Veritatis Imago: Visuelle Konzepte der Wahrheit in der niederländischen Druckgraphik des 16. und 17. Jahrhunderts 9783111123004, 9783111122533

The study analyzes differentiated concepts of truth in Dutch prints of the 16th and 17th centuries. Against the backdrop

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Veritatis Imago: Visuelle Konzepte der Wahrheit in der niederländischen Druckgraphik des 16. und 17. Jahrhunderts
 9783111123004, 9783111122533

Table of contents :
Vorwort
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Wahrheit als Politikum – Veritas in der niederländischen Bildpropaganda des Achtzigjährigen Kriegs
3. Veritas Scripturae – Visuelle Exegese als Medienreflexion
4. Die (Un-)Sichtbarkeit der Veritas – Bildliche Aushandlungen der Wahrheit
5. Resümee – Allegorische Druckgraphik als Medium der Wahrheit
Literaturverzeichnis
Bildnachweise
Personen- und Werkregister

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Mariam Hammami

VERITATIS IMAGO

ANDERE ÄSTHETIK

STUDIEN

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Schriftenreihe des SFB 1391

Herausgegeben von Annette Gerok-Reiter

Beirat Matthias Bauer Sarah Dessì Schmid Stefanie Gropper Johannes Lipps Anna Pawlak Jörg Robert Jan Stellmann Dietmar Till Anja Wolkenhauer

Mariam Hammami

VERITATIS IMAGO Visuelle Konzepte der Wahrheit in der niederländischen Druckgraphik des 16. und 17. Jahrhunderts

Gefördert von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG)  SFB 1391 – Projekt-ID 405662736 Für den SFB ist eine geschlechtersensible Sprache ein wichtiges Anliegen. Wir empfehlen daher ­nachdrücklich die Abbildung faktischer Geschlechtervielfalt in der Sprache. Angesichts der ­unterschiedlichen Möglichkeiten, dies zu realisieren, schreiben wir den Autor:innen jedoch nicht zwingend vor, welche Form jeweils gewählt wird.   Zugl.: Tübingen, Univ., Diss., 2022  



ISBN 978-3-11-112253-3 e-ISBN (PDF) 978-3-11-112300-4 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-112449-0 ISSN 2749-652X e-ISSN 2749-6538   Library of Congress Control Number: 2023937221 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.   © 2023 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Einbandgestaltung und Titelei: P. Florath, Stralsund Einbandabbildung: Dirck Volckertsz. Coornhert nach Hendrick Goltzius: Falsche Überzeugung richtet die Welt zugrunde, Blatt 2: Die Wahrheit wird von der Lüge verhüllt (Detail), ca. 1576/77, hier 3. Aufl., verlegt von Hendrick Hondius, 1604, Kupferstich, 201 × 252 mm, Amsterdam, Rijksmuseum, Inv.-Nr. RP-P-BI-6595. Bildnachweis: Rijksmuseum, Amsterdam, CC0 1.0 (https://creativecommons.org/publicdomain/zero/1.0/deed.de). Satz: Dörlemann Satz, Lemförde Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck www.degruyter.com

Vorwort Bei der vorliegenden Publikation handelt es sich um die leicht überarbeitete Fassung meiner im Mai 2022 an der Philosophischen Fakultät der Eberhard Karls Universität Tübingen eingereichten Dissertation. Für die vielfältige Hilfe bei der Fertigstellung und Drucklegung bin ich zahlreichen Personen zu Dank verpflichtet. An erster Stelle gebührt dieser Anna Pawlak, die die Entstehung der Studie von Anfang an uneingeschränkt unterstützte und stets mit inspirierender Diskussionsfreude sowie konstruktiver Kritik begleitete. Ein wichtiger Dank gilt Jörg Robert, dessen interdisziplinärer Offenheit und Gesprächsbereitschaft die Untersuchung entscheidende Anregungen verdankt. Sergiusz Michalski danke ich nicht nur für die Übernahme des Drittgutachtens, sondern auch für das kontinuierliche Interesse an meiner Arbeit und die wertvollen Hinweise. Zum erfolgreichen Abschluss meiner Promotion haben die umfassende Förderung, der wissenschaftliche Austausch und das kollegiale Arbeitsumfeld im Graduierten­ kolleg 1662 Religiöses Wissen im vormodernen Europa (800–1800) sowie im SFB 1391 Andere Ästhetik maßgeblich beigetragen. Dem SFB und insbesondere der Sprecherin Annette Gerok-Reiter sowie dem gesamten Vorstand danke ich darüber hinaus für die Aufnahme meiner Dissertation in die Studien-Reihe und die großzügige finanzielle Unterstützung der Drucklegung. Den Mitarbeiter:innen von Museen und Bibliotheken, insbesondere des Rijksmuseum Amsterdam, des Allard Pierson Museum Amsterdam, der Staatsgalerie Stuttgart und der Graphischen Sammlung am Kunsthistorischen Institut der Eberhard Karls Universität Tübingen, bin ich für die praktische Unterstützung bei der Auseinandersetzung mit der frühneuzeitlichen Druckgraphik dankbar. Katharina Ost hat mit philologischer Expertise bei der Übersetzung lateinischer Epigramme geholfen, Bettina Meier und Christine Ruppert bei allen organisatorischen Angelegenheiten sowie Annika Güldner bei den letzten redaktionellen Arbeiten. Der Verlag De Gruyter und hier namentlich Christine Henschel hat die Publikation ebenso professionell wie freundlich betreut. Ihnen allen gilt ein großer Dank. Darüber hinaus möchte ich nicht zuletzt all jenen herzlich danken, die in unterschiedlichen Phasen und auf je eigene Weise zum Gelingen der Arbeit beigetragen haben: Hans Aurenhammer, Charlotte Baumann, Laura Di Carlo, Sonja Großmann, Henning P. Jürgens, Hans-Martin Kaulbach, Ariane Koller, Michael Lebzelter, Christoph Lorey, Robert Mađarić-Beer, Laura Margielsky, Lena Moser, Stephanie Nebenführ, Maximilian Nix, Iris Palzer, Anna Lisa Schwartz, Steffen Zierholz, den Kolleg:innen im Graduiertenkolleg  Reli­giöses Wissen, im SFB Andere Ästhetik und am Kunsthistorischen Institut der Eberhard Karls Universität Tübingen sowie den Diskutant:innen bei Kolloquien, Tagungen und Workshops, hier insbesondere Nils Büttner, Sandra Linden und Daniela Wagner. https://doi.org/10.1515/9783111123004-201

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Vorwort

Ein ganz besonderer Dank gilt schließlich Sophie Rüth für ihre unermüdliche Hilfsbereitschaft und ihren wissenschaftlichen Scharfsinn, Isabell Väth für die vielfältige, vor allem literaturwissenschaftliche sowie kulinarische  Unterstützung und meinen Eltern für den bedingungslosen Rückhalt.  

Tübingen, im März 2023 Mariam Hammami

Inhaltsverzeichnis Vorwort V 1. Einleitung 1 1.1. Gegenstand und Fragestellung 3 1.2. Forschungsüberblick 10 1.3. Methode, Vorgehen und Aufbau der Arbeit 17 2. Wahrheit als Politikum – Veritas in der niederländischen Bildpropaganda des Achtzigjährigen Kriegs 25 2.1. Wahrheiten des Aufstands – Tugenden der Macht 31 2.2. Zeugenschaft der Bilder 70 2.3. Veritas filia rei publicae 100 3. Veritas Scripturae – Visuelle Exegese als Medienreflexion 3.1. Intermediale loci communes 3.2. Rhetorische obscuritas und die Verführungskunst der Häresie 3.3. Körperhafte Schatten – Schattenhafte Körper

139 142 176 209

4. Die (Un-)Sichtbarkeit der Veritas – Bildliche Aushandlungen der Wahrheit 4.1. Wahrheitssuche im Wettstreit der Bilder 4.2. Triumph der Wahrheit und Hybris der Vernunft 4.3. Sichtbarwerdung als Befreiung

229 233 283 304

5. Resümee – Allegorische Druckgraphik als Medium der Wahrheit 333 Literaturverzeichnis 343 Primärliteratur 343 Sekundärliteratur 346 Bildnachweise 399 Personen- und Werkregister 401

1. Einleitung Ex his efficitur, causam difficultatis in veritatis inquisitione, accuratè loquendo, non esse in rebus, sed tantùm in homine […]. Sicut ergo non debemus accusare solem, si non possimus illum accuratè intueri, sed tenemur agnoscere imbecillitatem oculorum […]: ita si non possimus excellentiam Dei, multitudinem rerum, varietatem causarum, & similia rimari […], causam difficultatis in nostro debemus quærere sinu […].1 ‚Hieraus wird gefolgert, dass der Grund für die Schwierigkeit bei der Untersuchung der Wahrheit, genau gesagt, nicht in den Dingen, sondern nur im Menschen liegt […]. Wie wir also die Sonne nicht beschuldigen dürfen, wenn wir sie nicht eingehend betrachten können, sondern dazu angehalten sind, die Schwäche der Augen anzuerkennen […], so müssen wir, wenn wir die Erhabenheit Gottes, die Vielzahl der Dinge, die Verschiedenheit der Ursachen und Ähnliches nicht erforschen können […], den Grund für die Schwierigkeit in unserem Innersten suchen […].‘2

Unter der Überschrift Veritatis investigatio est difficilis (‚Die Erforschung der Wahrheit ist schwierig‘) erläutert der reformierte Theologe Johann Heinrich Alsted in seiner 1630 publizierten, europaweit und überkonfessionell rezipierten Encyclopædia die prinzipielle Unerreichbarkeit der Wahrheit für den Menschen.3 Indem er in diesem Zusammenhang auf die Blindheit des Geistes (cæcitate intellectus4) verweist, konterkariert er eine seit der Antike und bis heute aufs engste mit der Wahrheit verbundene Licht- und Sichtbarkeitsmetaphorik:5 Die Wahrheit mag zwar, so ließe sich sein Argument frei paraphrasieren, rein, strahlend und als nuda Veritas (‚nackte Wahrheit‘) auch unverhüllt sein, aber der Mensch ist aufgrund ihrer Transzendenz und seiner eigenen Sündhaftigkeit dennoch nicht in der Lage, sie zu sehen.6 Angesichts dieser zu jener Zeit durchaus verbreiteten Einschätzung der menschlichen Erkenntnisfähigkeit erscheint es umso bemerkenswerter, dass in den Jahrzehnten um 1600 zahlreiche Kunstwerke entstanden, welche den Betrachtenden die Veritas in Gestalt einer weiblichen Figur vor Augen stellen und damit zugleich zu behaupten scheinen, dass die Wahrheit – auch und gerade im Medium des Bildes – sehr 1 2 3 4 5 6

Alsted: Encyclopaedia, S. 584. Diese und alle weiteren Übertragungen im Haupttext zitierter fremdsprachlicher Texte ins Deutsche wurden, sofern nicht anders angegeben, als Leseübersetzungen von der Verfasserin angefertigt. Alsted: Encyclopaedia, S. 584. Zur Encyclopædia und ihrer Rezeption vgl. u.  a. Hotson 2000; Störkel 2019. Alsted: Encyclopaedia, S. 584. Vgl. Blumenberg 1957; Blumenberg 2013 [1960]; Konersmann 2008; Blumenberg 2019. Vgl. Alsted: Encyclopaedia, S. 584.

https://doi.org/10.1515/9783111123004-001



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1. Einleitung

wohl gesehen und erkannt werden könne. In außergewöhnlich hohem Maß ist eine solche künstlerische Thematisierung der Wahrheit, wie Ilja M. Veldman 1987 in einem Aufsatz bemerkte,7 für die niederländische Druckgraphik zu konstatieren, in der ab den 1570er Jahren vielfältige Darstellungen der Veritas geschaffen wurden, denen sich die vorliegende Arbeit erstmals in einer monographischen Studie widmet. Die „plötzliche Popularität“8 von Wahrheitsallegorien in den frühneuzeitlichen Niederlanden führt Veldman überzeugend auf den spezifischen Entstehungs- und Rezeptionskontext der Blätter zurück, der von politisch-konfessionellen Konflikten, ökonomischen Krisen und den gewaltsamen Auseinandersetzungen des Achtzigjährigen Kriegs (1568–1648) geprägt war.9 Davon ausgehend wurde die ‚Pilatusfrage‘ Quid est veritas? (Joh 18,38: „Was ist Wahrheit?“10), wie Jan A. van Dorsten 1976 pointiert formulierte, zu einem aktuellen Problem von existenzieller Bedeutung: „In de zestiende eeuw werd ‚wat is waarheid?‘ een geladen vraag – en het werd ieders vraag“11 (‚Im 16. Jahrhundert wurde ‚was ist Wahrheit?‘ eine [spannungs]geladene Frage – und es wurde jedermanns Frage‘). Diese historische Situation des 16. und 17.  Jahrhunderts, die einerseits von der Konkurrenz exklusiv erhobener Wahrheitsansprüche und andererseits von einer „Erschütterung“12 und „Verunsicherung hinsichtlich der Wahrheitserkenntnis“13 geprägt war, führte in unterschiedlichen Zusammenhängen, Medien und Disziplinen zur Entwicklung differenzierter Strategien, mit der hochbrisanten Fülle an Verwendungen und Bedeutungen des Wahrheitsbegriffs ausgleichend oder konfrontativ umzugehen:14 so etwa zur Suche nach verifizierbaren Wahrheiten durch philologisch-theologische Quellenstudien und naturwissenschaftliche Forschungen,15 zur Herausbildung von Toleranzpraktiken,16 zu diskursiven Wahrheitsaushandlungen in Disputationen und Synoden,17 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17

Veldman 1987a, S. 234  f. Veldman 1987a, S. 234: „What could account for the sudden popularity of the theme [die ‚Pagenerzählung‘ aus dem 3. Buch Esra, M.H.] in Antwerp?“ Vgl. Veldman 1987a, S. 235: „It is remarkable that depictions of Truth should suddenly have become so popular in the Netherlands after 1570.“ Zum historischen Kontext des Niederländischen Aufstands und Achtzigjährigen Kriegs vgl. u.  a. Geyl 1961; Geyl 1988; Israel 1995; Maczkiewitz 2005; Arnade 2008. Deutsche Übersetzungen lateinischer Bibelzitate sind, sofern nicht anders angegeben, hier und im Folgenden zitiert nach Biblia sacra vulgata. Zur Rhetorik der ‚Pilatusfrage‘ vgl. Knape 2012, S. 24–26. Dorsten 1976, S. 413. Ebbersmeyer 2004, Sp. 72. Ebbersmeyer 2004, Sp. 72 sowie Ebbersmeyer 2006, S. 211. Vgl. u.  a. Popkin 2003, S. 3–16; Ebbersmeyer 2006, S. 211; Schreiner 2011; Cheely 2014; Tutino 2014; Badea et al. 2021; Lies 2021. Vgl. mit Bezug auf die Niederlande des späten 16. Jahrhunderts Dorsten 1976. Vgl. u.  a. Berkvens-Stevelinck 1997; Po-Chia Hsia / Nierop 2002; Pettegree 2004; Kaminska 2013; Christman 2015. Vgl. u.  a. Roobol 2010; Appold 2013; Leppin 2015; Pietsch 2015a.



1.1. Gegenstand und Fragestellung

zur Propagierung konfessioneller Wahrheitsansprüche in kontroverstheologischen Schriften18 oder zu – von politischen Interessen geleiteten – Kriegen, die zum Kampf für die Wahrheit deklariert wurden.19 Vor diesem Hintergrund lässt sich die intensivierte künstlerische Beschäftigung mit Wahrheitskonzepten und Visualisierungen der Veritas in der niederländischen Druckgraphik jener Zeit, so die Ausgangsüberlegung der Untersuchung, als eine eigene, genuin ästhetische Bewältigungsform der zeitgenössischen Konflikte und Ambiguitäten in Bezug auf die Wahrheit verstehen.

1.1. Gegenstand und Fragestellung Die vorliegende Arbeit analysiert ausgewählte Darstellungen der Veritas, die im Zeitraum etwa zwischen dem Beginn des Aufstandes gegen die habsburgische Herrschaft 1568 sowie dem Ende des Zwölfjährigen Waffenstillstandes 1621 in der nie­der­län­di­ schen Druckgraphik entstanden,20 und fragt nach den visuellen Konzepten von Wahrheit, welche den Kunstwerken inhärent sind. Hierbei soll gezeigt werden, dass diese Konzepte durch das reziproke Verhältnis zwischen der soziokulturellen Funktion der Kupferstiche und Radierungen als Träger zeitgenössischer Wahrheitsaushandlungen21 sowie der bildreflexiven Auseinandersetzung mit Wahrheit als Problem der Sichtbarkeit bestimmt sind. Denn die im Rahmen politischer und religiöser Diskurse virulente Frage nach der Medialität der Wahrheit, das heißt danach, wie und durch wen oder was sie sich in der Welt manifestiert und erkennbar wird, übertragen die Graphiken konsequenterweise auf ihren eigenen Status als Medien der Wahrheit: Indem ihnen der Anspruch eingeschrieben ist, sinn-, erkenntnis- und handlungsstiftend zu fungieren, der Veritas also mit ästhetischen Mitteln Evidenz und Wirkmacht zu verleihen, werden die Blätter 18 Vgl. u.  a. Polman 1936; Bremer 2005; Martens 2010/2011; Gennip 2014; Rodda 2015. 19 Vgl. u.  a. Holzem 2018, S. 32; Schilling 2019. 20 Ausschlaggebend ist hierbei weniger der Herstellungsort – die von Dirck Volckertsz. Coornhert konzipierte Serie Die Kraft der Wahrheit (s.  u. Kapitel 3.1.) entstand z.  B. vermutlich während seines Exils im Rheinland – als vielmehr der inhaltliche Zusammenhang mit den Ereignissen in den Niederlanden bzw. die intendierte Rezeption (auch) in den Niederlanden, die sich etwa in der Verwendung niederländischer Epigramme niederschlägt. Die zeitliche Einschränkung ergibt sich einerseits aus der besonderen Relevanz dieser historischen Phase im Hinblick auf politische und konfessionelle Konsolidierungsprozesse in den Niederlanden sowie andererseits aus der Beobachtung einer signifikanten Vielzahl und Komplexität der während dieser Jahrzehnte entstandenen Wahrheitsdarstellungen. 21 Da auch assertorische (Selbst-)Zuschreibungen von Wahrheit letztlich in Absetzung von einem entsprechend als lügenhaft, heuchlerisch oder betrügerisch charakterisierten Gegenüber bzw. in Reaktion auf Krisen- oder Bedrohungssituationen vorgenommen werden (vgl. Kleeberg / Suter 2014) und somit stets auf der mehr oder weniger diskursiven Auseinandersetzung mit einem ‚Ande­ren‘ basieren, wird der Begriff der ‚Wahrheitsaushandlung‘ hier weit gefasst und beinhaltet auch das ‚bloße‘ Behaupten von Wahrheit.

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1. Einleitung

implizit stets auch selbst in ihrem Verhältnis zur Wahrheit verortet. Gerade anhand der Veritas-Figur loten die untersuchten Werke dabei – so die Leitthese der Ausführungen – die Möglichkeiten und Grenzen einer Visualisierung der Wahrheit sowie die spezifische Wahrheitsfähigkeit des druckgraphischen Mediums aus. Als bildliche Konkretionen der Veritas stellen die im Folgenden fokussierten Darstellungen schon insofern Ergebnisse künstlerischer Reflexion über das Wesen und die Erscheinungsformen der Wahrheit dar, als sie einerseits dem per se immateriellen Abstraktum eine sichtbare Gestalt verleihen und andererseits mit der eklatanten semantischen Vielschichtigkeit umgehen, die mit dem Wahrheitsbegriff verbunden war.22 Denn wenngleich dieser traditionell mit Vorstellungen von Klarheit (claritas), Einheit (unitas), Einfachheit (simplicitas) und überzeitlicher Gültigkeit assoziiert wird, belegt bereits die biblische Verwendung der mit ‚veritas‘ ins Lateinische übersetzten hebräischen und griechischen Begriffe ein beständiges Oszillieren zwischen verschiedenen Bedeutungsaspekten.23 So kann ‚Wahrheit‘ in der Bibel ein Wesensmerkmal Gottes bezeichnen, das insbesondere in der Verlässlichkeit seiner Verheißungen sowie in deren „‚Bewahrheitungen‘ in der Geschichte“24 manifest wird, „auch wenn aus jeder Erfüllung ein umso größerer Verheißungsüberschuß sichtbar wird.“25 Im Johannesevangelium, das sich durch ein besonders differenziertes Wahrheitskonzept auszeichnet,26 meint ‚veritas‘ darüber hinaus vor allem „das Offenbarungsgeschehen in Jesus Christus“,27 der nach Joh 14,6 („Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben“) selbst die Wahrheit sei, das heißt eine „Heilswahrheit“, die „in ihm voll und ganz und in ihm allein zu finden ist.“28 Der Begriff kann aber in beiden Testamenten, ähnlich wie im heute geläufigen Sprachgebrauch,29 ebenso bestimmte Sachverhalte, mit der Wirklichkeit übereinstimmende Aussagen oder, im Sinne von ‚Aufrichtigkeit‘ oder ‚Treue‘, eine Eigenschaft von

22 Vgl. Onnasch 2004, Sp. 135; Laudien 2004, Sp. 141  f. 23 Vgl. für einen Überblick Landmesser 2003; Oorschot 2003; Böhm 2006, S. 51–56; Schmitz 2013. Zum Gegensatz von Beständigkeit und Wandelbarkeit der Wahrheit vgl. auch die ironisch-rhetorische Frage von Achim Landwehr: „Denn mit was für einer Wahrheit hätten wir es zu tun, wenn man feststellen müsste, dass das einzig Unwandelbare dieser Wahrheit ihr beständiger Wandel wäre?“ (Landwehr 2015, S. 94). Die Philosophie und Geschichtswissenschaft widmen sich dieser Problematik aktuell insbesondere durch die Untersuchung der Historizität und Praxeologie der Wahrheit (dazu s.  u. Kapitel 1.2.). 24 Vorgrimler 1989, S. 42. 25 Vorgrimler 1989, S. 42. Vgl. auch Beierwaltes 1980, S. 22  f.; Oorschot 2003, S. 338  f. 26 Vgl. u.  a. Schnackenburg 1971, S. 265–281; Landmesser 2003, S. 341–343; Böhm 2006, S. 61. 27 Schnackenburg 1971, S. 279. 28 Schnackenburg 1971, S. 280. Vgl. Beierwaltes 1980, S. 23  f.; Landmesser 2003, S. 342  f.; Böhm 2006, S. 52  f. 29 Vgl. Fiorentini 2011, S. 469.



1.1. Gegenstand und Fragestellung

Personen bezeichnen, die damit auf einer ethischen Ebene die als „Wegweiser für die Existenzverwirklichung nach dem Willen Gottes“30 fungierende Wahrheit umsetzen. Auf diese Vielzahl an semantischen Facetten, die zudem in ungeklärtem Verhältnis zur seit der Antike gebräuchlichsten Definition der Wahrheit als adaequatio rei et intellectus (‚Angleichung von Sache und Intellekt‘) stand, reagierten einige mittelalterliche Theologen wie etwa Anselm von Canterbury, Thomas von Aquin oder Nikolaus Cusanus mit der Denkfigur einer ‚Wahrheitshierarchie‘.31 Damit versuchten sie, das diffizile Verhältnis „zwischen der Absolutheit und Vielheit der Wahrheit“32 konzeptuell zu fassen: Ausgehend von der durch Augustinus etablierten Identifikation der in ihrer Vollkommenheit unerreichbaren Wahrheit mit Gott unterschieden die Theologen zwischen der summa (‚höchsten‘), prima (‚ersten‘), purissima (‚reinsten‘) oder divina Veritas (‚göttlichen Wahrheit‘) und deren untergeordneten, als Zeichen und Abbild der höchsten Wahrheit fungierenden Erscheinungsformen.33 Auch in den Niederlanden der Frühen Neuzeit konnte ein vergleichbarer Ansatz zur Erklärung der sich einer umfassenden Definition beständig entziehenden Wahrheit geltend gemacht werden, wie exemplarisch durch die Vorrede belegt wird, welche der in ’s-Hertogenbosch tätige Prediger Franciscus de Wael seiner 1657 bei Jillis Kok in Amsterdam erschienenen Schrift Waerheyts triumphe […] voranstellte: Wat aengaet de waerheyt in genere, of in’t algemeyn, het is daer mede soo gelegen datmen seght, Veritatis investigatio est difficilis, de ondersoeckinge der waerheydt is moeylick. Sy wort oock geseyt als in eenen diepen Put te schuylen, ende beswaerlick van ons menschen te konnen ghekent worden. Ende hier van komt het dat de Philosophen soo varieren ende verscheyden zijn in hare definitien ende beschrijvingen, aengaende wat de waerheydt eygentlick is. […] De waerheydt is formaliter ende in haer selven eenich ende onverdeelt: doch materialiter ende ten aensien van de verscheyde saken in de welcke sy te vinden is, soo wortse in veel soorten verdeelt.34 ‚Was die Wahrheit in genere, oder im Allgemeinen, betrifft, so steht es damit so, dass man sagt: Veritatis investigatio est difficilis, die Untersuchung der Wahrheit ist schwierig. Von ihr wird auch gesagt, dass sie in einem tiefen Brunnen verborgen ist und schwer von uns Menschen gekannt werden kann. Und hiervon kommt es, dass die Philosophen in ihren Definitionen und Beschreibungen in Bezug darauf, was die Wahrheit eigentlich ist, so variieren und gespalten sind. […] Die Wahrheit ist formaliter und in sich selbst einzig und ungeteilt: Doch materialiter und in Hinsicht auf die verschiedenen Dinge, in denen sie zu finden ist, wird sie in viele Arten unterteilt.‘ 30 Schnackenburg 1971, S. 280. Vgl. Oorschot 2003, S. 338  f.; Landmesser 2003, S. 341–343; Böhm 2006, S. 51–54. 31 Zum „hierarchischen Wahrheitsbegriff“ der scholastischen Theologie vgl. Cassirer 2004 [1929], S. 344  f. 32 Aertsen 2002, S. 61. 33 Vgl. Beierwaltes 1980; Aertsen 2002; Schüßler 2003, S. 353–356; Onnasch 2004, Sp. 135; Ebbersmeyer 2006, S. 220  f.; Cameron 2018, S. 50–53. 34 Wael: Waerheyts triumphe, o.S. Zur Herkunft der im Zitat angesprochenen Brunnenmetaphorik vgl. Tervarent 1944, S. 95.

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1. Einleitung

Für de Wael, der an dieser Stelle die am Beginn der vorliegenden Arbeit zitierte Formulierung Johann Heinrich Alsteds Veritatis investigatio est difficilis35 aufgreift, stellt die Bestimmung dessen, was unter ‚Wahrheit‘ zu verstehen sei, ein grundlegendes epistemologisches Problem dar. Die Schwierigkeit sieht der Autor im Anschluss an Alsteds Ausführungen vor allem in der eingeschränkten Erkenntnisfähigkeit des Menschen begründet, für den die Wahrheit verborgen und nur schwer zugänglich sei. Um die hieraus entstehende Problematik differierender Definitionen und Vorstellungen der Wahrheit zu erklären, bedient sich de Wael des aristotelischen Begriffspaars forma und materia:36 Ohne das Verhältnis zwischen beiden zu spezifizieren, geht er davon aus, dass die Wahrheit sowohl als – von ihm ebenfalls nicht näher erläutertes – ‚Urbild‘ wie auch in Gestalt vielfältiger konkreter Manifestationen bestehe.37 Signifikanterweise erschien de Wael das heute meist als ‚Personifikation‘ bezeichnete rhetorisch-ästhetische Verfahren der „prosopopæia, […] waer doormen dingen die gheen Personen en zijn, pleecht als Personen aen te mercken, ende personele actien toe te schrlijven [sic!]“38 (‚Prosopopoiia, […] wodurch man Dinge, die keine Personen sind, als eine Person aufzufassen und ihnen persönliche Handlungen zuzuschreiben pflegt‘), das unter anderem die für seine Schrift titelgebende Rede von einem „Triumph der Wahrheit“ ermöglichte, als eine gewinnbringende Herangehensweise an die kaum zu greifende Vielgestaltigkeit und Wandelbarkeit von Wahrheitskonzepten.39 Die Polyvalenz dessen, was in der Frühen Neuzeit mit dem Begriff ‚Wahrheit‘ bezeichnet werden konnte, stellte dabei nicht nur eine zentrale Herausforderung für die ‚Personifizierung‘ der Veritas dar, sondern bildete auch die Basis für deren erkenntnisstiftendes und argumentatives Potenzial, das von Künstler:innen auf unterschiedliche Weise nutzbar gemacht werden konnte. Denn gerade das von Franciscus de Wael angesprochene Verfahren der Prosopopoiia, das heißt der Zuschreibung von geistiger wie körperlicher Personalität, Sprach-, Denk-, Empfindungs- und Handlungsfähigkeit an ein Abstraktum,40 welchem die klassische Rhetorik die Funktion einer die Überzeugungskraft der Rede steigernden Verlebendigung, Affekt- und Evidenzerzeugung (enargeia, 35 Alsted: Encyclopaedia, S. 584. 36 Zu den Begriffen ‚materia‘ und ‚forma‘ vgl. Schlüter 1972; Inciarte / Liske 1992. 37 Einige der Manifestationen der Wahrheit benennt de Wael, so etwa die „Evangelische waerheydt“, um die es ihm in seiner Schrift gehe und die ihrerseits einen Unteraspekt der von der „Philosophice waerheyt“ zu unterscheidenden „Theologice […] waerheyt“ darstelle (Wael: Waerheyts triumphe, o.S.). Zum Konzept der ‚doppelten Wahrheit‘ von Philosophie und Theologie vgl. Hödl 1987; ­Bianchi 2008. 38 Wael: Waerheyts triumphe, o.S. 39 Die Prosopopoiia wird dabei in de Waels Publikation nicht nur textlich, sondern auch auf dem von Harmen de Mayer geschaffenen Titelblatt umgesetzt (Kupferstich, Amsterdam, Rijksmuseum, Inv.-Nr. RP-P-1982-1197). 40 Zu Theorien der ‚Personifikation‘ vgl. u.  a. Bronson 1947; Paxson 1994; Paxson 2001.



1.1. Gegenstand und Fragestellung

evidentia) zusprach,41 wurde offenbar als geeignet wahrgenommen, die mit der Wahrheitserkenntnis verbundenen Irritationen und Hindernisse produktiv zu bewältigen: Die Wahrheit als – in der Regel weibliche42 – anthropomorphe Gestalt aufzufassen und darzustellen, bot medienübergreifend die Möglichkeit, dem Abstraktum visuelle Evidenz zu verleihen und die Rezipierenden affektiv wirksam dazu aufzufordern, sich der Wahrheit gegenüber zu verhalten, sich etwa ihrer überwältigenden Macht zu stellen, sich von ihr überzeugen und leiten zu lassen, sie zu bemitleiden, zu unterstützen, zu befreien oder nicht selten auch zu bezeugen.43 Zugleich konnte, beispielsweise durch verschiedene Attribute und Beziehungen zu anderen Figuren, eine semantische Vielschichtigkeit aufrechterhalten oder gezielt eingeschränkt werden, sodass die Wahrheitsfigur stets im Spannungsfeld zwischen Universalisierung und Konkretisierung, Deutungsvielfalt und präzisierender Bestimmung steht. In der Figur der Veritas ließen sich auf diese Weise, wie anhand der untersuchten Graphiken im Einzelnen auszuführen sein wird, die Verweise auf verschiedene Formen und Manifestationen von Wahrheit mit der Referenz auf die divina Veritas verbinden und so das Paradox der „Einheit und Vielheit“44 bildlich fassen, es handhabbar sowie gegebenenfalls im Sinne konfessioneller und/oder politischer Interessen nutzbar machen, ohne es aufzulösen. Um unter anderem eben dieses dynamische Spannungsfeld von Evidenz und Polyvalenz zu betonen, in dem sich eine ästhetische Reflexion über die Darstellbarkeit der Wahrheit in besonderer Weise entfalten konnte, gibt die vorliegende Studie, wie in Kapitel 1.3. eingehender erläutert wird, dem Begriff der ‚Figur‘ gegenüber jenem der ‚Personifikation‘ den Vorzug.45 Der Begriff der ‚Allegorie‘ wird in seiner allgemeinen 41 Zum Zusammenhang von Prosopopoiia und enargeia vgl. Bussels 2008; Plett 2012, S. 51–55. 42 Zur Relevanz des Geschlechts der Veritas-Figur vgl. aus feministischer Perspektive Warner 1987, S. 314–325. Ein Beispiel für die Ausnahme einer männlichen Wahrheitsfigur stellt etwa die Gestalt der Waerheyt zu Füßen des Herzogs von Alba in einem Spottbild auf dessen Standbild in der Antwerpener Zitadelle dar. Das männliche Geschlecht ist hier durch die Bezugnahme auf die in der parodierten Bronzeplastik an derselben Stelle gezeigte Figur eines Aufständischen zu erklären. Zu der Graphik vgl. u.  a. Becker 1971, S. 104–107; Horst 2003, S. 130–135; Arnade 2008, S. 205–207. 43 Vgl. Kleeberg / Suter 2014, S. 220. 44 Coreth 1987. Vgl. Aertsen 2002, S. 61. 45 In der kunsthistorischen Forschung verbindet sich mit dem Begriff der ‚Personifikation‘, dessen Gebrauch auf die Kunsttheorie des 18. und frühen 19.  Jahrhunderts zurückgeht, trotz neuerer Ansätze zu einer differenzierteren Betrachtung (vgl. z.  B. Logemann / Thimann 2011; Linden / Wagner 2022) in der Regel die Vorstellung eines durch eine kodifizierte ‚Bildsprache‘ bestimmten eindimensionalen Abbildungsverhältnisses einer ‚Personifikation‘ zum von ihr veranschaulichten Begriff. Zu Begriff und Theorie der Personifikation in der kunsthistorischen Forschung vgl. u.  a. Logemann 2011a, S. 16  f.; Linden / Wagner 2022, S. 247  f. In der Literaturwissenschaft wird deutlicher zwischen ‚einfachen‘ Personifikationen und Personifikationsallegorien unterschieden: „Die Personifikation selbst sagt mit ihrem Namen bereits, was sie ist. Die allegorische Bedeutung wird erst durch Beziehungen der Personifikationen innerhalb ihres Kontextes, insbesondere

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1. Einleitung

Bedeutung als Bezeichnung einer „bildhaften Darstellung abstrakter Begriffe, Ideen und Vorstellungen“,46 die von einer „konstitutive[n] Diskontinuität […] zwischen Zeichen (signum) und Bezeichnetem (res)“47 geprägt ist, gleichwohl beibehalten. Die im Kontext der gesellschaftlichen Konflikte des 16. und 17. Jahrhunderts als aktuelles Problem zutage tretende Vielfalt sowie Widersprüchlichkeit von Wahrheitskonzepten und -ansprüchen korreliert bezeichnenderweise mit einer seit Beginn des 16. Jahrhunderts einsetzenden Phase ikonographischer Pluralisierung von Veritas-Darstellungen, wie sie Hans Kauffmann in seiner 1970 veröffentlichten Monographie zu den Skulpturen Giovanni Lorenzo Berninis herausstellte.48 Im Rahmen eines allgemeinen Überblicks über die Darstellungstradition der Veritas bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts machte er für diesen Zeitraum einen durch die wachsende Bedeutung antiker Vorstellungen und Metaphern der Wahrheit ausgelösten, markanten Umbruch aus. Demzufolge sei die Figur der Wahrheit in „eine[r] christliche[n], den 84. Psalm auslegende[n] Deutung“49 seit karolingischer Zeit neben Iustitia (‚Gerechtigkeit‘), Pax (‚Frieden, friedliche Herrschaft‘) und Misericordia (‚Barmherzigkeit‘) als eine der sogenannten Töchter Gottes zusammen mit den Figuren Christi, Gottvaters oder der Trinität dargestellt worden, um die göttliche Entscheidung zur Erlösung des Menschen zu thematisieren.50 Seit dem 16. Jahrhundert sei diese Tradition zunehmend von „eine[r] humanistisch-moralisierende[n], antike Vorstellungen weiterführende[n] Didaktik“51 abgelöst worden, indem Künstler:innen laut Kauffmann vornehmlich auf Vorbilder aus der griechisch-römischen Antike zurückgriffen. Dafür übertrugen sie die nur literarisch überlieferten Gemälde der Verleumdung des Apelles52 sowie der Tabula Cebetis,53 die unter anderem Figuren der Wahrheit zeigen, in ihre Werke oder setzten das bei Aulus Gellius überlieferte Diktum Veritas

durch Handlungen und Situationen von bestimmter Verweisabsicht des Autors, konstituiert, deren allegorischer Sinn also auf einer zweiten Ebene liegt“ (Meier 1976, S. 61). Zum Begriff der ‚Figur‘ vgl. grundlegend Boehm et al. 2007 sowie Didi-Huberman 2011. 46 Repp / Vermeil 1981, S. 23. Die Autorinnen gehen gemäß der in der kunsthistorischen Forschung etablierten Definition der Allegorie davon aus, dass diese Darstellungen „mit Hilfe von Personifikationen und figürlichen Szenen“ gestaltet sein müssen. 47 Krüger / Löhr / Tarnow 2014, S. 8. 48 Kauffmann 1970, S. 198–207. 49 Kauffmann 1970, S. 198. 50 Vgl. Kauffmann 1970, S.  198–203. Zur Darstellungstradition der ‚Töchter Gottes‘, die auch im Schauspiel verbreitet war, vgl. u.  a. Chew 1947; Mâle 1949, S. 36–46; Mäder 1971; Augustyn 2003. 51 Kauffmann 1970, S. 198. 52 Zur Verleumdung des Apelles vgl. u.  a. Cast 1981; Massing 1990; Müller Hofstede  / Patz 1999; ­Neerman et al. 2019. 53 Zur Tabula Cebetis vgl. u.  a. Schleier 1973; Hirsch-Luipold 2005; Baumann  / Hammami  / Rüth 2022.



1.1. Gegenstand und Fragestellung

filia temporis54 ins Bild und charakterisierten die Wahrheit zumeist unter Rückgriff auf den ebenfalls aus der Antike überlieferten Topos der nuda Veritas durch ihre Nacktheit.55 Diese ikonographische Verschiebung setzt der Autor mit einer veränderten Charakterisierung der Wahrheit gleich: „Aufs Ganze gesehen, ist dieser Humanisten-Veritas ein vorwiegend passivisches Verhalten eigentümlich, zum Unterschied von der fordernden und richtenden Persönlichkeit der mittelalterlichen Psalmenausmalungen.“56 Diese zugespitzte, von der Vorstellung einer ‚Renaissance‘ der Antike geprägte Beschreibung einer chronologischen Entwicklung stellt zwar eine starke Vereinfachung des künstlerischen Umgangs mit Darstellungsformen und Konzepten der Wahrheit dar, veranschaulicht aber gleichwohl das Spektrum der im 16. Jahrhundert zur Verfügung stehenden ikonographischen Optionen. Vor allem jedoch verdeutlichen Kauffmanns Ausführungen die Innovativität, welche das gezielte Experimentieren mit den Visualisierungen der Veritas in der niederländischen Druckgraphik auszeichnet: Während die benannten tradierten Bildthemen nur selten und – wie das Beispiel von Hendrick Goltzius’ Tabula Cebetis aus dem Jahr 1592 eindrucksvoll belegt57 – in höchst elaborierter Weise umgesetzt wurden, greifen die meisten Kunstwerke einzelne, unterschiedlichen Traditionen entnommene Motive, Attribute und Figurenkonstellationen auf, kombinieren und erweitern sie. Dabei ergänzen sie in der Regel verschiedene Textelemente wie Epigramme, Figurenbeschriftungen, Signaturen oder Widmungen, die im konzeptuellen Zusammenwirken mit den bildlichen Darstellungen stets eine sinnstiftende Funktion innerhalb der Druckgraphiken einnehmen.58 So wurden originelle intermediale Inventionen geschaffen, die im Folgenden als ästhetische Diskursbeiträge zu den zeitgleichen Debatten um das Wesen, die weltimmanenten Erscheinungsformen und die Erkennbarkeit der Wahrheit verstanden werden. Gegenüber anderen komplexen allegorischen Figuren zeichnet sich jene der Veritas in diesem Kontext vor allem dadurch aus, dass sie nicht nur das Verhältnis zwischen dem Abstraktum und seinen vielfältigen Erscheinungsformen thematisieren kann, sondern damit zusammenhängend, etwa durch Motive der revelatio oder auf die Sichtbarkeit der Wahrheit bezogene Attribute wie die Nacktheit, die Sonne, eine Kerze oder Fackel,59 beständig auch die Position des Bildes innerhalb dieser Konstellationen in besonderer 54 Zu Darstellungen der Veritas filia temporis vgl. u.  a. Saxl 1936; Panofsky 1939a; Gordon 1940; Hoberg 1983; Macey 2010, S. 49–54; Cohen 2014, S. 245–304. Zur nuda Veritas vgl. Panofsky 1930, S. 175; Panofsky 1939b, S. 157–159. 55 Vgl. Kauffmann 1970, S. 203–207. 56 Kauffmann 1970, S. 203. 57 Vgl. dazu u.  a. Weddigen 2003; Schmidt-Clausen 2018; Baumann / Hammami / Rüth 2022. 58 Zur Intermedialität der Druckgraphik vgl. u.  a. Raupp 1981; Roettig 2002; Wolkenhauer 2006; ­Büttner 2008; Estis / Frick 2014; Wolkenhauer / Arbeitsgruppe Estius 2017. 59 Zu den ‚typischen‘ Attributen der Veritas-Figur vgl. Fiorentini 2011, S. 469.

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1. Einleitung

Weise ausstellt. Dies ist gerade deshalb bezeichnend, weil damit in den zu untersuchenden Graphiken meist der Hinweis auf die Unerreichbarkeit des Göttlichen verbunden und dadurch eine Dialektik von Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit etabliert wird, welche die Fähigkeit der Kunstwerke, der Wahrheit eine bildliche Gestalt zu verleihen, werkimplizit problematisiert. Auf diese Selbstdiskursivität der Wahrheitsdarstellungen soll daher auch der für die Arbeit titelgebende Ausdruck Veritatis imago verweisen: Er rekurriert zum einen auf den komplexen, von seiner Verwendung in der römischen Liturgie geprägten imagoBegriff zur Bezeichnung einer wirkmächtigen „verschleierten Enthüllung“;60 zum anderen greift er als Zitat auf eine Passage aus Francis Bacons 1623 publizierter Schrift De dignitate et augmentis scientiarum zurück,61 in welcher der Autor das geistige Abbild der veritas (veritas cognoscendi) metaphorisch mit einem reflektierten Strahl (radius […] reflexus) vergleicht und so das Medium dieser Reflexion sowie den epistemischen Status der davon erzeugten Repräsentation der Wahrheit fokussiert.62

1.2. Forschungsüberblick Wenngleich in der kunsthistorischen Forschung bereits punktuell auf die Einbindung von Kunstwerken in politisch-religiöse Wahrheitsdiskurse in den Niederlanden der Frühen Neuzeit hingewiesen wurde,63 stellt eine systematische Untersuchung sowohl der spezifischen kulturhistorischen Relevanz von Veritas-Darstellungen als auch ihres bildreflexiven Potenzials nach wie vor ein Forschungsdesiderat dar. Ilja  M. Veldman betonte im Rahmen ihrer bereits erwähnten Überlegungen zur Popu­larität von Wahrheitsallegorien ab den 1570er Jahren, die sie in ihrem Aufsatz „Who Is the Strongest? The Riddle of Esdras in Netherlandish Art“ (1987) vorlegte,64 vor allem die Funktion der von ihr analysierten Kupferstiche als bildlicher Ausdruck der Hoffnung auf einen bevorstehenden Sieg der Wahrheit.65 Die Ausführungen der Autorin zur ikonographischen Neuschöpfung der Vier stärksten Mächte, die in der Regel als vierteilige Folge umgesetzt wurde, deren einzelne Blätter die Macht des Weines, des Königs, der Frau sowie der über diese ‚Konkurrenten‘ triumphierenden Wahrheit veranschaulichen, bilden einen wichtigen Ausgangspunkt der vorliegenden Arbeit. Denn Veldman ­konstatierte 60 Paepcke 1952, S. 96. Zum imago-Begriff vgl. u.  a. Dürig 1952; Bauch 1967; Warncke 1987, S. 19  f.; Michalski 1988. 61 Bacon: De Augmentis Scientiarum, S. 131. 62 Zu Bacons Überlegungen über die menschliche Erkenntnisfähigkeit, die in der vorliegenden Arbeit nicht weiterverfolgt werden, vgl. Vickers 1992; Zittel 2002. 63 Vgl. Veldman 1987a; Clifton 2016; Draxler 2021. 64 Veldman 1987a. 65 Vgl. Veldman 1987a, S. 235.



1.2. Forschungsüberblick

nicht nur erstmals einen Konnex zwischen den politisch-konfessionellen Konflikten in den Niederlanden des späten 16. Jahrhunderts und den in jener Zeit entstandenen Veritas-Darstellungen. Die von ihr erläuterte Entwicklung und Etablierung des auf der sogenannten Pagenerzählung im 3. Buch Esra basierenden Bildthemas in mehreren, in Antwerpen entstandenen Graphikzyklen ist darüber hinaus dezidiert an das Medium des Kupferstichs, seine serielle Konzeption sowie die dadurch ermöglichte Handhabung der Blätter gebunden (s.  u. Kapitel 4.1.). Auf geradezu paradigmatische Weise wird darin die zentrale Bedeutung der Druckgraphik als in ihren Produktions- und Rezeptionskontexten fest verankertes ästhetisches Experimentierfeld ersichtlich, welche die Fokussierung der folgenden Analysen auf diesen Gegenstandsbereich begründet. Auch Helmut Draxler beschreibt in seiner 2021 erschienenen Monographie „Die Wahrheit der Niederländischen Malerei. Eine Archäologie der Gegenwartskunst“ einen Zusammenhang zwischen gesellschaftlichen und künstlerischen Auseinandersetzungen mit der Wahrheit in den Niederlanden des 15. bis 17. Jahrhunderts.66 Die vorliegende Studie teilt zwar die These einer derartigen Korrelation, verfolgt aber ein anderes Erkenntnisinteresse, insofern für den Autor ein Wahrheitsanspruch der Malerei vor allem als Indikator für deren (Selbst-)Verständnis als Kunst im modernen Sinn ausschlaggebend ist. Gerade die sowohl von Ilja M. Veldman als auch von Helmut Draxler konstatierte, kontextabhängige Wandelbarkeit dessen, was in konfessioneller oder politischer Hinsicht in den von ihnen untersuchten Kunstwerken als ‚Wahrheit‘ präsentiert wird,67 kann als eine wesentliche Voraussetzung für die Eignung der Veritas-Darstellungen als visuelle Träger gesellschaftlicher Wahrheitsaushandlungen betrachtet werden und steht ebenfalls im Zentrum zweier weiterer wichtiger Forschungsbeiträge: In seinem 1936 erschienenen einschlägigen Aufsatz zum Thema der Veritas filia temporis, dessen Umsetzungen klassischerweise die von der Gestalt des Chronos aus einer Höhle oder Felsspalte emporgetragene Figur der Veritas zeigen (s.  u. Kapitel 4.3.), analysierte Fritz Saxl vornehmlich Werke der italienischen, englischen und französischen Kunst im Hinblick auf darin zur Anschauung gebrachte Wahrheitsansprüche.68 Dabei zeigte er die Variabilität dessen auf, was mittels derselben Ikonographie jeweils als ‚Befreiung der Wahrheit durch die Zeit‘ verbildlicht werden konnte. Mit Bezug auf die niederländische Druckgraphik machte James Clifton in seinem Aufsatz „The Triumph of Truth in an Age of Confessional Conflict“ von 2016 vergleichbare Beobachtungen:69 Am Beispiel des von Maerten de Vos entworfenen Kupferstichs Triumphus Veritatis sowie dessen konfessionsübergreifender Rezeption in mehreren 66 67 68 69

Draxler 2021. Vgl. Veldman 1987a, S. 235; Draxler 2021, S. 150. Saxl 1936. Clifton 2016.

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1. Einleitung

druckgraphischen Neuauflagen (s.  u. Kapitel 4.2.) stellte der Autor die erstaunliche „Flexibilität“70 der Veritas-Figur respektive der gesamten Bildfindung heraus, die gezielt zu verschiedenen, auch widersprüchlichen Aussagen genutzt wurde.71 Neben den erwähnten Untersuchungen widmete sich die kunsthistorische Forschung Darstellungen der Veritas in einigen weiteren ikonographischen Detailstudien zu einzelnen Werken sowie knappen Überblicksdarstellungen,72 wobei insgesamt eine weitgehende Vernachlässigung der niederländischen Kunst und insbesondere der Druckgraphik festzustellen ist. Dies mag vor allem in der signifikanten Heterogenität der Bildinventionen begründet sein, die sich, wie erwähnt, nur zu einem geringen Teil den etablierten und stärker erforschten Themen wie der Verleumdung des Apelles oder der Veritas filia temporis zuordnen lassen.73 Im Folgenden stehen dementsprechend größtenteils noch nicht eingehend analysierte Kupferstiche und Radierungen im Zentrum,74 denen sich die Studie zudem im Vergleich zu den bestehenden Forschungen mit einer veränderten Fragestellung und methodischen Herangehensweise annähert. Indem sie nicht nur danach fragt, was in den Bildern auf inhaltlicher Ebene als Wahrheit bestimmt beziehungsweise ob eine solche Bestimmung bewusst offengelassen wird, sondern zugleich fokussiert, wie derartige Semantisierungen in individuellen Bildfindungen und intermedialen Konstellationen vorgenommen werden, rücken verstärkt die spezifische Bezugnahme des jeweiligen Kunstwerks auf das Abstraktum ‚Wahrheit‘ sowie die werkimplizite Reflexion dieser Referenzialität ins Zentrum des Interesses. Mit der Auffassung druckgraphischer Veritas-Darstellungen als ästhetische Diskursträger schließt die Arbeit an die neueren Entwicklungen der in größerem Umfang seit den 1980er Jahren etablierten kunsthistorischen Druckgraphikforschung an,75 welche dieses Medium zunehmend als elementaren Bestandteil der visuellen Kultur der frühneuzeit­ lichen Niederlande ernst nimmt. Dabei dominieren zum einen sozialgeschichtlich orien­ 70 Clifton 2016, S. 163  f.: „Rather, I would like to explicate the iconography of the print […] and to look at variant copies of its composition […] in order to consider the flexibility of its personifications and other motifs.“ 71 Vgl. Clifton 2016. 72 Ikonographische Überblicksdarstellungen finden sich neben Kauffmann 1970, S.  198–207 auch in Knipping 1939, S. 48–50 und unter Einbeziehung literarischer Werke Chew 1947, S. 69–90. Zu einzelnen Bildthemen s.  o. die auf S. 8 in Anm. 50 und auf S. 8  f. in Anm. 52–54 angegebene Literatur sowie zu einzelnen Kunstwerken und ikonographischen Problemen exemplarisch Vignau-Wilberg 1977; Bosch 1983; Miedema 2005; Pierguidi 2005. 73 S.o. die auf S. 8 in Anm. 52 u. auf S. 9 in Anm. 54 angegebene Literatur. 74 Bisher vorliegende Untersuchungen zu den einzelnen Druckgraphiken werden in den folgenden Kapiteln jeweils in den Fußnoten angegeben. 75 Einschlägige Fachzeitschriften wie Print Quarterly und Delineavit et Sculpsit entstanden in der Mitte der 1980er Jahre. Zur Entwicklung der Druckgraphikforschung vgl. Orenstein 2016 sowie mit einem Fokus auf der Praxis der Neuauflage Hammami / Pawlak / Rüth 2022b, S. 14–19.



1.2. Forschungsüberblick

tierte Studien zu einzelnen Künstler:innen, Verleger:innen und Städten,76 während zum anderen –  anschließend an die seit den späten 1970er Jahren publizierten Schriften Ilja M. Veldmans77 – der enorme intellektuelle Anspruch niederländischer Druckgraphik im Hinblick auf ihre Funktionen der Wissensvermittlung, Moraldidaxe sowie religiösen Meditation fokussiert wird.78 Erst in den letzten Jahren wird die Druckgraphik verstärkt auch als zentrales Medium künstlerischer Innovation und (Selbst-)Reflexion erkannt, in dem sich mindestens im selben Maß wie in zahlreichen Werken der niederländischen Malerei, für welche dies wiederholt überzeugend herausgestellt wurde,79 eine bildimplizite Kunsttheorie manifestiert.80 Wie für die druckgraphischen Arbeiten namhafterer Künstler und Verleger lässt sich auch für die weitgehend getrennt davon untersuchte,81 oftmals anonym publizierte Bildpropaganda82 des Achtzigjährigen Kriegs in jüngerer Zeit eine Neuausrichtung der Forschungsdiskurse beobachten.83 Derartige Blätter wurden zwar relativ früh als Untersuchungsgegenstände entdeckt, jedoch vornehmlich als historische Quellen und ‚Spiegel‘ zeitgenössischer Ereignisse aufgefasst oder als Stellungnahmen zu einzelnen

76 Vgl. u.  a. Riggs 1971; Veldman 1991; Wiebel 1995; Orenstein 1996; Sellink 1997; Stock 1998; Veldman 2001; Clifton 2002; Diels 2005; Bowen  / Imhof 2008; Diels 2010; Kolfin  / Veen  / Hillegers 2011; Grieken / Luijten / Stock 2013. 77 Vgl. u.  a. Veldman 1977; Veldman 1986a; Veldman 1987b; Veldman 1990; Veldman 1992. 78 Vgl. mit einem Fokus auf Allegorien u.  a. Kaulbach / Schleier 1997; Peters 2005; Tolstichin 2014; Shamos 2015; Ritter 2016; Melion / Clifton 2019; Hammami 2020; Koller / Rüth 2022. 79 Vgl. exemplarisch Preimesberger 1991; Stoichita 1993; Schlie 2002; Juntunen 2005; Pawlak 2011. Zu metapikturalen Verfahren in der frühneuzeitlichen Kunst vgl. grundlegend Belting 1990; Stoichita 1993. 80 Vgl. exemplarisch Krystof 1997; Vignau-Wilberg 1997; Pawlak 2017b; Tolstichin 2018a; Hammami / Pawlak / Rüth 2022. 81 Einen Grund für die lange vorherrschende Separierung der Forschungsdiskurse stellt zum einen der weitgehende Ausschluss der Druckgraphik aus dem kunsthistorischen Kanon dar, von dem lediglich Werke berühmter peintres-graveurs punktuell ausgenommen waren. Als ursächlich kann zum anderen die größtenteils in getrennten Katalogen erfolgte Erfassung druckgraphischer Werke gelten: Während die seit 1949 bzw. 1993 publizierten Bände von Hollstein’s Dutch & Flemish Etchings, Engravings and Woodcuts und des New Hollstein sowie insbesondere des auf Adam von Bartschs Le Peintre-Graveur (1803–1821) zurückgehenden, ab 1978 erschienenen Illustrated Bartsch die Graphiken mehr oder weniger renommierter Verleger und Kupferstecher fokussieren, sind die vielfach anonym erschienene politisch-konfessionelle Bildpropaganda sowie druckgraphische Darstellungen aktueller Ereignisse des Aufstandes und Krieges vornehmlich in den im späten 19. Jahrhundert zusammengestellten Katalogbänden des Atlas van Stolk sowie Frederik Mullers De Nederlandsche geschiedenis in platen verzeichnet. 82 Zur Anwendbarkeit des Propaganda-Begriffs auf die im Kontext des Achtzigjährigen Kriegs ent­ stan­dene Druckgraphik s.  u. S. 25, Anm. 1. 83 Zur Forschungsgeschichte in Bezug auf die politische Druckgraphik in den frühneuzeitlichen Niederlanden vgl. Veldman 2022.

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1. Einleitung

Geschehnissen oder Akteur:innen analysiert.84 Nachdem die ab den späten 1980er Jahren entstandenen Forschungen Daniel Horsts zur druckgraphischen Aufstandspropaganda in größerem Umfang die bildrhetorischen Verfahren der Blätter berücksichtigten,85 stehen seit der Jahrtausendwende vermehrt Fragen nach Ikonographien und visuellen Argumentationsstrategien im Mittelpunkt, die in der kreativen Auseinandersetzung mit den zeitgenössischen Entwicklungen in Politik und Religion entworfen wurden.86 In diesem Zusammenhang wird verstärkt auch den soziokulturellen Wirkungspotenzialen der Druckgraphiken nicht allein als produktive Elemente staatstheoretischer und konfessionspolitischer Diskurse, sondern insbesondere als ästhetische Formen sinn- und identitätsstiftender Krisenbewältigung Rechnung getragen.87 Aufbauend auf den Ergebnissen beider, sich im Zuge der Neuorientierung der Kunstgeschichte als historische Bildwissenschaft zunehmend annähernder,88 Untersuchungsfelder widmet sich die vorliegende Arbeit bewusst sowohl explizit auf konkrete Aufstandsereignisse bezogenen, propagandistischen als auch ‚autonomen‘ allegorischen Druckgraphiken. Denn da Figuren der Veritas in beiden Bereichen zum Einsatz kamen, können die komplexen Wechselwirkungen zwischen gesellschaftlichen und künstlerischen Reflexionsebenen der Blätter erst durch die Betrachtung der Werke unter einer übergreifenden Fragestellung gezielt herausgearbeitet werden. Um in diesem Kontext den von der kunsthistorischen Forschung bislang kaum thematisierten epistemischen Potenzialen der Veritas-Darstellungen nachzugehen, kann die Untersuchung an theoretisch fundierte Überlegungen zum spezifischen Leistungsvermögen von Wahrheitsfiguren anknüpfen, die zuletzt mehrfach in der sich um eine Historisierung von Wahrheit(skonzepten) bemühenden kultur- und wissensgeschichtlichen Forschung sowie der Philosophie vorgelegt wurden.89 Hierunter ist etwa der in der Monographie „Prekäres Wissen. Eine andere Ideengeschichte der Frühen Neuzeit“ aus dem Jahr 2012 anhand mehrerer Gemälde von Pietro della Vecchia im Umfeld des venezianischen Libertinismus exemplarisch ausgeführte Vorschlag Martin Mulsows zu nennen,

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Vgl. u.  a. Hoop Scheffer 1961; Dirkse / Zijp 1986; Kootte 1994b. Vgl. u.  a. Horst 1988; Tanis / Horst 1993; Horst 2003. Vgl. u.  a. Müller 2003; Dlugaiczyk 2005; Sawyer 2010; Voges 2019. Vgl. u.  a. Chapman 2000; Volmert 2013a; Pawlak 2020a. Zur Kunstgeschichte als historische Bildwissenschaft, deren Anfänge bis zu Aby Warburg zurückreichen, vgl. u.  a. Kruse 2010; Bredekamp 2011. 89 Zur auf Ansätzen von Michel Foucault und Hans Gadamer aufbauenden Auseinandersetzung mit der historischen Kontingenz von Wahrheit(skonzepten) vgl. Kleeberg / Suter 2014, S. 211–217; Landwehr 2015.



1.2. Forschungsüberblick

am Leitfaden von emblematischen und allegorischen Indizien eine Art Kulturgeschichte der Wahrheit [zu] rekonstruieren, die nicht auf die reine Theorieproduktion fokussiert ist, sondern auf intellektuelle Aneignungsformen, Einstellungen und Wahrnehmungen – nicht zuletzt Bedrohungswahrnehmungen.90

Damit führt der Autor jene grundlegende Überlegung fort, mit der Hans Blumenberg seine metaphorologische Untersuchung der Wahrheit in den erstmals 1960 publizierten „Paradigmen zu einer Metaphorologie“ beginnt:91 „Wer eine Geschichte des Wahrheitsbegriffes in einem streng terminologischen, d.  h. auf die Herausarbeitung der Definitionen gerichteten Sinn schreiben wollte, würde eine karge Ausbeute erzielen.“92 Denn über die durch Thomas von Aquin auf die Formel veritas est adaequatio rei et intellectus zugespitzte Adäquations- respektive Korrespondenztheorie hinausgehend,93 die seit der Antike weitgehende Gültigkeit besaß, manifestieren sich laut Blumenberg vielschichtige, historisch wandelbare Konzepte von Wahrheit vor allem in der Verwendung von Metaphern und, so ließe sich Martin Mulsow folgend ergänzen, in allegorischen Darstellungen der Veritas.94 Die performative Struktur und gesellschaftliche Funktion von Wahrheitsaushandlungen und in diesem Kontext insbesondere auch von ‚Wahrheitsfiguren‘95 fokussiert der 2014 in einem dem Thema ‚Wahrheit‘ gewidmeten Sonderheft der „Zeitschrift für Kulturphilosophie“ erschienene Beitrag „‚Doing truth‘. Bausteine einer Praxeologie der Wahrheit“ von Bernhard Kleeberg und Robert Suter.96 Darin postulieren die Autoren, dass sich gerade in historischen ebenso wie in gegenwärtigen „Situationen (krisenhafter) Unübersichtlichkeit und Unsicherheit“,97 „im Gefolge von Störungen […] des Selbstverständlichen […], in Lern- und Streitsituationen, oder auch im Rahmen der Demonstration von Macht“,98 zu denen die politisch-konfessionellen Konflikte in den Niederlanden des 90 Mulsow 2012, Zitat S. 172. Vgl. bereits Mulsow 2006. 91 Martin Mulsow beginnt das Kapitel „Bedrohtes Wissen. Prolegomena zu einer Kulturgeschichte der Wahrheit“ in seiner Monographie „Prekäres Wissen“ (Mulsow 2012) mit einem Zitat aus Blumen­bergs „Paradigmen“. 92 Blumenberg 2013 [1960], S. 18. 93 Die Begriffe ‚Adäquationstheorie‘ und ‚Korrespondenztheorie‘ werden meist synonym verwendet. Zur Problematisierung dieser Gleichsetzung vgl. Kann 1999; Davids 2006. Zur Ausformulierung der Adäquationstheorie durch Thomas von Aquin vgl. u.  a. Senner 2006; Davids 2006. 94 Vgl. Blumenberg 2013 [1960], S. 18  f. 95 Unter dem Begriff der ‚Wahrheitsfigur‘ fassen Kleeberg und Suter allgemein „figurative Dispositive […], [die] der Wahrheit in spezifischen Kontexten ihre Evidenz verleihen“. Als Beispiele nennen sie „die ‚nackte Wahrheit‘, den ‚naiven Provinzler‘ oder ‚harte Fakten‘“ (Kleeberg / Suter 2014, S. 220). 96 Kleeberg / Suter 2014. 97 Kleeberg / Suter 2014, S. 217. 98 Kleeberg / Suter 2014, S. 217.

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1. Einleitung

16. und 17. Jahrhunderts zweifellos zu zählen wären, eine „Erkundung, Vergewisserung oder Bestätigung, aber auch die Korrektur oder Dementierung von Wahrheit“99 vollziehe. In diesen komplexen Prozessen, deren Verlauf und Ergebnis stets von den darin eingebundenen Akteur:innen mit ihren jeweiligen Vorstellungen, Interessen und Strategien abhänge, nehmen Wahrheitsfiguren wie beispielsweise die nuda Veritas laut den Autoren eine entscheidende Funktion ein.100 Denn sie wirken sinnstiftend, indem sie die Wahrheit der Imagination zugänglich und zugleich authentifizierbar machen, ihr Evidenz verleihen sowie eine Positionierung der Beteiligten ihr gegenüber einfordern.101 Gerade deshalb können Wahrheitsfiguren aber auch selbst zum „eigentlichen Kern des Wahrheitsproblems“102 avancieren, wenn ihr Erkenntniswert und die an sie gebundenen Wahrheitskonzepte begründet, bezweifelt oder gänzlich abgelehnt werden. Sie fungieren demzufolge nicht nur als Projektionsflächen spannungsreicher sozialer Aushandlungsprozesse, sondern immer wieder auch als deren Katalysatoren und fordern beständig dazu heraus, auch ihren eigenen Wahrheitsanspruch zu hinterfragen und auszuloten. Dass dies auf bildliche Darstellungen der Veritas übertragbar ist, die von Bernhard Kleeberg und Robert Suter nicht eigens thematisiert werden, lässt sich aus den Ausführungen von Ludger Schwarte in seiner 2015 erschienenen Monographie „Pikturale Evidenz. Zur Wahrheitsfähigkeit der Bilder“ ableiten.103 Im Rahmen seiner Überlegungen zu bildlichen Erscheinungsweisen der Wahrheit erwähnt er, ohne dies weiter auszuführen, unter anderem Figuren der nuda Veritas oder Szenen der Veritas filia temporis,104 die laut dem Autor als eigenständiger „pikturale[r] Modus“105 der Wahrheit verstanden werden können. Schwartes Darlegungen machen darauf aufmerksam, dass derartige Darstellungen einen eigenen epistemischen Anspruch erheben, indem sie „die Wahrheit selbst zum Vorschein“106 zu bringen behaupten und damit eine so nur bildlich zu formulierende Antwort auf die ‚Pilatusfrage‘ Quid est veritas? geben. Wenn der Autor derartigen Kunstwerken „eine wichtige Rolle in einer Praktik der Wahrheitsfindung“107 beimisst, lässt sich dies demnach nicht allein auf gesellschaftliche Kontexte, sondern dezidiert auch auf die künstlerische Arbeit selbst beziehen. Möglicherweise manifes99 100 101 102

103 104 105 106 107

Kleeberg / Suter 2014, S. 217. Vgl. Kleeberg / Suter 2014, S. 220. Vgl. Kleeberg / Suter 2014, S. 220. Kleeberg / Suter 2014, S. 220. Mit diesem Hinweis beziehen sich die Autoren auf einen Aufsatz von Stephan Gregory, in dem dieser die Rückwirkungen der mit der Wahrheit verbundenen Lichtmetaphorik auf den praktischen wissenschaftlichen Umgang mit Licht untersucht. Vgl. Gregory 2014. Schwarte 2015. Vgl. Schwarte 2015, S. 157; Schwarte 2016, S. 194. Schwarte 2015, S. 38. Schwarte 2015, S. 39. Schwarte 2015, S. 157.



1.3. Methode, Vorgehen und Aufbau der Arbeit

tieren sich folglich im Sinne einer bildimpliziten Kunsttheorie in einigen der in den frühneuzeitlichen Niederlanden entstandenen druckgraphischen Veritas-Darstellungen eben jene ‚Vorläufer‘ für eine „Ikonik der Wahrheit“,108 deren Existenz laut Ludger Schwarte ungewiss sei.109 Die Ergebnisse der skizzierten interdisziplinären Forschungen legen die für die folgenden Analysen grundlegende These nahe, dass im kreativen Umgang mit Darstellungsoptionen und Bedeutungspotenzialen der Veritas-Figur, der als eine ästhetische Praxis der Wahrheitsfindung verstanden werden kann, soziokulturelle Funktionen und bildreflexive Ebenen stets miteinander korrelieren. Entsprechend dem praxeologischen Modell des SFB  1391 Andere Ästhetik fasst die Untersuchung daher die signifikante Interdependenz beider Aspekte – heterologischer und autologischer Dimension – als konstitutiv für den Status der fokussierten Werke als kulturhistorisch relevante Träger dynamischer Wahrheitsaushandlungen auf.110 In deren Zentrum stand dabei, wie gezeigt werden soll, immer wieder auch die Wahrheitsfähigkeit der Graphiken selbst, das heißt – um die Formulierung Ludger Schwartes aufzugreifen – ihr spezifisches Vermögen, „die Wahrheit eröffnen, herstellen oder transportieren zu können.“111

1.3. Methode, Vorgehen und Aufbau der Arbeit Die vorliegende Arbeit verbindet das kulturhistorische Interesse an den theologischen, politischen, ethischen und kunsttheoretischen Reflexionen über die Wahrheit in den frühneuzeitlichen Niederlanden mit der bildwissenschaftlichen Frage nach Verfahren der Sinngenerierung sowie der Wirkungsmacht druckgraphischer Veritas-Darstellungen. Damit schließt sie an die neuere kunsthistorische Allegorieforschung an, die zunehmend die auf der Diskontinuität von Zeichen und Bezeichnetem basierende bedeutungsstiftende Funktion dieses bildlichen Darstellungsmodus in den Blick nimmt und sowohl dessen produktives Potenzial insbesondere in religiösen und gesellschaftlichen Kontexten als auch die Selbstdiskursivität allegorischer Bilder fokussiert.112 108 Schwarte 2015, S. 157–163; Schwarte 2016. 109 Vgl. Schwarte 2015, S. 39. 110 Zum Forschungsprogramm des SFB 1391 Andere Ästhetik vgl. Gerok-Reiter / Robert 2022. Die hete­ ro­logische Dimension ist im praxeologischen Modell des SFB auf die pragmatische und/oder diskursive Eingebundenheit eines ästhetischen Akts oder Artefakts in gesellschaftliche Kontexte bezogen, während die autologische Dimension Aspekte der technisch-artistischen Eigenlogik umfasst. Beide Dimensionen sind dabei als dynamisch und in beständiger Wechselwirkung stehend zu denken. Vgl. Gerok-Reiter / Robert 2022, S. 27  f. 111 Schwarte 2015, S. 20. Zu verschiedenen Ansätzen kunst- respektive bildtheoretischer Konzeption einer „Wahrheitsfähigkeit des Bildes“ vgl. zusammenfassend Schwarte 2008. 112 Vgl. Krüger / Löhr / Tarnow 2014, S. 8–10 sowie exemplarisch Krüger 2009; Pawlak 2016.

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1. Einleitung

Um sich vor diesem Hintergrund der Komplexität der behandelten Druckgraphiken sowie der in ihnen entworfenen visuellen Wahrheitskonzepte anzunähern, werden die ikonographisch-ikonologischen Analysen ausgewählter Kupferstiche und Radierungen gezielt mit der Untersuchung der in den Blättern eingesetzten (bild-)rhetorischen, intermedialen und rezeptionsästhetischen Strategien sowie Überlegungen zur Performanz der Bildbetrachtung verbunden. Dabei folgt die Arbeit der 1994 formulierten These Christian Kienings, dass allegorische Figuren ihre je eigene Bedeutung sowie ihren epistemischen Wert erst im Gesamtzusammenhang eines Text- respektive Bildganzen erhalten,113 sodass die Graphiken im Folgenden trotz oder vielmehr gerade wegen der Fokussierung der Studie auf die Veritas-Figur stets als komplexe intermediale Netzwerke aufgefasst und analysiert werden. Die spezifische Referenz der Graphiken auf die Wahrheit und den damit verbundenen Anspruch ihrer erkenntnisstiftenden Visualisierung auch jenseits ikonographischer Codierungen herauszuarbeiten, stellt dabei eine methodische Herausforderung dar. Die bisherigen kunsthistorischen Forschungen zum Wahrheitsanspruch von Kunstwerken, der vor dem Hintergrund der von der Reformation ausgelösten Debatten um den Status von Bildern in der Frühen Neuzeit zu einem Wahrheitsproblem sui generis avancierte,114 widmeten sich größtenteils Bildgattungen, die sich nicht primär durch einen allegorischen Modus auszeichnen.115 Im Zentrum standen jene, in erster Linie anhand biblischer und profaner Historiengemälde, Portraits oder im weitesten Sinne wissenschaftlicher Bilder entwickelten und auf der philosophischen Korrespondenztheorie der Wahrheit basierenden Kriterien einer vera effigies oder vera imago, die auf einer mimetischen Wiedergabe der Wirklichkeit gründen.116 Derartige Merkmale ‚wahrer‘ Bilder wie die korrekte Abbildung einer Person, eines Objekts oder Naturphänomens 113 Vgl. Kiening 1994. Als Literaturwissenschaftler bezieht sich Christian Kiening, der hier den Begriff der ‚Personifikation‘ verwendet, vornehmlich – aber nicht ausschließlich – auf Texte. 114 Zum Bilderstreit sowie der sich dadurch wandelnden Auffassung vom Status des Bildes vgl. u.  a. Michalski 1993; Jonckheere 2012a, S. 29–42. Zur Frage des problematischen Verhältnisses von Bild und Wahrheit vgl. u.  a. Michalski 1988; Michalski 1993, S. 192; Koerner 2004, S. 34; Mersmann 2017b, S. 13–18. 115 Zur Reflexion über Wahrheitsansprüche von Allegorien vgl. u.  a. Dyke 1985; Niehr 2004, S. 264  f.; Sheriff 2007, S. 243  f.; Schumm 2016. 116 Zur gelungenen Abbildbeziehung zur außerbildlichen Wirklichkeit als Wahrheitskriterium von Bildern vgl. u.  a. Wolf 1997; Niehr 2004. Zu einer korrespondenztheoretischen Bestimmung wahrer Bilder in der frühneuzeitlichen Kunsttheorie vgl. z.  B. den Discorso intorno alle immagini sacre e ­profane (1582) von Gabriele Paleotti, der eine Ähnlichkeitsbeziehung zwischen einem Bild und seinem Gegenstand als Voraussetzung ‚wahrer‘ Malerei postulierte, dazu Mersmann 2017b, S. 38. Zur Autopoiesis und zu Visionen als Ursprung ‚wahrer‘ Bilder vgl. u.  a. Lentes 2007; Mersmann 2017b, S. 227. Zu einer Form der ‚wahren Abbildung‘ durch die Vervielfältigung eines autoritativen Bildes vgl. Schmidt 2010.



1.3. Methode, Vorgehen und Aufbau der Arbeit

beziehungsweise die historisch angemessene Darstellung von vergangenen Ereignissen (veritas historica)117 lassen sich jedoch nur punktuell auf die im Folgenden analysierten Werke übertragen, die auf besonders prägnante Weise beanspruchen, nicht nur die Wahrheit über etwas, sondern vielmehr (auch) die Wahrheit selbst zur Anschauung zu bringen. Vielversprechend erscheinen in diesem Zusammenhang Ansätze, welche den Wahrheitsanspruch frühneuzeitlicher Kunstwerke an ihr Vermögen zur rezeptionsästhetischen Erzeugung einer erkenntnisstiftenden Evidenzerfahrung rückbinden. So stellt etwa Jasmin Mersmann in ihrer 2017 publizierten Dissertation „Lodovico Cigoli. Formen der Wahrheit um 1600“ neben der Texttreue, Anschaulichkeit, Objektivität, Konsensfähigkeit und Klarheit sowie dem durch die jeweilige Bildaussage hervorgerufenen Risiko auch eine affektive Wirkung auf die Betrachtenden als bildliches Wahrheitskriterium heraus.118 Aufschlussreich sind darüber hinaus Felipe Peredas Ausführungen in seiner ebenfalls 2017 erschienenen Studie „Crimen e ilusión. El arte de la verdad en el Siglo de Oro“, in welcher er die These verfolgt, dass die von ihm behandelten spanischen Historien- und Heiligenbilder des frühen 17. Jahrhunderts die Rezipierenden gezielt in die Position von Zeug:innen für die dargestellten Glaubenswahrheiten versetzen, um diesen Autorität und Authentizität zu verleihen.119 Gerade diese besondere Aufmerksamkeit für die Rezeption als testimonialen Vorgang, die sich durch die kunsthistorischen Forschungen zur ästhetischen Zeugenschaft sowie theoretische Überlegungen zur Handlungs- und Wirkungsmacht von Kunstwerken ergänzen lassen,120 erlaubt es, die Bildbetrachtung als einen performativen Akt der Wahrheitsaushandlung zu konturieren. Die zu untersuchenden Veritas-Darstellungen als bildliche Repräsentationen des eigentlich nicht mimetisch abbildbaren Abstraktums behaupten dabei nicht einfach, die Wahrheit zu zeigen. Vielmehr problematisieren sie vielfach eben diese Sichtbarwerdung des Unsichtbaren, weshalb sich zur Analyse des Status der Graphiken als Medien der Wahrheit insbesondere Forschungen zum religiösen Offenbarungsanspruch frühneuzeitlicher Kunst gewinnbringend heranziehen lassen.121 Denn diese konnten herausarbeiten, dass im Kontext einer Auffassung des Bildes als – wie Klaus Krüger formulierte – „Membran zu einer imaginären und letztlich inkommensurablen Wirklichkeit, die von ihm verhüllt und zugleich enthüllt, verschleiert und zugleich offenbart wird“,122 gerade visuelle Strategien der Selbstinfragestellung das Potenzial der Kunstwerke be117 118 119 120

Zur Anforderung der veritas historica vgl. u.  a. Hecht 2012, S. 380–387; Mersmann 2017b, S. 33–100. Mersmann 2017b. Pereda 2017. Zur ästhetischen Zeugenschaft vgl. u.  a. Yiu 2011; Blümle 2014; Schlie 2014b; Schlie 2016. Zur Wirkungsmacht von Bildern vgl. grundlegend Freedberg 1991; Bredekamp 2015. 121 Vgl. u.  a. Didi-Huberman 1990a; Krüger 2001; Didi-Huberman 2011; Pawlak 2016; Pawlak 2017b. 122 Krüger 2001, S. 80.

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1. Einleitung

gründen, die göttliche Transzendenz in einem rezeptionsästhetischen Imaginationsund Partizipationsprozess annäherungsweise erfahrbar zu machen. Vor diesem Hintergrund geht die vorliegende Studie von der Annahme aus, dass sich auch in den behandelten Druckgraphiken gerade anhand der Veritas-Figur wiederholt jenes komplexe Wechselspiel von Figuration und Defiguration ereignet, das Georges Didi-Huberman ausgehend vom christlichen Konzept der figura als notwendige „Aufhebung der Sichtbarkeit“123 durch die Figur bezeichnet.124 Eben deshalb wird im Folgenden ausdrücklich von der ‚Figur‘ der Veritas gesprochen, die nicht beansprucht, „die natürliche oder ‚figurative‘ Gestalt“ der Wahrheit „wiederherzustellen“,125 sondern vielmehr jenen „visuelle[n] Umweg“126 zu generieren, durch den allein das Wesen der Wahrheit erahnt werden könne. In diesem Sinne erfüllt sie jene Voraussetzung, die DidiHuberman als ein „Gebot der Figur“ formulierte: „Du sollst in Dir eine Wahrheit bergen, die dich gleichwohl übersteigt und sich nur außerhalb von dir begreifen lässt.“127 Die konkrete bildliche Gestalt, welche die Veritas-Figur als allegorische Verkörperung des Abstraktums innerhalb der zu untersuchenden Druckgraphiken einnimmt, generiert dabei eine besondere Spannung zur religiösen Dimension des Dargestellten. Denn zum einen fungiert ihr nackter respektive enthüllter Leib in zahlreichen der analysierten Werke auch jenseits sinnbildlicher Verweise auf Reinheit und Klarheit als Ausgangspunkt bildimpliziter Reflexion über sinnliche Wahrnehmung als ambivalenten Versuch einer gleichermaßen reizvollen wie gefährlichen Wahrheitsaneignung.128 Zum anderen kommt der Körperlichkeit der Veritas-Figur in theologischer Hinsicht eine besondere, durchaus heikle Relevanz zu, da auf Basis des biblisch überlieferten Christuswortes Ego sum via et veritas et vita (Joh 14,6: „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben“) aus christlicher Perspektive allein der Gottessohn als Mensch gewordene Wahrheit gilt. Die allegorische Verkörperung der Veritas wird daher in den Graphiken wiederholt auf die Gleichsetzung von Veritas und Christus bezogen, mit dem die Wahrheit wahrnehmbar in die Welt getreten sei.129 Diese signifikante Assoziation, die in 123 Didi-Huberman 2011, S. 283. 124 Zum christlichen Konzept der figura vgl. grundlegend Auerbach 1938. Zur Übertragung dieser Vorstellung auf die niederländische Kunst des 16. Jahrhunderts vgl. Pawlak 2016; Pawlak 2017b. Zum Kunstwerk als figura vgl. auch Kiening 2003, S. 20; Krüger 2009, S. 906; Schlie 2013; Dekoninck / Guiderdoni 2017; Dekoninck / Guiderdoni 2017–2018. 125 Didi-Huberman 2011, S. 287. 126 Didi-Huberman 2011, S. 273. 127 Didi-Huberman 2011, S. 291. 128 Zur Untersuchung allegorischer Verkörperung v.  a. im Hinblick auf Genderfragen vgl. u.  a. ­Oester­ reich / Rüthemann 2013. Allgemein zum Verhältnis von Bild und Körper vgl. u.  a. Belting 2001; Belting / Kamper / Schulz 2002. 129 Zur Inkarnation als Sichtbarwerdung des unsichtbaren Gottes, die gleichsam als Paradigma der Figuration im christlichen Sinne fungiert, vgl. Lentes 2004, S. 13; Didi-Huberman 2011, S. 280–282.



1.3. Methode, Vorgehen und Aufbau der Arbeit

einigen Werken explizit thematisiert wird, vermag nicht nur als Begründung für das Bestreben zu dienen, der Wahrheit eine anthropomorphe Gestalt zu verleihen, sowie die Legitimität eines derartigen ästhetischen Verfahrens zugleich infrage zu stellen. Die Analogie lenkt darüber hinaus die Aufmerksamkeit auf die innerhalb des christlichen Denkens zentrale Frage nach dem Verhältnis des Sichtbaren zum Unsichtbaren, dessen auf beide Bereiche verweisende Schnittstelle Georges Didi-Huberman als das Visuelle bezeichnet: „Das Visuelle also [le visuel], im Gegensatz zum Sichtbaren [le visible], um der Hypothese Ausdruck zu verleihen, dass der Anblick der Fleischwerdung die Destabilisierung der sichtbaren Weltordnung und der klassischen Imitatio zum Ziel (oder als Ergebnis) hatte.“130 Jene visuellen Konzepte der Wahrheit in der niederländischen Druckgraphik des 16. und 17. Jahrhunderts, nach denen die vorliegende Untersuchung fragt, adressieren folglich durch das im Bild Gezeigte stets auch das, was selbst nicht sinnlich wahrnehmbar, aber gleichwohl als latent in der Darstellung enthalten gedacht ist und das im Sinne einer Abstraktions- respektive Imaginationsleistung erst durch die Rezipierenden erschlossen werden kann.131 In der Figur der Veritas sowie den gesamten Bildfindungen als dynamischen Konfigurationen der Wahrheit manifestiert sich demnach die Referenzialität zwischen den differenzierten weltimmanenten Erscheinungsformen der Wahrheit, welche die Kupferstiche und Radierungen inhaltlich thematisieren, und jener transzendenten Wahrheit, die für die Menschen stets unerreichbar bleibt. Der in Verbindung mit der Visualisierung der Veritas erhobene Wahrheitsanspruch der Graphiken basiert dementsprechend im Gegensatz zur etablierten Korrespondenztheorie letztlich auf der betonten Nicht-Entsprechung zwischen Darstellung und Dargestelltem, entfaltet aber dennoch oder vielmehr gerade deshalb den Anspruch eines spezifischen epistemischen Leistungsvermögens. So ließe sich als These formulieren, dass die Fähigkeit der Kunstwerke, „die Wahrheit eröffnen, herstellen oder transportieren zu können“132 weniger darauf beruht, den Rezipierenden ein ‚Abbild‘ der Wahrheit vor Augen zu stellen, als sie durch die Problematisierung beziehungsweise kritische Reflexion einer solchen Abbildung in einen das Sichtbare übersteigenden Erkenntnisprozess zu involvieren und sie dadurch – entsprechend der von Bernhard Kleeberg und Robert Suter konturierten Performativität von Wahrheitsaushandlungen – im historischen Kontext zu Akteur:innen innerhalb einer ästhetischen Praxis des ‚doing truth‘ zu machen.133 130 Didi-Huberman 2011, S. 282. Vgl. Didi-Huberman 1990b, S. 26 sowie zur Übertragung dieses Ansatzes auf die niederländische Kunst des 16. Jahrhunderts im Kontext einer ‚visuellen Rhetorik‘ Pawlak 2011, S. 197  f. 131 Zur rezeptionsästhetischen Funktion der figura in der niederländischen Kunst des 16. Jahrhunderts vgl. Pawlak 2016; Pawlak 2017b. 132 Schwarte 2015, S. 20. 133 Vgl. Kleeberg / Suter 2014. Für einen praxeologischen Zugriff auf frühneuzeitliche Wahrheits­ konzepte vgl. auch Badea et al. 2021.

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1. Einleitung

Die vorliegende Arbeit wählt auf der Grundlage dieser Überlegungen ein Vorgehen, das keine Vollständigkeit im Sinne eines kataloghaften Überblicks über alle erhaltenen druckgraphischen Veritas-Darstellungen anstrebt. Vielmehr werden thematische Schwerpunkte herausgearbeitet, die anhand exemplarischer Fallstudien untersucht sowie mit der grundlegenden Frage nach Formen und Funktionen bildlicher Repräsentation von Wahrheit verbunden werden. Dabei richtet sich die Einteilung der Kapitel zum einen nach der Beobachtung, dass die Druckgraphiken ausgehend von der Annahme grundsätzlicher Unerreichbarkeit der gleichwohl innerweltlich wirkmächtigen göttlichen Veritas jeweils verschiedene Manifestationen der respektive Zugänge zur Wahrheit verhandeln und gezielt erproben, inwiefern sich deren erkenntnisstiftendes und authentifizierendes Potenzial auf die Graphiken selbst übertragen lässt. Zum anderen bildet der Aufbau der Studie die Annahme ab, dass die – im Sinne des oben erwähnten praxeologischen Modells des SFB 1391 – stets miteinander in konstitutiver Wechselwirkung stehenden heterologischen und autologischen Dimensionen in den Blättern mit je unterschiedlicher Gewichtung zum Tragen kommen. In diesem Kontext werden zunächst jene Kupferstiche und Radierungen fokussiert, die durch die explizite Thematisierung der Aufstands- und Kriegsereignisse in den Niederlanden ihre Eingebundenheit in das zeitgenössische Geschehen sowie damit verbundene politische und religiöse Diskurse dezidiert markieren, während die Arbeit darauf folgend Werke untersucht, in denen bild- und medienreflexive Aspekte konzeptuell deutlicher im Zentrum stehen. Kapitel 2. widmet sich am Beispiel ausgewählter Werke der niederländischen Bildpropaganda des Achtzigjährigen Kriegs aus den späten 1570er Jahren sowie aus der Zeit des Zwölfjährigen Waffenstillstandes (1609–1621) dem zentralen Komplex der ‚Wahrheit als Politikum‘. In diesem Zusammenhang loten die Druckgraphiken immer wieder aus, inwiefern sich die auf inhaltlicher Ebene thematisierten Erscheinungsformen der Wahrheit, d.  h. insbesondere die Aufrichtigkeit einzelner oder kollektiver Akteur:innen beziehungsweise die angestrebte staatlich-konfessionelle Ordnung als bildlich antizipierte Realisierungsform der Wahrheit, in einen Wahrheitsanspruch der Druckgraphiken selbst transferieren lassen. Im Anschluss daran nimmt Kapitel 3. die künstlerische Auseinandersetzung mit der Bibel als einem transkonfessionell konsensfähigen Wahrheitsmedium in den Blick. Dieser Teil der Arbeit befasst sich mit drei von Dirck Volckertsz. Coornhert, Adriaen de Weerdt und Hendrick Goltzius in den 1560er und 1570er Jahren geschaffenen Serien, die durch das kalkulierte Zusammenwirken von allegorischen Darstellungen, zitierten Bibelversen und Epigrammen die spezifische Medialität der Bibel und deren Verhältnis zum erkenntnisstiftenden Leistungsvermögen der Graphiken verhandeln. Kapitel 4. analysiert schließlich eine Auswahl von Kupferstichen zu den Themen der Vier stärksten Mächte, des Triumphus Veritatis sowie der Veritas filia temporis, die programmatisch die Wahrheit sowie die Wirkmächtigkeit ihrer Sichtbarkeit im Bild thematisieren. In diesen Blättern experimentierten die Künstler mit verschiedenen ikonographischen Traditionen und Wiedergabemodi der Veritas und



1.3. Methode, Vorgehen und Aufbau der Arbeit

reflektierten zugleich über die Rolle der Werke als Manifestationen und Resonanzräume der im Kontext der Suche nach der Wahrheit beziehungsweise ihrer Hervorbringung jeweils zum Tragen kommenden Kräfte. Ein die allegorische Druckgraphik als Medium der Wahrheit in den Niederlanden des 16. und 17. Jahrhunderts fokussierendes Resümee fasst abschließend die komplex miteinander verschränkten Ebenen der visuellen Wahrheitskonzepte zusammen, die sich anschaulich in der Veritas-Figur verdichten, ohne auf sie beschränkt zu sein.

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2. Wahrheit als Politikum – Veritas in der niederländischen Bildpropaganda des Achtzigjährigen Kriegs Mord, Plünderung und Brandschatzung: Mit diesen in der Bildpropaganda1 des Niederländischen Aufstandes zu Topoi spanischer Grausamkeit avancierten Gewalttaten charakterisiert ein vermutlich im Jahr 1577 von Theodor de Bry angefertigter und publi­ zierter Kupferstich die zeitgenössische Situation Antwerpens (Abb. 1).2 Die lodernden Flammen und der emporsteigende Qualm, die im Hintergrund des Bildes in der aus erhöhter Perspektive gezeigten Stadtsilhouette neben der Liebfrauenkathedrale zu erkennen sind, markieren nicht nur den Standort des Rathauses, sondern auch das dargestellte Ereignis: die sogenannte Spaanse furie am 4. November 1576, bei der meuternde Soldaten des habsburgischen Heeres die Metropole überfielen, zahlreiche Einwohner:innen ermordeten und das 1565 fertiggestellte Stadhuis in Brand setzten.3 Die in zahlreichen Werken der Druckgraphik, Malerei und Medaillenkunst wiedergegebene, vom Feuer erfasste Fassade des Baus wurde in der Folge zum einprägsamen Sinnbild der von den Spaniern ausgehenden Brutalität, die sich gezielt gegen ein Symbol kommunaler Souveränität richtete.4 1

2

3 4

Zur Anwendbarkeit des Propaganda-Begriffs auf die im Kontext des Achtzigjährigen Kriegs entstandene Druckgraphik vgl. Horst 2003, S. 15–22; Kolfin 2007. Der propagandistische Charakter der Blätter basiert demnach vor allem auf dem Bestreben, mit den Mitteln der Druckgraphik eine bestimmte Wahrnehmung und Bewertung der zeitgenössischen Ereignisse im Kontext moralischreligiöser Deutungsmuster zu verbreiten und die Rezipient:innen idealerweise zu entsprechenden Meinungen oder auch Handlungen anzuregen. Weniger relevant sind hierbei der persönliche Standpunkt von Künstler:innen oder Verleger:innen, da in der Regel ökonomische Erwägungen mindestens ebenso ausschlaggebend gewesen sein dürften, sowie die systematische Beteiligung ‚offizieller‘ Institutionen an Entwurf oder Verbreitung der Graphiken. Zu Medien und Strategien der Propaganda im Achtzigjährigen Krieg vgl. u.  a. Cellarius 1968; Bostoen 1999; Duke 1999; Spies 1999a; Chapman 2000; Waite 2000; Arndt 2001; Dlugaiczyk 2005; Stipriaan 2007; Deen 2015. Zu dem Kupferstich vgl. Muller 1863, S. 78, Nr. 525 (mit angesichts der Hintergrundszene nicht haltbarer Datierung auf ca. 1570) sowie Tanis / Horst 1993, S. 76–78, Kat.-Nr. 16; Harms / Schilling 1998, S. 46; Horst 2003, S. 182–185 u. 338; Horst 2007, S. 29–31; Arnade 2008, S. 213  f. Der Stich ist nicht signiert, die Zuschreibung an de Bry jedoch plausibel. Vgl. Harms / Schilling 1998, S. 46; Horst 2003, S. 182. Zur Biographie und zum Œuvre de Brys vgl. Harms / Schilling / Wang 1997, S. 44; Groesen 2008, S. 51–78. Zur künstlerischen Inszenierung spanischer Gewalt vgl. Müller 2003, S. 46–68; Voges 2012; Martínez Luna 2017; Voges 2019. Zur ‚Spanischen Furie‘ und ihrer zeitgenössischen Rezeption vgl. Avery 1977, S. 253–256; Müller 2003, S.  52–56; Horst 2003, S.  173–179; Maczkiewitz 2005, S.  258–260; Arnade 2008, S.  243–259;­ Martínez Luna 2017, S. 129–132; Santiago Belmonte 2020. Zu Darstellungen des brennenden Rathauses vgl. Avery 1977, S. 253–256; Horst 2003, S. 176. Zu den Intentionen bei der Inbrandsetzung des Stadhuis vgl. Arnade 2008, S. 251–253. Der Begriff ‚Spanier‘

https://doi.org/10.1515/9783111123004-002



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2. Wahrheit als Politikum

Abb. 1. Theodor de Bry (zugeschrieben): Vergleich zwischen Wilhelm von Oranien und dem Herzog von Alba, 1576–1577, Kupferstich, 258 × 330 mm, Amsterdam, Rijksmuseum, Inv.-Nr. RP-P-OB-76.832.

Mit seiner Graphik aktualisierte der Künstler ein wohl bereits um 1570 anonym erschienenes Blatt, das anstelle der topographischen Ansicht ein zeitlich und räumlich nicht genau verortetes Gewaltpanorama mit zwei prominent platzierten Hinrichtungsstätten zeigt (Abb. 2).5 Die im Vordergrund des Bildes zu beiden Seiten des Landschaftsausblicks einander gegenübergestellten Figurengruppen übernahm de Bry – spiegelverkehrt, in einigen Details modifiziert sowie mit lateinischen statt niederländischen Figurenbeschriftungen versehen – von diesem bestehenden Stich, zu dem er außerdem neue Epigramme auf Niederländisch und Französisch, den vorherrschenden Sprachen in Antwerpen, anfertigen ließ. Durch eine mit eingängigen Gegensätzen arbeitende visuelle Rhetorik werden Prinz Wilhelm von Oranien als Anführer der Aufständischen

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wird im Folgenden, insofern er sich auf das in den Niederlanden entwickelte, stereotype Feindbild bezieht, in maskuliner Form verwendet. Zu dem Stich vgl. Atlas van Stolk 1, S. 230, Nr. 416 sowie Raupp 1981, S. 187, Kat.-Nr. 56; Horst 2003, S. 137; Horst 2007, S. 18  f.



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Abb. 2. Anonyme:r Künstler:in: Vergleich zwischen Wilhelm von Oranien und dem Herzog von Alba, 1568–1573, Kupferstich, 230 × 325 mm, Amsterdam, Rijksmuseum, Inv.-Nr. RP-P-OB-78.194.

sowie der spanische Statthalter Fernando Álvarez de Toledo, Herzog von Alba, in beiden Bildfindungen sinnfällig kontrastiert: Jeweils umgeben von den verkörperten Prinzipien und Konsequenzen ihres Handelns, erscheinen die beiden Protagonisten nicht nur als Urheber des Wohlergehens respektive Elends der niederländischen Bevölkerung, sondern zugleich als Exponenten von Tugenden und Lastern, die von der im Himmel erscheinenden Figur der Fama (‚Ruhm‘) verkündet werden.6 So befinden sich auf der Seite des Prinzen die Verkörperungen der Ehre (Eere  / Honor), des Wohlstands des Landes (Slants voorspoet / Divitiæ) und der Gewissensruhe (Rust der Conscientien) beziehungsweise des klugen Ratschlags (Prud[ens] Cons[ilium]), während ihnen auf der Seite 6

Vgl. Raupp 1981, S. 187. Zur kontrastiven Bildrhetorik der Aufstandspropaganda, insbesondere in Bezug auf Wilhelm und Alba, vgl. Horst 1993; Horst 2006, S. 194  f.; Horst 2007, S. 18  f. Die Schere, welche der ‚Eiserne Herzog‘ seinem Kontrahenten entgegenstreckt und mit der er, wie die Epigramme beider Fassungen erläutern, das Land beziehungsweise dessen Einwohner:innen nackt geschoren habe, kennzeichnet einerseits die Brutalität des Statthalters und entlarvt andererseits auch seine vermeintliche Unkultiviertheit, durch die er sich mit seiner zum Kampf wenig geeigneten ‚Waffe‘ zugleich der Lächerlichkeit preisgibt.

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des Herzogs die Figuren der gefangenen Niederlande (Die nacie van nederlant / Belgica7), der armen Bevölkerung (Arme Ghemeynte  / Plebs), des Neides (Nÿdicheÿt  / Invidia) und der Zwietracht (Tweedracht) beziehungsweise des Betrugs (Fallacia) gegenüberstehen. Für seine Version des Kupferstichs überarbeitete de Bry nicht nur diese Hauptszene, sondern ergänzte auch zwei darunter zu sehende Bildfelder, welche den moralischen Antagonismus explizit heilsgeschichtlich perspektivieren, indem sie das Schicksal der Niederländer:innen typologisch mit der Unterdrückung und Befreiung des biblischen Volkes der Israelit:innnen in Beziehung setzen.8 So erscheint unter Wilhelm die Moses aufgetragene Feier des Passahfestes nach Ex 12,11–12, während der Seite Albas der Untergang des ägyptischen Heeres im Roten Meer nach Ex 14,27 zugeordnet ist. Wird der Prinz damit zum im Auftrag Gottes handelnden Befreier verklärt, welcher die Niederlande von der Unterdrückung erlösen werde, firmiert der Herzog im Gegenzug als Verkörperung tyrannischer Herrschaft der Spanier, deren göttliche Bestrafung unmittelbar zu erwarten sei. Sowohl die visuelle Verbindung biblischer und zeitgenössischer Geschehnisse als auch die Tatsache, dass Alba im Jahr 1573 von König Philipp II. aus den Niederlanden abberufen worden war und somit zum Zeitpunkt der ‚Spanischen Furie‘ nicht mehr als Statthalter amtierte, machen die über die Darstellung des konkreten Ereignisses hinausgehende Valenz der Bildfindung deutlich, die schon durch das Faktum der Neuauflage nachdrücklich belegt wird.9 Im Zusammenhang der vorliegenden Untersuchung ist vor allem jene ikonographische Veränderung bemerkenswert, die für die zweite Fassung an der allegorischen Figur vorgenommen wurde, welche den Herzog gemeinsam mit der Gestalt des Neides krönt:10 Handelt es sich hier ursprünglich um die Tweedracht, die als Attribut eine Fackel bei sich trägt, ließ de Bry die Figur in derselben Hand zusätzlich einen Wassereimer halten und ergänzte an ihrem Hinterkopf ein zweites Gesicht (Abb. 3), um sie durch diesen Ausdruck innerer Widersprüchlichkeit in die Verkörperung der Fallacia zu transformieren. 7

Die Begriffe ‚Belgiae‘ bzw. ‚Belgicus‘ wurden im 16. Jahrhundert ebenfalls zur Bezeichnung der nördlichen Provinzen verwendet. Vgl. Deisel 1999, S. 438, Anm. 1. 8 Zur zunehmend zu einem nationalmythologischen Topos avancierenden Identifikation der Niederländer:innen mit den Israelit:innen vgl. Groenhuis 1982; Huisman 1983; Regan 1996; Schama 1997 [1987], S. 93–125; Dunkelgrün 2009. Zum Untergang des ägyptischen Heeres im Roten Meer als Sinnbild für den Sturz der Tyrannis vgl. Tanis / Horst 1993, S. 78. 9 Zur anhaltenden propagandistischen Instrumentalisierung Albas als Feindbild vgl. u.  a. Becker 1971; Nierop 2001; Sawyer 2003; Fontcuberta 2008; Pollmann  / Stensland 2013; Horst 2014. Zur künstlerischen Praxis druckgraphischer Neuauflagen vgl. Hammami / Pawlak / Rüth 2022a. 10 Das Motiv der Krone ist dabei vor allem als Kritik an Albas Anmaßung einer ihm nicht zustehenden Rolle zu verstehen. Zu diesem Vorwurf, der sich v.  a. an der Aufstellung seines Standbilds in der Antwerpener Zitadelle entzündete, vgl. Horst 1993, S. 28–30.



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Abb. 3. Theodor de Bry ­ ergleich (zugeschrieben): V zwischen Wilhelm von Oranien und dem Herzog von Alba, 1576–1577, Kupferstich, Detail aus Abb. 1.

Anhand der beiden Versionen des Bildes wird demnach eine Verschiebung in den sich zunehmend zum festen Feindbild verdichtenden antispanischen Vorwürfen ersichtlich, die in den wenigen Jahren zwischen den Entstehungszeitpunkten der Blätter stattfand: In den späten 1570er Jahren stand in den Niederlanden verstärkt die kolportierte Hinterlist und Betrügerei insbesondere der von Philipp II. entsandten Generalstatthalter im Zentrum der medialen Aufmerksamkeit. Vor allem die kurze Amtszeit Don Juans de Austria zwischen 1576 und 1578 bildete dabei einen wichtigen Anlass für die künstlerische Auseinandersetzung mit dem Komplex um Wahrheit respektive Wahrhaftigkeit und Täuschung. Denn als skandalöser ‚Tiefpunkt‘ von Don Juans Regentschaft galt in der niederländischen Öffentlichkeit, neben der Spaanse furie, sein auf die Unterzeichnung des sogenannten Ewigen Edikts folgender Verstoß gegen die Zusicherung, die habsburgischen Truppen abzuziehen, wie es die Generalstände als Bedingung für die Anerkennung des neuen Statthalters gefordert hatten.11 Vor allem dieses Geschehen 11 Zu diesen Ereignissen vgl. u.  a. Hoop Scheffer 1978; Koenigsberger 2001, S. 260–279; Heuvel 2005. Die ‚Spanische Furie‘ fand statt, als Don Juan zwar schon von Philipp zum Generalstatthalter ernannt worden war, sich jedoch erst seit einem Tag in den Niederlanden befand. Zum Regierungsantritt Don Juans vgl. Israel 1995, S. 185; Koenigsberger 2001, S. 268–270; Mörke 2007, S. 196; ­Stensland 2012, S. 71–78; Santiago Belmonte 2020.

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machte Don Juan in den Augen der Niederländer:innen, ebenso wie den ebenfalls regelrecht verhassten Herzog von Alba, zum paradigmatischen Exemplum angeblich typisch spanischer Heimtücke. In gleichem Maße, in dem sich dieser vermeintlich natürliche Charakterzug angesichts mehrerer Fälle belegbarer, zum Teil aber auch fingierter Betrugsversuche sowie aufgedeckter Geheimabkommen wiederholt zu bestätigen schien, wurden Treue und Wahrhaftigkeit im Unterschied dazu als genuin niederländische Eigen­schaften inszeniert.12 Indem de Brys Kupferstich die Figur der Fallacia auf Seiten des spanischen Herzogs zeigt, erklärt er im Umkehrzug, gleichsam ex negativo, Wilhelm von Oranien zur Verkörperung der Veritas.13 Der als eigenständige Figur auftretende Betrug erscheint somit gleichsam als historisch konstante Eigenschaft der spanischen Seite, welche in der Amtszeit des Herzogs von Alba ebenso wirkte wie in jener seines Nachfolgers Don Juan de Austria. Die Veritas hingegen erscheint untrennbar an Wilhelm gebunden, der durch die ihm zugeschriebene, seine göttliche Auserwählung sowohl begründende als auch bezeugende Aufrichtigkeit zum entscheidenden Wahrheitsträger wird. Das Blatt belegt somit nicht nur die neugewonnene Aktualität der Kontrastierung von Wahrheit und Täuschung in den politischen Debatten der Niederlande am Ende der 1570er Jahre, sondern zugleich, dass mit dieser Thematik stets auch die Aushandlung grundlegender Koordinaten der Gegenwartsdeutung verbunden war; so vor allem in Bezug auf das Verhältnis zwischen der Handlungsfähigkeit einzelner Akteur:innen und ihrer Funktion als Träger beständig im Widerstreit befindlicher Tugenden und Laster sowie zwischen der historischen Kontingenz des zeitgenössischen Geschehens und seiner heilsgeschichtlichen Bedingtheit.14 Diese Aspekte kommen, wie im Folgenden gezeigt werden soll, in den im vorliegenden Kapitel fokussierten Werken niederländischer Bildpropaganda des Achtzigjährigen Kriegs, in denen die Veritas selbst in unterschiedlichen Handlungszusammenhängen als Figur auftritt und dadurch als eigenständige und überzeitliche, aber gleichwohl unauflösbar in die gegenwärtigen Ereignisse involvierte Größe präsentiert wird, in verdichteter Form zum Tragen. Dass die verkörperte Wahrheit im Rahmen dieser druckgraphischen Verhandlungen des Aufstands- und Kriegsgeschehens oftmals nicht explizit im Zentrum steht, sondern in umfangreiche Figurenkonstellationen und vielschichtige Bildargumentationen eingebunden ist, verdeutlicht dabei die komplexe ­Verwobenheit 12 Zum Betrugsvorwurf innerhalb der antispanischen Propaganda vgl. Pollmann 1992, S. 80; Kempers 1995, S. 88. Zur Konstruktion kollektiver Identität in Abgrenzung von den Spaniern vgl. Pollmann 1992, S. 89  f. 13 Vgl. die von Daniel Horst aufgelisteten moralischen Qualitäten, die Wilhelm und Alba in der druckgraphischen Bildpropaganda jeweils zugeschrieben wurden: Horst 1993, S. 27. 14 Zu verschiedenen Formen der Reflexion über das Verhältnis von Providenz und Kontingenz in der Vormoderne vgl. u.  a. Herberichs / Reichlin 2010; die entsprechenden Beiträge in Becker / Scheller / Schneider 2016 sowie Werner 2018.



2.1. Wahrheiten des Aufstands – Tugenden der Macht

staatstheoretischer, theologischer, ethischer und juristischer Diskurse, als deren visuelle Schnittstelle die Veritas-Figur konzipiert ist. In den hier analysierten Kunstwerken aus den 1570er Jahren (Kapitel 2.1. und 2.2.) sowie der Zeit des Zwölfjährigen Waffenstillstands (Kapitel  2.3.) fungiert sie in diesem Zusammenhang –  so die These der Ausführungen – nicht nur als Projektionsfläche politischer und konfessioneller Identität der Niederländer:innen sowie individueller und kollektiver Machtansprüche, sondern veranschaulicht zugleich ein spezifisches Geschichtsmodell, dessen Visualisierung eine dezidiert bild- respektive medienreflexive Dimension inhärent ist. Denn die Geschehnisse des Aufstandes und der Staatsgründung in den Niederlanden erscheinen in den Graphiken in einen eschatologisch perspektivierten Prozess der sukzessiven Enthüllung von Verborgenem eingebunden, in dem sich die Wahrheit in konkreten Ereignissen sowie im Agieren der daran beteiligten Akteur:innen beziehungsweise im angestrebten idealen Staatswesen der Vereinigten Provinzen manifestiert. Indem die Blätter den ‚wahren‘ Zustand der von den Spaniern getäuschten und unterdrückten Niederlande entlarvend vor Augen stellen und dadurch als ästhetischer Katalysator eines angestrebten Machttransfers fungieren (Kapitel 2.1.), sich die in performativen Akten bezeugte Aufrichtigkeit einzelner Handlungsträger des Aufstandes aneignen (Kapitel 2.2.) oder auf die Realisierung einer bildlich antizipierten, wahrhaftigen politisch-konfessionellen Ordnung hinwirken (Kapitel 2.3.), beanspruchen sie auf je eigene Weise, an dem von der Veritas-Figur verkörperten Offenbarungsvorgang zu partizipieren.

2.1. Wahrheiten des Aufstands – Tugenden der Macht Im Jahr 1577 veröffentlichte der Glasmaler und Graphiker Jacques de Gheyn eine von ihm gemeinsam mit dem Antwerpener Dichter und Verleger Willem van Haecht konzipierte Radierfolge, deren ungewöhnliche Gestaltung als gedruckte Theateraufführung die Betrachtenden in die Rolle von Zuschauer:innen der vielfigurigen allegorischen Szenen versetzt (Abb. 4–6).15 Das kompositorische ebenso wie narrative Zentrum, um 15 Zu der Serie vgl. New Hollstein (De Gheyn Family 1), S. 13, Nr. 1–3. Bis zum Ankauf des zweiten und dritten Blatts der Serie durch das Rijksprentenkabinet im Jahr 1978 war nur die erste Radierung bekannt. Vgl. die früheren Beschreibungen bei Muller 1882, S. 78, Nr. 746A; Kellen 1916, S. 97  f. Johann Philip van der Kellen fasste das Blatt fälschlicherweise mit der Radierung Das Nest-Ei (s.  u., Abb. 17) sowie den Allegorien auf die Eroberung und den Abriss der Antwerpener Zitadelle (s.  u., Abb.  13 u.  14) zu einer Serie zusammen. Alle drei Blätter der Theatrum-Folge wurden erstmals gemeinsam besprochen in: Hoop Scheffer 1978, S. 101–104. Vgl. zu der Serie außerdem Vroom 1984, S.  67, Kat.-Nr. C25–27; Kunzle 2002, S.  148; Müller 2003, S.  82–84; Horst 2003, S.  202–207. Zur Biographie sowie zur konzeptuellen und verlegerischen Tätigkeit van Haechts im Bereich der Druckgraphik vgl. Roey 1968, S. 224  f.; Bevers 1994; Bleyerveld 2002a; Bleyerveld 2011; Ramakers 2011; Jonckheere 2012a, S. 64. Zur Biographie und wenig bekannten künstlerischen Tätigkeit des hauptsächlich als Glasmaler tätigen de Gheyn vgl. Regteren Altena 1983, S. 2–10.

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Abb. 4. Jacques de Gheyn (I) und Willem van Haecht: Allegorien auf den Machtantritt Don Juans, Blatt 1: Violentiae Theatrum (‚Theater der Gewalt‘), 1577, Radierung und Text in Buchdruck, 219 × 290 mm, Amsterdam, Rijksmuseum, Inv.-Nr. RP-P-OB-79.707.

das die drei von erläuternden Epigrammen auf Niederländisch, Deutsch und Französisch begleiteten Bildfindungen zirkulieren, bildet ein jeweils mittig im Vordergrund angebrachter Thron, an dem sich ein spektakulärer Machtwechsel vollzieht. Vor den Augen der Rezipierenden ereignet sich dort der Übergang von der tyrannischen Regentschaft der Discordia (‚Zwietracht‘) (Abb. 4) über ihre Vertreibung und die Rückkehr von Frieden und Gerechtigkeit (Abb. 5) bis hin zur abschließenden Inthronisierung der Iustitia (‚Gerechtigkeit‘) (Abb. 6). Dieses Geschehen wird durch die in Kartuschen angebrachte Dedikationsinschrift an Don Juan, welche das Dargestellte mit der Erwähnung Antwerpens auf der dritten Graphik explizit in der Schelde-Metropole verortet,16 sowie durch das auf dem letzten Blatt zu lesende Epigramm, welches – wohl mit Bezug auf die Ratifizierung des Ewigen Edikts – zur Festigung geschlossener Bündnisse auffordert, auf den Machtantritt Don Juans bezogen.17 16 Vollständige Transkriptionen aller Epigramme und Inschriften finden sich in: Horst 2003, S. 342  f. 17 Vgl. Horst 2003, S. 207.



2.1. Wahrheiten des Aufstands – Tugenden der Macht

Abb. 5. Jacques de Gheyn (I) und Willem van Haecht: Allegorien auf den Machtantritt Don Juans, Blatt 2: Tyrannidi Explosae (‚Der vertriebenen Tyrannei‘), 1577, Radierung und Text in Buchdruck, 217 × 295 mm, Amsterdam, Rijksmuseum, Inv.-Nr. RP-P-1978-77.

In die szenische Abfolge ist die auf allen Blättern auftretende Figur der Veritas als Teil einer Gruppe mehrerer Tugenden eingebunden, die zunächst zum Opfer der grausamen Gewaltherrschaft der Zwietracht zu werden droht, nach deren Absetzung jedoch aktiv die (Wieder-)Herstellung der politisch-religiösen Ordnung bewirkt. Die spezifische Rolle der verkörperten Wahrheit innerhalb der komplexen Bildkonzepte generiert sich dabei im Zusammenspiel mit den anderen Figuren vor allem daraus, dass durch sie mehrere Argumentationsebenen anschaulich verknüpft werden. Denn in ihr verbindet sich der Verweis auf die – gemäß der unten noch zu skizzierenden politischen Tradition der Niederlande – Macht legitimierende Eigenschaft der Aufrichtigkeit mit einem die Radierungen insgesamt prägenden Geschichtsmodell, welches die antike Vorstellung der aufeinanderfolgenden Weltzeitalter mit der christlichen Heilsgeschichte amalgamiert. Die folgenden Ausführungen widmen sich daher zunächst der originellen Adaption des ovidischen Weltbildes insbesondere auf dem ersten Blatt der Folge sowie den politischen Implikationen der gezeigten Tugendkonstellation. Davon ausgehend soll die Veritas als ästhetische Reflexionsfigur konturiert werden, anhand derer – ebenso wie in

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Abb. 6. Jacques de Gheyn (I) und Willem van Haecht: Allegorien auf den Machtantritt Don Juans, Blatt 3: Pace et Iustitia (‚Durch Frieden und Gerechtigkeit‘), 1577, Radierung und Text in Buchdruck, 218 × 302 mm, Amsterdam, Rijksmuseum, Inv.-Nr. RP-P-1978-78.

den anschließend thematisierten Radierungen de Gheyns – die Graphiken sowohl die eschatologische Relevanz der zeitgenössischen Ereignisse als auch ihre eigene Involvierung in dieses Geschehen thematisieren. Die erste, am oberen Blattrand mit Violentiae Theatrvm (‚Theater der Gewalt‘, Abb. 4) bezeichnete Radierung inszeniert auf der monumentalen, zu beiden Seiten von einem gerafften Vorhang gerahmten Bühne ein Spektakel der Gewalt, das von der thronenden Figur der Discordia dirigiert wird. Diese präsentiert triumphierend ihren die Laus Propria (‚Eigenlob‘) symbolisierenden Reichsapfel sowie ihr in einen Schlangenkopf auslaufendes, mit Tirannis (‚Tyrannei‘) beschriftetes Szepter, während sie die Gerichtsrute der Ratio (‚Vernunft‘) und das die wohlgeordnete Staatsordnung beinhaltende, Politica betitelte Buch mit Füßen tritt. Wenngleich sich die dämonische Herrscherin, deren Schergen die in Richtung des zu beiden Seiten der Bühne stehenden Volkes fliehenden Tugendfiguren verfolgen (Abb. 7 u. 8), anscheinend noch in Sicherheit wähnt, wird sie in eben jenem Moment von der Figur des Dolus (‚List, Täuschung‘) unter ihrem Umhang enthüllt und paradoxerweise eben damit das wahre Wesen der Thronenden offenbart: Durch seine grausamen Taten und die Missachtung kollektiver Werte entlarvt sich das



2.1. Wahrheiten des Aufstands – Tugenden der Macht

Abb. 7. Jacques de Gheyn (I) und Willem van Haecht: Allegorien auf den Machtantritt Don Juans, Blatt 1: Violentiae Theatrum (‚Theater der Gewalt‘), 1577, Radierung, Detail aus Abb. 4.

Abb. 8. Jacques de Gheyn (I) und Willem van Haecht: Allegorien auf den Machtantritt Don Juans, Blatt 1: Violentiae Theatrum (‚Theater der Gewalt‘), 1577, Radierung, Detail aus Abb. 4.

Böse, so die Argumentation, vor den Augen der Betrachtenden letztlich beständig selbst. Das dadurch bevorstehende Ende der grausamen Regentschaft, welches auch die unterhalb des Bildes zu lesenden Epigramme sowie die am Thron angebrachte lateinische Inschrift ankündigen,18 wird dabei in der Bildmitte bereits sichtbar: Hier öffnet sich eine himmlische Wolkensphäre, aus der nicht nur die geflügelten Gestalten des Tempus (‚Zeit‘) und der Infamia (‚schlechter Ruf, Schande‘) herausschweben, sondern auch eine 18 Die Inschrift am Thron lautet: Corruet atra citò propria violentia mole, / Duratura dui nulla Tyrannis erit. Vgl. die niederländische Übersetzung von Daniel Horst: Horst 2003, S. 202.

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2. Wahrheit als Politikum

Abb. 9. Philips Galle nach Gillis Coignet: Die Weltzeitalter, Blatt 4: Das Eiserne Zeitalter, verlegt von Philips Galle, 1573, Kupferstich, 246 × 246 mm, Amsterdam, Rijksmuseum, Inv.-Nr. RP-P-1926-414.

durch das Tetragramm symbolisierte Erscheinung Gottes hervortritt, von welcher die ebenfalls geflügelte Figur der Iustitia (‚Gerechtigkeit‘) die mosaischen Gesetzestafeln erhält.19 Ikonographisch ist diese Darstellung als bildliche Aktualisierung jener antiken Weltzeitalter-Vorstellung konzipiert, auf deren Textgrundlage in Ovids Metamorphosen die zentral angebrachte und mit Ovi. Meta. I beschriftete Kartusche verweist.20 So rekurriert das Blatt insbesondere auf das Eiserne Zeitalter,21 wie es etwa ein von Gillis Coignet entworfener, 1573 von Philips Galle in Antwerpen angefertigter und publizierter Kupferstich visualisiert, an dem sich de Gheyn und van Haecht möglicherweise orientierten (Abb. 9).22 Diese Graphik ist einer vierteiligen Weltzeitalter-Folge entnom19 Zur Darstellung Gottes durch das Tetragramm vgl. Krücke 1959; Boon 1982, S. 8  f.; Muller 1994; Westerweel 2003. Zur Darstellungstradition der geflügelten Iustitia vgl. Schild 1988, S. 86  f. 20 Zu den Weltzeitaltern und ihrer bildlichen Darstellung vgl. Gatz 1967; Aresin 2021. 21 Vgl. Horst 2003, S. 202. 22 Zu der Serie vgl. New Hollstein (Philips Galle 3), S. 59  f., Nr. 378–381.



2.1. Wahrheiten des Aufstands – Tugenden der Macht

men, deren Blätter durch ihre Gestaltung als in Quadrate eingeschriebene Tondi auf die Kugelgestalt des Kosmos verweisen.23 Zugleich setzen die an Metallprägungen erinnernden Inschriften die materielle Beschaffenheit der Druckplatten mit den von unterschiedlichen Metallen abgeleiteten Bezeichnungen der Zeitalter in Beziehung, um so die Historizität dieses druckgraphischen Bildes der Welt zu reflektieren. Die allegorische Vordergrundszene der Darstellung des ferreum saeculum orientiert sich relativ eng am ovidischen Text, indem sie die gewaltsame Vertreibung dreier als Verkörperungen von Pudor (‚Scham‘), Veritas und Fides (‚Glaube, Treue‘) zu deutender weiblicher Figuren durch die an ihren Attributen erkennbaren Gestalten von Vis (‚Kraft, Gewalt‘) und Fraus (‚Betrug‘) sowie der aus der Erde emporkommenden Invidia (‚Neid‘) und Avaritia (‚Gier, Geiz‘) zeigt.24 Im Hintergrund werden bereits die schrecklichen Konsequenzen dieser Verbannung der Tugenden in Form von Überfällen, Mord, Hinrichtung und Krieg sichtbar, welche die Welt ins Unheil stürzen. Durch eine geschwungene Wolkenformation von diesen Gräueltaten separiert, erscheint die traditionell mit der Iustitia identifizierte,25 vor dem Blutvergießen geflohene Göttin Astraea, die Schwert und Waage emporhält, um sie der Gewalt gleichsam als Zeichen der am Ende triumphierenden göttlichen Gerechtigkeit entgegenzusetzen. De Gheyn und van Haecht griffen in ihrer Radierung die Vertreibung der Tugenden als zentrale Bildhandlung sowie die Gegenüberstellung von irdischer und himmlischer Sphäre auf, nahmen dabei aber eine Reihe entscheidender Anpassungen vor. So präsentieren sie die Gestalt der Discordia durch ihre zentrale Positionierung als Nukleus des Unheils und interpretieren den Weltzeitalter-Mythos explizit christlich, indem sie den von Ovid beschriebenen Rückzug der ‚Astraea-Iustitia‘ von der Erde mit dem Aufstieg Mose auf den Berg Sinai parallelisieren. Damit wird zum einen auf die in Analogie zum alttestamentlichen Propheten zu erwartende Rückkehr der Iustitia als Vermittlerin der göttlichen Gebote vorausgewiesen; zum anderen werden die Niederländer:innen gemäß ihrem damaligen Selbstverständnis anschaulich mit dem biblischen Volk der 23 Auch die darin gezeigten, flämische Bildtraditionen aufgreifenden Überschau- respektive Weltlandschaften kennzeichnen die Darstellungen metaphorisch als imagines mundi. Zu flämischen Landschaftsdarstellungen sowie zum Tondo als Welt-Bild am Beispiel der Darstellung des Irdischen Paradieses von Herri met de Bles (ca. 1540) vgl. Michalsky 2011, S. 218–225. 24 Vgl. Ovid: Metamorphosen, S. 46  f. (I,129–131 u. I,149  f.): „[E]s flohen die Scham, die Wahrheit, die Treue [pudor verumque fidesque], / und es kamen an ihrer Stelle Betrug und die Arglist, / Heimtücke und Gewalt und die ruchlose Gier nach Besitztum [fraudesque dolique / insidiaeque et vis et amor sceleratus habendi]. […] [U]nd die Jungfrau Asträa verließ als / letzte der himmlischen Götter die Erde, welche von Blut trieft.“ Die Figur des Dolus verschmilzt in Coignets Bildfindung ikonographisch mit der durch ihr Schlangenhaar und ihre hagere Gestalt gekennzeichneten Invidia, deren Präsenz vor allem dadurch zu erklären ist, dass sie als Ursache des Krieges galt. Als solche wird sie z.  B. auch in Maarten van Heemskercks Kreislauf des menschlichen Daseins (zu der Serie s.  u. die auf S. 110 in Anm. 241 angegebene Literatur) gezeigt. 25 Zur Verbindung von Iustitia und Astraea vgl. Schild 1995, S. 26–30.

