Verba Prisca: Die Anfänge des Archaisierens in der lateinischen Beredsamkeit und Geschichtsschreibung 9783666251153, 9783525251157

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Verba Prisca: Die Anfänge des Archaisierens in der lateinischen Beredsamkeit und Geschichtsschreibung
 9783666251153, 9783525251157

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HYPOMNEMATA H E F T 25

HYPOMNEMATA UNTERSUCHUNGEN UND

ZU

IHREM

ZUR

ANTIKE

NACHLEBEN

Herausgegeben von Albrecht Dihle / Hartmut Erbse Christian Habicht / Günther Patzig / Bruno Snell

H E F T 25

VANDENHOECK

& R U P R E C H T IN

GÖTTINGEN

WOLFGANG

DIETER

LEBER

VERBA PRISCA Die Anfänge des Archaisierens in der lateinischen Beredsamkeit u n d Geschichtsschreibung

VANDENHOECK & R U P R E C H T IN G Ö T T I N G E N

© Vandenhoeck & R u p r e c h t in G ö t t i n g e n 1970. — P r i n t e d i n G e r m a n y . O h n e ausdrückliche G e n e h m i g u n g des Verlages ist es nicht gestattet, das Buch oder Teile daraus auf foto- oder akustom e c h a n i s c h e m W e g e zu vervielfältigen G e s a m t h e r s t e l l u n g : H u b e r t & Co., G ö t t i n g e n

MEINER

MUTTER

Vorwort

Das vorliegende Buch ist die überarbeitete Fassung meiner Dissertation „Verba prisca. Studien zu den Anfängen des Archaisierens in der römischen Beredsamkeit und Geschichtsschreibung", Köln 1964. Herrn Professor A. Dihle bin ich für die Stellung dieses Themas und für langjährige Förderung sehr dankbar. Den Herausgebern der Hypomnemata danke ich für die Aufnahme meiner Arbeit in die Reihe und dem Kultusministerium des Landes Nordrhein-Westfalen für einen namhaften Druckkostenzuschuß. Mein Dank gilt auch Herrn Professor C. J. Classen für die kritische Lektüre eines Teiles des Manuskripts. Eine Hilfe, die kaum groß genug zu veranschlagen ist, war mir der unermüdliche Beistand meiner Frau; sie hat auch die drei Indices verfaßt. Köln, im April 1970

Wolfgang Dieter Lebek

Inhaltsverzeichnis

Einführung I. Die Theorie in republikanischer Zeit 1. Der Archaismus in der Theorie der Beredsamkeit 2. Der Archaismus in der Theorie der Geschichtsschreibung 3. Der Archaismus in der Theorie der Epistolographie II. Die Redekunst und die Schätzung älterer lateinischer Prosa in republikanischer Zeit 1. Die Beredsamkeit bis Cicero a) Cato, der jüngere Scipio, Laelius b) Cotta tr.pl. 103(?) a.Chr., Sisenna c) Catulus, Cicero d) Stilistisches Archaisieren? 2. Über Lektüre und Studium älteren Prosaschrifttums in der ausgehenden Republik 3. Die attizistischen Nachahmer attischer Beredsamkeit a) Calvus, Demosthenes und die Uneinheitlichkeit der attizistischen Bewegung " b) Archaisieren bei Calvus, Brutus oder anderen Jungattikern? 4. Briefpartner Ciceros, die Redner Sallust und Q. Tubero a) Ser. Sulpicius Rufus b) P. Cornelius Dolabella c) P.Vatinius d) L. Munatius Plancus e) M. Caelius Rufus f) C. Asinius Pollio g) Allgemeines zur Sprache des ciceronischen Briefkorpus h) C. Sallustius Crispus i) Q. Aelius Tubero 5. Thukydidesnachahmung und Sallustnachahmung a) Das Problem b) Die Thucydidii Ciceros c) T. Annius Cimber d) Veranius Flaccus e) M.Antonius 6. Cato Censorius und andere antiqui in Ciceros Brutus 7. Zusammenfassung III

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Die Geschichtsschreibung in republikanischer Zeit

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1. Die vorsallustische Historikersprache: Anschauungen, Methoden, Grundsätze bei ihrer Erforschung

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2. Die Geschichtsschreibung von Cato bis Scaurus a) M. Porcius Cato b) C. Cassius Hemina c) L. Calpurnius Piso d) C. Fannius e) Cn. Gellius f) L. Coelius Antipater g) Sempronius Asellio h) M. Aemilius Scaurus 3. Quadrigarius, Antias, Ps. Quadrigarius a) Q. Claudius Quadrigarius b) Valerius Antias c) Ps. Quadrig. hist. 12 d) Die bisherigen Ergebnisse im Licht der antiken Zeugnisse 4. Sisenna und Licinius Macer a) L. Cornelius Sisenna b) C. Licinius Macer 5. Zusammenfassung

210 210 211 213 214 215 217 223 225 227 227 261 263 264 267 267 287 289

IV. Archaisieren bei Sallust und in augusteischer Zeit 1. Die Geschichtsschriften Sallusts a) Archaismen in den erhaltenen Texten b) Das Urteil der Zeitgenossen c) Die Hauptmerkmale und die Ursachen des sallustischen Archaismengebrauchs 2. Über archaistische Tendenzen in augusteischer Zeit und Verwandtes . . . . 3. Anhang: Die Epistulae ad Caesarem senem

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Abkürzungen und Literatur

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Register (Auswahl) 1. Namen und Sachen 2. Wörter und Grammatik 3. Stellen

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Einführung

Archaistische Neigungen sind in der lateinischen Prosaliteratur schon unter dem beginnenden Prinzipat vorhanden. Das ergibt sich eindeutig aus verschiedenen antiken Zeugnissen und wird von niemandem bezweifelt. Weniger deutlich ist, wann und wie derartige Tendenzen erstmals aufgekommen sind. Das ist das Problem, dem die vorliegende Arbeit gewidmet ist. Dabei werden vor allem die zwei wichtigsten Prosagenera in den Blick gefaßt, die Beredsamkeit und die Geschichtsschreibung. Umfassend ist das Thema noch nie behandelt worden. Die Literaturhinweise können hier in der Einführung knapp gehalten werden. Wichtige Anregungen verdanke ich den Darlegungen meines Lehrers A. Dihle, Rez., der in einer Skizze der von der lateinischen Kunstprosa durchlaufenen Entwicklung insbesondere die Sonderstellung Sallusts hervorhebt. Als Erörterungen jüngeren Datums mögen hier auch die Ausführungen von R. Marache Erwähnung finden. Marache befaßt sich mit den archaistischen Tendenzen in der lateinischen Literatur bis zu den Archaisten des 2. Jh.s und widmet dabei mehrere Seiten ebenfalls der Periode, die in diesem Buch behandelt werden soll 1 . Zu Einzelfragen unseres Themenkomplexes gibt es teilweise eine ziemlich große Anzahl von Äußerungen und Überlegungen, auf die ich bei der Erörterung des jeweiligen Problems hinweisen werde - soweit sie mir bekannt sind; denn zweifellos ist mir bei der Verstreutheit der Literatur manches entgangen 2 . Es muß freilich gesagt werden, daß die Sekundärliteratur oft nur wenig förderlich ist. Das ist nicht zuletzt darin begründet, daß häufig nicht hinreichend präzise Vorstellungen mit Wörtern wie „Archaisieren", „Archaismus" verknüpft werden. Wir werden daher um einige terminologische Präliminarien nicht herumkommen 3 . Nun muß allerdings sofort davor gewarnt werden, den folgenden Ausführungen mit großen Erwartungen zu begegnen. Mit den uns beschäftigenden Termini hängen derart vielfältige verwickelte Probleme zusammen, daß, 1 2

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Zu dem gesamten Werk Maraches vgL vor allem die Besprechung von Cousin, REL 30, 1952, 436 ff. Unerreichbar blieb L. Valmaggi, I precursor! di Frontone, Ivrea 1887; J.F. D'Alton, Roman Literary Theory and Criticism, London 1931 war mir zu spät zugänglich geworden; die Berücksichtigung des Buches hätte aber an den folgenden Darlegungen nichts Wesentliches geändert. Verschiedene Literatur zu dem Problemkreis bei Hofmann-Szantyr 771. Völlig befriedigende Literatur dazu gibt es nicht. Für unsere Zwecke reichen auch nicht die an sich recht guten Ausführungen von Hofmann-Szantyr 768 ff. aus, denen es leider etwas an terminologischer Strenge fehlt. Nicht hinreichend klar Reichenkron 44 ff.

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suchte ich sie alle völlig zu Mären, ich mit meiner Arbeit leicht in die Lage des Tausendfüßlers der Parabel käme, der, nachdem er über die Möglichkeit seiner Fortbewegung so recht nachgedacht hatte, nicht mehr gehen konnte. Ich werde mich deshalb lediglich darum bemühen, für die in diesem Buch vorzulegenden Untersuchungen ein einigermaßen brauchbares begriffliches Instrumentarium zu schaffen. Fragen, die sich darüber hinaus erstrecken, werden nur gelegentlich gestreift werden. Wir wollen zunächst unterscheiden zwischen zwei Bedeutungen des Wortes „Archaimus". Unter „Archaismus" kann einmal eine bestimmte literarische Praxis verstanden sein. So sprechen wir etwa von dem Archaismus Frontos; Anhänger einer derartigen Praxis nennen wir Archaisten. „Archaismus" in diesem Sinne sei in den folgenden Darlegungen durch den Terminus „Archaisieren" ersetzt. „Archaismus" bezeichnet aber auch einen einzelnen, konkreten Ausdruck in einem Textstück. In dieser Bedeutung gebrauchen wir den Begriff, wenn wir ihn z.B. auf prosapia Cie.Tim. 39 anwenden; und in dieser Weise soll das Wort „Archaismus" weiterhin verwendet werden. Die Bezeichnungen „Archaismus" und „Archaisieren" bedürfen noch einiger Erläuterungen. Zunächst zum Archaismus: Damit sei von jetzt an gemeint eine von einem Autor in reflektiertem Rückgriff wiederaufgenommene altertümliche Sprach-, Schreib- oder Stileigentümlichkeit. Ganz überwiegend werden wir uns mit sprachlichen Archaismen zu beschäftigen haben; soweit daher in dieser Arbeit ohne nähere Erläuterung von Archaismen oder Archaisieren die Rede ist, möge man diese Ausdrücke lediglich von rein sprachlichen Dingen verstehen. Den sprachlichen Archaismen sollen hier zunächst ausführlichere Überlegungen gewidmet werden. Der Begriff der Eigentümlichkeit umschließt im Bereich des Sprachlichen die Wörter, die Wortformen und die Syntax. Nach näherer Erklärung verlangt das Attribut „altertümlich". Schlechthin Altertümliches gibt es nicht. In unserem Zusammenhang bedeutet das Wort — oder seine Synonyme - : geschwunden aus der zu Zeiten des betreffenden Schriftstellers gesprochenen Sprache4. Die Tatsache, daß verschiedene Personenkreise — wobei etwa an eine Differenzierung nach sozialen Gruppen, nach Landschaften, nach Altersstufen zu denken wäre - überkommene Idiome mit unterschiedlicher Zähigkeit beibehalten 5 , bleibt dabei, wie man sieht, ganz außer Betracht. 4

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Entsprechend faßt den Terminus Archaismus offenbar bereits Leumann, Dichterspr. 124; jetzt auch Hofmann-Szantyr 768. Zu allem noch Cordier 3 ff.; Sprachwissenschaftliches Wörterbuch, hrsg. von J. Knobloch, Lieferung 2, Heidelberg 1963, 156. Daß neben Stilo einige senes novissimum in der Bedeutung von extremum mieden, nimium novum verbum quod esset, berichtet Varro ling. 6,59. Wie senes sich gegen die Einführung neuen Sprachgutes wehren, so können sie auch zurückweichende

Als veraltet werden wir nur solche sprachlichen Besonderheiten klassifizieren, die dem gesprochenen Latein zu Lebzeiten des sie anwendenden Autors bereits vollständig fehlen 6 . Überflüssig könnte vielleicht in der Definition des Archaismus die Umstandsbestimmung „in reflektiertem Rückgriff scheinen, welche die Altertümlichkeit des Ausdruckes als dem Schriftsteller bewußt und — wenigstens bis zu einem gewissen Grade — von ihm intendiert kennzeichnet. Doch gibt es Fälle, in denen antiquiertes Sprachmaterial von einem Autor mehr zufällig oder gezwungenermaßen gebraucht wird 7 . Es ist ratsam, von vornherein grundsätzlich derartiges Gut von veralteten Ausdrücken, hinter deren Verwendung ein gewisser auf das Altertümliche gerichteter Stilwille steht, zu sondern 8 , obgleich in der Praxis eine reinliche Scheidung nicht immer möglich ist. In der Regel wird selbstverständlich ein antiquiertes Idiom bei einem Schriftsteller bedenkenlos als Archaismus im Sinne unserer Definition angesehen werden können. Aus dem Vorgetragenen ergibt sich, daß ein Archaismus, wie der Terminus in dieser Arbeit verstanden werden soll, keineswegs essentiell etwas mit der Periode des Lateins zu tun hat, die wir die archaische nennen. Zwar werden die Archaismen der behandelten Autoren durchweg solche Ausdrücke sein, die lediglich im Altlatein leben, aber nicht deshalb wird auf sie der Begriff des Archaismus angewendet werden. In mehreren Untersuchungen hat die übliche Kennzeichnung manchen Sprachgutes als archaisch und vulgär beträchtliche Verwirrung gestiftet; es mag so nicht unnütz sein, einiges über das Verhältnis von derartigen Spracheigentümlichkeiten und Archaismen zu bemerken. Als archaisch und vulgär pflegen bekanntermaßen Wörter, Formen, Konstruktionen charakterisiert zu werden, die, im Altlatein

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Sprachgewohnheiten ihrer jüngeren Jahre bewahren. Der alte Varro setzt sich wiederholt (Gell. 12,10,4; rust. 1,2,1; Vgl. auch ling 7,12) für das zu seiner Zeit von aedituus verdrängte aeditumus ein - ut dicere didicimus a patribus - , das er ebenso wie Cicero durchweg zu gebrauchen pflegt. Thes. s.v. Der sprachliche Konservativismus älterer Leute ist eine psychologisch verständliche Erscheinung. Eine so rigorose Abgrenzung befriedigt nicht unbedingt. Etwa dann nicht, wenn ein Autor von dem Weiterleben eines Idioms in seiner Zeit nichts weiß und es als antiquiert verwendet. Zu der Möglichkeit dieses Falles 18 A. 22. Für unsere Darlegungen sind aber derartige Probleme praktisch belanglos. Deshalb braucht nicht diskutiert zu werden, wie sie gelöst werden könnten: Etwa durch eine Modifikation des Begriffes „veraltet". Oder durch den in geeigneter Weise definierten Begriff des Pseudoar chaismus. VgL Quint, inst. 8,3,27: vetera . . . quaedam et necessario interim sumuntur ut ,nuncupare' et ,fari'. Es ist auch denkbar, daß ein Autor mit einem Neologismus unbewußt einen antiquierten Sprachzustand wiederherstellt. Vgl. 25 A. 14. Texte moderner Schriftsteller können das Phänomen verdeutlichen. Vgl. L. Spitzer, Stilstudien II, München 1928, 219 Α. 1. Das Bewußtsein des Autors bringen auch Hofmann-Szantyr 768 bei der Erklärung des Begriffs Archaismus ins Spiel: „bewußtes literarisches Stilisierungsmittel".

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zu belegen, von der puristischen Literatur klassischer und in ihrem Gefolge den Autoren späterer Zeit gänzlich oder wenigstens in sehr starkem Maße gemieden werden, die aber zumindest in bestimmten Schichten der gesprochenen Sprache längere Zeit, z.T. bis in die romanischen Sprachen hinein, lebendig bleiben 9 . Es ist ohne weiteres ersichtlich, daß derartiges Sprachmaterial, solange es nicht aus dem lebenden Latein geschwunden ist, nicht zu den Archaismen irgendeines Schriftstellers gerechnet werden kann. Allerdings ist mit dieser Feststellung noch nicht hinlänglich geklärt, welche Bedeutung archaische und vulgäre Sprachbesonderheiten für unsere Betrachtungen haben; nähere Aufschlüsse erhalten wir, wenn wir die möglichen Gründe ins Auge fassen, die hinter dem Gebrauch solcher Wörter und Wendungen stehen. Es ist denkbar - und das ist die sich zunächst anbietende und gewiß in der Mehrzahl aller Fälle richtige Erklärung —, daß ein Autor den Gebrauch eines derartigen Ausdruckes der gesprochenen Sprache einfach nicht als anstößig empfindet. So wird etwa die Verwendung von circumcirca bei Ser. Sulpicius und dem Verfasser des Bellum Hispaniense10 zu deuten sein. Etwas anders wird man über fabulari Liv.45, 39,15 urteilen 11 : et tu, centurio, miles, de imperatore Paulo quae senatus decrevit potius quam quid Servius Galba fabuletur, audi, fabulari klingt hier wegwerfend — verächtlich, eine Nuance, die offenkundig eben auf dem vulgären Charakter des Verbs beruht. Gerade die vulgäre Tönung, derentwegen Livius sonst ebenso wie andere Schriftsteller fabulari meidet, hat den Historiker dazu bestimmt, sich des Wortes an dieser Stelle zu bedienen; zweifellos aber ist es für Livius völlig belanglos, daß antiqui wie Plautus, Titinius vor ihm dasselbe Verb gebraucht haben. Wir müssen uns also vergegenwärtigen: Für uns, die wir das Latein ausschließlich aus der schriftlichen Überlieferung kennen, ist es freilich ein hervorstechendes Merkmal des archaisch-vulgären Sprachmaterials, daß es sich in der archaischen Literatur findet, nicht aber für den Römer etwa der ausgehenden Re9

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Vgl dazu Löfstedt, Synt. II 320 ff. Die Bezeichnung „vulgär" ist für diese unliterarischen Idiome nicht selten ziemlich unangebracht (vgl. auch Kroll, Sallust 280 A. 3; Schriftspr.21); wenn der eingebürgerte Terminus im folgenden beibehalten wird, möge man ihn cum grano salis verstehen. Im übrigen machen auch antike Äußerungen auf das Phänomen vulgären und archaischen Sprachgutes aufmerksam. Vgl. 203 A.30. An sich ist bei dem Auftauchen eines lange Zeit unbezeugten Idioms in späterer (vermutlich) lebender Sprache auch mit der Möglichkeit zu rechnen, daß der Ausdruck durch die Literatur wiederbelebt wurde. Doch scheint - anders als das Fortleben - eine derartige Neubelebung eines Idioms noch nicht eindeutig nachgewiesen zu sein. Man darf daher im konkreten Falle das onus probandi wohl demjenigen auferlegen, der den letzteren Sprachvorgang annimmt. Vgl. 120. Zu fabulari als einem archaisch-vulgären Wort Thes. s.v.; Löfstedt, Synt.II 324 f., der ebenfalls, freilich in etwas anderem Zusammenhang, die Liviusstelle anführt. Daß der Text nicht ganz sicher ist, ist fur uns ohne Belang. Vgl. im übrigen noch 203 f.

publik. Für ihn sind es zunächst natürlich-unmittelbar aus der lebenden Sprache bekannte Idiome, die er, wofern er sie als Besonderheiten empfindet, niederen Sprachschichten zurechnet und als unliterarisch ansieht. Selten genug wird er sich dagegen bei solchen Ausdrücken daran erinnern, daß sie von älteren Autoren keineswegs verschmäht wurden. Im Hinblick auf die Assoziationen, die derartiges Sprachgut im allgemeinen bei einem Römer weckt, wird das Charakteristikum „archaisch" in der Regel nicht angebracht sein. Indessen ist es, wie angedeutet, auch möglich, daß ein Römer, der mit dem archaischen Schrifttum in besonderer Weise vertraut ist, die Verwendung vulgärer Wörter und Wendungen bei veteres bemerkt 12 . Von hier aus gewinnen wir den Zugang zu einer dritten Gebrauchsweise von archaisch-vulgärem Sprachmaterial: Ein Schriftsteller kann es, in bewußtem Anschluß an den Sprachgebrauch alter, vom Purismus nicht oder geringfügig beeinflußter Literatur verwenden. Insofern der betreffende Ausdruck von antiqui im Gegensatz zu Späteren nicht verschmäht wird, mag er in den Augen dieses Autors in gewisser Weise altertümlich wirken13. Der Terminus „altertümlich" ist hierbei bewußt anstatt des Wortes „archaisch" gewählt. Das letztere Adj. bezeichnet, wofern man es nicht mit „antiquiert" oder dessen Synonymen gleichsetzt14, nicht anders als ,.klassisch" ein bestimmtes, festes Stadium einer historischen Entwicklung: Archaisch werden deren urtümlich-rohe Anfänge genannt, klassisch ihr reif-vollendeter Höhepunkt. Wir haben uns daran gewöhnt, in der lateinischen Literatur- und Sprachgeschichte die vorciceronische Periode als archaisch anzusehen. Selbstverständlich aber kann man sich nicht von vornherein darauf verlassen, daß ein Römer einer bestimmten Zeit so etwas wie eine archaische Entwicklungsstufe des lateinischen 12

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Ein hübsches Beispiel dafür sowie für das unmittelbar davor Ausgeführte bietet die Gell. 19,10 erzählte Anekdote: Ein Freund Frontos verwendet den umgangssprachlichen und in der uns erhaltenen Literatur kaum bezeugten Ausdruck praeterpropter. Von den Archaisten nach der Wendung befragt, meint er: non meum . . . hoc verbum est, sed multorum hominum quos loquentis id audias, und rät, sich an einen in der Nähe sitzenden Grammatiker zu wenden. Dieser vermag ebenfalls keine rechte Antwort zu geben und bezeichnet das Wort als praenimis plebeium. Fronto weist ihn darauf hin, daß der Ausdruck von Cato, Varro und den meisten Älteren gebraucht worden sei, und der gleichfalls anwesende Celsinus bringt einen Enniusbeleg bei. Also: Der Freund des Archaisten und der Grammatiker sehen in praeterpropter nichts als ein Alltagswort. Das ist zweifellos die allgemeine Einstellung gegenüber derartigem Sprachgut auch im 2. Jh. Erst Fronto erinnert daran, daß das Wort bei antiqui erscheint. Angemerkt mag werden, daß bei der zur Rede stehenden Verwendungsmöglichkeit archaisch-vulgärer Idiome die Wirkung auf einen Hörer oder Leser der Intention des Autors nicht unbedingt entsprechen muß. Der Leser, der mit vorpuristischem Schrifttum nicht vertraut ist, mag diese Idiome als bloß vulgär empfinden. Die Identifikation stünde kaum im Einklang mit dem allgemeinen deutschen Sprachgebrauch: Ihr zufolge könnte jeder Autor als archaisch bezeichnet werden. Sie wäre zudem unökonomisch: Wir besäßen dann mehrere Ausdrücke fur „veraltet", aber keinen für das Phänomen, das im folgenden „archaisch" genannt wird.

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Schrifttums und der lateinischen Sprache kennt, und noch weniger darauf, daß er sich unter dem archaischen Stadium dasselbe vorstellt wie wir 15 . Es empfiehlt sich also, in Bezug auf das Bewußtsein der Römer einer Epoche — und das gilt gerade für den in dieser Arbeit behandelten Zeitraum — den Begriff des Archaischen vorsichtig zu handhaben, auch dann, wenn ein Schriftsteller sich „archaisch-vulgärer" Idiome in Anlehnung an älteres Schrifttum bedient. Die Bezeichnung „Archaismus" ist, wofern man sie auf rein Sprachliches bezieht, natürlich auch in derartigen Fällen nicht am Platze. Ganz eindeutig nachweisen lassen wird sich im übrigen ein Sprachgebrauch wie der soeben skizzierte kaum jemals. Fraglos stellt er in der Prosa nicht die Regel, sondern eine Ausnahme dar, die wir mit einigem Recht lediglich in einem Text vermuten dürfen, für den bereits andere Momente eine Rückwendung zu veralteten Sprach- oder Stilmerkmalen annehmen lassen1б. Mit dem Etikett „Archaismus" sind viele Gelehrte schnell bei der Hand; mit welchen Methoden die Altertümlichkeit eines Idioms festzustellen ist, ist aber häufig unklar. Einige grundsätzliche Bemerkungen dazu werden nicht unangebracht sein. Ein antiquierter Ausdruck in einem Prosastück ist etwas Ungewöhnliches. Erwiesen muß somit stets werden, daß ein Wort oder eine Wendung altertümlich ist, nicht, daß sie nicht veraltet ist. Prinzipiell gilt diese Forderung auch, wenn der Verfasser des Stückes bereits als Liebhaber von Archaismen bekannt ist oder das literarische Genos die Verwendung antiquierter Idiome besonders nahelegt 17 , obschon man sich dann auch durch geringfügigere Indizien dazu bestimmen lassen wird, einen Ausdruck als altertümlich einzustufen. Eine notwendige Voraussetzung für ein solches Urteil ist natürlich, daß die betreffende Spracheigentümlichkeit nachweisbar bereits geraume Zeit im Latein vorhanden war, bevor sie an der uns interessierenden Stelle verwendet wird. Daß ein Idiom zu einer bestimmten Zeit aus der lebenden Sprache geschwunden ist, ist nun nicht einfach dadurch erwiesen, daß es einen längeren Zeitraum zuvor nicht mehr in dem Schrifttum erscheint, das als Spiegel des lebenden Lateins 15

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Zu der hier angerührten Problematik etwa E.R. Curtius, Europäische Literatur und lateinisches Mittelalter, Bern/München 1961 3 , 256 ff. wo freilich einiges zu modifizieren wäre. Bei der Verwendung archaisch-vulgärer Idiome kann auch eine Verbindung oder Nuancierung der angeführten Gründe im Spiel sein. Ζ. B. mag das Stilgefühl eines Autors durch intensive Lektüre archaischen Schrifttums abgestumpft sein, so daß er einen derartigen Ausdruck, ohne an bewußte Nachahmung der antiqui zu denken, gebraucht, weil er ihn nicht mehr als Besonderheit empfindet. Noch manches andere wäre zu erwägen. Doch dürften die mit dem Gebrauch archaisch-vulgären Sprachgutes zusammenhängenden Probleme, soweit sie uns angehen, hinreichend geklärt sein. Auch in diesem Falle dürften ja die nicht altertümlichen Idiome die altertümlichen in einem Text weit überwiegen: Die Wahrscheinlichkeit, daß ein beliebiger Ausdruck antiquiert ist, wird also auch hier geringer sein als die, daß er es nicht ist.

gelten kann 1 8 . Die schriftliche Überlieferung würde, selbst vollständig erhalten, die Vielfalt der lebenden Sprache nicht adäquat wiedergeben; noch viel weniger vermögen das die uns vorliegenden Trümmer des Schrifttums 19 . Die Hauptgründe seien kurz angedeutet. Erstens die bewußte Sprachgestaltung: Die Literatur ist, wovon schon die Rede war, in ihrer Ausdrucksweise weitgehend puristisch. Hinzu kommen individuelle Aversionen der Schriftsteller 20 ; das fällt desto mehr ins Gewicht, auf je weniger Autoren wir uns stützen. Zweitens das beschränkte Ausdrucksvermögen eines Autors: Auch dieser Gesichtspunkt gewinnt desto mehr an Bedeutung, je geringer die Anzahl der Schriftsteller ist, auf denen unsere Kenntnisse beruhen. Drittens der Mangel an Gelegenheit, einen bestimmten Ausdruck zu verwenden: Es ist damit zu rechnen — und zwar umso mehr, je weniger Textmenge auf uns gekommen ist —, daß bestimmte Wörter oder Wendungen einfach deshalb nicht in einer bestimmten Zeit nachzuweisen sind, weil in dem Schrifttum der Periode zufällig nicht auf die mit ihnen bezeichneten Sachverhalte eingegangen ist. Der skizzierte Tatbestand hat zwei methodische Konsequenzen. Erstens ist immer zu prüfen, ob die jeweilige Spracheigentümlichkeit nicht in späterem, das gesprochene Latein wiedergebenden Schrifttum oder in romanischen Sprachen wiederauftaucht; ist das der Fall, dann ist sie vermutlich auch nach ihrem Verschwinden aus der uns vorliegenden Literatur in der lebenden Sprache erhalten geblieben. Untersucht man, ob ein Ausdruck zu irgendeiner Zeit veraltet ist, so hat man also nicht nur seine Geschichte davor, sondern auch die danach in Betracht zu ziehen. Zweitens sind nach Möglichkeit die Synonyme des zu behandelnden Idioms in die Erörterung einzuschließen. Je zahlreicher, bei je mehr Autoren, in je verschiedenartigeren Sprachbereichen während und je länger vor dem betreffenden Zeitpunkt sie das Idiom ersetzen, umso sicherer entspricht dessen Fehlen im Schrifttum den Verhältnissen der lebenden Sprache 21 . 18

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Zu diesem Schrifttum zählen vor allem nicht Epos und Tragödie mit ihrer Kunstsprache. Aber auch in anderer Überlieferung ist mit dem Vorkommen rein literarischer Idiome zu rechnen; das gilt in ganz besonders starkem Maße für die Kaiserzeit. Die ganze Problematik kann hier nur angedeutet werden. Wenn man als Philologe nur zu leicht geneigt ist, den Variantenreichtum des lebenden Lateins zu gering einzuschätzen, so hat das auch einen soziologischen Grund: Der Philologe bewegt sich gewöhnlich in Kreisen, deren Sprache stark puristisch ist; die vielfältigen Möglichkeiten seiner Muttersprache - und damit anderer Sprachen kommen ihm nicht lebendig zum Bewußtsein. Das ist gerade im Hinblick auf Cicero der antiken Sprachbeobachtung nicht entgangen: Gell. 10,21,1. Vereinzelt ist die Wichtigkeit der zwei Forderungen bereits früher erkannt worden. Auf die zweite macht F. Degel, Archaistische Bestandteile der Sprache des Tacitus,

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Soweit das Allgemeine; im Einzelfalle sind natürlich vielfach noch besondere Verhältnisse zu berücksichtigen 2 2 . Kurz können wir uns über den Archaismus als rein orthographische Besonderheit fassen. Für ihn gilt alles, was über den sprachlichen Archaismus ausgeführt worden ist, soweit es nicht spezifisch mit sprachlichen Gegebenheiten zusammenhängt. „Altertümlich" bedeutet, wenn wir von orthographischen Archaismen sprechen: völlig geschwunden aus der zu Zeiten des betreffenden Schriftstellers gebrauchten Rechtschreibung. Nun wissen wir von der - z.T. recht uneinheitlichen - Orthographie, die in einer bestimmten Periode republikanischer Zeit verwendet wird, ziemlich wenig; außerdem wird sich in kaum einem Einzelfalle mit Sicherheit behaupten lassen, daß die Überlieferung die Schreibweise des Autors bewahrt hat. Wir befinden uns also hier auf schwankendem Boden; es hat selten Sinn, die Antiquiertheit einer Schreibung zu diskutieren.

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Diss. Erlangen 1907, 6 aufmerksam; auf die erste deutet Heusch 16 hin. Heusch 13 ff. tangiert auch sonst manches der auf den vorangegangenen Seiten behandelten Probleme. Seine Bemerkungen verunklären aber leider oft genug nur den Sachverhalt. Insbesondere ist Heusch weithin der Vieldeutigkeit des Wortes „archaisch" erlegen - all seinen Bemühungen gerade um diesen Begriff zum Trotz. - Im übrigen werden auch bei Erfüllung unserer zwei Postulate nicht selten Zweifel bleiben. Das liegt an der unvollkommenen Schärfe des Begriffs des gesprochenen Lateins, an der problematischen Ansetzung der Synonyme, vor allem aber an dem relativ geringen Umfang der uns zur Verfügung stehenden Daten. Wie sich eine Nachbarwissenschaft, die neuere Romanistik, mit dem Phänomen des Archaismus auseinandersetzt, kann man aus S. Ullmann, Language and Style, Oxford 1964, 167 ff. ersehen. Mit Vorsicht sind die direkten oder indirekten antiken Grammatikerzeugnisse für die Altertümlichkeit eines Idioms zu verwerten. Zwei Punkte verdienen eine kurze Erörterung. Erstens die Bedeutung der Zeugnisse für die Kenntnis der vor diesen liegenden Sprachstadien: „Alt" bedeutet zunächst alt für den schreibenden Autor. Sen. epist. 108,32 gehört schon Cicero zu den antiqui. Dieser letztere Begriff und verwandte Formulierungen meinen natürlich nicht ohne weiteres die von uns archaisch genannte Periode. Leicht kann nun ein Kommentator nur auf seine Gegenwart als Vergleichspunkt blikken, wenn er altertümliches Sprachgut bei einem älteren Autor feststellt. So verhält es sich etwa Serv. Aen. 6, 544: ne saevi. . . antique dictum est; nam nunc ne saevias dicimus. Anders Porph. Hör. carm. 2,6,5. Nach dem Zitat von Verg. Aen. 7, 672 Argiva iuventus wird zu dem horazischen Argeo . . . colono bemerkt: ergo Argeo pro Argivo antique dicitur. Aus der ersten Bemerkung ergibt sich allein wegen des Vergleichspunktes nicht, daß wir es mit einem Archaismus Vergils zu tun haben. Bei der zweiten Bemerkung ist zwar Horaz zeitgenössische Sprache zum Vergleich herangezogen, aber weder in genügendem Umfang noch in beweiskräftiger Auswahl. An sich könnte auch der vergilische Ausdruck anomal sein; überdies brauchte Argeus, falls unüblich, deshalb nicht antiquiert zu sein. Zweitens die Bedeutung der Zeugnisse für die Kenntnis der zeitgenössischen Sprache: Paul. Fest. p. 71 demagis pro minus (? ) dicebant antiqui. demagis ist nie ausgestorben; vgl. Löfstedt 15; Meyer-Lübke 2546. Anders, aber mit unzulänglicher Begründung A. Stefenelli, Die Volkssprache im Werk des Petron usw., Wien 1962, 18 f. Char, gramm. p. 229,20 ff. B. (ex Cominiano) haec (audiebam et nutriebam) vctercs sine

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Recht problematisch ist der Begriff des Archaismus als einer altertümlichen Stileigentümlichkeit. Schwierigkeiten bereitet schon die in der Definition implizierte Verschiedenheit von Sprache und Stil; daß es sich empfiehlt, beides auseinanderzuhalten, wird wohl jeder empfinden, schwer ist es jedoch, wirklich einwandfrei eine scharfe Grenze zu ziehen. Auf eine Diskussion der damit zusammenhängenden verwickelten Fragen können wir uns hier nicht einlassen 2 3 . Für unsere Zwecke dürfte folgende Bestimmung ausreichen: Stil ist Sprache, insoweit sie bewußt gestaltet ist. V o n einer veralteten Stileigentümlichkeit werden wir dann sprechen, wenn ein Ausdrucksphänomen in der Sprache, insofern sie bewußt geformt ist, nicht mehr üblich ist, dJi. in der lateinischen Kunstprosa überhaupt oder wenigstens dem betreffenden Genos der lateinischen Prosa. Hatten wir die archaisch-vulgären Idiome, die ein Autor in bewußtem Anschluß an ältere Literatur aufgreift, nicht als sprachliche Archaismen einstufen wollen: zu den stilistischen Archaismen werden wir sie rechnen dürfen. Bei den archaisch-vulgären Ausdrücken ist in der uns erhaltenen Kunstprosa nicht selten über lange Zeit ein gänzliches Schwinden zu beobachten. Sonst aber dürfte es schwerlich stilistische Besonderheiten in älterem Schrifttum geben, die späterer literarischer Prosasprache gänzlich abe littera pronuntiabant audibam et nutribam dicentes; weitere ähnliche Grammatikerzeugnisse bei Neue-Wagener III 316 f., wozu noch Serv. Aen. 6, 468. Die den veteres zugeschriebene Bildung ist dem lebenden Latein nie abhanden gekommen; vgl. etwa Sommer 522; Heusch 111 f.; Tränkle 33 f. Diom. gramm. I 383, 20 f. grunnit porcus dicimus, veteres grundire dicebant. grundire ist im Romanischen erhalten; Meyer-Lübke 3893. Prise, gramm II 541, 15 campso . . . solebant vetustissimi dicere, danach Zitat von Enn. ann, 328. Das Verb ist nie ausgestorben; vgl. Löfstedt, Per. 109f.; Thes. s.v.; Meyer-Lübke 1562. Die Philologen kümmern sich im allgemeinen nicht um die niedrigeren Schichten der lebenden Sprache; aufschlußreich auch Gell. 19,10,8 f. Vielfach werden diese Männer, die in ihren Büchern leben und sich in räumlich und sozial begrenzten Bevölkerungsschichten bewegen, überhaupt nur mit begrenzten Ausschnitten des gesprochenen Lateins ihrer Zeit veitraut sein. Selbstverständlich sind zeitgenössische Aussagen über die Antiquiertheit von Ausdrücken stets sorgfältig zu berücksichtigen; aber diese Aussagen sind eben nicht durchweg eine alles entscheidende Instanz.

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Wenn die Latinität eines Idioms bezweifelt oder bestritten wird, so folgt daraus natürlich nicht die zeitgenössische Ungebräuchlichkeit des Idioms. So wird Numitor. antibuc. 2 das Adj. cuius als unlateinisch gekennzeichnet; im selben Gedanken wird es dem sermo rusticus zugesprochen, und ausgestorben ist es nie; Hofmann-Szantyr 179. Gell. 8,2 quae (verba) ex medio communique usu Latine loquentium minime Latina sint neque in veterum libris reperiantur. Aufschlußreiche Antithese Gell 16,7,13: (Laberius) eodem quidem quo vulgus, sed probe Latineque usus est Graeco vocabulo. Gell. 9,13,4. Verwiesen sei in diesem Zusammenhang noch auf Char, gramm. p. 271,10 ff B. (ex Romano): Hadrian wirft die Frage auf, ob obiter lateinisch sei; das Zeugnis des Augustus befriedigt ihn nicht recht, da dieser id adverbium ex usu potius quam lectione protulerit. Serv. Aen. 3, 466 z e m a s . . . vulgare est, non Latinum. Dazu W. Kayser, Das sprachliche Kunstwerk, Bern/München I960 6 , 271 ff.; HofmannSzantyr 685 ff. 19

gehen. Ein auf dieser letzteren Vorstellung gründender Begriff des stilistischen Archaismus wäre praktisch kaum brauchbar. Daher in der Definition die weitere Formulierung „nicht mehr üblich". Insoweit es sich bei den stilistischen Archaismen nicht um völlig geschwundene, sondern lediglich um nicht mehr gebräuchliche Eigentümlichkeiten handelt, vermögen wir selbstverständlich den einzelnen Archaismus erst dann zu erkennen, wenn er im Verein mit einer relativ großen Anzahl gleichartiger anderer erscheint. Nun zum Archaisieren: Darunter sei verstanden die prinzipielle Verwendung von Archaismen dergestalt, daß diese nach der Intention des Autors einen oder den charakteristischen Zug in der Ausdrucksweise des jeweiligen Textes darstellen M . „Archaisieren" — gelegentliches Synonym dafür ist „Altertümeln" - bedeutet in dieser Arbeit also nicht einfach Verwendung von Archaismen. Über die Intention des Schriftstellers kann man natürlich manchmal verschiedener Ansicht sein. Auf der anderen Seite gibt es aber Kriterien, die das Urteil darüber dem Bereich rein subjektiven Ermessens entziehen. Der erste Grundsatz, der für die Feststellung sprachlicher Archaismen aufgestellt wurde — und der natürlich ebenfalls für die sonstigen Arten von Archaismen gilt —, ist auch hier analog anzuwenden: Wofern das Archaisieren eines Schriftstellers nicht zweifelsfrei durch die Stilgesetze des Genos erfordert oder wenigstens nahegelegt sein sollte, stellt eine solche Praxis in dem uns beschäftigenden Zeitraum fraglos die Ausnahme dar; sie ist also eigens nachzuweisen. Beschränken wir uns hier auf das sprachliche Archaisieren, um das es uns in erster Linie gehen wird. Die antike Stiltheorie handelt von Archaismen praktisch ausschließlich in Bezug auf den delectus verborum; daß sich ein Altertümeln vor allem in der Wortwahl äußert, ist ohnehin die natürlichste Annahme. Wenn die Ansicht, ein Schriftsteller archaisiere, nicht hauptsächlich mit Wortarchaismen gestützt werden kann, liegt der Verdacht nahe, daß die sprachlich-stilistischen Neigungen des Autors falsch beurteilt werden. Es ist nun bei der Betrachtung der Archaismen, also in erster Linie der antiquierten Wörter, nicht lediglich auf ihre absolute Häufigkeit zu achten. Wichtig ist auch, in welchem Verhältnis die Möglichkeit ihrer Verwendung zu ihrem tatsächlichen Vorkommen steht, dJi. in der Praxis, wie sich die Frequenz der Archaismen zu der ihrer Synonyme verhält. Zu berücksichtigen ist ferner die Art der Verteilung der Archaismen. Schließ24

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Vielleicht sollte wenigstens anmerkungsweise auf ein wesentliches Merkmal hingewiesen werden, das dem stilistischen Archaisieren nach den Implikationen des bisher Ausgeführten eignet: Der Archaisierende sieht sich als Archaisierenden vor der Folie der lateinischen Kunstprosa. Wenn also ζ. B. ein Zeitgenosse Cioeros im Lateinischen Lysias nachahmt, ohne an die bisherige Entwicklung der lateinischen Kunstprosa zu denken, so kann seine Praxis auf keinen Fall als stilistisches Archaisieren gelten. Das ist, wie gesagt, eine Konsequenz des im Vorigen entwickelten Begriffssystems. Doch wäre, auch von diesem ganz abgesehen, ein so weiter Begriff des stilistischen Archaisierens, daß er auf den Lysianer des Beispiels angewendet werden könnte, wenig sinnvoll.

lieh ist auch in Betracht zu ziehen, ob die Stellen, an denen jeweils die Archaismen begegnen, zur Anwendung von solchen Stilmitteln besonders einladen oder nicht; mit diesem letzten Aspekt kommt freilich wieder mehr das persönliche Empfinden des Interpreten ins Spiel. Je häufiger sich nun Archaismen in einem Text finden, je vollständiger sie ihre Synonyme ersetzen, je gleichmäßiger sie sich über den Text verteilen, je öfter sie an Stellen erscheinen, die wenig oder nicht zum Gebrauch antiquierter Idiome herausfordern, mit desto mehr Recht werden wir die Praxis des Schriftstellers als Archaisieren bezeichnen können. Neben der Überprüfung der Texte des Autors kommt eine besondere Bedeutung den Stilurteilen zu, die Zeitgenossen über ihn fällen; die Bedeutung dieser Stilurteile wächst natürlich, je geringer die uns erhaltene Textmenge ist. Selbstverständlich sind weder in jedem Falle alle die genannten Gesichtspunkte von Bedeutung noch alle möglichen Aspekte angeführt; wie für die Feststellung des Archaismus können sich auch für die des Archaisierens aus dem speziellen Gegenstand manche individuellen Aspekte ergeben. Wie schon angedeutet, ist das sprachliche Altertümeln nur ein möglicher Modus einer archaistischen Praxis. Wie es verschiedene Arten von Archaismus gibt, so gibt es verschiedene Arten des Archaisierens; ein Autor, der in einer Hinsicht archaisiert, braucht es nicht in jeder zu tun. Ein Beispiel: Wenn Redner der ausgehenden Republik sich im Anschluß an ältere römische Prosaiker der Klauseltechnik ganz verschlössen, so dürften wir das als eine Art stilistischen Archaisierens bezeichnen; daß diese Redner auch sprachlich archaisieren, wäre damit nicht impliziert. Das skizzierte Beispiel lehrt noch etwas anderes: Die entwickelten Kategorien reichen für ein präzises Erfassen der individuellen Verhältnisse nicht aus; der Terminus „stilistisches Archaisieren" wäre für die angenommene Praxis zu weit. Entsprechendes gilt auch für den Begriff des Archaismus. Cicero verwendet Marcell.23 das Subst. suboles, ein Redner des 2. nachchr. Jh.s. das Wort bovinator (Gell. 11, 7,7 ff.). Beide Autoren gebrauchen einen Archaismus; aber man spürt, daß dem Ausdruck zwei recht verschiedene Phänomene subsumiert werden. Was in dieser Einleitung geleistet wurde, ist: Das Feld, innerhalb dessen man sich zweckmäßigerweise bewegt, wenn man sich der Ausdrücke „Archaisieren" und „Archaismus" bedient, ist abgesteckt. Begnügen darf man sich, wenn die Überlieferungslage nicht geradezu dazu zwingt, mit diesen Etikettierungen nicht 2 5 . 25

Daß freilich mit der Unterscheidung zwischen direkten und indirekten Archaismen viel gewonnen ist, auf die Hofmann-Szantyr 769 Gewicht legen (vgl. schon Kroll, Studien 254 ff.), darf bezweifelt werden. Unter direkten Archaismen sind Idiome verstanden, die ein Autor als in seiner Zeit veraltet aus einer älteren Quelle schöpft, für die sie noch nicht antiquiert sind (?); indirekte Archaismen sind Idiome, die ein Autor als in seiner Zeit veraltet übernimmt von einem Autor, der seinerseits diese bereits als Archaismen verwendet hatte. Zunächst einmal ist die Distinktion offenbar nicht auf die Fälle anwendbar, in denen ein Schriftsteller einen ihm vertrauten altertümlichen

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Zum Schluß noch zwei Bemerkungen zu den Daten, die die folgenden Darlegungen bringen: Die Auskunft, die über das V o r k o m m e n oder Fehlen bestimmter Sprachphänomene erteilt wird, basiert, wofern nicht besondere Quellen angegeben sind, auf den bekannten Indices und Lexika zu den betreffenden Autoren, auf dem unveröffentlichten Thesaurusmaterial und auf eigener Lektüre. Die Frequenz der Wortvorkommen ist für die meisten Texte durch Auszählen ermittelt worden, für Sallusts Catilina und Iugurtha durch Berechnung; die über diese zwei Werke gemachten Angaben sind damit weniger genau als die übrigen. Ausdruck gebraucht, ohne über dessen Provenienz Rechenschaft ablegen zu können. Aber auch dann, wenn er seinen Archaismus einem bestimmten älteren Autor entlehnt, ist die Differenzierung wohl nur selten erhellend. Wenn etwa Vergil sich im Gebrauch des Gen. Sg. der l.Dekl. auf -ai an Ennius anschließt, übernimmt er eine fur ihn selbst altertümlich-feierliche Form; ob sie für Ennius seinerseits schon antiquiert war, hat ihn kaum interessiert. Die Unterscheidung direkter-indirekter Archaismus, die wir, die einzelnen Entwicklungsstadien der Sprache von außen überblickend, treffen können, dürfte auch in vielen anderen Fällen von dem in der Sprache lebenden Autor nicht vollzogen werden und so für die Deutung seiner Archaismen im allgemeinen irrelevant sein. Am ehesten sinnvoll wäre der Terminus „indirekter Archaismus" als Spezies des oben umrissenen Begriffes: Dann, wenn ein Autor Α dem älteren Autor В einen Archaismus desselben entlehnt, den dieser seinerseits von einem älteren Autor С übernommen hat, und Α intendiert, sich mit dem Gebrauch des Idioms an С anzuschließen. Von einem „direkten Archaismus" wäre dabei in allen sonstigen Fällen zu sprechen, in denen ein Schriftsteller seinen Archaismus einem älteren Autor entnimmt. Aber bei der zu vermutenden Seltenheit der so verstandenen indirekten Archaismen wäre der Nutzen dieser Terminologie gering.

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I. Die Theorie in republikanischer Zeit 1. Der Archaismus in der Theorie der Beredsamkeit Die Rhetorik befaßt sich mit Archaismen praktisch ausschließlich innerhalb der Lehre vom delectus verborum. Allein Wortarchaismen sind es, mit denen wir es bei der Behandlung der Theorie zu tun haben werden. Nachweisbar ist eine rhetorische Doktrin, die sich auf die Archaismen richtet, erst bei dem Auetor ad Herennium und Cicero; beide Schriftsteller richten dabei ihren Blick primär auf die gerichtliche Beredsamkeit. In der Rhetorica kommt als einzige Stelle 4,10,15 in Betracht: gravis oratio saepe inperitis videtur ea, quae target . . . , cum aut novis aut priscis verbis aut duriter aliunde translatis aut gravioribus, quam res postulat, aliquid dicitar, hoc modo: nam qui perduellionibus venditat patriam, non satis subplicii dederit, si praeeeps in Neptunias depultus erit lacunas, poenite igitur istum, qui montis belli fabricatus est, campos sustulit pacis. Die Worte über die nova aut prisca verba klingen so, als sei in der echten gravis flgura jeder Neologismus und jeder Archaismus zu vermeiden. Das wäre indessen eine ganz isoliert dastehende Theorie 1 . Dem Autor wird ein übermäßiger Gebrauch derartiger Idiome vorschweben. Man hat nun in der Tat in den zwei Sätzen des Stilbeispiels nicht wenige Archaismen feststellen zu können geglaubt 2 . subplicii (H: suplicii b: supplicii rell.): supplex, supplicare, supplicium wird sonst in der Rhetorica ad Herennium von sämtlichen Hss. einheitlich geboten, häufig mit Haplographie des p. Daß Η die ursprüngliche Schreibweise bewahrt, ist ungewiß 3 . Sollte es der Fall sein, so ist doch ganz zweifelhaft, daß diese Orthographie für den Verfasser der Rhetorica veraltet war 4 . 1 2 3

4

Vgl. 26 ff. passim. - Über die Stellung, die die frühere griechische Rhetorik zum Archaismus einnimmt, gedenke ich an anderer Stelle zu handeln. Marouzeau, RPh 45,1927,157 f.; Traiti 194; im Anschluß an Marouzeau Caplan in seiner Ausgabe der Rhetorica bei Loeb, London 1954 z. St. und Leeman, Ratio 30. Die Caesaiüberlieferung ζ. B. bietet, von der Haplographie des ρ abgesehen, überall einheitlich supplex, supplicare, supplicium. Gall. 1,27,2 hat jedoch der Paris. 5763 subpliciter; die gleiche Schreibweise auch Paul. Fest. p. 122. Mit unmotivierten Zufällen der Tradition muß gerechnet werden. Das Problem, wie die in der Aussprache assimilierten Konsonanten solcher Vorsilben geschrieben werden sollten, war bereits in der Zeit des Lucilius aktuell (Lucil. 374 ff.) und zur Zeit Quintilians immer noch nicht entschieden (Quint, inst. 1,7,7 f.). Die sonstigen antiken Äußerungen zu dem Thema sammelt C. Heuer, De praeeeptis Romanorum euphonicis, Diss. Jena 1909, 29 ff. Vgl. im übrigen noch Niedermann 189; Sommer 260 ff.

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depultus (Id: depulsus rell.): Die ursprüngliche to-Bildung des Part. 5 wird Thes. V 1,563,46 f. nur für diese Stelle nachgewiesen; auch sonst lassen sich anscheinend von pellere und den Komposita entsprechende Formen nicht mehr belegen. Wenn depultus an der vorliegenden Stelle richtig ist 6 , dann handelt es sich wohl um einen Archaismus des Autors. Zwar findet sich depulsus vorher nur Pacuv. trag. 192, dann Rhet. Her. 4,32,43. Aber daneben stehen etwa: impulsus Ter. Andr. 99 und sonst bei Terenz; Lex agr. (CIL I 2 585) 26; pulsus Enn. ann. 385; Titin. com. 182; Acc. trag. 365; Rhet. Her. 4,48,61; 4,54,68; repulsior Cato or. frg. 44. pultare, das noch bei Terenz — etwa Haut. 275 - erscheint, ist in der Rhetorica ganz von pulsare verdrängt. poenite (Orelli: p(a)enitet trad.): Trifft die Konjektur, wie wahrscheinlich, das Richtige, so stellt sie einen der ältesten Belege für poenire (punire) wieder her. Das Verb, das in der Rhetorica sonst nicht mehr vorkommt, erscheint vorher nur Met. Num. or .frg. 58,6,7 Male, im Jahre 107 in der Form punire, dann in Ciceros De inventione ab 1,18. poenite mit oe statt mit u soll in der Rhetorica nun einen Archaismus darstellen 7 . In der Tat erscheint Rhet.Her. 4,29,39; 4,39,51 impunite bzw. impunitum. Aber poenire ist öfter auch in Reden Ciceros anzuerkennen 8 . Offenbar hat sich poenire, durch den gewiß stets empfundenen semantischen Zusammenhang mit poena gestützt, neben punire noch längere Zeit im 1. vorchr.Jh. gehalten 9 . montis (HP В : montes ЕС): Der alte Akk. der i-Stämme, der noch bei Cicero, einigemal auch bei Caesar, bezeugt ist 1 0 , wird erst in der Kaiserzeit eindeutig durch den Akk. der konsonantischen Stämme verdrängt 11 . In der Rhetorica findet sich freilich sonst anscheinend nur der Akk. auf -es 1 2 ; als Beweis dafür, daß -is zur Entstehungszeit der Schrift antiquiert ist, wird man diese möglicherweise zufallige Tatsache nicht werten dürfen. fabricates est: Bei diesem Verb ist, wenn die Belege nicht in die Irre führen, das Dep. das Ältere, die aktivische Bildung das Jüngere. Einen Archaismus des Verfassers in dem Dep. zu vermuten, ist aber gewiß nicht richtig, fabricare ist in passivischer Verwendung zuerst Varro frg. Non. p.83,18 und Sali, hist.frg.2,70,2; 4,59 bezeugt, aktiv findet sich das Verb erst Hör. sat. 1,3,102. Das Dep. ist zudem noch längere Zeit danach nicht unüblich gewesen. Thes. VI 1,18 ff. Schließlich begegnet das Verb noch an anderer Stelle in der Rhetorica deponentisch 5 6 7

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Sommer 6 0 8 ; Stolz-Leumann 340. Dagegen Kroll, Philologus 89, 1934, 78. Der Lautwandel von oe zu monophthongischem u fällt im allgemeinen bereits in plautinische Zeit. Vgl. zu der Frage Sommer 7 6 f . ; Niedermann 7 0 ; Stolz-Leumann 7 8 ; Palmer 217. Z . B . Mil. 19; Balb. 19. VgL auch Klotz PhW 40, 1920, 605. Mit den Formen moerorum und coerari, auf die Marouzeau als Parallelen zu poenire hinweist - ähnlich Br6guet 128 - , steht es anders. Material bei Neue-Wagener I 3 8 3 f . ; vgl. auch Börner, Emerita 21, 1 9 5 3 , 1 8 2 f f . Stolz-Leumann 2 7 8 ; Palmer 2 4 8 . So Rhet. Her. 4 , 6 , 9 fontes (2 mal); 4 , 3 9 , 5 1 dentes.

gebraucht (3,19,32). Überhaupt sollte man bei Besonderheiten der Genera verbi mit der Annahme eines Archaismus vorsichtig sein; es ist mit manchen Schwankungen in der lebenden Sprache zu rechnen 13 . Auch ist gelegentlich die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, daß ein Autor, der bewußt neuernd, das zu seiner Zeit übliche Genus verschmäht, zufällig die Spracheigentümlichkeit einer älteren Epoche restauriert14. In unserem Falle brauchen freilich entsprechende Erwägungen nicht angestellt zu werden. Als Archaismus wird man in dem Stilbeispiel, mit dem die Parekbasis der gravis figura veranschaulicht wird, nur depultus deuten 1S, also nur die antiquierte Partizipialbildung eines an sich geläufigen Verbs. Das für den Passus charakteristische Kakozelon besteht in den verba duriter aliunde translata. Anscheinend ist der Verfasser des Paradigmas nicht der Auffassung, daß bei derartigen stilistischen Entgleisungen die Neigung, sich besonders häufig veralteten Vokabulars zu bedienen oder ganz entlegene Archaismen zu affektieren, eine große Gefahr darstelle. Mit der Möglichkeit, zur Erhöhung des Pathos altertümliche Wörter zu verwenden, ist er jedoch vertraut. Wichtiger als die Bemerkungen in der Rhetorica sind für uns die Äußerungen Ciceros. Er legt Crassus de orat. 3,153 folgende Worte in den Mund: inusitata sunt prisca fere ac vetustate ab usu cotidiani sermonis iam diu intermissa, quae sunt poetarum licentiae liberiora quam nostrae; sed tarnen raro habet etiam in oratione poeticum aliquod verbum dignitatem. Maßstab dafür, ob ein Wort veraltet ist oder nicht, ist demnach in Ciceros Augen die gesprochene Sprache; entsprechend ist de orat. 3,39 von Wörtern die Rede, 13 14

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Zu Genusschwankungen allgemein Hofmann-Szantyr 292 f. Manches auch in meinen folgenden Darlegungen passim. Q u i n t inst. 9,3,6 f. werden Vertauschungen der genera verbi unter einer bestimmten Art von σχήματα λεξεως aufgeführt, die loquendi rationem novat (9,3,2). Quintilian rechtfertigt einen derartigen Wechsel hier anscheinend mit der consuetudo, vielleicht auch einer ratio. Einem Autor kann freilich bei dem Gebrauch eines unüblichen Genus gleichfalls eine alte auctoritas oder überhaupt die vetustas vorschweben. Vgl. Quint.inst. 9,3,3; dazu Gell. 15,13; 18,12. Im letzteren Falle wäre, vorausgesetzt, daß die betreffende Bildung tatsächlich aus der gesprochenen Sprache der Zeit geschwunden ist, unser Begriff des Archaismus auf das Phänomen applizierbar; er ist es nicht, solange fur den Autor der Umstand, daß er faktisch einen antiquierten Sprachgebrauch repristiniert, belanglos ist. Vielleicht möchte man noch perduellionibus „den Landesfeinden" aufgrund von Paul. Fest. p. 102 hinzunehmen: qui nunc hostis, perduellio (apud antiquos dicebatur). Doch kann perduellionibus auch gut „in Hochverratshandlungen" heißen. Möglicherweise empfindet der Autor den PI. des juristischen Abstraktums als verbum novum, das man in dem Paradigma gern ebenfalls vertreten sähe. Dann tauchten die einzelnen Wortarten in den Beispielsätzen in derselben Reihenfolge auf, in der sie in der vorausgeschickten Charakteristik erwähnt werden. Indessen könnte auch depultus - freilich weniger naheliegend - als Neologismus gemeint sein. Vgl. dazu 13 A. 7. - Was die orthographischen Besonderheiten angeht, die manche Codd. gerade an dieser Stelle bieten: Willkür der Schreiber die das tumidum auch graphisch ausdrücken wollten?

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quibus iam consuetudo nostra non utitur 16 . Dieser Maßstab ist ganz selbstverständlich, und Cicero hätte sich zweifellos für diese Erklärung nicht auf irgendwelche Vorlagen zu stützen brauchen. Doch könnte ihm die consuetudo als Bezugspunkt bereits aus griechischen Quellen geläufig gewesen sein 17 . Den heiklen Begriff der consuetudo 18 sucht er nicht näher zu präzisieren. Im Anschluß an den bereits zitierten Satz de orat. 3,153 führt Cicero-Crassus einige Beispiele für antiquiertes Vokabular an, das in der Rede gebraucht werden kann: neque enim illud fugerim dicere, ut Laelius: ,qua tempestate Poenus in Italiam venit', nec ,prolem' aut .subolem' aut ,effari' aut ,nuncupare' aut ut tu soles, Catule, ,ηοη rebar' aut ,opinabar'19. Es wird nützlich sein, diese verba prisca näher zu betrachten 20 .

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Etwas anderes als mit den verba prisca Ciceros ist mit den antiqua verba Varros ling. 5,9 gemeint. Da heißt es: n o n . . . videbatur consentaneum qua(e)re(re> me in eo verbo quod finxisset Ennius causam, neglegere quod ante rex Latinus finxisset, cum poeticis multis verbis magis delecter quam utar, antiquis magis utar quam delecter. an non potius mea verba ilia quae hereditate a Romulo rege venerunt quam quae a poeta Livio relicta? verba antiqua sind hier die verba ab antiquis ficta ebenso wie verba poetica die verba a poetis ficta. Insofern die Wörter von uralten Namengebern wie dem rex Latinus oder Romulus gebildet sind, sind sie antiqua. Das bedeutet nicht, daß sie von der consuetudo der Gegenwart nicht mehr gebraucht würden; im Gegenteil sind sie, wie die ύ,ντιμεταβολή zeigt, im allgemeinen noch durchaus üblich. Über den Begriff der alten Wörter in Varros De lingua Latina weiteres bei Schröter in den Entretiens 86 ff. Ganz ähnlich zu verstehen sind die alten Wörter bei Plato Lg. 816 b 1.

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Ausdrücklich ist von der συνήθεια bei Galen Gloss. Hippocr. vol. 19,66 Kühn die Rede, wenn die τ λ ώ τ τ α definiert wird: παλαιών еатιν ονομα τής'.ουννθείας έκπβπτωκο'ς. Ähnliche Formulierungen auch sonst in dieser galenischen Vorrede. Im selben Sinne schon Theon Rhet. Gr. II 81,18 f. Sp.: Αρχαία (όινματα) τά πάλαι μεν συνήθη, νυν δε έκλελοιπότα. Vgl. dazu - bei allerdings anderem Zusammenhang - Quint, inst. 1,6,43 ff. Einige Punkte der Textgestaltung erfordern eine nähere Diskussion. Der Freundlichkeit von Prof. K. Kumaniecki verdanke ich es, wenn ich dabei den kritischen Apparat der zu erwartenden Teubnerausgabe von De oratore verwenden kann; die Apparate der bisherigen Editionen sind ja durchaus unzulänglich. Die in der Teubneriana zugrundegelegten Hss. sind: A 2 (= zweite Hand im Abrincensis 238), Η (= Harleianus 2736), О (= Ottobonianus 2057), Ρ (= Palatinus Vaticanus 1469), R (=Palatinus Vaticanus 1470), U (= Cornell-University В 2 ) , V (= Vaticanus 2901). A 2 H = M; OPRUV = L. Nun die einzelnen Punkte: Laelius ML: Coelius Cratander alii. Das überlieferte Laelius läßt sich ausgezeichnet halten. Das denke ich demnächst ausführlicher darzulegen. - effari MU: fari OPRV. effari scheint besser überliefert, ohne natürlich mit Sicherheit als richtig gelten zu können, fari ist nicht mit Quint, inst. 8,3,27 (zitiert 13 A. 7) zu stützen. Da geht es um antiquierte Wörter, deren Gebrauch der Redner nicht ausweichen kann; bei Cicero offenbar um Wörter, die der Redner stilisierend wählt: Zwei ganz verschiedene Dinge. - nuncupari ML: nuncupare Schütz. Das Pass.

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- an ein Dep. nuncupari dürfte kaum zu denken sein — scheint nicht sinnvoll. Die Verschreibung von -re zu -ri ist gerade nach effari gut erklärbar. Man wird die leichte Änderung wagen dürfen. - rebar M: verebar L. rebar zweifellos richtig. Zum Gebrauch des angeführten Vokabulars bei Cicero bereits Laurand 92 ff.

qua tempestate: Festus p. 363 bezeugt: tempestatem pro tempore frequenter antiqui dicebant. Die Belege für diesen Sprachgebrauch bis Livius: Lex XII tab. 1,9 (Gell. 17,2,10) sol occasus suprema tempestas esto. Plaut. Most. 18 cis . . . paucas tempestates. True. 380 tempestas . . . fuit, cum eqs. Deeret. Paulli (CIL I 2 614)5 ea tempestate. Enn. frg.var. 109 ea tempestate 21 . Pacuv. trag. 319 quam . . . post multis . . . tempestatibus. Trag. inc. 80 qua tempestate (Paris uxorem duxit) . . . , ego tum gravida . . . , per idem tempus eqs. Prol.Plaut. Cas. 18 ea tempestate. Cato or.frg. 45 hac tempestate. Lael.or.frg. Cie. de orat. 3,153 qua tempestate. Lucil.570 tempestate sua atque eodem uno tempore . . . eandem ad quartam (horam febris remittit). 731 qua tempestate. Cie. div. 1,75 eadem . . . tempestate 22 . Catull.64,73 illa tempestate. 66,11 qua . . . tempestate. Sali. Catil.7,1 ea tempestate, und öfter bei Sallust. Prop. 4,9,1 qua tempestate. Ov. met. 1,183 illa tempestate. Liv. 1,5,2, und öfter bei Livius. Eine gewisse Sonderstellung nimmt Cie. carm.frg. 26 ein: tertia . . . tempestas, Übersetzung von Ilias 9,363 ηματι .. . τριτάτω; die Bedeutung „Tag" ist für das Subst. vielleicht auch Plaut. Most. 18 anzunehmen 23 . Im Sinne von Sturm, Unwetter erscheint tempestas bereits Elog. Scip.(CIL I 2 9)6, dann 16mal bei Plautus, so Amph. 690, gelegentlich bildlich. „Witterung", „Wetter" ist das Subst. Enn.ann. 457; 527 м , wohl auch Cato agr. 2,3 und sonst an den 5 Belegstellen der Schrift. „Sturm" Ter. Нес. 423. Lucil.38; 626, an der letzten Stelle übertragen, tempus erscheint bei Plautus über 50mal, über 30mal bei Terenz. Wichtiger für uns als die Frage, zu welchem Zeitpunkt das Subst. in der vorausgesetzten Bedeutung dem gesprochenen Latein abhanden gekommen sein mag 25 , ist die Beobachtung, daß es in der Dichtersprache des 1. vorchr. Jh.s noch eine gewisse Rolle spielt, ohne freilich ein eigentlich poetisches Wort zu sein 26 . Ein Spezi21

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Das Fragment aus dem Euhemerus. Die Bruchstücke aus diesem Werk werden im folgenden, soweit die Zitierweise des Laktanz es erlaubt, als ganz ennianisch behandelt. Über die damit verbundene Problematik orientiert etwa E. Bolisani, Ennio minore, Padova 1935, 114ff. Vgl. letzthin Ed. Fraenkel, Eranos 49, 1951, 5 0 f f . Nicht hierhin gehört trotz Breguet 125 Cie. rep. 2,11 ita munita arx circuitu arduo . . . (nititur), ut etiam in illa tempestate horribili Gallici adventus i n c o l u m i s . . . permanserit. Metaphorischer Gebrauch von tempestas „Sturm", wie auch sonst mehrfach bei Qcero, ζ. B. Mur. 4. Sulla 40. dom. 108; vgl. schon Lucil. 626. Natürlich hat die Metapher - etwa „stürmische Zeit" - mit der für Cicero antiquierten Bedeutung von tempestas eine gewisse Verwandtschaft, aber man muß die beiden Verwendungen des Wortes auseinanderhalten. So Skutsch, Glotta 2, 1910, 377. Enn. ann. 527 t o n u i t . . . tempestate Serena (danach Varro Men. 103); die Verbindung tempestate Serena in diesem Zusammenhang möglicherweise Terminus technicus des Kultes. Vgl. Suet. Tit. 10,1 - oder hier Enniusnachklang? Zu serenus O. Hiltbrunner, Latina Graeca, Bern 1958, 117. Vermutlich hat schon Laelius das Wort als zumindest selteneres und damit gehobenes Idiom verwendet. Vgl. noch Fraenkel 194; Heusch 153. Bei Catull, Properz (dazu Tränkle 40 f.), Ovid soll es wohl besonders feierlich wirken; diese Färbung mag qua tempestate gegenüber quo tempore für antike Leser auch wegen der größeren Anzahl und Länge der Silben haben. Vgl. Dion. Hal. op. rhet. I 210, 9 ff.

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fikum der vorsallustischen Historikersprache ist es vermutlich nicht g e w e s e n 2 1 . Cie. div. 1,75 wird die Wahl des antiquierten Subst. durch Streben nach Variation des Ausdrucks veranlaßt sein 2 8 . proles 2 9 : Bis Livius an folgenden Stellen: Trag. inc. 121. Cie. Arat.frg. 20,1. rep. 2 , 4 0 in einer etymologischen Erklärung von proletarius. 6 , 2 3 an feierlicherhabener Stelle des Somnium Scipionis. leg. 3,7 in der altertümlich gestalteten Sprache der Gesetze. Bei Lukrez 9mal ab 1,259. Sali. or. Lep. 3 praeclara Brutorum . . . proles, geniti ad ea, quae maiores virtute peperere, subvortunda; ironisch, vielleicht erstrebte Alliteration. Bei Vergil etwa 30mal ab georg. 2,3 sonst n o c h etwa 70mal in der augusteischen Dichtung, davon über 50mal bei Ovid. Liv. 1,8,5; 1,9,1; 1,23,1; 4 , 6 , 2 . Möglicherweise in die Republik gehört Carm. inc. Char, gramm. p. 10,25 В.; der Titel der Rede D e prole augenUs.-Rad.; Menander Rhet.Gr. III 339, 15 ff. Sp. - Heusch 51 ff. erkennt in „tempus mehr die „leere", „reine" Zeit im physikalischen Sinn", in „tempestas mehr die psychisch erlebte oder inhaltlich bestimmte Zeitqualität" (51). Auf dieser Differenzierung aufbauend deutet er CatulL 64,73 illa tempestate als „die allgemeine Situation", 66,11 qua tempestate als den wichtigen „Anlaß der Begebenheit". Dazu ist zweierlei zu sagen. Erstens: Allerdings eignet tempestas gegenüber tempus ein Moment des Qualitativen, aber nur insofern es das „(Un-)wetter" bedeutet. Vgl. dazu auch noch Benveniste, in: Melanges Ernout, Paris 1940, 11 ff. Daß es schlechthin ursprünglich mehr die erlebte Zeit bezeichnet - also etwa die große, glückliche, schreckliche Zeit indiziert nichts. Der 27 A. 22 kurz besprochene metaphorische Sprachgebrauch steht natürlich auf einem anderen Blatt. Was Heusch an Belegen fur seine Auffassung beibringt, ist nicht beweiskräftig. Trag. inc. 80 und Lucil. 570 ist die rein zeitliche Deutung von tempestas völlig befriedigend; an der letzten Stelle: Zu dem ihm eigenen, natürlichen Zeitpunkt läßt das Fieber nach. Ein affektisches Element findet Heusch an sich mit Recht Pacuv. trag. 319 in der Wendung multis . . . tempestatibus; aber dieser Zug ist offenbar durch die pluralische Verwendung des Subst. bedingt. Vgl. 243. Daß Lael. or. frg. Cie. de orat. 3, 153 nach dem Empfinden des Laelius eine bedeutsame Zeit meint, ist wahrscheinlich. Die Bevorzugung dieses Ausdrucks versteht sich als Wahl des der lebenden Sprache zumindest weniger vertrauten, feierlicheren Idioms und beweist nichts für eine semantische Differenzierung im Sinne Heuschs. Zweitens: Gesetzt, die diskutierte Unterscheidung träfe an sich zu, so könnte sie doch Catulls Sprachgebrauch gar nicht erklären. Für den Dichter ist tempestas lebendig nur als „(Un-)wetter". Nichts würde zu der Annahme berechtigen, er habe in dem toten tempestas „Zeit" noch die ursprüngliche Nuancierung der Bedeutung empfunden.

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Offenkundig bedient sich Catull des Wortes als eines feierlichen verbum priscum; hinzukommen mag, was eingangs dieser A. angedeutet wurde. Durch ein Zusammenspiel ' dieser Momente haben die beiden Catullverse freilich ungefähr den Klang, den Heusch aus ihnen heraushört, nur hat das eben nichts mit der ursprünglichen Bedeutung zu tun, die Heusch für tempestas postuliert. Anders Fraenkel 194; doch s. bei mir 307. Beobachtung von Laurand 92; 95 f.; Heusch 53; vgl. dazu bei mir 30; 31; 295. Nichts spricht dafür, daß dieses und die später genannten verba prisca ebenfalls auf Laelius zurückgehen. Man hat sie, unter Akzeptierung von Coelius, gelegentlich auf Antipater zurückgeführt, so Skard, Ennius 48; Kuntz 96.

da Met. Mac. or.frg. 18,5 Male, könnte von Metellus Macedonicus stammen. Das Subst. ist jedenfalls schon in ciceronischer Zeit ausgesprochenes Eigentum der Dichtersprache. Der poetische Charakter des Wortes wird noch deutlicher durch einen Vergleich mit suboles. suboles: Bis Livius an folgenden Stellen: Plaut. Pseud. 892 im Senar. Varro Men. 375 ex subolibus parvuli . . . demittebantur sex cincinni: „Haarsprossen" u.ä., vergleichbar Apul. met. 2,9. rust. 2,1,24 suboles (gregis). Cie. carm. frg. 32,1 B. Titanum suboles, socia nostri sanguinis, Alliteration. Marcell. 23 revocanda fides, comprimendae libidines, propaganda suboles; beschwörende Worte, suboles ist in Verbindung mit propagare möglicherweise weniger auffällig 30 . Phil. 2,54 magnam partem senatus, omnem subolem iuventutis unoque verbo rem publicam expulsam atque exterminatam suis sedibus; pathetisch, erstrebte Alliteration? off. 1,54 propagatio et suboles origo est rerum publicarum; suboles nach propagatio erleichtert oder Selbstreminiszenz? leg. 3,7 in der altertümelnden Sprache der Gesetze. Lucr. 4,1232. Pollio Cie. fam. 10, 33,1 robur et suboles militum interiit. Bei Vergil 5mal, in der Aeneis nur 4,328. Ciris 398 nach Verg. ecl. 4,49. Hör. carm. 3,13,8; 4,3,14; carm. saec. 17; proles paßte an diesen Stellen metrisch nicht. Prop. 4,1 b, 77. Ov. met. 1,251. Bei Livius 6mal ab 6,7,1. Das Subst. ist also in ciceronischer Zeit der Dichtung nicht fremd, aber entschieden weniger poetisch als proles. Das letztere gilt noch deutlicher für die augusteische Zeit; bezeichnend die Entwicklung Vergils31. Dementsprechend ist der Gebrauch von suboles nicht auf Stellen stark poetisch-altertümlicher Färbung beschränkt. Im Gegensatz zu proles meidet Cicero dieses Wort nicht in seinen Reden; aufschlußreich auch die Entwicklung des Livius32. Der besondere Sprachgebrauch Varro Men. 375 führt uns zu einem weiteren Aspekt. Mehrfach bei Columella findet sich ab 4,24,4 (2mal); 4,29,10, viel später noch Pallad. 3,25,1; 10,14,1; 12,7,14 suboles im Sinne „Baumtrieb", „Schoß" u.ä. Vor allem die Palladiusbelege weisen auf lebendige Verwendung des Wortes in dieser Bedeutung hin, besonders wohl im ländlichen Latein. Bei Varro handelt es sich anscheinend um eine übertragene Verwendung des bäuerlichen Ausdrucks; vielleicht gilt dasselbe auch für Pollio, der sich dann gar nicht eines antiquierten Idioms bediente: Kernholz und Schoß. Jedenfalls war das Subst. der lebenden Sprache ciceronischer Zeit wohl nur in der Bedeutung „Nachkommenschaft" u.ä. abhanden gekommen. effari 33 : Für das Wort liegt der Artikel im Thes. vor; es wird hauptsächlich der Dichter- und Auguralsprache zugewiesen. Wir können uns auf wenige Be30 31 32 33

Vgl. die später zitierte Stelle Cie. off. 1,54; subolem propagare Val. Max. 5,4 pr. Colum. 3,9,5; 3,10,17; 9,3,4. Öas ist wohl doch nicht einfach auf Cicero zurückzuführen. Verstechnische Gründe geben dabei nicht den Ausschlag. Dazu paßt ebenfalls in späterer Zeit Suetons Sprachgebrauch, der ab Suet. Aug. 46 4 mal suboles, nie proles verwendet. Suet. Aug. 89,6 ist natürlich auszuklammern. Kurz zur Variante fari. Das Wort gehört auch in ciceronischer Zeit der Dichtersprache

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merkungen beschränken. Der Dichtersprache gehört das Verb seit Enn.ann. 47 an; an den Sprachgebrauch des Ennius knüpft Vergil an ab georg. 4,450. Wenn effari außer Lucr. 5,104 in der Dichtung ciceronischer Zeit fehlt, so liegt das vermutlich daran, daß wir praktisch keine epischen Texte aus dieser Periode haben. Im Epos, wo Reden häufig vorkommen, konnte das Verb erst reichlich gebraucht werden; die zahlreichen Belege bei Vergil finden sich mit Ausnahme der zitierten Stelle nur in der Aeneis. Als Terminus der Auguralsprache wird effari Varro ling. 6,53 gekennzeichnet. Cicero verwendet das Verb in seiner Rede dom. 141 als Bezeichnung für das Aussprechen von Kultformeln: (non) verbum ullum solemne potuit effari. rep. 5,1 gewissermaßen als Kultterminus: ille (Ennius) versum . . . tamquam ex oraculo . . . esse effatus videtur; in ähnlichem Zusammenhang in der Gesetzessprache leg. 2,20, noch näher steht div. 1,81 ex oraclo ecfatam esse Pythiam.leg. 2,21in der Gesetzessprache in einer der von Varro erwähnten Wendungen: agros templa liberata et effata habento (augures); ganz ähnlich Att. 13,42,3. ac. 2,95; 2,97 ecfatum oder effari als Übersetzung von αξίωμα oder άξιούν. nuncupare: Bis Livius an folgenden Stellen: Lex XII tab. 6,1 (Cie. de orat. 1,245. F e s t p . 171) uti lingua nuneupassit. Pacuv. trag. 141; 239. Trag. inc. 1. Varro Men. 213 in einem jambischen Senar, für die Benennung eines Gottes, ling. 6,60 in etymologischen Erklärungen: ab eo (novo) nuncupare quod tunc civitate vota nova suseipiuntur. nuncupare nominare valere apparet in legibus, ubi .nuneupatae pecuniae' sunt scriptae. 7,8 in der Wiedergabe eines alten Weihgebets: quoad . . . lingua nuncupavero.Cic.Verr.il 5,34; Phil. 3,11; 5,24 vota nuncupare. rep. 2,14 bei der Behandlung der römischen Vorzeit. 6,16 im Somnium Scipionis bei der Bezeichnung eines kosmischen Phänomens, des orbis lacteus. nat. deor. 1,38; 2,60; 2,65; 2,71 überall im Zusammenhang mit Göttern und ihren Namen; an den zwei vorletzten zitierten Stellen und rep. 2,14 kann auch Streben nach Ausdrucksvariation im Spiel sein 34 . Caes.civ. 1,6,6 votis nuneupatis. Sali, hist.frg. 3,70, vermutlich auch wegen der sprachlichen Abwechslung. Ov. met. 14,608; fast. 1,246 für die Benennung eines Gottes und nach einem Gotte. Bei Livius öfter ab 1,3,2 meistenteils in der Verbindung vota nuncupare. Jedenfalls in dieser Wendung ist nuncupare in ciceronischer Zeit und später noch durchaus geläufig; dazu auch Santra gramm.frg. 384,1 Fun. Denkbar, daß das Verb ebenfalls noch in der Gesetzes- vielleicht auch der Kultsprache der ausgehenden Republik heimisch war35. In der Dichtersprache ciceronischer Zeit hat das Wort offenbar eine ganz untergeordnete Rolle gespielt; metrische Gründe können, wenigstens

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an. Cicero verwendet es — in einem wohl redensartlichen Ausdruck - einmal in einer Rede, Quinct. 71: (postulatio) ne fando quidem audita; so auch nat. deor. 1,82; sonst noch Tim. 40 d e u s . . . fatur. Zu allem Thes. s.v.; Tränkle 44. Laurand 95 f.; ähnliche Variation auch viel später Macr. Sat. 1,9,6. An nuncupare in bestimmten Kult- oder Rechtsformeln denkt wohl auch Quintilian inst. 8,3,27 (zitiert 13 A. 7).

was die hexametrische Dichtung angeht, dabei mitwirken. NachOvid taucht das Verb in Dichtung erst wieder Mart. 9,13,1 auf. non rebar: reri36 schwindet in der Zeit von Plautus bis Cicero aus dem gesprochenen Latein 37 ,scheint sich in Dichtung aber darüber hinaus gehalten zu haben; bemerkenswert ist hier in ciceronischer Zeit das 19malige Vorkommen des Verbs bei Lukrez, freilich nur in präsentischen Formen 38 . Die Belege für das Verb bei republikanischen Prosaikern: Varro ling.5,184 sumus rati; rust.3,11,4; 3,16,32 sum ratus, immer in der angegebenen Wortfolge, der an allen drei Stellen der Inf. pertinere vorausgeht.Cic.Tusc. 1,94 reor. off.2,32 remur.2,43; top.78 rentur. de orat.3,82 im Munde des Catulus; div.2,5; 2,35; Att. 14,6,1 rebar. Att. 14,8,1 rebare. ac. 1,26; Att.7,3,10 rebatur. ac. 1,39, wohl wegen der Variation 39 ; nat. deor. 3,15 rebantur. Tim. 10,18 ratus est. Tusc.3,11 rati sunt. Der Gebrauch des Verbs unterliegt bei Varro und Cicero verschiedenartigen Beschränkungen. Bei Varro erscheint es nur in einer bestimmten Junktur und lediglich als Perf. Cicero meidet das Verb in Reden ganz. In Briefen verwendet er es nur in der Korrespondenz mit Atticus 40 , und hier einmal 50 a.Chr. (Att. 7,3,10), die beiden anderen Male 44 a.Chr. In philosophisdien und rhetorischen Schriften Ciceros begegnet reri erst ab 45 a.Chr., ausgenommen den Catulus charakterisierenden Gebrauch des Verbs de orat.3,82 41 . Cicero und möglicherweise auch Varro gestatten sich mit der Verwendung des Wortes eine sprachliche Extravaganz, jedenfalls Cicero erst im Alter. Als stark antiquiert wird er das Verb, das er verhältnismäßig oft verwendet, nicht empfunden haben 42 . opinabar: Die zahlreichen Belege der republikanischen Literatur für opinari hier vorzulegen, ist weder notwendig noch möglich. Für uns genügt die Feststellung, daß das Verb in einer Reihe von Formen für Ciceros Zeit durchaus lebender Sprach36

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Der Inf. ist hier nur aus praktischen Gründen gesetzt; jedenfalls in den von Yon berücksichtigten Texten ist er nicht belegt. Yon 1 A . l . Das Part. Perf. in passiver Bedeutung bleibt außer Betracht; es hat eine eigene Geschichte. Yon 13; 59 ff. Yon 23 ff.; dazu Kroll, Glotta 24, 1936,105; Heusch 79. Die folgenden Angaben im wesentlichen nach Yon 14 ff. passim; hier auch weitere Einzelheiten. Vielleicht haben Perf. und Part. Perf. in aktiver Bedeutung aber doch ein zäheres Leben gehabt. Außer an den gleich zu nennenden Stellen tauchen derartige Formen im 1. vorchr. Jh. noch bei Nepos auf, so Ale. 4,4; Dion.5,4; Them. 7,4. Das sieht nicht nach Antiquiertheit dieser Formen axis - oder sollte Nepos in diesem Punkt unter Sallusts Emfluß stehen? VgL auch Yon 24; Axelson 64. Daß das Verb in den Enniusfragmenten fehlt, kann Zufall sein. VgL Norden zu Verg. Aen. 6,690. Hinweis von Yon 51. Daß man sich in familiärer Unterhaltung leichter antiquierte Ausdrücke gestatten kann, zeigt Cie. leg. 2,18: quoniam et locus et sermo familiaris est, legum leges voce proponam. Anscheinend hat es sich um eine nicht nur Cicero bekannte Eigenart der Sprache des Catulus gehandelt; Cicero setzt voraus, daß die Leser seine Charakterisierungsabsicht erkennen. Noch Quintilian beurteilt inst. 8,3,26 reor als tolerabile. Er selbst verwendet das Verb inst. 2,16,9. Zu all dem noch Heusch 80, wenig forderlich.

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gebrauch gewesen sein muß. Das gflt zunächst für opinor, das Uber 200mal bei Cicero nachzuweisen ist, auch in Reden 43 . Es gilt aber ebenfalls für andere Bildungen; beschränken wir uns auf die Belege in Reden 44 . Cic.Mur.61; 63.Arch.8; dom. 105; Caes. or.frg. 121,42 Male, opinari. Cic.Mur. 62; Pis.45 opinatur. Cael. 4 opinemur. Wenn Cicero-Crassus freilich opinabar zu den antiquierten Idiomen rechnet, so stimmt dazu die Bezeugung der Form: Nach Plaut.Persa 257 erst wieder Quint.inst. praef. 1. Spezifisch dichterisch war das Verb nach unseren Kenntnissen nie45. Es ist recht verschiedenartiges antiquiertes Sprachgut, das nach Cicero-Crassus für die oratio geeignet ist. Gemeinsam aber ist all den genannten verba prisca, daß sie in irgendeiner Weise wohl jedem Römer vertraut sind, sei es daß es sich bei ihnen um die nicht mehr gebrauchte Form oder Bedeutung eines sonst in manchem der lebenden Sprache angehörigen Wortes handelt, sei es, daß dieses Vokabular in der Sondersprache des Kultus und des Rechtes oder der der Dichtung bewahrt wird. Die Dichtung ist dabei von ganz besonderer Bedeutung. Cicero-Crassus bemerkt de orat. 3,153, veraltete Wörter seien der poetarum licentia eher erlaubt als den Rednern 46 ; gleich darauf spricht er von dem priscum verbum als einem poeticum verbum. Er unterscheidet also nicht scharf zwischen veraltetem und dichterischem Wortmaterial47 und denkt bei jenem vor allem an in der Dichtung gebrauchte Ausdrücke. Außer opinabar 48 finden wir in der Tat alle von ihm angeführten altertümlichen Wörter mehr oder weniger oft in der Dichtung ciceronischer Zeit verwendet; jedenfalls proles ist für diese Periode ein entschieden poetisches Wort. Das für den Redner geeignete antiquierte Vokabular, das Cicero vorschwebt, 43 44

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Nach Yon 53; hier auch 52 f. weitere allerdings nicht immer zuverlässige Angaben über die Verbreitung des Verbs. Häufig in den Philosophica, gelegentlich auch in Reden dient das Verb als technischer Ausdruck fur das von den Stoikern verworfene Wahrscheinlichkeitsurteil. Laurand 97; vgl. auch Yon 54. So schon Yon 54; Axelson 64. Wenn antiquiertes Vokabular gerade der Dichtung zugewiesen wird, so kann diese Lehre durchaus unmittelbar von der Praxis römischer Dichtung abgelesen sein. Daneben kommt aber auch Anregung durch eine entsprechende griechische Theorie in Betracht, deren Existenz, wie anderenorts dargelegt werden soll, mancherlei Spuren vermuten lassen. Über das Verhältnis der Dichtersprache augusteischer und späterer Zeit zu antiquierten Sprachelementen vor allem Axelson 24 ff., dessen Bemerkungen freilich nicht in jedem Falle auch für das Empfinden Cioeros und seiner Altersgenossen Geltung haben müssen. opinabar wird Cicero-Crassus wohl nur deshalb erwähnen, weil der hier apostrophierte Dialogpartner Catulus für das Wort eine Schwäche hat. Denn der Nebensatz ut tu soles ist am besten sowohl auf non rebar als auf opinabar zu beziehen. So auch Münzer RE XIII (1927) 2081; Cousin 416 A.5.

hat also noch eine gewisse Beziehung zur Gegenwart 4 9 . Dementsprechend soll nach der Äußerung des Crassus de orat. 3 , 1 7 0 das vetustum verbum, in welchem unter anderen er die singulorum verborum virtus atque laus verwirklicht findet, eines sein, quod tarnen consuetudo ferre possit. Der Gedanke fügt sich in Ciceros Auffassung, daß in der Beredsamkeit das Vitium vel maximum sei, a vulgari genere orationis atque a consuetudine communis sensus abhorrere 50 . Sehen wir, was Cicero sonst über die mögliche Wirkung und den Gebrauch von verba prisca in der Rede lehrt. Zunächst zur Wirkung: Cicero rechnet die antiquierten Wörter, wie bereits bemerkt, zu dem in den verba singula bestehenden ornatus elocutionis. dignitas schreibt Crassus de orat. 3,153 dem dichterischen Wort in der oratio zu; kurz darauf bemerkt er, derartige verba prisca pflegten, an der rechten Stelle gebraucht, die Rede grandior atque antiquior erscheinen zu lassen 5 1 . Der Effekt des Archaismus, wie Cicero ihn an dieser Stelle versteht, läßt sich demnach mit Ausdrücken wie Großartigkeit, Altehrwürdigkeit umschreiben. Das ist nicht weit von der σεμρότης entfernt, die den altertümlichen Ausdrücken auch in griechischen Rhetoriktraktaten zugesprochen gewesen sein k ö n n t e s 2 . 49

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orat. 80 werden die inusitata ac prisca zu den propria gerechnet nisi quod raro utimur. Man könnte meinen, daß Cicero mit der Bemerkung über den seltenen Gebrauch derartiger Wörter auf ihr Fortleben in gewissen Sondersprachen hindeutet; doch wird er eher an die seltene Verwendung der prisca als ornamenta orationis denken - wenn er nicht deshalb von ihrem seltenen, anstatt des gänzlich abhandenen Gebrauchs spricht, um einen krassen Widerspruch zu vermeiden; er hatte ja kurz zuvor den Ausdruck propria usitataque verwendet. de orat. 1,12, zustimmend zitiert Quint, inst. 8 pr. 25. Vergleichbar sind etwa Demetrios (? ) de el. 91; Cie. orat. 30. So ist die Bemerkung zu verstehen, mit der Crassus Cie. de orat. 3,153 die Beispielreihe angemessener verba prisca beschließt: aut alia multa, quibus loco positis grandior atque antiquior oratio saepe videri solet. saepe solet heißt kaum etwas anderes als solet; zu dem Typ der pleonastischen Ausdrucksweise Hofmann-Szantyr 797. quibus loco positis hat kondizionalen Sinn: quibus, si loco posita sunt. Mit saepe . . . solet ist also nichts Uber die Häufigkeit der verba prisca in der Rede gesagt. Auch das multa ist nicht in diesem Sinne auszulegen. Es meint lediglich die Vielfalt der zu Gebote stehenden brauchbaren antiquierten Wörter, ist übrigens wohl auch nicht ganz streng zu nehmen. Über die Sparsamkeit, mit der verba prisca verwendet werden sollen, vgl. 35. Die beste mir bekannte griechische Parallele zu der Cicerostelle ist die allerdings viel spätere Äußerung, die Prokopios von Gaza epist. 116 an den Sophisten Hieronymos richtet: πόθεν ήμιν ... σεμνός είναι δοκεΐς, ei π ρήμα φθέ-γξαίο των 'Αττικών κτλ. (übernommen aus Norden, Κρ. 368). Dion. Hal. op. rhet. I 409, 16 ff. Us.-Rad. und Menander Rhet. Gr. III 339, 14 ff. Sp. geht es weder ausschließlich um antiquiertes Vokabular noch allein um die σεμνότης. Aber die Verbindung von Altertümlichem und σεμνόν ist öfter nachzuweisen. Schon Aischines Tim. 183 ό be Σόλων ... yeypaspev ίρχαίως και σεμνώς κτλ. (spezifisch an den delectus verborum ist hier kaum gedacht). Vgl. auch Ps. Demosthenes 59,78; Aristeides rhet. 6,10 Schmid. Altertümliche Synthesis heißt mehrfach σεμνή bei Dionys; P. Geigenmüller, Quaestiones Dionysianae de vocabulis artis criticae, Diss. Leipzig 1908, 57; 73; dazu Longinos (?) Rhet. Gr. I 306, 18 ff. Sp. 33

Auf einen etwas anderen Aspekt der Wirkung, die ein Archaismus haben kann, werden wir durch Worte Ciceros leg. 2,18 hingewiesen. Er bemerkt, bevor er die einzelnen Gesetze formuliert, zu seinem Bruder: sunt certa legum verba, Quinte, neque ita prisca ut in veteribus XII sacratisque legibus et tarnen, quo plus auctoritatis habeant, paulo antiquiora quam hic sermo est. eum morem igitur cum brevitate si potuero consequar. auctoritas ist bekanntlich ein eigentümlich römischer Begriff, kaum in eine andere Sprache zu übertragen und auch im Griechischen ohne eigentliches Pendant: die Fähigkeit, die Entscheidungen anderer, die sich diesem Einfluß freiwillig unterordnen, maßgebend zu bestimmen S3. Diese Eigenschaft verleiht nicht zuletzt das Alter. Den maiores in ihrer verpflichtenden und richtunggebenden Beispielhaftigkeit, an der sich Cicero und seine Zeitgenossen orientieren, ist sie in höchstem Maße zu eigen 54 . Von einer derartigen herrscherlichen Kraft verspürt Cicero etwas am altertümlichen Wort. Mit dem Empfinden, das verbum priscum sei Träger einer gewissen auctoritas, tritt eine spezifisch römische Einstellung gegenüber solchem Vokabular hervor; sie steht zwar mit dem Gefühlsbereich der σεμνότης in einer gewissen Verbindung, ist aber doch nicht mit ihm identisch. Es verdient Beachtung, daß Cicero in der rhetorischen Schrift, in der er ex professo über die Wirkung des Archaismus handelt, den Begriff der auctoritas nicht verwendet. Das ist vielleicht mehr als ein Zufall. Cicero mag hier noch zu sehr im Denken der griechischen Techne befangen sein, als daß er einem eigentümlich römischen Empfinden sprachlichen Ausdruck zu verleihen vermöchte. Gewiß nicht zufällig ist es jedenfalls, daß ihm gerade bei der Formulierung seiner leges die verba prisca eignende auctoritas zum Bewußtsein kommt: Er tritt in die Tradition römischer Gesetzes- und Amtssprache 55 , deren altertümliche Elemente nicht einfach lediglich das Ergebnis eines bürokratischen Konservativismus sind, sondern etwas von der gebieterischen Kraft der Bestimmungen auch im Sprachlichen verkörpern. Ebensowenig wie von auctoritas spricht Cicero bei der technisch-systematischen Behandlung der verba prisca von ihren möglichen negativen Eigenschaften. Daß ihm aber solche Eigenschaften nicht unbekannt sind, lassen zwei Stellen im Brutus erkennen. Brut. 68 legt Cicero den Attizisten, denen er die Nachahmung der Reden des alten Cato empfiehlt, folgenden Einwand gegen seinen Vorschlag in den Mund: antiquior est huius sermo et quaedam horridiora verba. Cicero repliziert entschuldigend: ita enim tum loquebantur. Daß der Anstoß, den die Jungattiker an den nunmehr antiquierten Idiomen Catos nehmen, un53

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Zu auctoritas die berühmte Untersuchung Heinzes, Hermes 60, 1925, 3 4 8 f f . ; auch etwa Ernst Meyer, Rom. Staat und Staatsgedanke, Stuttgart 1964 3 , 260 ff.; K.-H. Lütcke „Auctoritas" bei Augustin, Stuttgart 1968. Dazu Kroll, Kultur 44; Vogt 4 f f . ; H. Roloff, Maiores bei Cicero, Diss. Göttingen 1938, besonders 5 7 f f . ; Meyer а. O. 269, wo auch weitere Literatur. Man denke etwa daran, wie sich das gewiß schon für Ennius antiquierte ollus in der Gesetzessprache hält. Einzelheiten demnächst Thes. s.v.

ter dem Aspekt der gegenwärtigen Sprachgestaltung berechtigt ist, wird implizit anerkannt; daher die Aufforderung: id muta, quod tum ille non potuit. Auch für Ciceros Empfinden ist offenbar manches von dem antiquior . . . sermo Catos horridius. Und wenn Laelius als Redner Brut. 83 multo . . . vetustior et horridior . . . quam Scipio genannt wird, so wird das nicht zuletzt mit den verba paulo magis prisca zusammenhängen, für die er nach Cicero eine Vorliebe hat. horridum, das Garstige, Struppige, als stilkritischer Terminus der Gegensatz zum nitidum, laetum 5 6 - so kann also gleichfalls die Vorstellung gekennzeichnet werden, die altertümliche Wörter in Cicero wachrufen. Der Begriff des horridum wird auch sonst öfter Antiquiertem appliziert 57 . Allgemein hat das seine Ursache in dem Bewußtsein einer immer stärkeren Kultivierung des römischen Lebens; das ist ein Moment, das der soeben hervorgehobenen Vorstellung von der Musterhaftigkeit der Altvorderen entgegenwirkt. Spezifisch im Bezirk der Sprache ist als Ursache dafür wirksam die durch den Purismus verstärkte Sensibilität des sprachlichen Empfindens 58 . Daß altertümliche Wörter der Erklärung bedürftig sein können, deutet Cicero Balb. 36 an: quasi vero priscum aliquod aut insolitum verbum interpretaretur. In den rhetorischen Schriften läßt er freilich die mögliche Unverständlichkeit der verba prisca unerwähnt. Nun zur Verwendung der verba prisca: Gebraucht werden sollen nach CiceroCrassus de orat. 3,39 veraltete Wörter nur ornandi causa parce. Die Sparsamkeit, mit der man sich derartigen Vokabulars in der oratio bedienen soll, wird ebenfalls de orat. 3,153 hervorgehoben. Mit besonderer Deutlichkeit wird auf diesen Gesichtspunkt de orat. 3,201 aufmerksam gemacht: (vos) admonendosputo, ne quid esse aliud oratoris putetis quod quidem sit egregium atque mirabile nisi in singulis verbis ilia tria tenere, ut translatis utamur frequenter, interdum factis, raro autem etiam pervetustis. Hier wird den Archaismen unter den ornamenta der geringste Platz eingeräumt; sie sollen mit noch größerer Zurückhaltung gebraucht werden als die Neologismen. Abgesehen aber von diesem Hinweis gibt Cicero keine die Anwendung der altertümlichen Wörter spezifisch betreffenden Präzepte. Die verba prisca sind für ihn lediglich ein ornamentum unter anderen. Wie die übrigen Mittel des ornatus so sind Archaismen dem genus tenue sehr wenig angemessen: ille tenuis orator . . . пес in faciendis verbis erit audax et in transferendis verecundus et parcus [et] in priscis reliquisque omamentis et verborum et sententiarum de56 57

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VgL auch Jahn-Kroll zu Cie. Brut. 68. Zur entsprechenden Verwendung des Adj. im Bereich des Stils Thes. VI 2993,60ff.; sonst z.B. Varro Men. 326; Cie. Cael. 33; de orat. 3,98; Hör. epist. 2,1,157; Tac. ann. 4,16. Vgl. die Bezeichnung eines altertümlichen Wortes als velut rubigine infectum Tac. diaL 22,5 oder den Ausdruck reconditorum verborum fetores Suet. Aug. 86,1. S. noch Gudeman zu Tac. dial. 20,8.

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missior (orat. 81). Eine häufige Anwendung der ornamenta dicendi, unter ihnen gleichfalls der veralteten Wörter, ist dagegen eine Eigentümlichkeit epideiktischer Reden: utendum erit in eis oratione et singulorum verborum inagnibus, quae habent plurimum suavitatis - id fit, si factis verbis aut vetustis aut translatis frequenter utamur —, et ipsa constructione verborum eqs. (part. 72). Für den Gebrauch antiquierten Vokabulars in bestimmten partes orationis werden in den rhetorischen Schriften Ciceros keine besonderen Anweisungen erteilt. Wenn orat. 124 principia verecunda, nondum elatis incensa verbis verlangt werden 59 , für die narrationes ein prope cotidianus sermo empfohlen wird, so involviert das immerhin, daß verba prisca in diesen Redeteilen wenig angebracht sind. Am ehesten könnte man in der peroratio, fur die eine starke Verwendung von ornatus zugestanden wird, den Platz auch der Archaismen vermuten; ausdrücklich freilich äußert Cicero sich nicht in diesem Sinne 60 . Bisher haben wir die bei Cicero begegnende Theorie im wesentlichen für sich erörtert. Sie tritt in ihrer Eigenart schärfer umrissen hervor, wenn wir sie vor der Folie thematisch verwandter Äußerungen betrachten. Beginnen wir mit einem Blick auf die Poetik. Cicero zeitlich nahe stehen die bekannten Ausführungen des Horaz über den Gebrauch altertümlichen Vokabulars durch den Dichter epist. 2,2,115 ff.: obscurata diu populo bonus eruet atque proferet in lucem speciosa vocabula rerum, quae priscis memorata Catonibus atque Cethegis nunc situs informis premit et deserta vetustas; adsciscet nova, quae genitor produxerit usus. Horaz hat bei der Behandlung der Dichtersprache eine etwas andere Art von verba prisca vor Augen als sie Cicero für den Redner angemessen erscheinen. Die Vorstellung des Zutageförderns 61 läßt nicht nur nichts von der ciceronischen Rücksichtnahme auf die consuetudo verspüren, sondern impliziert auch eine Art bewußter Suche des Dichters nach den speciosa verba, ein Gedanke, der Cicero im Hinblick auf den Redner ganz fern liegt. Mehr Aufschlüsse über die Besonderheit der bei Cicero begegnenden Lehre gibt uns ein Vergleich mit Quintilian. 59 60

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Rhet. Her. 1,7,11 wird für das exordium die usitata verborum consuetudo gefordert. part. 53, wo die Wortwahl in der amplificatio der peroratio behandelt wird, heißt es: verba ponenda sunt, quae vim habeant inlustrandi nec ab usu sint abhorrentia, gravia plena sonantia, iuncta facta cognominata, non vulgaria supralata in primisque translata. prisca werden merkwürdigerweise hier nicht expressis verbis erwähnt; sie dürften also ebenfalls in der peroratio für Cicero eine recht untergeordnete Rolle spielen. Kiessling-Heinze z. St. ziehen dazu bereits Lukian Lex. 17 als Parallele heran; vgl. auch Fronto p. 58,1 f.v. d. H. (= p. 63 f. N.).

Quintilian verwendet einen großen Teil der Darlegungen, die er über das altertümliche Wort als Element des ornatus inst. 8,3,24 ff. vorträgt, dazu, vor stilistisch bedenklichen antiquierten Wörtern zu warnen: utendum modo nec ex ultimis tenebris repetenda. satis est vetus ,quaeso': quid necesse est ,quaiso' dicere? ,oppido' quamquam usi sunt paulum tempore nostro superiores, vereor ut iam nos ferat quisquam: certe .antegerio', cuius eadem significatio est, nemo nisi ambitiosus utetur. ,erumna' quid opus est, tamquam parum si dicatur per ,ae' horridum? ,reor' tolerabile, ,autumo' tragicum, ,prolem' dicendi versu est ius, ,prosapia' insulsum. quid multa? totus prope mutatus est sermo (Quint, inst. 8,3,25 f.) 62 . Hier wird auf mehrere Möglichkeiten aufmerksam gemacht, bei der Verwendung altertümlichen Vokabulars das Rechte zu verfehlen 63 . Cicero läßt Crassus zwar de orat. 3,170 in einem Nebensatz anmerken, das als ornamentum dicendi verwendete vetustum verbum müsse von der consuetudo ertragen werden können; an der Hauptstelle de orat. 3,152 ff. fehlt es jedoch an einer entsprechenden Bemerkung. Warnungen vor dem Gebrauch stilistisch bedenklicher Archaismen gibt es bei Cicero nirgends. Noch zwei Einzelheiten: Selbst, daß der Archaismus eines Redners den Eindruck des horridum erwecken könnte, erwähnt Cicero im Gegensatz zu Quintilian nie bei der systematischen Behandlung des delectus verborum; dabei ist ihm ein derartiges Empfinden gegenüber antiquierten Idiomen an sich nicht fremd. Wenn Quintilian proles als rein poetisches Wort charakterisiert, stellt er sich in Gegensatz zur ciceronischen Theorie; Quintilians Urteil stimmt jedoch zur Praxis des Redners Cicero wie auch anderer Prosaiker. Die Feststellung des jüngeren Theoretikers erweist sich als wirklichkeitsnäher als die seines Vorgängers. Unter den antiquierten Wörtern, gegen deren Gebrauch Quintilian sich wendet, sind die nicht mehr verständlichen Wörter von besonderer Bedeutung. Die Erörterung des Vitium der sprachlich-stilistischen obscuritas beginnt er inst. 8,2,12 mit folgenden Bemerkungen: at obscuritas fit verbis iam ab usu remotis, ut si 62

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Text nach Radermacher; nur der Satz erumna - horridum nach Stroux, Philologus 91, 1936, 233 ff. Der gebotene Text ist in vielen Punkten unsicher. Das braucht hier nicht diskutiert zu werden, von einer Ausnahme abgesehen: Den Satz prolem - ius möchte Kennedy, HSPh 62, 1957, 145 athetieren. „The ,prolem dicendi versu etc.' of the MSS is a result of the marginal comment .(Cicero) de Universo: prosapiam' referring to Timaeus 11. To this was then added .Problem (lies: Prolem) dicendum est.' Μ has inserted the second comment into the text, while A, G, and S (lies: PV ? ) have inserted both." Radermachers Apparat gibt über die Überlieferung des Satzes in den hier benutzten Hss. AGMPV folgende Auskunft: versum AG (dicendam) universam (-so) M, PV est ius] eius PV ei AGM. Die Annahme zweier Glossen wird also in Wahrheit keineswegs durch die Hss. gestützt. Ausgesprochen gegen diese Annahme spricht ihre Kompliziertheit und die Unwahrscheinlichkeit der Bezeichnung „De universo" statt „In Timaeo" Der Satz prolem - ius, wie er bei Radeimacher steht, ist, wenn auch vielleicht nicht in jeder Kleinigkeit der Formulierung, so doch im wesentlichen quintilianisch. Z.T. anderes Quint, inst. 1,6,40.

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commentarios quis pontificum et vetustisama foedera et exoletos scrutatus auctores id ipsum petat ex Ms, quae inde contraxerit, quod non intelleguntur. hinc enim aliqui famam eruditionis adfectant, ut quaedam soli scire videantur. Auch an anderer Stelle hebt Quintilian hervor, daß die perspicuitas durch die Verwendung zu entlegener Archaismen bedroht wird, inst. 1,6,39 ff. wohl auch 4,2,36 е4 . Wenn er auf diese Gefahr inst. 8,3,24 ff., dem zentralen Passus für die Archaismen, nicht zu sprechen kommt, so wohl deshalb, weil er sich kurz zuvor über sie geäußert hat. Cicero weiß, daß veraltete Wörter unverständlich sein können; er stellt jedoch an keiner Stelle fest, daß Archaismen die Deutlichkeit des Ausdrucks zu beeinträchtigen drohen. Er unterläßt einen entsprechenden Hinweis selbst part. 19, wo er die möglichen Ursachen der obscuritas ausführlich aufzählt: dilucidum fiet usitatis verbis propriis dispositis [aut] circumscriptione conclusa aut intermissione aut concisione verborum; obscurum autem aut longitudine aut contractione orationis aut ambiguitate aut inflexione atque immutatione verborum. Als Antithese zu den usitata verba propria mußte hier die Erwähnung der verba prisca besonders naheliegen. Quintilian rät nicht nur vom Gebrauch stilistisch anstößiger oder unverständlicher Archaismen ab; er warnt auch vor einer auffälligen Präsentierung oder häufigen Verwendung veralteten Wortgutes: opus est modo, ut neque crebra sint haec nec manifesta, quia nihil est odiosius adfectatione (inst. 1,6,40); und an anderer Stelle: multa alia etiam audentius inseri possunt, sed ita demum, si non appareat adfectatio; . . . odiosa cura: nam et cuilibet facilis et hoc pessima, quod eius studiosus non verba rebus aptabit, sed res extrinsecus arcesset, quibus haec verba conveniant (inst. 8,3,27 ff.). Cicero gibt zwar mehrfach den positiven Hinweis, man müsse sich der verba prisca in der oratio sparsam bedienen; eine Warnung vor der adfectatio antiquierter Wörter findet sich jedoch bei ihm nicht 65 . Die einzelnen Unterschiede zwischen den Darlegungen Quintilians und Ciceros, die wir bisher herausgearbeitet haben, lassen sich zu einer prinzipiellen Differenz verdichten: Das negativ-apotreptische Element, dem in den Ausführungen Quintilians über Archaismen eine hervorragende Bedeutung zukommt, fehlt in den entsprechenden Abschnitten der ciceronischen Rhetorica vollständig. Es 64

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Im Bereich des Lateinischen vgl. Gell. 1,10, wozu noch Macr. Sat. 1,5,1 ff.; Gell. 11,7; Fortun. rhet. 3,4 p. 123,11 f.; 3,6, p. 124,11 ff.; nichts damit zu tun hat Sen. contr. 9, 2,26 wozu 209 ff. Im Griechischen vgl. etwa Theon Rhet. Gr. II 81,7 ff. Sp.; Aristeides rhet. 64,17 ff. Schmid; auch Anth. Pal. 11,144. Als solche Warnung wird man auch de orat. 3,39 nicht verstehen dürfen, wo Crassus, nachdem er auf die Bedeutung der Lektüre alter Redner und Dichter für die loquendi elegantia hingewiesen hat, sagt: neque tarnen erit utendum verbis eis, quibus iam consuetudo nostra non utitur, nisi quando ornandi causa parce, quod ostendam. Mit der einschränkenden Bemerkung, die sich ganz ungezwungen aus dem Zusammenhang ergibt, will Cicero-Crassus lediglich dem Mißverständnis vorbeugen, er halte eine Beeinflussung der Sprache durch das Latein der vetera scripta in jeder Hinsicht für richtig. Im übrigen zu dem Passus 77 ff.

lassen sich jedoch auch andere Merkmale entdecken, durch die die Äußerungen Quintilians von denen seines Vorgängers abweichen. Quint, inst. 1,6,39 heißt es: verba a vetustate repetita . . . adferunt orationi maiestatem aliquam non sine delectatione; nam et auctoritatem antiquitatis habent et, quia intermissa sunt, gratiam novitati similem parant. Mit den letzten Worten wird der Effekt der Neuartigkeit oder der Überraschung hervorgehoben, der sich mit dem Archaismus verbindet 66 . Bei Cicero gibt es keinen entsprechenden Hinweis. Denn wenn er de orat. 3,152 f. das verbum priscum als verbum inusitatum einführt und orat. 80 vom verbum priscum et inusitatum spricht, so hat das teils technisch-rhetorische, teils stilistische Gründe 67 ; über die Wirkung, die Cicero einem Archaismus zubilligt, besagt das nichts, de orat.3,153, wo Crassus sich über den Effekt des verbum priscum äußert, wird derartigen Wörtern keine Eigenschaft zugeschrieben, die mit einer gratia novitati similis auch nur entfernte Ähnlichkeit hätte. Verständlich: Cicero schweben bei der Erörterung des verbum priscum altertümliche Wörter vor, die insbesondere wegen ihrer Erhaltung in der Dichtersprache zur Gegenwartssprache noch in einem gewissen Kontakt stehen; das Moment des Ungewöhnlichen und Neuartig-Überraschenden kann bei derartigen Archaismen nicht weiter von Belang sein. In den Vordergrund kann es erst rücken bei der Verwendung mehr fremdartigen und entlegenen antiquierten Vokabulars. Freilich ist etwas sonderbar, daß Quintilian die Wirkung des Neuartigen beim Archaismus erwähnt; er ist ja — kaum anders als Cicero - durchaus kein Befürworter der Verwendung entlegener veralteter Wörter, ut novorum optima erunt maxime Vetera, ita veterum maxime nova, meint er zugespitzt inst. 1,6,41 und betont inst. 8,3,25 die Wichtigkeit des modus 6 8 Mit dem Eindruck der novitas verbindet sich bei den verba a vetustate repetita nach Quint, inst. 1,6,39 ein anderes Stimmungselement, die auctoritas antiquitatis 69 . Sonst schwer miteinander zu vereinende Eigenschaften finden sich so in dem altertümlichen Wort zusammen 70 . Von der auctoritas der Archaismen ist auch Quint, inst. 8,3,25 die Rede: adspergunt illam, quae etiam in picturis est 66 , Ebenso später Fronto p.57,20ff. v.d.H. (= p.63 N.); Gell. 11,7,1. Über die Theorie des Archaismus bei diesen beiden Autoren Marache 138ff.; 2 1 8 f f . ; man könnte freilich tiefer eindringen. Vgl. noch Don. Ter. Ad. 259; Markellinos vita Thuc. 52. 67 Der Punkt soll an anderer Stelle näher beleuchtet werden. 68 Ähnlich Mart. Cap. 5,509. Übrigens ist in dem wichtigsten Passus Quintilians über den Archaismus, inst. 8,3,24 ff., ein Hinweis auf die novitas des antiquierten Wortes unterblieben. 69 auctoritas ist hier entgegen Marache 18 natürlich nicht der Kanon der Latinitas. Der nam-Satz erklärt und begründet die zuvor beschriebene Stilwirkung der verba a vetustate repetita. Die gratia novitati similis ist Ursache der delectatio, die auctoritas antiquitatis die der maiestas: Ein als gut lateinisch verbürgtes Wort braucht der Rede nicht maiestas zu verleihen. Um den Kanon auctoritas geht es erst Quint, inst. 1,6,42. 70 Plin. nat. praef. 15: res ardua vetustis novitatem dare, novis auctoritatem.

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gratissima, vetustatis inimitabilem arti auctoritatem. Cicero spricht im Zusammenhang mit den verba prisca ebenfalls von auctoritas, doch fehlt ein Hinweis auf diesen von römischem Empfinden zeugenden Eindruck gerade in den rhetorischen Schriften. Quintilian warnt in verschiedenen Hinsichten vor dem Gebrauch von antiquierten Wörtern. Auf der anderen Seite findet sich bei ihm eine Bemerkung wie inst. 8,3,27: multa alia etiam audentius inseri possunt. Eine vergleichbare Konzession wird man bei Cicero vergeblich suchen. Bei näherem Hinsehen zeigen sich in der Behandlung der Archaismen mannigfaltige Unterschiede zwischen Cicero und Quintilian71. Welche Gründe hat das? Vielleicht meint man: Einfach die Tatsache, daß Quintilian Stil und Sprachgebrauch viel ausführlicher erörtert als sein Vorgänger. Aber es hätte vielfach nur weniger Sätze mehr bedurft — part. 17 nur weniger Wörter —, hätte Cicero sich in ähnlicher Weise wie Quintilian äußern wollen. Oder wollte Quintilian Cicero in einem Punkt ergänzen, in dem ihm die Lehre seines Vorgängers ergänzungsbedürftig erschien? Dann stellte sich die neue Frage, weshalb ihn Ciceros Darstellung nicht befriedigte. Erwägen könnte man schließlich auch, daß Quintilian aus einer besonders ergiebigen griechischen Quelle schöpfte. Dabei operierte man mit einer Unbekannten. Ganz passende Parallelen sind fur die meisten hervorgehobenen Eigentümlichkeiten der quintilianischen Lehre in der griechischen Literatur überdies schwerlich nachzuweisen 71 \ ein Urteil wie das über die stilistisch bedenklichen antiquierten Wörter und der Hinweis auf den Eindruck der 71

Quintilian gebraucht übrigens auch keinen der üblichen Termini Ciceros fur das antiquierte Wort. Natürlich gibt es nicht nur Unterschiede zwischen den beiden Autoren. Außer dem bereits Bemerkten kann etwa darauf hingewiesen werden, daß Quintilian inst. 8,3,24 ähnlich wie Cicero dem altertümlichen Wort dignitas zuschreibt. Ebenso Hin. dub.serm. frg. 254,26 Mazz.; Gell. 17,2,19, wozu 229 A. 7. Ein weniger belangvoller Unterschied ist es, wenn Quintilian anders als Cicero ausdrücklich zu einer besonderen Zurückhaltung wie bei anderen ornamenta so bei veralteten Wörtern im exordium (inst. 4,1,58 f.) rät und inst. 11,1,6 zusammenfassend meint: nec vetera aut tralata aut ficta verba in incipiendo, narrando, argumentando tiactabimus. Hier tauchen die Archaismen lediglich als ein Element bei der Entfaltung des ornatus auf, um den es geht, ganz wie Cie. part. 72; eine ihnen besonders anhaftende Eigenschaft wird nicht in den Blick gefaßt.

72

Eine Übereinstimmung griechischer und quintilianischer Lehre, wie sie 38 A. 64 angemerkt worden ist, läßt sich auch zwanglos mit der Ähnlichkeit der Stilsituationen erklären, die gleichartige Bemerkungen veranlassen; irgendwelche Abhängigkeitsverhältnisse brauchen nicht vorzuliegen. Die vorgeschlagene Erklärung dürfte auch bei auffallenderen Kongruenzen befriedigen. Wenn z.B. bei Sulp.Vict. rhet. 15 p.321,5ff. ebenso wie bei Aristeides rhet. 103,18 ff. Schmid dazu aufgefordert wird, das Vokabular nur aus Büchern zu schöpfen, so ist die Übereinstimmung der Vorschriften wohl lediglich Ergebnis einer ähnlichen Entwicklung im Latein wie im Griechischen. - Die durch nichts nahegelegte Möglichkeit, daß Quintilian, soweit er von Cicero abweicht, einer besonderen lateinischen Quelle folgt, braucht wohl nicht erörtert zu werden; ohnehin bliebe in diesem Falle die Problematik prinzipiell die gleiche, ebenso die Lösung.

