eine „würdige, schöne Feier“ gewesen, berichtete Schow nach Basel. Großformatige Todesanzeigen der Gesellschaften, an denen Asta Holler beteiligt gewesen war, erschienen erst nach ihrer Beisetzung in den überregionalen Tageszeitungen. Sie nannten ein Konto, auf das „im Sinne der Verstorbenen“ Spenden für den SOS-Kinderdorf e. V. eingezahlt werden konnten. Einige wenige, persönliche Kondolenzschreiben erhielt Felix Reis. Die meisten, vor allem solche von Geschäftspartnern, gingen an den VVD, manche sogar namentlich an Günther Obst.35 Das entsprach ganz der Art und Weise, wie Asta Holler sich im Leben verortet hatte. Mit Asta Hollers Tod endete Jürgen Schows Amt als Pfleger. Am 5. September eröffnete das Nachlassgericht beim Amtsgericht München das Testament der Verstorbenen.36 Am selben Tag trat Schow das Amt des Testamentsvollstreckers an. Das Ernennungszeugnis vom 18. Oktober beschrieb seine Aufgaben. Er hatte „den Nachlass in Besitz zu nehmen“ und bis zur Entstehung der Stiftung zu verwalten sowie alles Erforderliche in die Wege zu leiten, um „die Genehmigung zur Erlangung der Rechtsfähigkeit der Stiftung“ einzuholen. Zu diesem Zwecke war er auch befugt, die von Asta Holler vorgegebene Stiftungssatzung abzuändern oder zu ergänzen. Ferner hatte er „etwaige 225

Nachlassverbindlichkeiten zu erfüllen“.37 Felix Reis, mit einer Vollmacht ausgestattet, arbeitete Schow, der nach wie vor in Wolfsburg saß, vom Münchner Büro des VVD aus zu.38 Reis stellte auch die „persönlichen Daten“ der Verstorbenen zusammen, die das Amtsgericht erbeten hatte. Seine Angaben fielen spärlich aus; Asta Holler hatte nicht eben viel über Eltern oder Geschwister preisgegeben.39 Eine Nichte, Oberstudienrätin Mag. Herta Mestre-Bukwich, die inzwischen 67-jährige Tochter von Asta Hollers 1968 verstorbener Schwester Anna, erfuhr erst nach der Beerdigung vom Tod ihrer Tante. Sie meldete sich im Oktober 1989 in München und erbat die Zurückgabe von Familienfotos, welche sie ihrer Tante nach dem Tode von deren Schwester Maria40 im Jahre 1975 überlassen hatte. Ferner sei bei ihrer Heirat 1955 von der Tante ein Sparbuch für sie angelegt worden, das sie aber infolge eines längeren Auslandsaufenthaltes nie entgegengenommen habe. Sollte das Sparbuch im Nachlass auftauchen – die Tante sei doch „so genau“ gewesen –, bitte sie um Zusendung.41 Das Sparbuch fand sich nicht; Felix Reis schickte der Nichte Fotografien, Gemälde und religiöse Bücher.42 Sie starb 2006. Schow ließ Reis zudem die Anschriften derer ermitteln, die nach dem gemeinsamen Testament von Christian und Asta Holler aus dem Jahre 1963 Geldvermächtnisse hätten erhalten sollen, in der letzten Verfügung aber nicht mehr bedacht worden waren.43 Nur einer der von Asta Holler ausgesonderten Vermächtnisnehmer erhob Widerspruch: Alfred Engling, der das Hollersche Imperium in Brasilien maßgeblich mit aufgebaut und jahrelang geleitet hatte. Er verwies auf einen Brief Christian Hollers aus dem Jahre 1967, in dem dieser ihm versprochen hatte, ihn in seinem Testament „mit einer sechsstelligen Ziffer“ zu bedenken, damit er für den Fall, dass Holler etwas zustoße, „Sicherheit“ habe.44 Schow konnte auf einen Vergleich als Ergebnis eines Prozesses verweisen, der von Engling wegen seines Versorgungsanspruches bereits 1978 gegen den VVD angestrengt worden war. Engling hatte sich seinerzeit verpflichtet, keine weiteren Ansprüche geltend zu machen.45 Schow überzeugte ihn von der Aussichtslosigkeit seiner Bemühungen. Die sieben im letzten Testament aufgeführten Vermächtnisnehmer erhielten die ihnen zugedachten Beträge. Doch die Hauptaufgabe des Testamentsvollstreckers bestand darin, den Nachlass zu erfassen und die Stiftung zu errichten. Asta Hollers Vermögen war vielförmig zusammengesetzt. Ihre Beteiligungen listete die dem Testament beigefügte Stiftungssatzung auf.46 Wie Schow summierte, beliefen sich die Anteile an Personengesellschaften auf fast 22,7 Mio. DM, jene an Kapitalgesellschaften umfassten gut 102 Mio. DM. Schow ließ die Guthaben auf Asta Hollers Konten und Sparbüchern in Deutschland und der Schweiz, Österreich, Brasilien und Mexiko ermitteln und gab gegenüber dem Nachlassgericht eine Gesamtsumme von 5 Mio. DM an. Ihre „Papiere“ waren fast 32 Mio. DM wert. Allein in der Schweiz lagen Edelmetalle und Münzen im Wert von rund 226

5 Mio. CHF. Kunstgegenstände und Schmuck hatte sie im Wert von über 4 Mio. DM besessen. Forderungen gegen Dritte betrugen gut 4,7 Mio. DM. Als Wert eines unbebauten Grundstücks in Grünwald setzte Schow 650 000 DM an. Später, nach der Aufnahme von Verkaufsverhandlungen, stellte sich heraus, dass es mehr als das Fünffache wert war. Den Grundbesitz in Portugal, wo einst ein Alterssitz gebaut werden sollte, bezifferte Schow auf 50 000 DM. Am 31. Januar 1990 teilte er dem Münchner Amtsgericht mit, dass sich die Summe aller Nachlasswerte auf gut 166 Mio. DM belief, von denen Verbindlichkeiten in Höhe von gut 4,6 Mio. abzuziehen waren. Die Villa in Grünwald, die der Wertschutz gehörte, stand zum Verkauf.47 Schow hatte sich gründlich mit dem Bayerischen Stiftungsgesetz befasst und auch Obst eine Kopie davon zukommen lassen. Zu Artikel 14, der die Mitglieder der Stiftungsorgane zur „gewissenhaften und sparsamen Verwaltung des Stiftungsvermögens“ anhält, merkte dieser an: „Liegt hier nicht eine ganz beachtliche Einschränkung der Handlungsfreiheit für den Stiftungsvorstand vor? (Personal, Bezüge für Stiftungsvorstand)“. Ferner riet Obst zu prüfen, ob neben den Grundstücken in Asta Hollers Privatvermögen nicht auch die Geschäftsanteile an den mexikanischen Gesellschaften vor der Stiftungsgründung veräußert werden sollten, da solche Verkäufe später „sehr schwierig“ seien.48 Im Frühjahr 1990 flogen Günther Obst und Klaus Kaminsky nach Brasilien, um die Umschreibung der Gesellschaftsanteile Asta Hollers am dortigen VVD und der mit ihm verbundenen Firmen auf die Stiftung einzuleiten. Geschäftsführer Avelino Schmitt, von Jürgen Schow mit umfangreichen Vollmachten und Dokumenten ausgestattet49, führte diese Aufgabe weiter und kümmerte sich wie gewohnt um die Konten. Das Auseinandersetzungsguthaben, das der Stiftung nach dem Ausscheiden Asta Hollers aus Pallas Viagens zustand, floss in eine Ende Juli gegründete „Fundaçao Holler Administração de Bens S/C Ltda.“, welche nach der Errichtung der Holler-Stiftung auch die regelmäßigen Spenden an die brasilianischen SOS-Kinderdörfer wieder aufnahm.50 In Brasilien wie auch in Mexiko erforderte die Übertragung der Geschäftsanteile Asta Hollers auf die Stiftung hohen bürokratischen Aufwand. Die Verfahren zogen sich daher in die Länge. Als das Testamentsvollstreckerzeugnis ausgestellt worden war, hatten Obst und Schow mit den zuständigen Beamten im Bayerischen Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst bereits die von Asta Holler verfügte Stiftungsurkunde erörtert. Schow sollte verschiedene Änderungen und Ergänzungen vornehmen, den Entwurf dann sowohl der Stiftungsaufsicht als auch der Finanzbehörde erneut vorlegen. Wenn beide ihn akzeptierten, konnte die Genehmigung der Stiftung beantragt werden.51 Doch allzu eilig hatte man es nicht. Ende September 1989 besprach Schow in Berlin mit Steuerberater Schütze, Wertschutz-Geschäftsführer Gerd Müller, Felix Reis und Gün227

ther Obst, dass das Verfahren „keinesfalls stark forciert werden“ sollte. Denn nicht nur empfahl es sich, die Verwertung von Nachlassgegenständen möglichst vor der Errichtung der Stiftung zu erledigen.52 Vor allem sollten die Satzungen der operativen Gesellschaften geprüft und erforderlichenfalls so verändert werden, dass dem Stiftungsvorstand ein möglichst weitreichendes Weisungsrecht zustünde. Da keine natürliche Person mehr die Eigentümerrechte wahrnahm, sollte in Zukunft die Stiftung, vertreten durch ihren jeweiligen Vorstand, „wie der Eigentümer“ handeln können.53 Eine Nachfrage beim Finanzamt München ergab Anfang November, dass eine „Ausübung von Beteiligungs-(Gesellschafter-)rechten durch die Stiftung … gemeinnützlichkeitsrechtlich unbedenklich“ sei. Nur als Geschäftsführer dürfe der Vorstand nicht handeln.54 Schow informierte den SOS-Kinderdorf e. V., den Hermann-Gmeiner-Fonds Deutschland e. V., die Hildegard Hospiz-Stiftung, das Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene e. V. sowie in aller Form auch die Kunststiftung Volkswagen von ihrer Begünstigung und bat um die Vorlage von Bescheiden, die ihre Gemeinnützigkeit steuerrechtlich anerkannten.55 Im Falle der Wolfsburger Kunststiftung, deren Vorstand er war, konnte er die erforderlichen Formalitäten mit sich selbst ausmachen. Sein Versäumnis, dem Kuratorium der Kunststiftung lange nicht mehr berichtet zu haben, entschuldigte er Ende des Jahres mit seinen „vielfältige(n) Zusatzarbeiten“ als Testamentsvollstrecker. Die Erledigung dieser Aufgaben sei aber „als Grundlage für den Mitteltransfer nach Wolfsburg von großer Bedeutung“.56 Vom Hildegard Hospiz trafen die angeforderten Unterlagen Ende Oktober 1989 ein.57 Das „Institut Freiburg“ war Schow, den Männern um ihn und auch der Stiftungsbehörde suspekt. Daher beschloss man, Erkundigungen über diese Einrichtung einzuholen.58 Nachdem Schow im November 1989 aus Freiburg einen Freistellungsbescheid aus dem Jahre 1984 erhalten hatte, mahnte er einen aktuelleren an, den das Finanzamt verlangen werde.59 Die Frage, in welchem Verhältnis die Organe der Stiftung zu deren operativen Unternehmen stehen sollten, war zunächst durchaus offen. Ende Oktober 1989 überließ Felix Reis den Herren Schow, Obst und Schütze die Kopie eines Zeitungsartikels, der die besondere gesellschaftsrechtliche Konstruktion der seit 25 Jahren wirkenden Robert-Bosch-Stiftung beschrieb. Die Vermögensverwaltung Bosch, die später ihren Namen in Robert-Bosch-Stiftung GmbH änderte, hatte die zum Nachlass gehörenden Geschäftsanteile erworben und zugleich auf das damit verbundene Stimmrecht verzichtet, das an eine eigens gegründete, an der Robert Bosch GmbH mit 0,1% beteiligte Robert Bosch Industrietreuhand KG überging.60 Bei dieser Konzeption braucht – ganz im Sinne Robert Boschs – der Staat die Stiftung nicht zu genehmigen und beaufsichtigt sie auch nicht; gleichwohl genießt die Stiftung den Status der Gemeinnützigkeit, unterliegt also keiner Steuerpflicht.61 Die Anregung Felix Reis’, diese Stif228

tungskonzeption zum Vorbild zu nehmen, wurde mehrmals diskutiert, schließlich aber verworfen.62 Ende April 1990 sandte Schow die Freistellungsbescheide der zukünftigen Destinatäre sowie einen Satzungsentwurf an die Stiftungsaufsicht. Er erhielt den Entwurf Anfang Mai mit kleineren Änderungsauflagen zurück.63 Am 9. Juli 1990, nachdem er auch von der Finanzverwaltung grünes Licht bekommen hatte64, beantragte er offiziell die Genehmigung der Stiftung und übergab die inzwischen mehrfach überarbeitete Satzung.65 Die Gründungssatzung der Holler-Stiftung unterschied sich von der dem Testament von 1987 beigegebenen vor allem in folgenden Punkten: Die Beschreibung des „Grundstockvermögens“ – wie es jetzt anstelle von „Stiftungsvermögen“ hieß – wurde ergänzt um „Festgeldanlagen bei in- und ausländischen Banken, Wertpapiere, Forderungen sowie sonstige Vermögensgegenstände“. Die Grundsätze für die Verwendung der Mittel wurden straffer formuliert. Die Bildung von Rücklagen sollte zulässig sein, „soweit die gemeinnützigen und mildtätigen Zwecke nicht beeinträchtigt werden“. Eine wichtige Ergänzung enthielten die Regeln zur Bestellung des Stiftungskuratoriums. Ein Mitglied des VW-Vorstandes sollte ihm nur solange angehören dürfen, wie die Volkswagen AG das Namensführungsrecht gewährte; „danach wird das Kuratoriumsmitglied von den übrigen Kuratoriumsmitgliedern gewählt“. Der Umstand, dass Asta Holler mit einem Nachtragstestament den ersten Vorstand der Stiftung namentlich festgelegt hatte, bedurfte einer Verankerung in der Satzung. Die unbefristete Bestellung Dieter Schützes zum Wirtschaftsprüfer und Steuerberater billigte die Behörde nicht; Schützes Berufung wurde auf fünf Jahre begrenzt.66 Ein wichtiger Unterschied der Gründungssatzung zum Entwurf von 1987 bestand auch darin, dass sie die „Wahrung, Ausübung und Durchsetzung der Eigentümerinteressen bei den zum Stiftungsvermögen gehörenden Unternehmen im Sinne der Stifterin“ als wesentliche Pflichten des Stiftungsvorstandes benannte. Am 7. September 1990 genehmigte das Bayerische Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst mit der Satzung die Stiftung.67 Sie rief damit eine juristische Person ins Leben, auf die das Stiftungsvermögen dauerhaft übertragen wurde und die mit ihren in der Satzung festgelegten Zwecken staatlichen Bestandschutz genoss. Am 8. Oktober erkannte das Münchner Finanzamt ihre Gemeinnützigkeit an.68 Eine Zusammenlegung mit der 1976 gegründeten Christian C. und Asta Holler-Stiftung kam nicht infrage, weil die Begünstigten sich unterschieden. Die „kleine“ Stiftung besteht daher fort und wird vom Personal der Holler-Stiftung mit verwaltet.69 Wenige Tage nachdem die Stiftung genehmigt worden war, präsentierte Günther Obst ein Exposé über den VVD, mit dem er dessen Unentbehrlichkeit als selbständige Gesellschaft gegenüber der Volkswagen AG belegen wollte. Seit über 40 Jahren tätig, 229

habe sich der VVD „in einmaliger Weise spezialisiert“. Obst zählte die Vorteile auf, die der VVD Kunden, Händlern und dem Konzern böte und die „in ihrer Gesamtheit durch keine andere Organisationsform erreichbar“ seien. Er führte unter anderem die jahrzehntealte Ausnahmegenehmigung an, die der VVD besitze und die es ihm gestattete, für bestimmte Tätigkeiten, die er anstelle der Versicherungsgesellschaften ausführe, eine Zusatzprovision zu beanspruchen – ein Privileg, das nicht auf das Volkswagenwerk übergehen könne. Obst erklärte, dass gegen „Kopplungsgeschäfte … bzw. die Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung zum Vertrieb verbundener Leistungen“ – die Abwicklung von Kfz-Versicherungsgeschäften durch einen Hersteller also – fortgesetzt „kartellrechtliche Einwände“ gälten. Er erinnerte daran, dass die Ausschüttungen der Holler-Stiftung an die Kunststiftung Volkswagen das Fortbestehen des Namensführungsvertrages voraussetzten. Schließlich rechnete er vor, dass die Volkswagen AG, würde sie das Kfz-Versicherungsgeschäft selbst betreiben, jährlich insgesamt nur knapp 27 Mio. DM einnähme, wobei noch nicht berücksichtigt sei, dass der VVD mit deutlich niedrigeren Personalkosten arbeite als das Werk, für das der IGMetall-Tarif verbindlich sei. Bleibe das Geschäft beim VVD, erhalte der Konzern weit über 31 Mio. DM – „ohne Investition, ohne Kosten, ohne Risiko“. Obst zählte auch jene knapp 10 Mio. DM, welche das Wolfsburger Kunstmuseum in Zukunft jährlich bekommen werde, zu diesen „Einnahmen“ und zweifelte nicht am Gewicht seiner Argumente, die in den siebziger und achtziger Jahren hatten überzeugen können.70 Die Holler-Stiftung entstand zu Beginn eines Jahrzehnts, in dem die Zahl der Stiftungen in Deutschland schubartig anstieg. Wurden im Durchschnitt der siebziger Jahre nicht einmal 80 neue Stiftungen pro Jahr gegründet, stieg dieser Wert in den achtziger Jahren auf knapp 158 und in den Neunzigern auf 347 an.71 Stiftungen und Stiftungsaufsichten sammelten wichtige Erfahrungen, die am Ende des Jahrhunderts eine Reform des Stiftungssteuerrechts erfordern sollten. Als die Stiftung ihre Rechtsfähigkeit erlangte, avancierte Jürgen Schow vom Testamentsvollstrecker zum ersten Vorstand der Stiftung. Zum Jahresende gab er die Tätigkeit als Chefsyndikus der Volkswagen AG auf, wobei sein Dienstvertrag mit dem Volkswagenwerk erst Mitte 1991 endete und er bis dahin auf Bezüge von der Stiftung verzichtete.72 Im November 1990 verlegte Schow seinen Wohnsitz nach München.73 Seit Anfang 1991 widmete er sich ganz der Holler-Stiftung. Diese siedelte aus dem VVD-Büro in der Brienner Straße in die Menzelstraße im Stadtteil Bogenhausen um74, wo sie bis zum Frühjahr 1993 saß, um dann in den Arco-Palais-Block, also zurück in die Münchener Innenstadt zu ziehen. Die Mittel, welche die Stiftung den von Asta Holler bestimmten Begünstigten würde zufließen lassen können, stammten aus verschiedenen Quellen. Das wirtschaftliche Rückgrat der Stiftung bildete der VVD, der den größten Teil der Erträge erwirtschaf230

ten sollte. Von seiner Existenz, die mit der Gewährung des Namensführungsrechtes stand und fiel, wie auch von seiner Prosperität hing überwiegend ab, in welchem Ausmaß die Holler-Stiftung wirken könnte. In der Erwartung, dadurch „die langjährige Kooperation zwischen dem VVD und der Volkswagen AG zu festigen und nachhaltig abzusichern“, hatte Asta Holler Mitte der achtziger Jahre die Begünstigung einer gemeinnützigen Stiftung in Wolfsburg testamentarisch verfügt.75 Doch obwohl der zum Ende des Jahres 1989 auslaufende Namensführungsvertrag noch umstandslos und zu den gehabten Konditionen um fünf Jahre verlängert wurde, kamen bereits wenige Wochen nach dem Ableben der Stifterin Zweifel auf, ob ihre Rechnung aufgehen würde. Als Schow im Oktober 1989 in seiner Eigenschaft als Chefsyndikus der Volkswagen AG gemeinsam mit Finanzvorstand Dieter Ullsperger und Norbert M. Massfeller, dem neuen „Bereichsleiter Finanzdienstleistungen“, in Stuttgart an der Gesellschafterversammlung der VW-Versicherungsvermittlungs-GmbH (VWV) teilnahm, wurde ihm „mehr als deutlich“, dass es das „erklärte Ziel des Finanzbereiches“ war, „die Kraftfahrzeugversicherung als eines der Schlüsselgeschäfte der Finanzdienste ‚rund ums Auto‘ so bald wie möglich in die eigene Hand zu bekommen“, also „den Namensführungsvertrag spätestens zum nächst-möglichen Termin (1994) auslaufen zu lassen“. Schow wandte sich an Carl H. Hahn; höchst fragwürdige „,ökonomische‘ Gründe“ würden die Herren Ullsperger und Massfeller ins Feld führen. Für die Konzeption der Kunststiftung Volkswagen und insbesondere seine Arbeit daran seien „diese Absichten und Ziele kontraproduktiv“. Es heiße, der Bau eines Kunstmuseums entspräche „weniger der Intention unserer Gremien als vielmehr derjenigen einzelner“. Dabei werde nicht anerkannt, dass „der Transfer erheblicher Mittel nach Wolfsburg nicht zuletzt der Verbesserung dieses Standortes“ diene. Inzwischen handele sich um mehr als nur die „uns von Anfang an begleitende Kritik an unseren Kunstaktivitäten“. Es sei „ein Gebot der Fairness“, dem VVD bald zu sagen, was Mitte der neunziger Jahre möglicherweise auf ihn zukomme.76 Gerade einmal vier Wochen bevor Hahn diesen Brief erhielt, hatte die Kunststiftung Volkswagen in aller Form beschlossen, in Wolfsburg ein Museum zu errichten.77 Das Projekt werde „politische, wirtschaftliche und kulturelle Chancen ungeahnter Dimension“ eröffnen, schwärmte Jürgen Schow.78 Er veranschlagte Baukosten in einer Gesamthöhe von 70 Mio. DM. Das überstieg die Planzahlen von 1987 um ein Vielfaches. Zum einen wusste der Vorstand der Kunststiftung inzwischen, über welches Vermögen die Holler-Stiftung verfügte, zum andern ließ sich im wiedervereinigten Deutschland ein Anstieg der Baupreise absehen. Solange die Mittel der Holler-Stiftung noch nicht flössen, werde gemeinsam mit der Volkswagen AG an einer „Überbrückungslösung“ gearbeitet, teilte er dem Kuratorium der Kunststiftung mit.79 Im Herbst 1991 begannen die Bauarbeiten. 231

Schützte die finanzielle Abhängigkeit des Kunstmuseums von der Holler-Stiftung auf Dauer gegen Versuche, den VVD dem VW-Imperium einzuverleiben? Ehrgeizige Pläne im Konzernbereich Finanzdienstleistungen stellten dies zunehmend in Frage. 1990 hatte Volkswagen unter Norbert M. Massfellers Federführung höchst erfolgreich das Direktbankgeschäft aufgenommen. Carl H. Hahn, der sich zwar zugute hält, orientiert an amerikanischen Vorbildern bei Volkswagen die Entwicklung zur „Nummer 1 bei Allfinanz“ auf den Weg gebracht zu haben, schwebte offenbar nicht vor, dieser „Allfinanz“ auch den VVD einzuverleiben.80 1992, als seine zweite Amtsperiode endete, dankte VVD-Geschäftsführer Klaus Vacano ihm vielmehr dafür, dass er durch sein Einwirken „eine wesentliche Voraussetzung für die Sicherung der Zukunft des VVD geschaffen“ habe.81 Hätte Hahn dem VVD keine „Zukunft“ zugebilligt, wäre in Wolfsburg freilich auch kein Kunstmuseum entstanden, als dessen Initiator er galt. Zu Beginn der neunziger Jahre prosperierte der VVD. Die Aufhebung der innerdeutschen Grenze im Herbst 1989 bescherte der deutschen Automobilindustrie und mit ihr den Kfz-Versicherern eine Sonderkonjunktur. Da die DDR vergleichsweise „untermotorisiert“ gewesen war, strömten Personenkraftwagen, vor allem Gebrauchtfahrzeuge, in unerwartet großer Zahl in das angegliederte Territorium. Schon nach Jahresfrist gehörten dem Vertriebsnetz der Marken des VW-Konzerns dort rund 600 Betriebe an. Im April 1990 ließ VVD-Sprecher Klaus Vacano den VW-Vorstand wissen, man beabsichtige parallel zum Aufbau der VW/Audi-Absatzorganisation „als ersten Schritt den VVD-Europa-Schadendienst auf die DDR auszuweiten“ und wolle auch alle Gebrauchtwagen betreuen, „die von westdeutschen V.A.G Betrieben mit der V.A.G Gebrauchtwagen-Garantie in die DDR verkauft werden“. Vacano bat Vertriebschef Schmidt um eine „entsprechende Weichenstellung“.82 Doch für Volkswagen verstand es sich durchaus nicht von selbst, dass der VVD in der DDR auf der Basis desselben Namensführungsvertrages würde arbeiten können wie in der Bundesrepublik. Zunächst bat die VWV GmbH Chefsyndikus Jürgen Schow zu entscheiden, ob „die Zuständigkeit des VVD … auch für die DDR Gültigkeit haben werde“. Die Planungen der Financial Services im Bereich Versicherungen erforderten dringend eine Klärung.83 Der Geschäftsführer der VWV musste sich von Schow belehren lassen, dass die DDR juristisch nie Ausland gewesen und nach ihrer Vereinigung mit der Bundesrepublik Deutschland gewiss Inland sei. An den „Rechten des VVD auch im östlichen Teil Deutschlands“ bestehe kein Zweifel.84 Der VVD bevollmächtigte daraufhin die Händler des rasch entstehenden VW-Vertriebsnetzes im Osten, wie ihre Kollegen im Westen Kfz-Versicherungsverträge abzuschließen und Schäden zu regulieren. Da mit der Abwicklung der staatlichen DDR-Versicherung alle ostdeutschen Kraftfahrzeughalter bis zum 1. Januar 1991 neue Versicherungen abschließen mussten85, stieg die Zahl der über den VVD versicherten Risiken von 1,67 (1989) auf 1,72 Mio. (1990) an, 232

erhöhte sich 1991 auf 1,92 und 1992 nochmals auf 2,07 Mio.86 Der Betrag, den der Wolfsburger VVD und seine Tochtergesellschaften jährlich an den Konzern abführte, wuchs von 15,7 Mio. DM im Jahre 1986 auf 26,4 Mio. DM 1992 und lag 1994 knapp unter 30 Mio. DM.87 Nicht zuletzt wegen des guten Neugeschäftes im Osten stellte der VVD auch mehr Mitarbeiter ein. Im Herbst 1990 ließ sich absehen, dass deren Zahl bald mehr als fünfhundert betragen würde und damit nach dem Betriebsverfassungsgesetz die Bildung eines Aufsichtsrates erforderlich machte. Als stellvertretender Vorsitzender des VVD-Beirates, Chefsyndikus der Volkswagen AG und Vorstand der Holler-Stiftung informierte Jürgen Schow Carl H. Hahn über diese Entwicklung. Als Aufsichtsrat für den VVD schwebte Schow ein Gremium aus vier Mitgliedern der Anteilseigner und zwei Arbeitnehmervertretern vor. Auch die Volkswagen AG sollte „mit Rücksicht auf ihre vielfältigen Verbindungen zum VVD“ einen Sitz erhalten. Schow erinnerte Hahn daran, dass Volkswagen, solange der Namensführungsvertrag mit dem VVD ungekündigt bestehe, außerdem ein Vorstandsmitglied in das zukünftige Kuratorium der Holler-Stiftung entsenden werde. Dieses Gremium sei ein „Überwachungsorgan auf höchster Ebene mit voller Übersicht über die gesamte Holler-Gruppe“. Der 1978 gebildete Beirat, der ohnehin nicht zusammentrete, werde daher überflüssig.88 Zum Ende des Jahres löste er sich per Umlaufbeschluss selbst auf.89 Die Satzung des VVD wurde entsprechend geändert. Unter dem Vorsitz von Günther Obst konstituierte sich im September 1991 der Aufsichtsrat des VVD.90 Ihm gehörte neben Jürgen Schow der Generaldirektor der Ersten Allgemeinen, Dietrich Karner, an, der noch 1988 Karl Kornis im Beirat abgelöst hatte; ein Mitglied entsandte das Volkswagenwerk, zwei Mitglieder der VVD-Betriebsrat.91 Seit dem Sommer 1989 arbeiteten Schow und seine Berater daran, die Beteiligungen der Stiftung neu zu ordnen. Nach dem Tod ihres Mannes war Asta Holler zugestanden worden, dass, falls sie die 1961 eingeräumte Option ausüben wollte, die Eidgenössische Steuerverwaltung sie von schweizerischen Steuerfolgen freistellen würde. Peter Böckli hatte sich laufend für das Fortbestehen der Option eingesetzt. Jetzt bezweifelte der Basler Advokat, dass diese sich auch nach dem Tod der Witwe noch realisieren ließe. Zum einen lehnten die zuständigen Behörden solche Optionen inzwischen grundsätzlich ab, zum andern erschien es unwahrscheinlich, dass sich die Option von 1961 auf die Holler-Stiftung, also wiederum auf ein neues Rechtssubjekt, übertragen ließe. Ins Gewicht fiel zudem, dass der Verkehrswert der im Besitz der Assivalor AG befindlichen Wertschutz-Anteile den Buchwert inzwischen beträchtlich überstieg.92 Um der Stiftung einen direkten Zugriff auf die Erträge des VVD zu sichern, hatten Schow und seine Berater anfangs erwogen, die Satzung der Wertschutz GmbH so zu 233

ändern, dass deren Ausschüttungen nicht an ihren 90%igen Gesellschafter in Basel sondern ihren 10%igen Anteilseigner in München flössen.93 Dann hätte die HollerStiftung als Erbin des von Asta Holler direkt gehaltenen 10%igen Anteils an der Wertschutz GmbH die Erträge des VVD direkt von der Berliner Gesellschaft entgegennehmen können.94 Dieser Weg erwies sich aber als nicht gangbar. Doch wie ließen sich die von der Assivalor gehaltenen Wertschutz-Anteile auf die Holler-Stiftung übertragen? Förmlich war diese zwar mit Asta Hollers Tod Alleineigentümerin der Assivalor AG geworden. Aber der Zustand, dass sie als ausländische Beteiligte an einer schweizerischen Aktiengesellschaft in deren Verwaltungsrat grundsätzlich abhängig war vom Mehrheitsvotum der Mitglieder mit schweizerischem Bürgerrecht, konnte auf Dauer nicht bestehen bleiben. Nicht zuletzt würde der „Umweg“ über die Schweiz die Ausschüttungen an die Stiftung Jahr für Jahr steuerlich beträchtlich belasten.95 Anfang 1990 hielt Jürgen Schow gegenüber der Eidgenössischen Steuerverwaltung ein sorgfältig ausgefeiltes Plädoyer, mit dem er begründete, warum das 1961 mit Christian Holler verabredete und später dessen Witwe zugebilligte Optionsrecht der gemeinnützigen Holler-Stiftung „erst recht“ zustünde. Die Behörde zeigte sich zunächst aufgeschlossen.96 Mehrmals wurde Schow dann im Laufe des Jahres 1990 gemeinsam mit Böckli vorstellig, der den Verwaltungsrat der Assivalor AG vertrat. Wohl leuchtete den Beamten ein, warum beim Stiftungskapital eine „Optimierung durch Zusammenfassung des operativen Vermögens in der Hand der Stiftung als letztliche(r) Alleineigentümerin“ erforderlich sei. Doch schlossen sie eine steuerfreie Realisierung der Option von 1961 durch die zukünftige Stiftung aus, ja, bei der Ermittlung der Höhe der zu zahlenden Steuern wollte man nicht den Nennwert der Wertschutz-Anteile, sondern deren deutlich höheren realen Wert zugrunde legen.97 Schow und seine Berater suchten daher nach einer „billigeren“ Lösung.98 So wurde geprüft, ob sich die steuerliche Belastung verringern ließe, wenn die Assivalor AG ihre Anteile an der Wertschutz GmbH der Holler-Stiftung als unentgeltliche Zuwendung abträte.99 Im August stießen Böckli und Schow bei der eidgenössischen Steuerbehörde auf Gesprächspartner, die dieser Lösung Wohlwollen entgegenbrachten.100 Die „Zustiftungsidee“ wurde daher weiterverfolgt. Schon bald kam aus Basel die gute Nachricht, es interessiere den nunmehr für die Behandlung der Wertschutz-Anteile zuständigen schweizerischen Finanzbeamten „professionell und menschlich der Fall der Holler-Stiftung“. Er sei zu einem Kompromiss bereit, welcher „der guten Sache, um die es hier geht, echt entgegenkommt“.101 Einer Zustiftung der bei der Assivalor AG liegenden Wertschutz-Anteile an die Holler-Stiftung stand nichts mehr im Wege, nachdem die Eidgenössische Steuerverwaltung anerkannt hatte, dass 44% der Fördermittel der Holler-Stiftung (Hildegard Hospiz, SOS-Kinderdorf und Hermann-Gmeiner-Fonds) im schweizerischen wie im 234

deutschen „Allgemeininteresse“ lägen. Dass die Kunststiftung Volkswagen im einstigen Zonenrandgebiet angesiedelt war, fand ebenfalls Berücksichtigung. Dem IGPP einen gemeinen Nutzen zu attestieren, lag der Behörde indessen fern. Insgesamt gestand sie der Assivalor AG bei der geplanten Zuwendung an die Holler-Stiftung einen steuerwirksamen Abzug von 50% zu.102 Sie verzichtete auf einen Wertansatz für die Beteiligung der Wertschutz am VVD und berücksichtigte lediglich den Gewinnvortrag der Wertschutz im Umfang von 172 Mio. DM. Auf diese Weise wurde eine Bemessungsgrundlage von lediglich 70 Mio. CHF ermittelt, auf der in der Schweiz einmalig Verrechnungssteuern zu entrichten waren.103 Wegen der Unentgeltlichkeit des Vorganges verzichtete die Behörde auch darauf, die übliche Börsen-Umsatzsteuer zu erheben.104 In Deutschland sollte die Transaktion ebenfalls ohne steuerliche Folgen bleiben.105 Einen Vorgang von dieser Dimension musste das Kuratorium der Stiftung billigen.

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16. Die Holler-Stiftung im ersten Jahrzehnt

Während Jürgen Schow sich seit Anfang 1991 ganz seiner Aufgabe als Vorstand widmete, stand die Konstituierung des Kuratoriums der Holler Stiftung noch aus. Ohne einzelne Personen zu benennen, hatte Asta Holler testamentarisch verfügt, wie sich das fünfköpfige Gremium zusammensetzen sollte. Ein Mitglied war vom und aus dem Verwaltungsrat der Assivalor AG zu berufen, je eines vom Vorstand der Volkswagen AG und der Allianz AG aus deren Reihen, ein ehemaliger Geschäftsführer des VVD durch dessen Geschäftsführung im Einvernehmen mit dem Anteilseigner, und schließlich sollte der jeweilige Sprecher oder ein anderes Mitglied der Geschäftsleitung des Bankhauses Merck, Finck & Co. dem Kuratorium angehören.1 Noch im September 1989 hatte Carl H. Hahn sich gegenüber Schow bereiterklärt, ins Kuratorium einzutreten, und dabei nicht bedacht, dass dies mit seinem Amt als Vorsitzendem des Kuratoriums der Kunststiftung Volkswagen, dem Hauptbegünstigten der Holler-Stiftung, schlecht vereinbar wäre. Die Repräsentation des VVD durch Günter Obst bedurfte keiner Diskussion.2 Mit der Allianz AG kam Schow im November überein, dass der Vorstand der Holding auch ein Vorstandsmitglied der Frankfurter Versicherungs-AG berufen könne. Der Vorsitzende Herbert Schmeer übernahm das Amt. Volkswagen benannte Finanzvorstand Dieter Ullsperger, dem das Abkommen zwischen Carl H. Hahn und Asta Holler über den Fortbestand des VVD bekanntlich wenig bedeutete. Die Assivalor AG beschloss, Peter Böckli zu berufen – Schows Wunschkandidat, mit dem er bereits gut kooperierte. Vom Bankhaus Merck, Finck & Co. erklärte August von Finck seine Bereitschaft, dem Gremium anzugehören. Im Juli 1990 konnte Schow der Stiftungsaufsicht die Namen aller Kuratoriumsmitglieder bekanntgeben.3 Eine zweistufige Organisationsstruktur, also neben dem Vorstand ein Kuratorium, schrieb das Stiftungsgesetz nicht zwingend vor.4 Doch bildete diese Konstruktion einen gewissen Ausgleich dafür, dass Asta Holler für ihre Stiftung ungeachtet deren Größe zuletzt nur einen einköpfigen Vorstand vorgesehen hatte. Günther Obst, der auf die siebzig zuging, beendete seine Tätigkeit im VVD offiziell zum 30. April 1991, um dem Kuratorium als „ehemaliger Geschäftsführer“ angehören zu können. An seine Stelle im VVD trat Klaus Kaminsky, wenn auch Obst im Betrieb weiterhin präsent blieb.5 Die Besetzung des Gremiums wechselte in den nächsten Jahren, als Mitglieder die Altersgrenze erreichten, aus dem entsendenden Unternehmen ausschieden oder starben. Die Tagesordnung für die erste Kuratoriumssitzung sprach Schow frühzeitig mit dem designierten Vorsitzenden August von Finck ab. Dessen Vorschlag, VW-Finanzchef Ullsperger zu seinem Stellvertreter wählen zu lassen, lehnte dieser unter Hinweis auf andere vielfältige Pflichten ab. Am 15. April traf sich das Kuratorium zu seiner konstituierenden Sitzung im Münchner Hotel Vierjahreszeiten. Die Versammelten entsprachen Schows Bitte, die Teilnahme seines „Beratergremiums“ – der Herren Müller, Reis und Schütze – zu gestatten, 237

was in den nächsten Jahren beibehalten wurde. Der Vorstand erläuterte den Versammelten, dass die erste Sitzung des Kuratoriums dessen „rechtliche Entstehung als oberstes Organ nicht nur der Stiftung selbst, sondern der ganzen Holler-Gruppe“ markiere. Die Stiftung nehme nunmehr, wie vom Testament gefordert, „handelnd durch ihre Organe, den Nachlass in Besitz“. Das Kuratorium wählte August von Finck zu seinem Vorsitzenden und zu dessen Stellvertreter den von Schow empfohlenen Günther Obst. Schow wurde als Pfleger Asta Hollers wie auch als deren Testamentsvollstrecker entlastet. Da die umfänglichen internationalen Beteiligungen es „schwierig und zeitraubend“6 machten, eine Eröffnungsbilanz aufzustellen, legte Schow eine vorläufige Vermögensübersicht vor, die das Stiftungskapital auf rund 421 Mio. DM bezifferte. Das Kuratorium setzte eine Wertgrenze für Mietverträge, beschloss die Höhe der Honorare für seine Mitglieder und bevollmächtigte seinen Vorsitzenden, mit dem Vorstand einen Dienstvertrag abzuschließen sowie eine angemessene Testamentsvollstreckervergütung für ihn festzusetzen. Hatte Wirtschaftsprüfer Schütze kurz nach Asta Hollers Tod noch vorgeschlagen, die Ausübung dieses Amtes mit jenem Betrag zu entgelten, der sich als Differenz aus den testamentarisch festgelegten Bezügen für den Stiftungsvorstand und seinem damaligen Einkommen bei der Volkswagen AG ergäbe7, billigte das Kuratorium eine Summe von 0,5% auf den „wahren Bruttonachlasswert“, die Ende 1991 ausgezahlt wurde.8 Der wichtigste Beschluss der ersten Sitzung betraf die Übertragung des 90%igen Geschäftsanteils der Assivalor AG an der Wertschutz GmbH auf die Holler-Stiftung. Das Kuratorium ermächtigte den Vorstand in der eingeschlagenen Richtung fortzufahren und die Verhandlungen zügig zu Ende zu bringen.9 Als die Zusagen der Eidgenössischen Steuerverwaltung vorlagen und die Stiftungsaufsicht wie auch die deutsche Finanzverwaltung den Erwartungen entsprechend entschieden hatten, billigte das Kuratorium per Umlaufbeschluss die von Böckli und Schow angebahnte ZustiftungsLösung. Am 26. Juni 1991 empfahl eine außerordentliche Generalversammlung der Assivalor AG in Person des von Schow bevollmächtigten Felix Reis dem Verwaltungsrat der Assivalor AG, die Wertschutz-Anteile der Gesellschaft an die Holler-Stiftung abzutreten. Anschließend erklärte der Verwaltungsrat, dass fortan der Geschäftsanteil der Assivalor an der Wertschutz ausschließlich der Holler-Stiftung gehöre. Am selben Tag vollzog man den notariellen Akt der Abtretung.10 Die Eidgenössische Steuerverwaltung gestand zu, die anfallende Verrechnungssteuer nach dem sogenannten „Kurzschlussverfahren“ zu begleichen. Dabei wurde der fällige Betrag von 24 Mio. CHF von vornherein um jene 17,5 Mio. CHF gekürzt, die der Gesellschaft nach dem Deutsch-Schweizerischen Doppelbesteuerungsabkommen als Rückerstattung zugestanden hätten.11 Nach vollzogener Abtretung der WertschutzAnteile kam es zu kleineren Nachhutgefechten mit der Eidgenössischen Steuerverwal238