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2. Wahrheit als Politikum

Israelit:innen identifiziert.26 In diesem Zusammenhang modifizierten die Künstler auch die werkinhärente Thematisierung des medialen Status der Graphiken, indem sie das Dargestellte durch den Rekurs auf die Metaphorik des theatrum mundi als räumlich und zeitlich strukturierte Repräsentation von (Welt-)Wissen konzipierten, welche die Bewertung der Gegenwart durch deren bildliche und performative (Re-)Inszenierung steuern sollte.27 Dieser gezielten Hinwirkung auf eine Deutung zeitgenössischer Ereignisse im Sinne der im druckgraphischen ‚Schauspiel‘ präsentierten Handlungen dient auch die Verdichtung zentraler Topoi der Aufstandspropaganda in der Darstellung, durch welche das Schicksal der Provinzen, insbesondere Antwerpens, als präzedenzloses Exemplum tyrannischer Unterdrückung begreifbar werden soll:28 Auf der rechten Seite der Graphik stellen zwei Furien mit erhobenen Waffen den fliehenden Figuren von Veritas und Prudentia (‚Klugheit‘) nach, während ihre monströse Schwester sich über die aus einer umgeworfenen Truhe gefallenen, den Wohlstand des Landes garantierenden Gesetze und Reichtümer hermacht (vgl. Abb. 8). Das Motiv der geplünderten Geldkiste, das etwa Frans Hogenberg mehrfach in seine Darstellungen durch die habsburgischen Truppen überfallener Städte integrierte (Abb. 10),29 rekurriert dabei ebenso auf die jüngste Vergangenheit der Niederlande wie ein sich auf der gegenüberliegenden Seite der Bühne ereignender Angriff (vgl. Abb.  7): Während die Figur der Invidia dort der fliehenden Fiducia (‚Vertrauen, Zuverlässigkeit‘) dicht auf den Fersen ist, rammt die in Gestalt eines Soldaten auftretende Verkörperung der Vindicta (‚Rache, Strafe‘) der gestürzten Caritas (‚Liebe‘) einen Speer in den Rücken, auf den bereits ein Herz aufgespießt ist. Dieser Übergriff wiederholt die auf zahlreichen zeitgenössischen Darstellungen als eindrückliches Sinnbild der spanischen Grausamkeit gegen die schutzlose Bevölkerung fungierende Szene der im Beisein ihrer Kinder angegriffenen oder ermordeten Frau (vgl. Abb. 10), die mit der Reminiszenz an den Bethlehemitischen Kindermord zudem erneut eine typologische Beziehung zu einem biblischen Ereignis herstellt.30 26 S.o. die auf S. 28 in Anm. 8 genannte Literatur. 27 Zur Theatrum-Metapher vgl. u.  a. Bernheimer 1956; Christian 1987; Friedrich 2004; Schock / Bauer / Koller 2008; Baum / Roßbach 2013. 28 Die Präzedenzlosigkeit der spanischen Gewalt beschreibt auch die Bildunterschrift des letzten der vier von Frans Hogenberg angefertigten Darstellungen der Spaanse furie: vill list man in der altten gschicht / Auch in der Poëten gedicht / von viler herren tÿrannj / Vnzucht, haß, neid, vnd morderej, / Daß alles ietzt zu unser zeit / zu Antorff gar seher vberschreit […]. Vgl. dazu Voges 2012, S. 61. Zur ‚Globalisierung‘ des Diskurses über spanische Gewalttaten vgl. Schmidt 1995; Müller 2003, S. 70–80. 29 Zu den von Hogenberg publizierten Darstellungen der Plünderungen niederländischer Städte durch spanische Soldaten vgl. Müller 2003, S. 46–56; Voges 2012; Voges 2019, S. 259–285. 30 Zu derartigen Darstellungen ermordeter Frauen vgl. Müller 2003, S. 51  f.; Arnade 2008, S. 222–235; Voges 2012, S. 48, 57 u. 62. Für eine ähnliche Typologisierung vgl. z.  B. die Verbindung von biblischer und zeitgenössischer Geschichte in Cornelis Cornelisz. van Haarlems Darstellung des Bethlehemitischen Kindermords, dazu Pawlak 2020a, S. 33  f.; Pawlak 2022a, S. 163–169.



2.1. Wahrheiten des Aufstands – Tugenden der Macht

Abb. 10. Frans Hogenberg: Plünderung von Mechelen 1572, 1572–1574, Radierung mit angeheftetem Text in Buchdruck, 241 × 297 mm, Amsterdam, Rijksmuseum, Inv.-Nr. RP-P-OB-79.206.

Die Kombination derartiger, die Wahrnehmung der eigenen Gegenwart nicht zuletzt mittels konstanter medialer Präsenz prägender Bildmotive, die wohl schon durch ihre kontinuierliche Wiederholung und Bestätigung einen Anspruch auf Wahrhaftigkeit erheben sollten,31 kennzeichnet die Niederlande als Schauplatz der Gewalt schlechthin und nimmt die verfolgten Tugendfiguren zugleich anschaulich in die Leidensgemeinschaft der Bevölkerung auf.32 Einen markanten Ausdruck findet dies sowohl in der Bewegung der fliehenden Verkörperungen des Guten in Richtung der zu beiden Seiten der Bühne platzierten Figuren des mit affektreichen Gesten am Geschehen teilhabenden Volkes (Populus [Residuus]33) als auch in einer signifikanten ikonographischen 31 Zum consensus als Wahrheitskriterium vgl. u.  a. Oehler 1961; Mersmann 2017b, S. 211–213. 32 Zur soziokulturellen Relevanz der Definition einer derartigen Leidensgemeinschaft für die kollektive Identitätsbildung in den Niederlanden vgl. Volmert 2013a, S. 62. 33 Die Bezeichnung Populus Residuus betont wohl die erlittenen Verluste durch Krieg, Hinrichtungen, Plünderungen und Exil. Daher besteht die Gruppe des Populus Residuus ausschließlich aus

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Angleichung: Die am vorderen linken und rechten Bühnenrand zu sehenden Gruppen aus einer von jeweils zwei Kindern begleiteten weiblichen beziehungsweise männlichen Figur erinnern auffällig an das traditionelle Auftreten der Caritas (vgl. Abb. 7 u. 8). Während diese selbst der von der tyrannischen Herrschaft ausgehenden Brutalität zum Opfer fällt, so die bildliche Argumentation, übernimmt die Bevölkerung gleichsam ihre Rolle.34 Diese sinnstiftende Identifikation mit den Tugenden besitzt dabei insofern ein subversives Potenzial, als sie dem Populus ausgerechnet die üblicherweise der idealen Regierung zugeschriebenen moralischen Qualitäten überträgt. Als virtutes cardinales zählen Iustitia und Prudentia, die in dieser Funktion beispielsweise bis heute als Skulpturen an der Fassade des Antwerpener Rathauses dargestellt sind,35 zum klassischen Kanon der Regierungstugenden, wie sie etwa auch Kaiser Karl V. seinem Sohn und Nachfolger Philipp II. empfahl;36 und auch die Caritas wurde seit dem 13. Jahrhundert im Kontext eines Diskurses um die Liebe zur patria neben ihrer religiösen Bedeutung vor allem als zentrale gemeinschaftsstiftende Tugend aufgefasst.37 Veritas und Fiducia werden in Fürstenspiegeln des späten Mittelalters und der Frühen Neuzeit zwar deutlich seltener erwähnt, spielten jedoch, wie Petra Schulte zeigen konnte, seit burgundischer Zeit in den auf französischen Vorbildern aufbauenden Herrschaftsvorstellungen der Niederlande eine wichtige Rolle, sodass ihre Betonung – ebenso wie jene der Liebe des Fürsten für sein Volk – als ein Spezifikum der dortigen politischen Kultur gelten kann.38 Über die bereits in der antiken Ethik bestehende Geltung der Veritas als Eigenschaft eines idealen Staatsmannes hinausgehend,39 firmierten Ehrlichkeit und Eidestreue in den Niederlanden deshalb als herausragende Qualitäten des guten Regenten, weil dessen Beziehung zu den Untertanen wesentlich auf einem Vertragsverhältnis beruhte. In dieses musste seit 1356 jeder neue Herzog von Brabant – das heißt auch Philipp II., der diesen Titel

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weiblichen Figuren. Der Schutz von Witwen und Kindern wird im Alten Testament den Königen aufgetragen (vgl. z.  B. Ex 22,21–22; Deut 10,18). Die Vernachlässigung dieser Pflicht war einer der gegen die spanischen Statthalter erhobenen Vorwürfe. Vgl. Becker 1971, S. 106  f.; Horst 2003, S. 78. Vgl. die u.  a. auf dieses Blatt bezogenen Überlegungen zur Caritas als „Gemeinschaftskörper“ in: Müller 2003, S. 81–85. Holm Bevers diskutiert die auch in den Schriften des Erasmus von Rotterdam sowie in den Programmen des Antwerpener Landjuweel 1561 und des Besnijdenis Ommegang von 1564 hergestellte Verbindung von Prudentia und Iustitia im Kontext der Rathausausstattung: Bevers 1985, S. 62–64. Vgl. Gelderen 2002, S. 30. Kantorowicz 1994, S. 254–258. Zur Relevanz der Tugend im politischen Diskurs der Niederlande vgl. Geurts 1942, S. 148–155 sowie in Bezug auf die Druckgraphik des Aufstandes Müller 2003, S. 81–85. Zum problematischen Begriff der ‚patria‘ vgl. u.  a. Mörke 2007, S. 162–165; Arnade 2008, S. 262  f. u. 272–303. Vgl. Schulte 2011. Vgl. Cicero: De officiis, S. 24–27 (I,23): Fundamentum autem est iustitiae fides, id est dictorum conven­ torumque constantia et veritas.



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seit 1555 trug – im konstitutionellen Akt des Blijde Inkomst einwilligen und zugleich das Widerstandsrecht der Bevölkerung im Falle seines Verstoßes gegen diesen Kontrakt anerkennen.40 Wie Petra Schulte am Beispiel der zwischen 1520 und 1526 für Karl V. angefertigten und als bildlicher Fürstenspiegel fungierenden Tapisseriefolge Los Honores ausführte, visualisierte daher insbesondere die Verbindung der Verkörperungen von Veritas und Fiducia im Kontext politischer Bildprogramme in den Niederlanden des 16. Jahrhunderts eben dieses überlieferte Herrschaftsverständnis.41 Die Tugendkonstellation, auf welche die hier fokussierten Radierungen rekurrieren, bringt demnach eine grundsätzliche Bedingtheit fürstlicher Machtansprüche zum Ausdruck, wie sie schon lange vor Beginn des Aufstandes in engem Zusammenhang mit den vehement vertretenen Ansprüchen der niederländischen Provinzen und Städte auf Privilegien und Freiheiten stand. So stellt das Agieren der Figuren von Veritas und Fiducia sowie Caritas, Prudentia und Iustitia auf der gezeigten Bühne gerade deshalb eine besondere Pointe dar, weil es den Repräsentant:innen des Populus herrschaftslegitimierende moralische Qualitäten und damit auch eine weitreichende politische Entscheidungsgewalt zuschreibt, durch welche die Bevölkerung nicht zuletzt zur Trägerin der den Geschichtsverlauf ebenso wie das gezeigte Geschichtsbild prägenden Veritas avanciert.42 Diese spezifische Kombination der Tugenden ruft, einem etablierten Argumentationsmuster der Aufstandspropaganda folgend, durch den Bezug auf burgundische Traditionen gezielt „den ‚kontrapräsentischen‘ Mythos einer besseren Zeit“ auf, „der die einheitsstiftende Idee einer gemeinsamen alten Ordnung impliziert, die von den Spaniern zerstört worden war.“43 Damit partizipiert der künstlerische Entwurf einer gleichermaßen retro- wie prospektiv imaginierten „besseren Zeit“ bewusst an den staatstheoretischen Diskursen der 1570er Jahre, die neben der Rechtfertigung des Aufstandes auch die Frage nach den Grundlagen rechtmäßiger Herrschaft sowie der besten Regierungsform verhandelten.44

40 Zur konstitutionellen Bedeutung der Blijde Inkomsten sowie zu ihrer Funktion in der Aufstandspropaganda vgl. Geurts 1958; Fontaine Verwey 1975; Gelderen 2002, S. 27–30; Geurts 2009, S. 59–67; Vrancken 2018. Zur Relevanz der Aufrichtigkeit als Eigenschaft des Herrschers in der politischen Theorie Burgunds vgl. Schulte 2011; Schulte 2018. 41 Vgl. Schulte 2011. Zu den Tapisserien vgl. auch Delmarcel 2000. Zu den schon vor dem Aufstand bestehenden Konflikten zwischen den Städten und Provinzen sowie der burgundischen bzw. habsburgischen Regierung vgl. Gelderen 2002, S. 16–30 mit weiterführender Literatur. 42 Vgl. die Betonung bürgerlicher Tugenden in den politischen Schriften jener Zeit, dazu Gelderen 2002, S. 193–199. 43 Volmert 2013a, S. 74. Miriam Volmert bezieht sich mit dieser Aussage auf zeitgenössische genealogische Schriften und serielle Grafenporträts. Zur identitätsstiftenden Funktion derartiger Konti­ nuitätskonstruktionen vgl. Giesen 1999, S. 42  f. sowie zu ihrer Übertragbarkeit auf die frühneuzeitlichen Niederlande Volmert 2013a, S. 71. 44 Vgl. Gelderen 2002.

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Abb. 11. Jacques de Gheyn (I) und Willem van Haecht: Allegorien auf den Machtantritt Don Juans, Blatt 2: Tyrannidi Explosae (‚Der vertrie­ be­nen Tyrannei‘), 1577, Radierung, Detail aus Abb. 5.

Die historische Dimension des Dargestellten zeigt auch der Umstand, dass die Figur des Tempus in der Radierfolge in herausgehobener Position auftritt und auf die (heils-)geschichtliche Notwendigkeit verweist, mit der sich die gezeigten Ereignisse vollziehen. So ist es auf dem zweiten, mit Tyrannidi Explosae (‚Der vertriebenen Tyrannei‘) überschriebenen Blatt (Abb. 5) die ihre Sense schwingende Figur der Zeit, der es gelingt, die Herrschaft der Discordia zu beenden und deren Gefolgschaft aus dem Bühnenraum zu verjagen, während die auf den 84. Psalm rekurrierende Umarmung von Pax (‚Frieden, friedliche Herrschaft‘) und Iustitia45 im Himmel den Beginn einer auch in den Epigrammen beschworenen besseren Zeit ankündigt.46 Der auf diesem Blatt gezeigte Zustand der Liminalität, in welchem die tyrannische Herrschaft beendet ist, aber noch keine neue Macht ihre Stelle eingenommen hat, zeichnet sich vor allem durch das Agieren der Tugend­figuren aus, die auf der rechten Seite der Bühne die zuvor von den Verkörperungen des Bösen geschändeten Symbole gerechter Staatsordnung restituieren und die Relevanz moralischen Handelns als Movens des Geschichtsverlaufs betonen (Abb. 11). Dabei warnt der oberhalb des Geschehens in einer Kartusche angegebene Verweis auf das erste Kapitel des Buches Jesaja vor der bevorstehenden göttlichen Strafe für Sünde und Blutvergießen, die in der 45 Die Umarmung von Pax und Iustitia wurde seit dem 9. Jahrhundert in zahlreichen allegorischen Darstellungen als Sinnbild des Friedens verwendet. Vgl. zu dieser Darstellungstradition die auf S. 8 in Anm. 50 und auf S. 60 in Anm. 99 genannte Literatur. Zur Auslegungsgeschichte des Psalmverses im Kontext politisch-religiöser Friedenskonzepte vgl. Schreiner 1996. 46 Vgl. exemplarisch das niederländische Epigramm: Daer Justitia  / in haren staet ghestelt  // Wort ­boosheyt gestraft / als roof / brant / moort en gewelt // Eendrachticheyt versterckt / en discoort verdreven // Tghemeyn profijt wort bewaert / tbedroch gemelt // De goede wert beschermt / aen welvaert en leven: // Hiertoe heeft Godt de overheyt tsweert gegeven. Transkription zitiert nach: Horst 2003, S. 343.



2.1. Wahrheiten des Aufstands – Tugenden der Macht

letzten, mit Pace et Ivstitia (‚Durch Frieden und Gerechtigkeit‘) bezeichneten Szene eintritt (Abb. 6). In dieser hat die Figur der Iustitia auf dem umkämpften Thron Platz genommen, während die verkörperte Zeit die zusammengetriebene Gefolgschaft der Zwietracht endgültig in die Finsternis der auf der linken Bühnenseite zu sehenden Höhle der Zwietracht (Antrum Discordiae) treibt, die auf ein in der zeitgenössischen Antwerpener Festkultur etabliertes Motiv rekurriert.47 Die nun um die Fama ergänzten Figuren der Tugenden, über denen in der Bildmitte das von einem Nimbus umgebene Tetragramm erscheint und die göttliche Legitimation der neuen Ordnung veranschaulicht, konstituieren gemeinsam ein Sinnbild gerechter Herrschaft, in welchem deren von der Discordia zuvor missachtete Symbole nun ihre eigentliche Funktion einnehmen können. Der Jubel der am rechten Rand der Bühne stehenden Vertreter:innen des Volkes nimmt hierbei eine entscheidende Rolle ein, denn der in der zentralen Kartusche zu lesende Textverweis auf das 13.  Kapitel des Römerbriefes, das Gehorsam gegenüber der von Gott eingesetzten Obrigkeit fordert,48 definiert zugleich die Rolle des Populus in dieser Regentschaft der Iustitia: Er suggeriert zwar die grundsätzliche Unterordnung unter die herrscherliche Gewalt, wie sie auch die Epigramme formulieren,49 doch wird dies implizit anknüpfend an das in burgundischer Tradition bestehende Widerstandsrecht an die Realisierung der hier inszenierten idealen Staatsordnung gebunden. Die politische Macht der Bevölkerung besteht, so kann gefolgert werden, in der Berechti­ gung, einer Herrschaft –  in diesem Falle derjenigen des Widmungsempfängers Don Juan – zuzustimmen, diese Zustimmung nötigenfalls aber auch zu widerrufen.50 Der Auftritt der Veritas-Figur erfüllt in diesem Zusammenhang mehrere zentrale Funktionen: Zum einen kann er als eindringliche, gleichsam ex negativo formulierte Warnung vor einem Bruch des von dem neuen Statthalter abgelegten Eides zur Ehrung der Landesprivilegien und zur Einhaltung des Ewigen Edikts verstanden werden,51 da mit dieser Unaufrichtigkeit auch die Rechtmäßigkeit seiner Amtsausübung aufgehoben würde. Zum anderen kommt der Wahrheitsfigur innerhalb des bildlich konzipierten Herrschaftsmodells insofern eine spezifische Rolle zu, als sie die heilsgeschichtliche Relevanz der Einsetzung einer neuen politischen Ordnung durch einen markanten Wechsel ihrer Attribute im Verlauf der Blätter explizit zum Ausdruck bringt: Während 47 Bei der ‚Höhle der Zwietracht‘ handelt es sich um das Motiv eines erstmals 1566 beim Antwerpener Onze-Lieve-Vrouwe Ommegang gezeigten Festwagens. Vgl. Thøfner 2007, S. 61 u. 67. 48 Röm 13,1–2: „Jede Seele soll höheren Gewalten unterworfen sein, denn es gibt keine Macht außer von Gott. Die aber, die es gibt, sind von Gott eingesetzt worden. Wer sich deshalb einer Macht widersetzt, widersetzt sich einer Anordnung Gottes. Diejenigen aber, die sich widersetzen, sorgen selbst für ihre Verdammung.“ 49 Vgl. exemplarisch das niederländische Epigramm, zitiert auf S. 42 in Anm. 46. 50 Zu Konzepten der Volkssouveränität im politischen Diskurs der Niederlande vgl. Gelderen 2002, S. 193  f.; Kossmann 1980. 51 Zur Ablegung des Eides durch Don Juan vgl. Soen / Masschelein 2016, S. 189.

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Abb. 12. Jacques de Gheyn (I) und Willem van Haecht: Allegorien auf den Machtantritt Don Juans, Blatt 3: Pace et Iustitia (‚Durch Frieden und Gerechtigkeit‘), 1577, Radierung, Detail aus Abb. 6.

sie in der ersten Szene auf ihrer Flucht vor den ihr nachstellenden Furien beim Licht der emporgehaltenen Fackel in das geöffnete Buch mit den Sieben Siegeln blickt, als wolle sie das Geschehen mit dem darin Geschriebenen abgleichen (vgl. Abb. 8), wird dieser eschatologische Bezugsrahmen der Figur auf dem zweiten Blatt explizit politisch gedeutet. Hier sammeln die Figuren der Tugenden auf der rechten Seite der Bühne die von den fliehenden Gestalten des Bösen zurückgelassenen Insignien der gerechten Herrschaftsordnung auf, um deren eigentliche, und in diesem Sinne wahrhaftige, Funktion wiederherzustellen (vgl. Abb. 11). Die verkörperte Veritas nimmt sich dabei des mit Politica bezeichneten Buches an, das zuvor unbeachtet zu Füßen der thronenden Discordia lag und in dem sie nun, am Boden kniend, zu blättern scheint. Die Beschriftung des Bandes verweist augenscheinlich nicht nur im Allgemeinen auf staatstheoretische Inhalte, sondern im Besonderen auf die unter dem Titel Politica bekannte Schrift des Aristoteles. Denn diese wurde im Kontext des Niederländischen Aufstandes sowohl im Hinblick auf ihre Definition der Tyrannis rezipiert als auch, in einer Verknüpfung antiker sowie spätmittelalterlicher Herrschaftskonzepte, zur Begründung eines Widerstandsrechts der Untertanen herangezogen.52 In van Haechts und de Gheyns Radierung ist es die parallele Handhabung beider Bücher durch die Wahrheitsfigur, die göttliche Heils- und politische Staatsordnung sinnfällig miteinander verknüpft, um diese auf dem letzten Blatt der Folge zum Idealbild gerechter Herrschaft zu kondensieren. Während die Figur der Veritas hier erneut mit einer Fackel sowie dem Buch mit Sieben Siegeln ausgestattet ist und somit ihre eschatologische Bedeutungsdimension nachdrücklich betont wird, empfängt sie zugleich mit der Rechten eine Schale der aus dem Himmel gereichten Waage der Gerechtigkeit, an deren Herrschaft sie auf diese Weise gemeinsam mit den anderen Tugenden teilhat (Abb. 12). 52 Vgl. Gelderen 2002, S. 158  f.



2.1. Wahrheiten des Aufstands – Tugenden der Macht

Der geradezu sakrale Status, der dieser neu errichteten Ordnung zukommt, wird dabei sowohl durch die Erscheinung Gottes in Gestalt des lichtumfangenen Tetragramms als auch durch die von der thronenden Iustitia präsentierten Gesetzestafeln sichtbar. Dass die Beschriftung mit Politica nunmehr auf diese übertragen ist, markiert sie als Symbol gleichermaßen staatstheoretisch fundierter wie gottgewollter Herrschaft, deren vollkommene Verbindung erst durch das Eingreifen der Veritas hervorgebracht wurde. Eine entscheidende Funktion der Veritas-Figur besteht demnach einerseits darin, die unterschiedlichen ikonographischen Bezüge und inhaltlichen Argumentationsebenen der Radierungen anschaulich miteinander zu verknüpfen. So fungiert sie als eine zentrale Schnittstelle zwischen der politischen und religiösen Dimension der Blätter sowie, als neben der Astraea respektive Iustitia einzige aus der in den Metamorphosen beschriebenen Gruppe vertriebener Tugenden übernommene Figur, auch zwischen ovidischem und christlichem Geschichtsmodell, deren Adäquatheit in diesem Punkt durch die Koinzidenz von literarischer und biblischer Autorität zusätzlich unterstrichen wird. Andererseits reflektiert die verkörperte Wahrheit, gerade aufgrund ihrer engen konzeptuellen Bindung an die Figur der Zeit, die auf dem Topos der Veritas filia temporis und der darauf aufbauenden Bildtradition (s.  u. Kapitel 4.3.) beruht, den Status der radierten Theateraufführung als ein sich performativ vollziehender, heilsgeschichtlich begründeter Vorgang der Enthüllung. Denn die gezeigte Transformation der Machtverhältnisse, deren Dynamik sich in der Bewegtheit der Szenen widerspiegelt, wird sowohl durch die sich auf der ersten Graphik direkt an der ästhetischen Grenze zwischen Bühnen- respektive Bild- und Betrachter:innenraum ereignende (Selbst-)Entlarvung des Bösen als auch durch das kunsttheoretisch aufgeladene Motiv des geöffneten Vorhangs dezidiert als ein Akt der revelatio inszeniert.53 Was die Radierungen den Betrachtenden auf diese Weise sukzessive offenbaren, sind zunächst die Täuschung durch die tyrannische Herrschaft und die Möglichkeit ihrer Beendigung sowie anschließend durch den Verweis auf das Widerstandsrecht des Volkes auch das göttlich legitimierte Potenzial, in diesen Vorgang aktiv einzugreifen und den Zustand wahrhaftiger Ordnung (wieder-)herzustellen. Dabei weisen sowohl der Umstand, dass die auf den folgenden Blättern im Zentrum der Bildhandlung stehende Figur der Zeit im lateinischen Epigramm der ersten Radierung explizit als Zuschauerin der Geschehnisse bezeichnet wird (Tempore spectante), als auch der Auftritt des Populus als Kollektiv bildinterner Zuschauer:innen, die zugleich als Identifikationsfiguren der Rezipierenden fungieren, dem Betrachtungsvorgang eine entscheidende Funktion als ästhetischer Katalysator des Tugend- und Machttransfers und damit auch der angestrebten Verwirklichung der Veritas zu. Der für die frühneuzeitliche Theatrum-Metaphorik konstitutiven „Konfiguration aus Zuschauenden und

53 Zur kunsttheoretischen Relevanz des Vorhangmotivs vgl. u.  a. Krüger 2001, S. 43  f.; Hénin 2010; Blümle 2016; Stoichita 2016.

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Angeschautem“,54 die es ermöglicht, das ‚Theater der Welt‘ „von einem Ort der menschlichen Verstellungskünste, der Verblendung und der begrenzten oder gar unmöglichen Einsicht in eine Bühne der Wahrheit“55 zu verwandeln, wird folglich nicht nur ein erkenntnisstiftendes Leistungsvermögen, sondern darauf aufbauend eine sich im und durch den Rezeptionsprozess entfaltende politische Wirkmacht zugeschrieben. Dies ist insbesondere in Verbindung mit dem angedeuteten Aufführungskontext des gezeigten Schauspiels entscheidend, welcher den auf allen drei Blättern der Serie über beziehungsweise vor dem Bühnenraum angebrachten Texttafeln zu entnehmen ist. Die zu der Radierfolge vorliegenden Forschungen gehen offenbar, teils ­implizit, davon aus, dass die Inschriften jeweils separat zu lesen seien und somit auf der ersten, die Herrschaft der Discordia zeigenden Graphik die möglicherweise sarkastisch als Anklage gemeinte und einen Entstehungszeitpunkt des Werks nach dem Bruch des Ewigen Edikts nahelegende Widmung D. Iano. // .Avstrio. angegeben sei,56 während die Worte Patriæ // Pace rest. auf der zweiten Graphik die Wiederherstellung des Vaterlandes durch den Frieden sowie die Angabe Antverpiam Ingres d.d. auf dem dritten Blatt das Eintreten der Gerechtigkeit in Antwerpen bezeichneten.57 Entgegen dieser Lesart soll hier vorgeschlagen werden, die drei Texttafeln vielmehr als zusammenhängende Widmungsinschrift zu begreifen, die Don Juan als Wiederhersteller des Friedens bezeichnet sowie explizit auf seinen feierlichen Einzug in die Scheldestadt verweist: D[omino] Iano Austrio patriae pace rest[ituta] Antverpiam ingres[so] d[ono] d[edit] (‚[Dem] Don Juan de Austria, der dem Vaterland den Frieden wiedergegeben hatte und nach Antwerpen eingezogen war, gab [Jacques de Gheyn diese Serie] zum Geschenk‘).58 Damit wird die Radierfolge anschließend an eine in den Niederlanden des 16. Jahrhunderts etablierte künstlerische Praxis als dauerhafte Wiedergabe einer ephemeren Aufführung präsentiert,59 wie sie im Rahmen der von Don Juan anlässlich der Unter54 Rößler 2013, o.S. 55 Rößler 2013, o.S. 56 Für eine sarkastisch-anklagende Widmung sprechen sich aus: Kellen 1916, S. 99; Hoop Scheffer 1978, S. 100; Müller 2003, S. 82. Daniel Horst argumentiert hingegen für eine Entstehung zwischen der Genter Pazifikation und dem Ewigen Edikt und damit für eine bildliche Aufforderung zu dessen Unterzeichnung bzw. Einhaltung. Vgl. Horst 2003, S. 207. David Kunzle zieht eine Widmung kurz nach der Unterzeichnung des Ewigen Edikts in Betracht. Vgl. Kunzle 2002, S. 148. 57 Vgl. z.  B. Hoop Scheffer 1978, S. 103  f. 58 Transkription und Übersetzung von Katharina Ost, der ich auch für ihre Anmerkungen zu der ­Inschrift danke. 59 Vgl. als besonders bekanntes Beispiel die Rezeption des Besnijdenis Ommegang von 1561 in einer Kupferstichfolge nach Entwürfen Maarten van Heemskercks, dazu u.  a. Kaulbach / Schleier 1997, S. 151–156; Koller / Rüth 2022. Vgl. auch die Übereinstimmungen mit der Darstellung des Triumphwagens des Friedens (etwa in den Darstellungen des Chronos und der Furien sowie im Motiv der Höhle), die möglicherweise nach dem Vorbild des bei der Brüsseler Intrede gezeigten Triumphwagens des Friedens entworfen wurde. Vgl. Soen / Masschelein 2016, S. 189.



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zeichnung des Ewigen Edikts in mehreren niederländischen Städten vollzogenen feier­ lichen Einzüge in ähnlicher Form hätte gezeigt werden können.60 Bemerkenswert ist jedoch, dass ein derartiger Festakt ausgerechnet in Antwerpen nicht stattfand, wo der Abschluss des Vertrags am 27. Februar 1577 in einer einfachen Proklamation öffentlich gemacht wurde.61 De Gheyn und van Haecht konzipierten ihre Radierfolge demnach – unter Zustimmung der niederländischen Regierungsinstitutionen, wie durch das auf der Radierfolge vermerkte Privileg deutlich wird62 – als ästhetische Neukonfiguration beziehungsweise Substitution dieser schlichten Verkündung. In deren Kontext treten die Rezipierenden in die Position jener Zuschauer:innen, denen die Erwartung an die (wieder-)hergestellte Friedensordnung, aber auch jene des möglichen – oder bereits geschehenen – Bruchs der Vereinbarungen durch den Statthalter vorgeführt werden. Die multisensorische Wirkung derartiger Feierlichkeiten wird dafür in das Medium der Druckgraphik transferiert, indem durch die bildliche Darstellung sowie textliche Erwähnung der von den Posaunen blasenden Figuren der Infamia und Fama erzeugten Geräuschkulisse (scelerato […] cantu respektive Sume tubam) ebenso wie des vom Volk angestimmten Lobgesangs (plebs cantat honorem) auch die klangliche Dimension der Aufführung im Rezeptionsakt evoziert wird. Es sind damit die Betrachtenden selbst, denen durch die Inszenierung das Wesen guter und schlechter Herrschaft anschaulich vermittelt wird und die zu Augen- und Ohrenzeug:innen der mit Don Juans Anerkennung verbundenen Versprechungen werden. In der Folge sollen sie dadurch die Umsetzung des während des fiktiven Einzugs entworfenen Modells einer von Gerechtigkeit gelenkten Herrschaftsordnung überprüfen sowie ihren Gehorsam gegenüber dem Statthalter 60 Zu Don Juans Einzügen vgl. Soen / Masschelein 2016. Auf das Modell der Weltzeitalter rekurrierten auch die tatsächlich abgehaltenen Feierlichkeiten. So wurde Don Juans Herrschaftsantritt bei den Einzügen in Leuven, Brüssel und Mechelen als Beginn des Goldenen Zeitalters inszeniert, vgl. Soen / Masschelein 2016, S. 188 u. 192. 61 Dieses Ereignis wurde von Frans Hogenberg dargestellt. Zu dem Blatt vgl. Voges 2019, S. 248–250. Zur Verkündung des Edikts in Städten, in denen kein feierlicher Einzug stattfand, vgl. Soen  /­ Masschelein 2016, S. 181. 62 Wenngleich Privilegien in erster Linie dem juristischen und ökonomischen Schutz der Verleger:innen dienten, war mit der Vergabe eines in vielen Fällen auf Inventionen mit politischem Gewicht vergebenen Privilegs auch die inhaltliche Zustimmung der jeweiligen Institution verbunden. Dies wird z.  B. an Korrekturen der ursprünglichen Bildfindungen deutlich, welche die Generalstände gelegentlich von Verleger:innen forderten, bevor sie ein Privileg vergaben. Vgl. Orenstein 2006, S. 318  f. Welche Institution im vorliegenden Fall das Privileg vergab, ist der Inschrift Cum privile[gio] nicht zu entnehmen. In der Regel fiel die Vergabe zur Entstehungszeit der Radierfolge in den Aufgabenbereich des seit der Inhaftierung der Ratsmitglieder im Frühjahr 1576 vollständig unter der Kontrolle der Generalstände stehenden Raad van State, gelegentlich auch des Brabanter Rates, während die Generalstände erst ab den 1590er Jahren regelmäßig Privilegien auf Druckgraphiken verliehen. Vgl. Orenstein et al. 1993, S. 173  f.; Stock 1998, S. 147–154; Orenstein 2006; Griffiths 2016, S. 99–107.

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dementsprechend aussprechen oder aber verweigern können. Indem die Radierungen die juristische Verbindlichkeit und wirklichkeitsgenerierende Wirkmacht der performativen Akte für sich beanspruchen,63 konstituieren sie idealiter die Einsetzung eines Staatsgefüges, in dem sich die Veritas gemeinsam mit den anderen Herrschaftstugenden kontinuierlich zu realisieren vermag. Nur wenige Monate nach der Unterzeichnung des Ewigen Edikts spielten sich im August 1577 in Antwerpen um die dortige Zitadelle aufsehenerregende Ereignisse ab, welche für die niederländische Opposition als weiterer Beweis für die Unzuverlässigkeit und Betrügerei der von Philipp II. entstanden Statthalter fungierten.64 Zwischen 1568 und 1571 im Auftrag des Herzogs von Alba errichtet, diente die Festung nicht nur der militärischen Kontrolle der Stadt, sondern zugleich als sichtbares Zeichen ihrer Unterwerfung, wie beispielhaft anhand des oben vorgestellten Kupferstichs von Theodor de Bry ersichtlich wird, auf dem der Bau an signifikanter Position zwischen den Figuren des Herzogs und der gefangenen Belgica im Hintergrund zu sehen ist (vgl. Abb. 3). Dass Alba vier der fünf Bastionen seinen Namen gab und im Zentrum der Anlage zudem ein monumentales Standbild von sich aufstellen ließ, das sofort als Beleg seines blasphemischen Hochmuts galt, machte die Zitadelle aus der Perspektive seiner politischen Gegner zu einem idealen Symbol spanischer Unterdrückung.65 Diese negative Konnotation der Anlage wurde noch zusätzlich forciert, als der neu ernannte Statthalter Don Juan die verbind­ lichen Vereinbarungen des am 12. Februar 1577 von ihm unterzeichneten ‚Ewigen Edikts‘ bewusst brach: Entgegen seiner Zusicherung ließ er die habsburgischen Truppen nicht vollständig abziehen und eroberte nicht nur die Zitadelle von Namur – wie er angab, aus Gründen der Selbstverteidigung –,66 sondern entwarf darüber hinaus im Geheimen Pläne, auch die Antwerpener Festung mit Hilfe darin noch stationierter wallonischer Soldaten und deutscher Söldner zurückzuerobern. Seine Korrespondenz, aus der diese Absichten hervorgingen, wurde jedoch abgefangen und den niederländischen General63 Zur soziokulturellen Relevanz niederländischer, insbesondere Antwerpener, Festkultur vgl. u.  a. Strietman / Happé 2006; Thøfner 2007; Pawlak / Rüth 2020. Die komplexen Wechselwirkungen zwischen performativen Akten im Rahmen der niederländischen Festkultur des 16. Jahrhunderts und der Druckgraphik jener Zeit untersucht derzeit Sophie Rüth (Universität Hamburg) in ihrem Dissertationsprojekt „Ästhetische Akte der Weltordnung. Niederländische Druckgraphik und die Antwerpener Festkultur in der Frühen Neuzeit“. Ihren Überlegungen zu dieser Thematik verdankt die vorliegende Arbeit zahlreiche Anregungen. 64 Zu den im Folgenden skizzierten Ereignissen des Sommers 1577 vgl. u.  a. Hoop Scheffer 1978; Koenigs­berger 2001, S. 260–279; Heuvel 2005; Mestemacher 2014. 65 Die Bastionen hießen Herzog, Ferdinand, Toledo und Alba, die fünfte wurde nach dem ­Architekten Francesco Paciotto benannt. Vgl. Arnade 2008, S. 196. Zum Standbild und dessen Rezeption vgl. ­Becker 1971; Smolderen 1972; Hänsel 1995; Horst 2003, S.  130–134; Arnade 2008, S.  198–211; ­Manegold 2013; Horst 2014, S. 133–135. 66 Vgl. Gelderen 2002, S. 47; Soen 2012, S. 114; Soen / Masschelein 2016, S. 177 u. 194.



2.1. Wahrheiten des Aufstands – Tugenden der Macht

Abb. 13. Jacques de Gheyn (I): Allegorien auf die Eroberung und den Abriss der Antwerpener Zitadelle, Blatt 1: Allegorie auf die Eroberung der Antwerpener Zitadelle, Radierung, 209 × 280 mm, Amsterdam, ­Rijksmuseum, Inv.-Nr. RP-P-OB-76.863.

ständen bekannt gemacht, die sich für ein schnelles Eingreifen einsetzten. Um Don Juan zuvorzukommen, wurde daher unter ihrer Leitung eine Gruppe von ‚Verschwörern‘ damit beauftragt, einen Überraschungsangriff gegen die Verbündeten des Statthalters zu organisieren. Wohl nicht zuletzt aufgrund einiger glücklicher Zufälle, die von den Zeitgenossen wiederholt als Zeichen göttlicher Intervention gedeutet wurden,67 gelang der kurze, aber effektive Kampf: Sowohl die von Lodewijk Blois van Treslong kommandierten Truppen innerhalb der Zitadelle als auch die deutschen Söldner wurden aus der Stadt vertrieben und die Festungsanlage im Anschluss auf Bestreben der Antwerpener Stadtbevölkerung partiell abgebrochen.68 Diesen medial breit rezipierten Ereignissen widmete Jacques de Gheyn eine zweiteilige Bildfolge aus dem Jahr 1577 (Abb. 13 u. 14), deren Umsetzung in der vergleichsweise 67 Hierzu zählt u.  a. das rechtzeitige Auftauchen der Schiffe des Prinzen von Oranien auf der Schelde. Vgl. Meteren: Historie, fol. Cxir. 68 Vgl. Heuvel 2005, S. 87.

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Abb. 14. Jacques de Gheyn (I): Allegorien auf die Eroberung und den Abriss der Antwerpener Zitadelle, Blatt 2: Allegorie auf den Abriss der Antwerpener Zitadelle, 1577, Radierung, 218 × 284 mm, ­Amsterdam, Rijksmuseum, Inv.-Nr. RP-P-OB-76.864.

rasch auszuführenden Technik der Radierung eine schnelle Reaktion auf die politischen Ereignisse ermöglichte. Das Bildkonzept vermittelt den besonderen Status der auf dem ersten Blatt gezeigten Vertreibung der wallonischen und deutschen Soldaten sowie des auf der zweiten Graphik wiedergegebenen Abbruchs der Zitadelle durch die Kombination vermeintlich dokumentarischer und dezidiert allegorischer Darstellungsmodi.69 Das in topographisch genauen und inschriftlich datierten Ansichten gezeigte Antwerpen ist auf der ersten Radierung nicht nur Standort des eindrucksvollen Monuments in der Bildmitte, sondern auch Schauplatz einer verheißungsvollen Gotteserscheinung (Abb. 13). Flankiert von den engelhaften Gestalten der Pacificatio (‚Friedensstiftung‘), die über der eroberten Zitadelle schwebt und auf das Bündnis der durch ihre Wappen 69 Zu der Folge vgl. Muller 1863, S. 98, Nr. 749; New Hollstein (De Gheyn Family 1), S. 19, Nr. 5  f. sowie Kellen 1916, S. 99–101; Horst 2003, S. 231–234; Arnade 2008, S. 269. Zu weiteren bildlichen und textlichen Auseinandersetzungen mit diesen Ereignissen s.  u. Kapitel 2.2.



2.1. Wahrheiten des Aufstands – Tugenden der Macht

repräsentierten niederländischen Provinzen verweist, und der Vindicta (‚Rache, Strafe‘), welche die Strafe für das frevelhafte Verhalten der Spanier verkörpert und mit erhobenem Schwert durchbohrte Herzen auf die fliehenden deutschen Söldnertruppen niederregnen lässt,70 scheint die Figur Gottvaters ihr gerechtes Urteil über die Kriegsparteien zu sprechen: Während die Feinde unter den Attacken der Antwerpener Bürger:innen in Panik aus der Stadt stürmen, wird die leidgeprüfte Kommune, die als weibliche Figur des trauernden Antwerpen (Antuerpia moerens) in der Mitte des zentralen Sockels zusammengesunken ist, endlich von ihrem Kummer befreit. Dabei umsorgen sie die Verkörperungen jener Tugenden der Treue (Fiducia), der Liebe (Caritas) und der Wahrheit (Veritas), deren beständiger Bewahrung und Ausübung die Stadt, wie die niederländischen und französischen Epigramme betonen, das Wohlgefallen Gottes und damit ihre Erlösung verdankt.71 Die spezifische Rolle der Veritas ist in diesem Zusammenhang durch ihre besondere Verbindung zu Gott gekennzeichnet, wie durch die gen Himmel gestreckte Rechte der Figur deutlich wird, die beinahe die Wolken zu berühren und in die Strahlen überirdischen Lichts getaucht zu sein scheint, dessen heilsame Wirkung sie mit einer sanften Berührung an die Verkörperung Antwerpens weitergibt. Das erneut als ihr Attribut fungierende Buch mit Sieben Siegeln, das halb geöffnet und mit un­ leser­lichen Zeilen beschriftet am Rand des Sockels steht, verweist hierbei auf die heilsgeschichtliche Relevanz des Geschehens als eschatologischer Revelationsprozess und zugleich auf die Unabgeschlossenheit dieses Vorgangs, dessen endzeitliche Erfüllung noch bevorsteht. Die Eigenschaften der Veritas, Caritas und Fiducia prägen, so die bildimplizite Argumentation, auch das Bündnis der niederländischen Provinzen, das durch die aneinander gebundenen und fest an eine mit Co[n]trac[tus]72 beschriftete Gerichtsrute geknüpften Wappen versinnbildlicht wird und mit dem hier zweifellos der am 8. November 1576 geschlossene Friedens- und Beistandsvertrag der Genter Pazifikation gemeint ist.73 Gegenseitige Liebe, Vertrauen und Aufrichtigkeit erscheinen so als Grundlage kollektiver Identität der in der damaligen Propaganda beständig beschworenen patria und 70 De Gheyns Radierungen weisen in den Ereignisdarstellungen große Übereinstimmungen mit Frans Hogenbergs Wiedergaben derselben Geschehnisse auf. Vgl. zu den Graphiken Voges 2019, S. 210–214. 71 Vgl. exemplarisch das niederländische Epigramm: Och Antwerpen hoe bedroeft en verslagen / Waert ghij vol benautheÿts wel om beclagen / Want u stont een[en] swaren last bouen t’hoodt / Maer in Trou, Liefde, en Waerh[eid] had Godt behagen / Die v vertroosten jn den wtersten noodt / Hem sy alleen de Eere door sijn gratie groodt. Transkriptionen aller Epigramme und Inschriften finden sich in: Horst 2003, S. 348  f. 72 Zum Begriff des ‚contractus‘ und zu politischen Vorstellungen in den Niederlanden im Kontext gesellschaftsvertraglichen Denkens vgl. Black 1993, S. 41–45. 73 Das Band ist hier durch das Wappen Philipps II. ergänzt. Zur Pazifikation von Gent vgl. u.  a. Opstand 1976.

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Abb. 15. Hans Collaert (I): Belgicæ Delaceratæ Lamentatio (‚Wehklage der verwüsteten Niederlande‘), 1576–1577, Kupferstich, 362 × 465 mm, Amsterdam, Rijksmuseum, Inv.-Nr. RP-P-OB-79.008.

als Begründung für deren göttlich vorherbestimmte Errettung.74 Die zentrale Figurengruppe verweist in diesem Kontext auf verbreitete Darstellungen spanischer Gewalt wie etwa die von Hans Collaert geschaffene Darstellung der Belgicæ Delaceratæ Lamentatio (‚Wehklage der verwüsteten Niederlande‘) (Abb. 15), welche die Mitleid erregende Misshandlung der Belgia durch mehrere Soldaten zeigt.75 Unter den interessiert bis hämisch wirkenden Blicken der Ambitio (‚Ehrsucht, Prunksucht‘) und der Avaritia (‚Gier, Geiz‘) zerren drei von ihnen am Haar und an den Gewändern der verkörperten Niederlande, 74 Zum Begriff der ‚patria‘ in der niederländischen Aufstandspropaganda s.  o. die auf S. 40 in Anm. 37 genannte Literatur. 75 Zu dem Kupferstich vgl. u.  a. Muller 1863, S. 77, Nr. 520; Harms / Rattay 1983, S. 140  f., Kat.-Nr. 67; Tanis / Horst 1993, S. 105  f., Kat.-Nr. 25; Horst 2003, S. 180; Dlugaiczyk 2005, S. 78; Arnade 2008, S.  234  f.; Peeters 2008, S.  102  f.; Helmers 2016, S.  369  f. Weitere Beispiele für vergleichbare Darstellungen der bedrohten Figur der Antverpia sind ein 1577 publizierter Holzschnitt von Antoni van Leest sowie zwei Medaillen, die sich auf die Spaanse furie von 1576 beziehen. Vgl. zur Graphik Horst 2003, S. 175–178 und zu den Medaillen Avery 1977, S. 255  f.



2.1. Wahrheiten des Aufstands – Tugenden der Macht

während ein vierter ihr das Herz aus der entblößten Brust reißt; eine erschütternde Szene höchster Grausamkeit, die eine Parallele in den Kampfszenen, Ruinen und brennenden Städten im Hintergrund sowie in dem darüber dargestellten, weniger brutalen, aber ebenso gefährlichen Kräftemessen findet. Die monströsen Verkörperungen von Misstrauen und Neid, die mit dem mythologischen Apfel der Zwietracht ausgestattete Diffidentia und die gemäß der ikonographischen Tradition ihr eigenes Herz verzehrende Invidia, stellen die Niederlande hier buchstäblich auf eine Zerreißprobe: Sie ziehen an den Enden jenes mit den Wappen der 17 Provinzen geschmückten, von der Figur der Fiducia gerade noch vor dem Zerreißen bewahrten Bandes, welches deren gemeinsames Wirken mit Caritas und Veritas auf de Gheyns Radierung sicher zu erhalten vermag. Gewissermaßen als ästhetische Revision derartiger Gewaltdarstellungen stellt de Gheyns Radierfolge so der den Spaniern zugeschriebenen Brutalität eine Szene des Mitgefühls und der vertrauensvollen Solidarität gegenüber. Die Graphik soll damit letztlich die moralische und politische Restitution des Gemeinwesens, als welche die Eroberung der Zitadelle gefeiert wurde, sowohl veranschaulichen als zugleich auch bildlich vollziehen. Dass die gefeierten Tugenden Antwerpens dabei nicht als leblose Statuen, sondern vielmehr als gelebte Praxis aufzufassen sind, verdeutlichen die Graphiken nicht nur durch die affektgeladenen Gesten und bewegten Gewänder der allegorischen Figuren, die den Eindruck statuarischer Stillstellung gezielt vermeiden. Vielmehr wird ihre Umsetzung im Handeln der pars pro toto für die Gesamtheit der Niederländer:innen stehenden Antwerpener Bevölkerung insbesondere auf dem zweiten Blatt eindringlich deutlich (Abb. 14). Hier erscheint die Figurengruppe, der auf der linken Seite nun die Umarmung von Pax (‚Frieden, friedliche Herrschaft‘) und Iustitia (‚Gerechtigkeit‘) gegenübergestellt ist, auf einem kleineren, von einem mit Wein umrankten Baldachin bekrönten Sockel am rechten Bildrand (Abb. 16). Während die Figur der Veritas die nach wie vor geschwächte Gestalt der Antuerpia stützt und die verkörperte Caritas dieser mit einem Löffel stärkende Nahrung einflößt, nimmt die Figur der Fiducia ihr den zuvor im Anschluss an die traditionelle Darstellung von Stadt- und Landespersonifikationen als Krone dienenden miniaturisierten Festungsbau ab. Bei diesem handelt es sich nicht, wie zu erwarten wäre, um das bereits seit dem Mittelalter im Stadtwappen Antwerpens dargestellte Kastell, das einer der kindlichen Begleiter der Caritas hier wie zur vergleichenden Demonstration auf einem Wappenschild präsentiert, sondern vielmehr um dessen trügerische Imitation. Im Kontext des Bildes ist diese mit Albas Zitadelle zu assoziieren, von deren geradezu erdrückender Last ihre Trägerin nun dank der sie rettenden Tugenden befreit wird,76 um fortan, wie die mit einem Olivenzweig herbeifliegende Taube symbolisiert, in Frieden zu leben. Diese ikonographische ‚Korrektur‘, welche die als Kopfbedeckung der Antuerpia Moerens fungierende Antwerpener Zitadelle rückblickend auch auf dem ersten Blatt als Ursache für ihr Leiden verständlich macht, 76 Vgl. Horst 2003, S. 234.

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Abb. 16. Jacques de Gheyn (I): Allegorien auf die Eroberung und den Abriss der Antwerpener Zitadelle, Blatt 2: Allegorie auf den Abriss der Antwerpener Zitadelle, 1577, Radierung, Detail aus Abb. 14.

lässt die Betrachtung der Graphiken zu einem rezeptionsästhetischen Erkenntnisprozess werden und macht dadurch auf die Notwendigkeit aufmerksam, die Bedeutung von Zeichen – inner- ebenso wie außerbildlich – beständig zu hinterfragen und im Sinne der adaequatio auf ihre Wahrhaftigkeit zu überprüfen: Nur so kann die bisherige Situation der Täuschung und Unterdrückung im Rahmen des von der Veritas verkörperten Enthüllungsprozesses aufgedeckt und durch diese Einsicht zugleich beendet werden. Vor diesem Hintergrund avanciert auch der im Zentrum des Bildes dargestellte Abriss der Zitadelle, mit welchem die Einwohner:innen Antwerpens bereits kurz nach deren Eroberung begannen,77 zu einem Akt symbolischer Umcodierung, indem er das gebaute Zeichen spanischer Unterdrückung und Betrügerei in eines der vertrauensvollen Kooperation der Niederländer:innen transformiert. Diesem denkwürdigen Ereignis, das sich dem kollektiven Gedächtnis durch seine künstlerische Rezeption in den Nieder-

77 Zum partiellen Abriss der Zitadelle und dessen medialer Rezeption vgl. Heuvel 2005, S. 86  f.; Arnade 2008, S. 268  f.



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landen nachhaltig einprägte,78 kam nicht allein aufgrund der herausgehobe­nen Rolle, welche der Bau für die Kontrolle der Stadt durch die spanischen Statthalter sowie das Trauma der von der Festung ausgehenden Spaanse furie gespielt hatte, eine besondere Bedeutung zu. Relevant war darüber hinaus die bereits zu diesem Zeitpunkt geplante Integration der Überreste in die Stadtbefestigung.79 Denn auf diese Weise wurde die Anlage nicht nur in einem geradezu ikonoklastischen Akt zerstört – der späteren Legendenbildung nach gleichzeitig mit Albas in diesem Zuge angeblich wiederaufgefundenem, in Wirklichkeit bereits Jahre zuvor abmontiertem Standbild –,80 sondern darüber hinaus sichtbar in den ‚Stadtkörper‘ und damit in die Machtsphäre der Kommune ­inkorporiert.81 Dass der partielle Abbruch der Zitadelle als Ausübung und Realisierung der Tugenden von Veritas, Fiducia und Caritas zu verstehen ist, macht die räumliche Struktur der Darstellung deutlich. Denn die Figuren der unzähligen am Abriss mitwirkenden Männer, Frauen und Kinder, die, wie die Epigramme betonen, alle gesellschaftlichen Schichten repräsentieren – Edel, ryck, groot, en cleyn –, kommen einerseits geographisch aus Richtung der rechts des sichtbaren Landschaftsausschnitts zu verortenden Stadt. Andererseits gehen sie auf sinnbildlicher Ebene von der Gruppe der Antuerpia und der sie begleitenden Figuren aus, die das Handeln der historischen Akteur:innen dadurch allegorisch visualisieren und konzeptualisieren. Die Zuordnung der Eigenschaften von Treue, Liebe und Wahrheit an Antwerpen als vorbildliche Stadtgemeinschaft greift hierbei aus der Konstellation der bereits in de Gheyns früherer Radierfolge auftretenden Tugenden signifikanterweise gerade jene drei heraus, die in besonderer Weise auf das an die Aufrichtigkeit des Regenten gebundene Herrschaftskonzept burgundischer Tradition rekurrieren. Dabei erscheint die sinnstiftende Zuschreibung moralischer Qualitäten an das kommunale Kollektiv hier dadurch zusätzlich pointiert, dass der Figurengruppe, wie erwähnt, auf der linken Blattseite die im 84. Psalm beschriebene und seit dem 9. Jahrhundert in zahlreichen Darstellungen als Sinnbild des Friedens verwendete Umarmung von Pax und Iustitia gegenübergestellt ist.82 Auch diese sind durch einen Baldachin ausgezeichnet, der jedoch aus Brokat gefertigt zu sein scheint und mit dem Wappen Philipps II. geschmückt ist. Wenngleich diese symbolische Gegenwart des Königs seine herrscherliche Legitimität explizit anerkennt, wird sein Kompetenzbereich so doch 78 Vgl. z.  B. die Gemälde von Marten van Cleve, welche den Abriss zeigen (dazu Ertz / Nitze-Ertz 2014, S. 52, 176–178) sowie die ausführliche Beschreibung des Ereignisses in: Meteren: Historie, fol. Cxiiii. 79 Zu diesbezüglichen Planungen und deren Umsetzung vgl. Heuvel 2005. 80 Zu dieser Legende vgl. Arnade 2008, S. 208. 81 Vgl. Arnade 2008, S. 268. Peter Arnade beschreibt den gemeinschaftlichen Abriss der Zitadelle als „jubilant cleansing ritual before the fortress’s redesign as civic property“. Zugleich wurde damit der 13. Artikel der Genter Pazifikation umgesetzt, in dem die Zerstörung aller von Alba errichteten Monumente beschlossen wurde, vgl. Opstand 1976, S. 357. 82 Vgl. die auf S. 8 in Anm. 50 sowie auf S. 60 in Anm. 99 angegebene Literatur.

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zugleich auf geradezu provokante Weise auf die Wahrung von Frieden und Gerechtigkeit als Rahmenbedingungen eines gelungenen Zusammenlebens beschränkt. Mit dieser erneuten Übertragung maßgeblicher Herrschaftstugenden auf die städtische Kommune greift die Radierung auf lokale Vorbilder politischer Argumentation zurück, wie sie bereits im Rederijker-Wettstreit des Landjuweel von 1561 öffentlichkeitswirksam vorgetragen worden war.83 Für dieses Ereignis, an dem mehrere Tausend Personen aus Brabant und den gesamten Niederlanden teilnahmen, hatte der mehrfach mit de Gheyn zusammenarbeitende Willem van Haecht, der seit 1558 das Amt des factor der das Fest organisierenden Antwerpener Rhetorikkammer De Violieren innehatte,84 einen Prolog verfasst, in welchem die Figuren Beminde Overheyt (‚Geliebte Obrigkeit‘), Wijsen Raet (‚Weiser Rat‘, d.  h. der Magistrat der Stadt) und Goetwillighe Ghemeynte (‚Wohlwollende Gemeinde‘) in dialogischer Form ihre jeweiligen Aufgaben im idealen Gemeinwesen diskutieren.85 Holm Bevers wies in seiner Untersuchung des Bildprogramms der Antwerpener Rathausfassade, das offenbar wesentlich auf dem in van Haechts Stück dargelegten Konzept einer guten Regierung basiert, darauf hin, dass die traditionell dem Herrscher zugeordneten Tugenden in dem Prolog ausschließlich dem städtischen Rat zugeschrieben werden; die Rolle des durch die Figur Beminde Overheyt repräsentierten Königs sowie seiner Zentralregierung wird hingegen nur in sehr allgemeinen Worten als jene des Erhörers seiner Untertanen sowie Schützer der Schwachen konturiert.86 Durch den ‚Tugendtransfer‘ auf die städtische Gemeinschaft wird in de Gheyns Radierfolge zur Eroberung der Zitadelle auf vergleichbare Weise ein durch das Versagen der spanischen Regierung bedingter, göttlich sanktionierter Anspruch der Kommune auf politische Autorität anschaulich, wenngleich die Legitimität königlicher Herrschaft nicht grundsätzlich angezweifelt wird.87 Das Ergebnis dieser klaren Differenzierung der Machtsphären, die in Analogie zum Abbruch der Festungsanlage als Ausdruck einer Befreiung aus vorheriger Unterdrückung gedeutet werden kann, wird dabei in der zwischen den beiden allegorischen Figurengruppen zu sehenden Vogelschau-Ansicht der Zitadelle erkennbar: Neben dem Bauwerk sind auf der linken Seite eine säugende Wölfin, eine Kuh und ein Löwe als Ausdruck paradiesischer Friedfertigkeit zu sehen,88 während arbeitende Bauern sowie mit geblähten Segeln zur See fahrende Schiffe im Hintergrund das Wohlergehen des Landes veranschaulichen. 83 Zum Landjuweel von 1561 vgl. ausführlich Vandommele 2011. Zur Rolle des Ereignisses im kollektiven Gedächtnis der Niederlande vgl. Dixhoorn 2014. 84 Zur Biographie und zum Werk van Haechts s.  o. die auf S. 31 in Anm. 15 genannte Literatur. 85 Zu dem Prolog vgl. Bevers 1985, S. 62–70 u. 82–87; Vandommele 2011, S. 34 u. 361  f. 86 Vgl. Bevers 1985, S. 85. 87 Zur Anerkennung der Legitimation des Königs zu jener Zeit vgl. Pollmann 1992, S. 90  f.; Mörke 2007, S. 215; Arnade 2008, S. 298. 88 Vgl. Jes 11,6–9. Kuh und Löwe fungieren außerdem als ‚nationale‘ Symbole der Niederlande, vgl. Deisel 1999.



2.1. Wahrheiten des Aufstands – Tugenden der Macht

Der so als (Wieder-)Herstellung des Friedens gefeierte  – zumindest partielle  – Machttransfer auf die souveräne Kommune vollzieht sich, wie bereits angedeutet, in de Gheyns Radierfolge vor allem durch die Einsetzung neuer beziehungsweise umcodierter Zeichen und Bilder. Nicht zuletzt die Radierungen selbst, die aus der künstlerischen Rezeption der ikonoklastischen Zerstörung von Symbolen spanischer Suprematie hervorgehen, stellen der Zitadelle und dem mit ihr assoziierten herzoglichen Standbild mit paragonalem Anspruch konzipierte Darstellungen gegenüber. Diese verweisen nicht nur darauf, dass sich die Antwerpener beziehungsweise die niederländische Bevölkerung durch ihr vertrauensvolles Handeln gleichsam selbst ein über den beklagten Hochmut der spanischen Statthalter triumphierendes Denkmal zur memoria ihrer eigenen Tu­ gen­den errichtet, das in der Radierung fixiert und über die Stadtgrenzen hinaus verbreitet werden konnte. Sie betonen den Status der Druckgraphik als ein in mehrfacher Hinsicht wahrhaftiges Medium, das die bisherige Täuschung und Unterdrückung entlarven sowie dieser adäquate, gleichsam aus der Aufrichtigkeit, Treue und Liebe der Niederländer:innen geschöpfte Bilder gegenüberzustellen vermag. In den beiden bislang vorgestellten Radierfolgen kommt der Wahrheitsfigur vor allem dadurch eine spezifische Bedeutung zu, dass sie als Vermittlerin zwischen Immanenz und Transzendenz in besonderer Weise die Verbindung zwischen politischem beziehungsweise politisch-militärischem Agieren und dessen religiöser Dimension visualisiert, während sie zugleich auf die erkenntnisstiftende Relevanz der medialen Rezeption der zeitgenössischen Ereignisse verweist. Aufbauend auf dieser Funktion als Verkörperung einer machtlegitimierenden Tugend und Teil einer heilsgeschichtlichen Gegenwartsdeutung stellten Jacques de Gheyn und Willem van Haecht die Figuren der Wahrheit und der Zeit in einer ebenfalls 1577 geschaffenen Graphik in den Mittelpunkt einer komplexen intermedialen Argumentation (Abb. 17):89 Die von zweizeiligen Epigrammen auf Niederländisch, Latein und Französisch begleitete Bildfindung, in welcher die Wahrheitsfigur nicht mehr gemeinsam mit anderen Tugenden in einer eigenen Sphäre agiert, sondern in direkten Kontakt mit der Bevölkerung tritt, erhebt die sukzessive Offenbarung von Verborgenem zum zentralen Thema und konstruiert daraus eine historische Gesetzmäßigkeit, welcher die Geschehnisse des Aufstandes unterworfen scheinen. In diesem Zusammenhang versinnbildlichen die im Vordergrund der Darstellung offen­bar in einer langsamen bildparallelen Bewegung vorwärtsschreitenden Figuren des Tempus und der Veritas den Komplex der Zeitlichkeit von Erkenntnisprozessen in einer ungewöhnlichen Enthüllungsszene: Mit seiner der Ikonographie des Saturn entlehnten, gleichsam in ihre ursprüngliche Funktion als bäuerliches Arbeitsgerät zurückversetzten Sense mäht die geflügelte Figur des Chronos am Ufer eines Meeres oder Flusses das 89 Zu der Graphik vgl. Atlas van Stolk 1, S. 266  f., Nr. 606; New Hollstein (De Gheyn Family 1), S. 17, Nr. 4 sowie Kellen 1916, S. 99; Bleyerveld 2002b, S. 140; Horst 2003, S. 221–224.

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Abb. 17. Jacques de Gheyn (I) und Willem van Haecht: Das Nest-Ei, verlegt von Willem van Haecht, 1577, Radierung, 195 × 342 mm, Rotterdam, Atlas Van Stolk, Inv.-Nr. 10310.

dicht gewachsene Schilf ab, um ein darin verborgenes Nest zutage zu fördern.90 Seinem gemächlichen Schritt, der eindrücklich das unabänderliche, kontinuierliche Vergehen der Zeit veranschaulicht, steht die Plötzlichkeit entgegen, mit der einige aufgeschreckte Küken emporfliegen, während der Muttervogel das ungeschützte Gelege noch immer wütend zu verteidigen versucht. Der Zorn des Tieres gilt augenscheinlich vor allem der hinter der Gestalt des Tempus folgenden Figur der Veritas, die mit einer brennenden Fackel ein aufgebrochenes Ei ausräuchert, das sie damit als trügerische Brut entlarvt. In Anlehnung an den Mythos des von einem Hahn ausgebrüteten, giftigen Atem ausströmenden Basilisken, der im Buch Jesaja einen die Erlangung des Heils verhindernden Zustand der Unaufrichtigkeit, Ungerechtigkeit und des Blutvergießens symbolisiert,91 kriechen aus der zersprungenen Schale mehrere Schlangen hervor und verbreiten einen penetranten Gestank. Dies suggerieren jedenfalls die angewiderten Gesichter einiger männlicher Figuren, die gemeinsam mit zahlreichen weiteren, mit Mistgabeln, Piken und Dreschflegeln bewaffneten Bewohner:innen der im Hintergrund des Bildes sichtbaren Stadt an der Küste zusammengekommen sind und denen die verkörperte Veritas ihre Entdeckung präsentiert. Die sensorische Wirkung dieser unangenehmen Enthüllung wird noch verstärkt durch die aus einem Wolkengebilde im Himmel erscheinende Gestalt der Fama, die mit ihrer Posaune, auf deren Banner vier Brillen sowie 90 Zur ikonographischen Verbindung von Chronos und Saturn vgl. u.  a. Klibansky / Panofsky / Saxl 1990, S. 203–315; Macey 2010, S. 42  f.; Cohen 2014, S. 32–35. 91 Vgl. Jes 59,4–8.



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eine Laute die Sicht- und Hörbarkeit ihrer Botschaft veranschaulichen,92 die Enttarnung eines weiteren Hinterhalts verkündet: An eisernen Ketten zieht sie mehrere hölzerne Baken aus dem Wasser, deren wahre Funktion als Versteck und Maskerade für bewaffnete Esel, Schweine und Wölfe dadurch unmissverständlich erkennbar wird. Die für das inschriftlich auf das Jahr 1577 datierte Blatt zentrale Betrugs­thematik legt eine Verbindung zur Aufdeckung von Don Juans geheimen Plänen nahe, wie Johan Philip van der Kellen in einem 1916 erschienenen Aufsatz unter Berufung auf den von ihm zurate gezogenen Historiker Michael Georg de Boer vorschlug.93 Neben der in der antispanischen Propaganda verbreiteten Diskreditierung der Gegner durch ihre Gleichsetzung mit diversen negativ konnotierten Tieren lassen sich auch einige Bilddetails assoziativ auf diese Geschehnisse beziehen:94 so etwa die vielleicht an die zeitgenössische Bezeichnung der Antwerpener Zitadelle als „Räubernest“ anknüpfende Nestmotivik,95 die möglicherweise auf die Flotte Wilhelms von Oranien rekurrierenden feuernden Schiffe oder die im niederländischen Epigramm genannte geographische Angabe West= Contreÿe, die sowohl auf die Scheldestadt96 als auch auf die Gascogne als Auffindungsort der verräterischen Korrespondenz des Statthalters verweisen könnte. Dennoch fällt gerade im Vergleich zu de Gheyns zuvor vorgestellter Radierfolge vor allem der Verzicht auf eine der bildlichen Darstellung oder den zweizeiligen Epigrammen zu entnehmende, topographisch respektive chronologisch exakte Einordnung der ungewöhnlichen Szene auf. Diese in den bisherigen Beschreibungen des Werks meist mit einer gewissen Irritation konstatierte97 Eigenart des Blattes ist jedoch, wie im Folgenden argumentiert 92 Die oft symbolisch für den Betrug stehende Brille (vgl. Mann 1992; Pfisterer 2004, S. 159  f.; Meijer Drees 2006) verweist in diesem Zusammenhang auf den Inhalt der Verkündung. Ohne dass diese Begründung explizit benannt wird, scheinen die Brillen im Eintrag des Atlas van Stolk zugleich als möglicher Bezug zur Eroberung Den Briels durch die Watergeuzen 1572 verstanden zu werden, vgl. Atlas van Stolk 1, S. 267. 93 Vgl. Kellen 1916, S. 99. Dieser Deutung folgen: New Hollstein (De Gheyn Family 1), S. 17, Nr. 4 sowie Regteren Altena 1983, S. 10, Nr. 7; Bleyerveld 2002b, S. 140. Zuletzt griff Daniel Horst diese Überlegung als „[w]aarschijnlijk […] correct“ auf: Horst 2003, S. 223  f. 94 Zu Tierdarstellungen im Kontext der Aufstandspropaganda vgl. Maczkiewitz 2005, S. 261; Bruaene 2015; Janson 2016. 95 Vgl. z.  B. die Bezeichnung der Zitadelle als roofnest in Wilhelm van Haechts Klagerede der verkörperten Antwerpener Zitadelle (Bekentenisse, o.S.); zu dem Text vgl. Arnade 2008, S. 268. Auch das französische Epigramm auf dem letzten Blatt der von Peeter Baltens publizierten Stichfolge zur Eroberung der Zitadelle (s.  u. Kapitel 2.2.) bezeichnet diese mit Bezug auf den Herzog von Alba als le nid du Duc insatiable. 96 So Horst 2003, S. 223. 97 Symptomatisch ist etwa der Eintrag in: Atlas van Stolk 1, S. 266  f.: „Door Muller wordt de plaat […] vraagswijs op de pacificatie van Gent toegepast. In den catalogus Munnicks van Cleef […] wordt het een zinneprent op den toestand van Nederland te dier tijde genoemd. Ik geloof dat noch het een, noch het ander juist is. Daar ik echter de beteekenis ook niet durf vaststellen, volge hier een uitvoeriger beschrijving der plaat […]. Zou ’t ook een prent op den Briel 1572 kunnen zijn?“

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werden soll, als wesentlicher Bestandteil des intermedialen Konzepts zu begreifen, das auf die Visualisierung der gleichsam universal anwendbaren Botschaft der zwangsläufigen Enthüllung aller Geheimnisse abzielt. Nicht nur die thematischen Analogien zur zeitgenössischen niederländischen Bildpropaganda, wie etwa den anderen Radierungen Jacques de Gheyns, sondern vor allem auch die prominente Platzierung der Figuren von Zeit und Wahrheit, welche die Graphik als kreative Modifikation des Themas der Veritas filia temporis zu erkennen gibt, deuten eine antispanische Konnotation der Darstellung an. Denn diese Ikonographie besaß in Antwerpen eine besondere politische Signifikanz, seit sie 1556 während des einzigen feierlichen Einzugs, den Philipp  II. als amtierender König in der Metropole vollzog,98 an prominenter Stelle auf dem Grote Markt zu sehen gewesen war. Dort hatte die Rhetorikkammer De Olijftack eine in zwei bildlichen Darstellungen sowie einem schriftlichen Festbericht überlieferte ephemere Architektur errichten lassen, welche die (Wieder-)Herstellung der Wahrheit visuell und performativ zum wichtigen Wert der fürstlichen Regentschaft sowie die Hafenmetropole zum Ort der erhofften Rückkehr der Veritas erklärte (Abb. 18).99 Unter anderem war darauf an zentraler Stelle ein durch Texttafeln als Visualisierung des Psalmverses  84,12100 ausgewiesenes, heute offenbar verlorenes Bild angebracht, das in der rechten Hälfte die nur bis zur Hüfte bekleidete und von der geflügelten Gestalt des Chronos emporgetragene Verkörperung der Veritas zeigte, während links die Figur der Iustitia mit erhobenem Schwert und einem Kranz in den Händen in steilem Winkel vom Himmel herabschwebte.101 Diese thematische 98 Vgl. Bevers 1985, S. 88. 99 Zur Rhetorikkammer De Olijftack vgl. Waite 2000, S. 54  f. Zu Philipps Einzug und zu dem Bühnengerüst vgl. Roobaert 1962; Bevers 1985, S. 88; Hummelen 1998, S. 102; Waite 2000, S. 198–200. In dem auf dem Schaugerüst aufgeführten tableau vivant traten die Figuren verschiedener Tugenden wie Iustitia, Pax, Veritas und Benignitas auf, die malcanderen te gemoete quamen ende reverentie deden, wie Jacques le Boucq, der Wappenherold des Ordens, in seinem Bericht des Einzugs beschreibt (zitiert nach Roobaert 1962, S. 262). Das als Ankündigung einer Zeit der Erlösung und des Heils ausgelegte und künstlerisch sowie literarisch vielfach dargestellte Zusammentreffen der Tugenden nach Ps 84,11 wurde seit dem 15. Jahrhundert auch auf den politischen Kontext guter Herrschaft bezogen. Vgl. Augustyn 2003, S. 264–276; Kaulbach 1991, S. 203–205. Als Verkörperungen der Herrschertugenden traten die Figuren z.  B. auch beim Einzug Karls V. in Valenciennes im Jahr 1540 auf. Vgl. Jacquot 1960, S. 440. 100 Veritas de terra orta est / et iustitia de caelo prospexit („Wahrheit ist aus der Erde gewachsen, und Gerechtigkeit hat vom Himmel herabgeblickt“). 101 Im Herzog Anton Ulrich-Museum in Braunschweig wird eine Federzeichnung der Veritas filia temporis von Chrispijn van den Broeck aufbewahrt, die trotz der seitenverkehrten Darstellung kompositorisch große Ähnlichkeit mit dem verlorenen Bild aufweist. Vgl. zu der Zeichnung Heusinger 1992, Taf. 248 sowie Heusinger 1997, S. 346. Da der Künstler mehrfach Aufträge für Rhetorikkammern ausführte (vgl. Wescher 1974, S. 175 u. 177) ist nicht auszuschließen, dass er bereits an der Ausstattung des Gerüsts im Jahr 1556 beteiligt war.



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Abb. 18. Jacques Leboucq: Schaugerüst der Rhetorikkammer De Olijftack zum Einzug Philipps II. in ­Antwerpen 1556, Federzeichnung und Wasserfarbe, in: Jacques Leboucq: Le Triumphe d’Anvers faict pour la noble feste de la Thoison d’Or tenu par le très-hault et très-puissant Prince Phïle, roy d’Espagne, de France et d’Angleterre, 1556 (?), ­Valenciennes, Bibliothèque municipale, Sign. Ms. 0805, fol. 22r.

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­ uspitzung des Schaugerüsts auf das Konzept der Wahrheit ließ sich im Sinne einer Z konfessionellen Aussage als Forderung nach einer Restitution des von der Ausbreitung der Reformation bedrohten, ‚wahren‘ Glaubens verstehen. Gleichermaßen ausschlaggebend war im Kontext der oben beschriebenen politischen Tradition der Niederlande jedoch sehr wahrscheinlich die mit der Tugend der Veritas verbundene Aufforderung zu Aufrichtigkeit und Vertragstreue. Denn diese wurde hier bezeichnenderweise an jenem Ort demonstrativ aufgerufen, an dem Philipp während seines im Jahr 1549 gemeinsam mit seinem Vater vollzogenen Blijde Inkomst den obligatorischen Eid zur Wahrung der Freiheiten und Privilegien Antwerpens und Brabants abgelegt hatte.102 Die damit inszenierte Verbindung des spanischen Königs zur Figur der Veritas und speziell zur Veritas filia temporis103 dürfte insbesondere Willem van Haecht als factor der Rhetorikkammer De Violieren, die an der Festausstattung ebenfalls beteiligt war, bekannt gewesen sein.104 Die von ihm gemeinsam mit Jacques de Gheyn entworfene Radierung lässt sich daher als bewusste druckgraphische Variation des machtpolitisch aufgeladenen Themas verstehen, die nicht nur andeutet, dass das erhoffte ‚Zeitalter der Wahrheit‘ unter Philipps Regentschaft offenkundig nicht eintrat, sondern zugleich die Rolle der Veritas-Figur in signifikanter Weise neukonfiguriert: Erschien sie in der beim Antwerpener Einzug präsentierten Bildfindung gemäß der etablierten Darstellungsweise als Gegenstand einer als Befreiung aufgefassten Offenbarung, zu deren Hilfe sie des Chronos beziehungsweise des die Rettung durch seine Herrschaft aktiv bewirkenden Souveräns bedurfte, eignet ihr in der Graphik selbst eine offenbarende Kraft, mit der sie sich unmittelbar an die Anwesenden richtet. Das präzedenzlose Auftreten der Wahrheitsfigur als resolute Anführerin der Bevölkerung scheint dabei bewusst auf jene im kollektiven Gedächtnis der Niederländer:innen noch immer präsenten Ereignisse des Aufstandes zu rekurrieren, in denen Frauen im Kampf gegen die Spanier wiederholt als Führungsfiguren auftraten. Insbesondere das populäre Beispiel von Kenau Simonsdr. Hasselaer, die sich in den Jahren 1572 und 1573 während der Belagerung Haarlems als Kommandantin einer Frauenkompanie hervortat,105 belegt, wie sehr gerade der – in der hier betrachteten Radierung 102 Zum Inhalt des Eides und seiner performativen Inszenierung vgl. Bussels 2012, S. 79–123. 103 Die Verbindung zu Philipp  II. wurde womöglich über dessen Ehefrau Maria Tudor hergestellt, deren Devise Veritas temporis filia lautete. Über Kunstwerke war diese Assoziation in den Niederlanden weiterhin präsent. 1557 hatte Philipp etwa gemeinsam mit Maria ein von Dirck Crabeth entworfenes Glasfenster für die Sint Janskerk in Gouda gestiftet, auf welchem unter einer durch die beiden Stifterbilder ergänzten Darstellung des Letzten Abendmahls neben Philipps Motto Dominus mihi adiutor auch die Devise seiner Frau zu lesen ist. Vgl. zu dieser Stiftung Groot 2005. 104 Zur Tätigkeit van Haechts bei De Violieren vgl. die auf S. 31 in Anm. 15 angegebene Literatur. 105 Zu Kenau und weiteren Frauenfiguren des Aufstandes sowie ihrer Inszenierung in Texten und Bildern vgl. Riphagen 1977; Kloek 2001; Moffitt Peacock 2011; Volmert 2013a, S. 116–118; Kloek 2014; Moffitt Peacock 2019; Moffitt Peacock 2020; Pawlak 2020a.



2.1. Wahrheiten des Aufstands – Tugenden der Macht

Abb. 19. Matthias Quad von Kinkelbach: Capitain Ken[n]ou, verlegt von Monogrammist HVE, 1573, Kupferstich, 282 × 197 mm, Amsterdam, Rijksmuseum, Inv.-Nr. RP-P-1906-2351.

gewissermaßen allegorisch sublimierte – Bruch mit den üblichen Geschlechterrollen für die mediale Inszenierung niederländischer virtus und ziviler Wehrhaftigkeit genutzt wurde.106 Auf Kenau spielen van Haecht und de Gheyn in ihrer Graphik womöglich zusätzlich durch die ganz links stehende Frauenfigur an, die in Übereinstimmung mit der professionellen Expertise der Schiffsbauerin bislang als Einzige die aus dem Wasser auftauchenden monströsen Baken entdeckt hat. Mit ihrer Haube und Schürze sowie ihren auf ein fortgeschrittenes Alter hinweisenden Gesichtszügen erinnert sie auffällig an das durch Druckgraphiken verbreitete Bildnis der Haarlemerin, wie es beispielsweise in einem 1573 publizierten Kupferstich Matthias Quads von Kinkelbach zu sehen ist (Abb. 19).107 Die Bezugnahme auf diese Episode der jüngeren Aufstandsvergangenheit 106 Vgl. Pawlak 2020a. Bereits in einem wesentlich zur Popularisierung Kenaus beitragenden zeit­ genössischen Bericht der Eroberung Haarlems wird sie als ma[n]lijcke Vrou und Manninne be­ zeichnet. Vgl. Arcerius: Historie, o.S. 107 Zu dem Blatt vgl. u.  a. Horst 2003, S. 148–150; Pawlak 2020a, S. 40  f.

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würde sich auch inhaltlich konsequent in das Bildkonzept einfügen. Denn das Schicksal der holländischen Stadt, die entgegen vorheriger Zusicherungen Opfer des von den habsburgischen Belagerungstruppen verübten ‚Massakers von Haarlem‘ wurde, galt in den Niederlanden schnell als schockierende Warnung davor, was geschehen konnte, wenn man den Versprechen der Spanier vertraute.108 Die visuelle Verbindung des Themas der Veritas filia temporis mit mehreren, durch das Motiv angeblich typisch spanischer Betrügereien verknüpften Ereignissen zielt offenbar auf die Etablierung eines eingängigen Narrativs des Aufstands als Abwehr einer Folge böswilliger Betrügereien, das dazu anregt, die kolportierten Falschheiten der Spanier als historische Konstante zu begreifen. Ganz in diesem Sinne fordern auch das lateinische und das französische Epigramm dazu auf, den „verborgenen Betrug“ und die „unzähligen Hinterhalte“ zu erkennen.109 Anschließend an ein bereits von Augustinus vertretenes geschichtstheologisches Modell, nach dem „sich die Offenbarung Gottes in der Geschichte durch das Zeugnis geschichtlicher Ereignisse“110 vollziehe, avanciert in dieser Argumentation jeder in der Vergangenheit sowie künftig aufgedeckte Täuschungsversuch zu einem „Zeichen der göttlichen Wahrheit“111 und damit einer heilsgeschichtlichen Ordnung, welcher auch die Ereignisse in den Niederlanden unterworfen sind. Seinen symbolischen Ausdruck findet dieser Zusammenhang in dem Buch mit Sieben Siegeln, welches die Veritas-Figur mehr den Rezipient:innen als den dargestellten Männern und Frauen präsentiert. Die auf den aufgeschlagenen Seiten zu lesende Aufschrift Veritas illuminat omnia (‚Die Wahrheit erleuchtet alles‘), als deren Beleg die zugleich mit der leuchtenden Fackel vollzogene Ausräucherung der monströsen Nestbrut fungiert, offenbart vor diesem Hintergrund letztlich nichts anderes als die in den Aufstandsereignissen immer wieder aufs Neue bestätigte enthüllende Kraft der Wahrheit, welche die Spanier und ihre Verbündeten kontinuierlich als ihre Feinde enttarnt. Diese universale Gesetzmäßigkeit ist dabei gleichsam in die Struktur des Kunstwerks eingeschrieben, das als intermediale Kombination verschiedener auf die Enthüllung der Wahrheit bezogener Redewendungen und ihrer bildlichen Umsetzung konzipiert ist. Neben der auf der Sense des Chronos explizit zitierten, auf Tertullian zurückgehenden Sentenz Tempus o[mn]ia reuelat (‚Die Zeit enthüllt alles‘), die Erasmus von Rotterdam als Lemma in seine ab 1500 in mehreren Auflagen publizierten Adagia aufnahm und in deren Kontext er unter anderem das in der Radierung adaptierte Diktum Veritas filia 108 Das Massaker besaß eine so nachhaltige Wirkung, dass in der Folge keine niederländische Stadt mehr zur Kapitulation bereit war. Vgl. Voges 2012, S. 56. 109 Ecce celer venit latitantis nuntia fraudis  / Fama, refert vero tempore cuncta dies sowie Fame, a nostre­ prosperité, descouure embusches á foison / Par ou le Temps et Verité, monstrent á tous l’orde poison. 110 Schlie / Drews 2011, S. 9. 111 Schlie / Drews 2011, S. 9. Vgl. dazu Wachtel 1960, S. 36–47.



2.1. Wahrheiten des Aufstands – Tugenden der Macht

temporis erläutert,112 betrifft dies insbesondere das Verhältnis zwischen der allegorischen Bildfindung und dem niederländischen Epigramm: Fama bracht de baken wt inde West=Contreÿe / Dies de Waerheÿt metter Tÿt vont het nest=eÿe (‚Fama brachte im westlichen Land die Baken zum Vorschein, dadurch fand die Wahrheit mit der Zeit das Nestei‘). Die auf der Graphik links zu sehende Szene der aus dem Meer auftauchenden Untiere überträgt offenkundig die im Vers verwendete idiomatische Wendung ‚De bakens komen uit‘, welche die Enthüllung von etwas Verborgenem bezeichnet,113 in eine bildliche Form. Dabei wird die Homonymie des sowohl ‚Bake‘ als auch ‚Schwein‘ bedeutenden niederländischen Wortes ‚bake‘ genutzt,114 um das animalisch-monströse Wesen der entlarvten Feinde darzustellen. Der im Text ebenfalls genannte und im übertragenen Sinne auf eine Hinterlist rekurrierende Begriff ‚nest=eÿe‘, der ein natürliches oder künstliches Ei bezeichnet, das einer Henne ins Nest gelegt wird, um sie zum Brüten zu animieren,115 verweist hier zudem auf die von der Veritas ausgeräucherte betrügerische Obelisken-Brut.116 Die bildliche Umsetzung, Kompilation und narrative Ergänzung redensartlicher Formulierungen fungierte in der niederländischen Kunst und insbesondere im Umfeld der Rederijkers spätestens seit Pieter Bruegels d.Ä. bekannten Sprichwörter-Darstellungen als paradigmatisches Aushandlungsfeld visueller Formen der Wissensstrukturierung und -erzeugung.117 Auch de Gheyns und van Haechts Radierung generiert aus einem vergleichbaren ästhetischen Verfahren ihren spezifischen erkenntnisstiftenden Anspruch. Denn das (selbst-)enthüllende Wirken der Wahrheit wird durch die Kombination der in den Redewendungen kondensierten antik-humanistischen und volkssprach-

112 Erasmus: Adagia, S. 464. Zu diesem adagium vgl. Bietenholz 1966, S. 20  f. 113 Vgl. Jaarsveldt 1838, S. 274 sowie den Eintrag zum Lemma ‚BakenI‘ in der Geïntegreerde Taal-Bank des Instituut voor de Nederlandse taal, URL: https://gtb.ivdnt.org/search/ (letzter Zugriff: 26. Februar 2023). Die Verbindung zu dieser Redewendung stellt bereits Daniel Horst her, ohne ihr jedoch weiter nachzugehen: Horst 2003, S. 241, Anm. 4. 114 Vgl. Kilian: Etymologicum, S. 579 sowie den Eintrag zum Lemma ‚Bake‘ in der Geïntegreerde TaalBank des Instituut voor de Nederlandse taal, URL: https://gtb.ivdnt.org/search/ (letzter Zugriff: 26. Februar 2023). 115 Vgl. etwa das Lemma De Hinne leyt geerne daerse een nest-ey siet in Jacob Cats’ Spiegel van den ouden ende nieuwen tijdt: Cats: Spiegel, S. 9. 116 Pieter van der Heyden publizierte um 1585 einen Kupferstich, welcher die Umdeutung von Tizians Diana und Callisto (1556–1559) in innovativer Weise mit einer vergleichbaren Szene verbindet. Darin enthüllen die Figuren von Wahrheit und Zeit in Gegenwart der englischen Königin Elisabeth I. eine gleichermaßen monströse Brut unter dem Gewand des Papstes. Vgl. zu dem Blatt Saxl 1936, S. 209  f.; Horst 2003, S. 224; Pierce 2009, S. 62–64. 117 Insbesondere zu Bruegels Gemälde der Niederländischen Sprichwörter aus dem Jahr 1559 vgl. Meadow 1992; Müller 1999, S. 155–171.

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lichen Wissensbestände nicht nur belegt,118 sondern durch deren, gerade im Fall des Homonyms, stets auch auf die Lautlichkeit der Ausdrücke verweisende Visualisierung zugleich multisensorisch wahrnehmbar gemacht. Auf der Grundlage seiner intermedialen Beschaffenheit soll das Blatt demnach einen Rezeptionsvorgang initiieren, in welchem der sich in den Aufstandsereignissen manifestierende, fortlaufende Prozess der Aufdeckung aller Lügen und Betrügereien mit jener sinnlichen Evidenz des Sichtund Hörbaren erfahrbar wird, deren Erzeugung im Bild insbesondere dem Agieren von Veritas und Fama zugeschrieben wird. Indem es die Graphik dadurch den Rezipierenden ermöglicht, ausgehend von der intensiven Betrachtung der mit Anspielungen und Assoziationen arbeiteten Radierung in vergangenen und potenziell auch in künftigen Ereignissen geschichtliche Zeichen der göttlichen Wahrheit zu erkennen, fungiert sie gleichsam als mediales Komplement dieser enthüllenden Kräfte, das deren Wirken verbreitet und fortführt. Die damit intendierte Einschreibung des Kunstwerks in ein eschatologisch perspektiviertes Erkenntnisdispositiv wird in einer zweiten erhaltenen Version des Blattes noch deutlicher (Abb. 20). In dieser wird die Bildfindung durch den am oberen Blattrand zu lesenden, den Begriff des niederländischen Epigramms aufgreifenden Titel Het Nest-Ey sowie auf Niederländisch und Französisch verfasste Verse ergänzt, die einzelne Aspekte der Bildfindung hervorheben und erläutern. Aufgrund der nur zwei bekannten Exemplare der Radierung ist unklar, ob Willem van Haecht diese Fassung der Graphik, wie Daniel Horst vermutet,119 in Form einer Neuauflage separat publizierte und so die Übertragbarkeit der Darstellung auf verschiedene Ereignisse des Aufstandes gezielt ausnutzte, oder ob es sich – wie das für eine ohne ergänzenden Text publizierte Graphik ungewöhnlich breite Querformat nahelegt – vielmehr um den vollständigen Zustand des Blattes mit bereits ursprünglich zur Radierung gehörenden Epigrammen handelt, welche der gleichsam universal argumentierenden Bildfindung historisch zu verortende Ausführungen zur Seite stellt.120 Durch die Überschrift Den Auteur, welche die erste Spalte des Textes kennzeichnet, sowie die Angabe Per Haecht 29. October 1577 wird das Geschriebene als persönliche Aussage des Verlegers präsentiert und – anders als das gezeigte Ereignis – exakt zeitlich verortet. Dies ist insofern inhaltlich relevant, als die zweisprachige Dichtung einen Traum van Haechts wiederzugeben behauptet, als dessen Visualisierung die allegori118 Zum Konzept frühneuzeitlicher Sprichwortsammlungen, nach dem gerade die unterschiedliche Herkunft der Wendungen der gegenseitigen Affirmation des Ausgesagten dient, vgl. Sullivan 1991, S. 434–441. 119 Vgl. Horst 2003, S. 221. 120 Die Publikationsgeschichte kann anhand der nur zwei bekannten Exemplare – Atlas van Stolk, Rotterdam (ohne Text) sowie Albertina, Wien (mit Text) – nicht sicher rekonstruiert werden. Zu den Fassungen vgl. New Hollstein (De Gheyn Family 1), S. 17, Nr. 4.



2.1. Wahrheiten des Aufstands – Tugenden der Macht

Abb. 20. Jacques de Gheyn (I) und Willem van Haecht: Het Nest-Ey (‚Das Nest-Ei‘), verlegt von Willem van Haecht, 1577, Radierung und Text in Buchdruck, 195 × 342 mm (Bild), Wien, Albertina, Sign. HB80Suppl., fol. 80,144.

sche Bildfindung zugleich ausgewiesen wird.121 Gleichsam als zweiter Daniel habe er des Nachts die von der Fama aus dem Wasser gezogenen falschen Baken als Ankündigung der letzten Monarchie gesehen, die nun, in desen Dangireusen Tijt (‚in dieser gefährlichen Zeit‘), gegenwärtig sei und mit der vermutlich die de facto bereits seit der Abdankung Karls V. 1555 zerfallene habsburgische monarchia universalis gemeint ist, deren Ende dem Verleger im Traum offenbart wird. 121 Zu als Wiedergabe von Träumen inszenierten politischen Flugschriften im Rahmen der konfessionellen Auseinandersetungen in Frankreich vgl. Barnes 1988, S. 5  f.

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Die Ursache dieser endzeitlichen Vision erkennt der Autor in seiner vorherigen Lektüre eines als Justificatye beziehungsweise Iustification bezeichneten Textes, in welchem die bekannten schrecklichen Taten (die saken ruyt / la malice conue) beschrieben seien. Angesichts des genannten Titels und der Datierung des Blattes kann damit wohl nur die Rechtfertigungsschrift gemeint sein, welche die Generalstände unter der Überschrift Justificatie vanden aentast ende bewaringe van eenighe heeren vanden Raedt van State ende andere int Nederlant im Jahr 1576 veröffentlicht hatten.122 Diese Publikation war anlässlich der von den Staten van Brabant und möglicherweise auch Wilhelms von Oranien im selben Jahr organisierten Festnahme der Mitglieder des Staatsrates erschienen, der bis zur Ankunft Don Juans von Philipp mit den Regierungsgeschäften beauftragt worden war.123 Darin beteuern die Staten-Generaal die patriotischen Beweggründe, welche zu diesem Übergriff gegen die angeblich mit den meuternden spanischen Soldaten paktierenden und so das ‚Vaterland‘ verratenden Ratsmitglieder geführt hatten. Der Hinweis auf diese Schrift ist dabei deshalb ausschlaggebend, weil der durch die genaue Datierung von van Haechts Traum auf den 29. Oktober 1577 verdeutlichte Anlass für die Herausgabe des Blattes die erneute, diesmal auf Betreiben der Staaten von Flandern vollzogene Festnahme von Mitgliedern des Raad van State in Gent in der Nacht vom 28. auf den 29. Oktober war, der zur Einrichtung der bis 1584 bestehenden calvinistischen Genter Republik führte.124 In einer von Wilhelm von Oranien unterstützten medialen Offensive wurde dieser Staatsstreich wiederum mit der Entdeckung eines gegen das Land gerichteten Hinterhalts begründet, zu dessen Beweis ein – seinerseits offenkundig gefälschter – Brief vorgelegt wurde, der die Pläne des bei dieser Gelegenheit unter Arrest gesetzten Herzogs von Aerschot, des Statthalters von Flandern, belegen sollte, Don Juan bei der Wiedererlangung der Macht über die Niederlande zu unterstützen.125 Die Graphik ist demzufolge als Teil der propagandistischen Instrumentalisierung dieses Ereignisses zu begreifen, das in konsequenter Fortsetzung der intermedialen Rhetorik der Radierung durch ein Wortspiel alludiert wird: De Waerheyt volchde hem  122 Justificatie. Vgl. zu der Schrift Geurts 1956, S. 58  f. Die Recherche in der Datenbank Dutch Pamphlets Online (URL: https://primarysources.brillonline.com/browse/dutch-pamphlets-online, letzter ­Zugriff: 5. Oktober 2021), welche die Sammlungen Knuttel und Van Alphen verzeichnet, ergibt nur weitere Ausgaben derselben, aber keine einzige andere 1577 oder früher publizierte Schrift mit dem Titelbegriff ‚Justificatie‘. 123 Zu dem durch den Tod von Don Juans Vorgänger Don Luis de Zúñiga y Requesens im März 1576 ausgelösten Machtvakuum und zur schwachen Position des Staatsrates vgl. Israel 1995, S.  185; Koenigsberger 2001, S. 268–270; Mörke 2007, S. 196; Stensland 2012, S. 71–78; Santiago Belmonte 2020. 124 Vgl. Koenigsberger 2001, S. 277. 125 Zu den Ereignissen und ihrer propagandistischen Instrumentalisierung vgl. Geurts 1956, S. 79  f.; Maczkiewitz 2005, S. 284; Arnade 2008, S. 289  f. Zu den Propagandakampagnen des Prinzen vgl. Cellarius 1968; Stipriaan 2007.



2.1. Wahrheiten des Aufstands – Tugenden der Macht

[den tijt, M.H.] / een claer licht sy // brochte / En Joech eenen Ghent oppe […]“ (‚Die Wahrheit folgte ihm [der Zeit, M.H.], sie brachte ein helles Licht und jagte einen Gänserich davon […]‘). Mit der Homonymie des sowohl einen Gänserich als auch die Stadt Gent bezeichnenden Wortes ‚Ghent‘ verweist das Epigramm nicht nur auf das (möglicherweise erst der zweiten Version) der Graphik zugrundeliegende Ereignis, sondern bringt es zugleich dezidiert mit dem enthüllenden Wirken von Zeit und Wahrheit in Verbindung, das sich dem Verleger im Traum offenbart. Damit wird im Zusammenspiel von Bild und Texten ein komplexes Gefüge sich gegenseitig stützender, mehrere Zeitschichten verschränkender Belege für die (selbst-)enthüllende Kraft der Veritas konstruiert, welches die aufgedeckten Betrugsfälle in den Niederlanden zu gleichsam präfigurativen Belegen für den unabänderlichen Triumph eschatologischer Wahrheit erhebt. Van Haecht wird so zum Zeugen und Vermittler einer ihm im Schlaf offenbarten Wahrheit stilisiert, die durch den Rekurs auf die von Daniel geweissagte und mit dem Habsburgerreich zu assoziierende vierte Monarchie, die sich laut dem biblischen Text vor allem durch Gotteslästerung und die Verfolgung der Gläubigen auszeichnet,126 protestantisch perspektiviert erscheint, ohne jedoch die konfessionelle Konfrontation explizit in den Vordergrund zu stellen.127 Erst durch den schöpferischen Traum des seinen kreativen Anteil durch den Begriff composuit128 in der Signatur unterstreichenden Verlegers konnte sich diese Wahrheit demnach als ein geradezu prophetisches Bild materialisieren.129 Die Graphik Het Nest-Ey belegt so auf paradigmatische Weise, wie die künstlerische Auseinandersetzung mit tatsächlichen oder vermeintlichen Betrugsfällen in den Radierungen von Jacques de Gheyn und Willem van Haecht zur visuellen Reflexionsform nicht nur der historischen Offenbarungsprozesse der göttlichen Wahrheit, sondern auch der Einbindung des druckgraphischen Mediums in diese Vorgänge avancierte. Unter Rückgriff auf verschiedene zeitgenössische Ordnungs- und Darstellungsformen von (Welt-)Wissen und Geschichte wie etwa Theater und Festakte, aber auch Standbilder, Sprichwörter und Träume, denen die Blätter eine weite Verbreitung und Dauerhaftigkeit verleihen konnten, konstruieren die Kunstwerke komplexe Modelle der Gegenwartsdeutung, in denen sie dem Betrug und der Täuschung die visuelle Evidenz der Graphiken gegenüberstellen.

126 Vgl. Dan 7,25. 127 Willem van Haecht war offenbar selbst in reformatorische Handlungen involviert und musste nach dem Bildersturm 1566 zunächst aus Antwerpen fliehen, wohin er um 1570 zurückkehrte. Vgl. Bleyerveld 2011, S. 93. 128 Zur Verwendung des Begriffs in den von van Haecht konzipierten Graphiken vgl. Bevers 1994. 129 Zur Beziehung von künstlerischer Imagination und Traumbildern in der Kunsttheorie der Frühen Neuzeit vgl. Göttler 2018.

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In diesem Zusammenhang fungiert die Verkörperung der Veritas gerade aufgrund ihrer semantischen Ambiguität als Schnittstelle zwischen göttlicher Vorsehung und menschlichem Handeln: Indem in ihr die Bezugnahme auf die im Rahmen der öffentlichen Debatten jener Zeit so wichtige Eigenschaft der Aufrichtigkeit sowie der Rekurs auf die transzendente Wahrheit in einer Figur subsumiert werden, verschränken die Graphiken politische, moralische und religiöse Argumentationsebenen anschaulich miteinander und reflektieren zugleich über die Zwangsläufigkeit der Geschichte sowie das Spannungsfeld von Teleologie und Kontingenz.130 Insofern die Veritas-Figur hierbei als in die aktuellen Geschehnisse involvierte Akteurin auftritt und verdeutlicht, wie sich die heilsgeschichtliche Ordnung in den Aufstandsereignissen realisiert, dient sie der stabilisierenden Bewältigung einer als krisenhaft empfundenen Gegenwart, in der Verlässlichkeit und Treue nicht nur politische Autorität begründen, sondern als erkennbare Manifestationen göttlicher Wahrheit gedeutet werden.

2.2. Zeugenschaft der Bilder Wie sehr sich die niederländische Bildpropaganda der späten 1570er Jahre wiederholt darum bemühte, die mit der (vermeintlichen) spanischen Betrügerei kontrastierte Wahrhaftigkeit einzelner oder kollektiver Akteur:innen des Aufstandes in einen spezifischen Wahrheitsanspruch der Druckgraphiken zu übertragen, wird vor allem in jenen Kupferstichen deutlich, welche die verkörperte Veritas im Rahmen bildlich (re-)inszenierter Schwurhandlungen zeigen. Im Kontext der Darstellung derartiger ritueller Akte der Affirmation, aber auch ‚Erzeugung‘131 von Wahrheit verweist die Figur, wie im Folgenden argumentiert werden soll, auf die Funktion des Eides als zwischen Immanenz und Transzendenz vermittelnder Instanz132 sowie zugleich auf den von den Graphiken beanspruchten Status als wirkmächtige Zeugnisse der Wahrheit, welche diese nicht nur abbilden, sondern in der Performanz der Bildbetrachtung aktiv hervorbringen sollen. Die politisch-religiöse Relevanz des Eides wird besonders deutlich in einer von einem der Wierix-Brüder gestochenen, 1578 von Peeter Baltens herausgegebenen und im Folge­jahr um ein Titelblatt (Abb. 21) erweiterten Serie nach Zeichnungen von Maerten de Vos, die sich wie de Gheyns zuvor entstandene Radierungen der Eroberung der Ant130 Vergleichbare Aushandlungen des Verhältnisses von Kontingenz und Providenz wurden v.  a. in der literaturwissenschaftlichen Frühneuzeitforschung diskutiert. Vgl. exemplarisch Konst 2003; Friedrich 2011; Werner 2018. Vgl. auch die auf S. 30 in Anm. 14 genannte Literatur. 131 Zu Sprechakten wie dem Schwur sowie zu Szenarien der Zeugenschaft als Verfahren der ‚Produktion‘ von Wahrheit vgl. Kalisky 2014, S. 42; Westerkamp 2014, S. 305. 132 Vgl. Holenstein 1993, S. 12; Stollberg-Rilinger 2019, S. 102. Allgemein zur kulturhistorischen Rele­ vanz des Eides vgl. u.  a. Holenstein 1993; Prodi 1997; Schwerhoff 2005; Krämer 2014, S. 147  f.; Tutino 2014.



2.2. Zeugenschaft der Bilder

Abb. 21. Johannes oder Hieronymus Wierix nach Maerten de Vos: Die Eroberung der Antwer­pener Zitadelle im August 1577, Titelblatt, verlegt von Peeter Baltens, 1579, Kupferstich, 280 × 212 mm, ­Amsterdam, Rijksmuseum, Inv.-Nr. RP-P-1950-70.

werpener Zitadelle widmet (Abb.  22–28).133 Dabei fokussiert die Kupferstichfolge die Leistungen der drei im Auftrag der Staten agierenden und auf dem Titelblatt gezeigten ‚Verschwörer‘: Jan van Redeghem, Baron von Liedekercke und Gouverneur Antwerpens, der als Abgesandter der Generalstände die Konspiration gegen Don Juan organisierte; Pontus de Noyelles, Heer van Bourse, der als Truppenführer innerhalb der Zitadelle die Vertreibung der wallonischen Soldaten leitete und hier durch Harnisch und Waffentropaion in seiner militärischen virtus hervorgehoben wird; und Willem Baron de Rouck, 133 Zu der Serie vgl. Muller 1863, S. 98, Nr. 747; Muller 1882, S. 78, Nr. 747; New Hollstein (Wierix Family 9), S. 52–54, Nr. 1925–1931 u. S. 215, Nr. 2065 sowie Kostyshyn 1994, S. 963–975, Nr. C27–34; Wiebel 1995, S. 18; Stock 1998, S. 163–167; Horst 2003, S. 224–231; Mestemacher 2014. Zum Leben und Werk von de Vos vgl. Zweite 1980. Zu den Wierix vgl. u.  a. Mauquoy-Hendrickx 1979; Wiebel 1995. Zu Peeter Baltens Kostyshyn 1994.

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Abb. 22. Johannes oder Hieronymus Wierix nach Maerten de Vos: Die Eroberung der Antwerpener Zitadelle im August 1577, Blatt 1: Die Verschwörung von Bourse, Liedekercke und Rouck, verlegt von Peeter Baltens, 1578, Kupferstich, 278 × 216 mm, Amsterdam, Rijksmuseum, Inv.-Nr. RP-P-1968-166.



2.2. Zeugenschaft der Bilder

Abb. 23. Johannes oder Hieronymus Wierix nach Maerten de Vos: Die Eroberung der Antwerpener Zitadelle im August 1577, Blatt 2: Treslongs Soldaten werden aus der Zitadelle getrieben, verlegt von Peeter Baltens, 1578, Kupferstich, 273 × 212 mm, Amsterdam, Rijksmuseum, Inv.-Nr. RP-P-1968-171.

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Abb. 24. Johannes oder Hieronymus Wierix nach Maerten de Vos: Die Eroberung der Antwerpener Zitadelle im August 1577, Blatt 3: Der Fahneneid auf den General der Staaten, verlegt von Peeter Baltens, 1578, Kupferstich, 273 × 212 mm, Amsterdam, Rijksmuseum, Inv.-Nr. RP-P-1968-167.



2.2. Zeugenschaft der Bilder

Abb. 25. Johannes oder Hieronymus Wierix nach Maerten de Vos: Die Eroberung der Antwerpener Zitadelle im August 1577, Blatt 4: Die Verhandlung mit den deutschen Delegaten, verlegt von Peeter Baltens, 1578, Kupferstich, 282 × 218 mm, Amsterdam, Rijksmuseum, Inv.-Nr. RP-P-1968-168.

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Abb. 26. Johannes oder Hieronymus Wierix nach Maerten de Vos: Die Eroberung der Antwerpener Zitadelle im August 1577, Blatt 5: Der Rückzug der Deutschen, verlegt von Peeter Baltens, 1578, Kupferstich, 279 × 218 mm, Amsterdam, Rijksmuseum, Inv.-Nr. RP-P-1968-169.



2.2. Zeugenschaft der Bilder

Abb. 27. Johannes oder Hieronymus Wierix nach Maerten de Vos: Die Eroberung der ­Antwerpener Zitadelle im August 1577, Blatt 6: Bourse überreicht Liedekercke die Schlüssel der Zitadelle, verlegt von Peeter Baltens, 1578, Kupferstich, 283 × 219 mm, Amsterdam, Rijksmuseum, Inv.-Nr. RP-P-1968-170.

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Abb. 28. Johannes oder Hieronymus Wierix nach Maerten de Vos: Die Eroberung der Antwerpener Zitadelle im August 1577, Blatt 7: Der Abriss der Zitadelle, verlegt von Peeter Baltens, 1578, Kupferstich, 283 × 220 mm, Amsterdam, Rijksmuseum, Inv.-Nr. RP-P-1968-172.



2.2. Zeugenschaft der Bilder

Kämmerer der niederländischen Provinzen.134 Auf den sieben Blättern vollzieht sich die Folge der Ereignisse vom Bündnisschluss dieser Hauptfiguren (Abb. 22) über die Vertreibung von Treslongs Soldaten aus der Zitadelle (Abb. 23), den von Bourse und Rouck vor Liedekercke vollzogenen Treueeid (Abb. 24), die Verhandlung mit den deutschen Delegaten (Abb. 25), den Rückzug der Söldner aus Antwerpen (Abb. 26), die Übergabe der Schlüssel der Festung durch Bourse (Abb. 27) bis hin zum von einem feierlichen Umzug begleiteten Abriss der Zitadelle (Abb. 28).135 Die Wahrnehmung dieser in den zentralen Tondi gezeigten Geschehnisse wird entscheidend von den auf Texttafeln angegebenen französischen und niederländischen Epigrammen, vor allem aber von dem allegorischen Programm geprägt, welches die runden Bildfelder in einer architektonisch-ornamentalen Rahmung ergänzt. Durch jeweils zwei oberhalb der Tondi (inter-)agierende Figuren von Tugenden und anderen abstrakten Konzepten werden die gezeigten Ereignisse nicht nur auf einer übergeordneten Ebene kommentiert, sondern deren Protagonisten als erinnerungswürdige exempla virtutis präsentiert, die sich durch ihre unerschütterliche Treue und Verlässlichkeit auszeichnen. Dabei vermitteln die Kupferstiche ihre spezifische Form der Bezugnahme auf die dargestellten Begebenheiten und ihre damit verbundene epistemische Funktion durch ihre ungewöhnliche formale Struktur. So ist die Rundform der Bildfelder wohl unter anderem auf die tradierte Metapher des Spiegels zurückzuführen, mit der sowohl der historiographische Blick auf Vergangenes als auch die didaktische Zurschaustellung moralischer Exempla beschrieben wurde.136 Die in diesem doppelten Sinne belehrenden graphischen ‚Spiegelbilder‘ der Geschehnisse um die Antwerpener Zitadelle bemühen sich dementsprechend um die Wirkung historiographischer, geradezu dokumentarischer Exaktheit:137 Die einzelnen Szenen werden durch taggenaue Datierungen und topographisch präzise Ansichten wiedererkennbarer Schauplätze der Scheldestadt zeitlich und räumlich klar verortet. Die meist starke Aufsicht bei gleichzeitiger Nähe zu den im Vordergrund gezeigten Figuren erweckt dabei durch die übergeordnete Spectator-Perspektive den Eindruck eines privilegierten Zugriffs auf die Ereignisse. Diese rezeptionsästhetische Suggestion einer detaillierten Einsicht in alle Ebenen des Geschehens, die 134 Zu den drei ‚Verschwörern‘ vgl. Stock 1998, S. 166; Mestemacher 2014, S. 178. Die bildliche Inszenierung der Männer, welche den kollektiven, sowohl militärischen als auch politischen Widerstand gegen die Spanier verkörpern, kann zudem, wie Friedrich Polleroß bemerkte, als niederländisches Gegenbild zu Don Juan, Marcantonio Colonna und Sebastiano Venier als Siegern der Seeschlacht von Lepanto begriffen werden. Vgl. Polleroß 2019, S. 350. 135 Die Bezeichnung der einzelnen Szenen in den Bildlegenden folgt (bis auf Blatt 7) Mestemacher 2014. 136 Vgl. z.  B. die nach einem Entwurf von Maerten de Vos von Johann Sadeler gestochene und verlegte Darstellung des Speculum Pudicitiae (1583–1587, Kupferstich, Amsterdam, Rijksmuseum, Inv.-Nr. RP-P-1939-1045). Zur Spiegelmetapher vgl. Grabes 1973. 137 Vgl. Stock 1998, S. 166; Mestemacher 2014, S. 179–183.

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mit der Kleinteiligkeit und minutiösen Ausarbeitung der Darstellungen korrespondiert, weist dem Blick auf die Graphiken bewusst den Status eines erkenntnisstiftenden Akts der Geschichtsbetrachtung zu, der nicht zuletzt durch die inhaltlich beständig betonte Vertrauenswürdigkeit der Dargestellten auch für sich selbst Wahrheit beansprucht. Die Rezeption der Graphiken soll davon ausgehend einerseits deshalb verlässliche Urteile über das Gesehene hervorbringen, weil die spezifische Wiedergabe der Begebenheiten eine Form der Augenzeugenschaft generiert, welche die Wahrnehmungsmöglichkeiten der tatsächlich in Antwerpen Anwesenden deutlich übersteigt. Damit greift die Graphikfolge auf Verfahren der Evidenzerzeugung zurück, wie sie mit Bezug auf Ciceros Definition der historia als testis temporum138 (‚Zeugin der Zeiten‘) und lux veritatis139 (‚Licht der Wahrheit‘) in der Historiographie entwickelt wurden. So sollte der Historiograph in der auf die Erzeugung von Unmittelbarkeit ausgerichteten frühneuzeitlichen Geschichtsschreibung, etwa durch die wörtliche Wiedergabe von Gesprächen oder Reden, idealerweise auch den Rezipierenden die Möglichkeit geben, gleichsam selbst an den Ereignissen zu partizipieren und auf diese Weise zu Zeug:innen zweiter Ordnung zu werden.140 Der epistemische Mehrwert der Kupferstiche beruht andererseits auf dem durch das allegorische Programm und die erläuternden Texte ermöglichten Verständnis für die übergeordnete Bedeutung des Gezeigten als herausragendes Beispiel patriotischer Treue, das sich dem Gedächtnis der Betrachtenden einprägen sowie entsprechend der für die Gegenwart sinnstiftenden und handlungsleitenden Funktion der memoria herausragender Ereignisse wirksam werden sollte.141 Denn einen weiteren Bezugspunkt der gewählten Tondoform bildet das Medium der Gedenkmedaillen, wie sie auch die Büste des Kämmerers auf dem Titelblatt der Serie als Auszeichnung um den Hals trägt (vgl. Abb. 21). Damit rekurrieren die Graphiken auf jene Medaillen, die aus Anlass der Eroberung und des Abrisses der Zitadelle tatsächlich geprägt wurden,142 und veranschau­ 138 Cicero: De Oratore, S. 144 (II,9,36). 139 Zur Relevanz von Ciceros Vorstellung der Historiographie als ‚Licht der Wahrheit‘ (Cicero: De ­Oratore, S. 144) in der Geschichtstheorie der Frühen Neuzeit vgl. Landfester 1972, S. 94–96. Auf den Titelblättern historiographischer Schriften der Frühen Neuzeit wurde dieser Topos bezeichnenderweise wiederholt mittels der Figur der Veritas visualisiert. Vgl. insbesondere die Titelblätter zum zweiten und dritten Teil von Matthäus Merians Theatrum Europaeum (1633 u. 1639), dazu u.  a. Kintzinger 1995, S. 74–80; Dethlefs 2004, S. 154–157; Heßelmann 2012. Zu Figuren der Veritas auf Titelblättern historiographischer Schriften vgl. Kintzinger 1995, hier bes. S. 169–175. 140 Vgl. Sawilla 2016, S. 343. Zum Rezipierenden als „‚Zweitzeuge‘ oder […] ‚zweitrangiger Zeuge‘“ vgl. Kalisky 2014, S. 43. 141 Vgl. Volmert 2013b, S.  147  f. Die memoriale Funktion der Graphiken wird in den Epigrammen mehrfach erwähnt, vgl. z.  B. den französischen Text zum letzten Blatt (Abb. 28): Cest heureux iour donc soit a jamais memorable. 142 Ein vergleichbares, anlässlich der Eroberung der Antwerpener Zitadelle angefertigtes Exemplar ist verzeichnet in: Loon: Beschryving, S. 238. Vgl. auch eine weitere aus demselben Anlass angefertigte Medaille, die sich heute im Besitz des Rijksmuseum Amsterdam befindet (Inv.-Nr. NG-VG-



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lichen zugleich ihren eigenen Anspruch, eine von den drei ‚Verschwörern‘ angeführte Erinnerungsgemeinschaft zu begründen, die nicht nur auf aufrichtiger ­Loyalität, sondern vor allem auf deren zuverlässiger künstlerischer Wiedergabe basiert.143 Die Fokussierung auf die stets das Wohl der niederländischen Gemeinschaft erstrebende Aufrichtigkeit und Treue der Protagonisten konnte im Kontext einer Aufstandspropaganda, die sich zunehmend um die Berufung auf eine alle Niederländer:innen verbindende, schützenswerte patria bemühte,144 ein besonderes gemeinschaftsbildendes und -stabilisierendes Potenzial entfalten. In pragmatischer Hinsicht sollten diese Eigenschaften die Verlässlichkeit geschlossener Bündnisse garantieren, die angesichts der grundsätzlichen Überlegenheit des habsburgischen Heeres für ein Gelingen des Aufstandes essenziell, aufgrund der Differenzen und Konkurrenzen zwischen den einzelnen Provinzen ebenso wie innerhalb der Ständeversammlungen jedoch keinesfalls selbstverständlich war.145 Das von den Staten-Generaal initiierte Handeln der drei im Mittelpunkt stehenden ‚Helden‘ konnte dabei ebenso wie dasjenige der an der Vertreibung der spanischen und deutschen Soldaten sowie anschließend am Abriss der Zitadelle beteiligten Bürger:innen der Scheldestadt als eindringlicher Beleg für den Erfolg einer Stände, Magistrate, Militär und Bevölkerung umfassenden Zusammenarbeit fungieren, deren Loyalität ihre göttliche Legitimation belegte. Vor diesem Hintergrund dient die in rituellen Akten bekräftigte Eides- und Bündnistreue der Protagonisten, die durch das Auftreten der bereits für de Gheyns Radierfolgen (vgl. Kapitel 2.1.) bedeutenden Figuren von Veritas, Fiducia (‚Vertrauen, Zuverlässigkeit‘) und Caritas (‚Liebe‘) sowie der diese konzeptuell ergänzenden Pietas (‚Liebe, Pflichterfüllung, Treue‘), Concordia (‚Eintracht‘) und Ratio (‚Vernunft‘) innerhalb eines politisch konnotierten moralisch-religiösen Bezugsfeldes verortet wird, als identitätsstiftendes Leitmotiv der Serie.146 Schon der erste Stich setzt mit dem als Nachweis der Tugendhaftigkeit der drei Männer fungierenden Treueschwur bei ihrer auf den 1. August 1577 datierten Zusammenkunft ein, der mit einem Handschlag besiegelt wird (Abb. 22).147 Im Zeichen

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1-416). Zur Medaille als „Erinnerungsmedium“ vgl. Weißbrich 2012. Zum Verhältnis von Druckgraphik und Medaillenkunst vgl. Telesko 2018. Bereits kurz nach Erscheinen der Kupferstiche bis mindestens zum Jahr 1596 wurden, vermutlich nach Modellen Jacques Jonghelincks, Plaketten in unterschiedlich hochwertigen Metallen ausgeführt, welche die in den Tondi gezeigten Szenen wiederholen. Mehrere der erhaltenen Exemplare wurden, wie daran angebrachte Löcher nahelegen, an Wänden aufgehängt oder in Möbelstücke eingelassen, und hielten die Ereignisse beziehungsweise ihre bildlichen Repräsentationen so dauerhaft im Bewusstsein präsent. Vgl. dazu Avery 1977. Vgl. u.  a. Pollmann 1992, S. 89  f.; Chapman 2000, S. 44; Pollmann 2010, S. 242  f. u. 250. Vgl. u.  a. Groenveld 1983, S. 227; Mörke 1989, S. 121  f. Zum Begriff der ‚concordia‘ in den politischen Diskursen der Niederlande vgl. Gelderen 2002, S. 192–199. Die traditionell als Ausdruck der concordia fungierende Geste des Handschlags ist insofern zusätzlich symbolisch aufgeladen, als die Geuzen eingeschlagene Hände zu einem ihrer wichtigsten

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der Liebe, die durch die in einer himmlischen Sphäre in einem von Löwen gezogenen Wagen erscheinende Venus verkörpert und auch in den Epigrammen betont wird,148 besiegeln Bourse, Liedekercke und Rouck hier ihren im Auftrag der Generalstände geschlossenen Pakt. Dessen Integrität wird durch die anwesenden Zeuginnen Caritas und Fiducia affirmiert, die nicht nur die im Kontrast zu den Betrügereien der Spanier stehende Aufrichtigkeit des Bündnisses, sondern auch dessen auf dem Schild der Fiducia prägnant auf die Formel P[ro] Patria149 (‚Für das Vaterland‘) zugespitzte Beweggründe bestätigen. Eben diese Treue zum niederländischen ‚Vaterland‘ ist es, so machen die außerhalb des Rundbildes auftretenden Figuren der Tribulatio (‚Trübsal, Not‘) und der Pietas deutlich, die einen Ausweg aus der von der Herrschaft der Spanier ausgelösten Bedrängnis der Niederlande bietet. Als Bekräftigung und Steigerung dieses bereits geschlossenen Bündnisses wird auf dem dritten und für die vorliegende Untersuchung ausschlaggebenden Kupferstich der Vollzug eines Eides wiedergegeben, den Bourse und Rouck nach der Vertreibung von Treslongs Truppen innerhalb der Zitadelle leisteten (Abb. 24).150 Das Blatt zeigt den am 2. August 1577 abgelegten Schwur der Protagonisten, mit dem sich die Männer nach der Sichtung von Don Juans konfiszierter Korrespondenz zum beständigen Kampf für das Wohl der patria und zur Loyalität gegenüber dem spanischen König sowie den von Liedekercke vertretenen Staten verpflichteten: Vn conuenant nouueau luij monstrent po[ur] la foÿ / Maintenir au païs, aux Estatz et au Roij, / Afin de procurer le bien de la Patrie, / Qui des alors estoit en maintz endroictz meurtrie („Liedekerck und de Rouck […] [zeigen] ihm ein neues Abkommen, dem Land, den Staaten und dem König die Treue zu halten, um das Wohl des damals vielerorts geschundenen Vaterlandes zu befördern“151) sowie En hieldt haer voor tot een vaste memoirie, / Eenen nieuwen Eedt, voor ons Coninck en Staten bekent, / Altoos Ghetrouw te sijn, was daer t’fondament („[Liedekercke und Rouck] legten ihnen einen neuen Eid auf unseren König und die Staaten vor, den sie immer im Gedächtnis behalten sollten. Stets getreu zu sein, war da das Fundament“152). Fast wie auf einer Bühne für den Blick der Betrachtenden arrangiert, stehen sich die Figuren von Bourse sowie Rouck und Liedekercke im Vordergrund gegenüber und bringen mit ihren Gesten den entscheidenden Moment des Eids zum Ausdruck: Während der Repräsentant der Staaten die Rechte zur Brust führt, erheben der Kommandant und der Kämmerer ihre Hände zum

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Erkennungszeichen bestimmt hatten, wie sich etwa in dessen Verwendung auf geuzenpenningen zeigt (z.  B. Amsterdam, Rijksmuseum, Inv.-Nr. NG-VG-1-346). Vgl. die Epigramme: Par grande affection sowie O Trouwelijcke verbindinghe deur der Liefden Bandt. Die Darstellung der Venus erinnert an Visualisierungen von Sternzeichen, vgl. dazu Blume 2000. Hierbei handelt es sich um eine Ellipse des Horaz’schen Diktums Dulce et decorum est pro patria mori. Vgl. Mestemacher 2014, S. 180. Zum hier dargestellten Ereignis vgl. Horst 2003, S. 226; Mestemacher 2014, S. 179. Übersetzung von Gerhard Bott, zitiert nach Mestemacher 2014, S. 174. Übersetzung von Bettina Noak, zitiert nach Mestemacher 2014, S. 174.



