Variationen Uber Latinus: Erzahlungen Uber Die Ursprunge Der Latiner Von Hesiod Bis Ins 3. Jahrhundert V. Chr. 3515136150, 9783515136150

Einer der beruhmtesten antiken Mythen erz?hlt von der Ankunft des Trojaners Aeneas in Latium; eines der bekanntesten Dat

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Variationen Uber Latinus: Erzahlungen Uber Die Ursprunge Der Latiner Von Hesiod Bis Ins 3. Jahrhundert V. Chr.
 3515136150, 9783515136150

Table of contents :
Titel
Impressum
Vorwort
Inhaltsverzeichnis
1 Einführung
1.1.Forschungsprobleme
1.2.Die sogenannte Vulgata
1.3.Historische Kontexte
1.4.Quellen und Vorgehensweise
2 Latinus, Sohn von Odysseus und Kirke
2.1.Latinos bei Hesiod
2.1.1.Datierung
2.1.2.Protagonisten und Intention der hesiodeischen Verse
2.1.3.Rezeption der hesiodeischen Verse im Tyrrhenischen Italien
2.1.3.1.Mythenbilder im Tyrrhenischen Italien
2.1.3.2.Sprachliche und kultische Spuren
2.1.3.3.Sozialer Kontext der Mythenaneignung
2.2.Latinus, Sohn von Odysseus und Kirke, in der späteren Überlieferung
2.2.1.Pseudo-Skymnos
2.2.2.Zenodotos von Troizen
2.2.3.*** bei Serv. auct. Aen. 1,273
2.2.4.Johannes Lydos
2.3.Weitere Nachkommen von Odysseus und Kirke
2.3.1.Xenagoras: Rhomos, Antias und Ardias
2.3.2.Plut. Rom. 2,1: Rhomanos
2.4.Ergebnis
3 Latinus, Sohn des Telemach, und Rhome
3.1.Varianten und Überlieferung
3.1.1.Galitas
3.1.2.Anon. bei Plut. Rom. 2,3
3.1.3.Kallias
3.1.4.Caltinus
3.1.5.Kleinias und *** bei Serv. auct. Aen. 1,273
3.1.6.Zusammenfassung
3.2.Die Tradition der Telegonie und die Laertiden im Tyrrhenischen Italien
3.2.1.Latinus und Italus
3.2.2.Telemach
3.2.3.Telegonos
3.2.4.Odysseus
3.3.Odysseus und Aeneas in Latium
3.4.Die Schiffsbranderzählung
3.4.1.Überlieferung
3.4.2.Lokalisierungen: Rom und Latinion
3.4.3.Achäische Nostoi, gefangene Trojanerinnen und trojanische Flüchtlinge
3.4.4.Ethnogenese: Integration oder Abgrenzung?
3.4.5.Die Schiffsbranderzählungen und die Telemach-Rhome-Gruppe
3.5.Rhome – Gründung und Namengebung Roms
3.5.1.Eponyme Protagonisten von Ursprungserzählungen
3.5.2.Valentia: Etymologische Erklärungen des Stadtnamens
3.5.3.Stadtpersonifikation und Göttin
3.5.4.Rhome in Rom?
3.6.Die Herrschaft des Latinus
3.6.1.König der Aborigines
3.6.1.1.Kreation und Wandlungen der Aborigines
3.6.1.2.Volk und Land
3.6.1.3.Mores maiorum
3.6.1.4.Identität und Integration
3.6.2.Imperium Italiae – ‚Italisierung‘ der Ursprünge
3.6.2.1.Latium?
3.6.2.2.Italia
3.6.2.3.Datierung und historischer Kontext
3.6.2.4.Hegemoniediskurse
3.7.Ergebnis
4 Latinus, Vater der Leukaria
4.1.Überlieferung
4.2.Etymologie, Eponymie und Personifizierung
4.3.Alkimos
4.3.1.Sizilien und Latium im 4. Jahrhundert v. Chr
4.3.2.Tyrrhenia
4.4.Leukaria und Alba
4.5.Auson
5 Fazit
Anhang
Abbildungen und Tabellen
Quellen
Forschungsliteratur
Stellenregister
Literarische Quellen
Epigraphische und numismatische Quellen
Personenregister
Ortsregister

Citation preview

Eva Hagen

Variationen über Latinus Erzählungen über die Ursprünge der Latiner von Hesiod bis ins 3. Jahrhundert v. Chr.

Franz Steiner Verlag

Historia | Einzelschrift 273

Historia

historia

Zeitschrift für Alte Geschichte | Revue d’histoire ancienne |

Journal of Ancient History | Rivista di storia antica

einzelschriften

Herausgegeben von Kai Brodersen (federführend)

Christelle Fischer-Bovet | Susanne Froehlich | Mischa Meier | Jan Bernhard Meister | Sabine Panzram | Henriette van der Blom | Hans van Wees Band 273 www.steiner-verlag.de/brand/Historia

Variationen über Latinus Erzählungen über die Ursprünge der Latiner von Hesiod bis ins 3. Jahrhundert v. Chr. Eva Hagen

Franz Steiner Verlag

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über dnb.d-nb.de abrufbar. Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig und strafbar. © Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2024 www.steiner-verlag.de Zugl.: Dissertation Freiburg im Breisgau 2017 Layout und Herstellung durch den Verlag Satz: DTP + TEXT Eva Burri, Stuttgart Druck: Memminger MedienCentrum, Memmingen Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigem Papier. Printed in Germany. ISBN 978-3-515-13615-0 (Print) ISBN 978-3-515-13622-8 (E-Book) https://doi.org/10.25162/9783515136228

Vorwort Dieses Buch geht aus der Doktorarbeit hervor, die ich im Sommer 2017 in Freiburg im Breisgau verteidigt habe. Die Publikation ist ein würdiger Anlass, Dank zu sagen. An erster Stelle steht mein Doktorvater Hans-Joachim Gehrke, der mich zwischen Freiburg, Berlin, Rom und Paris stets unterstützte und ermutigte. Astrid Möller begleitete mich als Korreferentin bis zur Disputatio, welcher Bernhard Zimmermann als Beisitzer seinen Segen erteilte. Die Arbeit sah ihre Anfänge am Deutschen Archäologischen Institut in Rom. Ich danke Henner von Hesberg und Philipp von Rummel, die mir diese ideale Ausgangsposition zur Erforschung Latiums in Latium ermöglicht haben. Der Austausch mit den deutschen, italienischen und internationalen Kollegen in der Ewigen Stadt, die Bibliotheken und Konferenzen sowie die Besuche an den Stätten meiner Untersuchungen haben die Arbeit maßgeblich bereichert. Insbesondere sei an den Workshop „Landscape and Memory in Ancient Latium“, unter anderem mit Elena Calandra, Emma Dench, Daniele Miano, Christopher Smith, Michael Teichmann und Marleen Termeer, erinnert sowie Filippo Demma für die herzliche Aufnahme in Palestrina gedankt. Ihren Abschluss fand die Arbeit in Paris. Ich danke Clara Berendonner und Sylvia Pittia für die Einladung in ihre Vortragsreihe am UMR ANHIMA. Der Kommission für Alte Geschichte und Epigraphik des DAI in München, insbesondere Rudolf Haensch, danke ich für einen fruchtbaren Forschungsaufenthalt im Rahmen des Jacobi-Stipendiums. Für wertvollen Austausch möchte ich dem Netzwerk „Historiai. Geschichtsschreibung und Vergangenheitsvorstellungen in der Antike“, neben H.-J. Gehrke und A. Möller insbesondere Elena Franchi und Maurizio Giangiulio, danken, in dessen Rahmen ich in Freiburg, München und Trento Zwischenergebnisse vorstellen konnte. Katharina Wojciech sei Dank für die Einladung zum Historikertag 2016 in Hamburg, zusammen mit Angela Ganter und Uwe Walter, sowie Maria Paola Castiglioni für die Einladung nach Grenoble. Kristine Iara und Gabriele Scriba bin ich dankbar für ihre wertvollen und ermutigenden Korrekturen in den Abschlussphasen, Frank Daubner und Uwe Walter für die Lektüre und konstruktiven Anmerkungen nach der Abgabe. Ulrike Ehmig danke ich dafür, dass sie mir neben meiner Arbeit am Corpus Inscriptionum Latinarum einen Freiraum für die Fertigstellung des Buchmanuskripts gewährt hat.

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Vorwort

In den Jahren des Studiums und der Promotion und darüber hinaus haben mich viele Freundinnen und Freunde begleitet, denen ich für die Diskussionen und die gute, stets ermutigende Gesellschaft danken möchte: Herausgehoben seien seit Freiburg Sophia Bönisch-Meyer, Vibeke Goldbeck, Jan C. Jansen, Björn Schöpe und Jan Wolkenhauer, seit Perugia Massimo Nafissi, Aurélie Roy und Sebastian Scharff, seit Stuttgart Nadin Burkhardt, Frank Daubner und Alexander Emmerich, seit Rom unter anderem Giulia Cirenei, Maria D’Onza, Emilie Kurdziel, Melanie Maier, Gaia Miletic, Caterina Misiti, Sebastian Modrow, Sabine Patzke, Sophie Püschmann, Ghislaine Stouder, seit Paris Giuseppe Sciara, Malika Temmar und Anna Tropia. Seit jeher begleitet mich Julia Roßhart, der ich für viel mehr als die Unterstützung beim Schreibprozess dankbar bin. Gedankt sei den Herausgeber*innen der „Historia-Einzelschriften“, insbesondere Kai Brodersen, für die Aufnahme in die Reihe, den anonymen Gutachter*innen für die wertvollen Hinweise und dem Franz Steiner Verlag für die gute Zusammenarbeit und die schnelle Fertigstellung des Buches. Schließlich geht der Gedanke an meine Familien: an meine Mutter, die das Manuskript gelesen hat, meinen Vater, der das Buch leider nicht mehr in den Händen halten wird, und an meine Schwestern Vera und Christa. Ihnen danke ich für die Unterstützung in jeder Hinsicht und nicht zuletzt die Neugier auf die Welt, die eine Wissenschaftlerin ausmacht. Nicolas Laubry hat mich seit den Anfängen der Arbeit begleitet. Ihm verdanke ich mehr als mit Worten auszudrücken ist. Erst nach der Disputatio durfte Felix das Licht der Welt erblicken. Er hat mir bei der Publikation dieses wissenschaftlichen Babys Gesellschaft geleistet. Ihnen beiden, die über den Abschluss des Werks mindestens so erleichtert sein werden wie ich selbst, sei das Buch zugeeignet. Zum Schluss sei an das kluge Wort, dass nur ein publiziertes Buch ein gutes ist, erinnert und um Nachsicht bei der Lektüre gebeten. Mit dem Abschluss des Manuskripts soll vorübergehend das Nachwachsen der Köpfe der Hydra ignoriert werden, für die hoffentlich in späteren Arbeiten die herkuleischen Fackeln gefunden werden. Rom und Paris im Sommer 2023

Inhaltsverzeichnis 1 Einführung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 1.1.Forschungsprobleme. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 1.2. Die sogenannte Vulgata. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 1.3. Historische Kontexte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 1.4. Quellen und Vorgehensweise. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 2 Latinus, Sohn von Odysseus und Kirke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 2.1. Latinos bei Hesiod. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 2.1.1.Datierung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 2.1.2. Protagonisten und Intention der hesiodeischen Verse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 2.1.3. Rezeption der hesiodeischen Verse im Tyrrhenischen Italien. . . . . . . . . . . . . . . 47 2.1.3.1. Mythenbilder im Tyrrhenischen Italien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 2.1.3.2. Sprachliche und kultische Spuren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 2.1.3.3. Sozialer Kontext der Mythenaneignung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 2.2. Latinus, Sohn von Odysseus und Kirke, in der späteren Überlieferung. . . . . . . 57 2.2.1.Pseudo-Skymnos. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 2.2.2. Zenodotos von Troizen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 2.2.3. *** bei Serv. auct. Aen. 1,273. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 2.2.4. Johannes Lydos. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 2.3. Weitere Nachkommen von Odysseus und Kirke. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 2.3.1. Xenagoras: Rhomos, Antias und Ardias. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 2.3.2. Plut. Rom. 2,1: Rhomanos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 2.4.Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 3 Latinus, Sohn des Telemach, und Rhome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 3.1. Varianten und Überlieferung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 3.1.1.Galitas. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 3.1.2. Anon. bei Plut. Rom. 2,3. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 3.1.3.Kallias. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 3.1.4.Caltinus. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89

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Inhaltsverzeichnis

3.1.5. Kleinias und *** bei Serv. auct. Aen. 1,273. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 3.1.6.Zusammenfassung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 3.2. Die Tradition der Telegonie und die Laertiden im Tyrrhenischen Italien. . . . . . 95 3.2.1. Latinus und Italus. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 3.2.2.Telemach. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 3.2.3.Telegonos. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 3.2.4.Odysseus. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 3.3. Odysseus und Aeneas in Latium. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 3.4. Die Schiffsbranderzählung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 3.4.1.Überlieferung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 3.4.2. Lokalisierungen: Rom und Latinion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 3.4.3. Achäische Nostoi, gefangene Trojanerinnen und trojanische Flüchtlinge. . . . . 124 3.4.4. Ethnogenese: Integration oder Abgrenzung?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 3.4.5. Die Schiffsbranderzählungen und die Telemach-Rhome-Gruppe. . . . . . . . . . . 134 3.5. Rhome – Gründung und Namengebung Roms . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 3.5.1. Eponyme Protagonisten von Ursprungserzählungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 3.5.2. Valentia: Etymologische Erklärungen des Stadtnamens . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 3.5.3. Stadtpersonifikation und Göttin. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 3.5.4. Rhome in Rom?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 3.6. Die Herrschaft des Latinus. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 3.6.1. König der Aborigines. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 3.6.1.1. Kreation und Wandlungen der Aborigines. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 3.6.1.2. Volk und Land. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 3.6.1.3. Mores maiorum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 3.6.1.4. Identität und Integration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 3.6.2. Imperium Italiae – ‚Italisierung‘ der Ursprünge. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 3.6.2.1.Latium?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 3.6.2.2. Italia. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 3.6.2.3. Datierung und historischer Kontext. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 3.6.2.4.Hegemoniediskurse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 3.7.Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 4 Latinus, Vater der Leukaria. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 4.1.Überlieferung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 4.2. Etymologie, Eponymie und Personifizierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 4.3.Alkimos. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 4.3.1. Sizilien und Latium im 4. Jahrhundert v. Chr.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 4.3.2.Tyrrhenia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 4.4. Leukaria und Alba. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 4.5.Auson . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227

Inhaltsverzeichnis

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5 Fazit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 Anhang. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 Abbildungen und Tabellen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 Quellen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 Forschungsliteratur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 Stellenregister. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 Literarische Quellen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 Epigraphische und numismatische Quellen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 Personenregister. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 Ortsregister. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280

1 Einführung „… man muss der Sicht des Hyginus folgen, der sagt, dass es mehrere Gestalten namens Latinus gegeben habe“, so schreibt Servius in seinem Kommentar zu Vergils Aeneis.1 Mit diesem Ergebnis beschließt der große Philologe des 4. Jahrhunderts n. Chr. seine Diskussion über die Abstammung des Latinus, des Stammvaters der Latiner und Schwiegervaters des Trojaners Aeneas. Vergils Präsentation des Heros als Sohn des Faunus und der Marica wich von den genealogischen Einordnungen ab, die der Grammatiker ansonsten in seinen prestigeträchtigen Quellen vorfand. Zwar war Faunus schon vor Vergil als Vater des Latinus bekannt, doch war seine Gattin Fauna oder Fatua, während Marica weiter südlich an der Grenze zu Kampanien zu Hause war. Insbesondere aber hatte bereits der Dichter Hesiod von Latinus gesungen und ihn als Sohn des Odysseus und der Heliostochter Kirke bezeichnet. Doch, so Servius, es sei aus chronologischen Gründen ausgeschlossen, dass es sich bei dem Latinus des hesiodeischen Stammbaumes um den Schwiegervater des Aeneas handele, da der Trojaner viel früher gelebt haben müsste als ein Sohn des Odysseus.2 Mit der Identifizierung mehrerer Latinus-Figuren versuchen Servius und der von ihm zitierte Hyginus auf ihre Weise mit dem Befund, dem die vorliegende Untersuchung gewidmet ist, umzugehen. Jahrhunderte vor Servius bezeugte bereits Dionysios von Halikarnassos den Variantenreichtum in der Überlieferung über die Anfänge der Latiner und die Gründung Roms. Nach der Präsentation seiner eigenen Forschungsergebnisse, die seine These belegen, dass Rom über vielfältige griechische Wurzeln verfüge, sich die Entstehung des latinischen Volkes aber weitgehend gemäß der sogenannten Vulgata zugetragen habe, erwähnt er noch einige ältere Erzählungen, die er bei griechischen und römischen Autoren gefunden hat. Denn er möchte nicht verschweigen, dass es diesbezüglich sehr unterschiedliche Meinungen gegeben habe.3 Dionysios belegt also wie später

1 2 3

Serv. Aen. 7,47 (= Hyg. fr. 10 Funaioli): […] illud accipiendum est Hygini, qui ait Latinos plures fuisse […] (Übers. EH). Serv. Aen. 7,47: quia temporum ratio non procedit […]; s. auch Serv. Aen. 12,164. Dion. Hal. ant. 1,72,1: Ἀμφισβητήσεως δὲ πολλῆς οὔσης καὶ περὶ τοῦ χρόνου τῆς κτίσεως καὶ περὶ τῶν οἰκιστῶν τῆς πόλεως οὐδὲ αὐτὸς ᾤμην δεῖν ὥσπερ ὁμολογούμενα πρὸς ἁπάντων ἐξ ἐπιδρομῆς

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Einführung

Servius und dazwischen weitere Autoren wie Verrius Flaccus, Plutarch oder Solinus eine einstige Vielfalt mythhistorischer Erzählungen über die Anfänge Roms und der Latiner, stets als obsolete Alternativen zur von ihnen vertretenen Vulgata. In diesem Buch untersuche ich die vielfältigen frühen Erzählungen über die Ursprünge der Latiner in Hinblick auf ihre Entwicklung, die dahinterstehenden Vorstellungswelten und ihre möglichen sozialen Funktionen. Anders als Servius, der nach einer kohärenten Geschichte sucht, sehe ich in der überlieferten Vielfalt einzelne Etappen in der Entwicklung der Vorstellung von den Ursprüngen der Latiner, Momentaufnahmen aus sich wandelnden Diskursen, die wir der sporadischen Verschriftlichung verdanken. Es gilt also, statt nach einer in sich schlüssigen Version der latinischen Myth­historie suchen, die Entwicklung und Aktualisierungen der Ursprungsvorstellungen zu rekonstruieren. Gegenstand dieser Untersuchung sind die vorkanonischen Erzählungen, die zwischen der archaischen Zeit und der mittleren Republik, also vor der insbesondere von Vergil und den spätrepublikanischen Annalisten verewigten Vulgata, entstanden sind und zuerst von griechischen Autoren verschriftlicht wurden. Die Untersuchung findet auf zwei Ebenen statt. Zum einen stehen die in den meisten Fällen fragmentarischen Texte selbst im Zentrum. Dabei geht es außer um die Fragen der Datierung und der Überlieferung um die Erzählungen, die hinter den Genealogien und Paraphrasen zu vermuten sind, um die einzelnen Motive, aus denen sie bestehen, und die Diskurse und Vorstellungswelten, die sie bezeugen. Zum anderen wird eine historische Kontextualisierung der Erzählungen angestrebt und werden ihre möglichen politischen und sozialen Funktionen diskutiert. Obwohl die untersuchten Ursprungserzählungen auf griechische Autoren zurückgehen, gehören sie zu den wenigen zeitgenössischen Zeugnissen, in denen vor den Anfängen der römischen Literaturproduktion im 3. Jahrhundert v. Chr. überhaupt, wenn auch indirekt über den eponymen Heros, von Latium die Rede ist. Meine Arbeit fügt sich damit ein in die Erforschung Latiums von der Ethnogenese der Latiner bis zur Eroberung Italiens durch Rom im frühen 3. Jahrhundert v. Chr. Die Anfänge der latinischen Geschichte haben stets größtes Interesse in der Forschung hervorgerufen, nicht zuletzt da es sich dabei gleichzeitig um die Anfänge der Geschichte Roms handelt.4 In diesem Zusammenhang wurden stets auch die Ursprungsmythen in den Blick genommen und das insgesamt mit großem Gewinn, sodass meine Arbeit in vielerlei Hinsicht auf den älteren Forschungsergebnissen auf-

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ἐπελθεῖν, „Da sowohl der Zeitpunkt der Gründung als auch die Gründer der Stadt stark umstritten sind, glaubte auch ich diese Punkte nicht so, als ob allgemeine Übereinstimmung bestünde, im Vorübergehen abhandeln zu dürfen“ (Übers. A. Städele). So beispielsweise Cornell 2000: „La questione di come nacque la città di Roma è stata oggetto di domande, speculazioni e ricostruzioni immaginarie nel corso della sua storia e senza dubbio rimarrà tale fino a quando Roma manterrà il suo posto unico nella storia della civiltà occidentale. Oggi l’argomento è dibattuto con un’intensità che non conosce parallelo dall’antichità.“

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bauen kann. Nach einer Zeit intensiver Beschäftigung mit den Ursprungserzählungen Latiums infolge der archäologischen Entdeckungen in Lavinium vor fünfzig Jahren hat die Latiumforschung gerade im letzten Jahrzehnt erneut starken Aufwind erfahren.5 Aufgrund unterschiedlicher Prämissen und Perspektiven kam es jedoch in der Forschung vielfach zu divergierenden Ergebnissen, weshalb eine neue Beleuchtung der Thematik nötig ist. Während die Beschäftigung mit dem vorrömischen Italien mit seinen Mythen, seiner Archäologie und seiner historischen Entwicklung selbstverständlich in Italien,6 aber auch in anderen Forschungstraditionen weit verbreitet ist,7 werden diese Themen in der deutschsprachigen Forschung aufgrund anderer Schwerpunktsetzungen vergleichsweise selten und primär unter archäologischer Perspektive behandelt.8 Diese Arbeit leistet also einen wesentlichen Beitrag zur Latium- und Mythenforschung und schließt damit eine Lücke in der deutschen Forschungslandschaft. Die erste Untersuchung (Kapitel 2) nimmt die Genealogie mit Latinus als Sohn des Odysseus und der Kirke in den Blick, die zuerst in der Theogonie Hesiods erscheint. Es ergibt sich dabei, dass auch eine griechische epische Kreation für die Bevölkerung Latiums von Relevanz sein konnte. Daran anschließend legen die späteren literarischen Zeugnisse der Abstammung von Kirke und Odysseus nahe, dass diese epische Herleitung für die Städte Latiums sowie die in der Region lebenden Volsker eine gewisse Bedeutung behalten hat und die heroischen Wurzeln der Latiner nicht nur ein Motiv in der griechischen Literatur gewesen sein dürfte.

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Die meisten aus den neuesten Forschungsprojekten resultierenden Publikationen sind erst nach Fertigstellung der Dissertation, auf der dieses Buch basiert, erschienen und wurden soweit möglich für die Drucklegung eingearbeit. Neben der Forschung erfährt das Thema der Ursprünge Roms zuletzt auch beim breiten Publikum erneut große Beliebtheit, was sich u. a. in der Einschreibung der Route des Aeneas als Kulturerbe des Europarats und einer Ausstellung auf dem Forum Romanum im Frühjahr 2023 (bislang ohne Katalog, s. aber Calcani 2023) zeigt. – Überblicke zur Geschichte Latiums und der Latiner finden sich bei Cornell 1995; Lomas 2019; Bradley 2020. Daneben Smith 1996; Smith 2014a; Fulminante 2018; Smith 2019; besonders verdienstreich sind zuletzt Marroni 2012; Lulof/Smith 2017; Cifarelli/Gatti/Palombi 2019; di Fazio 2019; zu neu, um hier berücksichtigt zu werden, schließlich Capogrossi Colognesi 2022 mit einer Neudeutung der rechtlichen Entwicklungen in Rom und Latium. Zu nennen sind u. a. die zahlreichen Studien von C. Ampolo, M. Bettini, A. Brelich, F. Coarelli, G. Colonna, M. Lentano, A. Mastrocinque, A. Momigliano, D. Palombi, G. Vanotti, F. Zevi, zuletzt auch die Beiträge von G. Calcani, G. De Sanctis und M. Di Fazio. s. insbesondere die Arbeiten von D. Briquel, F. Dupont, A. Grandazzi, J. Poucet, J. Bremmer, N. Horsfall, J. Martínez-Pinna, E. J. Bickerman, K. Galinsky, E. Gruen, T. J. Cornell, C. J. Smith und T. Wiseman. Wichtige Arbeiten stammen noch aus dem 19. Jh., so von Schwegler, Niese und Mommsen, im 20. Jh. sind die von Classen und Solmsen zu nennen und die einflussreichen, aber auch stark kritisierten Arbeiten von A. Alföldi. Die deutschsprachige Forschung der letzten Jahrzehnte hat sich vornehmlich mit der stadtrömischen republikanischen Erinnerungskultur sowie der Entwicklung der römischen Historiographie beschäftigt, insbesondere T. Hölscher, K.-J. Hölkeskamp, J. von Ungern-Sternberg und U. Walter. Aktuelle archäologische Forschungen werden von den Mitgliedern der DArV-Gruppe „Etrusker und Italiker“ durchgeführt.

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Es folgt die Analyse der Gruppe meist anonym oder unsicher überlieferter Zeugnisse, die den eponymen Helden als Sohn der Kirke und des Telemach betrachten (Kapitel 3). Ein Vergleich der Genealogien und der hinter ihnen anzunehmenden Erzählungen sowie die Analyse der einzelnen Motive ermöglichen eine relative Ordnung und die Rekonstruktion der Aktualisierungen dieses Erzählstranges. Zu diesem Zwecke werden die Spuren der laertidischen Ursprungs- und Gründungserzählungen, die Anfänge der trojanischen Herleitung Roms, die Figur Rhome sowie das Pseudo-Ethnos der Aborigines und die Ausweitung der latinischen Ursprünge auf ganz Italien analysiert. Ausgehend von einer Genealogie, in der Latinus als Vater der Leukaria erscheint, werden zuletzt die Anfänge der Alba-Longa-Tradition, die Spuren der Beziehungen zu den Etruskern und die Bedeutung alternativer Identifikationsfiguren im Zuge der historischen Entwicklungen in Latium und Italien thematisiert (Kapitel 4). Ein Fazit beschließt das Buch. 1.1 Forschungsprobleme Die Texte, die die Quellengrundlage dieser Arbeit bilden, erzählen von dem eponymen Heros Latinos. Es handelt sich um literarische Präsentationen von Vorstellungen von den Ursprüngen Latiums und der Latiner in der Zeit Hesiods und den folgenden Jahrhunderten. Im Zentrum dieser Arbeit steht die Frage, ob es sich bei den Texten vorwiegend griechischer Autoren um hellenozentrische ethnographische Fremdbeschreibungen handelt oder ob sie Spuren früher lokaler Ethnizitätsdiskurse im antiken Latium enthalten. Untrennbar damit verbunden und Voraussetzung für die Beantwortung dieser Frage ist die Datierung und historische Kontextualisierung der Entstehung der einzelnen Erzählstränge sowie ihrer Entwicklung. Wie lässt sich die beobachtete Vielfalt in Einklang mit dem Anspruch bringen, Aussagen über die ethnische Identität der Latiner zu treffen? Abstammungsmythen gelten in der ethnologischen Theorie seit den 1960er Jahren neben dem gemeinsamen Namen und einer gemeinsamen Geschichte und Kultur als eines der Merkmale ethnischer Gruppen.9 Das bedeutet, dass größere, über einen

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Grundlegend zur ethnischen Identität Barth 1969; Smith 1986, insb. 22–25 („myth of common descent“); s. auch u. a. Kohl 1998. – Zu Ethnizität und ethnischer Identität in der Antike, wo wir es nicht mit modernen Nationalstaaten zu tun haben, s. insb. Hall 1997; die Beiträge in Cornell/ Lomas 1997 und Malkin 2001a; Farney 2007; Bourdin 2012; Cerchiai 2012; die Beiträge in Cifani/ Stoddart 2012; Proietti 2012a; Nowak 2014; die Beiträge in MEFRA 126/2, 2014 und 129/1, 2017; zu Latium zuletzt Ceccarelli 2012; Fulminante 2012; Fulminante 2018.

Forschungsprobleme

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Gentilverband hinausgehende Gruppen,10 die sich auf gemeinsame Vorfahren zurückführen und einen gemeinsamen Namen tragen, als ethnisch verstanden werden. Ethnische Identität selbst ist nicht primordial, a priori vorhanden. Sie ist im Moment der Ethnogenese das Ergebnis des bewussten Zusammenschlusses kleinerer Gemeinschaften aufgrund von Nachbarschaft und als relevant empfundenen Gemeinsamkeiten wie der Sprache und kulturellen Praktiken. Sie bleibt dabei dynamisch und wird durch historische, politische und kulturelle Entwicklungen immer wieder neu definiert.11 Als Mittel zur Beschwörung und Aktualisierung dieser ethnischen Zusammengehörigkeit sind Ursprungserzählungen daher konstruktivistisch zu verstehen: Sie schaffen „narrative Identitäten“12 und „gesellschaftliche Wirklichkeit“13. Wie die ethnischen Gruppen selbst passen sich auch ihre Vorstellungen von gemeinsamer Herkunft und Abstammung den jeweils aktuellen Bedürfnissen an. Wenn sich beispielsweise die Zusammensetzung der Gruppe, die Verhältnisse in ihrem Inneren oder die Beziehungen zu anderen ethnischen Gruppen ändern, können in den Erzählungen neue Protagonisten, Motive oder Deutungen auftauchen und wegfallen, wobei dieser Entstehungsprozess selbst jedoch üblicherweise in Vergessenheit gerät.14 Ursprungs- und Herkunftserzählungen vermitteln „intentionale Geschichte“. Das bedeutet, dass erzählt wird, was für die Erzählenden und ihr Publikum relevant und

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Mit dem Gentilverband und der kleineren Einheit Familie teilt die ethnische Gruppe im antiken Mittelitalien das Kennzeichen des gemeinsamen Namens (s. z. B. die in unterschiedlichen sprachlichen – und somit ethnischen? – Kontexten belegten Licini, Wright/Terrenato 2023, 31 f.). Dabei steht die ethnische Zugehörigkeit neben anderen, wie der zu einem Gentilverband, zu einer Stadt, einer Familie, aber auch zur sozialen Gruppe. Die ethnische Identität ist in den meisten Fällen für das tägliche Leben der Menschen von geringerer Bedeutung als andere Aspekte, s. Cornell 1997; Fulminante 2012, 89 f. – Zu Recht ist in den letzten Jahrzehnten, angesichts der großen Beliebtheit von Identitätsfragen auch in der Forschung, vor einer Überstrapazierung des Identitätsbegriffs gewarnt und die Tauglichkeit des Begriffs überhaupt in Frage gestellt worden. Wichtig ist daher die Betonung, dass es sich bei ethnischen Identitäten nicht um unverzichtbare und unveränderbare Tatsachen handelt und mehrere Selbstzuschreibungen nicht nur auf unterschiedlichen Ebenen, sondern auch in Hinblick auf ein Kriterium gleichzeitig möglich sind (multiple und überlappende Identitäten), u. a. aus anthropologischer Perspektive Remotti 1997 und Remotti 2017 (vielen Dank für den Hinweis an C. Ampolo); für die Antike: Kühr 2006, 36–41; Hölscher 2008, 52 (mit Verweis auf Niethammer 2000); Wallace-Hadrill 2008, 17; Giangiulio 2010; Giangiulio 2019. – Eine Auseinandersetzung mit dem Thema Identität in Romanform, in der die vielfältigen Facetten des Themas aufgegriffen werden, bietet Sanyal 2021. So der Begriff von Paul Ricoeur, aufgenommen von Gehrke 2017, 42, s. auch Gehrke 2015, 223–230. Alston 2008, 148: „Identities rest the realm of narratives. Yet narratives are notoriously and obviously disputable, and the range of options as to constructible narratives and thus identities is, I think, theoretically infinite.“ Im Sinne von Berger/Luckmann 2013 (1966). Grundlegend das Konzept der „invention of tradition“, Hobsbawm/Ranger 1983. Auch der von Hayden White begründete ‚linguistic/narratological turn‘ ist hier anzuführen, s. dazu Wiseman 1979; Daniel 2001, 430–443; Gehrke 2001, 12.

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nützlich ist.15 Der Bezug auf die Ursprünge kann dabei einerseits die fundierende Funktion haben, die Zusammengehörigkeit des eigenen Volkes und seine Stellung in der Welt mit mythischen Vorfahren zu begründen,16 andererseits die normative Funktion, spezifische kulturelle Eigenheiten und Regeln zu vermitteln, deren Anfänge auf den Beginn des Kollektivs zurückprojiziert werden, sowie innerethnische Solidarität zu beschwören. Nach außen werden freundschaftliche oder konflikthafte Beziehungen zu anderen Gruppen narrativ begründet. Ursprungsnarrative rechtfertigen dabei nicht nur die Abgrenzung von anderen Gruppen, d. h. die Stiftung und Behauptung der eigenen Identität durch Alterität. In der Antike spielen sie auch eine zentrale Rolle bei der Herstellung mythischer Verwandtschaften. Die gemeinsame Abstammung von denselben Heroen war in der griechischen Welt ebenso wie die Gründung durch dieselbe Mutterstadt Grundlage für Kontakte aller Art, insbesondere für den Handel und die gegenseitige Unterstützung in Kriegs- und Krisenzeiten.17 Die Akteure in Ethnizitätsdiskursen, d. h. die Erzähler von Ursprungsmythen, können selbst Teil des Ethnos sein und somit ihrer eigenen Gruppe ein Narrativ zur Selbst­identifikation zur Verfügung stellen, diese verstärken und variieren. Gleichzeitig sind Zuschreibungen und ethnisierende Deutungen von außen an der Tagesordnung.18 Je nach Anliegen der jeweiligen Erzähler und historischer Situation ist mit einer unterschiedlichen Wirksamkeit der jeweiligen Erzählung zu rechnen. ‚Einheimische‘ Narrative konnten verhallen und Identifikationsangebote von außen angenommen werden, das jeweilige Gegenteil kam jedoch wohl häufiger vor. Blicken wir nun nach Latium. In den untersuchten Erzählungen liegt der Idealtypus der Herleitung eines Kollektivs von einem gemeinsamen Stammvater vor, in diesem

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s. zum Konzept der Intentionalen Geschichte Gehrke 1994; Gehrke 2001a; Gehrke 2001b; Gehrke 2015; s. auch die neueren Sammelbände von Foxhall u. a. 2010 und Möller 2019; darüber hinaus auch Proietti/Franchi 2012, insbesondere Proietti 2012b; ohne Verwendung des Begriffs auch Osborne 2012, 31; Hornblower 2018, 171. Eine kritische Diskussion findet sich bei Kühr 2006, 28–30. – Grundlegend für das Konzept der „Intentionalen Geschichte“ waren die Studien zum Kollektiven und Kulturellen Gedächtnis seit Maurice Halbwachs 1985 (1925) und Jan Assmann (1988, 1997); Rezeption für die griechisch-römische Antike beispielsweise bei Stein-Hölkeskamp/Hölkeskamp 2006 sowie einer großen Anzahl in der Folge erschienener Publikationen. Smith 1986, 24: „It goes without saying that I am concerned here, not with actual descent, but with the sense of imputed common ancestry and origins. A myth of descent attempts to provide an answer to questions of similarity and belonging: why are we all alike? Why are we one community? Because we came from the same place, at a definite period of time and are descended from the self-same ancestor, we necessarily belong together and share the same feelings and tastes.“ Grundlegend zur syngeneia Bickerman 1952; zu Rom u. a. Battistoni 2010. s. Nowak 2014 mit Lit.: Historische Ereignisse wie die sogenannte Samnitisierung Kampaniens oder die späteren Samnitenkriege werden in Antike und Forschung mit ethnisierenden Erklärungsmustern interpretiert und erinnert, während wohl eher politische, soziale und wirtschaftliche Ursachen für die Entwicklungen ausschlaggebend waren. Zu den Samnitenkriegen s. auch u. S. 191.

Forschungsprobleme

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Fall von Latinus, der als eponymer Heros den Latinern ihren Namen verliehen hat.19 Allerdings werfen die frühen Latinus-Erzählungen vielfältige Probleme auf, weshalb ihre Bedeutung für das Selbstverständnis der Latiner in der Forschung umstritten ist. Dies ist in erster Linie auf die Quellensituation zurückzuführen. Aus der Zeit vor dem Beginn der Literaturproduktion in Rom im 3. Jahrhundert stehen uns nur sehr wenige literarische Quellen nicht nur für die Geschichte Roms und Latiums im Allgemeinen, sondern auch für die latinischen Ursprungserzählungen zur Verfügung, und diese stammen von griechischen Autoren. Diese ‚Black Box‘, die bei der Analyse und Interpretation besondere Vorsicht erfordert, wurde in der Forschung mit allen möglichen Inhalten gefüllt. Aus anthropologischer Sicht ist davon auszugehen, dass Römer und Latiner auch in vorliterarischer Zeit Vorstellungen von ihren Ursprüngen hatten und in Erzählungen Kontinuitäten zu ihren – mythhistorischen – Vorfahren herstellten. Doch wie kommen wir an diese heran? Problematisch ist das eigentlich Nächstliegende, nämlich aus der römischen Literatur auf die Ursprungserzählungen in Latium zwischen archaischer Zeit und Beginn der römischen Literatur zurückzuschließen. Denn römisch-latinische Selbstzeugnisse der Späten Republik und der augusteischen Zeit sind weitgehend mit dem Filter der Vulgata geschrieben.20 Bei Livius und Dionysios von Halikarnassos wird konsequent die albanische Version der latinischen Ursprünge gemäß der Vulgata herangezogen, um das Verhältnis zwischen Rom und den latinischen Städten zu beschreiben, sei es im Kontext der Konflikte der Königszeit oder beim Latinerkrieg.21 Über die vielfältigen Rückprojektionen späterer Vorstellungen auf frühere Verhandlungsmomente wird auch diese Arbeit nicht hinauskommen. Man kann weder positivistisch die in Latium erzählten Geschichten noch die Momente ihrer Wiedergabe noch die erzählenden Personen ergründen. Um die Wirksamkeit der untersuchten Erzählungen im Sinne von ‚intentionalen Geschichten‘ zu beurteilen, müssen daher indirekte Indizien herangezogen werden. 19 20

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Neben den Erzählungen über den ethnischen Eponym Latinus gibt es unzählige ktiseis der einzelnen Städte, die hier nur gestreift werden können, s. zuletzt Überblick und Diskussion bei Palombi 2010; Palombi 2018; di Fazio 2019, Kap. IV. Auf das Problem der Überlieferung zur römisch-latinischen Frühzeit kann hier nur verwiesen werden. Neben dem anzunehmenden Wandel historischer Erinnerung in einer mündlichen Kultur bestand auch das Risiko, dass vorhandene dokumentarische Quellen wie Inschriften nicht mehr verstanden wurden. Als Beispiel dafür seien die unterschiedlichen Deutungen des Lapis Niger genannt, dessen Funktion trotz einer archaischen Inschrift in der Späten Republik nicht mehr verstanden wurde; s. Ampolo 1983, 19–26; Ampolo 2009. In diesem Narrativ werden die latinischen Städte und Mitglieder des Latinerbundes als Gründungen des Königs Latinus Silvius von Alba Longa dargestellt, s. u. S. 28. – Die spezifisch römischen Praktiken der Diplomatie, in denen es keinen Platz für Verwandtschaftsdiskurse gab, sind höchstwahrscheinlich erst später entstanden als in der annalistischen Tradition angegeben. Zur Diplomatie im mittelrepublikanischen Rom, s. Stouder 2015, die auf die Fähigkeit der Römer hinweist, sich an die Bedürfnisse der jeweiligen Gesprächspartner anzupassen, um Verhandlungserfolge zu erzielen (61). Möglicherweise wurden hierfür auch mythhistorische Argumentationen eingesetzt.

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Anstatt auf zeitgenössische latinische Selbstaussagen über die eigene mythhistorische und ethnische Verortung zurückgreifen zu können, sind wir also auf das nicht minder problematische Zeugnis griechischer Autoren angewiesen. Die Verse der Theogonie mit der ältesten Erwähnung des Latinus werden von einem Teil der Forschung als späte Interpolationen im hesiodeischen Epos betrachtet. Fast alle übrigen Texte sind fragmentarisch bei kaiserzeitlichen und byzantinischen Autoren überliefert. Die anonym überlieferten Erzählungen werden in der Forschung als verderbte Varianten der einzigen Notiz mit identifizierbarer Quellenangabe verstanden, wie wir im Kapitel über Latinus als Sohn des Telemach sehen werden. Hinzu kommen die Schwierigkeiten der Textüberlieferung, die eine Klärung der Identität der in den einzelnen Texten erwähnten Personen erfordert, bevor eine Interpretation vorgenommen werden kann. Abgesehen von der Überlieferungssituation besteht die Schwierigkeit bei der Einschätzung der hier untersuchten zeitgenössischen Zeugnisse gerade darin, dass sie von griechischen Autoren stammen oder solchen zugeschrieben werden und es sich somit um ‚griechische‘ Erzählungen handelt, auch wenn die Hälfte davon bei lateinischen Autoren überliefert ist. Damit gelten sie als Fremdbeschreibungen und daher als irrelevant für das latinische Selbstverständnis.22 Die Durchlässigkeit der ethnischen und kulturellen Grenzen zwischen Griechen und Nichtgriechen wurde in der Forschung lange Zeit als gering eingeschätzt:23 Die ‚griechische‘ Art des mythischen Erzählens sei den Latinern demnach fremd gewesen.24 Den ‚griechischen‘ wurden ‚lokale‘ Erzählungen gegenübergestellt, von denen die Griechen ihrerseits keine oder nur spärliche Kenntnis gehabt hätten, sowie einheimische Erinnerungspraktiken wie die ganz im Historischen verhafteten Stammbäume der römischen nobiles.25 Obwohl sie aus späten Quellen stammen, werden diese postulierten ‚lokalen Traditionen‘ in der Forschung meist als Kandidaten für relevante Ursprungserzählungen bevorzugt und

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s. zuletzt die zu Recht kritischen Ausführungen von Di Fazio 2018a, 490 über die „scarsa utilità“ der eponymen ethnischen Heroen für die Völker der Apeninnen. In vielen Fällen kann es sich tatsächlich um reine Fremdzuschreibungen handeln, wie dies ursprünglich bei Hesiod der Fall war (s. Kap. 2.1), doch ist m. E. nicht ausgeschlossen, dass Erzählungen übernommen und angeeignet wurden, wenn sie nämlich in Kontaktsituationen zur Interaktion verwendet wurden. Ein Beispiel hierfür Flaig 1999. – Zur Durchlässigkeit der ethnischen Grenzen, „ethnic fluidity“, im archaischen Latium s. zuletzt Fulminante 2018, 488. Zu der Unhaltbarkeit der Vorstellung eines unversöhnlichen Gegensatzes zwischen Griechen und Persern s. Hall 2005, 262 f. Hier ist an die Debatte um die ‚Mythenlosigkeit‘ Roms und Latiums zu erinnern. Dieses Bild des frühen Roms war auch in der Forschung lange von großer Wirkung, obwohl es keine verlässliche, zeitgenössisch belegte Aussage über die Königszeit darstellt, sondern vielmehr eine normative, philosophisch gefärbte Präsentation aus der Feder spätrepublikanisch-augusteischer Autoren (Cic. nat. deor. 3,60; Dion. Hal. ant. 2,18–20). Zur Debatte s. die Beiträge in Graf 1993; wichtig die Beobachtungen in Feeney 1998, Kap. 2; Wiseman 2004, 11. s. hierzu die Differenzierung zwischen der meritokratischen Erinnerungspraxis der alten Senatsfamilien und ‚erfundenen‘ Abstammungen mancher homines novi von griechischen oder eponymen Heroen im republikanischen Rom, s. u. a. Wiseman 1974; Hölkeskamp 1999; Farney 2007; s. zuletzt kritische Diskussion in Wright/Terrenato 2023, 24.

Forschungsprobleme

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auf die Anfänge der latinischen Geschichte zurückprojiziert. Demgegenüber werden Erzählungen griechischer Autoren, auch wenn sie für eine frühere Zeit bezeugt sind, noch häufig als irrelevante Fremdbeschreibungen beiseitegeschoben. Wenngleich bereits seit der Mitte des 20. Jahrhunderts insbesondere aufgrund von archäologischen Funden ein Umdenken bezüglich der Beziehungen zwischen Griechen und Latinern in den Jahrhunderten vor der Eroberung Italiens durch Rom stattgefunden hat und auch die motivische Nähe zwischen manchen lokalen und griechischen Erzählungen festgestellt wurde, besteht weiterhin Unbehagen gegenüber den hier untersuchten Zeugnissen. Während mythhistorische Erzählungen in der Welt der griechischen Autoren eine integrative und verbindende Funktion im Sinne der Herstellung von syngeneiai aufwiesen, wurde in der Forschung aufgrund einer hellenozentrischen Perspektive und der Überbetonung der ethnischen und kulturellen Grenzen die Bedeutung dieser Praxis für die Interaktion mit nichtgriechischen Völkern unterschätzt. Diese Sicht wurde zwar zuletzt relativiert, wirkt aber immer noch nach. Insbesondere ist die Annahme einer späten ‚Entdeckung‘ Roms und der Latiner durch die Griechen zu relativieren, welche meist erst mit Timaios im späten 4. Jahrhundert angesetzt wird.26 Seit dem 8. Jahrhundert v. Chr. gab es Kontakte zwischen Latium und Griechen unterschiedlicher Herkunft, die bis zur Zeit des Timaios nie abrissen.27 Der Wandel, den man ab Timaios und seinen Zeitgenossen beobachten kann, liegt vielmehr darin, dass die Stadt nun als Hegemonialmacht in Italien eine ganz neue Bedeutung und ein gesteigertes Interesse auch seitens der griechischen Autoren zukam.28 Doch dem gingen jahrhundertelange Kontakte und ein Philhellenismus der Elite voraus, die u. a. zur Übernahme griechischer Kunstfertigkeiten und Gottheiten und sogar zur Bezeichnung Roms als polis hellenis führten.29 Es ist daher sehr wahrscheinlich, dass die Bewohner des Tyrrhenischen Italiens griechische Erzählungen übernahmen und weiterentwickelten und umgekehrt griechische Autoren Kenntnis von lokalen Ursprungserzählungen erlangten und diese verschriftlichten.

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Grundlegend Momigliano 1959. Zu den frühen Kontakten s. Kap. 2.1. s. Humm 2016. s. insb. Vanotti 1999; Humm 2016. Zur römischen Übernahme kultureller Praktiken aller Art von außen z. B. Feeney 2016, 10: „From the first remains of Roman life that we can trace, the culture of the people we call the Romans is continually being reinvented and redescribed, in a process of ceaseless interaction with new groups with whom they are always coming into contact.“ Sicher gab es vielfältige kulturelle Unterschiede zwischen Griechen und Römern bzw. Latinern, doch ist die Einschätzung des essenziellen Gegensatzes in der Forschung zu überwinden, s. die Ausführungen in Feeney 1998. – Wie wir sehen werden, ist ein zentraler Punkt in den Ethnizitätsdiskursen das Ausmaß an griechischen Wurzeln der Römer und Latiner, lange vor Dionysios von Halikarnassos.

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Ursprungserzählungen sind, wie gesehen, als ‚intentionale Geschichte‘ einem ständigen Wandel durch Aktualisierung unterworfen.30 Dies ist also ebenso für die primär mündliche Kultur im vorliterarischen Latium anzunehmen.31 Daher ist es notwendig, eine Stratigraphie der mythhistorischen Erzählungen und ihrer Varianten zu erstellen.32 Es besteht jedoch die Gefahr, sie allzu direkt mit historischen Ereignissen zu verbinden.33 In solchen Fällen wird die Deutung einer Erzählung aufgrund von zu hinterfragenden Vorannahmen auf eine historische Konstellation gemünzt und das Ergebnis als Grundlage der Datierung eines Fragmentes herangezogen. Dafür wird die Lesart mitunter forciert, wie dies gerade im Hinblick auf den Latinerkrieg im mittleren 4. Jahrhundert geschieht, wo man in den Geschichten einen Niederschlag der inner­ latinischen Konflikte sucht. Es wird zu untersuchen sein, ob manche Geschichten nicht auch in die longue durée eingeschrieben, also unabhängig von der Tagespolitik wirksam sein können und ob die Erzählungen mehr als eine Interpretation erlauben, je nach Erzähler und historischem Kontext.34 Neben Erzählungen, denen man diese sozialen und politischen Funktionen im Sinne der Intentionalen Geschichte zuschreibt und die nicht auf spezifische Textgattungen beschränkt sind, stehen solche, denen die Forschung nur geringe außerliterarische Relevanz beimisst, insbesondere Aitiologien und ethnographische Ausführungen. Gerade Aitiologien, als Erklärungen von Institutionen und Namen anhand ihrer (vermeintlichen) Ursprünge, waren in der Antike äußerst beliebt, sie begegnen wie die eponymen Helden bereits im archaischen Epos. Ihre besondere Beliebtheit in der Literatur des Hellenismus und auch bei den römischen Antiquaren und Dichtern führte jedoch zu dem verbreiteten Urteil in der Forschung, dass es sich hierbei häufig schlicht um gelehrte Konstruktionen handele, die über den Text hinaus keine Relevanz hätten. Hier wird ‚Konstruktion‘ negativ verstanden und die ‚erfundene (griechische)‘ einer

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s. z. B. Gehrke 2005, 20 f. zum Gleichgewicht zwischen Statik und Aktualisierung; Kühr 2006, 11; Proietti 2012a. Zur mündlichen Überlieferung im Gegensatz zur schriftlichen, gerade für die griechische Geschichte vor Herodot und Thukydides, s. Proietti 2012b, mit Zusammenfassung der wichtigen Oral-Tradition-Forschung. Im anonymen Gutachten für die Drucklegung dieses Buches wurde auf die „diachronic narratology“ verwiesen. Damit ist mein Ansatz in der Tat gut beschrieben. Nachträglich konnte die Terminologie dieser primär philologischen Herangehensweise nicht mehr adaptiert werden. Neuere Arbeiten sind z. B. Bär 2018; Bär 2019; Bär/Maravela 2019; s. auch Gehrke 2015, 223–230. Ein Beispiel für die Suche nach historischen Kontexten stellt die Untersuchung von Coppola 1995 dar, in der jede mythhistorische Variante ihren historischen Platz erhält. Ebenfalls ist hier Wiseman 1995 zu nennen, für den der patrizisch-plebejische Ausgleich in der Mitte des 4. Jh.s der Ausgangspunkt für die Erzählung von Romulus und Remus darstellt. s. Malkin 1998, 205 f. zur ‚right time‘, dass ein und dieselbe Geschichte zu unterschiedlichen Zeiten auf verschiedene Weise wirksam sein kann.

Forschungsprobleme

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‚wahren‘ Geschichte, in unserem Kontext also der lokalen Tradition, gegenübergestellt, von der man annimmt, dass sie von dem latinischen Kollektiv sanktioniert sei.35 Die Konstatierung einer Fremdbeschreibung wiegt also deshalb besonders schwer, weil man auf der anderen Seite eine solche lokale Tradition postuliert, die im Gegensatz zu den ‚griechischen Konstruktionen‘ tatsächlich der Identitätsstiftung gedient habe. Nur eine solche lokale Tradition habe den lokalen Denkgewohnheiten und Vorstellungswelten entsprochen und das Potential gehabt, als ‚wahr‘ empfunden zu werden. Dies wäre an sich vorstellbar, doch gehen diese Einschätzungen in mehreren Hinsichten zu weit. Erstens wurde auch hier die Unvereinbarkeit griechischer und latinisch-römischer Denkweisen zu stark betont.36 Zweitens besteht hier, wie angemerkt, die Gefahr der Rückprojektion von späten Zeugnissen (d. h. insbesondere aus der Vulgata) auf einen um Jahrhunderte zurückliegenden historischen Kontext.37 Dabei wurde jedoch zu wenig beachtet, dass sich die Vulgata selbst erst herausgebildet und über Jahrhunderte entwickelt hat,38 und zwar deutlich in Auseinandersetzung mit und Aneignung von ‚griechischen‘ Erzählungen,39 und dass die historiographische Präsentation der frühen latinischen Geschichte stark von einer stadtrömischen Perspektive geprägt ist. Und schließlich geht man auf diese Weise dem zentralen Anliegen einer jeden Ursprungserzählung, die der Identitätsstiftung dienen soll, auf den Leim, die ja gerade die Kontinuität von den Ursprüngen zur jeweiligen Gegenwart behaupten und mit einem Wahrheitsanspruch frühere Erzählungen vergessen machen will. Wenn man dagegen auch der Vulgata zugesteht, Resultat einer Entwicklung zu sein, wird der Blick auf die früheren Vorstellungen frei. Die in diesem Buch untersuchten Zeugnisse haben gemeinsam, dass sie anders als die späteren historiographischen und epischen Darstellungen der Vulgata jeweils nur aus einer Genealogie mit zahlreichen eponymen Figuren bestehen, in seltenen Fällen ergänzt um narrative Elemente.40 Sie werden in der Forschung daher gern als antiqua35

Zum Wahrheitsbegriff im Zusammenhang mit Mythographie und Historiographie s. zuletzt Gian­giulio 2019. Zur Hierarchisierung von Erzählungen aufgrund ihrer vermeintlichen Relevanz s. Hagen 2024 im Druck. 36 s. Feeney 1998, mit einer Diskussion der unterschiedlichen Einschätzung der lebensweltlichen Verankerung und sozialen Relevanz im griechischen und mittelitalischen Kontext. 37 Am weitesten geht A. Carandini, der der Überlieferung einen so großen Vertrauensvorschuss entgegenbringt, dass er meint, die Spuren des Romulus archäologisch nachweisen zu können, s. dagegen deutlich und stellvertretend Ampolo 2013 sowie die kritischen Kommentare von A. Snodgrass, R. Osborne, T. Cornell und C. Smith in Cifani/Stoddart 2012, 18–23; Lomas 2019, Kap. 3. 38 s. u. den Überblick über die Vulgata in Kap. 1.2. 39 Das Paradebeispiel dieser Ambivalenz zwischen Aneignung und Abgrenzung ist Cato der Ältere, der als zutiefst griechisch gebildeter Autor mit griechischen Mitteln eine antigriechische Geschichte schreibt. Seine Beschreibung der frühen Römer und des mos maiorum war in der Forschung so erfolgreich, dass man lange einen viel größeren, essenziellen Unterschied zwischen Griechen und Römern annahm als historisch gerechtfertigt ist. 40 Zu Genealogien s. Hall 1997, 86–88; Fowler 1998 (mit Verweis auf ethnologische Forschungen); Gehrke 2005, 21 f.

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rische, aitiologische Konstruktionen abgetan. Dazu verleitet auch ihr Überlieferungskontext innerhalb von Aufzählungen alternativer bzw. veralteter Erzählungen über die Gründung Roms. Die Aufgabe der Genealogie als Grundform der Ahnenerzählung liegt in der Anknüpfung an einen Stammvater und darüber hinaus an einen epischen Helden. Sie dient auch, wie es später in der Vulgata deutlich ist, der Überbrückung zwischen unterschiedlichen Zeitpunkten der Frühzeit. Die Bedeutung der Abstammungs- und Verwandtschaftsverhältnisse der Gründergenerationen zeigt sich darin, dass auch bekannte Handlungen beim Paraphrasieren auf das genealogische Gerüst reduziert werden können. Wie sind diese Stammbäume, die zum größten Teil aus eponymen Figuren bestehen, zu lesen?41 Verbreitet ist die allegorische Deutung, in der die Figuren als Personifikationen der jeweiligen Städte, Orte, Völker zu verstehen sind. Die jeweiligen Familienverhältnisse werden so als eine Metapher für die (hierarchischen?) Verhältnisse zwischen den dargestellten Kollektiven gedeutet.42 Diese Lesart wird in der Forschung dann gewählt, wenn eine Erzählung historisch verortet werden soll und man nach Allianzen und Konflikten Ausschau hält.43 Dennoch muss auch die Möglichkeit ursprünglich vorhandener, der Paraphrasierung zum Opfer gefallener narrativer Ausgestaltungen in Betracht gezogen werden. Hinter den Paraphrasen sind ausführlichere Erzählungen zu vermuten, die in größere Erzähltraditionen eingeordnet werden können. Es würde sich somit tatsächlich um einen mythos handeln, die Erzählung einer Handlung.44 Zum Zwecke der Identitätsstiftung wird einer Narration größere Wirksamkeit zugebilligt, da sie die einfache Genealogie mit Inhalt füllt und sie als attraktiver Teil einer performativen Darstellung ihren Platz in der sozialen Interaktion finden kann.

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Malkin 2001b, 10–12: aufgrund der erhaltenen Quellen kann man meist nicht mehr erkennen, wie die Genealogien funktionierten und welche Bedeutung sie gerade im ethnischen Zusammenhang hatten. Nach Hall 2002, 27 und Nafissi 2014, 64 haben wir es im Falle eponymer Heroen mit ‚nackten‘ Figuren zu tun statt mit Protagonisten, die als Stammväter, Gründer, Könige oder Kulturheroen im Rahmen der lokalen Erinnerungskultur potenziell identitätsrelevant seien. Diese „eroi identitari“ würden häufig nicht oder erst spät narrativ zu Helden in den mythischen Handlungen ausgestaltet. Insbesondere Wiseman 1995 geht auf diese Weise vor. Klassisch ist die Definition eines Mythos als Erzählung einer Handlung, eine Geschichte, bei Burkert 1993; s. auch z. B. Wiseman 2004, 10 f.: „let us define a myth as a story that matters to a community, one that is told and retold because it has a significance for one generation after another. Such a story may be (in our terms) historical, pseudo-historical or totally fictitious, but if it matters enough to be retold, it can count as a myth.“ Eine aktuelle Forschungsgeschichte zum antiken Mythos findet sich bei Miano 2023; s. davor beispielsweise zu Gründungsmythen Kühr 2006, 15–35.

Die sogenannte Vulgata

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1.2 Die sogenannte Vulgata Folie aller Beschäftigung mit mythhistorischen Erzählungen über die Ursprünge Latiums und Roms ist die sogenannte Vulgata oder kanonische Erzählung.45 Diese übliche, allgemein verbreitete Ursprungserzählung ist das Ergebnis eines langen Prozesses zwischen dem 3. Jahrhundert und der augusteischen Zeit. Diese daraus hervorgegangene Geschichte war trotz ihrer Differenzen im Detail ab der Mitte des 1. Jahrhunderts v. Chr. die allgemein anerkannte und wurde bis in den spätantiken und auch byzantinischen Annalen und Stadtgeschichten in den Grundzügen weitgehend unverändert wiedergegeben. Der Beliebtheit dieser Erzählung haben schließlich Caesar und Augustus, die Aeneas und seine Mutter Venus als Vorfahren propagierten und durch Tempel und Statuengalerien in die stadtrömische Erinnerungslandschaft einschrieben, nachgeholfen. Neben der augusteischen Literaturproduktion und Inszenierungen wie den Leichenreden der Mitglieder der Familie des Princeps spielten jetzt, anders als zuvor, ikonographische Darstellungen eine besondere Rolle.46 Zeugnisse aus vielen Teilen des Reiches zeigen zudem, dass die Geschichte vom Ursprung der Latiner und der Gründung der Stadt Rom nicht nur in Rom und Latium selbst, sondern tief bis in die Provinzen von Bedeutung war.47 Den übrigen Ursprungserzählungen blieb nunmehr nur noch der Platz in den Listen der veralteten Geschichten oder sie fielen gänzlich dem Vergessen anheim. Zu Beginn der Vereinheitlichung der Geschichte, die ihrerseits bis in augusteischer Zeit weiterentwickelt wurde, sieht man noch eine gewisse Vielfalt beim Übergang von der kurzen Genealogie mit Aeneas und Romulus als Großvater respektive Enkel zu der neuen silvischen Dynastie von Alba Longa. Hier ist der Schlusspunkt meiner Untersuchung, in der es um die Vielfalt vor der Vulgata geht. Man hat unter Kanonisierung keinen dogmatisch-normativen Prozess zu verstehen, es geht hier nicht um verbindliche Glaubensinhalte, sondern um einen Vereinheitlichungs- bzw. Harmonisierungsprozess. Neben punktuellen Ergänzungen und Variationen lassen sich auf dem Weg zur klassischen kanonischen Erzählung mehrere Prozesse ausmachen, in deren Verlauf bestimmte narrativen Motive, Figuren und Völker aufgenommen und in der Folge die Gesamterzählung neu ausgerichtet wurde: So sehen wir eine Sabinisierung, eine Arkadisierung und eine Romulisierung.48 In dieser Untersuchung wird für die früheren Erzählungen entsprechend eine Italisierung aus45

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Der anonyme Gutachter wies darauf hin, dass es sich bei der Vulgata bzw. kanonischen Erzählung um eine moderne Konstruktion handele. Sicher sind diese in der Forschungsliteratur eingeführten und allgemein üblichen Bezeichnungen keine Quellenbegriffe aus der Antike, doch treffen sie genau das, was in den Texten beobachtet werden kann, und werden daher beibehalten. s. grundlegend Zanker 1987; Spannagel 1999; Geiger 2008; Dardenay 2012; Goldbeck 2015; zuletzt Calcani 2023. Dardenay 2012; Goldbeck 2015. Hierzu s. grundlegend Poucet 1967; Poucet 1985; Chassignet 2008; Pausch 2008.

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gemacht.49 Wichtig festzuhalten ist, dass trotz einer weitgehenden Vereinheitlichung der Erzählungen daher immer noch deutliche Unterschiede bestehen zwischen den einzelnen Versionen im Rahmen der Vulgata, gerade zwischen Vergils Darstellung in der Aeneis und dem Ursprungsnarrativ in der spätrepublikanischen und augusteischen Historiographie. Die Erzählungen waren, wie charakteristisch für die antike Mythographie, wandelbar und erweiterbar. Die Autoren, insbesondere die Dichter und Antiquare konnten innerhalb des narrativen Grundgerüsts weitere Details hinzufügen und neben die allgemein bekannten stellen.50 Ausgangspunkt für Variationen und Aktualisierungen, jeweils in sabinischer, arkadischer oder romuleischer Ausrichtung, sind meist die Fragen nach dem Ursprung von Ortsnamen und Institutionen. Das Ergebnis eines solchen aitiologischen Vorgehens war die große Vielfalt im Detail, aber doch stets innerhalb derselben Vorstellungswelt.51 Die zentrale Problematik der Ursprünge der Vulgata kann hier nicht aufgelöst werden. Aufgrund der ‚Blackbox‘ vor dem Beginn der römischen Literatur ist nicht belegbar, wie lange vor ihrer ersten literarischen Erwähnung die einzelnen Erzählungen tatsächlich entstanden sind. Auf der einen Seite steht die Sicht, dass die Erzählung über Romulus und Remus zumindest in ihrem Kern eine alte römische Tradition darstellt, die ‚authentische, lokale Ursprungserzählung‘, seit jeher von Relevanz für die Stadt und ausgezeichnet durch bestimmte als latinisch beschriebene oder in indoeuropäischem Zusammenhang verstandene Charakteristika.52 Die Entstehung der Vulgata wird dabei als die Zusammenführung und Harmonisierung der trojanischen und der lokalen Erzählungen erklärt. Auf der anderen Seite steht die These einer späten Herausbildung dieses Ursprungsnarrativs, deren Kreation im Kontext der Ständekämpfe und der römischen Expansion und Hegemonie in Italien kontextualisiert wird.53 Meine Einschätzung ist, dass – auch wenn sich tatsächlich einige alte Erzählungen ins 3. Jahrhundert und in die beginnende Literatur gerettet haben – die Erzählungen in der Vulgata so gut in ihre Zeit passten54 und durch die Aktualisierungen bis zur kanonischen Versi-

49 s. u. Kap. 3.6.2. Ergänzend habe ich für die Vulgata eine Palatinisierung vorgeschlagen, s. Hagen 2018. 50 Hier sind die Begriffe der „motifs classés“ und „motifs libres“ von Jacques Poucet zu nennen, s. Poucet 1992; Poucet 2000. Bei ersteren handele es sich um die grundlegenden, unverzichtbaren Motive, bei zweiteren um die in der Freiheit des jeweiligen Autors liegenden Ergänzungen. 51 s. Hagen 2024 im Druck mit der Interpretation einer kumulativen Sinnstiftung als Zweck, nicht als unbeabsichtigte Nebenwirkung. 52 Hauptvertreter sind (neben Carandini, der die Tradition allzu wörtlich nimmt) Cornell 1975; Cornell 1995; Cornell 2000; Bremmer 1987a; Poucet 1989, 245; Mastrocinque 1993; zuletzt De Sanctis 2021; insb. Briquel 1981 und Briquel 1992, zu den ‚latinischen‘ Gründungsgeschichten und zur indoeuropäischen Deutung im Gefolge der Arbeiten Dumézils. 53 Insb. Wiseman 1995; Raaflaub 1996; Raaflaub 2006. 54 s. insb. Feeney 2016 und die Ausführungen zur Kreation der römischen Literatur als einem Willensakt des 3. Jh.s, der keinesfalls zwangsläufig war. Die Bedeutung griechischer und italischer Autoren und griechischer Vorbilder kann bei dieser kulturellen Leistung nicht überschätzt werden.

