Vergessene Körper: Helmut Kolle und Max Beckmann [1. Aufl.] 9783839432815

Kolle forgotten, Beckmann famous: this books shows how some artworks are admitted into the canon thanks to museums, art

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German Pages 124 [125] Year 2015

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Vergessene Körper: Helmut Kolle und Max Beckmann [1. Aufl.]
 9783839432815

Table of contents :
Inhalt
Vorwort / Foreword
Kanonisierunginstanz Museum – Zur Einleitung / The Museum as a Canonizing Institution – An Introduction
Vergessene Körper – Warum Helmut Kolle und Max Beckmann? / Forgotten Bodies – Why Helmut Kolle and Max Beckmann?
Installationsansichten der Kabinettausstellung
„D’une formule très allemande“ oder „französische Malkultur“? – Die Funktion nationaler Kategorien für Helmut Kolle
„Damit komplettiert sich der Bestand der Werke Beckmanns“ – Zur musealen Verortung des plastischen Werkes von Max Beckmann
Handschriftliche Briefe von Wilhelm Uhde
Die Briefe von Wilhelm Uhde und Georg Swarzenski aus dem Jahr 1932 im Archiv des Städel Museums – Transkription
„Ich war nie zufällig befreundet“ – Wilhelm Uhdes Vermarktungsstrategien und seine Korrespondenz mit Georg Swarzenski
„Mein Gott, wie die Zeit vergeht – h ier kennt man kaum Herrn Uhde“ – D ie Rolle Wilhelm Uhdes in der Pariser Kunstszene
Von Männern und Toreros – D ie Figur des Stierkämpfers bei Helmut Kolle und Henry de Montherlant
Katalog / Catalgoue
Literatur

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Vergessene Körper: Helmut Kolle und Max Beckmann

Stefanie Heraeus (Hg.)

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Stefanie Heraeus

Vorwort / foreword 11

Stefanie Heraeus

Kanonisierunginstanz Museum – Zur Einleitung / The Museum as a Canonizing Institution – An Introduction 26

Lukas Engert, Annabel Ruckdeschel und Jan Tappe

Vergessene Körper – Warum Helmut Kolle und Max Beckmann? / Forgotten Bodies – Why Helmut Kolle and Max Beckmann? 35

Installationsansichten der Kabinettausstellung

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Annabel Ruckdeschel

„D’une formule très allemande“ oder „französische Malkultur“? –  Die Funktion nationaler Kategorien für Helmut Kolle 51

Lukas Engert

„Damit komplettiert sich der Bestand der Werke Beckmanns“ – Zur musealen Verortung des plastischen Werkes von Max Beckmann 58

Handschriftliche Briefe von Wilhelm Uhde

72

Louisa Schmitt

Die Briefe von Wilhelm Uhde und Georg Swarzenski aus dem Jahr 1932 im Archiv des Städel Museums – Transkription

81

Miriam Wilhelm

„Ich war nie zufällig befreundet“ –  Wilhelm Uhdes Vermarktungsstrategien und seine Korrespondenz mit Georg Swarzenski 86

Annika Etter

„Mein Gott, wie die Zeit vergeht – hier kennt man kaum Herrn Uhde“ – Die Rolle Wilhelm Uhdes in der Pariser Kunstszene 92

Anton Zscherpe

Von Männern und Toreros – Die Figur des Stierkämpfers bei Helmut Kolle und Henry de Montherlant 99

Katalog / Catalgoue

115 Literatur

Vorwort / foreword Stefanie Heraeus Diskussionen um Fragen des Kuratorischen finden bislang vor allem im Kontext der Gegenwartskunst statt. Diese Fokussierung ist historisch dadurch zu erklären, dass es zeitgenössische künstlerische Positionen der späten 1960er und frühen 1970er Jahre waren, die durch ihre Forderungen nach Ortsspezifik und durch ihre Institutionenkritik ein verändertes Berufsbild des Kuratierens hervorgebracht und international zur Etablierung der Curatorial Studies geführt haben. Gab es Anfang der 1990er Jahre nur einige wenige Programme an Museen, Universitäten und Kunsthochschulen, insbesondere im anglophonen Sprachraum, so sind die Curatorial Studies inzwischen ein globales akademisches Phänomen. Doch liegt der Fokus weiterhin auf der Gegenwartskunst, obwohl historische Positionen in Ausstellungen und Sammlungspräsentationen, häufig in Gegenüberstellung mit zeitgenössischen Werken, immer größeres Gewicht bekommen. Im 2010 gegründeten Frankfurter Masterprogramm Curatorial Studies – Theorie – Geschichte – Kritik, das Goethe-Universität und Staatliche Hochschule für Bildende Künste – Städelschule gemeinsam durchführen, ist der Gegenstand weiter definiert: Die bislang eng an die Gegenwartskunst gebundenen Diskussionen um das Kuratorische werden auf alle Epochen geöffnet und auf ein breites Spektrum kulturwissenschaftlicher Disziplinen bezogen. Im Sommer 2014 haben Studierende des Frankfurter Masterprogramms Curatorial Studies im Städel Museum die Kabinett-ausstellung „Vergessene Körper: Helmut Kolle und Max Beckmann“ erarbeitet. Dabei ist auch die vorliegende Publikation entstanden. Es galt, für ein Kabinett des Städel Museums ein Konzept zu entwickeln und umzusetzen. Dabei sollte, so die Vorgabe des Museums, mit den Beständen des Hauses gearbeitet werden, und der Kabinettraum sollte sich in die Gesamterscheinung der Sammlungspräsentation einfügen. Zur Verfügung standen alle Gemälde des Depots und einige Werke der Sammlung. Es ging also nicht um kuratorische Experimente oder darum, auf die einladende Institution und deren Ausstellungsdisplay zu reagieren. Vielmehr ging es darum, in einem fest gesetzten Rahmen unter bereits etablierten Bedingungen zu arbeiten, dabei alle Möglichkeiten auszuschöpfen, aber auch die institutionellen Grenzen zu akzeptieren.

Mein besonderer Dank gilt Felix Krämer und Felicity Korn, die das Projekt über ein Semester lang eng begleitet haben. Im Rahmen der Kabinettausstellung haben die Beteiligten zudem die verschiedenen Abteilungen des Städel Museums, die an der Realisierung einer Ausstellung beteiligt sind, exemplarisch durchlaufen: die Restaurierungswerkstatt ebenso wie den Ausstellungsdienst, die Abteilungen Presse und Öffentlichkeitsarbeit und Bildung und Vermittlung. Für die Betreuung danken wir Stephan Knobloch, Katja Hilbig, Axel Braun, Silke Janssen und Chantal Eschenfelder. Mit Willem de Rooij und seiner Klasse haben wir das Projekt an der Städelschule diskutiert. Hagen Schmitt hat die Ausstellung fotografisch dokumentiert. Wanda Löwe hat die Texte sorgfältig redigiert. Ihnen allen gilt unser herzlicher Dank! Discussions of curatorial issues have hitherto been carried out primarily in the context of contemporary art. This focus can be retraced to contemporary artistic approaches of the late 1960s and ’70s which – with their demands for consideration of the specific venue and their institutional critique – introduced a new profile for the curating profession, while also leading to the establishment of Curatorial Studies worldwide as field of learning. Whereas in the early 1990s there were only a few degree programmes being carried out at museums, universities and art academies, particularly in anglophone regions, Curatorial Studies has meanwhile become a global academic phenomenon. Yet the focus continues to be directed towards art of the present, although ever greater emphasis is placed on historical concepts in exhibitions and collection presentations alike, often in juxtaposition to contemporary works. In the masters’ programme in Curatorial Studies founded in Frankfurt in 2010 and carried out jointly by the Goethe-Universität and the Staatliche Hochschule für Bildende Künste – Städelschule, the definition has been expanded. Hitherto closely linked with contemporary art, discussions of curatorial matters are now beginning to revolve around all epochs and a broad spectrum of cultural-theoretical disciplines. In the summer of 2014, students of the Frankfurt masters’ programme in Curatorial Studies developed the cabinet exhibition “Forgotten Bodies: Helmut Kolle and Max Beckmann”. This publication came about within the context of that project. The assignment was to develop and realize a concept for a

small exhibition gallery (a “cabinet”) of the Städel Museum. As specified by the museum, the curators were to work with the Städel’s own holdings, and the exhibition was to harmonize with the overall style of the presentation of its collection. The concern was therefore not with curatorial experiments or responding to the host institution and its exhibition display. Rather, the task was to be carried out within a fixed framework and under previously established conditions – exploiting all of the available options but also accepting the institutional limitations. I am especially indebted to Dr Felix Krämer and Felicity Korn, who accompanied the project closely over the course of one semester. Within the framework of the cabinet exhibition, the participants moreover had contact with the various departments of the Städel Museum involved in the realization of an exhibition: the conservation workshop and the departments of exhibition services, press and public relations, and museum education and their staffs: Stephan Knobloch, Katja Hilbig, Axel Braun, Silke Janssen and Chantal Eschenfelder. We moreover discussed the project with Willem de Rooij and his class at the Städelschule. Hagen Schmitt documented the exhibition photographically. Wanda Löwe has copyedited the tetxs carefully. We hereby extend our sincere thanks to them all!

Kanonisierungsinstanz Museum

Kanonisierungsinstanz Museum – Zur Einleitung Stefanie Heraeus Die Kabinettausstellung „Vergessene Körper: Helmut Kolle und Max Beckmann“ argumentiert auf unterschiedlichen Ebenen, dies sei hier nur angedeutet:1 Einerseits geht es um ästhetische Fragen, um den künstlerischen Umgang mit Körperlichkeit und Figur,2 wobei Kolle als Maler und Beckmann als Bildhauer vorgestellt werden. Andererseits geht es um biographische Verknüpfungen zwischen den Künstlern, von denen der eine gar nicht und der andere vornehmlich mit seinem bildkünstlerischen Werk im Wissenskanon der Moderne gelandet ist: Für beide war Paris, wo sie sich Ende der 1920er Jahre aufhielten, ein wichtiger künstlerischer Bezugspunkt. Außerdem hatten sie in unterschiedlicher Weise Verbindungen zu Wilhelm Uhde, zu jenem Sammler, Kunsthändler und Kunstschriftsteller, den Pablo Picasso 1910 in einer Serie von drei kubistischen Porträts zusammen mit Ambroise Vollard und Daniel-Henry Kahnweiler gemalt hat und der noch in den 1920er Jahren eine beachtete Figur der Pariser Kunstszene war.3 Für Kolle war Uhde Lebenspartner und Förderer, Beckmann suchte zu ihm Kontakt, um sich besser auf dem französischen Kunstmarkt zu etablieren. Zudem war es Beckmanns Vermittlung zu verdanken, dass 1932 ein Gemälde Kolles an das Frankfurter Städel Museum gelangte, dem 1950 drei weitere folgen sollten. Alle vier waren Schenkungen. Die Gegenüberstellung dient aber besonders dem Nachdenken darüber, wie manche Künstler und Künstlerinnen oder bestimmte Werke von diesen, ins kollektive Bildgedächtnis gelangen, gewissermaßen kanonisch werden, andere hingegen in Vergessenheit geraten und bestenfalls im Depot landen. Welche Rolle Museumsinstitutionen dabei spielen mit ihren temporären Ausstellungen und permanenten Sammlungspräsentationen, ihren Schenkungen, Vermächtnissen, Ankäufen und Leihgaben, ist ein zentrales Thema der vorliegenden Publikation. Dabei führt der Blick auf diese beiden deutschen Künstler besonders zu den spezifischen Bedingungen des Pariser Kunstmarkts in den beiden ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts und zur Rolle der Kunstkritik zwischen nationalem Chauvinismus und internationalem Kunstverständnis.4 Denn Kolles Gemälde und Beckmanns Plastiken verbindet bei aller Unterschiedlichkeit, dass sie – wenn auch aus höchst unterschiedlichen Gründen – nicht zum künstlerischen Kanon der Klassischen Moderne gehören. In kunsthistorischen Überblickswerken zum 20. Jahrhundert erscheint Kolle überhaupt nicht, und Beckmann wird durchgehend als Maler vorgestellt. Seine Plastiken werden nicht erwähnt, geschweige denn abgebildet. Die letzte Auflage der „Propyläen Kunstgeschichte“, das wohl am weitesten verbreitete Medium von kanonisiertem kunstgeschichtlichen Bildwissen in Deutschland, oder eines der jüngsten Überblickswerke dieser Art, die „Geschichte der bildenden Kunst in Deutschland“ aus dem Prestel Verlag, sind dafür exemplarisch.5

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Stefanie Heraeus

Kanonisierung: Akteure und Institutionen Jeder Prozess der Kanonisierung ist das Resultat von vielfältigen Selektionen, Wertungen und Interessen, verbalen wie nonverbalen, intellektuellen wie ökonomischen, an denen viele verschiedene Akteure und Institutionen beteiligt sind. Die Wege der Kanonisierung von Kunstwerken sind durchaus ein breites Forschungsfeld, in den Literaturwissenschaften allerdings fester etabliert als in der Kunstgeschichte. Von der Vorstellung einer ästhetisch autonomen Kraft, mit der sich Werke eigenständig durchsetzen, für die Harold Bloom als prominenter Verfechter genannt werden kann, hat man sich weitgehend verabschiedet. Kanonisierungsprozesse werden als ein Zusammenspiel verschiedener kultureller Felder – intellektueller, ökonomischer, politischer und sozialer – aufgefasst, die alle konstitutiven Anteil an Kanonbildung und -revisionen haben.6 Für die bildende Kunst sind es vor allem die spezialisierten Institutionen: Akademien und Kunstmarkt, Ausstellungshäuser und Museen, Kunstkritik und akademische Kunsttheorie und -geschichte mit ihren jeweiligen Publikationen, den Fachzeitschriften und wissenschaftlichen Untersuchungen, den Ausstellungs- und Sammlungskatalogen.7 Innerhalb dieses auf unterschiedliche Institutionen gestützten Expertenfelds aus Kuratoren, Künstlern, Händlern, Kritikern, Theoretikern, Förderern und Sammlern (aber natürlich auch Politikern mit ihrem Einfluss bei der Besetzung von Direktorenstellen und Budgetzuteilungen) verschieben sich die Diskurshoheiten immer wieder. Die Akteure treten zu verschiedenen Zeitpunkten in Erscheinung, manche als Katalysatoren des Neuen, andere als Institutionalisierer. Manche sind von flüchtiger Präsenz, andere haben Langzeitwirkung. In diesem Gefüge sind Museen zentrale Orte, um Kategorisierungen zu institutionalisieren: Aufnahme, Integration und Ausschluss werden als Argument im Raum sichtbar gemacht. Museen institutionalisieren Maßstäbe und Narrative, wenn sie sich für die eine und gegen die andere Taxonomie entscheiden, wenn sie festlegen, welche Werke von welchen Künstlern und Künstlerinnen gesammelt und in welchem Kontext ausgestellt werden, welche Schenkungen und Vermächtnisse angenommen werden und was davon in der Sammlungspräsentation und was im Depot landet. Dabei haben sich Sammlungspräsentationen lange Zeit sehr von temporären Ausstellungen unterschieden: Sie wurden über große Zeiträume hinweg kaum verändert, waren geradezu starr, bis man vor gut zwei Jahrzehnten begann, „Szenenwechsel“ einzuführen und mit den Sammlungen zu arbeiten, wobei dies immer noch eher im Bereich der zeitgenössischen und modernen Kunst geschieht, weitaus seltener hingegen bei älteren Epochen.8 Die Definitionsmacht von Museen und ihren Kuratoren ist im Verlauf des 20. Jahrhunderts immer wieder kritisiert worden – insbesondere von Künstlern.9 Im vergleichenden Blick der Kabinettausstellung auf Kolles Gemälde und Beckmanns Plastiken zeigen sich viele Aspekte von Kanonisierungsprozessen: Beckmann war als Maler bereits Ende der 1920er Jahre in Einzel- und Gruppenausstellungen sowie in Sammlungspräsentationen prominent vertreten und galt als eine Leitfigur der modernen Kunst.10 Dass Beckmann in den Jahren 1935 / 36 und 1950 auch plastisch

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gearbeitet hat, ist hingegen weit weniger bekannt. Manche seiner Plastiken lassen sich zwar in der einen oder anderen Spezialpublikation finden, aber nicht in Handbüchern.11 Dies hängt maßgeblich damit zusammen, dass er nur acht Gipsplastiken geschaffen hat. Bis auf zwei Güsse (vom „Mann in Dunkeln“ und von der „Tänzerin“) sind sie erst postum in den 1950er Jahren und 1968 in Bronze gegossen worden, jeweils in einer Auflage von acht Exemplaren. Dies geschah auf Initiative seiner Witwe, persönlicher Freunde und Förderer, darunter zwei seiner Galeristen. Die Platzierung dieser Plastiken im musealen Kontext durch Schenkungen, Leihgaben und Ankäufe hat ein halbes Jahrhundert gedauert. Dabei waren es vor allem zwei Ausstellungen, eine Retrospektive zu Beckmanns Gesamtwerk im Jahr 1984 in Köln und eine Ausstellung zu seinen Plastiken 2008 im Städel Museum, die die Plastiken gleichrangig neben seiner Malerei und seinen Arbeiten auf Papier gewürdigt haben.12 Bei Kolle waren es stets private Sammler und Förderer, die sich für die Sichtbarkeit seines Werkes eingesetzt haben, so auch bei den beiden letzten Einzelausstellungen in München (1994) sowie in Chemnitz und Hamburg (2010 / 11). Der größte Teil seines Gemäldebestands ist bis heute in Privatbesitz, wenngleich Sammler einzelne Werke oder ganze Werkgruppen an öffentliche Museen gestiftet haben.13 Kolles Hauptförderer war sein Lebensgefährte, der Kunsthändler Uhde, der seit den 1920er Jahren bis zu seinem eigenen Tod 1947 systematisch versucht hat, Kolle in der Kunstwelt zu positionieren – so wie er zuvor Pablo Picasso, Georges Braque oder Henri Rousseau gefördert hatte. Uhde hatte anders als seine Pariser Kunsthändlerkollegen keine kaufmännische Ausbildung, er war Kunsthistoriker. Bei der Positionierung seiner Künstler ist er erkennbar mit kunstwissenschaftlicher Strategie vorgegangen und hat gerade die kanonbildenden Institutionen für sein Vorhaben eingespannt: Er verschaffte Kolle regelmäßig Ausstellungen in kommerziellen Galerien, sorgte für Kritiken in etablierten Kunstzeitschriften oder schrieb selbst über den Maler.14 Darüber hinaus vermittelte er Kolles Gemälde geschickt an Privatsammlungen vornehmlich in Paris, aber auch in Berlin.15 Einzelne Gemälde bot er renommierten Museen als Geschenk oder zum Kauf an,16 wobei er auf sichtbarer Repräsentation in der Sammlung beharrte: „Meine einzige Bedingung kennen Sie ja: dass das Bild sogleich und gut gehängt wird“, betonte Uhde (und unterstrich „gut gehängt“ eigens) in einem Brief an den Direktor des Städel Museums, Georg Swarzenski.17 Damals, im September 1932, bot er ihm Kolles „Selbstbildnis mit Palette und Pinsel“ an, jenes Bild, das Beckmann lanciert hatte. Gewissermaßen als Beleg für den Erfolg von Uhdes Umtriebigkeit seien hier zwei Publikationen angeführt: der recht frühe Eintrag zu Kolle im Leipziger Künstlerlexikon „Thieme / Becker“ von 1925 mit der Feststellung „Stellt seit 1920 öffentlich aus“18 und die „Historie de l’art contemporain“, die der französische Kunsthistoriker René Huyghe, zu dieser Zeit konservatorischer Assistent am Louvre, 1934 in Zeitschriftenform herausgegeben hat. Dort werden Kolles Werke der Malerei des „Néo-Humansime“ zugeordnet und sind mit einer Abbildung vertreten.19 Wie häufig üblich sind im Anschluss an die Biographie des Künstlers dessen „Ausstellungen“, Werke in „Museen“

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und eine „Bibliographie“ angeführt – all jene kanonbildenden Felder, auf die Uhdes Strategien zielten, um Kolle im Kunstdiskurs sichtbar zu machen.

Ausstellungen und künstlerischer Kanon Welchen nicht zu unterschätzenden Anteil große Ausstellungen an der Ausprägung eines künstlerischen Kanons haben, ist am Beispiel der Jahrhundertausstellungen gezeigt worden.20 Eine der großen internationalen Malerei-Ausstellungen der Weimarer Republik war die Ausstellung „Europäische Kunst der Gegenwart“, die der Kunstverein in Hamburg 1927 anlässlich seines hundertjährigen Jubiläums in der Hamburger Kunsthalle ausrichtete. Sie soll 40 000 Besucher gehabt haben.21 Beckmann erwähnt die Ausstellung in einem Brief an seinen Münchner Kunsthändler Günther Franke: „[…] heute kommt noch der Hamburger Kunstverein dazu, der eine umfassende Ausstellung Europäischer Kunst für August – September plant gelegentlich seiner centenarfeier. – Hamburg ist sehr wichtig und bis jetzt noch nicht’s getan für uns.“22 Um „einen Überblick über die neuere Malerei Europas zu geben“23, hatte man 469 Werke aus 19 europäischen Nationen zusammengetragen. Beckmann war dort mit vier Gemälden und Kolle mit zweien vertreten, Werke beider Künstler tauchen im Katalog unter den nur 39 Abbildungen mit einer Schwarz-Weiß-Reproduktion auf.24 In Heinrich Ehls Rezension in der sehr weit verbreiteten Zeitschrift „Kunst für Alle“ heißt es, dass die Ausstellung „eher den Durchschnitt neuesten Kunstschaffens als höchste Leistungen“ zeige. Und weiter: „Von den jungen und jüngsten deutschen Malern sind u. a. Beckmann, Paula Modersohn, Dix und Grosz, Helmut Kolle, Radziwill, Oppenheimer, Unold, Troendle, Caspar, Walter Grammaté, Nauen, Rohlfs, Seewald vertreten.“25 Offensichtlich gehörten Künstler wie Beckmann, die in der Aufzählung ohne Vornamen angeführt werden, zu den bereits „jungen“ etablierten, die anderen (wie Kolle) zu den „jüngsten“. Auch wenn Kolle in Hamburg vertreten war, scheint dies keine weitreichenden Konsequenzen gehabt zu haben. Die Liste seiner Ausstellungen zeigt, dass er bis heute weitgehend ein Galeriekünstler geblieben ist. Die wenigen Ausstellungen in öffentlichen Institutionen gingen maßgeblich auf einzelne Privatsammler seiner Gemälde zurück. Initiator seiner ersten Einzelausstellung in gleich drei öffentlichen Institutionen dürfte Richard Moering gewesen sein (als Dichter auch unter dem Pseudonym „Peter Gan“ bekannt), der mit Uhde und Kolle in Paris befreundet war. Er hat die Einleitung im Katalog zu der Wanderausstellung von 1952 verfasst und darin explizit das Ziel formuliert, „dem Frühverstorbenen die seit langem von seinen Freunden herbeigewünschte Möglichkeit zu geben, den ihm zukommenden Platz in der Geschichte der deutschen Malerei einzunehmen“.26 Kolle sollte einen Platz in der Geschichte bekommen, also: in den Kanon einrücken. Gezeigt wurden 58 Ölgemälde aus deutschen und französischen Privatsammlungen, zunächst im Kunstverein in Hamburg (zu dieser Zeit in der Hamburger Kunsthalle), dann in der Kestnergesellschaft in

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Hannover27 und im Frankfurter Städel Museum. Gemessen an den schwierigen Nachkriegsbedingungen der deutschen Museen und Ausstellungshäuser war dies ein beachtlicher Aufwand.28 Anfang der 1970er Jahre gab es zwei kleinere Wanderausstellungen der Gemälde Kolles, die eine im Musée de l’Hôtel Sandelin in Saint-Omer und im Karl-Ernst-Osthaus-Museum in Hagen, die andere in den Museen von Arras, Hazebrouck und Vitré.29 Zuletzt widmeten öffentliche Museumsinstitutionen dem Werk Kolles zwei Retrospektiven: die erste im Jahr 1994 in der Städtischen Galerie im Lenbachhaus (1994), die zweite im Jahr 2010 in den Kunstsammlungen Chemnitz und im Ernst Barlach Haus in Hamburg. Die Münchner Schau hatte der Privatsammler Hartwig Garnerus initiiert, Anlass in Chemnitz und Hamburg war der umfangreiche Bestand an Gemälden Kolles in der Stiftung Gunzenhauser. 30

Konturierung der Moderne: Zur Rolle der Kunstmuseen Als Uhde Ende der 1920er und zu Beginn der 1930er Jahre Kolle in den kulturellen Institutionen zu verankern suchte und Beckmann den Protegé des Kunsthändlers in Deutschland lancierte, um sich in Paris besser zu etablieren, war die diskursive Selektion, die schließlich zur kanonisierten Erzählung der westlichen Moderne führen sollte, in vollem Gange. Vielerorts waren neue Museumsabteilungen, zuweilen auch städtische Galerien, oder eigene Museen für moderne Kunst gegründet worden, in Deutschland etwa in Mannheim, Essen, Hannover und Frankfurt. Das Kronprinzenpalais, die Moderne Abteilung der Berliner Nationalgalerie aus dem Jahr 1919 und das davon maßgeblich beeinflusste New Yorker Museum of Modern Art von 1929, gehörten zu den prominentesten Neugründungen dieser Jahre. Die Gründungsdirektoren beider Institutionen, Ludwig Justi und Alfred Hamilton Barr, waren exponierte Fürsprecher der modernen Kunst innerhalb der kontrovers geführten Debatten. Mit ihren Ankäufen, Ausstellungen und Publikationen trieben sie die Förderung bestimmter Künstler und künstlerischer Stilrichtungen maßgeblich voran. Alfred Barr konstruierte in seinem berühmten Diagramm auf dem Umschlag des Ausstellungskatalogs „Cubism and Abstract Art“ von 1936 eine kompliziert verschlungene Entwicklungsgeschichte, die man gleichwohl heute als linear und teleologisch bezeichnet. Er ließ sein prominent platziertes Diagramm der seinerzeit letzten 45 Jahre Kunstgeschichte im Jahr 1890 beginnen mit einzelnen Künstlern, Ismen und Medien und zog von diesen ausgehend – differenziert durch verschiedene Farben, Schriftgrößen und Linienformen – vielfältige Verbindungen zu den Formen der Abstraktion seiner eigenen Gegenwart.31 Das Diagramm gehört längst zu den einschlägigen kanonischen Erzählungen des 20. Jahrhunderts, es ist von Barr in mehreren Ausstellungen verwendet und schließlich in der ersten Sammlungspräsentation im Museum of Modern Art institutionalisiert worden. Eine zentrale Rolle für die Kanonisierung der modernen Kunst spielte die Zeitschrift „Museum der Gegenwart“, die Justi zwischen 1930 und 1933 in Zusammenarbeit

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mit über vierzig Direktoren jener Museums- und Ausstellungsinstitutionen herausgab, die sich für Gegenwartskunst engagierten, überwiegend aus dem deutschsprachigen Raum, darunter aber auch Barr aus New York. In den Artikeln der Zeitschrift wurden Künstlerpersönlichkeiten, einzelne zentrale Werke oder ganze Œuvres sowie Museumsneu- oder umbauten diskutiert. Zudem wurden in jedem der dreizehn Quartalshefte „Erwerbungen von Werken neuerer Kunst, Ausstellungen und Neuordnungen der öffentlichen Sammlungen im deutschen Sprachgebiet“ veröffentlicht. Diese dokumentieren die Institutionalisierung bestimmter Künstler und künstlerischer Bewegungen im musealen Diskurs. Kurz: An der Kanonisierung der westlichen Moderne hatten die Kunstmuseen – innerhalb des auf unterschiedliche Institutionen gestützten Expertenfelds – zentralen Anteil. In der Folgezeit hat dieser Kanon bis auf kleine nationale Differenzen nahezu alle europäischen und nordamerikanischen Kunstmuseen im 20. Jahrhundert dominiert. An Kanonrevisionen, etwa aus feministischer, medientheoretischer oder postkolonialer Perspektive, haben zwar in den letzten Jahrzehnten Großausstellungen wie die Documenta und zahlreiche Kunstbiennalen gearbeitet, ebenso viele kleinere kuratorische Projekte. Innerhalb der Sammlungspräsentationen setzten sich diese veränderten Sichtweisen aber erst sehr langsam durch.32 Sind Masternarrative und Kanones in Museen erst einmal institutionalisiert, braucht es Jahrzehnte bis zu ihrer Revision. Die Funktionsweisen der Exklusion lassen sich exemplarisch an Kolles Malerei und an Beckmanns Plastiken zeigen. 1

Dazu der Beitrag von Engert / Ruckdeschel / Tappe, S. 28 – 35.