2.2. Zeugenschaft der Bilder

Abb. 29. Johannes oder Hieronymus Wierix nach Maerten de Vos: Die Eroberung der ­Antwerpener Zitadelle im August 1577, Blatt 3: Der Fahneneid auf den General der Staaten, verlegt von Peeter Baltens, 1578, Kupferstich, Detail aus Abb. 24.

Schwur. Die zahlreichen umstehenden Soldaten, die als Zeugen fungieren, stellen mit ihren aufgerichteten Fahnen, Lanzen, Hellebarden und Gewehren zugleich eine visuelle Verbindung zur im Himmel erscheinenden Gestalt der Victoria her, auf die auch die Figur Roucks deiktisch hinzuweisen scheint.153 Mit Lorbeerkranz und Palmzweig nähert sich die Siegesgöttin der Gruppe und gibt den in diesem Moment vollzogenen Eid als Vollendung des gleichermaßen militärischen wie moralischen Triumphs zu erkennen. Die vertrauensvolle Kooperation im Namen des Vaterlandes spiegeln die außerhalb des Tondos zu sehenden Figuren von Veritas und Concordia, deren einander zugewandte Körperhaltungen das Zusammenwirken der sich im Eid manifestierenden Wahrhaftigkeit und Eintracht als elementare Voraussetzung für die Wiederherstellung der politischen Ordnung hervorhebt.154 Während die Gestalt der Concordia durch die als ihre Symboltiere bekannten Krähen sowie ein Joch charakterisiert wird, welches auf das Zusammenspannen der Kräfte verweist,155 zeichnet sich die Wahrheitsfigur durch eine markante Vielzahl von Attributen aus,156 die sie gezielt zur Schnittstelle mehrerer Argumentationsebenen machen (Abb. 29): Ihr zugeordnet sind u.  a. die Taube des Heiligen Geistes, ein die gött153 Vgl. Andrea Alciatis Emblem zur Concordia, das etwa auch von Diego Velázquez in seiner Übergabe von Breda (1634–1635) rezipiert wurde, dazu kritisch Schlie 2012, S. 124–127 mit weiterführender Literatur. 154 Vgl. Mestemacher 2014, S. 182. 155 Zu den Attributen der Concordia vgl. Horst 2003, S. 227. 156 Dies konstatiert auch Ilka Mestemacher: Mestemacher 2014, S. 182.

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liche Ordnung der Welt symbolisierender Globus, eine die Sichtbarkeit der Wahrheit veranschaulichende Kerze,157 das geöffnete Buch mit Sieben Siegeln sowie zwei Schlüssel, welche die sowohl himmlische als auch irdische Macht der Veritas betonen.158 Mit den ihr ebenfalls beigegebenen, üblicherweise der Iustitia zugeordneten Gegenständen Schwert und Waage gleichsam Wahrheit und Gerechtigkeit in sich subsumierend,159 verweist sie dabei auf Veritas und Iustitia als in der Eidestheologie festgeschriebene Bedingungen eines göttlich legitimierten und damit rechtskräftigen Schwurs.160 Die Figur der Wahrheit versinnbildlicht insofern nicht einfach die Eigenschaft der Aufrichtigkeit, sondern verkörpert ihre Realisierung in der Eideshandlung, deren über den singulären historischen Moment hinausgehende Relevanz nicht zuletzt durch ihre Position außerhalb des Rundbildes anschaulich wird. Während die Figuren von Fiducia und Caritas auf dem ersten Stich (Abb. 22) als unmittelbar in das Geschehen involvierte Zeuginnen gezeigt werden, betont die Wahrheitsfigur den Status des Eides als eines zwischen Irdischem und Himmlischem vermittelnden rituellen Akts161 ebenso wie die heilsgeschichtliche Dimension des Ereignisses. Denn zugleich fungiert die Veritas-Figur, gerade in Verbindung mit dem ebenfalls als ihr Attribut dienenden Buch mit Sieben Siegeln, als Verkörperung der endzeitlichen Urteile Gottes, die laut der Offenbarung des Johannes stets gleichermaßen wahr wie gerecht sind.162 Durch die gezeigte voll­stän­dige Öffnung des Buches, welche auf die in der Johannesapokalypse beschriebene Errichtung einer neuen Ordnung nach der Verheerung der Welt rekurriert,163 werden die historischen Geschehnisse von der gleichsam apokalyptischen Plage spanischer Tyrannei bis zu deren erlösender Beendigung so als Manifestation des göttlichen Erlösungsplans inszeniert. Deutlich wird diese eschatologische Perspektivierung des zeitgenössischen Geschehens bereits auf dem zweiten Blatt der Kupferstichfolge (Abb. 23), auf dem sich der Kampf Bourses und seiner Männer gegen Treslongs Truppen im Zeichen der Gerechtigkeit vollzieht, deren Verkörperung, traditionell ausgestattet mit Schwert und Waage, in einer himmlischen Wolkensphäre erscheint. Die in den Epigrammen zum Ausdruck 157 158 159 160

Ilka Mestemacher deutet die Kerze als Christussymbol: Mestemacher 2014, S. 182. Vgl. Mt 16,19. Vgl. Mestemacher 2014, S. 182. Zu den Bedingungen eines rechtmäßigen Eides vgl. Landau 1982, S.  387: „Unter Berufung auf Jer 4,2 werden als Kriterium des erlaubten und verpflichtenden Eides veritas, iudicium und iustitia genannt […]: dabei bedeutet veritas Wahrhaftigkeit der Eidesleistung, […], iustitia schließlich die Ungültigkeit bestimmter sittenwidriger Eide.“ Vgl. auch Holenstein 1993, S. 20. 161 Vgl. Holenstein 1993, S. 12; Stollberg-Rilinger 2019, S. 102. 162 Vgl. Offb 19,2. Zu ähnlichen Attributen der Wahrheitsfigur im Kontext einer Darstellung des Jüngsten Gerichts vgl. das letzte Blatt der ebenfalls von Peeter Baltens publizierten Stichfolge zu den Vier stärksten Mächten (s.  u. Kapitel 4.1.), auf deren auffällige Übereinstimmung Ilka Mestemacher hinweist: Mestemacher 2014, S. 182. 163 Vgl. Offb 20–21.



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kommende Hoffnung auf die von Gott herbeigeführte Bestrafung der Betrüger – Dieu punit quoÿ que tard la Nation inique („Gott bestraft, wenn auch spät, die ungerechte Nation“164) sowie Godt straft alle Huijchgeleers tot sijnder tijt („Gott straft alle Heuchler, wenn die Zeit gekommen ist“165) – lässt sich hier als Kommentar zur konkreten Kampfhandlung lesen, in welcher die ‚heuchlerischen‘ Feinde endlich unterliegen; doch der gleichzeitige heilsgeschichtliche Bezugsrahmen der Äußerung wird spätestens durch die Verbindung zum folgenden Stich mit der darauf auftretenden Wahrheitsfigur evident. Wie der Sieg über die Anhänger Don Juans dieser Argumentation nach auf die finale Bestrafung der Sünder vorausweist, wird der auf dem dritten Blatt gezeigte Eid durch die Darstellung der Veritas typologisch auf die endzeitliche Offenbarung göttlicher Wahrheit bezogen. Die Präsenz der Veritas-Figur visualisiert vor diesem Hintergrund die übergeordnete Relevanz des dargestellten Schwurs, der sowohl durch die Aufdeckung des heimlichen Verrats durch den Statthalter und die darauf folgende Niederlage von dessen Verbündeten als auch durch die betonte Aufrichtigkeit der Schwörenden auf den ultimativen Triumph der Wahrheit vorausweist. Der denkwürdige Treueeid am selben Tag, an dem Bourse, Liedekercke und Rouck den Betrugsversuch Don Juans zu bestätigen vermochten, wird so zur Affirmation nicht nur der Veritas als Tugend der drei Männer, sondern zugleich der revelatorischen Zwangsläufigkeit, mit der alles trügerisch Verborgene ans Licht komme, um schließlich in der revelatio eschatologischer Wahrheit zu kulminieren.166 In den Kupferstichen fungieren die Geschehnisse um die Antwerpener Zitadelle damit als Belege für einen vom Wirken der Wahrheit bedingten, beständig auf die endzeitliche Offenbarung hinstrebenden Enthüllungsprozess, an dem auch die Graphiken selbst als sichtbare Zeugnisse dieses Vorgangs partizipieren. Die machtpolitische Konnotation dieser Deutung der jüngsten Vergangenheit wird vor allem auf dem sechsten Kupferstich erkennbar, welcher die Übergabe der Zitadelle in die Kontrolle der Staten vor Augen stellt (Abb. 27). Während im Hintergrund der zentralen Szene bereits die Abrissarbeiten an den Bastionen zu sehen sind, ereignet sich im Vordergrund mit der Übergabe der Schlüssel der Zitadelle an Liedekercke ein entscheidender Moment des Machttransfers, wie er auch bei herrscherlichen Einzügen die Übergabe der Gewalt an den Fürsten performativ inszenierte und vollzog.167 Zu Zeug:innen dieses Aktes symbolischer Kommunikation werden sowohl die zahlreichen anwesenden Soldaten als auch die Rezipierenden: Ihre Position innerhalb der um die zentrale Gruppe 164 Übersetzung von Gerhard Bott, zitiert nach Mestemacher 2014, S. 174. 165 Übersetzung von Bettina Noak, zitiert nach Mestemacher 2014, S. 174. 166 Zur sich gerade an der Vorstellung der Veritas filia temporis abarbeitenden Frage nach der geschichtlichen Bedingtheit von Erkenntnisprozessen vgl. mit Bezug auf Erasmus von Rotterdam Bietenholz 1966, S. 20  f. sowie auf Francis Bacon Zittel 2002. 167 Zum rituellen Akt der Schlüsselübergabe vgl. Lampen / Johanek 2009, S. VIII; Geurts 2009, S. 61; Schlie 2012. Auch Frans Hogenberg stellte diesen rituellen Akt dar (Radierung, Amsterdam, Rijksmuseum, Inv.-Nr. RP-P-OB-78.784-161).

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aufgestellten Kämpfer wird durch eine von Waffen gerahmte Lücke, in die sie nur hineinzutreten bräuchten, um sich unter die Anwesenden einzureihen, aber auch durch den energischen Blick bestätigt, welchen die rechts im Vordergrund zu sehende Figur auf die Betrachtenden richtet. Die Präsenz der Verkörperungen von Ratio und Fiducia außerhalb des Tondos fordert die Rezipient:innen in diesem Zusammenhang ebenso wie die begleitenden Epigramme – als gegen Don Juan gerichtete Pointe – explizit dazu auf, in Bourses Verzicht auf die militärische Kontrolle über die Zitadelle eine von der Treue als „Mutter aller Tugenden“168 getragene vorbildliche Handlung zu erkennen: Merckt die ghetrouwicheijt, van Mons’ de Bourse („Schaut auf die Treue des erhabenen Monsieur de Bourse“169) sowie Voÿes la loÿaute de Bourse tant louable, / Qui rendit aux Etatz par sa bonté notable, / Le Tÿrannique fort qu’il auoit en pouuoir / Afin d’en disposer selon leur bon vouloir („Seht die so lobenswerte Loyalität von de Bourse, der in seiner großen Güte den Staaten die Tyrannenfestung übergab, die er in seiner Gewalt hatte, damit diese nach ihrem Willen darüber verfügen könnten“170). Diese Betonung der Integrität des Kommandanten und seiner bedingungslosen Bereitschaft, die Gewalt über die Festung abzutreten, dient der Auflösung eines potenziell gefährlichen Kippmoments innerhalb der Narration, in welchem Bourse durch seine Macht über die Zitadelle und die darin verbliebenen Truppen theoretisch die Möglichkeit besitzt, selbst in die Position eines tyrannischen Usurpators zu treten. Im Kontext der Graphikserie wird darin zugleich eine latente Spannung zwischen der ostentativen Glorifizierung des exponierten Individuums und der Idealisierung des Stadt- respektive Landkollektivs deutlich, deren sinnstiftender Bewältigung der wiederholte Vergleich der Protagonisten – insbesondere Bourses – mit verschiedenen antiken Helden dient. So setzt das mit Patria Libertati Restitvta (‚Das Vaterland der Freiheit wiedergegeben‘) überschriebene Epigramm auf dem Titelblatt (Abb. 21) die drei Männer mit den drei Horatiern (Troys Horaces Romains) gleich, die im siebten vorchristlichen Jahrhundert gemeinschaftlich für die Vorherrschaft ihrer Heimatstadt Rom gekämpft haben sollen.171 Auf dem zweiten Blatt der Folge, welches den Kampf gegen die Soldaten Treslongs vor und innerhalb der Zitadelle zeigt (Abb. 23), wird die heroisierende Inszenierung Bourses noch nachdrücklicher betont: Hier verweist die explizit auf den als volstandich („standhaft“172) bezeichneten Truppenführer bezogene Figur der Constantia (‚Beständigkeit, Standhaftigkeit‘) durch ihren Löwenhelm auf die mythischen Helden168 Entre toutes Vert[us] Loÿaute est la mere. Übersetzung von Gerhard Bott, zitiert nach Mestemacher 2014, S. 176. 169 Übersetzung von Bettina Noak, zitiert nach Mestemacher 2014, S. 176. 170 Übersetzung von Gerhard Bott, zitiert nach Mestemacher 2014, S. 176. 171 Vgl. die Darstellung des Publius Horatius als Tugendvorbild in Hendrick Goltzius’ Römischen Helden (1586). Zu der Serie vgl u.  a. Melion 1995; Krystof 1997, S. 106–111; Ost 2022. 172 Übersetzung von Bettina Noak, zitiert nach Mestemacher 2014, S. 174.



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taten des Herkules. Indem sie ihre Schwerthand ohne jegliches Zeichen von Schmerz in ein vor ihr brennendes Feuer hält, wiederholt sie zugleich jene eindrückliche Handlung, mit der Gaius Mucius Scaevola laut einer von Livius überlieferten Episode den Etruskerkönig Lars Porsenna vom Abbruch der Belagerung Roms überzeugt haben soll.173 Auf diese Weise werden nicht nur Bourses militärische Ruhmestaten mit diesem selbstlosen Handeln des legendären Helden parallelisiert, sondern Antwerpen zum ‚neuen Rom‘ überhöht.174 Dass mit dieser Stilisierung der Scheldestadt zur altera Roma auch eine über die Antikenbezüge hinausgehende, religiös-konfessionelle Dimension verbunden ist,175 wird in der Szene der Machtübergabe auf dem sechsten Kupferstich ersichtlich, auf welchem die überreichten Schlüssel bewusst mit jenen korrespondieren, die drei Blätter zuvor als Attribute der Veritas die gleichermaßen irdische wie himmlische Macht der Wahrheit veranschaulichen.176 Unter Bezugnahme auf die laut dem Matthäusevangelium (16,19) von Christus an Petrus verliehene Binde- und Lösegewalt im Himmel und auf Erden als traditionelle Symbole päpstlicher Autorität fungierend,177 werden die Schlüssel damit in den Graphiken zu einem durchaus heiklen Motiv. Vor dem Hintergrund eskalierender konfessioneller Auseinandersetzungen in den Niederlanden konnte die sowohl faktisch wie auch im übertragenen Sinn verstandene Übergabe der Schlüsselgewalt an die Staten als mehr oder weniger subtile calvinistische Perspektivierung des Dargestellten verstanden werden, ohne dass eine derartige Deutung zwingend vorgegeben war. Denn ebenso war es möglich, diese Szene als lang erhoffte, jedoch von Don Juan verhinderte Umsetzung der von den niederländischen Provinzen gemeinsam getroffenen Vereinbarungen der Genter Pazifikation zu verstehen. Durch den katholischen Klerus des Landes und Vertreter der theologischen Fakultät der Universität Leuven unterstützt, sollten die Generalstände demnach die alleinige Entscheidungsgewalt über den künftigen Umgang mit den religiösen Differenzen in den Niederlanden erhalten.178 Anhand des Details der Schlüssel wird exemplarisch deutlich, auf welch schmalem Grat zwischen überkonfessionellem Konsens und offenem Affront sich religiöse Argu173 Auch Mucius Scaevola figuriert in Goltzius’ Römischen Helden als exemplum virtutis, vgl. dazu die auf S. 86 in Anm. 171 angegebene Literatur. 174 Vgl. Mestemacher 2014, S. 181  f. 175 Zu Antwerpen als altera Roma sowie zur konfessionellen Dimension dieser Assoziation vgl. Wouk 2018, S. 14 u. 142. 176 So die Deutung von Ilka Mestemacher: Mestemacher 2014, S. 182. Bei der Übergabe werden hier drei Schlüssel gezeigt, wie jedoch erst bei genauerem Hinsehen erkennbar wird. 177 Zum Symbol der zwei Schlüssel Petri vgl. Poeschke 1972. 178 Daneben hielten der vierte und fünfte Artikel auch den Schutz der Katholik:innen sowie die Unterbindung der Ketzereiverfolgung fest. Vgl. die Textedition der Genter Pazifikation in: Opstand 1976, S. 355. Zur Rolle der Konfession in den Vorbereitungen sowie in der späteren Rezeption des Friedensschlusses vgl. Demeester 1976.

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mentationen innerhalb der Aufstandspropaganda oftmals bewegten.179 Die bewusste Instrumentalisierung der semantisch polyvalenten Veritas-Figur als ästhetischer Schnittstelle zwischen irdischem Handeln und göttlicher Legitimation lässt sich vor dem Hintergrund dieser diffizilen Abwägungsprozesse als ‚Verlagerung‘ der spannungsgeladenen Wahrheitsfrage von einer offensichtlich theologisch-konfessionellen auf eine vermeintlich weniger problematische moralische Ebene begreifen. Sie kann damit im Kontext jener sich in verschiedenen Wissensbereichen vollziehenden Suche nach und Erprobung von allgemein anerkannten Wahrheitskriterien verortet werden, die Jan van Dorsten als wesentliches Charakteristikum der kulturgeschichtlichen Entwicklung der Niederlande am Ende der 1570er Jahre beschrieb.180 Die visuelle Rückbindung religiöser an moralisch-juristische Wahrheitsansprüche beziehungsweise deren Verschmelzung ermöglichte in diesem Sinne eine Berufung auf die selbstverständlich am Ende der Zeit triumphierende und dem Handeln der jeweiligen Akteur:innen daher Erfolg versprechende Veritas. Jenseits theologischer Streitpunkte und expliziter konfessioneller Zuschreibungen operieren die Kupferstiche so mit einem vordergründig konsensfähigen Wahrheitskriterium: der scheinbar empirisch nachprüfbaren Betrügerei der spanischen Statthalter sowie der im Gegensatz dazu stehenden, beständig betonten Aufrichtigkeit und Vertrauenswürdigkeit der Niederländer:innen. Dass zentrale Momente der in der Kupferstichfolge gezeigten Ereignisse in Form ritueller Akte wie jener des Bündnisschlusses, des Eides und der Schlüsselübergabe inszeniert werden, ist dabei in Anbetracht des erkenntnisstiftenden Anspruchs der Serie alles andere als ein Zufall. Denn die Graphiken sollen für die Aufrichtigkeit der niederländischen Protagonisten nicht nur dadurch eine unabweisbare Evidenz erzeugen, dass sie in den Tondi den oben beschriebenen, gleichsam historiographischen Darstellungsmodus nutzen. Aufbauend auf der angeblichen, quasi-dokumentarischen Verlässlichkeit der Stiche wird dem intendierten Rezeptionsprozess darüber hinaus bewusst ein testimonialer Status zugeschrieben. Denn indem die Betrachtenden durch die vermeintliche Wahrhaftigkeit der Bilder idealiter selbst zu Augenzeug:innen der performativen Akte werden, für deren Gelingen ihre Anwesenheit unerlässlich ist, avanciert der Vorgang der Rezeption zum konstitutiven Bestandteil des Bildkonzepts. Er wird zum Beweis für die gefeierte Tugendhaftigkeit der Protagonisten, deren Vertrauenswürdigkeit die Betrachtenden als verlässliche Zeug:innen des Gesehenen teilen, sowie zugleich 179 Zum diffizilen Verhältnis zwischen eindeutiger konfessioneller Positionierung und der Überspielung religiöser Differenzen innerhalb der Aufstandspropaganda vgl. Pollmann 1992, S. 89  f.; Volmert 2013a, S. 72  f. 180 Vgl. Dorsten 1976. Gewissermaßen mit umgekehrten Vorzeichen wurde der Zusammenhang von Aufrichtigkeit und religiöser Wahrheit zur selben Zeit in den Niederlanden in Bezug auf die Frage debattiert, ob es legitim sei, Eide und Versprechen zu brechen, die man gegenüber Häretiker:innen abgelegt hatte. Vgl. dazu Clerici 2018.



2.2. Zeugenschaft der Bilder

für den Wahrheitsanspruch der Graphiken, die als Zeugnisse der sich in den Aufstandsereignissen manifestierenden göttlichen Veritas fungieren sollen. Welche Rolle sich der Verleger Peeter Baltens als – auch rechtlich – verantwortlicher Urheber der Kupferstichfolge innerhalb dieser visuell konstruierten Zeugenkette zuschrieb, lässt sich bezeichnenderweise aus einer kurzen schriftlichen Stellungnahme entnehmen. Denn nur wenige Jahre nach dem Erscheinen der von ihm publizierten Graphikserie bezeichnete sich Baltens selbst rückblickend als einen „schlichten Zeugen“181 der Ereignisse um die Antwerpener Zitadelle. Diese Bemerkung, die sich wohl dezidiert auf die nach den Entwürfen von Maerten de Vos geschaffenen Blätter bezieht,182 für die Baltens womöglich auch selbst die Epigramme verfasste,183 ist vor allem aus zwei Gründen bemerkenswert: zum einen weil sie das Konzept der Zeugenschaft explizit auf das Geschehen und seine Wiedergabe bezieht und zur Beurteilung der Stiche zudem einen juristischen Begriff verwendet, der mit dem Anspruch höchster Vertrauenswürdigkeit verbunden war. Denn der ‚schlichte Zeuge‘ zeichnet sich nach frühneuzeitlicher Vorstellung dadurch aus, dass er das Bezeugte frei von persönlichen Meinungen, individuellen Interessen oder rhetorischen Ausschmückungen unverfälscht wiedergibt.184 Zum anderen ist der Rekurs auf die juristische Zeugnispraxis deshalb signifikant, weil Baltens sich selbst und damit letztlich auch den von ihm verantworteten Stichen zwar uneingeschränkte Lauterkeit attestiert, den Graphiken aber die werkinhärent suggerierte historische Korrektheit gleichwohl nachdrücklich abspricht. Denn den Anlass seiner Äußerung stellt die Entschuldigung für die Heroisierung insbesondere des Truppenführers Bourse bei gleichzeitiger Unterschlagung der ebenso wichtigen Rolle des Dichters Johann Baptista Houwaert dar.185 Baltens, der in seinen Ausführungen angibt, selbst Opfer von Desinformation geworden zu sein, macht an dieser Stelle zwar nicht explizit, wem die Verantwortung für diese Täuschung zu geben sei, doch die Graphikserie weist in Bezug auf die Glorifizierung der drei Protagonisten sowie die Betonung ihrer Eidestreue deutliche Parallelen mit dem Inhalt einer unmittelbar nach den Ereignissen von den Generalständen veröffentlichen Rechtfertigungsschrift auf.186 Dies legt zumin181 Baltens: Recommendatie, S. xxvj: Soo vele als ick wiste / ende my is aenghegheuen / Hebbe ic als een slechte ghetuyghe daer af geschreven. Ich danke Nils Büttner für seine Hinweise zur Übersetzung die­ ser Textstelle. Zu der Passage vgl. Stock 1998, S. 167. Vgl. auch Willem van Haechts Äußerungen zur Darstellung der Ereignisse: Haecht: Houwaert, S. xxix–xxxiij sowie dazu Stock 1998, S. 167. Baltens’ Formulierung könnte darauf hindeuten, dass er als Autor der Epigramme aufzufassen ist. 182 Vgl. Stock 1998, S. 167. 183 S.o. S. 89, Anm. 181. 184 Vgl. u.  a. Frisch 2010, S. 103–106. 185 Vgl. Baltens 1582–1583, S. xxvj. 186 Vgl. Cort verhael. Zum Entstehungskontext der möglicherweise von Philips van Marnix verfassten Schrift vgl. Geurts 1956, S. 66  f. Die Publikation pointiert ebenfalls vor allem das vorbildliche Verhalten sowie die Eidestreue Bourses. Vgl. Cort verhael, S. 32.

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Abb. 30. Theodor de Bry: Das Böse regiert die Welt, während Wahrheit und Gerechtigkeit schlafen, 1577 (?), Kupferstich, 216 × 282 mm, Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek, Sign. 32.5. Aug. 2°, fol. 949.

dest nahe, dass sich der Verleger mit seinem Werk –  bewusst oder unbewusst  – der ‚offiziellen‘ Interpretation der Ereignisse anschloss; womöglich auch, um für die von ihm verlegte Kupferstichfolge das auf dem Titelblatt vermerkte Privileg zu erhalten. Dass die Wahrheitsfigur nicht nur die für die Gültigkeit des sich im und durch das Bild vollziehenden Eides notwendige Verbindung zwischen Immanenz und Transzendenz repräsentiert, sondern in diesem Zusammenhang auch die ‚erfolgreiche‘ Rezeption garantieren soll, wird anhand eines weiteren, 1577 von Theodor de Bry geschaffenen Kupferstichs deutlich (Abb. 30).187 Wie im Folgenden ausgeführt werden soll, konstruiert das im Kontext der Bildpropaganda für Wilhelm von Oranien entstandene Blatt gezielt 187 Zu der Graphik vgl. Harms / Schilling / Wang 1997, S. 44; Leuschner 1997, S. 150; Kunzle 2002, S. 141–143; Müller 2003, S. 78–80; Horst 2003, S. 185–187. Neben der Darstellung Don Juans sprechen auch die bekannten Daten aus de Brys Biographie für die hier vorgenommene Datierung. Der ausgebildete Goldschmied war vermutlich erst seit seinem Umzug nach Antwerpen im Jahr 1577



2.2. Zeugenschaft der Bilder

ein Dispositiv ästhetischer Zeugenschaft,188 das sich gerade jenseits der Darstellung eines konkreten historischen Geschehens darum bemüht, die Betrachtenden aktiv an der durch den gezeigten Schwurakt ermöglichten (Wieder-)Herstellung von Wahrheit und Gerechtigkeit zu beteiligen. Die von de Bry konzipierte und von französischen, lateinischen sowie niederländischen Epigrammen begleitete Graphik präsentiert darme Werelt (‚die arme Welt‘) als einen geschundenen Ort: In einem den ersten Bildeindruck dominierenden transparenten Globus, dessen Inneres von einem herabgerutschten, zerschlissenen Tuch freigelegt wurde, verdichten mehrere kleinteilige Gewalt- und Kriegsszenen, ähnlich wie in de Gheyns und van Haechts Violentiae Theatrum (Abb. 4), in der antispanischen Druckgraphik jener Jahre allgegenwärtige Motive zu einem erschreckenden Kompendium der Grausamkeit (Abb. 31). Von Habgier getriebene Taten verbinden sich dabei mit Akten sexualisierter, politisch sowie religiös motivierter Gewalt, um den Eindruck umfassender lasterhafter Brutalität der Spanier zu erzeugen. So plündern Soldaten nicht nur eine Geldtruhe, sondern greifen auch eine wehrlose, an Hans Collaerts Gestalt der überfallenen Belgia (Abb. 15) erinnernde Frauenfigur an, die vor einer Kanzel Schutz gesucht hat, auf der sich ein Prediger angesichts der Gefahr flehend an Gott wendet. Die im Hintergrund gezeigte Hinrichtung ist zugleich unmissverständlich als Enthauptung der Grafen von Egmond und Hoorn im Jahr 1568 zu erkennen, die in der niederländischen Bildpropaganda das vermutlich am häufigsten abgebildete Ereignis darstellt und der eine herausragende Funktion als fest etabliertes Sinnbild der den Spaniern vorgeworfenen Willkürherrschaft zukam.189 Sowohl diese, eine konkrete räumliche und zeitliche Verortung übersteigende bildliche Komprimierung verschiedener Gewaltszenen als auch die innerhalb des Globus von rechts beständig nachrückenden Truppen evozieren den Eindruck einer unabänderlichen Kontinuität der Gräueltaten.190 Verstärkt und zugleich gebrochen wird diese Wirkung durch den rechts neben dem Schafott dargestellten Sturz des Teufels in einen flammenden Abgrund, der die heilsgeschichtliche Dimension des Leids verdeutlicht. Dieses Motiv wird durch das oberhalb der Sphaira zu lesende Schriftband, welches das Entstehen des Krieges in Anlehnung an das 20. Kapitel der Offenbarung auf die Befreiung der apokalyptischen groot serpent (‚große Schlange‘) zurückführt, mit der endgültigen Verbannung Satans „in den See aus Feuer und Schwefel“ (Offb 20,9) assoziiert. Zudem verweist es, gleichsam als typologische Entsprechung der auch den (womöglich erst 1578) als Kupferstecher tätig und verdiente dort seinen Lebensunterhalt mit der Anfertigung propagandistischer Druckgraphik. Vgl. Groesen 2008, S. 59–61. 188 Zur ‚ästhetischen Zeugenschaft‘ vgl. Schlie 2016. 189 Vgl. Arnade 2008, S. 187–191; Rittersma 2009. 190 Zu dem Stich im Kontext einer – primär räumlich aufgefassten – „Globalisierungsstrategie antispanischer Graphik“ vgl. Müller 2003, S. 77–80 (Zitat S. 77).

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Abb. 31. Theodor de Bry: Das Böse regiert die Welt, während Wahrheit und Gerechtigkeit schlafen, 1577 (?), Kupferstich, Detail aus Abb. 30.

Spaniern bevorstehenden Bestrafung ihrer superbia, auf die urzeitliche Verbannung Luzifers aus dem Himmel und erzeugt somit innerhalb des Globus eine bildimmanente ‚Zeitschleife‘ vom Ursprung bis zum Ende alles Bösen,191 in welche die gewaltsamen Ereignisse in den Niederlanden eingeschrieben sind. Ihren Abschluss werden diese, so die Argumentation, erst durch die Ankunft des Erlösers und das abschließende göttliche Urteil finden, welches die oberhalb der Weltkugel erscheinende Anbetung des Lammes bereits ankündigt.

191 Zur ikonographischen Amalgamierung von ur- und endzeitlichem Engelsturz in Gemälden von Frans Floris und Pieter Bruegel d.Ä. vgl. Pawlak 2011, S. 45–85.



2.2. Zeugenschaft der Bilder

Die sinnstiftende Überhöhung der zeitgenössischen Konflikte zum endzeitlichen Kampf des Guten gegen das Böse manifestiert sich auch in der außerhalb der Sphäre zu sehenden Gegenüberstellung der Figuren Wilhelms von Oranien in der linken sowie des Herzogs von Alba und Don Juans192 in der rechten Bildhälfte. Die fatale Rolle der beiden spanischen Statthalter wird nicht nur dadurch deutlich, dass sie die Figur des Wohlstands des Landes gleichsam als Geisel zwischen sich gefangen halten und sie zu einem unfreiwilligen sowie damit im Sinne der Eidestheologie blasphemischen Schwur zwingen.193 Vielmehr werden sie darüber hinaus durch die ihnen beigegebenen Sensen selbst in Verkörperungen des allgegenwärtigen Todes transformiert, den sie über die Welt gebracht haben, um ihre eigennützigen Interessen zu erpressen, wie die ihnen zugeordneten Inschriften offenbaren.194 Als Drahtzieher des Unheils scheinen sie die Figuren von Wollust, Betrug und Neid zu dirigieren, welche die Weltkugel mit unterschied­ lichen Waffen attackieren.195 Signifikanterweise treffen der Gewehrschuss, welchen die an Bacchus erinnernde Figur der Voluptas abfeuert, sowie die flammende Fackel der mit einer Maske als zweitem Gesicht ausgestatteten Fraus genau dort auf den Globus, wo im Inneren der Sturz des Teufels dargestellt ist, womit die selbstzerstörerische Kraft des Bösen eindrücklich entlarvt wird. Dass dem herrschenden Zustand der Gewalt dementsprechend sein vorherbestimmtes Ende bereits latent eingeschrieben ist, wird auch auf der linken Bildseite deutlich, wo der Schlaf von Wahrheit und Gerechtigkeit als wesentliche, im niederländischen und französischen Epigramm beschriebene Konsequenz des sündhaften Ansturms dargestellt ist.196 Die Verkörperungen der beiden Prinzipien erscheinen dort sitzend und mit geschlossenen Augen, ohne wahrzunehmen, was in der Welt geschieht, und folglich ohne Macht, etwas dagegen auszurichten. In markantem Kontrast zur dadurch suggerierten Statik der Szene wird hier jedoch bei genauerer Betrachtung die Momenthaftigkeit eines entscheidenden Wendepunkts erkennbar: Schwert und Waage der Iustitia, die selbst nur noch durch die Hand des hinter ihr stehenden Wilhelm von 192 Daniel Horst hält eine Identifikation der Figur als Don Luís de Zúñiga y Requesens, Don Juan de Austria, aber auch Albas Sohn Don Fadrique de Toledo für möglich (Horst 2003, S. 187). Für die Deutung als Don Juan spricht jedoch nicht nur die größere Nähe zu dessen Porträtdarstellungen, sondern auch die inhaltliche Übereinstimmung des Blattes mit der gegen Don Juan gerichteten Propaganda. 193 Diese Deutung der Figur folgt: Horst 2003, S. 187. Zum falschen Eid als Akt der Blasphemie vgl. Schwerhoff 2005. 194 Si on ne fait a nostre Volonté, / Jamais naurons repos ne seureté sowie In ons en suldij vinden gheen sekerheijt noch rust, / Wort ghewelt volbrocht haet, nijt en Wellust. 195 Die Identifikation der Figuren variiert zwischen den Epigrammen, s.  u. die entsprechenden Zitate in der folgenden Anmerkung. 196 Enuie, Ambition, Volupté, Tÿrannie / Poure monde, te font, las, telle felonnie, / Que Verité sommeille, et Justice sendort sowie Haet en nijt, Valscheijt, Tijranije, en Wellusticheijt / Och Arme Weerelt doen v soo veel vieleijnicheijt / Dat de Waerheijt sluijmt, ende Justitie slaept.

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Oranien auf ihrem Sitz gehalten zu werden scheint, drohen jeden Moment aus ihrem gelockerten Griff zu gleiten und scheppernd zu Boden zu fallen; und die vom Impuls der Laster nach links geneigte Kugel, durch deren Drehung auch der über dieser liegende zerschlissene Stoff herabgerutscht ist und gleich einem Vorhang das Innere offenbart hat, erweckt den Anschein, mit ihrem Kreuz bei fortschreitender Bewegung unweigerlich gegen den Kopf der schlafenden Veritas zu stoßen. So würde diese nicht nur vehement geweckt, sondern – womöglich – auch dazu angeregt werden, das mit geöffneten Schließen auf ihrem Schoß liegende Buch aufzuschlagen, das gleichermaßen auf die Bibel, ein Rechtsbuch und das Buch mit Sieben Siegeln rekurrieren kann und die Vielschichtigkeit der mit der Veritas-Figur verbundenen semantischen Ebenen damit erneut unterstreicht.197 Doch es ist nicht allein der Angriff des Bösen selbst, der langsam, aber beständig auf sein eigenes Ende zuarbeitet; vielmehr trägt, wie die an die „arme Welt“ gerichteten Epigramme erläutern, in erster Linie der zum gottgesandten Erlöser stilisierte Prinz von Oranien den entscheidenden Anteil daran: Dieu te veuille enuoÿer, pour ton bien et support, / Vn Gouuern[eur] paisible, humain, et debonnaire […] (‚Gott will Dir für Dein Wohlergehen und zu Deiner Unterstützung einen friedfertigen, menschlichen und gütigen Anführer schicken‘) und De heere will v senden […] / Eenen regent vreedsamich en oock goedertieren / Die dwelvaren des lants soect in alle manieren (‚Der Herr will Euch […] einen friedfertigen und auch gütigen Regenten senden, der auf alle Weisen die Wohlfahrt des Landes sucht‘). Seinen bildlichen Ausdruck findet Wilhelms hier beschriebenes Streben nach dem Wohlergehen der Welt beziehungsweise des pars pro toto für diese stehenden Landes im demonstrativ inszenierten Akt seines Eides, den er, mit der Rechten auf die Figur der Gerechtigkeit gestützt, auf die ihm aus dem Himmel gereichten Gesetzestafeln ablegt. Der Inhalt des von ihm geleisteten Schwurs ist den Inschriften zu entnehmen, welche die Worte Wilhelms sowie eine aus einer Posaune ertönende himmlische Stimme wiedergeben. Der Oranier versichert demnach, den Geboten Gottes – das heißt insbesondere dem Tötungsverbot (De fait ou de vouloir ne tue) und der Wahrung des Friedens (garder paix) – zu folgen, deren Beachtung in der den Wahlspruch des Prinzen Je maintiendrai aufgreifenden Formulierung des Schwures untrennbar an seine Person gebunden wird: […] Tes commandemens M’aintiendraÿ (‚Deine Gebote werde ich wahren‘). In der mosaische und christologische Symbolik kombinierenden räumlichen Verbindung von Wilhelms Schwurhand mit dem Kreuz der Sphaira und den göttlichen tabulae wird eine politische, religiös-konfessionelle und moralische Ebenen bewusst verbindende Legitimationsstrategie manifest, die für die prooranische Bildpropaganda jener Zeit insgesamt charakteristisch ist.198 Besonders anschaulich wird dies exemplarisch anhand einer wohl ebenfalls 1577 von Marcus Gheeraerts geschaffenen, sowohl in einer 197 Zur Deutung des Buchs vgl. Horst 2003, S. 187. 198 Zur Bildpropaganda für Wilhelm von Oranien vgl. u.  a. Horst 2006; Horst 2007.



2.2. Zeugenschaft der Bilder

Abb. 32. Marcus Gheeraerts (zugeschrieben): Wilhelm von Oranien als Hl. Georg, um 1577, Radierung, 362 × 269 mm, Amsterdam, Rijksmuseum, Inv.-Nr. RP-P-OB-52.503(R).

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lateinischen als auch in einer niederländischen Version publizierten Radierung (Abb. 32), die ein fiktives Standbild Wilhelms als Ritterheiliger Georg zeigt.199 Rüstung und Pferd ebenso wie der von ihm besiegte Drache werden dabei durch eine ausführliche Legende allegorisiert und gleichen den Prinzen dem Idealbild des im Epheserbrief (Eph 6,10–20) beschriebenen miles christianus an.200 Während die Bedeutungen einiger Rüstungsteile – insbesondere der Gürtel der Veritas, der Panzer der Iustitia und der Schild der Fides – unmittelbar dem biblischen Text entnommen sind,201 werden weitere Qualitäten ergänzt, die sich auf Wilhelms Eigenschaft als patriotischer und gottesfürchtiger Kämpfer für das Land (Belgium) und die Kirche Christi (Ecclesia Christi) sowie die durch seine Ämter begründete politische Autorität (Authoritas officij) beziehen. Als pater patriae (‚Vater des Vaterlandes‘), zu dem ihn das panegyrische Sockelepigramm überhöht, erscheint er dabei – nicht nur im Gegensatz zu den spanischen Statthaltern, sondern auch den Ständen der Provinzen, zu denen er eine durchaus konfliktreiche Beziehung pflegte202 – als göttlich auserwählter Vertreter der gesamten Niederlande.203 Ohne Wilhelm in letzter Konsequenz explizit als rechtmäßigen Regenten über die Provinzen zu proklamieren, werden ihm damit alle Qualitäten eines souveränen Herrschers zugeschrieben, der sowohl für die vera religio wie auch für die Freiheiten des ‚Vaterlandes‘ kämpft.204 In de Brys Stich wird der Oranier in vergleichbarer Weise als gottgesandter Retter, tugendhafter miles christianus und idealer Fürst präsentiert, der nicht durch bloße kriegerische Gewalt – er trägt zwar einen Harnisch, doch weder Helm noch Handschuhe, und sein Schwert ist nicht gezogen –, sondern primär durch die Ausübung seiner dem Kanon herrscherlicher virtutes entsprechenden moralischen Qualitäten für den Glauben und für die Niederlande kämpft. Seinen Auftrag erhält er signifikanterweise nicht allein von Gott, sondern ebenfalls vom Land selbst, dessen Verkörperung ihn mit einem Lorbeerkranz krönt und, wie die ihr zugeordneten Inschriften verdeutlichen,205 explizit zur Erweckung von Wahrheit und Gerechtigkeit aufruft. Hier verbinden sich folglich imperialer Anspruch und kommunale Geste in einer Weise, die für das in weiten Teilen widersprüchliche politische Denken in den Niederlanden jener Zeit, in dem monarchistische 199 Vgl. zu der Graphik Muller 1882, S. 87, Nr. 889A; Popham 1929; Becker 1986; Göttler 1996, S. 147– 149; Horst 2003, S. 238–241; Pawlak 2015, S. 79. 200 Zur Stilisierung von Kriegern und Herrschern zu milites christiani vgl. Wang 1975, S. 177–194. 201 Vgl. Eph 6,14–16. Die genaue Zuordnung der Rüstungsteile zu den einzelnen Tugenden variiert zwischen den verschiedenen Zuständen von Gheeraerts’ Radierung. Vgl. zu den Versionen Horst 2003, S. 350. 202 Vgl. Mörke 2007, S. 165. 203 Zur erstmals 1571 belegten Bezeichnung Wilhelms als pater patriae sowie zum problematischen Begriff der ‚patria‘ vgl. Mörke 2007, S. 162–165; Arnade 2008, S. 262  f. u. 272–303. 204 Vgl. Arnade 2008, S. 263 u. 279. 205 Resueillez vous Justice et Verité, / Ou autrement tout le monde est gasté sowie Ghij, Justitie en Waerh[eijt] wilt o[n]twaecke[n] saen.



2.2. Zeugenschaft der Bilder

Überzeugungen und republikanische Tendenzen im Hinblick auf die Person Wilhelms in ungeklärtem und spannungsreichem Verhältnis nebeneinanderstanden, bezeichnend ist.206 Die durch ihren Thron hervorgehobene Figur der Veritas kann vor diesem Hintergrund, insbesondere in Verbindung mit der Darstellung der Iustitia, gerade deshalb legitimierend fungieren, weil sie nicht nur Wilhelms im Akt des Eides performativ affirmierte moralisch-juristische Bindung an Gott, sondern im Sinne der burgundischen Herrschaftstradition auch an die Bevölkerung der Niederlande visualisiert und zugleich die soteriologische Rolle pointiert, die ihm als Erwecker endzeitlicher Veritas und Iustitia zugeschrieben wird. Der ambige Status der Figuren von Wahrheit und Gerechtigkeit, die durch ihren Schlaf einerseits den prekären Zustand der Welt als fatalen Mangel ihrer Wachsamkeit und Wirksamkeit sinnfällig machen sowie andererseits auf die bevorstehende Änderung dieser Lage verweisen, erhält in diesem Zusammenhang eine spezifische sinnstiftende Funktion. Denn allein der aufrichtige Schwur des Prinzen, der als ritueller Akt real wie metaphorisch den Übergang vom Schlaf zum Erwachen respektive vom Tod zur Auferstehung sowohl markiert als auch initiiert, vermag der innerbildlichen Argumentation nach das beständige Oszillieren zwischen der An- und Abwesenheit von Wahrheit und Gerechtigkeit aufzulösen. Im Sinne des Eides „als Vollzugszeichen, in dem aus dem sacrum der Handlung und dem Sprechakt selbst das Beeidete […] hervorgeht“,207 affirmiert Wilhelm demnach nicht nur die von ihm beschworenen Eigenschaften der Pax (‚Frieden, friedliche Herrschaft‘) und Clementia (‚Milde, Gnade‘), die ihm die Epigramme explizit zuschreiben,208 sowie der für den legitimen Schwur ausschlaggebenden Veritas und Iustitia.209 Er realisiert sie vielmehr, indem er selbst, gerade im Kontrast zu der äußerlich ähnlichen, jedoch unter Gewalt erpressten Schwurgeste der gefangenen Figur des Wohlstands, zur eigentlichen Verkörperung dieser Tugenden wird. Die Wirkmacht des Eides, die im Kupferstich durch die Metapher der bevorstehenden ‚Erweckung‘ und den damit verbundenen liminalen Zustand der allegorischen Figuren visuell vermittelt wird, soll sich dabei mittels des intendierten Rezeptionsvorgangs über die ästhetische Grenze hinaus entfalten.210 Denn die aktive Involvierung der Betrachtenden ist für das Bildkonzept schon deshalb entscheidend, weil das Gelingen des Eides als Rechtsakt stets von der Gegenwart verlässlicher Augen­zeug:innen 206 Vgl. Arnade 2008, S. 262  f. Vgl. auch Wilhelms Inszenierung in der Republik der Vereinigten Provinzen, wie sie beispielhaft an seinem Grabmal in der Nieuwe Kerk in Delft erkennbar wird, dazu Pawlak 2015; Koller 2020, S. 134  f. 207 Schlie 2012, S. 132. 208 Vn Gouuern[eur] paisible, humain, et debonnaire. 209 Insbesondere die Eigenschaft der clementia galt, zurückgehend auf Seneca, als eine der wichtigsten Herrschertugenden. Vgl. dazu Behrens 2001; Gelderen 2002, S. 30 u. 181. 210 Zu Darstellungen schlafender Figuren, deren potenzielles Erwachen die ästhetische Grenze gleichermaßen zu betonen wie imaginativ zu überschreiten vermag, vgl. Barkan 1993, S. 148.

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abhängt.211 Diese Position nehmen die Rezipierenden nicht nur durch das Faktum der Betrachtung an sich oder durch ihre Gegenwart anerkennende Blicke aus dem Bild ein. De Brys Graphik generiert zu diesem Zweck vielmehr ein komplexes ‚testimoniales Szenarium‘,212 welches die Betrachter:innen – der vormodernen Wortbedeutung nach, die nichts anderes als das Aufbringen einer ausreichend großen Zahl von Zeug:innen meint213 – von der Glaubwürdigkeit des Gezeigten und damit auch des bildlich inszenierten Schwurs ‚über-zeugen‘ soll. So lässt sich die in der Sphaira zu lesende Aufforderung Aensiet darme Werelt verscheurt zeere (‚Seht die arme Welt an, [die] sehr zerrissen [ist]‘) als Appell zur intensiven Auseinandersetzung mit der vorliegenden Darstellung der Welt wie auch mit den in Wirklichkeit verübten Grausamkeiten verstehen. Die realen, aber auch die medial vermittelten Gewalterfahrungen der Rezipient:innen, welche durch die auf ein Wiedererkennen bekannter Muster und Motive abzielenden interpikturalen Bezüge bewusst aufgerufen werden, fungieren somit als gleichsam empirische Belege für die Richtigkeit der gegen die Spanier erhobenen Vorwürfe. Die zahlreichen Todesopfer, die auf de Brys Stich in Gestalt von Skeletten im Himmel zu sehen sind und dort die nach der Öffnung des fünften Siegels unter dem göttlichen Altar erscheinenden „Seelen der Getöteten, wegen Gottes Wort und wegen des Zeugnisses, das sie hatten“ (Offb 6,9) repräsentieren, treten in diesem Sinne, mit dezidiert konfessioneller Konnotation, als Märtyrer und Blutzeugen auf.214 Dass einer dieser „Mitknechte und Brüder“ (Offb 6,11) die Betrachtenden direkt anzublicken scheint, verweist auf die beständig drohende Gefahr des eigenen Todes im Angesicht der Gewalt und bestätigt im selben Moment die eintretende Erfüllung der von den Rezipient:innen ebenfalls selbst gehörten (ope[n]t u ooren [‚Öffnet Eure Ohren‘]) biblischen Prophezeiung des Weltendes. In Form einer „negativen Zeugenschaft“215 sind es dabei letztlich die Spanier selbst, die durch ihre Taten ihr eigenes diabolisches Wesen enttarnen, wie im Bild durch eine mehrschichtige Dialektik der Ver- und Enthüllung zum Ausdruck kommt. Bei genauerer Betrachtung wird deutlich, dass das Innere des Globus bis vor Kurzem noch vollständig verborgen war: Die Überreste einer opaken Hülle, die im Bereich der einrückenden Soldaten zu erkennen sind (vgl. Abb. 31), verweisen metaphorisch auf das Zerbrechen der Weltordnung im Sinne eines mundus inversus wie auch auf die entlarvende Kraft, welche dem Ansturm des Bösen innewohnt, das in einem destruktiven „Akt der Selbst211 212 213 214

Vgl. Blümle 2011, S. 41. Zu dem Begriff vgl. Schlie 2016. Zu Szenarien der Zeugenschaft vgl. auch Kalisky 2014. Zu dieser ursprünglichen Wortbedeutung vgl. Schlie 2014a, S. 18. Die Anbetungsszene greift, wie an der Figur des an einen Bischof erinnernden Ältesten deutlich wird, der das Blut des Lammes in einem Kelch auffängt, auf das Vorbild des zwölften Holzschnitts aus Albrecht Dürers Apokalypse von 1497/1498 zurück. 215 Schlie 2016, S. 23.



2.2. Zeugenschaft der Bilder

demontage“216 die wahre Grausamkeit und lasterhaften Beweggründe des eigenen Handelns offenbart. Das Gewaltszenario in der Sphaira wird jedoch erst durch das Herabrutschen des zerschlissenen Tuches oder Vorhangs als Enthüllung zweiter Ordnung erkennbar, die durch die räumliche Nähe zur Veritas-Figur mit einer Offenbarung der Wahrheit assoziiert wird. In diesem kunsttheoretisch aussagekräftigen Motiv, welches de Bry bezeichnenderweise mit seiner gleichsam namentlich für die Darstellung einstehenden Signatur Theo[dor] de Brÿ fe[cit] zusätzlich markierte,217 wird zugleich der epistemische Anspruch des Kupferstichs deutlich, der alle für die Verkommenheit der Spanier angeführten Zeugnisse zu einer eindrücklichen Bildformel verdichtet und erst dadurch den wahren Zustand der Welt sichtbar macht.218 Derart von der Aufrichtigkeit von Wilhelms Eid überzeugt, werden die Betrachtenden idealiter nicht nur zu dessen passiven Bürg:innen; die bereits beschriebene, ostentativ hervorgehobene Inszenierung des entscheidenden ‚Kippmoments‘ zwischen Schlaf und Erwachen von Wahrheit und Gerechtigkeit stimuliert vielmehr die Vorstellung der bevorstehenden Erweckung. Im Prozess der intensiven Auseinandersetzung mit dem Blatt wird das Ende des fatalen Schlafes von Veritas und Iustitia daher in der Imagination der Rezipierenden bereits vorweggenommen, die damit, unweigerlich in die Position von Verbündeten des Prinzen versetzt, antizipierend erfüllen, was er verspricht. De Brys Kupferstich belegt demnach erneut, dass die propagandistische Druckgraphik der 1570er Jahre insbesondere durch die programmatische Aneignung der wirklichkeitsgenerierenden Kraft performativer Akte auch über den eigentlichen Prozess der Betrachtung hinausgehend wirksam zu werden beanspruchte. Dem rituellen Akt des Eides kam in diesem Kontext nicht nur aufgrund seiner traditionellen politischen Bedeutung im Rahmen der Blijde Inkomsten eine besondere Relevanz zu, sondern vor allem auch deshalb, weil zu seinem Vollzug die aktive Involvierung der Betrachtenden als Zeug:innen unerlässlich war, sodass der Rezeptionsprozess integraler Bestandteil der jeweiligen Bildkonzepte ist. Gerade weil die Veritas in den hier untersuchten Graphiken zwar als Verkörperung eines Macht legitimierenden Zusammenhangs von Aufrichtigkeit und göttlicher Wahrheit präsent, jedoch –  anders als in den in Kapitel  2.1. analysierten Blättern  – nicht unmittelbar als Handlungsträgerin in das gezeigte Geschehen eingebunden ist, wird das Potenzial zu ihrer Realisierung in den Werken grundlegend anders bestimmt. Als aktive Träger der Veritas fungieren auf einer ersten Ebene die dargestellten Protagonisten des Aufstandes sowie die von ihnen geleisteten aufrichtigen Schwüre. Auf einer 216 Müller 2003, S. 79. 217 Zu verschiedenen Formen bildimpliziter Selbstzuschreibung des Künstlers als Zeuge des Dar­ge­ stellten vgl. Yiu 2011; Schlie 2014b, S. 280. 218 Zum Vorhangmotiv vgl. die auf S. 45 in Anm. 53 genannte Literatur.

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übergeordneten Ebene wird dieses Potenzial zur Verwirklichung der Wahrheit auf die Betrachtenden übertragen, wie am Beispiel von Theodor de Brys Das Böse regiert die Welt, während Wahrheit und Gerechtigkeit schlafen (Abb. 30) durch die von ihnen eingeforderte imaginative Erweckung von Veritas und Iustitia deutlich wird und sich im Falle gelungener Propaganda im Anschluss auch in tatsächlichen Handlungen niederschlagen soll. Die im vorliegenden Abschnitt untersuchten Kupferstiche verbinden dafür die dargestellten Ereignisse und deren Akteure, die Graphiken und ihre jeweiligen Autoren, die Wahrheitsfigur sowie nicht zuletzt die Rezipierenden gezielt zu einem komplexen testimonialen Netzwerk, dessen Verlässlichkeit – gerade angesichts seiner durch Baltens’ oben zitierte Selbstbeschreibung als aufrichtiger, aber getäuschter Zeuge exemplarisch verdeutlichte Brüchigkeit – die verkörperte Veritas bestätigt. Der hiermit verfolgte Anspruch, im Sinne einer die Wahrnehmungen und Handlungen der Betrachter:innen prägenden Wirkungskraft der Graphiken zur historischen Realisierung der Wahrheit beizutragen, manifestiert sich nachdrücklich in den ‚Bildakten‘219 des Eides, in denen die betonte Aufrichtigkeit der dargestellten Protagonisten auf die Graphiken und den von ihnen intendierten Rezeptionsvorgang übertragen werden soll.

2.3. Veritas filia rei publicae Die für die Aufstandspropaganda der 1570er Jahre zentrale Warnung vor der angeb­ lichen notorischen Unaufrichtigkeit der Spanier gewann zu Beginn des 17. Jahrhunderts innerhalb der öffentlichen Debatten um einen möglichen Friedensschluss mit den habsburgischen Niederlanden erneut an Aktualität.220 Insbesondere denjenigen politischen Kräften innerhalb der Vereinigten Provinzen, die sich gegen Verhandlungen und erst recht gegen einen Vertragsabschluss mit den Kriegsfeinden aussprachen, dienten die den Spaniern vorgeworfenen sowie zur historischen Konstante deklarierten Betrugsfälle als schlagkräftiges Argument.221 Die tiefe Zerrissenheit der neu gegründeten Republik zeigte sich dabei bereits im Rahmen der seit Februar 1608 geführten Friedens- respektive Waffenstillstandsverhandlungen auf eindrückliche Weise: Als Verhandlungsführer musste auf der Seite der Vereinigten Provinzen der friesische Statthalter Wilhelm Ludwig von Nassau-Dillenburg dem von habsburgischer Seite entsandten Heerführer Ambrogio Spinola gegenübertreten, weil Moritz von Oranien, Statthalter unter anderem von Holland und Zeeland sowie Generalkapitän der Streitkräfte, seine Mitwirkung an den Gesprächen verweigerte.222 Als Begründung für diesen offenen Affront gegen all 219 Zur Theorie des Bildakts vgl. Bredekamp 2015. 220 Zum Zwölfjährigen Waffenstillstand und den zu jener Zeit innerhalb der Republik stattfindenden öffentlichen Debatten vgl. u.  a. Groenveld 2009; Lenarduzzi 2011; Steen 2013; Lesaffer 2014. 221 Vgl. Steen 2013, S. 45. 222 Vgl. u.  a. Snoo 2007, S. 51–53; Groenveld 2009, S. 41  f.



2.3. Veritas filia rei publicae

jene, die wie der holländische Landesadvokat Johan van Oldenbarnevelt den Dialog mit dem Gegner vorantrieben, nannte Moritz die Befürchtung beziehungsweise Erwartung, dass die Spanier eine Unterbrechung oder Beendigung der Kämpfe lediglich zur Erholung und Verstärkung ihrer Truppen nutzen würden, um ihre Angriffe anschließend mit neuer Wucht wiederaufzunehmen.223 Während der trotz dieser Warnungen geführten, über ein Jahr andauernden Beratungen über einen Friedensschluss sowie – nachdem diese ursprünglich angestrebte Lösung gescheitert war – des Zwölfjährigen Waffenstillstandes fungierte das Medium der Druckgraphik nicht nur als wichtiger Träger des antispanischen Feindbildes, sondern diente zugleich, wie die kunsthistorische Forschung bereits mehrfach zeigen konnte,224 der ästhetischen Konstruktion einer kollektiven Identität der Vereinigten Provinzen. Im Zusammenhang mit den vehement geführten Diskussionen über die Gefahren jeglichen Abkommens mit dem vermeintlich stets betrügerisch handelnden Gegner kam in diesem Kontext auch die Figur der Veritas erneut zum Einsatz,225 mit deren Hilfe die Wahrheit respektive Wahrhaftigkeit zum konstitutiven Merkmal des sich konsolidierenden Staatswesens erklärt wurde. Eine komplexe Rolle als Schnittstelle zwischen politischen, religiösen und bildrefexiven Erwägungen nimmt die verkörperte Veritas in einem im Jahr 1608 von Pieter Serwouters nach einer Zeichnung von David Vinckboons angefertigten Kupferstich ein (Abb. 33).226 Laut dem, beim hier verwendeten Exemplar des Amsterdamer Rijksmuseums abgeschnittenen und am unteren Rand des Textblattes (Abb. 34) aufgeklebten Titel stellt die Graphik den Betrachtenden die [w]aere uytbeelding klaer // eenes oprechten vrede vor Augen, [d]ie wel te wenschen waer // in elck Landt en stede („Wahrhaftige [oder: Wahre, M.H.] Darstellung eines aufrichtigen Friedens, [der in] jedem Land und jeder Stadt sehr zu wünschen wäre“227). Der von Michiel Colijn in Amsterdam verlegte Stich, der von einem ausführlichen niederländischen Epigramm sowie einer die einzelnen nummerierten Figuren benennenden lateinischen Legende begleitet wird, präsentiert sich 223 Vgl. Snoo 2007, S. 52  f. 224 Vgl. Chapman 2000; Müller 2003; Dlugaiczyk 2005; Volmert 2013a. 225 Vgl. z.  B. auch die von Willem de Haen angefertigte Allegorie auf den Waffenstillstand (1609), die zwar den Waffenstillstand zu feiern scheint, deren Epigramm jedoch andeutet, dass es sich dabei um einen trügerischen Zustand handeln könnte: „[…] Dit wordet v hier voor ghebeelt: / Elck hier syn personagi speelt: / In dien v vrempt dunckt dit bediet: / Verwacht den tyt dat ghy het siet. Zu dem Blatt sowie einer weiteren, von Elias van den Bossche geschaffenen Version vgl. u.  a. Dlugaiczyk 2005, S. 58–62 u. Nr. 14; Kaulbach 2013. 226 Zu dem Blatt vgl. Muller 1882, S. 155, Nr. 1256 sowie Levesque 1994, S. 61 u. 77; Levesque 1997, S. 249  f.; Müller 2003, S. 122–126; Dlugaiczyk 2005, S. 73  f. u. Nr. 20. Zu Vinckboons vgl. u.  a. Goossens 1954; Ertz  / Nitze-Ertz 2016. Zu Serwouters liegen kaum Forschungen vor, zuletzt untersuchte Claudia Swan einige Alben seiner Zeichnungen: Swan 1999. 227 Übersetzung zitiert nach Müller 2003, S. 123.

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Abb. 33. Pieter Serwouters nach David Vinckboons: Waere uytbeelding klaer // eenes oprechten vrede // Die wel te wenschen waer // in elck Landt en stede („Wahrhaftige Darstellung eines ­aufrichtigen Friedens, [der in] jedem Land und jeder Stadt sehr zu wünschen wäre“), verlegt von Michiel Colijn, 1608, Kupferstich, 385 × 530 mm, Amsterdam, Rijksmuseum, Inv.-Nr. RP-P-OB-80.746A.

Abb. 34. D. Marien (Schreiber): Textblatt zu Waere uytbeelding klaer // eenes oprechten vrede […] (Abb. 33), 1608, Buchdruck, 180 × 538 mm, Amsterdam, Rijksmuseum, Inv.-Nr. RP-P-OB-80.746B.



2.3. Veritas filia rei publicae

Abb. 35. Pieter Serwouters nach David Vinckboons: Waere uytbeelding klaer // eenes oprechten vrede // Die wel te wenschen waer // in elck Landt en stede („Wahrhaftige Darstellung eines aufrichtigen Friedens, [der in] jedem Land und jeder Stadt sehr zu wünschen wäre“), verlegt von Michiel Colijn, 1608, Kupferstich, Detail aus Abb. 33.

demnach als ein in Bild und Text vorgetragener „Lobgesang auf die gesellschaftlichen, politischen und ökonomischen Vorteile des Friedens“.228 Dem im Titel formulierten Anspruch der claritas steht in dem großformatigen Kupferstich eine kleinteilige und im ersten Moment unübersichtliche Darstellung gegenüber, deren Struktur nur bei eingehenderer Betrachtung erkennbar wird. Signifikanterweise vollzieht sich die für das Verständnis des Bildes zentrale Handlung weniger im durch starke Hell-Dunkel-Kontraste optisch hervorgehobenen Vordergrund der Bildfindung, sondern vielmehr im rechten Hintergrund. Dort zieht das von offenbar erschöpften Pferden gezogene Fuhrwerk des Kriegsgottes Mars gemeinsam mit dessen fliehenden Truppen vor einer durch Schraffuren angedeuteten Landschaft ab (Abb. 35), in der sich auf der linken Seite der Ausblick auf eine von einem hohen Kirchturm dominierte Stadt öffnet. Gleichsam als Nachfolgerin des Krieges bewegt sich etwas weiter vorne aus entgegengesetzter Richtung die mit einem Lorbeerkranz, Palmzweigen und einer Krone als Siegerin ausgezeichnete Figur der Pax (‚Frieden, friedliche Herrschaft‘) in einem von umfangreichem Figurenpersonal begleiteten Triumphwagen auf die einander demonstrativ gegenübergestellten Kriegsparteien der Südlichen und Nördlichen Niederlande zu. Dabei visualisiert ihr unter den Augen der im Himmel schwebenden Figur der Zeit vollzogener Einzug einen liminalen Zustand des noch nicht geschlossenen Friedens, der sich auf die zur Entstehungszeit der Graphik in vollem Gange befindlichen Verhandlungen zwischen den Vereinigten Provinzen und den im Auftrag der spanischen Krone 228 Müller 2003, S. 123.

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durch das Erzherzogspaar Albrecht VII. und Isabella Clara Eugenia regierten habsburgischen Niederlanden bezieht. Im dichotomischen Aufbau des Kupferstichs, welcher die auf beiden Seiten des Blattes zu sehenden Sinnbilder der zwei Staatsgefüge miteinander kontrastiert, spiegelt sich eindrücklich die im Vergleich zu den 1570er Jahren veränderte politische Situation des Landes, dessen Teilung spätestens seit der offiziellen Lossagung der nördlichen Provinzen von Philipp II. mit dem 1581 unterzeichneten Plakkaat van Verlatinghe nicht mehr umzukehren war.229 Die den Kupferstich begleitende, bezeichnenderweise genau 17 Strophen umfassende Dichtung rekurriert so zwar nicht nur auf inhaltlicher, sondern auch auf struktureller Ebene auf eine alle Provinzen umfassende Eintracht in einem idealen Friedenszustand, deren faktische Nichtexistenz jedoch im Bild anschaulich wird: Die durch ihre Wappen identifizierbaren Verkörperungen der zehn unter habsburgischer Herrschaft verbliebenen sowie der sieben Vereinigten Provinzen sind darauf so weit am linken respektive rechten Bildrand positioniert, dass eine größere Distanzierung kaum denkbar wäre. Ironischerweise handelt es sich bei dem zentralen Brunnenmonument, welches die beiden Kriegsparteien im Bild räumlich eindeutig voneinander trennt, ausgerechnet um die Quelle des Friedens, welche das niederländische Epigramm den Rezipient:innen als Ausgangspunkt der aufmerksamen Betrachtung empfiehlt.230 Bekrönt von einem die christliche Caritas (‚Liebe‘) symbolisierenden Pelikan mit seinen Jungen, spenden die nach dem Vorbild der drei Grazien gestalteten Brunnenfiguren Beneficientia (‚Wohltätigkeit‘), Gratitudo (‚Dankbarkeit‘) und Remuneratio (‚gütige Vergeltung, Erkenntlichkeit‘) eine friedenbringende Flüssigkeit aus ihren Brüsten. Diese wird von den auf einer darunterliegenden Plattform dargestellten, die Iuvenilitas231 (‚Jugend‘) verkörpernden Kindergestalten mit den Mündern aufgefangen, um sie ihrerseits aus ihren Brüsten in das untere Becken weiterfließen zu lassen, auf dessen Rand die Figuren der Misericordia (‚Barmherzigkeit‘), Utilitas (‚Nützlichkeit‘), Amabilitas (‚Liebenswürdigkeit‘) sowie der Veritas balancieren.232 Bei der von den Prinzipien aufrichtiger Versöhnung gleichsam 229 Zur Relevanz des Plakkaat van Verlatinghe sowie seiner Verankerung im zeitgenössischen politischen Diskurs vgl. Arnade 2008, S. 307–311 mit weiterführender Literatur. 230 Merckt dees vreedsaem Fonteyn, u hier gestelt voor oogen. 231 Die Schreibweise tuvenilitas in der Legende ist wohl als Druckfehler anzusehen; im nie­der­ländi­ schen Text werden entsprechend die Begriffe ‚kinderkens‘ und ‚ieuchdich leven‘ verwendet. 232 Dieses Brunnenmonument rekurriert womöglich auf eine aufsehenerregende Konstruktion, die im Jahr 1515 in Brügge zum Einzug des späteren Kaisers Karl V. als Herzog von Burgund errichtet worden war. Zu dem Einzug in Brügge und dem dazu angefertigten Festbericht vgl. Eichberger 2005, S. 78–84 mit weiterer Literatur. Speziell zum Brügger Brunnen vgl. Kagerer 2017, S. 61  f. sowie zu künstlerischen Vorbildern dieser Brunnengestaltung Mertens 1994, S.  117  f. Der von Vinckboons und Serwouters im Medium der Druckgraphik geschaffene Friedensbrunnen würde durch diese Verbindung die Herrschaftszeit Karls V. mit der unter seiner Führung bis 1548 hergestellten, seither jedoch zerstörten politischen Einheit der 17 Provinzen aufrufen.



2.3. Veritas filia rei publicae

Abb. 36. Pieter Serwouters nach David Vinckboons: Waere uytbeelding klaer // eenes oprechten vrede // Die wel te wenschen waer // in elck Landt en stede („Wahrhaftige Darstellung eines aufrichtigen Friedens, [der in] jedem Land und jeder Stadt sehr zu wünschen wäre“), verlegt von Michiel Colijn, 1608, Kupferstich, Detail aus Abb. 33.

körperlich verdauten Flüssigkeit handelt es sich, wie die Präsenz der vor dem Brunnen sitzenden Lethe veranschaulicht, um nichts anderes als das ‚süße Wasser‘ (water soet) des Vergessens, zu der sich ein die Erstarrung (Torpor) des Landes durch die vergangene Zeit des Krieges repräsentierender alter Mann mit letzter Kraft geschleppt zu haben scheint, um von ihr zu trinken. Auf die in frühneuzeitlichen Friedensschlüssen üblichen Oblivionsformeln anspielend,233 versinnbildlicht der Brunnen mit seiner zwischen lebendigen Bildern und steinernen Statuen changierenden Figurenausstattung demnach die Notwendigkeit kontinuierlicher aktiver Erneuerung des Friedens auf der Grundlage von gegenseitigem Vertrauen, Wohlwollen und Verzeihen begangener Untaten. Im Zusammenhang mit diesem universellen Friedenskonzept wird die Gestalt der ihren Umhang mit weit ausgebreiteten Armen öffnenden Veritas (Abb. 36) in den erläuternden Versen als Verkörperung der zur Erreichung des „aufrichtigen Friedens“ notwendigen Wahrhaftigkeit aller beteiligten Akteur:innen gedeutet: 233 Vgl. z.  B. die Oblivionsformel im ersten Artikel der Genter Pazifikation: Eerst dat alle offensien, ­iniurien, misdaden ende bescadicheden […] zullen vergeven, vergeten ende gehouden zijn als niet gesciet […]. Zitiert nach Opstand 1976, S. 354.

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So thoont u t’vrouke[n] 7. waerheyt, spreyt wijt haer cleedere[n] uyt Een Open hert ghemoet, want Godt haet al die lieghen […] Schout dobbelheyt archlist / laet u in slaep niet wieghen Hoe snel de leughen is, die waerheyt achterhaelt, noch. ‚So zeigt Euch das Fräulein Wahrheit, sie breitet ihre Kleider weit aus, ein offenherziges Gemüt, denn Gott hasst alle die, die lügen […]. Scheut Doppelgesichtigkeit und Arglist, lasst Euch nicht in den Schlaf wiegen. Wie schnell die Lüge auch ist, die Wahrheit holt sie ein.‘

Die mit dem Lob der Offenherzigkeit sogleich gekoppelte Warnung vor Hinterlist und Betrug kennzeichnet die Figur der Veritas hier gezielt als ambivalentes Sinnbild, wie in der Graphik durch ihren gewagten Balanceakt auf dem Brunnenrand sowie ihre die raumgreifende Geste der Selbstenthüllung geradezu konterkarierende Verschattung zum Ausdruck kommt, die ihren Körper unter einem dichten Netz von Schraffuren gleichsam verbirgt. Friedensideal und defizitäre Wirklichkeit in sich subsumierend, verweist sie damit dialektisch auf die der Aufrichtigkeit stets als Gegenteil gegenüberstehende Täuschung, deren Gefahr offenkundig noch immer nicht gebannt ist. Vor diesem Hintergrund suggeriert der vergleichende Blick auf die beiden Kriegsparteien, die sowohl von den jeweiligen Verkörperungen des Landes repräsentiert als auch durch weitere Figuren und Symbole in ihrer politischen, religiösen, moralischen und ökonomischen Verfasstheit charakterisiert werden, eindrücklich eine deutlich verschiedene Ausgangslage in Bezug auf den möglichen Friedensschluss: Geschützt durch den bereits im 16. Jahrhundert zum „patriotische[n] Kollektivzeichen“234 gewordenen Hollandse tuin (‚Holländischer Garten‘) thronen die Virgo Hollandia sowie Pallas Athene auf der rechten Seite als oberste Würdenträgerinnen der wohlgeordneten Republik (Abb. 37).235 Unterstützt und bewacht werden sie von dem zwar nicht gerüsteten, aber gleichwohl seinem Amt entsprechend mit einem Feldherrenstab gezeigten Moritz von Oranien, der die habsburgische Seite mit aufmerksamem Blick fixiert. Seine Anwesenheit überspielt nicht nur die in den Waffenstillstandsverhandlungen offenbar werdenden inneren Konflikte der Vereinigten Provinzen, sondern stilisiert ausgerechnet den gegen den Friedensschluss intervenierenden Statthalter zum wahrhaften Verteidiger des Landes. Gemeinsam mit einem die Heilige Schrift verkörpernden reformierten Prediger sowie einem den Freiheitshut236 tragenden Vertreter der Staten steht der Statthalter den allegorischen Regentinnen bei der Lenkung des idealisierten Gemeinwesens bei, in welchem die unterschiedlichen Würdenträger und Institutionen einmütig zu234 Müller 2003, S. 98. 235 Zum Hollandse tuin vgl. u.  a. Winter 1957; Deisel 1999, S.  124–129; Dlugaiczyk 2005, S.  102–106; ­Volmert 2013a. Zum Leo Belgicus vgl. Kempers 1995; Deisel 1999, S.  117–124; Dlugaiczyk 2005, S. 95–101; Heijden 2006. 236 Zum Symbol des Freiheitshutes vgl. u.  a. Dlugaiczyk 2005, S. 90–95.



2.3. Veritas filia rei publicae

Abb. 37. Pieter Serwouters nach David Vinckboons: Waere uytbeelding klaer // eenes oprechten vrede // Die wel te wenschen waer // in elck Landt en stede („Wahrhaftige Darstellung eines aufrichtigen Friedens, [der in] jedem Land und jeder Stadt sehr zu wünschen wäre“), verlegt von Michiel Colijn, 1608, Kupferstich, Detail aus Abb. 33.

sammenarbeiten. Diese Einigkeit wird auch durch die gelassen nebeneinandersitzenden, von der Concordia (‚Eintracht‘) angeführten Figuren der Provinzen veranschaulicht und durch den merkantilen Erfolg des Landes belegt, den eine gut gefüllte Geldtruhe sowie der herantretende Merkur visualisieren. Politische Differenzen und spannungsreiche Aushandlungsprozesse ständischer und dynastischer Macht bewusst ausklammernd,237 visualisiert das von den allgegenwärtigen Symbolen der patria geprägte Sinnbild der Republik demnach ein nach innen harmonisch geordnetes und nach außen wehrhaftes Gemeinwesen, das – so die implizite Argumentation – den Friedensschluss mit Spanien angesichts seiner Prosperität gar nicht nötig hätte. In diesem Sinne ist auch die Bewegungs­richtung der einziehenden Pax absichtsvoll gewählt, die sich signi­ fikanterweise aus Richtung der den Sieben Vereinigten Provinzen gewidmeten Bild237 Zu den Konflikten innerhalb der Republik, gerade auch in Bezug auf den Waffenstillstand, vgl. die auf S. 122 in Anm. 272 genannte Literatur.

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2. Wahrheit als Politikum

Abb. 38. Pieter Serwouters nach David ­Vinckboons: Waere uytbeelding klaer // eenes oprechten vrede // Die wel te wenschen waer // in elck Landt en stede („Wahrhaftige Darstellung eines aufrichtigen Friedens, [der in] jedem Land und jeder Stadt sehr zu wünschen wäre“), verlegt von Michiel Colijn, 1608, Kupferstich, Detail aus Abb. 33.

hälfte annähert und in erster Linie als großzügiges Angebot an die des Friedens deutlich bedürftigere habsburgische Seite erscheint.238 Denn auch wenn diese auf den ersten Blick wie ein ebenbürtiges „Gegengewicht“239 wirkt, offenbart sich doch bei genauerem Hinsehen ihre prekäre Situation (Abb. 38): Ohne Schutz und Abgrenzung nach außen gelingt es dem unter einem als Hoheitszeichen fungierenden Baldachin thronenden Erzherzogspaar auch mit Unterstützung der neben ihm gezeigten kirchlichen Würdenträger sowie Ambrogio Spinolas augenscheinlich nicht, eine mit der Republik vergleichbare Ordnung herzustellen. Unruhe herrscht nicht nur innerhalb der Gruppe der Provinzen, sondern bestimmt auch die Situation der neben einer geleerten Geldkiste sitzenden Figur der Belgica, die sich mit gequältem Gesichtsausdruck weigert, in den ihr von Felicitas (‚glückliche Lage, Erfolg‘) und Cognitio Sui (‚Selbsterkenntnis‘) vorgehaltenen Spiegel zu blicken und sich ihren eigenen desolaten Zustand einzugestehen; eine hartnäckige Beratungsresistenz, der allem Anschein 238 Vgl. ähnlich Müller 2003, S. 125. 239 Müller 2003, S. 123.



2.3. Veritas filia rei publicae

Abb. 39. Pieter Serwouters nach David Vinckboons: Waere uytbeelding klaer // eenes oprechten vrede // Die wel te wenschen waer // in elck Landt en stede („Wahrhaftige Darstellung eines aufrichtigen Friedens, [der in] jedem Land und jeder Stadt sehr zu wünschen wäre“), verlegt von Michiel Colijn, 1608, Kupferstich, Detail aus Abb. 33.

nach auch Albrecht und Isabella selbst zum Opfer fallen. Denn diese schenken der an sie herantretenden Figur der Göttin Themis, die sie mit Verweis auf den in ihrem Buch zu lesenden biblischen Vers Misericordia et veritas custodiunt regem (Spr 20,28: „Erbarmen und Wahrheit behüten einen König“) vor den fatalen Konsequenzen einer Missachtung dieser Maxime warnt, keine Beachtung. Die auf dem Thronbaldachin zu lesende, dem bekannten gregorianischen Antiphon entnommene Friedensbitte Da pacem Domine in diebus nostris (‚Gib Frieden, Herr, in unseren Tagen‘) erscheint vor diesem Hintergrund weniger als aufrichtiger Wunsch nach Aussöhnung, sondern vielmehr als realpolitischer Ausdruck eines auf den eigenen Nutzen bedachten Strebens nach der Rettung des in Bedrängnis geratenen Landes. Die für den Frieden notwendige Eigenschaft der veritas, das heißt der gottgefälligen, eine legitime Herrschaft begründenden Wahrhaftigkeit, die durch die Anwesenheit der Geistlichen implizit in konfessioneller Hinsicht mit der ‚wahren‘ Religion assoziiert wird, kommt demnach der habsburgischen Seite dezidiert nicht zu; sie kann jedoch im Sinne der antithetischen Bildrhetorik sehr wohl den Vereinigten Provinzen und mit ihnen der reformierten Kirche attestiert werden. Die Figur der Veritas und ihre ambivalente Enthüllungsgeste, mit der sie sich ­zugleich von der habsburgischen Seite abwendet, verweisen vor diesem Hintergrund nicht nur auf die Diskrepanz zwischen Aufrichtigkeit und Täuschung, sondern, an das ‚revelatorische‘ Geschichtsmodell der früheren Aufstandspropaganda anschließend, auch auf die Zwangsläufigkeit, mit der jeder Betrugsversuch aufgedeckt werden wird. Denn ihr nach oben gerichteter Blick rekurriert sowohl auf die durch das Szepter mit dem Oculus Dei (‚Auge Gottes‘) symbolisierte Allwissenheit Gottes als auch auf die gemäß der Vorstellung der Veritas filia temporis alle Geheimnisse offenbarende Zeit (Abb. 39). In

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2. Wahrheit als Politikum

Gestalt des geflügelten und mit einer Sense ausgezeichneten Chronos erscheint diese im Himmel, um eine von der manus Dei (‚Hand Gottes‘) an einem Zügel gehaltene, die Inconstantia (‚Unbeständigkeit‘) repräsentierende Weltkugel wie einen Kreisel zu drehen und den Lauf der Geschichte voranzutreiben. Immer wieder werden auf diese Weise – so die bildimplizite Argumentation – die beständig wiederholten Betrügereien der Spanier aufgedeckt, die damit die vermeintliche Aussöhnung erneut in kriegerische Konflikte münden lassen und das für den Friedensschluss notwendige Vergessen verhindern. Die räumliche Gegenüberstellung der Figuren von Veritas und Lethe am Brunnen­ monument verweist in diesem Kontext auf ihre komplementäre Opposition, die sich unter anderem in einem etymologischen Zusammenhang zeigt: Während ‚Lethe‘ auf das griechische Wort für ‚verborgen sein‘ (λήθω) zurückgeht, bezeichnet alētheia (ἀλήθεια), der daraus abgeleitete Ausdruck für ‚Wahrheit‘, im Gegensatz dazu die ‚Unver­ borgenheit‘.240 Nicht zuletzt weil im begleitenden Text beständig auf die vergangene Zeit von twist / haet / oft gramschap stuer (‚Zwietracht, Hass und grimmiger Zorn‘) verwiesen wird, fungiert der Kupferstich dementsprechend als ästhetisches Medium der sich selbst ebenso wie die Gräueltaten der Vergangenheit enthüllenden Wahrheit, die jedes Bemühen um Vergessen absichtsvoll konterkariert. Unverborgen bleibt daher für die Rezipient:innen der – ganz im Sinne der calvinistischen Prädestinationslehre – unabänderliche Lauf der Geschichte, der sich in der von der Hand Gottes bewegten transparenten Sphäre auf mehreren Ebenen anschaulich verdichtet. Die darin schemenhaft zu sehenden Figuren machen die Kugel nicht nur als Sinnbild für den wechselhaften Lauf der Welt, sondern ebenso als Motivübernahme aus der den Kreislauf des menschlichen Daseins visualisierenden Kupferstichserie aus dem Jahr 1564 nach Zeichnungen Maarten van Heemskercks erkennbar, die ihrerseits auf dem ikonographischen Programm des Antwerpener Besnijdenis Ommegang von 1561 basiert.241 Auf dem ersten Blatt der neunteiligen Graphikfolge (Abb. 40), welche dem sich beständig wiederholenden Kreislauf der sich in ihrer Abfolge gegenseitig bedingenden Zustände Reichtum – Hochmut – Neid – Krieg – Armut – Demut – Frieden – Reichtum usw. gewidmet ist, erscheint eben jener von den Verkörperungen der auf den folgenden Blättern jeweils dominierenden Entitäten bevölkerte Globus, den David Vinckboons mehr als vier Jahrzehnte später wieder aufgriff. Die sich offenbar kontinuierlich drehende Kugel auf dem von den Figuren der vier Elemente besetzten Triumphwagen der Welt, welchen die über die Pferde Dies (‚Tag‘) und Nox (‚Nacht‘) befehligende Gestalt des Tempus als Kutscher lenkt, veranschaulicht hier die Raum und Zeit strukturierende zyklische Ordnung 240 Zu dem Begriff und seinen differenzierten Bedeutungen in der Antike vgl. Szaif 2006. Vgl. die Auslegung des ‚Aletheia‘-Begriffs durch Martin Heidegger (Heidegger 2012 [1935/1936], S. 30  f.) sowie dazu zusammenfassend Schüßler 2003, S. 362; Zaborowski 2006, S. 350–353; Schwarte 2015, S. 33  f. 241 Zu der Serie vgl. u.  a. Veldman 1977, S. 133–141; Kaulbach / Schleier 1997, S. 143–163; Peters 2005; Koller / Rüth 2022.



2.3. Veritas filia rei publicae

Abb. 40. Cornelis Cort nach Maarten van Heemskerck: Der Kreislauf des menschlichen Daseins, Blatt 1: Der Triumph der Welt, verlegt von Hieronymus Cock, 1564, Kupferstich, 219 × 294 mm, Tübingen, Graphische Sammlung am Kunsthistorischen Institut, Inv.-Nr. 2891.

des Kosmos, die erst mit dem auf dem letzten Kupferstich der Serie gezeigten Jüngsten Gericht ihr Ende findet.242 Die Epoche des Friedens, die in der von Hieronymus Cock in Antwerpen publizierten Graphikfolge durch den Triumph der Pax visualisiert wird (Abb. 41), an dem bezeichnenderweise auch die von Vinckboons ebenfalls aufgegriffene Figur der Veritas partizipiert, stellt folglich einen stets nur ephemeren Zustand der Welt dar, dessen Ende ihm bereits eingeschrieben ist. Nicht einmal dieser jedoch scheint 1608 zu erreichen, denn der im Sinne des Kreislaufmodells von der Humilitas (‚Demut‘) angeführte Wagenzug des Friedens wird nicht bei den Kriegsparteien ankommen, weil die Brücke, welche der Tross dafür überqueren müsste, offensichtlich viel zu schmal ist. Die das Bildkonzept prägende Bezugnahme auf Maarten van Heemskercks Kupferstiche ist dabei nicht nur ikonographisch relevant, sondern vollzieht den Kreislauf der Welt letztlich im künstlerischen Rezeptions- und Schaffensprozess selbst auf meta­ phorischer Ebene nach. Damit wird zum einen bewusst der Entstehungskontext der 242 Vgl. Rüth 2018, S. 31  f.; Koller / Pawlak / Rüth 2022.

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2. Wahrheit als Politikum

Abb. 41. Cornelis Cort nach Maarten van Heemskerck: Der Kreislauf des menschlichen Daseins, Blatt 8: Der Triumph des Friedens, verlegt von Hieronymus Cock, 1564, Kupferstich, 220 × 294 mm, Tübingen, Graphische Sammlung am Kunsthistorischen Institut, Inv.-Nr. 2898.

nur wenige Jahre vor Beginn des Aufstandes gegen die habsburgische Herrschaft 1568 entstandenen älteren Inventionen aufgerufen, um durch diesen visuellen Rückbezug gleichsam in Form einer bildlichen Typologie die Weiterführung der Kampfhandlungen auch für die Zukunft anzukündigen. Zum anderen macht die Adaption von Maarten van Heemskercks Darstellungen unmissverständlich darauf aufmerksam, dass die hier vor Augen stehende, jedoch zwangsläufig Fiktion bleibende Friedensvision weniger einen nach erfolgreichem Verhandlungsabschluss erwarteten oder auch nur erhofften Zustand als vielmehr dessen ästhetische Utopie panegyrisch feiert. Dass der Triumphwagen der Pax, wie bereits erwähnt, im Bild von der Seite der Sieben Vereinigten Provinzen her einzieht, lässt sich vor diesem Hintergrund auch auf den vorliegenden Kupferstich und dessen Visualisierung des Friedens beziehen. Denn dieser erscheint dadurch als politische ebenso wie vor allem auch als künstlerische Hervorbringung der Republik, die sich damit die in van Heemskercks Graphiken materialisierten Traditionen der Antwerpener Festkultur und Druckgraphikproduktion gezielt aneignet und die einst gemeinsame kulturelle Praxis der Niederlande produktiv fort-



2.3. Veritas filia rei publicae

führt.243 Vor diesem Hintergrund kann auch die den Vereinigten Provinzen zugeordnete Figur der Pallas Athene nicht nur als Verkörperung weiser Staatsführung, sondern in ihrer Rolle als Patronin der Künste zugleich der kulturellen Produktivität des Landes verstanden werden; eine identitätsstiftende Deutung der antiken Göttin, wie sie 1642 in pointierter Form auf dem Titelblatt von Philips Angels in Leiden erschienenem Lof der Schilder-Konst in der Amalgamierung von Minerva, Hollandia und Pictura zu einer einzigen allegorischen Figur ihren deutlichsten Ausdruck finden sollte.244 Aus dieser Perspektive erhält auch das von Vinckboons und Serwouters am Thron der Pallas gezeigte Gorgoneion, dessen zu einem Schrei verzerrte Fratze sich aus der verschatteten Umgebung zu lösen scheint (vgl. Abb. 37), eine kunstreflexive Dimension. Denn indem Entwurfszeichner und Kupferstecher ihre Autorschaft mit ihren Signa­ turen DVB figur 1608 sowie P S demonstrativ auf dem Beckenrand des eindrucksvollen Brunnenmonuments platzierten, assoziierten sie nicht nur dessen Fruchtbarkeitsmetaphorik mit ihrer eigenen Schöpferkraft. Gerade im Hinblick auf die auffällig zwischen Statuenhaftigkeit und Lebendigkeit oszillierenden Brunnenfiguren eigneten sie sich die ‚bildhauerische‘ Kraft des versteinernden Medusenhauptes an,245 der sie die ‚bewegten‘ Figuren des Kupferstichs gegenüberstellten. Die in der Graphik manifestierte Friedensvision wird dadurch zum einen als kollektives Werk der Künstler, aber zum anderen vor allem als Ergebnis der politischen, religiösen, ökonomischen sowie intellektuellen Stärke der Vereinigten Provinzen ausgewiesen und soll diese als wirkmächtiges druckgraphisches Apotropaion vor dem Abschluss eines trügerischen Abkommens schützen. In diesem Sinne ist auch die ambige Wahrheitsfigur dezidiert als Schöpfung der Republik zu verstehen, welche den Rezipient:innen durch die in ihr verdichtete Dialektik von Aufrichtigkeit und Betrug, Vergessen und Erinnern, Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit eine für das Wohlergehen des Staatswesens notwendige Erkenntnis gewährt. Auf diesen Umstand verweist ebenfalls der bereits zitierte, mit dem Begriff der ‚Wahrheit‘ beziehungsweise des ‚Wahren‘ operierende Titel des Kupferstichs, der explizit den Status der Darstellung als ästhetische Fiktion reflektiert: Vvaere uytbeelding klaer // eenes oprechten vrede // Die wel te wenschen waer // in elck Landt en stede.246 Der imaginierte Frieden wird darin zwar durch die Verwendung des Konjunktivs ‚waer‘ als irreales Konstrukt gekennzeichnet, doch seiner bildlichen Umsetzung dennoch ein grundlegender Wahrheitsanspruch zugeschrieben, welchen die paronomastische Verbindung mit ‚vvaere‘ zusätzlich betont: Das von den Künstlern geschaffene Friedensbild ist demzufolge in gewisser Weise wahrer als jedes real zu schließende, aber notwendigerweise defizitäre Bündnis. 243 Zur bewussten künstlerischen Aneignung südniederländischer Kunst in den nördlichen Niederlanden vgl. u.  a. Onuf 2018; Welkens 2022. 244 Vgl. dazu Chapman 1986. 245 Zur kunsttheoretischen Dimension von Medusa-Darstellungen vgl. Bredekamp 2015, S. 231–235. 246 Vgl. die oben zitierte Übersetzung des Titels.

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2. Wahrheit als Politikum

Die in Vinckboons’ und Serwouters’ Graphik deutlich werdende Funktion der VeritasFigur als Verkörperung der in der und durch die Republik sich enthüllenden Wahrheit, zu deren Vermittlung und Verbreitung nicht zuletzt die Druckgraphik als kulturelles Produkt dieser politisch-religiösen Ordnung beiträgt, erlangte am Ende des Zwölfjährigen Waffenstillstandes eine verstärkte Relevanz. Zum Abschluss einer historischen Phase, die einerseits von krisenhaften inneren Konflikten der Vereinigten Provinzen, andererseits aber eben deshalb auch von zunehmender Konsolidierung geprägt war,247 diente die Berufung auf die Wahrheit auf mehreren Ebenen der Konstruktion und Stabilisierung einer kollektiven Identität der sich etablierenden Republik. Gerade weil der Rückbezug auf den zu einem ebenso heroischen wie traumatischen Akt der Befreiung stilisierten Staatsbildungsprozess für das Selbstbild der Niederländer:innen ausschlaggebend war,248 konnte die Figur der Veritas in diesem historischen Kontext als zunehmend konfessionell codierte Identifikationsfigur fungieren. Die verbreitete Vorstellung von der im Laufe der Zeit stets ans Licht kommenden Wahrheit, die nicht nur in den Darstellungen der Veritas filia temporis (s.  u. Kapitel 4.1.), sondern beispielsweise auch wiederholt in Emblemen des 16. und 17. Jahrhunderts zum Ausdruck kommt,249 avancierte dabei zum eschatologisch perspektivierten Erklärungsmuster für das Schicksal der Vereinigten Provinzen: Wie die von Neid, Betrug und Häresie unterjochte sowie verborgene Veritas aus ihrer Gefangenschaft entkommt, so vermag sich dieser Argumentation nach auch das von Gott auserwählte Gemeinwesen aus einem Zustand der politischen und religiösen Unterdrückung zu befreien, um die göttliche Wahrheit in einer von kollektiven Tugenden getragenen Staatsordnung zu realisieren. Um eine derartige, vom expliziten Bezug auf die Zeit des Aufstands getragene Identi­ tätskonstruktion bemüht sich das von einem anonymen Künstler in Kupfer gestochene Titelblatt der 1621 von Michiel Colijn in Amsterdam sowie Govert Basson in Leiden publizierten Teilausgabe von Pieter Christiaensz. Bors Nederlantsche Oorloghen, beroerten, ende Borgerlijcke oneenicheyden (Abb. 42).250 Die Graphik, welche das aufgrund der umfangreichen Wiedergabe von Quellentexten bis heute als maßgeblich geltende Geschichts-

247 Vgl. die auf S. 122 in Anm. 272 genannte Literatur. 248 Vgl. exemplarisch Steen 2015. 249 Vgl. z.  B. das Veritas filia temporis-Emblem aus Hadrianus Junius’ Emblemata von 1565 (dazu u.  a. Gordon 1940, S. 236–238; Chew 1947, S. 88; Parr 2005, S. 456–458) oder das Emblem zum Lemma Verità non può star sepolta in Jacob Cats’ Spiegel van den ouden ende nieuwen tijdt von 1633 (dazu Praz 1964, S. 227  f.). 250 Zu der Graphik vgl. Muller 1882, S. 394, Nr. 523A. Muller datiert das Blatt ohne Angabe von Gründen auf ca. 1584. Möglicherweise bezieht sich diese Datierung auf die Angabe Van 1555, tot 1584 im oberen linken Medaillon, die jedoch lediglich den Inhalt dieses Teilbands von Bors Schrift zeitlich eingrenzt.



2.3. Veritas filia rei publicae

Abb. 42. Anonyme:r Künstler:in: Titelblatt, Kupferstich, 266 × 162 mm, in: Pieter Christiaensz. Bor: Nederlantsche oorloghen, beroerten, ende borgerlijcke oneenicheyden, Amsterdam: Michiel Colijn / Leiden: Govert Basson, 1621, Amsterdam, Rijksmuseum, Inv.-Nr. RP-P-1984-122.

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2. Wahrheit als Politikum

werk einleitet,251 kann als eindrücklicher Beleg für die anhaltende Valenz der innerhalb der niederländischen Bildpropaganda der 1570er Jahre entwickelten Darstellungen fungieren, welche die Wahrnehmung der gemeinsamen Vergangenheit zu Beginn des 17. Jahrhunderts prägten.252 Das Titelfeld ist als an einem steinernen Sockel angebrachter, am unteren Rand zu einer Volute aufgerollter Papieranschlag gestaltet und verweist damit auf die Materialität des Buches, aber auch dessen schriftlicher Quellen. Darüber zeigt das Blatt ein gerahmtes Gemälde, das unverkennbar einige Szenen aus de Gheyns und van Haechts in Kapitel 2.1. vorgestelltem Violentiae Theatrum (Abb. 4) aufgreift und diese zu einer neuen Bildfindung konfiguriert, in welcher auch der Figur der Veritas eine veränderte Rolle zukommt. Im Mittelpunkt dieser Darstellung steht der die Macht über die Niederlande symbolisierende Thron, auf welchem die in de Gheyns und van Haechts Radierung die Discordia (‚Zwietracht‘) verkörpernde medusenhäuptige Frauengestalt nun als Figur der Tyrannis (‚Tyrannei‘) Platz genommen hat, die auch hier von ihrer eigenen Begleiterin unter ihrem Umhang enthüllt und zugleich entlarvt wird. Ihre Herrschaft beschreibt die auf der gegenüberliegenden Buchseite angebrachte Wtlegginghe op den Titel (‚Auslegung über den Titel‘) mit eindringlichen Worten: Als Tyranny den Stoel in’t Neerlandt had beseten, Soo lag Gerechticheyt en Waerheyt gansch versmeten: De goeden onder schijn des Godesdienst van Romen Verdreefmen over al: men heeft oock wech genomen De rijckdom van het Landt, d’onnoselen verdruct, […] ’sLandts oude rechten al veracht […] De Vrijheyt wierd verjaecht […] Galg, put en raders veel zijn doorgaens opgeheven […]253 ‚Als Tyrannei den Thron in den Niederlanden eingenommen hatte, lagen Gerechtigkeit und Wahrheit ganz niedergestreckt. Man vertrieb die Guten unter dem Schein der römischen Religion überall, man hat auch den Reichtum des Landes weggenommen, die Unschuldigen unterdrückt […], die alten Rechte des Landes verachtet […], die Freiheit wurde verjagt […]; Galgen, Pfahl und viele Räder sind dauernd aufgerichtet.‘

251 Zu Entstehungsgeschichte, historiographischem Konzept und Rezeption von Bors Nederlantsche Oorloghen vgl. Janssen 1981; Janssen 1985. 252 Vgl. Chapman 2000. Demnach etablierte die Rezeption und Aktualisierung tradierter Ar­gu­men­ ta­tions­muster und Motive eine als ‚einheimisch‘ empfundene allegorische Ausdrucksform, die gezielt zur Herstellung einer niederländischen „united community“ (Chapman 2000, S. 48) genutzt wurde. 253 Bor: Nederlantsche oorloghen, o.S.



2.3. Veritas filia rei publicae

Abb. 43. Anonyme:r ­Künstler:in: Titelblatt, Kupferstich, in: Pieter ­Christiaensz. Bor: ­Nederlantsche oorloghen, beroerten, ende borgerlijcke oneenicheyden, Amsterdam: Michiel Colijn / Leiden: Govert Basson, 1621, Detail aus Abb. 42.

Die hier beschriebene politische, religiöse, ökonomische sowie militärische Unterdrückung und Ausbeutung des Landes wird im Bild durch die verschiedenen, an de Gheyns und van Haechts Bildfindung anknüpfenden Gräueltaten visualisiert, die sich vor beziehungsweise in einer mit wenigen Schraffuren angedeuteten Landschaft ereignen. Die tyrannische Regentin leitet all jene Gewaltakte an, welche die spanischen Soldaten an der in großer Zahl den Hinrichtungen durch Rädern, Hängen und Verbrennen zum Opfer fallenden niederländischen Bevölkerung sowie dem Wohlstand und den Privilegien des Landes begehen, die sie in Form einer Geldkiste plündern. Vor allem aber dirigiert die verkörperte Tyrannei mit ihrem die Inquisition symbolisierenden, in einen Schlangenkopf auslaufenden Stab den im Vordergrund gezeigten Angriff auf die Figuren von Gerechtigkeit, Freiheit und Wahrheit, die damit erneut selbst zu mitleiderregenden Opfern des Unrechts werden (Abb.  43). So greift eine Furie die durch den Freiheitshut ausgezeichnete und durch den aufsteigenden Rauch verschattete Figur der Libertas (‚Freiheit‘) an,254 während ein Soldat die am Boden liegende Verkörperung der Veritas mit einer Lanze attackiert und die Figur der Gerechtigkeit – vielleicht in Anspielung auf Theodor de Brys oben untersuchten Kupferstich (vgl. Kapitel 2.2.) – schlafend oder ohnmächtig neben dem Sitz der Tyrannis zusammengesunken ist. Die grausame ­Regentin 254 Zur Figur der Libertas vgl. Janson 1982; Grijzenhout 1999; Sawyer 2010, S. 170–174.

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2. Wahrheit als Politikum

hat der Iustitia (‚Gerechtigkeit‘) nicht nur Schwert und Waage genommen, die unbeachtet am Boden liegen, sondern sich auch das mit Politie beschriftete Buch angeeignet, das auf die staatspolitische Ordnung der Republik verweist, welche die Thronende buchstäblich mit Füßen tritt. Vor dem Hintergrund des zum Zeitpunkt der Publikation von Bors Nederlantsche ­Oorloghen gerade beendeten Zwölfjährigen Waffenstillstandes stellt der kreative Rückbezug auf van Haechts und de Gheyns Radierung der Schrift programmatisch eine historische Begründung des Krieges voran. Das in der Graphik von 1577 inszenierte Schauspiel, als dessen Zuschauer:innen die Betrachtenden fungieren,255 wird dabei auf dem Titelblatt des historiographischen Werks, das sich der niederländischen Geschichte vom Herrschaftsantritt Philipps II. 1555 bis zur Ermordung Wilhelms von Oranien 1584 widmet, in ein verdichtetes ‚Abbild‘ der kollektiven Vergangenheit transformiert, in dem Philipps Machtübernahme als Ursache der Leben, Freiheit und Religion gleichermaßen bedrohenden Herrschaft der Tyrannei präsentiert wird. Denn indem der von den Fackeln der Thronenden und ihres Schergen sowie dem im Hintergrund brennenden Exekutionsfeuer aufsteigende Rauch sich bedrohlich hinter dem am oberen Bildrand angebrachten Porträtmedaillon Karls V. und seines Sohnes zusammenballt, erklärt die Graphik zum einen den Machtwechsel zum Ausgangs- und Kulminationspunkt des über das Land gekommenen Unheils. Zum anderen markiert die Wiederaufnahme einer Bildfindung, die aus Anlass des von Philipps Statthalter Don Juan gegebenen Versprechens zur Wahrung niederländischer Rechte entstand und zugleich auf dessen spektakulären Bruch verweist, die nach wie vor bestehende Aktualität der Kriegsbegründung. Bemerkenswert ist im Rahmen dieser visuellen Geschichtsdeutung vor allem jene Änderung an der bestehenden Bildfindung, welche für den links im Vordergrund zu sehenden Angriff gegen die bereits am Boden liegende, mit ihrem Körper das geöffnete Buch mit den Sieben Siegeln beschirmende und eine Kerze emporhaltende Figur der Waerheit vorgenommen wurde. Die hinter der Gestürzten stehende Figur eines Soldaten versetzt sie mit seinem Lanzenstoß in eben jene Position, die in de Gheyns und van Haechts Radierung die Caritas einnimmt (vgl. Abb. 7). Das identitätsstiftende Potenzial, welches der geschundenen Gestalt der Liebe als allegorischem „Gemeinschaftskörper“256 in der früheren Bildinvention nicht zuletzt durch die oben beschriebene Angleichung mit den Figuren des Populus zukommt, wird demnach auf dem Titelblatt zu Bors Schrift auf die verkörperte Wahrheit übertragen.257 255 Zur Ko-Präsenz von Akteur:innen und Zuschauer:innen im Schauspiel vgl. Fischer-Lichte 2019, S. 58–126. 256 Müller 2003, S. 80. 257 Die Figurengruppe aus de Gheyns und van Haechts Violentiae Theatrum wurde offenkundig auch von Dirck Volckertsz. Coornhert auf dem elften Blatt der Kupferstichfolge zu den Ursprüngen des Aufstands aufgegriffen. Vgl. zu der Serie u.  a. Veldman 1990, S. 69–85, Kat.-Nr. 6; Horst 2003, S. 162–171; Kaminska 2013.



2.3. Veritas filia rei publicae

Diese auffällige Modifikation verdeutlicht einen Wandel in der spezifischen Bedeutung, welche dem Aufstand als Kampf für die Wahrheit und den Niederländer:innen als deren Trägern zugeschrieben wurde. Denn ohne dass sich die Attribute der Veritas-Figur grundlegend ändern, bewirkt der neue Kontext ihres Auftretens als Opfer von Tyrannei und Inquisition eine entscheidende semantische Verschiebung: Weniger die Unaufrichtigkeit der Spanier als vielmehr die Falschheit ihrer religiösen Überzeugungen bildet nun den Kern jenes stereotypen Feindbilds, mit welchem die Republik als religiöser und politischer Gegenentwurf kontrastiert wird.258 So erklärt die unter dem dargestellten Gemälde zu lesende Inschrift Hebt ghy een Nederlanders aart, / So blijft voor’t Spaensche jock vervaart (‚Habt Ihr die Art eines Niederländers, so fürchtet Euch weiter vor dem spanischen Joch‘259) den Kampf gegen die Spanier zum maßgeblichen, gleichsam natürlichen Wesensmerkmal der Niederländer:innen, das eindeutig konfessionell codiert wird. Der Einsatz für Rechte, Freiheiten und Privilegien der patria kann aus dieser Perspektive nicht mehr unabhängig von der Abgrenzung vom eindeutig als fremd konnotierten Godesdienst van Romen260 gedacht werden: Die reformierte Konfession wird mithin zur conditio sine qua non niederländischer Unabhängigkeit und Grundlage patriotischen Selbstverständnisses deklariert. Als Retterin der Wahrheit, deren göttlich vorherbestimmte Befreiung aus der Unterdrückung nicht nur durch das Buch mit den Sieben Siegeln, sondern auch durch das auf dem Gesicht der Veritas angedeutete Lächeln erkennbar wird, fungiert das aus dem Aufstand hervorgegangene Staatswesen, dessen herausragendsten Vertretern und Institutionen – Statthalter Moritz von Oranien und seinem Bruder Friedrich Heinrich sowie den Ständen und Räten von Holland, Westfriesland und Utrecht – Bors Werk gewidmet ist.261 Dieses avanciert als der waerheyt ende seeckerheyt der saecken262 (‚Wahrheit und Gewissheit der Dinge‘) verpflichtete Schrift, deren vermeintliche Unparteilichkeit bereits auf dem Titelblatt in dem mit Onpartydich beschrifteten Medaillon in der rechten oberen Bildecke zum Ausdruck kommt, selbst zum Träger der Wahrheit. Denn diese bildet, wie der Autor in der Widmungsvorrede hervorhebt, notwendiges Fundament und essenzielles Charakteristikum gelungener Geschichtsschreibung: Het fundament, vasticheyt, geest, ziele ende ’tleven der Historien is de Waerheyt, sonder dewelcke zy gheen schoonheyt noch eenich gelooff en can hebben […]263 (‚Das Fundament, die Festigkeit, der 258 259 260 261 262 263

Zur identitätsstiftenden Funktion von Feindbildern vgl. Harms 1992; Pollmann 1992. Vgl. die anders lautende englische Übersetzung in: Kunzle 2002, S. 15. Bor: Nederlantsche oorloghen, o.S. Vgl. Bor: Nederlantsche oorloghen, o.S. Bor: Nederlantsche oorloghen, o.S. Bor: Nederlantsche oorloghen, o.S. Zur Visualisierung des konzeptuellen Zusammenhangs von ‚Wahrheit‘ und ‚Unpartelichkeit‘ vgl. ein 1625 von Jacob Matham gestochenes Porträt Pieter Bors (New Hollstein (Jacob Matham 2), S. 193, Nr. 234), in welchem dem auch auf dem Titelblatt von Neder­lantsche Oorloghen zu sehenden Medaillon mit geöffnetem Buch und gekreuzten Schreib-

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Geist, die Seele und das Leben der Historie ist die Wahrheit, ohne die sie weder Schönheit noch irgendeine Glaubwürdigkeit haben kann‘). Indem der Kupferstich vor diesem Hintergrund die im 16. und 17.  Jahrhundert geläufige Praxis aufgreift, Veritas-Figuren auf den Titelblättern und Frontispizen historiographischer Schriften zu zeigen, um den erkenntnisstiftenden Anspruch des jeweiligen Werks zu visualisieren,264 lässt er die von der Republik gleichermaßen verteidigte wie realisierte Wahrheit sinnfällig mit der im Buch enthaltenen Veritas historica verschmelzen. Auf diese Weise erscheint nicht nur Bors Nederlantsche Oorloghen, dem als vorbildliches Geschichtswerk der durch die Kerze der Veritas-Figur symbolisch aufge­ rufene Status als licht der waerheyt265 zukommt, als Ergebnis der religiösen Legitimation und kulturellen Leistungsfähigkeit der Republik. Der sich konstituierende Staat wird zugleich gerade durch das sich die frühere Bildfindung kreativ aneignende Titelblatt, das einen differenzierten Umgang mit den medienübergreifenden Zeugnissen des Aufstands belegt, zur institutionalisierten Manifestationsform einer gleichsam überzeit­ lichen, sowohl auf die Vergangenheit als auch auf die eschatologische Zukunft bezogenen Wahrheit stilisiert. Für dieses Selbstbild der Vereinigten Provinzen als wohlgeordnetes Gemeinwesen war, wie auch die zuvor analysierten Druckgraphiken andeuten, nicht allein dessen politischkonfessionelle Ordnung ausschlaggebend. Ganz im Sinne der sich im Rahmen der calvinistischen Prädestinationslehre – entgegen der ursprünglichen Intention Johannes Calvins – zunehmend durchsetzenden Vorstellung, dass sich die Auserwählung durch Gott in einem produktiven und erfolgreichen Leben manifestiere,266 wurden vielmehr auch die von der Republik auf verschiedensten Gebieten erzielten Errungenschaften als Zeichen für den vorherbestimmten Erfolg und die heilsgeschichtliche Bedeutung des Landes aufgefasst.267 In verdichteter Form wird die Übertragung dieser Vorstellung auf die Vereinigten Provinzen in einem weiteren am Ende des Waffenstillstandes entstandenen Kupferstich zum Ausdruck gebracht, den Adriaen Pietersz. van de Venne 1620 unter dem Titel Idea Belgicarum Provinciarum Confaederatarum (‚Idee der Vereinigten Belgischen Provinzen‘) in

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federn (Onpertydicheyt) ein mit Waerheyt beschriftetes Medaillon mit der Figur der nuda Veritas gegenübergestellt ist. Zur auf Cicero zurückgehenden Vorstellung der historia als lux veritatis und ihrer frühneuzeitlichen Rezeption s.  o. S. 80, Anm. 139. Vgl. Kintzinger 1995. Zur konfessionellen Instrumentalisierung von Veritas-Figuren auf Titelblättern von Büchern vgl. Hammami 2020. Bor: Nederlantsche oorloghen, o.S. Zur Rezeption von Calvins Prädestinationslehre im späteren 16. und im 17. Jahrhundert vgl. u.  a. Murdock 2004, S. 22–30; Rouwendal 2013. Vgl. u.  a. Groenhuis 1982, S. 122; Dunkelgrün 2009, S. 234.



2.3. Veritas filia rei publicae

Abb. 44. François Schillemans nach Jacobus Oorloge und Adriaen Pietersz. van de Venne: Idea Belgicarum Provinciarum Confaederatarum (‚Idee der Vereinigten Belgischen Provinzen‘), verlegt von Adriaen Pietersz. van de Venne, 1620, Kupferstich, 507 × 720 mm, Amsterdam, Rijksmuseum, Inv.-Nr. RP-P-OB-77.332.

Middelburg publizierte (Abb. 44).268 Das von François Schillemans nach einem Entwurf von Jacobus Oorloge269 sowie einer Zeichnung des Verlegers angefertigte großformatige Blatt versinnbildlicht die Vereinigten Provinzen als wehrhaften Dreimaster, welcher die tradierten – bereits zuvor wiederholt auf die Niederlande übertragenen – Vorstellungen des Staats- und Kirchenschiffs programmatisch in sich subsumiert.270 268 Zu dem Kupferstich vgl. Muller 1882, S.  151, Nr.  1416; Atlas van Stolk 2, S.  113  f., Nr.  1449; Hollstein 26, S. 8  f., Nr. 2 sowie Bol 1989, S. 56  f.; Schillemans 1992, S. 87  f.; Bos / Haan 1996, S. 26, Kat.-Nr. 11; Slechte 1998/1999, S. 243–245; Westermann 1999, S. 225; Chapman 2000, S. 47; Zandvliet 2000, S. 401, Kat.-Nr. 228; Wegener Sleeswyk 2003, S. 126–128; Snoo 2007, S. 63  f.; Goedde 2008, S. 23  f.; Sawyer 2010, S. 173  f.; Spaans 2011, S. 342  f.; Leibfried / Winter 2013, S. 46  f.; Johannes / Leemans 2017, S.  227  f.; Schwartz 2021, S.  139. Zu van de Venne vgl. u.  a. Royalton-Kisch 1988, S. 37–74; Bol 1989; Buijsen 2015. 269 Ein Künstler dieses Namens ist meines Wissens abgesehen von diesem Kupferstich nirgends nachweisbar. Möglicherweise handelt es sich bei Jacobus Oorloge (deutsch: „Jakob Krieg“) um ein Pseudonym. Zu Schillemans vgl. Schillemans 1992. 270 Zur Metaphorik des Staatsschiffs vgl. Schäfer 1972; Peil 1983, S. 700–870; Leibfried / Winter 2013.

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2. Wahrheit als Politikum

An Bord des mit einer beeindruckenden technisch-nautischen Genauigkeit dargestellten Schiffs271 bilden die auf dem Deck stehenden und sitzenden Figuren der Provinzen, der Vertreter der Generalstände sowie der reformierten Kirche, Soldaten und Admiräle, des als Steuermann agierenden Moritz von Oranien ebenso wie zahlreicher Tugenden die zur einträchtigen Gemeinschaft verbundenen Glieder des republikanischen Kollektivs. Sie konstituieren zugleich dessen nicht zuletzt in Abgrenzung von mehreren im Wasser zu sehenden Feinden politisch, konfessionell und moralisch definierte Identität, die sich insbesondere durch eine alle Institutionen und Leistungen des Landes umfassende Orientierung an der göttlichen Wahrheit auszeichnet. Deren sich in hellen Strahlen über die gesamte Darstellung verbreitendes und das Schiff an mehreren Stellen hell erleuchtendes Licht weist dem Segler nicht nur den Weg, sondern erreicht damit, wie die im Himmel gezeigten Figuren von Osmanen und amerikanischen Ureinwohnern andeuten, die ganze Welt. Die durch die dichten Wolken brechende Sonne, die mit dem Nimbus der von Engeln begleiteten Figur der nuda Veritas gleichgesetzt wird, deutet ebenso wie die im Vordergrund zu sehende aufgewühlte See einen soeben abgezogenen Sturm an. Erst weil dieser überwunden ist, können die waghalsig in den Masten kletternden Matrosen nun die aufgetuchten Segel herunterlassen, um die sichere Fahrt des Schiffs fortzusetzen. Dieses Unwetter, dessen Bedrohlichkeit trotz seines Abklingens noch zu erahnen ist, bezieht sich im historischen Entstehungskontext des Kupferstichs auf die gerade erst beendete Staatskrise im Zuge des sogenannten Arminianischen Streits. Während des Zwölfjährigen Waffenstillstandes hatte sich dieser am theologischen Disput zwischen den Leidener Professoren Jacobus Arminius und Francisus Gomarus über zentrale Glaubensfragen wie die Prädestinations- und Gnadenlehre entzündet.272 Spätestens mit der Parteinahme des holländischen Landesadvokaten Johan van Oldenbarnevelt für die Arminius folgenden Remonstranten sowie der Positionierung Moritz’ von Oranien auf Seiten der Zu jener des Schiffs der Kirche vgl. die auf S. 130 in Anm. 294 angegebene Literatur. Die sinnbildliche Darstellung der Vereinigten Provinzen in Form eines allegorischen Schiffs wurde offenbar aus einer von einem anonymen Künstler geschaffenen Radierung übernommen, die als auffaltbares Bild in eine um 1614 publizierte antijesuitische Flugschrift integriert ist. Vgl. zu der ohne Nennung eines Autors oder Verlegers unter dem Titel Krachteloose DONDER van den Helschen Hondt, Tege[n] de naecte VVaerheyt en t’eendrachtich verbondt publizierten Polemik Muller 1863, S.  433, Nr. 1304-B; Knuttel 1917, S. 17  f. Die Radierung, die Gerhardus Knuttel aufgrund einiger Parallelen zum berühmten Gemälde der Seelenfischerei (1614) Adriaen van de Venne zuschreibt, zeichnet sich in Bezug auf die Darstellung der Veritas vor allem durch die Konfrontation und zugleich visuelle Annäherung der Wahrheitsfigur mit der als ihr Pendant fungierenden, auf der siebenköpfigen Bestie reitenden Figur der Hure Babylon aus. Bereits Dirck Volckertsz. Coornhert hatte die Niederlande mit einem in Seenot geratenen Schiff verglichen, vgl. Bergsma 1989, S. 36. 271 Vgl. Wegener Sleeswyk 2003, S. 126. 272 Zu dem im Folgenden skizzierten Konflikt und seiner medialen Rezeption vgl. u.  a. Spijker 1987; Kootte 1994a; Israel 1995, S. 450–477; Goudriaan / Lieburg 2011; Sierhuis 2015.