Die sogenannte Vulgata

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on in der Annalistik so kreativ ausgearbeitet, systematisiert, gefeilt und dem Zeitgeist angepasst wurde, dass von möglichen ‚authentischen latinischen Ursprungserzählungen‘ nicht mehr viel übrig sein konnte. Die Bedeutung griechischer Vorbilder auch für die Vulgata wurde inzwischen zur Genüge belegt und auch Folktale-Elemente wie die Säugung durch ein wildes Tier war nicht der römischen Ktisis vorbehalten.55 Mirakulöse Elemente konnten zu jeder Zeit aufgenommen und durch Rationalisierung auch wieder relativiert werden.56 *** Die Grundzüge und Hauptpersonen der Vulgata werden im Folgenden übersichtsartig vorgestellt:57 Latinus’ Vater Faunus, Sohn des Picus und Enkel des Saturnus, erscheint seit der frühen römischen Geschichtsschreibung als einheimischer König, davor und auch danach weiterhin als Gott, der in einem Tempel auf der Tiberinsel sowie im Rahmen des Festes der Lupercalia verehrt wurde.58 Faunus’ Vater Picus erscheint insbesondere als Protagonist von Liebeserzählungen, in denen Kirke entweder als verschmähte Geliebte oder wie bei Vergil als seine Gattin auftritt, was auf das hesiodeische Erbe der Latiner hinweist.59 Saturnus erscheint seinerseits als Weiterentwicklung des griechischen Kronos, der vor seinem Sohn nach Latium zu Ianus geflohen war, andererseits als Bringer eines Goldenen Zeitalters.60 55 56

Zu Aussetzung und Säugung von Heroen Binder 1964. Gerade die Fruchtbarkeit der Mythenkreation innerhalb der Vulgata zeigt, dass man kaum mit statischen, unwandelbaren ‚primary myths‘ rechnen kann, denen man ‚secondary myths‘ gegenüberstellen kann, also später von den augusteischen Autoren ohne soziale Relevanz für die römische Gesellschaft kreierten, wie maßgeblich von Horsfall 1987a vertreten. Denn gerade manche der spät entstandenen Motive waren besonders erfolgreich, während ältere Traditionen im Laufe der Zeit nur noch als Nachhall und exotische Notiz bei Vergil oder den Lexikographen überlebten. Gegen die These von ‚primary‘ und ‚secondary myths‘ insb. Feeney 1998; zuletzt Cornell 2023, 111 mit Anm. 65. 57 Hier werden jeweils nur die ersten literarischen Erwähnungen bzw. besonders wichtige Stellen angeführt. 58 Es ist wahrscheinlich, dass der Aussage von Cincius Alimentus und Cassius Hemina ab Euandro Faunum deum appellatum eine euhemeristische Vorstellung zugrunde liegt, in der ein Gott zu einem Protagonisten in einer Erzählung gemacht werden konnte (FRHist 2 F 10 = FRHist 6 F 2 = Serv. georg. 1,10). Varro bezeugt Fauni im Plural als Götter der Latiner (in Serv. georg. 1,11: sed Varro ad Ciceronem ita ait „ dii Latinorum, ita ut Faunus et Fauna sit“). Dion. Hal. ant. 1,31,2 berichtet, dass die Römer ihn mit Opfern und Hymnen als Gott verehrten. Zur These, hinter dem hesiodeischen Agrios verberge sich ein einheimischer Faunus s. u. S. 42 mit Anm. 46. 59 s. Moorton 1988 zu Kirke im Stammbaum des Latinus in der Aeneis. 60 Da Saturnus wie die übrigen laurentinischen Könige und Vorfahren des eponymen Latinus zunächst als Gott in Erscheinung tritt, ist auch für ihn eine sekundäre Aufnahme in die Ursprungserzählungen zu vermuten. Spuren der laurentinischen Dynastie gibt es seit Ennius, wo von Saturnus, Sohn des Caelius, die Rede ist (fr. 23–24 Skutsch, dazu Chassignet 2018, 76). – Zu Saturnus s. auch S. 161. 169. 186.

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Zur Zeit des Faunus kommt der Arkader Euander nach Italien und gründet eine Siedlung auf dem Palatin. In derselben Zeit liegt das künftige Rom auch auf dem Weg des Herkules, der die Rinderherde des Geryoneus aus Spanien mit sich führt. Herkules’ Aufenthalt in Italien erscheint in den römischen Quellen bei Fabius Pictor,61 wird aber bereits in der frühen griechischen Literatur erwähnt.62 Die Aufnahme Euanders in die Gründungsgeschichte wird meist im 3. Jahrhundert angesetzt.63 Latinus, der bei Livius ganz ohne Vorfahren präsentiert wird, ist spätestens bei Vergil Sohn des Faunus64 aus der Dynastie der Laurenter. Er erscheint als König der Aborigines.65 Seine Herrschaft fällt in die Zeit des Trojanischen Krieges. In seiner Residenz Laurentum südlich von Rom empfängt er Aeneas, als dieser mit seinen Gefährten und seinem Sohn Ascanius nach Italien kommt.66 Latinus gibt Aeneas seine Tochter zur Frau und den Trojanern etwas Land. Aeneas gründet eine Stadt und benennt sie nach seiner neuen latinischen Frau als Lavinium. Dieser Kern der Vulgata ist das erste Mal ausführlich bei Cato in der Mitte des 2. Jahrhunderts belegt. Auch Lavinia, die Tochter des Latinus mit seiner Frau Amata, erscheint das erste Mal bei Cato.67 An dieser Heirat entzündet sich der Konflikt mit Turnus, dem Neffen des Latinus, dem Lavinias Hand versprochen war. In der Vulgata zieht er in den Krieg gegen Latinus und Aeneas und wird dabei von Mezentius, dem Tyrannen von Caere, unterstützt. Gerade an diesem Aspekt zeigt sich, dass sich die Vulgata erst formieren musste, denn bei Naevius und Ennius erscheint Mezentius wohl noch nicht, sicher aber bei Cato. Unterschiede in den einzelnen Versionen betreffen die Anzahl der Schlachten, die jeweilige Konstellation zwischen Latinus, Turnus und Aeneas sowie den Zeitpunkt, an dem Latinus und Aeneas fallen bzw. entrückt werden. Latinus ist

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FRHist 1 T 7 (FRH 1 F 1). Überblick zu Herkules in Rom bei Cornell 1995, 68 f. Eine Erzählung, die den zeitlichen Rahmen dieser Arbeit überschreitet, stammt von Silenos, einem Historiker des Hannibal, und bezeichnet Latinus als Sohn des Herkules, FGrHist 175 F 8 = Solin. 1,15. Vielleicht bereits in der Geryoneis des Stesichoros (Davies/Finglass 2014, fr. 21 Anm.), sicher aber bei Hellanikos (FGrHist 4 F 111 = Dion. Hal. ant. 1,35). Die erste Erwähnung des Euander findet sich möglicherweise bei Fabius Pictor: FRHist 1 (F 27), als „possible fragment“ aufgeführt (FRH 1 F 2) = Mar. Victor. I p. 23 Keil (ohne Quellenangabe auch OGR 5,4). Älter sind vermutlich die Erzählungen, die ihn als Vater der Rhome oder als Siedler in Valentia präsentieren, s. Kap. 3.5.2. Sicher bei Vergil (Aen. 7,102 f.); vielleicht bereits bei Varro (wenn er die Quelle des Aug. civ. 18,16 ist); Ovid (met. 14,449). s. u. Kap. 3.6.1. In frühen Versionen erreicht auch Aeneas’ Vater Anchises Italien: Cato FRHist 5 F 6 a–e (FRH 3 F 1,9a). FRHist 5 F 8 = Serv. Aen. 6,760 (FRH 3 F 1,11). In früheren bzw. alternativen Versionen erscheint Lavinia als Tochter Euanders (Pol. 6,11, a1 = Dion. Hal. ant. 1,32,1) und als Tochter des delischen Priesters/Königs Anios (Lutatius, FRHist 32 F 8 = OGR 9,5; Dion. Hal. ant. 1,59,3). – Amata ist bereits bei Fabius Pictor erwähnt: FRHist 1 F 2 = Serv. Aen. 12,603 (FRH 1 F 6).

Die sogenannte Vulgata

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in manchen Versionen, insbesondere in der Aeneis selbst, kein zuverlässiger Verbündeter des Aeneas.68 Das einheimische Volk der Aborigines verbindet sich mit den Trojanern des Aeneas, das so entstehende neue Volk erhält den Namen des in den meisten Varianten in der ersten Schlacht verstorbenen Latinus. Aeneas übernimmt die Herrschaft von Latinus. Aeneas wird in einer Schlacht am Fluss Numicus entrückt. Ascanius errichtet ein Heroon, das dem Aeneas als Pater Indiges geweiht wird.69 Nach Aeneas’ Tod übernimmt zunächst Lavinia die Regentschaft in Lavinium für Aeneas’ Sohn Ascanius. Dieser gründet 30 Jahre später Alba Longa. Sein Halbbruder, Silvius Postumus, der Sohn des Aeneas und der Lavinia, begründet die Dynastie der albanischen Könige, der Silvii. Die Gründung Alba Longas erscheint das erste Mal bei Fabius Pictor. Die Einführung der albanischen Könige erfolgt im späten 3. Jahrhundert und stellt einen entscheidenden Wendepunkt der latinischen Vorgeschichte dar, als man aus chronologischen Gründen Aeneas von Romulus trennt, der noch bis Naevius und Ennius als dessen Sohn oder Enkel bezeichnet wird.70 Bis in augusteische Zeit waren Identität und Anzahl der Söhne und Enkel des Aeneas nicht festgeschrieben. Als zentrale Gestalt wird schließlich Iulus, mal mit Ascanius gleichgesetzt, mal der Sohn der Lavinia, Stammvater der römischen Iulii. Von ihm leiten sich Caesar und sein Adoptivsohn Augustus her. Caesar errichtet einen Tempel der Venus Genetrix, der Mutter des Aeneas, als Ahnherrin seines Geschlechts, unter Augustus entsteht die Aeneis und wird dem trojanischen Stammvater besondere Ehre auf dem Augustusforum und an der Ara Pacis zuteil. Die Dynastie der Silvii wird je nach Autor in leicht unterschiedlicher Zusammensetzung präsentiert.71 Wichtig für die Latiner ist insbesondere Latinus Silvius, der die

68 Während auch Turnus das erste Mal bei Cato erscheint (FRHist 5 F 6–10), ist die Gestalt des Mezentius um einiges älter, da aufgrund eines Inschriftenfundes dieser Name in Caere in archaischer Zeit belegt ist (mi Laucies Mezenties: „Ich gehöre dem Laucie Mezentie“, 2. Viertel 7. Jh., s. u. a. D. Briquel in: Carandini/Cappelli 2000, 210 mit Lit.; Di Fazio 2005; Di Fazio 2018b, 328– 331). 69 Älteste Quelle für die Entrückung ist Cato FRHist 5 F 7; für den Numicus Sisenna FRHist 26 F 3. – Der Tumulus mit Grabkammer aus dem 7. Jh. in Pratica di Mare, dem antiken Lavinium, wird in der Forschung meist als Heroon des Aeneas bezeichnet. Nach einer rituellen Öffnung des Grabes im 6. Jh. wurde es im 4. Jh., wahrscheinlich nach dem Latinerkrieg, monumentalisiert, s. den Überblick Cornell 1995 mit Lit.; skeptisch Poucet 1989. Grandazzi 1988 schlägt vor, dass der Tumulus zuvor ein Heroon des Latinus war, dessen Kult nach 338 v. Chr. durch den für Aeneas ersetzt worden sei. Zu Lavinium s. auch u. S. 115 f. 70 Die Einfügung der Silvii kann nur indirekt terminiert werden. Bei Eratosthenes, dessen chronologische Kalkulationen letztlich zu der Einfügung mehrerer Generationen führten, erscheint Romulus noch als Enkel des Aeneas (FGrHist/BNJ 241 F 45 = 840 F 20 = fr. 102 Wehrli = Serv. auct. Aen. 1,273), bei Fabius Pictor ist bereits von der albanischen Dynastie die Rede (FRHist 1 F 4 a und b erwähnt Amulius und Numitor). 71 s. zuletzt die Tabelle in Burgess 2014, 21 f., Tab. 2A und 2B

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latinischen Städte als Kolonien Albas gegründet habe.72 Alba Longa erscheint das erste Mal bei Diodor nicht nur als Metropolis Roms über Romulus und Remus, sondern auch der übrigen Städte; das Narrativ ist wahrscheinlich nicht vor dem späten 2. Jahrhundert v. Chr. entstanden, da Cato noch für jede Stadt eine individuelle Gründungsgeschichte anführt73 und sich römische nobiles auf lokale Gründer zurückführen.74 Die Gründung der latinischen Städte durch Latinus Silvius dient in der Folge der Rechtfertigung der römischen Herrschaft über Latium, denn durch den Sieg über Alba nach dem Kampf der Horatier und Curiatier unter dem römischen König Tullus Hostilius habe Rom gleichsam die Kolonien der einstigen Metropolis geerbt. Zuvor noch Söhne bzw. Enkel des Aeneas erscheinen Romulus75 und sein Bruder Remus in der Vulgata als letzte Vertreter der Silvii. Die Erzählung von der Säugung der Zwillinge durch die Wölfin ist spätestens zu Beginn des 3. Jahrhundert verbreitet und von offizieller Stelle vertreten, als die Ogulnii eine Skulptur der Lupa neben dem Lupercal in Rom aufstellen.76 Etwas früher ist dasselbe Thema wahrscheinlich bereits auf einem praenestinischen Spiegel aus Bolsena abgebildet.77 Der Wandel seiner genealogischen Position vollzieht sich spätestens mit Diokles von Peparethos und dann ihm folgend maßgeblich Fabius Pictor, wo Romulus als Sohn der Ilia (in späteren Quellen Rhea Silvia) und Enkel des Königs Numitor auftritt. 1.3 Historische Kontexte Der Untersuchungszeitraum geht vom ersten Zeugnis des latinischen Ethnonyms bei Hesiod bis zur römischen Expansion in Italien im 3. Jahrhundert v. Chr. Hier sind die im Folgenden untersuchten Ursprungserzählungen historisch einzuordnen. Zur Orientierung seien die Grundzüge der latinischen Geschichte aufgeführt.78 Zu Beginn des 1. Jahrtausends v. Chr. bildet sich die sogenannte Latiale Kultur heraus, eine von den benachbarten Regionen distinkte, in sich allerdings nicht homogene materielle Kultur.79 Diese archäologische Klassifizierung allein erlaubt allerdings keine 72 Diod. 7,5,9; OGR 17,6; Liv. 1,3,7; Dion. Hal. ant. 1,45,2; Fest. 253 L. 73 Dies wird in den Inhaltsangaben zu den Origines betont: Cato FRHist 5 T 11. 74 So führen sich beispielsweise die Mamilii auf Telegonos, den Gründer Tusculums zurück, s. Kap. 3.2.3. 75 Der Name des Romulus erscheint in der Literatur das erste Mal vermutlich bei dem sizilianischen Autor Alkimos im frühen 4. Jh., doch noch in anderer genealogischer Konstellation, s. Kap. 4.3. 76 Liv. 10,23. 77 Zuletzt Bradley 2020, 94 f. und De Sanctis 2021, 52 f. 220 mit Lit. Wiseman 1995 bezweifelt die Deutung der Szene als die der Zwillinge Romulus und Remus mit der Lupa. 78 Einen Überblick verschaffen Cornell 1995; Lomas 2019; Bradley 2020; s. weitere Lit. o. S. 13 Anm. 5. 79 s. Smith 1996 mit Lit.; Fulminante 2018. – Die Erinnerung an frühere kleinere Gruppen hat sich möglicherweise für die Bewohner Laviniums und Ardeas erhalten, die Lavinates Laurentes und Ardeates Rutuli, s. u. Kap. 2.3.1.

Historische Kontexte

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direkte Bestimmung ethnischer Identitäten. Welche Gegenstände und Praktiken von einer Gruppe gegebenenfalls als ethnisch identitätsrelevant verstanden wurden, ist nicht ohne Weiteres feststellbar.80 Zwischen dem 8. und 6. Jahrhundert, d. h. zwischen der frühen Eisenzeit und der archaischen Zeit, findet der Prozess der Urbanisierung statt. In ganz Latium entstehen Städte, darunter Rom.81 In der orientalisierenden Epoche belegen Bestattungen mit reichen Grabbeigaben an mehreren Orten die Teilhabe an mediterranen Netzwerken. Nicht mehr aktuell ist die Vorstellung einer etruskischen Herrschaft über Latium, wie sie für die Zeit der letzten römischen Könige angenommen wurde, vielmehr zeichnet sich die Gesellschaft in orientalisierender und archaischer Zeit, wie auch in den folgenden Epochen, durch eine große horizontale Mobilität zwischen den Regionen Italiens aus.82 Für das 6. Jahrhundert ist literarisch die Ausweitung des römischen Einflusses über weite Teile Latiums überliefert. Die Frage nach der Historizität dieser Überlieferung ist immer noch Gegenstand der Forschungsdebatten.83 Für eine Machtposition Roms spricht nicht zuletzt, dass im Ersten Römisch-Karthagischen Vertrag aus dem ersten Jahr der römischen Republik die Latiner als unter römischer Herrschaft stehend bezeichnet werden.84 Eine erste Konstituierung der Gemeinschaft der Latiner findet vermutlich bereits in der Königszeit statt; das zentrale Heiligtum des Iuppiter Latiaris wird in diesem Sinne interpretiert, doch die Details sind unklar.85 Möglicherweise werden die ersten Kolonien Circeii, Setia, Signia im späten 6. Jahrhundert gemeinsam von Römern und Latinern gegründet. Nach der Vertreibung des letzten Königs Tarquinius Superbus verbünden sich die latinischen Städte gegen Rom. Nach dem römischen Sieg in der Schlacht am Lacus Regillus 499/496 wird, so die annalistische Tradition, im kurz darauf geschlossenen Foedus Cassianum der Latinerbund unter römischer Hegemonie gegründet (als nomen

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Diese Position ist, ausgehend von den Studien zu den Ethnogenesen im Frühmittelalter, inzwischen weitgehend Konsens; s. die Diskussion u. a. bei Nowak 2014. s. Smith 1996; Fulminante 2018. s. u. Kap. 2.1.3; grundlegend Ampolo 1976/1977; für die Mittlere Republik zuletzt Wright/Terrenato 2023. s. die Debatten um die Ausstellung „La Grande Roma dei Tarquini“, Rom 1990; zuletzt die Beiträge in Lulof/Smith 2017. Pol. 3,22; allgemein Scardigli 1991; zuletzt Smith 2019, 57 mit Lit.: „Whether this was more aspirational than real we cannot say at this distance, but at the least the aspiration is evidence itself of the nature of the relationship Rome expected, which was one of dominance.“ s. Smith 2005; Überblick zu den Feriae Latinae Smith 2014a; di Fazio 2019; ausführlich in Grandazzi 2008. Das Opfer auf dem Albanerberg war später ein Kennzeichen für die Zugehörigkeit zu den Latinern, s. Kap. 4.

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Latinum bezeichnet).86 Das 5. Jahrhundert ist laut annalistischer Tradition und Triumphalfasten für die Latiner von den kriegerischen Auseinandersetzungen mit den benachbarten Völkern der Aequi und Volsci geprägt. Nach dem Sieg über Veji und der Eroberung Roms durch die Gallier zu Beginn des 4. Jahrhunderts fallen die Latiner ab, teilweise im Bündnis mit den Galliern und den Volsci. Während in Rom selbst noch die sogenannten Ständekämpfe ausgetragen werden, folgen Konflikte mit den einzelnen Städten, die nach und nach besiegt und teilweise eingemeindet werden. Im Jahr 340 gibt es einen letzten Aufstand der latinischen Städte, teils verbündet mit den benachbarten Aequi und Volsci. Dieser letzte Latinerkrieg endet 338 mit dem Sieg Roms. Der Latinerbund wird aufgelöst, die meisten latinischen Städte werden nun eingemeindet, die Städte Praeneste und Tibur verlieren den Großteil ihrer Länder und bleiben Verbündete, die Städte mit wichtigen Heiligtümern wie Lavinium und Lanuvium behalten einen privilegierten Status.87 Bereits vor dem Latinerkrieg beginnt in den Konflikten mit den Samniten und etruskischen Städten die römische Expansion Richtung Süden. Zur Sicherung der Stellung in den neugewonnenen Gebieten gründet Rom die coloniae Latinae, deren Bewohner das Latinerrecht erhalten. Der Begriff ‚Latinisch‘ wandelt sich von einer geographisch-ethnischen zu einer rechtlichen Kategorie, wobei die gemeinsame Sprache und Kultur auch über Latium hinaus Zusammengehörigkeit und nun insbesondere Zugehörigkeit zu Rom gestiftet haben.88 Die Geschichte der Latiner ist von Phasen der Solidarität und von Auseinandersetzungen mit Rom geprägt. Die Interpretationen der Ursprungserzählungen suchen daher nach Spuren gesamt-ethnischer Identität oder sie gehen von den Konflikten aus. Es wird zu sehen sein, auf welche Weise sich die wechselvolle Geschichte in den Erzählungen niederschlägt.

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Übersicht Cornell 1995, 293–301. Die tatsächliche Gestaltung dieses Bundes ist Gegenstand von Forschungsdebatten, s. Coşkun 2009, 31–34; Capogrossi Colognesi 2018/2019, 434: „In questa fase, egualmente incerto appare il rapporto di Roma con il mondo latino, rispetto a cui la sua egemonia appare piuttosto una ricostruzione ex post, maturata tra gli eruditi e gli storici romani verso la fine dell’étà repubblicana“. Eine neue Perspektive auch auf die in dem Vertrag festgelegten Aspekte des internationalen Privatrechts, ius commercii, ius migrandi, ius connubii bei Capogrossi Colognesi 2022. s. zuletzt Smith 2014a; Smith 2019; Capogrossi Colognesi 2018/2019, 435 Anm. 6 zur „condizione politicamente e territorialmente ‚frantumata‘ dei Latini, dopo 338, parzialmente assorbiti nella cittadinanza romana, che rese difficilissimi ulteriori coaguli antiromani“. s. u. S. 189. 193; die latinischen Kolonien sind ein Mittel der Romanisierung Italiens.

Quellen und Vorgehensweise

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1.4 Quellen und Vorgehensweise Gegenstand der Untersuchung sind die literarischen Zeugnisse, die den eponymen Heros Latinus in einer nicht der Vulgata entsprechenden genealogischen Konstellation präsentieren und spätestens in das frühe 3. Jahrhundert v. Chr. eingeordnet werden können, sowie inhaltlich eng verwandte Stellen. Die Passagen aus der Theogonie Hesiods und der Periegesis des Pseudo-Skymnos stammen aus ihrem Originalkontext, alle übrigen sind in Aufzählungen älterer Berichte über die Gründung Roms und die Herkunft des Stadtnamens überliefert. Die Fragmente finden sich bei Dionysios von Halikarnassos, in der Romulus-Vita des Plutarch, in dem auf den Exzerpten des Werkes von Verrius Flaccus beruhenden Lexikon des Festus, im erweiterten Kommentar zu Vergils Aeneis des Servius und in den Scholien und Kommentaren zur Alexandra des Lykophron und Homers Odyssee. Darüber hinaus werden als Vergleiche und zur Einordnung parallele Zeugnisse herangezogen, in denen die entsprechenden Figuren und Erzählmotive erscheinen.89 Es handelt sich hierbei primär um Texte griechischer Autoren und zwar um epische, ethnographische, mythographische Texte, Kommentare und Scholien. Zentral sind Lykophrons Epos Alexandra mit den dazugehörigen Scholien, Dionysios von Halikarnassos und Plutarch. Dazu kommt die lateinische, überwiegend antiquarische und wissenschaftliche Literatur, insbesondere Festus und Solinus sowie Servius’ Kommentar zu Vergil mit seinen mittelalterlichen Zusätzen. Vergil selbst ist ebenso wie die frühen römischen Historiker allgegenwärtig. Mehr noch als die Historiographen, deren Werke ebenso wie die hier untersuchten Textzeugen nur fragmentarisch erhalten sind und zum Großteil bereits frühe Versionen der Vulgata bieten, ist Vergil von zentraler Bedeutung, da er buchstäblich in epischer Breite all die Motive ausführt, die zuvor nur in Spuren erhalten sind, auf die er sich aber intertextuell, wenn auch meist in Abwandlungen, bezieht. In den spärlichen Fragmenten von Naevius und Ennius ist Latinus nicht erwähnt, dennoch sind sie wichtig als Zeugen der Vielfalt in der Frühphase der Vulgata. Wo vorhanden und aussagekräftig werden archäologische, numismatische und epigraphische Quellen herangezogen. Das Quellenmaterial stellt die Forschenden vor einige Schwierigkeiten. Für Hesiod und den häufig in der Diskussion herangezogenen Lykophron stellt sich die Frage nach der Datierung und einer möglichen Interpolation der Latium und Rom betreffenden Verse.90 Die übrigen Erzählungen, die nur paraphrasiert und fragmentarisch 89

Dafür wurden die Literaturdatenbanken des Thesaurus Linguae Graecae und des Packard Humanities Institute verwendet, ergänzt um die dort nicht enthaltenen Solinus, Justinus sowie die Origo gentis Romanae. 90 Zu Hesiod s. Kap. 2.1. – Die Datierung Lykophrons ist umstritten. Sein Werk wird in der Forschung entweder ins 3. Jh. (nach Pyrrhus) oder ins 2. Jh. (nach Hannibal) eingeordnet und dabei diskutiert, ob es sich bei den ‚römischen‘ Abschnitten und bei Teilen der Prophezeiungen über Odysseus um Interpolationen (aus dem frühen 2. Jh.?) handelt, s. Schade 1999, 215–228 für einen

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Einführung

überliefert sind, in vielen Fällen ohne Autorenangabe, müssen über den Inhalt selbst eingeordnet werden. Dabei muss jeweils sorgfältig abgewogen werden, ob über den Kontext datiert wird oder die Datierung aufgrund der narrativen Entwicklung den Kontext erhellt. Wegen der Problematik der Quellen ist diese Arbeit auch eine Suche nach dem methodisch angemessenen Umgang mit einer solchen Überlieferung. Dabei ist keine Quellenforschung alter Schule intendiert, wenn auch aufgrund der fragmentarischen Überlieferungssituation in gewissem Umfang unverzichtbar.91 Es ist mittlerweile selbstverständlich, dass auch die zitierenden Autoren (‚cover texts‘) ernstgenommen werden müssen,92 da sie ihre eigenen Ziele verfolgen und somit Auswahl, Zuschnitt und Kontextualisierung nicht objektiv oder gar im Sinne des zitierten Autors erfolgen. Für unser Thema ist spezifisch, dass die Fragmente nur im seltensten Fall die Sichtweise der zitierenden Autoren stützen, sondern als veraltete Versionen angeführt werden, von denen sich die Autoren, die üblicherweise die Vulgata vertreten, abgrenzen.93 Dabei ist mit einer gewissen aber doch eingeschränkten Aktualisierung und Manipulierung zu rechnen, da die zitierenden Autoren ja gerade die Unter-

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Überblick der Forschungspositionen; Hurst 2008, xiii ff. mit Lit.; Humm 2016, 92 mit Anm. 21; Hornblower 2015, 37 und passim; Horn 2022, 29–34. Zuletzt war die unitarische Position und die Spätdatierung des Gedichts vorherrschend, maßgeblich vertreten von Hornblower 2015 und Hornblower 2018 sowie McNelis/Sens 2016. Gegen die These, dass das Interesse des griechischen Dichters erst durch den Hannibalkrieg geweckt worden sei, halte ich mit Humm 2016, Rozokoki 2019 und Horn 2022 die Abfassung im Eindruck des römischen Sieges gegen Pyrrhus und der Gesandtschaft zu Ptolemaios II. im Jahr 273 v. Chr. für plausibler. Die familiäre Anbindung an Lykos von Rhegion (FGrHist 570) sowie die mögliche Bekanntschaft mit Timaios in Athen sind m. E. ausreichende Erklärungen für das besondere Interesse des Dichters an den Traditionen Süditaliens (s. Humm ebd.). Überzeugend ist schließlich die Interpretation Horns, dass es sich bei den ‚römischen Versen‘ um eine „echte Prophezeiung“ handelt, bei denen der Dichter des 3. Jh.s v. Chr. auf die Zukunft blickte (2022, 33 f., Begriff von Wilamowitz-Moellendorff). Dabei kann ich auf die verdienstvollen neuen Editionen der griechischen und römischen Historikerfragmente in „Brill’s New Jacoby“ (BNJ, für die ersten Einträge bereits in der zweiten Edition) und den „Fragments of the Roman Historians (FRHist)“ zurückgreifen. Ich lehne prinzipiell ebenfalls ab, spätere Autoren nur als Steinbruch älterer Texte zu verwenden, s. hierzu z. B. den Aufruf, ‚Plutarch-Forschung‘ statt Quellenforschung zu betreiben (Guilhembet 2010, 227: „Pour reprendre une formule chère aux spécialistes, le temps de la Plutarchsforschung doit succéder à l’ère de la Quellenforschung, la réflexion sur Plutarch doit prendre le pas sur la quête de ses sources.“) Dies muss auch bei einer Untersuchung wie der meinen stets im Hinterkopf bleiben. Da es in diesem Buch jedoch gerade um die frühen Jahrhunderte und die überlieferten Erzählungen geht, darf man nicht – als anderes Extrem – bei Plutarch, Dionysios oder Festus stehen bleiben. Dies ist insbesondere bei Dionysios von Halikarnassos (zu seinem Umgang mit den Quellen s. Gabba 1991; zuletzt Cornell 2023) und in Plutarchs Romulus-Vita der Fall. In den Quaestiones Romanae ist der Aspekt der Abgrenzung nicht ganz so deutlich, s. dazu u. in Kap. 3.4.3. Festus überliefert Verrius Flaccus’ Auswahl, die ihrerseits möglichweise auf einem früheren Kompendium beruht (s. North 2007 und u. Kap. 3.6.2). Seine Aufzählung wirkt neutral, doch ist hiermit keine Zustimmung intendiert. Am ehesten als Faktenangaben zu verstehen sind die Einträge in Lexika wie dem des Herodian, doch ist von ihnen nicht auf die zeitgenössischen Sichtweisen in Latium selbst zu schließen, zudem ist die Überlieferungssituation für Herodian sehr lückenhaft (s. S. 62 Anm. 142).

Quellen und Vorgehensweise

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schiede zu ihrer eigenen Version betonen möchten. Häufiger sind Paraphrasierungen bis hin zur Verstümmelung, deren Moment in der Überlieferung nicht mehr nachvollzogen werden kann.94 Zudem ist zu bedenken, dass wir keine positivistische Rekonstruktion historischer Ereignisgeschichte anstreben und dafür auf die zuverlässigsten Quellen angewiesen sind. Stattdessen werden die hinter den Fragmenten stehenden Ursprungserzählungen als Beiträge zu Diskursen betrachtet. Gerade wenn es sich um (potenzielle, intendierte, erfolgreiche) kollektive Vorstellungen handelte, kann ihre Kenntnis nicht auf einzelne Autoren beschränkt gewesen sein. Es gibt somit keine ‚unzuverlässige Quelle‘, sondern jeder Beitrag zu den Ursprungsdiskursen ist aufschlussreich. Variationen einer möglichen ursprünglichen Version sind daher besonders aussagekräftig, wenn wir die Aktualisierungen von Erzählungen und Vorstellungen nachvollziehen wollen. Die einzelnen Erzählungen werden über die Frage der Datierung hinaus in den Blick genommen. Durch den Vergleich untereinander sowie mit ähnlichen Traditionen und über die Verbreitung der Motive sowie die Einordnung in den kulturellen Kontext und die zeitgenössische mediterrane Vorstellungswelt sollen sie zum Sprechen gebracht werden. Auf der Grundlage der Forschung zu Mythographie, Ethnographie und latinisch-italischer Geschichte werden so die spärlichen Spuren der antiken Diskurse über die Ursprünge Latiums und der Latiner aufgedeckt.

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s. zu den Überlieferungsproblemen dieser Art Kap. 3.6.2; zu den Mittel- oder Zwischenquellen s. das caveat bei Schepens 1997, 168 Anm. 67.

2 Latinus, Sohn von Odysseus und Kirke Die ältesten Spuren für einen Namengeber oder Stammvater der Latiner führen in die Welt des archaischen griechischen Epos. Hesiod erwähnt Latinos als Sohn der Kirke und des Odysseus. In diesem Kapitel wird zunächst diese hesiodeische Genealogie diskutiert, dann die Zeugnisse für ihr Weiterleben und ihre Weiterentwicklung bis in die Spätantike. Welche Bedeutung kann den hesiodeischen Versen für Griechen und die Bewohner des Tyrrhenischen Italiens in der Zeit Hesiods beigemessen werden, welche Relevanz den späteren Erwähnungen? Handelt es sich bei jenen lediglich um literarische Relikte oder lässt sich hier doch eine über Jahrhunderte hinweg gepflegte und stets wiederaufgenommene Ursprungstradition der Latiner und einzelner latinischer Städte greifen? 2.1 Latinos bei Hesiod Das älteste literarische Zeugnis für einen Heros namens Latinos stammt aus dem hesiodeischen Heroenkatalog. In dieser Aufzählung von Liebschaften zwischen Göttinnen und sterblichen Männern und ihrer „den Göttern gleichen Kinder“1 am Ende der Theogonie erblickt Latinos als Sohn von Kirke und Odysseus das Licht der Welt: 1015 1 2

Κίρκη δ’ Ἠελίου θυγάτηρ Ὑπεριονίδαο, γείνατ’ Ὀδυσσῆος ταλασίφρονος ἐν φιλότητι Ἄγριον ἠδὲ Λατῖνον ἀμύμονά τε κρατερόν τε· Τηλέγονον δὲ ἔτικτε διὰ χρυσῆν Ἀφροδίτην. οἳ δή τοι μάλα τῆλε μυχῷ νήσων ἱεράων πᾶσιν Τυρσηνοῖσιν ἀγακλειτοῖσιν ἄνασσον.2

Hes. theog. 965–968. 1019 f. mit der Formulierung θεοῖς ἐπιείκελα τέκνα in Vers 968 und 1020. Hes. theog. 1011–1016: „Kirke, Tochter des Helios aus Hyperions Stamme, / gab in Liebe sich hin dem Dulder Odysseus und schenkte / Agrios und Latinos das Leben, den kraftvollen Helden. / Auch die Geburt des Telegonos wirkte die goldene Göttin. / Die gewannen im Schoß der fernen, heiligen Inseln / über alle Tyrsener, die hochberühmten, die Herrschaft“ (Übers. A. von Schirnding).

Latinos bei Hesiod

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Latinos geht in diesen Versen zusammen mit den Brüdern Agrios und Telegonos aus der berühmten Begegnung des Helden aus Ithaka mit der Tochter des Helios hervor, die im zehnten und zwölften Buch der Odyssee besungen ist, wo sie jedoch ohne Nachkommen bleibt.3 Die Söhne der Kirke herrschen in der Ferne bei heiligen Inseln über die Tyrsenoi. Die Theogonie endet schließlich mit zwei weiteren, ebenfalls unhomerischen Söhnen des Laertiden, Nausithoos und Nausinoos, diesmal von Kalypso (s. u. Abb. 1).4 Als den frühesten literarischen Spuren der Ethnonyme der Latiner und Etrusker kommt diesen Versen über die Söhne von Odysseus und Kirke eine erhebliche Bedeutung zu. Autor, Datierung und Relevanz dieses Stammbaums für Latiner und Tyrrhener sind in der Forschung umstritten. Nach einer Vorbemerkung zum chronologischen Horizont wird in den Blick genommen, welche Vorstellungen der latinischen Ursprünge die Verse zum Ausdruck bringen, und diese in den kulturellen und sozialen Kontext im Tyrrhenischen Italien der orientalisierenden und archaischen Epoche eingeordnet. 2.1.1 Datierung Lange wurde der sogenannte Heroenkatalog (bzw. Heroogonie), der letzte Abschnitt der Theogonie Hesiods,5 als Interpolation betrachtet.6 Der Herausgeber der Theogonie Martin L. West argumentierte für eine Entstehung des Einschubs im späten 6. Jahrhundert v. Chr., daneben wurden auch frühere oder spätere Datierungen vorgeschlagen.7 In den letzten Jahrzehnten wird dagegen von vielen Forschern die Autorschaft Hesiods, eine einheitliche Konzeption der Theogonie bis zu den Kalypsoversen und somit eine Entstehung der Heroogonie im späten 8. bis 7. Jahrhundert vertreten,8 wäh-

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Hom. Od. 10,135–574; 12,1–145. Hes. theog. 1017 f.: Ναυσίθοον δ’ Ὀδυσῆι Καλυψὼ δῖα θεάων / γείνατο Ναυσίνοόν τε μιγεῖσ’ ἐρατῇ φιλότητι. Zur Datierung Hesiods s. Debiasi 2008, 56 und Most 2018, xxiii: Ende des 8. bis Anfang des 7. Jh.s; Ercolani 2012, 384: am ehesten Anfang des 7. Jh.s, gegen frühere Datierungen bis zum 10. Jh.; Kõiv 2011: Mitte des 7. Jh.s. So u. a. Mazon 1928, 17; West 1966, 397 ff. 433 ff.: 540–510 v. Chr.; West 1985, 130 f.; Momigliano 1969, 490; Briquel 1984, 486 Anm. 148; Briquel 1993, 53 mit Anm. 54; Solmsen 1986, 97; Wiseman 1995, 46; Lorenz 1996, 51; Vanotti 1999, 221–223; Franco 2010, 69. Alföldi 1977, 177: 6. Jh., aber „kein später Zusatz“ zur Theogonie; Martínez-Pinna 1997b, 116 f.: spätestens 2. Hälfte des 7. Jh.s und Martínez-Pinna 2009, 70: Interpolation um 600. Ausführlich Dräger 1997; Arrighetti 1998, 369–371; Malkin 1998, 180–191; Debiasi 2008, 20; weiterhin: Mazzarino 1966; Janko 1982, 247 Anm. 37; Cogrossi 1982, 91; Pugliese Carratelli 1990, 104. 342; Braccesi 1994, 6 f.; Rengakos 2009, 207; Mastrocinque 2014, 168 Anm. 140; Ronchi 2017, 36.

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Latinus, Sohn von Odysseus und Kirke

rend vorsichtige Stimmen eine Festlegung bei Autorschaft und Datierung vermeiden.9 Die Heroogonie galt ebenso wie der nur fragmentarisch erhaltene Frauenkatalog, der heute weitgehend als spätere Schöpfung nach dem Vorbild Hesiods betrachtet wird,10 die ganze Antike hinweg als Werk des Dichters aus Askra.11 Es ist allerdings letztlich nicht zu entscheiden, ob die fraglichen Verse tatsächlich von dem Dichter aus Askra stammen. Denn beim archaischen Epos und insbesondere bei den Genealogien wie der Theogonie und dem Frauenkatalog wurde der Text bei der Neuaufführung immer wieder bearbeitet und entsprechend dem historischen Kontext und dem jeweiligen Publikum aktualisiert. Als Teil einer mündlichen Tradition zirkulierten die von Hesiod stammenden und die ihm zugeschriebenen Werke in mehreren Versionen, bevor sie wahrscheinlich erst im hellenistischen Alexandria eine philologische Edition und einen Kommentar erhielten. Doch sie stammen auf jeden Fall von einem Sänger, der seine Zuhörer mit einer Erzählung über Odysseus und Kirke im Stile Hesiods und mit dessen Autorität erfreuen wollte und der die Hinzufügung dieser Nachkommen für angemessen und plausibel hielt. Sprachlich12 und in den Charakterisierungen der Heroen13 unterscheiden sich unsere Verse jedenfalls nicht vom Rest der Theogonie. Auch dass ein eponymer Heros auftritt, ist in archaischen Epen und Genealogien üblich, die regelmäßig zur Integration von Völkern und Orten um neue Gestalten bereichert wurden. So finden sich ep9 10

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Ampolo 1994, 272 f.: 7. bis Mitte 6. Jh. v. Chr.; Ampolo 2021, 52 mit Anm. 4: „Una datazione prudente tra l’età di Esiodo e gli inizi del VI secolo può essere accolta con cautela“; Ercolani 2012, mit Anm. 31, folgt Debiasi, legt sich jedoch bei Autorschaft und Datierung nicht fest; Fowler 2013, 566. Forschungsüberblick zu den Ehoiai (bzw. Frauenkatalog) bei Arrighetti 1998, 280; Hirschberger 2004, Gesamteinleitung; Ercolani/Rossi 2011, 94 f.; Ormand 2014, 3–5. Vorgebrachte Datierungen (s. Ormand 2014, ebd. Anm. 68): West 1985, 130 ff.: 580–520, möglicherweise älter als die Verse der Heroogonie zu Medeios (theog. 1000) und Latinos; Janko 1982, 86 f. mit Anm.: aus sprachlichen Gründen Theogonie später als Frauenkatalog; Solmsen 1986, 97: Heroogonie ab theog. 965 ursprünglich Teil des Katalogs; March 1987, 158 f.: 580–550; Fowler 1998, 1 Anm. 4: um 580; Hirschberger 2004, 42–51: 630–590; Ormand 2014, 3–5: frühes 6. Jh. – Arrighetti 1998 vertritt dagegen die Authentizität auch des Frauenkatalogs. West 1966, 49–52; Debiasi 2008, 45. – Ormand 2014 betont, dass auch die möglichen Interpolationen in Erga und Theogonie ebenso wie der Frauenkatalog und der Schild des Herakles als hesiodeisch galten, da sie in Thematik, Stil und Ausdrucksweise dem Vorbild folgten. So findet sich die Betonung der Verbindung aus Liebe ἐν φιλότητι aus Hes. theog. 1012 ebenfalls in den Versen 306, 374, 375, 380, 405, 625, 822, 923, 941, 944, 961, 980, 1005, darüber hinaus noch einige Male in den Fragmenta und zuvor bei Homer; die synonym zu verstehende Angabe διὰ χρυσῆν Ἀφροδίτην aus Hes. theog. 1014 (zu diesem Vers s. u.) und Abwandlungen bereits in den Versen 822, 962, 1005. Odysseus trägt als „Dulder“ eines seiner üblichen Epitheta (z. B. Hom. Il. 11,466; Od. 1,87 und passim; aber auch in Alkm. fr. 80 Campbell = iv 223 Erbse [Schol. T Hom. Il. 16,236], über die Begegnung von Odysseus und Kirke). Latinos selbst erscheint als „tadellos und stark“ (z. B. Hom. Il. 18,55 für Achilles; 21,546 für Agenor, Sohn des Antenor; Hom. h. Apoll. 100 für Apollon; Hes. fr. 141,14 M./W. = fr. 90 Most für Sarpedon). Wie Heroen und Götter bei Homer und Hesiod werden die Tyrsenoi als „hochberühmt“ bezeichnet (z. B. Hom. Il. 6,436: Idomeneus; 16,738: Priamos; 17,716: Menelaos; Od. 8,502: Odysseus; Hes. theog. 945: Hephaistos; Hes. fr. 204,17 M./W. = fr. 155,17 Most: Minos).

Latinos bei Hesiod

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onyme Heroen bereits bei Homer,14 in der Theogonie erscheinen Phokos sowie der vielleicht als Eponym zu deutende Medeios,15 im Frauenkatalog Makedon neben zahlreichen weiteren eponymen Heroen.16 Während die Verse also genuin hesiodeisch erscheinen und somit ein hohes Alter und die Zugehörigkeit zur ältesten Fassung der Theogonie wahrscheinlich ist, sind sie aufgrund der Entstehungsbedingungen der epischen Dichtung dennoch nicht genauer als in den Zeitraum zwischen dem späten 8. und dem 6. Jahrhundert zu datieren. Sie können deshalb nicht ohne Weiteres als Grundlage einer historischen Argumentation über Latium herangezogen werden. Um einen Zirkelschluss zu vermeiden, muss eine genauere Einordnung der Verse und eine historische Kontextualisierung zwischen der Interaktion zwischen griechischen Siedlern und einheimischen Bewohnern der Apenninenhalbinsel in der orientalisierenden Epoche und der Urbanisierung und stärkeren ethnischen Abgrenzung in der späten Archaik aufgrund äußerer Indizien erfolgen.17 Einen chronologischen Hinweis bieten die ältesten epigraphischen Zeugnisse der Ethnonyme der Tyrrhener18 und der Latiner aus der Mitte des 7. Jahrhunderts.19 Da sicher eine geraume Zeit von ihrer Entstehung bis zu ihrer zufälligen epigraphischen Materialisierung verstreichen musste und der latinische Name in etruskischen Ableitungen belegt ist, ist die Herausbildung der Namen selbst weit vor den ersten Inschriften, sicherlich vor Hesiod, anzusetzen. Diese nichtliterarischen Indizien belegen, dass es bereits eine distinkte – sei es eine ethnische oder gentilizische – Gruppe gab, der man einen eponymen Vorfahr Latinos zuschreiben konnte.20 Der Hauptgrund für die divergierende Datierung der hier interessierenden Verse ist die unterschiedliche Einschätzung der Intensität und Qualität der Kontakte zwischen Griechen und Einheimischen. West begründete seine späte Datierung der Verse damit, dass erst die Konflikte zwischen Griechen und Etruskern im späten 6. Jahrhundert mit den Schlachten von Alalia und Kyme ein Interesse seitens der Griechen an den Bewohnern Latiums und Etruriens hervorgerufen hätten.21 Doch handelte es sich bei diesen Rivalitäten um Einflusszonen um das Ergebnis lange dauernder Beziehun-

Lorenz 1996, 51: In der Ilias erscheinen etwa 30 bis 40 eponyme Helden, davon doppelt so viele Trojaner wie Achäer. 15 Hes. theog. 1001 (Medeios); 1004 (Phokos). 16 Hes. fr. 7 M./W. = Most. Liste der eponymen Helden im Frauenkatalog: West 1966, 430. 17 Dieses caveat u. a. bei Ercolani 2012, 384. 18 Das etruskische Ethnonym findet sich in der Form tursikina auf einer Fibel aus Castelluccio La Foce (Pienza), mit Datierungen zwischen dem 2. Viertel des 7. Jh.s und ca. 630, die Entstehung des Ethnonyms wird um 700 angesetzt; s. Cerchiai 2019, 15 mit Lit. 19 Mi latinnas auf einem Bucchero-Kalyx aus Caere, ET Cr 2.23: Mitte 7. Jh.; Cristofani 1985, 153 Taf. 23.1. 2; Colonna 2005, 554. – mi tites latines, auf Gefäß aus Veji, ET Ve 2.4: Ende 7./Anfang 6. Jh. (G. Colonna in: Katalog Civiltà del Lazio primitivo 1976, 376 Nr. 131 Taf. 100.A: letztes Viertel 7. Jh.), von Latinus abgeleiteter Gentilname. 20 Zum möglichen Verständnis der Gruppen s. u. Kap. 2.1.3.3. 21 West 1966, comm. ad Hes. theog. 1016. 14

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Latinus, Sohn von Odysseus und Kirke

gen, nicht um die Begleiterscheinung eines Erstkontaktes.22 Daher wird in der Forschung mittlerweile meist ein früherer Entstehungskontext für wahrscheinlich gehalten. Denn Informationen über die Geographie des fernen Tyrrhenien mussten bereits Hesiod ebenso wie spätere Sänger über Siedler und Reisende aus griechischen Kolonien Unteritaliens, insbesondere aus Pithekussai und Kyme, erreichen. Die euböischen Gründungen und ihr kampanisches Hinterland dienten hier als „Kontaktzone“ und „Middle Ground“ zwischen Siedlern und Einheimischen im größeren Kontext eines in orientalisierender und archaischer Zeit höchstvernetzten mediterranen Interaktionsraums.23 Die archäologisch dokumentierten Kontakte des 8. und 7. Jahrhunderts haben in den mythischen Geschichten ihr Echo gefunden, indem Seefahrer, Siedler und mit ihnen die Sänger die Szenen des griechischen Mythos, insbesondere der Irrfahrten des Odysseus, in der ‚Neuen Welt‘ lokalisierten.24 2.1.2 Protagonisten und Intention der hesiodeischen Verse Betrachten wir nun also diese Passage, die vermutlich ein griechischer Sänger im Jahrhundert nach der Gründung Kymes gedichtet hat. Welchen Stammbaum gibt er dem eponymen Helden mit und welches Bild wird durch die gewählten Charakterisierungen gezeichnet? Welche Funktion sollte eine solche Geschichte in ihrer Zeit aus der Sicht von Sänger und Publikum erfüllen? Der hesiodeische Latinos und seine Brüder befinden sich in der Gesellschaft weiterer Sprösslinge von Göttern und Menschen. Anders als die epischen Heroen Herakles, Medea, Achilles und Aeneas, von deren Abenteuern die berühmten panhellenischen Gesänge handeln,25 sind die Odysseussöhne Latinos, Agrios sowie die Söhne von Kalypso außerhalb der Theogonie unbekannt. Während Telegonos im 6. Jahrhundert v. Chr. in der Telegonie eine eigenständige Rolle erhält,26 wissen wir nicht, ob sich hin-

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Zuletzt Terrenato 2019, 82. Zudem ist noch zu diesem Zeitpunkt eine primär ethnisierende Ursachenforschung nicht angebracht, entgegen dem Bild in den späteren Quellen, s. Nowak 2014, 20 f. mit Lit. s. dazu u. Kap. 2.1.3. – Zu den Euböern in Italien insb. Debiasi 2008, passim. s. u. a., insb. zur odysseischen Sagentopographie, Phillips 1953, 61; Braccesi 1994, 6 ff.; Dräger 1997, 14 ff.; Malkin 1998, 183 und passsim; Debiasi 2008, 44 f. und passim; s. u. Kap. 2.1.3. Herakles: Hes. theog. 951–954: Andeutung seiner Arbeiten in Vers 954; Medea und Jason verweisen auf die Argonautensage (992–1002), Achilles (1006 f.), Aeneas (1008–1010) und Odysseus selbst auf den Trojanischen Krieg; zusätzlich zur Erwähnung von Kirke und Kalypso unterstreichen die Namen der Odysseussöhne Nausithoos und Nausinoos (1017 f.) die abenteuerliche Heimreise der Odyssee, Nausithoos erinnert darüber hinaus an den gleichnamigen Vater des Alkinoos, des Königs der Phäaken von Scheria. s. u. und Kap. 3.2. In der Telegonie erscheint höchstwahrscheinlich auch Latinos, allerdings an einer anderen genealogischen Position.

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Latinos bei Hesiod

ter den odysseischen Stammbäumen jeweils ausführliche, den Zuhörern des Dichters aus anderen Kontexten bekannte Erzählungen verbargen,27 die wir nur nicht mehr literarisch greifen können. Die Brüder Latinos, Agrios und Telegonos knüpfen über ihre Eltern jedoch an eine Vielzahl von Mythentraditionen an. Hyperion

Okeanos

Perseis



Aietes

Helios

Kirke

Agrios



Latinos herrschen über Tyrsenoi

Odysseus

Telegonos ?



Nausinoos

Kalypso

Nausithoos

Abb. 1 Stammbaum des Latinos nach Hes. theog. 956 f.; 1011–1016; 1017 f.

Ihr Vater war Odysseus, der König von Ithaka, Sohn des Laertes und der Antikleia. Am prominentesten in den homerischen Epen Ilias und Odyssee verewigt, tritt er auch in den trojanischen Epen des Kyklos auf, insbesondere in der Telegonie des Eugammon, die in der Mitte des 6. Jahrhunderts den Tod des Helden durch seinen eigenen Sohn Telegonos schildert. Im Trojanischen Krieg erscheint Odysseus vor allem als gewitzter, immer einen Rat wissender Held, und seine Taten sind von entscheidender Bedeutung für den Verlauf der Geschichte, so der Raub des Palladion zusammen mit Diomedes, ohne dessen Besitz die Achäer Troja nicht hätten besiegen können, sowie das entscheidende Strategem mit dem Pferd aus Holz. Während seiner zehnjährigen Heimreise erlebt er die bekannten Abenteuer, die ihn bei Homer an märchenhafte Orte bis zum Ende der Welt, zu Fabelwesen und in die Unterwelt führen,28 während seine Gattin Penelope mit dem Sohn Telemach auf Ithaka der Rückkehr des schon

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28

Ormand 2014, 11 zur Charakteristik, dass im archaischen Epos kaum Wiederholungen zu beobachten sind, sondern die einzelnen Werke in ihren Erzählungen jeweils, bei intertextueller Bezugnahme, andere Schwerpunkte legen. Eine an einer Stelle nur kurz angerissene Geschichte wird in einem anderen Epos ausführlich besungen. Zuletzt zur Bedeutung der Wundergeographie in der Odyssee Węcowski 2019.

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Latinus, Sohn von Odysseus und Kirke

Totgeglaubten harrt und sich der Begehrlichkeiten der Freier erwehrt.29 An diese gefahrvolle Reise und die dort erduldeten Leiden erinnert das für den hesiodeischen Odysseus gewählte Attribut ταλασίφρων. Die Mutter des Latinos ist die Göttin Kirke, Tochter des Helios, Sohn des Hyperion, und der Okeanostochter Perseis.30 Als Schwester des Aietes von Kolchis, dem Jason mit Medeas Hilfe das Goldene Vlies entwendet, gehört sie zunächst in den Kontext der Argonautensage, die zu Homers Zeiten bereits wohlbekannt war.31 Über ihre Schwester Pasiphae, die Gattin des Minos, ist Kirke zudem indirekt mit den kretischen Mythen verbunden.32 Wie ihr Bruder Aietes und ihre Nichte Medea ist Kirke in der Pflanzen- und Zauberkunde bewandert.33 Am besten ist Kirke, die von manchen Forschern auch mit dem in der orientalisierenden Kunst beliebten ikonographischen Motiv der Potnia Theron in Verbindung gebracht wird,34 für die Verwandlung von Menschen in Tiere bekannt, insbesondere der Gefährten des Odysseus in Schweine.35 Odysseus selbst kann sich durch Hermes’ Unterstützung vor dem Zauber retten, die Gefährten werden zurückverwandelt, und ein Jahr lang teilen Göttin und Heros das Lager in ihrem Palast auf der bewaldeten Insel Aiaia. Als ambivalente Figur steht Kirke in der Odyssee allerdings nicht nur für schädliche Zauberei, sondern zeichnet sie sich auch durch ihre Weisheit und die Hilfsbereitschaft Odysseus gegenüber aus. Denn nur dank ihrer wertvollen Ratschläge gelingt dem Helden die Unterweltsfahrt und letztlich die Heimreise. Die hesiodeischen Verse siedeln Odysseus und die Gefahren seiner Heimkehr nicht mehr wie in Homers Odyssee in einer Wundergeographie, sondern in der realen Geographie an. Während die Insel bei Homer, zwar in einer Wundergeographie, im Osten 29 30 31 32 33

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Zu den Fortsetzungen der Odyssee-Handlung s. Kap. 3.2. Hom. Od. 10,137 f.; Hes. Theog. 956–962. 1011. – Ausführlich zu Kirke Franco 2010. Fowler 2013, Part A § 6. Hes. fr. 241 M./W. = fr. 252 Most. Pasiphae erscheint zwar nicht im Stammbaum der Hyperioniden bei Hes. theog. 956 f. und bei Hom. Od. 10,137 f., ist aber wohl in Hes. fr. 145, 2. 15 als Mutter des Minotauros zu ergänzen. Die Zauberei rückt Kirke und Medea in die Nähe der Hekate: In einer alternativen Genealogie, die zuerst für Dionysios von Milet (5. Jh. v. Chr.) belegt ist, sind beide Töchter des Aietes und dessen Nichte Hekate, der Tochter des Perseus: Schol. Apoll. Rhod. 3,200 (Stammbaum und Dionysios-Zitat, nicht in FGrHist 687 aufgenommen). Ronchi 2017, 35 mit Lit.; ausführlich Franco 2010, die allerdings keine eindeutige Verbindung zwischen der „Herrin der Tiere“ und Kirke sieht, da auch Artemis und Aphrodite Züge dieser Göttin aufweisen. Über die postulierte Inspiration durch die orientalische Ishtar bei der Kreation der Kirkegestalt s. die Diskussion bei Franco ebd., mit demselben Einwand. Für das Publikum der hesiodeischen Verse spielten potenzielle orientalische Anleihen wohl keine Rolle. – Die Bildchiffre der Potnia Theron war weit verbreitet und kann somit nicht speziell mit Latium in Verbindung gebracht und semantisch aufgeladen werden; s. u. und Mazet 2016. Nach der Odyssee handelt auch ein Chorlied des Alkman aus dem 7. Jh. von Kirke und der Verwandlung der Gefährten des Odysseus: Alkm. fr. 80 Campbell = iv 223 Erbse (= Schol. T Hom. Il. 16,236). – In hellenistisch-römischen Versionen werden ihr auch die Verwandlung der Skylla und des Picus zugeschrieben: Ov. met. 13,904 ff.; 14,1 ff. 313 ff. Zum späteren Kirkebild und der möglichen Bedeutung für die latinischen Circevorstellungen, s. u. S. 80.

Latinos bei Hesiod

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liegt und es im Rahmen der Jason-Erzählung auch eine Lokalisierung im ebenfalls im Osten gelegenen Kolchis gab,36 wird sie bei Hesiod durch die Verbindung mit Latinos und den Tyrsenoi in Italien angesiedelt.37 Spätere Erzählungen schreiben Kirke außer Latinos noch weitere, epische wie eponyme Nachkommen von Odysseus oder ohne Nennung des Vaters zu.38 Telegonos, der „fern – wohl von Ithaka – geborene“, ist der einzige der drei hesiodeischen Söhne von Kirke und Odysseus, der auch außerhalb der Theogonie im archaischen Epos erscheint. Die Telegonie des Eugammon von Kyrene aus dem 6. Jahrhundert v. Chr. besingt das tragische Schicksal, das ihn zum unwissenden Mörder seines Vaters Odysseus macht.39 Da der entsprechende Vers 1014 der Theogonie jedoch nicht in der gesamten Manuskriptüberlieferung vorhanden ist, ist nicht ausgeschlossen, dass es sich dabei um einen späteren Einschub handelt.40 Dass er nicht in der indirekten Überlieferung bei Eustathios und den Scholien zu Apollonios Rhodios und zur Theogonie selbst erscheint, ist m. E. allerdings kein schlagendes Argument gegen die Authentizität des Verses 1014, denn in den drei Fällen wird nicht der gesamte Abschnitt 1011–1016 wiedergegeben bzw. paraphrasiert, sondern nur die Verse 1011–1013, es ist also keine Vollständigkeit intendiert.41 Angesichts des nicht ausgeräumten Zweifels an dem Vers lässt sich nicht bestimmen, ob er aufgrund des Einflusses der Telegonie verfasst wurde oder ob Telegonos bereits spätestens seit Hesiod zur Odysseusgeschichte gehörte.42 Die Funktion des Telegonos in dieser hesiodeischen Passage könnte gerade darin liegen, durch den analog gebildeten Namen auf den nicht genannten homeri36

Hom. Od. 12,3 f.: νῆσόν τ’ Αἰαίην, ὅθι τ’ Ἠοῦς ἠριγενείης / οἰκία καὶ χοροί εἰσι καὶ ἀντολαὶ Ἠελίοιο, „[…] Insel Aiaia, wo Eos, der frühegebornen, / Wohnung und Reigenplätze sind und des Helios Aufgang“ (Übers. J. H. Voss); Kirkaion in Kolchis z. B. bei Schol. Apoll. Rhod. 2,399–401. 37 Zur Lokalisierung und der epischen Verarbeitung von Kirkes Verlagerung von Osten aus Kolchis und von der auch von Aietes bewohnten Insel Aiaia nach Westen durch Hesiod, Apollonios von Rhodos und Vergil zuletzt Skempis 2013; s. auch Franco 2010; Bucciantini 2014. – Die Tatsache, dass es sich beim Kirkaion am Tyrrhenischen Meer nicht um eine Insel handelte, wurde später mit dem sie umgebenden Sumpfgebiet erklärt. Aus Sicht der von Kyme und Pithekussai kommenden Seefahrer macht der Berg den Eindruck einer Insel. 38 s. dazu Kap. 2.3 und 3.2. 39 Zur Telegonie s. u. Kap. 3.2. 40 Der Vers fehlt im Hyparchetyp k, ist aber in den Handschriften der Hyparchetypen a und b enthalten (mit im Detail unterschiedlichem Wortlaut: a: δ’ ἔτικτε; b: δ’ ἔτεκε); s. zur Handschriftenüberlieferung West 1966, 52 ff. – Die unregelmäßige Prosodie des Verses sei aufgrund von Vergleichsfällen kein unüberwindbares Ausschlusskriterium, so Debiasi 2008, 64, vorsichtig zustimmend Ercolani 2012, 383. – Nach West 1966 ad loc. könnte der Vers sogar aus (nicht näher bestimmter) byzantinischer Zeit stammen. Dagegen spricht, dass er im größten Teil der Überlieferung vorhanden ist, die somit gänzlich von einem interpolierten Hyparchetyp abhängen müsste. 41 Eust. Hom. Od. 16,118; Schol. Hes. theog. 1013; Schol. Apoll. Rhod. 3,200. Bei Eustathios ist Telegonos erst nach dem Hesiodzitat mit Verweis auf den Kyrenaier Eugammon genannt, allerdings fehlerhaft mit Kalypso als Mutter und einer Unsicherheit bei der Namensform: Eust. Hom. Od. 16,118: Ὁ δὲ τὴν τηλεγόνειαν γράψας Κυρηναῖος ἐκ μὲν Καλυψοῦς Τηλέγονον υἱὸν Ὀδυσσεῖ ἀναγράφει ἢ Τηλέδαμον. 42 s. Kap. 3.2 zum möglichen Alter der Telegonie-Erzählung.

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schen Odysseussohn Telemach und seine Mutter Penelope zu verweisen.43 In Latium und Etrurien erscheint er spätestens ab der mittleren Republik, möglicherweise aber schon seit dem späten 6. Jahrhundert als Gründer von Städten und Geschlechtern.44 Anders als der epische Heros Telegonos und Latinos, der für Latium und die Latiner steht, tritt ihr Bruder mit dem sprechenden Namen Agrios an dieser Stelle das einzige Mal in Erscheinung.45 Überzeugender als die in der Forschung verbreitete Identifizierung mit einem lokalen latinischen Heros, König oder Gott46 ist ein wörtliches Verständnis als „Wilder“ als Verweis auf die Bewohner des Hinterlandes aus Sicht der griechischen Siedler.47 Den Aspekt der Wildheit und die Nähe zur Tierwelt bringt die Verwendung des Namens Agrios für Giganten, Titanen und Kentauren zum Ausdruck.48 Das Adjektiv findet sich auch bei dem Monster Skylla und dem unzivilisierten Polyphem.49 Es könnten hier also in einer ersten Phase der vor- und protokolonialen

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Vgl. auch die parallele Namengebung der Kalypso-Söhne Nausithoos und Nausinoos und der Söhne Poliporthes von Penelope in einer alternativen Version und Polipoites von der thesprotischen Königin Kallidike in der Telegonie. s. u. Kap. 3.2.2. Die einzigen weiteren Erwähnungen finden sich in den bereits angeführten Hesiodzitaten: Eust. Hom. Od. 16,118; Schol. Apoll. Rhod. 3,200; Schol. Hes. theog. 1013; s. u. S. 57 Anm. 122. – Franco 2010, 70 mit Anm. 101 vermutet ihn hinter dem namenlosen Sohn der Kirke in Plin. nat. 7,15 und 25,11, dem Vorfahren der Marser. Allerdings wäre hier ein eponymer Heros Marsus zu erwarten, s. u. S. 70. Es wurden in der Forschung insbesondere die Identifizierungen mit Faunus, in der Vulgata Vater des Latinus, mit dem Gott Silvanus oder mit Silvius, dem Namen der albanischen Dynastie, vorgeschlagen; s. zuletzt die Überblicke und Diskussionen bei Debiasi 2008, 49–52; Ronchi 2017, 36. Alle drei Identifizierungen sind m. E. abzulehnen: Silvanus spielt in den Ursprungserzählungen keine Rolle, Faunus wird zunächst als Gott verehrt und ist vielmehr als euhemeristischer Heros zu verstehen, die ältesten Spuren der silvischen Dynastie führen ins 3. Jh. (s. in Kap. 1.2). Während Faunus im stadtrömischen Kontext mit Euander und Herakles in die ältere Schicht der Vulgata gehört, sind die albanischen Silvii mit Alba Longa verbunden und vielmehr mit dem auch den Griechen bekannten Waldreichtum Italiens zu erklären. Falls überhaupt ein Zusammenhang zwischen Agrios und Faunus oder Silvius vorliegen sollte, wäre plausibler, dass diese Gestalten von dem älteren hesiodeischen Latinusbruder inspiriert wurden als hier einen Beweis des hohen Alters der kanonischen Erzählung zu sehen. Dies erklärt m. E. auch besser die Wahl des Namens Phaunos für den Sohn der Kirke in Nonnos von Panopolis’ Dionysiaka, möglicherweise über den Weg der Erzählung von Kirke und Picus, in der kanonischen Version Vater des Faunus (s. für diese Identifizierung z. B. Wiseman 1995, 44–46). Wilamowitz-Moellendorff 1899, 611; Durante 1951, 261 f.; Mazzarino 1966, 190; Dench 1995, 36 f. 178 f.; Malkin 1998, 178. – Pugliese Carratelli 1990, 105 bezeichnet Agrios als ‚edlen Wilden‘, einen Vertreter der ursprünglichen, natürlichen Welt im Gegensatz zur griechischen Kultur, s. dazu bereits Alföldi 1957, 24, der bemerkt, dass die Griechen zu jener Zeit noch gar keinen „solcherweise zugespitzte[n] Barbarenbegriff “ hatten. s. Liddell/Scott/Jones s. v. ἄγριος und ἀγριότης. – s. Altheim 1951, 145; Giganten: Apollod. bibl. 1,38 (= 1,6,2); Hyg. fab. pr. 4; Titanen: Hesych. s. v. ἄγριοι θεοί: οἱ Τιτᾶνες; ein Kentaur auf dem Kleitias-Krater (François-Vase): E. Simon in: LIMC I, 1981, s. v. Agrios I, 307; Apollod. bibl. 2,84 (= 2,5,4); als Eigennamen von Heroen: Sohn des Königs Portheus/Porthaon und Onkel des Meleagros: Hes. fr. 10 (a), 52; ein Freier der Penelope bei Apollod. epit. 7,27. Skylla: Hom. Od. 12,119; Lykophr. Alex. 45; zu Polyphem (Hom. Od. 2,19; 9,215; 494) s. u.