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Zum speziellen Umgang mit Körperlichkeit bei Kolle der Beitrag von Zscherpe, S. 94 – 99.

3

Dazu der Beitrag von Etter, S. 88 – 93.

4

Dazu der Beitrag von Ruckdeschel, S. 41 – 51.

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Vgl. Argan 1977: Helmut Kolle kommt nicht vor (auch nicht unter seinem Pseudonym Helmut vom Hügel), bei Beckmann wird nur dessen Malerei angeführt, vgl. ebd., S. 167f.; ebenso auch bei Lange 2006, Reißer / Wolf 2003; Swoboda 1984 oder Walther 1998. Allein im Allgemeinen Künstlerlexikon 1994, S. 197 werden Beckmanns acht Plastiken angeführt.

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Hatte Harold Bloom für die Größe eines Künstlers allein diesen selbst dafür verantwortlich gemacht und den Prozess der Kanonisierung als „einsames und abgehobenes Ringen der großen Geister um Unsterblichkeit“ beschrieben, so plädiert Aleida Assmann für eine kulturwissenschaftliche Herangehensweise an die Kanonproblematik, die auch historische Dimensionen und die Rolle kultureller Institutionen berücksichtigt, dazu Assmann 1998.

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Zum Museum „als Repräsentant eines institutionalisierten Kreislaufs, der auch das Atelier des Künstlers, die Galerie, die Wohnung des Sammlers, den Skulpturengarten, den öffentlichen Platz, die Eingangshalle der Firmenzentrale, den Tresorraum der Bank einschließt“ siehe Crimp 1996, S. 38f.

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Die „Szenenwechsel“ hat Jean Christoph Ammann, von 1989 bis 2001 Direktor des Museums für Moderne Kunst in Frankfurt, eingeführt und die Sammlung seines Hauses 20 Mal in immer anderen Konstellati-

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onen gezeigt. Es gibt wenige Museen, die sich so intensiv mit der eigenen Sammlung beschäftigt haben, dazu Bee 2001. 9

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts insbesondere von Marcel Duchamp, in den 1970er Jahren und erneut in den 1990er Jahren im Zuge der von Künstlerinnen und Künstlern initiierten Institutionenkritik, darunter etwa Hans Haacke und Andrea Fraser.

10 Zu Beckmanns zentraler Rolle in der Mannheimer Ausstellung „Neue Sachlichkeit“ siehe Foster 2004, S. 202 – 205 sowie Winkler 2002, S. 217 – 222. 11 So kommt Beckmann nicht vor in: Roh 1963. Bei Read 1985, S. 218 und bei Curtis 1999, S. 248 werden seine Plastiken in einem Satz beiläufig erwähnt. 12 Dazu der Beitrag von Engert, S. 53 – 59. 13 Alfred Gunzenhauser, der eine große Sammlung an Gemälden Kolles besessen hat, übergab diese durch die Stiftung Gunzenhauser 2010 an die Kunstsammlungen Chemnitz; an die Städtische Galerie im Lenbachhaus in München gelangte 2003 eine Schenkung von Hartwig Garnerus; weitere Werke Kolles in öffentlichen Sammlungen befinden sich im Pariser Centre Pompidou, im Musée de Grenoble, im Musée d’Art et d’Archéologie in Senlis und im Burgmuseum Vitré. 14 Uhde verfasste etwa das Vorwort der von ihm 1921 herausgegebenen Mappe mit Lithographien Kolles sowie die 1935 erschienene Monographie. 15 Dazu der Beitrag von Wilhelm, S. 83 – 87. 16 An die Städtische Galerie in Kassel hatte er Kolles Gemälde „Picador“ verkauft, das später von den Nazis beschlagnahmt wurde und als verschollen gilt, dazu Chabert 1981, S. II u. 63. 17 Siehe S. 66 u. S. 76 in dieser Publikation. 18 Thieme / Becker, Bd. 17 (1925), S. 53f. (unter „Hügel, Helmut vom, gen. Kolle“), hier S. 53. 19 Die „Histoire de l’art contemporain“ wurde 1934 in der Pariser Zeitschrift „L’amour de l’art“ veröffentlicht und erschien identisch 1968 unter dem Titel „Histoire de l’art contemporain La peinture“, hg. von Rene Hughe. Den Artikel über die Malerei des „Neohumanisne“ hatte Waldemar George verfasst (S. 359 – 362 u. Abb. 472), der mit Uhde und Kolle befreundet war. 20 Dazu Kitschen 2005, S. 271 – 274. 21 So Platte 1967, S. 24. 22 Brief vom 30.03.1927, in: Gallwitz / Schneede / von Wiese 1994, S. 83. 23 Ehl 1928, S. 51. 24 Ausst.Kat. Hamburg 1927, S. 24 u. 27, Abb. 35 u. 87. 25 Ehl 1928, S. 54. 26 Vgl. Ausst.Kat. Hamburg / Hannover / Frankfurt am Main 1952, o. S. [1f.] 27 In der Kestnergesellschaft fand die Ausstellung von Helmut Kolle während der Abwesenheit des damaligen Direktors, Alfred Hentzen, statt; dazu Schmied 1966, S. 88.

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Stefanie Heraeus

28 Siehe dazu etwa die Publikation von Friedrich / Prinzing 2013. 29 Vgl. die Ausstellungsbibliographie in: Ausst.Kat. Chemnitz 2010. 30 Inzwischen sind einzelne Werke von Kolle auch in Sammlungspräsentationen zu sehen. Außerhalb von Chemnitz etwa in der Ausstellung „Menschliches, Allzumenschliches“ mit Werken zur Neuen Sachlichkeit aus der Sammlung des Lenbachhauses (22.07.2014 – 31.12.2015) und bei der Neupräsentation der Moderne im Städel Museum, vgl. Ausst.Kat. Frankfurt am Main 2011, S. 275 mit Abb. 31 Dazu Altshuler 2008, S. 239 – 249 und Foster 2004, S. 319f. 32 Eine Sammlungspräsentation der Moderne, die bislang am offensichtlichsten die inzwischen vielfältig stattgefundenen Kanonrevisionen sichtbar zu machen sucht, ist „Multiple Modernities“ im Pariser Centre Pompidou (23.10.2013 – 26.01.2015).

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The Museum as a Canonizing Institution

The Museum as a Canonizing Institution – An Introduction Stefanie Heraeus The cabinet exhibition “Forgotten Bodies: Helmut Kolle and Max Beckmann” pursues its line of reasoning on various different levels, to be touched on only briefly in the following.1 On the one hand the concern is with aesthetic matters, the artistic treatment of corporeality and the figure,2 in which context Kolle is introduced as a painter and Beckmann as a sculptor. On the other hand, the focus is on biographical aspects linking the two artists, of whom the one did not manage to carve a place for himself in the canon of modern art at all, and the other primarily with his pictorial work: for both, Paris – where they lived in the late 1920s – was an important artistic reference point. What is more, they were both connected, if in different ways, to Wilhelm Uhde, the collector, art dealer and art writer who had been painted by Pablo Picasso in 1910 in a series of three Cubist portraits (the other two sitters were Ambroise Vollard and Daniel-Henry Kahnweiler) and was still a highly respected figure in the Paris art world of the 1920s.3 While for Kolle Uhde was a life partner and a patron, Beckmann sought contact to him in his efforts to establish himself more firmly on the French art market. It was moreover thanks to Beckmann’s agency that, in 1932, a painting by Kolle made its way into the collection of Frankfurt’s Städel Museum; three further works were to follow in 1950. All four were donations. The juxtaposition of the two figures serves above all, however, to spark reflection on how some artists, or certain works by those artists, find their way into the collective pictorial memory – in a sense become canonical –, while others sink into oblivion and, at best, land in the museum storeroom. The role played in that process by museum institutions with their temporary exhibitions and permanent collection presentations, their donations, bequests, purchases and loans, is a central theme of this publication. An examination of these two German artists sheds light especially on the specific conditions of the Parisian art market in the first two decades of the twentieth century and the role of art criticism between national chauvinism and the understanding of art as an international phenomenon.4 However great their differences, Kolle’s paintings and Beckmann’s sculptures have one thing in common: if for extremely different reasons, neither belong to the artistic canon of Classical Modern art. Kolle does not figure at all in surveys of twentieth-century art, and Beckmann is presented throughout as a painter. Far from being illustrated, his sculptures are not even mentioned. The last edition of the “Propyläen Kunstgeschichte”, presumably the most widely circulated medium of canonized art-historical knowledge in Germany, and the Prestel Verlag’s “Geschichte der bildenden Kunst in Deutschland”, one of the most recent surveys of this kind, are cases in point.5

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Canonization: Protagonists and Institutions Every process of canonization is the result of multifarious selections, value judgements and interests, verbal and non-verbal, intellectual and economic, in which many different players and institutions are involved. The paths described by the canonization of works constitute a broad field of research that is more firmly established in literary studies, however, than in art history. The idea of an aesthetically autonomous force with which works ensure their places in the canon – as prominently championed by, for example, Harold Bloom – is largely a thing of the past. Canonization processes are conceived of as an interplay between various cultural fields – intellectual, economic, political and social – which all play a constitutive role in the formation and revision of canons.6 In the case of the visual arts, the decisive entities are the specialized institutions: the academies, the art market, exhibition halls and museums, art criticism and academic art theory and history with their respective publications, specialist journals and scholarly studies, and exhibition and inventory catalogues.7 These institutions form the foundation for a field of experts encompassing curators, artists, dealers, critics, theorists, patrons and collectors (and naturally also politicians with their influence on the appointment of directors and the distribution of funds) all competing for authority, which accordingly shifts from one player to the next. These players make their appearances at different points in time, now as catalysts for something new, now as institutionalizers. Many are of ephemeral presence; others have a lasting impact. Within this system, museums are central locations for the institutionalization of categories: in them, inclusion, integration and exclusion become visible as arguments. Museums institutionalize standards and narratives when they decide in favour of one taxonomy and against another, when they decree which works by which artists will be collected and in what context those works will be shown, which donations and bequests will be accepted and which of the donated or bequeathed works will land in the presentation and which in the storeroom. In the past, collection presentations differed distinctly from temporary exhibitions: the former were hardly changed over long periods of time. They were virtually rigid constellations until, a little over two decades ago, “scene changes” were introduced, and museums began working with their collections. The latter approach, it should be added, still tends to be followed more in the area of contemporary and modern art, and far less in conjunction with earlier epochs.8 Over the course of the twentieth century, the power of definition wielded by museums and their curators was criticized again and again, especially by artists.9 In the comparative examination of Kolle’s paintings and Beckmann’s sculptures undertaken by the cabinet exhibition, many aspects of these canonization processes become apparent. Beckmann was already considered a leading figure in modern art – and prominently featured in solo and group exhibitions as well as collection presentations – at the end of the 1920s.10 The fact that he produced sculptures in the years 1935 / 36 and 1950 is far less well-known. In isolated cases, his sculptures can be

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found in specialist publications, but not in compendia.11 The chief reason for this circumstance is that he executed only eight plaster sculptures. Except for the “Man in the Dark” and the “Female Dancer”, they were not cast in bronze until after his death, in the 1950s and in 1968, each in an edition of eight. This production was carried out on the initiative of Beckmann’s widow, personal friends, and patrons, among them two of his dealers. The placement of these sculptures in the museum context by way of donations, loans and purchases took half a century. Within that process, there were above all two exhibitions – a retrospective of Beckmann’s complete œuvre in Cologne in 1984 and an presentation of his sculptures at the Städel Museum in 2008 – that granted those sculptural works a status equal to that of the artist’s paintings and works on paper and paid tribute to them accordingly.12 In the case of Kolle, it was always private collectors and patrons who championed the cause of his works’ public visibility, as was also true of the last two solo exhibitions in Munich (1994) and in Chemnitz and Hamburg (2010 / 11). To this day, the majority of his paintings are in private collections, even if collectors have donated individual works or entire workgroups to public museums.13 Kolle’s chief patron was his life partner, the art dealer and art writer Uhde, who from the 1920s until his own death in 1947 systematically endeavoured to establish Kolle in the art world as he had Pablo Picasso, Georges Braque, Henri Rousseau and others. Unlike his fellow art dealers in Paris, Uhde had had no commercial training; he was an art historian. In his efforts to position the artists he represented, he pursued an art-theoretical strategy, involving the canon-forming institutions in the process: he regularly procured exhibitions in commercial galleries for Kolle, saw to it that reviews of the latter’s work appeared in established art magazines, or wrote about the painter himself.14 He moreover skilfully arranged for sales of Kolle’s paintings to private collections, primarily in Paris but also in Berlin.15 He offered individual paintings to prestigious museums as donations or for sale,16 in which context he insisted on their visible representation in the collection: “You are aware of my only condition: that the painting be hung immediately and prominently”, Uhde stressed (underlining “prominently”) in a letter to Georg Swarzenski, the director of the Städel Museum.17 At the time (September 1932), through Beckmann’s agency, he was offering Kolle’s “Self-Portrait with Palette and Brush” to the Städel. Two publications can be cited here by way of testimony to the success of Uhde’s efforts. The first is the very early entry on Kolle in the 1925 Leipzig “Thieme Becker” dictionary of artists, which notes: “has exhibited publicly since 1920.”18 The second is the “Historie de l’art contemporain” published by the French art historian René Huyghe (at the time a conservatorial assistant at the Louvre) in magazine form in 1934 and the following year as a book. There Kolle’s works are classified as examples of “néo-humaniste” painting and one of them is illustrated.19 As was usual practice, the artist’s biography is followed by a list of his “exhibitions” and works in “museums” as well as a “bibliography” – i.e. the entire spectrum of canon-forming fields at which Uhde aimed his strategies for positioning Kolle in the art discourse of the time.

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Exhibitions and the Artistic Canon The role played by large-scale exhibitions in the development of an artistic canon is not to be underestimated – and is illustrated by the example of centenary shows.20 One of the major international painting exhibitions staged during the Weimar Republic was “Europäische Kunst der Gegenwart” (European Art of the Present), presented by the Kunstverein in Hamburg in the Hamburger Kunsthalle in 1927 on the occasion of its hundredth anniversary. It reportedly counted 40,000 visitors.21 Beckmann mentioned the show in a letter to his Munich art dealer Günther Franke: “… today there is also the Hamburger Kunstverein, which is planning a comprehensive exhibition of European art for August – September on the occasion of its centenary celebration. – Hamburg is very important and until now done nothing for us.” 22 In order “to provide an overview of recent European painting”,23 469 works from 19 European nations were assembled. Beckmann was represented with four paintings, Kolle with two; both artists appear in the catalogue with one black-and-white reproduction each; there were only 39 illustrations in total.24 In his review in the very widely circulated magazine “Kunst für Alle”, the critic Heinrich Ehl observed that the exhibition showed “the average of recent art production rather than its highest achievements”. And he continues: “Of the young and youngest German painters, Beckmann, Paula Modersohn, Dix and Grosz, Helmut Kolle, Radziwill, Oppenheimer, Unold, Troendle, Caspar, Walter Grammaté, Nauen, Rohlfs, Seewald and others are featured.”25 Artists cited without their first names (like Beckmann) evidently already belonged to the established “young” category; the others (like Kolle) to the “youngest”. Even if the Hamburg exhibition featured Kolle, this inclusion does not seem to have had far-reaching consequences for the artist. A list of his exhibitions shows that he was, and still is, primarily a gallery artist. The few exhibitions in public institutions came about above all as the result of efforts on the part of individual private collectors of his paintings. The initiator of his first solo exhibition in three public institutions was presumably Richard Moering (known as a poet by the pseudonym “Peter Gan”), a friend of Uhde’s and Kolle’s in Paris who published a monograph about the painter in 1935 (the year in which Uhde’s monograph of Kolle also appeared). He wrote the introduction to the catalogue of the travelling exhibition of 1952, explicitly formulating the aim of giving “the prematurely deceased artist the opportunity to occupy the place he deserves in the history of German painting – in keeping with what has been the ardent wish of his friends for so long”.26 Kolle was to have a place in history – i.e. be accepted into the canon. Fifty-eight oil paintings from private German and French collections were presented, first at the Kunstverein in Hamburg (housed in the Hamburger Kunsthalle at the time), and then at the Kestner-Gesellschaft in Hanover27 and the Städel Museum in Frankfurt. In view of the difficult post-war conditions in German museums and exhibition halls, such a show could only have been organized with considerable effort.28 In the early 1970s there were two smaller-scale travelling exhibitions of Kolle’s paintings, one at the Musée de l’Hôtel Sandelin in Saint-Omer

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and the Karl Ernst Osthaus-Museum in Essen, the other at the museums of Arras, Hazebrouck and Vitré.29 Most recently, public museum institutions have devoted two retrospectives to Kolle’s œuvre, the first in 1994 at the Städtische Galerie im Lenbachhaus, the second in 2010 in the Kunstsammlungen Chemnitz and the Ernst Barlach Haus in Hamburg. The Munich show had been initiated by the private collector Hartwig Garnerus, and the exhibition in Chemnitz und Hamburg occasioned by the extensive Kolle holdings in the Stiftung Gunzenhauser.30

Defining Modernism: The Role of Art Museums In the late 1920s and early 1930s – the period when Uhde was seeking to pave Kolle’s way into cultural institutions and Beckmann launched the art dealer’s protégé in Germany in order to establish himself better in Paris – the discursive selection that would ultimately lead to the canonized narrative of western modern art was still in full swing. In many places, new museum departments, municipal galleries or even entire museums of modern art had been founded – in Germany, for example, in Mannheim, Essen, Hanover and Frankfurt. The Kronprinzenpalais, the modern department of the Berlin Nationalgalerie founded in 1919, and the Museum of Modern Art modelled strongly after it and established in New York in 1929 were among the most prominent new museums of those years. Within the controversial debates conducted on the subject, the two institutions’ founding directors, Ludwig Justi and Alfred Hamilton Barr, were outspoken advocates of modern art. With their purchases, exhibitions and publications, they played a decisive role in promoting certain artists and stylistic currents. In his famous diagram on the cover of the exhibition catalogue “Cubism and Abstract Art” of 1936, Alfred Barr constructed a complexly interwoven history of modern art which is nevertheless today considered linear and teleological. He had his prominently placed diagram of the preceding forty-five years of art history begin in 1890 with individual artists, isms and media and, taking these as starting points, retraced multifarious paths – distinguished from one another by different colours, type sizes and line forms – to the forms of abstraction prevalent in his own time.31 The diagram has long been among the chief canonical narratives of the twentieth century. Barr used it in several exhibitions and ultimately institutionalized it in the first collection presentation of the New York MoMA. The magazine “Museum der Gegenwart” likewise played a central role in the canonization of modern art. Being published from 1930 to 1933, it was edited by Justi in collaboration with more than forty directors of those museum and exhibition institutions devoted to the cause of contemporary art, primarily in the German-speaking world, but also Barr in New York. The magazine’s articles discussed artistic figures, individual chief works and entire œuvres, as well as structural alterations carried out in museums and new museum constructions. What is more, in each of the thirteen quarterly issues, the “acquisitions of works of recent art, exhibitions and reorganizations

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of public collections in the German-speaking world” were published. This documents the institutionalization of certain artists and art movements in the museum discourse. In short, within the field of experts that emerged from the spectrum of different institutions, art museums played a central role in the canonization of western modern art. In the decades that followed, apart from a few minor national differences, this canon dominated nearly all European and North American art museums throughout the twentieth century. Major exhibitions such as the Documenta and numerous art biennials as well as many smaller-scale curatorial projects have been working for decades to revise the canon from a range of different perspectives, for example the feminist, media-theoretical, post-colonial, etc. In presentations of museum collections, however, these new outlooks have taken hold only very gradually.32 Once master narratives and canons have been institutionalized in museums, it takes decades for them to be revised. Kolle’s painting and Beckmann’s sculptures provide us with instructive examples of how the mechanics of exclusion work. 1

See Engert / Ruckdeschel / Tappe, Warum Kolle und Beckmann, p. 28 – 35.

2

Concerning Kolle’s particular handling of physicalness see Zscherpe, p. 94 – 99.

3

See Etter, p. 88 – 93.

4

See Ruckdeschel, p. 41 – 51.

5

Cf. Argan 1977: Helmut Kolle is not mentioned (neither his pseudonym Helmut vom Hügel), only Beckmann’s paintings cf. ibid., p. 167f.; neither in: Geschichte der bildenden Kunst in Deutschland, Vom Expressionismus bis heute, ed. by Lange 2006; in: Reclams Kunstepochen, 20. Jahrhundert, Stuttgart 2003, nor by Swoboda 1984, nor by Walther 1998. Only Allgemeines Künstlerlexikon 1994, p. 197 lists Beckmann's eight sculptures.

6

Whereas Harold Bloom ascribes the greatness of an artist singularly to his or her own ability and describes the process of canonization as “the geniuses’ lonely and detached struggle for immortality”, Aleida Assmann calls for an approach to the problem of canonization via cultural sciences also considering historical dimensions and the role of cultural institutions, see Assmann 1998, p. 46 – 50.

7

Regarding the museum “as representative of an institutionalized cycle which also includes the artist’s workshop, the collector’s apartment, the sculpture garden, the public square, the entrance hall of a company’s headquarters and the bank’s vault”, see Douglas Crimp 1996, p. 38f.

8

Jean Christoph Ammann, director of the Frankfurt Museum of Modern Art from 1989 until 2001, introduced the so-called “change of scene“. He showed 20 different constellations of his museum’s collection. Only a few museums have concentrated on their own collection in such an intensive manner, see Bee 2001.

9

At the beginning of the 20th century particularly by Marcel Duchamp, in the 1970s and again in the 1990s in the course of the criticism of institutions initiated by artists, among them were Hans Haacke und Andrea Fraser.

10 Concerning Beckmann’s central position in the Mannheim “Neue Sachlichkeit“ see Foster 2004, p. 202 – 205, as well as Winkler 2002, p. 217 – 222. 11 Beckmann is not mentioned like this by Roh 1963, Read 1985, p. 218 and Curtis 1999, p. 248 casually mention his sculptures.

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12 See Engert, p. 53 – 59 13 Alfred Gunzenhauser who had owned a large collection of Kolle’s paintings had the Stiftung Gunzenhauser give it to the Kunstsammlungen Chemnitz in 2010; in 2003 Hartwig Ganerus made a donation to the Städtische Galerie in the Lenbachhaus in Munich; Further paintings by Kolle in public collections can be found in Centre Georges Pompidou in Paris, in the Musée de Grenoble, in the Musée d’Art et d’Archéologie in Senlis and in the Burgmuseum Vitré. 14 Uhde wrote the preface of the file of Kolle’s lithographs which he published in 1921 and of a monograph which was published in 1935. 15 See Wilhelm, p. 83 – 87. 16 He sold Kolle’s painting “Picador“ to the Städtische Galerie in Kassel which was later confiscated by the Nazis and is today considered to be lost, see Chabert 1981, p. II and 63. 17 Cf. in this publication p. 66 and p. 76. 18 Thieme / Becker 1925, p. 53f. 19 „Histoire de l’art contemporain“ was published in Paris in 1934 in the magazine „L’amour de l’art“and was identically released in 1968 titled „Histoire de l’art contemporain – La peinture“ ed. by Rene Hughe. The article on painting of the „Neohumanisne“ was written by Waldemar George (p. 359 – 362 and fig. 472), who was friends with Uhde and Kolle. 20 See Kitschen 2005, p. 271 – 274. 21 According to Platte 1967, p. 24. 22 Letter from March 30th, 1927, in: Gallwitz / Schneede / von Wiese 1994, p. 83. 23 Ehl 1928, p. 51. 24 Ausst.Kat. Hamburg 1927, p. 24 u. 27, fig. 35 u. 87. 25 Ehl, p. 54. 26 Cf. Ausst.Kat. Hamburg / Hannover / Frankfurt am Main 1952, no page [1f.] 27 The exhibition of Helmut Kolle took place in the Kestner Gesellschaft in the absence of the Alfred Hentzen; see Schmied 1966, p. 88. 28 See the publications by Julia Friedel and Andreas Prinzing „So fing man einfach an“, Köln 2013. 29 See Ausstellungsbibliographie in: Ausst.Kat. Chemnitz 2010. 30 By now, single paintings by Kolle can be seen in collection presentations. Beyond Chemnitz for instance in the exhibition „Menschliches, Allzumenschliches“ with New Objectivity paintings from the collection of Lenbachhaus (22.07.2014 – 31.12.2015) and in the new presentation of modernity in the Städel Museum, cf. Ausst.Kat. Frankfurt am Main 2011, p. 275 and figures. 31 See Altshuler 2008, p. 239 – 24 und Foster 2004, p. 319f. 32 A collection presentation of modernity which intends to make the several revisions of canon visible is “Multiple Modernities“ in the Centre Georges Pompidou in Paris (23.10.2013 – 26.01.2015).