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auctoritas, den ein Archaismus erweckt, können in dieser Form ohnehin nicht griechischer Doktrin entnommen sein. Bei den skizzierten Begründungen kann man sich nicht beruhigen. Auf eine einleuchtende Erklärung führt Quint, inst. 8,2,12: An die Warnung vor dem Gebrauch entlegen-unverständlicher Archaismen knüpft sich der Hinweis auf eine derartige Sprachpraxis einiger Zeitgenossen. Quintilian wird auch sonst durch ihm bekannte archaistische Neigungen auf die Möglichkeiten und Gefahren, die der Gebrauch von Archaismen in sich birgt, aufmerksam gemacht worden sein. So erklärt sich die Verwerfung mannigfaltiger antiquierter Ausdrücke und dabei ein einzelner Zug wie das sichere Urteil über den Stilcharakter von proles, so vor allem überhaupt das stark apotreptische Element seiner Ausführungen, so vielleicht auch die Tatsache, daß Quintilian in der rhetorischen Schrift von einem genuin römischen Empfindungselement spricht, das sich mit den Archaismen verbindet, der auctoritas. Wenn Quintilian in einer Weise, die mit seiner Konzeption der zu verwendenden altertümlichen Wörter nicht recht harmoniert, den Effekt des Neuartigen bei den Archaismen hervorhebt, so zeigt er sich beeinflußt von der Anschauung moderner Prosaiker, die auf diesen Effekt besonderen Wert legen, qui etiam, cum optima sunt reperta, quaerunt aliquid, quod sit magis antiquom,remotum, inopinatum (Quint, inst. 8 pr. 31); Einfluß zeitgenössischer Neigungen wird sich auch darin verraten, daß Quintilian einen kühneren Gebrauch von Archaismen zugesteht. Wenn der ciceronischen Lehre manche Züge abgehen, die sich bei dem späteren Theoretiker finden, so würde sich umgekehrt das am einfachsten mit der Annahme erklären, daß archaistische Tendenzen jedenfalls in der Beredsamkeit ciceronischer Zeit keine Rolle spielen. So würde insbesondere das Fehlen irgendeines eindeutig apotreptischen Elements in Ciceros Ausführungen begreiflich. Bei Cicero ist anders als bei Quintilian von einer Beziehung auf aktuelle Probleme nichts zu verspüren73. Auch dieser Tatbestand paßte zu der vorgeschlagenen Erklärung. Sie wird freilich, bis die republikanische Redekunst von allen Seiten auf archaistische Tendenzen durchleuchtet worden ist, provisorischen Charakter haben. 73

Vretska I 43 folgert, nicht ganz klar formulierend, allerdings gerade aus'Cic. de orat. 3,153, daß „Archaismus als Stilmerkmal" damals nicht ganz ungewöhnlich gewesen sei, so daß Cicero dagegen habe Stellung nehmen müssen. In erkennbar auf Aktuelles gerichteter Polemik wendet sich Cicero-Crassus jedoch weder gegen ein Archaisieren noch gegen die Verwendung von Archaismen. Daß er überhaupt auf das verbum priscum zu sprechen kommt, hängt mit dem überkommenen rhetorischen Schema zusammen und besagt nichts für eine Aktualität des Themas verbum priscum. Zu Vretskas Bemerkung auch 152 A. 1 3 6 . - Was De oratore angeht, so mag man vielleicht geltend machen: In dem Gespräch, das in das Jahr 91 a.Chr. verlegt ist, könnte nicht auf später aufgekommene Tendenzen Bezug genommen werden. Aber auch in den anderen Rhetorica Ciceros ist eben bei einer Behandlung des verbum priscum von einer besonderen Rücksicht auf gegenwärtige Strömungen nichts zu merken. Dem erwähnten chronologischen Moment wird man da keine entscheidende Bedeutung zumessen. Cicero hätte in De oratore, ohne die Gesprächschronologie zu verletzen, wenigstens in allgemeiner Form auf eine irgendwie extravagante Verwendung von Archaismen eingehen können. 41

Die Tatsache, daß in Ciceros Behandlung des verbum priscum nicht kritisch auf die Verwendung von Archaismen durch zeitgenössische Redner eingegangen wird, läßt leicht vergessen: Über Verwendung und Wirkung antiquierter Idiome konnte man in derselben Zeit verschiedener Ansicht sein. Die Autoren, die nach Quint, inst. 8,2,12 mit dem Gebrauch entlegener Archaismen famam eruditionis adfectant, haben diese Praxis im Gegensatz zu Quintilian eben durchaus gutgeheißen. Die Männer, deren stilistische Neigungen früher der Kaiser Augustus mit seinem Wort von den reconditorum verborum fetores zu treffen sucht (Suet. Aug. 86,1), haben bei den von ihnen verwendeten recondita verba fraglos nicht die Assoziation von üblen Gerüchen gehabt. Pollio verleiht mit dem Vorwurf der nimia priscorum verborum affectatio (Suet. gramm. 10,2) schwerlich dem Empfinden Ausdruck, das sich für Sallust mit seiner Sprach- und Stilpraxis verbindet.

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2. Der Archaismus

in der Theorie

der

Geschichtsschreibung

Cicero kennt im Jahre 55 a.Chr. keine vor 91 a.Chr. veröffentlichten — wahrscheinlich aber überhaupt keine — umfassenden Rhetorenpräzepte, die sich spezifisch auf die Historiographie beziehen. Cie. de orat.2,62 bemerkt Antonius: neque eam (historiam) reperio usquam separatim instruetam rhetorum praeeeptis; sita sunt enim ante oculos. N o c h deutlicher sagt er am Abschluß seiner Erörterungen über die Geschichtsschreibung de orat. 2 , 6 4 , unmittelbar nach der Behandlung des Stils: harum tot tantarumque rerum videtisne nulla esse praeeepta, quae in artibus rhetorum reperiantur? Aus den zitierten Worten folgt nicht mit Sicherheit, daß es in dieser Zeit, also wahrscheinlich n o c h 55 a.Chr., keine ausführlicheren rhetorischen Anweisungen für die Abfassung von Geschichtswerken gegeben hat; man darf ihnen j e d o c h entnehmen, daß in R o m von derartigen Lehren damals weithin noch nichts bekannt ist. Die römische Geschichtsschreibung dürfte somit bis zu diesem Zeitpunkt, aufs Ganze gesehen, nicht unter dem unmittelbaren Einfluß eigens auf die Historiographie gerichteter Vorschriften stehen 1 . Die systematische normative Behandlung der Geschichtsschreibung ist wohl Ciceros eigene Leistung 2 . 1

Die zitierten Stellen verwenden in verschiedenem Sinn schon etwa Scheller 70; Rambaud 15f.; Avenarius 172f. - Walbank, Gnomon 29, 1957, 418 trägt drei Überlegungen vor, die, falls richtig, den zuletzt gezogenen Schluß erschüttern würden. Erstens: Cicero-Antonius leugne nicht die Existenz normativer Monographien über die Geschichtsschreibung. Er meine lediglich, innerhalb der rhetorischen Handbücher fehle eine von den allgemeinen rhetorischen Vorschriften getrennte Erörterung dieses Genos. Vgl. auch Leeman, Ratio 171. Zweitens: Antonius „in accordance with his well-known affectation of ignorance of Greek things . . . is here posing as a plain, blunt, man". Drittens: „Cicero's sketch of how to write history . . . will make its best impression if its novelty is stressed." Die Argumente sind aber kaum stichhaltig. Zum ersten: Was über die Vernachlässigung der historia durch die artes bemerkt wird, wäre recht irreführend, wenn es sogar - mit keinem Wort erwähnte - ganze Monographien über die Erfordernisse der Geschichtsschreibung gäbe. Ausgesprochen unangebracht wäre dann die Begründung für die Lücke der rhetorum praeeepta: Die Vorschriften für die Historiographie seien ante oculos gelegen. Welcher Art sollten überhaupt die Monographien sein, die eindeutig nicht unter den Begriff der rhetorum praeeepta fielen? - Zum zweiten: Schwerlich hätte Cicero absichtlich eine Dialogfigur einen verkehrten Gedanken äußern lassen, ohne ihn irgendwie zu korrigieren. Denn ein derartiger Irrtum hätte jedem Leser als Irrtum Ciceros selbst erscheinen müssen. Ferner kommt es Cicero gerade darauf an, gegenüber der landläufigen Meinung über Antonius (vgl. de orat. 2,1) diesen Redner als Mann von durchaus gründlicher Bildung darzustellen (vgL z.B. de orat. 2,3ff.); dieser Intention widerspräche ein dem Antonius bewußt in den Mund gelegter Fehler. — Zum dritten: Cicero legt offenbar auf den Anschein der Neuartigkeit seiner Theorien keinen Wert, wenn er betont: sita sunt 43

Über den Stil eines Geschichtswerks äußert sich Antonius nur in einem Satz, de orat.2,64; die Wortwahl bleibt dabei aber ganz unberücksichtigt. Das sieht nicht danach aus, daß Cicero hinsichtlich des Vokabulars dem Historiker irgendwelche auffallenden Eigentümlichkeiten zuzubilligen geneigt wäre. Für unsere Frage ist vor allem interessant, daß de orat.3,153 antiquierte Wörter als poetarum licentiae liberiora quam nostrae — der des Redners - gekennzeichnet werden, ein Hinweis auf eine besondere Freiheit des Historikers in der Verwendung altertümlichen Wortmaterials aber fehlt. Später setzt Cicero die historia in unmittelbare Nachbarschaft der epideiktischen Beredsamkeit 3 . Ist in seinen Augen daher für die Historiographie eine Wortwahl angemessen, wie er sie part. 72 für laudationes und vituperationes empfiehlt? Wenn die Frage zu bejahen wäre, wäre doch der Archaismus nur eines unter den singulorum verborum insignia. Er spielte nicht eine besondere Rolle in der Geschichtsschreibung, etwa in dem Sinne, daß er die Ehrfurcht gebietende Größe der Vergangenheit zu verdeutlichen hätte. Indessen ist ganz ungewiß, ob Cicero sich über diesen Punkt des Verhältnisses Geschichtsschreibung - Epideiktik Gedanken gemacht hat. Er sagt nichts darüber. Auch die Anschauung, daß die Geschichtsschreibung stilistisch der Dichtung nahesteht, läßt sich bei Cicero nicht nachweisen. Ein derartiger Gedanke taucht anscheinend erst bei Dionys von Halikarnaß auf. Zu seiner Zeit wird in bestimmten Kreisen die Ansicht vertreten, der von Thukydides geschaffene Stil sei der der Historiographie gemäße: τοις δέ τάς ιστορικός πραγματείας έκφέρουσιν, αΐς μεγαλοπρεπείας те δ et και σεμνόλογίας και καταπλήξεων, παντός μάλιστα προσήκει ταύτην άσκεϊν τήν φράσιρ τήν γλωττηματικήν те κ αϊ άπηρχαιωμέ νην και τροπική ν και έξηλλαγμένην των έν e'Oei σχημάτων επί το ξένον και περιττόν (Dion. Hal. op. rhet. 1409, 16 ff. Us.-Rad.). In dieser an Thukydides orientierten Stilkonzeption der Geschichtsschreibung wird auf die Ungewöhnlichkeit der Lexis starker Wert gelegt. Entsprechend dem auch durch απηρχαιωμένα ονόματα gekennzeichneten Stil des Thukydides spielt dabei die Verwendung von Archaismen eine Rolle. Es hat den Anschein, daß diese Theorie kurze Zeit, bevor Dionys die zitierten Worte niederschrieb, aufgekommen ist; er führt sie mit der Bemerkung ein: έπιχειρουσι δέ τίνες ούκ άδοξοι σο^ωταί λέγειν.

2 3

44

(praecepta) ante oculos. Übrigens würde bei diesem Argument - anders als beim zweiten - Cicero sein Publikum als recht unwissend taxieren. - Über die hellenistischen Schriften nepi ιστορίας informiert letzthin H. Homeyer, Lukian. Wie man Geschichte schreiben soll, München 1965, 45 ff.; an der Darstellung ist vieles hypothetisch. Die von Leeman, Ratio 171 ff. gesammelten Anklänge ciceronischer Doktrin an griechische Äußerungen sprechen nicht dagegen. Besonders orat. 65f.; 207; Henze 19ff. - Eine Sammlung von lateinischen Urteilen, die den Stil der Geschichtsschreibung betreffen, findet man Thes. s.v. historia und Ableitungen.

Selbst wünscht Dionys in der Auseinandersetzung mit der Ansicht der ούκ άδοξοι σοφισταί die Geschichtsschreibung εχουοάν η και ποιητικόν (Dion.Hal. op.rhet. I 411,9 Us.-Rad.), fügt jedoch einschränkend hinzu: ουте παντάπασι ποιητικήν, αλλ' έπ' oXiyov έκβεβηκυΐαν της ей έ'θει (πραγματείας) 4 . Immerhin erkennt er gewisse dichterische Züge im Stil eines Geschichtswerkes als berechtigt an. Bei Quintilian heißt es dann bekanntlich inst. 10,1,31: historia . . . sie est legenda, ut sciamus plerasque eius virtutes oratori esse vitandas. est enim proxima poetis et quodam modo carmen solutum est et scribitur ad narrandum, non ad probandum totumque opus non ad actum rei pugnamque praesentem, sed ad memoriam posteritatis et ingenii famam componitur; ideoque et verbis remotioribus et liberioribus figuris narrandi taedium evitat 5 . An anderer Stelle stellt Quintilian Dichter und Historiker gemeinsam den Reänern gegenüber: id quoque vitandum ..., ne in oratione poetas nobis et historicos, in illis operibus oratores aut declamatores imitandos putemus (inst. 10,2,21). Bei einer solchen Auffassung von der Geschichtsschreibung sind für die historische Lexis auch altertümliche Wörter angemessen; an sie dürfte Quintilian zumindest in erster Linie denken, wenn er von den verba remotiora spricht 6 . Die Affinität von Dichtung und Historiographie gerade im Hinblick auf die Wortwahl kommt besonders deutlich in einer freilich späten Äußerung zum Ausdruck. Fortunatian bezeichnet rhet.3,4 p. 123,4 ff. als aliena verba die Wörter, quae non sunt oratori accomodata sed historico aut poetae, ut si genitorem et genetricem et gnatum dicamus et satorem et altricem. Eine so entschiedene Gleichsetzung historiographischen und poetischen Vokabulars kann indessen kaum als symptomatisch für die Auffassung früherer Kaiserzeit gelten. Dionys und Quintilian verwischen nicht den Unterschied zwischen Dichtung und Geschichtsschreibung. Noch deutlicher ist Plin. epist.2,5,5: descriptiones locorum . . . non historice tantum, sed prope poetice prosequi fas est. Und Gell. 13,29 wird Quadrigarius von einem haud sane vir indoctus getadelt, weil er multi mortales statt multi homines geschrieben habe inepte frigideque in historia nimisque . . . poetice 1 . 4

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6 7

Verwandtes ebenfalls bei Lukian, wozu Avenaiius 6Iff. Verschiedene andere Passagen, in denen die Geschichtsschreibung in die Nähe der Dichtung gerückt wird, stellt Norden, Kp.92 zusammen; die Zeugnisse betreffen nicht durchweg den Stil. Daß die Charakteristik der historia als proxima poetis et quodammodo carmen solutum auf Theophrast zurückgeht (so nach Norden, Kp. 92, Henze 18 wieder Avenarius 64f.) ist eine unbeweisbare Vermutung. Vgl. auch Walbank, Gnomon 29, 1957, 418. remotum für antiquierte Wörter Quint, inst. 8 pr. 31; 8,2,12; wohl auch inst. 4,2,36; vgl. ferner Fronto p.58,5 v.d.H. (= p. 64 N.). Gell. 16,9,2; 18,4,6. Darüber 255 f. zu Quadrig. hist. 76.

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3. Der Archaismus in der Theorie der

Epistolographie

Spezifisch den Gebrauch von Archaismen betreffende Äußerungen, die man auf die Epistolographie republikanischer Zeit anwenden könnte, kennen wir nicht Trotzdem können wir wenigstens gewissermaßen das in der Theorie für den Gebrauch von Archaismen geöffnete Möglichkeitsfeld abstecken. Demetrios (?) de el.234 gibt folgende Anweisung: έπβί δέ και πόλεσίν ноте και ßaaiXeOaw ητράφομεν, е στω σαν τοιαύται αϊ έπιστολαί iam consecratum Miloni. An Komikerimitation oder gar einen Archaismus braucht man jedenfalls nicht zu denken. Denn daß zu einem verbum dicendi oder sentiendi das Adv. sic tritt (sic arbitrari, considerare, dicere usw.), wobei der Inhalt des Gesagten bzw. Gedachten durch einen a.c.i. oder — wie an unserer Serviusstelle — durch einen unabhängigen Hauptsatz wiedergegeben wird, ist an sich ein etwa ebenfalls Cicero geläufiger Sprachgebrauch. Auch bei secum cogitare wird man, anders als Schmalz, keine besondere Beziehung zu den alten Dichtern annehmen. Schon die von Schmalz selbst beigebrachten Parallelen lassen erkennen, daß die Wendung bei Servius wohl natürliche lebende Ausdrucksweise ist. Weiteres Thes. III 1461, 5Iff., vgl. auch 1460, 20ff. Ähnliches wie secum agitare, z.B. Cie. Att. 10,12,3, secum reputare, z.B. Nep. Ale. 4,4, ist ja allenthalben gebräuchlich. Einiges andere bei Schmalz a.O. oppidum cadavera (fam.4,5,4) : Den Gen. PI. oppidum führt Schmalz, Briefe 95 unter den dichterischen Idiomen des Servius auf. Während sich oppidorum oft etwa bei Cicero findet, wird das Pendant oppidum von Neue -Wagener I 181 allein in dem vorliegenden Passus belegt. Die lebende Sprache ciceronischer Zeit beschränkt, soweit ersichtlich, den Gen. PI. -um der 2. Dekl. auf bestimmte Sonderfälle, die keine echten Parallelen zu oppidum darstellen19. Ungewöhnlich also ist die von dem Briefschreiber gewählte Form, und man mag sie wohl als antiquiert einstufen. Die gehobene Wortbildung ist an der Stelle nicht funktionslos: Gegenüber der geringen Bedeutung der Menschen, der homuneuli — pejoratives Deminutiv20—, wird die große Bedeutung der oppida hervorgehoben. visne tu te, Servi, cohibere (fam.4,5,4): Schmalz, Briefe 106 vergleicht Ter. Haut. 919, wo Menedemus zu Chremes sagt: non tu te cohibes? non te respicis? Die Terenzstelle sei „das genaue Vorbild der unsrigen". Belege für se cohibere sind durch die ganze Latinität verstreut. Thes. III 1547,15 ff. Veraltet ist die Wendung für Servius schwerlich. Wenngleich seine Formulierung der des Komikers ähnelt, kann sie doch unabhängig von ihr und spontan zustandegekommen sein; es ist sogar eher unwahrscheinlich, daß die in ganz anderem Zusammenhang stehende, an einen Zweiten gerichtete Aufforderung bei Terenz auf die Selbstanrede des Servius eingewirkt hat. si . . . non diem suum obisset (fam.4,5,4); Marcellum diem suum obisse (fam. 4,12,2): Auch die Verbindung diem suum obire faßt Schmalz, Briefe 105 f. als Entlehnung aus älterer Dichtung auf. Er führt Belege aus Plautus, Fronto, Apuleius an. Die Wendung fehlt bei den Zeitgenossen des Servius, und das nicht aus Mangel an Gelegenheit. Das Material Thes. V 1,1049,34ff. Bei dem Juristen 19

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Die Einzelheiten bei Sommer 348 f.; Stolz-Leumann 279. Der Gen. PL adversarium Pomp. Cie. A t t 8,12, D 2 soll wohl die enge Aufeinanderfolge zweier г vermeiden; vgL die Genitivformen barbarum, liberum. Ganz entsprechend kurz darauf unius mulierculae animula; das ist natürlich nicht mit Schmalz, Briefe 107 ff. auf die Nachahmung der alten Dichter zuriiekzuführea

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dürfte diem suum obire ein Ausdruck der juristischen Sondersprache sein. Denn gerade bei den Rechtsschriftstellern ist die Verbindung seit Pompon, dig. 1,2,2,52 recht häufig bezeugt. VIR II 260,39ff. 21 . noli te oblivisci Ciceronem esse et eum, qui aliis consueris praecipere et dare consilium, neque imitare (MGR: imitari M 2 ) malos medicos, qui . . . ipsi se curare non possunt, sed potius, quae aliis tute praecipere soles, ea tute tibi subiace eqs. (fam. 4,5,5): imitare sollte man nicht antasten. Aber ist die Form Inf. oder Imp. ? Schmalz, Briefe 126 erkennt in imitare einen mit oblivisci parallelen Inf., syntaktisch einwandfrei. Aktivformen von imitari sind im lebenden Latein ciceronischer Zeit zweifellos ungebräuchlich, ohne ihm ganz sicher zu fehlen: Die einzigen sonstigen Zeugnisse vor spätem Latein sind Liv. Andr. trag. 1; Varro frg. (epistula Latina lib. II) Non. p. 473,18 imitare; deponentisches imitari ist auch in der republikanischen Periode recht häufig. Thes. s.v. Für als Imp. klassifiziertes neque imitare läßt sich aus der Literatur der Republik anscheinend nur eine einzige einigermaßen passende Parallele beibringen, Catull. 8,9ff.: tu quoque impote14. Dionys lehnt diese Auffassung ab. Er macht geltend, daß Thukydides unter den zahlreichen Rednern und Philosophen aus der Zeit des Peloponnesischen Krieges mit seiner Sprachgestaltung durchaus isoliert dastehe 1S . Eigens von απηρχαιωμένα ονόματα ist in der Kontroverse, soweit wir von ihr Kenntnis erhalten, nicht die Rede. Aber die von Dionys bekämpfte Ansicht, die Ciceros Anschauung sehr ähnlich ist16, kann nicht gut die Annahme eingeschlossen haben, Thukydides habe eine Vorliebe für antiquierte Wörter gehabt. 12 13

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Eine ganz andere Stelle nimmt Thukydides Cie. de orat 2,56; o r a t 39 in der Entwicklung der griechischen Historiographie ein. Dazu 183 A. 25. Das ist natürlich mit den άττηρχαιωμένα ονόματα des Thukydides bei Dionys von Halikarnaß gemeint; sonst miißte der Rhetor bei jedem der ίρχαίοι von άπηρχαιωμίνα ονόματα sprechen. VgL dazu noch Markellinos vita Thuc. 52. Der Text bei Dionys ist leider am Ende verstümmelt Es ist aber zweifellos, daß er in der angedeuteten Weise weitergegangen ist; gewiß ist auch das Adj. συνη «3ης oder ein Synonym — in diesem Zusammenhang gebraucht worden. VgL op. r h e t 1 4 1 0 , 1 9 f.; 418,7 ff. Us.-Rad. Daß in den Augen des Dionys auch der thukydideische Archaismengebrauch ein Stilmerkmal darstellt, das die Lexis des Historikers von der seiner Zeitgenossen unterscheidet, ist schon nach dem vorgelegten Zusammenhang nicht zweifelhaft Überdies äußert sich Dionys ausdrücklich in diesem Sinne op. r h e t I 361, 4 ff. Us.Rad. Zu diesem Punkt auch Reitzenstein, NGG 1914, 201.

Den Thucydidii Ciceros braucht also eine Theorie, derzufolge die Sprache ihres Vorbildes durch Archaismen gekennzeichnet ist, nicht einmal bekannt zu sein. Noch weniger müssen sie gerade dieser jedenfalls nicht allein herrschenden Ansicht praktische Folge leisten. Im Gegenteil ist sogar sehr wahrscheinlich, daß diese Thukydideer nicht archaisieren. Recht bemerkenswert ist schon, daß Cicero im Orator, wo er auf den Gebrauch von verba prisca zu sprechen kommt, in keiner Weise andeutet, daß es in der zeitgenössischen Beredsamkeit archaistische Tendenzen gibt. Noch viel auffälliger ist es aber, daß Cicero in seiner Polemik gegen die Thukydidesnachahmer nicht mit einem einzigen Wort darauf hinweist, daß die Reden seiner Widersacher durch eine auffallend-häufige Verwendung antiquierter Spracheigentümlichkeiten gekennzeichnet sind. Es ist wohl ausgeschlossen, daß Cicero, wo er sich mit den Stiltendenzen seiner Gegner auseinandersetzt, eine Affektation veralteter Wörter und Wendungen völlig überginge: Sie stellte doch ein Novum bei den Rednern dar, sie wäre Cicero zweifellos nicht sympathisch, sie böte ihm ferner eine treffliche Gelegenheit, die Thukydidesnachahmung in ihrer Verkehrtheit zu brandmarken und auch vor Brutus und den übrigen Jungattikern lächerlich zu machen. Schließlich sagt Cicero expressis verbis, worin sich die Imitation des großen Geschichtsschreibers bei der ganzen Richtung äußert und worin nicht: huius (Thucydidi) . . . nemo neque verborum neque sententiarum gravitatem imitatur, sed cum mutila quaedam et hiantia locuti sunt, quae vel sine magistro facere potuerunt 17 , germanos se putant esse Thucydidas (orat.32). An anderer Stelle bemerkt er anscheinend ebenfalls über die Thucydidii: in Thucydide orbem modo orationis desidero, ornamenta comparent. isti autem cum dissolvunt orationem, in qua nec res nec verbum ullum est nisi abiectum, . . . scopas ut ita dicam mihi videntur dissolvere (orat. 234 f.) 18 . Die Thukydideer glauben demnach, ihrem Vorbilde nahe zu kommen, wenn sie auf eine den Hiat meidende collocatio verborum 19 und den oratorischen Numerus, der einen Satz gewissermaßen abrundet 2 0 , und 17

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Dazu Quint, inst. 8,6,62 fit enim frequentissime aspera et dura et dissoluta et hians oratio, si . . . ut quodque (verbum) oritur, ita proximis, etiam si vinciri non potest, adligetur. Auf die Thucydidii bezieht den Passus ebenfalls Kroll z. St. Darauf, daß Thukydides Hiaten nicht aus dem Wege geht, macht Cicero orat 150 aufmerksam. Zu hians Thes. VI 3,2812,5 fT. Das Adj. mutilus ist in rhetorischen Abhandlungen selten. VgL Thes. VIII 1721, 33 ff. Quint, inst. 9,4,123 ist das Wort durch eine Konjektur Christs hergestellt Bei Cicero begegnet es noch einmal orat. 178, wo untersucht wird, welche causa zur apta oratio geführt hat: (animus) mutila sentit quaedam et quasi decurtata, quibus tamquam debito fraudetur offenditur, productiora alia et quasi immoderatius excurrentia, quae magis etiam aspernantur aures. So ist man zu der Einsicht gekommen esse quosdam certos cursus conclusionesque verborum. Als mutila werden also diejenigen Satzgebilde bezeichnet, die nicht apte in einer conclusio auslaufen, sondern unvermittelt abbrechen; dafür gebraucht Cicero auch die Termini decurtata (а. O.), curta (orat 168; 173), amputata (orat. 170). Zum Fehlen der conclusio bei Thukydides vgl. auch 103 f.

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damit zugleich auf die Periode verzichten: Das ist ihre Art, den griechischen Historiker nachzuahmen. Sie machen jedoch keinerlei Anstrengungen im Bereich des delectus verborum, um die σεμνότης und den κόσμος des thukydideischen Stils zu erreichen. Sie werden also wohl auch nicht in besonderer Weise Archaismen verwenden 2 1 . Catonisches Vokabular spielt bei den Thucydidii gewiß keine Rolle. Cicero könnte sonst nicht Brut. 65 behaupten, kein Redner der Gegenwart lese, kenne überhaupt den Censorius 22 . Außer den Archaismen scheint Ciceros Thukydideern noch ein anderes Stilmerkmal gefehlt zu haben, das man gern Nachahmern des griechischen Historikers zuschreiben möchte: die Dunkelheit. Nur so erklärt es sich ungezwungen, daß Cicero nirgends den naheliegenden Vorwurf erhebt, die Thukydidii sprächen unverständlich 23 . Brut. 29 und 66 hebt Cicero hervor, daß Dunkelheit ein Charakteristikum des Thukydides ist. Brut. 287 f. aber, wo er sich mit den Imitatoren des Historikers auseinandersetzt, sagt er nichts von der obscuritas ihrer eigenen Ausdrucksweise oder der ihres Musters. Ganz ähnliche Divergenzen bietet der Orator. Cicero betont orat.31, daß die thukydideischen contiones wegen ihrer Unverständlichkeit keine geeigneten Vorbilder für die oratio civilis darstellen. Nichts steht dagegen von obscuritas orat. 32, wo Cicero den Stil der Thucydidii charakterisiert und kritisiert.

c) T.Annius Cimber Es geht offenbar nicht an, die für Cimber bezeugte Affektation von Archaismen in unmittelbaren Zusammenhang mit der Thukydidesimitation zu bringen, gegen die Cicero polemisiert. Cimber muß einen anderen Platz in den stilistischen Strömungen des l.vorchr. Jh.s zugewiesen bekommen. Wir beginnen mit einer Betrachtung des zweiten Kataleptongedichtes, und zwar zunächst unter chronologischem Aspekt. Die archaistischen Neigungen Cimbers, die in den Choliamben verspottet werden, gehören bereits in die ausgehende Republik, nicht etwa erst in augusteische Zeit. Dafür sprechen zwei Gründe. Erstens: Der Autor des Pasquills kann sich bei der boshaften Fiktion, Cimber habe seinen Bruder mit dem Giftgebräu der Corinthia verba umgebracht, doch wohl nur auf Archaismen beziehen, deren sich der Angegriffene bereits vor dem Tode seines Bruders bedient hat. Würden der Pointe der Choliamben Stiltendenzen zugrundegelegt, denen Cimber erst nach dem angeblichen Brudermord zu 21 22

Das scheint auch Leeman, Genre 199 aus orat 32 zu entnehmen. So bereits Leeman, Genre 202; ähnlich Ratio 182; ein anderes Argument bei mir 180 A . 16.

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Man halte dagegen Dion. HaL op. rhet. I 3 07, 25 ff. Us.-Rad. Da handelt es sich um eine ganz andere Art der Thukydidesimitation.

huldigen begonnen hat, so wäre das ein grober Anachronismus, den man dem Dichter nicht ohne Not wird zutrauen dürfen. Cicero kennt schon Phil. 11,14 das Gerücht vom Brudermord; Mitte März 43 ist also der Bruder Cimbers tot. Zweitens 24 : Cimber befindet sich nach Cie. Phil. 11,14 Mitte März 43 im Feldlager des Antonius vor Mutina. Das Pasquill kann nicht gut in dieser Zeit entstanden sein. Die Verse erwecken den Eindruck, daß die Thukydidesnachahmung und die rege Beteiligung Cimbers an ihr gerade zur Entstehungszeit des Gedichtes aktuell waren; im Feldlager gab es gewiß keine Attica febris 25 . Ohnehin ist kaum anzunehmen, daß in dieser Bürgerkriegssituation das Interesse an den literarischen Capricen Cimbers noch besonders rege war. Schließlich könnte man wohl in derartigen Schmähversen gegen den Staatsfeind einen schärferen Ton erwarten. Ganz ähnliche Gründe machen eine spätere Abfassung des Gedichts bis zum zweiten Triumvirat unwahrscheinlich. In die Zeit der Proskriptionen wird man das Pasquill gegen einen Parteigänger des Antonius noch weniger gern setzen; überdies dürften auch in dieser Zeit sprachlich-stilistische Extravaganzen eines Autors kaum besondere Aufmerksamkeit auf sich gezogen haben. Eine noch spätere Entstehung des Gedichts erscheint aber aufgrund folgender Erwägung nicht akzeptabel: In den Choliamben wird auf das Gerücht von der Ermordung des Bruders nur angespielt. Offenbar wird die allgemeine Bekanntheit des Gerüchts vorausgesetzt. Das Gerede, das schon Mitte März im Umlauf ist, ist schwerlich nach den turbulenten politisch-militärischen Ereignissen des Jahres 43 und nach den furchtbaren Proskriptionen so allgemein geläufig gewesen, daß die Anspielung hätte genügen können. Alles spricht so dafür, daß das Spottgedicht jedenfalls vor Mitte März 43 niedergeschrieben worden ist. Doch ist der Terminus ante quem wahrscheinlich noch in frühere Zeit zu rücken. Mag Cimber auch nicht schon am 29. November 44 mit Antonius Rom verlassen haben, sondern erst während der Belagerung Mutinas zu ihm gestoßen sein: immerhin wird er sich nicht mehr mit auffallendem Eifer seinen archaistischen Neigungen gewidmet haben, als sein Parteihaupt mit militärischen Operationen begonnen hatte und die Lage in Rom für einen prononcierten Anhänger des Antonius nicht mehr eben angenehm war. Zudem würde auch in dieser gespannten Lage der Autor der Hinkjamben kaum noch auf Aufmerksamkeit für sein Gedicht haben rechnen können. Das Pasquill wird vor Ende November 44 verfaßt sein. Bemerkenswerterweise steht in diesen Versen nichts davon, daß Cimber auch im Lateinischen archaisiert. Wir erfahren lediglich, daß er bei seiner Thukydidesimitation griechische antiquierte Spracheigentümlichkeiten verwendet. 24 25

Manches von dem Folgenden schon bei E. Reitzenstein 72 f. Etwas anderes ist es, wenn Antonius und Octavian während des Mutinensischen Krieges ihre Deklamationsübungen beibehalten. Suet. gramm. 25,4; Aug. 84,1. Das ist eine Vorbereitung auf zukünftige politische Auseinandersetzungen, die griechische Thukydidesimitation Cimbers demgegenüber l'art pour l'art. Zu dem Komplex noch Quint, inst. 10,7,27.

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Das ist mit der Annahme erklärt worden, daß dem Verfasser des Pasquills eine griechische Vorlage vor Augen gestanden habe 26 ; denn es gibt einige griechische Gedichte, die den Choliamben in manchem ähneln. Nun ist zwar wohl richtig, daß die Anfuhrung von min, sphin und dem DoppelTau der Attizisten in derartigem Zusammenhang bereits vor dem Pasquill nicht unüblich gewesen ist; dessen Autor hält sich in dieser Hinsicht, wenn man so will, an eine Spottopik. Daß aber mehr in unseren Choliamben übernommenes Gut sein könnte, darauf führen die Parallelgedichte keineswegs. Lassen wir es auf sich beruhen, daß für die Formulierung tau Gallicum ein Vorbild nicht zu finden ist. Gerade was den eigentlichen Witz des Pasquills angeht, die Verquickung der Affektation Cimbers mit dem Gerücht vom Brudermord, so entspringt der offenkundig aus der individuellen, einmaligen Situation und kann nicht aus einer bestimmten griechischen literarischen Quelle geschöpft sein 27 . Eine Vorlage, aus der sich das Spottgedicht ganz ableiten ließe, hat es also nicht gegeben. Der Dichter hat im Entscheidenden frei formuliert, nur von den Gegebenheiten der Situation geleitet. Wenn man voraussetzt, daß Cimber lediglich im Griechischen archaisiert hat, kann es nicht weiter verwundern, daß der Autor der Hinkiamben sich der schon von anderen vorgebrachten Hinweise auf min, sphin, Doppel-Tau bedient. Das ist ohne Belang für die Aggressivität des Spottgedichtes und die Zuspitzung der Pointe. Wenn freilich der Angegriffene gleichfalls lateinische verba prisca oder gar catonisches Vokabular affektiert haben sollte, dann wäre es überaus merkwürdig, daß wir davon in dem Pasquill nichts erfahren. Einem römischen Pamphletisten mußte schon an sich ein Archaisieren im Lateinischen als Zielscheibe des Spottes näher liegen als entsprechende Neigungen im Griechischen. Noch sonderbarer aber erscheint das Schweigen des Dichters, wenn man sich die stilistische Situation in der Beredsamkeit der ausgehenden Republik vergegenwärtigt. Ein lateinisches Altertümeln wäre in dieser Zeit etwas Neues und fiele erst recht auf, wenn es sich mit dem Gebrauch catonischen Vokabulars verbinden sollte28. Zudem mußte die Pointe, auf die das Schmähgedicht hinausläuft, es besonders nahelegen, außer auf die griechischen Archaismen auch auf die lateinischen Archaismen anzuspielen: So hätte das Mischen des Giftes eine viel deutlichere Entsprechung finden können. Aus den Hinkiamben geht also nicht nur nicht hervor, daß Cimber im Lateinischen archaisiert; aus ihnen läßt sich sogar mit einiger Wahrscheinlichkeit entnehmen, daß der „rhetor" eben nicht lateinische Archaismen affektiert und erst recht nicht Catonismen, daß sich vielmehr seine archaistischen Neigungen auf das Grie26 27

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So E. Reitzenstein 7 3 f . ; die Schwierigkeit ist schon Birt 56 aufgefallen. Was Birt 58 vergleicht, ist nur entfernt analog. Zu dem hinter der Pointe stehenden Vorstellungskomplex V. Buchheit, Studien zum Corpus Priapeorum, Zetemata 28, München 1962, 99 Α. 1; Gnomon 37, 1965, 691. Dazu auch meine Bemerkungen 71 ff.; 160.

chische beschränken. Der Schluß hat allerdings lediglich bis zum Tode des angeblich ermordeten Bruders Gültigkeit. Für die griechische Thukydidesnachahmung, die in dem Kataleptongedicht verspottet wird, läßt sich nun noch ein Terminus post quem gewinnen: In der Polemik gegen die Thucydidii stellt Cicero orat.31 die rhetorische Frage: quis . . . umquam Graecorum rhetorum a Thucydide quicquam duxit? Zum Zeitpunkt dieser Äußerung weiß Cicero also noch nichts von griechischen Rhetoren, die sich den Geschichtsschreiber zum Vorbild nehmen. Das bedeutet zwar nicht unbedingt, daß es derartige Rhetoren damals nicht gibt 29 , aber doch, daß man in Rom noch nichts von ihnen gehört hat. Nun ist nicht zu bezweifeln, daß die griechische Thukydidesnachahmung, der der „rhetor" Cimber anhängt, zuerst von griechischen Rhetoren praktiziert und nach Rom eingeführt wird; man wird ebenfalls nicht fehlgehen in der Annahme, daß, solange diese offenbar zeitweise sehr elanvolle Stilrichtung Bestand hat, griechische Rhetoren in ihr eine gewisse Rolle spielen. Die im Katalepton gegeißelte Art der griechischen Thukydidesnachahmung kann mithin erst nach der zweiten Hälfte des Jahres 46 in Rom aufgekommen sein. Höchstwahrscheinlich erst nach diesem Zeitpunkt also hat Cimber mit dem griechischen Archaisieren als Imitator des Geschichtsschreibers begonnen 30 . Wir wenden uns jetzt der Notiz über die stilistischen Tendenzen Cimbers zu, die Suet. Aug. 86,3 erhalten ist. Sueton berichtet Aug. 86,1, daß es Octavian in seiner Ausdrucksweise in erster Linie um das sensum animi quam apertissime exprimere gegangen sei. Er fährt Aug. 86,2 f. fort: M. quidem Antonium ut insanum increpat quasi ea scribentem quae mirentur potius homines quam intellegant; deinde ludens malum et inconstans in eligendo genere dicendi ingenium eius addit haec: tuque dubitas Cimberne Annius an Veranius Flaccus imitandi sint tibi, ita ut verbis, quae Crispus Sallustius excerpsit ex Originibus Catonis, utaris, an potius Asiaticorum oratorum inani[bu]s sententiis verborum volubilitas in nostrum sermonem transferenda. Daß der hier erwähnte Annius Cimber mit der in den Schmähversen verspotteten Person identisch ist, scheint allgemein fur sicher gehalten zu werden, gewiß zu Recht. Was geht aber aus den Worten Octavians über ihn hervor? 29

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Aus dem verstümmelten Passus bei Philodem rhet 4 coL 7,14 ff. (I p. 151 Sudh.) ist freilich nicht zu ersehen, daß schon vorher griechische Redner Thukydides nachahmten. Nicht völlig auszuschließen ist allerdings, daß Cimber bereits vor 46 außerhalb Roms als Thukydidesnachahmer archaisierte und Cicero von dieser ganzen Richtung noch keine Kenntnis hatte. Die einfachere und damit probablere Annahme ist die im Text ausgesprochene. - Falls der ermittelte Terminus post quem für Cimbers griechisches Archaisieren zutrifft, kann die ohnehin unbegründete Vermutung von Westendorp 26 fratrem miserum iam anno 46 occisum esse nicht gut richtig sein. Die spöttische Bemerkung Ciceros orat. 32, die Thukydidesnachahmer hielten sich für germanos Thukydidas, als Anspielung auf den Brudermord des Thukydideers Cimber zu deuten, wäre Willkür.

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Der junge Caesar hält Antonius sarkastisch vor, er zweifle, ob er den Cimber nachahmen solle dergestalt, daß er die Wörter gebrauche, die Sallust aus den Origines Catos exzerpiert habe 31 . Cimber hat offenbar eben das getan, was Octavian für die Folge hält, die sich aus der Nachahmung Cimbers durch Antonius für den letzteren ergeben müßte: Er hat sich der Wörter bedient, quae . . . Sallustius excerpsit ex Originibus Catonis32. Sallust muß also die Priorität in der Verwendung catonischer Wörter vor Cimber haben; es wäre sonst zu erwarten, daß nicht Cimber die Wörter, die der Historiker, sondern dieser die Wörter, die der „rhetor" aus den Origines exzerpierte, gebraucht. Darüber hinaus indiziert die Bemerkung des Briefschreibers auch, daß Sallust überhaupt als erster auf den Gedanken gekommen ist, zu literarischen Zwecken Vokabeln aus den Schriften Catos zu entlehnen. Wäre es ein unbekannter Dritter gewesen, so wäre nicht einzusehen, weshalb Cimber, Flaccus und — nach Octavians Ansicht — ebenfalls Antonius sich nicht an diesen Urheber der Catonachahmung hätten halten sollen. Cimber bedient sich also, im Gefolge Sallusts und überhaupt erst durch diesen dazu angeregt, catonischer Wörter. Zu welchem Zeitpunkt kann er damit begonnen haben? Die Reden Sallusts haben sich sehr wahrscheinlich nicht durch Catonachahmung ausgezeichnet33. Die zwei Epistulae ad Caesarem senem sind, Sallusts Verfasserschaft einmal vorausgesetzt, anscheinend nicht für die Öffentlichkeit bestimmt gewesen und dürften erst aus Sallusts Nachlaß publiziert worden s e i n O h n e 31

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Die Formulierung Octavians Cimberne Annius an Veranius Flaccus stark disjunktiv aufzufassen (also: Du schwankst zwischen Cimber auf der einen und dem eine andere Stilrichtung vertretenden Veranius auf der anderen Seite; so anscheinend TeuffelKroll 503 f.), verbietet sich hauptsächlich deshalb, weil mit dem pluralischen Prädikat beide Autoren offenbar als zusammengehörig gekennzeichnet werden. Bentley hat das überlieferte an in ac geändert; gut möglich, daß die häufig akzeptierte Konjektur das Richtige trifft. Vielleicht aber darf man das an als einen nicht ganz präzisen Ausdruck Octavians doch im Text belassen. Jedenfalls werden Annius und Flaccus in dem Satz als Vertreter derselben Stiltendenzen angesehen. So schon, aber ohne die Konsequenzen zu sehen, E. Reitzenstein 71; Westendorp 24; sie greifen allerdings Bentleys ac anstatt des ersten an auf. Vgl. 148 f. Daß die Briefe nicht gut öffentlich gewesen sein können, führt - freilich nicht mit jedem Argument überzeugend - Vretska I 60 ff. aus; vgL noch Syme 346 A. 101. Anders letzthin wieder Büchner, Gymnasium 70, 1963, 447. Hat aber Sallust diese Schreiben nicht veröffentlicht, solange sie noch aktuell waren, so doch wohl erst recht nicht, als sie durch den Gang der Ereignisse längst überholt waren. Überdies dürften jedenfalls zu Lebzeiten Caesars die scharf kritischen Bemerkungen über Anhänger Caesars (rep. 1,2,5 f.; 1,3,3f.; 1,6,1) und über die römische Plebs (rep. 2,5,6 ff.; 1,7,2) von dem Caesarianer nicht laut geäußert worden sein. Auch an der Publikation der negativen Bewertung Catos rep. 2,4,2; 2,9,3 kann Sallust nichts gelegen haben, nachdem sich sein Catobild spätestens bei der Arbeit an der ersten Monographie so sehr gewandelt hatte. VgL noch Vretska I 39 A. 6. Mit der Möglichkeit, daß Cimber auf irgendwelchen Schleichwegen zur Kenntnis der Sendschreiben gelangt ist, wird man kaum operieren dürfen. - Aber wie, wenn doch eine der Episteln oder beide für die Öffent-

hin würde man nicht gern annehmen, daß allein durch diese zwei kurzen, der Tagespolitik dienenden und kaum viel eindeutig catonisches Sprachgut enthaltenden Sendschreiben3S eine Richtung inauguriert worden ist, deren Anhänger Wörter gebrauchten, quae . . . Sallustius excerpsit ex Originibus Catonis. Wenn man sich an das hält, was von Sallusts Schriftstellerei bekannt ist, wird man also den Beginn der durch Cimber vertretenen stilistischen Strömung frühestens nach der Publikation des Catilina ansetzen 36 . Sallust hat diese seine erste historische Schrift jedenfalls erst nach Caesars Ermordung veröffentlicht 37 . Cimber hat, nachdem er sich einmal den militärischen Operationen des Antonius angeschlossen hatte, vor der Einigung zwischen Antonius und Octavian schwerlich Gelegenheit gefunden, sich einer Sallust-Catoimitation zu widmen. Mit ihr könnte er vor dem zweiten Triumvirat also wohl allenfalls zwischen Mitte März 44 und Mitte März 43 angefangen haben. Doch ist auch diese Möglichkeit kaum akzeptabel. Als entschiedener und prominenter Gefolgsmann des Antonius dürfte Cimber sich nach Caesars Tod sehr aktiv in die Politik eingeschaltet h a b e n s c h w e r l i c h hat er in dieser Zeit auf literarische Novitäten geachtet und ihnen folgend, ein neues Stilexperiment unternommen. Der Anfang der Sallust-Catonachahmung bei Cimber gehört somit am wahrscheinlichsten erst der Zeit nach dem zweiten Triumvirat an. Bei der Sachlage kann das Kataleptongedicht, das gewiß vor diesem Zeitpunkt verfaßt worden ist, nicht gut auf die Suet. Aug. 86,3 erwähnten Stiltendenzen bezogen werden. Eine derartige Beziehung wäre auch unter einem anderen Aspekt wenig einleuchtend. Unter der Voraussetzung einer solchen Anspielung müßten zwischen den Iden des März 44 und Ende November 44, dem mutmaßlichen Terminus ante quem für die Entstehung der Choliamben, folgende Ereignisse vermutet werden: Erscheinen des Catilina, Beginn von Cimbers Catonismengebrauch, „Brudermord", Entstehung des Spottgedichts. Das Erscheinen der ersten sallustischen Monographie würde damit sehr nahe an Caesars Tod heran-

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lichkeit bestimmt waren? Dann ist noch viel weniger als im diskutierten Fall wahrscheinlich, daß sie eine Catonismen gebrauchende Stilrichtung angeregt haben. Der jüngere Brief ist wohl kurz nach Pharsalos zu setzen. Wistrand, Eranos 60, 1962, 160ff.; Syme 318 f. Weder er noch der ältere Brief könnte bis zum Jahre 46 eine Verwendung catonischen Sprachgutes in der Beredsamkeit veranlagt haben. Dazu 73; 160. Haben die Schriften der Publizistik aber in einem guten Jahr nicht in dieser Weise gewirkt, so haben sie es noch später gewiß nicht getan; dazu würde passen, daß ihnen Cie. A t t 12,40,2 keinerlei Beachtung geschenkt wird. Vgl. dazu 341. Das Catilinaprooemium, in dem Sallust seine Hinwendung zur Geschichtsschreibung rechtfertigt, erweckt auch durchaus den Eindruck, daß der Autor zuvor schriftstellerisch nicht besonders hervorgetreten ist. Manches spricht für eine Datierung des Catilina nach 43. a. Chr. Broughton, TAPhA 67, 1934, 4 4 f f . ; Syme 127 ff. Doch vgL auch letzthin K. Büchner, Sallustinterpretationen, Stuttgart 1967, 11 ff. Anscheinend ist er 44 a. Chr. Praetor gewesen. T. R. S. Broughton, The Magistrates of the Roman Republic II, New York 1952, 319

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rücken: Eine zumindest wenig einladende Datierung 39 . Das Ergebnis dieser Erwägungen stimmt ausgezeichnet zu der Auffassung, die die Betrachtung des Kataleptongedichts nahelegte. Fassen wir die Deutung, die den Zeugnissen über Cimbers stilistische Extravaganzen am ehesten gerecht zu werden schien, noch einmal zusammen: Nach der Niederschrift von Ciceros Orator und vor Ende November 44 hat Cimber als Thukydidesimitator im Griechischen zu archaisieren begonnen, und zwar vor dem Tode seines Bruders, der während dieser Zeit ums Leben kam; einzig und allein mit dieser literarischen Tätigkeit des „rhetor" haben es die Choliamben zu tun. Nach dem Tode seines Bruders hat Cimber im Gefolge Sallusts seine Sprache mit Wörtern Catos ausstaffiert; dieser modernen Richtung der lateinischen Kunstprosa wird er sich erst haben widmen können, nachdem sich die Lage für Antonius und seine Anhängerschaft konsolidiert hatte. Die griechische mit dem Gebrauch von Corinthia verba verbundene Thukydidesnachahmung ist also einige Zeit später in Rom aufgekommen als die lateinische Thukydidesimitation, die sich gerade nicht mit einer archaistischen Sprachgestaltung verknüpft. Überhaupt hat die Attica febris, die im Katalepton angegriffen wird, nichts unmittelbar mit dem römischen Attizismus zu tun, mit dem Cicero sich auseinandersetzt. Die griechische archaistische Nachahmung des großen Historikers steht denn wohl auch gerade zu einem Zeitpunkt in Blüte, zu dem das von Cicero bekämpfte Attikertum bereits beträchtlich an Bedeutung verloren hat. Tusc.2,3, also im Jahre 45, bemerkt Cicero über seine attizistischen Gegner: reperiebantur non nulli qui nihil laudarent, nisi quod se imitari posse confiderent . . . et . . . ieiunitatem et famem se malle quam ubertatem et copiam dicerent, unde erat exortum genus Atticorum iis ipsis qui id sequi se profitebantur ignotum, qui iam conticuerunt paene ab ipso foro inrisi. Hier sieht der Schriftsteller die ganze Richtung offensichtlich als abgetan an. Gewiß darf man die Worte, die Cicero in der Auseinandersetzung mit den Jungattikern äußert, nicht durchweg für bare Münze nehmen; aber zweifellos könnte er sich nicht in dieser Weise äußern, wenn die Attici auf dem Forum noch eine hervorragende Rolle spielten. Anscheinend ist es tatsächlich in dieser Zeit um die Attizisten, die Cicero wenig vorher so heftig bekämpft hatte, merklich stiller geworden 40 . Zu dem Verhältnis von griechischem Archaisieren und Archaismengebrauch Cimbers muß noch einiges ergänzend bemerkt werden. Was wir von der Thukydides39 40

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Sallust hat der Überlieferung zufolge bedacht und langsam geschrieben. Quint inst 10,3,5 ff. Das wird auch für die Thucydidii gelten. Sie scheinen sich zwar nicht ausdrücklich als Attici bezeichnet zu haben, aber Cicero pflegt sie im Zusammenhang mit den sonstigen Jungattikern zu behandeln. So Brut. 284 ff.; orat 28 ff.; 234 f. Er betrachtet sie demnach gewiß als Teil der ganzen Strömung; da dürften sie auch Tusc. 2,3 nicht ausgenommen sein.

nachahmung Cimbers im Katalepton erfahren, ist sonderbar. Die Pronomina μα> und αφιν, die der las, dem Epos usw. angehören, das Doppel-Tau statt des DoppelSigma kommen, wie man längst bemerkt hat, bei Thukydides gar nicht vor41. Wie können diese sprachlichen Besonderheiten gerade für den Thukydidesimitator in Anspruch genommen werden? Liegt die Erklärung darin, daß die Nachahmer ihr Vorbild allgemein in seiner Technik der απηρχαιωμένα ονόματα zu imitieren und zu übertrumpfen suchen42? Das hört sich zunächst plausibel an, ist aber doch wohl nicht richtig. Zunächst ist zweifelhaft, daß Cimber die Theorie, für Thukydides sei auch eine απηρχαιωμένη λεξις charakteristisch, in dieser Zeit überhaupt kennen konnte 43 . Geradezu unwahrscheinlich aber wird die Erklärung dadurch: Wir hören von der gleichen Praxis wie sie Cimber zugeschrieben wird, in einem Zusammenhang, in dem von Thukydidesnachahmung nicht die Rede ist. Aus neronischer Zeit stammt dies Gedicht des Lukillios (Anth. Pal. 11Д42) 44 : ,,πολλοΟ δει" και ,,σφίν" και τμ к παρ "екаата ,,διχασταί άνδρες" και ,,λέγβ δή τον νόμον ένΟά&ε μοι" και ,,ταυτι" και ,,μών" και ,,τετταράκοντα" και ,,αττα" οκεφάμενος και τοι ,,νη Δία" και ,,μά Αία" ρήτωρ έστί Κρίτων και παιδία πολλά διδάσκει' Vermutlich ist Kriton keine historische Persönlichkeit. Wie wohl auch sonst bei Lukillios steht der Eigenname für den Typ 45 . In den Versen dürften Wörter und Wendungen verspottet sein, wie sie allgemein in der griechischen Rhetorenschule dieser Zeit gelehrt werden. Es handelt sich dabei offenbar um Ausdrücke, die man für Charakteristika der alten attischen Beredsamkeit hält. Dazu passen freilich μιρ und αφιν ebensowenig wie zu der Nachahmung des Thukydides. Aber eine Überlegung, wie die diskutierte, hilft in diesem Falle nicht weiter. Die Erklärung dafür, daß die Rhetoren eine Vorhebe für die genannten Pronomina haben, wird hier darin zu finden sein, daß diese Idiome eben als Merkmale des guten alten Attischen gelten46; man bedient sich ihrer, ohne weiter zu prüfen, ob sie tatsächlich bei den altattischen Rednern nachzuweisen sind. Dieselbe Erwägung dürfte dasselbe Phänomen bei Cimber und der durch ihn vertretenen Attica febris recht deuten. 41 42 43 44 45 46

Daß Thukydides gerade Doppel-Sigma statt Doppel-Tau schreibt, ist tike aufgefallen. Schol. Thuc. ed. Hude, Leipzig 1927, 7. E. Reitzenstein 74. Vgl. 158 f. Auf das Gedicht weist schon Bücheler, RhM 36, 1883, 509 hin. Dazu Geffcken, RE XIII (1927) 1777 ff. passim. Zur Erklärung darf an die Bedeutung erinnert werden, die Aristarch in Homers Sprache beigemessen hat Nach Diom. gramm I 335, 1 ff. radezu Atticae linguae cultor. VgL auch noch Radermacher, Studien

schon in der An-

dem Attischen ist Homer ge371; Brecht 28.

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Ihr Vorbild ist auch der beste Kanon der Atthis (Dion.Hal.op.rhet.il 239,8 ff. Us.-Rad.), und so wird diese Richtung bei dem großen Geschichtsschreiber das unverfälschte Attisch zu finden glauben. Thukydides ist bereits der ausgehenden Republik ein sehr schwer verständlicher Autor 4 7 ; die Anhänger der zur Rede stehenden Thukydidesmode werden der Sprache und dem Stil des Historikers kaum langdauernde und intensive Studien gewidmet haben und mögen mit manchen Eigentümlichkeiten seines Griechisch gar nicht vertraut gewesen sein. Da ihnen ihr Muster aber als der beste Vertreter echter Atthis vor Augen steht, wenden sie bei seiner Nachahmung die Idiome an, die ihnen als die bezeichnenden Eigentümlichkeiten der reinen altattischen Ausdrucksweise vertraut sind, μιν, σφιν, das doppelte Tau 48 . Diesen zu vermutenden griechischen Sprachtendenzen gegenüber entspringt die Verwendung catonischen Vokabulars im Gefolge Sallusts schwerlich dem Streben, sich des guten alten Lateins zu bedienen 49 . Die Praxis, der Cimber im Griechischen, und die, der er im Lateinischen huldigt, stehen also einander sachlich wohl nicht nahe; der „rhetor" wird denn auch durch seine griechische Thukydidesnachahmung offensichtlich nicht auf den Einfall gebracht, catonisches Wortgut zu verwenden. Zudem berühren das griechische Archaisieren und der Gebrauch von Catonismen bei Cimber einander möglicherweise nicht einmal rein zeitlich: Im Feldlager vor Mutina hat sich Cimber gewiß nicht mehr seiner Thukydidesnachfolge gewidmet. Mit der Aufnahme seiner literarischen Tätigkeit wird man kaum vor dem zweiten Triumvirat rechnen dürfen. Erst nach diesem Zeitpunkt beginnt er wahrscheinlich mit der Sallust-Catoimitation. Daß er jetzt auch seinen griechischen Attizismus fortsetzt, ist keineswegs sicher; es ist denkbar, daß dieser griechische Thukydideismus nur eine kurzlebige Modeerscheinung darstellt, die die politischen Wirren nach den Iden des März nicht überdauert 50 . Das literarische Verhältnis Cimbers zu Sallust läßt sich etwas genauer bestimmen, als wir es bisher getan haben. Mit Octavians Bemerkung bei Sueton wird 47 48

49 50

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VgL die Bemerkungen Ciceros bei mir 155 f.; ferner Dion. HaL op. r h e t I 394, 8 ff.; 410,15 ff.; 417,22ff. Us.-Rad. Man könnte allerdings auch meinen, daß der Autor des Gedichts es lediglich darauf abgesehen habe, die archaistischen Tendenzen Cimbers als solche zu brandmarken; er bediene sich dazu einfach der üblichen Vorwürfe, ohne die Einzelheiten des von dem „rhetor" tatsächlich gepflegten Sprachgebrauchs zu berücksichtigen. Doch verdient wohl eine Deutung den Vorzug, bei der nicht mit einer solchen Ungenauigkeit des Dichters gerechnet wird. Vgl. 334 A. 103. Damit soll selbstverständlich nicht bestritten sein, daß es noch weiterhin griechische Thukydidesnachahmung gibt. VgL etwa Dion. HaL op. rhet. I 307,25 ff. Us.-Rad. Daraus ergibt sich aber nicht das Fortbestehen spezifisch der Richtung, mit der wir uns hier befassen: Die Bewunderung des Thukydides und seine Einschätzung als Vorbild kann sehr verschiedene Formen haben. VgL ζ. B. Dion. HaL op. rhet I 409, 7 ff. Us.Rad. Reitzenstein, NGG 1914, 201 f.

das inconstans in eligendo genere dicendi des Antonius verspottet. Man muß danach annehmen, daß die zwei Stilarten, zwischen denen zu schwanken dem Angeredeten vorgeworfen wird, scharf voneinander unterschiedene Extreme sind. Als Merkmal der von den Asiatici oratores gepflegten Beredsamkeit wird die gedankenlose, geschwätzige Zungenfertigkeit genannt 51 . Der Gebrauch catonischen Vokabulars aber, der als Charakteristikum der dem Cimber eigenen Ausdrucksweise angeführt wird, impliziert, für sich genommen, nicht unbedingt einen Unterschied zwischen dem genus dicendi Cimbers und dem der Asiaten. Offensichtlich steht hinter der Bemerkung des jungen Caesar die Vorstellung, daß die Verwendung der Wörter Catos eng zusammengehört mit dem Bemühen, wortkarg und gedankenschwer zu sprechen oder zu schreiben; dann handelt es sich allerdings bei der Redeweise der Asiatici oratores und der Cimbers um zwei nicht miteinander zu vereinbarende Extreme. Mit dieser Überlegung sind für Cimber die Stilmerkmale erschlossen, die als charakteristisch für Sallust zu gelten pflegen: die parsimonia verborum und die immortalis velocitas. Wenn wir bedenken, daß Cimber die Wörter Catos gebraucht, die der Historiker aus den Origines exzerpiert hat, werden wir nicht zögern, ebenfalls sein Streben nach Gedankenschwere und Wortkargheit auf die Anlehnung an Sallust zurückzuführen. Dank einem Hinweis Senecas läßt sich die Sallustnachahmung Cimbers in einen größeren Zusammenhang einordnen. Der Philosoph schreibt epist. 114,17 bei der Erörterung einiger stilistischer vitia: haec vitia unus aliquis inducit, sub quo tunc eloquentia est, ceteri imitantur et alter alteri tradunt. sie Sallustio vigente anputatae sententiae et verba ante exspectatum cadentia et obscura brevitas fuere pro cultu. L. Arruntius, vir rarae frugalitatis, qui historias belli Punici scripsit, fuit Sallustianus et in illud genus nitens. est apud Sallustium: exercitum argento fecit, id est, pecunia paravit. hoc Arruntius amare coepit: posuit illud omnibus paginis. Es folgen noch andere Beispiele, die zeigen, wie Arruntius sich in der Wortwahl an Sallust anschließt. Sallust hat also zu Lebzeiten mit seiner abrupten und dunklen Schreibweise eine ganze Stilmode ausgelöst, und zwar gewiß erst durch seine historischen Schriften 52 . Die Stilrichtung hat jedenfalls vor dem Publikationsbeginn der sallustischen Historien nicht ihr Ende gefunden 53 . Wie die Praxis des Arruntius lehrt, 51 52 53

Octavian denkt hier offenbar an die Art asiatischer Beredsamkeit, die Cicero Brut. 325 als zweites genus der Asiatica dictio bespricht, wie es im Jahre 46 est Asia tota. So schon Latte, JRS 27, 1937, 301. Arruntius kennt nach Sen. epist 1 1 4 , 1 9 bei der Abfassung seines Geschichtswerkes die Historien. Dazu noch Wells, Philologus 92, 1937, 459 ff. - Eine Bemerkung noch zur Identifizierung des L. Arruntius mit dem Konsul 22 a. Chr. Die gemeinhin dafür angeführten Gründe (vgl etwa Schanz-Hosius II 328) sind schwach; berechtigte Skepsis bei Klebs, PIR 1 A 928. Das entscheidende Argument pflegt übersehen zu werden; angedeutet hat es nur K. Nipperdey, Opuscula, Berlin 1877, 409. L. Arruntius, cos. ord. 6 p. Chr., der allein neben dem gleichnamigen Konsul 22 a. Chr. als Autor des Geschichtsweikes in Frage käme, ist sehr wahrscheinlich erst nach Sallusts Tod gebo-

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erstreckt sich die Imitation der Sallustnachahmer auch auf das Vokabular. Die Modeströmung hat, wenn wir Senecas einleitender Formulierung sub quo tunc eloquentia est trauen dürfen, die Prosa allgemein, nicht lediglich die Geschichtsschreibung erfaßt. Es unterliegt keinem Zweifel, daß Octavian auf den Redner Cimbers4als einen hervorragenden Vertreter der gerade grassierenden Sallustmode hinweist, von der wir bei Seneca erfahren. Die Zeit, die sich für die Äußerung des jungen Caesar und damit zugleich die Sallustimitation Cimbers erschließen läßt, stimmt aufs trefflichste zu dieser Ansicht: Cimber hat mit der zur Rede stehenden Praxis nicht vor Veröffentlichung des sallustischen Catilina begonnen. Octavians Bemerkung ist also nach Ende 43 a. Chr., dem Zeitpunkt seiner Einigung mit Antonius, zu datieren. Der Terminus ante quem ist für sie 32 a. Chr., das Jahr des endgültigen Bruchs zwischen den zwei Männern 55 . Man wird sich selbstverständlich die stilistische Richtung, die wir jetzt kennengelernt haben, nicht unbedingt als ganz einheitlich vorzustellen haben. Auch die Archaismen und das catonische Vokabular Sallusts werden nicht alle Nachahmer des Historikers in gleichem Maße verwendet haben, obwohl schwerlich einer von ihnen auf dieses besonders auffällige Merkmal der sallustischen Ausdrucksweise völlig verzichtet hat. Dadurch wohl und durch die obscura brevitas unterscheiden sich diese Sallustimitatoren eindeutig von den Thucydidii, gegen die Cicero polemisiert. Überhaupt ist nirgendwo bezeugt, daß die Sallust zeitgenössischen Gefolgsleute des römischen Geschichtsschreibers oder einige unter ihnen zugleich Bewunderer und Nachahmer des Thukydides sind56. Ob und wie lange nach Sallusts Tod die ganze Richtung noch floriert hat, wissen wir nicht. Vielleicht war der Mode, die Seneca mit der Lebenszeit des Historikers verknüpft, nicht eine sehr lange Dauer beschieden; jedenfalls spricht Seneca von ihr als einer der Vergangenheit angehörigen Erscheinung57.

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ren (dazu Lebek, Hermes 94, 1966, 3 6 4 f f . ) und 37 p.Chr. durch Selbstmord gestorben. Undenkbar, daß Seneca diesen seinen älteren Zeitgenossen in einem Atem mit einer Sallustio vigente existierenden Richtung erwähnt; nur L. Arruntius cos. 22 a. Chr. kann in diesem Zusammenhang gemeint sein. Daß Octavian die Redekunst - nicht unbedingt die praktische Beredsamkeit - Cimbers vorschwebt, wird dadurch nahegelegt, daß er ihn den Asiatici oratores gegenüberstellt. H. Bardon, Les Empereurs et les lettres latines d'Auguste ä Hadrien, Paris 1940, 35 will den betreffenden Brief noch genauer zwischen 41 und 35 verfaßt wissen. Die Quint, inst. 10,2,17 erwähnten Sallust-Thukydidesimitatorcn haben nichts mit der frühaugusteischen Sallustnachahmung zu tun, die kaum lange Bestand hatte. VgL die folgenden Darlegungen. Über eine rednerische Richtung, in der Sallusts Einfluß möglicherweise die Regierungszeit des Tiberius überdauert 201 ff. Um bewußte Sallustiani scheint es sich dabei jedoch nicht zu handeln.

d) Veranius Flaccus Neben T.Annius Cimber wird von Octavian Suet. Aug. 86,3 noch ein zweiter Archaist beim Namen genannt: Veranius Flaccus. Er ist nach weit verbreiteter Auffassung Pontifikalrechtsschriftsteller. Also hätte unter den Archaisten frühaugusteischer Zeit auch ein solcher Rechtsgelehrter eine Rolle gespielt. Das wäre interessant. Aber die referierte Auffassung ist nicht akzeptabel. Sie gründet in folgender Kombination. Macr.Sat. 1,15,21 steht: Verrium Flaccum iuris pontificii peritissimum dicere solitum refert Varro etc. Es ist unglaubhaft, daß der mindestens 40 Jahre jüngere Verrius Flaccus hier von Varro als Autorität — dicere solitum! — zitiert ist. Nun kennen wir einen bereits von Verrius benutzten Schriftsteller Veranius, der auf dem Gebiete des Pontifikalrechts tätig ist. Der Name des Verrius wird an der Macrobiusstelle aus Veranius geändert oder verschrieben sein. Das Kognomen Flaccus aber ist für Veranius Suet. Aug. 86,3 bezeugt. Die Identität des hier erwähnten Veranius Flaccus mit dem Rechtskenner wird durch die Erwägung erhärtet, daß die Schriften des Pontifikalrechtsautors sicherlich eine ergiebige Fundgrube für altertümelnde Schriftsteller gewesen sind 58 . Soweit die Kombination. Sie ist schon deshalb Zweifeln unterworfen, weil die dem konjekturalen Eingriff zugrundeliegende Annahme, unter dem von Macrobius erwähnten Verrius Flaccus könne nur der berühmte Grammatiker verstanden werden, durchaus nicht zwingend ist. Immerhin mag das Alternativpostulat, es habe in varronischer oder vorvarronischer Zeit einen gleichnamigen sonst ganz verschollenen Pontifikalrechtskenner gegeben 59 , unbefriedigend erscheinen. Setzen wir also einmal voraus, die Änderung Verrius in Veranius treffe das Richtige 60 . Daß der iuris pontificii peritissimus das Kognomen Flaccus gehabt hat, ist auch unter dieser Prämisse nicht gewiß. Bei Macrobius könnte der Beiname ein Zusatz sein, der zu dem in Verrius verwandelten Veranius nachträglich hinzugetreten ist 61 . Eine sichere Namensgleichheit zwischen dem Pontifikalrechtsautor Veranius und dem Suet. Aug. 86,3 erwähnten Veranius Flaccus bestünde also jedenfalls nur im Gentilnamen. 58

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Dies die Argumentation von O. Hirschfeld, WS 3, 1881, 110 = KL Sehr., Berlin 1913, 798 f. Die weiteren Äußerungen dazu bei Gordon, RE VIII A (1955) 937, der sich ganz Hirschfeld anschließt; dazu noch, ebenfalls zustimmend, Bardon I 310. Zurückhaltend Syme, CQ 51, 1957, 123. Man hat an den - sonst unbekannten - Freilasset des Grammatikers gedacht Vgl. Gundel, RE VIII A (1958) 1636. In der Tat machen die Altersverhältnisse recht unwahrscheinlich, daß Varro einen Ausspruch des Grammatikers Verrius angeführt hat. VgL z.B. Gell. 2,10,3; (Varro) Q. Valerium Soranum solitum dicere ait eqs. Valerius Soranus ist 82 a. Chr. gestorben. Auf Varro ist vermutlich auch zurückzufuhren GelL 12,4,5: L. Aelium Stilonem dicere solitum ferunt eqs. Norden, Ennius 132. Vor Macr. Sat. 1,15,21 ist mehrfach von Verrius Flaccus die Rede, zuletzt 1,12,15. Da wäre besonders verständlich, wenn etwa Macrobius aus einem ihm überlieferten Verrius ein Verrius Flaccus gemacht hätte. Natürlich gibt es auch andere Möglichkeiten.

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Und wie steht es mit dem Argument, die Schriften des Rechtskenners seien eine ergiebige Fundgrube für Archaisten gewesen? Gewiß werden Abhandlungen über Pontifikalrecht manchen altertümlichen Ausdruck enthalten. Aber aus der Bemerkung des Octavian geht nicht einfach hervor, daß sich in den Schriften des Flaccus antiquiertes Sprachgut findet, sondern daß er das Vokabular gebraucht, das Sallust aus den Origines exzerpiert hat. Diese Eigentümlichkeit in der Ausdrucksweise des Veranius hat mit pontifikalrechtlicher Schriftstellerei als solcher überhaupt nichts zu tun. Es gibt somit nicht das geringste Anzeichen dafür, daß Octavian bei seiner Äußerung derartige Schriften des Flaccus vorschweben. Im Gegenteil ist sogar wahrscheinlich, daß er gerade nicht an solche Abhandlungen denkt. Denn was über Cimber ausgeführt worden ist, gilt ebenfalls für Veranius Flaccus: Er ist ein Vertreter der durch die historischen Schriften Sallusts ins Leben gerufenen Stilmode und sucht neben der sallustischen Wortwahl die Gedankenschwere des Historikers zu imitieren. Vermutlich stehen Octavian bei Veranius Flaccus nicht anders als bei Cimber mit sallustisch-catonischem Vokabular ausstaffierte Reden vor Augen. Der Pontifikalrechtskenner Veranius und der Sallustnachahmer Veranius Flaccus haben, soviel dürfte jetzt bereits erwiesen sein, kaum sichere Gemeinsamkeiten. Es kommt aber noch folgendes hinzu: Die referierte Kombination geht davon aus, daß der bekannte Verrius Flaccus viel zu jung sei,um von Varro als Autorität zitiert werden zu können. In der Tat könnte der iuris pontificii peritissimus bei Macrobius allenfalls wenige Jahre jünger sein als Varro selbst; wesentlich plausibler ist jedoch die Vermutung, daß er Varro an Alter um einiges übertrifft. Der Catonismengebrauch im Gefolge Sallusts kommt frühestens unmittelbar nach der Veröffentlichung des Catilina auf, möglicherweise noch etwas später. Zum Zeitpunkt des Beginns der Mode müßte der Pontifikalrechtsschriftsteller also wenigstens ungefähr 60 Jahre alt sein. Es ist ziemlich unglaubhaft, daß ein solcher senex, der in diesem Alter doch wohl schon einen Namen als iuris pontificü peritus hat, sich einer neu aufkommenden Stilmode anschließt und dabei einen erheblich jüngeren Autor zu imitieren sucht. Bei unseren Überlegungen haben wir die Richtigkeit der Annahme vorausgesetzt, Macr. Sat. 1,15,21 stehe Verrius Flaccus fälschlich für den Namen des Pontifikalrechtskenners Veranius. Gerade unter dieser Prämisse, so hat sich gezeigt, ist die Identität des Sallustianers Veranius Flaccus mit dem iuris pontificii Veranius eher unwahrscheinlich. Lehnt man die Vermutung ab, dann bleiben als Grundlage für eine Identifikation der beiden Männer lediglich die Gleichheit des Namens Veranius und die Möglichkeit, daß der Kenner des ius pontificium, der noch nach 89 a.Chr. geschrieben hat (Fest.p. 289) und schon von Verrius benutzt wird, mit Veranius Flaccus gleichaltrig ist. Das ist ein schwaches Fundament. Man wird somit in jedem Falle gut daran tun, den Pontifikalrechtsschriftsteller Veranius und den Suet. Aug. 86,3 erwähnten Sallustnachahmer Veranius Flaccus auseinanderzuhalten. 172

e) M.Antonius Von der Verwendung catonischen Vokabulars bei Cimber und Veranius Flaccus spricht Octavian Suet. Aug. 86,3 im Zusammenhang mit einer Kritik an den stilistischen Eigenarten des Antonius. Bevor wir überlegen, inwieweit man tatsächlich mit dem Gebrauch von Catonismen bei dem Triumvirn rechnen kann, wollen wir einen Blick auf die sonst für ihn bezeugten Stilmerkmale werfen. Antonius ist nach Plutarch Ant. 2,7 Anhänger des Άσιανός ζήλος των λόγων. Ciceros Vorwurf, er spreche quod nemo intellegat (Phil. 3,22) wird von Octavian Suet. Aug. 86,2 wiederholt: Er schreibe quae mirentur potius homines quam intellegant. Antonius neigt also zu einer exzentrischen Ausdrucksweise. Es wäre immerhin denkbar, daß er bei dieser Neigung eher als andere Redner zur Verwendung auch von Archaismen tendierte 62 . Leider ist von den Reden des Triumvirn so gut wie nichts mehr erhalten. In seinen kurzen Briefen, die uns innerhalb des ciceronischen Briefkorpus überliefert sind, finden sich keine sprachlichen Besonderheiten. Einige Überreste der Prosa des Antonius begegnen aber auch in den philippischen Reden Ciceros. Und diese Fragmente bieten manches auffällige Idiom. nulla contumelia est, quam facit dignus - nec timor, quem denuntiat inimicus (Phil. 3,22): Eine der sententiolae edicti cuiusdam; Ciceros Kommentar: quid est . . ,,facere contumeliam'? quis sic loquitur? In der Bedeutung „Schimpf antun" ist die von Cicero kritisierte Wendung im archaischen Latein nachzuweisen, zuletzt Met.Num.or.frg.58,7 Male., sie taucht, von unserer Stelle abgesehen, dann wieder Liv. 8,23,7 auf, ist recht häufig bei Seneca. Thes. IV 802,72 ff. Die Verteilung der Belege ist am einfachsten mit der Annahme gedeutet, daß dieser Ausdruck wenigstens in bestimmten Schichten der lebenden Sprache auch die Zeit Ciceros hindurch bewahrt blieb. Sollte es sich dabei um niedrigere Schichten handeln, so wären die ciceronischen Bemerkungen zu der Wendung wohl nicht unverständlich 63 . Eine andere Interpretation des Ausdruckes als die soeben vorausgesetzte findet sich Quint.inst. 9,3,13. Hier wird der Tadel Ciceros mit der Erklärung versehen: ,adfici' enim ,contumelia' dicebant. Quintilian versteht das contumeliam facere des Zitats als „Schimpf erleiden". In dieser Weise muß der Ausdruck im gesproche62

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Eine Verbindung zwischen Asianismus und archaistischen Neigungen glaubt Deila Corte 80 ff. passim feststellen zu können; er stützt sich dabei auf reichlich willkürliche Vermutungen. S. bei mir 149 A. 123; 154 A. 5. Archaisieren und Asianismus werden nur Suet. Aug. 86,2 in eine gewisse Beziehung zueinander gesetzt. Aus der Stelle ist aber eher noch die Unvereinbarkeit der beiden Stilpraktiken zu folgern, gewiß nicht das Gegenteil. Bekanntlich werden in puristischer Ausdrucksweise die Verbindungen mit facere gemieden. VgL etwa Hofmann-Szantyr 755.

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nen Latein der Zeit Quintilians lebendig gewesen sein, anscheinend ohne daß der Sprachgebrauch irgendwo zu belegen wäre 64 . Welche Deutung richtig ist, läßt sich nicht entscheiden. In keinem Falle brauchen wir mit einem Archaismus des Antonius zu rechnen. Theopompum . . . confugere Alexandream neglexistis (Phil. 13,33): Dies der früheste Beleg für neglegere mit a.c.i.65. nihil moror eos (milites) salvos esse (Phil. 13,35): nil (пес usw.) moror erscheint vor Antonius häufig bei Plautus, außerdem Ter.Eun. 184, Acc. trag. 9, hier ebenfalls wie auch einigemal bei Plautus mit a.c.i. Danach begegnet der Ausdruck Hör. sat. 1,4,13; epist. 1,15,16: 2,1,264; Verg. Aen. 5,400; 11,365, hier wieder mit a.c.i. Die noch späteren Belege sind wenig zahlreich und auch für uns nicht interessant. Angaben nach Thes. VIII 1499, 70 ff. Daß das in plautinischer Zeit umgangssprachliche Idiom für Antonius antiquiert ist, ist aufgrund der Zeugnisse denkbar; andererseits ist auch nicht die Möglichkeit von der Hand zu weisen, daß es noch für Horaz eine lebende Wendung ungezwungeneren Lateins ist. rectissimum facinus (Phil. 13,36): Die ausgewählten Belege Thes. VI 77,59 ff. für facinus als vox media vermitteln keinen zutreffenden Eindruck von der Verbreitung dieses Sprachgebrauchs. Das Subst. erscheint so im 1. vorchr. Jh. vor Sallust noch Rhet. Her.4,55,68; Cie. Rab.perd. 19; Att. 7,13,1; Catull. 66,27; wohl auch Brut. (? ) Cie. ad Brut. 1,16,6. Das Subst. ist in der lebenden Sprache ciceronischer Zeit offenbar noch nicht eindeutig auf die peiorative Bedeutung festgelegt, obschon diese Verwendung des Wortes bei weitem üblicher ist. odivit (Phil. 13,42): Für Antonius fraglos lebende Ausdrucksweise. Die Form und verwandte Bildungen sind häufig in späterem dem gesprochenen Latein nahestehenden Schrifttum 66 . piissimi hominis (Phil. 13,43): Superlative wie strenuissimus, egregiissimus und entsprechende Komparative gibt es im altlateinischen Schrifttum. Neue-Wagener II 202 ff. Für piissimus aber liefert unsere Stelle den frühesten Beleg, quod verbum omnino nullum in lingua Latina est, id propter tuam divinam pietatem novum inducis, kommentiert Cicero die Bildung. Es ist wohl nicht zufällig, daß er in dieser Form, die leicht als Ergebnis bewußter analgetischer Sprachgestaltung gedeutet werden kann, eine Neuerung des Antonius sieht; denn zwischen Asianismus und grammatischer Analogie besteht ein gewisser Konnex 67 , piissimus gehört wohl noch lange nach Antonius dem lebenden Latein an 68 . 64

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Die Wendung wird Quint, inst. 9,3,13 zu den Ausdrücken gerechnet, bei denen etiam vulgo auetore contenti sumus. Das im gleichen Atem angeführte rebus agentibus ist übrigens ebenfalls sonst nicht bezeugt. Thes. I 1385,53. Hofmann-Szantyr 356, wo auch Weiteres. Neue-Wagener III 642 ff. Die Form bei Antonius ein Ausdruck der Volkssprache nach Landgraf, ALL 12, 1902, 150; nach ihm Laurand 28. Dihle, Analogie bes. 191. Das Material bei Neue-Wagener II 204 f.; Наг rod, Latin Terms of Endearment and

In der erhaltenen Prosa des Antonius fehlt, so können wir zusammenfassend bemerken, ein sicherer Archaismus. Von Bedeutung ist, daß Cicero, der die Ausdrucksweise seines Widersachers verspottet, nichts von einer priscorum verborum affectatio bei ihm sagt. Statt dessen macht er ihm einen Neologismus zum Vorwurf: Derartig waren vermutlich die Extravaganzen, für die Antonius bekannt war, und bei deren Kritik Cicero von vornherein auf das Verständnis seiner Zuhörer rechnen konnte. Das alles bedeutet noch nicht, daß der Triumvir sich nicht nach dem Erscheinen des sallustischen Catilina wie Cimber und Flaccus an der neuaufgekommenen Sallustmode beteiligt und wenigstens eine Zeitlang seine Prosa mit catonischem Vokabular ausstaffiert hat 6 9 . Indessen bemerkt Sueton, an dessen Zeugnis wir uns wohl oder übel halten müssen, vor dem wörtlichen Zitat aus Octavians Brief: ludens . . . inconstans . . . ingenium eius addit haec. Der Begriff ludere ist nur recht verständlich, wenn die Bemerkung des Briefschreibers nicht einfach den wirklichen Sachverhalt wiedergibt. Octavian greift zwei stilistische Extreme auf und unterstellt dem Adressaten spottend, er wisse nicht, ob er dem einen oder dem anderen folgen solle; denn — so dürfen wir vielleicht der Deutlichkeit halber ergänzend hinzufügen - einen vernünftigen Mittelweg kenne er nicht. Daß der Getadelte tatsächlich gerade zwischen diesen entgegengesetzten Stilrichtungen schwankt, ist einer solchen Äußerung nicht zu entnehmen, eher das Gegenteil. Octavians Worte berechtigen somit nicht zu der Auffassung, Antonius sei zeitweise Anhänger der durch Sallust inaugurierten stilistischen Mode 70 .

69 70

of Family Relationship, Princeton 1909, 13 ff. Für einen volkssprachlichen Ausdruck des Antonius hält die Bildung Landgraf, ALL 12, 1902, 150. E. Reitzenstein 71 und Dietz 179 schreiben die Praxis des Cimber und des Flaccus auch Antonius zu. An der Beredsamkeit der Asiaten hat Antonius freilich wohl tatsächlich Gefallen gefunden; das bedeutet jedoch nicht, daß er auch der anderen von Octavian genannten Stilrichtung anhängt.

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6. Cato Censorius und andere antiqui in Ciceros Brutus

Die Darstellung, die im Brutus von der Geschichte der römischen Eloquenz gegeben wird, ist von der Vorstellung eines stetigen Fortschritts beherrscht1. Cicero markiert deutlich die einzelnen Stadien der Aufwärtsentwicklung: Zur Zeit des C. Sulpicius Galus cos. 166 a.Chr., qui maxime omnium nobilium Graecis litteris studuit, herrscht bereits unctior quaedam splendidiorque consuetudo loquendi (Brat. 78). Von Ser. Sulpicius Galba cos. 144 a. Chr. erfahren wir: is princeps ex Latinis ilia oratorum propria et quasi legitima opera tractavit, ut egrederetur a proposito . . . , ut delectaret animos, ut permoveret, ut augeret rem, ut miserationibus, ut communibus locis uteretur (Brut. 82). Geht es hier um die res, so ist eine weitere Stufe der elocutio mit der Beredsamkeit des M.Aemilius Lepidus Porcina cos. 137 a.Chr. erklommen: hoc in oratore Latino primum mihi videtur et levitas apparuisse illa Graecorum et verborum comprehensio et iam artifex ut ita dicam stilus (Brut. 96) 2 . Ein Stadium feinerer Bildung ist bei Catulus erreicht: iam Q. Catulus non antiquo illo more, sed hoc nostro vel, si quid fieri potest perfectius, eruditus (Brut. 132). Schritt für Schritt gewinnen die Römer den Griechen an Terrain ab; in der Redekunst des Antonius und des Crassus tritt die lateinische Eloquenz der hellenischen zum ersten Mal ebenbürtig an die Seite (Brut. 138). Über diese beiden Redner hinaus vermochte, wie Cicero Brut. 161 betont, nur jemand zu gelangen, qui a philosophia, a iure civili, ab historia fuisset instructior. Daß Cicero selbst diesen höchsten Gipfel erklommen zu haben glaubt, sagt er zwar nicht ausdrücklich, deutet es aber mehrfach kaum verhohlen an 3 , vor allem bei der Schilderung seines Studienganges: nihil de me dicam; dicam de ceteris, quorum nemo erat qui videretur exquisitius quam volgus hominum studuisse litteris - die Errungenschaft des Catulus (vgl. auch Brut. 308 f.); nemo qui philosophiam complexus esset . . . nemo qui ius civile didicisset . . . nemo qui memoriam rerum Romanarum teneret — die Disziplinen, durch deren besondere Kenntnis allein es noch gelingen konnte, die Redekunst des Crassus und des Antonius zu übertreffen; nemo qui . . . laxaret iudicum animos . . . , 1

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Dazu etwa - nicht durchweg richtig - Norden, Kp. 258; Haenni 17 ff.; Vogt 42 ff.; Kroll, RE VII A (1939) 1098; Desmouliez 172 ff. Unerreichbar war mir I. Cazzaniga, II Brutus di Ciccronc, Milano 1947 ( I 9 6 0 2 ? ) . Daß die veteres, d. h. hier: ältere römische Redner, keine Perioden bauen können, bemerkt Crassus Cie. de orat. 3,198. Vgl. dazu Jahn-Kroll, Einleitung Brutus 7 f., die in diesem Zusammenhang u. a. ebenfalls auf Brut. 303 ff. hinweisen; J. Graff, Ciceros Selbstauffassung, Heidelberg 1963, 63 ff.

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nemo qui . . . a propria . . . disputatione hominis ас temporis communem quaestionem universi generis (posset) orationem traducere, nemo qui delectandi gratia digredi parumper a causa, nemo qui . . . iudicem . . . ad fletum posset adducere, nemo qui animum eius . . . quocumque res postularet impellere — die eigentlichen opera oratoris, denen sich als erster Römer Galba einigermaßen gewachsen zeigt (Brut. 322). In unmißverständlicher Weise beansprucht Cicero hier, nicht nur die bereits älteren Rednern eignenden Vorzüge, sondern vor allem die Bildung in sich zu vereinigen, durch die die römische Eloquenz erst ihre eigentliche Vollkommenheit zu erreichen imstande ist; daß dieser Gedanke in verhüllt indirekter Form vorgetragen wird, nimmt ihm kaum etwas an Eindeutigkeit. Die Ansicht, daß das gegenwärtige Stadium der Redekunst älteren Stufen überlegen ist, wird wenigstens im l.vorchr. Jh. bis zum Ende der Republik jede Generation erfüllt haben 4 ; bei Cicero erhält die allgemeine Anschauung insofern eine ganz persönliche Akzentuierung, als der große Redner in sich selbst gleichsam das Telos erblickt, auf das die ganze bisherige lateinische Beredsamkeit zugesteuert ist. Wie überlegen Cicero sich in diesem Bewußtsein auch gegenüber seinen bedeutendsten Vorgängern fühlt, äußert sich gelegentlich im Orator. Aufschlußreich orat. 233: videsne ut . . . si alicuius inconditi arripias dissipatam aliquam sententiam eamque ordine verborum paululum commutato in quadrum redigas, efficiatur aptum illud, quod fuerit antea diffluens ac solutum. Der inconditus, von dem er daraufhin einen Satz anfuhrt und korrigiert, ist C.Gracchus 5 . Im Brutus wird man derart abfällige Bemerkungen in Ciceros Mund vergeblich suchen. Eine ganz besondere Würdigung wird Brut. 61 ff. der Stilkunst des alten Cato zuteil, der in einer Synkrisis neben Lysias gestellt und den Lysianem und Hyperideern als Stilmuster empfohlen wird.

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Darüber 64 ff. Dasselbe Selbstbewußtsein verrät die schulmeisterliche Korrektur einer Klausel des Crassus orat. 222. Man halte dem gegenüber, wie Quintilian inst. 9,4,15 Uber den ciccronischen Eingriff in die sententia des Gracchus urteilt: idem (Cicero) corrigit quae a Graccho composita durius putat. illum decet; nos hac sumus probatione contenti, quod in scribendo quae se nobis solutiora obtulerunt componimus. Im Gegensatz zu Cicero hat Quintilian eben nicht mehr das unbefangene Gefühl absoluter Überlegenheit über die älteren lateinischen Redner. Zwar steht auch für ihn Gracchus, ungeschlacht und roh, auf einer niedrigeren Entwicklungsstufe rednerischen Könnens (vgL ζ. B. Quint inst. 12,10,10); aber die klassische römische Eloquenz, zu der er aufblickt, flößt ihm einen gewissen Respekt vor dem aus der Vergangenheit Überlieferten schlechthin ein. Geringschätzung älterer römischer Beredsamkeit auch orat 152. Bemerkenswert orat 132, wo Cicero nicht daran denkt, exempla domestica für das πα&ητικόυ der Rede in der lateinischen Eloquenz vor Crassus und Antonius zu suchen.

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Über die Deutung gerade dieser Stelle gehen allerdings die Meinungen weit auseinander 6 . Während man gelegentlich Ciceros Äußerungen in dem Passus ernst nehmen zu können glaubt 7 , findet die meisten Verfechter die Annahme, Cicero rate den angesprochenen Attizisten ironisch zur Nachahmung des Censorius, sei es, um die Stiltendenzen dieser rednerischen Richtung ins Lächerliche zu ziehen, sei es, u m den Jungattikern die logischen Konsequenzen ihrer Neigungen vor Augen zu fuhren 8 . Es fehlt an einer durchgehenden Interpretation des gesamten Abschnittes. Durch sie kann Klarheit gewonnen werden. Cato, so beginnt Cicero Brut. 61 seine Ausführungen über den Censorius, ist, obschon er lediglich 8 6 Jahre vor Ciceros Konsulat gestorben ist, als Redner der erste erträgliche Stilist 9 . Nach einer Digression über die mortuorum laudationes heißt es dann Brut. 63: Catonis autem orationes non minus multae fere sunt quam Attici Lysiae, cuius arbitror plurimas esse . . . et quodam m o d o est nonnulla in iis etiam inter ipsos similitudo. acuti sunt, elegantes, faceti, breves. Die Synkrisis nimmt von einer Äußerlichkeit ihren Ausgang, die uns belanglos scheinen könnte, der hohen Zahl der von Cato verfaßten Reden. Was hat den Schriftsteller zu diesem Beginn b e w o g e n ?

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S. F. Bonner schreibt in dem Sammelwerk Fifty Years of Classical Scholarship, Oxford 1968 , 419 (Stand von 1954), es bestehe noch keine Sicherheit Uber „the significance of Cicero's use of Cato in the Asianist-Atticist controversy". Die Darlegungen von Knapp 138 ff., auf die Bonner verweist, sind nicht sehr tiefgehend. So Ribbeck, RhM 32, 1876, 399, der aber die Passage versehentlich dem Brutus in den Mund legt; Clarke 40f., doch s. bei ihm auch 173 A. 10; Gnauk 90ff., der einige ganz richtige Bemerkungen macht, aber die Frage nicht eindringlich genug erörtert; Barwick, Einleitung Brutus 10; Till, Gnomon 31, 1951, 62 nimmt an, Cicero wolle eine literarhistorische Gleichung aufstellen: Lysias: Demosthenes = Cato: Cicero; Kammer 111 ff., mit dessen Ausführungen meine folgenden Darlegungen sich in manchen Punkten getroffen haben. Das wird nicht im einzelnen kenntlich gemacht; wirklich klar geworden ist auch Kammer das Argumentationsgefüge der zu behandelnden Passagen nicht So oder ähnlich etwa Haenni 59f.; F. Nassal, Aesthetisch-rhetorische Beziehungen zwischen Dionys von Halikarnaß und Cicero, Diss. Tübingen 1910, 151; Stroux 83; Guillemin 92; T. Frank 142; F. Deila Corte, Catone Censore, Torino 1949, 118; Marache 25 f., 51; Desmouliez 172f.; Leeman, Genre 202; Dihle, Analogie 200; vgL auch Syme 55 f. Die spezifisch auf Nordens Attizistenhypothese beruhenden Deutungen können außer Betracht bleiben. Cato gilt, wie Cicero а. O. hervorhebt, den Römern dieser Zeit als pervetus. Im gleichen Sinne Hör. carm. 2,15,10 fif.; 3,21,11; epist 2,2,117. Cato rückt im Bewußtsein der späteren Generationen sehr schnell in zeitlich weite Entfernung. Die allgemeine Ursache für dieses Phänomen liegt wohl darin, daß die rasche Verfeinerung des römischen Lebens den Römern der Republik die zeitliche Distanz zu jeweiligen antiqui gleichsam durch ein Vergrößerungsglas erscheinen ließ; bei Cato wird dieses Moment dadurch verstärkt, daß er betont ein konservatives Römertum zur Schau trug. Wenn Cicero hervorhebt, daß es rein chronologisch mit der vetustas Catos nicht so weit her sei, tut er es, um auf die Jugend der römischen Kunstprosa hinzudeuten.

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Nicht 10 Jahre vor der Abfassung des Brutus ist Cicero der Meinung, die römischen Redner hätten nicht viel Geschriebenes hinterlassen 10 ; gerade von Catos Reden ist in dieser Zeit kaum etwas bekannt 1 1 . Es ist also für die Leser des Brutus, die im allgemeinen eher schlechter denn besser über solche Dinge informiert sind als Cicero bei der Niederschrift von De oratore, gewiß überraschend, in Cato einen Redner kennenzulernen, der es an schriftstellerischer Produktivität mit den fruchtbarsten Griechen aufnehmen kann. Vor diesem Hintergrund wird es verständlich, daß Cicero die Zusammenstellung Catos mit Lysias an den Hinweis auf die ähnlich hohe Menge der von beiden Autoren verfaßten Reden knüpft, den Hinweis auf eine zwar äußerliche, aber frappant- unerwartete Ähnlichkeit n ; durch ihn wird die in vorsichtig abschwächender Formulierung geäußerte Behauptung vorbereitet, zwischen der Beredsamkeit des Römers und der des Hellenen bestehe auch eine innere Verwandtschaft 1 3 . Cicero führt Brut. 64 aus, daß die tenuitas, die subtiütas des Lysias Bewunderer finde, wohingegen Cato völlig vernachlässigt werde, und beginnt darauf Brut. 65 die rednerischen Vorzüge des Censorius in helles Licht zu rücken. Man erwartet nun, daß an Cato besonders für das genus tenue charakteristische Qualitäten hervorgehoben werden. Cicero legt indessen auf etwas ganz anderes Gewicht: quis illo gravior in laudando? acerbior in vituperando? in sententiis argutior? in docendo edisserendoque subtilior? Die beiden letzten Eigenschaften passen immerhin zum genus subtile; die ersten beiden lassen sich mit dem angeblichen Ανσιαχός χαρακτήρ der catonischen Beredsamkeit nur schwer vereinen 14 . In der Tat hat Cicero ganz offenkundig die Vorstellung, Cato sei wie Lysias Vertreter der tenuitas, aufgegeben, wenn er fortfährt: refertae sunt orationes (Catonis) . . . et verbis et rebus illustribus . . . omnes oratoriae virtutes in eis reperientur. iam vero Origines eius quem florem aut quod lumen eloquentiae non habent? Sollte man die Prosa des Censorius nach diesen Äußerungen Ciceros in ein bestimmtes der drei genera dicendi einordnen, so würde man zunächst das genus grave, vielleicht noch 10 11 12

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Vgl. 67 A . l l . Vgl. 71 ff. Auf die große Zahl catonischer Reden macht Cicero ebenfalls B r u t 65 nachdrücklich aufmerksam: orationes amplius centum quinquaginta quas quidem adhuc invenerim et legerim eqs. In diesem Zusammenhang sei auf o r a t 108 verwiesen, wo der Autor mit unverhohlenem Stolz von dem Umfang seiner oratorischen Produktion spricht VgL auch leg. 1,9. So etwas macht in dieser Zeit Eindruck. Gegen die Gleichsetzung catonischer und lysianischer Beredsamkeit wendet sich Plutarch Cato maior 7,2. Wen er mit den φάμε VOL meint, wissen wir nicht; vielleicht am ehesten zeitgenössische Catoliebhaber. Vgl. dazu Plin. epist. 1,20,4, wo es allerdings lediglich um den Umfang der Reden geht. Zu Q u i n t i n s t 12,10,39, worauf in diesem Zusammenhang verwiesen werden könnte, vgl. 109 ff. laudatio und vituperatio sind die hervorragenden Mittel der amplificatio (Cie. de o r a t 3,105; vgL auch Brut. 47), die besonders in der peroratio die Affekte der Zuhörer erregen soll (vgL etwa Cie. part. 5 2 ff.).

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das medium, auf keinen Fall das subtile wählen. Am ehesten erscheint Cato hier aber als Beherrscher aller genera dicendi. Brut. 66 führt Cicero weiter aus: Cato fehlen die Liebhaber; denn wie der Knappheit des Thukydides und Philistos Theopomp mit seiner Erhabenheit, wie dem Lysias Demosthenes im Wege steht, sie Catonis luminibus obstruxit haec posteriorum quasi exaggerata altius oratio. Hier ist zwar noch von den lumina des catonischen Stils die Rede, aber sie sind b3i dem Censorius, der ein frühes Stadium der stilistischen Entwicklung verkörpert, nicht so auffallend und deutlich wie man es in der Prosa der Gegenwart gewohnt ist. Mit diesem Gedanken, der mit dem kurz vorher den Origines und den Reden Catos gespendeten Lob nicht recht harmoniert, findet der Schriftsteller wieder zu der Anschauung zurück, die Ausdrucksweise des Censorius sei besonders durch subtilitas gekennzeichnet; von dieser Anschauung ist die Klage über die mangelnde Kenntnis beherrscht, die die Anhänger des Lysias und Hyperides von Cato haben: Brut. 67-68 (ignoretur Cato). Gegenüber dem Einwand: antiquior est huius sermo et quaedem horridiora verba führt Cicero Brut. 68 f. aus: ita enim tum loquebantur. id muta, quod tum ille non potuit, et adde numeros et, aptior sit oratio, ipsa verba compone et quasi coagmenta, quod ne Graeci quidem veteres factitaverunt: iam neminem antepones Catoni.ornari orationem Graeci putant, si verborum immutationibus utantur quos appellant τρόπους et sententiarum orationisque formis quae vocant σχήματα: non veri simile est quam sit in utroque genere et creber et distinctus Cato I S . Wenn Cicero so nachdrücklich auf den catonischen Reichtum an ornamenta hinweist, so hat er den Gedanken, bei dem Censorius finde sich die lysianische subtilitas, offenbar wieder völlig aus den Augen verloren. Was aus der Prosa Catos, wie sie an dieser Stelle charakterisiert wird, nach den von Cicero befürworteten modernisierenden Eingriffen16 geworden wäre, stellte zweifellos nicht ein Muster des genus humile dar, wie der Schriftsteller es orat. 76 ff. beschreibt, sondern eine Art der Rede, die Ciceros eigenem stilistischen Geschmack entspricht. Das Verständnis der gesamten erörterten Passage wird stark erschwert durch die Uneinheitlichkeit des ciceronischen Urteils über Cato. Catos Stil scheint einmal wie der des Lysias vor allem durch Merkmale des genus subtile gekennzeichnet, 15 16

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Ganz ähnlich über die christlichen Autoren Aug. doctr. Christ 4,115 G. Reminiszenz? Nebenbei bemeikt: Daß der antiquior sermo Catos zur Lektüre und Nachahmung des Altrömers reizen könnte, kommt Cicero anscheinend gar nicht in den Sinn; er erwägt lediglich, daß diese Eigentümlichkeit der catonischen Prosa Anstoß zu erregen vermöchte, und sucht diesen Anstoß zu beseitigen. Geradezu zu einer Warnung vor dem Gebrauch alter catonischer Wörter sieht er sich offenbar überhaupt nicht veranlaßt; und eine solche Warnung wäre doch, falls es entsprechende Neigungen gäbe, eben an dieser Stelle sehr angebracht, um den von ihm empfohlenen Anschluß an Cato ausdrücklich von dieser Praxis zu scheiden. Allem Anschein nach weiß Cicero nichts von einer Affektation veralteter Wörter Catos in der gegenwärtigen Literatur.

ein andermal werden an ihm Charakteristika hervorgehoben, nach denen er bei einer Klassifizierung nach bestimmten genera dicendi am ehesten in das genus grave, auf keinen Fall aber in das humile einzuordnen wäre. Die Uneinheitlichkeit des Abschnittes erklärt sich damit, daß Cicero hier zwei verschiedene Intentionen verfolgt. Erstens: Wie längst erkannt, geht es Cicero im Brutus vor allem darum, die Bedeutung der römischen Beredsamkeit kräftig herauszuarbeiten 17 . Cato ist der älteste nennenswerte Redner Roms. Es hätte auch für einen anderen Autor als Cicero nahegelegen, die Ansätze der künftigen Vollendung gerade bei diesen Anfängen der nationalen Eloquenz besonders hervorzuheben. Cicero hat dazu aber noch sehr persönliche Gründe: Die Gestalt des Censorius macht seit langem einen besonderen Eindruck auf ihn 18 . Die Reden Catos hat erst Cicero neu entdeckt. Es ist unter diesen Umständen verständlich, daß er seinen Fund vor seinen Lesern in möglichst helles Licht zu rücken sucht. Die virtutes, die Cicero in diesem Bestreben an der catonischen Prosa aufzuweisen trachtet, sind natürlich die Eigenschaften, die ihm persönlich als Vorzüge der Lexis erscheinen, vor allem also der Reichtum an verschiedenem Schmuck. Und er braucht bei einem entsprechenden Lob nicht die Unwahrheit zu sagen; in Catos Reden gibt es Passagen, denen es an flores, an lumina durchaus nicht fehlt 19 . Es mag so nicht allein die Absicht sein, den Zeitgenossen von den schriftstellerischen Qualitäten des Censorius ein möglichst vorteilhaftes Bild zu vermitteln, die Cicero zu seiner rühmenden Charakteristik veranlaßt; vielleicht äußert sich in ihr auch ein wenig sein eigenes Erstaunen über die reichen ornamenta bei diesem Redner 20 . Das alles erklärt aber gerade nicht, wie Cicero dazu kommt, Cato als Vertreter des genus tenue hinzustellen. Zweitens: Brut. 112 beklagt Cicero, daß niemand das Memoirenwerk des Scaurus lese: at Cyri vitam et disciplinam legunt, praeclaram illam quidem, sed neque tarn nostris rebus aptam nec tarnen Scauri laudibus anteponendam. Cicero stellt sich hier als Verteidiger der nationalen Literatur in bewußten Gegensatz zu den Liebhabern allein griechischen Schrifttums. Spezifisch auf die Jungattiker wird die zitierte Bemerkung nicht gemünzt sein. Es wäre jedoch seltsam, wenn Cicero es völlig unterließe, eigens ihnen ihre einseitige Vorliebe für griechische Autoren zum Vorwurf zu machen. Gerade die Passage, mit der die Behandlung der römischen Eloquenz eigentlich beginnt, ist dazu geeignet; gerade hier vermag sich Cicero, der sich mit der catonischen Beredsamkeit ungewöhn17 18 19

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Dazu Haenni 5 2 f f . ; Haider, in: Hermeneia, Festschrift Regenbogen, Heidelberg 1945, 114. Auf diesen Punkt macht schon Gnauk 90 ff. aufmerksam. Cicero hebt seine enge Beziehung zu Cato leg. 1,6; Brut. 294 hervor. Sehr aufschlußreich der Vergleich von Passagen aus Reden des Gracchus, Ciceros, Catos GelL 10,3; vgl. auch die Besprechung catonischer Sätze GelL 13,25,12 flf. VgL noch Claike 40 f. ^ Dazu noch die Folie der Theorie 183.

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lieh intensiv beschäftigt hat, ganz scharf von dem einseitigen Philhellenismus attizistischer Kreise abzusetzen. Dabei stößt Cicero aber auf eine Schwierigkeit: Catos Prosa wird ganz allgemein zu Ciceros Zeit vernachlässigt. Die Jungattiker würden mit einem entsprechenden Vorwurf also gar nicht spezifisch getroffen werden können; sie könnten sich überdies darauf berufen, daß der Censorius nicht ihren stilistischen Idealen entspreche. Die Lösung: Cato muß, indem nur die attizistische Hauptgruppe, die Lysianer und die ihnen wohl sehr ähnlichen Hyperideer zur Zielscheibe des Angriffs genommen werden, als Vertreter des genus tenue charakterisiert werden. Dann ist allerdings die völlige Vernachlässigung Catos durch diese Jungattiker als Symptom eines spezifisch ihnen eignenden Mangels an nationaler Gesinnung und eines übertriebenen Philhellenismus zu werten. In der Tat hat sich Cicero die Gelegenheit nicht entgehen lassen, der wichtigsten Richtung der Attizisten die Mißachtung des Censorius als unnationale Einstellung vorzurücken. Angedeutet ist dieser Tadel von Cicero bereits Brut. 63 ff.; nachdem er von der inneren Verwandtschaft der catonischen und der lysianischen Beredsamkeit gesprochen hat, meint er: sed ille Graecus ab omni laude felicior, habet enim certos sui studiosos . . . quos . . . tenuitas ipsa delectat, . . . laudatores, qui hac ipsa eius subtilitate admodum gaudeant. Catonem vero quisnostrorum oratorum qui quidem nunc s u n t . . . novit omnino 21 ? Unmißverständlich heißt es dann Brut. 67: sed ea in nostris inscitia est, quod hi ipsi qui in Graecis antiquitate delectantur eaque subtilitate quam Atticam appellant, hanc in Catone ne noverunt quidem 22 . Die geschickt eingeleitete Synkrisis Cato — Lysias, der Gedanke der catonischen subtilitas ist, so dürfen wir jetzt folgern, eingeführt worden, um die dargestellte Kritik zu ermöglichen. Einen unmittelbaren Angriff gegen das Stilideal der Lysianer und Hyperideer richtet Cicero in der behandelten Passage nicht. Im Gegenteil äußert er sich über die stilistischen Ziele seiner Gegner anerkennend 23 . Das ist verständlich. Würde Cicero diese Ziele verwerfen, so könnte er den Jungattikern die Vernachlässigung Catos nur insofern zum Vorwurf machen, als sie von ihrer falschen Stilkonzeption her die durch subtilitas gekennzeichnete catonische Beredsamkeit eigentlich hochschätzen müßten. Den Attizisten die Beschäftigung mit dem tenuis orator Cato schlechthin nahezulegen, hätte Cicero keinen Anlaß. Das wäre 21

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Mit der Einschränkung oratores, qui quidem nunc sunt, insinuiert Cicero, daß es sich bei der Mißachtung Catos um eine neue - der Leser soll wohl denken: durch die Attizisten wenigstens geförderte - Erscheinung handelt. Historisch richtig wäre diese Ansicht nicht. Cicero spricht sie denn auch nicht klar aus. Richtig verstehen den Satz bereits Jahn-Kroll z. S t ; die sonstigen Bemerkungen des Kommentars zur Struktur und Bedeutung des Abschnittes befriedigen nicht Brut. 68; ähnlich später Brut. 291.

ein schlechter Ausgangspunkt, um die attizistische Mißachtung des Censorius als Mangel an nationalrömischer Gesinnung hinzustellen 24 . Daß Cicero Cato auch als Vertreter der subtilitas kennzeichnet, mag als reichlich gewaltsamer Kunstgriff erscheinen. Aber eine derartige Charakteristik lag vermutlich nicht so fem. Cie. de orat. 2,93 werden die Redner der ersten Periode der griechischen Eloquenz subtiles, acuti, breves genannt; das sind fast dieselben Charakteristika wie die, die er an Lysias und Cato findet, die ihm acuti . . . elegantes, faceti, breves scheinen. Cicero überträgt wohl die Eigenschaften, die den hellenischen Rednern eignen, auf den ältesten lesenswerten römischen Redner 25 ; dementsprechend nennt er Brut. 67 antiquitas und subtilitas in einem Atem. Die catonischen Reden, die man sich nicht als einheitlich in der Höhenlage wird vorstehen dürfen, mögen sich in der Tat nicht selten gut in das genus subtile haben einordnen lassen. Die zwei verschiedenen Intentionen Ciceros also, die wir herausgearbeitet haben, erklären die Widersprüchlichkeit in seiner Beurteilung des Censorius; nahegelegt mag sich diese Uneinheitlichkeit haben auch durch starke Unterschiede innerhalb der umfangreichen rednerischen Hinterlassenschaft Catos. Cicero gelingt es, durch eine mehrfache Verlagerung und Verschlingung seiner Gedanken zu verwischen, wie inkohärent die vorgetragene Konzeption der catonischen Stilkunst ist. Bei der vorgetragenen Erklärung brauchte nicht angenommen zu werden, den angesprochenen Jungattikern werde die Nachahmung des Censorius in irgendeiner Hinsicht ironisch empfohlen. Diese Annahme scheint aus folgenden Gründen auch wenig plausibel. Erstens: Cicero behauptet zunächst Brut. 63 die Ähnlichkeit zwischen Cato und Lysias in zurückhaltender Weise: quodam modo est nonnulla . . . similitudo. Sollte Cato den Jungattikern höhnisch vorgehalten werden, so wäre auch gleich am Anfang eher eine uneingeschränkte und betonte Gleichsetzung Cato-Lysias zu erwarten. Zweitens: In den Abschnitten des behandelten Passus, in denen die catonischen ornamenta hervorgehoben werden und Cato als Vertreter nicht zuletzt des genus grave hingestellt wird, wird ein sehr vorteilhaftes Bild von der Prosa und besonders von der Redekunst Catos entworfen. Nichts weist darauf hin, daß diese Charakteristik nicht ernst gemeint ist. Im Gegenteil. Brut. 69 — ähnlich schon 24

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Wenn der einseitige Philhellenismus der Jungattiker hervorgehoben wird, so sollen gewiß letztlich auch ihre stilistischen Vorstellungen suspekt erscheinen. Daß aber dem Leser nebenbei ein entsprechendes Empfinden suggeriert werden soll, hat mit der dem Passus immanenten logischen Struktur nichts zu tun. Vergleichbar ist Cie. de orat. 2,5 3 f., wo Cicero-Antonius, unter Übernahme eines von Theophrast geformten Geschichtsschemas, die stilistischen Charakteristika der griechischen Logographen auf die ältesten römischen Geschichtsschreiber überträgt. Dazu vor allem Wehiii in: Eumusia, Festgabe Howald, Zürich 1947, 60 ff.; ferner E. Norden, AgnostosTheos, Darmstadt 1956 3 , 376 A . l ; Padberg 21 f.; Gelzer, Hermes 64, 1934, 53.

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Brut. 68 — bemerkt Cicero: пес . . . ignoro nondum esse satis politum hunc oratorem et quaerendum esse aliquid perfectius, quippe cum ita sit ad nostorum temporum rationem vetus, ut nullius scriptum exstet dignum quidem lectione, quod sit antiquius. Eine solche Kautel ist zwanglos doch nur unter der Voraussetzung zu verstehen, daß zumindest das unmittelbar zuvor Brut. 69 ausgesprochene Lob Catos vom Leser ernst genommen werden soll. Ernst zu nehmen ist dann aber auch die ganz ähnliche, günstige Charakteristik Brut. 65. Wenn Cicero den Attizisten den tenuis orator Cato spöttisch vorhielte, dann läge dem eine entschieden ungünstige Beurteilung des Redners Cato zugrunde. Diese negative Einschätzung Catos hätte sich der Leser, der ja die Ironie verstehen sollte, nach der Intention Ciceros klar zu machen. Cicero würde dem Leser also einen mehrfachen Wechsel zwischen positiver und negativer Bewertung der catonischen Eloquenz zumuten, ohne auf die letztere irgendwie verdeutlichend hinzuweisen. Drittens: Cicero hat in den letzten Lebensjahren ein enges Verhältnis zu „seinem" Cato gewonnen 26 , das gerade Brut. 65 deutlichen Ausdruck erhält. Natürlich braucht er, wenn er den Censorius als Menschen und Staatsmann bewundert, gegenüber den Mängeln von Catos literarischer Leistung nicht blind zu sein; und er ist es in Tat nicht. Aber daß Cicero die Prosa des Altrömers so entschieden ungünstig beurteilt, daß er sie seinen attizistischen Gegnern höhnisch als Vorbild empfehlen könnte, das ist keine einladende Vermutung. Ein Problem taucht nun auf: Wirft nicht Atticus Brut. 292 ff. seinem Gesprächspartner Cicero gerade im Hinblick auf Brut. 63 ff. Ironie vor? Wie vereint sich das mit der vorgetragenen Auffassung? Atticus beginnt seine Kritik an den Ausführungen des Freundes Brut. 292 mit einem Hinweis auf die sokratische Ironie: est . . . et minime inepti hominis et eiusdem etiam faceti, cum de sapientia disceptetur hanc sibi ipsum detrahere, eis tribuere inludentem qui earn sibi adrogant; ut apud Platonem Socrates in caelum effert laudibus Protagoram... ceteros, se autem omnium rerum inscium fingit et rüdem. Von solcher Ironie glaubt Atticus etwas gleichfalls in der von Cicero gegebenen Geschichte der römischen Eloquenz wahrnehmen zu können, quia . . . ita laudavisti quosdam oratores ut imperitos posses in errorem inducere (Brut. 293). Atticus unterstellt also seinem Freunde, er habe im Verlaufe des Dialogs unter Verschweigen des eigenen oratorischen Könnens einige Redner mit einem nicht ernst gemeinten Lob bedacht; diese Redner wären es, gegen die sich der Bemerkung des Gesprächspartners zufolge Ciceros Ironie wendet, ganz wie die Ironie des Sokrates gegen die Sophisten gezielt ist, denen der Philosoph Weisheit zuerkennt, seine eigene Weisheit in Abrede stellend. In der von Cato handelnden Passage wäre die ciceronische Ironie demnach gegen den Censorius gerichtet, der in spöttischer Übertreibung als bedeutender Stilist hingestellt würde. Der 26

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Vgl. die 181 A. 18 angeführten Cicerostellen.