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Begegnung die als unzivilisiert wahrgenommenen oder dargestellten Einheimischen gemeint gewesen sein, zu diesem Zeitpunkt noch nicht geographisch lokalisiert, sondern auf die allgemeinen Erfahrungen der Siedler anspielend.50 Vielleicht allerdings liegt in dem Namen weniger eine moralische Charakterisierung des Agrios als ein Hinweis auf seine Mutter, wie im Epos üblich.51 Es kann sich folglich um eine Anspielung auf den waldigen Wohnort der Kirke wie auch auf ihre Künste in Botanik und Zauberei handeln.52 Mit Latinos und den Tyrsenoi verlässt der Dichter gänzlich den vertrauten epischen Kosmos. Er führt explizit die historische Bevölkerung an und heroisiert über die Kreation einer eponymen Figur die Gruppe, für die sie steht. Dies fügt sich ein in die übliche Praxis der archaischen Dichter, in ihren Darbietungen stets neue Versionen der bekannten Handlungen zu singen, die nur selten in die literarischen Fassungen eingingen. Ebenso wie die Erzähltraditionen über Troja, die Argonauten oder Herakles als bekannt vorausgesetzt werden konnten, sind gerade diese Erweiterungen und die Offenheit für Aktualisierungen charakteristisch.53 Wir haben gesehen, dass über die vorund frühkolonialen Handels- und Siedlungsreisen Kenntnisse über ferne Gegenden auch zu dem Sänger im Mutterland gelangen konnten. Die Aufnahme eines Latinos unter die Nachkommen des Odysseus erklärt sich damit, dass der Sänger von einem latinischen Geschlecht, Volk oder Land erfahren hatte. Es ist unwahrscheinlich, dass es sich hier um eine Kreation ex nihilo handelt, ganz ohne lokale Grundlagen, die dann ihrerseits zum Ausgangspunkt der historischen Selbstbezeichnung der Einheimischen und somit der latinischen Ethnogenese geworden wäre. Denn da es im Griechischen weder ein Wort mit λατιν* noch einen entsprechenden Eigennamen gibt, muss es sich bei Latinos um ein Topo- oder Ethnonym handeln.54 Dies entspricht ebenfalls der dichterischen Praxis. In den stets erweiterten Genealogien handelt es sich bei ‚neuen‘ Namen entweder um sprechende Namen, um gebräuchliche griechische Eigennamen oder um aus Toponymen bzw. Ethnonymen hergeleitete Namen. Es genügten dem

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Ein solche Sicht konnte die Landnahme mit einer gewissen Überlegenheit rechtfertigen, so Bonaudo 2010, 16; s. auch den wenig schmeichelhaften Namen der ‚Affeninsel‘ Pithekoussai. Im Epos verweisen Namen der Söhne oft auf Qualitäten und Taten der Eltern, üblicherweise der Väter, s. Higbie 1995, 11 f., s. auch den Verweis von Fowler 1998, 6 auf die Patrilinearität bei Heroen. s. die Allusion in der Charakterisierung Kirkes bei Verg. Aen. 7,19 auf die hesiodeischen Verse mit dem Kommentar in Serv. Aen. 7,19: DE SAEVA aut per se, aut herbis potentibus saeua. Circe autem ideo Solis fingitur filia (zur Fortsetzung s. S. 70 Anm. 166). Zur Vertrautheit des Publikums der epischen Sänger mit den mythischen Traditionen s. Tsagalis 2008, 45 f. Zur Lebendigkeit und Erweiterbarkeit der Erzählungen s. Malkin 1998, 34 ff.: „The poetics of oral poetry, involving an interplay between the articulated and the untold with every scene reverberating against what remains in the background, not only reveals an interdependence of choice and exclusion but underlines the existence of that background of concurrently floating stories.“ – Ormand 2014, 11 zur Praxis der intertextuellen Bezüge zwischen den homerischen und den kyklischen Epen. s. o. S. 37 Anm. 19 zu den epigraphischen Belegen für das Ethnonym aus dem 7. Jh. v. Chr.

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Dichter hierfür sicher vage Nachrichten über Latiner oder Latium, um aus ihnen einen eponymen Heros abzuleiten.55 Welche Intention bewog nun zu dieser Erzählung? Konstellation und Charakterisierungen der Protagonisten sprechen dafür, dass wir es nicht nur mit einer zufälligen genealogischen Schöpfung zu tun haben mit dem Zweck, auch den beliebten Helden Odysseus in die Theogonie aufzunehmen. Anders als Herakles, Achilles oder Aeneas war er ja selbst kein Sohn eines Gottes oder einer Göttin und hätte somit keinen Platz in der Theogonie gefunden. Über seine Nachkommen mit der göttlichen Kirke konnte der Dichter diesem Missstand abhelfen und die Theogonie mit dem Ende des heroischen Zeitalters beschließen. Vielmehr erscheinen die Verse durch die lokal verankerten Laertiden als Integrationsangebot an die Bewohner des Tyrrhenischen Italiens, mit denen die griechischen Siedler und Händler im engen Austausch standen. Es bot sich für den Sänger an, unter allen Heroen gerade den Laertiden als Stammvater auszuwählen. Denn seine allseits bekannte und inzwischen an die tyrrhenische Küste verlagerte Reise ermöglichte es ihm – wie auch dem anderen weitgereisten Helden Herakles –, in der Ferne Dynastien zu gründen.56 Als Nachfahren des Odysseus könnte den Latinern und Tyrrhenern allerdings vielmehr das väterliche Erbe des Erfindungsreichtums und der Kunstfertigkeit zugeschrieben und umgekehrt die besondere Kunstfertigkeit der genannten Tyrsenoi durch die Rückführung auf ihren Ahnherren nobilitiert worden sein.57 Diese Deutung setzt selbstverständlich voraus, dass die griechischen Sänger von den Einheimischen mehr wussten als ihre Namen, und genau das scheint durch die Bezeichnung der Tyrsenoi als ἀγακλειτοί, „hochberühmt“, bestätigt zu werden. Auch falls es sich um eine ad-hoc-Neuschöpfung zur Ausfüllung einer Genealogie handelt, ist hier zumindest schmeichelnd der Anspruch der allgemeinen Bekanntheit der Besungenen zum Ausdruck gebracht, wenn nicht sogar ihre Berühmheit bezeugt. Allerdings war Tyrsenos/Tyrrhenos zu Hesiods Zeit vermutlich noch keine eindeutige ethnische (Fremd-)Bezeichnung. Einerseits kannte man auch „Tyrrhener“ in der Ägäis,58 andererseits konnte der Tyrrhenerbegriff in griechischer Sicht unterschiedlos für die Bewohner zwischen heutiger Toskana und Kampanien verwendet werden.59 55

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In späteren Zeiten gab es sowohl für Latini/Latium als auch für die verschiedenen Formen des griechischen Etruskernamens etymologische Erklärungen, die die Ethnonyme als sprechende Namen verstehen. Zu den Latinern s. u. S. 169, zu den Tyrrhenern Dion. Hal. ant. 1,26,2 mit Briquel 1993. s. zu den vielfältigen Bezügen auf Odysseus in Nordgriechenland und Italien grundlegend Malkin 1998; Castiglioni 2013. s. u. S. 78 Anm. 198 zur Ableitung von Charaktereigenschaften der Kirke im Fall der Tyrrhener. Auch die Bewohner der Insel Lemnos und der nördlichen Ägäis konnten aufgrund ihrer nichtgriechischen, möglicherweise mit dem Etruskischen verwandten Sprache als Tyrrhener bezeichnet werden, s. De Simone 1996, 55 f.; Riva 2010, 98. Dion. Hal. ant. 1,25,5; 29,2; dazu u. a. Cornell 1995, 167; Jameson/Malkin 1998, 484; Vanotti 1999; Ercolani 2012, 387. Zum ‚Tyrrhenischen Italien‘ und Rom als tyrrhenischer Stadt s. u. Kap. 2.1.3 und 4.3.

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Die Kreation des eponymen Odysseussohnes Latinos könnte – neben der Anbindung an die bereits im Westen angesiedelte Kirke – an dieser Stelle auch der Unterscheidung von den ägäischen Tyrrhenern und ihrer stärkeren Verankerung in der Appeninnenhalbinsel gedient haben.60 Der König Latinos wird als ἀμύμων, „untadelig, hervorragend“, und κρατερός, „stark“, beschrieben. Diese typischen epischen Attribute61 zeichnen ein positives Bild des eponymen Heros, im Gegensatz zu demjenigen, das im Namen seines Bruders Agrios transportiert wird. Während die Wildheit des Bruders auf Kirke zurückgeführt werden kann (und womöglich mit einer früheren Phase der Lokalisierung der Kirke an der tyrrhenischen Küste zu verbinden ist, als es dort noch etwas wilder zuging62), ist die positive Charakterisierung des Latinos vermutlich als väterliches Erbe zu erklären und als Grund für den guten Ruf ‚seiner‘ Tyrsenoi zu verstehen.63 In der Odyssee bietet der Laertide selbst die Definition eines tadellosen Königs, in der die Begriffe der hesiodeischen Latinos-Verse verwendet werden – und möglicherweise bei deren Abfassung Pate standen? Ein solcher guter König müsse gottesfürchtig sein und das Gesetz bewahren. Dafür würde sein Ruhm zum Himmel steigen.64 Das Gegenbild eines gesetzlosen agrios aner wird in der Polyphemszene gezeichnet.65 Der Kyklop zeichnet sich nicht nur durch mangelhafte Sitten wie den Genuss ungemischten Weines aus, sondern auch durch seine Gesetzlosigkeit. Das zentrale Motiv der Episode ist die Verweigerung der Gastfreundschaft und somit jeder zivilisierten Form des Austauschs.66 Die mysteriöse Beschreibung des Reiches der Odysseussöhne als „im Innersten der heiligen Inseln“ gelegen kann ebenfalls in diesem Kontext verstanden werden.67 Auf solchen Inseln kann nur Gottesfurcht und Recht, auch das der xenia,

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Vgl. die Präzisierung des aiolischen Kymes, um es von der Apoikia im Westen zu unterscheiden, s. u. S. 122 Anm. 173. 61 s. o. S. 36 Anm. 13. 62 s. die Wahrnehmung des ersten Stützpunktes der euböischen Siedler auf Ischia, der „Affeninsel“ Pithekussai, auf der nur kurze Zeit später mit dem sogenannten Nestorbecher ein herausragendes Zeugnis für die Bekanntheit und Beliebtheit der Trojaerzählungen abgelegt wurde. 63 Cerchiai 2019, 17. 64 Hom. Od. 19,108–111: ἦ γάρ σευ κ λ έος οὐρανὸν εὐρὺν ἱκάνει, / ὥς τέ τευ ἦ βασιλῆος ἀμ ύμ ο νο ς , ὅς τε θεουδὴς / [ἀνδράσιν ἐν πολλοῖσι καὶ ἰφθίμοισιν ἀνάσσω ν] / εὐδικίας ἀνέχῃσι, „dein Ruhm erreicht die Feste des Himmels, / Wie nur der eines guten und gottesfürchtigen Königs, / Welcher ein großes Volk beherrscht von tapferen Männern / Und das Recht bewahrt“ (Übers. J. H. Voss). – s. Cerchiai 2019, 7 für diese überzeugende Deutung. 65 s. zum Folgenden Cerchiai 2012; Cerchiai 2019. 66 Die Bedeutung der Gastfreundschaft kehrt an mehreren Stellen in der Odyssee wieder. Ihr wird die mit Gesetzlosigkeit und Frevel verbundene Wildheit gegenübergestellt (Hom. Od. 6,120 f.; 8,575 f.; 9,175 f.; 13,201 f.); s. u. Kap. 2.1.3 zu den bildlichen Darstellungen der Polyphemszene im Tyrrhenischen Italien. 67 Cerchiai 2019, 17. Es handelt sich bei der heiligen Insel nicht um Aiaia, die Insel der Kirke, die nie als heilig bezeichnet und in der hesiodeischen Passage auch nicht erwähnt wird.

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herrschen und sind somit, das homerische Herrscherlob des Odysseus weiterdenkend, reiche Ernten und ein glückliches Leben garantiert.68 Über das Verhältnis zwischen Latinos (und somit den Latinern) und den Tyrsenoi ist in der Forschung viel diskutiert und die Konstellation als Hinweis auf die historischen Verhältnisse in Latium (und somit für die Datierung der Verse) herangezogen worden.69 Die hesiodeischen Verse über die Nachkommen der Kirke und des Odysseus können m. E. jedoch nicht direkt auf eine historische Situation bezogen werden. Die knappe Darstellung in wenigen epischen Versen intendiert keine präzise ethnographische Abhandlung. So ist es müßig zu fragen, ob wir hier ein Zeugnis historischer Herrschaft der Latiner über alle Etrusker vor uns haben oder vielleicht umgekehrt der etruskischen Herrschaft über die Latiner. Allerdings muss die Stelle im möglichen historischen Kontext betrachtet werden und nach ihrer Intention und Wirkung befragt werden. Die Herrschaft wird mit dem Wort ἄνασσον bezeichnet, wir haben also ein Verhältnis zwischen den Tyrrhenern und den Odysseussöhnen wie zwischen den Myr­ midonen und Achilles oder den Phäaken und Alkinoos. Die Bezeichnung des Latinos als wanax der „Tyrrhener“ lässt – wenn wir Latinos und Tyrsenoi mit zwei distinkten ethnischen Gruppen verbinden – entweder den Schluss zu, dass die Verse schmeichlerisch nur an Latiner gerichtet sind, oder aber vielmehr, dass eine solche Darstellung für die wahrscheinlicher angesprochenen Tyrrhener nicht ehrenrührig war, weil eine sehr enge Beziehung zwischen den lateinisch und etruskisch sprechenden Einheimischen bestand. Eine dritte Möglichkeit im Sinne des ‚Tyrrhenischen Italiens‘ ist, dass die Latiner als Teil der Tyrrhener wahrgenommen wurden und somit kein Fall von ‚Fremdherrschaft‘ vorliegt. Insgesamt ist es plausibel, dass das Lied über den guten Ruf und die Tadellosigkeit des Latinos und der Tyrsenoi als Ausweis der Aufnahme der Nachbarn von Kyme und Pithekoussai in das griechisch-mediterrane Netzwerk zur Zeit des Dichters zu verstehen ist.70 Eine solche positive Darstellung – nuanciert durch die ambivalente Mutter und den ‚wilderen‘ der Könige – passt viel besser in eine Zeit beginnender und sich intensivierender Kontakte, also an die Anfänge der griechischen Präsenz in Kampanien ab der Mitte des 8. Jahrhunderts, als in eine Zeit wachsender Konflikte und einer unhaltbaren Konkurrenzsituation wie im mittleren 6. Jahrhundert, der lange bevorzugten Datierung der vermuteten Interpolation der Odysseusverse. Die anhaltenden und wechselhaften Beziehungen im Tyrrhenischen Italien führten in der Folge auch narrativ zu einer schärferen Abgrenzung von Latinern und Tyrrhenern und zu mehreren weiteren Erzählungen, die die Kirke-Verbindung zumindest

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Hom. Od. 19,111–114. s. den Überblick bei Ercolani 2012. Cerchiai 2012, 346 und Cerchiai 2019, 16 f. Vgl. zum Verhältnis von untadeligem Handeln und gutem Ruf, auch bei Fremden, die Ausführungen der Penelope in Hom. Od. 19,332–334.

Latinos bei Hesiod

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für die Etrusker ablösten.71 Spätestens in der Mitte 6. Jahrhunderts erzählte man von der Verwandlung tyrrhenischer Piraten in Delphine durch Dionysos, was sogar in der attischen Vasenmalerei aufgenommen wurde.72 Vor der Mitte des 6. Jahrhunderts bildete sich die Vorstellung der Abstammung der Etrusker von den Lydiern, kurz danach die der pelasgischen Herkunft heraus.73 Mit den Migrationserzählungen beobachten wir bereits eine gänzlich neue Art der Erzählung, die eindeutiger als ethnographische Fremdbeschreibung zu werten und in ihrer narrativen Struktur und ihrer inhaltlichen wie intentionalen Ausrichtung als jünger anzusehen ist als die in der Nostenepik verankerte Geschichte von den Irrfahrten des Odysseus.74 2.1.3 Rezeption der hesiodeischen Verse im Tyrrhenischen Italien Richten wir nun den Blick nach Latium und von den dichterischen Fremdbeschreibungen auf ihr emisches Potential. Welche Bedeutung haben die Bewohner Latiums den hesiodeischen Versen und den darin enthaltenen Heroen und Genealogien in der Zeit der unmittelbaren Rezeption Hesiods beigemessen? In der Forschung war man meist skeptisch gegenüber der Möglichkeit, dass der hesiodeische Stammbaum des Latinos und somit die Abstammung eines eponymen Heros von einem griechischen Helden für die Einheimischen bereits in der Zeit Hesiods von großer Relevanz gewesen sein könnte. Stattdessen wurde eine vermeintliche lokale Ursprungserzählung, die im Endeffekt zur Vulgata führen sollte, als einzig relevant angenommen. Grundsätzlich können wir mangels Quellen nicht wissen, welche Ursprungs- und Herkunftsgeschichten an den Lagerfeuern des archaischen Latiums zum Besten gegeben wurden. Dass es auch spezifische Erzählungen ohne griechische Ingredienzen gab, ist anzunehmen. Doch man kann nicht a priori aufgrund der Behauptung kultureller Differenz die Übernahme ursprünglich ‚fremder‘ Erzählungen ausschließen. Tatsächlich wird einerseits immer deutlicher gesehen, dass Latium von Anfang an im Austausch mit den anderen Kulturen, insbesondere mit Etruskern und

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s. die Übersicht in Bagnasco Gianni 2012, mit Abb. 2.3. Für die Erzählung kann nur ein Terminus ante quem bestimmt werden: Die frühesten bildlichen Darstellungen stammen von schwarzfigurigen Vasen um 540, während die früheste literarische Erwähnung im Homerischen Hymnos für Dionysos nicht abschließend zwischen dem 7. Jh. und dem Hellenismus datiert werden kann, s. Paleothodoros 2012. Zentrale Quellen: lydische These: Hdt. 1,94; pelasgische These: Hellanikos, FGrHist 4 F 4 = Dion. Hal. ant. 1,28,3. Für die lydische These gilt die persische Eroberung Lydiens in der Mitte des 6. Jh.s als Terminus ante quem, die Identifizierung mit den Pelasgern stand wahrscheinlich bereits bei Hekataios am Ende des 6. Jh.s, s. den Überblick in Bagnasco Gianni 2012, insb. 58–61; ausführlich Briquel 1984; Briquel 1991. Vgl. die Beobachtungen zu achäischen Identitäten in Unteritalien Kowalzig 2007, Kap. 6.

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Griechen, ihre eigene herausbildete.75 Spätere Entwicklungen belegen anderseits, dass die Römer zumindest zu einem gewissen Zeitpunkt die trojanische Abstammung angenommen haben und diese somit Teil des eigenen Selbstverständnisses geworden ist, ebenso wie sich unzählige ursprünglich nichtgriechische Städte in den hellenistischen Königreichen durch eine Ursprungserzählung alla greca selbst hellenisierten.76 Eine Annahme griechischer Kulturpraktiken wie der Rückführung auf epische Heroen ist also auch in Latium prinzipiell denkbar. Was spricht also dafür, dass das Integrationsangebot, das die griechischen Sänger und Siedler den Bewohnern des Tyrrhenischen Italiens gemacht haben, auch angenommen wurde? Aufgrund der Quellenlage können wir diese Fragen nicht direkt beantworten, sondern sind auf bildliche Darstellungen, sprachliche Übernahmen und die Spuren sozialer, kultureller und kultischer Praktiken angewiesen. 2.1.3.1 Mythenbilder im Tyrrhenischen Italien Bildliche Darstellungen griechischer Heroen finden sich in Etrurien seit dem 7. Jahrhundert v. Chr.77 In Latium selbst sind diese mythischen Gestalten in der frühesten Phase nicht gefunden worden oder nicht zweifelsfrei zu interpretieren.78 Aufgrund der Beobachtungen zur kulturellen Koine kann jedoch das aus den archäologischen Befunden in Etrurien hervorgehende Bild auch auf Latium übertragen werden und mit einer frühen Verbreitung der Geschichten im gesamten Tyrrhenischen Italien gerechnet werden.79 Methodisch kann man ikonographische Quellen, die nach ihren eigenen Regeln funktionieren, nur mit großer Vorsicht in einer historischen Argumentation heranziehen. Das Vorhandensein bzw. Fehlen von Motiven in einer Region kann mit großer bzw. mangelnder Kenntnis oder Interesse an den Themen oder aber mit einem bestimmten ‚iconographic habit‘ erklärt werden. Gesellschaftlich relevante Erzählungen werden nicht zwangsläufig in Bildchiffren umgesetzt, während mehr oder weniger weit verbreiteten Motiven nicht eindeutig eine bestimmte Intention zugeschrieben werden kann, wie z. B. die Behauptung einer heroischen Abstammung. Zudem kann 75 76 77 78

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z. B. Feeney 1998, 50: Latium war „never Pre-Greek“. Soviel gesteht auch Bickerman 1952 zu, der grundsätzlich für eine primär ethnographische Funktion von Fremdbeschreibungen von Nichtgriechen plädierte. s. den Überblick z. B. bei Cerchiai 2014. Ein Bronzegegenstand, Teil eines Pferdegeschirrs, aus Castel di Decima aus dem späten 8. Jh. v. Chr. weist eine Darstellung auf, die als Anchises und Aphrodite mit dem Säugling Aeneas gedeutet und somit für eine frühe Kenntnis der trojanischen Erzählung herangezogen wurde (Rom, Museo Nazionale Romano, inv. 310670; u. a. LIMC I, 1981, s. v. Anchises Nr. 6; A. Bedini in: Carandini/Cappelli 2000, 192; Debiasi 2004, 158). Ein ähnliches Stück ist im faliskischen Civita Castellana gefunden worden (7. Jh.), s. Bedini ebd. Bei aktuellem Forschungsstand muss die Identifizierung offenbleiben. Zur kulturellen Koine im Tyrrhenischen Italien s. u. S. 54.

Latinos bei Hesiod

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ein Bildmotiv ohne die dazugehörige Geschichte reisen und an anderer Stelle wiederholt werden, Ausgangspunkt einer neuen Erzählung sein oder die Verbreitung einer einflussreichen Geschichte belegen.80 Standarddarstellungen aus einem Erzählkontext erinnern immer wieder an die ganze Geschichte und haben somit eine den hesiodeischen Genealogien vergleichbare allusive Funktion. Auch bei vorsichtiger Herangehensweise kann man nur zu dem Ergebnis kommen, dass die Inhalte der archaischen Epen und zumindest die homerische Odyssee selbst über das griechische Mutterland und die Apoikiai hinaus bekannt waren. Odysseus ist seit dem 2. Viertel des 7. Jahrhunderts v. Chr. in der Bilderwelt des Tyrrhenischen Italien präsent.81 Darstellungen der Blendung des Polyphem, der Skylla und der Sirenen finden sich auf etruskischen und importierten griechischen Vasen82 sowie auf anderen Bildträgern wie den Elfenbeinsitulen aus Chiusi.83 Die Darstellungen des Odysseus treten in Etrurien zur selben Zeit wie in Griechenland auf,84 zudem lassen sich von Anfang an etruskische Adaptionen und Neukreationen der Bildmotive beobachten.85 So belegen die etruskischen bzw. in Etrurien geschaffenen Umsetzungen der Poly-

80 s. Powell 1997, der die These vertritt, dass einige der bekannten griechischen Mythenepisoden gar auf der Grundlage orientaler Bildmotive (z. B. auf Siegeln) entstanden sind (z. B. manche Taten des Herakles oder das Parisurteil), deren Bedeutung im Originalkontext den mediterranen Liebhabern unbekannt war, andererseits aber bestimmte Darstellungen nur vor dem Hintergrund der Kenntnis der homerischen Epen denkbar sind. – Diese Diskussion über Unkenntnis und Verständnis wird über alle möglichen griechischen Motive, die in Italien gefunden wurden, geführt, auch bei auf den ersten Blick eindeutigen Motiven, wie z. B. dem Minotaurus in der Architekturdekoration an der Regia in Rom und in Gabii aus dem 6. Jh., s. dazu Feeney 2016, 241. 81 Einen Überblick über Odysseusdarstellungen bis in die Spätantike bieten LIMC VI, 1992, s. v. Odysseus/Uthuze und Katalog Ulisse 1996; zuletzt Bonaudo 2010. 82 Um 670/650 v. Chr.: Aristonothos-Krater mit Blendung des Polyphem aus Caere (Rom, Musei Capitolini, Inv. Castellani 172; LIMC VI, 1992, s. v. Odysseus/Uthuze Nr. 56). – 650/625: Whiteon-red-Pithos wahrscheinlich aus Caere mit demselben Thema (bis 2022 Malibu, Getty-Museum, Inv. 96.AE.135; seit Mai 2022 im Museo Nazionale Romano, Rom; Snodgrass 1998, 96 ff.: letztes Viertel des 7. Jh.s); caeretanische White-on-red-Amphora mit Sirene und Schiff (Banditaccia-Nekropole, tomba 17). – Ende 7. Jh.: etrusko-korinthische Oinochoe mit Darstellung der Iliupersis (Paris, Cabinet des Médailles, Inv. 179; LIMC I, 1981, s. v. Aineias Nr. 93a; Martelli 1987, Nr. 62; s. auch u. S. 114 Anm. 133). 83 Zwei reliefierte Situlen „della Pania“ aus Chiusi mit Darstellungen aus dem Sagenkreis um Odysseus mit den Schafen des Polyphem und Gefährten sowie der ältesten Skylladarstellung sowie Herakles mit den Stieren des Gerion (Florenz, Museo Archeologico Nazionale, Inv.-Nr. 82193. 73846; LIMC VI, 1992, s. v. Odysseus/Uthuze Nr. 60. 61), Datierungen zwischen der 1. Hälfte des 7. Jh.s (Touchefeu-Meynier 1968, Nr. 156. 157) und dem Beginn des 6. Jh.s (Cristofani 1996 übernimmt die Datierung nach Martelli). – Wohl aus dem 5. Jh. stammt eine Stele von Felsina (Bologna, Museo Civico Archeologico, Nr. 12; LIMC VI, 1992, s. v. Kirke Nr. 40 = Odysseus/Uthuze Nr. 66) mit Darstellungen aus der Odyssee: Kalypso hilft beim Floßbau, Kirke verwandelt die Gefährten, Odysseus mit dem Kraut Moly, Skylla, Rettung des Odysseus durch den Delphin und das Segel der Ino Leukothea, Odysseus mit Schwert. 84 Protoattische Amphore aus Eleusis, um 670, LIMC VI, 1992, s. v. Kyklops, Kyklopes Nr. 17 = Odysseus Nr. 94; protoargivischer Krater des 7. Jh.s, LIMC VI, 1992, s. v. Odysseus Nr. 88. 85 Osborne 2007, 89; Krauskopf 2011, 134.

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phemszene auf dem Aristonothos-Krater und auf dem Pithos in der White-on-RedTechnik aus Caere eine große Nähe zur homerischen Beschreibung, offenbar ohne dafür auf griechische bildliche Vorbilder zurückgreifen zu können.86 Dass gerade diese Szene besonders beliebt war, kann bedeuten, dass die Auftraggeber, Käufer, Schenker und Beschenkte sich in der Nachfolge des Odysseus als Teil der zivilisierten Welt betrachteten.87 Eindeutige Darstellungen der Kirke in Etrurien zeigen die homerische Szene der Verwandlung der Gefährten des Odysseus.88 Die Vasen stammen zum größten Teil aus Werkstätten in Griechenland, im Falle einer pseudochalkidischen Amphore möglicherweise auch aus Etrurien. Sie sind allerdings erst seit den 530ern, also viel später als solche mit Darstellungen des Odysseus, in Etrurien, Unteritalien und Kampanien anzutreffen.89 Allerdings setzen auch in Griechenland Kirkeszenen nicht viel früher ein.90 Auch wenn Kirke selbst auf bisherigem Kenntnisstand nicht in bildlichen Darstellungen des 7. Jahrhunderts erscheint, ist sie doch sicherlich als bedeutende Figur der im Tyrrhenischen Italien belegten Erzählungen über Odysseus bekannt. So kann man auch bei den Darstellungen der Skylla und der Sirenen auf den Elfenbeinsitulen aus Chiusi an Kirkes gute Ratschläge für Odysseus denken. Früh war auch Kirkes Nichte Medea im Tyrrhenischen Italien bekannt. In der Mitte des 7. Jahrhunderts entstand die caeretanische Amphore des Amsterdam-Malers, auf der Medea im Kampf gegen einen Drachen dargestellt ist.91 Aus den Jahren um 630 v. Chr. stammt die 1988 gefundene Bucchero-Olpe mit Relief- und Ritzdekor aus dem San-Paolo-Tumulus in Caere.92 Auf der Kanne sind Medea und Jason, Argonauten, Daidalos und ein Zweikampf dargestellt. Die etruskischen Beischriften Meteia und Taitale bezeichnen zwei der Figuren eindeutig. Die Darstellung der Medea auf bei-

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s. u. a. Powell 1997; Snodgrass 1998, 89 ff.; Riva 2010. s. o. zur Bedeutung der Gastfreundschaft und insb. Cerchiai 2019, 18 ff. Kistler 2014, 187 f. interpretiert die bildliche Darstellung dieser Szene als Warnung vor der Verletzung des Gastrechts. 88 s. bereits o. S. 40 zur vermuteten, aber zweifelhaften Identifizierung mit der Potnia Theron, die seit der orientalisierenden Kunstproduktion auch im Tyrrhenischen Italien anzutreffen ist (s. eine Interpretation des Motivs in der Statusrepräsentation der aristokratischen Elite des 7. Jhs. in Vetulonia, Camporeale 2015). 89 In Italien gefundene Darstellungen ab dem letzten Drittel des 6. Jh.s: Etrurien: pseudochalkidische Amphore aus Vulci, 530 (LIMC VI, 1992, s. v. Kirke Nr. 19); Unteritalien: zwei att. sf. Lekythen, 510/500 (Tarent, Museo Archeologico Nazionale, LIMC VI, 1992, s. v. Kirke Nr. 5. 15); att. rf. Pelike aus Nola, ca. 460 (Dresden, Albertinum, inv. 323; LIMC VI, 1992, s. v. Kirke Nr. 8; Katalog Ulisse 1996, Kat. 2.33). – Auf der bereits erwähnten Stele aus Felsina aus der 1. Hälfte des 5. Jh.s wird unter anderen Erlebnissen auch seine Begegnung mit Kirke dargestellt (s. o. Anm. 83). 90 LIMC VI, 1992, s. v. Kirke Nr. 13 (= Odysseus Nr. 139); Kirke Nr. 14: Mitte des 6. Jh.s. – Zu den Darstellungen s. allgemein Ronchi 2017, 62–64. 91 LIMC VI, 1992, s. v. Medeia Nr. 2 (660–640 v. Chr.); Katalog Cerveteri 2013, Nr. 125 (650–625). – Zu Medea im archaischen Italien s. Smith 1999. 92 LIMC VI, 1992, s. v. Medeia Nr. 1; ausführlich zur Darstellung bei Schweizer 2006; Riva 2010; Krauskopf 2011, 133; zuletzt Ampolo 2018.

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den caeretanischen Vasen ist unabhängig von der griechischen Ikonographie bzw. hier deutlich früher als die ersten Darstellungen im griechischen Kontext belegt.93 Während bei der Darstellung der Blendung des Polyphem vielleicht nur einzelne Details in Etrurien dazugekommen sind, kann man auf dem gegenwärtigen Kenntnisstand davon ausgehen, dass die Motive zur Darstellung der Medea in Etrurien herausgebildet wurden, was die Vertrautheit mit den Argonauten- und Daidalos-Erzählungen bezeugt. Die große Bedeutung, die den Mythenerzählungen beigemessen wurde, zeigt sich darin, dass sie diese Buccherogefäße zierten, bei denen es sich durch die Imitation feiner Metallarbeiten um besondere Prestigeobjekte handelt.94 Wir dürfen also von der Verbreitung und Beliebtheit der Erzählungen über Odysseus und die Argonauten in aristokratischen Kreisen im Tyrrhenischen Italien ausgehen. Wie schon angemerkt ist bei der Interpretation der Mythendarstellungen auf importierten und lokal hergestellten Bildträgern jedoch darüber hinaus Vorsicht angebracht. Epische Helden können nicht ohne weitere Indizien als Vorfahren gedeutet werden. Dargestellt werden emblematische, zentrale oder von der Besetzung her reizvolle Szenen aus den großen Narrativen, während ein genealogischer Anspruch über einen Stammbaum nur schwer ikonographisch umgesetzt werden kann.95 Den eponymen Odysseussohn (wie auch seinen wilden Bruder) sucht man in der lokalen Ikonographie vergeblich. Hier liegt jedoch derselbe Befund, derselbe ‚iconographic habit‘, wie im archaischen Griechenland vor, wo es lange kaum bildliche Darstellungen der Ursprünge von Städten und Völkern gab.96 Auch die Beobachtung, dass in Etrurien auch andere Erzählungen dargestellt wurden und man daher (abgesehen vom frühen Auftauchen des Odysseus) keine Präferenz für die vermeintlichen Vorväter ausmachen könne,97 ist daher ein Argument ex negativo.

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Osborne 2007, 89: etruskische Schöpfung. Die zeitlich nächste Darstellung der Verjüngung Jasons durch Medea findet sich auf einer der Metopen vom Heiligtum an der Sele-Mündung aus der zweiten Hälfte des 6. Jh.s; Medea auf Vasen das nächste Mal erst um 530 dargestellt (LIMC VI, 1992, s. v. Medeia Nr. 3–6). 94 Zu Technik und Material Riva 2010. Leider sind uns die meisten toreutischen Gefäße, die Spezialität etruskischer Handwerker, nicht erhalten. Doch man kann annahmen, dass in dieser Gattung, die als Vorbild für die feine Buccheroware gilt, noch weitere Mythengeschichten verewigt wurden, vergleichbar den Mythendarstellungen auf den Spiegeln und Cisten aus Etrurien und Praeneste ab dem 5. Jh. 95 Ein solchen dynastischen Anspruch konnte später mit der Aeneas-Anchises-Ascanius-Gruppe, die unter Augustus standardisiert und weit verbreitet wurde, zu Ausdruck gebracht werden, s. Dardenay 2012 und Calcani 2023. 96 Es gibt insbesondere keine bzw. kaum Darstellungen von eponymen Heroen wie Phokos oder Makedon, Doros oder Ion. – s. u. S. 148 zu Stadtdarstellungen ab dem 5. Jh. 97 So Dench 1995.

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2.1.3.2 Sprachliche und kultische Spuren Die frühe Aufnahme der Heroen aus dem trojanischen Sagenkreis und aus den anderen großen griechischen Mythen im Tyrrhenischen Italien zeigt sich des Weiteren darin, wie die Namen der Helden dem Etruskischen und Lateinischen angepasst wurden: als Cerca, Utuse, Hercle und Meteia in Etrurien bzw. Circa, Ulixes und Hercules in Latium. Es lässt sich zeigen, dass diese Namen jeweils über das Euböische oder das Dorische, somit in einem sehr frühen zeitlichen Horizont den Weg nach Italien gefunden haben.98 Das früheste schriftliche Zeugnis stammt vermutlich aus dem späten 7. Jahrhundert v. Chr.99 Die Tyrrhener haben also höchstwahrscheinlich die Geschichten durch mündliche Erzählung kennengelernt, nicht über die Mythenbilder auf den Vasen.100 Die Erzählungen waren vermutlich einem breiteren Personenkreis als den vereinzelten aristokratischen Grabherren und Vasenbesitzern bekannt, und zwar nicht nur in Etrurien und Kampanien, sondern auch in Latium. Über die sprachlichen Formen lässt sich somit ein deutlich früherer Kontext des Kulturkontakts und der damit einhergehenden Möglichkeit kultureller Übernahmen nachweisen als über literarische, epigraphische und ikonographische Quellen. Dies zeigt sich im Umfeld der Kirke insbesondere für den Steuermann Elpenor, der vom Dach gefallen war und Odysseus bei dessen Unterweltsfahrt um ein Begräbnis gebeten hatte.101 Laut Theophrast und Pseudo-Skylax war Elpenors Grab auf dem Monte Circeo zu sehen.102 Während also die ältesten literarischen Quellen für eine lokale Bezugnahme auf Elpenor aus dem späten 4. Jahrhundert v. Chr., also der Zeit nach dem Latinerkrieg, stammen, kann anhand der auf mehreren Spiegeln aus derselben Zeit103 dokumentierten etruskischen Namensform Velparun eine weit frühere Übernahme im Tyrrhenischen Italien, vielleicht sogar schon im 8. Jahrhundert konstatiert werden.104 Es ist somit sehr wahr-

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Malkin 1998, 161 mit Lit.; Wiseman 2004, 17; Ercolani 2012, 388; grundlegend die linguistische Untersuchung von De Simone 1968/1970, hier I 124 und II 182 f. zu Utuse; 302 ff.; aktualisiert von Maras 2002, s. nächste Anm. s. Maras 2002, der die Aufschrift ụθuẓteθś auf einem etrusko-korinthischen Bucchero-Aryballos aus Veji als „Nachfahre des Odysseus“, möglicherweise im Sinne eines scherzhaften Beinamens, deutet; Cerchiai 2019, 19; Ampolo 2021, 58. Osborne 2007, 89 f.; Ercolani 2012, 388. Hom. Od. 10,551–560; 11,51–83; 12,9–15. Theophr. h. plant. 5,8,3 berichtet, dass die Bewohner des Kirkaion das Grab des Elpenor zeigen; Ps.-Skyl. 8 erwähnt ein μνῆμα des Elpenor in der Hand der Latiner; Plin. nat. 15,119; Strab. 5,3,6 erwähnt zudem eine Schale des Odysseus, die in Circeii aufbewahrt sei. LIMC VI, 1992, s. v. Kirke Nr. 35–38 = III, 1986, s. v. Elpenor Nr. 1–4 mit den Beischriften Uthste, Cerca, Velparun aus verschiedenen Orten in Etrurien (Campiglia Marittima-Vetulonia [New York, Metropolitan Museum], Tarquinia [Paris, Louvre; Cambridge, Fitzwilliam Museum], Castellina in Chianti [nicht in LIMC], ein weiterer ist verschollen); zu den Beischriften s. De Simone 1968/1970, 42 f. 65; Ampolo 1994, 274. De Simone 1968/1970, I 65; II 5, 13 (zur Entwicklung von *Ϝελπάνωρ zu Velparun); Ampolo 1994, 274 verortet die Namensform als ein Zeichen für die Übernahme aus Korinth im Kontext der

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scheinlich, dass auch die Bewohner des Capo Circeo die Kirke des griechischen Epos bereits zu einem sehr frühen Zeitpunkt für sich annahmen.105 Dass die am Ende des 6. Jahrhunderts an der Stelle einer älteren Siedlung aus dem 8./7. Jahrhundert gegründete Kolonie des Tarquinius Superbus nach ihr benannt wurde, spricht also nicht nur deutlich für eine frühe Rezeption der Kirke vor Ort (und bei den römisch-latinischen Gründern), sondern auch dafür, dass ihre Lokalisierung in der Folge beibehalten und als prestigeträchtig empfunden wurde.106 Für spätere Zeiten belegen literarische und epigraphische Zeugnisse, dass die Bewohner der colonia Circeii Kirke kultisch verehrten.107 Die sprachliche Latinisierung der Namen epischer Heroen und griechischer Götter, die Benennung des Promontoriums und der dortigen Kolonie nach Kirke sowie die Zeugnisse des Elpenorgrabes und eines lokalen Kultes belegen die profunde Kenntnis der Göttin und der Odyssee-Erzählung vor Ort. Welche Funktion dem temporären homerischen Paar beigemessen wurde, lässt sich damit – wie bei den mythischen Darstellungen auf importierten und lokal hergestellten Vasen – noch nicht festmachen. 2.1.3.3 Sozialer Kontext der Mythenaneignung Wie ist nun die Übernahme der mythischen Helden in Italien zu interpretieren? Was spricht dafür, dass die griechischen Gestalten als Heroen bzw. als Vorfahren der Einheimischen bewusst angeeignet wurden? Wir müssen dafür auf die sozialen Kontexte tyr­rhenischen Beziehungen zu Griechenland zur Zeit der Bakchiaden im 7. Jh. Malkin 1998, 87 f. denkt dagegen bereits an die korinthischen Explorationen im 8. Jh. 105 Argumentation ausführlich bei Ampolo 1994, 273–278; wiederaufgenommen bei Ampolo 2021, 55 f. 106 Liv. 1,56; Dion. Hal. ant. 4,63. Die insbesondere von Alföldi 1977 angestoßene Diskussion über die Historizität der Gründung Circeiis unter Tarquinius Superbus ist zuletzt aufgrund archäologischer Zeugnisse (u. a. in Rom hergestellte Architekturterrakotten aus dem späten 6. Jh.) zugunsten einer zumindest aus dem 6. Jh. stammenden Siedlung entschieden worden, s. zuletzt ausführlich Ronchi 2017, insb. 119 f. mit Lit. Zu Beginn des 5. Jh.s wurde Circeii, lt. annalistischer Geschichtsschreibung, von den Volskern unter Coriolanus eingenommen, Liv. 2,39, und nach der Rückeroberung von den Volskern zu Beginn des 4. Jh.s neugegründet, Liv. 5,24,4 (Sendung von 3000 Bürgern ins ehemals volskische Gebiet, ohne Nennung Circeiis); Diod. 14,102,4; s. Diskussion zur Geschichte Circeiis Ronchi ebd. mit Lit. 107 Zum lokalen Kult für die Göttin: Cic. nat. deor. 3,19,48; Strab. 5,3,6; Plin. nat. 25,5,10; zu CIL X 6422, Wiederherstellung des Altares für Circe unter Caracalla, s. zuletzt Ronchi 2017, 60: der antike Anbringungsort der Tafel ist unbekannt, lässt also keine Rückschlüsse auf die Identifizierung des Heiligtums zu. Im Ausschlussverfahren sind am ehesten die Mauerreste am höchsten Punkt des Monte Circeo als Kirkeheiligtum zu deuten, was ohne Grabung nicht bestätigt werden kann. Der als „testa di Circe“ bekannte Marmorkopf nach hellenistischem Vorbild (LIMC VI, 1992, s. v. Kirke Nr. 1), vermutlich aus der 1. Hälfte des 1. Jh.s v. Chr., ist typologisch hingegen nicht der Kultstatue der Kirke, sondern überzeugender der Venus zuzuordnen, s. Ronchi 2017, 61–64. Die Architekturterrakotten aus dem späten 6. und frühen 5. Jh. stammen aus dem Heiligtum auf dem Colle Monticchio, bei dem es sich wohl um das von Strab. 5,3,6 erwähnte und zwischen Rom und Kyme umstrittene Athenaion handelt, s. Ronchi ebd. (zuvor von E. Marroni in: Ceccarelli/Marroni 2011, 106 f. mit dem Kirkeheiligtum in Verbindung gebracht).

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sehen und dabei den oben plausibel gemachten Zeitraum des späten 8. und frühen 7. Jahrhunderts v. Chr. in den Blick nehmen. In der Zeit vor und nach der Gründung der ersten griechischen Apoikien war Latium von einer protourbanen Siedlungsstruktur und einer bereits stark differenzierten gentilizischen Gesellschaft geprägt, die in den italischen und mediterranen Interaktionsraum integriert war.108 Für die orientalisierende und archaische Epoche werden Etrurien, Latium und Kampanien in der Forschung gemeinsam als Tyrrhenisches Italien bezeichnet, das sich durch eine kulturelle Koine sowie einen hohen Grad an horizontaler sozialer Mobilität auszeichnet.109 Seit dem Beginn der griechischen Prospektions- und Handelsreisen insbesondere auf der Suche nach den Metallvorkommen in Etrurien in der 1. Hälfte des 8. Jahrhunderts ist eine regelmäßige griechische Präsenz im ganzen Tyrrhenischen Italien und von Etruskern in Kampanien zu beobachten. Die Zeugnisse aus den Nekropolen und Siedlungen der orientalisierenden Epoche in Latium weisen dabei eine große Nähe zu den beiden Nachbarregionen Kampanien und Etrurien auf. Deshalb ist trotz des Fehlens bestimmter Gattungen im bekannten Befund, wie der bildlichen Darstellungen, eine Zugehörigkeit der Regionen zu einem gemeinsamen Interaktionsraum deutlich.110 Über den tyrrhenischen Raum hinaus hatten neben Phöniziern und Griechen auch die nichtgriechischen Bewohner Italiens über Kontakte und Interaktionen teil an dem die Küsten des Mittelmeeres umspannenden Netzwerk,111 wie Weihungen der orientalisierenden Zeit in Olympia, Delphi und anderen Heiligtümern bezeugen.112 Der Sicht, dass es sich stets um eine konflikthafte, hierarchische Auseinandersetzung zwischen den aus einer Hochkultur stammenden Griechen und den primitiven Einheimischen handelte, an deren Ende eine Assimilation der lokalen Kultur stand, wurden in den letzten Jahrzehnten mehrere postkoloniale Ansätze und Forschungsergebnisse entgegengestellt. Das Konzept der „Peer-polity interaction“ lenkte den Blick darauf, dass Einheimische und Griechen einander, insbesondere auf der Ebene der

108 Linke 1995; Smith 1996; Smith 2006; Zuchtriegel 2015. 109 s. zur Mobilität grundlegend Ampolo 1976/1977; zuletzt Terrenato 2019; Wright/Terrenato 2023, 24 mit Lit.; zur Tyrrhenischen Koine u. a. Cornell 1995, 163 f. 171 mit Lit.; Lubtchansky 2005, 1; Ercolani 2012, 389. 110 s. die Beschreibung Latiums als Grenzland zwischen Etruskern und Griechen, Fulminante 2018, 477 mit Lit. – Über die die Epoche kennzeichnenden Artefakte aus dem orientalischen Raum (erhalten insb. in den ‚tombe principesche‘ Praenestes) hinaus finden sich in Latium auch zahlreiche Objekte aus etruskischer und griechischer Produktion, z. B. die Oinochoe aus Kyme in der frühesten Phase des ‚Heroons des Aeneas‘ in Lavinium und die griechische Keramik in der Esquilin-Nekropole und im Heiligtum von S. Omobono (s. u. a. Cornell 2000, 45 mit Lit.). 111 Malkin 2011; Antonaccio 2013; Rollinger/Schnegg 2014; Kistler u. a. 2015; Gehrke 2016; Terrenato 2019. 112 s. hierzu die Arbeiten von Alessandro Naso, zusammengefasst in Naso 2012; Antonaccio 2013, 245 f. mit den verschiedenen Möglichkeiten der Deutung als Beute, Handelsware oder tatsächlich Weihungen durch Italiker.

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Adligen, weitgehend als Gleichrangige begegneten.113 Wie bereits für Polyphem und die Einschätzung des Latinos gesehen, war die Institution der Gastfreundschaft von zentraler Bedeutung für die Begegnung unter Griechen verschiedener Herkunft sowie zwischen Griechen und Nichtgriechen. Bei der Betonung der Gleichrangigkeit müssen Konflikte nicht generell ausgeschlossen werden, denn auch in Griechenland waren jenseits aller ethnischer Definitionen militärische Konflikte an der Tagesordnung. Bedeutend ist lediglich, dass durch die Begegnung auf Augenhöhe der Rahmen für einen tiefgehenden Austausch geschaffen wurde.114 Wie bereits anhand der Mythendarstellungen und der Heroen- und Götternamen gesehen, ging ökonomisch motivierter Kontakt mit Übernahme und Austausch zahlreicher kultureller Praktiken einher.115 Es besteht zwar noch gewisse Uneinigkeit über Ausmaß und Bedeutung der Übernahmen von griechischen kulturellen Praktiken in dieser Zeit.116 Sicher ist, dass die Schrift und zwar des euböischen Alphabets, bereits in der Anfangszeit der Kontakte nach Latium und Etrurien gelangte. So wurde das älteste Schriftzeugnis Italiens in der Nekropole von Gabii (Osteria dell’Osa) gefunden, das aus der Zeit vor 770 v. Chr., also einige Jahrzehnte vor der Gründung Kymes, stammt.117 Anhand beschrifteter Luxusgegenstände, die als Gastgeschenke zu deuten sind und bis weit nach Mittelitalien hinein in einer Vielzahl von lokalen Adaptierungen der nächstgelegenen griechischen Alphabete Verbreitung finden, kann man die oben postulierten und möglicherweise in den hesiodeischen Versen niedergeschlagenen Gastfreundschaftsbeziehungen konkretisieren. Der soziale Ort der Mythenerzählungen ist in den elitären Praktiken im Kontext der Xenia-Beziehungen und darüber hinaus zu suchen. Zentral war hierbei das Bankett, das in Etrurien und Latium bereits in frühester Zeit am Grab, in den Adelssitzen und in Siedlungen, später auch in den architektonisch neu ausgestalteten Heiligtümern im Bankettgeschirr und in der Einführung des Weinbaus

113 Renfrew 1986. Dazu auch Schweizer 2006, 11; Terrenato 2019. 114 Malkin 2002 hat den Bereich der Begegnung zwischen Einheimischen, Neusiedlern und Besuchern mit dem Begriff ‚Colonial Middle Ground‘ verbunden, in dem der Prozess der Kulturvermittlung stattfand. Er hat dabei primär Kampanien im Blick, wo, wie oben angemerkt, neben einheimischen Italikern Griechen in den Kolonien und Etrusker, insbesondere in Capua und Pontecagnano, aber auch Pithekussai, in alltäglichen Austausch miteinander traten. Dass die Kontakte zwischen Siedlern und Einheimischen auch in der orientalisierenden Zeit nicht immer friedlich waren, betont Dougherty 2003 mit Blick auf die Darstellung eines Kriegsschiffes auf dem Aristonothos-Krater aus Caere (ca. 670 v. Chr., s. o. S. 49 mit Anm. 82). 115 Als Beispiel sei die Übernahme der Hoplitentaktik genannt, die im Tyrrhenischen Italien vor 600 v. Chr. von den Griechen übernommen wurde: Cornell 1995, 170 f. 116 Diskussion bei Naso 2014. 117 SEG XLII 899; A. La Regina in: Friggeri u. a. 2012, II.3 (mit Lit.); zuletzt Bellelli/Benelli 2018, 23–27. Das kurze Graffito auf einer impasto-Vase ist nicht eindeutig als griechisch oder lateinisch bestimmbar. – Vgl. auch die Buchstabenmarken auf Bronzeäxten der latialen Phase III aus Ardea: G. Colonna in: Bartoloni/Delpino 2005, 479 f. mit Abb. 1.

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archäologisch sichtbar ist.118 In den homerischen Epen, und gewiss auch im ‚real life‘ der Zuhörer, werden bei allen Begegnungen die eigene Herkunft und die Vorfahren mit Verweis auf deren Verdienste angesprochen.119 Dies gehörte, ebenso wie die großzügige Bewirtung von Gästen, zur Kultur der ‚homerischen Gesellschaft‘. Es ist daher sehr plausibel, dass auch bei den Banketten der latinischen ‚big men‘, bei denen auch griechische und etruskische ‚peers‘ bewirtet wurden, die Frage nach den Vorfahren anhand der ‚griechischen‘ mythischen Genealogien beantwortet wurde und die Abstammung eines eponymen Helden, vielleicht in der Vorstellung eines gemeinsamen Stammvaters, von den berühmten Figuren Kirke und Odysseus dabei eine Rolle spielte.120 Wir haben also zwar nur indirekte Befunde, die die Rezeption der Gestalten der Latinos-Genealogie nahelegen, aber sehr viele Indizien, die die Annahme des hesiodeischen Integrationsangebots plausibel machen. Die Abstammung von dem epischen Heros Odysseus und der in der Region lokalisierten Kirke konnte in der Interaktion mit den Griechen einen Prestigezugewinn bedeuten. Möglicherweise verbreitete sich die Annahme eines göttlich-heroischen Stammbaums durch einige ‚principi‘ in der Folge allgemein in der Region, was zu einer Stärkung des Zusammengehörigkeitsgefühls führte und so zur Ethnogenese beitrug.121 Einmal in Latium in die lokale Vorstellungswelt aufgenommen – und sei es primär zur Selbstbeschreibung vis-à-vis den Griechen, bei denen diese Art des mythischen Netzwerkens üblich war – konnten die Erzählungen in der Folge weiterleben, auf welche Art sehen wir in den nächsten Kapiteln.

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Zum Bankett in Latium Zuchtriegel 2012; Zuchtriegel 2015; zum Bankett als Ort sozialer Praktiken im griechischen Bereich: Węcowski 2014. 119 s. zur Wiederspiegelung ‚historischer‘ Interaktion die Ausführungen bei Węcowski 2019 zu den fiktiven Herkunftsangaben in Odysseus’ Trugreden. 120 Hier ist noch einmal auf den Nestorbecher zu verweisen, der die intime Kenntnis der homerischen Epen in einem Bankettkontext bezeugt, aber nicht als Beweis einer ethnischen Identität des Besitzers gesehen werden darf, s. Gehrke 2015, 216: „Vielleicht aber handelte es sich um Leute, die sich den Griechen zurechnen und/oder als solche akzeptiert waren; oder es ging um Personen, die sich betont à la Grecque gaben.“ 121 s. Riva 2010, 19 und Antonaccio 2010, die bezweifeln, dass man im 7. Jh. bereits von ‚ethnischen Identitäten‘ auf der Grundlage von Verwandtschafts- und Heimatdiskursen sprechen könne, da man sich außer über gesellschaftliche Statuszugehörigkeiten in einer sich ausdifferenzierenden Gesellschaft primär als Einheimische oder Neusiedler begriff.

Latinus, Sohn von Odysseus und Kirke, in der späteren Überlieferung

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2.2 Latinus, Sohn von Odysseus und Kirke, in der späteren Überlieferung Wie hat sich die bei Hesiod geschilderte Abstammung des latinischen Eponyms von Kirke und Odysseus in den späteren Jahrhunderten bei Griechen und Latinern weiterentwickelt? Der Stammbaum wurde bis in byzantinische Zeit immer wieder in der Literatur aufgegriffen. Explizite Hinweise auf die Theogonie und wörtliche Hesiodzitate finden sich in Scholien und Kommentaren zu den antiken Epen.122 Die Bekanntheit und Autorität Hesiods über die gesamte Antike hinweg führt dazu, dass seine Verse über Latinos bis in byzantinische Zeit in der philologischen Literatur anzutreffen sind. In den folgenden beiden Kapiteln werden die nachhesiodeischen Zeugnisse der Odysseus-Kirke-Genealogie untersucht, die abgesehen von dem Elternpaar wie bei Hesiod in Genealogie und Kontext variieren. Sie führen zudem in Zeiten, in denen üblicherweise andere Erzählstränge, insbesondere die Vulgata, bevorzugt werden, was bei der Interpretation berücksichtigt werden muss. Kann man aus den literarischen Quellen Schlüsse für ihre Bedeutung für die Selbst- und Fremdbeschreibung in der longue durée ziehen? Kann man über eine ‚intentionale Geschichte‘ der Genealogie neue Erkenntnisse über die historischen Entwicklungen im nacharchaischen Latium gewinnen? 2.2.1 Pseudo-Skymnos Aus der 2. Hälfte des 2. Jahrhunderts v. Chr. stammt die Schilderung der Welt für König Nikomedes von Bithynien des Pseudo-Skymnos.123 Der Autor des hellenistischen geo- und ethnographischen Gedichtes zählt nach Tyrrhenern, Umbrern und den Inseln der Sirenen und der Kirke Latiner und Ausonier auf:

122 Schol. Apoll. Rhod. 3,200 mit leicht veränderter, aber inhaltsgleicher Formulierung in Vers 1012: Ἡσίοδος δέ φησι τὴν Κίρκην τοῦ Ἡλίου θυγατέρα εἶναι ἐν τοῖσδε τοῖς ἔπεσιν· / ‚Κίρκη δ’ Ἠελίου θυγάτηρ Ὑπεριονίδαο / τίκτεν Ὀδυσσῆι ταλασίφρονι ἐν φιλότητι / Ἄγριον ἠδὲ Λατῖνον ἀμύμονά τε κρατερόν τε‘. – Serv. Aen. 7,47: […] sane Hesiodus Latinum Circes et Vlixis filium dicit; 12,164: SOLIS AVI SPECIMEN ut etiam in septimo diximus, Latinus secundum Hesiodum in ἀσπιδοποιίᾳ Ulixis et Circae filius fuit, […] secundum quem nunc dicit ‚Solis avi specimen‘, nam Circe Solis est filia (mit fehlerhaftem Verweis auf Hesiods Schildbeschreibung statt auf die Theogonie). – Eust. Hom. Od. 16,118 (II, 117, 14 f.): ἐκ Κίρκης υἱοὶ καθ’ Ἡσίοδον Ὀδυσσεῖ Ἄγριος καὶ Λατῖνος, ἐκ δὲ Καλυψοῦς Ναυσίθοος καὶ Ναυσίνοος. – Schol. Hes. theog. 1013: τῆς Ἰταλίας οἱ Λατῖνοι. Ἄγριον καὶ τὸν ἀμύμονα Λατῖνον· καὶ οὗτοι οἰκοῦσιν εἰς τὰ ἐσώτερα μέρη τῶν ἱερῶν νήσων· οἱ Λατῖνοι οἰκοῦσι τὴν Τυρσηνίαν χώραν, ἔνθα ᾤκει ἡ Κίρκη. λέγονται δὲ ἐκεῖσε αἱ νῆσοι Ἠλεκτρίδες. 123 Unsicher ist, welcher König Nikomedes gemeint ist: Die Datierung dieses jambischen Lehrgedichts bewegt sich in der Forschung zwischen 133 und spätestens 109 v. Chr., sogar noch weiter auf zwischen 127/126 und 120/119 v. Chr. eingegrenzt, d. h. in die letzten Jahre des Nikomedes II. und die erste Zeit seines Sohnes, s. Korenjak 2003, 12 mit Lit. Plausibler wäre möglicherweise

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οὓς ᾤκισ’ οὐκ Κίρκης Ὀδυσσεῖ γενόμενος Λατῖνος. Αὔσονές τε μεσόγειον τόπον ἔχοντες, Αὔσων οὓς συνοικίσαι δοκεῖ, 230 Ὀδυσσέως παῖς καὶ Καλυψοῦς γενόμενος. Ἐν τοῖς ἔθνεσι τούτοις δὲ Ῥώμη ’στὶν πόλις ἔχουσ’ ἐφάμιλλον τῇ δυνάμει καὶ τοὔνομα, ἄστρον τι κοινὸν τῆς ὅλης οἰκουμένης, ἐν τῇ Λατίνῃ· Ῥωμύλον δ’ αὐτὴν κτίσαι θέμενον ἀφ’ αὑτοῦ φασι τοῦτο τοὔνομα.124

Latiner und Ausonier werden auf eponyme Söhne des Odysseus von Kirke und Kalypso zurückgeführt (Abb. 2).125 Die Laertiden haben die nach ihnen benannten Völker im Hinterland und dementsprechend an der Küste Italiens angesiedelt. In Latium liege Rom, das als über die gesamte Oikumene strahlender Stern gepriesen wird. Erwähnt wird zudem die Gründung durch Romulus.126



Kirke

Latinos Latiner

Odysseus



Kalypso

Auson Ausonier

Abb. 2 Stammbaum des Latinos nach Pseudo-Skymnos



jedoch eine Abfassung in der ersten, romfreundlichen Phase des Nikomedes II., s. dazu u. S. 60 f. Da der Schluss des Textes in der Überlieferung fehlt, bleibt die Identität des Autors unbekannt. Die Bezeichnung als Pseudo-Skymnos ist konventionell (Korenjak ebd. 11 f. mit Lit.; Marcotte comm. ad loc. schlägt Apollodoros von Athen als Autor vor, contra Bravo 2009). 124 Ps.-Skymn. 227–235: „ die Latinus ansiedelte, den Odysseus von Kirke bekam, und die Ausonier, welche die Gegend im Binnenland besitzen; diese soll Auson zusammengesiedelt haben, der ein Sohn des Odysseus und der Kalypso war. Unter diesen Völkern, in Latium, liegt die Stadt Rom, die einen Namen hat, der mit ihrer Macht wetteifert, ein Gestirn, das über die ganze bewohnte Welt hin erstrahlt. Romulus, sagt man, hat sie gegründet und ihr nach sich selbst diesen Namen gegeben“ (Übers. M. Korenjak). 125 An der Stelle des Volkes, auf das sich der Relativsatz (οὓς ᾤκισ’ […] Λατῖνος) bezieht, befindet sich im Text eine Lücke, zuvor ist von den Ombrikoi die Rede. Bereits von Cluverius ist daher Λατῖνοι als Bezugswort ergänzt, analog zu den folgenden Ausoniern, s. Marcotte ad loc.; Bravo 2009, 96. 126 Zur Stärke, hier δύναμις, als bereits im Namen (ῥώμη) manifestierte zentrale Eigenschaft Roms s. Kap. 3.5.2.

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Pseudo-Skymnos gibt die hesiodeische Abstammung des Latinos wieder, wobei die Brüder Agrios und Telegonos im Rahmen der ethnisch-geographischen Beschreibung Italiens wegfallen. Bei Auson, dem Nachwuchs von Odysseus und Kalypso, weicht der Geograph dagegen von Hesiod ab, indem er die in der Theogonie angegeben Söhne Nausithoos und Nausinoos durch den dort unbekannten eponymen Helden der Auso­nier ersetzt.127 Auch wenn Pseudo-Skymnos das früheste erhaltene Zeugnis für die Abstammung Ausons von Kalypso und Odysseus bietet, ist es wahrscheinlich, dass er sich wie bei Latinos auf eine ältere Genealogie bezieht, die sich auch bei späteren Autoren wiederfindet.128 Der Autor der Weltbeschreibung zieht für sein Werk, wie er selbst betont, zahlreiche griechische Autoren klassischer und hellenistischer Zeit als Quellen heran, allerdings nicht direkt Hesiod.129 Da der Autor seiner eigenen Angabe zufolge ausschließlich auf Prosa-Autoren zurückgreift, ist, statt einer direkten Verwendung des Dichters zumindest eine Prosa-Zwischenquelle anzunehmen, in der Pseudo-Skymnos den hesiodeischen Latinos vorfand. In der Forschung wird Ephoros als Quelle für die Abstammung des Auson und auch des Latinos vorgeschlagen.130 Doch auch wenn Ephoros wahrscheinlich hinter Pseudo-Skymnos’ Ausführung über den Averner See bei Kyme steht,131 ist dies für die zuvor erwähnten Stammbäume des Latinos und des Auson nicht zwingend ebenfalls der Fall. Da eine Erwähnung der Latiner oder ihres Eponyms bei keinem der als Quellen angegeben Autoren erhalten ist, lässt sich diese Zwischenquelle 127 Hes. theog. 1017 f. (s. o. Abb. 1). 128 Paul. exc. Fest. 16 L: Ausoniam appellavit Auson, Ulixis et Calypsus filius; Serv. auct. Aen. 3,171: AVSONIAS appellata Ausonia ab Ausone, Vlixis et Calypsus filio; Suda s. v. Αὐσόνιος πόντος, ἡ Σικελικὴ θάλασσα· ἀπὸ Αὔσονος, τοῦ Ὀδυσσέως καὶ Καλυψοῦς υἱοῦ ἐκεῖ βασιλεύσαντος; bei Ael. Herod. pros. cath. III.1, 36, 5 (… Αὔσων ὃς ἐκ Καλυψοῦς ἐγεννήθη τῷ Ἄτλαντι) wohl fehlerhaft Odysseus durch den Vater der Kalypso ersetzt; s. die Diskussion bei Pagliara 2003. – Zu weiteren Genealogien des Auson, insbesondere der ebenfalls mehrfach, jedoch nicht vor Serv. auct. Aen. 8,328 belegten Version, in der Auson von Odysseus und Kirke abstammt, und der historischen Realität der Ausones s. u. Kap. 4.5. – Eine einzelne Stimme macht auch Latinus zum Sohn des Odysseus mit Kalypso: Apollod. epit. 7,24: ἐκεῖ δὲ ἀποδέχεται Καλυψὼ θυγάτηρ Ἄτλαντος, καὶ συνευνασθεῖσα γεννᾷ παῖδα Λατῖνον. „Dort nahm ihn (sc. Odysseus) Kalypso, die Tochter des Atlas, auf, schlief mit ihm und gebar einen Sohn namens Latinos“ (Übers. K. Brodersen). 129 Ps.-Skymn. 109–138. Erhalten ist der Hinweis auf Eratosthenes, Ephoros, Dionysios von Chalkis, Demetrios von Kallatis, Kleon aus Sizilien, Timosthenes (?), Kallisthenes, Timaios, Herodot; s. Marcotte 2000, comm. ad loc., der in der Lücke (ca. fünf fehlende Namen) zumindest die später im Text zitierten Theopomp und Hekataios von Abdera ergänzt. Die zitierten Quellenautoren hatten vermutlich unterschiedliche Vorstellungen von den Ursprüngen Roms und der Latiner, allerdings sind außer den indirekten Hinweisen des Timaios nur die aparte Erzählung von Dionysios von Chalkis (FGrHist 840 F 10 = Dion. Hal. ant. 1,72,6) und die sich der Vulgata annähernde des Eratostenes (FGrHist/BNJ 241 F 45 = 840 F 20 = Serv. auct. Aen. 1,273) erhalten. 130 Briquel 1998/1999, 240 Anm. 14; Pagliara 2003, 534 ff.; Pagliara 2008, 7 contra Lepore 1989, 60 ff. 131 In der Ephoros zugeschriebenen Passage über den Eingang zur Unterwelt am Averner See bei Kyme (Ps.-Skymn. 236 = FGrHist 70 F 134b) ist von den Ausoniern nicht explizit die Rede (s. hierzu Gauger/Gauger 2015, comm. ad loc.). – Zur Bekanntheit der Ausonier im geo- und ethnographischen Diskurs spätestens seit dem 5. Jh., s. u. S. 101 Anm. 78, S. 122 und Kap. 4.5.