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Vergessene Körper – Warum Helmut Kolle und Max Beckmann? Am 10. Oktober 1932 schrieb Georg Swarzenski, der Direktor des Städelschen Kunstinstituts und der Städtischen Galerie, einen Brief an den Kunsthändler und Sammler Wilhelm Uhde, der der Lebenspartner und Förderer des Malers Helmut Kolle war. In diesem Brief äußerte er über Kolles „Selbstbildnis mit Palette“ aus den Jahren 1927 / 281: „Die Einordnung des Bildes wird sicher nicht ganz leicht sein“2, und deutete damit seine Schwierigkeiten mit dem Gemälde an. Das Selbstbildnis war auf Vermittlung von Max Beckmann als Schenkung Uhdes in die Sammlung gelangt. Uhde, der in Swarzenskis Äußerung eine angedeutete Kritik las, bestand schließlich darauf, dass das Selbstbildnis durch ein anderes Porträt Kolles, „Junger Mann mit Baskenmütze und rotem Pullover“, ersetzt werde. Dieses wurde 1937, nach nur fünf Jahren im Städel Museum von den Nationalsozialisten beschlagnahmt und ist seitdem verschollen. Das Verhältnis der vier Personen, Georg Swarzenski, Wilhelm Uhde, Max Beckmann und Helmut Kolle, wirft Fragen auf: Warum regte Beckmann 1931 die Aufnahme eines Gemäldes von Kolle in die Sammlung der Städtischen Galerie in Frankfurt an? Und warum konnten sich die Gemälde Kolles trotz der Initiativen von Beckmann und Uhde im musealen Kontext nicht durchsetzen, obwohl sie in den 1920er Jahren regelmäßig in Pariser Galerien ausgestellt wurden und auch auf einigen Gruppenausstellungen zu sehen waren? Welche Bedingungen mussten damals von einem Künstler erfüllt werden, um seinen Ruf international behaupten zu können, und inwiefern war das politische Spannungsverhältnis zwischen Deutschland und Frankreich ein nicht zu unterschätzender Faktor? Im Paris der Zwischenkriegszeit war es für deutsche Künstler durchaus nicht leicht, sich gegen eine chauvinistische Kritik durchzusetzen, die Frankreich die Vormachtstellung in der Kunst einräumte.3 Trotzdem versuchte Beckmann vor allem ab Mitte der 1920er Jahre, sein Netzwerk in Paris auszubauen, um sich durch die Nähe und Konkurrenz zu anerkannten Künstlern wie Pablo Picasso und Georges Braque, aber auch zu Personen der dortigen Kunstwelt wie Uhde, international einen Namen zu verschaffen.4 Uhde hatte sich bereits vor dem Ersten Weltkrieg als Förderer von Picasso, Braque und Henri Rousseau in der Pariser Kunstszene etabliert. Durch ihn glaubte Beckmann den erwünschten Zugang zu einflussreichen Kreisen zu bekommen, aber auch die Kontaktmöglichkeiten des Frankfurter Museums und Kunstinstituts zu erweitern. Letzterem war er durch seine Professur an der Städelschule bis zu seiner politisch motivierten Entlassung 1933 verbunden. Beckmanns Einsatz für Kolle könnte damit als taktisches Vorgehen gewertet werden: Kurz vor seiner ersten großen Ausstellung in Paris 1931 stellte er sich mit den dort wichtigen Akteuren gut.5 Obwohl Uhde nicht vollkommen von der Kunst Beckmanns überzeugt war, setzte er sich für dessen Pariser Ausstellung ein.6 Auch für ihn war der Kontakt zu Beckmann hilfreich, denn so konnte er seine Beziehungen zu einer der wichtigsten Kunstinsti-

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Vergessene Körper

tutionen in Deutschland intensivieren. Dies nutzte Uhde, der zeitlebens versuchte, seinen Partner in der Kunstwelt zu etablieren, auch nach dem Zweiten Weltkrieg. 1947 veranlasste er erneut eine Schenkung von drei Gemälden Kolles an das Städel Museum. Die „Drei Toreros“ (1925), den „Jungen mit Hampelmann“ (1929) und das „Selbstbildnis“ (1930) konnte er nun als Ausgleich für das 1937 beschlagnahmte Gemälde in der Institution platzieren. Uhde bezeichnete sie als die wichtigsten Werke Kolles und wollte sie daher nach seinem Tod in einem großen deutschen Museum wissen.7 Die drei Gemälde bildeten den Ausgangspunkt bei der Konzeption der Kabinettausstellung im Städel Museum, die sich der Verbindung zwischen Beckmann und Kolle zuwendet. In zeitgenössischen Texten und Selbstzeugnissen ist nichts über Beckmanns Einschätzung von Kolle überliefert. Vermutlich war Beckmanns Motivation nicht nur einem taktischen Bemühen geschuldet. Beide Künstler verbindet die intensive Auseinandersetzung mit dem Thema der Körperlichkeit sowie die Beschäftigung mit dem Spannungsverhältnis zwischen Flächigkeit und Dreidimensionalität. Die Gegenüberstellung der drei Gemälde Kolles mit zwei der insgesamt acht Plastiken Beckmanns verdeutlicht diese künstlerischen Parallelen. Während Kolles pastoser Farbauftrag die Malerei teilweise plastisch wirken lässt, sind Beckmanns Bronzeskulpturen darauf angelegt, die Flächigkeit im dreidimensionalen Objekt zu stärken. Die grobe Behandlung der Oberflächen und das Sichtbarlassen von Bearbeitungsspuren, die physische Arbeit am Objekt, lassen sich in den Werken beider Künstler beobachten. Beckmanns Bronzeplastiken „Tänzerin“ (1935) und „Adam und Eva“ (1936) treten in einen Dialog mit Kolles Gemälden. Beide Künstler wendeten sich einer figurativen Darstellung zu. Zudem verbindet sie eine intensive Auseinandersetzung mit der französischen Kunst. In Kolles „Junge mit Hampelmann“ wird in der Motivwahl und in den kubistischen Elementen die Auseinandersetzung mit Picasso und Braque deutlich. Für Beckmanns Plastiken sind figurativ arbeitende französische Bildhauer des 19. Jahrhunderts das Vorbild – insbesondere Edgar Degas und Auguste Rodin, was auch als bewusste Abgrenzung von der École de Paris gelesen werden kann.8 Kolles Gemälde sind Zeugnisse einer großen Leidenschaft für den menschlichen, meist männlichen Körper. Seine Inszenierungen von Toreros, Boxern und Radfahrern weisen eine Nähe zu Aktfotografien der Zeit auf, stellen jedoch nicht die Posen von triumphierenden Männern in den Mittelpunkt.9 Die zeitgenössische Vorstellung vom ‚starken Mann‘ wird in Frage gestellt und zuweilen in ihr Gegenteil verkehrt. Zudem steht diese Auseinandersetzung mit dem gesunden, kräftigen Körper im Kontrast zu Kolles eigener körperlicher Verfassung: Zeitlebens litt er an einer Herzkrankheit. Im Selbstporträt der Ausstellung stellte er sich als krank und leidend dar. Beckmann wählte in seinen Plastiken oft extreme Körperhaltungen, wie in seiner „Tänzerin“, oder passiv und eigenartig massiv wirkende Gestalten, wie bei „Adam und Eva“. Die Plastiken sind künstlerische Auseinandersetzungen mit dem menschlichen Körper, beschäftigen sich jedoch zugleich mit der Figur in Bezug auf den Raum. Doch in seinen Werken findet sich kein raumgreifender Moment, der Raum wird vielmehr

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negiert. In ihrer extremen Streckung beginnt die „Tänzerin“, sich aus dem Raum in die Fläche zu bewegen, und auch die blockhafte Gestalt Adams bezieht den ihn umgebenden Raum nur wenig mit ein. Beckmann bewegte sich mit seinen plastischen Arbeiten außerhalb der Avantgarde-Positionen seiner Zeit, aber auch abseits eines Menschenbildes, das sich in den 1930er Jahren in Deutschland, motiviert durch die politischen Umbrüche der Zeit, intensivierte.10 Obgleich Beckmann als Maler zeit seines Lebens eine bekannte Größe im deutschen Kunstbetrieb war, waren seine acht Plastiken einer breiten Öffentlichkeit lange Zeit weniger bekannt.11 Und auch in der Forschung wurden sie oft als künstlerische Randerscheinung rezipiert und in einem Zusammenhang mit Beckmanns Malerei gesetzt.12 Die Plastiken erweitern jedoch das Register seiner künstlerischen Praktiken und sind, anders als seine Gemälde, durch die Befragung von Körperlichkeit motiviert. Beide Künstler haben auf eine ähnliche künstlerische Herausforderung ihrer Zeit reagiert: Die Abstraktionstendenzen der Kunst seit 1900 hatten zur Infragestellung der figurativen Malweise und der Darstellung von menschlichen Körpern angeregt. Kolle und Beckmann schufen ihre Werke in einer Zeit, in der die europäische Avantgarde die abstrahierende Formensprache der Jahrhundertwende fortführte. Nicht nur am deutschen Bauhaus, sondern auch in Russland und Frankreich wurden konstruktive Positionen ausformuliert. Doch weder der Konstruktivismus noch der Surrealismus, dessen Zentrum zu dieser Zeit Paris bildete, hinterließ in Kolles Werk Spuren. Mit seiner Malerei, insbesondere aber in seiner Motivwahl ging Kolle andere Wege. Er wandte sich gegen den Zeitgeist und die Zeitkunst, insbesondere mit seiner Schrift „Wider den Expressionismus“13. Mit seiner figurativen Motivik ist er im Umfeld der Kunst der Neuen Sachlichkeit zu verorten, zu deren prominenten Vertretern der Maler Beckmann gezählt wurde.14 Gerade deshalb kann in der Gegenüberstellung von Kolle und Beckmann von „Vergessenen Körpern“ gesprochen werden. Kolle hat sich durch seine Hinwendung zur Materialität des Körpers, durch die Geschlossenheit und das In-sich-Ruhen der Figuren von den expressionistisch arbeitenden Zeitgenossen abgesetzt und dabei wenig idealisiert. Ähnliches gilt für die Plastiken Beckmanns. Ihre Haltung ist in keiner Weise eine Heroisierung, sondern als klare Gegenposition zum Körperwahn der 1930er Jahre zu verstehen. Der Titel der Ausstellung hat damit einen doppelten Sinn: Er verweist einerseits auf die Tatsache, dass der „Körper“ als Gegenstand künstlerischer Darstellung mit diesen beiden (exemplarischen) Positionen aus der Vergessenheit gehoben wurde. Andererseits regt er auch zu Fragen an, wie die dargestellten Körper Kolles vergessen wurden – und warum? Und wie verbinden sich diese mit den Arbeiten Max Beckmanns? Diese Fragen haben die Auseinandersetzung mit Kolle und Beckmann motiviert, mit diesen Fragen befassen sich die Ausstellung und die vorliegende Publikation.

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Vergessene Körper

1

Das Gemälde gilt heute als verschollen. Vgl. Whitman 1994, S. 165.

2

Georg Swarzenski in einem Brief an Wilhelm Uhde vom 10.10.1932, siehe S. 78. Zur Einordnung des Briefwechsels der Beitrag von Wilhelm, S. 83 – 87.

3

Dazu der Beitrag von Ruckdeschel, S. 41 – 51.

4

Zu Beckmanns „stratégie parisienne“ vgl. Ausst.Kat. Zürich, St. Louis 1998, S. 224f.

5

Beckmanns erste Pariser Ausstellung fand vom 15.03. bis 25.04.1931 in der Galerie de la Renaissance statt.

6

In einem Brief an Richard Möring vom 02.08.1929 beschrieb Uhde Beckmanns Kunst noch als „metaphysisches Getue“ und „faustische Fratze“. Vgl. Chabert 1981, S. 66.

7

Wilhelm Uhde in einem Brief an Richard Moering vom 26.01.1934: „[…] diese Bilder sind nicht zu entbehren, sie gehören zu den wichtigsten, und wenn sie nicht mehr an Ort und Stelle sind, kann ich Helmuts Bedeutung nicht mehr ebenso beweisen, seine Entwicklung nicht mehr so deutlich erklären. Diese Bilder gehören in ein Museum und sollen nach meinem Tod auch ein solches bekommen“, zit. nach Ausst.Kat. München 1994, S. 52.

8

Vgl. Homburg 1998.

9

Dazu der Beitrag von Zscherpe, S. 94 – 99.

10 Vgl. Schulze 2008, S. 19. 11 Dazu der Beitrag von Engert, S. 53 – 59. 12 Vgl. Schulze 2008, S. 10; Franzke 1987, S. 21; Billeter 2008, S. 216f. 13 Wilhelm Uhde erwähnt diesen Text Kolles, der allerdings weder publiziert noch als Manuskript erhalten ist. Vgl. Uhde 1935, S. 16. 14 Vgl. Ausst.Kat. Mannheim 1925, S. 4f.

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Forgotten Bodies – Why Helmut Kolle and Max Beckmann? On October 10th 1932, Georg Swarzenski, the director of the Städelsches Kunstinstitut and the Städtische Galerie, wrote a letter to Wilhelm Uhde, an art dealer and collector, as well as the life partner and patron of the painter Helmut Kolle. In this letter, Swarzenksi commented that Kolle’s “Self-Portrait with Palette” of 1927 / 281“certainly will not be easy to fit in”,2 thus indicating his difficulties with the work. Through the agency of Max Beckmann, the self-portrait had entered the collection as a gift from Uhde. The latter, who understood Swarzenski’s statement as a subtle criticism, ultimately insisted on having the self-portrait replaced by another Kolle portrait, “Young Man Wearing a Beret”. In 1937, after just five years at the Städel Museum, the Nazis confiscated this work; its whereabouts are unknown to this day. The relationships between the four persons involved – Georg Swarzenski, Wilhelm Uhde, Max Beckmann and Helmut Kolle – pose certain questions: why did Beckmann undertake efforts in 1931 to have a painting by Kolle included in the collection of the Städtische Galerie in Frankfurt? And why didn’t Kolle’s paintings ever become firm fixtures in the museum context, although Beckmann’s and Uhde’s initiatives, and despite the fact that they were regularly shown in Parisian galleries in the 1920s and also on view in a number of group exhibitions? What conditions did an artist of that time have to fulfil to succeed in making a name for himself internationally? And to what extent were the political tensions between Germany and France in those years a factor that should not be underestimated? In the Paris of the interwar period, it was by no means easy for German artists to establish themselves in an atmosphere in which chauvinistic art criticism granted France the dominant position in art.3 From the mid 1920s onward, Beckmann nevertheless endeavoured to develop his network in Paris. His strategy was to use the proximity to, and competition with, artists such as Pablo Picasso and Georges Braque – but also other persons who figured in the art world there, such as Uhde – to build an international reputation for himself.4 Uhde had already established himself in the Paris art scene as a patron of Picasso, Braque and Henri Rousseau before World War I. Beckmann considered him the perfect means of accessing influential circles, but also of expanding the contacts of the Frankfurt museum and art institute. Through his professorship at the Städelschule, Beckmann had strong ties to that institute until his politically motivated dismissal in 1933. His efforts to help Kolle can thus be assessed as a tactical move – shortly before his first major exhibition in Paris in 1931, he called favourable attention to himself from the important players in that city’s art world.5 Although Uhde was not entirely convinced of Beckmann’s work, he espoused the cause of the artist’s Paris show.6 Their relationship was also beneficial to Uhde because

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it aided him in intensifying his relations to one of Germany’s most important art institutions. In conjunction with his lifelong efforts to establish his partner in the art world, Uhde continued to benefit from these relations even after World War II. In 1947 he made another donation to the Städel Museum, now of three paintings by Kolle. As compensation for the painting confiscated in 1937, he was able to place the “Three Toreros” (1925), the “Boy with Jumping Jack” (1929) and the “Self-Portrait” (1930) in the institution’s collection. Uhde regarded them as Kolle’s most important works, and accordingly wanted to ensure that, after his death, they would belong to the collection of a major German museum.7 The three paintings formed the point of departure in the planning of the cabinet exhibition at the Städel Museum, which is about the connection between Beckmann and Kolle. There are no contemporary written sources that reveal what Beckmann thought of Kolle’s work. His motivation for helping his younger colleague, however, was presumably not tactics alone. The two artists shared an intense interest in the theme of corporality as well as a concern with the relationship between two and threedimensionality. The juxtaposition of Kolle’s three paintings with two of Beckmann’s altogether eight sculptures provides insights into these artistic parallels. Whereas Kolle’s impasto application of the paint often lends his paintings plasticity, Beckmann’s bronze sculptures emphasize the planarity of the three-dimensional object. Coarse treatment of the surface and traces of the working process can be observed in the works of both artists. Beckmann’s bronze sculptures “Female Dancer” (1935) and “Adam and Eve” (1936) enter into dialogue with Kolle’s paintings. Both artists devoted themselves to figural depiction. They moreover shared an intense examination of and reflection on French art. In Kolle’s “Boy with a Jumping Jack”, his preoccupation with Picasso and Braque are evident in the choice of motifs and the Cubist elements. Beckmann modelled his sculptures after examples by figuratively working French sculptors of the nineteenth century, in particular Edgar Degas and Auguste Rodin – an indication of the German artist’s deliberate departure from the École de Paris.8 Kolle’s paintings testify to a great passion for the human – usually male – body. His portrayals of toreros, boxers and cyclists exhibit similarities to the nude photography of the time, but without the focus on poses of triumphant men.9 Instead, they question the contemporary conception of the ‘strong man’, and at times turn it into its opposite. The fascination with the healthy, muscular body moreover bears a relation to Kolle’s own physical constitution. He was plagued by heart disease all his life. In the self-portrait on view in the exhibition, he depicted himself as a sick and suffering man. Beckmann often chose extreme poses for his sculptures, as exemplified by the “Female Dancer”, or created passive and strangely massive-looking figures as in “Adam and Eve”. His sculptural works represent artistic explorations of the human body, but also of the figure in relation to space. It is not spatial expansiveness that we encounter in these works, however, but a reversal of the same. With her horizontal stretch, the “Female Dancer” is in the process of leaving space in favour of surface, and the

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block-like figure of Adam hardly integrates the space around him. With his sculptural works, Beckmann was operating in a realm beyond the avant-garde approaches of his time, but also beyond the image of the human being that intensified in 1930s Germany, motivated by the political upheavals of the time.10 Even if, as a painter, Beckmann was a well-known entity in the German art world throughout much of his career, his eight sculptures remained virtually unknown to a broad public.11 Scholarship has also treated them as a mere footnote and considered them solely in relation to his painterly work.12 Actually, however, Beckmann’s sculptures broadened the register of his artistic practices and, unlike his paintings, were motivated by an investigation of corporality. Both artists responded to a similar artistic challenge of their time: the abstraction tendencies in art since around 1900 had sparked a re-investigation of figurative painting and the depiction of human bodies. Kolle and Beckmann produced their works at a time in which Europe’s art avant-gardes were carrying the abstract formal language of the turn of the century forward. Constructive approaches were being formulated, not only at the German Bauhaus, but also in Russia and France. Yet neither Constructivism nor Surrealism – whose centre was Paris during this period – left a mark on Kolle’s œuvre. With his painting, and especially with his choice of motifs, Kolle embarked on a different path. He turned against the spirit and the art of the times, particularly with his essay “Contra Expressionism”.13 With his figural motifs, he is to be localized in the vicinity of New Objectivity, which counted the painter Beckmann among its prominent exponents.14 It is precisely for this reason to speak about “Forgotten Bodies” in a juxtaposition of Kolle and Beckmann. With his focus on the materiality of the body, with the selfcontainment and inner tranquillity of his figures, Kolle departed from the expressionist style being pursued by his contemporaries, but did not exchange it for an idealisation of the human body. Nearly the same can be said of Beckmann’s sculptures. Far from any form of heroization, they are to be understood as a clear stance against the 1930s’ obsession with the body. The title of the exhibition, “Forgotten Bodies”, thus has a double meaning. On the one hand it points to the fact that the body, as a subject of artistic depiction, had been raised from oblivion by, among others, these two artists. On the other hand it also raises the question how the bodies depicted by Kolle were forgotten – and why? And how do those bodies relate to the works of Max Beckmann? These are the questions that the exhibition and this publication are concerned with and which motivated this examination of Kolle and Beckmann.

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1

Today the painting is considered to be lost. Cf. Whitman, in: Ausst.Kat. München 1994, p. 163-169, here p. 165.

2

Georg Swarzenski in a letter to Wilhelm Uhde on October 10th, 1932, see p. 78. Regarding the correspondance cf. Wilhelm, p.83 – 83.

3

Cf. Ruckdeschel, p. 41 – 51.

4

Concerning Beckmanns ’Stratégie Parisienne’ cf. Ausst.Kat. Saint Louis, Zurich 1998 – 1999, p. 224f.

5

Beckmann’s first exhibition in Paris took place in the Galerie de la Renaissance from March 15th until April 25th, 1931.

6

In a letter to Richard Möring on August 2nd, 1929, Uhde still described Beckmann’s art as `metaphysical fuss´ and `Faustian grimace´. Cf. Chabert 1981, p. 66.

7

Wilhelm Uhde in a letter to Richard Möring on January 26th, 1934:„[…] these paintings are indispensible; they belong to the most important paintings; and if they don’t stay put I cannot prove Helmut’s importance and cannot explain his development anymore. These paintings should form part of a museum and after my death they should be given one.“, cf. Ausst.Kat. München 1994, p. 52.

8

Cf.. Homburg, in: Ausst.Kat. Saint Louis, Zurich, 1998 – 1999, p. 41 – 78.

9

Cf. Zscherpe, p. 94 – 99.

10 Cf. Schulze 2008, p. 19. 11 Cf. Engert, p. 53 – 59. 12 Cf. Schulze 2008, p. 10; Franzke 1987, p. 21; Billeter 2008, p. 216f. 13 Cf. Uhde 1935, p. 16. 14 Cf. Ausst.Kat. Mannheim 1925, p. 4f.

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D’une formule très allemande

„D’une formule très allemande“ oder „französische Malkultur“? – Die Funktion nationaler Kategorien für Helmut Kolle Annabel Ruckdeschel Abstract: In the case of Kolle, national attributions served as an important strategic means of enhancing and diminishing his value as a painter. Whereas in Germany he was categorized as a French artist, in the French reviews his German nationality was usually emphasized as a deficit. The synthesis of “the German” and “the French” can be regarded as a strategy for combining the two assessments of Kolle while moreover offering a way of stylizing him as an ideal-typical artist. In the early 1930s, Kolle and Uhde began to back away from this approach as Kolle’s proximity to the École de Paris came to be perceived in an ever more positive light. The situational handling of national or nationally connoted categories helped to ensure the positive reception of his work as either French or internationalist. Die Rezeption der Kunst Helmut Kolles durch die zeitgenössische Kunstkritik war in vielen Fällen gekoppelt an die Zuschreibung eines nationalen Charakters. So schrieb man im Deutschland der 1920er Jahre über Kolle, er besitze „französische Malkultur“1 – in den Augen vieler Franzosen hingegen blieb der Wahlpariser ein deutscher Maler. Nationale Kategorien spielten zu Beginn des 20. Jahrhunderts nicht nur innerhalb des institutionellen Rahmens der Kunstgeschichte eine Rolle.2 Auch die Kunstkritiker und Künstler, die sich mit den europäischen Avantgarden außerhalb der staatlichen Institutionen organisierten, leisteten einen Beitrag zur Imagination nationaler Gemeinschaften. In Hinblick auf den Künstler Kolle sowie auf seinen Förderer Wilhelm Uhde scheint eine Untersuchung der Verwendung nationaler Kategorien sinnvoll, will man ihr Handeln in der Pariser Kunstwelt besser verstehen. Die Stilisierung und Inszenierung von Kolles Werk müssen dann vor dem Hintergrund eines deutsch-französischen Spannungsverhältnisses in den Zwischenkriegsjahren bewertet werden. Kunst wurde häufig basierend auf gängigen Stereotypen über das Nachbarland alterisiert, und zwar sowohl in Frankreich als auch in Deutschland. In vielen Fällen nahm die Einschätzung der Kunst der Anderen feindseligen Charakter an und war mit nationalistischen Vorurteilen und Überlegenheitsgefühlen behaftet.3 Bei nationalistischen Äußerungen durch Künstler und Kunstkritiker ist es notwendig, zwischen den Äußerungen, die aus politisch-philosophischem, strategischem oder privatem Interesse getroffen wurden, zu differenzieren.4 Bei den Äußerungen, die von Kolle und Uhde überliefert sind und sich nationaler Kategorien bedienen, kann nicht eindeutig geklärt werden, welchem dieser Interessen sie entsprechen. Im Folgenden sollen daher die Funktionen nationaler Kategorien oder national konnotierter Begrifflichkeiten im Vordergrund stehen.

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„Peintres allemands“ in der Galerie Bonjean 1931: Kolle und die École de Paris Im Januar 1931 plante die Pariser Galerie Bonjean eine Gruppenausstellung bedeutender zeitgenössischer deutscher Künstler. „Peintres allemands“ sollte das französische Publikum mit den aktuellen künstlerischen Entwicklungen im Nachbarland vertraut machen. Gezeigt werden sollten Werke von Emil Nolde, Alfred Kubin, Karl Hofer, Ernst Barlach, Oskar Kokoschka, Paul Klee, Otto Müller, Otto Modersohn, Max Ernst und auch von Helmut Kolle.5 Kurz vor der Eröffnung, als die Kataloge bereits gedruckt waren, entschieden Kolle und Uhde sich jedoch für einen Rückzug. Uhde beschrieb in einem Brief an die Londoner Galeristin Lucy Wertheim vom 8. Januar 1931, wie es zu dieser Entscheidung gekommen war: „Man setzte mich gestern von einem Projekt zu einer deutschen Ausstellung in Kenntnis, das in den nächsten Tagen in Paris stattfinden wird und dessen Katalog den Namen Kolles unter den Ausstellenden anführt. Ich hatte die Gelegenheit, darüber mit Pariser Kunstkritikern und mit Kolle selbst zu reden. Sie alle waren sich darin einig, dass Kolle zu sehr zur ‚École de Paris‘ gehöre und dass es ihm vielmehr schaden würde, in einer rein deutschen Ausstellung vertreten zu sein. Angesichts der Tatsache, dass Kolle persönlich, bis auf seine Geburt und Nationalität, nur wenige Verbindungen zu Deutschland hat, seine Ausbildung ausschließlich in Frankreich stattgefunden und sein Werk vor allem in Paris Resonanz gefunden und Erfolg erzielt hat, musste ich mich letztendlich ihrer Meinung anschließen. Im Übrigen habe ich Ihnen gegenüber bereits einmal in einem meiner Briefe erwähnt, dass es für Kolle in jeder Hinsicht gut wäre, auch in London mit der École de Paris gezeigt zu werden.“6 Aus Uhdes Bericht ergeben sich mehrere Fragen: Warum und von wem wurde die Nähe zu Künstlern, deren Arbeiten innerhalb Frankreichs unter der Kategorie „Deutsche Kunst“ subsumiert wurden, als schädlich empfunden? Inwiefern war es für Kolle vorteilhafter, als Mitglied der École de Paris wahrgenommen zu werden? Wie erklärt sich der angedeutete anfängliche Widerstand Uhdes gegen die Absage an die Galerie Bonjean, und warum fügte er sich letztlich doch der Meinung der Pariser Kritiker und des Künstlers? Diese Fragen dienen als Ausgangspunkt, um Kolle als einen Künstler im Spannungsverhältnis zwischen unterschiedlich konnotierten nationalen Kategorien zu sehen. Die Wahrnehmung eines Kunstwerks als ‚deutsch‘ konnte ein wichtiger Faktor für Erfolg bzw. Misserfolg sein. Kolle, seine Förderer und ihm wohlgesonnene Kunstkritiker mussten hierauf reagieren, wollten sie eine positive Wahrnehmung fördern. Warum Kolle und Uhde die schädliche Wirkung einer Ausstellung mit den „Peintres allemands“ befürchteten, kann vor dem Hintergrund französischer Kritik an deutscher Kunst nachvollzogen werden. Knapp vier Jahre zuvor wurden in einer gesonderten Sektion des Salon d’Automne 1927 mehrere Künstlerinnen und Künstler unter dem Titel „Exposition Allemande / Groupe de Berliner Secession“

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ausgestellt – unter ihnen Max Beckmann, Lovis Corinth, Georges Grosz, Karl Hofer, Paul Klee, Max Pechstein, Georg Kolbe, Wilhelm Lehmbruck und Renée Sintenis.7 Es gab vernichtende französische Kritik, die nationalistisch geprägt war. Einer der wichtigsten Kunstkritiker der 1920er Jahre und Herausgeber der Kunstzeitschrift „L’Amour de l’art“, Georges de Traz, fragte enttäuscht: „Was, ist das alles?“8 Nach den großen Errungenschaften mit Hans Holbein, Albrecht Dürer und Lucas Cranach im 16. Jahrhundert habe Deutschland in der Malerei nichts Erwähnenswertes zustande gebracht, polemisiert er. Den Deutschen mangele es an Geschmack („manque de goût“) und am nötigen Sinn für das Reale („sens de réel“); sie sollten sich lieber an den großen französischen Meistern des Realismus – Camille Corot, Gustave Courbet und Édouard Manet – schulen, bevor sie sich von einer natürlichen Wiedergabe der Dinge entfernten. Traz’ beißende Kritik deutscher Werke neigt ins Satirische.9 Zudem startet er einen Angriff auf den deutschen Expressionismus: Er sei nicht nur ein missgeleitetes Theoriegebäude, sondern seiner radikalen Missachtung des Gegenstands im Objekt sei kein Volk weniger gewachsen als das der ungeschulten Deutschen.10 Traz’ heftige Ablehnung der deutschen Kunst war durch stereotype Vorurteile und eine mangelnde Expertise über deutsche Kunst geprägt, die in Frankreich keine Seltenheit war.11 An seine negative Wertung der Salonausstellung ließen sich noch weitere Kritiken anschließen, die vor allem etwas spezifisch Deutsches in den ausgestellten Werken vermissten, die der französischen Kunst nichts hinzufügten.12 Selbst ein Kritiker wie Waldemar George, der der deutschen Kunst gegenüber positiv eingestellt war, musste einräumen, dass die Ausstellung im Salon d’Automne ein „taktischer Fehler“13 war. Das Fehlen bedeutender Maler und das Ausstellungskonzept, das die deutsche Kunstszene nur lückenhaft wiedergebe, habe „die Ablehnung der chauvinistischen Kritik unterstützt“.14 Der Exkurs zur Salonausstellung von 1927 verdeutlicht die Herausforderung, der sich Kolle stellen musste, wollte er in der Pariser Kunstszene reüssieren. Er musste mit harten Kritikern rechnen, die generalisierende Vorurteile gegenüber deutschen Künstlern hegten. Einer derart chauvinistisch eingestellten Kritik musste man, wie George bemerkt, mit taktischem Kalkül begegnen. Unter den Kritikern waren einige Konservative wie Traz vertreten, die die Internationalisierung der französischen Kunst ablehnten und teilweise eine reine französische Kunst zum nationalen Leitbild erklärten.15 Unter den 1927 kritisierten Künstlern befanden sich auch solche, die Kolle ein Vorbild waren (Corinth, Hofer) oder die nun wieder mit ihm zusammen in der Galerie Bonjean ausgestellt werden sollten (Ernst, Klee, Hofer, Kokoschka). War die Nähe zu diesen Künstlern schädlich für seinen Ruf, wie Uhde angedeutet hatte? Das Fehlen Kolles in der Ausstellung der „Peintres allemands“ wurde bemerkt, ersparte ihm aber keineswegs eine Klassifizierung als deutsch. Diese Zuordnung war in Frankreich eindeutig negativ behaftet, da deutsche Kunst mit mangelhafter Kunst gleichgesetzt wurde. Kolle wurde von diesem harschen Urteil nicht ausgenommen. Der Kritiker Pierre Berthelot schrieb:

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„Man kann bedauern, dass man kein Werk von Herr Helmut Kolle antrifft, der als ausstellender Künstler angekündigt ist. Freilich sind die unbeholfenen Werke dieses Künstlers kaum erfreulich anzusehen, aber sie sind von einer sehr deutschen Art – vielleicht noch mehr wegen ihrer Mängel als wegen ihrer vereinzelten Stärken.“16

École de Paris, École de France, Retour à l’ordre Was bedeutete es im Jahr 1931, sich zur École de Paris zu bekennen? Die École de Paris war weder eine Schule noch eine homogene Künstlergruppe im klassischen Sinne, sondern ein loses Gefüge größtenteils immigrierter Künstler. Auch waren sich die Zeitgenossen uneinig, wie sie im Spannungsverhältnis zwischen Nationalismus und Internationalismus einzuordnen war. Hier lassen sich zwei Positionen unterscheiden: eine, die die École de Paris als ein Epiphänomen der französischen Kunst begriff, und eine, die ihr eine internationalistische Autonomie zugestand. André Warnod fasste in der Publikation „Les Berceaux de la jeune peinture“17 erstmals mehrere Künstler unter dem Begriff der École de Paris zusammen und beschäftigte sich mit den jungen internationalen, aber auch französischen Künstlerinnen und Künstlern, die sich in Paris angesiedelt hatten – unter ihnen Maurice Utrillo, Suzanne Valadon, Pablo Picasso, André Derain, Kees Van Dongen. Die zunehmende Internationalisierung in der École de Paris und die Zuwanderung ausländischer Künstler wertete Warnod keineswegs als Abkehr von einer französischen Kunst – da sie Frankreich mehr zurückgäben als sie nähmen, stellten sie für ihn vielmehr eine Bereicherung dar. Warnod grenzte die École de Paris von der akademischen Kunst ab. Das „lächerliche Institut“18 der Académie royale de peinture galt Warnod als überholt, er sah das neue Zentrum der Kunst bei den Künstlern am Montmartre und am Montparnasse – diese Orte seien die beiden „Herde, von denen alle Energie ausstrahlt“19. Seine Ablehnung des staatlichen Akademismus kann im Kontext mit der Gründung unabhängiger Akademien zu Beginn den 20. Jahrhunderts gesehen werden, die vor allem auch ausländischen Künstlern offenstanden.20 Die Ausbildung ausländischer Künstler, fand sie nun an privaten Akademien oder lediglich durch künstlerischen Einfluss statt, hatte für Warnod das Potential zur kulturellen Inklusion.21 Sie machte die Kunst der ausländischen Künstler zu französischer Kunst, insofern sie einer französischen, emanzipatorischen Bewegung angehörten. Er erkannte den produktiven Nutzen der École de Paris, helfe sie doch, die Überlegenheit der französischen Kunst auch über die Grenzen hinweg zu demonstrieren.22 Diesem assimilatorisch gedachten Konzept der nationalen Zugehörigkeit eines Künstlers stand das Konzept der Nationalität als ethnische Zugehörigkeit gegenüber, das exklusiv war und bestimmte künstlerische Tendenzen aus der Nationalkunst ausschloss. George vertrat in dem Artikel „École française ou École de Paris“23 die Meinung, die École de Paris sei keineswegs eine Erweiterung und Bereicherung der

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nationalen Kunst Frankreichs, sondern sie setze ihre eigenen Standards. Sie sei eine „sterile Bewegung“24, die sich allein am Fortschritt orientiere. George begriff ihre Künstler als eine autonome und nationslose Gruppe, denn „sie [missachte] völlig das Entwicklungsgesetz, das das Leben der Nation und der Individuen bestimmt“.25 Einerseits beinhaltete Georges Sichtweise eine Kritik an der École de Paris, der man so ein mangelndes Interesse an der Pflege der Werte der französischen Kunst vorwerfen konnte, andererseits barg sie auch das Potential zur Wertschätzung der Eigenständigkeit dieses internationalen künstlerischen Phänomens. Warnods und Georges Positionen lassen sich vor dem Hintergrund einer Entwicklung innerhalb der Kunstbewertung in Frankreich konturieren. In den Zwischenkriegsjahren wurden Forderungen nach einer Rückbesinnung auf originär französische Werte in der Kunst lauter. Der Wunsch nach einer Gegenposition zu den angeblichen Exzessen der Avantgarden und zum Internationalismus der Kunst regte zahlreiche Künstler dazu an, zu klassischen Werten in der Kunst zurückzukehren. Diese als retour à l’ordre bezeichnete Tendenz wurde vor allem als Reaktion auf den Ersten Weltkrieg gewertet und als Bestreben, sich auf das „génie“ der eigenen Nation zurückzubesinnen.26 Zwar kann hier keineswegs von einer homogenen künstlerischen Tendenz die Rede sein, die rein durch konservative Kräfte bestimmt wurde,27 doch es wird deutlich, dass Positionen zum Internationalismus der Kunst und zu einer Nationalkunst in den 1920er Jahren stark verhandelt wurden und dass diese die Überlegungen von Warnod zur „Überlegenheit der französischen Kunst“28 und von George zur „Rückkehr [der französischen Kunst] zu sich selbst“29 anregten. Wenn Kolle als Mitglied der École de Paris verstanden werden wollte, bedingte diese Selbstverortung zwei Möglichkeiten der positiven Wahrnehmung: Entweder man begriff ihn als Mitglied einer internationalen Gruppe, die sich jedoch maßgeblich an der französischen Kunst orientierte und diese vorantrieb, oder man verstand ihn als Mitglied einer internationalistischen Gemeinschaft, die fernab nationaler Kategorien ihre eigenen künstlerischen Gesetze festlegte. Beide Argumentationen beriefen sich auf die Ausbildung des Künstlers in Frankreich, die entweder als Mittel der kulturellen Inklusion oder zur Abgrenzung gegen die nationale Kunst gewertet wurde. Die Bedeutung von Kolles deutscher Herkunft musste in beiden Fällen auf ein Mindestmaß reduziert werden. Hier wird deutlich, weshalb Uhde bei seinen Bemühungen, Kolle der École de Paris zuzuordnen, betonte, dass dessen Ausbildung „ausschließlich in Frankreich“30 stattgefunden habe, und dabei die künstlerische Ausbildung Kolles in Deutschland verschwieg.31 Einen gewissen Internationalismus zu reklamieren war ein Weg, sich den deutsch-französischen Rangeleien über die Vormachtstellung in der Kunst zu entziehen, der von Kolles Künstlerkollegen Beckmann zur selben Zeit eingeschlagen wurde.32 In diesem Sinne unterstützte George die Einordnung Kolles in die École de Paris, wenn er ihn als europäischen Künstler inszenierte, dem mit nationalen Kategorien nicht beizukommen sei: „Der europäische Deutsche, der Kolle ist, ist ein komplexes und undefinierbares Produkt. Seine Kunst entzieht sich fast vollkommen dem Einfluss des germa-

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nischen Geistes […]. Der Geist Kolles kennt die gewundenen Umwege nicht, auf die sich der Großteil seiner Landsleute, die in das Fantastische und Übernatürliche verliebt sind, bereitwillig begibt.“33

Helmut Kolle in der Galerie Pierre 1925: Eine deutsch-französische Synthese Kolles Bekenntnis zur École de Paris 1931 bildete einen Bruch zum vorigen Umgang mit seiner Herkunft, der im Vergleich mit seiner ersten Pariser Einzelausstellung in der Galerie Pierre sichtbar wird.34 Uhde verfasste einen Begleittext, in dem er Kolle als Künstler vorstellte, der sowohl deutsche als auch französische Elemente in sich vereine: „Der junge Mann von 26 Jahren, von dem Sie hier die Werke sehen, ist ein Deutscher. Eine seiner Großmütter war französisch, und nun ist er hier in Paris und strebt danach, dasjenige mit malerischen Mitteln auszudrücken, was er liebt. […] Manet, Braque und Picasso bilden seine wahre Familie im Geiste. Indem er den schönen Stoff und die reine und harmonische Form der lateinischen Rasse für seine germanische ‚Sehnsucht‘ entdeckt, gibt er mit der schönen Geste eines jungen, leidenschaftlichen und ausgeglichenen Menschen dasjenige zurück, was er Frankreich schuldet.“35 Hier deutet sich die Dualität an, die in Uhdes theoretischen Überlegungen zur europäischen Kunst bestimmend ist, nämlich jene von hellenisch-germanischer Innerlichkeit und romanisch-französischer Sinnlichkeit.36 Beide Tendenzen seien in Kolle allein schon durch seine Abstammung vereint. Uhdes Verwendung des Begriffs ‚Rasse‘ deutet sein genetisches Konzept von der Kunst der ‚Völker‘ an und bildet damit keinen singulären Fall in kunsttheoretischen und kunsthistorischen Überlegungen der Zeit.37 Um eine Synthese französischer und deutscher Eigenschaften war höchstwahrscheinlich auch Kolle selbst in seinen Gemälden bemüht. Er begriff sein Werk nicht außerhalb nationaler Kategorien, sondern verstand sowohl seine Bildsujets, vornehmlich Männerporträts, aber auch die Faktur seiner Gemälde als eine solche Synthese.38 Uhdes Vorstellung der Synthese germanischer und romanischer Eigenschaften im Werk Kolles enthält eine strategische Komponente mit dem Ziel, Kolle sowohl in Deutschland als auch in Frankreich Anerkennung zu verschaffen.39 Das Synthese-Argument wendete Uhde auch auf Picasso an, der damals bereits internationale Erfolge erzielte. In seinem 1928 veröffentlichten Buch „Picasso et la tradition française“40 sah er den großen Wert von Picassos Kunst in ihrem Ausgleich zwischen gräko-germanischem Intellektualismus und romanischem Formgefühl.41 Eine ähnliche Synthese sah Uhde bei Kolles Kunst gegeben, womit er Kolle in die Nähe des idealtypischen Künstlers Picasso rückt.42 Das „Germanische“ der Kunst Kolles war für Uhde folglich eine essentielle Vorannahme für dessen Stilisierung, was sein eingangs erwähntes Unbehagen gegenüber einer Distanzierung von der deutschen Malerei erklärt.

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Des Weiteren diente das Synthese-Argument als Mittel, das situativ genutzt und umgewertet werden konnte. Je nach Art der Formulierung konnte Uhde seiner These eine andere Gewichtung geben. In seinem Vorwort, das sich an ein französisches Publikum wandte, legte Uhde den Schwerpunkt auf die französischen Züge an Kolle – seine Nähe zu Manet und Braque und seine Abstammung, die ihn zu einem Viertel zum Franzosen mache. Uhde war sich höchstwahrscheinlich der Ängste einiger Franzosen bewusst, die den Verlust des nationalen Charakters der französischen Kunst befürchteten, wenn er beteuerte, dass Kolle den Franzosen zurückgebe, was er ihnen schulde. Ein anderes Mal, von Warnod zu seiner Meinung über diejenigen Künstler befragt, die die Eigenheiten der deutschen Malerei am stärksten repräsentierten, nannte Uhde unter anderen Kolle.43 Er lebe zwar, so Uhde, bereits mehrere Jahre in Paris, jedoch werde deutlich, dass „ein deutsches Wort sehr gut [seine] Geisteshaltung präzisier[e]“44 – gemeint ist hier die deutsche ‚Sehnsucht‘. Warnod wollte die Möglichkeit einer Ausstellung deutscher Künstler in Paris eruieren; die Ausstellung der Brücke im Salon d’Automne hatte noch nicht stattgefunden, die schließlich und mehrheitlich negativ aufgenommen worden war. Zwar riet Uhde von einer potentiellen Ausstellung deutscher Kunst ab, da er ihre Qualität im Allgemeinen geringschätzte, jedoch verpasste er es nicht, Kolle an dieser Stelle zu empfehlen. Uhde erzielte mit dieser Strategie, dem opportunistischen Ausspielen entweder der ‚französischen‘ oder der ‚deutschen‘ Karte, Erfolge und förderte einen Aufstieg Kolles im Pariser Galeriewesen. Jedoch konnte er eine negative Rezeption Kolles als sich bereichernder feindlicher Ausländer nicht gänzlich aus der Welt schaffen. Im „Journal des débats“ schrieb man über Kolle: „Dieser Maler ist ein Barbar, der sich gierig auf die französischen Nahrungen stürzt, die er im Moment nicht besonders gut verdaut.“45 Die angebliche synthetische Eigenschaft von Kolles Werk wurde von den französischen Kritikern nicht übernommen; mit seinem Picasso-Buch stieß Uhde in Frankreich auf Unverständnis.46 Die sich anschließende Entwicklung in der Wahrnehmung Kolles innerhalb von Paris könnte ein weiterer Grund gewesen sein, weshalb Uhde der Verortung Kolles in die École de Paris schließlich zugestimmt hat. Die Kritiken fielen vor allem dort positiv aus, wo Kolle als Mitglied der École de Paris sein französisches „Bürgerrecht“ erworben hatte,47 oder wo er als Künstler beschrieben wurde, der sich durch eine Internationalisierung von der deutschen Kunst entfernt hatte.48 Die Einordnung Kolles in die École de Paris übernahm Uhde allerdings nicht in seiner Biographie über den Maler, ebenso wenig wie eine Einordnung in die „deutsche Malerei“. Jedoch gab er seine Skepsis nur im privaten Briefverkehr zu erkennen. So schrieb er im September 1932 in einem Brief an Richard Möring: „Und Sie glauben wirklich, daß etwas gewonnen würde, wenn man ihn [Kolle, Anm. AR] in den Zusammenhang der ‚deutschen Malerei‘ einreihte, ihn, den einzigen deutschen Maler? Ich kenne keine deutsche Malerei. […] Sie glauben wirklich, es würde etwas gewonnen, wenn ich den Namen Helmut Kolle in die Nolde- und Pechstein- und Dix-Pfütze setze? Oder ihn mit wissenschaftlichem

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Getue in die Ecole de Paris placiere und schmuse, wie er sich zu Chagalle [sic] verhält? […] Non, mon Cher!“49 Die Funktionen nationaler Zuschreibung waren im Fall Kolles vielfältig und ein wichtiges strategisches Mittel zur Auf- und Abwertung des Malers. Während er in Deutschland als französischer Künstler alterisiert wurde, wurde seine deutsche Nationalität in der französischen Kritik meistens nur betont, um abzuwerten, niemals jedoch, um ein positives Bild des Künstlers zu zeichnen. Die Synthese aus ‚Deutschem‘ und ‚Französischem‘ kann als Strategie gewertet werden, beide Einschätzungen des Künstlers zu vereinen und ließ die Möglichkeit offen, die Zugehörigkeit zu Deutschland oder zu Frankreich – je nach Situation – zu betonen. Dies barg außerdem die Option, Kolle zum idealtypischen Künstler zu stilisieren und ihn in einem Atemzug mit Picasso zu nennen. Von dieser Strategie, die wenig Anklang fand, nahmen Kolle und Uhde Anfang der 1930er Jahre Abstand, nachdem sich gezeigt hatte, dass die Nähe Kolles zur École de Paris positiv wahrgenommen wurde und eine Rezeption seiner Werke als entweder französisch oder internationalistisch ermöglichte. Der situative Umgang mit nationalen oder national konnotierten Kategorien wird vor allem an der Diskrepanz zwischen privat und öffentlich geäußerten Meinungen bei Uhde deutlich – die Skepsis gegenüber Kolles Verortung in die École de Paris formuliert er nur in privaten Briefen, während er nach außen hin eine entgegengesetzte Ausstellungspolitik förderte. 1

Grohmann 1924, S. 575; als französischer Maler wird Kolle ferner wahrgenommen bei Mende 1924; den starken Einfluss französischer Kunst betont Walter Hasenclever, „Deutsche Maler in Paris, Ausstellung Helmut vom Hügel in der Galerie Pierre", zit. n. Chabert 1981, Fn. 132, S. 114, wahrscheinlich im Berliner 8 Uhr-Abendblatt im März 1925 erschienen.

2

Vgl. Passini 2012, S. 4. Passini orientiert sich dabei an einem Begriff bei Benedict Anderson. Anderson definiert Nationen als geographisch festgelegte „imagined communities“, deren Mitglieder sich nicht persönlich kennen (Anderson 2006 [1983], S. 5 – 7).

3

Zu den Anfeindungen deutscher Kunst in Frankreich vgl. Vaisse 2007, S. 1 – 8, hier S. 6 – 8. Trotz zahlreicher Befürworter französischer Kunst in Deutschland gab es Proteste gegen den Ankauf französischer Künstler, und die Kunstkritik betrieb die Beschäftigung mit französischer Kunst meist vor dem Hintergrund einer Suche nach dem Wesen der deutschen Kunst. Vgl. Gaehtgens 2004, S. 1 – 24.

4

Vgl. Vaisse 2007, S. 6.

5

Vgl. Bock 2010, S. 136.

6

Zit. nach Chabert 1981, S. 76. Im franz. Original: „On m’avertissait hier d’un projet d’exposition allemande qui aura lieu ces jours-ci à Paris et dont le catalogue porte le nom de Kolle parmi les exponants. J’avais l’occasion d’en parler avec des critiques d’arts parisien et avec Kolle lui-même. Et tout ce monde fut unanimement d’accord que Kolle est trop de l’‚École de Paris‘ et qu’en figurant dans une exposition purement allemande cela lui sera plutôt nuisible. Étant donné que Kolle en personne n’a que peu de liens avec l’Allemagne sauf naissance et nationalité – que son éducation s’est uniquement fait en France et que son œuvre a trouvé surtout résonance et succès à Paris, j’ai dû adapter à la fin leur point de vue. Du reste je vous en avais déjà une fois parlé dans une de mes lettres qu’il sera préférable pour Kolle de tout point de vue d’être représenté dans l’École de Paris aussi à Londres.“

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D’une formule très allemande

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Die Ausstellung war als Gegenausstellung zur 1925 stattgefundenen Präsentation französischer Kunst in der Jahresausstellung der Berliner Secession angelegt und wurde in den Zwischenkriegsjahren keineswegs als selbstverständlich wahrgenommen. Vgl. Kitschen / Drost 2007, S. 75; Chabert 1981, S. 91.

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Fosca 1927, zit. nach Kitschen / Drost 2007, S. 72 – 74, hier S. 72. Im franz. Original: „Quoi, ce n’est que cela?“ Traz veröffentlichte hier unter dem Pseudonym François Fosca.

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„Commençons par un vétéran de l’art allemand, Louis Corinth [sic]. Ses trois toiles ne sont que des esquisses hâtives de virtuose fatigué; des roulades de vieux ténor enroué, dont la prétention ne peut dissimuler le creux. Carl Hofer et Max Beckmann sont réputés les meilleurs peintres allemands de leur génération. Les toiles du premier, anguleuses, dures, offrent aux yeux une matière délaissante et sèche. Quant à la nature mort du second, on aurait peine à y découvrir quelque intérêt. […] Quoi dire à Paul Klee? C’est l’expressionniste à l’état pur. Son Pain d’épice et sa Céramique mystique pourraient aussi bien porter comme titres Veau piqué et Quincaillerie semi-pélagienne; ce sont des balbutiements d’un être détraqué par l’excès des théories […]“, ebd., S. 73.

10 Vgl. ebd., S. 72. 11 Als stereotype Vorwürfe wertet Kitschen die Aussagen, die Deutschen seien eher Musiker, Dichter und Philosophen als Maler, ihr angeblicher Mangel an Geschmack, an Sensibilität für Farbe und am „sens de réel“. Traz’ geringe Kenntnisse der deutschen Kunst sieht Kitschen durch seine anfänglichen Bemerkung belegt, er kenne die deutschen Werke nur durch Fotografien; weiter dadurch, dass er andere Kunstentwicklungen wie den Blauen Reiter, die Brücke oder die Neue Sachlichkeit unerwähnt lässt. Vgl. Kitschen / Drost 2007, S. 77. 12 Vgl. Varenne 1928, S. 281f.; vgl. R. J. [René-Jean] 1927, S. 2; vgl. Petit Parisien, 13.11.1927 (Politisches Archiv des Auswärtigen Amts, Berlin: Botschaft Paris, Ausstellungen, 926b Band 2). 13 Vgl. George 1927, S. 443. 14 Ebd. 15 Traz präferierte etablierte französische Künstler und lehnte die internationale École de Paris, den Surrealismus und die abstrakte Avantgarde ab. Vgl. Kitschen / Drost 2007, S. 75. 16 Berthelot 1931, S. 7. Im franz. Original: „On peut regretter de ne rencontrer aucune œuvre de M. Helmut Kolle annoncé comme exposant. Certes les lourdes œuvres de cet artiste ne sont guère agréables à voir, mais elles sont d’une formule très allemande, peut-être plus encore par leurs défauts que par leurs rares qualités.“ 17 Warnod 1925. 18 Ebd., S. 10. Im franz. Original: „Institut dérisoire“. 19 Ebd., S. 11. Im franz. Original: „foyers d’où rayonnèrent toutes les énergies“. 20 Vgl. Kangaslahti 2011, S. 124. 21 Vgl. ebd., S. 124f. 22 „Ils [les artistes étrangers] viennent […] de répandre par le monde la souveraineté de l’art français“, Warnod 1925, S. 8; „L’art français d’à présent est d’une prodigieuse richesse. Quels bénéfices moreaux et même matériels tirerait la France de cette suprématie, si c’est officiellement qu’elle régnait sur l’art de tous les pays du monde!“, ebd., S. 9. 23 George 1929, S. 92f.

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Annabel Ruckdeschel

24 Ebd., S. 93. Im franz. Original: „mouvement stérile“. 25 Ebd. Im franz. Original: „Elle [l’École de Paris, Anm. AR] ignore totalement la loi d’évolution, qui préside à la vie des nations, et des individus.“ Die französische Kunst war laut George die notwendige Bezugsgröße der École de Paris, gegen die sich ihre Ideologie wendete („L’idéologie de l’École de Paris est orientée contre l’École de France que régit le principe dynastique d’unité dans le temps“, ebd., S. 93); die enorme internationale Bedeutung, die George der französischen Kunst zugestand, klingt hier nur implizit an. So schrieb er etwas später über die französische Kunst: „[...] le seul qui existe en Europe, le seul qui réalise une continuité, le seul qui donne au monde non seulement des artistes, mais aussi une école, le seul enfin qui témoigne de cette maîtrise des moyens d’expression, de cette haute conscience professionnelle“, George 1937, S. 43. 26 Zum Einfluss des Ersten Weltkriegs auf die Kunst vgl. Silver 1989. 27 Annick Lantenois kritisiert die Kunstgeschichtsschreibung wegen der Vereinfachung des retour à l’ordre als konservative Bewegung und deckt die Widersprüchlichkeit und Komplexität dieser künstlerischen Tendenz auf. Vgl. Lantenois 1995. 28 Warnod 1925, S. 8. Im franz. Original: „souveraineté de l’art français“. 29 George 1929, S. 93. Im franz. Original „retour sur elle-même“. 30 Uhde in einem Brief an Lucy Wertheim vom 08.01.1931, wie Anm. 6. 31 Kolle nahm, vermittelt durch Wilhelm Uhde, vor seiner Emigration nach Frankreich von 1918 bis 1919 Unterricht im Atelier von Erna Pinner. Vgl. Ausst.Kat. Chemnitz 2010, S. 32. 32 Dazu der Beitrag von Etter, S. 88 – 93. 33 George 1926, S. 386. Im franz. Original: „L’allemande européen qu’est Kolle est un produit complexe et indéfinissable. Son art échappe presque totalement à cette emprise de l’esprit germanique [...]. L’esprit de Kolle ne connaît pas ces détours tortueux, où s’engagent volontiers la plupart des ses compatriotes, épris de fantastiques et de surnaturel.“ 34 Die Ausstellung fand vom 05. bis zum 20.03.1925 statt. Gezeigt wurden acht Gemälde: „Groupe Sportif “, „David“, „Enfants“, „La chemise“, „Nu“, „Le Mangeur“, „Le Cycliste“, „Les Toreros“. Vgl. Chabert 1981, S. 46. 35 Uhde 1925, zit. nach Chabert 1981, S. 46. Im franz. Original: „Le jeune homme de 26 ans dont voici les œuvres est Allemand. L’une des ses grand’mères [sic] était française et le voilà maintenant à Paris cherchant à exprimer ce qu’il aime par des moyens picturaux. […] Manet, Braque, Picasso composent la véritable famille de son esprit. Donc en trouvant pour sa ‚Sehnsucht‘ germanique, la belle matière, la forme pure et harmonieuse de la race latine, il rend avec un beau geste de jeune homme passionné et bien équilibré ce qu’il doit à la France.“ 36 Diese dualistische Theorie entwickelte Uhde erstmals in seiner Schrift „Am Grab der Mediceer“, arbeitete sie besonders in seinem 1904 erschienen Buch „Paris. Eine Impressionen“ in Bezug auf Frankreich aus und hielt an ihr zeitlebens fest. Noch 1938 schrieb er in seiner Autobiographie: „Ich hatte begriffen, daß im Wesen der Völker zwei verschieden gefärbte Lebensgefühle sind, ein helles und ein dunkles, zwei Grundstimmungen, eine des ausgeruhten Einverstandenseins, und eine des rastlosen Suchens. Auf der einen sah ich das dunkle romantische Gefühl des Hellenen und Deutschen […] [a]uf der andern Seite das romanisch-französische Gefühl, mit der Erde und ihren Gegebenheiten heimatlich verbunden zu sein“, Uhde 2010 [1938], S. 243. 37 Uhdes Überlegungen zur Kunst entstanden in einer Zeit, als eine Reihe von Versuchen unternommen wurde, eine Kunstgeographie jenseits nationaler Grenzen zu schreiben, indem man sich von einer

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nationalistischen Kunstgeschichte abwendete (vgl. Larsson 1985, hier S. 172). Die Beschreibung nationaler Konstanten in der Kunst löste sich damals, so Hubert Locher, von nationalstaatlich begriffenen Einheiten und untersuchte zunehmend die kollektivistischen Einheiten ‚Rasse‘ und ‚Volk‘, was späteren rassistischen und sozialdarwinistischen Positionen die Argumentation erleichterte (vgl. Locher 1996, hier S. 289f.). 38 Vgl. Röske 2010, S. 162 – 171. 39 Vgl. Wilkens 2010, S. 226. 40 Uhde 1928. 41 Uhde erkannte in Picassos Werken die Größe der Gotik wieder. Ein Grund hierfür sei Picassos Abstammung von den germanischstämmigen spanischen Goten, die sich mit dem „génie constructeur roman“ (ebd., S. 40) von Braques zum Kubismus vereinigt und Picasso zum idealtypischen Künstler gemacht hätte. 42 Die Größe der Kunst Kolles resultiert laut Uhde aus der Kombination der germanischen Sehnsucht mit dem französischen Feingefühl. „De l’Allemagne est venu Helmut Kolle qui, de par sa nostalgie germanique, tire de sa propre faiblesse physique des silhouettes d’une vigueur juvénile et de cette réalisation plastique, cette simplification saisissante qu’il tient de Picasso; tandis que ce qu’il a de sang français, avec une sensualité matérialiste, travaille le pâte surtout à l’exemple de Manet première manière“, ebd., S. 96. 43 Vgl. Uhde / Warnod 1926, S. 361. 44 Ebd. Im franz. Original: „un mot allemand précise bien cet état d’esprit“. 45 Journal des débats politiques et littéraires, 12.03.1929, Nr. 70. Im franz. Original: „Ce peintre est un barbare qui se précipite avidement sur les nourritures françaises, et qui, pour le moment, ne les digère très bien.“ 46 Vgl. George 1928, S. 2: „[C]e livre risque fort d’être incompris des lecteurs qui ignorent, dans leur ‚candeur naïve‘, l’idéologie et l’esthétique allemandes. [...] Les termes : germanique et latin sont employés en France dans leur sens littéral. Le terme : gothique y équivaut à une notion de style plastique et architectural. Or, les notions : Sud (classicisme et latinisme) et Nord (romantisme, germanisme) ont pris en Allemagne une signification tout à fait différente. Ces acceptions ethnique-géographique sont devenues des concepts esthétiques.“ 47 „Nous voyons Helmut Kolle qui est, parmi les jeunes de l’École de Paris, un des plus ambitieux et un de ceux qui ont le plus le droit de l’être.“ Charensol 1929, S. 267; „Helmut Kolle [...] a maintenant, avec son exposition chez Georges Bernheim, acquis droit de cité parmi nous.“ Colrad 1929, Nr. 14, S. 15. 48 „Il faut rappeler que cet Kolle est l’Helmut Kolle von Hegel [sic] de l’an passé à la Galerie Bing. Car le format et la mise en page, l’intérêt sont si différents d’une exposition à l’autre que l’auteur n’est pas tout de suite reconnu. Cette fois il s’agit moins d’un guignol collossal, moins des ces agrandissements d’une idée si lisible que l’on croyait avoir à faire à de la publicité intellectuelle. La manifestation de l’autre année valait surtout par sa valeur technique, par quelque chose de bien allemande – expression qui ne sous-entende pas toujours le plus délicat ni le plus intime d’une race. Kolle est, cette année, plus international […].“ Journal „Chanteclerc“, 1927, zit. nach Chabert 1981, S. 117, Anm. 157. 49 Zit. nach Chabert 1981, S. 177f.