Vorwurf, Ciceros Darstellung sei von Ironie durchtränkt, spricht gerade dagegen, daß — nach Atticus — Lysias und mit ihm die stilistischen Vorstellungen der Lysianer spöttisch herabgesetzt worden seien 27 . Überdies soll eine spöttische Einstellung Ciceros Urteil bei einer größeren Anzahl von Rednern bestimmt haben, nicht allein bei Cato; die Cicero unterstellte Ironie kann also nicht mit den spezifischen Gegebenheiten des Catoabschnittes und der hier hereinspielenden Gegnerschaft zu den Jungattikern zusammenhängen. Atticus begründet den Vorwurf, den er gegenüber seinem Freund erhebt, in längeren Ausführungen, die er Brut. 293 f. mit einer eingehenden Kritik der von Cicero über den Censorius vorgetragenen Ansichten beginnt. Von der Intention, die wir als eigentlichen Beweggrund für die Zusammenstellung Catos mit Lysias erkannt haben, hören wir hier freilich nichts; es wäre auch recht verwunderlich, wenn Cicero an dieser Stelle gewissermaßen seine Karten auf den Tisch legte. Atticus hebt, wenn er die Lächerlichkeit und Unglaubhaftigkeit der Synkrisis betont, lediglich hervor, daß der Vergleich für Cato viel zu hoch gegriffen und der Censorius so unangemessen günstig beurteilt worden sei; demgegenüber meint er: orationes . . . eius ut illis temporibus valde laudo. significant enim formam quandam ingeni, sed admodum impolitam et plane rüdem. Neben der Bezeichnung derOrigines als omnibus orationis laudibus refertae wird vor allem der Vergleich Catos mit Thukydides und Philistos angegriffen: quos enim ne e Graecis quidem quisquam imitari potest, his tu comparas hominem Tusculanum nondum suspicantem quale esset copiose et ornate dicere. Wenn wir allein aus den zitierten kritischen Worten des Atticus die von Cicero geäußerte Auffassung zu rekonstruieren hätten, müßten wir annehmen, Cicero habe dem Censorius die gleichen in copia und besonderem ornatus bestehenden stilistischen Qualitäten zuerkannt wie den beiden griechischen Historikern. In Wahrheit ist das durchaus nicht der Fall. Cicero ist es Brut. 66 allein um die Darstel27

Zur Verdeutlichung: Das ffludere könnte innerhalb der Synkrisis Cato-Lysias in zwei verschiedene Richtungen gehen. Einmal wäre es denkbar, daß durch diese Gleichung das stilistische Vorbild der Lysianer verspottet werden sollte, indem es als ebenso minderwertiger Stilist wie der Censorius hingestellt würde. Diese Richtung des illudere wäre zu erwarten, wenn die Hauptgruppe der Attici und ihre Stilkonzeption verächtlich gemacht werden sollte. Zum anderen wäre es möglich, daß der Spott gegen Cato zielte, indem dieser übertreibend-ironisch als ebenso bedeutender Redner wie Lysias bezeichnet würde. Dann bliebe die Bedeutung des attischen Redners unangetastet; eine solche Art der Ironie wäre somit nicht gegen das Stilideal der Lysianer gerichtet Die beiden Fälle schließen einander aus: Bei der ersten Art des Spottes ist es die niedrige Einschätzung des Censorius, die von vornherein feststeht, und Lysias der Autor, dessen Bedeutung durch die Synkrisis auf das richtige geringe Maß zurückgeführt wird. Bei der zweiten Art der Ironie ist es die hohe Bewertung des attischen Redners, die feststeht und zu der der Censorius emporgehoben wird, um eben durch diese übertriebene Einschätzung als Stilist geringen Grades entlarvt zu werden. Die Ironie, die Atticus meint, müßte sich, wie bemerkt, gegen Cato richten. Die ironische Färbung, die Atticus an dem Vergleich Cato-Lysias findet, kann somit nicht auf die Herabsetzung des Stilmusters der Lysianer abzielen.

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lung der Tatsache zu tun, daß die virtutes einer älteren Entwicklungsstufe der Kunstprosa von den stärkeren und auffälligeren Künsten eines späteren Stadiums überstrahlt werden. Das ist nach der Auffassung des Autors auch Cato widerfahren. Daß die Prosa des Censorius die gleichen Qualitäten hat wie die des Thukydides und des Philistos, hatte Cicero an dieser Stelle aber nicht gemeint28, noch weniger, daß diese nämlichen Vorzüge in besonderer copia oder besonderem Reichtum an ornamenta bestehen. Die Intention des ciceronischen Vergleiches läßt Atticus also völlig außer Acht; er legt den Nachdruck auf die nur indirekt in dieser Synkrisis implizierte Aufwertung des Schriftstellers Cato und weist, ihr widersprechend, darauf hin, daß sich in dem Censorius ein anfänglich-rohes Stadium der Stilentwicklung verkörpere. Nun hatte Cicero selbst bereits mehrfach darauf aufmerksam gemacht, daß die catonische Prosa noch in vielem mangelhaft sei. Atticus trägt somit keinen neuen Gedanken vor, sondern betont nur einen bestimmten Aspekt des von Cicero schon Ausgeführten. Wie Atticus Catos Reden lediglich ut illis temporibus lobt, so läßt er Brut. 295 Galba allein ut illius aetatis principem gelten, dessen tatsächlich vorliegende Reden in ihm keinen schlechthin bedeutenden Redner erkennen ließen. Mit dieser von dem Kritiker zum Teil nur angedeuteten Auffassung wird indessen eine bereits von Cicero Brut. 82 ausgesprochene Erkenntnis wiederaufgenommen: nescio quo modo huius (Galbae), quem constat eloquentia praestitisse, exiliores orationes sunt et redolentes magis antiquitatem quam aut Laeli (aut> Scipionis aut etiam ipsius Catonis. Daß die erhaltenen Reden des Porcina dessen Ruf unter den Maßstäben der Gegenwart nicht mehr zu rechtfertigen vermögen, hatte Cicero Brut. 95 zu verstehen gegeben: summus orator est habitus et fuit, ut apparet ex orationibus, scriptor sane bonus. Nichts anderes als eine Verdeutlichung dieses Urteils stellt die Ansicht des Atticus Brut. 295 dar: probas Lepidi orationes; paulum hic tibi adsentior, modo ita laudes ut antiquas. Er fährt fort: quod item de Africano, de Laelio, cuius tu oratione negas fieri quicquam posse dulcius, addis etiam nescio quid augustius. nomine nos capis summi viri . . . remove haec; ne ista dulcis oratio ita sit abiecta, ut eam aspicere nemo velit. Über die Reden Scipios hatte Cicero Brut. 83 nichts besonders Rühmendes geäußert; im Gegenteil hatte er sie wie gleichfalls die Reden Catos und des Laelius in der soeben zitierten Bemerkung über die Beredsamkeit Galbas hinreichend als altertümlich-unvollkommen gekennzeichnet; Atticus geht denn auch nicht weiter kritisch auf das Bild ein, das Cicero von der scipionischen Eloquenz entwirft. Umso ausführlicher beschäftigt er sich mit dem Urteil über Laelius. Nun hatte zwar Cicero Brut. 83 die Rede de collegiis in der Tat mit den von Atticus angeführten lobenden Epitheta bedacht, aber — und 28

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Genaueres dazu 333 A. 101.

das wird von dem Freund Ciceros überhaupt nicht erwähnt — im übrigen eben aufgrund dieser Rede Laelius vetustior et horridior . . . quam Scipio genannt und den traditionell dem Laelius vor dem Africanus minor zuerkannten rednerischen Vorrang bestritten. Atticus verschärft hier also nur das ungünstige Urteil Ciceros. Carbonem in summis oratoribus habitum scio, meint er weiter Brut. 296; aber gerade in der Beredsamkeit gelte: quo iam nihil est melius, id laudari qualecunv que est solet. Dasselbe gelte für die Gracchen, obwohl, wie der Kritiker zu Cicero bemerkt, de eis ea sunt a te dicta, quibus ego adsentior. Cicero hatte zwar Brut. 103 von Carbo und Ti. Gracchus gesagt: fuit uterque summus orator, jedoch einschränkend hinzugefügt: atque hoc memoria patrum teste dicimus; nam et Carbonis et Gracchi habemus orationes nondum satis splendidas verbis, sed acutas. Auch C.Gracchus war von Cicero kein ungeteiltes Lob zuteil geworden: manus extrema non accessit operibus eius; praeclare inchoata multa, perfecta non plane (Brut. 126). In diesen Fällen bringt der Kritiker an Ciceros Äußerungen gleichfalls keine grundsätzlichen Korrekturen an, sondern betont lediglich entschiedener die Unvollkommenheit der genannten Redner. Daß die Beredsamkeit des Antonius und Crassus, in denen Cicero die Eloquenz schon für vollendet halte, bedeutend sei, gibt Atticus Brut. 296 zu: de horum laudibus tibi prorsus adsentior, sed tarnen non isto modo: ut Polycliti Doryphorum sibi Lysippus aiebat, sie tu suasionem legis Serviliae tibi magistram fuisse: haec germana ironia est 29 , cur ita sentiam non dicam, ne me tibi adsentari putes. Wie Atticus übertreibend von dem Rang spricht, den Cicero den zwei großen Rednern zuerkannt hatte — ist mit ihnen doch nach Brut. 161 nur die erste Reife und fast die höchste Stufe der römischen Eloquenz erreicht - , so übertreibt er auch die Bedeutung, die Cicero Brut. 164 der Suasio des Crassus zugestanden hatte: mihi quidem a pueritia quasi magistra fuit . . . ffla . . . oratio. Ciceros Bemerkung ist schon durch den Zusatz quasi um eine Nuance vorsichtiger als die seines Freundes; vor allem aber stellt Cicero nicht die Rede des Crassus neben den Doryphoros des Polyklet, eine Parallelisierung des Atticus, durch die die Leistung des Redners als klassisch-exemplarisches Kunstwerk charakterisiert wird. Die letztere Verzerrung erlaubt es dem Kritiker, in Ciceros Äußerung germana ironia zu finden. Die Begründung will er zwar verschweigen, damit sein Freund nicht glaube, er schmeichle ihm, aber die in diesem Finalsatz enthaltene 29

Ich inteipungiere wie etwa Wilkins in der Oxfordausgabe; ebenso Malcovati in der neuen Teubneriana 1965. Aus aiebat läßt sich zwanglos aiebas als Prädikat zu tu ergänzen; mit isto modo wird zusammenfassend auf die Anschauung hingedeutet, die Atticus dem Cicero unterstellt (ut Polycleti - fuisse). Jahn-Kroll - so ebenfalls Barwick - interpungieren staik nach assentior und setzen hinter isto modo lediglich ein Komma; sie erklären dazu: „sie nimmt isto modo nach ut wieder a u f . Diese Auffassung läßt es nicht zu, aiebas als Prädikat zu tu hinzuzudenken (wie Jahn-Kroll empfehlen), man muß dann schon mit Fuchs in: Navicula Chiloniensis, Festschrift Jacoby, Leiden 1956, 142 schreiben: . . . magistram fuisse (dicere debuisti) oder Ähnliches. Das Überlieferte ist indessen auch ohne Konjektur zu verstehen. 187

Andeutung ist unmißverständlich: Cicero ist der wahre Vollender und Klassiker der römischen Beredsamkeit, und deshalb wäre es pure Ironie, wenn er die Rede eines anderen an die Stelle setzte, die nur seinen eigenen Reden gebührt. Daß in der von Atticus unterdrückten assentatio tatsächlich derartiges hätte gesagt werden müssen, zeigt die ihren Inhalt andeutend umschreibende Replik Ciceros Brut. 298: tu melius existumare videris de ea si quam nunc habemus facilitate 3 0 . An dem ciceronischen Urteil über Cotta, Sulpicius, Caelius, deren rednerische Mängel Cicero Brut. 203 f., 273 durchaus nicht übergangen hatte, kann Atticus Brut. 297 anscheinend konkret nichts aussetzen. Er konzediert Cicero, daß diese Männer wirkliche Redner gewesen seien: quanti autem et quales, tu videris. Die Meinung, die Atticus von der Beredsamkeit all der genannten Redner hat, ist somit keineswegs grundsätzlich von den Anschauungen verschieden, die Cicero im Laufe des Dialogs vorgetragen hatte. Atticus vermag sich denn auch im allgemeinen die Gelegenheit, Ciceros Ausführungen durch den Hinweis auf die Zeitbedingtheit und Unvollkommenheit des oratorischen Könnens der erwähnten Römer zu kritisieren, nur dadurch zu verschaffen, daß er das Lob, das sein Freund diesen Rednern hatte zuteilwerden lassen, übertreibend wiedergibt, schweigend darüber hinweggeht, daß Cicero selbst bereits mehr oder weniger deutlich auf die faktischen Mängel an der Eloquenz der behandelten Redner hingewiesen hatte, oder die Ausführungen des Gesprächspartners sonstwie verzerrt. Atticus hat in Wahrheit keine Position gegen Ciceros Darlegungen bezogen; er verdeutlicht lediglich zusammenfassend, was dieser immer wieder hinreichend prägnant zum Ausdruck gebracht hatte: Die Eloquenz auch der namhafteren behandelten Redner ist mit teilweise erheblichen Schwächen behaftet, keiner von ihnen kann als Vollender der römischen Beredsamkeit, keiner als der perfectus orator gelten. Wir werden annehmen dürfen, daß es Cicero hier eben um nichts anderes geht als um die Verdeutlichung dessen, was sein Atticus verdeutlicht. Daß es darauf dem Autor gerade an dieser Stelle ankommt, hat seinen guten Grund: Im Anschluß an die Ausführungen des Atticus und einige sich aus ihnen ergebende Bemerkungen wird Brut. 301 ff. der rednerische Entwicklungsgang des Hortensius und in Verbindung mit ihm vor allem der Ciceros dargestellt. Jetzt gelangt also die Geschichte der lateinischen Redekunst zu ihrem in Cicero gipfelnden Höhepunkt, zur Vollendung; sie — und das wird eben von Atticus zum Ausdruck gebracht — ist im Laufe der Aufwärtsentwicklung der römischen Eloquenz von keinem Redner erreicht worden 3 1 . Die kritischen Worte des Atticus machen abschließend die Sonderstellung Ciceros sichtbar. 30

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Der wahre Grund dafür, daß der angedeutete Gedanke nicht ausgesprochen wird, ist natürlich der, daß er in der unverhüllten Form auch im Munde des Atticus von den Lesern als starke Anmaßung Ciceros empfunden worden wäre. Daß es in diesem Zusammenhang - was ja auch sehr verwunderlich wäre - nicht

Es erweist sich als überaus geschickter Kunstgriff des Schriftstellers, daß er dem Kritiker den Vorwurf der Ironie in den Mund legt. Man erwäge einmal, welchen Weg Cicero sonst hätte einschlagen können, um an unserer Stelle dem Leser die Mangelhaftigkeit aller bisherigen römischen Redekunst zu vergegenwärtigen: Das Einfachste wäre gewesen, eine Dialogfigur, am besten Atticus, resümierend auf die Abstriche hinweisen zu lassen, die Cicero selbst bereits an der Geltung der zur Sprache gekommenen Redner vorgenommen hatte, und dem Sprechenden die unverhohlene Äußerung in den Mund zu legen, daß jedenfalls die vollkommene Beredsamkeit unter den Genannten keiner erreicht habe; die Intentionen eines solchen Passus, der sich kaum zwanglos in den Dialog eingefügt hätte, wären nur zu deutlich gewesen. Verhüllen ließe sich die hinter dem Abschnitt stehende Absicht, wenn Atticus das Lob, das Cicero der Eloquenz der erwähnten Römer zugeteilt hatte, offen als übertrieben kennzeichnete und in Ausführung dieser Ansicht die Mängel der Redner herausarbeitete; die eigentliche Intention dieses Abschnittes, die Betonung der Mangelhaftigkeit aller bisherigen oratorischen Leistungen, erschiene hier nicht mehr plump als Selbstzweck. Aber wie sollte Cicero auf eine derartige Kritik reagieren? Zuzugestehen vermöchte er ihre Berechtigung nicht; denn es ginge nicht gut an, daß der Autor gegen Ende der Schrift die bislang hier von ihm vertretenen Auffassungen großenteils als unrichtig erklärte. Ebenfalls nicht könnte er die Darlegungen des Freundes einfach zurückweisen; würde er damit doch gerade der Absicht entgegenarbeiten, die er mit der Einfügung des Abschnittes verfolgt. Genug: Der Absicht des Schriftstellers stellten sich mancherlei Schwierigkeiten entgegen. Die Vorteile von Ciceros Kunstgriff: Der ungezwungen eingeführte Vorwurf des Atticus wird von dem Gesprächspartner Cicero Brut. 293 zunächst nicht verstanden; dadurch erhält der Kritiker einen Anlaß, seine Auffassung eingehend zu erläutern. Dem Autor gelingt es auf diese Weise, seinem Leser nebenbei zu Bewußtsein zu bringen, daß auch die bedeutenderen der bisher genannten Redner von der vollkommenen Beredsamkeit mehr oder weniger weit entfernt sind. Die spöttische Einstellung, die Atticus in der Geschichtsdarstellung seines Freundes wirksam glaubt, kann der Cicero des Dialogs Brut. 297 ff. mit Recht leugnen; er braucht also die im Gespräch dargelegten Auffassungen nicht zu widerrufen. Auf die Ausführungen des Atticus Brut. 293-297, durch die scheinbar der Vorwurf unangebrachten Spottes lediglich expliziert wird, ist Cicero ausführlicher einzugehen nicht genötigt. Er greift Brut. 298 nur die beiden Autoren heraus, bei denen Atticus noch einmal das Stichwort ironia gegeben hatte, um das in dem ganzen Abschnitt alles zu gehen scheint. Dabei widerspricht er zwar dem Vorgeben nach dem Urteil, das sein Kritiker über diese Redner gefällt hatte, wiederholt es aber in Wirklichkeit lediglich mit anderen Worten. allein um die älteren Redner geht, zeigt die Erwähnung des Caelius. Hortensius kann hier natürlich nicht genannt werden; später gibt Cicero zu erkennen, daß er zwar ein bedeutender, aber mit mancherlei Mängeln behafteter Redner ist

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Kehren wir wieder zurück zu dem Lob, mit dem Cicero Catos Prosa bedacht hatte, und der Synkrisis Cato-Lysias: Sie bieten Atticus einen günstigen Ausgangspunkt, Ciceros Behandlung der älteren Beredsamkeit als ironisch zu deuten. Über die Motive, die Cicero tatsächlich zu seiner Würdigung Catos bestimmt haben, lernen wir aus der Bemerkung des Atticus aber nichts 32 . Auch wenn Cicero Brut. 298 auf die — freilich mit vielen Unvollkommenheiten verbundenen — Vorzüge der catonischen Prosa hinweist, ohne die Parallele CatoLysias zu erwähnen, soll damit nicht etwa ein Widerruf des Vergleiches angedeutet sein. Vielmehr geht es in dieser abschließenden Bemerkung lediglich generell um die Bedeutung des Prosaikers Cato; es wird nicht pedantisch auf die einzelnen Punkte von Atticus' Ausführungen eingegangen' Was Cicero an Catos Eloquenz gelobt hat, ist besonders der Reichtum an ornamenta, sind, wie bemerkt, allgemein die Eigenschaften, in denen sich die catonische mit der modernen ciceronischen Beredsamkeit berührt. Die schon vorhandenen Charakteristika dieser modernen Redekunst sind es auch sonst, aufgrund deren Cicero der Beredsamkeit älterer Römer seine Anerkennung gibt 33 . Die Besonderheiten der veteres aber, das impolitum etwa, der geringe ornatus, sind in seinen Augen nur Mängel34. Positive Stilqualitäten, die spezifisch mit der antiquitas verbunden wären, kennt Cicero im Brutus ebensowenig wie anderwärts 35 ; die Zeitgenossen Ciceros dürften diese Einstellung gegenüber älterer Prosa teilen. Spätere Jahrhunderte zeigen eine andere Haltung. Zu Quintilians Zeit gelten wenigstens in manchen Kreisen als die Eigenschaften, die die Redekunst der Vergangenheit auszeichnen und von der corrupta eloquentia der Gegenwart abheben, vor allem Männlichkeit und Natürlichkeit36. Gellius liebt später wie sein Idol Fronto die Einfachheit', Reinheit, Unverdorbenheit der Alten: suavitas und venu32

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Es wäre auch ein merkwürdiges Verfahren, wenn Cicero, nachdem er im Catoabschnitt ironisch gesprochen hatte, auf diesen Umstand über 200 Kapitel später noch einmal aufmerksam machen ließe. Entweder - und das wäre das Natürliche - glaubte er, seine Ironie sei jedem Leser verständlich; dann würde es der Wirkung dieser Ironie einigen Abbruch tun, wenn er sie später ausdrücklich als Ironie kennzeichnete. Oder aber, was freilich recht seltsam wäre, er fürchtete, einige Leser könnten seine Ausführungen für Ernst halten; dann folgte das Interpretament entschieden zu spät VgL etwa Brut. 126: С. Gracchus ist grandis verbis; 140f.: Antonius zeichnet sich durch die sententiarum ornamenta aus; 162: Bei Crassus findet sich eine Art des ambitus verborum. Vgl. ferner 176. Ein Vorzug der antiqui besteht nach Cicero allerdings in ihrem reinen Latein; dazu 77 ff. Von ώρα und χάρις, die Dionys op. rhet I 331,11 ff. Us.-Rad. den alten Logographen zuerkennt, findet Cicero in dem entsprechenden lateinischen Stadium der Historiographie (dazu 183 A.25) nichts; leg. 1,6 spricht Atticus in seinem Überblick über die römische Geschichtsschreibung von antiquorum languor et inscitia; vgL auch etwa Brut. 69; 82. In der Malerei hat dagegen das horridum und obsoletum der antiquae tabulae für den Römer der ausgehenden Republik einen besonderen Reiz. Cie. de orat. 3,98. Vgl. 58 A. 38.

stas, das amoenum und dulce sind die geschätzten Charakteristika vorklassischer Ausdrucksweise 31. Daß Cicero eine derartige Betrachtungsweise ganz fremd ist, ist in besonderem Maße verständlich. Er sieht ja die Entwicklung der lateinischen Beredsamkeit durch einen steten in ihm selbst gipfelnden Fortschritt gekennzeichnet38. Die Bedeutung, die Cicero für sich in der römischen Redekunst in Anspruch nimmt, ist aber auch in anderer Hinsicht für das Verständnis des Brutus wichtig. Wenn Cicero selbst das Telos der Entwicklung bedeutet, kann die Zukunft allein den Verfall bringen. Cic.Tusc. 2,5 heißt es auch in aller Deutlichkeit: oratorum . . . laus ita ducta ab humili venit ad summum, ut iam, quod natura fert in omnibus fere rebus, senescat brevique tempore ad nihilum Ventura videatur. Im Brutus findet sich eine so scharfe Äußerung nicht 39 ; vielleicht aus Rücksicht auf Brutus 40 , vielleicht weil Cicero sich diese Konsequenz noch nicht in aller Schärfe zum Bewußtsein gebracht hat oder bringen will. Aber das natürlich durch die politischen Verhältnisse genährte Empfinden, daß die große Zeit der lateinischen Eloquenz vorüber sei, beseelt ihn doch auch schon in dieser Schrift 41 . Unter dem skizzierten Aspekt erweist sich der Brutus als ein Werk, das mit Ciceros Selbstverständnis eng verbunden ist: Der große Redner ist gedrängt, die einzelnen Stationen der emporsteigenden römischen Beredsamkeit noch einmal im Geiste zu durchwandern, im Gefühl, Gipfel und Ende des Aufstiegs erreicht zu haben 42 . Ein besonderes Gewicht gewinnt für Cicero seine rednerische Leistung nach dem Scheitern seiner Politik 43 . Ein je höherer Rang der römischen Redekunst überhaupt zukommt, desto mehr Bedeutung hat ihr Meister. Man wird auch in dem Streben, die nationale römische Beredsamkeit der Vergangenheit besonders zu würdigen, ein sehr persönliches Element nicht übersehen dürfen.

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Einiges dazu bei Hache 1 ff.; Marache 138 ff. passim. Bei den Griechen gibt es eine entsprechende Einstellung schon früher; vgL Dion. Hal op. rhet I 211, 20; oben A.35. Bemerkenswerterweise zeigt auch Gellius sich gelegentlich von dieser Ansicht beeinflußt VgL besonders die Polemik GelL 10,3,15 f., wo betont wird Catonem contentum eloquentia aetatis suae non fuisse et id iam tum facere voluisse, quod Cicero postea perfecit Dazu GelL 13,25,12. Dabei muß man sich natürlich bewußt sein, daß das Ende des Dialogs nicht erhalten ist Freilich sind ihm auch die Tusculanen gewidmet, aber von seiner Beredsamkeit wird in dieser Schrift eben nichts gesagt Demgegenüber wird Brutus in dem nach ihm benannten Dialog recht deutlich als Ciceros Nachfolger im Primat der Beredsamkeit hingestellt Brut 22; 331 f. VgL etwa die resignierten Bemerkungen Brut 6 ff., 20f.; F. Leo, Die griechisch-römische Biographie, Leipzig 1901, 220. Die äußere Anregung zur Abfassung des Brutus könnte von Vanos De poetis ausgegangen sein. Dahlmann, De poetis 654. VgL seine Äußerungen Brut 253 ff.; Caesar berechnet seine Komplimente sehr fein. Ferner zu dem Gesichtspunkt K. Büchner, Cicero, Heidelberg 1964, 324 ff.

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Es ist so kein Zufall, daß gerade Cicero es ist, der eine Geschichte der lateinischen Redekunst zu geben sucht und dabei auch die Errungenschaften älterer Redner sieht, die seine Zeitgenossen so gering achten. Dauernder Besitz scheint diese Sichtweise freilich nicht für ihn geworden zu sein; wo er im Orator von älterer römischer Beredsamkeit spricht, erkennt er an ihr vornehmlich Mängel und Unvollkommenheiten44. 44

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Mit einer etwas unsicheren Haltung Ciceros zu rechnen, dürfte angemessener sein als die eine oder andere Äußerung als Hinweis auf seine „eigentliche" Einstellung zu wertea Übrigens ist bei der Aufwertung des Demosthenes und der mit ihr verbundenen Abwertung der Latini orat. 22 f. zu berücksichtigen, daß Cicero hier Brutus, den er gewinnen möchte, entgegenkommt. Andererseits ist eine Bemerkung Ciceros wie orat 233 kaum aus einem derartigen Entgegenkommen abzuleiten.

7.

Zusammenfassung

Archaismen waren für die römischen Redner seit alters eines der ornamenta dicendi. Zum Stilprinzip aber hat sehr wahrscheinlich kein republikanischer Orator jemals den Gebrauch derartiger Idiome erhoben. Ebensowenig kennen die Redner der Periode ein stilistisches Altertümeln. Solange die Redekunst eine eminent politische Bedeutung hat, sind ja auch die Bedingungen für Künsteleien ungünstig. Der römischen Beredsamkeit unter Caesars Alleinherrschaft liegen, soweit die Zeugnisse reichen, ebenfalls jegliche archaistischen Tendenzen fern. Die herrschende negative Einstellung gegenüber älterer römischer Prosa erfährt zwar in Ciceros Brutus eine gewisse Korrektur. Aber diese Korrektur erklärt sich hinreichend aus persönlichen Motiven Ciceros. Wirkungslos braucht sie deshalb freilich nicht gewesen zu sein.

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III. Die Geschichtsschreibung in republikanischer Zeit

1. Die vorsallustische Historikersprache: Anschauungen, Methoden, Grundsätze bei ihrer Erforschung Es ist eine alte Annahme, daß die republikanische Geschichtsschreibung sich sprachlich an die Dichtung, vor allem an das ennianische Epos angeschlossen h a b e J ü n g e r ist die gelegentlich in extremer Formulierung vorgetragene Ansicht, Archaismen hätten in der Sprache der vorsallustischen Historiographie eine besondere Rolle gespielt 2 . Die zwei Auffassungen tangieren einander: Dichtwerke k ö n n e n Fundgruben antiquierter Idiome sein. Die altertümlichen Ausdrücke dissoziieren sich für den Prosaiker nicht scharf v o n den poetischen 3 . Den beiden Hypothesen ist gemeinsam, daß sie im allgemeinen mehr beiläufig geäußert oder jedenfalls nicht mit umfassender und eindringlicher Diskussion gestützt worden sind 4 ; kritische Bemerkungen sind nicht ausgeblieben 5 . In einer materialreichen Untersuchung und m i t einer neuen Methode hat vor einigen Jahren Skard, Vorgänger unsere Kenntnisse von der vorsallustischen Hi1

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Zaxncke 274 scheint noch kaum Sprache und Stil im engeren Sinne vor Augen zu haben. So aber dann Norden, Ennius 157 f.; ähnlich auch Komm. Aen. 6 S. 371; vgL auch noch S. 193; 327. Cavallin 97ff.; McDonald, JRS 47, 1957, 166; Bardon I 156 A.2; Kuntz 9f.; Syme 259. Weiteres bei der Behandlung der einzelnen Historiker. Tränkle, WS N. F. 2, 1968, 103 ff. konnte nicht mehr berücksichtigt werden. Fraenkel 193 sieht in Sallusts Archaisieren „a heritage from his forerunners in Roman historiography"; in der 2. Hälfte des 2. vorchr. Jhs. sei es in der Geschichtsschreibung modern geworden, in mehr oder weniger großem Umfange Archaismen anzuwenden, Ausdruck der Idealisierung von Roms goldenen Tagen. Marache 19, freilich nur von den Historikern sullanischer Zeit; Sallust gehe, äußert er 22, über die „lois du genre" hinaus. Bardon I 266; 365; I 266 A.l meint er sogar, Sallust sei in seinem Stil viel konformistischer als Caesar. Syme 49; 323; Badian 14 ff. passim. Vgl. 32. Am umfassendsten von den genannten Gelehrten noch Bardon, Cavallin und Badiaa Leeman, Ratio 76 bezweifelt, „that there was a Roman tradition of .poetical' historiography before Sallust". Gegen Fraenkel wendet sich Steidle 98 unter Hinweis auf die Kritik, der Sallusts Archaisieren begegnet ist: „Schwerlich hätten diese Kritiker etwas gegen Sallust zu bemerken gehabt, wenn sich sein Archaismus in nichts von dem anderer Historiographen unterschieden hätte". Ähnlich schon Leeman, Genre 204, der jedoch nicht behaupten möchte, „que les historiens romains n'aient pas pratique l'archa'isme"; vgL auch Leeman, Ratio 182. Mit seinem Argument nähert sich Steidle der Ansicht von Dihle, Rez. 596 ff., der in dem entschiedenen Archaisieren Sallusts etwas grundsätzlich Neues in der Geschichte der lateinischen Kunstprosa sieht.

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storiographensprache zu erweitern gesucht. Livius und Sallust sei - so bemüht sich Skard nachzuweisen — in weitem Umfange charakteristisches Sprachmaterial gemeinsam, das ihre Sprache von der Prosa Ciceros und Caesars unterscheide. Livius könne nicht in nennenswertem Umfange von Sallust, den er abgelehnt habe, beeinflußt sein. In den sallustisch-livianischen Spracheigentümlichkeiten müsse daher im wesentlichen das Sprachgut älterer Historiographie erkannt werden. Die Ergebnisse Skards wären auch für unsere Problematik von Bedeutung, sollten sie sich als zuverlässig erweisen. Ihre Zuverlässigkeit soll nun überprüft werden. Nehmen wir zunächst die Prämisse an, Livius müsse von Sallust unabhängig sein. Kann das von Skard vorgelegte Material dann tatsächlich im allgemeinen nur Sprachgut älterer Geschichtsschreibung sein? Es ist nicht möglich, jedem der mehreren hundert Idiome nachzugehen, die Skard fur die vorsallustische Historiographie in Anspruch nimmt. Wir greifen einen Komplex heraus, der bei dem Thema unserer Arbeit von besonderem Interesse ist: die einzelnen Vokabeln, die „eine gewisse archaische, feierliche oder gar poetische Färbung haben" (Skard, Vorgänger 39). Vor dem Doppelpunkt werden dabei die von Skard a.O. gebotenen Erläuterungen wiedergegeben. Mit „Sallust" sind in unseren Darlegungen nur die unbestritten genuinen Sallustiana gemeint, wofern sich nichts anderes aus dem Text ergibt 6 . Einen Teil des zusammengestellten Sprachmaterials verwenden Sallust oder Livius oder beide Autoren in der gleichen Weise wie der Prosaiker Cicero oder andere Prosaiker der Zeit. Einmal handelt es sich hierbei um Vokabular, das wenigstens von Cicero bis Livius normales Ausdrucksgut lateinischer Prosa ist. Zum anderen haben wir es mit gehobenen Idiomen zu tun, die in dieser Periode jedem Prosaiker, der sich eines höheren Stils bedienen will, zur Verfügung stehen. Im letzteren Falle sind die sallustisch-livianischen Kongruenzen tatsächlich in einer bestimmten Tradition gegründet: Es gibt einen bestimmten Wortschatz gehobener Prosarede. Wenn die zwei Historiker in ähnlichem Zusammenhang zu demselben ungewöhnlichen Idiom greifen, so erklärt sich das hinreichend aus ihren verwandten stilistischen Intentionen, die durchaus nicht die älterer Geschichtsschreibung zu sein brauchen. aerumna: In der Prosa Ciceros fast 20 mal ab inv. 2, 102; prov. 17; p. red. in sen.34. Bei Sallust 6mal ab Catil. 51,20; bei Livius allein 29,16,7. arvum: In der Prosa Ciceros Scaur. 25; rep, 3,25; nat. deor. 1,122. Varro rust. 1,7,2 und noch einigemal im gleichen Buch dieser Schrift. Bei Sallust lug. 90,1; hist.frg. 1,14; bei Livius 2,14,3; 9,36,11, beidemal Etruriae arva. benefactum: In der Prosa Ciceros de orat. 2,208; parad. 22; Tusc. 2,64; Cato 9. Bei Sallust Catil.8,5; lug.85,5; or.Phil.4; 6; bei Livius 25,29,7; 25,31,4; 37, 1,2; 43,7,7; 45,24,7. 6

Das im folgenden vorgelegte Material findet sich teilweise bereits im Thes. oder bei Skard, Ennius; das wird in der Regel nicht besonders angemerkt

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crescere = oriri (Sail. Catil. 10,3; lug. 4,6; Liv. 2,14,2; vgl. Thes. IV 1176): Im Thes. werden aus der Prosa des 2. und 1. vorchr. Jh.s nur Varro rust. 1,12,2 und 1,45,3 für crescere in der vorausgesetzten Bedeutung angeführt. Die drei Historikerstellen fehlen hier, wenigstens die Sallusts, vermutlich aber auch die des Livius zu Recht. Sali. Catil. 10,3. Nach der Vernichtung Karthagos beginnt Roms Verfall, igitur primo pecuniae, deinde imperi cupido crevit. Dazu Catil. 9,1: Vor dieser Zeit des Umbruchs minuma avaritia erat; Habgier gab es also von Anfang an. Die imperi cupido ist in der römischen cupido gloriae (Catil. 7,4), die Catil. 7,6 geschildert wird, schon angelegt. Aufschlußreiche Zusammenstellung der Begriffe Catil. 11,2: gloriam honorem imperium bonus et ignavus aeque sibi exoptant. crescere meint Sali. Catil. 10,3 am ehesten die Entfaltung des keimhaft Vorhandenen; dementsprechend ist die Stelle auch Thes.IV 1181, 60 eingeordnet. Sali. lug.4,6. Worte des Fabius Cunctator und des älteren Scipio: cum maiorum imagines intuerentur, vehementissime sibi animum ad virtutem adcendi. Dazu Sallust: memoria rerum gestarum eam flamm am egregiis viris in pectore crescere neque . . . sedari. Sollten die großen Männer ohne diese memoria nach Sallust überhaupt keinen Drang zur virtus in sich verspüren? Liv. 2,14,2. Über den althergebrachten Brauch bona Porsennae regis vendendi: originem moris necesse est aut inter bellum natam esse neque omissam in pace aut a mitiore crevisse principio, quam hic prae se ferat titulus bona hostiliter vendendi. Der schon bei omissam verblaßte Gedanke der origo ist bei crevisse ganz in den Hintergrund getreten; gedankliches Subjekt ist der mos. Er hat sich von einem friedlicheren Anfang aus entwickelt. Gegensatz zu der zuvor angedeuteten Alternative, der Brauch sei sich von Anfang an gleich geblieben. formido: In der Rhetorica ad Herennium 3 mal ab 2, 3,4. Bei dem Prosaiker Cicero rund 30mal in Reden,philosophischen Schriften, Briefen ab S. Rose. 5. Bei Sallust 19mal ab Catil. 20,7, bei Livius sicher "Jnal ab 7,37,16 (5 mal in der 1. Dekade). Von den livianischen Belegen entfallen 4 auf die Doppelung fuga-formido (formido-fuga) ab 7,37,16; die Verbindung vorher Cie. Att. 8,14, 1; Sali. lug. 55,7; vgl. auch Cic.dom. 17; Phil. 2,88. Sonstige Berührungen mit sallustischem Sprachgebrauch zeigt die livianische Verwendung von formido nicht. Das Subst. taucht auch in vorsallustischer Geschichtsschreibung bei Sisenna hist. 67; 79 auf. Daraus folgt aber natürlich nicht, daß der stark divergierende Gebrauch, den Sallust und Livius von formido machen, seine gemeinsame Wurzel in der älteren Historiographie hat. pestis: In Ciceros Prosa, auf verschiedene Weise verwendet, weit über 50mal ab Verr.II 1,96. Bei Sallust 5 mal ab lug. 14,10, bei Livius 21 mal ab 2,49,4. proles: Dazu 18. sons: Alle Belege bis Sallust: Plaut. Capt.476; Cie. leg. 3,6 in einem Gesetz; off. 1,82; Tusc. 2,41; Phil. 2,18. Sali. Catil. 16,3. Bei Livius 5 mal ab 3,58,11. Andere der von Skard gesammelten Spracheigentümlichkeiten tauchen zum 196

erstenmal bei Sallust auf. Das können Idiome sein, die erst unter der Herrschaft Caesars im Latein aufgekommen sind. incertus passivisch (wie griech. άδηλος: Sali. lug. 49,5; Livius öfters): Passivisch das Adj. auch etwa Cie. nat. deor. 1,1. Wirklich auffallend und hier zuerst belegt das Hinzutreten eines indirekten Fragesatzes an der Salluststelle: inter virgulta... Numidae . . . consederant... incerti quidnam esset. Ähnliches 5 mal bei Livius ab 27,37,5. Dann Sen. clem. 1,3,5, sporadisch bei späteren Prosaikern. incultus (Subst.): Sali. Catil. 55,4; lug. 2,4 incultu atque socordia. Liv. 42, 12,7 per incultum ac neglegentiam. Tac.ann. 4,46,1, sporadisch bei späteren Prosaikern. Bei folgenden Belegen Skards ist die Übereinstimmung des livianischen Sprachgebrauchs mit dem Sallusts mindestens zweifelhaft. insomnium: Bei Sallust käme für insomnium, е ш и о ^ , nur Sali. (?) rep. 2,12,6 in Frage: neque tibi nox neque dies curam animi sedaverit, quin insomniis exercitus furibundus . . . feraris. Die Authentizität des Briefes angenommen, wäre dies der früheste Nachweis für das Wort; danach Verg. Aen. 4,9; 6,896; Ov. trist. 3,8,27. Bei Livius nur 25,38,5. Es wäre schon gewagt, von einer einmaligen Übereinstimmung zwischen Livius und einem Stück sallustischer Publizistik auf den Sprachgebrauch vorsallustischer Geschichtsschreibung zu schließen 7 . Überdies aber ist unwahrscheinlich, daß insomniis an der Epistelstelle die vorausgesetzte Bedeutung hat 8 . Der Abi. wird vielmehr zu dem Fem. insomnia, Schlaflosigkeit, gehören, das - vielleicht als Catonismus 9 - Sali. Catil. 27,2; epist. Mithr. 7 erscheint. Livius verwendet das Fem. insomnia nicht. servus als Adj. verwendet: Vermutlich ist bei Sallust epist.Mithr. 17 gemeint: omnia . . . non serva et maxime regna hostilia (dueunt Romani). Der substantivische Ausdruck non serva hat weder vor Sallust noch bei Livius eine Parallele; eine Analogie Sali. hist. frg. 1,103 das Subst. ignara, wozu Thes. VII 1,276,7 ff. Als Adj. erscheint servus bei Livius wohl 8mal ab 6,41,2; im allgemeinen ist dabei entweder Konzinnität im Spiel oder der Sprachgebrauch durch ein hinzutretendes synonymes Adj. erleichtert. Die adjektivische Verwendung von servus bei Livius mag freier sein als in der republikanischen Literatur 10 . 7

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Skard, Vorgänger 63 ff. fuhrt insomnium bei Sallust (? ) und Livius auf ein altrömisches Atridendiama zurück. Wozu zur Erklärung der sallustisch (? )-livianischen Kongruenz dann der Umweg über die vorsallustische Historiographie? Über das Problem ist in den letzten Jahren manches geschrieben worden. Ein Hinweis auf Vretska.II 175 f. und Thes. VII 1, 1935, 75 ff. möge genügen. Das Subst. ist einigemal im 2. vorchr. Jh. von Plaut Mere. 25 bis Pacuv. trag. 9 bezeugt. Freilich nicht bei Ca to. Aber Cicero gebraucht das Wort nur Ca to 44; da legt er es dem Censorius in den Mund. Für Cicero wird insomnia nicht mehr lebendig sein. Vgl Thes. s.v.; das ungefähre Synonym vigilia ist recht häufig im 1. vorchr. Jh. Cicero mag das antiquierte Wort Cato entlehnt haben. Dazu 127 zu Vatin. Cie. fam. 5,9,2. Zur Kontrolle die sonstigen Liviusbelege: 25, 31,5; 26,35,5; 29,29,3; 34,58,9; 37,53,28; 37,54,6; 42,46,4. Wenigstens unsicher Liv. 8,15,7; 32,26,14; 34,41,4.

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Der überprüfte Komplex der von Skard als archaisch, feierlich oder poetisch eingestuften Vokabeln umfaßt 42 Idiome 11 . Bei jedenfalls 11 von ihnen ist der Rückschluß auf den Sprachgebrauch älterer Geschichtsschreibung unsicher oder unwahrscheinlich. Das heißt nicht, daß dieser Schluß bei den übrigen 31 Ausdrücken zweifelsfrei ist. Bei genauer semantischer Differenzierung, Beachtung der Besonderheiten in der Verwendungsweise, Beobachtung der Frequenzen, Berücksichtigung der Synonyme - Punkte, die überhaupt in Skards Arbeit allenfalls sporadisch beleuchtet werden — erscheint hier noch manches fraglich I2 . Skards Sammlungen bieten auch sonst manches Sprachmaterial, dessen Rückführung auf vorsallustische Historiographie nicht überzeugen kann 13 . Ergebnisse von Stichproben: Skard, Vorgänger 20: caedes - rapinae (Cie. S. Rose. 139; Catil. 2,10; und sonst). 22: caecus avaritia (Cie. Quinct. 83). amentia, contagio, remedium (in dem geforderten Sinne mehrfach bei Cicero). 25/38: fortis - strenuus (Plane. Cie. fam. 10,8,5; Nep. Epam. 7,3). 28/37: os (ora) - oculi (Cic.Verr.II 2,81; II 3,5; Phil. 8,20; Catull. 9,9; und sonst). 35/48 proelium nox diremit (Bell. Alex. 11,5; 46,7). 38: vis - virtus (Cie. Verr. II 1,57; II 5,25; har. resp. 49; de orat. 2,120). 40: bellum facere (Cic.Verr.II 1,79; und oft). 41: opes crescunt (Cic.Manil.45). opes augere (Cie. rep. 3,24; Caes. civ. 1,85,5; Bell. Afr. 25,1). magnifice loqui (Cic.Cael.40). Skards Material ist recht großzügig zusammengestellt. Allein aus diesem Grunde wäre es als Basis für eine partielle oder umfassende Untersuchung der vorsallustischen Historikersprache allenfalls von beschränktem Wert. Praktisch wäre dieses Material erst nach eingehender Sichtung zu verwenden. Ein großer Teil des von Skard gesammelten Sprachgutes würde jedoch vermutlich einer Prüfung, wie wir sie bisher erprobt haben, standhalten. Nehmen wir ein Subst. wie cupido (Skard, Vorgänger 39): In Prosa vor Sallust nur Cato or. frg. 17,3. Jedenfalls zur Zeit Ciceros entschieden dichterisch. Bei Sallust steht 20mal cupido ab Catil. 3,5 nur 3 Belegen für cupiditas ab Catil. 2,1 gegenüber. Bei Livius ist das Verhältnis von cupido (ab 1,6,3) zu cupiditas (ab praef. 12) 19 zu 59, in der 1. Dekade 8 zu 26. Ein Blick auf die Tabelle Thes.IV 1411, 75 ff. lehrt: Das relativ häufige Vorkommen von cupido ist mit den Erklärungs11

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Skaid fuhrt unter dieser Rubrik 43 Idiome an. Davon habe ich res im Sinne von res publica nicht kontrolliert: Die Betrachtung hätte sich hier auf mehrere tausend Belege fur res erstrecken müssen. So erweist sich der livianische Gebrauch von poliere als nicht wesentlich unterschieden von dem Ciccros und seiner Zeitgenossen; anders der Gebrauch Sallusts. Dazu 300. Zu oeeipere 307 A. 29. Daß das zusammenstellte Material nicht immer beweiskräftig ist, deutet Skard, Vorgänger gelegentlich selbst an: 25; 33 f.; 36 A . l ; 37. Ein halber Verzicht auf die Vorführung derartigen Sprachgutes 19 A.l. Eine Einzelheit noch bei Martin, JRS 47, 1957, 285. Das alles bleibt im folgenden außer Betracht Prinzipielle Bemerkungen zu dem angesprochenen Aspekt bei Dihlc, Rcz. 595.

möglichkeiten, die wir bisher fur sallustisch-livianische Übereinstimmungen aufgewiesen haben, nicht befriedigend zu deuten. Also ein Sprachmerkmal vorsallustischer Geschichtsschreibung, auf die Livius und Sallust gleicherweise zurückgreifen? Es gibt einen ähnlichen Fall, bei dem sich auch diese Interpretation nicht empfiehlt. Bei der 3.Ps.Pl.Perf. Akt. ist es bekanntermaßen so, daß die Prosaschriftsteller der Republik ausschließlich oder so gut wie ausschließlich die Endung -erunt gebrauchen14. Sallust verwendet dagegen fast nur -ere, Livius in den ersten 6 Büchern in durchschnittlich über 50 % aller Fälle 15 . Nach Skards Argumentationsweise müßten wir in dem Sprachgebrauch der beiden Autoren das Erbe der Tradition älterer Geschichtsschreibung sehen. In Wirklichkeit findet sich in den Historikerfragmenten keinmal -ere, aber 27 mal -erunt bzw. -arunt: Bei Hemina 4mal; Fabius Pictor 1 mal; Piso 1 mal; Gellius 2mal; Quadrigarius lOmal; Antias lmal; Sisenna 8 mal 16 . Cato ist bei diesen Angaben ausgespart. Er bedient sich in den Origines 11 mal der Bildungen auf -ere, 3 mal der Formen auf -erunt; in den nicht in das Geschichtswerk aufgenommenen Reden verhalten sich die Frequenzen der beiden Endungen auch nicht viel anders zueinander 17 . Die Bildungen auf -ere sind in der catonischen Prosa keineswegs ein besonderes Merkmal der Historiographie. •*• Sallust bevorzugt, wie längst gesehen, -ere offenbar im Anschluß an den Censorius18. Und Livius? Fraglos kannte er Sallusts Werk, bevor er selbst Geschichte zu schreiben begann. Mindestens hat es Livius nicht behelligt, daß er in der Bevorzugung von -ere mit der Neuerung seines Vorgängers zusammentraf. Mit welchem Argument kann bei dieser Sachlage die natürlichste und einfachste Erklärung des dargelegten Tatbestandes abgewiesen werden: Livius ist von Sallust angeregt? Die gleiche Deutung läßt sich dann auch für den livianischen Gebrauch von cupido nicht gut ausschließen. Die für Skards Darlegungen grundlegende Prämisse, Livius könne von Sallust kaum beeinflußt sein, wird hier fragwürdig19. 14 15 16

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Dazu Muller 329 ff. Über -ere und -erunt mit weiterer Literatur letzthin A. Önnerfors, Pliniana, Uppsala 1956, 54 ff. Einzelheiten dazu bei Löfstedt, Synt II 259 ff. Zusammengestellt hat diese Verbformen aus den Bruchstücken schon Muller 361. Seine Angaben stimmen naturlich im wesentlichen mit den obigen überein, sind aber in einigen Einzelheiten unzuverlässig. Manches hat Muller übersehen; nicht mitrechnen durfte er Scaurus or. frg. 2 HRR = 43,7 Male.; Macer or. frg. 26 HRR = 110,5 Male. Mein Antiasbeleg ist hist 59; hist' 45, das Müller statt dessen anfuhrt, ist durchaus livianischer Wortlaut Der Beleg für -erunt, den Tubero bietet, ist von mir nicht mitgezählt, da Tubero anscheinend erst nach Sallust geschrieben h a t Vgl. 151. Einzelheiten bei Muller 346 f. So etwa schon Schultze 81 ff.; Bruennert 8; Fighiera 29; Müller 349. Das zweimalige fecere in den Bruchstücken, die Sen. epist 114,17 von dem Werk des Sallustianus Arruntius erhalten sind, ist natürlich Folge der Sallust imitation. Vielfach mit sprachlicher Abhängigkeit des Livius von Sallust rechnet schon Kroll,

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Skard, Vorgänger 7 f . begründet seine Auffassung so: „daß er (Livius) der Sprache und dem Stil seines Vorgängers kritisch gegenüberstand, ist zweifellos: „er war ein ebenso erklärter Gegner Sallusts wie Anhänger Ciceros", sagt Eduard Norden ( . . . vgl. Sen. contr. IX. 1 . 1 3 - 1 4 ; Quint. VIII. 2.18; Sen. contr. IX. 2.26). Im großen Ganzen bilden die lactea ubertas und der clarissimus candor, die den livianischen Stil charakterisieren . . . , zu der brevitas und obscuritas des Sallust einen so scharfen Gegensatz, daß eine umfassende Nachahmung, die doch eine gewisse Anerkennung und Sympathie voraussetzen müßte, unannehmbar ist." Lassen wir es auf sich beruhen, daß Skard schon mit der mildernden Formulierung „umfassende Nachahmung" in seine Ausführungen ein Moment der Unsicherheit hineinträgt, dessen Wirkungen schwer zu begrenzen sind 2 0 . Wie steht es mit der Beweiskraft der drei antiken Zeugnisse?

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Sallust 281 A . l ; 285 A.1; 288 A . l ; 298; 302 A.1; eine Einzelheit bei Tränkle, Hermes 93, 1965, 330 A.1. An der Unabhängigkeit des Livius von Sallust zweifelt Leeman, Mnemosyne IV 10,1957,182. Daß Livius zwar nicht direkt, aber auf dem Umwege über die Prosa augusteischer Zeit von Sallust sprachlich-stilistisch beeinflußt sei, glaubt Walsh 45. Skard zieht diese Möglichkeit, die einen weiteren Unsicherheitsfaktor in seine Darlegungen bringt, nicht in Betracht. Allerdings darf man sich das sallustische Sprachgut, das sich die augusteische Prosa bis zu den beginnenden 30er Jahren derart assimiliert hatte, daß seine Provenienz nicht mehr empfunden wurde, vielleicht nicht als besonders umfangreich vorstellen. So könnten in das Werk des Livius ohne dessen Wissen und Wollen kaum sehr viele Sallustianismen eingedrungen sein. Bei Skard, Vorgänger 1 f., 43 weitere Äußerungen von gefährlicher Konzilianz. Sie scheinen veranlaßt durch eine von Skard akzeptierte Beobachtung Amundsens, SO 25, 1947, 31 ff., zu der letzthin Ogilvie 23 ff.: Livius hat unter Verwendung sallustischen Sprachgutes in der Vorrede des Gesamtwerkes auf die Einleitung der sallustischen Historien Bezug genommen. Das sei aber, schwächt Skard, Vorgänger 1 ab, eine polemische Anspielung; Livius habe „von dem Pessimismus des sallustischen Spätwerkes bestimmt Abstand genommen". Nur begrenzt richtig: Im Gegensatz zum Sallust der Historien sieht Livius in dem sittlichen Verfall Roms eine relativ späte Erscheinung. Über Gegenwart und jüngste Vergangenheit urteilt er jedoch im Proömium kaum anders als sein Vorgänger - s. auch Klingner, Antike 13, 1937, 18 - , und das mit der an Sallust erinnernden Wendung per luxum atque libidinem; luxus ist bei Livius sehr selten, vgl. 293. Dazu kommt noch dies. SalL hist frg. 1,8 steht a primordio (principio var. trad.) urbis ad bellum Persi Macedonicum; schon Skard, Ennius 74 A.2 setzt sich fur die Überlieferung primordio ein, in der Sache vermutlich mit Recht. Liv. praef. 1 steht a primordio urbis; praef. 7 primordia urbium. Die Junktur primordium urbis (primordiaurbium) kommt in der lateinischen Literatur wenigstens bis zum Ende der augusteischen Zeit nur an den zitierten Stellen vor; das Gleiche gilt hinsichtlich der beiden Historiker auch für primordium, während bei beiden principium häufig erscheint. Also eine sehr auffällige Übereinstimmung zwischen Sallust und Livius. Skard, Vorgänger 39 denkt an gemeinsames Erbe aus älterer Historiographie. Aber es liegt viel näher, hier mit einer direkten Beeinflussung des Livius durch Sallust zu rechnen, da eben Livius bei seiner Vorrede die der Historien vor Augen h a t Die am meisten exponierte Stelle des livianischen Werkes ist danach Sallust sprachlich verpflichtet Das läßt die Annahme, Livius sei sonst von Sallust sprachlich weitestgehend unabhängig, wenig einleuchten.

Sen. contr. 9,1,13 f. 21 . Sallust hat eine Sentenz des Thukydides - in Wahrheit vielleicht des Demosthenes —, die griechische Formulierung an Knappheit noch überbietend, aufs glücklichste ins Lateinische übertragen. T. autem Livius tarn iniquus Sallustio fuit, ut hanc ipsam sententiam et tamquam translatam et tamquam corruptam dum transfertur obiceret Sallustio. Livius urteilt in einem einzelnen Fall unbillig über die Leistung seines Vorgängers. Was es mit dieser iniquitas des Livius auf sich hat, erklärt Seneca so: nec hoc amore Thucydidis facit, ut illum praeferat, sed laudat quem non timet et facilius putat posse a se Sallustium vinci, si ante a Thucydide vincatur. Zwei Motive werden also in Erwägung gezogen: der amor Thucydidis und der Wunsch, Sallust zu „besiegen", nach Seneca die eigentliche Ursache fnr das scharfe Urteil. Von einer prinzipiellen Ablehnung Sallusts oder speziell seiner Ausdrucksweise durch Livius wird dabei nichts angedeutet. Wäre dem Zeitgenossen Seneca etwas von einer derartigen Gegnerschaft bekannt gewesen, so hätte er sich ihm als Erklärung geradezu aufdrängen müssen22. Der Passus spricht so eher gegen als für die Annahme, Livius sei allgemein von Aversion gegen seinen Vorgänger und dessen Sprachgestaltung erfüllt gewesen. Die senecanische Deutung des livianischen Verhaltens verdient nicht nur wegen des Gewährsmannes volles Vertrauen. Die Bedeutung Sallusts ist schon in augusteischer Zeit gerade auf sprachlich-stilistischem Gebiet weithin anerkannt 23 . Verständlich, daß Livius in Sallust seinen gefährlichsten Konkurrenten auf dem Felde der Historiographie sieht. Verständlich auch, daß er gerade eine bewunderte Glanzstelle seines Vorgängers kritisiert. Wie läßt sich aber daraus folgern, Livius könne von Sallust nicht viele Wörter und Wendungen übernommen haben 2 4 ? Quint, inst. 8,2,18. Livius berichtet von dem unangebrachten Ratschlag eines Redelehrers: σκότισον. Nach Quintilians Darstellung schweben Livius dabei Leute vor, die circumeunt omnia copiosa loquacitate (Quint, inst. 8,2,17). Es geht hier geradezu um Antipoden Sallusts. Sen. contr. 9,2,26. Die Stelle bedarf längerer Ausführungen. Zunächst der Text: Livius de oratoribus, qui verba antiqua et sordida consectantur et orationis ob21

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Ähnlich wie Skard deutet Klotz, RE XIII (1927) 846 die Stelle. Als Indiz für die Feindschaft des Livius gegenüber Sallust wertet den Passus auch etwa Funaioli, RE I A (1920) 1947. VgL die Erklärung der pollionischen Würdigung Ciceros Sen. suas. 6,14: (Pollio) infestissimus famae Ciceronis permansit. Für die senecanische Beurteilung des Verhältnisses Livius-Sallust ist noch Sen. suas. 6,21 aufschlußreich. Zugrunde liegt hier offenbar die Vorstellung: Livius hat eine historiographische Darstellungseigentümlichkeit, die consummatio totius vitae, die Sallust in Thukydidesnachfolge in die römische Literatur eingeführt hat, von Sallust übernommen. Darüber zusammenfassend 336 f. Die livianische Kritik an Sallust Sen. contr. 9, 1,14 ist kaum anders zu beurteilen, als die Kritik des Pompeius Trogus an Sallust und Livius. Dazu 336 A. 4.

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scuritatem severitatem putant, aiebat Miltiaden rhetorem eleganter dixisse: eni то 8e£iöv μαίνονται, tarnen in his etiamsi minus est insaniae, minus spei est; illi qui tument, illi qui abundantia laborant plus habent furoris, sed plus et corporis; semper autem ad sanitatem proclivius est quod potest detractione curari; illi succurri non potest, qui simul et insanit et deficit. Livius äußert sich über oratores. Man wird dabei zunächst an Redner denken, die praktisch auf dem Forum tätig sind; ob und inwieweit die erwähnte Richtung in den scholae Vertreter findet, ist nicht auszumachen 25 . Der ältere Seneca setzt bei der Abfassung seines Werkes die Strömung offenbar noch als bestehend voraus. Nach dem ausdrücklichen Hinweis Senecas zeichnen sich die Redner durch zwei Eigenarten aus: das Haschen nach verba antiqua et sordida und die orationis obscuritas, durch die der Anschein von severitas erweckt werden soll. Aus der mit tarnen eingeleiteten Gruppe von Sätzen ist ferner mit Sicherheit zu erschließen: Es handelt sich um Gegner jeglicher abundantia, die simul insaniunt et deficiunt. Allein dieses erschlossene Charakteristikum ist es, dessen Wert oder Unwert Senecas Stellungnahme gilt26. Es ist unwahrscheinlich, daß Seneca gerade dieses Charakteristikum in der allgemeinen anfänglichen Beschreibung der rednerischen Richtung übergangen hat. Offensichtlich ist es die obscuritas, mit der bereits das deficere bezeichnet war. Der zeitgenössische Leser, der die Beredsamkeit der Gegenwart kannte, wird den Hinweis auf die obscuritas ohne weiteres als Hinweis auf die übergroße Knappheit aufgefaßt haben 21 . Ob es bei den verba antiqua et sordida um eine einzige Spezies von verba singula geht oder um zwei Wortarten, die verba antiqua und die verba sordida, läßt sich nicht entscheiden. Auch im letzteren Falle müßten die verba sordida, die von Seneca in einem Atem mit den verba antiqua — dann wohl altertümlichen Wörtern28— genannt würden, eine gewisse Verbindung zur antiquitas haben. Es 25 26

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Vgl. dazu unten 204 A. 35. Ähnlich wie Seneca Cie. de orat 2,88, danach Quint inst 2,4,3 ff. Doch fehlt bei Seneca der für Cicero entscheidende Gedanke einer Rücksichtnahme auf das Lebensalter. Prosaiker oder Redner, die durch übermäßige Kürze ihre Ausdrucksweise bewußt dunkel gestalten, werden später Sen. epist 114,11 und Quint, inst. 8,2,19 erwähnt Dies die Bedeutung der (verba) antiqua S e a contr. 4 praef. 9. Dieser gesamte Passus verdient eine kurze Diskussion. Er lautet: (Haterius) non dirigebat sc ad declamatoriam legem, nec verba custodiebat. quaedam enim scholae iam quasi obscena refugiunt nec, si qua sordidiora sunt aut ex cotidiano usu repetita, possunt pati. ille in hoc scholasticis morem gerebat, ne verbis calcatis et obsoletis uteretur; sed quaedam antiqua et a Cicerone dicta a ceteris deinde deserta dicebat. . . hoc exempto nemo erat scholasticis nec aptior nec similior; sed dum nihil vult nisi culte, nisi splendide dicere eqs. Der Satz quaedam enim eqs. kann auf zwei Arten gedeutet werden. Erstens: Der Teil quaedam - refugiunt meint in unbestimmterer Form dasselbe wie der Teil nec - pati; in dieser zweiten Satzhälfte ist zwischen den sordidiora und den ex cotidiano usu repetita gewiß nicht zu unterscheiden. Dann wäre in dem ganzen Satz

handelt sich bei den verba sordida um in guter Rede gemiedenes, vulgär-abstoßendes Vokabular 2 9 . Derartige Wörter affektieren die Redner offenbar bewußt im Gefolge älterer Autoren, die, von puristischen Tendenzen unbeeinflußt, sich solchen später verschmähten Sprachgutes noch unreflektiert bedienen 3 0 . Die Verwendung von verba sordida scheint auch mit dem Streben nach severitas zusammenzuhängen. Gellius bemerkt 17,2,21 zu dem Subst. arrabo, das Quadrigarius hist. 20. benutzt: id maluit quam pignus dicere, quoniam vis huius vocabuli in ea sententia gravior acriorque est. sed nunc arrabo in sordidis verbis haben c o e p t u s 3 1 . In dem Hinweis auf die Gewichtigkeit und Strenge der Wortwirkung äußert sich das Sprachempfinden des Gellius selbst, das auf Claudius übertragen wird 3 2 . Da für dieses Sprachgefühl arrabo auch ein verbum sordidum ist, wird in Wirklichkeit der Eindruck, den das Subst. als ein „schmutziges" Wort macht, mit der größeren vis der Vokabel in Verbindung stehen. In der Tat bemerkt Quintiii an inst. 8, 3,21 ausdrücklich: vim rebus aliquando verborum ipsa humiütas adfert. an cum dicit in Pisonem Cicero ,cum tibi tota cognatio

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nur von der Ablehnung der sordidiora die Rede. Zweitens: Der Teil quaedam - refugiunt meint andere Wortarten als die zweite Satzhälfte. Nun muß der Satz quaedam enim eqs. jedenfalls auch diejenigen Wörter bezeichnen, durch deren Verwendung Haterius sich von der Praxis der scholae unterscheidet Das erweist die zweite Lösung als richtig: Die antiqua können bei Haterius, der nihil vult nisi culte, nisi splendide dicere, nicht gut sordidiora sein. Bei dem Satzteil quaedam - refugiunt denkt Seneca also zumindest auch an antiquierte Ausdrücke; die scholae seiner Zeit sind demnach dem Gebrauch von Archaismen nicht günstig gewesen. Die antiqua et a Cicerone dicta, a ceteris deinde deserta, die Haterius gebraucht, sind entweder zur Zeit dieses Rhetors bereits veraltete, von Cicero noch als lebend verwendete Wörter so Laurand 100 Α. 1 - oder aber es sind ciceronische Archaismen. Weiteres 135 A. 73. Daß man für das Vorkommen unpuristischer Ausdrücke bei älteren Autoren nicht blind war, lehren Stellen wie Quint, inst 8,6,15: Hier wird unter dem Stichwort humiles translationes... et sordidae eine von Quintilian nicht gebilligte krasse Metapher eines vetus orator angeführt GelL 17,2,21; 19,10, wozu 15 A.12. Char, gramm. p.67,23ff. В.; Caper gramm. VII 103,9 f. Sonst werden verba sordida und Verwandtes den antiquierten Ausdrücken geradezu gegenübergestellt So ζ. B. Sen. conti. 4 praef. 9; Sen. epist 114,13; Quint inst. 4,2,36; GelL 18,4,6; MartCap. 5, 509; Rhet min. p. 589,23. Das ist jedooJj kein hinreichender Grund, sordida Sen. contr. 9,2,26 mit Leeman für eine Glosse (Genre 206 A.2) bzw. für korrupt (Ratio 191) zu halten. Nach den Belegen Thes. s.v. würde man, um die gängige Ausdrudesweise zu verwenden, das Subst. als archaisch und vulgär klassifizieren. Für die historisch-tatsächlichen Intentionen des Quadrigarius ist daraus natürlich nichts Verbindliches zu entnehmen. Diese Feststellung gilt auch für andere Fälle. In den mannigfachen kommentierenden Äußerungen zu Eigentümlichkeiten vor allem der Sprache des Claudius 17,2 etwa bleibt Gellius durchaus Vorstellungen seiner Zeit verhaftet, wenn er bei dem Annalisten besondere Raffinessen des Ausdrucks, Feinheiten eines erlesen-lateinischen Sprachgebrauches entdeckt; der Archaist projiziert in den archaischen Autor die sprachlich-stilistischen Auffassungen und Absichten der Gegenwart hinein.

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serraco advehatur', incidisse videtur in sordidum nomen, non eo contemptum hominis, quem destructum volebat, auxisse 33 ? Gerade also vulgär-krasses, verpöntes Vokabular kann besonders nachdrücklich wirken; es kann der Formulierung eine gewisse Schärfe verleihen und ist daher nicht zuletzt in polemisch-verächtlicher Redeweise am Platze. Eine solche Verwendung der verba sordida paßt gut zu einer Art von Beredsamkeit, mit der der Eindruck der severitas intendiert wird. Die rednerische Richtung, von der der Vater Seneca spricht, weist verschiedene Merkmale auf, die in mehr oder weniger großem Umfange auch der sallustischen Sprache und Darstellungsweise eignen: die Knappheit des Ausdrucks, die Gebärde der severitas, den Gebrauch unpuristischen lebenden Sprachmaterials im Anschluß an ältere Literatur 34 , vielleicht auch die Verwendung von Archaismen35. Der Gedanke liegt nahe, daß all diese Charakteristika der oratores letztlich auf Sallusts Einfluß zurückgehen36. Doch braucht dieser Einfluß nur mittelbar zu sein. Nichts deutet darauf hin, daß in den Rednern bewußte Sallustimitatoren zu sehen wären. Ob und in welchem Grade eine livianische Bemerkung über diese Redner (!) auf eine negative Einstellung gegenüber Sallusts Vokabular schließen lassen könnte,ist prinzipiell fraglich. Der Zweifel wächst, wenn man bedenkt, welcher Art die Äußerung des Livius ist. Livius zitiert offenbar zustimmend — eleganter dixisse — einen Ausspruch des Miltiades. Was Miltiades gesagt hat, ergibt sich aus den Worten Senecas, die dem Dictum folgen; sie sollen es korrigieren. Seneca hebt den Vorzug des tumere gegenüber dem deficere hervor. Also hat es auch der Ausspruch des Miltiades mit der Breite oder Kürze des Stils zu tun, und zwar, bei dem geringen Umfang des Ausspruchs, ausschließlich und so, daß in dem Extrem des deficere ein gewisser 33 34 35

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Ähnlich später Fortun. rhet. 3,4 p. 122,25 ff.; Mart. Cap. 5,509. Dazu 302. Bei Seneca pater erfahren wir übrigens von keinem Rhetor, der derartigen Tendenzen gehuldigt hätte. Von Vibius Rufus heißt es contr. 9,2,25, unmittelbar vor der behandelten Passage: Rufus Vibius erat qui antiquo genere diceret; belle cessit illi sententia sordidioris notae. Die sordes der darauf zitierten Sentenzen dürften indessen in den sensus, nicht in den verba liegen; so auch in der Sentenz des Vibius Rufus contr. 1,2,21. Von Knappheit als Stileigentümlichkeit des Rufus sagt Seneca nichts, contr. 9,2,26 ist mit contr. 9,2,25 nur assoziativ über die Wörter antiquum und sordidum verbunden. Man hat gemeint, daß die Bemerkung des Livius auf Asinius Pollio ziele. So ζ. B. Tyrrell-Purser VI (1933 2 ), XCVIII A.95; Amundsen, SO 25, 1947, 33f. Das ist eine unhaltbare Annahme. Von den stilistischen Merkmalen der oratores, die Livius meint, findet sich keines bei Pollio. Zu dessen Beredsamkeit 136 ff. Obendrein hätte Seneca schwerlich eine erläuternde Anmerkung unterlassen, wenn er gewußt hätte, daß die Äußerung des Livius einem der bedeutendsten römischen Redner gilt. Anscheinend weiß Seneca nichts dergleichen; und er wird Livius nicht mißverstanden haben.

Vorzug entdeckt wird. Es geht daher nicht an, den griechischen Satz in der Form herzustellen: evi τό λεξικόν μαίνονται31. Zwar ist μαίνονται, durch insaniae und bald darauf insanit bestätigt, richtig; aber λεξικόν paßt überhaupt nicht zu der korrigierenden Entgegnung Senecas. Viel besser ist: έττί τόδβξών μαίνονται38. Ein Oxymoron: In Richtung auf das Rechte hin - nämlich die knappe Ausdrucksweise — sind sie verrückt, übertreiben sie. Allerdings ist die Herstellung sprachlich nicht ohne Bedenken 39 . Wenn Livius sich das Dictum des Miltiades zu eigen macht, äußert er sich demnach nicht über die Wortwahl der Redner, sondern über die Knappheit ihrer Redeweise, und er tut es mit einer gewissen Anerkennung; zumindest ist ihm dieses Extrem sympathischer als der tumor. Es ist nicht zu sehen, wie sich daraus erschließen lassen sollte, daß Livius Sallusts Vokabular und Phraseologie abgelehnt habe. Wenn der Passus überhaupt ein Indiz für Sallusts Einschätzung durch Livius an die Hand gibt, dann dies: Livius kann wenigstens zeitweise die sallustische brevitas durchaus bis zu einem gewissen Grade gebilligt haben; das umso mehr, als in der Beredsamkeit Kürze weniger angebracht ist, als in der Geschichtsschreibung (Quint, inst. 4,2,45; 10,1,32). Keines der drei besprochenen Zeugnisse beweist, daß die Sprache des Livius nicht weitgehend von Sallust beeinflußt sein könne. Und wie steht es mit den Konsequenzen der livianischen lactea ubertas und des livianisehen Ciceronianismus? Natürlich hat Livius seine ubertas für eine angemessenere historiographische Darstellungsart gehalten als die brevitas Sallusts; sonst hätte er nicht in dieser Weise geschrieben. Doch mußte er deshalb nicht die Ausdrucksweise seines Vorgängers in Bausch und Bogen ablehnen. Wörter, Formen, Wendungen, die Sallust in die Geschichtsschreibung eingeführt hatte, konnte Livius durchaus als übernehmenswerte Errungenschaften seines Vorgängers einschätzen. Und was die entschiedene Anhängerschaft des Livius an Cicero angeht: Wenn Livius sich in vielerlei Spracheigentümlichkeiten von Cicero unterscheidet und mit Sallust in die Geschichtsschreibung eingeführt hatte, konnte Livius durchaus lieh kann bei solchen Idiomen der livianische Ciceronianismus gegen eine Beeinflussung des Livius durch Sallust sprechen. 37 38

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Von Bursian vorgeschlagen, in Kiesslings Ausgabe angenommen. Dei Vorschlag von Hertz und Madvig, von H. J. Müller in den Text aufgenommen, ebenso von Bornecque (1932), der frei, aber sinngemäß übersetzt: „C'est une folie raisonnable". Ähnlich Bonner 147, dessen Bemerkungen zur Stelle es aber im übrigen an Präzision fehlt μαίνεσϋαι επί τι ist anscheinend nicht zu belegen. Die letztere Schwierigkeit gilt aber natürlich ebenso für Bursians Vorschlag und zwar wohl in noch höherem Maße, da £πί mit Akk. sich dabei auch durch den Sinn nicht gut rechtfertigen läßt An dem Akk. τό λεξίκόν hat sich schon M. Haupt, Opuscula III, Leipzig 1876, 598 gestoßen; Haupts eigener Vorschlag - im των λέξιων - ist nicht sehr glücklich. Ob έπώ εξιως μαίνονται ?

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Die Möglichkeit, daß Livius über Sallusts Sprache und Stil durchaus differenzierend geurteilt hat, wird durch antike Stilurteile und Nachahmungspraxis erhärtet 40 . Die Annahme derartigen Differenzierens ist ja eben auch bei der Hypothese nicht zu umgehen, die sallustischen Spracheigentümlichkeiten des Livius seien direkte Entlehnungen aus vorsallustischer Geschichtsschreibung. Livius kann gerade als Ciceronianer die stilistischen Leistungen der rudis vetustas (Liv. praef. 2) nicht mit allgemeiner Sympathie und Anerkennung betrachtet haben. Sollte er von Vorgängern Sallusts Vokabular entlehnt haben, so weil er, bei aller Erkenntnis ihrer sprachlich-stilistischen Unzulänglichkeit, manches an ihrem Wortschatz für gut und passend hielt. Ist es aber überhaupt nicht eher wahrscheinlich, daß die älteren Historiker recht wenig Livius befriedigendes Ausdrucksmaterial boten? Und daß sich für Livius ein Anschluß an Sallust schon deshalb nahelegte 41 ? Genug: Die Prämisse, die Skard seiner Argumentation zugrundegelegt hat, läßt sich in keiner Weise rechtfertigen. Wenn Skard das Sprachmaterial, das er zusammengestellt hat, im wesentlichen auf die vorsallustische Historiographie zurückführt, so ist das eine unzulässig einseitige Deutung. Dieses Sprachgut ist nicht einmal hinreichend sicher auch nur einheitlicher Provenienz. Für einen Großteil der Sammlung aber steht nichts der Annahme im Wege, daß Livius unmittelbar von Sallust abhängt42. Selbstverständlich ist deshalb nicht nichts von dem, was sich bei Skard findet, bei Geschichtsschreibern vor Sallust vorgekommen 43 . Um die Möglichkeit mehr 40

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So hält Cicero o i a t 168 ff. die Leistungen der Alten für anerkennenswert, was den delectus verborum und die sententiae angeht, für mangelhaft, was das Fehlen der conclusio angeht. Tacitus, Anhänger der brevitas, verschmäht nicht ausgesprochene Entlehnungen von Livius. R. Syme, Tacitus, Oxford 1958, 733f. Ähnlich schon Leeman, Mnemosyne IV 10, 1957, 182. Damit fällt auch Skards Urteil Vorgänger 108 dahin, „daß Sallusts Stil und Sprache in der Tradition fest eingebettet" seien, daß Sallust habe „im Bekannten groß" sein wollen. Dieses Urteil steht ja auch in krassem Gegensatz zu den Beobachtungen der Antike (Quint, inst. 9,3,12; 9,3,17; Suet. gramm. 10,2; 10,7; GelL 1,15,18; 4,15,1) und zu den Beobachtungen der modernen Forschung (Kroll, Sallust 299; Latte 10; Bolaffi 68; Büchner 276 f.; Syme 263): Ihnen zufolge strebt Sallust danach, das Gewöhnliche, Bekannte zu vermeiden. Von besonderer Bedeutung ist es, daß Fronto p.56,23 v. d. H. (= p.62 N.) ihn zu den sehr wenigen alten Schriftstellern rechnet, die in laborem . . . verba industriosius quaerendi sese commisere. Fronto kennt einiges von der vorsallustischen Geschichtsschreibung. Skard, Vorgänger macht nicht den Versuch, das für die vorsallustische Historikersprache erschlossene Sprachmaterial in den Fragmenten der älteren Historiographie wiederzufinden. Eine Prüfung ergibt, daß sich bei Ausschluß Catos 15 der gesammelten Idiome so belegen lassen. Davon entfällt jedenfalls ein Drittel auf gemeinlateinische Ausdrücke. Die anderen Fälle haben mancherlei Besonderheiten; einiges davon kommt noch zur Sprache. Eine Kleinigkeit: Die Schilderung des Kampfgeschreis (Skard, Vorgänger 34) bezeugt für die Annalistik Gell. 1,11,9. Im übrigen beweisen solche Treffer natürlich nichts für die Richtigkeit von Skards Methode.

gemeinlateinischen Sprachgutes oder zufälliger Übereinstimmungen außer Acht zu lassen: Manches kann Livius durch Sallust vermittelt sein, anderes kann Livius unabhängig von seinem Vorgänger aus älterer Historiographie übernommen haben. Entscheidend ist jedoch: Es gibt keine sicheren Kriterien, um bei dem Fehlen der Quelle derartige Übernahmen zu erkennen. Skards Darlegungen können uns bei unseren kommenden Untersuchungen nichts nützen. Wir wollen, wenn wir nach den Archaismen und Poetismen — zwei in Prosa teils identischen, teils verwandten Erscheinungen — bei den vorsallustischen Historikern fragen, die einfachsten und wohl auch allein Erfolg versprechenden Methoden wählen, die Überprüfung der Sprache der wörtlich erhaltenen Fragmente und die Auswertung der antiken Stilurteile. Um einen Eindruck von dem Textquantum zu vermitteln, dessen Sprache untersucht werden wird: Nach grober Berechnung würden die Bruchstücke der vorsallustischen Geschichtsschreibung ohne die Catofragmente gut 12 Druckseiten vom Format der Oxfordausgaben umfassen, mit den Catofragmenten etwa 17. Nun noch einige einfuhrende Worte zu poetischem Sprachgut bei den republikanischen Geschichtsschreibern. Gern wird, wie bereits bemerkt, angenommen, daß die Historiographie dieser Epoche sich in Stil und Sprache weitgehend Ennius angeschlossen habe. Aber der einzige Historiker, für den sprachliche Affinität zu Ennius bezeugt ist, ist Coelius Antipater; das Zeugnis beweist — soviel darf ohne weiteres gesagt werden — nicht, daß sich andere Geschichtsschreiber an dem Epiker orientiert haben. Eine besondere Beziehung der historischen Prosa zu Ennius läßt sich auch nicht mit allgemeinen Überlegungen wahrscheinlich machen. Den Historiographen standen immerhin die mannigfaltigen prosaischen Ausdrucksmöglichkeiten zu Gebote, wie sie sich in der prozessualen und politischen Beredsamkeit entwickelt hatten: Ein Rekurs auf ennianisches Sprachmaterial brauchte durchaus nicht nahezuliegen. Gerade bei dem sozialen Abstand zwischen Ennius und zumindest den vorsallustischen Geschichtsschreibern schiene es verständlich, wenn der Epiker diese Autoren wenig oder gar nicht beeinflußt hätte 44 . Man wird an die Historikerfragmente also nicht von vornherein mit der Erwartung herantreten dürfen, sie seien besonders reich an dichterischen oder ennianischen Sprachelementen. Der unprosaische Spracheinschlag in der Geschichtsprosa ist vielmehr anhand der wörtlichen Bruchstücke erst nachzuweisen. Sprachgut der Fragmente, das sowohl unpoetisch als auch poetisch sein kann, ist bei dieser Sachlage keinesfalls auf die Klassifizierung „poetisch" festzulegen.

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Nicht nur aus diesem Grunde ginge es nicht an, eine Parallele zwischen Homers sprachlichem Einfluß auf Herodot und dem sprachlichen Einfluß des Ennius auf die ältere römische Historiographie zu ziehen. Die homerische Sprache, die etwa in der Elegie Instrument politischen Wirkens gewesen war, war doch wohl in ganz anderer Weise im griechischen Sprachbewußtsein verwurzelt als etwa die ennianische Sprache im römischen. Anders als die frühe griechische Geschichtsschreibung hat auch die römische ein außerpoetisches Vorbild: die griechische Historiographie.

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Nunmehr kann der Begriff des Poetismus, der die Methode der folgenden Untersuchungen bestimmen wird, so umrissen werden: Poetismus eines Geschichtsschreibers, also Ausdruck, den der Schriftsteller bewußt als dichterisch verwendet, ist ein Sprachidiom, das sich für die Zeit dieses Autors als Eigentümlichkeit der Dichtersprache erweisen läßt. Als Dichtung gilt dabei nur die metrisch gestaltete Literatur die ihrem ganzen Habitus nach sich von üblicher Sprechweise abheben dürfte; die Komödie kann höchstens mit bestimmten Langverspassagen diesem Begriff der Dichtung subsumiert werden45. Die dichterische Eigentümlichkeit eines Ausdrucks und ihre Gleichzeitigkeit mit dem betreffenden Schriftsteller sind zwei Momente in der Definition des Poetismus, die sich voneinander nicht trennen lassen. Wenn die praktischen Auswirkungen der beiden Postulate skizziert werden, so kann es sich nur darum handeln, daß das jeweils behandelte mehr in den Vordergrund rückt. Erstens zum Postulat der Gleichzeitigkeit: Als zeitgenössische dichterische Spezifika werden auch die Idiome betrachtet werden dürfen, die vorher poetisches Sondergut gewesen sind. Dagegen können die Ausdrücke, die erst in späterer Zeit als besonderes Eigentum der Dichtung nachweisbar sind, nicht als Poetismus eines früheren Schriftstellers angesehen werden. Denn es ist immer leicht möglich, daß Wörter und Wendungen, die für einen älteren Autor noch der normalen Sprache angehören, später aus dem lebenden Latein geschwunden und nur noch in dichterischer Ausdrucksweise erhalten sind. Zweitens zum Postulat der dichterischen Eigentümlichkeit: Das Postulat ist nur bei dem Zusammentreffen dreier Voraussetzungen erfüllt. Zunächst muß der Ausdruck in einem geeigneten Zeitraum überhaupt bei Dichtern bezeugt sein, und zwar möglichst oft. Dann darf der Ausdruck zur Zeit des betreffenden Autors und nach ihm außerhalb der Dichtung allenfalls in solcher Literatur erscheinen, in der poetische Sprachbesonderheiten bedenkenlos anzuerkennen sind; noch besser ist er natürlich sonst auf die Dichtung beschränkt. Schließlich muß das Idiom in der Periode, für die es als eigentümlich dichterisch erwiesen werden soll, auch in außerpoetischer Literatur vorkommen können, und das am besten häufig, in mannigfaltigem Schrifttum und bei verschiedenen Autoren. Fehlt es außerhalb der Dichtung ganz oder weitgehend an der Gelegenheit, den betreffenden Ausdruck zu verwenden, so ist mit der Möglichkeit zu rechnen: Prosaiker würden ihn ohne weiteres gebrauchen,wenn sie von den mit ihm zu bezeichnenden Sachverhalten sprächen46. Daß die einseitig poetische Bezeugung eines Wortes oder einer Wendung tatsächlich auf spezifisch dichterischen Sprachgebrauch zurückzufuhren ist, läßt sich praktisch allein durch den Nachweis möglichst vieler Synonyme in außerpoetischem Schrifttum der Zeit dartun. Beiden Postulaten muß völlig entsprochen werden, wenn das Charakteristikum 45 46

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Ganz ähnlich Leumann, Dichterspr. 118. Vgl. auch bei mir 117. Verwandte Bemerkungen bei Leumann, Dichtejspr. 132.

„Poetismus" für einen Ausdruck historischer Prosa wirklich gerechtfertigt sein soll. Nur ganz besonders gelagerte Fälle lassen Ausnahmen zu47. In den nächsten drei Kapiteln wird sämtliches Sprachgut behandelt, das in der bisherigen Forschung als antiquiert oder poetisch charakterisiert worden ist. Daneben werden noch mancherlei andere Idiome erörtert, bei denen sich eine derartige Charakteristik vielleicht nahelegen könnte. Der letzteren Kategorie gehört in dem Kapitel, das die vorsullanische Historiographie umfaßt, verhältnismäßig wenig Material an, erheblich mehr dagegen in den zwei Kapiteln, die der nachsullanischen Geschichtsschreibung gewidmet sind. Die ungleichmäßige Behandlung der verschiedenen Epochen ist nicht Willkür. Für die ältere Zeit steht so wenig Vergleichsmaterial zu Verfügung, daß die Aussichten, Genaueres über ein Idiom auszumachen, von vornherein durchweg wenig günstig erscheinen; die Dinge liegen in der nachsullanischen Periode besser. In sie gehören auch die Historiker, von deren Geschichtswerken nächst den Origines am meisten wörtliche Fragmente erhalten sind: Quadrigarius und Sisenna; bei diesen Autoren ist man dem Zufall der Überlieferung verhältnismäßig am wenigsten ausgesetzt. Schließlich dürfen die nachsullanischen Historiographen als die unmittelbaren Vorgänger Sallusts ein besonderes Interesse beanspruchen. 47

Dabei ist an die Fälle gedacht, in denen eindeutig Zitate aus lateinischer Dichtung vorliegen oder die lateinische Formulierung nach griechischer dichterischer Ausdrucksweise modelliert ist. — Der entwickelte Begriff des Poetismus ist, wie man sieht, ausschließlich an der sprachlichen Tradition orientiert, in der das jeweils zu untersuchende Schriftstück steht. Vielleicht ist der Begriff etwas eng, aber nur innerhalb seiner Grenzen sind Beweise möglich.

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2. Die Geschichtsschreibung von Cato bis Scaurus

a) M.Porcius Cato Cato ist der älteste römische Historiker, von dem feststeht, daß er lateinisch geschrieben h a t 1 . Ein gewisses Streben, den Ausdruck des Geschichtswerks über die Alltagsrede hinauszuheben, zeigt der häufige Gebrauch von atque. Aber die gleiche sprachliche Besonderheit findet sich in den Reden; sie ist also nicht der historiographischen Prosa Catos eigentümlich, sondern überhaupt seiner gehobenen Redeweise 2 . Ließen sich in den Origines Archaismen oder Poetismen aufspüren, so wären sie kaum sicher als spezifisch historiographische Idiome anzusehen. D o c h dürften Archaismen in dem Geschichtswerk ohnehin schwer nachzuweisen sein 3 . Mit poetischem Sprachgut verhält es sich ebenso. Denn soweit Poetismen mit einiger Wahrscheinlichkeit in den Resten der catonischen Prosa vermutet worden sind, ist die Zugehörigkeit der Fragmente zu den Origines ungewiß4. 1

Den ennianischen Euhemerus können wir bei der Betrachtung der römischen Historiographie unberücksichtigt lassen: Cicero, der ihn jedenfalls n a t deor. 1,119 kennt, bezieht ihn nie in seine Darlegungen über die ältere nationale Geschichtsschreibung ein. Übrigens würde die Berücksichtigung des Euhemerus, wozu 27 A. 21, für die folgenden Ausführungen auch nur geringfügige Modifikationen ergeben. 2 Über Catos atque Leo 286; Hofmann-Szantyr 476. Hier wird auch verdeutlicht, daß atque schon fur Cato gewählt ist. Das Gleiche mag für die 3. Ps. PI Perf. A k t Ind. auf -ere gelten, die in Catos Kunstprosa dominiert. Freilich kann die Argumentation, mit der Löfstedt, Per. 37 — ebenso Synt. II 301 A. 2 - den höheren Klang von -ere bereits bei Cato nachzuweisen sucht, nicht befriedigen: Das Fehlen von -ere in De agriculture spricht erst dann für die Gewähltheit dieser Bildung, wenn in der Schrift die Konkurrenz -erunt einigermaßen oft belegt ist; dabei ist noch zu berücksichtigen, daß das Werk, wie es vorliegt, nicht rein catonisch ist 3 Über peragier orig. 108 vgl. 48 f. 4 Es handelt sich um Cato or. frg. 1,8, womit Norden, Ennius 157 nicht den Stil der Annalisten hätte illustrieren dürfen; inc. libr. frg. 12, übrigens wohl Fronto p. 210,1 v. d. H. (= p. 221 N.) und GelL 15,18,2 nachgeahmt; inc. libr. frg. 17. In diesen Fragmenten scheint Till 17 ff., der Darlegungen Nordens, Kp. 168 ausbaut, ennianischer Einfluß sicher. Eine sorgfältige Nachprüfung, die unter Beachtung der 208 f. angedeuteten Gesichtspunkte alle Deutungsmöglichkeiten in Betracht zöge, würde die Sicherheit vielleicht schwinden lassen. Jedenfalls aber ist von den sonstigen Idiomen, in denen Till 16 ff. Poetismen oder Ennianismen erkennen möchte, mindestens keines hinreichend gewiß in dieser Weise aufzufassen. Das gilt auch für die Perfektform - ere statt -erunt. Mag die Endung -ere für Cato auch bereits gehobener Sprechweise angehört haben, so kann der Schriftsteller die Bildung doch durchaus unabhängig von Ennius aufgegriffen haben. Eine Parallele bietet die catonische Bevorzugung des ge210

Auf die Sprache der republikanischen Historiker nach Cato läßt sich freilich aus dem Befund kaum ein Schluß ziehen. Zwar übernehmen die Historiker dieser Zeit gewiß leicht Formulierungen des Censorius in den Passagen, für die er ihr unmittelbarer Gewährsmann ist 5 . Aber fur einen weiterreichenden sprachlichstilistischen Einfluß des Geschichtsschreibers Cato auf seine Nachfolger gibt es kein Indiz 6 . Eher für das Gegenteil: Anders als in den Origines wird in der späteren Historiographie ausschließlich die Perfektendung -erunt (-arunt) statt -ere verwendet 7 . b) C.Cassius Hemina In den 23 kurzen wörtlichen Fragmenten, die von den um 150 a.Chr. entstandenen, wenigstens 4 Büchern Annales des Cassius Hemina8 erhalten sind, finden sich manche Idiome, die einer späteren Zeit als Raritäten erschienen; für Hemina waren sie es nicht unbedingt. Herausgegriffen seien als Archaismus oder Poetismus verdächtige oder verdächtigte Besonderheiten. si plebs nostra fremere imperia coepisset (hist. 22): fremere ist in Dichtung häufiger als in Prosa. Ungefähr zur Zeit Heminas erscheint das Verb in Dichtung Enn. ann. 497; 586; Pacuv. trag. 113; Acc. trag. 288; nach ihm Catull 63,86 und späterhin in verschiedenen Bedeutungen. Das alles beweist nicht unbedingt den

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wählten atque, wo an ennianischen Einfluß nicht zu denken ist Über multi mortales bei Cato 255 zu Quadrig. hist 76. Noch zu zwei von Till nicht erwähnten Wörtern, die man vielleicht fur Poetismen Catos halten möchte, ensis orig. 71 ist zwar in späterer Zeit mehr dichterisch, nicht aber unbedingt für den Censorius; s. die lehrreiche vergleichende Statistik von ensis und gladius Thes. V 2,608. In den Fragmenten der vorsallustischen Historiographie heißt „Schwert" sonst nur gladius; Quadrig. hist 10 b (3mal); Sisenna hist 70. inclutus orig. 83 ist ebenfalls für Cato nicht sicher poetisch; Synonyme wie clarus, illustris, praeclaius sind in dieser Periode nur selten zu belegen. Zu den Adj. außer praeclarus Thes. s. w . Hemina hist 29 ist wohl eine Übernahme von Cato orig. 57; dazu aber auch Peter, HRR I 2 , CXLVIII A.2. CoeL hist. 25 ist nach Cato orig. 86 formuliert Diese Beziehungen sind bereits der antiken Literarkritik aufgefallen. Im übrigen zeigt sich gerade in der Formulierung Antipaters auch ein gewisses Ungenügen an Catos Ausdrucksweise. Antipater bildet die unverbunden nebeneinander stehenden Hauptsätze seines Vorgängers in ein einziges konditionales Satzgefüge um. Möglicherweise schien ihm die catonische Formulierung zu stark umgangssprachlich; vgl dazu Hofmann, Umgangsspr. 109f. Sonst über die Stelle bereits Gilbert 382; jetzt Leeman, Ratio 75. Sehr aufschlußreich auch dann die Wiedergabe des Dictums Liv. 22,51,2: die quinti wird durch die quinto ersetzt; cena sit cocta durch das dezentere epulaberis. Die Konstruktion curabo mit bloßem Konj. wird fallengelassen, vielleicht als zu familiär; vgL Thes. IV 1499, 16 ff. Gilbert 389 möchte einen allgemeineren sprachlichen Einfluß Catos auf Coelius annehmen; wirkliche Beweise fehlen. Über einen bei Quadrigarius vermuteten Catonismus vgl. 241 A. 54. Einzelheiten 199. Die Datierung etwa bei Peter, HRR I 2 , CLXV.

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poetischen Charakter von fremere: In der Dichtung mag von Sachverhalten, auf die sich das Wort anwenden läßt, einfach öfters die Rede sein als in Prosa. Auf Verankerung von fremere in der lebenden Sprache deuten Belege wie Cie. Verr. II 3,132 und Att. 2,7,3 und das Fortleben des Verbs im Romanischen. Transitiv ist das Wort mit gleichem Sinn wie bei dem Historiker noch Val.Fl. 4,234 und später; doch kann auch eine derartige Transitivierung eines Intransitivums nicht als spezifisches Poeticum gelten 9 . Die Angaben nach Thes. s.v. bellum Punicum posterior (hist. 31): Das Neutr. posterior findet seine Entsprechung in dem Neutr. prior 10 : Quadrig. hist. 73 foedus prior Pompeianum; hist. 74 prior bellum; Val. Ant.hist. 16 hoc senatus consultum prior factum est. Das nicht ursprüngliche r ist in diesen Fällen vermutlich in Analogie zu den anderen Kasus in den Nom. eingedrungen 11 . Die Synonyme prius und posterius erscheinen zwar schon wenigstens seit Plautus recht häufig als Adv. 12 , ziemlich selten aber als neutrales Adj. oder Subst. prius so in der Literatur republikanischer Zeit erstmals Ter. Eun.246, dann deutlich erst wieder Varro ling. 10,55. posterius in der Republik nur Cie. inv. 1,33 (?); 1,86; 2,105; Pis.66 (proterbiusV); ac. 2,44; off. 1,34; fin. 3,74; Varro ling. 10,55. Bei dieser Sachlage kann das behandelte Idiom nicht einmal bei Quadrigarius und Antias als Archaismus gelten. ille (Cn. Terentius scriba) ita rationem reddebat: lapidem fuisse quadratum circiter in media area evinetum candelis quoquoversus (hist. 37): Dies der älteste — nicht ganz sicher überlieferte — Beleg für evincire. Danach das verhältnismäßig selten erscheinende Verb überwiegend in Dichtung seit Verg. ecl. 7,32; Aen. 5,269, aber in etwas anderer Verwendungsweise: evincire bezeichnet hier das Umwinden von Menschen oder menschlichen Körperteilen. Thes. s. v. Welchen Charakter das Verb bei Hemina hat, ist ungewiß 13 . in eo lapide insuper libros III sitos fuisse; prop terea arbitrarier non computuisse. et libros citratos fuisse; propterea arbitrarier tineas non tetigisse (hist. 37): Der Inf. Pass, auf -ier ist in Heminas Zeit gewiß eine abseitige Form, aber schwerlich dem lebenden Latein der Periode ganz fremd gewesen. Vgl. die Diskussion 48 f. Der Gebrauch eines antiquierten Idioms erschiene in den zitierten Sätzen auch ziemlich unmotiviert. In ihnen geht es um die Auffindung der Bücher Numas im Jahre 181, doch wohl zu Lebzeiten des Historikers. Als spezifisch historiographische Spracheigentümlichkeit kann der paragogische Inf. auch nicht 9 10

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Vgl. etwa Svennung 445 ff.; weiteres über die Spracherscheinung bei Hofmann-Szantyr 31 f. Sämtliche bekannten Beispiele für die Erscheinung stammen aus Priscian, der gramm. II 347, 2 f. einleitend bemerkt: vetustissimi etiam neutrum in -or fmiebant et erat eadem terminatio communis trium generum. Varro ling. 5,18 ist kaum richtig überliefert. Sommer 380; Stolz-Leumann 259. prius in der vorsallustischen Historiographie vielleicht Quadrig. hist. 32. Kuntz 72 ff. schließt von dem Sprachgebrauch Heminas und Vergils auf das Vorkommen von evincire bei Ennius. Dabei wird vorausgesetzt, daß Hemina in diesem Punkte von Ennius beeinflußt ist: Das ist eben erst zu beweisen.

gelten. Hemina selbst schreibt hist. 2 4 denasci, und insgesamt kommt der Inf. auf -i in der vorsallustischen Geschichtsschreibung 33 mal vor: Bei Cato 8 mal, Hemina 1 mal, Fabius Maximus 2 mal, Piso 1 mal, Coelius 5 mal, Asellio 2 mal, Quadrigarius 6 mal, Ps.Quadrigarius 1 mal 1 4 , Sisenna 7 mal. Den Inf. auf -ier verwendet von den Geschichtsschreibern nur noch Cato orig. 108, in der Rede gegen Galba. Die diskutierten Spracherscheinungen drängen nicht dazu, in Hemina einen Vertreter archaisierender oder poetisierender Ausdrucksweise zu vermuten.

c) L.Calpurnius Piso Noch weniger wird man zu einer derartigen Annahme bei L.Calpurnius Piso Frugi cos. 133 a.Chr. neigen. Zwei längere wörtliche Fragmente, die aus den wenigstens 7 Büchern pisonischer Annalen gerettet sind, zeigen völlige sprach14

So oder als Ps. Quadrig. hist 12 wird in dieser Arbeit die GelL 9,11,3 ff. erhaltene. Erzählung von dem Zweikampf des Valerius Corvinus mit einem Gallier bezeichnet. Daß das Stück im Gegensatz zu Peters Annahme nicht von Quadrigarius stammt, haben fast gleichzeitig gesehen Marouzeau, RPh 45, 1921, 164 f. und Sypniewska, in: Charisteria Morawski septuagenario oblata, Krakau/Leipzig 1922, 149 ff. Die letztere Arbeit ist mir nur aus Referaten bekannt; das ausführlichste bietet Hache, JAW CCXXXI, 1931, 18 f. Von der Zuweisung des Textes an Quadrigarius raten auch gewisse sprachliche Besonderheiten ab. Bis Sisenna wird, soweit man sehen kann, in der Geschichtsschreibung vor Konsonanten wie vor Vokalen durchweg atque verwendet So stehen in Catos Origines, die in das Geschichtswerk aufgenommenen Reden eingeschlossen, 23 atque, davon 7 vor Konsonanten (ohne Reden: 13 atque, davon 3 vor Konsonanten); nicht anders ist es bei Claudius, bei dem 17 mal atque erscheint, davon 8 mal vor Konsonanten. Bei Ps. Quadrigarius finden sich 6 atque vor Vokalen, 1 ac vor einem Konsonanten. Dazu noch 286 A.50. Bemerkenswert ist in dem Stück ferner die relative Häufigkeit von -que. Die Partikel findet sich hier 7mal, also ebenso oft wie atque (ac). Dem stehen in den genuinen Claudiusfragmenten, die ungefähr das Vierfache der Textmenge von Ps. Quadrig. hist. 12 umfassen, lediglich 5 -que gegenüber. Man kann sich überhaupt fragen, ob Ps. Quadrig. hist 12 seine sprachliche Formung nicht Gellius verdankt; so anscheinend Sypniewska. Die Bemerkung, mit der Gellius 9,11,2 die Erzählung einleitet, wäre damit zu vereinen: ea res . . . sie profecto est in libris annalibus memorata. Die Schlußworte GelL 9,11,10 stimmten sogar sehr gut zu der Annahme: rei pugnaeque, quam diximus, monimentum. Vgl. noch 263 A. 122. Mindestens aber mit ganz freier Gestaltung des Gellius ist kaum zu rechnen. Das Bruchstück setzt ganz selbstverständlich Bemerkungen über die Familie des Corvinus voraus, von denen bei Gellius nichts steht; es beginnt: adulescens tali genere editus. Der abrupte Beginn rührt offenbar daher, daß das Stück entweder wörtlich aus einem anderen Text, dann doch wohl den libri annales, übernommen oder wenigstens in engem Anschluß an diesen Text formuliert ist. Der sprachlich-stilistische Habitus der Erzählung läßt am ehesten an einen Historiker etwa sullanischer Zeit denken; mehr als eine Vermutung ist das natürlich nicht. Man möge sich diese Unsicherheiten bewußt halten, wenn das Textstück im folgenden als wörtliches Fragment eines ungefähr sullanischer Zeit zuzurechnenden Geschichtswerkes behandelt wird.

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lich-stilistische Anspruchslosigkeit: Calp.hist. 8 und 27 1S . Kurz nur zu einem Wort, das auch in der späteren Historiographie eine gewisse Rolle spielt. Roma condita anno DC septimum occipit (Scaliger: accipit trad.: coipit Mommsen) saeculum his consulibus (hist. 36): occipere, falls richtig, könnte auffallend scheinen. Zunächst das Verhältnis zu seinen Synonymen in der nicht historischen Literatur; die Zahlen bedeuten die Belegfrequenzen bei dem betreffenden Autor in der Reihenfolge occipere, coepisse (coepere), incipere: Plautus 86,25,19; Ennius 0,8,1; Caecilius 1,2,0; Cato 3,13,14; Pacuvius 0,1,2; Terenz 13,33,25; Lex repetund. (CIL I 2 583) 0,1,0; Turpilius 1,1,0; Lucilius 0,1,2; Accius 0,0,2; Afranius 0,2,1; Novius 0,2,0; Pomponius 0,1,1; Rhetorica ad Herennium 0,11,9. Von da an herrschen in republikanischer Prosa allein die sehr häufigen Synonyme von occipere. Die Geschichtsschreibung: Cato 0,1,0; Hemina 0, 1,0; Piso 1,0,0; Asellio 0,1,0;Quadrigarius 0,6,1 ;Ps. Quadrigarius 0,0,1; Sisenna 2,2,0. Danach in Prosa erst Sali.hist.frg. 2, 87 A; 3,25,beiLiviuseinigemalab 1,7,6; Tac. hist. 2,16,2. occipere beginnt also bereits in der 1.Hälfte des 2.vorchr. Jh.s zurückzutreten. Für Piso, dessen Lebenszeit sich doch wohl mit der des Terenz überschneidet, dürfte das Verb aber noch gelebt haben. Bei Sisenna ist occipere schon ein sehr entlegenes Idiom. Altertümlich ist das Wort dann jedenfalls für Sallust und die Späteren 16 . Die Übereinstimmung zwischen Piso und Sisenna im Gebrauch von occipere ist nicht als Ausdruck einer historiographischen Sondersprache der Republik zu werten: Für Piso ist eben vermutlich das Verb noch ein einfacher Ausdruck des lebenden Lateins. Mit der zweimaligen Verwendung von occipere hebt sich Sisenna auch deutlich von dem Sprachgebrauch seines Zeitgenossen Quadrigarius ab.

d) C.Fannius Die Annalen des C. Fannius cos. 122 a. Chr. (?) haben wenigstens 8 Bücher umfaßt; der Sprachgebrauch des Historikers ist aber nur noch in 4 kurzen Fragmenten faßbar. In Fannius vermutet Badian 14 den ersten Geschichtsschreiber, „who deliberately uses an archaic manner, to achieve dignitas and perhaps to evoke Cato". Badian stützt 32 A. 63 seine Auffassung mit einem exemplifizierenden Hinweis auf biber Fann.hist.2. Sehen wir zu. 15

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Über die Schlichtheit der pisonischen Ausdrucksweise auch etwa Eden, Glotta 40, 1962, 81 f.; Leeman, Ratio 7 3 f . Unergiebig Α. M. Schmidt, Zum Sprachgebrauche des Fabius, Piso, Claudius und Antias, Progr. St. Pölten 1896. So schon Hofmann, in: Melanges de Philologie, de litterature et d'histoire anciennes offerts ä Alfred Ernout, Paris 1940, 191. Gegen diese Auffassung spricht kaum Itala II Масс. 12,37 (cod. Ρ) (Iudas) occoepit . . . hymnos. Angesichts des reichlichen Vorkommens von coepisse auch in niederen Schichten des Lateins ist dieser Einzelbeleg schwerlich als Indiz fiir ein Fortleben von occipere zu werten. An der Italastelle wird vielmehr ein Eindringen künstlich-historiographischer Ausdrucksweise anzuerkennen sein.

domina eius, ubi ad villam venerat, iubebat biber dari (hist. 2): Das Bruchstück steht Char.gramm.p. 158, I f f . B . (ex Romano) unter dem Lemma biber το πιβα>. Hier auch die anderen Belege aus republikanischer Zeit: Cato orig. 121, wovon der Wortlaut nicht überliefert ist; Titin.com. 78 date illi biber. Gegenüber bibere ist biber eine abgeschliffene und keineswegs die ältere Bildung 17 . Die Verteilung der Belege kann die Annahme schwerlich rechtfertigen, die Form sei für Fannius,der noch in Catos Zeit hineinreicht, bereits wieder antiquiert gewesen. Das gilt umso mehr, als die Verbindung von dare mit dem Inf. bibere in der Vergleichszeit sehr selten nachzuweisen ist; und wohl nur in dieser Junktur ist bibere der gekürzten Bildung gegenüberzustellen, die bei Titinius und Fannius auf die Verknüpfung mit dare beschränkt ist. Die 4 ältesten Belege für bibere dare sind nach Thes. V 1, 1688,59 ff. Plaut. Persa 821; Ter. Andr. 484; Lucil. 222; Liv. 40,47,5. Überdies deutet ein Zeugnis wie Bened. reg. 35,12 singulas (singulos var. trad.) biberes, das kaum rein literarischem Latein zuzuweisen ist, auf ein langes Fortleben von biber; das Genus des aus der Verbindung mit dare gelösten Wortes vielleicht nach potio. Weiteres Thes. II 1954,61 ff. Bei dieser Sachlage braucht Fannius biber nicht von Cato entlehnt zu haben. Erst recht beweist das Wort nichts für archaistische Neigungen des Fannius. Für sie lassen sich auch sonst keinerlei Indizien gewinnen. Im Gegenteil. Wenn Cicero Brut. 101 die Annalen historia . . . non ineleganter scripta nennt, so war für sein Empfinden das Geschichtswerk anscheinend gerade nicht durch den Gebrauch von verba inusitata gekennzeichnet; denn nach Rhet.Her. 4,12,17 gehört zur elegantia der Gebrauch von verba usitata.

e) Cn.Gellius Nach 146 a. Chr. und vor dem Geschichtswerk des Coelius Antipater sind die Annalen des Cn.Gellius entstanden, ein Werk von wenigstens 97 (? ) Büchern 18 . Erhalten sind davon nur ganz geringfügige Überreste. Doch können wir an ihnen nicht vorbeigehen. Denn nach dem Urteil Fraenkels 193 deuten die in den Fragmenten erkennbaren Sprachtendenzen auf archaistische Neigungen der vorsallustischen Geschichtsschreibung. Der Sachverhalt, auf den sich diese Auffassung stützt, ist folgender. In den Gelliusfragmenten erscheint mehrfach ein Dat.oder Abi.PI. der l.Dekl. auf -abus: deabus (hist. 12), raptabus (hist. 13), paucabus (hist. 14), puellabus (hist. 22), duabus pudicabus (hist. 23), portabus, oleabus (hist. 29). Sprachgeschichtlich ist diese Endung „eine Neubildung zur Unterscheidung zusammenge17

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Dazu Sommer 591 f.; Stolz-Leumann 328. Bei den entsprechenden inschriftlich bezeugten Formen wie tanger usw. sind durchweg graphische oder phonetische Umstände im Spiel, die sie nicht als vollgültige Parallelen zu biber erscheinen lassen. Über das Datum und die Anzahl der Bücher Peter, Η RR I2, CCV f.

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höriger Feminina und Maskulina, und daher hauptsächlich bei Motionsfemininen neben der Endung auf -is gebräuchlich"19. Wenigstens die zwei zuletzt zitierten Formen können aber nicht aus dem Streben nach Genusunterscheidung erwachsen sein. In ihnen erkennt Fraenkel Pseudoarchaismen. In der Tat findet sich lange vor Cn. Gellius eine vergleichbare Erscheinung Liv. Andr. carm. frg. 37 manibus dextrabus. Aber dem Historiker braucht keine derartige alte Ausdrucksweise vorgeschwebt zu haben. Bei Motionsfemininen begegnet die Endung -abus noch in spätester Zeit; der Sprachgebrauch ist für Cn.Gellius gewiß nicht schon tot 20 , portabus und oleabus lassen sich von hier aus als Formen interpretieren, bei denen aufgrund bewußter Affektation oder unbewußter Entgleisung ein lebender Sprachgebrauch weiter wuchert 21 . Gesetzt jedoch, es handelte sich bei den zwei Bildungen um Pseudoarchaismen des Annalisten: diese Extravaganzen wären nicht unbedingt symptomatisch für die vorsallustische Historiographie. In ihr sind derartige Formen sonst nicht nachzuweisen. Angesichts der Intensität, mit der Quadrigarius und Sisenna exzerpiert worden sind, darf das Vorkommen solcher Bildungen jedenfalls bei diesen zwei Geschichtsschreibern als geradezu unwahrscheinlich gelten. Kurz noch zu den übrigen Besonderheiten des Cn. Gellius. ossum (hist. 26): So statt os „Knochen" noch Accius, der Zeitgenosse des Annalisten, carm. frg. 4. Im Spätlatein taucht die Form dann etwa in der Itala auf; Einzelheiten bei Neue-Wagener I 843 f., wozu noch Plac. med. 1,14, rec. ß. ossum ist auch in die romanischen Sprachen eingegangen; Meyer-Lübke 6114. Die Konkurrenzbildung bereits Lex. XII tab. 8,3 (Coll. Mos. 2,5,5) (? ), bei Plautus ζ. B. Mü. 30. Zur Zeit des Cn. Gellius wie auch später war die lebende Sprache in diesem Punkte nicht fixiert22. tempestas sedavit (hist. 30): Der intransitiv-reflexive Gebrauch von sedare ist sonst noch nicht belegt. Derartige Intransitivierungserscheinungen sind, mögen sie auch gelegentlich künstlich sein, besonders in niedrigeren Schichten des gesprochenen Lateins zuhause23. 19 20

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Stolz-Leumann 281; s. auch Sommer 331 f. VgL die Belege bei Neue-Wagener I 36 ff., die aus dem Thes. s. w . vermehrt werden können; mulabus noch Anon. de tax one 1.36 rec. a. Zum Fortleben der Bildungen auch Sommer 332, der freilich von raptabus, paucabus usw. als „künstlichen Archaismen . . . des Cn. Gellius" spricht, kaum konsequent; ferner Kroll, Schriftspr. 6; Nelson 81 ff. Wenn Formen auf - abus Char, gramm. p. 67,26 B. sordide . . . dicta genannt werden, so bezeugt das die Volkstümlichkeit der Endung. Bei der Beurteilung derartiger Phänomene ist der doch wohl sehr große Umfang des Annalenwerkes zu berücksichtigen; mancherlei sprachliche Besonderheiten können da leicht unfreiwillige Lapsus sein. Leo 332 sieht demgegenüber hinter den erörterten Bildungen eine „barocke Eigenmächtigkeit des Stils". Ganz ähnlich Kroll, Schriftspr. 6. VgL Hofmann-Szantyr 395 f.

regerum und lapiderum (hist. 31): Wohl Analogiebildungen zum Gen. PI. der 1. Dekl. auf -arum 24 , von Neue-Wagener I 430 nur hier nachgewiesen, regum steht schon etwa Plaut.Capt. 825, lapidum erst Cie. Verr.II 4,118; Lucr. 3,198. fora navium (hist. 32): Zu fora: Das recht seltene Subst. als Neutr. nur hier; die Stelle ist der älteste Beleg, bei dem sich das Genus des Wortes festlegen läßt. Thes. s.v. forus statt forum „Markt" erscheint öfter. Thes. VI 1,1198, 32 ff. fora „Schiffsgänge" statt fori ist ein naheliegender Genuswechsel, der der lebenden Sprache kaum fremd gewesen ist. deliquium solis und deliquionem (hist. 33): Für deliquium dies der früheste Beleg; deliquio steht nur noch Plaut. Capt. 626, aber in der Bedeutung „Vergessen". Thes. s.w. Die Synonyme defectio bzw. defectus tauchen nach Thes. s.w. erst bei Cicero Cato 49 bzw. nat. deor. 2,50 auf; deficere „(ver) schwinden" kommt nach Thes. V 1,332,64 ff. erst ab Lucil. 200 vor. Bei dieser Sachlage kann deliquium solis oder deliquio solis zur Zeit des Historikers durchaus der normale Ausdruck für „Sonnenfinsternis" gewesen sein 25 . In den Fragmenten der Annales des Cn.Gellius ist kein Ausdruck als antiquiert - oder poetisch — zu erweisen. Dabei ist noch zu berücksichtigen, daß es sich wohl um ein sehr umfangreiches Werk gehandelt hat. Selbst wenn sämtliche erörterten Idiome Archaismen des Geschichtsschreibers gewesen wären: mit ihrer vergleichsweise geringen Frequenz könnten sie, deren Erhaltung durchweg dem Interesse späterer Grammatiker an solchen Raritäten verdankt wird, keineswegs als repräsentativ für die Sprache des Autors gelten.

f) L.Coelius Antipater L.Coelius Antipater hat sein Werk über den 2.Punischen Krieg nach dem Tode des C. Gracchus und vor 91 a.Chr.beendet 26 . Von den wenigstens 7 Büchern — viel mehr werden es nicht gewesen sein — sind 40 kurze Fragmente im Wortlaut erhalten. Es ist bezeugt, daß Coelius sich in der Wortwahl an Ennius orientiert hat. eum (Ennium) . . . studiose aemulatus L. Coelius, sagt Fronto p. 57,2 f.v. d. H. (= p. 62 N.), wo er über den delectus verborum der alten Schriftsteller spricht. Ulimann 62 f. sammelt aus den Fragmenten recht viele Idiome, die charakteristisch für die poetisch-ennianische Ausdrucksweise des Historikers sein sollen27. Andere Gelehrte betonen mehr den Gebrauch von Archaismen bei An24 25 26

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Sommer 384; Stolz-Leumann 279 f. Nach Kioll, Schriftspr. 5 A.5 wären die Wörter Verlegenheitsübersetzungen von ίκλβιψις. Der erste Zeitpunkt eigibt sich aus CoeL hist 50. Das ist schon längst gesehen; vgL etwa Peter, HRR I 2 CCXV. Zum zweiten Zeitpunkt: Cie. de orat 2,54 kennt Antonius das Geschichtsweik des Antipater. Leeman, Ratio 76 bestreitet demgegenüber das Vorkommen von Poetismen in den Coeliusfragmenten, ohne aber sich auf Einzelheiten einzulassen.

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tipater 2 8 . Die sprachlichen Besonderheiten, auf die man verwiesen hat, sollen nun geprüft werden 2 9 . eos alii m o d i esse (hist. 3): alii rei causa (hist. 4): alii findet sich in der Verbindung alii m o d i , die als Einheit zu betrachten ist 3 0 , nach Thes. I 1 6 2 3 , 1 f f . n o c h Cato or. frg. 21 und Macer hist. 20. Die Konkurrenz alius m o d i steht nach Thes. a.O. Fann.hist. 1 und C a e s . A n t i c a t . f r g . P r i s c . g r a m m . i l 2 2 7 , 3 , alterius m o d i nach Thes. VIII 1 2 7 5 , 5 8 Quint, inst. 9 , 2 , 2 . alii m o d i kann bei dieser Sachlage auch für Macer nicht als Besonderheit gelten. Der Gen. des Fem. alii ist nach Thes. I 1 6 2 3 , 6 sonst nicht nachzuweisen; alii rei vielleicht in Anlehnung an alii m o d i gesagt. Nichts rät dazu, Poetismen oder Archaismen in den erörterten Erscheinungen zu erkennen. Der gleiche Befund ergibt sich bei dem folgenden Fragment (Ulimann 6 3 ) . bellosum genus (hist. 5): Nicht sicher dem Coelius gehörig; mit der Zuweisung Caecil. c o m . 2 9 3 / 4 kann das Richtige getroffen sein, bellosus Thes. s.v. nur hier belegt; bellicosus steht nach Thes. s.v. erst ab Pore. Lic.carm. frg. 1. bellum geri poteratur (hist. 7): Die Genusangleichung von posse ist nach den vorliegenden Belegen jedenfalls in republikanischer Zeit auf die 3 . P s . Sg. des Präsensstammes von posse beschränkt 3 1 . Die Zeugnisse schon bei Neue-Wagener III 6 1 4 : Enn.ann. 6 1 1 ; Pacuv. trag. 100; Cato agr. 154; Scip.min. or. frg. 2 1 , 2 7 Male. 136 a.Chr.; Gracch. o r . f r g . 4 8 , 3 5 Male. 123 a.Chr.; Lex repetund. (CIL I 2 5 8 3 ) 28

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Schon Gilbert 382 erkennt, unter Hinweis auf CoeL hist 25 die quinti, bei Antipatei „eine entschieden archaisierende Tendenz". Cavallin 98 verweist auf CoeL hist. 9 dedicare „kundtun", Coel. hist. 58 delinquere „schwinden", tempestas „Zeit" in dem Fragment Cie. de orat. 3,153; auf diese letztere Stelle beruft sich auch Fraenkel 194. Der Passus gehört jedoch Laelius, nicht Coelius. Dazu 26 A. 19. Archaistische Tendenzen nimmt auch Badian 17 bei Coelius an. Doch wird nicht recht klar, inwieweit Badian die Ausdrücke, die er 33 A.77 zusammenstellt, für Archaismen des Historikers hält Es ist daher darauf verzichtet worden, das von diesem Gelehrten gesammelte Sprachmaterial zu diskutieren, soweit es nicht von Ulimann 62 f. angeführt wird. Die einschlägigen Hilfsmittel, insbesondere der Thes. s. w., lassen ohnehin fast in jedem der restlichen Fälle leicht erkennen, daß die Annahme eines Archaismus grundlos oder zweifelhaft wäre. Eine Ausnahme könnte vielleicht paucie(n)s zu machen scheinen. Das Adv., von Grammatikerbemerkungen und Glossen abgesehen, nur Titin. com.40; 41; CoeL hist 43; Boeth. elench. soph. 2,4. Aber zwischen der auch nicht genau zu fixierenden Zeit des Titinius und Coelius gibt es nicht hinreichend Belege für die nächstliegenden Ersatzwörter rare, rarenter, raro. CoeL hist 57 pedetemtim ist überhaupt nichts Besonderes. Das Adv. etwa Cie. Cluent. 118 und sonst noch mehrfach bei Cicero. Die Schreibung -temt- ist offenbar eine Eigentümlichkeit des Nonius, bei dem das Coeliusfragment erhalten ist, oder seiner Überlieferung. VgL zu allem noch Neue-Wagener II 569. Der Hinweis auf Ulimann bedeutet, daß dieser Gelehrte das betreffende Idiom zu den „exemples bien caractöristiques du style poötique en prose, qui a eu son origine . . . d'Ennius" (62) rechnet. Unergiebig ist Α. M. Schmidt, in:Serta Harteliana, Wien 1896, 205 ff. Dazu F. Leo, Plautinische Forschungen, Berlin 1912 2 320 f. Genauer, auf potestur, poteratur, possitur, possetur. Daß * poteritur nicht bezeugt ist, wird bei den folgenden Darlegungen nicht berücksichtigt.