2.3. Veritas filia rei publicae

konkurrierenden Kontraremonstranten erhielt dieser gelehrte Streit eine politische Dimension. Debattiert wurden in diesem Zusammenhang daher auch weitere, für die sich konsolidierende Republik entscheidende Themen wie etwa das Verhältnis von Staat und Kirche, der außenpolitische Kurs sowie ein möglicher Friedensschluss mit Spanien. Als das Land am Rande eines Bürgerkriegs stand, erzwang der dadurch die ihm zustehenden Kompetenzen deutlich überschreitende Statthalter Moritz unter Androhung eines militärischen Eingreifens die Absetzung remonstrantischer Magistrate sowie die Verhaftung Oldenbarnevelts, die im Mai 1619 zu dessen unter dem Vorwurf des Landesund Hochverrats vollzogener Hinrichtung in Den Haag führte. Nur wenige Tage zuvor endete auch die in Dordrecht zur Lösung der theologischen Konflikte abgehaltene nationale Synode, welche die Dominanz der calvinistischen Konfession in der Republik absicherte und zahlreiche Remonstranten ins Exil zwang.273 Die folgenreiche Verknüpfung religiöser und politischer Ebenen im Kontext dieser Auseinandersetzungen manifestiert sich auch in der von van de Venne verlegten, von umfangreichen niederländischen und lateinischen Epigrammen begleiteten Bild­ findung. In ihrer Konzeption bezieht sich diese nicht nur allgemein auf die bis zu Platons Schriften zurückzuverfolgende Tradition des Staats- sowie des Kirchenschiffs,274 sondern im Besonderen auf jene beeindruckende Schiffskonstruktion mit dem Namen Victoria, die 1558 bei der pompa funebris Kaiser Karls  V. durch die Straßen Brüssels geführt worden war (Abb. 45).275 Das außergewöhnliche Artefakt war durch seine druckgraphische Wiedergabe in der 1559 von Christoph Plantin veröffentlichten und 1619 in einer Neuauflage erschienenen Graphikserie La magnifique et sumptueuse pompe funebre faite au obseques et funerailles du tresgrand et tresvictorieus empereur Charles Cinquième […] nach wie vor im kollektiven Gedächtnis der Niederländer:innen präsent und lieferte das historische Modell für das Sinnbild des republikanischen Gemeinwesens sowie der mit ihm verbundenen politisch-konfessionellen Machtansprüche. Im Zuge der bewussten Aneignung des Kunstwerks, welches den verstorbenen Kaiser zum christlichen Streiter und Verteidiger des Glaubens stilisiert hatte,276 wurde das komplexe Bildprogramm der Victoria im historischen Kontext der Vereinigten Provinzen auf vielschichtige Weise aktualisiert und an die veränderte Staatsordnung angepasst. So übernimmt die Druckgraphik etwa die Figuren der christlichen Tugenden Spes (‚Hoffnung‘), Fides (‚Glaube‘) und Caritas (,Liebe‘) und positioniert sie an den gleichen Positionen in der Nähe der drei Masten, um sie als Fundamente verlässlicher Stabilität 273 Zur Dordrechter Synode und ihrer medialen Rezeption vgl. u.  a. Spijker 1987; Goudriaan / Lieburg 2011 (darin insbesondere Spaans 2011); Pietsch 2015a. 274 Vgl. die auf S. 121  f. in Anm. 270 sowie auf S. 130 in Anm. 294 angegebene Literatur. 275 Zur pompa funebris für Karl V. und ihrer künstlerischen Rezeption vgl. u.  a. Aurnhammer / Däuble 1980/1981, S. 116–135; Schrader 1998; Koller 2018, S. 316–324. 276 Vgl. Koller 2018, S. 316–324.

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2. Wahrheit als Politikum

Abb. 45. Johannes und Lucas van Doetecum nach Hieronymus Cock: Das Triumphschiff Victoria, Kupferstich und Radierung, koloriert, 428 × 622 mm, in: La magnifique et sumptueuse pompe funebre faite au obseques et funerailles du tresgrand et tresvictorieus empereur Charles Cinquième […], Christoph Plantin: Antwerpen, 1559, Rijksmuseum, Amsterdam, Inv.-Nr. RP-P-OB-78.558.

auszuzeichnen. Im Falle der Victoria dezidiert an die persönliche Tugendhaftigkeit des verblichenen Souveräns gebunden, der in den nördlichen Niederlanden mit einer idealisierten Vergangenheit vor der verhassten Regentschaft Philipps II. assoziiert wurde,277 erscheinen sie beim Schiff der Vereinigten Provinzen vor allem als kollektive Eigenschaften. Ergänzt um weitere, die umsichtige Herrschaft, Ordnung und Widerstandsfähigkeit des Landes betonende Tugendfiguren wie etwa Patientia (‚Geduld‘), Prudentia (‚Klugheit‘), Fortitudo (‚Stärke‘), Temperantia (‚Mäßigkeit‘) und Concordia (‚Eintracht‘) verkörpern sie die gleichsam vervielfachte moralische Stärke der Republik. Eine besondere Hervorhebung erfährt unter diesen weiblichen Figuren jene der Iustitia (‚Gerechtigkeit‘), die gemeinsam mit dem von den Vertretern der Generalstände beratenen Moritz von Oranien das Steuer des Schiffs führt (Abb. 46). Die Gerechtigkeit erscheint dadurch nicht nur als primäres Kennzeichen des noch jungen Staatswesens insgesamt, sondern 277 Zur nachträglichen Idealisierung der Herrschaftszeit Karls  V. vgl. Wessels 2000; Burke 2003, S. 452–454.



2.3. Veritas filia rei publicae

Abb. 46. François Schillemans nach Jacobus Oorloge und Adriaen Pietersz. van de Venne: Idea ­ rovinzen‘), Belgicarum Provinciarum Confaederatarum (‚Idee der Vereinigten Belgischen P verlegt von Adriaen Pietersz. van de Venne, 1620, Kupferstich, Detail aus Abb. 44.

wird zugleich zur herausragenden Eigenschaft des Statthalters erklärt. Diese spezifische Rolle des idealisierten Prinzen zeigt sich eindrücklich auch darin, dass er durch seine Auszeichnung mit einem von einem Putto präsentierten Lorbeerkranz gleichsam selbst in die Reihe der Tugendverkörperungen aufgenommen wird. Am Kopf sowie an der Hand vom Licht der Veritas beschienen, wird er zum von Gott geleiteten Repräsentanten von Gerechtigkeit und Wahrheit stilisiert, die sich in seinem Denken und Handeln gleichermaßen manifestieren. Signifikanterweise ist die Figur des derart überhöhten Statthalters, der hier be­ wusst nicht in der ihm zukommenden Rolle als Militärführer dargestellt wird, in der er aufgrund des Waffenstillstandes mit Spanien seit Jahren keine Erfolge mehr erzielen konnte,278 an einer bedeutsamen Stelle des Schiffs zu sehen: An der gleichen Position war auf der Victoria ein auf die hetoimasia anspielender leerer Thron angebracht, der auf die körperliche Abwesenheit des bereits Monate zuvor bestatteten kaiserlichen Leichnams aufmerksam machte.279 Nicht etwa der aus niederländischer Sicht fatal gescheiterte Philipp II., dem während der Brüsseler Feierlichkeiten die Rolle als Nachfolger 278 Vgl. Snoo 2007, S. 57. 279 Vgl. Koller 2018, S. 319.

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2. Wahrheit als Politikum

Abb. 47. François Schillemans nach Jacobus Oorloge und Adriaen Pietersz. van de Venne: Idea Belgicarum Provinciarum Confaederatarum (‚Idee der Vereinigten Belgischen Provinzen‘), verlegt von Adriaen Pietersz. van de Venne, 1620, Kupferstich, Detail aus Abb. 44.

des glorifizierten Kaisers zugeschrieben worden war,280 hatte demnach, so die implizite Argumentation, die von Karls Tod erzeugte „Leerstelle der Macht“281 füllen können. Vielmehr war es der noch vom Kaiser persönlich zum Statthalter ernannte Wilhelm von Oranien sowie nach dessen Ermordung 1584 sein Sohn Moritz – auf dessen Anspruch als Nachfolger seines Vaters auch die am vordersten Mast des Schiffs angebrachte Devise Tandem fit surculus arbor (‚Endlich wird der Spross ein Baum‘)282 verweist –, welcher die Position des rechtmäßigen Herrschers über die Niederlande einnehmen konnte.283 Die Transformation der künstlerischen Apotheose monarchischer Macht zu einem Sinnbild des Gemeinwesens der Vereinigten Provinzen kann damit als eindrückliches Beispiel für die ästhetische Bewältigung jenes spannungsreichen Nebeneinanders von dynastischen Ansprüchen des Hauses Oranien und den republikanischen Strukturen des Landes fungieren, das noch über Jahrzehnte hinweg zu Konflikten zwischen Statthaltern und Ständen führen sollte.284 Die kreative Rezeption des habsburgischen Sinnbilds lässt jedoch nicht nur das Bestreben erkennen, die junge Staatsordnung innerhalb traditioneller herrschaftlicher 280 Vgl. Koller 2018, S. 321  f. 281 Koller 2018, S. 319. 282 Zur Bedeutung der Devise vgl. u.  a. Snoo 2007, S. 51. 283 Zur Wahrnehmung Wilhelms von Oranien in den Vereinigten Provinzen vgl. u.  a. Janssen 1984; Mörke 2007, S. 253–268. 284 Vgl. Mörke 1989; Koller 2020.



2.3. Veritas filia rei publicae

Abb. 48. François Schillemans nach Jacobus Oorloge und Adriaen Pietersz. van de Venne: Idea Belgicarum ­Provinciarum ­Confaederatarum (‚Idee der Vereinigten Belgischen Provinzen‘), verlegt von Adriaen Pietersz. van de Venne, 1620, Kupferstich, Detail aus Abb. 44.

Legitimationsmuster zu verorten, sondern bringt zugleich die Absicht zum Ausdruck, in veränderter Form an die mit Karls Tod zerfallene monarchia universalis anzuschließen. Deren weltumspannende Wiederherstellung durch die niederländische Seemacht wird in van de Vennes Kupferstich durch die in den Wolken zu sehenden Figuren veranschaulicht, die durch ihre Gewänder und Kopfbedeckungen unter anderem als Osmanen und amerikanische Ureinwohner zu erkennen sind (Abb. 47 u. 48). Gleichermaßen erleuchtet wie geblendet werden sie vom strahlenden Licht der Wahrheit erfasst, das, wie das niederländische Epigramm erläutert, durch das Schiff verbreitet wird: Het is t’Schips meeste rom  Dat t’licht daer compt gedreven D’welck niet laet onbestraelt De lucht aen allen sijden De turck die noch al d’waelt Can t’selve niet vermijden. De naeckte Indiaen Begint het oock te mercken; Hij wijckt hij compt weer aen, Het sijn hem wonderwercken, […] Een Son hem onbekent Rijst wt ons Noortsche landen […].

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2. Wahrheit als Politikum

Abb. 49. François Schillemans nach Jacobus Oorloge und Adriaen Pietersz. van de Venne: Idea Belgicarum Provinciarum Confaederatarum (‚Idee der Vereinigten Belgischen Provinzen‘), verlegt von Adriaen Pietersz. van de Venne, 1620, Kupferstich, Detail aus Abb. 44. ‚Es ist der größte Ruhm des Schiffes, dass damit das Licht herangetrieben kommt, das den Himmel an allen Seiten nicht unerleuchtet lässt. Der Türke, der noch irrt, kann ihm nicht ausweichen. Der nackte Indianer beginnt es auch zu bemerken. Er weicht zurück, er nähert sich wieder, es sind Wunder für ihn […]. Eine ihm unbekannte Sonne geht aus unseren nördlichen Landen auf.‘

Die differenzierten Reaktionen der Figuren, deren affektvolle Gesten teils Erstaunen und Bewunderung, teils Überforderung und Angst zum Ausdruck bringen, bezeugen auf eindrückliche Weise die überwältigende Wirkung, welche die Veritas ausübt. Mit ihrer durch die Lichtstrahlen ostentativ betonten Sichtbarkeit (Abb. 49), die durch ihren Fingerzeig auf die von ihr präsentierte Bibel zugleich mit der claritas Scripturae asso­ ziiert wird,285 verkörpert sie jene machtvolle Evidenz der ‚wahren‘ Religion – das heißt hier: der reformierten Konfession  –, welche die religiöse Autorität des Staatswesens begründet. Dabei manifestiert sich in der mit der dargestellten Wirkung der Wahrheit verbundenen kolonialen Perspektive eine gezielte Aneignung des schon dem habsburgischen Staatsschiff inhärenten Missionsgedankens. Denn bereits die Victoria wurde durch das auf der Fahne am vorderen Mast angebrachte Wappen des Ordens vom Goldenen Vlies sinnfällig mit dem mythologischen Schiff der Argonauten assoziiert, deren Legende sich im Selbstverständnis des Ordens mit der alttestamentlichen Figur des Richters Gideon verband, weil dessen göttliche Auserwählung laut biblischem Bericht durch ein 285 Zur Vorstellung der claritas Scripturae vgl. die auf S. 141 in Anm. 13 genannte Literatur.



2.3. Veritas filia rei publicae

wundersam von Tau benetztes Widderfell belegt wurde.286 Das bereits bei der Ordensgründung unter Philipp dem Guten formulierte Ziel eines Triumphs über den Islam, auf dessen vermeintliche Realisierung in Karls Siegen über die Osmanen die Darstellungen am Rumpf des Schiffs rekurrieren,287 wurde in der burgundisch-habsburgischen Auslegung der Argonautensage als Ergebnis einer erneuten Ausfahrt der Argo interpretiert.288 Deren Rückkehr sollte demnach als Beginn des Goldenden Zeitalters sowie, auf Basis der Identifikation des goldenen Widderfells mit dem Lamm Gottes, vor allem als Vorbereitung auf die Parusie fungieren.289 An diese mythologisierend-eschatologische Überhöhung der Victoria knüpft das Staatsschiff der Vereinigten Provinzen insofern an, als dieses gleich zu Beginn des niederländischen Textes ebenfalls als Argo290 bezeichnet wird. Zusätzlich erweitert um einen Bezug auf die Arche Noah, auf welche die auf einer Fahne am Heck zu lesende Bezeichnung Arca Concordiae (‚Arche der Eintracht‘) verweist, verdichten sich die verschiedenen Schiffsanalogien zu einem komplexen Sinnbild des republikanischen Staates als eines göttlich legitimierten Heilsbringers, das jede noch so große Gefahr zu überwinden imstande ist. Die Rolle der Veritas-Figur als Trägerin jener beeindruckenden Strahlkraft des christlichen Glaubens, von dem sie bereits mit ihrem bloßen Anblick zu überzeugen vermag, bringt jedoch auch eine bewusste Abgrenzung von der habsburgischen Inszenierung religiöser Suprematie zum Ausdruck: Während sich Karls Glorifizierung zum defensor fidei vor allem in der Feier seiner militärischen Leistungen niederschlägt,291 präsentiert der Kupferstich eine betont friedliche Verbreitung des Glaubens, deren Gewaltsamkeit allenfalls in der erschütternden Evidenz der Wahrheit besteht. Gerade weil die vordergründig religiös begründeten Gräueltaten der Spanier in Übersee, die einen wichtigen Kern der ‚Schwarzen Legende‘ bildeten,292 immer wieder als Warnung vor der unchristlichen Grausamkeit des Kriegsgegners herangezogen wurden,293 konstruiert van de Vennes Bildfindung eine unblutige Form der Mission, welche die Republik der Vereinigten Provinzen zur wahrhaften Verteidigerin des Glaubens überhöht. 286 Gideon wurde 1431 auf Vorschlag des Theologen Jean Germain zum Patron des Ordens ernannt, um ein christliches Gegengewicht gegen die Legende von Jason und den Argonauten zu bilden. Vgl. u.  a. Bakelaar 1981; Eichberger 2014, S. 704  f. 287 Vgl. Koller 2018, S. 319. 288 Vgl. Tanner 1993, S. 151  f. 289 Vgl. Tanner 1993, S. 148–159. 290 Hoe ARGO was gestelt / Sout gij hier mogen leeren. 291 Vgl. Koller 2018, S. 319. 292 Zur ‚Schwarzen Legende‘ vgl. u.  a. Swart 1975; Pollmann 1992; Cilleßen 2006; Schulze Schneider 2008. 293 Zur propagandistisch instrumentalisierten Identifikation der aufständischen Niederländer:innen mit den amerikanischen Ureinwohner:innen vgl. Pollmann 1992, S.  90; Schmidt 1995; Schmidt 2004.

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2. Wahrheit als Politikum

Abb. 50. François Schillemans nach Jacobus Oorloge und Adriaen Pietersz. van de Venne: Idea Belgicarum Provinciarum Confaederatarum (‚Idee der Vereinigten Belgischen Provinzen‘), verlegt von Adriaen Pietersz. van de Venne, 1620, Kupferstich, Detail aus Abb. 44.

Dementsprechend schließt der Stich auch an die Bildtradition der navis ecclesiae an,294 auf welche die Anwesenheit einiger auf dem Hauptdeck zu sehender Repräsentanten der niederländischen reformierten Kirche rekurriert, unter denen insbesondere der Theologe Johannes Bogerman zu erkennen ist, der auf der Synode von Dordrecht den Vorsitz führte (Abb. 50).295 In der Mitte dieser durch einen Lichtstrahl hervorgehobenen Gruppe steht die mit Zügeln und einem T-Kreuz als Attributen ausgestattete Figur der Religio (‚Religion‘), als deren treue „Vorsteher“296 die Geistlichen laut dem niederländischen Epigramm fungieren. Die Vertreter der publieke kerk, die hier bruchlos in das durch den nassauischen Statthalter gelenkte Staatswesen integriert scheint, stehen zugleich im markanten Gegensatz zu mehreren im Wasser treibenden Widersachern des niederländischen Staats- und Kirchenschiffs: Als hilflose Schiffbrüchige treiben am Heck des Rahseglers die Figuren des Papstes, eines Kardinals und zweier Mönche verschiedener Orden, die mit Ferula und Kruzifix vergeblich versuchen, mit göttlicher Hilfe gegen das Schiff vorzugehen (Abb. 51). Ebenso vergebens gestikulieren im Vordergrund die Gestalten zweier Männer in zeitgenössischer Kleidung, die wohl als Remonstranten zu verstehen sind,297 während die Figuren zweier Jesuiten in Anspielung auf die 294 Zur Tradition des Kirchenschiffs vgl. Kramer 1972; Vetter 1972, S. 108–171; Scribner 1994, S. 107– 112; Leibfried / Winter 2013. 295 Vgl. Spaans 2011, S. 342. 296 [H]aere-trouw voorstanders. 297 Der Stock, welchen die linke Figur in der Hand hält, könnte ihre Identifikation als Johan van ­Oldenbarnevelt nahelegen, dessen Gehstöcke bis heute im Rijksmuseum Amsterdam aufbewahrt werden.



2.3. Veritas filia rei publicae

Abb. 51. François Schillemans nach Jacobus Oorloge und Adriaen Pietersz. van de Venne: Idea Belgicarum Provinciarum Confaederatarum (‚Idee der Vereinigten Belgischen Provinzen‘), verlegt von Adriaen Pietersz. van de Venne, 1620, Kupferstich, Detail aus Abb. 44.

Abb. 52. François Schillemans nach Jacobus Oorloge und Adriaen Pietersz. van de Venne: Idea Belgicarum Provinciarum Confaederatarum (‚Idee der Vereinigten Belgischen Provinzen‘), verlegt von Adriaen Pietersz. van de Venne, 1620, Kupferstich, Detail aus Abb. 44.

Missionsbemühungen der Societas Jesu in der Missio Hollandica versuchen, an Bord zu gelangen.298 Gemeinsam mit den am Bug schwimmenden Verkörperungen von Invidia (‚Neid‘), Tyrannis (‚Tyrannei‘) und Fraus (‚Betrug‘) (Abb. 52), die jeden Moment durch 298 Zur jesuitischen Mission in den nördlichen Niederlanden vgl. u.  a. Spiertz 1991; Kooi 2004; Begheyn 2014; Gennip 2014.

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2. Wahrheit als Politikum

das damit gleichermaßen zum Überwinder des Bösen wie der schlechten Herrschaft stilisierte Schiff unter Wasser gedrängt zu werden drohen, definieren diese aus der Gemeinschaft der Republik Ausgeschlossenen ex negativo das idealisierte Kirchen- und Staatsgefüge. Das von der nuda Veritas ausgehende Licht zeichnet jedoch nicht allein die politischen und kirchlichen Träger der Macht als Vermittler der Wahrheit aus, sondern macht sinnfällig auch auf die Beherrschung der bedrohlichen Naturgewalten durch Wissenschaft und Technik aufmerksam, die damit als eine eigene Form der Wahrheitserkenntnis und deren praktischer Umsetzung fungieren. So fällt das Licht beispielsweise auf die am Bugspriet angebrachte Armillarsphäre, deren zum praktischen Gebrauch untaugliche Positionierung ihre symbolische Bedeutung als Verweis auf die astronomischen und navigatorischen Leistungen der Vereinigten Provinzen betont.299 Doch vor allem jener Strahl, der auf den vom Statthalter zur Navigation genutzten Kompass fällt und dessen Helligkeit durch den Verzicht auf jegliche graphische Binnengliederung umso markanter erscheint, gewinnt in diesem Kontext eine besondere Relevanz. Denn dieses Detail rekurriert auf eine konkrete Innovation, mit welcher der in Amsterdam lebende calvinistische Prediger und Kartograph Petrus Plancius die niederländische Seefahrt über Jahrzehnte prägte: die Längengradbestimmung mittels Sonnenstand und Kompassabweichung,300 die in der von Johannes Stradanus konzipierten und um 1600 von Philips Galle in Antwerpen publizierten Kupferstichfolge Nova Reperta unter den 19 wichtigsten nachantiken Erfindungen firmiert (Abb. 53).301 Bereits in dieser Graphik wird das gleichsam zu einem einzelnen Lichtstrahl gebündelte natürliche Licht der Sonne dezidiert religiös aufgeladen, indem es mit dem Sonnen-Symbol des Jesuiten-Monogramms korrespondiert, das auf dem am Fockmast aufgespannten Segel zu sehen ist. Van de Vennes Staats- und Kirchenschiff revidiert damit im Medium des Kupferstichs bewusst die konfessionelle Aneignung der wissenschaftlichen Entdeckung und reintegriert diese gleichsam in einen reformierten Bezugsrahmen. Dies gilt umso mehr, als Petrus Plancius nicht nur im Bereich der Navigation, sondern seit 1594 ebenfalls als Revisor für die von den Generalständen beauftragte niederländische Bibelübersetzung tätig war.302 In diesem Zusammenhang liegt es nahe, das von der Veritas-Figur mit einem Fingerzeig präsentierte Buch als Symbol eben dieser sogenannten Statenbijbel zu verstehen. Mit der calvinistischen und politisch sanktionierten Fassung des Gotteswortes leitet die Wahrheit folglich das Schiff und wird dadurch – ermöglicht durch die navigatorischen Leistungen – in alle Regionen der Welt verbreitet. In der Figur der Veritas beziehungsweise in dem von ihr ausgehenden Licht verdichten 299 300 301 302

Für ihre Hinweise in nautischen Fragen danke ich Lena Moser. Vgl. Davids 1986, S. 69–85; Jonkers 1996. Zu der Serie vgl. u.  a. Margolin 2001; Baroni / Sellink 2012, S. 304–306; Markey 2020. Zu Plancius vgl. Geesink 1970 [1887].



2.3. Veritas filia rei publicae

Abb. 53. Jan Collaert (II) (zugeschrieben) nach Johannes Stradanus: Nova Reperta (‚Neue E­ rfindungen‘), Blatt 16: Orbis longitvdines repertae magnetis a polo declinatione (‚Längengrade der Erde, die durch die Abweichung des Magnets vom Pol entdeckt wurden‘), verlegt von Philips Galle, um 1600, Kupferstich, 197 × 270 mm, Rijksmuseum, Amsterdam, Inv.-Nr. RP-P-1904-1040.

sich somit auf eindrückliche Weise politische, religiöse und wissenschaftlich-technische Ebenen zu einer semantischen Einheit. Erst die in allen Bereichen zum Tragen kommende Leitung der Vereinigten Provinzen durch die erleuchtende Kraft der Wahrheit ermöglicht dem Staatswesen eine beständige Grenzüberschreitung,303 die im Bild nicht allein in der Beherrschung der Naturgewalten, sondern auch im bewussten Verzicht auf die Darstellung eines Hafens als Ziel der Fahrt visuell zum Ausdruck kommt. Unterstützt von der am Heck in Gestalt des Chronos die Sense gegen die schwimmenden Feinde schwingenden Zeit (vgl. Abb. 51) bringt das Schiff der Republik so – erneut angelehnt an die Vorstellung der Veritas filia temporis – die Wahrheit auf seiner Fahrt beständig weiter zum Vorschein. Diese wichtige Funktion des Schiffs als in Raum und Zeit kontinuierlich voranschreitender Träger der Veritas kommt ihm jedoch nicht zu, weil die Wahrheit einer 303 Zum „Meer als naturgegebene Grenze des Raumes menschlicher Unternehmungen“ vgl. Blumenberg 2018 [1979] (Zitat S. 10).

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2. Wahrheit als Politikum

derartigen Unterstützung bedürfte, um ihre überwältigende Evidenz zu entfalten. Vielmehr sind die Menschen, wie sich der Graphik entnehmen lässt, paradoxerweise gerade aufgrund dieser Strahlkraft der Wahrheit, auf eine vermittelnde Instanz angewiesen: Das von der nuda Veritas ausgehende Leuchten erscheint derart hell, dass sich nicht nur ein großer Teil der ‚Ungläubigen‘, sondern sogar einer der Putti, der ein Schriftband mit der Aufschrift gloria in excelsis (‚Ehre [sei Gott oder: der Wahrheit, M.H.] in der Höhe‘) bei sich trägt, die Hand schützend vor die Augen halten muss (vgl. Abb. 49). Die überirdische Herrlichkeit der Wahrheit ist demnach, wie diese Gesten andeuten, in unvermittelter Form kaum zu ertragen und läuft stets Gefahr, eher zur Blendung als zur Erkenntnis beizutragen. Eben deshalb fungiert, so legt der Stich nahe, neben und mit der Heili­ gen Schrift vor allem die durch das Schiff versinnbildlichte Staatsordnung mit ihren politischen und religiösen Einrichtungen, aber auch mit ihren wissenschaftlich-technischen Errungenschaften gleichsam als ein institutionalisiertes Medium der Wahrheit, welches diese realisiert, verbreitet und zugleich handhabbar macht. Dabei lenkt der Titel des Kupferstichs Idea Belgicarum Provinciarum Confaederatarum die Aufmerksamkeit nachdrücklich darauf, dass die Graphik nicht als Abbildung einer historischen Wirklichkeit zu verstehen ist. Der philosophisch und kunsttheoretisch aufgeladene Begriff der ‚idea‘304 als Bezeichnung einer im Kunstwerk Gestalt annehmenden, geistigen Vorstellung weist die Darstellung vielmehr – ähnlich wie im Falle der oben behandelten, von David Vinckboons entworfenen Friedensutopie – als Manifestation eines gedanklichen Konstruktes des idealen Gemeinwesens aus, das (zumindest gegenwärtig) allein im Kupferstich seine Umsetzung findet. Das Potenzial des Blattes, der Veritas auf diese Weise eine wirkmächtige Sichtbarkeit zu verleihen, wird dabei nicht nur an das Bild selbst, sondern offenbar auch an dessen Verbreitung gebunden, welche die politischen Institutionen der Vereinigten Provinzen gezielt förderten. Denn die Darstellung des Staats- und Kirchenschiffs wurde über Jahrzehnte hinweg zu unterschiedlichen Anlässen mehrfach und zum Teil unter Vergabe staatlicher Privilegien neuaufgelegt.305 Im Museum Simon van Rijn in Dordrecht wird darüber hinaus ein auf Seide gedrucktes Exemplar des Kupferstichs aufbewahrt, das vermutlich als kostbares und politisch aussagekräftiges Geschenk der Obrigkeiten einer Stadt oder Provinz, womöglich an ein Mitglied des Oranierhauses oder an einen ausländischen Gast, fungierte.306 Gerade angesichts des hierin erkennbar werdenden An304 Zur kunsttheoretischen Relevanz des ‚Idea‘-Begriffs vgl. Panofsky 1960. 305 Zu den späteren Auflagen anlässlich des Friedens von Westminster 1654, des Friedens von Breda 1667 sowie der Überfahrt von König Wilhelm III. nach England 1691 vgl. Schillemans 1992, S. 88  f.; Schwartz 2021, S. 139. 306 Vgl. Bol 1989, S. 57; Schillemans 1992, S. 88; Zandvliet 2000, S. 401. Wie Löcher am unteren Rand des in Dordrecht aufbewahrten Kupferstichs auf Seide nahelegen, wurde das Blatt offenbar an einer Wand befestigt. Vgl. Kolfin 2007, S. 199.



2.3. Veritas filia rei publicae

Abb. 54. Willem Isaacsz. van Swanenburg nach Jacques de Gheyn (II): Currus veliferi illustrissimi principis Mauritii (‚Der Segelwagen des vornehmsten Fürsten Moritz‘), verlegt von Hendrick Hondius und Henrick Lodewiijcxsoon van Heestens, 1603, Kupferstich, Holzschnitt und Text in Buchdruck, ca. 700 × 1490 mm, Rijksmuseum, Amsterdam, Inv.-Nr. RP-P-OB-84.454.

spruchs einer überregionalen Distribution des Kupferstichs lässt sich daher der an der oben zitierten Stelle des Epigramms formulierte Hinweis auf die Verbreitung des erkenntnisstiftenden Lichts der Veritas als größter Ruhm des Schiffs (t’Schips meeste rom) auch auf die Mobilität des druckgraphischen Mediums beziehen.307 Dass eine solche Interpretation durchaus naheliegt, belegt der Vergleich mit einer anderen, ebenfalls in einem Kupferstich wiedergegebenen Fahrt Moritz’ von Oranien: Ein von Willem Isaacsz. van Swanenburg nach der Vorzeichnung Jacques de Gheyns (II) angefertigter Kupferstich aus dem Jahr 1603 inszeniert die Fahrt des Statthalters und 307 Dass die Graphik dezidiert mit Blick auf eine derartige, nach Innen und Außen gerichtete Repräsentation der Republik konzipiert wurde, belegen auch die Epigramme: Der niederländische Text ruft durch die Verwendung der ersten Person Plural wiederholt zur Identifikation mit „unserem Schiff“ auf und rekurriert durch die Verwendung nautischer Fachbegriffe auf die maritime Identität der Niederländer:innen als Küstenbewohner:innen und Seefahrer. Zugleich beweist der Text ein sensibles Bewusstsein für virulente Konfliktpunkte innerhalb der Republik wie etwa die partikularen Interessen und Konkurrenzen unter den einzelnen Provinzen, auf welche die Verse durch den Hinweis reagieren, dass jede von ihnen genau die erwünschte Position innehabe. Dem steht im lateinischen Text eine aus einer distanzierten Beobachter:innenrolle heraus formulierte Lobpreisung „der freien Belgier“ und ihrer Leistungen gegenüber, welche den nautischen Details und der Struktur der politischen Ordnung nur wenig Aufmerksamkeit schenkt. Durch mythologische Anspielungen wird das Sinnbild des wohlgeordneten Staatsgefüges hier vielmehr gezielt in antik-humanistische Wissensbestände integriert und auf diese Weise verstärkt auch einer Perspektive von außen geöffnet.

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2. Wahrheit als Politikum

seiner Begleiter in dem von dem niederländischen Gelehrten Simon Stevin entwickelten Segelwagen als spektakuläres Zeugnis der wissenschaftlichen und künstlerischen Errungenschaften der Republik (Abb. 54).308 Das fast eineinhalb Meter breite Blatt be­inhaltet neben der zentralen Bildfindung zwei ausführliche niederländische Epigramme, in ornamental ausgestalteten Kartuschen angebrachte lateinische und französische Beschreibungstexte, eine lateinische Widmung an Moritz sowie einen Konstruktionsplan des Wagens, dessen Innovativität und technische Virtuosität damit in unterschiedlichen medialen Konfigurationen vor Augen geführt wird. Die durch ein Privileg der Generalstände ausgezeichnete Graphik stellt neben einigen Segelschiffen im Hintergrund, die zum Vergleich mit der neuen Erfindung anregen, zwei unter den Augen zahlreicher Zuschauer:innen am Strand entlang fahrende Exemplare des zeilwagen dar. In dem zentral gezeigten Wagen, der durch die mit dem Leo Belgicus geschmückte Fahne als eine Art rollendes Staatsschiff inszeniert wird,309 ist neben zahlreichen Begleitern die Figur des Statthalters zu erkennen, der seinen Blick auf die Betrachtenden richtet. Dieses Detail erweist sich vor allem deshalb als signifikant, weil sich das bei Moritz’ Ausfahrt in nur zwei Stunden von Scheveningen in das fast 100 km entfernte Petten gelangende Fahrzeug, wie der begleitende Text erläutert, so schnell bewegt habe, dass niemand die Insassen habe erkennen können.310 Die Kommunikation zwischen der Figur des Prinzen und den Rezipient:innen unterstreicht somit nicht nur den Anspruch höchster Kontrolle des Statthalters über das ihm unterstehende Land, in dem er durch die Möglichkeit der schnellen Fortbewegung gleichsam omnipräsent zu sein vermochte.311 Sie verweist zugleich auf die erkenntnisstiftende Funktion der druckgraphischen Wiedergabe des Wagens, welche diesen bildlich stillstellt und dessen Betrachtung sowie Reflexion erst ermöglicht. Das auf der rechten Seite des Blattes zu lesende niederländische Epigramm, das sich unter anderem unter der Überschrift Van d’afbeelding (‚Über die Abbildung‘) der ästhetischen Leistung des Kupferstichs widmet, formuliert darüber hinaus explizit einen machtpolitischen Wirkungsanspruch des Blattes:

308 Zum von Stevin konstruierten zeilwagen sowie den darauf bezogenen zeitgenössischen Publikationen vgl. Muller 1882, S. 119, Nr. 1157d; Hollstein 29, S. 25  f., Nr. 27; New Hollstein (De Gheyn Family  2), S.  12, Nr.  172-3(4) sowie Dijksterhuis 1970, S.  104  f.; Luijten  et al. 1993, S.  533–536, Kat.-Nr. 209; Berns 1996, S. 58; Chapman 2000, S. 48. 309 Diese Inszenierung des zeilwagen als sich zu Land bewegendes Staatsschiff wird noch expliziter in einer von Claes Jansz. Visscher publizierten Graphik, welche den Leo Belgicus als Galeonsfigur des Segelwagens zeigt (Kupferstich, Amsterdam, Rijksmuseum, Inv.-Nr. RP-P-OB-80.577). 310 Vgl. z.  B. die französische Inschrift: de telle visteße, qu’il estoit impoßible que ceulx qui estoient deßus fußent recognues par ceux qu’ils rencontrerent […]. 311 Zu Fahrakten als symbolischen Verweisen auf die Handlungsfähigkeit und Allgegenwart des Herrschers vgl. Berns 1996, S. 8; Pawlak 2022c.



2.3. Veritas filia rei publicae

So d’eene Wagen is te sien op t’Hollandtsch strandt, So d’ander in de plaet van konst seer eener handt. Dien heeft Stevijn […] gevonden en verzint: En over t’zandich veldt doen zeylen met de Windt. De konstigh’ handt de Geyns heeft dese doen gelijcken, Voor alle Koningen, en alle Koninckrijcken. […] Altijdt te lande vlieght oock desen over al. ‚So wie der eine Wagen am holländischen Strand zu sehen ist, so der andere in der Platte durch die große Kunst einer Hand. Den einen hat Stevin […] erfunden und erdacht und er segelt über die sandige Ebene mit dem Wind. Die kunstfertige Hand de Gheyns hat es ihm gleichgetan für alle Könige und alle Königreiche. […] Allzeit fliegt auch dieser [gedruckte Segelwagen, M.H.] zu Lande überall.‘

Laut dem Epigramm potenziert de Gheyns Invention noch die Wirkung von Stevins Erfindung, indem sie die gleichermaßen technische wie künstlerische Schöpfungskraft und damit auch die ökonomische und militärische Überlegenheit der Republik in „allen Königreichen“ (alle Koninckrijcken) bekannt macht. Diese Auffassung der Druckgraphik als gleichsam von Papier statt Segeln getragenes ‚Bilderfahrzeug‘,312 dessen Reichweite die Fähigkeiten aller sich zu Land und zur See bewegender Fahrzeuge übertrifft, lässt sich auch auf van de Vennes Kupferstich übertragen, in dem politisch-konfessioneller Anspruch und bild- respektive medienreflexive Überlegungen in einem reziproken Verhältnis stehen: Das gedruckte Staatsschiff soll die von der Republik der Vereinigten Provinzen in der staatlich-kirchlichen Ordnung, den Wissenschaften und Künsten gleichermaßen zu realisierende Wahrheit nicht einfach abbilden; durch seine kontinuierliche, metaphorische wie reale Grenzen überschreitende Fahrt soll es sie vielmehr überhaupt erst sichtbar machen sowie beständig verbreiten und erweitern. Die exemplarisch untersuchten Druckgraphiken aus der Zeit des Zwölfjährigen Waffenstillstandes greifen demnach in mehrfacher Hinsicht die mit der Darstellung der Veritas verbundenen Argumentationsstrategien und Reflexionsebenen der Aufstandspropaganda der 1570er Jahre produktiv auf und passen sie an die veränderte politische und religiöse Situation an. Dabei demonstriert gerade die kreative Aneignung bestehender Bildfindungen des 16. Jahrhunderts – wie Maarten van Heemskercks Kreislauf des menschlichen Daseins oder Jacques de Gheyns und Willem van Haechts Violentiae Theatrum – die programmatische Selbstpositionierung der Graphiken innerhalb eines kontinuierlichen historischen Prozesses, der als geschichtliche Manifestation der Wahrheit begriffen wird. Die notwendige Unabgeschlossenheit dieses Vorgangs, der erst mit 312 Zum von Aby Warburg geprägten Begriff des ‚Bilderfahrzeugs‘ vgl. u.  a. Warnke 1980; Wolf et al. 2018.

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2. Wahrheit als Politikum

dem Jüngsten Gericht sein Ende finden wird, bedingt zugleich die beständig unvollkommene Realisierung der Wahrheit in der Gegenwart, die nicht zuletzt auf das Wirken der im kontinuierlichen Kampf des Guten gegen das Böse auf der Seite von Sünde, Betrug und Tyrannei verorteten Spanier zurückgeführt wird. Vor diesem Hintergrund beanspruchen die Veritas-Darstellungen nicht nur, den defizitären Status der Wirklichkeit im Vergleich mit der transzendenten Wahrheit zu verdeutlichen, sondern davon ausgehend ein anzustrebendes Ideal der Veritas vor Augen zu stellen, deren Visualisierung im Bild den geschichtlichen Offenbarungsprozess der Wahrheit gleichsam antizipiert. Das durch göttliche Auserwählung ermöglichte Potenzial, dieses identitätsstiftende Leitbild sukzessive historisch zu realisieren, wird in diesem Kontext nachdrücklich den Vereinigten Provinzen mit ihren politischen und kirchlichen Institutionen zugeschrieben: Durch seine beeindruckende Leistungsfähigkeit bringt das neu gegründete Staatswesen auch jene Druckgraphiken hervor, die seine Orientierung an der Wahrheit bewirken sollen und zugleich ästhetisch bezeugen.

3. Veritas Scripturae – Visuelle Exegese als Medienreflexion Ausgehend vom frühneuzeitlichen Status der Bibel als Begründung ebenso wie Konfliktfeld politischer und konfessioneller Wahrheitsansprüche, wie er in der niederländischen Bildpropaganda wiederholt erkennbar wird, beschreibt Dirck Volckertsz. Coornhert in seiner 1589 publizierten theologischen Schrift Hert-Spieghel Godlijcker Schrifturen, vertoonende een clare / corte / ende sekere wegh / om in dese werre-tijden de H. Schrift vruchtbaarlijck ende veylighlijck / sonder dolings angst te lesen1 (‚Herz-Spiegel göttlicher Schriften, der einen klaren, kurzen und sicheren Weg zeigt, um in diesen wirren Zeiten die Heilige Schrift fruchtbar und sicher ohne Angst vor Verirrungen zu lesen‘2) die Lektüre der Bibel als gleichermaßen gewinnbringende wie gefährliche Angelegenheit. Denn die Heilige Schrift bilde zwar den wichtigsten Zugang zur göttlichen Wahrheit in Zeiten widerstreitender kirchlicher Wahrheitsansprüche,3 aber könne, wenn sie missbraucht werde, ebenso in die Irre führen. Der Grund dafür sei jedoch, wie Coornhert explizit betont, keinesfalls in der Bibel zu finden, welche den Menschen durch göttliche Gnade als Zeugnis der Wahrheit (des waarheyts tuyghenisse4) übergeben worden sei. Vielmehr seien es die aus bewusster Böswilligkeit oder aus einem falsch verstandenen, gottlosen Wissensstreben heraus handelnden Menschen, welche die Augen vor dem hellen Licht der in der Schrift vermittelten Wahrheit verschlössen (haar ooghen sluyten tot het clare licht).5 Die Kontroversen und Konflikte der im zitierten Titel angesprochenen werre-tijden erschienen nicht nur Coornhert, der heute in erster Linie als „eigensinniger Theologe“6 bekannt ist, als Ursache und zugleich als Folge fehlgeleiteter Schriftauslegung und darauf aufbauender religiöser Überzeugungen. So beschrieb etwa auch der spanische Theologe Benito Arias Montano im Vorwort der von ihm im Auftrag Philipps II. herausgegebenen, zwischen 1568 und 1572 in Antwerpen erschienenen Biblia Polyglotta die vom Teufel bewirkte Missinterpretation der Bibel als Grund der gegenwärtigen Streitigkeiten. Denn gerade die von diesem bewirkten „verdrehten Interpretationen und Entstellungen“ der Heiligen Schrift hätten den Verstand und die Urteilskraft zahlreicher Menschen verführt, unzählige Seelen in die Verdammnis geführt und die Christenheit in schreckliche 1 2 3 4 5 6

Coornhert: Hert-spiegel. Vgl. die englische Übersetzung in Melion 2018, S. 186. Coornhert: Hert-spiegel, hier v.  a. Buch III. Coornhert: Hert-spiegel, fol. 3v. Coornhert: Hert-spiegel, 7v–8r (Zitat fol. 8r). Berkvens-Stevelinck 1989: „Coornhert, een eigenzinnig theoloog“. Das dadurch suggerierte Bild von Coornhert als ‚isoliertem‘ Denker ist nur in Grenzen zutreffend. Vgl. dazu zusammenfassend Verwey 2010, S. 144  f. mit weiterer Literatur.

https://doi.org/10.1515/9783111123004-003



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Unordnung gestürzt.7 Das viersprachige Werk, das aus der von Christoph Plantin koordinierten Kollaboration katholischer, protestantischer sowie spiritualistischer Gelehrter hervorging, kann vor diesem Hintergrund nicht nur als eindrucksvoller Beleg für die Komplexität interkonfessioneller Aushandlungsprozesse in Bezug auf den Umgang mit der Heiligen Schrift in den Niederlanden fungieren.8 Es bezeugt darüber hinaus, dass mit der Erstellung einer integren und autorisierten Version des Gotteswortes – trotz oder vielmehr wegen seiner Mehrsprachigkeit und unterschiedlichen Fassungen – die Hoffnung auf eine (Wieder-)Herstellung der res publica Christiana verbunden wurde.9 Vor dem Hintergrund der theologisch-philologischen Anstrengungen, die Bibel nicht zuletzt in Anbetracht der zahlreichen mit ihrer Auslegung verbundenen Streitpunkte als Erkenntnismedium und Ausweg aus der politisch-religiösen Krise nutzbar zu machen, lässt sich auch die von der kunsthistorischen Forschung mehrfach konstatierte Popularität traditioneller ebenso wie neuartiger biblischer Themen in der niederländischen Kunst, insbesondere der Druckgraphik des 16. Jahrhunderts verstehen.10 Neben zweifelsohne relevanten ökonomischen Erwägungen, die konsensfähige, schriftbasierte Sujets angesichts schnell wechselnder konfessioneller Zugehörigkeiten einzelner Städte wie Antwerpen sinnvoll erscheinen ließen,11 war für diese künstlerische Konjunktur vor allem auch die in den letzten Jahren vermehrt untersuchte Funktion der Bilder als „exegetische Instrumente“12 ausschlaggebend. Der ästhetische Transfer vom Text ins Bild ermöglichte es, die sprachliche Beschaffenheit der Heiligen Schrift sowie deren religiöse Konsequenzen neu zu perspektivieren. Denn gerade diese standen im Zentrum zeitgenössischer Debatten, die vor allem Fragen nach dem Anteil göttlicher und menschlicher Autorschaft, den biblischen ‚Urtexten‘ sowie möglichen Verfälschungen im Prozess wiederholten Übersetzens und Kommentierens, nach der Gewichtung von wörtlichem und allegorischem Sinn sowie der Annahme einer claritas oder obscuritas Scripturae betrafen.13 Die oftmals bimediale Druckgraphik eignete sich daher in besonderer Weise dafür, die 7

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Inprimis enim divinarum literarum auctoritatem & dignitatem commendatam, atque humanae sapientiae, prudentiae, & iudicio omni (ut par erat) praelatam: postea perversarum interpretationum & depravationum exitiali veneno inspersit; cuius vi plurimorum hominum ingenia & iudicia corrupit, innumerabilésque perdidit animas, ac denique Christianam miserè perturbavit Rempublicam. Zitiert nach Melion 2009, S. 89, Anm. 72. Vgl. die englische Übersetzung in: Melion 2009, S. 34  f. Zu den von Benito Arias Montano verfassten Prologen der Biblia Polyglotta vgl. Sánchez Manzano 2006; Melion 2009, S. 33–35. Zur Entstehungsgeschichte dieser Bibelausgabe vgl. Portuondo 2019, S. 87–121. Zu Bibeleditionen und -übersetzungen in den frühneuzeitlichen Niederlanden vgl. u.  a. Arblaster 2004; Broeyer 2006. Vgl. z.  B. Veldman 1987a, S. 234; Veldman 1995, S. 215; Coelen / Tümpel 1996; Griffiths 2016, S. 172; Clifton 2009, S. 11. Vgl. Tolstichin 2014; Tolstichin 2017, S. 227  f. Melion / Clifton / Weemans 2014: „Visual Images as Exegetical Instruments“. Vgl. auch die auf S. 158 in Anm. 45 genannte Literatur. Vgl. exemplarisch die Verhandlung dieser Themen in Coornherts oben genanntem Hert-Spieghel



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spezifische „Medialität der Bibel“,14 um welche sich diese interkonfessionellen Auseinandersetzungen letztlich stets drehten, zu verhandeln und zugleich ins Verhältnis zum epistemischen Leistungsvermögen der auf sie bezogenen Kunstwerke zu setzen. Es ist offenbar dieses, über die bloße inhaltliche Auslegung hinausgehende exegetische Potenzial druckgraphischer Bilder, das Coornhert in den von ihm in Zusammenarbeit mit verschiedenen Künstlern konzipierten Kupferstichen und Radierungen wiederholt herauszuarbeiten und nutzbar zu machen strebte. Dies gilt nicht nur für die in den 1550er Jahren nach den Entwürfen von Maarten van Heemskerck angefertigten Darstellungen biblischer Historien und Gleichnisse.15 In hohem Maße manifestiert sich diese Absicht vor allem in den während der späten 1560er sowie der 1570er Jahre gemeinsam mit Adriaen de Weerdt und Hendrick Goltzius geschaffenen allegorischen Graphikserien Die Kraft der Wahrheit (Kapitel  3.1.), Aufstieg und Fall des Häretikers (Kapitel  3.2.) sowie Falsche Überzeugung richtet die Welt zugrunde (Kapitel 3.3.), die sich explizit mit den Verfahren, Bedingungen und Limitationen menschlicher Wahrheitserkenntnis be­fassen. Die Besonderheit dieser drei im Folgenden fokussierten Kupferstichfolgen besteht dabei vor allem im komplexen Umgang mit den stets in Zitaten präsenten biblischen Versen, als deren Visualisierungen die innovativen Bildfindungen gezielt inszeniert werden. Das vorliegende Kapitel verfolgt daher die These, dass sich die Blätter als künstlerische Form der Erprobung und Aushandlung biblischer und bildlicher Wahrheitsansprüche begreifen lassen, in denen die Figur der Veritas vor allem aufgrund der als ambivalent gekennzeichneten Zurschaustellung ihres nackten Körpers eine entscheidende Funktion einnimmt. Indem die Graphikserien sich mit je eigener inhaltlicher Schwerpunktsetzung die theologische Methode der loci communes aneignen und die Notwendigkeit allegorischer Bibelauslegung veranschaulichen (Kapitel 3.1.), die exegetische Funktion der mit unterschiedlichen Bibelstellen kreativ operierenden Kunstwerke als potenziell irreführende Umdeutungen der Heiligen Schrift problematisieren (Kapitel 3.2.) oder anhand der visuellen Verhältnisbestimmung von (Bibel-)Text, Bild, Körper und Schatten über die erkenntnisstiftende Wirkung des Blicks auf die VeritasFigur reflektieren (Kapitel  3.3.), loten sie beständig die Möglichkeiten intermedialer ­Repräsentation der Wahrheit im Medium der Druckgraphik aus.

Godlijcker Schrifturen (Coornhert: Hert-spiegel). Zur theologischen Diskussion um die claritas respektive obscuritas Scripturae vgl. u.  a. Beißer 1966; Müller 1999, S. 55  f.; Callahan 1996. 14 Grosse 2012. Zur „Medialisierung des Heiligen“ als grundlegender Streitfrage des Christentums, die sich unter anderem ebenso an der Auseinandersetzung um den Status des Bildes wie um die Auslegung der Heiligen Schrift entzündete und „oftmals mit einer Semantik der Bildlichkeit verhandelt“ wurde, vgl. Lentes 2004, hier S. 14. 15 Zur Zusammenarbeit von Coornhert und Maarten van Heemskerck vgl. u.  a. Veldman 1977; ­Veldman 1986a; Veldman 1989, S. 115–130; Veldman 1990, S. 11–14. Zur exegetischen Funktion ihrer gemeinsamen Druckgraphiken vgl. u.  a. DiFuria 2014.

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3.1. Intermediale loci communes Die Kupferstichserie Die Kraft der Wahrheit, die Dirck Volckertsz. Coornhert vermutlich zwischen 1568 und 1576 gemeinsam mit Adriaen de Weerdt schuf, inszeniert auf acht Blättern einen komplexen Prozess der Annäherung an die göttliche Wahrheit (Abb. 55–62):16 Nach der ersten, gleichsam als Auftakt fungierenden Graphik, welche das Begreifen der eigenen Lasterhaftigkeit als initialen Erkenntnismoment präsentiert (Abb.  55), zeigen der zweite bis vierte Stich zunächst die Liebe Gottes zur Wahrheit (Abb.  56), die im Schutz der Veritas vollzogene Hinwendung des Gläubigen zu Gott (Abb. 57) sowie die endgültige Entscheidung gegen die Täuschungen der Welt (Abb. 58). Die fünfte bis siebte Graphik veranschaulichen daran anschließend den Sieg über die eigenen Begierden (Abb. 59), die Befreiung von den Mächten des Bösen durch die Orien­ tierung am Wort Christi (Abb. 60) sowie den Schutz vor deren Anfeindungen, welchen die Macht der Wahrheit gewährt (Abb. 61). Damit präsentieren die Stiche einen Vorgang der Selbst-, Welt- und Gotteserkenntnis, der letztlich von den Rezipierenden selbst vollzogen werden soll. Dieser Vorgang wird als Mittel der Transformation nicht nur des Einzelnen, sondern der gesamten Gemeinschaft der Gläubigen in Form einer konfessionelle Grenzen überwindenden Ecclesia Dei aufgefasst, deren Aufnahme in das Himmelreich auf dem achten Blatt den End- und Kulminationspunkt der Serie bildet (Abb. 62). Die Druckgraphiken, die sich formal im Unterschied zu den anderen beiden in diesem Kapitel zu untersuchenden Folgen durch ihr Hochformat sowie die dadurch erzeugte kompositionelle Konzentration auf die meist wenigen Figuren auszeichnen, ergeben trotz ihrer bereits in der ersten Auflage vorhandenen Nummerierung keine durchweg stringente Erzählung. Die einzelnen Bildfindungen, in denen neben der stets als Figur dargestellten Veritas zumeist die Gestalt eines jungen Mannes als Protagonist und Identifikationsfigur für die Rezipient:innen auftritt, erscheinen demnach in erster Linie als prinzipiell flexibel aufeinander folgende Stationen eines epistemischen Prozesses. In Die Kraft der Wahrheit geht es dementsprechend weniger um dessen präzise Chronologie als um seine grundlegende Struktur, weshalb auch die folgende Analyse weniger der Abfolge der nummerierten Blätter als vielmehr der darin visualisierten Argumentation folgt.

16 Die Benennung der Serie folgt Veldman 1990, S. 90–105, Kat.-Nr. 8. Im Hollstein-Katalog wird sie unter der Bezeichnung The Triumph of Truth geführt. Vgl. Hollstein 51, S. 232. Abgesehen von einem im Museum Boijmans van Beuningen in Rotterdam aufbewahrten Exemplar (abgebildet in Illustrated Bartsch 55, Nr. .053.1–.053.8) ist die Stichfolge heute offenbar nur in der 1604 von Hendrick Hondius verlegten dritten (?) Auflage erhalten, in der auch die Signaturen hinzugefügt wurden. Vgl. Veldman 1990, S. 28  f.; Orenstein 1996, S. 99–101. Zu der Serie vgl. außerdem Veldman 1990, S. 90–105, Kat.-Nr. 8; Veldman 1999, S. 152; Veldman 2006, S. 107  f. Zur Zusammenarbeit von Coornhert und de Weerdt vgl. Veldman 1989, S. 135–142; Veldman 1990, S. 18–22; Veldman 1993, S. 37–41.



3.1. Intermediale loci communes

Abb. 55. Dirck Volckertsz. Coornhert nach Adriaen de Weerdt: Die Kraft der Wahrheit, Blatt 1: Der Büßende bringt die Wahrheit ans Licht und erblickt die Gerechtigkeit, ca. 1568–1576, hier 3. (?) Auflage, verlegt von Hendrick Hondius, 1604, Kupferstich und Radierung, 194 × 258 mm, Amsterdam, Rijksmuseum, Inv.-Nr. RP-P-1986-327.

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Abb. 56. Dirck Volckertsz. Coornhert nach Adriaen de Weerdt: Die Kraft der Wahrheit, Blatt 2: Die Wahrheit wird von Christus geliebt, aber von den Bösen gehasst, ca. 1568–1576, hier 3. (?) Auflage, verlegt von Hendrick Hondius, 1604, Kupferstich und Radierung, 192 × 257 mm, Amsterdam, ­Rijksmuseum, Inv.-Nr. RP-P-1986-328.



3.1. Intermediale loci communes

Abb. 57. Dirck Volckertsz. Coornhert nach Adriaen de Weerdt: Die Kraft der Wahrheit, Blatt 3: Die Wahrheit lehrt den Menschen, Gott anzubeten, ca. 1568–1576, hier 3. (?) Auflage, verlegt von Hendrick Hondius, 1604, Kupferstich und Radierung, 193 × 255 mm, Amsterdam, Rijksmuseum, Inv.-Nr. RP-P-1986-329.

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Abb. 58. Dirck Volckertsz. Coornhert nach Adriaen de Weerdt: Die Kraft der Wahrheit, Blatt 4: Die Verachtung des Betrugs der Welt führt zu Christus und zur Wahrheit, ca. 1568–1576, hier 3. (?) Auflage, verlegt von Hendrick Hondius, 1604, Kupferstich und Radierung, 192 × 258 mm, Amsterdam, Rijksmuseum, Inv.-Nr. RP-P-1986-330.



3.1. Intermediale loci communes

Abb. 59. Dirck Volckertsz. Coornhert nach Adriaen de Weerdt: Die Kraft der Wahrheit, Blatt 5: Wer Begehren und Lügen tötet, wird von der Wahrheit bekränzt, ca. 1568–1576, hier 3. (?) Auflage, verlegt von Hendrick Hondius, 1604, Kupferstich und Radierung, 194 × 257 mm, Amsterdam, ­Rijksmuseum, Inv.-Nr. RP-P-1986-331.

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Abb. 60. Dirck Volckertsz. Coornhert nach Adriaen de Weerdt: Die Kraft der Wahrheit, Blatt 6: Der Glaube an die Wahrheit befreit den Menschen von Sünden, Tod und Teufel, ca. 1568–1576, hier 3. (?) Auflage, verlegt von Hendrick Hondius, 1604, Kupferstich und Radierung, 192 × 258 mm, ­Amsterdam, Rijksmuseum, Inv.-Nr. RP-P-1986-332.



3.1. Intermediale loci communes

Abb. 61. Dirck Volckertsz. Coornhert nach Adriaen de Weerdt: Die Kraft der Wahrheit, Blatt 7: Die Wahrheit schützt den Menschen vor dem Schlechten, ca. 1568–1576, hier 3. (?) Auflage, verlegt von Hendrick Hondius, 1604, Kupferstich und Radierung, 192 × 257 mm, Amsterdam, Rijksmuseum, Inv.-Nr. RP-P-1911-432.

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Abb. 62. Dirck Volckertsz. Coornhert nach Adriaen de Weerdt: Die Kraft der Wahrheit, Blatt 8: Für die wahre Kirche Gottes steht der Himmel offen, ca. 1568–1576, hier 3. (?) Auflage, verlegt von Hendrick Hondius, 1604, Kupferstich und Radierung, 193 × 258 mm, Amsterdam, Rijksmuseum, Inv.-Nr. RP-P-1986-333.



3.1. Intermediale loci communes

Der Verzicht der Künstler auf eine durchgängige Narration steht in unmittelbarem Zusammenhang mit dem intermedialen Konzept der Kupferstiche, das durch ein komplexes Ineinandergreifen von Bild- und Textelementen gekennzeichnet ist. Jedes Blatt umfasst neben der allegorischen Bildfindung stets einen kurzen, alt- oder neutestamentlichen Vers in lateinischer Sprache sowie ein vermutlich von Coornhert verfasstes vierzeiliges niederländisches Epigramm,17 das ebenso als ausdeutende Paraphrasierung der angegebenen Schriftstelle wie als erläuternder Kommentar der bildlichen Darstellung aufgefasst werden kann. Dabei besteht die entscheidende Gemeinsamkeit der gewählten biblischen Zitate, die meist Formulierungen in metaphorischer Sprache wiedergeben, in der konsequenten Verwendung des Begriffs ‚veritas‘. Durch diese programmatische Auswahl der Verse, welche die Wahrheit auch auf textlicher Ebene unmissverständlich zum Kernthema des Werks erhebt, avanciert die Graphikserie zu einer künstlerischen Umsetzungsform der humanistischen Methode der loci communes.18 Dieses aus der antiken Rhetorik stammende und, auf einer jahrhundertelangen theologischen Tradition aufbauend,19 vor allem im 16. Jahrhundert zur Sammlung sowie Strukturierung von Wissen aller Disziplinen und Sachgebiete angewandte Verfahren basiert auf der Annahme, dass ein Erkenntnisgewinn über jeden beliebigen Gegenstand durch die Zusammenstellung und Aufarbeitung betreffender Textstellen einschlägiger Werke möglich sei.20 Von Autoren wie Erasmus von Rotterdam, Johannes Eck, Melchior Cano, Pietro Martire Vermigli und Philipp Melanchthon wurde es über konfessionelle Grenzen hinweg auch für die Lektüre und Exegese der Bibel angewandt und empfohlen.21 Dazu sollten Fundstellen zu zuvor festgelegten Lemmata – Erasmus nennt hier beispielsweise den Glauben, das Fasten oder die Keuschheit22  – zusammengetragen werden, die meist in kleinen Heften notiert und zum Teil auch publiziert wurden. Die Kompilation und Gliederung der Zitate nach verschiedenen Gesichtspunkten sollte ein umfassendes Verständnis der jeweiligen Grundbegriffe und Themen ermöglichen sowie der Ableitung apodiktischer Syllogismen dienen, deren Prämissen jeweils in den unbestreitbar wahren biblisch fundierten Wissensbeständen aufzufinden waren.23 17 Zu den inhaltlichen Analogien zu Coornherts literarischen Werken vgl. Veldman 1990, S. 105. 18 Dass die kreative Auseinandersetzung mit dieser theologischen Methode in der niederländischen Kunst des 16. Jahrhunderts wiederholt zur Entwicklung innovativer Bildkonzepte beitrug, konnte die kunsthistorische Forschung bereits mehrfach überzeugend herausarbeiten. Vgl. Meadow 1992; Meadow 2002, S. 83–97; Melion 2019a. 19 Vgl. Lohr 1985; Frank 2011, S. 71  f. 20 Zu Konzepten und Anwendungen der loci-Methode vgl. u.  a. Maurer 1960; Meadow 1992, S. 150–159; Moss 1993; Moss 2002; Leu 2007; Töpfer 2008; Backus 2009; Kallweit 2015, S. 61–192. 21 Zur loci-Methode als konfessionsübergreifendem Phänomen vgl. Frank 2011, der diese und weitere Autoren aller Konfessionen und ihre Werke aufführt. 22 Vgl. Erasmus: Testamentum, S. 453. 23 Vgl. Maurer 1960, S. 20; Fleurkens 1994, S. 113  f.; Meerhoff 1994; Melion 2018, S. 187  f.

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Dieser Methode bediente sich auch Coornhert, der seit Mitte der 1550er Jahre über drei Jahrzehnte lang an einer eigenen Sammlung biblischer loci communes arbeitete.24 Besonders in der Zeit seines Exils (1568–1576),25 während der vermutlich auch die Graphikserie Die Kraft der Wahrheit entstand, beschäftigte er sich mit dieser Aufgabe. Aus seiner Sicht bot sich so die Möglichkeit, komplexe theologische Fragen zu beantworten sowie Glaubenswahrheiten allein auf biblischer Grundlage ohne Rückgriff auf von Menschen verfasste und daher fehlbare Auslegungen oder Kommentare zu erschließen.26 In einem im Jahr 1586 verfassten Brief an den mit ihm befreundeten Rechtsgelehrten und Theologen Aggaeus van Albada erläutert er diese Arbeit als een groot werk,27 an dem er bereits seit mehr als 25 Jahren met ernstigher aendacht ende vlijt (‚mit ernsthafter Aufmerksamkeit und Fleiß‘) arbeite:28 Dit sijn Bybelsche Loci communes niet alleen van dinghen / als van Gode / van den Duyvele / van den mensche / van waerheydt / loghen / wijsheydt / dwaesheydt / etc. Maer oock van de werckinghen der dinghen / als te weten wat Godt werckt / wat de Mensche werckt / wat waerheydt werckt / [et]c. met heure Causis qualitatibus, &c. Summa Methodice beschreven / soo datmen daer oock sal moghen zien elcks dinghs gantsche aert / ende beneven dien oock sonderlinghe desselfs werckinghen / namentlijck quis, quid, ubi, quibus, auxilijs, cur, quo modo, quando, &c. Sulcx dat de Heylighe Schrift selfs voor alle recht-Leer-ghierighen beter uyt-leghster van haer selfs sal moghen wesen / dan alle Menschelijcke Glosen of Commentarien.29 ‚Dies sind biblische Loci communes nicht allein von Dingen wie Gott, dem Teufel, dem Menschen, der Wahrheit, Lüge, Weisheit, Narrheit etc., sondern auch von den Wirkungen der Dinge, um zu wissen, was Gott bewirkt, was der Mensch bewirkt, was Wahrheit bewirkt etc., mit ihren Causis qualitatibus, etc. Summa methodice beschrieben, sodass man daraus auch das ganze Wesen des Dings und außerdem besonders auch dessen Wirkungen, namentlich quis, quid, ubi, quibus, ­auxiliis, cur, quo modo, quando, etc. erkennen kann. Sodass die Heilige Schrift selbst für alle aufrichtig Lernbegierigen ein besserer Ausleger ihrer selbst sein wird als alle menschlichen Glossen oder Kommentare.‘

Die Zusammenstellung der loci communes und ihre Systematisierung nach einem der Topik entstammenden Kriterienkatalog,30 den Coornhert mit dem schulrhetorischen Merkvers quis, quid, ubi […] beschreibt, soll demnach dazu dienen, den nach Wissen strebenden Leser:innen eine verlässliche und weitreichende Einsicht in zentrale Glaubens24 Vgl. Fleurkens 1994, S. 109–115; Melion 2018, S. 186–188; Melion 2019a, S. 71–89. 25 Coornhert kehrte lediglich 1572 für kurze Zeit in die Niederlande zurück. Vgl. Veldman 1989, S. 134; Bonger 2004, S. 51–68. 26 Vgl. Fleurkens 1994, S. 110. 27 Coornhert: Brieven-boeck, fol. 109v, Nr. 44. 28 Coornhert: Brieven-boeck, fol. 109v, Nr. 44. 29 Coornhert: Brieven-boeck, fol. 109v, Nr. 44. 30 Zur Funktion derartiger Kriterienkataloge der Topik vgl. Schmidt-Biggemann 2000, S. 252–255.



3.1. Intermediale loci communes

inhalte zu vermitteln. Die von Coornhert in seinem Brief ausgedrückte Hoffnung, dieses Werk noch vor seinem Tod zu vollenden und zu veröffentlichen,31 erfüllte sich indes nicht. Eine Auswahl der von ihm zusammengetragenen loci, darunter auch die erwähnte Sammlung zum Lemma ‚Wahrheit‘, wurde jedoch dem ersten Band der posthum im Jahr 1630 erschienenen Ausgabe von Coornherts Werken vorangestellt. Darin sind unter der Überschrift Beschryvinghe in 21 nummerierten Rubriken über 300 biblische Fundstellen zum Begriff ‚veritas‘ mit einem kurzen Vermerk zu deren Inhalt aufgeführt.32 Die Abschnitte lassen sich grob in die Kategorien der Beschaffenheit und Eigenschaften der Wahrheit, ihrer Vertreter und Zeugen sowie Feinde, der Wege zu ihrer Erkenntnis, ihrer Wirkungen sowie ihrer Negation einteilen. Der dabei intendierte Erkenntnisgewinn beruht neben der Zusammenstellung vor allem auf der Strukturierung der Fundstellen nach diesen Kategorien, die es „allen aufrichtig Lernbegierigen“ (alle rechtLeer-ghierighen) erleichtern soll, Bezüge zwischen den einzelnen Versen herzustellen. Die Überschrift Beschryvinghe verdeutlicht, dass damit nichts Anderes beabsichtigt wird, als den Rezipierenden – der rhetorischen Tradition des äquivalenten lateinischen Begriffes descriptio entsprechend – die Wahrheit als ein inneres Bild anschaulich vor Augen zu stellen, um auf diese Weise ihre Erkenntnis zu ermöglichen.33 Der kompilatorische Charakter dieser Sammlung, der auf die grundsätzliche Erweiterbarkeit der biblischen Belegstellen setzt, spiegelt sich im beschriebenen Aufbau der Graphikserie Die Kraft der Wahrheit. Anders als in Coornherts schriftlichen loci folgen Auswahl und Abfolge der selektierten Textstellen hier jedoch nicht einem Kriterienkatalog der Topik, sondern gleichsam ästhetischen Prämissen: Indem die Graphiken gemeinsam eine flexible Narration vom Erscheinen von Veritas und Iustitia auf Blatt 1 (Abb. 55) bis hin zur Aufnahme der Ecclesia Dei in das Himmelreich auf Blatt 8 (Abb. 62) ergeben, leiten sie die Rezipient:innen dazu an, die vorgelegten Schriftstellen respektive die daraus generierten Bildszenen beständig neu anzuordnen und zu kombinieren, aber auch gedanklich zu erweitern. Diese Imaginationsleistung lässt die Betrachtenden idealiter selbst zu Exeget:innen werden, die sich ganz im Sinne der loci-Methode eigenständig eine umfängliche descriptio der Wahrheit zu erarbeiten vermögen. In diesem Kontext kommt der Figur der Veritas als ästhetischer Schnittstelle zwischen biblischem Text und allegorischem Bild eine entscheidende Funktion zu: Ihr Agieren als Unterstützerin des Menschen auf dem Weg zur Erkenntnis des Göttlichen wird nicht nur durch die beständige Verwendung des Begriffs ‚veritas‘ in den zitierten Versen, sondern auch auf ikonographischer Ebene mit der erkenntnisstiftenden Wirkmacht der Heiligen Schrift und folglich auch der auf diese bezogenen Kupfer­stiche in Verbindung gebracht. Besonders eindrücklich zeigt dies das sechste Blatt der Folge 31 Coornhert: Brieven-boeck, fol. 109v, Nr. 44. 32 Coornhert: Van de Waerheyt. 33 Vgl. Melion 2018, S. 187. Zum Begriff der descriptio vgl. allgemein Halsall 1994.

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(Abb.  60), welches die im angegebenen Bibelvers aus dem Johannesevangelium angesprochene Befreiung des Menschen durch die Wahrheit als eine Loslösung von den Fesseln des Bösen visualisiert: Et cognoscetis veritatem, et veritas liberabit vos. Joan.8.d. (Joh  8,32: „Und [ihr] werdet die Wahrheit erkennen und die Wahrheit wird euch befreien“).34 Das dazu von der Veritas geführte flammende Schwert, mit dem sie das auffällig dünne Seil durchtrennt, das den Gläubigen bindet,35 ist dabei mehrfach symbolisch aufgeladen. Zum einen verweist es auf die Vertreibung Adams und Evas aus dem ­Paradies und präsentiert das auf wahrhafte Gotteserkenntnis zielende Wissensstreben des Gläubigen als Gegenbild zur Ursünde des Menschen.36 Zum anderen versinnbildlicht es mit Bezug auf die paulinische Waffenmetaphorik das gladium Spiritus quod est verbum Dei (Eph 6,17: „das Schwert des Geistes, das das Wort Gottes ist“) und damit die befreiende Kraft des göttlichen Wortes, auf welche auch die Bezeichnung der Figur des jungen Mannes als Discipulus Christi (‚Schüler Christi‘) rekurriert. Denn diese greift den auf dem Blatt zitierten und im niederländischen Epigramm paraphrasierten Vers aus dem Johannesevangelium auf, nach welchem allein diejenigen, die bei der Rede Christi bleiben, als dessen wahre Schüler anzusehen seien.37 Gerade im Moment seiner Befreiung vom Bösen wird der Gläubige hier demnach wesenhaft von seiner Orientierung am biblischen Wort bestimmt. Die im Motiv des Schwertes manifest werdende Bezugnahme der Bildfindung auf das Modell des miles christianus zeigt sich auch in der Auswahl der den Discipulus Christi fesselnden Feinde: Mit den Figuren von Peccatum (‚Sünde‘), Diabolus (‚Teufel‘), Caro (‚Fleisch‘) und Mors (‚Tod‘) erscheinen hier eben jene Mächte des Bösen, die sich in der zeitgenössischen Vorstellung als Feinde des mit seiner geistigen Waffenrüstung nach Eph 6,10–17 gegen die Mächte des Bösen kämpfenden christlichen Streiters etablierten.38 Beispielhaft wird dies im Vergleich mit der zwischen 1572 und 1597 von

34 Die gesamte Stelle lautet übersetzt: „Daher sprach Jesus zu den Juden, die an ihn glaubten: ‚Wenn ihr bei meiner Rede [in sermone meo] bleibt, werdet ihr wahrhaft meine Schüler [discipuli mei] sein und [ihr] werdet die Wahrheit erkennen und die Wahrheit wird euch befreien‘“ (Joh 8,31–32). 35 Vgl. eine ähnliche Darstellung, in der jedoch Christus selbst das flammende Schwert führt, auf einem 1554 von Cornelis Bos nach einem Entwurf Maarten van Heemskercks gestochenen Kupferstich (New Hollstein (Maarten van Heemskerck 2), S. 123, Nr. 433). 36 Zur Symbolik des Flammenschwerts vgl. Exner 1993. 37 Für das biblische Zitat s.  o. S. 154, Anm. 34. Die in den niederländischen Bibelübersetzungen des 16. Jahrhunderts übliche Übertragung der Formulierung sermo mei als mijn woord oder mijne woorden unterstreicht die Assoziation mit dem verbum Dei. Vgl. auch die Formulierung des niederländischen Epigramms: Die int woort Christi blijft, en dat werckelic doet, / Is te recht sijn jonger, en wert merckelic vroedt. / Want hi crijcht des mogenden waerheits kennisse, / Die hem recht vri maect van der zonden scenisse. 38 Vgl. zu den Feinden des miles christianus Wang 1975, S. 105–137. Zu den Feinden des Menschen sowie ihrer traditionellen Verknüpfung vgl. außerdem Wenzel 1967.



3.1. Intermediale loci communes

Abb. 63. Hieronymus Wierix nach Maerten de Vos: Spirituale Christiani militis certamen (‚Geistiger Kampf des christlichen Streiters‘), verlegt von Gerard de Jode, ca. 1572–1594, Kupferstich, 298 × 388 mm, Amsterdam, Rijksmuseum, Inv.-Nr. RP-P-OB-67.023.

Hieronymus Wierix nach einem Entwurf von Maerten de Vos in Kupfer gestochenen Darstellung des Spirituale Christiani militis certamen (‚Geistiger Kampf des christlichen Streiters‘) belegt, die Gerard de Jode in Antwerpen publizierte (Abb. 63).39 Auf diesem Blatt umringen die Verkörperungen derselben Prinzipien die zentrale Figur des miles christianus. Ergänzt werden sie hier um die ikonographisch an die babylonische Hure angelehnte Figur der Welt,40 welche der Gläubige in Die Kraft der Wahrheit auf dem vierten Stich in Form einer Sphaira hinter sich lässt (vgl. Abb. 58). Als paradigmatische 39 Die Datierung ergibt sich aus dem Eintritt von Hieronymus Wierix in die Antwerpener Lukasgilde 1572 (vgl. URL: https://rkd.nl/explore/artists/84225, letzter Zugriff: 4. Januar 2021) sowie einer 1596/1597 von Jodocus Hondius publizierten Weltkarte, welche die Bildfindung aufgreift. Zu dem Kupferstich und seiner Rezeption vgl. Bartrum 1999; Clifton 2017, S. 563  f.; Koller 2019, S. 256–259; Penman 2020, S. 53–56. 40 Vgl. Koller 2019, S. 258.

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Verkörperungen des Diesseitigen und seiner Verführungskraft greifen diese Gestalten den christlichen Streiter an, dessen gen Himmel und in Richtung der Taube des Heiligen Geistes gerichteter Blick jene innere Schau zum Ausdruck bringt, die Erasmus im Enchiridion militis Christiani (1503) beschreibt.41 Durch die zahlreichen in das Bild integrierten Bibelzitate, welche die einzelnen motivischen Details begründen und erläutern, wird dabei nicht nur die Darstellung selbst biblisch fundiert, sondern das durch das Schwert symbolisierte Gotteswort in seiner Funktion als geistige Waffe betont sowie dem Kupferstich buchstäblich eingeschrieben. In vergleichbarer Weise erscheint auch Die Kraft der Wahrheit durch die enge Verbindung der Graphiken mit dem biblischen Text sinnfällig mit dieser schlagkräftigsten Waffe der Wahrheit assoziiert: Die geistige armatura erhält in den Kupferstichen gewissermaßen eine ästhetische Form, um im Vorgang der Rezeption ihre Funktion als Hilfsmittel bei der Annäherung an das Göttliche zu erfüllen. Der produktive Transfer der exegetischen Methode der loci communes in die Druckgraphik dient demnach vor allem dazu, das Potenzial der Heiligen Schrift, die Gläubigen aus den Fesseln des Irdischen zu befreien, auch auf die kreativ mit den biblischen Versen operierenden Kupferstiche zu übertragen. Dabei kann der Rezeptionsvorgang dem Konzept der Serie entsprechend nur deshalb als ein derartiger Akt der Wahrheitserkenntnis fungieren, weil die Graphiken unmittelbar und beständig wahrnehmbar an den biblischen Text gebunden sind. Denn die Komplementierung der Schriftverse durch die allegorischen Szenen sowie die niederländischen Epigramme scheint zunächst in eklatantem Widerspruch zum von Coornhert vertretenen Prinzip einer Selbstauslegung der Schrift zu stehen. Diesem begegnen die Blätter mit einer auffälligen Nähe der Bildfindungen zu den biblischen Textstellen, indem sie die in den jeweils zitierten Versen genannten Substantive als Figuren oder Objekte darstellen sowie durch eine der sprachlich ausgedrückten Handlung entsprechende Bildhandlung miteinander in Beziehung setzen. Selbst die an sich nicht durch den Wortlaut der Schrift gedeckte Hinzufügung der Figur des jungen Mannes wird durch wechselnde lateinische Bezeichnungen legitimiert, die stets auf den angegebenen biblischen Vers zurückzuführen sind. Dadurch schufen die Künstler ikonographische Neukonfigurationen, die sich nur punktuell auf bestehende Bildtraditionen beziehen und gerade aufgrund ihrer Präzedenzlosigkeit jene intrinsische Verknüpfung mit dem Bibeltext suggerieren, die Ilja M. Veldman zu der prägnanten Bemerkung veranlasste, de Weerdt habe die biblischen Texte in Die Kraft der Wahrheit „zo letterlijk mogelijk in visuele beelden omgezet“42 (‚so wörtlich wie möglich in visuelle Bilder umgesetzt‘). 41 Vgl. u.  a. Erasmus: Enchiridion, S. 79–93 u. 138  f. 42 Veldman 1990, S. 91. Vgl. auch Veldman 1990, S. 32 u. 93. Zur Originalität von Coornherts Bildfindungen und der damit verbundenen besonderen Relevanz des Bild-Text-Verhältnisses vgl. Veldman 1990, S. 32.



3.1. Intermediale loci communes

Geradezu programmatisch führt jedoch bereits das erste Blatt der Serie (Abb. 55) die weit über einen illustrativen Charakter hinausgehende erkenntnisstiftende Funktion der Kupferstichfolge vor Augen. Mühevoll stemmt sich hier die nackte, nur mit einer nimbusartigen Sonnenscheibe geschmückte Figur der Veritas aus dem Boden empor. Während ihre körperliche Schwere durch die behäbig wirkende Bewegung beinahe fühlbar wird, schwebt die Gestalt der Iustitia mit Kruzifix und Waage, verbundenen Augen und wehendem Gewand auf einem luftigen Wolkengebilde vom Himmel herab. Unverkennbar visualisiert das Agieren der beiden weiblichen Figuren den unterhalb des Bildes zitierten Psalmvers 84,12: Veritas de terra orta est, et Justitia de caelo prospexit. Psal. 84 (Ps 84,12: „Wahrheit ist aus der Erde gewachsen, und Gerechtigkeit hat vom Himmel herabgeblickt“). Der Kupferstich demonstriert zugleich, dass die Vorstellung einer ‚Wörtlichkeit‘ der Bilder schon deshalb problematisch ist, weil die bildliche Darstellung das im Bibelvers Ausgesagte signifikant ergänzt und umdeutet. Bereits die räumliche Situierung des im Alten Testament nicht näher verorteten Geschehens in einer Landschaft außerhalb einer im Hintergrund sichtbaren, befestigten Stadt betont eine semantische Verschiebung von der im Prätext formulierten kollektiven Friedenshoffnung hin zum Ausdruck eines individuellen Erlebens, als dessen Träger die zwischen Veritas und Iustitia erscheinende Gestalt des Büßers fungiert. Die kompositionelle Anordnung der Figuren betont dabei, dass dessen Herz als eigentlicher Schauplatz dieser denkwürdigen Zusammenkunft von Wahrheit und Gerechtigkeit zu begreifen ist: Auf einer von links unten nach rechts oben verlaufenden Diagonalen verbindet das auf die Veritas ausgerichtete cor contritum den Gläubigen mit der Wahrheit, während er sich mit seinem nach oben weisenden Blick der Gerechtigkeit zuwendet. In dieser Abweichung vom zugrundeliegenden Psalmtext manifestiert sich anschaulich der exegetische Anspruch der Graphikserie, welche den Vers hier bewusst nicht im Sinne seiner im 16. Jahrhundert geläufigen politischen Konnotation interpretiert, die etwa bei der in Kapitel 2.1. beschriebenen Festausstattung für den feierlichen Einzug Philipps II. im Jahr 1556 inszeniert wurde. Vielmehr greifen Coornhert und de Weerdt auf eine bereits von Augustinus in den Enarrationes in Psalmos vorgeschlagene alternative Auslegung zurück, welche die Textstelle sowohl auf die Inkarnation Christi – bildlich angedeutet im für die Gerechtigkeit ungewöhnlichen Attribut des Kruzifix – als vor allem auch auf das reuevolle Bekenntnis der eigenen Sünden und die dadurch erlangte Gnade Gottes hin deutet;43 ein Zusammenhang, welchen die niederländischen Verse zusätzlich pointieren: Die waerheit claer wast wt het aertrijc vuil en swert / Als de mensch sijn sonden belijt wt al sijn hert. / En dan siet wten hemel Goods Rechtvaerdicheit / Als berou t’hert scoort wt boosheits onwaerdicheit (‚Die reine Wahrheit wächst aus der schmutzigen und düsteren Erde hervor, da der Mensch aus ganzem Herzen seine Sünden bekennt. Und dann sieht 43 Vgl. Augustinus: Enarrationes, S. 216  f. Für den Hinweis auf diese Auslegungstradition danke ich Michael Lebzelter.

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aus dem Himmel Gottes Gerechtigkeit, da Reue das Herz angesichts der Schande der Schlechtigkeit zerbricht‘). Die Visualisierung dieser moralischen Sinnschicht des Psalmverses lässt sich als prägnante Stellungnahme in der zur Entstehungszeit der Graphikserie virulenten Debatte über die Angemessenheit wörtlicher und allegorischer Auslegung der Heiligen Schrift verstehen. Wohl kaum zufällig ruft gleich der erste Kupferstich der Folge in diesem Zusammenhang implizit die von allen Konfessionen anerkannte religiöse Autorität des Augustinus auf, der nicht zuletzt von Coornhert selbst wiederholt als Gewährsmann für eine geistige Auslegung (geestelicke wtleggingen44) der Heiligen Schrift zitiert wurde. Die ostentative Textnähe der Bildszene suggeriert vor diesem Hintergrund, dass das Wissen um den in Die Kraft der Wahrheit veranschaulichten Prozess der Wahrheitserkenntnis keine von außen an die Bibel herangetragene menschliche Interpretation, sondern vielmehr in Übereinstimmung mit dem Modell des mehrfachen Schriftsinns bereits im Text selbst enthalten sei. Die Graphik beziehungsweise die gesamte Stichfolge fungiert insofern als Medium der Sichtbarmachung dieses latenten Sinns, für den sie eine in der Schrift selbst nicht gegebene Evidenz erzeugt. Während eine exegetische Funktion frühneuzeitlicher Kunstwerke bereits vielfach nachgewiesen wurde,45 unterscheidet sich Coornherts und de Weerdts Graphikserie – ebenso wie die beiden anderen im vorliegenden Kapitel analysierten Werke – in entscheidender Weise von den in diesem Kontext bislang vorwiegend untersuchten Bildern: Die allegorischen Szenen stellen dezidiert keine biblischen historiae dar, deren typologischer, tropologischer oder anagogischer Sinn visualisiert werden soll.46 Selbst dort, wo im ursprünglichen Schriftzusammenhang ein eindeutiger narrativer Rahmen gegeben ist – etwa die Erzählung von Jesus und der Samariterin (Joh 4,24) auf Blatt 2 (Abb. 56) oder die Beschreibung der Apokalypse durch Jesaja (Jes 26,2) auf Blatt 8 (Abb. 62) –, wird dieser weder in den Bildinventionen noch den niederländischen Epigrammen aufgerufen. Diese planvolle Dekontextualisierung lenkt die Aufmerksamkeit gezielt auf den konkreten Wortlaut der jeweils ‚extrahierten‘ Textstellen. Damit suggerieren die Stiche zum einen, dass sie einen sensus litteralis abbilden, der gleichsam immer schon Allegorie ist und daher nur als solche verstanden werden kann, zum anderen machen sie gewissermaßen die ‚Materialität‘ des Textes in seiner sprachlichen Form wahrnehmbar. Sie übertragen demnach nicht nur einen bibelhermeneutischen Ansatz in eine ästhetische Strategie, sondern etablieren vielmehr eine Form visueller Exegese, die gerade durch 44 Zitiert nach Melion 2019d, S. 19. Zu Coornherts Forderung einer geistigen Auslegung der Heiligen Schrift vgl. u.  a. Veen 2000, S. 317  f.; Visser 2011, S. 85; Melion 2019d, S. 18–22. 45 Zu Formen und Konzepten visueller Exegese vgl. u.  a. Esmeijer 1978; Didi-Huberman 2011; Pawlak 2011, S. 195–200; Melion 2014. 46 Insbesondere typologisierende Verfahren wurden vielfach untersucht. Vgl. u.  a. Linke 2014; ­Telesko 2016.



3.1. Intermediale loci communes

das komplexe intermediale Ineinandergreifen von Text und Bild mit einer spezifischen Form der Medienreflexion einhergeht.47 Vor diesem Hintergrund entfaltet bereits das oben beschriebene erste Blatt (Abb. 55) eine komplexe Dialektik von Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit, welche den Prozess der (Selbst-)Erkenntnis auf mehreren Ebenen auf seine Darstellung im Kupferstich bezieht: So wird das aus dem Psalmvers übernommene Motiv des Hervorkommens aus der Erde im niederländischen Epigramm explizit mittels des Gegensatzes von Klarheit und Reinheit (waerheit claer) einerseits sowie Unreinheit und Dunkelheit (het aertrijc vuil en swert) andererseits beschrieben und zugleich auch im Bild als ein Vorgang der Trennung von Licht und Finsternis präsentiert. Dies manifestiert sich nicht nur in der Sonnenscheibe als Attribut der Veritas-Figur, sondern auch in der druckgraphischen Ausgestaltung des Stichs, welche die unbearbeitet gebliebenen Bereiche in der rechten unteren mit den in dichten Schraffuren ausgeführten Wolken in der linken oberen Bildecke kontrastiert, deren Grenze annähernd von der durch die Figuren geformten Diagonalen markiert wird. Hiermit wird zum Auftakt der Folge gezielt ein ikonographischer Bezug zu Darstellungen des ersten Schöpfungswerks der creatio mundi (Gen 1,4–5) hergestellt, wie sie Coornhert und de Weerdt etwa zur gleichen Zeit wie Die Kraft der Wahrheit oder mög­ licherweise kurz danach selbst konzipierten: Auf dem ersten Blatt ihrer vermutlich zwischen 1577 und 1584 gedruckten, wahrscheinlich aber schon zuvor entworfenen achtteiligen Serie der Schöpfungstage48 schwebt die Figur Gottvaters über der aufgewühlten Urflut (Abb. 64). Deren Bewegung sowie Zusammensetzung aus unterschiedlichen Konfigurationen der Materie wird durch den stark variierenden Umgang mit dem Grabstichel angedeutet, mit dem Coornhert teils durch eine Art Punktmuster generierte, teils durch parallele sowie durch unterschiedlich dicht ausgeführte Kreuzschraffuren ausgearbeitete Bereiche nebeneinanderstellte. Der deutlichste und in Bezug auf das Bildthema sinnstiftende Kontrast besteht jedoch zwischen der das Licht veranschau­ lichenden ungestalteten Fläche links oben sowie den die Finsternis darstellenden 47 Damit rücken die Kupferstiche konzeptionell in die Nähe der in den Niederlanden populären Visualisierung von Sprichwörtern, die ebenfalls mit der vermeintlich ‚wörtlichen‘ Wiedergabe sprachlicher Wendungen operiert. Gerade für Pieter Bruegels d.Ä. Niederländische Sprichwörter (1559) wurde ein struktureller Zusammenhang zur Methode der loci communes diskutiert. Vgl. Meadow 1992; Meadow 2002, S. 83–97. Jürgen Müller wies zudem darauf hin, dass Bruegels Tafel letztlich als visuelle „Propädeutik der Bibelexegese“ aufgefasst werden könne. Vgl. Müller 1999, S. 171. 48 Die hier übernommene etablierte Bezeichnung der Serie ist insofern irreführend, als die Blätter nicht nur den traditionellen Schöpfungswerken gewidmet sind. So zeigt etwa das siebte Blatt die ungewöhnliche Szene der Regierung der Welt durch Gott, während das letzte Blatt die Einführung der Menschen in den Garten Eden darstellt. Zu der Serie vgl. Veldman 1990, S. 41–53, Kat.-Nr. 1. Zur Datierung der Serie vgl. Veldman 1990, S. 41.

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Abb. 64. Dirck Volckertsz. Coornhert nach Adriaen de Weerdt: Die Schöpfungstage, Blatt 1: Die Trennung von Licht und Finsternis, 1577–1584, hier 3. (?) Auflage, verlegt von Marten Spiegel, 1597, Kupferstich und Radierung, 193 × 132 mm, Kopenhagen, Statens Museum for Kunst, Inv.-Nr. KKSgb13987.



3.1. Intermediale loci communes

schraffierten Bereichen, welche die Figur des Schöpfers mit ausgebreiteten Armen und wehendem Gewand mit einer dynamischen Bewegung zu teilen scheint. Als würde gerade diese raumgreifende Geste die Linien des Kupferstichs gleichsam magnetisch auf die Gottesfigur lenken und erst durch diese ‚Anziehung‘ jene Leere erzeugt werden, welche das erste Leuchten der Weltgeschichte symbolisiert, streben die geschwungenen Striche der Schraffur auf die Figur Gottvaters zu und bilden zugleich abstrakte bogenförmige Muster, welche sie in einer Art dunklem Nimbus umgeben. Die hell erleuchteten Hände des creator mundi, die sich vor beiden Bereichen abzeich­ nen, verdeutlichen vor diesem Hintergrund die schöpferische Kraft der manus Dei, die hier nichts anderes zu ‚bearbeiten‘ scheint als den Kupferstich beziehungsweise die zugrundeliegende Druckplatte selbst: Der kreative Akt des deus artifex wird in diesem Sinne mit der Arbeit des Kupferstechers parallelisiert, der in seiner künstlerischen Invention eine Schöpfung zweiter Ordnung vollzieht.49 Den erkenntnisstiftenden Wert dieser zweifachen creatio betont in diesem Zusammenhang auch das von Coornhert auf Niederländisch verfasste sowie von Cornelius Schonaeus auf Latein übersetzte Epigramm:50 Prima dies lucem fidei mortalibus adfert, / Dum q[uae] non cernunt edocti pectore credunt (‚Der erste Tag bringt den Sterblichen das Licht des Glaubens, wenn nur die Belehrten das, was sie nicht sehen, von Herzen glauben‘).51 Sowohl der historische Schöpfungsakt des ersten Tages als auch sein künstlerischer Nachvollzug im Kupferstich werden so als ein Vorgang der Sichtbarwerdung des Unsichtbaren beschrieben, welcher den Sterblichen den Glauben an die den Sinnen selbst unzugängliche Transzendenz ermöglichen soll.52 In diesem Sinne verweist die auffällige ‚Leerstelle‘, die im Kunstwerk für das am ersten Tag geschaffene Licht steht, nicht nur auf die creatio ex nihilo,53 sondern auch auf die das Sichtbare übersteigende Inkommensurabilität des Göttlichen.54 Coornhert und de Weerdt griffen diese Semantisierung des Helldunkel-Kontrastes im ersten Blatt von Die Kraft der Wahrheit auf,55 um auch hier einen grundlegenden Zusammenhang von Schöpfungskraft und Erkenntnisleistung herzustellen. Während 49 Vgl. die Inszenierung des ersten Tages der creatio mundi in der von Johann Sadeler gestochenen Schöpfungsfolge nach Maerten de Vos, dazu Hammami / Pawlak / Rüth 2022b, S. 7–13. 50 Zu Schonaeus’ Übersetzungen der Verse vgl. Becker 1936, S. 24; Veldman 1990, S. 41; Fleurkens 1993, S. 75. Zur Arbeit des Haarlemer Dichters im Bereich der Epigrammdichtung für Druckgraphiken vgl. Leesberg 2017; Venne 2017. 51 Vgl. das niederländische Epigramm: Der Criste[n] eerste[n] wercdach is des geloofs lichte: / Als hi to[n] sichtbaer gelooft door leerings gesichte. 52 Vgl. Veldman 1990, S. 43, Kat.-Nr. 1.1. 53 Zur theologischen Auseinandersetzung mit der ‚Schöpfung aus dem Nichts‘ vgl. u.  a. May 1978; Schwanke 2004; Rasmussen 2019. 54 Vgl. in zugespitzter Form Hendrick Goltzius’ Umgang mit der Leerstelle in seiner als Non-finito konzipierten Anbetung der Hirten, dazu Pawlak 2017b; Pawlak 2022b. 55 Zum Experiment mit dem Helldunkel in den graphischen Künsten vgl. auch Brahms 2018.

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Abb. 65. Dirck Volckertsz. Coornhert nach Adriaen de Weerdt: Die Schöpfungstage, Blatt 6: Die Erschaffung der Tiere und des Menschen, 1577–1584, hier 3. (?) Auflage, verlegt von Marten Spiegel, 1597, Kupferstich und Radierung, 193 × 132 mm, Kopenhagen, Statens Museum for Kunst, Inv.-Nr. KKSgb13992.



3.1. Intermediale loci communes

Abb. 66. Dirck Volckertsz. Coornhert nach Adriaen de Weerdt: Die Kraft der Wahrheit, Blatt 1: Der Büßende bringt die Wahrheit ans Licht und erblickt die Gerechtigkeit, ca. 1568–1576, hier 3. (?) Auflage, verlegt von Hendrick Hondius, 1604, Kupferstich und Radierung, Detail aus Abb. 55.

damit auf inhaltlicher Ebene der Moment der reuevollen Einsicht in die eigene Sündhaftigkeit als Beginn eines ‚neuen‘, auf Gott ausgerichteten Lebens inszeniert wird, reflektieren die Künstler zugleich das epistemische Potenzial der druckgraphischen BildSchöpfung.56 Dass gerade die Veritas-Figur im Kontext dieser visuellen Reflexion über das Vermögen des Kupferstichs, Unsichtbares sichtbar zu machen, eine zentrale Stellung einnimmt, wird dabei nicht zuletzt dadurch deutlich, dass ihre Darstellung gezielt auf einen weiteren Moment der creatio mundi verweist: Im Vergleich mit Coornherts und de Weerdts Kupferstich zur Erschaffung der Tiere und des Menschen (Abb. 65) zeigt sich, dass ihre ‚Ausgrabung‘ aus dem Erdboden (Abb. 66) mit der in dieser Schöpfungsszene gezeigten Erschaffung Adams nach Gen 2,7 parallelisiert wird: „Also formte der Herr, Gott, den Menschen aus dem Schlamm der Erde, und er hauchte den Lebensatem in sein Gesicht, und der Mensch wurde zu einer lebendigen Seele.“ In der üppigen Vegetation der paradiesischen Landschaft, in der sich im Mittelgrund der Schöpfungsdarstellung auch die Erschaffung Evas aus der Seite Adams sowie rechts jene der durch ein Kamel, einen Elefanten, ein Pferd und eine Schlange repräsentierten Tiere ereignet, wird die Entstehung des Menschen aus der Erde eindrücklich visualisiert: Die Figur Adams, die sich mit aufgestützten Händen aufzurichten beginnt, ist an den Hüften aus denselben 56 In den späteren Auflagen, wie der als Abb. 55 abgebildeten dritten (?), wird dieser kunstreflexive Aspekt durch den Blick der Veritas-Figur auf die neu angebrachten Signaturen zusätzlich unterstrichen.

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Linien gestaltet, die auch den Boden bilden, sodass sein Unterleib noch buchstäblich mit dem Untergrund verwachsen scheint. Vor ihm im Zentrum des Bildes steht die in einen weiten Mantel gehüllte Figur des Schöpfers mit erhobener Linker und verleiht dem aus Erde geformten Menschen im selben Moment in einem göttlichen Sprechakt jenen Geist (ratio, geest57), dessen Besitz die Epigramme insbesondere dem zuerst geschaffenen Mann zuschreiben. Die ikonographische Analogie zwischen der Sichtbarwerdung der Veritas auf dem ersten Blatt von Die Kraft der Wahrheit und der Erschaffung des Menschen unterstreicht nicht nur das schöpferische Potenzial des gezeigten Moments aufrichtiger Reue, in welchem der Gläubige selbst gleichsam als creator auftritt, der Wahrheit und Gerechtigkeit hervorbringt. Sie lässt sich – worauf im Folgenden zurückzukommen sein wird – zugleich als visuelle Reflexion über den Status der Veritas-Figur verstehen, deren körperliche Gestalt dadurch in ihrer Materialität betont wird, während erst die ‚Beseelung‘ des Leibes ihr Wesen gleichsam vervollständigt: Nur wenn die allegorische Figur demnach als gleichermaßen aus Körper und Geist, äußerer Erscheinung und innerer Bedeutung zusammengesetzt erfasst wird, kann sie ihre erkenntnisstiftende Funktion erfüllen. Die hier thematisierte ‚Schöpfungskraft‘ bezieht sich, wie auf den weiteren Blättern von Die Kraft der Wahrheit deutlich wird, vor allem auf einen spezifischen Formungsprozess, an welchem die Wahrheit selbst wirkenden Anteil hat. Dabei unterstreicht die bereits angesprochene Übertragung der traditionell dem miles christianus zugeordneten Waffen – neben dem Schwert auch das scutum fidei (Eph 6,16: „Schild des Glaubens“) als Schutz vor der Bedrohung durch Unwissenheit und Täuschung auf dem siebten Kupferstich (Abb. 61) – auf die Figur der Veritas die aktive Involvierung der Wahrheit in den angestrebten Erkenntnisvorgang.58 In dessen Verlauf wird der Mensch gleichsam selbst zu ihrem Träger, wie der fünfte Kupferstich anschaulich zeigt (Abb. 59): In einer an den Triumph Michaels über den apokalyptischen Drachen gemahnenden Körperhaltung unterwirft die hier im Rekurs auf den zitierten Vers aus dem Buch Jesus Sirach als Operans Veritatem (‚die Wahrheit Ausübender‘) bezeichnete männliche Figur die maskierte Schattengestalt des Mendacium (‚Lüge‘) ebenso wie diejenige des mit verbundenen Augen gezeigten Amor coecus (‚blindes Verlangen‘), in dessen Körper sie eine Lanze bohrt, und wird dafür von der mit wehendem Haar aus den Wolken hervorkommenden Veritas mit einem Lorbeerkranz bekrönt. Als Visualisierung der Textstelle 57 Prodit homo, rerum dominus pacique creatus, / Quem ratio regit vt vir, quemq[ue] affect[us] ut vxor // Op t’gemoeds lant come[n] sgeests dade[n] vreedsae[m] gediert: / Waer ouer t’versta[n]t als ma[n], wil als wij[f] regiert. 58 Eine Überblendung von Veritas und miles christianus findet sich bereits in einem niederländischen Holzschnitt aus den 1530er Jahren. Zu der Graphik vgl. Nijhoff 1931, S. 64  f.; Zijp 1983, S. 369  f.; Boon 1984, S. 210–213; Duke 1990b, S. 75; Boon 1992, S. xxix–xxxii; Schmidt / Decavele 1999.



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Veritas ad eos qui coopera[n]tur illa[m] reuertetur. Ecli. 2759 (Sir 27,10: „die Wahrheit wird zu denen zurückkehren, die sie ausüben“) betont das Blatt damit den unmittelbaren Zusammenhang zwischen dem aktiven Einsatz für die Wahrheit und der zunehmenden Annäherung an sie. Die Bildfindung, welche durch die Darstellung der Vogelpaare im rechten Mittelgrund auch den nicht zitierten, im niederländischen Epigramm jedoch paraphrasierten Beginn des Verses – volatilia ad sibi similia conveniunt (Sir 27,10: „Vögel kommen mit ihresgleichen zusammen“) – verbildlicht, leistet auch hier eine signifikante Interpretation und Ergänzung des Textes.60 So werden nicht nur die Tiere durch ihre Artbestimmung als Kraniche und Pfauen, die deren tradierte symbolische Bedeutungen als Verkörperungen von Wachsamkeit und Hochmut aufruft, als sinnbildliche Warnung vor einer überheblichen Nachlässigkeit im Kampf gegen die stets drohenden Laster gedeutet;61 die „Rückkehr“ der Wahrheit erscheint zugleich als Lohn für den bereits errungenen Sieg in eben dieser existenziellen Auseinandersetzung. Die Überwindung körperlicher wie intellektueller Verführungen, die in der Betrachtung der Kupferstiche eingeübt werden kann, wird dabei durch die eschatologisch aufgeladene Haltung des Operans Veritatem als durch jeden Gläubigen kontinuierlich zu vollziehende Präfiguration der finalen Schlacht inszeniert: Im eigenen tugendhaften Agieren kann der Mensch demzufolge sowohl den Triumph über das Böse wie auch die Revelation der endzeitlichen Wahrheit bereits antizipieren und sich auf diese Weise der göttlichen Veritas auf einer übergeordneten Ebene annähern; mehr noch: Er wird letztlich selbst zu einem ihr ähnlichen Abbild (sibi similia). Diese Angleichung inszeniert unter Rekurs auf die christliche Forderung einer imitatio Christi auf eindrückliche Weise der dritte Kupferstich, der mit Bezugnahme auf den zitierten Bibelvers Veri adoratores adorabunt Patre[m] in sp[irit]u et veritate. Joan 4.24 (Joh 4,23: „die wahren Anbeter [werden] den Vater im Geist und in der Wahrheit anbeten“) die ‚wahre Anbetung‘ Gottes visualisiert (Abb.  57). Vor einer sich auf der 59 In der Vulgata steht operantur an Stelle von cooperantur. Da sich in den Bibelzitaten und Epigrammen auf den Kupferstichen des Öfteren Schreibfehler wie ausgelassene Buchstaben finden – auch bei diesem Zitat wurde das zweite ‚r‘ in revertetur nachträglich hinzufügt – könnte es sich bei dieser Änderung um eine Ungenauigkeit handeln, zumal der Satz dadurch grammatikalisch fehlerhaft wird und weder die bildliche Darstellung noch die Beschriftung der Figur oder das niederländische Epigramm darauf Bezug nehmen. Möglich wäre aber auch eine intendierte leichte Bedeutungsverschiebung vom ‚Ausüben‘ der Wahrheit durch den Menschen hin zu seiner Mitwirkung. In beiden Fällen aber steht die aktive Rolle im Vordergrund, welche der Mensch einnehmen muss. 60 Vgl. das niederländische Epigramm: Gaerne versamen vogels van eender veren, / So comt ooc die waerheit metten crone der eeren. / Bi hem die waerheit werct int doden dadelijc / Van quaeij begeerten en logen verradelyc. 61 Zur Bedeutung der beiden Vogelarten in der zeitgenössischen Emblematik vgl. Wilberg VignauSchuurman 1969, S. 201  f. u. 208–210. Speziell zur Symbolik des wachenden Kranichs (grus vigilans) vgl. Erffa 1957; Kern 2002, S. 277–290.

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linken Bildseite öffnenden, antikisierenden Architekturkulisse kniet der hier, die Formulierung des Johannesevangeliums aufnehmend, als Adorator verus (‚wahrer Anbeter‘) bezeichnete Gläubige und blickt ehrfurchtsvoll mit geöffneten Armen gen Himmel. Denn nicht der – wohl für eine institutionalisierte Form der Religion stehende – tempelartige Gebäudekomplex,62 dessen Monumentalität durch die winzigen, sich auf ihn zu bewegenden Figurengruppen im Hintergrund betont wird, sondern die aus den Wolken hervorbrechende Sonne als Sinnbild Gottes ist das Objekt seiner Bewunderung, auf welches ihn die an seiner Seite stehende Figur der Wahrheit hinweist. Einer Verkündigungsszene vergleichbar empfängt er in diesem Moment den Heiligen Geist, der durch die in hellem Lichtschein zwischen ihm und der Veritas schwebende Taube präsent ist. Die Szene markiert damit einen maßgeblichen Moment der Einsicht, die, wie auch das niederländische Epigramm andeutet,63 mit einer grundlegenden moralischen Konversion einhergeht: Die Annahme der Tugenden, deren Erbitten die Verse als ‚wahre Anbetung‘ interpretieren, transformiert den Adorator verus offenkundig in ein Abbild Christi, an dessen auf zwei anderen Blättern der Serie gezeigtes Erscheinungsbild (vgl. Abb. 56 u. 58) die Figur durch langes Haar und Bart angeglichen ist. Die Kraft der Wahrheit inszeniert damit eine Wirkungsweise der Wahrheit, wie sie Coornhert in ähnlicher Form in seinem 1586 erschienenen moralphilosophischen Hauptwerk Zedekunst dat is wellevenskunste beschreibt, in dem er zu Beginn des Kapitels Vande Waarheyd zunächst die Unfähigkeit der Sprache thematisiert, die göttliche Wahrheit zu fassen und zu vermitteln: De waarheyd zelve is een godlyck ding, maar het nasporen der waarheyd is een menschelyck werck, zo noodlyck ende nut voor den menschen, dat zonder haar kennisse niemand wel magh leven. Die waarheyd in haar zelve is niet minder onuytsprekelyck met woorden, als God zelve, die zelf de waarheyd is; zy magh wel ondervonden, maar niet verklaart werden met monden.64 ‚Die Wahrheit selbst ist eine göttliche Sache, aber das Aufspüren der Wahrheit ist eine menschliche Tätigkeit, so notwendig und nützlich für den Menschen, dass ohne ihre Kenntnis niemand gut zu leben vermag. Die Wahrheit ist in sich selbst mit Worten nicht weniger unaussprechlich als Gott selbst, der selbst die Wahrheit ist; sie kann zwar erfahren, aber nicht mit der Sprache erklärt werden.‘65

Der Begriff ‚ondervinden‘, den er zur Beschreibung des für den Menschen einzig möglichen Zugangs zur Wahrheit nutzt, verweist dabei auf ein durch die Sinne vermitteltes

62 Zur dargestellten Architektur vgl. Elsig / Sala 2013, S. 54. 63 Wie Goods beloften ontwifelijc betrout / Niet lijflicx en begeert, welx vercrigen berout / Maer doechde soect en, God daerom bid aldermeest / Met recht bidt hi den Vader in waerheit en geest. 64 Coornhert: Zedekunst, S. 238. 65 Vgl. die englische Übersetzung in Coornhert: Ethics, S. 278.



3.1. Intermediale loci communes

inneres Erleben, das sich der sprachlichen Fassbarkeit entzieht.66 Ohne dass Coornhert Bilder an dieser Stelle explizit als mögliche Medien göttlicher Veritas anspricht, nutzt er in seinen folgenden Darlegungen wiederholt eine Metaphorik der Bildlichkeit und spezifischer der Malerei, um eben dieses sensuelle Erleben der Wahrheit zu beschreiben. Demnach gleiche diese, wie sie sich im Inneren des Menschen als Abbild der Wirklichkeit manifestiere, einem kunstfertig von einem Maler geschaffenen, getreuen Porträt und forme den Menschen seinerseits zugleich nach diesem in seiner Seele bestehenden Bild, indem seine Miene, seine Worte und sein Handeln stets der Wahrheit entsprächen.67 In dieser Verbindung der tradierten philosophischen Korrespondenztheorie der Wahrheit mit der im 16. Jahrhundert geläufigen Metaphorik des Herzens als Bildträger gewinnt der Begriff ‚ondervinden‘ eine zusätzliche kunsttheoretische Signifikanz:68 Mit demselben Wort bezeichnet etwa Karel van Mander im Schilder-Boeck (1604) die beständige Erprobung artistischer Fähigkeiten im Streben nach vollkommener Virtuosität.69 Coornhert konzipiert die erkenntnisstiftende Erfahrung der Wahrheit demnach dezidiert als einen bildnerischen Prozess, in welchem das Innere des Menschen sukzessive der Wahrheit gemäß geformt wird.70 Der von seinem Schüler Hendrick Goltzius angefertigte Kupferstich Exemplar virtutum (‚Muster [oder: Nachbildung] der Tugenden‘), den Philips Galle 1578 als Teil der Allegorien zum Leben Christi publizierte, weist bemerkenswerte Parallelen zu dieser in der Zedekunst dargelegten sowie in Die Kraft der Wahrheit visualisierten Wirkungsweise der Wahrheit im Inneren des Menschen auf und veranschaulicht zugleich die moral­ didaktische Relevanz dieser Vorstellung (Abb. 67).71 Die zentrale allegorische Bildfindung inszeniert die von den Gläubigen eingeforderte Nachahmung Christi als einen gleichsam ästhetischen Vorgang, in dem sich ethische und künstlerische imitatio überlagern. So präsentiert die vom linken Bildrand herantretende Figur Christi der verkörperten menschlichen Seele ein herzförmiges Relief, in welchem eine kindliche Hirtengestalt 66 Cornelis Kilians Etymologicum teutonicae linguae gibt als lateinische Übersetzungen von ‚ondervinden‘ die Begriffe ‚comperire‘ (‚[etwas durch Sehen, Hören, Erkundigen usw.] deutlich ersehen, sicher erfahren‘) und ‚experiri‘ (‚[durch angestellte Versuche] in Erfahrung bringen, [etwas aus Erfahrung] finden, sehen, erleben‘) an. Vgl. Kilian: Etymologicum, S. 363. 67 Vgl. Coornhert: Zedekunst, S. 238  f. 68 Zur Metapher der cordis tabella vgl. Ganz 2010, hier bes. S. 294–302. Eine gängige Visualisierung dieser Vorstellung stellen beispielsweise auch herzförmige Bilder dar. Weitere Beispiele finden sich u.  a. in: Knipping 1939, S. 130–142; Ganz 2010; Göttler 2010, S. 179–192; Hamburger / Keller 2013. 69 Vgl. Mander: Leben 1, S. 296 sowie in Bezug auf sich selbst Mander: Leben 2, S. 378. 70 Zu derartigen Vorstellungen einer Seelenbildnerei, die in der Frühen Neuzeit insbesondere in jesui­tischem Kontext verbreitet war, vgl. u.  a. Ganz 2010; Zierholz 2022. 71 Vgl. zu dem Blatt New Hollstein (Hendrick Goltzius  1), S.  108  f., Nr.  56 sowie Weddigen 2003, S. 91–94; Ganz 2010, S. 300; Michael 2016, S. 264–268; Melion 2019a, S. 108  f.; Melion 2019c. In der Serie findet sich im Blatt Infantia Christi auch eine Darstellung der Veritas, vgl. dazu Tolstichin 2014, S. 39–42; Melion 2019a, S. 102–104; Melion 2019b.

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Abb. 67. Philips Galle nach Hendrick Goltzius: Allegorien zum Leben Christi: Exemplar ­Virtutum (‚Muster [oder: Nachbildung] der Tugenden‘), verlegt von Philips Galle, 1578, Kupferstich, 266 × 197 mm, New York, Metropolitan Museum of Art, Inv.-Nr. 51.501.58.



3.1. Intermediale loci communes

zu erkennen ist, deren Erscheinung die Malerin mit Pinsel, Palette und Stock auf einen ebenfalls herzförmigen, auf einer Staffelei aufgestellten Bildträger zu übertragen strebt. Dieser inschriftlich als Imitatio Christi bezeichnete Schaffensprozess, dessen Mühe in der angestrengten Miene der weiblichen Figur zum Ausdruck kommt, kann jedoch schon deshalb keine exakte Kopie erzeugen, weil mit der Übertragung ein Medienwechsel von der Skulptur zur Malerei vollzogen wird, der mit einem Verlust an Plastizität einhergeht.72 Im Kontext des Vergleichs von Ur- und Abbild gewinnt der Fingerzeig Christi, der sich ebenso auf das im Vordergrund des Bildes zu sehende Lamm wie auch über die ästhetische Grenze hinweg auf die Betrachtenden zu richten und sie in der impliziten Aufforderung Ecce agnus Dei (Joh 1,29: „Siehe, das Lamm Gottes“) miteinander in Beziehung zu setzen scheint, eine kunstreflexive Qualität. So spiegelt bereits der Entstehungsprozess der Graphik als zweidimensionaler Abdruck der mit dem Grabstichel skulptierten Metallplatte den bildlich inszenierten Akt schöpferischer Imitation.73 In diesem Sinne machten Tristan Weddigen und Walter Melion in ihren Analysen des Kupferstichs darauf aufmerksam, dass Goltzius mit diesem Blatt „den Maler und die Malerei, vor allem die vervielfältigende Kupferstecherei mit ihrer virtus imitationis als bevorzugte Instrumente der christlichen imitatio virtutis“74 präsentiert. Ausschlaggebend erscheint jedoch vor allem, dass der bildlich inszenierte, moralisch codierte Paragone sich nicht allein im Produktionsprozess manifestiert, sondern im Rezeptionsvorgang seine konsequente Fortsetzung findet: Die Betrachtenden, auf deren innerer tabella cordis nach dem Vorbild der gezeigten Herzensmalerei durch die intensive Auseinandersetzung mit dem vorliegenden Blatt wiederum ein immaterielles Bild entstehen soll, nehmen vor diesem Hintergrund gewissermaßen selbst die Rolle von Künstler:innen ein, die einen weiteren ‚Medienwechsel‘ herbeiführen. Denn indem dem Herzen jene im Rahmen des Bildes inschriftlich benannten Tugenden eingeprägt werden, die dort exemplarischen Szenen aus dem Leben Christi zugeordnet sind, werden die Rezipient:innen in einem letzten Schritt selbst zu dessen lebendigen Abbildern. So bezeugt der die Geste Johannes des Täufers wiederholende Hinweis auf das im Vordergrund dargestellte Lamm sinnfällig die angestrebte Annäherung von Gutem Hirten und Gehirtetem in der erfolgreichen imitatio Christi.75 Im Prozess multiplizierter Reproduktion stellt folglich weniger das Kunstwerk selbst als vielmehr der/die durch dessen Rezeption buchstäblich ‚geprägte‘ Betrachtende das gelungenste Abbild Christi dar. 72 Vgl. Weddigen 2003, S. 94. 73 Zum Zusammenhang von Druckgraphik und Skulptur vgl. Viljoen 2021. Zur bildimpliziten Re­fle­ xion des materiellen Entstehungsprozesses von Druckgraphik vgl. auch Pawlak 2017b. 74 Weddigen 2003, S. 94. Vgl. die explizit auf Weddigens Aufsatz bezogenen Ausführungen von Melion 2019a, S. 108  f. 75 Zur imitatio Christi als Ziel der Bildkontemplation im Spätmittelalter vgl. Lentes 2002, S. 188–190.

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Übertragen auf Die Kraft der Wahrheit führen die Kupferstiche folglich jenen transformierenden Erkenntnisprozess vor Augen, der sich in der Betrachtung ereignen soll und durch den die Rezipient:innen die Wahrheit letztlich idealiter in sich selbst erfahren (ondervinden) können. Eine solche Erfahrung der Wahrheit muss dabei stets mit der Anerkennung der Transzendenz des Göttlichen einhergehen, wie das bereits angesprochene dritte Blatt der Serie verdeutlicht (Abb. 57). Indem es die Figuren des Adorator verus und der Veritas nah an die ästhetische Grenze heranrückt und diese Nähe durch den Kontrast mit dem weiten Ausblick auf der linken Seite des Blattes unterstreicht, reflektiert es nicht zuletzt die Relevanz des Blicks auf die vor Augen gestellte Veritas: Der Adorator verus wendet sich bezeichnenderweise nicht der neben ihm Stehenden zu, die demnach – anders als etwa in der ikonographischen Tradition der Veritas filia temporis – nicht selbst das Objekt der Erkenntnis darstellt, sondern als unterstützende Vermittlerin im Prozess der Einsicht fungiert. Der von ihrem Körper geworfene dunkle Schlagschatten verdeutlicht dementsprechend, dass hier mit dem hinter den Wolken hervorkommenden göttlichen Licht jenes ursächliche Prinzip der Sichtbarwerdung selbst im Fokus der Aufmerksamkeit steht, das Hans Blumenberg in seinen Ausführungen zum Licht als Metapher der Wahrheit als „das selbst nicht-erscheinende Erscheinenlassen, die unzugängliche Zugänglichkeit der Dinge“76 beschreibt. Nicht allein das Wissen um die Wahrheit, sondern vor allem über die Bedingungen ihrer Erscheinung ermöglichen folglich eine mittelbare Annäherung an die göttliche Transzendenz, die sich selbst gleichwohl beständig dem Zugriff entzieht. Gerade die kontinuierlich betonte Körperlichkeit der Wahrheitsfigur, die bereits der angesprochene ikonographische Rekurs auf die Erschaffung Adams auf dem ersten Blatt (Abb. 55) thematisiert, fungiert dabei als visuelle Reflexionsform der fundamentalen Differenz zwischen dem Göttlichen und seinen weltimmanenten Manifestationen.77 Damit verweisen die Bildfindungen nicht nur wiederholt auf die Anfälligkeit des menschlichen Wissensstrebens für sinnliche Verführungen, sondern zugleich auf den ambivalenten Status der Veritas-Figur, die – so die bildimplizite Argumentation – nur dann erkenntnisstiftend fungieren kann, wenn sie als gleichermaßen aus ‚Körper‘ und ‚Geist‘ zusammengesetzt begriffen wird. Dieses doppelte Wesen der Wahrheitsfigur gewinnt an theologischer Prägnanz, wenn man sich erneut verdeutlicht, dass sie durch die Selbstidentifikation Christi mit der Wahrheit – Ego sum via et veritas et vita (Joh 14,6: „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben“) – stets auch mit dem zentralen christlichen Glaubensmysterium der Inkarnation als gleichermaßen heilsentscheidendem wie unbegreiflichem Akt der Sichtbarwerdung des Unsichtbaren assoziiert werden kann.78 76 Blumenberg 1957, S. 433. 77 Zum Zusammenhang von Ver- und Enthüllung des Mysteriums im Bild vgl. umfassend Krüger 2001. 78 Zu Goltzius’ künstlerischer Reflexion des mysterium incarnationis vgl. Pawlak 2017b.



3.1. Intermediale loci communes

Auf diesen Zusammenhang scheint daher die ungewöhnliche Bildinvention des zweiten Blattes von Die Kraft der Wahrheit zu rekurrieren (Abb. 56), die laut dem angegebenen Psalmvers –  Veritatem diligit Deus. Psalm. 84. verso 12 (Ps  83/84,12: „[Denn Barmherzigkeit und] Wahrheit liebt Gott“) – sowie dem niederländischen Epigramm die göttliche Liebe zur Wahrheit visualisiert.79 Diese wird im Bildvordergrund als eine dezidiert körperlich-erotische Beziehung zwischen Christus und Veritas inszeniert, die Arm in Arm durch eine Landschaft schreiten. Das Nebeneinander von Christus und einer weiblichen Figur im Freien vor einer Höhle, in welcher hier der als negatives Exemplum eines Wahrheitsfeindes fungierende König Ahab zu sehen ist,80 lässt die Figurenkonstellation dabei als bewussten Gegenentwurf zur Szene des Noli me tangere erscheinen, die in einen Moment vertrauter Berührung umgedeutet wird. Gemäß der auf Augustinus zurückgehenden exegetischen Tradition kündigt das Ereignis im Neuen Testament die „Rückkehr zur Unsichtbarkeit“81 des Göttlichen an und verweist auf die Unmöglichkeit, die ‚Transformation‘ Christi vom Gekreuzigten zum Auferstandenen mittels sinnlicher Wahrnehmung zu begreifen, um stattdessen eine geistige Einsicht einzufordern.82 Während das an Maria Magdalena gerichtete Berührungsverbot demzufolge die durch Tod und Auferstehung Christi erzeugte Trennung zwischen beiden markiert, verkehrt der Kupferstich diese Argumentation gleichsam in ihr Gegenteil. Indem die Künstler Christus und Veritas einander annähern, verweisen sie demnach auf die Notwendigkeit, dieselbe Art der Kontemplation auch auf die allegorische Figur anzuwenden, um ihre paradoxe Körperlichkeit als Figuration des Unfigurierbaren zu begreifen.83 Umso prekärer erscheint deshalb das Auftreten der Veritas als unbekleidete weibliche Gestalt, deren äußerliche Erscheinung sie mit den Verkörperungen des Bösen in Verbindung bringt. So tritt sie etwa auf dem sechsten Blatt, auf welchem sie den 79 God, Chr[ist]us die Waerheit self bemint den waerheit, / Ooc allen min[n]aers van haer zuvere claerheit. / Maer zij wert zeer gehaet vanden duisterlingen, / Om dat zi hoor quaetheit aenden dach comt bringen. 80 Ahab fungierte aufbauend auf einer mittelalterlichen Auslegungstradition als Exemplum für Neid, Habgier und Verleumdung ebenso wie für Idolatrie und Tyrannei (vgl. Veldman 1995, S. 218, 223 u. 235). Auch Coornhert erwähnt Ahab in seinen Schriften als Beispiel für die Nichtigkeit irdischen Reichtums sowie für Gottlosigkeit. Vgl. neben etlichen weiteren Stellen u.  a. Coornhert: Recht ­ghebruyck, S. 5; Coornhert: Oorsaken, fol. 86r. In der zeitgenössischen Aufstandspropaganda wurde Ahab auch mit Philipp II. sowie dem Herzog von Alba verglichen (vgl. Saunders 1978/1979, S. 75; Horst 2003, S. 78), sodass seine Darstellung auch als Verweis auf die zeitgenössischen Konflikte aufgefasst werden kann. 81 Baert 2008, S. 33  f.: „As a momentum in the history of salvation, the Noli me tangere strikes up the final chord of Christ’s visibility on earth, and announces his return to invisibility.“ 82 Zur exegetischen Tradition vgl. Baert 2008, S. 16  f.; Kleinbub 2013. 83 Vgl. Christian Kleinbubs Analyse der von ihm als dezidierte Berührung der Brust gedeuteten Geste Christi in Pontormos Darstellung des Noli me tangere nach einem Entwurf Michelangelos: Kleinbub 2013.