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nicht weiter bestimmen. Doch es ist festzuhalten, dass die hesiodeische Tradition über den Odysseussohn Latinos in der Literatur neben anderen, in den folgenden Kapiteln besprochenen Genealogien weiterüberliefert wurde und Pseudo-Skymnos diese anderen Versionen vorzog. Möglicherweise war die Autorität Hesiods indirekt dafür verantwortlich. Pseudo-Skymnos erwähnt nicht nur seine Quellen, sondern er rühmt sich auch, die von ihm beschriebene Welt selbst bereist und die Angaben seiner Quellen vor Ort überprüft zu haben. Explizit nennt er Tyrrhenia als eines seiner Reiseziele,132 doch lässt sich daraus nicht unbedingt schließen, dass er lokale Quellen für die Abstammung von Tyrrhenos, Latinus oder Auson wiedergibt und somit die in seiner Zeit aktuellen Ursprungserzählungen bezeugt. Möglicherweise bestätigte er durch seine Reisen schlicht die Existenz oder die geographische Lage mancher Städte, während die dazugehörigen Informationen aus seinen literarischen Quellen stammen.133 Die Erwähnung des Romulus passt allerdings gut in das späte 2. Jahrhundert, als sich die später kanonische Gründungsgeschichte auch in der griechischen Welt verbreitet hatte. Wir beobachten hier also ein Nebeneinander von Genealogien aus Epos und ethnographischen Texten sowie der aktuelleren Romuluserzählung. Pseudo-Skymnos bietet zudem eine Mischung aus ‚alter‘ und ‚neuer‘ Ethnographie, wobei zwar anders als bei Aristoteles auf die Latiner die Opiker folgen, dann aktueller Kampaner, Lukaner und Samniten genannt sind, Italien aber noch auf die Spitze Kalabriens beschränkt ist und an die Oinotrier angrenzt.134 Betrachten wir die Passage daher nun in ihrem historischen Kontext. Die Darstellung Roms wird in der Forschung als eines der ersten Zeugnisse griechischer Rom-Panegyrik bezeichnet, was sich durch die guten Beziehungen zwischen den bithynischen Herrschern und Rom erklärt.135 Während im nahen Pontos nur kurze Zeit später zugunsten Mithridates VI. die Erzählung von Romulus’ Räuberbande kolportiert wird,136 muss eine schmeichelhafte Präsentation Roms als Weltmacht vom Dichter positiv intendiert und von dem hier angesprochenen König positiv aufgenommen worden sein. Dies

132 Autopsie Etruriens: Ps.-Skymn. 134; Pelasger: 217–219; Tyrrhenos, der Lyder, Sohn des Atys: 220 f. 133 Dies ist z. B. für Tarent deutlich, das als größte Stadt Italiens bezeichnet wird (Ps.-Skymn. 330), was besser zu einer Quelle aus dem 4. Jh. wie Ephoros passt als in die Entstehungszeit des Lehrgedichts, in der der Italienbegriff bereits auf die ganze Apenninenhalbinsel ausgeweitet und Tarent bereits zweimal von Rom erobert worden war (s. u. Kap. 3.6.2). – Die Langlebigkeit ethnographischer Beschreibungen z. B. Herodots ist charakteristisch für die antike Literatur und hat das Bild mancher Regionen bis ins Mittelalter geprägt. Vgl. auch das mangelnde Interesse an Richtigstellungen durch lokale hellenistische Autoren, dazu Feeney 2016, u. a. 23 f. 134 s. Kap. 1.2, 3.5.3 und 4.3 zu den ersten literarischen und epigraphischen griechischen Erwähnungen des Romulus (Alkimos, Diokles von Peparethos, das Chios-Dekret). Wie bereits gesehen bieten die bekannten Quellen des Dichters, wenn sie sich überhaupt mit Rom beschäftigen, unterschiedliche Varianten der Gründung, Romulus erscheint nur in einigen davon. Zu Aristoteles s. u. S. 122 f. 135 s. Korenjak 2003, 19. 136 s. Briquel 1997; Humm 2013, 444 f. Anm. 54.

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spricht eher für Nikomedes II. als für seinen Sohn, der das Bündnis mit Rom kurz nach Herrschaftsbeginn aufgab. Nikomedes II. war wie sein Vater selbst in Rom gewesen und könnte dort aus erster Hand mit den Erzählungen über die Ursprünge Roms und der Latiner in Kontakt gekommen sein. Wie sind vor diesem Hintergrund die Latinerverse zu deuten? Nicht anzunehmen ist, dass der König dem Dichter die Ursprungserzählung diktiert hat, ebenso wenig wie er durch eine ‚falsche‘ Erzählung gestört gewesen wäre. Es ist also denkbar, dass auch außerhalb der Literatur die Abstammung von Odysseus und Kirke (auch in Latium?) noch verbreitet und lebendig war. Am wahrscheinlichsten ist das dadurch zu erklären, dass die Ursprünge der Latiner hier zweitrangig und losgelöst von Rom selbst sind. In den Versen wird keine Beziehung zwischen den Latinern und Rom hergestellt außer der geographischen Lage „unter diesen Völkern (sc. der Latiner und der Ausonier)“ und Romulus erscheint ohne latinische Vorfahren. 2.2.2 Zenodotos von Troizen In seiner Sammlung der erinnerungswürdigen Dinge schreibt Solinus gegen Ende des 3. Jahrhunderts n. Chr.137 in einer Aufzählung italischer Städtegründungen, dass Praenestes, der Sohn des Latinus und Enkel des Odysseus, eine Stadt mit seinem Namen gegründet habe (Abb. 3): Praeneste, ut Zenodotus, a Praeneste Ulixis nepote Latini filio.138 Kirke



Odysseus

Latinus

Praenestes

Praeneste

Abb. 3 Stammbaum des Praenestes/Prainestos nach Zenodotos (Solin., Ael. Herod. bzw. Steph. Byz.) 137 Zur Datierung zuletzt Brodersen in der Einleitung zur Edition des Solinus (2014, 7). 138 Solin. 2,9 = Zenodotos FGrHist 821 F 1: „Praeneste, wie Zenodotus schreibt, nach Praenestus, dem Enkel des Ulixes (Odysseus) und Sohn des Latinus […]“ (Übers. K. Brodersen). Der Übersetzer wählt hier die griechische Namensform Praenestos, die wohl eher der Originalformulierung des Zenodotos entspricht, s. die nächste Anm.

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Diese Notiz findet sich ebenso bei dem von Solinus abhängigen Martianus Capella sowie bei Herodian und Stephanus von Byzanz.139 In den beiden griechischen Zeugnissen ist zudem Kirke als Mutter des Latinos und somit Großmutter des Prainestos angegeben. Solinus gibt als Gewährsmann Zenodotos von Troizen an, einen vermutlich hellenistischen Autor, von dem nur zwei weitere Fragmente erhalten sind.140 Solinus wird die Zenodotos-Notiz nur aus zweiter oder dritter Hand erhalten haben.141 Möglicherweise hat auch Herodian ein Jahrhundert vor Solinus bereits auf eine Zwischenquelle zurückgegriffen, bei der es sich um eine griechische Kompilation handeln dürfte. Da Herodian Zenodotos (zumindest im Wortlaut bei Stephanus von Byzanz142) nicht als Quelle angibt, kann er selbst nicht die – zudem wohl eher lateinische – Zwischenquelle des Solinus sein. Für die Stadt des berühmten Heiligtums der Fortuna Primigenia sind allerdings mehrere Ursprungserzählungen überliefert. Direkt im Anschluss an die Zenodotos-Notiz merkt Solinus an, dass die Praenestiner Caeculus, den Sohn des Vulcanus, als den Gründer ihrer Stadt betrachteten, und verweist dabei auf libri Praenestini, also eine lokale Quelle. Eine dritte Erzählung schreibt Telegonos, dem Sohn von Odysseus und Kirke, die Gründung Praenestes zu.143 Zenodotos wird in der Forschung zwischen dem frühen 3. und dem mittleren 1. Jahrhundert v. Chr. angesetzt.144 Außer in den möglicherweise auf Zwischenquellen 139 Mart. Cap. 6,642: Praeneste ab Vlixis nepote Praeneste (in demselben Kontext wie bei Solinus); Ael. Herod. prosod. cath. III.1, 223, 21 f. (= Steph. Byz. s. v. Πραίνεστος): Πραίνεστος πόλις Ἰταλίας ἀπὸ Πραινέστου τοῦ Λατίνου τοῦ Ὀδυσσέως καὶ Κίρκης υἱοῦ. 140 FGrHist 821 F 3 (= Dion. Hal. ant. 2,49,1); F 2 (= Plut. Rom. 14,7 f.). Briquel 1984, 459 ff. betrachtet ihn als einen Autor primär römischer Geschichte, der in Exkursen auch andere italische Themen behandelte; Martínez-Pinna 2004b, 34 mit Anm. 80. 141 K. Abel, RE X.A, 1972, s. v. Zenodotos (9), 50 schlägt eine Nutzung von Sueton vor, da der Odysseusenkel Praenestes in Solinus’ vollständig erhaltenen Hauptquellen Pomponius Mela und Plinius d. Ä. nicht vorkommt; s. auch Brodersen 2014, 9 zu den Quellen; vgl. Sehlmeyers These einer auf Verrius Flaccus zurückgehenden Origo plenior Suetons (OGR, 2004, 119–126). 142 Zur Überlieferung des Herodian über Stephan von Byzanz s. F. Montanari, DNP V, 1998, s. v. Herodianos (1), 465; s. zuletzt die Kritik bei Roussou 2018, 80–82, die mir erst kurz vor Drucklegung bekannt wurde, an der auch hier verwendeten Edition von Lentz. In den von ihr edierten Handschriften des Pseudo-Arkadios sind die hier angeführten Texte nicht enthalten. 143 Caeculus: Solin. 2,9: Praeneste, […] ut Praenestini sonant libri, a Caeculo, quem iuxta ignes fortuitos invenerunt, ut fama est, Digidiorum sorores; Mart. Cap. 6,642. Das älteste Zeugnis für Caeculus stammt von Cato (FRHist 5 F 67 [FRH 3 F 2,29] = Veron. Schol. Aen. 7,681), doch wird in der Forschung auch eine Entstehung der Erzählung in archaischer Zeit für möglich gehalten. Dass für Caeculus eine lokale Quelle angegeben wird, bezeugt nicht das hohe Alter oder die Authentizität als einzige lokale Erzählung, sondern dass die Praenestiner ihr zu einem bestimmten Zeitpunkt den Vorzug vor anderen gaben und sie durch die Verschriftlichung offiziell machten, vgl. die Lupa der Ogulnii in Rom. – Telegonos: Ps.-Plut. parall. min. 41B (mor. 316A–B). Zu Caeculus und Telegonos zuletzt Demma 2012 mit Lit.; Demma 2021; zu Telegonos auch u. Kap. 3.2.3. 144 Als Terminus ante quem gilt Varro, der möglicherweise als Zwischenquelle für FGrHist 821 F 3 (= Dion. Hal. ant. 2,49,1) zu identifizieren ist (s. die Argumentation bei Briquel 1984, 464–466),

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zurückgehenden Zitaten bei Plutarch und Dionysios von Halikarnassos finden sich Zenodotos’ alternative Versionen der Gründungsgeschichte Roms145 und der Ursprünge der Sabiner146 bei keinem weiteren Autor. Statt mit dem Ausweis Zenodotos’ in besonderem Maße ausgeprägten Kreativität147 haben wir es hier jedoch vielmehr mit einem Zeugnis der großen Variationsfreude hellenistisch-spätrepublikanischer Aitiologien und Gründungserzählungen zu tun. Dabei kann er sowohl selbst seinen Beitrag zu den Ursprungsnarrativen geleistet haben als auch auf vorliegende, ansonsten verlorene Erzählungen zurückgegriffen haben.148 Die Praenestes-Genealogie wurde in der Folge hingegen in mehrere Kompilationen aufgenommen. Es könnte sich hierbei also tatsächlich um eine ältere Erzählung handeln, die Zenodotos vielleicht aufgrund der hesiodeischen Komponente attraktiv fand und in sein Werk übernahm, oder zumindest um eine verhältnismäßig erfolgreiche Neukreation, ebenfalls möglicherweise dank der Autorität Hesiods oder der allgemeinen Bekanntheit des Stammbaums des Latinos. Auch wenn bei Zenodotos wohl keine systematische, in sich kohärente Vergangenheitsvorstellung vorliegt, scheint ihm doch an der plausibelsten Erzählung gelegen.149 Wenn man anhand der überregionalen Bekanntheit Praenestes einen Zeitpunkt festmachen möchte, an dem sich griechische Autoren den Ursprüngen der Stadt gewidmet haben könnten, bieten sich zwei Momente besonders an: Die überaus reichen Grabbeigaben aus den sogenannten ‚tombe principesche‘ des 2. Viertels des 7. Jahrhunderts belegen für Praeneste eine reichvernetzte lokale Elite in der orientalisierenden Zeit, in der die hesiodeischen Verse über Latinos entstanden sind, vergleichbar den etruskischen und griechischen Grabherren u. a. in Caere, Kyme und Pontecagnano. Es ist also denkbar, dass bereits bei den Banketten die Genealogie des ethnischen Eponyms durch den Gründer der Heimatstadt eines der praenestinischen ‚principi‘

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Terminus post quem ist die Entstehung der in F 2 (Plut. Rom. 14,7 f.) vorausgesetzten Erzählung vom Raub der Sabinerinnen, die nicht vor dem Beginn des 3. Jh.s v. Chr. angesetzt wird, s. u. a. K. Abel, RE X.A, 1972, s. v. Zenodotos (9); Briquel ebd. 466 spricht sich daher für eine Datierung des Autors ins frühe 2. Jh. aus; Zusammenfassung der Diskussion bei Letta 2008, 172 Anm. 10, der selbst einen Zeitpunkt vor Cato bevorzugt; zuletzt M. Horster ad BNJ 821, Biography. FGrHist 821 F 2 = Plut. Rom. 14,8: über die Kinder von Romulus und Hersilia, Prima und Aollios/ Avillius. FGrHist 821 F 3 = Dion. Hal. ant. 2,49,1: die von den Pelasgern aus der Reatinischen Ebene vertriebenen Umbrer hätten am neuen Ort den Namen Sabiner angenommen. Briquel 1984 hält es für möglich, dass Zenodotos hier eine etruskische, antisabinische Tradition aufnimmt, die er einer Quelle aus Caere entnommen hätte. Wie Briquel 1984, 459 ff. bescheinigt ihm auch Martínez-Pinna 2004c, 34 einen Hang zur ‚Innovation‘ der Erzählungen. s. Varro selbst, der unzählige alternative Aitiologien, teils ältere, teils selbst gefundene Erklärungen anführt und somit ein Exempel ‚kumulativer Sinnstiftung‘ darstellt, s. Hagen 2024 im Druck. Es fällt schwer, die Abstammung des Odysseus mit der Sabinererzählung und den Kindern des Romulus in einem kohärenten Ursprungsnarrativ zu verorten, was dafür spricht, dass er die ihm jeweils am meisten zusagenden Erzählungen nahm und ggf. erweiterte.

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weitergeführt wurde. Die zweite Phase großer Blüte beginnt im 3. Jahrhundert, also in der möglichen Wirkungszeit des Zenodotos. Zum einen waren Praenestiner, wie andere Latiner, im griechischen Osten geschäftlich aktiv, zum anderen erlangte das Orakel der Fortuna Primigenia einen bis nach Griechenland und Kleinasien reichenden Ruf, dem unter anderem Prusias II. und Karneades folgten.150 Durch den von Zenodotos überlieferten eponymen Stadtgründer erhielt die alte latinische Stadt Praeneste über eine Genealogie griechischer Prägung narrativ eine ethnische Anbindung an die Latiner. Der hesiodeische Stammbaum des ethnischen Eponyms wurde beibehalten und um eine weitere Generation mit dem Namengeber – und wohl Gründer – der Stadt ergänzt. Wir sahen bereits, dass es sich um eine alte, simple Form der Anknüpfung an einen epischen Heros und/oder eine Gottheit handelt, die seit dem archaischen Epos allgemein vertraut war. Allein aufgrund des Stammbaums kann also keine Datierung vorgenommen werden. Wenn, wie hier angenommen wird, der hesiodeische Stammbaum auch in Latium bekannt war, war es bereits seit dem 7. Jahrhundert ein Leichtes, den Stammbaum zum Zwecke der Eingliederung der Stadt in das sich herausbildende Ethnos zu ergänzen. Doch ein späterer Zeitpunkt ist grundsätzlich genauso möglich, ebenso wie letztlich eine Erfindung in einer Schreibstube im fernen Troizen. Anders als die anderen beiden Gründungsgeschichten Praenestes dient diese hier direkt der Behauptung der Zugehörigkeit zu den Latinern. An der Latinität Praenestes bestand in der Antike nie ein Zweifel, trotz dialektaler Eigenheiten. Es kann also eine einfache Identitätsbeschreibung durch Praenestiner selbst sein oder eine ethnound geographische Einordnung der Stadt und ihrer Bewohner in das mythische Koordinatensystem durch griechische Autoren. Die offenbar verbreitete Zuordnung der Praenestiner zu den Nachfahren von Odysseus und Kirke kann schließlich auch bei der Kreation der Telegonos-Ktisis Pate gestanden haben, durch die die Stadt in einem weiteren Epenkontext verortet wurde, in der die latinische Identität der Stadt aber nur indirekt thematisiert wird.151

150 Die monumentale Ausgestaltung des Stadtzentrums und des berühmten Terrassenheiligtums der Fortuna erfolgte in zwei Phasen im frühen und späten 2. Jh., s. zuletzt Demma 2010/2011 mit Lit.; Prusias II. von Bithynien (167 v. Chr.): Liv. 45,44,8 f.; Karneades (155 v. Chr.): Cic. div. 2,87. 151 s. dazu u. Kap. 3.2.3. In der Caeculus-Erzählung, die analog zur in manchen Versionen ähnliche Züge aufweisenden Romulusgeschichte als die authentische lokale Ursprungserzählung bewertet wird, geht es schließlich nicht mehr um eine ethnische Verortung der Stadt. Stattdessen bezweckt sie die Rückführung auf göttliche Ursprünge und durch die Herleitung von einem Vulkanussohn die Betonung der eigenen Kunstfertigkeit.

Latinus, Sohn von Odysseus und Kirke, in der späteren Überlieferung

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2.2.3 *** bei Serv. auct. Aen. 1,273 Der mittelalterliche Kompilator von Servius’ Aeneiskommentar152 führt eine Version an, in der Latinus, der Sohn von Kirke und Odysseus, eine Schwester namens Rhome hatte, deren Namen er nach ihrem Tod seiner Stadtgründung verlieh (Abb. 4). Sed de origine et conditore urbis diversa a diversis traduntur. […] *** dicit Latinum ex Ulixe et Circe editum de nomine sororis suae mortuae Romen civitatem appellasse.153 Kirke

Rhome



Odysseus

Latinus

Rom

Abb. 4 Stammbaum des Latinus nach *** (Serv. auct. Aen. 1,273)

Diese Erzählung erscheint in der Aufzählung alternativer Gründungsgeschichten, mit der der mittelalterliche Kompilator die Wiedergabe der kanonischen Ktisis ergänzt. Der Autorenname ist in der Überlieferung verloren.154 Rhome erscheint seit ihrem ersten datierbaren Auftritt bei Hellanikos im 5. Jahrhundert v. Chr. üblicherweise als Trojanerin, doch hier ist sie wie ihr Bruder eine Odysseustochter. Die am besten vergleichbare Variante ist die dieser Stelle vorangehende des Kleinias, in der Latinus als

152 Zum sogenannten Servius Danielis (zu Ehren des ersten Herausgebers Pierre Daniel, Paris 1600) oder Servius auctus s. Jeunet-Mancy, ad Serv. Aen. VI, xxi–xxvi; Guillaumin ad Serv. Aen. IV, x– xiii. Es handelt sich um eine anonyme Erweiterung des Aeneiskommentars des Maurus Servius Honoratus. Über die ältesten Manuskripte, die aus dem 9. Jh. stammen, wird sie vorsichtig ins 7./8. Jh. datiert. Die Kompilation weist den Autor als einen „passionné d’auteurs archaiques“ aus, bei ihm finden sich unzählige Varianten und Zitate u. a. von Cato und Varro. 153 Serv. auct. Aen. 1,273 (ed. D. Miano, BNJ2 819 F 1): „*** sagt, dass Latinus, der aus Odysseus und Kirke hervorgegangen ist, die Stadt nach dem Namen seiner verstorbenen Schwester Rome benannt hat“ (Übers. EH). 154 Ein Ergänzungsvorschlag war Cato in Originibus (P. Maswich, 1717), s. dazu Ramires 1999 und bereits F. Jacoby (FGrHist 819 F 1). Dieser Vorschlag ist abzulehnen, da Cato als früher Vertreter der Vulgata sicherlich nicht mehr von Kirke, Odysseus und Rhome sprach. Die Harward-Edition (1946) hält ein et, d. h. die Fortsetzung der vorangehenden Erzählung des Kleinias für möglich (s. u. Kap. 3.1.5). Dies ist aufgrund der abweichenden Genealogie der Rhome jedoch ausgeschlossen, es muss sich um zwei voneinander getrennte Erzählungen handeln. Ramires 1999 denkt an eine hesiodeische Tradition und schlägt vorsichtig ein Hesiodus vor. Da die Erzählung Hesiods hier weiterentwickelt ist, würde ich von dieser Zuschreibung absehen.

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Latinus, Sohn von Odysseus und Kirke

Sohn des Telemach präsentiert wird, weshalb sie gemeinsam im nächsten Kapitel besprochen werden.155 2.2.4 Johannes Lydos In der ersten Hälfte des 6. Jahrhunderts n. Chr. verfasste Johannes Lydos eine Abhandlung über den römischen Kalender. Dieses Werk wird, im Gegensatz zu der originelleren Abhandlung De magistratibus, als „travail de compilation pure“ charakterisiert, die Quellen sind weitgehend nicht bestimmbar.156 Latinos erscheint bei Lydos an mehreren Stellen als Schwiegervater des Aeneas, was seiner Rolle in der Vulgata entspricht.157 Doch für seine Leser erklärt der Autor die Identität des Latinus an zwei Stellen anhand der hesiodeischen Genealogie. Im Zusammenhang der Erzählung über die Ankunft des Aeneas in Latium gibt er an, dass man die Einheimischen (ἐπιχωριάζοντες) nach Latinos Latinoi, die Menschen hellenischer Sprache und Kultur (ἑλληνίζοντες) nach Graikos Graikoi genannt habe. Die beiden eponymen Helden bezeichnet Lydos dabei als Brüder (Abb. 5). […] τοσούτων οὖν ἐπιξενωθέντων τῆς Ἰταλίας, ὥσπερ ἐδείχθη, Λατίνους μὲν τοὺς ἐπιχωριάζοντας, Γραικοὺς δὲ τοὺς ἑλληνίζοντας ἐκάλουν, ἀπὸ Λατίνου τοῦ ἄρτι ἡμῖν ῥηθέντος καὶ Γραικοῦ τῶν ἀδελφῶν, ὥς φησιν Ἡσίοδος ἐν Καταλόγοις, Ἄγριον ἠδὲ Λατῖνον, κούρη δ’ ἐν μεγάροισιν ἀγαυοῦ Δευκαλίωνος Πανδώρη Διὶ πατρί θεῶν σημάντορι πάντων μιχθεῖσ’ ἐν φιλότητι τέκε Γραικὸν μενεχάρμην.158

155 s. u. Kap. 3.1.5. 156 Dubuisson/Schamp in der Einleitung zur Edition von De magistratibus, lxxxv. 157 Lyd. mens. 1,13 W: Πλεύσας ἐκεῖθεν Α ἰν είας μετὰ πολλὰς ὅσας πλάνας κατάγεται ἐν πόλει τῆς Ἰταλίας λεγομένῃ Λαυρεντίᾳ, ἣν καὶ Ὀππικήν φασιν ὀνομασθῆναί ποτε, ἐξ ἧς καὶ ὀππικίζειν, καὶ ὡς τὸ πλῆθος, ὀφφικίζειν τὸ βαρβαρίζειν Ἰταλοὶ λέγουσιν. εἶτα ἐ πιγαμ βρε ύ σας Λ ατίνῳ βασι λ ε ύ ο ν τι τ ῆς χώρας αὐτός τε βασιλεύσας τρισὶν ἐνιαυτοῖς οἴχεται […], s. u. S. 69 Anm. 165; 4,4 W: πενθερὸν δὲ Αἰνείου, s. u. S. 68 Anm. 162. An vielen Stellen, insbesondere in De magistratibus, führt Lydos die Aeneis als Autorität heran und bezeugt so die Kenntnis der Rolle des Latinus in der Vulgata, so z. B. in Lyd. mag. 1,7 zu den Herrschaftsinsignien der römischen Könige, für die er die Darstellung des Latinus in der Aeneis anführt. 158 Lyd. mens. 1,13 W (Hes. fr. 5 M./W. = fr. 2 Most): „Since so many had taken up abode in Italia, just as I have shown, they used to call the natives Latini but those who spoke Greek Graeci from Latinus, whom I have just mentioned [s. Anm. 157], and from Graecus, who were brothers, as Hesiodus in his Catalogues says, ‚Agrius and Latinus.‘ ‚In the palace the daughter of noble Deukalion Pandora, having united in sexual love with father Zeus, leader of all gods, bore Graecus, staunch in battle‘“ (Übers. A. C. Bandy).

Latinus, Sohn von Odysseus und Kirke, in der späteren Überlieferung

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Deukalion ? [Kirke]



[Odysseus]

Agrios

Latinos

Aeneas



Tochter

Pandora

„ἀδελφοί“

Latinoi



Zeus

Graikos

Graikoi

Abb. 5 Stammbaum des Latinos nach Lyd. mens. 1,13 [ergänzt nach Hes. theog. 1011 ff.]

Als Erläuterung führt Lydos den halben Vers 1013 der Theogonie mit Latinos und Agrios an sowie ein Zitat aus dem Frauenkatalog über Graikos, den Sohn der Pandora und des Zeus. Als Quellenangabe nennt Lydos nur allgemein ἐν Καταλόγοις, ohne zwischen den unterschiedlichen hesiodeischen Werken zu differenzieren. Die Parallelisierung von Graikos und Latinos und ihre Bezeichnung als Brüder wird in der Forschung kontrovers diskutiert,159 da sich eine solche Verwandtschaft in keiner sonstigen Darstellung der beiden Figuren wiederfindet und die von Hesiod angegebene Abstammung selbst dies ja unmöglich macht: Latinos’ Eltern Kirke und Odysseus sind zwar nicht explizit genannt, doch dürften sie aufgrund der Nennung Hesiods mitgedacht sein. Graikos wird dagegen ohne Parallele als Sohn der Deukalion-Tochter Pandora und des Zeus präsentiert. Gegen die Annahme, dass es sich hierbei um ein Zeugnis für eine auf Hesiod zurückgehende Genealogie handele, in der Latinos und Graikos wirklich als Brüder erschienen,160 ist der Stammbaum des Lydos als Bricolage einzuschätzen, bei der Lydos selbst aus vorhandenen Traditionen eine neue Version

159 Diskussion bei Ercolani 2012, 385. Zur hesiodeischen Variante der Genealogie des Graikos ausführlich Calce 2011, 55 ff. 160 Es gab den Vorschlag, Agrios bei Hes. Theog. 1013 in Graikos zu verbessern, um so eine Kohärenz innerhalb des Werkes von Hesiod zu schaffen. Latinus und Graikos wären so von Anfang an die Stammväter der indigenen Italiker und der Griechen in Italien, so u. a. Arrighetti 1998, comm. ad loc. mit Lit. Dagegen spricht die einheitliche direkte und indirekte Hesiodüberlieferung, in der Latinos stets zusammen mit Agrios genannt wird. Hirschberger 2004, 172, comm. ad loc. schlägt vor, dass es sich um eine Adnotation handelte, die in der falschen Reihenfolge in den Text übernommen worden sei.

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Latinus, Sohn von Odysseus und Kirke

zusammenbastelt und dadurch eine Geschwisterbeziehung zwischen dem lateinischen und dem griechischen Reich in die Ursprünge zurückprojiziert.161 An einer anderen Stelle berichtet Lydos, dass Latinos bereits vor der Ankunft des Aeneas eine Siedlung namens Daphne auf dem Palatin gegründet habe. Er wird dabei als Bruder des Telegonos und Sohn der Kirke sowie als Schwiegervater des Aeneas bezeichnet (Abb. 6). φασὶ Λατῖνον ἐκεῖνον τοῦ Τηλεγόνου μὲν ἀδελφόν, Κίρκης δὲ παῖδα, πενθερὸν δὲ Αἰνείου, κτίζοντα τὴν τῆς Ῥώμης ἀκρόπολιν πρὸ τῆς παρουσίας Αἰνείου εὑρεῖν ἐπὶ τοῦ τόπου δάφνην κατὰ τύχην καὶ οὕτως πάλιν ἐᾶσαι αὐτὴν ἐκεῖσε διαμένειν· καὶ διὰ τοῦτο καὶ ἐνταῦθα Δάφνην προσαγορεύουσι τὸ Παλάτιον.162 Kirke



[Odysseus]

Telegonos

Latinos

Aeneas



Daphne

Tochter

Abb. 6 Stammbaum des Latinos nach Lyd. mens. 4,4

Lydos folgt auch hier der hesiodeischen Genealogie und bietet die erste erhaltene Stelle seit Hesiod, die Latinos und Telegonos als Brüder bezeichnet. Gleichzeitig wird der Stammbaum über Latinos’ Schwiegersohn erneut explizit mit der Vulgata verbunden.163

161 s. u. a. von Wilamowitz-Moellendorff 1899, 610; Dräger 1997; Debiasi 2008, 53 f.; Ercolani 2012, 385. – Merkelbach/West ergänzten daher zur Verdeutlichung ein καὶ πάλιν zwischen dem Vers aus der Theogonie und den gemäß der Angabe des Lydos dem Frauenkatalog zuzuschreibenden Versen. – Hirschberger 2004, 172 deutet die Stelle im Kontext der Bestrebungen Justinians, auch den Westteil des Reiches unter seiner Herrschaft zu behalten, weshalb hier eine enge Verbindung zwischen Latinos und Graikos dokumentiert werden solle. Dies spricht jedoch gegen ihren eigenen Erklärungsversuch, dass die brüderliche Verbindung des griechischen und des latinischen Eponyms auf einem Abschreibefehler beruhe. 162 Lyd. mens. 4,4 W: „They say that the famed Latinus, brother of Telegonus and son of Circe and father-in-law of Aeneas, when building the acropolis of Rome before the arrival of Aeneas, found by chance laurel on the site and thus, in turn, permitted it to remain there and for this reason here, too, the Palatium is called Daphne“ (Übers. A. C. Bandy). 163 s. Anm. 157 und S. 167; S. 207 zu der nach dem Lorbeer benannten Gründung auf dem Palatin. Latinus erscheint üblicherweise nicht als Gründer Roms bzw. einer Vorgängersiedlung. Ein singuläres Zeugnis ist das des Galitas, s. u. Kap. 3.1.1.

Latinus, Sohn von Odysseus und Kirke, in der späteren Überlieferung

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Helios

Kirke

Auson

Agrios



Odysseus

Telegonos

Latinos

(Tochter)



Aeneas

Abb. 7 Synthese aus Lyd. mens. 1,12; 1,13 und 4,4

Obwohl oder gerade weil er sich, wie sein Werk zeigt, sehr für die römischen Altertümer interessiert, hat Lydos hier offenbar unterschiedliche Erzählsträngen nebeneinander aufgenommen. Es ist nicht anzunehmen, dass er dabei einen synthetischen Stammbaum wie in Abb. 7 vor Augen hatte. Er demonstriert mit dem Hesiodverweis wie auch an anderer Stelle seine Belesenheit, ohne dabei aber eine innere Kohärenz zu verfolgen und das sagenchronologische Problem zu bemerken, wenn er den Sohn des Odysseus zum Schwiegervater des Trojakämpfers Aeneas macht. Dazu passt, dass an einer weiteren Stelle für Kirke und Odysseus Auson als Sohn angegeben wird, ohne Hinweis auf weitere Söhne.164 Ein solches Vorgehen, ein unsystematischer, inkohärenter Rückgriff auf unterschiedlichen Traditionen und Quellen, die jeweils unterschiedliche Genealogien beinhalten, ist wahrscheinlicher, als hier eine weitere Version in der Entwicklung der latinischen Genealogie in der Reihe von Hesiod, Eugammon und Kallias zu sehen.165

164 Lyd. mens. 1,12. 165 Die einzelnen Elemente sind der hesiodeische Stammbaum (einmal mit Agrios, einmal mit Telegonos; sowie fehlerhaft mit Graikos), Aeneas, die Gleichsetzung Laurentums mit der kampanischen Opike (hier als Stadt, nicht als Region bzw. umgekehrt Laurentum als Gebiet, nicht als Ort zu verstehen?) sowie des Palatins mit einem ebenfalls nach dem Lorbeer benannten Ort, vielleicht also wiederum mit Laurentum (mens. 1,13: Πλεύσας ἐκεῖθεν Αἰνείας μετὰ πολλὰς ὅσας πλάνας κατάγεται ἐν πόλει τῆς Ἰταλίας λεγομένῃ Λαυρεντίᾳ, ἣν καὶ Ὀππικήν φασιν ὀνομασθῆναί ποτε. „After Aeneas had sailed from there, after prodigiously many wanderings he landed at a city in Italia called Laurentia, which formerly was called they say Opica“ [Übers. A. C. Bandy]). Die Nennung Laurentums in 1,13 beweist ja, dass er das ‚richtige‘ Laurentum der Vulgata kannte, aber dies schließt nicht aus, dass er in 4,4 Laurentum bei Lavinium (bei ihm in der Opike) mit dem Palatin verwechselt; Castagnoli, s. v. Troia in Lazio, EV V, 1990, 290: auch der Tiber konnte als Laurens (Verg. Aen. 5,797) bezeichnet werden, mit den Laurentia castra in Verg. Aen. 10,635 und dem Castrum Laurens in Varro (Serv. auct. Aen. 9,8). Zur Opike s. auch Kap. 3.4.2.

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Latinus, Sohn von Odysseus und Kirke

Schließlich zieht der Autor des christlichen frühen 6. Jahrhunderts nicht nur Versionen der klassischen Autoren wie Hesiod und Vergil heran. So nimmt er auch rationalisierende Versionen wie die bereits bei Servius dokumentierte über die Abstammung Kirkes von Helios auf. Aufgrund ihrer Schönheit habe sie sich gerühmt, vom Sonnengott abzustammen, der von Lydos als ihr ‚nur vorgeblich leiblicher Vater‘ bezeichnet wird. Die direkt anschließende Notiz, Kirke habe zu Ehren eben dieses angeblichen Vaters das erste Wagenrennen in Italien eingerichtet und nach sich selbst Circus benannt, findet sich ausschließlich an dieser Stelle.166 2.3 Weitere Nachkommen von Odysseus und Kirke Außer den hesiodeischen Söhnen Latinos, Agrios und Telegonos wurden Odysseus und Kirke in der Antike noch weitere Nachkommen zugeschrieben.167 Von diesen sind die im Folgenden diskutierten Ardias, Anteias, Rhomos und Rhomanos für die latinische Genealogie wichtig. Außerhalb Latiums hatten wir bereits Auson gesehen, Sohn des Odysseus, mal mit Kalypso, mal mit Kirke. Zuletzt sei der namenlose Stammvater der Marser, Sohn der Kirke, genannt. Mit dieser Abstammung wurden die besonderen Fertigkeiten der Marser mit Kräutern und insbesondere das Wissen um ein Gegengift gegen Schlangenbisse erklärt.168

166 Lyd. mens. 1,12: αὕτη γοῦν Κίρκη διὰ κάλλους ὑπερβολὴν τοῦ Ἡλίου θυγάτηρ εἶναι ἐκόμπαζε καὶ εἰς τιμὴν τοῦ οἰκείου δῆθεν πατρὸς ἱππικὸν ἀγῶνα πρώτη ἐν Ἰταλίᾳ ἐτέλεσεν, ὃς δὴ καὶ ἐξ αὐτῆς ὠνομάσθη κίρκος; vgl. Serv. Aen. 7,19: Circe autem ideo Solis fingitur filia, quia clarissima meretrix fuit, et nihil est sole clarius. – Im 6. Jh. n. Chr. gibt es auch weitere unkanonische Darstellungen der Kirke, so hält Malal. 5,19 (117) sie für eine Priesterin des Helios (sie erscheint dort als Tochter des Atlas, „des Königs der Inseln“, und Schwester der Kalypso). 167 Nur im Epos erwähnt wird die Tochter Kassiphone, die Telemach, den legitimen Odysseussohn und Gatten ihrer Mutter, tötet, Lykophr. Alex. 807–811, s. u. Kap. 3.2.2. 168 Plin. nat. 7,15; 25,11; Gell. 16,11,1. Die Spezialität eines marsischen Gegenmittels gegen Schlangenbisse wird mal auf Kirke, mal auf Medea zurückgeführt, die mit der lokalen Göttin Angitia verehrt wurde: Sil. It. 8,495–501; Serv. Aen. 7,750; Solin. 2,29 f. In einer alternativen Genealogie sind An­ gitia, Medea und Circe Töchter des Aietes, Solin. 2,28 (wohl von Cn. Gellius, s. FRHist 14 F 18); zu Angitia zuletzt Di Fazio 2017. Die Marser waren für die Schlangenbeschwörung bekannt, offenbar eine alte adelige Praktik, die später als ethnisches Symbol auf Grabsteinen dargestellt wurde, s. Dupraz 2014.

Weitere Nachkommen von Odysseus und Kirke

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2.3.1 Xenagoras: Rhomos, Antias und Ardias Die Küstenstädte Antium und Ardea sowie Rom selbst werden in einer Erzählung von den Brüdern Rhomos, Antias und Ardias gegründet: Ξεναγόρας δὲ ὁ συγγραφεὺς Ὀδυσσέως καὶ Κίρκης υἱοὺς γενέσθαι τρεῖς, Ῥῶμον, Ἀντίαν, Ἀρδίαν· οἰκίσαντας δὲ τρεῖς πόλεις ἀφ’ ἑαυτῶν θέσθαι τοῖς κτίσμασι τὰς ὀνομασίας.169 Odysseus



Kirke

Rhomos

Antias

Ardias

Rom

Antium

Ardea

Abb. 8 Nachkommen von Odysseus und Kirke nach Xenagoras

Dionysios von Halikarnassos schreibt diese Version, die sich ebenfalls bei Herodian und Stephan von Byzanz170 sowie bei Synkellos171 findet, dem Xenagoras zu. Von diesem Autor sind insbesondere Fragmente über Votive und Epiphanien überliefert, aber

169 Xenagoras FGrHist 240 F 29 = Dion. Hal. ant. 1,72,5 (ed. V. Fromentin): „Der Historiker Xenagoras wiederum behauptet, Odysseus und Kirke hätten drei Söhne gehabt, Rhomos, Anteias und Ardeias; sie hätten drei Städte gegründet und den Gründungen ihren eigenen Namen gegeben“ (Übers. A. Städele). Die Namensform variiert in der handschriftlichen und indirekten Überlieferung, s. krit. App. bei Fromentin 1998. Das häufigere Antias orientiert sich an dem Namen der Bewohner Stadt. Vgl. auch die fehlerhafte Übersetzung und den Eintrag im Index bei Wiater 2014, der zwei der Brüder für Töchter hält: „Romos, Anteia und Ardeia“. Durch die Angabe von υἱοὺς und die Formulierung ἀπὸ ἑνὸς τῶν παίδων bei Herodian (s. nächste Anm.) ist das männliche Geschlecht gesichert. 170 Ael. Herod. prosod. cath. III.1, 276, 31–34: Ἄντεια πόλις Ἰταλίας ὑπήκοος Ῥωμαίων. ἐκλήθη δὲ ἀπὸ Κίρκης παιδός. „Ὀδυσσέως γὰρ καὶ Κίρκης υἱοὺς γενέσθαι τρεῖς, Ῥῶμον, Ἀντείαν, Ἀρδείαν“. μετωνομάσθη δὲ καὶ Ἄντιον; 284, 14 f.: Ἀρδέα κατοικία τῆς Ἰταλίας. Στράβων πέμπτῃ. ἐκλήθη δὲ ἀπὸ ἑνὸς τῶν παίδων Ὀδυσσέως καὶ Κίρκης (die Angabe des Gründers stammt hier nicht von Strabon, der für die Lokalisierung in Italien herangezogen wird, sondern wie im Lemma Ἄντεια πόλις von Dionysios von Halikarnassos oder einer gemeinsamen Quelle. Im Lemma ‚Ardea‘ wird die Angabe zwar verkürzt wiedergegeben, doch durch den Wortlaut ἀπὸ ἑνὸς τῶν παίδων zeigt sich m. E., dass sich Herodian bewusst auf die Variante des Xenagoras bezieht); peri orthographias III.2, 478, 13; Steph. Byz. s. v. Ἄντεια: πόλις Ἰταλίας ὑπήκοος Ῥωμαίων. 171 Synk. chron. 227, 26–28: Πάλιν Ξεναγόρας ὁ ξυγγραφεὺς Ῥῶμον, Ἀντίαν καὶ Ἀρδίαν τρεῖς υἱοὺς Ὀδυσσέως καὶ Κίρκης λέγει εἶναι, οἳ καὶ τρεῖς κτίσαντες ἐπωνύμους πόλεις ᾤκισαν. „On the other hand, the historian Xenagoras says that Remus, Antias and Ardias were three sons of Odysseus and Kirke, who also founded and settled three cities named after them“ (Übers. Adler/Tuffin).

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Latinus, Sohn von Odysseus und Kirke

auch einige Zeugnisse über Städtegründungen und -namen.172 Die Erzählung über die Söhne von Kirke und Odysseus ist die einzige über Städte in Italien. Üblicherweise vorsichtig im 3. Jahrhundert v. Chr. verortet,173 wurde zuletzt eine Datierung zwischen dem Ende des 4. und dem Anfang des 3. Jahrhunderts vorgeschlagen.174 Dionysios zitiert ihn als einen der frühen Autoren neben Hellanikos, Damastes von Sigeon, Aristoteles, Kallias und Dionysios von Chalkis, was die frühere Datierung stützen dürfte.175 Die Entstehung und der Charakter der Genealogie wird in der Forschung ebenfalls unterschiedlich eingeordnet, wobei man davon ausgeht, dass Xenagoras auf eine ältere Tradition zurückgegriffen haben kann. Die Vorschläge bewegen sich zwischen einer lokal relevanten Erzählung des 6. oder 5. Jahrhunderts176 und einer späten antiquarischen Kreation.177 Wenn Cioffis Datierungsvorschlag zutrifft, haben wir einen Terminus ante quem im frühen 3. Jahrhundert, was eine allzu späte Erfindung ausschließt. Zudem können auch aitiologische Kreationen intentionale Bedeutung gehabt haben. Als griechische Fremdbeschreibung kann diese Genealogie bereits aus einem frühen ethnographischen Kontext stammen, vergleichbar der Erwähnung der Städte der Oinotrier und der Ausonier bei Hekataios.178 Eine Aufnahme von Antium und Ardea unter Rückgriff auf und Abwandlung der hesiodeischen Genealogie ist somit an einem beliebigen Moment zwischen der Archaik und dem Werk des Xenagoras möglich. Die Bekanntheit der Städte über Latium hinaus und die Eingliederung in die mediterranen Netzwerke ist durch ihre Erwähnung in den Römisch-Karthagischen Verträgen des späten 6. und mittleren 4. Jahrhunderts und archäologisch durch die Präsenz von griechischer und punischer Keramik bis in die mittlere Republik gesichert.179 Da es sich bei der Auswahl um Hafenstädte handelt, könnten sie in einer Periplus-Perspektive stellvertretend für ganz Latium stehen, dessen Bewohner wie bei Hesiod und später bei Pseudo-Skymnos als Nachfahren von Odysseus und Kirke betrachtet werden.

172 C. Higbie, BNJ 240, Biographical Essay; Cioffi 2014. 173 F. Jacoby ad FGrHist 240 F 29: „Kallimacheische Zeit?“. Insbesondere Cornell 1975, 20 („Attempts to date the versions on internal criteria are rarely convincing and often methodologically unsound“) und C. Higbie, BNJ 240, Biography („not enough evidence to decide“) mahnen zur Vorsicht bei der Datierung, doch entscheidet sich Higbie letztlich in BNJ für das 3. Jh. v. Chr. 174 Cioffi 2014. Zusätzlich zu dem späten Terminus ante quem der Lindischen Chronik aus dem Jahr 99 v. Chr., in der Xenokrates zitiert wird, führt sie einen 310 geborenen Sohn des Autors, Nymphis aus Herakleia am Pontos, an (Suda s. v. Nymphis). 175 Dion. Hal. ant. 1,72,2–6. 176 Rosenberg 1914, 1078; Phillips 1953, 66: „when Rome was not yet preeminent in Latium“, kaum später als Anfang 4. Jh.; Solmsen 1986, 98: 5. Jh.; Wiseman 1995, 49: nicht später als 6. Jh. 177 Martínez-Pinna 1997a, 90; Cornell 1975, 20 f. 178 Hekataios, FGrHist 1 F 61. 64–71. 179 Erster Römisch-Karthagischer Vertrag aus dem ersten Jahr der römischen Republik: Pol. 3,22,11; zweiter Vertrag 348: Pol. 3,24,16; s. Cornell 1995, 211. 325; allgemein Scardigli 1991. – Cornell 1995, 112 zu den weit über Latium ausstrahlenden Emporia; zu den wirtschaftlichen Bedingungen und Beziehungen der latinischen Küstenstädte in der Mittleren Republik s. Jaia 2019.

Weitere Nachkommen von Odysseus und Kirke

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Schauen wir nun die mögliche lokale und intentionale Verwendung an.180 Wie für die Erzählung der Gründung Tusculums durch Telegonos wurde vorgeschlagen, den Stammbaum griechischer Machart im Kontext der Schlacht bei Aricia im Jahre 504 zu sehen, als Aristodemos aus Kyme den Latinern zu Hilfe kam.181 Diesem prinzipiell bedenkenswerten Vorschlag liegt die nicht überzeugende Spätdatierung der Latinosverse sowie die Vorstellung zugrunde, dass die Genealogie primär in der Interaktion mit einem griechischen Umfeld von Bedeutung war. Zudem wird bei einer Verbindung mit Aristodemos übersehen, dass die Abstammung des Tusculaners Mamilius von Odysseus und Kirke bereits für die Zeit vor der Vertreibung des Königs, also vor der Schlacht bei Aricia gegen Arruns angegeben wird. Interessant ist jedoch, dass wir hier eine intentionale Verwendung der Genealogie greifen könnten, wenn Aristodemos dadurch zur Unterstützung der Latiner bewegt werden sollte. Während neben Tusculum auch Antium explizit zu den Unterstützern Aricias gezählt wird,182 hier also eine entsprechende Verbindung vorliegt, war Rom selbst, das ebenfalls in den Stammbaum integriert ist, auf der Gegenseite mit Arruns, dem Sohn des Porsenna, für dessen Stadt allerdings ebenfalls eine odysseische Gründungserzählung existiert.183 Es ist es also eher unwahrscheinlich, dass die Xenagoras zugeschriebene Genealogie im Zusammenhang mit der Aristodemos-Episode entstanden ist. Wie bei Praeneste ist es vielmehr denkbar, dass auch hier eine noch ältere Genealogie hesiodeischer Prägung vorliegt, über die in den archaischen Netzwerken eine gewisse Verbundenheit der drei Städte beschworen werden konnte, ohne dass wiederholter griechischer Einfluss nötig war. In dieser frühen Zeit stand vermutlich wie bei den Hesiodversen selbst das Prestige, das die Zugehörigkeit zu den Nachfahren der epischen Figuren verlieh, im Zentrum. Eine archaische Datierung der Genealogie wurde in der Forschung damit begründet, dass es sich bei den Gründern um Brüder handelt und die Städte sich somit auf Augenhöhe befunden haben müssen. Da Rom sich spätestens seit den Hegemoniebestrebungen des Tarquinius Superbus über die Städte Latiums erhoben hatte, sei dieser Stammbaum früher anzusetzen.184 Doch abge-

180 Ausführlich zur Geschichte Ardeas Bourdin 2005; zuletzt Überblick bei L. Ceccarelli in: Ceccarelli/Marroni 2011, 19–23. Zu Antium s. z. B. Di Fazio 2020, 47–49. – Wie bei den meisten anderen Städten Latiums gibt es für Ardea eine alternative Ktisis. Hiernach wurde die Stadt von Danae, der Mutter des Perseus und hier Vorfahrin des Turnus, gegründet (Verg. Aen. 7,409 f.; Plin. 3,56; Solin. 2,5; Serv. Aen. 7,372). Diese argivische Tradition, mit Parallelen in Tibur, Lanuvium und Cora ist nicht datierbar, wird jedoch von Vergil stark ausgeschmückt. Für Antium ist keine weitere Gründungserzählung bekannt. 181 L. Ceccarelli in: Ceccarelli/Marroni 2011, 19 mit Lit. in Anm. 4. Zu Tusculum s. u. Kap. 3.2.3. 182 s. Dion. Hal. ant. 5,36,2. 183 Zu Porsenna s. auch u. Kap. 3.2.2 und 3.2.3. 184 s. Wiseman 1995, 49, der hier eine ‚neutrale‘ Verwendung der Genealogien beobachtet und diese daher in die archaische Zeit einordnet. – Die Vertreibung der Tarquinier geschah, gemäß der annalistischen Tradition, während einer Belagerung Ardeas, das wegen seines Reichtums die Begehrlichkeiten des letzten Königs geweckt hatte (Liv. 1,57,1–3).

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sehen davon, dass ein Geschwisterverhältnis nicht unbedingt Gleichrangigkeit bedeutet, ist eine metaphorische Umsetzung tatsächlicher historischer Verhältnisse nicht die einzige Erklärung einer mythischen Genealogie. Als intentionale Kreation dürfte hier die Zugehörigkeit zu derselben Gruppe oder gar ein Appell an die Solidarität und Loyalität unter Verwandten im Vordergrund stehen. Das Argument der Verwandtschaft begegnet uns im ausgehenden 4. und beginnenden 3. Jahrhundert, also ungefähr in der Zeit des Xenagoras, im Zusammenhang mit Rom und Antium. Nach früheren Beschwerden Alexanders verschonte Demetrios Poliorketes in Griechenland aufgegriffene Piraten aus Antium aus Rücksicht auf die – in der griechischen Welt offenbar bekannte – Verwandtschaft mit den Griechen.185 Die Grundlage der συγγένεια wird bei Strabon ebenso wenig wie seine Quelle genannt, aber es könnte durchaus an die Abstammung von dem Heros Odysseus gedacht sein, zumal hier die Piraten aus Antium noch mit den tyrrhenischen Kollegen verbunden sind wie bei Hesiod Latinos mit den Tyrsenoi. Allerdings erscheinen als Verwandte der Griechen primär die Römer, während die Antiaten als jenen untertan bezeichnet werden. Diese Qualifizierung entspricht der Formulierung in den genannten Verträgen mit Karthago.186 Dem ersten Impuls, die Piratenepisode aufgrund der Bezeichnung der Antiaten als Ῥωμαίοις ὑπακούοντες in die Zeit nach der Deduktion der Bürgerkolonie nach dem Sieg über das volskische Antium im Latinerkrieg, ist daher zu widerstehen, da der zweite Vertrag mit Karthago bereits zehn Jahre vorher geschlossen wurde. Der Vertrag wurde so gedeutet, dass er den Herrschaftsanspruch Roms über die Region, und zwar inklusive der nicht zum Latinerbund gehörenden Städte, zum Ausdruck brachte. Es ist demnach denkbar, dass zu jenem Zeitpunkt mehrere Argumentationsstrategien ausprobiert wurden, nach innen und nach außen, um die jeweils eigenen Vorstellungen und Positionen zu untermauern.

185 Strab. 5,3,5: πρότερον δὲ ναῦς ἐκέκτηντο καὶ ἐκοινώνουν τῶν λῃστηρίων τοῖς Τυρρηνοῖς, καίπερ ἤδη Ῥωμαίοις ὑπακούοντες. διόπερ καὶ Ἀλέξανδρος πρότερον ἐγκαλῶν ἐπέστειλε, καὶ Δημήτριος ὕστερον τοὺς ἁλόντας τῶν λῃστῶν ἀναπέμπων τοῖς Ῥωμαίοις χαρίζεσθαι μὲν αὐτοῖς ἔφη τὰ σώματα διὰ τὴν πρὸς τοὺς Ἕλληνας συγγένειαν, οὐκ ἀξιοῦν δὲ τοὺς αὐτοὺς ἄνδρας στρατηγεῖν τε ἅμα τῆς Ἰταλίας καὶ λῃστήρια ἐκπέμπειν, καὶ ἐν μὲν τῇ ἀγορᾷ Διοσκούρων ἱερὸν ἱδρυσαμένους τιμᾶν οὓς πάντες Σωτῆρας ὀνομάζουσιν, εἰς δὲ τὴν Ἑλλάδα πέμπειν τὴν ἐκείνων πατρίδα τοὺς λεηλατήσοντας. „Früher aber besaßen sie [sc. die Antiaten] Schiffe und trieben zusammen mit den Tyrrhenern Seeräuberei, obwohl sie bereits den Römern unterstanden. Daher hat schon früher Alexander sich in einem Brief beschwert, und hat Demetrios später, als er den Römern die gefangenen Seeräuber zurückschickte, gesagt, er schenke ihnen zwar die Personen wegen ihrer Verwandtschaft mit den Griechen, finde es aber nicht recht dass dieselben Männer die das Kommando über Italien führten gleichzeitig auch Piratenschiffe aussendeten, und dass sie einerseits auf dem Forum ein Heiligtum der Dioskuren errichtet hätten und verehrten, die von allen Menschen ‚Retter‘ genannt würden, andererseits aber nach Griechenland, ihrer Heimat, Leute auf Beuteraub schickten“ (Ed. und Übers. S. Radt). Zum historischen Kontext s. auch u. S. 189 mit Anm. 432. 186 Pol. 3,22,11; 3,24,5+16. Sie findet zudem einen Nachhall bei den späteren Grammatikern: Ael. Herod. prosod. cath. III.1, 276, 31 = Steph. Byz. s. v. Ἄντεια (Zitate o. Anm. 170).

Weitere Nachkommen von Odysseus und Kirke

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Wie sieht es nun mit der Zugehörigkeit zu einer ethnischen Gruppe aus? Was bedeutet es, dass Latinus aus dem Stammbaum weggefallen ist? Bei Xenagoras zeigt sich deutlich die Priorität der Städte vor einem Ethnos, wobei hier unvermittelt auf die epischen Figuren Bezug genommen wird. Es wäre denkbar, dass eine frühere Version mit ethnischem Eponym wie bei Praeneste, in direkter Erweiterung des hesiodeischen Stammbaumes, aktualisiert wurde, um besser zu den historischen Entwicklungen in Latium zu passen. Der Schwerpunkt auf der Stadt ermöglichte den Bewohnern ein Anknüpfen und an die prestigeträchtigen Figuren auch ohne ethnische Identifizierung. Gerade im Fall der drei Städte dieser Genealogie war nämlich die ethnische Identität nicht immer eindeutig. Die Ardeaten beteiligten sich zwar seit den frühesten Zeugnissen an den Aktionen und Kulten der latinischen Städte und gehörten seit dem Foedus Cassianum zum Nomen Latinum, wobei bei Rivalitäten mit den Nachbarstädten Aricia und Lavinium insbesondere die Beziehungen zwischen den Aristokraten Roms und Ardeas sehr eng waren.187 Gleichzeitig bezeichneten sie sich aber bis zur Deduktion einer römisch-latinischen Kolonie im Jahr 442 mit dem Ethnonym Rutuli, was auf ältere Gruppen vor der latinischen Ethnogenese hindeutet.188 Die latinische Stadt Antium hingegen fällt zu Beginn des 5. Jahrhundert mit Unterstützung des Römers Coriolanus an die Volsker und gehört trotz der Deduktion einer nur kurzlebigen colonia im Jahr 467 erst ab der Niederlage der Volsker im Latinerkrieg zu Rom.189 Auch wenn sich zu keinem Zeitpunkt eine komplette Ersetzung der latinischen Einwohner durch Volsker vollzog, sondern eher eine Kohabitation unter volskischer Vorherrschaft bestand,190 sind Aktualisierungen der Selbstbeschreibung der Stadt zu vermuten. Rom selbst hatte schließlich ein komplexes Verhältnis zu einer Selbstbeschreibung als latinische Stadt, da es spätestens seit dem 6. Jahrhundert mit Hegemonieambitionen den (übrigen) Latinern gegenübertrat. Mit dem Xenagoras-Stammbaum konnte also über die Stadtgründer der prestigeträchtige Bezug auf Kirke und Odysseus der hesi187 s. ausführlich Bourdin 2005. Ardea gehörte zu den Stiftern des Kultes der Diana von Nemi unter dem dictator Latinus Egerius Baebius (oder Laevius) (Cato FRHist 5 F 36 [FRH 3 F 2,28]) und zu den Städten, die sich gegen die junge römische Republik richteten (Dion. Hal. ant. 5,61,3). Die Teilnahme Ardeas an dem Opfer für Iuppiter Latiaris ist für spätere Zeiten belegt (CIL XIV 39). Rivalitäten mit Aricia betrafen insb. die Nutzung des einst zu Corioli gehörenden Landes, das sich Rom schließlich in einem Schiedsspruch selbst zusprach (Liv. 3,71 f.). Mit Lavinium rivalisierte Ardea um ein zwischen den Städten gelegenes panlatinisches Aphroditeheiligtum oder vielmehr die beiden Städte rivalisierten mit jeweils einem Aphrodisium um die Gunst der übrigen Latiner; die Konflikte schlagen sich später in der Rolle Ardeas und ihres Fürsten Turnus in der Aeneis nieder (s. die Diskussion bei Bourdin 2005, 625–627; Ceccarelli 2012, 110). 188 Bourdin 2005, 601 ff. Im annalistischen Bericht werden die Ardeates ab der Koloniegründung nicht mehr als Rutuli bezeichnet, s. Bourdin ebd., 608 f., der für die folgende Zeit eine große Anzahl von römischen Magistraten mit dem cognomen Rutulus/Rutilus und eine gens Rutilia beobachtet. 189 Zu Antium s. Di Fazio 2020, 47–49. 190 Für die Kolonie von 467 ist eine gemischte Bevölkerung überliefert: Liv. 3,1,7; Dion. Hal. ant. 9,59,2 (s. dazu Di Fazio 2020, 47); auch in der colonia marittima nach dem Latinerkrieg blieb der volskische Bevölkerungsanteil bestehen, Liv. 8,14,8. – Zu den Volskern in Latium s. auch Kap. 4.5.

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Latinus, Sohn von Odysseus und Kirke

odeischen Genealogie beibehalten werden und statt im ethnischen Kontext vielmehr im geographischen Sinne verwendet werden. Wie wir bei Marsern, Ausoniern und letztlich Tyrrhenern insgesamt gesehen haben, waren diese epischen Liebhaber nicht ausschließlich Marker einer latinischen Ethnizität, sondern standen darüber hinaus den vielfältigen Bewohnern des Tyrrhenischen Italiens und sogar des Hinterlandes als Identifikationsfiguren zur Verfügung. 2.3.2 Plut. Rom. 2,1: Rhomanos Ohne Angabe der Quelle erwähnt Plutarch in der Romulus-Vita eine Ktisisvariante, in der ein Rhomanos, Sohn von Odysseus und Kirke, Rom gründet (Abb. 9): οἱ δὲ Ῥωμανόν, Ὀδυσσέως παῖδα καὶ Κίρκης, οἰκίσαι τὴν πόλιν.191 Odysseus



Kirke

Rhomanos

Rom

Abb. 9 Nachkomme von Odysseus und Kirke nach anon. in Plut. Rom. 2,1

Ein eponymer Gründer mit dem Namen Rhomanos/Romanus ist hier das einzige Mal erwähnt. Üblicher sind bei griechischen Autoren als Eponyme Rhome, Rhomos oder Rhomylos. Die Namensform dürfte eher spät sein, da sie die lateinische Form Romanus voraussetzt und vielleicht den Anspruch verfolgt, in der Authentizität die anderen zu übertreffen, jedoch ohne Kenntnis der tatsächlichen lokalen Erzählung von Romulus und Remus. Vielleicht hängt diese Variante mit der Münzprägung des frühen 3. Jahrhunderts v. Chr. mit der Legende ROMANO zusammen.192 Analog zur griechischen Form ΡΩΜΑΙΩΝ der ersten römisch-kampanischen Prägung ist die lateinische Legende

191 Plut. Rom. 2,1. 192 RRC 2/1: um 300 v. Chr., (09.10.2023); RRC 13/1 und 13/2: 280–276 v. Chr., und (09.10.2023); RRC 16/1a. b: 275–270 v. Chr., (09.10.2023).

Ergebnis

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zwar wohl als ROMANO(rum) zu ergänzen.193 Doch es ist vorstellbar, dass ein Autor durch diese Legende zur Kreation eines eponymen Stadtgründers mit der ihm bekannten Genealogie des Latinos bei Hesiod inspiriert wurde, im Vergleich mit entsprechenden Prägungen aus Capua, die den lokalen Stadtgründer zeigen.194 Der Name und die offensichtlich weiter bekannte Kirke-Odysseus-Genealogie konnten mühelos zu einem neuen, in Rom selbst sicher irrelevanten Stammbaum zusammengesetzt werden, der zwar weitgehend erfolglos war, es aber immerhin bis zu Plutarch geschafft hat. Denkbar wäre in diesem Fall, in den Didrachmen der Jahre 269/266 v. Chr. mit der säugenden Wölfin, der ersten stadtrömischen Prägung, einen Terminus ante quem zu sehen, da durch sie erstmals die nunmehr bevorzugte römische Ktisis auch ikonographisch in Italien verbreitet wurde.195 Die Erzählung über die Gründung Roms durch Rhomanos wäre also zwischen 320 und der Mitte des 3. Jahrhunderts entstanden.196 2.4 Ergebnis Im ersten Teil dieses Kapitels konnte aufgrund literarischer, archäologischer und historischer Überlegungen eine frühe Entstehung der Verse Hesiods, in denen Latinos und seine Brüder Agrios und Telegonos Söhne der Kirke und des Odysseus sind, plausibel gemacht werden. Ebenso wahrscheinlich sind die Verbreitung und Aneignung dieser prestigeträchtigen Abstammung durch die Einheimischen des Tyrrhenischen Italiens. In orientalisierender und archaischer Zeit konnte sie als Mittel der Interaktion und Integration in Italien und in den mediterranen Netzwerken dienen. Im zweiten Teil wurden die späteren Erwähnungen der Kernfamilie aus Kirke, Odysseus und Latinus bis in die Zeit Justinians untersucht. Die Genealogie ist jeweils auf unterschiedliche Weise erweitert, durch einen Halbruder, einen vermeintlichen Bruder, eine Schwester oder einen Sohn, was als Ausdruck von verwandtschaftlicher Nähe und ethnischer Zugehörigkeit zu den Latinern zu verstehen ist. Daneben gibt es Genealogien, in denen Latinus und seine hesiodeischen Brüder durch andere eponyme Vorfahren und Stadtgründer ersetzt sind. Hier zeigt sich, dass die epischen Figuren

193 RRC 1/1: nach 326 v. Chr., (09.10.2023). – Allerdings ist auch die frühlateinische Lesung ROMANO(s) nicht auszuschließen, s. Crawford 1985, 29 Anm. 2. 194 Von Hirschkuh gesäugtes Kind, Legende: KAΠΥΣ, 215–211 v. Chr., als eponymer Gründer Kapys oder auch als Telephos gedeutet (s. LIMC VII, 1994, s. v. Telephos Nr. 92). 195 RRC 20/1: 269/266 v. Chr., (09.10.2023). 196 Dieser Terminus ist nicht fest, da die Münze mit der Lupa sich nicht unmittelbar auf die griechische Mythopoiese auswirken musste, wie ja auch Kallias (s. Kap. 3.1.3) bereits die lokale Tradition hätte kennen können, doch war mit der Darstellung der Gründungsgeschichte auf den Münzen sicher deren weitere Verbreitung beabsichtigt. – Einen früheren Zeitpunkt hält Solmsen 1986 für möglich. Analog zur Genealogie bei Xenagoras denkt er an das 5. Jh.