66 im Jahre 123 oder 122; Coel. hist. 7; Scaur, hist. 4 poteratur und possitur; Quadrig.hist.33;47; Lucr.3,1010. Nun zu den nicht angeglichenen entsprechenden Formen. Die Zahlen bedeuten die Anzahl der Belege, und zwar die vor der Klammer stehenden Zahlen unter Ausschluß von Junkturen mit fieri, die in der Klammer stehenden mit Einschluß; fieri ist, soweit mehr medial empfunden, nicht sicher geeignet, passivische Formen des Hilfsverbs nach sich zu ziehen 32 . Plautus 47 (62); Ennius 3; Cato 4 (12); S.C. de Bacchanalibus (CIL I 2 581) und Caecilius je 1; Terenz 25 (35); Accius und Lucilius je 2; Cornelia epist. 1 (3); Metellus Macedonicus, Laelius, L.Crassus, Afranius, Sulla und Quadrigarius je 1; Sisenna 2; Rhetorica ad Herennium 32 (44); Cicero, De inventione 46 (60). Daraus ergibt sich: Der Sprachgebrauch etwa Ciceros ist, soweit man zurückblicken kann, stets der übliche33. Doch dürfte die Genusangleichung zu Catos Zeit ebenfalls leben. Vielleicht als die selteneren lebenden Bildungen werden die Passivformen von posse in der hohen Dichtung der Periode benutzt. Ungefähr zur Gracchenzeit gewinnen diese Formen in der Literatur an Boden, doch wohl als lebendes Sprachgut: Jedenfalls den Rednern wird man nicht ohne Not den Gebrauch altertümlicher oder altertümlich-poetischer Ausdrücke zutrauen. In den ersten Dezennien des l.vorchr. Jh.s wird die Erscheinung dann wieder aus der Prosa und vermutlich auch aus dem gesprochenen Latein gedrängt; ihre letzten lebenden Ausläufer mag sie bei Quadrigarius haben. Bei Coelius ist die Genusangleichung von posse nicht sehr auffällig und braucht nicht als Ennianismus (Ulimann 62) erklärt zu werden 34 . legati . . . dedicant mandata (hist. 9): dedicare in der allgemeinen Bedeutung „kundtun" wird Thes. V 1, 258,21 ff. noch belegt Acc. trag. 78; Lucr. 1,367; 1, 422; 3,208; Vitr. 1,7,1; 2 praef. 5; 8,3,27 und in später Prosa. Die vier ersten Stellen erweisen das Verb in der vorausgesetzten Bedeutung schwerlich als Poetismus bereits des Coelius (Ulimann 63), gewiß nicht als Archaismus: Acc. trag. 78 kann durchaus später als das Coeliusfragment sein. Lucr. 1,422 und 3,208 spielen bei der Wahl des Wortes vielleicht auch metrische Gründe eine Rolle. Das nächstliegende Synonym indicare würde die Stelle von dedicare hier nicht einnehmen können. Sonst ist dedicare überhaupt in daktylischer Dich32 33

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VgL Löfstedt, Synt II 122 f. Bei der Beurteilung des vorgelegten Materials ist zweierlei zu beriicksichtigea Einerseits sind die Zeugnisse für Genusangleichung zu einem großen Teil dem Interesse der späteren Grammatik an eben diesem sprachlichen Phänomen zu verdanken: Ein Moment, das das Sprachbild zugunsten der Passivformen verzerrt. Andrerseits fügen sich die kürzeren Aktivbildungen vermutlich oft besser in Verse ein: Hier vielleicht Verzerrung zugunsten der Aktivformen. In welchem Maße sich die zwei Faktoren gegenseitig kompensieren, läßt sich freilich nicht sagen. Zwei Belege, die auf langdauernde Verwurzelung mancher Genusangleichungen im lebenden Latein deuten, scheint man bisher übersehen zu haben: Pap. Corp. 307, 8 f. soletur dici und debetur credi, 1. oder 2. nachchr. Jh. Im allgemeinen zu der Erscheinung Hofmann-Szantyi 288.

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tung selten, nie etwa bei Vergil. Thes. V 1,257, 82 ff. Jedenfalls den ennianischen Annalen würde man das Verb nur ungern zuschreiben. Sempromus . . . celocem in Africam mittit visere locum (hist. 12): mittere mit finalem Inf. vorher Plaut. Cas. 688 im bakcheischen Tetrameter; Plaut. Cure. 206 und Pseud. 642 in trochäischen Septenaren; Ter. Eun. 528 im Senar; seit Prop. 2,16,17 einigemal in höherer Dichtung. In Prosa vor Tertullian nur noch Liv. 24,13,2. Das im wesentlichen nach Thes. VIII 1189,71 ff. Daß die Konstruktion ein Poetismus Antipaters ist (UUmann 62), scheint wenigstens zweifelhaft 35 . illis facilius est bellum tractare (hist. 16): Macr.exc.gramm. V 651,33 f., wo das Fragment erhalten ist, wird tractare als diu trahere erklärt. Das Verb ist so in übertragener Bedeutung jedenfalls vor Coelius nicht mehr nachzuweisen36. Die ältesten Belege für bellum tractare „Krieg fuhren" sind nach Thes. II 1840, 35 ff. Ov. arsl,182; Manil. 3,632. bellum trahere erscheint nach Thes. II 1840, 41 ff. seit Cie. Att. 10,8,2. Über den Charakter der Ausdrucksweise läßt sich - entgegen Ullmann 63 — nichts sagen. die quinti Romae . . . curabo tibi cena sit cocta (hist. 25): Die Formulierung ist mit dem Lokativ quinti von Cato orig. 86 übernommen, der Quelle des Coelius für den Ausspruch. Schon deshalb wäre der Ausdruck ein etwas zweifelhaftes Zeugnis für Antipaters Neigung zu ungewöhnlicher Sprachgestaltung. Die Parallelen Thes.V 1,1022,27 ff., deren letzte sichere Pompon. Atell.77 ist 37 , lassen überdies durchaus Raum für ein Leben derartiger Idiome noch nach Antipater. In der Tat wird Gell. 10,24,2 bezeugt: Augustus . . . in epistulis plurifariam significatione ista dierum non aliter usus est 38 . non dubitatim (hist. 30): Das Adv. nur noch Sisenna hist. 75, und zwar in derselben Junktur. Thes. s.v. Ejas Synonym dubitanter erscheint nach Thes. V 1,2103, 17 f. erst Cie. inv. 2,10; Brut. 87. Es gibt keinen Grund, in dem dubi-

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Über die Spracherscheinung allgemein Hofmann—Szantyr 344 f.; von hier ist die Те· renzstelle übernommen. Ullmann 63 verweist ohne nähere Stellenangabe auf eine Parallele bei Ennius; gemeint ist wohl das nach dem Coeliusfragment Macr. exc. gramm. V 651,34 überlieferte Bruchstück Enn.ann. 137 tractatus per aequora campL Aber hier geht es um ein veritables Schleifen; der ennianische Ausdruck ist sehr weit von dem Antipaters entfernt. Hinzufugen ließe sich GelL 2,29,7 die crastini (crastina P: crastini relL). S. noch zu dem Lok. Stolz-Leumann 273. Ullmann 62 hält versehentlich die CoeL hist 25 für einen Gen. Daß Coelius von dies den Gen. dii oder dies gebildet hat, könnte man dagegen aufgrund von CoeL hist 24 Α annehmen. Aber die Sache ist nicht gewiß; wenn Peter im Apparat z. S t bemerkt „certum est Coelium forma dii usum esse", so ist das ein Versehen. Bei der mangelnden Ausbildung des Gen. der 5.DekL wären hier dem Antipater manche uns ungewöhnlich scheinende Formen an sich durchaus zuzutrauen. Vgl. 129. Zu verschiedenen Formen des Gen. von dies Thes. V 1,1022, 13ff.; zum Gen. die wäre Varro frg. Non. p. 144,3 nachzutragen.

tatim der beiden Historiker einen poetischen Ausdruck (Ulimann 63) oder sonst eine Besonderheit zu vermuten. aliquam . . . finem (hist. 38): Das Mask, finis, belegt seit Plaut. Trin. 2, ist ursprünglich. Das Fem. erscheint, von Coel. hist. 38, möglicherweise dem frühesten Beleg, abgesehen, Acc.trag. 577; Sisenna hist. 59; vielfach bei Lukrez ab 1,107; Cie.leg. 2,55; fam. 12,1,1 und bei anderen Autoren. Thes. VI 1,787, 33 ff. Das Fem. hat sich wohl aus der falsch gedeuteten Verbindung von Pronominaladv. und Präpos. ea fine u. ä. entwickelt; ob und in welchem Maße diese Entwicklung in grammatischer Theorie oder in lebender Sprache gründet, bleibt ungewiß 39. Daß aliquam . . . finem bei Coelius poetisch ist, ließe sich jedenfalls nicht behaupten; für Ennius würde man das Fem. finis sehr ungern in Anspruch nehmen. (equus) congenuclat percussus (hist. 44): Sisenna hist. 33 ist überliefert multi . . . icti et congenulati; das letzte Wort pflegt man zu congenuclati zu verbessern, vielleicht mit Recht 40 . Das nach Thes. s.v. die einzigen Belege für congenuclare. Das Simplex geniculare (-ri) und die Komposita aggeniculare und ingeniculare erscheinen erst nach congenuclare, teils in Schrifttum, das auf lebenden Sprachgebrauch hindeutet; ingeniculare ist auch ins Romanische eingegangen. Thes. s.w. Nichts berechtigt dazu, congenuclare bei einem der beiden Historiker für dichterisch (Ullmann 63) oder antiquiert zu halten. qui (fasces) duetoribus hostium ante soluerint ferri (hist. 45): duetor findet sich, von der zitierten Stelle abgesehen, wohl Acc.trag.522 (Io. Sarisb.: auetor trad.) 41 , an einer Stelle, die nicht unbedingt früher ist als das Antipaterfragment; Cie. Font. frg. 23; Tusc. 1,89; Lucr. 1,86; Varro ling. 6,62 in einer etymologischen Erklärung. Häufig ist das Subst. bei Vergil. Thes. V 1,2167,75 ff. Die ältesten Belege für dux sind Plaut.Pseud. 447; Enn.axm.441; Rhet.Her. 1,15,25. Thes. V 1, 2317,1 ff. Hinzuzufügen ist, daß duetores Danaum Lucr. 1,86 und Verg. Aen. 2,14 mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit diese Verbindung auch für Ennius erschließen läßt 42 . Der Befund zwingt aber nicht zu der Annahme, daß duetor für Antipater ein Poetismus ist. Die Tmesis ante . . . ferri ist bemerkenswert. Derartige Erscheinungen begegnen gerade im ennianischen Epos. Aber fur die Tmesis bei anteferre ist Coel. hist. 45 Thes. II 128,42 der einzige Beleg. Außerdem ist anteferre ein in Dichtung 39 40

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Über das Genusproblem im einzelnen Bauer, Glotta 10, 1920, 122ff.; Weiteies bei Hofmann-Szantyr 11. Allerdings lautet das Lemma Non. p. 57,23, unter dem das Fragment steht: congenulare est genu replicato cadere. Über die aktive Bedeutung des Part auf - to HofmannSzantyr 290 f. Es handelt sich in vielen Fällen um eine langlebige volkstümliche Erscheinung. VgL auch Norberg 152f. Zweifellos ist die Richtigkeit der Konjektur nicht; ganz unsicher ist in dem verstümmelten Fragment Quadrig. hist. 32 das duetoribus von Lipsius anstatt des überlieferten auetoribus. So Leumann, Dichterspr. 137 A.30; die Annahme Leumanns, duetor sei eine Neuschöpfung des Ennius, ist viel weniger zwingend. Zu duetor noch Tränkle 39; Kuntz 106 f.

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nicht sehr beliebtes Wort; nach der Coeliusstelle, an der das Verb überhaupt erstmals bezeugt ist, begegnet das Verb vor Ausonius nur Verg.Aen. 4,371; Hör.epist. 2,1,19; 2,1,65; Ov. epist. 15,206. Vgl.Thes. s.v. Ohnehin hat das Präverb ante wohl eine gewisse Selbständigkeit, die die Tmesis anscheinend auch in Prosa gestattet: Cie. off. 3,71 malitia . . . mala bonis ponit ante 43 . Das Perf. solui (Ulimann 62) wird von Neue-Wagener III 109 außer Coel.hist. 45 nur noch Enn. frg. inc. 26 und Cato frg. inc. 54 belegt. Das Zeugnis für den Sprachgebrauch der beiden letzten Autoren steht Varro ling. 9, 107; hier wird solitus sum als die gewöhnliche Bildung der Periode gekennzeichnet: ut dicit volgus. Diese Bildung des Perf. bereits Plaut. Amph. 261 und sonst noch über lOmal bei Plautus; Caecil.com. 128; Titin.com. 28; Enn. ann. 105 soliti sunt, metrisch gleichwertig mit soluerunt; sat. 70; Lex.agr. (CIL I 2 585) 82. Im 1. vorchr.Jh. die Normalform dann öfter bei Varro seit Men. 166; Rhet. Her. 4,9, 13; rund 40mal in Ciceros Prosa seit inv. 1,4; in anderem auch republikanischem Schrifttum. Mit einem Leben von solui ist im l.vorchr. Jh. kaum noch zu rechnen. Dagegen scheint ein gewisses Schwanken zwischen solitus sum und solui für den lebenden Sprachgebrauch der Zeit Antipaters möglich. Ein ennianischer oder allgemein poetischer Einschlag ist in der Sprache von Coel. hist. 45 also nicht strikt nachzuweisen. Aber es fällt doch auf, daß in dem Satz gleich bei zwei Idiomen ennianische Provenienz immerhin nicht fernliegt. Von der bisher untersuchten Hinterlassenschaft Antipaters bietet dieses Fragment der Annahme ennianischen Einflusses die beste Handhabe. exfundato . . . oppido (hist. 46): exfundare nur hier nach Thes. s.v. Über den Charakter des Verbs läßt sich — entgegen Ulimann 63 — nichts sagen. eadem re gesta, topper nihilo minore negotio acto (hist. 47): Sämtliche Nachweise von topper werden Fest. p. 352 verdankt. Außer der Coeliusstelle Carm. Nelei Fest. p. 352; Liv. Andr. carm. frg. 20; 26; 27; 39; Enn. scaen. 428; Pacuv. trag. 424; Acc. trag. 387. In dem topper Antipaters ist ein Poetismus (Ulimann 63) zu erkennen: Es ist kaum zufällig, daß in der Sammlung des Festus den 8 Dichterbelegen nur Coel hist. 47 als Prosabeleg gegenübersteht44. Daß das Wort schon früh kein Ausdruck der lebenden Sprache war, indiziert auch sein Fehlen bei Plautus und Terenz. Partiell mit topper synonyme Wörter wie ζ. B. continuo, extemplo, fortasse sind hier vielfach vertreten. 233 zu Quadrig. hist. 10b. Thes. s. w . indulgitate liberum (hist. 48): indulgitas (Ulimann 62) wird Thes. s.v sonst nur Sisenna hist. 46 nachgewiesen. Noch für diesen kann das Subst. eine normale 43

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Der letztere Beleg nach Löfstedt, Per. 187. Die Überlieferung ist hier freilich nicht einhellig; doch ist das konkurrierende anteponit deutlich eine in der Überlieferung spät auftauchende Normalisierung. Zu dem Fragenkomplex noch Hofmann-Szantyr 217; B. Löfstedt, Studien über die Sprache der langobardischen Gesetze, Uppsala 1961, 278. Allerdings fragt sich, ob diese Verteilung der Belege nicht bis zu einem gewissen Grade auf die einseitige Bevorzugung der Dichtung durch die republikanische Grammatik zurückzuführen ist. Dazu 73 ff.

Bildung gewesen sein. Das Synonym indulgentia taucht nach Thes. s.v erst Cie. Verr.II 1,112 auf 45 . delinquere frumentum (hist. 58): delinquere „ausgehen", „fehlen" ist entsprechend nur noch bei Tubero hist. 13 belegt 46 . Thes. V 1,459,20 ff. Das nächstliegende Ersatzwort deficere begegnet nach Thes.V 1,332, 64 ff. erst ab Lucil. 200. Daß delinquere in der vorauszusetzenden Bedeutung flir Antipater antiquiert oder überhaupt ungewöhnlich gewesen ist, scheint nicht erweislich. tertio (consul) und quarto consul (hist. 59): Das'ist der älteste Beleg für diese Verwendungsweise des Abi. Der entsprechende Gebrauch des Akk. ist bereits vorher Enn. ann. 295 nachzuweisen47, und er ist in unseren Texten das Normale. Vgl. Thes. IV 569,67 ff. Wie jedoch aus Gell. 10,1,6 ff. hervorgeht, ist man sich auch in ciceronischer Zeit durchaus nicht sicher, ob es richtig tertio cos. oder tertium cos. heißen müsse; Bell.Hisp. 2,1 steht: dictator tertio, designatus dictator quarto 48 . Poetisch oder altertümlich ist die.nach unseren spärlichen Belegen jüngere Sprachgewohnheit für Antipater bestimmt nicht. ocissime (F teste Ursino: -mi vel -mu F teste Loewio) (hist. 64): Von dem Wort ist sonst als Superlativbildung nur ocissime bezeugt, bis zum Ende der augusteischen Zeit Plaut. Nerv. frg. 3 im jambischen Septenar; Ter. Haut. 868 im Senar; Sali. lug. 25,5. ocius begegnet bis zum Ende des 2.vorchx. Jh.s Liv. Andr. trag. 16; Pacuv. trag. 352; Acc. trag. 382; sonst nur bei Komikern, und zwar 26 mal, häufig genug hier auch in Senaren. Andere als die erwähnten Formen des Wortes kommen in dieser Periode nicht vor. Als Poetismus (Ullmann 63) ist das ocissime (? ) Antipaters bei diesem Befund kaum anzusehen. Bei nicht wenigen Ausdrücken, die man als Poetismen oder Archaismen Antipaters klassifiziert hat, ist ein derartiges Urteil unberechtigt oder wenigstens recht bedenklich. Als poetisch und wohl auch antiquiert anzuerkennen ist jedoch topper Coel. hist. 47. Spezifisch ennianische Sprachelemente darf man vielleicht Coel. hist. 45 vermuten. Das Vorkommen solcher sprachlicher Besonderheiten in den Coeliusfragmenten stimmt zu dem Eindruck, den Fronto von Antipaters Wortwahl vermittelt. g) Sempronius Asellio Sempronius Asellio scheint sein Geschichtswerk zwischen 90 und 80 a. Chr. in hohem Alter verfaßt zu haben 49 . Das Werk hat aus wenigstens 14 Büchern be45

46 47 48 49

Daß indulgitas eine Augenblicksbildung Antipaters ist, nimmt Kroll, Schiiftspr. 5 an. Die Vermutung impliziert, daß Sisenna entweder in diesem Punkte von Coelius abhängt oder das Subst. nach Antipater noch einmal geschaffen worden ist Zu der Stelle 151 A. 132. VgL noch Cato orig. 84. Der Sprachgebrauch auch späterer Inschriften schwankt. S. die Hinweise im Indexband der Inscr. Dessau III 800 f. Peter, HRR I 2 , CCXLIII.

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standen. Davon liegen noch 14 Bruchstücke im Wortlaut vor, darunter zwei etwas längere, hist. 1 und 2. Die letzteren Fragmente zeigen Asellio nicht als einen Autor, der zu sprachlich-stilistischen Extravaganzen neigte s0 . Zwingen Einzelheiten dazu, diesen Eindruck zu revidieren? ut maior invidia Lepido glisceretur (hist. 4): glisceretur ist für einen Poetismus des Historikers gehalten worden 51 , gliscere erscheint als Intransitivum Plaut. Asin.912 und Capt. 558, in trochäischen Septenaren; Pacuv. trag. 294; Acc.praet. 13; Cic.phil. frg. V 74; bei Lukrez 5 mal ab 1,474. In augusteischer Dichtung fehlt das Verb, abgesehen von Verg. Aen. 12,9 und Dirae 6. Das Mediopass.(?) glisci steht nur noch Turpil.com. 191. Im wesentlichen nach Thes. s.v. Daß gliscere bereits in der Zeit Aselüos poetisch ist, erweist der skizzierte Sachverhalt kaum. Die Plautusbelege, mögen sie auch Langversen entstammen, sind nicht eigentlich beweiskräftig in dieser Richtung. Daß die beiden anderen Stellen vor Cicero sich in höherer Dichtung finden, kann bloßer Zufall sein: In unpoetischen erhaltenen Texten ist nur selten von Sachverhalten die Rede, auf die das Verb angewendet werden könnte. Denn in Prosa und Senaren, die im wesentlichen vielleicht auch als Beispiel unpoetisch-prosaischer Lexis gelten können, finden sich, ungefähr synonym gebraucht, im 2. vorchr. Jh. wohl nur augescere Ter. Haut. 423; Cato orig. 95 a und crescere Cato orig. 95 a. Ohnehin deutet das ungewöhnliche Mediopass. (?) nicht auf einen engen Anschluß Asellios an die höhere Dichtung, in der nur das Intransitivum gliscere erscheint. summa necessitudo aut summa occasio (hist. 5): Indirekte Rede, ein von Scipio berichtetes Wort seines Vaters Aemilius Paullus. necessitudo „Notwendigkeit" hier zuerst, dann Sisennahist. 98; Varro Men. 316; Rhet. Her. 1,14,24 und an wenigstens 9 weiteren Stellen dieser Schrift; Cic.inv. 1,59, später in dem Werk noch über 2 0 mal; danach erst bei Sallust ab Catil. 17,2. necessitudo „Freundschaftsbindung" u.ä. erstmals Lex. repetund. (CIL I 2 583) 24; Rhet. Her.3,6,11; 4,39,51; bei Cicero über lOOmal wenigstens seit Quinct. 16, auch sonst bei Zeitgenossen Ciceros, etwa: Cael. Cie. fam. 8,6,1; 8,14,1; Plane. Cie. fam. 10,4,1; 10,24,1; bei Caesar 5mal ab Gall. 1,43,6. necessitas „Notwendigkeit" schon bei Plautus etwa Epid.731, dann Ter.Hec.492; Varro Men.532; ling. 8,31; Rhet. Her. 1,14,24; Cie. inv. 1,15; 1,41; 2,172; Quinct. 51 und danach noch über lOOmal bei Cicero, öfter auch bei seinen Zeitgenossen, z.B.: Caecin. Cie.fam.6,7,5; Cael.Cie.fam. 8,10,1; bei Caesar 7mal ab Gall.2,22,1, mehrfach bei seinen Nachfolgern, necessitas „Freundschaftsbindung" u.ä. Caes. or. frg. 121, 50

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Daß Asellio der stilistischen Tradition des Genos gefolgt sei, nimmt Badian 33 A.80 an, unter Hinweis auf hist 10 facundiosa; hist 13 artificiose; hist 14 pilatim. Als Archaismus des Historikers läßt sich jedenfalls keines dieser Wörter erweisen. Zu den beiden ersten Thes. s. w., woraus sich auch ergibt, daß gewiß artificiose kein Spezifikum der Historikersprache ist pilatim ist sonst nur noch belegt Scaur, hist 6, also bei einem Zeitgenossen Asellios; Vitr. 6,8,4, hier in anderer Bedeutung. Neue-Wagener II 558. Von Kuntz 74 f. Zur Bedeutung des Verbs im übrigen F. Sommer, Kritische Erläuterungen usw., Heidelberg 1914, 56 ff.

27; 121,44 Male.; die Reden stammen aus den Jahren 70 bzw. 73 (? ) a.Chr. necessitudo, den Belegen nach jünger als necessitas, konkurriert also in der Bedeutung „Notwendigkeit" jedenfalls noch in den ersten zwei Dezennien des l.vorchr. Jh.s mit synonymem necessitas. Möglicherweise aber länger; noch der Sprachgebrauch des Redners Caesar läßt einen gewissen Mangel an Differenzierung zwischen den zwei Subst. erkennen. Wenigstens im letzten Jahrzehnt der Republik scheint die Unterscheidung, wie sie der Redner Cicero beachtet, allgemein zu sein. (Gracchus) eum quem virile secus . . . habebat, produci iussit (hist. 7): Die Belege für indeklinables secus bis einschließlich Livius: Enn. var. frg. 70 virile (sexum, sexus var. trad.); Sisenna hist. 80 virile ac muliebre; Varro frg. Gell. 3, 10,7 virile; Sali. hist. frg. 2,70 virile et muliebre; Liv. 26,47,1 virile (virilis sim. sexus var. trad.), sexus im gleichen Zeitraum nur Plaut. Rud. 107 virile sexus; Pacuv. trag 68 virili sexu; Afran. com. 240 virili sexu; Cie. inv. 1,35; Varro ling. 8,46; Nep. Ages. 1,3 virilem sexum; Liv. 26, 34,5 puberes virilis sexus; 27,11,4; 31,12,6. Parallelen zu der Junktur virile (muliebre) secus, auf die der Gebrauch von secus in dieser Zeit beschränkt ist 52 , sind allein die ausgeschriebenen Belege. Eine Wendung wie virile secus ist bei dieser Sachlage nicht einmal für Sallust auffällig, zumal die Wortwahl der Dichter wohl metrisch bedingt ist. Wenn die Verbindung mit secus hauptsächlich in Geschichtsschreibung erscheint, so vielleicht nur deshalb: In der erhaltenen Literatur ist von Sachverhalten, auf die sich ein.derartiger Ausdruck anwenden ließe, sonst nicht die Rede. Im übrigen ist mit Ungenauigkeiten der Überlieferung zu rechnen, die vermutlich eher zu Ungunsten von secus verzerrt ist. Von den behandelten drei Ausdrücken Asellios ist keiner hinreichend sicher altertümlich oder dichterisch. h) M.Aemüius Scaurus Nicht besser steht es mit den Archaismen, die Bardon I 109 f. in den Memoirenfragmenten des M.Aemilius Scaurus erkennen möchte. Scaurus, geb. 162 a.Chr., hat wohl im 1. Jahrzehnt des 1. vorchr. Jh.s 3 Bücher De vita sua verfaßt 53 , von denen 5 Bruchstücke ganz geringen Umfanges erhalten sind. 3 Idiome sprechen nach Bardon für archaistische Neigungen des Scaurus54. 52

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Wahrscheinlich nicht nur in dieser, sondern noch in späterer Zeit VgL die Belege bei Müller 163 f. Ein methodisch lehrreicher Irrtum ist es, wenn Müller von dem „gewöhnlichen virilis sexus oder virili sexu" spricht In der Schrift war wohl noch auf das Jahr 102 a.Chr. Bezug genommen. So nach anderen Münzer 389. Badian 37 A.124 hebt noch pilatim als spezifisch historiographische Spracheigentümlichkeit des Scaurus hervor. Die Charakteristik wäre wohl schwer als richtig zu erweisen. Von vornherein klar ist, dafi pilatim nicht als Archaismus des Scaurus gelten kann. 224 A. 50.

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proelium non sivi (В: sini A edd.vett.: sibi Μ et codex Scioppii) fieri (hist. 3): Das Ganze Diom.gramm. I 374, 13 ff. unter dem Lemma sino sivi (trad.: sini edd.vett.). Selbstverständlich ist nicht das - ohne ersichtlichen Grund — als Archaismus klassifizierte sini, sondern sivi aufzugreifen 55 . poteratur und possitur (hist. 4): Die Formen könnten für den Altersgenossen des C.Gracchus durchaus lebendig gewesen sein. 218 f. zu Coel. hist. 7. sagittis . . . confictus (hist. 5): Das Part, fixus ist eine jüngere Analogiebildung zum aktiven Perf. fixi; ursprünglich ist fictus56. Vor Scaurus erscheinen, soweit ein Perfektpart, von figere und den Komposita in diesem Zeitraum überhaupt begegnet, ausschließlich (lie Analogieformen. Während confictus nach Thes. IV 211,18 lediglich an der zitierten Stelle zu belegen ist, findet sich fictus nach Thes. VI 1,710,26 ff. Lucr. 3,4; Varro rust. 3,7,4; 3mal bei Gregor von Tours; Not.Tir.66,34; defictus nach Thes. V 1,339,35 ff. Varro rust. 3,7,7; infictus nach Thes.VII 1,1420,5ff. vielleicht Call, dig.47,9,7. Daß es sich bei all diesen Bildungen um Archaismen der betreffenden Autoren handelt 57 , ist nicht wahrscheinlich. Vielmehr wird die ganze Latinität hindurch der lebende Sprachgebrauch nicht ganz fest gewesen sein. Dementsprechend ist das Part, fictus auch in einigen romanischen Sprachen erhalten. Meyer-Lübke 3280. 55 56 57

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So auch Neue-Wagener III 349 f. Darüber Sommer 607; Stolz-Leumann 341. Sehr gut denkbar wäre das an sich natürlich Lucr. 3,4; auf der anderen Seite ist der Lukrezbeleg kein Beweis für die Antiquiertheit der Bildung.

3. Quadrigarius, Antias, Ps. Quadrigarius

a) Q.Claudius Quadrigarius In die Wende zwischen 80 er und 70er Jahren mag der Abschluß der Annalen des Q. Claudius Quadrigarius g e h ö r e n D a s Werk hat wenigstens 23 Bücher umfaßt, vermutlich nicht viel mehr2. Wörtliche Fragmente sind davon über 70 erhalten. Sie bieten insgesamt rund 1120 Belege einzelner Wörter, eine Textmasse, die ungefähr 4 Seiten einer Oxfordausgabe füllen würde. Die Sprache des Annalisten ist bereits Gegenstand ausgedehnterer Untersuchungen gewesen. Wölfflin will vor allem poetische Sprachelemente bei Claudius nachweisen 3 . Zimmerer 101, die sich 88 ff. besonders ausführlich mit der Sprache des Geschichtsschreibers befaßt, erkennt diese Auffassung nur bedingt an: Der Sprachgebrauch des Quadrigarius sei gekennzeichnet — das ungefähr scheint die Autorin zu meinen — einerseits durch sprachliche Neuerungen, zu denen auch die Poetismen gehörten, andrerseits durch bewußt oder unbewußt verwendete altertümliche Idiome. Daß der Gebrauch von Archaismen das bestimmende Moment in der Sprache des Historikers sei, ist eine Auffassung, die gelegentlich ganz entschieden vertreten wird; einen detaillierten Beweis dafür hat man nicht versucht4. 1 2 3

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Peter, HRR l 2 CCLXXXV; danach Zimmerer 4. Zimmerer 5. Ein Vorstoß in dieser Richtung vorher schon bei Maas 545 f. Nach Norden zu A e a 6,813 f. ist Quadrigarius „in seiner Sprache stark durch Ennius" beeinflußt. Poetismen findet in der Ausdrucksweise des Geschichtsschreibers gleichfalls Cavallin; er verweist auf pectus haurire hist. 10 b, provolare hist. 19, multi mortales hist. 76. Andere Urteile über Sprache und Stil des Annalisten stellt Zimmerer 89 zusammea So meint Peter, HRR I 2 CCCVII - ähnlich Wahrheit 305 - , Claudius sei Archaist. Er beruft sich auf das günstige Urteil, das Fronto p. 131,15 ff. v. d. Η. (=p. 114N.) über den Annalisten fällt: historiam . . . scripsere Sallustius structe, Pictor incondite, Claudius lepide, Antias invenuste, Seisenna longinque, verbis Cato multiiugis, Coelius singulis. Die Stelle hat schwerlich Beweiskraft Erstens ist sehr zweifelhaft, daß Fronto bei seiner günstigen Beurteilung des Quadrigarius davon geleitet ist, daß dessen Ausdrucksweise auf ihn altertümlich wirkt: Pictor, bei dem doch das Gleiche gelten müßte, erhält von Fronto eine schlechte Zensur. Zweitens ist spezifisch an den delectus verborum offenbar erst bei Cato gedacht; dementsprechend fallt auch kein Wort über die elegantia des sallustischen Sprachgebrauchs. Nichts berechtigt also dazu, das allgemeine Charakteristikum lepide mit Besonderheiten in der Wortwahl des Claudius in Verbindung zu bringen. Drittens: Wenn Fronto manches an der Sprache des Quadrigarius antiquiert erschiene, so bedeutete das durchaus nicht, daß dieselben Idiome rund 200 Jahre früher zu Lebzeiten des Annalisten so gewirkt haben. Marache 19 glaubt, die Sprache des Quadrigarius und des Sisenna unterschei-

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Wie es mit den poetischen oder antiquierten Spracheigentümlichkeiten bei Quadrigarius steht, soll nun durch eine Betrachtung der Fragmente ermittelt werden. Dabei werden alle Idiome, die Wölfflin und Zimmerer entsprechend klassifiziert haben, erörtert werden. Es kommen einige andere Ausdrücke, die vielleicht als Archaismus oder Poetismus des Historikers erscheinen könnten, hinzu und gelegentlich Idiome, die den sprachlichen Habitus des Annalisten etwas beleuchten. ut pugnatum esset in Gallos (hist. 1): Für Gellius 17,1,12 wären die Verbindungen pugnare cum Gallis oder contra Gallos die normalen: in Gallos mundius subtiliusque est. Die an erster Stelle genannte Konstruktion ist die älteste: Plaut. Rud. 1042; Cato orig. 99; Pompon. Atell. 73; bei Cicero ab Quinct. 29. pugnare contra aim. erscheint Sulla hist. 3 pro vobis potius quam contra vos; bei Cicero ab Verr. 1,33; Varro ling. 9,33. Der Sprachgebrauch des Quadrigarius ist erstmals Quadrig. hist. 1 zu belegen. Ferner Ps. Quadrig. hist. 12 impetrato . . . a consulibus, ut in Galium . . . pugnare sese permitterent. In Formeln, die sich auf Kampferlaubnis oder -verbot beziehen, steht die Konstruktion öfter 5 , ohne auf sie beschränkt zu sein. Vgl. etwa die ältesten Liviusbelege 3,12,3 pugnasse in hostem; 6,39,7 in leges suas pugnatum esse; außerdem z.B.Liv. 9,3,2 Romano in perfidum Samnitem pugnanti; 23,29,10 velut in circumventos pugnant. Der älteste Dichterbeleg ist Ov. am. 3,1,38 6 . An einen Archaismus oder Poetismus des Claudius ist bei dem erörterten Ausdruck gewiß nicht zu denken. tanta sanctitudo fani est, ut numquam quisquam violare sit ausus (hist. 2): sanctitudo taucht zuerst in der Komödie Turpil.com. 114 und ungefähr gleichzeitig Afran.com. 326 auf, in der Tragödie Acc. trag. 593; 646, dann Cie. rep. 4,8. sanetimonia erstmals Rhet. Her. 4,33,44, dann Cie. Quinct. 55; 93; Rab. perd. 30; wie Gell. 17,2,19 zeigt, war dieses Subst. bis ins 2. Jh. jedenfalls recht üblich. Stärker ist freilich sanetitas verwendet worden, nachzuweisen erst Caes. or. frg. 121,29 Male, im Jahre 69, der älteste ciceronische Beleg für das Wort ist p. red. in sen. 34. Später findet sich das Subst. außer bei Cicero auch etwa

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de sich stärker von der Ciceros als diese von der des Livius oder sogar Tacitus; die zwei republikanischen Historiker müßten daher archaisiert haben. Doch wäre der Schluß auch dann zweifelhaft, wenn die aufgestellte Gleichung bewiesen wäre. Denn die weithin wegen sprachlicher Kuriositäten erhaltenen Fragmente geben in ihrer Gesamtheit keinen repräsentativen Querschnitt durch die Sprache der zwei alten Geschichtsschreiber; auch erschöpft Cicero nicht die Möglichkeiten, die das lebende Latein in der ausgehenden Republik h a t Andeutungen Uber archaistische Neigungen des Claudius auch bei FraenkeL Antiquiertes Sprachgut findet ebenfalls Badian 20 bei dem Historiker, ohne aber andere Materialien anzuführen als Zimmerer; nur möchte Badian noch Quadrig. hist. 92 pedetemtim mit dem Vorbild Antipaters erklären. Dazu bei mir 218 A. 28. In der Verbindung in hostem pugnare SalL CatiL 9,4; 52,30; bei Livius ζ. B. 7,12,12; 8,6,16; 8,7,15; vielfach mit dem Zusatz extra ordinem; GelL 17,21,17. Dabei geht es nicht durchweg um Zweikämpfe. Nicht ganz glücklich Wölfflin 13 f. Ein dichterisches Experiment mit der Konstruktion von pugnare ungefähr zur gleichen Zeit Prop. 2,24 b, 25 pugnet ad hydras.

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Sail. hist. frg. 5,3; Nep. Lys. 4,1; Liv. 21,7,3 und sonst. Also: sanctitudo, das bis zum Ende des 2.vorchr. Jh.s dominieren mag, tritt, wie es scheint, zu Beginn des 1. vorchr. Jh.s gegenüber den - neu aufgekommenen? - Synonymen sanctimonia, dann sanctitas zurück. Zweifellos ein Prozeß, der sich über mehrere Dezennien erstreckt; es ist damit zu rechnen, daß die verschiedenen Bildungen im 1. vorchr. Jh. noch längere Zeit miteinander konkurrieren. Für den Annalisten bereits antiquiert braucht das Wort nicht zu sein7. Daß fani — ausus einen Hexameter ergibt 8 , ist auffällig, aber vielleicht zufällig. Die Wortstellung violare sit ausus ist kaum ein Gegenbeweis. Sie hat eine Analogie hist. 81 satis sunt diu conati, wo metrische Rücksichten nicht anzunehmen sind. sole occaso (hist. 3): sol occasus erstmals Lex XII tab. 1,9 (Gell. 17,2,10? ), die gleiche Stelle aber nach Varro ling. 7,51 und der sonstigen Überlieferung solis occasus; dann überliefert oder sicher verbessert in den trochäischen Septenaren Plaut. Epid. 144; Men. 437; 1022, in der Formel ante solem occasum; Lucil. 68 sole occaso9. Die konkurrierende Formulierung solis occasus, von der bereits erwähnten Stelle abgesehen, nur Pacuv. trag. 88 in der Antithese solis... exortu . . . occasu; Rhet.Her. 3,22,36 solis exortus, cursus, occasus (Akk.Pl.); 4,33,44 solis ortu atque occasu; mehrfach bei Caesar ab Gall. 1,1,7; Bell. Afr. 19,4 und später, sol occidens nur Pacuv. trag. 411; Cato diet. 76 nee orientem . . . solem . . . пес occidentem, nicht sicher catonischer Wortlaut; Caes.Gall. 5,13,2, wo vorher ad orientem solem, und später; jedenfalls die zwei ältesten Belege sind sol occasus nicht ganz synonym. Der Befund gestattet durchaus die Annahme, daß sol occasus zu Lebzeiten des Quadrigarius noch lebendig ist. Man braucht nicht mit Wölfflin 30 hinter dem Ausdruck des Annalisten ein poetisches Vorbild zu suchen 10 . inter se commutationes et consilia facere (hist. 5): Dazu wird Gell. 17,2,26 erklärt: commutationes, id est conlationes communicationesque, поп usitate dixit. Eine sichere Parallele zu diesem Sprachgebrauch fehlt 11 . cum iis consermonabatur (hist. 6): Dazu Gell. 17,2,17: sermonari rusticius videtur, sed rectius est; sermocinari tritius est, sed corruptius. Zu dem Urteil 7

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sanctitudo ist für Gellius 17,2,19 im Vergleich mit den Synonymen maioris dignitatis, weil es in seiner Zeit die ungewöhnliche, wohl altertümliche Bildung ist Dazu auch 40 A.71. Dieses Empfinden darf man nicht für Quadrigarius voraussetzen, fur den sanctitudo vielleicht kaum anders klingt als die Konkurrenzwörter. Der Archaist vermag sich nicht auf den sprachlichen Standpunkt des Historikers zurückzuversetzen. Zimmerer 110 macht sich das nicht klar. Bemerkt von Maas 546. Daß die präpositionalen Verbindungen mit sol occasus GelL 3,2,3; 3,2,4; 14,7,8 varronisch sind, ist gut denkbar, aber nicht sicher. Die Belege nach Hache 5. Dagegen auch Zimmerer 94, freilich mit etwas irreführenden Angaben. Über die aktive Bedeutung des Part Perf. auf -to im allgemeinen 221 A. 40. Zweifelhaft die SteUe Hier, psalt sec. Hebr. 99,8, die Thes. III 1987, 40ff. neben Quadrig. hist. 5 gestellt wird.

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rusticius stimmen die Belege, пес loqui пес sermonare steht CIL I 2 1012,3; 6, in einer dem 1. vorchr. Jh. zugewiesenen Verwünschung; sermonari erscheint, abgesehen von Gloss. LH Abav. SE 50, Itala prov. 5,19 (Priscill. tract. 1,31). Das singulare consermonari mag ebenfalls nur vom Purismus unterdrückt worden sein. Manlius, quem Capitolium servasse a Gallis supra ostendi, cuiusque operam... apud Gallos cumprime fortem atque exsuperabilem res p. sensit, is . . . virtute bellica nemini concedebat (hist. 7): Für servare a vermutet Zimmerer 99 ein poetisches Vorbild, unter Hinweis auf Verg. Aen. 5,699 servatae a peste carinae. Wirklich findet sich die Ausdrucksweise sonst bei keinem republikanischen Prosaiker. Cicero geht ihr Verr. II 1,68 anscheinend aus dem Wege: pudicitiam . . . servare ab . . . libidine tutam; ebenso Verr. II 5,1; später begegnet die Konstruktion häufig noch in der juristischen Literatur und Pallad. 5,7,6 12 . Von der zitierten Vergilstelle abgesehen, gibt es auch in der Dichtung bis wenigstens Ovid einschließlich keinen sicheren Beleg für servare а 13 . Es handelt sich bei dieser Ausdrucksweise also keineswegs um ein Poeticum. Nichts spricht dafür, daß Vergils einmalige Formulierung Aen. 5,699 auf den Einfluß eines poetischen Textes zurückzuführen ist, der spätestens mit Quadrigarius zeitgenössisch wäre. Gellius 17,2,14 kommentiert die Stelle: adprime crebrius est, cumprime rarius. cumprime wird Thes. s.v. nur noch Cass. Fei. 57 p. 146 nachgewiesen, in der Bedeutung „zunächst". Der Beleg bei dem Mediziner indiziert doch wohl ein langes Fortleben des Adv. wenigstens in manchen Sprachschichten. Die republikanische Beredsamkeit und die durch sie geformte puristische Ausdrucksweise scheint das Wort aber zu meiden. Darauf deutet das Vorkommen der nächstliegenden Konkurrenten, cumprimis bei einem Adj. steht nach Thes. IV 1380, 46 ff. seit L.Crass, or. frg. 66,45,19 Male; Cie. inv. 2,1; imprimis bei einem Adj. nach Thes. VII 1,678, 55 ff. seit Cie. inv. 2,107; Q. Rose. 9. exsuperabilis nach Thes. s.v. nur noch Verg. georg. 3,39; Iuvenc. 3,281; Claud. 5,127; an all diesen Stellen in passivischer Bedeutung „bezwingbar" 14 . Das Adj. 12

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Nach Krebs-Schmalz, Antibarbarus usw., Basel 1905 , s. v. Weitere Juristenbelege im VIR s. v. Krebs-Schmalz weisen die Konstruktion außerdem noch Plia nat. 7, 103 nach: (Manlius) Capitolium summamque rem . . . a Gallis servaverat Das geht vermutlich auf dem Umweg über eine Exemplasammlung auf Quadrigarius zurück. Livius und Valerius Maximus formulieren ganz anders. Hör. sat. 1,6,82 ff. (pater me) pudicum . . . servavit ab o m n i . . . facto. KiesslingHeinze z. St. verbinden servavit ab . . . facto, doch wohl zweifelhaft; vgL Plaut Cure. 51 tarn a me pudica est quasi soror mea sit. Durch pudicum ist servare a zumindest erleichtert Ähnlich CatulL 15,5 f. conserves puerum mihi pudice, поп dico a populo. Wenn Kroll z. St. für conservare a auf Cie. fam. 13,50,2 verweist, so ist auch hier die Konstruktion durch prädikative Zusätze wenigstens gemildert: Curium . . . ab . . . incommodo . . . sincerum integrumque conserves. Ebenso Cie. Verr. 1,14 coniuges . . . integras ab istius petulantia conservare. Verg. georg. 3,39 поп exsuperabile saxum (Sisyphi) wird Thes. V 2,1953, 73 aktivisch gedeutet, im Anschluß an Serv. ad L: quod exsuperare поп valet summum montis cacumen. Die Interpretation liegt doch wohl ferner für ein Epitheton des λάας ίναώής.

ist mit diesem Befund nicht als Poetismus des Annalisten erwiesen, zumal es hier aktiv in der Bedeutung „siegreich" steht 1 5 . acrimonia, confidentia pariter praecellebat, ut facile intellegeretur magnum viaticum ex se atque in se ad rem publicam evertendam habere (hist. 8): acrimonia ist für Claudius gewiß weder antiquiert noch — entgegen der Andeutung Wölfffins 21 — dichterisch. Vgl. Thes. s.v., wo etwa Cie. Verr. 1,52. Über confidentia in positiver Bedeutung 133 f. zu Cael. Cie. fam. 8,8,9. magnum viaticum pro magna facultate et paratu magno nove dictum est, erklärt Gellius 17,2,13; wenn er in dem übertragenen Gebrauch einen Gräzismus nach έφόδων vermutet, so ist das natürlich keine verbindliche Auslegung. deteriores sunt incolumiores neque optimum quemquam inter nos (di) sinunt diurnare (hist.9): Der Komparativ incolumior erscheint nach Thes. VII 1,978, 78 f. nur bei Quadrigarius; das vorhergehende deteriores wirkt ein. Zu diurnare Gell. 17,2,16 inusitate . . . dixit pro diu vivere; das Verb wird Thes. s.v., abgesehen von den abhängigen Stellen, nur hier nachgewiesen. Quadrig. hist. 10 b ist das längste im Wortlaut erhaltene Fragment der Annales. In ihm wird der bekannte Zweikampf des T.Manlius Torquatus mit einem gallischen Riesen geschildert. Das Thema legte eine epische Darstellungsweise nahe 16 . Sollte der Annalist Sprache und Stil bewußt am ennianischen Epos orientieren, so wären gerade in diesem Bruchstück sichere Spuren derartiger Tendenzen zu erwarten. Wie steht es damit? qui (Gallus) et viribus et magnitudine et adulescentia simulque virtute ceteris antistabat (hist. 10 b): Für die drei letzten Wörter nimmt Wölfflin 21 poetische Provenienz an, unter Hinweis auf Enn. scaen. 228 in hoc regi antistat. Dies der einzige dichterische Beleg fiir antistare vor Quadrigarius; sonst Cato agr. 156,1 quae (brassica) omnibus holeribus antistat; Met. Num. or. frg. 58,7 Male, qua in re . . . me unum antistatis eqs. Ungefähr zeitgenössisch ist Cie. inv. 2,2 Crotoniatae . . . omnibus (Dat.) corporum viribus (Abi.) . . . antisteterunt, eine genaue Parallele zu dem Ausdruck des Claudius; in Dichtung wird antistare ali. ala. re Thes. II 186,67 ff. nicht belegt. Weder antistare noch die Konstruktion, in der das

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Die Möglichkeit ennianischer Provenienz erwägt Wölfflin 21. Eine Entsprechung hat die Verbindung operam . . . exsuperabilem in dem trochäischen Septenar Plaut MiL 1144 date operam adiutabilem. Hinweis von M. Leumann, Die lateinischen Adjektiva auf-Iis, Straßburg 1917, 111. Der Verfasser des Bellum Hispaniense erinnert 25,4 bei der Erzählung vom Zweikampf des Antistius Turpio und des Pompeius Niger an den Achillis Memnonisque congressus; er empfindet das Epische der Situation. Zu epischen Zügen in solchen Zweikampfschilderungen Kroll, Studien 305 A.47. Nichts mehr davon Greg. TUT. Franc. 2,2. Die ältere Literatur zu Quadrig. hist. 10 b bei Zimmerer 123 A. 141; ferner K. Büchner, Römische Literaturgeschichte, Stuttgart 1957, 360 ff.; McDonald, JRS 47, 1957, 158 f.; 167f.; Eden, Glotta 40, 1962, 78 f.; Leeman, Ratio 78ff. Für unsere Zwecke ist die Literatur nicht ergiebig.

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Verb verwendet wird, ist ein Poetismus des Claudius. Richtig Zimmerer 97 A. 43 17 . is . . . manu significare coepit utrisque, quiescerent (hist. 10b): Bemerkenswert die Vorliebe des Autors für coepisse. In diesem Fragment 2mal, in beiden Fällen wohl pleonastisch; sonst noch hist. 46; 72; 92; 95, in nicht sicher zu deutenden Verwendungsweisen. Die Häufigkeit wie auch der phraseologische Gebrauch von coepisse haben eine Parallele im Bellum Hispaniense und bei späteren Vulgärschriftstellern l8 . Schon ungefähr zur Zeit des Claudius hat man derartiges als umgangssprachlich empfunden: Rhet. Her. 4,10,14 steht 2mal phraseologisches coepit; hier wird das adtenuatum genus exemplifiziert, quod ad infimum et cottidianum sermonem demissum est. Der Konj. ohne ut ist zu allen Zeiten der Umgangssprache eigen19. Was speziell significare angeht: Das Verb wird hier erstmals mit Finalsatz verbunden; dann Cie. Att. 3,12,3, aber in diesem wie den sonstigen republikanischen Zeugnissen nur mit ut. Wenn Zimmerer 94 von dem „altertümlichen" Finalsatz ohne ut spricht, so wenigstens irreführend. pugnae facta pausa est (hist. 10b): pausa vor Quadrigarius überliefert im Senar Plaut. Poen. 459 ego pausam feci, in verschiedenen anderen Versmaßen Plaut. Persa 818; Rud. 1205 pausam fieri; True. 731 pausam fecit; Enn.ann. 586 pausam fecere fremendi; frg. var. 10; Acc. trag. 290 nobis datur bona pausa loquendi; Lucil. 18 pausam facit ore loquendi, Enniusparodie; Cornelia epist. frg. 2 20 . Nach dem Annalisten begegnet das Subst. mehrfach bei Lukrez ab 1,747, dann Gell. 19,5,4 und später. Der Befund erhält stärkeres Relief, wenn finis „zeitliches Ende" zum Vergleich herangezogen wird. Dieses Subst. bietet sich nicht nur aus semantischen sondern auch aus metrischen Gründen an: Ausgenommen Plaut. Mere. 652, könnte an sämtlichen Dichterstellen vor Quadrigarius finis in der vorausgesetzten Bedeutung metrisch durch pausa vertreten werden; außer Acc. trag. 577 handelt es sich bei den metrisch gleichwertigen Belegen durchweg um den Akk. finem. Die Belege wenigstens bis Quadrigarius sind vollständig Thes. VI 1,791,20 ff. zusammengestellt. Mit f.f. wird im folgenden die Verwendung der Junktur finem facere bezeichnet, finis im geforderten Sinn ist überliefert im Senar Plaut. Irin. 2, in sonstigen Versmaßen bei Plautus Mere. 652 und in der Form f. f. noch 3mal. Bei Terenz in Senaren Andr. 151 und in der Verbindung f.f. an 4 weiteren Stellen; in trochäischen Septenaren bei Terenz Andr. 821 f. f.; Ad.997 f.f. Bei Accius 4mal. Coel.hist.38. Dies alle sicher vor Claudius zu datierenden Belege. Cie. inv. 1,33 f. f. 17 18 19 20

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Weiteres Thes. s.v.; Heusch 64f. Zu der phraseologischen Verwendung solcher Hilfsverben allgemein Hofmann-Szantyr 796; zu coepisse besonders Löfstedt, Per. 209. VgL Hofmann-Szantyr 530 f. Ena ann. 344 quae . . . causa (causam trad.: pausa Bergk) pugnandi fieret ist pausa keine sichere Verbesserung.

Die Schlußfolgerungen: Bei Plautus gehört pausa nicht sichtlich höherer Rede weise an und darf als lebendes Sprachgut gelten; wenn das Subst. - ebenso wie ähnlich gebrauchtes finis - überwiegend außerhalb der Senare erscheint, so vermutlich aus inhaltlichen Gründen. Auch Ennius dürfte da das Wort aus der lebenden Sprache aufgreifen; vielleicht schon in den Anapästen des Accius, sicher bei Lukrez ist es Ennianismus, parodischer Ennianismus wohl bei Lucilius. Auf Fortleben von pausa in familiärer Sprache der Gracchenzeit deutet der Beleg in dem sehr persönlichen Brief der Cornelia21. Daß das Subst. für Quadrigarius bereits nicht mehr gelebt hat, ist nicht erweislich. Wenn Terenz das Wort meidet, dann vielleicht, weil es zu seiner Zeit als lebendes Idiom in niedrigere Sprachschichten gedrängt war. Aus einem ähnlichen Sprachgefühl heraus mögen auch die Dichter nach Lukrez pausa verschmäht haben. Bei Quadrigarius kann facta pausa est durchaus ein Ennianismus sein (Wölfflin 22); doch steht daneben die Möglichkeit, daß pausa und die Verbindung des Wortes mit facere unmittelbar aus niedrigerer lebender Sprache stammt. extemplo silentio facto (hist. 10 b): extemplo vor Quadrigarius im Senar Naev. com. 98; über 70 mal bei Plautus, davon rund 30mal in Senaren; Enn. ann.384; scaen.231; 420; im Senar Caecil.com. 160; bei Terenz in den trochäischen Septenaren Andr.518 und Нес. 373; Pacuv. trag. 140; Acc.trag. 385; Lucil. 129. Nach Quadrigarius Cie. Arat. 351; Q. Rose. 8 (codd.nonnulli, Beroaldus: exemplo codd. plures); Varro frg. Non. p. 263,5 im trochäischen Septenar; ling. 7,13 extemplo . . . est continuo; häufig in Dichtung seit Lucr. 2,763; Lieblingswort des Livius. Von den Ausdrücken ungefähr gleicher Bedeutung sei continuo verglichen. Das Adv. bei Plautus knapp 50mal, etwa ein Drittel der Belege in Senaren; im Senar Caecil. com. 171; bei Terenz 24mal, davon llmal in Senaren; Cato agr.3,2; 66,1; 71; Acc. trag. 130; Lucil. 998; im trochäischen Septenar Pompon. A tell. 153; Quadrig.hist. 10 b; Rhet. Her. 3,10,18 und später, extemplo tritt also wohl gerade in der Umgangssprache im Laufe des 2. vorchr. Jh.s zunehmend zurück. Ungefähr in der Mitte des 1. vorchr. Jh.s ist das Wort nur noch in dichterischer Sprache heimisch; wohl als Poeticum wird es von Livius aufgegriffen. Die Belege gestatten kein sicheres Urteil darüber, in welchem Stadium sich der skizzierte Prozeß zu Lebzeiten des Quadrigarius befindet. Immerhin: Wenn Cicero das Adv. in einem Passus wie Q.Rosc. 8 verwendet, so doch vermutlich als Ausdruck gesprochenen Lateins 22 . propter . . . inmanitatem facies (hist. 10b): Der Gen. facies kann für Claudius nicht als Besonderheit gelten. 244 zu hist. 30. 21

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Auf Umgangssprachliches in dem Latein des Bruchstocks weist Hanslik, WS 79, 1966, 304 ff. hin, der auch die Authentizität des Brieffragments untermauert Über mögliches Fortleben von pausa im Romanischen vgL die Meyer-Lübke 6308 modifizierenden Bemerkungen von J. Corominas, Diccionario critico etimolögico de la lengua castellana III, Bern 1954 s.v. posar. Zu dem Dargelegten und überhaupt zu den Bezeichnungen der Unmittelbarkeit einer Handlung Hofmann, Umgangsspr. 82 ff.

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deinde Gallus inridere coepit atque linguam exertare (hist. 10b): Zu coepit 232 zu hist. 10 b. Dies der älteste Beleg für exsertare; danach das seltene Wort Verg. Aen. 3,425; Sen. Med. 687, und später besonders bei Dichtern. Thes. s.v. Daß das Verb für Claudius dichterisch ist, ergibt sich aus diesem Befund nicht, zumal exserere erst Caes. Gall. 7,50,2 erscheint. Thes. s.v. Der Inhalt des Satzes legt die Annahme poetischer Sprachgestaltung auch nicht eben nahe. Livius schreibt 7,10,5 in der gleichen Zweikampferzählung, die er doch wohl in unmittelbarem Anschluß an Quadrigarius vorträgt 23 , linguam exserere. Ihm hat das Intensivum also nicht gefallen. id subito perdolitum est cuidam Tito Manlio summo genere gnato (hist. 10 b): Zimmerer 97 will hier einen Dat. auctoris erkennen. Das wäre für den Geschichtsschreiber nicht eine antiquierte Konstruktion. Aber viel näher liegt es, perdolitum est als Konkurrenz zu unpersönlichem perdoluit Ter. Eun. 154 aufzufassen 24 . gnatus fällt auf. natus scheint sich bei dem verbal gebrauchten Part, schon zur Zeit des Terenz im lebenden Latein durchgesetzt zu haben 25 . Aber in der alliterierenden Formulierung genere gnatus hat die alte Form wohl größere Widerstandskraft gehabt. Darauf deutet der Befund in der Plautusüberlieferung: Während natus hier im allgemeinen über gnatus weit überwiegt, dominiert gnatus in der Verbindung mit genere 26 . Vor Quadrigarius findet sich sonst genere gnatus noch 2mal Cato or. frg. 9 2 7 . Die Konkurrenz genere natus ist, von Plautus abgesehen, vor dem Annalisten überhaupt nicht mehr zu belegen 28 , nach ihm erst Cie. Verr. 11 3,62 eodem genere ac loco nati; II 5,180 qui nobili genere nati sunt. Vgl. Thes. VI 2,1888,35 ff. Die Möglichkeit, daß sich genere gnatus noch bis Claudius im lebenden Latein gehalten hat, ist nicht abzuweisen 29 . in ipso ponti (ponte QNX: ponti rell.) (hist. 10 b): Der Abi. ponti wird bei Neue23 24 25

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Dagegen Zimmerer 142 A.37; die von der Autorin vorgebrachte Begründung überzeugt jedenfalls nicht. So bereits Neue-Wagener III 38; zum D a t auctoris bei mir 254 zu hist. 71. Nach Köhm 128 ff. Ergänzend kann hingewiesen werden etwa auf natus LaeL or. frg. 20,22 Male.; Scip. min. or.frg. 21,12; 21,14 Male.; Hemina hist 24; Calp. hist 27. Ein gewisses Fortleben von gnatus noch nach Terenz läßt freilich Afran. com. 364 vermuten. Es ist auch zu berücksichtigen, daß die Überlieferung der Hss. zu Ungunsten von gnatus verzerren dürfte. VgL die Angaben von Köhm 129 ff. Allerdings ist, wie sich aus dem Apparat der Gelliusausgabe von Hertz, Bd. II, Berlin 1885, ergibt, an der zweiten Stelle gnatos nur in π überliefert; aber die ungewöhnliche Form verdient vielleicht trotz der schwachen Bezeugung den Vorzug vor dem trivialen natos. Von fern vergleichbar ist Ter. Ad. 297 talem, tali genere atque animo, natum ex tanta familia. Daß bei dem gnatus des Quadrigarius die Alliteration eine Rolle spielt, nimmt übrigens schon Wölfflin 14 an.

Wagener I 365 nur hier nachgewiesen, ponte steht erst Varro Men. 494 (Iunius: fonte trad.); Cie. S. Rose. 100. Im übrigen 123 zu Sulp. Ruf. Cie. fam. 4,12,2. cunctabundus(7r: cautabundus ς: cantabundus rell.) (hist. 10 b): cunctabundus ist Liv. 6,7,2 und später belegt, cantabundus noch Petron. 62 in der Erzählung des Niceros, cautabundus nirgends. Thes. s.v. Das Part, cunctans erstmals Cie. de orat. 3,36; cantans in der Republik nur Plaut. Most. 934 und Varro Men. 348; cautare ist nicht bezeugt. Ebensowenig wie die Verteilung der Belege gibt das Suffix -bundus an sich Anlaß, an einen Archaismus des Historikers oder sonst eine Besonderheit zu denken 30 . (Manlius Gallo) ei sub Gallicum gladium successit atque Hispanico pectus hausit (hist. 10 b): Zimmerer 96 erwähnt den Dat. sympatheticus unter den „Spuren altertümlicher Redeweise". Eine mindestens einseitige Charakteristik 31 . Der Dat. sympatheticus ist gerade in der lebenden Volkssprache aller Zeiten zuhause. In der puristischen Prosa Ciceros und Caesars tritt er gegenüber dem Gen. possessivus zurück 32 . haurire in dieser Weise erstmals hier. Sonst bis einschließlich Ovid: Lucr. 5,1324 (tauri) latera ac ventres hauribant subter equorum cornibus; Verg. Aen. 2,600 quos (propinquos) . . . hauserit ensis; 10,314 (Aeneas Theroni virorum maximo) gladio . . . latus haurit apertum; Ov. met. 5,126 (Cinyphio) haerenti latus hausit Abas; 8,371 (aper Eurytidae) rostro femur hausit adunco; 8,439 f. (Meleager) hausit . . . pectora Plexippi . . . ferro; 9,412 (donec) latus . . . hauserit ensis. Den nächsten Prosabeleg bietet, gewiß im Anschluß an Claudius, Liv. 7,10,10 (Manlius) mucrone subrecto cum . . . insinuasset se inter corpus armaque (Galli), . . . ictu ventrem atque inguina hausit. Die späteren Belege vorwiegend in Dichtung, gelegentlich in solcher Prosa, in der dichterische Sprachelemente nicht befremden. Angaben nach Thes. VI 3,2573,61 ff. 33 , haurire bezeichnet in den ausgeschriebenen Stücken vor allem einen seitlichen oder bzw. und von unten aufwärts geführten Stoß eines mit einer Stichwaffe Vorgehenden: eine Schöpfbewegung. Nur an zwei Stellen dringt der Stoß in den Bauch, 30

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J. Marouzeau, L'emploi du partieipe prisent Latin a l'6poque republicaine, Paris 1910, 78 bezeichnet die Bildungen auf -bundus als tot für die gesprochene Sprache, ohne freilich den gemeinten Zeitpunkt zu verdeutlichen. Weder für die ausgehende Republik noch auch für spätere Zeit ist das Urteil in dieser Allgemeinheit gerechtfertigt Man durchmustere die Sammlung von Langlois, REL 39, 1961, 132 ff. Etwa flammabundus, * foetibundus, palpabundus leben im Romanischen weiter; Meyer-Lübke s.w. Im Prinzip richtig Pianezzola 79 ff. und sonst; manche Einzelheiten bedürfen allerdings der Korrektur. Pianezzola behandelt 31 ff. das cunctabundus (? ) des Quadrigarius ausführlich, aber für unsere Zwecke nicht sehr ergiebig. Etwas besser die Autorin 107, wo das gleiche Sprachphänomen zu den Erscheinungen gerechnet wird, „die sonst . . . an umgangssprachliche Züge erinnern". Zu alldem insbesondere Löfstedt, Synt I 225 ff. mit sehr aufschlußreichen Beobachtungen; Weiteres bei Hofmann-Szantyr 94 ff. Thes. VI 3,25 7 3,83ff. werden aus frühkaiserzeitlicher Dichtung noch Verg. cataL 9, 31, diese Stelle vermutungsweise, und Verg. georg. 3 ; 105 (= Aen. 5,137) mit haurire in der vorauszusetzenden Bedeutung verknüpft. Zwingend ist das nicht.

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nur an einer werden ausdrücklich Weichteile genannt, die als herausgerissen gedacht werden könnten. In den Bauch dringt aber gerade das Erz, wenn es in Homers Kampfszenen die evrepa herausquellen läßt, διαφύσσβι: Ilias 13,507 f.; 14,517f.; 17,314f. Anders Odyssee 19,450, wo der Eber viel Fleisch aus Odysseus' Schenkel herausreißt. An eine besondere Führung des Stoßes ist bei διαφύααβιν nicht gedacht. Weshalb entfernt sich die Gebrauchsweise von haurire in der lateinischen Dichtung so weit von dem διαφύσαβιν Homers? Vermutlich, weil die Verwendung des lateinischen Verbs durch einen vorpoetischen Sprachgebrauch fixiert ist. Zu der Annahme paßt ein lang bekanntes Zeugnis. Serv. auct. Aen. 10,314 wird zu haurire erklärt: quidam militarem (Schöll: italicam trad.) elocutionem putant; cum enim a latere quis aliquem adortus gladio occidit, haurit illum dicunt. Diese Redeweise werden sich die Dichter zunutze gemacht haben, um für das διαφύσαβιν Homers ein lateinisches Analogon zu schaffen. Nichts nötigt dazu, den Prozeß vor Lukrez zu setzen. Bei Quadrigarius kann pectus hausit entgegen der Auffassung Zimmerers 113 und anderer Gelehrter durchaus unpoetisch-normale Ausdrucksweise sein. Bezeichnend die Fortbildung der Formulierung bei Livius: Der Stoß geht nicht in das pectus, sondern in ventrem atque inguina. Homerisierende Umnuancierung34. (Manlius Gallo) humerum dextrum eodem concessu (consensu δ: concussu ς: concessu rell.: congressu Gronov: conisu Mommsen) incidit neque recessit umquam (hist. 10 b): concessus — so die beste Überlieferung35 — müßte hier etwa den Zusammenprall, das Aneinandergeraten bezeichnen. Zimmerer 103 f. verteidigt diesen Sprachgebrauch als Kunstgriff des Autors, ein etymologisierendes Zurückgehen auf die Grundbedeutung des Wortes. Aber es gibt kein sicheres Indiz dafür, daß der Annalist zu derartigen Künsteleien geneigt h ä t t e E t w a s anderes kommt hinzu. Bell.Hisp. 25,7 ist einhellig überliefert: propter equitum concessum, ut supra demonstravimus. Der Kontext ist lückenhaft, doch scheint mit dem concessus hier das Gleiche gemeint zu sein wie an der Claudiusstelle; vgl. Bell. Hisp. 25,2: equitum copiae concursus facere coeperunt. Wenn man concessus „Zusammenprall" bei Quadrigarius akzeptiert, muß man das Subst. in derselben Bedeutung ebenfalls im Bellum Hispaniense anerkennen 31 . Der Sprach34 35 36 37

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Wenig ergiebig die Thes. VI 3,2573,61 ff. zu dem Thema angeführte Literatur; hinzufügen läßt sich Heraeus 153. Auf sie fuhrt auch das sinnlose consensu. Die Verwechslung von concessu mit consensu ebenfalls Tac. dial. 25,3. Zu delectare „ablenken", was Zimmerer zum Vergleich heranzieht, bei mir 250 zu hist. 46. Die beiden Stellen verbindet schon Heubner 17 A.30; nach ihm A. Klotz, Kommentar zum Bellum Hisp., Leipzig/Berlin 1927, 87. concessus „Erlaubnis" taucht übrigens erst Cie. CaeL 28 auf und bleibt, von späterer Zeit abgesehen, wie viele derartige Verbalsubst. stets auf den AbL beschränkt. Thes. s. v. Erwähnung verdient in unserem Zusammenhang noch Apul. met. 9,2,6, wo überliefert ist: sine ullo concessionis suae periculo. Hier müßte concessio einen ähnlichen Sinn haben wie unser concessus. Die Herausgeber pflegen, Lipsius folgend, in congressionis zu ändern. Richtig?

gebrauch des Annalisten wäre also nicht singular, und auch daher nicht gut als individuelle etymologische Spielerei aufzufassen; denn eine Beeinflussung des jüngeren Autors durch den älteren kommt kaum in Betracht. Am ehesten würde man in concessus „Zusammenprall" ein zumindest nach Quadrigarius mehr niedersprachliches Idiom zu erkennen haben; damit wäre auch das sonstige Fehlen des Ausdruckes in der Literatur hinlänglich erklärt 38 . Allerdings hat der angenommene Sprachgebrauch an concedere, soweit feststellbar, keine semantische Stütze. Vgl. Thes. s.v. Die Möglichkeit, daß beide erörterten Stellen korrupt sind, ist nicht von der Hand zu weisen. Die in den Text passenden Formen von congressus böten sich dann am ehesten als Verbesserung an 39 . ne Gallus impetum icti (in ictu Q: istius ß: icti rell.: ictuis Lipsius) haberet (hist. 10b): Der Gen. icti ist anderwärts nicht belegt. Thes. VII 1,163,80. Wenigstens bis zum Ende der Republik ist ein Gen. von ictus sonst nicht nachzuweisen. (Manlius Galium) subvertit . . . ; ubi eum evertit eqs. (hist. 10 b): subvertere vorher nur Ter. Ad. 837, übertragen, nachher Lucr. 5,1136; bei Sallust öfter ab Catil. 10,4. In Dichtung gelegentlich seit Verg. georg. 3,241 (? ); Hör. epist. 1, 10.43. Auf zähes Fortleben des Verbs deutet eine Stelle wie Oribas. syn. 4, 28,10 Aa (ähnlich La) ut (serus lactis) . . . non subbertat stomacum (gr. χωρίς ανατροπής στομάχου), evertere, das offenbar praktisch synonym mit dem subvertere des Annalisten wäre, vorher bei Plautus; Enn.ann.258; Ter. Haut. 372; Acc. trag. 366; 400; dann Quadrig. hist. 8; Rhet. Her. 4,27, 37; 4,28,38; bei Cicero in verschiedener Verwendung über lOOmal ab Quinct. 74; 95; S.Rosc. 115; div. in Caec.7; außerdem Cael.Cic.fam. 8,16,5 (= Att. 10,9a,5); Bell. Afr. 26,3. Weiteres Thes. s.v. Auch dieser Befund rechtfertigt nicht die Annahme, daß subvertere bereits fur Quadrigarius altertümlich ist. Anscheinend aber wird das Verb jedenfalls in urbaner Sprache schon seit Ciceros Erstlingsreden gemieden. earn (torquem). . . sanguinulentam (hist. 10 b): torques (torquis) ist als Fem. hier erstmals sicher bezeugt; denn die Datierung von Naev. Iun. Cypr. II. frg. 1 ist unbestimmt. Die nächsten Belege sind Varro frg. Non. p. 228, 15; Prop. 4, 10.44. Als Mask, steht das Subst. Lucil. 409; dann erst wieder Cie. fin. 1,23. Das Genus von torques ist zur Zeit des Claudius wohl noch nicht fixiert. Zimmerer 113 deutet an, sanguinulentus sei für den Geschichtsschreiber poe38

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Sprachliche Bande zwischen Quadrigarius und dem Bellum Hispaniense gibt es auch sonst. 232 zu coepisse hist. 10 b und sonst; 256 zu tempore magno hist. 81; 257 zu septimo hist. 82; 260 zu (de)populare hist. 95. Daß congressus, nach Thes. s.v. zum erstenmal Cie. Sull· 16 zu belegen, in der vorausgesetzten Bedeutung erst Cie. de orat 2,317 auftaucht, macht kaum besondere Schwierigkeiten. VgL congressio in ähnlicher Bedeutung Quadrig. hist 10 b. In den Codd. werden gelegentlich incessus und ingressus verwechselt. Thes. VII 1576,60. conisus ist nicht belegt

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tisch 40 . Eine ungerechtfertigte Vermutung. Das Wort erscheint in Dichtung zuerst Tib. 2,6,40 41 , dann 15mal bei Ovid ab am. 1,12,12; Epiced. Drusi 320; Sen. Ag. 82. Vorher aber und sonst ist es in Prosa nachzuweisen: Von der Claudiusstelle abgesehen, Rhet.Her. 4,39,51; Varro frg.Non.p. 117,23; Non.p.465,25; und später. Die poetischen Belege entstammen außer Sen.Ag. 82 elegischer Dichtung. Hier leitet das Adj. durchweg das zweite Hemiepes des Pentameters ein; ein bequemes Mittel 42 , diesen Versteil vor dem zweisilbigen Endwort auszufüllen. Nichts gibt dazu Anlaß, die Verwendung von sanguinulentus der Dichtung vor oder zu der Zeit des Quadrigarius zu vindizieren; für den epischen Sprachgebrauch wird man das Adj. erst recht nicht in Anspruch nehmen dürfen: Selbst Ovid meidet es in epischer Dichtung vollständig. Die Verbreitung des metrisch gleichwertigen pulverulentus bietet eine gute Folie zu dem vorgelegten Befund. In Prosa erst Cie. Att. 5,14,1 und Varro rust. 3,16,20 bezeugt, erscheint es in Dichtung Cic.Arat.25; Lucr.5,742; Verg.georg. 1,66; Aen.4,155; 7,625; 12,463 und einigemal später am Hexameteranfang43. In Quadrig.hist. 10b hat sich kein einziger Archaismus oder Poetismus des Annalisten verläßlich nachweisen lassen44. Manche Idiome sind dagegen mit einiger Wahrscheinlichkeit bestimmten Bezirken der Claudius zeitgenössischen Sprache zuzuteilen: Das 2 malige pleonastische coepit und subvertere sind wohl schon in dieser Zeit familiäre oder niedersprachliche Ausdrücke; möglich ist eine derartige Einstufung auch bei anderen Idiomen des Fragments. Gellius meint 9,13,4 über den Passus: (pugnam) Claudius . . . purissime atque inlustrissime simplicique et incompta orationis antiquae suavitate descripsit. Auch Gellius hat danach anscheinend nicht die Verwendung poetisch-ennianischen Sprachmaterials als Merkmal des Bruchstücks empfunden. Das Urteil des Archaisten, das in diesem Punkt durchaus von Gewicht ist, stimmt zu dem Ergebnis unserer Untersuchung. Die Darstellung des Zweikampfs war, wie ausgeführt, für epische Gestaltung besonders offen. Unter diesem Aspekt mahnt der vorgelegte Befund zu ziemlicher 40 41 42

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Aber 121 A.136 zitiert sie zustimmend Marouzeaus Ansicht, das Adj. sei ein Vulgarismus. Lucr. 2,631 ist sanguinolenti eine Konjektur Bentleys. Ovid bemüht sich niemals um einen anderen entsprechenden Ausdruck an dieser Versstelle, wenn sanguinulentus (-a) metrisch und semantisch paßt; am. 3,8,10 ι sanguine pastus ist nicht ganz äquivalent An gleicher Versstelle wie sanguinulentus verschiedentlich ab Ov. am. 1,15,4. Ein eingehender Vergleich mit der wohl unmittelbar abhängigen Erzählung Liv. 7,9,8 ff. würde dieser Feststellung noch schärfere Konturen geben. Hier soll nur auf einige Kleinigkeiten hingewiesen werden: Liv. 7,10,9 constitere steht Quadrig. hist. 10 b constiterunt gegenüber; dazu 199. Liv. 7,10,9 ensis, wozu 210 A. 4, steht 3maligem gladius Quadrig hist. 10 b gegenüber. Liv. 7,10,10 wird das haurire des Claudius homerisierend umnuanciert; darüber 235 f. zu hist. 10 b. Über das rein Sprachliche hinaus weist überhaupt die livianische Darstellung mancherlei epische Züge auf; man halte etwa Liv. 7,10,1 neben Ilias 7,92 f. Weiteres bei Zarncke 279f. Solche Züge fehlen in der Schilderung des Claudius.

Skepsis gegenüber der Auffassung, die Sprache des Quadrigarius sei weitgehend vom Anschluß an Ennius oder die Dichtung überhaupt beherrscht. per sexennium vagati Apuliam . . . expolabantur (vulgo: expolabatur LB^: expoliabatur A ^ : spolabatur C A ) (hist. 11): Das Bruchstück überliefert Nonius ρ. 480,9 unter dem Lemma spolor pro spolio. Hier gleichfalls Afran.com. 42: quos impune depopulatur [et] despolatur dedecus. Enn.ann.619 steht spoliantur eos. Sonst begegnet vor Claudius lediglich exspoliare nach Thes. V 2, 1905, 51, despoliare nach Thes.V 1,749,9 ff., spoliare sicher ζ. B. Plaut. Bacch. 1094; Pseud. 583. Das Simplex passivisch Quadrig.hist. 10 b. Der Sprachgebrauch des Schriftstellers ist schwer zu beurteilen. Man muß in diesem Falle wie auch sonst bei uns weniger vertrauten genera verbi, die Quadrigarius verwendet, wohl mit einem großen Dublettenreichtum in dem gesprochenen Latein dieser Zeit rechnen 45 . Latini subnixo animo ex victoria inerti consilium ineunt (hist. 13): Zu dem Attribut in der Wendung subnixo animo bemerkt Gellius 17,2,4: quasi sublimi et supra nixo, verbum bene significans et non fortuitum. Die Verbindung scheint ihm danach nicht geläufig zu sein. Sie findet indessen ihre Parallele Liv. 4,42,5: subnixus et fldens innocentiae animus. Vor Quadrigarius begegnet subniti im übrigen lediglich im jambischen Septenar Plaut. Persa 307 subnixis alis me inferam, danach erst Cie. de orat. 1,246; rep. 6,21, in ähnlichem Zusammenhang wie bei dem Annalisten, freilich anderer Konstruktion rep. 2,45: rex . . . victoriis divitiisque subnixus; vgl. auch Liv. 25,41,1; 26,13,15. In Dichtung ist das Wort selten, nach Plautus zuerst Verg. Catal. 3,1. An einen Archaismus oder Poetismus des Claudius wird man nach all dem hier nicht denken. qui (adulescens) adprime summo genere gnatus erat (hist. 15): Über genere gnatus 234 zu hist. 10 b. adprime bezeichnet Gellius 17,2,14 als crebrius gegenüber cumprime. adprime erscheint vor Quadrigarius Plaut. Cist. 125 ( ? ) im Senar, Plaut. Rud. 735 und Trin.373 in trochäischen Septenaren, Ter. Andr. 61 im Senar, Ter. Нес. 247 im jambischen, Eun. 952 im trochäischen Septenar; nachher Varro rust. 3,2,17; Nep. Att. 13,3; Gell. 5,21, 1. In der Verbindung mit einem Superlativ ist das Adv. nur noch Schol. Cie. Bob. p. 158,12 belegt 46 . Thes. s.v. Gewiß hat adprime weit 45

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Zimmerer 111 f. deutet in verklausulierter Formulierung an, daß die ungewöhnlichen Genera des Verbs und manche andere auffallige Spracherscheinung bei Claudius Ergebnis bewußter grammatisch-analogetischer Sprachgestaltung seien. Aber bei vielen dieser Idiome sind irgendwelche Möglichkeiten einer Beziehung zur analgetischen Grammatik nicht ersichtlich. Und davon ganz abgesehen: Die Analogie ist eines der wichtigsten in der Sprache wirksamen Prinzipien. Wenn sich bei einem Autor Formen finden, die mit diesem Prinzip zu erklären sind, so beweist das zunächst nichts für einen Anschluß an analogetische Grammatik. Einen derartigen Anschluß würde man dann erst aus einem Text entnehmen dürfen, wenn dessen Sprache in auffälliger Weise durchweg oder weitgehend im Sinne der Analogie normiert wäre. Das ist bei Claudius nicht der Fall. Über parallele Erscheinungen Hofmann-Szantyr 167.

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über Quadrigarius hinaus gelebt, in puristischer Prosa früh gemieden. Vgl. 230 zu hist. 7 cumprime. sibi (Lucanis) per fallacias verba data esse (hist. 16): per fallacias ist sonst nur im trochäischen Septenar Ter. Haut. 1041 nachgewiesen, wo per fallaciam metrisch nicht paßt, und Amm. 28,1,7. Der PI. fallaciae, der etwa bei Cicero ausschließlich steht, ist aber nichts Besonderes. Das Gleiche gilt für per fallaciam, belegt im Senar Plaut. Asin. 69, im trochäischen Septenar Ter. Phorm. 1038, dann Bell. Hisp. 22,6 und gelegentlich in kaiserzeitlicher Prosa; vielleicht ist die Verbindung wenigstens in der Republik mehr familiär. Das Material Thes. VI 1,176,40 ff. ne id quoque (hist. 17): Dazu Gell. 17,2,18: ne id quoque dixit pro ne id quidem, infrequens nunc in loquendo, sed in libris veterum creberrimum'. Lebendig ist ne — quoque also noch im 2. nachchr. Jh., wennschon Gellius nicht recht geläufig. Gewiß als Gut des gesprochenen Lateins taucht die Wendung etwa noch Chiron. 450 auf 47 . Die Konkurrenz ne — quidem bereits Plaut. Asin. 149; in Prosa seit Cato or. frg. 18,1; or. frg. 56; Cornelia epist. frg. 2; Met. Num. or. frg. 58,6 Male.; L. Crass, or. frg. 66,45,41; 66,45,49 Male.; Rhet. Her. 1,16, 26. Gerade auch der anspruchsvollen Prosa scheint ne — quoque von Anfang an fremd gewesen zu sein. Wenn Zimmerer 102 die Verbindung unter dem Stichwort „Archaismus" erwähnt, so führt das zumindest in die Irre. parentes . . . capillo passo in viam provolarunt (hist. 19): Zimmerer 100 erkennt anscheinend in capillo passo einen poetischen Sg.48. Nach den Belegen Thes. III 314,68 ff. wird in Dichtung, anders als in Prosa gerade der PI. capilli bevorzugt49; der kollektive Sg. ist etwa bei Cicero durchaus die Regel, wie Thes. III 314,70 hervorgehoben wird, capillus passus steht vor Quadrigarius in den Senaren Ter. Haut. 290 (? ) und Phorm. 106; der nächste Beleg für die Junktur ist Caes. Gall. 7,48,3 passum (α: sparsum ß) capillum. Weiteres Thes. III 315,27 ff. 50 .Der Ausdruck ist für Quadrigarius fraglos nichts Besonderes51. 47

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Der Beleg bei Hofmann-Szantyr 448; hier auch Literatur. Liv. 10,14,13 ist freilich doch sehr verdächtig; quando - proficeret möglicherweise in den Text gedrungene Bemerkung eines Lesers. GelL 1,2,5; 11,5,4; 20,1,15 steht die Verbindung wohl in Nachahmung archaischer Literatur. Hache 6. Dagegen lehnt es die Autorin ab, den kollektiven Sg. von Völkernamen und Waffengattungen mit Wölfflin 18 ff. als Poetismus des Annalisten zu deuten, gewiß richtig. Derlei ist auch in der lebenden, besonders in der volkstümlichen Sprache verwurzelt Darüber besonders Löfstedt, Synt I 2 12ff.; zusammenfassend Hofmann-Szantyr 13 f. Übrigens ist Poenus Quadrig. hist 60 nicht sicher kollektiver Sg.; und wenn Wölfflin 19 diese Spracherscheinung S e a benef. 3,23,2 (= Quadrig. hist 80) auf Claudius zurückfuhrt, so ist das nicht mehr als eine Möglichkeit Jedenfalls seit Catull tritt das Subst im übrigen in der hohen Dichtung zurück. Thes. III 313,14 ff.; Axelson 51. Nach GelL 15,15,3 ist capillo passo wie passis manibus und velis passis eine im 2. nachchr. Jh. noch gebrauchte Phrase. Varro gramm. frg. 263, 229 Fun. hält nur den Gebrauch des Sg. capillus für erlaubt Zu allem noch Bruch, WS 70, 1957,44f.

Wölfflin 21 scheint provolare für dichterisch zu halten, kaum zutreffend. Das Verb, hier zum erstenmal bezeugt, begegnet in Dichtung 2mal bei Lukrez, dann ebenso oft bei Ovid; bei beiden Dichtern lediglich die Form provolat, eine der wenigen Formen, in denen das Wort für den Daktyliker brauchbar ist. In Prosa ist es nach Claudius zuerst Caes.Gall. 2,19,6 zu belegen, danach häufiger bei Livius. Es ist in etwas veränderter Bedeutung im Romanischen erhalten. MeyerLübke 6793 c. arrabo (hist. 20): nunc arrabo in sordidis verbis haberi coeptus, sagt Gellius 17,2,21. Noch zu dieser Zeit ist das Subst. also lebendig, freilich als verbum sordidum. Weiteres 203. plerique . . . inlatebrant sese (hist. 22): inlatebrare Thes. s.v. nur hier und an abhängigen Stellen belegt. Gellius kommentiert (17,2,3): verbum poeticum visum est. Das braucht nicht mehr als eine Vermutung zu sein. Über den Charakter, den das Verb zur Zeit des Claudius hat, ist daraus kaum etwas zu ersehen. Zimmerer 105 ist mit Recht skeptisch gegenüber dem Urteil des Archaisten. sua omnia frunisci (hist. 23): Das Verb, dessen Verbindung mit dem Akk. ganz geläufig ist, erscheint seit Plaut. Rud. 1022, in Literatur aus der Zeit des Quadrigarius Novius Atell. 77, danach erst wieder im Munde verschiedener Freigelassener Petron.43,6; 44,16; 75,3 und später. Thes. s.v. frunisci hat in der Volkssprache offenbar ein sehr zähes Leben gehabt. Die gehobene Sprache spätestens des l.vorchr. Jh.s hat das Verb aber gemieden 52 , frui erscheint in der Prosa dieser Periode seit Scaur, hist. 2; Cie. S. Rose. 44. Weiteres Thes. s.v. Zu dem lexikalischen Befund stimmt Gell. 17,2,5: (frunisci) rarius quidem fuit in aetate M.Tulli ac deineeps infra rarissimum, dubitatumque est ab inperitis antiquitatis an Latinum foret. Die Ausführungen des Gellius geben ein Indiz für die Verbreitung des Verbs im weitgehend puristischen Schrifttum. Über die Verwendung des Verbs in der lebenden Sprache vor Gellius können sie dagegen nichts lehren und sollen es auch nicht. Der Zweifel an der Latinität des Wortes, den die imperiti antiquitatis gehegt haben, gründet darin, daß sie es nicht bei Autoritäten finden konnten; für ein Schwinden des Wortes aus dem gesprochenen Latein besagt dieser Zweifel nichts 53 . Romani . . . praeda . . . ingenti copiantur (hist. 24): copiari, von — abhängigen? — Glossen abgesehen, nur hier. Thes. s.v. Gellius bemerkt 17,2,9 zu dem Verb: verbum castrense est nec facile id reperias apud civilium causarum oratores. nos in medium relinquemus (hist. 25): Die Ausdrucksweise gilt im 2. nachchr. Jh. als grammatisch inkorrekt (Gell. 17,2,11), auch uns ist fast ausschließlich in medio relinquere bekannt 5 4 . Diese Konstruktion aber nach Thes. VIII 591,67 ff. 52 53 54

Zu dem Verb auch Heraeus 64, der es richtig als „archaisch und vulgär" einstuft. Dem fugt sich auch Paul. Fest. p. 92 ein. Vgl. 18 A.22. Die Gelliusstelle mißdeuten Zimmerer 101; Nelson 129. Die bei dem Annalisten begegnende Ausdrucksweise ist, abgesehen von der Claudiusimitation GelL 7,14,9, ebenfalls Tac. Germ. 46,4 überliefert. Zimmerer vermutet 125

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erst Cic.Cael.48. In der Periode des Annalisten mag der Sprachgebrauch nicht fixiert sein. miserrimas vitas (vias NQ: vitas rell.) exegerunt (hist. 27): hie nimiis (Lambecius: mimis Q: mimus NO: minus(s) rell.) in otiis consumptus est (hist. 28): Zimmerer 100 meint wie manche andere Gelehrte, bei den И. der Subst. mit Sicherheit dichterischen Einfluß feststellen zu können s s . Sehen wir zu: Gellius hebt 17,2,23 keineswegs den poetischen Charakter der beiden Ausdrücke hervor, derentwegen er die Fragmente zitiert; er bemerkt lediglich: elegantia utrobique ex multitudine numeri quaesita est 56 . Die Mehrzahl von vita ist bisher von dem Quadrigariusbruchstück abgesehen, an folgenden Stellen nachgewiesen 57 : Ter. Ad. 415 im Senar; Cic.inv. 1,3; div.1,17 im Hexameter; 2,95; Lael. 87; nat. deor. 1,52; Sali. (? ) rep. 2, 5,6; Verg. georg. 4,224; Aen. 6,292; 6,433; 6,728; Quint, inst. 12,11,20; Tac. dial. 41,5; Aug.conf. 3,6,10; serm. 196,2,2. Die Sammlung ist gewiß nicht vollständig. Immerhin zeigen die vorgeführten Belege mit hinreichender Deutlichkeit, daß der PI. von vita an sich keineswegs der Dichtung eigentümlich ist. Das gilt auch, wenn man berücksichtigt, daß mit den vitae sehr Verschiedenes gemeint ist. Am nächsten kommen dem Sprachgebrauch des Annalisten Ter. Ad. 415; Cie. div. 2,95; Lael. 87; nat deor. 1,52; Verg. Aen 6,433; an den Stellen schweben ungefähr die einzelnen Lebensläufe mehrerer Personen vor. Auch in dieser Verwendung stellt der PL offenkundig kein spezifisches Poeticum dar. An sämtlichen angeführten Stellen hat die Mehrzahl durchaus pluralischen Sinn. Quadrigarius mag seine Formulierung, für die das zusammengestellte Material wirklich schlagende Parallelen nicht bietet, gewählt haben, weil es mehrere Personen sind, von deren Leben die Rede ist: Unbekümmerte Handhabung der Sprache5is.

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A. 151, Quadrigarius und Tacitus - letzterer durch Vermittlung Sallusts - seien in diesem Punkt von Cato abhängig. Die Hypothese wird durch Sali. CatiL 19,5 nicht eben empfohlen: in medio relinquemus. Über den gesamten Komplex, dem der erörterte Sprachgebrauch angehört, Hofmann—Szantyr 276 ff. Nach Maas 545; Wölfflin 58. nimiis in otiis hält auch Landgraf, ALL 14, 1906, 73 für dichterisch; ennianischen Einfluß vermutet hier Norden zu Verg. Aen. 6,813. Schon vorher ist die Zulässigkeit des PL vitae diskutiert worden. Plin. dub. serm.frg. 244,12 Mazz. vitas antiqui cuiuscumque nostrum dixerunt; sed grammatici pluralem numerum non putaverunt habere vitam. Die meisten der Belege bereits bei Neue-Wagener I 630. Denkbar noch, daß vitae durch PI. in der Nachbarschaft gestützt wäre. Eine andere Möglichkeit soll hier wenigstens angedeutet sein, obschon sie etwas gesucht ist: Das gute Latein verlangt Kongruenz der Numeri (Cie. de orat 3,40; vgL part 18). Von dieser Forderung her verstehen sich Äußerungen wie die Sisennas hist. 140 oder des Porcellus Sen. suas. 2,13. Es ist zu erwägen, ob nicht Claudius mit seiner merkwürdigen Ausdrucksweise den Erfordernissen der Latinitas besonders sorgfaltig Genüge tun wollte. Damit wäre für ihn nicht eine gründliche sprachlich-grammatische Ausbildung vorausgesetzt; im Gegenteil wäre gerade bei ihrem Mangel der Wunsch verständlich,

Etwas anders liegen die Dinge bei nimiis in otiis. Wie die bei Neue-Wagener I 632 zusammengestellten Belege zeigen, ist der PI. von otium spezifisch in der Dichtung sehr häufig. Aber er erscheint hier zum erstenmal Catull. 68,104; Cie. carm.frg. 11 (de consul.), 72; Lucr. 5,1387. Daß die Mehrzahl schon in der poetischen Literatur vor Claudius eine Rolle gespielt hat, ist nicht mehr als eine Möglichkeit. Ein entsprechender Rückschluß von dem Sprachgebrauch des Annalisten würde das erst nachzuweisende poetische Element in dessen Ausdrucksweise bereits voraussetzen. Was jedoch für die zu erörternde Auffassung viel mißlicher ist: Durchaus nicht alle Pluralformen von otium sind der Dichtung eigentümlich, sondern jedenfalls bis zum Ende der augusteischen Zeit allein Nom. und Akk. otia. Die Verwendung dieser Bildungen in daktylischem Metrum hat rein verstechnische Gründe 59 . In Lyrik gebraucht Catull nur Singularformen von otium, ebenso in den nichtdaktylischen Versmaßen Horaz. Die Annahme, der Geschichtsschreiber habe den Abi. otiis als poetischen Ausdruck empfunden und verwenden wollen, ist ungerechtfertigt. Andere Überlegungen machen die Formulierung des Schriftstellers eher begreiflich. In Dichtung wird, wie gesagt, die Mehrzahl otia aus verstechnischen Gründen verwendet; einen begrifflichen oder empfindungsmäßigen Unterschied zwischen diesem PI. und dem sonst üblichen Sg. otium wird man hier kaum je konstatieren mögen. Anders bei Quadrigarius. Erstens: Die Anwendung des PI. dient bisweilen der Steigerung des Ausdruckes 60 . Eben diese Nuance mag der Numerus in der Wendung des Annalisten haben, der ja von den nimia otia spricht 61 . Zweitens: Colum. 1,8,2 ist otiis der umfassende Ausdruck für die verschiedenen Äußerungen des Müßigganges, die darauf mit campo, circo, theatris usw. entfaltet werden. Es ist zu erwägen, ob nicht dem Geschichtsschreiber eine ganz ähnliche Vorstellung vorschwebt 62 . Vielleicht sind beide vorgeschlagenen Deutunin einem auffallenden Einzelfalle die bekannte Regel der Techne zur Anwendung zu bringen. 59 60

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VgL Löfstedt, Synt. I 4 6 ; für den Gebrauch des PL statt des Sg. sei überhaupt auf Löfstedt a. O. 27 ff. verwiesen; zusammenfassend H o f m a n n - S z a n t y r 15 ff. Vgl. etwa Rhet. Her. 4 , 3 3 , 4 5 ; Ps. Longin de subl. 2 3 , 2 f f . ; H o f m a n n - S z a n t y r 18. Ein beachtenswertes Beispiel für dieamplifiziercnde Kraft des PI. auch Rhet. Her. 4 , 1 0 , 1 4 : iste clamare voce ista quae perfacile cuivis rubores (РВСЫ: robores H: ruborem d: rumore π) eicere potest. Die Einzahl rubor ist in Prosa wie in Dichtung, in der die Mehrzahl bis einschließlich Ovid lediglich Verg. georg. 3,307 auftaucht, durchaus das Übliche; mit Poctismen ist in dem adtenuatum genus, aus dessen Exemplifizierung der angeführte Satz stammt, ohnehin nicht zu rechnen. Der PI. ist eben nachdrücklicher: „Dunkle Röte". Das Adj. tritt zu otium auch Ter. H a u t 109; Cie. de orat. 3,57. Das würde bei Löfstedt, Synt. I 3 4 unter die Rubrik fallen: „Abstrakta, die wiederholte Vorgänge, Handlungen, Zustande oder Arten bezeichnen". Ähnlich wie die Ausdrucksweise an der Columellastellc ist wohl auch Tac. ann. 14,20,4 zu deuten, die Jugend entarte gymnasia et otia et turpes amores exercendo. Verwandt ebenfalls Quint, i n s t 6,2,30: inter otia animorum et spes inanes et velut somnia quaedam vigilantium . . . nos . . . imagines prosecuntur. Der PL von otium ist in beiden Passus durch die in unmittelbarer Nachbarschaft stehenden Mehrzahlformen erleichtert, was auch bei Quadrigarius der Fall gewesen sein könnte.

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gen richtig; sie schließen einander schwerlich aus. Auch bei dieser Betrachtungsweise gibt es Beziehungen zwischen dem in der daktylischen Dichtung üblichen Sprachgebrauch und der Formulierung des Claudius; nur sind diese Beziehungen anderer Art als man gemeinhin annimmt: Die Ausdrucksweise des Annalisten läßt uns einen Blick tun auf das natürliche sprachliche Substrat, auf dem die Anwendung des PL in der poetischen Kunstsprache beruht. arboreta (hist. 29): Von Glossen abgesehen, nur hier belegt, aber im Romanischen erhalten. Thes. s.v. Vgl. auch Meyer-Lübke 607. arboreta ignobilius verbum est, arbusta celebratius, kommentiert Gellius 17,2,25. arbustum, das im Romanischen nicht fortgesetzt ist, begegnet seit Naev. trag. 26, in Prosa verschiedentlich seit Cato agr. 7,1; Cic.Cato 54. Thes. s.v. Gen. facies und facii (hist. 30): Der Gen.facies steht Quadrig.hist. 10 b 6 3 , facii ist nirgends nachgewiesen. Die Konkurrenzbildung faciei erscheint zuerst Ov. medic, tit., ist dann wenigstens bis zum Ende des l.nachchr. Jh.s nicht mehr nachzuweisen 64 . Vermutlich nicht nur zur Zeit des Annalisten, sondern noch später stehen verschiedene Formen des Gen. miteinander im Wettbewerb65. cum non possetur decerni, utrius putaretur victoria esse (hist. 33): Nach Zimmerer 91 wären die Passivformen von posse Archaismen des Claudius. Nicht notwendig. 218 f. zu Coel. hist. 7. possetur ist vielleicht durch das folgende putaretur assoziiert 66 . non ignaviter potando (hist.37): ignaviter nach Thes. VII l,282,16ff. vor dieser Stelle Lucil. 537, nachher Hirt. Cie. Att. 15,6,2; Bell. Afr. 81,1, hier in der Verbindung non ignaviter. Das konkurrierende ignave nach Rhet. Her. 3,8,15 erst Cie. Tusc. 2,55. Thes. VII 1,281,82 ff .Die von Quadrigarius gebrauchte Form lebt fraglos; vielleicht ist sie schon in dieser Zeit mehr umgangssprachlich 67 . desubito (hist. 38): Zimmerer 113 vermutet, wohl im Anschluß an Wölfflin 63 64 65

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Plin. dub. serm. frg. 255,27 Mazz. ist - in plinianischem Wortlaut? - o s . . . facies überliefert. Man sollte facies nicht antasten. Vgl. auch unten A. 65. Nach Thes. VII 1,44 ff. erst wieder Tert adv. Marc. 5,11 p. 612,1; vgL aber schon Gell. 9,14,2. Noch der ältere Plinius scheint sich über die korrekte Form nicht im klaren zu sein; nat. 35,90 geht er dem Gen. von facies bewußt aus dem Wege, indem er schreibt: partem e facie. Der aufschlußreiche Hinweis bei Sommer 396. (Plin. nat. 35,176 ist faciei nicht einwandfrei überliefert und obendrein möglicherweise D a t ) . Sehr lehrreich in diesem Zusammenhang Hofmann-Szantyr 68. Zu dem Gen. der 5. DekL auf -es im allgemeinen auch die — lückenhafte — Sammlung bei Neue-Wagener I 572. Bemerkenswert ist das Vorkommen derartiger Bildungen bei Vitruv: materies 2,9,13; 2,9,16; notities 6 praef. 5, doch wohl lebendes Latein. Zu dem Gen. a u f - i GelL 9, 14. Zu allem noch Sommer 396. Ähnliche Reimassoziationen spielen wohl auch sonst bei Claudius eine Rolle. Mit bewußt er Kunst wird man in solchen Fällen kaum rechnen. Vergleichbares aus niedersprachlichem Spätlatein bei Bieler, C&M, 12, 1951, 150; 170. Zu den Adv. a u f - t e r im allgemeinen Löfstedt, Per. 278' mit Literatur; weiteres bei Svennung 537; Heusch 90 f.

21, bei dem Adv. dichterische Provenienz. In der Tat ist desubito vor Quadrigarius nur in Dichtung bezeugt. Aber das Gleiche gilt von den Synonymen repente, subito; derepente erscheint in der Prosa der Periode nur Cato orig. 95 c, relativ oft in Dichtung. Außerdem entstammen die Dichterbelege für desubito überwiegend Komikern, darunter auch Zeitgenossen des Annalisten: z.B. Pompon. Atell. 102; Novius Atell. 89 68. Der Befund läßt in desubito nicht einen Poetismus des Quadrigarius vermuten. Auch hat das Wort, das im Romanischen erhalten ist, offenbar immer in bestimmten Sprachschichten gelebt. Der Purismus hat das Wort verschmäht. Es gibt zahlreiche Belege etwa für subito in der Prosa seit Quadrig. hist. 10 b; Sisenna hist. 45; 104; Rhet. Her. 4,34,45; 4,52,65; Cie. inv. 1,3; 2,96; 2,97: desubito steht in republikanischer Prosa nur noch Cie. rep. 6,2, hier wohl in Nachahmung der unpuristischen Ausdrucks weise der Alten. Das Material Thes. s.v. comprehensare suos quisque, saviare, amplexare (hist. 39): In dem Thes. s.v. nur hier nachgewiesenen comprehensare vermutet Zimmerer 106 eine dichterische Form, da das Simplex prehensare am frühesten und häufigsten bei Dichtern, dann bei poetisierenden Prosaikern erscheine. Es ist mißlich, ein nirgends in Dichtung bezeugtes Wort als poetisch einzustufen. Der Hinweis auf das zu dem Kompositum gehörige poetische Simplex macht diese Einordnung nicht besser; die Beliebtheit eines Simplex in der Dichtung bedeutet durchaus nicht, daß ein von ihm abgeleitetes Kompositum der poetischen Ausdrucksweise angehört 69 . Obendrein ist jedoch nicht zu erweisen, daß pre(he)nsare in der Zeit des Quadrigarius in der Dichtersprache heimisch ist. Das· Verb begegnet zuerst Cie. de orat. 1,112; Att. 1,1,1 (2mal) als Bezeichnung für das Bitten um Stimmen bei der Ämterbewerbung. Nur so oder ähnlich verwendet Livius das Wort, bei dem es sich insgesamt 12mal findet, davon l l m a l in der 1.Dekade; die einzige Ausnahme Liv. 4,60,1, wo pre(he)nsare das dankbare Ergreifen von Händen meint. An den Stellen, an denen das Wort bei Vergil erscheint (georg. 4,501; Aen. 2,444; 6,360; 12,404), hat es nicht die mehr übertragene Bedeutung wie bei Cicero und normalerweise Livius, sondern durchaus konkreten Sinn. Nach Vergil wird das Verb noch öfter in Dichtung verwendet. Bei der Unterschiedlichkeit des Gebrauches, den Vergil und Livius von pre(he)nsare machen, geht es nicht an, das häufigere Vorkommen des Wortes bei beiden Autoren auf den Einfluß älterer Poesie zurückzuführen; nichts steht der Annahme im Wege, daß erst Vergil das Verb in die Dichtung eingeführt hat 7 0 . 68 69

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desubito ist freilich in Senaren sehr selten; aber nicht viel anders verhält es sich mit den genannten Synonymen. Hier sind offenbar inhaltliche Momente im Spiel. Ζ. B. wird caedere in Dichtung gem verwendet, occidere in der gehobenen Dichtersprache gemieden, rogare ist in poetischer Literatur nicht unüblich, interrogare verpönt. Axelson 65 ff.; über den Gebrauch von Simplicia statt Komposita in der Dichtung Leumann, Dichterspr. 133, Weiteres bei Hofmann-Szantyr 298 ff. Das gegen Norden zu Verg. Aen. 6,360. Im Gegensatz zu Nordens und Zimmerers

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Von saviare (-ri) sind vor Claudius weder die deponentischen noch die aktivischen Bildungen nachzuweisen. Bei den ungefähren Zeitgenossen des Annalisten Pomponius Atell. 84 und Novius Atell. 81/2 je einmal die aktivische Form. NeueWagener III 88 71 . Das Dep. erst Catull.9,9; 45,12; Cie. Sest. 111. Was amplexare (-ri) angeht, so ist auch im Latein vor Quadrigarius das Dep. durchaus die Regel. Die aktivische Form in dieser Periode im Senar Acc. trag. 70, danach Petron. 63,8 im Munde Trimalchios, häufiger im Spätlatein. Thes. 11995, 10 ff. An unserer Stelle ist die Verwendung des Akt. wohl durch die vorausgehenden Aktivinf. nahegelegt worden (Reimassoziation). Quadrig. hist. 41 ist ein Brief, in dem die Konsuln Pyrrhus über den Giftanschlag des Nicias informieren. Gellius, der das Fragment erhalten hat, leitet es 3,8,7 mit den Worten ein: litteras, quas ad regem Pyrrum (consules) . . . miserunt, Claudius Quadrigarius scripsit fuisse hoc exemplo. Der Annalist hat anscheinend vorgegeben, das vor 200 Jahren verfaßte Schreiben getreu zu reproduzieren. Natürlich ist in Wahrheit Quadrigarius selbst der Autor. Hätte er archaistische Neigungen, so würde er ihnen doch wohl in einem solchen Brief besonders nachgeben 72 . Wir prüfen die verdächtigen Einzelheiten. inimiciter (hist. 41): Die Bildung vorher Acc. carm. frg. 7, nachher Tubero hist. 5. Das Synonym inimice steht erst Cie.Phil.2,34; nat. deor. 1,5; Plancus Cic.fam. 10, 24,6; Pubiii. I 19, dann einigemal bei Livius. Alles nach Thes. VII 1,1634,4 ff. inimiciter kann noch zu Tuberos Zeit lebende Konkurrenz von inimice gewesen sein und ist bei Claudius keine Besonderheit. communis exempli et fidei ergo visum, ut te salvum velimus (hist. 41): Die Präpos. ergo ist, soweit ersichtlich, ursprünglich auf juristisch-amtliche oder sakrale Ausdrucksweise beschränkt. Auf den amtlichen Ton in dem Brief der höchsten Beamten kommt es wohl auch Quadrigarius bei dem Gebrauch der Präpos. ergo an; sie ist eher als sondersprachlicher Terminus denn als Archaismus aufzufassen 73 . victoriae ergo schreibt etwa später Nepos Paus. 1,3,wo er den Inhalt eines Weiheepigramms referiert; dahinter steht ein vergleichbares Motiv. Das Material Thes. s.v. id nos negavimus velle, neve ob eam rem quiequam commodi expectaret, et simul visum est, ut te certiorem faceremus, ne quid eius modi, si accidisset, nostro consilio civitates putarent factum, et quod nobis non placet pretio aut

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Bemerkungen gibt es bei Horaz keinen sicheren Beleg fur pre(he)nsare; sat. 1,9,64 konkurriert es in der Überlieferung mit pressare. Eine zweifelhafte Konjektur Büchelers ist saviavit Pompon. Atell. 18. Welche Konsequenzen das haben könnte, illustriert die Duiliusinschrift. Zu der Fälschungsfrage Leumann, Glotta 27, 1939, 77 f., von wo aus man die ältere Literatur findet. Wie ein offizieller Brief ungefähr zur Zeit des Quadrigarius aussieht, verdeutlicht die Epist. praet ad Tiburt. (CIL I 2 586). Ein ganz ähnlicher Sprachgestus bei dem dicier Vatin. Cie. fam. 5,9,1. Dazu 126. Kaum richtig Zimmerer, wenn sie 99 die Präpos. ergo unter den fiir die Sprachgestaltung des Claudius symptomatischen Idiomen erwähnt.

praemio aut dolis pugnare (hist. 41): Für Zimmerer 124 sind quicquam commodi und quid eius modi „archaische Erscheinungen". Der partitive Gen. nach quicquam läßt sich im ciceronischen Briefkorpus fast 30 mal belegen. Häufigere Verbindungen sind: quicquam certi z.B. Cie. Att. 3,8,1; fam. 12,18,1; Cael. Cic.fam. 8,1,4. quicquam novi z.B. Cie. Att. 8,14,1; fam.7,1,3; Cael. Cie. fam. 8,4,4. Daneben gibt es Formulierungen wie quicquam oneris Cie. Att. 9,15,5; fam. 3,5,4; quicquam firmitudinis Cie. Att. 11,14,2. Relativ oft derartige Junkturen auch in Ciceros Philosophica. Verhältnismäßig viel seltener ist die Ausdrucksweise in Ciceros Reden und der sonstigen Prosa, ohne doch hier zu fehlen. So etwa Cie. Font. 11 quicquam negotii; Caes.Gall. 5,41,5 quicquam praesidii 74 . Der qualitative Gen. eius modi ist weit verbreitet und auch Cicero ganz geläufig. Beispiele Thes. VII 2,483,6 ff. Eine Parallele zur Formulierung des Annalisten Cie. Sull. 31 si quid eius modi facis. dolis wäre nach Wölfflin 17 als poetischer PI. zu werten; denn der Ausdruck sei nur auf den Giftanschlag zu beziehen. Das überzeugt nicht 7S . Der Brief ist sehr auf das Grundsätzliche abgestimmt; auch in dem uns interessierenden Satz geht es wohl um die prinzipielle Einstellung der Römer, die natürlich auch für den konkreten Einzelfall gilt. Mit dolis werden zusammenfassend die Möglichkeiten hinterhältiger Kampfweise umkreist; der Ausdruck ist durchaus pluralisch zu verstehen. Auch der PI. doli als solcher ist für Quadrigarius nicht erweislich poetisch. Der PI. kommt zwar vor Claudius ausschließlich in Dichtung vor, und hier häufiger als der Sg. Aber die poetischen Belege für doli finden sich in dieser Periode außer Naev. trag. 37 lediglich bei den Komikern; und bei ihnen ist das zahlenmäßige Verhältnis des PI. zum Sg. in den Senaren praktisch dasselbe wie in der Gesamtheit der anderen Versmaße. Pluralisches doli liegt also der Umgangssprache plautinischer und terenzischer Zeit durchaus nicht fern. Die stereotype singularische Wendung dolus malus ist in den angegebenen Relationen nicht eingeschlossen; die Wendung bleibt auch im folgenden außer Betracht. Der Sg. steht sonst in republikanischer Literatur nur Enn. scaen. 252; Cato or. frg. 10,1; Acc. trag. 535; Rhet. Her. 3,2,3 (2mal), wo die Pluralbildung des Subst. kaum adäquat wäre; bei Cicero 5mal ab Tull. 34 statt dolus malus; ferner Verr. II 5, 31; Lucr. 2,557 und später einigemal. Der PI. erscheint in der Republik noch Rhet. Her. 4,53,66; Catull. 23,10; Cie. nat. deor. 3,73; Bell. Afr. 73,2, an all diesen Stellen in engem Zusammenhang oder in Korrespondenz mit anderen pluralischen Ausdrücken. Recht häufig steht der PI. bei Sallust ab Catil. 11,2, nie dagegen bei Livius. In Dichtung ist die pluralische Ausdrucksweise beliebt seit 74 75

Die Ausführlichkeit der Darlegung, weil Hofmann-Szantyr 52 f. leicht einen falschen Eindruck von der Verbreitung des Phänomens erwecken könnten. Gegen Wölfflins Auffassung auch Zimmerer 100. Die Autorin erklärt den PL aus der Technik des Annalisten, das letzte Glied zu variieren. Die Belege, die Zimmerer 115 für dieses Stilprinzip zusammenstellt, sind zu heterogen, um beweiskräftig zu sein.

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Verg. georg. 4,346; auf Quadrigarius läßt die seit augusteischer Zeit zu beobachtende Sprachpraxis keine Rückschlüsse zu. tu nisi caves iacebis (hist. 41): iacere wohl „tot daliegen", fast „tot sein". Die nächsten Belege, die Thes. VII 1,8,28 ff. nach dieser ältesten Stelle für den Sprachgebrauch angeführt werden, sind Ov.met. 13,495; Sen. contr. 9,4,2 (verba Musae) und späteres aus der Dichtung Stammendes. Doch ergibt sich jedenfalls vor Sen.Phoen. 652 die spezifische Nuancierung des iacere wesentlich ungezwungener aus dem Zusammenhang als bei Claudius. Der Befund genügt nicht, hier fur Quadrigarius einen Poetismus zu postulieren. Eher ist der zitierte Schlußsatz so abrupt gehalten, weil er ein knappes vale ersetzen soll. Ausdrücke, die fur Quadrigarius dichterisch wären, lassen sich in dem behandelten Text nicht aufspüren. Das ist nicht verwunderlich. Recht auffällig aber ist, daß in dem angeblich so alten Brief auch keine Archaismen des Annalisten nachzuweisen sind. Dieses Ergebnis läßt die Ansicht, Claudius archaisiere, nicht als ratsam erscheinen. hostium copias ibi (AV: copia sibi P: copia tibi R ) occupatas futurum (hist. 4 3 ) 7 6 : Der indeklinable Inf. des Fut. auf -urum ist einigemal bei Plautus zu belegen, dann Cato orig. 104; Lucil. 538; Gracch. or. frg. 48,34 Male, im Jahre 123; Sulla hist. 20 rem perventurum esse; Val. Ant. hist. 59 omnia . . . processurum esse; Cie. Verr.II 5,167 rem . . . futurum (codd. recc., Gell. 1,7,2 diserte: futuram PH: esse futurum Q); Laber. mim. 51; CIL I 2 2520,13, auf einer vor 4 0 a. Chr. datierten Verfluchungstafel. Ein sicheres späteres Zeugnis bietet etwa noch Varro rust. 1,68. Die Spracherscheinung ist zweifellos bis über die sullanische Zeit hinaus lebendig gewesen 77 . Die rednerische Prosa und die an ihr orientierte Ausdrucksweise meidet aber allgemein den Inf. auf -urum wenigstens in den letzten etwa 4 0 Jahren der Republik: In der Rhetorica ad Herennium gibt es sicher 13 Fälle, in denen sich bei Inf. Fut. das Part. Fut. nach dem Bezugswort richtet; in Ciceros De inventione 8 Fälle 7S . Die Bildung des Inf. Fut. Pass, mit 76

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Der Apparat in Anlehnung an den der Hertzschen Gelliusausgabe, Bd.1, Berlin 1883. Zimmerer 97 schlägt statt dessen copias sibi occupatas futurum vor. Möglich, aber unnötig. Vielleicht noch viel länger. Vgl· Bulhart, WS 70, 1957, 80 ff., wo auch schon die im Text gebotenen Stellen gesammelt sind. Wenn man aus der Frequenz der Belege auf die Verbreitung der Erscheinung schließt, so wird man zu berücksichtigen haben: Ein Großteil der Belege entstammt Sammlungen der antiken Grammatiker. Andrerseits ist mit der Möglichkeit zu rechnen, daß den Normalisierungstendenzen der Hss. mancher Inf. auf -urum ganz zum Opfer gefallen ist Allgemein über die Spracherscheinung letzthin noch Palmer 279; Calboli 127ff.; Hofmann-Szantyr 343. Bei diesen Angaben war der Akk. Mask. bzw. Neutr. -urum natürlich außer Betracht zu lassen. Die uns vertraute Ausdrucksweise sonst schon Plaut Asin. 363; Ter. Andr. 174 (beide Angaben nach Sommer 595); Fann. or. frg. 32,3 Male, im Jahre 122; Lucil· 640; in den Historikerfragmenten anscheinend erst Sisenna hist. 99. Cie. Verr. II 5,167 befremdet der Inf. auf-urum etwas. Vielleicht gesetzt, weil die Erwartung von homines tenues obscuro loco nati wiedergegeben?