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Discipulus Christi mit Hilfe des flammenden Schwertes befreit (Abb. 60), in Beziehung zur Figur des Fleisches (Caro), die ihren nackten Körper den Betrachter:innen frontal präsentiert und auf geradezu provokante Weise auf ihre äußerliche Ähnlichkeit mit der Veritas aufmerksam macht. Indes verdeutlicht die hinter der stehenden Nackten auftauchende Gestalt des Todes (Mors), die ihre Körperhaltung mit der erhobenen Rechten beinahe wie ein Schatten zu spiegeln und sie aus den leeren Augenhöhlen ihres Schädels heraus hämisch anzublicken scheint,84 das buchstäblich vom Fleisch entkleidete wahre Wesen vergänglicher Freuden, das durch die Verschattung der Veritas-Figur zugleich auch auf sie bezogen wird. Der je unterschiedlich codierte nackte Leib fungiert damit gleichsam als tertium comparationis zwischen der positiv konnotierten Wahrheitsfigur und verschiedenen negativ besetzten allegorischen Gestalten – etwa auch der Ignorantia auf dem siebten Kupferstich (Abb. 61) –, um so auf die Körperlichkeit als problematische Qualität hinzuweisen. Bezogen auf die Betrachtung der Kupferstiche erfordert die Einsicht in diese Ambivalenz sinnlicher Erscheinungen eine Transformation des Blicks, wie in besonders eindrücklicher Weise das vierte Blatt der Folge demonstriert (Abb. 58). Auf diesem stößt der nun als Contemptor Mundi bezeichnete Protagonist die in Form einer Sphaira dargestellte Welt sowie zwei als Symbole der (Selbst-)Täuschung fungierende Masken mit der linken Hand von sich fort, während er mit der Rechten den Arm der Veritas festhält, die ihm von Christus übergeben wird. Die Anordnung der Figuren erinnert an Verlobungs- oder Hochzeitsriten,85 jedoch ist weniger eine den Treueschwur ausdrückende iunctio dextrarum zu sehen, als vielmehr ein Ergreifen der Wahrheit. Die zögernde Zurückhaltung, mit welcher die Veritas darauf reagiert, indem sie den Oberkörper leicht zurück neigt, die Hand wie erschrocken zur Brust führt und den Blick abwartend auf Christus richtet, drückt als retardierendes Moment die entscheidende Bedeutung, aber auch die besondere Herausforderung dieses Augenblicks aus: Nur wenn die Abkehr von der Welt aufrichtig vollzogen wird, kann der Mensch die Wahrheit besitzen. Dass dies mit einer Art ‚vertraglicher‘ Verpflichtung einhergeht, legt auch das angegebene Bibelzitat aus dem Buch der Sprüche nahe: Veritatem eme. Prouerb. 23 (Spr 23,23: „Kaufe Wahrheit“). Die Bedingungen dieses Handels, durch welchen der Mensch der Welt zwar als Narr erscheine, jedoch wahre Weisheit vor Gott erlangen könne, erläutert das niederländische Epigramm: […] T’vleeschs wijsheit werp wech, zij heeft u bedrogen. / Die, om Christu[s] te winnen, alles acht voor drec  / Is wijs voor Gode, al scijnt hi den werelt gec (‚Die Weisheit des Fleisches wirf ab, sie hat Dich betrogen. Der, der um Christus zu gewinnen, alles für Dreck erachtet, ist weise vor Gott, auch wenn er der Welt als

84 Zum Problem der Visualisierung von Affekten bei Totenschädeln vgl. Wittke 2016. 85 Vgl. als berühmtes Beispiel Dürers Verlobung Mariens (1504) aus der Holzschnittfolge des Marienlebens: Schoch / Mende / Scherbaum 2002, S. 240–242, Kat.-Nr. 172.



3.1. Intermediale loci communes

Abb. 68. Dirck Volckertsz. Coornhert nach Adriaen de Weerdt: Die Kraft der ­Wahrheit, Blatt 4: Die ­Verachtung des Betrugs der Welt führt zu Christus und zur Wahrheit, ca. 1568–1576, hier 3. (?) Auflage, verlegt von Hendrick Hondius, 1604, Kupferstich und ­Radierung, Detail aus Abb. 58.

Narr erscheint‘).86 Der Text formuliert pointiert die gegenseitige Abhängigkeit der Abwendung von der Welt und der Hinwendung zur Wahrheit, die im Bild in der im Gehen noch zurückgewandten Bewegung des Gläubigen ihren anschaulichen Ausdruck findet. Diese Abkehr von der Welt besitzt insofern eine programmatische Relevanz, als sie den entscheidenden Akt der Annäherung an die Wahrheit dezidiert mit der Betrachtung der Bilder in Beziehung setzt: Der Contemptor Mundi scheint hier soeben die obere, ihm mit ihrer Öffnung zugewandte Maske und damit sowohl die Lügen der Welt als auch den Selbstbetrug abgeworfen zu haben, denen der nach Wahrheit Strebende unterliegt, solange er das Irdische noch nicht hinter sich gelassen hat. In markanter Weise ist diese Demaskierung jedoch zugleich der Sichtbarkeit entzogen, denn an Stelle des enthüllten Antlitzes ist nur der Hinterkopf des Weltverächters zu sehen. Das einzige ‚Gesicht‘, das hingegen beinahe frontal aus dem Bild heraus die Betrachter:innen anzusehen scheint, ist das der zweiten zu Boden fallenden Maske, deren Augen- und Mundöffnungen sich deutlich abzeichnen (Abb. 68). Bei genauem Hinsehen wird dieser Blick jedoch als Täu86 Zur „Weisheit dieser Welt“ als „Torheit vor Gott“ vgl. 1 Kor 3,19. Das Bild der Wahrheitserkenntnis als ‚Kauf‘ oder ‚Tausch‘ scheint für Coornhert von besonderer Relevanz gewesen zu sein. Ilja M. Veldman hat auf die Ähnlichkeit der ersten beiden Verse mit zwei Zeilen aus dem in Coornherts Lied-boeck (um 1575) erschienenen Lied der liedekens hingewiesen. Vgl. Veldman 1990, S. 97. Ähnliche Formulierungen wählte Coornhert u.  a. am Ende des Kapitels zur Wahrheit in der Zedekunst (vgl. Coornhert: Zedekunst, S. 250) sowie, mit explizitem Bezug auf die Belehrung durch die Bibel, in Comedie vande Rijckeman (vgl. Coornhert: Comedie, S.  22) und Van wel bidden onderwijs (vgl. ­Coornhert: Van wel bidden onderwijs, fol. 199v). Zu Coornherts merkantiler Metaphorik im Kontext eines Diskurses um Formen der Wissensproduktion vgl. Stronks 2014, S. 149–151.

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schung entlarvt; nicht nur, weil die Augen leer und somit blind sind, sondern auch, weil nicht die Außen-, sondern vielmehr die Innenseite der Maske zu sehen ist: Niemand anderes als der/die Betrachtende selbst könnte zuvor ihr Träger gewesen sein. Die Rezipient:innen sehen die Welt folglich selbst wortwörtlich mit den Augen der Maske, wenn ihr Blick auf die Sphaira fällt. Sobald sie sich jedoch, wie der Contemptor Mundi es im nächsten Moment tun wird, aufrichtig Christus beziehungsweise der Wahrheit zuwenden, werfen sie im Akt der Rezeption gewissermaßen die eigene Maske ab. Deren im Fall vollzogene Drehung, durch welchen sie nun kopfüber erscheint, versinnbildlicht dabei die Unmöglichkeit, sie anschließend erneut anzulegen: Ist die Einsicht in die Scheinhaftigkeit der Welt einmal gewonnen, ist der Erkenntnisprozess demnach nicht mehr umkehrbar. Wenden sich die Betrachtenden nun von der Welt ab und der Wahrheit zu, vollzieht sich in der Bewegung des Blicks gleichsam auch ein Wechsel im Status des Bildes, der dessen epistemisches Spektrum verdeutlicht. Der Blick der Rezipient:innen auf den unverhüllt gezeigten Körper der Veritas kann so idealiter zu einer Form der Aneignung der Wahrheit werden, die nicht mehr das bloß Äußerliche fokussiert, sondern vielmehr das Scheinhafte der materiellen Welt und letztlich auch der Bilder überwindet. Dass diese Abwendung vom Irdischen nicht nur für die/den einzelne:n Gläubige:n von Relevanz ist, verdeutlicht abschließend der letzte Kupferstich der Folge (Abb. 62), welcher den von den Rezipierenden idealiter selbst vollzogenen Prozess der Annäherung an die göttliche Veritas in einer Szene kollektiver Erlösung kulminieren lässt: Die durch einen Kirchenrundbau auf dem Kopf geschmückte Figur der Ecclesia Dei (‚Kirche Gottes‘) schreitet hier, die Veritas am Arm haltend, auf Wolken durch das geöffnete Himmelstor. Sowohl die Verwendung des biblischen Verses Aperite portas et ingrediatur gens custodiens veritatem. Esa. 26.a.2 (Jes 26,2: „Öffnet die Tore, und eintreten soll ein gerechtes Volk, das die Wahrheit hütet“) als auch die Erwähnung der poorte van vreden (‚Tor des Friedens‘) im niederländischen Epigramm sowie die als Symbole der einträchtigen Gemeinschaft auf dem Gewandsaum der verkörperten Kirche Gottes zu sehenden, miteinander verbundenen Herzen deuten die konfessionell-politischen Konnotationen dieser eschatologischen Friedensvision an: Ganz in Übereinstimmung mit Coornherts auch in seinen zahlreichen Schriften dargelegten Überzeugungen soll die durch die Auseinandersetzung mit dem biblischen Wort zu erreichende Annäherung an die göttliche Wahrheit und mithin die Einsicht in ihre Inkommensurabilität zur Beilegung religiöser Konflikte und zur Etablierung einer wahren – mit keiner der bestehenden Konfessionen identischen – Kirche führen.87 In Dirck Volckertsz. Coornherts und Adriaen de Weerdts Die Kraft der Wahrheit überlagern sich demnach mehrere mit dem Thema der Wahrheitserkenntnis verbundene Argumentationsebenen, als deren Schnittstelle die Figur der Veritas fungiert. Dabei 87 Vgl. Gelderen 2002, S. 243–256; Pietsch 2015b.



3.1. Intermediale loci communes

avanciert ihr Körper, der sowohl für die claritas göttlicher Wahrheit als auch für die seit Augustinus mit der concupiscentia oculorum assoziierte Verführungskraft des Sinnlichen steht,88 zur ambivalenten Reflexionsfigur der grundlegenden Herausforderung der Auseinandersetzung mit den Graphiken, aber auch mit der Bibel, bei der sich die Rezipierenden ebenfalls nicht auf den ‚Körper‘ des Textes, sondern vielmehr auf seinen Geist fokussieren sollen; eine Analogie, die bereits Erasmus von Rotterdam in seinem Enchiridion in Bezug auf die richtige Form der Lektüre insbesondere der „Heiligen Schriften“ (scripturae divinae89) formulierte: Idem observandum in omnibus litteris, quae ex simplici sensu et mysterio tamquam corpore atque animo constant, ut contempta littera ad mysterium potissimum spectes90 („Das gleiche sollst du auch bei allen Schriften beobachten, die, wie aus Körper und Geist, aus einfachem Sinn und Geheimnis bestehen. Du sollst den Buchstaben verachten und vor allem auf die verborgene Bedeutung sehen“91). In der Wahrheitsfigur verbinden sich daher der exegetische Anspruch der Kupferstichserie und die bildreflexive Dimension der Wahrheitsdarstellung zu einer komplexen visuellen Aushandlung der Referenzialität von Sichtbarem und Unsichtbarem, die für Coornhert nicht zuletzt die Frage nach der vera Ecclesia betraf. Denn nicht eine in Institutionen und Praktiken gleichsam veräußerlichte, sondern vielmehr die „wahre[ ] unsichtbare[ ] Kirche“92 kann laut Coornherts ekklesiologischen Vorstellungen einen Zugang zu Gott darstellen; eine Annahme, die er unter anderem durch den auf dem zweiten Stich von Die Kraft der Wahrheit zitierten Vers Joh 4,23 („[D]ie wahren Anbeter [werden] den Vater im Geist und in der Wahrheit anbeten“) wiederholt auch in seinen Schriften zum Ausdruck brachte.93 Die idealerweise durch die Auseinandersetzung mit der Graphikserie und im Besonderen mit der Veritas-Figur eingeübte Differenzierung und Verhältnisbestimmung von Äußerlichem und Innerlichem, Sichtbarem und Unsichtbarem sollte in diesem Sinne zu einer gleichermaßen individuellen wie gesellschaftlichen Annäherung an die göttliche Wahrheit anleiten.

88 Zur concupiscentia oculorum und ihrer Reflexion in der Kunst vgl. u.  a. Vinken 2000; Krüger 2001, S. 241; Logemann 2011b, S. 306; Speer / Schneider 2022, S. XV. Vgl. auch die Ausführungen zur Spannung zwischen moraldidaktischer Intention und Sinnlichkeit in der Druckgraphik in: Roick 2016, S. 49. 89 Erasmus: Enchiridion, S. 188. 90 Erasmus: Enchiridion, S. 188. Zu Coornherts Erasmus-Rezeption vgl. u.  a. Fleurkens 1994, S. 113; Bonger 2004, z.  B. S. 138 u. 219  f.; Rogiest 2014, S. 132. 91 Übersetzung zitiert nach Erasmus: Enchiridion, S. 189. 92 Pietsch 2015b, S. 472. 93 Vgl. Pietsch 2015b, S. 482.

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3.2. Rhetorische obscuritas und die Verführungskunst der Häresie Während Die Kraft der Wahrheit das exegetische Potenzial des an der loci-Methode orien­ tierten künstlerischen Umgangs mit dem biblischen Text fokussiert, problematisiert die wohl um 1575 entstandene Radierfolge Aufstieg und Fall des Häretikers (Abb. 69–89) daran anschließend eben diese Form kreativer Auseinandersetzung mit der Heiligen Schrift.94 Die Serie kann Dirck Volckertsz. Coornhert und seinem Schüler Hendrick Goltzius nur aufgrund stilistischer und inhaltlicher Vergleiche mit anderen Werken sowie des auf einigen Blättern angebrachten Monogramms HG zugewiesen werden. Dieses wurde vermutlich erst in einer Anfang des 17.  Jahrhunderts publizierten Neuauflage hinzugefügt, die zugleich die einzige erhaltene Fassung der Serie darstellt und auf die am Ende des Kapitels zurückzukommen sein wird.95 War diese Zuschreibung in den frühen Katalogen zu Goltzius’ Werk wegen des vermeintlich „spröden“96 Stils der Radierungen und der scheinbar „noch mangelnden Übung“97 des Graphikers umstritten,98 herrscht spätestens seit der Publikation eines der Serie gewidmeten Aufsatzes von Herman de la Fontaine Verwey aus dem Jahr 1969 Konsens darüber, dass Goltzius sie als eine seiner ersten druckgraphischen Arbeiten unter konzeptioneller Beteiligung seines Lehrers ausführte.99 Auf 21 nummerierten Blättern, die jeweils aus einer allegorischen Darstellung sowie darunter angebrachten, auf Latein, Deutsch, Niederländisch und Französisch zitierten Bibelversen bestehen, beschreibt die Graphikserie die Häresie als eine das Seelenheil und den Frieden bedrohende Form intellektueller Verführung. Dafür inszeniert das Werk das verhängnisvolle Schicksal des in Gestalt eines Gelehrten auftretenden und durch die Bezeichnung Hereticus (‚Häretiker‘) als Archetypus des Ketzers präsentierten Protagonisten. Der Verlauf dieser Erzählung sei zunächst kurz skizziert: Von Neugierde, Eigenliebe und irdischen Begierden wird der Häretiker dazu verleitet, sich im Studium zahlreicher Schriften seinem hochmütigen Wissensstreben hinzugeben und die Bibel als einzigen Zugang zur göttlichen Wahrheit zu ignorieren (Blätter 2–5). Dies macht ihn anfällig für die Verführungen und Lehren des Teufels, denen er, angetrieben von seiner folgenschweren Neugierde, Gehör schenkt (Blätter 6–7). Als Schüler Satans lässt er sich 94 Die Betitelung der Serie folgt New Hollstein (Hendrick Goltzius 1), S. 132, Nr. 75–95. Teile des vorliegenden Kapitels wurden bereits veröffentlicht in: Hammami 2022a. 95 Zu der von Jan Evertsz. Cloppenburgh in Amsterdam herausgegebenen Neuauflage s.  u. Zur ­Zusammenarbeit von Coornhert und Goltzius vgl. Veldman 1989, S. 142  f.; Veldman 1990, S. 23–26; Leeflang / Luijten 2003, S. 32–38. 96 Bartsch 1803, S. 93, Nr. 302–323. 97 Bartsch 1803, S. 94. 98 Vgl. Hirschmann 1921, S. 167; Reznicek 1961, S. 192. 99 Fontaine Verwey 1969. Ilja M. Veldman und Huigen Leeflang führen überzeugende Argumente für die Zuschreibung an Goltzius und Coornhert auf: Veldman 1990, S. 24; Leeflang / Luijten 2003, S. 36  f.



3.2. Rhetorische obscuritas und die Verführungskunst der Häresie

Abb. 69. Dirck Volckertsz. Coornhert und Hendrick Goltzius (zugeschrieben): Aufstieg und Fall des Häretikers, Blatt 1: Gottvergessenheit, Maßlosigkeit und Weisheit des Fleisches tanzen um das Goldene Kalb, um 1575, hier 2. Auflage, verlegt von Jan Evertsz. Cloppenburgh, 1608–1636, Radierung, 133 × 185 mm, Amsterdam, Allard Pierson, Universiteit van Amsterdam, Sign. OK 63-5935.

Abb. 70. Dirck Volckertsz. Coornhert und Hendrick Goltzius (zugeschrieben): Aufstieg und Fall des Häretikers, Blatt 2: Unbedachtes Urteil und Wagemut führen den Häretiker von der Kirche fort, um 1575, hier 2. Auflage, verlegt von Jan Evertsz. Cloppenburgh, 1608–1636, Radierung, 135 × 185 mm, Amsterdam, Allard Pierson, Universiteit van Amsterdam, Sign. OK 63-5935.

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Abb. 71. Dirck Volckertsz. Coornhert und Hendrick Goltzius (zugeschrieben): Aufstieg und Fall des Häretikers, Blatt 3: Neugierde und Eigenliebe führen den Häretiker in die Irre, um 1575, hier 2. Auflage, verlegt von Jan Evertsz. Cloppenburgh, 1608–1636, Radierung, 135 × 185 mm, Amsterdam, Allard Pierson, Universiteit van Amsterdam, Sign. OK 63-5935.

Abb. 72. Dirck Volckertsz. Coornhert und Hendrick Goltzius (zugeschrieben): Aufstieg und Fall des Häretikers, Blatt 4: Der Starrsinn hält den Häretiker von der Wahrheitsliebe ab, um 1575, hier 2. Auflage, verlegt von Jan Evertsz. Cloppenburgh, 1608–1636, Radierung, 135 × 185 mm, Amsterdam, Allard Pierson, Universiteit van Amsterdam, Sign. OK 63-5935.



3.2. Rhetorische obscuritas und die Verführungskunst der Häresie

Abb. 73. Dirck Volckertsz. Coornhert und Hendrick Goltzius (zugeschrieben): Aufstieg und Fall des Häretikers, Blatt 5: Der Häretiker folgt seinen Begierden, um 1575, hier 2. Auflage, verlegt von Jan Evertsz. Cloppenburgh, 1608–1636, Radierung, 130 × 180 mm, Amsterdam, Allard Pierson, Universiteit van Amsterdam, Sign. OK 63-5935.

Abb. 74. Dirck Volckertsz. Coornhert und Hendrick Goltzius (zugeschrieben): Aufstieg und Fall des Häretikers, Blatt 6: Der in einen Engel des Lichts verwandelte Satan führt den Häretiker vom Glauben fort, um 1575, hier 2. Auflage, verlegt von Jan Evertsz. Cloppenburgh, 1608–1636, Radierung, 133 × 182 mm, Amsterdam, Allard Pierson, Universiteit van Amsterdam, Sign. OK 63-5935.

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Abb. 75. Dirck Volckertsz. Coornhert und Hendrick Goltzius (zugeschrieben): Aufstieg und Fall des Häretikers, Blatt 7: Der Häretiker wird von der Lehre Satans verführt, um 1575, hier 2. Auflage, verlegt von Jan Evertsz. Cloppenburgh, 1608–1636, Radierung, 133 × 182 mm, Amsterdam, Allard Pierson, ­Universiteit van Amsterdam, Sign. OK 63-5935.

Abb. 76. Dirck Volckertsz. Coornhert und Hendrick Goltzius (zugeschrieben): Aufstieg und Fall des Häretikers, Blatt 8: Satan verheiratet den Häretiker mit der Sekte, um 1575, hier 2. Auflage, verlegt von Jan Evertsz. Cloppenburgh, 1608–1636, Radierung, 135 × 185 mm, Amsterdam, Allard Pierson, ­Universiteit van Amsterdam, Sign. OK 63-5935.



3.2. Rhetorische obscuritas und die Verführungskunst der Häresie

Abb. 77. Dirck Volckertsz. Coornhert und Hendrick Goltzius (zugeschrieben): Aufstieg und Fall des Häretikers, Blatt 9: Die Ausstattung der Sekte, um 1575, hier 2. Auflage, verlegt von Jan Evertsz. Cloppenburgh, 1608–1636, Radierung, 130 × 185 mm, Amsterdam, Allard Pierson, Universiteit van Amsterdam, Sign. OK 63-5935.

Abb. 78. Dirck Volckertsz. Coornhert und Hendrick Goltzius (zugeschrieben): Aufstieg und Fall des Häretikers, Blatt 10: Der Häretiker und die Sekte fangen die Leichtgläubigen mit einer Falle, um 1575, hier 2. Auflage, verlegt von Jan Evertsz. Cloppenburgh, 1608–1636, Radierung, 134 × 180 mm, ­Amsterdam, Allard Pierson, Universiteit van Amsterdam, Sign. OK 63-5935.

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3. Veritas Scripturae

Abb. 79. Dirck Volckertsz. Coornhert und Hendrick Goltzius (zugeschrieben): Aufstieg und Fall des Häretikers, Blatt 11: Der Häretiker und die Sekte verhöhnen die Frömmigkeit, um 1575, hier 2. Auflage, verlegt von Jan Evertsz. Cloppenburgh, 1608–1636, Radierung, 130 × 180 mm, ­Amsterdam, Allard Pierson, Universiteit van Amsterdam, Sign. OK 63-5935.

Abb. 80. Dirck Volckertsz. Coornhert und Hendrick Goltzius (zugeschrieben): Aufstieg und Fall des Häretikers, Blatt 12: Der Häretiker tötet das unbekümmerte Volk, indem er einen falschen Frieden verkündet, um 1575, hier 2. Auflage, verlegt von Jan Evertsz. Cloppenburgh, 1608–1636, Radierung, 133 × 180 mm, Amsterdam, Allard Pierson, Universiteit van Amsterdam, Sign. OK 63-5935.



3.2. Rhetorische obscuritas und die Verführungskunst der Häresie

Abb. 81. Dirck Volckertsz. Coornhert und Hendrick Goltzius (zugeschrieben): Aufstieg und Fall des Häretikers, Blatt 13: Der Häretiker bietet dem Pflichtvergessenen einen falschen Frieden an, um 1575, hier 2. Auflage, verlegt von Jan Evertsz. Cloppenburgh, 1608–1636, Radierung, 130 × 177 mm, ­Amsterdam, Allard Pierson, Universiteit van Amsterdam, Sign. OK 63-5935.

Abb. 82. Dirck Volckertsz. Coornhert und Hendrick Goltzius (zugeschrieben): Aufstieg und Fall des Häretikers, Blatt 14: Der Häretiker und die Sekte töten die Unschuldigen, um 1575, hier 2. Auflage, verlegt von Jan Evertsz. Cloppenburgh, 1608–1636, Radierung, 130 × 180 mm, Amsterdam, Allard Pierson, Universiteit van Amsterdam, Sign. OK 63-5935.

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Abb. 83. Dirck Volckertsz. Coornhert und Hendrick Goltzius (zugeschrieben): Aufstieg und Fall des Häretikers, Blatt 15: Der Häretiker und die Sekte verunreinigen die fons vitae, um 1575, hier 2. Auflage, verlegt von Jan Evertsz. Cloppenburgh, 1608–1636, Radierung, 130 × 182 mm, Amsterdam, Allard Pierson, Universiteit van Amsterdam, Sign. OK 63-5935.

Abb. 84. Dirck Volckertsz. Coornhert und Hendrick Goltzius (zugeschrieben): Aufstieg und Fall des Häretikers, Blatt 16: Die Häretiker und die Sekte kämpfen untereinander, um 1575, hier 2. Auflage, verlegt von Jan Evertsz. Cloppenburgh, 1608–1636, Radierung, 132 × 184 mm, Amsterdam, Allard Pierson, Universiteit van Amsterdam, Sign. OK 63-5935.



3.2. Rhetorische obscuritas und die Verführungskunst der Häresie

Abb. 85. Dirck Volckertsz. Coornhert und Hendrick Goltzius (zugeschrieben): Aufstieg und Fall des Häretikers, Blatt 17: Der Häretiker kämpft gegen die Wahrheit, um 1575, hier 2. Auflage, verlegt von Jan Evertsz. Cloppenburgh, 1608–1636, Radierung, 130 × 178 mm, Amsterdam, Allard Pierson, ­Universiteit van Amsterdam, Sign. OK 63-5935.

Abb. 86. Dirck Volckertsz. Coornhert und Hendrick Goltzius (zugeschrieben): Aufstieg und Fall des Häretikers, Blatt 18: Hochmut, Neid und Völlerei als Gefangene des Häretikers, um 1575, hier 2. Auflage, verlegt von Jan Evertsz. Cloppenburgh, 1608–1636, Radierung, 133 × 184 mm, Amsterdam, Allard Pierson, Universiteit van Amsterdam, Sign. OK 63-5935.

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Abb. 87. Dirck Volckertsz. Coornhert und Hendrick Goltzius (zugeschrieben): Aufstieg und Fall des Häretikers, Blatt 19: Der Häretiker und die Sekte predigen eine falsche christliche Lehre, um 1575, hier 2. Auflage, verlegt von Jan Evertsz. Cloppenburgh, 1608–1636, Radierung, 131 × 180 mm, Amsterdam, Allard Pierson, Universiteit van Amsterdam, Sign. OK 63-5935.

Abb. 88. Dirck Volckertsz. Coornhert und Hendrick Goltzius (zugeschrieben): Aufstieg und Fall des Häretikers, Blatt 20: Irdische Anhänger ernähren die Sekte, während der Häretiker ihre Seelen zerstört, um 1575, hier 2. Auflage, verlegt von Jan Evertsz. Cloppenburgh, 1608–1636, Radierung, 132 × 180 mm, Amsterdam, Allard Pierson, Universiteit van Amsterdam, Sign. OK 63-5935.



3.2. Rhetorische obscuritas und die Verführungskunst der Häresie

Abb. 89. Dirck Volckertsz. Coornhert und Hendrick Goltzius (zugeschrieben): Aufstieg und Fall des Häretikers, Blatt 21: Der Häretiker führt die Welt in die Hölle, um 1575, hier 2. Auflage, verlegt von Jan Evertsz. Cloppenburgh, 1608–1636, Radierung, 130 × 175 mm, Amsterdam, Allard Pierson, ­Universiteit van Amsterdam, Sign. OK 63-5935.

von diesem mit der verkörperten Sekte verheiraten (Blatt 8), mit der er anschließend auszieht, um die Lehren Christi zu verunreinigen, Zwietracht zu verbreiten sowie das leichtgläubige Volk zur Irrlehre zu verführen (Blätter 9–20); so reißt der Hereticus am Ende unabwendbar die ganze Welt mit sich ins Verderben (Blatt 21). Durch die Darstellung eines idolatrischen Tanzes der Figuren von Oblivio Dei (‚Gottvergessenheit‘), Gula (‚Völlerei‘) und Sapientia Carnis (‚Weisheit des Fleisches‘) um das Goldene Kalb inszeniert die erste Radierung der Serie jedoch zunächst die prekäre reli­ giöse Ausgangssituation, vor deren Hintergrund sich das Verhängnis des Ketzers vollzieht (Abb. 69). Die Passage aus dem Buch Exodus, welche die Verehrung des Kultbildes durch die Israeliten beschreibt (Ex 32,1–6), liegt der Graphik dabei nur als impliziter Prätext zugrunde. Am unteren Blattrand wird hingegen ein Vers aus Elihus zweiter Rede im Buch Hiob zitiert, welcher auf die Gerechtigkeit Gottes hinweist: Qui regnare facit Hominem Hypocritam propter pec[c]ata populi. Iob. 34. d. 30 (Hiob 34,30: „der wegen der Sünden des Volkes bewirkt, dass ein heuchlerischer Mensch regiert“). Diese sinnstiftende Kombination unterschiedlicher Schriftstellen, die erst durch die intermediale Verbindung mit der allegorischen Darstellung konstituiert wird, demonstriert bereits zum Auftakt der Serie den exegetischen Anspruch der Graphiken, während sie zugleich vor den gefährlichen Konsequenzen warnt, die eine zu große Vereinnahmung durch die Wirkmacht der Bilder mit sich bringt.

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Die Thematisierung der Idolatrie und die damit kontrastierte Fokussierung auf den biblischen Text scheinen zwar den von protestantischer Seite gegen den katholischen Bildergebrauch erhobenen Vorwürfen zu entsprechen,100 doch spätestens das achte Blatt der Serie macht exemplarisch deutlich, dass bestimmte reformatorische Praktiken ebenfalls kritisiert werden (Abb. 76). So sind im Hintergrund der Vermählung des Hereticus mit der Secta (‚religiöse Sekte, Irrlehre‘), die einen Wendepunkt in der beschriebenen Narration markiert, signifikanterweise drei im Freien stattfindende Predigten zu sehen. Diese verweisen auf die sogenannten Heckenpredigten, die im Jahr 1566 einen bedeutenden Auslöser der Bilderstürme in den Niederlanden darstellten und hier in eine­ unmittelbare Verbindung mit dem Wirken der ‚Ketzerei‘ gesetzt werden.101 Im Zentrum steht in Coornherts und Goltzius’ Werk demzufolge jenseits konfessioneller Grenzziehungen in erster Linie die Ablehnung einer von falschen Beweggründen geleiteten und mit irreführenden Wissensquellen operierenden Erkenntnissuche, die hier stets auch mit einem problematischen Umgang mit Bildern in Verbindung gebracht wird. Die Figur der Veritas tritt in beiden sich an diesen ‚Auftakt‘ anschließenden Abschnitten der Serie, welche sich der Verleitung des Hereticus durch die Irrlehre (Blätter 1–7) sowie anschließend seinem Wirken als Verführer der Gläubigen (Blätter 8–21) widmen, in je einer Szene auf. In diesen beiden Blättern verdichtet sich programmatisch die im Folgenden fokussierte epistemologisch-hermeneutische Thematik der Radierfolge, die in der zentralen Frage nach dem richtigen Umgang mit der Heiligen Schrift, aber auch nach dem Erkenntniswert der sich auf sie beziehenden Bilder kulminiert. Noch expliziter als in Die Kraft der Wahrheit steht hierbei die Bibel als Wissensmedium im Mittelpunkt der Argumentation, deren prekärer Status als göttlich legitimiertes, aber gleichwohl für häretische Fehlinterpretationen anfälliges Offenbarungswort für die Gläubigen weitreichende individuelle ebenso wie gesellschaftliche Konsequenzen hat. Die Graphiken, die sich sowohl bildlich als auch textlich dezidiert schöpferisch mit dem biblischen Wort auseinandersetzen, indem sie dieses in mehreren Sprachen angeben und immer wieder Verse aus unterschiedlichen Büchern der Bibel zu neuen Formulierungen kombinieren, betonen dabei gezielt ihre eigene Nähe zu den dargestellten häretischen Praktiken der Schriftauslegung. Anknüpfend an rhetorik- ebenso wie bilder100 Zur Reflexion bilderkritischer Argumente in Szenen der Anbetung des Goldenen Kalbes vgl. Freedberg 1991, S. 378–385. Vgl. z.  B. die entsprechenden Ausführungen des bedeutenden calvinistischen Theologen Petrus Dathenus zum ausdrücklich mit der Anbetung des Goldenen Kalbes parallelisierten katholischen Bildergebrauch, dazu Schreiber 2017, S. 248  f. 101 Vgl. die Darstellung der Heckenpredigten in Frans Hogenbergs Geschichtsblättern, wo die Dreizahl, wie die Inschriften angeben, auf die reformatorischen Gruppierungen der flämischen und wallonischen Reformierten sowie der Lutheraner:innen verweist. Zu dem Blatt vgl. Kaminska 2019; Voges 2019, S. 159–164. Zur Rolle der Heckenpredigten in der niederländischen Reformation und im Zusammenhang mit den Bilderstürmen vgl. u.  a. Duke 1990a, S. 129–139; Israel 1995, S. 146–152; Arnade 2008, S. 71–124.



3.2. Rhetorische obscuritas und die Verführungskunst der Häresie

kritische Diskurse bildet das zentrale Thema der Exegese demnach in Coornherts und Goltzius’ Radierfolge den Ausgangspunkt einer vielschichtigen ästhetischen Reflexion über die richtige Auslegung nicht nur der Bibel, sondern auch der Bilder. Der erste Teil der Serie fokussiert die problematische Vernachlässigung der Heiligen Schrift durch den sich augenscheinlich durch einen besonderen Wissensdurst auszeichnenden Hereticus. Sein fehlgeleitetes Streben wird auf dem vierten Blatt der Folge veranschaulicht (Abb. 72), auf dem er von zahlreichen Büchern umgeben in seiner Studierstube arbeitet. Von einem vor ihm liegenden Band aufblickend, scheint er soeben die Verkörperung der Caritas (‚Liebe‘) zu bemerken, die neben seinem Pult steht und ihn mit deutlichem Fingerzeig auf die vom Eingang aus mit geöffneten Armen herantretende Figur der Veritas hinweist. Der Gelehrte hat mit dem linken Bein bereits zu einem großen Schritt angesetzt, um dieser reizvollen Gestalt entgegenzugehen und ihre Geste der Umarmung zu erwidern. Doch die neben ihm stehende Pertinacia (‚Starrsinn‘) hält ihn mit grimmiger Miene am Kragen fest. Die Ursache dieses Unvermögens zur Annäherung an die Wahrheit, welche der Hereticus doch offenkundig begehrt, wird in einem zunächst unauffälligen Bilddetail ersichtlich: Im rechten Vordergrund ist ein unbeachtet am Boden liegendes Buch zu sehen, das durch seinen mit einem Adlerkopf versehenen Einband als eine bereits auf der zweiten Radierung dargestellte und dort explizit mit Biblia beschriftete Bibelausgabe wiederzuerkennen ist (Abb.  70). Die Nichtbeachtung des Gotteswortes zugunsten eigener, auf anderen Schriften basierender Studien bildet demnach den Ausgangspunkt des in der Folge sich vollziehenden Verhängnisses. Diese Szene ist für das in der Graphikfolge entworfene Häresie- und damit zusammenhängend auch das Wahrheitskonzept insofern von besonderer Bedeutung, als sie nicht nur an jene tradierte theologische Auffassung anknüpft, nach der erst das hartnäckige Beharren auf falschen religiösen Überzeugungen diese zur Ketzerei mache.102 Das Blatt inszeniert darüber hinaus das auf falschen Intentionen basierende Verlangen nach der Wahrheit als erkenntnistheoretische Begründung für die Unfähigkeit, sie zu erlangen. Eine Schlüsselrolle nimmt in diesem Zusammenhang die visuelle Bezugnahme auf den in der Bildunterschrift angegebenen Bibelvers ein. Dieser ist der Voraussage der apokalyptischen Ereignisse aus dem 2. Thessalonicherbrief entnommen, mit der Paulus das künftige Schicksal derer begründet, die sich vom „Wirken des Satans“ (2 Thess 2,9) zum Glauben an die Lüge und zur Gesetzwidrigkeit haben verführen lassen: Eo quod charitatem veritatis non receperunt ut salui fierent, 2. Thessa. 2 (2 Thess 2,10: „Weil sie die Liebe der Wahrheit nicht angenommen haben, um gerettet zu werden“). Die „Liebe der Wahrheit“, caritas veritatis, wird dabei zur zentralen Schnittstelle zwischen Text und Bild: Zumeist wird die Formulierung des biblischen Verses, die sowohl im Sinne

102 Vgl. Leclerq 1983, S. 17  f. Die pertinacia gehörte darüber hinaus bereits bei Cicero und Augustinus zu den stereotypen Vorwürfen gegen Gelehrte. Vgl. Fuhrer 1997, S. 58.

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eines genitivus obiectivus wie auch eines genitivus subiectivus gelesen werden kann,103 als Mahnung an die Menschen aufgefasst, sich dem wahren Glauben zuzuwenden, wie etwa Martin Luthers vereindeutigende deutsche Übersetzung mit liebe zur warheit104 belegt. Entgegen dieser geläufigen Lesart macht die allegorische Bildfindung jedoch beide möglichen Auslegungen anschaulich.105 So fordert die Figur der Caritas den Hereticus zu dieser Liebe auf und im selben Moment tritt ihm die Veritas selbst mit geöffneten Armen entgegen. Die geglückte Beziehung zur Wahrheit ist, wie diese Szene suggeriert, eine Form gegenseitigen Begehrens, in welcher die Gläubigen Liebe geben und diese gleichermaßen empfangen. In diesem Kontext fungiert die demonstrative Unverhülltheit der Veritas-Figur, deren Körperlichkeit erneut von einer kalkulierten Ambivalenz geprägt ist, nicht nur als Metapher der claritas, mit welcher die Wahrheit für die aufrichtig nach ihr Suchenden erkennbar werde.106 Die Nacktheit versinnbildlicht im selben Moment die gefährliche Nähe dieses Verlangens zu einer körperlichen Lust, welcher der von hochmütiger Selbstliebe getriebene Ketzer zum Opfer fällt.107 Diese Gefahr wird umso deutlicher durch die – abgesehen von der Größe – frappierende Ähnlichkeit der Wahrheitsfigur mit der in der folgenden Szene von zwei Cupido-Gestalten getragenen Venus, die sich, ebenfalls unbekleidet und mit vergleichbarer Haartracht, dem Hereticus zuwendet, um ihn zu irdischen Freuden zu verleiten (Abb. 73).108 Als anschauliche Antithese zur unverstellt gezeigten Sichtbarkeit von Veritas und Venus unterstreichen die verbundenen Augen der scheinbar ziellos vorwärtsschreitenden Liebesgottheiten dabei die geistige Blindheit, die mit der falschen Form des Begehrens einhergeht. Vor dem Hintergrund der bereits seit der Antike beständig mit der Wahrheit verbundenen Sichtbarkeitsmetaphorik, welche das Sehen mit dem Erkennen assoziiert,109 kann der Blick auf die Figur der nuda Veritas demnach auf rezeptionsästhetischer Ebene selbst zu einer Form der Annäherung an die Wahrheit respektive ihrer Aneignung werden, die jedoch stets dem Risiko einer irreführenden Freude am Sinnlichen unterliegt.

103 Katharina Ost danke ich für ihre Hinweise zu dieser Textstelle. 104 Luther: Neues Testament, S. 256. 105 Zu den Ausführungen des Erasmus von Rotterdam über die semantische Vielschichtigkeit der biblischen Formulierung caritatem veritatis vgl. Erasmus: Paraphrases, S. 468, Anm. 19. 106 Zur hier assoziierten theologischen Diskussion um die claritas respektive obscuritas Scripturae s.  o. die auf S. 141 in Anm. 13 genannte Literatur. 107 Zur Nacktheit der Wahrheit als Ausdruck des Verlangens nach ihr vgl. Konersmann 2004, Sp. 149. 108 Zur Analogie von Veritas und Venus vgl. Panofsky 1930, S. 175 sowie aus feministischer Perspektive Warner 1987, S. 316–319. Vgl. auch Coornherts Unterscheidung einer positiven und einer negativen Form von Liebe in: Coornhert: Zedekunst, S. 33 u. 35. 109 Zur mit dem Konzept der Wahrheit verbundenen Metaphorik vgl. die oben auf S. 1 in Anm. 5 genannte Literatur.



3.2. Rhetorische obscuritas und die Verführungskunst der Häresie

Die beinahe derbe Komik, die in der Beherrschung des Gelehrten durch die ihn am Kragen packende weibliche Figur der Pertinacia zum Ausdruck kommt und – in Analogie zu den im 16. Jahrhundert verbreiteten Darstellungen von Aristoteles und Phyllis – als ebenso lachhafte wie empörende Verkehrung der (Geschlechter-)Ordnung erscheinen musste, steht dabei in einer deutlichen Spannung zu der durch den Bibelvers explizit werdenden Ernsthaftigkeit des Geschehens.110 Sie lässt sich zum einen als bildimpliziter Verweis auf die Notwendigkeit einer über den ersten oberflächlichen Eindruck hinausgehenden Betrachtungsweise der Szene begreifen. Zum anderen kann sie in Übereinstimmung mit frühneuzeitlichen Konzepten des Komischen, welche dem intendierten Verlachen des dargestellten Sünders und der damit einhergehenden Selbstaffirmation der Rezipient:innen im eigenen moralischen Standpunkt einen didaktischen Effekt zuschreiben, als Aufforderung zu einer kritischen Distanzierung vom Hereticus verstanden werden.111 Auf diese Weise werden die Betrachtenden gerade durch die sinnliche Aufladung der Szene dazu angeregt, sich über ihre eigene Rezeptionshaltung im Klaren zu werden und bei der Auseinandersetzung mit dem göttlichen Wort, aber vor allem auch mit den Graphiken, die caritas veritatis bewusst als leitendes Prinzip anzunehmen. Mit dieser Argumentation schließt das Werk an eine vorreformatorische Tradition der Gelehrtenkritik an, in deren Kontext beispielsweise Sebastian Brant im Narrenschiff (1494) die Eygenrichtikeit all jener kritisierte, die meinen, eigenständig zu religiöser Einsicht gelangen zu können und sich stattdessen in den Fallstricken der Ketzerei verfangen.112 So erinnert die ‚Studierzimmerszene‘ etwa an einen Holzschnitt, der bereits in der Erstauflage von Brants Werk dem nicht ohne Selbstironie den Auftakt (vordantz113) des Buches bildenden Kapitel Von unnützen Büchern beigegeben ist (Abb. 90). Darauf sitzt der törichte Gelehrte ebenfalls an einem mit Büchern übersäten Pult, während weitere Bände die Regale des Raumes füllen. Seine Brille versinnbildlicht hier die Täuschung, der er bei der Lektüre unterliegt,114 da er das Gelesene – wie der Text erläutert – doch nicht wahrhaft zu begreifen vermag.115 Schon das dritte Blatt von Aufstieg und Fall des Häretikers greift auf derartige Topoi der Kritik an fehlgeleitetem Erkenntnisstreben zurück, indem der Hereticus dort von den Verkörperungen der innerhalb der frühneuzeitlichen Gelehrtenkritik wiederholt aufgerufenen ‚Untugenden‘ Curiositas (‚Neugier‘) und Philautia (‚Eigenliebe‘) dazu ver110 Zur gleichermaßen komischen wie didaktischen Wirkung der Darstellungen von Aristoteles und Phyllis vgl. Kanz 2007, S. 42. 111 Zu poetologischen Äußerungen über die moraldidaktische Funktion des Verlachens am Beispiel von Komödien des 17. Jahrhunderts vgl. Stockhorst 2008, S. 47  f.; zum affirmierenden Effekt vgl. Greiner 2006, S. 97. 112 Brant: Narrenschiff, S. 89  f. Vgl. zu der Passage Müller 2015, S. 493–495. 113 Zitiert nach Siegel 2009, S. 31. 114 Zur Brille als Symbol der Täuschung s.  o. die auf S. 59 in Anm. 92 genannte Literatur. 115 Vgl. Mann 1992, S. 92–94; Siegel 2009, S. 31.

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3. Veritas Scripturae

Abb. 90. Anonyme:r Künstler:in: Von unnützen Büchern, Holzschnitt, in: ­Sebastian Brant: Das Narrenschiff, ­Nürnberg: Johann Bergmann von Olpe, 1494, Dresden, Sächsische Landes­ bibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek, Sign. Ink.394.4.

leitet wird, sich allein auf seine intellektuellen Fähigkeiten zu verlassen und wie ein zweiter Ikarus zu der göttliches Wissen symbolisierenden Sonne zu erheben (Abb. 71).116 Die aus zwei verschiedenen biblischen Textstellen zusammengesetzte Bildunterschrift ­beschreibt in diesem Kontext die Selbstüberschätzung, welcher er zum Opfer fällt: Sibi placentes, 2.Pet.2.10. volentes esse legis doctores, non intelligentes, 1  Timot.1.8.6.7 [sic!] (2 Petr 2,10: „Selbstgefällig“, 1 Tim 1,7: „beanspruchen [sie], Lehrer des Gesetzes zu sein, wobei sie [nicht] verstehen“). Auch äußerlich transformiert trägt die Figur des Hereticus von nun an Flügel, sodass alle weiteren Szenen als Teil seines ikarisch-luziferischen ‚Höhenfluges‘ aufzufassen sind. 116 Ikarus als Exemplum leichtsinnigen und hochmütigen Verlangens nach göttlichem Wissen thematisierte Goltzius etwas mehr als zehn Jahre später ein weiteres Mal in seiner berühmten Serie der Himmelsstürmer. Vgl. u.  a. Pawlak 2018. Zum Stellenwert der philautia und der curiositas in der Gelehrtenkritik der Frühen Neuzeit vgl. u.  a. Braungart 1989; Jaumann 1995, S. 182  f. Zur Einschätzung der curiositas als „Fehlform des ‚Strebens nach Wahrheitserkenntnis (studium veritatis cognoscendae)‘“, wie sie etwa Thomas von Aquin vertrat, vgl. u.  a. Speer / Schneider 2022, S. XV.



3.2. Rhetorische obscuritas und die Verführungskunst der Häresie

Das kommende unheilvolle Ende wird in dem auf zwei Worte reduzierten Zitat aus dem zweiten Brief Petri bereits angedeutet, das einer Passage entnommen wurde, welche die Bestrafung der falschen Propheten mit dem Sturz der gefallenen Engel vergleicht. Dies ist für den weiteren Verlauf der Narration insofern relevant, als die äußerliche Veränderung des Hereticus ihn nicht nur zu einem alter Icarus macht, sondern sein Erscheinungsbild ebenfalls an die auf späteren Blättern als angelus lucis (‚Engel des Lichts‘) auftretende Figur des Luzifer angleicht (vgl. Abb. 74–76). Der auf der letzten Graphik der Folge gezeigte, an Darstellungen des Blindensturzes orientierte Fall des Häretikers und der von ihm geführten Gestalt des Mundus (‚Welt‘) in einen brennenden Abgrund wird auf diese Weise in einer Verschmelzung von Ikarus-Mythos, Engel- und Blindensturz zum Sinnbild der bestraften Hybris (Abb. 89). Die Argumentation der Serie richtet sich damit weniger gegen eine spezifische Form ‚häretischer‘ Lehre – etwa jene des spiritualistischen Theologen Hendrick Niclaes, den Herman de la Fontaine Verwey als Ziel einer in den Radierungen realisierten druckgraphischen Invektive Coornherts annimmt117 – als vielmehr gegen das ‚häretische‘ Prinzip eines von eitler Selbst- statt aufrichtiger Wahrheitsliebe getriebenen Erkenntnisstrebens. Wie die geflügelte Figur des Hereticus zeichnen sich auch die verschiedenen in der Serie auftretenden Verkörperungen des Bösen und der Verführung im bewussten Kontrast zur durch die Nacktheit versinnbildlichten claritas der Wahrheit durch ein Auseinanderfallen von äußerem Erscheinungsbild und wahrem Wesen aus. So treten nicht nur der Hereticus und die Figur Satans, die auf der sechsten und siebten Radierung explizit mit Sathan in angelum lucis transfiguratus (‚der in einen Engel des Lichts verwandelte Satan‘) bezeichnet wird (Abb. 74–76), als trügerische Engelsgestalten auf. Auch die Figur der Secta ist durch ihr schönes Aussehen charakterisiert, dessen wahre Beschaffenheit

117 Vgl. Fontaine Verwey 1969, S. 71  f. Wenngleich, wie der Buchwissenschaftler konstatiert, deut­ liche Parallelen zwischen der in der Radierfolge geäußerten Kritik und Coornherts schriftlichen Invektiven gegen den Begründer des Huis der Liefde zu beobachten sind, ließe sich Gleiches etwa ebenfalls für Justus Lipsius feststellen. Zu den von Coornhert gegen Lipsius erhobenen Vorwürfen des Missbrauchs der Rhetorik vgl. Peeters 1984, S. 255  f. Auch die physiognomische Ähnlichkeit, die Herman de la Fontaine Verwey zwischen der Figur des Hereticus und Darstellungen des Hendrick Niclaes in einigen 1573 in Köln erschienenen Holzschnitten erkennt, scheint eher im gemeinsamen Rekurs auf stereotype Gelehrtenbilder als durch eine spezifische Portraitähnlichkeit begründet zu sein. Die äußerlichen Kennzeichen, die er zum Beleg der Ähnlichkeit der Figuren aufführt (Fontaine Verwey 1969, S. 72: „un vieillard de haute taille, à la barbe flottante, de belle prestance et assez alerte malgré son âge, portant un grand manteau et un bonnet“), weisen z.  B. auch mehrere Gelehrtenporträts aus der 1587 von Philips Galle publizierten Kupferstichserie Imagines L. doctorum virorum oder die – hier dezidiert als Verkörperung des stereotypen Gelehrten fungierende – zentrale Figur auf dem Titelblatt zur 1628 in Frankfurt a.M. verlegten Bibliotheca sive thesaurus virtutis et gloriae sowie weitere Porträts im selben Werk auf. Vgl. Galle: Imagines; Boissard: Bibliotheca.

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jedoch der Schlangenschwanz verrät, der unter ihrem reich verzierten Kleid sichtbar ist.118 Insbesondere auf der neunten Radierung, welche die Vorbereitung der teuflischen Braut auf den Auszug zum Seelenfang zeigt, wird dieser Gegensatz von Aufrichtigkeit und Täuschung explizit rhetorik- und kunsttheoretisch perspektiviert (Abb. 77): Hierbei erhält die Secta vom Hereticus sowie von Hypocrisis (‚Heuchelei‘) und Rhetorica (‚Rhetorik, Redekunst‘) die nötige Ausstattung, mit der sie, wie durch das in der Bildunterschrift angegebene Zitat aus dem Römerbrief erläutert wird, künftig die Unschuldigen zu täuschen vermag: Per dulces sermones et benedictiones seducunt corda innocentium. Rom, 16. c. 18 (Röm 16,18: „durch süße Reden und Schmeicheleien verführen sie die Herzen Unschuldiger“). Die Gestalt der Rhetorik überreicht dazu der Secta einen Schmuckgegenstand,119 während die Figur der Heuchelei einen langen Pinsel und eine Malpalette verwendet, um ihr die Wangen zu röten. Durch dieses Motiv wird der topische Vergleich der Malerei mit einer Form des Schminkens aufgerufen, der auf das problematische Wechselverhältnis einer trügerischen äußeren Erscheinung mit der dahinter liegenden Wirklichkeit verweist, wie es der Kunst und der Rhetorik in vergleichbarer Weise zugeschrieben wurde.120 Durch den nachdrücklichen Verweis auf das Konzept des ornatus wird die Graphik sinnfällig in den zeitgenössischen rhetorikkritischen Diskurs eingeschrieben: Der Betrugsvorwurf, der bereits in der Antike gegen die Redekunst erhoben und im Kontext der zunehmend um eine historische sowie theoretische Legitimation bemühten Rederijker-Kultur in den Niederlanden des 16. Jahrhunderts nach wie vor diskutiert wurde, besaß gerade im Hinblick auf die konfessionellen Konflikte jener Zeit eine aktuelle Brisanz.121 Abhängig von der jeweils verfolgten Intention diente der Vergleich der nach den Regeln der antiken Rhetorik geformten mit der biblischen Sprache in diesem Zusammenhang entweder als Beleg für die Wirkmacht des Wortes oder der Begründung einer Ablehnung jeder kunstvollen Gestaltung der Rede. Insbesondere der rhetorische Schmuck als Verschleierung der sich im Gotteswort manifestierenden ‚nackten Wahr118 Das Gewand erinnert an die Kleidung jüdischer Priester und verstärkt die negative Konnotation durch den Verweis auf die Verbreitung eines ‚falschen‘ Glaubens. Vgl. z.  B. die Darstellung des Priesters in der von Maarten van Heemskerck entworfenen und von Philips Galle gestochenen Gefangennahme aus der 1558 von Hieronymus Cock herausgegebenen Serie Die Geschichte von Petrus und Johannes (New Hollstein (Maarten van Heemskerck 2), S. 90, Nr. 338). 119 Der Gegenstand konnte bislang nicht eindeutig identifiziert werden. Herman de la Fontaine ­Verwey vermutet „un instrument de musique“ (Fontaine Verwey 1969, S. 70), allerdings scheint die Darstellung eher eine Identifikation als Schmuck nahezulegen. 120 Zu diesem Topos vgl. Krüger 2001, S. 227  f. mit der dort angegebenen weiterführenden Literatur. Die Kontrastierung von ornatus und veritas hat bereits antike Wurzeln. Vgl. Walter 2006, S. 329. 121 Zum bekanntermaßen v.  a. von Platon erhobenen Täuschungsvorwurf vgl. Erchinger 2008, S. 994. Zur Rhetorikkritik in den Niederlanden des 16. Jahrhunderts vgl. Pleij 1995. Zu den Legitimierungsbestrebungen der Rederijkers vgl. Moser 2001.



3.2. Rhetorische obscuritas und die Verführungskunst der Häresie

Abb. 91. Dirck Volckertsz. Coornhert und Hendrick ­Goltzius (zugeschrieben): ­Aufstieg und Fall des Häretikers, Blatt 17: Der Häretiker kämpft gegen die Wahrheit, um 1575, hier 2. Auflage, verlegt von Jan Evertsz. Cloppenburgh, 1608–1636, Radierung, Detail aus Abb. 85.

heit‘ stand hierbei im Zentrum der Kritik. Denn der ornatus diene, so der verbreitete Vorwurf, nicht nur dazu, der Eitelkeit des Redners durch die Zurschaustellung seiner Fähigkeiten und seines Wissens zu schmeicheln, sondern werde vor allem für die Manipulation der Zuhörer:innen instrumentalisiert.122 Die Rhetorik werde so von falschen Propheten genutzt, um die Wahrheit zu verbergen sowie die Mitmenschen zu täuschen und zu irrigen Überzeugungen zu verleiten.123 Gerade der Kontrast zwischen der reinen göttlichen Wahrheit sowie der mit allen Mitteln der (Rede-)Kunst operierenden und eben dadurch gefährlichen Häresie steht im Zentrum des siebzehnten Blattes der Folge, welches in einer denkwürdigen Szene den Höhepunkt des Wirkens des Hereticus inszeniert (Abb. 85): Auf einer durch eine Treppe von einem großen Saal abgetrennten Erhöhung holt der Häretiker mit seinem aus drei Klingen bestehenden Schwert zum Schlag gegen die wehrlos ihre Arme erhebende Figur der nackten Wahrheit aus. Die Beschriftung der Klingen mit ars, ingenium humanum und vis macht, die biblische Metaphorik der Zunge als Schwert aufgreifend und unter Rückgriff auf Begriffe der klassischen Rhetorik,124 deutlich, dass diese grausame Waffe in nichts anderem als den rednerischen Fähigkeiten des Hereticus besteht (Abb. 91): Mit Kunstfertigkeit (ars), Begabung (ingenium) sowie Redegewalt und -gewandtheit (vis) besitzt er Eigenschaften, die seit Cicero, Quintilian und Horaz als wesentliche Merk122 Vgl. Pleij 1995, S. 167–169; Ramakers 1996b, S. 11; Spies 1999b, S. 88  f.; Moser 2001, S. 167  f. Vgl. auch den Beitrag zum Lemma Veritatis simplex oratio in Erasmus’ Adagia: Erasmus: Adages, S. 308, Nr. 88. 123 Vgl. Pleij 1995, S. 168  f. Auch Erasmus warf den Menschen vor, sich zu leicht von einem derartigen Auftreten täuschen zu lassen. Vgl. Müller 1999, S. 104. 124 Vgl. Ps 56,5: „Ihre Zähne sind eine Lanze und Pfeile, und ihre Zunge ein geschärftes Schwert“.

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male des orator perfectus aufgefasst wurden.125 Besonders problematisch erscheint dabei offenbar das ingenium, dem in der frühneuzeitlichen Rhetorik- und Kunsttheorie ein sowohl positiv als auch negativ nutzbares produktives Potenzial zugeschrieben wurde und das hier durch die ergänzende Bezeichnung als ‚menschlich‘ explizit von der göttlichen Schöpfungskraft unterschieden wird.126 Aufgrund dieser gefährlichen Fähigkeiten erscheint der Hereticus auf dem folgenden achtzehnten Blatt als pervertierte Version des Hercules Gallicus (Abb. 86): An einem an seine Zunge gebundenen Seil führt er nicht wie der gallische Gott der Eloquenz, dessen Darstellung Lukian beschreibt,127 das seiner Rede lauschende Volk, sondern stattdessen die Verkörperungen der Todsünden Superbia (‚Hochmut‘), Invidia (‚Neid‘) und Gula, die als unmittelbare Konsequenzen der verderblichen Rhetorik des Häretikers präsentiert werden. Auf die Gefahr der Verführung des leicht durch Trugbilder zu täuschenden menschlichen Geistes verweist in diesem Kontext auch die im Hintergrund des Angriffs des Hereticus auf die Veritas dargestellte Szene (vgl. Abb. 91). Zu sehen ist der im Buch Exodus geschilderte Zauberwettstreit vor dem Pharao, dessen Beschreibung durch Paulus das angegebene biblische Zitat entnommen ist: Quem admodum Jannes et Mambres resisterunt Moisi, ita et hi resistunt veritati, 2 Timo.3. b. 8 (2 Tim 3,8: „Wie aber Jannes und Jambres sich Mose widersetzt haben, so widersetzen sich auch diese der Wahrheit“). Der Bezug zu diesem Ereignis identifiziert den Hereticus mit den ägyptischen Magiern Jannes und Jambres, die laut biblischem Bericht Moses und Aaron als falsche Propheten enttarnen wollten, indem sie wie diese ihre Ruten in Schlangen verwandelten.128 Der Häretiker nutzt demnach sein ingenium, um die Sinne derer, die seine Reden anhören, in die Irre zu führen und kann damit die Erscheinung eines Propheten annehmen, dessen Worte jedoch stets nur trügerische Nachahmung der Wahrheit bleiben.129 Ausgehend von dieser in mehreren Blättern der Serie aufgegriffenen Rhetorikkritik wird gerade im Zusammenhang mit dem bereits erwähnten Verweis auf die Heckenpredigten von 1566 auf der achten Radierung (Abb. 76) die zeitgenössische Relevanz erkennbar, welche die Graphiken dem irreführenden Umgang mit der Heiligen Schrift 125 Vgl. Engels 1998; Röttgers / Kalivoda 2012; Schröder 2013, S. 39–42. 126 Zum ingenium als „problematische Gabe […] mit einer faulen Wurzel“ vgl. Ehrlicher 2015, S. 35–37 (Zitat S. 36); Engels 1998; Schröder 2013, S. 39–42. 127 Zu Darstellungen des Hercules Gallicus vgl. u.  a. Till 1994; Bulst 2003. 128 Vgl. Ex 7,8–13. In dieser Passage werden die Namen der Zauberer nicht genannt. In der auf dem Blatt zitierten Stelle aus dem zweiten Timotheusbrief sowie apokryphen und außerbiblischen Quellen werden sie jedoch als Jannes und Jambres – gelegentlich, wie in der Bildunterschrift gebraucht, auch: Mambres – bezeichnet. Zur Verbreitung und Bedeutung der Legende vgl. Pietersma 2013. 129 Vgl. die im 16. Jahrhundert verbreitete Auffassung, bei Zauberei handele es sich um das Ergebnis einer getäuschten Einbildungskraft (imaginatio). Vgl. u.  a. Swan 2005, S.  123–194 und s.  u. Kapitel 3.3.



3.2. Rhetorische obscuritas und die Verführungskunst der Häresie

als einer Form der Ketzerei zuschreiben. So verspricht der Hereticus etwa auf dem zwölften und dreizehnten Blatt der Serie sowohl dem arglosen Volk als auch dem pflichtvergessenen Herrscher Frieden, während er in Wirklichkeit Unruhe und Zwietracht hervorbringt (Abb. 80 u. 81); auf der elften Graphik verhöhnt er gemeinsam mit der Secta die vor ihm kniende Pietas (‚Pflichtgefühl, Frömmigkeit‘) mit einer obszönen Geste (Abb. 79), während beide in der neunzehnten Darstellung im Inneren eines Kirchenraumes den Schatten Christi für den wahren Erlöser ausgeben (Abb. 87). All diese Verweise auf die politischen und religiösen Konsequenzen der Häresie ließen sich von den zeitgenössischen Rezipient:innen ohne Schwierigkeiten auf die Konflikte des 16. Jahrhunderts übertragen, ohne dass eine konkrete Positionierung im Rahmen der zeitgleichen konfessionellen Auseinandersetzungen vorgegeben wird. Vielmehr regen die Graphiken dazu an, jene grundlegenden Mechanismen der Häresie zu begreifen, welche diese Auseinandersetzungen erst hervorbrachten, und ihnen mit einem Bewusstsein für den erkenntnisstiftenden Wert, aber auch die möglichen Risiken einer Orientierung an der Heiligen Schrift zu begegnen. Das Potenzial des rhetorischen Missbrauchs besitzt die Bibel dabei der Argumentation der Serie nach deshalb, weil sie sich, um für den menschlichen Verstand überhaupt zugänglich zu sein, desselben Mediums bedient wie die Redekunst: der stets defizitären menschlichen Sprache.130 So tritt auf einigen Blättern dezidiert der prekäre Status der Heiligen Schrift als Wissensmedium in den Vordergrund, dessen Verhandlung wiederholt mit Momenten künstlerischer Selbstreflexion verknüpft wird. Auf der zehnten Graphik sind es etwa eine aufgeschlagene Bibel und ein Kruzifix, welche die verkörperte Sekte als Köder einsetzt, um die Figuren von Anima instabilis (‚ungefestigte Seele‘), ­Curiositas und Credulitas (‚Leichtgläubigkeit‘) in die Falle zu locken (Abb. 78). Die gewählte Bildunterschrift pointiert die verwerflichen Absichten dieser Täuschung: Insidiantes quasi aucupes laqueos ponentes et pedicas ad capiendos veros [sic!], Ieremi. 5. F. 26. 2 Pet. 2. C. 14 (Jer 5,26: „die wie Vogelfänger im Hinterhalt liegen, die Fallstricke auslegen und Fußschlingen, um Männer zu fangen“).131 Den biblischen Vergleich bildlich aufgreifend sowie in einer Modifikation der im 16. Jahrhundert verbreiteten Darstellungen des Teufels als

130 Vgl. die pessimistische Sprachauffassung des Erasmus von Rotterdam, nach dem die göttlichen Mysterien durch die menschliche Sprache nicht auszudrücken seien, dazu Christ-von Wedel 1981, S. 112–119. Die Bibel verweist die Menschen demnach auf die nicht erlernbare, sondern nur durch die Gnade Gottes vermittelbare „neue Sprache schlechthin, die die ganze Offenbarung umfasst, auf Christus als das Wort selber“ (Christ-von Wedel 1981, S. 119). Zu Erasmus’ Auseinandersetzung mit der biblischen Sprache und deren hermeneutischen Konsequenzen vgl. auch Müller 1999, S. 90–110. 131 Die zusätzliche Angabe des Verses 2 Petr 2,14 („Augen haben sie voller Ehebruch, und unablässig sündigen sie, sie verlocken ungefestigte Seelen [animas instabiles] […]“), aus dem nicht explizit zitiert wird, legt zusätzlich die biblische Grundlage für die Darstellung der Anima instabilis offen.

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Vogelfänger,132 kauert die Gestalt der Secta hinter einem aufgespannten Netz, während der Hereticus zusätzlich Schlingen und Haken auslegt. Damit betont die Radierung nicht nur erneut die Gefahren, die aus der geistigen Disposition der nach religiöser Einsicht Suchenden resultieren können; sie inszeniert diese durch die Kontrastierung der Blindheit der verkörperten Leichtgläubigkeit mit den unzähligen Augen auf dem Gewand der Curiositas-Figur zudem gleichermaßen als Nicht-Sehen wie Zu-viel-sehen-Wollen. Dabei liefert die Radierfolge zugleich eine Erklärung für die Möglichkeit dieser missbräuchlichen Verwendung der Bibel: Die Beschriftung des Buches, welches der Hereticus der Secta auf dem bereits beschriebenen neunten Blatt überreicht (Abb. 77), mit littera occidens (‚tötender Buchstabe‘) verweist ausdrücklich auf jene Formulierung aus dem 2. Korintherbrief, die seit der Spätantike und besonders in der Reformationszeit den Ausgangspunkt für Debatten über die Gewichtung des Wortlauts der Heiligen Schrift sowie dessen richtige Auslegung darstellte: „Der Buchstabe tötet, der Geist aber macht lebendig“ (2 Kor 3,6).133 Der Rekurs auf diese hermeneutische Thematik veranschaulicht eindringlich, dass nicht nur die mit den Mitteln der klassischen Redekunst gestaltete Sprache potenziell gefährlich ist, sondern gerade die sprachliche Verfasstheit des Bibeltextes selbst dessen Anfälligkeit für falsche Interpretationen und rhetorische Manipulationen begründet. Diese Argumentation wird mit dem sechzehnten Blatt fortgeführt, welches die von ihrer eigenen Fehlauslegung des göttlichen Wortes verursachte innere Uneinigkeit des dreimal dargestellten Häretikers und der Sekte visualisiert (Abb. 84). In einem handgreiflichen Streit attackieren sich diese gegenseitig mit ihren Büchern, während durch die Angabe eines dem 1. Timotheusbrief entnommenen Zitates ihre gleichzeitige Unwissenheit betont wird: Superbus est nihil sciens, sed languens circa quaestiones et pugnas verborum. 1 Timot 6 a 4 (1 Tim 6,4: „[Er ist] überheblich, obwohl er nichts weiß, sondern kraftlos in Streitfragen und Wortgefechten [ist]“). Der rechts im Hintergrund zu sehende einstürzende Turm zu Babel symbolisiert in diesem Zusammenhang den unheilvollen Hochmut des Hereticus und verweist zudem auf die laut dem Bericht der Genesis (11,1–9) als göttliche Strafe für den Bau verhängte Sprachverwirrung, die hier in Analogie zu dem dargestellten Zerwürfnis gesetzt wird und sich zugleich als dessen historische Ursache verstehen lässt. Die Berufung auf den Wortlaut der Schrift ist demzufolge nicht nur deshalb heikel, weil es möglich ist, ihn bewusst falsch auszulegen und so die wahre Bedeutung des biblischen Textes zu verschleiern; sie ist es auch, weil dieser selbst bereits in mehreren Versionen und unterschiedlichen Übersetzungen vorliegt, von denen allein vier auf den Radierungen zitiert werden. Die diffizile Rolle des einerseits als Heilsquelle fungierenden, andererseits jedoch in seiner Auslegung für Verfälschungen anfälligen Gotteswortes inszeniert das fünf132 Zu Darstellungen des Teufels als Jäger und Vogelfänger vgl. Stumpel 2003; Mersmann 2017a. 133 Vgl. u.  a. Ebeling 1951, S. 176–185; Brinkmann 1980, S. 227 u. 273  f.; Köpf 2001, S. 17–19.



3.2. Rhetorische obscuritas und die Verführungskunst der Häresie

zehnte Blatt der Folge in drastischer Weise (Abb. 83). In Abwandlung des Bildmotivs der fons vitae, welches traditionell die stehende Figur Christi in einem vom Blut der Seitenwunde gespeisten Brunnen zeigt, entspringt eine Flüssigkeit hier dem Mund des Auferstandenen.134 Sie wird dabei nicht wie üblich von auf Erlösung hoffenden Gläubigen, sondern durch den Hereticus mit einem Kelch aufgefangen, der offenbar vorhat, sie zu trinken und zu gleicher Zeit bereits in das Becken uriniert, in welches die Gestalt der Secta einen Nachttopf entleert, um den Brunnen endgültig zur Kloake zu machen; eine Verunreinigung, auf die auch das angegebene biblische Zitat bezogen wird: Cum purißimam aquam biberitis reliquam pedibus vestris turbabatis. Ezech. 34 d. 18 (Ez 34,18: „obwohl ihr reinstes Wasser getrunken habt, habt ihr das übrige mit euren Füßen aufgewühlt“). Die Graphik verkehrt damit bewusst die Bedeutung der bekannten Ikonographie und greift die bereits in der Bibel präsente, vor allem aber in der antiken sowie frühneuzeitlichen Rhetorik- und Dichtungstheorie ausgeführte Speisemetaphorik auf, welche die Rezeption vorbildlicher Texte als einen Akt der Verdauung beschreibt und die im 16. Jahrhundert auch auf den künstlerischen Schaffensprozess übertragen wurde.135 Im Kontext der imitatio-Lehre beschreibt sie in der Regel positiv konnotiert eine Form des schöpferischen Umgangs mit den Vorbildern, wobei der Fokus sowohl auf der Nachahmung als (vermeintlich) getreuer Wiedergabe als auch auf dem produktiven Aneignungsprozess sowie der daraus resultierenden Erschaffung von Neuem liegen konnte.136 Die Radierung hingegen macht die Problematik der Anwendung dieses poetologisch-rhetorischen Konzepts auf die Auseinandersetzung mit dem Gotteswort anschaulich, die letztlich auch die Graphiken selbst betrifft. Denn diese lassen sich sowohl inhaltlich über ihren exegetischen Anspruch als auch materiell als – vermutlich schon vor der im Folgenden noch zu thematisierenden Neuauflage der Serie (1608–1636) durch Jan Evertsz. Cloppenburgh – zu einem boecxken gebundene Werke aus Papier mit jenen verfänglichen Büchern in Verbindung bringen, mit denen der Hereticus und die Secta operieren.137 Das ingenium, jene eigentlich wünschenswerte Fähigkeit des Dichters oder Redners respektive des Künstlers, welche die kreative Neuschöpfung überhaupt erst ermöglicht,138 erweist sich hierbei deshalb als höchst bedenklich, weil sie die Integrität des 134 Zum Bildmotiv der fons vitae vgl. Wadell 1969; Vetter 1972, S. 293–340. Zu seiner Verwendung in weiteren von Coornhert und Goltzius angefertigten Graphiken vgl. Sellink 1997, S. 96. 135 Zur biblischen Metaphorik des ‚Verspeisens‘ des Gotteswortes vgl. u.  a. Jer 15,16; Ez 2,8–3,4; Mt 4,4; Offb 10,8–11. Zur Speise- und Verdauungsmetaphorik im Zusammenhang mit Dichtungstheorie vgl. u.  a. Curtius 1984, S. 144–146; Pigman 1980, S. 3–11. Zur Übertragung auf kunsttheoretische Diskurse vgl. u.  a. Müller 1999, S. 14  f. 136 Vgl. u.  a. Gmelin 1932; Entner 2000. 137 Zum Vertrieb von Graphikserien in Form eines zusammengebundenen Heftes oder Buches, eines sog. boecxken oder livre, vgl. Fuhring 2013, S. 39. 138 Zum Zusammenhang der Verdauungsmetaphorik mit dem Konzept des ingenium vgl. Butzer  / Jacob / Kurz 2005, S. 270  f.

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gleichermaßen autoritativen wie heilswirksamen Wortes zerstört, um die Leichtgläubigen gerade dadurch zu betrügen. Vor diesem Hintergrund wird auch die Konzeption der Graphiken selbst implizit in eine verfängliche Analogie zu diesem verderblichen Prozess der ‚Verdauung‘ des Gotteswortes gesetzt und die Künstler zugleich mit dem Häretiker verglichen. Denn die Bildunterschriften stellen nicht nur die Mehrsprachigkeit des biblischen Textes aus, sondern verbinden immer wieder einzelne ‚Bruchstücke‘ alt- und neutestamentlicher Verse zu neuen Sätzen, deren Zusammenhang erst durch die Visualisierung im allegorischen Bild auf gefährliche Weise plausibel gemacht wird. Dieses kombinatorische Verfahren, das in Die Kraft der Wahrheit unter Rückgriff auf die loci-Methode die Basis des exegetischen Anspruchs der Kupferstiche bildet, erscheint hier als ein prekärer Akt des künstlerischen ingenium, als dessen visuelle Parallele die wiederholte kreative Abwandlung, semantische Verschiebung oder gar Verkehrung geläufiger Ikonographien fungiert. Die Worte der Bibel und die tradierten Bildformeln avancieren damit zum potenziell in jede beliebige Richtung umzudeutenden ‚Ausgangsmaterial‘, sodass die Fähigkeit kritischer Bildbetrachtung und -auslegung letztlich zum Übungs- und Experimentierfeld exegetischer Praxis werden kann. Die Radierungen, die der sprachlichen Vielfalt und Mehrdeutigkeit des Textes geradezu ostentativ die visuelle Evidenz der vermeintlich eindeutigen Bilder gegenüberstellen, können dabei in ihrer bewussten Gratwanderung nur deshalb als Instrumente hermeneutischer Didaktik fungieren, ohne selbst eine Form anmaßender Häresie darzustellen, weil sie das ihnen inhärente Täuschungs- und Verführungspotenzial – im Unterschied zum Vorgehen des Hereticus und der Secta – stets implizit mitthematisieren. Bibelhermeneutischer, rhetorikkritischer und kunsttheoretischer Diskurs konvergieren demnach in Coornherts und Goltzius’ Aufstieg und Fall des Häretikers in der Forderung einer über bloße Äußerlichkeiten hinausgehenden Erkenntnis. Auch wenn die Figur der Veritas innerhalb der Serie auf den ersten Blick eine untergeordnete Rolle spielt, kommt ihr insofern eine konzeptuelle Relevanz zu, als durch sie zum einen die erkenntnistheoretischen Bedingungen für die aus Neugierde und Eigenliebe resultierenden Irrungen des Hereticus thematisiert werden. In diesem Zusammenhang verweist ihre Nacktheit erneut in spannungsvoller Weise auf die Unverhülltheit der Wahrheit, aber auch – gerade in der Szene des Angriffs mit dem dreischneidigen Schwert – auf eine damit verbundene Schutzlosigkeit, die jedoch weniger die Veritas selbst als vielmehr jene bedroht, die ihr Erkenntnisstreben in eine lasterhafte curiositas umschlagen lassen.139 Zum anderen deutet die Figur der Veritas als eine der auffällig wenigen positiv konnotierten Figuren innerhalb der Radierfolge die Möglichkeit eines Auswegs aus dem gezeigten Verhängnis an, der zugleich in rezeptionsästhetischer Hinsicht aussagekräftig ist: Allein die caritats veritatis, die von einem aufrichtigen Wissens139 Zur frühneuzeitlichen Einschätzung der curiositas als „erkenntnistheoretische Falle“ vgl. Vinken 2000, S. 798.



3.2. Rhetorische obscuritas und die Verführungskunst der Häresie

streben geprägt und daher vor sensuellen Verführungen geschützt ist, vermag nicht nur im biblischen Text, sondern auch in den kunstfertig geschaffenen Graphiken jene Wahrheit zu erkennen, die sich darin in sinnlich vermittelter Form enthüllt. Die mit dem Konzept der Radierfolge einhergehende Eigenverantwortung der ihren Betrachtungsprozess idealerweise aktiv reflektierenden und beständig auf seine Motivationen hin befragenden Rezipierenden korreliert programmatisch mit der oben beschriebenen konfessionellen Unverbindlichkeit der Serie. Eben diese bemühte sich der Verleger Jan Evertsz. Cloppenburgh in der zwischen 1608 und 1636 im calvinistischen Umfeld Amsterdams publizierten Neuauflage jedoch gezielt zu beschränken.140 Das unter dem Titel Den Doolhof Van De Dwalende Gheesten Waer in Den Aenvang, Voortgang, Vruchten, ende Eÿnde. Der Mensch-verleÿdende Ketters, als In eenen Spiegel voor oogen worden gestelt (‚Das Labyrinth der irrenden Geister, in dem der Anfang, der Fortgang, die Früchte und das Ende der Menschen verführenden Ketzer wie in einem Spiegel vor Augen gestellt wurden‘) in Buchform erschienene Werk belegt nicht nur die anhaltende kulturelle Relevanz der bestehenden Graphiken, sondern auch das Bestreben, diese im historischen Kontext der Vereinigten Provinzen zu aktualisieren und konfessionell umzucodieren. Im kreativen Umgang des Verlegers mit den Graphiken, denen er ein allegorisches Titelblatt, ausführliche niederländische Epigramme zu den einzelnen Radierungen, eine Vor- und Nachrede sowie ein Glossar der lateinischen Inschriften hinzufügte, manifestiert sich zugleich ein durch den veränderten gesellschaftlichen und religiösen Rahmen bedingtes, gewandeltes Wahrheitskonzept. Dabei ist mit der konfessionellen Zuspitzung der Serie, die mit einer Vereindeutigung der Veritas aus calvinistischer Perspektive einhergeht, eine neue Bewertung und Funktionalisierung der jeweiligen Potenziale von Bild, Text und Rezeptionsleistung der Betrachtenden im ästhetischen Kommunikationsund Erkenntnisprozess verbunden, die sich insbesondere in der modifizierten intermedialen Struktur des Werks niederschlägt. So bildeten für Cloppenburgh mit seinem größtenteils „streng reformierten“141 Verlagsprogramm augenscheinlich vor allem jene Graphiken eine gleichermaßen religiöse wie künstlerische Herausforderung, welche die Möglichkeit missbräuchlicher Verwen140 Zu Cloppenburghs Neuauflage vgl. Fontaine Verwey 1969, S. 72  f.; Hammami 2022a. Die Datierung ergibt sich aus der Namensgebung der Offizin, die zwischen 1608 und 1636 unter der Bezeichnung Vergulden Bijbel firmierte. Vgl. den Eintrag zu Cloppenburgh in der Datenbank Arkyves, URL: https://www.arkyves.org/view/bspr_1262 (letzter Zugriff: 3.  April 2022). Zur verlegerischen Tätig­keit Cloppenburghs vgl. Burger 1911; Moes / Burger 1988 [1910], S. 323–334. 141 Burger 1911, Sp. 612: „Zijne verdere uitgaven zijn meest streng gereformeerd, vertalingen naar C a l v i j n en B e z a en het bekende Tafereel der religionsverschillen van M a r n i x.“ Auch die Namensgebung der Offizin schließt an eine konfessionsspezifische Tradition an, indem sie auf den Verlag In den Bijbel des erfolgreichen reformierten Buchhändlers Laurens Jacobsz rekurriert, den Cloppenburgh nach dessen Tod übernahm. Vgl. ebenfalls Burger 1911, Sp. 612.

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3. Veritas Scripturae

Abb. 92. Anonyme:r Künstler:in: Titelblatt, Radierung, 137 × 185 mm, in: Den Doolhof Van De Dwalende Gheesten […] (‚Das Labyrinth der irrenden Geister‘), Amsterdam: Jan Evertsz. Cloppenburgh, o.  J. [1608–1636], Amsterdam, Allard Pierson, Universiteit van Amsterdam, Sign. OK 63-5935.

dung der Bibel vor Augen führen, da sie als potenzielle Anknüpfungspunkte für eine Infrage­stellung des protestantischen Schriftprinzips fungieren konnten. Die von ihm veranlassten Ergänzungen zu den druckgraphischen Inventionen sind daher als Versuch zu begreifen, die bestehende Radierfolge im Sinne eines calvinistischen Häresieverständnisses umzudeuten. Dabei bemühte sich Cloppenburgh darum, durch den kalkulierten Einsatz der spezifischen Gestaltungsoptionen des Buchmediums – insbesondere durch die Ergänzung des Titelblattes sowie verschiedener Textelemente – einigen der von den Graphiken gegebenen Auslegungsmöglichkeiten entgegenzuwirken, um die aus reformierter Perspektive von Coornherts und Goltzius’ Konzept generierten Risiken zu minimieren. In diesem Kontext ist gerade das von einem unbekannten Künstler neu geschaffene Titelbild (Abb. 92),142 das ebenfalls in der für Frontispize eher ungewöhnlichen Technik der Radierung ausgeführt wurde, um den Eindruck eines homogenen 142 Vgl. zu dem Titelblatt Fontaine Verwey 1969, S. 72  f.; Hammami 2022a, S. 182–185.



3.2. Rhetorische obscuritas und die Verführungskunst der Häresie

Abb. 93. Anonyme:r Künstler:in: Titelblatt, Radierung, in: Den Doolhof Van De Dwalende Gheesten […] (‚Das Labyrinth der irrenden Geister‘), Amsterdam: Jan Evertsz. Cloppenburgh, o.  J. [1608–1636], Detail aus Abb. 92.

Kunstwerks zu erzeugen, von programmatischer Bedeutung für die Publikation, weil es als ästhetische Schwelle zum Buch dient, welche die Wahrnehmung des Folgenden maßgeblich prägt.143 Vor diesem Hintergrund verweist die titelgebende LabyrinthMetapher nicht nur auf die Irrungen des Hereticus, sondern auch auf die im Buch enthaltene Radierfolge, zu deren Bewältigung die Betrachtenden offenbar aus Sicht des Verlegers einer verlässlichen Führung bedürfen.144 Die das Titelfeld rahmende Architektur fungiert in diesem Sinne zugleich als Eingangstor in den im Buch enthaltenen ‚Irrgarten‘ aus Bildern und Texten, an dem gleichsam als Orientierungshilfe einige den Inhalt der Graphiken aufgreifende Figuren aufgestellt sind. So erscheint auf der rechten Seite des Blattes die Gestalt des Hereticus, dessen Rolle damit bereits zu Beginn der Betrachtung und Lektüre des Doolhof entscheidend konfiguriert wird. Die Figur des Ketzers hält hier gemeinsam mit der hinter ihm stehenden, den Bedroch (‚Betrug‘) verkörpernden Teufelsfigur ein mit lust (‚Begierde‘) beschriftetes Buch empor, in dem Symbole kirchlicher und weltlicher Macht sowie irdischen Besitztums, unter ihnen die durch den Fingerzeig des Häretikers hervorgehobene päpstliche Tiara, zu erkennen sind (Abb. 93). Diese nachdrückliche Präsentation des geöffneten Buches rekurriert auf eine in der Radierfolge bewusst generierte Leerstelle: Während der ketzerische Inhalt der Schriften, mit denen sich der Hereticus etwa 143 Zur Schwellenfunktion von Titelblättern vgl. Fumaroli 1994, S. 325–342. 144 Gemäß der Etymologie des niederländischen Begriffs ‚doolhof‘, der sich vom Verb ‚dolen‘ (‚umherirren‘) ableitet, wird hier weniger auf das ‚klassische‘ antike und mittelalterliche Modell eines Labyrinths mit einem einzigen verschlungenen Weg angespielt, sondern vielmehr auf die kulturgeschichtlich jüngere, im 15. Jahrhundert erstmals bildlich dargestellte Form eines ‚Irrgartens‘ mit mehreren, zum Teil in Sackgassen endenden Wegen rekurriert. Zu den unterschiedlichen Arten von Labyrinthen vgl. Kern 1982, S. 13.

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3. Veritas Scripturae

Abb. 94. Anonyme:r Künstler:in: Titelblatt, Radierung, in: Den Doolhof Van De Dwalende Gheesten […] (‚Das Labyrinth der irrenden Geister‘), Amsterdam: Jan Evertsz. Cloppenburgh, o.  J. [1608–1636], Detail aus Abb. 92.

in der ‚Studierzimmerszene‘ befasst, für die Betrachtenden stets verborgen bleibt, stellt das Titelbild bereits im Vorhinein klar, welche ‚verwerflichen‘ katholischen Lehren die verwendeten Bücher enthalten. Auf der gegenüberliegenden Seite des Titelblattes setzt sich die antikatholische Motivik fort: Die Figur der die Bibel mit Füßen tretenden Blint vernuft145 (‚Blinde Vernunft‘) in Gestalt einer mit einem Rosenkranz ausgestatteten Nonne zeigt den Rezipient:innen hier ebenfalls ein aufgeschlagenes Buch, in welchem die Darstellungen eines mit Jakobsmuschel geschmückten Pilgerhuts, einer Geißel, einer an den Habit der Kapuziner erinnernden Mönchskutte sowie einer Mondsichelmadonna zu sehen sind (Abb. 94). Die – wohl in Anspielung auf die traditionelle Ikonographie der Synagoga – verbundenen Augen der Nonnenfigur verweisen dabei auf die geistige Blindheit, welche mit der vermeintlichen Äußerlichkeit katholischer Frömmigkeitspraktiken einhergeht. Die Substanzlosigkeit der ‚falschen‘ Religion respektive Konfession wird zugleich in der schattenhaften Gestalt des Heylich schijn (‚heiliges Aussehen, Scheinfrömmigkeit‘) anschaulich, deren angedeutete Tonsur eine weitere antirömische Pointe darstellt. Das vom Verleger in Auftrag gegebene Titelblatt inszeniert die katholischen Lehren und Institutionen demnach unmissverständlich als Inbegriff der Ketzerei, in deren ausweglosem Labyrinth sich der Hereticus verläuft.146 Dieser Visualisierung der Häresie stellt das Bild kontrastierend die Prinzipien wahrer Einsicht entgegen, die von den vier weiblichen Figuren oberhalb der rahmenden Architektur verkörpert werden: An den Außenseiten erscheinen die Gestalten der 145 Der Begriff ‚vernuft‘ fungierte zugleich als Übersetzung des lateinischen ‚ingenium‘, vgl. Kilian: Etymologicum, S. 719. 146 Zum Labyrinth als „Imaginationsfigur“ vgl. Ernst 2018, S. 639.



3.2. Rhetorische obscuritas und die Verführungskunst der Häresie

Abb. 95. Doppelseite mit der 17. Radierung, in: Den Doolhof Van De Dwalende Gheesten […] (‚Das Labyrinth der irrenden Geister‘), Amsterdam: Jan Evertsz. Cloppenburgh, o.  J. [1608–1636], ­Amsterdam, Allard Pierson, Universiteit van Amsterdam, Sign. OK 63-5935.

­ aersticheÿt (,Sorgfalt‘) mit einer Sanduhr und einem Spinnennetz sowie der Gerechticheyt N (‚Gerechtigkeit‘) mit Schwert und Waage als Attributen. Dazwischen werden die jeweils mit einem Buch ausgestatteten Figuren des Ondersoeck der Schriftur (‚Untersuchung der Schrift‘) und der Waerheÿt (‚Wahrheit‘) durch ihre prominente Positionierung sowie ihre einander spiegelbildlich entsprechenden Körperhaltungen als komplementäre Erkenntnisprinzipien betont. Allein durch die eingehende Beschäftigung mit der Bibel, so die hierin zum Ausdruck kommende Argumentation, ist ein Zugang zur Wahrheit und mithin auch die Entlarvung der Häresie möglich, wie auch durch den Verweis der beiden Figuren auf die zwischen ihnen angebrachte Kartusche hervorgehoben wird, in welcher die Porträts der zu Exempla der Ketzerei stilisierten ‚Häretiker‘ Arius, Michael Servetus sowie Fausto Sozzini zu sehen sind.147 Auf den an das Titelblatt anschließenden Seiten bedient sich Cloppenburghs Publikation einer intermedialen Struktur, die sich formal am Aufbau der im 17. Jahrhundert populären Emblembücher orientiert, wie der Verleger sie in seiner Offizin auch selbst herausgab.148 In diesen Werken dienten die den Graphiken beigegebenen und diesen vielfach, wie im Doolhof, auf einer Doppelseite gegenüberstellten Verse (Abb. 95) in der Regel dazu, das von den oftmals bewusst enigmatischen oder mehrdeutigen bildlichen Darstellungen ausgelöste Spiel der Assoziationen und Interpretationen im Hinblick auf ein vermeintlich richtiges Verständnis der Bilder aufzulösen.149 Diese Erwartungshaltung der zeitgenössischen Rezipient:innen bemühte sich Cloppenburgh offenkun147 Zur Auswahl dieser drei ‚Häretiker‘ vgl. Fontaine Verwey 1969, S. 72  f.; Hammami 2022a, S. 184  f. 148 Vgl. z.  B. die von Cloppenburgh publizierten Ausgaben von Gerrit Hendricksz van Breughels Cupido’s Lusthof ende der amoureuse[n] boogaert (1613) oder Johan de Brunes Emblemata of zinne-werck (1624). 149 Vgl. u.  a. Porteman 1977, S. 37; Kleinschmidt 1979, S. 391; Enenkel 2019, S. 266–309.

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3. Veritas Scripturae

dig nutzbar zu machen, um insbesondere die Wahrnehmung und Auslegung in konfessioneller Hinsicht heikler Blätter der Graphikserie durch die Texte als autoritative Deutungsinstanzen zu leiten und so jene Wahrheit gezielt zu vereindeutigen, gegen die sich der Hereticus im Verlauf der Radierungen wendet. In Bezug auf die ‚Ausstattungsszene‘ auf dem neunten Blatt der Folge (Abb.  77), welche mit dem Verweis auf die littera occidens die diffizile Problematik widerstreitender Ansätze der Bibelauslegung explizit aufruft, erläutert das Epigramm beispielsweise nur beiläufig, dass der Ketzer sein Buch übergebe, um gemeinsam mit der Sekte durch das Land zu reisen.150 Noch offensichtlicher wird die beabsichtigte Steuerung der Rezeption in dem der ‚Brunnenszene‘ auf der fünfzehnten Graphik (Abb. 83) beigegebenen Epigramm, welches die ikonographische Besonderheit der fons vitae-Darstellung verschweigt und stattdessen suggeriert, das Wasser entspringe auch im vorliegenden Bild der Seitenwunde und nicht dem Mund Christi. Dreimal verweisen deshalb die Verse auf das nicht dargestellte Blut des Erlösers, um die Vorstellung einer Verunreinigung des Gotteswortes in der Wahrnehmung der Betrachtenden in den Hintergrund treten zu lassen.151 Die Gefahr einer aus Sicht des Verlegers problematischen Deutung bestand schließlich auch im Hinblick auf die Darstellung des inneren Widerstreits des Hereticus und der Secta auf dem sechzehnten Blatt (Abb. 84). Denn diese bot die naheliegende Möglichkeit, die Szene auf die Kontroversen zwischen Remonstranten und Kontraremonstranten zu beziehen und die reformierte Kirche damit selbst in den Verdacht der Häresie geraten zu lassen. Ohne dass das Bild selbst eine derartige Deutung vorgibt, besteht das ergänzte Epigramm daher zur Hälfte aus einer eindeutig antikatholischen Invektive, die exemplarisch das konfessionell umstrittene Läuten von Totenglocken sowie die Ablehnung des Abendmahls in beiderlei Gestalt als Kennzeichen der Ketzerei anführt: Ghekapte zot, vveet ghy vvat Ketters zijn? De Clocken die voor d’af-ghestorven luyden, Die gheven Broodt, en houden zelf den Vvijn Int Sacrament. […] Och! Hoe verdeylt zijt ghy, o Roomsche, heden? En meer verdeylt ghy voorden sult met spoet.152

150 Doolhof, o.S., Epigramm Nr. IX: De Ketter comt zijn boeck in handen steken, / Te samen sy soo vvand’len door het Landt. 151 Doolhof, o.S., Epigramm Nr. XV: Des Zieles bloedt (ick segghe IESVS CHRIST) / Besoetelt vvordt, de Ketter daer in vvoelet / En (met verlof) o schande! daer in pist / […] Hebt ghy daerom u dierbaer bloedt vergoten, / Onzondigh Lam? […] / Niet soo u bloedt voor eeuvvigh reyn sal blijven […]. 152 Doolhof, o.S., Epigramm Nr. XVI. Herman de la Fontaine Verwey nimmt hingegen an, der Dichter spreche hier mit Bitterkeit von der Spaltung der Römischen Kirche, und sei demzufolge selbst Katholik gewesen. Vgl. Fontaine Verwey 1969, S. 72.



3.2. Rhetorische obscuritas und die Verführungskunst der Häresie

‚Bekappter Narr, weißt Du, was Ketzer sind? Die Glocken, die für die Verstorbenen läuten, die Brot geben und selbst den Wein im Sakrament behalten. […] Ach! Wie gespalten seid Ihr, oh Römische, heute? Und noch gespaltener werdet Ihr bald sein.‘

Wie dieses Beispiel exemplarisch zeigt, wird in den Epigrammen ironischerweise gerade jenes Mittel zur Lenkung des Rezeptionsprozesses eingesetzt, welches die Radierungen entschieden verurteilen: eine kunstvoll geformte Sprache, welche die Leser:innen mit unzähligen Interjektionen, Alliterationen, Metaphern, rhetorischen Fragen und weiteren Stilmitteln anzusprechen sowie zu überzeugen versucht. Diesem Spannungspunkt entgegnet der ergänzte Text, indem er im Epigramm zum neunten Blatt (Abb. 77) zwischen einer rechtmäßigen und einer missbräuchlichen Verwendung der Rhetorik unterscheidet: Daer toe en is vvelsprekens conste schoone  / Ghegheven niet, om soo te zijn misbruyckt; / Maer op dat-men des Heeren goetheydt toone, / En Vvaerheydt vvijs die somtijts voor ons duyckt153 (‚Dazu ist die schöne Redekunst nicht gegeben, um so missbraucht zu werden;  sondern, damit man des Herrn Güte zeige und die Wahrheit weise, die sich manchmal vor uns verbirgt‘). In diesen Versen kommt nicht nur eine im Vergleich zur ursprünglichen Serie veränderte Bewertung von Sprache und ihrer angemessenen Gestaltung, sondern vor allem auch ein gewandeltes Wahrheitskonzept zum Ausdruck: Der Vorstellung der nuda Veritas, die sich den Blicken freimütig präsentiert, wird diejenige einer verhüllten, erklärungsbedürftigen Wahrheit gegenübergestellt und das erkenntnisstiftende Potenzial des Sichtbaren somit auch auf metaphorischer Ebene programmatisch eingeschränkt. Die Epigramme, die im Zuge der Neuauflage jenen beiden Radierungen zugeordnet wurden, in denen die Figur der Veritas dargestellt ist, pointieren in diesem Zusammenhang zum einen die Unfähigkeit respektive den Unwillen des Menschen, die Wahrheit anzuerkennen, und betonen zum anderen, dass hierfür keinesfalls eine Unzulänglichkeit der Wahrheit, sondern allein die Schwäche des menschlichen Geistes verantwortlich sei. So machen die in Bezug auf das vierte Blatt, welches den seine Bücher studierenden und deshalb von der Veritas ferngehaltenen Hereticus zeigt (Abb. 72), der Pertinacia in den Mund gelegten Worte den Starrsinn unmissverständlich als Ursache der misslungenen Annäherung an die Wahrheit aus: Al doet-men u al schoon de vvaerheydt blijcken, Met loghen ghy die vvel vvegh drijven sult. […] de vvaerheydt naeckt haer toonet Met Liefd’ verzelt, ten magh al baten niet: Vvant als int Hert hertneckicheydt eens vvoonet, De vvaerheydt men voor leughentael aensiet.154 153 Doolhof, o.S., Epigramm Nr. IX. 154 Doolhof, o.S., Epigramm Nr. IV.

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3. Veritas Scripturae

‚Wenn man Euch auch schön die Wahrheit zeigt, werdet Ihr sie mit Lügen wohl forttreiben / […] Die Wahrheit zeigt sich nackt, begleitet von der Liebe, es hilft alles nichts. Denn wenn im Herzen einmal der Starrsinn wohnt, sieht man die Wahrheit als Lügensprache an.‘

Das Epigramm zur siebzehnten Radierung, auf welcher der Schwertkampf des Hereticus gegen die Veritas zu sehen ist (Abb. 85), unterstreicht demgegenüber die Unantastbarkeit der mit Christus identischen Wahrheit, die stets nur vorübergehend vor den Menschen verborgen, jedoch nie besiegt werden könne: DE Vvaerheydt naeckt […] Const, Mensch vernuft, Ghevveldt en vreeset niet: […] Soo vvorden oock ghestopt die valsche monden, Die Vvaerheydt steedts bestrijden met onrecht. […] Vvaerheydt vvel can vvorden onderdruckt Voor eennen tijdt, en ligghen droef begresen, Als in het Graf; maer wordet uyt-gheruckt. O CHRISTVS is de Vvaerheydt; […] Hoe leughens meer ghy brenghet op de baene, Hoe Vvaerheydt meer sal comen aen den dagh.155 ‚Die nackte Wahrheit fürchtet […] Kunst, menschliche Vernunft und Gewalt nicht […]. So werden auch die falschen Reden unterdrückt, die die Wahrheit immer zu Unrecht bekämpfen. […] Die Wahrheit kann zwar eine Zeitlang unterdrückt werden und traurig beweint liegen wie im Grab; aber sie wird herausgezogen. Oh, CHRISTUS ist die Wahrheit […]. Je mehr Lügen Ihr vorbringt, desto mehr wird die Wahrheit an den Tag kommen.‘

Die in den beiden Texten dichterisch formulierten theologischen und erkenntnistheoretischen Prämissen bilden zugleich die Grundlage für die Neukonfiguration des intermedialen Gefüges in Cloppenburghs Buchausgabe der Radierfolge. Die – sich sowohl in der Eloquenz des Häretikers als auch in der Evidenz der Bilder manifestierende – Kunst (const156) wird dabei in doppelter Hinsicht als potenziell gefährlich gekennzeichnet: Zum einen kann sie – im Anschluss an die Beschriftung des Schwertes des Hereticus mit ars – von den Ketzern zur Täuschung und Verführung der Menschen eingesetzt werden; zum anderen kann insbesondere das Gesehene beziehungsweise Gezeigte, selbst wenn es sich um die nackte Wahrheit handelt, nur allzu leicht missverstanden werden. Dementsprechend verwendet das eben zitierte, der ‚Studierzimmerszene‘ zugeordnete Epigramm zur Beschreibung der intellektuellen Inkompetenz des Menschen bezeichnenderweise Begrifflichkeiten, die sich auf eine falsche Beurteilung des visuell Wahrgenommenen 155 Doolhof, o.S., Epigramm Nr. XVII. 156 Zum Begriff ‚const‘ vgl. Mander: Lehrgedicht, S. 399.



3.2. Rhetorische obscuritas und die Verführungskunst der Häresie

(blijcken, toonen, aensien) beziehen. Auch die in den Graphiken visualisierte nuda Veritas, so die zugrundeliegende Vorstellung, kann von den Betrachtenden nicht ohne Weiteres als solche erkannt werden. Um sie zu begreifen, und das heißt in diesem Fall: um ihre calvinistisch bestimmte Bedeutung zu verstehen, bedürfen die Rezipierenden der Leitung durch den beigegebenen Text, dessen Legitimität als wahrheitskonforme Instanz in den Versen nicht weiterführend problematisiert wird. Die von Cloppenburgh beauftragten Ergänzungen zu den Graphiken fungieren insofern als semantische Komplemente,157 welche die Figur der Veritas in eine Verkörperung der calvinistisch verstandenen Wahrheit transformieren und die Auslegungsmöglichkeiten der Radierungen damit ‚disziplinieren‘ sollen.158 Das Bemühen des Amsterdamer Verlegers, die bewusste konfessionelle Ambiguität der bestehenden Radierungen zugunsten einer autoritativen Deutung zu beschränken, ist demnach nicht nur als Ausdruck eines veränderten Wahrheitskonzepts zu verstehen. Es belegt zugleich, dass sich gerade anhand der hierbei entstehenden intermedialen Reibungen, Verschiebungen und Brüche eine zielgerichtete Reflexion sowohl über das Wechselverhältnis von Bildern und Texten als auch über ihr je spezifisches Potenzial manifestiert, die Wahrheit darzustellen und zu vermitteln.159 Die Neuauflage belegt insofern, dass in unterschied­lichen kulturhistorischen Kontexten das konzeptuelle Zusammenwirken von Texten und Bildern als intermediale Strategie der Wahrheitserkenntnis und -vermittlung erprobt wurde, die sich im Medium der Druckgraphik auf paradigmatische Weise entfalten kann.

3.3. Körperhafte Schatten – Schattenhafte Körper Wie nachhaltig in den von Coornhert (mit-)konzipierten Graphikserien die ästhetische Reflexion über die Medialität der Heiligen Schrift in jene über den epistemischen Status der verkörperten Veritas beziehungsweise der gesamten druckgraphischen Bildfindungen überging, belegt eindrücklich die dritte und wohl zuletzt entstandene der im vorliegenden Kapitel untersuchten Folgen. Die vermutlich um 1576/1577 nach Entwürfen von Hendrick Goltzius geschaffene Serie Falsche Überzeugung richtet die Welt zugrunde (Abb. 96–99) inszeniert die (verkehrte) Meinung und die Lüge auf vier Kupferstichen als Antagonisten der Wahrheit und erscheint damit in erster Linie als visuelle Thematisierung einer täuschenden beziehungsweise getäuschten Auffassung der Wirklichkeit.160 157 In der Linguistik werden jene Zeichen ‚semantische Komplemente‘ genannt, die „u.  a. bei der Bestimmung der korrekten Lesart von Homonymen“ (Günther 1988, S. 28) verwendet werden. 158 Zu Cloppenburghs Neuauflage als eine Form der ‚Disziplinierung der Bilder‘ vgl. Hammami 2022a. 159 Zur ästhetischen Relevanz derartiger Reibungen und Brüche in intermedialen Phänomenen vgl. Müller 1998, S. 31  f.; Robert 2014, S. 16; Arend 2017. 160 Zu der Serie vgl. New Hollstein (Hendrick Goltzius 1), S. 206  f., Nr. 521–524 sowie Veldman 1989, S. 143; Veldman 1990, S. 63–68, Kat.-Nr. 5; Leeflang / Luijten 2003, S. 36; Leesberg 2017, S. 95  f.

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3. Veritas Scripturae

Abb. 96. Dirck Volckertsz. Coornhert nach Hendrick Goltzius: Falsche Überzeugung richtet ­ ahrheit ab, ca. 1576/1577, die Welt zugrunde, Blatt 1: Falsche Überzeugung bringt die Welt von der W hier 3. Auflage, verlegt von Hendrick Hondius, 1604, ­Kupferstich, 213 × 250 mm, Amsterdam, Rijksmuseum, Inv.-Nr. RP-P-BI-6594.

Ausgehend von einer Charakterisierung der Blendung durch falsche Überzeugungen als ein Zustand magischer Verkehrung der Sinne steht dabei, wie im Folgenden ausgeführt werden soll, das erkenntnisstiftende Potenzial des Blicks auf die Veritas konzeptuell im Zentrum. In konsequenter Fortsetzung der bereits in Die Kraft der Wahrheit sowie Aufstieg und Fall des Häretikers enthaltenen Argumente bildet die ostentativ betonte und in ihrer Artifizialität ausgestellte Körperlichkeit der Veritas-Figur in diesem Kontext den Ausgangspunkt einer mehrschichtigen Reflexion über die Repräsentation der Wahrheit mit den graphischen und intermedialen Ausdrucksmitteln des Kupferstichs. Die als Verkörperung des kollektiven menschlichen Schicksals fungierende, als Mundus fascinatus (‚verhexte Welt‘) bezeichnete Gestalt der Welt, deren Narrenkappe ihre sowohl intellektuell als auch moralisch defizitäre Position symbolisiert, wird gleich



3.3. Körperhafte Schatten – Schattenhafte Körper

Abb. 97. Dirck Volckertsz. Coornhert nach Hendrick Goltzius: Falsche Überzeugung richtet die Welt zugrunde, Blatt 2: Die Wahrheit wird von der Lüge verhüllt, ca. 1576/1577, hier 3. Auflage, verlegt von Hendrick Hondius, 1604, Kupferstich, 201 × 252 mm, Amsterdam, Rijksmuseum, Inv.-Nr. RP-P-BI-6595.

auf dem ersten Blatt das Opfer gezielter Manipulation (Abb. 96).161 Inmitten eines mit den Planetensymbolen sowie magischen Gegenständen ausgestatteten Zauberkreises wird sie von der links stehenden Figur der Opinio (‚Meinung‘) verhext, die aus einem Buch jene beschwörenden Sprüche rezitiert, welche den Protagonisten nicht nur in den magischen Zirkel bannen sollen,162 sondern ihn dazu bewegen, sein Schwert gegen die herantretende Veritas zu erheben. Seine dadurch erzeugte geistige Blindheit, die sich in dem gleichermaßen blasphemischen wie sinnlosen Angriff auf die Wahrheitsfigur manifestiert und die im Hintergrund auf einem Felsvorsprung zu sehende Iustitia dazu 161 Zu Narrendarstellungen in der niederländischen Druckgraphik sowie Coornherts Rezeption von Sebastian Brants Narrenschiff vgl. Veldman 1986b. 162 Zur Darstellung des Zauberkreises vgl. Veldman 1990, S. 63  f.

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3. Veritas Scripturae

Abb. 98. Dirck Volckertsz. Coornhert nach Hendrick Goltzius: Falsche Überzeugung richtet die Welt zugrunde, Blatt 3: Die Welt zieht weltliche Güter der Wahrheit vor, ca. 1576/1577, hier 3. Auflage, verlegt von Hendrick Hondius, 1604, Kupferstich, 205 × 252 mm, Amsterdam, Rijksmuseum, Inv.-Nr. RP-P-BI-6596.

veranlasst, sich vor Verzweiflung in den Abgrund zu stürzen, wird ebenso durch die verschatteten Augen des Narren wie durch seine Unfähigkeit anschaulich gemacht, der vor ihm stehenden Veritas, ihrer gestischen Aufforderung folgend, ins Gesicht zu sehen. Der Kupferstich rekurriert damit offenbar auf eine in der Frühen Neuzeit geläufige Vorstellung, nach der ‚verhext‘ zu werden vor allem als verderbliche Wirkung einer fehlgeleiteten, vom Teufel manipulierten oder auch von der Melancholie gestörten imaginatio galt.163 Unter diesem verderblichen Einfluss entstünden, so die Theorie, trügerische innere Bilder, welche der oder die derart in die Irre Geführte fälschlicherweise für die

163 Vgl. Swan 2005. Auch Coornhert schrieb dem Teufel in erster Linie die Fähigkeit zur Manipulation der Gedanken zu. Vgl. Waite 2003, S. 199.



3.3. Körperhafte Schatten – Schattenhafte Körper

Abb. 99. Dirck Volckertsz. Coornhert nach Hendrick Goltzius: Falsche Überzeugung richtet die Welt zugrunde, Blatt 4: Falsche Überzeugung führt die Welt in die Hölle, ca. 1576/1577, hier 3. Auflage, verlegt von Hendrick Hondius, 1604, Kupferstich, 213 × 251 mm, Amsterdam, Rijksmuseum, Inv.-Nr. RP-P-BI-6597.

Realität halte.164 Einer solchen magischen Verblendung unterliegt augenscheinlich auch der Narr, der daher das wahre Wesen der vor ihm stehenden Veritas nicht erkennen kann. Das erste Blatt präsentiert die Fähigkeit, zwischen der Wirklichkeit und trügerischen Bildern zu unterscheiden, als ein zentrales Thema der Serie und bringt dieses – mit entscheidenden rezeptionsästhetischen Implikationen – sogleich nachdrücklich mit dem Blick auf die Veritas-Figur in Verbindung. Die Betrachtenden werden bei ihrer Auseinandersetzung mit dem Blatt einerseits zu Augenzeug:innen der gefährlichen Beschwörung durch die verkehrten Meinungen, der sie dadurch zugleich in gewissem Maße auch 164 Vgl. Swan 2005, hier u.  a. S. 123  f. u. 140.

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3. Veritas Scripturae

selbst ausgesetzt sind. Im Anschluss an eine in der Frühen Neuzeit verbreitete Vorstellung, nach der ästhetische und dämonische Illusion als verwandte Phänomene zu verstehen seien,165 wird das allegorische Bild dadurch in eine gefährliche Nähe zur Hexerei gerückt und seine sinnliche Erscheinung mit deren täuschender Wirkung in Analogie gesetzt; umso mehr, als im Einritzen des Zauberkreises auf die Kupferplatte künstlerische und magische Praxis gleichsam in eins fallen. Doch andererseits soll eben dieser sowohl produktions- als auch rezeptionsästhetische Nachvollzug der Zauberei deren trügerische Wirkung letztlich durchbrechen. Denn anders als die Gestalt des Mundus fascinatus können die Rezipierenden der Aufforderung der Veritas, sie anzusehen, immer wieder aufs Neue folgen und sich so von dem durch die Opinio geblendeten Narren distanzieren. Dem Blick auf die Veritas-Figur wird dadurch ein entscheidender erkenntnis­ stiftender Wert beigemessen, welcher die Betrachtenden gegenüber dem in die Irre geführten Narren in eine privilegierte Position treten und die Illusion verkehrter Meinungen überwinden lässt. Dabei spielen die am unteren Blattrand angegebenen biblischen Verse, die sich sowohl als Erläuterungen der Bildszenen wie auch als deren legitimierende Grundlage lesen lassen und von eher bildbeschreibend fungierenden, wohl von Coornhert selbst verfassten niederländischen Epigrammen ergänzt werden,166 eine maßgebliche Rolle im Hinblick auf die intendierte ‚Bannung‘ der magischen Beschwörung. Auf dem ersten Kupferstich wird etwa je ein Vers aus dem Galaterbrief sowie dem Buch der Weisheit angegeben, die im Rahmen der Graphikserie nicht nur der inhaltlichen Begründung und Erklärung der Darstellung dienen, sondern zugleich als direkte Ansprache der Betrachtenden aufgefasst werden können: Ergo inimicus vobis factus sum verum dicens vobis? Galat.  4. Fascinatio enim nugacitatis obscurat bona, et inconstantia concupiscenti[a]e transuertit sensum sine malitia. Sapien. 4 (Gal  4,16: „Also bin ich euch Feind geworden, weil ich euch die Wahrheit sagte?“; Weish  4,12: „Denn die Verzauberung durch Possenreißerei verdunkelt das Gute, und die Unbeständigkeit der Begierde verdreht einen Geist ohne Bosheit“). Die in der ersten Person formulierte Frage des Paulus scheint sich durch die intermediale Neukontextualisierung unmittelbar an die Rezipient:innen des Kupferstichs zu richten und fordert so erneut zur abgrenzenden Selbstpositionierung im Verhältnis zum Mundus fascinatus auf. Da sich keine Figur ausmachen lässt, welcher die Worte definitiv zuzuschreiben wären, scheint der Kupferstich gleichsam selbst als 165 Zur Verbindung dämonologischer und poetologischer bzw. künstlerischer Diskurse vgl. u.  a. Swan 2003; Swan 2005; Clark 2007, S.  123–160; Dickhaut 2016 sowie Projekt C06 des SFB1391 Andere ­Ästhetik. Vgl. auch die von Coornhert nach Maarten van Heemskerck gestochene Darstellung des Teufels als Maler aus dem Jahr 1550, dazu Weddigen 2003, S. 91; Hamburger / Keller 2013, S. 29; Ritter 2016, S. 80  f. 166 Zu den inhaltlichen Parallelen zwischen den Epigrammen und Coornherts Schriften vgl. Veldman 1990, S. 68  f. Zu den verschiedenen Funktionen von Epigrammen niederländischer Druckgraphik vgl. Wolkenhauer / Arbeitsgruppe Estius 2017.



3.3. Körperhafte Schatten – Schattenhafte Körper

‚Sprecher‘ der paulinischen Worte zu fungieren und sich damit auf die Autorität des biblischen Textes als Vermittler der Wahrheit zu berufen. In Anknüpfung an den Topos des sprechenden Kunstwerks, durch den seit der Antike die täuschende, mitunter ihrerseits als eine Form magischer Evokation aufgefasste Wirklichkeitsnähe von Bildern sowie ihr darauf beruhendes Wirkungspotenzial reflektiert wurden,167 eignet sich die Graphik damit die neutestamentlichen Worte an, um aus ihnen sowie den auf den Versen basierenden Bildfindungen gleichsam eine Art intermedialen ‚Gegenzauber‘ gegen die Verführungskraft der Meinungen zu generieren. Das intendierte Durchbrechen der magischen Illusion wird in diesem Zusammenhang, wie bereits angedeutet, dezidiert an die Figur der Wahrheit gebunden. Bereits die Gegenüberstellung von Veritas und Opinio auf dem ersten Kupferstich der Serie legt durch die Kontrastierung der auf ein rein ‚mechanisches‘ Sehen verweisenden Brillen als Symbole der Täuschung, welche die verkörperte Meinung als Kopfschmuck trägt, mit dem Fingerzeig der Wahrheitsfigur auf ihre Augen nahe, dass von ihr eine grundlegend andere Art des Blicks eingefordert wird.168 Die vergeblichen Gesten des Zeigens, mit welchen die Veritas den Narren auf sich aufmerksam zu machen versucht und die gleichsam als Leitmotiv auch die beiden folgenden Szenen auszeichnen, scheinen dabei den in Anbetracht der Unbelehrbarkeit des Mundus fascinatus nur von den Rezipierenden zu leistenden Blick näher zu bestimmen. Auf dem zweiten Stich tritt die nun als Stultus mundan[us] (‚törichter Weltbürger‘) bezeichnete Narrengestalt, dem Zauber endgültig erlegen, als Komplize nicht nur der Opinio, sondern auch der Schattengestalt des Mendacium (‚Lüge‘) auf, um mit ihnen gemeinsam die Figur der Veritas unter einem Tuch sowie mit einer Maske zu verhüllen und ihr auf diese Weise mit ihrer Sichtbarkeit auch ihre Wirkmacht zu nehmen (Abb. 97). Mit ihren gefesselten Händen weist die Figur der Wahrheit nun sowohl auf sich selbst wie auf die ihr gegenüberstehende Gestalt der Lüge, ohne dass der Narr jedoch von seinem Ansinnen ablässt. Die fatalen Konsequenzen dieses Geschehens inszeniert die dritte Graphik, welche die Entscheidung des Stultus mundan[us] für die Hingabe an irdische Begierden zugleich als sein Todesurteil erkennbar macht (Abb. 98): Mit einem Fuß bereits in seinem Grab stehend, den anderen auf eine ablaufende Sanduhr gestellt, entscheidet er sich in diesem Moment für den Tausch seines eigenen Herzens gegen die ihm von der Gestalt des Mendacium angebotenen Güter. Zusammen mit einer prall gefüllten stokbeurs symbolisieren ein Pokal, eine Statuette der Venus sowie Szepter und Krone Reichtum, Lust und Macht als jene nichtigen Werte, die sich der Narr teuer erkauft. Durch das Wirken der Opinio, die ihm eine ihrer Brillen vor die Augen hält, erweist er sich hier

167 Vgl. Bredekamp 2015, S. 67–108. Zu Kunstwerken als eine Form magischer Evokation vgl. auch Robert 2016, S. 387–392. 168 Zur Brille als Symbol des Betrugs s.  o. die auf S. 59 in Anm. 92 genannte Literatur.

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3. Veritas Scripturae

erneut als blind für die Gegenwart der Wahrheit, die ihm ein Kruzifix entgegenhält und mit der Rechten wiederum vergeblich auf sich selbst zeigt. Die auf ihre Brust weisende Hand der Veritas-Figur rekurriert in diesen beiden Kupferstichen offenbar in Anlehnung an das schon in der mittelalterlichen Theologie formulierte Konzept der visio cordis auf die Notwendigkeit, die Wahrnehmung der Augen in eine des Herzens übergehen zu lassen, um auf diese Weise vom Sichtbaren in der Imagination zum Unsichtbaren ‚aufzusteigen‘.169 Während die durch seine Verzauberung erzeugten inneren Bilder des Narren seine Unfähigkeit zur Wahrheitserkenntnis bedingen, soll die durch den biblischen Text gelenkte und von irdischen Verführungen Abstand nehmende Betrachtung der Veritas im Gegensatz dazu eine innere Schau ermöglichen, die erkenntnisstiftend wirkt. Die Graphiken kontrastieren demnach gezielt unterschiedliche Formen der Imagination mit ihrem je spezifischen Potenzial, zur Täuschung oder zur Wahrheit zu führen, und geben zugleich einen Hinweis darauf, wie eine derartige Überwindung des Sichtbaren in der Rezeption der Kupferstiche gelingen kann. Denn die Hand- und Armhaltung der Veritas-Figur leitet wiederholt zu ihrer vergleichenden Betrachtung mit der Gestalt des Mendacium an: Auf dem zweiten Kupferstich weist die Wahrheitsfigur sowohl auf sich selbst wie auf die neben ihr stehende Schattengestalt; auf der dritten Graphik erscheinen Gesten und Schrittstellung beider gleichsam den Rahmen der zentralen Gruppe bildender Figuren einander auffällig angeglichen. Bei dem vergleichenden Blick, der hier als visuelle Erkenntnistechnik inszeniert wird,170 fällt ins Auge, dass Veritas und Mendacium einander nicht nur semantisch und kompositionell, sondern auch im Hinblick auf ihre physische Erscheinung diametral entgegengesetzt sind: Während die Nacktheit der Veritas-Figur sinnbildlich auf die Unverhülltheit und Eindeutigkeit der Wahrheit verweist, erscheint die doppelköpfige Schattenfigur gleichermaßen vielgestaltig wie gestaltlos und gerade dadurch als Gegenbild der mit der Wahrheit verbundenen claritas. Mit den zwei schemenhaften Häuptern, die sinnbildlich die Gesichtslosigkeit und Doppelgesichtigkeit der Lüge verdeutlichen, greifen die Kupferstiche eine Form bildlicher Diskreditierung vermeintlicher Wahrheitsfeinde auf, wie sie auch in der konfessionellen Propaganda des 16. und 17. Jahrhunderts wiederholt zum Einsatz kam: Sowohl in dem bekannten Holzschnitt mit den Sieben Köpfen Martin Luthers (1529) von Hans Brosamer (Abb. 100) als auch in dem offensichtlich darauf basierenden, 1618 im Kontext des ‚Arminianischen Streits‘ publizierten Kupferstich Warminiaen (Abb. 101) fungieren die unterschiedlichen, jeweils einen Aspekt des Wesens der verunglimpften ‚Ketzer‘ repräsentierenden Köpfe etwa als somatischer Aus-

169 Zum Verhältnis äußerer und innerer Bilder in der spätmittelalterlichen Theologie und religiösen Praxis vgl. Lentes 2002. 170 Zur religiösen Relevanz vergleichenden Sehens in den Niederlanden der Frühen Neuzeit vgl. ­Lenhart 2021.