tung, deren Ausgang aber an der verhältnismäßig geringen Steuerschuld nichts änderte.12 Sachverstand und überzeugendes Auftreten gegenüber den Behörden, deren Wohlwollen für die gute Sache der Stiftung gewonnen werden konnte, sowie eine effektive Kooperation von Schow und Böckli hatten zum Erfolg geführt. Zur zweiten Sitzung des Kuratoriums am 30. Oktober 1991 lag die Eröffnungsbilanz der Stiftung vor. Sämtliche in- und ausländischen Banken, die Konten oder Depots Asta Hollers führten, hatten auf den Stichtag 7. September 1990 Saldenbestätigungen und Auszüge sowie Depotaufstellungen mit Tageskursen geliefert, jeweils mit Zinsabgrenzungen. Bis zum Sommer 1991 waren auch die direkten Beteiligungen Asta Hollers an der Wertschutz GmbH und an den beiden anderen Gesellschaften in Berlin, an den beiden mexikanischen Firmen, am brasilianischen, am österreichischen und am schweizerischen VVD sowie die drei kleinen Beteiligungen an Tochtergesellschaften des brasilianischen VVD auf die Stiftung übertragen, Wertpapiere auf diese überschrieben und restliche Steuern beglichen worden.13 Gutachten hatten inzwischen den „echten“ Wert des Stiftungskapitals ermittelt.14 Er überstieg die anfangs gegenüber dem Nachlassgericht angegebene, vorwiegend auf der Basis der Nominalwerte der Beteiligungen berechnete Summe um mehr als das Doppelte, lag aber deutlich unter dem von Schow auf der ersten Kuratoriumssitzung geschätzten Wert. Mit einem Grundstockvermögen von rund 360 Mio. DM gehörte die Holler-Stiftung zu den großen privaten Stiftungen in Deutschland.15 Im Oktober 1991 legte Schow dem Kuratorium auch erste Finanzpläne vor, die einem von der Stiftungsaufsichtsbehörde vorgegebenen Schema folgten. Danach mussten die Haushaltsvoranschläge jeweils einen Monat vor Beginn eines neuen Geschäftsjahres zur Einsicht eingereicht werden, wobei die Behörde in der Anlaufphase für die Vorlage des Finanzplanes 1991 eine großzügige Fristverlängerung gewährt hatte. Die Finanzpläne spiegeln auf der Einnahmenseite vor allem Erträge aus dem Vorjahr wider, die erst im Folgejahr zu Stiftungserträgen werden. Alle Erträge, die vor der Gründung der Stiftung erwirtschaftet worden waren, gehörten satzungsgemäß zum Stiftungsvermögen, durften also nicht ausgeschüttet werden. Da der Finanzplan 1991 auf der Einnahmenseite nur auf dem Rumpfgeschäftsjahr 1990 basierte, schloss er mit einem geringen Überschuss von knapp 4,2 Mio. DM ab. Wesentlich höher fiel der verteilungsfähige Überschuss 1991 aus, der im Finanzplan für 1992 mit gut 22,8 Mio. DM zu Buche schlug. Über die Verteilung der Mittel durfte aber erst nach der Prüfung des Abschlusses der Stiftung über das Folgejahr beschlossen werden, also im Frühjahr 1992.16 Bei seiner zweiten Zusammenkunft musste das Stiftungskuratorium bereits Details der Satzung ändern. Nachdem sich durch die Übertragung der Geschäftsanteile der Assivalor AG an der Wertschutz GmbH auf die Holler-Stiftung die Zusammenset239

zung des Grundstockvermögens verschoben hatte, wurde die Stiftungssatzung dem neuen Sachverhalt angepasst. Im entsprechenden Abschnitt ist fortan von „sämtlichen Geschäftsanteilen der Wertschutz GmbH“ die Rede. Auch die Tatsache, dass August von Finck sich im Herbst 1990 von seinem Bankgeschäft getrennt hatte, erforderte eine Änderung der Satzung. Anstelle des Bankhauses Merck, Finck & Co. nannte diese fortan die von Fincksche Handels- und Beteiligungs KG als Entsenderin eines Kuratoriumsmitgliedes. Die Vorgaben der Satzung, Kuratoriumssitzungen ausschließlich am Sitz der Stiftung abzuhalten und Protokolle von Kuratoriumssitzungen „von allen Mitgliedern“ unterzeichnen zu lassen, hatten sich als wenig praktikabel erwiesen und wurden daher gelockert. Dieter Schütze, dem die Stiftungsaufsicht dies in der ersten Satzung verwehrt hatte, verpflichtete man nun doch, wie von Asta Holler gewünscht, unbefristet als Steuerberater und Wirtschaftsprüfer. Die wichtigste Satzungsänderung betraf Sanktionsmöglichkeiten gegenüber den Destinatären. Fortan sollte ein Begünstigter ausgeschieden werden können, wenn er seine Eigenschaft als steuerbefreite Körperschaft verlöre. Die freiwerdenden Mittel sollten an die verbleibenden Begünstigten entsprechend ihren prozentualen Anteilen gemäß § 5 Abs. (2) der Stiftungssatzung fließen. Die Stiftungsaufsicht genehmigte diese Änderungen im März 1992.17 In den nächsten Jahren beschloss das Kuratorium weitere Satzungsänderungen, die in ihrer Gesamtheit die Entwicklung der Holler-Stiftung widerspiegeln. Einer Auflage der Stiftungsaufsichtsbehörde folgend, verabschiedete das Kuratorium im Herbst 1991 für sich selbst und für den Vorstand eine Geschäftsordnung sowie Richtlinien, wie der Vorstand mit dem Stiftungsvermögen umzugehen habe. „Oberste Richtschnur“ seines Handelns sei „die Achtung vor dem Stifterwillen“. Das Vermögen sei „gewissenhaft und sparsam“ zu verwalten und „in seinem Bestand ungeschmälert zu erhalten“, also nicht zuletzt vor jedem realen Substanzverlust etwa infolge der Geldwertentwicklung zu bewahren.18 Dem Vorstand oblag es außerdem, die Fördermittel ohne Verzug den festgelegten Stiftungszwecken zuzuführen sowie die „bestimmungsmäßige Verwendung der ausgeschütteten Beträge“ zu überprüfen.19 Das Kuratorium bestätigte auch die Neuordnung der Rechtsbeziehung zwischen der Holler-Stiftung und Felix Reis, der auf Asta Hollers ausdrücklichem Wunsch hin keines der in der Satzung aufgeführten Ämter bekleiden sollte.20 Bereits im Herbst 1989 hatte Reis gegenüber Schow angeregt, ihm die „Verwaltung der Portefeuilles“ zu übertragen.21 Ende September 1991 schloss die Stiftung mit ihm einen entsprechenden Dienstvertrag. Er war nunmehr neben dem Vorstand die zweite Führungskraft der Stiftung22 und hatte fortan das in- und ausländische Stiftungsvermögen, soweit es sich nicht um operative Unternehmen handelte, zu betreuen und zu verwalten. Die Zusammenarbeit mit in- und ausländischen Bank- und Anlageinstituten fiel damit in seine Zuständig240

keit.23 Seit dem August 1993 bekleidete Reis bei der Assivalor auch die Ämter des Vizepräsidenten und des Delegierten des Verwaltungsrates, die er bis zum Herbst 2004 innehatte. Im November 1994 entfristete das Kuratorium den Dienstvertrag.24 Schows Prinzip, zustimmungsbedürftige Entscheidungen im Vorhinein mit der Stiftungsaufsicht zu besprechen, bewährte sich. Der Vorstand arbeitete eng und einvernehmlich mit der Behörde zusammen, die sich geschmeichelt fühlte, dass eine der großen deutschen Stiftungen in ihre Zuständigkeit fiel.25 Mussten Entscheidungen rasch getroffen werden, verhielt sich die Stiftungsaufsicht kooperativ und zeigte Entgegenkommen. Die Niederschriften der Kuratoriumssitzungen, die der Stiftungsaufsicht vorgelegt werden mussten, verwenden passagenweise die Formelsprache der Stiftungsgesetzgebung, was der Behörde die Arbeit erleichterte. Die Sitzungen des Kuratoriums verliefen in den nächsten Jahren nach demselben Muster. Der Vorstand berichtete über die Lage der Stiftung, wobei die Zusammenarbeit mit der Stiftungsaufsicht, die Situation der operativen Unternehmen, die Anlage der liquiden Mittel und die Kontrolle der Begünstigten regelmäßig wiederkehrende Themen bildeten. Auf seinen Frühjahrssitzungen stellte das Kuratorium jeweils den Jahresabschluss fest, den Steuerberater Schütze regelmäßig mit einem „uneingeschränkten Bestätigungsvermerk“ versah, im Herbst genehmigte es regelmäßig den Finanzplan. In der Regel wurden die beiden nächsten Sitzungstermine am Ende einer Zusammenkunft verabredet. Diese dauerten meist weniger als zwei Stunden. Von einer Ausnahme im Jahre 1999 abgesehen, enthalten die Niederschriften keine Hinweise auf kontroverse Diskussionen. Waren zustimmungsbedürftige Entscheidungen zwischen den Sitzungsterminen zu treffen, erfolgte dies im Umlaufverfahren oder nach Rücksprache mit dem Vorsitzenden. Das Kuratorium billigte solche Entscheidungen durchweg nachträglich. Die Stiftungsaufsicht, die seit 1996 der Regierung von Oberbayern oblag, und die Finanzbehörde hatten die Arbeit der Holler-Stiftung nie beanstandet.26 1993 änderte sich die Zusammensetzung des Gremiums. Schmeer erreichte als Vorstandsvorsitzender der Frankfurter Versicherungs-AG die Altersgrenze und schied Ende des Jahres aus; an seine Stelle trat Anfang 1994 Karl-Ludwig Freiherr von Freyberg. Ullsperger verließ im März 1993 den VW-Konzern und gehörte damit automatisch nicht mehr dem Kuratorium an; an seine Stelle trat mit einiger Verzögerung Jens Neumann27, im neuen VW-Vorstand zuständig für „Recht, Ordnung und Konzernstrategie“. In dieser Formation trat das Kuratorium auch in seiner zweiten Amtsperiode zusammen, die im April 1996 begann.28 Im November 1994 beschloss man, den Dienstvertrag des Vorstands bis zum September 2000 zu verlängern. Um „erstmals eine signifikante Leistung zu zeigen“, folgte das Kuratorium im Frühjahr 1992 einem Vorschlag Schows, nicht nur auf der Basis der Erträge von 1990/91, 241

sondern im Vorgriff auf das Ergebnis des laufenden Geschäftsjahres zusätzlich einen Betrag von rund 30% der erwarteten Erträge „den satzungsmäßigen Zwecken zuzuführen“.29 Zwei der Begünstigten waren schon mit Wünschen vorstellig geworden. Hans Bender selbst hatte weder die Nachricht vom Tode Asta Hollers noch die von der Gründung der Stiftung, an deren Segnungen das von ihm gegründete Institut teilhaben sollte, mehr wahrzunehmen vermocht.30 Ende April 1991 rief gleichwohl ein Mitarbeiter des IGPP „im Auftrag von Herrn Prof. Bender“ bei Schow an und erkundigte sich „zurückhaltend nach einem möglichen Ausschüttungstermin“; das Institut stünde vor „größeren Ausgaben“. Schow beschränkte sich darauf, allgemein über den Stand der Dinge zu berichten, ohne Angaben über Zeitpunkt und Höhe einer ersten Zahlung zu machen.31 Kurz darauf, am 7. Mai 1991, starb Bender. Cyrill Bürgel gab zu bedenken, ob nunmehr nicht die „Anspruchsberechtigung“ des Freiburger Instituts überprüft werden müsse; er selbst stehe in keinem Interessenkonflikt, da der IGPPAnteil satzungsgemäß an alle Begünstigten außer an die Baseler Hospiz-Stiftung gehen würde.32 Doch auch wenn Stiftung und Aufsichtsbehörde die Skepsis gegenüber dem Freiburger Institut teilten, lag Bürgels Ansinnen jenseits dessen, was die Satzung zuließ. Das Hildegard Hospiz war dringend auf Zahlungen aus München angewiesen. Nachdem es sich erfolgreich etabliert hatte, bot der Hausbesitzer, um sich neuen Projekten widmen zu können, der Spitalstiftung das von ihm bis dahin finanzierte Gebäude zum Kauf an. Obwohl der Preis weit unter den Kosten für Erwerb und Umbau lag, geriet das Hospiz in finanzielle Bedrängnis. Erst die Aussicht, regelmäßig Mittel von der Holler-Stiftung zu erhalten, brachte ihm Sicherheit.33 In der Annahme, die Holler-Stiftung hätte das Vermögen Asta Hollers „rückwirkend auf den Todestag“ übernommen und Ausschüttungen würden alsbald erfolgen, hatte die Hospiz-Stiftung Fremdkapital eingesetzt. Nunmehr in Geldnot, erbat Bürgel Anfang Dezember 1991 von Schow nicht nur den seiner Meinung nach dem Hildegard Hospiz bereits zustehenden Anteil für 1990, sondern auch eine Vorauszahlung für 1991. Könnte nicht eine „Teilausschüttung direkt ab Assivalor“ vorgenommen werden?34 Schow bat Bürgel um „Geduld bis zum Frühjahr 1992“ und erinnerte den rührigen Baseler Vermögensverwalter daran, dass nach der Satzung der Holler-Stiftung die Destinatäre keinen Rechtsanspruch auf Mittel aus dem Stiftungsvermögen hätten.35 Weil Erträge der Holler-Stiftung aus brasilianischem Vermögen nicht transferiert werden konnten, kam Schow mit dem Hermann-Gmeiner-Fonds überein, in Brasilien einen Teil der Zahlungen direkt an dortige SOS-Kinderdörfer zu leiten. Diese Mittel wurden von Überweisungen in Deutschland abgezogen. Bei diesem Verfahren blieb es in den nächsten Jahren. 242

Um „die satzungsgerechte Verwendung“ der Spenden sicherzustellen36, verlangte der Vorstand der Holler-Stiftung von den Begünstigten regelmäßig Bescheinigungen und Berichte. Seit 1991 besuchten Schow und seine Berater die Destinatäre reihum.37 Als Sorgenkind galt lange das Freiburger Institut, das daher am genausten beobachtet wurde. Der Bayerischen Stiftungsaufsicht war es nach wie vor suspekt, und der zuständige Beamte behielt sich vor, der Einrichtung persönlich einen Besuch abzustatten.38 Hatte das Institut, bevor der Geldregen der Holler-Stiftung auf es niederprasselte, stets am Rande des wirtschaftlichen Ruins gearbeitet, mangelte es danach an Verwendungszwecken für die einfließenden Mittel. Immerhin waren im Frühjahr 1993 mehrere Projekte in Vorbereitung, deren „ernsthafter wissenschaftlicher Forschungscharakter“ außer Frage zu stehen schien.39 Zu einer Stärkung der Institutsleitung durch einen anerkannten Hochschullehrer, der sich der Anbahnung von Forschungsprojekten hätte widmen können, kam es vorerst nicht. Auch bereitete es dem IGPP Probleme, Nachweise über die Verwendung der 1992 zugeteilten Mittel vorzulegen.40 1993 fanden sich zwei Steuerberater, die sich eines von der Stiftung geforderten „leistungsfähigen Finanzmanagements“ annahmen.41 Seit 1994 verfügte das IGPP über eine EDV-gesteuerte Buchhaltung, besorgt von einer Fachkraft. Es gelang auch, den Institutsvorstand um zwei Ordinarien des Faches Klinische Psychologie zu ergänzen, die ein Gegengewicht zu den „Grenzgebieten“ bilden konnten. Doch blieb die „zeitnahe satzungsmäßige Verwendung“ der Stiftungsmittel ein Dauerproblem.42 Es häuften sich beträchtliche Summen an, und im Herbst 1994 beschloss das Kuratorium dieses Problem „von einem externen Spezialisten durchleuchten zu lassen“.43 Da ein nachhaltiger Abbau der angesammelten Mittel 1995 nicht abzusehen war, regte der Gutachter an zu erwägen, ob sich nicht die „satzungsmäßige Grenze“ für den Verlust der Gemeinnützigkeit vorverlegen lasse, nämlich „auf den Zeitpunkt unangemessener Thesaurierung“. „Das könnte“, hielt Schow in einem Lagebericht fest, „zur temporären Aussetzung der Mittelzufuhr nach Freiburg“ führen.44 Mit einer ausführlichen Ergänzung des Paragraphen, der die „Einschränkungen“ bei der Vergabe von Mitteln beschreibt, wurden die Vorgaben Asta Hollers geändert.45 Fortan sollte eine im Testament bedachte Körperschaft aus dem Kreis der Begünstigten ausscheiden, sobald „die unmittelbar drohende, konkrete und ernsthafte Gefahr“ bestand, dass die zuständige Finanzbehörde ihr die „Steuerbefreiung wegen Gemeinnützigkeit“ – etwa wegen unzulässiger Thesaurierung – aberkennen würde; und zwar so lange, bis die Steuerbefreiung erneut gegeben sei oder „schlüssige Konzepte zur Behebung der drohenden Gefahr“, sie zu verlieren, vorlägen. Diese Änderung diente dem „Gemeinnützigkeitsschutz“ sowohl der Begünstigten als auch der Holler-Stiftung selbst. Freiwerdende Mittel sollten satzungsgemäß den verbleibenden Begünstigten zufließen. Besonders weit geht die Änderung über die Vorgaben Asta Hollers hinaus, indem sie 243

es gestattet, auch „andere Personen oder Institutionen (zu) bedenken“. Die Aufsichtsbehörde stimmte der Satzungsänderung zu, die, sofern es die Zusammensetzung der Destinatäre betrifft, den Keim einer Öffnungsklausel46 enthält.47 1996 kaufte das Freiburger Institut zwei große Büroetagen in Universitätsnähe. Einer seit Jahren aufgestellten Forderung der Holler-Stiftung, Mittel an andere wissenschaftliche Einrichtungen weiterzuleiten48, kam das IGPP erst im Jahr 2000 nach, indem es das Bender Institute of Neuroimaging (B.I.O.N.) eröffnete, eine Kooperationseinrichtung an der Justus-Liebig-Universität Gießen. Sie untersteht dem angesehenen Professor für Klinische Psychologie Dieter Vaitl, der im Jahr darauf auch die Leitung des Freiburger Instituts übernahm. Dies hob das Ansehen des IGPP nachhaltig. Mitte der 90er Jahre sorgte sich die Holler-Stiftung um den baulichen Zustand der beiden nach Christian und Asta Holler benannten Häuser im brasilianischen Kinderdorf São Bernardo do Campo. Schon mehrfach war während der Besuche dort angemahnt worden, Baumängel zu beheben. Nach einem „deutlichen Briefwechsel“ erhielt die Stiftung die Zusage, dass die erforderlichen Arbeiten kurzfristig durchgeführt würden.49 Auch die operativen Unternehmen der Stiftung in Europa und Übersee wurden reihum besucht. Nach einem Wechsel des Geschäftsführers in Mexiko, wo die Stiftung direkt und indirekt über die Assivalor AG an einem VW-Händlerbetrieb beteiligt ist, gab es hier seit 1993 „wesentlich bessere Ergebnisse als früher“.50 Ein Angebot, die G&H-Tochter in Brasilien zu erwerben, lehnte die Stiftung 1994 ab.51 Die Firma ging schließlich an Marsh & McLennan.52 In Brasilien trennte man sich von zwei „Zwergbeteiligungen“, dem Reisebüro Pallas Viagens und dem Automobilhändler Curitiba. Das Kuratorium billigte diesen Schritt als „Bereinigung des Beteiligungsportefeuilles“53, und die Stiftung brach damit zugleich die letzte Geschäftsbeziehung zu Gradmann & Holler ab. Wieder musste der Paragraph der Satzung, der das Grundstockvermögen betraf, geändert werden. Bereits in der Gründungsphase der Holler-Stiftung hatte sich gezeigt, dass der Kontrakt, der 1984 zwischen Asta Holler und Carl Hahn zustande gekommen war, im VW-Konzern nicht durchweg als verbindlich angesehen wurde. Noch bevor das Kuratorium der Holler-Stiftung zum ersten Mal zusammentrat, bat Schow den designierten Vorsitzenden von Finck, wegen des Problems „Namensführungsvertrag und dessen Fortbestand“ an Hahn zu schreiben. Der Brief möge Schows Sorge bekräftigen, „dass ein Antasten des Namensführungsvertrages die gesamte Stiftungskonzeption, insbesondere die Lage der Kunststiftung Volkswagen, gefährden würde“.54 Im Mai 1991 bat von Finck Hahn schriftlich um ein Gespräch darüber, „ob dieser Namensführungsvertrag nicht durch einen langfristigen Vertrag gesichert werden könnte“, denn eine „langfristige Absicherung“ sei doch „für alle Beteiligten wünschenswert“.55 244

Hahn ließ „zuständigkeitshalber“ Ullsperger antworten. Fincks Anliegen sei „verständlich“, werfe aber „wichtige grundsätzliche Fragen“ auf, die „den gesamten Service rund um das Automobil“ beträfen. Gerade diese Geschäftsfelder seien einem „wachsenden Wettbewerbsdruck durch alternative Anbieter“ ausgesetzt. Nach Abschluss von „Untersuchungen“ werde man sich wieder mit von Finck in Verbindung setzen.56 Doch im August bat Ullsperger den Kuratoriumsvorsitzenden lediglich um Verständnis dafür, dass „aus geschäftspolitischen Überlegungen heraus und bei unserer immer schnellebiger werdenden Industrie“ es für den VW- Konzern „nicht sinnvoll“ sei, einen langfristigen Vertrag abzuschließen.57 Ende 1991 klaffte beim Bauvorhaben „Kunstmuseum Wolfsburg“ eine Finanzierungslücke von rund 40 Mio. DM. Weder Stadt noch Werk konnten diese Summe bereitstellen. In seiner Eigenschaft als Vorstand der Kunststiftung Volkswagen wurde Jürgen Schow daher Anfang 1992 gemeinsam mit einem Finanzexperten des VW-Konzerns bei Banken in Düsseldorf und München vorstellig. Als Sicherheiten hätten die Institute unter anderem jeweils die Bestätigung gefordert, dass der Namensführungsvertrag „in Zukunft ungekündigt bestehen bleibt“.58 Schließlich stellte die Holler-Stiftung selbst den Überbrückungskredit; ihre Wertschutz GmbH sprang ein. Die Kreditfähigkeit der Kunststiftung Volkswagen hing davon ab, dass sie Zinsen und Tilgungsraten zurückzahlen konnte. Dafür benötigte sie die Zuwendungen der Holler-Stiftung. Diese bezog ihre Einkünfte großenteils aus Erträgen des VVD, die ihrerseits vom Fortbestehen des Namensführungsvertrages abhingen. Die Volkswagen AG erklärte daher im Mai 1992, von ihrem Kündigungsrecht zum Ende des Jahres 1994 keinen Gebrauch machen zu wollen.59 Der VW-Aufsichtsrat hatte bereits im Februar d. J. genehmigt, dass Volkswagen für den Fall einer Kündigung des Namensführungsvertrages zum 31. Dezember 1999 garantierte, danach noch ausstehende Zinsen und Tilgungsraten für die Kunststiftung zu begleichen.60 Der Zins- und Tilgungsplan für den 45-Millionen-Kredit war über das Jahr 1999 hinaus konzipiert.61 Im Mai 1992 teilte Dieter Ullsperger dem VVD mit, dass der Namensführungsvertrag bis zum 31. Dezember 1999 weiterlaufen werde.62 „Im Zusammenhang mit dem Bau des Wolfsburger Kunstmuseums“, berichtete Schow auf der nächsten Kuratoriumssitzung, habe eine Verlängerung vereinbart werden können. Der Vertrag stelle „die wichtigste Lebensgrundlage des VVD und damit der gesamten Holler-Gruppe dar“; er sei „das tragende Element der Stiftungskonzeption“.63 Obwohl der Zug in eine andere Richtung fuhr, schien die Existenz des VVD zumindest bis zur Jahrtausendwende gesichert. Die Namensführungsgebühr betrug weiterhin 10,5% des VVDJahresbruttoumsatzes aus Provisionen zuzüglich 4,68% des Betrages, den der VVD jährlich als Kostenerstattung von der Frankfurter Versicherungs-AG für die Direktregulierung von Kasko-Schäden erhielt.64 245

Jürgen Schow auf der Pressekonferenz zur Eröffnung des Kunstmuseums

Ende 1993 waren die Bauarbeiten am Kunstmuseum mit insgesamt 3500 Quadratmetern Ausstellungsfläche abgeschlossen. Die Baukosten beliefen sich, wie von Schow veranschlagt, auf rund 70 Mio. DM. Im Mai 1994 fand die feierliche Eröffnung des Hauses statt. Carl Hahn, der Ende 1992 in den Ruhestand und an dessen Stelle im Konzern Ferdinand Piëch getreten war, bezog als Vorsitzender des Kuratoriums der Kunststiftung Volkswagen im Museum ein Sekretariat. Gründungsdirektor Gijs van Tuyl leitete das Haus bis Ende 2005. Es verfügte in den 1990er Jahren über einen Etat, um den staatliche Sammlungen es beneiden mussten. Konnte der VVD seine Arbeit als selbständiges Unternehmen vorerst unter dem Schirm des Kredits der Wertschutz GmbH fortsetzen, musste er seit 1994 verschärfte Konkurrenz gewärtigen. So sahen neue EU-Richtlinien bei der Kfz-Haftpflicht eine kürzere Kündigungsfrist vor, was den Wechsel der Kunden zu anderen Anbietern erleichterte. Auch sollte die staatliche Genehmigung der Kfz-Versicherungstarife und -bedingungen vollends entfallen.65 Ob ein liberalerer Markt dem VVD wie ehedem an der Wende von den 50er zu den 60er Jahren zum Vorteil gereichen würden, stand zu Beginn der 90er Jahre in Frage. Mit der Gründung der „Volkswagen Finanz GmbH“ (VWF) im März 1991, deren Aufsichtsratsvorsitz Norbert M. Massfeller übernahm66, fiel eine Entscheidung, welche die wachsende Bedeutung des Bereichs Finanzdienstleistungen im VW-Konzern indiziert. Zum 1. Januar 1992 gingen VAG Leasing und VAG Bank auf die VWF über.67 1994 entstand durch eine Umwandlung der VWF in eine Aktiengesellschaft die „Financial Services AG“ (FS AG) mit Massfeller als Vorstandsvorsitzendem.68 Bei 246

verhältnismäßig konstanter Mitarbeiterzahl stieg deren Bilanzsumme bis 1999 auf 41,2 Mrd. DM an. Die FS AG erwirtschaftete bereits knapp ein Drittel des Betriebsergebnisses des VW-Konzerns.69 Der VVD versuchte, den Anschluss an diese Entwicklung nicht zu verlieren. Bereits 1993 kam ein neues, von VAG Leasing, VAG Bank und VVD gemeinsam entwickeltes Computerprogramm namens „ALF“ (Auto – Leasing – Finanzierung) zum Einsatz. Mit dieser Software konnten Händler am Bildschirm Finanzierungs- und Leasingangebote bis zum unterschriftsreifen Vertrag kalkulieren. Klaus Kaminsky, dessen Stärke das Marketing war, erinnert sich: „Da haben wir uns als VVD mit draufgesetzt, auch kostenmäßig. Der Spaß war teuer, aber wir haben’s gemacht, weil wir einsahen: Wir müssen es für die Händler so interessant machen, dass sie wirklich mit einem Schlag beim Verkauf des Autos … automatisch auf Leasing, Finanzierung und Versicherung stoßen.“70 Hier lag womöglich eine Chance, den VVD bei gesellschaftsrechtlicher Eigenständigkeit in den expandierenden Zweig Financial Services des Volkswagen Konzerns zu integrieren.71 Die Fachzeitschrift „Autohaus“ rechnete den VVD zu dieser Zeit bereits wie selbstverständlich zum VW-Konzern.72 In einer ausführlichen „Notiz“ hatte Felix Reis im August 1993 angesichts der bevorstehenden „rapiden Veränderungen der deutschen und europäischen Marktverhältnisse“ die „Überalterung“ der Führungskräfte der Unternehmen der Holler-Stiftung und die Tatsache kritisiert, dass die gesamte Gruppe von der Ertragslage des VVD abhänge. Sowohl für die Mutter des VVD, die Wertschutz GmbH, als auch für die Assivalor AG gelte: „Erst, wenn wir uns Klarheit über unsere geschäftspolitischen Ziele erarbeitet haben, werden wir auch das Anforderungsprofil für die dafür notwendigen Führungspositionen definieren können.“73 Ob diese und weitere Vorschläge für Innovationen, die Reis unterbreitete, ernsthaft diskutiert wurden, ist nicht überliefert. Immerhin reagierte der VVD auf die neuen Herausforderungen mit einer Verschlankung seiner Leitungsebene. Anstelle von zwei „offiziellen“ und vier stellvertretenden gab es in Wolfsburg seit 1994 insgesamt nur noch drei Geschäftsführer.74 Auch in den Niederlanden, Österreich und Mexiko wurde ein Verjüngungsprozess eingeleitet. Im Frühjahr 1995 wartete der VVD mit einer neuen Organisationsstruktur auf. Marketing und Vertrieb sowie Betrieb und Schaden lagen jeweils in einer Hand. Klaus Kaminsky zeichnete verantwortlich für Finanzen und Controlling, Personal, Beteiligungen und Koordination.75 Mit der Gründung der Tochter „Assivalor Consulting GmbH“ in Wolfsburg versuchte der VVD 1995, seinen Tätigkeitsbereich auf die Vermittlung von Personenversicherungen auszudehnen. Die neue „VVD-family-police“ bildete zudem eine preisgünstige Alternative zur wenig attraktiven Insassenversicherung.76 Eine „Schadencard“ für die Kunden erleichterte seit 1996 die Abwicklung von Haftpflichtschäden, geeignet, die Position des VVD gegenüber der Konkurrenz zu 247

verbessern.77 1994/95 erhielt der VW-Konzern vom VVD mit mehr als 30 Mio. DM die höchste je gezahlte Royalty.78 In den 80er und 90er Jahren hatten die großen Aktiengesellschaften auf dem Kraftfahrtversicherungsmarkt kontinuierlich Marktanteile verloren. Lediglich die Sonderkonjunktur der Automobilindustrie im Zuge der Wiedervereinigung Deutschlands, als der Markt noch einmal expandierte, unterbrach diesen Trend. Doch ließen sich die Positionen nicht nachhaltig stabilisieren, als sich der deutsche Markt für Kfz-Versicherungen endgültig von einem Wachstums- zu einem Umverteilungsmarkt wandelte. Auf einen Ausgleich durch Mengenwachstum konnte der VVD allein darum nicht hoffen, weil er die VW-Händlerschaft bereits in hohem Maße penetriert hatte.79 Es waren die neuen Niedrigkostenversicherer, denen die Deregulierung der europäischen Versicherungsmärkte Vorteile brachte. Die „alten“ Versicherer reagierten mit Prämienreduktionen und verschiedensten Sonderrabatten. Da Kfz-Versicherungen nach wie vor als „Türöffner“ bei der Akquisition von Neukunden fungierten, nahmen die Gesellschaften dabei Verluste in Kauf. Für den VVD als Vermittler aber brachte der Verfall der Kfz-Prämien nur Nachteile, denn mit den Prämien sanken in den Geschäftsjahren 1995/96, 1996/97 und 1997/98 auch die Vermittlungsprovisionen in den Sparten Haftpflicht, Voll- und Teilkasko sowie Unfall, die mehr als 60% des VVDGesamtumsatzes ausmachten.80 Zudem stieg die Stornoquote kontinuierlich an.81 Günther Obst, der sich weiterhin als Chef des VVD begriff, räsonierte im Sommer 1996 über dessen Lage. Das Neugeschäft entwickele sich „unverändert rückläufig“; die Gründe dafür seien „nicht bekannt“, doch vermute ein Prokurist, dass die „Wettbewerber sehr stark“ seien. Auch die neue „Assivalor Consulting GmbH“ arbeite „enttäuschend“. „Innovation = 0“ hielt Obst lapidar fest.82 Im Geschäftsbericht des VVD für 1996 heißt es, die Umsatzerlöse hätten sich gegenüber dem Vorjahr um 7,3% verringert; die Bilanzsumme sei von 184,6 Mio. auf 169,8 Mio. DM gesunken. „Für das neue Geschäftsjahr erwarten wir bei weiterhin starkem Wettbewerb ein Ergebnis, das von niedrigeren Ertragsvoraussetzungen und weiteren Umstrukturierungskosten beeinflusst werden wird.“83 Zeitversetzt verringerten sich seit 1997 die Ausschüttungen an die Begünstigten der Holler-Stiftung.84 Dies spiegelte zwar auch die ungünstige Entwicklung an den Kapitalmärkten wider; vor allem aber schlug das anhaltend schwache VVD-Geschäft zu Buche.85 1996/97 steuerte der VVD zu den Erträgen der Holler-Stiftung erstmals weniger als die 40% bei, die der Wolfsburger Kunststiftung Volkswagen zustanden.86 Im Frühjahr 1994, dem Jahr, für das der höchste jemals erzielte Überschuss erreicht worden war, hatte die Holler-Stiftung bereits mit „einer nachlaufenden Auswirkung der rezessiven Entwicklung auf den in- und ausländischen Automobilmärkten“ zum Nachteil des VVD gerechnet und, um die Kontinuität der Ausschüttungen zu sichern, 248

eine „freie Rücklage“ gebildet. Diese belief sich auf 5 Mio. DM87 und wurde in den nächsten vier Jahren um unterschiedlich hohe Summen ergänzt. Im Frühjahr 1999 beschloss das Kuratorium erstmals, im Jahresabschluss 1998 die freie Rücklage anzugreifen. Es wurden 6 Mio. DM entnommen, um 42,5 Mio. DM an die Begünstigten ausschütten zu können.88 In den zehn Jahre seit Asta Hollers Tod hatten die Begünstigten der Holler-Stiftung umgerechnet insgesamt rund 165 Mio. € erhalten.

249

17. Verkauf des VVD

Ende der neunziger Jahre bereiteten dem VVD nicht nur die Einbrüche im Geschäft Sorgen. Daneben lastete auf ihm die Ungewissheit, ob Volkswagen das Namensführungsrecht fortgesetzt gewähren würde. Die Gefahr, dass der Konzern es entziehen könnte, hatte latent immer bestanden. Christian und Asta Holler waren auf ihre Weise damit umgegangen. Mit der wachsenden Bedeutung der Finanzdienstleistungen ergaben sich für den VW-Konzern neue Argumente, die jahrzehntelange Kooperation zwischen VVD und Volkswagen zu beenden. Zwar kehrte, nachdem die Wertschutz GmbH im Frühjahr 1992 den Baukredit für das Kunstmuseum gewährt hatte, vorläufig Ruhe ein. Doch an „Nadelstichen“ fehlte es nicht.1 Mitte 1992, bei einem Besuch in Wolfsburg, stellte Schow fest, „unser schönes Projekt“ habe „nicht wenige Gegner“. Immer noch heiße es, klagte er in einem Brief an Carl Hahn, das Kunstmuseum würde mit Mitteln der Volkswagen AG errichtet werden. Doch rechne man die jährliche Royalty, die mittlerweile 24 Mio. betrage, die Leistungen der Holler-Stiftung an die Kunststiftung und die Provisionszahlungen des VVD an VW-Händler im In- und Ausland zusammen, ergebe sich eine Summe von rund 88 Mio. DM zugunsten Volkswagens. Zum VVD, der zudem mit deutlich niedrigeren Lohnkosten arbeite als Volkswagen, gebe es keine Alternative.2 Noch vor Ablauf des Jahres 1994, in dem das Kunstmuseum eröffnet worden war, kam Schow zu Ohren, dass ein „baldiges Ende der jahrzehntelangen Kooperation zwischen Volkswagen und dem VVD“ bevorstehe. Vertrauensvoll wandte er sich an VW-Vorstandsmitglied Jens Neumann, der dem Kuratorium der Holler-Stiftung angehörte, und bat um „Klärung“.3 Neumann bedankte sich auf einer Weihnachtskarte handschriftlich für den „besorgniserregenden Hinweis, dem wir im Januar nachgehen sollten“.4 Doch offiziell verlautete vorerst nichts. Im August 1995 wurde gegenüber Klaus Kaminsky scheinbar beiläufig erwähnt, dass es bei Volkswagen „seit einigen Jahren einen Konzernbeschluss“ gebe – gemeint war jener von 1975 –, unter den auch das Vertragsverhältnis des VVD zu Volkswagen falle. Die FS AG gehe auf jeden Fall davon aus, hielt der VVD-Geschäftsführer in einer vertraulichen Notiz für Obst fest, dass bei einer Neuordnung des Vertragsverhältnisses der VVD an die FS AG gebunden und von dieser auch Direktiven erhalten werde. Die FS AG erwäge verschiedene Konzepte, „die praktisch von der Fortsetzung des Status quo bis zur Gründung einer eigenen Versicherungs-AG“ reichten. Kaminsky rechnete nicht damit, dass „am Instrument VVD generell Zweifel gehegt“ würden, denn es sei bekannt, dass eine solche „gewachsene Institution nicht von heute auf morgen ersetzbar bzw. austauschbar“ sei. Das Argument „höhere Personalkosten“, das bisher stets gegen eine Eingliederung des VVD in den Konzern gesprochen hätte, wöge allerdings nicht mehr, denn für Tochterunternehmen gälten andere Tarife als bei der Volkswagen AG. Auch die Tatsache der „Bindung des VVD zur Volkswagen-Kunststiftung“, 251

musste Kaminsky erfahren, werde keine Rolle spielen, „wenn man sich entschließen sollte, den VVD in den Konzern zu übernehmen“. Kaminsky empfahl, „Gespräche über die künftige Beschaffenheit der vertraglichen Bindung des VVD zum VW-Konzern“ möglichst noch im Jahr 1995 aufzunehmen. Obsts Anmerkungen an Kaminskys Bericht zeigen, dass er dessen Sorgen nicht teilte; bei den Bestrebungen der FS AG handele es sich um Wunschvorstellungen.5 Im März 1996 hielt Kaminsky in einer weiteren Notiz fest, es gebe, was die eigenständige Existenz des VVD angehe, „konkrete Hinweise“ auf eine „drohende Gefahr“.6 Doch Günther Obst galt nach wie vor jede Sorge um das Ende eines selbständigen VVD als Verrat.7 Als Jürgen Schow im November 1996 an Carl Hahn schrieb, stellte er das gemeinsame Interesse an der Kunststiftung Volkswagen in den Vordergrund. Für „unser Wolfsburger Museum“ sei, was „die Fortsetzung der jahrzehntelangen Kooperation mit dem VVD“ betreffe, demnächst die Unterstützung der Volkswagen AG nötig. Das habe „in gewisser Weise existentielle Bedeutung für das Gesamtprojekt“. Eine Lösung, die sich nicht „im wesentlichen an der bisherigen Regelung“ orientiere, könne die „Unterstützungsleistungen der Holler-Stiftung“ tangieren.8 Doch in Wolfsburg hatte seit Anfang 1993 als neuer Vorstandsvorsitzender Ferdinand Piëch das Sagen. Angesichts des gespannten Verhältnisses zu seinem Vorgänger hätte Hahns Fürsprache dem VVD jetzt eher schaden können. Asta Holler hatte sich häufig schroff gegen Louise Porsche-Piëch verhalten, die Mutter des neuen VW-Chefs. Das dürfte diesen nicht eben für die Sache des VVD eingenommen haben. Erst Ende Januar 1997 vereinbarte Schow schließlich mit Obst, Jens Neumann ein Exposé zur Vorbereitung eines neuen Namensführungsvertrags vorzulegen.9 Doch vorerst geschah nichts. Im März bot Schow Obst an, einen Brief zu entwerfen.10 Im Mai 1997 diskutierte auch das Kuratorium der Holler-Stiftung „die künftige Beziehung VW/ VVD“.11 Ein informelles Gespräch Kaminskys mit Neumann ergab Anfang Juli 1997, dass mit einer Verlängerung des laufenden Namensführungsvertrages „ohne Veränderung“ nicht mehr zu rechnen sei. Der Vorstandsvorsitzende Piëch fordere, dass Volkswagen auch das Versicherungsgeschäft selbst betreibe. Er hege zudem erheblichen Unmut gegen die zwischen der Holler-Stiftung, der Kunststiftung Volkswagen und dem Wolfsburger Kunstmuseum, also gegen die in den achtziger Jahren zwischen Asta Holler und Carl H. Hahn getroffenen Vereinbarungen. Neumann empfehle, rasch zu prüfen, welche Beteiligungsmöglichkeiten des VW-Konzerns oder der FS AG am VVD die Satzung der Holler-Stiftung erlaube.12 In einem Gespräch mit einem Mitarbeiter der FS AG erfuhr Kaminsky am Tag darauf, Piëch habe Massfeller beauftragt, eine „eigene Versicherungs-AG“ zu gründen. Es sei denkbar, dass zu diesem Zweck zunächst der VVD in die FS AG integriert werde, aus 252