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Latinus, Sohn von Odysseus und Kirke

auch über Latium und die Latiner hinaus Integrations-, Identifikations- und Prestigepotenzial hatten. Die Entstehung der Varianten ist nur aufgrund von Indizien und inhaltlichen Überlegungen näher zu datieren. Die meisten sind bereits im archaischen Kontext denkbar. Falls man, wie bislang in der Forschung vorherrschend, eine rein griechisch-literarische Bedeutung und Überlieferung annimmt, liegt der Befund vor, der in dem Stemma der einzelnen Varianten, möglichen Zwischenquellen und zitierenden Autoren visualisiert ist (Abb. 10). Die Rückführung der Latiner, von Städten in Latium und benachbarten Völkern auf Odysseus und Kirke war literarisch stets präsent. Die große Anzahl der latinischen und mittelitalischen Weiterentwicklungen dieser Genealogie zeigt, dass sich die Autoren (stellvertretend für ihr soziales Umfeld bzw. als Zeugen von Identitätsbehauptungen und -zuschreibungen sowie Ethnizitätsdiskursen) für die entsprechenden Städte und Völker interessierten (aus ethnographischen, lexikographischen oder tatsächlich historischen Gründen der kommerziellen oder im weitesten Sinne politischen Interaktion) und dass diese Abstammung lange ein geeignetes Mittel ihrer ethno- und geographischen Einordnung war. Dies ist in erster Linie mit der anhaltenden Bekanntheit und Autorität Hesiods zu erklären, der immer wieder Ausgangspunkt für eine Neukreation sein konnte.197 Allerdings ist in den erhaltenen Versionen (außer bei Johannes Lydos und den direkten Theogonie-Zitaten) nie von Hesiod die Rede, was für eine allgemeinere Verbreitung der Genealogien spricht. Die Lokalisierung der Kirke auf dem Küstengebirge am Tyrrhenischen Meer hat die Vorstellung von Latium und dem Tyrrhenischen Italien geprägt,198 da hier die epische Szene in die Landschaft eingeschrieben wurde und in der Folge den Generationen von Reisenden und natürlich den Anwohnern zur Verfügung stand. Da, wie gesehen, viel für eine genealogische Bedeutung von Göttin und Heros für die lokalen Aristokraten in orientalisierender und archaischer Zeit spricht, ist es nur wahrscheinlich, dass der Genealogie auch in den späteren Jahrhunderten eine gewisse Bedeutung zukam, bevor sie in der römischen Literatur durch die trojanische und die Romulus-Erzählungen der Vulgata verdrängt wurde. Die Gründung der colonia Circeii ist neben einem Erinnerungsort am Grab des Elpenor und späten Zeugnissen eines lokalen Kultes der deutlichste Beleg für die Aneignung der Kirke durch die einheimische Bevölkerung und die römisch-latinischen Siedler. Das intentionale Potenzial der Abstammung von Kirke und Odysseus ist leider nicht mit bestimmten historischen Momenten zu verbinden. Abgesehen von der allgemeinen Überlieferungssituation zu den vorliterarischen Jahrhunderten Latiums

197 Vgl. den Begriff des Archivs im Kulturellen bzw. Kommunikativen Gedächtnis bei Aleida Assmann 2009, 343 ff.; s. auch Weiss 1984. 198 So die Betonung des Waldreichtums, verbunden mit dem Hinweis auf die Insel der Kirke bei Theophrast und die Bezeichnung der Tyrrhenoi als pharmakopoioi bei Aischylos (Theophr. h. plant. 9,15,1; Plin. nat. 25,11).

79

Ergebnis Hesiod? (7. Jh. v. Chr. ?)

direkte Zitate (Schol. Ap. Rhod., Serv., Eust., Schol. Hes.)

Hellanikos (5. Jh. v. Chr.) *** (Serv.

Auson, Marsus

Q

Q?

Dion. Hal. (1. Jh. v. Chr.)

Q ? auct. Aen. 1,273)

Prosa-Q

Xenagoras (3. Jh. v. Chr. ?) Anon. (Plut. Rom. 2,1)

Plut. (2. Jh. n. Chr.)

Eugammon (6. Jh. v. Chr.)

Ps.-Skymnos (2. Jh. v. Chr.)

Rhome-TelemachGruppe

Zenodotos (3.–1. Jh. v. Chr.)

Vulgata Verg. Aen. (1. Jh. v. Chr.)

Q? (griechisch) Q (latein)

Ael. Herod. (2. Jh. n. Chr.)

Ael. Herod. (2. Jh. n. Chr.)

Solinus (3. Jh. n. Chr.)

Mart. Cap. (4./5. Jh. n. Chr.) Steph. Byz. (6. Jh. n. Chr.)

Odysseus, Kirke, Latinus Odysseus und Kirke Andere Traditionsstränge Q: Zwischenquelle

Steph. Byz. (6. Jh. n. Chr.) Synkellos (8. Jh. n. Chr.)

Lydos (6. Jh. n. Chr.) Serv. auct. (7./8. Jh. n. Chr.)

Abb. 10 Übersicht über die Varianten der Kirke-Odysseus-Gruppe

und der Überformung der historischen Erzählung im Zeichen der Vulgata bieten sich für die einzelnen Varianten der Genealogien mehrere Lesarten an. Ein möglicher historischer Kontext ist das Bündnis der latinischen Städte mit Kyme am Ende des 6. Jahrhunderts, da für mehrere der beteiligten Städte eine entsprechende Abstammung von Kirke vorliegt.199 Aber gerade die Vervielfältigung der Varianten deutet auf das große Integrations- und Identifikationspotenzial hin, für Latiner, einzelne latinische und in Latium gelegene Städte und benachbarte Völker. Durch die Genealogien konnte einerseits ethnische Zugehörigkeit bestärkt, andererseits aber auch eine syngeneia im Tyrrhenischen Italien über ethnische Grenzen hinweg begründet werden. Diese Deutung überzeugt mehr als eine rein ethnographische Konstruktion im fernen

199 s. dazu auch Kap. 3.2.3.

80

Latinus, Sohn von Odysseus und Kirke

Griechenland. Anders als bei den möglicherweise alten ‚latinischen‘ Ursprungserzählungen, die primär die Viten von Stadtgründern beinhalteten, und daher gegebenenfalls komplementär dazu liegt das Potenzial der Kirke-Odysseus-Abstammung gerade in der Interaktion zwischen den einzelnen Nachfahren als Ausdruck der Zusammengehörigkeit und als Appell an die (ethnische, verwandtschaftliche) Solidarität, aber auch in der Kommunikation nach außen, mit den Griechen der Apoikien und der Mittelmeerwelt, als Ausweis der Zugehörigkeit zur ‚zivilisierten Welt‘. Zeitlich vor und auch zusätzlich zur trojanisch-albanischen Vulgata zeichnete sich Latium durch eine Vielfalt von Gründungserzählungen aus. Die Herleitung von Kirke und Odysseus und ihren tyrrhenischen Kindern stand – auch abgesehen von den möglichen ‚latinischen‘ Ursprungserzählungen und den in den folgenden Teilen untersuchten Narrativen – neben anderen, über die die Städte u. a. argivische, arkadische, sikulische Ursprünge für sich reklamierten und deren Entstehung ebenfalls nicht eindeutig datiert werden kann. Dies schließt die potenzielle Bedeutung der Kirke-Odysseus-Abstammung in kürzeren oder längeren Zeiträumen jedoch nicht aus, da nicht nur mit der steten Aktualisierung der Ursprungsvorstellungen, sondern auch mit der Möglichkeit einer kumulativen Sinnstiftung gerechnet werden muss, wie dies später für die spätrepublikanische Zeit beobachtet werden kann.200 Ein Ende der Herleitung von Kirke und Odysseus kann jedoch, wie im nächsten Teil zu sehen sein wird, langfristig mit dem Erfolg der trojanischen und später albanischen Erzählung sowie der Erfindung der Aborigines spätestens im 3. Jahrhundert angesetzt werden. Neben Aeneas war aus inhaltlichen und auch sagenchronologischen Gründen kein Platz mehr für Odysseus, während sich über die Jahrhunderte das Bild der Kirke veränderte und allmählich immer weniger Prestige-Potenzial gehabt haben dürfte. In der griechischen Literatur immer mehr als Hexe diffamiert und sexualisiert,201 begegnet sie in der lateinischen Literatur schließlich in erster Linie in der negativen Zeichnung einer verschmähten und rachsüchtigen Liebenden, der die Verwandlungen der Skylla und des Picus angelastet werden202 und um die der vergilianische Heros Aeneas einen großen Bogen macht.203 Bei Vergil bleibt stattdessen nur noch ein Nachhall der hesiodeischen Abstammung des Latinus, doch es ist bezeichnend, dass er dieses Erbe nicht gänzlich verschweigt.204

200 Hagen 2024 im Druck. 201 Zu den vielfältigen Weiterentwicklungen, s. Franco 2010. 202 Diese Erzählungen finden sich insbesondere (vielleicht auch das erste Mal) bei Ovid: Scylla und Glaucus: Ov. met. 13,898–14,74; Picus: Ov. met. 14,308–414; s. zu den unglücklichen und fatalen Leidenschaften der Kirke Franco 2010, 252–272. 203 Verg. Aen. 7,10–24, s. Raymond 2010, 268 Anm. 8, die hier eine „mise en distance“ zur Odyssee und dem ehemaligen Stammvater beobachtet. 204 Verg. Aen. 12,161–164 mit Serv. ad loc. sowie die Bezeichnung der Circe als coniunx des Großvaters Picus in Verg. Aen. 7,187–191 (189); s. Moorton 1988.

3 Latinus, Sohn des Telemach, und Rhome Die Gruppe von Zeugnissen, die im Folgenden untersucht wird, betrachtet den eponymen Heros der Latiner als Sohn von Telemach und Kirke und gleichzeitig als Gatte oder Bruder der Rhome. Latinus erscheint somit wie zuvor in den hesiodeischen Versen als Laertide, doch er ist eine Generation jünger und in unterschiedlichen Varianten explizit in den Kontext der Gründung Roms eingebettet. Diese Versionen vereinigen mehrere ursprünglich voneinander unabhängige Erzählstränge – aus der Tradition des Kyklischen Epos der Telegonie, der frühen griechischen Myth(historio)graphie und lokalen, d. h. römischen bzw. latinischen Erzählungen – und enthalten Aktualisierungen aus der Zeit der römischen Eroberung Italiens. Die Erzählungen sind in kurzen Paraphrasen in den Aufzählungen von Gründungsgeschichten Roms bei Dionysios von Halikarnassos und Plutarch, in Festus’ Exzerpt des Verrius Flaccus und in dem erweiterten Kommentar des Servius zu Vergils Aeneis überliefert. Plutarch und Servius bieten keine Quellenangabe, die von Festus zitierten Autoren sind anderweitig unbekannt. Der einzige Autor, der identifiziert und auch datiert werden kann, ist Kallias von Syrakus, den Dionysios von Halikarnassos als Quelle anführt. Die einzelnen Varianten konstituieren forschungsgeschichtlich eine Gruppe, da sie meist als Resultat einer fehlerhaften Überlieferung des Kalliastextes betrachtet wurden, ohne dass die Differenzen umfassend untersucht wurden.1 Die Relevanz der Erzählungen gilt als gering, gleichzeitig werden sie jedoch stets in der Diskussion zentraler Traditionen wie der Abstammung der Latiner von den Trojanern und den Aborigines angeführt. Die Erzählungen werden schließlich in den Auseinandersetzungen während des Latinerkriegs historisch kontextualisiert, wobei der griechisch-trojanische Gegensatz als Hauptcharakteristikum vorgebracht wird. Folgende Probleme sind daher zu diskutieren: Wie viele und welche Versionen liegen vor? Wann handelt es sich um Paraphrasen eigenständiger Erzählungen, wann um korrumpierte, fehlerhafte Wiedergaben dersel1

Die Behandlung der Erzählungen in der Forschung hatte Mommsen 1994 (1881), 1 als „Räthselrathen“ bezeichnet; grundlegende Untersuchungen einzelner Aspekte dieser Erzählungen: Classen 1963; Cornell 1975; Wiseman 1995; Martínez-Pinna 1996; Martínez-Pinna 1997a.

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Latinus, Sohn des Telemach, und Rhome

ben? Wo bestehen Lücken in den überlieferten Erzählungen? Kann man diese – durch Analogie – ergänzen? Was kann man über Identität, Datierung, Quellen und Einflüsse der Autoren sagen? In welchem zeitlichen Verhältnis stehen die Versionen zueinander? Kann man Strategien der Abwandlungen feststellen? Welche Motive und Diskurskontexte sind in den Versionen erhalten und wie positionieren sie sich in diesen Diskursen? In welchen historischen Kontext gehören sie, welche intentionale Bedeutung haben sie? Zunächst werden die einzelnen Zeugnisse vorgestellt, angefangen bei der ausführlichsten Genealogie des Latinus. Darauf folgen die Einzeluntersuchungen zu den Protagonisten und Erzählmotiven. In der Gesamtdiskussion wird eine Rekonstruktion der Entwicklung der Traditionsstränge vorgeschlagen. 3.1 Varianten und Überlieferung 3.1.1 Galitas Unter dem ansonsten unbekannten Autorennamen Galitas2 ist bei Festus im Lemma „Roma“ die Abstammung des Latinus von Kirke und Telemach das einzige Mal – abgesehen von dem später zu besprechenden Fall des Hyginus3 – vollständig überliefert. Galitas scribit, cum post obitum Aeneae imperium Italiae pervenisset ad Latinum, Telemachi Circaeque filium, isque ex Rhome suscepisset filios, Rhomum, Romulumque, urbi conditae in Palatio causam fuisse appellandae potissimum Rhom[- - -].4

Der Latinus des Galitas heiratet Rhome, die gemeinsamen Söhne heißen Rhomus und Romulus. Gemäß der Paraphrase des Festus berichtet Galitas davon, dass Latinus nach dem Tod des Aeneas die Herrschaft über Italien erhalten habe (Abb. 11). Latinus ist in der Sagenchronologie als Sohn des Odysseussohnes Telemach zwei Generationen 2

3 4

Scaliger (ed. 1576, 160) korrigiert zu Galatas mit dem Kommentar „De Galata scriptore amplius quaeramus“; Müller ad loc.: „vulgata lectio, i. e. ea quae ab A. Augustino inde a plerisque editoribus propagata est“. – Im LGPN findet sich Γαλάτας nur dreimal: in Boiotien (3. Jh. v. Chr.), in Achaia (146 v. Chr.) und in Thessalien (1. Jh. v. Chr.?), etwas häufiger und weiter verbreitet die Form Γαλάτης. Eine direkte Entsprechung für die Form Galitas bei Festus ist nicht belegt. s. u. Kap. 3.2.1. Die bei Hyginus überlieferte Genealogie wird nicht zu dieser Gruppe gezählt, da dort Rhome nicht erscheint. FGrHist 818 „Galitas (?)“ F 1 = Fest. 329, 15–20 L, s. v. Roma: „Galitas schreibt, dass, da die Herrschaft über Italien nach dem Tod des Aeneas auf Latinus, den Sohn des Telemach und der Kirke, übergegangen war und er (sc. Latinus) von Rhome die Söhne Rhomus und Romulus bekommen hatte, der Grund für die Benennung der auf dem Palatin gegründeten Stadt am ehesten Rhom[- - -] gewesen sei [- - -]“ (Übers. EH).

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Varianten und Überlieferung Aeneas



Telemach

He üb rrsch er Ita aft lie n

Rhome

Rhomus



Kirke

Latinus

Romulus urbs condita in Palatio

Abb. 11 Galitas, Fest. 329 L

nach Aeneas anzusetzen, der zuvor die Herrschaft vor Ort errungen hat. Rhomes Herkunft wird nicht angegeben, analog zu den Versionen bei Plutarch und Kallias wird sie üblicherweise als Trojanerin bezeichnet, wofür auch die Erwähnung des Aeneas sprechen dürfte. In der Ausführung zur Gründung auf dem Palatin bricht der Text mitten in dem Wort Rhom[- - -] ab.5 Die Paraphrase ging somit über die einfache Angabe des Stammbaums hinaus. Die Aufzählung von der Herrschaftsübergabe bis zur Stadtgründung machen eine ausführlichere narrative Gestaltung bei Galitas wahrscheinlich. Durch die Lücke im Text sind die Umstände der Stadtgründung verloren.6 Üblicherweise werden Romulus und Rhomus als Gründer betrachtet, doch auch Latinus ist als Stadtgründer denkbar.7 Denn als eponyme Gestalt kann sowohl der Stadtgründer (Rhomus oder Romulus?) als auch eine Person in Erscheinung treten, der zu Ehren die Stadt benannt wird (Rhome?). Ein solcher Pate oder eine solche Patin ermöglicht einer nicht namensgleichen Person die Rolle des Gründers (hier Latinus?).8

5 6

7 8

Anders als die früheren Herausgeber folgt Lindsay nicht Orsini, der im 16. Jh. im Codex Farnesianus, der einzigen, nur fragmentarisch erhaltenen Handschrift des Festustextes, Rhomae gelesen hatte. Es ist nicht zu bestimmen, wieviel von der Galitas-Paraphrase in der von hier bis Fest. 332 L nur bruchstückhaft erhaltenen Handschrift verloren ist. Müller verbessert die Angabe hisque im Farnesianus zu is quod (die vulgata lectio, Orsini und Lindsay verbessern zu isque) und bezieht es auf Aeneas, nicht auf Latinus, wodurch es Aeneas wäre, der von Rhome die Söhne erhalten und womöglich Rom gegründet hätte. Dies ist jedoch auszuschließen, da alle erwähnten Ereignisse nach Aeneas’ Tod anzusetzen sind. s. Zusammenfassung der Positionen bei S. Northwood, comm. ad BNJ 818 F 1; D. Miano ad BNJ2 818. s. die Diskussion zum Text bei S. Northwood, comm. ad BNJ 818 F 1, mit Übers.: „the reason for naming the city founded on the Palatine Rome rather than anything else was […].“ Die griechischen Namensformen Rhome und Rhomus bei Festus verweisen auf eine griechische Quelle, der

84

Latinus, Sohn des Telemach, und Rhome

Latinus verfügt über eine griechische (und göttliche) Abstammung. Gleichzeitig erscheint er über die implizite tyrrhenische Lokalisierung der Insel der Kirke sowie als Gegenüber des Aeneas, wobei auch die Flucht aus Troja nicht eigens genannt werden musste, als Vertreter der Einheimischen. Bemerkenswert ist jedoch, dass er, trotz seiner griechischen Wurzeln, die bereits bei Hesiod erwähnte Herrschaft von dem Flüchtling aus Troja erhält. Dabei erfahren wir weder, wie Aeneas seinerseits zu dieser Herrschaft gekommen ist, noch ist ausgeführt, warum die Herrschaft von Aeneas auf den Telemachsohn Latinus übergeht. Dieser Übergang setzt, wenn man die sagenchronologische Dimension mitdenkt, eine mehrere Jahrzehnte dauernde Herrschaft des Aeneas voraus, im Gegensatz zu den drei Jahren in der Vulgata.9 Festzuhalten ist schließlich, dass, während von der Stadt auf dem Palatin sowie von dem imperium Italiae die Rede ist,10 Latium und die Latiner selbst nicht explizit erwähnt sind. 3.1.2 Anon. bei Plut. Rom. 2,3 Plutarch zitiert ohne Autorenangabe eine Version mit Telemach als Vater des Latinus, jedoch wie alle weiteren Zeugnisse der Gruppe ohne Angabe der Mutter. Auch hier heiratet Latinus Rhome, sie haben einen gemeinsamen Sohn, Rhomylos (Abb. 12a): οἱ δὲ Ῥώμην, θυγατέρα τῆς Τρωάδος ἐκείνης, Λατίνῳ τῷ Τηλεμάχου γαμηθεῖσαν τεκεῖν τὸν Ῥωμύλον.11

Als Mutter des Latinus liegt in Analogie mit der Galitasstelle Kirke am nächsten.12 Zur Identifizierung der Mutter der Rhome verweist Plutarch auf eine zuvor genannte

Unterschied zur kanonischen Erzählung über die Brüder Romulus und Remus sollte offenbar in der Darstellung sichtbar bleiben. 9 Die Geburt des Latinus von Telemach und Kirke ist frühestens 20 Jahre nach Odysseus’ Besuch auf Aiaia anzusetzen, für die Herrschaftsübernahme dürfte er zudem mindestens im jugendlichen Alter sein, s. u. zur Telegonie-Tradition, die hinter dieser Erzählung steht (Kap. 3.2). – Eine mögliche Konstellation ist eine Umkehrung der Lösung der Vulgata, dass also Latinus der Schwiegersohn, Rhome die Tochter des Aeneas sei. Doch der große Generationenabstand zwischen dem Teilnehmer des Trojanischen Krieges und dem Enkel des Odysseus macht dies unwahrscheinlich; denkbar wäre, dass Rhome wie bei Agathokles von Kyzikos (FGrHist 472 F5 = 840 F 18–19, s. u. S. 131 Anm. 209 S. 143 Anm. 244) die Enkelin des Aeneas ist. Eine besondere Beziehung zwischen Latinus und Aeneas findet sich in den Annales pontificum, wo Latinus die Herrschaft den Enkeln des Aeneas vererbt, die zuvor als Geiseln bei ihm gewesen sind (FRHist Annales Maximi 7 = Dion. Hal. ant. 1,73,3). 10 Zur Italia ausführlich Kap. 3.6.2. 11 Plut. Rom. 2,3: „Nach anderen soll Rome, die Tochter jener Troerin […] und Gattin des Latinus, des Sohnes des Telemachos, den Romulus geboren haben“ (Übers. K. Ziegler). 12 Die einzige weitere Version einer ‚latinischen‘ Gattin des Telemach ist in Schol. Lykophr. Alex. 805, 11. 22; 808, 1. 4 erhalten, wo Kassiphone, die Tochter der Kirke mit Odysseus, an Kirkes Stelle (wie noch bei Lykophron selbst) als Frau des Telemach bezeichnet wird.

85

Varianten und Überlieferung

Trojanerin. Nicht überzeugen kann der Vorschlag, die in Rom. 2,2 genannte Dexithea, Tochter des Phorbas und Gattin des Aeneas, zu ergänzen.13 Denn die einzige, die explizit als Trojanerin bezeichnet wird, ist die ebenfalls Rhome genannte Figur aus Rom. 1,2, die die anderen Frauen dazu angestachelt hatte, die Schiffe zu verbrennen, um den Irrfahrten auf dem Meer ein Ende zu setzen.14 „jene Trojanerin“

Rhome

Telemach





Rhome ?

Mutter

(Brandstifterin)

Latinus

Rhome

Abb. 12a Plut. Rom. 2,3





Kirke ?

Latinus

Rhomylos

Rhomylos



Telemach



Abb. 12b ergänzt aus Plut. Rom. 1,2 und Galitas

Gegen eine ursprüngliche Zusammengehörigkeit der beiden Erzählungen aus Plut. Rom. 1,2 und 2,3 spricht jedoch, dass die Version in 2,3 zu den unterschiedlichen Erklärungen der Identität und Abstammung des Namengebers Romulus, hier des Sohns von Rhome und Latinus, gehört,15 während in 1,2 die ältere Rhome aus der Schiffsbrandgeschichte die Namengeberin der Siedlung auf dem Palatin ist.16 Jede Version nimmt also für sich in Anspruch, den Namen der Stadt zu erklären, was darauf hindeutet, dass es sich um zwei ursprünglich getrennte Erzählungen handelt, die nur von Plutarch miteinander in Verbindung gebracht wurden (Abb. 12b).

13

14 15 16

K. Ziegler in ed. und Übers.; C. Ampolo comm. ad loc.; Martínez-Pinna 2005, 71 Anm. 40. Diese Dexithea ist ansonsten nicht belegt, und außer ihrer Ehe mit Aeneas, die in der Mythographie nicht Trojanerinnen vorbehalten war, gibt es keinen Hinweis auf ihre Herkunft. Ebenfalls gegen Dexithea spricht, dass sie als Mutter von Rhomylos und Rhomos in Erscheinung tritt, also kein Platz für eine Tochter, die ihrerseits Mutter des Rhomylos ist, wäre. s. u. Kap. 3.4. Diese Identifizierung wählt auch Martínez-Pinna 1997a, 89. Plut. Rom. 2,2: οἱ Ῥωμύλον τῷ δικαιοτάτῳ τῶν λόγων ἀποφαίνοντες ἐπώνυμον τῆς πόλεως. „Selbst diejenigen, die mit der glaubwürdigsten Überlieferung Romulus als den Namengeber der Stadt bezeichnen, sind doch über seine Abkunft nicht einerlei Meinung“ (Übers. K. Ziegler). Zwar ist der Gründer selbst nicht explizit genannt, doch geht diese Geschichte (wenn auch erneut ohne namentliche Quellenangabe) auf Hellanikos zurück, bei dem die Stadt von Aeneas gegründet wurde.

86

Latinus, Sohn des Telemach, und Rhome

3.1.3 Kallias Von Kallias von Syrakus, dem Historiker des Agathokles, stammt eine weitere Erzählung, in der Latinus zusammen mit Rhome auftritt. Die 22-bändige Geschichte über den syrakusischen König und Schwiegervater des Pyrrhus ist vor den 270er Jahren v. Chr. fertiggestellt worden, als Timaios daraus zitiert.17 Καλλίας δὲ ὁ τὰς Ἀγαθοκλέους πράξεις ἀναγράψας Ῥώμην τινὰ Τρωάδα τῶν ἀφικομένων ἅμα τοῖς ἄλλοις Τρωσὶν εἰς Ἰταλίαν γήμασθαι Λατίνῳ τῷ βασιλεῖ τῶν Ἀβοριγίνων καὶ γεννῆσαι τρεῖς παῖδας, Ῥῶμον καὶ Ῥωμύλον · οἰκίσαντας δὲ πόλιν, ἀπὸ τῆς μητρὸς αὐτῇ θέσθαι τοὔνομα.18

Auch bei Kallias ist Latinus mit Rhome verheiratet. Aus der Verbindung gehen drei Söhne hervor, Rhomos, Rhomylos sowie ein dritter, der im überlieferten Text des Dionysios von Halikarnassos verloren ist, aber aufgrund der Parallelüberlieferung bei Synkellos19 als Telegonos restituiert werden kann.20 Rhomos und Rhomylos geben der 17

Kallias begann mit der Abfassung seines Werkes zu Lebzeiten des Agathokles, der ihn, so Timaios, für das ‚Tyrannenlob‘ reich beschenkte, und beendete es, wie aus der Angabe des Alters und der Herrschaftsdauer hervorgeht, nach dessen Tod im Jahr 289 v. Chr., s. FGrHist 564 T 3 = Diod. 21,17,4 = Suda s. v. Καλλίας; F 6, jeweils mit D. W. Roller, Kallias, BNJ 564, comm. ad loc. und Biographical Essay. 18 Kallias, FGrHist 564 F 5a = Dion. Hal. ant. 1,72,5: „Kallias aber, der Verfasser einer Geschichte des Agathokles, schreibt, Rhome, eine Trojanerin, die zusammen mit den anderen Trojanern nach Italien gekommen sei, habe den Aboriginerkönig Latinus geheiratet und drei Söhne geboren, Rhomos, Rhomylos und Telegonos …; sie hätten eine Stadt gegründet und ihr den Namen nach ihrer Mutter gegeben“ (Übers. A. Städele). 19 Synk. chron. 227, 18–23: Πρὸς τούτοις καὶ Καλλίας ὁ τὰς πράξεις Ἀγαθοκλέους γράφων γυναῖκά τινα Ῥώμην τοὔνομά φησι Τρῳάδα τὸ γένος σὺν τοῖς Τρωσὶν ἐλθοῦσαν τῷ τηνικαῦτα βασιλεύοντι Λατίνῳ τῆς Ἰταλίας γήμασθαι καὶ τεκεῖν αὐτῷ παῖδας τρεῖς, Ῥῶμον καὶ Ῥωμύλον καὶ Τηλέγονον, ὃν οἰκῆσαι ἐν ἄλλοις χωρίοις ἐλέγετο· Ῥῶμον δὲ καὶ Ῥωμύλον παῖδας Λατίνου καὶ Ῥώμης τῆς Τρῳάδος τὴν πόλιν κτίσαι καὶ Ῥώμην καλέσαι τῷ μητρῴῳ ὀνόματι. „In addition to these, Kallias also, who wrote of the deeds of Agathokles, says that a certain woman named Rhome, a Trojan by nationality, came with the Trojans and married Latinus, who was king of Italy at the time. She bore him three children, Remus, Romulus, and Telegonus, the last of whom he said settled in other regions. But Remus and Romulus, sons of Latinus and the Trojan woman Rhome, founded the city and called it Rome after the name of their mother“ (Übers. Adler/Tuffin). – Die Manuskripte schreiben τιλέγενον (B, cod. Grec 1765, Paris, 11. Jh.) bzw. τηλεγόνα (A, cod. Grec 1711, Paris, 11. Jh.), s. ed. Mosshammer. 20 Die Ergänzung stammt von F. Ritschl (1838); s. V. Fromentin 1998, LXXI. 69 Anm. 265. In der Handschrift B (Hand Bb aus dem 11. Jh., aber wie Ba, Ba’ und Ba’’ für die späteren Bücher auf das 10. Jh. zurückgehend) besteht eine Lücke nach καὶ, doch die Ankündigung von drei Söhnen (τρεῖς παῖδας) in B und S setzt die Nennung eines dritten Namens voraus. In der Handschrift A (2. Hälfte 10. Jh.) findet sich dagegen die Angabe δύο παῖδας. Während recensio B die Lücke als solche – in einer vom tatsächlich fehlenden Text unabhängigen Länge von 7 Buchstaben – in ihrem Text kenntlich gemacht hat, hat A wie an mehreren weiteren Textstellen den Wortlaut angepasst und geglättet, um die Lücke elegant unsichtbar zu machen. Telegonos ist also vor dem gemeinsamen Hyparchetyp X dieser Handschriften (nach Fromentin spätestens aus dem 9. Jh.) herausgefallen. Synkellos, Verfasser einer byzantinischen Weltchronik des späten 8. und frühen 9. Jh.s, folgt seinerseits in seinem Dionysios-Referat üblicherweise der Chronik des Eusebius. Da

87

Varianten und Überlieferung

von ihnen gegründeten Stadt den Namen ihrer Mutter, während Telegonos, so Synkellos, an anderen, nicht näher bezeichneten Orten siedelt.21 In der Kallias-Paraphrase bei Dionysios wird Latinos als König der Aborigines bezeichnet, sowohl in der direkten Überlieferung als auch bei Eusebius. In der Wiedergabe des Synkellos erscheint er dagegen wie bereits bei Galitas als König Italiens (Abb. 13a. b).22 Rhome,

Trojanerin

Rhomos



König der Aborigines

Rhomylos

?

Latinos,

Rom

a) Dion. Hal. ant. 1,72,5

Rhome,

Trojanerin

Rhomos



Rhomylos

Latinos,

König Italiens

Telegonos

Rom

Stadt

Abb. 13 Kallias von Syrakus b) Synkell. chron. 227, 18–23

In den Paraphrasen der Erzählung des Kallias fehlt eine Angabe zur Abstammung der Protagonisten. In der Forschung werden bisweilen analog zu der Version des Galitas und in Plut. Rom. 2,3 Telemach und Kirke als Eltern des Latinos23 und entsprechend der anonymen Stelle bei Plutarch die Brandstifterin Rhome als Mutter der Rhome ergänzt.24 Dagegen spricht allerdings, dass die Rhome des Kallias selbst als eine der Trojanerinnen bezeichnet wird, die „mit den anderen Trojanern nach Italien gekommen“

21 22

23 24

die erhaltenen Versionen der exc. Eus. und des Eus. arm. jedoch ebenfalls keinen Telegonos, aber auch keine Anzahl für die Brüder aufweisen, muss Synkellos entweder für Eusebius auf einen verlorenen Überlieferungsstrang für Dionysios zurückgegriffen haben, wobei der Zufall zweier Überlieferungsstränge mit derselben Lücke und sukzessiven Anpassung des Textes unwahrscheinlich erscheint, oder aus einer anderen, uns unbekannten Überlieferung das Fehlende ergänzt haben. s. u. Kap. 3.2.3 zu Telegonos als Stadtgründer. s. u. Kap. 3.6.1 zu dieser wohl frühesten Erwähnung der Aborigines. – Wenn der byzantinische Autor an dieser Stelle direkt auf Dionysios zurückgreift, hat er selbst die Änderung vorgenommen, die allerdings weniger weitreichend ist, als es auf den ersten Blick erscheint, s. u. Im Anschluss an diese Stelle präsentiert Synkellos das in der Vulgata übliche und auch bei Dion. Hal. ant. 1,9,3 f. anzutreffende Schema der Umbenennung des Volkes in Latiner und Römer: Synk. chron. 227, 24 f.: τούς τε ἀπὸ Λατίνου Λατίνους, τοὺς καὶ Ἀβορήγινας πρότερον λεγομένους, Ῥωμαίους προσαγορεῦσαι. „And those from Latinus they called Latins, and those who were previously called Aborigines, they named Romans“ (Übers. Adler/Tuffin). z. B. Humm 2016, 94 f. Mommsen 1994 (1881).

88

Latinus, Sohn des Telemach, und Rhome

sei.25 Sie dürfte also selbst mit der Brandstifterin gleichzusetzen sein, falls Kallias das Motiv des Schiffsbrands beibehalten hat. In der Kalliasparaphrase des Dionysios wird der Schiffsbrand nicht erwähnt, allerdings schließt sie direkt an das Aristoteleszitat und die Hellanikosstelle über den Schiffsbrand an, weshalb die Trojanerinnen auch bei Kallias in diesem Kontext gesehen werden könnten.26 Rhome und somit ihr Gatte Latinus gehören in die sagenchronologische Generation des Trojanischen Krieges, genau genommen dürfte Latinus hier das Alter des Aeneas haben, also jünger sein als der Latinus der Vulgata,27 da es sich bei ihm um den Bräutigam handelt und somit die umgekehrte Situation wie bei dem kanonischen Paar Aeneas und Lavinia vorliegt. Allerdings muss man bei solchen Ergänzungsversuchen wie bereits bei der Plutarchstelle bedenken, dass jede einzelne Version für sich die Gründung und den Namen Roms erklären wollte, so dass bei einer Synthese zwangsläufig Veränderungen vorgenommen werden mussten, es sich also strenggenommen um eine neue Variante handelt. Auch im Fall der Kallias-Paraphrase ist schwer zu sagen, wie sie sich zu dem Originaltext des Autors verhält. Im Gegensatz zu der Stelle des Galitas und der im nächsten Abschnitt besprochenen Erzählung des Caltinus liegt uns hier lediglich ein Stammbaum und die Angabe der Gründung und Namengebung Roms vor, keine weiteren Handlungen oder Entwicklungen sind angedeutet. Da für den König Agathokles, dessen Geschichtsschreiber Kallias war, keine Beziehungen zu Rom überliefert sind, ist unbekannt, in welchem Zusammenhang innerhalb des Werks Rom und die Latiner behandelt wurden.28 Denkbare Kontexte sind jedoch Agathokles’ Auseinandersetzungen mit Karthago oder sein Ausgreifen nach Italien, da Karthago spätestens seit 348 mit Rom verbündet war und der Syrakuser selbst seit dem späten 4. Jahrhundert immer wieder Kriegszüge nach Unteritalien unternahm.29 In den wenigen wörtlichen Zitaten aus dem 22 Bücher langen Werk beschäftigt Kallias sich ausführlich mit den Vulkanen Siziliens und der Liparischen Inseln sowie dem mysteriösen libyschen Volk der Psylloi.30 Es ist also aufgrund seiner Schreibweise nicht undenkbar, dass er sich auch der Gründung Roms etwas ausführlicher als bei Dionysios paraphrasiert widmete.

25 26 27 28

29 30

Martínez-Pinna 1997a, 89 zur Forschungsgeschichte. Perret 1942, 404 f. wollte Τρωσὶν in Τρῳάσὶν verbessern, um die Erzählung mit der achäischen Schiffsbranderzählung zu verbinden. s. u. Kap. 3.4. s. o. Kap. 1.2. s. D. W. Roller, comm. ad BNJ 564 F 5a: es habe keine direkte Begegnung zwischen dem syrakusischen König und Rom gegeben, weshalb eine Behandlung Roms nicht einzuordnen sei. Allerdings überzeugt nicht, dass Kallias nur das erwähnt haben sollte, was in direktem Zusammenhang mit Agathokles stand. u. a. Diod. 21,8; Strab. 6,1,5; s. u. Kap. 3.6.2. Auch in einer Erwähnung des Schwiegersohnes Pyrrhus könnte Rom Erwähnung gefunden haben. Jener kam zwar erst nach Agathokles’ Tod, aber vielleicht vor der Fertigstellung der Geschichte des Kallias nach Italien; s. Humm 2010, 48. s. FGrHist/BNJ 564; 22 Bücher: T 2 = F 6 (= Diod. 21,16,5). Wörtliche Zitate: F 1. 4; ausführliche Wiedergabe: F 3.

Varianten und Überlieferung

89

3.1.4 Caltinus In seiner Aufzählung von Erklärungen für den Namen der Stadt Rom zitiert Festus neben Galitas auch die Erzählung eines ansonsten unbekannten Caltinus. Es ist kein Autor dieses Namens überliefert, der zudem weder aus literarischen noch aus epigraphischen Quellen als griechischer oder lateinischer Personenname bekannt ist.31 Aufgrund von Festus’ Bezeichnung des Caltinus als Geschichtsschreiber des Agathokles wurde der Autor in der Forschung mit Kallias gleichgesetzt, wobei sowohl der Autorname als auch der Inhalt des Textes im Laufe der Überlieferung verderbt seien.32 Caltinus, Agathoclis Siculi qui res gestas conscribsit, arbitratur e manu Troianorum fugientium Ilio capto, cuidam fuisse nomen Latino, eumque habuisse coniugem Rhomen, a qua, ut Italia sit potitus, urbem, quam , Romam appellavisse.33 Rhome

Latinus, ⚭ trojanischer Flüchtling, Herrscher über Italien

Rom

Abb. 14 Caltinus, Fest. 329 L

Anders als in allen übrigen Varianten handelt es sich bei diesem Latinus selbst um einen Flüchtling aus Troja, er nimmt also die Rolle des epischen Heros Aeneas ein. Vorfahren und Nachkommen werden nicht genannt. Wie bei Galitas gelangt Latinus in den Besitz Italiens – allerdings ohne Erwähnung des Aeneas. Er gründet selbst

31

32

33

Die Suche nach Καλτιν* bzw. Caltin* in TLG und PHI sowie LGPN ergibt keine Ergebnisse. Die Suche in EDCS ergibt einen Gentilnamen im umbrischen Mevania, der durch zwei Grabinschriften in umbrischer und lateinischer Sprache aus der Zeit zwischen 125 und 25 v. Chr. belegt ist (CIL XI 5088 = EDR159843; CIL XI 7939 = EDR158003). Daher von Jacoby unter Kallias (FGrHist 564) als F 5b eingeordnet. Scaliger 1575 korrigiert zu Callias Agathoclis; Jacoby ad loc. schlägt Callianus vor (wohl fehlerhaft für Callinus; die beiden halben Worte wären in der Überlieferung weggefallen und das zweite L zu einem T geworden). – U. a. Wiseman 1995 und zuletzt De Sanctis 2021 folgen der Gleichsetzung; dagegen Ampolo 2021, der die Unterschiede der Narrativen anerkennt. Fest. 329, 1–5 L, s. v. Roma = Kallias FGrHist 564 F 5b: „Caltinus, der die Taten des Agathokles von Sizilien zusammengeschrieben hat, glaubt, dass einer aus der Schar der trojanischen Flüchtlinge nach der Einnahme Ilions den Namen Latinus trug und eine Gattin mit Namen Rhome hatte, nach der er, sowie er die Herrschaft über Italien erlangt hatte, die Stadt, die er gegründet hatte, Roma genannt hat“ (Übers. EH). Eine minimalistische Übersetzung „sowie er Italien erreicht hatte“ wäre ebenfalls denkbar. Doch analog zu den Erzählungen des Galitas und des Kallias passt der (üblichere) Herrschaftsaspekt vom potitus besser als die einfache Angabe des Ziels der Reise.

90

Latinus, Sohn des Telemach, und Rhome

Rom und benennt die Stadt nach seiner Gattin Rhome, deren Identität nicht näher bestimmt wird (Abb. 14). Als trojanischer Flüchtling kann Latinus in dieser Version kein Sohn des Telemach und der Kirke sein. Sagenchronologisch ist es ebenfalls ausgeschlossen, dass Rhome wie bei *** im erweiterten Kommentar des Servius oder bei Kleinias eine Laertidin ist.34 Sollte auch hier, wie in den Versionen, in denen Rhome Trojanerin ist und Latinus für die Einheimischen steht, über das Mythologem eine Verbindung von Einheimischen und Trojanern zum Ausdruck gebracht werden, wäre Rhome ihrerseits als ‚Latinerin‘ zu betrachten.35 Zwar ist in dem Caltinus-Zeugnis die Abstammung der eponymen Figuren nicht enthalten, die Geschichte ist dafür verhältnismäßig ausführlich wiedergegeben. Dies spricht dagegen, dass wir es lediglich mit einer verderbten Version des Kallias zu tun haben. Vielmehr scheint eine eigenständige Erzählung vorzuliegen, die mit dem Namen Caltinus verbunden wurde. Dem Erzähler war die trojanische Herkunft der Latiner offenbar bekannt, und so kreierte er – analog zur Trojanerin mit dem Namen der Stadt – eine eigene Version, in der der trojanische Flüchtling zum ethnischen Eponym wurde. 3.1.5 Kleinias und *** bei Serv. auct. Aen. 1,273 Der Interpolator zu Servius gibt die Version eines ansonsten unbekannten Kleinias36 wieder: Clinias refert Telemachi filiam Romen nomine Aeneae nuptam fuisse, ex cuius vocabulo Romam appellatam.37

Der Autor berichtet davon, dass R(h)ome die Tochter des Telemach sei und Aeneas geheiratet habe. Nach ihr sei die Stadt benannt worden. Dieser Stammbaum gibt nur den Vater der eponymen Rhome an, doch, wie bei Plut. Rom. 2,3 liegt auch hier die Ergänzung der Kirke als Mutter nahe (Abb. 15a. b).

34 35 36

37

s. Kap. 2.2.3; 3.1.5. s. u. S. 141 zur Möglichkeit, dass es sich bei Rhome auch wie üblich um eine Trojanerin handeln könnte, falls hier eine Fortsetzung der Schiffsbrandgeschichte vorliegt. Von dem Autor ist nur dieses Fragment erhalten, s. S. Northwood, comm. ad BNJ 819 F 1. Zur Autorfrage s. u. Nicht ausgeschlossen werden kann, dass es sich hierbei um den Pythagoräer und Zeitgenossen Platons aus Tarent handelt, jedoch auch nicht positiv belegt, s. Northwood, Biographical Essay ad BNJ 819. Dies würde in das frühe bis mittlere 4. Jh. führen. – Zuletzt D. Miano, BNJ2 819. Kleinias, FGrHist 819 F 1 = Serv. auct. Aen. 1,273: „Klinias berichtet, dass die Tochter des Telemachos mit Namen Rome mit Aeneas verheiratet gewesen sei, aus ihrem Namen sei Rom benannt worden“ (Übers. U. Schmitzer 2014).

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Varianten und Überlieferung Telemach



Telemach

Mutter

Rhome



Aeneas Rom

Abb. 15a Kleinias, Serv. auct. Aen. 1,273

Latinus ?



Kirke ?

Rhome



Aeneas Rom

Abb. 15b Kleinias, Ergänzungsvorschlag

Eine Parallele für die Abstammung der Rhome von einem Laertiden findet sich in dem bei Servius direkt an diese Stelle anschließenden Odysseusstammbaum mit verlorener Autorenangabe (***), wo Rhome und Latinus als Kinder von Odysseus und Kirke bezeichnet werden.38 Latinus selbst wird bei Kleinias nicht erwähnt. Er könnte allerdings wie bei *** als Bruder der Rhome und somit als Sohn von Telemach und der ergänzten Kirke wie bei Galitas und Plut. Rom. 2,3 angenommen werden.39 Entsprechend dem (außer in der Variante des Caltinus) die Einheimischen repräsentierenden Latinus ist Rhome in beiden Fällen als ‚Latinerin avant la lettre‘ anzusehen. Die parallelen Zeugnisse zeigen, dass der Vater ausgetauscht werden kann, solange es sich um einen der Laertiden handelt. Die bisher stets angetroffene Verbindung zwischen Trojanern und Einheimischen ist bei Kleinias mit der Eheschließung der einheimischen Rhome mit Aeneas umgesetzt40 und ist somit mit der Ehe zwischen der einheimischen Rhome und dem trojanischen Latinus bei Caltinus zu vergleichen. Sagenchronologisch scheint die Ehe zwischen der Odysseusenkelin Rhome und dem Trojakämpfer Aeneas allerdings ausgeschlossen. Dies deutet auf eine kompilierende oder noch nicht systematisierte Version zwischen Telegonie und trojanischer Tradition hin. Der Gründer Roms ist in der Kleinias-Version nicht namentlich bezeichnet. Für Aeneas spricht, dass keine weitere (männliche) Person genannt ist und er als Gatte der Rhome die Rolle des Latinus in den anderen Erzählungen einnimmt. Schließlich hat er die Rolle des Gründers und Namengebers sowohl bei Hellanikos für Rom als auch in der Vulgata für Lavinium.41 Es wäre somit eine von vermutlich vier Versionen außer Hellanikos, Plut. Rom. 2,1 und Sallust, in der Aeneas als Gründer Roms in Erscheinung tritt.

38 39

Serv. auct. Aen. 1,273, s. o. Kap. 2.2.3 mit Abb. 4. So ergänzt bereits K. O. Müller ad Fest. s. v. Roma (da er wie A. Dacier Kleinias mit Galitas gleichsetzt) sowohl den Bruder Latinus als auch Romulus und Romus als Söhne von Rhome und Aeneas, der wiederum nach seinem Tod dem Latinus die Herrschaft vererbt hätte. 40 Vgl. die Ehe zwischen Rhome und Aeneas in Plut. Rom. 2,1 (Rhome Tochter des Telephos), s. u. S. 219 f. 41 s. u. Kap. 3.3.

92

Latinus, Sohn des Telemach, und Rhome

In der Erzählung des *** mit der hesiodeischen Abstammung des Latinus und der Rhome von Kirke und Odysseus42 kommt noch das Detail des Todes der Rhome hinzu, wonach die Stadt ihr zur Erinnerung Rom genannt wurde. Wir greifen hier die Spur einer narrativen Ausgestaltung, bei der das verbreitete Motiv eines nach einer dort verstorbenen Person benannten Ortes gewählt wurde.43 3.1.6 Zusammenfassung Trotz der Unterschiede und Lücken in den einzelnen Versionen wird meist angenommen, dass es sich bei Galitas und Caltinus sowie dem anonymen Autor bei Plutarch um ein und denselben Autor handelt, der mit Kallias aus Syrakus identifiziert wird.44 Die Varianten werden somit meist nicht als eigene Beiträge zum Ursprungsdiskurs gewertet, sondern als fehlerhafte Wiedergaben des aus der Zeit um 300 v. Chr. stammenden Kalliastextes. Erst in letzter Zeit wurden auch andere Ansichten geäußert.45 Für die Identifizierung des Caltinus mit Kallias spricht, dass beide als Geschichtsschreiber des Agathokles bezeichnet werden. Galitas wird dagegen eher als eigenständige Person betrachtet, obwohl seine Genealogie mehr mit der des Kallias übereinstimmt als die des Caltinus.46 Da die für Caltinus überlieferte Version mit Latinus als Trojaner am stärksten von der des Kallias abweicht, ist sie jedoch als eine eigene Variante anzusehen.47 Zudem schließt bereits die Tatsache, dass Festus Galitas und Caltinus als zwei Autoren anführt, eine komplette Identifizierung beider mit Kallias aus. Die Version des Galitas und die anonyme bei Plutarch sind auf den ersten Blick mit Kallias zu vereinbaren. Dadurch ließe sich die Kallias-Paraphrase bei Dionysios von Halikarnassos um die Eltern des Latinos ergänzen und diesen so in den Genealogiestrang der Kirke-Odysseus-Nachkommen integrieren. Die anonyme Stelle bei Plutarch scheint diesem Vorgehen Recht zu geben, zudem ist das Argument, dass der dritte

42

Rosenberg 1914, 1079, verortete diese Tradition im 5. Jh., nach Martínez-Pinna 2005, 70 Anm. 37 ist sie jünger, wobei er sich auf kein Datum festlegt. 43 Zum Beispiel Misenum, Caieta, Tiberinus und Aventinus. 44 Diskussion ausführlich in Martínez-Pinna 1997a, 88 f.; zuvor Wiseman 1995, 52 f. mit Anm. 60. 45 So spricht sich S. Northwood gegen eine Gleichsetzung von Kleinias und Galitas mit Kallias aus, s. comm. ad BNJ 818 F 1; s. ders., comm. ad BNJ 819 F 1; zuletzt gegen eine Gleichsetzung Ampolo 2021, 56. 46 s. zuletzt D. W. Roller, comm. ad BNJ 564 F 5b. – Briquel 1998/1999, 240 führt die Unterschiede auf eine Zwischenquelle zurück. 47 Dass Caltinus mit Agathokles verbunden wird, ist auf eine Verwechslung zurückzuführen. Das ist leichter zu erklären als die Schwierigkeit, einen trojanischen Latinus mit der Genealogie bei Kallias/Galitas zu vereinbaren.

Varianten und Überlieferung

93

Sohn bei Kallias, Telegonos, einen Hinweis auf die Abstammung von Kirke darstellt,48 überzeugend. Es ist also im Folgenden die Vereinbarkeit der Abstammung von Odysseus und der Angabe der Herrschaft über die Aborigines zu untersuchen. Der Historiograph Kallias schrieb 50 bis 60 Jahre nach dem Latinerkrieg. Meist wird seine Version mit diesem letzten Aufbegehren der Latiner gegen das mächtige Rom in Verbindung gebracht. Die Eigenständigkeit der Latiner könnte in den griechischen Ursprüngen und der Präsenz des Telegonos gegenüber der trojanischen Herkunft der Römer reflektiert sein. Freilich ist das trojanische Element auch bei Kallias recht stark. Die bei Kallias repräsentierte Version setzt zudem die Linie fort, die in der Variante des Hellanikos vorliegt. In dieser ist von Aeneas und der Brandstifterin Rhome, entsprechend den zwei Plutarchstellen die Mutter der Gattin des Latinus mit demselben Namen, die Rede. Es zeichnet sich also ab, dass die bisherige Interpretation der Fragmente als Resultat einer verderbten Überlieferung einer relativ unbedeutenden Erzählung zu kurz greift. Stattdessen offenbart sich eine Vielfalt an Motiven und Konstellationen (Tab. 1).49 In diesem Zusammenhang ist zentral, welches Verhältnis zwischen Rom und Latium in den Geschichten ausgedrückt ist. So könnte beispielsweise die Heirat zwischen Latinus und Rhome eine Verbindung zwischen Rom und Latium auf Augenhöhe signalisieren. Der historische Zeitpunkt für die Entstehung dieser Version müsste also entsprechend gesucht werden, zum Beispiel im Latinerkrieg. Außerdem spielt die Gründung Roms, die in unterschiedlichen sagenchronologischen Momenten stattfindet, eine wesentliche Rolle. Dies ist ein Indiz für ein deutliches Hervortreten Roms in dieser Gruppe. Dabei stellen wir fest, dass in dieser und vergleichbaren Versionen durchweg ein Überschuss an Figuren namens R(h)om* herrscht. Es handelt sich jeweils um unterschiedliche, verdoppelte, namensgleiche Gestalten.50 Ferner ist die Beziehung zwischen Trojanern und Einheimischen zu beachten: ‚Einheimische‘ (d. h. der ethnische Eponym und an seiner Stelle bzw. zusätzlich zu ihm Rhome) stammen von Telemach (bzw. Odysseus) und Kirke ab. Die in der Vulgata vorzufindende und sinnstiftende Verbindung zwischen Indigenen und Trojanern ist in dieser Variante schon vorgeprägt, aber auch griechische Wurzeln spielen in einigen Varianten eine Rolle.

48 49 50

Deutung bei Martínez-Pinna 1997a, 88 gegen eine Interpretation als Hinweis auf die Eingemeindung Tusculums durch Rom wie z. B. bei Wiseman 1995, 53 (nach Mommsen). s. als Ergebnis der Untersuchung Kap. 3.7 mit Abb. 21 (S. 198). Vgl. Latinus und Latinus Silvius in der Vulgata.

-/Trojaner

Caltinus

Odysseus und Kirke

Italien

König über

-/-

-/-

Italien

Rhomos, Aborigines Rhomylos, bzw. Italien Telegonos

Gattin des Latinus -/-

Trojanerin, Gattin

Schwester des Latinus

-/Aborigines

Kallias

Tochter von Romulus Trojanerin (Schiffsbrand?), Gattin des Latinus

*** bei Serv. auct.

Telemach

Anon. bei Plut.

Söhne

Gattin des Latinus Rhomus, Romulus

Tochter Telemachs, Gattin des Aeneas

Telemach und Kirke

Galitas

Rhome

(Kleinias: Telemach, ohne Latinus) Vater der Rhome

Eltern, Herkunft

Autor

Latinus gründet Rom

Aeneas (?) gründet Rom

Latinus gründet Rom

Söhne gründen Rom

Rhomylos gründet Rom

Stadt auf Palatin (sc. Rom); Latinus?

Gründung

Tab. 1 Übersicht über die Telemach-Rhome-Gruppe

L. gründet Rom nach Rhomes Tod

Name der Stadt nach Rhome

troj. Flüchtl., erobert Italien, Stadtgründung

L. heiratet, hat Söhne, die die Stadt gründen

L. heiratet Rhome, Sohn

Herrschaftsübernahme von Aeneas, Heirat, Söhne, Stadtgründung

wie Hesiod, Generation nach Nostos

Rhome: * nach J 20 n. TK, Aeneas: NostosGeneration

Nostos-Generation

Rhome: NostosGeneration, Stadtgründung: 1 Generation später

Rhome: * nach J 1 n. TK (je nach Identität der Mutter) Latinus: * nach J 20 n. TK

Latinus: * nach J(ahr) 20 n. T(rojan.) K(rieg) Rhome: ?

Narration/Kontext Sagenchronologie

94 Latinus, Sohn des Telemach, und Rhome

Die Tradition der Telegonie und die Laertiden im Tyrrhenischen Italien

95

3.2 Die Tradition der Telegonie und die Laertiden im Tyrrhenischen Italien In drei der Erzählungen der Latinus-Rhome-Gruppe wird Telemach als Vater des Latinus bzw. der Rhome bezeichnet. Während Odysseus und Kirke (und damit auch Latinus) in der Welt Hesiods verankert sind, führt das Paar Telemach und Kirke zu einem anderen archaischen Epos. In der Inhaltsangabe der Telegonie bei dem Mythographen Hyginus erscheint Latinus als Sohn von Telemach und Kirke.51 Im Folgenden ist den Spuren der Telegonie in der Mythographie zu Rom, Latium und Etrurien nachzugehen. Die Telegonie des Eugammon von Kyrene, das letzte der nachhomerischen Kyklischen Epen, stammt aus der Mitte des 6. Jahrhunderts v. Chr.52 Es ist wahrscheinlich, dass der Dichter seinerseits auf ältere Traditionen im Rahmen des epischen Kyklos zurückgreift.53 Die Telegonie schließt inhaltlich an die Handlung der Odyssee an und hat die erneuten Reisen des Odysseus nach seiner Rückkehr nach Ithaka und schließlich seinen Tod zum Inhalt, mit dem, so Photios, der epische Kyklos, der mit der Hochzeit von Uranos und Gaia begonnen habe, sein Ende fand.54 Tragischer Höhepunkt der Telegonie ist der unbeabsichtigte Tod des Helden Odysseus durch die Hand seines Sohnes, in dem sich vermeintlich die Prophezeiung des Teiresias über Odysseus’ Tod erfüllt.55 Auf Geheiß seiner Mutter sucht Telegonos seinen Vater Odysseus, doch als er ihm letztlich auf Ithaka begegnet, tötet er ihn unabsichtlich, bevor es zum Kennenlernen kommen kann. Nach der Erkenntnis und dem – insbesondere in der Sophoklestragödie Odysseus Akanthoplex dargestellten56 – großen Jammer über das Schicksal bringen Telegonos und Telemach den Leichnam des Vaters zur Bestattung auf die In51 52

Hyg. fab. 127. Zu den Kyklischen Epen Reichel 2011, 68–71; M. Hirschberger, Kyklische Epen, in: Zimmermann 2011, 149–155; West 2003 (Ed.); West 2013 (Komm.); Davies 1988 (Ed.); Davies 22003 (Komm.); Debiasi 2004; zur Telegonie: Debiasi 2004; Tsagalis 2008, Kap. 4. – Angabe der Blütezeit des Eugammon bei Eus. chron. Ol. 53/2 (567/566 v. Chr.). 53 Zur Ausarbeitung der Kyklischen Epen, zur Tradition des Stoffs sowie zu „Trojan War material“ allgemein in der frühgriechischen Dichtung Danek 1998, 456; Burgess 2001, 35. 172 f.; Tsagalis 2008, 63–68. Gegen die ‚Erfindung‘ des Telegonos durch Eugammon wird u. a. von Debiasi 2004, 251 die Notiz herangezogen, der Spartaner Kinaithion aus dem 8. Jh. habe eine Telegonie verfasst: Eus. chron. Ol. 4/1 (764/763 v. Chr.). Diese dürfte also in Kyrene, der Gründung Spartas, bereits früh bekannt gewesen sein. Da Kinaithion allerdings mehr für Genealogien bekannt sei, muss man wohl wie bereits Scaliger Telegoniam in Genealogias konjizieren, s. Bernabé 1996, 100 fr. 2; West 2003, 250 f.; West 2013, 38; Tsagalis 2017, 186 f. 54 Phot. bibl. 319a, 22–30 in der Zusammenfassung der Chrestomathie des Proklos. 55 Hom. Od. 11,119–137; 134: ἐξ ἁλός; 23,264–287: Der Tod würde „aus dem Meer“ kommen, in der Telegonie geschieht das über einen Rochenstachel, den Telegonos als tödlichen Speer verwendet, s. u. – Tsagalis 2008, Kap. 4 zum intertextuellen Verhältnis zwischen der Prophezeiung in der Odyssee und der Thesprotis-Telegonie-Tradition. – Bei Aischylos wird auf den unwissenden Sohn als Protagonist verzichtet, der Stachel hätte Odysseus durch einen Reiher getroffen (Psychagogoi, TrGF III fr. 274 Radt). 56 Soph. Odysseus Akanthoplex, TrGF IV, fr. 453–461 Radt.

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Latinus, Sohn des Telemach, und Rhome

sel der Kirke. Es folgt ein ‚Happy End‘:57 Telegonos heiratet die Witwe Penelope, Telemach nimmt Kirke zur Frau.58 Die Darstellung bei Apollodoros endet mit der Entrückung des Telegonos und der Penelope auf die Insel der Seligen, Proklos gibt an, dass Kirke sie unsterblich gemacht habe. Hyginus zufolge gehen schließlich aus den beiden Eheverbindungen die Söhne Latinus und Italus hervor (Abb. 16): Circe et Telemacho natus est Latinus, qui ex suo nomine Latinae linguae nomen interposuit; ex Penelope et Telegono natus est Italus, qui Italiam ex suo nomine denominavit.59 Penelope

Kirke



⚭ Telemach

Odysseus



⚭ Telegonos

Latinus

Kirke



Penelope

Italus

Abb. 16 Stammbaum in der Telegonie, kursiv: nur bei Hyginus überliefert

57 Davies 22003, 90: „This is a second-rate Greek epic’s equivalent of ‚they lived happily ever after‘.“ 58 Prokl. chres. 306 Severyns (ed. A. Bernabé 1996, 102 arg. 1): […] κἀν τούτῳ Τηλέγονος ἐπὶ ζήτησιν τοῦ πατρὸς πλέων ἀποβὰς εἰς τὴν Ἰθάκην τέμνει τὴν νῆσον· ἐκβοηθήσας δ’ Ὀδυσσεὺς ὑπὸ τοῦ παιδὸς ἀναιρεῖται κατ’ ἄγνοιαν. Τηλέγονος δ’ ἐπιγνοὺς τὴν ἁμαρτίαν τό τε τοῦ πατρὸς σῶμα καὶ τὸν Τηλέμαχον καὶ τὴν Πηνελόπην πρὸς τὴν μητέρα μεθίστησιν· ἡ δὲ αὐτοὺς ἀθανάτους ποιεῖ, καὶ συνοικεῖ τῇ μὲν Πηνελόπῃ Τηλέγονος, Κίρκῃ δὲ Τηλέμαχος; Apollod. epit. 7,37: ἀναγνωρισάμενος δὲ αὐτὸν καὶ πολλὰ κατοδυράμενος, τὸν νεκρὸν καὶ τὴν Πηνελόπην πρὸς Κίρκην ἄγει, κἀκεῖ τὴν Πηνελόπην γαμεῖ. Κίρκη δὲ ἑκατέρους αὐτοὺς εἰς Μακάρων νήσους ἀποστέλλει. „Als er ihn aber erkannt und sehr betrauert hatte, führte er den Toten und Penelope zu Kirke und heiratete dort Penelope. Kirke aber sandte sie beide zu den Inseln der Seligen“ (Übers. K. Brodersen); Hyg. fab. 127: Ulixes a Telegono filio est interfectus, quod ei responsum fuerat, ut a filio caveret mortem. Quem postquam cognovit, qui esset, iussu Minervae cum Telemacho et Penelope in patriam redierunt, in insulam Aeaeam; ad Circen Ulixem mortuum deportaverunt ibique sepolturae tradiderunt. Eiusdem Minervae monitu Telegonus Penelopen, Telemachus Circen duxerunt uxores. „Odysseus wurde von seinem Sohn Telegonos erschlagen. Von einem Orakel war ihm gesagt worden, er solle sich vor dem Tod durch seinen Sohn in acht nehmen. Als Telegonos erkannt hatte, wen er erschlagen hatte, kehrte er auf Befehl der Athene zusammen mit Telemach und Penelope in seine Heimat zurück, auf die Insel Aiaia. Sie brachten den toten Odysseus zu Kirke und ließen ihn dort bestatten. Ebenfalls auf Weisung der Athene heiratete Telegonos Penelope und Telemach Kirke“ (Übers. F. P. Waiblinger); Eust. Od. 16,118 (II, 117, 18–20): ὁ δὲ τοὺς νόστους ποιήσας Κολοφώνιος Τηλέμαχον μέν φησι τὴν Κίρκην ὕστερον γῆμαι, Τηλέγονον δὲ τὸν ἐκ Κίρκης ἀντιγῆμαι Πηνελόπην (mit fehlerhafter Angabe der Nostoi, deren Dichter Eustathios mit Kolophon verbindet, statt der Telegonie, s. fr. 8 und 2 Bethe [1922, 184. 188]; fr. 6 ed. West mit comm. [2003, 170 f.]; West 2013, 300). 59 Hyg. fab. 127: „Von Kirke und Telemach stammt Latinus ab, der der lateinischen Sprache ihren Namen gab. Von Penelope und Telegonos stammt Italus ab, der Italien nach seinem Namen benannte“ (Übers. F. P. Waiblinger).

Die Tradition der Telegonie und die Laertiden im Tyrrhenischen Italien

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Von der Telegonie sind außer wenigen Fragmenten nur die in der Chrestomathie des Proklos aus dem 2. Jahrhundert n. Chr. überlieferte, wohl alexandrinische Inhaltsangabe sowie spätere Nacherzählungen, insbesondere in den Mythensammlungen des Apollodoros und des Hyginus, erhalten.60 Darüber hinaus gab es Bearbeitungen und Weiterentwicklungen des Stoffes, so in Tragödien des Sophokles und in dessen Gefolge des Pacuvius, bei Lykophron und in der Kaiserzeit in der Ephemeris belli Troiani des Diktys von Kreta.61 Gerade Odysseus’ außergewöhnlicher Tod durch einen Rochenstachel sorgte für anhaltende Faszination in der gesamten Antike.62 3.2.1 Latinus und Italus In der Forschung herrscht Übereinstimmung darüber, dass die Inhaltsangaben des Proklos und des Apollodoros den Inhalt der Telegonie des Eugammon wiedergeben, wobei die Darstellung der Kyklischen Epen bei beiden wohl nicht immer ganz zuverlässig ist. Dagegen ist umstritten, ob Hyginus, von dem man annimmt, dass er der Tradition der Odysseus-Tragödien von Sophokles und Pacuvius folgt, mit den Söhnen der beiden Paare den Inhalt der Telegonie wiedergibt oder ob es sich um spätere Zusätze zum epischen Stoff handelt. Wie Wiseman betrachten zuletzt Guidorizzi und Debiasi diese Nachkommen der beiden Paare bereits als Teil der Telegonie des Eugammon,63 andere halten eine Kreation durch Hyginus selbst für wahrscheinlicher.64 Einer Lösung kommt man vielleicht näher, wenn man überlegt, welche die einfluss­ reichere Geschichte gewesen sein dürfte und eher als Ausgangspunkt für eine weitergehende Mythopoiesis dienen konnte. Dies kann nur der kyklische Telegonos-Stoff gewesen sein. Hier finden sich die Motive der Anwesenheit Telemachs in Italien bei Kirke und ihrer ehelichen Verbindung, an die sich die Latinus-Geschichten anlehnen konnten. Die reizvolle epische Behandlung des Stoffes, die zur vielfachen Wiederauf-

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Prokl. chres. 306 Severyns = arg. 1 Bernabé; Apollod. epit. 7,16. 34–37; Hyg. fab. 125,10. 127 (Zitate s. o. Anm. 58). 61 Soph. Odysseus Akanthoplex, TrGF IV, fr. 453–461 Radt; Pacuvius, Niptra, fr. 190–202 Schierl (= Cic. Tusc. 2,48–50); Lykophr. Alex. 795–798. 805–811 sowie eine Tragödie mit dem Titel Telegonos desselben Dichters; Dikt. Cret. FGrHist 49 F 10 = Malal. 5,21. 62 Lykophr. Alex. 795–798; Schol. vulg. Hom. Od. 11,134 (II, 487, 23 Dind.); Schol. Aristoph. Plut. 303. – In späteren Varianten wird berichtet, wie Kirke ihrem Sohn den Speer mit auf den Weg gibt, und die Waffe selbst mit weiteren Besonderheiten ausgestattet. Bei einigen späten Autoren hieß es sogar, der Stachel stamme von einem von dem Meergott Phorkys getöteten Stachelrochen und die Wunderwaffe sei auf Kirkes Bitte hin kunstvoll von Hephaistos hergestellt worden: Ael. Herod. Peri odysseiakes prosodias III.2, 150, 23–25 = Schol. Od. Hom. 11,134; Eust. Hom. Od. 11,133 (I, 404, 25–31). – Bei Diktys (FGrHist 49 F 10, 8 f.) handelt es sich schließlich um ein Geschenk des Odysseus für Kirke, das dem Sohn als Erkennungszeichen dienen sollte. 63 Wiseman 1995, 49 f.; Guidorizzi comm. ad Hyg. fab. 127; Debiasi 2004, 264 f. mit Lit. 64 Martínez-Pinna 2004b, 30 mit Anm. 62; Schierl, comm. ad Niptram.