3.3. Körperhafte Schatten – Schattenhafte Körper

Abb. 100. Hans Brosamer: Sieben Köpfe Martin Luthers, um 1529, Holzschnitt, 163 × 135 mm, Staatliche Museen zu Berlin, Preußischer Kulturbesitz, Inv.-Nr. AM 335-1974.

Abb. 101. Anonyme:r Künstler:in: Warminiaen, 1618, Kupferstich, 237 × 155 mm, Amsterdam, Rijksmuseum, Inv.-Nr. RP-P-OB-77.293.

druck für eine geradezu dämonische Widersprüchlichkeit und dadurch bedingte Charakterlosigkeit der derart Diffamierten.171 Die monströs übersteigerte Leiblichkeit dieser Figuren steht trotz der Übereinstimmungen jedoch in einem deutlichen Kontrast zur Substanzlosigkeit des Mendacium, deren Figur als Schatten vorgibt, einen Körper abzubilden, den es in Wirklichkeit nicht gibt.172 Diesen Status des Mangels und der Unvollständigkeit, auf die symbolisch wohl auch die auf dem zweiten Kupferstich links im Hintergrund zu sehenden Ruinen verweisen (vgl. Abb. 97), versucht die Gestalt der Lüge durch die Masken zu überspielen, die sie auf dem dritten Blatt als ihre Gesichter präsentiert (vgl. Abb. 98). Die gleichsam als Täuschung zweiter Ordnung fungierende Maskerade als Ausdruck eines Bemühens, sich

171 Zur somatischen Metaphorik der Vielköpfigkeit sowie zu den genannten Graphiken vgl. u.  a. ­Schuster 1983, S. 121; Grijzenhout 1995, S. 138; Gelderen 2009, S. 194; Pawlak 2017a, S. 431–433; Guldin 2021, S. 54  f. 172 Zum Verhältnis von Schatten, Körper und Bild vgl. Belting 2001, S. 189–211.

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3. Veritas Scripturae

eine der Lüge nicht zukommende persona anzueignen,173 kann zwar den Stultus mundanus täuschen, der im magischen Bann der Opinio das Trugbild nicht als solches begreift, bleibt für die Betrachtenden hingegen ohne Zweifel erkennbar: Die „Einheit von Maske und Gesicht“, die laut Richard Weihe als „Einheit des Gegensätzlichen“ die charakteristische „Paradoxie der Maske“ bildet,174 gelingt hier nicht, wie der deutliche Abstand zwischen den schemenhaften Köpfen und den vor sie gehaltenen Masken demonstriert; und sie gelingt – in der Wahrnehmung der Betrachtenden – ebenso wenig bei dem auf dem zweiten Kupferstich gezeigten Versuch, die Veritas durch eine Maske zu verhüllen: im ersten Fall, weil die Wesenlosigkeit der Lüge auch ihren Mangel eines mit der Maske zu verbindenden Gesichts bedingt, im zweiten, weil sich die Einheit und Klarheit der Wahrheit einem derartigen ‚Rollenspiel‘ beständig entzieht. In diesem Kontext lässt sich das Zitat eines dem Gleichnis vom Sämann (Mt 13,3– 23175) entnommenen Verses auf dem dritten Blatt als Begründung für die Unfähigkeit des Stultus mundanus lesen, die ihm dargebotene Täuschung zu erkennen: Qui autem seminatus est in spinis: hic est qui verbum audit, et solicitudo seculi istius et fallacia diuitiarum suffocat verbum et sine fructu efficitur. Matthaeus 13 (Mt 13,22: „Wer aber in die Dornbüsche gesät worden ist, dieser ist der, der das Wort hört, und die Sorge dieser Welt und der Trug des Reichtums erstickt das Wort, und er wird fruchtlos gemacht“). Während der Narr nicht das göttliche Wort, sondern nur die Zaubersprüche der Opinio hört und eben dadurch Wahrheit und Lüge nicht voneinander unterscheiden kann, suggeriert das Zitat im Umkehrschluss erneut, dass die Kupferstiche und die auf ihnen dargestellte Veritas gerade deshalb erkenntnisstiftend wirken können, weil sie durch die angegebenen Verse nicht nur an den biblischen Text gebunden sind, sondern dessen Bedeutung zugleich wahrnehmbar machen. Die Differenz zwischen Veritas und Mendacium manifestiert sich jedoch neben dem Gegensatz von Eindeutigkeit und Vielgestaltigkeit respektive Gestaltlosigkeit im Zusammenhang hiermit auch in der kontrastierenden graphischen Faktur der Figuren: Die unbekleidete weibliche Figur der Wahrheit wird durch die detaillierte Modellierung ihres Leibes, die durch in unterschiedlicher Stärke und Dichte gesetzte, gewölbte Schraffuren erzeugt wird, in ihrer körperlichen Erscheinung betont; die vollständig aus eng gesetzten, geraden Linien erzeugte Gestalt des Mendacium tritt hingegen als flächiger Schemen mit kaum differenzierten Gliedmaßen auf. Trotz der Interaktion mit anderen Figuren widersetzt sie sich dadurch – im markanten Kontrast zur traditionellen Funktion der 173 Zum persona-Begriff in Bezug auf die Maske vgl. Weihe 2004, S. 34. Vgl. auch Belting 2006, S. 74–76. 174 Weihe 2004, S. 33  f., Anm. 43. Zur „mediale[n] Einheit“ von „Trägerkörper“ und „Erscheinungskörper“ beim Tragen einer Maske vgl. auch Belting 2001, S. 34. Zur künstlerischen Auseinandersetzung mit Masken in der Kunst der Frühen Neuzeit vgl. außerdem Leuschner 1997; Leuschner 2009. 175 Weitere Versionen des Gleichnisses finden sich in Mk 4,3–20 und Lk 8,4–15.



3.3. Körperhafte Schatten – Schattenhafte Körper

Schattendarstellung als Evokation von Körperlichkeit und Räumlichkeit176 – der Raumwirkung der Darstellungen, zumal durch ihre bildparallele Bewegung, in irritierender Weise. Damit steigern Coornhert und Goltzius noch die Wirkung jener Schattenwesen, die bereits in den beiden zuvor betrachteten Graphikserien auftreten:177 Sowohl die Figur der Lüge auf dem fünften Blatt von Die Kraft der Wahrheit, die man auf den ersten Blick für den Schatten des Operans Veritatem halten könnte (vgl. Abb. 59), als auch der den gekreuzigten Christus imitierende Schatten, welchen die Figuren des Hereticus und der Secta auf der neunzehnten Radierung von Aufstieg und Fall des Häretikers als wahren Erlöser auszugeben versuchen (Abb. 87), sind durch ihre verkürzte Darstellung in das räumliche Gefüge der Szenen integriert. Die mit den Schattenfiguren verbundene ­Semantik von Täuschung und Illusion scheint sich daher erst durch die spezifische Ausgestaltung in Falsche Überzeugung richtet die Welt zugrunde gleichsam auf die Bilder selbst zu übertragen, indem die Gestalt des Mendacium gezielt auf die zweidimensionale und daher jede Form von Räumlichkeit oder Körperlichkeit nur vortäuschende Oberfläche der Druckgraphik bezogen wird; eine visuelle Strategie, die Dirck Volckertsz. ­Coornhert und Adriaen de Weerdt auf dem achten Blatt der vor 1578 angefertigten Folge Die ­Ursprünge des Aufstandes in zugespitzter Form fortführten (Abb. 102):178 In einer außergewöhnlichen Bildfindung wird die von einem die Ign[o]rantia (‚Unwissenheit‘) verkörpernden antikisierenden Kolossalkopf als fauler Atem ausgeströmte und laut den Bildepigrammen Blindheit erzeugende Finsternis (craßis […] tenenebris [sic!] / in blintheit verduistert / aveugle […] en fallace) hier zu einem dichten Netz schraffierter Wirbel, welches die gesamte Bildoberfläche überzieht und sowohl den falschen Frieden (Pax falsa) als auch die in der gezeigten Kirche vollzogenen katholischen Riten unter sich ‚verbirgt‘. Gleichsam in einem bildlich ausgeführten paragonal-ikonoklastischen Akt, dem angesichts der Thematisierung der niederländischen Bilderstürme innerhalb der Serie eine besondere zeitbezogene Relevanz zukommt, überlagerte Coornhert die Darstellung durch eine weitere, sie verschattende sowie die Zweidimensionalität des Blattes betonende Schicht. Die Arbeit mit dem Grabstichel, die in den sich scheinbar eigenmächtig über das gesamte Blatt verteilenden Linienwirbeln eine eigene Präsenz erhält, wird dadurch mit der Wirkung des –  als einziges Motiv der Darstellung selbst nicht 176 Vgl. Ketelsen 2018, S. 5. Zu Formen und Funktionen von Schatten in der Kunst vgl. allgemein auch Stoichita 1999; Gombrich 2009; Roth / Ketelsen 2018. 177 Vgl. auch schon die schattenhafte Figur des Mendacium in der 1563 von Philips Galle nach Maarten van Heemskerck gestochenen Kupferstichfolge Das unglückliche Schicksal der Reichen, dazu Veldman 1977, S. 86; Veldman 1986a, S. 28  f., Kat.-Nr. 4.2. 178 Zu dem Kupferstich vgl. Veldman 1990, S. 77; Horst 2003, S. 166–169; Kaminska 2013, S. 93 u. 96. Der terminus ante quem für die Entstehung der Serie ergibt sich aus der Erwähnung des folgenden neunten Blattes mit einer Darstellung Martin Luthers in der Leidener Disputation von 1578. Vgl. dazu Veldman 1999, S. 150; Bonger 2004, S. 58; Roobol 2010, S. 142; Kaminska 2013, S. 84  f.

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3. Veritas Scripturae

Abb. 102. Dirck Volckertsz. Coornhert nach Adriaen de Weerdt: Die Ursprünge des Aufstandes, Blatt 8: Unwissenheit verschleiert, dass der falsche Frieden nur Schein ist, ca. 1568–78, hier spätere Auflage, verlegt von Hendrick Hondius, 1604, Kupferstich und Radierung, 206 × 121 mm, Amsterdam, ­Rijksmuseum, Inv.-Nr. RP-P-1886-A-10376.

von dieser ‚Verdunkelung‘ betroffenen – unheimlichen Kolossalkopfes in Verbindung gebracht. Durch das auf diese Weise generierte Wechselspiel von Ver- und Enthüllung, welches die Ignorantia als solche erkennbar macht und eben deshalb erkenntnisstiftend wirkt, avanciert der Kupferstich selbst zum Medium jener trügerischen Unwissenheit, die er zugleich entlarvt.179 Auf vergleichbare Weise rekurriert Coornherts und Goltzius’ Falsche Überzeugung richtet die Welt zugrunde durch die Betonung der schemenhaften Mendacium-Figur auf die topische Vorstellung des Bildes als Täuschung, die nicht nur die allegorische Codierung des Schattens bestimmt, sondern diesen zum Träger kunsttheoretischer Reflexion werden lässt. Denn der Schattenwurf beziehungsweise seine bildliche Fixierung galten bekanntermaßen seit der Antike als Ursprung der Kunst und begründeten ihren Status als ein Medium, das Abwesendes durch die Wiedergabe von dessen äußerer Gestalt dauerhaft gegenwärtig zu halten vermag.180 Gerade in der Druckgraphik, die durch die 179 Zum Schatten als Ausgangspunkt einer werkimpliziten Reflexion über den ontologischen Status sowie das erkenntnisstiftende Potenzial von Bildern in der niederländischen Kunst vgl. u.  a. die bei Stoichita 1999, S. 71–92 aufgeführten Beispiele. 180 Vgl. Stoichita 1999, S. 11–20; Belting 2001, S. 191.



3.3. Körperhafte Schatten – Schattenhafte Körper

Reduktion der Gestaltungsmittel auf schwarze Linien auf (mehr oder weniger) weißem Grund per se durch ein Wechselspiel von Hell und Dunkel geprägt ist,181 konnte sich diese mythologische Ursprungserzählung auf produktive Weise mit dem metaphorisch auf den Gegensatz von Wahrheit und Lüge bezogenen Kontrast von Licht und Finsternis überlagern. Die dialektische Beziehung, die dabei in den Graphiken zwischen der Figur des Mendacium und jener der wiederholt auf sie verweisenden Veritas besteht, thematisiert vor diesem Hintergrund das Potenzial der Graphiken, die Wahrheit trotz oder vielmehr wegen der ‚täuschenden‘ Kraft der Darstellungen zu visualisieren und ihr so eine bildliche Präsenz zu verleihen. In diesem Zusammenhang erscheint es signifikant, dass der Kontrast zwischen der Körperlosigkeit des Mendacium und der Körperlichkeit der Veritas in Falsche Überzeugung richtet die Welt zugrunde zusätzlich noch dadurch gesteigert wird, dass die Wahrheitsfigur wiederholt an antike Skulpturen angelehnt ist und deren Plastizität damit für sich beansprucht. Den bereits angesprochenen Vergleich von Veritas und Venus erneut aufgreifend, erinnert sie etwa auf dem zweiten Blatt (Abb. 97) an eine Venus pudica, deren üblicherweise die Scham zugleich bedeckende wie betonende Hand hier jedoch für die Zeigegeste erhoben ist. Besonders ausschlaggebend scheint in dieser Hinsicht jedoch der vierte Kupferstich der Serie, der abschließend die Folgen der Resistenz der Welt gegen die wiederholten Versuche der Veritas zeigt, auf sich aufmerksam machen (Abb. 99): An Armen und Beinen gefesselt und folglich zu jeglicher Handlung unfähig, liegt die Wahrheitsfigur nun am Rande eines Abgrundes, aus dem Flammen und Qualm emporschlagen. Während die im Hintergrund erscheinende Iustitia vor Verzweiflung die Hände ringt, besiegelt die Opinio das Schicksal der nunmehr als Globus dargestellten und gleichsam zum bloßen Objekt reduzierten Welt, welche die Figur der Meinung, wie ihre nach vorn geneigte Körperhaltung andeutet, offenbar schwungvoll in den Abgrund zu befördern plant. Die ungewöhnliche Haltung der Wahrheitsfigur gibt sie als modifizierte Version der antiken Statue einer schlafenden Nymphe zu erkennen, die im 16. Jahrhundert gelegentlich auch als sterbende Kleopatra interpretiert wurde und heute als Darstellung der Ariadne gilt (Abb.  103).182 Die kreative Aneignung dieses europaweit rezipierten Kunstwerks, das im Jahr 1512 im Statuenhof des vatikanischen Belvedere aufgestellt 181 Im Kontext einer Reflexion über den Wahrheitsanspruch des Mediums Druckgraphik mag auch die – außer im Falle kolorierter Blätter – auf ‚Schwarz‘ und ‚Weiß‘ reduzierte Farbigkeit eine Rolle gespielt haben. Denn die Beschränkung der Farben und deren Potenzial zu einer täuschenden Wiedergabe der Wirklichkeit war seit der Antike Bestandteil kunsttheoretischer Reflexion, vgl. u.  a. Preimesberger 1991, S. 467; Pawlak 2020b, S. 73–75 mit weiterführender Literatur. Die primär auf die Malerei bezogenen Argumente wurden in der Frühen Neuzeit auch auf die Druckgraphik übertragen, vgl. Panofsky 1951. 182 Zu der Statue und ihrer Rezeption im 16. Jahrhundert vgl. u.  a. MacDougall 1975; Barkan 1993; Barkan 1999, S. 231–247; Baert 2016; Baert 2018.

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3. Veritas Scripturae

Abb. 103. Schlafende Nymphe (Schlafende Ariadne), 2. Jh. v. Chr., griechischer Marmor, 161,5 × 195 cm, Rom, Musei Vaticani, Galleria delle Statue, Inv.-Nr. 548.

und in eine eigens angefertigte, eine natürliche Grotte nachahmende Brunnenarchitektur integriert wurde,183 besitzt im Kontext der Graphikserie in mehrfacher Hinsicht eine sinnstiftende Funktion.184 So betont der Kontrast zwischen den entspannt um den Kopf gelegten Armen und locker überschlagenen Beinen der Nymphe mit der Fesselung der Veritas sowie zwischen der Assoziation der Statue mit Wasser und dem höllischen Feuer auf der Druckgraphik die Unangemessenheit der vom Wirken der Opinio erzeugten Lage der Wahrheit, wie sie zusätzlich durch das biblische Zitat aus dem Buch Jesaja unterstrichen wird: Iustitia longe stetit: quia corruit in platea Veritas, et æquitas non potuit ingredi. Jsai. 59 (Jes 59,14: „und die Gerechtigkeit hat sich weit weggestellt, weil die Wahrheit auf der Straße zusammengestürzt ist und die Gerechtigkeit nicht vorwärtsgehen konnte“). Der 183 Die Gestaltung des Brunnens gibt eine Zeichnung von Francisco de Hollanda wieder, vgl. Calvillo 2018, S. 139. 184 Zur kreativen Rezeption antiker Skulptur in der niederländischen Druckgraphik des 16. Jahrhunderts vgl. u.  a. Sickel 1998; Weissert 2008; Kirves 2017; Lipps / Pawlak 2018; Bartsch 2019; Skibiński 2021.



3.3. Körperhafte Schatten – Schattenhafte Körper

zweite angegebene Vers, welcher dem Brief an die Epheser entnommen ist, beschreibt den Widerstand [a]duersus pri[n]cipes et potestates, aduersus mu[n]di rectores tenebraru[m] harum. Eph. 6 (Eph 6,12: „gegen Fürsten und Mächte, gegen die Herrscher der Welt dieser Finsternis“) und fungiert in diesem Kontext gerade durch den bildlichen Bezug auf die antike Statue als politisch-konfessionelle Stellungnahme. Denn dass die betonte ‚Deplatzierung‘ und Fesselung der Veritas hier durch den Rekurs auf ein Kunstwerk im Besitz des Papstes visualisiert wird, das von diesem propagandistisch instrumentalisiert wurde, um sich im Sinne der translatio imperii mit den römi­schen Herrschern der Antike zu identifizieren,185 lässt sich wohl als kalkulierte Pointe gegen die von Coornhert immer wieder auch in seinen Schriften und Disputationen kritisierte Beanspruchung herrscherlicher Macht durch die Päpste verstehen.186 Die in den Graphiken veranschaulichte Verhüllung und Gefangennahme der Wahrheit reflektiert in diesem Sinne auch die zeitgenössischen konfessionellen Konflikte, die als Konsequenz einer Verführung der Menschen durch irrige Meinungen und sinnliches Verlangen erscheinen. Darüber hinaus spielt die Veritas-Figur wohl auch auf einen mit der antiken Skulptur verbundenen kunsttheoretischen Diskurs an, der durch eine der Nymphenfigur ­zugeordnete Inschrift wiederholt um die rezeptionsästhetischen Auswirkungen ästhetischer Illusion kreiste:187 Huius nymphae loci, sacri custodia fontis, / Dormio, dum blandae sentio murmur aquae. / Parce meum, quisquis tangis cava marmora, somnum / Rumpere. Sive bibas sive lavere tace188 („Als Nymphe dieses Ortes, als Wächterin der heiligen Quelle / schlafe ich, solange ich das Murmeln des liebkosenden Wassers vernehme. / Unterlasse, wer immer das Marmorbecken berührt, meinen Traum zu stören. / Entweder trinke oder benetze dich, aber schweige“189). Leonard Barkan wies in seiner Studie der Statue und ihrer medienübergreifenden Rezeption darauf hin, dass dieses Epigramm in mehrfacher Hinsicht eine paradoxe Situation erzeugt: Indem die weibliche Gestalt schläft und doch zugleich spricht, die Betrachtenden in ihrer Gegenwart anerkennt und doch zugleich durch das Schweigegebot eine Trennung von ihnen etabliert, verdeutlicht sie, dass die ersehnte Annäherung an die Schlafende das Ende der künstlerisch generierten Täuschung über ihre tatsächliche Gegenwart als lebendiges Wesen bedeuten würde.190 Die Nymphe, die als ein dem Bereich zwischen dem Göttlichen und dem Menschlichen angehörendes, gleichermaßen zugängliches wie letztlich unerreichbares Wesen galt,191 185 Vgl. Barkan 1993, S. 139  f. u. 145  f. 186 Denselben Vorwurf machte Coornhert auch der reformierten Kirche. Vgl. Voogt 2000, S. 178  f.; Stuckrath Gottschalk 2017, S. 212. 187 Zur Diskussion der Inschrift und ihrer künstlerischen Rezeption vgl. u.  a. Kurz 1953; Barkan 1993; Baert 2018. 188 Zitiert nach Barkan 1993, S. 147. 189 Übersetzung zitiert nach Beyer 2000, S. 16. 190 Vgl. Barkan 1993, S. 148–150. 191 Vgl. Traninger / Enenkel 2018, S. 6.

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markiert und durchbricht so gleichermaßen die ästhetische Grenze und fordert die Vorstellungskraft der Rezipierenden heraus, die ein Erwachen nur imaginieren können.192 Die der Wahrheitsfigur in Coornherts und Goltzius’ Kupferstich eingeschriebene Bezugnahme auf die berühmte Skulptur überträgt die mit dieser verbundene Aushandlung des mimetischen Potenzials der Kunst in das Medium der allegorischen Druckgraphik.193 Die Orientierung an dem antiken Werk weist dabei nachdrücklich auf die Artifizialität der verkörperten Veritas als künstlerische Fiktion hin, die als gleichsam lebendig gewordene Statue in ihrer Gemachtheit zu erkennen gegeben wird. Anders als die Mahnung der schlafenden Nymphe fordert die Fesselung der Veritas die Rezipierenden jedoch dezidiert zum ‚Eingreifen‘ auf, das hier als Hilfestellung bei der Befreiung der Wahrheit aufgefasst wird. Während die Schattenfigur somit im Sinne einer platonischen Bilderkritik radikal auf den Status des Bildes als Täuschung aufmerksam macht, wird mit der Figur der Veritas eine differenzierte Argumentation verbunden, die zugleich die Funktion einer Apologie ästhetischer Illusion einnehmen kann: Nicht trotz, sondern vielmehr wegen ihrer täuschenden Körperlichkeit vermag die Veritas jenen – im Sinne der visio cordis auf eine innere Schau abzielenden  – visuellen Erkenntnisprozess anzuregen, der idealiter in die Einsicht in die Undarstellbarkeit des Dargestellten mündet. Die Kupferstichfolge Falsche Überzeugung richtet die Welt zugrunde greift demnach zentrale Reflexionsmomente der beiden zuvor untersuchten Graphikserien auf, um sie im Hinblick auf kunsttheoretische Fragestellungen zuzuspitzen. Mittels der kalkuliert zum Nachdenken über das Verhältnis der gezeigten Figuren von Veritas und Mendacium anregenden Konfrontation von Schatten, Maske und Körper, die bereits seit der Antike wiederholt mit grundlegenden Fragen nach den Potenzialen von Bildlichkeit verbunden wurden,194 thematisieren die Graphiken prägnant das komplexe Referenzverhältnis zwischen Ur- und Abbild, Innerlichem und Äußerlichem, Ent- und Verhüllung. Dabei betonen sie einerseits die Analogie zwischen den inneren Bildern der getäuschten imaginatio, die etwas zeigen, das in Wirklichkeit nicht existiert, und den allegorischen Darstellungen, die Abstraktes sichtbar zu machen beanspruchen. Andererseits heben die Kupferstiche gerade in Bezug auf die Veritas den Gegensatz zwischen beiden Formen der Visualisierung hervor, wobei sie sich der ambivalenten Körperlichkeit der Wahrheitsfigur aus einer anderen Perspektive annähern als die beiden zuvor behandelten Serien. Zentral ist hier weniger die Parallelisierung der äußeren Erscheinung der Veritas mit negativ konnotierten Gestalten, wenngleich eine solche Ähnlichkeit auch in Bezug auf die Venus erneut ersichtlich wird. Erkenntnisstiftend fungieren vielmehr vor allem die Adaption der rezipierten Statue sowie die Kontrastierung mit dem schemenhaften, durch seine Gestaltung nachdrücklich an die graphische Faktur der Kupferstiche gebun192 Vgl. Barkan 1993, S. 147. 193 Zur Diskussion des Mimesis-Konzepts im Zusammenhang mit der Statue vgl. Baert 2018, S. 165. 194 Vgl. Stoichita 1999; Belting 2001, S. 189–211.



3.3. Körperhafte Schatten – Schattenhafte Körper

denen Schattenwesen der Lüge. Dieser gleichsam paragonale Vergleich verschiedener Formen bildlich evozierter Körperlichkeit lenkt dabei die Aufmerksamkeit auf den besonderen Status der Veritas-Figur: Während sie aus den gleichen, Räumlichkeit stets nur vortäuschenden Linien der Graphik gestaltet ist wie die Figur des Mendacium, ist sie dennoch nicht als lügenhaft zu verstehen. Denn durch ihre Gesten sowie vor allem durch die Verbindung mit den biblischen Versen verweist sie auf die notwendige Überwindung der nur als Ausgangspunkt der Erkenntnis dienenden Sinnlichkeit der druckgraphischen Bilder. Mit der um den Komplex von Wahrheit und Täuschung zirkulierenden Reflexion über das Verhältnis von Bild, Körper und Schatten lassen sich auf konzeptueller Ebene Anknüpfungspunkte zu Platons Höhlengleichnis erkennen, dessen Relevanz für kunsttheoretische Reflexionen innerhalb der niederländischen Druckgraphik in einem etwa ein Vierteljahrhundert später entstandenen Kupferstich deutlich wird (Abb.  104).195 In dieser Darstellung des Antrum Platonicum (‚Platonische Höhle‘), die von Coornherts Freund sowie Erben seines künstlerischen Nachlasses Hendrick Laurensz. Spiegel in Auftrag gegeben wurde,196 bildet die philosophische Erzählung den Anlass des Nachdenkens über den Status allegorischer Figuren. In deutlicher Abweichung vom antiken Prätext in Platons Politeia zeigt die von Jan Saenredam angefertigte und von dem niederländischen Verleger Hendrick Hondius 1604 – im selben Jahr wie die von diesem ebenfalls verlegten Neuauflagen von Die Kraft der Wahrheit und Falsche Überzeugung richtet die Welt zugrunde – herausgegebene Darstellung das Innere des Antrum ­Platonicum als einen Ort des gelehrten Gesprächs:197 Auf der rechten Seite des unterirdischen Raumes ­befinden sich hinter einer übermannshohen Mauer im Dunkeln nicht etwa die von Platon beschriebenen Gefesselten, sondern eine Gruppe lebhaft Debattierender unterschiedlicher Herkunft und ungleichen Standes. Während einige von ihnen aufmerksam die an die Höhlenwand geworfenen Schatten mehrerer auf der Mauer stehender Figuren betrachten, wenden sich andere mit interessierter Miene der Figur eines bärtigen Mannes mittleren Alters zu, die soeben aus dem beleuchteten Teil der Grotte zu ihnen tritt. Diese Figur hat sich offenbar aus der Runde jener ebenfalls in eine Diskussion vertiefter Gelehrter gelöst, welche die von der Decke herabhängende lodernde Fackel als Lichtquelle studiert und bespricht. Ebenso wie diejenigen jenseits der Mauer jederzeit aufstehen und sich umsehen könnten, werden auch die im Schein der Lampe 195 Zu Coornherts Platon-Rezeption in der Zedekunst vgl. Rogiest 2014, S. 125–128. 196 Vgl. die Widmungsinschrift des Kupferstichs. Zu Coornhert und Spiegel vgl. Veldman 1990, S. 28. 197 Zu dem Stich vgl. Knipping 1939, S. 62 u. 131; Vinken 1960; Verdier 1968; Thiel 1973, S. 314–318; Gaiser 1985, S.  42–44; Thiel 1999, S.  202–205; Müller 2002a; Gombrich 2009, S.  22; Rößler 2011, S.  111–113; Bredekamp 2015, S.  44; Böhme 2017, o.S.; Ketelsen 2018, S.  4  f.; Roth 2018, S.  18  f.; Brede­kamp 2020, S. 74.

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3. Veritas Scripturae

Abb. 104. Jan Pietersz. Saenredam nach Cornelis Cornelisz. van Haarlem: Antrum Platonicum (­ ‚Platonische Höhle‘), verlegt von Hendrick Hondius, 1604, Kupferstich, 329 × 452 mm, Amsterdam, Rijksmuseum, Inv.-Nr. RP-P-OB-10.544.

Stehenden durch keinen äußeren Grund daran gehindert, den hinter ihnen liegenden Gang ins Tageslicht zu beschreiten, den drei schemenhaft zu erkennende Gestalten augenscheinlich bereits zurückgelegt haben. Die Freiwilligkeit dieser Entscheidung zum Verharren im gegenwärtigen Zustand ist es wohl, welche die Lage der Höhlenbewohner – anders als in Platons „brutale[r] Inszenierung der kognitiven ‚Intrige‘“198 – weniger bedauernswert als moralisch höchst problematisch erscheinen lässt; umso mehr als der am oberen Blattrand zitierte Vers aus dem Johannesevangelium das Geschehen eindeutig christlich semantisiert: Lvx venit in mvndvn [sic!] et delixervnt homines magis tenebras qvam lvcem. Io.3.19 (Joh 3,19: „Das Licht ist in die Welt gekommen, und die Menschen haben die Finsternis mehr geliebt als das Licht“). Die neben der Mauer positionierte Figur, in der einige Kunsthistoriker Christus erkennen,199 visualisiert vor diesem Hinter-

198 Stoichita 1999, S. 21. 199 Vgl. Thiel 1973, S. 315; Müller 2002a.



3.3. Körperhafte Schatten – Schattenhafte Körper

grund ein ‚Einbrechen‘ des Göttlichen in die Sphäre der unwissenden und zur Erkenntnis unwilligen Menschen. Im Zusammenhang der vorliegenden Ausführungen ist besonders relevant, dass neben beziehungsweise über der christomorphen Gestalt mehrere als Verkörperungen von Tugenden und Lastern wie Fides (‚Glaube‘), Caritas (‚Liebe‘) und Spes (‚Hoffnung‘), Avaritia (‚Gier, Geiz‘) oder Gula (‚Völlerei‘) identifizierbare Figuren die Schwelle zwischen den beiden Höhlenbereichen markieren.200 In der kalkulierten Diskrepanz zwischen Platons Beschreibung der an der Mauer vorbeigetragenen „Gefäße […] und Bildsäulen und andere[n] steinerne[n] und hölzerne[n] Bilder“201 sowie ihrer künstlerischen Umsetzung im Kupferstich manifestiert sich in eindrücklicher Weise die bildtheoretische Zuspitzung des philosophischen Gleichnisses: Die auf der Mauer aufgestellten Figuren befinden sich an einem Ort zwischen den beiden Teilen der Grotte und verweisen so darauf, dass sie als Verkörperungen abstrakter Konzepte gleichzeitig an der sinnlichen und der geistigen Sphäre partizipieren. Im Sinne der platonischen Lehre handelt es sich bei ihnen zwar um unvollkommene Simulakren der transzendenten Ideen, die lediglich einen Zwischenstand auf dem Weg zu wahrer Erkenntnis darstellen; dennoch oder vielmehr gerade deshalb erscheinen diese ‚liminalen‘ Figuren jedoch nicht nur im Vergleich mit den von ihnen an die Wand projizierten Schattenbildern, sondern auch mit den außerhalb der Höhle sichtbaren Schemen für die Betrachter:innen am deutlichsten erkennbar. Diese Inszenierung der Figuren erhält dadurch eine zusätzliche kunsttheoretische Prägnanz, dass die auf dem Kupferstich dargestellte Grotte, wie P.J. Vinken darlegte, gemäß dem um 1600 aktuellsten Wissensstand das Innere eines menschlichen Herzens nachbildet.202 Das Blatt verbindet damit eine Vorstellung des Auftraggebers Hendrick Laurensz. Spiegel, der in seiner erstmals posthum 1614 publizierten Schrift Hert-Spiegel wiederholt auf die Herzform der platonischen Höhle hinwies,203 mit den anatomischen Kenntnissen von dessen Neffen, dem Leidener Medizinprofessor Pieter Pauw, dem die nach einem in Spiegels Besitz befindlichen Gemälde von Cornelis Cornelisz. van Haarlem angefertigte Graphik gewidmet ist.204 Dadurch wird die Bildfindung zu einer Allegorie jenes psychologisch-physiologischen Vorgangs, der sich bei der Betrachtung des Kunstwerks im Inneren der Rezipierenden idealerweise als ‚Aufstieg‘ von den sinnlichen Bildern zur Erkenntnis vollziehen soll.

200 Nicht alle Figuren lassen sich eindeutig identifizieren. Vgl. die Deutungsvorschläge in: Vinken 1960, S. 136  f., Anm. 19; Verdier 1968, S. 378; Ketelsen 2018, S. 5; Roth 2018, S. 18; Böhme 2017, o.S. 201 Platon: Politeia, S. 509 (514b–515a). 202 Vgl. Vinken 1960. 203 Vgl. Vinken 1960. 204 Vgl. die Widmungsinschrift auf dem Kupferstich.

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3. Veritas Scripturae

Dass die eingehende Betrachtung von Saenredams Kupferstich letztlich zu eben diesem erkenntnisstiftenden Vorgang anleiten soll, wird nicht zuletzt durch die im lateinischen Epigramm hergestellte Verbindung zwischen dem von Platon beschriebenen anamnetischen Prozess und dem Vorgang der Bildbetrachtung belegt: Adspice ut obiectis obtutus in hereat umbris, / Vt VERI simulacra omnes mirentur amentq[ue] („Siehe wie der Blick hängen bleibt an den projizierten Schatten, wie alle die Scheinbilder des Wahren anstaunen und lieben“205). Die vermutlich von Spiegel verfassten Verse lassen den Blick der im Dunkeln verbliebenen Höhlenbewohner somit mit jenem der Rezipient:innen zusammenfallen, die sich jedoch im Vergleich zu ihren bildinternen Identifikationsfiguren insofern in einer privilegierten Position befinden, als sie den Übertritt vom Dunkel ins Licht und umgekehrt wiederholt zu vollziehen vermögen, um sich letztlich idealiter von den trügerischen Schattenbildern zu lösen. Die Figuren auf der Mauer fungieren dabei als Sinnbilder der im Antrum Platonicum konstruierten ästhetischen Anatomie, weil sich gerade in ihnen „die Paradoxie des Bildes, seine ‚Seinsart‘ als Medium und Membran“206 zwischen dem Sichtbaren und dem Unsichtbaren besonders anschaulich manifestiert. Wie in Coornherts gemeinsam mit Adriaen de Weerdt und Hendrick Goltzius geschaffenen Graphikserien markiert und konstituiert auch hier der Vers aus der Heiligen Schrift den Übergang vom Schatten zum Licht, von der Unwissenheit zur Erkenntnis. Vor diesem Hintergrund wird auch das spezifische epistemische Potenzial der Veritas-Figur im bimedialen Kupferstich umso deutlicher: Gerade weil sich in ihr eine besonders betonte Körperlichkeit mit dem engen Bezug zum biblischen Text auf ­paradigmatische Weise verdichtet, kann sie während der Rezeption im Herzen der Betrachtenden idealerweise jenes ondervinden der Wahrheit auslösen, das für Coornhert den einzigen Zugang zu dieser darstellt.

205 Übersetzung zitiert nach Müller 2002a. Dass die kreative Rezeption des Höhlengleichnisses im Kupferstich eine dezidiert kunstreflexive Komponente besitzt, liegt schon deshalb nahe, weil bereits in seiner Entstehung als Reproduktionsgraphik das Verhältnis von Ur- und Abbild eine entscheidende Rolle spielte. Dieser Aspekt zeigt sich zudem in der von der Forschung mehrfach konstatierten Nähe der Invention zu den Darstellungen der Akademie des Florentiner Bildhauers Baccio Bandinelli: Im Kupferstich Agostino Venezianos aus dem Jahr 1531 reflektieren die von den Skulpturen an die Wand geworfenen Schatten beispielsweise sinnfällig jenes Verhältnis von Materialität und künstlerischer Idee, welches die italienische Kunsttheorie des 16. und 17. Jahrhunderts in Bezug auf das Konzept des disegno diskutierte. Zu den ‚Akademiestichen‘ vgl. Pfisterer 2007; Greve 2008, S. 328–336; Schneider 2018, S. 53  f. Zum Verhältnis zu Saenredams Graphik vgl. Pfisterer 2007, S. 110; Rößler 2011, S. 111, Anm. 48; Bredekamp 2020, S. 26  f. 206 Krüger 2001, S. 95.

4. Die (Un-)Sichtbarkeit der Veritas – Bildliche Aushandlungen der Wahrheit Die Ambivalenz visueller Wahrnehmung, die in den im vorigen Kapitel untersuchten Serien ihren Ausgangspunkt in der intermedialen Reflexion über die Medialität der Bibel nimmt, avancierte innerhalb der niederländischen Druckgraphik der Frühen Neuzeit wiederholt zu einem zentralen Gegenstand dezidiert kunsttheoretischer Reflexion. So fungiert etwa in Hendrick Goltzius’ Allegorie des Sehsinns, die von Jan Saenredam gestochen und 1616 von Robert de Baudous verlegt wurde (Abb. 105),1 der weitgehend nackte Körper der sich selbst im Spiegel betrachtenden weiblichen Figur als Sinnbild einer gleichermaßen prekären wie erkenntnisstiftenden Fixierung auf das Sichtbare.2 Das ikonographisch als Venus identifizierbare Modell des im Mittelgrund an seiner Leinwand sitzenden Malers verweist schon durch die Pudica-Geste – im deutlichen Kontrast zu der ihr Geschlecht geradezu provokant den Rezipient:innen präsentierenden Figur Amors – auf eine für das Bildkonzept ausschlaggebende Dialektik von Ver- und Enthüllung:3 Während die Kniende ihre Scham durch ihren Umhang verdeckt und gerade dadurch die Aufmerksamkeit der Betrachtenden darauf lenkt, werden andere Partien ihres Körpers erst durch dessen Wiedergabe in dem Spiegel, welchen ihr die Amor-Figur präsentiert, sowie auf der Leinwand des Malers erkennbar; eine gezielte Erweiterung des im Bild Sichtbaren, welche dem Kupferstich einen Platz als Exemplum für die gelungene Anwendung der deurzigtkunde (‚Perspektive‘) in Samuel van Hoogstratens Inleyding tot de Hooge Schoole der Schilderkonst (1678) einbringen sollte.4 Die Annahme, dass durch das Sichtbare stets auch auf Unsichtbares zu schließen sei, scheint dabei den gemeinsamen Nenner zu bilden, welcher die Tätigkeit des dargestellten Künstlers mit jener der hinter ihm zu sehenden Gelehrten verbindet: Die Astronomen erforschen die von der Erde aus wahrnehmbaren Bewegungen der ihrerseits unerreichbaren Himmelskörper und ermöglichen damit zugleich, wie die rechts im Hintergrund der Graphik zu sehenden Schiffe andeuten, die Orientierung auch in unbekannten Teilen der Welt; der Arzt – mag er nun, wie Hans-Joachim Raupp argumentierte,5 ein Quacksalber sein oder nicht – bemüht sich, mittels der schon im 16. Jahr1 2 3 4 5

Zu dem Kupferstich vgl. New Hollstein (Hendrick Goltzius 4), S. 138  f., Nr. 716 sowie Alpers 1983, S. 58–62; Müller Hofstede 1984, S. 266–268; Raupp 1984, S. 293–301; Werner 1987; Sluijter 1991/1992; Krystof 1997, S. 119–128; Müller 2002b. Vgl. Müller 2002b, S. 168. Zur Geste der Venus-Figur vgl. Sluijter 1991/1992, S. 351  f. Hoogstraten: Inleyding, S. 275. Vgl. dazu Alpers 1983, S. 58–62. Vgl. Raupp 1984, S. 295. Dagegen argumentiert: Sluijter 1991/1992, S. 346.

https://doi.org/10.1515/9783111123004-004



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Abb. 105. Jan Pietersz. Saenredam nach Hendrick Goltzius: Allegorie des Sehsinns, um 1598, verlegt von Robert de Baudous, 1616, Kupferstich, 244 × 185 mm, Washington, National Gallery of Art, Inv.-Nr. 2012.92.596.



4. Die (Un-)Sichtbarkeit der Veritas

hundert höchst umstrittenen Urinschau auf krankhaft gestörte Prozesse im Inneren des Körpers zu schließen, die ohne ein derartiges Verfahren verborgen bleiben würden. Auf diese, von Künstlern und Wissenschaftlern gleichermaßen zu vollziehenden Transferleistungen verweist offenbar auch der neben der Staffelei gen Himmel aufsteigende Adler, der laut Doris Krystof im Gegensatz zum „begehrlichen Blick“6 der vor Amor kauernden Katze „als Ausdruck des nach göttlichem Licht und Erkenntnis Strebenden“7 zu verstehen sei. Indem sich der symbolisch aufgeladene Vogel zur Sonne als Ursprung der Sichtbarkeit erhebt, macht er – ebenso wie die im Vordergrund platzierten Sonnenuhren – darauf aufmerksam, dass erst die Einsicht in das Verhältnis des sinnlich Wahrnehmbaren zu unsichtbaren Bereichen der Wirklichkeit wahrhafte Erkenntnis produziere.8 Der pictor doctus nimmt in diesem Kontext eine doppelte Funktion ein:9 Zum einen wird ihm im Rahmen der dargestellten Bestrebungen zur Erfassung der Welt die Posi­ tion eines Experten zugewiesen, der für seine Tätigkeit auf Kenntnisse der Optik und der Perspektive ebenso zurückzugreifen hat wie etwa auf mythologisches Wissen. Diesen Anspruch des Künstlers als Gelehrter erheben mit ihrem ebenso ikonographisch hochkomplexen wie technisch virtuos ausgeführten Kupferstich auch Goltzius und ­Saenre­dam für sich. Sie demonstrieren ihr Verständnis für die visuelle Wahrnehmung nicht nur durch die gezeigte Spiegelung, sondern insbesondere durch die Suggestion von Dreidimensionalität, welche vor allem die plastische Modellierung der Körper von Venus und Amor mittels taillierter Linien evoziert.10 Zum anderen präsentieren die Künstler den Maler aufgrund seines Wissens um die Scheinhaftigkeit des im Bild Sichtbaren, wie Gabriele Werner und Doris Krystof betonen, als Vermittler zwischen „sinnliche[r] und ideelle[r] Erkenntnis“:11 Während er mit seinen Augen durch dicke Brillengläser sein Modell fixiere, male er, ohne auf die Leinwand zu blicken, sodass er weniger ein getreues Abbild der äußeren Wirklichkeit als vielmehr den sichtbaren Ausdruck einer geistigen Idee erzeuge.12 In diesem Zusammenhang fungiere die weibliche Figur, so Gabriele Werner, „[d]urch ihre ins Licht gerückte Nacktheit“ auch als eine Verkörperung der Veritas, „eine 6 7 8 9

Krystof 1997, S. 122. Vgl. auch Müller Hofstede 1984, S. 267; Raupp 1984, S. 294. Krystof 1997, S. 122. Vgl. Krystof 1997, S. 127. Einer positiven Deutung des Malers widerspricht Justus Müller Hofstede, für den die Figur vielmehr einen „verblendete[n] Künstler“ darstelle, der sich auf sündhafte Weise auf die äußere Erscheinung des Gesehenen fixiere. Vgl. Müller Hofstede 1984, S. 267. 10 Zur Taillierung der Linien vgl. u.  a. Roettig 2002; Ketelsen 2012, S. 43; Kirves 2017, S. 83–85. 11 Werner 1987, S. 319. Vgl. Krystof 1997, S. 126–128. 12 Zur ambivalenten Symbolik der Brille vgl. mit Bezug auf Goltzius’ Kupferstich Müller Hofstede 1984, S. 267; Raupp 1984, S. 297; Krystof 1997, S. 123  f. sowie allgemein die auf S. 59 in Anm. 92 genannte Literatur.

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Wahrheit jedoch, die dekonstruiert wird“, weil sich die Figur durch den Blick in den Spiegel vom „nur scheinbaren Erkenntnisgehalt sinnlicher Wahrnehmungen“ täuschen lasse.13 Eben deshalb formuliere das gleichermaßen lakonisch wie rätselhaft wirkende Epigramm zur Allegorie des Sehsinns die grundlegende Ambivalenz visueller Wahrnehmung: Haec memini nocuiße atque oblectaße videntes („Ich erinnere mich, daß dies den Sehenden geschadet und sie erfreut hat“14). Wenngleich diese von Gabriele Werner hergestellte Analogie nur in begrenztem Maße trägt und die Frage nach den epistemischen Funktionen von Bildern in Goltzius’ Kupferstich vornehmlich auf das Problem einer –  hier signifikanterweise im Modus der Allegorie reflektierten – mimetischen Wiedergabe der Welt bezogen wird,15 macht sie dennoch auf einen wichtigen Punkt aufmerksam: Die in den Veritas-Darstellungen wiederholt feststellbare künstlerische Selbstreflexivität ist einerseits im Kontext eines größeren kunsttheoretischen Diskurses zu sehen, in dessen Zusammenhang gerade vor dem Hintergrund der von der Reformation ausgelösten bilderkritischen Debatten des 16. Jahrhunderts über das erkenntnisstiftende Leistungsvermögen von Bildern reflektiert wurde, die „zwar ‚lügen, aber nicht betrügen‘, da sie eine besondere, über das Sichtbare hinausgehende Belehrung enthalten“.16 Andererseits stellte die Darstellung der Veritas hierbei gewissermaßen in jeder Hinsicht eine besondere Zuspitzung dieses Problems dar, da die Graphiken einen nicht nur konfessionell und politisch hoch brisanten Gegenstand behandeln, sondern auch ein Abstraktum visualisieren, dessen bildliche Repräsentation angesichts des Verweises auf die göttliche Transzendenz nicht zuletzt die Frage nach dem religiösen Offenbarungsanspruch der Bilder aufwarf. Vor diesem Hintergrund widmet sich das vorliegende Kapitel einer Auswahl von Kupferstichen, welche diese kunsttheoretische Dimension programmatisch in den Vordergrund stellen, indem sie die (Un-)Sichtbarkeit der Wahrheit zu einem zentralen Thema erheben. Gemeinsam ist den analysierten Umsetzungen der apokryphen ‚Pagenerzählung‘ aus dem 3. Buch Esra in den Folgen der Vier stärksten Mächte (Kapitel 4.1.), dem von Maerten de Vos entworfenen Triumphus Veritatis und seinen Neuauflagen (Kapitel 4.2.) sowie den Bildern der Veritas filia temporis (Kapitel 4.3.), dass sie die Wirkmächtigkeit der Veritas stets in ein reziprokes Verhältnis zu ihrer Wahrnehmbarkeit setzen. Indem die Künstler dabei im Kontext der innovativen Herangehensweise an differenzierte Darstellungstraditionen und Wiedergabemodi der  Veritas gezielt mit der spezifischen Handhabbarkeit des seriellen Kupferstichs (Kapitel 4.1.), dem metareflexiven Potenzial intermedialer Konstellationen (Kapitel 4.2.) beziehungsweise der 13 14 15 16

Werner 1987, S. 319. Übersetzung zitiert nach Krystof 1997, S. 122. Vgl. Müller 1993, S. 91–94; Krystof 1997, S. 116–128. Krystof 1997, S. 116. Zu den bilderkritischen Debatten und ihrer künstlerischen Bewältigung in den Niederlanden vgl. u.  a. Jonckheere 2012a, S. 29–42.



4.1. Wahrheitssuche im Wettstreit der Bilder

thematischen Assoziation von Sichtbarkeit und Erkenntnis (Kapitel 4.3.) arbeiteten, erprobten sie nicht nur unterschiedliche Strategien visueller, und im Besonderen druckgraphischer, Konkretisierung der Wahrheit. Ausgehend vom Spannungsfeld zwischen der im Bild sichtbar gewordenen Kraft der Veritas und ihrer unsichtbaren Begründung reflektierten sie –  so die These  – nicht zuletzt den Visualisierungs- und Rezeptionsprozess selbst als Wirkungsfelder der machtvollen Wahrheit.

4.1. Wahrheitssuche im Wettstreit der Bilder Am Beginn der 1570er Jahre entwickelten Gerard van Groeningen und Philips Galle ein neuartiges Bildthema, dessen druckgraphische Umsetzung das epistemische Potenzial des Mediums Kupferstich in serieller Konzeption auf mehreren Ebenen erprobt. Für die wohl 1573 oder 1574 entstandene vierteilige Folge der Vier stärksten Mächte (Abb. 106– 109),17 die Galle nach den gezeichneten Entwürfen van Groeningens gravierte und verlegte, griffen die Antwerpener Künstler auf eine Passage aus dem 3. Buch Esra zurück, für die es in dieser Form keine Darstellungstradition gab und deren Visualisierung sich auch deshalb in besonderer Weise als künstlerisches Experimentierfeld eignete.18 Im Zentrum der im dritten und vierten Kapitel der apokryphen Schrift überlieferten Episode (3 Esra 3,1–4,42), für die sich in der theologischen Forschung die Bezeichnung ‚Pagenerzählung‘ etabliert hat,19 steht der höfische Wettstreit zwischen den Leibwächtern (custodes) des Perserkönigs Darius um die weiseste Antwort auf die – im Text nicht als solche formulierte – Frage, welche die größte Macht der Welt sei. Die vier Kupferstiche geben jedoch nicht diese Rahmenerzählung des intellektuellen Kräftemessens wieder, auf die weder die Bildfindungen noch die von Victor Giselinus verfassten Epigramme explizit Bezug nehmen. Sie sind vielmehr jeweils einer jener Antworten gewidmet, welche die Leibwächter laut dem Esrabuch nachts niederschrieben, damit Darius die Schriftstücke am nächsten Morgen lesen und den Sieger bestimmen konnte. So ver17 Zu der Serie vgl. New Hollstein (Gerard van Groeningen 1), S. 196  f., Nr. 154–157 sowie Veldman 1987a, S. 224–227; Peters 2005, S. 189  f.; Shamos 2015, S. 256–260. Zum druckgraphischen Werk van Groeningens vgl. einführend New Hollstein (Gerard van Groeningen 1), S. 11–19. Zu Galle vgl. u.  a. Veldman 1991; Sellink 1992; Sellink 1997. Die Datierung ergibt sich aus der Verzeichnung der Serie im Katalog der Frankfurter Herbstmesse 1574, vgl. dazu New Hollstein (Gerard van Groeningen 1), S. 196, Nr. 154–157. 18 Zur Neuartigkeit des Bildthemas der Vier stärksten Mächte vgl. Veldman 1987a, S. 224. Lediglich die Episode von Darius und Apeme wurde in Speculum Humanae Salvationis- sowie Biblia PauperumHandschriften und -Drucken als Typus der Verspottung Christi dargestellt. Vgl. z.  B. eine vermutlich um 1480–1485 in den Niederlanden entstandene Ausgabe der Biblia Pauperum in der ­Bibliothèque Nationale de France (Sign.  Xylo-5, nicht foliiert, URL: https://gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k8 50504w/f64.item [letzter Zugriff: 3. September 2021]). 19 Vgl. u.  a. Pohlmann 1970, S. 35–46; Smitten 1972; Rüger 1978, S. 297; Schmitz 2013.

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4. Die (Un-)Sichtbarkeit der Veritas

Abb. 106. Philips Galle nach Gerard van Groeningen: Die vier stärksten Mächte, Blatt 1: Der Triumph des Weines, verlegt von Philips Galle, um 1573/1574, Kupferstich, 193 × 265 mm, ­Amsterdam, Rijksmuseum, Inv.-Nr. RP-P-1963-278.

anschaulichen die unnummerierten Blätter die Macht des Weines (Abb. 106) und des Königs (Abb.  107), welche die ersten beiden, anonym bleibenden Kontrahenten vorschlagen, sowie die Macht der Frau (Abb. 108) und die der Wahrheit (Abb. 109), welche der von Darius für seine abschließende Antwort zum Sieger erklärte dritte, namentlich als Serubbabel bezeichnete Leibwächter nennt, in Form allegorischer Triumphzüge. Die mehrfigurigen Kompositionen, in welchen die Verkörperung der jeweils gefeierten Macht als Souverän:in in der Bildmitte auftritt, folgen dabei inhaltlich in ihren Grundzügen den ausführlichen Reden, mit welchen die Konkurrenten am persischen Königshof ihre Antworten für den Herrscher erläutern, komplementieren sie aber zugleich durch kalkulierte Akzentuierungen, (Neu-)Strukturierungen und Ergänzungen. Im Triumph des Weines (Abb. 106) entsprechen die am Beginn des Zuges schreitenden Figuren des Bettlers (Mendicus) und des Königs (Rex), die durch die sie begleitenden Narren mit zu marottes umfunktionierten Weinstöcken als Toren gekennzeichnet sind, sowie des im hinteren Teil der Gruppe folgenden Sklaven (Mancipium) und des Freien (Liber) dem ersten von Darius’ Leibwächter angeführten Argument für die Macht des Weines, dieser verwirre allen Genannten gleichermaßen den Verstand (3 Esra 3,18–19).



4.1. Wahrheitssuche im Wettstreit der Bilder

Abb. 107. Philips Galle nach Gerard van Groeningen: Die vier stärksten Mächte, Blatt 2: Der Triumph des Königs, verlegt von Philips Galle, um 1573/1574, Kupferstich, 191 × 266 mm, ­Braunschweig, Herzog Anton Ulrich-Museum, Inv.-Nr. PGalle AB 3.240.

Die dahinter folgende Figur des Kaufmanns (Mercator) verweist nicht nur auf den Wein als Handelsgut, sondern auch auf die laut dem 3. Buch Esra vom Rausch ausgelöste Freigebigkeit (3 Esra 21), während der am Ende des Festzuges ausgebrochene Streit (Rixa) die in der Rede des custos ebenfalls angesprochene Gewalt als Konsequenz des Weingenusses veranschaulicht (3 Esra 22). Die kindlichen Figuren mit Weinlaub und Trauben in der Bildmitte sowie die Rad schlagenden Gestalten vor den Weinstöcken im Hintergrund beziehen sich hingegen weniger auf die Ausführungen des Prätextes, sondern greifen auf Bildelemente aus Darstellungen des Triumphs des Bacchus zurück, wie sie in den Niederlanden seit den 1540er Jahren populär waren,20 und charakterisieren die Regentschaft des Weines so als einen Zustand ekstatischer Sinnlichkeit. Ausgehend von den exemplarisch argumentierenden Darlegungen des Leibwächters führt der Kupfer20 Zu Darstellungen des Triumphs des Bacchus, die in den Niederlanden vor allem durch ein 1536/1537 geschaffenes Tafelbild Maarten van Heemskercks sowie dessen ab 1543 publizierte druckgraphische Reproduktionen popularisiert wurden, vgl. Gesing 1988; Emmerling-Skala 1994, S. 165–178, 327–330 u. 673–678; Weissert 2011.

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4. Die (Un-)Sichtbarkeit der Veritas

Abb. 108. Philips Galle nach Gerard van Groeningen: Die vier stärksten Mächte, Blatt 3: Der Triumph der Frau, verlegt von Philips Galle, um 1573/1574, Kupferstich, 193 × 267 mm, ­Braunschweig, Herzog Anton Ulrich-Museum, Inv.-Nr. PGalle AB 3.241.

stich dessen Wirkungen auf die in den Sänftenträgerinnen verkörperten Prinzipien der Transgressio (‚Überschreitung, Übertretung‘) und der Abundantia (‚Überfluss, Übermaß‘) zurück, aus denen die auch im Epigramm fokussierte Außerkraftsetzung gesellschaftlicher Normen und Distinktionen resultiert.21 Der Einfluss dieser nicht nur transgressiven, sondern auch potenziell disruptiven Kräfte zeigt sich dabei im Agieren der als weinlaubgeschmückter Bacchus auf einem Fass sitzenden Figur des Vinum (‚Wein‘): Den offenbar eben aus einer Kanne gefüllten Weinkelch in Richtung des weiteren Festzuges erhebend, scheint er seine Einflusssphäre über die ästhetische Grenze hinaus erweitern zu wollen und leitet damit, seine eigene Vorherrschaft selbst unterminierend, die Betrachtung zum folgenden Kupferstich über.

21 An Bromio quidquam iucundius? hic tamen omnes / Ecce tibi victos victor inermis agit. / Ille genus, formam, sexum et simul omnia mutat: / Ille homini mentem surripit ille hominem. Vgl. die englische Übersetzung in: Veldman 1987a, S. 225. Die Frage des ersten Verses greift eine Formulierung aus Varros Menippeischen Satiren (Est modus matulae, Fragment 114) auf: Vino nihil iucundius quisquam bibit.



4.1. Wahrheitssuche im Wettstreit der Bilder

Abb. 109. Philips Galle nach Gerard van Groeningen: Die vier stärksten Mächte, Blatt 4: Der Triumph der Wahrheit, verlegt von Philips Galle, um 1573/1574, Kupferstich, 193 × 266 mm, ­Braunschweig, Herzog Anton Ulrich-Museum, Inv.-Nr. PGalle AB 3.238.

Gemäß der Chronologie der ‚Pagenerzählung‘ folgt als zweites der unnummerierten Blätter der Triumph des Königs (Abb. 107), der erneut die zentralen Argumente der im apokryphen Text wiedergegebenen Lobrede aufnimmt, diese jedoch in eine bildliche Ordnung überführt, deren zweigeteilte Struktur eine grundlegende Ambivalenz königlicher Herrschaft zur Anschauung bringt: Getragen von den verkörperten Regierungstugenden Sapientia (‚Weisheit‘) und Iustitia (‚Gerechtigkeit‘), übt der in Gestalt des Kriegsgottes Mars gezeigte Souverän eine, im 3. Buch Esra ebenso wie im Epigramm des Kupferstichs betonte,22 umfassende Macht aus, die sich vor allem in der über Unglück oder Wohlergehen des Landes entscheidenden Gewalt über Krieg und Frieden manifestiert. Im Bild treten diese entsprechend der militärischen Tradition des triumphus als an Stricke gebundene (Kriegs-)Gefangene auf, die der ihnen zugeordneten Bildhälfte gleichsam ein Motto geben: Die gerüstete Figur des Bellum (‚Krieg‘) schreitet am Beginn 22 Paret terra homini, parent vasta aequora ponti, / Et liquidis quidquid sedibus aer alit. / Hic tamen imperio unius se subijcit ultro / Regis et huic vitae ius sinit eße suae. Vgl. die englische Übersetzung in: Veldman 1987a, S. 226. Vgl. 3 Esra 4,2–12.

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des Zuges neben der verkörperten Räuberei (Latrocinium) und führt die dahinter folgenden Figuren der Kriegsbeute (Preda [sic!]) und der Armut (Pauperies) an, während die Kampfszenen des Hintergrundes die verheerenden Wirkungen des Krieges vor Augen führen, auf die auch die unter dem Triumphator am Boden liegende Figur eines getöteten Soldaten verweist. Der damit veranschaulichten Macht des Königs, Verwüstung und Zerstörung zu befehlen und sich die dabei eroberten Güter anzueignen (3 Esra 4,4–5), stehen auf der rechten Seite des Bildes die Segnungen des Friedens gegenüber. Auf die Verkörperung der Pax (‚Frieden, friedliche Herrschaft‘) folgen hier jene des Handels (Commercium) und der Landwirtschaft (Agricultura), deren Erträge laut dem Leibwächter in Friedenszeiten den Besitz des Königs vermehren (3 Esra 4,6). Im Hintergrund rekurriert die gezeigte (Wieder-)Errichtung einer Kirche am Ufer eines von Schiffen befahrenen Flusses oder Meeres nicht nur auf das im apokryphen Text vorgebrachte Argument, dass gebaut werde, wenn es der Souverän befehle (3 Esra 4,8), sondern lässt auch an die von König Darius gewährte Erlaubnis zum Wiederaufbau des Jerusalemer Tempels und zur Rückgabe der Tempelgeräte als Lohn für Serubbabels Sieg im ‚Pagenwettstreit‘ denken (3 Esra 4,43–57). Das Blatt fungiert so, ausgehend von der Kontrastierung von Krieg und Frieden, deren Schwelle im Bild die Figur des Rex (‚König‘) markiert, als eine mehrschichtige Allegorie königlicher Macht, die über politische, religiöse und ökonomische Verhältnisse gleichermaßen bestimmt. Der König ist jedoch, wie der als drittes Blatt folgende Triumph der Frau (Abb. 108) in Übereinstimmung mit dem 3. Buch Esra zeigt, seinerseits der Herrschaft des weib­ lichen Geschlechts unterworfen, dessen Verkörperung (Foemina) als von Amor beglei­ tete Venus auftritt. So schreitet die Figur des Rex, die hier eindeutig mit Darius zu identifizieren ist, am Beginn des Festzuges neben seiner Konkubine Apeme, die ihm entsprechend der von Serubbabel berichteten Anekdote die Krone abgenommen hat und ihm mit der Linken ins Gesicht schlägt (3 Esra 4,29–30). Auch die männliche Figur hinter ihnen, welche der Triumphatorin eine Geldbörse und Schmuck überreicht und die Aufgabe des Reichtums für eine Frau veranschaulicht (3 Esra 4,18–19), sowie der am Ende der Gruppe um eine erschrocken blickende weibliche Figur ausgebrochene Zweikampf, der gleichzeitige Diebstahl (Furtam [sic!]) und das im Hintergrund gezeigte Verlassen der Eltern verweisen auf die in der Rede des Leibwächters genannten (3 Esra 4,20; 4,23), gemäß frühneuzeitlicher Geschlechterrollen die soziale Ordnung und den gesellschaftlichen Zusammenhalt störenden Folgen der ‚Frauen-Herrschaft‘.23 Die genannten Szenen, welche die sowohl im 3. Buch Esra als auch im Epigramm betonte Überwältigung durch den bloßen Anblick der Frau und deren unvernünftige Konsequenzen ver-

23 Vgl. die zeitgenössischen künstlerischen Auseinandersetzungen mit der ‚Weibermacht‘, dazu u.  a. Bleyerveld 2000.



4.1. Wahrheitssuche im Wettstreit der Bilder

anschaulichen,24 demonstrieren exemplarisch die Wirkungen der als Sänftenträgerin auftretenden Voluptas (‚Wollust, sinnliches Vergnügen‘). Eine weitere Argumentationsebene fokussierend, rekurriert die unterhalb der triumphierenden Venus einen Weinstock pflanzende Figur auf den vom Leibwächter vorgebrachten Hinweis, Frauen zögen auch jene groß, welche die Weinstöcke pflanzen (3 Esra 4,16), und belegt die generative Kraft der als Pendant der Voluptas fungierenden Natura (‚Natur‘) als Grundprinzip weiblicher Macht. Auf diese visuelle Problematisierung sinnlicher Verführungskraft folgt als letztes Blatt der Folge der Triumph der Wahrheit (Abb. 109), welcher die überlegene Herrschaft der Veritas zur Anschauung bringt. In dezidierter Absetzung vom vorangehenden Kupferstich verweist die Figur der Triumphatorin durch ihre Nacktheit und die Sonnenscheibe in ihrer Rechten auf eine positiv bewertete Form der Sichtbarkeit, die als wahrnehmbarer Ausdruck der Evidenz göttlicher Wahrheit in dem von ihr in Form eines Buches präsentierten Verbvm Domini25 fungiert. Als einzige der vier auf den Kupferstichen gefeierten Entitäten nicht als antike Gottheit dargestellt, verdeutlicht die auf dem symbolisch für Christus stehenden Eckstein sitzende und mit einem Nimbus ausgezeichnete Verkörperung der Wahrheit so nicht zuletzt den Sieg der –  nicht konfessionell spezifizierten – christlichen Religion über alle an das Weltliche gebundenen Mächte.26 Während die als Sänftenträgerin fungierende Figur der Fortitudo, welche die im Prätext wiederholt betonte Stärke der Veritas verkörpert (3 Esra 4,35; 4,40), gemeinsam mit dem als traditionelles Herrschaftssymbol dienenden Löwen diese umfassende Überlegenheit veranschaulicht, rekurrieren die am Beginn des Zuges in Verehrung knienden Gestalten des Himmels (Caelum) und der Erde (Terra), deren Anrufung der Wahrheit Serubbabel beschreibt (3 Esra 4,35), gemeinsam mit der als zweite Trägerin der Veritas fungierenden Aeternitas (‚Ewigkeit‘) auf die Raum und Zeit überspannende Suprematie der Wahrheit (vgl. 3  Esra  4,38). Entsprechend dieser übergreifenden, die kosmologische Ordnung bestimmenden Herrschaft zeigt der Hintergrund anstelle einzelner exemplarischer Handlungen vielmehr einen Obelisken als antikes Siegesmonument sowie ein in der flämischen Landschaftsmalerei des 16. Jahrhunderts wiederholt als Ort der Gottesnähe fungierendes Felsmassiv und verbindet diese zu einem irdischen Sinnbild göttlicher Macht. Vor diesem verdeutlicht die im Festzug schreitende Figur der Vita (‚Leben‘) die

24 Aspicis ut blando Puero comitata Dione / Rideat, illicibus lene tuens oculis? / Quisquis es hinc oculos, animi si vulnera vitas, / Auerte, haec solo lumine cuncta domat. Vgl. die englische Übersetzung in: Veldman 1987a, S. 227. 25 Die Formulierung ist Teil der römischen Liturgie als Aufruf zur Schriftlesung, aber als Zitat von Jes 40,8 (Verbum domini manet in aeternam) auch Losung des Schmalkaldischen Bundes sowie Wahlspruch zahlreicher Reformatoren. Vgl. Stopp 1987. 26 Zu Christus als Eckstein vgl. u.  a. 1 Petr 2,6; Eph 2,20. Zum Bildmotiv des Ecksteins vgl. Timmers 1956; Clifton 2016, S. 168–170.

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Überwindung des auf den anderen Blättern durch die gezeigten Gewaltakte stets präsenten Todes und zugleich die Beendigung der von den übrigen Mächten ausgelösten Konflikte, insbesondere des unter der Herrschaft des Königs entstehenden Krieges. Auf dessen Regierung verweisen die den Schluss der Gruppe bildenden Verkörperungen des in Gestalt eines Monarchen auftretenden Splendor (‚Glanz, Ansehen‘) sowie des durch sein soldatisches Erscheinungsbild ebenfalls an den Triumph des Königs erinnernden Honor (‚Ehre‘), welche auf diese Weise die Unterlegenheit jeder Form weltlicher Würde gegenüber jener der Wahrheit zur Anschauung bringen. Die vier Graphiken überführen demnach die wichtigsten Aspekte der von den Leibwächtern vorgetragenen Reden in visuelle Argumentationen, in denen die jeweils als Triumphator:in dargestellte Macht gezeigt wird, während durch die Sänftenträgerinnen auch deren fundamentale Wirkungsprinzipien, durch die übrige Gefolgschaft die weltimmanenten Einflussbereiche und gesellschaftlichen Manifestationen sowie durch die Hintergrundlandschaften exemplarische Konsequenzen ihrer Vorherrschaft veranschaulicht werden. Gerade angesichts der Neuartigkeit der Ikonographie, deren Bezug zum apokryphen Text auf den Kupferstichen nicht explizit markiert wird, bildet die Serialität der Blätter dabei einen wesentlichen Bestandteil der intermedial konfigurierten Rätselaufgabe: Die Rezipierenden müssen nicht nur das dargestellte Thema und damit auch die der Konzeption der Bildfindungen zugrundeliegende Frage nach der Rangordnung der vier Mächte, sondern in der vergleichenden Betrachtung der einzelnen Blätter auch ihre Antwort erschließen. Dafür generiert die wiederkehrende Bildformel des Triumphzugs allegorische Sinngefüge, die strukturelle Ähnlichkeit mit semantischer Flexibilität verbinden und so auf mehreren Ebenen Differenzierung ebenso wie eine für die Lösung der Wettkampfaufgabe erforderliche Vergleichbarkeit ermöglichen.27 Auf diese Weise bewältigen die Graphiken eine grundlegende Schwierigkeit der Abwägung zwischen den vier von den Leibwächtern benannten Mächten, auf die bereits Thomas von Aquin 1270 im Rahmen einer theologischen Disputation hinwies:28 Die um den Status der größten Macht ‚konkurrierenden‘ Entitäten sind derart verschieden – sie gehören, wie Thomas formulierte, nicht derselben Gattung (genus) an –, dass ihre Vergleichbarkeit sich letztlich auf ihren je spezifischen Einfluss auf den Menschen beschränke.29 Während der Wein auf körperlicher, die Frau auf sinnlicher und der König auf praktisch-politischer Ebene am mächtigsten sei, dominiere die Wahrheit im theoretisch-geistigen Bereich, dessen größere Würde sie in einem absoluten Sinne zur Siegerin mache.30 Wenngleich kaum davon auszugehen ist, dass diese scholastische 27 Zur epistemischen Funktion „der druckgraphischen Triumphallegorie […] als strukturell flexible bildrhetorische Figur“ vgl. Rüth 2022a, S. 30. Vgl. auch Shamos 2015, S. 204–206. 28 Vgl. dazu Aertsen 2002, S. 48  f. 29 Vgl. Thomas von Aquin: Quaestiones, S. 415 (Quodlibet XII, Quaestio 13). 30 Thomas von Aquin: Quaestiones, S. 415. Vgl. Aertsen 2002, S. 49.



4.1. Wahrheitssuche im Wettstreit der Bilder

Argumentation für die Konzeption der Graphikfolge eine direkte Rolle spielte, wird vor ihrem Hintergrund eine zentrale erkenntnisstiftende Funktion deutlich, welche der bildlichen ‚Übersetzung‘ der von den Leibwächtern vorgetragenen Lobreden in die allegorischen Triumphzüge zukommen sollte: Die Kupferstiche transferieren die disparaten, zum Teil ungeordnet und assoziativ wirkenden Ausführungen der höfischen Wettstreiter in eine real wie metaphorisch handhabbare Struktur, die gerade angesichts der ungewöhnlichen Themenwahl den Anspruch der Graphikserie als eigenständiges Medium theologisch-philosophischer Reflexion und visueller Wahrheitserkenntnis nachdrücklich unterstreicht. Mit dem 3. Buch Esra wählten die Künstler dafür eine Textgrundlage, die aufgrund ihrer Rezeptionsgeschichte dazu geeignet war, göttliche Wahrheit im Hinblick auf ihre weltimmanente Relevanz zu thematisieren, ohne dabei unmittelbar in das Konfliktfeld konfessioneller Differenzen einzutreten. Denn die Schrift, die inhaltlich – bezeichnenderweise abgesehen von der nur hier überlieferten ‚Pagenerzählung‘ – weitgehend dem kanonischen Esrabuch entspricht,31 galt und gilt in allen Konfessionen als apokryph.32 Vor allem aufgrund ihres anerkannten (moral-)didaktischen Werts war sie gleichwohl im 16. Jahrhundert – oftmals ohne explizite Markierung als außerkanonischer Text – fester Bestandteil sowohl der Vulgata-Ausgaben und der 1568–1572 bei Christoph Plantin in Antwerpen erschienenen Biblia Polyglotta wie auch der katholischen, lutherischen, calvinistischen und täuferischen Bibelübersetzungen ins Niederländische.33 Es mag gerade dieser ambige, zwischen biblischer Wahrheitsautorität und eingeschränkter Zuverlässigkeit als Apokryph oszillierende Status des 3. Buchs Esra und die damit verbundene Frage nach der Zugänglichkeit der Wahrheit in ihren textlichen Vermittlungsformen sein, welche für Gerard van Groeningen und Philips Galle den Ausgangspunkt bot, um das medienspezifische Erkenntnispotenzial der Kupferstichserie gezielt auszuloten. In diesem Zusammenhang erweist sich insbesondere der von den Künstlern gewählte Darstellungsmodus der Triumphallegorie aufgrund seines Rekurses auf die Festund Graphiktraditionen Antwerpens als entscheidender Träger ästhetischer Reflexion. Anschließend an die etwa von Maarten van Heemskerck entworfenen Serien zum Kreislauf des menschlichen Daseins (1564, vgl. Abb. 40, 41, 110 u. 114) und den Triumphen (Trionfi) nach Francesco Petrarca (um 1565, vgl. Abb. 111) ermöglicht er die Visualisierung von komplexen abstrakten Zusammenhängen und schreibt den Darstellungen das Motiv gegenseitiger agonaler Bezugnahme ein, die im Triumph der jeweiligen Entität zu einem

31 Zum Inhalt der Esra-Bücher vgl. Sæbø 1982. 32 Vgl. Rüger 1978, S. 293–296; Veldman 1987a, S. 235–237. 33 Vgl. Veldman 1987a, S. 235–237. Vgl. auch die Digitalisate der verschiedenen niederländischen Bibelausgaben des 16. und 17. Jahrhunderts, welche die Nederlands-Vlaams Bijbelgenootschap online zur Verfügung stellt, URL: https://www.bijbelsdigitaal.nl (letzter Zugriff: 2. Dezember 2022).

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Abb. 110. Cornelis Cort nach Maarten van Heemskerck: Der Kreislauf des menschlichen Daseins, Blatt 9: Das Jüngste Gericht, verlegt von Hieronymus Cock, 1564, Kupferstich, 227 × 299 mm, Tübingen, Graphische Sammlung am Kunsthistorischen Institut, Inv.-Nr. 2899.

Gestus der Überwindung verdichtet wird.34 Selbst Rezipierende, denen die ‚Pagenerzählung‘ nicht vertraut war oder die das Thema der Vier stärksten Mächte aufgrund seiner fehlenden Bildtradition und dem Verzicht auf eine explizite Textangabe auf den Graphiken nicht erkannten,35 konnten durch die strukturellen Analogien insbesondere mit den verbreiteten Serien nach Entwürfen van Heemskercks die Denkfigur des abwägenden Vergleichs als sinnstiftendes Bindeglied zwischen den einzelnen Blättern rekonstruieren. Das bewusst evozierte Erkennen dieser druckgraphischen Tradition erfüllte darüber hinaus gerade in Bezug auf den Triumph der Wahrheit eine doppelte Funktion: Die inhalt34 Zu Konzept und Struktur der Kreislauf-Serie vgl. v.  a. Rüth 2022a und s.  o. die auf S. 110 in Anm. 241 genannte Literatur. 35 Eine solche (bewusste oder unbewusste) ‚Fehlinterpretation‘ belegt die Verzeichnung der Serie im Katalog der Frankfurter Herbstmesse 1574 als Triumphus Bach. In 4 folijs. 1574, zitiert nach New Hollstein (Gerard van Groeningen 1), S. 196, Nr. 154–157.



4.1. Wahrheitssuche im Wettstreit der Bilder

Abb. 111. Philips Galle nach Maarten van Heemskerck: Die Triumphe nach Francesco Petrarca, Blatt 6: Der Triumph der Ewigkeit, verlegt von Philips Galle, um 1565, Kupferstich, 192 × 264 mm, Amsterdam, Rijksmuseum, Inv.-Nr. RP-P-1891-A-16468.

liche Korrespondenz mit den Darstellungen des Jüngsten Gerichts (Abb. 110) beziehungsweise des Triumphs der Ewigkeit (Abb. 111), welche die oben genannten Serien abschließen, indem sie die göttliche Suprematie über alle weltimmanenten Ordnungsstrukturen veranschaulichen,36 lässt das der Veritas gewidmete Blatt als letztes der unnummerierten Folge erkennbar werden und fordert zugleich dazu auf, über die christologischen sowie eschatologischen Dimensionen des Triumphs der Wahrheit zu reflektieren.37 Die Abschlussgraphiken der oben genannten Folgen des Kreislaufs des menschlichen Daseins und der Trionfi sind dabei durch den Rekurs auf die Ikonographie des Weltgerichts sowie die prägnante Differenz zwischen der in einer himmlischen Sphäre erscheinenden Figur Christi und den anderen, in Triumphwagen fahrenden Entitäten als Visualisierungen der ultimativen Vollendung und Überwindung aller kosmologischen Hierarchien und

36 Vgl. Shamos 2015, S. 251  f.; Rüth 2022a, S. 31  f.; Pawlak / Rüth 2022b. 37 Vgl. Peters 2005, S. 189; Shamos 2015, S. 259.

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Veränderungsprozesse gekennzeichnet.38 Gerard van Groeningen und Philips Galle hingegen verzichteten auf eine derart markante Unterscheidung zwischen den gezeigten Mächten; wohl nicht zuletzt, um den durch die apokryphe Textgrundlage nahegelegten ‚Rätselcharakter‘ der Folge zu stärken und die Einsicht in die Überlegenheit der Veritas an eine aktive Erkenntnisleistung der Rezipierenden zu binden. Erst bei genauerer Betrachtung werden jene Hinweise auf die grundlegende Andersartigkeit der Wahrheit fassbar, die nicht nur durch die verwendete Symbolik sowie die implizite Verbindung zu den christologisch geprägten Abschlussgraphiken anderer allegorischer Triumphzugserien die religiöse Dimension der Darstellungen betonen, sondern damit zusammenhängend vor allem unterschiedliche Formen von Zeitlichkeit visuell miteinander konfrontieren. Denn die für alle Stiche der Vier stärksten Mächte verwendete Bildformel des Triumphzugs kennzeichnet einerseits jede gezeigte Herrschaft – auch jene der Veritas – als liminalen Zustand, dem seine Überwindung gleichsam immer schon eingeschrieben ist.39 Die in der Gefolgschaft der Wahrheitsfigur schreitende Verkörperung der Aeternitas sowie die entgegen der Bewegungsrichtung des Festzuges positionierten Figuren von Caelum und Terra, deren den gesamten Kosmos repräsentierende und buchstäblich im Weg liegende Attribute des Himmels- und Erdglobus den ephemeren Charakter des Festzuges symbolisch in eine räumliche und zeitliche Universalität überführen, deuten andererseits die Überlegenheit der Wahrheit gegenüber chronologischen und topographischen Ordnungsstrukturen an. Zugleich ermöglicht der Bezug auf die Bildthemen des Jüngsten Gerichts und des Triumphs der Ewigkeit ein Verständnis der vierteiligen Kupferstichfolge als Visualisierung eines von verschiedenen Mächten geprägten Geschichtsverlaufs, dessen endgültigen Abschluss im Sinne einer Teleologie der eschatologische Triumph der Wahrheit bildet. Diese spannungsreiche Verknüpfung von Liminalität und Überzeitlichkeit lässt sich als bildlicher Ausdruck einer Differenz verstehen, die zwischen der weltimmanenten, sich mit den Wechselfällen des menschlichen Lebens und der Historie in ihrer Intensität kontinuierlich verändernden Wirksamkeit der Wahrheit sowie ihrer auf einer übergeordneten Ebene beständig gleichbleibenden, alles überragenden Herrschaft besteht. Die Verbindung beider Aspekte stellt nicht nur im Sinne des durch Thomas von Aquin formulierten Problems unterschiedlicher genera der vier abzuwägenden Mächte überhaupt erst eine Vergleichbarkeit der Wahrheit mit Wein, König und Frau her und liefert ebenso die Begründung für die Überlegenheit der Veritas, sondern lässt den Betrachtungsvorgang in diesem Zusammenhang zu einem Konstitutionsakt der bildlich vermittelten Wahrheit avancieren. Denn nur durch einen rezeptionsästhetischen Vorgang, welcher den dargestellten Triumphzug gedanklich auf seine druckgraphischen ‚Vor38 Vgl. Rüth 2022a, S. 31  f.; Pawlak / Rüth 2022b. 39 Zur Ästhetik der Liminalität in Triumphallegorien vgl. mit Bezug auf Maarten van Heemskercks Kreislauf des menschlichen Daseins Rüth 2022a, S. 31. Vgl. auch Shamos 2015, S. 205.



4.1. Wahrheitssuche im Wettstreit der Bilder

läufer‘ bezieht, wird jene eschatologische Sinndimension als Verweis auf die ultimative Realisierung der göttlichen Wahrheit aufgerufen, welche diese nachdrücklich in ihrer Überlegenheit definiert. Erst im Erkenntnisprozess der Betrachtenden wird die Veritas damit im Vergleich mit den anderen drei Mächten letztlich vollends zur Siegerin und der durch die Bildformel des Triumphzuges suggerierte liminale Status ihrer Regentschaft gleichsam überwunden. Vor diesem Hintergrund fungieren die Betonung der Sichtbarkeit als Attribut der Veritas sowie ihre Kontrastierung mit dem gefährlichen Blick auf die Frau als Kommentar und werkimplizite Anleitung für den adäquaten Betrachtungsvorgang: Während die Wahrnehmung der körperlichen Reize der Foemina im Epigramm zum Triumph der Frau als potenziell ordnungsstörendes Risiko präsentiert und mit der Aufforderung verbunden wird, die Augen abzuwenden,40 wird der gleichermaßen mit weiblichen Reizen ausgestattete, nackte Körper der Veritas im Triumph der Wahrheit dezidiert anders codiert. So betont das Epigramm nachdrücklich den Zusammenhang von Wahrheit und Tugend,41 während der Kupferstich eine gleichsam religiös geläuterte Körperlichkeit der Wahrheitsfigur inszeniert. Denn ihre Darstellung rekurriert augenscheinlich auf die – ihrerseits wiederholt den körperlichen Reiz der Heiligenfigur ausstellende42 – Ikonographie der Maria Magdalena, auf die sowohl das lange Haar der Veritas-Figur als auch das im Hintergrund zu sehende Felsmassiv verweisen, das in den Darstellungen der Heiligen wiederholt mit dem Gebirgszug Sainte-Baume als Wohnstätte in ihrer Zeit als Büßerin identifiziert wurde.43 Der Figur der Veritas eignet in diesem Sinne eine sensuelle Anziehungskraft, die jedoch im Anschluss an die Vorstellung, die heilige Eremitin sei von Engeln täglich zu den Gebetszeiten zu Gott erhoben worden,44 auf den Aufstieg vom Irdischen zum Göttlichen, vom Sichtbaren zum Unsichtbaren, aufmerksam macht, welchen die Betrachtenden im Rezeptionsvorgang gedanklich nachvollziehen sollen. Die gewählte Bildformel des Triumphzugs mit ihrer sinnstiftenden Visualisierung abstrakter Zusammenhänge, der damit einhergehende Bezug auf die druckgraphischen Traditionen Antwerpens sowie der spezifische allegorische Darstellungsmodus der Veritas generieren so eine auf mehrfache Weise erkenntnisstiftende Bildsequenz, deren Medialität und Materialität sowie damit verbundene Handhabbarkeit ein signifikantes 40 Zum Zitat s.  o. S. 239, Anm. 24. 41 At Verum, et Veri uirtus de nomine dicta, / E Patris aetherei prodita Diua sinu, / Lux orbi irradians, nullo violabilis aeuo, / Omnia sola regit: omnia sola potest. Vgl. die englische Übersetzung in: Veldman 1987a, S. 227. 42 Vgl. u.  a. Antunes 2014, S. 121–126; Jolly 2016. 43 Zu Darstellungen Sainte-Beaumes in Bildern der Heiligen vgl. u.  a. Koch 1965; Dickman Orth 1981; Edmunds 1989; Büttner 2000, S. 185  f. Zur Verbindung von Veritas und Maria Magdalena vgl. mit Bezug auf ein Gemälde Palma il Giovanes Saxl 1936, S. 216. 44 Vgl. einführend Anstett-Janßen 1974, Sp. 537  f.

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Identifikationspotenzial im Hinblick auf die zugrundeliegende ‚Pagenerzählung‘ in ihrer Rätselhaftigkeit aufweisen. Denn nicht nur die unnummerierten Kupferstiche der Folge, die schon aufgrund ihrer materiellen Beschaffenheit mit jenen vielleicht auf Textil oder Pergament verfassten Schriftstücken assoziiert werden konnten, auf denen die custodes des Perserkönigs ihre jeweiligen Sätze notierten, traten an die Stelle der schriftlich und mündlich ausgeführten Wettstreitbeiträge. Auch Entwurfszeichner, Kupferstecher respektive Verleger und Dichter nehmen in diesem Sinne kollektiv die Rolle der drei Leibwächter ein, wobei sich Philips Galle mit seiner Signatur auf dem Triumph der Wahrheit insbesondere mit dem siegreichen Serubbabel gleichsetzte. Diese Identifikation mit den sich intellektuell messenden custodes lag dabei wohl schon deshalb nahe, weil die rhetorische beziehungsweise performative Beantwortung vergleichbarer philosophischer Wettbewerbsfragen zur künstlerischen Arbeit der vielfach an der Gestaltung städtischer Festumzüge beteiligten niederländischen Rednerkammern gehörte, in denen auch zahlreiche Künstler Mitglieder waren.45 Zugleich treten die Rezipierenden unwillkürlich an die Stelle des Darius und neh­men die Rolle einflussreicher Akteur:innen ein, die über die Hierarchie der präsentierten Mächte zu entscheiden haben. Dieser Identifikationsmöglichkeit kam im historischen Kontext des Niederländischen Aufstandes insofern ein bewusst einkalkuliertes subversives Potenzial zu, als die Betrachtenden im Vorgang der Auseinandersetzung mit den vier Blättern auch über die Macht des Königs befinden müssen, die gegenüber jener der Wahrheit stets verlieren muss; eine Abwägung, die angesichts der zeitgleich öffentlich geführten Debatten um die Legitimation der königlichen Macht Philipps II. und seiner Vertreter in den Niederlanden keinesfalls eine bloß theoretische Frage darstellte.46 Dass Serubbabel darüber hinaus laut dem 3. Buch Esra als Statthalter von Judäa fungierte und der persische König ihm für seinen Sieg im Wettstreit der Leibwächter

45 So wurden beispielsweise während des berühmten Antwerpener Landjuweel von 1561 die Antworten auf die Frage Vvat den mensch aldermeest tot conste vervvect als Sinnspiele inszeniert: Spelen van sinne. Zur soziokulturellen Relevanz derartiger Wettkämpe der Rederijkers vgl. zum Beispiel auch die Aufführungen in Gent 1539 im Kontext der Reformation, dazu Waite 2000, S. 134–164. Zum Verhältnis von Künstlern und Rederijkers vgl. u.  a. Veldman 1977, S. 123–141; Gibson 1981; Ramakers 1996a; Bruijnen 2003; Heuer 2005. Gerard van Groeningen entwarf eine 1571 publizierte Druckgraphikserie mit Darstellungen der vier Kontinente, die auf das allegorische Festprogramm des Antwerpener Ommegang von 1564 rekurriert (vgl. Peters 2005, S. 233–241) und auch Philips Galle verlegte mehrere allegorische Triumphzugserien im Kontext der städtischen Festumzüge (vgl. Peters 2005, S. 174). Ob Galle selbst Mitglied der Rhetorikkammer De Violieren war, ist den Quellen nicht mit Sicherheit zu entnehmen, 1584 und 1586 nahm er jedoch hohe Ämter innerhalb der Antwerpener Lukasgilde ein, in welcher De Violieren organisiert war. Vgl. Peters 2015, S. 261, Anm. 6. 46 Zu diesen Debatten und ihrer künstlerischen Rezeption im Hinblick auf Darstellungen der verkörperten Wahrheit s.  o. Kapitel 2.



4.1. Wahrheitssuche im Wettstreit der Bilder

die Erlaubnis zum Wiederaufbau des Jerusalemer Tempels erteilte,47 unterstreicht zusätzlich die politisch-religiöse Signifikanz des gewählten Themas der ‚Pagenerzählung‘. Denn gerade die Statthalterschaft stand in den Niederlanden im Rahmen der heftigen Kritik an dem 1573 abgesetzten Herzog von Alba sowie der politischen Ambitionen des zu seinem Gegenbild stilisierten Wilhelm von Oranien, der als Statthalter von Holland, Zeeland und Utrecht amtierte,48 im Zentrum aktueller Diskussionen. Die Graphikserie eröffnete so einen kontextbezogenen Assoziationsraum, in dem legitime Macht und religiöse Konsolidierung verhandelt werden konnten und in welchem die im Rezeptionsakt zu vollziehende Hierarchisierung der gezeigten Mächte sowie dabei anzustrebende Wahrheitserkenntnis letztlich mit einem Akt gesellschaftlicher Ordnungsstiftung korrespondieren sollte. Im Rahmen dieser Möglichkeit einer gegenwartsbezogenen Betrachtungsweise der Kupferstichfolge erweisen sich einige der Bildmotive als wohl gezielt gesetzte Anknüpfungspunkte, die im Prozess einer eingehenden Betrachtung der Blätter assoziativ mit zeitgenössischen Konflikten und Debatten in Verbindung zu bringen waren.49 Ganz im Sinne des durch die ‚Pagenerzählung‘ vorgegebenen Rätselcharakters der Vier stärksten Mächte, der eine besondere Aufmerksamkeit der Rezipierenden für die Details des Gesehenen und dessen Abwägung erfordert, ist etwa mit den Verkörperungen des Rex und des – auch mit der Selbststilisierung der Geuzen als Bettler zu assoziierenden50 – Mendicus im Triumph des Weines (Abb. 106) der Verweis auf eine biblische Episode angedeutet, die von den Betrachtenden erkannt werden konnte. Denn die männlichen Figuren erinnern an Darstellungen der Begegnung von Abraham und Melchisedek (Abb. 112), laut welcher der König von Salem dem von einem Feldzug zurückkehrenden Abraham Brot und Wein als Opfer darbrachte (Gen 14,18). Die Künstler griffen damit ein alttestamentliches Thema auf, das bereits in der Biblia pauperum und im Speculum Humanae Salvationis als Präfiguration des Letzten Abendmahls und der Eucharistie fungierte sowie ausgehend von dieser exegetischen Tradition im 16. und 17. Jahrhundert zum Instrument konfessioneller Abgrenzung wurde:51 Während Johannes Calvin die etablierte Auslegung der Begegnung von Abraham und Melchisedek in seiner Institutio Christianae Religionis als Beleg für die ‚Blasphemie‘ der Messe anführte,52 wurde die Szene gerade deshalb in katholischen Bildprogrammen –  wie etwa Peter Paul Rubens’ Tapisserie47 In der theologischen Forschung ist Serubbabels Statthalterschaft umstritten, vgl. Oswald 2009, S. 257; Heckl 2016, S. 199–202; Hensel 2019, S. 223. Im 3. Buch Esra wird sie jedoch vorausgesetzt, vgl. 3 Esra 6,27. 48 Zur propagandistischen Kontrastierung des Herzogs von Alba und Wilhelms von Oranien vgl. u.  a. Horst 1993 und s.  o. Kapitel 2.2. 49 Für ihre Hinweise zu diesem Komplex danke ich Anna Pawlak. 50 Zur Entstehung der Selbststilisierung der Geuzen zu Bettlern vgl. Arnade 2008, S. 79  f. 51 Vgl. Seib 1971; Poorter 1978, S. 191  f.; Schlie 2012, S. 123–127. 52 Calvin: Institutio, S. 806  f. (IV,18,2).

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4. Die (Un-)Sichtbarkeit der Veritas

Abb. 112. Anonyme:r Kupferstecher:in nach Gerard van Groeningen: Historia Abrahami (‚Die Geschichte Abrahams‘), Blatt 2: Abraham und Melchisedek, Kupferstich, 201 × 249 mm, in: ­Thesaurus sacrarum historiarum veteris testamenti […], Antwerpen: Gerard de Jode, 1579, ­Amsterdam, Rijksmuseum, Inv.-Nr. RP-P-1995-25-24.

zyklus zum Triumph der Eucharistie (um 1625) – geradezu demonstrativ typologisch auf die Eucharistiefeier bezogen.53 Ohne in diesem interkonfessionellen Spannungsfeld eindeutig Stellung zu beziehen, präsentiert van Groeningens und Galles Kupferstich diese Kontroversen im Gesamtzusammenhang der Bildfindung als eine weitere Dimension jener sozialen Sprengkraft des Weines, die sich im historischen Kontext auch in den – vereinfacht ausgedrückt – am Wein respektive an dessen religiösem Gebrauch entzündeten Debatten manifestierte. Auch die einen Weinstock pflanzende Figur unterhalb der als Venus gezeigten Triumphatorin im Triumph der Frau (Abb. 108) lässt sich nicht nur als bildliche Um­ set­zung des von Serubbabel vorgebrachten Arguments verstehen, dass Frauen die­ jenigen großziehen, welche die Weinstöcke pflanzen.54 Gerade angesichts der im Entstehungszeitraum der Kupferstichserie erfolgten Abberufung des Herzogs von Alba, während dessen Amtszeit zahlreiche Niederländer:innen ins Exil gezwungen worden

53 Vgl. Poorter 1978, S. 191–197; Muller 2016, S. 194. 54 Vgl. 3 Esra 4,16 und 4,28–31.



4.1. Wahrheitssuche im Wettstreit der Bilder

waren,55 kann das Motiv zugleich als Anspielung auf die zeitgenössische Geschichte mittels einer biblischen Analogie verstanden werden. Unter Rückgriff auf die Heilsankündigung durch den Propheten Amos mögen zeitgenössische Rezipierende auch an die göttliche Ankündigung von Befreiung und Wohlstand an das Volk Israel gedacht haben, mit dem sich die Niederländer:innen in der Frühen Neuzeit bekanntermaßen identifizierten:56 Und ich werde die Gefangenschaft meines Volkes Israel umwandeln, und sie werden verlassene Städte (wieder auf-)bauen und bewohnen und Weingärten pflanzen und deren Wein trinken und Gärten anlegen und deren Früchte essen. Und ich werde sie auf ihrem Boden pflanzen und sie nicht mehr aus ihrem Land herausreißen, das ich ihnen gegeben habe, sagt der Herr, dein Gott (Am 9,14–15).

Die größte Brisanz im Kontext der zeitgleichen politisch-konfessionellen Auseinandersetzungen weist jedoch der Triumph des Königs auf (Abb. 107), der im Anschluss an die Ausführungen des zweiten Leibwächters im 3. Buch Esra – ebenso wie das von Giselinus verfasste Epigramm – die umfassende Befehlsgewalt des Herrschers und die Abhängigkeit des kollektiven Schicksals von den Entscheidungen des Königs betont.57 Dies unterstreichen die oben beschriebene Positionierung der Figur des Rex an der Schwelle zwischen den beiden Seiten der Darstellung, welche dem Krieg und dem Frieden gewidmet sind, sowie der Umstand, dass er die Figuren von Bellum und Pax, wie erwähnt, an ein Seil gebunden in seinem Triumphzug mit sich führt. Mit diesem Motiv greift die Bildfindung einen Ausdruck der Unterwerfung auf, wie er etwa auf dem von Dirck Volckertsz. Coornhert nach einem Entwurf Maarten van Heemskercks gestochenen Titelblatt zu den Siegen Kaiser Karls V. aus dem Jahr 1556 zu sehen ist (Abb. 113): Der glorifizierte Kaiser erscheint hier als hegemonialer Herrscher über die von ihm bezwungenen Feinde, welche der zu seinen Füßen sitzende Adler in zwei zu großen Schlingen geformten Seile gebunden hält.58 Dass in van Groeningens und Galles Bildfindung auch die Figur der Pax als derart besiegte Kriegsgefangene in der Gewalt des Regenten erscheint, verdeutlicht die Ambivalenz seiner königlichen Macht und lässt das Blatt zur bildlichen Thematisierung des im 16. Jahrhundert hoch aktuellen Zusammenhangs von Politik, Religion und Gewalt avancieren.

55 Vgl. u.  a. Schilling 1972; Müller 2016 sowie speziell in Bezug auf niederländische Künstler als Exulanten Veldman 1993; Vermeylen 2013. 56 Vgl. die auf S. 28 in Anm. 8 angeführte Literatur. 57 Paret terra homini, parent vasta aequora ponti, / Hic tamen imperio unius se subijcit ultro / Et liquidis quidquid sedibus aer alit. / Regis et huic vitae ius sinit eße suae. Vgl. die englische Übersetzung in Veldman 1987a, S. 226. Vgl. 3 Esra 4,2–12. 58 Zu dem Blatt vgl. u.  a. Rosier 1990, S. 25  f.; Pawlak / Rüth 2022a.

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4. Die (Un-)Sichtbarkeit der Veritas

Abb. 113. Dirck Volckertsz. Coornhert nach Maarten van Heemskerck: Die Siege Kaiser Karls V., ­ itelblatt, verlegt von Hieronymus Cock, 1556, Kupferstich, 157 × 226 mm, Amsterdam, Rijksmuseum, T Inv.-Nr. RP-P-1950-201A.

Unter Rückgriff auf seine eigene Darstellung Karls  V. hatte bereits Maarten van Heemskerck im Triumph des Krieges (Abb. 114) aus der Serie Der Kreislauf des menschlichen Daseins (1564) die Gefahr eines von der Kriegswut erfassten Herrschers thematisiert.59 Die Infragestellung des bellum iustum, die Sophie Rüth als ein zentrales Thema dieser Graphik herausarbeitete,60 greift van Groeningens und Galles Kupferstich auf, indem er anhand des Motivs des Feuers über die buchstäblich brandgefährliche Wirkung entfesselter Gewalt reflektiert. So wie die Figur des Krieges in van Heemskercks Graphik als Insignie ihrer Macht die Flammen des vor ihr auf dem Triumphwagen sitzenden Furor (‚Raserei‘) in der Linken hält, dessen Auswirkungen in der lichterloh brennenden Stadt im Hintergrund zu erkennen sind,61 trägt auch van Groeningens und Galles Figur des vom Herrscher gelenkten Bellum eine Fackel in der Hand, die auf die dahinter zu sehende Brandschatzung verweist. Die Inszenierung des Monarchen im Triumph des 59 Vgl. Pawlak / Rüth 2022a. 60 Vgl. Rüth 2022a, S. 19 u. 21  f.; Pawlak / Rüth 2022a. 61 Vgl. Pawlak / Rüth 2022a.



4.1. Wahrheitssuche im Wettstreit der Bilder

Abb. 114. Cornelis Cort nach Maarten van Heemskerck: Der Kreislauf des menschlichen Daseins, Blatt 5: Der Triumph des Krieges, verlegt von Hieronymus Cock, 1564, Kupferstich, 228 × 303 mm, ­Tübingen, Graphische Sammlung am Kunsthistorischen Institut, Inv.-Nr. 2895.

Königs fordert dabei weniger zu einer prinzipiellen Ablehnung königlicher Macht als vielmehr, ganz im Sinne der von der zugrundeliegenden Wettkampffrage eingeforderten Abwägung, zu deren kritischer Bewertung auf: Einerseits erscheint die im Hintergrund dargestellte, auf die zeitgenössischen Kriegshandlungen verweisende Brutalität als Konsequenz herrscherlicher Gewaltausübung. Andererseits lässt sich das Motiv des am Seil geführten Bellum als Ausdruck fürstlicher Kontrolle über den gerade nicht durch den Furor bestimmten Krieg verstehen, während das auffällig lange Schwert, welches die Figur der Iustitia mit sich führt, die Möglichkeit einer gerechten Gewaltausübung beständig präsent hält. Ebenso deutungsoffen bleibt in konfessioneller Hinsicht das Motiv der im Aufbau befindlichen Kirche auf der rechten Seite des Blattes: Für das Ende des Krieges wird hierdurch eine (Wieder-)Herstellung der Religion angekündigt, die im historischen Kontext ebenso als ‚Rekatholisierung‘ durch den König wie als Durchsetzung calvinistischer Tendenzen nach dessen Abzug aufgefasst werden konnte. In van Groeningens und Galles Triumph des Königs wird demnach vor allem durch den Rekurs auf bereits bestehende druckgraphische Bildfindungen eine visuelle Reflexion

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über die Korrelation von legitimer und illegitimer Gewalt, potestas und violentia, manifest,62 welche die Funktion der Kupferstichserie als ästhetischer Aushandlungsraum der politischen, religiösen und sozialen Konflikte in den Niederlanden unterstreicht. Die Betrachtenden werden gerade durch die medialen Möglichkeiten der Graphikserie dazu angeleitet, die krisenhaften Ereignisse der Gegenwart als Ergebnis der Wirkungen der gezeigten Mächte zu begreifen, wobei allein der Durchsetzung der Wahrheit das Potenzial zugesprochen wird, ein Ende der gewaltsamen Auseinandersetzungen abschließend herbeizuführen.63 Damit soll durch die Anordnung der Blätter nicht nur innerhalb des eigentlichen Betrachtungsvorgangs die Hierarchie der zunächst scheinbar gleichberechtigt nebeneinanderstehenden Mächte erkannt und zugleich hergestellt, sondern der Triumph der Wahrheit idealerweise im Kontext politischen und konfessionellen Handelns auch in der außerbildlichen Wirklichkeit realisiert werden. Mit ihrer innovativen Graphikserie eröffneten Gerard van Groeningen und Philips Galle einen ästhetischen Resonanzraum, in welchem das Thema der Vier stärksten Mächte in den folgenden Jahrzehnten wiederholt von weiteren Künstlern aufgegriffen wurde.64 Im Sinne eines produktiven Wett- und Mitstreits schufen diese in kreativer Fortsetzung des im apokryphen Text geschilderten intellektuellen Kräftemessens variierende Bildfindungen, in denen sie mit verschiedenen allegorischen Darstellungsmodi operierten. Auf diese Weise partizipierten sie an einer zeitgenössischen Praxis der niederländischen, insbesondere der Antwerpener Druckgraphikproduktion, in der sowohl etablierte Ikonographien wie jene der Tugenden und Laster als auch neuere Sujets wie der bereits erwähnte Kreislauf des menschlichen Daseins in unterschiedlichen Konfigurationen immer wieder aufs Neue dargestellt wurden, um dabei – nicht zuletzt aus ökonomischen Gründen  – die formalen wie inhaltlichen Optionen allegorischer Kupferstichfolgen, ihren erkenntnisstiftenden Mehrwert sowie ihre gesellschaftliche Relevanz programmatisch auszuloten.65 In diesem Zusammenhang experimentierten die Künstler im Hinblick auf das Thema der Vier stärksten Mächte zum einen mit variierenden Verfahren der bildlichen Umsetzung des Abstrakten sowie mit der konzeptionellen Funktionalisierung der Serialität

62 Der Zusammenhang von potestas und violentia wurde vor allem im 17. Jahrhundert zu einem zen­ tralen Bestandteil des politischen Diskurses in den Niederlanden. Vgl. Noak 2008; Noak 2012; ­Pawlak 2022a, S. 155  f. 63 Vgl. Ilja M. Veldmans Feststellung, der Triumph der Wahrheit habe im historischen Kontext ange­ sichts politisch-religiöser, sozialer und ökonomischer Krisen besonders reizvoll erscheinen müssen: Veldman 1987a, S. 235. 64 Zur künstlerischen Rezeption von Galles und van Groeningens Vier stärksten Mächten vgl. Veldman 1987a. 65 Vgl. dazu u.  a. Kaulbach / Schleier 1997; Shamos 2015; Rüth 2022a, S. 33  f.; Rüth 2022b.



4.1. Wahrheitssuche im Wettstreit der Bilder

von Kupferstichfolgen,66 indem sie die Potenziale von wechselseitigen Bezügen und Kontrastierungen der Blätter sowie verschiedene Formen der Rezeptionslenkung und Handhabung gezielt nutzten. Zum anderen erprobten sie, wie im Folgenden anhand dreier Serien knapp ausgeführt werden soll, differenzierte visuelle Strategien zur Darstellung jenes Spezifikums, welches die Macht der Wahrheit von jener des Weines, des Königs und der Frau grundsätzlich unterscheidet: der Verbindung von Irdischem und Himmlischem, Sichtbarem und Unsichtbarem, für dessen adäquate Vermittlung die Darstellungen der Veritas letztlich stets über sich selbst hinausweisen müssen, um jene Vergleichbarkeit des Unvergleichlichen herzustellen, die nicht nur für die angemessene Lösung der Rätselaufgabe notwendig ist, sondern auch den ästhetischen Erkenntnisbeitrag der Graphiken konstituiert. Während Gerard van Groeningen und Philips Galle die Bildformel des Triumphzugs als in der zeitgenössischen Kultur fest verankertes Sinnbild der Macht nutzten, das in seiner räumlich-zeitlichen Abfolge das gegenseitige Übertrumpfen der dargestellten Entitäten visualisieren soll, verband Ambrosius Francken in der von ihm entworfenen Serie der Vier stärksten Mächte (Abb. 115–118) mehrere Formen der Veranschaulichung abstrakter Zusammenhänge zu vielschichtigen Bildinventionen.67 Zu Füßen der jeweils im Vordergrund gezeigten allegorischen Hauptfigur, deren zentrale Positionierung als anschau­ licher Ausdruck der Macht die gesamte Darstellung dominiert, liegen die Symbole ihrer Herrschaft, die im Falle der dem Wein, dem König und der Frau gewidmeten Blätter in Form zerbrochener Gegenstände auch deren destruktive Folgen ausstellen. Während diese Objekte auf die allgemeinen Wirkungsweisen der jeweiligen Entität verweisen, spezifizieren exemplarische, zumeist biblische Szenen im Hintergrund ihre negativen Konsequenzen. Damit wird nicht nur die historische Dimension der veranschaulichten Machtverhältnisse betont, sondern das apokryphe Bildthema, dessen Ursprung im 3. Buch Esra auf dem ersten Blatt explizit angegeben ist, bildlich in die Zusammenhänge des biblischen Textes (re-)integriert. Die zwischen 1573 und 1579 von Peeter Baltens in Antwerpen verlegten Bildfindungen fungieren insofern auch als eine visuelle Reflexion über den Status des apokryphen Textes, der als ein komplementärer Zugang zu jenen

66 Zu den ästhetischen Potenzialen von Serialität vgl. u.  a. Knellessen / Schiesser / Strassberg 2015; Scholtz 2017. 67 Zu der Serie vgl. New Hollstein (Wierix Family 8), S. 185  f., Nr. 1833–1836 sowie Veldman 1987a, S. 228–231; Kostyshyn 1994, S. 986–992, Nr. C-45–C-48; Wiebel 1995, S. 54; Bleyerveld 2000, S. 133– 136. Zu Ambrosius Francken vgl. u.  a. Peeters 2008, zu Johannes Wierix vgl. u.  a. Wiebel 1995, zu Baltens vgl. die auf S. 71 in Anm. 133 genannte Literatur. Der Datierungszeitraum ergibt sich aus der Tätigkeit Franckens in Antwerpen, wo er 1573 als Meister in der Lukasgilde registriert wurde (vgl. Peeters 2008, S. 102), als terminus post quem sowie der Verwendung der Serie in Gerard de Jodes Thesaurus Veterum et Novi Testamenti (1579) als terminus ante quem.

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4. Die (Un-)Sichtbarkeit der Veritas

Abb. 115. Johannes Wierix nach Ambrosius Francken: Die vier stärksten Mächte, Blatt 1: Die Macht des Weines, verlegt von Peeter Baltens, 1573–1579, Kupferstich, 238 × 274 mm, Amsterdam, Rijksmuseum, Inv.-Nr. RP-P-1906-1807.

grundlegenden Gesetzmäßigkeiten präsentiert wird, welche die Episoden der biblischen Historie ebenso prägen wie die Ereignisse der Gegenwart. Auf dem ersten Blatt (Abb. 115) veranschaulicht die in Gestalt des Bacchus gezeigte Verkörperung des Weines durch das demonstrative Verschütten des Getränks auf das zu seinen Füßen liegende, mit der vorderen Ecke und einer Schließe in das Textfeld eindringende Buch sowohl die transgressive Wirkung des Weines als auch die daraus resultierende dementia (‚Unverstand, Narrheit‘), welche das Epigramm betont.68 Während 68 Quam validæ Vini vires, dementia reddit / Corda virvm, in fvndens secvra oblivia rerv[m], / Solvit amicitias, discindit fœdera: sacros / irridet regis vvltus: discernere nescit / Qvis dives, qvis inops fandi immemoratq[ue] nefa[n]di, / Est igitur poti non parva potentia Vini. Vgl. die englische Übersetzung in: Veldman 1987a, S. 228  f.



4.1. Wahrheitssuche im Wettstreit der Bilder

Abb. 116. Johannes Wierix nach Ambrosius Francken: Die vier stärksten Mächte, Blatt 2: Die Macht des Königs, verlegt von Peeter Baltens, 1573–1579, Kupferstich, 238 × 274 mm, Amsterdam, Rijksmuseum, Inv.-Nr. RP-P-1906-1808.

die am Boden zu sehenden zerbrochenen Arbeitsgeräte, der achtlos hingeworfene Geldsack und die als Symbol zerstörter Eintracht von einem Schwert durchtrennten eingeschlagenen Hände auf die gesellschaftlichen Konsequenzen dieses Zustands verweisen, deuten die im Hintergrund gezeigten Exempla von Lot und seinen Töchtern (Gen  19,30–38) sowie Judith und Holofernes (Jdt  12,10–20) die tödlichen Folgen der Hingabe an sinnliche Genüsse an. Die auf dem zweiten Blatt folgende Darstellung der Macht des Königs (Abb.  116) präsentiert diesen als Inhaber äußerster Kontrolle über Krieg und Frieden. Der Monarch erscheint im Bildvordergrund mit einem Olivenzweig in der Linken und einem Schwert in der Rechten, das er als Ausdruck der Beherrschung selbst brenzliger Situationen auf der Spitze eines zerbrochenen Obelisken balanciert, auf dessen Überresten er thront. Seine fürstliche Macht wird erneut durch das Feuer visualisiert, das hier jedoch in unter­

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4. Die (Un-)Sichtbarkeit der Veritas

Abb. 117. Johannes Wierix nach Ambrosius Francken: Die vier stärksten Mächte, Blatt 3: Die Macht der Frau, verlegt von Peeter Baltens, 1573–1579, Kupferstich, 238 × 275 mm, Amsterdam, Rijksmuseum, Inv.-Nr. RP-P-1906-1809.

schiedlich konnotierten Konfigurationen gezeigt wird und nicht allein auf kriegerische Zerstörung verweist, sondern auch die Lenkung elementarer Gewalten demonstriert. Denn während links eine Stadt in hoch aufschlagenden Flammen steht, ist in der rechten Hälfte des Bildes, die auch durch den abgelegten Rüstungshandschuh als jene des Friedens ausgewiesen wird, ein geschmückter Obelisk zu sehen, aus dessen Spitze ein Feuerwerk hervorgeht.69 Der Kupferstich betont so einerseits die irdische Macht des Königs, die von dem im Vordergrund zu sehenden, durch die Konturen von Kontinenten ausgezeichneten Globus symbolisiert wird. Andererseits begrenzt die Graphik – in dezidierter Absetzung von Galles und van Groeningens Triumph des Königs, der eine im Bau 69 Zum Feuerwerk als Ausdruck fürstlicher Macht vgl. u.  a. Möseneder 1983; Salatino 1997; Pawlak 2023.



4.1. Wahrheitssuche im Wettstreit der Bilder

Abb. 118. Johannes Wierix nach Ambrosius Francken: Die vier stärksten Mächte, Blatt 4: Die Macht der Wahrheit, verlegt von Peeter Baltens, 1573–1579, Kupferstich, 240 × 275 mm, ­Amsterdam, Rijksmuseum, Inv-Nr. RP-P-1906-1810.

befindliche Kirche zeigt (vgl. Abb. 107) – den Einflussbereich des Monarchen durch den im Vergleich mit den übrigen Blättern auffallenden Verzicht auf biblische Hintergrundszenen sowie eindeutig christliche Motive maßgeblich auf die weltliche Sphäre. Damit lässt sich der Stich, der dem König jegliche Entscheidungsgewalt in religiösen Fragen zu entziehen scheint, als visueller Beitrag zu den zeitgenössischen Debatten um den Umfang und die Beschränkungen fürstlicher Souveränität verstehen, wie sie etwa die in Kapitel 2. der vorliegenden Arbeit untersuchten Graphiken thematisieren und an denen sich der Verleger Peeter Baltens, wie das Beispiel der von Maerten de Vos entworfenen Serie zur Eroberung der Antwerpener Zitadelle (Abb. 21–28) belegt, wiederholt aktiv beteiligte. Diese historische Aktualität des Themas fürstlicher Herrschaft in der Serie der Vier stärksten Mächte wird auch dadurch ersichtlich, dass die Gegenüberstellung des zerbrochenen und des intakten Monuments mit einer allegorischen Darstellung des Friedens

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4. Die (Un-)Sichtbarkeit der Veritas

Abb. 119. Jacques de Gheyn (I): Allegorie auf das Ewige Edikt, 1577, Radierung, 268 × 206 mm, Amsterdam, Rijksmuseum, Inv.-Nr. RP-P-1978-79.

in Verbindung zu bringen ist, die Jacques de Gheyn anlässlich des Ewigen Edikts 1577 schuf (Abb. 119).70 In dieser Radierung steht die über die Discordia (‚Zwietracht‘) triumphierende Figur der Pax (‚Frieden, friedliche Herrschaft‘) unter der von Engeln präsentierten Inschrift Pax vobis (‚Der Friede sei mit Euch‘) vor einem mit biblischen Szenen und Ornamenten geschmückten Friedensdenkmal. Dessen auffälligste Charakteristika bilden ein zerbrochener, mit Kriegssymbolen versehener Obelisk auf der linken sowie ein unter anderem mit einer Waage, einem Szepter sowie dem habsburgischen Doppeladler verzierter, intakter Obelisk auf der rechten Seite. Eine solche architektonische Veranschaulichung des Übergangs vom Krieg zum Frieden, die von de Gheyn ebenso als 70 Zu der Radierung vgl. New Hollstein (De Gheyn Family 1), S. 22  f., Nr. 7 sowie Hoop Scheffer 1978, S. 100; Horst 2003, S. 207–209. Die motivische Übereinstimmung mit dem Obelisken auf van Groeningens und Galles Triumph der Wahrheit (Abb. 109) lässt sich auch als bildliche Auseinandersetzung mit dieser früheren Wahrheitsdarstellung verstehen. Der von Francken entworfene Kupferstich behauptet so, eine fürstliche potestas zu visualisieren, die sogar die Macht der in der älteren Graphikfolge dargestellten Wahrheit übertrifft. Zugleich lässt sich dieser bildliche ‚Transfer‘ des Obelisken als implizite Kritik an der früheren Darstellung der Veritas und als künstlerische Form der Aushandlung einer angemessenen bildlichen Repräsentation der Wahrheit und ihrer spezifischen Macht verstehen.



4.1. Wahrheitssuche im Wettstreit der Bilder

Bedingung wie als Folge einer gerechten Herrschaft Philipps II. präsentiert wird, nutzte auch Francken für die Inszenierung des Monarchen als potenzieller Friedensbringer, der jedoch, wie das zerbrochene Artefakt zu seinen Füßen andeutet, stets auch die Möglichkeit besitzt, den von ihm hergestellten Frieden wieder zu vernichten. Ähnlich wie in Gerard van Groeningens und Philips Galles Vier stärksten Mächten fungiert die Darstellung des Regenten demnach auch hier als zentrale Projektionsfläche für aktuelle politisch-konfessionelle Diskurse und fordert die Rezipierenden nicht zuletzt zur Abwägung und Bewertung königlicher Herrschaft auf. Der dritte Stich der Serie visualisiert anschließend die Macht der Frau (Abb. 117), die sowohl in der Rolle als Mutter wie in jener als Verführerin mit einer letztlich zerstörerisch wirkenden Sinnlichkeit assoziiert wird. Im Hintergrund erscheinen so die exemplarischen Darstellungen von Simson und Delila (Ri  16,18–21) sowie des durch seine Konkubinen zur Idolatrie angeleiteten Königs Salomo (1 Kön 11,1–8, vgl. Abb. 122), vor denen die Verkörperung der Frau in der Bildmitte als Stillende gezeigt wird, deren Säugling durch seine Krone als kindliche Figur des Königs ausgewiesen ist. Damit rekurriert das Bild auf das von Serubbabel vorgebrachte und im Epigramm des Kupferstichs wiederholte Argument für die Überlegenheit der Frau, dass diese auch den Herrscher gebäre.71 Zugleich veranschaulicht es durch die am Boden liegenden zerstörten Insignien herrscherlicher Macht und irdischen Reichtums sowie das zerbrochene Szepter in der Hand der zentralen weiblichen Figur die gesellschaftliche Ordnungen und Hierarchien durchbrechende Wirkungsmacht der Frau. Die Darstellung der Macht der Wahrheit auf dem vierten und letzten Blatt zeichnet sich gegenüber den anderen Kupferstichen durch eine auf die räumliche und zeitliche Universalität der Veritas verweisende Bildstruktur aus, die sowohl die Überlegenheit der Wahrheit über ihre ‚Konkurrenten‘ als auch ihr göttliches, die sinnliche Sphäre übersteigendes Wesen fokussiert (Abb. 118). Vor den im Hintergrund zu sehenden Darstellungen des Sturzes der gefallenen Engel sowie der Parusie und des Jüngsten Gerichts steht die Figur der Veritas, die durch die das Richteramt versinnbildlichende Waage, das mit dem hebräischen Namenszug Jeschua beschriftete, symbolisch auf Christus als lux mundi rekurrierende Licht der brennenden Kerze sowie explizit durch die im geöffneten Buch mit Sieben Siegeln zu lesende Inschrift Ego sum Via Veritas et Vita. Ioan. 14 (Joh 14,6: „Ich bin der Weg [und] die Wahrheit und das Leben“) in ihrer Identität mit Christus visualisiert wird.72 In einem antikisierenden Triumphgestus tritt die verkörperte Wahrheit mit dem linken Fuß auf einen transparenten Globus, in dem die Figuren des Weines, des Königs 71 Vgl. 3 Esra 4,15–16 sowie das Epigramm: Vina tamen Regemqve excellit Fœmina, Regis / Progenitrix, ­hominvmqve maris terræqve potentv[m] / Illivs indomito prvdentia cedit amori, / Vividaqve absistit virtvs: illa aspice flentes / Flente viros, lætante hilares, pellente timorem / Impavidos. Ergo svbdit sibi Fœmina Regem. 72 Vgl. Mestemacher 2014, S. 182. Zu Christus als lux mundi vgl. Joh 8,12; 9,15.

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4. Die (Un-)Sichtbarkeit der Veritas

Abb. 120. Johannes Wierix nach Ambrosius Francken: Die vier ­stärksten Mächte, Blatt 4: Die Macht der Wahrheit, verlegt von Peeter Baltens, 1573–1579, Kupferstich, Detail aus Abb. 118.

und der Frau zu erkennen sind (Abb. 120). Mit diesem Motiv der sich offenbar drehenden Kugel griffen die Künstler erneut auf die bereits in Gerard van Groeningens und Philips Galles Vier stärksten Mächten rezipierte Kupferstichfolge Der Kreislauf des menschlichen Daseins (1564) nach Entwürfen Maarten van Heemskercks zurück. Von dieser übernahmen sie nun jedoch nicht die Bildformel des allegorischen Triumphzugs, sondern modifizierten die dort im Triumph der Welt (Abb. 40) zu sehende Sphäre, in welcher die auf den folgenden Graphiken gezeigten Daseinszustände repräsentiert sind.73 Während die sieben in die Kugel eingefassten Figuren in van Heemskercks Kupferstich in einer geordneten Abfolge den zyklischen Lauf der Welt visualisieren, scheinen die drei Figuren in Die Macht der Wahrheit mitsamt ihren Attributen chaotisch durcheinander zu stürzen. Ihre gewundenen Körperhaltungen erzeugen ebenso wie die konzentrisch angeordneten Kreislinien, welche die Kugelform evozieren, den Eindruck eines vom Drehen des Globus erzeugten Strudels, von welchem die Figuren gewaltsam herumgewirbelt werden. In Anspielung auf die Vorstellung von Gott als unbewegtem Beweger scheint die selbst ruhig stehende Figur der Veritas das Rund wie einen Spielball zu steuern, wodurch ihre Macht als universale Konstante innerhalb der Wechselfälle des menschlichen Daseins präsentiert wird. Wie die mit Figuren gefüllte Kugel auf dem Eröffnungsblatt der Kreislauf-Serie auf den von den folgenden Blättern konfigurierten Geschichtsverlauf sowie dessen bis zum Jüngsten Gericht bestehende Unterordnung unter die kosmologischen Gesetzmäßig73 Vgl. zu dem Blatt zuletzt Koller / Pawlak / Rüth 2022; zu der Serie vgl. die auf S. 110 in Anm. 241 ge­nannte Literatur.