dem dann die neue Gesellschaft hervorgehen könnte. Als Vermittler hänge man von der Prämiengestaltung der Versicherungsgesellschaften ab; erst wenn Volkswagen „Herr der Prämiengestaltung“ sei, könne die Kfz-Versicherung gezielt den Absatz von Fahrzeugen der Konzern-Marken fördern.13 Doch zunächst kooperierte der VVD noch mit der FS AG. Im Herbst 1997 brachte man gemeinsam die „Prämie Light“ auf den Markt. Diese kombinierte Finanzierungs- und Versicherungsleistungen und garantierte während der gesamten Laufzeit eine gleichbleibende monatliche Prämie.14 Die neuartigen Policen verkauften sich „hervorragend“.15 Nachdem der Anteil des VVD am Neugeschäft mit Haftpflichtrisiken an der Gesamtzahl der vom VW-Konzern ausgelieferten Neuwagen in den letzten Jahren gesunken war, stieg er im Geschäftsjahr 1997/98 wieder leicht an16 und mit ihm das Betriebsergebnis.17 Ende November 1997, als Günther Obst bereits unheilbar erkrankt war, konnte Schow endlich das „vielfach erbetene“ Gespräch mit Neumann führen. Beide Herren teilten zwar die Ansicht, dass das inzwischen international renommierte Wolfsburger Kunstmuseum für den „Global Player“ Volkswagen von „großer Wichtigkeit“ sei und daher „nicht mehr weggedacht“ werden könne. Doch musste Schow erfahren, dass eine „veränderte Kooperation“ zwischen VVD und VW-Konzern bevorstehe. Diesem gehe es vor allem darum, im Bereich der Kfz-Versicherungen auch gegenüber den Versicherern direkteren Einfluss ausüben zu können. Überdies beanspruche Volkswagen eine Reduzierung des VVD-Ergebnisses vor der Ausschüttung an die Wertschutz GmbH zu seinen Gunsten. Nach „Kenntnis der Zahlen“ – durch seinen Sitz im Kuratorium der Holler-Stiftung war der Konzern bestens informiert – sei man der Ansicht, die Begünstigten der Holler-Stiftung, das Wolfsburger Kunstmuseum eingeschlossen, bräuchten „nicht ständig in der derzeitigen Höhe bedient zu werden“.18 Während andere Unternehmen zum Zwecke der „Generierung von symbolischem Kapital“ in Kulturstiftungen investierten19, schätzte man dieses Marketinginstrument in Wolfsburg anscheinend eher gering. Inzwischen brannte es auch in Wien. Sinkende Ergebnisse des VVD Österreich, die ebenfalls vor allem auf einen erheblichen Prämienverfall zurückgingen, hatten den Gewinn des stillen Teilhabers Porsche laufend gemindert. Jetzt beanspruchte die Porsche Konstruktionen KG, zugleich Generalimporteur für Volkswagen in Österreich, eine Kapitalbeteiligung am VVD Österreich sowie das Recht, dessen Vertriebs-Geschäftsführer zu bestellen.20 Andernfalls, drohte Porsche, würde man die Vertragsbeziehungen, die auch den Zugang des VVD zur österreichischen VW-Handelsorganisation regelten, abbrechen und das Versicherungsgeschäft selbst übernehmen. Vorübergehend hätte der VVD Wien dann zwar mit höheren Überschüssen rechnen können, da die Vergütung an den stillen Gesellschafter entfiele. Aber ohne eine Kooperation 253

mit der österreichischen VW-Handelsorganisation würde der Wiener VVD seine Geschäftsbasis binnen kurzer Zeit verlieren und vom Markt verschwinden.21 In Österreich führte Porsche vor, was den VVD in Deutschland erwartete. Beim Wolfsburger VVD ging eine Ära zu Ende. Günther Obst starb am 1. Februar 1998. An seine Stelle im Kuratorium, auch als stellvertretender Vorsitzender, rückte Gerd Müller, der als Geschäftsführer der Wertschutz GmbH in den Ruhestand getreten war.22 Jürgen Schow übernahm im Mai den Vorsitz im Aufsichtsrat des VVD.23 Bald stand außer Zweifel, dass Volkswagen die Kooperation mit dem VVD nicht in der gewohnten Form fortsetzen würde. Der Konzern forderte mindestens eine Mehrheitsbeteiligung von 51% an der GmbH und war für den Fall, dass keine Einigung zustande käme, entschlossen, „eigene Versicherungsaktivitäten“ zu entfalten. Ende Mai 1998 beauftragten Volkswagen und VVD gemeinsam eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, den Unternehmenswert des VVD zum Stichtag 1. Januar 1999 zu ermitteln.24 Im November 1998 berichtete Schow dem Kuratorium über den Stand der Dinge. Er habe Vorgespräche mit der Stiftungsaufsicht und dem Finanzamt geführt. Wenn ein angemessener Preis erzielt werde, stünde dem Vorhaben, 51% der VVD-Geschäftsanteile zu verkaufen, nichts entgegen. Es handele sich lediglich um eine „Vermögensumschichtung“, welche die Behörde, sofern überhaupt erforderlich, sicher genehmigen werde. Die Stiftungssatzung sei dann den veränderten Verhältnissen anzupassen. Er sehe damit „den Fortbestand des VVD, die Erhaltung der Arbeitsplätze und die Aufrechterhaltung des bisherigen Konzeptes mit der Kunststiftung Volkswagen und dem Wolfsburger Kunstmuseum als gewährleistet an“. Das Kuratorium billigte den „bisher von der Stiftungsverwaltung eingeschlagenen Kooperationskurs“. Ein etwaiger Geschäftsanteils-Übertragungsvertrag mit der VW FS AG, so hielt man fest, sollte unter anderem Regelungen über „die gegebenenfalls durchzuführende Übernahme auch der restlichen 49%“ enthalten. Doch ging man davon aus, dass die Transaktion sich „auf die diskutierte Abgabe von 51% beschränken“ werde.25 Eine solche Lösung hätte die Vorgaben von § 5 (2) c) der Stiftungssatzung, der die Konditionen festlegte, unter denen der Kunststiftung Volkswagen Mittel der Holler-Stiftung zuflossen, nicht berührt. Um die absehbare Transaktion steuerlich zu vereinfachen, beschloss das Kuratorium der Holler-Stiftung im November 1998 auch, die von der Wertschutz GmbH gehaltenen VVD-Geschäftsanteile „in die direkte Gemeinnützigkeit“ zu überführen.26 Dies geschah, vergleichbar der Assivalor-Lösung von 1991, auf dem Wege einer unentgeltlichen Zustiftung an die Holler-Stiftung am 11. Dezember 1998.27 Die zuständigen Behörden werteten diesen Vorgang lediglich als eine Umschichtung des Stiftungsvermögens und erhoben keinen Einwand.28 Doch das für die Wertschutz GmbH zustän254

dige Berliner Finanzamt vermutete eine „steuerpflichtige verdeckte Gewinnausschüttung“ und stellte entsprechende Forderungen. Das Problem konnte im Sommer 2000 auf dem Vergleichswege gelöst werden.29 Mitte Januar 1999 lag das Bewertungsgutachten über den VVD in einer Fassung vor, die Volkswagen wie VVD bereits korrigiert und dann akzeptiert hatten. Es bezog eine Vielzahl von Gesichtspunkten ein, um die wirtschaftliche Situation des VVD zu beschreiben. Neben den negativen Folgen des Preisverfalls bei den Kfz-Versicherungsprämien und der Liberalisierung des Marktes behandelte es die fortgesetzt erstarkende Konkurrenz der Niedrigkostenversicherer. „Alleinstellungsmerkmal“ des VVD bleibe die „Direktregulierung von Schäden im Rahmen des Händlernetzes“; die Kostenerstattung der Versicherungsgesellschaften für diese Tätigkeit machte 20,2% des Umsatzes aus. Im Vergleich zu Kunden der Allianz-Gruppe erhalte der VVD-Kunde bei gleicher Prämienhöhe eine deutlich höhere Servicequalität. Wolle der VVD dem Preiskampf zumindest teilweise ausweichen, müsse seine „strategische Ausrichtung“ in der „Sicherung der Qualitätsführerschaft“ liegen. Den Unternehmenswert des VVD einschließlich der anteiligen Werte seiner Beteiligungen in Europa und Übersee bezifferte das Gutachten bei einem angenommenen Kapitalisierungszinsfuß von 12,5% auf 220 Mio. DM, bei einem Satz von 11,5% auf 235,9 Mio. DM.30 Aber Anfang 1999 ging es bereits nicht mehr um eine „strategische Ausrichtung“ des VVD oder darum, wie er seine „Qualitätsführerschaft“ sichern könnte. Am 14. Januar 1999 verhandelten Schow, Reis und Kaminsky mit Massfeller und Neumann. Man bediente sich des Wirtschaftsprüfers Horst Weyrauch als Berater, dessen zupackender Stil jetzt offenbar der Holler-Stiftung zum Vorteil gereichen sollte. Der Versuch, für den VVD durch einen Paketzuschlag mehr als die vom Gutachten ermittelte Summe zu erlösen, erwies sich nicht nur als aussichtslos – als Schow darauf zu sprechen kam, drohte Neumann vielmehr, die Verhandlungen abzubrechen.31 Daran erinnert, dass der Namensführungsvertrag Ende März 2000 definitiv auslaufe und die Erträge des VVD in den letzten fünf Jahren gesunken seien, befand sich die Holler-Stiftung auf verlorenem Posten. Ja, die Vertreter von Volkswagen dachten laut darüber nach, den angesetzten Unternehmenswert wegen verschiedener Risiken und Unwägbarkeiten des VVD-Geschäftes noch deutlich zu reduzieren. Der VW-Konzern saß am längeren Hebel, denn ohne das Namensführungsrecht und den Zugang zur VW-Handelsorganisation bei der zugleich erklärten Absicht der FS AG, als Konkurrent anzutreten, wäre der VVD „relativ schnell am Ende“ gewesen.32 Nachdem sie sich zu einer Beratung zurückgezogen hatten, schlugen die Vertreter der Holler-Stiftung vor, 100% der Geschäftsanteile des VVD für 230 Mio. DM an die FS AG zu verkaufen.33 Im Falle einer Beteiligungslösung hätte die Stiftung zwar noch Erträge aus dem VVD ziehen, jedoch als Minderheitsbeteiligte keinen Einfluss mehr auf die Geschäfts255

politik nehmen können. Volkswagen ging auf das Angebot ein. Mit den Zinserträgen aus 230 Mio. DM, mag man im Konzern kalkuliert haben, könnte die Holler-Stiftung auch das Kunstmuseum hinreichend ausstatten. Ein Verkauf sämtlicher Geschäftsanteile des VVD stellte die Holler-Stiftung vor ein Dilemma. Von zwei wichtigen Vorgaben ihrer Satzung ließ sich nur eine bedienen. Die Forderung, das Grundstockvermögen „in seinem Bestand ungeschmälert zu erhalten“ (§ 4 Abs. 3), schloss ein Bestehen auf der Pönale (§ 5 Abs. 2 lit. c und § 8 Abs. 1 lit. b) aus. In einem „Memorandum zur Situation VVD – Volkswagenkonzern“ erläuterte Schow, eine „realistische Chance, mit den DM 230 Millionen einen noch einigermaßen angemessenen Kaufpreis für die VVD-Geschäftsanteile zu erhalten und dadurch das Stiftungsvermögen vor Schaden zu bewahren“, bestehe nur, wenn die Stiftung die von Asta Holler verfügte Pönale aussetze, den „Mitteltransfer nach Wolfsburg“ also auch bei einem Auslaufen des Namensführungsvertrages nicht beende. Die Weiterfinanzierung des Wolfsburger Museums werde „mit Sicherheit“ Bestandteil einer zwischen der Stiftung und dem Volkswagen-Konzern zu vereinbarenden „Gesamtlösung“ sein. Schow schilderte, was geschehen würde, wenn die Stiftung diese ablehnte: Nach kurzem „Aufblühen“, während er die Royalty nicht mehr entrichten müsste, wäre der VVD nur noch den „Abwicklungserlös“ wert. Die Pönale sei „nicht mehr zeitgemäß“. Asta Holler hätte sie in Kenntnis der Entwicklung „sehr wahrscheinlich nicht verfügt“. Schow plädierte dafür, die Pönale „im Interesse einer wirtschaftlich sinnvollen Lösung“ aufzuheben.34 Er übersandte das Memorandum der Regierung von Oberbayern als Stiftungsaufsicht. Doch die Behörde winkte die von Schow favorisierte „Gesamtlösung“ nicht einfach durch. Was nach Schows Ansicht dafür sprach, die Vorgaben der §§ 5 und 8 zugunsten derer des § 4 außer zu Acht lassen, leuchtete den Beamten anscheinend nicht ohne weiteres ein, forderte das Bayerische Stiftungsrecht doch die „Achtung vor dem Stifterwillen“ als „oberste Richtschnur“ bei der Handhabung des Stiftungsgesetzes.35 Mit einem zweiten Memorandum unterbreitete Schow der Behörde zusätzliche Gründe, die für die „Gesamtlösung“ sprachen. Er führte § 133 BGB36 an und erforschte den „wirklichen“ Willen der Stifterin. Asta Holler hätte „im Interesse des Stiftungsvermögens der Abgabe der VVD Geschäftsanteile für DM 230 Millionen sicher den Vorzug gegeben … vor dem Alleinbleiben des VVD ohne Namensrecht und ohne Zugang zur VW-Handelsorganisation“ und ohne „längerfristige Überlebenschancen“. Diese Interpretation käme „in gewissem Sinne einer Fortschreibung des Stifterwillens gleich“. Daher sollte das Stiftungsvermögen, so Schow, „die Chance erhalten, um 230 Millionen erhöht (sic!) zu werden, die Förderung des Wolfsburger Kunstmuseums im Umfang der Leistungsfähigkeit der Stiftung aufrechterhalten bleiben“ und die Stiftungssatzung dem „angepasst“ werden. Nicht zuletzt sprächen die „Auswirkungen … 256

auf die Begünstigten“ für einen Verkauf des VVD bei gleichzeitigem Aussetzen der Pönale. Schow rechnete exakt vor, welche Konsequenzen einerseits das Bestehen auf der Pönale, andererseits ein Verzicht auf diese „Strafaktion“ zeitigen würden. Die Zahlen von 1998 zugrunde gelegt, könne die Stiftung ohne die Zuflüsse vom VVD, aber mit 5% Zins auf den Verkaufspreis von 230 Mio. DM immerhin 36,68 Mio. DM ausschütten. Davon gingen gemäß Testament rund 14,67 Mio. DM an die Wolfsburger Kunststiftung, je rund 6,13 Mio. DM an die SOS-Kinderdörfer, den HermannGmeiner-Fonds und das IGPP sowie rund 3,65 Mio. DM an das Hildegard-Hospiz. Ohne Zins auf 230 Mio. DM wären aber nur 25,18 Mio. DM zu vergeben, davon je rund 7,55 Mio. DM an die SOS-Kinderdörfer, den Hermann-Gmeiner-Fonds und das IGPP, jedoch nur rund 2,52 Mio. DM an das Basler Hospiz. Dieses gehörte laut Testament von 1987 nicht zu den anwachsungsberechtigten Destinatären.37 Bei einem „Rückzug aus Wolfsburg“ würden daher diejenigen Begünstigten, „die ohnehin über einen sehr großen Haushalt verfügen bzw. die Stiftungsunterstützung in diesem Ausmaß nicht unbedingt benötigen, wesentlich besser behandelt werden, als die 10% Beteiligte, die signifikant weniger erhält“. Zwar könnten die großen Begünstigten „eine leichte Verschlechterung durchaus verkraften“, aber die kleinste Begünstigte könnte „eine Verbesserung dringend gebrauchen“.38 Schow vermied es, sein eigentliches Anliegen, den weiteren Unterhalt des Kunstmuseums, in den Vordergrund zu stellen. Aber er durfte annehmen, dass die Stiftungsaufsicht dem Hildegard-Hospiz, das in seiner Arbeit hohe moralische Ansprüche einlöste, potentielle Fördermittel nicht versagen mochte. Eine Gegenrechnung zu Schows Kalkulation gab es nicht. Doch fragt sich, ob es 1987 tatsächlich Asta Hollers Absicht gewesen war, das Basler Hospiz von den Anwachsungsberechtigten auszunehmen. Hätte es sich im Falle einer Anwendung der Pönale in der Gruppe der anwachsungsberechtigten Destinatäre befunden, wären ihm, ausgehend von Schows Daten, mit jährlich 4,20 Mio. DM sogar deutlich mehr als 3,65 Mio. DM zugeflossen. Die Benachteiligung des Hildegard Hospizes wäre durch eine Satzungsänderung, welche die Stiftungsaufsicht vermutlich genehmigt hätte, leicht zu korrigieren gewesen. Am 19. Februar lud der Stiftungsvorstand das Kuratorium zu einer auf den 4. März anberaumten außerordentlichen Sitzung ein. Der Einladung lagen die beiden Memoranden sowie eine Beschlussvorlage für Satzungsänderungen an. Mit der Stiftungsaufsicht ließ sich für den 25. Februar kurzfristig ein Gespräch verabreden. Die Behörde erbat bei dieser Gelegenheit noch das Gutachten über den Unternehmenswert des VVD, das ihr umgehend zuging. Schow konsultierte einzelne Kuratoriumsmitglieder und diese berieten sich untereinander. Als das Gremium Anfang März für eine Stunde zusammentrat39, konnte der 257

Stiftungsvorstand den versammelten Herren erklären, dass die Behörde „aufgrund mehrerer Vorgespräche … bereits in Aussicht gestellt“ habe, die erforderlichen Satzungsänderungen kurzfristig zu genehmigen. Mit dem anscheinend vorab erteilten behördlichen Segen beschloss das Kuratorium die Übertragung sämtlicher VVD-Geschäftsanteile an die Volkswagen FS AG. Der VVD als Bestandteil des Grundstockvermögens wurde aus der Satzung gestrichen, die Pönale ebenfalls entfernt. Gleichwohl sollte ein Mitglied des VW-Vorstandes einen Sitz im Kuratorium der Holler-Stiftung behalten.40 Die Stiftungsaufsicht erfuhr telefonisch von den Kuratoriums-Beschlüssen und der bevorstehenden Veräußerung des VVD.41 Am 22. März 1999 verkaufte die Holler-Stiftung der Volkswagen FS AG sämtliche Geschäftsanteile der VVD GmbH. Eine Vereinbarung über die Weiterförderung des Kunstmuseums durch die Stiftung wurde im Kauf- und Übertragungsvertrag nicht getroffen, und mündliche Nebenabsprachen schließen solche Verträge für gewöhnlich aus.42 Doch hatte zum einen das Kuratorium der Holler-Stiftung der „Gesamtlösung“ zugestimmt, und zum andern konnte Schow der Käuferin des VVD versichern, dass die Regierung von Oberbayern eine Satzungsänderung, welche die Pönale außer Kraft setzte, genehmigen werde. „Unter Bezugnahme auf die verschiedenen intensiven Vorgespräche“ übersandte der Stiftungsvorstand der Aufsichtsbehörde am nächsten Tag die Niederschrift der außerordentlichen Kuratoriumssitzung vom 3. März mit den beschlossenen Satzungsänderungen sowie eine Kopie des Kauf- und Übertragungsvertrages. Er bat um eine baldige Genehmigung; das Finanzamt sei ordnungsgemäß informiert worden. Die Stiftungsaufsicht stimmte dem Verkauf des VVD postwendend zu. Eine „stiftungsrechtliche Genehmigung“, hieß es in ihrem Schreiben vom 24. März, sei „u. E. nicht erforderlich“, habe das Rechtsgeschäft doch lediglich „der Umschichtung von Vermögensbestandteilen“ gegolten. Die Behörde hatte an den Kuratoriums-Beschlüssen vom 4. März nichts auszusetzen und genehmigte die Satzungsänderungen unter schematischem Hinweis auf Art. 8 Abs. 3 des Bayerischen Stiftungsgesetzes kommentarlos.43 Die Kuratoriumsmitglieder erhielten eine Kopie des Schreibens.44 Schow dankte den Beamten „für die guten vorbereitenden Gespräche“, das entgegengebrachte „Verständnis“ und die „so schnelle Entscheidung“.45 Hatte das Gedeihen des Hildegard-Hospizes in Schows Plädoyer für ein Aussetzen der Pönale auch eine wichtige Rolle gespielt und vielleicht die Entscheidung der Stiftungsaufsicht bei dieser nicht alltäglichen Angelegenheit beschleunigt, ließ sich das Kuratorium auch von anderen Überlegungen leiten, als es der „Gesamtlösung“ zustimmte. So bezweifelte das Gremium, ob die Stiftungsaufsicht ein Beharren auf der Pönale überhaupt gebilligt hätte, wäre damit doch zwangsläufig gegen den Grundsatz der Vermögenserhaltung verstoßen worden, den einzuhalten sowohl Art. 10 (1) des Bayerischen Stiftungsgesetzes von 1996 als auch § 4 (3) der Satzung der Holler-Stif258

tung forderten. Ohne die 230 Mio. DM als Erlös für den VVD wäre das Vermögen der Stiftung, der in Zukunft keine nennenswerten Erträge aus Beteiligungen mehr zuflossen, zudem unterhalb jener kritischen Masse geblieben, die erst eine ausreichend rentierliche Vermögensverwaltung erlaubte. Außerdem hätte der VVD ein unversöhnliches Verhalten gegenüber dem VW-Konzern nicht verkraftet und eine Insolvenz der Firma im Laufe der nächsten Jahre womöglich sogar die finanzielle Basis der HollerStiftung erschüttert. Das Verbleiben eines Mitgliedes des VW-Vorstandes im Kuratorium der Holler-Stiftung wurde befürwortet, weil die Stiftung als Förderer des Wolfsburger Kunstmuseums auf die Kooperation mit dem Konzern angewiesen war. Von Jens Neumann, der dem Kuratorium seit 1993 angehörte und das Kunstmuseum offenbar schätzte, erwartete man, dass er dessen Sache gegenüber seinen Vorstandskollegen vertreten würde. Schließlich sei im Kuratorium nur das letzte Testament Asta Hollers, das die Kunststiftung Volkswagen als Begünstigte aufführte, bekannt gewesen, nicht die Umstände, unter denen zentrale Teile dieser Verfügung 1984 zustande gekommen waren. Daher wusste man nicht, dass Asta Holler keineswegs ein Museum in Wolfsburg am Herzen gelegen hatte, sondern der Fortbestand des VVD als Ertragsquelle für die zukünftige Stiftung und auch als Arbeitgeber. In der Annahme, das Museum hätte der Stifterin etwas bedeutet, fühlte sich das Kuratorium verpflichtet, den Fortbestand der wertvollen Kultureinrichtung zu sichern, in die bereits beträchtliche Stiftungsmittel geflossen waren. Ob anstelle der Holler-Stiftung der VW-Konzern das Museum weiterfinanzieren würde, erschien angesichts der Kräftekonstellation im Vorstand unter Ferdinand Piëch nämlich ungewiss. Die Pönale, so meinte man auch, hatte inzwischen ihre Schuldigkeit getan. Der Namensführungsvertrag war über Asta Hollers Tod hinaus verlängert worden, und die Holler-Stiftung hatte dank der VVD-Erträge jahrelang ansehnliche Mittel an ihre Destinatäre ausschütten können.46 Schows Memoranden, mit denen er die Stiftungsaufsicht für die „Gesamtlösung“ zu gewinnen suchte, wie auch die Formulierung der Behörde, ihre Genehmigung sei für den Verkauf der Geschäftsanteile des VVD „u. E.“ nicht erforderlich, zeugen davon, dass beide Seiten unerfahren und darum unsicher im Umgang mit Zielkonflikten bei der Verwaltung von Stiftungsvermögen waren. In der Fachwelt hatte eine Debatte über solche Fragen eingesetzt.47 Zum 1. April 1999 gingen sämtliche Geschäftsanteile des VVD Wolfsburg von der Holler-Stiftung auf die Financial Services AG über. Finanzdienstleistungen gehörten inzwischen eindeutig zu den „Kernkompetenzen“ des VW-Konzerns.48 Für das Wirtschaftsjahr 1998/99 stand der Stiftung noch die Hälfte des Jahresüberschusses des VVD zu. Jene Anteile an dessen Töchtern in Wien und in Zürich, welche die Assivalor besaß, wurden ein Jahr später gesondert an die Wolfsburger VVD GmbH veräußert, 259

die als Eigentum der Volkswagen FS AG weiterbestand.49 Ihre Anteile am brasilianischen VVD Seguros konnte die Holler-Stiftung erst Mitte 2001 abtreten.50 Zwar lag der für den VVD erzielte Preis von 230 Mio. DM beträchtlich über jenem Wert von knapp 60 Mio. DM51, mit dem die Gesellschaft 1991 in der Eröffnungsbilanz der Holler-Stiftung zu Buche geschlagen hatte. Die Ertragskraft der Stiftung52 ließ sich gleichwohl nicht erhalten. Nach dem Verkauf des VVD und bei gleichzeitiger Weiterförderung der Kunststiftung Volkswagen entfielen auf alle Destinatäre fortan geringere Ausschüttungen als in den neunziger Jahren. Die Holler-Stiftung „parkte“ die für den VVD erlösten 230 Mio. DM zunächst bei der Bayerischen Landesbank. In der ersten Sitzung nach dem Verkauf stellten Kuratorium und Vorstand fest, dass „die Erträge eines überwiegend in Finanztiteln angelegten Stiftungsvermögens keinesfalls mit denen eines Beteiligungsvermögens vergleichbar“ seien. Überdies erfordere die derzeit „schwierige Lage“ an den internationalen Kapitalmärkten vorsichtige Dispositionen.53 Das Bayerische Stiftungsgesetz von 1996 hatte die Vorschriften für die Anlage von Stiftungsvermögen vereinfacht. Auch war der starre Grundsatz der Mündelsicherheit dem Gebot gewichen, die Gelder rechtsfähiger gemeinnütziger Stiftungen „nach den Grundsätzen einer sicheren und wirtschaftlichen Vermögensverwaltung anzulegen“.54 Das brachte der Holler-Stiftung „mehr Flexibilität“, legte ihr allerdings auch „mehr Verantwortung“ auf.55

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18. Das zweite Jahrzehnt

Zehn Jahre nach ihrer Gründung forderten neue Aufgaben die Holler-Stiftung heraus. Bei den Funktionsträgern stand ein Generationswechsel an; die Umschichtung des Vermögens stellte veränderte Ansprüche an die Stiftungsverwaltung; und die Reform der Stiftungsgesetzgebung erweiterte deren Spielräume. Zudem brachten Politik und Öffentlichkeit dem Stiftungswesen inzwischen großes Interesse entgegen. Das regte zur Reflexion über das Selbstverständnis einer Stiftung und die Aufgaben ihrer Organe an. Die Kapitalmarktsituation der neunziger Jahre hatte es erlaubt, bei der Anlage des liquiden Stiftungsvermögens, das gegenüber den Beteiligungen zunächst den geringeren Teil des Gesamtvermögens ausgemacht hatte, ein Mischungsverhältnis von 60 bis 70% festverzinslichen Wertpapieren und 30 bis 40% Aktien zu wählen. Nach dem Verkauf des VVD bedurfte es sorgfältiger Dispositionen. Einerseits musste das Grundstockvermögen real erhalten bleiben, andererseits sollte es möglichst hohe ausschüttungsfähige Erträge abwerfen. Es empfahl sich, den Aktienanteil vorerst bei 10 bis 20% zu halten, nur über einen Teilbetrag zu disponieren und die Entwicklung an den Kapitalmärkten abzuwarten.1 Noch im Jahre 1999 wurden mehrere Fonds angelegt, 60 Mio. DM blieben als Festgeld bei der Bayerischen Landesbank.2 Die Überschüsse der Holler-Stiftung, die nun ganz überwiegend aus dem liquiden Grundstockvermögen stammten, erreichten fortan nicht mehr annähernd jene der 90er Jahre.3 Die Zahlungen an die Begünstigten lagen 2000 bereits deutlich unter denen vorangegangener Jahre.4 Der Jahresabschluss für 1999 hatte wiederum die Bildung einer freien Rücklage vorgesehen. Im Interesse nachhaltiger Ausschüttungen geschah dies auch in den folgenden Jahren. Die Zahlungen an die Destinatäre sanken weiter.5 Der Anlageausschuss der Assivalor AG, dem seit 1994 Felix Reis vorsaß, tagte jetzt häufiger.6 Seine Beschlüsse wurden nach wie vor von der Direktorin der Assivalor, Frau Ursula Hug, umgesetzt. Sie wirkte rund drei Jahrzehnte und weit über die übliche Altersgrenze hinaus für die Gesellschaft. An ihre Stelle trat Ende 2003 Frau Manuela Cassani.7 Ein Steuersenkungsgesetz, das Anfang 2001 in Kraft trat, erlaubte der Wertschutz GmbH eine beträchtliche Verminderung der Körperschaftsteuerbelastung, wenn sie ihrem Gesellschafter Eigenkapital zuführte.8 Ein kleinerer Teil dieser Sonderausschüttung wurde an die Destinatäre weitergereicht, der größere Teil „im Interesse der nachhaltigen Absicherung der Ausschüttungskontinuität für die kommenden Jahre“ in Rücklagen eingestellt. Die von der Wertschutz transferierte Summe überließ man dieser als „Darlehen zu marktüblichen Bedingungen“.9 Auch 2002 floss eine „Maxi-Ausschüttung“ der Wertschutz GmbH an die Holler-Stiftung und als Darlehen an die Berliner Gesellschaft zurück.10 In Zeiten allgemein unsicherer Renditen waren zu261

mindest diese Zinseinnahmen der Holler-Stiftung sicher.11 Die Verwaltung des Stiftungsvermögens erforderte jetzt andere Qualifikationen als jene, die bei der Errichtung der Stiftung und solange sie überwiegend als Beteiligungsträgerin gearbeitet hatte, wichtig gewesen waren. Nun galt die Devise, eine „möglichst hohe Rendite bei möglichst geringem Risiko“ zu erzielen.12 Als die Holler-Stiftung zehn Jahre bestand, musste ein Nachfolger für Jürgen Schow gefunden werden. Nach Ablauf seiner zweiten Amtsperiode hätte er das siebzigste Lebensjahr überschritten gehabt. Von einer Erkrankung im Winter 1995/96 war er zwar genesen, doch galt es, beizeiten einen Nachfolger einzuarbeiten. Ein Personalberatungsunternehmen empfahl einen Juristen, der bis dahin dem Vorstand einer Versicherungsgesellschaft angehört hatte und mit sechzig Jahren eine neue Aufgabe suchte. Bereits im Mai 1998 hatte ihn das Kuratorium für die Zeit vom 1. April 1999 bis zum Ende der Amtsperiode Schows zum zweiten Vorstandsmitglied der Stiftung berufen und ins Budget für 1999 daher zusätzliche Mittel eingestellt.13 Bei einem erfolgreichen Verlauf der Einarbeitungszeit sollte der Dienstvertrag auf die satzungsmäßige Periode von fünf Jahren verlängert werden.14 Doch in der Frage, wie die Stiftung zu führen sei, traten Differenzen zwischen dem „alten“ und dem „neuen“ Vorstand auf. Die Kritik des letzteren betraf zum Beispiel die Höhe der Vergütung für den Wirtschaftsprüfer der Stiftung und eine unzeitgemäße „Durchschreibbuchführung“, die es nicht erlaube, die Buchhaltungen der Stiftung, der Wertschutz und der Assivalor aufeinander abzustimmen. Der neue Mann bemängelte ferner die Häufung von Funktionen und Kompetenzen und das Fehlen des Vier-Augen-Prinzips. Er hielt auch das Vorgehen im Zusammenhang mit der Zustiftung der VVD-Geschäftsanteile durch die Wertschutz an die Stiftung im Vorfeld der Veräußerung des VVD für riskant und monierte, dass es keine „rationale Vermögensverwaltung“ gebe. Was die Finanzplanung der Stiftung betreffe, sei eine „strategische Neuausrichtung“ dringlich.15 Im September forderte Schows designierter Nachfolger vom Kuratoriumsvorsitzenden, das „Parallel-Laufen“ zweier Vorstände zum Jahreswechsel zu beenden, andernfalls er selbst nicht länger zur Verfügung stünde. Von Finck bat Schow daraufhin zunächst um dessen vorzeitigen Rücktritt zum 31. Dezember 1999. Jürgen Schow protestierte, verwahrte sich gegen „Stil und Form“ des Vorgehens, wäre aber unter der Voraussetzung, dass sein Vertrag unter Wahrung aller Rechte bis zum September 2000 weiterlaufen würde, bereit gewesen, sich zum Jahresende aus der aktiven Tätigkeit zurückzuziehen.16 Der Kuratoriumsvorsitzende ließ Nachforschungen über Schows designierten Nachfolger anstellen, die massive Zweifel an dessen Eignung als Vorstand der Holler-Stiftung aufkommen ließen. Anfang November nahm er daher dessen „Vorschlag“ an, die Holler-Stiftung zum Jahresende wieder zu verlassen. Das Kuratorium stimmte dem auf seiner nächsten Sitzung zu und löste den Dienstvertrag mit 262

Klaus Kaminsky

Wirkung vom selben Tage auf. Die Bezüge liefen vertragsgemäß bis zum 6. September 2000 weiter, was den Stiftungsetat belastete.17 Einen weiteren Versuch, auf dem freien Markt einen Nachfolger für Jürgen Schow zu finden, wagte man nicht. Doch stand mit Klaus Kaminsky bald „eine langjährige Führungskraft der Holler-Gruppe“ als neuer Stiftungsvorstand bereit, allerdings erst von der zweiten Jahreshälfte 2001 an. Darum wurde Schows Dienstvertrag bis zum 30. September 2001 verlängert.18 Am 1. Dezember 2000 beschloss das Kuratorium, per 1. Juli des nächsten Jahres, Kaminsky zum Vorstand zu berufen. Ihn zeichnete aus, dass er „die Stifterin persönlich noch gut gekannt“ hatte und mit „Entstehung und Entwicklung der Stiftung von Anbeginn vertraut“ war. Als „langjähriger Angehöriger der Holler-Gruppe“, so hält das Protokoll der Kuratoriumssitzung weiter fest, gewährleiste er „sicher in besonderer Weise die Kontinuität der weiteren Stiftungsarbeit“.19 Kaminsky war, wie die Gesamtheit der Mitarbeiter des VVD, nach dessen Verkauf von der Financial Services AG übernommen worden und gehörte deren Vorstand seit dem 1. Mai 1999 an.20 Am 27. Juni 2001 verabschiedete ihn die FS AG mit 59 Jahren zum Ende des Monats in den vorzeitigen Ruhestand. Zwischen dem 1. Juli und dem 30. September 2001 bildete Kaminsky gemeinsam mit Jürgen Schow den Vorstand der Holler-Stiftung, ehe er dieses Amt allein ausübte. Die Stiftung verpflichtete Schow vom 15. Oktober 2001 an noch sechs Monate als Berater21 und verabschiedete ihn Ende 2002 mit einem ansehnlichen Sonderbonus.22 Klaus Kaminsky beließ seinen Lebensmittelpunkt in Wolfsburg und pendelte nicht selten zweimal wöchentlich zwischen dort und München hin und her. Seit 1995 gehörte er dem Aufsichtsrat der Volksbank Wolfsburg eG an, von 1998 an als dessen Vorsitzender. Im Geschäftsjahr 2005 fusionierten die Wolfsburger und die Braunschweiger Volksbank. Kaminsky wurde stellvertretender Vorsitzender des Aufsichtsrates der Volksbank eG Braunschweig Wolfsburg.23 Schows Nachfolger besuchte die Begünstigten reihum und erstattete dem Kuratorium ausführliche Berichte.24 Im Frühjahr 2005 gab er Professor Dieter Vaitl, der seit 2001 das IGPP leitete, Gelegenheit, über die neue Ausrichtung des IGPP sowie über die Leistungen des B.I.O.N. in Gießen zu referieren.25 2005 ließ die Stiftung einen Wirt263

schaftsprüfer bei ihren Destinatären Routineprüfungen vornehmen; es gab keine Beanstandungen. Dank der frühzeitig geschaffenen Rücklagen und der Sonderausschüttungen der Wertschutz GmbH an die Stiftung verringerten sich die Mittelzuweisungen an die Destinatäre nach der Veräußerung des VVD nicht abrupt. Um den weiteren Rückgang der Zuwendungen abzufedern, beschloss das Kuratorium im Herbst 2005, den Rest der zweckgebundenen Rücklage nicht wie ursprünglich beabsichtigt in zwei, sondern in drei Tranchen für die Geschäftsjahre 2005, 2006 und 2007 auszuschütten.26 Nachdem die Holler-Stiftung 1999 eine EDV-Anlage hatte installieren lassen27, drang Kaminsky darauf, eine computergestützte Buchführung einzurichten. Er übernahm für München ein EDV-System, das die Wertschutz GmbH in Berlin bereits erfolgreich anwendete.28 Als 2002 altersbedingt ein Wechsel des Buchhalters anstand, führte er der Holler-Stiftung einen Fachmann zu, der die Buchhaltung auf den Stand der Zeit zu bringen vermochte. Gerhard Mattner, der pensionierte VVD-Chefbuchhalter, stellte sich einer doppelten Herausforderung. Begeistert von dem neuen EDV-System, gelang es ihm binnen kurzer Zeit, sich in die ungewohnte Tätigkeit für eine Stiftung und in die neue Software einzuarbeiten. Wenn auch die bisherige Buchhaltung vom Finanzamt als „sehr ordentlich“ gelobt worden war, hatte sie doch eine kontinuierliche exakte Gewinnermittlung als Voraussetzung für einen planvollen Umgang mit dem Stiftungsvermögen nicht erlaubt. Mattners Aufgabenfeld vergrößerte sich, und der Arbeitsumfang nahm in dem Maße zu, wie „mehr Bewegung“ in die Verwaltung des liquiden Vermögens kam.29 Für eine exakte Performance-Messung bedurfte es allerdings zusätzlicher Parameter, welche eine Buchführung nicht bereitstellen kann. Auch die Bestallung des Wirtschaftsprüfers Dieter Schütze endete. Wie im Frühjahr 1999 angekündigt, legte er seine Funktion aus gesundheitlichen Gründen im Herbst des Jahres nieder. Vom Kuratorium ermächtigt, prüfte der Vorstand mehrerer Angebote und entschied, die Kanzlei Dr. Ebner, Dr. Stolz & Partner GmbH, Stuttgart, die auch Niederlassungen in Berlin, dem Sitz der Wertschutz, und in München unterhält, mit der Prüfung des Jahresabschlusses und der Beratung in Steuerfragen zu beauftragen.30 Schows zeitweilig designierter Nachfolger hatte moniert, dass Schützes Honorar „unerklärlich hoch“ gewesen sei, sich fortan „bei unvergleichlich besserer Qualität“ jährlich mehr als 400 000 DM einsparen ließen.31 Schützes von Asta Holler angeordnete Bestallung, die einer Rente gleichgekommen war, verschwand aus der Satzung.32 Der Auftrag an die Firma Ebner Stolz & Partner wurde jährlich neu erteilt.33 Zum 15. April 2001 lief auch die Amtszeit der Kuratoriumsmitglieder einheitlich aus. Die Herren stellten sich durchweg für eine weitere Periode zur Verfügung.34 Vorsitzender und Stellvertreter wurden in ihren Positionen bestätigt.35 Als Jens Neumann 264

Ende 2004 aus dem VW-Konzern ausschied, entsandte das Unternehmen an seiner Stelle Finanzvorstand Hans Dieter Pötsch. Die Ablösung der Generation, welche die Holler-Stiftung aufgebaut und geprägt hatte, fiel in eine Zeit, da in Deutschland auch die bisherige Ordnung des Stiftungswesens an Grenzen stieß. Die Zahl der jährlichen Neugründungen hatte in den 1990er Jahren merklich zugenommen, und um die Jahrhundertwende konnte davon ausgegangen werden, dass dieser Boom angesichts einer absehbaren Flut zu vererbender Vermögen anhalten würde. Auf Bundes- wie auf Länderebene entstand Regelungsbedarf. Nachdem die Bundesregierung 2000 das „Gesetz zur weiteren steuerlichen Förderung von Stiftungen“ verabschiedet hatte, untersuchte eine Bund-Länder-Kommission unter Federführung des Bundesjustizministeriums den Reformbedarf auf dem Gebiet des Stiftungszivilrechts. Schlagworte wie Entbürokratisierung und Deregulierung, Transparenz und Stärkung der Stifterfreiheit prägten die Diskussion. Nicht zuletzt ging es darum, das Stiftungsrecht vom „obrigkeitsstaatlichen Muff“ zu befreien.36 Am 1. September 2002 trat das Gesetz zur Modernisierung des Stiftungsrechts37 in Kraft. Artikel 1 änderte die stiftungsrechtlichen Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Jedem Bürger stand nun ausdrücklich ein „Recht auf Stiftung“ zu. Entsprechend wurde der Begriff „Genehmigung“ – auch die Holler-Stiftung war 1990 noch genehmigt worden – durch „Anerkennung“ ersetzt. Ferner regelte das neue Gesetz die Voraussetzungen für die Errichtung von Stiftungen bürgerlichen Rechts bundeseinheitlich. Noch während die Bund-Länder-Kommission beriet und ehe das neue Stiftungszivilrecht 2002 ins Bürgerliche Gesetzbuch gelangte, legte die Bayerische Staatsregierung einen Entwurf zur Änderung des Bayerischen Stiftungsgesetzes vor, das gegenüber der Novelle von 1996 weitere Deregulierungen vorsah. Es ging um eine „Optimierung des stiftungsfreundlichen Klimas in Bayern“, und zugleich wollte der Freistaat wohl auch demonstrieren, dass er die Zuständigkeit des Bundes für ein umfassendes Stiftungsgesetz ablehnte. Am 1. September 2001 trat ein novelliertes Bayerisches Stiftungsgesetz in Kraft. Es unterstrich den Anspruch auf Genehmigung einer Stiftung und verpflichtete die öffentlichen Stiftungen, mit Ausnahme der kirchlichen, sich in ein allgemein zugängliches Verzeichnis eintragen zu lassen. Um die Stiftungsverwaltung zu erleichtern, baute es Genehmigungsvorbehalte ab, wandelte sie in eine Anzeigepflicht um oder verzichtete auf obligatorische Vorlagen. Der Wegfall der Anzeigepflicht betraf auch Vermögensumschichtungen. Galt bisher, dass Veräußerungserlöse für Grundstücke wieder in Immobilienvermögen angelegt werden mussten, enthielt das neue Gesetz dazu nur noch eine Sollvorschrift. Auch zu einem jährlichen Voranschlag waren die bayerischen Stiftungen nicht mehr verpflichtet.38 Etliche Rechtsgeschäfte galten als bewilligt, wenn die Aufsichtsbehörde nicht innerhalb von vier 265