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Damit komplettiert sich der Bestand der Werke Beckmanns

„Damit komplettiert sich der Bestand der Werke Beckmanns“ – Zur musealen Verortung des plastischen Werkes von Max Beckmann Lukas Engert Abstract: Unlike his painterly and graphic work, the eight sculptures by Max Beckmann are hardly known to the broad public. Executed in 1934 – 1936 and 1950, they did not enter museum collections until after the artist’s death. Their reception was initially limited to initiatives undertaken by a small circle of the artist’s friends, patrons and dealers, and only gradually shifted to the public museum realm over the course of the second half of the twentieth century. Private donations as well as presentations in exhibitions helped to anchor the sculptures in the museum context. Im Rahmen des im Jahr 2007 erfolgten Ankaufs der „Tänzerin“ Max Beckmanns vereinte das Städel Museum Frankfurt im darauffolgenden Jahr in einer Ausstellung das gesamte bildhauerische Schaffen des Künstlers.1 Neben der gezielten Fokussierung auf seine plastischen Arbeiten wurde eine Integration der Neuerwerbung in das Gesamtwerk angestrebt. Im Katalog zur Ausstellung schrieb Sabine Schulze: „Damit [gemeint ist die Erwerbung der „Tänzerin“] komplettiert sich der Bestand der Werke Beckmanns im Städel, die Graphische Sammlung besitzt zahlreiche graphische Arbeiten, die Gemälde sind in der Galerie exemplarisch vertreten.“2 Die plastischen Arbeiten erscheinen gleichbedeutend neben seinem restlichen Œuvre. Weithin aufgrund seines malerischen, aber auch graphischen Werkes bekannt, hatte Beckmann seit den 1930er Jahren auf ein für ihn bislang unbekanntes Medium, das Modellieren von plastischen Körpern, zurückgegriffen. Damit stellte sich Beckmann in eine Tradition von Malern, die sich zeitweise auch im bildhauerischen Medium ausdrückten und darüber eine Neubestimmung des eigenen künstlerischen Ausdrucks versuchten. Waren es Mitte des 19. Jahrhunderts nur wenige, wie Honoré Daumier oder Arnold Böcklin, begannen um die Jahrhundertwende zahlreiche Künstler, sich bildhauerisch zu betätigen.3 Auch Edgar Degas und Auguste Renoir erweiterten ihr künstlerisches Œuvre in die dritte Dimension – eine Praxis, die sich im 20. Jahrhundert fortsetzte. Denn nicht nur Henri Matisse und Pablo Picasso, sondern auch die Künstler der Brücke, allen voran Ernst Ludwig Kirchner, griffen in den 1920er Jahren wiederholt mit skulpturalen, aber auch plastischen Arbeiten in den Raum hinein. Zwischen 1934 und 1936 sowie im Jahr seines Todes 1950 modellierte Beckmann insgesamt acht Plastiken, deren museale Verortung das Bild einer wechselvollen, jedoch kontinuierlichen Rezeptionshaltung skizziert.

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„Zur Plastik langts aber noch“4 Kurz nach der politisch motivierten Entlassung aus seiner Lehrtätigkeit an der Frankfurter Städelschule zog Beckmann mit seiner Frau Mathilde, genannt „Quappi“ nach Berlin. Es war dieser Ortswechsel, auf den ein erster Versuch in der Arbeit mit dem dreidimensionalen Raum folgte: „Herr Ruppelt [der Hausmeister des Ehepaars] hatte von Zeit zu Zeit verschiedene Stellen als Handwerker übernommen, sein gelernter Beruf war Gipsgießer. Das war ein besonders glücklicher Umstand, da Max in Berlin angefangen hatte, Plastiken zu machen. Es gab neben seinem Atelier einen besonderen Raum, in dem er mit Ton und Gips arbeiten konnte, ohne die Oberfläche seiner Gemälde durch den bei dieser Art Arbeit entstehenden Staub zu gefährden. Seine ersten fünf Skulpturen, Mann im Dunkeln (1934), Kriechende Frau (1935), Spagat [Tänzerin] (um 1935), das Selbstbildnis (1936) und Adam und Eva (1936), wurden von Herrn Ruppelt in Gips gegossen.“5 In Zeiten biographischer Spannungen ergriff Beckmann ein neues Medium und schuf innerhalb von kurzer Zeit fünf Arbeiten, die thematisch Bezüge zu seinem Œuvre aufweisen, jedoch formal neue Ausdrucksmöglichkeiten suchten. Das Spiel mit dem physischen Akt der Modellierung und dem die Arbeiten umgebenden Raum ermöglichte ihm eine neue Freiheit im künstlerischen Ausdruck. Nach Entfernung seiner Arbeiten aus deutschen Museumssammlungen und kurz vor der öffentlichen Diffamierung seiner Kunst als ‚entartet‘, spiegelt sein bildhauerisches Werk die Unsicherheiten und die Hilfslosigkeit jener Jahre.6 1937, einen Tag nach Eröffnung der Ausstellung „Entartete Kunst“ in München, emigrierte Beckmann mit seiner Frau nach Amsterdam. Die bis dahin entstandenen Gipsmodelle ließ sich das Ehepaar dorthin nachsenden.7 Ein Jahrzehnt später, 1947, wanderte er in die USA aus. Mit sich führte er abermals die fünf plastischen Arbeiten. Am 28. August 1950 vermerkte Beckmann in seinem Tagebuch: „Morgens Plastikzeug eingekauft“; und am darauffolgenden Tag: „Plastik ‚Schlangenfrau‘ gearbeitet, den ganzen heißen Tag“.8 Nach Lehraufträgen in St. Louis und an der Brooklyn Museum Art School in New York hatte er, bereits gezeichnet von seiner Krankheit, kurz vor seinem Tod drei weitere Plastiken modelliert: „Schlangenbeschwörerin“, „Die Brücke“ und „Kopf eines Mannes“.

„The eight sculptures of Max Beckmann remain unknown to the general public“9 Obgleich zu Lebzeiten von den ersten beiden Modellen Abgüsse in Bronze entstanden – 1949 wurden die Arbeiten „Mann im Dunkeln“ und „Tänzerin“ in New York und Hannover ausgestellt – wurden erst nach Beckmanns Tod in den 1950er Jahren sowie erneut 1968 autorisierte Auflagen aller Plastiken gegossen. Maßgeblich beteiligt waren

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neben der Witwe Beckmanns auch persönliche Freunde und Förderer des Künstlers, darunter die Galeristen Curt Valentin und Catherine Viviano. Waren zunächst die politisch motivierte Diffamierung sowie die allgemeinen zeitgeschichtlichen Umstände Gründe für das Fehlen einer öffentlichen Präsentation des plastischen Werkes Beckmanns, änderte sich dies mit Ende des Zweiten Weltkriegs. In den späten 1940er Jahren integrierte der deutsche Kunsthändler Valentin einzelne Plastiken in seine Galerieausstellungen.10 Valentin, wie Beckmann im nationalsozialistischen Deutschland verfemt, war bereits 1937 in die USA emigriert. In New York führte er für Karl Buchholz die Buchholz Gallery Curt Valentin, in der er durch Ausstellungen wiederholt die Bedeutung der modernen Skulptur und Plastik herausstellte. Er war es auch, der Beckmann eine Lehrtätigkeit an der Washington University Art School in St. Louis vermittelt und dem Künstler damit die Emigration in die Vereinigten Staaten ermöglicht hatte.11 Ein Jahr nach dem Tod Beckmanns zeigte Valentin vier seiner Plastiken in der Ausstellung „Sculpture by Painters“.12 Bereits zuvor hatte der Kunsthändler wiederholt Einzelausstellungen mit Arbeiten Beckmanns in New York organisiert und damit die Bekanntheit des (malerischen) Werkes in den USA befördert.13 Neben Valentin war es die amerikanische Galeristin Viviano, die eine zentrale Rolle in der Vermarktung der Plastiken Beckmanns einnahm. Gemeinsam initiierten sie in den 1950er Jahren den Guss aller plastischen Arbeiten in Bronze. 1959 wurden diese in der Galerie Vivianos erstmals geschlossen der Öffentlichkeit vorgestellt.14 Es war ihrem Engagement geschuldet, dass einzelne Werke in die Sammlungen von Privatpersonen integriert wurden, die Jahre später durch Leihgaben, Verkäufe oder Schenkungen in musealen Besitz übergingen.15 Später übernahmen andere Galeristen diese Aufgabe, 1981 waren beispielsweise sechs Arbeiten in der Grace Borgenicht Gallery in New York unter dem Titel „Max Beckmann. Paintings & Sculpture“ ausgestellt. 2002 vereinte Richard L. Feigen erneut alle acht Plastiken Beckmanns in seiner New Yorker Galerie.16 Doch noch Feigen konstatierte in einem hierzu erschienenen knappen Katalog: „The eight sculptures of Max Beckmann remain unknown to the general public. […] Beckmann’s fame, as far as it extended outside of Germany, was as a painter.“17 Nur langsam fand das plastische Werk Beckmanns abseits des Kunstmarkts Eingang in den kunsthistorischen Diskurs. Auch hier dominierte eine von seiner Malerei aus gedachte Rezeption seiner Kunst. Knapp ein Vierteljahrhundert vor der Frankfurter Ausstellung fanden, anlässlich des hundertsten Geburtstags, in Deutschland zwei groß angelegte Werkschauen Beckmanns statt: die eine, als Retrospektive überschrieben, im Haus der Kunst in München, die andere in der Josef-Haubrich-Kunsthalle in Köln. Beide würdigten in den sie begleitenden Katalogen das plastische Werk mit einem Textbeitrag.18 Während in Köln die Plastiken ausgestellt wurden – mehr als die Hälfte der Arbeiten waren Leihgaben der Catherine Viviano Gallery – verzichtete die Münchner Schau auf deren visuelle Präsentation. Auch die Bewertung der Arbeiten unterschied sich voneinander. Cornelia Stabenow, Verfasserin des Münchener Katalogbeitrags, urteilte:

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„So scheint die Folge der acht kleinen Bronzen […], wie in der Arbeit vieler Maler dieses Jahrhunderts auch bei ihm nur eine Rolle am Rande gespielt zu haben, scheint nur ein Medium zu repräsentieren, mit dem er sich zusätzlich und kurzfristig auseinandergesetzt hat.“19 Anders dagegen Andreas Franzke, der Verfasser des Kölner Textes, der die Bronzen als „vollgültige Arbeiten mit einer sublimen Aussagekraft“20 bezeichnet. Während die eine das plastische Werk Beckmanns marginalisiert und ihn dezidiert als Maler versteht, stellt der andere, obgleich stets aus dem malerischen Werk ableitend, die Bronzen auf eine Stufe mit den Gemälden. Bereits 1968 waren in einer Ausstellung in Paris, die anschließend in München und in Brüssel gezeigt wurde, sieben der acht Plastiken vertreten.21 Auch 1982 wurden in Leverkusen und Höchst neben Graphiken und Aquarellen vier der plastischen Arbeiten gezeigt.22 Doch keine der Ausstellungen unternahm eine Integration des plastischen Werkes, das zumeist als Begleiterscheinung angesehen wurde. Auch in München war man 1984 noch darin verhaftet, eine umfassendere Einbindung der Plastiken in das Gesamtwerk Beckmanns vermochte schließlich erst die Kölner Ausstellung desselben Jahres. Hatte sich bislang das Ausstellen der Bronzen auf Überblicksschauen oder aber auf die angesprochenen Präsentationen einzelner Galeristen beschränkt, änderte sich dies mit der Frankfurter Ausstellung 2008. Erstmals wurde in einem musealen Kontext der Fokus ausschließlich auf das plastische Werk gelegt. Doch nicht nur in Frankfurt, sondern auch in anderen deutschen und amerikanischen Institutionen finden sich einzelne Versionen der acht Bronzen.

Eine „wesentliche Ergänzung“23 Hatte Beckmann seit den 1920er Jahren wichtige Gemälde an deutsche Kunstinstitutionen verkaufen können – beispielsweise erwarb 1919 das Städelsche Kunstinstitut ein erstes Gemälde Beckmanns – gelangten einzelne plastische Arbeiten erst nach seinem Tod nach und nach in öffentliche Sammlungen. 1951 erhielt das Museum of Modern Art von Valentin einen Bronzeguss des „Selbstbildnisses“ als Geschenk.24 Sieben Jahre später verzeichnen auch deutsche Institutionen erstmalig Bronzen Beckmanns in ihrem Besitz. Die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen in München kauften von der Witwe Beckmanns einen Guss des „Mannes im Dunkeln“, die Stiftung zur Förderung der Hamburgischen Kunstsammlungen erwarb für die Hamburger Kunsthalle eine Version des „Selbstbildnisses“. Im Zuge eines konzentrierten Vorhabens die – der nationalsozialistischen Politik geschuldeten – Lücken in der eigenen Sammlung zu schließen, gelangte 1960 neben Gemälden und graphischen Arbeiten Beckmanns auch die Bronze „Mann im Dunkeln“ in den Besitz der Kunsthalle Bremen. Diese gezielten Ankäufe zeugen von der auch postum anhaltenden Bedeutung des künstlerischen Gesamtwerks Beckmanns. Mit dem Hamburger Ankauf versuchte die Stiftung, „eine erweiterte und vertiefte Vorstellung von der künstlerischen Kraft und

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von der machtvollen Persönlichkeit des Künstlers zu geben“25, als eine „wesentliche Ergänzung zu der Reihe der fünf Gemälde Beckmanns“26. Zwei der drei frühen Erwerbungen entstammen dem persönlichen Umfeld Beckmanns, einem eng gefasster Personenkreis, der auch nach dem Tod Beckmanns ein wichtiger Förderer seiner Kunst bleiben sollte. Als dauerhafte Leihgabe Bernhard und Margit Sprengels gelangte 1969 ein Abguss des „Mannes im Dunkeln“ zunächst an die Städtische Galerie; später in die Sammlung des neu gegründeten Sprengel Museums. Im darauffolgenden Jahr stiftete Günther Franke, ein wichtiger Vermittler der Kunst Beckmanns auf dem deutschen Markt, den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen eine Bronze, die „Tänzerin“. Abermals war es ein befreundeter Galerist, der die museale Verortung der Bronzen vorantrieb. Das gezielte Vorgehen einzelner Galeristen, vor allem aber Schenkungen privater Sammler, förderte auch die Einbindung der Plastiken Beckmanns in einen amerikanischen musealen Kontext. 1976 gelangte – auf Initiative Irving und Charlotte Rabbs – eine der um 1959 gegossenen Bronzen „Adam und Eva“ in die Bestände des BuschReisinger Museum der Harvard Art Museums in Boston, eine Bronzearbeit, die in einem weiteren Guss auch 1999 im Rahmen einer Schenkung Robert Gore Rifkinds in die Sammlung des Los Angeles County Museum of Art integriert wurde. Bereits 1983 hatte das Saint Louis Art Museum aus dem Nachlass des Sammlers Morton D. May zahlreiche Arbeiten Beckmanns erhalten, darunter auch den Guss „Selbstbildnis“; May war bereits zu Lebzeiten Beckmanns ein wichtiger Förderer seiner Kunst auf amerikanischem Boden gewesen. Eine Ausnahme bildet der 1978 erfolgte Ankauf der Smithsonian Institution von „Adam und Eva“, die in die Sammlung des Hirshhorn Museum einging. Keine private Initiative, vielmehr ein gezieltes Vorgehen der Institution ermöglichten fortan einen erweiterten Blick auf das künstlerische Schaffen Beckmanns. Im selben Jahr wie die Schenkung Mays, 1983, wurde auch dem Städel Museum eine Version von „Adam und Eva“ als Dauerleihgabe aus dem Besitz der Deutschen Bank zuteil. Das Gipsmodell jener Plastik gelangte 1992 als Leihgabe an die Hamburger Kunsthalle und konnte Anfang dieses Jahres durch deren Ankauf dauerhaft in die Sammlung integriert werden. 1993 konnte der Verein der Freunde der Nationalgalerie in Berlin aus dem Nachlass der Witwe Beckmanns die Gipsarbeit „Selbstbildnis“ erwerben, die 1936 in Berlin entstanden und nach der in den 1950er Jahren sechs Bronzegüsse gefertigt worden waren. Ebenfalls aus dem Nachlass Mathilde Beckmanns gelangte 1998 der bislang größte Werkkomplex plastischer Arbeiten Beckmanns in ein Museum: Insgesamt vier Bronzearbeiten, „Mann im Dunkeln“, „Kriechende Frau“, „Tänzerin“ und das „Selbstbildnis“, wurden in die ständige Sammlung des Museums der bildenden Künste Leipzig aufgenommen. Initiiert wurde die Leihgabe von der Enkelin Beckmanns – Mayen Beckmann –, die damit nahezu fünfzig Jahre nach dem Tod des Künstlers innerhalb eines deutschen Kunstmuseums dem plastischen Werk Beckmanns ein neues Gewicht verlieh. Vier Jahre zuvor hatte bereits die Staatsgalerie Stuttgart die Terrakotta „Adam und Eva“ angekauft. Die bislang letzte Erwerbung ist die des Städel Museums im Jahr 2007. Die Frankfurter Institution erhielt

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gerade den Guss der „Tänzerin“, den Mathilde Beckmann viele Jahre auf ihrem New Yorker Schreibtisch stehen hatte.

„Damit komplettiert sich der Bestand der Werke Beckmanns“27 Als Maler bereits seit den 1920er Jahren in Deutschland in zahlreiche öffentliche Sammlungen aufgenommen, verlagerte sich die Rezeption der plastischen Arbeiten aus dem persönlichen Umfeld des Künstlers in den 1970er Jahren, vermehrt jedoch ab den 1990er Jahren in einen musealen deutschen und amerikanischen Kontext. Waren zuvor neben seiner zweiten Ehefrau insbesondere Valentin und Viviano Initiatoren einer fortlaufenden Präsentation der Werke innerhalb des (amerikanischen) Kunstmarkts gewesen, änderte sich dies in den 1980er Jahren durch groß angelegte Beckmann-Ausstellungen. Wiederholt wurden die plastischen Arbeiten kunsthistorisch eingeordnet und präsentiert. Freunde und Förderer Beckmanns, wie Valentin, Franke oder May, ermöglichten mittels Schenkungen zudem eine allmähliche Einbindung der Werke innerhalb großer Museen. Doch erst seit den 1990er Jahren findet eine umfassende Kontextualisierung der Arbeiten statt. Interessant ist, dass sich die dauerhafte museale Präsenz der Plastiken, anders als in zeitlich beschränkten Ausstellungen, auf die Arbeiten der 1930er Jahre begrenzt. Keines der drei späten Werke Beckmanns scheint zum jetzigen Zeitpunkt in eine Museumssammlung integriert. Obgleich Beckmanns plastische Arbeiten zu großen Teilen auf sein restliches Œuvre zurückgeführt werden, bilden seine Bronzeplastiken in Zeiten biographischer Spannungen eine Konstante, die gleichwertig neben seinem malerischen Werk existierte. Einzelne Elemente, wie die Motiv- und Themenwahl, lassen sich aus seinen malerischen und graphischen Arbeiten ableiten, werden jedoch in großen Teilen unter anderen, neuen Voraussetzungen behandelt und erarbeitet. Es sind Arbeiten, die der genauen, direkten Anschauung bedürfen. Nicht nur der Akt des Modellierens, sondern auch die Beschäftigung mit dem die Plastiken umgebenden Raum, diesen mit einschließend, oftmals jedoch umkehrend, sind Kennzeichen seines Schaffens. Damit sind die Plastiken weniger ein vorübergehendes und zusätzliches Medium als vielmehr eine eigenständige Werkgruppe innerhalb seines Œuvres. Durch eine Integration in die Sammlung vervollständigt sich das Bild Beckmanns und zeigt zugleich ein gewandeltes Rezeptionsverhalten seiner Kunst. Wie schon 2008 im Katalog des Städel Museums vermerkt wurde – erst durch seine plastischen Arbeiten „komplettiert sich der Bestand der Werke Beckmanns“28. 1

Ausst.Kat. Frankfurt am Main 2008.

2

Vgl. Schulze 2008, S. 13.

3

Das Folgende nach: Stiftung zur Förderung der Hamburgischen Kunstsammlungen 1958, S. 24.

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Damit komplettiert sich der Bestand der Werke Beckmanns

4

Max Beckmann in einem Brief an Reinhard Piper im März 1923. Siehe hierzu: Gallwitz / Schneede /  von Wiese 1993, S. 231.

5

Vgl. Beckmann 1985, S. 21.

6

Siehe hierzu etwa: „Mann im Dunkeln“, in: Bayerische Staatsgemäldesammlungen 2008, S. 212 – 219.

7

Schulze 2008, S. 9.

8

Vgl. Beckmann 1984, S. 400.

9

Ausst.Kat. New York 2002, o. S.

10 Ausst.Kat. New York 1949 – 1950. 11 Vgl. Schütt 2011, S. 15. 12 Neben Beckmann waren u. a. auch Edgar Degas, Auguste Renoir, Henri Matisse sowie Ernst Ludwig Kirchner vertreten. Vgl. Ausst.Kat. New York 1951. 13 Vgl. Schütt / Zeiller 2011, S. 26. 14 Ausst.Kat. New York 1959. 15 Beispielsweise gelangte der „Mann im Dunkeln“ über die Catherine Viviano Gallery sowie die Galerie Springer Berlin in die Hände des Ehepaars Sprengel und ging anschließend in den Besitz des Sprengel Museums in Hannover über. 16 Vgl. Ausst.Kat. New York 1981; Ausst.Kat. New York 2002. 17 Ausst.Kat. New York 2002, o. S. 18 Vgl. Stabenow 1984; Franzke 1984. 19 Stabenow 1984, S. 139. 20 Franzke 1984, S. 108. 21 Ausst.Kat. Paris, München, Brüssel 1968. 22 Ausst.Kat. Leverkusen, Frankfurt am Main 1982. 23 Hentzen 1960, S. 111. 24 Bereits 1938 und damit ein Jahrzehnt vor Beckmanns Übersiedelung in die USA stellte Curt Valentin erstmals dessen Arbeiten in seiner Galerie in New York aus. 25 Stiftung zur Förderung der Hamburgischen Kunstsammlungen 1958, S. 24. 26 Hentzen 1960, S. 111. 27 Schulze 2008, S. 13. 28 Schulze 2008, S. 13.

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Louisa Schmitt

Die Briefe von Wilhelm Uhde und Georg Swarzenski aus dem Jahr 1932 im Archiv des Städel Museums – Transkription Abstract: In June 1932, the art dealer Wilhelm Uhde contacted the director of the Städelsches Kunstinstitut and Städtische Galerie, Georg Swarzenski, to suggest the donation of a painting by Helmut Kolle to the museum. Hitherto unpublished, their correspondence provides interesting insights into the placement of artworks in the context of museological discourse.

Chantilly, 6 Place Omer-Vallon 11. Juni 1932. Lieber sehr verehrter Herr Dr. Swarzenski, ich hätte Ihnen Ihren sehr freundlichen Brief sogleich beantwortet, wenn ich nicht durch die Vorbereitung zweier Ausstellungen ungewöhnlich in Anspruch genommen wäre: 17. Juni – 12. Juli Retrospektive Kolle bei Bonjean 28. Juni – 13. Juli „Les Primitifs modernes“ bei G. Bernheim. Ausserdem wollte ich abwarten, ob Sie nicht doch vielleicht persönlich kämen. Nachdem diese Hoffnung leider nicht in Erfüllung ging, schreibe ich Ihnen bezgl. des Kolle-Bildes, das als Stiftung für das Städel in Frage käme. Ich möchte gern eines der qualitätvollsten und bezeichnendsten Bilder der besten Epoche dort sehen. Das erwähnte Selbstportrait (s. einl. Foto) ist sehr schön, Kolle selbst liebte es und auch ich schätze es sehr. Aber – es ist durchaus nicht charakteristisch, fällt aus der Entwicklung als eine einmalige Sache durchaus heraus. Ich habe nicht die Absicht, dieses Bild je zu verkaufen und möchte es gern für spätere Zeiten einmal zu Ihrer Verfügung halten, wenn Sie es

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gelegentlich nach persönlicher Anschauung, als eine 2. Gabe haben möchten. Ich würde Ihnen heute vielmehr das Kind mit dem Hampelmann vorschlagen, das, als Malerei und Materie von schönster Qualität, eine der reifsten und glücklichsten Schöpfungen Helmut Kolles ist. Es gehört zu den Bildern, deren Verkauf ich stets abgelehnt habe. Ich glaube, dass dieses der beste Vorschlag ist, den ich machen kann. Doch bin ich bereit, wenn er Ihnen nicht gefällt, andere zu machen. Nicht viele freilich, denn da ca 50 Bilder in pariser Privat-Sammlungen, ca 25 in deutschen, mehr als 20 im englischen Handel und 10 bei […] in New York sind, ca 30 in der Welt verstreut, so bleibt mir eine beschränkte Anzahl, über die ich verfügen kann. Das Selbstportrait sowohl wie der Junge mit Hampelmann figuzieren [sic] bis zum 12. Juli auf der retrospektiven Kolle-Ausstellung. Sofort nach Schluss könnte das Bild an Sie abgehen. Darf ich annehmen, dass Ihr Museum Packung und Transport bezahlt? Kolle hatte die Genugtuung, während seines Lebens, dass die besten Kenner seinem Schaffen Liebe und Achtung entgegenbrachten. Dem „Publikum“ blieb seine Kunst fremd. Die teil-weise Ablehnung in Deutschland störte ihn deswegen nicht, weil sie von einem Kunsthändler und einigen Malern inszeniert war, die sein Werk, das in Deutschland nie ausgestellt war, gar nicht kannten. Ich bereite ein Buch über ihn vor, das, nachdem der Tod die Konflikte auslöschte, seinem Werk Platz in der deutschen Malerei hat, [Rest unleserlich]. Gleichzeitig mit diesem Briefe erlaube ich mir, als eingeschriebene Drucksache einige Aufsätze, die ich gerade zu Hause habe, Ihnen zu senden. Ich erwarte Ihre freundliche Antwort bezüglich des Bildes und bin mit verbindlichsten Grüssen Ihr Ihnen sehr ergebener Wilhelm Uhde

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Louisa Schmitt

Chantilly (Oise) 6 Place Omer-Vallon 14. September 1932. Lieber und sehr verehrter Herr Dr. Swarzenski, nun habe ich doch nicht die Freude gehabt, Sie im Laufe des Sommers hier begrüssen zu dürfen. Ich hätte Ihnen gern persönlich die Kolle-Ausstellung gezeigt, für die ich wesentliche Bilder aus grossen pariser Sammlungen zusammenbrachte. Der Eindruck war sehr stark und völlig überzeugend und auch die, welche bisher Einwendungen machten, waren durch die Grösse des Werks überzeugt. So hatte das Journal des Débats Kolle gelegentlich jeder seiner Ausstellungen heftig angegriffen, jetzt schrieb es: „– si l’on y regarde de près, on s’aperçoit que l’art de Helmut Kolle est humain, tragique, nuancé. Certains accords de ton dégagent celle électricité picturale, ce ‚charme inattendu‘ dont Manet fut prodigue.“ So ist es uns nicht möglich gewesen, die Frage des Bildes für Frankfurt zusammen in der Ausstellung zu lösen. Da ich nun gern wissen möchte, über welche unter den wichtigsten Bildern ich verfügen kann (die Vereinigung der grossen pariser Sammler, der, wie Sie wissen Fontaine, Noailles, […] u.s.w. […], […] wollen für den Staat ein Werk kaufen), würde ich dankbar sein, wenn wir jetzt brieflich zu einer Lösung kämen und da erscheint es mir als das einfachste, wenn ich mich Ihnen, durch Beckmanns angeregten Vorschlage anschliesse und Ihnen das grosse Selbstportrait gebe. Mein Bedenken, dass es aus dem Werk etwas herausfällt, bleibt bestehen, aber eine andere Lösung würde voraussichtlich eine lange Korrespondenz an der Hand von Fotos erfordern. Bitte schreiben Sie mir also baldmöglichst, dass Sie einverstanden sind. Meine einzige Bedingung kennen Sie ja: dass das Bild sogleich und gut gehängt wird. Aber hierüber bin ich völlig ruhig und Niemandem gebe ich dieses Bild mit grösserer Neigung und grösserem Vertrauen als Ihnen. Da ich jetzt verschiedene Transporte nach Paris zu machen habe, möchte ich gern, dass das Bild mit einem dieser mitgeht.