4.1. Wahrheitssuche im Wettstreit der Bilder

keiten verweist, eröffnet das letzte Blatt der von Francken entworfenen Vier stärksten Mächte ebenfalls eine sinnstiftende, hier retrospektiv gewendete, Perspektive auf die übrigen Graphiken der Folge. Rückblickend wird nun deutlich, dass auch die vorangehend dargestellte Macht des Weines, des Königs und der Frau immer schon von jener der –  dort gleichsam unsichtbar wirkenden  – Veritas beherrscht sind, wie auch die Szenen im Hintergrund des die Serie abschließenden Kupferstichs verdeutlichen: Indem links, in einer Verschmelzung von urzeitlichem und apokalyptischem Engelsturz,74 der Kampf der Engel gegen den Teufel und seine Verbündeten zu sehen ist, dem auf der rechten Seite des Blattes die Parusie sowie die Auferstehung der Toten zum Jüngsten Gericht gegenübergestellt sind, erscheint die gesamte Heilsgeschichte der mit Christus identischen Wahrheit unterworfen, die –  wie das Epigramm andeutet  – die machina mundi beständig kontrolliert: Sed mala Vina, malvs Rex est, mala fœmina, ta[n]demque Interevnt, solique manet victoria Vero. Proditvr illivs Fallacia lvmine: dvratque Æternvm, ivsta compensans omnia lance, Qvis Vervm non svspiret, cvi cælica plandvnt Agmina, et immensi gratatvr machina mvndi?75 ‚Aber schlecht ist der Wein, schlecht ist der König, schlecht ist die Frau, und schließlich / gehen sie zugrunde, und der Sieg bleibt allein für das Wahre. / Die Täuschung wird durch sein Licht offenbart: und es [= das Wahre] überdauert / als ewiges, wobei es alle Dinge mit gerechter Waagschale abwägt. / Wer ersehnt wohl nicht das Wahre, dem die himmlischen Heere huldigen / und dem die Ordnung der unermesslichen Welt freudig dankt?‘76

Die göttliche Ordnung der Welt, die im Epigramm durch den semantisch vielschichtigen Begriff der ‚machina mundi‘ als ebenso stabil wie dynamisch gekennzeichnet wird,77 erscheint damit grundlegend durch ein Hinstreben zur Revelation endzeitlicher Wahrheit bestimmt, deren eschatologische Erfüllung der vierte Kupferstich visualisiert. Das von der Veritas-Figur präsentierte Buch mit Sieben Siegeln verweist in diesem Zusammenhang symbolisch auf den heilsgeschichtlichen Offenbarungsprozess und setzt diesen dezidiert in Analogie zum rezeptionsästhetischen Erkenntnisvorgang, in dessen Verlauf 74 Zur Verbindung der beiden Engelstürze in der niederländischen Kunst der Frühen Neuzeit vgl. Pawlak 2011, S. 45–85. 75 Zur semantischen Differenzierung von ‚verum‘ und ‚veritas‘ im Lateinischen vgl. Wülfing von Martitz 1968. ‚Veritas‘ sei demnach „stets als wirkliche Abstraktion empfunden“ worden (S. 280), während ‚verum‘ „die Wahrheit meint, die sich an der Sache zeigt und von der Sache her Wirkungen ausübt“ (S. 289). 76 Übersetzung von Katharina Ost, der ich auch für ihre Anmerkungen zu dem Epigramm danke. 77 Vgl. zum Konzept der machina mundi u.  a. Popplow 1993; Mittelstraß 1995; Wegmann 2005, S. 90–94; Popplow 2007.

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4. Die (Un-)Sichtbarkeit der Veritas

Abb. 121. Johannes Wierix nach Ambrosius Francken: Die vier ­stärksten Mächte, Blatt 1: Die Macht des Weines, verlegt von Peeter Baltens, 1573–1579, Kupferstich, Detail aus Abb. 115.

die Betrachtenden die Überlegenheit der Wahrheit begreifen sollen. Denn es korrespondiert bezeichnenderweise mit jenem auf dem ersten Blatt der Serie gezeigten Buch, das dort unter dem Gewicht des Bacchus verschlossen bleibt (Abb. 121). Der am Schnitt mit Esdr. 3 cap beschriftete und durch vier Lesezeichen markierte Band zu Füßen des Weingottes legt nicht nur die Textgrundlage der Kupferstichfolge offen, sondern verweist zugleich unmissverständlich auf die vier in den Graphiken dargestellten Textpassagen sowie den mit der Lektüre der ‚Pagenerzählung‘ parallelisierten Rezeptionsvorgang. Die sukzessive Betrachtung der nummerierten Blätter, deren Epigramme mit der Erwähnung des Triumphs über die jeweils vorhergehende Macht beginnen sowie enden und dadurch die hierarchische Beziehung der vier Entitäten näher bestimmen,78 wird so als ein klar strukturierter Offenbarungsprozess konturiert, als dessen Metapher das zunächst verschlossene und im weiteren Verlauf der Betrachtung gleichsam zu öffnende Buch fungiert. Der in der Rezeption vorzunehmende Vergleich zwischen den vier Blättern der Folge wird insofern mit jenem eschatologischen Akt des Urteilens in Verbindung gebracht, den der letzte Kupferstich eindrücklich vor Augen führt. Der bewegte Gesichtsausdruck der mit leicht geöffnetem Mund in eine Sphäre jenseits des Bildes blickenden Wahrheitsfigur ebenso wie ihr prominent in Szene gesetztes Gewand, das sich voluminös aufbauscht, um ihren entblößten Oberkörper umso deutlicher hervorzuheben, betonen die Momenthaftigkeit der bildlich inszenierten Revelation: In eben diesem Moment, in welchem die Gestalt der verkörperten Wahrheit für die Rezipient:innen unter dem Stoff sichtbar wird, ereignen sich, so suggeriert der Kupferstich, zwei parallele Formen des Urteils. Das erforderte Richten der Betrachtenden über Wein, König, Frau und Wahrheit wird sinnstiftend mit dem im Bild gezeigten göttlichen Gericht in Analogie gesetzt, sodass die Einsicht in die Hierarchie der Entitäten gleichsam die Erkenntnis 78 Vgl. zu den Epigrammen die englischen Übersetzungen in: Veldman 1987a, S. 228–231.



4.1. Wahrheitssuche im Wettstreit der Bilder

Abb. 122. Johannes Wierix nach Ambrosius Francken: Die vier stärksten Mächte, Blatt 3: Die Macht der Frau, verlegt von Peeter Baltens, 1573–1579, Kupferstich, Detail aus Abb. 117.

endzeitlicher Wahrheit antizipiert. Vor diesem Hintergrund fungiert der Umgang der Veritas-Figur mit dem an der ästhetischen Grenze platzierten Globus, in welchem die Gestalten ihrer unterlegenen ‚Konkurrenten‘ umhergeworfen werden, auch als Sinnbild für den in der Handhabung der Graphiken zu vollziehenden Abwägungsprozess: Indem die Betrachtenden die Kupferstiche im Vorgang ihrer Auseinandersetzung mit den intermedialen Inventionen bewegen, um erst mit der als unumkehrbarer Endpunkt inszenierten Darstellung der Wahrheit zu einem Abschluss zu gelangen, vollziehen sie gewissermaßen die sich dynamisch entfaltende göttliche Ordnung der machina mundi nach, welche den Sieg der Veritas begründet. Im Zusammenspiel der Graphiken werden die Bedingungen dieses rezeptionsästhetischen Erkenntnisvorgangs dabei werkimplizit näher bestimmt und innerhalb zeitgenössischer Debatten verortet. Denn wie schon in van Groeningens und Galles Vier stärksten Mächten der Vergleich zwischen den Darstellungen der Frau und der Wahrheit den sinnlich vermittelten Zugang zur Veritas reflektiert, fungiert auch hier gerade der dritte Kupferstich der Serie als Ausgangspunkt eines Nachdenkens über die potenziellen Risiken der mit der Kunstbetrachtung assoziierten Sinnlichkeit. So ruft die im Hintergrund der Graphik gezeigte Anbetung eines paganen Kultbildes durch den von seinen Konkubinen verführten König Salomo explizit das innerhalb bilderkritischer Diskurse zentrale Thema der Idolatrie auf (Abb. 122). Dass die im Vordergrund präsentierte Verkörperung der Frau zudem – in bewusster Abweichung von Galles und van Groeningens

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Triumph der Frau – weniger an die Figur der Venus als vielmehr an jene der Maria lactans erinnert,79 rekurriert in diesem Kontext wohl gezielt auf diese zeitgenössisch hoch umstrittene Ikonographie. Denn die Darstellungen der stillenden Gottesmutter waren im 16. Jahrhundert sowohl aufgrund des mariologischen Themas als vor allem auch der als unangemessen empfundenen Entblößung der Brust Mariens ein zentraler Gegenstand insbesondere reformatorischer Bilderkritik und wurden vielfach aus Kirchen entfernt.80 Der provokante Vergleich zwischen der Verkörperung weiblicher Verführungskraft und der Figur der Gottesmutter verweist so auf die grundlegende Frage nach angemessenen Darstellungsformen von sowie Umgangsweisen mit (religiöser) Kunst.81 Denn diese sind – wie die am Boden liegende, zerbrochene Waage als Symbol gestörter Ordnung zu verstehen gibt – nicht nur aus dem Gleichgewicht geraten, sondern müssen von den Rezipierenden deshalb auch mit Bedacht abgewogen werden.82 Im Kontrast zu einer allein auf das Sinnliche fokussierten und daher fehlgeleiteten Betrachtung erheben die Kupferstiche davon ausgehend den Anspruch, eine dezidiert geistige Annäherung an das Göttliche zu ermöglichen. Denn insofern das geschlossene Buch auf dem ersten Kupferstich der Folge den Zustand der durch sensuelle Genüsse herbeigeführten dementia symbolisiert, steht das geöffnete Buch mit Sieben Siegeln zugleich für den (Rück-)Gewinn geistiger Einsicht (mens) im rezeptionsästhetischen Offenbarungs- und Enthüllungsprozess. Erst diese, so die implizierte Argumentation, ermöglicht es, die auf dem letzten Blatt als Gegenstand der Revelation präsentierte Identität von Veritas und Christus, das heißt letztlich das Wesen der Wahrheit zu erkennen, das sich einer bloßen sinnlichen Wahrnehmung nicht erschließt. In diesem Sinne hat der Rezeptionsvorgang idealiter als ein Urteilsprozess zu fungieren, der zunächst den Vergleich der vier konkurrierenden Mächte, auf einer damit zusammenhängenden, zweiten möglichen Deutungsebene aber auch die zu verallgemeinernde Frage nach dem Status der Bilder und ihrer Fähigkeit betrifft, das Göttliche anschaulich zu vermitteln. Während Baltens’ und Franckens Folge der Vier stärkste Mächte das apokryphe Thema verstärkt an den biblisch-christlichen Kontext rückbindet und die Visualisierung der Wahrheit davon ausgehend als ein theologisch verankertes Darstellungs- und Betrachtungsproblem reflektiert, wählt die dritte der ‚Pagenerzählung‘ gewidmete Serie erneut 79 Auf diese Analogie weist Rachel Trubowitz hin: Trubowitz 2012, S. 47–51. Die Autorin betrachtet das Blatt jedoch nicht im Kontext der gesamten Bildfolge und kann die zentrale Figur der Stillenden nur deshalb in Analogie zur Gottesmutter als Verkörperung einer „enlightened Christian community“ (S. 51) verstehen. 80 Vgl. Berns 2014, S. 1207. 81 Als unbekleidete bärtige Figur mit einem Dreizack erinnert die Figur an Darstellungen des Pluto oder Neptun. Rachel Trubowitz’ Deutung der Figur als eine weibliche Göttin, womöglich Isis (Trubo­witz 2012, S. 48), ist daher nicht zuzustimmen. 82 Die zerbrochene Waage hebt Ilja M. Veldman hervor: Veldman 1987a, S. 229.



4.1. Wahrheitssuche im Wettstreit der Bilder

Abb. 123. Pieter Perret nach Hendrik Withoeck: Die vier stärksten Mächte, Blatt 1: Die Macht des Weines, 1590/1591 (?), Kupferstich, 226 × 153 mm, Leiden, Universitätsbibliothek, Inv.-Nr. PK-P-120.456.

einen ganz eigenen Zugriff auf die noch junge Ikonographie (Abb. 123–126).83 Die vier zwischen 1590 und 1595 von Pieter Perret nach den Zeichnungen Hendrik Withoecks gestochenen hochformatigen Bildfindungen greifen zur Veranschaulichung der abstrakten Entitäten auf das Vorbild antiker Skulpturen zurück, indem sie den Wein, den König, die Frau und die Wahrheit in Form ‚lebendiger‘, auf Sockeln ausgestellter Standbilder von Bacchus, Mars, Venus und Minerva präsentieren. In neuer Konsequenz führten die Künstler damit den bereits von Gerard van Groeningen und Philips Galle eingeführten Ansatz fort, den Status der Entitäten als übergeordnete Mächte sowie ihre gleichzeitige irdische Wirksamkeit in Anlehnung an das griechisch-römische Götterpantheon, aber auch an die darauf bezogene Bildtradition der Planetengötter,84 zu veranschaulichen und so antik-pagane mit christlichen Wissensbeständen zu verschränken. 83 Zu der Serie vgl. Hollstein 17, S. 45–47, Nr. 27–30 sowie Veldman 1987a, S. 231  f. Zu Pieter Perrets Biographie vgl. Veldman 2019. Zu Withoeck vgl. Veldman 1987a, S. 232. 84 Zu Darstellungen der Planetengötter vgl. die auf S. 268 in Anm. 88 sowie auf S. 270 in Anm. 89 genannte Literatur.

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Abb. 124. Pieter Perret nach Hendrik Withoeck: Die vier stärksten Mächte, Blatt 2: Die Macht des Königs, 1590/1591 (?), Kupferstich, 226 × 153 mm, Leiden, Universitätsbibliothek, Inv.-Nr. PK-P-120.457.

Auf dem ersten Blatt der unnummerierten Bildfolge lehnt die bis auf ein sich hinter dem weinlaubgeschmückten Kopf des Bacchus aufbauschendes Tuch unbekleidete, muskulöse Figur des Weingottes in prononciertem Kontrapost auf einer ornamental gestalteten Kanne und betrachtet mit gesenktem Blick die Trinkschale in ihrer Rechten (Abb. 123). Während die Darstellung eines Weinstockes und eines Schwertkampfes im Hintergrund sowohl auf die Entstehung als auch auf die gefährlichen Folgen des Alkohols verweist, veranschaulicht die sich übergebende Figur zu Füßen des Bacchus die geradezu abstoßende Körperlichkeit der Wirkungen des Weines. Die liegende Gestalt ist durch ihr Szepter sowie die wie ein Reif um den Arm getragene Krone als Figur eines Königs zu erkennen, der – wie bereits in Gerard van Groeningens Triumph des Weines (Abb. 106) – durch einen Narrenstab ausgezeichnet ist und die Torheit des Trunkenen verdeutlicht. Der zweite, dem König gewidmete Stich zeigt diesen in Gestalt des ebenfalls unbekleideten Mars, der sich den Betrachtenden als einzige Gottheit innerhalb der Serie in Rückansicht präsentiert (Abb.  124). Die mit dem linken Fuß auf einen Erdglobus tretende Figur, die durch eine voluminöse Flagge sowie Helm, Schild und Pfeilbündel



4.1. Wahrheitssuche im Wettstreit der Bilder

Abb. 125. Pieter Perret nach Hendrik Withoeck: Die vier stärksten Mächte, Blatt 3: Die Macht der Frau, 1590/1591 (?), Kupferstich, 226 × 155 mm, Amsterdam, Rijksmuseum, Inv.-Nr. RP-P-2015-61-15.

als Kriegsgott ausgezeichnet ist, wird durch den zu einem pacificator-Gestus erhobenen rechten Arm zugleich als Friedensbringer inszeniert und verweist gleichermaßen auf die negativen wie positiven Konsequenzen königlicher Herrschaft. Dabei legt das von dem eng mit dem spanischen Hof verbundenen Perret85 gestochene Bild, das wohl im seit 1585 wieder unter habsburgischer Herrschaft stehenden Antwerpen entstand, zumindest vordergründig den Fokus auf die durch die Suprematie des Monarchen ermöglichte Prosperität. Diese wird vor allem in dem Geldbeutel, den Kornähren und den – auch die Überlegenheit über den Wein symbolisierenden – Trauben sowie einer Trinkschale zu Füßen des Regenten anschaulich. Dass die Graphik auf drastische Szenen der Gewalt verzichtet und stattdessen im Hintergrund die Segnungen des Friedens in Form von Schifffahrt und Fischerei sowie ein offenbar abziehendes Heer zeigt, von dem nur noch wenige Figuren ein bereits ruinöses Gebäude attackieren, betont vor allem die 85 Zur Tätigkeit Pieter Perrets für den spanischen Hof vgl. McDonald 2000, S. 37–40; Blas / Cruz de Carlos / Matilla 2011, S. 87–182.

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Macht des Königs, den Frieden herzustellen, den er jedoch gemäß dem Epigramm schon mit einem einzigen Wunsch ebenso leicht wieder beenden kann: Rex ego summa potens pro Voto singula muto, 3. Esd. 4. Cap. (‚Ich bin der König, der mächtigste, für einen Wunsch ändere ich alles‘86). Die Darstellung der – ebenfalls bis auf einen sich wölbenden Umhang – nackten Figur der Venus lactans auf dem dritten, aus unbekannten Gründen ohne Hintergrundszenen ausgeführten Kupferstich verbindet die auf dem Sockel arrangierten Insignien des Weines und des Königs, dessen Szepter und Krone die Liebesgöttin trägt, und verdeutlicht die Überlegenheit der Frau über diese Konkurrenten (Abb.  125). Den Blick nach unten zu einer der beiden sie begleitenden kindlichen Gestalten gewendet, die sie mit ihrer Milch nährt, verweist die Venus-Figur auf die Ikonographie der Caritas (‚Liebe‘) und transformiert diese in eine Darstellung sinnlicher Liebe. Auf dem abschließenden vierten Blatt wird die Überlegenheit der Wahrheit, die, wie das Epigramm betont, alles andere übertrifft,87 in der von Withoeck entworfenen Graphik vor allem durch ihre dezidierte Entrückung aus der Sphäre des Irdischen verdeutlicht (Abb. 126). So scheint sich die Figur der Veritas, die auf einem dreieckigen, als Symbol der Trinität fungierenden Sockel steht, weniger in als vielmehr weit oberhalb der im Hintergrund zu sehenden, beinahe kartographisch wirkenden Landschaft zu befinden. Von dieser, wohl abbreviaturhaft für die Gesamtheit der Welt stehenden Meeresgegend, die von Schiffen befahren wird und in der sich wie Inseln einzelne Städte und Berge erheben, ist die Triumphatorin durch ein Wolkenband getrennt, welches die Grenze zu dem durch strahlendes Licht ausgezeichneten Bereich des Göttlichen markiert. Auch die Flügel sowie die Körperhaltung der von zwei Putti zur Siegerin gekrönten Figur, die in ihrer Linken das geöffnete Buch mit den Sieben Siegeln sowie ein für die Tugend der Temperantia (‚Mäßigung‘) stehendes Zaumzeug hält, verweisen auf ihre Rolle als Vermittlerin zwischen Himmel und Erde: Als einzige der in der Serie dargestellten Entitäten wendet sie ihren Blick nach oben und weist – in Kontrast zur selbstbezüglich zur Brust geführten Hand der Venus – mit der Rechten auf die Sonne, die als Symbol Gottes zugleich die Begründung für die Macht der Veritas veranschaulicht. Die Darstellung der vier Entitäten in Form gleichsam lebendig gewordener Götterstatuen verortet die Serie der Vier stärksten Mächte im Kontext der im späten 16. Jahrhundert sowohl in den nördlichen wie auch den südlichen Niederlanden populären Bildfolgen von (Planeten-)Gottheiten.88 Wie Doris Krystof mit Bezug auf die von ­Hendrick Goltzius entworfene und von Jan Saenredam gestochene Serie dieses Themas aus dem Jahr 1596 zeigte, welche die Hauptfiguren ebenfalls in Form bewegter Standbilder 86 Vgl. die englische Übersetzung in: Veldman 1987a, S. 231. 87 Vinum, Rex, Mulier cedunt simul omnia Vero. 3 Esd. 4. Cap. Vgl. die englische Übersetzung in: Veldman 1987a, S. 231. 88 Zu Planetengötter-Serien vgl. u.  a. Veldman 1980; Veldman 1991/1992; Wenderholm 2014, S. 53–79.



4.1. Wahrheitssuche im Wettstreit der Bilder

Abb. 126. Pieter Perret nach Hendrik Withoeck: Die vier stärksten Mächte, Blatt 4: Die Macht der Wahrheit, 1590/1591 (?), Kupferstich, 226 × 155 mm, Amsterdam, Rijksmuseum, Inv.-Nr. RP-P-2015-61-16.

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präsentiert (vgl. Abb.  127), fungierte die hier ausgestellte produktive Auseinander­ setzung mit antiken sowie zeitgenössischen Darstellungstraditionen als selbstbewusster Ausweis humanistischer Gelehrsamkeit und künstlerischer Virtuosität.89 Das damit verbundene paragonale Motiv übertrugen Withoeck und Perret für ihre Kupferstichfolge in eine visuelle Metapher des Wettstreits, denn die Macht beziehungsweise Ohnmacht der vier konkurrierenden Entitäten manifestiert sich, wie im Folgenden argumentiert werden soll, in der spezifischen Gestaltung der einzelnen Figuren gerade auch in Übereinstimmung mit beziehungsweise in Abweichung von bestehenden Kunstwerken. Deren gezielte Rezeption und kreative Aneignung dienen so nicht nur als sichtbarer Ausdruck der Wirksamkeit der vier Mächte, sondern ebenfalls als Anknüpfungspunkt politischer und kunsttheoretischer Diskurse. Besonders deutlich wird diese sinnstiftende Funktion der künstlerischen Bezugnahmen am Beispiel der Macht des Königs (Abb. 124). Die auffällige Positionierung des in den Bildraum hinein gewendeten Kriegsgottes, die von den anderen drei Blättern der Folge abweicht, folgt einer sich im 16. Jahrhundert etablierenden Darstellungskonvention, nach welcher die Figur des Mars, wohl als Ausdruck körperlicher Stärke und unnahbarer Macht, wiederholt als Rückenfigur gezeigt wurde.90 Anders als etwa im Falle der von Soldaten umgebenen Mars-Statue in Hendrick Goltzius’ Folge der Sieben Planetengötter (Abb. 127) fungiert diese Ausrichtung der Figur in Withoecks und Perrets Kupferstich jedoch augenscheinlich nicht als Aufforderung an die Betrachtenden, dem Gott gleichsam in den Bildraum hinein in den Kampf, sondern vielmehr seinem Angebot des Friedens zu folgen.91 Die Geste der als manus extensa erhobenen Rechten, die in der Frühen Neuzeit auf eine Reiterstatue Marc Aurels zurückgeführt wurde,92 schreibt der Darstellung gleichwohl im kulturhistorischen Umfeld Antwerpens eine wohl kalkulierte Ambivalenz ein, welche die vordergründig präsentierte Rolle des Königs als Friedensbringer infrage zu stellen vermochte. Denn der pacificator-Gestus hatte in der Scheldestadt durch seine Verwendung im Standbild des Herzogs von Alba innerhalb der dortigen Zitadelle eine zweifelhafte Prominenz erlangt und wurde zumindest von Seiten der Aufständischen vielmehr als geradezu zynische Drohgebärde empfunden.93 Die beinahe paradoxe Inszenierung des Kriegsgottes als Friedensbringer konnte somit 89 Vgl. Krystof 1997, S. 157–176. Zu der Serie vgl. auch Veldman 1991/1992, S. 324–326; Ule 2014. 90 Weitere Darstellungen des Mars als Rückenfigur wurden etwa von Jacopo Caraglio nach Rosso ­Fiorentino (1526, Kupferstich, New York, Metropolitan Museum of Art, Inv.-Nr. 49.97.230), Jacob Matham (zugeschrieben) nach Hendrick Goltzius (1599–1603, Kupferstich, Amsterdam, Rijksmuseum, Inv.-Nr. RP-P-1904-29) und Nicolaas Braeu nach Karel van Mander (1598, Kupferstich, Amsterdam, Rijksmuseum, Inv.-Nr. RP-P-BI-4283) geschaffen. 91 Diese rezeptionsästhetische Deutung der Darstellung als Rückenfigur folgt: Ule 2014, S. 74. Vgl. zu dem Stich außerdem Krystof 1997, S. 166  f. 92 Vgl. Hänsel 1995, S. 9  f.; Manegold 2013, S. 64  f. 93 Vgl. Becker 1971, S. 97–100.



4.1. Wahrheitssuche im Wettstreit der Bilder

Abb. 127. Jan Pietersz. Saenredam nach Hendrick Goltzius: Die sieben Planetengötter, Blatt 3: Mars, 1596, Kupferstich, 252 × 177 mm, Amsterdam, Rijksmuseum, Inv.-Nr. RP-P-OB-10.596.

als bildlicher Ausdruck umfassender königlicher Entscheidungsgewalt, aber potenziell auch als Verweis auf den prekären Status eines durch den Monarchen durchgesetzten Friedens verstanden werden, der jederzeit wieder in offenen Krieg umschlagen konnte. Neben dieser politischen Aussageebene wird die Körperhaltung und Präsentation der Mars-Figur, in der sich der Rekurs auf antike und zeitgenössische Standbilder verbindet, im Kontext der Kupferstichfolge auch auf das Thema des Wettstreits bezogen. Denn das Epigramm, welches der Macht der Frau zugeordnet ist (Abb. 125), lässt sich nicht zuletzt als Erklärung für die Darstellung des Monarchen lesen: Flecto Viros, ­Regesque domo, diademata gesto. 3. Esd. 4. Cap. (‚Ich stimme Männer um [oder: Ich drehe Männer um, M.H.] und bezwinge Könige, ich trage Diademe‘94). Die der Venus in den Mund gelegten Worte, sie ‚drehe Männer um‘, formulieren demnach nicht nur ihre Überlegenheit, sondern liefern zugleich eine werkinhärente Erklärung für die markante Inszenierung des Mars als Rückenfigur. Aus der Perspektive des, gemäß der Teleologie der ‚Pagen94 Vgl. die englische Übersetzung in: Veldman 1987a, S. 231.

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4. Die (Un-)Sichtbarkeit der Veritas

Abb. 128. Pieter Perret: Standbild des ­Antinoos, verlegt von ­Hendrick van Schoel, 1580, Kupferstich, 427 × 247 mm, Amsterdam, Rijksmuseum, Inv.-Nr. RP-P-H-H-1216.

erzählung‘, folgenden Blattes erscheint die auffällige Ausrichtung des Kriegsgottes nun vor allem als Beleg für die Unterlegenheit des Königs gegenüber der Frau und lässt dessen Bild zwischen einer Visualisierung von Macht und Ohnmacht oszillieren, welche die (Wechsel-)Wirkungen der Entitäten in ihrer Darstellung reflektiert. Ein vergleichbares intermediales Zusammenspiel von Bild und Text demonstriert auch der Stich zur Macht des Weines (Abb. 123), auf dem die muskulöse, im Kontrapost stehende Figur des Bacchus offenbar auf männliche Aktfiguren wie das im 16. Jahrhundert berühmte, auch von Pieter Perret in Kupfer gestochene Standbild des Antinoos­ Belvedere (Abb. 128) rekurriert.95 Für die Darstellung des Weingottes wurde nicht nur die Körperhaltung der vielfach rezipierten Skulptur unter anderem durch eine verstärkte 95 Zu dem Blatt vgl. Hollstein 17, S. 50, Nr. 37. Zur Berühmtheit des Antinoos Belvedere im 16. Jahrhundert vgl. u.  a. Backe 2005, S. 17  f.; Vorster 2010, S. 158  f. Ralf Bormann erkennt in der Macht des Weines Anspielungen auf Darstellungen des Apollon Sauroktonos und des ruhenden Satyr von Praxiteles: Bormann 2011.



4.1. Wahrheitssuche im Wettstreit der Bilder

Ponderation und Drehung des Kopfes variiert. Als sei der über den linken Arm des ­Antinoos drapierte Stoff im Kupferstich gleichsam lebendig geworden, dynamisiert das sich aufbauschende Gewand des Triumphators darüber hinaus die Darstellung der in die Druckgraphik übertragenen Skulptur. Dabei lassen sich die im Epigramm formulierten Fragen Quem non Vina movent? Certans quis Vicit Jacchum? 3. Esd. 3. Cap. (‚Wen bewegt der Wein nicht? Wer besiegt Iacchus [= Bacchus, M.H.] im Wettkampf?‘96) auch auf die ­Inszenierung des Bacchus beziehen, dessen ‚bewegtes Beiwerk‘97 zum visuellen Beleg für die ‚bewegende‘ (movent) Macht des Weines avanciert. Die sich bezeichnenderweise in Richtung der auf dem Sockel angebrachten Signaturen von Pieter Perret und Hendrik Withoeck übergebende Königsfigur im Kupferstich zur Macht des Weines (Abb. 123) lässt sich vor diesem Hintergrund auch als geradezu (selbst-)ironischer Kommentar zur kreativen Praxis der Künstler begreifen: Ähnlich wie etwa Pieter Bruegel d.Ä. laut Karel van Mander die Berge und Felsen der Alpen „verschluckt und sie […] als Leinwände und Malbretter wieder ausgespien“98 habe, ‚verdauten‘ Withoeck und Perret demnach unter dem Einfluss der konkurrierenden Entitäten sowohl die von ihnen rezipierten Graphikserien der Vier stärksten Mächte als auch die Werke der antiken und zeitgenössischen Bildhauerei, um aus ihnen neue Inventionen zu generieren.99 Der erkenntnisstiftende Anspruch, den die Künstler offenbar mit dieser visuellen Verbindung des apokryphen Themas mit antik(isierend)en Bildtraditionen verknüpften, manifestiert sich vor allem in der Darstellung der Wahrheit auf dem vierten Kupferstich der Folge, in der antik-pagane Bezüge und christliche Symbolik dezidiert amalgamiert werden (Abb. 126). Die präzedenzlose Subsumierung von Veritas und Minerva zu einer einzigen Figur fungiert hierbei als eine innovative Visualisierungsform der spezifischen, die Überlegenheit der Wahrheit begründenden Verbindung von Irdischem und Himmlischem.100 So ist die Figur in ihrer Körperhaltung wohl an eine von Jacopo Caraglio gestochene, ihrerseits auf antike Darstellungen der Göttin rekurrierende Graphik der Pallas Athene nach Rosso Fiorentino angelehnt (Abb. 129).101 Die von dieser gehaltene 96 Vgl. die englische Übersetzung in: Veldman 1987a, S. 231. 97 Zu dem Begriff vgl. Warburg 1893, S. 4. 98 Mander: Leben 1, S. 255–257. Zu dieser Stelle aus Karel van Manders Schilder-Boeck vgl. u.  a. Busch 1997, S. 16  f.; Müller 1997, S. 47; Müller 1999, S. 14–16. 99 Vgl. auch die bildimplizite Thematisierung der Verdauungsmetaphorik in Dirck Volckertsz. ­Coornherts und Hendrick Goltzius’ Aufstieg und Fall des Häretikers, dazu s.  o. Kapitel 3.2. Karel van Mander betont demgegenüber, Bruegel habe die Alpen „unverdaut“ wieder ausgespien, vgl. dazu Müller 1997, S. 47. 100 Eine Verbindung von Minerva und Veritas wird bereits in Vincenzo Cartaris Imagini con la spositione dei Dei degli antichi hergestellt, wo die Darstellung der Wahrheit im der Weisheitsgöttin gewidmeten Kapitel thematisiert wird, vgl. Cartari: Imagini, fol. 73v. 101 Zu Caraglios Graphik vgl. Coughlin 2019, S. 29–31. Zu Veränderungen in der Darstellung Minervas zu Beginn der Frühen Neuzeit vgl. auch Wittkower 1939.

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4. Die (Un-)Sichtbarkeit der Veritas

Abb. 129. Jacopo Caraglio nach Rosso ­Fiorentino: Mythologische Götter und ­Göttinnen, Blatt 20: Pallas Athene, 1526, Kupferstich, 211 × 108 mm, New York, M ­ etropolitan Museum of Art, Inv.-Nr. 49.97.241.

Lanze und das Medusenschild wurden von Withoeck allerdings durch die auf das göttliche Licht verweisende Geste, die Zügel sowie das Buch mit den Sieben Siegeln ersetzt. Nur der charakteristische Helm wird als ‚klassisches‘ Attribut der Göttin beibehalten, während die von Rosso Fiorentino als Innovation in die Darstellung der Pallas eingeführte Aktdarstellung zum sinnbildlichen Ausdruck für die Unverhülltheit der nuda Veritas umgedeutet wird.102 Auf diese Weise verschmilzt die Figur der Wahrheit mit jener der Göttin der Weisheit sowie Patronin der Künste und verweist auf die Bedingungen einer ästhetisch vermittelten Erkenntnis.103 102 Zu Rosso Fiorentinos Aktdarstellung der Pallas Athene vgl. Coughlin 2019, S. 29–31. 103 Zu Minerva als Patronin der Künste sowie den mit ihr verbundenen kunsttheoretischen Überlegungen vgl. Chapman 1986, S. 237–239; Krystof 1997, S. 75–79; Müller / Kaschek 2002.



4.1. Wahrheitssuche im Wettstreit der Bilder

Im rhetorik- und kunsttheoretischen Diskurs der Humanisten für die „Seelenkraft des Begreifens“104 stehend, galt Minerva im Unterschied zu Hermes, welcher die „praktisch-technischen Aspekte“105 künstlerischen Arbeitens repräsentierte, als Verkörperung des geistigen Anspruchs der Kunst, der in Withoecks und Perrets Macht der Wahrheit programmatisch im Hinblick auf die Visualisierung des Göttlichen zugespitzt wird: Die Geste der Wahrheitsfigur verdeutlicht in diesem Zusammenhang den aus der Amalgamierung von Veritas und Minerva generierten Anspruch der Figur, auf die jenseits des Sichtbaren liegende Transzendenz zu verweisen und den Betrachtenden auf diese Weise die Vormacht der Wahrheit zu vermitteln. Gerade im Kontext der zeitgenössischen ­Ciceronianismus-Debatte, in welcher den antiken Bildformen von einigen Theoretikern die Fähigkeit abgesprochen wurde, christliche Werte und Lehren angemessen zu veranschaulichen, lässt sich hierin zugleich eine kunsttheoretische Aussage erkennen:106 Die Darstellung der Macht der Wahrheit kann demnach eben deshalb die Übermacht der Veritas über Wein, König und Frau versanschaulichen, weil sie Sinnliches und Geistiges, Christliches und Profan-Antikes respektive Antikisierendes sinnfällig in sich verdichtet. In Withoecks und Perrets Vier stärksten Mächten führt damit die Frage nach der adäquaten Visualisierung der vier gemäß der ‚Pagenerzählung‘ miteinander konkurrierenden Entitäten zu jener nach den spezifischen Potenzialen unterschiedlicher Medien und Darstellungsformen, abstrakte Zusammenhänge erkenntnisstiftend zu visualisieren. Während in den bislang vorgestellten graphischen Umsetzungen der ‚Pagenerzählung‘ eine gemeinsame Bildformel alle vier Blätter miteinander verbindet und die Vergleichbarkeit der konkurrierenden Mächte garantiert, wählte Karel van Mander in der von ihm entworfenen sowie vermutlich um 1595/1596 von Zacharias Dolendo gestochenen Kupferstichfolge wiederum eine neuartige Herangehensweise an das Thema, indem er die Darstellung der Veritas bereits auf den ersten Blick erkennbar von den übrigen Bildfindungen differenzierte (Abb. 130–133).107 Denn die anderen drei Mächte werden in den nummerierten, von Epigrammen des zwölfjährigen Hugo Grotius108 begleiteten Bildfindungen, die wohl in Haarlem entstanden und damit die erste künstlerische Umsetzung 104 Müller / Kaschek 2002, S. 29. 105 Krystof 1997, S. 80. 106 Zu dieser Debatte vgl. Schade / Teuber / Tateo 1994; Robert 2011. Zu ihrer Rezeption in der niederländischen Druckgraphik vgl. Müller / Kaschek 2002. 107 Zu der Serie vgl. New Hollstein (Karel van Mander), S. lxvi, Nr. 34–37 sowie Valentiner 1930, S. 116, Nr. 141–144; Veldman 1987a, S. 232–234; Filedt Kok 1990a, S. 268 u. 270; Filedt Kok 1990b, S. 392  f., Nr. Z.D. 5–8; Coelen 1996, S. 21. Zu den graphischen Arbeiten Karel van Manders vgl. New Hollstein (Karel van Mander), zu Zacharias Dolendo vgl. Sellink 2009 sowie zu Jacques de Gheyn (II) vgl. u.  a. Filedt Kok 1990a. 108 Vgl. die Inschrift auf dem Blatt zur Macht des Weines (Abb. 130): H. Grotius An° ætat XII.

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4. Die (Un-)Sichtbarkeit der Veritas

Abb. 130. Zacharias Dolendo nach Karel van Mander: Die vier stärksten Mächte, Blatt 1: Die Macht des Weines, 1595/1596, hier 2. Auflage, verlegt von Claes Jansz. Visscher, 1600–1652, Kupferstich, 210 × 290 mm, Amsterdam, Rijksmuseum, Inv.-Nr. RP-P-BI-7137.

der apokryphen Erzählung in den nördlichen Niederlanden sind,109 nicht mehr durch die Verkörperungen abstrakter Entitäten visualisiert. Sie manifestieren sich vielmehr eindrücklich in den Handlungen der gezeigten Figuren, die als Mitglieder einer verkommenen Hofgesellschaft auftreten. Dementsprechend wirken die ersten drei Stiche im ersten Moment wie biblische Historienbilder, in denen der in allen drei Graphiken als Opfer seiner eigenen Begierden erscheinende Monarch als Exemplum für die verderblichen Wirkungen des Weines, des Königs und der Frau fungiert. So zeigt das erste Blatt ein ausgelassenes Trinkgelage in einer von Wein umrankten Architektur, bei dem im Gemenge der rechts an einem Tisch sitzenden Figuren ein Schwertkampf ausgebrochen ist, der auch beim links gezeigten Eintreten des Königs nicht unterbrochen wird (Abb. 130). Während sich einige der Höflinge vor Übelkeit und Schwindel den Kopf halten, wird der Herrscher von den Anwesenden kaum beachtet, sondern vielmehr von zwei Kindern lächerlich gemacht, die an seinem Gewand ziehen. Anstatt jedoch über diese Demütigung zu erzürnen, greift der König – entsprechend 109 Vgl. Veldman 1987, S. 232.



4.1. Wahrheitssuche im Wettstreit der Bilder

Abb. 131. Zacharias Dolendo nach Karel van Mander: Die vier stärksten Mächte, Blatt 2: Die Macht des Königs, 1595/1596, hier 2. Auflage, verlegt von Claes Jansz. Visscher, 1600–1652, ­Kupferstich, 210 × 288 mm, Amsterdam, Rijksmuseum, Inv.-Nr. RP-P-BI-7138.

dem von Grotius verfassten Epigramm, nach welchem der Wein einen Greis in einen Jüngling verwandle110 – nach dem Windspiel eines der Jungen, als wolle er dieses zu seinem Szepter und sich selbst zugleich zum Narren machen. Als Begründung für dieses unwürdige Verhalten des Herrschers benennen die Verse zur Macht des Königs (Abb. 131) die beständige Selbstbezogenheit des Monarchen, der allein befehle, wonach ihm der Sinn stehe,111 und der eben deshalb das Wohl seines Reiches aus den Augen verliert. Während im Hintergrund des Kupferstichs auf der rechten Seite eine im Bau begriffene Architektur wohl auf die einstige Prosperität des Landes verweist, wird auf der linken Seite dessen drohende Zerstörung erkennbar: Auf 110 Magna tibi Lenæe pater permissa potestas: / Debetur Thÿrso gloria magna tuo. / Tu facis esse senem iuvenem discriminis nullo, / Et contrà iuvenem tu facis esse senem. Vgl. die englische Übersetzung in: Veldman 1987a, S. 232. 111 Sublimi regnat Rex suspiciendus in aula  / Maiori perfas robore, perq[ue] nefas.  / Illius ad nutum totus componitur orbis: / Quod lubet omne iubet, quod iubet omne lubet. Vgl. die englische Übersetzung in: Veldman 1987a, S. 233.

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Abb. 132. Zacharias Dolendo nach Karel van Mander: Die vier stärksten Mächte, Blatt 3: Die Macht der Frau, 1595/1596, verlegt von Jacques de Gheyn (II), K ­ upferstich, 208 × 286 mm, Amsterdam, Rijksmuseum, Inv.-Nr. RP-P-BI-7139.

einem gefährlich instabilen Felsvorsprung befindet sich ein Turm als tradiertes Symbol herrscherlicher Macht bereits kurz vor dem Einsturz und symbolisiert so, gerade in Kombination mit der sich dunkel von der Landschaft abhebenden Sense eines Bauern, welche auf das geläufige Attribut des Todes anspielt, die prekäre Lage des Königreiches. Diese scheint der im Vordergrund unter einem Baldachin thronende Herrscher jedoch nicht einmal zu bemerken, denn seine Aufmerksamkeit gilt vielmehr der ihm von seinen Untertanen entgegengebrachten Huldigung und ihren, in Form von Geldtöpfen, einem Warenbündel und einer ornamental verzierten Kanne geleisteten Tributen. Eine derartige Fokussierung des Fürsten auf seine eigenen, sinnlichen Begierden demonstriert schließlich auch die Darstellung zur Macht der Frau, die unter Rückgriff auf die im 3. Buch Esra geschilderte Apeme-Episode die Unterwerfung des Königs unter die Kontrolle seiner Konkubine zeigt (Abb. 132). In einem geräumigen Schlafgemach sitzt der Monarch unbekleidet neben seiner ebenfalls nackten, mit der ihm abgenommenen Krone geschmückten Geliebten auf einem Himmelbett. Hierin sowie in den Handlungen der anderen Figuren, unter denen zwei weitere Paare zu sehen sind, schlagen sich die negativen Folgen der Hingebung an körperliche Lust nieder. Denn nicht nur im Unglück



4.1. Wahrheitssuche im Wettstreit der Bilder

Abb. 133. Zacharias Dolendo nach Karel van Mander: Die vier stärksten Mächte, Blatt 4: Die Macht der Wahrheit, 1595/1596, hier 2. Auflage, verlegt von Claes Jansz. Visscher, 1600–1652, ­Kupferstich, 211 × 282 mm, Amsterdam, Rijksmuseum, Inv.-Nr. RP-P-1904-3467.

zweier Verehrer, von denen einer gleichsam als Sklave seiner Lüste gefesselt im Hintergrund sitzt, während ein weiterer von einem Rivalen erdolcht zu werden droht, sondern vor allem in der Pflichtvergessenheit des Königs und der Dienerinnen manifestiert sich jene Außerkraftsetzung von Vernunft und ethischen Werten, auf welche das Epigramm nachdrücklich aufmerksam macht.112 Indem die Künstler die ersten drei Blätter gewissermaßen als biblische Historienbilder konzipierten, die an das im 3.  Buch Esra beschriebene Festmahl am Hofe des Darius erinnern und deren weitergehende Bedeutung allein durch die Epigramme explizit wird, entkoppelten sie das Thema der Vier stärksten Mächte in formaler Hinsicht bis zu einem gewissen Grad aus der Antwerpener Tradition allegorischer Graphikserien, deren produktive Rezeption in den früheren Umsetzungen der ‚Pagenerzählung‘ 112 Maxima vis Veneris, cui iuncta Cupidinis arma, / Et quæ tincta malo spicula felle nocent: / Haec faciunt miseros sine sensu vivere amantes, / Hinc metus, hinc probitas, hinc pudor omnis abest. Vgl. die englische Übersetzung in: Veldman 1987a, S. 233.

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dezidiert ausgestellt wurde. Vielmehr verorteten sie die Darstellungen – wohl auch aus marktstrategischen Gründen – anschaulich im Kontext der insbesondere auch in den nördlichen Niederlanden populären Graphikserien mit alttestamentlichen Historien.113 Auf diese Weise schrieben sie dem 3. Buch Esra, das auf allen vier Blättern als Textgrundlage angegeben wird, den Status einer der Bibel gleichrangingen Quelle belehrender Exempla zu und übertrugen zugleich nachdrücklich das im historischen Umfeld der Vereinigten Provinzen bestehende Identifikationspotenzial alttestamentlicher Geschichte auf das apokryphe Thema. Wie die Niederländer:innen ihre kollektive Identität vielfach aus der Analogiebildung mit der biblischen Historie generierten,114 ließ sich auch der in der Kupferstichfolge inszenierte Triumph der auf dem abschließenden vierten Blatt gezeigten Wahrheit auf die eigene Gegenwart beziehen. So war die von den Graphiken betonte moralische Verkommenheit monarchischer Herrschaft unschwer mit dem im Rahmen der ‚Schwarzen Legende‘ kolportierten Feindbild der Spanier als habgierige Ungläubige und Verbreiter der Syphilis (Spaensche pocken115) in Verbindung zu bringen.116 Die Ablösung eines Zustandes der gesellschaftlichen Unordnung und des Unfriedens durch die Veritas konnte davon ausgehend gerade vor dem Hintergrund des in Kapitel 2.3. beschriebenen Selbstbildes der Vereinigten Provinzen als staatlichkirchliche Realisierungsform der Wahrheit im Sinne einer religiösen Geschichtsdeutung interpretiert werden, ohne dass eine derartige Lesart jedoch explizit vorgegeben wird. Im Vergleich mit den ersten drei Blättern der Folge tritt die wesenhafte Andersartigkeit der Wahrheit, die ihre Überlegenheit über die übrigen Mächte begründet, auf dem vierten Kupferstich eindrücklich vor Augen (Abb. 133). Die Zäsur wird schon darin ersichtlich, dass die gezeigte Anbetung der aus dem Himmel erscheinenden Veritas nicht im königlichen Palast verortet ist, der spätestens jetzt als gottesferner Ort erkennbar wird. Vielmehr ist eine weite Landschaft zu sehen, in der zwei Gruppen von Männern, Frauen und einem Kind die von Engeln begleitete, auf einem Wolkenband sitzende Gestalt der nuda Veritas auf Knien anbeten. Die Macht der Wahrheit zeigt sich hier demnach einerseits, ähnlich wie jene des Weines, des Königs und der Frau, im Agieren der in Ehrfurcht und Anbetung versunkenen Figuren, manifestiert sich jedoch andererseits auch und gerade in der spezifischen Erscheinung der als Verkörperung auftretenden Wahrheit. Diese Erscheinung ist nicht nur deshalb signifikant, weil sie den nur indirekt durch ihre Wirkungen wahrnehmbaren ‚Konkurrenten‘ auf den übrigen Kupferstichen die Evidenz der selbst sichtbar gewordenen Veritas als visuellen Ausdruck der Macht ge113 Die druckgraphischen Darstellungen alttestamentlicher Geschichte wurden vor allem von Peter van der Coelen umfassend erforscht, vgl. u.  a. Coelen / Tümpel 1996; Coelen 1998. 114 Zum spezifischen Identifikationspotenzial des Alten Testaments in den Vereinigten Provinzen vgl. u.  a. Coelen 1996, S. 8. Vgl. auch die auf S. 28 in Anm. 8 angegebene Literatur. 115 Zitiert nach Meijer Drees 1997, S. 167. 116 Zum antispanischen Feindbild der ‚Schwarzen Legende‘ vgl. die auf S. 129 in Anm. 292 angegebene Literatur.



4.1. Wahrheitssuche im Wettstreit der Bilder

genüberstellt. Sie ist es auch deshalb, weil das von der Wahrheitsfigur emporgehaltene Buch, in welchem die Lobpreisung durch Serubbabel zitiert ist,117 sowie der Palmzweig, den die verkörperte Veritas wie eine überdimensionale Schreib- oder Zeichenfeder in der Rechten hält, als ob sie die Worte soeben selbst geschrieben hätte, den textlichen Ursprung der Darstellung präsent hält und diesen im selben Moment als gleichsam materialisierte Wirkung der Veritas inszeniert. Damit wird der Status der apokryphen Schrift als Medium der sich darin selbst offenbarenden Wahrheit gestärkt und zugleich der erkenntnisstiftende Anspruch der darauf basierenden bildlichen Darstellungen, in denen diese Wahrheit wahrnehmbar werden soll, auf selbstbewusste Weise formuliert. Das originelle Thema der Vier stärksten Mächte bildete, wie die vorausgehende Untersuchung von vier seiner Umsetzungen zeigen sollte, in den Niederlanden des 16. Jahrhunderts auf mehreren Ebenen den Ausgangspunkt ästhetischer Reflexion: Die variierenden Bildlösungen, die mit unterschiedlichen Darstellungsmodi, ikonographischen Traditionen und intermedialen Konstellationen operieren, verhandeln zum einen stets das künstlerische Problem der Veranschaulichung des Abstrakten im Bild, das von der textlich formulierten Aufgabe eines Vergleichs der in ihrem Wesen und ihrer Wirkung höchst verschiedenen Mächte vorgegeben wurde und sich im Hinblick auf die Veritas in besonderer Weise stellte. Daher arbeiteten die Künstler mit differenzierten Verfahren visueller Konkretisierung, die auf das der sinnlichen Wahrnehmung nicht zugängliche göttliche Wesen der Wahrheit verweisen, während sie die Evidenz ihrer bildlichen Darstellung als Ausdruck jener Wirkmächtigkeit betonen, mit der die Veritas nicht nur die Betrachtenden von ihrer Überlegenheit überzeugt, sondern ihren Sieg damit gewissermaßen immer schon realisiert. Zum anderen thematisieren die Kupferstiche, wie gerade in Bezug auf die Darstellungen des Königs deutlich werden sollte, die jeweiligen Auswirkungen der von den vier Entitäten verkörperten universalen Zusammenhänge auf die gesellschaftliche Realität der frühneuzeitlichen Niederlande und loteten dabei das historische Identifikationspotenzial der ‚Pagenerzählung‘ immer wieder aufs Neue aus. Ausgehend von der Frage nach den medialen Vermittlungsformen der Wahrheit, die sich auch für den zwischen apokrypher Unzuverlässigkeit und kanonischer Autorität oszillierenden Prätext stellte, entwickelten die Künstler intermediale Inventionen, die nicht zuletzt gezielt das epistemische Leistungsvermögen des Mediums Druckgraphik erprobten. In diesem Kontext bezeugen sowohl der Rückgriff auf spezifisch druckgraphische Darstellungstraditionen wie die wiederholt rezipierten Triumphallegorien als auch die Mehrteiligkeit der Kupferstichfolgen, deren Handhabung die Möglichkeit zum beständigen Vergleich der sich gegenseitig ergänzenden, kommentierenden und 117 Omnis terra veritatem inuocat, cælum etiam ipsam benedicit. / Magna est Veritas: & præualet. Vgl. 3 Esra 4, 36: Omnis terra veritatem invocat, caelum etiam ipsam benedicit sowie 3 Esra 4,41: Magna veritas et ­praevalet.

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4. Die (Un-)Sichtbarkeit der Veritas

Abb. 134. Anonyme:r Künstler:in (Nicolaes Jansz. Clock oder Zacharias Dolendo?) nach Karel van Mander: Der Triumph der Wahrheit, 1592, Kupferstich, 317 × 402 mm, Amsterdam, ­Rijksmuseum, Inv.-Nr. RP-P-1903-A-23133.

kontrastierenden Blätter bot, das Bestreben der Künstler, die Graphikserie als einen eigen­ständigen Erkenntniszugang zu konturieren. An die serielle druckgraphische Form blieb das Thema so fast zwei Jahrzehnte gebunden, bis Karel van Mander die Darstellungen der Vier stärksten Mächte 1592 in der gestochenen Komposition eines Triumphs der Wahrheit zusammenfasste (Abb. 134) und Hendrick Goltzius die ‚Pagenerzählung‘ 1614 erstmals in die Malerei übertrug.118 Sowohl das Fehlen einer vorausgehenden Bildtradition als auch der besondere Status des 3.  Buchs Esra begründeten demnach die Funktion der Graphikserien als 118 Zu van Manders Kupferstich vgl. New Hollstein (Karel van Mander), S.  33, Nr.  38. Zu Goltzius’ Gemälde vgl. Veldman 1987a, S. 235–237; Gent 1994; Borggrefe 2000, S. 35  f.; Nichols 2013, S. 96–98, Nr. A-8. Bis zur Identifikation des Bildthemas durch Ilja M. Veldman 1987 firmierte Goltzius’ Werk unter der Bezeichnung „Mythologische Szene“. Vgl. u.  a. Hirschmann 1915, S. 130; Hirschmann 1916, S. 58 u. 80, Nr. 22; Nichols 1983, S. 182, Anm. 4.



4.2. Triumph der Wahrheit und Hybris der Vernunft

künstlerische Experimentierfelder und Aushandlungsräume zeitgenössischer Diskurse. Dabei sollten die Kupferstiche nicht nur die Überlegenheit der göttlichen Wahrheit vermitteln, sondern – wie vor allem anhand der Serie von Galle und van Groeningen deutlich wird – den rezeptionsästhetischen idealiter in einen gesellschaftlichen Ordnungsprozess überführen und ausgehend von der Thematisierung des Wettstreits der Mächte selbst eine kulturelle Wirkungsmacht entfalten. Die Serien der Vier stärksten Mächte können somit als paradigmatische Beispiele für einen dezidiert im Medium des Kupferstichs, sowohl auf Produktions- als auch auf Rezeptionsebene vollzogenen Akt der Wahrheitssuche fungieren, in welchem die Druckgraphik zum ästhetischen Assoziations- und Reflexionsraum sowie Katalysator gegenwärtiger Konflikte avancierte.

4.2. Triumph der Wahrheit und Hybris der Vernunft Das reziproke Verhältnis zwischen der Sichtbarkeit und der Macht der Wahrheit steht ebenfalls im Zentrum der innerhalb der niederländischen Druckgraphik wohl am häufigsten rezipierten allegorischen Darstellung der Veritas, welche den Sieg der Wahrheit als triumphales Ende von Gewalt und Krieg, Betrug und Häresie in Aussicht stellt (Abb. 135).119 Ihrer Unantastbarkeit gewiss, thront die Verkörperung der Wahrheit auf der von Hieronymus Wierix nach einem Entwurf von Maerten de Vos angefertigten Graphik gelassen und in sich gekehrt inmitten ihrer Feinde. Die in einer von göttlichem Licht erleuchteten Sphäre schwebenden Putti präsentieren Palmzweig und Lorbeerkranz als Insignien des Sieges, welchen das von ihnen entfaltete Spruchband zugleich unmissverständlich ankündigt. Die darauf lesbaren Worte übernehmen leicht verändert eine Formulierung aus der Rede des Serubbabel im 3. Buch Esra und lassen die Bildfindung als künstlerische Variation der neu etablierten Ikonographie der Vier stärksten Mächte erscheinen: Veritas vincit omnia. 3. Esdr. 4.120 (‚Die Wahrheit besiegt alles‘). 119 Zu dem Kupferstich vgl. Hollstein  44, S.  238, Nr.  1198 sowie Zweite 1980, S.  184 mit Anm.  55; ­Heusinger 1987, S. 17–20, Kat.-Nr. 1–2; Clifton 2016. Zur Vorzeichnung, die im Herzog Anton UlrichMuseum in Braunschweig aufbewahrt wird, vgl. Heusinger 1997, S. 347, Kat.-Nr. 254. Neben den im Hollstein-Katalog (Hollstein 44, S. 238, Nr. 1198 a–c) aufgeführten sowie den von James Clifton beschriebenen Druckgraphiken (vgl. Clifton 2016) reproduziert auch ein heute in der Eremitage in Sankt Petersburg aufbewahrtes Gemälde (Inv.-Nr. 5132) die Bildfindung. Daneben finden sich auch freiere Rezeptionen der Graphik, etwa in der auf S. 296 in Anm. 151 erwähnten Darstellung des miles christianus nach David Vinckboons und Abrahamus Regius. Zu Johannes Wierix und Maerten de Vos vgl. die auf S. 71 in Anm. 133 angegebene Literatur, zu Willem van Haecht vgl. die auf S. 31 in Anm. 15 angegebene Literatur. 120 Vgl. 3 Esra 3,12: super omnia autem vincit veritas. Offenbar ist die Formulierung bewusst an Vergils berühmtes Diktum Omnia vincit amor angeglichen. Die inschriftliche Angabe von 3 Esra 3,4 auf dem Kupferstich bezieht sich augenscheinlich weniger auf die paraphrasierte Textstelle als auf die ausführliche Begründung für die Macht der Wahrheit in 3 Esra 4,34–41.

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4. Die (Un-)Sichtbarkeit der Veritas

Abb. 135. Hieronymus Wierix nach Maerten de Vos: Triumphus Veritatis (‚Triumph der Wahrheit‘), verlegt von Willem und Goedevaert van Haecht, 1579, Kupferstich, 440 × 345 mm, London, British Museum, Inv.-Nr. 1859,0709.2950.



4.2. Triumph der Wahrheit und Hybris der Vernunft

Der mit diesen Worten verkündete umfassende Triumph der Wahrheit, welchen die am oberen Rand des Blattes zu lesende Inschrift Trivmphvs Veritatis (‚Triumph der Wahrheit‘) explizit als Gegenstand der 1579 von Willem und Goedevaert van Haecht verlegten Darstellung angibt, erweist sich bei genauerer Betrachtung als ein nur schwer greifbarer Zustand. Denn auch wenn die Figur der Veritas nicht vor den sie umgebenden Feinden zurückschreckt, scheinen diese ihrer Macht noch nicht gänzlich unterworfen zu sein. Insbesondere die von hinten an die Triumphatorin herantretende Gestalt einer hageren Frau mit wütend verzerrter Miene veranschaulicht einen anhaltenden Widerstand gegen die Übermacht der Wahrheit. Drohend erhebt sie die sich windenden Schlangen und Skorpione in ihren Händen, während die im Hintergrund am Boden liegende Viper, aus deren Bauch ihre Brut in einem grausamen Schöpfungsakt herausbricht, weiteren Nachschub für diese Attacke liefert. Die Reaktion der Angreiferin auf die ihr von ihrem vermeintlichen Opfer als gleichermaßen unscheinbare wie wirkungsvolle ‚Waffe‘ entgegengesetzte, seitenverkehrt mit lvx Mvndi121 (‚Licht der Welt‘) beschriftete Lampe lässt jedoch bereits erahnen, dass dieser Vorstoß vergeblich sein wird. Mit weit aufgerissenen Augen starrt sie die Thronende an, während sie ihren Oberkörper in einer Art „häßliche[n] ‚Figura serpentinata‘“,122 welche die gekrümmten Bewegungen der Schlangen zu imitieren scheint, noch im Schritt nach vorne erschreckt zurückwendet. Offenbar vermag der bloße Anblick der Veritas beziehungsweise der in ihrer Verkörperung eindrucksvoll zur Erscheinung kommenden göttlichen Macht sie grundlegend zu erschüttern. Die komplexe Dialektik der Blicke, wie sie der Kupferstich inszeniert, sowie deren religiöse, erkenntnistheoretische und (rezeptions-)ästhetische Implikationen stehen im Zentrum der folgenden Ausführungen. Denn der Triumphus Veritatis präsentiert den visuellen Zugriff auf die Wahrheit als einen ambivalenten Versuch epistemischer Aneignung und hinterfragt damit, wie gezeigt werden soll, programmatisch die sinnstiftende Leistungsfähigkeit der allegorischen Darstellung der Veritas. Ausgehend von dem komplexen intermedialen Konzept der Graphik wurde diese spezifische Form der Visualisierung des Abstrakten, wie besonders anhand zweier Neuauflagen des Werks deutlich wird,123 zum Gegenstand eines interkonfessionellen Diskurses über die Möglichkeiten und Grenzen eines ästhetischen Zugangs zur göttlichen Transzendenz.

121 Vgl. Joh 8,12: ego sum lux mundi. 122 Heusinger 1987, S. 20. Christian von Heusinger erkennt hierin einen „Spott auf die zeitgenössische florentinische Plastik, vor allem Giovanni Bolognas, und ihr Kunstziel, das zuerst Benvenuto Cellini formuliert hat“ (Heusinger 1987, S. 20). 123 Zur kreativen Praxis der Neuauflage in der niederländischen Druckgraphik vgl. Hammami  / ­Pawlak / Rüth 2022a.

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4. Die (Un-)Sichtbarkeit der Veritas

Der Sieg der Wahrheit vollzieht sich im Triumphus Veritatis demonstrativ als ein Akt der Enthüllung, wie sowohl das an der Schulter herabgerutschte Gewand der Thronenden und ihr dadurch sichtbar werdender nackter Oberkörper als auch die in einer übernatürlichen Lichterscheinung durch die dunklen Wolken brechende Sonne eindrücklich vor Augen führen. Dieser Vorgang göttlicher revelatio wird dabei durch einen gestalterischen Kunstgriff auf den Kupferstich selbst bezogen: Während die durch das im Himmel erscheinende Tetragramm explizit als Gottessymbol ausgewiesene Aureole sowie die darunter schwebende Taube des Heiligen Geistes ein helles Licht aussenden, das sich in klar begrenzten, spitz auslaufenden Strahlen verbreitet, geht das vom Nimbus der Veritas-Figur ausströmende Leuchten fast unmerklich in die Schraffur des Hintergrundes über.124 Ganz im Sinne ihrer christologischen Assoziation mit der lux mundi illuminiert die verkörperte Wahrheit damit den gesamten Bildraum und beherrscht dadurch zugleich ihre vom Licht erfassten Gegner. Die gesamte Darstellung erscheint mithin als eine sichtbare Emanation der kraftvollen Wahrheit, deren Macht sich im Vorgang der Bildwerdung sinnfällig manifestiert. Diese inhaltliche Zuspitzung des Triumphthemas sowie der gezielte Einsatz der Lichtmetaphorik suggerieren eine geradezu gewaltsame, sich in der allegorischen Verkörperung der Veritas bildlich verdichtende Evidenz der Wahrheit, die in markantem Gegensatz zur semantischen Ambiguität steht, durch die sich insbesondere zwei ihrer Antagonisten auszeichnen.125 So greift die bereits beschriebene Figur der Alten die zur Entstehungszeit der Graphik geläufige Darstellungsweise der Invidia (‚Neid‘) als aggressive ausgezehrte Medusengestalt auf, die hier durch ihr gepanzertes Gewand in der dem Neid zugeschriebenen Rolle als Urheberin des Krieges auftritt.126 Diese Identifikation scheint durch das lateinische Epigramm unbekannter Autorschaft oberhalb des Bildes gestützt zu werden, welches den Angriff des als „Haupt aller Übel“127 bezeichneten Neides auf die Veritas beschreibt. In scheinbarem Widerspruch dazu erwähnen die ebenfalls anonym verfassten deutschen, niederländischen und französischen Verse am 124 Diese sinnstiftende Inszenierung des Lichts scheint erst auf die Umsetzung des Entwurfs in den Kupferstich durch Hieronymus Wierix zurückzugehen. In der Vorzeichnung ist sie in dieser Form nicht erkennbar. 125 Zur Inszenierung einer mit Betrug und Sündhaftigkeit assoziierten Uneindeutigkeit im Kontext konfessioneller Propaganda vgl. die auf S. 217 in Anm. 171 angegebene Literatur. 126 Zur Ähnlichkeit der Figur mit Darstellungen der Invidia vgl. Clifton 2016, S. 171. Zur Ikonographie der Invidia vgl. Tervarent 1944, S. 97; Blöcker 1993, S. 69–79. Die Rolle des Neides als Ursache des Krieges kommt in der zeitgenössisch verbreiteten Vorstellung vom Kreislauf der Welt zum Ausdruck, nach welcher der Neid stets dem Krieg vorausgehe. Zur künstlerischen Umsetzung dieses Themas in der niederländischen Druckgraphik vgl. die auf S. 110 in Anm. 241 genannte Literatur. Die Invidia tritt in Darstellungen der Veritas filia temporis und der Calumnia Apellis zudem wiederholt als Antagonistin der Wahrheit auf. 127 Impvgnat Vervm stimvlis diroqz Flagello / Bellva mvltorvm capitv[m], et capvt ipsa malorvm / Invidia […].



4.2. Triumph der Wahrheit und Hybris der Vernunft

unteren Rand des Blattes die „alte Schlange“128 Heuchelei mit Bezug auf die Bezeichnung des Teufels in Offb 12,9 als bedrohliche Angreiferin.129 Sie weisen die militante Widersacherin der Wahrheit damit als unheilvolle Verschmelzung von Invidia und Hypocrisis (‚Heuchelei‘) aus,130 die zugleich als Verkörperung des ultimativ Bösen fungiert. Sowohl der Skorpion als tradiertes Symbol der Häresie131 wie auch die Verknüpfung mit der gebärenden Schlange, welche auf die biblische Bezeichnung der Pharisäer als „Schlangen, Nachkommen von Vipern“ (Mt 23,33) anspielt, bringen die Figur darüber hinaus mit Scheinheiligkeit und Ketzerei in Verbindung. Als wäre dies nicht genug, wird ihre Attacke auf die Wahrheit durch den erkennbaren Bezug zu einer emblematischen Darstellung des Redeüberflusses zudem mit einer missbräuchlichen Verwendung der Sprache assoziiert.132 So vergleicht die Morosophie (1553) des französischen Rechtsgelehrten und Chronisten Guillaume de la Perrière die Viper, die gemäß einer zeitgenössischen Vorstellung bei der Geburt ihrer sich von den Eingeweiden der Mutter ernährenden Jungen stirbt, mit der selbstzerstörerischen Kraft der garrula lingua (‚geschwätzige Zunge‘) (Abb.  136).133 Der Übergriff der Greisin versinnbildlicht vor diesem Hintergrund eine mit der Einfachheit der Wahrheit kontrastierte betrügerische Geschwätzigkeit,134 welcher im Bild der ikonographische ‚Überschuss‘ der semantisch polyvalenten Gegner der Veritas entspricht. Ähnlich wie die Figur der bedrohlichen Angreiferin, die mehrere Aspekte religiöser, politischer, rhetorischer und nicht zuletzt ästhetischer Gegensätze zur göttlichen Wahrheit in sich subsumiert, ist auch das im Bildvordergrund am Boden liegende Monstrum durch eine irritierende Vieldeutigkeit gekennzeichnet. Schon das Äußere dieses diabolischen Mischwesens aus weiblicher und männlicher Figur, Skelett und Schlange bringt durch seine Kompositgestalt die Uneindeutigkeit und dadurch bedingte 128 Van Dypocresije ghedreycht Douwde serpent; Gleysnerey de alte Slang / De sie hart drouwt vnd macht gahr bang; L’hypocrisie aussi ne le peut mettre à fin. 129 Vgl. Offb 12,9: „Und niedergeworfen wurde jener große Drachen, die alte Schlange, die Teufel heißt und Satan, der die ganze Welt verführt […].“ 130 Vgl. Clifton 2016, S. 165. 131 Zur Symbolik des Skorpions vgl. Tervarent 1958, Sp. 169  f.; Braunfels 1972. In der von Cornelis Anthonisz. geschaffenen Holzschnittfolge zum Verlorenen Sohn, in der u.  a. die Figur der Veritas den Prodigus bei seiner Rückkehr empfängt, ist der Skorpion eines der Attribute der Haeresis. Vgl. dazu Haeger 1986, S. 134 mit Anm. 11; Armstrong 1990, S. 92 mit Anm. 16. 132 Vgl. Clifton 2016, S. 178  f. 133 Perrière: Morosophie, Emblem Nr. 65: Rumpitur ingratos pariendo Vipera fœtus, / Prolis & ad vitam suscipit illa necem: / Pectoris arcanum dum profert garrula lingua, / Dat vitam verbis, interitumque sibi. // […] Quand le serpent de la Vipere sort, / La mere meurt, & il vit par son aage: / Qui parle trop se prepare à la mort, / Et donne vie à son parler volage. Zu dem Emblem vgl. Schwendemann 1966, S. 103; Saunders 2001, S. 60  f.; Cull 2009, S. 65. 134 Zur Einfachheit (der Rede) als Kennzeichen der Wahrheit vgl. z.  B. das Lemma Veritatis simplex oratio in den Adagia des Erasmus von Rotterdam: Erasmus: Adages, S. 308, Nr. 88.

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4. Die (Un-)Sichtbarkeit der Veritas

Abb. 136. Anonyme:r Künstler:in: Holzschnitt zu Emblem Nr. 65, in: Guillaume de la Perrière: La morosophie de Guillaume de la Perriere Tolosain: Contentant cent emblemes moraux, illustrez de cent tetrastiques latins, reduitz en autant de quatrains francoys, Lyon: Bonhomme, 1553, München, Bayerische Staats­ bibliothek, Sign. P.o.gall. 1179.

trügerische Scheinhaftigkeit deutlich zum Ausdruck. Das geöffnete Buch, welches die Kreatur mit gequältem Ausdruck emporhält, verweist in diesem Zusammenhang mit den teuflischen Lügen aus dem Buch Genesis – neqvaqva[m] moriemini / eritis sicvt dii / gene. Cap.  3 (Gen  3,4: „Keineswegs werdet ihr durch den Tod sterben“; Gen  3,5: „ihr [werdet] wie Götter sein“) – auf die Verführung Adams und Evas zum Sündenfall und somit auf den Ursprung von Betrug, Sünde und Tod, welche das hybride Wesen gleichermaßen verkörpert.135 Obwohl die Figur der Veritas in antikisierender Triumphhaltung als Zeichen der Unterwerfung mit ihrem linken Fuß auf das Ungeheuer tritt, ist dessen seit dem ersten Täuschungsakt der Menschheitsgeschichte bestehende Macht noch nicht ganz gebrochen, hat es doch die Welt buchstäblich noch immer im Griff: Im Inneren des von ihm umklammerten Globus sind Szenen des Krieges und der Zerstörung zu sehen, welche die Erde als einen Ort der Gewalt und des Sterbens charakterisieren.136 Dabei verortet die Jahreszahl 1579, die auf dem der Sphäre zugeordneten Spruchband zu lesen ist und 135 Vgl. zu der Figur auch Clifton 2016, S. 170. 136 Zum Motiv des Globus in den Werken von Maerten de Vos, welche der Künstler gezielt einsetze, um die Betrachtenden zur Reflexion über die Verbindung von irdischer und göttlicher Sphäre bzw. irdischer und kosmischer Ordnung anzuregen, vgl. Rosenblatt 2015, S. 112–133.



4.2. Triumph der Wahrheit und Hybris der Vernunft

die Datierung des Kupferstichs angibt, diesen schrecklichen Zustand unmissverständlich in der Gegenwart der Rezipierenden. Die hier angegebenen Worte des Monstrums, mit denen es sich rühmt, alle mit falschen Reden und freundlicher Miene zu täuschen, benennen Betrug und Hinterlist als Ursache für den Zustand andauernder Gewalt und schreiben zugleich die zeitgenössischen Kriegsereignisse in den vom Sündenfall angestoßenen Geschichtsverlauf ein:137 Decipio cvnctos verbis Vvltoqz benigno / vtile qvam mvltis dissimvlasse fvit (‚Ich täusche alle durch Worte und eine freundliche Miene, wie vielen war es nützlich, [etwas] geleugnet zu haben‘.138) In signifikantem Kontrast zu dieser semantischen Unschärfe der feindlichen Figuren steht die vermeintliche Eindeutigkeit, durch welche sich die Verkörperung der Veritas auszeichnet. In ihr verdichten sich ikonographisch zahlreiche Verweise auf die christliche Glaubensvorstellung der Identität von Wahrheit und Christus, die bereits in der von Ambrosius Francken entworfenen Darstellung der Macht der Wahrheit (Abb. 118) im Zentrum visueller Argumentation steht und die in de Vos’ Kupferstich in dem aufgeschlagen auf dem Schoß der Veritas-Figur liegenden Buch durch die biblisch überlieferten Worte Christi explizit wird: ego svm via et veritas et vita. Io. 14 (Joh 14,6: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben“) und data est michi omnis potestas in coelo et in terra. Matt. 28 (Mt 28,18: „Mir ist gegeben alle Macht auf Erden“). Die Thronende nimmt dabei durch ihre Position unterhalb der Taube des Heiligen Geistes und des Tetragramms die in der tradierten Darstellungsweise der Trinität üblicherweise dem Gottessohn zukommende Stellung ein. Diese christologische Identifikation wird durch die Inszenierung des Sieges über Sünde und Tod noch verstärkt, die sich bewusst auf Darstellungen des Christus triumphans bezieht, wie sie Maerten de Vos auch selbst entwarf. So zeigt etwa ein 1580 erschienener, von Johann Sadeler ausgeführter Kupferstich den Auferstandenen auf dem leeren Sarkophag sitzend, mit Totenschädel und Schlange zu seinen Füßen, während er in der Linken eine gläserne Sphäre als Symbol der Macht über die Welt hält (Abb.  137).139 Eine weitere, undatiert im Antwerpener Verlag Aux quatre Vents erschienene Graphik mit der Auferstehung Christi verstärkt die eschatologische Bedeutungsdimension dieser Motivik, indem sie zu Füßen des Triumphators ein im Höllenschlund schon halb verschwundenes Skelett zeigt (Abb. 138).140 Dieses scheint mit dem rechten Arm noch vergeblich nach der Schlange greifen zu wollen, auf deren Kopf Christus in beinahe tänzerischer Haltung tritt, wodurch der 137 Insofern greift der Kupferstich zentrale Argumente der niederländischen (Bild-)Propaganda während des Aufstandes auf. Vgl. dazu Pollmann 1992, S. 80; Kempers 1995, S. 88 und s.  o. Kapitel 2. 138 Übersetzung von Katharina Ost, der ich auch für den Hinweis auf die Nähe dieser Formulierung zu einem Vers aus Ovids Ars amatoria (2, 641–642) danke. 139 Zu dem Stich vgl. Hollstein 44, S. 159, Nr. 711. In der kunsthistorischen Forschung wurde auf die Nähe des Blattes zu Peter Paul Rubens’ späteren Darstellungen des triumphierenden Christus hingewiesen. Vgl. Freedberg 1984, S. 59. 140 Zu dem Stich vgl. Hollstein 44, S. 151, Nr. 676 sowie Riggs 1971, S. 362, Nr. 201; Zweite 1980, S. 203.

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4. Die (Un-)Sichtbarkeit der Veritas

Abb. 137. Johann Sadeler (I) nach Maerten de Vos: Christus auf dem Grab, 1580, Kupferstich, 212 × 162 mm, Amsterdam, Rijksmuseum, Inv.-Nr. RP-P-OB-5830.

endzeitliche Sieg über die serpens antiquus (Offb 12,9: „alte Schlange“) in Erfüllung des Gotteswortes aus dem Buch Genesis (Gen 3,14–15) versinnbildlicht wird.141 Auf beiden Blättern veranschaulicht eine die Wolken durchbrechende himmlische Lichterscheinung die Epiphanie, die sich in ähnlicher Weise im Triumphus Veritatis ereignet. Die trium­phale Sichtbarwerdung der Wahrheit wird damit nicht nur mit dem Mysterium der Auferstehung Christi parallelisiert; sie erhält dadurch auch eine heilsgeschichtliche Relevanz, indem sie die Aufhebung der mit der Ursünde in die Welt gekommenen und sich im Krieg manifestierenden Täuschung durch die Enthüllung der eschatologischen Wahrheit ankündigt.

141 Vgl. Gen 3,14–15: „Und der Herr, Gott, sagte zur Schlange: ‚Weil du das getan hast, bist du verflucht unter allen Lebewesen und Tieren der Erde. Auf deiner Brust wirst du schreiten und Erde wirst du essen an allen Tagen deines Lebens. Ich will Feindschaft zwischen dir und der Frau stiften und zwischen deinem Samen und ihrem Samen. Sie wird deinen Kopf zertreten, und du wirst auf ihre Ferse lauern.‘“ Nach der Lutherübersetzung (Bearb. 2017): „[…] er wird dir den Kopf zertreten, und du wirst ihn in die Ferse stechen.“



4.2. Triumph der Wahrheit und Hybris der Vernunft

Abb. 138. Anonyme:r Künstler:in nach Maerten de Vos: Auferstehung Christi, verlegt von Aux Quatre Vents, 1570–1600, Kupferstich, 317 × 206 mm, Amsterdam, Rijksmuseum, Inv.-Nr. RP-P-1965-328.

Am markantesten und zugleich diffizilsten wird die christologische Bestimmung der Veritas durch den in ihrem Nimbus zu lesenden Schriftzug CHRISTVS, der unübersehbar die Wesensgleichheit zwischen der Wahrheit und dem Gottessohn postuliert. Diese Inschrift ist deshalb bemerkenswert, weil sie als einzige explizite Benennung einer Figur im gesamten Kupferstich eine exklusive semantische Eindeutigkeit beansprucht, die jedoch in einer auffälligen Spannung zur bildlichen Darstellung steht: Bei der Figur, welche die Betrachtenden auf dem Blatt vor sich sehen, handelt es sich ja gerade nicht um Christus, sondern vielmehr um eine zum Teil entblößte junge Frau,142 wodurch die theologisch geläufige Gleichsetzung Christi mit der Wahrheit erneut als künstlerische 142 Zu diesem Phänomen vgl. Clifton 2016, S. 163, der das „Christological gender bending“ mit Verweis auf Caroline Walker Bynums Studie Jesus as Mother (Berkeley 1982) im Anschluss an mittelalterliche religiöse Vorstellungen versteht und in seinem Aufsatz nicht weiterverfolgt.

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4. Die (Un-)Sichtbarkeit der Veritas

Herausforderung erkennbar wird. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Omnipräsenz von Büchern und Schrift im Triumphus Veritatis macht die paradoxe Inszenierung der Hauptfigur damit demonstrativ auf die Frage nach den Möglichkeiten einer sprachlichen und visuellen beziehungsweise begrifflichen und figürlichen Erfassung der göttlichen Wahrheit aufmerksam, welche die Text und Bild als intermediale Schnittstelle verbindende Druckgraphik letztlich selbst betrifft. In markanter Weise wird der Komplex um die (Nicht-)Erfassbarkeit der göttlichen Wahrheit in der Figur des Mönches manifest, der auf der linken Seite des Kupferstichs zu sehen ist und durch seinen eindringlichen Blick auf die Verkörperung der Veritas als Identifikationsfigur für die Rezipierenden fungiert. Die Gestalt des bärtigen, mit Gebetbuch und Rosenkranz ausgestatteten Mannes balanciert auf einem Stapel unordentlich hingeworfener, zum Teil mit Schnallen verschlossener Codices, deren Beschriftung perversa opinio143 (‚verkehrte Meinung‘) sie als prekäre Basis falscher Überzeugungen ausweist. Nichtsdestoweniger versucht der Greis augenscheinlich aufrichtig, wenn auch vergeblich, die Wahrheit zu erkennen, wobei dem Licht erneut eine zentrale symbolische Funktion zukommt: Die Laterne in seiner Hand, mit der er sich auf seine erfolglose Suche nach Erkenntnis gemacht hat, weist ihn als alter Diogenes aus, der einem abwegigen Streben nach Wissen folgt.144 Wie in einem ebenfalls in Guillaume de la ­Perrières Morosophie enthaltenen Holzschnitt, welcher das überlieferte Unterfangen des kynischen Philosophen zeigt, am helllichten Tag mit einer Lampe auf einem Marktplatz nach Menschen zu suchen (Abb. 139),145 nutzt auch der Triumphus Veritatis die Gegenüberstellung von Lichtquellen, um die Widersinnigkeit der durch den Mönch verkörperten Wahrheitssuche zu veranschaulichen. Sich auf seine eigene schwache Laterne verlassend, deren erloschenes Feuer auf die redensartliche Bezeichnung eines Toren als laterne sonder licht146 anspielt und die ebenso wenig hilfreich ist wie seine Brille, wird er vom hellen Strahlen der Veritas geblendet und muss sich die Hand schützend vor die Augen halten, da er ihr Leuchten nicht ertragen kann. Eine Begründung für das erfolglose Erkenntnisstreben bieten die bereits erwähnten Bücher zu seinen Füßen, deren bedenkliche Instabilität in prägnantem Gegensatz zu dem symbolisch auf Christus als lapis angularis und fundamentum des Glaubens verweisenden festen Stein steht, auf welchem die verkörperte Veritas thront.147 Dieser grundlegenden

143 In der Vorzeichnung sind die Bände mit diversche opinie beschriftet, womit der Aspekt der Differenz und Uneinigkeit als Ausdruck inhaltlicher Verwerflichkeit stärker hervorgehoben wird. 144 Zur künstlerischen und literarischen Rezeption der mit Diogenes verbundenen Anekdoten in der Frühen Neuzeit vgl. Largier 1997; Schmitt 1993. 145 Perrière: Morosophie, Emblem Nr. 31. Zur Rolle des zugleich als Identifikationsfigur des Autors fungierenden Diogenes in der Morosophie sowie zu dem Emblem vgl. Roberts 2006, S. 108–110. 146 Zitiert nach Desel 1993, S. 230. 147 Zu Christus als Eckstein vgl. die auf S. 239 in Anm. 26 genannte Literatur.



4.2. Triumph der Wahrheit und Hybris der Vernunft

Abb. 139. Anonyme:r Künstler:in: Holzschnitt zu Emblem Nr. 31, in: Guillaume de la Perrière: La morosophie de Guillaume de la Perriere Tolosain: Contentant cent emblemes moraux, illustrez de cent tetrastiques latins, reduitz en autant de quatrains francoys, Lyon: Bonhomme, 1553, München, Bayerische Staats­ bibliothek, Sign. P.o.gall. 1179.

Kontrastierung wird auch in den unterhalb des Bildes zu lesenden Epigrammen der im Verhältnis größte Raum gegeben. So heißt es in der deutschsprachigen Version: De Warheyt helt Godts wortt allayn  Zum rechten grond vnd Eckstayn (Wewol Opinio mitt vbermuth Vilfeltig sich vmbkheren thut Oder Minschlichs Vernunft gemeyn Das hochste wil erhaben seyn […]) Sie [= die Wahrheit, M.H.] wirts noch vberwinden al Gleych ons de schrifft macht gshal [= wie uns die Heilige Schrift verkündet, M.H.].

Der Text stellt somit nicht nur die Wechselhaftigkeit der Meinungen der Beständigkeit des Gotteswortes gegenüber, sondern betont auch die Hybris menschlicher Vernunft, aufgrund derer jedes auf dieser basierende Wissensstreben zum Scheitern verurteilt sei. Vor diesem Hintergrund veranschaulichen die verschlossenen Bände die trügerische Undurchsichtigkeit der verkehrten Überzeugungen, denen die Offenheit der in den aufgeschlagenen Büchern zu lesenden Stellen aus der Heiligen Schrift gegenübergestellt wird: Die claritas der Wahrheit im biblischen Text wird so sinnfällig mit der Sichtbarkeit der Wahrheit im Bild gleichgesetzt.

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Abb. 140. Crispijn van de Passe nach Maerten de Vos: Geschichte der Susanna, Blatt 1: Susanna und die beiden Alten, 1574–1637, Kupferstich, 98 × 128 mm, Amsterdam, Rijksmuseum, Inv.-Nr. RP-P-1898-A-20617.

Als visuelle Metapher für eine hochmütige Annäherung an die Veritas, welche diese unter die Prämissen menschlicher Vernunft zu unterwerfen strebt, fungiert der voyeuristische Blick des Mönches. Denn die Figurenkonstellation der teils entkleideten jungen Frau zwischen den zwei greisenhaften, sich ihr von beiden Seiten nähernden Gestalten ist bewusst an Szenen der von den Ältesten bedrängten Susanna im Bade angelehnt, wie sie ein von Crispijn van de Passe nach einem Entwurf von Maerten de Vos angefertigter Kupferstich beispielhaft zeigt (Abb. 140).148 Der die Lampe emporhaltende Arm der verkörperten Wahrheit spiegelt dabei die abwehrende Geste, mit welcher die bedrohte Badende die beiden Richter abwehrt; das abgelegte Kleid der frommen Babylonierin 148 Zu dem Blatt, das aus einer Serie zur Geschichte der Susanna stammt, vgl. Hollstein  44, S.  49, Nr. 179. Zu Darstellungen der Susanna in der Druckgraphik des 16. Jahrhunderts vgl. Sluijter 2006, S. 113–117. Zum „Schauen als Metapher des Begehrens“ vgl. in Bezug auf venezianische Darstellungen der Susanna im Bade Herrmann 1990.



4.2. Triumph der Wahrheit und Hybris der Vernunft

findet seine Entsprechung im Gewand der sitzenden Veritas, das durch seinen voluminösen Faltenwurf die glatte Haut ihres nackten Oberkörpers umso deutlicher zur Schau stellt. Die begehrende Betrachtung dieses entblößten Leibes, die, wie es das Buch Daniel über die Ältesten berichtet, den Sinn verdreht und die Augen vom Himmel abwendet,149 steht demnach für den unrechtmäßigen Versuch einer gewaltsamen Inbesitznahme der Wahrheit. Dennoch fällt die moralische Gegenüberstellung des Mönches mit der in ihrem sinnlichen Reiz ausgestellten Veritas weniger eindeutig aus als es zunächst scheinen mag. Denn die thronende Haltung der Wahrheitsfigur sowie die Präsentation der einem schmalen Kelch ähnelnden Lampe erinnern signifikanterweise an die Hure Babylon, die in einer seit Dürers Apokalypse-Zyklus (ca. 1496/1497) kanonisch gewordenen Darstellungsweise in vergleichbarer Pose auf dem siebenköpfigen Ungeheuer reitet (Abb. 141).150 Die Verkörperung der Veritas erscheint so als bedrohte Unschuldige und gefährliche Verführerin zugleich, die eben dadurch jene fast zwingende Anziehungskraft auszuüben vermag, welcher der nach Erkenntnis suchende Mönch in seinem Blick auf sie fatalerweise zum Opfer fällt. Gerade vor dem Hintergrund dieser ikonographischen Ambivalenz fungiert die umso provokantere Beschriftung der Veritas-Figur mit CHRISTVS als ästhetische ‚Sollbruchstelle‘, die durch die kalkulierte Reibung zwischen Bild und Text auf die Problematik eines sensuellen Zugangs zur göttlichen Wahrheit aufmerksam macht. Paradoxerweise wäre dem absichtsvoll evozierten Verlangen nach ihr demzufolge nur durch einen bewussten Verzicht auf das ohnehin zum Scheitern verurteilte Streben nach einer Aneignung der Wahrheit mittels sinnlicher Wahrnehmung und menschlicher Vernunft zu entsprechen. In diesem Zusammenhang verweist der gesenkte Blick der Triumphatorin, mit dem sie in dem auf ihrem Schoß liegenden Buch zu lesen scheint, als ob sie sich ihres eigenen göttlichen Wesens vergewissern wollte, auf die Unmöglichkeit einer visuellen Erfassung der Identität von Christus und Wahrheit. Denn bei genauer Betrachtung wird erkennbar, dass die Augen der Thronenden fast vollständig geschlossen sind und sich ihre Schau daher ausgehend von den biblischen Worten dezidiert nach innen richtet. Das Nachsinnen der Veritas-Figur über ihren eigenen Status, welches der von Erasmus von Rotterdam in seinem Enchiridion militis Christiani (1503) formulierten 149 Vgl. Dan 13,8–9: „Und die alten Männer sahen sie täglich hineingehen und spazieren und sie entbrannten in Begierde nach ihr; und sie verdrehten ihren Sinn und wandten ihre Augen ab, sodass sie den Himmel nicht sahen und sich nicht mehr an die Urteile der Gerechten erinnerten.“ 150 Zu Dürers Holzschnitt vgl. Schoch / Mende / Scherbaum 2002, Kat.-Nr. 125. Diese visuelle Analogiebildung zwischen den Figuren der Veritas und der Hure Babylon stellt innerhalb der niederländischen Druckgraphik keinen Einzelfall dar. Als weiteres Beispiel ist etwa eine Radierung zu nennen, die in der um 1614 publizierten antijesuitischen Flugschrift Krachteloose DONDER van den Helschen Hondt, Tege[n] de naecte VVaerheyt en t’eendrachtich verbondt enthalten ist. Zu diesem Werk vgl. die auf S. 122 in Anm. 270 angegebene Literatur.

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Abb. 141. Albrecht Dürer: Apokalypse, Blatt 13: Die Hure Babylon, 1496–1497, Holzschnitt, 390 × 282 mm, Amsterdam, Rijksmuseum, Inv.-Nr. RP-P-1953-508.

Forderung zu entsprechen scheint, sich gegen den kontinuierlichen Angriff des Bösen mit einer durch beständige Kontemplation erlangten Selbst- und Gotteserkenntnis zu wappnen,151 wird so zum nachahmenswerten Vorbild für die Rezipierenden. Denn das intermediale Konzept des Triumphus Veritatis zielt auf mehreren Ebenen darauf ab, eine Anerkennung der den menschlichen Intellekt beständig in seine Schranken weisenden Transzendenz der Wahrheit herbeizuführen, wie sie nur eine den bildlichen Körper der Veritas bewusst überwindende Auseinandersetzung mit der Graphik erzielen kann. 151 Vgl. Erasmus: Enchiridion. Zur Popularität der Schrift in den Niederlanden des 16. Jahrhunderts vgl. u.  a. Israel 1995, S. 53  f. Ein 1614 von Pieter Serwouters nach David Vinckboons angefertigter und von Abrahamus Regius in Amsterdam verlegter Kupferstich mit einer Darstellung des miles christianus, welche die Figur des auf Büchen balancierenden Mönchs übernimmt, belegt die zeitgenössische Verbindung beider Themen. Vgl. zu dieser Graphik Hollstein 26, S. 236, Nr. 10 sowie Grijzenhout 1995, S. 137; Ramakers 2016, S. 301.



4.2. Triumph der Wahrheit und Hybris der Vernunft

Dank der medial bedingten Mobilität der Druckgraphik avancierte der Triumphus ­Veritatis innerhalb der niederländischen Kunst des 16. und frühen 17. Jahrhunderts zur am intensivsten – sowohl in Teilen als auch im Ganzen – rezipierten Darstellung der Veritas;152 und dies vor allem auch deshalb, weil der Kupferstich das ästhetische Potenzial einer überkonfessionell gültigen, biblisch fundierten und christologisch argumentierenden Wahrheitsallegorie besaß.153 Selbst der Rosenkranz des an seinem intellektuellen Hochmut scheiternden Mönches, den James Clifton als Ausdruck eines „mild antiCatholicism“154 des ansonsten als „broadly Christian“155 zu bewertenden Stichs deutete, ist wohl kaum als definitive antikatholische Pointe aufzufassen; sowohl weil die heute geläufige konfessionelle Konnotation der Gebetskette im 16. Jahrhundert noch nicht etabliert war,156 als auch, weil eine 1581 entstandene Neuauflage des Triumphus Veritatis dessen offenbar problemlos mögliche Nutzung in einem altgläubigen Kontext belegt (Abb. 142):157 Die von dem Monogrammisten C.R. geschaffene Graphik übernahm nicht nur in ungefähr gleichbleibender Größe die nun jedoch leicht gestauchte Komposition, sondern ebenfalls sämtliche Inschriften innerhalb des Bildes sowie das lateinische Epigramm am oberen Blattrand. Auch der unten zu lesende französische Text wurde beibehalten, die niederländischen und deutschen Verse hingegen durch solche auf Italienisch und Spanisch ersetzt sowie der leere Bereich dazwischen durch kreuzförmige Ornamente ausgefüllt.158 Das katholisch geprägte Rezeptionsumfeld dieser Neuauflage wird nicht nur durch die sprachliche Anpassung angedeutet, sondern vor allem durch die hinzugekommene Dedikation an Don Giovanni de’ Medici evident, dessen Familie den spanischen König Philipp II. finanziell und militärisch im Kampf gegen die Aufständischen in den Niederlanden unterstützte. Der Widmungsempfänger, der eine militärische Karriere anstrebte, 152 Zur Rezeption des Kupferstichs s.  o. die auf S. 283 in Anm. 119 genannten Kunstwerke. 153 Zur konfessionellen Einordnung der Graphik vgl. auch Zweite 1980, S. 184, Anm. 55, der den Stich ohne nähere Differenzierung als „Allegorie der christlichen Kirche“ bezeichnet, die später „ihrer Intention widersprechend der katholischen Propaganda nutzbar gemacht werden konnte“. Heusinger 1987, S. 20 beurteilt den Triumphus Veritatis als Ausdruck einer „auf die Verbindung von Antike und Christentum bezogenen Religiosität reformierter Humanisten Hollands“. Vgl. auch Clifton 2016, S. 172  f. 154 Clifton 2016, S. 173. 155 Clifton 2019, S. 56. 156 Vgl. Coscarelli-Larkin 2020. Dass der Rosenkranz auch in altgläubigem Kontext als Symbol falscher Frömmigkeit fungieren konnte, belegt exemplarisch die von Pieter van der Borcht angefertigte und dem Antwerpener Kanoniker Henricus Costerius gewidmete Radierung der vom Papst gesteuerten Navis Ecclesiae Militantis. Der Rosenkranz erscheint dort als Attribut der falsi dogmatis. Vgl. zu der Graphik Vetter 1972, S. 146; Leibfried / Winter 2013, S. 36  f. 157 Zu dieser Neuauflage vgl. Clifton 2016, S. 174–176. Die seitenverkehrte Inschrift lvx Mvndi wurde in der Neuauflage korrigiert. 158 Zum Inhalt der Epigramme vgl. Clifton 2016, S. 174.

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4. Die (Un-)Sichtbarkeit der Veritas

Abb. 142. Monogrammist C.R. nach Maerten de Vos: Triumphus Veritatis (‚Triumph der Wahrheit‘), 1581, Kupferstich, 442 × 326 mm, Amsterdam, Rijksmuseum, Inv.-Nr. RP-P-1890-A-15262.



4.2. Triumph der Wahrheit und Hybris der Vernunft

war zum Zeitpunkt der Entstehung des Kupferstichs zwar erst 13 oder 14 Jahre alt, stand jedoch nominell in Philipps Dienst und war bereits als Zwölfjähriger in diplomatischer Mission nach Venedig gereist, bevor er unter anderem 1587–1589 in Flandern kämpfen sowie 1594–1596 am ‚Langen Türkenkrieg‘ teilnehmen sollte.159 Durch die inschriftliche Präsenz des Widmungsempfängers, auf dessen Namen das Kreuz des Globus im Arm der nun die Betrachtenden fixierenden Hybridgestalt verweist, erhält der Rekurs auf das zeitgenössische Kriegsgeschehen eine neue Signifikanz: Der gefeierte Triumph der Wahrheit erscheint als heilsgeschichtlich vorherbestimmter Sieg der katholischen Seite gegen ihre Feinde, an dessen Realisierung dem am Beginn seiner Karriere stehenden Mediceer ein entscheidender Anteil prophezeit und prospektiv vor Augen gestellt wurde. Während die ursprünglich intendierte konfessionelle Unbestimmtheit der Veritas hier demnach durch vergleichsweise geringfügige Eingriffe ‚korrigiert‘ wurde, setzte eine weitere, 1593 von einem Mitglied der Sadeler-Familie verlegte Version des Triumphus Veritatis den Prozess konfessioneller Aneignung mit drastischeren Mitteln fort (Abb. 143).160 Für diesen nur noch etwas mehr als halb so großen Kupferstich wurde die Bildfindung abgesehen von ihrer Seitenverkehrung, die womöglich nicht allein mit dem praktischen Verfahren der Anfertigung der Neuauflage zu erklären ist, sondern zugleich die Verschiebung des Sinngehalts signalisieren soll, erneut im Wesentlichen unverändert übernommen. Durch die Ergänzung einiger Inschriften innerhalb der Darstellung sowie den Austausch der nun ausschließlich auf Latein verfassten Epigramme wurde die Graphik dennoch auf entscheidende Weise konzeptuell modifiziert. Dabei galt es augenscheinlich insbesondere, die semantische Uneindeutigkeit der die verkörperte Veritas umgebenden Figuren durch ihre neu hinzugefügten Benennungen zurückzunehmen, um ihr von de Vos bewusst breit gehaltenes Bedeutungsspektrum begrifflich zu disziplinieren: Die schlangenbewehrte Alte wird nun inschriftlich mit kaum misszuverstehendem Bezug auf den Niederländischen Aufstand als Figur der Rebellio (‚Aufstand‘) identifiziert, deren Angriff von den kontinuierlich nachwachsenden, zu Symbolen der Varij h[a]eretici (‚verschiedene Häretiker‘) deklarierten Schlangen unterstützt wird. Noch eklatanter erscheint jedoch die Umdeutung des Mönches, dessen ergänzte Bezeichnung Catholica Obedie[n]tia (‚katholischer Gehorsam‘) ihn zum nunmehr positiv bewerteten Antitypus der häretischen Rebellion erhebt. Hierzu musste sein Verhältnis zu den weiterhin mit peruersa opinio beschrifteten Büchern neu interpretiert werden, die nicht mehr als labile Basis seines Wissensstrebens fungieren. Stattdessen deutet

159 Zu Don Giovanni de’ Medici, der später auch als Architekt tätig war, vgl. u.  a. Lippmann 2011;­ Clifton 2016, S. 174–176. 160 Zu dieser Neuauflage des Triumphus Veritatis vgl. Hollstein 44, S. 238, Nr. 1198b sowie Clifton 2016, S. 176–179; Clifton 2019.

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4. Die (Un-)Sichtbarkeit der Veritas

Abb. 143. Anonyme:r Kupferstecher:in nach Maerten de Vos: Triumphus Veritatis (‚Triumph der Wahrheit‘), verlegt von einem Mitglied der Sadeler-Familie, 1593, Kupferstich, 243 × 197 mm, ­Amsterdam, Rijksmuseum, Inv.-Nr. RP-P-1966-15.



4.2. Triumph der Wahrheit und Hybris der Vernunft

das Epigramm die Position der Figur auf den Bänden analog zur Siegeshaltung der verkörperten Veritas als ein weiteres Triumphmotiv: Spectaclu[m] horre[n]dum: sæuis armata colubris  Ingenuu[m] corp[us] nudumq[ue] flagellat Erynnis. Hæreticos fetus pestis Lern[a]ea profundit. Semicadauer homo sus deq[ue] dolis agit Orbe[m]. Stat tame[n], et forti pede strata uolumina pressat Relligiosa fides, uerumq[ue] tuetur et haurit Lumine quadruplici: medio Via Vitáq[ue] Verumq[ue] Imperat, & latè c[a]elo terraq[ue] triumphat. ‚Schreckliches Schauspiel: Bewaffnet mit wilden Schlangen geißelt die Erynnie den edlen nackten Körper. Das Lernäische Scheusal [= die Hydra, M.H.] stößt Häretiker als seine Brut aus. Der halb kadaverhafte Mensch treibt den Erdball mit seinen Täuschungen auf und ab. Doch fest steht der fromme Glaube und zerdrückt mit kräftigem Fuß die ausgebreiteten Bände und betrachtet [oder: schützt, M.H.] und durchdringt die Wahrheit mit vierfachem Licht: Im Zentrum herrscht der Weg und die Wahrheit und das Leben und triumphiert weithin über Himmel und Erde.‘161

Der Text, dessen inhaltlicher Wechsel von der Beschreibung der negativ konnotierten linken zur positiv bewerteten rechten Bildhälfte sich in der variierenden typographischen Gestaltung – links Antiqua- und rechts Kursivschrift – spiegelt, lässt die selbst konfessionell indifferente Figur der Veritas deutlich in den Hintergrund treten. Die als Figur des (katholischen) Glaubens präsentierte Gestalt des Mönches nimmt hingegen in den Versen die zentrale Position als Verkörperung eines religiösen Ideals ein, deren Wirkmacht im Vergleich zu der vor allem als verletzliches Opfer präsentierten Veritas besonders akzentuiert wird. Ausschlaggebend ist hierbei, dass die Figur des Alten nicht nur grundlegend neusemantisiert, sondern damit zusammenhängend auch sein Blick auf die Wahrheit substanziell umgedeutet wird. Wenngleich die auffällige, die Augen abschirmende Geste noch immer als Ausdruck einer Blendung durch die Helligkeit des göttlichen Lichts verstanden werden kann, hat der Greis nun selbst einen Anteil an diesem Leuchten, da seine Laterne – paradoxerweise aus der geschlossenen Seite – einen mit einem Psalmvers beschrifteten Strahl aussendet: Lucerna pedib[us] meis verbu[m] tuum. Psal. 118. (vgl. Ps 118,105: „Eine Leuchte für meine Füße ist dein Wort und ein Licht für meine Pfade“). Vom Symbol tumber Hybris wird die Laterne somit zum Instrument eines von Gott geleiteten Erkenntniszugangs, dessen Wirkungsweise das Epigramm unter Rückgriff auf die scholastische Theologie spezifiziert: Die Erwähnung des lumen quadruplex (‚vier­ faches Licht‘), mit dessen Hilfe der Mönch die Wahrheit erkenne, bezieht sich auf die insbesondere von Bonaventura ausformulierte Vorstellung, dass sich die ­menschliche 161 Katharina Ost danke ich für ihre Hinweise und Korrekturen zur Übersetzung.

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4. Die (Un-)Sichtbarkeit der Veritas

Erkenntnis mittels vier Arten von Licht vollziehe, die ihren Ursprung alle von Gott nehmen und den Geist im Hinblick auf je verschiedene Gegenstände erleuchten: das lumen exterius (‚äußeres Licht‘) der mechanischen Künste im Hinblick auf die Gestalten der Kunst, das lumen inferius (‚niederes Licht‘) der sinnlichen Erkenntnis im Hinblick auf die Gestalten der Natur, das lumen interius (‚inneres Licht‘) der philosophischen Erkenntnis im Hinblick auf die geistige Wahrheit sowie das lumen superius (‚höheres Licht‘) der Gnade und der Heiligen Schrift im Hinblick auf die Heilswahrheit.162 Der durch seine natürliche Beschaffenheit, aber vor allem durch den Sündenfall defizitäre menschliche Verstand werde demnach durch einen gnadenvollen Akt göttlicher Eingießung dieses Lichts erhoben und gleichsam selbst vergöttlicht, seine Erkenntnis zugleich nach der Wahrheit geformt.163 Die vierte Art des Lichts nimmt dabei eine besonders herausgehobene Stellung ein, da sie sich auf einen Gegenstand jenseits der Vernunft beziehe, der von den Menschen nicht entdeckt oder erforscht, sondern nur von Gott offenbart werden könne.164 Der Rekurs auf die scholastische Lichtlehre ist im Kontext des Triumphus Veritatis vor allem deshalb relevant, weil sie die der Bildfindung ursprünglich inhärente Kritik an der Hybris menschlicher Vernunft, die sich anmaßt, sich die göttliche Wahrheit anzu­eignen und zu unterwerfen, gezielt aufgreift und umdeutet. Bei gleichzeitiger Anerkennung der Transzendenz Gottes, der als Quelle des einfließenden Lichts auch nach Bonaventura stets unsichtbar bleibt,165 erscheint die durch die Mönchsfigur verkörperte intellektuelle Anstrengung nicht mehr gänzlich vergeblich, sondern vielmehr auf programmatische Weise positiv konnotiert: Erleuchtet durch Gott besitzt der Schauende nun eine maßgebliche Erkenntnisfähigkeit, zu der nicht zuletzt die sinnliche Wahrnehmung sowie die durch menschliche Erfindungsgabe und Kunstfertigkeit geschaffenen Artefakte signifikant beitragen. Durch die Aufwertung der nun selbst zur Verkörperung einer triumphierenden Gottes­nähe gewordenen Mönchsgestalt wird somit auch dem Kupferstich ein veränderter epistemischer Status zugeschrieben sowie der von ihm ermöglichte Blick auf die Veritas gleichsam nobilitiert: Wenngleich die Reminiszenzen an die Susanna-Ikonographie sowie die Darstellungen der Hure Babylon dem Bild noch immer inhärent sind, wird die schauende Erfassung der Wahrheit vom Ausdruck eines verwerflichen Verlangens zu einer beschützenden Haltung umgewertet; eine Bedeutungsverschiebung im Vergleich zum ursprünglichen Bildkonzept, die sich im Epigramm in der Verwendung des Verbs ‚tuetur‘ niederschlägt, welches das Verhältnis der Catholica Oboedientia zur 162 Vgl. Bonaventura: De Reductione artium, S. 20. Vgl. dazu Elsässer 1968, S. 157. 163 Vgl. Elsässer 1968, S. 155  f. mit den dort angegebenen Belegstellen aus Bonaventuras Schriften sowie Dettloff 1989, S. 184. 164 Vgl. Bonaventura: De Reductione artium, S. 26. 165 Vgl. Blumenberg 1957, S. 444; Dettloff 1989, S. 184  f.



4.2. Triumph der Wahrheit und Hybris der Vernunft

Veritas bezeichnet und sich gleichermaßen als ‚ins Auge fassen, anschauen, betrachten‘ wie auch als ‚für etwas Sorge tragen, bewahren, in Schutz nehmen‘ übersetzen lässt. Der Blick auf den freizügig präsentierten und zugleich als bedroht und zuwendungsbedürftig beschriebenen Körper der Veritas-Figur verliert somit seine Gewaltsamkeit und wird vielmehr zum Ausdruck einer göttlich legitimierten, dezidiert katholischen Wahrheitsliebe. Im Triumphus Veritatis und seinen innerhalb eines kurzen Zeitraums entstandenen Neuauflagen lassen sich demnach bezeichnenderweise jene beiden epochemachenden „Extreme“166 im Hinblick auf die Auffassung der (Ohn-)Macht der Wahrheit wiederfinden, die Ralf Konersmann unter Bezugnahme auf Hans Blumenbergs „Paradigmen zu einer Metaphorologie“ folgendermaßen zusammenfasste: Auf der einen Seite findet sich die Vorstellung einer bahnbrechenden Wahrheit, die, wie noch Cusanus versichert, über magna potentia verfügt. Im Bild der mächtigen Wahrheit ist der Leistungsanteil des Menschen herabgesetzt und der Erkennende von eigenen Anstrengungen entlastet, die ihn angesichts des als Ideen- und Überwelt antizipierten Erkenntnisziels prinzipiell auch überfordern müssten. Der Erkennende ist aufgefordert, sich für die Wahrheit bereit zu machen. Die andere Extremvorstellung hält die Wahrheit für schwach und verstellt. Sie vermutet Widerstand in der Weltbeschaffenheit und ebenso beim Subjekt selbst, so dass nun Vorkehrungen und Initiativen, kurz: ein genuiner Aufwand institutioneller Vorkehrungen und methodologischer Stabilisierungen der Wahrheitsfindung nötig wird. Das Bild der ohnmächtigen Wahrheit ruft dazu auf, die Bedingungen der Erkenntnis zu optimieren und verlangt nach dem Beistand derer, die entschlossen sind, Verbergungen beiseite zu räumen und den Blick freizugeben.167

Die diachrone Aushandlung dieser grundlegenden, sich zum Teil überlagernden und ineinander übergehenden Vorstellungen in den drei Versionen des Triumphus Veritatis belegt nicht nur erneut die soziokulturelle Relevanz der Druckgraphik als intermedialer Diskursträger im Kontext der politisch-religiösen Krisen in den Niederlanden des späten 16.  Jahrhunderts.168 Sie zeigt darüber hinaus, dass die spezifische Codierung und erkenntnisstiftende Funktion der allegorischen Figuren, insbesondere jener der Wahrheit, in diesem Zusammenhang zum Gegenstand einer ästhetischen Reflexion avancierte, in der autologische und heterologische Dimension vielschichtig ineinandergriffen.169 Der besondere Erfolg der von Maerten de Vos gemeinsam mit Willem und Goedevaert van Haecht konzipierten Bildfindung lag offenbar gerade in der die Unbegreifbarkeit des Göttlichen überzeugend visualisierenden Verkörperung der Veritas begründet, die in beiden vorgestellten Neuauflagen mitsamt der ihr zugeordneten Texte 166 167 168 169

Konersmann 2008, S. 29. Konersmann 2008, S. 29  f. Vgl. Blumenberg 2013 [1960]. Vgl. ausgehend von Maerten de Vos’ Religio-Darstellung auch Tolstichin 2018b, S. 165. Zu den Begriffen ‚autologisch‘ und ‚heterologisch‘ s.  o. S. 17, Anm. 110.

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4. Die (Un-)Sichtbarkeit der Veritas

unverändert beibehalten wurde. Da eine konfessionelle Vereindeutigung der Figur selbst – etwa durch veränderte Attribute oder eine erläuternde Inschrift – eben dieses künstlerische Alleinstellungsmerkmal in religiös wie vermutlich auch ökonomisch nachteiliger Weise beeinträchtigt hätte, musste eine die diesbezügliche Indifferenz des Stichs bewältigende ‚Katholisierung‘ mittelbar über die Ergänzung entsprechender Epigramme sowie vor allem die Umdeutung der übrigen Figuren zu klar bestimmbaren Personifikationen erfolgen. Im Zentrum dieses Vorgangs konfessioneller Aneignung stand demnach der planvolle Umgang mit differenzierten Semantisierungsprozessen im Hinblick auf die bildliche Repräsentation des Abstrakten, der sich im Anschluss an die oben zitierte Formulierung Ralf Konersmanns als eine ästhetische Form der ‚Vorkehrung‘ und ‚Stabilisierung‘ der Wahrheitsfindung beschreiben ließe.

4.3. Sichtbarwerdung als Befreiung In den Visualisierungen der Veritas filia temporis, welche die von der kunsthistorischen Forschung bislang am intensivsten diskutierte Form der Wahrheitsdarstellung bildet,170 ist eine Reflexion über das Verhältnis von Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit der Veritas bereits dem Thema selbst eingeschrieben. Der Vorstellung, die Wahrheit sei die Tochter der Zeit und werde von dieser aus der Verborgenheit ihrer Gefangenschaft befreit, näherten sich die Künstler, wie Fritz Saxl in seinem bis heute maßgeblichen Aufsatz zur Veritas filia temporis von 1936 aufzeigte, sowohl inhaltlich als auch ikonographisch aus divergenten Perspektiven.171 Dabei unterschied der Kunsthistoriker zwei essenziell verschiedene, in Bildern veranschaulichte Auslegungsweisen des Aulus Gellius zugeschriebenen Diktums: Während in Italien und Frankreich eine philosophisch-säkulare Interpretation des Themas vorgeherrscht habe, sei es in England sowohl von protestantischer als auch von katholischer Seite als Ausdruck konfessioneller Wahrheitsansprüche genutzt worden.172 So konturierte der Autor die seit dem frühen 16. Jahrhundert entstandenen Darstellungen der von der Zeit aus einer Höhle oder Felsspalte gezogenen Wahrheit als Varianten einer vielschichtigen Bildformel, die in ihrem konkreten Aussagegehalt an sich wandelnde kulturhistorische Kontexte anpassbar war. Ihre je eigene Semantik generierten die Kunstwerke, wie Saxl herausarbeitete, unter anderem aus der kreativen Aneignung bereits bestehender Ikonographien. So orientiere sich etwa das Frontispiz von William Marshalls 1535 in London publizierter reformatorischer Schrift Goodly Prymer in Englyshe (Abb.  144) unverkennbar an Darstellungen des Abstiegs Christi in die Unterwelt: Die geflügelte Figur der Zeit nehme 170 Vgl. die auf S. 9 in Anm. 54 angegebene Literatur. 171 Vgl. Saxl 1936. 172 Vgl. Saxl 1936, S. 206.



4.3. Sichtbarwerdung als Befreiung

Abb. 144. Anonyme:r Künstler:in: F­ rontispiz, Holzschnitt, in: William ­Marshall: Goodly Prymer in Englyshe, London: John Byddell, 1535.

die Position des Erlösers ein und die vollständig unbekleidete Verkörperung der Veritas trete an die Stelle des aus der höllischen Gefangenschaft befreiten Adam, wobei die mit Schlangen drohende und Gift speiende Gestalt der Hipocrisy (‚Heuchelei‘) ebenso wenig gegen diesen Aufstieg der Wahrheit ausrichten könne wie die Wächter der Unterwelt gegen die Befreiung der Gerechten durch Christus.173 Während der anonyme Künstler für den Holzschnitt demnach auf eine etablierte christliche Ikonographie zurückgegriffen habe, um den religiösen Anspruch der Reformation zu veranschaulichen,174 habe Peter Paul Rubens fast ein Jahrhundert später in seiner für die spanische Infantin Isabella Clara Eugenia ausgeführten Tapisserie mit dem Triumph der eucharistischen ­Wahrheit (um 1625, Abb. 158) bewusst auf „pagane Ausdrucksformen“175 zurückgegriffen. Die kraftvolle Bewegung, mit welcher die Figur der Zeit die Veritas gewaltsam ihren 173 Vgl. Saxl 1936, S. 204. 174 Vgl. Saxl 1936, S. 205. 175 Saxl 1936, S. 212: „He [= Rubens, M.H.] finds pagan terms for his conceptions, even when they are most specifically Christian in subject-matter.“

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4. Die (Un-)Sichtbarkeit der Veritas

Feinden entreiße, erinnere an den Raub der Proserpina durch Pluto und bringe den überwältigenden Machtanspruch des Katholizismus ebenso wie des habsburgischen Hauses durch das Motiv des Raptus eindrucksvoll zur Anschauung.176 Diese ikonographischen Entlehnungen, die in unterschiedlicher Ausprägung fast allen im 16. und frühen 17. Jahrhundert entstandenen Darstellungen der Veritas filia temporis inhärent sind und darin zu einer gemeinsamen Bildformel subsumiert werden, verdeutlichen eine fundamentale Spannung, welche diesen Kunstwerken und den in ihnen entworfenen visuellen Wahrheitskonzepten zu eigen ist: Die Vorstellung einer gottgewollten und heilsgeschichtlich notwendigen Befreiung der Wahrheit verbindet sich darin auf produktive Weise mit jener einer übergriffigen, ja illegitimen Entführung der Veritas gegen ihren Willen.177 Aufgrund des breiten Spektrums erkenntnistheoretischer Grundannahmen, die mit der Vorstellung der von der Zeit befreiten Wahrheit verbunden werden konnten, dienten das antike Diktum und seine bildlichen Umsetzungen in der Frühen Neuzeit nicht nur zur Artikulation politischer und konfessioneller, individueller und kollektiver Wahrheitsansprüche. Sie fungierten in philosophischen und wissenschaftlichen sowie nicht zuletzt künstlerischen Zusammenhängen zugleich kontinuierlich als Aushandlungsfeld von Formen des Zugangs zur und der Vermittlung der Wahrheit. Während die Formulierung ‚Veritas filia temporis‘ etwa für Erasmus von Rotterdam, der Gellius’ Wendung mit seinen Adagia popularisierte,178 die Erwartung einer sich unweigerlich vollziehenden Enthüllung alles Verborgenen bis hin zur eschatologischen Offenbarung der Wahrheit zum Ausdruck brachte,179 forderte Galileo Galilei durch die Berufung auf dasselbe Motto die aktive Mitwirkung an der Hervorbringung der Wahrheit, die sowohl Tochter der Zeit wie auch des menschlichen Geistes sei.180 Für Francis Bacons sich wandelnde Auslegung des Gellius-Zitats legte Claus Zittel 2002 gleich drei Deutungsvarianten vor – eine relativistische, eine evolutionistische und eine platonistische –,181 die sich vor allem in der Einschätzung der zur Erkenntnis notwendigen Bemühungen der Menschen sowie der spezifischen Zeitlichkeit respektive Historizität der Wahrheitsenthüllung unterscheiden. Und Annegret Hoberg, die sich den im Kontext der Pariser Académie royale de peinture et de sculpture ab der Mitte des 17. Jahrhunderts entstandenen Darstellungen der Veritas filia temporis in ihrer 1983 abgeschlossenen Dissertation widmete,182 betonte den 176 Vgl. Saxl 1936, S. 211  f. 177 Eine weitere Ebene der Ambivalenz erkennt Carlo Ginzburg: Die Vorstellung der Veritas filia temporis konnte in der Frühen Neuzeit nicht nur auf eine künftig zu befreiende, sondern auch auf eine in der Vergangenheit bestehende, inzwischen jedoch verlorene Wahrheit bezogen werden. Vgl. Ginzburg 1966. 178 Vgl. Valkema Blouw 1998, S. 41. 179 Erasmus: Adagia, S. 464. Vgl. Bietenholz 1966, S. 20  f. 180 Vgl. Buck 1973, S. 24; Mersmann 2017b, S. 9. 181 Vgl. Zittel 2002. 182 Hoberg 1983.



4.3. Sichtbarwerdung als Befreiung

weit über den Rahmen der Kunsttheorie hinausgehenden kulturhistorischen Stellenwert dieser ästhetischen Reflexionen über den Zusammenhang von Zeit, Wahrheit und Malerei. Denn „an den Kriterien der Kunsttheorie und -historiographie […], die […] sich in den Allegorien des französischen Absolutismus in seltener Deutlichkeit aussprechen“, seien, so die Autorin, nichts weniger als die „Grundlagen des modernen Geschichtsbewusstseins“ herausgebildet worden.183 Niederländischen Darstellungen der Veritas filia temporis, zumal jenen im Medium der Druckgraphik, widmete sich die kunsthistorische Forschung bislang nicht dezidiert und erwähnte sie höchstens beiläufig im Rahmen anderer Untersuchungen.184 Die folgenden Ausführungen sollen deshalb zeigen, dass sich die unter anderem von den genannten Autor:innen konstatierte, sowohl kunsttheoretische als auch soziokulturelle Relevanz des Themas in den im vorliegenden Kapitel untersuchten Werken zu einer geradezu paradigmatischen Reflexionsform des Potenzials der Kunst zur Sichtbarmachung der unsichtbaren Wahrheit verdichtet. Ausgehend von den durch Fritz Saxl herausgearbeiteten ikonographischen Rekursen auf die Darstellungen der Höllenfahrt Christi und der mythologischen Raptus-Szenen loteten die Künstler dabei – so die These – wiederholt die Korrelation von heilsgeschichtlicher Notwendigkeit der Enthüllung und gewaltsamer Aneignung der Veritas aus, um davon ausgehend sowohl ihren eigenen ästhetischen Umgang mit der Wahrheit als auch die politisch-religiöse Wirkmacht der Bilder zu reflektieren. Dafür erwies sich das Thema der Veritas filia temporis vor allem deshalb als geeignet, weil es zum einen durch das gemeinsame Auftreten der Figuren von Veritas und Tempus die Frage nach der zeitlichen Verortung der eigenen Gegenwart im Verhältnis zur gezeigten Wahrheitsenthüllung aufwarf. Zum anderen stellte die Vorstellung, die Wahrheit werde aus der Verborgenheit der Finsternis ans Licht gebracht, per se eine sinnstiftende Assoziation von Sichtbarkeit respektive Sichtbarwerdung und Erkenntnis her: In den Darstellungen der von der Zeit befreiten Veritas avanciert die Sichtbarwerdung der Wahrheit zu einer visuellen Metapher der Erkenntnis, die sich im selben Moment im Bild realisiert. In einem wohl nach 1575 von dem aus Lüttich stammenden Pieter Jalhea Furnius entworfenen und angefertigten Kupferstich wird das reziproke Verhältnis von konfessioneller und kunsttheoretischer Dimension des Themas der Veritas filia temporis besonders deutlich (Abb. 145):185 Auf dem Bild vollzieht sich die Rettung der von der geflügelten 183 Hoberg 1983, S. 6. 184 Vgl. z.  B. Saxl 1936, S. 210; Gordon 1940, S. 236–238. 185 Zu dem Stich vgl. Keuze 2007, S. 265–268; Jonckheere 2012a, S. 70. Zum kaum erforschten Werk und zur Biographie von Furnius, der vorübergehend für Hieronymus Cock und Christoph Plantin in Antwerpen arbeitete und auch als Maler tätig war, vgl. Puraye 1948; Kairis 2001. Die Datierung des Blattes auf nach 1575 ergibt sich aus der unten auszuführenden Bezugnahme auf den auf jenes Jahr datierten Kupferstich nach einem Entwurf Federico Zuccaris.