Hilfe des indeklinablen -urum ist außer Quadrig. hist. 43 noch nicht nachgewiesen. Doch lag die Ausdrucksweise als Pendant zu dem Typ -tum fore recht nahe; vielleicht zufällig erscheint sie nur bei dem Annalisten 79 . ibi occiditur mille hominum (hist. 44): Der Sg. mille ist als Adj. vielleicht erst Cic.Verr. II 4,37; Catull. 5,7 anzuerkennen. Als Subst. mit abhängigem Gen. ist mille in der Republik nicht unüblich und findet sich auch später noch. Die ältesten Belege für pluralisches Prädikat u.ä. bei der letzteren Ausdrucksweise sind Plaut. Trin.425; Cie. rep. 6,2; Caes.civ. 3,84,4; singularisches Prädikat nach Quadrigarius etwa noch Varro frg. Gell. 3,14,2 (=gramm. frg. 358,423 Fun.); Cie. Mil.53 hominum mille versabatur (ΣΜ Gell. 1,16,15: versabantur H/3); Nep.Dat. 8,3 cum . . . hominum mille cecidisset. Thes. VIII 975,41 ff.; 982,8 ff. Mit der Formulierung des Annalisten ist offenbar eine der Möglichkeiten gewählt, die die lebende Sprache dieser Zeit bietet. Den Begriff des Archaismus (Zimmerer 102) sollte man hier aus dem Spiel lasssen. senatus . . . noctu multa domum dimitti (hist. 45): Zimmerer 111 spricht von der „alten Lokativform noctu" bei Claudius, noctu ist auch bei Cicero und Caesar ganz üblich. Beachtung verdient aber die Verbindung von noctu mit adjektivischem Attribut, hac noctu steht bei Plautus sicher 5mal in trochäischen Septenaren wie Amph. 272 neben dem häufigeren temporalen Abi. hac, ea, illa usw. nocte; ferner Enn. ann. 152 hac noctu, ann. 164 noctu . . . concubia; im Senar Afran.com. 105 intempesta noctu; Laber. mim. 69 hac noctu, eine wahrscheinliche Konjektur von Quicherat. Der Sprachgebrauch nachklassisch etwa bei Celsus und in mehr umgangssprachlichem Spätlatein wie Itala lev. 6,9 (Lugd.) 80 . Der Abi. temporis nocte mit entsprechendem Attribut außer bei Plautus nur Ter. Ad. 26 hac; Нес. 136 illa prima; 822 prima; Haut. 491 hac; Acc.praet. 41 intempesta; Sisenna hist. 93 concubia; Varro Men. 489 nigra; Rhet. Her. 4,41,53 multa; Cic.Arat. 82 extrema; 104 Serena; 401 una; S.Rose. 97 una, und später Die Verbindung des Abi. temporis nocte mit Attribut ist zwischen Plautus und Claudius nicht so häufig zu belegen, daß sie den Konkurrenzausdruck mit noctu sicher aus der lebenden Sprache der Periode gedrängt haben müßte. Auf lan-

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Für bewußte Sprachgestaltung des Claudius (Zimmerer 94f.; 97) beweist die Erscheinung kaum etwas; sollte der Annalist das Part mehr adjektivisch empfunden haben, so wäre der Ausdruck überhaupt nicht mehr auffällig. Zur Verbindung des Part Perf. Pass, mit fore Hofmann-Szantyr 395. Der Typ -tum iri begegnet bereits Plaut. Cure. 491 (nach Sommer 596); Ter. Нес. 39 f. (nach Hofmann-Szantyr 381). Mehrfach dieser Inf. in De inventione: 1,68; 2,27; 115; 117; 131. In der Rhetorica ad Herennium scheint er dagegen ganz zu fehlen. Will der junge Cicero mit dem häufigeren Gebrauch derartiger Bildungen seine gute Sprachbeherrschung zeigen? Die Belege aus republikanischer Zeit stellt bereits Skutsch, Glotta 32, 1953, 307 ff. zusammen. Nach Skutsch würde das plautinische hac noctu die Nächtlichkeit der Handlung hervorheben. Aber die Stellen sind nicht so eindeutig; wenigstens weitgehend darf man wohl noctu und nocte als Synonyme behandeln. Die Angaben über den kaiserzeitlichen Sprachgebrauch nach Hofmann-Szantyr 147.

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ges Fortieben der letzteren Ausdrucksweise deutet ihre nachklassische Verwendung 81 . Fabius . . . coepit hostibus castra simulare obpugnare, eum hostem delectare (hist. 46): Über den Dat. sympatheticus 235 zu hist. 10 b. Der bloße Inf. nach simulare fällt auf. Die Konstruktion verschiedentlich bei Plautus, so Aul. 463; dann erst wieder Tib. 1,5,73; Ov.met. 2,697. Auch der Akk. des Reflexivpronomens wird mehrfach bei Plautus hinzugesetzt, so Men. 125; dann bei Terenz etwa Нес. 184, und sonst vor Claudius noch gelegentlich. Die Ausdrucksweise des Geschichtsschreibers ist aber gewiß weder altertümlich noch poetisch. Das im Akk. stehende pronominale Subjekt kann zu allen Zeiten in ungezwungenerer Redeweise nach verba dicendi und sentiendi fehlen 82 ; mehr als eine etwas laxe Formulierung wird man in simulare mit Inf. nicht sehen dürfen. Auch mag der Gedanke des coepisse noch bei dem von simulare abhängigen Verb obpugnare mitspielen und die Verwendung des bloßen Inf. besonders nahelegen. delectare heißt hier „täuschen", „ablenken". Ähnlich und wie die Claudiusstelle Non.p. 97,29 unter dem Lemma delectare, inlicere, adtrahere angeführt ist Enn. scaen. 361 me Apollo ipse delectat, ductat Delphicus. Das Wort ist vor dem Historiker noch öfter zu belegen, aber in der uns vertrauten Bedeutung. Zimmerer 103 konstatiert an der Claudiusstelle „ein gewaltsames Zurückgreifen" auf den längst vergessenen, ursprünglichen Sinn des Verbs. Aber Itala Iudith 13,20 (Corb.); Ier. 20,7 (Wire.) ist delectare „täuschen" ebenfalls zweifelsfrei nachzuweisen, außerdem delectatio „Betrug" deutlich Itala Iudith 12,16 (Corb.). Zimmerer deutet diesen Tatbestand an, ohne ihm jedoch irgendein Gewicht beizumessen. Die Kontinuität zwischen der ennianischen und der späten doch wohl volkstümlichen Ausdrucksweise legt indessen die Annahme nahe, daß delectare „täuschen" sich in bestimmten Schichten der lebenden Sprache seit den ältesten Zeiten gehalten hat. Daß volkstümliches Latein einen bestimmten Wortsinn, der jahrhundertelang aus dem uns vorliegenden Schrifttum geschwunden ist, zäh bewahrt, kommt auch sonst vor 83 . adeo memorari vix potestur, ut omnes simul suum quisque negotium adorti essent (hist. 47): memorare, vielfach bei Plautus zu belegen, ist wie die Tabelle Ihes. III 1830,5 ff. lehrt, jedenfalls zu Beginn des 1. vorchr. Jh.s in der Literatur gegenüber commemorare entschieden zurückgetreten. In der Rhetorica ad Herennium steht 3mal commemorare, in De inventione 9 mal; das Simplex fehlt in beiden Schriften. Eine Ausnahme von der angedeuteten Entwicklung macht die höhere Dichtung, wo memorare seit Enn. ann. 2 in republikanischer wie in augusteischer Zeit zahlreich erscheint. Daneben hat sich das Verb anscheinend im81 82 83

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Dagegen Gell. 8,1 Dazu im 54 f. Vgl. 134

spricht nicht, daß diese Ausdrucksweise·Macr. Sat. 1,4,2 ff.; 1,4,17 ff. nach als Besonderheit behandelt wird. Dazu 18 A. 22. allgemeinen Hofmann-Szantyr 362; zu simulate im. besonderen Norbeig bes. A.67.

mer in bestimmten Bezirken der lebenden Sprache gehalten: Es ist ins Romanische eingegangen. Meyer-Lübke 5489 s 4 . In Prosa steht das Wort vor Sallust Cato or.frg. 2; Quadrig.hist.47; bei Cicero nur an Stellen mehr gehobener Sprechweise: Verr. II 4,107 8 S ; leg. 2,62; Tim. 39; so wohl auch Att. 8,7,2 (Ausdruck des Atticus? ) 8 6 . In den sicher echten Sallustiana das Simplex 21 mal ab Catil.3,2, das Kompositum nur Catil. 59,6. Bei Livius überwiegt memorare besonders in der 1. Dekade (28 mal ab 1,7,4) über commemorare (2 mal: 3,56,9; 6,20,7). Das Verhältnis von Simplex zu Kompositum ist in den späteren Dekaden 24 zu 27. Den erwähnten Belegen für memorare in der vorsallustischen Geschichtsschreibung steht commemorare Quadrig. hist. 73 und Macer hist. 6 gegenüber. Claudius kann natürlich memorare im Anschluß an Ennius gebraucht, er kann das Verb aber auch unreflektiert als Wort des lebenden Lateins aufgegriffen haben. Bei Sallust und Livius kommt die letztere Interpretationsmöglichkeit weniger in Betracht; doch das beweist nichts für Claudius. Im übrigen besteht kein Anlaß zur Annahme, daß memorare bei Claudius oder überhaupt in der vorsallustischen Geschichtsschreibung im gleichen Maße gegenüber commemorare bevorzugt worden ist wie bei Sallust oder Livius in der 1. Dekade. potestur braucht entgegen Zimmerer 91 kein Archaismus des Annalisten zu sein. 218 f. zu Coel. hist. 7. praeclariter (hist48): Die Bildung, abgesehen von Prise, gramm. III 71,4, von Neue-Wagener II 732 nur hier nachgewiesen, praeclare erscheint erstmals Cie. S. Rose. 37. clare demgegenüber schon bei Plautus, clariter erst im Spätlatein. Thes. s.v. quod verminatum ne ad cancer pervenerit (hist. 49): verminatum, wohl Subst. „Würmerkrankheit", scheint sich lange gehalten zu haben. Das Wort wird als erklärende Glosse Gloss. II 434,33 gebraucht: σκωληκίασις verminatum (e: vermiculatum a). Dies die einzigen Belege. Selten verminatio, erstmals Sen. epist. 78,9, in etwas anderer Bedeutung. Mit dem Fragment wird Prisc.gramm.il 232,14 ff. das Neutr. cancer belegt, unter der Bemerkung: quod neutrum etiam invenitur, sed quando morbum significat. Die übrigen antiken Äußerungen zur Genusfrage Thes. III 228,26 ff. Das Neutr. ist hier zuerst nachzuweisen, sicheres Mask, vorher Cato agr. 157,3. Weitere Nachweise für das Neutr. bei Neue-Wagener I 977. 84

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Hier wird als Bedeutung für das Verb, soweit es dem Romanischen zugrundeliegt, „erinnern" angegeben. Doch ist kaum angebracht, deshalb das Fortleben des Verbs über Quadrigarius hinaus streng auf die Bedeutung „erinnern" zu beschränken: Bcgriffskomplexe wie „erinnern", „berichten", „darlegen" stehen einander viel zu nahe. Nelson 107 f. möchte das recht häufige Vorkommen von memorare bei kaiserzeitlichen Autoren vorwiegend als umgangssprachlich deuten; in dieser Allgemeinheit wohl übertrieben, etwa für Celsus aber möglicherweise richtig. Dazu Verr. II 4,109 iamdudum vereor, ne oratio mea aliena ab iudiciorum ratione et cotidiana dicendi consuetudine esse videatur. fin. 2,15 scheint Zitat zu sein; vgL etwa J.S. Reid in seinem Kommentar, Cambridge 1925 z. St.

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alternatim (hist. 50): Für das Adv. vermutet Zimmerer 113 dichterische Provenienz. Das Wort ist in Dichtung nicht zu belegen. Die Claudiusstelle bietet das erste Zeugnis, danach alternatim erst wieder Amm. 29,2,28. Von den Synonymen findet sich zuerst alternis ab Lucr. 1,524. Thes. s.w. et dicerent castra facta esse atque hos cohortarent, uti maturarent (hist. 54): Auch vor Quadrigarius ist der deponentische Gebrauch von hortari und Komposita das Normale. Von der ciceronischen Sprachgewohnheit wird lediglich beim Part. Perf. abgewichen. Passivisches cohortatum steht Cato orig. 101; so begegnet das Part.öfter ebenfalls in später Zeit. Thes. III 1561, 40ff. adhortatus mit passivischem Sinn zuerst Hemina hist. 40, dann einigemal bei Livius und im Spätlatein. Thes. I 652,57 ff. Der aktivische Gebrauch von hortare oder Komposita ist vor dem Annalisten nicht zu belegen, nach ihm sporadisch; so exhortavit Petron. 76,10 im Munde Trimalchios. Es ist mit einer Unsicherheit des lebenden Sprachgebrauchs zu rechnen. Bei der Wahl des Aktivs werden an unserer Stelle die in der Umgebung des Wortes verwendeten Aktiwerben eingewirkt haben. is ubi Dacium cognovit et patria eum recordavit (hist. 55): Der Sinn des Fragments ist nicht klar; vielleicht ist es nicht richtig überliefert 87 . Bereits vor Quadrigarius ist das Dep. recordari bezeugt Plaut. Men. 972; Most. 84; Pacuv. trag. 36; Acc. trag. 346, das Akt. erst hier, danach Varro ling. 6,46 und, von unsicheren Zeugnissen abgesehen, in der Itala und sonstiger später christlicher Literatur 88 . Artorius Taureae dextrum umerum sauciat (hist. 56): Taureae vielleicht Dat. sympathetica 89 . Bei Quadrigarius nicht auffällig. 235 zu hist. 10 b. paene factum est, quin castra relinquerent atque cederent hosti (hist. 58): Romam venit; vix superat, quin triumphus decernatur (hist. 70): Gellius bemerkt 17,13,5, quin sei an diesen Stellen obscurissime gebraucht. Er erwartet offenbar ein ut statt eines quin, versteht also: „Fast geschah es, daß sie das Lager verließen"; und: „Mit Mühe setzt er durch, daß ein Triumph beschlossen wird". Die Deutung ist bei hist. 58 wahrscheinlich, bei hist. 70 gewiß richtig90. Die Ausdrucksweise des Annalisten hat keine genaue ältere Parallele, quin ver87

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Den verschiedenen Heilungsversuchen fugt Zimmerer 96 hinzu: patriam recordavit Faktitive Bedeutung wird fur recordavit Neue-Wagener III 17 angenommen; dazu auch die folgende A. . Varro ling. 6,46 recordare rursus in cor revocare; das Akt. soll die Etymologie möglichst evident erscheinen lassen. Homer. 626 ist recordat Variante zu recordans; Synon. Cie. p. 443,5 retineo. recordo. respicio ist Haplpgraphie des r denkbar. Wenn das Schwanken zwischen recordo und recordor Prise, gramm. II 396,10 ff. den antiqui zugeschrieben wird, so gibt das natürlich keinerlei Handhabe, den Sprachgebrauch des Annalisten fur antiquiert zu halten. Entschieden dafür Zimmerer 96 A.36 mit der Begründung, der possessive Gen. werde bei dem Annalisten „gewöhnlich nachgestellt". Ein schwaches Argument angesichts des geringen Umfanges der Textmenge, aus der die Regel herausgelesen wird. Eine auffallende Parallele Cie. inv. 2,111 (Crassus) Romam redit; triumphum ab senatu postulat.

bindet sich jedenfalls vor Claudius nur dann mit einem durch vix eingeschränkten Verb, wenn es sich um ein Verb des Hinderns, Anhaltens handelt; so z.B. Plaut. Cas. 239 vix teneor quin . . . dicam. Eine entsprechende Verbindung von paene und quin ist in dieser Periode nicht belegt. Immerhin ließe sich die Konstruktion hist. 58 vielleicht als Ergebnis analgetischer Sprachentwicklung deuten, hist. 58 paene factum est quin könnte aus fieri non potest quin (Ter. Нес. 397) entwickelt sein; das Muster wäre etwa das Verhältnis von nequeo contineri quin (Plaut. Men. 253) zu vix me contineo quin (Ter. Eun. 859). Natürlich braucht der Annalist dabei nicht bestimmte Textstellen im Auge zu haben oder überhaupt die Sprache bewußt zu gestalten. Die Formulierung hist. 70 bleibt sonderbar 91 . Jedenfalls aber veranlaßt nichts zu der Annahme von Archaismen 92. ne nos ad certationem censeas haec incepisse (hist. 59): certatio ist für Quadrigarius keine Besonderheit. Vgl.Thes. s.v., wo etwa Rhet. Her. 4,30,41; Cie. Quinct. 68; fin. 2,44. aliquantisper pugnato nihil promovet Poenus (hist. 60): In aliquantisper vermutet Zimmerer 113 einenPoetismus.DieeinzigenDichterbelegeund überhaupt die einzigen Belege vor Quadrigarius bieten die Senare Plaut. Pseud. 571; Caecil.com, 45; Ter. Ad. 639; außerdem der trochäische Oktonar Ter.Haut. 572. Danach das Adv. erst Flor. epit. 2,18,14. Thes. s.v. Die Konkurrenz aliquamdiu steht nach Thes.s.v. ab Cic.Verr.II 1,139. aliquantisper kann für den Annalisten fraglos gelebt haben; dichterisch war das Wort nie. promovere hat vermutlich den Sinn von proficere. So alle Belege vor Claudius. Ter. Andr.640 recht deutlich als Ausdruck der lebenden Sprache: aliquis dicat: nil promoveris; in den Senaren Ter. Нес. 703 promoveo parum und Eun. 913 nil promoves, hier wohl doppelsinnig auch „sich vorwärtsbewegen". Dann der Sprachgebrauch außer bei Claudius erst wieder Fronto p. 49,3 v.d.H. (=p. 53 N.); Gell. 5,10,7; vielleicht nur künstlich. Wenn promovere in der vorausgesetzten Bedeutung jedenfalls aus der Schriftsprache schwindet, so vermutlich durch proficere verdrängt. Dieses Verb erscheint seit Lucil. 1021; Rhet. Her. 4,26,35. Zu Lebzeiten des Quadrigarius kann die behandelte Verwendung von promovere durchaus im gesprochenen Latein heimisch gewesen sein93. 91

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Als Folie sei noch erwähnt Plaut. Men. 192 supeias facile, ut superior sis. Ein Finalsatz nach durch vix eingeschränktem Verb des Bewirkens Plaut. Cist. 541 vix exsculsi, ut diceret Zimmerer 94 spricht im Zusammenhang mit den behandelten Ausdrücken vage von „einer Anlehnung an die Freiheiten der archaischen Sprache". Der Gebrauch von quin erfährt auch bei Cicero, Caesar und Späteren noch mannigfache Erweiterungen. Hofmann-Szantyr 678. Denkbar wäre auch, daß promovere hier konkret „sich vorwärts bewegen" heißt. Für diese intransitive Bedeutung wäre die Stelle der älteste Beleg, abgesehen von Ter. Eun. 913; sie findet sich dann wohl Cels. 7,26,2 N.; etwas anders nuanciert etwa Itala exod. 14,19 (Cypr. testim. 2,5); weitere Italastellen bei H. Rönsch, Semasiologische Beiträge usw., III. Heft: Verba, Leipzig 1889, 68. Die Intransitivierung transitiver Bewegungs-

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animos eorum habentia inflarat (hist. 61): Zu habentia wird Non.p. 119,31 erklärt: ab eo quod est habere. Das Subst. nur hier. Thes. s.v. Flacco ospicatur (hist. 71): Zimmerer 91 deutet die Verbform als Pass, und faßt 97 Flacco als Dat. auctoris auf. Die erste Annahme ist akzeptabel. Das Dep. auspicari 94 erscheint erst Varro ling. 6,16; Cie. nat. deor. 2,11; das Akt., das noch bei Atta com. 9 begegnet, ist vor dem Annalisten recht häufig zu belegen. Thes. s.v. Die zweite Annahme muß bei dem Fehlen des Zusammenhanges zweifelhaft bleiben. Ohnehin ist der Dat. auctoris durchaus nicht im vorciceronischen Schrifttum besonders üblich 95 . Er ist im Gegenteil im Altlatein auch in Verbindung mit dem Part.Pass, nicht häufig zu belegen 96 , ausgesprochen selten bei finiten Verbformen 97 . populus murmurari coepit (hist.72): Dies der älteste Beleg für das Dep.; murmurare schon etwa Plaut. Aul. 52. Thes. s.v. commemorant Graccho foedus prior Pompeianum non esse servatum (hist. 73): Zimmerer 97 A.43 rechnet mit dichterischer Beeinflussung des Fragments; es sei der einzige Fall, in dem der Dat. der Person neben den a.c.i. zu commemorare trete. In der Tat hat sich die Spracherscheinung bisher an keiner anderen Stelle finden lassen. Neben nominalem Akkusativobj. oder seinem Ersatz steht der Dat. sonst nur Lucr. 1,400; Caes.civ. 1,8,4; Sulp. Ruf. Cie. fam. 4,5,4 und später gelegentlich. Thes. III 1832,23 ff. Der Befund gibt kerne Handhabe, in dem Claudiusfragment poetische Züge anzunehmen. Über das Neutr. prior in diesem und dem folgenden Fragment 212 zu Hemina hist. 31. prior bellum . . . meminissent (hist. 74): In meminisse mit Akk. erkennt Zimmerer 95 f. eine „gewisse Anlehnung an den Gebrauch des alten Lateins". Die Konstruktion ist weit über Quadrigarius hinaus üblich. Thes. VIII 647,43 ff., wo etwa Cie. Phil. 1,34. vesperi Numantinis incidit (hist. 75): incidere mit Dat. hält Zimmerer 97 für ein „erstes Beispiel einer poetischen Konstruktion". Die Autorin begründet die Ansicht mit wenig überzeugenden Darlegungen. Die Belege Thes. VII 1,902,69 ff., deren nach dem zitierten Fragment ältester Cie. Verr.II 2,182 ist, geben keinen

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verben ist keine seltene Erscheinung. Dazu Hofmann—Szantyr 35; zu intransitivem movere Thes. VIII 1546, 11 ff. ospicari statt auspicari nur bei Quadrigarius. Über о statt au Brnch, Glotta 26, 1938, 145 ff. Das scheint Zimmerer 96 f. zu denken, die den Dat. auctoris als „altertümliche Verwendung des Dativs" kennzeichnet. Die anderen Belege, die die Autorin für diese Konstruktion bei dem Geschichtsschreiber aufspüren zu können glaubt, können noch weniger anerkannt werden. Vgl. 234 zu hist. 10 b; 248 A. 76 zu hist. 43. Dazu Tillmann, A c t sem. Erl. 2, 1881, 77 f.; vgL auch die Darstellung von HofmannSzantyr 96 f. С. E. Bennett, Syntax of Early Latin II, Boston 1914, 170 führt einen einzigen sicheren Beleg aus dem archaischen Latein an: Acc. trag. 284; denn Plaut. Rud. 956 a; 958 gehören natürlich nicht hierher. Belege aus Cicero bei Tillmann a.O. 79 ff.

hinreichenden Anlaß, die Ausdrucksweise als Poetismus des Annalisten einzustufen. Metellus . . . venit cum mortalibus multis (hist. 76): Gellius, der 13,29,1 die Stelle zitiert, knüpft an sie eine vielleicht wahre Anekdote: cum . . . cuidam haut sane viro indocto videretur mortalibus multis pro hominibus multis inepte frigideque in historia nimisque id poetice dixisse, tum Fronto illi, cui hoc videbatur: . . . nil . . . arbitrare causae fuisse, quod vir modesti atque puri ac prope cotidiani sermonis mortalibus maluit quam hominibus dicere? Fronto legt dann dar, daß cum multis mortalibus bei Claudius besonders emphatisch sei, und schließt mit der Warnung: videte . . . , ne existimetis semper atque in omni loco mortales multos pro multis hominibus dicendum (13,29,2 ff.). Die Interpretation von Gellius-Fronto ist nur dann sinnvoll, wenn mortales bei Quadrigarius ziemlich selten war. Überdies indiziert die Charakteristik, die Fronto in Abwehr des Vorwurfes nimis... poetice dem sermo des Annalisten zuteilwerden läßt: Jedenfalls im 2. nachchr. Jh. fand man in der Sprache des Claudius wenig poetisches Gut. Das sind wichtige Aufschlüsse. Die Deutung aber, mit der mehr als 200 Jahre später die Stilintention des alten Autors erfaßt werden soll, kann als solche für uns nicht verbindlich sein. multi mortales findet sich in verschiedenen Kasus noch bei Cicero div. in Caec. 5; Pis. 77; hinzu kommt plurimisque mortalibus Cluent. 202. Weit verbreitet ist bei Cicero die Verbindung omnes mortales; Thes. VIII 1510,53 ff. In diesen Junkturen ist mortales praktisch synonym mit homines. Verwendet Cicero das Subst. mortalis sonst, dann mit dem sehr deutlichen Nebensinn menschlicher Vergänglichkeit und Beschränktheit98. Der ciceronische Sprachgebrauch legt nahe, die Wendung multi mortales als besonderes Phänomen von mortalis zu trennen. Die übrigen Belege für die Verbindung bieten in der Republik Naev. carm. frg. 5,1; der Senar Plaut. Men. 30; Cato or. frg. 9 (2 mal); Varro Men. 28 im Senar. Die Junktur ist also durchaus nicht ein spezifisches Poeticum, wie sie denn auch wenigstens bis zum Ende der augusteischen Zeit in Dichtung sonst ganz fehlt. Die Konkurrenz multi homines: Plaut. Capt. 326; 554; Mil. 170; 733; True. 74 multis (mulier trad.) hominibus; dann in republikanischer Zeit nicht ganz 15 mal bei Cicero seit Verr. 1,19, hinzu kommt Q. Cie. pet. 29. Berücksichtigt man jedoch, daß die republikanischen Belege für multi mortales ebenso wie jedenfalls noch die sallustischen - nie ein weiteres Attribut haben, dann reduzieren sich die republikanischen Prosabelege für die synonyme Junktur anscheinend auf Cie. Arch. 15; Font. 4. multi mortales muß unter diesen Umständen bei Quadrigarius als normaler Prosaausdruck für „viele Menschen" gelten. mortalis statt homo findet sich außerhalb der ciceronischen Verbindungen etwa Plaut. Aul. 314 mortalem . . . parcum; Bacch. 293 mortalis malos; Pseud. 519 mortalem graphicum. Der republikanischen Prosa ist dieser Sprachgebrauch fremd, nicht aber der Dichtung. Überhaupt ist mortalis gerade in höherer Dich98

Etwas anders nur Cie. div. 2,30 über Demokrit: о mortalem beatum. Ein ironischer Ausruf von bewußt übertriebenem Pathos. Gleich danach wird mit huncine hominem auf die vorherige Stilhöhe zurückgekehrt

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tung als Adj. oder Subst. weit verbreitet; hier etwa schon Enn. scaen. 5, weiteres Thes. s.v. passim. Dieser reichliche poetische Gebrauch des Wortes wird das Urteil nimis . . . poetice über multi mortales hervorgerufen haben. grundibat graviter pecus suillum (hist. 77): Das Impf, auf -ibam ist weder zur Zeit des Schriftstellers noch überhaupt jemals aus dem gesprochenen Latein geschwunden; in puristischer Prosa wird die Bildung gemieden". Daß das Fragment einen Phalaeceus ergibt 100 , ist wohl Zufall. equae (eque L 1 : equae rell.)hinnibundae (hinnibunde FH 1 L 1 2 : hinnibundae rell.) inter se spargentes terram calcibus (hist. 78)101: hinnibundus nach Thes. s.v. nur hier und in abhängigen Glossen102. Das Part, hinniens zuerst Laev. carm. frg. 27; Quint.inst. 7,3,3. spargere verdient einige Bemerkungen. Zwar ist das Verb an sich keine Besonderheit. Es steht verschiedentlich in Reden Ciceros, so Phil. 3,16 nummos . . . de rostris spargere. Es lebt auch im Romanischen fort; Meyer-Lübke 8120. Aber in der hier anzunehmenden Verwendungsweise „(die Erde) aufwirbeln" kommt spargere mindestens bis zum Ende der augusteischen Zeit nur in Dichtung vor: Verg.ecl. 3,87 (= Aen. 9,629); georg. 3,234 (=Aen. 12,106); Ov. trist. 4,9,29. In Prosa Sen. dial. 3,1,6. Bei all diesen Belegen handelt es sich um denselben Vorgang und dieselbe Junktur: Ein Stier spargit (pedibus) harenam. Es ist sehr gut denkbar, daß erst Vergil Sache und Ausdruck in die Dichtung eingeführt hat. Als Eigentümlichkeit der republikanischen Dichtung kann spargere terram auch deshalb nicht gelten, weil ein außerpoetisches Pendant in der Periode zu fehlen scheint: Jedenfalls ist bei den Komikern und in Prosa die Verknüpfung von harena, pulvis, sabulum, terra mit einem Verb, das spargere entspräche, nicht nachzuweisen. est quod speremus deos bonis bene facturum (hist. 79): Der indeklinable Inf. Fut.auf -urum hat für Claudius noch gelebt. Einzelheiten 248 zu hist. 43. cum Sylla conatus esset tempore magno (hist. 81): tempus magnum ,Jange Zeit" hier erstmals, dann Bell. Hisp. 12,4; Manil. 3,638; später nur in Prosa. Thes. VIII 125,54 ff. 103 99 S. 18 A. 22; ferner die Darlegungen des Aufustius gramm. frg. 492, 1 Fun. 100 Bemerkt von Maas 546. 101 Die textkritischen Angaben nach der Noniusausgabe von Onions, Oxford 1895. Zimmerer 112 will wie L. Müller equei hinnibundei lesen; dahinter vermutet sie ein poetisches Vorbild. Nun wäre für Quadrigarius die Schreibweise -ei statt -i in der Tat durchaus denkbar, ohne freilich etwas mit der Einwirkung dichterischer Literatur zu tun zu haben. VgL etwa Sommer 73; Pap. Corp. 246. Aber an unserer Stelle ist die Schreibung -ei nicht akzeptabel. Sie wird im Gegensatz zur Schreibung -ae nicht im mindesten durch die Hss. gestützt. Zimmerer 112 f. macht sich noch manche anderen Gedanken über die Orthographie der Quadrigariusfragmente. Es scheint mir nicht lohnend, darauf einzugehen. 102 Zu den Bildungen auf-bundus 235 A.30. Zu dem vorliegenden Fragment noch Pianezzola 97 ff.,der hier poetischen Stil findet;eincn exakten Beweis versucht der Autor nicht. 103 Vgl. noch Heraeus 117.

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Claudium . . . Marium creatum septimo consulem dixisse (hist. 82): Zimmerer 93 möchte septimo mit dem Konservativismus der Historiographensprache erklären und verweist auf Coel.hist. 59. In Wahrheit schwankt der lebende Sprachgebrauch. 223 zu Coel. hist. 59. ecquando te nostrum et rei publicae miserebitur (hist. 83): Bei unpersönlichem Gebrauch des Verbs ist auch vor Claudius das Akt.normal.Thes. VIII1120, 20 ff. Das Pass, ist vor allem durch den Perfektstamm vertreten. Thes. VIII 1120,66 ff. Indessen begegnen bei der unpersönlichen Verwendung des Wortes Passivbildungen des Präsensstammes auch etwa L. Crass, or. frg. 66,25 Male, im Jahre 106, später sogar noch Cic.Verr.II 1,77. Thes. VIII 1120,73 ff. Die Ausdrucksweise des Geschichtsschreibers ist somit im Gegensatz zur Meinung Zimmerers 91 nicht ungewöhnlich. sagittarius cum funditore utrimque summo studio spargunt fortissime (hist. 85): spargere ist bei Quadrigarius an sich nicht auffallend; vgl. 256 zu hist. 78. Bemerkenswert wird das Verb durch den hier anzunehmenden Sinn „schießen". Die nächsten Parallelen bieten Enn. ann. 153 postquam defessi sunt . . . spargere sese hastis; mit dem Geschoß als Objekt Enn. ann. 284 hastati spargunt hastas; frg.var. 14 sparsis hastis longis; Verg. Aen. 7,687 pars . . . glandes . . . plumbi spargit; 8,695 und weitere Stellen augusteischer Dichtung. Hinzu kommt Paul. Fest. p. 331 spara . . . a spargendo dicta. Bei den Prosaikern republikanischer Zeit, Sallust und Livius fehlt das Verb in dieser Verwendungsweise. Vor Claudius transitives iacere vom Versenden von Geschossen nur Lex XII tab. 8,24 a (Cie. top. 64 al.); Plaut. Trin. 668; Enn. ann. 408; scaen.33; Lucil.361; Thes. VII 1,33,74 ff. iactare in dieser Weise nur Enn. ann. 74; Lucil.776; Thes. VII 1,49,38 ff. iaculari in dieser Weise nie; Thes. VII1,72,22 ff. mittere nur Enn. ann. 172; 364; 544; Quadrig.hist. 85; Thes. VIII 1163,56 ff. Wenn spargere transitiv „schießen" vor dem Annalisten lediglich in der durch Ennius vertretenen höheren Dichtung erscheint, so also möglicherweise allein deshalb, weil in nicht poetischer erhaltener Literatur der Periode kaum Gelegenheit besteht, einen derartigen Ausdruck zu verwenden. In augusteischer Zeit ist dieser Sprachgebrauch allerdings poetisch; aber das besagt nichts für Quadrigarius. Außerdem ist zu berücksichtigen, daß spargere „schießen" bei dem Annalisten absolut steht; dafür bietet die Dichtung jedenfalls bis einschließlich Ovid keine Parallele. Für absolutes iacere, iactare, iaculari, mittere „schießen" wird im Thes. kein sicher vor Claudius zu datierender Beleg verzeichnet. Unter diesen Umständen muß offen bleiben, ob spargere Quadrig.hist.85 ein Poetismus ist. Durch die ganze Art seiner sprachlich-stilistischen Gestaltung legt das Fragment die Annahme eines dichterischen Idioms jedenfalls nicht nahe. a pinnis hostis defendebant (hist.85): „Sie hielten die Feinde von den Zinnen fern." In der von dem Historiker gebrauchten Konstruktion erkennt Zimmerer 99 „deutliche Spuren poetischer Vorbilder", unter Berufung auf Ov. rem. 625 proximus a tectis ignis defenditur aegre. Hier gehört a tectis doch wohl ebensosehr zu proximus wie zu defenditur. Die beiden einander entgegengesetzten Be257

griffe werden besonders miteinander verklammert. Hinter der ovidischen Konstruktion des defendere steht also eine ganz individuelle Stilisierungsintention. Dementsprechend ist der Ovidpassus der einzige Dichterbeleg, der Thes.V 1,294, 69ff. fur die Ausdrucksweise angeführt wird. Daneben wird auf Rut.Lup.2,7; Gell.5,8 tit.; 17,11,6 verwiesen; hinzufügen läßt sich Pallad. 10,18. Für die Beurteilung der bei Claudius begegnenden Formulierungen ist es gleichgültig, daß derselbe Sprachgebrauch rund 80 Jahre später in der skizzierten Weise an einer Stelle der Dichtung verwendet wird, zumal es sich nicht einmal um hohe Dichtung handelt. enim cum partim copiis (corpus Q: copiis rell.) hominum adulescentium (adulescentü X: adholescenciü Q: adulescentium rell.) placentem s i b i . . . (hist. 87): Dies das ganze Fragment, wie es Gell. 10,13,4 erhalten ist I M . Die Voranstellung von enim findet Wölfflin 21 bei „den Dramatikern" parallelisiert;Zimmerer 102 denkt zögernd an einen Archaismus des Annalisten.Mit affirmativer Bedeutung steht enim verschiedentlich bei Plautus und Terenz an der ersten Stelle des Satzes; Thes.V 2,572,19ff. passim. Für enim mit kausaler Bedeutung ist diese Stellung zu sichern Lucr.6,1277 (?); Varro ling.7,11; Vitr.4,1,11 und später; Thes.V 2,575, 1 ff. Der genaue Sinn von enim in dem Quadrigariusfragment ist nicht festzustellen. Der Befund macht die Annahme eines Archaismus jedenfalls nicht positiv wahrscheinlich. Überdies ist nicht undenkbar, daß das Fragment auch am Anfang verstümmelt ist. Gellius führt 10,13,2 vor dem Bruchstück Cato or.frg. 57,2 cum partim illorum an „mit einem Teil von jenen". Zu dem Claudiusfragment bemerkt er 10,13,4: Claudius . . . insolentius paulo hac figura est . . . usus. Wirklich ist der syntaktisch durchsichtige catonische Gebrauch des substantivierten Adv. von der Ausdrucksweise des Quadrigarius recht weit entfernt; denn bei ihr handelt es sich jedenfalls nicht einfach um ein substantivisch aufgefaßtes Adv. mit abhängigem Gen. Über diese negative Feststellung hinaus läßt sich das Claudiusfragment nicht sicher deuten; nicht einmal der präpositionale Charakter des cum ist zweifelsfrei. Nahe läge es wohl, partim in cum (Präpos.) partim copiis als Übertragung des erstarrten Akk. des Ganzen und des Teils auf einen anderen Kasus zu interpretieren 10s . Von einem Archaismus des Annalisten wird man jedenfalls in diesem Zusammenhang nicht sprechen. homo adulescens steht noch etwa Cie. Phil. 2,26; weiteresThes. 1794,83ff. 1 0 6 .

104 Der Apparat nach der Gelliusausgabe von Hertz, Bd. II, Berlin 1885. Zimmerer 92 empfiehlt, einen Vorschlag Lions etwas variierend, adulescentum placentum sibi. Möglich, mehr nicht. 105 Zu allem Hofmann-Szantyr 46 f., wo allerdings auf Quadrig. hist. 87 und 89 nicht eingegangen wird; dasselbe gilt von Schaf fner-Rimann 12f. Wenig förderlich Zimmerer 98, die auch nicht Lucil. 143 als Beispiel fiir die Verbindung der Prapos. cum mit Adv. aus Thes. IV 1343,45 f. hätte übernehmen dürfen. 106 Über abundierendes homo vgl. noch 127 zu Vatin.Cic.fam. 5,9,2.

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crudeliter Ше, nos misericorditer; avariter ille, nos largimur (hist. 88): avariter wird Thes. II 1187, 82 f., von dem Annalisten abgesehen, bei Plautus in den Anapästen Cure. 126 und im Senar Rud. 1238, ferner Cato or. frg. 70,3 nachgewiesen, avare taucht nach Thes. a.O. erstmals in den Senaren Ter. Haut. 48 (? = Нес. 49) auf, dann Cie. S. Rose. 118; rep. 2,63. Zur Zeit des Quadrigarius kann avariter sehr gut noch als lebende Form vielleicht niedrigerer Sprachschichten mit avare konkurriert haben. Bei der Wahl von avariter haben fraglos die vorangehenden Bildungen auf-ter eine Rolle gespielt; vielleicht sind Homoioteleuta und Isokolie erstrebt. quod utrum neglegentia partim magistratum (magistratuum Q: magistratum rell.) an avaritia an calamitate populi Romani evenisse dicam, nescio (hist. 89): Gell. 10,13,4 nach Quadrig. hist. 87 zitiert. Wie an der letzteren Stelle könnte man gleichfalls in dem vorliegenden Bruchstück in partim eine Apposition erkennen, hier zu magistratum. Vielleicht sind noch eher appositionale und adverbiale Verwendungsweise kontaminiert. Als Archaismus ist auch das partim dieses Fragments nicht zu klassifizieren107. Der Gen. magistratum ist gelegentlich noch bei Cicero, bei ihm freilich schlecht, und Späteren überliefert. Thes. VIII 92,10 f. magistratuum steht erstmals Cie. Verr.II 1,34 108 . velim doceas nos, cur pluria sive compluria - nihil enim differt - . . . dixerint M.Cato, Q.Claudius, Valerius Antias, L.Aelius, P.Nigidius, M.Varro (hist. 90): complura wird Thes. III 2107,11 erst Cie. Verr. Π 2,47 belegt, compluria könnte für Claudius durchaus eine normale Bildung sein. Das würde dadurch bestätigt, daß nach dem Zeugnis des Gellius compluria von mehreren älteren oder jüngeren Zeitgenossen des Annalisten verwendet würde. Dieser letzte Umstand ließe auch pluria bei Quadrigarius als unanstößig erscheinen. Indessen ist das Zeugnis kaum zuverlässig. Gell. 5,21,6, wo die zitierten Worte stehen, wird pluria verteidigt. Wenn dafür auf pluria sive compluria unter Betonung der Gleichwertigkeit der beiden Formen verwiesen wird, so legt das den Verdacht nahe: Die Belege für pluria sind in Wirklichkeit ausschließlich Belege für compluria. Aber auch für das Vorkommen von compluria bei den einzelnen Schriftstellern hat die summarische Notiz kaum hinreichende Beweiskraft109. congermanescere (hist. 93): Thes. s.v. nur noch Apul. met. 2,10 belegt; die von Nonius abhängigen Glossen können außer Betracht bleiben. pluvia (trad.: pluvio Anonymus) imbri (trad.: inibi L.Müller) lutuserat multus (hist. 94): Das Fem. imber wäre, falls richtig, singulär. Thes. s.v. Das Neutr.lutum „Schmutz" seit Plaut.Persa 406, in Prosa Cato agr. 14,3; 129; Cie. Pis. 62; auch in späterer Literatur ist, soweit das Genus feststellbar ist, das 107 Eine spätere Parallele (Imitation? ) Fronto p.48,21 f. v. d. H. (= p. 53 N.): ingenia partim hominum ac praeeipue adulescentium. 108 Im allgemeinen zum Gen. PI. -um der 4. DekL Sommer 393; Stolz-Leumann 278. Zimmerer 92 A.16 hält den Gen. magistratum bei Quadrigarius für „sehr gesucht". 109 Ich gedenke den Gelliuspassus demnächst ausführlicher zu behandeln.

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Neutr. normal. Das Mask, lutus erscheint hier erstmals, dann in der pompeianischen Wandinschrift CE 955, 2; ferner CE 982,1 und in der Spätzeit, auch hier selten 110 . agram Nolanum populäre (hist. 95): Aktivformen des ziemlich seltenen Verbs vor dem Historiker Plaut. Faen. frg. 2,1; Pacuv. trag. 79; Acc. trag. 164; nach ihm Prop. 3,18,29 und sonst; Neue-Wagener III 80. Das Dep. ist bereits Naev.carm. frg. 39 bezeugt, taucht dann aber erst wieder Cic.Verr. II 3,130 auf. Das Part. Perf. verwendet auch Cicero passivisch, z.B.div.in Caec.2; 7 m . populäre konkurriert zur Zeit des Annalisten gewiß im lebenden Latein mit dem Dep. Ganz ähnliche Verhältnisse herrschen bei den Komposita depopulare und depopulari. Nach Thes. V 1,585 f. findet sich das erstere am frühesten Enn. scaen. 369, dann aber auch noch etwa Bell. Hisp. 42,6, das letztere erscheint nach Afran.com. 42 erst wieder Cie. div. in Caec. 11. multis utrimque interitis (hist. 96): interitus „umgekommen" wird Thes. VII 1, 2188,74 lediglich hier nachgewiesen. Das Idiom hat sich aber bis ins Romanische ganz ähnlich gehalten. Meyer-Lübke 9676. Soweit über die Spracheigentümlichkeiten, die in den wörtlichen Fragmenten der Annalen des Q.Claudius Quadrigarius auffallen. In der gesamten Textmasse ist weder ein Poetismus noch ein Archaismus nachzuweisen. Das gilt auch für Fragmente wie hist. 10 b und 41, von denen das erste zu poetisierender, das zweite zu archaisierender Sprachgestaltung reizen mußte: Eine Tatsache, die es besonders unglaubhaft erscheinen läßt, daß antiquierte oder dichterische Idiome bei Claudius eine große Rolle gespielt hätten. Auch die Kenner der vorciceronischen Literatur im 2.nachchr. Jh. haben in der Sprache des Annalisten allenfalls geringfügige Spuren poetischer Ausdrucksweise entdeckt. Gellius 17,2 zitiert und erklärt sprachlich 20 Claudiusfragmente; doch nur an einer einzigen Stelle meint er, nicht ohne Vorsicht: inlatebrant verbum poeticum visum est (17,2,3). Noch beweiskräftiger ist, daß Quadrigarius Gell. 13,29,2 von Fronto in einem Zusammenhang als vir modesti atque puri ac prope cotidiani sermonis gekennzeichnet wird, in dem diese Charakteristik ein mögliches Poetisieren einigermaßen ausschließt m . Daß bei Quadrigarius dichterisches oder gar spezifisch ennianisches Sprachgut entweder überhaupt keine oder eine ganz untergeordnete Rolle gespielt hat, darf also als sehr wahrscheinlich gelten. Darin liegt bei dem leicht sich ergebenden Zusammenhang zwischen archaisierender und poetisierender Sprachgestaltung auch ein gewisses zusätzliches Indiz gegen die ohnehin unwahrscheinliche Annahme, Quadrigarius sei Archaist gewesen. 110 Zu lutus letzthin Hofmann-Szantyr 11; Väänänen 82. Was die mögliche Einwirkung des Mask, limus „Schlamm" auf lutus angeht, so ist zu berücksichtigen: limus ist als Mask, erst Lucr. 5,496 gesichert. 111 S. auch die Angaben Tränkies 63. 112 Darüber 255 zu hist. 76.

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Die bisherigen Feststellungen dieser Zusammenfassung waren negativ. Als positives Merkmal der Sprache der Claudiusfragmente ergibt sich ein Reichtum an lebenden Idiomen, die in puristischer Ausdrucksweise gemieden werden ш . Das Material, das in den Einzeluntersuchungen vorgelegt worden ist, läßt in vielen derartigen Fällen nicht erkennen, ob der betreffende Ausdruck bereits zur Zeit des Claudius mehr unpuristisches Gepräge gehabt hat; so beispielsweise bei dem Dat. sympatheticus hist. 10 b und sonst; arrabo hist. 20; copiari hist. 24; arboretum hist. 29; ignaviter hist. 37; delectare „täuschen" hist. 46; aliquantisper hist. 60; -ibam hist. 77; dem Part, interitus hist. 96. Aber es bleibt doch genug Material, das mit einiger Wahrscheinlichkeit bereits in dieser Periode wesentlich auf die umgangssprachliche, familiäre oder vulgäre Ausdruckssphäre beschränkt ist. Das gilt für cumprime hist. 7; phraseologisches und häufiges coepisse; subvertere hist. 10 b; adprime hist. 15; ne - quoque hist. 17; frunisci hist. 23; desubito hist. 38; den Inf. Fut. auf -urum hist. 43; hist. 79. Hier fassen wir das Sprachcharakteristikum der Annalen, das den gebildeten Zeitgenossen des Claudius besonders aufgefallen sein muß. Der Annalist ist nach seinem erkennbaren sprachlichen Habitus nicht mit Livius sondern eher mit dem Verfasser des Bellum Hispaniense auf eine Stufe zu stellen114. Wenn wir uns bei Ausdrücken des Quadrigarius, die er sowohl aus niedrigeren Bezirken des lebenden Lateins als auch der Dichtersprache übernommen haben kann, nicht auf die letztere Deutung festgelegt haben, so kann der dargelegte Befund uns in dieser Haltung nur bestärken 115 . b) Valerius Antias Valerius Antias ist sehr wahrscheinlich in sullanische Zeit zu setzen116. Aus seinem mindestens 75 Bücher umfassenden Geschichtswerk sind nur 9 wörtliche 113 Ganz ist das Vorkommen dieser Idiome auch Wölfflin 11, der sporadische Andeutungen des Gellius zusammenstellt, und Zimmerer, etwa 107, nicht entgangen. Das Ausmaß der Erscheinung haben die beiden Autoren aber nicht erkannt; ebensowenig haben sie sich die Frage vorgelegt, ob und in welchem Maße solche Ausdrücke schon zur Zeit des Annalisten aus der gehobenen Sprache gedrängt waren. Überhaupt kommen Wölfflin und Zimmerer mit ihren Betrachtungen, denen es weithin an historischer Perspektive fehlt, über die Anschauungsweise des Gellius kaum hinaus. 114 Das Bellum und die Annalen des Claudius haben tatsächlich auch mancherlei sprachliche Berührungspunkte. Dazu 236 f. zu hist. 10b, vor allem A. 38. Natürlich ist nicht anzunehmen, daß der Annalist absichtlich niedersprachlich geschrieben hat: Er hat es eben nicht besser gekonnt. Recht unglücklich Wölfflin 11. 115 Im übrigen liegt der Verdacht nahe, daß noch manche Idiome des Annalisten, die keinerlei Parallele haben, der so schlecht bekannten nicht unbedingt stadtrömischen Umgangs- oder Volkssprache seiner Zeit entstammen. Dabei wäre auch mit Modeausdrücken zu rechnen, die nicht sehr lange über die Zeit ihrer Anwendung durch Quadrigarius gelebt haben. Auf die Möglichkeit, daß manche Wörter und Formen bei dem Historiker Konservativismen eines alten Mannes sind, sei nur eben hingewiesen. 116 Die Datierung wird eingehend von Volkmann, RE VII A (1948) 2 3 1 3 f f . diskutiert; s. außerdem Syme 47.

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Fragmente erhalten. Ob das geradezu ein Indiz dafür ist, daß die gewaltige Textmasse ausgesprochen wenige unklassische Idiome bot 117 , sei dahingestellt. Jedenfalls rät nichts dazu, von vornherein in den Bruchstücken Archaismen oder Poetismen zu erwarten. hoc senatus consultum prior factum est (hist. 16): Das Neutr. prior braucht für Antias keine Besonderheit zu sein; 212 zu Hemina hist. 31. speponderant (hist. 57): peposcit (hist. 60): In den Hss. sind die Spuren derartiger ursprünglicher Reduplikationen gering118. Immerhin wird Gell. 6,9, wo auch die beiden Antiasfragmente erhalten sind, bei Laberius und Nigidius memordi nachgewiesen; Gell. 6,9,15 werden für Cicero und Caesar memordi, pepugi, spepondi bezeugt, poposci vor Antias Plaut. Stich. 556; True. 240; Caecil.com. 134; spopondi in der gleichen Zeit Plaut. Trin. 427. omnia . . . processurum esse (hist. 59): Der indeklinable Inf.Fut. auf -urum lebt in dieser Zeit gewiß noch, wird aber in puristischer Prosa gemieden. Die Erweiterung dieses Inf. durch esse findet ihre zeitgenössische Parallele Sulla hist. 20. Einzelheiten 248 zu Quadrig. hist. 43. descendidit (hist. 62): Eine erstmals hier auftauchende Analogiebildung zum Perf. -didi der Komposita von dare. Ungefähr gleichzeitig eine solche Form wohl auch Laber. mim. 20. Im späten Vulgärlatein sind diese Analogiebildungen häufig 119; in puristischer Ausdrucksweise sind sie wohl von Anfang an gemieden worden. Das Perf. descendi steht Quadrig.hist.4; Rhet.Her.4,3,4; 4,9,13; Cie. Verr. II 3,6 und später. pluria und compluria (hist. 65): Über diese Gell. 5,21,6 für Antias bezeugten Formen 259 zu Quadrig. hist. 90. Die Sprache der Fragmente gibt keinen Anlaß, Antias eine Ausdrucksweise zuzuschreiben, die durch den Gebrauch von Archaismen oder Poetismen gekennzeichnet wäre. Dagegen lassen sich in den Bruchstücken lebende Idiome nachweisen, die zur Zeit des Historikers vermutlich niedrigeren Sprachbezirken angehört haben: der Inf.Fut. auf -urum, das Perf. descendidit. 117 In diesem Sinne Volkmann a.0. 2322; ähnlich Leeman, Ratio 82 f. Doch könnte der große Umfang des Werkes die Grammatiker davon abgeschreckt haben, sich mit der Sprache des Antias zu befassen. Badian nimmt 36 A . l l l bei Antias archaistische Neigungen an; er verweist auf die gleich zu behandelnden Idiome hist 16; 57; 60; 62. 118 Nach Sommer 547; zu der Bildung auch Stolz-Leumann 330. 119 Material etwa bei Neue-Wagener III 352; vgl ferner insbesondere Löfstedt, Per. 300; F. G. Banta, Abweichende spät- und vulgärlateinische Perfektbildungen, Diss. Bern, Freiburg (Schw.) 1952, 24 ff. Dazu noch obtendidit Lib. iubiL 26,9; entsprechende Bildungen von spondere im Index der Ausgabe der Tablettes Albertini, Paris 1952, 337 s.v. Im allgemeinen zu den Formen Sommer 549; Stolz-Leumann 330.

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с) Ps. Quadrig. hist. 12 Das Fragment Ps. Quadrig. hist. 12, in d e m der Zweikampf des Valerius Corvinus mit einem riesenhaften Gallier geschildert wird, dürfte am ehesten ungefähr in die Zeit des Quadrigarius gehören. Eine genauere Datierung des auch sonst problematischen Textes ist nicht möglich 1 2 0 . Bei dieser Unsicherheit wäre es k a u m f r u c h t b a r , seine sprachlichen Besonderheiten umfassend zu erörtern. Es soll nur zur Sprache k o m m e n , was Wölfflin in dem Bruchstück als Poetismus klassifiziert adulescens tali genere editus: Der Beginn des Fragments, tali genere editus wäre nach Wölfflin 21 dichterisch. Die zeitlich nächste genauere Parallele Cie. carm. frg. 33,5 (Tusc. 2,20); dies u n d Späteres Thes. V 2,84,7 ff. Ob tali genere editus bereits für den A u t o r des historischen Fragments poetisch war, bleibt besser offen. ( d u x Gallorum) grandia ingrediens e t m a n u telum reciprocans incedebat: Die Verbindung grandia ingrediens nur hier; Thes. VII 1,1573,52. Sie ist m i t Wölfflin 2 0 u n d anderen als Umsetzung des homerischen μακρά βφάς121 anzusehen. Genauer: Ilias 7,213 scheint das Muster; Aias schreitet z u m Zweikampf gegen H e k t o r : rjie μακρά βφάς,,κραδάων δολιχόσκιον €·γχος122. Der ganze Partizipial ausdruck ist danach episch-poetisch. Es ist ungewiß, o b er u n m i t t e l b a r nach dem griechischen Vorbild formuliert ist oder schon nach einer lateinischen Prägung. reciprocans h a t jedenfalls nicht im Hexameter gestanden 1 2 3 . Im Gegensatz zu dem inhaltlich ganz ähnlichen Bruchstück Quadrig. hist. 10 b bietet das besprochene F r a g m e n t jedenfalls in einem Satz poetische Formulierung 1 2 4 . Bei der epischen T h e m a t i k des Textes k a n n der dichterische Einschlag nicht 120 Zu all dem 213 A.14. 121 Zuerst anscheinend von Maas 546 bemerkt. 122 Gellius erweist sich 13,25,18f. und 15,6 mit Homers Zweikampfszene als sehr vertraut. Daß gerade die epische Wendung der lateinischen Erzählung auf ihn zurückgeht, ist unter diesem Gesichtspunkt immerhin zu erwägen. 123 Wölfflin 20 kennzeichnet reciprocare als ennianisches Verb. Der einzige Enniusbeleg ist scaen. 116: rursus prorsus reeiproeat fluetus feram. Hier ist das Verb in ganz anderem Zusammenhang als Ps. Quadrig. hist. 12 verwendet. Die sonstigen ältesten Belege für reciprocare Plaut. Astr. frg. 3(? ) im trochäischen Septenar; Pacuv. trag. 334. Dann erscheint das Wort überwiegend in Prosa seit der etymologischen Erklärung Varro ling. 7,80; Cie. div. 1,10; nat.deor. 3,24; in Dichtung erst wieder gelegentlich seit SiL 15,226. Das Fragment Non. p. 165,9 ist außer Betracht geblieben. Wenn die 3 sicher dem 2. vorchr. Jh. zuzuweisenden Belege Versen entstammen, so möglicherweise nur, weil in der erhaltenen Prosa dieser Periode eine Gelegenheit zur Verwendung von reciprocare fehlt. 124 Die beiden Bruchstücke ähneln einander im Gebrauch bestimmter Wendungen: Quadrig. hist 10 b si quis secum depugnare vellet ~ Ps. Quadrig. hist 12 si quis pugnare secum . . . auderet; Quadrig. hist 10 b utroque exercitu inspectante (vgL VaL Max. 3,2,24 inspectante utroque exercitu) ~ Ps. Quadrig. hist. 12 spectante utroque exercitu (vgl. VaL Max. 3,2,21 utroque exercitu spectante). Keine dieser Formulierungen in den beiden entsprechenden Erzählungen bei Livius, der die stereotypen Phrasen wohl bewußt vermeidet

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verwundern 125 ; eher war der andersartige Befund Quadrig. hist. 10 b auffällig. Hinzu kommt, daß in den libri annales, denen Ps. Quadrig. hist. 12 entstammt, die Valerii anscheinend in besonders helles Licht gerückt worden sind; der Heldentat des Corvinus kam hier wohl eine besondere Bedeutung zu 126 . Unter diesen Umständen wird man aus dem Passus nicht eine prinzipielle dichterische Sprachfärbung des historischen Werkes erschließen dürfen, dem er entnommen ist 127 . d) Die bisherigen Ergebnisse im Licht der antiken Zeugnisse Ziehen wir ein vorläufiges Fazit: Viele Idiome der wörtlichen Historikerfragmente haben sich nicht in bestimmte Sprachbezirke einordnen lassen. Soweit eine genauere Klassifizierung gelungen ist, erweisen sich die sprachlichen Besonderheiten im allgemeinen als lebende Ausdrücke, die in der zeitgenössischen puristischen Beredsamkeit und der ihr nahestehenden Prosa gemieden werden. Keineswegs lassen die Bruchstücke oder sonstige Momente vermuten, daß der Gebrauch von Archaismen oder Poetismen für die vorsallustische Historikersprache charakteristisch gewesen sei. Eine derartige Annahme ist geradezu unwahrscheinlich im Hinblick auf Quadrigarius, den Annalisten, dessen sprachliche Konturen am klarsten erkennbar sind. Für Coelius Antipater gilt das Gesagte nicht so ganz. In den Überresten seines Geschichtswerkes findet sich dichterisches, vielleicht auch spezifisch ennianisches Sprachgut, ohne daß sich das mit dem Inhalt der jeweiligen Stelle motivieren ließe. Wenigstens in einem Falle ist das poetische Idiom zugleich auch antiquiert. Archaist braucht Antipater deshalb nicht gewesen zu sein. Anzuerkennen ist aber bei ihm eine gewisse Neigung zu dichterischen oder ennianischen Ausdrücken, wie sie bei den anderen behandelten Historikern nicht in Erscheinung getreten 125 Vgl. 231 zu Quadrig. hist. 10 b. 126 Unmittelbar vor dem Fragment muß von dem Genus des Valerius die Rede gewesen sein, und zwar rühmend: tail Der Held steht von vornherein im Mittelpunkt des Berichts, die historische Situation wird nachgetragen: atque in eo tempore eqs. Gerade umgekehrt ist es etwa in der gleichen oder vergleichbaren Erzählung Quadrig. hist 10 b; Liv. 7,9,8 ff.; 7,26,1 ff.; Dion. HaL ant. 15,1,1. Sollte entgegen dem Anschein der Anfang von Ps. Quadrig. hist. 12 bei Gellius nicht wenigstens im engen Anschluß an die libri annales wiedergegeben werden, dann wären diese und andere Kombinationen hinfallig; in diesem Falle hätte das Textstück überhaupt aus unseren Betrachtungen auszuscheiden. Nebenbei bemerkt: Valerius Antias wäre als Autor von Ps. Quadrig. hist. 12 - so Cavallin 98 A.3 - natürlich sehr gut denkbar, mehr aber nicht. 127 Bei einem sprachlichen Vergleich zwischen Ps. Quadrig. hist. 12 und der gleichen Erzählung Liv. 7,26,1 ff. wäre die verschiedene Funktion zu berücksichtigen, die den Berichten jeweils in ihrem Geschichtswerk zukommt. Ps. Quadrig. hist 12 hat, wie gesagt, in den libri annales wahrscheinlich eine recht bedeutende Rolle gespielt Nichts deutet darauf hin, daß der Zweikampf des Corvinus nur als Dublette zu dem des Torquatus aufgefaßt worden wäre. Das ist ganz deutlich bei Livius der Fall, der daher auch den Kampf des Corvinus verhältnismäßig kurz abmacht

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ist. Das Ergebnis einer derartigen Sonderstellung Antipaters wird gerechtfertigt und bekräftigt durch antike Zeugnisse. Antonius führt Cic.de orat. 2,51 ff. über die stilistischen Qualitäten der alten römischen Historiographie aus, die einfache annalium confectio durch den pontifex maximus habe am Anfang gestanden: hanc similitudinem scribendi multi secuti sunt, qui sine ullis ornamentis monumenta solum t e m p o r u m . . . gestarumque rerum reliquerunt; itaque qualis apud Graecos Pherecydes, Hellanicus, Acusilas fuit . . . talis noster Cato et Pictor et Piso, qui neque tenent quibus rebus ornetur oratio . . . et, dum intellegatur quid dicant, unam dicendi laudem putant esse brevitatem. paulum se erexit et addidit maiorem historiae sonum vocis . . . Antipater. Die Ausführungen sind von einem griechischen Geschichtsschema b e e i n f l u ß t m . Zweifel an ihrer Richtigkeit wären da möglich. Doch wird man den Zweifeln nur noch geringen Platz einräumen, wenn man sich Cie. leg. 1,6 vergegenwärtigt. Atticus meint hier, indem er sich Ciceros Auffassung aneignet, die Geschichtsschreibung sei opus . . . unum hoc oratorium maxime. Und kurz darauf: si aut ad Fabium aut ad . . . Catonem aut ad Pisonem aut ad Fannium aut ad Vennonium venias, quamquam ex his alius alio plus habet virium, tarnen quid tarn exile quam isti omnes? Fannii autem aetati coniunctus (Anti)pater paulo inflavit vehementius, habuitque vires agrestis ille quidem . . . , sed tamen admonere reliquos potuit, ut adcuratius scriberent. ecce autem successere huic Gellius (Passerat: belli trad.), Clodius, Asellio (Stephanus: asilio trad.), nihil ad Coelium, sed potius ad antiquorum languorem et inscitiam. Wenn die namentlich erwähnten Nachfolger des Coelius nach der Darstellung des ciceronischen Atticus wieder an den antiquus languor anknüpfen, so hat das kein Vorbild in einem griechischen Geschichtsschema: Das Urteil ist offenbar tatsächlich an den Nachfolgern Antipaters gebildet. Auch die Beurteilung seiner Vorgänger dürfte dann einigermaßen an den historischen Gegebenheiten orientiert sein 129 . Ciceros Zeugnis läßt also erkennen: Coelius hat sich durch seine besonderen sprachlich-stilistischen Anstrengungen nicht nur von den Historikern vor ihm abgehoben; er hat auch bei seinen Nachfolgern Gellius, Clodius, Asellio keine Schule gemacht 130 . Es ist nicht erlaubt, von dem Poetismen- oder Archaismengebrauch An128 Dazu 183 A.25. 129 In einigem Widerspruch zu der Eingliederung des Historikers Cato unter die Vertreter einer schmucklosen und dürren Geschichtsschreibung steht Cie. Brut 66; hier werden an Catos Origines gerade flores und lumina eloquentiae hervorgehoben. Doch wird man dieses Urteil nicht zu wörtlich nehmen, wenn man die Intentionen berücksichtigt, die Cicero in dem Passus verfolgt Dazu 177ff. 130 In diesem Sinn wertet schon Leeman, Ratio 76 die Cicerostellen aus. - Clodius wird meistens mit Quadrigarius identifiziert. So etwa von Zimmerer 2 f., hier auch weitere Literaturhinweise. Sehr entschieden für die Identifikation Leeman, Ratio 78. Die Gleichsetzung würde gut dazu passen, daß eindeutige Poetismen in den Quadrigariusfragmenten fehlen. Anders Badian 20.

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tipaters auf eine entsprechende Praxis der sonstigen vorsallustischen Historiker zu schließen. Daß Coelius tatsächlich gerade mit seiner Nähe zu Ennius unter den vorsallustischen Historikern isoliert gewesen sein muß, ist Frontos Bemerkung p. 56,23 ff. v.d. H. (= p. 62 N.) zu entnehmen: rari admodum veterum scriptorum in . . . laborem studiumque et periculum verba industriosius quaerendi sese commisere, oratorum post homines natos unus omnium Μ. Porcius eiusque frequens sectator C. Sallustius; poetarum maxime Plautus, multo maxime Q. Ennius eumque studiose aemulatus L. Coelius. Wenn die Enniusnachfolge Antipaters in diesem Zusammenhang hervorgehoben wird, so hat das nur Sinn, wenn Fronto dergleichen nicht überhaupt als typisches Merkmal republikanischer Geschichtsschreibung kennt. Bei der skizzierten Sachlage wird man an die folgenden Historiker nicht mit der Erwartung archaisierender oder poetisierender Sprachgestaltung herantreten dürfen; gegenüber der Annahme ausgesprochener Ennianismen wird besondere Vorsicht am Platze sein.

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4. Sisenna und Licinius Macer

a) L. Cornelius Sisenna Die wenigstens 12 Bücher Historiae, die L. Cornelius Sisenna praet. 78 a.Chr. einige Jahre vor seinem Tode (67 a. Chr.) veröffentlichte 1 , stellten in stilistischer Hinsicht die ältere Historiographie in den Schatten. Dem Historiker Sisenna werden von vielen Gelehrten archaistische Neigungen zugeschrieben 2 . Bisweilen werden diese bei dem Geschichtsschreiber vermuteten Tendenzen aus seiner grammatisch-analogetischen Anschauung abgeleitet 3 . Die einzige Stelle, die dafür ins Feld geführt werden könnte, ist Varro ling. 9,19. Doch bei der Repristinierung altertümlichen Vokabulars, die Varro - in einem verstümmelten Zusammenhang ? — andeutend befürwortet, kann eben nur an analgetische Bildungen gedacht sein: quae (verba) ratione dicta sunt tum (apud antiquos), nunc perperam dicuntur, wie Varro kurz vorher formuliert (ling. 9, 17). Überdies schwebt ling. 9,19 vielleicht die Wiederbelebung veralteten Sprachgutes allein für solche Fälle vor, in denen ein älterer analgetischer Sprachgebrauch durch einen jüngeren anomalen verdrängt worden ist. Dazu würde die zitierte varronische Formulierung passen; dementsprechend wird auch in den Vergleichen, die ling. 9,20 ff. die Einführung analgetischer Neologismen rechtfertigen sollen, Altes von Neuem aus dem Felde geschlagen. Ist das richtig, dann ist die Bedeutung der bei Varro belegten Theorie auf ziemlich wenige Fälle beschränkt. Auch wäre es für den Analogetiker, der gemäß dieser Lehre seine Sprache gestaltet, belanglos, ob der von ihm gebrauchte Ausdruck veraltet ist oder nicht. Entscheidend wäre für ihn, daß die Bildung der ratio entspräche. Der Terminus Archaismus wäre da nicht am Platze. Von all dem aber abgesehen: Die zur Rede stehende Theorie könnte leicht erst von Varro erfunden sein. Und selbst wenn sie älter sein sollte, brauchte sie Si1 2 3

Ganz sicher nach 87 a.Chr.; Sisenna hist 129. Wahrscheinlich jedoch mehrere Jahie später; vgL Peter HRR I2, CCCXL. Ζ. B. von Peter, HRR I 2 , CCCXLII; Teuffel-KroU 294; UUmann 66 f.; Marachc 19; Bardon I 255 f.; Badian 26; vgL auch Leeman, Ratio 85. Die Ansicht geht von R. Reitzenstein 62 aus, der im Zusammenhang mit Sisenna von einem „analgetischen Archaismus" spricht. An R. Reitzenstein schließt sich etwa de Groot 75 f. an, ihm folgt wiederum Ullmann 66 f. In entgegengesetzte Richtung zielen die Ausführungen Maraches, die REL 29, 1951, 50 resümiert sind; auf die sogleich zu besprechende Varrostelle wird in der Zusammenfassung nicht eingegangen. Die jüngsten ausführlichen Erörterungen von Sisennas Verhältnis zur analoge tischen Grammatik finden sich bei Calboli 217 ff., aber sie tangieren unsere Problematik nicht.

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senna durchaus nicht bekannt zu sein. Gesetzt jedoch, die Theorie sei dem Historiker bekannt, so wäre sie deshalb nicht sicher Regulativ seiner Sprachgestaltung. Denn zumindest soviel ist gewiß: Sisenna hält sich in der Praxis nicht durchweg an die Prinzipien der Analogie4. Es ist gut denkbar, daß er die Sprache nur gelegentlich und systemlos analgetisch gestaltet, um seiner Ausdrucksweise den Zug des Ungewöhnlichen zu verleihen. Unter diesen Umständen ist es nicht angebracht, von den grammatischen Anschauungen Sisennas auf archaistische Neigungen zu schließen. Einen derartigen Schluß widerrät geradezu die Art der antiken Äußerungen über die Historiae5. Cicero geht Brut. 228 knapp, leg. 1,7 recht ausführlich auf das Geschichtswerk ein. Von einer priscorum verborum affectatio bemerkt er dabei nichts; ein Schweigen, das offenbar nicht mit der Annahme erklärt werden kann, eine archaistische Sprachgestaltung finde sich überhaupt in der Historiographie der Zeit. Insbesondere einen auffallenden sprachlichen Anschluß Sisennas an Cato oder Ennius wird man nur ungern annehmen: Fronto p.56,23ff. v. d. H. (=p.62N.) hebt neben anderen Autoren gleichfalls Sisenna von Sallust, dem sectator Catos, und Antipater, dem Ennium aemulatus, ab. Die Gruppierung darf schwerlich, mag sie auch etwas gekünstelt sein, einfach beiseite geschoben werden. Ohne auf die angeführten Indizien Rücksicht zu nehmen, hat man aus der Sprache der wörtlichen Fragmente Sisenna als Archaisten zu erweisen versucht. Insbesondere Bardon I 255 f. hat eine beträchtliche Anzahl „de formes et de tours archai'ques" zu diesem Zweck gesammelt; daneben stehen auch mehrere ,,emplois hardis, quelquefois poetiques". Die Listen Bardons sollen nun einer Prüfung unterzogen werden. Dazu noch eine erläuternde Anmerkung: Wenn der poetische Charakter eines Idioms untersucht wird, bedeutet der Hinweis auf Bardon, daß der Ausdruck in der zuletzt zitierten Rubrik Bardons erscheint 6 . Außer den bei Bardon vorgeführten Wörtern und Wendungen werden auch alle sonstigen Spracherscheinungen betrachtet, die mit einem Anschein von Berechtigung als Poetismus oder Archaismus Sisennas verdächtigt werden könnten 7 . 4

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Er schwankt anscheinend zwischen senati und senatus; 271 zu hist. 17; sicher zwischen dem Gen. PI. -orum und -um 280 zu hist. 112. Gerade die letztere Uneinheitlichkeit stimmt schlecht zur strengen Befolgung analogetischer Grundsätze. VgL Cic.orat 155; Quint, inst. 1,6,18. S. übrigens schon Kroll, Schriftspr. 7. Wenn Cie. Brut. 25 9 f. Sisenna ein inusitate loqui nachgesagt wird, so ist das kein Indiz für eine altertümelnde Sprachgestaltung in den Historiae. Dazu 59. Peter, HRR I 2 , CCCXL paraphrasiert das longinque, mit dem Fronto p. 132,2 v. d. H. (= p. 114 N.) Sisennas Schreibweise kennzeichnet, durch antiquitus arcessitis verbis. Gewiß verkehrt: Fronto denkt gerade nicht an Sisennas Wortwahl; 227 A.4. Gemeint ist wohl die weit ausholende Art der Darstellung. VgL noch Teuffel-Kroll 294; Syme 259. Bardon I 256 teilt die Ausdrücke, die er unter diesem Lemma zusammenstellt, mit einem Gedankenstrich in zwei Gruppen. Soll nur die zweite Gruppe die Poetismen umfassen? Eine Liste von „mots rares ou specialement poetiques" Sisennas hat vor Bardon schon Ullmann 67 vorgelegt. Behandelt werden alle von Ullmann erwähnten Idiome, eine Auseinandersetzung mit seiner vagen Klassifizierung ist nicht möglich. Ebenso werden

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Die sprachlichen Relikte Sisennas, mit denen wir uns befassen werden, umfassen rund 1180 einzelne Wörter, und damit ungefähr 5 Seiten einer Oxfordausgabe. Die Textmenge verteilt sich auf über 130 kurze Fragmente. iuxtim Numicium flumen obtruncatur (hist.3): Bardon I 255 rechnet die Präpos. iuxtim, die er allerdings versehentlich für ein Adv. hält, zu den Archaismen Sisennas. Das Wort ist in präpositionaler Verwendung vor dem Geschichtsschreiber nicht nachzuweisen, nach ihm erst wieder Apul. met. 2,13. Als Adv. steht iuxtim vor Sisenna allein Liv.Andr. trag. 11, nach ihm erst Lucr. 4,501; 4,1213; Suet. Tib.33. Weiteres bei Neue-Wagener II 527. Das Synonym iuxta ist als Präpos. zuerst bezeugt Coel. hist. 55; Varro frg. Prob. Verg. ecl. praef. p. 326,3; frg. Aug.civ.7,34p.317,7D; Caes. civ. 1,16,4. Die ältesten Belege für adverbiales iuxta bieten Plaut. Aul. 682 und 6 weitere Plautusstellen; Quadrig. hist. 57; Varro Men.376; Cie.p. red. in sen. 20. Daß die Präpos. iuxtim zu Sisennas Zeit antiquiert ist, läßt sich nicht erweisen. obtruncare, vor Sisenna bei Plautus im Senar Bacch. 918, und weitere 6mal in trochäischen Septenaren oder iambischen Octonaren; Trag. inc. 167, danach in Prosa öfter bei Sallust ab lug. 66,3, bei Livius ab 1,5,7, überhaupt ganz überwiegend in der Historiographie 8 . In Dichtung gelegentlich ab Verg. georg. 3, 374; Aen. 2,663. Über den Charakter des Wortes bei Sisenna ist schwer zu urteilen; vielleicht könnte eine umfassende Untersuchung über die Verben des Tötens näheren Aufschluß verschaffen. certatim (hist. 7): Für den Historiker gewiß keine Besonderheit oder, wie Bardon I 255 will, gar antiquiert. Vgl. Thes. s.v., wo etwa Cie. Sest. 74. Daß Sisenna eine gewisse Vorliebe fur die Adv. auf -im hat, deutet schon Gellius 12, 15,1 an. Deshalb ist aber nicht von vornherein in jedem dieser Wörter eine Besonderheit zu sehen 9 . vetus atque ingens erat arbor ilex (hist. 8): Bardon I 255 erwähnt arbor ilex unter den „raretös d6suötes", kaum mit Recht. Die Wortzusammenstellung hat nichts Auffälliges. Vgl. Thes. II 426,32 ff., wo Varro rust. 1,2,20 und spätere Prosaparallelen, ilex ist zwar in Dichtung häufiger bezeugt als in Prosa; aber fraglos ist das in den romanischen Sprachen erhaltene Wort nicht spezifisch dichterisch oder in anderer Hinsicht ungewöhnlich. Thes. s.v. nolitote mirari (mirare C ^ : mirari rell.) (hist. 10): Es ist jedenfalls nicht sicher, daß Sisenna mirare geschrieben hat 1 0 . Ein Archaismus des Historikers

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sämtliche von Badian 26 und 38 A. 145 ff. genannten Spracherscheinungen diskutiert Ausdrücklich als Archaismus Sisennas rubriziert Badian 26 nur congenuclare hist. 33; indulgitas hist 48. Ziemlich abseits steht Colum. 4,29,13 superficies insitae vitis usque ad reeeptum surculum obtruncatur. Fachsprache? Nach Calboli 217 f. wären die Bildungen Beweise für Sisennas analgetische Doktrin. Kaum. Im allgemeinen zu diesen Formen Schaffner-Rimann. Für die uns beschäftigende Problematik ergibt die Arbeit nichts. Das Fragment steht unter dem Lemma Non. p.480,27 nolitote pro nolite. Nach Quicherat gehörte es unter das vorausgehende Lemma miras pro miraris. Nicht notwendig.

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wäre auch diese Form nicht. Aktivformen des Verbs stehen zweifelsfrei im trochäischen Septenar Pompon. Atell. 108 und in den varronischen Hexametern Men. 128; 129. Im Latein vor Sisenna begegnet allein das Dep., so Plaut. Capt. 799; Cato or.frg. 1,2; 71. Thes. VIII 1063, 25 ff. Doch mögen zu allen Zeiten in der lebenden Sprache solche Genusschwankungen weit öfter vorgekommen sein, als die Überlieferung vermuten läßt. In der Beredsamkeit und ihr nahestehender Prosa scheinen die Aktivformen jedoch seit jeher gemieden zu sein. Belege für das Dep. stehen in derartigen Texten nach Cato Rhet. Her. 3,22,36; Cie. inv. 2,2 und später. dissipatis imbricum fragminibus (hist. 11): Dies der älteste Beleg fur fragmen, danach das Subst., von späterer Zeit abgesehen, vorwiegend bei Dichtern, sicher seit Lucr. 1,284; 5,1284; Verg. Aen. 9,569. Das Wort ist im Romanischen erhalten. Die frühesten Zeugnisse für fragmentum: Lucil. 1157; Cie. Sest. 79; nat. deor. 2,82; Sali, hist.frg. 3,54; Verg.georg. 4,304; 3 Stellen bei Livius ab 23,24,10. Thes. s. w . Es ist nicht beweisbar, daß fragmen zur Zeit Sisennas der Dichtersprache eigentümlich (Bardon I 256) gewesen ist. mulierem missa fide ас pietate propter amoris nefarii lubidinem obstitisse (hist. 13): Dazu gehört Non.p. 348,19 das Lemma mittere est excludere. Die Belege, die Thes. VIII 1177,15 ff. für mittere in der übertragenen Bedeutung „fahren lassen", „mißächten" angeführt werden, drängen nicht dazu, in dem mittere Sisennas einen Poetismus (Bardon I 256) zu erkennen. Die vor den Historiker zu datierenden Stellen entstammen Komödien, und zwar oft genug Senaren. In sonstiger Dichtung wird mittere mit sächlichem Objekt in der vorausgesetzten Weise erst Lucr. 3 , 9 6 1 n , dann Verg. Aen. 1,203 sicher nachgewiesen. Diesen Zeugnissen steht etwa ein Prosabeleg wie Cie. Att. 10,8,5 misso officio gegenüber12. agilem dari facilemque victoriam (hist. 14): agilis hier zuerst, dann Hör. epist. 1,1,16; 1,3,21 und danach öfter in Dichtung; in Prosa wieder Liv. 30,10,3 und später. Auf feste Verankerung des Wortes in der gesprochenen Sprache deutet sein Fortleben im Romanischen. Thes. s.v.; ferner Meyer—Lübke 280. Man kann sich nicht darauf festlegen, agilis als Poetismus Sisennas (Bardon I 256) zu klassifizieren. frumento adeso (hist. 16): Dazu das Lemma Non.p.70,24 adesum consumptum. Die Sisennastelle bietet den ältesten oder Zweitältesten Beleg für das recht selten nachzuweisende adedere. Ungefähr gleichzeitig Cie. Quinct. 40 adesa . . . 11

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Daß die entsprechende Verbindung von mittere mit Inf. mindestens in ciceronischer Zeit kein ausgesprochenes Poeticum ist, lehrt ein Blick auf Thes. VIII 1177, 16 ff., wo etwa Cie. SulL 22. Catull. 96,4 ist als unsicher ausgeschiedcn; zu der Stelle letzthin Tränkle, MH 24, 1967, 93 ff. Thes. VIII 1177, 49 ff. wird die Sisennastelle unter die Rubrik с (renuntiando dimittere) gestellt. Aber diese Deutung hat nichts Zwingendes. Der Ausdruck des Historikers ließe sich ebenso gut in den Abschnitten a und b des generatim Thes. VIII 1177, 15 ff. unterbringen, soweit mittere mit sächlichem Objekt verbunden ist.

pecunia. Die nächsten Belege entstammen der Dichtung: Lucr. 5,994; Cie. carm. frg. 32,16 B. (Tusc. 2,23); Verg.georg. 4,242; in der augusteischen Dichtung ist das Verb an 5 weiteren Stellen bezeugt. In Prosa adedere gelegentlich wieder seit Liv. 1,7,13. Thes. s.v. Ob das Wort für Sisenna ein Poeticum gewesen ist (Bardon I 256), bleibt ungewiß. ex senati consulto (hist. 17): Das Lemma dazu Non. p. 484,14 senati vel senatuis (senatus A^: om. DA: senatuis rell.). senati ist entgegen Bardons Meinung (I 255) kein Archaismus Sisennas. senati, seit etwa Plaut. Cas. 536 zu belegen, ist gerade in der Verbindung mit consultum, auf die sich die Form bei Sisenna beschränkt, noch lange nach dem Historiker üblich. Vgl. Thes. IV 587,43 ff., wo etwa Cie. fam. 5,2,9 (M: senatus GR). Der Gen. senatus ist in keiner sicher vor Sisenna zu datierenden Inschrift bezeugt; in den Hss. erscheint er erst Sisenna hist. 12 (? ); Val. Ant. hist. 16 senatus consultum; Rhet. Her. 4,35,47 13 . Antias bietet überhaupt den ältesten Beleg für senatus consultum. Thes. IV 587,57 ff. senatuis14 wäre trotz Bardon I 255 ebenfalls fur Sisenna nicht antiquiert. Der älteste Beleg für die Bildung ist Fann.or. frg. 32,4 Male. Nach Gell. 4,16,1 haben senatuis auch Varro und Nigidius Figulus gesprochen und geschrieben. Dies die einzigen bisher bekannten Zeugnisse für die Form, abgesehen von allgemeinen Grammatikerbemerkungen1S. manualis lapides dispertit (hist. 23): manualis hier erstmals. Die nächsten Stellen sind Calp. ecl.3,85, der einzige Dichterbeleg, und Plin. nat. 18,297. Thes. s.v. Auf keinen Fall wird man das Adj. als Poetismus Sisennas (Bardon I 256) einstufen. occulte tacitique advenientium (trad.: advenientiam Popma: adventum Iunius) cohortium praestolari oeeipiunt (Passerat: aeeipiunt trad.) (hist. 25): Dies das ganze Fragment, praestolari nach Sisenna etwa noch Cie. Catil. 1,24; Att. 2,15,3; Caes. civ. 2,23,3 adventum . . . praestolans. oeeipere ist für Sisenna recht entlegen oder veraltet. 214 zu Calp. hist. 36. Das überlieferte advenientium bleibt besser unangetastet; der Satz Sisennas braucht nicht vollständig erhalten zu sein. Erst recht nicht empfiehlt es sich, das sonst nicht bezeugte advenientiam durch Konjektur einzuführen. Gesetzt aber, das Subst. sei akzeptabel hergestellt: nichts riete dazu, hinter ihm eine „allure archalsante" (Bardon I 255) zu vermuten16. Abi. sonu (hist. 26): Die Form braucht entgegen Bardons Auffassung (I 255) kein Archaismus Sisennas zu sein. Nach der 4. Dekl. wird das Subst., soweit 13 14

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Auf den Wortlaut von Scaui. or. frg. 43,11 Male, ist kein Verlaß. Im Apparat von Lindsays Noniusausgabe Leipzig 1903 wird zu dem Sisennafragment Non. p.484,19 senatis als Überlieferung angegebea Wohl ein Versehen. In den Ausgaben von Quicherat, Paris 1872, und L. Mueller, Leipzig 1888, wird diese Überlieferung eindeutig dem folgenden Bruchstück Sisenna hist. 136 zugewiesen. Mancherlei Material zu dem Ganzen bei Neue-Wagener I 536 ff.; über senati auch etwa Sommer 403 f. Über die Produktivität des Suffixes -entia auch nach Sisenna vgL Hofmann-Szantyr 744.

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bisher nachgewiesen, nur noch Apul. met. 8,30 und Amm. 14,6,18 gebeugt. Neue—Wagener I 786. Vor Sisenna steht sonus erkennbar als Subst. der 2. Dekl. Pacuv. trag. 4. Etwa gleichzeitig Rhet. Her. 3,14,25; Cie. progn. frg. 5; leg. agr. 2, 13. Ob eine bestimmte Ratio hinter der Bildung Sisennas steht 17 , bleibt am besten offen. Romanos inpetu suo protelant (hist. 27): Das unter dem Lemma Non. p. 363, 1 protelare est percutere, perturbare. Sämtliche anderen Belege für protelare, die das erhaltene Schrifttum der Republik bietet, sind auf derselben Noniusseite zusammengestellt. Unter demselben Lemma wie das Sisennafragment der trochäische Septenar Ter.Phorm. 213 ne te iratus suis saevidicis dictus protelet. Nach der Bemerkung Non. p. 363,17 protelare etiam excludere der Senar Turpil. com. 91 indignissime patria protelatum esse saevitia patris, Sisenna hist. 69. Nach der Erklärung protelare rursus adiuvare Varro frg. Non. p. 363,16 delectatio protelo + ad discedunt; ein sehr zweifelhafter Beleg. Paul. Fest. p. 235 protelare longe propellere eqs. Der zeitlich nächste Beleg ist dann Fronto p. 37,23 v. d. H. (=p.42N.) protelarei conviciis talem a me virum. Der Gebrauch des Wortes in dieser und späteren Passagen ist vielleicht nur künstlich. Sicheres percutere ist bei Plautus Most. 516 und an 3 weiteren Stellen nachzuweisen; Ter. Andr. 125; Cato or. frg. 40,7; Lucil. 337; Coel. hist.44; Quadrig. hist. 10b (2mal); Rhet. Her. 4,55,68 und später. Das Verb ist an keiner der erwähnten Stellen dem protelare Sisennas ganz synonym, perturbare Plaut. Amph. 1044; Most. 656; Ter. Andr. 601; Нес. 213; 633; Cornelia epist.frg. 2; Acc.trag. 135; Afran. com. 65; Sisenna hist. 68 agmen perturbatum; 71 perturbant agmen; 96 'terrore perturbatam multitudinem; Rhet. Her. 4,32,44 und später. Dem protelare Sisennas ist perturbare nur an den ausgeschriebenen Sisennastellen synonym, Zweifel bleiben allerdings Sisenna hist. 96. Die ältesten Belege für propellere sind Plaut. Rud. 672; Lucil. 259 nobilitate . . . propellere iniquos; Cie. Sulla 64. Daß protelare zur Zeit Sisennas der lebenden Sprache bereits gefehlt haben müsse (Bardon I 255), läßt sich nicht behaupten. certatim (hist. 28): 269 zu hist. 7. multi, plagis adversis icti et congenulati, Romanis praeeipitatis ipsis supra volvit (trad.: voluti Bentinus: volvi Passerat) in caput (hist. 33): congenulare oder, mit der üblichen Berichtigung, congenuclare ist entgegen Bardon I 255 nicht als Archaismus Sisennas zu erweisen. 221 zu Coel. hist. 44. Die Wendung volvere in caput wird man in irgendeiner Form erhalten, wie auch immer man den Text herstellt, volvere vor und zu der Zeit Sisennas fast ausschließlich in Dichtung. Um nur die ältesten und sichersten Belege zu nennen: Naev. carm.frg.41; Enn. ann. 531; Acc.trag.393; 395; 633. In Prosa, außer bei Sisenna, erstmals Varro Men. 471; ling. 5,114 in einer etymologischen Erklärung; bei Cicero einigemal in philosophischen und rhetorischen Schriften seit de orat. 17

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Skeptisch dagegen Kroll, Schriftspr. 7, der jedoch hier gleichfalls nicht mit einem Archaismus Sisennas zu rechnen scheint.

3,182; rep. 6, 17. Auch später begegnet das Verb sehr häufig bei Dichtern. Auf feste Verankerung des Wortes in der gesprochenen Sprache deutet aber sein Fortleben im Romanischen; vgl. Meyer-Lübke 9443. Dichterische Provenienz von volvere läßt sich für Sisenna mit dem vorgelegten Befund nicht erweisen. Merkwürdig ist freilich, daß die Wendung volvere in caput Verg. Aen. 1,116 wiederkehrt; ähnlich noch Verg. Aen. 12,292 involvitur . . . in caput inque umeros; dies überhaupt die drei ältesten Belege für in caput in der vorausgesetzten Verwendungsweise. Doch sind auch daraus kaum Rückschlüsse auf die dichterische Herkunft von Sisennas Formulierung zu ziehen. Von Stürzen auf den Kopf wird in der lateinischen Literatur der Republik wie auch der Kaiserzeit nur selten gesprochen. Das Fehlen der Wendung in republikanischer und späterer Prosa kann durchaus auf einem Mangel an Gelegenheit beruhen und erst Vergil volvere in caput in die Dichtung eingeführt haben. Die Materialien Thes. III 396,41 ff. 18 . dispalati ab signis, digressi omnes ac dissipati (hist. 35): Dies der älteste Beleg für dispalari. Die nächsten sind Sisenna hist. 134; Sali. (? ) rep. 2,5,6; Nep. Hann. 5,2; Lys. 1,2; das Verb erscheint nie in Dichtung. Mit einem Poetismus (Bardon I 256) 19 oder Archaismus Sisennas ist hier keinesfalls zu rechnen. omnia . . . loca statim potitus (hist. 42): potiri mit Akk. ist entgegen Bardons Auffassung (I 255) fraglos kein Archaismus Sisennas. Die Konstruktion wohl auch in den Redebeispielen Rhet. Her. 4,39,51 palmam (M: palma CE) . . . potiti; 4,44,57 potitus est gloriam (gloria Hid: gloriam rell.); sicher dann ζ. B. noch im Bellum Africum 36,4 und sonst; Bell. Hisp. 16,3 20 . quem (Memmium) Marci Livi consiliarium fuisse Callebant (hist. 44): Der а. c. i. nach callere wird Thes. III 166,81 ff. nur noch Apul. met. 1,3 belegt. Wenn Bardon I 256 „calleo et l'infinitif' zu den „emplois hardis, quelquefois po6tiques" rechnet, so wäre jedenfalls die letztere Klassifizierung hier nicht brauchbar. tum subito tacuit atque . . . propriam capere non potuerat quietem (hist. 45): Das Fragment beginnt daktylisch: Zufall oder beabsichtigtes episches Anheben 21 ? An der Wortwahl des Satzbeginns ist nichts Besonderes: subito steht auch Sisenna hist. 104 22 , taciti Sisenna hist. 25, tum Sisenna hist. 80; 95. Das Adv. in den bei18

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Wendungen mit praeceps und praecipitare sind in der republikanischen Prosa, auch wo sie in konkretem Sinne verwendet werden, doch schon abgeblaßt und bezeichnen hier kaum jemals ganz deutlich einen Sturz auf den Kopf. Bardon führt allerdings wenige Zeilen, nachdem er dispalari Sisenna hist 35 und 134 den „emplois hardis, quelquefois poetiques" subsumiert hat, dispalari Sisenna hist. 35 unter den „mots ou emplois techniques" an, die er offenbar von den ersteren Verwendungsweisen unterscheidet Weiteres zu der Konstruktion bei Kroll, Schriftspr. 26; Hofmann-Szantyr 122. Offenbar im letzteren Sinn Norden, Kp. 177. repente Sisenna hist. 103. Den Gebrauch von repente und subito in der Dichtung klärt Axelson 32f.: Im allgemeinen dominiert subito eindeutig. Eine auffallende Ausnahme ist Lukrez, der repente entschieden bevorzugt, das auch von Silius und Vergil vergleichsweise häufig gebraucht wird. Einzelheiten bei Axelson 32 f. Interessant die Verwendung der beiden Adv. in den Annalen des Ennius: 5 mal repente, nie subito. Das

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den Fällen, in denen daktylischer Rhythmus nicht erstrebt ist, ebenfalls am Satzanfang. Wenn Sisenna die nächstliegenden lateinischen Wörter wählte und ungekünstelt anordnete, war ein daktylisches Anheben des Satzes nicht vermeidbar. Mehr als einen Zufall braucht man in der rhythmischen Wortfolge nicht zu sehen 23 . Überdies ist zwar die Wortfolge cum subito in daktylischer Dichtung mehrfach bezeugt, so Catull. 84,10; Lucr. 6,124; Hör. sat. 2,6,111, öfter bei Vergil, Properz, Ovid. tum subito begegnet aber wenigstens bis in die augusteische Zeit einschließlich bei den Daktylikern an keiner Stelle24. Das Ganze unter dem Lemma Non. p. 361,20 proprium diuturnum. Bei Cicero ist diese Nuancierung des Adj. erleichtert: Manil.48 proprium ac perpetuum; p. red. in sen. 9 perenne ac proprium manere. Dem Sprachgebrauch des Fragments, falls auf die Interpretation bei Nonius Verlaß ist, entspricht genauer Bell. Afr. 61,5 quod proprium gaudium bellantibus fortuna tribuere non decrevit eqs. Nep. Thras. 4,2 parva munera diutina, locupletia non propria esse. Bassus assiduitate, indulgitate victus (hist. 46): indulgitas ist nicht mit Bardon I 255 als Archaismus Sisennas zu bezeichnen. 222 f. zu Coel. hist. 48. Die Wahl des Subst. nach assiduitate hat sich vielleicht durch Reimassoziation nahegelegt. vicatim (hist. 47): Das Adv. hier zuerst, dann auch bei Cicero, etwa Sest. 34; gewiß nicht mit Bardon I 255 als Archaismus Sisennas anzuerkennen. inperitum concitat vulgum (hist. 48): Das Subst. ist als Neutr., abgesehen von Com.pall.inc. 83, nachzuweisen Ter. Haut. 386; Lucil.461; Cie. S. Rose. 3 und öfter. Als Mask, erscheint es außer an der zitierten Stelle Acc. trag. 288; 348; Varro Men. 81 in Prosa; 359 im Vers; Lucr. 2,920. Überliefert ist das Mask, auch Caes. Gall. 6,14,4. Hier wird gern das Neutr. eingesetzt. Ein nicht ganz unbedenkliches Verfahren angesichts der Tatsache, daß das Neutr. bei Caesar überhaupt nur Gall. 1,46,4; civ. 3,29,3 erscheint. Die nächsten Zeugnisse fur das Mask, vulgus bieten Sali. lug. 69,2 und 73,5, beide Stellen nicht ganz einhellig; Nep. Ale. 8,6. Für die Periode Sisennas ist jedenfalls noch mit einem Schwanken des Sprachgebrauchs zu rechnen. S. auch Neue-Wagener I 972 f.

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wird doch wohl ungefähr den tatsächlichen Sprachgebrauch des Ennius widerspiegeln. Insbesondere Lukrez steht also mit seiner Praxis unter dem Einfluß des ennianischen Epos. Ist das richtig, dann ist subito für Sisenna gerade das weniger episch klingende Synonym. Nach Cie. de orat. 3,182 wäre ein daktylisches Anheben des Satzes freilich durchaus erstrebenswert. Aber das ist vielleicht nur Theorie. Cicero vermeidet Satzanfänge mit tum subito, beginnt dagegen häufig mit tum repente:'Will er dem daktylischen Beginn aus dem Wege gehen? Dann wären Cie. inv. 2,96 und Verr. II 1,46 als Versehen zu buchen. Die daktylisch fallenden Satzteile der Sisennafragmente haben de Groot 76 und Ulimann 64 gesammelt. Man kann zweifeln, ob eine derartige Rhythmisierung von Sisenna erstrebt worden ist. Ausgesprochen bedenklich wird es, wenn Ulimann als Belege für den „caractere fort epique du rythme" Stellen aus den Bruchstücken der Milesiaca anführt. Weshalb sollte sich die Prosa dieser schlüpfrigen Geschichten durch epischen Rhythmus ausgezeichnet haben?

quod fortassean . . . summa cum claritudine celeriter confecisset (hist. 49): fortassean vorher nur Acc. trag. 121, dann öfter bei Varro seit ling. 5,34; Cie. ad Q. fr. 1,2,5 (fortasse var. trad.). Daß die früher zu belegenden Ausdrücke forsan, forsitan, fortasse, fortassis den später auftauchenden Konkurrenten zu Sisennas Zeit bereits aus der lebenden Sprache verdrängt hatten, ist unwahrscheinlich, zumindest unbeweisbar. Die Materialien Thes. s. w . Als Archaismus Sisennas (Bardon I 255) ist fortassean also nicht zu bezeichnen. Ebenso ist über claritudo zu urteilen, das vor Sisenna nur Cato orig. 63; 83 steht, claritas begegnet erstmals 55 a.Chr. bei Mancia or.frg. 71, 1 Male., wenn es sich hier tatsächlich um ein wörtliches Fragment handelt. Thes. s. w . procedundo (hist. 51): Für Gerundium oder Gerundivum ist bei Sisenna sonst durchweg-end-bezeugt: hist. 10; 31; 127; 128; 139. Wäre procedundo ein Archaismus Sisennas (Bardon I 255), so wäre die isolierte Form doch noch ein etwas zweifelhaftes Indiz für archaistische Neigungen des Historikers. Aber derartige Bildungen sind auch gelegentlich bei Cicero einhellig oder sehr gut überliefert, ζ. B. Verr. II 5,25 in re gerunda; leg. agr. 2,93 ferundum. Noch in ciceronischer Zeit ist die Aussprache oder zumindest die Schreibweise -end- nicht völlig durchgedrungen 25 . inter duas fluvias (hist. 53): transgressus fluviam (hist.54): Das Fem. fluvia nach Thes. s.v. sonst nur Acc. trag. 505, abgesehen von der Augenblicksbildung in der etymologischen Erklärung Isid. orig. 13,10,2. fluvius, etwa schon Plaut. Bacch. 85 belegt, ist im Altlatein üblich. Thes. VI 1,978,52 ff. Die jüngere Bildung braucht durchaus nicht für Sisenna bereits antiquiert (Bardon I 255) zu sein. Vielleicht spielen bei ihrer Wahl analogetische Erwägungen eine Rolle: pluere - pluvia, fluere - fluvia. Denkbar auch, daß für Sisenna das Beispiel seines älteren Zeitgenossen Accius von Bedeutung gewesen ist; das wäre mit der ersteren Vermutung nicht unvereinbar, populabundus agros (hist. 55): agros populabundus (hist. 56): populabundus an diesen Stellen erstmals, später nur noch einigemal bei Livius ab 1,15,1. Das Part, populans erst Ov.met. 2,319; Liv. 2,43,1. Die beiden Sisennafragmente bieten auch die ältesten Belege für die Verbindung eines Adj. auf -bundus mit einem Objekt; es folgen Sali. hist. frg. 3,37 und Liv.3,47,2, aber mit anderen Wörtern 26 . Die Annahme, populabundus mit Akk. sei ein Archaismus Sisennas (Bardon I 255), läßt sich nicht rechtfertigen. mediam ad finem (hist. 59): Über das Fem. finis 221 zu Coel. hist. 38. Hinter Sisennas Sprachgebrauch könnte analoge tische Theorie stehen 27 . festinatim (hist.65): Das Wort wird Thes. s.v. nur noch Pompon.Atell. 13 bezeugt; festinanter, das sonst älteste von festinare abgeleitete Adv., Thes. VI 1,620, 25 26 27

Das Problem wird von Sommer 616 ff. diskutiert, von dem ich die Cicerobelege übernommen habe. Dazu etwa Müller 158 f.; Langlois, REL 39, 1961, 125 f. Gedanken über das populabundus Sisennas bei Pianezzola 99 ff. Im übrigen zu -bundus bei mir 235 A.30. Nähere Ausführungen darüber bei Bauer, Glotta 10, 1920, 124 f.

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38 erstmals Cie. Scaur. 37. Nichts rät dazu, festinatim für einen Archaismus Sisennas (Bardon I 255) zu halten. victoribus proprie spem, victis adversae fortunae maiorem formidinem obiecit (hist. 67): Zu dem Fragment gehört Non. p. 361,27 das Lemma proprium rursum significat perpetuum. Ob die Deutung richtig ist, läßt sich schwer sagen; der Sinn des Bruchstücks ist nicht ganz klar, proprie (? ) wäre in dem bei Nonius unterstellten Sinne wohl lebender Sprachgebrauch. 274 zu hist. 45. duae cohortes . . . equites protelant (hist. 69): Über protelare 272 zu hist. 27. ad gladios certationem revoeaverunt (hist. 70): certatio ist keine Besonderheit Sisennas. 253 zu Quadrig. hist. 59. Abi. sonu (Roth: sona trad.) (hist. 72): 271 f. zu hist. 26. non dubitatim (hist. 75): Das Adv. ist entgegen der Meinung Bardons I 255 nicht als Archaismus Sisennas zu erweisen. 220 f. zu Coel. hist. 30. iumenta, peeuda . . . trepidare (hist. 76): peeuda sonst nur Acc. trag. 409; Cie. rep.4,1. Die ältesten Belege für die konkurrierenden Formen: pecora ist überliefert Naev. trag. 44, aber kaum richtig; das Lemma Non. p. 159,5, unter dem das Fragment erscheint, lautet: pecua et peeuda ita ut pecora veteres dixerunt. Anzuerkennen ist pecora erst Catull. 63,13 (Avantius: pectora trad.); Caes. Gall. 5,19,1. pecua in republikanischer Zeit sicher nur Naev.com. 56; Plaut. True. 956; Cato agr. 141,3 im Gebet; Acc. trag. 178; 271. peeudes Plaut.Pseud.825; 834; 835; Enn.ann. 186; Lex agr. (CIL I 2 585) 14; 26; Асе. trag. 211; Varro Men. 489; Cie. Catil. 2,20 und später; die Zeugnisse sind bis zur Cicerostelle vollständig. Das anscheinend recht junge peeuda braucht entgegen der Auffassung Bardons I 255 zur Zeit Sisennas nicht bereits antiquiert gewesen zu sein28. Eher ist mit einem gewissen Schwanken in der lebenden Sprache der Periode zu rechnen. virile ac muliebre secus (hist. 80): secus ist keine Besonderheit. 225 zu Asell. hist. 7. neque porta neque ullum foramen erat (hist. 86): foramen, ein auch im Romanischen erhaltenes Subst., ist weder ein Poetismus (Bardon I 256) noch überhaupt ein besonderer Ausdruck Sisennas. Vgl. Thes. s.v., wo etwa auch Caes. civ. 3,53,4. integrant . . . caedem (hist. 89): integrare ist ein selten zu belegendes Verb, aber nicht als Archaismus oder Poetismus Sisennas einzustufen. Bis Vergil einschließlich begegnet es ab Pacuv. trag. 111 nur an 7 Stellen, darunter Cie. inv. 1,17,25. Es ist in veränderter Bedeutung im Romanischen erhalten. Bemerkenswert das Auftauchen der Junktur caedem integrare Liv. 9,43,17. Alles nach Thes. s.v. redintegrare erst Rhet.Her.2,30,47; 4,28,38; Cie.inv. 1,99. simul et tormenta contenduntur (hist. 90): Das Lemma Non. p. 258,34 dazu: contendere, adstringere, intorquere. Der Ausdruck Sisennas wird Thes. IV 662, 79 ff. als Metonymie zusammengestellt etwa mit Verg.Aen. 10,521 infensam con28

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Ernout, RPh 33, 1959, 40 äußert Zweifel an der Richtigkeit von peeuda bei Sisenna und Cicero, gefolgt von Breguet 127. Wirkliche Gründe fehlen. Bei Ernout auch einige der späteren Belege für pecua.

tenderat hastam. Aber bei dem Historiker dürfte das Verb durchaus in eigentlichem Wortsinn gebraucht sein: Die Wurfmaschinen werden gespannt, contendere ganz im gleichen Sinn Cie. Tusc. 2,57, wo der Thes. merkwürdigerweise ebenfalls metonymischen Gebrauch annimmt: ballistae lapidum et reliqua tormenta telorum eo graviores emissiones habent, quo sunt contenta atque addueta vehementius 29 . Die Annahme, contendere sei ein Poetismus Sisennas (Bardon I 256), ist nicht ratsam. concubia nocte (hist. 93): Dies der älteste sichere Beleg für die Verbindung. Enn.ann. 164 f. steht noctu . . . concubia. Die nächsten Zeugnisse für concubia nocte sind Cie. div. 1,57; Liv. 25,9,8. Außerhalb der Verbindung mit nox ist das Adj. nicht nachzuweisen. Thes. IV 100,76ff. Nichts nötigt dazu, einen Archaismus oder Poetismus Sisennas anzunehmen. legatos . . . apiscitur (hist. 94): Über apisci 122 f. zu Sulp. Ruf. Cie. fam. 4,5,6. apud Iguvinos . . . eius facti mentionem proiecit (hist. 95): mentionem proicere ist Thes. VIII 776,57 nur bei Sisenna bezeugt. calamitatis necessitudine (hist. 98): Über necessitudo „Not(lage)" 224 f. zu Asell. hist. 5. voto damnati (hist. 100): Dies der älteste Beleg für voto damnare; das nächste Zeugnis ist Verg. ecl. 5,80. voti damnare taucht erst Nep. Timol. 5,3 auf. Thes. V 1,20,32 ff. Daß die Wendung Sisennas für den Historiker antiquiert (Bardon I 255) oder sonst ungewöhnlich gewesen ist, läßt sich nicht beweisen. usi magnum pondus auri (hist. 101): uti steht etwa bei Plautus und Terenz wohl nur mit Abi., abgesehen von der Gerundivkonstruktion und der Verbindung mit neutralen Pronominalformen. Außerhalb der beiden letzteren Ausdrucksweisen findet sich uti mit Akk. erst Titin.com. 98 (? ) und in Catos De agricultura, so 142 und sonst gelegentlich neben häufigerem uti mit Abi.; dann Lucil. 471; Turpil.com. 164; Pompon. Atell. 169; Novius Atell.43; 69; 98; bei Varro jedenfalls Men.409; rust.3,16,23. Das Normale ist aber auch bei Varro uti mit Abi.; so von Anfang die Beredsamkeit und die ihr nahestehende Prosa: Cato or. inc. frg. 19; Gracch. or. frg.48,44,1 f. Male.; häufig in der Rhetorica ad Herennium ab 1,4,6; und sonst, uti mit Akk. ist zu Sisennas Zeit entgegen Bardons Ansicht (I 255) gewiß nicht antiquiert 30 ; es handelt sich um eine niedrigeren Sprachbezirken angehörige Ausdrucksweise 31 . opinione frustrata (hist. 102): Dies der älteste sichere Beleg für passivische Verwendung von frustrari. Ungefähr zur gleichen Zeit taucht erstmals aktivisch verwendetes frustrare auf: Pompon. Atell. 79, danach Caes. or. frg. 121,43 Male. Der aktivische Gebrauch des Dep. ist etwa Plaut. Cure. 331 und sonst vor Si29

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Dazu vgL Hier. adv. Iovin. 1,3 ballista quanto plus retrahitur, tanto fortius mittit Ähnlich etwa auch Veg. mil 4,22 ballista funibus nervinis tenditur, quae, quanto prolixiora brachiola habuerit, . . . tanto spicula longius mittit. Auch Kroll, Schriftspr. 22 scheint nicht mit derartigem zu rechnen. Das Dargelegte zu einem großen Teil bereits bei Langen, ALL 3, 1886, 329 ff.; vgl jetzt Hofmann-Szantyr 123, wo auch Weiteres.

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senna bezeugt. Thes. VI 1,1437,19 ff. An einen Archaismus des Historikers (Bardon I 258) ist nicht zu denken. innoxios (Aldina: innoxos trad.) trementibus artubus repente extrahis atque in labro summo fluminis, caelo albente (Aldina: alvente trad.) (hist. 103): innoxus ist sonst nicht belegt; dennoch ist die Korrektur vielleicht nicht ganz sicher. innoxius vorher 6 mal bei Plautus, etwa Aul. 221, meistens im Senar; Enn. scaen. 301; Cato or. frg. 10,2, hier in etwas andrer Bedeutung. Nach Sisenna Lucr. 6,394; bei Sallust 4mal ab Catil. 40,6 in derselben Bedeutung wie bei Sisenna, anders Catil. 39,2; Nep.Milt. 8,4 und sonst gelegentlich. Die Synonyme immerens Plaut. Cure. 185 im Wortspiel mit mereri; Ter. Нес. 740; Catull. 44,8 und später, innocens Naev. trag. 10; öfter bei Plautus; Enn. scaen. 122; 226; Ter. Ad. 155; Varro Men. 24 Antithese innocentes — noxios; 264; frg. Char, gramm.p. 170,19 В.; 4mal in der Rhetorica ad Herennium ab 2,3,5; häufig bei Cicero ab S. Rose. 6. Zu insons 294. Thes. s.w. Daß innoxius für Sisenna bereits antiquiert war, ist mit dem vorgelegten Befund nicht zu erweisen. Ein entlegeneres Idiom aber mag das Adj. für den Historiker immerhin dargestellt haben. Zu labram summum fluminis vgl. Caes. Gall. 7,72,1 summae fossae labra. Ähnliches vorher Cato agr.26; 107,1; 107,2; später etwa Liv. 37,37,11; Plin. nat. 31,28; Sulp. Sev. dial. 3,4 32 . caelo albente könnte dichterisch scheinen. Die sonstigen Belege für caelo albente: Caes. civ. 1,68,1; Bell. Afr. 11,1; 80,3; Cypr. Gall. exod. 1053; Symm.epist. 1,13,2. Die Stellen bei Sisenna und in dem Corpus Caesarianum sind überhaupt die ältesten Zeugnisse für albere. Danach Verg. Aen. 12,36 campi . . . ossibus albent; Ov. epist. 13,161 canis albere capillis (caput). Offenbar dringt albere erst mit Ovid in größerem Umfange in die Dichtung ein. Dieser spätere Sprachgebrauch der Dichtung ist für die Beurteilung von albere in republikanischer Prosa nicht maßgebend, erst recht nicht für die feste Verbindung caelo albente33. Das Material Thes. s. v. Außerdem soll nach Caecilius Quint, inst. 8,3,35 Sisenna als erster albenti caelo gesagt haben. Dem Grammatiker 34 war also ein älterer Beleg nicht bekannt; das spricht einigermaßen gegen das Vorkommen der Wendung in der Dichtung des 2. vorchr. Jh. s. subito mare persubhorrescere (Non.p. 449,7: subhorrere Non.p. 423,8) caecosque fluetus in se provolvere leniter oeeepit (hist. 104): Weder persubhorrescere noch subhorrere ist anderwärts bezeugt. Nach Bardon (I 255) wäre das erste Verb - er schreibt wohl versehentlich postsubhorrescere - „d'une allure archaisante". Ein Beweis dürfte schwerfallen, horrere, horrescere, inhorrescere sind Verben, die 32 33 34

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Zum übertragenen Gebrauch von Bezeichnungen menschlicher Körperteile im allgemeinen Koehler, Act. sem.phil.ErL 1, 1878, 468ff.; Löfstedt, Synt II 354. albescere gehört in ganz ähnlicher Verwendungsweise späterer Volkssprache an. Vgl Svennung 274. Vielleicht Caecilius Epirota. Zu der Frage Barwick, Philologus 91, 1936, 101 ff.; Probleme 82 A.l; Radermacher, WS 54, 1936, 159f.

öfter auf die stürmisch bewegte See angewendet werden. Sehr nahe steht Sisennas Formulierung Cic.rep. 1,63 cum subito mare coepit horrescere. Die einzigen bekannten Belege, die vor oder in die Lebenszeit des Historikers fallen, entstammen der Dichtung: Pacuv. trag.411 interea . . . inhorrescit mare; Acc. trag. 413 т а г е cum horreret fluctibus. Doch besagt das kaum etwas für Sisennas persubhorrescere (subhorrere). All die angeführten Stellen bereits Non. p. 422,23 ff. Späteres Thes. VII 1,1601,6 ff. Dichterisch (Bardon I 256) braucht noch weniger caecus fluctus zu sein, caecus „dunkel" ist zwar vorwiegend in Dichtung belegt; aber die Thes. III 44,70 ff. passim registrierten Zeugnisse bis ungefähr einschließlich zur Zeit Sisennas sind lediglich Plaut.Pseud.301, ein trochäischer Septenar; Acc.trag.32; Atta com.21, ein iambischer Septenar; Cie. Arat. 338 und öfter in den Aratea. Der Befund könnte caecus „dunkel" nicht unbedingt als Poetismus Sisennas sichern. Spezifisch die Verbindung caecus fluctus (caeci fluctus) ist nun aber überhaupt nie in höherer Dichtung nachgewiesen. Die außer der Sisennastelle einzigen Belege: Suet. frg. p. · 244 caecus fluctus, tumens needum tarnen canus, de quo Atta (com. 21) . . . sie ait: pro populo fluctus caecos faciunt per discordiam; et Augustus: nos venimus Neapolim fluetu quidem caeco 35 . Hinzu kommt Liv. frg. 60 iactationem navis caeco volvente fluetu pati. oeeipere ist für Sisenna entlegen oder sogar antiquiert. 214 zu Calp. hist. 36. prores actuariae tragi grandes ac faseli primo (hist. 105): prores „Buge" scheint vom Sinn her nicht recht zu passen; es sind mancherlei Änderungen versucht worden. Die Form des Subst. würde dagegen konjekturale Eingriffe nicht rechtfertigen. Vgl. Acc. trag. 575 prorim (V: proram FHL 2 E: prorem L 1 ) 3 6 , Lucr. 2, 554 prorem (prosem Q: proram 0 2 J : prorem rell.). Dies die einzigen Belege, die bei Neue—Wagener I 310 für * proris angeführt werden. Die offenbar nach puppis gebildete Form kann entgegen Bardons Auffassung (I 255) zu Sisennas Zeit durchaus mit dem anscheinend älteren prora lebendig konkurriert haben. Die frühesten Belege fiir prora sind nicht häufig genug: Plaut. Mere. 187 (?); Lucil. 578; Cie. Arat. 128; 135; de orat. 3,180; fam. 16,24,1; Caes.GaU. 3,13,2. puppis . . . centonibus integuntur, quos supra . . . cilicia obtenduntur (hist. 107): Nach Bardon (I 255) gehörte quos supra zu den „tours archaiques" Sisennas. Aber supra wird auch vor Sisenna durchweg dem Nomen vorangestellt: Plaut. Cure.477; Persa 819; Enn. frg.var. 21; Cato agr. 14,4 und weitere 7mal in dieser Schrift. Als Poetismus des Historikers ist die Anastrophe ebenfalls nicht zu erweisen. Die ältesten dichterischen Zeugnisse finden sich erst in augusteischer Zeit: Verg.georg.4,236; Aen.4,240 (?); 11,510; Prop. 1,20,35; 2,6,38; Ον.epist.Sapph. 159. Sisenna hatte für die perversio (Rhet. Her. 4,32,44) quos supra ein lateini35 36

Das Augustusfragment fehlt sowohl Thes. III 46,1 ff. unter caecus, als auch Thes. VI 1, 946, 11 ff. unter fluctus. Der Apparat nach der Noniusausgabe von Onions, Oxford 1895.

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sches Vorbild schwerlich nötig 37 . Sie fügt sich in seine sonstige Neigung zu preziöser Wortstellung ein, hinter der vielleicht Kleitarchnachahmung steht. Vgl. FGrHist 137 F 3 ; 35. de virtute eorum accusanda proloqui (proliqui L: proloqui rell.) supersederunt (hist. 108): proloqui ist den Komikern seit etwa dem Senar Plaut. Capt. 703 geläufig; das Verb hier auch noch ζ. B. Afran. com. 213. In höherer Dichtung proloqui vor Sisenna Enn. scaen. 257; 337; nach ihm Prop. 3,13,59, an der einzigen Daktylikerstelle vor Comm. apol. 630. In Prosa steht das Wort zuerst bei Sisenna, dann, von der grammatischen Erläuterung Vaxro ling. 6,56 abgesehen, erst wieder Bell. Afr. 35,3; 44,4. Auf langes Fortleben des Verbs in niederen Sprachschichten deutet ein Zeugnis wie Ps.Musa herb. Vett. 1.28. An einen Archaismus oder Poetismus Sisennas ist hier nicht zu denken. Das Fragment unter dem Lemma Non. p. 40,5 f. supersedere, manere, perseverare etc. Unter der gleichen Rubrik aber auch Plaut. Epid. 39, wo diese Erklärung gewiß falsch ist. Man wird ebenfalls für das supersedere Sisennas die übliche Bedeutung anzunehmen haben. So das Verb z.B. noch Caes.Gall.2,8,1. supersedere mit Inf. nach Sisenna hist. 108, dem ältesten Beleg, erst wieder Liv. 4,7,8; 21,40,1. enixim (hist. 110): Nur hier, enixe Plaut. Trin. 652; Cie. Sest. 38; Caes. civ. 3,35,2. Thes. s.w. enixim braucht entgegen der Annahme Bardons I 255 kein Archaismus des Geschichtsschreibers zu sein. foedera maiorum suum (hist. 112): Sisenna gebraucht beim Gen. PI. der 2. Dekl. normalerweise die Endung -orum: hist. 26 (2,mal); 51; 73 sine ullo suorum vulnere; 83; 91; 108; 109; 139. Die einzige Ausnahme ist hist. 36 binum milium. Der Gen. auf -um ist aber bei bini wie bei den übrigen Distributivzahlen weit über Sisenna hinab üblich38. In all diesen Fällen gestattet sich der Historiker also keinerlei Extravaganz. Es nötigt auch nichts dazu, den Gen. suum als Archaismus Sisennas (Bardon I 255) oder überhaupt als Besonderheit zu deuten. Anscheinend haben die Possessivpronomina bei Verwandschaftsbezeichnungen wie liberi, maiores, parentes den Gen.PI. auf -um (-om) recht zäh bewahrt. In diese Richtung deutet Cicero, wenn er orat. 155 bei der Behandlung derartiger Bildungen gerade zu Pacuv. trag. 80 maiorum meum bemerkt: erat usitatum. Die Verteilung der Belege erhärtet die Ansicht. Im folgenden werden die Possessivpronomina mit dem ersten Buchstaben abgekürzt. 37

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Übrigens findet sich Sisenna hist 83 supra vallum. Die Anastrophe liegt beim Relativpronomen näher als beim Subst. VgL auch Neue-Wagener II 946 ff.; Kühner-Stegmann 885 f. Nach Hofmann-Szantyr 216 wären die etwa bei Cicero häufigeren Anastrophen Archaismen. Das Urteil basiert auf der Beobachtung, dafi Terenz anders als Plautus zweisilbige Präpos. nur vor das Relativ setzt Daß mit der Beobachtung eine später sich gradlinig fortsetzende Entwicklung der lebenden Sprache erfaßt ist, wird aber eben durch Ciceros Sprachgebrauch zweifelhaft. Die Belege bei Neue-Wagener II 329 ff. binorum Cie. p. red. in sea 36 ist hier zu streichen: Eine wenig überzeugende Konjektur Madvigs. Von den folgenden Ausführungen einiges schon bei Stolz-Leumann 279.