Wochen widersprach.39 Ferner sieht das Bayerische Stiftungsrecht, wie außer ihm nur das hessische, eine gewisse Inobhutnahme der Stiftungen vor. Die Stiftungsaufsicht sollte diese bei der Erfüllung ihrer Aufgaben verständnisvoll beraten, fördern und schützen sowie ihre Entschlusskraft und Selbstverantwortung stärken.40 Nachdem Bayern bei der Reform des Stiftungsrechts vorausgeeilt war, bestand hier in den kommenden Jahren kein Bedarf an Veränderung mehr. Im November 2001 diskutierte das Kuratorium erstmals, ob die Stiftung in Zeiten niedriger Zinsen und unsicherer Börse Vermögen in Immobilien anlegen sollte, erlaubte doch die neue Stiftungsgesetzgebung eine flexiblere Handhabung solcher Geschäfte. Man befand jedoch, die langfristige Bindung von Kapital und die Gefahr von Leerstand sprächen dagegen. Das Aufsichtsgremium nahm „eine durchgehend kritische Haltung“ zu dieser Investitionsform ein und entschied, von Immobilienkäufen zunächst abzusehen. Sollte der Vorstand allerdings von einer „außerordentlich günstigen Anlagemöglichkeit dieser Art“ erfahren, wollte man die Frage erneut erörtern.41 Im Frühjahr 2002 wies die Stiftungsaufsicht „ausdrücklich“ darauf hin, dass nach neuerem Recht Erlöse aus Immobilienverkäufen nicht zwangsläufig wieder in Immobilien angelegt werden müssten. Doch vorerst mochte die Holler-Stiftung diese neue Freiheit nicht nutzen. 42 Der Dienstvertrag von Felix Reis, der als Betreuer des Portefeuilles der Holler-Stiftung ein Jahrzehnt lang eng mit Schow kooperiert hatte, endete zum 30. September 2001.43 Mitte 2004, nunmehr 75 Jahre alt, schied er auch als Delegierter des Verwaltungsrates der Assivalor sowie als Vorsitzender des Anlageausschusses aus und folgte Schow in den Ruhestand.44 Reis hielt selbst Ausschau nach einem Fachmann, der seine Aufgaben fortan wahrnehmen könnte. Zum 1. Oktober 2001 stellte die Holler-Stiftung Michiaysu Kono ein. Mit ihm wurde ein Volkswirt gewonnen, der über langjährige Erfahrungen im Effektenhandel verfügte. Kono trat bei der Holler-Stiftung ein, als die Terroranschläge vom 9. September 2001 einen ohnehin in Gang befindlichen wirtschaftlichen Abschwung noch beschleunigten und die Aktienkurse rasch fielen. Zu dieser Zeit war ein beträchtlicher Teil des Stiftungsvermögens über Spezialfonds in Aktien angelegt. Kono wunderte sich, dass die renommierte Bank, die diesen Fonds führte, nach „Nine Eleven“ nicht zum raschen Verkauf der Aktien riet. Im Aktienportfolio der Stiftung kam es daher zu beträchtlichen Wertverlusten. Ein Fonds, der ausschließlich Rentenpapiere enthielt, schnitt wesentlich besser ab. 2002 brachte keine Entspannung an der Börse. Der Vorstand führte zahlreiche Gespräche über alternative Anlagemöglichkeiten für den selbstverwalteten Wertpapierbestand.45 Doch mussten weiterhin „deutliche Wertverluste“ hingenommen werden, und gute Erträge ließen sich zunehmend schwieriger erzielen. Erst im Herbst des Jahres 2003 profitierte die Holler-Stiftung davon, dass 266

sich die Börse etwas belebte, was sich auch positiv auf den Rentenmarkt auswirkte. Es wurden weitere Anteile an einem Immobilienfonds mit guter Renditeerwartung erworben.46 2003 hielt Kaminsky verstärkt nach Immobilien Ausschau, in welche die Stiftung investieren könnte.47 Auch 2004 prüfte er weitere Objekte auf ihre Eignung als Anlage für die Stiftung.48 2004 kam es sowohl bei den verbliebenen Beteiligungsgesellschaften als auch bei den Finanzanlagen erstmals wieder zu erfreulichen Ergebnissen. Das von der Stiftung selbst verwaltete Wertpapiergeschäft ergab passable Dividenden und Kursgewinne. Im Frühjahr 2005 sprachen höhere Dividendenerwartungen wieder dafür, Rentenpapiere gegen Aktien einzutauschen.49 Kaminsky besuchte die verbliebenen operativen Unternehmen der Stiftung im Inund Ausland und berichtete dem Kuratorium ausführlich über deren Lage. Im Falle der Berliner Wertschutz GmbH, die seit 1993 nicht mehr die steuerlichen Vorteile der „Berlinpräferenz“ genoss, inzwischen auch ihre Rolle als „Mutter“ des VVD eingebüßt hatte und auf dem stark fragmentierten Berliner Markt nicht reüssierte, initiierte er Maßnahmen, welche deren Einnahmen aus dem Versicherungsgeschäft durch die Übernahme mehrerer Kundenbestände erhöhen sollten.50 Doch ging in Berlin zugleich Geschäft verloren; Prämienreduzierungen minderten die Einnahmen zusätzlich.51 Kaminsky, im Versicherungsmarketing zu Hause, bemühte sich mit Nachdruck, das Wachstum im Neugeschäft der Wertschutz GmbH, etwa durch weitere Bestandszukäufe, nachhaltig zu sichern.52 Nach der Veräußerung der Geschäftsanteile am brasilianischen VVD und an der dortigen Assivalo im Sommer 2001 wurden die Erlöse unter Berücksichtigung der Buchwerte der Umschichtungsrücklage zugeführt. Die Anlage erfolgte zinsbringend in Brasilien, da die brasilianischen Devisengesetze einen Transfer nach Deutschland verboten. Die Ausschüttung an den Hermann-Gmeiner-Fonds von Brasilien aus wurde beibehalten.53 2002 erwog man, das in Brasilien verwaltete Kapital in zwei Tranchen vollständig abzubauen. Die Gelder sollten der brasilianischen Kinderdorf-Organisation überlassen, in Deutschland mit dem Hermann-Gmeiner-Fonds verrechnet und hier dem Grundstockvermögen der Stiftung zugeschlagen werden.54 Doch der Kapitalmarkt in Brasilien entwickelte sich überraschend günstig, so dass dieser Schritt unterblieb.55 Bald zeichnete sich ab, dass den Erträgen aus dem brasilianischen Vermögen der Holler-Stiftung immer größeres Gewicht bei der Erfüllung des Stiftungszweckes zukam. „Brasilien, ein Land der Zukunft“ – Stefan Zweigs Vision begann sich zu erfüllen. Klaus Kaminskys fünfjährige Amtsperiode als Vorstand hätte bis zum 30. Juni 2006 gedauert. Bereits im Oktober 2003 erklärte er seine Bereitschaft, den Vertrag um drei Jahre verlängern zu lassen, und wechselte mit dem Vorsitzenden des Kuratoriums eine gegenseitige schriftliche Absichtserklärung.56 Als er jedoch im Winter 2004/05 267

erkrankte, entschied er sich, seine Tätigkeit in München aufzugeben und einen Nachfolger zu suchen. Ein Personalberater, an den der Kuratoriumsvorsitzende ihn verwiesen hatte, stellte ihm Christoph-Marc Pressler vor. Der promovierte Jurist hatte als Leiter eines Family Office jahrelang „altes“ privates Großvermögen verwaltet, verstand sich also auf den vorwiegend werterhaltenden Umgang mit Anlagen. Danach arbeitete er anderthalb Jahrzehnte lang für eine Bank. Dort baute er den noch jungen Dienstleistungszweig des Private Banking auf und erwarb nicht zuletzt eine Zusatzqualifikation als „Certified Financial Planner“, einem gerade sich herausbildenden Berufsfeld. Doch davon erfuhr Kaminsky zunächst nichts. Dass Pressler als zukünftiger Vorstand spezifisches Know-how in die Stiftungsarbeit würde einbringen können, das er im Bankwesen anderthalb Jahrzehnte lang auf der „Anbieterseite“ gesammelt hatte und auch mit den innenstädtischen Immobilienmärkten der wichtigsten deutschen Metropolen vertraut war, spielte daher keine Rolle, als Kaminsky sich entschied, ihn dem Kuratorium als Kandidaten für seine Nachfolge zu präsentieren. Im März 2005 beschloss das Gremium, Pressler einzustellen.57 Vom 1. Juli an arbeitete Kaminsky seinen Nachfolger ein. Zum 1. Dezember 2005 erteilte die Stiftungsaufsicht diesem die Vertretungsbefugnis.58 Im März 2006 nahm Klaus Kaminsky zum letzten Mal an einer Kuratoriumssitzung teil. In die Zeit der Einarbeitung Presslers fällt die Eliminierung eines Anachronismus in der Stiftungssatzung. Was seine Zusammensetzung betraf, hatte das Kuratorium nämlich noch keine Konsequenzen aus dem 1999 erfolgten Verkauf des VVD gezogen. Dass die Allianz-Tochter Frankfurter Versicherungs-AG einst größter Partner des VVD gewesen war, spielte inzwischen keine Rolle mehr. Nicht, wie es in der Satzung nach wie vor hieß, ein „Mitglied des Vorstandes der Allianz AG … oder der Frankfurter Versicherungs-AG“ sollte daher fortan dem Kuratorium angehören, sondern eine „Unternehmerpersönlichkeit der Wirtschafts- oder Finanzbranche“, berufen von den restlichen Mitgliedern.59 Auch die Entsendung eines Mitgliedes des Vorstandes der Volkswagen AG ins Kuratorium ließ sich nicht mehr rechtfertigen, und dieses beschloss, die Satzung auch in diesem Punkt zu ändern. Ein neuer Paragraph legt seither fest, dass dem Kuratorium der Holler-Stiftung „zwei Unternehmerpersönlichkeiten der Wirtschafts- oder Finanzbranche, die jeweils einzeln durch Beschluss der Mitglieder des Kuratoriums berufen werden“, angehören sollen.60 Zu zwei Fünfteln wird sich das Kuratorium also fortan durch Kooptation rekrutieren, zwei Mitglieder bestimmt die Stiftung als Anteilseigner der Wertschutz und der Assivalor. Eine Besetzung des Kuratoriums durch Kooptation entspricht dem in Stiftungen mit zweigliedriger Organstruktur üblichen Verfahren.61 Bei Gleichheit der Stimmen zählt die des Vorsitzenden in einer zweiten Abstimmung doppelt.62 Im Frühjahr 2006 nahm erstmals August François von Finck, der Sohn des bisherigen Kuratoriumsvorsitzenden, als 268

Christoph-Marc Pressler

Gast an einer Sitzung teil.63 Die Agricola Verwaltungsgesellschaft KG, der in der Nachfolge der Finckschen Handels- und Beteiligungs-KG nun ein Sitz im Kuratorium der Holler-Stiftung zustand, beabsichtigte, ihn an Stelle seines nunmehr 76-jährigen Vaters zu entsenden. Im September 2007 wählte das Kuratorium August François von Finck zu seinem Vorsitzenden.64 Der neue Vorstand ChristophMarc Pressler trat sein Amt an, als das Stiftungswesen in Deutschland an Gewicht gewann und zunehmend ins öffentliche Interesse rückte. Der Bundesverband deutscher Stiftungen, dessen Bedeutung in den vorhergehenden zwei Jahrzehnten rasch gewachsen war, formulierte Anfang 2006 die „Grundsätze guter Stiftungspraxis“. In der Präambel heißt es, dass Stiftungen zu gründen „lebendiger Ausdruck von Freiheit und Verantwortung der Bürger“ sei. Die gesellschaftliche Bedeutung und Funktion von Stiftungen müsse sich widerspiegeln in einer verantwortungsvollen Ausführung der von den treuhänderisch wirkenden Stiftungsorganen übernommenen Verpflichtungen. Die Präambel fordert weiter, das Bewusstsein aller Beteiligten „für die Vermeidung von Interessenkonflikten, für die angemessene Transparenz bei der Zweckverwirklichung und für die Effizienz der Mittelverwendung“ zu schärfen.65 Die in den „Grundsätzen“ aufgezählten Selbstverpflichtungen sind geeignet, das Ansehen von Stiftungen in der Gesellschaft zu heben. Von der Veröffentlichung eines Porträts der Stiftung, wie es zum Beispiel die Erich und Liselotte Gradmann-Stiftung als Mitglied des Initiativkreises Stuttgarter Stiftungen getan hatte66, sah das Kuratorium der Holler-Stiftung 2006 jedoch noch ab. Ein „Kurzporträt“, das der Vorstand vorlegte, verschwand vorerst in der Schublade.67 In der obligatorischen Internet-Präsentation der Holler-Stiftung im Verzeichnis des Bayerischen Landesamtes für Statistik und Datenverarbeitung wird als Stiftungszweck: „die Förderung der Jugendfürsorge, die menschliche und medizinische Betreuung Schwerkranker, die Förderung der Wissenschaft sowie der Kunst und Kultur“ genannt. Aus dieser Formulierung geht 269

nicht hervor, dass die Stiftungszwecke testamentarisch festgelegt sind und die Stiftung darüber hinaus keine Anträge auf Förderung entgegennehmen kann. Im Frühjahr 2007 betraute die Stiftung eine Historikerin damit, Leben und Werk des Stifterehepaares, das Zustandekommen der Stiftungszwecke und das Wirken der Stiftung in den ersten zwanzig Jahren ihres Bestehens zu untersuchen und die Ergebnisse als Monographie niederzuschreiben. In Bayern, wo die Zahl der jährlich neu errichteten staatlich anerkannten rechtsfähigen Stiftungen seit 2000 konstant zwischen 138 und 170 gelegen hatte, kam es 2007 zu 222 Neugründungen. Dies verdankte sich nicht zuletzt dem Gesetz zur weiteren Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements vom 10. Oktober 2007, mit dem der Bund die steuerrechtlichen Rahmenbedingungen für Stifter nochmals erheblich verbesserte.68 Bis 2008 stieg die Zahl der nichtkirchlichen rechtsfähigen Stiftungen in Bayern auf insgesamt knapp 3000. Für die Stiftungsaufsicht mit ihren „knappen personellen Ressourcen“ stellte das eine große Herausforderung dar.69 Im Herbst 2007 hält das Protokoll einer Kuratoriumssitzung fest, dass Bestätigungsschreiben der Regierung von Oberbayern zu den von der Stiftung übersandten Jahresabschlüssen für 2005 und 2006 „wegen amtseitiger Arbeitsüberlastung“ noch ausstünden.70 Nicht zuletzt um den Rückstau bewältigen zu können, trat in Bayern im Sommer 2008 ein umfassend reformiertes Stiftungsrecht in Kraft. Es enthält nur noch 29 statt vorher 43 Artikel, berücksichtigt umfassend das 2002 vom Bundesgesetzgeber neu geregelte Stiftungszivilrecht und soll, wie Wissenschaftsminister Thomas Goppel betonte, Stiftungsorganen wie Aufsichtsbehörden „die Arbeit im Dienst an der guten Sache“ erleichtern. Das betraf hauptsächlich die Vermögensverwaltung, die Beschränkung der bisherigen Genehmigungs- und Anzeigenvorbehalte auf besonders riskante Fälle sowie eine deutliche Vereinfachung und somit Verbilligung der Rechnungsprüfung.71 Gab die Buchführung einer Stiftung über mindestens fünf Jahre keinen Grund zu Beanstandungen, konnten die Stiftungsaufsichtsbehörden fortan bis zu drei Jahre von einer Prüfung der Jahresrechnungen absehen. Stiftungssatzungen hatten Vorschriften über Rechtsstellung und Art der Stiftung sowie über Bildung, Zusammensetzung und Aufgabe der vorgesehenen Stiftungsorgane zu enthalten.72 Anhand einer Mustersatzung der Regierung von Oberbayern konnte die Holler-Stiftung ihre Satzung rasch dem neuen Gesetz anpassen, wobei es vorwiegend um redaktionelle Korrekturen ging.73 Die reformierte Stiftungsgesetzgebung entlastete die Aufsichtsbehörden und vergrößerte die Entfaltungsmöglichkeiten der Stiftungen. Auch der Holler-Stiftung eröffneten sie neue Spielräume.

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Anmerkungen

Einleitung 1 2 3 4

Vgl. Kocka und Lingelbach. Vgl. Fest. Herzog, S. VII. Feldman, S. 14.

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Diese und weitere Informationen über die Familie Holler entstammen einer Sammlung von Dokumenten, die Felix Reis, der Enkel Christian Friedrich Hollers, freundlicherweise dem Historischen Archiv der Holler-Stiftung überlassen hat (HAHSt Sammlung Reis). 1923, auf dem Höhepunkt der Inflation, übernahm die Allianz AG das gesunde Unternehmen und konnte ihre Geschäftsverbindungen mit einem Schlag erheblich ausweiten. Borscheidt, S. 52 f. Kegel, S. 61–69. Bestimmungen über die Aufnahme von Zöglingen in das Königlich Bayerische Kadettenkorps, München 1912, S. 1, HAHSt Sammlung Reis. Hauptmann Hacker an Christian Friedrich Holler vom 3. 12. 1913, ebd. Konfirmationsurkunde Christian Hollers, ebd. Reifezeugnis Christian Hollers vom 13. 7. 1918, ebd. Auskunft Drewes vom 22. 5. 2008. Personalakte Christian Holler, BA Zentralnachweisstelle LP-54727. Stäbler, S. 2 f. Postkarte Christian Hollers an seine Eltern vom 10. 5. 1919, HAHSt Sammlung Reis. Stäbler, S. 3. Zeugnis vom 29. 12. 1920, HAHSt Sammlung Reis. Vertrag vom 19. 11. 1920 und Zeugnis vom 30. 3. 1922, ebd. Vertrag vom 23. 3. 1922 und Zeugnis vom 31. 12. 1923, ebd. Testament der Eheleute Christian und Christine Holler vom 25. 2. 1923, ebd. Feldman, S. 29. Wandel, S. 22 ff. Feldman, S. 37. Zeugnissse aus den Jahren 1920–1923, HAHSt Sammlung Reis. Vgl. Vereinbarung vom 22. 11. 1948, HAHSt Korrespondenz Holler 1945–1951. Auskunft der Firma Marsh & McLennan (Frankfurt/M.) vom 22. 5. 2007. Das Amtsgericht Stuttgart verwahrt keine Handelsregistereinträge aus der Zeit vor 1955. Festschrift Gradmann. Rebentisch, S. 438 ff. Meldebogen Erich Gradmann, Staatsarchiv Ludwigsburg PL 530. Mitteilung des Bundesarchivs vom 11. 09. 2007. Allianz an Gradmann vom 1. 4. 1970, FHA Gradmann & Holler allgemeine Korrespondenz ab 1. 1. 1952. Auskunft Spielberger vom 25. 3. 2008; Auskunft Stroh vom 31. 8. 2007. In einem gemeinsamen Testament mit seiner Frau gab Christian Friedrich Holler 1923 keinen kaufmännischen Beruf an, sondern ließ sich als „kgl. Bayr. Oberst a. D.“ titulieren. HAHSt Sammlung Reis. Vertrag zwischen der Allianz Versicherungs-Aktien-Gesellschaft in Berlin und der Firma Gradmann & Holler in Stuttgart vom 16./23. 10. 1926, AMM. Borscheid, S. 43 f. Schriftliche Auskunft Spielberger vom 25. 3. 2008. Borscheid, S. 45.

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Ebd., S. 59 f. Ebd., S. 49 ff.

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Bereits eine Woche später, am 23. 10. 1926, wurde eine Neufassung unterschrieben, die § 13 der ersten Version änderte. Vertrag zwischen der Allianz Versicherungs-Aktien-Gesellschaft in Berlin und der Firma Gradmann & Holler in Stuttgart vom 16./23. 10. 1926, AMM. Manes, Versicherungswesen, S. 741. Gewinnabrechnung 1940–1945 vom 28. 1. 1947, HAHSt Korrespondenz Holler 1945–1950. Feldman, S. 58. Vertrag zwischen der Allianz Versicherungs-Aktien-Gesellschaft in Berlin und der Firma Gradmann & Holler in Stuttgart vom 16./23. 10. 1926, AMM. Dass Christian Holler von Beginn an im Geschäft war, geht u. a. aus einem Brief hervor, den er zu Weihnachten 1945 an die Belegschaft von G&H in Berlin schrieb. Holler an Belegschaft Berlin vom 13. 12. 1945, HAHSt Korrespondenz Holler 1945–1951. Feldman, S. 38 f. Borscheid, S. 49 ff. Manes, Versicherungszweige, S. 748. Borscheid, S. 356. Münchener Rückversicherungsgesellschaft, S. 27; Borscheid, S. 356. Zit. n. ebd., S. 357. Erich Gradmann an Pohl vom 8. 9. 1960, FHA Gradmann & Holler Allgemeine Korrespondenz ab 1. 1. 1952. Auskunft Preisendanz vom 10. 3. 2008. 1926/27 wurden auch die Transformatoren der Neckarwerke mit 48 400 RM versichert. Gradholl Geschäft seit 1924, FHA Gradmann & Holler Allgemeine Korrespondenz bis 1. 1. 1952. Erst 1929 wurde auch Baden dem Bereich der Landesdirektion Stuttgart zugeordnet (Borscheid, S. 59). Gradholl Geschäft seit 1924 (ohne Verträge, die vor 1951 erloschen waren, HE), FHA Gradmann & Holler Allgemeine Korrespondenz bis 1. 1. 1952. Diese beiden Unternehmen verwaltete später nicht Berlin, sondern Stuttgart, wohin das Frankfurter Büro 1931 verlegt wurde. Anlage zu Rummetsch an Holler vom 7. 11. 1946 und Liste vom 28. 1. 1947, HAHSt Korrespondenz Holler 1945–1950. Vgl. schriftliche Auskunft Spielberger vom 25. 3. 2008. Bohn und Marschall, S. 113 f. Herzig, S. 134 f.; Pohl, S. 67 ff. Borscheid, S. 359. Bohn und Marschall, S. 115. Borscheid, S. 482. Vertrag zwischen der Allianz Versicherungs-Aktien-Gesellschaft in Berlin und der Firma Gradmann & Holler in Stuttgart vom 16./23. 10. 1926. AMM. Notiz vom 9. 11. 1946 betr. Provisionssätze der Firma Gradmann & Holler, FHA Gradmann & Holler Allgemeine Korrespondenz bis 1. 1. 1952. Festschrift Gradmann. Rohrbeck, S. 432. Müller, Johannes, S. 681. Borscheid, S. 199. Feldman, S. 55. GB der Allianz 1929, S. 10, FHA Geschäftsberichte. GB der Allianz 1931, S. 10, ebd.

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Feldman, S. 59. Gradholl Geschäft seit 1924, FHA Gradmann & Holler allgemeine Korrespondenz bis 1. 1. 1952.

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Heiratsurkunde vom 7. 12. 1933, HAHSt Nachlass Holler. Auskunft Böckli vom 28. 09. 2007. Röm. Kath. Pfarramt Maria-Treu, Matriken 1904. Auskunft Barths vom 12. 7. 2009. Auskunft Stroh vom 31. 08. 2007 und Kiep vom 11. 09. 2007. Krankenhaus-Sonderanlage Marienheide, Zeugnis für Asta Holler vom 31. 8. 1945, HAHSt Nachlass Holler. Urbanski, S. 123. Dieses Gerücht hielt sich in Stuttgart. Auskunft Neuser-Gröber vom 7. 7. 2008. Womöglich stand die spätere Asta Holler während der Weltwirtschaftskrise in Beziehung zu dem Architekten Fritz August Breuhaus, der sich durch Anhängen des Künstlernamens „de Groot“ gewissermaßen selbst nobilitiert hatte und dessen private Kunstgewerbeschule „Contempora“ sie Anfang der dreißiger Jahre in Berlin besucht haben könnte. Vgl. URL:http://www.fritz-august-breuhaus.com/breuhaus-vita.html (12. 5. 2010). Auskunft Röm. Kath. Pfarramt St. Othmar vom 3. 10. 2007. Mit „Landwehr“ wurden zu dieser Zeit die stehenden Nationalheere in Österreich und Ungarn im Gegensatz zur gemeinsamen k. k. Armee bezeichnet. Ödenburg liegt gut 20 km von Hornstein entfernt und gehört seit 1919 zu Ungarn. Todfallsaufnahme Josef Griessler vom 19. 06. 1934, WStLA Todfallsaufnahmen. H. Mestre-Bukwich an Reis vom 10. 4. 1990, HAHSt HA Obst II. Bei Asta Hollers Urgroßmutter handelt es sich vermutlich um Theodora Ennser, geb. Werdmüller von Elgg, die Tochter eines niederösterreichischen Papierfabrikanten (Geburts- und Taufschein des 1842 geborenen Alfred Ennser, HAHSt Testamente). Hans Felix Werdmüller, der einem angesehenen Zürcher Ratsgeschlecht entstammte, kaufte 1712 die Burg Elgg, gelegen in der gleichnamigen Gemeinde im Konton Zürich, mit allen zugehörigen Rechten und schuf daraus einen Fideikomiss. Die Werdmüller übten die niedere Gerichtsherrschaft über Elgg bis zur Helvetischen Revolution aus. Heute befindet sich die Burg im Besitz der Familienstiftung Werdmüller. URL:http://www.burgenwelt.de/dickemauern/elgg/geke.htm (18. 6. 2010). Die Familie ist weitverzweigt. URL:http://www.swisscastles.ch/Zurich/schloss/elggd.html (18. 6. 2010). Todfallsaufnahme Josef Griessler vom 19. 06. 1934, WStLA Todfallsaufnahmen. Darüber informiert eine Tafel, die sich an dem Haus befindet. Die Georgsgasse heißt heute Loidoldgasse. Hamann, S. 393 ff. Klusacek und Stimmer, S. 61 ff. Todfallsaufnahme Josef Griessler vom 19. 06. 1934, WStLA Todfallsaufnahmen. Die Pfarrkanzleien nahmen die Schreibweise von Namen seinerzeit noch nicht allzu genau. 1906, zwei Jahre nach Josepha Rosas Geburt, erschien in Wien „Josefine Mutzenbacher. Die Geschichte einer Wienerischen Dirne“ – ein kinderpornografischer Roman. Die vielen Josefines, die damals in Wien heranwuchsen, hätten danach vermutlich lieber anders geheißen. URL: http://www.wien.gv.at/kultur/archiv/geschichte/ueberblick/stadtwachstum. html (7. 5. 2010). Todfallsaufnahme Josef Griessler vom 19. 06. 1934, WStLA Todfallsaufnahmen. AJS Acoton Projektmanagement & Bauträger Gesmbh. & Co KEG, Bau- und Ausstattungsbeschreibung Dachgeschossausbau Josefstädter Straße 14, URL:http://www. acton.at/projekte/josefstadt/Bau_Ausstattungsbeschreibung.pdf (15. 2. 2009). Vgl. Zimmer. Auskunft Böckli vom 28. 9. 2007. Schreiben Sr. Christl Öhlinger, Sacré Coeur, Wien, vom 1. 3. 2008. Schreiben Sr. Eva Milcsinszky, Unsere Liebe Frau von Sion, Wien, vom 22. 5. 2008.

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Auskunft Barths vom 18. 2. 2008. Vgl. Zima. Ob sie sich jetzt tatsächlich mit „f“ schrieb oder das Schreiben des Archivs einen Übertragungsfehler enthält, bleibt offen. Vgl. Wiener Stadt- und Landesarchiv (Magistratsabteilung 8), Stadtwachstum ab Mitte 19. Jahrhundert – Stadtgeschichte Wiens, URL:http://www.wien.gv.at/kultur/archiv/geschichte/stadtwachstum.html (15. 2. 2009). Todfallsaufnahme Josef Griessler und Geburts- und Taufbuch Pfarrkanzlei Maria-Treu, Wien. Laut „Lehmann“ wohnte Josefine Griessler 1925 noch in der Josefstädterstr. 14. Der „Lehmann“ von 1926 verzeichnet weder Josef Griessler noch Josefa oder Josefine Adamek in der Josefstädter Straße 14, aber fortgesetzt Koloman Münzl. Auskunft Pfarrkanzleisekretärin Maria-Treu, Wien, vom 27. 6. 2008. Aber auch Astas zweite Heirat ist in den Matriken der Taufkirche nicht vermerkt. Schreiben der Gemeinde Wien, MA 35, vom 24. 9. 2009 und Schreiben WStLA vom 5. 10. 2009. Der „Lehmann“ weist Viktor Adamek allerdings erst seit 1929 unter dieser Anschrift aus, während er ihn bis dahin in der Märzstraße 60 führt, zugleich Firmenanschrift einer Konditorei. Die Heimatrolle dokumentierte in Österreich (-Ungarn) bis 1939 die Zugehörigkeit eines Bürgers zu einer Gemeinde. Wer hier eingetragen war, hatte u. a. Anspruch auf Armenpflege in Notlagen. Schreiben Magistrat der Stadt Wien, MA 35, Einwanderung – Staatsbürgerschaft – Standesamt vom 30. 9. 2008. Auskunft Messner (Schneiderin Asta Hollers in München) vom 22. 3. 2010. Norderneyer Badezeitung, div. Ausgaben Sommer 1932; Amtliches Melderegister Norderney Jg. 1932, Stadtarchiv Norderney. Auskunft Manfred Bätje (Stadtarchivar Norderney) vom 29. 3. 2010. URL:http://www.mein-norderney-urlaub.com/norderney-geschichte.html (6. 5. 2010). Fotografien, HAHSt Nachlass Christian Holler. Auskunft Sawilla vom 18. 02. 2009. So die Urteile von Antiquaren und Kunsthistorikern, denen die Arbeiten vorgelegt wurden. Besonders danke ich Henrike Junge-Gent für ihre einfühlsame Expertise, sowohl was die Zeichnungen als auch was die Texte angeht. Mani, S. 30. Das geht aus der Heiratsurkunde und aus dem Adressbuch hervor. Der zweite Trauzeuge, Kaufmann Franz Morche, wohnte in der Schlüterstraße. WOGA steht für Wohnungs-Grundstücks-Verwertungs-Aktiengesellschaft. Berliner Adressbuch 1933. Auskunft Preisendanz vom 10. 3. 2008. Todfallsaufnahme Josef Griessler vom 19. 06. 1934, WStLA Todfallsaufnahmen. Ebd. „Lehmann“, verschiedene Jahrgänge. Mestre-Bukwich an Reis vom 25. 3. 1990, HAHSt HA Obst II. Auskunft Stroh vom 31. 8. 2007 und vom 4. 6. 2009. Die weitläufige Anlage der Bitterstr. 8–12 war zwischen 1914 und 1919 als Wohnhaus eines Luftfahrtindustriellen erbaut worden. URL:http://library.vetmed.fu-berlin.de/digiarch/einzelkategorie17.html (25. 5. 2010). Noch das Einwohnerverzeichnis des Berliner Adressbuchs von 1943 weist Christian Holler als den Eigentümer dieses Hauses aus, während er im Straßenverzeichnis als Eigentümer des Hauses Amselstraße 18 erscheint. Das Straßenverzeichnis weist für die Bitterstr. 8–12 durchweg andere Eigentümer aus. Berliner Einwohnermeldekartei von 1875–1960, LA Berlin B Rep. 021 (Auskunft des LA Berlin vom 15. 11. 2007). Für Christian Holler ist in Berlin keine Meldekarte überliefert; im Adressbuch taucht er in der Bitterstraße 8–12 erstmals 1936 auf.

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Der Redaktionsschluss des Adressbuchs lag im Dezember 1933; da die Heirat schon vorher geplant gewesen sein musste, hätte es zu einem Eintrag gereicht. Mutmaßung der Pfarrkanzleisekretärin Conny Schmidt vom 26. 2. 2008. Obst an Schmitt vom 16. 5. 1990, HAHSt HA Obst II.

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Vgl. Tooze. Feldman, S. 120. Erst ein Machtwort Hitlers, der Ende 1938 jede weitere Diskussion über eine Verstaatlichung untersagte, verschaffte den Gesellschaften in den Folgejahren eine einigermaßen gesicherte Position. Dabei fiel offenbar die Bedeutung, welche den privaten Versicherungskonzernen für den deutschen Außenhandel zukam, ins Gewicht. Ebd., S. 214, 217, 226 f. Ebd., S. 102. Frey, S. 68. Feldman, S. 135. Ebd., S. 128 u. S. 206. Skrodzki, S. 16. Vorberg, S. 50. Mönnichs, S. 2 f. Vorberg, S. 51. Mönnichs, S. 1. Sachs, S. 57. Gezählt wurden alle Einzelpolicen der Gruppen. Feldman, S. 155 f. Hachtmann, S. 409. Feldman, S. 336. Hachtmann, S. 257. Mönnichs, S. 3. Vgl. Alexander Moszkowski, Das Panorama meines Lebens, URL: http://gutenberg.spiegel.de/index. php?id=19&autorid=762&autor_vorname=Alexander&autor_nachname=Moszkowski&cHash=b31bba e2c6 (16. 2. 2010). Vgl. An., Intermezzo Berlin – Wiener in Berlin 1890–1933, 12. Jüdische Kulturtage, November 1996, Ausstellungsprogramm, URL: http://www.hagalil.com/archiv/98/11/ kultur.htm (16. 2. 2010). Die IHK Mannheim in der Besatzungszeit 1945–1949, in: IHK Wirtschaftsmagazin Rhein-Neckar, H. 11/2006, S. 12. Hammerbacher an Asta Holler vom 14. 5. 1954, HAHSt Nachlass Holler. Auszug aus der Grabrede Theodor Boveri im Juli 1964, in: Der Kontakt, Hauszeitung der BBC, 4/1964. Preisendanz berichtet, dass Marga Nutz, die Berliner Sekretärin und rechte Hand Christian Hollers, diese Version kolportiert habe. Auskunft Preisendanz vom 10. 3. 2008. Jahresprämien rd. (von Gradmann im Mai 1946 aus dem Gedächtnis angefertigte Liste, HE), HAHSt Korrespondenz Holler 1945–1951. Roland, S. 71, 77 u. 134. Verschiedene Korrespondenz aus der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg, ERGO-Archiv A0302-00018 Bd. 01. Auskunft Reis vom 23. 1. 2007. Ein „Vertrauliches Mitteilungsblatt für den Abschluss von Gruppenversicherungen“ aus dem Jahre 1938 führt BBC in der Liste derjenigen Firmen auf, die einen Vertrag bereits abgeschlossen hatten. BBC steht in der Gruppe seiner Branche zuoberst, was auf eine hohe Versicherungssumme schließen lässt. ERGOArchiv A0110-0069.

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Gradmann erwähnt die Vorzugsprovision in einem Brief an Holler vom 11. 5. 1946. HAHSt Korrespondenz Holler 1945–1951. Wir wissen von der Neufassung des Vertrages nur, weil eine Vereinbarung zwischen Holler und Gradmann aus dem Jahre 1948 eine solche erwähnt. Betr.: Gesellschafter-Vertrag vom 22. 11. 1948, HAHSt Korrespondenz Holler 1945–1951. Festschrift Gradmann. Der Vertrag galt als abgeschlossen zwischen allen Landesdirektionen der Allianz und Stuttgarter Verein Versicherungs-Aktien-Gesellschaft sowie sechs weiteren, namentlich genannten Gesellschaften, die dem Konzern angehörten. Neugestaltung des Vertrages zwischen der Allianz Versicherungs-Aktien-Gesellschaft in Berlin und der Firma Gradmann & Holler in Stuttgart vom 23. 10. 1926 vom 20./27. 3. 1936, AMM. „Führend“ ist diejenige Gesellschaft, die im Falle einer selbständigen Beteiligung mehrerer Versicherer an einer Versicherung den Geschäftsverkehr mit dem Versicherungsnehmer für alle Versicherer verbindlich übernimmt. Bolwig, S. 85. Die Rückseite eines solchen Bogens verwendete Gradmann am 2. 8. 1946. HAHSt Korrespondenz Holler 1945–1951. Borscheid, S. 356 Münchener Rückversicherungsgesellschaft, S. 27. Zit. n. Borscheid, S. 356. Geschäftsberichte der Allianz AG 1934–1939, FHA Geschäftsberichte. Entwurf eines Schreibens Gradmanns an Meyer (Allianz-Vorstand) vom 2. 3. 1965, AMM. Zitiert ist diejenige Version des Entwurfes, die nach handschriftlichen Korrekturen als die endgültige angesehen werden darf. Borscheid, S. 361 f. Dazu einschlägig nach wie vor Petzina. Zit. n. Borscheid, S. 362. Programmatische Reden über Fragen der Elektrizitätswirtschaft, Sonderdruck aus „Elektrizitätswirtschaft“, Nr. 28 vom 5. 10. 1935, zit. nach Drieschner/Schulz, S. 3. Das Gesetz schrieb u. a. die Anzeige und Genehmigung für Bau, Erneuerung, Erweiterung und Stilllegung von Energieanlagen vor. Herzig, S. 140. Pohl, S. 132. Es sind lediglich ein von der Allianz-Maschinenabteilung 1952 angelegtes Verzeichnis „G & H jährl. Präm.-Einnahmen, 1924/35–1951/52“ sowie eine von Gradmann im Mai 1946 aus dem Gedächtnis angefertigte Liste „Jahresprämien rd.“ überliefert. FHA Gradmann & Holler allgemein; HAHSt Korrespondenz Holler 1945–1951. Bis dahin gelöschte Policen, Großlebensversicherungen und von Gradmann & Holler für andere Gesellschaften als die Allianz akquirierte Verträge haben keine Spuren hinterlassen. Gradmann an Holler vom 27. 12. 1945, HAHSt Korrespondenz Holler 1945–1951. Allianz Versicherungs-Aktiengesellschaft Maschinen-Versicherung (Berlin) an Maschinen-Abteilung der Allianz-Direktion für die Westzonen (Hamburg) betr. Firma Gradmann & Holler vom 9. 9. 1946, FHA Gradmann & Holler allgemein. Deutsche Industrie-Versicherungsstelle GmbH an Gradmann & Holler vom 30. 3. 1940, HAHSt Korrespondenz Holler 1945–1950. Die Gewinnbeteiligung wurde zum 1. Januar 1946 wieder aufgehoben. AN Allianz Maschinen-Abteilung vom 15. 1. 1958 betr. Vertrag Gradmann & Holler, FHA Gradmann und Holler allgemein. Erst 1953/54 ließ sich die Allianz vom Bundesaufsichtsamt die Aufnahme dieser Sparte genehmigen. Geschäftsbericht der Allianz 1953/54, FHA Geschäftsberichte. Entwurf eines Briefes Gradmanns an Meyer vom 2. 3. 1965, AMM. Zitiert ist diejenige Version des Briefentwurfes, die nach Korrekturen Gradmanns als die endgültige angesehen werden darf. Gradmann & Holler traten zu dieser englischen Gesellschaft nach dem Zweiten Weltkrieg wieder in Geschäftsbeziehung. Holler an Nordhoff vom 31. 8. 1962, UVW 174/433/6.

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Borscheid, S. 484. Rede Stroh. Berechnet nach den Tabellen in Hachtmann, S. 111. In mittelbarer Nachbarschaft wohnten Zarah Leander, Leni Riefenstahl und Hildegard Knef, auch Martin Bormann, Heinrich Himmler und Hans Frank. An., Deutschlandradio. URL: http://www.fritz-august-breuhaus.com/breuhaus-vita.html (12. 5. 2010). Website gestaltet von Rüdiger Jordan und Ulrich Bücholdt. Mitteilung des LA Berlin über eine Recherche in der Berliner EMK vom 15. 11. 2007. Dass Asta Holler im Haus Amselstraße 18 zur Miete gewohnt haben soll, beruht entweder auf einem Irrtum beim Eintrag oder hatte steuerliche Gründe. Inventarisierung zum Zwecke des Abschlusses einer Sachschadenversicherung im Hause des Herrn Christian Holler, Berlin-Dahlem, Amselstr. 18, vom 25. 7. 1941 (Inventarisierung 1941), HAHSt Nachlass Holler. Landhausneubau für Herrn Christian Holler (Baupläne aus dem Jahre 1937), ebd. Inventarisierung 1941, ebd. Auskunft Müller vom 29. 5. 2007. Inventarisierung 1941, HAHSt Nachlass Holler. URL: http://www.fritz-august-breuhaus.com/breuhaus-vita.html (12. 5. 2010). Website gestaltet von Rüdiger Jordan und Ulrich Bücholdt. Handelsregisterabschriften, Notariatsurkunden, Börsenumsatzsteuerbescheid betr. Wertschutz GmbH, HAHSt Material Wertschutz. Auskunft Müller vom 29. 5. 2007.

Kapitel 5 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21

Feldman, S. 363, S. 409, S. 197, S. 204, S. 499, S. 416. Ebd., S. 232, S. 360, S. 468. Holler sen. an Holler vom 3. 5. 1940, HAHSt Briefwechsel 1939–1943. Personalakte Christian Holler, BA Zentralnachweisstelle LP-54727. Eltern Holler an Holler vom 6. 7. 1940, HAHSt Briefwechsel 1939–1943. Eltern Holler an Holler vom 13. 11. 1939, ebd. Frey, S. 138. Eltern Holler an Holler vom 6. 7. 1940, HAHSt Briefwechsel 1939–1943. Vgl. Friedländer. Personalakte Christian Holler, BA Zentralnachweisstelle LP-54727. Karl Ludwig Barths sei für die Hilfe bei der Interpretation der Personalakte Hollers gedankt. Engeli und Ribbe, S. 1010. Eltern Holler an Holler vom 26. 10. 1940, HAHSt Briefwechsel 1939–1943. Das bestätigten Reis und Preisendanz in mehreren Gesprächen. Personalakte Christian Holler, BA Zentralnachweisstelle LP-54727. HAHSt Fotosammlung. Anwesenheitslisten und Tagesordnungen der Kolonnenführerbesprechungen am 6. 2 und am 16. 5. 1941, BA-MA Freiburg RL 19/1140. Feldman, S. 27 ff. Ebd., bes. S. 153 u. S. 514 ff. Pohl, S. 150 ff. Deutsche Industrie-Versicherungsstelle GmbH an Gradmann & Holler vom 30. 3. 1940, HAHSt Korrespondenz Holler 1945–1950. Heß an Hammerbacher vom 28. 11. 1946 und vom 18. 1. 1947, HAHSt Korrespondenz Holler 1945–1950.