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Die Briefe von Uhde und Swarzenski

Ab Paris würde es per Eilfracht unter Nachnahme der Packund Transportspesen gehen. Ist es Ihnen recht, wenn ich die deutsche Gesellschaft Knauer mit Packung und Transport beauftrage? Und darf ich Sie bitten, mir die genaue Adresse angeben zu wollen. Mit meinen angelegentlichen Empfehlungen Ihr Ihnen aufrichtig ergebener Wilhelm Uhde

U.

19. September 32

Herrn Wilhelm Uhde, 6, Place Omer-Vallon Chantilly (Oise) Sehr verehrter lieber Herr Uhde! Ich danke Ihnen für Ihren freundlichen Brief. Auch ich habe es sehr bedauert, dass ich Sie in Paris nicht gesehen habe, umso mehr interessiert mich alles, was Sie mitteilen. Wir wollen also bei dem zuerst in Aussicht genommenen Bilde bleiben, und ich freue mich, es bald erwarten zu können. Gegen die Firma Knauer habe ich nichts einzuwenden. Ich nehme an, dass Sie sie deshalb vorschlagen, weil sie als deutsche Firma in Paris eine Vertretung hat. Ihre Frage in dem anschliessenden Satz nach der genauen Adresse bezieht sich wohl nicht auf die der Firma Knauer (die ich nicht kenne), sondern auf unsere eigene! Sie lautet einfach: Städelsches Kunstinstitut, Frankfurt a. Main-Süd, Dürerstr. 2. Mit nochmalig bestem Dank und in der Annahme, Ihnen bald Weiteres über den Empfang und die Ausstellung des Bildes berichten zu können, bin ich vielmals grüssend Ihr sehr ergebener [Unterschrift] Georg Swarzenski

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Louisa Schmitt

Chantilly, 6 Place Omer-Vallon 29. September 1923 [muss sein: 1932]. Sehr verehrter und lieber Herr Dr. Swarzenski, das Selbstportrait von Helmut Kolle ist nun unterwegs ans Städelsche Kunstinstitut. Ich habe als Wert für den Zoll 1000 Francs angegeben, damit die Kosten nicht erhöht werden. Bei dieser Summe dürfte der Zoll minimal sein. Ich würde mich freuen von Ihnen zu hören, ob das Bild gut ankam. Mit meinen verbindlichsten Grüssen Ihr Ihnen aufrichtig ergebener Wilhelm Uhde

U.

10.X. 32

Herrn Wilhelm Uhde, 6 Place Omer-Vallon, CHANTILLY. Sehr verehrter lieber Herr Uhde! Ich möchte nicht verfehlen, Ihnen sogleich den guten Empfang des Bildes von Kolle zu bestätigen und Ihnen für Ihre Bemühungen verbindlichst zu danken. Die Einordnung des Bildes wird sicher nicht ganz leicht sein, wir hoffen aber, bald an die Ausstellung des Bildes gehen zu können. Mit den besten Grüssen bin ich Ihr sehr ergebener [Unterschrift] Georg Swarzenski

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Die Briefe von Uhde und Swarzenski

Chantilly 6 Place Omer-Vallon 19. November 32. Lieber und sehr verehrter Herr Dr. Swarzenski, wenn ich richtig zwischen den Zeilen Ihres letzten Briefes gelesen habe, waren Sie nicht allzu beglückt über das Bild von Kolle. Obgleich ich es selbst sehr schön finde, habe ich Ihnen damals nicht verhehlt, dass ich die Wahl Beckmanns nicht glücklich fand, da das Bild nicht besonders charakteristisch für Kolles Malerei ist. Seine Freunde und Anhänger sind mit der Wahl wenig zufrieden und drängen zu einem Tausch, da sie glauben, dass dieses Bild dem Verständnis eines grösseren Kreises besonders unzugänglich ist und nicht geeignet, für Kolles Werk zu werben. Ich möchte Sie daher bitten, mir in aller Offenheit zu schreiben, ob das Bild Ihnen gefällt und ob Sie es hängen. Falls dieses nicht der Fall ist, möchte ich Ihnen als Tausch das Bild anbieten, dessen Foto Sie inliegend finden. Es ist eines der letzten und eines der schönsten im Werke Kolles und gleichzeitig eines, das z. B. auf der retrospektiven Ausstellung am meisten beachtet und bewundert wurde. Die Foto[grafie] ist nicht gut gelungen. Das Bild ist viel heller, der Sweater leuchtend rot. Immerhin dürfte sie eine genügende Vorstellung geben. Ich würde Ihnen das Bild auf meine Kosten senden, sodass Sie nur Rollgeld und den unbeträchtlichen Zoll zu tragen hätten. Das Selbstportrait würde ich dann bitten, solange im Städel zu bewahren, bis ich eines Tages darüber verfüge. Darf ich um Ihre gütige baldige Antwort bitten? In aufrichtiger Verehrung stets

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Louisa Schmitt

Ihr [Unterschrift] Wilhelm Uhde PS. Die Ihnen wohl bekannte Vereinigung der grossen pariser Sammlungen („Amis des Artistes vivants“), die für die staatlichen Museen Bilder kaufen, haben mich soeben um Vorschläge für einen Ankauf Kolles gebeten. U. V [...] 24.XI.32 [Unterschrift] Georg Swarzenski

Chantilly Oise 6 Place Omer-Vallon 10. Dezember 1932 Lieber sehr verehrter Herr Dr. Swarzenski, das Bild von Kolle ist beim Spediteur und geht diese Tage per Eilfracht auf meine Kosten an das Städel ab. Wegen des Zolls habe ich als Wert Frs 600 deklariert. Ich freue mich, dass wir einig sind und ich hoffe, dass Ihnen dieses Bild ebenso gefallen wird, wie es den hiesigen Kennern gefiel und dass ich bald von guter Ankunft höre und dass es seinen Platz im Städel gefunden hat. Mit meinen ausgezeichnetsten Grüssen Ihr Ihnen ergebener W. Uhde

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Die Briefe von Uhde und Swarzenski

U.

19.12. 32

Herrn Wilhelm Uhde, 6 Place Omer Vallon, CHANTILLY. Sehr verehrter lieber Herr Uhde! Das Bild ist glücklich angekommen und ich freue mich sehr damit. Es ist gar keine Frage, dass das Bild sich nicht nur viel leichter der Galerie einfügen wird, sondern auch viel grösseren Erfolg finden wird. Ich danke Ihnen deshalb so herzlich für Ihre Anregung und für alle Mühe, die Sie damit hatten. Wir werden das Bild bald zur Ausstellung bringen, und zwar in einer Weise, die Sie sicher befriedigen wird. Mit den besten Grüssen, verbunden mit allen guten Wünschen für Weihnachten und das neue Jahr, verbleibe ich Ihr aufrichtig ergebener [Unterschrift] Georg Swarzenski

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Ich war nie zufällig befreundet

„Ich war nie zufällig befreundet“1 – Wilhelm Uhdes Vermarktungsstrategien und seine Korrespondenz mit Georg Swarzenski Miriam Wilhelm Abstract: Along with his writings, Uhde’s donations of four paintings by Helmut Kolle to the Städel Museum in the years 1932 and 1947 are indicative of his multifarious efforts to integrate Kolle into the museum context as a marketing strategy on behalf of the young painter. Uhde exploited all of the contacts he had at his disposal to make Kolle’s work visible to the public. Apart from several exhibitions on Kolle in Berlin and Paris, all initiated by Uhde, he focused on presenting his young protégé as successor in a line of great and already well established painters such as Lovis Corinth and Pablo Picasso. Zu Leben und Werk des Künstlers Helmut Kolle sind von ihm selbst einzelne Textquellen bekannt: einige wenige Briefe, zumeist zitiert in Uhdes Monographie „Der Maler Helmut Kolle. Das Bildnis eines Frühvollendeten“ aus dem Jahr 1935 sowie eine Handvoll literarischer Texte.2 Aufgrund der Tatsache, dass sehr viele Informationen über Kolle aus Uhdes Feder stammen, war die Rezeption des Malers lange Zeit durch Uhdes Sicht und dessen Stereotype geprägt. Vor diesem Hintergrund und mithilfe bislang nicht publizierter Korrespondenzen anlässlich der Schenkung eines Gemäldes von Kolle an das Frankfurter Städel Museum wird deutlich, wie Uhdes Vermarktungsstrategien der Etablierung Kolles in der Kunstwelt zu Beginn des 20. Jahrhunderts dienten. Uhde hat mit seinem „Bildnis eines Frühvollendeten“ eine moderne Künstlerlegende konstruiert, die ihr wohl prominentestes Vorbild in Giorgio Vasaris im Jahre 1550 erstmals edierten „Viten“ findet.3 Darüber hinaus versuchte er, Kolles Arbeiten in namhaften Museen unterzubringen.

Uhdes erste Schenkung an das Städel Museum Im Archiv des Städel Museums hat sich eine Korrespondenz zwischen dem damaligen Museumsdirektor Georg Szwarzenski und Uhde erhalten. Die Briefe aus dem Jahr 1932 dokumentieren die Übergabe des Gemäldes „Junger Mann mit Baskenmütze und rotem Pullover“, das Kolle ein Jahr zuvor fertiggestellt hatte und das 1937 von den Nationalsozialisten beschlagnahmt wurde. Diesem bis heute verschollenen Werk Kolles war bereits die Schenkung eines Selbstbildnisses vorangegangen, welches das Städel Museum auf Vermittlung Max Beckmanns angenommen hatte. Die Einordnung des

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Miriam Wilhelm

Porträts „Selbstbildnis mit Palette“ sei jedoch, so Szwarzenski in einem Brief an Uhde, „sicher nicht ganz leicht“, entsprechend sei das Bild schwer auszustellen.4 Auf die genauere Ausführung der problematischen Einordnung des Selbstbildnisses verzichtet der Museumsdirektor allerdings. Das Antwortschreiben vom 19. November 1932 macht deutlich, dass Uhde – im Zuge seiner Bemühung um die Etablierung Kolles im musealen Kontext – einen solchen Umgang mit dessen Werken nicht tolerieren möchte: „Wenn ich richtig zwischen den Zeilen Ihres letzten Briefes gelesen habe, waren Sie nicht allzu beglückt über das Bild von Kolle. Obgleich ich es selbst sehr schön finde, habe ich Ihnen damals nicht verhehlt, dass ich die Wahl Beckmanns nicht glücklich fand, da das Bild nicht besonders charakteristisch für Kolles Malerei ist.“5 Um zu verhindern, dass das Gemälde im Depot verschwindet, unterbreitet Uhde Szwarzenski wenige Zeilen später einen neuen Vorschlag: „Seine [Kolles] Freunde und Anhänger sind mit der Wahl wenig zufrieden und drängen zu einem Tausch, da dieses Bild dem Verständnis eines größeren Kreises besonders unzugänglich ist und nicht geeignet, für Kolles Werk zu werben. Ich möchte Sie daher bitten, mir in aller Offenheit zu schreiben, ob das Bild Ihnen gefällt und ob Sie es hängen. Falls dieses nicht der Fall ist, möchte ich Ihnen als Tausch das Bild anbieten, dessen Foto Sie inliegend finden.“6 Bei dem zum Tausch angebotenen Werk handelt es sich um „Junger Mann mit Baskenmütze und rotem Pullover“. Uhde ist offenbar bewusst, dass die erfolgreiche Vermarktung Kolles auch von dessen Akzeptanz durch ein größeres Museumspublikum abhängt. Die Präsentation des Bildes innerhalb der Sammlung des Städel ist daher für ihn von größtem Interesse. Es folgt eine Auflistung der Vorzüge des „Jungen Mannes mit Baskenmütze und rotem Pullover“ im Vergleich zu dem zuvor geschenkten Selbstbildnis: „Es ist eines der letzten und eines der schönsten im Werke Kolles und gleichzeitig eines, das z. B. auf der retrospektiven Ausstellung am meisten beachtet und bewundert wurde. [...] Ich würde Ihnen das Bild auf meine Kosten senden, […] Das Selbstportrait würde ich dann bitten, solange im Städel zu verwahren, bis ich eines Tages darüber verfüge.“7 Augenscheinlich schreckt Uhde nicht einmal vor der Übernahme der beträchtlichen Transport- und Zollkosten zurück, um die Übergabe des „Jungen Mannes mit Baskenmütze und rotem Pullover“ an das Städel Museum sicherzustellen. Erwähnt sei an dieser Stelle ebenfalls das kurze Postscriptum, das Uhde seinem Schreiben beifügt. Dort heißt es, dass eine bekannte Vereinigung von Kunstsammlern, „die für die Staatlichen Museen Bilder kaufen“, ihn „soeben um Vorschläge für einen Ankauf Kolles gebeten“ hätten.8 Zweifelsohne kann dieser Verweis auf konkurrierende Interessenten als implizites Druckmittel verstanden werden, das Szwarzenski die Entscheidung für den Gemäldetausch erleichtern soll. Ein Schreiben vom 10. Dezember 1932 belegt schließlich Szwarzenskis Zustimmung und dokumentiert gleichzeitig die Übergabe des Werkes an eine Transportgesellschaft, die es als Eilfracht nach Frankfurt verschickte. Neun Tage später schreibt der Direktor an Uhde:

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Ich war nie zufällig befreundet

„Das Bild ist glücklich angekommen und ich freue mich sehr damit. Es ist gar keine Frage, dass das Bild sich nicht nur viel leichter der Galerie einfügen wird, sondern auch viel grösseren Erfolg finden wird. Ich danke Ihnen deshalb herzlich für Ihre Anregung und für alle Mühe, die Sie damit hatten. Wir werden das Bild bald zur Ausstellung bringen, und zwar in einer Weise, die Sie sicher befriedigen wird.“9

Uhdes kuratorische Arbeit in Paris und Berlin Bereits in den Pariser Jahren zwischen 1924 und 1929 hatte Uhde aufgrund seiner guten Beziehungen mit der gezielten Vermarktung Kolles begonnen. Dies zeigt sich neben jährlichen Einzelausstellungen in bekannten Pariser Galerien insbesondere auch in der Anzahl wichtiger Besprechungen und Interviews.10 Vor allem die erste Ausstellung Kolles von 1925 ist aufschlussreich, da diese nur ein Jahr nach dem Umzug von Uhde und Kolle nach Frankreich stattfand und beispielhaft illustriert, wie durch gezielte Vermarktung die Lancierung des bis dahin unbekannten Künstlers forciert wurde. Trotz der beträchtlichen weltkriegsbedingten Umwälzungen sowie der ihnen als Deutschen entgegengebrachten Ressentiments gelang es Uhde, eine Ausstellung über einen jungen deutschen Maler zu initiieren. Von den acht ausgestellten Gemälden wurde die Hälfte noch vor der Eröffnung als ‚verkauft‘ gekennzeichnet. Darunter tauchten als Käufer / -innen unter anderem bekannte Namen wie Marie Laurencin auf, die sowohl für die Galerie Pierre, in der die Ausstellung präsentiert wurde, als auch für den zeitgenössischen Besucher als verlässlicher Qualitätsbeweis gedient haben dürften.11 Uhde war es während seines ersten Parisaufenthalts noch vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs gelungen, einem Sammler ein Werk Laurencins weit über dem üblichen Marktwert zu verkaufen. Dieser spektakuläre sowie publikumswirksam eingesetzte Ankauf hatte es der Künstlerin ermöglicht, einen Galerievertrag mit Paul Rosenberg abzuschließen.12 Denkbar ist, dass Uhde sie deshalb zum Ankauf eines Werkes von Kolle bewegen konnte. Schon zwei Jahre zuvor – noch während der Berliner Zeit – lassen sich erste ehrgeizige Versuche Uhdes, seinen Lebensgefährten auch in Deutschland zu vermarkten, nachweisen. Diese gingen den Schenkungen an das Städel Museum voran. Als Leiter der Galerie Gurlitt in der Potsdamer Straße gelang es Uhde, einige Gemälde Kolles in der im Oktober 1922 eröffneten Werkschau mit dem Titel „Primavera“ – in Anlehnung an den von ihm verehrten Sandro Botticelli – zu zeigen.13 Präsentiert wurden dem Publikum neben Kolles Werken auch Arbeiten von Marc Chagall, Paul Klee, August Macke, Heinrich Nauen, Hans Purrmann, Georges Braque und Pablo Picasso. Uhde stilisierte Kolle zum Autodidakten, der intuitiv male, und rückte den Künstler damit geschickt an bereits etablierte Kollegen, etwa Wilhem Leibl oder Lovis Corinth, heran.14 Gemeinsam kehrten beide 1924 nach Paris zurück, wo Uhde die guten Kontakte, die er schon vor dem Ersten Weltkrieg im Café du Dome geknüpft hatte, wiederbeleben und die Karriere des Jüngeren als deutsch-französischer Maler vorantreiben konnte.15

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Uhdes Schriften Neben einer bereits 1922 erschienenen Rousseau-Monographie sind in diesem Kontext Uhdes 1928 veröffentlichte Publikation „Picasso et la tradition française. Notes sur la peinture actuelle“ sowie die eingangs erwähnte Monographie über Kolle von Bedeutung. Auch einzelne Passagen aus Uhdes Memoiren, die 1938 veröffentlicht wurden, geben Aufschluss über dessen Vermarktungsstrategien: Dort findet sich ein kleiner Abschnitt über Kolle, in dem der Künstler explizit in die künstlerische Nach-folge des „Meisters Picasso“ gestellt wird.16 In der Monographie über Kolle zeichnet Uhde ein ähnliches, wenngleich noch pathetischeres Bild. Anlässlich der postum veranstalteten Ausstellung in der Galerie Jacques Bonjean 1932 habe sich der große Picasso „[...] brüderlich über Leben und Werk des Jüngeren geneigt, die unerhörte Vitalität dieser Bilder und deren Schönheit gerühmt“.17 Abgesehen von dieser intendierten Annäherung Kolles an den prominenten Künstler Picasso bedient sich Uhde innerhalb seiner literarischen Vermarktungsstrategien bestimmter tradierter Topoi, um Kolle und dessen künstlerische Qualitäten zu nobilitieren.18 Darüber hinaus bemerkt Uhde in „Bildnis eines Frühvollendeten“, in welchem Maße Kolles Interesse an der Malerei auch sein eigener Verdienst sei: „Ich machte doch [...] Versuche Kolles Interesse [...] der Malerei zuzuwenden, die ich für sein eigentliches Gebiet hielt. Ich stellte also zuweilen Blumen auf den Tisch, ordnete sie unauffällig mit anderen Gegenständen zusammen zu scheinbar zufällig sich ergebenden Stilleben.“19

Uhdes letzter Wille Kurz vor seinem Tod im August 1947 setzte Uhde sich dafür ein, dass drei weitere Gemälde Kolles als Schenkung an das Frankfurter Städel Museum gelangen sollten, um Kolles Œuvre im musealen Kontext und innerhalb eines renommierten Hauses in Deutschland sichtbar zu machen: „Die drei Torreros“, „Junge mit Hampelmann“ und ein weiteres Selbstbildnis. Da Uhde jedoch, zu diesem Zeitpunkt bereits schwer erkrankt, noch während der vorbereitenden Gespräche verstarb, übernahmen seine Schwester Anne Marie Uhde sowie der Bruder Helmut Kolles, Kurt Kolle, alle weiteren Aufgaben. Die schriftliche Korrespondenz zwischen den beiden Beteiligten und Ernst Holzinger, von 1938 bis 1974 Direktor des Städel Museums, hat sich ebenfalls im hauseigenen Archiv erhalten und führt deutlich die vielen organisatorischen Schwierigkeiten vor Augen, mit denen dieser Schenkungsprozess behaftet war: Ganze drei Jahre zog sich die Abwicklung aufgrund diverser bürokratischer und logistischer Hürden im geteilten Nachkriegsdeutschland hin. Erst 1950 konnten die drei Werke aus Paris im Städel Museum entgegengenommen werden. Nichtsdestoweniger war die Situation in Deutschland nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs für ein solches Unterfangen günstig. Aufgrund der flächendeckenden

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Ich war nie zufällig befreundet

Beschlagnahmungen von ‚entarteter Kunst‘ durch die Nationalsozialisten waren die Bestände an moderner Kunst vieler Museumshäuser stark reduziert. Trotz des oftmals nur kleinen zur Verfügung stehenden Etats war man vielerorts bestrebt, neben der baulichen Behebung von Kriegsschäden auch solche Sammlungslücken zu schließen: entweder durch den Wiedererwerb von ehemals beschlagnahmten Werken oder aber durch Neuankäufe, die die Verluste ersetzen sollten. Für Schenkungen aus dem Bereich der Modernen Kunst herrschte dementsprechend große Akzeptanz, wenn nicht gar Dankbarkeit.20 1

Uhde 2010 [1938], S. 252.

2

Vgl. Bauer-Friedrich 2010 (a), S. 14.

3

Vgl. ebd., S. 14.

4

Dazu der Beitrag von Schmitt, S. 78.

5

Vgl. ebd., S. 79.

6

Vgl. ebd. S. 79.

7

Vgl. ebd., S. 79

8

Vgl. ebd., S. 80.

9

Vgl. ebd., S. 81.

10 Ab 1925 fanden Einzelausstellungen Kolles statt: 1925 in der Galerie Pierre, 1926 in der Galerie Bing, 1927 in der Galerie Aux Quatre Chemins und 1929 in der Galerie Bernheim-Jeune. Vgl. hierzu Ausst. Kat. Chemnitz 2010, S. 36ff. 11 Vgl. Wilkens 2010, S. 225 – 227. 12 Vgl. ebd., S. 226. 13 Vgl. Thiel 1993, S. 311. 14 Vgl. Chabert 2010, S. 21. 15 Vgl. Billeter 2010, S. 115. 16 Vgl. Uhde 1928, S. 237. 17 Uhde [um 1935], S. 52. 18 So werden beim Leser beispielsweise geschickt Assoziationen an Oscar Wildes berühmtes Bildnis des Dorian Gray wachgerufen, wenn Uhde berichtet, wie Kolle mit einem Dolch auf ein in seinen Augen unzulängliches Selbstbildnis einsticht. Vgl. Uhde 2010 [1938], S. 274. 19 Uhde [um 1935], S. 14. 20 Vgl. hierzu allgemein Fleckner / Hollein 2010.