Zunächst neben den drei genannten Subst. die Gen.Pl. der Possessivpronomina auf-um (-om). liberum: Ter. Ad. 793 п.; Acc. trag.424 (?) m. maiorum: Plaut. Aul. 166 п.; Capt. 324 п.; Cas. 418 m. (edd.: meorum trad.); Pseud. 581 m.(A: meorum P); Stich. 303 m.; Trin. 656 m.; Ter. Ad.411 s.; Pacuv. trag. 80 m.; Sisenna hist. 112 s.; CIL I 2 727,3 (?) s.; Cie.leg. agr. 2,69 (?) v. (E e: vestrorum rell.); Met.Cel. Cie. fam. 5,1,2 (?) n. (R: tfflfi M: nostrorum G); Varro rust. 3, 3,6 п. parentum: Plaut. Epid. 637 m.; Mere. 834 m.; Poen. 1062 t. 3 9 . Jetzt die frühesten Belege für die Gen.Pl. auf -orum. liberum (liberorum): Acc. trag. 79 (?) m. (Vossius: eorum trad.); Cie. Verr. II, 1,77 t.; II 3,91 ;und später, maiorum: Sulla hist. 3 п.; Cie. inv. 2,106 s.; Verr. II 2,122 s.; und später, parentum: Cie. Verr. II 5,138 s.; Cael.79 v. maiorum suum kann, wie bemerkt, zu Sisennas Zeit durchaus neben maiorum suorum gelebt haben. Wenn der erstere Sprachgebrauch noch bei dem späten Varro eine Parallele findet, so mag sich darin der sprachliche Konservativismus eines alten Mannes äußern, der Sprachgewohnheiten jüngerer Jahre bewahrt. aetatis granditatem (hist. 115): granditas hat nach Bardon I 255 eine altertümliche Färbung. Aber das seltene Subst. ist vor dem Historiker gar nicht zu belegen, nach ihm Cie. Brut. 121 und vereinzelt später; in der gleichen Weise wie bei Sisenna überhaupt nie, abgesehen von Glossen. Thes. s. v. Doch wird der Sprachgebrauch des Geschichtsschreibers nicht fern gelegen haben. Das Adj. grandis wird seit Plaut. Aul. 191 recht häufig auf das Alter bezogen. Thes. VI,2, 2180,29 ff. praefestinatim (hist. 117): Das Adv. nur hier, also nicht als Archaismus Sisennas (Bardon I 255) erweisbar, zumal das Synonym praefestinanter nur Itala Esth. 6,14p. 656,24 Motzo (cod.C) bezeugt ist. Neue-Wagener II 558; 722. senati ( F 3 H 2 P V : sentis H 1 : sati L 1 : satis F ' L 2 : sena E) consulto (hist. 119) 40 : Über senati und senatuis 271 zu hist. 17. milites, ut lex Calpurnia concesserat, virtutis ergo civitate donari (hist. 120): Die Verbindung virtutis ergo verwendet Sisenna gewiß als Terminus der Gesetzessprache. Die Belege für die juristische Formel Thes. V 2,759,56 ff. Vielleicht handelt es sich überhaupt um ein Zitat aus der Lex Calpurnia. Von einem Archaismus Sisennas wird man im Gegensatz zu Bardons Andeutungen (I 255) hier besser nicht sprechen. clandestina celeriter (trad.: crebritudine Faber) transigi . . . decet (hist. 122): Das zu dem Fragment gestellte Lemma Non.p. 91,27 lautet: crebritudinem pro crebritatem. crebritudo außer in einer Glosse nur hier. Thes. s.v. crebritas erst Cie.fam.3,1,1. Thes. s.v. utrumne divi (Iunius: viri trad.) cultu erga se mortalium laetiscant an superne 39

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Wenn die Szeniker die Bildungen auf -um gebrauchen, so könnte das auch mit metrischen Gründen zusammenhängen, aber kaum ausschließlich. Übrigens mögen manche Bildungen auf - um der normalisierenden Überlieferung zum Opfer gefallen sein. Apparat der Noniusausgabe von Onions, Oxford 1895.

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agentes (Leo: supernae egentes trad.: superna agentes Aldina) humana neglegant (hist. 123): Die Korrektur divi ist wohl richtig. Bei Plautus stehen den 8 sicheren Belegen für divus (diva) über 400 für deus (dea) gegenüber. Die einzelnen Formen von divus treten dabei nicht in jeweils gleichem Maße hinter den konkurrierenden Bildungen von deus zurück. Der Nom. PI. divi ist nur Aul. 50 zu sichern, di (dei, dii) etwa 200mal; die Frequenzen für den Gen. PI. divom und die entsprechende Form von deus sind, bei Vernachlässigung zweifelhafter Stellen, 4 - Amph. 1121 und weitere 3mal divom atque hominum - und 25. Bei Terenz ist dann das Verhältnis 1 - Ad. 746 divom (Gen. PI.!) - zu rund 120; der Nom. PI. von deus erscheint hier etwa 60mal. Der Befund legt die Ansicht nahe, daß jedenfalls der Nom. PI. divi schon für Terenz nicht mehr lebt. Die aus späterer Literatur zu gewinnenden Daten widersprechen dem nicht. Für Sisenna ist also divi wahrscheinlich antiquiert. Zugleich ist das Wort für ihn poetisch; vgl. etwa Naev. carm. frg. 24; Enn.ann.208 divi (lunius: diu trad.). Auch aus feierlicher Gebetssprache mag es dem Historiker bekannt gewesen sein; vgl. ζ. B. Cato agr. 141,1. Ein spezifisch historiographisches Idiom aber verwendet Sisenna mit dem Subst. wohl nicht. Denn divus begegnet sonst nicht mehr in den Fragmenten der republikanischen Geschichtsschreibung; dagegen findet sich Cato orig. 83 dii immortales; Quadrig. hist. 9 deorum; 79 deos 4 1 . Vielleicht verwendet Sisenna den altertümlich-poetischen Ausdruck nicht zufällig dort, wo er statt geschichtlicher Tatsachen eine zentrale theologische Frage behandelt. mortales ist nach divi nicht auffällig. 144 zu Pollio hist. 5. laetiscere ist, von Nonius und Glossen abgesehen, nur noch Not. Tir. 62,5 a bezeugt. Das Verb ist, wie schon Bardon I 256 bemerkt, zu Sisennas Zeit gewiß nicht üblich gewesen. Vgl. als Folie etwa die Verbreitung von gaudere, wozu Thes. s.v. Genaueres läßt sich nicht sagen. Wenn die Herstellung superne agentes richtig ist 42 , dann bietet die Stelle den ältesten Beleg für superne. Danach das Adv. oft bei Lukrez ab 1,496, in Dichtung erst wieder Verg.Aen. 6,658; Hör. sat. 2,7,64; carm. 2,20,11; ars 4. Bei den augusteischen Dichtern ist superne nur an den 4 letzten Stellen sicher nachzuweisen. In Prosa ist das Adv. recht häufig seit Liv. 1,25,12. Jedenfalls in Sisennas Periode braucht superne nicht ein Poeticum gewesen zu sein. Denn wenn nach dem Historiker als einziger republikanischer Dichter Lukrez vielfach das Adv. verwendet, so ist das eine individuell lukrezische Praxis, die für Sisenna nichts besagt. 41

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Zu der Annahme stimmt auch das späte vereinzelte Auftauchen des antiquierten Wortes bei Sallust in der Peroratio or. Lcp. 27: bene iuvantibus divis (wohl nachgeahmt Liv. 31,7,14); deus findet sich mehrfach ab CatiL 1,2. Weitere Materialien Thes. s.v. Bei allem ist natürlich zu berücksichtigen, dab Überlieferung dazu tendiert, I'ormen von divus durch Formen von deus zu ersetzen. Ζ. B. ist Ter. Ad. 746, wo divom durch das Metrum gesichert ist, auch deum überliefert Leo begründet seinen Vorschlag mit teils zu korrigierenden Argumenten ALL 10, 1898, 435.

Die Dinge lägen nicht wesentlich anders bei superna agentes. Das Adj. supernus wäre bei Sisenna erstmals bezeugt. Die nächsten Belege Lucr. 5,647 inferna supernis; 6,192 (trad.: superne Bentley); 6,942 (trad.: superne Lachmann); Hor.epod. 1,29 (superne var.trad.); Ov.met. 15,128. Marius . . . suos continuatur (hist. 125): Das seltene Verb hier erstmals, dann erst Apul.met. 1,24. Thes. s.v. Ein Archaismus des Historikers (Bardon I 255) ist in dem Wort nicht zu erkennen. celatim (hist. 126): Nicht mit Bardon I 255 als antiquiert zu klassifizieren. Das Adv. wird Thes. s.v. nur hier nachgewiesen. vellicatim aut saltuatim (hist. 127): Das erste Adv., von Glossen abgesehen, nur bei Sisenna. Das zweite vorher nie, nachher erst wieder Gell. 9,4,9. S. etwa Neue—Wagener II 563; 559. Die Annahme, die Bildungen seien für Sisenna altertümlich — so Bardon I 255 über vellicatim — ist unerweislich. inferendae pernicii causa (hist. 128): Der Gen. von pernicies wenigstens bis zum Ende der Republik nur noch Acc. trag. 434 permiti; Cie. S. Rose. 131 pernicii 43 . Nichts berechtigt dazu, in Sisennas pernicii einen Archaismus (Bardon I 255) oder überhaupt eine Besonderheit zu sehen. caelum caligine stat (hist. 130): caligo steht gelegentlich schon vor Sisenna in höherer Dichtung, so Enn. ann. 21, aber auch in Prosa: Cato orig. 77. Öfter das Subst. auch etwa in ciceronischer Prosa, meist allerdings metaphorisch, so noch Cie. Phil. 12,3; in konkretem Sinn deutlich Cie. leg. agr. 2,44. Der Befund rät nicht dazu, in caligo einen Poetismus Sisennas zu vermuten. Überdies deutet das Fortleben des Wortes im Romanischen auf feste Verankerung in der lebenden Sprache. Vgl. Meyer-Lübke 1516. Die sicheren Belege für stare ala.re sind in republikanischem Schrifttum und bei Vergil und Horaz: Enn. ann. 608 stant pulvere campi; Caecil. com. 219, im trochäischen Septenar, ager . . . stet sentibus; Titin. com. 144, im iambischen Oktonar, fundi stabunt sentibus; Lucil. 213 stat sentibus pectus; 1301 stat sentibus fundus; Sisenna hist. 130; Verg. Aen. 6,300 stant lumina flamma; 12,407 f. iam pulvere caelum stare vident. Bereits dieser Befund läßt Zweifel an der Möglichkeit aufkommen, Sisennas Ausdruck als Poetismus zu klassifizieren. Der Zweifel wächst, wenn die am ehesten synonyme Verwendung von plenum esse und horrere herangezogen wird, stare ala.re wird hauptsächlich oder, wenn caelum flächig aufgefaßt werden darf, ausschließlich von Flächen gesagt; auf die Verbindung von plenum esse mit Flächen, caelum eingeschlossen, beschränkt sich die folgende bis zur letzten Cicerostelle vollständige Belegsammlung: Plaut. Mere. 880 caelum ut est splendore plenum; Mil. 513 plenumst undarum таге; Cie. Sull. 28 plenum forum est . . . hominum; Flacc. 57 est forum . . . plenum optimorum virorum. 43

Nach GelL 9,14,19; die Form pflegen die Herausgeber gegenüber dem pernicie der Cicerohss. mit Recht vorzuziehen. Die Stelle ist, wie nach anderen etwa Sommer 396 hervorhebt, ein lehrreiches Beispiel fiir die geringe Zuverlässigkeit der Codd. in solchen Dingen.

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horrere ala.re wird in konkreter Bedeutung Thes. VI 3,2976,70 ff. fur republikanische Zeit nur Enn. frg. var. 14, in der Parodie Lucil. 1190 und Acc. trag. 413 belegt, stare ala.re kann in prosaischer Ausdrucksweise vor und zur Zeit Sisennas gut mangels Anwendungsgelegenheit fehlen44. Abi. sibilu (hist. 131): sibilus ist als Subst. der 4. Dekl. bei Neue—Wagener I 786 nur an dieser Stelle nachgewiesen. Vor dem Geschichtsschreiber taucht das Wort lediglich Pacuv. trag. 336 und Lucil. 1293 auf, und zwar als Nom. Sg. Als Subst. der 2. Dekl. ist sibilus erst Cie. Q. Rose. 30 zu erkennen. Die Ansicht, Sisenna bediene sich einer antiquierten Form (Bardon I 255), ist nicht zu rechtfertigen. S. auch 271 f. zu hist. 26. dictaturam . . . suffragaverunt (hist. 132): suffragare ist nicht als Archaismus Sisennas (Bardon I 255) zu klassifizieren. Die aktive Form im Senar Pompon. Atell. 106 und später einigemal ab Itala deut. 28,29 (Lugd.). Das Dep. suffragari erscheint zuerst Cie. Verr. II 5,178. tanto plures passim dispalantur (hist. 134): Über dispalari 273 zu hist. 35. hostis loca superiora potiti (hist. 135): Über potiri mit Akk. 273 zu hist. 42. senati (Guyet: senatis trad.: senatuis Mercier) consultis (hist. 136): Über senati und senatuis 271 zu hist. 17. cursim, properatim, celatim, vellicatim, saltuatim (hist. 137): Die Wörter Gell. 12,15,1, wo hinzugefügt wird: ex quibus duo prima, quia sunt notiora, exemplis non indigebant. cursim ist keine Besonderheit. Thes. s.v., wo etwa Cie. Att. 16,1,2. properatim nach Neue-Wagener I 558 noch Caecil.com. 167 im Senar; Pompon. Atell. 26; im Hexameter CIL VI 25703,2. Die zitierte Bemerkung des Gellius läßt annehmen, daß das Adv. häufiger vorkam. Das Synonym properanter steht erst Lucr. 5,300, properato Tac. ann. 13,1,3, noch später properate. Über celatim 283 zu hist. 126, vellicatim und saltuatim 283 zu hist. 127. vitam cum dolore et insigni cruciatu carnificatus amisit (hist. 138): Dies der älteste Beleg für carnificare, danach erst wieder Liv. 24,15,5. Thes. s.v. Als Archaismus Sisennas (Bardon I 255) kann das Verb nicht gelten. a navibus semionustis (hist. 139): semionustus ist sonst nicht nachgewiesen. Das ungefähr synonyme semiplenus erstmals Cie. Verr. II 5,63 navibus . . . semiplenis. Über die Bildung, die bei Sisenna erscheint, läßt sich nichts sagen45. 44

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caligine caelum ist Versschluß Verg. Aen. 11,187, und man könnte aus dem Satz Sisennas mit leichten Veränderungen ein Hexameterende gewinnen: stat caligine caelum. Aber was ist damit bewiesen? Dem Historiker ist es hier offenbar gerade nicht auf daktylischen Epenklang angekommen. Bardon I 256 erblickt in dem Adj. einen Beweis für Sisennas Neigung zu extravaganter Sprachgestaltung. Die Deutung wäre selbst dann fraglich, wenn das Wort ein sicherer Neologismus des Historikers wäre. Unter den oft vereinzelten Belegen für Zusammensetzungen mit semi- mögen sich manche spontane Bildungen befinden; gerade zu derartigen Neuschöpfungen mag die Sprache leicht bereit gewesen sein. Analogien wohl die Zusammensetzungen mit ήμι-.

mediterream melius quam mediterraneam Sisenna dici putat (hist. 141 = gramm. frg. 128,2 Fun.): Anscheinend der Reflex einer sprachtheoretischen Äußerung Sisennas46. Die von ihm befürwortete Form ist sonst nicht bezeugt, mediterraneus, von der zitierten Stelle abgesehen, zuerst Cie. Verr. II 3,85. Thes. s. w . Möglicherweise stehen hinter Sisennas Vorschlag analgetische Vorstellungen: terreus — mediterreus; denn terraneus, das nirgends nachzuweisen ist, hat vielleicht weder zur Zeit Sisennas noch sonst jemals existiert47. apud Sallustium et Sisennam invenitur die in dativo; faciebant et genitivum in ies, huius dies (hist. 142): Den Dat. die rechnet Bardon I 255 zu den Archaismen Sisennas. Der Text steht im Aeneiskommentar des Humanisten Pietro Leoni, bekannt als Cynthius Cenetensis; Cynthius gehört dem 15. Jh. an. Die angeführte Notiz zu Verg. Aen. 1,636 ist offensichtlich eine ungenaue Wiedergabe von Gell. 9,14 und hätte nicht den Sisennafragmenten zugewiesen werden dürfen 48 . Adv. false (hist. 143): Dies neben dem gewiß ebenfalls anzuerkennenden Beleg Cie. inv. 2,36 (falso var. trad.) das älteste Zeugnis für die Form. Danach erst Lucif. Äthan. 2,4 p. 154,9. Thes. s. v. Soweit über die Historiae Sisennas. Werten wir den vorgelegten Befund aus: Als Archaismen Sisennas dürfen allenfalls gelten oeeipere hist. 25 und 104, divi hist. 123; der letztere Ausdruck ist zugleich auch dichterisch. Danach fände sich je ein Archaismus in einem Text von etwa 390 Wörtern. Ist Sisenna deshalb ein Archaist? Mit der Bejahung der Frage wird zögern, wer bedenkt, daß die Fragmente Sisennas mehr noch als die anderer republikanischer Geschichtsschreiber wegen sprachlicher Merkwürdigkeiten erhalten sind. Archaismen sind in der Gesamtheit der zahlreichen Historienbruchstücke also mit größerer Wahrscheinlichkeit zu erwarten, als in einem gleich umfangreichen kontinuierlichen Textquantum. Hinzu kommt, daß der Gebrauch von divi gut mit der Thematik der Stelle zusammenhängen kann. Und das Erscheinen des ohnehin nicht

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Eine andere Äußerung des Historikers zur Grammatik 75 A . 4 5 . Als Indiz für ungewöhnliche Sprachgestaltung des Historikers Sisenna (Baidon I 256) ist die zitierte Stelle kaum mit Zuversicht zu verwenden. Allerdings erscheint terreus erst seit Varro ling. 5,48. Für die dargelegte Deutungsmöglichkeit von Sisennas mediterreus entschieden bereits Calboli 222; Badian 26. Ein ganz ähnliches Problem übrigens bei Varro gramm. frg. 258, 216 Fun. Über Cynthius informiert R. Sabbadini, Le scoperte dei codici Latini e Greci nei secoli XIV e XV, Firenze 1905, 167 f. Der Aeneiskommentar des Humanisten bietet übrigens noch andere „Sisennafragmente". So wird zu Verg. Aen. 1,242 ein längerer Passus mit den Worten eingeleitet: Sisenna sie scribit. Es folgt eine Mischung aus Dictys, Servius auetus und Vergil. Peter unterläßt jede Erwähnung dieser „Fragmente", die ebensoviel oder -wenig Beachtung verdienen wie die im Text behandelte Stelle.

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prinzipiell verwendeten occipere beruht möglicherweise auf einer marottenhaften Vorliebe für eben nur dieses Wort; das hätte Parallelen bei Autoren, die archaistischer Neigungen unverdächtig sind 49 . Vor allem aber fügt sich die unmotivierte Verwendung vereinzelter Archaismen bei dem Geschichtsschreiber Sisenna in eine allgemeine Neigung zu ungewöhnlichem Prosaausdruck ein, wie sie nach Cie. Brut. 259 f. auch an dem Redner auffiel. In dem historischen Werk wird die Neigung durch die Einwirkung Kleitarchs (Cie. leg. 1,7) verstärkt worden sein, der anscheinend pompöse Wörter liebte; vgl. FGrHist 137 Τ 9; 10. Wenn Cicero Brut. 260 Sisennas Hang zum inusitate loqui mit dem wohl als Neologismus zu diagnostizierenden sputatilicus veranschaulicht, so darf man unter den singulären Ausdrücken der Historiae insbesondere Neubildungen vermuten. Es ist dabei etwa an die Hapaxlegomena unter den von Sisenna geschätzten Adv. auf -im zu denken. Bei diesen Formen kann auch eine bewußte Anwendung analgetischer Grundsätze im Spiel sein. Die letztere Annahme mag auch für fluvia hist. 53 und 54 oder das Fem. finis hist. 59 gelten. Daneben ist zur Erklärung gerade dieser Bildungen der Einfluß des Accius in Betracht zu ziehen. Auch bei anderen Accius und Sisenna gemeinsamen Sprachbesonderheiten50 ist eine Einwirkung des Tragikers auf seinen jüngeren Zeitgenossen, der wohl rhetorice et tragice (Cie. Brut. 43) Geschichte schreiben wollte, nicht ausgeschlossen. Das hieße nicht, daß gemeinpoetisches Sprachgut bei Sisenna von großer Bedeutung sein müßte; von divi abgesehen, ist bei Sisenna kein derartiger Poetismus nachzuweisen. Der Gebrauch von Archaismen kann schwerlich als beherrschender Grundzug in der Spxs э ш " ' jisennafragmente gelten. Zu diesem Eindruck paßt Ciceros bereits besprochenes Urteil über die Historiae. Wenn in den Bruchstücken keine Beziehungen zum ennianischen Epos deutlich wahrnehmbar sind, bestätigt sich die Einordnung Sisennas durch Fronto. Mit der Neigung zum exquisiten Ausdruck verbindet sich bei Sisenna die Vermeidung von Umgangs- oder Vulgärsprachlichem. Das einzige Idiom, das nach den vorgelegten Materialien zu Sisennas Zeit hinlänglich sicher niedrigeren Sprachbezirken angehört hat, ist uti mit dem Akk. hist. 101. Der Befund gewinnt besonderes Relief vor der Folie von Quadrigarius' Sprachgebrauch51. Unter diesem Aspekt erweist sich Sisenna auch in den Historien als bene Latine loquens (Cie. Brut. 228). 49 50 51

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Vgl. 59 und bes. A. 46. fortassean hist. 49; peeuda hist. 76. VgL auch pröris (? ) hist 105. Dazu 261. Noch eine Kleinigkeit, in der die Ausdrucksweise Sisennas von der anderer Historiker abweicht. In der Geschichtsschreibung vor Sisenna und noch bei Quadrigarius steht atque vor Konsonanten wie Vokalen. Dazu 213 A. 14. Sisenna schreibt gleichmäßig vor Konsonanten ac (20 mal), vor Vokalen atque (10 mal). Dieselbe Technik auch bei Tubero und dem Autor von Ps. Quadrig. hist 12.

b) С. Licinius Macer Wenigstens 16 Bücher haben die Annalen des C. Licinius Macer, gest. 67 a.Chr., umfaßt 5 2 . Von dem Werk sind höchstens 7 kurze Fragmente im Wortlaut erhalten. Auch bei Macer findet Bardon I 259 „le gout de l'archaTsme". Als Redner hat Macer schwerlich archaisiert: Cicero hätte derartige Neigungen Brut. 238 gewiß nicht verschwiegen. Über den Historiker Macer legt Cicero leg. 1,7 dem Atticus ein in Einzelheiten gehendes Urteil in den Mund, das recht ungünstig ist. Von einer archaistischen Sprachgestaltung wird nichts gesagt. Das rät davon ab, in den Annalen viele Archaismen zu vermuten. In die gleiche Richtung deutet das offenbar geringe Interesse der späten Grammatiker am Werk des Geschichtsschreibers. Und nun die Besonderheiten der Fragmente. non minimo opere milites quietes volebant esse (hist. 7): Die Wendung minimo opere ist jedenfalls in republikanischer Zeit nicht mehr bezeugt. Das Fragment steht Prise, gramm. II 243,2 f. als Beispiel für dreigeschlechtiges quies. Im gleichen Zusammenhang wird Naev. carm. frg.22 zitiert: mentem fortuna fecerat quietem. Außer an diesen Stellen ist das Adj. quies nur noch Apul. Plat. 2,5 nachgewiesen. Neue—Wagener II 169. Die ältesten sicheren Belege für das Subst. quies sind Plaut.Cure. 272; Rud.916; Acc.praet. 17; Afran.com. 76; Sisenna hist. 45; Cic.Manil.40. quietus bereits Plaut. Cure. 492 und öfter bei Plautus; dann Ter. Phorm. 713; Eun.277; Lucil.391 (?); 459; Varro Men.357; Cie. inv. 1,4 und später mehrfach, quies „ruhig" ist, wie schon Bardon 1259 A.2 annimmt, für Macer sehr wahrscheinlich antiquiert gewesen 53 . alii modi (hist. 20): Für Macer wohl keine Besonderheit. 218 zu Coel. hist. 3. nequaquam sui lavandi (lavadi FH 1 L: lanuandi P 1 : lavandi rell.) reluant arma lue (luae H 1 : lue rell.) (hist. 21) 5 4 : Das nicht einhellig überlieferte Lemma Non. p. 52,6 dazu: lues a rebus solvendis proposita. Der Sinn des Fragments ist nicht deutlich. Nach Bardon I 259 A.2 wären reluere und lues „au sens de: chose en liquefaction" Archaismen Macers. reluere ist vorher nur Caecil.com. 105 bezeugt, wozu Fest. p. 281 richtig kommentiert wird: reluere resolvere, repignerare; danach wohl die Glossen. Im gleichen Sinn reluere Ps. Cie. in Sali. 19. Der einzige sonstige Beleg steht Priscill. tract. 4,80 in der Bedeutung „zurückfließen". Das unklare reluere braucht bei diesem Befund nicht für Macer veraltet gewesen zu sein. Ganz dasselbe gilt für lues. Das Subst. vor Macer allein Carm. Arv. (CIL I 2 2) 2, nach ihm Cie.har.resp. 24; Verg. Aen.3,139 und später. An den zitierten Stellen 52 53

54

Münzer, RE XXV (1926) 421 f. bestreitet die Zuverlässigkeit dieser Uberlieferten BuchzahL Allerdings ist nicht ganz auszuschließen, daß quies auch in dem Macerfragment „Ruhe" heiftt. quietes wäre dann der Akk. eines а. c. i.; der PI. hätte eine Entsprechung etwa in vitae Quadrig. hist 27. Die bei Priscian vertretene Deutung ist nicht absolut verbindlich. Welche sprachlichen Mißdeutungen antike Kommentatoren vortragen können, veranschaulichen Stellen wie CaeselL GelL 6,2,4 f.; Serv. Aen. 9,484. Der Apparat nach der Noniusausgabe von Onions, Oxford 1895.

287

und sonst normalerweise bedeutet lues die Seuche; das könnte auch der Sinn des Wortes in dem Macerfragment sein. In der Bedeutung „Flüssigkeit" taucht lues erst nach Macer auf, etwa Petron. 123 v. 192. neglegerit (hist. 22): Das Bruchstück Prise, gramm. II 525,3 ff. Das Perf. neglegi hier eistmals als Beispiel für die zitierte Form; die späteren Belege wie Sali. Catil. 51,24; lug. 40,1 sind nicht einwandfrei überliefert, neglexi vor Ciceros Verrinen lediglich Plaut. Amph. 586; Mere. 86; Тег. Нес. 670; Phorm. 54; Cie. inv. 1,80; Quinct. 75; S. Rose. 113. Der Sprachgebrauch mag zu Macers Lebzeiten nicht fest gewesen sein. Es ist von vornherein wahrscheinlich, daß in der lebenden Sprache Perfektbildungen wie collegi, elegj auf der einen Seite, intellexi, neglexi auf der anderen sich gegenseitig beeinflußt haben. So erklärt sich sporadisches intellegi seit Lucr.6,17, wozu Thes. VII 1,2069,68 ff. Das Pendant dazu collexi Thes. III 1606,17 ff., wozu noch Pap. Corp. 254,12 f.; elexi Thes. V 2,375,59 f. Als Archaismus Macers (Bardon I 259 A.2) ist das neglegerit kaum am besten gedeutet. clipea portant (hist. 24): Das Neutr. clipeum ist entgegen Bardon I 259 A.2 kein Archaismus Macers. Der älteste Beleg für das Neutr. ist Pompon. Atell. 29; später clipeum etwa Vitr. 5,10,5. clipeus ist anscheinend älter, schon etwa Plaut. Cure. 574. In ciceronischer Zeit wie auch in der beginnenden Kaiserzeit ist nach unseren Belegen clipeum mit clipeus wenigstens ziemlich gleichberechtigt. Thes. III 1351,35 ff. per forum se in Capitolium contendit (hist. 25): Die Verbindung von contendere mit Reflexivpronomen wird Thes. IV 666,14 nur hier belegt. Wer Macers Gebrauch des altertümlichen quies „ruhig" erklären will, kann nur mit Möglichkeiten operieren. Etwa der, daß der Satz einem Feldherrn der Vorzeit in den Mund gelegt war. Jedenfalls ist aber das vereinzelte antiquierte Idiom, das die spätere Grammatik als Rarität erhalten hat, ein viel zu schwaches Fundament für den Schluß, die Annales seien archaistisch gewesen. Und es gibt eben mancherlei Umstände, die von einem solchen Schluß einigermaßen abraten. Damit ist die Betrachtung der republikanischen Historiographie abgeschlossen55 55

288

Die Commentarü Caesars müssen ganz aus dem Spiel bleibea Sie sind ja keine historiographischen Werke im antiken Sinne. Deshalb kann Cicero noch Brut. 22 über die Unzulänglichkeit der bisherigen römischen Geschichtsschreibung klagen. Die im Gefolge der Commentarii entstandenen Bella dürften ebenso wie diese zu beurteilen sein. Ohnehin wird man schwerlich in den Bella - von Caesars Schriften natürlich ganz zu schweigen archaistische Tendenzen nachweisen können. Die Untersuchungen, die mehr oder weniger deutlich in diese Richtung zielen, reichen nicht aus. Genannt seien G. Landgraf, Untersuchungen zu Caesar und seinen Fortsetzern, Erlangen 1888 (Pollio Verfasser des Bellum Alexandrinum); Heubner; H. Pötter, Untersuchungen zum Bellum Al. und zum Bellum Afr., Diss. Münster, Leipzig 1932, 77 ff. (Sallust Verfasser des Bellum Africum). G. Pascucci stellt in dem Index seiner kommentierten Ausgabe des Bellum Hispaniense, Firenze 1965 , 401 unter der Rubrik „arcaismo" eine stattliche Anzahl von Belegen aus der Schrift zusammen. Meistens sind aber deutlich Ausdrücke gemeint, die leben, nur hauptsächlich in vorciceronischer Literatur belegt sind. Wo das nicht der Fall ist, sollte man nicht zu gläubig sein. Ein Beispiel: Nach den Angaben Pascuccis zu Bell Hisp. 31,7 könnte praepedire als Archaismus des Anonymus erscheinen. Aber praepedire taucht

5.

Zusammenfassung

Den vorausgegangenen Untersuchungen liegt eine in mehrfacher Hinsicht schmale Materialbasis zugrunde. Dieser Tatbestand läßt Vorsicht bei der Formulierung des Gesamtergebnisses als ratsam erscheinen, aber er zwingt nicht dazu, auf jede Aussage zu verzichten. Nach allem Anschein haben manche vorsallustischen Geschichtsschreiber Archaismen verwendet. Aber auch ihr Archaismengebrauch war wohl nicht prinzipiell und hat ihren Stil nicht beherrschend geprägt. Im Hinblick auf die Möglichkeit grundsätzlich poetisierender Ausdrucksweise scheint das gleiche negative Ergebnis zu gelten, ohne daß damit das Vorkommen einzelner Poetismen geleugnet wäre. Eine auffälligere Verwendung antiquiert-poetischen Vokabulars ist allerdings für Coelius Antipater anzunehmen. Er ist wahrscheinlich der einzige republikanische Historiker, dessen Vokabular mit Ennius zusammenhängt. Aber auch hinsichtlich Antipaters ist ungewiß, ob archaistische Tendenzen zu konstatieren sind. Dem soeben entworfenen Gesamtbild entspricht es, wenn Cicero de orat. 2,64 bei der Behandlung des historiographischen Stils auf die Wortwahl nicht eingeht. Offenbar wird er weder durch irgendwelche Theorien noch durch die Praxis der Geschichtsschreibung dazu veranlaßt, dem Genos in diesem Punkt Besonderheiten zuzugestehen, die der Redekunst fremd wären 1 . Als deutlichste - freilich nicht durchweg gleichermaßen festzustellende - Differenz zwischen historischer und oratorischer Sprachpraxis drängt sich auf: Die Historiographie gestattet sich öfter in der Beredsamkeit verschmähte Idiome, die niedrigeren Schichten der lebenden Sprache zu entstammen scheinen 2. Es sind eben im allgemeinen die sprachlich-stilistisch weniger geschulten Männer, die sich der Geschichtsschreibung zuwenden. Schon Cicero beobachtet de orat. 2,55: nemo . . . studet eloquentiae nostrorum hominum, nisi ut in causis atque in foro eluceat. auch noch Chiron. 961 auf, was auf ein gewisses Fortleben des Wortes im gesprochenen Latein deutet. - Mancherlei Passagen, die man der Geschichtsschreibung zurechnen könnte, enthält auch das Werk Ciceros. Am wichtigsten ist die Darstellung der römischen Frühgeschichte, Cie. rep. 2,4 f t Aber natürlich könnten etwaige antiquierte Ausdrücke im Munde Scipios nichts Sicheres für die Sprache der Geschichtsschreibung lehren. Auch in mancher anderen Hinsicht wären die historischen Passagen Ciceros von zweifelhafter Relevanz für unsere Problematik. 1 2

Dazu 43 f. Ganz ähnlich schon Dihle, Rez. 597 f.

289

Wenn unter den republikanischen Historikern kein wirklich überragender Stilist ist, der sprachprägend hätte wirken k ö n n e n 3 , so läßt das vermuten: Einen Sprachbereich, der als besonderes Eigentum der Geschichtsschreibung empfunden worden wäre, hat es in dieser Zeit nicht gegeben 4 . Das schließt die Weitergabe bestimmter Floskeln nicht aus 5 . Wie dem aber auch sein mag; jedenfalls sind Ausdrücke, die als antiquierte Idiome Sondergut der Historiographie gewesen wären, vor Sallust nicht nachzuweisen. 3

4

5

Das gilt ebenfalls von Cato, wenn die verfeinerten Maßstäbe nachcatonischer Zeit zugrunde gelegt weiden. Ob die Annales des Hortensius ein prosaisches Werk waren, ist trotz Baidon I 249 f. wenigstens zweifelhaft Waren sie es, dann waren sie als Paieigon des großen Redners, der als Schriftsteller überdies nicht recht eindrucksvoll gewesen zu sein scheint, schweilich eine bedeutende stilistische Leistung. Damit wäre auch erklärt, weshalb Cicero im Biutus von ihnen schweigt. Badian 33 A.80 und sonst hält etwa Adj. auf -osus, Adv. auf -im fiii traditionelle Charakteristika der Historikersprache. Aber man vermißt einen Beweis dafür, daß diese Sprachmerkmale gerade der Geschichtsschreibung eigentümlich sind. Die geringen Mengen des erhaltenen Vergleichsmaterials lassen von vornherein die Aussichten fur einen derartigen Beweis als wenig günstig erscheinen. Zu Einzelnem vgl. meine Darlegungen passim. Vgl. 263 Α. 124.

290

IV. Archaisieren bei Sallust und in augusteischer Zeit 1. Die Geschichtsschriften

Sallusts

a) Archaismen in den erhaltenen Texten Über die Archaismen und die mit ihnen zusammenhängenden Sprach- und Stileigentümlichkeiten des Historikers Sallust ist schon mehrfach gehandelt worden, gewiß nicht ohne Nutzen 1 . Befriedigen kann das bisher Geleistete nicht. Der Nachweis, daß ein Idiom für Sallust antiquiert ist, wird vielfach nicht mit hinreichender Intensität geführt; willkürliche Annahmen sind nicht selten. Nie ist der entschiedene Versuch gemacht worden, wirklich sämtliche Archaismen Sallusts zusammenzustellen; verhältnismäßig wenig ist auf die Frequenzen der sallustischen Archaismen geachtet worden, ihre Verteilung und ihr Verhältnis zu den Synonymen bei Sallust: Voraussetzungen, mit deren Erfüllung erst der Umfang des sallustischen Archaismengebrauchs sichtbar würde. Auch etwa die Frage, welcher Art und welcher Provenienz die Archaismen Sallusts sind, und manches andere mit den Archaismen Sallusts verknüpfte Problem sind noch nicht systematisch und allseitig erörtert worden. Eine derartige umfassende Arbeit würde freilich eine eigene Monographie ausfüllen. Diese Monographie kann hier nicht vorgelegt werden. Was hier geleistet werden kann und soll, ist eine Skizze des zu erstellenden Gesamtbildes. Das gebotene Sprachmaterial wird dabei nur eine — wennschon umfangreiche — exemplifizierende Auslese darstellen2. In stärkerem Maße wird Fülle bei den 1

2

Eine Sammlung der bisherigen Arbeiten über Sallusts Sprache und Stil gibt Leeman, Bibliography Nr. 4 7 1 - 5 6 4 A. Fast alle wichtige Literatur zu dem Thema auch bei Hofmann-Szantyr LXXXIV f. Unter den Arbeiten über Sallusts Archaismen seien hervorgehoben die Darstellung von Fighiera passim, der die ältere Literatur verarbeitet; Kroll, Sallust; Latte 11 ff.; aus neuerer Zeit Bolaffi 7 9 f f . ; Skard, Vorgänger passim; Syme 261 ff. Die letzten umfassenderen Arbeiten über Sallust: E. Pasoli, Le Historiae e le opere minori di Sallustio, Bologna 1967 2 . Das Werk bietet außer dem Bekannten nichts, was für unsere Darlegung von Belang wäre. Das Gleiche gilt von G. M. Paul, Sallust, in:. Latin Historians, Chapters by Ε. Α. Thompson etc., edited by Т. A. Dorey, London 1966, 85 ff. Für den antiquierten Charakter eines Idioms wird in der Regel nicht einfach auf die Sekundärliteratur verwiesen, teils, weil die Erörterung hier eben nicht hinreichend ist, teils, weil dem Leser das Urteil erleichtert werden soll; manches ist bisher auch übersehen worden. Wenn einige der als sallustischc Archaismen klassifizierten Besonderheiten öfter in der nachsallustischen Prosa nachzuweisen sind, so in erster Linie deshalb: Die spätere Kunstprosa steht in Vokabular und Phraseologie weitgehend unter dem unmittelbaren oder mittelbaren Einfluß Sallusts. Das gilt

291

Aspekten erstrebt, unter denen dieses Sprachmaterial betrachtet wird; auf die Darbietung manches bereits von anderen Gesagten kann dabei im Interesse dieser Vielseitigkeit nicht verzichtet werden. Wir lassen uns von zwei Hauptfragen leiten: Welcher Art sind die antiquierten Idiome, die Sallust verwendet? Wie werden sie von dem Historiker verwendet? Zuerst über das erste Problem. Mit den sprachlichen Archaismen sei begonnen. Die Ausführungen zu dem jeweiligen Idiom folgen meistens einem bestimmten Schema. Zuerst wird Sallusts Sprachgebrauch beschrieben: Dazu werden erstens alle Sallustbelege für den Archaismus gegeben, zweitens der sallustische Gebrauch von einigen oder allen - annähernden - Synonymen, die nicht als veraltet gelten können, dargestellt. Dann wird die Antiquiertheit des betreffenden Idioms für Sallust erwiesen: Dazu werden erstens die in entsprechende Richtung zielenden zeitgenössischen Äußerungen angeführt. Zweitens wird das Vorkommen des Ausdrucks bis wenigstens Sallust skizziert. Drittens wird gezeigt, daß das Idiom in dem Schrifttum vor und während Sallusts Lebzeiten durchaus hinreichend oft hätte vorkommen können; das geschieht im allgemeinen durch einen Hinweis auf die Verbreitung der Ersatzausdrücke in dieser Periode. Sallust gebraucht Wörter, die zu seiner Zeit der lebenden Sprache ganz abhanden gekommen sind. Beispiele für Subst.: cupido: Catil.3,5; 7,3; 10,3; 13,3; lug. 1,4; 6,3; 19,1; 20,6; 25,7; 37,4; 42,2; 63,2; 64,1; 64,5; 89,6; 93,3; in den Historien 4mal ab or.Phil. 7. cupiditas Catil. 2,1; 5,4; 21,4. Weiteres 198 f. facundia: Catil.53,3; Iug.30,4; 63,3; 102,4; or.Cottae4; hist.frg.4,54. eloquentia Catil. 5,4; 54,1. facundia vor Sallust nur Ter. Haut. 13, nach ihm verschiedentlich in Dichtung ab Hör. carm. 4,7,23, in Prosa bei Livius — aber nur 3,11,6, dagegen lOmal eloquentia ab 10,15,12 —, häufiger seit Valerius Maximus ab 1 praef. eloquentia seit Crassus or. frg.66,45,43 Male.; Varro Men.336; Rhet.Her. 3,6,11, sehr häufig bei Cicero. Thes. s.w. insomnia: Catil. 27,2; epist.Mithr. 7. Annähernd synonymes vigilia Catil. 5,3; 15,4. Weiteres 197. luxus: Catil. 13,3; 53,5 luxu atque desidia; lug. 2,4 per luxum et ignaviam; 6,1; hist.frg. 1,16; or.Phil. 11; nur im Dat., Akk. und Abi.Sg.; luxuria insgesamt nicht nur für die Geschichtsschreibung oder ihr nahestehende Texte, obschon für sie in besonderem Maße. Ein Umstand, der, nebenbei bemerkt, fur den heutigen Leser verschleiert, wie kühn Sallusts Sprache in seiner Zeit gewirkt haben muß. Die Verwendung solcher sallustischer Ausdrücke in nachsallustischer Prosa ist im allgemeinen etwas anderes als das Wiederauftauchen von Idiomen vorsallustischer Historiographen in späterem Schrifttum. Bei dem letzteren Phänomen handelt es sich in der Regel um das Heraufsteigen unterdrückten lebenden Sprachgutes; es erscheint in sprachlich niedrigen Texten, oft im Romanischen. Die sallustischen Archaismen sind überwiegend oder ausschließlich in sprachlich anspruchsvoller Prosa zu finden; obgleich teilweise hier recht häufig, fehlen sie dann im Romanischen.

292

12mal ab Catil. 5,8, und zwar in den entsprechenden Kasus Catil. 24,3; 25,4; 52,7; 52,22; lug.61,3; 89,8. Nie in den Historien, luxus vor Sallust Ter. Ad. 760; im Hexameter Varro Men. 252 wahrscheinliche Konjektur; Lucr. 5,48 luxus desidiaeque 3 . Nach Sallust selten in augusteischer Dichtung, ferner Liv. praef. 12 per luxum atque libidinem; 1,57,9; 7,29,5 fluentes luxu, ähnlich 7,32,7. Weiter in Prosa Sen.contr. 1 praef. 7 Variation luxu temporum - luxuria. 2,5,7 (Papirius Fabianus) luxu fluente; einigemal beim Philosophen Seneca, gelegentlich in deutlichem Anschluß an Ältere, z.B. nat. 1,17,5 libidinem luxumque; epist. 78,25 luxu fluentibus; ähnlich auch vereinzelt bei späteren Prosaikern, Lieblingswort des Tacitus, luxuria (-es) seit Plaut. Asin. 819, dann etwa Quadrig. hist. 15, Rhet. Her. 1,5,8, vielfach bei Cicero ab Quinct. 92; Caes. civ. 3,96,1 f.; gelegentlich bei Varro — z.B. rust. 1,13,6 — und Nepos, z.B. Dion.6,2; hinreichend auch in den Kasus, auf die sich luxus bei Sallust beschränkt, so an allen zitierten Stellen. proles: or. Lep. 3 praeclara Brutorum . . . proles, geniti ad ea, quae maiores virtute peperere, subvortunda. Das nächstliegende Ersatzwort progenies lug. 14,6. Dieses letztere Subst. öfter bei Cicero ab Cael.34, bei Varro ab ling. 10, 41; rust. 1,17,2; Nep.Cim. 1,4; Ages. 1,2. Zu proles 28 f. prosapia: lug. 85,10 Mariusrede: si quem ex illo globo nobilitatis . . . mittatis, hominem veteris prosapiae ac multarum imaginum et nullius stipendi. genus in gleicher Bedeutung verschiedentlich ab Catil. 5,1. Plaut. Cure. 393; Mere. 634; Cato orig. 29 veteres prosapia. Cie. Tim. 39 eorum, ut utamur vetere verbo, prosapiam. Als zu antiquiert abgelehnt Quint, inst. 1,6,40; 8,3,26. Mehrfach in der Republik etwa synonymes genus. Thes. s. v. socordia: (Catil. 4,1 socordia atque desidia); Catil. 52,29 socordiae . . . atque ignaviae; 58,4 socordia atque ignavia; lug. 1,4; 2,4 incultu atque socordia; 31,2 ignavia atque socordia; 36,3; 55,1; 70,5 mollitiam socordiamque; 79,5; 85,22; or. Lep. 20; or. Phil. 11; 21; or. Cottae 8; hist. frg. inc. 23. Die ungefähren Synonyme, außerhalb der ausgeschriebenen Stellen: desidia Catil. 2,5; 53,5. ignavia 19mal in allen Schriften ab Catil. 27,4. inertia 5 mal in den zwei Monographien ab Catil. 52,22. mollitia Catil. 52,28; or.Phil. 3. neglegentia Catil. 52,9; hist. frg. 4,53. languor, pigritia, torpor fehlen. Zu torpedo 297 f. socordia von Plautus — etwa Asin. 254 - an mehrmals, auch Cato orig. 117, aber hier Paul. Fest. p. 293 zufolge in der unsallustischen Bedeutung stultitia. Vor Sallust zuletzt Rhet. Her. 2,23,35 socordiam atque desidiam — vermutlich eine erstarrte Formel —, dann erst wieder 6 mal bei Livius ab 7,35,5, später wohl rein literarisch, preziös vermutlich auch etwa Colum. 6,36,2. Lieblingswort des Tacitus. Zur weiten Verbreitung der Ersatzwörter Thes. s. w . languor seit Plaut. Asin. 574, in republikanischer Prosa verschiedentlich bei Cicero ab leg. 1,6; Q. Cie. Cie. fam. 16,27,1. neglegentia im 1. vorchr. Jh. seit Quadrig. hist. 89; Rhet. Her. 3,3,6; 4,20,28; 4,36, 3

Duronius or. fig. 68,1 Male. (=VaLMax. 2,9,5) luxu perire ist wohl Formulierung des Valerius Maximus.

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48; häufig bei Cicero ab inv. 1,22, auch Cael. Cie. fam. 8,3,1; 8,10,2; Bell. Afr.46, 4; 66,1. pigritia nach Plaut.Mere. 113 gelegentlich bei Cicero seit ad Q.fr. 1,3,2. vecordia: Catil. 15,5; lug.5,2; 72,2; 94,4; 99,3. insania, vesania fehlen; dementia Catil.42,2; 58,16. lug. 3,3; or.Phil. 12. vecordia vorher sicher nur Ter.Andr. 626; Novius Α teil. 40 b; die späteren Belege bis Tacitus: Sen.contr. 10 praef. 6 Variation dementissimi homines - vecordia; Ov. met. 12,227; Sil. 5,627. Zur Verbreitung von insania, dementia Thes. s. w . Beispiele für Adj.: inclitus: hist. frg. 1,101 (?); 2,64; 2,81; epist.Mithr. 19. clarus in den ersten beiden Monographien 19mal ab Catil. 1,4; dann nur or. Lep. 1; epist. Pomp. 6. illustris lug. 5,3; or. Lep. 17. praeclarus in den beiden Monographien 12mal, dann nur or. Lep. 3. inclitus seit Naev. carm.frg.30, in Prosa vor Sallust nur Cato orig. 83 claritudinis inclutissimae. Häufig in der Prosa der Republik clarus, illustris. Zu allem Thes. s.w. Auch praeclarus im l.vorchr. Jh. ab Rhet.Her.3,5,9; VarroMen. 361 sehr geläufig. insons: Catil. 16,3 insontis sicuti sontis; or. Macri 10. innocens Catil. 51,40; 54, 6; or.Macri 3. innoxius in ähnlicher Bedeutung Catil.40,6; lug. 85,43; or. Lep. 12; 17; insons vor Sallust nur einigemal bei Plautus, etwa Amph. 869, dann verschiedentlich in augusteischer Dichtung ab Hör. sat. 1,6,69; Verg. Aen. 2,84 und in Prosa mehrfach bei Livius ab 1,51,2. innocens ist zur Zeit Sallusts in Prosa üblich. 278 zu Sisenna hist. 103. intestabilis: lug. 67,3 quia illi (Turpilio) . . . turpis vita integra fama potior fuit, inprobus intestabilisque videtur; or. Lep. 1 peior atque intestabilior. Das ungefähre Synonym detestabilis fehlt, intestabilis vor Sallust Lex XII tab. 8,22 (Gell. 15,13,11) improbus intestabilisque; Plaut.Cure.30; Mil. 1417; nach Sallust in Prosa Liv. 37,57,14 4 . detestabilis gelegentlich bei Cicero ab Phil. 1,33. Thes. s. w . Trotz der ziemlichen Seltenheit und dem relativ späten Auftreten des nächstliegenden Ersatzwortes ist wohl anzunehmen, daß intestabilis zur Zeit Sallusts kein Wort der lebenden Sprache war: In der Literatur der Periode finden sich sehr häufig negative Äußerungen und Invektiven gegen verschiedene Persönlichkeiten; für die Anwendung eines Adj. wie intestabilis bestanden da zahlreiche Möglichkeiten. senectus: hist. frg. 4,21 senecto corpore, senilis fehlt; morbo atque aetate confectus lug. 9,4. senectus vorher bei Plautus etwa Amph. 1032 in der Junktur senecta aetate; Lucr. 3,772 membris . . . senectis; 5,886 aetate senecta, ebenso 5, 896. senilis nach Naev.com. 127; Trag. inc. 70 vor Sallust 11 mal bei Cicero ab Verr. II 2,87; Sest. 50 senile corpus, aetate confectus u.ä. in republikanischer Prosa verschiedentlich seit Cie. Rab. perd. 21. Thes. IV 202,50 ff. 4

intestabiles invisosque findet sich Gell 6,18,11 in einem Referat aus Nepos. Ob Gellius diese Formulierung aus seiner Quelle übernommen hat, ist mindestens ungewiß. Der Doppelausdruck paßt gut zur Ausdrucksweise des Gellius; überhaupt ist das Kapitel, das wohl ganz auf Nepos basiert, gerade mit der Häufung derartiger Doppelungen durchaus in der sonstigen Art des Gellius stilisiert.

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Beispiele für Verben: calvere: hist. frg. 3,109 ille calvi ratus eqs. Die ungefähren Synonyme decipere or.Macri 20; frustrari Iug.58,3; 101,3; or.Macri 19. Pass, calvi nur noch Pacuv. trag. 240; das Dep. reicht vor Sallust nicht über Acc. trag. 382 hinab und ist nach Sallust aus der Literatur praktisch geschwunden, decipere in der republikanischen Prosa des l.vorchr.Jh. s. recht häufig seit Cic.inv. 1,71, seltener frustrare (-ri) seit Cie.Att. 12,18,3. Thes. s . w . coeptare: or.Phil. 16 an Lepidus gerichtete Apostrophe: perge qua coeptas. coepisse häufig in den zwei jüngeren Geschichtsschriften ab Catil. 2,2, ebenso ineipere ab Catil. 1,6; in den Historien coepisse nur 4mal ab hist. frg.3,96, ineipere nur or. Cottae8, or. Macri3. coeptare bei Plautus etwa Mere. 648 und sonst; vor Sallust nur in Dichtung außer Cie. fin. 5,24; Cicero gestattet sich, nachdem er coepit und ineipit kurz vorher verwendet hat, dem Ausdruckswechsel zuliebe ein antiquiertes Wort, eine ja auch sonst gelegentlich bei ihm zu beobachtende Technik, coepisse, ineipere natürlich weit verbreitet. Thes. s . w . defensare: lug. 26,1 moenia defensabantur; 60,3 moenia defensabant; 97,5 alios ab hostibus defensabant. Sollte der sallustische Gebrauch von defensare sich nicht zufällig auf das Impf, beschränken, und das in der Bedeutung militärischen Verteidigens, dann fehlt bei Sallust ein wirkliches Synonym. Das Impf, von defendere nur hist. frg. 1,12 praesentia defendebat. Sonst defendere, dabei die Belege, die nicht sicher die Verteidigung in der Schlacht bezeichnen, eingeklammert: (Catil.35,6 Brief Catilinas; 38,3); Catü. 45,4; (52,15); lug. 38,6; 49, 2; 54,8; 56,2; (in den Historien sicher 7mal ab hist. frg. 1,12). defensare vor Sallust nur Plaut. Bacch. 443; Rud. 692, hier dem sallustischen Sprachgebrauch recht nahestehend, defendere insgesamt in republikanischer Prosa sehr häufig, hinreichend oft auch hier in militärischer Bedeutung. Dazu Thes. V 1,299,62 ff. imperitare: lug. 19,7; 76,1; 79,2; 81,1; 102,6; or.Lep. 10. Dem Verb, das „herrschen", „befehligen" bedeutet, entspricht dominari Catil. 2,2; 8,1; 33,3; 51,3; lug.31,23; or.Macri 10; moderari Catil. 51,25; imperare Catil. 20,17; lug. 13,2; 18,12; 85,11; 98,1; hist.frg. 1,88. imperitare vor Sallust nur in Dichtung seit Plaut. Capt. 244, nachher verschiedentlich in Prosa seit Liv. 1,2,3. Synonyme wie dominari, moderari, imperare häufig. Thes. s . w . oeeipere: hist. frg. 2,87 A; 3,25. Weiteres 214 zu Calp. hist. 36 und oben zu coeptare. palari: lug. 18,2; 44,5 vagabantur et palantes agros vastare; 54,9; 66,3. Ungefähr synonymes errare fehlt; vagari Catil. 6,1; lug. 44,5; 98,1; hist. frg. 5,17. palari aufgrund einer wahrscheinlichen Konjektur schon Plaut. Bacch. 1136, überliefert dann bei Lukrez 4mal ab 2,10. Nach Sallust öfter in Dichtung seit Hör. sat. 2,3,49; Verg. Aen. 5,265; Lieblingswort des Livius ab 1,11,1. vagari (-re) bei Varro Men. 215; 438; ling. 6,17; sehr häufig in ciceronischer Prosa ab inv. 1,2, auch bei Caesar, im Bellum Africum. Einige Beispiele für gleichbedeutendes errare aus dem gleichen Zeitraum Thes. V 2,806,81 ff. pollicitari: Catil. 38,1 Abi. largiundo atque pollicitando; lug. 8,1 Abi. polli295

citando. polliceri 19mal im Catilina und Iugurtha ab Catil. 21,2, Abi. des Gerundiums Catil. 26,3 multa; lug. 16,3 multa; lug. 23,2 multa; 46,4 multa; 49,4. pollicitari vor Sallust 4mal bei Plautus, ζ. B. Mil. 879;Ter. Andr. 912; Phorm. 521; dann erst wieder Veil. 2,111,1 und viel später, polliceri überwiegt schon bei Plautus und ist in der Prosa der Republik allenthalben verbreitet. quaesere statt quaerere; die Formen quaeso und quaesumus bleiben außer Betracht: hist.frg. 1,153 quaesere; epist.Mithr. 1 quaesitur. Entsprechende Verwendung von quaerere 19 mal im Catilina und Iugurtha ab Catil. 1,3; außerdem or. Phil. 6; 15; or. Cottae 14; or.Macri 18; hist. frg. 3,109. Fest. p. 258 quaesere ponitur ab antiquis pro quaerere; danach die Enniusbelege ann. 145 quaesentibus; scaen. 120 liberum quaesendum causa; 129 liberorum . . . quaesendum gratia. Die sonstigen sicheren Belege vor Sallust Plaut. Bacch. 178 quaesere; Lucr. 5, 1229 quaesit. Der Inf. quaesere stand nach Phoc. gramm. V 436,5 f. bei Cicero; ungreifbar. Weiteres bei Neue—Wagener III 390 f. quaerere bis Sallust überaus häufig. rogitare: Catil. 31,3 mulieres . . . miserari parvos liberos, rogitare omnia, pavere. interrogare nur Catil. 18,2; 31,4; 47,1, doch an den zwei ersten Stellen im Sinne „belangen", quaerere „fragen" lug. 85,16; 109,2; hist. frg.3,67; 3,109. rogare Catil. 35,6 im Brief Catilinas; 50,4; 50,5; 52,1 in dem technischen Ausdruck sententiam rogare; 59,5; dann nur im Iugurtha 7mal ab 29,7; in der untechnischen Bedeutung „fragen" bei Sallust insgesamt lediglich lug. 29,7; 40,4; 73,7. rogitare mehrfach bei Plautus, etwa Amph. 1029 — hier schon ohne erkennbare frequentativ-intensive Nuance —, und Terenz, etwa Andr. 84, außerdem Trag. inc. 158; dann erst wieder CIL I 2 2185 in einem vulgären Hexameter, der anscheinend etwa zur Zeit Ciceros niedergeschrieben ist, und — von Sallust abgesehen Verg. Aen. 1,750; 10,838; Prop. 1,8,23; häufig bei Livius ab 1,7,9. interrogare, wozu Thes. s.v., aber auch rogare in der vorausgesetzten Bedeutung hinreichend häufig in der Prosa der ausgehenden Republik. Ein Beispiel für Adv.: diu „tags": lug.38,3 diu noctuque, ebenso 44,5 und hist.frg.4,34; hist.frg. 2,89 noctu diuque. Entsprechende Verwendung der obliquen Kasus von dies: Catil. 27,2 dies noctisque, ebenso lug. 23,1 und 94,4; lug. 70,1 die noctuque. diu in der vorausgesetzten Bedeutung vor Sallust nur Plaut. Aul. frg. 4; Cas. 822; Titin.com.27, nach ihm selten. Thes. s.v. Belege für entsprechenden Gebrauch von die u.ä. vor und während Sallusts Lebzeiten Thes. V 1,1038,13 ff. passim. Neben diesen ganz aus der Sprache geschwundenen Wörtern stehen Bedeutungsarchaismen. Beispiele für Subst.: consultor „Ratgeber": lug. 64,5 cupidine atque ira, pessumis consultoribus; 85,47; 103,7; hist.frg. 1,74 (talia incepta) in consultorem vertissent; or.Phil. 1 prava incepta consultoribus noxae esse; or.Macri 15. Die ungefähren Synonyme auctor, suasor fehlen, ebenso consultor „Ratsuchender", consultor „Ratgeber" vor Sallust nur Annal.max. Varro rust.3,2,1 (Gell.4,5,5) malum consilium con296

sultori est pessimum. consultor „Ratsuchender" Afran.com. 332 (?), einigemal bei Cicero ab Mur. 22. Weiteres Thes. s.v. Zu Sallusts Zeit und vorher öfter belegt auctor, wozu Thes. s. v. suasor verschiedentlich bei Cicero ab Deiot. 29 in ähnlicher Bedeutung. mortalis „Mensch": Catil. 1,5; 20,11; 33,4; 36,4; 51,11 quoiquam mortalium; lug. 1,3; 6,3; 10,2; 17,7; 41,1; 72,2 neque loco neque mortali quoiquam . . . satis credere; hist. frg. 1,100; 2,64. Außer lug. 72,2 PI., bei keinem der Belege ein adjektivisches Attribut 5 . Synonymes homo: Catil. 2,1; 2,7; 11,1; 31,2 neque loco neque homini quoiquam satis credere. lug. 2,1; 74,1. Weiteres über das Vorkommen von mortalis „Mensch" 255 f. zu Quadrig. hist. 76. Entsprechend gebrauchtes homo ist in der Vergleichszeit weit verbreitet. Thes. s. v. passim, bes. VI 3,2880,65 ff. tempestas „Zeit": Der Sprachgebrauch beschränkt auf einige präpositionale Wendungen und den Abi. temporis, meistens in der Form ea tempestate; um sie handelt es sich immer, wenn allein die Stelle angegeben ist; nie tritt zu dem Subst. ein Gen.: Catil.7,1; 17,7; 20,3 multis et magnis (?); 22,1; 24,3; 36,4; 53,5 multis; lug. 3,1 hac; 8,1; 13,7; 30,4; 32,5; 35,1; 37,1; 40,5; 65,5; 73,7 post multas tempestates; 79,2 qua; 90,1; 96,1 in paucis tempestatibus; 108,2 multis ante tempestatibus; 114,4; or.Lep. 10 hac; hist.frg.3,66 qua; epist.Mithr. 10; hist, frg. 5,23. Nun von tempus die analogen präpositionalen Verbindungen oder der Abi. temporis; die Belege, zu denen der Gebrauch von tempestas kein genaues Pendant bietet, sind eingeklammert; bloße Stellenangabe bezeichnet die Verbindung eo tempore: (Catil. 18,4 eodem; 38,3 post ilia tempora; 39,6 isdem; 42,1 isdem; 48,5 in tali tempore); Catil.48,7; (49,1 isdem); 50,4; (51,35 his; 51,36 alio; 51,39 eodem illo); (Iug.4,4 quibus); lug. 14,5 quo; 55,8; (56,2 in tempore; 60,1 eodem); 64,4; (74,1 eodem); 80,1; (85,33 eodem; 100,5 illoque aliisque temporibus); (hist.frg. 1,32 in tempore; 3,106 eodem; epist.Mithr. 18 in tempore), tempestas eindeutig „Unwetter" nur lug. 78,2; 79,6. Weiteres 27 f. torpedo „Schlaffheit": or.Phil. 19; or.Macri 20; 26. torpedo „Zitterrochen" fehlt, torpedo in gleicher Bedeutung wie bei Sallust vorher nur Cato mor. frg. 3 inertia atque torpedo, nachher erst wieder Tac. hist.3,63,2. Das nächstliegende Ersatz wort torpor ist bis Sallust ein ungewöhnlich-poetischer Ausdruck; die Belege: Lucil. 391; 1306; Catull. 76,21 - alles Stellen, an denen die Bevorzugung von torpor gegenüber torpedo möglicherweise auch nur metrische Gründe hat; Cie. nat. deor. 2,127 torpore torpedines (se tutantur) — etymologischer Bezug. Ein Vergleich torpedo - torpor kann so nicht lehren, daß das erstere Subst. in sallustischer Bedeutung für den Historiker tot war. Aber es gibt doch manche anderen nahestehenden Wörter, deren Verbreitung dies wahrscheinlich macht. Darüber 293 f. zu socordia, hier auch über das Vorkommen der ungefähren Syno5

omnes, multi, plerique mortales sind also nicht unter die Ajchaismen Sallusts aufgenommen. Die folgenden Belege für synonymes homo umfassen dementsprechend, mit Ausnahme der ausgeschriebenen Stelle, nur den attributlosen PL

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nyme bei Sallust. torpedo „Zitterrochen" in der Republik noch Varro ling. 5,77, dann Scrib.Larg. 11 und später. Beispiele für Verben: agitare „leben", „sein" u . ä . ; e s werden alle Sallustbelege für intransitives agitare gegeben, diejenigen, die sich von der vorausgesetzten Bedeutung entschieden absetzen, in Klammern: (Catil. 23,3); (lug. 11,1 animo); lug. 18,9; 19,5; (30, I de facto); 41,7 paucorum arbitrio belli domique agitabatur; (54,2 ubi gentium aut quid agitaret); 59,1; 63,5; 74,1; hist.frg. 1,11 modesto iure agitatum. or.Lep. I I populus . . . agitandi inops; or. Phil. 10; epist.Pomp. 9 (Gallia) malis fructibus ipsa vix agitat. An den nicht eingeklammerten Stellen, die nicht ausgeschrieben sind, könnte statt agitare einigermaßen gut esse stehen. Im folgenden wird aber nur auf annähernd synonymes intransitives agere, die Junkturen aetatem agere, vitam agitare und auf vivere eingegangen, agere intransitiv, nach denselben Prinzipien angeführt wie agitare: (Catil. 21,3; 51,43 cum populo; 52,6 de vectigalibus; 52,29); (lug. 29,3 cum eis de . . . pactionibus); lug. 55,2; (55,7; 60,1; 60, 5); 85,35; 89,7; (98,6); 100,1; (101,6); 108,1; in den Historien lOmal ab frg. hist. 1,7 in der Bedeutung „leben" u.ä., anders in verschiedener Verwendung 3mal ab or.Lep. 7. aetatem agere 5mal im Catilina ab 4,1; 7mal im Iugurtha ab 2,4; (or.Cottae 2 acta iam aetate). vitam agitare Catil. 2,1. vivere Catil. 2,9; 6,2; 17,6; 52,10; lug. 14,24; 31,26; 85,19; 110,4; hist, frg.3,74 rapto vivere. agitare „leben" vor Sallust nur Pore. Licin. 3,10. Weiteres Thes. I 1338,23 ff. Von den Synonymen ist, von esse einmal abgesehen, besonders vivere vor und zu der Zeit Sallusts weit verbreitet. Im l.vorchr. Jh. etwa vielfach bei Varro, z.B. Men. 321; in der Rhetorica ad Herennium ab 3,5,9, bei Cicero seit etwa inv. 1,109, bei Caesar und anderen. duetare vom Führen eines Heeres u.ä.: Catil. 11,5; 17,7; 19,3; lug.38,1; 70,2. Entsprechende Verbindungen mit ducere lug. 55,5; 106,3; or. Phil. 22; hist. frg. 3,96D. duetare vor Sallust in verschiedenen Bedeutungen bei Plautus, etwa Most. 844; Enn.scaen.361; Ter. Ad. 752; Phorm.500, freilich nicht in der spezifisch sallustischen Verwendungsweise. Nach Sallust erst Tac. hist. 2,100, und zwar ganz in der Art Sallusts. Thes. s. v. ducere natürlich weit verbreitet, vom Führen eines Heeres u.ä. in republikanischer Prosa häufig seit Cato mil.frg.9; Quadrig.hist.92. Weiteres Thes. V 1,2140,68 ff. duetare muß als verbum obscenum weitergelebt haben. Quint, inst. 8,3,44 mala consuetudine in obscenum intellectum sermo detortus est ut,duetare exercitus' et,patrare bella' apud Sallustium dicta sanete et antique ridentibus. Bezeugt ist das Verb in dieser obszönen Bedeutung anscheinend nicht 6 . 6

Nach Thes. V 1,2167,29 ff., wo auch die sonstigen antiken Äußerungen dazu gesammelt sind, wäre diese Bedeutung einigemal bei Plaufus und Terenz belegt: Hier meint duetare gelegentlich das Mieten einer Hetäre. Man wird sich wohl aber etwas Drastischeres unter dem verbum obscenum vorzustellen haben. VgL unten patraie. Möglich aber, daß der plautinisch-terenzische Sprachgebrauch den Ausgangspunkt der Entwicklung zeigt, durch die das Verb einen ausgesprochen obszönen Sinn erhielt.

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nuncupare „benennen": hist. frg. 3,70 (Bithynia) multis antea nominibus appellata. nam prius Bebrycia dicta, deinde Mygdonia, mox a Bithyno rege Bithynia nuncupata. appellare so öfter ab Catil. 6,6; nominare so nur lug. 78,3. Weiteres 30f. patrare „vollbringen": Catil. 18,8; 53,4; 56,4; lug. 13,5; 21,2; 43,4; 70,5; 75, 2; 88,4; hist. frg. Pap. Corp. 28,17. Synonymes conficere Sail. Catil. 46,1; 51,5; 61,1; im Iugurtha 6 mal ab 12,4; epist. Mithr. 16. peragere überliefert nur lug. 92,1. perficere lug. 11,9; 16,3; hist.frg. 1,46. patrare vor Sallust Plaut. Asin. 114; Tab. triumph. Aemil. 10; Cato agr. 54,1; Lucr. 5,385; Cie. leg. 2,19 in der Gesetzessprache. Att. 1,14,7 promissa patravit, eine scherzhaft feierliche Formulierung, vielleicht nicht zufällig daktylisch; Zeichen sprachlicher Lizenz auch kurz darauf petiturire, vermutlich Gelegenheitsbildung. Danach selten bei Livius ab 1,24,6 - hier etymologisierend; 23,8,11; recht häufig etwa bei Vellerns ab 2,11,2. Zahlreiche Prosabelege fiir conficere, perficere in und vor Sallusts Zeit. Selten ist peragere, belegt seit Enn. ann. 519, in republikanischer Prosa des l.vorchr. Jh. s. gelegentlich seit Cie. Sest. 87. patrare hat als verbum obscenum weitergelebt. Vgl. Quint, inst. 8,3,44, zitiert zu duetare; illustriert wird das etwa durch Porph. Hör. sat. 1,5,84. prodigere „verschwenden": or.Lep. 17 nisi Vettius Picens et scriba Cornelius aliena bene parata prodegerint. consumere in ähnlicher Bedeutung Catil. 12,2; perdere hist. frg. 3,3; dissipare fehlt ganz. Vor Sallust prodigere in der vorausgesetzten Bedeutung Naev.com. 84 qui . . . ante parta. . . prodigunt (Alliteration wie bei Sallust); bei Plautus etwa Aul. 380; Caecil.com. 74; Pompon. Atell. 162; nach Sallust erst wieder Sil. 15,496; Tac.ann.3,52,1; 16,3,1; Suet. Nero 30,1. Fest. p. 229 wird erklärt prodegeris, consumpseris, perdideris, danach wird u. a. die Caeciliusstelle zitiert. Anders prodigere - konkret „hinaustreiben" - Varro rust. 2,4,8; 2,7,11; 3,9,14. Synonymes consumere in republikanischer Prosa öfter seit Quadrig.hist. 15; Cie. S. Rose. 6; weiteres Thes. IV 612,3 ff. dissipare hier öfter so seit L. Crass, or. frg. 66,45,40 Male.; Cie. leg. agr. 1,2; weiteres Thes. V 1,1491,35 ff. perdere so in republikanischer Prosa gelegentlich seit Scip.min. or. frg. 21,19 Male. Schließlich finden sich bei Sallust Wörter, die zumindest in einer bestimmten Form oder in einer bestimmten Junktur, in der sie bei dem Historiker vorkommen, antiquiert sind. Verschiedene Beispiele: nequitur: lug. 31,8 quiequid sine sanguine civium ulcisci nequitur. nequire mit Inf. Pass, fehlt sonst. Negiertes posse in der 3. Ps. Sg. präsentischer oder imperfektischer Formen 7mal ab Catil. 15,4 mit Inf.Pass. Fest.p. 162 nequitum et nequitur pro non posse dicebant; danach Anführung von Plaut. Sat. frg. 2 retrahi nequitur; Cato orig. 24 id (fanum) nequitum exaugurari; Pacuv. trag. 3 9 0 contendi nequitum. Der einzige sonstige Beleg vor Sallust Plaut. Rud. 1064. Dies und Spätes bei Neue—Wagener III 626 f. nequire ist ein ziemlich seltenes Wort: Sallusts Formulierung findet nur Cie. Ac. 1,27 in vorsallustischer Prosa ein Pendant mit aktiver Form. Häufig hier analoger Gebrauch von negiertem posse mit Inf. Pass.

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Singularformen von plerique: Catil. 17,6 iuventus pleraque; 23,6 pleraque nobilitas, ebenso 38,2; lug. 18,12 Africae pars inferior pleraque; 21,2 plerumque noctis; 54,9 exercitum plerumque; 79,2 pleraque Africa; 85,21 pleraque oratione; 98,6 plerumque noctis, ebenso 109,4. Am ehesten ersetzbar durch Junkturen wie pars maior, pars maxima mit dem Gen. Sg. des betreffenden Nomens; sie finden sich bei Sallust nicht. Verbindungen mit magna pars: Catil. 53,1 senatus, ebenso lug. 15,2; 76,1 pecuniae; 85,46 eius (exercitus); vgl. noch lug. 98,3 (collis) magna parte editus 7 . Der sallustische Gebrauch des Sg. pleraque und ähnlicher Formen vorher sicher belegt nur Cato orig. 34 pleraque Gallia8. Gleichwertige Verbindungen pars maior (maxima) im 1. vorchr. Jh. vor Sallust etwa Varro frg.Non.p. 494,14; ling. 9,45; Cie. S.Rosc. 149; Verr. II 2,151; II 3,108 und sonst gelegentlich bei Cicero; Caes. Gall. 3,27,1 maxima pars Aquitaniae; civ. 1, 18,6; Bell. Afr. 30,1; Bell. Hisp. 28,2. Vgl. auch die analogen Junkturen mit bene magna pars Bell. Hisp. 13,4; 16,2. pollens: Catil.6,3; lug. 1,3 pollens potensque; 6,1; 30,4. Das ungefähr synonyme Adj. potens Catil. 38,1; lug. 1,3; 8,1; 14,7; 16,2. Das Part, pollens erscheint - und zwar wie bei Sallust adjektivisch erstarrt — in Dichtung Naev. carm. frg. 30 M.; frg. 61 В.; Plaut. Capt. 278 in einem gravitätischen trochäischen Septenar; bei Lukrez ab 1,574; auch später gelegentlich, z.B. Ov.met.5,508; in Prosa erst bei Sallust. Der nächste Prosabeleg Liv.5,54,5 - wenn das Part, hier nicht verbale Kraft hat; verbaler Sinn des Part, auch Veil. 1,2,3. Die sonstigen Formen von poliere tauchen nach Carm. Sal. (Fest. p. 205) 4,8 und verschiedenen Dichterbelegen in Prosa erst in der laudatio funebris Caes. or. frg. 121,29 Male, auf, insgesamt zu Sallusts Lebzeiten 12 mal, jedoch nicht in Reden Ciceros oder im ciceronischen Briefkorpus. Öfter dabei die — bei Sallust fehlende — alliterierende Wendung plurimum (plus) pollere, auf die auch ein Großteil der Liviusbelege ab 1,23,8 entfällt. Das mit adjektivischem pollens konkurrierende Adj. potens schon etwa Plaut. Epid. 153, im 1. vorchr. Jh., dann etwa Rhet. Her. 2,26,40; häufig bei Cicero ab inv. 2,169, öfter bei Caesar, auch Vatin. Cie. fam. 5,9,1. -que -que: Catil.9,3; 36,4; lug. 10,2; 21,4; 79,9; 85,26 (?); 85,36; 85,47; 100, 5; 110,8; nie in den Historien9. 7

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Außer lug. 76,1 müßte an den angeführten Stellen bei Verwendung des Archaismus der Nom. Sg. Mask, plerusque stehen. Die Form gibt es möglicherweise nicht; eine Analogie nicht vorhandenes ceterus. Bei der folgenden Sammlung von Ersatzverbindungen ist darauf Rücksicht genommen. Kroll, Sallust 303 verweist noch auf VaL Ant. hist. 21 und Varro ling. 9,68. VaL Ant. hist. 21 pleraque Italia ist wohl Formulierung des Gellius 3,8,1. Varro ling. 9,68 kommt man vielleicht mit dem überlieferten Text durch: non esse reprehendendum, quod scalae et aquae caldae, pleraque, quae cum causa, multitudinis vocabulis sint appellata. Es sei nicht zu tadeln, daß scalae und aquae caldae, (überhaupt) sehr vieles, was mit Grund (pluralisch bezeichnet werde), mit pluralischen Wörtern benannt sei. Gewöhnlich wird quae athetiert Doch nicht einmal bei Annahme der Athetese ist die Beziehung von pleraque auf causa völlig sicher. Über -que -que Hofmann-Szantyr 515; Diskussion eines Belegs in republikanischer Prosa bei mir 131 f. zu Plane. Cie. fam. 10,21,3.

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rebatur: lug. 26,2 (Adherbal) omnia potiora fide Iugurthae rebatur 10 . Dazu 31. soluerat: hist. frg. 2,102 neque subsidiis, uti soluerat, compositis. solitus est u. ä. vorher in Catilina und Iugurtha 8mal ab Catil. 23,3; hist. frg. 5,20. Weiteres 222 zu Coel. hist. 45. Antiquiertes erscheint auch außerhalb des delectus verborum bei Sallust in Grammatik und Syntax. Beispiele: festinare transitiv: (Catil.42,2 festinando, agitando omnia); lug.64,6 nihil; 73, 1 cuncta parat festinatque; 77,1 id; hist. frg. 1,81 profectionem; frg. inc. 20 soleas. Das ungefähre Synonym maturare so Catil. 15,3 facinoris maturandi; 32,2 insidias; hist. frg. 1,80 fugam. festinare transitiv vor Sallust nur Enn. scaen.426 festivum festinant diem (Wortspiel!), nach ihm in Prosa erst wieder Tac. hist. 1, 76. festinare an sich auch ciceronisch. In republikanischer Prosa verschiedentlich transitives maturare seit Cie. Cluent. 171, ganz selten accelerare, celerare. Thes. s. w . In die Betrachtung einzubeziehen wären noch die entsprechenden Verbalverbindungen mit den Adv. für „schnell(er)". insuescere intransitiv mit Inf.: Catil. 11,6; lug. 8,2. assuescere fehlt ganz; nicht entsprechend das Perf.Praes. consuevisse mit Inf.Catil.22,2; lug.47,1. insuescere in der vorausgesetzten Verwendungsweise vor Sallust Plaut. Capt. 306; Ter. Ad. 55 (?); Lucr.4,880; nach Sallust erst wieder Tac.ann.2,45,2. Thes. s.v. Entsprechender Gebrauch von assuescere in republikanischer Prosa einige wenige Male ab Cie. inv. 1,3; Thes. II 908,17 ff. Öfter so consuescere ab Cic.inv. 2,128; Thes. IV 550,33 ff. passim. subigere mit Inf.: Catil. 10,5; 51,18; lug.31,4; 44;4. cogere mit Inf., in Klammem die Konstruktion bei Passivformen, die beim entsprechenden Gebrauch von subigere keine Parallele haben: (lug. 14,4); lug.44,3; (54,8); 55,1; 84,2; epist. Pomp. 8; (hist.frg. 3,74; epist. Mithr. 1 4 ? ) . subigere mit Inf. vor Sallust Plaut. Amph. 1143; True.783; Lucil. 1044; Lucr.5,1028; 6,737; nach ihm in Dichtung öfter seit Verg. georg. 3,218, in Prosa seit Liv. 9,41,5. cogere mit Inf. schon etwa Plaut.Epid. 586, im l.vorchr. Jh. bei Cicero und seinen Briefpartnern, Caesar und seinen Fortsetzern; häufig genug dabei die Aktivformen von cogere. Einiges Thes. Ш 15 29,62 ff. quippe qui (cuius usw.) mit Ind.: Catil. 48,2; lug. 7,6; 14,10; 20,6; 28,1; 48,1; 76,1; 85,32; 86,3; hist. frg. 2,64; epist. Pomp. 4. quippe qui mit Konj. fehlt, quippe qui mit Ind. vor Sallust nur bei Plautus - etwa Amph. 22; 745 - , nach Sallust verschiedentlich bei Livius ab 3,6,6. quippe qui mit Konj. bereits Plaut. Persa 699, dann Titius or. frg. 51,2 Male., sehr oft bei Cicero seit inv. 2,131; Bell. Afr. 19,3 (?); Nep. Dion. 2,3; öfter auch bei Livius ab praef.2; 1 , 9 , 1 u . 10

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Die Perfektformen von (reri) haben sich möglicherweise - gewiß ist das durchaus nicht - bis in Sallusts Zeit gehalten. Dazu 31 A . 3 7 . Wegen dieser Unsicherheit ist darauf verzichtet worden, 4em Vorkommen der Synonyme bei Sallust nachzugehen. Dazu noch Hofmann-Szantyr 5 6 0 .

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Dies also eine Auswahl sallustischer Ausdrücke, die mit einiger Wahrscheinlichkeit oder mit Sicherheit als sprachliche Archaismen zu diagnostizieren sind; ihre Zuordnung zu den verschiedenen angewendeten Kategorien ist natürlich in Einzelfällen diskutabel. Nun stilistische Archaismen des Historikers. Zu ihnen gehören in erster Linie lebende, aber von der Prosa seiner Zeit gemiedene Ausdrücke, soweit sie im bewußten Anschluß an ältere Literatur aufgegriffen werden12. Wahrscheinlich darf man dazu rechnen z.B.: memorare: Darüber 250 f. zu Quadrig. hist. 47. subvertere: Catil. 10,4; 13,1; lug. 30,1; 94,4; or.Lep.3; or.Phil.8; 10; epist. Mithr. 15. evertere nur or. Lep. 23. Weiteres 237 zu Quadrig. hist. 10b. Auch ein verbum obscenum wie penis Catil. 14,2 ist wohl als stilistischer Archaismus aufzufassen13. In einen Zusammenhang mit den sprachlichen und stilistischen Archaismen 14 sind auch die sallustischen Idiome zu rücken, die allgemein in der lebenden Sprache zur Zeit Sallusts entschieden zurückgetreten sind; vereinzelt weniger auffällig, erinnern diese Idiome durch die Häufigkeit ihrer Verwendung an ältere Literatur. Zu diesen Spracheigentümlichkeiten wird man rechnen dürfen: Präpos. advorsum: 17mal im Iugurtha ab 43,5; 4mal in den Historien ab or. Lep. 1. Freilich sind nicht alle Belege sicher, advorsus einhellig überliefert nur lug. 13,5; or. Phil. 17 (?); epist. Pomp. 1; hist. frg. 2,114. Weiteres Thes. I 850,59 ff. 12

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Daß die unliterarischen, in der prosaischen Hochsprache gemiedenen lebenden Idiome der Sprache Sallusts in dieser Weise zu erklären sind, ist bekanntlich die Ansicht, der Kroll, Sallust zum Sieg verholten hat. Nun war Kroll fraglos im Recht, wenn er - wie übrigens auch schon Reitzenstein, NGG 194, 202 A.l - die These von Sallusts „Demokratenlatein" zurückwies; dazu letzthin noch Syme 260 f. Kroll wird auch damit Recht haben, daß sich niedersprachliche Ausdrücke bei Sallust aus der Nachahmung der Alten erklären. Die Frage ist jedoch, ob das für alle derartigen Idiome gilt: Das Empfinden für den Stilwert eines Wortes oder einer Wendung des lebenden Lateins ist nicht bei allen Zeitgenossen gleich. Dazu 124. Hinzu kommt, daß die Historiographie, als Sallust schrieb, im Gegensatz zur Beredsamkeit nicht bereits eine Periode eingehender Purifizierung durchlaufen hatte. In einem Geschichtswerk mochte so manches lebende Idiom wenig auffällig sein, das in einer Rede befremdend gewirkt hätte. Man könnte noch andere Momente erwägen. Es fehlt an einer Untersuchung, die auf umfassender Inventarisierung der hierhergehörigen Phänomene beruhte und unter Berücksichtigung sämtlicher Deutungsmöglichkeiten durchgeführt wäre. Schon längst ist mit der Salluststelle Calp. hist. 40 verglichen worden: adulescentes peni deditos esse. Der Ausdruck Sallusts ist allerdings weniger kraß als es mentula gewesen wäre. Dazu W. Wendt, Ciceros Brief an Paetus IX 22, Diss. Gießen 1929, 24. Unter dem Stichwort „Archaismus" wird gern noch manches sprachlich-stilistische Phänomen der sallustischen Prosa, das wir nicht ferwähnt haben, angeführt Daran mag viel Richtiges sein. Aber an wirklichen Beweisen für die Antiquiertheit der betreffenden Eigentümlichkeiten fehlt es durchaus. Die vorliegende Darstellung würde unnötig mit Hypothetischem belastet, würden derartige Dinge einbezogen.

facinus deutlich als vox media: Catil. 2,9; 7,6; 20,3; 53,2; lug.2,2; 5,4; 49,4; 56,4; 79,1. facinus insgesamt rund 40 mal - und zwar sicher belegt nur im Catilina und Iugurtha - ab Catil. 2,9; 4,4. factum etwa 30mal in allen historischen Schriften ab Catil. 3,1. Weiteres 174 zu Anton, epist. frg. Cie. Phil. 13,36. necessitudo „Notwendigkeit": Catil. 17,2; 17,5; 21,3; 33,5; 58,11; 58,19; lug. 19,8; 48,1; 102,5. necessitas in gleicher Bedeutung or.Lep. 15; epist.Pomp. 8. necessitudo „Freundschaftsband" u.ä. lug. 80,6. Weiteres 224 f. zu Asell. hist. 5. Endung -ere statt -erunt bei der 3.Ps.Pl.Perf. Akt. Die Frequenzen sind im Catilina 53mal —ere, 4mal -erunt, im Iugurtha 61 mal -ere, 4mal -erunt, in den Historien gegen 40mal -ere, 8mal -erunt 15 . Weiteres 199. Zum Schluß sei noch kurz auf eine recht umfangreiche Gruppe von Ausdrücken hingewiesen, unter denen sich mancher sprachliche oder stilistische Archaismus, manches im lebenden Latein sallustischer Zeit schon seltene Sprachgut finden mag: die Ausdrücke, die bei Sallust überhaupt das erste Mal bezeugt sind. Z.B. an Wörtern im Catilina incruentus, incultus (Subst.), munificentia, im Iugurtha advecticius, discordiosus, imperitia, importuosus, infecundus, irritamentum, opulens, ostentus (Subst.), properantia, vitabundus; in den Historien contactus (Subst.), dedecor, dehonestamentum, desenescere, despectare, festinus, gnaritas, immutilatus, impollutus, incelebratus, ineuriosus, infecunditas, inquies, intectus, intutus, invius, mador, nemorosus, obtentus (Subst.), opulens, semipletus (?), turbamentum, verticosus (verticulosus), virgultus. Das bisher in diesem Kapitel aus Sallust gesammelte, unter den verschiedenen Rubriken im wesentlichen alphabetisch angeordnete Sprachmaterial bildet die Grundlage der folgenden Erörterungen. Belege, die eingeklammert oder mit einem Fragezeichen versehen sind, bleiben dabei unberücksichtigt. Das alles wird im einzelnen nicht mehr besonders vermerkt. Die erste Überlegung soll der Provenienz der sallustischen Archaismen gelten. Fraglos verwendet Sallust mancherlei antiquiertes Sprachgut, das nicht einem bestimmten Text entlehnt ist; Sprachgut, wie es jedem Gebildeten in den Sinn gekommen wäre, wenn er sich eines altertümlichen Ausdruckes hätte bedienen wollen. Zu denken ist dabei vor allem an Idiome, die auch die Sallust zeitgenössische Dichtung bewahrt: z.B. proles, pollens, insuescere und subigere mit Inf. Ein nicht eigentlich dichterisches Wort wie nuneupare könnte allgemein der Gesetzessprache entstammen. Solche und ähnliche Erklärungen wird man jedoch nicht auf sämtliche Archaismen Sallusts anwenden dürfen. Insbesondere bei Cato würde man die Quelle sallustischer Archaismen auch dann vermuten, wenn die antiken Zeugnisse nicht in diese Richtung führten 16 . 15 16

Die Angaben nach Edmar 42. Über catonisches Sprachgut bei Sallust ist bereits mehrfach gehandelt worden; so von Bruennert 11 ff.; Fighiera 19 ff. und passim; Kroll, Sallust passim; Bolaffi 89 ff.; Skard, Nachfolger 75 ff. Die Materialien, mit denen im folgenden gearbeitet wird,

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Hinzuweisen ist zunächst auf zwei antiquierte Ausdrücke Sallusts, die vor ihm allein bei dem Censorius zu belegen sind: torpedo „Schlaffheit", Sg. von plerique. Ferner prosapia: Das Subst. kommt vor Sallust zwar nicht nur bei Cato vor, aber bei diesem in einer ganz ähnlichen Verbindung wie bei Sallust; die Annahme catonischer Provenienz des sallustischen Archaismus bietet sich dann an. Allerdings sind das geringe Spuren. Daß sie nur einen Bruchteil der Catonismen unter Sallusts Archaismen erkennen lassen, legen die sonstigen Beziehungen nahe, die Sallust mit Cato verknüpfen. Bereits erwähnt wurde, daß die Bevorzugung der 3.Ps. Pl.Perf. Akt. auf -ere bei Sallust als Catonachahmung zu deuten ist17. Darüber hinaus sind manche sprachliche und gedankliche Anklänge an Catonisches bei Sallust zu beobachten, die nicht immer sicher auch nur selteneres Sprachgut enthalten. Doch werden sie selbst ohne dieses Ingrediens auf den kundigen Leser, indem sie die Erinnerung an den Censorius in ihm evozierten, in gewisser Weise altertümlich gewirkt haben. Wohl der Beginn der Rede Catos gegen Ser. Galba ist orig. 108 erhalten18. Sallust scheint diesen Passus an zwei Stellen zu verwerten. Zunächst der deutlichere Anklang, lug. 31,1: multa me dehortantur a vobis, Quirites, . . . opes factionis, vostra patientia, ius nullum, ас maxume quod innocentia plus periculi quam honoris est. Sallust stimmt mit seinem Vorbild nicht nur in den ersten drei Wörtern fast vollständig überein; auch die asyndetische Appositionenreihung am Ende des sallustischen Satzes ist offenbar eine Spiegelung der catonischen congeries, dehortari mit Inf. geht Sallust jedoch anscheinend bewußt aus dem Wege, wenn er die Konstruktion dehortari a verwendet: Der Anklang an Cato wird gedämpft. Weniger deutlich, aber doch wohl anzuerkennen ist die Reminiszenz lug. 24,4: plura de Iugurtha scribere dehortatur me fortuna mea. plura ist, trotz andersarfinden sich zum überwiegenden Teil bereits bei diesen Autoren; fur die Aspekte, unter denen das Material betrachtet wird, gilt das weniger. Unerreichbar war mir Ernout, Salluste et Caton, IL 1949, 61 ff. - Von den 41 sprachlichen Archaismen Sallusts, die wir zusammengestellt haben, finden 10 Ausdrücke ihr Pendant in den Resten der catonischen Schriften: cupido or. frg. 17,3, allerdings als Mask.; prosapia orig. 29; socordia orig. 117, allerdings angeblich in der Bedeutung stultitia; inclitus orig. 83; tempestas „Zeit" or. frg. 45; torpedo „Schlaffheit" mor. frg. 3; patrare „vollbringen" agr. 54,1; nequitur orig. 24; Sg. von plerique orig. 34; soluerat inc. libr. frg. 54; möglicherweise ist all dem insomnia hinzuzufügen. Von den Beispielen fur sallustische Stilarchaismen erscheint memorare or. frg. 2. Eine besondere Verbindung Cato-Sallust ist jedoch mit diesem Verhältnis nicht bewiesen, wie sich bei genauerer, auch die Wahrscheinlichkeitsrechnung einbeziehender Analyse zeigt. Entsprechendes ergibt sich übrigens bei näherer Prüfung im Hinblick auf die 17 Parallelen, die die sprachlichen Archaismen Sallusts in den Fragmenten der republikanischen Tragödie haben. 17

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Wenigstens unter diese Rubrik fallt das intransitive Perf. auxisse. Sali or. PhiL 6 ignoscendo populi Romani magnitudinem auxisse; das erinnert sehr an Cato orig. 20, die einzige ältere Parallele: res eorum auxit Möglicherweise ist auxisse aber sogar ein sallustischer Archaismus. Zu dem Sprachgebrauch Thes. II 1357, 47 ff. Der Wortlaut 48.

tiger grammatischer Funktion, vielleicht Erinnerung an Catos multa; dehortari mit Inf. ist vor Sallust nur an der Catostelle nachzuweisen19, fortuna entspricht der catonischen Häufung anni — senectus. Die Stelle klingt an die Formulierung Catos, auf die sie in etwas anderer Weise als lug. 31,1 Bezug nimmt, nur eben an. Daß Sallust catonische Wendungen oder Sätze frei schaltend aufgreift, läßt sich auch sonst beobachten; das soll indessen nicht weiter verfolgt werden. Die Rede gegen Ser. Galba hat Sallust an verschiedenen Stellen verwendet. Das Gleiche scheint für eine andere ebenfalls in die Origines aufgenommene Rede Catos zu gelten: die Rhodierrede. Caesar beginnt Catil. 51,1 seine Rede mit einer Gnome — omnis homines — und betont: Das rechte consulere ist durch Emotionen gefährdet. Der gleiche Gedanke bestimmt den Eingang der catonischen Rede orig. 95 a, die gleichfalls gnomisch - plerisque hominibus — anhebt. Caesar verweist Catil. 51,5 auf das vorbildliche Verhalten Roms in der Rhodierangelegenheit; das hat nach dem Anklang an die Rhodierrede einen eigenen Reiz und soll möglicherweise auch die Anspielung spürbar machen. Vielleicht wirkt in anderer Form der Anfang der Rede Catos gleichfalls bei dem Beginn der Mariusrede lug. 85,1 f. nach 20 . Nach all dem ist auch gut denkbar, daß der übertragene Ausdruck transvorsos agere lug. 6,3; 14,20 nach der analog gebrauchten Junktur Cato orig. 95 a transvorsum trudere gebildet ist; eine vergleichbare Verbindung mit transvorsus findet sich sonst nicht vor Sallust. lug. 25,9 summa vi Cirtam inrumpere nititur erinnert an Cato orig. 95 b summa vi contra nititur; die Catostelle ist die einzige genaue vorsallustische Parallele für Sallusts summa vi niti21. Die in den Origines stehenden Reden Catos hat Sallust gern benutzt. Von besonderer Hochschätzung catonischer Beredsamkeit zeugt es, wenn die Rede, mit der die Memmi facundia clara pollensque (lug. 30,4) veranschaulicht werden soll, mit den Worten beginnt, die wohl den Anfang der Rede gegen Ser. Galba bildeten. Unter diesen Umständen22 wäre es verwunderlich, wenn Sallust die catonischen Reden, die nicht in die Origines aufgenommen waren, ganz unberück19

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Möglich, daß die Ausdrucksweise für Sallust antiquiert ist; sie ist nach Sallust erst Tac. ann. 3,16,3 belegt. Hinreichend sicher wäre eine derartige Klassifizierung nicht, denn die wirklich synonymen Wendungen sind gleichfalls zwischen Cato und Sallust nur sehr selten nachzuweisen. Auch die folgenden Idiome, die vor Sallust nur bei Cato bezeugt sind, könnten durchweg oder teilweise sallustische Archaismen sein. Ich habe das nicht untersucht Skard, Vorgänger 94. Ähnliches findet sich Enn. a n a 161 und 412 summa . . . opum vi (= Verg. Aen. 12,552); LuciL 630 summis . . . opibus; Caes. civ. 3,45,1 magna v i Nach Sallust steht summa vi niti Liv. 44,11,8. Nach Skard, Vorgänger 84 ff. bedient Sallust sich vorzugsweise in bestimmten Reden catonischen Gedankengutes. Das würde zu Sallusts Hochschätzung des Redners Cato passen. Immerhin ist nicht zu vergessen, daß von Catos Werk eben in starkem Umfange Sentenzen und Maximen erhalten sind; und sie konnten nur in reflektierenden Teilen der sallustischen Geschichtsschriften Verwendung findea

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sichtigt gelassen hätte. In der Tat ist das allem Anschein nach auch nicht der Fall. lug. 31,11 ist deutlich nach Cato or.frg.9 1.1 Iff. gestaltet, lug. 85,8 vielleicht nach Cato or.frg.21. lug. 15,2; 31,17 begegnet die Konstruktion niti pro aliqua re; die einzige ältere Parallele dazu bietet Cato or.frg. 1,27. Daß diese catonischen Reden gleichfalls in den Origines standen, ist nirgends bezeugt. Zumindest im Iugurtha gilt also: Wenn Sallust an Cato anknüpft, dann nicht lediglich als an einen Vorgänger in der Geschichtsschreibung. Es ist eher schlechthin der Prosaiker Cato, dem Sallust so manches entlehnt. Der Anschluß an den Censorius ist nicht dadurch nahegelegt worden, daß Sallust den alten Prosaiker für seine Geschichtswerke als Quellenautor hätte heranziehen müssen. Sprachliche Verbindungen zwischen Sallust und Sisenna wären nicht durchweg ebenso zu beurteilen: Die zwei letzten Geschichtsschriften Sallusts haben mit Sisennas Historien mancherlei thematische Berührungspunkte. Sallust deutet selbst darauf ausdrücklich hin, und seine Historien scheinen überhaupt das gleichnamige Werk Sisennas fortzusetzen. Unter diesem Aspekt hätten sprachliche Übernahmen Sallusts von Sisenna nichts Befremdliches. Mit ihnen wird man auch aus anderen Gründen rechnen dürfen: Unter den lateinischen Geschichtsschreibern gilt Sisenna bis in die letzten Jahre der Republik als der beste Stilist, und er wird auch von Sallust durchaus geschätzt23. Kaum zufällig dürfen da folgende Übereinstimmungen sein24: Sali. Catil. 56,3 sparos aut lanceas; die Verbindung spari — lanceae Sisenna hist. 21, sonst nie vor Sallust25. Sali. lug. 67,1 saxa . . . certatim mittere klingt stark an Sisenna hist. 7 an: saxa certatim . . . coniciunt. Die Ekphrasis Sali. lug. 93,4 erinnert an Sisenna hist. 8. Gut denkbar, daß Sallust zum Gebrauch des Archaismus occipere durch Sisenna angeregt worden ist 26 . Sonstige noch kenntliche Quellen sallustischer Archaismen: Die Zwölftafeln für intestabilis; vielleicht hat auch Sallust noch in seiner Jugend die Zwölftafeln auswendig lernen müssen27. Ein alter Spruch der Annales maximi für consultor „Ratgeber". Sallust hat sich hinsichtlich der Texte, denen er altertümliche Ausdrücke entnommen hat, offenbar nicht an enge Regeln gebunden. So ließe sich noch manches andere Schrifttum denken - nicht nur Prosa, sondern auch Dichtung —, aus dem Sallust den einen oder anderen antiquierten Ausdruck übernommen haben könnte28. 23 24 25 26

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Ähnliches schon bei Bruennert 21 ff. VgL SalL lug. 95,2. Die Ansicht, daß Sallust sich sprachlich auch an Sisenna angeschlossen hat, ist a l t VgL Bruennert 21 ff.; letzthin wieder Bolaffi 89; Syme 259; 265. Diese Übereinstimmung bemerkt Peter zu Sisenna hist 21; die folgende Wölfflin, zitiert von Peter zu Sisenna hist 8. Ein zu Sallusts Zeit wohl niedrigeren Sprachschichten angehörender Gebrauch ist potiri mit Akk. SalL hist. frg. inc. 32; hier mag ebenfalls Sisennas Vorbild eingewirkt haben. Vgl. 273 zu Sisenna hist. 42. Sonst gebraucht Sallust potiri mit Gen. oder AbL über lOmaL Vgl. dazu 67 A. 12. Zu dieser Literatur mögen die Reden des C. Gracchus gehören, von denen Sallust viel-

Unerweislich ist aber, daß einer der gesammelten sallustischen Archaismen eine altertümliche Spracheigentümlichkeit gewesen wäre, die als solche traditionell vorsallustischer Historikersprache angehört hätte. Sogar eher unwahrscheinlich ist das bei wenigstens zwei Idiomen, tempestas „Zeit" überwiegt v o n Anfang an in Sallusts historischem Werk gegenüber analog gebrauchtem tempus. In den Fragmenten der republikanischen Geschichtsschreibung fehlt tempestas „Zeit", dagegen steht Calp. hist. 27 in e o tempore . . . , q u o tempore; Asell. hist. 7 tum in eo tempore; Ps. Quadrig.hist. 12 in eo tempore; (Sisenna hist. 16 isdem temporibus); die Wendung in eo tempore ist dabei durchweg dem Abi. temporis gleichwertig. ductare vom Führen eines Heeres oder in ähnlicher Verwendungsweise steht im Catilina ausschließlich — 4 mal — statt entsprechendem ducere und hält dem S y n o n y m im Iugurtha die Waage. In den Resten der vorsallustischen Historiographie findet sich nie ductare, dagegen ducere in der vorausgesetzten Verwendungsweise Scaur, hist. 6; Quadrig. hist. 92; Sisenna hist. 57 2 9 .

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leicht manche gekannt hat. Dazu 69; Syme 261. Daß Sallust tragisches Sprachgut verwendet, ist wenigstens in einem längst bemerkten Falle wahrscheinlich: or. Lep. 15 ferro saeptis erinnert an Trag. inc. 31 ferro saeptus; die Junktur vor Sallust nur hier. Was allerdings Skard, Vorgänger 57 ff. sonst an Einflüssen der Tragödie in den Geschichtswerken annimmt, ist in der Regel ganz unsicher. Über Möglichkeiten kommt Skard auch nicht hinaus, wenn er Vorgänger 45 ff. unmittelbare Ennianismen bei dem Historiker nachzuweisen versucht; die Kritik von Dahlmann, Gnomon 11, 1935, 312 ff. gilt im wesentlichen auch für diese Ausführungen. Entlehnungen aus Komikern vermutet Bolaffi 88 bei Sallust. Undenkbar wäre derartiges in Einzelfällen vielleicht nicht; anders Skard, Vorgänger 73. Aber ein Beweis fehlt. Sprachliche Übereinstimmungen zwischen Sallust und den Komikern beweisen an sich noch nichts: Plautus und Terenz bieten das größte Textquantum in der vorciceronischen Literatur; da müssen sich viele zufällige Berührungspunkte zwischen ihnen und Sallust ilndea Es gibt noch andere solche Fälle, die, vereinzelt betrachtet, aber aus verschiedenen Gründen weniger beweiskräftig sind. Beispiele: In den Bruchstücken der vorsallustischen Historiographie steht statt facundia Quadrig. hist. 8 eloquentia; statt socordia Quadrig. hist. 89 neglegentia; statt palari Quadrig. hist 11 vagari; statt defensare Asell. hist 2; 7; Quadrig. hist. 85 defendere. patrare „vollbringen" ist in jeder sallustischen Geschichtsschrift wenigstens annähernd so häufig wie conficere, peragere, perficere zusammen, conficere steht Asell. hist. 2; Sisenna hist 49. Nie in den Historikerfragmenten dagegen patrare, mortales kann jedenfalls bei Quadrigarius nur eine untergeordnete Rolle gespielt haben. Darüber 255 zu Quadrig. hist. 76. Bemerkt sei noch, daß in den Resten der vorsallustischen Geschichtsschreibung insgesamt über 200 mal ac, atque, et, - que erscheint, nie -que -que. Allerdings ist -que -que in den sicher echten Sallustiana bekanntlich auf einen bestimmten Gebrauch beschränkt; ob und in welchem Maße bei den Vorgängern Sallusts diesem Gebrauch Verbindungen mit ac usw. entsprechen, habe ich nicht überprüft Was die mutmaßlichen stilistischen Archaismen Sallusts angeht, so besteht kein Grund, für memorare und subvertere bei den älteren Historikern dieselbe relative Häufigkeit anzunehmen wie bei Sallust Zu memorare 250f. zu Quadrig. hist. 47. subvertere begegnet Quadrig. hist. 10 b; evertere Quadrig. hist. 8; 10 b. Erinnert sei in diesem Zusammenhang auch an die bevorzugte Perfektendung -ere statt -erunt bei Sallust, mit deren Gebrauch er sich entschieden von der älteren nachcatonischen Geschichtsschreibung abhebt. Dazu 199. - In occipere könnte man ein Gegenbeispiel sehen wollen. Aber als antiquiert kann dieses Verb erst bei Si-

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Ein bisher ausgeklammertes Problem ist das Verhältnis des sallustischen Archaismengebrauchs zur zeitgenössischen Grammatik. Sollte Sallust nicht manches verbum priscum grammatischen Kollektaneen entlehnt haben? Folgende der von uns zusammengestellten sprachlichen und stilistischen Archaismen Sallusts sind bis einschließlich Verrius Flaccus in der lateinischen Grammatik Gegenstand der Betrachtung; für die eingeklammerten Idiome ist an der betreffenden Grammatikerstelle weder ein Beleg aus vorsallustischer Literatur angegeben noch ausdrücklich die Antiquiertheit bezeugt30: (prosapia Paul. Fest. p. 225); socordia Fest. p. 293 Catobeleg; (inclutus Paul. Fest. p. 55; 107); (insons Fest. p. 297); quaesere Fest. p. 258 Enniusbelege; tempestas „Zeit" Fest. p. 363; nuncupare „benennen" Varro ling. 6,60 Hinweis auf leges und anderes; prodigere „verschwenden" Fest. p. 229 Caeciliusbeleg und anderes; nequitur Fest.p. 162 Catobeleg und anderes; (rebatur Fest.p.277); soluerat Varro ling.9,107 Catobeleg und anderes; (memorare Paul.Fest.p. 124). tempestas, nuncupare, rebatur erweisen sich durch Cie. de orat. 3,153 als naheliegende verba prisca. In dieselbe Richtung deutet es, wenn inclutus, insons, quaesere, tempestas, nuncupare, reri, memorare in freilich sehr verschiedenem Umfang in republikanischer Dichtung sallustischer Zeit oder in augusteischer Dichtung erscheinen. Will man für prosapia, socordia, inclutus, tempestas, nequitur, soluerat, memorare an einen bestimmten Einfluß denken, dann wird man zunächst mit der unmittelbaren Einwirkung Catos zu rechnen haben. Denn all die erwähnten Ausdrücke sind in catonischer Prosa zu belegen; und daß Sallust mit Reden und Geschichtswerk des Censorius aus eigener Lektüre gut vertraut war, ist nicht zu bezweifeln. Bei der Mehrzahl der hier behandelten sallustischen Archaismen wäre es unnötig oder unwahrscheinlich, wollte man ihren Gebrauch der Einwirkung der Grammatik zuschreiben. Für prodigere gilt das freilich nicht so ganz31. Immerhin ist in diesem Falle - das gleiche trifft für die übrigen (Paulus—)Festusnotizen zu — nicht zu sichern, daß das Idiom bereits bei Lebzeiten Sallusts grammatische Behandlung erfahren hatte. Das erhaltene Material gibt uns kein ausreichendes In-

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senna gelten. Wenn Sallust das Wort als Archaismus gebraucht, hat er, soweit wir sehen können, also keine Tradition vor sich, sondern eben nur Sisenna. Dazu 214 zu Calp. hist 36. Daß die Verwendung von oeeipere fiir Sallust keine Selbstverständlichkeit historiographischer Ausdrucksweise war, lehrt auch seine eigene Praxis: Er greift zu dem Idiom erst in den Historien. Wenn neben Varro noch andere Grammatikerzeugnisse vorliegen, wird nur Varro, wenn neben - ergänztem - Festus auch Paulus-Festus vorliegt, nur Festus zitiert Bei (Paulus-) Festus erscheinen auch andere Ausdrücke, die bei Sallust zu belegen sind. Erwähnt seien (claritudo), dextimus, obsidium hist frg. 1,46, privus, satura lug. 29,5, stolidus, (sublices hist. frg. 4,85), tabes Catil. 36,5; hist. frg. 4,46. Die zitierten Salluststellen werden in dem Werk angeführt. Die erwähnten Wörter sind nicht durchweg sat lustische Archaismen. Wenn sie bei (Paulus-) Festus für die antiqui beansprucht werden, so ist das nicht unbedingt beweisend. Den antiqui werden auch bei Cicero nachzuweisende Wörter wie multifariam Fest p.142, nobilis statt notus Fest p.174 zugesprochen. Vgl. noch 18 A. 22.

diz für den Einfluß von Glossarien und ähnlichem grammatischen Schrifttum auf Sallusts Gebrauch antiquierten Sprachgutes. Daß Sallust catonisches Sprachgut durch die grammatische Literatur vermittelt worden ist, ist nicht nur wegen Sallusts offenbar unmittelbarer Catokenntnis unglaubhaft. Wenigstens für die zwei ersten Geschichtsschriften ist eine derartige Vermittlung auch durchaus unwahrscheinlich wegen des Desinteresses der republikanischen Grammatiker an Catos Sprache. Das Argument läßt sich auf die anderen älteren Prosaiker der Republik übertragen, die durchweg in dem grammatischen Schrifttum noch weniger Berücksichtigung zu finden scheinen als der Censorius32. Wenn Sallust sich an ältere Literatur, insbesondere an die Origines und die Reden Catos anschließt, so verliert er doch nicht seine Selbständigkeit gegenüber diesen Vorbildern. Besonders bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang die Zurückhaltung, die er sich in dem Gebrauch veralteten catonischen Sprachmaterials auferlegt 33 . Gewiß war Sallust mit dem Eingang der Origines vertraut: si ques homines sunt; die Form ques kann er kaum übersehen haben. Ebenso muß Sallust siet in der Rhodierrede aufgefallen sein: Cato orig. 95 a quid opus siet facto 34 ; die gleiche Form auch Cato or.frg.21, an einer von Sallust vielleicht ebenfalls nachgeahmten Stelle. Cato orig. 108 muß der Inf. peragier Sallusts Aufmerksamkeit erregt haben. Aber nie verwendet Sallust derartige Bildungen in seinen Geschichtsschriften; Gelegenheit dazu hätte er reichlich. Also eine deutliche Ablehnung altertümlich-catonischer Flexionsformen. Doch dürfte Sallust auch manche anderen für ihn antiquierten Catonismen bewußt verschmäht haben. Kaum ist es durchweg auf Unkenntnis catonischer Ausdrucksweise zurückzuführen, wenn Sallust statt catonischer Wörter wie duritudo, plerus, properus, sanguen, uls durchweg Ersatzwörter gebraucht. Ein Vergleich von Sallusts Archaismengebrauch mit den Möglichkeiten, die ihm seine Hauptquelle für antiquierte Idiome bot, die Prosa Catos, zeigt: Sallust ist in der Verwendung veralteter Ausdrücke durchaus wählerisch. Denselben Eindruck erhält man, wenn man Sallusts Praxis vor der Folie der verba prisca betrachtet, die Cicero verwendet oder empfiehlt. Manches altertümliche Sprachgut, das Cicero in seinen Gesetzen nicht scheut, findet sich bei Sallust, der die — ungefähr — synonymen Ausdrücke durchaus gebraucht, an keiner Stelle, ζ. B. aevitas, duellum, effari, endo, ergo mit Gen., faxim und ähnliche Bildun32 33

Darüber 73 ff. Daß sich bei Sallust manches Altertümliche nicht findet, ist mit teilweise anderen Beispielen schon gelegentlich hervorgehoben worden, so von Bruennert 11; Latte 11 f.; Syme 259; 263. Eine Analogie zu Sallusts Praxis bei Vergil, wozu Cordier 32 ff.

34

Zu der Verbindung von opus est mit dem AbL des Part Perf. ist Sallust - seit CatiL 1,6 - möglicherweise überhaupt durch Catos Vorbild angeregt worden: vgL zum Vorkommen der Konstruktion Hofmann-Szantyr 123.

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gen, ollus, suboles. effari und suboles sind verba prisca, deren sich ein Redner nach Cie. de orat. 3,153 bedienen kann. Der Unterschied zwischen sallustischem und ciceronischem Sprachgebrauch ist schwerlich mit der Annahme zu erklären, Sallust habe die veralteten Ausdrücke, zu denen Cicero greift, nicht gekannt. Über die bewußten oder unbewußten Motive, die Sallust bei der Auslese aus dem verfügbaren altertümlichen Sprachgut geleitet haben, läßt das vorgelegte Material kaum ein Urteil zu. Hat er — unter anderem — zu antiquierte Idiome vermeiden wollen 35 ? Zu dieser Annahme würde passen, daß die obscuritas der sallustischen Ausdrucksweise in den antiken Stilurteilen nie auf Sallusts Archaismen zurückgeführt wird. Die bisherigen Ausführungen haben gelegentlich bereits die zweite Hauptfrage tangiert: Wie gebraucht Sallust seine Archaismen? Die folgenden Darlegungen sollen vornehmlich diesem Problem gewidmet sein, und zwar unter Beschränkung auf die sprachlichen Archaismen. An erster Stelle fällt auf, in wie großem Umfange Sallust Archaismen verwendet. Bei Zugrundelegung unserer Sammlung ergibt sich folgendes Bild:

Vorkommen von Einzelwörtern (in runden Zahlen) Vorkommen von Archaismen durchschnittliche Wortzahl, auf die je ein Archaismus entfällt

Catil.

lug.

Hist. Reden und Briefe (gesamt) der Hist.

10800

21300

9140

4100

41

116

53

29

263

182

172

141

Die Differenz in der Archaismendichte von Historiengesamtheit einerseits, Reden und Briefen der Historien andererseits erklärt sich wohl damit, daß die kurzen Bruchstücke mit geringerer Intensität auf Archaismen untersucht sind als die großen zusammenhängenden Passagen. Dadurch ist der zu vermutende Umstand überkompensiert worden, daß der aus Fragmenten bestehende Text, der zum Teil sprachlichen Besonderheiten seine Erhaltung verdankt, gegenüber einem 35

310

Für den selektiven Anschlu£> Sallusts an Catos Sprache noch ein außerhalb des Vorgetragenen liegender Hinweis. Für Anhöhe sagt Cato orig. 83 volkstümlich-plastisch verruca; zu dem Ausdruck Koehler, A c t sem. phiL Erl 1, 1878,471; Meyer-Lübke 9241. Gellius hebt 3,7,6 diese catonische Formulierung als ungewöhnlich hervor; sie dürfte auch Sallust bei der Lektüre der Origines aufgefallen sein. Verwendet hat Sallust das catonische Idiom nie, obschon er das öfter hätte tun können. Den Grund für die sallustische Ablehnung von verruca „Anhöhe" dürfte Q u i n t inst.8,6,14 erkennen lassen: saxea verruca wird hier zu den humiles translationes gerechnet. Sallust ist eben von dem Purismus nicht unberührt.

gleichlangen zusammenhängenden Historienquantum zuviel Archaismen enthält 3 6 . Die für die gesamten Historien ermittelte Durchschnittszahl, auf die je ein Archaismus entfällt, wird demnach kaum als zu niedrig gelten können. Es ist somit besonders im Hinblick auf die beiden letzten Geschichtswerke Sallusts festzustellen: Die relative Archaismenfrequenz hat bei Sallust eine Höhe wie sie sich für keinen der bisher untersuchten Autoren beobachten oder wahrscheinlich machen ließ 37 . An verschiedenen Stellen der Geschichtsschriften ist das Erscheinen eines Archaismus in eine gewisse Beziehung zu Wörtern zu setzen, die in der Nachbarschaft stehen, oder primär von ihnen aus zu erklären 38 . Einige sichere Beispiele sehr verschiedener Art: lug. 31,8 dient nequitur auch der Verdeutlichung des Passivsinns von ulcisci. hist. frg. 3,70 steht nuncupare offensichtlich auch dem Ausdruckswechsel zuliebe 39 . lug. 85,10 fungiert das Subst. prosapia mit seiner gravitas als Folie, vor der die Charakteristik, mit der diese prosapia pointiert am Satzende bedacht wird, nur umso niederschmetternder wirkt: nullius stipendi. Ganz ähnliche Funktion hat proles or. Lep.3. Indessen sind derartige Fälle selten. Die Verwendung der besprochenen Idiome kann auch insofern nicht als Normalfall der sallustischen Archaismenhandhabung gelten, als sie bei Sallust nur jeweils einmal vorkommen, eben an den zitierten Stellen. Die teil ren aus

Interpretation solcher Kurzpassagen ist nicht die einzige Instanz für ein Urüber die Funktion sallustischer Archaismen. Auch ein statistisches Verfahkann Aufschlüsse vermitteln. Die folgenden Überlegungen beschränken sich praktischen Gründen auf die beiden Monographien.