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Personalakte Christian Holler, BA Zentralnachweisstelle LP-54727. Vgl. Svetlana Vasiljevna Markova, Die Schlacht um Woronesh (Beitrag auf dem Kolloquium am 30. Januar 2003 in Potsdam zum 60. Tag der Schlacht von Stalingrad), URL: www.2i. westhost.com/bg/1_3.html (9. 9. 2008). Christine Holler an Holler vom 13. 2. 1943, HAHSt Briefwechsel 1939–1943. Christine Holler an Holler vom 26. 2., 5. 3 und 8. 3. 1943, ebd. Christine Holler an Holler vom 1. 3. 1943, ebd. Auskunft Reis vom 23. 6. 2008. Telegramm vom 11. 3. 1943, HAHSt Briefwechsel 1939–1943. Auskunft Reis vom 23. 6. 2008. Personalakte Christian Holler, BA Zentralnachweisstelle LP-54727. Auskunft Barths vom 18. 8. 08. Personalakte Christian Holler, BA Zentralnachweisstelle LP-54727. Gradmann erwähnt die Vorzugsprovision in einem Brief an Holler vom 11. 5. 1946. HAHSt Korrespondenz Holler 1945–1951. Wir wissen von der Neufassung des Vertrages nur, weil eine Vereinbarung zwischen Holler und Gradmann aus dem Jahre 1948 „Veränderungen“ erwähnt. Betr.: Gesellschafter-Vertrag vom 22. 11. 1948, HAHSt Korrespondenz Holler 1945–1951. Auskunft Preisendanz vom 10. 3. 2008. Christine Holler an Holler vom 8. 3. 1943, HAHSt Briefwechsel 1939–1943. Asta Holler an Gradmann vom 2. 12. 1946, HAHSt Korrespondenz Holler 1945–1950. Marga Nutz an Holler vom 6. 9. 46, ebd. Feldman, S. 415. Allianz Abtlg. Maschinenversicherung an Zentralbüro vom 7. 2. 1946, FHA Gradmann & Holler allgemeine Korrespondenz bis 1. 1. 1952. Feldman, S. 414 u. 416. Festschrift Gradmann. Gradmann an Holler vom 11. 5. 1946, HAHSt Korrespondenz Holler 1945–1950. Liste der Jahresprämien vom 10. 5. 1946, ebd. Musial, S. 37 f. Axel Drieschner und Barbara Schulz, Denkmal oder Altlast. Eine Kraftwerksruine in Eisenhüttenstadt erzählt von Rüstungswirtschaft, Zwangsarbeit und Krieg, in: kunsttext.de, 2/2002, S. 1–10, URL:http:// edoc.hu-berlin.de/kunsttexte/download/denk/drieschner.PDF (25. 5. 2010), S. 5. Vgl. Rudorff, Lagischa. Vgl. Rudorff, Neu-Dachs. Liste der Jahresprämien vom 10. 5. 1946, HAHSt Korrespondenz Holler 1945–1950. Gradmann an Holler vom 28. 1. 1946, ebd. Feldman, S. 470. Festschrift Gradmann. Holler an Gradmann vom 10. 12. 1945 und Marga Nutz an Holler vom 6. 9. 1946, HAHSt Korrespondenz Holler 1945–1950. Liste der Jahresprämien vom 10. 5. 1946, ebd. Marga Nutz an Holler vom 6. 9. 1946, ebd. Gradmann an Holler vom 23. 10. 1945, ebd. Gradmann an Holler vom 14. 11. 1945, ebd. Marga Nutz an Holler vom 6. 9. 1946, ebd. Gradmann an Holler vom 23. 10. 1945, ebd. Vgl. Surminski, Jauch. Rohrbeck, S. 432. Gradmann an Holler vom 14. 11. 1945, HAHSt Korrespondenz Holler 1945–1950.

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Gradmann an Holler vom 27. 12. 1945, ebd. Gradmann an Holler vom 28. 1. 1946, ebd. Holler an Gradmann vom 6. 1. 1946, ebd. Ribbe, Berlin, S. 1034. Gradmann an Holler vom 28. 1. 1946, HAHSt Korrespondenz Holler 1945–1950. Aktennote vom 29. 1. 1946; Walter Krück an Holler vom 23. 2. 1946, ebd. Aktennote für Holler vom 17. 4. 1946, ebd. Liste der Jahresprämien vom 10. 5. 1946, ebd. Festschrift Gradmann.

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Asta Holler an Gradmann vom 2. 12. 1946, HAHSt Korrespondenz Holler 1945–1950. Auskunft der Ehefrau eines Großneffen Christian Kraemers vom November 2008. Asta Holler hat nie behauptet, studiert zu haben, erklärte vielmehr 1975 gegenüber Hans Bender, sie sei „kein studierter Mensch“. Protokoll eines Telefongesprächs Asta Hollers mit Bender am 3. 4. 1975, AIGPP E/21. Zeugnis eines Arztes der Krankenhaus-Sonderanlage Marienheide vom 31. 8. 1945, HAHSt Nachlass Holler. Süss, S. 283 f. Vgl. Marienheide Geschichte, URL: http://www.oberwipper.de/ oberwipper_cont/marienheide/mhd_ geschichte.html (16. 2. 2010). Aus ihrer Zeit in Marienheide verwahrte Asta ein Foto, das einen Jungen und ein Mädchen im Alter von vier bis fünf Jahren zeigt und beschriftet ist mit „Hilgers-Kinder Marienheide 1945“, HAHSt Nachlass Holler. Meldebogen Christian Holler vom 23. 5. 1946, Staatsarchiv Ludwigsburg PL 530. Auskunft Oebel vom 5. 10. 2007. Handschriftliche Anmerkung an Holler an Gradmann vom 6. 1. 1946, HAHSt Korrespondenz Holler 1945–1950. Holler an Gradmann vom 30. 9. 1945, ebd. Gradmann an Holler vom 14. 11. 1945, ebd. Holler an Gradmann vom 10. 12. 1945, ebd. Holler an Gradmann vom 30. 9. 1945, ebd. Holler an Gradmann vom 10. 12. 1945, ebd. Ebd. Ebd. Holler an Gradmann vom 26. 12. 1945, ebd. Nachtrag zum Gesellschafter-Vertrag vom 4. 11. 1947, ebd. AN vom 25. 4. 1946, FHA Gradmann & Holler allgemeine Korrespondenz bis 1. 1. 1952. Maschinenverträge Verwaltung Büro Köln vom 27. 1. 1947, HAHSt Korrespondenz Holler 1945–1950. Ebd. Allianz an Gradmann & Holler (Abschrift) vom 2. 5. 1946, ebd. Borscheidt, S. 77. Rohrbeck, S. 433. Gradmann an Holler vom 11. 5. 1946, HAHSt Korrespondenz Holler 1945–1950. Holler an Gradmann vom 29. 3. 1946, ebd. Die Maklerfirma Jauch & Hübener in Hamburg arbeitete zu dieser Zeit trotz eines von Holler vermuteten erheblich größeren „Stadtgeschäftes“ mit kleiner Personaldecke. Holler mahnte daher bei seinem Partner in Berlin eine Überprüfung des dortigen Personalstandes an. Glaser leitete für einige Jahre das Stuttgarter Büro von Gradmann & Holler und kehrte 1953 zu Jauch & Hübener zurück (Auskunft Kurt Stroh vom 31. 8. 2007).

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„Ich weiß nur, dass er alle Leute, die Soldat waren, grundsätzlich bevorzugte“, berichtet Oebel. Barths, Stroh und Drewes heben dies ebenfalls hervor. Auskunft Oebel vom 5. 10. 2007. Gradmann an Holler vom 11. 5. 1946, HAHSt Korrespondenz Holler 1945–1950. Festschrift Gradmann. Asta Holler an Gradmann vom 2. 12. 1946, HAHSt Korrespondenz Holler 1945–1950. Auskunft Stroh vom 31. 08. 2007; ähnlich berichtet Oebel. Maschinenversicherungsverträge Verwaltungen Büro Köln und Büro Stuttgart vom 27. 1. 1947, HAHSt Korrespondenz Holler 1945–1950. Einnahmen und Ausgaben bis einschl. 30. 11. 47 vom 28. 11. 1947, ebd. Einnahmen und Ausgaben roh vom 10. 2. 1948, ebd. Nachtrag zum Gesellschafter-Vertrag vom 4. 11. 1947, ebd. AN Allianz Maschinen-Abteilung vom 15. 1. 1958 betr. Vertrag Gradmann & Holler, FHA Gradmann & Holler allgemeine Korrespondenz ab 1. 1. 1952. Notiz Allianz Org.-Abtlg. vom 7. 1. 1958, FHA Gradmann & Holler allgemeine Korrespondenz bis 1. 1. 1952. Rohrbeck, S. 443. Telegramm Holler an Allianz-Maschinenabteilung vom 2. 12. 1949. FHA Gradmann & Holler allgemeine Korrespondenz bis 1. 1. 1952. Gradholl-Geschäft 1. 1. 49–31. 12. 57, FHA Gradmann & Holler allgemeine Korrespondenz ab 1. 1. 1952. Auskunft Stroh vom 31. 8. 2007. Auskunft Neuser-Gröber, die seit 1950 im Stuttgarter Büro arbeitete, vom 7. 7. 2008. Festschrift Gradmann. Ebd. sowie Auskunft Müller und Hübner vom 29. 5. 2007. Meldebogen Erich Gradmann vom 20. 12. 1948, Staatsarchiv Ludwigsburg PL 530. Anlagen zu Nutz an Holler vom 25. 4. 1950, HAHSt Korrespondenz Holler 1945–1950. Maschinenversicherungen – Gesamtaufstellung der Prämien und Schäden für die Zeit vom 21. 6. 48– 1. 8. 50, FHA Gradmann & Holler allgemeine Korrespondenz ab 1. 1. 1952. Rohrbeck, S. 413. Borscheid, S. 76 f. u. S. 485. Büro München 1949 vom 12. 1. 1950, HAHSt Korrespondenz Holler 1945–1950. Victoria Geschäftsstelle München an Organisationsabteilung Düsseldorf vom 18. 2. 1952, ERGO-Archiv A0302-00018 Bd. 01. Ausgaben 1949 vom 18. 4. 1950, HAHSt Korrespondenz Holler 1945–1950. Auskunft Oebel vom 5. 10. 2007. Auskunft Reis vom 31. 3. 2008. Auskunft Reis vom 3. 6. 2009. Testament der Eheleute Holler vom 24. 1. 1950, HAHSt Nachlass Holler. Auskunft Reis vom 26. 11. 2009. Auskunft Oebel vom 5. 10. 2007. AN für Herrn Stroh vom 10. 5. 1968, AMM. Handschriftliche Notiz an „Neugestaltung des Vertrages … vom 23. Oktober 1926“ vom 20./27. 3. 1936, AMM. Vermutlich weil „das Geschäft von Gradholl außerhalb der Maschinenversicherung bei der Allianz nicht so bedeutend war“, habe die Allianz „schließlich zugestimmt, dass Gradholl dort auch andere Versicherer bedienen durfte“. Auskunft Spielberger (später Justitiar und Niederlassungsleiter in Stuttgart) vom 25. 3. 2008. Heß an Hammerbacher vom 28. 11. 1946 und vom 18. 1. 1947, HAHSt Korrespondenz Holler 1945–1950. Auskunft FHA (Herr Pretzlik) vom 4. 3. 2010. Koch, Anfang, S. 120. Holler an Gradmann vom 6. 1. 1946, HAHSt Korrespondenz Holler 1945–1950.

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Vermerk betr. verbuchte Prämien (1952), ERGO-Archiv A0302-00018 Bd. 01. Aufstellung der Abteilung für Maschinenversicherung der Victoria vom 29. 1. 1952, ebd. Gradmann & Holler, Düsseldorf – Stuttgart, o. D. (1951/52), ebd. Abschrift des Schreibens der Generaldirektion Berlin vom 8. 11. 1948, ebd. Koch, Schuldscheindarlehen, S. 284 f. Surminski, Jauch, S. 75. Auskunft Stroh vom 31. 8. 2007. Gradmann an Pohl vom 27. 1. 1950, FHA Gradmann & Holler allgemeine Korrespondenz bis 1. 1. 1952. Gradmann an Meyer vom 2. 3. 1965, AMM. Auskunft Matthias Oebel vom 5. 10. 2007. Lippert an Holler vom 28. 12. 1950, ERGO-Archiv A0302-00018 Bd. 01. Holler an Lippert vom 8. 1. 1951, ebd. Victoria-Versicherung Geschäftsstelle Nürnberg an Direktion Düsseldorf betr. Überlandwerk Unterfranken AG vom 13. 1. 1951, ebd. Kraftanlagen AG an Iduna-Germania vom 24. 5. 1950, ebd. Gradmann & Holler an Victoria Geschäftsstelle München vom 31. 10. 1951, ebd. Kraftanlagen AG an Victoria vom 3. 1. 1952, ebd. Abschrift eines Schreibens an die Direktions-Geschäftsstelle Berlin vom 18. 1. 1951 und Auszug aus einem Schreiben des Herrn Direktor Eisenmann vom 25. 1. 1951, ebd. AN Pohl betr. Firma Gradmann & Holler vom 14. 1. 1952, FHA Gradmann & Holler allgemeine Korrespondenz ab 1. 1. 1952. Festschrift Gradmann.

Kapitel 7 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20

Zur Geschichte des Volkswagenwerkes einschlägig: Mommsen mit Grieger. Zu Nordhoff allgemein: Edelmann, Nordhoff. Vertrauliche AN Hollers vom 25. 11. 1949, HAHSt V.W. Versich. Dienst GmbH. Knott an Treuhandgesellschaft für wirtschaftliche Unternehmungen vom 2. 9. 1948, UVW 69/202/1. Notiz Knotts über Besprechung im Zonenaufsichtsamt für Privatversicherungen am 4. 2. 1949, UVW 69/202/2. Monatsbericht des Treuhänders für Februar 1949 vom 2. 3. 1949, UVW 69/201/2. Holler an Nordhoff vom 19. 3. 1965, HAHSt Korrespondenz Christian und Asta Holler bis 1968. „VW und Victoria 40 Jahre Lebens-Partner“, in: Victoria-Hauszeitschrift rundum 4/1988, S. 2–3, ERGOArchiv A0201-00022. Knott an Holler vom 17. 8. 1949, UVW 69/202/2. Zum Ende des Monats war man für eine weitere Besprechung verabredet. Jensen an Knott vom 19. 8. 1949, UVW 69/202/2. Knott an Nordhoff vom 27. 5. 1960 betr. Versorgungsansprüche von Werksangehörigen, UVW 69/295/1. Berlinische Feuer-Versicherungs-Anstalt, S. 193. Brunn, S. 61. Eggenkämper u. a., S. 144 f. Ebd., S. 146. Ebd. Vertrag zwischen dem Volkswagenwerk und Heinrich Kurig vom 27. 12. 1947, UVW 69/202/2. Münch an Hirst und Neal vom 27. 12. 1947, ebd. Knott an Militärregierung vom 2. 4. 1949, ebd. Status per 31. 12. 1949/Vorläufige Kapitalneufestsetzung und allgemeine Überprüfung und Reorganisation, UVW 865/17/1. Telegramm Mehls an Pape (o. D.), FHA Schriftwechsel Pape 1947–1948 (M–Z).

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Auskunft Barths vom 9. und 10. 6. 2009. Barths hatte zuvor die Herren Löffel und Vacano befragt. Die jährlichen Berichte des Wirtschaftsprüfers des VVD hätten sich stets eingehend auf die Ausnahmegenehmigung bezogen. Bis zum April 1948, als Hermann Knott ihn ablöste, war Münch Treuhänder des Werkes. Edelmann, Nordhoff, S. 83. Pape an Mehl vom 29. 1. 1948, FHA Schriftwechsel Pape 1947–1948 (M–Z). Eggenkämper u. a., S. 147. Berlinische Feuer-Versicherungs-Anstalt, S. 195. Schiemann an Nordhoff betr. FBU vom 31. 11. 1953, UVW 174/433/6. Vertrauliche AN Hollers vom 25. 11. 1949 und Holler an Heß vom 3. 12. 1949, HAHSt V.W. Versich. Dienst GmbH. Auf Mehls Initiative geht auch die Neu-Gründung eines Opel-Versicherungsdienstes im Juli 1948 zurück, an dem Mehl mit 10% beteiligt war. Eggenkämper u. a., S. 149. Aufstellung der Wertschutz GmbH über die Entwicklung des Stammkapitals der VVD GmbH vom 8. 12. 1998, HAHSt Wertschutz. Handelsregister B des Amtsgerichts Braunschweig, Ausdruck eines Abrufs vom 22. 5. 2007, HRB 100008. Status per 31. 12. 1949/Vorläufige Kapitalneufestsetzung und allgemeine Überprüfung und Reorganisation, UVW 865/17/1. VVD-Richtlinie Nr. 1 vom 28. 2. 1948, FHA Schriftwechsel Pape 1945–48 (M–Z). Versicherungsvermittlung, Heft Juni 1948, S. 2. Noch empörter reagierte das Blatt, als nach der Währungsreform ein Opel-Versicherungsdienst entstand. Ebd. Heft Juli 1949 S. 10 f. In der Tat hatte Mehl dem VVD für die Abwicklung der Kaskoschäden neben der Provision von 20% eine Zusatzprovision von 1,4% zugestanden. Pape kamen, noch bevor die „Richtlinie Nr. 1“ erschien, Bedenken, ob dies mit dem geltenden Recht vereinbar war. Mehl erwog daraufhin, die Schadenregulierung „durch Angestellte der Gesellschaft für unsere Rechnung im Volkswagenwerk“ durchführen zu lassen. Pape an Mehl vom 29. 1. 1948 und Mehl an Pape vom 23. 2. 1948, FHA Schriftwechsel Pape 1945–48 (M–Z). Mehl an Pape vom 23. 4. 1948, ebd. Von „Händlern“ war noch nicht die Rede, weil eine „Verteilung“ der Wagen ausschließlich auf Bezugschein erfolgte. Mehl an Pape vom 23. 4. 1948, FHA Schriftwechsel Pape 1945–48 (M–Z). Status per 31. 12. 1949/Vorläufige Kapitalneufestsetzung und allgemeine Überprüfung und Reorganisation, UVW 865/17/1. VW-Infodienst Nr. 3 vom 16. 12. 1948 und Nr. 4 vom 10. 3. 1949, UVW 69/883/1. Notiz Knotts über Besprechung im Zonenaufsichtsamt für Privatversicherungen am 4. 2. 1949, UVW 69/202/2. Knott an Militärregierung vom 2. 4. 1949, ebd. Knott an Mehl vom 20. 9. 1950, HAHSt V.W. Versich. Dienst GmbH. AN Mehl vom 28. 11. 1949, ebd. Knott an Mehl vom 20. 9. 1950, ebd. Abschrift der Niederschrift über die Besprechung am 6. 10. 1949 (unterfertigt von Jensen, Knott, Kurig, Mehl, Feuereissen und Holler), ebd. Niederschrift über die Besprechung am 6. 10. 1949, Vertrag mit Kurig vom 6. 10. 1949 und Vereinbarung mit Kurig vom 6. 12. 1949, UVW 865/18/1. Verhandlung vor dem Notar Goerdeler vom 19. 10. 1949, HAHSt V.W. Versich. Dienst GmbH. Quittung vom 19. 10. 1949, ebd. Knott an Kasse vom 5. 12. 1949, ebd. Notiz vom 22. 11. 1949, UVW 865/18/1. Urbanski, S. 123. Niederschrift über die konstituierende Sitzung des Aufsichtsrates der Volkswagen-Versicherungsdienst G.m.b.H. vom 19. Oktober 1949, HAHSt V.W. Versich. Dienst GmbH.

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Abschrift der Urkunde der Verhandlung vom 30. 11. 1949 vor dem Notar Goerdeler, ebd. Er war in der Nacht auf den 19. 10 im Schlafwagen 2. Klasse von Stuttgart aus angereist und verließ Wolfsburg in der Nacht darauf Richtung München. Spesenaufstellung an Tiedke vom 26. 10. 1949, ebd. Nordhoff an Holler vom 19. 10. 1949, ebd. Eine erste Version dieses Schreibens, die Christian Holler offenbar noch in Wolfsburg von Nordhoff persönlich entgegengenommen hatte, sagt eine Freistellung von „allen Kosten und steuerlichen Belastungen“ noch nicht zu. Nordhoff an Holler vom 19. 10. 1949, ebd. Nordhoff an VVD vom 20. 10. 1949, ebd. Vereinbarung betreffend Namensführung vom 16. 11. 1949, UVW 865/138/1. Die ursprüngliche Typenbezeichnung „Volkswagen“ war seit 1935 als Begriff warenzeichenrechtlich geschützt und damit – so seinerzeit der Reichsverband der Automobilindustrie – dem „Volkswagen, der in Ausführung der Anregung des Führers als ‚Deutscher Volkswagen‘ in Auftrag gegeben wurde“ vorbehalten. Edelmann, Volkswagen, S. 65. Es handelt sich um jene bekannte Aufnahme vor der Werksfront aus dem Jahre 1948, die seinerzeit gern veröffentlicht wurde. Vertrauliche AN vom 25. 11. 1949, HAHSt V.W. Versich. Dienst GmbH. Holler an Heß vom 25. 11. 1949, ebd. Mehl an Holler vom 29. 11. 1949 mit AN Mehl vom 28. 11. 1949, ebd. Heß an Holler vom 28. 11. 1949, ebd. Goudefroy an Holler vom 9. 1. 1950, ebd. Auskunft Löffel vom 13. 2. 2008. Handschriftliche Notiz auf Knott an Holler vom 25. 10. 1949, HAHSt V.W. Versich. Dienst GmbH. Knott an Holler vom 25. 10. 1949, ebd. Holler an Müller vom 28. 10. 1949, ebd. Quittung vom 6. 12. 1949, ebd. Das Darlehen sollte vom Frühjahr 1950 an in 40 Monatsraten à 150 DM zurückgezahlt werden. Darlehensvertrag vom 6. 12. 1949, ebd. Durchschlag von Knott an Kasse vom 5. 12. 1949, ebd. Eingangsquittungen der Hauptkasse der Volkswagenwerk GmbH vom 6. und 19. 12. 1949, ebd. Volkswagenwerk an Holler vom 20. 12. 1949, ebd. Holler an Tiedke vom 12. 12. 1949, ebd. Protokoll der Verhandlung vor dem Notar Wasmus vom 4. 4. 1950, ebd. Protokoll der Verhandlung vor dem Notar Auert am 2. 5. 1950, ebd. Müller an Holler vom 13. 5. 1950, ebd. Vollmacht vom 16. 11. 1950, ebd. Holler an Knott vom 9. 9. 1950, ebd. VVD an Holler vom 21. 8. 1950, ebd. Urkunde der Verhandlung vom 16. 11. 1950, ebd. Zusammenstellung der Anteilsabtretungen, UVW 865/85/1. „Stammkapital VVD GmbH“ vom 8. 12. 1998, HAHSt Wertschutz. Gesetz zur Förderung der Wirtschaft von Groß-Berlin (West) vom 7. 3. 1950. Auskunft Barths vom 15. 7. 2009. Nordhoff an Asta Holler vom 24. 11. 1951, HAHSt Korrespondenz Christian und Asta Holler bis 1968. Knott an Holler vom 1. 12. 1951, Jensen an Holler vom 15. 12. 1951 und Gassner an VVD vom 19. 12. 1951, UVW 865/85/1. Notariat Grimme: Abschrift der Urkunde der Verhandlung vom 25. 1. 1952 (Urkundenrolle Nr. 64/1952), HAHSt V.W. Versich. Dienst GmbH. Vgl. Korrespondenz 1949–52, ebd. Vgl. Korrespondenz 1950–53, FHA Gradmann & Holler allgemeine Korrespondenz bis 1. 1. 1952 und ab 1. 1. 1952.

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Notariat Auert: Kopie der Abschrift des Protokolls der Verhandlung vor dem Notar Auert vom 31. 1. 1952 (Urkundenrolle Nr. 17/1952), HAHSt Wertschutz. Sachs an Bergsteiner vom 6. 3. 1953, ERGO-Archiv A0302-00018 Bd. 01. Auskunft Spielberger vom 25. 3. 2008. Auskunft Stroh vom 31. 8. 2007.

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Borscheid, S. 383. Gradmann & Holler / Allianz-Anteil (Anlage zu AN Pohl „Gewinnbeteiligung Gradmann & Holler im Maschinengeschäft“ vom 21. 6. 1963), FHA Gradmann & Holler allgemeine Korrespondenz bis 1. 1. 1952. Gradholl-Geschäft 1. 1. 49–31. 12. 57, FHA Gradmann & Holler allgemeine Korrespondenz ab 1. 1. 1952. Auskunft Kiep vom 11. 9. 2007 und andere Zeitzeugen. Herzig, S. 145. GB Allianz 1958, FHA Geschäftsberichte. Über ein patriarchalisch fürsorgliches Verhältnis Hollers gegenüber den Mitarbeitern berichteten übereinstimmend mehrere Zeitzeugen. Auskunft Reis vom 18. 2. 2009 und FHA Gradmannn & Holler allgemeine Korrespondenz bis 1. 1. 1952. Rede Kurt Stroh. Auskunft Vukailovic vom 11. 9. 2007. Ebd. Hermann Autenrieth (langjähriger Mitarbeiter von Gradmann & Holler) telefonisch gegenüber einer Mitarbeiterin der Firma Marsh & McLennan (Stuttgart) am 14. 4. 2008. Seherr-Thoss, S. 470 f. Daten zur Entwicklung der VW Versicherungsvermittlungs-GmbH (VWV) vom 10. 2. 1982, HAHSt Schow I VVD. Für eine Lebensversicherung mit einer Einmalprämie von 25 000,– DM, die Hermann Knott 1953 individuell abschloss, erhielt Holler unübliche 5% Provision. AN betr. Provisionen Gradmann & Holler für Lebensversicherungen, ERGO-Archiv A0302-00018 Bd. 01. Rede Kurt Stroh. Auskunft Kiep vom 11. 9. 2007. Dies bestätigte Hermann Autenrieth telefonisch gegenüber einer Mitarbeiterin der Firma Marsh & McLennan (Stuttgart) am 14. 4. 2008. Mommsen mit Grieger, S. 155 ff. Edelmann, Nordhoff, S. 151 ff. Vermerk Anfang 1952, ERGO-Archiv A0302-00018 Bd. 01. Für Lebensversicherungen standen Gradmann & Holler von der Victoria zu dieser Zeit 32 ‰ Abschlussprovision zu, als Inkassoprovision jährlich 15% der Prämien. Abschrift des Schreibens der Generaldirektion Berlin vom 8. 11. 1948, ebd. Nordhoff, S. 93 f. Ebd., S. 112. Gradmann & Holler an Knott (Abschrift) vom 11. 5. 1953, FHA Volkswagen 90/1202 150–157. AN der Maschinen-Abteilung vom 29. 5. 1961, ebd. Holler an Nordhoff vom 29. 12. 1959, HAHSt Korrespondenz Christian und Asta Holler. Hax, S. 293 und S. 297. GB Allianz 1953/54, FHA Geschäftsberichte. Maschinenabteilung der Allianz betr. Agenturvertrag Fa. Gradmann & Holler vom 10. 2. 1970, FHA Gradmann & Holler allgemeine Korrespondenz ab. 1. 1. 1952. Zu den „laufenden Geschäftsunkosten“, erklärte Holler, zählten zum Beispiel „kalkulatorische Abschreibungen auf Gebäude, Maschinen und Einrichtungen“, „Versicherungsprämien, außer Transportversicherung“, „Gehälter und Tantiemen“.

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Holler an Nordhoff vom 7. 9. 1953, UVW 174/433/6. Protokoll der Hauptabteilungsleiterbesprechung vom 8. 9. 1953, UVW Protokolle der Hauptabteilungsleiterbesprechungen. Merkblatt der Victoria-Versicherung, UVW 174/433/6. Nordhoff an Holler vom 23. 9. 1953, ebd. Holler an Nordhoff vom 9. 10. 1953, ebd. Behn und Oebel an Knott vom 29. 10. 1953, ebd. Schiemann an Nordhoff vom 31. 11. 1953, ebd. Schiemann an Nordhoff vom 24. 12. 1953, ebd. Bericht der Versicherer über die Besichtigung des Volkswagenwerkes am 30. 11. 1953, ebd. Holler an Nordhoff vom 31. 12. 1953, ebd. Holler an Nordhoff vom 29. 12. 1959, HAHSt Korrespondenz Holler mit Nordhoff. Holler an Nordhoff vom 31. 12. 1958, ebd. Holler an Nordhoff vom 29. 12. 1959, ebd. Ebd. Seherr-Thoss, S. 470. Rede Kurt Stroh. Ebd. und telefonische Auskunft Sack vom 23. 8. 2007. Ebd. Kiep, S. 44. Ebd. und Auskunft Stroh vom 31. 8. 2007. Auskunft Barths vom 22. 5. 2007. Holler an Nordhoff vom 31. 12. 1958, HAHSt Korrespondenz Holler mit Nordhoff. Holler an Nordhoff vom 4. 12. 1959, ebd. Das Kürzel „fpa“ steht für „free from particular average“. Diese Deckung ersetzt nur Verluste und Beschädigungen, die bei Stranden, Sinken, Kollision oder Feuer eines Schiffes entstehen. Die Prämie ist entsprechend niedrig. Knott an Nordhoff vom 26. 11. 1959, UVW 174/431/4. Holler an Nordhoff vom 4. 12. 1959, HAHSt Korrespondenz Holler mit Nordhoff. Holler an Nordhoff vom 29. 12. 1959, ebd. Auskunft Hahn vom 11. 2. 2008. Holler an Nordhoff vom 29. 12. 1960, HAHSt Korrespondenz Holler mit Nordhoff. Knott an Nordhoff vom 23. 11. 1960, UVW 69/295/1. Auskunft Barths vom 22. 5. 2007. So mehrere Zeitzeugen. Asta Holler hatte sich im Oktober 1952 in ihrer Wiener Taufkirche eine Geburtsurkunde ausstellen lassen, die sie beim brasilianischen Generalkonsulat in München vorlegte, um ein Visum für Brasilien zu erhalten. ERGO-Archiv A0302-00018 Bd. 02. Auskunft Reis vom 12. 4. 2010. Auskunft Stroh vom 4. 6. 2009. Gesellschaftervertrag vom 5. /10. Juni / 2. Juli 1986, HAHSt Gradmann & Holler. Auskunft Stroh vom 31. 8. 2007. AN Haase betr. Vertrag Gradmann & Holler vom 10. 5. 1948, FHA Gradmann & Holler allgemeine Korrespondenz bis 1. 1. 1952. Handschriftliche Notiz an „Neugestaltung des Vertrages … vom 23. Oktober 1926“ vom 20./27. 3. 1936, AMM. Auskunft Oebel vom 5. 10. 2007. Zu Jauch & Hübener allgemein vgl. Surminski, Jauch. So wurde der Firmenname seit den 50er Jahren häufig abgekürzt. Auskunft Spielberger vom 25. 3. 2008. AN für Herrn Stroh vom 10. 5. 1968, AMM.

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Holler an Goudefroy vom 14. 3. 1953, FHA Gradmann & Holler allgemeine Korrespondenz ab 1. 1. 1952. Besprechungsnotiz Goudefroy vom 9. 2. 1953, ebd. Holler an Goudefroy vom 14. 3. 1953, ebd. Entwurf für einen Brief Pohl an Holler vom Frühjahr 1953, ebd. Eversmann an Pohl vom 22. 6. 1953, ebd. Notiz über eine Besprechung am 3. 7. 1953, ebd. Auskunft Stroh vom 31. 8. 2007. Seitenhiebe auf Pohl versagte sich auch Gradmann nicht: „Leider ist eben ein überragend tüchtiger Ingenieur nur selten ein ebenso tüchtiger und geschickter Kaufmann.“ Gradmann an Holler vom 6. 1. 1946, HAHSt Korrespondenz Holler 1945–1950. Notiz über eine Besprechung am 3. 7. 1953, FHA Gradmann & Holler allgemeine Korrespondenz ab 1. 1. 1952. Haase an Pohl vom 30. 1. 1956, ebd. Siehe auch AN vom 23. 2. und AN vom 28. 9. 1954, ebd.

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Vereinbarung betr. Namensführung vom 20. 6. 1953, UVW 865/138/1. Anordnung PR Nr. 117/48 über Provisionen in der Kraftfahrzeugversicherung vom 31. Oktober 1948 (Veröffentlicht im Mitteilungsblatt der Verwaltung für Wirtschaft Teil II Nr. 19 vom 30. Dezember 1948), zit. n.: Veröffentlichungen des Zonenamtes des Reichsaufsichtsamtes für das Versicherungswesen (Britische Zone), 3. Jg. Nr. 1 vom 31. 1. 1941, S. 7. Von Brunn, S. 62 f. Ebd, S. 65. Der „Einheitstarif“ beruhte „auf einer Durchschnittskalkulation der Beiträge für die im Einheitstarif angeführten Risikogruppen“ und legte „für alle Versicherungsnehmer in den einzelnen Risikogruppen dasselbe Entgelt für die Versicherungsleistung“ fest. Handbuch, S. 1. Von Brunn, S. 25. Ebd., S. 16 ff. Ebd., S. 21. Cuntz, S. 351. Auskunft Löffel vom 27. 2. 2009. Auskunft Reis vom 18. 2. 2009. Auskunft Löffel vom 27. 2. 2009. Übersicht über die Entwicklung seit 1. 10. 1949 bis Ende 1956, UVW 865/10/1. VVD-Magazin. Aktuelle Zeitschrift für die VW-Organisation, auszugsweise ohne Datierung als Fotokopie überlassen von Hubertus Löffel. Auskunft Reis vom 3. 6. 2009. Auskunft Löffel vom 27. 2. 2009. VVD-Magazin. Aktuelle Zeitschrift für die VW-Organisation, auszugsweise ohne Datierung als Fotokopie überlassen von Hubertus Löffel. Grieger, S. 53 u. 73. VVD an Nordhoff vom 14. 7. 1954, UVW 174/426/4. Übersicht über die Entwicklung seit 1. 10. 1949 bis Ende 1956, UVW 865/10/1. Ebd. und Holler an Nordhoff vom 29. 12. 1960, HAHSt Korrespondenz Holler mit Nordhoff. Die Versicherer nahmen dies in Kauf, weil der Haftpflichtzwang die Sparte zu einem „Schlüsselgeschäft“ machte. Der Außendienst trat massenhaft in Kontakt zu neuen Kunden, die sich auch für Verträge in anderen Sparten werben ließen. Gerlach, S. 22. Dazu kam es nicht, weil zum einen die Bestimmung des Preises durch die Kosten dem Gedanken der Marktwirtschaft zuwiderläuft, zum andern niemand die zukünftige Entwicklung in der Branche übersehen konnte. Von Brunn S. 27 und S. 57. Gerlach, S. 23 f.

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Brekamp, S. 406 f. Allianz Geschäftsbericht 1948–52 S. 13, FHA Geschäftsberichte. Übersicht über die Entwicklung seit 1. 10. 1949 bis Ende 1956, UVW 865/10/1. Gerlach, S. 23. Cuntz, S. 29. Übersicht über die Entwicklung seit 1. 10. 1949 bis Ende 1956, UVW 865/10/1. Schiemann an Nordhoff betr. FBU vom 31. 11. 1953, UVW 174/433/6. Übersicht über die Entwicklung seit 1. 10. 1949 bis Ende 1956, UVW 865/10/1. Ebd. Protokoll der Hauptabteilungsleiterbesprechung vom 8. 2. 1953, UVW Hauptabteilungsleiterbesprechungen. Behrens, S. 150. Übersicht über die Entwicklung seit 1. 10. 1949 bis Ende 1956, UVW 865/10/1. Behrens, S. 150. Ebd., S. 148 f. Tiedke an Nordhoff vom 20. 1. 55, UVW 174/426/4. Ebd. Übersicht über die Entwicklung seit 1. 10. 1949 bis Ende 1956, UVW 865/10/1. Der Verband der Automobilindustrie forderte Mitte der 50er Jahre eine Freigabe der Provisionen, damit diese zu den Händlern gelangten, „wo die fruchtbarste Arbeit für den Abschluss neuer Versicherungsverträge geleistet“ werde. Von Brunn S. 65 f. AN Tiedke für Nordhoff vom 23. 6. 55, UVW 174/426/4. Edelmann, Nordhoff, S. 195 ff. Tiedke an Bormann vom 4. 2. 56 (Kopie für Nordhoff), UVW 174/426/4. Tiedke an Nordhoff 31. 10. 55, Ebd. Ebd. Nordhoff an Erhard vom 19. 11. 1955, ebd. AN Tiedke vom 21. 12. 55 über Besprechung im BWM Abtlg. „Preise“ am 16. 12. 1955, UVW 174/426/4. Meyer, S. 34. AN Tiedke vom 21. 12. 55 über Besprechung im BWM Abtlg. „Preise“ am 16. 12. 1955, UVW 174/426/4. Holler an Nordhoff vom 30. 12. 55, ebd. Tiedke an Bormann vom 4. 2. 56 (Kopie für Nordhoff), ebd. Bormann an Tiedke vom 19. 2. 56, ebd.; Tiedke und Kutsch übermittelten Nordhoff dieses Schreiben am 28. 2. 56, ebd. AN Tiedke vom 8. 3. 56 über Besprechung mit Bormann im BWM am 6. 3. 56 (Kopie für Nordhoff), ebd. Holler an Nordhoff vom 1. 9. 1956, ebd. Berlinische, S. 179 ff. Das jedoch nahm, wie die Automobilindustrie kritisierte, den technischen Überschuss „so stark in Anspruch …, dass die vom Erfolg abhängenden Rückvergütungen auf ein geringes, für den Wettbewerb vollends nicht mehr interessantes Maß herabgedrückt“ wurden. Von Brunn, S. 55. Holler an Nordhoff vom 31. 12. 1958, HAHSt Korrespondenz Holler mit Nordhoff. Die Automobilindustrie als Verfechter einer Freigabe der Tarife kritisierte ebenfalls, dass ein fruchtbarer Wettbewerb letzten Endes nicht „auf dem Umwege über Rückvergütungen“, sondern vor allem durch die Höhe der Prämien geführt werden könne, welche dem Kunden bereits bei Abschluss des Vertrages anzubieten seien. Von Brunn, S. 55. Holler an Nordhoff vom 31. 12. 1958, HAHSt Korrespondenz Holler mit Nordhoff. Borscheid, S. 316. Holler an Nordhoff vom 29. 12. 1959, HAHSt Korrespondenz Holler mit Nordhoff. Handbuch, S. 7.

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Verordnung PR Nr. 15/59, zit. n. ebd., S. 162. Holler an Nordhoff vom 29. 12. 1960, HAHSt Korrespondenz Holler mit Nordhoff. Edelmann, Nordhoff, S. 99. Bericht über die bei der Firma Volkswagen-Versicherungsdienst GmbH, Wien, durchgeführte Prüfung des Jahresabschlusses zum 31. 12. 1990, HAHSt Herr Schow Jahresabschlüsse. Purš, S. 561 f. Holler an Nordhoff vom 31. 12. 1958, HAHSt Korrespondenz Holler mit Nordhoff. Holler an Nordhoff vom 29. 12. 1960, ebd. Hermann Becker, Piëch, Louise, in: Neue Deutsche Biographie, Bd. 20, Berlin 2001, S. 641 f.; Auskünfte Hofmann und Laube vom 26. 2. 2008, Hahn vom 11. 2. 2008 und Stroh vom 4. 6. 2009. Im Oktober 1952 hatte Asta in Wien einen Geburts- und Taufschein ausstellen lassen, um beim brasilianischen Generalkonsulat in München ein Visum zu beantragen. Erfolg mit Fusca, in: DER SPIEGEL 39/1966. Testament der Eheleute Holler vom 17. 10. 1963 mit beigefügter Satzung, HAHSt Testamente. Auskunft Hübner und Müller vom 29. 05. 2007. Im August 1962 wurden die VVD-Anteile an Pallas Gradmann & Holler übertragen. Auskunft Windmüller vom 19. 3. 2010. Versicherungswirtschaft, Jg. 10 (1955), S. 415. Holler an Nordhoff vom 31. 12. 1958, HAHSt Korrespondenz Holler mit Nordhoff. Schriftliche Auskunft Schmitt von Ende 2007. Auskunft Drewes vom 23. 12. 2007. Holler an Nordhoff vom 31. 12. 1958, HAHSt Briefwechsel Holler mit Nordhoff. AN Schow vom 21. 8. 1980, HAHSt Schow I VVD. Auskunft Drewes vom 23. 12. 2007. O Estado de S. Paulo vom 24. 10. 1969. Seherr-Thoss, S. 444. Auskunft Reis vom 18. 2. 2009. Holler an Nordhoff vom 9. 8. 56, UVW 174/426/4. Auskunft Reis vom 18. 2. 2009. Holler an Nordhoff vom 29. 12. 1959, HAHSt Korrespondenz Holler mit Nordhoff. Protokoll der Vorstandssitzung vom 25. 10. 1961, UVW Protokolle Vorstandssitzungen. Tiedke an Holler vom 29. 1. 1959, UVW 865/10/1. Auskunft Löffel vom 27. 2. 2009. Auskunft Schwarzinger vom 12. 2. 2008. Auskunft Kaminsky vom 7. 5. 2007 Auskunft Müller und Hübner vom 29. 5. 2007, Reis vom 3. 3. 2010. Auskunft Hahn vom 11. 02. 2008. Von Asta Holler verwahrter Ausschnitt aus der Werkszeitschrift des Volkswagenwerkes vom Spätsommer 1959, HAHSt Nachlass Asta Holler. Ebd. Vgl. Edelmann, Nordhoff, S. 183 ff.