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„Mein Gott, wie die Zeit vergeht – hier kennt man kaum Herrn Uhde“ – Die Rolle Wilhelm Uhdes in der Pariser Kunstszene Abstract: In the Paris art metropolis, the German art dealer Wilhelm Uhde was known as an important promoter of Cubism, in particular that of artists like Georges Braque and Pablo Picasso, but also of Henri Rousseau. Although Uhde differed from many of the other Paris art dealers, his role in the city’s art market at the beginning of the twentieth century is not to be underestimated. Observations by Max Beckmann, a portrait by Picasso and the introduction of Helmut Kolle into the French art world are just a few of the many testimonies to Uhde’s impact. The example of Beckmann moreover sheds light on the difficulties German artists faced on the French art market. „Es war damals leicht, einen Überblick zu haben über das, was auf dem Gebiet der Malerei in Paris vor sich ging. Innerhalb zwei Stunden konnte man sämtlichen Galerien moderner Malerei einen Besuch abgestattet haben, über die Maler selbst konnte man sich in drei Tagen informieren.“1 Aussagen wie diese, die Wilhelm Uhde in seinen 1938 publizierten Memoiren „Von Bismarck bis Picasso“ niederschrieb, lassen erkennen, dass der 1874 geborene deutsche Kunsthändler im Paris der 1920er und 1930er Jahre fest verwurzelt war und sich im Geflecht namhafter Galerien und Kunstsammlungen gut auskannte. Es wird zwar auch die Meinung vertreten, dass er „keine gewichtige Größe im Kunstmarkt der Zeit“2 war, doch wurde eine umfassende Untersuchung seiner Rolle noch nicht vorgenommen. Wie sich zumindest sein Zeitgenosse Max Beckmann erinnerte, war Uhde eine nicht unbedeutende Persönlichkeit in der Pariser Kunstszene. Auch Beckmann versuchte in den 1920er Jahren in der französischen Hauptstadt seinen internationalen Durchbruch und nahm dort einen zweiten Wohnsitz. Bei den Vorbereitungen für die große Beckmann-Retrospektive in Saint Louis, USA 1948 äußerte er sich verwundert darüber, dass man Uhde in Amerika nicht kenne: „Alles steht im Zeichen der Ausstellung und ich werde immer noch von vorn bis hinten durchgeforscht. Perry rief noch Valentin an, da er durchaus noch Bilder um 1936 aus Deutschland kommen lassen will! Ich sprach auch kurz mit V. – Mein Gott, wie die Zeit vergeht – hier kennt man kaum Herrn Uhde, Vivin und Célestine – damals in Paris!!“3

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Zwischen Picasso und Rousseau: Wilhelm Uhde im Kreis der Pariser Avantgarde Uhde war seit seinem ersten Pariser Aufenthalt von 1904 bis 1914 mit den Protagonisten der dortigen Kunstszene bekannt und befreundet und stand mit ihnen in geschäftlicher Verbindung. Zumeist wird er im Zusammenhang mit der erfolgreichen Etablierung von Pablo Picasso, Georges Braque und Henri Rousseau erwähnt, die er sehr früh entdeckte und förderte. Picasso malte 1910 drei kubistische Porträts von jenen Personen, die seine künstlerische Karriere maßgeblich gefördert hatten. Neben den Bildnissen seiner Galeristen Ambroise Vollard und Daniel-Henry Kahnweiler gehörte dazu auch eines von Uhde, der Picasso entdeckt haben soll.4 Zum Zeichen der Freundschaft, aber vielleicht auch als strategischen Schachzug, schenkte Picasso die Gemälde den jeweiligen Porträtierten. Dies hatte sowohl für den Künstler als auch für die Kunsthändler große Vorteile: Picasso wusste seine Bilder auf dem Pariser Kunstmarkt gut platziert – und für die Kunsthändler stellte dies (zumindest im Nachhinein) ebenfalls einen Beweis dafür dar, dass sie schon früh das Potential des aufstrebenden Künstlers erkannt hatten. Wie der später sehr erfolgreiche Kahnweiler berichtet, war es Uhde, der ihn mit Picasso bekanntgemacht hatte: „Inzwischen hatte ich den deutschen Schriftsteller und Kunsthistoriker Wilhelm Uhde kennengelernt, dem ich ein treues Andenken bewahrt habe. Er lebte seit 1900 ständig in Paris und kannte die dortige ‚Welt‘, vor allem auch sehr viele Maler. Als erster erzählte er mir von einem seltsamen Bild, an dem ein Maler namens Picasso gerade arbeitete. Es habe etwas Assyrisches – sagte Uhde – etwas vollkommen Fremdartiges. Das wollte ich natürlich sehen. Ich kannte Picasso nicht, aber sein Name war mir bekannt.“5 Auch dem Kollegen Alfred Flechtheim verschaffte Uhde im Kreis des Café du Dôme Kontakte zu Picasso, Braque und Rousseau, die für seine spätere Karriere wegweisend waren.6 Uhde setzte sich schon früh für diese Künstler ein, tätigte erste Ankäufe und veröffentlichte Publikationen über sie.7 Dennoch war er für seine Zeit kein typischer Kunsthändler. Wie viele andere fungierte Uhde zwar ohne feste Galerie als mobiler Händler8, doch gab es einen maßgeblichen Unterschied zu seinen Mitstreitern: Er verfügte nicht wie die anderen über einen „profitable[n] Umgang mit Geld“ oder über „kalkulierende[n] Handelsgeist“9. Seine Kollegen Kahnweiler, Flechtheim oder Walden waren Kunst-Amateure und von Beruf Kaufleute. Sie entdeckten die Kunst als ein neues Spielfeld des Marktes. Uhde hingegen fand den Weg in den Pariser Kunstmarkt über sein Studium der Kunstgeschichte.10 Als Uhde 1904 in Paris ankam, fand er sich schnell zurecht. Er sah die Gemälde der Impressionisten, verkehrte im Café du Dôme und schloss dort Freundschaft mit Gertrude und Leo Stein, Henri Matisse und Picasso. Seine gesellschaftlichen Kontakte, seine Kennerschaft der Kunstszene und seine Leidenschaft für die Malerei förderten seine Tätigkeit als Kunsthändler maßgeblich. Ohne finanzielle

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Unterstützung im Hintergrund, begann er seine günstig erworbenen Bilder von hoher Qualität weiterzuverkaufen und finanzierte sich so seinen Aufenthalt in Paris. Zwar kam Uhde, ebenso wie die anderen Kunsthändler und Galeristen, aus gebildeten und kommerziell versierten Kreisen, doch trieb ihn weniger die Aussicht auf eine erfolgreiche Karriere voran, sondern vielmehr sein persönliches Interesse an der Kunst. Er sammelte nicht dem allgemeinen Geschmack und der Mode nach, sondern setzte sich für Qualität ein, was er in seinen Memoiren herausstellte: „[... ] die auf das innigste mit dem eigenen Wesen verbunden war und als die persönlichste Angelegenheit empfunden wurde.“11 So erwarb er beispielsweise nach Rousseaus Tod ein Porträt von dessen Frau für 200 Francs, für das ihm drei Jahre später 8 000 Francs geboten wurden. Er lehnte das Angebot jedoch ab und überließ das Gemälde aus Sympathie einem anderen Sammler für weniger Geld. Auch das Engagement für die Künstler Braque und Picasso wurde weniger von finanziellen Erwägungen geleitet. Die Sammlung von kubistischen Künstlern, die Uhde 1910 besaß, fand bei seinen Freunden vom Café du Dôme nicht viel Anklang. Zusammen mit den Kunsthändlern Kahnweiler und Flechtheim stand Uhde auf diesem Feld alleine da. Mit Kahnweiler verband ihn nicht nur die deutsche Herkunft und das künstlerische Interesse, sondern auch das Schicksal, das die beiden mit Ausbruch des Ersten Weltkriegs ereilte: Beide Sammlungen wurden vom französischen Staat konfisziert und 1921 zwangsversteigert. Das Abhandenkommen der 73 Werke war für Uhde ein hoher materieller Verlust, da er sonst kein Vermögen besaß. Dennoch fühlte er sich durch die Erinnerung an seine durch Überzeugung gewachsene Sammlung innerlich bereichert; sie bestand ideell für ihn weiter – zumindest behauptet er das in seinen Memoiren.12

Deutsche Bemühungen nach dem Ersten Weltkrieg: Uhde, Kolle und Beckmann in der Pariser Kunstszene Uhdes erster Parisaufenthalt und damit sein Einsatz für die Pariser Avantgarde endete 1914 mit dem Beginn des Ersten Weltkriegs. Er musste die französische Hauptstadt verlassen und kehrte nach Deutschland zurück, wo er den Verleger und Kunsthändler Wolfgang Gurlitt kennenlernte. Durch ihn wurde ihm die Möglichkeit gegeben, dessen Galerie in Berlin zu führen, in der er 1922 zum ersten Mal Gemälde von Helmut Kolle ausstellte. Kolles künstlerische Tätigkeit stellte für Uhde eine willkommene Gelegenheit dar, nach Paris zurückzukehren. Er fürchtete sich zwar davor, in der französischen Metropole als armer Mann noch einmal von vorne anzufangen, doch wie er in seinen Memoiren vorgibt, wollte er Kolle die französische Maltradition nicht vorenthalten.13 Das Vorhaben, seinen Partner in die französische Kunstwelt einzuführen und zu vermarkten, ließ sich gut mit Uhdes politischem Bedürfnis vereinbaren, Deutschland den Rücken zu kehren. Paris und die Kunstwelt hatten sich durch den Krieg verändert. In den zehn Jahren von Uhdes Abwesenheit, hatten ‚seine‘ Künstler Picasso, Braque und Rousseau einen

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erheblichen Erfolgsschub erfahren, so dass ihre Gemälde für den mittellosen Uhde unerschwinglich geworden waren. Er musste sich neu orientieren und brachte eine Gruppe junger Künstler zusammen, der er den Namen „Maler des Heiligen Herzens“ gab. Laut Uhde setzten sie als Einzige die französische Tradition fort, seien leidenschaftlich und schöpferisch und betrieben Malerei auf einem hohen Niveau.14 Neben Séraphine Louis, Camille Bombois und Louis Vivin präsentierte er Kolle als einen der „Maler des Heiligen Herzens“ in dem sich die „deutsche Sehnsucht mit der französischen Gestaltungsgabe“15 verbinde und der gleichzeitig die kubistische Tradition Picassos erkennen ließe. Durch seine früheren Kontakte gelang es ihm, trotz der allgemeinen Aversionen gegen Deutsche, Kolle in die Pariser Kunstwelt einzuführen. Kolles Werk konnte zwischen 1925 und 1929 vier Mal in verschiedenen Pariser Galerien ausgestellt werden. Unter diesen Galerien befanden sich auch die für den Impressionismus wegweisende Galerie Bernheim-Jeune und die Galerie Pierre, in der 1925 – im selben Jahr wie die Kolle-Ausstellung – die erste Gruppenausstellung der Surrealisten stattfand.16 Diese Erfolge sind wohl darauf zurückzuführen, dass Uhde Paris und seine Kulturschaffenden seit vielen Jahren kannte und eine Vermarktungsstrategie entwickelt hatte, die in diesem Umfeld funktionierte. Auch der deutsche Zeitgenosse Beckmann entwickelte mit seinen Kunsthändlern Alfred Flechtheim, J. B. Neumann und Günther Franke eine spezielle Strategie, die ihm dazu verhelfen sollte, in Paris Fuß zu fassen. Diese sah vor, sich regelmäßig in der Metropole aufzuhalten, von Picassos Galerist Paul Rosenberg vertreten zu werden und das Interesse der Kunstkritiker auf sich zu lenken.17 Bereits 1927 bemühte sich Beckmann darum, Verbindungen nach Paris herzustellen, und nannte Uhde als wichtigen Protagonisten der Kunstszene: „Wir haben dann nicht nur die Clique Uhde, Waldemar George, S[o]upault, Dreyfus([s)], Nacivet für uns, sondern auch den ganzen großen Kreis des Prinzen Rohan, und damit einen guten Teil des aesthetischen Kreises Faub[o]urg St. Germain. Also eigentlich ganz Paris.“18 Die gewünschten Kontakte ließen allerdings auf sich warten, und Beckmann konnte sich dort nur schwer etablieren. Es kam weder zur gewünschten Zusammenarbeit mit Rosenberg noch mit der Galerie Bernheim-Jeune, die Beckmann geplant hatte.19 Seine Einzelausstellung in der Galerie de la Renaissance 1931 wurde überwiegend negativ aufgenommen. Von der französischen Presse erhielten Beckmanns Werke stets nationale Zuschreibungen, die – wie für die meisten deutschen Künstler – unvorteilhaft ausfielen. Zwar wollte sich Beckmann explizit nicht als deutscher, sondern als europäischer Künstler verstanden wissen, doch richtete sich jede Kritik gegen seine Herkunft und nicht gegen seinen künstlerischen Stil.20 Uhde, als Kenner der Pariser Kunstlandschaft, riet dem selbstbewussten Beckmann zu einem schlichteren Auftreten: „Man vermeide, dergleichen Ausstellungen so zu eröffnen, wie man es in Paris sonst nur tut, wenn es sich um große französische Tote oder um südamerikanische Kitschmaler handelt.“21

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Kurz nachdem der Künstler seinem Händler Neumann 1932 berichten konnte, dass er endlich mit Uhde fest befreundet sei,22 musste Beckmann seinen Aufenthalt in Paris beenden: Aufgrund der Wirtschaftskrise konnte er sich sein Pariser Atelier und seine Wohnung nicht mehr leisten. Sein Malerkollege Kolle war im November 1931 verstorben, und so blieb nur ihr Partner und Kontaktmann Uhde in Frankreich zurück.23 In den folgenden Kriegsjahren lebte dieser zurückgezogen in der Provence. Erst nach 1945 kehrte er wieder nach Paris zurück, wo er bis zu seinem Tod noch weitere zwei Jahre verbringen konnte.24 Obgleich Uhde sich nicht permanent im Pariser Kunstsystem bewegte und auch nicht dieselben Ambitionen wie die meisten seiner Kollegen hatte, sollte seine Rolle als Kunsthändler nicht unterschätzt werden. Einen besseren Beleg für Uhdes Bekanntheitsgrad und für seine Bedeutung in der französischen Kunstszene dieser Jahre als Picassos Porträtserie sowie die Aussagen von Kahnweiler und Beckmann gibt es wohl kaum. 1

Uhde 2010 [1938], S. 124.

2

Thiel 1993, S. 310.

3

Beckmann 1984 [1955], S. 262.

4

Bildnis Wilhelm Uhde, Paris, Frühjahr 1910, Öl auf Leinwand, 81 × 60 cm, Privatbesitz; Bildnis Ambroise Vollard, Paris, Frühjahr 1910, Öl auf Leinwand, 92 × 65 cm, Moskau, Puschkin-Museum; Bildnis Daniel-Henry Kahnweiler, Paris, Herbst 1910, Öl auf Leinwand, 100 × 72,8 cm, The Art Institute of Chicago, siehe: Daix / Rosselet 1979, S. 259f.

5

Kahnweiler 1961, S. 30f.

6

Vgl. Moeller 1987, S. 37.

7

Siehe Uhde 1921; Uhde 1928.

8

Dazu der Beitrag von Wilhelm, S. 83 – 87.

9

Thiel 1993, S. 312.

10 Vgl. ebd., S. 316. 11 Uhde 2010 [1938], S. 149. 12 Vgl. ebd., S. 224. 13 Vgl. ebd., S. 234f. 14 Vgl. ebd., S. 260. 15 Ebd., S. 254. 16 Vgl. Ausst.Kat. Chemnitz 2010, S. 36.

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17 Vgl. Kitschen 2007, S. 273. 18 Max Beckmann in einem Brief vom 18.06.1927. Siehe hierzu: Harter / von Wiese 2011, S. 153. 19 Vgl. Schneede 2009, S. 127. 20 Vgl. Bezzola 1998. 21 Uhde 1931, S. 745f. 22 Vgl. Max Beckmann in einem Brief vom 25.06.1932. Siehe hierzu: Harter / von Wiese 2011,

S. 235.

23 Vgl. Schneede 2009, S. 127. 24 Vgl. Uhde 2010 [1938], S. 375.

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Von Männern und Toreros – Die Figur des Stierkämpfers bei Helmut Kolle und Henry de Montherlant Abstract: Portraits with bullfighters form a major workgroup in Kolle’s œuvre. They were influenced by descriptions of bullfighting in French writer Henry de Montherlant’s The Matador, and by the novel’s protagonist Alban de Bricoule. Both artists used the figure of the torero as a medium for examining the contemporary image of man and ideals of youth, corporality and masculinity. „Was Montherlant in der Literatur gemacht hat, entspricht sehr genau (intim) meinem Geschmack und meinen Absichten als Künstler.“1 Der 1930 in der französischen Zeitschrift „L’Art Vivant. Artistes d’aujourd’hui“ zitierte Satz Helmut Kolles ist Ausdruck seiner Wertschätzung für das frühe Werk des französischen Schriftstellers Henry de Montherlant (1895 – 1972). Die in den Schriften seines Zeitgenossen verhandelten Ideale von Jugend, Schönheit und Sport, die als selbst erlebt und nicht sublimiert beschriebene Suche nach Selbstfindung und Selbstverwirklichung, waren Inspiration für Kolle und seine Kunst. Die Identifikation mit dem Schriftsteller veranlasste ihn in einem Interview zu der Behauptung, „er sei der Montherlant der Malerei“.2 Dessen Romanfiguren avancierten zu Vorbildern, in denen er die Sujets seiner Malerei und sich selbst wiederfand. Die dominierende Beschäftigung Kolles mit männlich konnotierten Figuren, wie der des Soldaten, des Sportlers und des Stierkämpfers, durchzieht auch das literarische Werk Montherlants. Vor allem die autobiographische Romanfigur3 des Stierkämpfers Alban de Bricoule aus dem Roman „Tiermenschen“4 übte eine prägende Wirkung auf den Maler aus. Davon zeugen Briefe Kolles, die dieser zeitweise mit „Alban“ unterzeichnete.5 Die Frage, in welcher Beziehung seine Figurenbildnisse, insbesondere die Darstellungen von Toreros, zu den von Montherlants entworfenen Idealen und Vorstellungen stehen, blieb in der Literatur zu Kolle weitgehend unbeachtet. „Die drei Toreros“ aus dem Städel Museum gehören zu einer Werkgruppe von fünfzehn Bildnissen, die sich mit der Figur des Toreros befassen.6 In der Rezeption von Kolles Œuvre sind die Darstellungen zumeist Bezug nehmend auf die von Wilhelm Uhde vorgegebene biographische Deutung oder im Kontext der Kulturgeschichte der 1920er Jahre, unter besonderer Berücksichtigung der modernen Figur des Sportlers, diskutiert und analysiert worden. Die Verbindung zur Metaphorik der spanischen „Corrida de toros“ (span. Stierkampf) wie sie Montherlant entwirft, wurde bisher nicht näher untersucht. Doch gerade eine vergleichende Betrachtung des Gemäldes mit der literarischen Vorlage lässt die Eigenart von Kolles Toreros erkennen.

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Der Torero Alban de Bricoule in Henry de Montherlants Roman „Tiermenschen“ In dem 1926 veröffentlichten Buch „Tiermenschen“ erzählt Montherlant von der Reise des jugendlichen Franzosen Alban de Bricoule nach Spanien, um sich seiner großen Leidenschaft für den Stierkampf hinzugeben. Geschickt verknüpft die Erzählung eine realistische Handlung mit den kultisch-mystischen Aspekten des Stierkampfs und führt den Leser in die Geheimnisse der „Corrida“ ein. Detailreich werden deren Ablauf, die traditionellen Bräuche und die Figur des Stierkämpfers geschildert. Als Höhepunkt der Geschichte, auf den hin die gesamte Romanhandlung angelegt ist, erweist sich die Kampfszene zwischen Alban und dem größten und wildesten Stier des Dorfes. Um die Zuneigung einer Frau zu gewinnen, setzt er in der Arena sein Leben aufs Spiel. Die „Corrida“ wird als existentialistischer Kampf zwischen Mensch und Tier, zwischen menschlicher Intelligenz und animalischer Gefahr beschrieben, als Auseinandersetzung auf Leben und Tod: „Der Böse Engel raste herein wie ein Sturmwind. Er war so wild, wie elektrisiert, dass sein Herumwirbeln in dem engen Raum unter den Stößen der Stangen an einen erschreckten Fisch im Aquarium erinnerte. Furchtbar wie er ausschlug.“7 In der Beschreibung der Kampfszene zeichnet Montherlant das Bild eines heldenhaften Einzelkämpfers. Konfrontiert mit den eigenen Ängsten, der Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit angesichts des drohenden Todes, strebt die Romanfigur in der Arena nach Ehre und Ruhm, Liebe und Triumph: „‚Der Augenblick verwundet zu werden, ist gekommen‘, dachte Alban, ‚doch das ist mir gleich. Es ist mir gleich, ob ich getötet werde, wenn ich vorher einiges meiner Würdige getan habe.‘“8 Ausführlich schildert Montherlant das Ambiente der Stierkampfarena, die Atmosphäre auf den Rängen und die Reaktionen des Publikums auf die ritualisierten Bewegungen und Handlungen der Akteure auf dem Feld. Er beschreibt die körperliche Anspannung, die athletischen Bewegungen des Toreros, seine eleganten Figuren mit dem „Capa“9, die den Stier, dem strengen Regelkodex des Stierkampfs folgend, mit harmonischen Gleitbewegungen nah am Körper des Toreros vorbeilenken.10 Er stellt die Körperlichkeit eines jungen Mannes dar, von athletischer Kraft und Eleganz geprägt: „Schneller als er dachte, hatte er ihn in seiner Capa, wie einen starken Windstoß, der ihm die Luft entgegentrieb, so daß er mit den Augen blinzelte. Doch seine Füße rührten sich nur, um sich auf den Spitzen zu drehen; […] er wandte sich mit den Hüften, er streckte die Arme mit einer Langsamkeit, einer Allmählichkeit, einer verhaltenen Kraft, die unvergleichlich waren.“11 Jeder einzelne Akt der „Corrida“ wird detailliert im Hinblick auf das angestrebte Ziel Albans wiedergegeben, den „Estocada“, den finalen tödlichen Stoß mit dem Degen zwischen die Schulterblätter des Stieres, unter dem aufbrandenden Beifall des Publikums auf dem Höhepunkt des tragischen Spiels12:

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„Die Wucht des Stoßes schleuderte seinen Körper herum, sein Handgelenk krachte, als ob es zerbräche. Er rollte auf den Boden, erhob sich, indem er sich das Handgelenk hielt. Der Degen war auf einen Knochen gestoßen und zitterte; doch er saß richtig.“13 Der Stierkampf wird als ein Ritual und als eine Choreographie entworfen, in der sich Kühnheit und Kunstfertigkeit des Toreros zu einem künstlerischen Ausdruck vereinigen. Sein Auftreten zeichnet sich durch die Ausführung ästhetisierender Körperhaltungen und effektvoller Gesten aus, die jeder technischen Wirksamkeit entbehren.14 Für Montherlant wird der Stierkämpfer zum Künstler. Weder rein artistische Manifestation noch rein sportliches Schauspiel, erachtet er den Stierkampf als „art noble“, als „Mysterium beseelten Lebens“ von Stier und Mensch, als ein Gleichnis für Leben, Kampf und Tod15: „Das Seltsamste bei der Sache war, daß das ‚La sangre torera‘ [das Torero-Blut] Albans sich nicht auf die Kunst des Stierkampfes beschränkte, sondern sich auf sein gesamtes Leben ausdehnte. Es handelte sich [...] um ein bestimmtes Verhalten dem Leben gegenüber, das sich zugleich im Hang zur Provokation und zum Risiko äußerte [...], der Hang zu herrschen, die Tendenz, sich nicht um die Meinung der Zuschauer zu kümmern, sowie etwas, das man wohl als den Geschmack an der Furcht bezeichnen muss. […] Das war der Urgrund der Tauromachitis; das malerische, die Umgebung, der Dekor waren dabei nichts als Nebensächlichkeiten.“16

Die Figur des Toreros in Helmut Kolles Gemälde „Die drei Toreros“ Kolle greift in seinen Bildnissen von Toreros die Schilderung Montherlants auf, um sich zugleich davon abzuwenden und dem Motiv seine eigene Vorstellungswelt hinzuzufügen.17 Wie in den meisten seiner Figurenbilder inszeniert Kolle die Toreros, ohne ihren Lebensraum zu schildern. Dicht beieinander stehend, malt er die Männer vor dem neutralen Grund einer hellen Wand, dem Betrachter frontal und im Halbprofil zugewandt. Die Arme sind vor der Brust verschränkt oder in die Hüften gestemmt, sie lehnen an der Wand, knien auf einer Bank oder stützen sich auf ihr ab. Im Gegensatz zu den gewöhnlich prunkvoll und reich dekorierten Kostümen der Stierkämpfer ist ihre Kleidung schlicht. Keine üppigen und farbenprächtigen Stickereien, Pailletten, Bordüren und Troddeln verzieren die „Traje de luces“ (span. Lichtkleid). Unter ockerfarbenen Jäckchen und Westen tragen sie statt traditioneller Jabots weiße Hemden mit einem roten Schlips. Zu den eng anliegenden Kniehosen tragen sie weiße Kniestrümpfe und schwarze Schuhe. Um ihre Hüften ist eine rote Bauchbinde gebunden. Ihre Körper sind schlank und zugleich breitschultrig gebaut. Sowohl die übergroßen Arme und Hände als auch die Beine sind betont muskulös wiedergegeben. In ihrer gesamten äußeren Erscheinung entsprechen sie einem Ideal junger, athletischer Körperlichkeit.

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Die stark vereinfachten, schmal zulaufenden Gesichter sind gekennzeichnet durch breite Unterkiefer und kräftige Hälse. Die vollen Lippen sind rot, die Augenbrauen dünn und die Nasen spitz. Die Blicke ihrer dunklen Augen gehen aneinander vorbei, ohne etwas im Bild oder außerhalb zu fokussieren. Sie nehmen weder Kontakt untereinander noch zum Betrachter auf. Nur schwer lassen sich Erkenntnisse über ihren Gemütszustand aus der unbestimmten Mimik ablesen. Ihre ganze Aufmerksamkeit scheint nach innen gerichtet zu sein. Kolle bedient sich nicht der herkömmlichen Gesten und Posen, die den Stierkämpfer in seiner signifikanten Eigenart darstellen. Die Figuren nehmen die Rolle, die allein durch ihre Kleidung angezeigt wird, nicht an. Eine „Capa“ oder ein Degen, die als Hinweis auf eine bevorstehende oder bereits abgeschlossene Handlung dienen könnten, sind aus dem Bild verbannt. Es fehlt den Bildern an narrativer Struktur. Die Handlung des Stierkampfs ist nicht mehr das vordergründige Motiv. Es ist nicht das von Montherlant entworfene Szenario, das von der gespannten Atmosphäre in der Arena zwischen Mensch und Tier, von dem Kampf um Leben und Tod und dem letztendlichen Triumph handelt. Die Figur des Toreros wird aus der Einbindung in eine vorangegangene Geschichte, in das Drama des vollzogenen Sieges, das Töten seines Gegners herausgelöst. Hier stehen nicht das bewegte Kampfgeschehen und die Schilderung des Ambientes im Vordergrund, vielmehr richtet er den Blick auf die Körperlichkeit der Stierkämpfer und auf ihren geistigen Zustand.

Toreros, Helden und Männerbilder bei Helmut Kolle und Henry de Montherlant Kolle, aber auch Montherlant greifen mit der Inszenierung des Stierkämpfers ein Motiv auf, an dem sich Vorstellungen von Männlichkeitsidealen ihrer Zeit verhandeln lassen. Die Diskrepanz ist dabei offenkundig. Während Montherlant in seinen Schilderungen der „Corrida“ ein Abbild des Stierkämpfers entwirft, das einer konventionellen männlich konnotierten Ikonographie nahesteht, wie sie seit dem 18. Jahrhundert sowohl in der visuellen als auch in der literarischen Kultur Europas präsent ist – etwa bei Francisco de Goya, Antonio Carnicero oder Pablo Picasso – versteht Kolle es, die Figur des Stierkämpfers auf seine Art umzudeuten.18 Montherlant entwirft ein Ideal, das von männlich codierten Zuschreibungen bestimmt ist. Die Welt des Wettkampfs, der männlichen Bewährung und der ständigen Nähe zum Tod definieren und bestätigen ein von viriler Körperlichkeit, Jugendlich-keit und Kühnheit geprägtes Männerbild.19 Die Romanfigur Alban kann als Symbol des existentialistischen Helden gelesen werden, der angespornt von dem Verlangen nach Großem, nach der Begegnung mit dem Außergewöhnlichen unter Einsatz seines Körpers sein Leben aufs Spiel setzt. Er verkörpert einen jungen Mann, der ausgestattet mit jugendlichem Übermut und Furchtlosigkeit die Konfrontation mit seinen eigenen Stärken und Schwächen, seinen

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Möglichkeiten und Beschränkungen sucht und dabei sein Schicksal in die eigenen Hände nimmt. Die Figur des Stierkämpfers kann in der Tradition gängiger Codierungen verstanden werden, als ritualisiertes Zurschaustellen von Männlichkeit und zugleich als Ausdruck des jugendlichen Strebens nach Selbstfindung und -verwirklichung. Für Montherlant bietet die „Corrida“ einen Moment der Ordnung und Klarheit in einer chaotischen und zerrütteten Welt. Die vorgeschriebenen Handlungen, die ästhetisch gestalteten Erfahrungen, der erlebte Rausch tragen die Akteure weg von den nüchternen Erfahrungen der eigenen Realität und der Monotonie des täglichen Lebens. Der Stierkämpfer ist ein Abbild des menschlichen Existenzkampfs, eines herausragenden Individuums, eines Helden in einer unheroischen Lebenswirklichkeit zu Beginn des 20. Jahrhunderts.20 Auch in dem Gemälde „Die drei Toreros“ steht die Gestalt des Toreros im Zentrum. Doch Kolle bricht mit dem gängigen Bild der Figur. Anders als in der literarischen Vorlage steht nicht der siegreiche starke Mann, der sich in der kämpferischen Auseinandersetzung mit dem Stier bewährt hat, im Mittelpunkt der Betrachtung. Vielmehr isoliert Kolle die Toreros aus ihrer gewöhnlichen Umwelt. Er malt sie unbeteiligt und kraftlos, sich abstützend und anlehnend. Ihre Blicke und Gesichtszüge, ihre Körpersprache rücken Eigenschaften wie Passivität, Empfindsamkeit und Verletzlichkeit ins Zentrum der Betrachtung. Sie erwecken den Eindruck in sich gekehrter, nachsinnender junger Männer. Trotz ihrer imposanten Körperlichkeit fehlt ihnen jeglicher Anflug von Virilität, Stärke, jugendlichem Übermut, Machtrausch und dem Geschmack an der Furcht. Hiervon kündet nur noch ihre Kleidung. Kolle greift das Sujet auf, bedient sich seiner kulturellen Chiffren, um sie in seiner eigenen Vorstellungswelt neu zu arrangieren. Anstatt wie Montherlant das gesellschaftlich sanktionierte Bild vom starken und selbstbewussten Mann zu beschwören, scheint in Kolles Bildnissen eine bewusste Umkehr, ein In-Frage-Stellen dieses Stereotyps und Ideals im Mittelpunkt zu stehen. Kolle lehnt sich in seinen Figurenbildern an Muster von Männlichkeit an, die sich in seiner Zeit finden, um sie zu problematisieren und einen Blick auf ihre Fragwürdigkeit und Brüchigkeit zu eröffnen. Statt die Aufmerksamkeit auf den aktiven Körper zu richten, zeichnet sich die Körperlichkeit bei Kolle durch Innerlichkeit aus. Die Toreros können als Ausdruck einer geistigen wie auch einer körperlichen Regungslosigkeit verstanden werden, die die Gesellschaft nach dem Ersten Weltkrieg befallen hatte und die man durch neue starke Männerbilder zu überwinden suchte.21 1

Kolle, zit. nach Frank in: Garnerus 1994, S. 14.