Wir gliedern annähernd den ganzen Catilina in 3 Perikopen, annähernd den ganzen Iugurtha in 6 Perikopen. Alle diese 9 Abschnitte A - I haben gleichen Umfang 40 . Die Archaismen verteilen sich dann folgendermaßen: 36

37 38 39

40

Man könnte auch meinen, daß in Reden und Briefen der Historien relativ mehr Archaismen vorkommen als in den übrigen Historienpartien. Doch hätte die Auffassung weniger Wahrscheinlichkeit fur sich. Denn in Catilina und Iugurtha ist von einer solchen Sonderstellung der Reden nichts zu merkea Für die Historiker vgl. vor allem 260 zu Quadrigarius, 285 f. zu Sisenna. Dazu noch 315 A.46. So ist ja ebenfalls bei Cicero gelegentlich die Verwendung eines veralteten Ausdrucks motiviert. Vgl. 28. Wäre mit den vorgetragenen Bemerkungen das Erscheinen der zwei letzteren Idiome bei Sallust vollständig erklärt, so könnte man sie nicht gut als Archaismen bezeichnen. Doch dürfte für einen Autor wie Sallust bei der Wahl der Ausdrücke auch deren Altertümlichkeit eine Rolle gespielt haben. Sie umfassen je 13 Seiten der Schulausgabe von A. Eussner, Leipzig (Teubner) 1904. Die Umrechnung auf Kapitel und Paragraphen ist erfolgt, um auch dem Leser, dem diese Ausgabe nicht zur Hand ist, eine gewisse Kontrollmöglichkeit zu geben. Bei der Wahl des Perikopenumfanges hat vor allem die Einfachheit der Messung den Ausschlag gegeben. Es muß allerdings gesagt werden, daß eine Veränderung des Perikopenumfanges auch das Ergebnis modifizieren kann. Ich habe das Problem nicht untersucht.

311

Catilina: Kapitel Archaismen

A 2,3-25,1 22

В 25,2-49,2 9

С 49,3-60,4 9

Iugurtha: Kapitel Archaismen

D 2,318,8 19

Ε 18,936,1 22

F 36,255,7 17

G 55,876,6 23

Η 77,193,3 19

I 93,4112,3 12

Um mit dem Catilina zu beginnen, so springt sofort ins Auge,daß Α relativ viele Archaismen aufweist. Ob die gefundene Verteilung verläßlich nicht-zufallig von einer theoretisch erwarteten Verteilung — in unserem Falle der Gleichverteilung — abweicht, läßt sich genau mit dem χ 2 -Test ermitteln. Wir nennen die Unterschiede, die zwischen ABC bestehen, signifikant, wenn die Wahrscheinlichkeit für ihr zufälliges Zustandekommen geringer als 5% ist (p 7 0 % . Wir dürfen uns also bei der Erklärung der hohen Archaismenmenge in Α auf Catil. 6 — 17 konzentrieren. Dieser Abschnitt ist nun vor allem durch den auffallend großen Exkurs ausgefüllt, der den Wandel der römischen Gesittung von der Stadtgründung bis zur Zeit Catilinas verfolgt und deutet (Catil. 6—13). In dem Exkurs begegnen 11 Archaismen. Es sieht so aus, als habe Sallust seine Geschichtsdeutung auch stilistisch hervorheben wollen; zudem ließ dsr Rückblick in fernere und fernste Vergangenheit, der einen großen Teil der Digression beherrscht, wohl den Rückgriff auf Sprachgut der Vergangenheit als besonders angemessen er41

312

Eine auf den Nichtmathematiker zugeschnittene Darstellung des x2-Tests findet man etwa bei O.W. Haseloff-H.-J. Hoffmann, Kleines Lehrbuch der Statistik, Berlin 1968 3 , 170 ff. - Welche Signifikanz man verlangt, hängt von dem bearbeiteten Problem ab. In unserem Zusammenhang scheint es sinnvoll, das Signifikanzniveau auf den relativ hohen Wert von 5% festzulegen. Denn damit wird der Nachweis des Archaisierens, soweit er mit der Gleichverteilung der Archaismen gefuhrt wird, erschwert. Unter einem anderen Aspekt zu diesem Punkt G. Herdan, The Advanced Theory of Language as Choice and Chance, Kommunikation und Kybernetik in Einzeldarstellungen, Bd. 4, Berlin/Heidelberg/New York 1966, 414 f.

scheinen. Die Sprache des Exkurses schwingt, nachdem die Partie abgeschlossen ist, in den folgenden Kapiteln noch nach 4 2 . In ВС findet Sallust zu einer weniger umfangreichen aber gleichmäßigen Verwendung von Archaismen; daß die Reden Caesars und Catos ziemlich genau die Hälfte von С ausmachen, ändert nichts an diesem Bild. Eindeutig ist die Gleichverteilung der Archaismen im Iugurtha. Für D - I ist χ 2 = 4,14, somit ρ > 5 0 % . Die Annahme, daß die Archaismen ohne Rücksicht auf den Inhalt der Perikopen über den Text gestreut sind, ist, soweit sie statistisch geprüft wurde, durchaus akzeptabel. Die historische Digression lug. 41,1 42,4 bewirkt in F keinen auffallend starken Archaismengebrauch; sie ist freilich kürzer und greift in weniger entfernte Perioden zurück als der vergleichbare Abschnitt Catil. 6-13. Die großen Reden des Adherbal, Memmius, Marius bedingen für DGH nicht eine merkliche Abweichung vom Durchschnitt. Eine inhaltsbedingte Änderung der Archaismenverteilung ist also innerhalb des Iugurtha nicht nachweisbar. Und es ist auch zweifelhaft, ob die gegenüber der ersten Monographie größere Archaismendichte des Iugurtha vornehmlich in dem größeren Zeitabstand der hier behandelten geschichtlichen Vorgänge begründet ist. Denn in den Historien, die ja einen kaum vor der Catilinarischen Verschwörung liegenden Geschichtsstoff behandeln, ist die relative Archaismenfrequenz wohl nicht geringer als in der zweiten Monographie. Die Vermutung ist nicht abweisbar, daß die Erhöhung der Archaismen dichte im Iugurtha vom Thema weitgehend unabhängig ist. Manche Archaismen haben mit ihrer Häufigkeit gegenüber ihren nächstliegenden lebenden Synonymen eine sehr starke Stellung. So verhält es sich alle Geschichtswerke hindurch bei mortalis gegenüber entsprechend gebrauchtem homo und bei tempestas gegenüber entsprechend gebrauchtem tempus, beidemal in steigendem Maße, bei patrare gegenüber conficere, peragere, perficere. Verschiedene Archaismen haben in sämtlichen Geschichtsschriften oder auf einer längeren Strecke die lebenden Ersatzausdrücke, durch die sie am ehesten vertreten werden könnten, ganz verdrängt. Die folgenden Beispiele sind auf Fälle beschränkt, in denen der Archaismus wenigstens 5mal hintereinander ohne Konkurrenz ist. Das gilt für das gesamte historische Werk Sallusts von den Singularformen von plerique und quippe qui mit Ind.; vom Iugurtha an gilt es für cupido und facundia, zwei Subst., denen im Catilina noch Synonyme zur Seite stehen, und consultor „Ratgeber". Ziehen wir das Fazit. Die hohe Zahl der sallustischen Archaismen, ihre praktisch durchgängige Funktionslosigkeit innerhalb der Kurzpassagen, ihre recht gleich42

Nebenbei: Wenn sich die unwahrscheinliche Verteilung der gesammelten Idiome im Catilina gerade unter der Voraussetzung, es handle sich um Archaismen, gut erklären läßt, so indiziert das: Die Diagnose „Archaismus" trifft für die aus der ersten Monographie herausgehobenen Ausdrücke im wesentlichen zu.

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mäßige Verteilung über ein Werk, ihre starke Stellung gegenüber den lebenden Synonymen, das alles ist nur als Ausdruck einer grundsätzlichen Entscheidung zu verstehen, sich altertümlichen Sprachgutes zu bedienen. Den Zeitgenossen des Historikers muß dieser ungewöhnliche Archaismeneinschlag als charakteristisches Stilmerkmal sallustischer Prosa erschienen sein, und Sallust muß diesen Effekt beabsichtigt haben. Kurz: Sallust archaisiert. Besonders eindeutig trat uns Sallusts Altertümeln in der zweiten Monographie entgegen. Doch wird man dieselbe Praxis, obschon in weniger ausgeprägter Form, ebenfalls im Catilina erkennen dürfen. Soweit für die Historien Daten geboten wurden, erwies auch ihre Sprachgestaltung sich als altertümelnd. Wenn sich der Schluß, daß Sallust archaisiert, bereits aus einer unvollständigen Sammlung sallustischer Archaismen ergibt, so kann diese Tatsache das Vertrauen in ihn nur stützen. Es ist schon bemerkt worden, daß Sallust in der Verwendung einiger Archaismen eine deutliche Entwicklung durchmacht. Die Erscheinung ist nicht auf die erwähnten Phänomene beschränkt. Das mögen zunächst die folgenden quantitativ orientierten Feststellungen zeigen. Sie haben es, ohne das gesammelte Material ganz auszuschöpfen, nur mit Fällen zu tun, in denen das Vorkommen oder Fehlen eines Archaismus sich vor der Folie des Gebrauchs lebender Ersatzausdrücke als Wandel sallustischer Sprachintention erweist43. Öfter ist — wie bei den schon erörterten Idiomen — ein Vordringen von Archaismen im Verlauf von Sallusts schriftstellerischer Tätigkeit zu konstatieren. So spielt vecordia im Iugurtha gegenüber dem Ersatzausdruck eine größere Rolle als im Catilina. Manche Archaismen begegnen erstmals im Iugurtha und werden von da an festgehalten: imperitare, agitare „leben" u.ä., transitives festinare. Andere Archaismen erscheinen sogar erst in den Historien: inclitus, coeptare, occipere, quaesere, torpedo „Schlaffheit". Es gibt auch die entgegengesetzte Entwicklung; sie ist freilich selten, ductare vom militärischen Führen und subigere mit Inf. werden in der ersten Monographie verwendet, verlieren dann aber gegenüber den Synonymen an Boden 44 . 43

44

314

Die lebenden Synonyme lassen ja am sichersten den Möglichkeitsgrad für den Gebrauch eines Archaismus erkennen; und erst eben auf dem Hintergrund dieser Möglichkeiten gewinnt Sallusts Stilwille Kontur. Über Sallusts sprachlich-stilistische Entwicklung im übrigen Wölfflin, Philologus 2 8 , 1 8 7 6 , 9 5 ; 102ff. passim; Α. Kunze, Sallustiana 3,1, Leipzig 1897; Klingner, Hermes 6 3 , 1 9 2 8 , 1 7 3 ; Skard, SO 10,1932, 61 ff.; 3 9 , 1 9 6 4 , 1 3 f f . ; Ennius 79; Löfstedt, Synt II 2 9 0 f f . ; 4 1 2 f.; Syme 266 f.; 305 ff.; Pasoli, Helikon 5, 1965, 241 ff.; eine Einzelheit bei Hofmann-Szantyr 298 f. Einige der folgenden Beobachtungen sind von den genannten Autoren bereits ausgesprochen oder angedeutet worden. Wenn man hervorzuheben pflegt, daß Sallusts Sprache und Stil im Laufe der Zeit immer mehr zur Wahl des Ungewöhnlichen tendieren, so ist das also eine etwas einseitige Darstellung des Sachverhalts. VgL noch die Angaben 302 f. über advorsum, necessitudo „Not", die Perfektendung -ere statt -erunt.

Bei der quantitativen Betrachtungsweise kommt nur eine Seite eines mehrdimensionalen Tatbestandes in den Blick. Wenigstens kurz beleuchtet werden sollen noch zwei Phänomene mehr qualitativer Art. Dabei geht es um Kühnheiten des Archaismengebrauchs, die Sallust erst wagt, nachdem er sich des Archaismus längere Zeit bedient hat. Singularisches mortalis ,.Mensch", das sich von dem üblichen omnes mortales, multi mortales weiter entfernt als bloßes pluralisches mortales „Menschen", erscheint erst lug. 72,2; mit den Formulierungen Catil. 31,2 und 51,11 dürfte Sallust die später gewählte Ausdrucksweise noch vermeiden wollen. Transitives festinare verbindet sich im Iugurtha nur mit Pronomina, erst in den Historien mit Subst. 4 5 . Der Wandel in der Verwendung der einzelnen Archaismen vollzieht sich bei Sallust im allgemeinen - freilich nicht immer - in der Richtung größerer Verwendungsintensität. Gemeinsam ist den eben erörterten veralteten Idiomen, daß ihr Gebrauch sich mit einer gewissen Stetigkeit entwickelt: Keinmal läßt Sallust einen im Catilina verwendeten Archaismus im Iugurtha zugunsten lebender Synonyme fallen, um ihn in den Historien wiederaufzugreifen. Auch unsere sonstigen Materialien liefern kaum ein Beispiel für eine derartige sprunghafte Sprachpraxis 46 . In dieser Gleichmäßigkeit spricht sich eine inhaltsunabhängige Autonomie des Archaismengebrauchs aus, wie sie eben das Signum des Altertümelns ist. Dies über die archaistischen Tendenzen Sallusts und verwandte Erscheinungen, soweit sie in den Geschichtswerken greifbar sind. In einer monographischen Behandlung des Themas ließe sich fraglos manches differenzierter erörtern 47 , aber für die Zwecke der vorliegenden Arbeit wird die gegebene Skizze ausreichen. 45

46

47

Freilich ist nicht strikt zu beweisen, daß die Verbindung des Intransitivums mit neutralem Pronomen weniger auffällig war als die mit Subst.; aber vermuten darf man es doch, angesichts der Tatsache, daß die Transitivierung mancher Intransitiva wahrscheinlich eben von der Verbindung mit neutralem Pronomen und neutralem Adj. ihren Ausgang genommen hat. VgL Hofmann-Szantyr 32. - Maßstab für die Kühnheit der Archaismenhandhabung ist bei den zwei Beispielen der Grad der Entfernung von lebenden Sprachmöglichkeiten. Das ist nicht der einzig denkbare Maßstab. Sieht man auf das Verhältnis von Ausdruck und Sujet, so erscheinen als besonders kühn die Archaismen, die Sallust Caesar in den Mund legt. Der einzige Archaismus, der im Catilina verwendet, im Iugurtha durch ein Synonym ersetzt wird, in den Historien erneut erscheint, ist insons. Doch ist das Fehlen des Wortes im Iugurtha deshalb wenig auffällig, weil es hier anscheinend nur einmal durch ein Synonym vertreten wird. Außerdem ist möglicherweise Catil. 16,3 in dem polaren Ausdrude insontis sicuti sontis Alliteration erstrebt, der Gebrauch des einmaligen frühen insons also durch eine besondere Stilisierungsabsicht veranlaßt Es wären gleichfalls noch andere Aspekte als die betrachteten zu berücksichtigen, so das Zusammenspiel der Archaismen mit den übrigen Stilmitteln. Erheblich profilierter würde sich Sallusts Archaisieren vermutlich auch darstellen, wenn man es näher mit dem Archaismengebrauch etwa des Livius, des Tacitus oder Frontos vergleichen könnte. Leider fehlen geeignete Vorarbeiten.

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b) Das Urteil der Zeitgenossen Von großer Bedeutung für unsere Problematik ist, was Sallusts Zeitgenossen über Sprache und Stil des Historikers dachten 48 . Sie atmeten ja gewissermaßen dieselbe sprachliche Luft wie Sallust und empfanden das Besondere seiner Praxis unmittelbar. Ein Urteil über die sallustische Archaismenverwendung, das sich mit ihrer Beurteilung durch die Zeitgenossen nicht zwanglos vereinen ließe, wäre starkem Zweifel unterworfen. Suet.gramm. 10,2 wird folgendes von dem Grammatiker L. Ateius Philologus berichtet: de eodem Asinius Pollio, in libro, quo Sallustii scripta reprehendit ut nimia priscorum verborum affectatione oblita, ita tradit: in eam rem adiutorium ei fecit maxime quidam Ateius, praetextatis nobis grammaticus Latinus, declamantium deinde auditor atque praeceptor, ad summam Philologus ab semet nominatus 49 (= Pollio gramm. frg. 495,1 Fun.). Es soll zunächst versucht werden, den Über Pollios genauer zu datieren. Etwas umständliche Erwägungen werden dabei nicht zu umgehen sein. Wir beginnen unsere Betrachtungen mit dem im Wortlaut überlieferten pollionischen Satz. Er skizziert in drei Stufen die berufliche Laufbahn des Ateius Philologus, und zwar wenig freundlich. Im einzelnen: Zur * Kinderzeit Pollios war Ateius ein im Lateinischen arbeitender Grammatiker. Die Präzisierung Latinus fällt auf, mit der das Betätigungsfeld des Ateius als recht enges gekennzeichnet wird. Danach war Ateius ein auditor und Lehrer von Deklamierenden. Daß es die Deklamation ist, der Ateius sich in dem zweiten Berufsabschnitt widmet, wird durch die Stellung von declamantium hervorgehoben, auditor bezeichnet im Bereich des Unterrichts durchweg den Schüler, und die übliche Bedeutung paßt auch an unserer Stelle 5 0 : Ateius lernte zunächst bei Deklamierenden. Nach Pollios Chronologie hätte er das erst im selben Lebensstadium getan, in dem er die declamantes lehrte. Auf die Quaütätvon Ateius' Rhetorentätigkeit wirft das kein gutes Licht. Das ist doch wohl eine von Pollio intendierte Wirkung 51 . 48

49 50

51

316

Auf ihre Äußerungen hat man natürlich seit jeher geachtet VgL ζ. B. Fighiera 8 f.; Funaioli, R E V A ( 1 9 2 6 ) 1 9 4 6 f . ; Büchner 3 5 7 ; Syme 288. Doch läßt sich manches schärfer fassen als es bisher geschehen ist. Nicht zugänglich war mir E. Bolaffi, Sallustio e la sua fortuna nei secoli, Roma 1949. Die Textgestaltung des Polliozitates gedenke ich anderenorts zu begründen. Richtig übersetzt F. Deila Corte in seiner Ausgabe der suetonischen Schrift, Torino 1968 3 , 24. Nach Thes. II 1294, 5 2 ff. wäre nicht nur im Satz Pollios, sondern auch Auson. 208,7 auditor der Lehrer; aber die Ausoniusstelle ist offenkundig mißverstanden. Die Ausgaben vor C. L. Roth (Leipzig 1 8 5 8 ) pflegen anstelle des überlieferten auditor zu bieten: adiutor. So auch etwa Spalding zu Quint inst. 2,5,3; Graff 301. Der Eingriff liegt unter graphischem Aspekt nahe. Aber das Überlieferte läßt sich durchaus verstehen. Als Folie zur Darstellungsart Pollios vgL die rein sachlich interessierte Ausdrucksweise

Zu guter Letzt legte Ateius sich den Beinamen Philologus, der Universalgelehrte, z u " . Schon für sich genommen klänge die Notiz, nach der Ateius den ehrenvollen Beinamen sich selbst verdankt, vielleicht spöttisch. Jedenfalls hat sie diesen Klang, nachdem Ateius als enger Grammatiker und Rhetor zweifelhafter Qualität charakterisiert worden ist; denn die beiden Berufsabschnitte - besonders der so betonte zweite, der der Annahme des Kognomen unmittelbar voraufgeht — rechtfertigen eben nicht den Beinamen Philologus. ad summam wird in einem solchen Zusammenhang nicht zufällig für ad extremum stehen: In der von Pollio gewählten Wendung schwingt die Vorstellung eines alles Vorherige umgreifenden Abschlusses mit. Die Ironie liegt auf der Hand53. Gerecht wird Pollio mit seinem Spott S4 dem Grammatiker und Rhetor nicht. Ateius beschränkte sich als Grammatiker keineswegs auf das Lateinische; vielmehr lag nach seiner eigenen Suet. gramm. 10,3 wiedergegebenen Äußerung der Schwerpunkt seiner Kenntnisse in Graecis litteris. Eine Berücksichtigung beider Sprachen paßt ja zu dem Schüler des Antonius Gnipho (Suet. gramm. 10,3), der nec minus Graece quam Latine doctus war (Suet. gramm. 7,1). Gnipho lehrte auch Rhetorik und deklamierte (Suet.gramm.7,3). Die Vermutung liegt nahe, daß Ateius nicht nur seine grammatische, sondern auch seine deklamatorische Ausbildung bei ihm erhalten hat. Dann dürfte Ateius — im Gegensatz zu Pollios Darstellung — bereits als grammaticus mit der Technik der Deklamation vertraut gewesen sein. Wie dem aber auch immer sein möge: nicht zu bezweifeln ist, daß sich Ateius durch eine weitgespannte Gelehrsamkeit auszeichnete (Suet. gramm. 10,4 f.), die den Beinamen Philologus durchaus als sinnvoll erscheinen lassen konnte 55 . Nun berichtet Sueton gramm.. 10,6f. über ihn: coluit . . . familiarissime C. Sallustium et eo defuncto Asinium Pollionem, quos historiam conponere adgressos alterum breviario rerum omnium Romanarum, ex quibus quas vellet eligeret, instruxit, alterum praeceptis de ratione scribendi, quo magis miror Asinium cre-

52 53

54

55

Suetons gramm. 6,1: Opillus. . . philosophiam primo, deinde rhetoricam, novissime giammaticam docuit. Zu φιλόλογος Pfeiffer 156 ff.; hier 156 A.3 alle wichtige Literatur. Im Prinzip derselbe Typ der Gedankenfolge Caes. civ. 3,31,1, wo freilich die Ironie noch deutlicher zutage tritt: Scipio detrimentis quibusdam circa montem Amanum acceptis imperatorem se appeUaverat. Suet Dom. 6,1: (Domitianus) de Chattis Dacisque post varia proelia duplicem triumphum egit — ist das ähnlich sarkastisch zu verstehen? Die spöttische Art, in der Pollio von dem Beinamen des Ateius spricht, muß in einen Zusammenhang gestellt werden mit Spötteleien bei Namensänderungen und Verwandtem: Verg. cataL 10,8; Suet. Aug. 7,2; Nero 41,1. Dazu noch Brecht 68. Das quidam könnte in einem solchen Zusammenhang abwertenden Klang habea Ein deutliches Beispiel für deklassierendes quidam ApuL apoL 57: ex libello . . . gumiae cuiusdam et desperati lurconis Iuni Crassi. Das ist nicht der einzige Fall, in dem Pollio die Wahrheit polemisch verzerrt In der Rede für Lamia hat er Cicero eine würdelose Haltung gegenüber Antonius unterstellt: adieceratque his alia sordidiora multo, ut ibi facile liqueret hoc totum adeo falsum esse, ut ne ipse quidem Pollio in historiis suis ponere ausus sit (Sen. suas. 6,15).

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didisse antiqua eum verba et figuras solitum esse colligere Sallustio, cum sibi sciat nihil aliud suadere, quam ut noto civilique et proprio sermone utatur vitetque maxime obscuritatem Sallustii et audaciam in translationibus. Nach dem Tode Sallusts ist danach der Grammatiker in ein enges Verhältnis zu Pollio getreten, und zweifellos aus dieser Zeit datiert auch die an Pollio gerichtete Schrift de ratione scribendi 56 Es ist mehr als unwahrscheinlich, daß in die gleiche Zeit Pollios spöttisch abwertende Bemerkungen über Ateius gehören. Besonders — aber nicht nur dann — wenn dieser für seinen Gönner bereits die Schrift de ratione scribendi verfaßt und veröffentlicht hätte, würde Pollio mit der Herabsetzung und Verspottung des Grammatikers auch einen Hieb gegen sich selbst führen. Während Philologus den Pollio coluit familiarissime, ist der über, in dem gegen die sallustische priscorum verborum affectatio polemisiert wurde, also gewiß nicht verfaßt worden. Nicht viel besser steht es offenbar mit der Möglichkeit, daß Pollio die Schrift nach dem Tode seines Schützlings niedergeschrieben hat, wenn zwischen den zwei Männern nicht vorher eine Entfremdung eingetreten war. Mit einer nachhaltigen Trübung des Verhältnisses Pollio-Ateius wird man jedoch kaum rechnen dürfen. Sueton weiß nichts von einem solchen Vorkommnis. Ateius Philologus dürfte auch, nachdem er in höherem Alter 57 einen neuen Gönner von der Bedeutung Pollios gefunden hatte, alles getan haben, um seine Beziehung zu diesem möglichst gut zu gestalten. Als wirklich akzeptabel bleibt bei dieser Sachlage nur eine Datierung des pollionischen Buches gegen Sallusts Altertümeln übrig: Es ist entstanden, bevor Ateius in ein näheres Verhältnis zu Pollio getreten war. Der zeitliche Ansatz hängt nicht ausschließlich an unserer Deutung der im Wortlaut erhaltenen pollionischen Bemerkung. Drei von dieser Interpretation unabhängige Gründe sprechen nämlich gegen die Annahme, der liber sei während der Verbindung des Grammatikers mit Pollio verfaßt. Und sie fallen, etwas variiert, auch mit kaum geringerem Gewicht in die Waagschale gegen die Vermutung, das Buch sei entstanden, nachdem Ateius ohne wesenüiche Entfremdung von Pollio gestorben war. 56

57

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Daß die praecepta de ratione scribendi in einer besonderen Schrift des Philologus standen, sagt Sueton allerdings nicht ausdrücklich. Man darf aber doch wohl annehmen, daß diese praecepta nicht formlos und zersplittert Pollio gegeben wurden; es wird ein bestimmter libellus gewesen sein, in dem Ateius seinem Gönner seine Ratschläge übermittelte, als dieser sich daran machte, ein Geschichtswerk zu verfassen. Dafür spricht auch die Tatsache, daß Sueton die praecepta als Pendant zu dem für Sallust verfaßten breviarium nennt. Nach Cie. de orat. 2,62 ff. fehlte es gerade an Schriften, in denen für die Historiographie besondere ausfuhrlichere praecepta gegeben wurden. Die Schrift des Ateius füllte also vermutlich eine Lücke aus. Ateius ist vermutlich um 100 a. Chr. geboren. Graff 290 ff. mit der Korrektur Robinsons zu Suet gramm 10,3.

Erstens: Pollio hätte in dieser Zeit wohl nicht leichthin ein Gerücht über Philologus weitergegeben oder gar erfunden. Das gilt besonders, wenn mit der Notiz dem Grammatiker eine Art Mitverantwortung an einer Affektation unterstellt wurde, die Pollio im selben Zusammenhang tadelte. Zweifellos hätte er sich aus erster Hand bei dem mit ihm bekannten Manne über die Tatsachen orientiert. Sollte Pollio also, während Ateius ihn coluit familiarissime, die Äußerung über das adiutorium getan haben, dann dürfte die Äußerung auf einer unmittelbaren Information durch den Grammatiker selbst beruhen. In diesem Falle wäre zu erwarten, daß Pollio in seiner Schrift darauf aufmerksam macht, daß seine Mitteilung auf der bestmöglichen Orientierung beruht. Die entsprechende Bemerkung wäre entweder in dem von Sueton zitierten pollionischen Satz oder zumindest in den in dem Uber unmittelbar auf diesen Satz folgenden Sätzen zu erwarten. Nun bezweifelt Sueton, der von dem Buch Pollios gewiß mehr als den wörtlich angeführten Satz gekannt hat 5 8 , daß die Nachricht Pollios über Ateius den Tatsachen entspricht; er wundert sich, daß Asinius derartiges habe, wie er ausdrücklich sagt, glauben können. Der Zweifel Suetons läßt es als ausgeschlossen erscheinen, daß Pollio den Ateius selbst als Gewährsmann für seine Behauptung genannt hat. Zweitens: Wenn Pollio schon erwähnen wollte, daß Ateius Sallust bei einer Stilpraxis behilflich war, die er selber rügt, dann hätte es, falls der Grammatiker mit ihm freundschaftlich verkehrt hätte, nahegelegen, dieses adiutorium zu entschuldigen. Eine derartige Entschuldigung hätte kaum auf etwas anderes hinauslaufen können als auf den Hinweis, Philologus sei in irgendeiner Weise genötigt gewesen, Sallusts Archaisieren zu unterstützen. Diese Entschuldigung hätte sich wohl ziemlich unmittelbar an den von Sueton angeführten pollionischen Satz anschließen müssen, hätte also Sueton nicht leicht entgehen können. Sueton erkennt einen Widerspruch zwischen der Behauptung des Asinius, Ateius Philologus habe Sallust bei der priscorum verborum affectatio unterstutzt, und dem Inhalt der an Pollio gerichteten Schrift des Philologus. Das könnte er nicht, wenn Pollio seine Behauptung mit dem Hinweis begleitet hätte, der Grammatiker habe diese Hilfe ungern oder nicht aus freien Stücken geleistet. Drittens: Hätte Pollio, während ihm der Grammatiker freundschaftlich verbunden war, die zur Rede stehende Bemerkung getan, dann beruhte sie, wie bereits erwähnt, zweifelsohne auf einer Information durch Philologus selbst. Dann müßte die Bemerkung aber zutreffen. In Wirklichkeit läßt sich wahrscheinlich machen, daß das eben nicht der Fall ist 5 9 58

59

In dem Referat der pollionischen Schrift gramm. 10,7 ist auch von altertümlichen figurae Sallusts die Rede. Das ist ein ungewöhnliches Detail, das Sueton schwerlich erfunden hat. Dazu 325 f. Vgl. 324 f.

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Zwei bedeutsamere Einwände drängen sich gegen unsere Chronologie auf. Erstens: Pollio behandelt Philologus in seinem Buch sehr ironisch und unterstellt ihm — anscheinend fälschlich —, das sallustische Archaisieren unterstützt zu haben. Sowohl von Pollio als auch von Ateius aus betrachtet, ist dann die spätere Verbindung zwischen den beiden Männern verwunderlich. Zweitens: In der an Pollio gerichteten Schrift de ratione scribendi warnt Philologus vor einer Nachahmung sallustischer Stileigentümlichkeiten. Reichlich überflüssig, wenn der Angesprochene selbst zuvor gegen ein Hauptmerkmal der elocutio Sallusts, die verba prisca, eingehend Stellung genommen hatte. Zum ersten Einwand: In einer Zeit, in der man weitaus gröbere Beschimpfungen gewohnt war, waren die Äußerungen Pollios gewiß kein unüberwindliches Hindernis für spätere enge Beziehungen zwischen ihm und dem Grammatiker. Uns unbekannte persönliche Umstände können sie erleichtert haben. Insbesondere verliert die erwähnte Schwierigkeit an Gewicht, wenn man annimmt, daß zwischen der Abfassung des pollionischen Uber und dem Anschluß des Ateius an Pollio eine längere Zeitspanne verstrichen war. Was die Einstellung des Grammatikers angeht, so war er nach dem Tode Sallusts gewiß froh, einen so hohen Gönner wie Pollio zu finden. Zum zweiten Einwand: Sueton stellt gramm. 10,7 einen Widerspruch fest zwischen der Behauptung Pollios antiqua eum (Ateium) verba et figuras solitum esse colligere Sallustio und den Ratschlägen, die Philologus für die sprachlich-stilistische Gestaltung des pollionischen Geschichtswerkes erteilte. Sueton vermag die praecepta, die die Schrift des Ateius enthielt, kurz wiederzugeben; er ist über die praecepta offenbar einigermaßen informiert. Das Vertrauen zu seinen Kenntnissen wird durch eine andere Beobachtung gefestigt. Die stilistischen Lehren des Philologus, wie Sueton sie uns mitteilt, gliedern sich in einen protreptischen und einen apotreptischen Teil. Der erstere ist allgemein gehalten: ut noto civilique et proprio sermone utatur. Der zweite nimmt speziell auf die Stileigentümlichkeiten Sallusts Bezug: vitetque maxime obscuritatem Sallustii et audaciam in translationibus. Der positive und der negative Teil entsprechen sich gegenseitig: Mit der Warnung vor dem Fehler der obscuritas wird die Aufforderung zum notus civilisque sermo wiederaufgenommen, mit der Warnung vor dem Fehler der audacia in translationibus die Aufforderung zum proprius sermo. Die Anweisungen über den Stil sind durch eine wohlüberlegte Gliederung gekennzeichnet; und man darf annehmen, daß diese Gliederung nicht beiläufig von Sueton entwickelt worden ist, sondern auf Ateius zurückgeht. Eine Beziehung der praecepta auf Sallusts Altertümeln ließe sich allenfalls in dem Abraten von der obscuritas und dem dazugehörigen protreptischen Pendant vermuten. Indessen werden die verba prisca, wie bereits erwähnt, in den antiken Stilurteilen nie als Grund für die Dunkelheit der sallustischen Ausdrucksweise 320

genannt; die obscuritas pflegt mit der brevitas Sallusts verbunden zu werden 60 . Also wird gewiß nicht ausdrücklich, wahrscheinlich aber auch nicht implizit in den Stilvorschriften des Ateius vor einem Archaisieren in Sallusts Manier oder überhaupt vor Archaismengebrauch gewarnt. Das ist nicht darauf zurückzuführen, daß Sueton einen entsprechenden Teil der praecepta unterdrückt hätte. Nicht nur daß Sueton die Vorschriften des Ateius anscheinend ziemlich getreu wiedergibt: Der Widerspruch, auf den Sueton aufmerksam macht, hätte dann seine eigentliche Schärfe erhalten, wenn Philologus dem Asinius Pollio entweder von der Anwendung altertümlichen Vokabulars oder gar von einer affectatio priscorum verborum wie der sallustischen abgeraten hätte. Sueton hätte nach der Anlage seiner Überlegung auf eben diese praecepta des Ateius ganz nachdrücklich hinweisen müssen, wenn sie ihm bekannt gewesen wären. Er tut es nicht. Folglich wußte er nichts von entsprechenden Ratschlägen des Grammatikers. Es wird sie also gar nicht gegeben haben. Terminus post quem für die praecepta de ratione scribendi des Philologus ist der Tod Sallusts. Der Terminus ante quem ist weniger sicher; wenn man das Alter des Grammatikers berücksichtigt, wird man diesen Zeitpunkt nicht nach etwa 25 a.Chr. ansetzen. Die Schrift des Ateius ist demnach entweder während oder bald nach der Sallustmode entstanden, die noch zu Lebzeiten des Historikers aufgekommen war 61 . Die Nachahmer Sallusts hatten sich gerade auch catonischen Vokabulars bedient. Das Altertümeln des Historikers hatte damals aber nicht nur Imitatoren, sondern ebenfalls scharfe Kritiker gefunden 62 . Unter diesen Umständen ist es überaus merkwürdig, daß Ateius, wenn er schon Pollio vor bestimmten Stilmerkmalen Sallusts warnte, allem Anschein nach kein Wort über die antiqua verba et figurae verloren und nicht gerade von ihrem Gebrauch eindringlich abgeraten hatte. Das Problem findet eine einfache Lösung, wenn wir die in den voraufgegangenen Ausführungen ermittelte Abfassungszeit des pollionischen liber zugrunde legen: Eine entsprechende Warnung des Philologus war überflüssig, weil bereits Pollio selbst sich in einem eigenen Buch gegen die priscorum verborum affectatio des Sallust gewandt hatte. Bei dieser Erklärung wird freilich vorausgesetzt, daß das Altertümeln so ziemlich die einzige sallustische Stileigentümlichkeit war, mit der sich Pollio in seiner Schrift kritisch auseinandersetzte63, daß er jedenfalls nicht auch die obscura brevitas und die gewagten translationes rügte. 60 61 62 63

VgL Sea epist. 114,17; Quint, inst. 4,2,44 f.; 10,1,32. Quint inst 8,2,14 wird als Hauptursache der Dunkelheit contextus et continuatio sermonis bezeichnet. Dazu 168 ff. Wenigstens die Satura des Lenaeus wird kaum später als die praecepta des Ateius zu datieren sein. Vgl. 329. Dazu noch unten 322.

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Daß Philologus seinen Gönner mahnte, Merkmale der sallustischen Stilart zu meiden, gegen die dieser noch nicht ausdrücklich polemisiert hatte, hat bei der Intensität der zeitgenössischen Sallustimitation nichts Besonderes. Die Warnung war umso eher angebracht, als sie die Geschichtsschreibung Polhos betraf, in der es besonders nahelag, sich an Sallust anzuschließen. Das erste Bedenken läßt sich also entkräften, das zweite liefert bei näherer Betrachtung gerade eine Stütze der vorgeschlagenen Datierung. Wir dürfen nach all dem mit ziemlicher Sicherheit annehmen, daß Pollio die Schrift gegen das sallustische Archaisieren tatsächlich verfaßt hat, bevor er freundschaftlich mit Ateius Philologus verkehrte In dieser relativen Chronologie fehlt noch ein genauerer absoluter Fixpunkt. Bevor aber versucht wird, die Entstehungszeit des pollionischen Über ein wenig näher zu bestimmen, muß noch einiges zum Inhalt des Buches bemerkt werden. Wenn Sueton formuliert: Pollio in libro quo Sallustii scripta reprehendit ut nimia priscorum verborum affectatione oblita ita tradit, so involviert das nicht unbedingt, daß der Autor sich in der gesamten Schrift mit Sallust und seinem Archaisieren befaßte 65 . Es wäre vorstellbar, daß Pollio auf den Historiker oder dessen priscorum verborum affectatio lediglich in einem bestimmten Passus des Uber zu sprechen kam. Wahrscheinlich ist das jedoch nicht. Wer die zitierten Worte Suetons unbefangen liest, muß den Eindruck gewinnen, daß die Kritik des sallustischen Archaisierens den eigentlichen Inhalt der ganzen Schrift Pollios ausmachte und mit dem Hinweis auf dieses Thema gesagt werden soll, um welches Buch es sich handelt 66 . Diese Auslegung von Suetons Äußerung paßt gut zu der aus ganz anderen Gründen ausgesprochenen Vermutung, in dem über Polhos sei es, soweit sallustische Stileigentümlichkeiten behandelt wurden, praktisch allein um Sallusts Altertümeln gegangen. Sueton spricht in seinem Referat der pollionischen Ausführungen pluralisch von getadelten scripta und, dementsprechend, von einem üblichen — solitum — Bei64

65

66

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Die Argumentation Suetons giamm. 10,7 setzt allerdings gerade das umgekehrte zeitliche Verhältnis voraus. Das verschlägt aber nichts; es beweist lediglich, daß Sueton sich über die chronologische Prämisse seiner Überlegungen nicht im klaren war. Vielleicht möchte man einwenden, daß Philologus, wenn er in seinen praecepta auf Sallust zu sprechen kam, wahrscheinlich den vorher entstandenen liber Pollios zu erwähnen nicht unterlassen hätte, was einen chronologischen Irrtum Suetons wenig wahrscheinlich mache. Es ist aber durchaus verständlich, daß Ateius nicht ausdrücklich von einem Buch reden mochte, in dem Pollio sich unfreundlich über ihn geäußert hatte. Sueton setzt auch den bloßen AbL, wenn er lediglich von einem Passus in einem Buche spricht. Ζ. B. gramm. 11,1: ipse libello cui est titulus Indignatio ingenuum se natum ait et pupillum relictum eoque facilius licentia. Sullani temporis exutum patrimonio. In der Regel freilich scheint er in solchen Fällen in mit AbL zu schreiben. Träfe die andere Deutung das Richtige, dann hätte Sueton den pollionischen liber nicht näher kenntlich machen wollen; dann hätte er aber doch eher geschrieben: in quodam libro.

stand des Ateius. Anscheinend hat Pollio mehrere Schriften aus einer längeren Periode Sallusts kritisiert. Die beiden schmalen Epistulae ad Caesarem senem, ihre Authentizität einmal vorausgesetzt, können das allein schwerlich gewesen sein; denn sie boten für ein ganzes Buch über Sallust nicht genügend Stoff 6 7 . Zumindest den Catilina dürfte Pollio also noch berücksichtigt haben. Bei der zu vermutenden Ausführlichkeit des liber wird es in ihm an Einzelheiten über die altlateinischen Quellen der sallustischen Ausdrucksweise nicht gefehlt haben 6 8 . Durch Objektivität gegenüber Sallust haben sich Pollios Darlegungen freilich kaum ausgezeichnet 69 . Nun wieder zur Datierung des liber. Ateius hat sich, nach Sueton gramm. 10,6 zu urteilen, in der Zeit nach dem Tode Sallusts und bevor er engere Beziehungen zu Pollio aufnahm, nicht an einen anderen Römer der Oberschicht angeschlossen. Man wird sich diese Zeitspanne also nicht als zu groß vorstellen dürfen. Auf der anderen Seite aber ist die Annahme ratsam, daß zwischen der Abfassung der pollionischen Schrift und dem Beginn eines näheren Verhältnisses zwischen Asinius und Philologus eine gewisse Zeit verstrichen ist. Diese Erwägungen rücken das mögliche Abfassungsdatum der Schrift wenigstens recht nahe an den Tod Sallusts heran, vielleicht sogar in die Lebenszeit des Historikers hinein. Für die letztere Vermutung spricht noch folgende Überlegung: Wenn Pollio sich in einem eigens zu diesem Zweck verfaßten Buch mit Sallusts Archaisieren polemisch auseinandergesetzt hat, hat er offenbar starken Anstoß an dieser Praxis des Geschichtsschreibers genommen. Da liegt die Annahme nahe, daß er recht bald, nachdem Sallust mit der priscorum verborum affectatio an die Öffentlichkeit getreten war, seine Kritik äußerte und sie nicht jahrelang hinauszögerte 70 . Der liber Pollios ist somit nach der Publikation wahrscheinlich wenigstens der ersten sallustischen Geschichtsschrift und vermutlich noch zu Lebzeiten des Historikers entstanden 71 . 67 68

69

70 71

Über antiquiertes Sprachgut in den Briefen 340 f. Als Redner hat Sallust wohl nicht archaisiert. Vgl. 147 ff. Auf Übereinstimmungen zwischen dem Sprachgebrauch Sallusts und dem älterer Autoren, besonders Catos, wird unter Anführung konkreter Details in späterer Literatur hingedeutet. Z.B. Gell 2,17,7; 9,12,8f.; 10,21,2; Char.gramm. p,110,16ff. B.;p.254, 26 ff. B. (ex Romano); p.266,24ff. B. (ex Romano). Derartige Notizen und ihre Kommentierung dürften einen beträchtlichen Teil des pollionischen Buches gefüllt haben, Das zeigt sich schon in der Art, in der Ateius Philologus behandelt wird. Dessen Herabsetzung soll natürlich letzten Endes auch Sallust treffen. VgL noch unten 325. - Das wörtliche Polliozitat, das offenkundig innerhalb des Buches die erste Erwähnung des Ateius Philologus gebracht hat, entstammt wohl am ehesten der Einleitung oder dem Ende der Schrift Das Archaisieren Sallusts ist ja bereits im Iugurtha voll entwickelt; dazu 310 ff. Kurz zu einem alten Problem. Gell 10,26,1: Asinio Polüoni in quadam epistula quam ad Plancum scripsit . . . dignum nota visum est, quod (Sallustius) . . . maris transitum . . . transgressum appellavit eosque qui fretum transmiserant. . . transgressos dixit. Ist dieser Brief an Plancus identisch mit dem liber Pollios? Da-

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Trifft es nun zu, wenn Pollio behauptet antiqua eum (Ateium) verba et figuras solitum esse colligere Sallustio, oder trifft es nicht z u ? Die Meinungen sind geteilt 7 2 . Man darf Pollios Angabe von vornherein skeptisch gegenüber stehen. Es wäre nicht seine einzige Behauptung, in der die Wahrheit verfälscht wäre 7 3 . Die naheliegende Möglichkeit, daß Pollios Angabe nicht zutrifft, wird zur Wahrscheinlichkeit, wenn man folgendes bedenkt. Erstens: Sallust kennt fraglos nicht nur die Origines, sondern auch Reden Catos aus intensiver eigener Lektüre. Daß die antiqua verba et figurae, die Catos Prosa entstammen, auf Sallusts eigenes Studium zurückgehen, ist kaum zu bezweifeln. Mit dieser Feststellung dürfte der größte Teil der altertümlichen Wörter u n d Wendungen Sallusts, die bestimmten Texten entlehnt sind, auf Sallusts eigene Lektüre zurückgeführt sein. Ein adiutorium des Ateius wäre ziemlich überflüssig gewesen. Zweitens: Ateius bekennt von sich Suet.rhet. 10,3 in einem Brief, der schwerfür Mercklin, Jahrb. class. PhiL SuppL 3, 1857-1860, 663; Latte 1 A.2; Marache 39 A.5; vgL noch Peter, Brief 218. Unentschieden Groebe, RE II (1896) 1598; Funaioli 496 Fun.; Syme 288. Skeptisch oder dagegen J. Kretzschmer, De A. Geiiii fontibus I, Diss. Greifswald, Posen 1860, 64f.; Schanz-Hosius II 26; Andre 87. Letzterer mit näherer Begründung: Die epistula erörtere „un point de dötail", der über biete dagegen „un jugement d'ensemble sur le style". Kraftloses Argument: Detailbetrachtung und Gesamturteil schließen einander nicht aus. In der Sache haben aber die Gegner der Identität wohl recht Der Brief an Plancus hat es mit der improprietas der sallustischen Ausdrucksweise zu tun; vgl· GelL 10,26,4 minus proprie . . . dictum; 10,26,9 huiuscemodi translationes. Ateius Philologus warnt Pollio in seiner Schrift davor, der übergroßen improprietas der sallustischen Ausdrucksweise zu folgen. Das wäre sehr sonderbar, hätte er den pollionischen Brief an Plancus gekannt. Pollio wird seinen Brief an Plancus somit nach der Schrift des Philologus, also nach dem über über Sallusts Archaisieren verfaßt haben; vermutlich erst, nachdem Plancus 32 a.Chr. von Antonius abgefallen war und sich an Octavian angeschlossen hatte. 72

73 324

Mehr oder weniger vorbehaltlos wird die Behauptung angenommen etwa von Peter, HRR II 2 , LVII; Wahrheit 346; Teuffel-Kroll 508; Till 34; Andre 88f. In der Schwebe läßt Hosius, NJA 31, 1913, 190 die Frage. Gegen Pollios Behauptung ζ. B. Graff 315; Η. Jordan, Kritische Beiträge zur Geschichte der lateinischen Sprache, Berlin 1879, 354; Funaioli, RE I A (1920) 1944f.; Syme 288. Von den erwähnten Anhängern der pollionischen Notiz versucht nur Andre seine Ansicht zu begründen: Pollio verdiene Vertrauen, weil er durch Philologus aus erster Hand informiert sein müsse. Dies Argument ist nach unserer Datierung des liber hinfällig. Die Bezweifler der Nachricht - unklar Graff — berufen sich auf den schon von Sueton hervorgehobenen angeblichen Widerspruch zwischen Pollios Behauptung und den stilistischen Ratschlägen, die Philologus Pollio erteilt hat. Aber das adiutorium bei Sallust könnte durchaus eine Art Pflichtarbeit gewesen sein, die mit den stilistischen Vorstellungen des Grammatikers nichts zu tun haben brauchte. So schon Andre 89. An dem Suetontext ganz vorbeigehende Ausführungen bei Bardon I 294. Vgl. 317 mit A. 55.

lieh Sallusts Geschichtsschreibung zeitlich weit vorausliegt 74 , se in Graecis litteris magnum processum habere et in Latinis nonnullum. Das Schwergewicht der grammatischen Tätigkeit des Ateius hat danach im Griechischen gelegen. Da ist zumindest nicht anzunehmen, daß er Sallust bei der sprachlichen Nachahmung Catos, den er kaum besser gekannt haben dürfte als der Historiker 7S , besonders hätte behilflich sein können. Drittens: Hätte Sallust bei seiner unbestreitbar guten Kenntnis Catos und bei seiner zu vermutenden Kenntnis sonstigen alten lateinischen Schrifttums sich regelmäßig bei seinem Archaisieren von einem Grammatiker unterstützen lassen, dann doch wohl nur, wenn es ihm besonders um die Verwendung entlegenen antiquierten Sprachgutes gegangen wäre. Von derartigen Neigungen ist bei Sallust jedoch wenig zu spüren. Viertens und vor allem: Man kann an dem Geschichtsschreiber Sallust mancherlei aussetzen, aber nicht, daß er sich mit der sprachlich-stilistischen Gestaltung seines Werkes zu wenig abgemüht hätte: sane manifestus est . . . labor (Quint, inst. 10,3,8) — das meint gewiß nicht zuletzt die elocutio. Sollte Sallust einen Vorentscheid über ein wesentliches Element seiner Ausdrucksweise, die Entlehnungen aus älterer Literatur, einem auswählenden Grammatiker überlassen haben? Eine solche Arbeitsweise, bei der Flicken von antiqua verba et figurae, die ein anderer gesammelt hätte, dem Sprachkleid aufgeklebt würden, ist Sallust nicht zuzutrauen. Eben diese äußerlich-mechanische Verfertigung des Sprachstils wollte Pollio wohl bewußt Sallust mit seiner Notiz unterstellen; die Notiz war leicht aus der engen Beziehung von Historiker und Grammatiker herauszuspinnen. Ist Pollios Angabe auch sehr wahrscheinlich unrichtig, so ist sie doch nicht wertlos. In ihr kommt zum Ausdruck, daß man den durchgängigen Anschluß Sallusts an bestimmte ältere Literatur als etwas Besonderes empfand, als eine Art grammatisch-wissenschaftlicher Ausbeutung. Das letzte Moment ist, wie sich zeigen wird, auch für die übrigen zu besprechenden zeitgenössischen Äußerungen über Sallusts Sprachgestaltung charakteristisch. Ohne deutliches Pendant ist dagegen hier die Auffassung, die die Quintessenz der pollionischen Darlegungen gewesen zu sein scheint: Sallusts Schriften seien durch eine abzulehnende nimia priscorum verborum affectatio verunstaltet, ein bewußtes übergroßes und damit auffallendes Haschen nach antiquiertem Vokabular, ziemlich genau also das, was wir Archaisieren nannten. Auch in zwei anderen Punkten heben sich Pollios Bemerkungen von der sonstigen zeitgenössischen Sallustkritik ab. Er spricht nicht nur von Antiquiertem 74 75

Der Provinzaufenthalt der Claudii fratres, auf den im Schreiben Bezug genommen wird, fällt vermutlich nach 50 a.Chr. Münzer, RE III (1897) 2854; Robinson 17 f. Vgl. über das geringe Interesse gerade auch der spätrepublikanischen Grammatik an Cato 75 ff. Die freilich sehr spärlichen Reste der grammatischen Schriften des Philologus deuten in nichts auf eine Beschäftigung mit lateinischer Prosa.

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im Bereich des delectus verborum; darüber hinausgehend weiß er auch von antiquae figurae bei Sallust. Soweit Suetons Wiedergabe der pollionischen Äußerungen reicht, findet sich kein Hinweis auf Cato als Quelle der sallustischen Archaismen. Das bedeutet natürlich nicht, daß ein derartiger Hinweis bei Pollio gefehlt haben muß; aber es erweckt doch den Eindruck, daß Pollio Cato in diesem Zusammenhang nicht beherrschend in den Vordergrund gerückt hat. All die Eigentümlichkeiten der pollionischen Auseinandersetzung mit Sallusts Sprachgebrauch fugen sich gut in die Annahme: Pollio hat sich eingehend in einem ganzen liber mit dem Archaisieren des Historikers befaßt, und das ziemlich früh; er hat nicht einfach Schlagworte einer bereits konventionellen Sallustkritik weitergereicht. Nicht primär auf das Altertümeln Sallusts richtet sich die Bemerkung Octavians Suet. Aug.86,3 76 . Sie ist zwischen den Jahren 43 und 32 gefallen 77 , also entweder noch zu Lebzeiten Sallusts oder kurz nach seinem Tode. Der junge Caesar nennt Cato als Quelle, aus der Sallust verba geschöpft habe. Wenn gerade von den Origines des Censorius gesprochen wird, so vermutlich deshalb, weil Entlehnungen aus ihnen, dem bekanntesten Werk Catos, am meisten auffielen und wohl auch besonders zahlreich waren. Der Terminus excerpere aber weist wieder darauf hin, daß man in der Art, wie Sallust sich Wörter bestimmter älterer Schriftsteller, hier Catos, aneignete, so etwas wie ein methodisches Verfahren sah, das an die Art eines Grammatikers erinnerte. Einiges ermitteln läßt sich über die Satura des Lenaeus. Sueton gramm. 15,1 f. berichtet: Lenaeus Magni Pompeii libertus . . . tanto amore erga patroni memoriam exstitit, ut Sallustium historicum, quod eum oris probi animo inverecundo scripsisset, acerbissima satura laceraverit lastaurum et lurconem et nebulonem popinonemque adpellans et vita scriptisque monstrosum, praeterea priscorum Catonisque verborum ineruditissimum furem. Zunächst eine Bemerkung zu der sallustischen Charakteristik des Pompeius: Die Formulierung ist mit ihrer gesuchten Inkonzinnität unverkennbar sallustisch. Die Ansicht aber, daß sich hinter der proba facies des Magnus eine ganz andere Gesinnung verbarg78, ist keineswegs ein originaler Gedanke des Historikers; sie stammt aus der zeitgenössischen Polemik gegen Pompeius 19 . Vielleicht rührt die 76 77 78

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Die Stelle ist 163 ausgeschrieben. Die Begründung 170. Mit os ist selbstverständlich das Gesicht gemeint, wie auch die von Robinson z. St. und Maurenbrecher zu Sali. hist. frg. 2,16 angeführten Parallelen zeigen; welche Vorstellung hinter der Charakteristik des Pompeius steht, lehren Stellen wie Hör. epod. 17,21 f.; Sen. contr. 2,7,3; Plin. paneg. 73,4; Suet Dom. 18, wozu Tac. Agr. 45,2; Spart. Pesc. 6,5; Macr.Sat. 7,11,2. Das Bruchstück eines Distichons auf ihn (Carm. inc. 15 Sacerd. gramm. VI 462, lf.) lautet: quem non pudet et rubet, est non homo sed ropio. Der aggressiv-obszöne Vers, der ganz in der Art des Catull oder Calvus gehalten ist,

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scharfe Reaktion des Lenaeus zum guten Teil daher, daß Sallust wieder eine boshafte Charakteristik aufgriff, die den ehemaligen Herren des Grammatikers schon geärgert hatte 8 0 . Lenaeus wird die Bemerkung Sallusts 81 in erster Linie mit Angriffen auf den Lebenswandel des Historikers beantwortet haben. Dazu passen die groben Schmähungen von lastaurus bis popino 82 . Die Beschimpfung vita scriptisque monstrosus kann auf die Diskrepanz zwischen dem Leben Sallusts, wie es Lenaeus darstellte, und den in Sallusts Schriften zum Ausdruck kommenden Grundsätzen zielen Daß kritische Äußerungen über die Stilart der Werke Sallusts oder spezifisch die archaistischen Tendenzen des Schriftstellers in der acerbissima satura einen großen Raum eingenommen haben, ist dagegen nicht anzunehmen. Rein literarische Dinge stellten für die vernichtende Satire, in der Lenaeus den Historiker „zerfleischte", eine relativ wenig ergiebige Materie dar, zumal für eine Antwort auf die sallustische Charakteristik des Pompeius. Dieser Auffassung entspricht, daß Sueton die eindeutig stilkritisch orientierten Anwürfe des Lenaeus an letzter Stelle und anhangsweise referiert. Kaum wird sich also der Grammatiker in seiner Schmähschrift auf die philologische Erörterung einzelner Passus aus den Werken Sallusts eingelassen haben; die Bemerkungen über das sallustische Archaisieren waren vielmehr gewiß nur allgemein-polemisch gehalten. Dann werden sie aber nicht weit über das hinausgegangen sein, was bei Sueton erhalten ist: Wenn man nicht gerade auf Einzelheiten eingehen wollte, ließ sich schwerlich noch viel an Schmähungen über die archaistischen Neigungen des Geschichtsschreibers vorbringen.

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muß offenbar zu Lebzeiten des Pompeius verfaßt worden sein. Auch der Autor des Distichons aber mag es nicht gewesen sein, der überhaupt als erster gegen Pompeius den Vorwurf gerichtet hat, die verecundia seines Gesichts sei nicht Ausdruck seiner Gesinnung. So eine boshafte Charakteristik mag auch etwa in den Angriffen des Bibulus vorgekommen sein. Pompeius war empfindlich. VgL etwa Cie. A t t 2,21,4. Plutarch Pomp. 49,1. Der Gedanke liegt nahe, daß Lenaeus selbst in der Satire auf Sallusts Urteil über Pompeius als Anlaß seiner Invektive hingewiesen hat Sicher ist das aber nicht; denn scripsisset braucht nicht Coniunctivus obliquus zu sein. VgL Suet. CaL 39,1: (Gaius bemächtigte sich der Mietwagen) adeo u t . . . litigatorum plerique, quod occurrere absentes ad vadimonium non possent, causa caderent. Einen Hexameter vermutet hinter den von Sueton überlieferten Schimpfwörtern, mit denen Lenaeus den Historiker bedenkt, Fraenkel, Eranos 53, 1955, 78. Gut möglich; popino ist auch Versschluß Hör. sat 2,7,39. Die Annahme läßt sich freilich nicht mit dem Quint, inst. 8,3,29 erhaltenen Distichon stützen, wie Brugnoli zu Suet. gramm. 15,2 glaubt. Vgl. bei mir 330. Übrigens hat Bücheler zumindest schon in seiner Petronausgabe, Berlin 1882, 243 dieselbe Vermutung geäußert wie Fraenkel und in diesem Zusammenhang auf das soeben erwähnte Distichon hingewiesen. Wie immer es mit dieser Vermutung stehen möge, auf keinen Fall anzunehmen ist, daß die ganze Satire des Lenaeus aus Hexametern oder Distichen bestanden hat Die Beschimpfung ineruditissimus fur, die Sueton dem Pamphlet wörtlich entnommen zu haben scheint, paßte nicht in Daktylen.

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Nun näher zu der Äußerung über Sallusts Altertümeln: Dem Grammatiker haben, wenn wir der Überlieferung des Textes trauen dürfen, nicht lediglich sallustische Entlehnungen aus Werken Catos, sondern auch aus sonstigem alten Schrifttum vorgeschwebt83, und zwar Entlehnungen im Bereich des delectus verborum84. 83

Der überlieferte Ausdruck priscorum Catonisque verborum . . . furem ist nicht sicher zu deutea Ist priscorum Subst oder Adj.? Die erste Auffassung bei Robinson z. S t Nicht unbedenklich: Einmal ist es das Natürliche, priscorum als adjektivisches Attribut aufzufassen, zumal die Verbindung prisca verba üblich ist. Zum anderen befremdet es, daß Cato, der doch ebenfalls zu den prisci zu rechnen wäre, ohne weiteres neben und parallel zu ihnen genannt wird. Also die zweite Interpretation, Adj.? Aber die Nebeneinanderstellung von altertümlichen Wörtern und Wörtern Catos befremdet ebenfalls; unter den Catonismen wären ja doch wohl wenigstens zu einem Teil prisca verba zu verstehen. Überdies erwartet man nicht ein Allgemeingut wie altertümliche Wörter als Objekt des Diebstahls, sondern nur bestimmten Autoren gehörige Wörter. Immerhin ist, wenn man mit einer Unscharfe des Ausdrucks bei Lenaeus (? ) rechnet, das Überlieferte vielleicht doch zu halten, am besten mit der zweiten Deutung. Sachlich laufen beide Auslegungen auf das gleiche hinaus: Auch wenn Sallust prisca Catonisque verba stiehlt, stiehlt er nicht allein aus Cato. Wer den Text für verderbt hält, hat manche Möglichkeit: Streichung des -que. Annahme einer Lücke, ζ. B. (pravissimum imitatorem) priscorum; dies eine besonders naheliegende Vermutung, wie der Zustand der ciceronischen Texte in der kleinen Schrift Suetons lehrt.

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Skard, Vorgänger 104 glaubt, verba in der Bemerkung des Lenaeus als Sprüche, Sentenzen interpretieren zu müssen. Er fuhrt für diese Auffassung drei Argumente ins Feld: Erstens seien die von Cato übernommenen Wörter Sallusts gewiß zumeist auch bei anderen älteren Autoren vorgekommen; da sei es ungereimt, von einem schamlosen Diebstahl zu sprechen. Zweitens zeige sich die Abhängigkeit des Sallust von dem Censorius weniger in der Übernahme einzelner Vokabeln als der von Sentenzen. Drittens komme auf diese Weise in des Lenaeus Bemerkung eine wirksame Antithese: Es war etwas überaus Anstößiges, daß ein Mensch wie Sallust sich der Sprüche Catos bediente, die „einen strengen altrömischen Moralismus vertraten". Skard, der übrigens Vorgänger 56 die verba offensichtlich als Wörter auffaßt, hat mit seiner Deutung die berechtigte Kritik von Dihle, Rez. 596; Marache, REA 59, 1957, 169; Steidle 98 A.2 erfahren. Doch sei noch einmal kurz auf seine Ansicht eingegangen; denn sie betrifft einen für die Wertung Sallusts wichtigen Punkt. Daß mit den verba Vokabular gemeint ist, ist unzweifelhaft Zunächst einmal ist an sämtlichen Stellen, an denen die Entlehnungen Sallusts aus Cato erwähnt werden, lediglich von verba die Rede; weshalb hätte man durchweg diesen Terminus gebrauchen sollen, wenn man die sensus Catos meinte? Außerdem wird das gleichfalls bei Skard erwähnte Epigramm Quint, inst 8,3,29 von dem Rhetor eben in der Behandlung des delectus verborum angeführt. Die Gründe Skards sind demgegenüber schwach. Zum ersten: Die Möglichkeit, daß es einige - überhaupt oder wenigstens in der Prosa - bis auf Sallust nur bei Cato vorhandene Wörter Sallusts gibt, leugnet auch Skard nicht; überdies konnten die Zeitgenossen fraglos manche sallustischen Archaismen durch den engeren oder weiteren Zusammenhang, in dem der Historiker sie verwendete, als Catonismen diagnostizieren. Zum zweiten: Gcwiß mögen für uns die gedanklichen Kongruenzen zwischen Cato und Sallust auffallender sein als die sprachlichen. Für die zeitgenössische römische Literarkritik, die nicht nur wenige wörtliche Fragmente Catos vorliegen hatte und die Besonderheiten der sallustischen elocutio unmittelbar empfand, braucht das durchaus nicht zu gelten. Zum dritten: Der zugrundegelegte Text priscorum Catonis verborum . . . furem ist konjektural Das Überlieferte

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Wenn der Geschichtsschreiber als fur bezeichnet wird, so steht dahinter unverkennbar dieselbe Vorstellung wie etwa hinter dem Hinweis Octavians, der Historiker habe Wörter aus den Origines Catos exzerpiert. Freilich war es bösartig, wenn Lenaeus den Vorwurf der κλοπή auf das Verfahren Sallusts applizierte. Denn was Sen.suas. 3,7 von dem Verhältnis des Ovid zu Vergil gesagt wird, läßt sich auch auf die Beziehungen Sallusts zu den Quellen seines Vokabulars, insbesondere natürlich zum Censorius, anwenden: Sallust hat Sprachmaterial von ihnen übernommen non subripiendi causa, sed palam mutuandi, hoc ammo, ut vellet agnosci 85 . Datieren läßt sich die Satire des Lenaeus relativ genau. Anlaß des Pamphlets ist eine Bemerkung Sallusts in den Historien (Sail. hist. frg. 2,16). Sicher hat der Grammatiker, als die ihn empörende Charakteristik des Pompeius ihm vor Augen kam, sofort mit der Invektive reagiert. Sie ist also in den letzten Lebensjahren Sallusts verfaßt oder bald nach seinem Tod 86 . Das Entstehungsdatum des Pamphlets macht die Annahme unglaubhaft, Lenaeus sei der erste gewesen, der Sallust wegen seiner Anleihen bei Cato oder anderen alten Autoren getadelt hat. Denn die ungewöhnliche Praxis Sallusts wird recht bald Kritik hervorgerufen haben. So ist der über Pollios mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit vor die Satire des Grammatikers zu setzen 87 . Möglich, obschon nicht beweisbar, ist diese Datierung auch für die Äußerung des jungen Caesar und das sogleich zu besprechende Distichon. Nach ihrer mutmaßlichen Entstehungszeit und ihrer Thematik kann der Satire in der Kritik an Sallusts Altertümeln keine hervorragende Rolle zuerkannt werden 8 8 Die letzte Äußerung, die uns hier beschäftigen soll, ist das Distichon Carm. inc. 16 (Quint, inst. 8,3,29) et verba antiqui multum furate Catonis Crispe Iugurthinae conditor historiae.

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deutet nicht darauf hin, daß Lenaeus ausschließlich an die Beziehungen Sallusts zu Cato gedacht hat. Und noch wichtiger: Bezeichnenderweise ist Sallust für den Kritiker ineruditissimus fur, nicht impudentissimus. Eine Antithese, wie sie Skard vorschwebt, hat Lenaeus offenkundig eben nicht im Auge gehabt Zum Begriff der κλοπή Ε. Stemplinger, Das Plagiat in der griechischen Litteratur, Leipzig 1912, 167 ff.; Kroll, Studien 148 ff.; Reiff 48 A.60; 119 A.30. Wann das 2. Buch der Historien veröffentlicht wurde, ist nicht genau zu bestimmen. Dazu Syme 285 f. Sollte das gesamte Geschichtswerk postum veröffentlicht sein, dann doch wohl unmittelbar nach dem Tod des Historikers. Übrigens hat so ziemlich für die gleiche Datierung der Satire, wie ich Richter, RE SuppL IX (1962) 388 entnehme, bereits Hillscher plädiert, wohl aufgrund derselben Überlegung. Vgl. 323. Auf dem Hintergrund von Pollios Behauptung, Sallust habe sich bei seinem Archaisieren von dem Grammatiker Ateius unterstützen lassen, gewänne auch das Schmähwort des Lenaeus Relief: ineruditissimus fur. In anderem Sinne Skard, Vorgänger 56; Marache in: Hommage ä Leon Hermann, Brüssel 1960, 500; gegen Skard bereits Dihle, Rez. 598.

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Es ist ohne weiteres klar, daß vor diesen zwei Versen noch etwas gestanden haben muß 8 9 . Gut denkbar, daß es dabei um eine andere Person als Sallust ging 90 . Einer mehrfach geäußerten Annahme zufolge stammte das Distichon von Lenaeus 91 . Daß es in der offenbar allein gegen Sallust gerichteten Satire gestanden hat, ist schon nach dem soeben Bemerkten zweifelhaft und aus anderen Gründen geradezu unwahrscheinlich. Nach Suet. gramm. 15,2 hat Lenaeus den Geschichtsschreiber priscorum Catonisque verborum ineruditissimus fur genannt. Dieser Formulierung kommt zwar die Ausdrucksweise des Distichons nahe, identisch aber ist sie mit ihr nicht. Man müßte somit annehmen, daß der Grammatiker Sallust den „Diebstahl" an zwei verschiedenen Stellen vorgeworfen hat, und zwar mit einander ähnlichen Wendungen. Daß der vergleichsweise harmlose Vorwurf in der acerbissima satura nun gleich zweimal aufgetaucht sein soll, ist nicht recht glaubhaft. Überdies sind die zitierten Verse keineswegs durch eine Aggressivität gekennzeichnet wie man sie für die grimmige Invektive voraussetzen darf; der Pentameter ist vollends farblos-neutral. Es empfiehlt sich also nicht, das Distichon für ein Bruchstück der Satire des Lenaeus zu halten. Dann aber gibt es keinen Anlaß, in dem Grammatiker überhaupt den Urheber der zwei Zeilen zu vermuten 92 . Die Verse sind natürlich nach Veröffentlichung des Bellum Iugurthinum verfaßt, möglicherweise von einem Zeitgenossen Sallusts 93 . Der Autor des Distichons äußert sich über Sallusts Archaisieren kaum anders als Lenaeus, nur, daß er als einzigen Schriftsteller, an den der Historiker sich angelehnt hat, Cato nennt und dessen Alter hervorhebt 94 .

c) Die Hauptmerkmale und die Ursachen des sallustischen Archaismengebrauchs Wir haben nun sowohl die Sprach- und Stileigentümlichkeiten Sallusts, soweit sie sich in den erhaltenen Werken noch erkennen lassen, betrachtet als auch die diesbezüglichen Äußerungen, die sicher oder möglicherweise von Zeitgenossen Sallusts stammen. Die zwei Betrachtungsweisen, die in keiner Hinsicht widersprüchliche Ergebnisse gezeitigt haben, lassen übereinstimmend drei Merkmale 89 90 91

S o schon etwa Skard, Vorgänger 1 0 4 A.2. S o auch Richter, RE SuppL IX ( 1 9 6 2 ) 389. Vgl. 327 A . 8 2 ; ferner Maurenbrecher in den Prolegomena zu den Historienfragmentcn 2; Funaioli, RE I A ( 1 9 2 0 ) 1947; Bardon I 365 A . l ; zweifelnd Richter а. O.

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Skard, Vorgänger 104 A . 2 meint, man könne „auf Ovid als Verfasser raten"; bei ihm finde sich zuerst, und zwar am Pentametcrendc Ib. 5 1 8 (ebenso trist. 2 , 4 1 6 ) die Wendung conditor historiae. Das beweist nichts. Mehr als eine Möglichkeit ist das nicht. Wenn Sallust ausgerechnet als lugurthinae conditor historiae bezeichnet wird, so vielleicht nur deshalb, weil die Wendung in das daktylische Versmaß paßt. Zu der Vorstellung, daß Cato besonders alt ist, vgl. 178 A. 9.

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der sallustischen A u s d r u c k s w e i s e in den Blick treten. Bei allen dreien h a n d e l t es sich u m Charakteristika, die auf d e m in dieser Arbeit b e l e u c h t e t e n Hintergrund v o n Beredsamkeit u n d G e s c h i c h t s s c h r e i b u n g als N e u e r u n g e n Sallusts erscheinen; weil es sallustische N e u e r u n g e n sind, w e r d e n sie o f f e n b a r a u c h v o n den Z e i t g e n o s s e n des Historikers b e s o n d e r s h e r v o r g e h o b e n . In diesen drei M o m e n t e n dürfen wir die Grundlinien des sallustischen A r c h a i s m e n g e b r a u c h s u n d der m i t i h m z u s a m m e n h ä n g e n d e n Sprach- u n d Stilgestaltung e r k e n n e n . Erstens: Sallust archaisiert. Z w e i t e n s : Sallust v e r w e n d e t n i c h t nur altertümliches Sprachmaterial u n b e k a n n t e r Provenienz, w i e es j e d e m G e b i l d e t e n in den Sinn g e k o m m e n wäre. Er e n t l e h n t in einer Art wissenschaftlich-prinzipieller E x z e r p i e r u n g antiquierte oder n i c h t antiquierte Ausdrücke v o n b e s t i m m t e n a l t e n A u t o r e n . Drittens: H a u p t q u e l l e derartiger E n t l e h n u n g e n ist C a t o C e n s o r i u s 9 5 , der älteste n e n n e n s w e r t e lateinische Prosaschriftsteller. D i e s über die Charakteristika des sallustischen Archaisierens u n d der m i t i h m zus a m m e n h ä n g e n d e n sprachlich-stilistischen B e s o n d e r h e i t e n

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. V e r m ö g e n wir n o c h

e t w a s über die Gründe, die Sallust z u seiner Praxis b e w o g e n h a b e n , z u ermitteln? Man h a t — allerdings o h n e dabei die Eigentümlichkeit u n d d e n literarhistorischen 95

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Auf die Sonderstellung, die Sallust mit seinem Anschluß an Cato in der Literatur republikanischer Zeit einnimmt, wird auch von Fronto p.56,23 f. v. d. Η. (=p.62 N.) hingedeutet (zitiert 266); und über solche Dinge konnte Fronto zweifellos urteilen. Ferner dazu noch 164. Das Archaisieren Sallusts wird gelegentlich mit der Sprachpraxis Varros zusammengestellt, etwa von H o f m a n n - S z a n t y r 770. Der Prosaiker Varro steht mit seinen erhaltenen Werken außerhalb des Themenkreises dieser Arbeit, aber einige Bemerkungen zu dieser Gruppierung scheinen nicht unangebracht. Erstens ist der Beweis noch nicht geliefert, daß Varro als Prosaiker - die Verse Varros stehen natürlich auf einem anderen Blatt - archaisiert. Die alte Arbeit von A. Müller, De priscis verborum formis Varronianis, Diss. Halle 1877 ist unzureichend; auch die mehr sporadischen Bemerkungen Spär terer genügen nicht. Bei einer Beurteilung auffallender Idiome in De lingua Latina und in den Res rusticae sollte man neben den sonst zu berücksichtigenden Gesichtspunkten insbesondere das hohe Alter des Autors nicht vergessen. Für die letztere Schrift sind übrigens in jüngerer Zeit von De Saint-Denis, RPh 21, 1947, 141 ff.; Laughton, CQ N. S. 10, 1960, I f f . umgangssprachliche Züge hervorgehoben worden. Zweitens: Sollte Varro archaisiert haben, dann in ganz anderer Weise als Sallust Von den 41 sallustischen Archaismen, die wir zusammengestellt haben, findet sich bei Varro keiner. Und mindestens das dritte der soeben an Sallust hervorgehobenen Merkmale kann in der Weise, wie sie für den Historiker charakteristisch ist, bei Varro keine Rolle gespielt haben: Varro schenkt auch als Grammatiker der Sprache Catos sehr geringe Aufmerksamkeit. Darüber 75 ff. Etwaige Entlehnungen aus De agriculture in dem varronischen Pendant wären natürlich anders zu beurteilen. All dem entspricht, daß Varro im Gegensatz zu Sallust als Archaist unseres Wissens weder kritisiert noch nachgeahmt worden ist. Die zwei hervorgehobenen Gründe lassen die Gleichsetzung sallustischer und varronischer Sprachpraxis als wenig angebracht erscheinea Auf archaistische Neigungen in der Prosa republikanischer Zeit wären im übrigen aus der landwirtschaftlichen Schrift Varros ohnehin keine sicheren Schlüsse zu ziehen.

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Ort der sallustisehen affectatio ganz scharf zu sehen - mancherlei ins Feld geführt. Gemäß einer bereits erwähnten antiken Theorie ist der Stil des Thukydides unter anderem durch die Anwendung von απηρχαιωμένα ονόματα gekennzeichnet. In dieser Theorie wird nicht selten die entscheidende Erklärung für das Altertümeln des Thukydidesimitators Sallust gefunden 91 . Eine nähere Prüfung läßt die Zuversicht schwinden. Erstens ist nicht erweisbar, daß Sallust die Anschauung, Thukydides habe antiquiertes Vokabular gebraucht, zu Beginn seiner historiographischen Schriftstellerei überhaupt gekannt h a t 9 8 . Zweitens: Sallust wird in den antiken Stilurteilen aufgrund seiner brevitas mit Thukydides zusammengestellt; man achtet auf die Entlehnung thukydideischer Sentenzen durch den Römer. Wo aber von den Catonismen und Archaismen Sallusts die Rede ist, wird von Thukydides geschwiegen 9 ® Das, obschon gerade in kritischen oder polemischen Bemerkungen über Sallusts Archaismen ein entsprechender Hinweis recht nahegelegen hätte 10 °. Der Tatbestand gibt, mögen unsere Kenntnisse der antiken Sallustkritik auch lückenhaft sein, d o c h zu einiger Skepsis Anlaß. Drittens trägt die uns beschäftigende Anschauung auch nicht viel zu der Erklärung der sallustischen Sprach- und Stilpraxis bei, wie sie in den voraufgegange97

So oder ähnlich Norden, Kp. 202; Literatur 45; Scheller 62; Kroll, Studien 255; Funaioli, RE I A (1920) 1945; anscheinend auch Latte, Sallust 11; JRS 27, 1937, 301; vgl noch E. Howald, Vom Geist antiker Geschichtsschreibung, München/Berlin 1944, 155; Syme 54. Ganz besonderes Gewicht auf Sallusts Thukydidesnachahmung als Grund seines Altertümelns wie auch der anderen Stilmerkmale legt Leeman, Genre 201 ff.; Ratio 180 ff. 98 Vgl. 158f.; erst recht zweifelhaft ist, daß die Lehre, von der wir Dion. Hal. op. rhet. I 409, 16 ff. Us.-Rad. erfahren, Sallust beeinflussen konnte. Vgl. 44 f. Die sprachlich-stilistischen Eigentümlichkeiten der Epistulae ad Caesarem sind mit dieser Theorie, derzufolge gerade der thukydideische Stil für den Geschichtsschreiber - aber auch nur für diesen - geeignet ist, schon gar nicht zu erklärea 99 Anders P. Perrochat, REL25,1947,91; vgl. denselben, Les modeles grecs de Salluste, Paris 1949,27f. Nach ihm ist Quint, inst. 8,3,29 der Zusammenhang zwischen Sallusts affectatio und seiner Thukydidesnachfolge angedeutet: Verg. catal. 2, wo von dem Thukydides imitierenden Corinthiorum amator verborum Cimber die Rede ist, werde unmittelbar vor dem Epigramm zitiert, das sich auf Sallusts Archaisieren bezieht Aber die Gedichte werden einfach als zwei bekannte Äußerungen über archaistische Ausdrucksweise hintereinander angeführt Daß der Autor mit der Zusammenstellung auf irgendwelche historische Zusammenhänge anspielt, wird durch nichts indiziert. - Überhaupt ist kein lateinischer Prosaiker bekannt, der aufgrund der zur Rede stehenden Theorie der gleichen sprachlich-stilistischen Praxis gehuldigt hätte wie Sallust. Cimber, Veranius Flaccus, Arruntius sind Sallustiani, Vertreter der Sallustmode frühaugusteischer Zeit Nichts spricht dafür, daß sie zugleich lateinische Thucydidii sind. Vgl. 160ff. Das gegen Leeman, Genre 199ff.; Ratio 163 ff. 100 Analogien etwa Verg. cataL 2; Cie. orat 32; das Urteil über Terenz Caes. carm. frg. Suet vita Ter. 7. 332

nen Darlegungen charakterisiert worden ist. Zwar wäre so ein Grund dafür gefunden, daß der Geschichtsschreiber verba prisca verwendet. Unerklärt aber bliebe, weshalb er sich nicht mit dem Gebrauch altertümlicher Wörter, die ohne weiteres — etwa aus der Dichtung — geläufig waren und deren Provenienz nicht bestimmbar war, allein begnügt, weshalb er sich vielmehr eng an bestimmte ältere Autoren anschließt, denen er nicht nur antiquiertes Vokabular, sondern antiquae figurae entlehnt und in deren Gefolge er gleichfalls noch in seiner Zeit lebendes, von puristischer Literatur j e d o c h gemiedenes Sprachgut gebraucht; vor allem bliebe unerklärt, weshalb Sallust sich bei einer derartigen Praxis in erster Linie an den alten Cato anschließt. Denn ein Zusammenhang zwischen der Thukydidesnachahmung Sallusts und seiner Catoimitation in dem Sinne, daß die erste die Ursache der zweiten wäre, ist nicht nachweisbar und nach allem, was wir wissen, unwahrscheinlich 1 0 1 . 101 Aber ist nicht Cie. Brut 66 ein deutliches Indiz für die Üblichkeit der Verbindung Thukydides - Cato? In diesem Sinne etwa Norden, Literatur 45; ähnlich auch Leeman, Ratio 44; 188. Man darf sich indessen nicht mit der Feststellung begnügen, daß der Schriftsteller an dieser Stelle Thukydides und Cato zusammenstellt. Es muß scharf gefaßt werden, in welcher Hinsicht und mit welchen Intentionen er es t u t Erstens: Cicero geht es darum zu zeigen, wie ein älteres Stilstadium, das durchaus seine virtutes hat, durch die großartigere Prosa einer späteren Zeit in den Hintergrund gedrängt wird; so ist es auch Cato ergangen. Worauf es Cicero durchaus nicht ankommt, ist der Nachweis, daß die Vertreter dieser älteren Stilstufen, konkret also Thukydides und Cato, dieselben positiven Stilqualitäten aufweisen: Während von Thukydides und Philistos die concisae sententiae, interdum etiam non satis apertae cum brevitate tum nimio acumine erwähnt werden, wird bei Cato einfach von den lumina gesprochen. Es kann also nicht die Rede davon sein, daß der Schriftsteller Cato als eine Art römischen Thukydides hingestellt hätte. Wenn Atticus Brut 294 Ciceros Worte ungefähr in diesem Sinne deutet, hat diese Deutung ihren Grund in der Funktion der Atticuspassage (vgl. 184 ff.) und besagt nichts für die Absicht, die Cicero Brut 66 verfolgt Daß Cicero weit davon entfernt ist, Cato und Thukydides die gleichen stilistischen virtutes zuzusprechen, indiziert jedoch nicht nur die Tatsache, daß er es Brut. 66 nicht t u t Es wäre auch sonst zu erwarten, daß er ausdrücklich nicht nur den Hyperideem und Lysianern, sondern auch den Thucydidii die Vernachlässigung Catos vorhielte (dazu 181 f.); der Gedanke hätte sich etwa Brut 67 leicht anschließen lassen. - Zweitens: Cicero handelt von dem Censorius und parallelisiert die Vernachlässigung, die diesem alten römischen Schriftsteller infolge der späteren exaggerata altius oratio zuteilgeworden ist, mit dem ähnlichen früheren Geschick des Thukydides. Die gedankliche Bewegung geht von Cato zu dem griechischen Historiker. Der umgekehrte Gedankenweg liegt deshalb nicht nahe. - Drittens: Die Zusammenstellung von Cato und Thukydides, wie sie erläutert worden ist, ist aus der Argumentation Ciceros in diesem Passus zu verstehen. Nichts berechtigt zu der Annahme, die von Cicero gezogene Parallele sei über diese Argumentation hinaus von allgemeiner Bedeutung. Die Cicerostelle veranlaßt somit nicht zu der Annahme, Thukydidesnachahmung habe Catonachahmung nahegelegt; in der Tat kümmern sich ja die Thucydidü, gegen die Cicero polemisiert, nicht im mindesten um den Censorius. Vgl. 160. Auch der Versuch von Reiff 81, das Verhältnis des Sallust zu Cato und Thukydides mit dem Hinweis auf das Verhältnis Vergils zu Ennius und Homer zu erläutern, wird dem lite333

Gelegentlich wird eine andere Erklärung für Sallusts Altertümeln vorgetragen: Die Sehnsucht nach der alten res publica, eine Art Flucht in die Vergangenheit; das sei ein Zug, den Sallust mit Varro gemeinsam habe 102 . Auch diese Erklärung befriedigt nicht recht. Erstens: Der Stoff, den der Historiker in seinen Geschichtsschriften behandelt, ist gerade die Geschichte der jüngsten Vergangenheit, des Verfalls. Daß Sallust aus der rauhen Gegenwart in eine schönere Vergangenheit flüchte, daß er seiner Sehnsucht nach der alten res publica nachhänge, läßt sich im Hinblick auf die Themen seiner historischen Schriftstellerei nicht sagen: Weshalb hätte er da dieser Sehnsucht im Sprachlich-Stilistischen in so ungewöhnlicher Weise nachgeben sollen? Zweitens: Sallust beurteilt in seinem letzten Werk die Vergangenheit Roms überwiegend pessimistisch (hist.frg. 1,11). Die Historien sind nicht mehr von der romantischen Liebe zum alten Römertum erfüllt, die man Sallust nachgesagt hat; und doch haben sich die archaistischen Tendenzen des Schriftstellers insgesamt schwerlich abgeschwächt. Der Wert der zwei diskutierten Erklärungen ist also durchaus zweifelhaft 103 . Auf festerem Boden steht man mit dem Hinweis auf einige andere Umstände, die Sallusts archaistische Neuerung erleichtert haben. Da ist zunächst die Tatsache, daß die republikanische Historiographie sich der Einwirkung des Purisrarhistorischen Tatbestand nicht gerecht Vergil konnte als Homeride an dem römischen Homer, der schon die vorvergilische Dichtung tief beeinflußt hatte, nicht vorbeigehen. Sallust brauchte bei seiner Thukydidesimitation sich ebensowenig an Cato zu halten, wie es die Schriftsteller vor ihm getan hatten. Die Bedeutung, die Cato in der ausgehenden Republik hat, ist eben mit der des Ennius durchaus nicht zu vergleichen. Vgl. 64 ff., bes. 81. 102 In diesem Sinne z.B. Funaioli, RE I A (1920) 1945; Drexler, Hermes 70, 1935, 207f.; E. Bignone, Storia della letteratura latina, II, Firenze 1945, 321. 103 Auch eine Art puristisches Streben nach unverfälschtem Latein wird man nicht hinter dem Altertümeln Sallusts suchen dürfen. Da müßte die Verwendung der antiquierten Ausdrücke doch wohl viel konsequenter sein. Gelegentlich ist Sallusts Archaisieren mit analogetischer Grammatiktheorie in Verbindung gebracht worden, etwa von de Groot 76 f. Schwerlich mit Recht. Erstens ist - trotz auch Kroll, Studien 97 - sehr zweifelhaft, daß Sallusts Sprache durch diese grammatische Lehre beeinflußt ist. Es ist ohne Beweiskraft, wenn sich bei Sallust Bildungen finden, die man als Ergebnis bewußter analogetischer Sprachgestaltung deuten könnte. Die sallustische Bevorzugung etwa der Perfektendung -ere statt -erunt, die Verwendung synkopierter Perfektformen (wozu Vretska II 24) und zugleich die Inkonsequenz im Gebrauch derartiger Bildungen sprechen einigermaßen gegen die Annahme eines Analogetikers Sallust VgL Cie. orat. 157; Grundsätzliches zu der Problematik 239 A.45. Zweitens ist durchaus unsicher, ob überhaupt zwischen grammatischer Analogie und Archaisieren irgendein Zusammenhang besteht. Dazu 267. — Ebensowenig dürfte man Vertrauen zu einer Deutung haben, nach der Sallusts Archaisieren eine Reaktion gegen den wachsenden Einfluß griechischer Bildung wäre: Sallust trägt seine griechische Bildung unverhohlen zur Schau.

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mus, der die Beredsamkeit bestimmt, offenbar weitgehend entzieht. Sprachlichen Extravaganzen ist in diesem Genos ein weiterer Raum geöffnet als in der Eloquenz. Dann die Offenheit der Zeit für Stilexperimente, eine Einstellung, die sich deutlich in der Vielfalt der attizistischen Richtungen äußert. Für die besondere Hinwendung Sallusts zur Prosa des Censorius hat möglicherweise der Brutus Ciceros anregende Bedeutung gehabt 104 . Etwas anderes ist ebenfalls nicht zu übersehen: Cato Uticensis dürfte mit seinem eindrucksvollen Tod den Blick der Zeitgenossen neu auch auf seinen großen Vorfahren gelenkt haben. Cicero weist in seiner Schrift über den jüngeren Cato auf dessen verwandtschaftliche Beziehungen zum Censorius hin (Gell. 13,20,14). Sallust läßt durch die Charakteristik des jüngeren Cato das Bild des älteren hindurchscheinen 10S . So wichtig diese verschiedenen allgemeinen Momente sind, einfach ableiten läßt sich aus ihnen die Stil- und Sprachpraxis Sallusts mit ihren Besonderheiten nicht. Die eigentlich bestimmenden Gründe wären im Bereich des individuell Sallustischen zu suchen. Und hier ist wenigstens eine Motivkomponente mit Wahrscheinlichkeit zu erschließen. Sallust hat mit seinem Archaisieren und seiner Verwendung catonischen Sprachgutes bei seinen Zeitgenossen Aufsehen erregt. Kaum ist er so naiv gewesen, daß er diesen Effekt seiner Schreibweise nicht einigermaßen vorausgesehen hat. Bedenkt man, daß Sallust nach eigener Aussage mit seiner Geschichtsschreibung gloria erwerben will, dann wird man die Auffassung nicht abweisen: Die ungewöhnliche Gestaltung des sallustischen Stils ist bewußt darauf abgestimmt, Aufmerksamkeit zu erwecken. Doch mögen andere Beweggründe sehr viel gewichtiger gewesen sein 106 . Dem Wissen sind hier Grenzen gesetzt. 104 Anregende Bedeutung, mehr n i c h t Denn eine Art des Anschlusses an Cato, wie sie fiir Sallust charakteristisch ist, wird B r u t 63 ff. nicht empfohlen. Und jedenfalls der späte Sallust bezeugt dem Prosaiker Cato eine Hochschätzung, die den Gedanken eines stetigen Fortschritts in der Kunstprosa ignoriert und in dieser Form Cicero sogar Gellius, wozu 191 A.38 - fernliegt: Der Censorius heißt hist frg. 1,4 Romani generis disertissimus. Zu der Äußerung muß noch etwas bemerkt w e r d e a Man sieht in ihr unter Hinweis auf CatulL 49,1 gern einen Hieb gegen Cicero; so ζ. B. Norden, Kp. 200; Literatur 45; Leeman, Ratio 44. Aber vielleicht steht noch etwas Aktuelleres hinter der Formulierung. Daß Sallusts Catonismengebrauch schon nach den ersten beiden Monographien Kritik erfahren hat, ist zwar nicht beweisbar, aber sehr gut möglich. Vor diesem Hintergrund ließe sich das Lob des Censorius als ein trotziges Bekenntnis zu dem Vorbild verstehen. Die zwei Deutungen schließen einander nicht aus. 105 Skard, Vorgänger 86 fT. 106 Vielleicht das Streben nach dem Ausdruck distanzierter severitas? Mehrere sallustische Archaismen bezeichnen moralisch-soziale Defekte: cupido, luxus, socordia, vecordia, intestabilis, torpedo, prodigere. Die Archaismen, die am deutlichsten der Einzelstilisierung dienen, proles und prosapia, gehören sarkastischen Formulierungen über den Verfall der großen Geschlechter an. - Wenigstens erinnert sei hier noch an den Versuch Lattes, wie die übrigen schriftstellerischen Eigentümlichkeiten Sallusts so auch sein Archaisieren psychologisch zu deuten.

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2. Über archaistische Tendenzen in augusteischer Zeit und

Verwandtes

Sallust hat schnellen Erfolg gehabt. Um 30 a.Chr. glaubt Ateius Philologus, seinen Gönner Pollio vor Sallustnachahmung warnen zu müssen, obwohl Pollio selbst sich vorher gegen Sallusts Altertümeln gewandt hatte \ Arellius Fuscus, der Rhetoriklehrer Ovids, beruft sich Sen. contr. 9,1,13 auf den Vorgang Sallusts: Sallust gilt dem Rhetor offenbar als maßgebende literarische Größe. Cassius Severus rechnet den Historiker Sen.contr. 3 praef. 8 wohl vor 5 p.Chr.neben Cicero, Vergil, Plato zu den magna ingenia 2 . Zu diesem Zeitpunkt ist Sallust also schon ein Klassiker3. Wenn er sich so schnell durchgesetzt hat, so hat die Offenheit der Zeit für literarische Experimente diesem Erfolg die Bahn geebnet. Mitspielen wird auch: Sallusts Stil steht dem Sentenzenstil, wie er in den Rhetorenschulen gepflegt wird, nahe. Vor allem aber: Die Geschichtsschreibung gilt bis auf Sallust als ein genus scriptionis nondum satis Latinis litteris inlustratum. Der Historiker stößt in ein Vakuum vor. Er braucht sich nicht gegen einen Klassiker durchzusetzen wie etwa der Satiriker Horaz gegen Lucilius. Freilich gibt es auch zeitgenössische oder annähernd zeitgenössische Kritik an Sallusts Stil 4 . In dieser frühen Zeit war Sallust also nicht unumstritten. Mehr ist den Äußerungen nicht zu entnehmen. Und es ist von geringer Bedeutung, daß die Stimmen der Polemik vielleicht vergleichsweise stark zu uns dringen. Die Reste der zeitgenössischen Literarkritik verzerren das Bild von Sallusts Einschätzung zu Ungunsten des Historikers: Während die Zustimmung sich hauptsächlich in faktischer Nachahmung geäußert haben wird, kann die Ablehnung deutlich sich eben nur in der Kritik aussprechen. Zudem dürfte die zeitgenössische Polemik gegen den Klassiker für Spätere interessanter gewesen sein als frühe Stimmen des Lobes; sie wird daher auch mit größerer Zähigkeit tradiert worden sein s . 1 2 3 4

5

Dazu 320 ff. Zu dem Datum 148 A. 120. Dazu paßt es, daß Agrippa, gest. 12 a. Chr., eine Sentenz aus dem Iugurtha im Mund zu führen pflegte. Sen. epist. 94,46. Dazu 316 ff. Vgl. noch GelL 4,15,1. Das Urteü des Pompeius Trogus l u s t 38,3,11, der Sallust und Livius kritisiert, steht abseits von den polemischen Äußerungen, soweit sie sich gegen den stilistischen Neuerer richten. Trogus versucht einfach, an seinen beiden bedeutendsten Vorgängern zu mäkeln. Das hindert ihn nicht, Sallust in vielerlei Hinsicht nachzuahmen. Dazu Rambaud, REL 26, 1948, 171 ff. mit weiterer Literatur. Zur Deutung der Iustinstelle auch J. Albertus, Die παρακλητικοί in der griech. und röm. Lit., Diss. Straßburg 1908, 4 3 f. In modernen Darstellungen werden im allgemeinen ebenfalls die für Sallust negativen Urteile der Zeitgenossen und der unmittelbaren Nachwelt in den Vordergrund gerückt. S. etwa Maurenbrecher in den Prolegomena zur Sammlung der Historienfragmente 1 f.; Funaioli, RE I A (1920) 1946ff.; Büchner 3 5 6 f f .

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Der schnelle E r f o l g des Schriftstellers Sallust b e k u n d e t sich n i c h t z u l e t z t darin, daß Sallust s c h o n vor 3 2 a.Chr. N a c h a h m e r f i n d e t , die -

w o h l als R e d n e r

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sich c a t o n i s c h e n V o k a b u l a r s b e d i e n e n 6 . D i e erste archaistische R i c h t u n g in der r ö m i s c h e n B e r e d s a m k e i t g e h t allem A n s c h e i n n a c h v o n Sallusts G e s c h i c h t s w e r k a u s 7 . D a s sallustische Archaisieren ist o f f e n b a r a u c h für die Historiographie augusteischer Z e i t v o n B e d e u t u n g g e w e s e n . Dabei ist n i c h t nur an e i n e n ausgesproc h e n e n Sallustianus w i e Arruntius z u d e n k e n ; a u c h e t w a Livius wird zur V e r w e n d u n g m a n c h e n a n t i q u i e r t e n A u s d r u c k s durch Sallust veranlaßt w o r d e n s e i n 8 . Sallusts C a t o i m i t a t i o n ist w o h l a u c h e i n e s der M o m e n t e , die das a l l g e m e i n in augusteischer Zeit z u b e m e r k e n d e Interesse für d e n Censorius u n d seine Schriften h e r v o r g e r u f e n h a b e n . N e p o s r e c h n e t C a t o 3 , 5 m i t studiosi Catonis. Die Reden C a t o s , die Cicero sich n o c h z u s a m m e n s u c h e n m u ß t e , sind vielleicht s c h o n vor 3 6 a.Chr. in einer S a m m l u n g ediert w o r d e n . Livius ist m i t i h n e n gut vert r a u t 9 . D o m i t i u s Marsus b e r u f t sich in s e i n e m Traktat D e urbanitate bei der D e f i n i t i o n d e s urbanus h o m o auf C a t o ( Q u i n t , inst. 6 , 3 , 1 0 5 ) . A u c h die Grammatiker w i d m e n C a t o s Sprachgebrauch eine b e s o n d e r e A u f m e r k s a m k e i t . Verrius F l a c c u s schreibt eine M o n o g r a p h i e D e obscuris Catonis; in s e i n e m H a u p t w e r k 6 7

8

9

Dazu 168 ff. Noch bei den Archaisten des 2. nachchr. Jh. s scheint man sich der Tatsache bewußt zu sein, daß man mit der besonderen Vorbebe für Cato in Bahnen wandelt, die Sallust als erster beschritten hat. VgL Fronto p. 56, 23 ff. v. d. a (= p.62 N.), zitiert 266. Ob es sich um eine seit Sallust nicht mehr abgerissene Tradition handelt? Quintilian kennt jedenfalls i n s t 2,5,21; 8,5,33 zeitgenössische Bewunderer der catonischen Beredsamkeit. Vgl. auch unten A. 9. Dazu 199 ff. Wenn die römische Geschichtsschreibung der Kaiserzeit mehr oder weniger stark antiquierte Spracheigentümlichkeiten aufweist - ζ. B. tempestas „Zeit", cupido, patrare „vollbringen" - so rührt das überhaupt im wesentlichen vom unmittelbaren oder mittelbaren Einfluß Sallusts her. Einiges Material dazu bei Kuntz passim. Die Literatur über die sprachliche Nachwirkung Sallusts bei Leeman, Bibliography Nr. 1 1 8 2 - 1 2 2 2 ; fiir Phraseologisches noch immer rccht instruktiv ist F. Vogel, Acta sem. phil. Erl. 1, 1878, 313 ff.; 2, 1881, 405 ff. Dies und die Bemerkung über die Edition der catonischen Reden nach Baumgart 32ff., der überhaupt das Interesse dieser Zeit an Catos Reden bereits herausgearbeitet hat. Nach ihm Leo 284 Α. 1. Über die Benutzung Catos durch Livius D. Kienast, Cato der Zensor, Heidelberg 1954, 20 ff. In einen Zusammenhang mit der Catorenaissance augusteischer Zeit darf man vielleicht auch den Gell 6,3,8 ff. wiedergegebenen Brief Tiros an Q. Axius bringen, in dem der Freigelassene Ciceros die Rhodierrede eingehend kritisiert. Für den Wandel, der sich seit spätrepublikanischer Zeit in der allgemeinen Beurteilung Catos vollzieht, sind sehr aufschlußreich Cie. Brut. 63 ff.; Nep. Cato 3,1; Liv. 3 9 , 4 0 , 4 f f . ; Val. Max. 3,4,6; Veil. l , 1 7 , 2 f . : Cicero muß noch die Bedeutung des Schriftstellers Cato verteidigen. Für Nepos, der die literarische Tätigkeit Catos als letzten Punkt catonischen Wirkens erwähnt, ist der Censorius lediglich probabilis orator et cupidissimus litterarum. Wesentlich enthusiastischer dann Livius, besonders 39,40,7: vivit . . . vigetque eloquentia eius sacrata scriptis omnis generis. Für Valerius Maximus steht die Schriftstellerei an erster Stelle unter den Tätigkeiten Catos. Wenn Vellerns der catonischen Historiographie und Eloquenz große Bedeutung zuerkennt, so folgt er der nunmehr schon traditionellen Hochschätzung des Schriftstellers Cato.

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De significatu verborum wird den Schriften des Censorius ein großer Platz eingeräumt. Messalla Corvinus berücksichtigt ebenso wie Ateius Capito Spracheigentümlichkeiten Catos 10 . In das zeitgenössische Interesse für Catos Sprache fügt es sich auch, wenn Horaz den Censorius epist. 2,2,117 und ars 56 als hervorragenden Vertreter alter Sprache und Sprachkunst nennt 1 1 . Neben dem Anschluß Sallusts an Cato gibt es noch andere Faktoren, die die Catorenaissance der augusteischen Zeit mit herangeführt haben mögen. Die warmen Worte, die Cicero im Brutus für den Censorius gefunden hat, und das nobile letum des jüngeren Cato werden ihre Rolle dabei gespielt haben 1 2 . Doch mit all dem ist das neu erwachte Interesse an der Prosa des alten Cato wohl noch nicht zur Gänze erklärt; denn dieses Interesse ist kein vereinzeltes Phänomen. In der Paulus-Festusepitome des Verrius Flaccus wird auch der Sprachgebrauch von Prosaikern wie Laelius, dem jüngeren Scipio, C.Gracchus, Coelius Antipater, Sisenna berücksichtigt. Neben ihnen erscheinen ebenfalls jüngere oder sogar zeitgenössische Prosaautoren, so etwa Cicero, Ser. Sulpicius Rufus, Calidius, Sallust, Messalla Corvinus. Der Sprachgebrauch Sisennas und Antipaters hat vielleicht auch bei anderen Augusteern Beachtung gefunden 13 . Im Gegensatz zur Grammatik der Republik widmet sich die Grammatik augusteischer Zeit also in recht starkem Maße der lateinischen Prosa und dabei auch der vorciceronischer Schriftsteller. Zum Teil mag das Bewußtsein der Augusteer, Prosaklassiker zu besitzen 14 , den Blick auf die ältere Prosa überhaupt richten; auch an den Einfluß des ciceronischen Brutus könnte man wieder denken. Von besonderer Bedeutung sind aber in diesem Zusammenhang wohl die starken restaurativen Tendenzen des augusteischen Zeitalters. Ihre Verknüpfung mit der neuen Schätzung gerade vorciceronischer Prosaliteratur wird in zwei Notizen handgreiflich: Nach Liv. perioch. 59 und Suet. Aug. 89,2 hat Augustus die Reden des Metellus Macedonicus cos. 143 10

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Messalla gramm. frg. 505, 1 Fun., dazu auch Quint, inst. 9,4,39; Capito giamm. frg. 565, 4 Fun., vgl. auch gramm. frg. 564,2 Fun. In ungefähr dieser Zeit dürfte auch die rhetorische Schrift Catos wiederaufgespürt worden sein. Cicero verrät noch keine Kenntnis dieser Schrift; Sen. contr. 1 praef. 9 wird zum erstcnmal die berühmte catonische Definition des Redners zitiert. Nach Kiessling-Heinze zu Hör. ars 311 wäre der Vers formuliert in Anlehnung an das catonische rem tene, verba sequentur. Gut möglich. Nach Kiessling-Heinze zu epist. 2,2,117 vielleicht ein Reflex der verrianischen Schrift De obscuris Catonis. Vgl. 335. Zu Sisenna vgl. 278 A.34. Anscheinend ist das Coeliuszitat Fest. p. 352 von Artorius (= gramm. frg. 481,3 Fun.) übernommen, den Funaioli nach dem Vorgang anderer Gelehrter in friihaugustcische Zeit setzt; mehr als eine Vermutung ist diese Datierung allerdings nicht. Das Empfinden, in Cicero den Klassiker römischer Redekunst verloren zu haben, prägt sich Corn. Sev. carm. frg. 13,11 und SextiL carm. frg. S e a suas. 6,27 aus. Vellcius I'aterculus und der ältere Seneca kennen eine in der Vergangenheit liegende klassische Periode der lateinischen Prosa.

a.Chr. De prole augenda und des Rutüius Rufus cos. 105 a.Chr. De modo aedificiorum im Senat verlesen und durch Edikt bekannt gemacht. Es kann nicht verwundern, wenn in der gleichen Epoche manche vorciceronischen Reden wieder auftauchen, die Cicero anscheinend noch nicht gekannt hatte: Verrius zitiert Fest. p. 314 aus einer Rede des T.Annius Luscus cos. 153 a.Chr., Fest.p. 193 und anderwärts aus der laelianischen Rede Pro se ad populum, Fest.p. 154 aus einer Rede des Cato nepos cos. 118 a.Chr. 15 . Die grammatische Erschließung der catonischen und sonstiger älterer Prosa und manche andere Momente schaffen in der augusteischen Periode gegenüber der republikanischen Zeit eine entschieden günstigere Atmosphäre für archaistische Neigungen16. Was die Beredsamkeit angeht, so ist noch folgendes von Belang: Sie braucht nicht mehr wie in der libera res publica eine popularis facultas zu sein; sie hat ihre politische Bedeutung weitgehend verloren. Der kaiserzeitliche Redner kann sich viel leichter sprachlich-stilistische Extravaganzen gestatten als der Redner der Republik. Unter diesen Bedingungen mögen sich archaistische Strömungen bald von dem Einfluß Sallusts emanzipiert haben. Jedenfalls ist zweifelhaft, ob Augustus mit dem drastischen Wort von den reconditorum verborum fetores (Suet. Aug. 86,1) gegen ausgesprochene Sallustiani polemisiert. Auch die Vorliebe des Tiberius fur exoletae et reconditae voces (Suet. Aug. 86,2) wird von der antiken Tradition nicht mit einem Anschluß an Sallust verknüpft17. 15

16

17

Zu Luscus bemerkt Cicero Brut. 79: Luscum . . . non indisertum dicunt fuisse; er rekurriert hier also auf das reine Hörensagen. Zu Laelius 78. Cato nepos wird nie von Cicero als Redner genannt. Über den Hintergrund, vor dem das alles zu sehen ist, vgl. 152 A. 134. Daß etwas von den Reden des Cato nepos in augusteischer Zeit zum Vorschein kommt, wird mit dem neuerwachten Interesse an der Prosa des Censorius oder einem der Momente zusammenhängen, die besonders dieses Interesse begünstigen. Wenn Cicero off. 3,4 die Existenz einer schriftlichen Hinterlassenschaft des Scipio Africanus maior verneint, so kann jedenfalls dieser Umstand nicht als sicherer Beweis dafür gelten, daß die zuerst Liv. 38,56,5 ff.; 39,52,3; VaL Max. 3,7,1 e erwähnte Rede des älteren Scipio unecht ist. Für die Neubeachtung vorciceronischer Reden in augusteischer Zeit ist übrigens noch Liv. perioch. 49 aufschlußreich: Livius weiß, daß drei Reden Ser. Galbas in der Lusitanierangelegenheit exstant In den letzten Dezennien der Republik sind Galbas Reden praktisch verschollen. Vgl. 68. Insbesondere wäre in diesem Zusammenhang an neuaufgekommene Theorien über die Verwendung poetisch-antiquierten Sprachgutes in der Geschichtsschreibung zu denken. Dazu 44 f. Dazu vielleicht auch Tac. ann. 4,19; Norden, Kp. 255 A.l; R. Syme, Tacitus, Oxford 1958, 284. Zu Q. Aelius Tubero 149ff. R. Reitzenstein 63 A . l weist auf die Notiz SchoL Hör. epod. 10,3 hin, derzufolge der mit dem boshaften Propemptikon bedachte Mevius ein sectator vocum antiquarum gewesen ist. Kaum eine zuverlässige Nachricht. VgL Kroll, RE XV (1932) 1508 s.v. Mevius. Vgl. ferner 201 ff. Über die Stellung der augusteischen Rhetorenschule zur Verwendung von Archaismen 202 A. 28. - Nun können wir auch eine Frage beantworten, die sich ähnlich bereits Skard, Vorgänger 56 vorlegt: Weshalb ist Livius, der - vor allem in der 1. Dekade - mancherlei antiquierte und poetisch-altertümliche Ausdrücke verwendet, anscheinend nicht

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3. Anhang: Die Epistulae ad Caesarem senem

Das mit den Briefen zusammenhängende Authentizitätsproblem1 ist für die Geschichte des lateinischen Archaisierens im allgemeinen, soweit wir sie erörtert haben, von geringer Bedeutung. Sallust ist in jedem Falle der erste Archaist. Die verschiedene Wirkung, die sein Altertümeln hat, geht in jedem Falle von den Geschichtsschriften aus. Durchaus belangvoll ist das Problem jedoch für ein Urteil über Entstehung und Entwicklung speziell des sallustischen Archaisierens. Bei der Behandlung dieser Themen haben wir die zwei Schreiben beiseite gelassen. Denn bei dem gegenwärtigen Stand der Diskussion können die Bedenken gegen die Echtheit der Briefe doch wohl nur zum Teil als ausgeräumt gelten. Gerade auch der Archaismengebrauch der Suasorien würde die Einführung befremdlicher Züge in das Bild von Sallusts archaistischer Praxis erfordern. Die folgenden Darlegungen dienen der Erläuterung dieser Ansicht. Berücksichtigt werden dabei ausschließlich die Archaismen, die wir aus den Geschichtsschriften Sallusts gesammelt haben 2 . Damit dürfte gesichert sein, daß die numerischen Relationen des Archaismengebrauchs, die sich zwischen Episteln und sicher genuinen Sallustiana ergeben werden, einigermaßen den realen Verhältnissen entsprechen. In dem , falls echt, älteren, an zweiter Stelle überlieferten Schreiben findet sich folgendes antiquierte Sprachgut: 1,1 mortalis „Mensch"; consultor „Ratgeber". auf dieselbe Kritik gestoßen wie Sallust? Als Livius schrieb, waren archaistische Neigungen unter den Prosaikern nichts Besonderes mehr. Außerdem ist der livianische Gebrauch von Archaismen jedenfalls nicht mit den zwei letzten der 331 aufgewiesenen Charakteristika sallustischer Praxis verknüpft Hinzu kommt, was schon Skard bemerkt: verba prisca waren in der Schilderung zeitlich ferner Begebenheiten weniger auffällig als in der Darstellung der jüngeren und jüngsten Vergangenheit 1

2

Die Literatur dazu stellt bis zum Erscheinungsjahr Leeman, Bibliography Nr. 6 0 8 675 В zusammen. Die älteren Argumente, die Befürworter und Gegner der Echtheit vorgebracht haben, referiert Vretska I 38 ff., der selbst die Verfasserschaft Sallusts verteidigt; zu Vretskas Darlegungen vgL die Kritik von La Penna, Gnomon 34, 1962, 464 ff. Energisch gegen die Echtheit der Briefe hat danach mit manchen neuen Gründen Syme 318 ff. Front gemacht. Die wichtigsten späteren Erörterungen der Frage stammen von K. Büchner, Sallustinterpretationen, Stuttgart 1967, bes. 26 ff., und E. Wistrand, Sallust on Judicial Murders in Rome, Studia Graeca et Latina Gothoburgensia 24, Göteborg 1968. Beide Autoren treten, in Auseinandersetzung mit Argumenten Symes, für Sallust als Autor ein. Bei Wistrand 5 Anm. 1 weitere neuere Literatur. 292 ff. Die Zusammenstellung, die Vretska II 260 f. unter dem Stichwort Archaismus bietet, ist einerseits nicht ganz vollständig und enthält andrerseits manches nicht hierher Gehörige. Der conspectus archaismorum, den A. Kurfess seiner Ausgabe der Episteln, Leipzig 1962 6 beigibt, hat geringen Wert

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1,6 mortalis ,.Mensch". 3,6 socordia. 5,3 agitare ,ДеЬеп". 5,4 subigere mit Inf. 5,5 imperitare. 6,2 socordia. 7,4 cupido. 8,7 torpedo „Schlaffheit". 10,5 defensare; agitare „leben". 10,8 patrare „vollbringen". 10,9 socordia. 11,3 Singularform von plerique. 11,4 mortalis „Mensch". 11,6 tempestas „Zeit". 11,7 imperitare. 12,4 cupido. 12,5 socordia. 12,6 insomnia. 13,4 patrare „vollbringen". 13,5 tempestas „Zeit". 13,6 -que -que. Das, falls echt, jüngere, an erster Stelle überlieferte Schreiben bietet: 1,1 mortalis „Mensch". 1,5 imperitare. 1,6 imperitare. 3,2 agitare ,ДеЬеп". 3,4 -que -que. 4,3 mortalis „Mensch". 5,2 tempestas „Zeit". 5,5 socordia. 6,1 -que -que. Bereits in der Epistel 2 tauchen nach allem Anschein Archaismen auf, die auf Cato zurückzuführen sind: torpedo „Schlaffheit", eine Singularform von plerique. Catonismen sind hier sonst etwa noch rep. 2,6,3 niti pro nobilitate und der 4malige Gebrauch der Endung -ere bei der 3.Ps.Pl. Perf. Ind. Akt.; -erunt steht in dem Schreiben 9mal. Aus der Epistel 1 ist in diesem Zusammenhang ebenfalls die 6malige ausschließliche Verwendung von -ere zu erwähnen 3 . Noch an einigen anderen Stellen der Briefe läßt sich catonisches Sprachgut vermuten 4 . Der gesamte bisher vorgelegte Befund paßt, so könnte es scheinen, sehr gut zur Annahme der Verfasserschaft Sallusts. Aber es muß doch auffallen, daß manche Archaismen jedenfalls in der Epistel 2 in einer Weise verwendet werden, die von dem stereotypen Sprachgebrauch der unumstrittenen Sallustiana abweicht5. Drei Beispiele: rep. 2,11,6 his tempestatibus statt his temporibus. In den historischen Schriften steht tempestas „Zeit" in der Regel im Sg., im PI. lediglich in Verbindung mit attributivischem paucae oder multae. Auf diese Junkturen ist der PI. von tempestas „Zeit" auch vor Sallust beschränkt. 3 4 5

Die Angaben über -ere nach Vretska II 100 und Edmar 42. Über - ere als Eigentümlichkeit Catos bei mir 199. Zu den übrigen Catonismen 304 ff. Darüber Vretska II passim. Überhaupt scheint man von der sprachlichen Übereinstimmung zwischen den unbezweifelt sallustischen Werken und den zwei Suasorien in manchem einen zu günstigen Eindruck zu haben. Dazu eine kleine Beobachtung. In den Briefen begegnet 2 mal exercitare, 8 mal exercere, das entsprechende Verhältnis in den historischen Schriften ist 1 zu 18. Vretska II 163 wertet den Befund als Echtheitsindiz: „während S. sonst die Frequentativa liebt, stimmt der gegenteilige Sprachgebrauch bei exercitare überraschend ebenfalls überein". Die Sache gewinnt ein anderes Gesicht, wenn man berücksichtigt, auf welche Formen von exercitare die drei Belege entfallen, rep. 1,7,5 exercitando; 2,10,8 exercitabat; CatiL 50,2 lectos et exercitatos. Das Part. Perf. von exercitare ist auch etwa bei Caesar und häufig bei Cicero zu belegen. Die übrigen Formen von exercitare sind dagegen große Raritäten. Der einzige entsprechende Beleg in republikanischer Zeit, von den Epistelstellen abgesehen, ist Varro ling. 5,87 exercitus, quod exercitando fit melior. Ein leicht zu erklärender Sonderfall: Die Etymologie wird besser durch das Lautbild von exercitando bestätigt als durch das von exercendo. Die Materialien Thes. s.v. Während also der unbestritten echte Sallust sich im Gebrauch von exercitare keinerlei Extravaganz gestattet, bietet jede der Suasorien ein ungewöhnliches Idiom. 341

rep. 2,12,5 per summam socordiam. In den Geschichtswerken steht 16mal socordia, aber stets ohne adjektivisches Attribut 6 . rep. 2,13,6 posteroque tempore . . . super omnes mortales gloriam agitabis tuaque unius mors vita clarior erit. -que -que ist an den wenigstens 9 Stellen, an denen diese Ausdrucksweise bei dem Historiker Sallust auftaucht, auf die Fälle beschränkt, in denen das erste -que sich an ein Pronomen anlehnt 7 . Derartige Divergenzen mögen immerhin bedenklich stimmen; aber sie bieten keine hinreichende Handhabe, die Authentizität der Schreiben zu bestreiten. Das gilt jedoch nicht für etwas anders geartete Unterschiede. Sallust macht im Gebrauch verschiedener antiquierter Idiome eine deutliche Entwicklung durch. In diese Entwicklung fügt sich der Archaismengebrauch der Episteln in folgenden Fällen nicht ein8, socordia wie rep. 1, 5,5; 2,12,5 losgelöst aus einer Doppelung gestattet Sallust sich erst lug. 1,4, in stärkerem Umfange dann ab lug. 36,3. Der rep.2,1,1 erscheinenden Wendung quoiquam mortali geht Sallust Catil.31,2; 51,11 anscheinend aus dem Wege; er wagt sie erst und nur lug. 72,2. Zu agitare „leben" entschließt Sallust sich erst lug. 18,9, zu imperitare erst lug. 19,7, zu defensare erst lug. 26, 1 9 , zu torpedo „Schlaffheit" erst or. Macri 20. Besonders die Epistel 2 nimmt erstaunlich oft den Sprachgebrauch vorweg, zu dem Sallust erst nach dem Catilina findet; doch auch die Epistel 1 ist nicht frei von solchen Antizipationen 10 . Derartige Sprünge sind nicht die Art des Historikers Sallust11. Aber was ist davon zu halten, daß die Epistel 2 in der Verwendung eines Archaismus sehr gut zur Sprachentwicklung Sallusts paßt? subigere mit Inf. wird 6

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10 11

342

vostra (nostra) socordia steht or. Lep. 20; or. PhiL 11; 21; or. Cottae 8. Der beobachtete Sprachgebrauch hat seine Parallelen bei sallustischen Ausdrücken, die socordia nahestehen. desidia, incultus, inertia, mollitia, neglegentia haben bei Sallust weder ein Adj. noch ein Possessivpronomen als Attribut bei sich, ignavia vostra (sua) steht lug. 31,14; 112,3; praesenti ignavia or. Macri 26. Vergleichbar mit summa socordia ist tanta torpedo or. PhiL 19, also eine Formulierung des Spätwerks. Diesen ganzen Sachverhalt kennt man schon lange; vgL ζ. B. Edmar 133 f. Mehrere der darzulegenden Beobachtungen bereits bei Syme 332. Syme begnügt sich allerdings damit, das späte Auftauchen des jeweiligen Idioms in den sicher echten Sallustiana zu konstatieren; das Vorkommen der Synonyme wird dabei nicht beachtet. In dieser Form läßt die Argumentation Zweifeln Raum: Wenn ein Ausdruck der Episteln sich erst im Spätwerk Sallusts findet, braucht das an sich noch nicht Sallusts Sprachentwicklung zu widersprechen; vielleicht ergab sich dazwischen keine Gelegenheit, das Idiom zu verwenden. Meine folgenden Angaben berücksichtigen immer die sallustische Synonymenverwendung als Folie. Wer Sali. (? ) rep. 2,10,5 gloriam . . . defensat für sallustisch hält, muß entgegen den 295 ausgesprochenen Bedenken defendere ohne weiteres als Synonym von defensare anerkennen. Deshalb erscheint hier defensare unter den Verben, zu denen die Sprachentwicklung Sallusts erst im Iugurtha gelangt. Daß der Iugurtha in mancher Hinsicht die größte sprachliche Verwandtschaft mit den Briefen hat, bemerkt aufgrund ganz anderer Phänomene Edmar 152 A.2. Darüber 315.

erst im Iugurtha allmählich durch cogere mit Inf. verdrängt, rep. 2,5,4 steht subigere mit Inf., cogere mit Inf. fehlt in beiden Suasorien. Die Übereinstimmung läßt sich mit der Annahme, die Epistel sei gefälscht, sehr leicht vereinen: Ein Fälscher der Briefe 1 2 wird dazu tendieren, sich besonders die ungewöhnlichen Idiome Sallusts anzueignen. Wenn Sallust zu der ungewöhnlichen Sprachgestaltung erst nach dem Catilina kommt, äußert sich diese Tendenz des Nachahmers in den Episteln als unorganische Antizipation späterer Entwicklung. Aus derselben Tendenz ergibt sich eine zufällige Übereinstimmung zwischen der Ausdrucksweise des Fälschers und der Sprachentwicklung seines Vorbildes, wenn der Historiker ein anfänglich gebrauchtes, unübliches Idiom im Lauf seiner schriftstellerischen Tätigkeit fallen läßt 1 3 . Wenn der Archaismengebrauch der zwei Schreiben normalerweise in einem disharmonischen Verhältnis zu Sallusts sprachlicher Evolution steht, nicht in einem harmonischen, so einfach deshalb, weil der Geschichtsschreiber öfter nach dem Catilina erst Archaismen einführt, dominieren läßt oder kühner verwendet als er der gegenteiligen Praxis folgt. Gerade das Nebeneinander häufigerer Divergenzen und einer einzigen Kongruenz in der Epistel 2 findet eine glatte Erklärung, wenn die Unechtheit dieses Prosastücks vorausgesetzt wird 1 4 . Das gleiche ist kaum der Fall unter der Prämisse, der Brief sei sallustisch. 12 13

14

Mit dieser Formulierung soll nicht behauptet sein, daß beide Suasorien von einem einzigen Autor stammen. Auf die gleiche Weise läßt sich noch manche andere als Zeichen für die Echtheit gewertete Kongruenz erklären. So z. В., daß die relative Häufigkeit des zweiten Supinum in den Briefen zu dem verhältnismäßig starken frühen Gebrauch dieser später immer mehr zurücktretenden Ausdrucksweise stimmt. Einzelheiten bei Vretska II 67. Auch eines der „wichtigsten sprachlichen Indizien für die Echtheit" der Epistel 2 (Vretska II 90 f.) wird durch unsere Überlegung hinfällig: Sallust beginnt im Catilina mit tametsi und geht erst lug. 3,2 zu quamquam über, das ab lug. 38,10 allein steht; in der Epistel 2 steht 5 mal tametsi, nie quamquam. Für tametsi gibt es von Sallust bis in die Zeit Hadrians kaum 30 Belege, für quamquam im gleichen Zeitraum rund 1000; auch in späterer Zeit dürfte tametsi eine relativ seltene Konjunktion sein. Es kann nicht verwundern, wenn ein nachsallustischer Fälscher gerade das für ihn ungewöhnliche sallustische Idiom aufgreift und durchweg verwendet. Das letzte Beispiel läßt im übrigen auch erkennen, wie prekär der vielgebrauchte Begriff der Minutien ist Was für uns unscheinbare Kleinigkeiten sind, können für den, dessen Muttersprache das Latein war, sehr auffällige Besonderheiten gewesen sein. Auf eine weitere Auseinandersetzung mit den verschiedenen Indizien, die man aus der sprachlichen Entwicklung Sallusts besonders im Gebrauch der Minutien für die Echtheit der Briefe hat gewinnen wollen, kann ich mich hier nicht einlassen. Prinzipiell sei aber noch bemerkt: Es geht nicht an, die zwei Schreiben, die, falls sallustisch, doch wohl durch wenigstens zwei Jahre getrennt sind, als einen einheitlichen Text zu behandeln. Eine gesonderte Betrachtung der beiden Briefe, wie sie allein sinnvoll ist, hat für manchen sprachlichen Echtheitsbeweis recht mißliche Konsequenzen. Man überprüfe unter diesem Aspekt ζ. B. Skards Ausführungen über die Kopulativpartikeln Sallusts, SO 10, 1932, 63 f. Was von der Manier eines angenommenen Pseudosallust hervorgehoben wurde, war 343

Bisher haben wir die Sprachgestaltung der zwei Schreiben fast ausschließlich vor der Folie der allgemein anerkannten Sallustiana betrachtet. Nun sollen andere Bezugsmomente berücksichtigt werden: die stilistische Situation in der ausgehenden Republik und der Adressat. Zuvor gilt es jedoch, den Archaismengebrauch der beiden Episteln genauer zu charakterisieren. Die hohe Archaismendichte in den zwei Texten ist aus der Tabelle zu ersehen:

Vorkommen von Einzelwörtern (in runden Zahlen) Vorkommen von Archaismen durchschnittliche Wortzahl, auf die je ein Archaismus entfallt

rep.2

rep. 1

2590

1480

24

9

108

166

Gewiß kann man an manchen Stellen der zwei Texte den Archaismus als Stilmittel empfinden, das dem Einzelpassus etwa eine pathetische Tönung verleihen soll 1S . Ist damit aber die eigentliche Ursache des Archaismengebrauchs in diesen Passagen erkannt? Ein beträchtlicher Teil des antiquierten Sprachgutes der Episteln ist bei besonnener Interpretation kaum als individuelles Stilmittel zu deuten 16 . Hier scheinen die Archaismen prinzipiell gebraucht. Daß ein archaisierender Schriftsteller altertümliche Idiome auch an Stellen verwendet, die auf den Leser pathetisch wirken, ist verständlich. Zur Untersuchung der Archaismenverteilung wird Epistel 2 einmal in 3, ein andermal in 4 gleichlange Abschnitte gegliedert und Epistel 1 halbiert; die Pe-

15

16

344

nur eine Tendenz. Natürlich wird ein Fälscher nicht durchweg die sprachliche Besonderheit seines Vorbildes aufgreifen; er wird nicht alles bemerken. So spricht es nicht gegen die entwickelte Auffassung, wenn etwa SalL ( ? ) rep. 2,3,7; 2,4,2; 2,13,3 evertere steht, nie in den Episteln das typisch sallustische subvertere. In diesem Falle ist der Sachverhalt der Echtheit ohnehin nicht günstig. Der sicher echte Sallust verwendet evertere erst und nur or. Lep. 23. Eine derartige Stilisierungsabsicht nehmen überhaupt für alle Archaismen der Episteln an Dietz 140ff.; Büchner 388, unter Berufung auf Dietz; Seyfarth, Klio 40, 1962, 128 ff. Das Problem ist nicht ohne Bedeutung: Träfe die referierte Anschauung zu, dann könnte man diese Technik als eine Vorstufe zu dem Archaisieren Sallusts in den Geschichtsschriften ansehen. Indessen kann ein entsprechender Beweis kaum mit wenigen Einzelbeispielen geführt werden: Dietz beschränkt sich auf die Erörterung einiger Einzelheiten, die Fraenkel 192 ff. hervorhebt; von ihnen möchte er nur patrare „vollbringen" und tempestas „Zeit" als Archaismen gelten lassen. Diese zwei Ausdrücke allein sind es auch, mit denen sich Seyfarth befaßt. Vretska, der möglichen Sprach- und Stilfeinheiten der Briefe sehr intensiv nachgeht, macht denn auch vielfach keinen Versuch, den Archaismengebrauch der Briefe in dieser Weise zu erklären. So in Epistel 2 bei consultor „Ratgeber" 1,1; mortalis „Mensch" 1,6; socordia 3,6; imperitare 5,5; cupido 7,4; torpedo „Schlaffheit" 8,7; defensare 10,5; socordia 10,9; Singularform von plerique 11,3; mortalis „Mensch" 11,4; tempestas „Zeit" 11,6; imperitare 11,7. In Epistel 1 bei agitare „leben" 3,2; mortalis „Mensch" 4,3.

rikopen sind von Aufteilung zu Aufteilung verschieden lang. Mit dem χ 2 -Test wird geprüft, ob der Modus, in dem die Archaismen auf die Perikopen entfallen, als nicht zufällig angesehen werden kann 1 7 . rep.2: 1,1-5,7

5,8-10,2

10,3-13,8 14

χ 1Д-4,4

2

= 7,75 ρ < 5 % 4,5-7,10

7,11-10,9

11,1-13,8 10

χ2 =3,67

ρ >20%

rep.1: 1,1-5,1

5,2-8,10

6

3 χ

2

= 0,44 ρ > 80%

Die Differenzen der Epistel 1 sind, soweit eine statistische Analyse möglich ist, nicht signifikant. Die Unterschiede der Epistel 2 müssen bei der Dreiergliederung als signifikant gelten, bei der Vierergliederung als nicht signifikant. Der χ 2 —Test erbringt also in diesem Fall kein eindeutiges Ergebnis. Es gilt nun noch das Verhältnis der Archaismen zu ihren nächstliegenden Ersatzwörtern zu betrachten. Diese fehlen öfter vollständig; die Archaismen werden also, sooft es überhaupt möglich ist, verwendet. Das gilt in Epistel 2 für consultor „Ratgeber", 2maliges agitare „leben", subigere mit Inf., 2maliges cupido, defensare, 2maliges patrare „vollbringen", die Singularform von plerique, insomnia. In der Epistel 1 gilt die Feststellung für das 2 malige imperitare und agitare „leben". Die Annahme, daß in den Suasorien archaisiert wird, raten nicht alle geprüften Momente an, aber doch die meisten. Unter dem Aspekt der Archaismendichte 17

Kriterium der Perikopenlänge ist die Anzahl der Wortbelege. Zum x 2 -Test 312. Der zur Epistel 1 gehörige Wert für χ 2 ist unter Verwendung der Yatesschen Stetigkeitskorrektur berechnet.