Kapitel 10 1 2 3 4 5

Es erscheint gerechtfertigt, von einer „Zäsur“ zu sprechen. Vgl. Borchardt. Geschäftsberichte der Allianz AG 1955–1963, FHA Geschäftsberichte. Geschäftsbericht der Allianz 1955/56, ebd. Herzig, S. 145. Auskunft Stroh vom 4. 6. 2009. Vgl. Borscheidt, S. 383 ff.

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6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47

Frankfurter an Maschinenabteilung der Generaldirektion der Allianz vom 20. 7. 1967, FHA Volkswagen 90/1202 150–157. Wellhöner, S. 376–378. Seherr-Thoss, S. 470. Holler an Nordhoff vom 30. 12. 1961, HAHSt Korrespondenz Holler mit Nordhoff. Holler an Nordhoff vom 27. 12. 1967, ebd. Gradmann & Holler an Knott vom 15. 6. 1962, UVW 174/433/6. Zahlte das Volkswagenwerk 1953 erst 110 Millionen DM an Löhnen und Gehältern, lag deren Summe 1960 bei einer halben Milliarde, um bis 1965 auf 1,175 Milliarden anzusteigen. Seherr-Thoss, S. 471. Holler an Nordhoff vom 30. 12. 1965, HAHSt Korrespondenz Holler mit Nordhoff. Ebd. Gradmann & Holler an Vorstand des Volkswagenwerkes vom 11. 4. 1962, UVW 174/433/6. Meyer an Nordhoff vom 1. 6. 1962, UVW 174/433/6. AN Knott vom 13. 6. 1962, ebd. Berlinische an Nordhoff und dieser an Siebert im August 1962, UVW 174/433/6. Gradmann & Holler an Vorstand des Volkswagenwerkes vom 29. 8. 1962, ebd. Holler an Nordhoff („Pers.! Vertr.!“) vom 31. 8. 1962, ebd. Nordhoff an Holler („Pers.“) vom 10. 9. 1962, ebd. Holler an Nordhoff vom 25. 9. 1962, ebd. Hollers Fernschreiben an Nordhoff vom 27. 9. 1962, ebd., muss am Vortag ein Telefongespräch vorausgegangen sein. Nordhoff an Berlinische vom 26. 9. 1962, ebd. Schiemann an Nordhoff vom 27. 9. 1962, ebd. Volkswagenwerk AG (Nordhoff u. Siebert) an Gradmann & Holler (Entwurf) vom 9. 10. 1962, ebd. Fernschreiben Holler an Nordhoff vom 17. 10. 1962, ebd. Interne Mitteilung Siebert an Nordhoff vom 14. 11. 1962, ebd. Schiemann an Nordhoff vom 25. 11. 1962, ebd. Interne Mitteilung Siebert an Nordhoff vom 14. 11. 1962, ebd. Generaldirektion an Gradmann & Holler und Berlinische vom 28. 11. 1962, ebd. Gradmann & Holler an Vorstand der Volkswagenwerk AG vom 27. 12. 1962, ebd. Holler an Nordhoff vom 28. 12. 1962, HAHSt Korrespondenz Holler mit Nordhoff. Vgl. Auszug Holler an Nordhoff vom 28. 12. 1962, UVW 174/420/2. Holler an Nordhoff vom 30. 12. 1963, HAHSt Korrespondenz Holler mit Nordhoff. Holler an Nordhoff vom 28. 12. 1964, ebd. Holler an Nordhoff vom 30. 12. 1965, ebd. Holler an Vorstand der Volkswagenwerk AG vom 1. 7. 1966, UVW 74/442/2. Nordhoff an Holler vom 14. 7. 1966, ebd. Holler an Nordhoff vom 31. 12. 1966 und vom 27. 12. 1967, HAHSt Korrespondenz Holler mit Nordhoff. Nordhoff an Holler vom 11. 3. 1965 und Holler an Nordhoff vom 19. 3. 1965, ebd. Zum Beispiel Fernschreiben Tiedke an Holler vom 4. 11. 1968 betr. neubestellte Vorstandmitglieder und Prokuristen der Volkswagenwerk AG und deren Zuständigkeitsbereiche, HAHSt VVD-Wolfsburg. Auskunft Stroh vom 31. 8. 2007. Auskunft Barths vom 21. 5. 2007. Auskunft Stroh vom 31. 8. 2007. Blick durch die Wirtschaft vom 24. 12. 1964 (zitiert nach: Aus Versicherung und Wirtschaft Nr. 42/1964 vom 30. 12. 1964), FHA Gradmann & Holler allgemeine Korrespondenz bis 1. 1. 1952. Handelsblatt vom 27./28. 6. 1969 (Kopie), ebd. Auskunft Vukailovic vom 11. 9. 2007.

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48 49 50 51 52 53

Kiep, S. 44 und S. 52 und Auskunft Stroh vom 4. 6. 2009. AN Haase für Pohl vom 16. 8. 1961, FHA Gradmann & Holler allgemeine Korrespondenz ab 1. 1. 1952. AN Pohl vom 21. 6. 1963 und Notiz betr. Gewinnbeteiligung G & H vom 11. 2. 1965, FHA Gradmann & Holler allgemeine Korrespondenz bis 1. 1. 1952. Abkommen zwischen der Allianz Versicherungs-AG und Gradmann & Holler vom 8. 2. 1973, ebd. Notiz betr. Gewinnbeteiligung Gradmann & Holler vom 11. 2. 1965, ebd. Dazu wurden auch die für den Stuttgarter Verein, die Bayerische Versicherungsbank und die Frankfurter Versicherungs-AG eingenommenen Prämien gerechnet. G & H Maschinen-Abtlg. Stuttgart, Vergleich Netto-Prämieneinnahmen und Entschädigungen 1966 und der letzten 10 Jahre (vom 12. 9. 1967) sowie 1968 und der letzten 10 Jahre (vom 24. 9. 1969), ebd.

Kapitel 11 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34

Handbuch, Vorwort Bormann und S. 1–5. Borscheid, S. 316 Geschäftsberichte der Allianz 1960 und 1961, FHA Geschäftsberichte. Handbuch, S. 1. VVD-Magazin. Aktuelle Zeitschrift für die VW-Organisation, auszugsweise ohne Datum als Fotokopie überlassen von Hubertus Löffel sowie Aufzeichnungen von Hubertus Löffel. Grieger, S. 72. Holler an Nordhoff vom 28. 12. 1962, HAHSt Korrespondenz Holler mit Nordhoff. Holler an Nordhoff vom 30. 12. 1965, ebd. Holler an Nordhoff vom 28. 12. 1962, ebd. Auskunft Felix Reis vom 3. 6. 2009. Holler an Nordhoff vom 30. 12. 1965, HAHSt Korrespondenz Holler mit Nordhoff. Holler an Nordhoff vom 27. 12. 1967, ebd. Vorstandssitzung am 27. 9. 66, UAVW Protokolle Vorstandssitzungen. Holler an Nordhoff vom 31. 12. 1966, HAHSt Korrespondenz Holler mit Nordhoff. Grieger, S. 82. Grieger, S. 84. Holler an Nordhoff vom 27. 12. 1967, HAHSt Korrespondenz Holler mit Nordhoff. Zur Rationalisierung der Büroarbeit in der Versicherungswirtschaft vgl. Eggenkämper, Vision. Holler an Nordhoff vom 15. 12. 1964, UVW 69/269/1. Handschriftlicher Vermerk Nordhoffs vom 31. 12. 1964 an Schreiben Lenz an Nordhoff vom 15. 12. 1964, UVW 69/269/1. Eine Kopie des Vertrages überließ mir freundlicherweise Avelino Schmitt. Notiz Schindler vom 29. 8. 1975, HAHSt Schow II VVD. AN Brandes betr. VVD-Brasilien vom 17. 11. 1983, HAHSt Schow II VVD. Schriftliche Auskunft Schmitt von November/Dezember 2007. Schriftliche Auskunft Schmitt vom 9. 1. 2010. Wellhöner, S. 285. Ebd., S. 349. Ebd., S. 259. Vorstandssitzung am 27. 9. 1965, UAVW Protokolle Vorstandssitzungen. Schriftliche Auskunft Schmitt von November/Dezember 2007. Cammack, S. 1112 ff. Auskunft Reis vom 3. 6. 2009. Vorstandssitzung am 25. 10. 1961, UAVW Protokolle Vorstandssitzungen. Vorstandssitzung am 30. 11. 1962, am 10. 12. 1962 und am 30. 1. 1963, ebd.

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Vorstandssitzung am 13. 10. 1964, ebd. Die Volkswagen Insurance Service (VIS) in Südafrika wurde 1980, der französische Service d’Assurance Volkswagen (SAV)1983 aufgelöst. Grieger, S. 68 u. S. 74. 37 Vorstandssitzung am 27. 9. 1966, UAVW Protokolle Vorstandssitzungen. 38 Nordhoff u. Siebert an VVD vom 30. 6. 1965, UAVW 865/138/1. 39 Holler an Nordhoff vom 31. 12. 1966, HAHSt Korrespondenz Holler mit Nordhoff. 40 Volkswagenwerk an VVD vom 9. 1. 1968 und VVD an Volkswagenwerk vom 29. 1. 1968, UAVW 865/138/1. 41 Holler an Nordhoff vom 27. 12. 1967, HAHSt Korrespondenz Holler mit Nordhoff. 42 Vgl. Gespräch mit Böckli am 28. 9. 2007. 43 Übersicht über die Gesellschaften der Holler-Stiftung vom 21. 3. 1991, HAHSt HA Obst IV. 44 URL: http://www.fritz-august-breuhaus.com/breuhaus-vita.html (12. 5. 2010). Website gestaltet von Rüdiger Jordan und Ulrich Bücholdt. 45 Glückwunschschreiben der leitenden Mitarbeiter von G&H o. D., HAHSt Nachlass Eheleute Holler. 46 Auskunft Reis vom 26. 11. 2009. 47 Der vorteilhafte Mietvertrag bestand seit dem 17. 1. 1963 und wurde nach Asta Hollers Tod gekündigt. Wertschutz an Schow vom 28. 8. 1990, HAHSt HA Obst II. 48 Testament vom 17. 10. 1963 mit beigefügter Satzung, HAHSt Testamente. 49 Asta Hollers Schwester Anna Clementine Bukwich starb 1968 in Graz, deren Tochter Herta MestreBukwich 2006 ebendort. Schwester Maria starb 1975. Matriken der Pfarre Maria-Treu, Wien, und Herta Mestre-Bukwich an Schow vom 10. 12. 1989, HAHSt HA Obst II. 50 Auskunft Reis vom 3. 6. 2009. 51 Auskunft Reis vom 19. 2. 2009. 52 Edelmann, Privatisierung, S. 66 ff. 53 Strachwitz unterscheidet als zwei Grundtypen Stiftungen mit und solche ohne Handlungsautonomie. Strachwitz, Stiftungen, S. 124. 54 Dieser wienerische Begriff bezeichnet vermietete Wohnimmobilien. Auskunft Reis vom 12. 3. 2010. 55 Satzung der Christian C. und Asta Holler-Stiftung vom 17. 10. 1963, HAHSt Testamente. 56 43% aller Stifter gaben Anfang des 21. Jahrhunderts dieses Motiv an. Timmer, S. 50 f. 57 Die im Zuge der Testamentsvollstreckung vom Nachlassgericht überlassenen Auszüge aus älteren Testamenten enthalten die wichtigsten Modifikationen bzw. Ergänzungen gegenüber den jeweils früheren Fassungen. Kopien der Testamentsauszüge, HAHSt HA Obst III. 58 Auszug aus dem Testament vom 9. 9. 1966 als Anlage zu Amtsgericht München an Schow vom 9. 11. 1989, HAHSt HA Obst III. 59 Auskunft Vucailovic vom 11. 09. 2007. 60 Auskunft Reis vom 19. 2. 2009. 61 Auskunft Hübner und Müller vom 29. 05. 2007. 62 Schreiben an Asta Holler vom 4. 11. 1967, HAHSt Nachlass Eheleute Holler. 63 Edelmann, Nordhoff, S. 277 ff. 64 Auskunft Reis vom 23. 1. 2010. 65 Maschinenabteilung Frankfurter an Generaldirektion der Allianz vom 11. 10. 1967, FHA 85 Volkswagen 90/1202 150–157. 66 Käfer auf Halde, in: DER SPIEGEL 52/1969. 67 Leiding an Prinz vom 23. 7. 1969, UVW 174/572/1. 68 Sektionsbericht Prof. Dr. Petzold vom 8. 12. 1969. HAHSt Nachlass Eheleute Holler. 69 Schreiben an Asta Holler vom 4. 11. 1969, ebd. 700 Schriftstücke, die in Zusammenhang mit der Vorbereitung der Begräbnisfeierlichkeiten für Christian Holler entstanden, AMM. 71 Auskunft Schwarzinger vom 12. 2. 2008. 36

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72 73

Auskunft Hübner und Müller vom 29. 5. 2007. Schultz-Wenk starb am 28. 12. 1969, Telefonische Auskunft UVW vom 16. 2. 2010.

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11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35

Auskunft Kohlhaas vom 12. 09. 2008 und Stroh vom 4. 6. 2009. „Gradholl“ diente intern und auch im Verkehr mit der Allianz häufig als Abkürzung für Gradmann & Holler. Heinz Müller an A. Holler vom 1. 11. 1969, d. Verf. als Fotokopie überlassen von Gerd Müller. Ebd. Auskunft Hübner und Müller vom 29. 05. 2007. Auskunft Schmitt von November/Dezember 2007. Auskunft Reis vom 11. 3. 2008. Auskunft Vacano vom 16. 9. 2009. Böckli an Schow betr. Assivalor AG / Rechtsgutachten über die Ausübung der 1961 eingeräumten Rücknahmeoption vom 21. 12. 1989 mit Anlagen, HAHSt HA Obst V. Auskunft Böckli vom 28. 9. 2007. Mit der Änderung des Außensteuerrechtes zu Beginn des Jahres 1972 wurden nicht ausgeschüttete Gewinne dem Anteilseigner zugerechnet. Nun „war klar, dass man nicht mehr ausschütten konnte. Von da ab wurde hier (in Berlin, H. E.) thesauriert. Eigenes Vermögen hatte Assivalor nicht, nur ausgeschüttete Gewinne der Wertschutz“. Auskunft Müller und Hübner vom 29. 5. 2007. Auskunft von Finck vom 16. 2. 09 Reis an Schütze vom 15. 3. 1978 mit Anlagen, HAHSt HA Obst III. Amtsgericht Charlottenburg. Beglaubigte Abschrift aus dem Handelsregister Abteilung B 93 HRB 2757, HAHSt Wertschutz GmbH. Auskunft Hug vom 21. 7. 2008. Auskunft Müller und Hübner vom 29. 5. 2007. Transkription des Mitschnitts eines Telefonats Benders mit A. Holler am 3. 4. 1975, AdIGPP E/21. Auskunft Barths vom 22. 5. 2007. Ebd. Noch für die Zeit vom 1. Januar bis zum 31. August 1989 stand ihr ein Honorar von 1 050 000,– ÖS zu. Briefwechsel Obst mit Weiß (VVD-Wien) im Herbst 1989, HAHSt Handakten Obst II. Auskunft Hoffmann und Laube vom 26. 2. 2008. Bericht Luisa Marinheiro von März 2010. Korrespondenz A. Holler mit Leiding 1971–1987, HAHSt VVD Wolfsburg Korrespondenz. A. Holler an Leiding vom 21. 4. 1971, ebd. Barths an A. Holler vom 12. 7. 1973, ebd. Korrespondenz A. Holler mit Leiding 1971–1987, ebd. Wenn Politiker wählen, in: DIE ZEIT Nr. 45 vom 30. 10. 1981. Korrespondenz A. Holler mit Schmücker 1975–1988, HAHSt VVD Wolfsburg Korrespondenz. Auskunft Schmitt von November/Dezember 2007 und Vertrag mit Solzer von 1975/76, HAHSt Schow II VVD. A. Holler an Thomée vom 27. 12. 1983, HAHSt VVD Wolfsburg Korrespondenz. Briefwechsel A. Holler mit Thomée 1968–1988, ebd. Briefwechsel A. Holler mit Schmidt 1973–1988, ebd. Grieger, S. 91. Auskunft Barths vom 23. 12. 2008. Grieger, S. 90 f. Vereinbarung vom 16. 12. 1971, UVW 865/138/1.

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Grieger, S. 94. Auskunft Vacano vom 16. 9. 2009. Grieger, S. 96. Auskunft Barths vom 22. 5. 2007. Ebd. und Auskunft Löffel vom 13. 2. 2008. Ebd. Grieger, S. 41 f., S. 98 u. S. 100. AN vom 1. 3. 1982, HAHSt Schow I VVD. Auskunft Schow vom 25. 11. 2009 Auskunft Schmitt von November/Dezember 2007. Auskunft Böckli vom 28. 9. 2007. Veröffentlichung der deutsch-brasilianischen Industrie- und Handelskammer vom 5. 9. 1980, HAHSt Schow II VVD. Auskunft Schmitt von November/Dezember 2007. Vertrauliche AN betr. Maklerprovision für Versicherungen der VW do Brasil vom 26. 2. 1976, HAHSt Schow II VVD. Entwurf des Protokolls der 1. Beiratssitzung des VVD vom 21. 2. 1979, HAHSt Schow I VVD. AN Brandes betr. VVD-Brasilien vom 17. 11. 1983, HAHSt Schow II VVD. Revisionsbericht Nr. 40/1978, Ebd. Briefwechsel A. Holler mit Thomée 1968–1988, HAHSt VVD Wolfsburg Korrespondenz. Graphologisches Gutachten über Felix Reis vom Sommer 1975, HAHSt Ausgeschiedene Mitarbeiter bis 30. 12. 2003 (Faszikel F. Reis). Aushang vom 15. 10. 1975, ebd. Rede A. Hollers vor Mitarbeitern in São Paulo vom 5. 5. 1976, ebd. Asta Holler an Thomée vom 1. 5. 1976, HAHSt VVD Wolfsburg Korrespondenz. Auskunft Böckli vom 28. 9. 2007. Gedächtnisprotokoll über ein Gespräch Benders mit A. Holler am 1. 3. 1984, AIGPP E/21. Die Tonbandmitschnitte transkribierte A. Hollers Sekretärin Carolin Ihler. Auskunft Ihler vom 11. 9. 2008. Ebd. Transkribiertes Tonband-Protokoll einer spiritistischen Sitzung vom 29. 8. 1975, HAHSt Nachlass Asta Holler. Margolis, S. 152–159. A. Holler an Bender vom 20. 1. 1975, AIGPP E/21. Telefonische Auskunft Geller vom 11. 2. 2009. Asta Holler an Hans Bender vom 20. 1. 1975, AIGPP E/21. Auskunft von Finck vom 16. 2. 2009. Bender, Uri Geller, S. 43. Bender u. a., S. 219 A. Holler an Bender vom 20. 1. 1975, AIGPP E/21. Bender an A. Holler vom 14. 2. 1975, ebd. A. Holler an Bender vom 27. 3. 1975, ebd. Auskunft Bauer vom 14. 9. 2007. Stevenson, S. 115. Es handelte sich um Toni Schmücker. Ferngespräch mit Frau Asta Holler am 2. 4. 1975 (transkribierter Tonbandmitschnitt) AIGPP E/21. Später fertigte Bender Gedächtnisprotokolle von Gesprächen an, die er mit A. Holler in München führte. Bender an A. Holler vom 23. 6. 1975, ebd. Gesprächsnotiz vom 20. 1. 1976, ebd. Auskunft Reis vom 18. 6. 2009.

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Urkunde über die Errichtung der Christian C. und Asta Holler-Stiftung und Satzung der Christian C. und Asta Holler-Stiftung genehmigt vom Bayerischen Staatsministerium des Innern am 27. 8. 1976, HAHSt Kleine Stiftung. Auskunft Reis vom 18. 6. 2009.

Kapitel 13 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

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Auskunft Stroh vom 4. 6. 2009. Rede Stroh. Vertrag vom 22./23. 8. 1975, HAHSt Gradmann & Holler. Abkommen zwischen der Allianz Versicherungs-AG und Gradmann & Holler vom 8. 2. 1973, FHA Gradmann & Holler allgemeine Korrespondenz bis 1. 1. 1952. Borscheid, S. 385. Ebd., S. 387. Vermerk betr. VWV vom 11. 2. 1982, HAHSt Schow I VVD. Auskunft Kiep vom 11. 9. 2007. Vermerk betr. VWV vom 11. 2. 1982, HAHSt Schow I VVD. So sah man es auch im Volkswagenwerk selbst: „Mit der Überführung der VWB-Versicherungsabteilung einschließlich aller Kosten in die (stiftungs-) eigene Maklergesellschaft wird in Brasilien ein Verfahren praktiziert, wie wir es auch bei der VWV anwenden.“ Schow an Hahn vom 21. 11. 1983, HAHSt Schow II VVD. Auskunft Oebel vom 5. 10. 2007. Vermerk betr. VWV vom 11. 2. 1982, HAHSt Schow I VVD. Vereinbarung zwischen VWV und VVD betr. Kfz-Versicherungen für Werksangehörige vom 8. 12. 1976, HAHSt Schow I VVD. Vereinbarung zwischen VWV und VVD betr. Transportversicherungen vom 8. 12. 1976, ebd. Undatierter Briefentwurf als Anlage zu Meinel an Schow vom 28. 1. 1977, ebd. Zentrales Versicherungswesen und Rechtswesen an Thomée vom 28. 2. 1977, ebd. A. Holler an Schmidt vom 28. 6. 1978, HAHSt VVD Wolfsburg Korrespondenz. Interne Mitteilung Schow an Thomée vom 25. 8. 1978, HAHSt Schow II VVD. Notiz Wischenbart/Schow für Hahn vom 18. 5. 1983, HAHSt Schow I VVD. Thomée und Schow an A. Holler vom 12. 12. 1978, ebd.; AN Knipphals/Schow vom 1. 3. 1982, ebd. Auskunft Schmitt von November/Dezember 2007. Dieser von Löffel am 13. 2. 2008 geäußerten Vermutung pflichtete u. a. Barths am 9. 2. 2010 bei. Satzung der Volkswagen-Versicherungsdienst GmbH vom 14. 12. 1978, HAHSt Schow I VVD. AN betr. neue VVD-Satzung vom 1. 2. 1979, ebd. Schow an Thomée vom 2. 2. 1979, ebd. Geschäftsordnung für den Beirat des VVD (Entwurf), ebd. und AN Knipphals/Schow vom 1. 3. 1982, ebd. A. Holler an Thomée vom 19. 12. 1978, HAHSt VVD Wolfsburg Korrespondenz. Mit einem „Identity-Programm“, das allen Betrieben der Verkaufs- und Kundendienstorganisation die Buchstabengruppe „V.A.G.“ voranstellte trug der VW-Konzern der Tatsache Rechnung, dass seine Händler und Werkstätten fortan auch die Marke Audi vertraten. Das Buch, S. 316 f. AN Knipphals/Schow vom 1. 3. 1982, HAHSt Schow I VVD. Namensführungsvertrag vom 18./20./22. 12 1978, HAHSt VVD Namensführungsvertrag. AN Knipphals/Schow vom 1. 3. 1982, HAHSt Schow VVD I. VVD GmbH/Geschäftsordnung für den Beirat (Entwurf), ebd. A. Holler an Thomée/Schow vom 31. 1. 1979, HAHSt VVD Wolfsburg Korrespondenz. Protokoll (Entwurf) der VVD-Beiratssitzung vom 21. 2. 1979, HAHSt Schow I VVD. A. Holler an Thomée vom 19. 12. 1978, ebd.

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Protokoll (Entwurf) der VVD-Beiratssitzung vom 21. 2. 1979, ebd. AN Schow für Thomée vom 30. 3. 1979, ebd. 38 Adams an Schow vom 8. 6. 1979, ebd. 39 A. Holler an Thomée vom 1. 5. 1979, HAHSt VVD Wolfsburg Korrespondenz. 40 A. Holler an Thomée vom 17. 12. 1979, ebd. 41 A. Holler an Thomée vom 9. 1. 1980, ebd. 42 A. Schmidt an A. Holler vom 17. 1. 1980, ebd. 43 A. Holler an A. Schmidt vom 23. 1. 1980, ebd. 44 Protokoll über die außerordentliche Gesellschafter-Versammlung der Wertschutz GmbH vom 25. 1. 1979, HAHSt Ausgeschiedene Mitarbeiter bis 30. 12. 2003 (Faszikel F. Reis); Auskunft Reis vom 26. 11. 2009. 45 Ausgenommen waren Angelegenheiten, die der Zustimmung der Gesellschafterversammlung, also Asta Hollers, bedurften. Abschrift der notariellen Urkunde vom 2. 10. 1980, HAHSt Ausgeschiedene Mitarbeiter bis 30. 12. 2003 (Faszikel F. Reis). 46 Auskunft Karner vom 7. 9. 2009. 47 A. Holler an Thomée vom 31. 1. 1980, HAHSt VVD Wolfsburg Korrespondenz. 48 Schow an Sauer vom 20. 5. 1980, HAHSt Schow I VVD. 49 Thomée an A. Holler vom Mai 1980, HAHSt VVD Wolfsburg Korrespondenz. 50 A. Holler an Thomée vom 29. 9. 1980, HAHSt Schow II VVD. 51 Vgl. Obst an Schow vom 4. 7. 1980, HAHSt Schow I VVD. 52 Vertrauliche AN Schows für Sauer betr. VVD Brasilien/Pallas/Masa vom 21. 8. 1980, HAHSt Schow II VVD. 53 Schow an Berthold vom 1. 10. 1980, HAHSt Schow I VVD. 54 AN betr. VVD Brasilien/Pallas/Masa vom 10. 10. 1980, HAHSt Schow II VVD. 55 Beteiligungen Ausland (Brandes) vom 17. 11. 1983 betr. VVD-Brasilien, ebd. 56 A. Holler an Thomée vom 18. 12. 1980, HAHSt VVD Wolfsburg Korrespondenz. 57 Vgl. Eggenkämper, Vision, S. 228 ff. 58 AN Knipphals/Schow vom 1. 3. 1982, HAHSt Schow I VVD. 59 Bender an A. Holler vom 25. 4. 1981, AIGPP E/21. 60 A. Holler an Leiding vom 4. 9. 1974, HAHSt VVD Wolfsburg Korrespondenz. 61 Wenn Politiker wählen, in: DIE ZEIT Nr. 45 vom 30. 10. 1981. 62 Schow an Thomée vom 13. 8. 1981, HAHSt Schow I VVD. 63 A. Holler an Thomée vom 13. 10. 1981, HAHSt VVD Wolfsburg Korrespondenz. 64 Ruppige Kämpfe, in: DER SPIEGEL Nr. 44/1981 vom 26. 10. 1981. 65 A. Holler an Thomée vom 20. 10. 1981, HAHSt VVD Wolfsburg Korrespondenz. 66 Wenn Politiker wählen, in: DIE ZEIT Nr. 45 vom 30. 10. 1981. 67 Schwerer Tippfehler, in: MANAGER-MAGAZIN vom 28. 8. 2001. 68 Wenn Politiker wählen, in: DIE ZEIT Nr. 45 vom 30. 10. 1981. 69 Thomée an A. Holler vom 22. 5. 1982, HAHSt VVD Wolfsburg Korrespondenz. 70 Der Kontakt zwischen Asta Holler und Thomée stagnierte zunächst, wurde dann aber von beiden Seiten wieder aufgenommen und dauerte an, solange Asta Hollers Gesundheit es zuließ; die Anrede wurde vertrauter und der Ton offener. HAHSt VVD Wolfsburg Korrespondenz. 71 Vgl. HAHSt VVD Wolfsburg Korrespondenz. 72 A. Holler an Barths vom 14. 1. 1982, ebd. 73 Hahn an A. Holler vom 19. 1. 1982, ebd. 74 Carl H. Hahn, Deutscher Industriemanager, in: URL:http://www.niedersachsen.de (14. 12. 2006). 75 A. Holler an Schow vom 29. 11. 82, HAHSt Schow I VVD. 76 Schow an Frerk vom 20. 1. 1982, ebd. 77 Auszug aus Protokoll der Vorstandssitzung vom 5. 7. 1982, ebd. 78 AN vom 2. 9. 1982, ebd. 37

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A. Holler an Schmidt vom 5. 7. 1982, HAHSt VVD Wolfsburg Korrespondenz. Auskunft Schmitt von November/Dezember 2007. Bericht Luisa Marinheiro von März 2010. Telefonische Auskunft Bürgel vom 23. 4. 2008. AN Knipphals/Schow vom 1. 3. 1982, HAHSt Schow I VVD. Vorlage Schows für Vorstandssitzung am 19. 4. 1982, ebd. AN Knipphals/Schow vom 1. 3. 1982, ebd. A. Holler an VW-Vorstand vom 25. 11. 1982, ebd. Hahn und Frerk an A. Holler vom 8. 12. 1982 (Entwurf), ebd. A. Holler berief sich in einem Gespräch mit Schow am 14. 3. 1983 offenbar auf Äußerungen Thomées. AN Schow vom 21. 3. 1983 betr. Gespräch mit A. Holler am 14. 3. 1983, ebd. Niederschrift der VVD-Beiratssitzung am 18. 5. 1980, ebd. Auskunft Barths vom 16. 9. 2009. Grieger, S. 112. Niederschrift der VVD-Beiratssitzung am 4. 5. 1983, HAHSt Schow I VVD. Grieger, S. 116. Beteiligungen Ausland (Brandes) vom 17. 11. 1983 betr. VVD-Brasilien, HAHSt Schow II VVD. Auskunft Hahn vom 11. 2. 2008. Interne Mitteilung Wischenbart/Schow für Hahn vom 18. 5. 1983, HAHSt Schow I VVD. Auskunft Vacano vom 16. 9. 2009. Hahn an A. Holler vom 2. 6. 1983, HAHSt VVD Wolfsburg Korrespondenz. Hahn an A. Holler vom 4. 7. 1983, ebd. Hahn an A. Holler vom 1. 9. 1983, ebd. Schow an Selowsky betr. VVD vom 4. 10. 1983, HAHSt Schow I VVD. Rechtswesen Inland an Schow vom 2. 11. 1983, ebd. Auskunft Vacano vom 16. 9. 2009. Auskunft Hahn vom 11. 2. 2008. A. Holler an Hahn vom 5. 12. 1983, HAHSt VVD Wolfsburg Korrespondenz. Marisa Hahn an A. Holler vom 11. 12. 1983, ebd. Hahn an A. Holler im Januar 1984, ebd. A. Holler an Thomée vom 27. 12. 1983, ebd. Auskunft Schow vom 23. 4. 2007. Bender an A. Holler vom 2. 1. 1984, AIGPP E/21. Beide Kärtchen abgeheftet in HAHSt VVD Wolfsburg Korrespondenz. A. Holler an Hahn vom 6. 4. 1984, ebd. Auskunft Böckli vom 28. 9. 2007. Gedächtnisprotokoll Hans Benders nach einem Gespräch mit A. Holler am 1. 4. 1984, AIGPP E/21. Ebd. A. Holler an Hahn vom 8. 8. 1984, HAHSt VVD Wolfsburg Korrespondenz. Testament A. Hollers vom 11. 10. 1984, HAHSt Testamente. Namensführungsvertrag vom 17. 12. 1984, HAHSt Namensführungsvertrag. Auskunft Barths vom 22. 5. 2007. Auf diese Formel brachte es VVD-Sprecher Vacano, Auskunft vom 16. 9. 2009. Auskunft Böckli vom 28. 9. 2007.

Kapitel 14 1 2

Thomée an A. Holler vom 26. 6. 1985, HAHSt VVD Wolfsburg Korrespondenz. Schmidt an A. Holler vom 30. 11. 1984, ebd.

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Geplante Sitzordnung Mittagessen am 15. 12. 1984, HAHSt Nachlass Asta Holler. Hahn an A. Holler im Dezember 1984, HAHSt VVD Wolfsburg Korrespondenz. Auskunft Barths vom 22. 5. 2007. Auskunft Reis vom 3. 6. 2009. Auskunft Bürgel vom 23. 7. 2008. Auskunft Barths vom 22. 5. 2007. Carl H. Hahn in der Sendung „Kunst und Kundschaft – Kulturförderung, Sponsoring und Imagepflege“ von Adolf Stock, Deutschlandradio Kultur, Zeitfragen, 21. März 2005, 19.30 Uhr. Die Volkswagen-Silhouette gehöre an die Wand, klärte Hahn Asta Holler Mitte Januar 1985 auf, und solle sie „an Ihre Freunde in Wolfsburg erinnern und unsere Verbundenheit mit Ihnen dokumentieren“. Sie sei und bleibe die erste Frau, die als „Aktivpartnerin“ des Volkswagenwerkes ein solches Geschenk erhalte. Hahn an A. Holler vom 14. 1. 1985, HAHSt VVD Wolfsburg Korrespondenz. A. Holler an Hahn vom 17. 12. 1984, HAHSt VVD Wolfsburg Korrespondenz. Hahn an A. Holler vom 17. 12. 1984, ebd. Bender an A. Holler vom 20. 12. 1984, AIGPP E/21. Auskunft Bauer vom 14. 9. 2007. Auskunft Sawilla vom 12. 3. 2008. Frerk war 1971 als Arbeitsdirektor eingetreten und seit 1978 für das Vorstandsressort „Recht, Revision und Volkswirtschaft“ zuständig. Auskunft UVW vom 16. 2. 2010. Hahn an Barths (mit Kopien an Frerk, Schmidt, Selowsky und Wischenbart) vom 14. 1. 1985, HAHSt Schow I VVD. Auskunft Kaminsky vom 8. 5. 2007. Hahn an A. Holler vom 1. 10. 1985, HAHSt VVD Wolfsburg Korrespondenz. Auskunft Hofmann und Laube vom 26. 2. 2008. Hahn an A. Holler vom 3. 4. 1986, HAHSt VVD Wolfsburg Korrespondenz. A. Holler an Hahn vom 23. 4. 1986, ebd. A. Holler an Hahn „und Frau Gemahlin“ vom 17. 12. 1985, ebd. Hahn an A. Holler vom 26. 12. 1985, ebd. A. Holler an Hahn vom 23. 4. 1986, ebd. FAZ vom 6. 5. 1986. Sekretariat Hahn an A. Holler vom 21. 5. 1986, HAHSt VVD Wolfsburg Korrespondenz. Jürgen Schow berichtet, dass Asta Holler „kein einziges Münchner Museum“ besucht habe. „Das interessierte sie nicht.“ Auskunft Schow vom 23. 4. 2007. Ebd. 11,9 Mio. DM Namensführungsgebühr zahlte der Wolfsburger VVD, 1,5 Mio. DM zahlten die VVDTöchter. Tabelle „Entwicklung des VVD“ vom 2. 10. 1989, HAHSt Herr Schow VVD Jahresabschlüsse. Grieger, S. 121. „Konzept H[oller]Stiftung – VVD“, Vorlage für Vorstandssitzung am 8. 9. 1986, HAHSt Schow I VVD. Auskunft Schow vom 23. 4. 2007. Auskunft Hahn vom 11. 02. 2008. Vgl. Adloff, S. 279. A. Holler an Hahn vom 1. 7. 1986, HAHSt VVD Wolfsburg Korrespondenz. Hahn an A. Holler vom 14. 7. 1986, ebd. Bericht Bürgels o. D. (2007), HAHSt Hildegard Hospiz-Stiftung. Informationsblatt „Hildegard-Hospiz“, HAHSt HA Obst III. Auskunft Bürgel vom 21. 7. 2008. Tel. Auskunft Bürgel vom 23. 4. 2008. Auskunft Reis vom 12. 4. 2010.

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Eine Kopie des Beschlusses, die Schow im Mai 1989 erhielt, trägt noch keine Unterschriften, vor den Namen der persönlich haftenden Gesellschafter und dem Vertreter von Marsh & McLennan aber bereits Ort und Datum (Gradmannn & Holler Gesellschafterbeschluss vom Juni/Juli 1986, HAHSt HA Obst). Eine Kopie, die dem Auseinandersetzungsvertrag vom Dezember 1989 anliegt, enthält die Unterschriften aller Gesellschafter. HAHSt HA Obst I. Vgl. Entwürfe für Erklärungen, die der VVD dem Volkswagenwerk zur Unterschrift vorlegte, HAHSt Schow I VVD. Hüttinger an A. Holler vom 22. 7. 1986 mit Anlagen, HAHSt Notar. Finanzamt München für Körperschaften an Hüttinger vom 29. 7. 1986, ebd. „Konzept H[oller]Stiftung – VVD“, Vorlage für Vorstandssitzung am 8. 9. 1986, HAHSt Schow I VVD. Schow an Hahn vom 20. 10. 1989, HAHSt Schow II VVD. „VW-Chef Hahn bleibt bis 1991“, in: FAZ vom 8. 12. 1986, von A. Holler verwahrter Ausschnitt, HAHSt VVD Wolfsburg Korrespondenz. Hahn, S. 138 ff. FAZ vom 8. 12. 1986. Hahn an A. Holler vom 8. 12. 1986, HAHSt VVD Wolfsburg Korrespondenz. Karte des Lieferanten vom 15. 12. 1986, ebd. Briefe und Karten A. Hollers, ebd. Hahn an A. Holler vom 9. 7. 1987, ebd. Schow an A. Holler vom 29. 1. 1987, HAHSt Notar. „Kunstmuseum kommt mit der VW-Stiftung“, in: WOLFSBURGER NACHRICHTEN vom 29. 1. 1987. Entwurf Raumprogramm für ein Museumsgebäude der Kunststiftung Volkswagen, o. D. (Dezember 1986), HAHSt Notar. Bürgel AG an Asta Holler vom 5. 9. 1986 mit Anlagen, HAHSt HA Obst III. 1978 hatte Bürgel Asta Holler bereits einmal Unterlagen überlassen, damit ihr Berliner Steuerberater Dieter Schütze prüfen konnte, welche steuerlichen Konsequenzen sich nach deutschem Recht ergäben, wenn sie in der Schweiz eine Stiftung gründete. Reis an Schütze vom 15. 3. 1978, ebd. Hüttinger an A. Holler vom 30. 1. 1987 mit Anlagen, HAHSt Notar. Stiftungssatzung als Anlage zum Erbvertragsentwurf vom Januar 1987, ebd. Auskunft Böckli vom 28. 9. 2007. Einen Barbetrag sollten erhalten: Felix Reis, Marianna Hübner, Hella Vathke, Christa Kloth, Ursula Hug, Marianne Preisendanz, Susanne Demoll. Stiftungssatzung vom 27. 5. 1987, HAHSt Testamente. Ebd. „Museumslandschaft mit weltweitem Ruf“, in: BRAUNSCHWEIGSCHE ZEITUNG vom 22. 6. 2002. Vgl. Junge-Gent. Entwurf einer Satzung der Kunststiftung Volkswagen vom August 1986, HAHSt Notar. Diverse Korrespondenz A. Holler mit Hahn Ende 1987, HAHSt VVD Wolfsburg Korrespondenz. Exposé zur Entwicklung des VVD vom 2. 10. 1989, HAHSt Herr Schow VVD Jahresabschlüsse. Vgl. Partner. Als Autor hatte Richard Budde, ein ehemaliger Pressesprecher von Volkswagen, gewonnen werden können. Auskunft Kaminsky vom 8. 5. 2007. Ullmann, S. 219 ff. Hahn an A. Holler vom 26. 2. 1988, HAHSt VVD Wolfsburg Korrespondenz. A. Holler an Hahn vom 4. 3. 1988 (Kopie), ebd.; Original in HAHSt Schow I VVD. Grieger, S. 126 Auskunft Reis vom 11. 3. 2008. Auskunft Hofmann und Laube vom 26. 2. 2008. Auskunft Schwarzinger vom 12. 2. 2008.

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Aufzeichnungen Reis über den Verlauf der Krankheit A. Hollers, HAHSt Frau Asta Holler/Pflegschaft/ Beisetzung/Kondolenzen. Auskunft E. Pecher, die seit dem 1. 2. 1988 als Sekretärin für Asta Holler arbeitete, vom 29. 6. 2009 und Kaminsky vom 8. 5. 2007. Auskunft Schmitt von November/Dezember 2007. Hahn an Nau (SOS-Kinderdorf e. V., München) vom 14. 4. 1988 und Hahn an A. Holler vom selben Tag, HAHSt VVD Wolfsburg Korrespondenz. Hahn an A. Holler vom 5. 5. 1988 (mit Vermerk vom 24. 5. 1988, dass der Brief Asta Holler vorgelesen worden sei), ebd. Hahn an A. Holler vom 4. 7. 1988, ebd. A. Holler an Schow vom 22. 8. 1988, HAHSt Schow I VVD. Auskunft Pecher vom 29. 6. 2009. Aufzeichnungen Reis über den Verlauf der Krankheit A. Hollers, HAHSt Frau Asta Holler/Pflegschaft/ Beisetzung/Kondolenzen. Testament vom 21. 10. 1988, HAHSt Testamente. Reis an Weigert vom 22. 5. 1989, HAHSt Frau Asta Holler Pflegschaft/Beisetzung/Kondolenzen. Auskunft Schow vom 23. 4. 2007. Aufzeichnungen Reis über den Verlauf der Krankheit A. Hollers, HAHSt Frau Asta Holler Pflegschaft/ Beisetzung/Kondolenzen. Auskunft Schow vom 23. 4. 2007. AN Obst vom 5. 1. 1989, HAHSt HA Obst IX. Aufzeichnungen Reis über den Verlauf der Krankheit A. Hollers, HAHSt Frau Asta Holler Pflegschaft/ Beisetzung/Kondolenzen.