2

Vgl. Ebd., S. 14.

3

Henry de Montherlant war in seiner Jugend selbst Stierkämpfer, vgl. Ausst.Kat. München 1994, S. 110.

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4

Montherlant 1998.

5

Vgl. Chabert 1969, S. 305.

6

Vgl. Bauer-Friedrich 2010 (b), S. 172.

7

Montherlant 1998, S. 202.

8

Ebd., S. 243.

9

Spanischer Mantel oder Umhang, mit welchem der Torero den Stier herausfordert oder „zitiert“, wie der technische Ausdruck lautet. Vgl. Montherlant 1998, S. 281.

10 Vgl. Leiris 1982, S. 51. 11 Montherlant 1998, S. 243. 12 Vgl. Leiris 1982, S. 47. 13 Montherlant 1998, S. 251. 14 Vgl. Leiris 1982, S. 47. 15 Vgl. Ausst.Kat. München 1994, S. 110. 16 Montherlant, zit. in: Ebd., S. 76. 17 Vgl. Garnerus 1994, S. 16. 18 Vgl. Zanardi 2012, S. 200. 19 Vgl. Segrave 2010 (a), S. 31. 20 Vgl. Segrave 2010 (b), S. 2. 21 Vgl. Gamper 2011, S. 145f.

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Katalogteil Bildanalysen

Helmut Kolle Die drei Toreros / The Three Toreros, Paris 1925 Öl auf Leinwand / oil on canvas, 131 × 90 cm Bezeichnet unten rechts: H v H / Paris 25 Provenienz / provenance: Hans Simon, Berlin; um 1933 Wilhelm Uhde, Paris; 1950 Städel Museum als Schenkung von Anne-Marie Uhde, Paris, aus dem Nachlass ihres Bruders Inv.Nr. 2021 Ruhig stehen die Toreros beieinander – an die Wand gelehnt, sich auf eine Bank abstützend, mit ausdrucksloser Miene. Die Darstellung von athletischen Männern ist in Kolles Œuvre ein häufig verwendetes Motiv. In den durch Fotografien inspirierten Inszenierungen von Toreros, Boxern und Radfahrern stehen nicht die mit dem Motiv des Toreros vertrauten Posen des Triumphs im Mittelpunkt. Er malt sie in ihren Pausen, nachdenklich, nahezu verletzlich. Die Ideale und Stereotype des zeitgenössischen Bildes vom starken Mann werden infrage gestellt, zuweilen auch umgekehrt. The toreros stand calmly in a group, leaning against the wall, propping their legs on the bench, their faces void of expression. Kolle frequently depicted athletic men. Yet his scenes of toreros, boxers and cyclists do not highlight the poses of triumph usually associated with such motifs. He painted the figures during their times-out, characterizing them as pensive, almost vulnerable. The contemporary ideal and stereotypical image of the strong man is called into question here, and in some cases even reversed. Literatur / bibliography: Dreyfus 1926, Abb.; Landau 1925, Abb. vor S. 81; Landau 1926, Abb.; Uhde 1935, S. 29; Ausst.Kat. Paris 1946, Kat. 7; Frankfurter Allgemeine Zeitung, 13.01.1953, Abb.; Tolzien 1982, S. 327; Behm 1985; Chabert 1981, WV. Nr. 76; Ausst.Kat. München 1994, Kat. 16; Ausst. Kat. Städel Museum 1998, S. 96; Ausst.Kat. Chemnitz 2010, Kat.Nr. 19. Anton Zscherpe

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Max Beckmann Tänzerin / Female Dancer, Berlin 1935 Bronze / bronze, 17,5 × 70 × 25 cm Provenienz / provenance: Sammlung Mathilde Q. Beckmann; 1986 Verkauf über Catherine Viviano oder Grace Borgenicht Gallery, New York, an Privatsammlung Chicago (Eva Maria Worthington); Verkauf über Richard Feigen Gallery, New York; 2007 Städel Museum Inv.Nr. ST P 614 Beckmann hat für seine Tänzerin die Position des Spagats gewählt. Die übersteigerte Haltung der Ballerina in Aktion steht im Gegensatz zu der reduzierten Gestik und der Passivität der Sportler in den Gemälden Kolles. Neben ihrer Faszination für die Darstellung athletischer Figuren teilen die Künstler ein Interesse an der französischen Kunst. In Beckmanns Motivwahl einer Ballerina zeigt sich der Einfluss von Edgar Degas, dessen plastisches Werk zudem einen ähnlich freien, unakademischen Umgang mit dem Material aufweist. Das Interesse an Bewegung wird im Licht- und Schattenspiel der unruhigen Oberfläche des Bronzegusses sichtbar. For his figure of a dancer, Beckmann chose the position of the splits. The ballerina’s exaggeratedly active pose contrasts with the reduced gestures and passivity of the sportsmen in Kolle’s paintings. The two artists shared not only a fascination with the depiction of athletic figures but also an interest in French art. Beckmann’s choice of a ballerina as a motif mirrors the influence of Edgar Degas, whose sculptures moreover exhibit a similarly free and non-academic treatment of the material. The interest in movement is evident in the play of light and shade on the restless surface of the bronze cast. Literatur / bibliography: Ausst.Kat. New York 1959; Franzke 1984; Stabenow 1984; Ausst.Kat. New York 2002; Ausst.Kat. Frankfurt am Main 2008. Anastasia Remes

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Helmut Kolle Junge mit Hampelmann / Boy with Jumping Jack, Paris 1929 Öl auf Leinwand / oil on canvas 115,5 – 89,5 cm Bezeichnet unten links: Kolle Provenienz / provenance: Albert Michelis, Genf; Wilhelm Uhde, Paris; 1950 Städel Museum als Schenkung von Anne-Marie Uhde, Paris, aus dem Nachlass ihres Bruders Inv.Nr. 2022 Ein junger Harlekin hält einen uniformierten Hampelmann in seinen Händen. Auch Pablo Picasso, mit dessen Werk Kolle gut vertraut war, stellte oft Artisten und Gaukler dar. Bei Kolle geht es um Fragen von Dominanz und Fremdbestimmung, von Aktivität und Passivität – Themen, die auch Max Beckmann in seiner Skulptur „Adam und Eva“ verarbeitet. Die androgyne Körperlichkeit des Harlekins kontrastiert jedoch augenfällig mit der ausgeprägten Männlichkeit Adams. A young harlequin holds a uniformed jumping jack in his hands. Pablo Picasso, with whose work Kolle was quite familiar, likewise often depicted artists and jugglers. Kolle was concerned with questions of dominance and heteronomy, activity and passivity: themes that also come to bear in Max Beckmann’s sculpture “Adam and Eve”. The androgynous corporality of the harlequin, however, contrasts conspicuously with Adam’s pronounced masculinity. Literatur / bibliography: Uhde 1935, S. 48f., Abb. 29; Tolzien 1982, S. 329; Chabert 1970, S. 131, Abb; Chabert 1981, WV.Nr. 238; Ausst.Kat. Frankfurt amMain 1998, S. 96; Ausst.Kat. Chemnitz 2010, S. 25, Abb. 5. Barbara Bauer und Lukas Engert

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Max Beckmann Adam und Eva / Adam and Eve, Berlin 1936 (Guss / cast 1979) Bronze / bronze, 84,4 – 33,3 – 36,8 cm Provenienz / provenance: Sammlung Mathilde Q. Beckmann; 1983 Verkauf über Grace Borgenicht Gallery, New York; 1983 Leihgabe der Deutschen Bank an das Städel Museum Inv.Nr. DBP003 Keine verführerische Eva findet sich an Adams Seite, vielmehr ist ihm eine miniaturhaft kleine Frauengestalt in die Hand gesetzt. Max Beckmann deutet in seiner Plastik das alttestamentarische Motiv um und thematisiert Fragen von Dominanz und Geschlechterrollen. Die muskulöse, blockhaft wirkende Männergestalt findet ihre Entsprechung in Helmut Kolles Gemälde der „Drei Toreros“. Beide Werke verbindet der Umgang mit Körperlichkeit sowie die Auseinandersetzung mit gängigen Rollenbildern. Rather than a seductive Eve at Adam’s side, a miniature figure of a woman has been placed in his hand. In his sculptural reinterpretation of the Old Testament motif, Max Beckmann addressed issues of dominance and gender roles. His muscular, block-like male figure finds its echo in Helmut Kolle’s painting of the “Three Toreros”. The approach to corporality and the examination of established role models is common to both works. Literatur / bibliography: Ausst.Kat. New York 1959; Franzke 1984; Stabenow 1984; Ausst.Kat. New York 2002; Ausst. Kat. Frankfurt am Main 2008. Lukas Engert

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Helmut Kolle Selbstbildnis / Self-Portrait, Paris 1930 Öl auf Leinwand / oil on canvas, 81 – 65 cm Bezeichnet oben rechts: Kolle Provenienz / provenance: 1950 Städel Museum als Schenkung von Anne-Marie Uhde, Paris, aus dem Nachlass ihres Bruders Inv.Nr. 2023 Wie ein Tagebuch begleiten die Selbstbildnisse Kolles seinen kurzen künstlerischen Werdegang. Meist posiert er im Jackett, selten in der Rolle des Malers, zuweilen als Boxer oder im Jagdkostüm. Im vorletzten Selbstporträt stellt er sich verletzlich und melancholisch dar, als magere Gestalt mit dunklen Augenhöhlen. Das Rot des Einstecktuchs, das ebenso wie die roten Lippen innerhalb der reduzierten Farbigkeit hervortritt, könnte als Verweis auf seine Herzkrankheit und auf die Endlichkeit seines Schaffens gelesen werden. Kolle’s self-portraits accompany his brief artistic career like a pictorial diary. He usually poses in a suit jacket, sometimes as a boxer or in a hunting costume, and only rarely in the role of a painter. In his second-to-last self-portrait he depicts himself as a vulnerable and melancholy figure, gaunt and with dark eye sockets. The red of his breast pocket handkerchief – which, like his lips, stands out against the work’s otherwise reductive palette – may be an allusion to his heart disease and thus to the finitude of his creative work. Literatur / bibliography: Uhde 1935, S. 41, 53, Abb. 39; Tolzien 1982, S. 328f.; Chabert 1981, WV.Nr. 274; Behm 1985, S. 3301, Abb.; Ausst.Kat. Frankfurt am Main 1998, S. 96; Ausst.Kat. Chemnitz 2010, S. 26, Abb. 7. Margaret Field und Christian Guth

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Helmut Kolle Selbstbildnis mit Palette und Pinsel / Self-Portrait with Palette and Brush, Paris 1927 / 28 Öl auf Leinwand / oil on canvas (Abbildung nach Reproduktion) Bezeichnet unten links: Kolle Provenienz / provenance: 1932 Städtische Galerie des Städelschen Kunstinstituts als Schenkung von Wilhelm Uhde; 1932 getauscht gegen „Junger Mann mit Baskenmütze und rotem Pullover“; verschollen Das Porträt, das als verschollen gilt, ist eines der wenigen Selbstbildnisse Kolles, in dem er sich als Maler in Szene gesetzt hat. Selbstbewusst wendet er seinen breitschultrigen Oberkörper, bekleidet mit einem Sporttrikot, dem Betrachter zu. Die Faust, die den Pinsel hält, reckt er triumphal in die Höhe. Doch sein Blick wirkt abwesend. Das Selbstbildnis gelangte durch Beckmann 1932 an das Städel Museum. Georg Swarzenski hielt dessen Einordnung in die Sammlung jedoch für schwierig. Schließlich wurde es durch das Bildnis „Junger Mann mit Baskenmütze und rotem Pullover“ ausgetauscht. The likeness, whose whereabouts are unknown, is one of the few self-portraits by Kolle in which he presents himself as a painter. He self-confidently turns his broad-shouldered upper body, which is dressed in a sport tricot, towards the viewer. He stretches the first holding the brush upward in a triumphant gesture. Nevertheless, his gaze has an absent quality. The self-portrait made its way into the Städel collection in 1932 through Beckmann’s efforts. However, Georg Swarzenski considered it difficult to integrate into the presentation. It was ultimately exchanged for the portrait "Young Man in a Red Sweater". Literatur / bibliography: Chabert 1981, WVNr. 216; Garnerus, in: Ausst.Kat. München 1994, S. 158. Marina Rüdiger

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Helmut Kolle Junger Mann mit Baskenmütze und rotem Pullover / Young Man with Read Sweater, Paris 1931 Öl auf Leinwand / oil on canvas, 99,5 – 81 cm (Abbildung nach Reproduktion) Bezeichnet oben links: Kolle / 31 Provenienz / provenance: 1932 Städtische Galerie des Städelschen Kunstinstituts als Schenkung von Wilhelm Uhde; 1937 beschlagnahmt, seitdem verschollen Inv.Nr. SG 485 Schräg sitzend, den rechten Arm aufgestützt, posiert ein junger Mann vor neutralem dunklen Grund. Pose und Beleuchtung lassen den Körper ähnlich einer Marionette, wie aus einzelnen, aneinandergefügten Gliedern erscheinen. Der Blick mit den verschatteten Augen erzeugt eine melancholische Stille, die auch anderen Bildnissen Kolles eigen ist. Das Porträt gelangte 1932 im Austausch für Kolles „Selbstbildnis mit Palette“ an das Städel Museum. Es wurde 1937 als ‚entartet‘ beschlagnahmt und gilt als verschollen. Überliefert ist nur diese schwarz-weiße Reproduktion. Sitting at an angle, his right arm propped up, a young man poses before a neutral dark background. The pose and lighting lend his body the look of a marionette assembled from individual sections. The gaze with the shaded eyes creates a melancholy silence also encountered in other portraits by Kolle. The likeness came to the Städel Museum in 1932 in exchange for the "Self-Portrait with Palette". In 1937 it was labelled “degenerate” and confiscated; its present whereabouts are unknown. This black-and-white reproduction is all that has come down to us. Literatur / bibliography: Uhde 1935, Taf. 40 („Junger Mann mit rotem Sweater“); Roh 1963, S. 187; Ausst.Kat. Frankfurt am Main 1992, S. 172; Ausst.Kat. München 1994, S. 158 („Junger Mann mit rotem Sweater“); Ausst.Kat. Chemnitz 2010, S. 27, Abb. 8. Océane Gonnet

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Literatur Ausst.Kat. Chemnitz 2010 Helmut Kolle. Ein Deutscher in Paris, hg. von Ingrid Mössinger / Thomas Bauer-Friedrich / Karsten Müller (Kunstsammlungen Chemnitz, Museum Gunzenhauser / Ernst Barlach Haus, Hamburg), München 2010 Ausst.Kat. Frankfurt am Main 1992 ReVision. Die Moderne im Städel 1906 – 1937, hg. von Klaus Gallwitz (Städel Museum, Frankfurt am Main), Stuttgart 1991 Ausst.Kat. Frankfurt am Main 2008 Max Beckmann: 8 Bronzen (Max Beckmann: 8 Bronzes), hg. von Sabine Schulze (Städel Museum, Frankfurt am Main), Frankfurt am Main 2008 Ausst.Kat. Frankfurt am Main 2011 Beckmann & Amerika, hg. von Jutta Schütt (Städel Museum, Frankfurt am Main), Ostfildern 2011 Ausst.Kat. Hamburg 1927 Europäische Kunst der Gegenwart. Zentenarausstellung des Kunstvereins Hamburg, (Hamburger Kunstverein), Hamburg 1927 Ausst.Kat. Hamburg / Hannover / Frankfurt am Main 1952 Helmut Kolle. Erste Ausstellung in Deutschland (Kunstverein in Hamburg / Kestnergesellschaft Hannover / Städelsches Kunstinstitut, Frankfurt am Main), Hannover 1952 Ausst.Kat. Köln 1984 Max Beckmann, hg. von Siegfried Gohr ( Josef-Haubrich-Kunsthalle, Köln), Köln 1984 Ausst.Kat. Leverkusen / Frankfurt am Main 1982 Max Beckmann: Skulpturen, Aquarelle, Zeichnungen, Mappenwerke, Probedrucke (Erholungshaus Bayer, Leverkusen / Jahrhunderthalle Hoechst, Frankfurt am Main), Leverkusen 1982 Ausst.Kat. Mannheim 1925 Ausstellung „Neue Sachlichkeit“. Deutsche Malerei seit dem Expressionismus. (Städtische Kunsthalle Mannheim), Mannheim 1925 Ausst.Kat. München, Berlin, St. Louis, Los Angeles 1984 Max Beckmann. Retrospektive, hg. von Carla Schulz-Hoffmann (Haus der Kunst, München / Nationalgalerie, Berlin / Saint Louis Art Museum / Los Angeles County Museum of Art), München 1984 Ausst.Kat. München 1994 Helmut Kolle 1899−1931, hg. von Hartwig Garnerus (Städtische Galerie im Lenbachhaus, München), München 1994 Ausst.Kat. New York 1949 – 1950 Sculpture, Beckmann, Masson, Calder, Gris, Marini, Callery, Feininger, Klee, hg. von Curt Valentin (Buchholz Gallery), in: Catalogues 1949 – 1950, New York [um 1950] Ausst.Kat. New York 1951 Sculpture by Painters, hg. von Curt Valentin (Curt Valentin Gallery, New York), New York 1951 Ausst.Kat. New York 1959 The eight sculptures of Max Beckmann (Catherine Vivano Gallery, New York), New York 1959 Ausst.Kat. New York 1981 Max Beckmann. Paintings & Sculpture (Grace Borgenicht Gallery, New York), New York 1981 Ausst.Kat. New York 2002 Max Beckmann – The Eight Sculptures (Richard L. Feigen & Co., New York), New York 2002 Ausst.Kat. Paris 1925 Helmut Kolle (Galerie Pierre), Paris 1925 Ausst.Kat. Paris 1946 Helmut Kolle 1899−1831. Peintures (Galerie de France), Paris 1946

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Ausst.Kat. Paris, München, Brüssel 1968 Max Beckmann, hg. von Günter Busch / Sabine Helms (Musée National d’Art Moderne, Paris / Haus der Kunst, München / Palais des Beaux-Arts, Brüssel), München 1968 Ausst.Kat. Zürich / St. Louis 1998 Max Beckmann and Paris. Matisse, Picasso, Braque, Léger, Rouault, hg. von Tobia Bezzola / Cornelia Homburg (Kunsthaus Zürich / The Saint Louis Art Museum), Köln 1998 Allgemeines Künstlerlexikon 1994 Allgemeines Künstlerlexikon. Die Bildenden Künstler aller Zeiten und Völker, Bd. 8, München / Leipzig 1994 Altshuler 2008 Altshuler, Bruce: Salon to Biennal, Bd. 1, London 2008 Anderson 2006 [1983] Anderson, Benedict: Imagined Communities. Reflection on the Origins and the Spread of Nationalism, London / New York 2006 [1983] Argan 1977 Argan, Giulio Carlo: Die Kunst des 20. Jahrhunderts, 1880 – 1940 (Propyläen Kunstgeschichte, Bd. 12), Berlin 1977 Assmann 1998 Assmann, Aleida: Kanonforschung als Provokation der Literaturwissenschaft, in: Heydebrand, Renate von: Kanon – Macht – Kultur. Theoretische, historische und soziale Aspekte ästhetischer Kanonbildung, Stuttgart / Weimar 1998, S. 47 – 59 Bauer-Friedrich 2010 (a) Bauer-Friedrich, Thomas: „Marionettenhaft im Sinne Kleists“. Zur Rezeption und Aktualität des Œuvres von Helmut Kolle, in: Ausst.Kat. Chemnitz 2010, S. 11 – 18 Bauer-Friedrich 2010 (b) Bauer-Friedrich, Thomas: Von Boxern, Toreros und Spahis – Helmut Kolles Figurenbilder. In: Ausst. Kat. Chemnitz 2010, S. 172 – 179 Bayerische Staatsgemäldesammlungen 2008 Bayerische Staatsgemäldesammlungen (Hg.): Max Beckmann in der Pinakothek der Moderne (Bestandskatalog zur Kunst des 20 .Jahrhunderts 4), Ostfildern 2008 Beckmann 1984 Max Beckmann: Tagebücher 1940 – 1950, hg. von Erhard Göpel, München / Zürich 1984 [1955] Beckmann 1985 Beckmann, Mathilde Q.: Mein Leben mit Max Beckmann, München 1985 Bee 2001 Bee, Andreas (Hg.): Zehn Jahre Museum für Moderne Kunst Frankfurt am Main, Frankfurt am Main 2001 Behm 1985 Behm, Harald: Helmut Kolle (1899 – 1931). Früh vollendet und in Vergessenheit geraten, in: Weltkunst (1985) Heft 21, S. 3298 – 3301 Berthelot 1931 Berthelot, Pierre, Peintres allemands / Galerie Bonjean, in: Beaux-Arts. Chronique des Arts et de la Curiosité 1 (1931), S. 7 Bezzola 1998 Bezzola, Tobia: German Follies. Critical Response to Beckmann’s Exhibition in Paris, in: Ausst.Kat. Zürich, St. Louis 1998, S. 141 – 161 Billeter 2008 Billeter, Felix: Mann im Dunkeln, in: Bayerische Staatsgemäldesammlungen 2008, S. 212 – 219 Billeter 2010 Billeter, Felix: Helmut Kolle und die École de Paris, in: Ausst.Kat. Chemnitz 2010, S. 115 – 123 Bloom 1994

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Uhde 2010 [1938] Uhde, Wilhelm: Von Bismarck bis Picasso, Zürich 2010 [1938] Uhde / Warnod 1926 Uhde, Wilhelm im Interview mit André Warnod: Les peintres allemandes, in: Le Bulletin de la vie artistique 23 (1926), S. 360 – 362 Vaisse 2007 Vaisse, Pierre: Einführung – Einige methodische Betrachtungen, in: Kitschen / Drost 2007, S. 1 – 8 Varenne 1928 Varenne, Gaston: Les beaux-arts. Un groupe d’artistes de la Sécession berlinoise au Salon d’Automne, in: Revue d’Allemagne 3 ( Jan. 1928), S. 281f. Walther 1998 Walther, Ingo F.: Kunst des 20. Jahrhunderts, Köln 1998 Warnod 1925 Warnod, André: Les Berceaux de la jeune peinture, Paris 1925 Whitman 1994 Whitman, Walt: Statt einer Rezeptionsgeschichte, in: Ausst.Kat. München 1994, S. 163 – 169 Wilkens 2010 Wilkens, Manja: Germanen und Romanen – Die Gotik, der Kubismus und Helmut Kolle, in: Ausst.Kat. Chemnitz 2010, S. 221 – 227 Winkler 2002 Winkler, Kurt: Museum und Avantgarde. Ludwig Justis Zeitschrift „Museum der Gegenwart“ und die Musealisierung des Expressionismus, Opladen 2002 Zanardi 2012 Zanardi, Tara: National Heroics: Bullfighters, Machismo and the Cult of Celebrity, in: Journal for EighteenthCentury Studies 35 / 2 (2012), S. 199 – 221

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Impressum Die Publikation entstand anlässlich der Kabinettausstellung „Vergessene Körper: Helmut Kolle und Max Beckmann“ innerhalb der Sammlungspräsentation der Moderne im Städel Museum, kuratiert von Studierenden der Curatorial Studies der Goethe-Universität und der Staatlichen Hochschule für Bildende Künste – Städelschule, geleitet von Stefanie Heraeus, in Kooperation mit dem Städel Museum, Felicity Korn und Felix Krämer. 17. Juli – 21. September 2014 Herausgeberin: Stefanie Heraeus KuratorInnen: Barbara Bauer, Wen Bi, Felix Bröcker, Lukas Engert, Annika Etter, Margaret Field, Océane Gonnet, Christian Guth, Jonas Leihener, Muriel Meyer, Anastasia Remes, Annabel Ruckdeschel, Marina Rüdiger, Louisa Schmitt, Sebastian Schneider, Jan Tappe, Miriam Wilhelm, Anton Zscherpe Hängung: Lukas Engert, Anastasia Remes, Annabel Ruckdeschel, Marina Rüdiger, Miriam Wilhelm Vermittlung: Annika Etter, Lukas Engert, Christian Guth, Sebastian Schneider Presse/Öffentlichkeitsarbeit: Felix Bröcker, Christian Guth, Louisa Schmitt Redaktion: Corinna Gannon, Jonas Leihener, Muriel Meyer Lektorat: Wanda Löwe Übersetzungen: Judith Rosenthal Gestaltung: Surface, Frankfurt am Main/Berlin Satz: Druckwerkstatt, Staatliche Hochschule für Bildende Künste – Städelschule Druck: Imbescheidt, Frankfurt Auflage: 350 Titelbild: Druckwerkstatt, Staatliche Hochschule für Bildende Künste – Städelschule Bildnachweis: © 2015 der abgebildeten Werke von Max Beckmann bei VG Bild-Kunst, Bonn; von Helmut Kolle bei © U. Edelmann – Städel Museum – ARTOTHEK bis auf das „Selbstbildnis mit Palette und Pinsel“: Reproduktion nach einer Vorlage von Philippe von Chabert; Briefwechsel von Swarzenski und Kolle bei Städel Museum, Frankfurt; Installationsansichten Staatliche Hochschule für Bildende Künste – Städelschule Ausstellung und Publikation wurden gefördert aus QSL-Mitteln der Goethe-Universität. Der Studiengang wird unterstützt von:

EINE KULTURINITIATIVE DER AVENTIS FOUNDATION

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek EINE KULTURINITIATIVE DER AVENTIS FOUNDATION

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © Winkel Design GmbH · 06 I 08 checkup

© 2015 transcript Verlag, Bielefeld Die Verwertung der Texte und Bilder ist ohne Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Das gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen. Print-ISBN: 978-3-8376-3281-1

PDF-ISBN: 978-3-8394-3281-5

Curatorial Studies – Theorie – Geschichte – Kritik Goethe-Universität/Staatliche Hochschule für Bildende Künste – Städelschule Senckenberganlage 31, 60325 Frankfurt/Dürerstraße 10, 60596 Frankfurt Staatliche Hochschule für Bildende Künste Städelschule Frankfurt am Main

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arum gehören manche Künstler und Künstlerinnen, oder einzelne ihrer Werke, zum Wissenskanon der Moderne? Warum geraten andere in Vergessenheit oder landen bestenfalls im Depot? Welche Rolle spielen dabei Galerien und Kunsthandel, Kunstkritik und Museen? Die vorliegende Fallstudie, eine Kabinettausstellung im Frankfurter Städel Museum mit Gemälden von Helmut Kolle (1899–1931) und Plastiken von Max Beckmann (1884 –1950), richtet den Blick auf Strategien der Vermarktung, auf nationale Kategorien der Kunstkritik und auf die museale Verortung von Kunstwerken. Dies geschieht am Beispiel zweier Künstler, die eine intensive künstlerische Auseinandersetzung mit Körperlichkeit verbindet und die beide in der Zwischenkriegszeit die Metropole Paris als künstlerischen Bezugspunkt teilten.

VERGESSENE KÖRPER: HELMUT KOLLE UND MAX BECKMANN

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hy do certain artists or artworks belong to the canon of modern art? Why have others sunk into oblivion or, at best, landed in museum storerooms? What role do galleries, art trade, art criticism and museums play in this context? This case study – a cabinet exhibition at Frankfurt’s Städel Museum featuring sculptures by Max Beckmann (1884 –1950) and paintings by Helmut Kolle (1899–1931) – focuses on marketing strategies, national categories of art criticism, and the museological localization of artworks. The investigation is based on the example of two German artists who shared an intense artistic investigation of corporeality and both took the Parisian metropolis of the interwar period as their artistic reference framework.

Staatliche Hochschule für Bildende Künste Städelschule Frankfurt am Main