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nahme in griechischen und lateinischen Werken unterschiedlicher Gattungen einlud, konnte zu einer Revision der hesiodeischen Latinusabstammung bewegen. Terminus ante bzw. ad quem der Kreation des Telemachsohnes sind die Erzählungen des Galitas, des Kleinias (wenn wir dort Latinus ergänzen dürfen) und der anonymen Quelle des Plutarch, in denen allerdings bis auf die Abstammung von Telemach und Kirke eine deutlich andere Geschichte erzählt wird als bei Eugammon, während in der Kallias-Paraphrase die odysseische Abstammung des Latinos bereits weggefallen ist. Es ist also ein längerer Entwicklungsprozess zwischen der Telegonie und den hier untersuchten Erzählungen und folglich ein eher früher Zeitpunkt für die Verbindung von Telemach und Latinos anzunehmen. Wenn diese Erzählungen die Kreation eines Telemachsohnes im Telegonie-Kontext voraussetzen, sind alle hellenistischen und späteren Bearbeiter inkl. Hyginus selbst als Urheber auszuschließen. Lykophron, der als jüngerer Zeitgenosse des Kallias in chronologischer Nähe zu unserer Gruppe steht65 und ebenfalls Anleihen an den Telegonie-Stoff macht, erzählt eine ganz aparte Geschichte, in der Latinus und Italus genealogisch keinen Platz haben. Damit bleibt von den Autoren, die sich bekanntermaßen dem Tod des Odysseus durch Telegonos gewidmet haben, nur Sophokles, dessen athenische Zeitgenossen allerdings zumindest über Italos andere Geschichten erzählten.66 Als Schöpfer des Telemachsohnes ist also Eugammon selbst oder ein unbekannter Sänger zwischen ihm und Sophokles am plausibelsten. Dass bereits der Dichter aus Kyrene nicht nur die mythhistorische Geschichte, sondern auch Zeitgenössisches im Blick hatte, zeigt sich in der (in narrativer Hinsicht wohl funktionslosen) Hinzufügung eines zweiten Sohnes von Penelope und Odysseus, Arkesilaos, zu Ehren des Königs von Kyrene, Arkesilaos II.67 Es ist also denkbar, dass er mit Latinos auch die eponyme, auf historische Verhältnisse verweisende Figur aus der hesiodeischen Kirke-Familie übernommen hat. Gegen einen Latinos bereits bei Eugammon spricht nicht das Zeugnis des Apollodoros, der Latinos an anderer Stelle als seiner Telegonie-Paraphrase als Sohn der Kalypso bezeichnet.68 Entweder ist sie ebenso wie die Angabe des Eustathios, dass

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Zur Datierung Lykophrons s. o. S. 31 Anm. 90. Italos ist bei den athenischen bzw. im Athen des 5. Jh.s wirkenden Autoren Thukydides und Hellanikos vielmehr in unterschiedlichen Varianten mit den Oinotroi und Sikeloi verbunden, s. u. Anm. 76 und 78; S. 123 Anm. 177. – s. auch die Behandlung Roms durch Hellanikos, in der wiederum eine neue Variante der Fortsetzung der Odyssee erzählt wird, Kap. 3.3. 67 Eust. Hom. Od. 16,118 (II, 117, 15–17): Ὁ δὲ τὴν τηλεγόνειαν [sic!] γράψας Κυρηναῖος ἐκ μὲν Καλυψοῦς Τηλέγονον υἱὸν Ὀδυσσεῖ ἀναγράφει ἢ Τηλέδαμον· ἐκ δὲ Πηνελόπης Τηλέμαχον καὶ Ἀρκεσίλαον. – Tsagalis 2008, 68 wertet Arkesilaos als Zeichen für ein hohes Alter der ‚cyclic Telegony‘ (ohne sie auf Kinaithion zurückzuführen, s. o. S. 95 Anm. 53); Burgess 2001, 11: Terminus post quem: Gründung Kyrenes (630 v. Chr.); Penelopes Sohn als Vorfahr der Battiaden; 153: „It is certainly possible that Cyclic poems added invented details to traditional myth, especially if the poems served to connect local traditions to long-standing traditions (as in the case of the Telegony).“ 68 Apollod. epit. 7,24.

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Telegonos in der Telegonie ein Sohn der Kalypso sei, als Fehler einzuschätzen oder mit einer anderen Quelle als der Inhaltsangabe des Epos zu erklären, da die Erwähnung des Latinos bereits im Kontext der Odyssee, nicht der Telegonie erfolgt.69 Immerhin ist Latinus auch hier im Odysseus-Kontext genannt, was bedeutet, dass der Gedanke, Latinus zu den italischen Söhnen des Odysseus zu zählen, für Apollodoros oder seine Quelle nahe lag.70 Auf ähnliche Weise erwähnt Hyginus wohl ‚fehlerhaft‘ mit Nausithoos außer Telegonos einen weiteren, sonst unbekannten Sohn von Kirke und Odysseus, der den Namen des Sohnes der Kalypso bei Hesiod trägt.71 Nicht nur das chronologische Argument, dass die Abstammung des Latinus von Telemach auf einen Autor vor Kallias zurückgehen muss, spricht gegen eine Erfindung durch Hyginus, unabhängig davon, ob es sich hier um den bekannten augusteischen oder einen späteren Gelehrten handelt.72 Es ist wahrscheinlicher, dass Hyginus einer episch begründeten Tradition – die sich über die Jahrhunderte hinweg in der mythographischen Überlieferung der Telegonie erhalten hat – folgt, als dass er ein Motiv aus in seiner Zeit obsoleten Genealogien übernimmt und seinerseits in das Telegonie-Referat integriert. Entscheidend ist dabei, dass die Abstammung des Latinus von den Laertiden mit der Vulgata unvereinbar ist, wo er Sohn des Faunus ist. Für den Bibliothekar des Augustus wäre eine solche Version gänzlich unvorstellbar, da die Vulgata ja gerade unter Augustus ihre Blüte und Kanonisierung erfährt, aber auch für einen Autor des 1. und 2. Jahrhunderts n. Chr. wäre sie außergewöhnlich.73 Als Hinzufügung des Hyginus können dagegen die aitiologischen Erklärungen betrachtet werden, nach denen Latinus der Sprache und Italus dem Land den Namen gegeben habe. Es handelt sich um einen der seltenen Momente, an denen Hyginus seine lateinischen Leser anspricht, für die die Herkunft der lateinischen Sprache von

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Eust. Hom. Od. 16,118 (s. Anm. 67). Auch Auson wurde wahlweise Kalypso oder Kirke als Mutter zugeschrieben, s. o. S. 59 Anm. 128 und u. S. 228. Hyg. fab. 125,10: ipsa com eodem concubit, ex quo filios duos procreavit, Nausithoum et Telegonum. Die Identität des Mythographen Hyginus und somit auch seine Datierung sind unklar. Sicher ist nur eine Entstehung der Fabulae vor der griechischen Übersetzung aus dem Jahr 207 n. Chr. Ob von demselben Autor auch die Schrift De Astronomia stammt, ist ebenso unbekannt. Bisher wurde seine Identität mit dem augusteischen Bibliothekar auf dem Palatin, für den De situ urbium Italicarum mit Gründungsgeschichten und De familiis troianis überliefert sind, meist ausgeschlossen, zuletzt sprach sich J.-Y. Boriaud in der Einführung zu seiner Edition (1997, vii–xiii) für diese Möglichkeit aus, s. auch Smith 2018 und FRHist 63. Bei dem Mythographen wird die Handlung der Aeneis selbst nicht wiedergegeben, während einige der Fragmente des Bibliothekars eine philologische Auseinandersetzung mit Vergil bezeugen. So findet sich in fr. 7 Funaioli eine Betrachtung der Verwendung von Ortsnamen in der Aeneis. Auf einen nicht näher bestimmten Hyginus geht schließlich die Beobachtung bei Serv. Aen. 7,47 (= fr. 10 Funaioli, s. o. S. 11) zurück, dass es mehrere Figuren namens Latinus gegeben haben müsse, da die Angaben über seine sagenchronologische und genealogische Verortung sich widersprechen: sed quia temporum ratio non procedit, illud accipiendum est Hygini, qui ait Latinos plures fuisse, ut intellegamus poetam abuti, ut solet, nominum similitudine.

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größerer Bedeutung war als die der Latiner bzw. die Namengebung der Apenninenhalbinsel besonderes Interesse wecken dürfte.74 Im ursprünglichen griechischen Kontext hatten die beiden Figuren zwar ebenfalls eine eponyme Funktion, doch ist hier nicht an die Sprache Roms und das augusteische Italien,75 sondern an die Völker der Latinoi und der Italoí zu denken. Letztere wurden dabei ihrerseits wahrscheinlich ebenso wie ihr Eponym konstruiert, um einen existierenden Landschaftsnamen Italía zu erklären.76 Eugammon und sein Publikum dachten also an die Eponyme zweier nichtgriechischer Völker im Westen, für die – wie bereits in der Theogonie – eine Abstammung von Odysseus und Kirke konstruiert wurde. Die mythische Verwandtschaft von Latinos und Italos bedeutet dabei vermutlich lediglich, dass beide für nichtgriechische Völker bzw. (ursprünglich) von Nichtgriechen bewohnte Gegenden stehen, es sind nicht zwingend engere politisch-kulturelle Beziehungen zwischen Latinoi und den Bewohnern der Italía für eine solche Erfindung durch einen Kyrener vorauszusetzen.77 Während Latinos und die Tyrrhener bereits in 74

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Laut Boriaud und Schierl handele es sich bei der „Orientierung an einer römischen Leserschaft“ um einen zentralen Aspekt der Fabulae (Schierl comm. ad Niptram, 2006, 391), um eine „préoccupation essentielle qui sous-tend l’œuvre entière, celle de présenter le mythe grec, à la lumière de sa relecture latine“ (Boriaud in Einführung zur Hyginus-Edition, 1997, xxvii), weshalb Schierl die Genealogie des Latinus und des Italus insgesamt für eine Ergänzung des Hyginus hält. Allerdings sind diese Zusätze m. E. sehr selten – die wenigen Beispiele: fab. 80,5 (Castor und Pollux); 255,2 (Tullia Romanorum); 256,2 (Romanorum Lucretia); 261 (Orestes und Aricia); 274,21 (tyrrhenische Tuba im römischen Totenritual, tuba Tyrrhenum melos dicitur) – und finden sich gerade nicht im Kontext der latinischen Ursprünge. Zur Ausweitung des Italien-Begriffs von der Gegend an der südwestlichen Spitze des Stiefels bis zum Po und schließlich zu den Alpen s. u. a. N. Luraghi, comm. ad Antioch. BNJ 555 F 2; Dench 1995; Simon 2011; zur Mission der Herrschaft bzw. Hegemonie der Römer über Italien als Kontext der hier diskutierten Versionen s. u. Kap. 3.6.2. Die Figur des Italos zeigt, wie sehr geographische Namen mit Völkern und somit ihren Namengebern erklärt wurden. Die Italoí werden in der Forschung daher bisweilen als ‚ghost people‘ bezeichnet, d. h. ihre Rolle in der Mythhistorie ist rein funktional, sie stammen nicht von einer historischen ethnischen ‚Realität‘, s. N. Luraghi, comm. ad Antioch. BNJ 555 F 2 mit Lit.: „We might speculate that he, following a logic made explicit by Herodotos (2.17.1), preferred to derive regional names from ethnic names rather than the other way around, and accordingly created a people called Italoi in order to explain the name Italia. […] At any rate, the Italoi appear to be a mere creation of the logical necessity of the origines gentium“; Prontera 2009, 102 f.; Nafissi 2014. Die alternative Herleitung des Namens bei Hellanikos (FGrHist 4 F 111) belegt, dass zugunsten einer etymologisch-mythischen Erklärung über die Suche des Herakles nach dem verlorenen Kalb, in den lokalen, italischen, Sprachen vitulus, auf die ethnische Aitiologie verzichtet werden konnte und das eigentliche explicandum ein geographischer, nicht ein Volksname war. Nach Humm 2010, 39 war das Wort Italía selbst ein griechisches Konzept, ebenso wie Hespería, insofern ist die Herleitung des Hellanikos aus den lokalen Sprachen natürlich besonders interessant. Gleichzeitig deutet er die neue Etymologie als Zeichen für eine neue ethnische Vorstellung der Italía, die die griechischen Abstammungserzählungen abgelöst hätte (49); s. auch Pittia 2010, 80. Vgl. das Herrschaftsverhältnis zwischen Latinos und den Tyrsenoi bei Hesiod, für die von einer wortwörtlichen Deutung abgesehen wurde, s. Kap. 2.1.2. Keinesfalls muss man insbesondere bereits eine römische Vormachtstellung auf der Apenninenhalbinsel, die allmählich Ausweitung des Namens Italia bis hin zum Po und die Integration Italiens in die römische Sakraltopographie an-

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den hesiodeischen Versen in Erscheinung getreten sind, begegnen Erzählungen über Italos und alternative Aitiologien der Italía mit mehreren mythhistorischen Strängen nach Eugammon das nächste Mal im 5. Jahrhundert v. Chr.78 Wir können also festhalten, dass diese Version, in der Latinos der Sohn von Kirke und dem Odysseussohn Telemach ist, am wahrscheinlichsten in den epischen Kontext der Telegonie aus der Mitte des 6. Jahrhunderts gehört.79 Die hesiodeischen Verse über Latinos und die Tyrrhener hatten wir als Integrationsangebot an die einheimischen Bewohner des Tyrrhenischen Italiens verstanden, das in ihren positiven Charakterisierungen zum Ausdruck gebracht wurde – trotz der ambivalenten Figur der Kirke mit ihrem wilden Sohn Agrios. Wie kann nun die Aktualisierung im Telegonie-Kontext für die Latiner gelesen werden? Indem Latinos zum Enkel des Odysseus wird, bleibt er der bereits existenten Laertiden-Genealogie erhalten, wird allerdings an einen anderen Platz verschoben. Möglicherweise diente dies dazu, die epische Handlung zwischen den beiden Söhnen des Odysseus, dem ehelichen und dem unehelichen, der ihm den Tod bringen wird, zuzuspitzen und dafür die Generation der eponymen Helden von der der epischen Odysseussöhne zu trennen. Allerdings muss dies nicht als ‚Degradierung‘ des Latinos gedeutet werden. Sein Stammbaum wird durch die Hinzufügung des Telemach bereichert und er ist nun der Nachkomme des legitimen Odysseussohnes aus einer ehelichen Verbindung. Wenn also generationell eine Distanzierung zum epischen Odysseus vorliegt, war Latinos jetzt tatsächlich noch makel-loser, auch durch die entferntere Verwandtschaft zum einstigen Bruder, jetzt Halbonkel und Halbbruder, dem Vatermörder Telegonos. Als Heros, der nun schon im zweiten Epos auftrat,

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nehmen – alles Entwicklungen, die erst mehrere Jahrhunderte nach Eugammon eingetreten sind. Im Laufe dieser Entwicklungen ändert sich aber eben sicher auch die Bedeutung des Italus, was man u. a. bei seiner Rolle des Gattens der Leukaria bzw. Vorfahr des Latinus (Kap. 4) – und nicht zuletzt den Varianten der Herrschaft über Italien (s. Kap. 3.6.2) – ins Auge fassen muss. Italos löste sich in der Folge vom laertidischen Kontext und wurde mit den Oinotriern, Ausoniern und Sikelern verbunden: Antiochos FGrHist 555 F 2. 5; Aristot. pol. 7,9,2–3 p. 1329b Bekker (s. aber Verg. Aen. 1,532 f. = 3,165 f., wo Italos von den Oinotriern getrennt wird). Die Oinotrier werden in der mythischen Genealogie auf die Pelasger oder Arkader zurückgeführt. Für die Ausonier gab es, wie bereits gesehen, eine Odysseuserzählung, sie wurden aber auch alternativ mit dem oinotrischen Italos verbunden. Sikeler: Bei Antiochos (FGrHist 555 F 2) empfing Italos’ Nachfolger Morges den Sikelos (als Flüchtling aus Rom!), bei Thuk. 6,2,4 ist Italos König der Sikeloi, bei Philistos (FGrHist 556 F 46) Vater des Sikelos. Überblick und Diskussion bei N. Luraghi, comm. ad Antioch. FGrHist 555 F 2; Fowler 2013, A § 17. Pherekydes (FGrHist 3 F 156) bezeichnet die Italíe als Wohnort der Oinotroi, ohne Verweis auf Italos (im Zitat des Dion. Hal. ant. 1,13,1). – Bei den römischen Autoren finden sich sowohl die eponyme als auch die etymologische Erklärung: bei Cato FRHist 5 F 74 (FRH 3 F 1,3) ist Italus, wohl ein Oinotrier, der Eponym, bei Piso FRHist 9 F 1 (= Varr. rust. 2,1,9 [FRH 7 F 1]) stammt der Name von Kälbern (wie bei Timaios, FGrHist 566 F 42a. b, der anders als Hellanikos nicht die mythische Erzählung des Herakles anführt, sondern den landwirtschaftlichen Reichtum des Landes an Rindern). Kurz nach Erscheinen von Pisos Werk übernehmen auch die Gegner Roms im Bundesgenossenkrieg die Kälber-Etymologie, was sich insbesondere in der Münzprägung niederschlägt. s. u. zu ‚epischen‘ Identitäten.

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war er somit weiterhin für eine ‚positive‘ narrative und genealogische Anknüpfung in Mythopoiese und Erinnerungskultur geeignet. Niederschläge der im tyrrhenischen Italien lokalisierten Auflösung der Telegonie gab es schließlich höchstwahrscheinlich auch außerhalb der rein literarischen Sphäre, in den Erinnerungskulturen in Etrurien und Latium. Zwar gibt es außer den hier diskutierten Versionen keine Spuren mehr für den Telemachsohn Latinus, doch man trifft auf etruskische und latinische Referenzen für die übrigen Protagonisten der Telegonie, Telemachos, Telegonos und Odysseus, die zum Teil in das 6. Jahrhundert verweisen. 3.2.2 Telemach Telemach, der Vater des Latinus in der in diesem Kapitel diskutierten Tradition, tritt als Gründer des etruskischen Clusium in Erscheinung. Zwar ist auch diese Gründung nur bei Servius auctus als eine von zwei alternativen Erzählungen überliefert, doch könnte eine in der Stadt gefundene Vase mit Darstellung der Penelope und des Telemach auf eine Beliebtheit des Stoffes schon in früher Zeit verweisen.80 Sie ist mangels Quellenangabe ebenfalls nicht unmittelbar datierbar, könnte aber entsprechend dem tusculanischen Telegonos in den historischen Kontext vor der Vertreibung der Tarquinier aus Rom einzuordnen sein.81 Während Telemach in anderen Traditionen des 6. bis 4. Jahrhunderts mit Nestors Tochter oder der Phäakenprinzessin Nausikaa verbunden und gar als Vorfahr eines Atheners zitiert wird,82 lässt sich in der clusinischen Gründung eine lokale Weiterentwicklung der Telegonie vermuten. 80

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Serv. auct. Aen. 10,167: Clusium autem est oppidum iuxta Massicum, quod in Etruria condidit Clusius Tyrrheni, sive Telemachus Vlixis filius. Die andere Version nennt einen eponymen Gründer, den Sohn des eponymen etruskischen Stammvaters, der meist in der lydischen Herkunftsnarration auftritt. – Attischer rotfiguriger Skyphos des Penelopemalers, um 440 v. Chr. Chiusi, Museo Nazio­nale Etrusco, inv. 1831; LIMC I, 1981, s. v. Telemachos Nr. 1 = VII, 1994, s. v. Penelope Nr. 16. Zu Telegonos s. u. Der Telemachbezug wird später als die Telegonoserzählungen angesetzt, wenn man annimmt, dass Porsennas Feindschaft zu Rom und den Latinern eine solche Verwandtschaft der Städte (in dem Fall Tusculum und Clusium) über ihre Gründer ausschließe, und im Kontext der Romanisierung Etruriens gesehen (so z. B. Briquel 1998/1999, 243). Allerdings sind die myth­ historischen Erzählungen kaum mit der historiographisch besonders stark weiterentwickelten Porsenna-Episode mit ihren wechselnden Freundschaften und Feindschaften (von Porsenna, den Tarquiniern, der jungen römischen Republik, den Latinern mit Tusculum und Aricia sowie Kyme) in Einklang zu bringen, zumal der König aus Clusium (in der Tradition) ja zunächst auf der Seite der Latiner (unter der Führung des Tusculaners Mamilius) in den Konflikt eingetreten war. Telemach und Polykaste, Nestors Tochter, mit Sohn Perseptolis, in einem hesiodeischen Fragment: Hes. fr. 221 M./W. = fr. 168 Most = Eust. Hom. Od. 16,117–120 (II, 117, 10–12); von Hirschberger 2004, F *10 nicht eindeutig einem bestimmten hesiodeischen Werk zugewiesen, ist die Verbindung zur Nestortochter in der Odyssee bereits vorgezeichnet bzw. eine bereits existierende Tradition dort aufgenommen, s. comm. ebd.; die Suda (s. v. Ὅμηρος) erwähnt eine Tradition, nach der Homer selbst Sohn des Telemach und der Polykaste gewesen sei; Telemachos und Nausikaa, Tochter des Alkinoos, mit Sohn Perseptolis: Hellanikos FGrHist 4 F 156 und Aristot. Ithak. pol.

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Lykophron präsentiert seinerseits eine einzigartige Variante der Telegonie-Handlung, die auf eine konflikthafte Erinnerung an Telemach und Kirke hindeuten könnte: Hier wird Kirke von ihrem Gatten Telemach ermordet, der seinerseits von Kassiphone, einer nur hier und in den Scholien bezeugten Tochter der Kirke und des Odysseus, getötet wird.83 Ebenso wie die Präsenz von Elementen, die bereits die Vulgata vorbereiten, schließt diese grausame Wendung des früheren ‚Happy Ends‘ vermutlich einen Sohn von Telemach und Kirke und somit eine genealogische Anknüpfung des Latinus in Lykophrons Alexandra aus. In der Galerie der summi viri in Tusculum wird neben Telegonos auch Telemach geehrt.84 Vielleicht wird er einfach neben seinen Halbbruder gestellt, um den Odysseusbezug zu intensivieren. Nicht gänzlich auszuschließen ist jedoch, dass wir hier eine Spur der früheren Bedeutung des Vaters des Latinus aus der hier besprochenen Gruppe vor uns haben. 3.2.3 Telegonos Am besten ist eine lokale Telegonostradition für Tusculum belegt: Der Odysseussohn spielte eine wichtige Rolle in der offiziellen Erinnerung der Stadt, wie eine Statuenbasis im Zentrum beweist.85 Auf diese Ursprungserzählung wird mehrfach in der Dichtung und der antiquarischen Literatur seit der augusteischen Zeit verwiesen, was zeigt,

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fr. 506 Rose = Eust. Hom. Od. 16,118 (II, 117, 12–14). Nach Hellanikos FGrHist 4 F 170 = Suda s. v. Ἀνδοκίδης bezeichnete sich der athenische Redner Andokides, Sohn des Leogoras, als Nachfahre von Telemach und Nausikaa. Lykophr. Alex. 807–811: ὅταν στενάζων κῆρας ἐκπνεύσῃ βίον / παιδός τε καὶ δάμαρτος, ἣν κτείνας πόσις / αὐτὸς πρὸς Ἅιδην δευτέραν ὁδὸν περᾷ, / σφαγαῖς ἀδελφῆς ἠλοκισμένος δέρην, / Γλαύκωνος Ἀψύρτοιό τ’ αὐτανεψίας, „wenn er sein Leben aushaucht, die Todeslose beklagend / seines Sohnes und seiner Gattin, die ihr Gatte töten wird / und selbst den folgenden Weg zum Hades gehen wird, / durch den Mord der Schwester verwundet am Hals, / einer Cousine des Glaukon und des Apsyrtos“ (Übers. F. Horn); Schol. Lykophr. Alex. 798. 805. 808. 811. CIL XIV 2650; s. zuletzt Gorostidi Pi 2020, 121–135. 239 Kat. 109 mit Lit.; zu Telegonos s. u. CIL XIV 2649; s. zuletzt Gorostidi Pi 2020, 121–135. 238 Kat. 108 mit Lit. Die Bronzestatue stand in der Reihe der tusculanischen Galerie der summi viri, in der neben mythischen Figuren und Dichtern auch historische Mitbürger geehrt wurden, wahrscheinlich in der auf das Forum zeigenden Porticus des Theaters. Die Basis trug in einer ersten Phase eine andere Ehrenstatue, entweder des Argonauten Jason oder des Dichters Lason, für den sich Gorostidi Pi in ihrer Edition der tusculanischen Inschriften wegen der Analogie zur Basis des Dichters Diphilos ausspricht, passend zur Aufstellung am Theater. Gorostidi Pi vermutet, dass Telegonos zuvor bereits an anderer Stelle in der Stadt geehrt wurde und aufgrund einer Restaurierung auf einen anderen Sockel umziehen musste, s. ebd. Kat. 108. Da einige der gleichartigen Tuffsockel in die 1. Hälfte des 1. Jh.s v. Chr. zu datieren sind, hält Gorostidi Pi ebd. 135 es für möglich, dass die ganze Statuenreihe zeitlich vor der berühmteren und einflussreichen des Augustusforums anzusetzen ist.

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dass sie auch über die Stadtgrenzen bekannt war.86 Exzeptionell können wir hier auch eine gentilizische Tradition greifen: Gemäß der annalistischen Tradition rühmte sich im späten 6. Jahrhundert v. Chr. Octavius Mamilius, der Schwiegersohn des letzten römischen Königs Tarquinius Superbus und Feldherr der Latiner bei der Schlacht am Lacus Regillus, seiner Abstammung von Odysseus und Kirke.87 Das älteste nichtliterarische Zeugnis ist die Münzprägung des L. Mamilius aus dem frühen 2. Jahrhundert v. Chr. mit Odysseus auf der Rückseite, gefolgt in guter Familientradition ein Jahrhundert später von C. Mamilius Limentanus.88 Darüber hinaus erscheint Telegonos als Gründer von Praeneste und Caere, jeweils einmal in den Quellen bezeugt. Die Gründung Praenestes wird in den Parallela Minora des Pseudo-Plutarch, der einen Aristokles als Gewährsmann anführt,89 die von Caere ohne Quellenangabe bei Servius auctus erwähnt.90 In beiden Fällen handelt es sich um eine von mehreren alternativen Gründungsgeschichten,91 deren Datierung und lokale Relevanz nicht sicher bestimmbar sind. Für Caere ist allerdings ein Zeitpunkt vor der Herausbildung der Pelasgertradition und ihrer Adaptierung durch die Stadt wahrscheinlicher, also vor dem Ende des 6. Jahrhunderts.92

86 Hor. carm. 3,29,8 mit comm. Porph. und Ps.-Acro; Hor. epod. 1,29 f. mit comm. Porph.; Prop. 2,32,4; Ov. fast. 3,92; 4,71; Sil. It. 7,692; 12,535; Stat. silv. 1,3,83. – Fest. 116, 7–9 L; Paul. exc. Fest. 117, 28 f. L. 87 Liv. 1,49,9: Octauio Mamilio Tusculano – is longe princeps Latini nominis erat, si famae credimus, ab Vlixe deaque Circa oriundus – ei Mamilio filiam nuptum dat, perque eas nuptias multos sibi cognatos amicosque eius conciliat. „Dem Octavius Mamilius aus Tusculum, er war der weitaus angesehenste aller Latiner und stammte, wenn wir der Sage glauben wollen, von Odysseus und der Göttin Kirke ab –, diesem Mamilius also gab er [scil. Tarquinius Superbus] seine Tochter zur Frau, und durch diese Heirat gewann er die vielen Verwandten und Freunde dieses Mannes für sich“ (Übers. H. J. Hillen); Dion. Hal. ant. 4,45,1: […] τὸν ἐπιφανέστατον ἐκ τοῦ Λατίνων ἔθνους καὶ πλεῖστον ἁπάντων δυνάμενον ἐσπούδαζε φίλον ποιήσασθαι τῷ γάμῳ συζεύξας τῆς θυγατρός, ὃς ἐκαλεῖτο μὲν Ὀκταούιος Μαμίλιος, ἀνέφερε δὲ τὸ γένος εἰς Τηλέγονον τὸν ἐξ Ὀδυσσέως καὶ Κίρκης, κατῴκει δ’ ἐν πόλει Τύσκλῳ, ἐδόκει δὲ τὰ πολιτικὰ συνετὸς ἐν ὀλίγοις εἶναι καὶ πολέμους στρατηγεῖν ἱκανός. Tarquinius „bemühte […] sich, den angesehensten und mächtigsten Mann des gesamten Latinervolks zu seinem Freund zu machen, indem er ihm seine Tochter zur Frau gab. Er hieß Octavius Mamilius, führte sein Geschlecht auf Telegonos, den Sohn des Odysseus und der Kirke, zurück, wohnte in der Stadt Tusculum und galt als ein Mann von einzigartigem politischen Sachverstand und militärischem Können“ (Übers. A. Städele). 88 RRC 149/1–5, L. Mamilius, Aes: 189/180 v. Chr., (09.10.2023); RRC 362, C. Mamilius Limetanus, Denar: 82 v. Chr., (09.10.2023). 89 Ps.-Plut. parall. min. 41 B, mor. 316A = Aristokles FGrHist/BNJ 831 F 2. 90 Serv. auct. Aen. 8,479: sane hanc Agyllam quidam a Pelasgo conditam dicunt, alii a Telegono, alii a Tyr­rheno, Telephi filio. Vgl. zur Gründung Caeres durch die Pelasger: Plin. nat. 3,51: Agylla a Pelasgis conditoribus dictum; Solin. 2,7; Schol. Lykophr. Alex. 1241. 91 Für Praeneste s. Kap. 2.2.2 zu Praenestes und Caeculus, daneben gab es eine Tradition über einen König Erulus, Gegner des Euander in Verg. Aen. 8,561. 92 Briquel 1991, 237; Briquel 1998/1999, 243; ebd. 242 hält er es aber auch für möglich, dass Telegonos (wie Telemach) erst im Laufe der Romanisierung nach Etrurien gekommen sei, was allerdings

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Übernahmen die Mamilii ihren Vorfahren und drei Städte ihren Gründer dabei von Hesiod, aus der Telegonie oder gar aus der nach Synkellos erweiterten Genealogie des Kallias? Für die tusculanische und die praenestinische Telegonosgründung93 wird stets Bezug auf den Sohn des Odysseus und der Kirke genommen, nie auf einen der Söhne von Latinus und Rhome. Im Sinne einer positiven Herausstellung der städtischen Ursprünge bzw. der gentilizischen Abstammung ist am ehesten an die hesiodeischen Verse mit ihrer schmeichelnden Charakterisierung der tyrrhenischen Protagonisten zu denken. In diesem Fall wäre der Gründer bzw. Stammvater der Bruder des ethnischen Eponyms, diesem also gleichgeordnet. Allerdings stand den augusteischen Dichtern Telegonos als Vatermörder vor Augen und möglicherweise kannte der Münzmeister L. Mamilius bereits die Niptra des Pacuvius bzw. war umgekehrt dem Dichter der odysseische Abstammungsanspruch des Tusculaners bekannt.94 Die praenestinische Erzählung ist ihrerseits explizit in die Telegonie-Handlung eingebettet, doch wird der Gründung der Makel des Vatermordes dadurch genommen, dass sie auf der Suche nach dem Vater erfolgte, also noch zu dessen Lebzeiten. Ein Bezug in der Mitte des 6. Jahrhunderts ist gerade im Sinne der Abstammung einer adligen Familie im Rahmen der aristokratischen Interaktion der orientalisierenden und archaischen Zeit denkbar wegen der zeitlichen Nähe zur Entstehung der Telegonie des Eugammon und im Vergleich mit anderen gentilizischen Abstammungserzählungen im 6. Jahrhundert.95 Der Verweis auf die laertidische Abstammung der Latiner und insbesondere des illustren Tusculaners konnte durchaus in einem Kontext wie dem der Schlacht bei Aricia gegen den Sohn des Porsenna nützlich sein, um

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voraussetzt, dass die beiden Figuren noch zu der postulierten Zeit dezidiert römisch-latinisch vereinnahmte Helden waren. Für den Gründer Caeres ist in der einzigen Quelle (Serv. auct. Aen. 8,479) die Abstammung nicht angegeben, ebenso wie für den einen alternativen Gründer, Pelasgos, während der dritte Kandidat, Tyrrhenos, zur Unterscheidung von dem Lyder explizit als Sohn des Telephos angegeben wird. Explizit in Hor. carm. 3,29,8: Telegoni iuga parricidae, in weiteren Stellen in Andeutungen, Ov. trist. 1,1,114; Ibis 567 f. Vergleichsbeispiele sind die Abstammung der Tarquinier von dem Bakchiaden Demaratos und somit von Herakles sowie die der Fabii ebenfalls von Herakles. Während für die Fabii auch ein späterer Herkulesbezug denkbar ist (spätestens im 3. Jh. v. Chr.), zeigt sich die Nähe des Tarquinius Superbus zu Herkules u. a. im Heiligtum am Forum Boarium – vergleichbar mit den gleichzeitigen Königen bzw. Tyrannen in Caere und Kyme und letztlich den Peisistratiden, s. u. a. Cornell 1995, 148; Coarelli 2009. Die Skulpturengruppe des Herkules und der Minerva von diesem Heiligtum belegt die bedeutende Rolle der Figur unabhängig von der problematischen literarischen Überlieferung zur späten Königszeit. – Einige Mamilii waren bereits, so die annalistische Überlieferung, im 5. Jh. nach Rom übergesiedelt, nachdem L. Mamilius Rom bei der Vertreibung einer sabinischen Besatzung zu Hilfe gekommen war (Liv. 3,18 f.; 29,6; Dion. Hal. 10,16; dazu Farney 2007, 62); ein Überblick über die einzelnen Mamilii in Rom zuletzt bei Ampolo 2021, 63, insb. zur Rolle beim Ritual am Fest des Equus October, das mit den trojanischen Ursprüngen in Rom in Verbindung gebracht wurde. Die Gens war also nicht zu jeder Zeit nur auf ihre Abstammung von Telegonos festgelegt.

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die entscheidende Unterstützung des Aristodemos aus Kyme zu gewinnen.96 Daher ist es wohl wahrscheinlicher, dass hier die Erinnerung an eine alte Familientradition als eine alte städtische Gründungserzählung vorliegt. Angesichts der komplexen Überlieferung zur Königszeit ist allerdings nicht ausgeschlossen, dass es sich dabei wie bei den frühen Erwähnungen der Gründung durch Alba Longa um eine Rückprojektion handelt,97 was die langanhaltende Bedeutung des Odysseus und der Kirke bestätigen würde. Die Genealogie bei Kallias hatte sicher keinen direkten Einfluss auf die Familien­ tradition des frühen 2. Jahrhunderts (immerhin ein Jahrhundert nach Kallias), da dort die zentralen Bezugsfiguren Odysseus und Kirke (der Überlieferung zufolge) fehlen. Nicht entscheiden lässt sich, ob Kallias an den bereits bekannten Gründer dachte und Tusculum als Stadt des Latinus-Sohnes unter die latinischen subsumierte. Der generationellen Degradierung könnte als Zeichen für die Abhängigkeit von Rom – durch die Mutter Rhome ausgedrückt – eine tiefere Bedeutung beigemessen werden. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass der dortige Telegonos (wenn auch in einer anderen genealogischen und somit sagenchronologischen Position) als Marker für die Abstammung von Kirke und Odysseus der übrigen Versionen erscheint. 3.2.4 Odysseus Schließlich erfreut sich auch Odysseus großer Beliebtheit in Etrurien,98 wo die Erzählung über sein Ende eine Weiterentwicklung erfährt.99 In mehreren Zeugnissen des 4. bis 2. Jahrhunderts wird er mit der etruskischen Stadt Cortona verbunden. Theopomp, Lykophron und einem Epitaphios des pseudoaristotelischen Peplos zufolge sei er dort bestattet gewesen, bei Theopomp tritt er zudem als Gründer der Stadt in Erschei96 s. bereits o. S. 73 zu den Implikationen von Überlieferung und logischer Reihenfolge zwischen Telegonosbezug und Beziehung zu Kyme. 97 Gründung Tusculums durch Latinus Silvius: Diod. 7,5,9; OGR 17,6; unter den nicht einzeln aufgeführten Prisci Latini zu vermuten in Liv. 1,3,7; Dion. Hal. ant. 1,45,2; Fest. 253 L. Zu Alba Longa in der annalistischen Tradition s. Kap. 1.2 und Kap. 4. 98 s. die besonders eindrückliche Darstellung der Nekyia und Blendung des Polyphem in der Tomba dell’Orco II in Tarquinia, dazu Weber-Lehmann 1995 und C. Weber-Lehmann in: Katalog Ulisse 1996, 172 f. – Die anhaltende Beliebtheit des Odysseus in Latium, auch über seinen Wegfall aus der latinischen Ursprungserzählung hinaus zeigt sich darin, dass die Übersetzung der Odyssee durch Livius Andronicus das erste Werk der lateinischen Literatur ist (zu den Anfängen der römischen Literatur und dem ‚translation project‘ s. Feeney 2016). – In der frühen Kaiserzeit erscheint Odysseus in den Skulpturen von Sperlonga und Castel Gandolfo, wobei ihre genealogische Bedeutung umstritten ist, s. hierzu u. a. Gorostidi Pi 2003. – Außerhalb Italiens wurde auch Lissabon auf Odysseus zurückgeführt, s Ampolo 2021, 53 Anm. 7 mit Lit. – All diese Zeugnisse stehen jedoch für die Bekanntheit der homerischen Odyssee, es ist kein Bezug zur Telegonie und keine Aktualisierung der Erzählung auszumachen. 99 Zur Gründung Roms zusammen mit Aeneas bei Hellanikos und Damastes s. u. Kap. 3.3.

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nung.100 Plutarch berichtet von einer etruskischen Erzählung über einen schläfrigen Odysseus.101 Nicht richtig ist die in der Forschung immer wieder geäußerte Angabe, Odysseus sei von den Bewohnern Cortonas ermordet worden.102 Während Lykophron sich explizit auf die Telegonie bezieht und nach dem Tod des Odysseus durch seinen Sohn Telegonos die Bestattung auf dem Berg namens Perge bei Cortona anführt,103 erreicht der Laertide in Theopomps Version Etrurien auf seinen (der Thesprotis in der Telegonie entsprechenden) erneuten Reisen nach dem Freiermord,104 eine Ermordung

100 Theopomp FGrHist 115 F 354 = Schol. Lykophr. Alex. 806: · Θεόπομπός φησιν ὅτι παραγενόμενος ὁ Ὀδυσσεὺς καὶ τὰ περὶ τὴν Πηνελόπην ἐγνωκὼς ἀπῆρεν εἰς Τυρσηνίαν καὶ ἐλθὼν ᾤκησε τὴν Γορτυναίαν ἔνθα καὶ τελευτᾷ *ὑπ’ αὐτῶν* μεγάλως τιμώμενος. „In Gortynaia: Theopomp sagt, dass Odysseus nach seiner Rückkehr, als er die Geschehnisse um Penelope kannte, nach Tyrsenia zog und, dort angekommen, Gortynaia gründete, wo er dann auch starb, von den Bewohnern hochgeehrt“ (Übers. B. und J.-D. Gauger); Lykophr. Alex. 805 f.: Πέργη δέ μιν θανόντα Τυρσηνῶν ὄρος / ἐν Γορτυναίᾳ δέξεται πεφλεγμένον, „Perge wird ihn nach seinem Tod, der Berg der Tyrsener, / in Gortynaia aufnehmen, nachdem er verbrannt wurde“ (Übers. F. Horn); Aristot. fr. 640 Nr. 12 Rose: Ἐπὶ Ὀδυσσέως κειμένου ἐν Τυρρηνίᾳ. / Ἀνέρα τὸν πολύμητιν ἐπὶ χθονὶ τῇδε θανόντα / κλεινότατον θνητῶν τύμβος ἐπεσκίασεν (Mitte 3. bis Mitte 2. Jh.). – Diskussionen u. a. bei Horsfall 1973 (wiederaufgenommen in Horsfall 1987); Colonna 1980; Braccesi 1996; Briquel 1998/1999; Schade 1999, 203–206; Harari 2019, 35–46. 101 Plut. Quomodo adolescens poetas audire debeat 8, mor. 27E: ἔνιοι δὲ καὶ τὴν ἔκθεσιν αὐτὴν εἰ μὲν ἀληθῶς ἐγένετο καθεύδοντος ψέγουσι, καὶ Τυρρηνοὺς ἱστορίαν τινά φασι διαφυλάττειν ὡς ὑπνώδους φύσει τοῦ Ὀδυσσέως γενομένου καὶ δυσεντεύκτου διὰ τοῦτο τοῖς πολλοῖς ὄντος. „Some critics find fault also with the very act of putting him ashore, if this really was done while he was asleep, and assert that the Etruscans still preserve a tradition that Odysseus was naturally sleepy, and that for this reason most people found him difficult to converse with“ (Übers. F. C. Babbitt). Der Kontext bei Plutarch ist eine Diskussion über die Heimkehr des Odysseus nach Ithaka, als er dort von den Phäaken schlafend abgelegt wurde (Hom. Od. 13,73 ff.). Wenn sie auch für uns rätselhaft bleibt, verweist diese Notiz eindeutig auf eine weitergehende, eigenwillige narrative Ausgestaltung der Erlebnisse des Odysseus (in Etrurien?). – Eine Notiz bei Phot. bibl. 152b, 34–36 schließlich spricht von einem Sängerwettbewerb in Etrurien, bei dem Odysseus gesiegt habe, s. dazu und zur Einschätzung des zitierten Autors Ptolemaios Chennos als ‚Schwindelautor‘ Briquel 1998/1999, 239; Schade 1999, 96. 102 Briquel 1998/1999, 244; ebenso Debiasi 2004, 271, aufgrund der Theopompstelle. Dieser ist jedoch keine Ermordung des Helden zu entnehmen, sondern vielmehr die tiefe Verehrung durch die Einheimischen. Der Fehler Briquels (von Debiasi übernommen) liegt an der unvollständigen Wiedergabe des Scholions, bei der die letzten Wörter des Satzes μεγάλως τιμώμενος (s. o.) weggefallen sind. In seiner Perspektive zieht Briquel die Tradition vom schläfrigen und daher unangenehmen Odysseus bei Plutarch als Erklärung für die vermeintliche Ermordung heran. 103 Narrativ-logische Voraussetzung dieser Cortona-Episode ist, dass Kirke den verstorbenen Odysseus zum Leben erweckt, wie Schol. Lykophr. Alex. 805, 10a ff. (μῦθος φέρεται ὅτι μετὰ τὸ ἀνελεῖν αὐτὸν τὸν Τηλέγονον Κίρκη φαρμάκοις ἀνέστησε […]); 805, 45 ff. (ἄλλοι δέ φασιν ὅτι ἀναιρεθεὶς ὁ Ὀδυσσεὺς ὑπὸ Τηλεγόνου πάλιν ὑπὸ τῆς Κίρκης φαρμάκῳ ἀνέστη […]) bemerkt, s. dazu A. Hurst comm. ad Lykophr. Alex. 805; zuletzt Ampolo 2021, 57 Anm. 21. – Braccesi 1996, 129. 132 hält die Bestattung in Gortynaia für Teil der eugammischen Telegonie und die Tradition somit für archaisch. Dem ist aufgrund der expliziten Angabe der Bestattung des Odysseus auf Aiaia bei Apollodoros und Proklos nicht zu folgen. 104 Theopomp macht anders als die Telegonie die Untreue der Penelope für Odysseus’ neuerlichen Aufbruch verantwortlich, nicht das Entsühnungsopfer für Poseidon; s. die vielfältigen Fortsetzungen der Erzählung nach dem Freiermord und insbesondere der Rolle der Penelope bei Duris

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durch Telegonos ist hier nicht mehr denkbar. Diese Odysseus-Tradition, die sicher im 4. Jahrhundert (Theopomp, Aristoteles) lebendig war, ist ein Strang innerhalb einer spätestens seit dem 6. Jahrhundert sehr regen Mythopoiese für und in Cortona: Bei Hellanikos und vielleicht bereits bei Hekataios ist die Stadt von dem pelasgischen König Nanas gegründet.105 Später wird der Ortsname möglicherweise mit Korythos, dem König von Tegea, bei dem Telephos aufwuchs, erklärt.106 Zuletzt stammt in der von Vergil aufgenommenen, aber vermutlich bereits zuvor von Etruskern übernommenen Version Aeneas’ Vorfahr Dardanus von hier, wodurch aus der Suche nach dem neuen Troja eine Rückkehr in das Land der Ursprünge der Trojaner wird.107 Odysseus als Stadtgründer ist vermutlich, über die Namensähnlichkeit des Nanas mit einem Beinamen des Laertiden Nanos, zwischen dem Pelasger und dem Ziehvater des Telephos einzuordnen.108 Es sind also abschließend die tyrrhenischen Weiterentwicklungen festzuhalten, die von der Lokalisierung der homerischen Odyssee im tyrrhenischen Westen, den hesiodeischen Versen im Heroenkatalog und der Bestattung des Odysseus auf Aiaia und der Doppelhochzeit der Söhne Italos und Latinos ausgehen. Die meisten Traditionen verlassen allerdings die Spur der Telegonie, d. h. präsentieren andere Reisen des Helden, andere Taten, andere Todesarten und Begräbnisstätten. Aber die Präsenz des Telemach lässt sich auf unserem Kenntnisstand nur vor dem Hintergrund der Telegonie erklären, auch wenn die knapp erwähnte Ktisis Clusiums nicht historisch eingeordnet und auch nicht genealogisch mit Latinus in Verbindung gebracht werden kann. Die

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FGrHist 76 F 21 = Schol. Lykophr. Alex. 772; Apollod. epit. 7,38 f.; s. auch Aristot. Ithak. pol. fr. 507 Rose = FGrHist 840 F 13 = Plut. qu. G. 14, mor. 294D: Odysseus muss nach dem Freiermord Ithaka verlassen und geht nach Italien, wahrscheinlich also nach Etrurien: αὐτὸς μὲν οὖν εἰς Ἰταλίαν μετέστη (die Angabe Ἰταλίαν wurde von einem Teil der Forschung mit Hartmann in Αἰτωλίαν korrigiert, was jedoch nicht nötig ist, da es sich hier um einen Fall von ‚Italisierung‘ der wahrscheinlich bei Aristoteles angegebenen Tyrrhenia handeln kann, s. u. S. 178). Hellanikos FGrHist 4 F 4 (= Dion. Hal. ant. 1,28,3: Pelasger erreichen Italien über die Adria und gründen unter dem König Nanas Tyrsenia; Ankunft der Pelasger im späteren Cortona auch in Dion. Hal. ant. 1,20,4; 26,1, Teil der dionysischen Narration ohne Quellenangabe) und die Wendung im 3. Jh. durch Myrsilos von Lesbos: die Tyrrhener verlassen in umgekehrter Richtung Italien und werden Pelargoi, Störche, genannt (FGrHist 477 F 9 = Dion. Hal. ant. 1,28,4); Colonna 1980, 5–9 mit Lit.; Briquel 1998/1999, 246 mit Lit. Keine Quelle erwähnt den Bezug explizit, doch wegen des Ortsnamens (der so erst von Vergil verwendet wird) und der Präsenz des Telephos in der etruskischen und sonstigen italischen Mythhistorie postulieren Horsfall 1973, 72 ff., Colonna 1980, 9 und Briquel 1991, 204 f. eine solche Tradition auch für Cortona. u. a. Verg. Aen. 1,380; 3,94–98. 167–171; 7,206–211; Serv. (auct.) Aen. 1,380; 3,104. 170; 9,10; 10,719: eponymer König Korythos von Cortona, Vater des Dardanos und damit Vorfahr der Trojaner (s. u. Kap. 3.6.2.2). Bereits vor der Aeneis ist ein etruskischer Dardanerbezug in Grenzsteinen einer Gründung „der Dardaner“ im Hinterland von Karthago, wohl aus sullanischer Zeit, zu sehen: Colonna 1980, 2 f. mit Lit.; Horsfall 1987, 98; Horsfall 1988, 32; allgemein zu Dardanus: Briquel 1998/1999, 246. Zu Nanos s. u. S. 112 Anm. 122.

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Existenz zahlreicher Versionen, auch in Konkurrenz oder in Abwechslung mit anderen Strängen, den pelasgischen, arkadischen, trojanischen etc., zeigt die Integration Italiens in einen regen Diskurs über die mythhistorischen Ursprünge von Städten und Völkern zwischen dem 6. Jahrhundert und der hellenistischen Zeit. Durchgehende lokale Traditionen sind nur schwer auszumachen, da, wie der Fall Cortona zeigt, mehrere Referenzen zu verschiedenen Zeiten möglich waren. Latinus erscheint in all den behandelten Erzählungen nicht. Es ist also nicht mit Bestimmtheit zu sagen, ob er von den Erzählern dieser Gruppe in einem Rückgriff auf die Telegonie wieder aus dem ‚Archiv‘ geholt wurde, wie gleichzeitig auch Lykophron die Ermordung des Odysseus durch Telegonos wieder anführt, die in den übrigen tyrrhenischen Versionen wohl keine Rolle spielte.109 3.3 Odysseus und Aeneas in Latium Während die Abstammung des Latinos von Telemach aus der Tradition der Telegonie stammt, begegnet seine Gattin Rhome das erste Mal in der chronographischen Schrift Priesterinnen von Argos (Hiereiai) des Hellanikos, und auch Aeneas tritt dort das erste Mal explizit in Latium auf. Rhome ist dort wie später bei Kallias eine der Trojanerinnen, die mit Aeneas nach Italien gekommen sind. Sie ist es, die die Frauen dazu anstiftet, die Schiffe anzuzünden, um eine erneute Weiterfahrt unmöglich zu machen, und somit die Trojaner dazu bringt, sich am Tiber niederzulassen: Ὁ δὲ τὰς ἱερείας τὰς ἐν Ἄργει καὶ τὰ καθ’ ἑκάστην πραχθέντα συναγαγὼν Αἰνείαν φησὶν ἐκ Μολοττῶν εἰς Ἰταλίαν ἐλθόντα μετ’ Ὀδυσσέως οἰκιστὴν γενέσθαι τῆς πόλεως, ὀνομάσαι δ’ αὐτὴν ἀπὸ μιᾶς τῶν Ἰλιάδων Ῥώμης· ταύτην δὲ λέγει ταῖς ἄλλαις Τρωάσι παρακελευσαμένην κοινῇ μετ’ αὐτῶν ἐμπρῆσαι τὰ σκάφη βαρυνομένην τῇ πλάνῃ· ὁμολογεῖ δ’ αὐτῷ καὶ Δαμαστὴς ὁ Σιγεὺς καὶ ἄλλοι τινές.110

109 Allerdings gestaltet sich die Situation für Lykophron vermutlich anders als für die Vertreter der Telemach-Rhome-Gruppe, denn er könnte in Alexandria bereits Zugang zu der wissenschaftlichen Bearbeitung der Telegonie, d. h. Edition und Inhaltsangabe, gehabt haben, während Kallias und seine Vorläufer, wohl eher ebenfalls im Westen zu lokalisieren, zu früh dafür waren. Es muss also über die Traditionen, über die hier postulierten Ursprungsdiskurse selbst die Bekanntheit des kirkeischen Telemach und seines Sohnes Latinos propagiert worden sein. 110 Hellanikos FGrHist 4 F 84 = Damastes FGrHist 5 F 3 = Dion. Hal. ant. 1,72,2: „Der Verfasser des Werks über die Priesterinnen in Argos und über die Ereignisse zur Zeit einer jeden aber sagt, Äneas sei mit Odysseus aus dem Molosserland nach Italien gekommen, sei zum Gründer der Stadt geworden und habe sie nach einer der Frauen von Ilios Rhome genannt. Diese habe die anderen Trojanerinnen angestiftet und zusammen mit ihnen die Schiffe in Brand gesteckt, weil sie von der Irrfahrt genug hatte. Mit ihm stimmt neben einigen anderen Autoren auch Damastes von Sigeion überein.“ (Übers. A. Städele).

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Latinus, Sohn des Telemach, und Rhome Trojaner

Rhome

Aeneas

zündet Schiffe an

Rom

mit

Odysseus

Abb. 17 Gründung Roms nach Hellanikos

Hellanikos, der im 5. Jahrhundert v. Chr. in seinen zahlreichen Werken genealogische, ethnographische, lokalgeschichtliche und chronographische Interessen verfolgt hat,111 sowie Damastes von Sigeion und einige weitere Autoren112 verbinden die Gründung Roms durch Aeneas und durch Odysseus, die Trojanerin Rhome als eponyme Figur und das Wandermotiv des Schiffsbrands. Die Meinungen darüber, an welcher Stelle Hellanikos auf vorhandene Traditionen zurückgegriffen hat, wie er diese abgewandelt und ggf. mit eigenen Konstruktionen verbunden hat, gehen auseinander.113 Insbesondere gilt dies für Aeneas in Italien, Rhome und die römische Schiffsbranderzählung. Grundsätzlich nehme ich an, dass die zentralen Elemente, also die Stadt Rom, Odysseus und Aeneas, aber auch das Motiv des Schiffsbrand bereits vor Hellanikos verbreitet gewesen sein müssten, denn das Werk der Hiereiai diente der Systematisierung existenter Erzählungen und deren chro-

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Hellanikos FGrHist 4; allgemein zu Hellanikos zuletzt Fowler 2013, 682 ff., insb. 682 f. zur Publikation der Priesterinnen von Argos wohl vor 420 v. Chr.; 684 zum Gattungsspektrum seines Werkes. In der Forschung sind auch spätere Vorschläge zur Datierung des Hellanikos bzw. dieses Fragments gemacht worden: Nach Horsfall 1979, 376–383. 388–390 sei die Erzählung an das Ende des 4. Jh.s zu datieren, das Zeugnis des Damastes beziehe sich seinerseits nur auf den Schiffsbrand, nicht auf die Gründung Roms; akzeptiert von Gruen 1992; s. zuvor Perret 1942 für das späte 3. Jh. v. Chr. – Die Authentizität des Hellanikos-Zitats vertreten dagegen u. a. Galinsky 1969, 103–106; Solmsen 1986; Poucet 1989, 238 f.; Martínez-Pinna 1996, 24; Malkin 1998, 194–201; Vanotti 1999, 217 Anm. 2; Fowler 2013, 564. 112 Die Anzahl der ungenannten Autoren, die die Erzählung nach Hellanikos überlieferten und sich zu eigen machten, ist unbestimmt; N. Wiaters Übersetzung von ἄλλοι τινές als „zahlreiche andere“ geht zu weit. Festzuhalten ist der Plural, der auf eine Art herrschende Meinung nach Hellanikos hinweisen könnte, denn es geht hier um Autoren, die diese Meinung vertraten, nicht um Verfasser von Kompendien, in denen die Meinung des Hellanikos unter anderen überliefert wurde (s. u. zur Konsequenz für die Lebendigkeit des Diskurses). 113 Ausführlich bei Solmsen 1986, 100: „As Hellanicus is unlikely to have visited Rome and probably depends on information available in Magna Graecia, Sicily, or other western areas, it may suffice that the name and fame of Odysseus were spread throughout the coastal regions of southern and central Italy.“

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nologischen Verankerung, nicht der gänzlichen Neuerfindung.114 Eine kompilierende Arbeitsweise, bei der auf alternative, widersprüchliche Traditionen zurückgegriffen wird, erklärt zudem besser die narrativen und sagenchronologischen Unklarheiten. Hier sollen nun die hinter der Hellanikosstelle liegenden und davon ausgehenden Traditionen mit dem Ziel in den Blick genommen werden, die Lücke der latinischen Erzählungen zwischen Theogonie bzw. Telegonie und der Kalliasgruppe zu füllen. Das gemeinsame Auftreten von Aeneas und Odysseus in dieser Stelle hat eine lange Diskussion in der Forschung hervorgerufen.115 Die Textüberlieferung kennt sowohl μετ’ Ὀδυσσέως als auch μετ’ Ὀδυσσέα, doch aufgrund der Parallelüberlieferung bei Eusebius und Synkellos ist die Lesung als „mit Odysseus“ eindeutig.116 Zudem ist umstritten, ob sich die Gemeinsamkeit auf die Ankunft in Italien aus dem Land der Molosser oder auf die Gründung Roms bezieht.117 Da für beide Heroen Reisen nach Nordgriechenland sowie Italien belegt sind118 und Odysseus schon, wie gesehen, mit Latium in Verbindung gebracht wurde, sind grundsätzlich beide Möglichkeiten denkbar, auch wenn sie sagenchronologische Schwierigkeiten mit sich bringen.119 114 Mit dieser Sichtweise widerspreche ich solchen Positionen, die die Stelle nicht Hellanikos und dem 5. Jh. zuordnen, da ihres Erachtens einige darin enthaltene Elemente in jener Zeit anachronistisch wären. Ich hingegen halte die Hellanikos-Angabe für bedeutend und für ein Zeugnis seiner Zeit. Nicht nötig ist, dass Dionysios selbst verschiedene Versionen unter dem Namen Hellanikos zusammenbringt, wie Humm 2013, 440 annimmt: „Denys résume donc leurs deux récits en en présentant une unique version.“ 115 s. insb. Solmsen 1986; Ampolo 1992 und 1994. 116 s. V. Fromentin ad loc.; Synk. chron. 227, 4–8 (ed. A. A. Mosshammer): Ὁ δὲ τὰς ἐν Ἄργει συναγαγὼν ἱερείας οἰκιστὴν γενέσθαι τῆς Ῥώμης φησὶ τὸν Αἰνείαν ἐκ Μολοττῶν εἰς Ἰταλίαν ἐλθόντα σὺν Ὀδυσσεῖ […]. – Wiater 2014 übersetzt ohne Verweis auf die Diskussion „nach Odysseus“. – Alföldi 1957, 9 entscheidet sich für „nach“, da die Aeneastradition später als die Odysseustradition in Latium angekommen sei. 117 s. Überblick und Diskussion bei Solmsen 1986, 95 (gemeinsame Gründung); Malkin 1998, 195 Anm. 88 (gemeinsame Reise); Fowler 2013, 564 f. (gemeinsame Reise); maßgeblich sei die Wortstellung sowie dass die Namengebung Roms nur Aeneas zugeschrieben wird; zudem sei auf Synkellos verwiesen, der sich in seinem Exzerpt für die gemeinsame Reise entscheidet (s. letzte Anm.); s. auch Vanotti 1995, 17. 118 Odysseus bereist Thesprotien in der Telegonie, heiratet dort die Königin und wird selbst König, Aeneas gelangt im Kyklischen Epos der Kleinen Ilias als Gefangener des Neoptolemos dorthin, Schol. Lykophr. Alex. 1232. 1268 (Parva Ilias fr. 30, s. M. L. West comm. ad loc. (2013), 219–222; Schol. Eur. Andr. 14); s. Ampolo 1992, 326–328; Malkin 1998; Fowler 2013, 565; Humm 2013, 440 mit Anm. 43. 119 Die sagenchronologische Schwierigkeit liegt darin, dass jeder nachhomerische Autor mit der Irrfahrt des Odysseus auf der Heimkehr aus Troja umgehen musste. Wenn Aeneas nur wenige Jahre nach dem Krieg, d. h. nach einigen Etappen an anderen Orten, die eine Gründung durch ihn behaupteten, in Latium ankam, wäre dies zu einem Zeitpunkt, an dem Odysseus sich noch nach seiner Heimat sehnte. Entweder verlängerte also Hellanikos die Reisen des Aeneas, damit er erst zur Zeit der zweiten Reisen des Odysseus, d. h. entsprechend der Telegonie nach dem Freiermord und nachdem Odysseus zeitweise König der Thesprotier war, zusammen mit diesem Epirus verlassen konnte, oder er veränderte die Irrfahrt des Odysseus (ein Abstecher aufs Festland von der Insel der Kirke passt nicht zur Angabe der gemeinsamen Anreise aus dem Königreich der Molosser), damit die beiden kurz nach dem Trojanischen Krieg in Latium eintreffen konnten. – Gerade im Rahmen

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Anders als bisweilen in der Forschung120 und sicher auch später in der Antike angenommen war es für Hellanikos offenbar unproblematisch, dass Trojaner und Griechen miteinander auftreten. Dafür sprechen mehrere Begegnungen von trojanischen und griechischen Helden in den Nostoi.121 Lykophron erzählt von dem Treffen von Odysseus und Aeneas in Italien, der Versöhnung der beiden Gegner aus dem Trojanischen Krieg – auf die Bitten des unter dem Namen „Nanos“ verklausuliert auftretenden Laertiden hin – und der Vereinigung ihrer Heere.122 In der späteren römischen Tradition wird schließlich die Angst des Aeneas vor einer Begegnung mit Odysseus Teil des Aition des Opferns capite velato.123 Die Bestimmung des Aeneas, über (ein neugegründetes) Troja zu herrschen, wird bereits in der Ilias erwähnt, in den kyklischen Epen wird von seiner Flucht aus Troja berichtet, die ihn an zahlreiche Orte zwischen Troas und Latium bringen sollte.124 Die früheste literarische Erwähnung der Verbindung des Aeneas mit Italien stammt vielleicht aus der Iliupersis des Stesichoros aus der ersten Hälfte des 6. Jahrhunderts v. Chr.125 Auf der Tabula Iliaca Capitolina, einer Relieftafel mit bildlichen Darstellungen und Zitaten aus der archaischen griechischen Dichtung,126 wird Stesichoros die Erzählung über die Reise des Aeneas in den Westen, εἰς τὴν Ἑσπερίαν, sowie die Rettung der Hierá zugeschrieben.127 Es ist umstritten, ob es sich bei den dargestellten Szenen auf

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der Hiereai, die genau der chronographischen Verortung von überlieferten Ereignissen dienten, müsste sich Hellanikos dieses Problems bewusst gewesen sein. Wiseman 1995, 50: Bezeichnung der Verbindung als ‚unnatürlich‘; Verweis auf die alte Feindschaft bei Gruen 1992, 17. s. Malkin 1998, 198: Menelaos und Antenor, Neoptolemos und Helenos, Philoktet und Aigestos. Gegen einen unüberwindbaren Gegensatz von Trojanern und Griechen Momigliano 1984; Ampolo 1992, 328 zu Griechen auf der Heimkehr und Trojanern im Epirus. Lykophr. Alex. 1242–1246. Die Identifizierung des Nanos (‚Zwerg‘) findet sich bei Schol. Lykophr. Alex. 1242: ὁ Ὀδυσσεὺς παρὰ Τυρσηνοῖς νάνος καλεῖται δηλοῦντος τοῦ ὀνόματος τὸν πλανήτην. ἐγὼ δὲ εὗρον ὅτι ὁ Ὀδυσσεὺς πρότερον Νάνος ἐκαλεῖτο, εἶτα ἐκλήθη Ὀδυσσεὺς […]; s. bereits Hom. Il. 3,193, wo Odysseus als einen Kopf kleiner als Agamemnon beschrieben wird (s. Hornblower 2018, 111). Anders als (wahrscheinlich) bei Hellanikos treffen die beiden Heroen in Italien und nicht im Epirus aufeinander. Auch wird nicht erwähnt, gegen wen die vereinigten Heere ziehen. Es gibt die Aitiologie sowohl mit Odysseus als auch mit Diomedes: Dion. Hal. ant. 12,16,1–3 (exc. 22); Fest. 430–432 L s. v. Saturnia; Plut. qu. R. 10, mor. 266C; OGR 12,2 = M. Octavius FRHist 107 F 1, s. C. J. Smith, comm. ad loc. III, 660; Serv. Aen. 2,166 (= Varro FRHist 52 F 3); auct. 3,545. Vergil erzählt eine andere Geschichte: Aen. 3,545 f. (Opfer für Juno nach der Prophezeiung des Helenus). – s. dazu auch Ampolo 1992, 338–341. Prophezeiung: Hom. Il. 20,307 f. (durch Poseidon); Hom. h. Aphrodite 196–198 (durch Aphrodite); Überblick zur Aeneasgeschichte nach der Eroberung Trojas in der Mythographie bei Fowler 2013, 561 ff. Zur Datierung von Stesichoros, die nicht genauer als zwischen 610 und 540 bestimmt werden kann, zuletzt Davies/Finglass in ihrer Edition (2014, 1–6). Er ist somit ein ungefährer Zeitgenosse des Eugammon. Aufgrund der Betonung der Rolle des Aeneas wird die Tafel meist in die augusteische Zeit nach der Veröffentlichung der Aeneis datiert. Ein technischer Vergleich mit Kameen legt dagegen eine Entstehung zwischen Caligula und Claudius nahe, s. Dardenay 2012, 22 f. mit Lit. IG XIV 1284; fr. 105 ed. Davies/Finglass.