Kapitel 15 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19

Schow an von Finck vom 28. 1. 1998, HAHSt HA Obst VIII. Schow an Vormundschaftsgericht vom 19. 1. 1989, HAHSt HA Obst I. Aufzeichnungen Reis über den Verlauf der Krankheit A. Hollers, HAHSt Frau Asta Holler Pflegschaft/ Beisetzung/Kondolenzen. Auskunft Schow vom 23. 4. 2007. Schow an Sack vom 10. 4. 1989, HAHSt Frau Asta Holler Pflegschaft/Beisetzung /Kondolenzen. Aufzeichnungen Reis über den Verlauf der Krankheit A. Hollers, ebd. Ergebnis-Protokoll über die Gesellschafterversammlung der Firma Gradmann & Holler (KG) in Stuttgart vom 3. Mai 1989, HAHSt HA Obst I. Gradmannn & Holler Gesellschafterbeschluss Juni/Juli 1986, ebd. Problemskizze EG-Binnenmarkt 1990 (1992), ebd. Weyrauchs Telefax vom 1. 6. 1989 war adressiert an die „Volkswagenwerk AG“, „z. Hd. von Herrn Chefsyndikus Jürgen Schow“, ebd. Weyrauch an Schow vom 6. 6. 1989, ebd. Programm für den 15./16. Juni 1989, HAHSt Frau Asta Holler Pflegschaft/Beisetzung/Kondolenzen. Schriftwechsel Juni bis August 1989, ebd. Schütze an Schow vom 11. 7. 1989, HAHSt HA Obst I. Der gesamte Vorgang in ebd. Entwurf eines Schreibens an das Amtsgericht München betr. Pflegschaft Frau Asta Holler vom 20. 6. 1989, ebd. Weyrauch an Schow vom 21. 6. 1989, ebd. Schow an Weyrauch vom 26. 6. 1989, ebd. Schow an Amtsgericht vom 24. 6. 1989, ebd.

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Schow an Obst, Reis und Schütze vom 22. 6. 1989, HAHSt Frau Asta Holler Pflegschaft/Beisetzung/Kondolenzen. Faszikel Beratung Schow (Schriftwechsel VVD-Geschäftsführung mit Schow), HAHSt HA Obst IX. Reis an Pflegestation Hans-Seidel-Haus vom 28. 8. 1989, HAHSt Frau Asta Holler Pflegschaft/Beisetzung/ Kondolenzen. Weyrauch an Schow vom 18. 8. 1989, HAHSt HA Obst I. Schow an Weyrauch vom 27. 9. 1989, ebd. „Versicherungsmakler wird international – Marsh & McLennan übernimmt Gradmann & Holler“, in: FAZ vom 27. 10. 1989. Die ausgeschnittenen Berichte befinden sich in HAHSt HA Obst I. Weyrauch & Kapp: Entwurf für ein Auseinandersetzungsguthaben vom 13. 12. 1989, ebd. Schütze für Schow und Obst am 21. Dezember 1989 und Weyrauch & Kapp an Schow vom 19. 4. 1990, ebd. Gemäß einem Gesellschafterbeschluss vom 5. 1. 1987 ging Asta Hollers Gesellschaftsanteil zu 5% an Liselotte Gradmann, der Rest im Verhältnis der Gewinnquoten an die persönlich haftenden Gesellschafter Kiep, Stroh und Seul. Auseinandersetzungvertrag vom 18./ 22. 12. 1989, HAHSt Auseinandersetzungsvertrag. Schow an Amtsgericht München vom 31. 1. 1990, HAHSt HA Obst II. URL:http://www.stuttgarter-stiftungen.de (9. 10. 2009). Gemeinsame Anzeige von Wertschutz, VVD und Allgemeine Kredit-Vermittlung GmbH vom 25. 8. 1989, HAHSt Nachlass Asta Holler. Liste der Teilnehmer an der Beisetzung A. Hollers, HAHSt Frau Asta Holler Pflegschaft/Beisetzung/Kondolenzen. Auskunft Klaus Vacano vom 16. 9. 2009. Kondolenzschreiben, HAHSt Frau Asta Holler Pflegschaft/Beisetzung/Kondolenzen. Abschrift der Niederschrift über Testamentseröffnung vom 5. 9. 1989, HAHSt HA Obst II. Das Kuvert enthielt Verfügungen aus den Jahren 1984, 1987 und 1988. Schow an Amtsgericht München vom 7. 9. 1989 und Zeugnis über die Ernennung zum Testamentsvollstrecker vom 18. 10. 1989, ebd. Schow an Reis vom 6. 12. 1989, ebd. Fragebogen des Nachlassgerichtes München o. D., ebd. Der Familienname lautete jetzt Held; offenbar hatte Maria Münzl, geb. Griessler, ein zweites Mal geheiratet. Herta Mestre-Bukwich an Schow vom 10. 12. 1989, HAHSt HA Obst II. Schow an Mestre-Bukwich vom 2. 3. 1990, ebd. Amtsgericht München an Schow vom 14. 12. 1989, ebd. Englings Anwalt zitierte aus einem Brief Christian Hollers an seinen Mandanten vom 8. 8. 1967. Grote an Schow vom 3. 5. 1990, ebd. Schow an Grote vom 10. 5. 1990, ebd. Engling sah die Vergeblichkeit seiner Bemühungen schließlich ein. Engling an Schow vom 9. 9. 1991, HAHSt HA Obst III. Dem Stiftungsvermögen flossen demnach Beteiligungen an folgenden Firmen zu: sämtliche Geschäftsanteile an der Assivalor AG, Basel, die ihrerseits 90% an der Wertschutz GmbH hielt; 10% an der Wertschutz GmbH, Berlin, die ihrerseits sämtliche Anteile der VVD GmbH, Wolfsburg, hielt; 44% an der VVD Volkswagen Corretagem de Seguros, Limitada, São Paulo, 5% an der Assivalo Commercial e Representacoes, Limitada, São Paulo; 5% an der Pallas Viagens e Turismo, Limitada, São Paulo; 11% der Aktien der Inmuebles y Administraciones, S. A., Mexico; 15% der Aktien der Automotriz San Angel, S. A., Mexico; 1,8% der Aktien an der Servopa S. A., Curitiba (Brasilien); ein Kommanditanteil der Allgemeine Kredit-Vermittlung GmbH & Co. Alt-Lietzow Grundstücks-KG, Berlin; ein Kommanditanteil an der Allgemeine Kredit-Vermittlung GmbH & Co. Grundstücks-, Bau- und Verwaltung KG, Berlin. Kopie des Testaments vom 25. 5. 1987, HAHSt HA Obst II.

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Amtsgericht München, Nachlass Holler, Josepha Rosa. Unterzeichnet von Schow am 31. Januar 1990, ebd. Besprechungsnotiz Obst vom 11. 10. 1989, ebd. Vollmacht vom 4. 4. 1990, ebd. Schow an Schütze vom 30. 4. 1991, ebd. Besprechungsnotizen Obst 24. 10.–27. 10. 1989, HAHSt HA Obst III. Besprechungsnotiz vom 29. 1. 1990, ebd. AN über Treffen Schow, Schütze, Müller, Reis, Obst in Berlin am 25. 9. 1989, ebd. Gesprächsnotiz Schow vom 2. 11. 1989, ebd. Schow gleichlautend an SOS-Kinderdorf e. V., Hermann-Gmeiner-Fonds Deutschland e. V., Hildegard Hospiz-Stiftung, IGPP e. V. und Kunststiftung Volkswagen vom 2. 11. 1989, HAHSt HA Obst II. Schow an Kuratorium der Kunststiftung Volkswagen vom 8. 12. 1989, ebd. Bürgel an Schow vom 31. 10. 1989, HAHSt HA Obst III. AN über Treffen Schow, Schütze, Müller, Reis, Obst in Berlin am 25. 9. 1989, ebd. Schow an IGPP vom 16. 7. 1990, ebd. Testament und Auftrag, URL:http://www.bosch-stiftung.de (21. 09. 2009). „Vom Wirken für das allgemeine Wohl“, in: FAZ vom 20. 10. 1989. AN vom 29. 1. 1990, HAHSt HA Obst III; Besprechungsnotiz vom 29. 1. 1990, ebd.; AN vom 13. 3. 1990, ebd. Schow an Stiftungsaufsicht vom 24. 4. 1990 mit Anm. Obst vom 7. 5. 1989, ebd. Schow an Begünstigte vom 8. 6. 1990, ebd. Schow an Stiftungsaufsicht vom 9. 7. 1990, ebd. Schow sagte Schütze aber zu, ihn auch danach weiter zu betrauen. AN Schow vom 17. 12. 1990, ebd. Satzung der Holler-Stiftung und Genehmigungsurkunde des Bayerischen Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst vom 7. 9. 1990, HAHSt HA Obst IV. Schow an Finanzamt München vom 9. 10. 1990 und Schow an Begünstigte vom 10. 5. 1991, HAHSt HA Obst III. Auskunft Schow vom 23. 4. 2007. Günther Obst, Expertise: Der Volkswagen-Versicherungsdienst (mit Anlagen) vom 12. 9. 1990, HAHSt Schow VVD/Jahresabschlüsse. Strachwitz, Stiftungen, S. 121. Schow an Begünstigte vom 10. 5. 1991 und Schow an Stiftungsaufsicht vom 3. 6. 1991, HAHSt HA Obst III. Vgl. Bericht des Wirtschaftsprüfers 1990/1991, HAHSt Bilanzen 1990–93. Schow an Stiftungsaufsicht vom 31. 10. 1990, HAHSt HA Obst III. Schow an Wittich vom 19. 2. 1991, ebd. Darstellung der Entwicklung des Kunstmuseums Wolfsburg vom 9. 2. 1994 (o. A., vermutlich Schow), HAHSt HA Obst IV. Schow an Hahn vom 20. 10. 1989, HAHSt Schow VVD III. Im April 1989 hatte das Ergebnis des Architektenwettbewerbs vorgelegen. Im September beschloss das von Carl Hahn geleitete Stiftungskuratorium die Realisierung. Der Architekt schätzte die Baukosten auf rund 37,5 Mio. DM. Die Aufträge sollten „im Interesse der Kostenbegrenzung und der Terminkontrolle“ stufenweise erteilt werden, die VW-Siedlungsgesellschaft die Bauarbeiten ausführen. Umlaufbeschluss des Kuratoriums der Kunststiftung Volkswagen vom 18. 9. 1989, HAHSt HA Obst II. Schow an Kuratorium der Kunststiftung Volkswagen vom 8. 12. 1989, HAHSt HA Obst II. Schow an Kuratorium vom 12. 12. 1990, ebd. Hahn, S. 272–288. Vacano an Hahn vom 17. 12. 1992, HAHSt VVD Jahresabschlüsse. Vacano an Schmidt vom 20. 4. 1990, HAHSt Schow II VVD. Knipphals an Schow vom 14. 5. 1990, ebd. Schow an Knipphals vom 18. 5. 1990, ebd.

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Grieger, S. 130. Diverse Berichte und Korrespondenzen, HAHSt VVD Jahresabschlüsse. Zahlungen an Partner 1986–1994, HAHSt HA Obst III. Schow an Hahn vom 4. 10. 1990, HAHSt Schow I VVD. Hahn an Schow vom 16. 10. 1990, ebd. Eine außerordentliche Gesellschafterversammlung der VVD GmbH veränderte die VVD-Satzung entsprechend, und der Beirat löste sich zum 1. 1. 1991 im Umlaufverfahren auf. Notariatsurkunde vom 18. 12. 1990 und Umlaufbeschluss vom Dezember 1990, ebd. Grieger, S. 132. Besprechungspunkte für Reise München am 9. 7. 1990, HAHSt HA Obst III. Expertise Schützes betreffend den Rückerwerb der Wertschutz-Anteile von der Assivalor AG vom 10. 7. 1989 mit maßgeblichen handschriftlichen Ergänzungen Böcklis vom 14. 7. 1989, HAHSt HA Obst V. Überarbeitete Expertise vom 7. 8. 1989, ebd. Schütze und Böckli hatten noch zu Lebzeiten Asta Hollers erörtert, ob es zweckmäßig wäre, deren schweizerisches Vermögen in eine Stiftung zu überführen, um später möglichen steuerlichen Nachteilen vorbeugen zu können. Verschiedene Korrespondenz, ebd. Besprechungspunkte bei Assivalor AG am 27. 10. 1989 vom 12. 10. 1989, HAHSt HA Obst III. AN Obst vom 6. 10. 1989, HAHSt HA Obst IV. Beschlussvorlage Schow für Kuratoriumssitzung am 15. 4. 1991, HAHSt HA Obst V. AN Schow vom 19. 2. 1990, ebd. Korrespondenz Böckli/Schow mit eidgenössischen Finanzbehörden vom Frühjahr/Sommer 1990, ebd. Einladung Schow zum Treffen in Zürich am 22. 6. 1990 vom 1. 6. 1990, ebd. Korrespondenz Schow mit Beratern vom 29. 5., 25. 6. und 2. 7. 1990, ebd. AN Schow vom 27. 8. 1990, ebd. Böckli an Schow vom 10. 9. 1990, ebd. Eidgenössische Steuerverwaltung an Assivalor AG vom 30. 101990 und Böckli an Schow vom 1. 11. 1990, ebd. Schow an Böckli vom 10. 12. 1990 und an Bürgel vom 11. 12. 1990, ebd. AN Schow vom 21. 5. 1991, ebd. Schow an Stiftungsaufsicht vom 17. 5. 1991, ebd.

Kapitel 16 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13

Stiftungssatzung vom 27. 5. 1987, HAHSt Testamente. Notiz über Treffen Schow, Schütze, Müller, Reis und Obst in Berlin am 25. 9. 1989, HAHSt HA Obst III sowie Besprechungsnotiz vom 15. 12. 1989, ebd. Schow an Stiftungsaufsicht vom 9. 7. 1990, ebd. Then, S. 780. Organigramm 1. 2. 1992, HAHSt Schow II VVD. Schow an Begünstigte vom 5. 12. 1991, HAHSt HA Obst III. Notiz über Treffen Schow, Schütze, Müller, Reis, Obst in Berlin am 25. 9. 1989, HAHSt HA Obst III. Bericht des Wirtschaftsprüfers über die Prüfung der Jahresabschlüsse 1990 und 1991 vom 6. 5. 1992 (Anlage 11), HAHSt Bilanzen 1990–93. Niederschrift über die Sitzung des Kuratoriums am 15. 4. 1991, HAHSt Niederschriften Kuratoriumssitzungen. Öffentliche Urkunde über die unentgeltliche Abtretung eines Geschäftsanteils am 26. 6. 1991, HAHSt HA Obst V. Eidgenössische Steuerbehörde/Steuerbescheid vom 26. 7. 1991 und Antrag auf Rückerstattung vom 28. 6. 1991, Schow an Schütze vom 29. 7. 1991, ebd. Korrespondenz Schow/Böckli/Schütze/Bürgel 1991–1992, ebd. Schow an Müller, Obst und Schütze vom 5. 8. 1991, HAHSt HA Obst III.

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Bayerisches Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst an Schow vom 7. 9. 1990, HAHSt HA Obst IV. Schow, S. 104. Niederschriften über die Sitzungen des Kuratoriums am 15. 4. und 13. 10. 1991 sowie am 15. 5. 1992, HAHSt Niederschriften Kuratoriumssitzungen. Satzung in der Fassung des Kuratoriumsbeschlusses vom 30. Oktober 1991, genehmigt durch das Bayerische Staatsministerium für Unterricht, Kultus, Wissenschaft und Kunst am 23. März 1992, HAHSt HA Obst IV. Vgl. Wigand, S. 61–63. Niederschrift über die Sitzung des Kuratoriums am 30. 10. 1991, HAHSt Niederschriften Kuratoriumssitzungen. Auskunft Reis vom 11. 3. 2008. Reis an Schow vom 26. 10. 1989, HAHSt HA Obst VII. Niederschrift über die Sitzung des Kuratoriums am 30. 10. 1991, HAHSt Niederschriften des Kuratoriums. Der Vertrag wurde zunächst auf 4 Jahre geschlossen. Dienstvertrag vom 27. 9. 1991, HAHSt Ausgeschiedene Mitarbeiter bis 30. 12. 2003. Div. Schriftstücke, ebd. Auskunft Felix Reis vom 15. 6. 2010. Die einzige Ausnahme bildete jener Fall, als die Stiftung es versäumt hatte, für die Kuratoriumsvergütung des schweizerischen Staatsbürgers Peter Böckli Umsatzsteuer zu entrichten. Niederschrift über die Sitzung des Kuratoriums am 11. 11. 1999, HAHSt Niederschriften Kuratoriumssitzungen. Niederschrift über die Sitzung des Kuratoriums am 14. 5. 1993, ebd. Niederschrift über die Sitzung des Kuratoriums am 22. 5. 1996, ebd. Niederschrift über die Sitzung des Kuratoriums am 15. 5. 1992, ebd. Auskunft Bauer vom 14. 9. 2007. Notiz Schow vom 30. 4. 1991, HAHSt Handakten Obst III. Bürgel an Schow vom 16. 6. 1991, HAHSt HA Obst III. Cyrill Bürgel: „Holler-Stiftung rettet das Hildegard Hospiz in Basel“ (o. D.), der Holler-Stiftung 2007 überlassen. Bürgel an Schow vom 3. 12. 1991, HAHSt HA Obst III. Schow an Bürgel vom 6. 12. 1991, ebd. Niederschrift über die Sitzung des Kuratoriums am 30. 5. 1997, HAHSt Niederschriften Kuratoriumssitzungen. Schow an Begünstigte vom 5. 12. 1991, HAHSt HA Obst III. Gesprächsnotiz Schow vom 22. 1. 1991, ebd. Niederschrift über die Sitzung des Kuratoriums am 14. 5. 1993, HAHSt Niederschriften Kuratoriumssitzungen. Korrespondenz Schow mit IGPP, HAHSt HA Obst III. Niederschrift über die Sitzung des Kuratoriums am 5. 11. 1993, HAHSt Niederschriften Kuratoriumssitzungen. Niederschrift über die Sitzung des Kuratoriums am 20. 5. 1994, ebd. Niederschrift über die Sitzung des Kuratoriums am 4. 11. 1994, ebd. Lagebericht vom 31. 10. 1995, HA Obst VIII. Beschlussvorlage vom 22. 5. 1996, ebd. Vgl. Borgolte (S. 49 ff.) über Jakob Fugger, der seinen Erben 1525 durch eine „Öffnungsklausel“ in seinem Testament zugestand, seine Stiftungspläne weiterzuentwickeln. Satzung in der Fassung des Kuratoriumsbeschlusses vom 30. Oktober 1991 bzw. 22. Mai 1996, genehmigt durch die Stiftungsaufsichtsbehörde am 23. März 1992 bzw. am 19. August 1996, HAHSt HA Obst IV.

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Niederschrift über die Sitzung des Kuratoriums am 15. 11. 1996, HAHSt Niederschriften Kuratoriumssitzungen. Niederschrift über die Sitzung des Kuratoriums am 18. 5. 1995, ebd. Niederschrift über die Sitzung des Kuratoriums am 5. 11. 1993, ebd. Niederschrift über die Sitzung des Kuratoriums am 20. 5. 1994, ebd. Niederschrift über die Sitzung des Kuratoriums am 22. 5. 1996, ebd. Niederschrift über die Sitzung des Kuratoriums am 4. 11. 1994, ebd. AN Schow vom 8. 4. 1991, HAHSt HA Obst VIII. Von Finck an Hahn vom 22. 5. 1991, HAHSt Schow I VVD. Ullsperger an von Finck vom 18. 6. 1991, HAHSt VVD Namensführungsvertrag. Ullsperger an von Finck vom 20. 8. 1991, ebd. AN Schow vom 9. 1. 1992 und vom 20. 1. 1992, HAHSt HA Obst III. Ullsperger/v. Hülsen an Vacano vom 27. 5. 1992, HAHSt VVD Namensführungsvertrag. Ullsperger/v. Hülsen an Müller vom 27. 5. 1992, ebd. Zins- und Tilgungsplan für das Darlehen an Kunststiftung Volkswagen vom 31. 3. 1995, ebd. Ullsperger an Vacano vom 18. 5. 1992, ebd. Niederschrift über die Sitzung des Kuratoriums am 15. 5. 1992, HAHSt Niederschriften Kuratoriumssitzungen. Gutachten über den Unternehmenswert zum 1. Januar 1999 der Volkswagen-Versicherungsdienst GmbH, S. 27 f., HAHSt Verkauf VVD. Grieger, S. 140. Aus dem Bankwesen stammend, hatte Massfeller dieselbe Funktion bei der VAG Bank und bei VAG Leasing innegehabt. Grieger, S. 132 und Hahn, S. 276. VW Annual Report 1992. Grieger, S. 140. Ebd., S. 151. Auskunft Kaminsky vom 8. 5. 2007. Vgl. Grieger, S. 136. Auskunft Kaminsky vom 8. 5. 2007. AUTOHAUS vom 13. 1. 1992, S. 8. Notiz Reis vom 26. 8. 1993, HAHSt HA Obst III. Grieger, S. 140. Besprechungsnotiz Obst vom 17. 3. 1995, HAHSt HA Obst III. Grieger, S. 142. Ebd., S. 144. Aufstellung vom 28. 1. 1997, HAHSt VVD Namensführungsvertrag. Gutachten über den Unternehmenswert zum 1. Januar 1999 der Volkswagen-Versicherungsdienst GmbH, S. 12, HAHSt Verkauf VVD. Ebd., S. 16 f. Ebd., S. 20. Punkte für Besprechung mit Herrn Schow am 12./13. 8. 1996 in Wolfsburg, HAHSt HA Obst III. Zu den Ergebnissen der Assivalor Consulting siehe auch Notiz vom 18. 9. 1996, ebd. Geschäftsbericht 1996 der Volkswagen-Versicherungsdienst GmbH, HAHSt Geschäftsberichte. Niederschrift über die Sitzung des Kuratoriums am 15. 5. 1998, HAHSt Niederschriften Kuratoriumssitzungen. Niederschrift über die Sitzung des Kuratoriums am 26. 5. 1999, ebd. Vgl. Gutachten über den Unternehmenswert zum 1. Januar 1999 der Volkswagen-Versicherungsdienst GmbH, HAHSt Verkauf VVD; Niederschriften über die Sitzungen des Kuratoriums 1991–2000, HAHSt Niederschriften Kuratoriumssitzungen.

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Niederschrift über die Sitzung des Kuratoriums am 20. 5. 1994, ebd. Niederschrift über die Sitzung des Kuratoriums am 26. 5. 1999, ebd.

Kapitel 17 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13

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Auskunft Schow vom 23. 4. 2007. Schow an Hahn vom 5. 6. 1992, HAHSt 21 Ka Schriftwechsel Holler-Stiftung. Schow an Neumann vom 15. 12. 1994, HAHSt VVD Namensführungsvertrag. Neumann an Schow (o. D., Ende 1994), ebd. Vertraulicher Bericht Kaminsky über ein Gespräch mit Paul am 22. 8. 1995 vom 29. 8. 1995 mit handschriftlichen Anmerkungen von Obst, HAHSt HA Obst III. Gesprächsnotiz Kaminsky vom 25. 3. 1996, HAHSt VVD-Namensführungsvertrag. Auskunft Reis vom 11. 3. 2008. Schow an Hahn vom 26. 11. 1996, HAHSt HA Obst VIII. Besprechungspunkte mit Herrn Schow am 28. 1. 1997, HAHSt HA Obst III. Handschriftliche Anmerkung Obst an Besprechungsnotiz betr. 20. 3. 1997, ebd. Freyberg an Schow vom 12. 6. 1997, HAHSt HA Obst III; Niederschrift über die Sitzung des Kuratoriums am 30. 5. 1997, HAHSt Niederschriften Kuratoriumssitzungen. Vertrauliche Notiz Kaminsky für Obst und Schow vom 14. 7. 1997, HAHSt VVD-Namensführungsvertrag. Ebd. Es sollte noch rund acht Jahre dauern, ehe Volkswagen mit der Gründung der „Volkswagen Reinsurance AG“ den gewünschten stärkeren Einfluss auf die Entwicklung und Gestaltung der „Kfz-Versicherungsprodukte“ gewann. Grieger, S. 166. Grieger, S. 146; Gutachten über den Unternehmenswert zum 1. Januar 1999 der Volkswagen-Versicherungsdienst GmbH, S. 19, HAHSt Verkauf VVD. Auskunft Kaminsky vom 8. 5. 2007. Gutachten über den Unternehmenswert zum 1. Januar 1999 der Volkswagen-Versicherungsdienst GmbH, S. 19, HAHSt Verkauf VVD. Ebd., Anlage I/1. Notiz Schow betr. VVD – Volkswagenkonzern vom 1. 12. 1997, HAHSt VVD-Namensführungsvertrag. Adloff, S. 279. Notiz Kaminsky über Gespräch am 16. 12. 1997, HAHSt VVD-Namensführungsvertrag. Memorandum zur Situation VVD – Volkswagenkonzern vom 20. 1. 1999, HAHSt VVD Namensführungsvertrag. Niederschrift über die Sitzung des Kuratoriums am 15. 5. 1998, HAHSt Niederschriften Kuratoriumssitzungen. Grieger, S. 148. Memorandum zur Situation VVD – Volkswagenkonzern vom 20. 1. 1999, HAHSt VVD Namensführungsvertrag. Niederschrift über die Sitzung des Kuratoriums am 11. 11. 1998, HAHSt Niederschriften Kuratoriumssitzungen. Niederschrift über die Sitzung des Kuratoriums am 11. 11. 1999, HAHSt Niederschriften Kuratoriumssitzungen. Memorandum zur Situation VVD – Volkswagenkonzern vom 20. 1. 1999, HAHSt VVD Namensführungsvertrag; Öffentliche Urkunde des Notars Bernhard Bodmer betr. Unentgeltliche Abtretung eines Geschäftsanteils (Zustiftung) vom 16. 12. 1998, HAHSt Urkunden. Niederschrift über die Sitzung des Kuratoriums am 26. 5. 1999, HAHSt Niederschriften Kuratoriumssitzungen. Niederschrift über die Sitzung des Kuratoriums am 1. 12. 2000, ebd.

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Vgl. Gutachten über den Unternehmenswert zum 1. Januar 1999 der Volkswagen-Versicherungsdienst GmbH, S. 49, HAHSt Verkauf VVD. Auskunft Reis vom 15. 10. 2009 Memorandum zur Situation VVD – Volkswagenkonzern vom 20. 1. 1999, HAHSt VVD Namensführungsvertrag. Auskunft Reis vom 6. 7. 2010. Memorandum zur Situation VVD – Volkswagenkonzern vom 20. 1. 1999, HAHSt VVD Namensführungsvertrag. BayStG in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. März 1996. § 133 Auslegung einer Willenserklärung. Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften. Der Beitrag des VVD zu den Überschüssen der Holler-Stiftung und damit zu den Ausschüttungen an die Destinatäre hatte seit 1993 kontinuierlich abgenommen. Jene 230 Mio. DM, welche die Holler-Stiftung schließlich beim Verkauf des VVD erlöste, machten gerade noch gut 31% ihres Vermögens aus. Memorandum zur Situation VVD – Volkswagenkonzern vom 16. 2. 1999, HAHSt VVD Namensführungsvertrag. VW-Vorstand Jens Neumann hatte eine schriftliche Stimmabgabe übersandt, mit der er sich der Stimme enthielt. Beschlussvorlage für die Sitzung und Niederschrift über die Sitzung des Kuratoriums am 4. 3. 1999, HAHSt Niederschriften Kuratoriumssitzungen. Handschriftliche Notiz Schow vom 10. 3. 1999 auf Holler-Stiftung an Regierung von Oberbayern vom 25. 2. 1999), HAHSt Stiftungsaufsicht. Die Holler-Stiftung konnte der Verfasserin den Vertragstext nicht überlassen, da von den Vertragsparteien seinerzeit unbegrenzt Stillschweigen über dessen Inhalt verabredet wurde. Doch waren so viele Personen in die Angelegenheit involviert, dass deren Berichte eine Rekonstruktion wichtiger Elemente des Vertragsinhalts erlauben. Regierung von Oberbayern an Holler-Stiftung vom 24. 3. 1999, HAHSt Stiftungsaufsicht. Art. 8 Abs. 3 des Bayerischen Stiftungsgesetztes besagt, dass die Änderung der Stiftungssatzung der Genehmigung durch die Regierung bedarf. BayStG in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. März 1996. Notiz Schow auf Regierung von Oberbayern an Holler-Stiftung vom 24. 3. 1999, HAHSt Stiftungsaufsicht. Holler-Stiftung an Regierung von Oberbayern vom 7. 4. 1999 Auskunft Böckli vom 9. 6. 2010. Vgl. den Aufsatz von Hüttemann, der 2000 den Stand der Diskussion zusammenfasste. „Volkswagen Financial Services steigert Bilanzsumme und Gewinn“, in: HANDELSBLATT vom 8. 3. 2001. Urkunden des Notars Henning Helmke in Braunschweig über die Verhandlungen vom 28. 3. 2000, HAHSt Stiftungsaufsicht. Niederschrift über die Sitzung des Kuratoriums am 9. 11. 2001, HAHSt Niederschriften Kuratoriumssitzungen. Der Wert „Jahresüberschuss“ überstieg mit 24,4 Mio. DM das „gezeichnete Kapital“ von 20 Mio. DM. „Gewinnrücklagen“ waren mit 15 Mio. angesetzt worden . Fischer und Sander, S. 496 f. Niederschrift über die Sitzung des Kuratoriums am 26. 5. 1999, HAHSt Niederschriften Kuratoriumssitzungen. BayStG in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. März 1996, Art. 13. Niederschrift über die Sitzung des Kuratoriums am 22. 5. 1996, HAHSt Niederschriften Kuratoriumssitzungen.

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Kapitel 18 1

2 3 4 5 6 7

8 9 10 11 12 13

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Niederschrift über die Sitzung des Kuratoriums am 26. 5. 1999, HAHSt Niederschriften Kuratoriumssitzungen. Niederschrift über die Sitzung des Kuratoriums am 11. 11. 1999, ebd. Niederschrift über die Sitzung des Kuratoriums am 1. 12. 2000, ebd. Niederschrift über die Sitzung des Kuratoriums am 1. 12. 2000, ebd. Niederschriften über die Sitzungen des Kuratoriums am 7. 4. 2000 und am 30. 3. 2001, ebd. Ebd. und Auskunft Reis vom 3. 3. 2010. Niederschrift über die Sitzung des Kuratoriums am 8. 10. 2003, HAHSt Niederschriften Kuratoriumssitzungen. Niederschrift über die Sitzung des Kuratoriums am 1. 12. 2000, ebd. Niederschrift über die Sitzung des Kuratoriums am 30. 3. 2001, ebd. Niederschrift über die Sitzung des Kuratoriums am 9. 11. 2001, ebd. Niederschrift über die Sitzung des Kuratoriums am 22. 11. 2002, ebd. Hartmann, S. 496. Niederschrift über die Sitzung des Kuratoriums am 11. 11. 1998, HAHSt Niederschriften Kuratoriumssitzungen. Niederschrift über die Sitzung des Kuratoriums am 15. 5. 1998, ebd. Protokoll zu den Tagesordnungspunkten 2 und 3 der Kuratoriumssitzung … am 11. 11. 1999, HAHSt, Ausgeschiedene Mitarbeiter bis 30. 12. 2003. Schows Protokoll über die zweite und letzte Kuratoriumssitzung, an der sein designierter Nachfolger teilnahm, erwähnt lediglich „gravierende Meinungsunterschiede über die künftige Führung der Stiftung und der zu ihr gehörenden Unternehmen“. Sie bezögen sich insbesondere „auf die innerhalb der Stiftung überlieferte Tradition“ sowie auf „die Ausübung der Eigentümer-/Beteiligungsrechte in den Unternehmen“. Was im Einzelnen kontrovers war, gibt Schows Niederschrift nicht preis. Niederschrift über die Sitzung des Kuratoriums am 1. 11. 1999, HAHSt Niederschriften Kuratoriumssitzungen. Notiz über Gespräch Schow mit von Finck vom 28. 9. 1999, HAHSt Ausgeschiedene Mitarbeiter bis 30. 12. 2003. Von Finck an designierten Nachfolger Schows vom 4. 11. 1999, ebd. und Niederschrift über die Sitzung des Kuratoriums am 11. 11. 1999, HAHSt Niederschriften Kuratoriumssitzungen. Niederschrift über die Sitzung des Kuratoriums am 7. 4. 2000, ebd. Niederschrift über die Sitzung des Kuratoriums am 1. 12. 2000, ebd. Grieger, S. 174. Niederschrift über die Sitzung des Kuratoriums am 9. 11. 2001, HAHSt Niederschriften Kuratoriumssitzungen. Niederschrift über die Sitzung des Kuratoriums am 22. 11. 2002, ebd. Pressemitteilung Volksbank eG Braunschweig Wolfsburg, URL:www.volksbank-brawo.de/… volksbank …/2006…pdf (18. 3. 2010). Z. B. Niederschriften über die Sitzungen des Kuratoriums am 22. 11. 2002, am 20. 3. 2003 und am 8. 10. 2003, HAHSt Niederschriften Kuratoriumssitzungen. Niederschrift über die Sitzung des Kuratoriums am 17. 3. 2005, ebd. Niederschrift über die Sitzung des Kuratoriums am 30. 9. 2005, ebd. Niederschrift über die Sitzung des Kuratoriums am 11. 11. 1999, ebd. Niederschriften über die Sitzungen des Kuratoriums am 21. 3. 2002 und am 22. 11. 2002, ebd. Auskunft Mattner vom 23. 3. 2010. Niederschrift über die Sitzung des Kuratoriums am 11. 11. 1999, HAHSt Niederschriften Kuratoriumssitzungen.

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Protokoll zu den Tagesordnungspunkten 2 und 3 der Kuratoriumssitzung am 11. 11. 1999, HAHSt Ausgeschiedene Mitarbeiter bis 30. 12. 2003. Niederschrift über die Sitzung des Kuratoriums am 7. 4. 2004, HAHSt Niederschriften Kuratoriumssitzungen. Niederschriften über die Sitzungen des Kuratoriums der Jahre 2000 bis 2009, ebd. Niederschrift über die Sitzung des Kuratoriums am 1. 12. 2000, ebd. Niederschrift über die Sitzung des Kuratoriums am 9. 11. 2001, ebd. Vgl. Schiffer. Bundesgesetzblatt I, S. 2634. Bayerischer Landtag, 14. Wahlperiode, Drucksache 14/5498 vom 23. 1. 2001. Niederschrift über die Sitzung des Kuratoriums am 21. 3. 2002, HAHSt Niederschriften Kuratoriumssitzungen. Lex, S. 208. Niederschrift über die Sitzung des Kuratoriums am 9. 11. 2001, HAHSt Niederschriften Kuratoriumssitzungen. Stiftungsaufsicht an Holler-Stiftung vom 19. 2. 2002 und Niederschrift über die Sitzung des Kuratoriums am 21. 3. 2002, ebd. Div. Schriftstücke, HAHSt Ausgeschiedene Mitarbeiter bis 30. 12. 2003. Niederschrift über die Sitzung des Kuratoriums am 8. 10. 2003, HAHSt Niederschriften Kuratoriumssitzungen. Niederschrift über die Sitzung des Kuratoriums am 9. 11. 2002, ebd. Niederschrift über die Sitzung des Kuratoriums am 8. 10. 2003, ebd. Niederschrift über die Sitzung des Kuratoriums am 20. 3. 2003, ebd. Niederschrift über die Sitzung des Kuratoriums am 1. 10. 2004, ebd. Niederschrift über die Sitzung des Kuratoriums am 17. 3. 2005, ebd. Niederschriften über die Sitzungen des Kuratoriums am 20. 3. 2003 und am 16. 3. 2006, ebd. Niederschrift über die Sitzung des Kuratoriums am 18. 3. 2004, ebd. Niederschrift über die Sitzung des Kuratoriums am 29. 9. 2006, ebd. Niederschrift über die Sitzung des Kuratoriums am 9. 11. 2001, ebd. Niederschrift über die Sitzung des Kuratoriums am 22. 11. 2002, ebd. Niederschrift über die Sitzung des Kuratoriums am 18. 3. 2004, ebd. Niederschrift über die Sitzung des Kuratoriums am 8. 10. 2003, ebd. Niederschrift über die Sitzung des Kuratoriums am 17. 3. 2005, ebd. Niederschrift über die Sitzung des Kuratoriums am 30. 9. 2005, ebd. Beschlussvorlage zur Kuratoriumssitzung am 16. 3. 2006, ebd. Regierung von Oberbayern an Holler-Stiftung vom 4. 7. 2006, ebd. Then, S. 783. Beschlussvorlage zur Kuratoriumssitzung am 16. 3. 2006, HAHSt Niederschriften Kuratoriumssitzungen. Niederschrift über die Sitzung des Kuratoriums am 16. 3. 2006, ebd. Niederschrift über die Sitzung des Kuratoriums am 25. 9. 2007, ebd. Vgl. Grundsätze. „Die Erich und Liselotte Gradmann-Stiftung ist eine Anstalts- und Förderstiftung; sie ist lokal und landesweit tätig und unterstützt nach ihrem satzungsmäßigen Stiftungszweck ältere, vor allem alleinstehende Menschen, die wegen ihrer körperlichen, geistigen oder seelischen Verfassung hilfsbedürftig oder die wirtschaftlich bedürftig sind. Die Stiftung baut und erwirbt hierzu in erster Linie altengerechte Wohnungen; sie engagiert sich aber auch in der Weiterentwicklung und Förderung stationärer, teilstationärer und ambulanter Infrastruktur in der Altenhilfe. / Im Blickfeld der Förderung stehen zukunftsweisende und modellhafte Konzeptionen und Projekte, die ohne die Unterstützung durch die Stiftung nicht reali-

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sierbar wären oder die von ehrenamtlichem Engagement getragen werden.“ URL: http://www.stuttgarterstiftungen.de (8. 4. 2010). Niederschriften über die Sitzungen des Kuratoriums am 16. 3. 2006 und am 29. 9. 2006, HAHSt Niederschriften Kuratoriumssitzungen. Bundesgesetzblatt I, Nr. 50. Pressemitteilung der Bayerischen Staatsregierung vom 22. 10. 2009. URL: http://bayern.de/Pressemitteilungen (8. 4. 2010). Gesetzentwurf der Staatsregierung zur Änderung des Bayerischen Stiftungsgesetzes, Drucksache 15/10528 vom 22. 4. 2008. Niederschrift über die Sitzung des Kuratoriums am 25. 9. 2007, HAHSt Niederschriften Kuratoriumssitzungen. URL: http://bildungsklick.de/pm/62112/neues-bayerisches-stiftungsrecht-tritt-in-kraft/Pressemeldung (20. 5. 2010). Gesetzentwurf der Staatsregierung zur Änderung des Bayerischen Stiftungsgesetzes, Drucksache 15/10528 vom 22. 4. 2008. Niederschrift über die Sitzung des Kuratoriums am 17. 7. 2007, HAHSt Niederschriften Kuratoriumssitzungen.