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4. Die (Un-)Sichtbarkeit der Veritas

Abb. 145. Pieter Jalhea Furnius: Veritas filia temporis (‚Die Wahrheit als Tochter der Zeit‘), vor 1575, Kupferstich, 266 × 199 mm, Amsterdam, Rijksmuseum, Inv.-Nr. RP-P-2006-78.



4.3. Sichtbarwerdung als Befreiung

Gestalt des Tempus kraftvoll am Arm aus einer felsigen Höhle emporgezogenen nuda Veritas als ein religiös gedeuteter Akt der Befreiung. Unübersehbar wird dies durch die im Vergleich zu früheren Darstellungen ungewöhnlich präzise Bestimmung von Ausgangs- und Endpunkt des von mehreren Zeug:innen beobachteten Aufwärtsstrebens von Zeit und Wahrheit ersichtlich, das dadurch als eine zielgerichtete Bewegung erscheint. Als dämonische Antagonisten, zu denen die Figuren ein letztes Mal herabblicken, wie um sich ihres Erfolgs zu versichern, treten hier die monströse Gestalt des Princeps Tenebrarum (‚Fürst der Finsternis‘) sowie die in eine Mönchskutte gekleidete Verkörperung der Idolatrie (Idololatria) auf. Am Eingang einer Höhle kniend, die durch den am rechten Rand des Blattes aufsteigenden dunklen Rauch als ein höllischer Ort gekennzeichnet wird, zerren sie mit aller Macht noch immer an den inschriftlich als Sinnbilder der Superbia (‚Hochmut‘) und Avaritia (‚Gier, Geiz‘) ausgewiesenen Ketten, mit denen sie die Veritas zuvor im dunklen Verließ gefangen hielten und die doch schon längst gerissen sind. In gleichermaßen räumlicher wie semantischer Opposition zu dieser Sphäre teuflischer Finsternis steht die in der oberen linken Bildecke dargestellte, ein Wolkenband durchbrechende Sonne, die durch die hebräische und lateinische Beschriftung als Symbol Gottes ausgewiesen ist. Die demonstrative Gegenüberstellung der unfigürlichen Gottesdarstellung und der mönchischen Verkörperung der Idolatrie verleiht der Graphik unverkennbar eine protestantische Konnotation, wie ein kurzer Beitrag konstatiert, der anlässlich des 2006 erfolgten Ankaufs des Kupferstichs durch das Amsterdamer Rijksmuseum erschien und das Werk erstmalig vorstellt.186 Auch die zwei Schlüssel, mit denen die Veritas aus der Gefangenschaft entkommt und welche die Unumkehrbarkeit ihrer Befreiung veranschaulichen, lassen sich in diesem Kontext als konfessionelle Pointe deuten, nach welcher die Wahrheit selbst sich nunmehr der traditionell dem päpstlichen Amt zugeschriebenen Binde- und Lösegewalt im Himmel und auf Erden bemächtigt hat.187 Für das Konzept des Stichs ist dabei wohl weniger die Kritik am Ablasshandel der Kirche, welche der Artikel im Rijksmuseum Bulletin beispielhaft benennt,188 als vielmehr das gezielte Aufgreifen eines durch die Reformation virulent gewordenen bilderkritischen Diskurses entscheidend. Dementsprechend wird hier vor allem der falsche, idolatrische Gebrauch von Bildern als eine gegen die Wahrheit gerichtete Praxis präsentiert, die als ein Akt ihrer Verhüllung zu begreifen ist. Es ist diese fortdauernd auf die Wahrheit ausgeübte Gewalt, welche das lateinische Epigramm hervorhebt, das mit einer leichten Änderung aus früheren Darstellungen 186 Vgl. Keuze 2007, S. 267. Das Tetragramm wurde jedoch nicht nur in protestantischen Kontexten als Symbol Gottes eingesetzt. Vgl. dazu Muller 1994. 187 Vgl. auch die zwei Schlüssel als Attribut der Veritas in dem von Maerten de Vos entworfenen Kupferstich zur Eroberung der Antwerpener Zitadelle (Abb. 24), dazu s.  o. Kapitel 2.2. 188 Vgl. Keuze 2007, S. 267.

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4. Die (Un-)Sichtbarkeit der Veritas

der Veritas filia temporis übernommen wurde. Wohl auf einen um 1540 von Enea Vico geschaffenen Holzschnitt zurückgehend, kontrastiert der ursprüngliche Vers, der auch in einer die Bildfindung und den lateinischen Text aufgreifenden Graphik Virgil Solis’ sowie einer um 1570 angefertigten Metallplakette von Hans Jamnitzer aufgegriffen wurde, den vorherigen, verborgenen Zustand der Wahrheit mit ihrer erfolgten Befreiung: Abstrusam tenebris tempus me educit in auras (‚Nachdem ich durch die Finsternis verborgen war, führt mich die Zeit heraus ans Tageslicht [oder: in den Himmel, M.H.]‘).189 Die leicht modifizierte Formulierung auf Furnius’ Kupferstich fokussiert hingegen in Übereinstimmung mit der bildlichen Darstellung das weiterhin aktive Einwirken der Mächte der Finsternis, welche die Veritas in einem kontinuierlichen Kräftemessen hinab zu ziehen versuchen: Obducunt me tenebræ tempus me educit in auras (‚Die Finsternis verhüllt mich, die Zeit führt mich heraus ans Tageslicht [oder: in den Himmel, M.H.]‘). Diese Betonung eines andauernden Kampfes gegen die Feinde der Wahrheit in Furnius’ Kupferstich lässt sich als Ausdruck einer protestantisch perspektivierten Geschichtsdeutung verstehen. Bereits in der 1567 möglicherweise bei Jan van Waesberghe in Antwerpen gedruckten Ausgabe mehrerer Schriften des bedeutenden reformierten Predigers Petrus Dathenus hatte die Darstellung der Veritas filia temporis eine derartige Funktion erfüllt.190 Auf dem innerhalb des Werks mehrfach verwendeten Titelblatt (Abb.  146), das unter anderem einem darin enthaltenen Kalender vorangestellt ist, in welchem die Heiligenfeste durch Daten aus der – insbesondere niederländischen – (Vor-)Geschichte der reformierten Konfessionsbildung ersetzt wurden, visualisiert die in vier Szenen dargestellte Narration von der Gefangennahme und Befreiung der Wahrheit programmatisch das Selbstbild der sich konsolidierenden Gemeinschaft der calvinistischen Kirche. In diesem Sinne kann Furnius’ Darstellung der von der Idolatrie befreiten Wahrheit als Sinnbild einer reformatorischen Beendigung des in den zeitgenössischen bilderkritischen Diskursen heftig debattierten katholischen ‚Bilderkultes‘ verstanden werden.191 Diese vermeintlich einseitige Kritik an einem ‚götzendienerischen‘ Umgang mit Kunstwerken erweist sich jedoch bei näherer Betrachtung als eine vielschichtige künstlerische Auseinandersetzung mit dem religiösen Offenbarungsanspruch von Bildern, in welcher anhand der Wahrheitsfigur über das Verhältnis zwischen der bildlichen Darstellung und der unsichtbaren Transzendenz reflektiert wird. Wohl nicht zuletzt 189 Zu dem Holzschnitt von Enea Vico vgl. Rossi 2009 mit der dort angegebenen Literatur. Zu der Graphik von Virgil Solis, auf der Chronos nicht als vollständige Figur, sondern abbreviaturhaft durch einen Flügel dargestellt wird, vgl. O’Dell-Franke 1977, S. 115, Nr. e 112. Zu der Metallplakette vgl. Bange 1921, S. 63  f. 190 Zur Druckgeschichte der Ausgabe von Dathenus’ Schriften vgl. Lenselink 1959, S. 498. 191 Zur Debatte um Status und Gebrauch von Bildern in den Niederlanden vgl. zusammenfassend Jonckheere 2012a, S. 31–42.



4.3. Sichtbarwerdung als Befreiung

Abb. 146. Anonyme:r Künstler:in: Titelholzschnitt, in: Petrus Dathenus: Catechismus ofte onderwijsinge inde Christelijcke leere, Antwerpen: Jan van Waesberghe (?), 1567, Gent, Universitäts­bibliothek, Sign. BIB.BL.008366/-3.

deshalb befindet sich die Figur der Veritas gleichsam auf halber Strecke zwischen dem unfigürlichen Gottessymbol des Tetragramms und der unter ihr befindlichen Sphäre der Finsternis: Ihr verschatteter rechter Fuß scheint sich gerade noch in der Höhle zu befinden, während ihre von Chronos geführte Hand beinahe die von der Sonne ausgehenden Lichtstrahlen berührt. Die Befreiung aus den Fängen der Idolatrie vollzieht sich damit signifikanterweise als ein Vorgang der Sichtbarwerdung der nuda Veritas, der gleichwohl, wie die in Richtung der Sonne aufsteigende Bewegung verdeutlicht, letztlich auf die Unsichtbarkeit des Göttlichen verweist. Die Passivität, mit welcher die Veritas im Anschluss an die Raptus-Motivik ihre Rettung mehr erduldet als aktiv an ihr mitzuwirken, mag dabei unterstreichen, dass dieser Vorgang der ‚Entbergung‘ zwar religiös legitimiert ist, aber letztlich dem Wesen der transzendenten Wahrheit dennoch widerspricht. Die Sichtbarwerdung der Veritas wird innerhalb des Bildes vor allem auch dadurch begründet, dass sie nur so für jene Gruppe von Zeug:innen erkennbar werden kann,

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4. Die (Un-)Sichtbarkeit der Veritas

Abb. 147. Pieter Jalhea Furnius, Veritas filia temporis (‚Die Wahrheit als Tochter der Zeit‘), vor 1575, Kupferstich, Detail aus Abb. 145.

die auf der linken Seite dem Aufstieg der Wahrheit, auf die sie durch den Gott Merkur mit dem Wort ‚emergit‘192 (‚sie kommt empor, sie kommt zum Vorschein‘) hingewiesen wird, staunend beiwohnt (Abb. 147). Augenscheinlich sind mindestens zwei der hier gezeigten männlichen Figuren zugleich in die Befreiung der Veritas involviert, wie durch die Steinblöcke deutlich wird, auf denen sie sitzen. Denn diese korrespondieren mit jenen quaderförmigen Felsen, welche die Grotte der Wahrheitsfeinde begrenzen und durch ihre ungewöhnliche Struktur Spuren menschlicher Bearbeitung aufweisen. Ähnliche Blöcke als ‚Rohmaterial‘ für Artefakte verschiedener Art – architektonische Bauteile ebenso wie Statuen und Reliefs – zeigt etwa die von Maarten van Heemskerck entworfene Darstellung des Artemistempels von Ephesos (Abb. 148).193 Während darauf die Figuren mehrerer Arbeiter und Künstler – von denen einer wie die bärtige Gestalt in Furnius’ Kupferstich ein Winkelmaß bei sich trägt – den Stein auf unterschiedliche Art und Weise bearbeiten, um die gewünschten Formen hervorzubringen, halten die Figuren in Furnius’ Graphik jedoch inne und betrachten vielmehr das sich über ihnen vollziehende Ereignis. Die Präsenz des Götterboten in dieser offensichtlich auf künstlerisch-handwerkliche Tätigkeiten rekurrierenden Figurengruppe erinnert an Darstellungen der Planetenkinder, in denen unter dem Einfluss Merkurs diverse Gelehrte und Künstler ihrer Arbeit nachgehen, wie ein weiterer Kupferstich nach Maarten van 192 Die Formulierung ‚veritas emergit‘ ist geläufig, so etwa in Ciceros Pro Cluentio (183): Cicero: Pro Cluentio, S. 222. 193 Zu Maarten van Heemskercks Serie der Weltwunder, aus welcher das Blatt stammt, vgl. u.  a. Spronk 2016; DiFuria 2019, S. 282–284.



4.3. Sichtbarwerdung als Befreiung

Abb. 148. Philips Galle nach Maarten van Heemskerck: Die acht Weltwunder, Blatt 5: Der Artemis­tempel von Ephesos, verlegt von Philips Galle (zugeschrieben), 1572, Kupferstich, 214 × 264 mm, ­Amsterdam, Rijksmuseum, Inv.-Nr. RP-P-1891-A-16452.

Heemskerck beispielhaft zeigt (Abb. 149).194 Auf der rechten Seite des von Harmen Jansz. Muller gestochenen Blattes arbeitet etwa ein Bildhauer eine männliche Figur aus einem Steinblock heraus, wobei der durch seine Positionierung zum Phallus werdende Meißel die schöpferische Potenz dieses künstlerischen Akts betont.195 Die in Furnius’ Kupferstich auf den Steinblöcken sitzenden und von Merkur auf die Befreiung der Wahrheit aus den Fängen der Finsternis und der Idolatrie aufmerksam gemachten männlichen Figuren scheinen vor diesem Hintergrund vor allem die Unterbrechung einer künstlerischen Tätigkeit zu demonstrieren, die angesichts der denkwürdigen Sichtbarwerdung der Wahrheit nur in staunende Reflexion übergehen kann. Dies 194 Zur Ikonographie der Planetenkinder vgl. umfassend Blume 2000. Zu dem Blatt nach Maarten van Heemskerck vgl. Veldman 1980, S. 164  f. 195 Zur sexuellen Konnotation künstlerischer Schaffenskraft vgl. Pfisterer 2014.

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4. Die (Un-)Sichtbarkeit der Veritas

Abb. 149. Harmen Jansz. Muller nach Maarten van Heemskerck: Die sieben Planeten, Blatt 2: Merkur mit seinen Kindern, verlegt von Hieronymus Cock, 1566–1570, Kupferstich, 211 × 247 mm, Amsterdam, Rijksmuseum, Inv.-Nr. RP-P-1891-A-16487.

ist umso bedeutsamer, als die Beteiligung am Abbau des Steins als ambivalente Tätigkeit inszeniert wird, deren Konsequenzen es offenkundig wohl zu bedenken gilt: Einerseits kniet die Figur der Idolatrie auf einem weiteren Block und betont so die Gefahr, welche dem künstlerisch bearbeiteten Stein als ‚Götzenbild‘ innewohnt; wohl nicht zuletzt weil die reformatorische Bilderkritik insbesondere Werke der Bildhauerkunst als Auslöser eines derartigen Missbrauchs verdächtigte.196 Andererseits ist es anscheinend gerade die durch das Abtragen des Felsens geschaffene Öffnung, durch welche die Figur der Zeit die verkörperte Wahrheit zu befreien vermag. Zur Schnittstelle zwischen positiven und negativen Konsequenzen der handwerklich-künstlerischen Arbeit wird hier damit das Material erhoben, das je nach seiner Nutzung gleichermaßen den Ausgangspunkt 196 Vgl. Michalski 1993, S. 76.



4.3. Sichtbarwerdung als Befreiung

für die Ent- wie für die Verhüllung der Wahrheit zu bilden vermag.197 Diese kunsttheoretische Aussage wird durch die Figur Merkurs betont, der, wie Doris Krystof im Hinblick auf Darstellungen der Hermathena im Umkreis der sogenannten Haarlemer Akademie herausarbeitete, im Unterschied zu Minerva speziell die „praktisch-technischen Aspekte“198 künstlerischer Arbeit hervorhebt. Im Fokus steht hier demnach die durch die artistischen Fertigkeiten der Künstler ermöglichte Hervorbringung von Kunstwerken als materielle Objekte, deren erkenntnisstiftender Wert dezidiert von der Art des Umgangs mit ihnen abhängt. Das hier bereits angedeutete Moment der manuellen ‚Freilegung‘ oder ‚Ausgrabung‘ der Wahrheit aus dem Untergrund wird dabei von Furnius zusätzlich durch einen interpikturalen Bezug zu einer früheren Veritas filia temporis-Darstellung kunstreflexiv fruchtbar gemacht. Denn insbesondere die Gestalt des Tempus ist –  etwa durch den markanten Jahreszeitenkranz als Kopfschmuck – als modifizierte Übernahme aus einem von Federico Zuccari entworfenen Kupferstich erkennbar (Abb. 150).199 Auch die etwas ungelenk wirkende Haltung von Furnius’ Verkörperung der Zeit sowie die merkwürdige Platzierung der fast schwebend erscheinenden Sanduhr und der Ouroboros-Schlange lassen sich wohl durch das Bemühen erklären, diese Herkunft der Figur erkennbar zu halten und sie gleichzeitig sinnvoll in die eigene Bildfindung zu integrieren. Die von Zuccari konzipierte Graphik, die sowohl in einer von Petrus Valck gestochenen und 1575 in Venedig erschienenen als auch in einer undatierten und seitenverkehrten, von Philips Galle gravierten Fassung erhalten ist, zeigt einen deutlich an der Gestalt des Laokoon orientierten Chronos.200 Umwunden von der Ouroboros-Schlange, die er – anders als der trojanische Priester die von der Athene gesendeten Schlangen – zu bändigen vermag, zieht er die Figur der nuda Veritas aus einer an Gewitterwolken ebenso wie an dunklen Rauch erinnernden Sphäre der Finsternis heraus, die Furnius in den aus der Höhle aufsteigenden Schwaden aufgriff. Während die zwei in Zuccaris Bildfindung neben der Veritas und dem Chronos fliegenden, motivisch und kompositorisch möglicherweise auf die Söhne des Laokoon zurückgehenden Figuren – eine engelhafte Gestalt mit der Sanduhr und ihre im Schatten befindliche monströse Begleiterin mit der Sense – die ver-

197 Zur Relevanz der Materialität von Kunstwerken innerhalb der bilderkritischen Debatten des 16. Jahrhunderts in den Niederlanden vgl. Jonckheere 2012b. 198 Krystof 1997, S. 80. Vgl. zu Hermathena-Darstellungen und ihrem kunsttheoretischen Potenzial auch Müller / Kaschek 2002. 199 Zu dem Kupferstich vgl. Winner 1968, S. 396; Hoberg 1983, S. 37–39; Weddigen 2000, S. 204–206; Marini 2009. 200 Auf die Rezeption der Laokoon-Gruppe in dem Kupferstich wies Tristan Weddingen hin, vgl. Weddigen 2000, S. 206. Zur künstlerischen Rezeption dieser antiken Skulptur in der Frühen Neuzeit vgl. u.  a. Winner 1974; Gall / Wolkenhauer 2008; Müller 2011; Schmälzle 2018.

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4. Die (Un-)Sichtbarkeit der Veritas

Abb. 150: Philips Galle nach ­Federico Zuccari: Veritas filia temporis (‚Die Wahrheit als Tochter der Zeit‘), um 1575 (?), Kupferstich, 335 × 233 mm, Wien, Albertina, Sign. H/I/12/113.

schiedenen Aspekte der Zeit verkörpern,201 ist in der Finsternis hinter ihnen die wütend ihre Arme in die Luft reißende Figur der Invidia (‚Neid‘) zu erkennen, deren Schlangen soeben eines ihrer Opfer töten. Die archäologische Arbeit, welche die durch Plinius’ Beschreibung bereits zuvor berühmte, in päpstlichem Besitz befindliche Laokoon-Gruppe im Jahr 1506 buchstäblich aus dem Dunkel der Erde hervorbrachte, fungiert demnach in Zuccaris Veritas filia temporis als sinnstiftende Analogie zur Befreiung der Wahrheit. Furnius griff für seinen Kupferstich nicht nur in modifizierter Form Zuccaris Figur des ‚Laokoon-Chronos‘, sondern auch die Metapher der Ausgrabung auf, spitzte sie jedoch im Hinblick auf seine eigene künstlerische Tätigkeit zu. Ausschlaggebend ist in diesem Kontext die markante Platzierung von Furnius’ Signatur als Inventor und Kupferstecher ausgerechnet auf dem im Vordergrund zu sehenden Steinblock, sodass 201 Vgl. Weddigen 2000, S. 204. Zu den Attributen des Chronos vgl. Panofsky 1939a; Cohen 2000; Cohen 2014.



4.3. Sichtbarwerdung als Befreiung

sich das inue[n]tor et fe[cit] des Künstlers ebenso auf die Konzeption und Anfertigung des Kupferstichs wie auch auf den in der Darstellung angedeuteten Abbau der Felsblöcke beziehen lässt. Diese Assoziation wäre insofern treffend, als die Technik des Tiefdrucks in der Frühen Neuzeit vielfach als eine der Bildhauerei verwandte künstlerische Praxis und die Graphik daher als eine Ausformung des Mediums Skulptur aufgefasst wurde;202 insbesondere deshalb, weil die Ausarbeitung der Bildfindung auf der Kupferplatte letztlich ebenfalls aus einem Abtragen von Material besteht, damit sich die Tinte in den entstandenen Vertiefungen sammeln kann, um in der Presse aufs Papier gebracht zu werden.203 In diesem Sinne präsentiert Furnius seine eigene künstlerische Invention sowie Bearbeitung des Metalls mit dem Stichel, bei der er das Bild aus dem Material ‚herausgrub‘, als einen gleichermaßen skulpturalen wie archäologischen Prozess der Hervorbringung der zuvor im beziehungsweise unter dem unbearbeiteten Bildträger verborgenen Wahrheit. Ausgehend von der protestantischen Bilderkritik nutzte der Künstler die Darstellung der Veritas filia temporis so für eine ebenso konfessionell wie paragonal argumentierende Inszenierung eines spezifischen Potenzials der Druckgraphik, als ein neues, im Vergleich zur Skulptur weniger problematisches ‚Leitmedium‘ religiöser Reflexion zu fungieren. Während Furnius sich als mit der und durch die Zeit operierender Akteur inszenierte, welcher der Wahrheit im Bild zu ihrer Befreiung verhilft, stellt ein von Johannes Stradanus entworfener und von Jan Collaert (II) angefertigter Kupferstich die Brisanz der Wahrheitsdarstellung stärker in den Vordergrund (Abb. 151).204 Mit weit zu einem Halbkreis ausgebreiteten Flügeln erhebt sich auf dem von Philips Galle verlegten und mit Veritas temporis filia betitelten Blatt in der Bildmitte die muskulöse Gestalt des Chronos, um die auf seiner linken Schulter sitzende Veritas-Figur mit wenig Anstrengung emporzutragen. Die Gerettete wird hier nicht gemäß der geläufigen Bildformel an einem Arm aus der Tiefe herausgezogen, sondern beide Figuren scheinen durch ihre einander entsprechenden Körperhaltungen in den Konturen gleichsam zu einem Leib zu verschmelzen, wie durch das um beide gewundene Tuch zusätzlich betont wird.205 Die Figurenkonstellation erinnert dadurch etwa an Michelangelos durch druckgraphische Reproduktionen verbreitete Ganymed-Zeichnung (Abb.  152), mit welcher der italienische Künstler auf spannungsreiche Weise die unverkennbare Erotik des 202 Vgl. Viljoen 2021. 203 Vgl. Viljoen 2021, S. 41. 204 Zu dem Blatt vgl. bislang lediglich den Hollstein-Eintrag: New Hollstein (Philips Galle 2), S. 255, Nr. 285. Zur Zusammenarbeit von Johannes Stradanus und Philips Galle, die sich nach 1585 intensivierte, vgl. Sellink 2012. 205 Zu Michelangelos Ganymed-Darstellung und ihrer Rezeption vgl. Grohé 1996, S. 127–131. In den Niederlanden wurde diese Bildfindung etwa in einem von Cornelis Bos nach einem Entwurf Michiel Coxcies gestochenen Kupferstich rezipiert (Amsterdam, Rijksmuseum, Inv.-Nr. RP-P-OB-7273).

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4. Die (Un-)Sichtbarkeit der Veritas

Abb. 151. Jan Collaert (II) nach Johannes Stradanus: Veritas temporis filia (‚Die Wahrheit als Tochter der Zeit‘), verlegt von Philips Galle, nach 1585 (?), Kupferstich, 246 × 182 mm, Amsterdam, Rijksmuseum, Inv.-Nr. RP-P-BI-6125.



4.3. Sichtbarwerdung als Befreiung

Abb. 152. Nicolas Beatrizet nach ­Michelangelo Buonarroti: Die ­Entführung des Ganymed, ca. 1517–1565, Kupferstich und Radierung, 430 × 284 mm, Amsterdam, Rijksmuseum, Inv.-Nr. RP-P-OB-34.272.

Mythos mit seiner humanistischen Deutung als Sinnbild des seelischen Aufstiegs zur göttlichen Schau verband.206 Anders als der in eine Trance verfallene trojanische Königs­sohn, dessen nackter Körper sich mit jenem des fliegenden Adlers zu einem halb menschlichen, halb tierischen Mischwesen zu verbinden scheint, folgt Stradanus’ sanft lächelnde Veritas jedoch offenbar bereitwillig ihrer Erhebung. Die ‚Verschmelzung‘ der Körper wird hier zu einem Ausdruck für das Zusammenwirken von Zeit und Wahrheit umgedeutet, in welchem sich die Veritas keinesfalls passiv verhält. Im Gegenteil deutet der wie verehrend auf sie gerichtete Blick des verkörperten Tempus ebenso wie die wohl bewusst an die tradierte Christophorus-Ikonographie erinnernde Platzierung der Getragenen auf der Schulter des Chronos die der Zeit letztlich überlegene Göttlichkeit der Wahrheit an. Wie der Heilige der Legende nach das Christuskind, das auf seinem Rücken das Gewicht der ganzen Welt annahm, über den Fluss trug und damit seinen göttlichen Auftrag erfüllte, ist demnach die nach Joh 14,6 mit Christus identische 206 Vgl. u.  a. Panofsky 1980, S. 281; Grohé 1996, S. 121  f.

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4. Die (Un-)Sichtbarkeit der Veritas

Veritas der ­muskulösen Gestalt des Chronos nur scheinbar unterlegen. Entgegen den üblicherweise mit der Veritas filia temporis verbundenen Rollen der Figuren wird der Akt des Raptus so zu einer bewussten (Selbst-)Präsentation der Wahrheit umgedeutet, die weniger eine ihr gegenüber ausgeübte Gewalt als vielmehr ihre eigene Wirkmacht veranschaulicht. Die ausgebreiteten Arme der verkörperten Veritas, die wie durch ein kräftiges Abstoßen vom Boden noch angewinkelten Beine und der sich hinter ihrem Kopf aufbauschende Stoff demonstrieren dabei die Dynamik ihrer raumgreifenden Aufwärtsbewegung. Diese wirkt umso eindrucksvoller als sie sich vor einem weitgehend flächig gehaltenen Hintergrund ereignet. Über einem bildparallel angeordneten, mit einem lateinischen Epigramm sowie den Signaturen der Künstler beschrifteten Sockel, auf welchem die gemäß ihrer geläufigen Ikonographie ihr eigenes Herz verzehrende und einen Dolch in der Hand haltende Figur der Invidia liegt,207 kennzeichnet eine Zone dunkler, aus dichten Kreuzschraffuren gestalteter Felsen jene Finsternis, in der die Wahrheit laut den von einem anonymen Autor verfassten Versen lange verborgen war.208 Während die steinernen Vorsprünge kaum vom Licht beschienen werden und zum Teil fast wie eine schwarze Farbfläche wirken, scheint der darüber befindliche Bereich ganz vom Leuchten durchzogen zu sein, das vom sonnenartigen Nimbus der Veritas ausgeht. Alle Linien des Hintergrundes emanieren dort wie Strahlen aus diesem Licht: Die Hervorbringung der Wahrheit durch die Zeit ereignet sich so, wie die graphische Faktur veranschaulicht, erneut als ein Moment nicht nur der Sichtbar-, sondern genauer der Bildwerdung. Dabei verdeutlicht die auffällige Kontrastierung dieser mit dem Grabstichel unterschiedlich ausgestalteten Bereiche nachdrücklich, dass Licht und Finsternis im Kupferstich letztlich durch dasselbe künstlerische Bemühen evoziert werden und das gestochene Bild die Veritas in diesem Sinne gleichermaßen zu enthüllen wie zu verhüllen vermag.209 Im Vergleich zu den Veritas filia temporis-Darstellungen von Zuccari und Furnius fällt in diesem Zusammenhang die ungewöhnliche Variation des Ausgangspunkts für diesen machtvollen Aufstieg ins Auge: Weniger von der fast abstrakt wirkenden Halbkreisform, die auf der rechten Seite in der dunklen Masse der Felsen auszumachen ist und möglicherweise in Übereinstimmung mit der Bildtradition einen Höhlenausgang andeutet, als von dem darunter zu sehenden Sockel scheint gemäß der räumlichen Logik des Bildes der Ascensus auszugehen. Damit variiert Stradanus einen Bildaufbau, den er insbesondere in seinen von Philips Galle verlegten Heiligenbildern nutzte, um den Darstellungen mittels eines in leichter Aufsicht gezeigten Vorsprungs eine bühnenartige Wirkung zu verleihen und das Geschehen als heiliges Schauspiel zu inszenieren. 207 Zur Ikonographie der Invidia vgl. die auf S. 286 in Anm. 126 angegebene Literatur. 208 Quae dudum latuit tenebris immersa profundis, / Puteoq[ue] sese altissimo occultauerat, / Quamuis Inuidia obnitente, in luminis auras / Prognata. Tempore nuda prodit VERITAS. 209 Zur bildreflexiven Relevanz der Dialektik von Ver- und Enthüllung vgl. grundlegend Krüger 2001.



4.3. Sichtbarwerdung als Befreiung

Abb. 153. Johannes Wierix (?) nach Johannes Stradanus: Hl. Margareta von Antiochien, verlegt von Philips Galle, 1559–vor 1612, Kupferstich, 253 × 181 mm, Amsterdam, Rijksmuseum, Inv.-Nr. RP-P-OB-66.980.

Beispielhaft belegt dies die möglicherweise von Johannes Wierix gravierte Darstellung Margaretas von Antiochia, die auf dem von ihr allein mit dem Kreuzzeichen besiegten Drachen thront (Abb. 153).210 Während auf beiden Blättern ein vom dämonischen Gegenspieler der weiblichen Hauptfigur ausgehendes Stück Stoff die ästhetische Grenze zu überschreiten scheint und die Rezipierenden auf diese Weise direkt mit der Gegenwart des Bösen konfrontiert, reduzierte Stradanus für seine Inszenierung der Veritas filia temporis den Bühnencharakter des Podests, der hier frontal zu sehen ist, sodass die Figuren von Chronos und Veritas in leichter Untersicht erscheinen und umso mehr in ihrem Aufwärtsstreben betont werden. Der Vorsprung erinnert nun eher an einen Statuensockel, wie er in anderer Form etwa auf der Darstellung Merkurs aus der ebenfalls von Philips Galle verlegten sowie von Jan Collaert nach Stradanus’ Entwürfen gestochenen Serie der Sieben Planeten zu 210 Zu dem Stich vgl. New Hollstein (Wierix Family 9), S. 199, Nr. 1348.

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4. Die (Un-)Sichtbarkeit der Veritas

Abb. 154. Jan Collaert (II) nach Johannes Stradanus: Die sieben Planeten, Blatt 6: Merkur, verlegt von Philips Galle, nach 1585–vor 1612, Kupferstich, 198 × 136 mm, Amsterdam, Rijksmuseum, Inv.-Nr. RP-P-BI-6088.

sehen ist (Abb. 154).211 Die Körperhaltung des antiken Gottes, der mit seitlich erhobenen Armen und angewinkelten Beinen wie zum Abstoßen in die Luft bereit scheint und nur noch auf den Zehenspitzen auf dem Untergrund balanciert, erinnert auffällig an die schwebende Gestalt der Wahrheit; in beiden Fällen heben sich die detailliert ausge­ arbeiteten Körper vor einem eher flächig gestalteten Hintergrund ab, um die plastische Wirkung der Figuren zu betonen. Ohne dass festzumachen wäre, welche der undatierten Graphiken zuerst entstand, wird durch diese motivischen Analogien ein Assoziationsraum eröffnet, welcher die Veritas sowohl mit der christlichen Heiligen als auch mit der paganen Gottheit in Verbindung bringt und ihre Inszenierung zwischen Theatralität und Skulpturalität oszillieren lässt. Dadurch avancieren die Verkörperungen von Zeit und Wahrheit gleichsam zu einer realiter unmöglichen, weil ‚lebendig‘ gewordenen und

211 Zu dem Blatt vgl. New Hollstein (Collaert Dynasty 3), S. 32, Nr. 1312.



4.3. Sichtbarwerdung als Befreiung

von ihrem Sockel befreiten Skulpturengruppe.212 Der dunkle Stein im Hintergrund des Stichs symbolisiert in diesem Sinne nicht nur die Finsternis, aus welcher die Veritas befreit wird, sondern auch die ungestaltete Materie, aus welcher sie sichtbar hervortritt. Diese ungewöhnliche Interpretation des Bildthemas wird zusätzlich durch das Verhalten der Invidia unterstrichen: Während die Präsenz einer Gegenspielerin der beiden Hauptfiguren geläufig ist – gelegentlich tritt an dieser Stelle auch die Figur der Calumnia (‚Verleumdung‘) auf  –, wird sie üblicherweise als aktiv Angreifende inszeniert.213 Im Kupferstich nach Stradanus’ Entwurf ist die Verkörperung des Neides jedoch demonstrativ am Boden beziehungsweise bildparallel auf dem Sockel liegend zu sehen. Ihr zweckloser Widerstand, mit dem sie sich laut dem Epigramm gegen die Erhebung der Wahrheit wehrt,214 besteht entsprechend ihrer durch die Schlangenhaare zum Ausdruck gebrachten Medusengestalt vor allem in dem zornigen Blick, mit dem sie den Figuren von Veritas und Tempus aus ihrem wie zu einem schrecklichen Schrei fratzenhaft verzerrten Gesicht hinterhersieht. Die Wut des dämonischen Wesens scheint sich demnach vor allem auf den Umstand zu beziehen, dass es nicht vermag, die Schwebenden gemäß der im Mythos den Gorgonen zugeschriebenen Wirkung in Stein und folglich in regungsund machtlose Skulpturen zu verwandeln;215 im Gegenteil: Während das Monstrum die Figuren als dämonische Bildhauerin durch ‚Petrifizierung‘ am felsigen Untergrund festzuhalten strebt, treibt Chronos, der durch seine Flügel als antithetische Entsprechung der Invidia erscheint, die Aufwärtsbewegung unaufhaltsam voran. Johannes Stradanus griff damit die an den Paragone-Diskurs anschließende kunsttheoretische Dimension der Veritas filia temporis-Ikonographie auf, die bereits in den von Zuccari und Furnius konzipierten Kupferstichen erkennbar wird. Im Unterschied zu diesen früheren Beispielen ist jedoch vor allem bemerkenswert, dass die Künstler ihre eigene Arbeit nun offenbar nicht nur mit dem Wirken des Tempus, welcher der Veritas zur Sichtbarkeit verhilft, sondern auch mit jenem der Invidia in Verbindung bringen. Dies wird dadurch anschaulich nahegelegt, dass der Dolch in der Rechten der dämonischen Gestalt, der auch als entfernte Anspielung auf den Grabstichel zu verstehen sein mag, gezielt auf den Namen des Verlegers weist:216 Ebenso wie es der gorgonenhaften Invidia nicht gelingt, die Fliehenden in Stein und dadurch gleichsam in ein skulptiertes Abbild ihrer selbst zu verwandeln, können auch die Künstler die Wahrheit letztlich 212 Signifikanterweise war es offenbar genau diese, im Medium der Skulptur kaum zu bewältigende Herausforderung, die Befreiung der Wahrheit durch die schwebende Figur der Zeit zu verbildlichen, die Giovanni Lorenzo Bernini mehrere Jahrzehnte später dazu veranlasste, seine berühmte Verità unvollendet zu lassen. Vgl. Winner 1968, S. 396. 213 Zu den Gegenspielern vgl. insbesondere Saxl 1936. 214 S.o. das auf S. 320 in Anm. 208 zitierte Epigramm. 215 Zur Medusa als Bildhauerin vgl. Bredekamp 2015, S. 231–235. 216 Bezeichnenderweise entstammt auch der mit der Tätigkeit des Verlegers verbundene Begriff ­‚excudit‘ (‚hat herausgeschlagen, gemeißelt, geprägt‘) dem Wortfeld der Bildhauerei.

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4. Die (Un-)Sichtbarkeit der Veritas

nicht im Kupferstich ‚festsetzen‘. Ihr Neid richtet sich daher, so ließe sich die Geste der Invidia-Figur deuten, auf die Transzendenz der Wahrheit, die sie trotz aller virtuoser Kunstfertigkeit nicht ins Bild – oder in den Text – zu bannen vermögen. Hierauf macht auch die ungewöhnliche Anbringung der gleichsam fragmentierten Inschrift in der Graphik aufmerksam: An eben jener Stelle, an der sich in der Gloriole die göttliche Macht der Veritas zu einer Lichterscheinung konzentriert, ist nur eine unbearbeitete Fläche zu sehen, welche die Worte Veritas temporis filia ‚zerreißt‘. In den bislang vorgestellten Beispielen wird die sich stets gegen alle Widerstände durchsetzende Befreiung der Wahrheit bewusst als ein ambivalenter Vorgang visualisiert: Während die Sichtbarkeit der Veritas im Bild einerseits durch einen dem Wesen der Wahrheit widersprechenden Anspruch visueller ‚Fixierung‘ gekennzeichnet ist, erhält sie paradoxerweise erst dadurch die ihr zukommende Wirkmacht. Es ist eben diese, ihrerseits geradezu gewaltsame Evidenz der zur Erscheinung gebrachten Veritas, welche sich insbesondere die konfessionelle Propaganda der Frühen Neuzeit in den Darstellungen der Veritas filia temporis wiederholt zu eigen machte.217 Eine zu Beginn des 17.  Jahrhunderts, vermutlich um 1620,218 von Bartholomeus ­Willemsz. Dolendo angefertigte und in Amsterdam von Claes Jansz. Visscher publizierte Graphik deutet die Befreiung der Wahrheit aus der Finsternis in diesem Zusammenhang als Beendigung einer im Epigramm ausführlich beschriebenen, vom Teufel ausgelösten Situation religiöser und politischer Unordnung (Abb. 155):219 Den viandt van het Menschelycke gheslacht den vader der lueghenen, door syn valsch bedroch, verweckt quade harde opynien, dye dyen quaden geest in blaest, waer van dat voort comen vreemde ketteryen, dye alle goede Regeringe en dye Eenicheyt breecken  […], en dye naecte ­waerheyt bedecken, dye door den tydt weder int Licht comt, en dye Gherechtichiet [sic!] daer handt aen Houdende, met Godts seeghen beginnen sy weder te Floreren. Laet ons hartelick Godt bidden, dat de waerheyt by ons blyve, om tot die Eewyghe onverganckelycke waerheyt te ­gheraecken, dat ons will gunnen, Godt den vader den Soon den Heilyghen Geest Amen. 217 Zur Wahrheits- und Lichtmetaphorik konfessioneller Propaganda vgl. auch Ashworth 1989; ­Reichardt 1998, S. 95–103; Weigel 2015. 218 Die Lebensdaten der beteiligten Künstler legen eine Entstehung zwischen 1605 und 1626 nahe: Visscher war zwischen 1605 und 1652 als Verleger in Amsterdam tätig; Dolendo verstarb 1626 in Leiden. Zu den wenigen bekannten Daten über Dolendos Leben und Werk vgl. Ekkart 1974, S. 189; Klinkert 2002. Zu Visscher vgl. u.  a. Kolfin 2011, S. 15  f.; Leeflang 2014. Der unten angesprochene Bezug zu den innerreformierten Konflikten zu Beginn des 17. Jahrhunderts legt eine Datierung im Zeitraum ihrer Beendigung durch die Synode von Dodrecht (1618–1619) und die Hinrichtung Johan van Oldenbarnevelts (1619) nahe. 219 Der Stich wurde meines Wissens bislang weder genauer beschrieben noch analysiert. Die einzige Bemerkung dazu findet sich neben der Ankaufnotiz in Aanwinsten 1960, S. 112 im Online-Katalogbeitrag des Rijksmuseums, URL: http://hdl.handle.net/10934/RM0001.COLLECT.336184 (letzter Zugriff: 13. März 2022).



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Abb. 155. Bartholomeus Willemsz. Dolendo: Veritas filia temporis (‚Die Wahrheit als Tochter der Zeit‘), verlegt von Claes Jansz. Visscher, 1605–1626 (?), Kupferstich, 554 × 415 mm, Amsterdam, ­Rijksmuseum, Inv.-Nr. RP-P-1960-55. Al was dye waerheyt van dye luegen machtich bedeckt / Sy is weder met der tydt van Godt Crachtich verweckt. ‚Der Feind des menschlichen Geschlechts, der Vater der Lügen, hat durch seinen falschen Betrug schlechte harte Meinungen erweckt, die ein schlechter Geist einbläst, woraus fremde Ketzereien hervorkommen, die alle gute Regierung und die Einigkeit zerbrechen […] und die nackte Wahrheit verhüllen, die durch die Zeit wieder ans Licht kommt, und die Gerechtigkeit, die mit der Hand daran festhält, mit Gottes Segen beginnen sie wieder zu gedeihen. Lasst uns Gott von Herzen bitten, dass die Wahrheit bei uns bleibe, um zur ewigen unvergänglichen Wahrheit zu gelangen, das möge uns Gott, der Vater, der Sohn, der Heilige Geist gönnen, Amen. // Auch wenn die Wahrheit von den Lügen stark verhüllt wurde, ist sie von Gott durch die Zeit kraftvoll wiedererweckt.‘

In dem großformatigen Kupferstich findet die im Text angedeutete Situation der Finsternis, Lüge und Uneinigkeit ihre bildliche Entsprechung in den für das Bildthema ungewöhnlich zahlreichen, zum Teil körperlich ineinander verschlungenen Figuren sowie den stark herausgearbeiteten Hell-Dunkel-Kontrasten, welche die Darstellung auf den

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4. Die (Un-)Sichtbarkeit der Veritas

ersten Blick überfüllt und unübersichtlich wirken lassen. Dieser Irritation widersetzt sich signifikanterweise insbesondere die auf der Mittelachse des Bildes zu sehende Figur der Veritas, deren nackter Körper sich in den Konturen scharf von ihrer dunkel gestalteten unmittelbaren Umgebung abhebt. Gleichsam als visueller ‚Ankerpunkt‘, von welchem aus die um sie zirkulierende Komposition zu erschließen ist, manifestiert sich in dieser Ausgestaltung nicht nur nachdrücklich die Sichtbarkeit der aus der Finsternis befreiten Wahrheit; ihr Erscheinen löst zugleich einen Prozess der sich durch die eingehende Betrachtung vollziehenden Erkenntnis aus, die sich auf das Verständnis der Darstellung selbst ebenso wie der politisch-religiösen Verhältnisse beziehen lässt. Gemäß der geläufigen Bildformel wird die sich mit dem rechten Fuß offenbar gerade noch vom Untergrund abstoßende nuda Veritas, deren wehendes lockiges Haar den Schwung der Aufwärtsbewegung andeutet, an ihrem ausgestreckten Arm von der verkörperten Zeit emporgehoben. Die Figur des Chronos, der die Sense unter den Arm geklemmt hält, während das Stundenglas auf seiner Schulter balanciert, blickt ebenso wie die von ihm Gerettete nach oben und macht so auf die unsichtbare Präsenz Gottes aufmerksam, der im bereits zitierten Epigramm als eigentlicher Urheber der Befreiung apostrophiert wird. Ungewöhnlich ist dabei, dass der zentrale Akt der revelatio sich, wie im Epigramm beschrieben, nicht allein auf die Wahrheit beschränkt, sondern als Konsequenz auch das Erscheinen der Gerechtigkeit nach sich zieht und dadurch auf die in den niederländischen Versen betonte politische Komponente des Kupferstichs verweist.220 So hält die befreite Veritas die hinter ihr aus der links zu erkennenden felsigen Höhle emporkommende Iustitia (‚Gerechtigkeit‘) an der Hand, deren über die ästhetische Grenze hinausragendes und die Betrachtenden dadurch in ihr Ringen mit dem Bösen involvierendes Schwert noch von einer dämonischen Kreatur mit weit aufgerissenen Augen umklammert wird, die mit der Linken ihr Haar packt, um sie am Entkommen zu hindern. In der Inszenierung dieser Befreiung, deren glücklichen Ausgang die beiden Putti demonstrieren, die sich neben einer Kartusche mit der Signaturinschrift Dolendos über den gezeigten Höhlenrand beugen, um den Geretteten Lorbeerkränze zu überreichen, wird der ikonographische Bezug zu traditionellen Darstellungen der Höllenfahrt Christi erkennbar, wie sie etwa Maerten de Vos in einem 1579 von Johann Sadeler verlegten Kupferstich zeigte (Abb. 156).221 Die entschlossen wirkende Figur des Chronos, der mit seiner Sense die finsteren Wolken auf der rechten Seite des Bildes zu vertreiben scheint, wird dadurch in Anlehnung an Christus dargestellt, der gegen den nutzlosen Widerstand der dämonischen Torwächter die Gerechten aus dem Limbus befreit. Diese visuelle 220 Insofern ist die Beschreibung im Online-Katalog des Rijksmuseum, nach welcher die Gerechtigkeit hier als Helferin der Zeit auftrete, um die Wahrheit zu befreien, nicht ganz zutreffend. Vgl. URL: http://hdl.handle.net/10934/RM0001.COLLECT.336184 (letzter Zugriff: 7. August 2021). 221 Zu dem Stich vgl. Hollstein 44, S. 190, Nr. 875.



4.3. Sichtbarwerdung als Befreiung

Abb. 156. Johann Sadeler (I) nach Maerten de Vos: Das Apostolische Glaubensbekenntnis, Blatt 17: Abstieg Christi in die Unterwelt und Auferstehung Christi, verlegt von Johann Sadeler (I), 1579, Kupferstich, 202 × 243 mm, Amsterdam, Rijksmuseum, Inv.-Nr. RP-P-OB-5915.

Analogiebildung wird durch die vollständige Nacktheit der Wahrheitsfigur ­verstärkt, die dadurch anschaulich mit den zumeist unbekleideten Figuren der beim Descensus ad inferos Geretteten, insbesondere den Ureltern Adam und Eva, in Verbindung gebracht wird. Der kraftvolle Aufstieg gen Himmel, den in Dolendos Bildinvention die Figuren von Chronos, Veritas und Iustitia gemeinsam vollziehen, verbindet dabei den Verweis auf die Höllenfahrt mit jenem auf die – gemäß der Chronologie der Passionsgeschichte – auf diese folgende Auferstehung, die Maerten de Vos rechts im Hintergrund seiner Graphik darstellte. Die visuelle Amalgamierung und allegorische Umdeutung dieser Szenen in Dolendos Kupferstich setzt nicht nur die Befreiung der Wahrheit anschaulich mit dem Aufstieg zu Gott gleich, sondern lässt sich zugleich als eine Form konfessioneller Aneignung der tradierten christlichen Ikonographie verstehen. Im Anschluss an die sowohl in der lutherischen als auch der calvinistischen Theologie verbreitete Vorstellung, dass Christus

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4. Die (Un-)Sichtbarkeit der Veritas

Abb. 157. Bartholomeus Willemsz. Dolendo: Veritas filia temporis (‚Die Wahrheit als Tochter der Zeit‘), verlegt von Claes Jansz. Visscher, 1605–1626 (?), Kupferstich, Detail aus Abb. 155.

die Gerechten deshalb nicht habe aus der (Vor-)Hölle befreien können, weil sie bereits unmittelbar nach ihrem Tod in den Himmel aufgenommen worden seien,222 war auch das Bildthema der Höllenfahrt Christi in protestantischen Kontexten ungebräuchlich geworden.223 Die im Credo enthaltene Formulierung, wonach Christus nach der Kreuzigung in die Unterwelt hinabgestiegen sei (descendit ad inferos), wurde von Martin Luther und Johannes Calvin vielmehr auf einen Zustand der Gottverlassenheit bezogen, den Christus am Kreuz erlebt habe und der mit der Erfahrung der Hölle identisch sei.224 Als einen solchen geradezu höllischen Zustand der Gottesferne kennzeichnet Dolendos Kupferstich damit auch jenen gesellschaftlichen Unfrieden, welchen die Befreiung der Wahrheit laut dem Epigramm beendet und dessen Auswirkungen auf der rechten Seite des Kupferstichs noch zu erkennen sind: Zwei miteinander ringende Figuren im Vordergrund versuchen sich gegenseitig das Gesicht mit ihren Zähnen zu zerfleischen, wobei sie so in diesen Zweikampf vertieft sind, dass sie die sich neben ihnen ereignende Befreiung von Veritas und Iustitia kaum zu bemerken scheinen. Weniger grausam, wenngleich mindestens ebenso unheilvoll erscheint das dahinter gezeigte Geschehen 222 Vgl. Loerke 2003, S. 20  f. 223 Vgl. Loerke 2003, S. 1 u. 293. 224 Vgl. Loerke 2003, S. 19–21; Buitendag 2013, S. 150.



4.3. Sichtbarwerdung als Befreiung

(Abb.  157), das angesichts seiner Verschattung durch eine finstere Wolkenmasse in ­besonderem Kontrast zur Befreiung der Wahrheit steht. Drei männliche Figuren scheinen hier auf eine erschöpft wirkende vierte in ihrer Mitte einzureden, um sie offenbar von den im Epigramm erwähnten Lügen und trügerischen Meinungen zu überzeugen. Als Urheber dieser verderblichen Einwirkung erscheint das sich dahinter im Dunkel abzeichnende diabolische Wesen, mit dem Dolendo augenscheinlich auf die Gestalten der Winde in Zuccaris Veritas filia temporis-Darstellung Bezug nimmt, die dort mit der Kraft ihres Atems die Rauchschwaden vorantreiben, welche die Veritas-Figur verbergen sollen (vgl. Abb. 150). In Dolendos Stich ist das Opfer dieses, die Betrachtenden aus ihren hervorstechenden Augen fixierenden Wesens die zusammengesunkene männliche Figur, welcher die monströse Gestalt in drei aus ihrem Mund kommenden Strahlen den im Epigramm erwähnten quaden geest einbläst, aus dem vreemde ketteryen entstehen, dye alle goede Regerenge en dye Eenicheyt breecken.225 Der hier anschaulich gemachte Zustand einer ‚Hölle auf Erden‘, in welchem die vom Teufel verbreitete Ketzerei nicht nur die Wahrheit verborgen, sondern auch die gute Regierung und die Einigkeit der Menschen zerstört habe, bezieht sich im historischen Kontext offensichtlich auf die in Kapitel 2.3. der vorliegenden Arbeit skizzierten innerreformierten Streitigkeiten im Zuge der Auseinandersetzungen zwischen Remonstranten und Kontraremonstranten.226 Auf diese politisch-konfessionelle Staatskrise, deren Beendigung auch die von Adriaen Pietersz. van de Venne herausgegebene Darstellung der Idea Belgicarum Provinciarum Confaederatarum (Abb. 44) als machtvolles (Wieder-)Erscheinen der Wahrheit präsentiert, übertrug Dolendo die mit der Höllenfahrt Christi verbundene theologische Aussage einer Überwindung der Hölle durch die Verkündung des Glaubens. Die Konsolidierung der calvinistischen Konfession in der publieke kerk der Vereinigten Provinzen wird insofern zu einem religiösen Akt der Erlösung stilisiert, dessen Dauerhaftigkeit jedoch noch ungewiss ist. Denn die im Epigramm zum Ausdruck gebrachte Hoffnung, Gott möge dafür sorgen, „dass die Wahrheit bei uns bleibe, um zur ewigen unvergänglichen Wahrheit zu gelangen“, macht zum einen darauf aufmerksam, dass die in der und durch die Zeit zu realisierende Wahrheit nicht mit jener eschatologischen Wahrheit identisch ist, die sich erst am Ende der Zeiten offenbaren wird. Zum anderen betont die Formulierung, dass die sich in der konfessionellen Konsolidierung der Vereinigten Provinzen historisch manifestierende Wahrheit gleichwohl als ein Zeichen dieser ersehnten Veritas verstanden werden kann, welches den von den 225 Vgl. das oben zitierte Epigramm und die dort angegebene Übersetzung. 226 Diese historische Kontextualisierung wird auch in der Ankaufnotiz durch die Beschreibung des Blattes als „Allegorie op de Godsdienstgeschillen“ (Aanwinsten 1960, S.  112) angedeutet, ohne dass die Art der Streitigkeiten hier präzisiert wird. Sie wird durch Visschers Herausgabe weiterer auf diese krisenhaften Ereignisse bezogener Druckgraphiken plausibel gemacht. Vgl. zu diesen Werken Warren 2015.

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4. Die (Un-)Sichtbarkeit der Veritas

Niederländer:innen beanspruchten Status eines von Gott auserwählten Volkes zu bekräftigen vermag.227 Vor diesem Hintergrund wird die religiöse Relevanz der Visualisierung der Veritas im Bild, die sowohl auf die weltimmanente Enthüllung der Wahrheit wie auch auf jene noch zu erwartende, endzeitliche Wahrheit verweist, mit besonderem Nachdruck erkennbar. Denn die Graphik wird von Dolendo als ein gleichsam apotropäisch wirksames ‚Gegenmittel‘ gegen die weiterhin stets als latente Gefahr bestehende Wirksamkeit der Lügen inszeniert. So ergänzte der Künstler das von ihm geschaffene Werk durch eine ungewöhnliche Selbstaussage in der ornamental ausgestalteten Kartusche, die bezeichnenderweise am Eingang der dargestellten Höhle und damit gleichsam an der Schwelle zwischen Verborgenheit und Enthüllung der Wahrheit platziert ist: vuit oprechte Lyefde, is dit van my uit gegheuen / om de waerheyt, met harten te beminnen. […] Bartholomeus Dolendo Fecit (‚Aus aufrechter Liebe ist dies von mir herausgegeben, um die Wahrheit von Herzen zu lieben. […] Bartholomeus Dolendo hat [diesen Kupferstich, M.H.] gemacht‘). Das künstlerische ‚Hervorbringen‘ (uitgeven) der Wahrheit im Medium der Druckgraphik wird somit an die Wahrhaftigkeit des Künstlers gebunden, dessen „aufrechte Liebe“ zur Veritas ihre Darstellung begründet. Das Epigramm betont darüber hinaus durch die Verwendung des Begriffs ‚fecit‘, der sich stärker auf die physische Sichtbarmachung der Veritas durch die Gravur als auf einen gedanklichen Inventionsprozess bezieht, dass in diesem Kontext gerade der Sichtbarkeit der Wahrheit im Bild die entscheidende Funktion zukommt: Im Zusammenspiel von Bildfindung, Epigramm und Signaturinschrift wird die Aufgabe des Kupferstichs betont, die Wahrheit nicht nur im – mit seinen Maßen von 554 × 415 mm schon durch seine schiere Größe beeindruckenden – Bild wahrnehmbar zu machen, sondern ihr dadurch vor allem eine nachhaltige, religiöse und politische Wirkungsmacht zu verleihen. In diesem Sinne fungiert die andauernde, vom Künstler ermöglichte Präsenz der visualisierten Wahrheit im Kupferstich als Träger des im zitierten Epigramm formulierten Gebets um das Bleiben der Wahrheit und erfüllt dieses zugleich. Signifikanterweise ist es eben diese, geradezu überwältigende Macht der sichtbaren Wahrheit, die Peter Paul Rubens ungefähr zur selben Zeit, wohl um 1625, für seinen im Auftrag der spanischen Statthalterin in den südlichen Niederlanden Isabella Clara Eugenia angefertigten Tapisseriezyklus als Triumph der eucharistischen Wahrheit inszenierte (Abb. 158).228 Der Fingerzeig der von der Figur des Chronos emporgetragenen Veritas auf den Schriftzug Hoc est corpus meum (Mk 14,22: „dieser ist mein Leib“) verweist 227 Zur Selbstidentifikation der Niederländer:innen als auserwähltes Volk s.  o. die auf S. 28 in Anm. 8 genannte Literatur. 228 Zu dem für den Klarissinnenkonvent der Descalzas Reales in Madrid geschaffenen Bildzyklus vgl. u.  a. Poorter 1978; Scribner 1982; Münch 2012; Vergara / Woollett 2014; Libby 2015.



4.3. Sichtbarwerdung als Befreiung

Abb. 158. Peter Paul Rubens: Der Triumph der eucharistischen Wahrheit, Modello, um 1625, Öl auf Holz, 64,5 × 90,5 cm, Madrid, Museo Nacional del Prado, Inv.-Nr. P001697.

nicht nur auf die zentrale katholische Glaubenslehre der Realpräsenz Christi im Abendmahl, sondern bringt das eucharistische Mysterium sinnfällig mit der Visualisierung der Wahrheit im Bild in Verbindung. Der allegorische Körper der Veritas, deren Identität mit Christus durch die Geste angedeutet wird und doch selbst unsichtbar bleibt, fungiert dabei als sinnlicher Ausdruck der durch diese Worte belegten Glaubenswahrheit.229 Die Pointe der von Rubens konzipierten Bildfindung besteht darin, dass gerade diese gleichermaßen paradoxe wie machtvolle Evidenz der Wahrheit die zu Boden geworfenen ‚Ketzer‘ und unter ihnen insbesondere Johannes Calvin in fast tragischer Weise zu über229 Martin Luther, der in Rubens’ Bildfindung selbst unter den Wahrheitsfeinden erscheint, bediente sich in der Marburger Disputation von 1526 einer vergleichbaren, wenngleich ganz auf die Evidenz der Schrift fokussierten Rhetorik der revelatio: Zur Bekräftigung der auch von ihm vertretenen Realpräsenz-These schrieb der Reformator laut dem Bericht des ebenfalls anwesenden Andreas Osiander die Bibelworte Hoc est enim corpus meum mit Kreide auf einen Tisch und verdeckte den Schriftzug mit einem Tuch, um ihn im entscheidenden Moment der Disputation als eindrücklichen Beleg der in der Bibel manifesten Wahrheit zu enthüllen. Vgl. zu dieser Episode Hoping 2015, S. 256 mit Angabe der entsprechenden Quellen sowie Belting 2005, S. 45  f.; Weidner 2012, S. 13–16. Für den Hinweis auf diese Analogie danke ich Heike Schlie.

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4. Die (Un-)Sichtbarkeit der Veritas

zeugen vermag: Mit weit aufgerissenen Augen starrt die Gestalt des Genfer Reformators die strahlende Erscheinung der Veritas an, um in eben jenem Moment, in dem er sie als solche erkannt hat, von ihrer Übermacht vernichtet zu werden. Dolendos und Rubens’ Werke können somit als weitere Belege dafür fungieren, dass die von der Forschung zurecht mit dem Thema der Veritas filia temporis in Verbindung gebrachten konfessionellen Konkurrenzen in unterschiedlichen Medien als eine Frage nach der religiösen Überzeugungskraft der im Bild gezeigten Wahrheit verhandelt wurde.230 Insbesondere im Anschluss an die ikonographische Anspielung auf das Raptus-Motiv und die Höllenfahrt Christi entfaltet sich das künstlerische Ringen um die Sichtbarkeit beziehungsweise die – hier dezidiert in ihrer Prozessualität betonte – Sichtbarwerdung der Veritas dabei als ein ambivalentes Kräftemessen, in welchem die Künstler wiederholt ihre eigene Rolle im Rahmen der gezeigten ‚Befreiung‘ der Wahrheit reflektieren: Das Bestreben, die Wahrheit zur Anschauung zu bringen, fungiert einer­seits als Träger und Ausdruck der in den Graphiken inszenierten Enthüllung der Veritas, die alle, die sie sehen, von ihrer Macht überzeugt, während es andererseits in letzter Konsequenz stets an der Transzendenz der Wahrheit scheitern muss.

230 Rubens’ Bildzyklus zum Triumph der Eucharistie wurde – gleichsam in Fortsetzung dieses Aushandlungsprozesses  – in der Mitte des 17.  Jahrhunderts auch in druckgraphischen Reproduktionen publiziert. So wurde die Darstellung der Veritas filia temporis von Adriaen Lommelin in Kupfer gestochen und von Gilles Hendricx in Antwerpen verlegt. Vgl. Poorter 1978, S. 216.

5. Resümee – Allegorische Druckgraphik als Medium der Wahrheit Die in der vorliegenden Arbeit analysierten Druckgraphiken zeichnen sich, wie gezeigt werden sollte, durch differenzierte visuelle Konzepte von Wahrheit aus, die soziokulturelle Funktionen und bildreflexive Dimensionen produktiv miteinander verbinden. Dabei bildet in den Kupferstichen und Radierungen die spezifische Referenzialität zwischen den inhaltlich verhandelten weltimmanenten Erscheinungsformen der Wahrheit einerseits und der gemäß der christlichen Tradition aufgrund ihrer Transzendenz unerreichbaren göttlichen Wahrheit andererseits den Ansatzpunkt werkimpliziter Reflexion. Ausgehend von den grundlegenden Fragen nach dem Wesen, der Erkennbarkeit und den Realisierungen der Wahrheit loten die Blätter in diesem Kontext gerade anhand der Figur der Veritas – so die Leitthese der Untersuchung – die Möglichkeiten und Grenzen einer ästhetischen Bewältigung der Wahrheit sowie nicht zuletzt ihre eigene Wahrheitsfähigkeit aus. Kapitel  2. widmete sich der ‚Wahrheit als Politikum‘ und untersuchte ausgewählte Werke aus den späten 1570er Jahren sowie aus der Zeit des Zwölfjährigen Waffenstillstandes (1609–1621). In diesen Phasen krisenhafter Zuspitzung der politisch-konfessionellen Konflikte kam der Bezugnahme auf die Wahrheit in den Niederlanden offensichtlich ein verstärkter propagandistischer Stellenwert zu, der in dem Versuch einer identitätsstiftenden Abgrenzung von den zu ‚Lügnern‘ und ‚Häretikern‘ deklarierten Gegnern begründet war.1 Vor diesem Hintergrund konzipieren die analysierten Werke die Wahrheit als eine überzeitliche, aber gleichwohl unauflösbar in die gegenwärtigen Geschehnisse involvierte Größe, indem sie die Veritas in unterschiedlichen Figurenkonstellationen und Handlungszusammenhängen darstellen. Dabei machten sich die Künstler die semantische Ambiguität der Veritas-Figur zunutze, in der ausgehend von den bereits dem lateinischen Begriff ‚veritas‘ inhärenten Bedeutungen die Aspekte der Wahrhaftigkeit und der göttlichen Wahrheit gezielt subsumiert und mit der Visualisierung eines spezifischen Geschichtsmodells verbunden werden konnten. Unter Rückgriff auf tradierte politische Vorstellungen rekurriert die Veritas-Figur in diesem Zusammenhang – insbesondere in Verbindung mit den Figuren von Caritas (‚Liebe‘) und Fiducia (‚Vertrauen, Zuverlässigkeit‘) – auf eine herrschaftslegitimierende Tugendkonstellation, in deren Rahmen die Aufrichtigkeit als eine Macht konstituierende Eigenschaft galt. Diese wird in den behandelten Werken aus den späten 1570er Jahren dezidiert nicht Philipp  II., sondern den Niederländer:innen selbst beziehungsweise 1

Vgl. Pollmann 1992, S. 80 u. 89  f.; Kempers 1995, S. 88.

https://doi.org/10.1515/9783111123004-005



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5. Resümee

ihren Vertreter:innen wie Wilhelm von Oranien zugeschrieben, um so dem Anspruch politisch-religiöser Autorität und Autonomie Ausdruck zu verleihen. Auch vor dem Hintergrund der Konsolidierung der Republik der Vereinigten Provinzen zur Zeit des Zwölfjährigen Waffenstillstandes und der damit verbundenen Suche nach einem kollektiven Selbstbild wurde ‚Wahrhaftigkeit‘ respektive die nun zunehmend explizit calvinistisch codierte ‚Wahrheit‘ als Ideal und Merkmal des jungen Gemeinwesens präsentiert. Der Aufstand und die Staatsgründung in den Niederlanden wurden dabei –  wie in Jacques de Gheyns und Willem van Haechts Das Nest-Ei (Abb.  17 u. 20) sowie der von Maerten de Vos entworfenen Serie zur Eroberung der Antwerpener Zitadelle (Abb. 21–28) besonders deutlich wird – als Teil eines vom Wirken der Wahrheit bedingten und dieses zugleich bestätigenden, kontinuierlich auf die endzeitliche Offenbarung hinstrebenden Geschichtsverlaufs inszeniert, in dem sich die Wahrheit auf unterschiedliche Weise manifestiert. Die Enthüllung von Geheimnissen und Täuschungen, die Aufrichtigkeit einzelner Akteur:innen sowie die (durch den Betrug außer Kraft gesetzte) wahrhaftige politische Ordnung, auf deren Errichtung die historischen Ereignisse gemäß der eschatologisch perspektivierten Gegenwartsdeutung beständig hinstreben, fungieren insofern als Zeugnisse jener ‚revelatorischen Zwangsläufigkeit‘, in deren heilsgeschichtliche Entfaltung sich die Druckgraphiken selbst einschreiben. Indem sie auf unterschiedliche Weise an diesen Manifestationsformen der Veritas zu partizipieren und diese in ästhetische Strategien zu übertragen streben, beanspruchen sie nicht nur, die Wahrheit bildlich zu repräsentieren und zu vermitteln, sondern vielmehr eine eigene, geradezu wahrheitserzeugende Wirkmacht zu entfalten. In diesem Sinne lassen sich die – etwa in de Gheyns Radierungen zur Antwerpener Zitadelle (Abb. 13–14) oder der eben erwähnten Serie nach Entwürfen von Maerten de Vos  – eingesetzten, vermeintlich historiographisch-dokumentarischen Darstellungsmodi sowie die auf einen consensus wiederkehrender Motive und Deutungsmuster des Aufstandes zielenden interpikturalen Bezüge als Verfahren visueller Plausibilisierung verstehen, die aktiv an der Überwindung von Tyrannei und Betrug durch deren evidente Enthüllung partizipieren sollten. Die Graphiken generieren in diesem Kontext wiederholt eine spezifische Form der Zeugenschaft, indem sie auf ‚Vertrauen‘ als zentrale Kategorie (nicht nur) frühneuzeitlicher Wahrheitsfindung2 rekurrieren und sich wiederholt – wie in der Serie nach Maerten de Vos, Theodor de Brys Das Böse regiert die Welt, während Wahrheit und Gerechtigkeit schlafen (Abb. 30) oder Jacques de Gheyns und Willem van Haechts Allegorien auf den Machtantritt Don Juans (Abb. 4–6) – die wirklichkeitsgenerierende Kraft performativer Akte wie Eideshandlungen oder Herrschereinzüge kreativ aneignen und den Rezeptionsprozess davon ausgehend als testimonialen ‚Bildakt‘ konzipieren.3 2 3

Vgl. u.  a. Shapin 1994; Frevert 2003. Zur Theorie des Bildakts vgl. Bredekamp 2015.



5. Resümee

Vor allem die in den ersten Jahrzehnten des 17. Jahrhunderts entstandenen Kupferstiche, die zu Zeugnissen der politisch-religiösen, wissenschaftlich-technischen, ökonomischen sowie künstlerischen Leistungsfähigkeit des jungen Staatswesens stilisiert wurden, sollten darüber hinaus als ästhetische Konfigurationen politisch-konfessioneller Ideale oder gar ‚Utopien‘ fungieren. Wie am Beispiel der von David Vinckboons entworfenen Wahren Darstellung eines aufrichtigen Friedens […] (Abb. 33) sowie Adriaen Pietersz. van de Vennes Idea Belgicarum Provinciarum Confaederatarum (Abb. 44) argumentiert, wurde den Kunstwerken in diesem Zusammenhang das Potenzial zugeschrieben, eine realiter noch unverwirklichte Wahrheit anschaulich zu machen, deren Visualisierung in den Graphiken den geschichtlichen Offenbarungsprozess der göttlichen Veritas gleichsam antizipieren sollte. Als einen möglichen Ausweg aus der politisch-religiösen Krise der späten 1560er und der 1570er Jahre fokussieren die in Kapitel 3. behandelten Graphikserien, die Dirck Volckertsz. Coornhert gemeinsam mit Adriaen de Weerdt und Hendrick Goltzius schuf, auf konzeptueller Ebene die Bibel als konfessionsübergreifend anerkannten Zugang zur Wahrheit. Diese erscheint hierbei zwar als ein letztlich ebenso unerfassbares wie unerreichbares Ideal, das gleichwohl aktiv in die inhaltlich thematisierten Erkenntnisprozesse des Menschen involviert ist und dadurch im aufrichtigen Wahrheitsstreben beständig wirksam werden kann. Ausgehend vom angenommenen Status der Heiligen Schrift als göttliches Zeugnis der Wahrheit, das durch seine für das menschliche Verständnis notwendige sprachliche Beschaffenheit dennoch für Fehlinterpretationen anfällig ist, operieren die Graphiken mit unterschiedlichen Möglichkeiten, den biblischen in einen visuellen Wahrheitsanspruch zu übertragen, der basierend auf der nachdrücklichen Selbstreflexivität der Blätter zugleich das sowohl text- als auch bildinhärente Problem potenziell irreführender Sinnlichkeit bewältigen sollte. Die stets eng an die auf den Kupferstichen und Radierungen zitierten Stellen der Heiligen Schrift gebundenen Inventionen, welche der Mehrdeutigkeit und Vielfalt des Textes bewusst die Evidenz der bildlichen Darstellung gegenüberstellen, sollten dabei in mehrfacher Hinsicht als „exegetische Instrumente“4 fungieren. Der kreative Umgang mit den Bibelversen, der insbesondere in Coornherts und de Weerdts Die Kraft der Wahrheit (Abb. 55–62) auf der theologischen Methode der loci communes basiert und in Aufstieg und Fall des Häretikers (Abb. 69–89) selbst als ein Ergebnis prekärer Erfindungskraft problematisiert wird, zielte zum einen darauf ab, durch die Übertragung der Textstellen in innovative bildliche Darstellungen auf die Erforderlichkeit eines allegorischen Schriftverständnisses aufmerksam zu machen. Zum anderen reflektiert gerade diese intermediale Konstellation die spezifische Medialität der Wahrheit sowohl in der Heiligen Schrift als auch in den Druckgraphiken. 4

Melion / Clifton / Weemans 2014.

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5. Resümee

In diesem Kontext nimmt die Figur der Veritas vor allem aufgrund der als ambivalent gekennzeichneten Zurschaustellung ihres nackten Körpers eine entscheidende Rolle ein: Während sie die grundlegende claritas der Wahrheit versinnbildlicht, verweist sie zugleich auf die beständige Verführbarkeit des Menschen durch intellektuelle Ablenkungen und sensuelle Reize im Sinne der concupiscentia oculorum.5 Der unverhüllte Leib der Veritas-Figur fungiert vor diesem Hintergrund als zentrale Projektionsfläche, mittels derer das komplexe Verhältnis zwischen der Unsichtbarkeit göttlicher Wahrheit und ihrer Visualisierung im Bild ausgelotet wird. Diese bewusste Infragestellung der erkenntnisstiftenden Wirksamkeit der Blätter zielt in rezeptionsästhetischer Hinsicht darauf ab, den Betrachtenden die Notwendigkeit einer stets über die äußere Erscheinung der Bilder respektive des biblischen Textes hinausgehenden Einsicht zu vermitteln. Intendiert war dabei offenbar die Erlangung jener inneren Erfahrung der Wahrheit, die Coornhert in seiner moralphilosophischen Schrift Zedekunst mit dem Begriff ‚ondervinden‘ bezeichnet.6 Dieser im Sinnlichen gründende, aber die sinnliche Ebene gleichwohl übersteigende epistemische Vorgang sollte laut dem Künstler und Autor einen gleichsam ästhetischen Formungsprozess bewirken, in dessen Verlauf der Mensch – im Anschluss an die tradierte christliche Forderung der imitatio Christi – selbst zu einem Abbild der Wahrheit im Denken, Sprechen und Handeln wird.7 Damit war aus Coornherts Perspektive nicht nur eine individuelle Entwicklung, sondern auch die Beendigung der zeitgenössischen konfessionell-politischen Konflikte angestrebt. Denn die Fokussierung auf eine Innerlichkeit der Wahrheitserfahrung sowie die Anerkennung der Inkommensurabilität des Göttlichen machten für ihn letztlich jeden absoluten konfessionellen Wahrheitsanspruch obsolet.8 Wie das Beispiel der zu Beginn des 17. Jahrhunderts publizierten Neuauflage von Coornherts und Goltzius’ Aufstieg und Fall des Häretikers unter dem Titel Den Doolhof van de dwalende Gheesten verdeutlicht, stellte diese transkonfessionelle Argumentationsweise der Graphiken im calvinistischen Umfeld der Vereinigten Provinzen eine gleichermaßen religiöse wie künstlerische Herausforderung dar. Der reformierte Verleger Jan Evertsz. Cloppenburgh konfigurierte das Gefüge aus Wort und Bild daher grundlegend neu und bemühte sich um eine textliche ‚Disziplinierung‘ der Radierungen aus calvinistischer Perspektive. Diese konfessionelle Umcodierung der Serie kann als Beleg dafür fungieren, dass die intermedialen Semantisierungsprozesse in den untersuchten Druckgraphiken stets auch als kontextgebundene Verfahren der Wahrheitserkenntnis und -vermittlung fungieren. 5 6 7 8

Zum Konzept der mit der curiositas assoziierten concupiscentia oculorum, deren Verurteilung im christlichen Kontext des Mittelalters und der Frühen Neuzeit auf Augustinus zurückgeht, vgl. die auf S. 175 in Anm. 88 genannte Literatur. Coornhert: Zedekunst, S. 238. Vgl. Coornhert: Zedekunst, S. 238  f. Vgl. Roobol 2010, S. 41; Pietsch 2015b, S. 463.



5. Resümee

In Kapitel 4. wurden schließlich Kupferstiche analysiert, die programmatisch die Veritas sowie die Wirksamkeit ihrer Sichtbarkeit auch und vor allem im Bild thematisieren. Ausgehend von einem Verständnis der Wahrheit als eine überirdische, aber gleichwohl innerweltlich relevante Macht, deren Transzendenz sich paradoxerweise in einer geradezu überwältigenden Evidenz ihrer bildlichen Erscheinung manifestieren sollte, reflektierten die Künstler wiederholt über die bei der Visualisierung der Veritas sowohl produktions- als auch rezeptionsästhetisch wirkenden Kräfte. Auf der Basis eines gezielten Arbeitens mit differenzierten ikonographischen Traditionen sowie den medienspezifischen erkenntnisstiftenden Potenzialen des Kupferstichs beziehungsweise der Kupferstichserie erprobten sie die druckgraphische Darstellung der Veritas als ein Verfahren ästhetischer Repräsentation der Wahrheit, das eine eigene religiöse und politische Wirkungsmacht entfalten sollte. Die zunächst fokussierten Umsetzungen der auf Grundlage der apokryphen ‚Pagenerzählung‘ aus dem 3. Buch Esra neu entwickelten Ikonographie der Vier stärksten Mächte bezeugen in diesem Kontext die besondere Relevanz des druckgraphischen Mediums, vor allem in serieller Konzeption, als künstlerisches Experimentierfeld in den Niederlanden des 16.  Jahrhunderts. Im Rahmen des innovativen Bildthemas, das eine adäquate Darstellung der miteinander konkurrierenden Mächte ‚Wein‘, ‚König‘, ‚Frau‘ und ‚Wahrheit‘ erforderte, fungieren gerade die Mehrteiligkeit der Kupferstichserien und die dadurch ermöglichte Handhabung der Blätter, die zu deren beständigem Vergleich auffordert, als wichtiges rezeptionsästhetisches Instrument im angestrebten Erkenntnisprozess, der dadurch grundlegend strukturiert wird. Hierfür erprobten die Künstler verschiedene Triumphmotive, antik(isierend)-profane und christliche Ikonographien und Symboliken sowie intermediale Konstellationen im Hinblick auf ihre Fähigkeit, sowohl der weltimmanenten Herrschaft der Wahrheit als auch ihrer Göttlichkeit eine visuelle Evidenz zu verleihen, welche den Sieg über die anderen drei Entitäten im Bild gewissermaßen immer schon realisiert. Vor allem im Falle der ersten, von Philips Galle und Gerard van Groeningen entwickelten Fassung des Themas (Abb. 106–109) wird dabei die vielschichtige Einbindung des Werks in die kulturellen Kontexte insbesondere der Antwerpener Festkultur und ihrer Rezeption in allegorischen Kupferstichfolgen ersichtlich, mit deren Adaption die Künstler das erkenntnisstiftende Leistungsvermögen dieser medienübergreifenden Traditionen ebenso wie ihre soziokulturelle Wirkmächtigkeit ausloteten. Die Visualisierung der Wahrheit als Ausdruck ihrer unumschränkten Macht wird in dem von Maerten de Vos entworfenen Triumphus Veritatis (Abb. 135) aus dem Jahr 1579 aufgegriffen sowie problematisiert. Auf Grundlage der theologisch etablierten Gleichsetzung von Wahrheit und Christus (vgl. Joh 14,6) inszeniert die Graphik den auf die Figur der Veritas gerichteten Blick als unangemessenen Versuch, sich die Wahrheit mittels sinnlicher Wahrnehmung und menschlicher Vernunft anzueignen. Aufgrund dieser biblisch fundierten Bildargumentation konnte de Vos’ Invention in verschiede-

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5. Resümee

nen konfessionellen und politischen Kontexten rezipiert werden, stellte jedoch, ähnlich wie die von Coornhert konzipierten Graphiken, für eine konfessionelle Vereinnahmung eine produktive Herausforderung dar. In den späteren, im katholischen Umfeld entstandenen Neuauflagen des Kupferstichs wurden daher eigens ergänzte Epigramme und Inschriften genutzt, um den Blick auf die Veritas-Figur zum Ausdruck einer göttlich legitimierten Annäherung an die – nun katholisch codierte – Wahrheit zu erklären. Der Vorgang konfessioneller Aneignung vollzog sich demnach auch hier als ein Prozess intermedialer Um- und Neusemantisierungen, in dessen Zentrum stets die Frage nach dem epistemischen Potenzial eines genuin ästhetischen Erkenntniszugangs stand. Einen solchen eruieren auch die zuletzt analysierten Darstellungen der Veritas filia temporis, die als paradigmatische Visualisierungsformen jenes Wechselspiels von Sichtbarem und Unsichtbarem gelten können, das in den untersuchten Graphiken immer wieder als Grundlage bildlich vermittelter Erkenntnis präsentiert wird. Ausgehend von den motivischen Bezügen auf die Ikonographien der Höllenfahrt Christi und der mythologischen Raptus-Szenen reflektierten die Künstler den als (heils-)geschichtlich notwendig und zugleich gewaltsam gekennzeichneten Prozess der Wahrnehmbarwerdung der Veritas als einen ambivalenten Vorgang. Die sichtbare Hervorbringung der Wahrheit im Bild sollte dabei – trotz oder vielmehr gerade wegen des grundlegenden Spannungsverhältnisses zur Transzendenz des Göttlichen – innerhalb der zeitgleichen politisch-religiösen Auseinandersetzungen eine nachhaltige Überzeugungskraft entfalten, deren konfessionelle Instrumentalisierung in der Veritas filia temporis-Darstellung von Bartholomeus Willemsz. Dolendo (Abb. 155) besonders eindrücklich deutlich wird. Wie die exemplarischen Fallstudien darlegen sollten, bedingte das von variierenden religiösen, politischen, aber auch ökonomischen Zielsetzungen der Künstler und Verleger geprägte Bestreben nach einer visuellen Erfassung der eigentlich unerfassbaren Wahrheit die Erprobung differenzierter Formen bildlicher Repräsentation des Abstrakten. Die visuellen Konzepte von Wahrheit verdichten sich dabei zwar anschaulich in der Veritas-Figur, sind aber nicht auf sie beschränkt, sodass mit Bezug auf die untersuchten Graphiken vor allem von dynamischen, Produktions- und Rezeptionsprozess der Kunstwerke umfassenden Konfigurationen der Wahrheit gesprochen werden kann, deren verschiedene, ineinandergreifende Ebenen im Folgenden abschließend rekapituliert werden sollen: Erstens nimmt die Figur der Veritas in den untersuchten Kupferstichen und Radierungen eine maßgebliche Funktion als ästhetisches ‚Scharnier‘ zwischen Sichtbarem und Unsichtbarem ein, indem sie nicht nur auf das Abstraktum ‚Wahrheit‘ verweist. Vielmehr problematisiert sie dessen bildliche Konkretisierung, insbesondere durch die mit ihr verbundene Licht- und Enthüllungssymbolik, ihre ostentativ betonte Körperlichkeit sowie ikonographische Analogien (z.  B. mit Maria Magdalena, der Hure Babylon oder Caro, der Verkörperung des Fleisches) und thematisiert auf diese Weise wiederholt



5. Resümee

die Potenziale und Limitationen eines visuellen Erkenntniszugangs. Zugleich hält sie, im Sinne von Georges Didi-Hubermans ‚Figur‘-Begriff,9 das Undarstellbare in der Darstellung kontinuierlich präsent, um gerade dadurch eine visuelle Annäherung an das Wesen der Wahrheit herbeizuführen. Zweitens hat die Gesamtheit der Bildfindung respektive des intermedialen Gefüges stets an der spezifischen Semantisierung der Veritas-Figur und damit an der Präzisierung des visuellen Wahrheitskonzepts einen wesentlichen Anteil. Dabei steht die oftmals bewusst aufrechterhaltene Unverbindlichkeit der Darstellungen in Bezug auf konfessionelle oder politische Wahrheitsbehauptungen in einer Wechselwirkung mit der durch die Mobilität der Druckgraphik bedingten Vielseitigkeit möglicher Rezeptionskontexte, die in vielen Fällen auch durch die auf Internationalität zielende Mehrsprachigkeit der Epigramme unterstrichen wird.10 Denn diese Eigenschaften gewährleisteten die beständige Anpassbarkeit der auf Reproduzierbarkeit angelegten Bildfindungen an unterschiedliche kulturhistorische Zusammenhänge sowie eine kontinuierliche Aktualisierung im Vorgang der Betrachtung, dem damit ein entscheidender Anteil am Prozess der Sinngenerierung zukommt. In jenen Fällen, in denen die Wahrheitsfigur explizit konfessionell und/oder politisch codiert werden sollte, mussten hingegen Strategien der Vereindeutigung entwickelt werden, welche den Auslegungsvorgang gezielt ‚disziplinieren‘. Insbesondere zu diesem Zweck wurden in den Kunstwerken immer wieder komplexe testimoniale Konstellationen etabliert, in denen die auf die selbst unerreichbare göttliche Wahrheit verweisende Figur sowie die an sie gebundenen visuellen Strategien der Evidenzerzeugung, Textelemente, aber auch bildinterne und -externe Zeug:innen, Künstler und Rezipierende in ein reziprokes Verhältnis der Affirmation gesetzt wurden. Die zentrale Funktion und (Handlungs-)Macht der Veritas-Figur innerhalb dieser ästhetischen ‚Netzwerke‘ besteht in diesem Zusammenhang in erster Linie in ihrer wirkungsvollen Sichtbarkeit im Bild, mit der sie von den anderen Figuren ebenso wie von den Betrachtenden eine Reaktion erzwingt, welche die Semantik und den Status der Wahrheitsfigur im Gegenzug gleichsam ex negativo definiert. Drittens konnten die technische Entstehung sowie Distribution der Graphiken selbst als Bestandteile eines Vorgangs der Wahrheitsenthüllung aufgefasst werden. Zunächst im ‚Ausgraben‘ der Bildfindung aus der Kupferplatte, die Pieter Jalhea Furnius’ Veritas filia temporis (Abb. 145) mit der Befreiung der Wahrheit aus der Finsternis parallelisiert, und anschließend im Vorgang des Drucks, der, wie Peter Parshall formulierte, stets „eine kleine Offenbarung“11 darstellte, wenn das bedruckte Blatt aus der Presse hervor­ 9 Vgl. Didi-Huberman 2011 sowie zum figura-Begriff Kiening 2003, S. 20; Pawlak 2016, S. 173. 10 Vgl. u.  a. Clifton 2002; Kaminska 2013, S. 84; Tolstichin 2014; Tolstichin 2018b; Messinger 2019, S. 32. 11 Parshall 2004, S. 14. Vgl. die Beschreibung dieses Moments in einem vor 1628 entstandenen Handbuch zum Druck von Kupferstichen, zitiert in Grebe / Stijnman 2013, S. 18. Als Andeutung einer geradezu religiösen Aufladung der Herstellung von Druckgraphiken ließe sich womöglich auch

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5. Resümee

kam und das Ergebnis der vorangegangenen Arbeit erst sichtbar wurde, ereignete sich der Prozess der Bildwerdung dabei als ein mehrstufiger Vorgang der revelatio.12 Auch die Vervielfältigung und Publikation der Graphiken konnte in diesem Kontext als eine intensivierte Form der Sichtbarmachung und Verbreitung der Wahrheit geltend gemacht werden, wie die Inszenierung des sich im Medium des Kupferstichs fortbewegenden allegorischen Schiffs der Vereinigten Provinzen (Abb.  44) als ‚Bilderfahrzeug‘13 andeutet, welches die in dem idealisierten Staatswesen manifest gewordene Veritas über räumliche und zeitliche Grenzen hinweg verbreiten sollte. Viertens zielen die Kunstwerke wiederholt darauf ab, eine Form der Wahrheitsfähigkeit zu entwickeln, die nicht nur aus der allegorischen Veranschaulichung der Veritas, Motiven der Enthüllung und ‚historiographischen‘ Darstellungsmodi sowie der Übertragung (vermeintlich) konsensfähiger Kriterien und Medien der Wahrheit – etwa des biblischen Textes oder der Vertrauenswürdigkeit einzelner historischer Akteur:innen – in die ästhetischen Strategien der Druckgraphik hervorgeht. Vielmehr beanspruchen sie darauf aufbauend, die Wahrheit beziehungsweise einige ihrer innerweltlichen Erscheinungsformen im rezeptionsästhetischen Akt, aber auch darüberhinausgehend, zu ‚produzieren‘ und zu konsolidieren, etwa durch die Hinwirkung auf eine ideale politisch-konfessionelle Ordnung oder einen moralischen ‚Formungsprozess‘ der Betrachtenden. In diesem Sinne beanspruchen die Graphiken also nicht nur wahrheitsdarstellend, sondern vor allem auch wahrheitserzeugend zu fungieren. So vollziehen sie gewissermaßen auf eigene Art jene Praxis eines ‚doing truth‘, die Bernhard Kleeberg und Robert Suter in ihrer in der Einleitung dieser Arbeit kurz vorgestellten ‚Praxeologie der Wahrheit‘ konturieren,14 die in den Graphiken jedoch stets durch die mit der ­Veritas-Figur gegebene Referenzialität auf die unerreichbare göttliche Transzendenz bestimmt bleibt. Mit ihren differenzierten Formen der Thematisierung und Visualisierung der Wahrheit hatten die untersuchten Kupferstiche und Radierungen Anteil an jenen zeitgenössischen Debatten, die vor allem ausgehend von der reformatorischen Bilderkritik die epistemischen Funktionen von Kunst insbesondere als Medium religiöser Reflexion und der gen Himmel gerichtete Blick des Druckers verstehen, der auf der von Johannes Stradanus entworfenen Darstellung der Sculptura in aes aus der Serie der Nova Reperta die Presse bedient. Wie Ad Stijnman konstatiert, erfüllt diese ostentativ vom Arbeitsgerät abgewendete Schau, welche auch die Kraftanstrengung bei der Bedienung der Presse zum Ausdruck bringt, zwar keinerlei praktische Funktion, etablierte sich jedoch als Bildformel für die Darstellung des Druckers. Vgl. Stijnman 2010, S. 24. 12 Zur künstlerischen Reflexion und religiösen Semantisierung dieses Phänomens im druckgraphischen Medium vgl. Pawlak 2017b; Pawlak 2022b. 13 Zu dem Begriff vgl. u.  a. Warnke 1980; Wolf et al. 2018. 14 Vgl. Kleeberg / Suter 2014.



5. Resümee

Erkenntnis diskutierten.15 Dabei bestätigen die Blätter die von der kunsthistorischen Forschung anhand der niederländischen und italienischen Malerei herausgearbeitete Selbstreflexivität frühneuzeitlicher Bilder.16 Diese problematisieren wiederholt, wie Klaus Krüger argumentierte,17 ihre Materialität und ihren medialen Status als ästhetische Illusion, um durch die so erzeugte Erfahrung einer essenziellen Differenz zwischen Darstellung und Dargestelltem einen eigenen Offenbarungsanspruch zu generieren. Während bislang überwiegend der Malerei ein derartiges metapikturales Potenzial zugeschrieben und eine vergleichbare Form bildimpliziter Kunsttheorie im Hinblick auf die niederländische Druckgraphik nur punktuell herausgearbeitet wurde,18 sollte die vorliegende Arbeit ausgehend von der Untersuchung der Wahrheitsallegorien zeigen, dass gerade die Medialität der Druckgraphik systematisch im Hinblick auf ihr stets in seiner gesellschaftlichen Wirkmächtigkeit reflektiertes Erkenntnispotenzial ausgelotet wurde. So fungieren die Intermedialität der Blätter, d.  h. die sinnstiftenden Kombinationen von Bild und Text,19 die grundlegende Reproduzierbarkeit und Mobilität der Werke, welche die kreative Aneignung, Neusemantisierung und Umcodierung bestehender ­Inventionen nicht zuletzt in Neuauflagen ermöglichte,20 sowie die besondere Handhabbarkeit der zu einer spezifischen Rezeption und Partizipation anleitenden Graphiken als signifikante druckgraphische Strategien der Wahrheitsfindung und ‚-produktion‘.21 Die analysierten Blätter belegen in diesem Kontext auf eindrucksvolle Weise das kontinuierliche Experimentieren der Künstler mit dem kulturellen Leistungsvermögen der Druckgraphik, die damit in den Niederlanden des 16. und 17. Jahrhunderts zu einem zentralen ästhetischen Träger komplexer Wahrheitsaushandlungen avancierte.

15 16 17 18 19

Vgl. u.  a. Michalski 1993; Schnitzler 1996; Jonckheere 2012a, S. 29–42. Vgl. u.  a. Stoichita 1993; Krüger 2001; Schlie 2002; Pawlak 2011. Vgl. Krüger 2001. Vgl. u.  a. Krystof 1997; Pawlak 2017b; Pawlak 2018; Tolstichin 2018b. Zur Intermedialität der Druckgraphik vgl. u.  a. Wolkenhauer 2006; Büttner 2008; Estis / Frick 2014; Wolkenhauer / Arbeitsgruppe Estius 2017. 20 Vgl. Hammami / Pawlak / Rüth 2022a. Zur Mobilität von Druckgraphiken vgl. u.  a. Wouk 2017, S. 3 u. 13–15; Tolstichin 2018, S. 164  f. 21 Zur rezeptionsästhetischen Instrumentalisierung der Handhabung von Druckgraphiken vgl. ­Pawlak 2018, S. 71  f. Vgl. die Überlegungen Jan van der Stocks zur Fortschreibung der Bedeutung eines druckgraphischen Werks durch seine Nutzung (Stock 2002) sowie Larkin / Pon 2001, S. 4; Wouk 2017, S. 9.

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Bildnachweise Abb.  1–16, 19, 21–29, 32–39, 42–63, 66, 68, 96–99, 101–102, 104, 106, 111–113, 115–122, 125–128, 130–134, 137–138, 140–143, 145, 147–149, 151–157: Rijksmuseum, Amsterdam, CC0  1.0 (https:// creativecommons.org/publicdomain/zero/1.0/deed.de). Abb. 17: © Atlas Van Stolk, Rotterdam. Abb. 18: © cliché: IRHT-CNRS. Abb. 20, 150: © Albertina, Wien. Abb. 30–31: © Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, CC BY-SA 3.0 (https://creativecommons.org/ licenses/by-sa/3.0/de/). Abb. 40–41, 110, 114: © Graphische Sammlung am Kunsthistorischen Institut der Eberhard Karls Universität Tübingen. Abb. 64–65: Statens Museum for Kunst, Kopenhagen, Public Domain. Abb. 67, 129: Metropolitan Museum of Art, New York, Public Domain. Abb. 69–89, 91–95: © Allard Pierson, Universiteit van Amsterdam. Abb.  90: SLUB Dresden, http://digital.slub-dresden.de/id309539471 (letzter Zugriff: 18.  März 2023), Public Domain Mark 1.0 (https://creativecommons.org/publicdomain/mark/1.0/). Abb. 100: Staatliche Museen zu Berlin, Kupferstichkabinett / Dietmar Katz, CC BY-NC-SA 4.0 (https:// creativecommons.org/licenses/by-nc-sa/4.0/). Abb. 103: Wikimedia Commons, © Wknight94, URL: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Sleeping_ Ariadne_2.jpg (letzter Zugriff: 18.  März 2023), CC BY-SA 3.0 (https://creativecommons.org/ licenses/by-sa/3.0/deed.de). Abb. 105: National Gallery of Art, Washington, Public Domain. Abb. 107–109: © bpk / Herzog Anton Ulrich-Museum. Abb. 123–124: Universitaire Bibliotheken, Leiden, CC BY 4.0 (https://creativecommons.org/licenses/ by/4.0/deed.de). Abb. 135: © The Trustees of the British Museum. Abb. 136, 139: Bayerische Staatsbibliothek, München, NoC-NC 1.0 (http://rightsstatements.org/vocab/ NoC-NC/1.0/). Abb.  144: Soji Iwasaki: „Veritas filia temporis“ and Shakespeare, in: English Literary Renaissance  3 (1973), S. 249–263, hier S. 258, Abb. 2. Abb.  146: © Ghent University Library, BIB.BL.008366/-3, CC-BY-SA (https://creativecommons.org/ licenses/by-sa/4.0/). Abb. 158: © Photographic Archive Museo Nacional del Prado.

https://doi.org/10.1515/9783111123004-007

Personen- und Werkregister Aaron 196 Abraham 247 Adam 327 Agostino Veneziano (Agostino dei Musi) 228 Ahab, König des Nordreiches Israel 171 Albada, Aggaeus van 152 Albrecht VII. von Österreich 98, 104, 108  f. Alciati, Andrea 83 Alsted, Johann Heinrich 1, 6 –  Encyclopædia 1, 6 Amos 249 Angel, Philips 113 –  Lof der Schilder-Konst 113 Anselm von Canterbury 5 Anthonisz., Cornelis 287 –  Der verlorene Sohn 287 Antinoos Belvedere 272 Apelles 8, 12 Arias Montano, Benito 139  f. –  Biblia Polyglotta 139  f., 241 Aristoteles 6, 44, 191 –  Politik 44 Arius 205 Arminius (Harmensz.), Jacobus 122 Augustinus, Aurelius 5, 64, 157  f., 171, 175, 189, 336 –  Enarrationes in Psalmos 157 Bacon, Francis 10, 85, 306 –  De dignitate et augmentis scientiarum  10 Baltens, Peeter 59, 70  f., 84, 89, 253, 257, 264 –  Die Eroberung der Antwerpener Zitadelle im August 1577 59, 70–90, 257, 309, 334 –  Die vier stärksten Mächte 84, 253–264, 289 Bandinelli, Baccio (Bartolomeo Brandini) 228 Basson, Govert 114 –  Nederlantsche Oorloghen, beroerten, ende Borgerlijcke oneenicheyden 114–120 Baudous, Robert de 229 –  Allegorie des Sehsinns 229–232 https://doi.org/10.1515/9783111123004-008

Beatrizet, Nicolas –  Die Entführung des Ganymed 317 Bernini, Giovanni Lorenzo 8, 323 –  Verità 323 Bèze, Théodore de 201 Bibel 2, 4, 8, 18, 20, 22, 28, 37  f., 40, 42  f., 45, 55, 58, 60, 69, 84, 87, 91, 94, 96, 98, 106, 109, 128, 132, 134, 139–141, 151–154, 156–158, 165, 170  f., 173–176, 187–200, 202, 204  f., 209, 214–216, 218, 222, 225  f., 228  f., 241, 247, 249, 253, 258, 276, 287, 293, 295, 297, 302, 319, 331, 335–337 Biblia Pauperum 233, 247 Bles, Herri met de 37 –  Irdisches Paradies 37 Blois van Treslong, Lodewijk 49, 79, 82, 84, 86 Bogerman, Johannes 130 Boissard, Jean-Jacques –  Bibliotheca sive thesaurus virtutis et gloriae 193 Bonaventura (Giovanni di Fidanza) 301  f. Borcht, Pieter van der (I) 297 –  Navis Ecclesiae Militantis 297 Bor, Pieter Christiaensz. 114, 116, 118–120 –  Nederlantsche Oorloghen, beroerten, ende Borgerlijcke oneenicheyden 114–120 Bos, Cornelis 154, 317 –  Christus rettet den Menschen vor der Sünde 154 Bossche, Elias van den 101 –  Allegorie auf den Waffenstillstand 101 Boucq, Jacques le 60 Braeu, Nicolaas 270 –  Antike Götter 270 Brant, Sebastian 191, 211 –  Narrenschiff 191, 211 Breughel, Gerrit Hendricksz van 205 –  Cupido’s Lusthof ende der amoureuse[n] boogaert 205 Broeck, Chrispijn van den 60 –  Veritas filia temporis 60 Brosamer, Hans 216 –  Sieben Köpfe Martin Luthers 216



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Personen- und Werkregister

Bruegel, Pieter d.Ä. 65, 92, 159, 273 –  Engelsturz 92 –  Niederländische Sprichwörter 65, 159 Brune, Johan de d.Ä. 205 –  Emblemata of zinne-werck 205 Bry, Theodor de 25  f., 28, 30, 48, 90  f., 96, 98–100, 117, 334 –  Das Böse regiert die Welt, während Wahrheit und Gerechtigkeit schlafen 90–100, 117, 334 –  Vergleich zwischen Wilhelm von Oranien und dem Herzog von Alba 26–30, 48 Calvin, Johannes 120, 201, 247, 328, 331 –  Institutio Christianae Religionis 247 Cano, Melchior 151 Caraglio, Giovanni Jacopo 270, 273 –  Mythologische Götter und Göttinnen 270, 273 Cartari, Vincenzo 273 –  Imagini con la spositione dei Dei degli antichi 273 Cats, Jacob 65, 114 –  Spiegel van den ouden ende nieuwen tijdt 65, 114 Cellini, Benvenuto 285 Christophorus, Hl. 319 Cicero, Marcus Tullius 40, 80, 120, 189, 195, 312 –  Pro Cluentio 312 Cigoli, Lodovico 19 Cleve, Marten van 55 –  Abriss der Antwerpener Zitadelle 55 Cloppenburgh, Jan Evertsz. 176, 199, 201  f., 205, 208  f., 336 –  Den Doolhof van de dwalende Gheesten […] 176, 199, 201–209, 336 Cock, Hieronymus 111, 194, 307 –  Das Triumphschiff Victoria 123–129 –  Der Kreislauf des menschlichen Daseins 37, 46, 110, 137, 241, 243  f., 250, 260 –  Die Geschichte von Petrus und Johannes 194 –  Die sieben Planeten 312  f. –  Die Siege Kaiser Karls V. 249 Coignet, Gillis (I) 36  f. –  Die Weltzeitalter 36  f.

Colijn, Michiel 101, 114 –  Nederlantsche Oorloghen, beroerten, ende Borgerlijcke oneenicheyden 114–120 –  Waere uytbeelding klaer eenes oprechten vrede […] 101–113, 134, 335 Collaert, Hans (I) 52, 91 –  Belgicæ Delaceratæ Lamentatio 52, 91 Collaert, Jan (II) 317, 321 –  Die sieben Planeten 321 –  Nova Reperta 132, 340 –  Veritas temporis filia 317–324 Colonna, Marcantonio II., Herzog von Tagliacozzo und Paliano 79 Coornhert, Dirck Volckertsz. 3, 22, 118, 122, 139–142, 151–153, 156–159, 161, 163, 166  f., 171, 173–176, 188–190, 193, 199  f., 202, 209, 211  f., 214, 219  f., 223–225, 228, 249, 273, 335  f., 338 –  Aufstieg und Fall des Häretikers 141, 176–210, 219, 273, 335 –  Comedie vande Rijckeman 173 –  Die Kraft der Wahrheit 3, 141–176, 188, 200, 210, 219, 225, 335 –  Die Schöpfungstage 159–164 –  Die Siege Kaiser Karls V. 249 –  Die Ursprünge des Aufstandes 118 –  Die Ursprünge des Aufstandes 219  f. –  Die vergebliche Hoffnung auf weltlichen Gewinn 214 –  Falsche Überzeugung richtet die Welt zugrunde 141, 209–225 –  Hert-Spieghel Godlijcker Schrifturen […] 139 –  Lied-boeck 173 –  Van de Waerheyt 153 –  Van wel bidden onderwijs 173 –  Zedekunst dat is wellevenskunste 166  f., 173, 225, 336 Cornelisz. van Haarlem, Cornelis 38, 227 –  Antrum Platonicum 227 –  Der Bethlehemitische Kindermord 38 Cort, Cornelis –  Der Kreislauf des menschlichen Daseins 37, 46, 110, 137, 241, 243  f., 250, 260 Cort verhael vande gherechte oorsaecken ende redenen, die de generale staten



der Nederlanden ghedwonghen hebben, hen te versiene tot haerder beschermenisse, teghen den heere Don Jehan van Oostenrijck 89 Costerius, Henricus 297 Coxcie, Michiel (I) 317 Crabeth, Dirck 62 –  Letztes Abendmahl 62 Croÿ, Philippe de III., Herzog von Aerschot 68 Daniel 67, 69 Darius (Dareios) I., König des Achämenidenreichs 233  f., 238, 246, 279 Dathenus, Petrus 188, 310 Delila 259 Diogenes von Sinope 292 Doetecum, Johannes van –  Das Triumphschiff Victoria 123–129 Doetecum, Lucas van –  Das Triumphschiff Victoria 123–129 Dolendo, Bartholomeus Willemsz. 324, 326–330, 332, 338 –  Veritas filia temporis 324–330, 338 Dolendo, Zacharias 275 –  Die vier stärksten Mächte 275–281 Dürer, Albrecht 98, 172, 295 –  Apokalypse 98, 295 –  Marienleben 172 Eck, Johannes 151 Elisabeth I. Tudor, Königin von England 65 Erasmus, Desiderius 40, 64, 85, 151, 156, 175, 190, 195, 197, 287, 295, 306 –  Adagia 64, 195, 287, 306 –  Enchiridion militis Christiani 156, 175, 295 Eva 327 Fadrique Álvarez de Toledo y Mendoza, Marqués von Villanueva de Valdueza 93 Fernando Álvarez de Toledo, Herzog von Alba 7, 27  f., 30, 48, 53, 55, 59, 93, 171, 247  f., 270 Fiorentino, Rosso (Giovan Battista di Jacopo) 270, 273  f. –  Mythologische Götter und Göttinnen 270 Floris, Frans 92 –  Engelsturz 92

Personen- und Werkregister

Francken, Ambrosius (I) 253, 259, 261, 264, 289 –  Die vier stärksten Mächte 84, 253–264, 289 Friedrich Heinrich von Oranien-Nassau 119 Furnius, Pieter Jalhea 307, 310, 312  f., 315–317, 320, 323, 339 –  Veritas filia temporis 307–317, 320, 323, 339 Galilei, Galileo 306 Galle, Philips 36, 132, 167, 193  f., 219, 233, 241, 244, 246, 248–253, 256, 259  f., 263, 265, 283, 315, 317, 320  f., 337 –  Allegorien zum Leben Christi 167–169 –  Das unglückliche Schicksal der Reichen 219 –  Die acht Weltwunder 312 –  Die Geschichte von Petrus und Johannes 194 –  Die sieben Planeten 321 –  Die Triumphe nach Francesco Petrarca 241, 243 –  Die vier stärksten Mächte 233–252, 256, 259  f., 263  f., 266, 283, 337 –  Die Weltzeitalter 36  f. –  Hl. Margareta von Antiochien 321 –  Imagines L. doctorum virorum 193 –  Nova Reperta 132, 340 –  Veritas filia temporis 315  f., 320, 323, 329 –  Veritas temporis filia 317–324 Gellius, Aulus 8, 304, 306 Georg, Hl. 96 Germain, Jean 129 Gheeraerts, Marcus (I) 94, 96 –  Wilhelm von Oranien als Hl. Georg 96 Gheyn, Jacques de (I) 31, 34, 36  f., 44, 46  f., 49, 51, 53, 55–57, 59  f., 62  f., 65, 69  f., 81, 91, 116–118, 137, 258, 334 –  Allegorie auf das Ewige Edikt 258 –  Allegorien auf den Machtantritt Don Juans 31–48, 55, 81, 91, 116, 118, 137, 334 –  Allegorien auf die Eroberung und den Abriss der Antwerpener Zitadelle 31, 59 –  Das Nest-Ei 31, 57–69, 334

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Personen- und Werkregister

Gheyn, Jacques de (II) 135, 137, 275 –  Currus veliferi illustrissimi principis Mauritii 135–137 Giambologna (Giovanni da Bologna, Jean de Boulogne) 285 Gideon 128  f. Giselinus (Ghyselinck), Victor 233, 249 –  Die vier stärksten Mächte 233–252, 256, 259  f., 263  f., 266, 283, 337 Goltzius, Hendrick 9, 22, 86  f., 141, 161, 167, 169  f., 176, 188  f., 192, 199  f., 202, 209, 219  f., 224, 228  f., 231  f., 268, 270, 273, 282, 335  f. –  Allegorie des Sehsinns 229–232 –  Allegorien zum Leben Christi 167–169 –  Anbetung der Hirten 161 –  Aufstieg und Fall des Häretikers 141, 176–210, 219, 273, 335 –  Die sieben Planetengötter 268, 270 –  Die vier stärksten Mächte 282 –  Falsche Überzeugung richtet die Welt zugrunde 141, 209–225 –  Himmelsstürmer 192 –  Mars auf den Wolken 270 –  Römische Helden 86  f. –  Tabula Cebetis 9 Gomarus, Franciscus 122 Groeningen, Gerard van 233, 241, 244, 246, 248–253, 256, 259  f., 263, 265  f., 283, 337 –  Die vier Kontinente 246 –  Die vier stärksten Mächte 233–252, 256, 259  f., 263  f., 266, 283, 337 Grotius, Hugo 275, 277 –  Die vier stärksten Mächte 275–281 Haecht, Goedevaert van 285, 303 –  Triumphus Veritatis 11, 232, 283–304, 337 Haecht, Willem van 31, 36  f., 44, 47, 56  f., 59, 62  f., 65  f., 68  f., 89, 91, 116–118, 137, 283, 285, 303, 334 –  Allegorien auf den Machtantritt Don Juans 31–48, 55, 81, 91, 116, 118, 137, 334 –  Das Nest-Ei 31, 57–69, 334 –  Triumphus Veritatis 11, 232, 283–304, 337 Haen, Willem de 101 –  Allegorie auf den Waffenstillstand 101

Hasselaer, Kenau Simonsdr. 62  f. Heemskerck, Maarten van 37, 46, 110–112, 137, 141, 154, 194, 214, 219, 235, 241  f., 244, 249  f., 260, 312  f. –  Christus rettet den Menschen vor der Sünde 154 –  Das unglückliche Schicksal der Reichen 219 –  Der Kreislauf des menschlichen Daseins  37, 46, 110, 137, 241, 243  f., 250, 260 –  Die acht Weltwunder 312 –  Die Geschichte von Petrus und Johannes  194 –  Die sieben Planeten 312  f. –  Die Siege Kaiser Karls V. 249 –  Die Triumphe nach Francesco Petrarca  241, 243 –  Die vergebliche Hoffnung auf weltlichen Gewinn 214 –  Triumph des Bacchus 235 Heestens, Henrick Lodewiijcxsoon van –  Currus veliferi illustrissimi principis Mauritii 135–137 Hendricx, Gilles 332 Heyden, Pieter van der 65 –  Wahrheit und Zeit enthüllen die Brut des Papstes 65 Hogenberg, Frans 38, 47, 51, 85, 188 –  Geschichtsblätter 38, 47, 51, 85 Hollanda, Francisco de 222 Holofernes 255 Hondius, Hendrick 142, 225 –  Antrum Platonicum 225–228 –  Currus veliferi illustrissimi principis Mauritii 135–137 –  Die Kraft der Wahrheit 176, 188, 200, 225, 335 –  Die Kraft der Wahrheit 142–175 –  Die Ursprünge des Aufstandes 219  f. –  Falsche Überzeugung richtet die Welt zugrunde 209–225 Hondius, Jodocus 155 –  Typus Totius Orbis Terrarum, In Quo & Christiani militis certamen super terram 155 Hoogstraten, Samuel van 229 –  Inleyding tot de Hooge Schoole der Schilderkonst 229



Horatius Cocles, Publius 86 Horatius Flaccus, Quintus 82 Horaz 82, 195 Houwaert, Johann Baptista 89 Isabella Clara Eugenia von Spanien 104, 108  f., 305, 330 Jacobsz, Laurens 201 Jambres (Mambres) 196 Jamnitzer, Hans 310 –  Veritas filia temporis 310 Jannes 196 Jesus Christus 4, 8, 20, 84, 87, 94, 96, 142, 154, 157  f., 164–167, 169–172, 174, 187, 197, 199, 206, 208, 219, 226, 233, 239, 243, 259, 261, 264, 289–292, 295, 304  f., 307, 319, 326–329, 331  f., 336–338 Jode, Gerard de 155, 253 –  Spirituale Christiani militis certamen 155 –  Thesaurus Veterum et Novi Testamenti 253 Johannes der Täufer 169 Johannes Evangelista 194 Jonghelinck, Jacques –  Die Eroberung der Antwerpener Zitadelle im August 1577 81 –  Standbild des Herzogs von Alba 7, 48, 55, 270 Juan de Austria 29  f., 32, 43, 46–49, 59, 68, 71, 79, 82, 85–87, 90, 93, 118 Judith 255 Junius, Hadrianus 114 –  Emblemata 114 Justificatie vanden aentast ende bewaringe van eenighe heeren vanden Raedt van State ende andere int Nederlant 68 Karl V., Kaiser 40  f., 60, 62, 67, 104, 118, 123  f., 126  f., 129, 249  f. Kilian, Cornelis 167 –  Etymologicum teutonicae linguae 167 Kok, Jillis 5 Krachteloose DONDER van den Helschen Hondt, Tege[n] de naecte VVaerheyt en t’eendrachtich verbondt 122, 295

Personen- und Werkregister

Lamoral I., Graf von Egmond 91 Laokoon-Gruppe 315  f. Leest, Antoni van 52 –  Die Spanische Furie 52 Lipsius, Justus 193 Livius, Titus 87 Lommelin, Adriaen 332 Lot 255 Lukian von Samosata 196 Luther, Martin 190, 216, 219, 328, 331 Mander, Karel van 167, 270, 273, 275, 282 –  Antike Götter 270 –  Der Triumph der Wahrheit 282 –  Die vier stärksten Mächte 275–281 –  Het Schilder-Boeck 167, 273 Marcus Aurelius 270 Margareta von Antiochien, Hl. 321 Maria I. Tudor, Königin von England 62 Maria Magdalena, Hl. 171, 245, 338 Marien, D. –  Waere uytbeelding klaer eenes oprechten vrede […] 101–113 Marnix, Philips van, Heer van Sint Aldegonde 89, 201 Marshall, William 304 –  Goodly Prymer in Englyshe 304 Matham, Jacob 119, 270 –  Anbetung der Hirten 161 –  Mars auf den Wolken 270 –  Portrait von Pieter Christiaensz. Bor  119 –  Tabula Cebetis 9 Mayer, Harmen de 6 –  Titelblatt zu Franciscus de Wael, Waerheyts triumphe […] 6 Medici, Giovanni de’ 297, 299 Melanchthon, Philipp 151 Melchisedek 247 Merian, Matthäus d.Ä. 80 –  Theatrum Europaeum 80 Michelangelo Buonarroti 171, 317 –  Die Entführung des Ganymed 317 Monogrammist C.R. 297 –  Triumphus Veritatis 297–299 Monogrammit HVE –  Capitain Ken[n]ou 63

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Personen- und Werkregister

Montmorency-Nivelle, Philippe de II., Graf von Hoorn 91 Moritz, Prinz von Oranien, Graf zu NassauDillenburg 100  f., 106, 119, 122–124, 126, 135  f. Moses 28, 36  f., 94, 196 Muller, Harmen Jansz. 309, 313 –  Die sieben Planeten 312  f. Niclaes, Hendrick 193 Nikolaus Cusanus 5, 303 Noyelles, Pontus de, Heer van Bourse 71, 79, 82, 84–87, 89 Oldenbarnevelt, Johan van 101, 122  f., 130, 324 Oorloge, Jacobus 121 –  Idea Belgicarum Privinciarum Confaederatarum 120–137, 329, 335, 340 Orley, Bernard van –  Los Honores 41 Osiander, Andreas 331 Ovidius Naso, Publius 36  f., 45, 289 –  Ars amatoria 289 –  Metamorphosen 36, 45 Paciotto, Francesco 48 Paleotti, Gabriele 18 –  Discorso intorno alle immagini sacre e profane 18 Palma il Giovane, Jacopo 245 –  Gerechtigkeit und Wahrheit 245 Passe, Crispijn van de (I) 294 –  Geschichte der Susanna 294 Paulus, Hl. 189, 196 Pauw, Pieter 227 Perret, Pieter 265, 267, 270, 272  f., 275 –  Die vier stärksten Mächte 264–275 –  Standbild des Antinoos 272 Perrière, Guillaume de la 287, 292 –  La Morosophie 287, 292 Petrarca, Francesco 241 Petrus, Hl. 87, 194 Philipp der Gute, Herzog von Burgund 129 Philipp II., König von Spanien 28  f., 40, 48, 51, 55, 60, 62, 68, 82, 104, 118, 124  f., 139, 157, 171, 246, 259, 297, 299, 333

Pietro della Vecchia 14 Plancius, Petrus 132 Plantin, Christoph 123, 140, 241, 307 –  Biblia Polyglotta 140, 241 –  La magnifique et sumptueuse pompe funebre faite au obseques et funerailles du tresgrand et tresvictorieus empereur Charles Cinquième […] 123 Platon 123, 194, 224–228 –  Politeia 225 Plinius, Gaius d.Ä. 316 Porsenna, Lars 87 Praxiteles 272 –  Apollon Sauroktonos 272 –  Ruhender Satyr 272 Quad von Kinkelbach, Matthias 63 –  Capitain Ken[n]ou 63 Quintilianus, Marcus Fabius 195 Redeghem, Jan van, Baron von Liedekercke 71, 79, 82, 85 Regius, Abrahamus 283, 296 –  Miles christianus 283, 296 Rouck, Willem Baron de 71, 79, 82  f., 85 Rubens, Peter Paul 247, 289, 305, 330–332 –  Triumph der Eucharistie 248, 305, 330 Sadeler, Johann (I) 79, 161, 289, 326 –  Christus auf dem Grab 289 –  Die Schöpfung der Welt 161 –  Speculum Pudicitiae 79 Saenredam, Jan Pietersz. 225, 228  f., 231, 268 –  Allegorie des Sehsinns 229–232 –  Antrum Platonicum 225–228 –  Die sieben Planetengötter 268, 270 Salomo 259, 263 Scaevola, Gaius Mucius 87 Schillemans, François 121 –  Idea Belgicarum Privinciarum Confaederatarum 120–137, 329, 340 Schlafende Ariadne (Schlafende Nymphe) 221, 223 Schoel, Hendrick van –  Standbild des Antinoos 272 Schonaeus, Cornelius 161 –  Die Schöpfungstage 159–164



Personen- und Werkregister

Seneca, Lucius Annaeus 97 Serubbabel 234, 238  f., 246–248, 259, 281, 283 Servetus, Michael 205 Serwouters, Pieter 101, 104, 113  f., 296 –  Miles christianus 283, 296 –  Waere uytbeelding klaer eenes oprechten vrede […] 101–113, 134, 335 Simson 259 Solis, Virgil 310 –  Veritas filia temporis 310 Sozzini, Fausto 205 Speculum Humanae Salvationis 233, 247 Spiegel, Hendrick Laurensz. 225, 227  f. –  Hert-Spiegel 227 Spiegel, Marten –  Die Schöpfungstage 159–164 Spinola, Ambrogio 100, 108 Spottbild auf das Standbild des Herzogs von Alba 7 Stevin, Simon 136  f. Stradanus, Johannes 132, 317, 319–321, 323, 340 –  Die sieben Planeten 321 –  Hl. Margareta von Antiochien 321 –  Nova Reperta 132, 340 –  Veritas temporis filia 317–324 Swanenburg, Willem Isaacsz. van 135 –  Currus veliferi illustrissimi principis Mauritii 135–137

Vergleich zwischen Wilhelm von Oranien und dem Herzog von Alba 26–28 Vermigli, Pietro Martire 151 Vico, Enea 310 –  Veritas filia temporis 310 Vinckboons, David (I) 101, 104, 110  f., 113  f., 134, 283, 296, 335 –  Miles christianus 283, 296 –  Waere uytbeelding klaer eenes oprechten vrede […] 101–113, 134, 335 Visscher, Claes Jansz. 136, 324, 329 –  Der Segelwagen von Simon Stevin 136 –  Die vier stärksten Mächte 275–281 –  Veritas filia temporis 324–330, 338 Vos, Maerten de 11, 70  f., 79, 89, 155, 161, 232, 257, 283, 288  f., 294, 299, 303, 309, 326  f., 334, 337 –  Auferstehung Christi 289 –  Christus auf dem Grab 289 –  Die Eroberung der Antwerpener Zitadelle im August 1577 59, 70–90, 257, 334 –  Die Schöpfung der Welt 161 –  Geschichte der Susanna 294 –  Relligionis et hospitis colloquium 303 –  Speculum Pudicitiae 79 –  Spirituale Christiani militis certamen  155 –  Triumphus Veritatis 11, 283–304, 337

Tertullianus, Quintus Septimius Florens 64 Thomas von Aquin 5, 15, 192, 240, 244 Tizian 65 –  Diana und Callisto 65

Wael, Franciscus de 5  f. –  Waerheyts triumphe […] 5  f. Waesberghe, Jan van 310 Warminiaen 216 Weerdt, Adriaen de 22, 141  f., 156–159, 161, 163, 174, 219, 228, 335 –  Die Kraft der Wahrheit 3, 141–176, 188, 200, 210, 219, 225 –  Die Schöpfungstage 159–164 –  Die Ursprünge des Aufstandes 118, 219  f. Wierix, Hieronymus 70, 155, 283, 286 –  Die Eroberung der Antwerpener Zitadelle im August 1577 59, 70–90, 257, 309, 334 –  Spirituale Christiani militis certamen 155 –  Triumphus Veritatis 11, 232, 283–304, 337 Wierix, Johannes 70, 253, 283, 321 –  Die Eroberung der Antwerpener Zitadelle im August 1577 59, 70–90, 257, 309, 334

Valck, Petrus 315 Varro, Marcus Terentius 236 –  Menippeische Satiren 236 Velázquez, Diego 83 –  Übergabe von Breda 83 Venier, Sebastiano 79 Venne, Adriaen Pietersz. van de 120–123, 127, 129, 132, 137, 329, 335 –  Die Seelenfischerei 122 –  Idea Belgicarum Privinciarum Confaederatarum 120–137, 329, 335, 340 Vergil 283

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Personen- und Werkregister

–  Die vier stärksten Mächte 84, 253–264, 289 –  Hl. Margareta von Antiochien 321 Wilhelm I., Prinz von Oranien, Graf von NassauDillenburg 27  f., 30, 49, 59, 68, 90, 93  f., 96  f., 99  f., 118, 126, 247, 334 Wilhelm III. von Oranien, König von England 134 Wilhelm Ludwig, Graf zu Nassau-Dillenburg 100

Withoeck, Hendrik 265, 268, 270, 273–275 –  Die vier stärksten Mächte 264–275 Zuccari, Federico 307, 315  f., 320, 323, 329 –  Veritas filia temporis 307, 315  f., 320, 323, 329 Zúñiga y Requesens, Luis de 68, 93