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diesem Relief aus Bovillae, der Stadt des julischen Geschlechts, tatsächlich um Wiedergaben des Werks des aus Sizilien stammenden Stesichoros handelt, doch zuletzt sprechen sich die meisten Forscher für diese Möglichkeit aus.128 Welche Region der Dichter allerdings mit Hesperia verband, ist letztlich nicht zu entscheiden.129 Doch die Darstellung des aus dem Namen des Vorgebirges zwischen Kyme und Pithekussai abgeleiteten Misenos unter den aus Troja Fliehenden könnte durchaus darauf hindeuten, dass Aeneas nach Italien aufbrach und dabei bis nach Kampanien oder gar bereits nach Latium gelangte.130 Für die Zeit des Stesichoros sind Beziehungen zwischen Sizilien und Latium dokumentiert,131 so dass mehr noch als für Hesiod die Integration der La-

128 Gegen die Authentizität insbesondere Horsfall 1979; Gruen 1992, 14 führt als Argument an, dass Dionysios von Halikarnassos ein solches Zeugnis nicht ignoriert hätte. Dies überzeugt nicht, da Dionysios leider keine vollständige Aufzählung alter Erzählungen bietet; so erwähnt er auch nicht die hesiodeische Tradition; Argumentation dafür zuletzt: Malkin 1998, 191–194; u. a. D’Anna 1989, 232 Anm. 4; Squire 2011, 106–108; zuletzt sprachen sich Davies/Finglass in ihrer Gesamtedition (2014, 428–436) für die Möglichkeit der Authentizität aus, wobei die Szenen in der bildlichen Umsetzung jedoch an die Erfordernisse des Reliefs angepasst wurden. 129 s. Malkin 1998, 192; Davies/Finglass in der Edition (2014, 435). – Eine explizite Angabe von Latium oder einer anderen historischen Landschaft lag tatsächlich wohl nicht vor. Der augusteische Steinmetz hätte dies sonst sicher so angegeben, da man (aus augusteischer bzw. ‚kanonischer‘ Perspektive) ja an einem hohen Alter der Tradition über Aeneas in Italien interessiert gewesen sein dürfte, s. zuletzt Davies/Finglass ad loc. – Entgegen den Aussagen von Verg. Aen. 1,530 (= 3,163) und Dion. Hal. ant. 1,35,3 finden sich in der griechischen Literatur jedoch kaum Zeugnisse dafür, dass die Griechen Italien zuvor Hesperia genannt hätten. Das Wort wird meist allgemein im Sinne von „Westen“ und adjektivisch verwendet, häufig in der Verbindung Ἑσπερία θάλασσα für den Atlantik (s. auch Serv. Aen. 1,530: Hesperiae duae sunt, una quae Hispania dicitur, altera quae est in Italia). Als Fremdwort und Bezeichnung für Italien ist Hesperia dagegen in der lateinischen Literatur ab Ennius (fr. 20 Skutsch) bezeugt und in der Folge häufig anzutreffen. Dies spricht dafür, dass die Bedeutung als Italien vor Ennius doch verbreiteter gewesen sein könnte als in der Überlieferung sichtbar, s. z. B. für Kirkes tyrrhenische Insel bei Apoll. Rhod. 3,311. 130 Stesichoros fr. 105 Davies/Finglass auf der Tabula Iliaca. Zur Deutung Latiums als Ziel des Aeneas bei Stesichoros s. bereits West 1966, comm. ad Hes. theog. 1008. – Diese eponyme Gestalt konnte wie andere Figuren der kampanischen Mythhistorie sowohl als Begleiter des Odysseus (wie in Strab. 1,2,18, indirekt auch bereits bei Lykophr. Alex. 737) als auch des Aeneas (wie in der Vulgata, u. a. Verg. Aen. 6,232–235; Prop. 3,18,3; Dion. Hal. ant. 1,53,3; OGR 9,6–8) erscheinen. Meist wird eine Priorität der Version mit Odysseus vor derjenigen mit Aeneas angenommen (z. B. Galinsky 1969, 109; Horsfall 1979; Battistoni 2010, 37 Anm. 12) und die Angabe auf der Tabula Iliaca als eine Hinzufügung des augusteischen Bildhauers eingeschätzt. Davies und Finglass 2014, 435 halten es dagegen für möglich, dass Misenos bereits bei Stesichoros Begleiter des Aeneas war und sein Erscheinen auf der Tabula Iliaca also nicht gegen die Authentizität des Stesichorosverweises spricht. Prinzipiell steht das Mittel eponymer Konstruktionen den antiken Schriftstellern sowohl für die Odysseus- als auch für die Aeneas-Erzählung zur Verfügung: Zahlreiche Heroen wurden mal Aeneas und mal Odysseus zugeordnet, z. B. die eponymen Heroen Baios und Baia (z. B. Lykophr. Alex. 694 mit Schol. ad loc.) oder Polites, als Gründer Politoriums ein Gefährte des Aeneas, als Heros in Temesa Gefährte des Odysseus (Cato FRHist 5 F 65 = Serv. Aen. 5,564; Strab. 6,1,5). 131 In einer griechischen Inschrift aus dem 6. Jh. erscheint ein Latinos: Λατίνο {η}ἐμί / το̃ Ῥεγίνο ἐμί, Grabinschrift im Getty-Museum, wohl aus Sizilien ( Jameson/Malkin 1998, Datierungsvorschlag: 2. Hälfte des 6. Jh.s). Jameson und Malkin deuten Latinos als einen „ethnic-xenia name“, der auf intensive Beziehungen zwischen einem Bürger aus Rhegion und einem Latiner hinweise.

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tiner in sein Werk denkbar ist. Es ist daher nicht ausgeschlossen, dass bereits zu einem frühen Zeitpunkt eine trojanische Erzählung über Latinus erzählt worden ist, die zu der Version des Caltinus geführt haben könnte. Welche Bedeutung kam Aeneas selbst im Tyrrhenischen Italien zu?132 Wie bereits für Odysseus und die hesiodeischen Verse gesehen, waren die Erzählungen über den Trojanischen Krieg bereits früh nach Italien gelangt. Damit ist zweifelsohne auch die Bekanntheit allgemein der Trojaner und des Aeneas im Besonderen anzunehmen. Wie für Odysseus gibt es auch früh bildliche Zeugnisse, und zwar nicht nur auf Importprodukten, insbesondere schwarzfigurigen Vasen des späten 6. Jahrhunderts mit der Darstellungen der Flucht aus Troja, sondern sicher bereits ab dem 7. Jahrhundert auch auf einheimischen Schöpfungen.133 Wie in den Ausführungen zu Odysseus angemerkt, kann aus der bildlichen Darstellung allein nicht direkt auf eine bestimmte Art der Aneignung des Heros geschlossen werden, zumal die Fluchtszene auf einer etrusko-korinthischen Oinochoe im Gesamtkontext der Eroberung Trojas erscheint.134 Im Falle von Veji scheint es allerdings möglich, aufgrund mehrerer Terrakottastatuetten aus dem 5. Jahrhundert sowie einer Terrakottastatue aus dem späten 6. Jh., die als Aeneas mit Anchises und den Hierá gedeutet wird, eine besondere Bedeutung des Trojaners zu postulieren, möglicherweise als Stadtgründer, vielleicht sogar außergewöhnlicherweise mit eigenem Kult.135

132 Zur Frage, ob die Trojanertradition über Etrurien nach Latium gekommen ist, s. auch u. Anm. 142 und bei der Diskussion der polis tyrrhenis, Kap. 4.3.2. – In der Forschung war die Stilisierung des Pyrrhus als Nachfahren des Achilles, der gegen die Nachfahren Hektors siegen würde, besonders wirksam und führte zu der inzwischen zu Recht überholten These, dass die Römer sich erst ab diesem Zeitpunkt auf die Trojaner bezogen hätten (maßgeblich Perret 1942). 133 s. u. a. die Übersicht im LIMC I, 1981, s. v. Aineias zu bildlichen Darstellungen des trojanischen Helden in der Archaik. Wichtigstes Thema in der Kunstproduktion war, neben der Episode um die Ermordung des Troilos und Kampfszenen, die Flucht aus Troja zum Ida mit seinem Vater Anchises auf den Schultern (LIMC I, 1981, s. v. Aineias Nr. 59 ff.), die in der kyklischen Iliupersis des Arktinos erwähnt war (fr. 1d ed. West 2013) und sich auch bei Sophokles niederschlug (Laokoon fr. 373 Radt; s. a. Dion. Hal. ant. 1,48,2). Die älteste Darstellung der Flucht aus Troja (allerdings ohne explizite Bezeichnung der Figuren) befindet sich auf einer etruskisch-korinthischen Oinochoe vom Ende des 7. Jh.s im Rahmen einer Darstellung der Iliupersis (s. o. S. 49 Anm. 82; Zevi 1981, 148 f. Taf. 5; zuletzt Colonna 2009, 61 mit Lit.). Szenen aus dem Trojanischen Krieg zieren auch die Oinochoe aus Tragliatella, auf der das Wort Truia neben einem möglicherweise die Mauern Trojas symbolisierenden Labyrinth zu finden ist, Diskussionen z. B. L. Polverini in: EV V, 1990, 287–288 s. v. Ludus Troiae. – Zur Bronzeapplique des 8. Jh.s aus der Nekropole des latinischen Castel di Decima in Form eines menschlichen Paares, das bisweilen als Anchises und Aphrodite gedeutet wird und in diesem Falle ein Beleg der Kenntnis und Bedeutung der Eltern des Aeneas in Latium darstellen würde, LIMC I, 1981, s. v. Anchises Nr. 6, s. bereits o. S. 48 mit Anm. 78. 134 Zur Oinochoe mit Iliupersis s. die letzte Anm. 135 Datierung und damit die Bedeutung der bisher sieben bekannten Terrakottastatuetten aus Veji, die Aeneas mit Anchises darstellen, sind umstritten: frühes 5. Jh. oder nach der Eroberung Vejis im frühen 4. Jh. (LIMC I, 1981, s. v. Aineias Nr. 96). Zuletzt spricht sich Colonna 2009, 63 wegen des

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Kehren wir zu Hellanikos zurück. Odysseus wird nur an dieser Stelle (wahrscheinlich) als (Mit-)Gründer Roms genannt. Wie oben gesehen tritt er in Italien sonst nur als Gründer von Cortona auf. Er ist jedoch, wie im letzten Kapitel gesehen, mehrfach als Vater bzw. Großvater eines eponymen Stadtgründers angegeben136 und ist in den in diesem Kapitel untersuchten Versionen über den Telemachsohn Latinus mit Rom verbunden. Auch für die Gründung Roms durch Aeneas selbst gibt es nur wenige Zeugnisse in der Überlieferung, den einzigen weiteren Hinweis bietet Sallust in einer vieldiskutierten Stelle.137 Darüber hinaus, und selten in der Diskussion angeführt, dürfte die Kleiniasstelle eine solche Rolle des Aeneas, dort als Gatte der (Latinerin bzw. Laertidin) Rhome bezeichnet, andeuten.138 Selbst in der griechischen Literatur wird Aeneas nicht dauerhaft als Gründer Roms etabliert und in der späteren Vulgata gilt schließlich Lavinium als Stadtgründung des Aeneas in Latium – nicht zuletzt aus sagenchronologischen Gründen.139 Wenn auch die kanonische Erzählung erst später entsteht,140 ist es wahrscheinlich, dass Aeneas schon zuvor, spätestens am Ende des 4. Jahrhunderts, für

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Fundkontexts inmitten von Votiven des 5. Jh.s für einen Zeitpunkt vor der Niederlage gegen Rom aus. Er deutet ein 2003 gefundenes Statuenfragment aus Veji aus dem späten 6. Jh. überzeugend als Teil einer Gruppe aus Aeneas, Anchises und den aus Troja geretteten hierá (ebd. 54 ff., gefolgt von Biella/Michetti 2018, 448 f.). Colonna sieht die Rettung der Heiligtümer aus Troja als zentral für einen möglichen Kult an, da dieses Motiv nur in etruskischen, nicht aber in griechischen Darstellungen präsent sei. Die Argumentation von Poucet 1989 gegen einen Aeneaskult in Veji ist älter als der Fund der möglichen Aeneasstatue und der Neubewertung der Votivstatuetten, wodurch eine (kultische?) Verehrung wieder denkbarer wurde. Für Veji ist literarisch keine Gründungsgeschichte überliefert, man kann die archäologischen Funde also nicht mit (zeitgenössischen) Erzähltraditionen abgleichen. Möglich ist ein früher Bezug auf Odysseus auch in Veji, der sich in der Gefäßinschrift der „Odysseiaden“ niedergeschlagen hätte (s. o. S. 52 mit Anm. 99), was einen (späteren?) Aeneasbezug jedoch nicht ausschließt (s. o. Kap. 3.2.4 zur Abfolge mehrerer Gründungsgeschichten in Cortona). s. o. Kap 2.2 und 2.3. Sall. Catil. 6,1. Cornell 2000, 46 hält die Salluststelle für eine Zusammenfassung der gesamten (kanonischen) Ursprungserzählung von Aeneas bis zur Stadtgründung, ohne dem Trojaner die Gründerrolle zuzuerkennen. Dies wäre ein Fall extremer Verkürzung des Narrativs mit der Konzentration auf das Wesentliche, nämlich die trojanischen Wurzeln Roms. Kleinias, FGrHist 819 F 1 = Serv. auct. Aen. 1,273, s. o. Als erstes Lager (castrum) der von Aeneas angeführten Trojaner erscheint Troia, und zwar ab Cato (FRHist 5 F 4. 5 [FRH 3 F 1,7. 8] = Serv. Aen. 1,5; 7,158; 11,316). Es handelt sich dabei wohl nicht um eine historische Stadt, sondern um eine literarische Schöpfung in der Tradition der Vulgata. Die Lokalisierung unterscheidet sich von Autor zu Autor, bei Liv. 1,1,4 und Dion. Hal. ant. 1,53,3 ist von Laurentum, bei Charax von Pergamon von Ardea die Rede (FGrHist 103 F 63 = Steph. Byz. s. v. Ἀρδέα, von Jacoby als „Zweifelhaftes“ ausgewiesen, mit G. Squillace comm. ad loc. BNJ; 2.–3. Jh. n. Chr.). Lavinia, die eponyme Gattin des Trojaners und Tochter des Latinus taucht erst im 2. Jh. v. Chr. in der literarischen Überlieferung auf, die Herleitung des Stadtnamens von ihr ist also wohl eine späte Zutat zur Gründungsgeschichte; s. o. Kap. 1.2, auch zu alternativen Lavinia-Erzählungen.

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die Stadt am Numicus von Bedeutung war.141 Dennoch ist festzuhalten, dass die trojanische Tradition zunächst primär mit Rom verbunden ist, und zwar in der Gestalt der eponymen trojanischen Heroin.142 Andere latinische Städte haben vermutlich erst in einem zweiten Schritt trojanische Ursprünge für sich reklamiert, aufgrund des römischen mythhistorischen Erfolges.143 3.4 Die Schiffsbranderzählung Erzählungen über die Ansiedlung von Trojanern nach dem Fall ihrer Stadt waren spätestens ab dem 6. Jahrhundert v. Chr. an verschiedenen Orten der Ägäis und Italiens verbreitet. Eines der wiederkehrenden narrativen Motive, das in der Hellanikosstelle im Zusammenhang mit der Gründung Roms verwendet wird, ist der Schiffsbrand.144 Als „thème passe-partout“145 begegnet das Schiffsbrandmotiv an mehreren weiteren Orten.146 Es liegen zwei Grundversionen der Erzählung vor. In beiden stecken Troja-

141 s. Kap. 1.2 zu dem im 4. Jh. monumentalisierten ‚Heroon des Aeneas‘ in Pratica di Mare. Der Cippus aus dem nahegelegenen Tor Tignosa wurde zuletzt als Weihung an die Lares interpretiert, nachdem er seit der Lesung durch M. Guarducci als Beleg für einen Kult für Aeneas herangezogen wurde: CIL I2 2843 mit La Regina 2014; s. zur Etablierung des konsularischen Kultes der sacra principiorum populi Romani in Lavinium u. a. Grandazzi 2010. – Das bis ins 7. Jh. zurückreichende Ostheiligtum war wohl seit früher Zeit Minerva geweiht, wofür seit dem 5. Jh. die Minerva-Statuen aus Terrakotta in dem berühmten Votivdepot sprechen. Mit der besonderen Darstellungsweise einer Minerva Tritonia wird die Göttin als Athena Ilias/Troiana bzw. Palladium identifiziert, und zwar bereits in der Antike (s. Lykophr. Alex. 1261–1269 und Strab. 6,1,14), und somit ein früher Zeitpunkt der Behauptung trojanischer Wurzeln Laviniums angenommen. Zu den literarischen Zeugnissen von Lykophron und Timaios s. auch u. Kap. 4.2. 142 s. Battistoni 2010, 35 zu den verschiedenen Theorien, ob die trojanische Erzählung über Lavinium oder Etrurien nach Rom gekommen sei. M. E. ist keine dieser Vermittlungen nötig, Rom selbst stand ja zur Genüge mit der griechischen Welt in Kontakt. 143 Hier ist an Lanuvium und den Heros Lanoios, über den eine Verwandtschaft mit der sizilischen Stadt Kenturipe bestand, zu denken, wie durch die dort gefundene Inschrift belegt ist, s. Battistoni 2006; Fab. Pict. FRHist 1 T 7 und u. a. Battistoni 2010, 147 ff.; Zevi 2012, jeweils mit Lit. 144 Behandelt insb. in Stadter 1965, 30–34; Solmsen 1986, 104–109; Martínez-Pinna 1996; s. u. das Schaubild Abb. 18 (S. 135). 145 Perret 1942, 396–399. 401. Das Motiv erscheint nicht unter den als ‚Folktale-Themes‘ bezeichneten Motiven bei St. Thompson, am nächsten ist Motiv R244 „Ships burned to prevent flight“ in isländischen Erzählungen, Thompson 21966, V, 291. Dennoch weist auch unsere Geschichte deutlich Folktale-Züge auf. Alföldi 1957, 9 nennt die Geschichte ein „spielerisch aufgetischte[s] Novellenstück […]“. 146 Strabon merkt kritisch an, dass sich viele Städte der Tat der Trojanerinnen rühmten, ebenso wie auch viele Städte das Kultbild der Athena Ilias besitzen wollten (6,1,14: καὶ τὸ τῶν Τρῳάδων δὲ τόλμημα περιφέρεται πολλαχοῦ καὶ ἄπιστον φαίνεται καίπερ δυνατὸν ὄν. „Auch die verwegene Tat der Trojanerinnen wird an viele Orte verlegt und erscheint unglaubhaft, obwohl sie möglich ist“ [Ed. und Übers. S. Radt]); Plut. qu. R. 6, mor. 265C.

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nerinnen die Schiffe in Brand. In Sizilien,147 Caieta148 und Pisa149 gehören die Brandstifterinnen wie bei Hellanikos zu den Trojanern auf der Suche nach einer neuen Heimat und handeln aus Müdigkeit und Überdruss über die endlosen Reisen.150 Bei Kroton151 und Sybaris152 sowie an den Küsten der Chalkidike,153 Kretas154 und der Daunia155 handelt es sich dagegen um Gefangene der Achäer, die durch die Verzweiflungstat dem Schicksal der Sklaverei und dem Zorn der achäischen Gattinnen entgehen wollten.156 Das Schiffsbrandmotiv bot, ähnlich wie der Verweis auf ein Orakel, eine Erklärung, warum sich die Trojaner gerade an dieser Stelle bzw. die Achäer in der Ferne niedergelassen hatten, statt in die Heimat zurückzukehren.157 Das Motiv findet sich in ktiseis 147 Trojaner unter Aeneas mit dem ktistes Acestes/Aigestos, dem Dardaner/Elymer, in Sizilien: Verg. Aen. 5,606 ff. insb. 5,615–617. 623–637 zur Müdigkeit der Trojanerinnen und der Sehnsucht nach dem neuen Troja; Version ablehnend erwähnt von Dion. Hal. ant. 1,52,4. 148 Etymologische Aitiologie des Ortsnamens vom Schiffsbrand: Sempronius Tuditanus FRHist 10 F 5 = OGR 10,4 (FRH 8 F 2): ἀπὸ τοῦ καῦσαι (zu dem dort ebenfalls angeführten Caesar, s. C. J. Smith, comm. ad FRHist 10 F 5, III, 223; T. J. Cornell, ebd. I App. 1, A24); Serv. Aen. 7,1: ἀπὸ τοῦ καίειν. Die etymologische Erklärung ist alternativ zur Herleitung des Namens vom Hafen des Aietes aus der Argonautensage (Lykophr. Alex. 1274; Diod. 4,56,6) oder von der Amme des Aeneas wie in Verg. Aen. 7,1–4 (und zuvor bei Lutatius, Acilius und Piso). 149 Serv. auct. Aen. 10,179 (Pisa kennt ansonsten griechische Ursprünge: von Nestor, Epeios oder nicht spezifizierten Achäern, Strab. 5,2,5, 222; u. a. Briquel 1997, 95). 150 Gegen Martínez-Pinna 1996, ist Siris nicht sicher als Ort einer Schiffsbrandtradition zu betrachten, da Strab. 6,1,14 (s. o.) nur die Häufigkeit des Motivs anführt, im Vergleich mit den zuvor erwähnten zahlreichen Kultbildern der Athena Ilias, und nicht sagt, dass in Siris eine solche Tradition anzutreffen sei (bei Humm 2013, 442 Anm. 46 wird die Aitiologie für den Fluss Nauaithos [s. nächste Anm.] bei Kroton auf Siris bezogen). Natürlich kann die Schiffsbrandgeschichte für Siris nicht ausgeschlossen werden. Im Kontext der anderen Städte der Magna Graecia, für die solche Erzählungen überliefert sind, wäre dies gut denkbar, doch fehlt die eindeutige positive Evidenz. 151 Am Fluss Nauaithos (heute Neto/Nieto) bei Kroton, der den Namen von dem Schiffsbrand erhalten habe: Lykophr. Alex. 921 mit Schol. 921b (bei Lykophron ist der Schiffsbrand nicht explizit genannt, doch der Flussname macht die Existenz der spätestens mit Strabon explizit erwähnten Erzählung bereits zu seiner Zeit wahrscheinlich); Strab. 6,1,12; Apollod. epit. 6,15 c; Etym. mag. 598, 38–45; Suda s. v. Ναύαιθος; Schol. Theokr. 4,24a. 24b 152 Beim Felsen Setaion in der Nähe von Sybaris, mit der grausamen Bestrafung der Brandstifterin Setaia: Lykophr. Alex. 1075–1082; Steph. Byz. s. v. Σηταῖον; Schol. Lykophr. Alex. 921. 1075. 153 In Skione auf der Halbinsel Pallene: Gefangene des Protesilaos und Initiative der Aithilla, Schwester des Priamos: Strab. 7 fr. 25; Konon narr. 13 (FGrHist 26 F 1,13); Polyain. 7,47; Steph. Byz. s. v. Σκιώνη = Ael. Herod. pros. cath. III.1, 337, 26–29. 154 Kreta: Gefangene des Agamemnon (Suda s. v. Οἱ Κρῆτες τὴν θυσίαν [Οι Nr. 83; IV, 619 Adler] = Zenob. par. 5,50). 155 Ps.-Aristot. mir. 109. 156 Bei Strabon (Kroton), Herakleides (Rom) und Polyainos (Skione) handeln die gefangenen Trojanerinnen wie in der trojanischen Erzählung aus Reisemüdigkeit. 157 Martínez-Pinna 1996, 48 f. zieht für seine Deutung der trojanischen Version das Konzept der „ewigen Rückkehr“ von Mircea Eliade heran: Das Verbrennen der Schiffe mache die Weiterfahrt unmöglich und bringe so das Ende der als Pilgerreise verstandenen Suche nach einem neuen Troja. Der Beginn in der Niederlassung in einer fremden, unbewohnten Gegend bedeute einen Schöpfungsakt, das Erbauen des Hauses einen absoluten Beginn, das Wiederherstellen des „instante inicial“. Die Inbesitznahme des Landes bedeute den Übergang vom Chaos zum Kosmos. Außer der Erklärung für dieses Motiv dient diese Interpretation für Martínez-Pinna der Bestimmung einer

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von Städten und Ursprungserzählungen von Völkern sowie in Aitiologien von Toponymen und Bräuchen. Vergil und Ovid entwickeln es schließlich weiter und deuten es in den Episoden in Sizilien158 und Latium159 um, was die anhaltende Bekanntheit des Motivs belegt, obwohl es in seinem ursprünglichen Sinn obsolet geworden war. 3.4.1 Überlieferung Am häufigsten ist das Motiv der Schiffeverbrennung allerdings im Rahmen der römisch-latinischen Ursprungserzählungen überliefert (s. Tab. 2). Mit 14 Nennungen handelt es sich um die bestdokumentierte nichtkanonische Ursprungserzählung für Rom. Sie erscheint sowohl in der rein trojanischen als auch in der achäisch-trojanischen Version und findet sich in der griechischen und lateinischen Literatur. Kaiserzeitliche Autoren nennen als Quellen neben Hellanikos explizit Aristoteles160 und Herakleides Lembos, einen Epitomator des Aristoteles aus der ersten Hälfte des 2. Jahrhunderts v. Chr.,161 bei weiteren Erwähnungen des Schiffsbrandes wird keine Quelle genannt.162 Es ist wohl nicht abschließend zu klären, in welchem Verhältnis die zahlreichen lokalen Erzählungen zueinander stehen und ob die Version mit den Achäern und den gefangenen Trojanerinnen oder die mit den trojanischen Flüchtlingen die ältere, ur-

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hohen Chronologie. Allerdings kann das folkloristische Schiffsbrandmotiv m. E. im Kontext der Nostoi mit unterschiedlichen Bedeutungen versehen werden, ohne dass dies gleichzeitig als chronologisches Argument verstanden werden muss, s. dafür die doppelte Umdeutung des Motivs bei Vergil (s. u.). Zudem ist nicht sicher, ob in der Erzählung immer von einem unbewohnten Land ausgegangen werden kann; s. u. zu einer möglichen Präsenz von Einheimischen, die spätestens in den Erzählungen dieses Kapitels in die Geschichte aufgenommen wurden. Bei Vergil werden die Schiffe auf Rat der als Trojanerin Beroe verwandelten Iris vor Segesta angezündet (Verg. Aen. 5,606–663), um das Erreichen Italiens unmöglich zu machen, aber Iuppiter löscht das Feuer auf Aeneas’ Gebet hin (5,685–699. 726 f.). Die Niederlassung nach dem Verlust der Schiffe durch Brandstiftung hat eine völlig andere symbolische Bedeutung als die Verheißung einer neuen Stadt und Herrschaft für die Trojaner durch Venus wie in der Aeneis. Bei Verg. Aen. 9,69–125; 10,219–235 und Ov. met. 14,527–566 legt Turnus selbst die Fackel an die Schiffe. Der Brandstifter ist hier das einzige Mal ein Mann und kein Trojaner. In Einlösung von Iuppiters Versprechen gegenüber Kybele, auf deren Berg Aeneas das Holz geschlagen hat, werden die Schiffe in Nymphen verwandelt. Turnus vollstreckt durch seine Handlung das prophezeite, somit unabwendbare Schicksal und besiegelt entgegen seinem eigentlichen Interesse die Ansiedlung der Trojaner in Latium. Aristot. Νόμιμα βαρβαρικά, fr. 609 Rose = FGrHist 840 F 13a = Dion. Hal. ant. 1,72,3 f. (nach ihm Synk. 227, 9–17, über Eusebius; Zitat s. Anm. 166); Plut. qu. R. 6, mor. 265C. Herakleides Lembos, FGrHist 840 F 13b: Fest. 329, 6–15 L; Solin. 1,2; Serv. auct. Aen. 1,273 (ohne Nennung des Schiffbrands, nur der Müdigkeit von der Seereise). Zu Herakleides s. Schepens/ Schorn 2010, 418–428; Dietze-Mager 2017, 46 f. Plut. Rom. 1,2–4; Plut. virt. mulier. 1; Polyain. 8,25,2 (der auf Plut. virt. mulier. 1 zurückgeht, die wörtliche Rede hinzufügt und den Aeneas des Hellanikos wiedereinführt, s. Stadter 1965, 23); Schol. Lykophr. Alex. 921. 1075 bezieht sich seinerseits auf Plutarch, s. aber u.

Palatin

Plutarch

Kallias et al.

Tiber, Italien

(Plut.)

Tzetz., Schol. Lykophr. Alex. 921. 1075

Italien

Polyain. 8,25,2

Aristoteles

Plut. qu. R. 6

Tiber, Italien

Tiber

Herakleides (Aristoteles?)

Fest. 329, 6–15; Solin. 1,2; Serv. auct. Aen. 1,273

Latinion in der Opike

Plut. virt. mulier. 1

Aristoteles

Dion. Hal. ant. 1,72,3 f. (mit Eus.; Synk.)

Italien

Tiber, Pallantion

Hellanikos, Damastes und „einige andere“

Dion. Hal. ant. 1,72,2 (mit Eus.; Synk.)

Ort

Plut. Rom. 1,2–4

Quellenangabe

Zitierende Quelle

Quelle Brandstifterin

Trojaner, (Aeneas)

Griechen, troj. Gefangene

Trojaner, Aeneas

Trojaner

Trojaner

Trojaner

Achäer, troj. Gefangene

Achäer, troj. Gefangene

Rhome (Rolle?)

Rhome

Rhome

Rhome

Rhome

Rhome

Trojaner, Aeneas, Rhome (Odysseus)

Schiffsbesatzung

Konstellation

Tab. 2 Römische Schiffsbranderzählungen

Laertiden, Latinus

Latiner

Nachbarn

Einheimische

Stadt

Stadt

Niederlassung

ius osculi

ius osculi Stadt

ius osculi

Stadt

Stadt

Aition

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Latinus, Sohn des Telemach, und Rhome

sprüngliche war.163 Dennoch muss im Folgenden die Erzählung bei Aristoteles genauer in den Blick genommen werden, da sie den Erzählungen der Kallias-Gruppe zeitlich am nächsten steht. Die Restitution der ursprünglichen Erzählung bei Aristoteles ist allerdings problematisch, da die Überlieferung widersprüchlich ist. Die naheliegende Erklärung für die einzelnen Unterschiede liegt in der Verwendung von aktualisierenden oder fehlerhaften Zwischenquellen.164 Meines Erachtens ist es dennoch nötig, hier etwas tiefer zu gehen und die Varianten in Hinblick auf die Präsenz von Latinern in den Ursprungsgeschichten des 4. Jahrhunderts und die Relevanz der Geschichte für die Identität der Latiner als Trojaner oder Achäer zu untersuchen. 3.4.2 Lokalisierungen: Rom und Latinion Bei Plutarch wird der Schiffsbrand wie bei Hellanikos und in den meisten Zeugnissen am Tiberufer lokalisiert und somit eine Gründungsgeschichte Roms präsentiert.165 Bei Dionysios von Halikarnassos ist dagegen von „dem Ort namens Latinion im Opischen Land am Tyrrhenischen Meer“ die Rede.166 Der Name Latinion ist ansonsten nicht überliefert und wohl auch sonst kaum bekannt, weshalb er in der indirekten Über-

163 Ausführliche Diskussion und Forschungsstand bei Martínez-Pinna 1996: er spricht sich gegen die bis dahin vorherrschende Meinung aus, nach der die Achäer-Erzählung als die ältere galt (z. B. Alföldi 1957, 10 mit Lit.; Wiseman 1995, 51; Solmsen 1986 legt sich nicht fest.). – Die Alternativen sind, dass ein allgemein verbreitetes Motiv auch für Rom verwendet wurde (am ehesten mit dem Vorbild einer älteren Erzählung für Kroton) oder ein mit Rom/Latium/den Trojanern verbundenes Motiv später aufgrund dieses Vorbildes, sei es in Anlehnung oder Abgrenzung, in Italien, Sizilien und der Ägäis aufgenommen wurde. – Die älteste über den Autor datierbare Version ist die Erzählung für Rom des Hellanikos, einige weitere sind wohl späte Aitiologien, so die Variante für Caieta aus dem 2. Jh. v. Chr. Andere können ältere Traditionen wiedergeben, ohne dass wir es belegen können (s. u. zum ‚dionysischen Aristoteles‘). 164 Nach C. Ampolo, comm. ad Plut. Rom. 1,2–4, verwendeten beide Autoren Aristoteles nicht direkt, sondern griffen auf Zwischenquellen zurück, womit sich die Unterschiede erklären (ebd. S. 262 zur Verwendung antiquarischer Kompilationen durch Plutarch, Festus, Servius und Dionysios von Halikarnassos); Stadter 1965 rechnet dagegen bei Plutarch mit einer direkten Kenntnis des Aristoteles, wobei er den Philosophen allerdings aus dem Gedächtnis zitiere. – Für die Hellanikosstelle steht Dionysios deutlich in einer Überlieferungslinie. Da er Hellanikos, Damastes und ἄλλοι τινές für die römische Schiffsbrandgeschichte anführt, dürfte er selbst wohl auf den jüngsten der „anderen“ zurückgegriffen haben. 165 Plut. Rom. 1,2 ff. und virt. mulier. 1; in qu. R. 6, erscheint mit Verweis auf Aristoteles allgemein Italien, jedoch ist aus dem aitiologischen Kontext Rom als Schauplatz anzunehmen. Diese Lokalisierung der Erzählung in Italien ist eine Folge der Italisierung, die u. diskutiert wird (Kap. 3.6.2). 166 Aristot. Νόμιμα βαρβαρικά, fr. 609 Rose = Dion. Hal. ant. 1,72,3 f.: Ἀριστοτέλης δὲ ὁ φιλόσοφος Ἀχαιῶν τινας ἱστορεῖ […] τελευτῶντας δ’ ἐλθεῖν εἰς τὸν τόπον τοῦτον τῆς Ὀπικῆς, ὃς καλεῖται Λατίνιον ἐπὶ τῷ Τυρρηνικῷ πελάγει κείμενος […]. „Der Philosoph Aristoteles aber berichtet, einige Achäer seien […] schließlich an den Ort im Opikerland gekommen, der Latinium heißt und am Tyrrhenischen Meer liegt“ (Übers. A. Städele).

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lieferung in Lation vereinfacht worden ist.167 Lation kann jedoch nicht den ursprünglichen Wortlaut darstellen, da Latium in den griechischen Quellen – analog zur Opike – als Λατίνη bzw. Λατίνη χώρα bezeichnet wird.168 Latinion erscheint als τόπος, was eine bestimmte geographische Stelle, eine Siedlung, aber auch Gebiet bedeuten kann.169 Es kann also nicht abschließend bestimmt werden, ob hier an einen Ort, analog zu Rom, oder eine Landschaft gedacht ist, die dann ein Teil der größeren Opike wäre. Da es wohl kein reales Latinion gab, vermittelt die Orts- oder Landschaftsangabe eher den Eindruck einer narrativen Konstruktion als einer allseits bekannten Bezeichnung.170 Diese dürfte von dem Volk der Latinoi oder gar von dem seit Hesiod bekannten eponymen Heros Latinos abgeleitet sein171 und lässt grundsätzlich eher an einen frühen Zeitpunkt denken.172

167 In Eus. exc. und Synk. chron. 227, 12 ist Latinion zu Lation vereinfacht und der lateinischen Bezeichnung der Region Latium angepasst (s. V. Fromentin, krit. App. ad loc.; G. S. Bucher comm. ad BNJ 840 F 13a). Auch in der indirekten Überlieferung, d. h. den lateinischen Wiedergaben der Epitome des Herakleides Lembos erscheint sie nicht mehr, nicht zuletzt da dieser das Geschehen nach Rom verlagert. – A. Kiessling ad loc. schlug die Konjektur Λαουίνιον vor, Weinstock „eine Vermischung von Latinus und Lavinium“ (RE XIX.1, 1937, 435 s. v. Penates), F. Jacoby Λαύρεντον (FGrHist 840 F 13a); s. Humm 2013, 443 mit Anm. 48. 49 zur positiven Aufnahme der Lavinium-Konjektur bei den Forschern, die Latinus als König Laviniums bzw. Pater Indiges selbst betrachten. Mit Vanotti 1995, 37 entscheide ich mich jedoch für die Lectio difficilior. Falls bei Aristoteles von Lavinium die Rede gewesen wäre, hätten wir es zudem erneut mit einer weiteren Variation zu tun, in der Lavinium als achäische, nicht als trojanische Gründung durch Aeneas erscheinen würde. Die Erzählung von Aeneas in Lavinium (d. h. ebenso in Laurentum) hat sich wahrscheinlich erst in der Zeit des Aristoteles herausgebildet. – Vgl. aber die Variante bei Lyd. mens. 1,13, wo Aeneas in Laurentum in der Opike landet, hier hat eine partielle Anpassung an die Vulgata stattgefunden, Kap. 2.2.4. 168 Theophr. h. plant. 5,8,1; 9,15,1; Pol. 3,22,11; 24,16; Ps.-Skymn. 234; Strab. 5,3 passim. 169 Die Vereinfachung zu Lation zeigt zumindest, dass es später als ‚Gebiet‘ oder ‚Region‘ gedeutet wurde, aber natürlich aufgrund der Kenntnis der Region Latium. – Vgl. Ps.-Aristot. mir. 109, das genauso mit der Ortsangabe der Notiz anfängt, indem ein „Ort namens … in der Daunia“ angegeben wird. Dort ist der Ortsname verloren (s. G. Vanotti, comm. ad loc., 2007, 193), es wird aber wie in der Schiffserzählung mit einer Stadt, vielleicht Lukeria, nicht einer Region zu rechnen sein. 170 Eine solche Schöpfung könnte auch Δαύνιον sein. Diese πόλις Ἰταλίας erscheint nur in Scholien, Lexika und Grammatiken (Ael. Herod. pros. cath. III.1, 358, 21; 359, 19; peri paronymon III.2, 879, 3; Steph. Byz. s. v. Δαύνιον; Schol. Lykophr. Alex. 1254), hatte darüber hinaus aber keine reale Existenz. Sie wurde vielleicht stellvertretend für das Land oder das Volk der Daunier genannt, deren Ethnikon Daunios seinerseits hier von der Stadt hergeleitet wird. Unsicherheiten bei Namen begegnen auch in anderen Erzählungen im 5./4. Jh., s. den Fall Cortonas, für das in jeder der oben vorgestellten Varianten eine andere Namensform erscheint (was schließlich zu einer großen Unsicherheit bei der Identifizierung der Stadt führt). – Für Latium ist die Frage insofern problematisch, als Latinoi und der von ihnen abgeleitete Eponym Latinos ja bereits seit bzw. vor den hesiodeischen Versen bekannt sind. 171 Vanotti 1995, 37 (s. u. Anm. 224). – Auch wenn ursprünglich der eponyme Heros aus dem Ethnonym hervorgegangen ist, ist es für einen Kenner der Theogonie möglich, wiederum aufgrund der hesiodeischen Figur ein Toponym zu konstruieren. Als Vergleich können die erfolgreicheren Fälle des Kirkaion, der thrakischen Stadt Aineia oder der zahlreichen Herakleia angeführt werden, die – wie die späteren Gründungen historischer Helden und Könige, allen voran Alexanders des Großen – ihren Namen von Mythengestalten erhalten. 172 Humm 2013, 443 sieht dagegen in der Nennung von Latinion einen Beleg für die Entstehung der Erzählung nach dem Latinerkrieg, wie er allgemein die Version des (dionysischen) Aristoteles als

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Wo liegt dieses opische Land? Im frühesten Zeugnis bei Thukydides und vielleicht bereits bei Hesiod handelt es sich um die Region, in der Kyme liegt.173 Antiochos sowie Aristoteles selbst setzen in ihren Erzählungen über die Frühzeit dabei die Opiker mit den Ausoniern gleich.174 Bei Aristoteles grenzt das opische Land bzw. das der Ausonier im Norden an Tyrrhenien.175 Dieses Latinion liegt also vermutlich in der Region, die wir als Latium bezeichnen, die zur Zeit der Entstehung der Tradition für die Griechen aber auch als Teil der Opike betrachtet werden konnte.176 Eine solche Überschneidung von Latium und Opike bzw. Ausoniern äußert sich auch ansonsten in der frühen Mythhistorie, zum einen in den identischen Genealogien für Latinos und Auson als Söhne des Odysseus mit Kalypso oder Kirke, zum anderen in der Erzählung des Antiochos

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Ergebnis sehr weitreichender Kenntnisse der zeitgenössischen Machtverhältnisse auf der Apenninenhalbinsel betrachtet (ebd. 461). Thuk. 6,4,5: Κύμης τῆς ἐν Ὀπικίᾳ. Hesiod nennt seine Heimatstadt Kyme Aiolis, um es von der Gründung in Italien abzugrenzen (erg. 636), der Name des Kyme am Tyrrhenischen Meer ist allerdings nicht explizit genannt. Diskussion über Opiker und Ausonier bei Strab. 5,4,3: Opiker gleich Ausonier: Antiochos FGrHist 555 F 7; Aristot. pol. 7,10 p. 1329b Bekker. Von anderen Autoren wurden die Opiker und die Auso­ nier als nicht-identische, benachbarte Völker betrachtet: Pol. 34,11,7, s. Luraghi, comm. ad BNJ 555 F 7. – In der Folge weitet sich Ausonia zu einem Synonym für das die ganze Apenninenhalbinsel umfassende Italien aus und Ausonii für die Latiner. Als solche erscheinen sie vornehmlich bei Vergil in der Zusicherung Iuppiters in Aen. 12,834 ff., dass die Ausonii nach der Verbindung mit den Trojanern ihre Sprache und ihren Namen behalten, wobei es eigentlich um die Latini gehen müsste. Zur Ausonia im augusteischen Imaginaire s. die Beiträge in MEFRA 129/1, 2017. Mit den Etruskern beschäftigte sich die aristotelische Schule in den Bräuchen der Tyrrhener (fr. 607. 608 Rose) (zu den Nomima Tyrrhenon, möglicherweise Teil der Nomima barbarika, Hose 2002, 250), sie dürften also als von den italischen Völkern verschieden wahrgenommen worden sein; s. aber u. Kap. 4.3 bei der Erzählung des Alkimos: Noch im 4. Jh. bestand eine große, auch in mythischen Genealogien ausgedrückte Nähe zwischen Etrurien und Latium. Auch der Tarantiner Aristoxenos (fr. 124 Wehrli = Athen. 14, 632a–b) führt am Ende des 4. Jh.s „Tyrrhener oder Römer“ an, wenn er von Lukanern sprechen müsste, wobei alle drei als barbarisch im Gegensatz zu den einstigen griechischen Bewohnern Poseidonias betrachtet werden, s. Dench 1995, 52; Humm 2013, 448 (der mit Fraschetti annimmt, dass sich hier bereits römischer Einfluss in Kampanien niederschlage; allerdings deutet er zuvor auch die Angabe ‚in der Tyrrhenischen Bucht‘ als Zeichen für etruskischen Einfluss, nicht wie hier als Relikt des ‚Tyrrhenischen Italiens‘ bzw. schlicht als am Tyrrhenischen Meer gelegen); s. auch Musti 2005, 269 f., dass Aristoteles die Bezeichnung Lukaner nicht verwendete, weil er Antiochos folgte, was vielleicht auch auf seinen Schüler Aristoxenos übertragbar ist, s. auch u. Umgekehrt konnte Lykophron in Alex. 1355 auch Caere, griechisch Agylla, als ausonisch bezeichnen. – Zu Aristoxenos und dem Motiv der Barbarisierung der Magna Graecia (nach Strab. 6,1,2), s. Simon 2011, 380 ff.; zur ‚Samnitisierung‘ Poseidonias u. a. Nowak 2014. s. das Verständnis von ‚opisch‘ als ‚nicht-griechisch‘, das Italiker allgemein bezeichnete, aber auch Latiner (bzw. Römer) miteinschließen konnte; s. die Sorge, der im Plato zugeschrieben Brief 8 (353e) Ausdruck verliehen wird, dass das Griechische auf Sizilien durch die phönizische und die opische Sprache verdrängt werden könnte, und noch im 2. Jh. Cato, De medicina fr. 1 (= Plin. nat. 29,14), der die Bezeichnung der Römer als Opiker allerdings als Beleidigung auffasst, weil es die Römer mit Barbaren gleichsetze (dazu Dench 1995, 53; Humm 2013, 451).

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über den aus Rom geflüchteten Sikelos.177 Mit der vagen Ortsangabe nimmt Aristoteles dabei keine Rücksicht auf die historischen Entwicklungen in Latium und Kampanien in seiner Zeit.178 Ein weiterer Aspekt spricht für eine eher frühe Datierung der Variante des Aristoteles (nach Dionysios): Es ist wahrscheinlicher, dass die Handlung von einem allgemeinen, mit einem Ethnonym bezeichneten Schauplatz (bei Aristoteles) an eine spezifische Stadt (bei Hellanikos) verlagert wird, als dass es sich um eine spätere Verallgemeinerung einer bereits mit einer eponymen Heldin versehenen Geschichte für einen spezifischen Ort handelt. Es liegt eine ähnliche Entwicklung vor wie bei eponymen Genealogien, bei denen nach Latinos mehrere Städte-Eponyme auftauchen, manchmal Latinos nachgeordnet (Praenestes), meist aber an seiner Stelle (Ardias, Antias, Rhomos). Aristoteles kann also, was die Ortsangabe angeht, nicht der Urheber der Variante sein, sondern überliefert eine ältere Version als die des Hellanikos, in der noch nicht Rom, wie bei jenem, das Ergebnis der Aktion der Trojanerinnen war. Allerdings darf nicht vernachlässigt werden, dass Dionysios die Aristotelesstelle im Kontext der ktiseis für Rom paraphrasiert und somit keine vollständige Wiedergabe des Inhalts vorliegen muss. Es ist daher nicht auszuschließen, dass auch bei Aristoteles Rom erwähnt179 und die Geschichte nach dem Brand weitergeführt wurde. Dies ist umso wahrscheinlicher, da nach Plutarch diese Geschichte dem Aristoteles als Aitiologie für das ius osculi diente.180 Jedenfalls war für die spätere Aristotelesrezeption eindeutig, dass es sich bei seiner Erzählung um eine für Rom relevante Geschichte handelt.

177 In Antiochos FGrHist 555 F 6 (= Dion. Hal. ant. 1,73,4) flieht Sikelos, der Eponym der Sikeler, aus Rom und sucht bei Italos’ Nachfolger Morges Zuflucht; in F 4 (= Dion. Hal. ant. 1,22,5) werden die (später in Latium verorteten, Dion. Hal. ant. 1,9,1) Sikeler von den Opikern und Oinotriern verjagt (so auch Thuk. 6,2,4, zitiert bei Dion. Hal. ant. 1,22,6). Sowohl Rom als auch die Opiker werden in dieser Perspektive als Gegner der Sikeloi und Italoi (zu diesen s. o.) dargestellt. 178 s. auch Kap. 2.3.1 und 4.5 zu den historischen Entwicklungen zwischen Latium und Kampanien im 5. und 4. Jh. im Laufe der Eroberungen der griechischen Städte durch die sabellischen Völker sowie zu den Volskern. – Dass die historische Entwicklung durchaus Eingang in griechische (geound ethnographische) Literatur fand, zeigt Ps.-Skylax, der für die Westküste der Apenninenhalbinsel Tyrrhener, Latiner, Volsker, Kampaner, Samniten und Lukaner nennt (5–12). Grundsätzlich ist die Notwendigkeit einer Aktualisierung der Ursprungserzählung in Betracht zu ziehen. 179 Solmsen 1986, 105 nimmt an, dass Rhome erst in der Epitome des Herakleides Lembos hinzugekommen sei, allerdings würde es sich dann mehr um eine aktualisierte Version als um einen Auszug handeln. Zu Herakleides s. auch u. Schließlich ist denkbar, dass Aristoteles zusätzlich zu der ‚alten‘ (improvisierten) Latinion-Angabe die ‚neuere‘ Lokalisierung in Rom mitsamt der eponymen Protagonistin hinzufügt. 180 Zum Kuss-Recht s. u.

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3.4.3 Achäische Nostoi, gefangene Trojanerinnen und trojanische Flüchtlinge Schauen wir uns die Konstellation der Schiffsbranderzählung genauer an. Bei Aristoteles, wie ihn Dionysios überliefert, gehören die Schiffe den Achäern auf dem Heimweg, bei Hellanikos den trojanischen Flüchtlingen. Dionysios hat das Aristoteleszitat (nach Herakleides?) wahrscheinlich gerade deshalb ausgewählt, um das Spektrum der ktiseis vorzustellen und dabei diese Version von der trojanischen des Hellanikos abzusetzen. Plutarch führt Aristoteles dagegen als Referenz für eine rein trojanische Erzählung an, in der auch der Odysseus des Hellanikos weggefallen ist.181 Die einfachste Erklärung für diese Abweichung von Dionysios ist, dass hier eine spätere Anpassung vorliegt, dass Plutarch die achäische, ‚aristotelische‘ Variante durch die besser zur kanonischen Tradition passende trojanische Version des Hellanikos ersetzt hat.182 Wenn wir eine unvollständige Paraphrase der Version des Aristoteles bei Dionysios annehmen, ist, wie eben angemerkt, nicht ausgeschlossen, dass Plutarch Rhome tatsächlich bereits bei dem Philosophen vorgefunden hat. Nicht möglich ist jedoch, dass in der Achäer­ erzählung Aeneas als handelnde Person auftritt, da dieser in Latium stets als Flüchtling aus Troja, nie als Gefangener erscheint. Bei Hellanikos und dem Aristoteles nach Dionysios werden keine Einheimischen erwähnt. Bei beiden liegen die Ursprünge der Römer bzw. Latiner demnach gänzlich in der achäischen bzw. trojanischen Besatzung der Schiffe, die zum Bleiben gezwungen waren. Die Begründung eines neuen Volkes durch Migration einer Gruppe oder eines Volkes ist ein typisches Motiv von Ursprungserzählungen, wie insbesondere das Beispiel der Etrusker zeigt, die auf lydische oder pelasgische Ankömmlinge zurückgeführt wurden.183 Dieses Bild ändert sich durch zwei der Plutarchstellen, in denen berichtet wird, dass sich die Trojaner in Latium niederlassen, nachdem sie das Land und die Einheimischen, in einem Fall explizit als Latiner bezeichnet, kennengelernt haben.184 Wie

181 Plut. qu. R. 6. 182 Stadter 1965, 33 betont, dass Plutarch Aristoteles gelesen hatte und hier aber die Geschichte der Vulgata angepasst habe, da er wohl aus der Erinnerung zitierte und die Vulgata eben die herrschende Erzählung darstellte. – In Plut. virt. mulier. 1 werden die Männer nicht spezifiziert, s. Stadter 1965, 31, die Frauen aber auch nicht als Gefangene bezeichnet. 183 Ein weiteres Wanderungsmotiv, das häufig, insbesondere in den pelasgischen Traditionen zur Frühgeschichte Italiens erscheint, ist die Reise aufgrund eines Orakels, entsprechend der Rolle des delphischen Orakels bei der griechischen Kolonisation. 184 Plut. virt. mulier. 1, mor. 244A: […] οἱ Τρῶες καὶ ἅμα πειρώμενοι τῶν ἐγχωρίων, εὐμενῶς καὶ φιλανθρώπως προσδεχομένων, ἠγάπησαν τὸ πραχθὲν ὑπὸ τῶν γυναικῶν καὶ συγκατῴκησαν αὐτόθι τοῖς Λατίνοις. „Les Troyens, […] pour avoir en même temps fait la connaissance des indigènes, qui les avaient reçus avec humanité et gentillesse, furent satisfaits de l’action de leurs femmes et s’installèrent sur place au milieu des Latins“ (Übers. J. Boulogne). – Plut. Rom. 1,2: […] ὡς ὀλίγῳ χρόνῳ κρεῖττον ἐλπίδος ἔπραττον, ἀγαθῆς τε πειρώμενοι χώρας καὶ δεχομένων αὐτοὺς τῶν προσοίκων

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später in der Vulgata Aeneas durch Latinus werden hier die Trojaner durch die einheimischen Latiner insgesamt freundlich aufgenommen. Eine Übernahme aus der kanonischen Erzählung durch Plutarch ist nicht ausgeschlossen, doch wie bereits die Ortsangabe Latinion zeigt, haben die Latiner vielleicht bereits zuvor in der von Aristoteles aufgenommenen Tradition eine Rolle gespielt. Es könnte sich somit bei dem Zusammentreffen mit den Latinern um ein Element des 4. Jahrhunderts (spätestens) handeln. Allgemein gab es neben solchen Ursprungserzählungen, in denen die spätere Bevölkerung insgesamt von einem in das Land eingewanderten Volk abstammt, auch Traditionen, in denen einwandernde Griechen oder Trojaner auf eine einheimische Bevölkerung treffen.185 Dementsprechend könnte hier eine Ansiedlung der Achäer bzw. Trojaner bei den Latinern mitgedacht gewesen sein. Nach Aristoteles erscheinen die Latiner bei Lykophron explizit als eigenständige Gruppe vis-à-vis Aeneas. Gemäß der Prophezeiung der Kassandra werde er sich jenseits der Latiner, im Land der Boreigonoi, niederlassen.186 Das Motiv der freundlichen Aufnahme durch die Einheimischen könnte zudem in der Tradition des Gastfreundschaftsdiskurses stehen, der oben für die orientalisierende und archaische Zeit vermutet wurde.187 Für die Vorstellung der latinischen Ursprünge in der Schiffsbrandgeschichte muss letztlich offenbleiben, ob im 5. und 4. Jahrhundert die Abstammung des Volkes der Latiner von Trojanern bzw. Achäern und den Einheimischen (bereits Latinern?) zusammen hergeleitet werden oder ob langfristig zwischen den Ankömmlingen und den Indigenen, ihren Nachbarn, unterschieden wurde. Vor diesem Hintergrund präsentiert die Eheschließung zwischen Latinus als König der Aborigines und der eingewanderten Rhome, die für die künftige Stadt steht, bei Kallias deutlich eine Verbindung von Einheimischen und (trojanischen) Ankömmlingen, es herrscht dort also offenbar die

[…]. „[…] als es ihnen nach kurzer Zeit besser ging, als sie gehofft hatten, da sich das Land als fruchtbar erwies und die Nachbarn sie wohl aufnahmen […]“ (Übers. K. Ziegler). 185 So lassen sich in Iust. 20,1,11 die Pisaten bei den Ligurern und die Thessaler (d. h. Pelasger) von Spina bei den Umbrern nieder; bei Hdt. 1,94 waren es die Lyder, die sich bei den Umbrern niederließen und zu Tyrrhenern wurden; s. Briquel 1991, 251. Dies sagt natürlich nicht immer etwas darüber aus, ob das Treffen positiv oder (für die Einheimischen) negativ verlaufen ist. Cato kann dagegen keine zuverlässigen Informationen über die ursprünglichen Bewohner vor der Gründung Pisas durch den Tyrrhenossohn Tarchon finden: FRHist 5 F 70 = Serv. Aen. 10,179 f. (FRH 3 F 2,15). – s. auch o. Kap. 3.2.4 zu Odysseus bei den Etruskern von Cortona in der Version des Theopomp sowie die Tradition über Diomedes und die Daunier, wobei der eponyme König Daunus in der frühesten Erwähnung bei Mimnermos (F 22 West = 23 Allen = 17 Gentili/Prato = Schol. Lykophr. Alex. 592) als Mörder des Trojakämpfers erscheint, während er ihm in der späteren Tradition seine Tochter zur Frau gibt, s. A. Allen, comm. ad loc. 186 Lykophr. Alex. 1253 f.; s. u. Kap. 3.6.1 zu den Boreigonoi. 187 s. o. Kap. 2.1.2 zur positiven Charakterisierung des hesiodeischen Latinos im Gegensatz zu Polyphem. – s. in Heraclid. exc. polit. (Aristot. fr. 611 Rose) 44 die Betonung der Freundlichkeit der Tyrrhener gegenüber Fremden, ebenso bei den Lukanern (ebd. 48); anders als bei dem Aristotelesschüler Aristoxenos, der stattdessen von Tyrrhenern oder Römern sprach, ist hier von den Lukanern die Rede, die Epitome scheint auch hier moderner als der Text des Meisters.

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Vorstellung von einer gemeinsamen Begründung des Volkes.188 Auch die Übernahme des imperium Italiae von Aeneas durch Latinus bei Galitas bezeugt die Vorstellung von freundlichen Beziehungen zwischen Ankömmlingen und Einheimischen.189 Plutarch erzählt an drei Stellen von dem Schiffsbrand, immer im Zusammenhang mit dem Brauch des ius osculi, nach dem die Römerinnen ihre männlichen Verwandten bis zum sechsten Grad zur Begrüßung auf den Mund küssten: in der Romulusbiographie als eine der zahlreichen Gründungsgeschichten für Rom, in der Abhandlung De virtute mulierum als Zeichen für den Mut der Trojanerinnen und schließlich in den Quaestiones Romanae als eine von mehreren Erklärungen für den Brauch.190 Die Trojanerinnen hätten ihre Männer, als diese von der Inspektion der Umgebung zurückkehrten, mit Zärtlichkeiten bedacht, um deren Ärger über die verbrannten Schiffe zu besänftigen. Wegen des Erfolgs der neuen Siedlung, der sich in der Fruchtbarkeit des Landes und der positiven Aufnahme durch die Einheimischen äußerte, und der Art und Weise der Versöhnungsbemühungen, so Plutarch, habe man diesen Brauch bis in seine Zeit beibehalten.191 Für diese Erzählung verweist Plutarch in den Römischen Fragen auf Aristoteles. Wie wir aber gesehen haben, berichtet Aristoteles gemäß Dionysios von Halikarnassos von 188 s. aber u. Kap. 3.6.1 zu den vielfältigen Vorstellungen der Aborigines, die nicht immer als Einheimische galten, und der mit ihnen verbundenen Ethnogenese-Erzählung. 189 Galitas (?), FGrHist 818 F 1 = Fest. 329, 15–20 L. Da wir nur eine Paraphrase bei Festus haben, sind uns die Details dieser Herrschaftsfolge unbekannt, s. o.; s. u. zum imperium Italiae. 190 Zum ius osculi und seiner Bedeutung in der römischen Gesellschaft z. B. Walbank 1957, 671 f., comm. ad Pol. 6,11a,4; Bettini 1986, 33 f.; Ampolo 1988 (ed. Plut. Rom.), 265; Bettini 1990, 38; Scheid 2012, 124–126. – Eine andere Erklärung Plutarchs für den Brauch, ein Eheverbot bis zum sechsten Grad in einer exogamen Gesellschaftsstruktur, wird in der Forschung allgemein als der tatsächliche Grund betrachtet. Am erfolgreichsten war jedoch die Erklärung, dass durch den Kuss die Einhaltung des Weinverbots für Frauen überprüft werden sollte. Das Hauptinteresse der griechischen Autoren galt diesem Weinverbot, nicht dem Kussbrauch: Polybios (6,11a,4) führt ihn in diesem Kontext an. Alkimos bietet eine andere Erklärung für das Weinverbot, das bei ihm für italische Frauen allgemein gilt, mit einer Erzählung über Herakles und eine ungehorsame Gattin in Kroton (FGrHist 560 F 2 = Athen. 10,440E–441B). Römische Behandlungen des Weinverbots fanden sich bereits bei Fabius Pictor und Cato (Plin. nat. 14,89). Tatsächlich war den Frauen lediglich der reine Wein, der für Libationen verwendet wurde (temetum), verboten, nicht aber Wein aus Rosinen (passum), s. Walbank ebd.; Scheid 2012, 125; ausführlich Gras 1983, der mit dieser Erklärung die literarischen Quellen über das weibliche Weinverbot mit den Funden von Weingefäßen aus den Frauengräbern der orientalisierenden Nekropolen Latiums in Einklang bringt. 191 Plut. Rom. 1,4: ἐξ ἐκείνου τε παραμένειν λέγουσι τὸ τοὺς συγγενεῖς τὰς γυναῖκας καὶ οἰκείους ἄνδρας ἀσπάζεσθαι τοῖς στόμασι· καὶ γὰρ ἐκείνας, ὅτε τὰ πλοῖα κατέπρησαν, οὕτως ἀσπάζεσθαι καὶ φιλοφρονεῖσθαι τοὺς ἄνδρας, δεομένας αὐτῶν καὶ παραιτουμένας τὴν ὀργήν. „Von daher, so sagt man, sei die Sitte bestehen geblieben, daß die Frauen ihre Männer und Blutsverwandten mit einem Kuß begrüßen, denn jene Frauen hätten damals, als sie die Schiffe verbrannt hatten, die Männer so begrüßt und liebkost, um sie zu erweichen und ihren Zorn zu besänftigen“ (Übers. K. Ziegler); mulier. virt. 1, mor. 244A: διὸ καὶ γέγονε καὶ παραμένει ταῖς Ῥωμαίων γυναιξὶν ἔτι νῦν ἔθος ἀσπάζεσθαι μετὰ τοῦ καταφιλεῖν τοὺς κατὰ γένος προσήκοντας αὐταῖς. „C’est pourquoi est née chez les Romains l’habitude, – elle subsiste encore maintenant –, de saluer les membres de leur famille par des ten­ dres baisers“ (Übers. J. Boulogne).

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achäischen Schiffen und trojanischen Gefangenen. Hat Plutarch selbst die achäische Version durch die vertrautere trojanische ersetzt, die Verbindung des Schiffsbrands mit dem Kuss-Brauch aber bei Aristoteles vorgefunden? Folgende Möglichkeiten ergeben sich aus der Überlieferung und der Erzählung, die in ihrer ursprünglichen Version ja kohärent gewesen sein dürfte: 1. Achäer und ius osculi bei Aristoteles: In dem Fall hat Plutarch (oder seine Zwischenquelle) die Achäer durch die Trojaner ersetzt. Die Erzählung mit der Versöhnung durch Küsse erscheint auf den ersten Blick nicht mit der Tat der verzweifelten Gefangenen bei Aristoteles nach Dionysios vereinbar. Zum einen sind die Frauen ja gerade nicht durch ein bei dem römischen Brauch unverzichtbares Verwandtschaftsverhältnis mit den Achäern verbunden,192 zum anderen erwartet man vielmehr eine Bestrafung wie im Fall der Setaia bei Lykophron statt einer positiven Reaktion.193 Doch es ist ebenfalls denkbar, dass die trojanischen Gefangenen als Geliebte – ihre Rolle als Nebenbuhlerinnen machte sie ja den Ehegattinnen potentiell verhasst – auf ihre achäischen Herren zugingen, zumal nach dem gemeinsam in Latium verbrachten Winter.194 Auch wenn es sich also bei den Geküssten um potentielle, zukünftige Verwandte, um die cognatische, nicht die agnatische Verwandtschaft wie bei Plutarch handelt, kann die Geschichte sowohl für die trojanische als auch die achäische Version herangezogen werden.195 In der achäischen Variante bekäme der Kuss sogar noch eine größere Bedeutung, da die Brandstifterinnen dadurch der Bestrafung entgingen, vor der sie ansonsten keine Verwandtschaftsliebe oder ‚ethnische‘ Solidarität bewahrt hätte. In einer solchen zärtlichen Verbindung zwischen Trojanerinnen und Achäern konnte durchaus der Ausgangspunkt für das neue achäisch-trojanische Volk der Latiner gesehen werden.196 Die womöglich tatsächliche Funktion der Bekräftigung der Exogamie 192 Scheid 2012, 125: Plutarch habe Vergils Version vor Augen gehabt (und nicht die des Hellanikos, den Scheid nicht erwähnt), zudem habe „seine familienbezogene Erklärung sonst nicht ‚funktioniert‘“. 193 Stattdessen entspricht die Version des Plutarch auch hierin der des Hellanikos, in der die Protagonistin Rhome für ihre Tat sogar die Ehre verliehen bekam, dass die neue Stadt nach ihr benannt wurde. Die Angabe von Schol. Lykophr. Alex. 921. 1075, Plutarch habe von Achäern gesprochen, sei, so C. Ampolo, comm. ad Plut. Rom. 1,2–3 (1988, 264), ein Fehler des Tzetzes beim Zitieren aus dem Gedächtnis (921: Πλούταρχος δὲ λέγει Ῥώμην εἶναι αἰχμάλωτον Τρωικὴν τὴν συμβουλεύουσαν ταῖς λοιπαῖς καῦσαι τὰς Ἑλλήνων ὁλκάδας; 1075: ὁ δὲ Πλούταρχος Ῥώμην τινά, μίαν τῶν αἰχμαλώτων, ἀφ’ ἧς φησι κατά τινας καὶ τὴν πόλιν Ῥώμην κληθῆναι). Allerdings zeigt es doch, dass dem Scholiasten die achäische Variante grundsätzlich vertrauter war. 194 Der Aristoteles bei Dionysios berichtet von der Überwinterung der Achäer, die durch einen Sturm nach Italien verschlagen worden waren. Der Schiffsbrand ereignete sich vor der Abreise Richtung Heimat zu Beginn des Frühjahrs (Dion. Hal. ant. 1,72,3 f.). Die Erzählungen unterscheiden sich hinsichtlich des Zeitpunkts des Schiffsbrandes: bei Plutarch zünden die Frauen die Schiffe während des ersten Erkundungsausflugs der Männer nach der Landung an der Tibermündung an. 195 Pol. 6,11a,4 = Athen. 10,440e: Das Kussrecht bezog sich auf die eigenen Verwandten ebenso wie auf die des Ehemannes der Frau; s. Bettini 1990, 39. 196 Als Vergleich kann man die im 3. Jh. v. Chr. entstandene Szene der Vermittlung zwischen den Römern und Sabinern anführen, in der sich die geraubten Bräute für eine Versöhnung zwischen ihren

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in der römischen Gesellschaft, bei der ja gerade der Kuss jede Eheverbindung verhindern würde, spricht m. E. nicht gegen die Möglichkeit dieser Deutung. Wenn Aristoteles Kunde von dem in den Augen der Griechen unverständlichen Brauch erhalten hat, muss ihm nicht gleichzeitig seine ‚richtige‘ Bedeutung bekannt gewesen sein, zumal er ihn ja ‚historisch‘ und nicht soziologisch erklärte. Die folgenden Szenarien scheinen dagegen unwahrscheinlich oder ausgeschlossen: 2. Zwei verschiedene Erzählungen bei Aristoteles, von denen der Philosoph die trojanische, wie bei Plutarch angegeben, mit dem ius osculi verbindet:197 Bei dieser Maximallösung müsste man annehmen, dass die Varianten aus unterschiedlichen Werken des Philosophen oder seiner Schule und aus unterschiedlichen Kontexten stammten, entsprechend den Erklärungen, um die widersprüchlichen Fragmente des Hellanikos über das Schicksal des Aeneas miteinander zu vereinbaren. Man muss also mit zwei verschiedenen Momenten im Werk und in der Zwischenzeit gewandelten Vorstellungen rechnen. Dies lässt sich nicht ausschließen, aber auch nicht weiter belegen oder diskutieren. 3. Nur Trojaner bei Aristoteles, unabhängig vom ius osculi: Herakleides schreibt ebenfalls von Achäern, und seine Version unterscheidet sich in den Ortsangaben und der Motivation der Trojanerinnen von der bei Dionysios.198 Wenn es denkbar ist, dass einer der Autoren Trojaner zu Achäern macht,199 ist dies für beide unabhängig voneinander unwahrscheinlich. Die Autoren haben daher sicherlich beide auf die aristotelische Fassung mit den Achäern als Protagonisten zurückgegriffen. Sollte Dionysios

Vätern und ihren neuen Gatten einsetzen, wobei Romulus’ Gattin Hersilia die zentrale Rolle zugeschrieben wird (Liv. 1,13,1–4; Dion. Hal. ant. 2,45; Plut. Rom. 19,2–9). Auch hier war das Ergebnis die Gründung einer gemischten, römisch-sabinischen Bürgerschaft. Dieser Bezug vom ius osculi auf den Raub der Sabinerinnen wird in der antiken Literatur zwar nicht hergestellt. Es wäre aber denkbar, dass den ersten Erzählern die Aitiologie des ius osculi bei Aristoteles bekannt war und als Vorbild diente. – s. auch Dench 2005, passim, insb. 21 mit Lit. in Anm. 54: „Mythological rapes function in ancient thought in general as a useful metaphor for conceptualizing encounters between different peoples, and particularly for conceptualizing the origins of a ‚mixed-race‘ people who might continue to show signs of ethnic and/or cultural variegation.“ – Bradley 2020, 222–225 verweist auf die historische Bedeutung der Heirat zwischen verschiedenen Gruppen („inter-marriage“) sowie auf die besondere Bedeutung von Frauengestalten in den (kanonischen) Erzählungen über das frühe Rom. Allerdings ist ihm nicht zu folgen, dass man hier von Quellen sprechen kann bzw. dass die archäologisch belegbaren Kontakte die Plausibilität und das hohe Alter der Vulgata stützen können. Zu „inter-marriage“ im Rahmen der horizontalen Mobilität bis in die Mittlere Republik auch Wright/Terrenato 2023, 37. 197 Martínez-Pinna 1996, 31 deutet es so, dass Aristoteles selbst verschiedene Versionen verbreitete; contra Stadter 1965, 33. 198 In den Herakleides-Paraphrasen wird Latinion in der Opike nicht genannt, stattdessen der Tiber und Rom; die Trojanerinnen handeln bei Herakleides aus Reisemüdigkeit, bei Dionysios aus Angst vor der Ankunft in Griechenland. 199 Es ist möglich, dass Herakleides Aristoteles ‚falsch‘ epitomiert hat. Der Vergleich der Epitome mit der erhaltenen Athenaion Politeia sowie den Bioí des Hermippos von Smyrna erweist ihn als nachlässig, so der Herausgeber der Excerpta Dilts 1971, 8.