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ist das Altertümeln jedenfalls der Epistel 2 1 8 stärker ausgeprägt als die entsprechende Praxis in jedem sicher sallustischen Werk 19 . Mit ihrem Archaisieren und ihrem Anschluß an Cato Censorius hätten die Epistulae a"d Caesarem senem in ihrer Zeit gewiß ein Novum dargestellt. Weder in der Geschichtsschreibung noch in der Beredsamkeit - das gilt auch für Sallusts Reden — hat es, soweit man sehen kann, bis zum Ende der Republik wirklich Entsprechendes gegeben. Und nichts veranlaßt dazu, eine derartige Praxis in irgendeinem anderen Prosabereich zu vermuten 2 0 . Das Archaisieren der zwei Schreiben ist auch durch keine bekannte zeitgenössische Theorie gedeckt, mag sie Redekunst, Historiographie oder Epistolographie betreffen 2 1 . Unter diesen Umständen erhebt sich die Frage, weshalb Sallust in solchen politischen Stellungnahmen ein derartiges Experiment hätte unternehmen sollen. Die bisher gegebenen Antworten können nicht befriedigen; sie gehen von schwerlich zutreffenden Voraussetzungen aus. Sallust habe als die Geschichte wahrheitsgetreu interpretierender Ratgeber, so lautet eine Antwort, einen diesem Ethos entsprechenden Stil gewählt; daher in den Briefen die antiquierten Ausdrücke der Historiographie 22 . Aber, wie gesagt, für die Catonachahmung und das Altertümeln der zwei Texte ist in der republikanischen Geschichtsschreibung keine Parallele nachzuweisen. Schon die häufigere oder ausschließliche Verwendung der Perfektform -ere statt -erunt rät davon ab, in den Briefen Beispiele historiographischer Prosa zu erblicken. Daß Ausdrücke wie mortalis „Mensch", socordia, defensare, patrare „vollbringen", tempestas „Zeit", -que -que in der republikanischen Geschichtsschreibung eine große Rolle gespielt haben, ist denn auch teils sehr zweifelhaft, teils geradezu unwahrscheinlich 23 . Eine andere Antwort: Sallust habe durch seine Archaismen gewissermaßen mit der auctoritas eines Altrömers auftreten und seinen Ratschlägen auch stilistisch Gewicht verleihen wollen 24 . Nun hat zwar ein verbum priscum, selten und am 18 19

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Nach Edmar 153 A.l hätte gerade dieses Schreiben eine weniger gehobene Ausdrucksweise. Das ist nach dem Ausgeführten kaum zu halten. Vgl. dazu 310. - Zu dem Ergebnis, daß die Briefe in der Dichte sprachlicher Eigentümlichkeiten weit über die anerkannten Sallustiana hinausgehen, kommt auf etwas anderem Wege Syme 328. Zur philosophischen Schriftstellerei Ciceros vgl· 6 0 f . ; zu den Briefen der Korrespondenten Ciceros 115 ff.; zu Varro 331 A.96. Instruktiv ist es, republikanische Briefe zu vergleichen, die sich in der Thematik mit den Epistulae ad Caesarem berühren: Plane. Cie. fam. 10,8; Lent. Cic.fam. 12,15. Vgl. dazu 23 ff. passim. Anders Büchner, Sallust 388; Gnomon 34, 1962, 54; Gymnasium 70, 1963, 447. Nach Büchner bietet Cie. de orat 3,153 geradezu die Theorie für die Verwendung von verba prisca in den beiden Briefen. Dietz 106; 185; Vretska I 43; 80. Dazu 307. So etwa Dietz 106; 186; Geizer 167 A.362.

rechten Flecke verwendet, dignitas; so lehrt Cicero besonders de orat. 3,153. Aber eine Archaismendichte, die größer ist als die auch des sallustischen Iugurtha, fällt nicht unter den Begriff des Seltenen 2 5 . Eine derartige Praxis h ä t t e der Leser leicht als b e f r e m d e n d e a f f e c t a t i o e m p f i n d e n k ö n n e n , die geeignet war, ihn auch gegenüber den politischen Vorschlägen des A u t o r s mit Reserve zu erfüllen. Schwerlich darf m a n Sallust ein so s t u m p f e s Stilgefühl z u t r a u e n , daß er diesen möglichen negativen E f f e k t seines archaistischen Experimentes nicht h ä t t e voraussehen k ö n n e n . Das Altertümeln der zwei Schreiben ist also schon vor der Folie des zeitgenössischen Prosastils befremdlich. Besondere Schwierigkeiten aber ergeben sich in diesem Z u s a m m e n h a n g aus der Tatsache, daß der Purist Caesar der Adressat ist 2 6 . Ein Gegenargument fehlt nicht: Man dürfe von Caesar nicht so gering denken; gewiß habe er, bei seiner b e k a n n t e n Großzügigkeit, an der eigenwilligen Sprachgestaltung Sallusts keinen besonderen Anstoß g e n o m m e n 2 7 . Gesetzt, das von Caesar e n t w o r f e n e Bild t r e f f e zu: Sallust will Caesar für seine politischen Vorstellungen gewinnen. Es ist schwer vorstellbar, daß er in einer Weise stilisiert, die von vornherein auf die Nachsicht des Angeredeten angewiesen ist. Aber ist Caesar überhaupt so großzügig? Cicero schreibt 54 a.Chr. f a m . 7,5,3 an Caesar über Trebatius: de q u o tibi homine haec s p o n d e o n o n illo vetere v e r b o m e o , q u o d , c u m ad te de Milone scripsissem, iure lusisti, sed more R o m a n o , q u o m o d o h o m i n e s n o n inepti loq u u n t u r , probiorem h o m i n e m . . . esse n e m i n e m . Und 4 6 a.Chr. schreibt Cicero an Atticus A t t . 12,6,4: Caesar . . . mihi inridere visus est ,quaeso' illud t u u m , q u o d erat et εύπινές et u r b a n u m . Caesar ist also gegenüber Besonderheiten im Ausdruck der Leute, mit denen er zu t u n h a t , sehr empfindlich u n d m o k i e r t sich gern über derlei Dinge. Für u n s besonders interessant ist: Jedenfalls der Spott, den Caesar gegen Cicero geäußert hat, scheint ein antiquiertes Wort b e t r o f f e n zu h a b e n . Aber auch die Kritik am quaeso des Atticus k ö n n t e sich gegen einen altfränkischen Ausdruck r i c h t e n 2 8 .

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Was Cicero an der zitierten Stelle mit „selten" meint, dürfte seine rednerische Praxis jedenfalls einigermaßen illustrieren. Dazu 60, wo auch auf suboles Cie. Marceil. 23 - also vor Caesar - hingewiesen ist Ein erstmals von Latte, JRS 27, 1937, 301 bemerkter Sachverhalt So ζ. B. Geizer 167 A.362; Vretska I 43, unter Hinweis auf Dietz 180 ff. Das eigentliche Problem ist jedoch nicht recht getroffen, wenn Dietz ausführt, auch als Caesarianer habe man altertümelnd schreiben könnea Es geht ja nicht darum, wie überhaupt einmal Parteigänger Caesars schrieben. Die Frage ist vielmehr: War es tunlich, in einer Denkschrift zu archaisieren, durch die Caesar zu gewissen politischen Aktionen bestimmt werden sollte? Außerdem sind Archaisten unter Caesars Anhängern anscheinend nicht nachzuweisen. Die Untersuchungen aus dem ausgehenden 19. Jh., auf die Dietz sich beruft, haben kaum derartige Beweiskraft. Dazu 115 ff. Nach der üblichen Deutung, die etwa auch Tyrrell-Purser IV (1894) ζ. St. vertreten, 347

Nach den vorgelegten Zeugnissen ist gar nicht zu bezweifeln, daß Caesar auf die ausgesprochene affectatio priscorum verborum der Briefe nur mit ludere und irridere hätte reagieren können 29 . Darüber hätte sich auch Sallust im klaren sein müssen30, ganz gewiß nach dem Experiment der älteren Epistel 31 . Zweimal hintereinander soll Sallust Caesar für seine politischen Ideen mit einer Stilisierung zu gewinnen versucht haben, die den Autor bei dem Adressaten lächerlich machen mußte: Das ist sehr unwahrscheinlich32. Dagegen könnte es nicht ver-

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hätte Caesar sich daran gestoßen, daß Atticus sich des Wortes quaeso zu häufig bediente. Aber aus Ciceros Bemerkung ist nichts dergleichen zu entnehmen; sie deutet eher darauf hin, daß das Wort als solches Caesars Spott herausforderte. Ciceros eigener Sprachgebrauch wäre damit zu vereinen: In der Rede für den König Deiotarus, der einzigen nach Att. 12,6 gehaltenen oratio Caesariana, verwendet er nie quaeso. Daß quaeso immerhin nicht ganz wie ein beliebiges Wort der lebenden Sprache klang, indiziert die Charakteristik ei-nwes. Doch hat die Stelle auch bei der herkömmlichen Interpretation für unsere Darlegungen genügende Beweiskraft Das hat man sonst gern mit dem Hinweis auf Caesars Äußerung GelL 1,10,4 (=gramm. frg. 146,2 Fun.) wahrscheinlich zu machen gesucht: ut tamquam scopulum sie fugias inauditum atque insolens verbum. Vielleicht mit Recht. Allerdings hat Caesar sich entgegen etwa der Meinung Cordiers 7 A.3 - in dem Ausspruch nicht unmittelbar gegen den Gebrauch altertümlicher Wörter gewandt. Gewiß hält Favorinus bei Gellius den Satz Caesars vor adulescenti. . . plerasque voces nimis priscas . . . in cotidianis . . . sermonibus expromenti (GelL 1,10,1). Aber zu Caesars Zeiten gibt es diese Art von Extravaganz nicht; Caesar hat anders als Gellius-Favorinus danach auch keinen Anlaß, vor dem Gebrauch eines sermo multis annis iam desitus zu warnen. Lehrreich Cie. off. 1,111 sermone eo debemus uti, qui natus est nobis, ne ut quidam Graeca verba inculcantes iure optimo rideamur eqs.: An die Möglichkeit, daß jemand den sermo anderer Zeiten spricht, wird nicht gedacht; es tut eben niemand dergleichen. Der gellianische Favorinus gibt also dem Ausspruch Caesars eine spezielle Bedeutung, die dieses Dictum nicht ursprünglich gehabt haben kann. Zu dem praeeeptum sonst noch Dahlmann, RhM 84, 1935,262; Dihle, Analogie 192 f. Mutatis mutandis mußten für Sallust die Ratschläge gelten, wie sie Ov. ars. 1,463 ff.; 3,479 ff. vorgetragen werden. Ein vielleicht sich aufdrängender Einwand: Auch Cicero und Atticus haben, wie die angeführten Briefstellen zeigen, es an Rücksicht auf Caesars Empfindlichkeit gelegentlich fehlen lassen - warum nicht ebenso Sallust? Bei Cicero und Atticus handelt es sich um vereinzelte Kleinigkeiten, auf die die Schreiber kaum viel Überlegung verwendet haben und Caesar nicht voraussehbar achten mußte. Bei Sallust ging es um ein bewußtes, den ganzen Text beherrschendes Stilexperiment, über dessen Wirkung auf den Adressaten der Autor sich unbedingt hätte Rechenschaft ablegen müssen. Außerdem hat Cicero aus seinem Fehler gelernt, Sallust hätte es nicht getan. Vretska I 43 A.35 - vorher schon WS 70, 1957, 312 A.34 - sucht derartige Erwägungen mit einer Analogie zu widerlegen: „Danach hätte etwa Brutus mit Caesar attizistisch, mit Cicero ciceronisch korrespondieren müssen". Lassen wir es auf sich beruhen, daß wir gar nicht wissen, wie Brutus mit Caesar korrespondiert hat. Die Parallele wird weder dem Zweck der Briefe gerecht, die ja nicht Teil einer beliebigen Korrespondenz unter Bekannten sind; noch entspricht sie der Tatsache, daß das Archaisieren der Briefe ein neuartiges Experiment wäre und nicht eine Ausdrucksweise, die bei dem Autor und manchen seiner Zeitgenossen üblich wäre.

wundem, wenn ein späterer Fälscher der Briefe das Archaisieren des Historikers Sallust nachgeahmt hätte 33 . 33

Die Einrede, dafi an die aufgewiesenen Unwahrscheinlichkeiten auch ein Rhetor hätte denken müssen, verfinge nicht Für einen Späteren war eine archaistische Prosa und vor allem die des Klassikers Sallust nichts Besonderes mehr; dazu 336 ff. passim. Wenn ein kaiserzeitlicher Fälscher sich in die ganz anders geartete Stilsituation der ausgehenden Republik nicht hätte hineindenken können, so wäre das nicht befremdlich.

Nachtrag In diesem Buch habe ich zu verschiedenen Einzelpunkten Untersuchungen versprochen. Davon sind inzwischen erschienen: Zur rhetorischen Theorie des Archaismus: Hermes 97, 1969, 57 ff. Cie. De orat. 3,153: Caeüus oder Laelius?: MH 27, 1970, 41 ff. Es werden erscheinen: Eine pollionische Bemerkung Suet. gramm. 10,1 (Rob.) und der Name des Ateius Philologus, in: Hermes. pluria und compluria in lateinischer Sprache und römischer Grammatik (mit dem Anhang: Nigidius Figulus Gell. 17,13), in: RhM.

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Abkürzungen und Literatur

Lateinische Literatur wird nach dem System des Thesaurus linguae Latinae zitiert; doch werden abweichend von der Thesauruspraxis die Grammatiker- und Rednerfragmente nach den führenden Fragmentsammlungen angeführt Die Grammatikerfragmente, unter Angabe von Seite der Sammlung und Fragmentnummer, nach: F u η a i о 1 i , H.: Grammaticae Romanae fragmenta collegit recensuit - , Leipzig 1907 (abgekürzt: Fun.). M a z z a r i n o , A . : Grammaticae Romanae fragmenta aetatis Caesareae collegit recensuit —, Torino 1955 (abgekürzt: Mazz.). Die Rednerfragmente, unter Angabe der Nummer des Redners und des Fragments, gegebenenfalls auch der Fragmentzeile, nach: M a l c o v a t i . H . : Oratorum Romanorum fragmenta liberae rei publicae. Tertiis curis edidit - , Torino 1967 (abgekürzt: Male.). Die textkritischen Angaben sind im allgemeinen den jüngsten Teubnereditionen entlehnt. Zeitschriften und Sammelwerke werden in der üblichen Weise abgekürzt, d. h., soweit möglich, wie in der Armee Philologique. Ferner bedeutet: ALL: Archiv für lateinische Lexikographie und Grammatik, herausgegeben von E. W ö 1 f f 1 i n , 1-15. Leipzig 1884-1908. Entretiens: Entretiens sur l'antiquite classique IX, Varron, Geneve 1963. Thes.: Thesaurus linguae Latinae, Leipzig 1900 ff. VIR: Vocabularium Iurisprudentiae Romanae, Berlin 1903 ff. Nur mit Autorennamen oder Autorennamen und abgekürztem Werktitel wird auf folgende moderne Literatur verwiesen: A n d r e , J.: La vie et l'oeuvre d'Asinius Pollion, Paris 1949. A u s t i n , R.G.: M. Tulli Ciceronis pro M. Caelio oratio, edited by - , Oxford 1962 . - : Quintiliani institutionis oratoriae liber XII, edited by Oxford 1965 3 . A v e n a r i u s , G . : Lukians Schrift zur Geschichtsschreibung, Diss. Frankfurt, Meisenheim am Glan 1956. Α χ e 1 s ο η , В.: Unpoetische Wörter, Skr. Vetensk.-Soc. i Lund 29, Lund 1945. В a d i a n , E.: The Early Historians, in: Latin Historians, Chapters by E.A. T h o m p s o n etc., edited by Т. A. D о г e у , London 1966, 1 ff. В a r d ο η , Η.: La litterature latine inconnue I, Paris 1952. II, Paris Γ956. В a r w i с к , Κ.: Μ. Tullius Cicero, Brutus, Heidelberg 1949. - : Probleme der stoischen Sprachlehre und Rhetorik, Abh. Akad. Leipzig 49, 3, Berlin 1957. В a u m g a i t , M.O.: Untersuchungen zu den Reden des M. Porcius Cato Censorius I, Diss. Breslau 1906. B e r g m ü l l e r , L.: Über die Latinität der Briefe des L. Munatius Plancus an Cicero, Erlangen/Leipzig 1897. В 1 a s s, F.: Die griechische Beredsamkeit in dem Zeitraum von Alexander bis auf Augustus, Berlin 1865. В i r t , Т.: Jugendverse und Heimatpoesie Vergils, Leipzig/Berlin 1910. В о 1 a f f i, E.: Le style et la langue de Salluste, Phoibos 6 - 7 , 1951-1953, 57 ff.

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354

Register (Auswahl)

1. Namen und Sachen L. Accius 81; 286 actio 87; 94 L. Aelius Stilo Praeconinus 1 2 A . 5 ; 7 6 A . 4 9 Q. Aelius Q. f. Tubero 51 A . 1 3 ; 150 A . 1 2 4 Q. Aelius L. f. Tubero 1 4 9 f f . ; 199 A. 16; 286 A. 51; Identitätsprobleme 15 0 Α. 124; 151 A . 1 3 0 ; A.131 Q. Aelius Tubero, Adressat des Dionys von Halikarnaß 151 A . 1 3 4 M. Aemilius Q. f. M. n. Lepidus 152'A.134 M. Aemilius Lepidus Porcina 176; 186 M. Aemilius Scaurus 62f.; 69; 7 1 A . 26; 225 f. L. Afranius 81 M. Vipsanius Agrippa 336 A.3 Aischines 87 A.22; 157 A.10 T. Albucius praet. ca. 105 a.Chr. 56 A.31 P. Alfenus Varus cos. 39a.Chr. 1 1 8 A . 8 ; 1 1 9 A.12 altertümlich, veraltet, antiquiert, Begriffserklärung 12 f.; 15 altertümliche Ausdrücke, Verwendungsweise: passim; s. auch verba. Alliteration 28; 29; 234; 299; 315 A . 9 6 Deutlichkeit 311 Etymologie 28; 30; 118; 123; 144; 221; 275; 297; 299; 341 A. 5 Extravaganz, sprachliche 31; 147; 286 familiäre Unterhaltung 31; 60 Formel, erstarrt 293 Fülle des Ausdrucks 60 Gesetzessprache 28; 29; 30; 34; 126; 281; 299 gravitas 311 Juristensprache s. unten kosmisches Phänomen, Erklärung 30 Kultsprache 29; 30; 60; 246 Scherz 299 Variation des Ausdrucks 28; 30; 31; 293; 294; 295; 311 Verstorbene, in späterer Literatur redend 60; 288 Vorzeit, Behandlung 60

Analogie: grammatische Theorie 80 A.67; 174; 239 A.45; 267 f.; 275; 285; 286; 334 A.103; Wirksamkeit in der Sprache 212; 217; 226; 239 A.45; 253; 262; 288 Anastrophe 280 A. 37 T. Annius Cimber 153 f.; 1 6 0 f f . ; 332 A. 99 T. Annius Luscus 339 T. Annius Milo 152 A . 1 3 4 Anonymus Cie. opt. gen. 94; 95 A.48 antiqui 97 ff.; 1 0 2 f f . ; 105 f.; 1 0 6 f f . ; a. oratores bei Cicero 61 ff.; Stilqualitäten der a. 190 f. M. Antonius cos. 99 a.Chr. 4 3 f.; 52 A.16; 176; 187; 190 A . 3 3 M. Antonius, triumvir 163 ff.; 169; 173 ff. M. Aper bei Tacitus 97 ff.; 106 ff.; 135 f.; 146 Archaisieren passim; Begriff u. Feststellung des A. 12; 20 f. archaisch-klassisch, Begriffserklärung 15 f. archaisch u. vulgär passim; Prinzipielles 13ff. Archaismus passim; Begriff des sprachlichen A. 12 ff.; Feststellung des A. 16 ff.; orthographischer A. 18; A. als altertümliche Stileigentümlichkeit 19 f.; direkter u. indirekter A. 21 A. 25 Arellius Fuscus 336 L. Arruntius cos. 22 a.Chr. 1 6 9 f . ; 199 A. 18; 332 A.99; 337; Identität mit dem Historiker 169 A . 5 3 L. Arruntius cos. 6 p.Chr. 169 A . 5 3 Artorius 338 A . 1 3 Sempronius Asellio 223 ff.; 265 Asianismus 169; 173 A . 6 2 ; 174 C. Asinius Gallus 139 A.92 C. Asinius Pollio 29; 42; 81; 204 A.36; 336; Attizist? 136 ff.; u. Cicero 139; Klauseln 140 A.95; archaistische Neigungen? 140 ff.; Briefe 142; Reden 143;

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Geschichtswerk 143 ff.; Schrift gegen Sallust 316ff.: Datierung 316ff.; 329; Inhalt 322 f.; Identität mit der epistula ad Plancum? 323 A.71 Aspiration von Tenues 54 C. Ateius Capito cos. 5 p. Chr. 338 L. Ateius Philologus 316 ff.; 336 T. Pomponius Atticus 67; 70; 71 A.26; 348 A. 28; A. 31 u. passim άττικισμότ 54 f. Attizismus, römischer 83 ff. passim; 136 ff. passim; 166; 178; 181 ff. auctoritas 34; a. der Archaismen 39 ff.; a. der antiqui 64 Augustus Imperator Caesar divi f. 120 A. 16; 163ff.; 169f.; 326; 338f. Aussprache s. latitudo; urbanitas; rusticitas Bella, Afr., Alex., Hisp. 288 A.55 Bellum Alexandrinum 116 A.3 Bellum Hispaniense 231 A.16; 237 A.38; 261 A.114 Briefe, Stillehre für B. 46 f.; Sprache 115 ff. passim bes. 147;246ff. mit A.72;340ff. M. Iunius Brutus, Caesarmörder 68f.; 71; 74;78;79;84f.;90f.;100f.;138 A. 85; 140 A.93; 191 Caecilius Statius 78; 81 Q. Caecilius Epirota (?) 278 Q. Caecilius Metellus Macedonicus cos. 143 a.Chr. 28f.; 338f. M. Caelius Rufus 98f.; 132ff.; 188 C. Iulius Caesar 72 A.30; 288 A.55; 347 ff. C. Iulius Caesar Strabo 72 A.30 M. Calidius 96 A.52; 110f.; 338 Calvus s. Licinius Carbo s. Papirius L. Calpurnius Piso Frugi cos. 133 a.Chr. 68; 71; 75; 213f. Cassius Severus 148f.; 336 C. Cassius Hemina 211 ff. L. Sergius Catilina 152 A. 134 M. PorciusCatoCensorius83;96A.53;147f.; 160; 199; 265 A.129; 290 A.3; 326; 328 ff. bes. A. 83 u. 84; 331; 346; Sprar che der Reden 48f.; C. im Rhetorikunterricht der Republik 64f.; 7 I f f . ; С. in der Grammatik der Republik 75 ff.; 308f.; 325; u. Calvus 99f.; C.s Schätzung in der Kaiserzeit 109 ff.; 337 ff.; u. T. Annius Cimber 163 ff.; u. Vera-

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nius Flaccus 172; C. in Ciceros Brutus 176ff.; 190; 333 A.101; Sprache des Geschichtswerks 21 Of.; u. Sallust 303ff. M. Porcius Cato nepos cos. 118 a.Chr. 72; 339 M. Porcius Cato Uticensis 335; 338 Q. Lutatius Catulus 31; 32 A.48; 52; 59; 61 f.; 69; 71 A.26; 75; 176 Cestius Pius 138 A.85 Charis der lateinischen Sprache 86 A. 14; 111 χ 2 -Test 312ff.; 345 M. Tullius Cicero passim; Gebrauch von altertümlichem Sprachgut 26 ff.; 60f.; 309 f.; u. Geschichtsschreibung 43 f.; rednerische Ausbildung 66 ff.; u. Scipio minor 49; u. Laelius 49 ff.; u. Aspiration 54; u. Cato Censorius 72f.; über die Entwicklung der römischen Beredsamkeit 155 ff. M. Tullius M. f. Cicero 46 Α. 1 Claudius s. Quadrigarius P. Clodius Pulcher 152 A.134 L. Coelius Antipater 28 A.29; 70 A.22; 71; 149 A. 121; 211 A.5; 217ff.; 264ff.; 289; 338 compositio 61 f.; 76; 84ff.; 90 A. 36; 102ff.; 106; 135; 137 f.; 140; 159 f. consuetudo 25 f.; 33; 36 f. Cornelius, Historiker? 75 Cornelius Nepos 31 A.37; 70; 337 L. Cornelius Sisenna 58ff.; 75 A.45; 214; 216; 227 A.4; 267 ff.; 306; 338; u. Kleitarch 280; 286; u. Accius 286; u. Quadrigarius 286; u. Sallust 306; 307 A.29 M. Cornelius Fronto 15 A.12; 190f.; 206 A.42; 227 A.4; 255; 268 A.5 P. Cornelius Dolabella 124 ff. P. Cornelius Scipio Africanus maior 339 A. 15 P. Cornelius Scipio Africanus minor 49; 59; 65 A . l ; 66 A . l l ; 68; 78f.; 109ff.; 112f.; 186f.; 338 L. Aurelius Cotta tr. pl. 103(?) a.Chr. 5 I f f . ; 152; 188 Crassus s. Licinius C. Scribonius Curio avus praet. 121 a.Chr. 65; 67 C. Scribonius Curio filius tr. pl. 50 a.Chr. 132 f. Cynthius Cenetensis 285

Daktylen in Prosa 274 A. 24 Demetrios von Phaleion 156f. Demosthenes 156; u. die Attizisten 84ff.; 91 ff.; 96 A.52; A.53; u. Cicero 95 f. Dichtung, altrömische 80 ff. dignitas 33; 40 A.71; 346 f. diligentia 137 f. Dionys von Halikarnaß 44 f.; 89 A.32; 157 f. Ditrochäus 140 Dolabella s. Cornelius Domitius Afer 138 A.85 Domitius Marsus 337 Doppelausdrücke, tautologische 115 A.3; 294 A.4 M. Duronius 152 A.134 elegantia 50 bes. A.12; 119 A . l l Q. Ennius 64; 66 A.6; 70; 77; 81; 98 A.60; 116f.; 207; 210 A.4; 212 A.13; 217ff.; 222; 233; 239; 251; 266; 273 A.22; 333 A. 101; Euhemerus 27 A.21; 48 A.5; 210 A . l Epideiktik 36; 44 exilitas 94 f. Fabius Pictor 75 A.46; 227 A.4 C. Fannius 66 f. C. Fannius, Historiker 58 A.41; 71; 214 f. Favorinus von Arelate bei Gellius 142 A.99; 348 A.29 Fehlinterpretationen, antike 287 A.53 (Paulus-) Festus s. Pompeius C. Flavius Fimbria 56f.; 66; 67 Fortschritt der Beredsamkeit 69; 176 f.; 186 ff. Fronto s. Cornelius L. Fufius 56 f. Galba s. Sulpicius A. Gellius 76; 190f.; 203; 241; 294 A.4; 213 A. 14 Cn. Gellius 215 ff.; 265 genus grave sim. 179 ff. genus medium 180 genus tenue sim. 35 f.; 97; 110 ff.; 179 ff. γλώττα 26 Α. 17 Μ. Antonius Gnipho 317 С. Sempronius Gracchus 64 ff.; 68 ff.; 79 A.61; 177; 187; 190 A.33; 306 A.28; 338 Ti. Sempronius Gracchus 79 A.61; 187

gradatio 86 f. Gräzismen 55 A. 31 Grammatik, republikanische 73 ff.; augusteische 338 f. Grammatikerzeugnisse für sprachliche Altertümlichkeit 18 A.22 Hadrianus Imperator 19 A.22 Q. Haterius 202 A. 28 Helvius Mancia 152 A.134 Hemina s. Cassius. Hiat 159 f. A. Hirtius 116 A.3 Historikersprache, vorsallustische 116 A.3; 1 9 4 - 2 9 0 passim bes. 289 f.; 291 A.2; 307; 346 Historiographie, Stillehre der H. 43ff.; Schätzung der römischen H. 70f.; Präzepte des Philologus zur H. 318 bes. A. 56 Homoioteleuton 259 Q. Horatius Flaccus 36; 81 A.72; 338 horridum 34f.; 37 Q. Hortensius Hortalus 58; 62; 189 A. 31; 290 A.3. Hyperides, Hyperideer 90; 94; 97; 113; 177; 180; 182 Hyperurbanismus 54 imitari 98 A.59 Isokolie 259 Isokrates 103; 156 f. Itazismus 55 f. Juristensprache 118; 121 ff.; 127; 149ff. Klauseln s. compositio Kleitarch 280; 286 Kongruenz der Numeri 242 A.58 Konservativismus, sprachlicher 13 A.5; 49 A . l l ; 55 A.29; 261 A. 115; 281 Konzinnität 127; 197 Kriton bei Lukillios 167 Laelia 5 4 f. C. Laelius Sapiens 26 bes. A.19; 27 A.25; 28 A.29; 35; 49ff.; 59; 68; 78f.; 109ff.; 112 f.; 152; 186 f.; 338f. laetitia u. nitor in der Beredsamkeit 101 M. Iuventius Laterensis 129 A.50 Latinitas 242 A.58; L. der Alten 77ff. latitudo in der Aussprache 52 A.20; 55 ff.

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Lenaeus s. Pompeius C. Licinius Macer, Historiker 287 f. С. Licinius Macer Calvus 84 ff.; 94ff.; 100f.; 140; u. Attizisten 89f.; 97 ff.; u. Cato 99 f. L. Licinius Crassus 52 A.16; 61 f.; 64ff.; 69f.; 79 A.61; 116 A.4; 176; 177 A.5; 187; 190 A.33 T. Livius 72 A.31; 251; 339 A.17; u. Sallust 195 ff.; 337; u. Quadrigarius 238 A.44; u. Ps. Quadrigarius 264 A. 126; A. 127 C. Lucilius 55 A.31; 80 A.67 Lutatius s. Catulus Lysianer 20 A.24; 89ff.; 104 A.84; u. Calvus 97; u. Cato 113; 177 ff. Lysias 96 A.53; als rednerisches Vorbild 84; 89ff.; 97; L. mit Cato zusammengestellt 83; 179 f.; 182 f.; 185; 190 Ambrosius Macrobius Theodosius 80 A. 67; 171 Mancia s. Helvius Massalia 153 A.2 Messalla s. Valerius s. Vipstanus Metellus Macedonicus s. Caecilius Mevius 339 A.17 Milo s. Annius Miltiades, Rhetor 202; 204 f. miseratio 96 A.52 L. Mummius Achaicus 62; 68 Sp. Mummius 68 Munatius s. Plancus mutilus, rhetorischer Terminus 159 A. 20 Cn. Naevius 77; 81 A. 71 Namensänderungen, Spötteleien bei N. 317 Natürlichkeit in der Beredsamkeit 58 A. 38 Neologismus 13 A.7; 23; 25 A.15; 59; 134 A.70; 175; 267; 284 A.45; 286 Nepos s. Cornelius Niedersprachliches 124; 133; 211 A.5; 216; 221 A.40; 232;233; 238; 240; 247; 250f.; 261 bes. A.115; 262; 277; 280; 286; 291 A.2; 302 A.12; u. öfter obscuritas 37 f.; 160; 202; 310; 320 f. απηρχαιωμένα ονόματα

158; 3 3 2

Orthographisches: assimilierte Konsonanten 23 A.4; -ei- statt -i- 256 A.101

358

M. Pacuvius 66 A.6; 77 f.; 81 Paetus s. Papirius C. Papirius Carbo 68; 98; 187 L. Papirius Paetus 71 Paraphrasierung als Redeübung 116 f. Philistos 185 f.; 333 A.101 Pictor s. Fabius νίνος in Briefen 46 Α. 1 Piso s. Calpurnius L. Munatius Plancus 128ff.; 142 A.102; 323 A.71 T. Maccius Plautus 48; 77; 81; P. als sprachliches Vorbild für ciceronische Briefpartner? 116 ff. passim С. Plinius Secundus maior 244 A. 65 Poetismus, Begriff und Feststellung des P. 207 ff. Pompeius Lenaeus: Invektive gegen Sallust 326 ff.; L. Verfasser des Distichons Carm. inc. 6? 330 Pompeius Saturninus 55 A.29 Cn. Pompeius Magni f. 124 f. Cn. Pompeius Magnus 326 f. Sex. Pompeius avus Magni 62 Sex. Pompeius Festus 308 bes. A.31 probare = Sachlichkeit? 90 A. 35 Procilius 75 Purismus 14; 17; 35; 51; 54ff.; 56 A.31; 203f.; 230; 235; 240; 241; 245; 248; 256; 262; 310 A.35; 334 f. Q. Claudius Quadrigarius 72 A.31; 80 A.67; 203 A. 32; 213 A.14; 214; 216; 227 ff.; 265 bes. A. 130; 286; u. das Bellum Hispaniense 237 bes. A.38; u. Livius 238 A.44; u. Ps. Quadrigarius 263 A. 124; 264 A. 126 Ps. Quadrigarius 213 A.14; 263f.; 286 A. 51 Reimassoziation 244 A.66; 246; 252; 274 rhetor 154 Α. 3 rusticitas 5 2 ff. P. Rutilius Rufus 50 A.12; 339 C. Sallustius Crispus 57 A. 37; 164 ff.; 251; Reden 147 ff.; u. Cimber 168ff.; 332 A.99; u. Arruntius 169f.; 172; 332 A.99; 337; u. Thukydides 170; 332ff.; u. Historikersprache 194 ff.; 307; u. Livius 195 ff.; erstmals bei S. bezeugte Ausdrücke 197; 303; Geschichtswerke

291 ff.; Provenienz der Archaismen 303 ff.; 307 A.28; u. Cato 303 ff.; 308 ff.; u. Sisenna 306; u. die Grammatik seiner Zeit 308 f.; u. Cicero 309 f.; Gebrauchsweise der Archaismen 310 ff.; Entwicklung des Sprachgebrauchs 314f.; 342; u. Asinius Pollio 316 ff.; u. Augustus 326; u. Lenaeus 3 2 6 f f . ; u. Varro 331 A . 9 6 ; u. Ciceros Brutus 335; S. in augusteischer Zeit 336 ff. Sallust (?) Briefe 164 bes. A . 3 4 ; 340 ff. Q. Mucius Scaevola Augur 50 A. 12 Q. Mucius Scaevola Pontifex cos. 95 a.Chr. 68 f. Scaurus s. Aemilius Scipio s. Cornelius σεμνότης 33 Sempronius s. Asellio s. Gracchus L. Annaeus Seneca pater 338 Α. 14 severitas 202 ff. Sisenna s. Cornelius sordes 135 A. 73 Stilo s. Aelius Stoa 90 A.35 subtilitas U l f . ; 119 A . l l C. Sulpicius Galus cos. 166 a.Chr. 176 P. Sulpicius Rufus 55 f.; 116 A.4; 188 Ser. Sulpicius Galba cos. 144 a.Chr. 51 A. 13; Ser. Sulpicius Galba cos. 144 51 A. 13; 68; 69 A.20; 98; 176; 339 A.15 Ser. Sulpicius Rufus 115 ff.; 338 συnjtfeia 36 Α. 17 Synonyme passim; Prinzipielles 17 f.; 20 f.; 208; 313 f. bes. A.43; 342 f. bes. A.8; 345 P. Terentius Afer 48; 79 A.64; 81; 116f.; 280 A. 37 Theophrast 45 A.5 Thrasy machos 103 Thucydidii 90; 1 0 3 f . ; 1 3 6 f f . ; 154ff.; 163; 333 A.101 Thukydides 44; 91; 103; 153 ff.; 201; u. Cimber 15 3 f.; 166 ff. ; bei Dionys von Halikarnaß 158; mit Cato zusammengestellt 185 f.; 333 A.101; u. Sallust 332 f. Thukydidesimitation, griechische 161 ff.; 166 f. Tiberius Imperator 56 A.31; 339

M. Tullius Tiro 337 Α . 9 Tubero s. Aelius Tyrannion 154 A . 3 tyrannus 154 A . 3 Umgangssprache s. Niedersprachliches Unterricht, rhetorischer 64 ff. urbanitas 54 f. Valerius Antias 72 A.31; 75; 261 f.; 264 A. 126 M. Valerius Messalla Corvinus cos. 31 a.Chr. 56 A.31; 338 M. Terentius Varro 13 A.5.; 26 A.16; 31; 53 A.23; 58 A.41; 80 A.67; 141 A.98; 171; 267; 281; u. lateinische Reden 74 bes. A . 4 3 ; u. lateinische Geschichtsschreibung 75; u. Cato 75 ff.; Archaist? 331 A.96 P. Vatinius 115 A . 3 ; 1 2 6 f f . VeUeius Paterculus 338 A. 14 P. Ventidius 149 A.122 Veranius, Pontifikalrechtsschriftsteller 171 f. Veranius Flaccus 163 f.; 171 ff.; 332 A. 99 verba: v. antiqua Varros 26 A. 16; v. antiqua et sordida 201 ff.; (v.) inusitata 59; horrida v. 34 f.; sordida v. 1 3 5 A. 73; v. remota 45 verba prisca: in der Rede 3 2 f f . ; erklärungsbedürftige v. p. 35; novitas der v. p. 39; v. p. als ornamentum dicendi 35 ff.; vertraute v. p. 3 2 f . ; v. p. = v. poetica 32 Vergil u. Ennius 333 A. 101 Veritas „natürliche Redeweise" 157 Verrius Flaccus 73; 171 f.; 337 ff. Vibius Rufus 204 A. 35 Vipstanus Messalla 99; 101 A . 6 9 virilitas u. rusticitas 58 vis 88; 96 A . 5 2 Vulgärlatein s. Niedersprachliches vulgär u. archaisch passim; Prinzipielles 13 ff. Weiterleben von scheinbar ausgestorbenen Bedeutungen 134 A.67 Wörter, obszöne 298 f. Xenophonnachahmcr 90; 104 A.84 Zweikampfschüdcrungcn 231 bes. A.16; 238 f.

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2. Wörter und Grammatik (S. auch Register 1. — Die Assimilation der Konsonanten richtet sich nach der Gestaltung der zugrundegelegten Texte und ist daher nur partiell durchgeführt.)

ab bei Städtenamen 120 abhinc 135 A.73 abstrahere „abtrünnig machen" 129 A.50 ac s. atque accelerare 301 acetum 135 A.73 acrimonia 231 adedere 270 f. adgredi, Pass. 143 A.105 adhortatus, Pass. 252 Adj. -bundus 235; 256; 275; 303 adprime 239 f. adsentio 58 A.40; A.41 adtrahere 250 advecticius 303 advenientia 271 Adv. auf -im 220f.; 224 A.50; 225 A.54; 252; 269; 274; 275 f.; 280; 281; 283; 284; 286; 290 A.4 Adv. auf -iter 151 Α. 132; 244; 246; 251; 259 advorsum, advorsus, Präpos. 302 aeditumus 13 A. 5 aerumna 195 aevitas 309 aevum 143 f. agere „leben" 298 aetatem agere 298 aggeniculaie 221 agilis 270 agitare „leben" 298; 314; 341 f.; 345 secum agitare 121 vitam agitare 298 albere 278 albescere 278 A.33 alii, Gen. 218; 287 aliquamdiu 253 aliquantisper 253 alius modi 218 alterius modi 218 alternatim 252

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alternis 252 amentia 198 amplexare, -ri 246 animum advertere 125 ante, Präverb 222 ante . . . ferre, Tmesis 221 f. antistare 231 apisci 122 appellare 299 arbitrarier 212 f. arbor ilex 269 arboretum 244 arbustum 244 Argeus 18 Α. 22 arrabo 135 A.73; 203 f.; 241 artificiose 224 A.50 arvum 195 aspernari, Pass. 143 A.105 assequi „(ein literarisches Vorbild) erreichen" 92 A.42 assuescere 301 atque 210 bes. A.2; 211 A.4; 213 A.14; u. ac 286 A.51; 307 A.29 avare, avariter 259 auctor 296 f. audi(e)bam 18 A. 22 auditor 316 auspicare, -ri 254 auxisse, intrans. 304 A. 17 bellicosus 218 bellosus 218 bellum facere 198 benefactum 195 biber 215 bibere (dare) 215 bovinator 21 bullatus 79 A.60 caecus „dunkel": caecus fluctus 279 caecus avaritia 198

caedere 245 Α. 69 caedes - rapinae 198 caligo 283 callere mit a. c. i. 273 calvere, -vi 295 Calypsonem, Akk. 80 A.67 campsare 19 A. 22 cancer, Mask. u. Neutr. 251 cantabundus 235 cantans 235 capillus, Sg. u. PI. 240 capillus passus 240 carnificare 284 cautabundus 235 celatim 283 celerare 301 cena est cocta 211 A. 5 ceitatim 269 certatio 253; 276 ceterus 300 A. 7 chiridotus 79 A.60 cinaedulus 79 A.60 cinaedus 79 A. 60 circumcirca 14; 120 clare, clariter 251 claritas 275 claritudo 275; 308 A. 31 clarus 294 clipeus, clipeum 288 coa 134 A.70 coepisse 214; 295; phraseologisch 232 coeptare 295; 314 cogere mit Inf. 301; 343 sic cogitare, secum cogitare 120f. cognomentum 59 A. 46 se cohibere 121 cohortare, -ri 252 cohorticula 133 A. 65 collexi 288 collus, coUum 100 A. 67/8 columnarii 133 A.65 commemorare 25Of.; 254 commutatio 229 complura, compluria 259 comprehensare 245 concedere 237 concessio „Zusammenprall"? 236 A. 37 concessus „Erlaubnis" 236 A. 37 concessus „Zusammenprall" 236 f. confectus morbo atque aetate 294 conficere 299 confictus statt confixus, Part. Perf. 226

confidentia 133 f.; 231 confieri 119 congenu(c)lare 221; 272 congermanescere 259 congressio 236 A. 37 congressus, Subst. 237 conisus 236; 237 A. 39 consermonari 229 f. conservare a 230 A. 13 consolare, -ri 143 consuescere mit Inf. 301 consultor „Ratgeber" 296 f.; 306; 313; 340; 345 consultor „Ratsuchender" 296 f. consumere 299 contactus, Subst. 303 contagio 198 contendere 276 f. se contendere 288 continuari 283 continuo 222; 233 contristare 133 A.65 contumeliam facere 173 f. copiari 241 coram, Adv. 119 crebritas 281 crebritudo 281 crescere = oriri 196 crotalum 79 A.60 cuius, Adj. 19 A.22 cum - tum 53 A. 21 cumprime 230 cumprimis bei Adj. 230 cunctabundus 235 cunctans 235 cupiditas 198 f.; 292 cupido 198f.; 292; 304 A. 16; 313; 335 A.106; 337 A.8; 341; 345 curare mit bloßem Konj. 211 A. 5 curculio 135 A. 73 cursim 284 cursitare 133 A.65 damnare voto, voti 277 Dat. auctoris 234; 254 Dat. sympatheticus 235; 252 deabus 215 f. debetur credi 219 A. 34 decipere 295 dedecor 303 dedicare „kundtun" 218 A. 28; 219 f. defectio solis, defectus so lis 217

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defendere 295; defendere a 257 f. defensare 295; 307 A. 29; 341; 342; 345 f. deficere „schwinden" sim. 217; 223 defictus statt defixus, Part. Perf. 226 dehonestamentum 303 dehortari mit Inf., dehortari a 304 f. Deklination (Schwankungen): Gen. Sg. 4. Dekl. -i, -us, -uis 237; 271 5. Dekl. -e, -ei, -es, -i 129; 233; 244;283 alii: 218 Dat. Sg. 5. Dekl. -e 285 Akk. Sg. auf-onem 80 A. 67 Abl. Sg. 2. u. 4. Dekl. 271; 284 3. Dekl. -e, -I 123; 234 f. Norn. PI. 276; 279 Gen. PI. 2. Dekl. -um, -orum 121; 129; 144; 268 A.4; 280f. 3. Dekl. -erum, -urn 217 4. Dekl. -urn, -uum 259 Dat. (Abl. ) PI. 1. Dekl. -abus 215 f. Akk. PI. 3. Dekl. -es, -is 24 delectaie „täuschen" 250 delectatio „Betrug" 250 delinquere „schwinden" sim. 151 A. 132; 218 A. 28; 223 deliquio solis, deliquium solis 217 demagis 18 A. 22 dementia 294 Deminutiv 121 A. 20 depopulare, -ri 260 depulsus u. depultus, Part. Perf. 24 derepente 245 descendi, -didi 262 desenescere 303 desidia 293; 342 A.6 non desistere quin 127 f. despectare 303 despolari, despoliare 239 desubito 244 f. detestabilis 294 deum, Gen. 129; 144 deus, Sg. u. PI. 282 dextimus 308 A. 31 dicier 126 die, Dat. 285

ecfatum 30 tali genere editus 263 effari 26 A. 19; 29f.; 309f. egregiissimus 174 elexi 288 eloquentia 149 A.121; 292 embaenetica 133 A.65 endo 309 enim, voranstehend 258 enixe 280 enixim 280 ensis 211 A.4 -ere, -erunt im Perf. 199; 210 A.2; A.4; 211; 303; 304; 307 A.29; 341; 346 ergo, Präpos. 246; 281; 309 errare 295 evertere 237; 302; 307 A.29; 344 A.14 evincire 212 exercere 341 A.5 exercitare 341 A.5 exfundare 222 exigere cum 129 A.50 expolari, exspoliare 239 expolitissimus 79 A.60 exsercre 234 exsertare 234 exsuperabilis 230 f. cxtemplo 222; 233 extrinsecus 111 A.96

die quinti 211 A.5; 218 A. 28; 220 diem suum obire 121 f. discordiosus 303 discupere 133 A.65 dispalari 273 dissipare 299

fabricare, -ri 24 fabulari 14 facies, Gen. 233; 244 facii, Gen. 244 facinus 174; 303

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diu „tags" 296 diurnare 231 divus, Sg. u. PI. 281 f.; 285 f. doli, PI. 247 f. dolus malus 247 dominari 295 dubitanter 220 dubitatim 220f.; 276 ducere 298; 307 ducier 49; 79 A.60 ductare 298; 307; 314 f. ductor, Subst. 221 duellum 309 duritudo 309 dux 221

factum, Subst. 303 facundia 149 A. 121; 2 9 2 ; 307 A. 29; 3 1 3 facundiosus 2 2 4 A . 5 0 per fallaciam, per fallacias 2 4 0 false, Adv. 285 familiare, Abl. 123 fari 26 A. 19; 29 A. 33 fax im 3 0 9 f. ferro saeptus 307 Α. 28 festinanter 275 f. festinare, trans. 3 0 1 ; 3 1 4 ; 315 festinatim 275 f. festinus 3 0 3 fictus statt fixus, Part. Perf. 2 2 6 fide, Gen. 1 2 9 fidem solvere, fidem exsolvere 129 A. 5 0 fieri 2 1 9 finem facere 2 3 2 f. finis, Fem. 2 2 1 ; 2 7 5 ; 2 8 6 ; Mask. 221 fixus, Part. Perf. 226 fluvia 2 7 5 ; 2 8 6 ; fluvius 275 foramen 2 7 6 formidare, absolut 134 formido, Subst. 196 fortasse 2 2 2 ; 275 fortassean 275 fortis - strenuus 198 forum „Schiffsgang" statt forus 217 forus „Markt" statt forum 217 fragmen u. fragmentum 2 7 0 fremere 211 frui 241 frunisci mit Akk. 241 frustrare, -ri 2 7 7 ; 295 geniculare, -ri 221 genus 2 9 3 Genusangleichung des Verbs 2 1 8 f.; 2 9 9 Genusschwankung bei Verben 2 4 f . ; 1 2 2 ; 143; 2 2 4 ; 239 bes. A . 4 5 ; 2 4 6 ; 2 5 2 ; 254 ; 2 5 7 ; 2 6 0 ; 2 6 9 f . ; 2 7 7 f . ; 2 8 4 ; 295 Gerundium (Gerundivum) -und-, -end- 2 7 5 gladius 211 A . 4 gliscere, -ci 2 2 4 gnaritas 3 0 3 gnatus, natus 2 3 4 grandia Ingrediens 2 6 3 grandis 281 granditas 281 gratiam condire 111 A . 9 5 gruma 7 9 A . 6 0 grundibam 2 5 6

habentia 2 5 4 haud s. ullus u. umquam haurire pectus 235 f. hinnibundus 2 5 6 hinniens 2 5 6 multi homines 255 homo 297 homo, abundierend 1 2 7 ; 25 8 f. horrere 2 7 8 f . ; ala. re 2 8 3 f. horrescere 2 7 8 f. hortare, -ri 2 5 2 iacere „tot daliegen" 2 4 8 iacere 257 iactare 257 iaculari 257 icti, Gen. 237 ignara, Neutr. PI. Subst. 197 ignave, ignaviter 244 ignavia 2 9 3 ; 3 4 2 A . 6 illustris 294 imber, Fem. 2 5 9 imitare, -ri 1 2 2 immerens 278 immutilatus 303 imperare 295 Imperativ negiert durch nec, neque 1 2 2 Imperfekt -ibam 18 A . 2 2 ; 2 5 6 imperitare 2 9 5 ; 3 1 4 ; 341 f.; 345 imperitia 303 impoene 4 9 A . 8 impollutus 303 importuosus 303 imprimis, bei Adj. 2 3 0 impulsus, Part. Perf. 24 incelebratus 3 0 3 incertus, passivisch, mit indirektem Fragesatz 197 incidere mit Dat. 2 5 4 f. incile 133 A . 6 5 incipere 2 1 4 ; 295 inclitus, inclutus 211 A . 4 ; 2 9 4 ; 304 A . 1 6 ; 308;314 incolumior, Komp. 231 incruentus 303 incultus, Subst. 197; 3 0 3 ; 3 4 2 A . 6 incuriosus 303 indicare 2 1 9 indulgentia 223 indulgitas 2 2 2 f . ; 223 A . 4 5 ; 2 7 4 inertia 2 9 3 ; 3 4 2 A . 6 infecunditas 303

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infecundus 303 infictus statt infixus, Part. Perf. 226 Inf. Fut. Akt. -шиш (esse) 248 Pass, -turn fore 249 -tum iri 249 A. 79 occupatas futurum 248 f. Praes. Pass, -i 49 A. 9; 213 -ier 48 f.; 126; 212 f. ingeniculare 221 inhorrescere 278 f. inimice, inimiciter 151 A. 132; 246 inlatebrare 241 inlicere 250 innocens 278; 294 innoxius 278; 294 innoxus (?) 278 inquies 303 insania 294 insomnia, Fern. 197; 292; 304 A. 16; 341; 345 insomnium 197 insons 294; 308; 315 A.46 insuescere, intrans. mit Inf. 301; 303 intectus 303 integrare . . . caedem 276 intellegi 299 interitus „umgekommen" 260 interrogare 245 A. 69; 296 intestabilis 294; 306; 335 A. 106 Intransitivierung 253 A.93; 304 A. 17 intutus 303 invius 303 irritamentum 303 iuxta 269 iuxtim 269 Konjunktiv ohne ut 125; 211 A.5; 232 labrum 278 laetiscere 282 languor 293 lanterna 135 A. 73 lapidum, -erum, Gen. 217 Lautwandel e > i 52 о >u 126 f. oe > и 24 libro statt in libro 322 limus 260 A. 110 lomentum 133 A. 65 longinque 268 A.5 lues 287 f. lutus, lutum 25 9 f.

364

luxuria (luxuries) 292 f. luxus, Subst. 200 A.20; 292 f.; 335 A. 106 per luxum atque libidinem 200 A. 20 mador 303 magistratum, Gen. 259 magnifice loqui 198 maiorum suum, Gen. 280 f. manualis 271 materies, Gen. 244 A. 65 maturare, trans. 301 mediterraneus 285 mediterreus 285 meminisse mit Akk. 254 memorare 2 5 0 f . ; 302; 304 A. 16; 307 A. 29; 308 memordi 262 mentionem proicere 277 mille, Subst. 80 A. 67; mit abhängigem Gen. 249 mille, Adj. 249 millus 79 A. 60 μιν 154; 167 f. minimo opere 287 mirare, -ri 269 f. miseretur = unpersönliches miseret 257 mittere mit finalem Inf. 220 mittere „mißachten" mit sächlichem Objekt 270; mit Inf. 270 A . l l mittere „(Geschosse) versenden", trans, и. intrans. 257 moderari 295 moechus 133 A.65 mollitia 293; 342 A.6 montis, Akk. 24 multi mortales 211 A.4; 255 f.; 315 omnes mortales 143; 255; 315 quoiquam mortali 342 mcrtalis „Mensch" 144; 255 f.; 297; 307 A.29; 313; 315; 340; 341; 346 multifariam, Adv. 308 Α. 31 munificentia 303 murmurare, -ri 254 nactus, nanctus 142 A.102 nanus 135 Α. 73 ne - quidem 240 ne - quoque 240 nec, neque, Negierung des Imperativs 122 necessitas „Notwendigkeit" 2 2 4 f . ; 303; „Freundschaftsbindung" sim. 224 f.

necessitudo „Notwendigkeit", „Freundschaftsbindung" sim. 224 f.; 303 neglegentia 293 f.; 342 A.6 neglegere mit а. c. i. 174 neglegi u. neglexi, Perf. 288 nemorosus 303 nequiie mit Inf. Akt. u. Pass. 299 nequitur 299; 304 A.16; 308; 311 nihil (nil, пес) morari 174 nimis „sehr" 131 A.56 nimisquam 131 A.57 nisi, adversativ 120 niti pro ala. re 306; 341 summa vi niti 305 nitrum 133 A.65 nobilis statt notus 308 A.31 nocte mit Attribut 249; 277 noctu 249 f.; mit Attribut 249 nola 134 A.70 nominare 299 поп s. ullus u. umquam поп numquam 131 A.55 поп nullus 130 f. noscitare 134 A.70 notities, Gen. 244 A. 65 novissimum 12 A. 5 nullus 130 nuncupate „benennen" 30f.; 299; 303; 308; 311 vota nuncupare 30 nutri(e)bam 18 A.22 obiter 19 A.22 obsidium 79 A.60; 308 A.31 obtentus, Subst. 303 obtruncare 269 sua occasio 129 A. 50 sol occasus, sol occidens 229 solis occasus 229 occldere 245 A.69 occipere 214; 271; 279; 285 f.; 295; 306; 307 A.29; 314 ocissime 223 ocius 223 odivi 174 oleabus 215 f. ollus 34 A.55; 310 opes augere 198 opes crescunt 198 opinabar 31 f. oppidum, Gen. 121 opturarier 48

opulens 303 opus est mit Abi. Part. Perf. 309 A. 34 orbi, Lok. 123 oreae 79 A. 60 os (ora) - oculi 198 ospicare 254 Ossum 216 ostentus, Subst. 303 otia, in otiis 242 ff. otiolum 133 A.65 palari 295; 307 A.29 palpari 142 A. 101 patrare 299; 304 A.16; 307 A.29; 313; 337 A.8; 341; 345 f. parricidatus 134 A.70; A.71 pars magna, maior, maxima, bene magna 300 partim mit Gen. 258; 259 paucabus 215 f. paucie(n)s 218 A.28 pausa 232 f. pecora, pecua, pecuda, pecudes 276 pedetemtim 218 A.28 penis 302 peposci 262 pepugi 262 peragere 299 peragier 48 f.; 309 percutere 272 perdere 299 perdolitum est 234 perduellio 25 A. 15 Perfekt: -di, -didi 262 -legi, -lexi 288 3. Ps. PI. -ere, -erunt 199; 210 A.2; A.4; 211; 303; 304; 307 A.29; 341; 346 Reduplikation 262 odivi 174 perdolitum est, perdoluit 234 solui, solitus sum 222; 301 perficere 299 pernicii, Gen. 283 persubhorrescere 278 f. perturbare 272 pestis 196 petere aim. aid. 125 petiturire 299 pigritia 293 f. piissimus 174 pilatim 224 A.50; 225 A.54

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plenum esse mit Gen. 283 f. plerus 309 plerusque usw. 300; 304; 313; 341; 345 Plural, ampüfizierende Kraft des PL 28 A.26; 243 pluria 259 plurimum (plus) pollere 300 poenire 24 Poenus 240 A.48 pollens 300; 303 pollere 198 A.12 polliceri 296 pollicitari 295 f. ponte, ponti, Abi. 234 f. poposci 262 populabundus 275 populans 275 populäre, -ri 260 portabus 215 f. Possessivpronomen bei Verwandtschaftsbezeichnungen, Gen. PI. 280 f. posterior, Neutr., posterius 212 potens 300 potestur, sim. 79 A.60; 218 f. potiri mit Gen. oder Abi. 306 A. 26; mit Akk. 273; 306 A.26 praeceps 273 A. 18 praecipitare 273 A. 18 praeclare, praeclariter 251 praeclarus 211 A.4; 294 praefestinanter 281 praefestinatim 281 praepedire 288 A.55 praestolari 271 praeteritum tempus 129 A.50 praeterpropter 15 A.12 pre(he)nsare 245 primordium urbis (primordia urbium) 200 A. 20 principium 200 A. 20 prior, Neutr. 212; 262; prius 212 priscus, prisca severitas 144 privus 308 A.31 procedundo 275 prodigere 299; 308 f.; 335 A.106 proelium nox diremit 198 proficere 253 progenies 293 proles 28f.; 32; 37; 41; 293; 303; 311 proloqui 280 promovere, intrans. 253 propellere 272

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properanter 284 properantia 303 properate 284 properatim 284 properato 284 properus 309 proprius = diuturnus sim. 274; 276 prora, *proris 279 prosapia 12; 293; 304; 308; 311 protelare 272 provolare 241 pudicabus 215 f. puellabus 215 f. pugnare in, contra, cum 228; ad 228 A.6 puleium 135 A.73 pulsare, pultare 24 pulsus, Part. Perf. 24 pulverulentus 238 quaerere „fragen" 296 quaesere u. quaerere 296; 308; 314 quaeso 348 A.28 qüamquam 343 A.13; mit Konj. 128 A.45 quamvis mit Ind. 128 quarto consul 223 -que 213 Α.14 -que -que 131 f.; 300; 307 Α. 29; 341 f.; 346 ques = (ali)qui, Nom. PI. 309 qui = quomodo 119 f. quiapropter 79 A.60 quicquam mit Gen. partitivus 247 f. quid eius modi 247 quid est quod 119 quidam, deklassierend 317 A.54 quies, Adj. u. Subst. 287 quietus 287 quin: paene - quin, vix - quin 25 2 f. quippe qui mit Ind. 301; 313; mit Konj. 301 raptabus 215 f. re eapse 79 A.60 rebus agentibus 174 A.64 reciprocare 263 A. 123 recordare, -ri 252 redintegrare 276 regum, -erum, Gen. 217 relinquere in medio, in medium 241 reliquum est mit Konj. 125 reluere 287 remedium 198

r e m o t u s 4 5 Α. 6 r e p e n t e 2 4 5 ; 2 7 3 Α. 22 repulsior 24 secum r e p u t a r e 121 reri 26 A. 19; 31; 1 4 4 ; 3 0 1 ; 3 0 8 res m o n e t 129 A. 50 r h e t o r 154 A . 3 r o b o r a r i u m 7 9 A. 60 rogare 245 A . 6 9 ; 296 rogitare 296 r u b o r e s 2 4 3 A. 60 r u c t u o s u s 134 A. 70 rusus 125 saepe solere 33 A. 5 1 saltuatim 283 sambuca 7 9 A. 60 sanctimonia 2 2 8 f. sanctitas 2 2 8 f. sanctitudo 2 2 8 f. sanguen 3 0 9 sanguinolentus 2 3 8 satuia 3 0 8 A. 31 saviare, -ri 246 scaturire 133 A . 6 5 sculna 135 A. 7 3 s e c u n d u m , Präpos. 1 2 3 secus statt s e c u n d u m 135 A. 73 secus, „ G e s c h l e c h t " 225 sedare, intrans. 2 1 6 semionustus 2 8 4 semiplenus 284 semipletus (?) 3 0 3 senati, senatus, senatuis, G e n . 271 senectus, A d j . 2 9 4 senilis 294 septimo consul 257 sermonari 2 2 9 f. serracum 135 A. 73 servare a 2 3 0 servus, Adj. 127; 197 sexus 225 sibilus, Abl. sibilu 284 siem 4 9 A. 8; 4 9 A. 10; 79 A . 6 0 ; 309 significare mit Finalsatz 2 3 2 Simplex s t a t t K o m p o s i t u m 2 4 5 ; 2 5 0 f. simulare mit bloßem Inf. 2 5 0 simus statt sumus 101 A. 75 kollektiver Singular 2 4 0 A. 4 8 sivi 226 socordia 2 9 3 ; 304 A. 16; 3 0 7 A . 2 9 ; 308; 335 A. 106; 3 4 1 ; 3 4 2 bes. A . 6 ; 346

per s u m m a m socordiam 3 4 2 soletur dici 2 1 9 A. 34 solitus sum 2 2 2 ; 301 solui 2 2 2 ; 3 0 1 ; 304 A. 16; 3 0 8 sons 196 sonus, Abl. sonu 271 f. sopor 134 A. 70 spargere „ a u f w i r b e l n " 2 5 6 ; „ s c h i e ß e n " 257 spepondi 2 6 2 σφιν

1 5 4 ; 1 6 7 f.

spoliare, -ri 2 3 9 sponda 134 A. 70 spongia 135 A. 7 3 spopondi 262 sputatilicus 5 9 ; 286 stare ala. re 2 8 3 f. stolidus 3 0 8 A. 31 strenuissimus 174 suasor 2 9 6 f. subhorrere 2 7 8 f. subigere m i t Inf. 3 0 1 ; 3 0 3 ; 3 1 4 ; 341 ff.; 345 subito 2 4 5 ; 2 7 3 A. 22 sublices 3 0 8 A. 31 subnixus 2 3 9 suboles 21; 29; 1 4 2 ; 3 1 0 subolem propagare 29 subplicium statt supplicium 23 subrostrani 133 A . 6 5 subvellere 79 A. 60 subvertere 2 3 7 ; 3 0 2 ; 307 A. 29; 344 A. 14 suffragare, -ri 284 superessc ali. 142 superne, supernus 2 8 2 f. supersedere m i t Inf. 2 8 0 supra, Stellung 2 7 9 f. susurratores 133 A . 6 5 s. v. b. e. 124. s. v. g. 124 f. tabes 3 0 8 A. 31 tametsi 343 A. 13 tanger 215 A. 17 T a u , d o p p e l t e s 1 5 4 ; 167 f. tempestas „ Z e i t " 27 f.; 2 1 8 Α. 28; 2 9 7 ; 304 Α. 16; 3 0 7 ; 3 0 8 ; 3 1 3 ; 337 Α . 8 ; 3 4 1 ; 3 4 6 ; „ U n w e t t e r " 27; 297 his t e m p e s t a t i b u s statt his t e m p o r i b u s 341 t c m p u s 2 9 7 ; 307 t e m p u s m a g n u m „lange Z e i t " 256 terreus 285 tertio, t e r t i u m consul 2 2 3

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Tmesis 221 f. to-Büdung des Part. Perf. 24; 226 topper 222 f. torpedo „Schlaffheit" 297 f.; 304; 314; 335 A. 106; 341; 342 bes. A.6; „Zitterrochen" 297 f. torpor 293; 297 f. torques (torquis), Mask. u. Fem. 237 bellum tractare 220 trahere in 129 A. 50 Transitivierung 212; 315 A.45 transvorsos agere 305 transvorsum trudere 305 tum 273 f. tum repente 274 A. 23 tum subito 273 f. turbamentum 303 tyrannus 154 A. 3 haud ullus 131 A.55 non ullus 130 f. uls 309 haud umquam 131 A.55 non umquam 131 A.55

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unguentatus 79 A.60 uti mit Abi. u. Akk. 277 vagare, -ri 295 vecordia 294; 314; 335 A.106 vellicatim 283 verminatio 251 verminatum „Würmerkrankheit", Subst. 251 verruca 310 Α. 35 verticosus (verticulosus) 303 vesania 294 magnum viaticum 231 vicatim 274 vigilia 197 A.9; 292 vinosus 79 A.60 virgultus 303 virosus 79 A.60 vis - virtus 198 vitabundus 303 vitae, PI. 242 vivere 298 volt statt vult 126 f. volvere, volvere in caput 272 f. vulgus, Mask. u. Neutr. 274

3. Stellen Accius trag. 78: 219 Aischines Tim. 183: 33 A.52 Antonius frg. Cie. Phil. 3,22: 173 f. 13,33: 174 13,35: 174 13,36: 174 13,42: 174 13,43: 174 Appian Iberica 39,160: 71 A.28 Apuleius apol. 38: 59 A.42 met. 9,2,6: 236 Α. 37 Aristeides rhet. 6,10 Schmid: 33 A.52 64,17 ff. Schmid: 38 A.64 103,18 ff. Schmid: 40 A.72 Asconius Mil. p. 42,5 ff.: 149 Asellio hist. 4: 224 5: 224 f. 7: 225 10: 224 A.50 13: 224 A.50 14: 224 A.50 Augustinus doctr. Christ. 4,115 G.: 180 A.15 Bellum Alexandrinum 52,4: 134 A.66 Bellum Hispaniense 25,4: 231 A. 16 25,7: 236 f. 26,3: 124 f. 31,7: 288 A.55 Benedictus reg. 35,12: 215 Brutus et Cassius Cie. fam. 11,3,4: 122 A. 22

Caelius Cie. fam. 8,8,9: 133 f. 8,10,1: 134 or. frg. 162,17 Male.: 135 Caesar civ. 3,31,1: 317 A.53 gramm. frg. 146,2 Fun.: 348 A.29 154,20 Fun.: 80 A.67 Calpurnius Piso hist. 8: 214 27: 214 36: 214 Calvus or. frg. 165,23 Male.: 86 A.16 165,25 Male.: 86 f. 165,28 Male.: 86 A.16 165,35 Male.: 100 A.67/8 Caper gramm. VII 103,9f.: 203 A.30 Carm. ine. Char, gramm. p. 10,25 В.: 28 15 (Sacerd. gramm. VI 462,1 f.): 326A.79 16 (Quint, inst. 8,3,29): 329f. Cato agr. praef. 2: 55 A.30 agr. 2,3: 27 151,3: 76f. 154: 48 inc. libr. frg. 12: 210 A.4 17: 210 A.4 54: 76 f. or. frg. 1,8: 210 A.4 1,27: 306 2: 49 A. 8 9 1. 11 ff.: 306 21: 306; 309 orig. 20: 304 A. 17 57: 211 A.5 71: 211 A.4 83: 211 A.4; 310 A.35 86: 211 A.5 95 a: 305; 309 95 b: 305

Caecilius com. 293/4: 218

108: 48; 49; 213; 304f.; 309 Catullus 8,9 ff.: 122 bes. A.22

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Catullus 53,5: 87 64,73: 28 Α. 26 66,11: 28 Α. 26 66,7 2 f.: 130 Charisius grammaticus p. 67,23 ff. В.: 203 Α. 30 р. 67,26 В.: 216 Α. 20 p. 158,1 ff. В. (ex Romano): 215 p. 271,10 ff. В. (ex Romano): 19 A . 2 2 Cicero ac. 1,10: 87 A . 1 9 2,95: 30 2,97: 30 Att. 3,7,10: 7 9 A . 6 4 7,3,10: 50 8,14,3: 123 12,5,3: 71 12,6,4: 347 f. 12,22,3: 122 A . 2 2 13,8: 71 13,42,3: 30 14,7,2: 4 6 A . 1 15,1 a,2: 91 A . 3 8 15,16a: 46 Α. 1 15,17,2: 4 6 A . 1 Balb. 36: 35 Brut. 25 ff.: 156 A. 8 28 f.: 156 f. 29: 160 32 ff.: 145 f. 33: 103 37: 156 61: 48 61 ff.: 96 A . 5 3 ; 177 ff. 6 3 f f . : 113 A . 1 0 3 ; 1 8 2 f f . ; 335 A. 104; 337 A.9 6 4 f . : 73 64 ff.: 113 65: 100 A . 6 6 ; 148; 160 66: 73 A.39; 96 A . 5 3 ; 160; 185 f.; 265 A. 129; 333 A . 1 0 1 66 ff.: 180 f. 68: 3 4 f . ; 35 A.56; 76; 113; 182 A. 23 69: 68; 183 f. 77: 53 A . 2 1 78: 176 82: 68; 69 A.20; 176 82 f.: 186 f. 83: 35; 4 9 f . ; 51A.13; 6 7 A . 1 1 ; 78f. 83 ff.: 50 A. 12

370

Cicero Brut. 86: 50 Α. 12 91: 58 Α. 41 94: 5 1 Α. 13; 62; 68 95: 186 96: 176 97: 62 99: 67 101: 58 Α . 4 1 ; 215 103: 187 106: 68; 71 112: 63; 181 f. 116: 62 123: 68 f.; 69 Α . 2 1 125: 68 126: 69 A . 1 9 ; 187; 190 А . З З 127: 67 f. 132: 71 Α.26; 176 132 ff.: 6 1 133: 69; 71 Α.26 137: 5 2 f . ; 53; 56 138: 156 Α . 8 ; 176 140f.: 190 А . З З 143: 79 A . 6 1 147 f.: 68 f. 151: 116 A . 4 153: 118 f. 161: 69 A. 18; 1 7 6 ; 1 8 7 162: 157 A . 9 ; 190 А . З З 163: 68 Α. 16 164: 79 Α.61; 187 181: 152 Α. 134 228: 58 bes. Α.41; 59; 268 258: 78 2 5 8 f f . : 56 259: 52 259 f.: 59 273: 132; 136 280: 133 283: 89 Α . 3 0 283 f.: 94 f. 284: 91 284 ff.: 166 A . 4 0 287 f.: 154 ff.; 160 288 f.: 91 ff. 292 ff.: 184 ff. 294: 100; 333 A. 101 295: 68 296: 187 A . 2 9 300: 69; 74 301 ff.: 188 312: 130

Cicero Brut. 322: 176 f. 326: 62 Cael. 40: 70 Α. 25 carm. frg. 26: 27 Cato 42: 73 A . 3 9 44: 197 A.9 49: 217 div. 1,75: 28 2,30: 255 A.98 div. in Caec. 43: 66 A . 9 69: 67 A . 1 1 dom. 141: 30; 60 fam. 4,4,1: 118 f. 6,9,1: 130 7,5,3: 347 f. 9,21,1: 147 9,22,2: 71; 75 A.46 13,50,2: 230 A. 13 15,21,4: 9 6 A . 5 2 fin. 1,10: 60 Α. 50; 70 Α. 23 3,5: 59 Α.42 3,50: 130 5,24: 295 Font. 39: 66 Α. 10 inv. 1,4,5: 65 Α. 1 leg. 1,2,5: 70 1,6: 72; 190 Α.35 1,7: 58; 268; 287 1,8: 70 1,52: 123 Α.25 2,18: 31 Α.40; 34 2,59: 67 Α. 12 3,7: 28; 29 leg. agr. 3,9: 127 Lig. 10: 150 Α. 126 Marceil. 23: 29; 60 Mü. 8: 67 Α. 11 Миг. 58: 66 Α. 11 75: 51 Α . 1 3 nat. deor. 2,50: 217 1,82: 30 Α. 33 off. 1,54: 29 1,111: 348 Α. 29 3,71: 222 opt. gen. 6: 94 15 f.: 157 Α. 11 or. frg. A 14,20: 144 Α. 107 orat. 2 2 f . : 192 A.44 23 f.: 96 f. 25: 113 28 ff.:

166A.40

Cicero orat. 30: 33 A. 50 3 0 f f . : 104 bes. A.83; 1 5 4 f f . 31: 1 6 0 ; 1 6 3 32: 114; 1 5 9 f . ; 163 A . 3 0 40: 104 A . 8 2 65 f.: 4 4 A . 3 75 ff.: 89 80: 33 A.49; 39; 50 A . 1 2 80 f.: 148 81: 35 f.; 113 108: 179 A . 1 2 124: 36 132: 177 A.5 160: 54 167: 102 1 6 8 f f . : 1 0 2 f f . ; 107 A.85; 108 A.87; 206 A . 4 0 171: 107 174 f.: 103 177: 103 A.80 178: 159 A . 2 0 201 f.: 148 207: 44 A . 3 219: 103 222: 177 A.5 229: 85 A . l l 231: 157 A.9 233: 177 2 3 4 f . : 159f.; 166 A . 4 0 de orat. 1,12: 33 A.50 1,154: 64; 117 1,227 f.: 72 2,1: 4 3 2,3 ff.: 4 3 A . 1 2,8: 52 A. 16 2,9: 68; 99 2,51: 72 2,51 ff.: 265 f. 2,53f.: 183 A.25 2,54: 217 A. 26 2,55: 70; 289 2,62: 43 2,62ff.: 3 1 8 A . 5 6 2,64: 4 3 f.; 289 2,91: 56 2,92: 67 A . l l ; 72 A.35; 156 A . 8 2,93: 183 2,93 ff.: 156 f.; 157 A. 10 2,94: 157 A . 5 2,106: 67 A . l l 2,120: 95

371

Cicero

de orat. 2,258: 67 Α. 11 2,268: 67 Α. 11 2,341: 51 Α. 13 3,39: 2 5 f . ; 35; 38 Α . 6 5 ; 6 7 f f . ; 70; 80 3,42: 52; 53 Α.20; 56 f. 3,42ff.: 5 4 f f . 3,46: 52; 5 6 f . 3,48: 78 A . 5 6 3,82: 31 3 , 1 5 2 f . : 39 3,152ff.: 37

3,153: 25 ff.; 3 2 f . ; 33 A . 5 1 ; 35; 39; 41 A . 7 3 ; 44; 59 A . 4 5 ; 60; 152 A . 1 3 6 ; 218 A . 2 8 ; 310 3,170: 33; 37 3,172: 61 f. 3,182: 274 A.23 3,187f.: 6 1 A . 5 2 3,188: 62 A. 52 3,201: 35 parad. 41: 6 9 A . 1 8 part. 17: 40 19: 38 53: 36 Α.60 72: 36; 40 A . 7 1 ; 44 Phil. 2,54: 29; 60 3,22: 173 9,13: 117 ad Q. fr. 2,14 (13),2: 53 A . 2 1 Quinct. 71: 3 0 A . 3 3 p. red. in sen. 36: 280 Α. 38 rep. 2,11: 27 Α. 22 2,40: 28 6,2,2: 51 Α. 13 6,23: 28 Q. Rose. 8: 233 S. Rose. 131: 283 top. 36: 118 Tusc. 2,3: 166 2,5: 191 3,14: 134 3,20: 80 A.65 Verr. 111,31: 53 A.21 11 5,167: 248 A.78 Coelius Antipater hist. 3: 218 4: 218 5: 218

372

Coelius Antipater hist. 7: 2 1 8 f . 9: 218 A . 2 8 ; 2 1 9 f . 12: 220 16: 220 24 A: 220 A . 3 8 25: 211 A . 5 ; 218 A . 2 8 ; 220 30: 220 f. 38: 221 43: 218 A . 2 8 44: 221 45: 221 ff. 46: 222 47: 222; 223 48: 222 f. 50: 217 A.26 57: 218 A . 2 8 58: 218 A . 2 8 ; 223 59: 223 64: 223 Columella 1,8,2: 243 4,29,13: 269 A. 8 Cornelia epist. frg. 2: 232 f. Demetrios (?) de el. 91: 33 A . 5 0 177: 57 A.36 234: 46 Ps. Demosthenes 59,78: 33 A . 5 2 Dionys v. Halikarnaß op. rhet. I 3 , 1 0 f f . Us.-Rad.: 157 I 2 1 0 , 9 f f . Us.-Rad.: 2 7 A . 2 6 I 211,20 Us.-Rad.: 191 A. 37 I 307,25 ff. Us.-Rad.: 160 A . 2 3 I 3 6 1 , 4 f f . Us.-Rad.: 158 A. 15 I 4 0 9 , 1 6 f f . Us.-Rad.: 33 A . 5 2 ; 4 4 f . I 4 0 9 , 1 8 f . Us.-Rad.: 158 I 409,26 ff. Us.-Rad.: 158 I 411,9 Us.-Rad.: 45 Ps. Dionys v. Halikarnaß op. rhet. II 3 6 5 , 3 f f . Us.-Rad.: Dionysios Thrax ars p. 5,2 Uhlig: 74 A . 4 0 Dolabella Cie. fam. 9,9,1: 124 f. 9,9,2: 125 9,9,3: 125 f. Duronius or. frg. 68,1 Male.: 293 A.3

58A.38

Ennius ann. 4 7 : 30 137: 220 A.36 344: 232 A . 2 0 457: 27 527: 27 frg. var. 109: 27 A. 21 scaen. 116: 263 A. 123 426: 301 Fannius hist. 2: 214 f. Festus u. Paulus Festus p. 15: 52 A. 19 p. 102: 25 A. 15 p. 234: 76 A.49 p. 352: 338 A. 13 Fortunatianus rhet. 3,4 p. 123,4ff.: 45 Fronto p. 56,23 v. d. H. (= p. 62 N.): 206 A . 4 2 p. 5 6 , 2 3 f . v . d . H . (= p . 6 2 N . ) : 331 A.95 p. 56,23 ff. v. d. H. (= p. 62 N.): 266; 2 6 8 ; 3 3 7 A.7 p. 56,25 ff. v. d. H. (= p. 62 N.): 149 A. 121 p. 57,2 f. v. d. H. (=p. 62 N.): 217; 223 p. 5 7 , 2 0 f f . v. d. H. (= p. 63 N.): 39 A. 66 p. 58,1 f. v. d. H. (= p. 63 f. N.): 36 A. 61 p. 117,6 ff. v. d. H. (= p. 123 N.): 149 A. 122 p. 120,7 ff. v. d. H. (= p. 126 N.): 142 A . 9 9 p. 131,13 ff. v. d. H. (= p. 113 f. N.): 149 A. 121 p. 131,15 ff. v. d. H. (= p. 114 N.): 227 A . 4 p. 132,2 v. d. H. (= p. 114 N.): 268 A.5 p. 143,20 f. v. d. H. (= p. 149 N.): 149 A. 121 p. 210,1 v. d. H. (= p. 221 N.): 210 A . 4 Galen Gloss. Hippocr. vol. 19,66 Kühn: 26 A. 17 A. Gcllius 1,2,5: 240 A.47 1,10: 142 A . 9 9

A. Gellius 1,10,1: 348 A.29 1,10,4: 348 A . 2 9 1,11,9: 206 A . 4 3 1,15,18: 206 A . 4 2 1,16: 80 A. 67 1,22,7: 150 A. 124 I,22,19: 2,10,1:

142 A. 102 118

3,2,3: 229 A . 9 3,2,4: 229 A . 9 3,7,6: 310 A.35 3,8,1: 300 A . 8 3,8,7: 246 3,14: 76 4,15,1: 206 A . 4 2 4,16,1: 271 5,21,6: 259 6,9: 262 6,14,6: 74 A . 4 3 6,18,11: 294 A. 4 7,5,1: 118 A . 8 7,14,9: 241 A.54 9,11,3ff.: 213 A. 14 9,11,10: 213 A.14 9,13,4: 238 10,1,6 ff.: 223 10,3: 181 A. 19 10,3,4: 79 A.61 10,3,15 f.: 191 A . 3 8 10,21,1: 17 A. 20 10,24,2: 220 10,26,1: 323 A.71 I I , 5 , 4 : 240 A.47 11,7: 142 A . 9 9 11,7,1: 39 A. 66 12,2,6ff.: 98 A . 6 0 12,4,5: 171 A . 6 0 13,20,10: 72 13,25,18f.: 263 A. 122 13,29: 45 13,29,1 ff.: 255 13,29,2: 260 14,7,8: 229 A.9 15,6: 263 A. 122 15,13,1 f.: 143 A. 104 15,13,6: 143 A. 104 15,18,2: 210 A.4 17,2,3: 241 17,2,5: 241 17,2,13: 231 17,2,19: 229 A. 7

373

A. Gellius 17,2,21: 203 Α. 30; 203 f. 17,13,5: 252 19,10: 15 Α. 12; 203 Α. 30 20,1,15: 240 Α . 4 7 Cn. Gellius hist. 12: 215 f. 13: 215 f. 14: 215 f. 22: 215 f. 23: 215 f. 26: 216 29: 215 f. 30: 216 31: 217 32: 217 33: 217 Gregorius Turonensis Franc. 2,2: 231 A. 16 Hemina hist. 22: 211 f. 24: 213 29: 211 A . 5 31: 212 37: 49; 211 f. Horatius ais 56: 338 carm. 2,15,10ff.: 178 A . 9 3,6,37 ff.: 55 A. 30 3,21,11: 178 A . 9 epist. 2,1,50 ff.: 81 bes. A . 7 2 2,1,80ff.: 6 2 A . 5 3 2,2,115 ff.: 36 2,2,117: 178 A.9; 338 sat. 1,4,13: 174 1,6,82ff.: 230 A. 13 1,9,64: 246 A . 7 0 1,10,20ff.: 55 A.31 Itala II Масс. 12,37 (cod. P): 214 A . 1 6 Iulius Victor rhet. 27 p. 4 4 7 , 3 7 f f . : 47 Laclius or. frg. Cie. de orat. 3,153: Livius praef. 1: 200 A. 20 7: 200 A . 2 0 2,14,2: 196

374

28 A.26

Livius 4,23,1: 151 A . 1 3 0 7,9,8ff.: 238 A.44 7,10,5: 234 7,10,10: 235 10,14,13: 240 A . 4 7 22,51,2: 211 A.5 31,7,14: 282 A . 4 1 39,43,1: 72 A . 3 1 45,39,15: 14 perioch. 59: 338 f. Ps. Longin de subl. 12,4: 95 Lucilius 15 f.: 55 A . 3 1 18: 232 38: 27 3 5 8 f f . : 52 A. 19 570: 28 A . 2 6 626: 27 Lucretius 1,86: 221 1,422: 219 1,747: 2 3 2 f . 3,4: 226 A . 5 7 3,208: 219 Lukillios Anth. Pal. 11,142: 167

Macer hist. 7: 287 20: 218; 287 21: 287 f. 22: 288 24: 288 25: 288 Macrobius Sat. 1,5,5: 80 Α. 67 1,5,10: 80 Α.'67 1,15,21: 171 f. Mancia or. frg. 71,1 Male.: 275 Martialis 5,10: 1 0 9 A . 9 0 Menander, Rhetor Rhet. Gr. III 3 3 9 , 1 4 f f . Sp.: 33 A . 5 2 Rhet. Gr. III 339,15 ff. Sp.: 28 A.26 Messalla or. frg. 176,23 Male.: 59 A . 4 6 Metellus Maccdonicus or. frg. 18,5 Male.: 2 8 f .

Nepos Ale. 4,4: 31 A. 37 Cato 3,5: 337 Dion 5,4: 31 A. 37 frg. 57 Malcovati: 70 Milt. 2,3: 128 A. 45 Paus. 1,3: 246 Them. 7,4: 31 A.37 Nigidius Figulus gramm. frg. 165,10 Fun.: 52 A. 19 166,12 Fun.: 52 A. 19 168,21 Fun.: 54 A . 2 6 169,23 Fun.: 52 A. 19 171,27 Fun.: 53 Nonius p. 40,5 f.: 280 p. 57,23: 221 A . 4 0 p. 480,27: 269 A. 10 p. 484,19: 271 A. 14

Ovidius rem. 625:

257 f.

Pacuvius trag. 319: 28 A. 26 Pap. Corp. 307,8 f.: 219 A.34 Philodem rhet. 4 col. 7,14 ff. (I p. 151 Sudh.): 163 A . 2 9 Philostratos vit. sophist. 1, pr. p. 2,26 ff. Kayser (ed. min.): 157 A. 10 1,19,1 p. 21,26 ff. Kayser (ed. min.): 157 A. 10 Plancus Cie. fam. 10,4,1: 129 A . 5 0 10,4,2: 129 A.50 10,4,4: 129 A . 5 0 10,8: 132 10,8,6: 129 10,11,2: 129 A.50 10,17,3: 129 10,18,2: 1 3 0 f . 10,18,3: 129 A.50 10,21,3: 129 A.50; 131 f. 10,23,3: 129 10,24,7: 129 A.50 Plato Lg. 8 1 6 b 1: 26 A. 16

Plautus Amph. 690: 27 Asin. 17: 142 462: 134 A. 69 638: 134 A.69 Cas. 2 9 0 f . : 127 Cist. 688: 134 A.69 Cure. 148: 125 Epid. 39: 280 Mil. 893: 134 A . 6 9 1011: 134 A . 6 9 Most. 18: 27 Rud. 228: 127 f. 956 a: 254 A. 97 958: 254 A.97 Plinius maior dub. serm. frg. 255,27 Mazz.: 244 A . 6 3 nat. 7,103: 230 A. 12 35,90: 244 A.65 Plinius minor epist. 1,2,2: 88 1,2,2 f.: 8 6 f . 1,16,6: 55 Α. 29 2,5,5: 45 Plutarch Ant. 2,7: 173 Cato maior 4,1: 71 A. 28 7,2: 179 A. 13 Ti. Gracchus 2,2: 79 A. 61 Pollio Cie. fam. 10,31,1: 142 A. 102 10,32,2: 142 A. 101 10,32,5: 142 A. 102 10,33,1: 142 10,33,5: 142 gramm. frg. 495,1 Fun.: 3 1 6 f f . 499,6 Fun.: 141 A. 98 hist. 5: 143 ff. or. frg. 174,43 Male.: 143 174.46 Male.: 143 174.47 Male.: 142 A. 102 Pompeius Magnus Cie. Att. 8,12, D 2 : 121 A. 19 Pompeius Trogus lust. 38,3,11: 336 A.4 Pomponius Atellanarum scriptor Atell. 18: 246 A. 71 Pomponius iurisconsultus dig. 1,2,2,46: 149 ff. Porphyrio Hor. carm. 2,6,5: 18 A. 22

375

Poseidonios FGrHist 87 F 112,3 (= Exc. de virt. I 310,22): 71 A.28 Rriscianus gramm. II 243,2f.: 287 bes. A.53 II 347,2 f.: 212 A. 10 II 396,10ff.: 252 A.88 Prokopios v. Gaza epist. 116: 33 A.52 Propertius 2,24b, 25: 228 A.6 Quadrigarius hist. 1: 228 2: 228 f. 3: 229 5: 229 6: 229 f. 7: 230 f. 8: 231 9: 231 10 b: 231 ff. 11: 239 12 s. Ps. Quadrigarius 13: 239 15: 239 f. 16: 240 17: 240 19: 240 f. 20: 203 f.; 241 22: 241 23: 241 24: 241 25: 241 f. 27: 242; 287 A.53 28: 24 2 ff. 29: 244 30: 244 32: 212 A.12; 221 A.41 33: 244 37: 244 38: 244 f. 39: 245 f. 41: 246 ff. 43: 248 f. 44: 249 45: 249 f. 46: 250 47: 250f. 48: 251 49: 251 50: 252

376

Quadrigarius hist. 54 : 252 55: 252 56: 252 58: 252 f. 59: 253 60: 240 A.48; 253 61: 254 70: 252 f. 71: 254 72: 254 73: 254 74: 254 75: 254 f. 76: 255 f. 77: 256 78: 256 79: 256 81: 256 82: 257 83: 257 85: 25 7 f. 87: 258 88: 259 89: 259 90: 259 93: 259 94: 259 f. 95: 260 96: 260 Ps. Quadrigarius hist. 12: 213 Α. 14; 263 f. Quintilianus inst. 1,1,13: 5 6 A . 3 1 1,4,17: 52 A. 19 1,5,13: 5 8 A . 4 0 1,5,63: 80 A.67 1,6,2: 79 f. 1,6,12: 75 A.46 1,6,39: 39 A.69 1,6,39 ff.: 38f. 1,6,40: 37 1,6,42: 39 A. 69; 80 A. 65; 100 A.67/8; 134 A.71 1,8,11: 81 2,5,1: 70 A. 24 4,1,58f.: 40 A.71 4,2,36: 38; 45 A.6 4,2,45: 205 6,2,30: 243 A.62 6,3,86: 81 8 pr. 31: 41; 45 A.6

Quintilianus inst. 8 , 2 , 1 2 : 3 7 f . ; 4 1 f.; 45 Α. 6 8 , 2 , 1 8 : 2 0 0 f. 8 , 3 , 2 1 : 2 0 3 f. 8,3,24: 40 Α . 7 1 8,3,24ff.: 3 7 f f . ; 39 Α . 6 8 8 , 3 , 2 6 : 31 A . 4 2 8 , 3 , 2 7 : 13 Α . 7 ; 26 A . 1 9 ; 30 A . 3 5 ; 40 8,3,27 f f . : 38 8,3,29: 328 A . 8 4 ; 332 A . 9 9 8,6,14: 310 A.35 8,6,15: 203 Α . 3 0 9 , 3 , 6 f . : 25 Α. 14 9,3,12: 206 A . 4 2 9 , 3 , 1 3 : 173 f. 9,3,17: 206 A . 4 2 9 , 4 , 1 5 : 177 A . 5 9 , 4 , 1 9 : 4 6 f. 9 , 4 , 6 3 f.: 91 A . 3 9 9 , 4 , 1 4 2 : 85 A . 1 2 9 , 4 , 1 4 5 f . : 86 10,1,31: 45 1 0 , 1 , 3 1 ff.: 70 A. 24 1 0 , 1 , 3 2 : 205 1 0 , l , 9 9 f . : 110 A . 9 4 1 0 , 1 , 1 0 1 f f . : 145 A. 1 1 3 1 0 , 1 , 1 0 6 : 95 1 0 , 1 , 1 1 3 : 137; 1 4 0 f.; 145 f. 1 0 , 1 , 1 1 5 : 88; 1 3 2 1 0 , 1 , 1 1 6 : 124 1 0 , 2 , 1 7 : 1 3 7 ; 139 ff.; 1 7 0 A. 5 6 10,2,21: 45 1 0 , 2 , 2 5 : 137 10,5,4: 1 1 6 f . ; 117 A . 6 11,1,6: 4 0 A . 7 1 1 1 , 3 , 1 0 : 5 3 ; 57 f.; 1 3 7 1 1 , 3 , 3 0 : 54 A . 2 7 1 1 , 3 , 1 3 3 : 87 A . 2 1 1 2 , 1 , 2 2 : 85; 137 1 2 , 1 0 , 1 1 : 132; 137 1 2 , 1 0 , 1 2 : 85 A. 10 1 2 , 1 0 , 1 2 f.: 139 1 2 , 1 0 , 2 1 : 104 A . 8 4 1 2 , 1 0 , 2 1 f.: 9 7 A . 5 4 1 2 , 1 0 , 2 7 - 3 9 : 109 ff. 1 2 , 1 0 , 3 6 : 111 A . 9 6 1 2 , 1 0 , 4 0 : 137 1 2 , 1 0 , 5 7 : 54 A . 2 6 R h e t o r i c a ad H c r c n n i u m 1,7,11: 36 A . 5 9

R h e t o r i c a ad H e r e n n i u m 2 , 2 0 , 3 3 65 4 , 1 , 1 f f . 6 4 f. 4,1,2: 7 0 A . 2 2 4,2,2: 64 ff. 4 , 3 , 5 : 65 f. 4,5,5 f.: 70 A . 2 2 4 , 5 , 7 : 65 A . l 4,10,14 243 A.60 4,10,15 23 ff. 4,12,17 50 4,12,18 70 A . 2 2 4,16,23 65 A. 2 4,35,47 65 Sallustius Catil. 8,1 f f . : 71 10,3: 196 14,2: 3 0 2 16,3: 315 A . 4 6 3 1 , 2 : 315 3 6 , 5 : 3 0 8 A. 31 5 1 , 1 : 305 5 1 , 1 1 : 315 5 6 , 3 : 306 hist. frg. 1,4: 335 A. 104 1,8: 2 0 0 A. 20 1,46: 3 0 8 A . 3 1 2 , 1 6 : 326 3,70: 311 4 , 4 6 : 3 0 8 A. 31 4 , 8 5 : 3 0 8 A. 31 hist. frg. ine. 32: 3 0 6 A . 2 6 lug. 4 , 6 : 196 6 , 3 : 305 1 4 , 2 0 : 305 15,2: 3 0 6 24,2: 3 0 4 f. 2 5 , 9 : 305 29,5: 308 A . 3 1 3 0 , 4 : 305 3 1 , 1 : 3 0 4 f. 31,8: 311 31,11: 306 3 1 , 1 7 : 306 67,1: 306 72,2: 315 85,1 f.: 305 8 5 , 8 : 306 85,10: 311 93,4: 306 epist. Mithr. 17: 197

Sallustius or. Lep. 3: 28 15: 307 A. 28 or. Phil. 6: 304 A. 17 Sail. (?) rep. 2,4,2: 164 A. 34 2,9,3: 164 A.34 2,11,6: 341 2,12,5: 342 2,12,6: 197 2,13,6: 342 Scaurus hist. 3: 226 4: 226 5: 226 6: 224 A.50; 225 A.54 or. frg. 43,7 Male.: 63 A.55 43,11 Male.: 271 A. 13 Scipio minor or. frg. 21,16 Male.: 49 A. 10 21,27 Male.: 49 A. 10 21,30 Male.: 49 Seneca pater contr. 1 praef. 9: 338 A. 10 1,2,21: 204 A. 35 3 praef. 8: 148 f.; 336 3 praef. 14: 148 A. 120 4 praef. 3: 138 A.84; 141 4 praef. 9: 202 A. 28 7,4,6: 87 f. 7,4,7: 87 7,4,8: 84 ff. 9,1,13: 336 9,1,13f.: 200f. 9,2,25: 204 Α. 35 9,2,26: 38 Α.64; 201 ff.; 203 Α. 30 suas. 2,13: 242 Α.58 6,14: 201 Α.22 6,15: 317 Α.55 6,21: 201 Α. 22 6,24: 143 ff. 6,25: 145 6,27: 139 Α.92 Seneca philosophus epist. 100,7: 137; 140 Α.95 100,9: 140 Α.95 114,17: 169; 199 Α. 18 Servius Aen. 6,544: 18 Α. 22 Servius auctus Aen. 10,314: 236 Sisenna hist. 3: 269

378

Sisenna hist. 7: 296; 306 8: 269; 306 10: 269 f. 11: 270 13: 270 14: 270 16: 270 17: 271 21: 306 23: 271 25: 271 26: 271 27: 272 28: 272 33: 221; 272 f. 35: 273 42: 273 44: 273 45: 273 f. 46: 274 47: 274 48: 274 49: 275 51: 275 53: 275 54: 275 55: 275 56: 275 59: 221; 275 65: 275 f. 67: 276 69: 276 70: 276 72: 276 75: 220; 276 76: 276 80: 276 83: 280 A.37 86: 276 89: 276 90: 276 93: 277 94: 277 95: 277 98: 277 100 277 101 277 102 277 f. 103 278 104 278 f. 105 279

Siseiina hist. 107: 279f. 108: 280 110: 280 112: 280 f. 115: 281 117: 281 119: 281 120: 281 122: 281 123: 281 ff. 125: 283 126: 283 127: 283 128: 283 130: 283 f. 131: 284 132: 284 134: 273; 284 135: 284 136: 284 137: 284 138: 284 139: 284 140: 242 A . 5 8 141 =gramm. frg. 1 2 8 , 2 F u n . : 142: 285 143: 285 Suetonius

Sulpicius R u f u s Cie. fam. 4,5,4: 120ff. 4,5,5: 122 4,5,6: 122 f. 4,12,1: 120 4,12,2: 120 f.; 123 4,12,3: 123 Sulpicius Victor ihet. 15 p. 321,5 ff.: 40 A . 7 2 Symmachus epist. 3,44,1: 46 A. 1

285

Aug. 84,1: 161 A. 25 86,1: 35; 42 86.1 ff.: 163 ff. 86,2: 173 A . 6 2 86.2 f.: 173 86,3: 154; 171 ff.; 326 89,2: 338 f. Cal. 39,1: 327 A. 81 Dom. 6,1: 317 A . 5 3 gramm. 10,2: 42; 141 A. 99; 2 0 6 A . 4 2 10,2 ff.: 316 ff. 10,7: 206 A.42; 319 A.58; 3 2 2 A . 6 4 11,1: 322 A.65 15,1 f.: 326 ff. 15,2: 330 25,4: 161 A. 25 Iul. 55,2: 72 A. 30 Tib. 71: 56 A.31 Tit. 10,1: 27 A. 24 Sulpicius R u f u s Cie. fam. 4,5,1: 119 4,5,2: 119 f. 4,5,3: 120

Tacitus ann. 3,16,3: 305 A. 19 14,20,4: 243 A . 6 2 dial. 14,4: 101 A. 69 18,1: 9 7 f f . ; 132 18,2 ff.: 106 ff. 18,4: 108 f. 18,5: 85 21,1: 95 A . 5 0 21,1 f.: 99 21,2: 87 21,3: 135 f. 21,3 f.: 132 21,7: 137; 146 21,7 f.: 140 f. 22,1 f.: 108 f. 22,5: 35 A . 5 8 23,2: 59 A.41 24,2f.: 98 A . 5 8 25,6: 137 25,7: 99 Terentius Ad. 746: 282 A . 4 1 Haut. 919: 121 Нес. 423: 27 Theon Rhet. Gr. II 81, 1 8 f . Sp.: Trag. ine. 80: 28 A. 26 Tubcro hist. 3: 151 5: 151 Α. 132 9: 151 13: 151 Α . 1 3 2 ; 223

26A.17

Valerius Antias hist. 16: 262 21: 300 Α . 8 45: 199 Α.16

379

Valerius Antias hist. 57: 262 59: 199 Α.16; 262 60: 262 62: 262 65: 262 Valerius Maximus 2,2,2f.: 5 6 A . 3 1 2,9,5: 293 A.3 3,4,6: 337 A.9 Varro frg. Char, gramm. p. 154,21 B. (ex Romano): 7 1 A . 2 6 frg. Non. p. 144,3: 220 A. 38 gramm. frg. 192,12 Fun.: 58 A.40 198,31 Fun.: 76 201,36 Fun. (de serm. Lat. III): 76 f. 229,114 Fun.: 75 A.45 265,234 Fun.: 73 A.40 310,294 Fun.: 76 f. 324,308 Fun.: 75 A.45 330,322 Fun.: 74 A.43 332,324 Fun.: 75 A.45 360,423 Fun.: 76 ling. 5,9: 26 Α. 16 5,18: 212 A.10 5,87: 341 A.5 5,148f.: 75 5,150: 75 5,154: 75 5,162: 53 5,165: 75 5,177: 53 5,184: 31 6,46: 252 Α. 88 6,53: 30

380

Varro ling. 6,59: 12 A.5 6,90 ff.: 74 A.43 7,58: 75 7,74: 53 8,73: 75 A.45 9,19 ff.: 267 f. 9,22: 55 A.29 9,68: 300 A. 8 9,107: 76 f.; 222 Men. 375: 29 rust. 1,2,14: 52 1,48,2: 52 2 praef. 1: 55 Α. 30 3,11,4: 31 3,16,32: 31 Vatinius Cie. fam. 5,9,1: 126f.; 246 A.73 5,9,2: 127 5,10 a,l: 127 f. Quint, inst. 6,3,60: 128 Vellerns 1,17,2f.: 337 A.9 2,36,2: 146 A. 116 2,68,1: 132 f. 2,127,4: 144 Vergilius Aen. 2,14: 221 5,699: 230 catal. 2: 153 f.; 160ff.; 332 A.99 2,2f.: 154 A.3 2,5: 153 A.2 9,31: 235 A.33 ecl. 5,24: 131 georg. 3,39: 230 A. 14 3,105 (= Aen. 5,137): 235 A.33 4,450: 30

CARL BECKER · D a s Spätwerk des H o r a z

1963. 257 Seiten, Leinen 19,80 DM ». . . Les reflets et les ёсЬоз qui apparentent mutuellement les Oeuvres de cette derniere Periode ont έίέ pergus et analyses par С. Becker avee une grande finesse.« Jacques Fontaine / Revue des ]£tudes Latines "This book represents a substantial contribution to Horatian studies. Although the author confines himself to a later period, he shows a knowledge of the whole and is a discerning literary critic, with a feeling for language as well as for context and arrangement . . . " Gnomon "The author is to be felicitated on a notable contribution to Horatian scholarship." The Classical World M. L. CLARKE · Die Rhetorik bei den Römern Ein historischer Abriß. Aus dem Englischen übersetzt von Klaus Dockhorn 1967. 244 Seiten, engl, brosch. 19,80 DM „Die Kenntnis von der Kunst der Überredung, wie die Antike sich ausgebildet hat, ist fast völlig verloren . . . Clarkes Buch beginnt bei den griechischen Grundlagen und den frührömischen Versuchen und führt über die Höhen Ciceros und Quintilians hin bis zur Übernahme in die christliche Verkündigmig der Spätantike . . . Das Gesamtbild ist klar und konzis gezeichnet, ein guter Zugang eröffnet zu dem Phänomen, ohne dessen Verständnis kein Bild der Antike vollständig sein kann." Bernhard Kytzler / Frankfurter Allgemeine Zeitung MAX KÄSER • Römische Rechtsgeschichte Jurisprudenz in Einzeldarstellungen 2 · 2., neubearb. Auflage 1968. 327Seiten, brosch. 18,80 DM, Leinen 26,— DM ,,. . . Geblieben ist der Aufbau in drei Teilen (Bäuerliches Zeitalter, Zeitalter des Imperialismus und der Weltherrschaft, Zeitalter des Niedergangs). Neubearbeitet sind vor allem die Teile, in denen die romanistische Forschung inzwischen bisher unbekannte Quellen aufgeschlossen hat oder wo neuere Arbeiten Fundamentales in Frage gestellt haben . . . Sehr zu begrüßen ist die Einführung einer Übersicht über die historisch-kritische Erforschung der römischen Rechtsquellen, die zugleich als Einführung in die Quellenexegese gedacht ist." Hermann Lange / Neue Juristische Wochenschrift MAX KÄSER · D a s a l t r ö m i s c h e J u s

Studien zur Rechtsvorstellung und Rechtsgeschichte der Römer 1949. 382 Seiten, brosch. 34,— DM Inscriptiones latinae liberae rci publicae Erster Teil. Herausgegeben von Atilius Degrassi Studientexte griechischer und lateinischer Schriftsteller i · 1957. brosch. 22,—DM

303Seiten,

Sympotica Franz Wieacker шчи Sexagenario Sasbachwaldeni a suis libata ' Herausgegeben von Detlef Liebs · 1970. 226 Seiten, Leinen 38,— DM Aus dem Inhalt: O. Behrens, lus und ius civile. Untersuchungen zur Herkunft des ius-Begriffs im römischen Zivilrecht / J . G. Wolf, Lanx und licium. Das Ritual der Haussuchung im altrömischen Recht / M. Fuhrmann, Inter pretatio. Notizen zur Wortgeschichte / D. Liebs, Contrarius actus. Entstehung des römischen Erlaßvertrages / C. Wollschläger. Die willenstheoretische Unmöglichkeitslehre im aristotelisch-thomistischen Naturrecht / M. Diesselhorst, Zum Irrtum bei Vertragsschluß.

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J A M E S W . HALPOKN - MARTIN OSTWALD · L a t e i n i s c h e M e t r i k

Studienhefte zur Altertumswissenschaft 8. Übersetzt von Herbert Ahrens 1963. 62 Seiten, broach. 5,20 DM „In abrißartiger Kürze wird sehr gründlich das gesamte Gebiet behandelt, soweit es sich um die Lehre von der Abfolge der Quantitäten handelt. Dabei wird auch auf die Besonderheiten der einzelnen Dichter eingegangen; Ursprung und Entwicklung der spätlateinischen rhythmischen und gereimten Dichtung werden knapp skizziert." Gymnasium.

REINHOLD MERKELBACH - H E L M U T VAN T H I E L · L a t e i n i s c h e s L e s e h e f t

zur Einführung in Paläographie und Textkritik Studienhefte zur Altertumswissenschaft 13 1969. 122 Seiten, davon 111 Seiten Tafeln, hart. 15,80 DM Das Heft ist zum Gebrauch in Seminarübungen gedacht. Auf 111 Tafeln sind inhaltlich interessante Texte in Faksimile wiedergegeben. Bei mehrfacher Überlieferung sind alle vorhandenen Handschriften faksimiliert, damit der Benutzer des Heftes den Prozeß genau kontrollieren kann, durch welchen kritische Textausgaben nach den Methoden moderner Editionstechnik hergestellt werden. U L R I C H KNOCHE · D i e r ö m i s c h e S a t i r e

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1970. 216 Seiten, broach. 29,— DM Die Arbeit — in Form eines Handbuches angelegt — stellt nach einer Pause von vierzig Jahren die erste Gesamtbehandlung der Plautinischen Cantica dar — in einer bisher nicht dargestellten Ausführlichkeit. In ständigem Miteinander wird metrische Analyse und Textinterpretation an allen Cantica durchgeführt. Unter Einbeziehung der Fortschritte in der Einzelforschung ergibt sich so ein wesentlich schärferes Gesamtbild der Plautinischen Liedkunst. Neben einer Fülle von Einzelbeobachtungen enthält das Buch den Nachweis, daß die Lieder ζ. T. Kompositionsformen von außerordentlicher Dichte und großem Bezugsreichtum besitzen. DETLEF R A S M U S S E N · C a e s a r s C o m m e n t a r i i

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