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Christoph-Marc Pressler Nachwort Der Herbst 1990 markierte den letzten Akt eines der spannendsten und sicherlich des glücklichsten Jahres in der jüngeren deutschen Geschichte. Als der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl in einem, wie sich sein außenpolitischer Berater später erinnerte, „dramatischen“ Telefonat mit dem sowjetischen Staats- und Parteichef Michail Gorbatschow über die Konditionen des Abzugs der sowjetischen Truppen aus dem Osten Deutschlands verhandelte, vollzog sich unbeachtet von der Öffentlichkeit und unberührt von der Weltgeschichte in München ein profaner Verwaltungsakt: Am 7. September 1990 genehmigte das Bayerische Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst die Satzung der Holler-Stiftung. Dies ist die offizielle Geburtsstunde der Stiftung, deren Geschichte in dem vorliegenden Buch so umfassend wie spannend erzählt wird. Der Wille der Stifter ist maßgeblich „Ausschließlicher und unmittelbarer Zweck der Stiftung ist die Förderung der Jugendfürsorge, der menschlichen und medizinischen Betreuung Schwerkranker, der Wissenschaft sowie der Kunst und Kultur“, heißt es in der Satzung. Im Folgenden werden die fünf Destinatäre genannt – warum gerade sie ausgewählt wurden, darüber geben insbesondere die Kapitel elf bis vierzehn Auskunft. Wenn auch die HollerStiftung erst nach dem Tod ihrer Gründer errichtet wurde, kann das Ehepaar Holler zu dem modernen Typus von Stiftern gerechnet werden. Schon zu Lebzeiten von Christian C. Holler, den seine Frau Asta immerhin um 20 Jahre überleben sollte, hatte sich das kinderlose Ehepaar intensiv mit dem Gedanken beschäftigt, was mit seinem Erbe geschehen soll. Damit gehören die Hollers zu der wachsenden Zahl vermögender Menschen, die sich aus den unterschiedlichsten Gründen entschließen, ihr Erbe ganz oder teilweise in eine Stiftung einzubringen. Und es sind bei weitem nicht nur fehlende oder potentiell überforderte Erben, die Menschen diesen Schritt tun lassen. Vielmehr steckt der Wille dahinter, der Gesellschaft etwas zu geben und einen selbstbestimmten Beitrag zum Gemeinwohl zu leisten – eine Motivation, die bei sehr erfolgreichen Unternehmern offenbar besonders ausgeprägt ist. Generell werden heute anders als früher die meisten Stiftungen zu Lebzeiten ihrer Gründer errichtet. Ihnen ist daran gelegen, sich aktiv bürgerschaftlich zu engagieren. Sie möchten erleben, wie ihr Vorhaben Gestalt annimmt – und können im Falle einer Stiftung zu Lebzeiten noch Korrekturen, etwa hinsichtlich der Zwecke oder der Arbeitsweise, vornehmen. Doch so intensiv sich Stiftungsgründer mit diesen Fragen auseinandergesetzt haben, kann trotzdem der Fall eintreten, in dem es nötig ist, ihren Willen nach dem Ableben zu interpretieren. Diese Interpretation, also die Auslegung des Willens der Stifter, ist durch die Verantwortlichen der Stiftung vorzu311

nehmen, wobei auch die Belange der Stiftung zu berücksichtigen sind. In der Geschichte der Holler-Stiftung gerieten die Vorstellungen der Stifterin sogar in ein Spannungsverhältnis zum Vermögenserhalt: Als vor etwa zehn Jahren die Namensführungsrechte des Volkswagen-Versicherungs-Dienstes ausliefen, war es im Zuge des geplanten Verkaufs des Unternehmens an Volkswagen unumgänglich, Frau Hollers Wünsche zugunsten des höheren Ziels, den Wert des VVD für die Stiftung zu erhalten, nicht streng entlang des Wortlauts ihres Testaments auszulegen. Hätte die Stiftung ihre Unterstützung der Wolfsburger Kunststiftung, die eigentlich an die Gewährung der Namensführungsrechte geknüpft war, tatsächlich eingestellt, wäre das Unternehmen mehr oder weniger wertlos geworden – und die Stiftung höchstwahrscheinlich eines hohen Geldbetrages aus dem Verkauf des VVD verlustig gegangen. Es war aber anzunehmen, dass sich Asta Holler in der konkreten Situation ebenfalls so entschieden hätte; die Satzungsänderung kam somit einer Fortschreibung des Stifterwillens gleich. Und ganz außer Frage steht, dass der Unternehmer Christian Holler, der zwar bereits 1969 verstarb, aber als Unternehmervorbild in den Entscheidungsprozessen seiner Frau prioritäre Berücksichtigung fand, zu diesem Urteil gekommen wäre. Auch bei anderen Satzungsänderungen, die sich im Laufe der Jahre als nötig erwiesen, wurde die Herrn Holler eigene unternehmerische Denkweise zugrunde gelegt – man könnte auch von einem „unternehmerischen Stifterwillen“ sprechen. „Wie hätte Christian Holler entschieden?“ ist somit noch bei heute zu treffenden unternehmerischen Entscheidungen die wichtigste Frage. Sie hilft, das Erbe der Hollers zu bewahren, und die Stiftung kann zwanzig Jahre nach ihrer Gründung als zeitgemäße Interpretation des Willens ihrer Stifter mit einer professionellen Struktur verstanden werden. Dazu zählt insbesondere das in seiner Denkweise ebenfalls klar unternehmerisch ausgerichtete Kuratorium, dessen Besetzung wiederum der Weitsicht von Christian Holler zu danken ist. Wie die Geschichte des Verkaufs des VVD an VW zeigt, können bei jeder Stiftung Entwicklungen eintreten, die zum Zeitpunkt, als der Willen der Gründer festgeschrieben wurde, nicht absehbar waren. Es ist klug, für solche Fälle Vorsorge zu treffen – wobei die Hoffnung der Stifter, dass auch nach ihrem Tod stets in ihrem Sinne entschieden wird, die wichtigste Voraussetzung für entsprechende Verfahren ist. Publizität und Transparenz Von Hermann Gmeiner, dem Begründer der SOS-Kinderdörfer, ist der Satz überliefert: „Alles Gute auf der Welt geschieht nur, wenn einer mehr tut, als er tun muss. Das Gute, das ich nicht tue, kann niemand für mich tun.“ Das Ehepaar Holler ist dieser Maxime gefolgt. Zugleich gibt das Zitat einen der wichtigsten Gründen wie312

der, warum Menschen sich engagieren: Sie wollen etwas zum Besseren verändern. Für den Bestand unserer freiheitlichen Gesellschaft ist es unerlässlich, dass Menschen mehr tun, als sie von Gesetzes wegen verpflichtet sind. Dieses Motiv besitzt auch für die Hollers Gültigkeit – und der Weg, den das Paar dafür beschritt, war eine Stiftung zu gründen. Dabei haben sie sich bewusst entschieden, im Hintergrund zu wirken. So wie „man“ nicht über Geld spricht, so wollten sie Gutes tun, ohne viel Aufhebens. Christian und Asta Holler errichteten daher konsequenterweise eine reine Förderstiftung, die für ihre Arbeit keinerlei Öffentlichkeit benötigt. Kaum jemand wird wissen, warum das Café im Hildegard Hospiz, einem Palliativspital in Basel, den Namen „Café Holler“ trägt. Für die notwendige und in den letzten Jahren verstärkt öffentlich eingeforderte Transparenz sorgen die Destinatäre der Stiftung. Auf diese Weise wird der Anspruch der Gesellschaft, eine effektive und gemeinwohlorientierte Verwendung der Gelder nachvollziehen zu können, umfassend erfüllt. Zudem unterliegt die Holler-Stiftung selbstverständlich der Stiftungsaufsicht. Es sei an dieser Stelle vermerkt, dass die Stiftung in den zwei Jahrzehnten seit ihrer Gründung auf eine sehr konstruktive Haltung bei den behördlichen Entscheidungsträgern gestoßen ist; sie erwiesen sich oft als hilfreiche Berater bei der Suche nach der bestmöglichen Lösung. Aber was ist eigentlich eine Förderstiftung? Eine Förderstiftung ist eine Spezialform einer Stiftung, die nicht förderungswürdige Projekte am „Markt“ herausfiltert und diese dann mit vorhandenen Mitteln ausstattet, sondern anderen gemeinnützigen Organisationen finanzielle Unterstützung zukommen lässt. Förderstiftungen wie die der Hollers ähneln Familienunternehmen, während operativ tätige Stiftungen, die unter Umständen darauf angewiesen sind, Gelder – möglicherweise sogar öffentliche – einzuwerben, eher Aktiengesellschaften gleichen. Die Ansprüche an die Offenlegungspflichten solcher Organisationen sind zu Recht ungleich höher, auch hinsichtlich der Verwendung der Mittel in eigenen Projekten. Keinesfalls sollte der Eindruck entstehen, dass nicht die Projektarbeit, sondern die Einwerbung von Fördermitteln als Hauptaufgabe angesehen wird. Hinreichend problematisch ist schon, wenn Projekte besonders werbetauglich angelegt werden – ob diese „Hochglanzpolitur“ dem eigentlichen Zweck zuträglich sein kann, bleibt einmal dahingestellt. In Fragen der Publizität ist auch zu bedenken, dass strengere Offenlegungspflichten gemeinnütziger Organisationen die Chancen für solche Projekte schmälern, die ihre Wirkung nicht unmittelbar entfalten. Dasselbe gilt für eine Verwendung der Mittel für eher ungewöhnliche Zwecke, gleichsam im stillen Winkel. Zweifelsohne können Publizitätspflichten, genauso wie moderne Methoden der Wirkungsmessung, dazu beitragen, dass Stiftungen und ähnliche Institutionen nicht zu aufgeblähten Apparaten verkommen. Es kann nicht im Interesse der Stifter sein, wenn die von ihnen begründete Ins313

titution einen regelrechten „Wasserkopf“ entwickelt. Allerdings ist die Maßgabe, dass etwa 20 Prozent der Erträge für den Organisationsaufwand verwendet werden dürfen, allein nicht zielführend, denn sie beinhaltet keinerlei Hinweis, welche Schwerpunkte in der Organisation gesetzt werden sollten. Gerade bei Stiftungen mit großem Vermögen muss die Frage erlaubt sein, ob sie die richtige Strategie verfolgen, wenn vier Fünftel der Mitarbeiter in der Projektarbeit und nur ein Fünftel mit der Anlage des Kapitals beschäftigt sind. Auffällig ist in diesem Zusammenhang, dass die Vorsitzenden von Stiftungsgremien, gleich ob Geschäftsführung, Vorstand, Aufsichtsrat oder Kuratorium, zumeist Geisteswissenschaftler sind – und nur wenig vertraut mit Fragen der Vermögensverwaltung. Ob die darin zum Ausdruck kommende Formel „Projekt vor Vermögen“ als nachhaltige Strategie für Stiftungen tauglich sein kann, ist zu bezweifeln. Herausforderung Vermögensverwaltung Die beiden vornehmlichen Aufgaben fast aller Stiftungen lassen sich leicht benennen: Sie sollen das Stiftungskapital erhalten und mit den Erträgen die in der Satzung festgelegten Zwecke erfüllen. Was so simpel klingt, stellt das Management von Stiftungen in der Praxis oft vor erhebliche Herausforderungen, wobei sich das Interesse der Öffentlichkeit zumeist auf die Ausgabenseite richtet, also auf die Projekte operativ tätiger Stiftungen. Doch gerade die erste Aufgabe – das Vermögen „in seinem Bestand ungeschmälert zu erhalten“, wie es auch die Richtlinien der Holler-Stiftung fordern – ist alles andere als einfach. Schon der inflationsbereinigte Kapitalerhalt ist eine wirkliche Herausforderung – zumal im Stiftungswesen die Maßgabe besteht, das Vermögen langfristig und risikoavers anzulegen. Gegen diesen Grundsatz haben in der Vergangenheit sogar prominente Stiftungen verstoßen. Im Zuge der Finanzkrise mussten sie wegen eines starken Engagements am Aktienmarkt und teilweise in anderen, noch sehr viel risikoreicheren Anlagen erhebliche Einbußen hinnehmen. Wie sich die Vermögen und Erträge kleinerer Stiftungen in jüngster Zeit entwickelt haben, lässt sich kaum sagen. Sie machen jedoch das Gros aus; etwa 70 Prozent der Stiftungen verfügen über ein Kapital von weniger als einer Million Euro. Die Erträge, die zumeist aus Anlagen in Stiftungsfonds oder andere konservative Investments wie in festverzinsliche Wertpapiere stammen, sind überschaubar. Eigene Expertise für die Kapitalanlage aufzubauen, scheidet bei kleinen Stiftungen schon mangels Ressourcen aus. Doch sogar gut ausgestattete Einrichtungen verzichten oft auf einen eigenen Vermögensverwalter und müssen dem Rat ihrer Banken oder dem externer Dienstleister vertrauen. Nicht allein, dass beide von eigenen Interessen geleitet sein können; auch die Kosten sprechen – zumindest ab einer gewissen Höhe des Stiftungskapitals – für 314

eine stiftungseigene Vermögensverwaltung. Mindestens genauso wichtig ist, dass das Management der Stiftung den Vertretern der Banken auf Augenhöhe begegnet und in der Lage ist, deren Empfehlungen zu überprüfen. Zudem bleibt immer die Frage, mit welcher Struktur und welchem Personal sich die bestmöglichen Ergebnisse erzielen lassen. Jedoch ist es unverständlich, warum in vielen größeren Organisationen keine nachhaltigen Investitionen in den Aufbau einer eigenen, professionellen Vermögensverwaltung getätigt werden. Herausforderung Finanzkrise Nicht nur für Stiftungen hat sich die Vermögensverwaltung im vergangenen Jahrzehnt erheblich gewandelt. Die Globalisierung der Industrie- und Finanzmärkte brachte einerseits neue Möglichkeiten mit sich, andererseits aber genauso höhere Risiken – als Hinweise mögen die Pleite der Investmentbank Lehman Brothers im September 2008 sowie die Krisen in Island, Irland und Griechenland genügen. Die genannten Ereignisse lassen selbst für Laien erkennen, welche Gefahren von der Vernetzung und der damit einhergehenden wechselseitigen Abhängigkeit der internationalen Kapitalmärkte ausgehen. Die in jüngerer Zeit zu beobachtende enorme Volatilität und Blasenbildung an den Finanzmärkten hat es in den vergangenen Jahrzehnten – mit Ausnahme der Blase am Neuen Markt – nicht gegeben. Unter diesen Bedingungen das Stiftungsvermögen zu erhalten und die Ausschüttungen an die Destinatäre kontinuierlich in annähernd gleicher Höhe zu gewährleisten, wird auch für die Holler-Stiftung die zentrale Herausforderung bleiben. Erfreulicherweise hat sie – anders als manch prominente Einrichtung – seit 2008, dem Anfang der Finanzkrise, keine Einbußen hinnehmen müssen. Dieser Zeitraum ist hinsichtlich der Performance der Anlagen vielmehr der bislang erfolgreichste seit Gründung der Stiftung gewesen. Ursächlich dafür sind auch unkonventionelle Entscheidungen: So wurden unter bewusster Missachtung der Markowitz‘schen Lehre frühzeitig alle Aktienengagements verkauft. Im Gegenzug wurde in Unternehmensanleihen und Anleihen der Emerging Markets investiert und ein Teil des Portfolios in Immobilien in besten Lagen umgeschichtet. Grundlegend für die Strategie der Stiftung ist, sich bei ihrer „asset allocation“, der Strukturierung des Anlageportfolios, nicht von modischen Trends am Kapitalanlagemarkt verführen zu lassen, sondern stets dem Gedanken einer Art „asset liability“, also der simultanen Steuerung der Aktiv- (z. B. Zinsänderungsrisiko, Dividendenhöhe usw.) und Passivseite (Ausschüttungshöhe), zu folgen. Hedgefonds und Private-Equity-Fonds schieden daher als Anlagemedium bisher aus; letztere allein deswegen, weil die Stiftung über einige direkt gehaltene Unternehmensbeteiligungen verfügt. 315

Vermögenserhalt vor Wachstum Für den Autor dieses Beitrages, der als Vorstand der Holler-Stiftung auch für die Anlage des Kapitals Verantwortung trägt, ist diese Aufgabe umso reizvoller, als es nicht darum geht, das Vermögen für eine Privatperson, sondern zur Verwirklichung guter Zwecke zu mehren. Dabei kann einer professionellen Vermögensverwaltung ein gewisser „emotionaler“ Abstand zu den Stiftern und zu den Stiftungszwecken nur gut tun. Zunächst einmal geht es darum, den Vermögensbestand zu sichern – ein nüchternes Geschäft. Veränderungen sollten, wenn überhaupt, nur mit Augenmaß vorgenommen werden. Werden sie jedoch erforderlich, so spielt die Kenntnis des „emotionalen Willens“ der Stifter allerdings eine gewichtige Rolle. Oberste Maßgabe ist, das Vermögen langfristig zu wahren und weiterzuentwickeln – Erhalt geht vor Wachstum. Obwohl sie hohen Aufwand verursachen können, sind Beteiligungen an Unternehmen dafür nicht nur wichtig, sondern sie entsprechen auch der gelebten Tradition des Unternehmer- und Stifterehepaares Holler. Der Anlagestil der Stiftung ist im besten Sinne konservativ: besonnen und mit ruhiger Hand, aber trotzdem innovativ und mit progressiven Elementen angereichert. Und auch zukünftig werden die Kapitalanlagemärkte großen Veränderungen unterworfen werden: Die Renditen dürften durchschnittlich niedriger ausfallen als in der Vergangenheit, die Nachfrage nach intransparenten, strukturierten Anlageprodukten wird sinken und die Finanzmärkte der USA und Europas werden zugunsten der Emerging Markets an Bedeutung verlieren. Die daraus resultierenden Herausforderungen werden enorm sein – sie zu bestehen, ist eine Verpflichtung, die aus der verlässlichen Partnerschaft mit den Destinatären erwächst.

Geben und Nehmen Vermutlich ist die Holler-Stiftung mit ihrer am Stiftungsvermögen gemessen überaus schlanken Struktur und mit ihrer gegenüber der Öffentlichkeit geübten Zurückhaltung ein Sonderfall. Trotzdem lassen sich viele der in den 20 Jahren ihres Bestehens gewonnenen Einschätzungen auf andere Förderstiftungen übertragen. Dass in der Satzung die Destinatäre samt ihrer Anteile an den ausschüttungsfähigen Erträgen festgeschrieben sind, hat einen großen Vorteil: Der Verwaltungs- und Personalaufwand bleiben dadurch in einem sehr überschaubaren Rahmen, was wiederum den geförderten Zwecken zu Gute kommt. Der Vergleich mit der Holding eines Unternehmens liegt nahe: Es bedarf keines großen Apparates, der Projekte initiiert und umsetzt, Förderanträge bearbeitet oder gar eigene stellt, Öffentlichkeitsarbeit und Fundraising betreibt und sich noch intensiv um die Eigenverwaltung kümmern muss. 316

Doch die vollständige Festlegung auf Destinatäre und deren Anteile aus den Erträgen hat eine Kehrseite – es besteht die Gefahr, dass sich die Begünstigten allzu sehr auf die jährlichen Zuwendungen einstellen. Was geschieht, wenn wider Erwarten, etwa aufgrund eines erheblichen Anlageverlustes, die Ausschüttung geringer ausfällt als gewohnt oder sogar ganz ausbleibt? Keinesfalls sollte die Überweisung zur Routine werden; das Gefühl, dass der Geldgeber nicht befugt ist, etwas zu ändern, kann die Motivation der Mittelempfänger gefährden, bei ihrer Arbeit stets hervorragende Ergebnisse zu erzielen. Und selbst wenn die Destinatäre die Mittel jeweils bestmöglich verwenden, kann es angeraten sein, bei dem Modell einer reinen Förderstiftung mit festgelegten Zuwendungsempfängern wie der Holler-Stiftung einen gewissen Teil – etwa zehn Prozent – der ausschüttungsfähigen Erträge in der Entscheidungsgewalt des Kuratoriums oder des Vorstandes zu belassen. Ein solcher Anteil zur freien Verfügung würde ausreichen, um beispielsweise einzelnen Destinatären aus kurzfristigen Engpässen herauszuhelfen, sie für besondere Leistungen zu belohnen oder auch um notleidende Dritte unterstützen zu können. Grundsätzlich ist zu bedenken, dass im Falle erheblicher Erträge einzelne Empfänger mit festen Zuweisungen auch überfordert werden können. Bei dem Für und Wider festgelegter Ausschüttungen kommt noch eine andere Ebene hinzu, die in unseren manchmal doch sehr ökonomisierten und zweckrationalen Zeiten oft übersehen wird: Johann Wolfgang von Goethes Ausspruch „Begegnet uns jemand, der uns Dank schuldig ist, gleich fällt es uns ein. Wie oft können wir jemandem begegnen, dem wir Dank schuldig sind, ohne daran zu denken“ weist auf die Asymmetrie im Verhältnis von Geber und Nehmer hin, die nicht zuletzt eine emotionale Dimension beinhaltet. Stifter haben ein – wenn auch nicht einklagbares, so doch moralisches – Anrecht darauf, dass ihrer auch nach dem Ableben gedacht und ihnen gedankt wird. Das ist das Mindestmaß an Zuwendung, das von denjenigen erwartet werden kann, die nicht zuletzt von dem „emotionalen Vermögen“ der Stifter profitieren, denn diese haben zumeist aus Gründen, die zutiefst menschlicher Natur sind, die Zwecke ihrer Stiftung festgelegt. Kooperation statt Kontrolle Für das Management von Förderstiftungen, die Treuhänder des Stifterwillens, ist die Dankbarkeit der Mittelempfänger dagegen eine Frage des gegenseitigen Verhältnisses. Sie ist nicht nur eine Bring-, sondern mindestens genauso eine Holschuld. Diese Perspektive spiegelt ein modernes Verständnis wider, wie die Zusammenarbeit mit den Destinatären aussehen sollte. War bei der Holler-Stiftung dieses Verhältnis früher – so wie es die Satzung vorsieht – eher von Kontrolle geprägt, steht nunmehr eine moder317

ne Form des Managements im Vordergrund, die auf größtmögliche Kooperation angelegt ist. Auf diese Weise versucht die Stiftung nicht zuletzt, ihre Empfänger zu guter Arbeit zu motivieren. Durch die mittlerweile entstandene vielfältige Konkurrenz von Non-Profit-Organisationen mit gleichermaßen unterstützungswerten Zielen stehen sie in einem – durchaus globalen – Wettbewerb um Fördergelder. Das betrifft nicht nur die SOS-Kinderdörfer und den Hermann-Gmeiner-Fonds, sondern sogar das Kunstmuseum Wolfsburg. Wo die Holler-Stiftung kann, hilft sie „ihren“ Organisationen getreu dem Motto „Gemeinsamkeit macht stark“ – und soweit es das Gemeinnützigkeitsrecht erlaubt. So wird versucht, Spender für das Museum zu gewinnen; genauso, wie dem Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene in Freiburg, wo möglich, Organisationen vermittelt werden, die in angrenzenden Forschungsgebieten tätig sind und für eine Kooperation in Betracht kommen. Ein weiteres Beispiel ist der Hermann-Gmeiner-Fonds, für den eine Zweckbindung des Spendeneinsatzes in Brasilien besteht, wo Asta Holler persönlich ein SOS-Kinderdorf in der Nähe von São Paulo unterstützt hatte. Schon der Volkswagen-Versicherungsdienst engagierte sich schwerpunktmäßig in dem südamerikanischen Land, Christian Holler errichtete 1955 dort dessen erste Dependance in Übersee. Für die Stiftung hat die Konzentration auf ein Land den Vorteil, dass die geförderten Projekte mit relativ geringem Aufwand besucht werden können und so ein regelmäßiger und intensiver Austausch mit den Verantwortlichen vor Ort möglich ist. So lässt sich wiederum besser nachvollziehen, welche Wirkung die Zuwendungen entfalten. Darüber hinaus versucht die Holler-Stiftung, brasilianische Unternehmen zu motivieren, die SOSKinderdörfer mit Spenden zu bedenken. Ähnlich ist die Lage in Deutschland, wo ebenfalls eine Zweckbindung auf acht Kinderdörfer besteht, die sukzessive Besuch aus München erhalten. Auch wenn der Zusammenarbeit mit dem fünften Destinatär, dem Basler Hildegard Hospiz, konstitutiv enge Grenzen gesetzt sind und es kaum möglich ist, die Einrichtung über die jährliche monetäre Zuwendung hinaus zu unterstützen, finden auch hier Besuche sowie Sitzungen des Kuratoriums in den Räumen der Einrichtung statt. Zudem besteht der Wunsch, dass alle Destinatäre möglichst effizient arbeiten, was die Kooperation mit anderen Organisationen im Sinne einer Arbeits- und Kostenteilung nahelegt. Dabei versucht die Holler-Stiftung zu vermitteln. Und zu guter Letzt folgt auch das Zusammenwirken von Vorstand und Kuratorium der Stiftung dem Prinzip Kooperation vor Kontrolle. Konsultationen zwischen den regulären Sitzungen und vertrauensvolle Offenheit bei der Erörterung von Herausforderungen, die über das Alltagsgeschäft hinausgehen, erlauben zügige und einvernehmliche Entscheidungen.

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Ehre, wem Ehre gebührt Unverzichtbar für die vertrauensvolle Zusammenarbeit der Vertreter der Destinatäre und denen der Stiftung ist der gegenseitige Respekt für die Arbeit des jeweils anderen. So unterschiedlich die Förderzwecke der Holler-Stiftung sind – Christian und Asta Holler haben ihre Gründe gehabt, warum sie sich so entschieden haben. Das Besondere an der Stiftungsarbeit ist, unvergleichbar mit jedem Wirtschaftszweig, dass sich das Hauptaugenmerk auf den guten Willen und die aus ihm resultierenden Taten richtet. Persönliche Befindlichkeiten, zumal bei einer Stiftung, deren Gründer verstorben sind, können und sollten außen vor bleiben. „Ehre, wem Ehre gebührt“ – dieser Satz hat im Stiftungswesen noch mehr Berechtigung als in anderen Teilen des öffentlichen Lebens. So sehr Stifter ein Anrecht darauf haben, dass ihre Motive nicht vollumfänglich hinterfragt werden – es könnte ja schließlich der Wunsch, sich ein Denkmal zu setzen, dahinter stecken –, so wenig Anrecht haben Vorstände und Kuratoren auf den Dank der Gesellschaft. Mit den Worten „Gemeinnützige Stiftungen bedürfen der öffentlichen Anerkennung des Stifters, nicht des Vorstandes, der die Stiftung verwaltet“, brachte dies Alt-Bundeskanzler Helmut Schmidt in einem Interview im Sommer 2010 auf den Punkt. Trotzdem werden vielen hauptberuflichen Stiftungsmanagern Orden, Ehrendoktor- und Senatorenwürden zuteil. Und es hat mehr als nur ein „Geschmäckle“, wenn sich Stiftungsvertreter in Beiräte der Banken wählen lassen, die das Vermögen ihrer Organisation verwalten, nicht zuletzt, weil daraus handfeste Interessenskonflikte erwachsen können. Hinsichtlich der Anerkennungskultur ist zudem zweifelhaft, ob Menschen, die ihre Stiftungen offenkundig primär als Marketinginstrument begreifen, für ihre Taten öffentlich ausgezeichnet werden sollten – zumal diese Wohltäter in der Vermarktung ihrer guten Taten meist sehr viel begabter sind als es die sonst im Stiftungswesen anzutreffenden Persönlichkeiten, die der Maxime „Über Geld redet man nicht“ folgen, jemals sein könnten. Ebenfalls scheint die Frage einen Gedanken wert, ob nicht zumindest bei staatlichen Ehrungen für Stifter die Höhe der Dotation berücksichtigt werden sollte. Wiegt nicht ein knapp vierstelliger Betrag für den Zustifter einer Bürgerstiftung höher als für eine sehr vermögende Unternehmerfamilie die Ausstattung einer Stiftung auf eigenen Namen in zweistelliger Millionenhöhe, deren Wirken sich dann – allerdings unter großer öffentlicher Anteilnahme – auf die Vergabe eines Preises oder weniger Stipendien beschränkt? Den Vertreter einer Organisation, die in den 20 Jahren ihres Bestehens ihren gemeinwohlorientierten Zwecken – bewusst im Stillen – sehr viel Geld zuführen konnte, befremdet es gelegentlich, wie viel öffentliches Lob mancher Institution zukommt, die nur einen Bruchteil der Summe der Holler-Stiftung für das Gemeinwesen aufgebracht hat. Professionelle Öffentlichkeitsarbeit allein sollte hier nicht den Unter319

schied machen. Doch wahrscheinlich mutet es naiv an, sich darüber zu wundern. Genauso wie über die Tatsache, wie stark die Wahrnehmung des Stiftungssektors in Deutschland von einigen bekannten und an ihren Buchwerten gemessen sehr vermögenden Stiftungen dominiert wird, deren Ausschüttungen im Verhältnis zu ihrem Kapital – meist in Aktien angelegt – jedoch ziemlich gering bleiben. Ob die das Stiftungswesen vertretenden Verbände wirklich gut beraten sind, sich primär auf diese Institutionen, weitgehend unabhängig von den tatsächlichen Beiträgen für das Gemeinwesen, zu fokussieren, und ob es nicht generell viel mehr die Vielfalt des Sektors zu würdigen und vertreten gälte, darüber müssen kundige Experten urteilen. Nicht zuletzt die Höhe des Stiftungskapitals und der Ausschüttungen macht deutlich, was für ein umfassendes Erbe Christian und Asta Holler hinterlassen haben. Es war die herausragende unternehmerische Begabung von Christian Holler, die das Fundament für die nach seinem Familiennamen benannte Stiftung legte. Ein Mensch, der zudem über eine große soziale Kompetenz verfügte – sein Wunsch, eine Stiftung zu errichten, schließt sich hier nahtlos an. Nach seinem Tod vollbrachte Asta Holler ihrerseits eine enorme Leistung, als sie, unter schwierigen Bedingungen, das Vermögen zusammenhielt. Nach zwanzig Jahren erfolgreicher Arbeit der Holler-Stiftung – obschon dem Willen ihrer Gründer folgend stets im Hintergrund, was sich auch durch das vorliegende Werk nicht grundlegend ändert – ist es angemessen, Zeugnis vom Leben und Werk der Stifter und von der Arbeit der von ihnen begründeten Institution abzulegen. Diese Geschichte spiegelt nichts mehr wider als die Lebensleistung und die große Menschlichkeit des Stifterehepaares Christian und Asta Holler.

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Abkürzungen

AAVAG Abtlg. AG AIGPP AMM AN BA BAV BBC BEWAG BayStG BWM EMK EVO FBU FHA G&H GB GD Gesfürel Gradholl GUG H. HA HAHSt IGPP IHK LA MA MASA MCS M&M NDB UAVW VVD VW VWoA

Allgemeine Automobil-Versicherungs-AG Abteilung Aktiengesellschaft Archiv des IGPP Archiv der Firma Marsh & McLennan, Stuttgart Aktennotiz Bundesarchiv Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen Brown, Boveri & Co. AG Städtische Elektrizitätswerke Berlin Bayerisches Stiftungsgesetz Bundeswirtschaftsministerium Einwohnermeldekartei Energieversorgung Oberschlesien Feuer-Betriebsunterbrechungsversicherung Firmenhistorisches Archiv der Allianz, München Gradmann & Holler oHG / KG Geschäftsbericht Generaldirektion Gesellschaft für elektrische Unternehmungen AG Gradmannn & Holler Geschichte und Gesellschaft Heft Handakten Historisches Archiv der Holler-Stiftung, München Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene e. V., Freiburg Industrie-und Handelskammer Landesarchiv Magistratsabteilung Unternehmensgruppe Monteiro-Aranha, São Paulo MASA Corretagem de Seguros Marsh & McLennan Companies, Inc. Neue Deutsche Biographie Unternehmensarchiv Volkswagen AG, Wolfsburg Volkswagen-Versicherungsdienst GmbH Volkswagen Volkswagen of America, Inc. 321

VWV WStLA

322

VW Versicherungsvermittlungs-GmbH Stadt- und Landesarchiv Wien

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Zeitzeugen Karl Ludwig Barths (Kronberg) Eberhard Bauer (Freiburg) Peter Böckli (Basel) Cyrill Bürgel (Basel) Martin Drewes (Blumenau, Brasilien) August von Finck (München) Uri Geller (Reading, Großbritannien) Carl H. Hahn (Wolfsburg) Franz Hofmann (Wien) Marianna Hübner (Berlin)

1

Aufgeführt sind nur Archive, die relevantes Material erbrachten.

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Ursula Hug (Basel) Carolin Ihler (München) Klaus Kaminsky (Wolfsburg) Dietrich Karner (Wien) Walther Leisler Kiep (Frankfurt) Hermann Kohlhaas (Bad Tölz) Michiaysu Kono (München) Herbert Laube (Wien) Klaus Mandelkau (Wolfsburg) Luisa Marinheiro (São Bernardo, Brasilien) Gerhard Mattner (Wolfsburg) Magda Messner (München) Gerd Müller (Berlin) Kläre Neuser-Gröber (Stuttgart) Matthias Oebel (Düsseldorf) Erika Pecher (München) Marianne Preisendanz (München) Christoph-Marc Pressler (München) Felix Reis (München) Harald Sack (Hamburg) Otto Sawilla (München) Avelino Schmitt (São Paulo) Jürgen Schow (München) Christa Schwarzinger (Wolfsburg) Dieter Spielberger (Gran Canaria) Kurt Stroh (Stuttgart) Klaus Vacano (Kronberg) Alexander Vukailovic (Frankfurt) Klaus Windmüller (São Paulo)

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Abbildungsnachweise

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331

Personenregister

Adamek, Viktor Johann 34 f., 274 Auert, Hermann 99 Barths, Karl Ludwig 109, 173 f., 193, 196, 199, 205, 207, 277 Bauer, Eberhard 181 Behn, Ulrich 73 f., 78, 83, 112, 144 Bender, Hans 180–182, 194 f., 202 f., 205 f., 242, 279, 294 Böckli, Peter 155, 165, 177, 202, 213, 233 f., 237–239, 302 f. Bonhoeffer, Dietrich 66 Bormann, Hellmut 122–125 Bormann, Martin 277 Brandin, Walter 179 Brandt, Karl 69 Breuhaus de Groot, Fritz August 54, 56, 273 Budde, Richard 299 Bukwich, Anna Clementine s. Griessler, Anna Clementine Bukwich, Herta 33, 42, 156, 226, 291 Bukwich, Robert 33 Bürgel, Cyrill 166, 205, 209 f., 213, 219, 242, 298 Carlson, Chester F. 181 Cassani, Manuela 261 Castell-Castell, Prosper Graf zu

Frank, Hans 277 Frerk, Peter 206, 297 Freundlich, Werner 205 Freyberg, Karl-Ludwig Freiherr von Frick, Adolf 25 Fritsch, Willy 42 Fugger, Jakob 304

241

Gassner, Johannes 97, 99 Geller, Uri 178–181, 202 Glaser, Erwin 73, 76 f., 101, 279 Gmeiner, Hermann 157 Goppel, Thomas 270 Goebbels, Josef 61 Goudefroy, Hans 80, 93 f., 114 f., 145 Gradmann, Erich 18, 22, 25 f., 38, 47, 50 f., 53, 56, 62–68, 70–76, 81, 83, 99, 101, 112 f., 115, 130, 146, 163, 185, 276, 278 Gradmann, Liselotte 54, 65, 83, 113, 210, 220 f., 223–225, 300 Griehsler, Rosa 31 Griessler, Anna Clementine 30, 33, 226, 291 Griessler, Anna geb. Zechner 29 Griessler, Josef 29 f., 33, 35, 41 f., 274 Griessler, Maria 30, 226, 291, 300 Gumpert, Gerhard 211

205

Demoll, Susanne 298 Deschler, Walter 205 Deter, Georg 157 Dohnanyi, Hans von 66 Draeger, Albert 76 Ebner, Eckart 220 f., 223 Eisner, Kurt 16 Elser, Johann Georg 58 Enghaus, Christine 30 Engling, Alfred 131, 151 f., 160, 164 f., 226, 300 Ennser, Theodora geb. Werdmüller von Elgg 273 Erhard, Ludwig 121 f., 126 Eysler, Otto 47 Feldman, Gerald D. 45, 57, 64 Feuereissen, Karl 91 Feury, Otto Freiherr von 205 Finck, August François von 268 Finck, August von 166, 179, 182, 190 f., 197, 205, 237 f., 240, 244 f., 262

Haase, Alfred 79, 145, 157 Haefner, Walter 148, 214 Hahn, Carl H. 110 f., 152 f., 173, 196–198, 200–202, 204–209, 211, 213, 215–218, 231–233, 237, 244–246, 251 f., 297, 301 Hahn, Marisa 206, 209 Hammerbacher, Hans Leonard 47 f., 79, 81 Hammerbacher, Nelly 47, 81 Hansen, Theophil 30 Hebbel, Friedrich 30 Henz, Maximilian 58 Heß, Hans 59 f., 71, 79, 93 f., 113 f., 145 Heß, Rudolf 62 Hiemenz, Hans 89 Hildegard von Bingen 209 Hilgard, Eduard 45, 60 Himmler, Heinrich 277 Hitler, Adolf 30, 39, 45, 58, 62 Holler, Anna 13, 41, 61, 79, 156 Holler, Christian Friedrich 13–19, 48, 57, 59, 271 Holler, Christine geb. Schwankel 13 f., 59, 61

333

Hübener, Otto 66 Hübner, Marianna 298 Huber, Josef 183, 205 Hug, Ursula 166, 261, 298 Hüttinger, Germar 210, 213, 217 f.

Müller, Gerd 166 f., 220, 227, 237, 254 Müller, Heinz 76, 83, 95 f., 161, 163 f., 166, 171 Münch, Hermann 86–88, 282 Münzl, Koloman 33, 41, 274 Münzl, Maria s. Griessler, Maria Münzner, Horst 209

Ihler, Carolin 293 Jarno, Josef 32 Jauch, Walter 66 Jensen, Oskar Wilhelm 91, 98 Jung, Carl Gustav 182 Kaminsky, Klaus 207, 216, 227, 237, 247, 251 f., 255, 263 f., 267 Karner, Dietrich 233 Kiep, Walther Leisler 108, 111 f., 128, 130, 140, 142, 144, 161, 164, 185 f., 210, 221, 224, 300 Kleist, Ewald Heinrich von 183, 205 Klimt, Gustav 32 Kloth, Christa 298 Knef, Hildegard 277 Knott, Hermann 85, 87, 90–92, 95–98, 109 f., 134, 282, 284 Kono, Michiayusu 266 Kornis, Karl 183, 190, 197, 205, 207, 233 Kraemer, Christian 69 Kuhlo, Heinz 38 Kurig, Gertrud 91 Kurig, Heinrich 85–87, 89–95, 97, 282 Kurig, Ursula 91 Landmann, Ludwig 18 Leander, Zarah 277 Leiding, Rudolf 159, 168 f., 173, 175, 209 Lotz, Kurt 159, 164, 168 Lueger, Karl 30 Massfeller, Norbert M. 231 f., 246, 252, 255, 304 Mattner, Gerhard 264 Mehl, Rudi 86, 88–91, 93–96, 114, 282 Meinhart-Stenger, Erika 157 Mendelsohn, Erich 38 Mestre-Bukwich, Herta s. Bukwich, Herta Meyer zu Bexten, Werner 91 f., 96 f. Meyer, Ernst 114, 123, 139 f., 161 Miller, Oskar von 26 Molt, Carl Gottlieb 14, 22 Morche, Franz 274

334

Neumann, Jens 241, 251 f., 255, 259, 264, 306 Nielsen, Asta 42 Nordhoff, Elisabeth 134 Nordhoff, Hans 86 Nordhoff, Heinrich 85–88, 90, 92 f., 97 f., 103–111, 119, 121–128, 130, 132–134, 138–144, 148–150, 152 f., 159, 168–170, 214 f. Nordhoff, Johannes 86 Novotny, Frank 134 Nutz, Erich 73, 78, 102 Nutz, Marga 275 Obst, Günther 119, 161, 165, 173–175, 199, 202, 205, 215 f., 218–220, 222–225, 227–230, 233, 237 f., 248, 251–254 Oebel, Matthias 73, 81 Oliven, Oswald 26 Olscher, Alfred 60 Osten, Hansgeorg von der 102, 145 Pape, Otto 88, 282 Pecher, Erika 299 Piëch, Ernst 134 Piëch, Ferdinand 252, 259 Piëch, Louise s. Porsche-Piëch, Louise Pierburg, Alfred 134 Pohl, Ernst 83, 115, 286 Porsche, Ferry 128 Porsche-Piëch, Louise 31, 128, 134, 252 Pötsch, Hans Dieter 265 Preisendanz, Marianne 298 Preisendanz, Willi 38 Pressler 77 f. Pressler, Christoph-Marc 268 f. Reinhard, Max 33 Reis, Anna s. Holler, Anna Reis, Felix jun. 41, 78, 112, 131 f., 156, 158, 176 f., 183, 193, 205, 216–220, 222, 224–228, 237 f., 240 f., 247, 255, 261, 266, 271, 298 Reis, Felix sen. 41 Richter, Horst-Eberhard 180

Riefenstahl, Leni 277 Rummetsch, Mitz 18, 58, 65, 77, 79 Sauer, Wolfgang 191, 193 Sawilla, Otto 206 Schacht, Hjalmar 52 Schaesberg, Graf 205 Schiemann, Horst 106, 138, 140 f. Schieren, Wolfgang 205 Schmeer, Herbert 237, 241 Schmidt, Annely 172, 192 f. Schmidt, Conny 275 Schmidt, Werner P. 170, 172, 187, 195, 197, 205, 207, 212, 232 Schmitt, Avelino B. 217, 227 Schmitt, Kurt 45, 52, 60 Schmücker, Toni 169, 175 f. 195 f., 209 Schow, Jürgen 187 f., 190 f., 193–195, 197 f., 200 f., 206, 208, 210–214, 216–222, 224–234, 237–239, 241–246, 251–259, 262 f., 266, 296–298, 301 Schroeter, Victor 23 Schultz-Wenk, Christiane 129 Schultz-Wenk, Friedrich-Wilhelm („Bobby“) 128 f., 131, 134, 159–161, 292 Schütze, Dieter 157, 214, 219, 222–224, 227–229, 237 f., 240 f., 264, 298, 301 f. Schweitzer, Albert 32 Schwepke, Hans-Jürgen 205 Selowsky, Rolf 200 Seul, Roland 210, 220 f., 224, 300 Siebert, Wolfgang 140 f., 152 f. Sladeczek, Gotthard 89

Solzer, Alfred 164 Speer, Albert 63 f. Spielberger, Dieter 99 Stadelmeyer-Muttar, Hella 166 Stenger, Herbert 62, 65 Stöve, Oskar 38 Strauß, Franz Josef 145 Stroh, Kurt 42, 76, 78, 81, 99, 112 f., 144, 185–187, 194, 210, 220, 224, 300 Suchi, Hans-Joachim 166 Thomeé, Friedrich 170–173, 176 f., 185–198, 200 f., 205, 296 Tiedke, Karl 94–96, 119, 121–123, 125, 132 f., 147, 154, 161, 164 f., 173, 225 Till, Alfred 121 Tuyl, Gijs van 246 Ullsperger, Dieter

231, 237, 241, 245

Vacano, Klaus 207, 225, 232 Vaitl, Dieter 244, 263 Vathke, Hella 298 Vukailovic, Alexius D. 102, 139 Werdmüller, Hans Felix 273 Wessely, Paula 31 Weyrauch, Horst 221–224, 255, 299 Windmüller, Klaus 197 Wischenbart, Harald 197, 200 Zweig, Stefan 32, 129, 267

335