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doch Herakleides’ Text verwendet haben, müssten die ‚archaischen‘ Ortsangaben bei jenem noch vorhanden gewesen und erst bei den lateinischen Autoren herausgefallen sein, die anders als Dionysios nicht Aristoteles, sondern Herakleides als Quelle angeben. Schließlich ist zu bedenken, dass eine Abweichung von der achäischen Version zugunsten der trojanischen Vulgata für Plutarch weitaus plausibler ist als eine umgekehrte Erfindung einer achäischen Version in der Zeit des Herakleides, als sich die trojanische Tradition immer mehr, insbesondere im griechischen Osten durchsetzte. 4. Aristoteles berichtet selbst nicht vom ius osculi, sondern nur von dem Schiffsbrand: Die aitiologische Verwendung der Erzählung, am ehesten mit der trojanischen Variante, würde von einem späteren peripatetischen Autor stammen oder wahrscheinlicher von Plutarch selbst. Dieser hätte Aristoteles als Quelle angeführt, da jener der bekannteste, prestigeträchtigste Autor war, der über den Schiffsbrand geschrieben hatte, ohne dabei aber dessen achäischen Version zu folgen. Dafür spricht, dass Plutarch als einziger Autor die Aitiologie wiedergibt. Plutarch schenkt allerdings der Aristoteles zugeschriebenen Aitiologie200 selbst keinen Glauben, sie erscheint also als eine ‚Forschungsmeinung‘, nicht aber seine eigene, die er mit einer Autorität untermauern wollte.201 Dies und das bekannte ethnographische Interesse des Aristoteles und seiner Schule202 machen eine fiktive Zuschreibung unwahrscheinlich. 5. Dass Aristoteles nur vom ius osculi, nicht aber von den Schiffen berichtet, scheint ausgeschlossen. Dagegen spricht die ausdrückliche Quellenangabe für die Schiffsszene bei Dionysios von Halikarnassos sowie die häufig zitierte Aristoteles-Epitome des Herakleides. Man müsste in diesem Fall eine Zwischenquelle des Dionysios annehmen, die die beiden Motive zusammengebracht und den Verweis auf den Philosophen bezüglich des römischen Brauches auf die Schiffe ausgeweitet hätte. Die Vorstellung dieses ‚unbekannten Dritten‘ hilft für einen Erkenntnisgewinn nicht weiter. Am wahrscheinlichsten ist also, dass bei Aristoteles sowohl das ius osculi als auch die Achäer als Protagonisten vorhanden waren. Könnte Aristoteles also neben einem römischen Brauch auch in Latium bzw. Rom erzählte Ursprungsgeschichten gekannt haben? Hellanikos, von dem uns die trojanische Variante und die Gründung Roms durch Aeneas überliefert ist, war bereits selbst ethnographisch interessiert und zog für seine historischen Werke auch lokale Informationen heran, wie man an der Etymologie für Italía auf der Grundlage italischer Sprachen sehen kann. Dennoch ist seine Perspektive 200 Plut. Qu. R. 6: Διὰ τί τοὺς συγγενεῖς τῷ στόματι φιλοῦσιν αἱ γυναῖκες; […] ἢ δι’ ἣν Ἀριστοτέλης ὁ φιλόσοφος αἰτίαν ἱστόρηκε; […]. Es geht aus dem Text nicht hervor, dass Plutarch in der Romulusbiographie für das ius osculi und die Schiffsbranderzählung auf zwei unterschiedliche Quellen zurückgreift, wie Martínez-Pinna 1996, 32 vorschlägt; λέγουσι in Plut. Rom. 1,3 bezieht sich m. E. auf οἱ δὲ in 1,1, führt also den Bericht fort, statt eine neue Version einzuleiten. 201 Dieses Aition war Teil einer kunstvoll aufgebauten Antwort-Frage in den Quaestiones Romanae, indem es neben anderen Arten von Erklärungen als historisches Argument angeführt wird, in dem zudem die Sicht der Frauen eingenommen wird, so Scheid 2012, 125. 202 s. dazu o. S. 122 Anm. 175.

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primär hellenozentrisch, wenn er die lokalen sprachlichen Zeugnisse (vitulus) letztlich in einem ‚griechischen‘ Mythos (Herakles und die Rinder des Geryoneus) mit dem ‚griechischen‘ Mittel der Etymologie verarbeitet. Für die Erzählung von der Gründung Roms durch Aeneas hat Hellanikos vermutlich auf eine existierende griechische Tradition zurückgegriffen.203 Was Aristoteles betrifft, wird die Notiz zum Schiffsbrand und über das ius osculi üblicherweise den Νόμιμα βαρβαρικά zugeordnet, einer Schrift über die Bräuche nichtgriechischer Völker.204 Im Rahmen seiner ethnographischen Untersuchungen hat Aristoteles von einem lokalen Brauch erfahren, es besteht also die Möglichkeit, dass auch die erklärende Geschichte aus lokalen Quellen stammte.205 Aristoteles hat auch andere Nachrichten aus dem Westen erhalten, zudem finden sich in derselben Abhandlung auch Berichte über etruskische Bräuche. Die Entstehung des Kuss-Rechts selbst lässt sich nicht datieren, das Heiratsverbot bis zum sechsten Verwandtschaftsgrad, mit dem es wahrscheinlich zusammenhing, ist allerdings offenbar eine alte Einrichtung, die bereits im Laufe der mittleren Republik aufgeweicht wurde.206 Es ist also denkbar, dass dieser Brauch aufgrund seiner Besonderheit in der Zeit des Aristoteles bekannt war und mit einer Gründungsgeschichte für Rom oder Latium verbunden wurde. Doch wir haben gesehen, dass er mit der ethno-geographischen Einschätzung des opischen Landes eine frühere, sizilische Vorstellung und mit Latinion einen archaischen oder archaisierenden, jedenfalls nicht realen Ortsnamen wiedergibt. Dies alles deutet darauf hin, dass Aristoteles einen den Griechen fremden Brauch mit einer bereits unabhängig davon existierenden Erzählung aitiologisch erklärt und man somit letztlich nichts über lokale Ursprungserzählungen aussagen kann.207

203 Viele Forscher sehen die Ausbreitung der trojanischen Legende in Italien und Sizilien im Zusammenhang mit dem athenischen Ausgreifen nach Unteritalien und Sizilien im 5. Jh., das bis nach Kampanien und Etrurien ausstrahlte, s. z. B. Coppola 1995, 16 ff. mit Lit.; Martínez-Pinna 1997a, 83 mit Lit. – Sicher kann man festhalten, dass die Geschichten in der griechischen Umgebung des Hellanikos verbreitet waren, doch schließt dies nicht eine Verbreitung anderswo aus; wenn man die Erzählungen im Kontext der Interaktion verortet, waren sie sogar sicher auch bei nichtgriechischen Völkern bekannt. 204 s. zu dem Werk und seinem Verhältnis zu den aristotelischen Politeiai, M. Hose 2002, 250–252 (in der Übersetzung der Aristotelesfragmente); zuletzt Dietze-Mager 2017. 205 Es gibt bei Aristoteles nur geringe Spuren weiterer expliziter Informationen über Rom: Er hat laut Plut. Camillus 22,4 (= fr. 610 Rose) über die Eroberung Roms durch die Gallier geschrieben. Er ist dafür allerdings auf bestehende Traditionen angewiesen, da er selbst erst zu jener Zeit zur Welt kommt, doch er überliefert das für die Rekonstruktion des Galliersturms und der Entwicklung des Camillus-Mythos wertvolle Detail des Praenomen des Verteidigers der Stadt, s. Bruun 2000; Späth 2001. Die einzige weitere Notiz berichtet von den Klageweibern in Rom (praeficae): Aristot. Νόμιμα βαρβαρικά fr. 604 Rose = Varr. ling. 7,70, s. Humm 2013, 451. 206 s. Scheid 2012, 126. 207 Hier liegt der übliche Mechanismus vor, bei dem römische Bräuche in der Zeit des Aeneas (des Romulus oder des Numa) begründet werden, s. z. B. o. S. 112 zum Opfer capite velato.

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3.4.4 Ethnogenese: Integration oder Abgrenzung? Als Hauptzweck der Schiffsbranderzählung gilt, dass mit ihr eine trojanische bzw. griechische Abstammung der Latiner historisch begründet und das Volk in den (hellenozentrischen) mythischen Kosmos eingliedert werden sollte. Wenn also der Zweck in der Begründung einer ethnischen Identität liegen sollte, müsste der jeweiligen Konstellation der Schiffsbrandgeschichte, also Trojanern oder Achäern und (gefangenen) Trojanern gemeinsam, eine zentrale Bedeutung zukommen. In der Tat wird dieser Unterschied in der Forschung üblicherweise sehr stark gemacht und im Kontext der Debatte Griechen vs. Trojaner bzw. Griechen vs. Barbaren interpretiert. Doch scheint mir dieser fundamentale Gegensatz zwischen Trojanern und Griechen, zumindest für die Versionen von Hellanikos und Aristoteles nicht gerechtfertigt. Wichtig ist, ob und wie in den Versionen für die Schiffsbranderzählung die achäische und die trojanische Herkunft einander gegenübergestellt werden. (a) Hellanikos präsentiert die Immigranten zwar als Trojaner. Durch die Betonung der Anwesenheit des Odysseus, sei es als Mitgründer Roms oder nicht, ist aber auch hier eine Herkunft von Trojanern und Griechen angedeutet.208 Wenn Hellanikos in diesem Eintrag in seiner chronologischen Reihe der Herapriesterinnen von Argos auf bestehende Traditionen zurückgriff, waren zu seiner Zeit bereits beide Versionen im Umlauf, die entweder er oder ein Vorgänger zusammengebracht hat. (b) Auch in der Version mit Achäern als Protagonisten sind stets Trojanerinnen präsent. Es handelt sich bei den Trojanerinnen zwar um Gefangene, doch kann man m. E. nicht, wie Michel Humm vorschlägt, von einem barbarischen, ‚semiservilen‘ Charakter der aus der Episode resultierenden Siedlungen sprechen.209 Denn m. E. überwiegt in der archaischen und klassischen Literatur vielmehr Mitleid mit dem schlimmen Schicksal der Frauen nach der Eroberung Trojas im Gegensatz zu ihrer Verachtung 208 s. bereits o. S. 112 zum gleichzeitigen Auftreten von Griechen und Trojanern in der Nostos-Literatur. 209 Nach Humm 2013, insb. 444 spreche Aristoteles durch diese Erzählung den Römern bewusst ‚barbarisch-semiservile Ursprünge‘ zu, die Erzählung sei somit als rom-feindlich zu bewerten. Gegen eine Gleichsetzung von Sklaven und Barbaren durch Aristoteles (und gegen die Authentizität der von Humm ebd. 452 ff. herangezogenen, Aristoteles zugeschriebenen Texte, insb. fr. 658a Rose = Plut. Alex. fort. 1,6, mor. 329B) spricht sich Kullmann 1998 aus. – Ein solch negatives Urteil lässt sich vielleicht aus der Rezeption des Agathokles von Kyzikos herauslesen. Dafür muss man die Angabe bei Solin. 1,3, dass Rhome keine gefangene Trojanerin, sondern die Enkelin des Aeneas war, bereits als das Urteil des Agathokles, nicht des Solinus betrachten (FGrHist 472 F 5b = 840 18–19b: Agathocles scribit Romen non captivam fuisse, ut supra dictum est, sed Ascanio natam Aeneae neptem appellationis istius causam fuisse). Abgesehen davon, dass die Version des Solinus selbst wahrscheinlich auf einer lateinischen Zwischenquelle beruht (s. das Stemma S. 135 Abb. 18), von der er diese Gegenüberstellung übernehmen konnte, wenn sie nicht von ihm selbst stammt, ist der zitierte Herakleides, von dem sich Agathokles absetzen würde, wahrscheinlich später zu datieren als der Kyzikener, was eine Bezugnahme unmöglich macht. Die Datierung des Agathokles ist jedoch nicht gesichert, sie bewegt sich zwischen dem 3. und dem frühen 2. Jh. v. Chr., von J. Engels in den Kontext der Ptolemaioi II. und III. eingeordnet (comm. ad BNJ 472 F 5a), s. auch u. S. 143.

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als Gefangene.210 Die Brandstiftung diente ja gerade dazu, der Sklaverei zu entgehen, und wie wir anhand der rekonstruierten achäischen Variante der Versöhnungsepisode gesehen haben,211 waren die Trojanerinnen damit (anders als später die bestrafte Setaia) wohl auch erfolgreich. Dass man in dem latinisch-römischen Stammbaum nicht einseitig die gefangenen Trojanerinnen als entscheidend bewerten kann, wird darin deutlich, dass die Version mit Achäern als Protagonisten ja gerade auch für griechische Städte, die sich auf eine Gründung durch die epischen Achäer auf der Heimreise zurückführten, erzählt wurde.212 Der Verweis auf das Motiv der Abstammung Roms von entlaufenen Sklaven aus der Romulusgeschichte kann hier nicht weiterhelfen, da diese zu Aristoteles’ Zeit in der griechischen Welt noch nicht in ihren Details bekannt war und sich das Motiv des durch Romulus eingerichteten Asyls erst spät herausgebildet hat.213 Passender ist der Vergleich mit dem Raub der Sabinerinnen, dessen Ergebnis

210 Epos und Tragödie beschäftigen sich ausführlich mit dem Schicksal der Trojanerinnen nach der Eroberung Trojas. Es ist leicht verständlich, dass diese Rolle auch in neue Erzählungen wie die des Schiffsbrandes aufgenommen werden konnte. Die Ursache der Brandstiftung in der gefürchteten Rivalität zwischen den griechischen Gattinnen und den Gefangenen war somit äußerst plausibel. 211 Dion. Hal. ant. 1,72,4: ταύτας δὲ κατακαῦσαι τὰ πλοῖα φοβουμένας τὴν οἴκαδε τῶν Ἀχαιῶν ἄπαρσιν, ὡς εἰς δουλείαν ἀφιξομένας. „Diese (kriegsgefangenen Frauen) hätten die Schiffe in Brand gesteckt, weil sie sich vor der Abfahrt der Achaier in ihre Heimat gefürchtet hätten. Denn für sie wäre das Ziel der Reise ja die Sklaverei gewesen“ (Übers. N. Wiater). 212 s. Kowalzig 2007 zur Herausbildung einer doppelten achäischen Herkunft von den epischen Helden und den ‚historischen‘ Achäern in den achäischen Städten der Magna Graecia. – Obwohl die Schiffsbranderzählungen für Kroton und Sybaris (am Fluss Nauaithos und dem Felsen Setaion) nicht zu einer Stadt-ktisis gehören, sondern einer Aitiologie für den Namen eines markanten Landschaftselements dienen, die Erzählung in der überlieferten Form also keine direkte Kontinuität von dem nostos-Ereignis zur zeitgenössischen Stadt begründet, implizieren auch sie ursprünglich eine Niederlassung der gemischten Schiffsbesatzungen als Ursache für die Erzählung. Dies war das Ziel der Brandstifterinnen, ohne die Schiffe war auch für die Achäer keine Weiterfahrt mehr möglich, s. explizit in Strab. 6,1,12: die Achäer blieben vor Ort, später kamen wegen der (achäischen!) Stammesverwandtschaft weitere Achäer hinzu und gründeten Städte, die den Namen der Flüsse erhielten ([…] τὰς δὲ συμπλεούσας αὐτοῖς Τρωάδας […] τὰ πλοῖα ἐμπρῆσαι βαρυνομένας τὸν πλοῦν· ὥστ’ ἀναγκασθῆναι μένειν ἐκείνους […]· εὐθὺς δὲ καὶ ἄλλων πλειόνων εἰσαφικνουμένων καὶ ζηλούντων ἐκείνους κατὰ τὸ ὁμόφυλον πολλὰς κατοικίας γενέσθαι, ὧν αἱ πλείους ἐπώνυμοι ποταμῶν ἐγένοντο; ed. Radt, Übers. s. u. Anm. 216); Schol. Lykophr. Alex. 921 = Apollod. epit. 6,15c: […] οἱ δὲ σὺν αὐταῖς Ἕλληνες ἀπολέσαντες τὰ σκάφη ἐκεῖ κατῴκησαν, „[…] die Hellenen mit ihnen [sc. den Brandstifterinnen, ναυπρήστιδες] siedelten sich dort an, weil sie die Schiffe verloren hatten“ (Übers. K. Brodersen, Ergänzung EH). Die Setaia-Episode deutet ihrerseits auf einen misslungenen Siedlungsversuch hin, für den die Drahtzieherin bestraft wird und die Achäer mit den übrigen Schiffen weiterfahren. 213 Zu Romulus’ Asyl Dench 2005. – Den Bezug zu Romulus stellt Humm 2013, 444 f. in einer m. E. widersprüchlichen Argumentation her, wobei er gleichzeitig mit Momigliano 1984 zugibt, dass die Annahme trojanischer Ursprünge durch die Römer nicht angesichts der Annahme ‚semiservilen‘ Status stattgefunden haben könne. Es wäre einfacher, das Achäer-Trojaner-Motiv für Aristoteles gar nicht auf diese Weise zu deuten. Die Darstellung der Römer als Nachfahren entlaufener Sklaven (im Gegensatz zum möglicherweise alten Motiv der von den Zwillingen geführten Räuberbande) stammt eher aus späteren Kontexten, so insbesondere aus dem Mithridates-Krieg (Humm 2013, 444 f. Anm. 54; s. auch Briquel 1997).

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die Konstitution einer neuen römisch-sabinischen Stadtgemeinde war.214 Daher kann m. E. mit der Geschichte nur eine achäische215 oder gemeinsame achäisch-trojanische Abstammung intendiert gewesen sein, dank derer die Nachfahren eher als Griechen denn als Barbaren betrachtet werden sollten. Das unterschiedliche Schicksal der Brandstifterinnen zeigt zwar, dass grundsätzlich Konfliktpotential bestand. In Plutarchs Wiedergabe der aristotelischen Aitiologie des Kuss-Rechts fällt jedoch kein Wort von der (inter)ethnischen Dimension dieses potentiellen Konfliktes, sondern es steht im Gegenteil die Versöhnung und die anschließende Niederlassung fern der Heimat und der Ehegattinnen im Zentrum. Strabon beobachtet zudem, dass der Tat bei Kroton ein Vorbildcharakter zukam und in der Folge an vielen Orten Kolonien von „Stammesverwandten“ gegründet wurden.216 Eine Darstellung aller Bewohner der Apenninenhalbinsel als Griechen stammt vermutlich bereits aus der Zeit zwischen Hellanikos und Aristoteles. In Justinus’ Bericht über die Feldzüge des Dionysios I. von Syrakus erscheinen die bedrohten Völker als Griechen. Diese Vorstellung wurde als anti-syrakusische Propaganda des frühen 4. Jahrhunderts. interpretiert, denn dadurch sollte der Tyrann aus Syrakus als Feind aller Griechen verunglimpft werden. Neben den sikeliotischen Städten werden die nichtgriechischen, d. h. italischen und etruskischen Völker und Städte mit ihren griechischen Wurzeln aufgezählt. Die Latiner werden dabei qua ihrer Gründung durch

214 s. oben zum Vergleich der Kuss-Geschichte mit der Versöhnung der Römer und Sabiner durch den Einsatz der Sabinerinnen. Auch diese Geschichte entsteht erst später, aber möglicherweise mit dem Vorbild des Kuss-Aitions. 215 s. z. B. Mellor 1975, 17: „it totally rejects the Trojan origin of Rhome“. 216 Strab. 6,1,12: […] καὶ ἄλλος ποταμὸς Νέαιθος, ᾧ τὴν ἐπωνυμίαν γενέσθαι φασὶν ἀπὸ τοῦ συμβεβηκότος. καταχθέντας γάρ τινας τῶν ἀπὸ τοῦ Ἰλιακοῦ στόλου πλανηθέντων Ἀχαιῶν ἐκβῆναι λέγουσιν ἐπὶ τὴν κατάσκεψιν τῶν χωρίων, τὰς δὲ συμπλεούσας αὐτοῖς Τρωάδας καταμαθούσας ἔρημα ἀνδρῶν τὰ πλοῖα ἐμπρῆσαι βαρυνομένας τὸν πλοῦν· ὥστ’ ἀναγκασθῆναι μένειν ἐκείνους, ἅμα καὶ τὴν γῆν σπουδαίαν ὁρῶντας. εὐθὺς δὲ καὶ ἄλλων πλειόνων εἰσαφικνουμένων καὶ ζηλούντων ἐκείνους κατὰ τὸ ὁμόφυλον, πολλὰς κατοικίας γενέσθαι, ὧν αἱ πλείους ἐπώνυμοι ποταμῶν ἐγένοντο. „[…] und ein weiterer Fluss Neaithos, der so genannt worden sein soll nach dem was sich dort ereignet hat. Einige der von der Trojanischen Flotte abgekommenen Achaier nämlich, sagt man, seien hierher getrieben worden und zur Auskundschaftung der Gegend an Land gegangen: da hätten die mit ihnen fahrenden Trojanerinnen, als sie bemerkten dass sich keine Männer auf den Schiffen befanden, sie in Brand gesetzt, weil sie des Fahrens überdrüssig waren, und so waren jene gezwungen zu bleiben, zumal sie auch sahen dass das Land nicht zu verschmähen war. Und sofort seien dadurch, dass noch mehrere andere ankamen und es infolge der Stammesgemeinschaft jenen gleichtaten viele Siedlungen entstanden, von denen die meisten nach Flüssen benannt wurden (Ed. und Übers. S. Radt).“ Aufgrund des Wortlauts ist nicht ganz klar, wer genau wessen Vorbild folgt (weitere Trojanerinnen den ersten Brandstifterinnen oder weitere Achäer den Achäern, die sich wegen des Schiffsbrands bei Kroton niedergelassen hatten, was ich für wahrscheinlicher halte: ζηλούντων ἐκείνους) und nach wem die späteren Gründungen benannt wurden, nach den Trojaner(innen) oder den Flüssen (s. krit. Apparat und comm. ad loc. Radt: Überlieferung: ἐπώνυμοι bzw. ὁμώνυμοι τῶν τρώων, Konjektur Meineke: ποταμῶν, Aly: Τρῳάδων); s. Kowalzig 2007, 302 f. (für die achäische Lesart) mit Verweis auf Malkin 1998, 210–233: diese Traditionen bezeugen „points of contact rather than conflict“.

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Latinus, Sohn des Telemach, und Rhome

Aeneas als Griechen identifiziert.217 Rom bzw. die latinischen Städte konnten also zur gleichen Zeit als griechisch und als trojanische Gründung begriffen werden. In der Tat wird hier die trojanische Gründung die Bedingung für das Griechentum, und Aeneas nimmt dieselbe Rolle für die Verleihung des Griechentums ein wie die achäischen Heroen auf der Heimreise von Troja oder die Pelasger.218 Es ist also festzuhalten, dass in der Schiffsbranderzählung kein unüberwindbarer trojanisch-griechischer Gegensatz vorlag, weder in der achäischen Version des Aristoteles noch der trojanischen mit Odysseus bei Hellanikos. Die starke Polarisierung zwischen Griechen und Barbaren infolge der Perserkriege hat sich hier noch nicht entscheidend niedergeschlagen.219 Dass Athen selbst die Verbreitung der trojanischen Legende maßgeblich beförderte, zeigt zudem, dass für das 5. Jahrhundert dieser Gegensatz nicht absolut gesehen werden kann und die Trojaner nicht mit barbarischen Feinden entsprechend den von Athen bekämpften Persern gleichgesetzt werden können. Stattdessen erhalten griechische wie nichtgriechische Städte und Völker in dieser Zeit Wurzeln aus dem epischen Nostos-Kontext. Deutlich befinden wir uns hier noch vor einer weiteren Phase der Polarisierung, die möglicherweise mit Pyrrhus anzusetzen ist. 3.4.5 Die Schiffsbranderzählungen und die Telemach-Rhome-Gruppe Anhand einer schematischen Rekonstruktion sollen schließlich Entwicklung, literarische Verbreitung und Überlieferung der Schiffsbranderzählung für Rom und Latinion von vor Hellanikos bis zu den zitierenden Autoren veranschaulicht werden (Abb. 18). Auf der linken Seite befinden sich die achäischen Versionen, auf der rechten die trojanischen, in der Mitte Dionysios, der beide Versionen überliefert. Nicht ausgeschlossen 217 Iust. 20,1,4–2,1; insb. 1,12: Quod Latinos populos, qui ab Aenea conditi videntur? „Was [soll man] ferner von den latinischen Stämmen [sagen], welche man als Gründungen des Äneas ansieht?“ (Übers. Laser/Jenik). – Explizit achäische Wurzeln bescheinigt Iust. 20,1,11 der etruskischen Stadt Perusia am Tiber. 218 Justinus folgt wahrscheinlich einem Zeugnis aus der Zeit des Dionysios I., wohl Theopomps Büchern über Dionysios (möglicherweise über Timaios), s. Briquel 1984, 225–229; Briquel 1991, 113– 115 mit Lit.; Briquel 1993, 152 f. mit Anm. 139 mit Lit.; Vanotti 2006, 228 Anm. 31: „La critique admet unanimement la fiabilité de la source suivie par Trogue/Justin pour le IVe siècle, qu’il s’agisse de Timée ou de Théopompe“; contra Seel 1972, 85 f., der in der Darstellung der Völker Italiens als Griechen das Werk des Pompeius Trogus sieht. Da jedoch Herakleides Pontikos bereits Rom als griechische Stadt bezeichnet, ist es sehr wahrscheinlich, dass Pompeius Trogus seine Darstellung einer zeitgenössischen Quelle entnahm (s. die Nachricht über die Eroberung Roms durch die Gallier: Plut. Camillus 22,3 = fr. 102 Wehrli = fr. 49 Schütrumpf; FGrHist 840 F 23). 219 Da die Erzählung über das unterbrochene Opfer des Agamemnon auf Kreta, der auf die Nachricht von den brennenden Schiffen hin unverzüglich mit den vor dem Feuer bewahrten Schiffen abreist (s. Anm. 154), nicht datiert werden kann, lässt sich das Motiv der Bestrafung der Brandstifterin nur anhand der Setaia bei Lykophron zeitlich einordnen.

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Die Schiffsbranderzählung Achäisch

Schiffsbranderzählung (Rhome? Latinion? Achäer oder Trojaner?)

Trojanisch

Hellanikos (trojanisch, Rhome, Aeneas, Odysseus) Damastes Aristoteles (achäisch, Latinion, Opike, ius osculi, Rhome?)

KALLIAS u. a.?

„einige andere“

Herakleides (achäisch, Rom, Rhome) lat. Qq.? Verrius Flaccus

Vergil (Sizilien, Turnus)

Dionysios

Ovid Plutarch (ius osculi)

Festus

Polyainos Solinus Servius (ohne Schiffe)

Eusebius

Synkellos

Tzetzes

kursiv: zitierte, erschlossene Autoren recte: erhaltene Autoren

Abb. 18 Entwicklung der römischen Schiffsbranderzählung

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Latinus, Sohn des Telemach, und Rhome

sind weitere Zwischenquellen, angegeben sind hier nur die erhaltenen und erschließbaren. Es zeigt sich, dass die ‚ursprüngliche‘ Version ebenso wie die Quellen des Hellanikos nicht abschließend bestimmt werden kann. Dass man über die literarische Verbreitung hinaus die Bekanntheit der Erzählung, auch in Rom, annehmen muss, zeigen für die augusteische Zeit die beiden Abwandlungen bei Vergil und Ovid. Zum Schluss ist das Verhältnis der Schiffsbranderzählung zu den hier zu untersuchenden Varianten der Kallias-Gruppe zu klären. Es ist plausibel anzunehmen, dass der Sizilianer Kallias die weitverbreitete Schiffsbranderzählung kannte, sicher nicht nur für Rom bzw. Latinion, sondern auch für andere Orte, insbesondere in der Magna Graecia und möglicherweise Sizilien. An zwei Stellen werden die Geschichten direkt oder indirekt aufeinander bezogen: in der Fassung des Plutarch, der (wahrscheinlich) die Mutter der Rhome mit der Brandstifterin gleichen Namens identifiziert, sowie bei Kallias selbst, bei dem Rhome mit den übrigen Trojanern nach Italien kommt. Bei beiden Varianten besteht somit eine potentielle Nähe zu der trojanischen Schiffsbrandversion. Bei Galitas und Kleinias tritt Aeneas auf, bei Caltinus ist Latinus selbst Trojaner, in diesen drei Fällen ist somit eine direkte Anlehnung an die achäische Erzählung ausgeschlossen. Die einzige Version, in der keine Trojaner auftreten, ist die anonyme bei Servius, in der Latinus und seine Schwester Rhome noch den hesiodeischen Vater Odysseus haben. In Hinblick auf die Sagenchronologie hatten wir zwei Gruppen identifiziert, eine, in der die Ehegatten Latinus und Rhome zur Generation der Nostoi gehören (Kallias und Caltinus), und eine, in der die Verbindung erst ein bis zwei Generation später stattgefunden hat (Galitas und Plutarch). Die Version des Kleinias bewegt sich zwischen den Generationen. Narrativ lassen sich die Geschichten in unterschiedlichen Lesarten mit der trojanischen Schiffsbranderzählung verbinden, sie bewegen sich in demselben chronologischen Horizont, entweder als direkte oder als spätere Fortsetzung der Ankunft der Trojaner. Ein Unterschied zur Version des Hellanikos besteht jedoch darin, dass dort Aeneas als Stadtgründer auftritt, was unter den Varianten hier nur bei Kleinias der Fall ist, die sich ansonsten in der Genealogie der Rhome von Hellanikos unterscheidet. In den anderen wird die Stadt von Latinus (in der anonymen Version bei Servius und vielleicht bei Galitas) und den Söhnen des Paares gegründet. Damit verschiebt sich ein zentraler sagenchronologischer Moment, auch wenn die Protagonisten in derselben Konstellation verbleiben wie in der trojanischen Schiffsbrandgeschichte. Der jeweilige Gründer benennt die Stadt nach Rhome, die wahlweise Mutter oder Gattin ist, während die Beziehung zwischen Aeneas und Rhome bei Hellanikos nicht näher ausgeführt wird. Bei Plutarch verliert Rhome schließlich ihre eponyme Funktion, sie tritt hier nur noch als Mutter des Gründers und Eponyms Romulus auf.220

220 Zur Eponymie Roms s. Kap. 3.5.

Die Schiffsbranderzählung

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Die Begegnung mit den Einheimischen ist das zentrale Thema der Latinus-Erzählungen. Latinus erscheint außer bei Caltinus als einheimisch bzw. als Laertide und bis auf die anonyme Variante bei Servius als Gatte der Rhome. Wir haben es durch die Eheschließung zwischen einer Trojanerin und einem Einheimischen auf den ersten Blick mit einer bedeutenden Erzählung über die friedliche Integration der Flüchtlinge in Italien zu tun – oder vielmehr mit der Integration der Einheimischen in die von griechischen Autoren erzählte Ursprungsgeschichte. In den Versionen des Galitas und wahrscheinlich des Caltinus könnte dieser friedliche Eindruck gestört sein: Aeneas bzw. der trojanische Latinus haben zuvor Italien unter ihre Herrschaft gebracht. Es wird nicht erwähnt, von wem und wie sie diese Herrschaft errungen haben. In jedem Fall liegt hier eine kriegerische Landnahme durch die Trojaner vor, was später in der Vulgata weiter ausgestaltet wird.221 In den Schiffsbranderzählungen tritt Latinus dagegen nie persönlich in Erscheinung. Jedoch konnten wir auch hier Spuren der Einheimischen ausmachen: In dem Toponym Latinion konnte man eine Konstruktion auf der Grundlage des Volkes der Latiner oder gar des eponymen Helden Latinus sehen.222 Narrativ und sagenchronologisch könnte man als diesen Bewohner des opischen Latinion den Latinos bei Kallias annehmen, da er ohne Angabe einer Abstammungslinie und als Gatte einer der Flüchtlinge in diesem Zeithorizont verortet werden kann. Eine direkte Verbindung dieser Variante mit der des Aristoteles ist jedoch durch die trojanische Tradition ausgeschlossen.223 Ebenso scheiden die übrigen Latinos-Figuren aus, da der des Caltinus einzigartigerweise selbst als trojanischer Flüchtling bezeichnet wird, während der Latinus bei Plutarch und der des Galitas als Sohn des Telemach einer späteren Generation angehören. Ebenso ausgeschlossen werden kann übrigens der hesiodeische Latinos, Sohn des Odysseus, da auch er eine Generation zu spät anzusetzen ist.224 Weniger Probleme bereiten dagegen die Einheimischen, die bei Plutarch als freundlich und gutmütig bezeichnet werden und die Trojaner in ihrem Land aufnehmen und neben der Fruchtbarkeit des Landes zum Erfolg der Niederlassung beitragen. Auch wenn dies eine Anpassung an den Latinus der Vulgata durch Plutarch darstellen könnte, ist ebenso möglich, dass zuvor schon der Latinus des Kallias als König dieser 221 s. u. Kap. 3.6.2 zur Eroberung Italiens bei Galitas und Caltinus. 222 Auch wenn oben die Konjektur zu Lavinium und Laurentum als Beleg einer bereits existenten und dem Aristoteles bekannten lokalen Tradition ausgeschlossen wurde, ist denkbar, dass sich die Vorstellung der Residenz des einheimischen Königs zur der kanonischen Version, in der Latinus König von Laurentum ist, weiterentwickelt hat. Wir hätten hier also eine Entwicklung von einem von dem ethnischen Eponym abgeleiteten Ort hin zu einem ‚realen‘ Ort, der mit diesem Eponym verbunden wird, vorliegen. 223 Wie oben argumentiert, ist es wahrscheinlich, dass Latinion bereits vor Aristoteles Schauplatz der Schiffsbrandgeschichte war, vielleicht sogar in einer trojanischen Variante. 224 s. Vanotti 1995, 37: „Latinion sarà stato forse nell’informazione aristotelica il sito del regno di Latino, un Latino epicorico, assimilabile a quello della tradizione successiva, probabilmente diverso dal Latino della Teogonia esiodea, […], se non per incongruenza cronologica“; Wiseman 1995, 50 seinerseits denkt noch an den hesiodeischen Latinos.

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Latinus, Sohn des Telemach, und Rhome

gastfreundlichen Einheimischen, als welcher er bereits bei Hesiod in Erscheinung getreten war, zu seiner trojanischen Braut gekommen war und sich in Geschichten dieser Art die Rolle des kanonischen Königs der Aborigines vorbereitete. In den Versionen der Kallias-Gruppe steht die Verbindung von Einheimischen und Trojanern bislang im Mittelpunkt, die Nähe zur Hellanikos-Version ist deutlich. Daneben ist aber ebenso das achäisch-griechische Element wie in der Version des Aristoteles von zentraler Bedeutung. Es lassen sich zwar keine außerliterarischen Spuren für die achäischen Schiffsbesitzer finden. Doch mit der Abstammung von Odysseus, über Telemach, wie bereits seit dem 7. oder 6. Jahrhundert, hat die Verbindung zwischen (epischen) Achäern und Einheimischen bereits eine Generation vor der Verbindung mit den Trojanern stattgefunden. Als Sohn bzw. Enkel des berühmtesten griechischen Nostos Odysseus verfügt Latinus und verfügen mit ihm die Latiner über ein achäisches Erbe, ebenso wie die Rhome bei Plutarch das Erbe der Brandstifterin mit in die Ehe bringt. Die anonyme Erzählung bei Plutarch und die des Galitas verleihen den Latinern somit achäische und trojanische Wurzeln, einheimisch ist der Eponym durch seine Mutter, die ‚latinische‘ Kirke. Bei Kallias und Caltinus fallen dagegen die achäischen Wurzeln und die Abstammung von Kirke weg, hier erscheint Latinos gänzlich als König der Aborigines bzw. selbst als trojanischer Flüchtling, quasi ein alter Aeneas, der die Herrschaft über Italien erlangt. 3.5 Rhome – Gründung und Namengebung Roms In der Schiffsbranderzählung und zahlreichen weiteren Geschichten begegnet uns die eponyme Heldin Rhome, in den hier untersuchten Erzählungen als Gattin oder Schwester des ethnischen Eponyms Latinus.225 Ihr Name ist, wie bei den eponymen Heroen üblich, in evidenter Weise aus dem der Stadt am Tiber herausgesponnen. Ihre primäre Funktion ist die Erklärung eben des Namens und damit zusammenhängend der Ursprünge der Stadt.226 Rhome tritt zunächst als narrativ eingebundene mythhistorische Gestalt in verschiedenen Versionen der römischen Ursprungserzählungen auf. Als eponyme Figur steht sie dabei in Konkurrenz zu dem ebenfalls ‚griechischen‘ Rhomos und wird schließlich von Romulus, dem Eponym der als einheimisch interpretierten Tradition, abgelöst.227 In späteren Erzählungen wird die eponyme Erklärung 225 Zu Rhome Alföldi 1957; Opelt 1965; Solmsen 1986; Martínez-Pinna 1997a. 226 Solmsen 1986, 103: „Although she owes her name and conception to the city, the belief that the city owed its existence to her could not fail to develop.“ 227 Wiseman 1995, 57: „The twin story […] did not immediately make all rival versions obsolete; but within a generation or so it had established its narrative of the ancestry, conception and birth of the eponymous founder of Rome beyond all serious challenge, Rhomos, Rhome and the other Greek etymologies, in all their bewildering variety of applications, were now just curiosities, material for learned lists.“

Rhome – Gründung und Namengebung Roms

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des Stadtnamens durch verschiedene etymologische Aitiologien, ausgehend von der Bedeutung des griechischen Wortes ῥώμη („Kraft“), ersetzt. Rhome-Roma lebt zuletzt als allegorische Personifizierung der Stadt jenseits aller mythischen Handlungen sowie als von Verbündeten und Reichsbewohnern verehrte Göttin nach dem Vorbild des hellenistischen Herrscherkultes weiter. In der Forschung werden ihre Rolle und Bedeutung sehr unterschiedlich eingeschätzt: Für Andreas Alföldi stellte sie die ‚Urmutter‘ der Römer dar, andere billigen ihr als ‚eponymer Konstruktion‘ und insbesondere als griechischer Schöpfung im Gegensatz zum einheimischen Romulus keine große Bedeutung zu.228 Wenn man das Diktum der Bedeutungslosigkeit der eponymen Heroen aber hinterfragt und solche Konstruktionen als durchaus sinnvoll im Rahmen einer intentionalen Geschichte betrachtet, kann ein differenzierter Blick auch auf Rhome fruchtbar sein. Im Folgenden wird daher die Entwicklung der Gestalt Rhome vorgestellt und ihre Bedeutung in den Erzählungen über die Ursprünge der Latiner diskutiert. Welche Rolle spielte sie in Rom, in welchem Verhältnis steht sie zu Latinus und den anderen eponymen Heroen Roms und wie und warum fiel sie schließlich aus den Erzählungen heraus? 3.5.1 Eponyme Protagonisten von Ursprungserzählungen Die älteste datierbare Erwähnung von Rhome als mythhistorischer und eponymer Gestalt findet sich in der Erzählung des Hellanikos über den Schiffsbrand aus dem späten 5. Jahrhundert v. Chr., die bei Dionysios von Halikarnassos wiedergegeben ist.229 Rhome ist eine von mehreren eponymen Figuren im Werk des Hellanikos.230 Doch auch wenn der Autor, wie man annimmt, einige davon selbst erfunden hat, könnte es sich bei Rhome doch um eine ältere Gestalt handeln,231 da das Motiv der städtischen Eponymie schon in archaischer Zeit im Tyrrhenischen Italien bekannt war.232 So kennt Hekataios Eponyme italischer Städte, insbesondere Kapys, den trojanischen Gründer der etruskischen Stadt Capua in Kampanien.233 Als Nachbarstadt Kymes war Capua den 228 Alföldi 1957, 9: „[…] der Glaube an [Rhomes] Urmutterschaft war dem Römervolk [um 260 v. Chr.] längst in Fleisch und Blut übergegangen“; contra bereits Classen 1963, 452 Anm. 32; M. Crawford RRC, S. 723 bezeichnet die einzelnen Rhome-Erzählungen als „contradictory and worthless aetiological stories“. 229 Hellanikos FGrHist 4 F 84 = Dion. Hal. ant. 1,72,2, s. Kap. 3.3. 230 So hat Hellanikos auch ein Werk über Gründungen und Namen verfasst und in seiner mythographischen Produktion besonders häufig kreativ auf das Mittel der Eponymie zurückgegriffen, Solmsen 1986, 109; Fowler 2013, 684. 687 f. 231 s. Solmsen 1986, 109. 232 Zu den ethnischen Eponymen s. o.: Latinos ist seit den hesiodeischen Schriften belegt, Daunos seit Mimnermos, Italos wohl ab Eugammon, Oinotros ab Pherekydes. 233 Hekataios FGrHist 1 F 62 = Steph. Byz. s. v. Καπύα; zu Hekataios s. u. a. Bertelli 2001; zum Namen Capuas zuletzt Minoja 2018.– Von Hekataios ist kein Hinweis auf Rhome und die Latiner über-

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Latinus, Sohn des Telemach, und Rhome

Griechen keinesfalls unbekannt, und so erstaunt eine frühe Herausbildung einer eponymen Gründungsgeschichte in archaischer Zeit nicht. In derselben kampanischen Nachbarschaft war vermutlich zuvor bereits Misenos gelandet, der nach Stesichoros zu den Gefährten des Aeneas gehörte, in anderen Traditionen hingegen mit Odysseus verbunden war.234 Für die latinischen Städte in Roms Nachbarschaft erscheinen Nachkommen von Odysseus und Kirke als eponyme Gründer. Diese sind zwar letztlich nicht datierbar, doch grundsätzlich schon in archaischer Zeit denkbar.235 Neben Praeneste, Ardea und Antium erhält auch Rom auf diese Weise laertidische Wurzeln, in einer Version durch Rhome, in der anderen durch einen Rhomos.236 Anhand des Rhomos zeigt sich bereits die allgemeine Verfügbarkeit dieser eponymen Heroen: Außer der weiblichen Rhome und dem männlichen Rhomos entstand auf diese Weise wohl auch Rhomis, der nur bei Plutarch erwähnt ist.237 Allerdings genügte es nicht, eine eponyme Figur zu erfinden. Diese musste auch in einen narrativen und mythhistorischen Zusammenhang, meist aus den großen panhellenischen Traditionen, einsortiert und mit einer möglichst reizvollen und plausiblen Geschichte, also einer biographischen und ethnischen Identität versehen werden. Spätestens im 5. Jahrhundert begegnet uns Rhome als Trojanerin und im Kontext des Wandermotivs der Schiffsbranderzählung, zuerst belegt bei Hellanikos. Wie wir gesehen haben, ist es wahrscheinlich, dass Hellanikos auf eine bestehende Tradition zurückgegriffen hat und die Geschichte in ihrer ersten Anwendung auf Latium möglicherweise von trojanischen Gefangenen handelte, die die Schiffe der heimkehrenden Achäer anzündeten. Ob Rhome bereits in dieser möglichen frühen achäischen Version enthalten war, kann nicht entschieden werden. Die Brandstifterin namens Rhome erscheint ausschließlich im Zusammenhang mit Rom. Sie wurde also Teil der

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liefert. Dies kann an dem fragmentarischen Erhaltungszustand liegen. Bei dem großen Interesse an den frühen Gründungserzählungen Roms in späterer Zeit wäre allerdings dem Zeugnis des Hekataios eine große Bedeutung zugekommen und dieses daher wahrscheinlich überliefert worden, insofern es den Argumentationen wie der des Dionysios von Halikarnassos nützlich gewesen wäre. Die Frage muss trotz dieses argumentum ex silentio offenbleiben. – Im Gegensatz zu den eponymen Figuren wie Latinus oder Rhome ist der Gründer Capuas nicht erst in der ktisis der Stadt entstanden, sondern aus der Genealogie der Dardaniden entnommen. Stesichoros fr. 105 Davies/Finglass auf der Tabula Iliaca, s. auch Kap. 3.3. Bei Misenos handelt es sich nicht um den eponymen Helden einer Stadt, sondern eines Vorgebirges in der Nähe von Kyme am Golf von Neapel. s. o. Kap. 2.2 und 2.3. Die laertidische Rhome erscheint in Serv. 1,273 (Autor ***), s. o. Kap. 2.2.3; Rhomos bei Xenagoras, Dion. Hal. ant. 1,72,5, s. o. Kap. 2.3.1. Die früheste über eine Autorenangabe ungefähr datierbare Erwähnung des Rhomos stammt aus dem 4. Jh. von Dionysios von Chalkis, FGrHist 840 F 10 = Dion. Hal. ant. 1,72,6 (Datierung bei G. S. Bucher, BNJ comm. ad loc.), was aber wohl als Terminus ante quem für die Entstehung dieser Figur betrachtet werden muss. Plut. Rom. 2,1: οἱ δὲ Ῥῶμιν Λατίνων τύραννον, ἐκβαλόντα Τυρρηνοὺς τοὺς εἰς Λυδίαν μὲν ἐκ Θετταλίας, ἐκ δὲ Λυδίας εἰς Ἰταλίαν παραγενομένους. „Die anderen [sprechen von] Rhomis, dem Tyrannen der Latiner, der die Tyrrhener herauswarf, die aus Thessalien nach Lydien und aus Lydien nach Italien gelangt waren“ (Übers. EH), s. hierzu u. S. 220 f.

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Schiffsbrandgeschichte, als diese auch für Rom erzählt wurde. Auf der Grundlage der erhaltenen Zeugnisse ist Rhome die einzige Brandstifterin, nach der die aus ihrer Tat resultierende Gründung benannt wurde.238 Die narrative Ausgestaltung der Erzählung mit der Versöhnung zwischen Brandstifterinnen und Schiffsbesitzern (spätestens seit Aristoteles) und der Ehre der Benennung der Stadt nach ihrer Anführerin (spätestens seit Hellanikos) zeigt, dass Rhome ein gewisses Identifikationspotential hatte, im Gegensatz zur grausam bestraften Setaia, die wohl kaum als ‚positive‘ Identifikationsfigur diente, zumal sie nur einem Felsen, nicht einer Stadt den Namen gegeben hat. Die Rhome der Schiffsbrandgeschichte steht, wie wir sahen, wahrscheinlich auch hinter den in diesem Kapitel untersuchten Erzählungen. Die Gemeinsamkeit der Varianten der Gruppe liegt dabei in der Verbindung Rhomes mit dem ethnischen Eponym und König Latinus, wodurch sie über die Handlung und den Rahmen der Schiffs­ brand­erzählung hinausgehen. Doch bei genauerem Hinsehen treffen wir mehrere unterschiedliche Identifizierungen Rhomes an: Rhome erscheint bei Kleinias als Tochter des Telemach. Diese Genealogie ist der anonymen Version mit Rhome als Tochter des Odysseus und der Kirke sehr ähnlich.239 In der Variante des Kleinias, die eine Weiterentwicklung der Latinus-Genealogie aus der Telegonie darstellt, ist sie allerdings bereits mit Aeneas verheiratet. Sie bewegt sich also zwischen der Telegonie- und der trojanischen Tradition. Wie der laertidische Latinus ist die ‚latinische Laertidin‘ trotz des lokalen Namens nicht eindeutig als einheimisch oder als griechisch zu bezeichnen. In der Erzählung des Caltinus wird Rhome selbst nicht näher bezeichnet. Analog zu den übrigen indigen-trojanischen Paaren wurde sie daher in der Forschung als einheimisch (d. h. laertidisch?) betrachtet, da ihr Gatte Latinus hier selbst als Trojaner erscheint. Nach der Analyse der Schiffsbranderzählung erscheint es nun plausibel, dass es sich auch bei dieser Rhome um eine Trojanerin handelte, da zumindest in der Weiterentwicklung der Geschichte großer Wert auf die Versöhnung und die Solidarität unter den Schiffsreisenden gelegt wurde. Allerdings ist hier ansonsten keine Nähe zur Schiffsbranderzählung erkennbar. Wahrscheinlicher ist, dass abgesehen von der Präsenz von Trojanern in beiden Geschichten keine Gemeinsamkeiten bestehen. Bei Kallias ist Rhome eine der Trojanerinnen, die mit den anderen Trojanern angekommen ist. Wir befinden uns also deutlich im Kontext der Suche der Trojaner nach einer neuen Heimat, entsprechend der trojanischen Schiffsbranderzählung, die jedoch nicht erwähnt wird. Eine Abstammung zusätzlich zur ethnischen Zugehörigkeit wird für Rhome nicht angegeben.

238 Im Fall der Setaia erstreckt sich die Eponymie mit einem Felsen auf ein landschaftliches Merkmal, das nun an ihre Bestrafung erinnern sollte. In den Erzählungen für Kroton und Skione sind zwar die Brandstifterinnen mit Namen genannt, doch werden sie nicht zu eponymen Heldinnen. 239 Serv. 1,273 (***), s. o. Kap. 2.2.3.

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Bei der anonymen Version Plutarchs erhält Rhome nun eine trojanische Mutter, die wahrscheinlich mit der gleichnamigen Brandstifterin zu identifizieren ist.240 In diesem Fall wird also direkt an die Schiffsbranderzählung angeknüpft. Das Paar Rhome und Latinus, die Eltern des Stadtgründers Rhomylos, ist eine Generation nach der Schiffsbranderzählung anzusetzen. Die Verdoppelung der Rhome ist sicher einem Systematisierungsversuch geschuldet, da der Telemachssohn Latinus als Gatte der Rhome sagenchronologisch inkompatibel mit der Schiffsbrandgeschichte ist. Die Doppelung der Rhome der ersten Stunde legt nahe, dass in ihrer Beziehung Latinus die stärkere Identität hatte, an die sie angepasst wurde. Die Rhome des Galitas erhält zwar keine genealogische oder ethnische Verankerung, doch durch die Präsenz des Aeneas ist die trojanische Herkunft wahrscheinlich. Die Version ist ansonsten derjenigen bei Plutarch am nächsten. Eine Besonderheit im Vergleich mit der späteren Vulgata und anderen Gründungsund Migrationsgeschichten liegt darin, dass nur in einem Fall, nämlich bei Kleinias, sicher eine Ehe zwischen einem eingewanderten Helden und einer Einheimischen vorkommt, wie z. B. im Fall von Aeneas und Lavinia in der Vulgata oder von Diomedes und der Tochter des apulischen Königs Daunus. Stattdessen besteht in den meisten Fällen die bedeutungstragende Verbindung zwischen einer trojanischen Einwanderin und dem einheimischen König. In augusteischer Zeit wird meist der trojanische Anteil als bedeutsamer eingeschätzt, während dem latinischen Erbe Lavinias nur in Ausnahmefällen dieselbe Wertschätzung zuteil wird.241 Wie ist demgegenüber die Beziehung zwischen Rhome und Latinus zu bewerten? Wie Aeneas ist sie Trojanerin, doch handelt es sich nicht um eine epische Gestalt, sondern um eine Figur ohne Vorfahren. Latinus hingegen erscheint als König oder Herrscher und stammt seinerseits von Odysseus, also einem dem Aeneas gleichrangigen griechischen Heroen, ab. Hinter der Geschichte zwischen Latinus und Rhome steckt somit eine weitere Geschichte, in

240 s. o. Kap. 3.1.2. 241 So erscheinen weder Lavinia noch Latinus in der Ahnengalerie des Augustusforums (s. zu latinischen Königen, bei denen es sich um die von Aeneas abstammenden Silvii handelt, Spannagel 1999). Das auf dem Caesarforum gefundene Fragment einer Statuenbasis mit den Anfangsbuchstaben La[- – -] ist zu unsicher eindeutig einer Figur zuzuschreiben. Vorgeschlagen wurden Lavinia, Latinus Fauni filius oder Latinus Silvius, s. CIL VI 40930 p. 4847. In der 2. Hälfte des 2. Jh.s n. Chr. wurden sie und ihr Sohn in Lavinium geehrt, CIL XIV 2067. 2068. Lavinias Rolle wird innerhalb der Vulgata sehr unterschiedlich präsentiert. Uneinigkeit besteht bzgl. der Identität der Könige von Alba und des Stammvaters der Iulii, der in einem Teil der Überlieferung mit Ascanius gleichgesetzt wird, in einem anderen aber der Sohn der Lavinia ist. Ihre Rolle ist in der Aeneis weitgehend auf die der Auslöserin des Krieges zwischen Aeneas und Turnus beschränkt, erst in den weiterfolgenden Berichten erhält sie etwas mehr Profil. Bei Liv. 1,3,1 übernimmt sie wegen des jugendlichen Alters des (trojanischen) Ascanius nach Aeneas’ Tod die Regentschaft, in OGR 16 verteidigen die Latiner, d. h. die Bewohner Laviniums, die Witwe gegen die Nachstellungen ihres Stiefsohns Ascanius, nach der Gründung Alba Longas übt sie die Herrschaft über Lavinium aus, so Serv. Aen. 6,760.

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der die Begegnung zwischen dem griechischen Helden und der ‚einheimischen‘ Frau ein bis zwei Generationen zuvor stattgefunden hat. Ein letzter Schritt der Entwicklung dieser Gruppe von Traditionen ist die Hinzufügung der Söhne der Rhome und des Latinus in den anonymen Versionen bei Plutarch sowie bei Galitas und Kallias, welche die Rolle des Gründers übernehmen. In allen drei Fällen gibt es einen Rhomylos, der aus der einheimischen römischen Tradition stammt, daneben erscheinen Rhomos und Telegonos. Bei Kallias verleihen die Söhne der Stadt den Namen der Mutter; in der Form, wie uns die Erzählung bei Plutarch präsentiert wird, benennt nun Rhomylos die Stadt nach sich selbst. Rhome verliert also allmählich, und zwar bereits innerhalb dieser Gruppe, ihre raison d’être als Namengeberin der Stadt. Die chronologische Konsequenz ist, dass die Versionen innerhalb der Gruppe, in denen die Söhne erscheinen, wohl später sind, und darunter die mit Rhomylos als Eponym die spätesten. Allerdings handelt es sich bei der Wiedergabe bei Plutarch ja um eine von ihm gestaltete Aufzählung der unterschiedlichen Erzählungen über Romulus, den Eponym und Gründer der Stadt. Daher ist in der ‚ursprünglichen Version‘ möglicherweise noch Rhome als die eponyme Heldin zu betrachten. Rhome erscheint schließlich losgelöst von der Schiffsbranderzählung und ohne Beziehung zu Latinus in einigen anderen Ursprungsgeschichten für Rom. Agathokles von Kyzikos bezeugt eine lebendige Diskussion über den Namen Roms, da er, nach Ausweis des Festus, mehrere Versionen gegeneinander abwägt.242 Rhome erscheint dort als Tochter des (wahrscheinlich in Troja zurückgebliebenen) Askanios,243 die mit ihrem Großvater Aeneas nach Italien gekommen ist. Nach der Eroberung des Landes durch die Trojaner habe sie einen Tempel für Fides geweiht. Aufgrund dieses Ausweises von pietas haben die späteren Gründer der Stadt diese nach ihr benannt.244 Diese ‚urrömische‘ Eigenschaft konnte also auch Eingang in die Ursprungserzählungen fin-

242 Zuletzt bei J. Engels, ad BNJ 472 F 5 (Agathokles): in Alexandria unter Ptolemaios II. oder Ptolemaios III.; Martínez-Pinna 1997a, 86 sieht ihn (in der Tradition Nieses) eher am Beginn des 2. Jh.s, ebenso zuvor Alföldi 1957, 12: Schöpfung der Zeit nach dem Sieg über Philipp V. – Die Angabe der ‚späteren‘ Gründer deutet darauf hin, dass die Dynastie der Silvii bereits eingefügt wurde, s. o. (Kap. 1.2). 243 Martínez-Pinna 1997a, 86 betont die Nähe dieser Version zu der Angabe des Hellanikos, bei dem Askanios in der Troas verblieben und Aeneas nicht auf der Suche nach einer neuen Heimat begleitet hatte, FGrHist 4 F 31 = Dion. Hal. ant. 1,47,5. 244 Agathokles FGrHist 472 F 5a = 840 F 18a = Fest. 328, 16 – 329, 1 L: Agathocles, Cyzicenarum rerum conscribtor, ait, vaticinio Heleni inpulsum Aenean, Italiam petivisse portantem suam secum neptem, Ascani filiam, nomine Rhomen, eamque, ut Italia sint Phryges potiti et [h]is regionibus maxime, quae nunc sunt vicinae Urbi, prima omnium consecrasse in Palatio Fidei templum; in quo monte postea cum conderetur urbs, visam esse iustam vocabuli Romae †nomen† causam eam quae priore, unde ea locum dedicavisset Fidei. Ait quidem Agathocles conplures esse auctores, qui dicant Aenean sepultum in urbe Berecynthia proxime flumen Nolon, atque ex eius progenie quendam nomine Rhomum venisse in Italiam, et urbem Romam nominatam condidisse; Solin. 1,3: Text s. o. S. 131 Anm. 209.

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den, die ansonsten noch nicht der ‚echten‘ lokalen Erzählung entsprach.245 Ein Tempel für diese Gottheit wurde in der Mitte des 3. Jahrhunderts durch A. Atilius Calatinus geweiht, allerdings auf dem Kapitol,246 nicht auf dem Palatin wie in dieser Version, mit der die für das römische Selbstverständnis und die Außenpolitik zentrale virtus bis in die Zeit vor der Stadtgründung zurückprojiziert wurde.247 Diese Vorstellung der fides dürfte bereits dem für das frühe 5. Jahrhundert bekannten Dius-Fidius-Tempel zugrunde gelegen haben und wird insbesondere in der Beziehung zwischen Patron und Klient in den XII-Tafel-Gesetzen eingefordert.248 Im Sinne des Völkerrechts bedeutete die fides publica das Einhalten der Verträge und das Verhältnis zu einer durch deditio unterworfenen Stadt.249 In diesem Sinne spielte sie im frühen 3. Jahrhundert in den Konflikten in Unteritalien und während der römischen Expansion insgesamt eine große Rolle,250 die sich sogar in der Münzprägung verbündeter Städte niederschlug. Es liegt nahe, die Rhome der Erzählung mit der thronenden ΡΩΜΑ auf einem Stater aus Lokroi Epizephyrioi zu verbinden, die von einer ΠΙΣΤΙΣ bekränzt wird.251 Die genaue Datierung beider Zeugnisse, der Erzählung und der Münzprägung, im 3. Jahrhundert ist allerdings umstritten.252 Zudem ist nicht abschließend zu entscheiden, ob es sich bei der Rhoma der Münze um die mythhistorische Gestalt der Ursprungserzählung oder um die göttlich verehrte Stadtpersonifikation handelt.253

245 Alföldi 1957, 12 hält die Verbindung der mythhistorischen Rhome mit der Tugend der fides grundsätzlich für ein altes Motiv. – In der annalistischen Tradition wird die Einrichtung des Fides-Kultes Numa zugeschrieben, hier allerdings – der tatsächlichen Position des Tempels entsprechend – auf dem Kapitol, s. Liv. 1,21,4; Dion. Hal. ant. 2,75; Plut. Numa 16,1. Varro ling. 5,74 schreibt ihn allgemein den Sabinern zu (durch diesen typisch varronischen Sabinismus würde die fides statt einer urrömischen zu einer importierten Eigenschaft). 246 Zu dem Tempel s. Ch. Reusser in: LTUR II, 1995, 249–252 s. v. Fides populi Romani/Publica; zum angeblichen Tempel auf dem Palatin J. Aronen in: LTUR II, 1995, 252 s. v. Fides, templum. 247 s. Martínez-Pinna 1997a, 86; J. Engels comm. ad BNJ 472 F 5. 248 XII-Tafeln 8,21; G. Schiemann in: DNP IV, 1998, 507 s. v. Fides II. 249 G. Schiemann in: DNP IV, 1998, 508 s. v. Fides II, mit Lit.; Mellor 1975, 132 zu dem römischen Begriff venire in fidem. 250 Zur fides in der römischen Außenpolitik s. bereits Alföldi 1957, 12: Decius Campanus in Rhegion, 270 v. Chr.: Pol. 1,7,7. 12; Hieron vor Messina: Diod. 23,1,4; Vergeltung des Pyrrhus für die fides der Lokrer: Liv. 29,18,4; Frevel des Pleminius in Lokroi, 204 v. Chr.: Diod. 27,4,1. 251 BMC Greek Coins, Italy, 365 f. Nr. 15–17, (09.10.2023); Rutter 2001, 181 Nr. 2347–2351; LIMC IV, 1988, s. v. Fides Nr. 22 = Suppl., 1997, s. v. Roma Nr. 178. Es handelt sich hierbei um die älteste Darstellung der Fides/ Pistis, eine weitere (ohne Roma) 54 v. Chr. durch A. Licinius Nerva (RRC 454/1–2 Taf. 53; LIMC IV, 1988, s. v. Fides Nr. 25), danach erst wieder ab vespasianischer Zeit (D. E. M. Nash in: LIMC, ebd. 135); zur Datierung bei Mellor 1975, 109. 132; Fayer 1976, 10; Bernhardt 1998, 42; Lit. bei Rutter 2001, 178 f. 252 Datierung zwischen der ersten Hälfte (Alföldi: nach Pyrrhus; E. Di Filippo Balestrazzi in: LIMC Suppl., 1997, s. v. Roma Nr. 178: nach 282 oder 275 v. Chr.; Rutter 2001, 181: 275 v. Chr.; fides der Lokrer gegenüber Rom: Liv. 29,18,4) und dem Ende des 3. Jh.s (Mellor 1975: 204 v. Chr., nach dem Pleminius-Frevel: Liv. 29,18,19; Diod. 27,4,1). 253 s. dazu u.

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Die Rhome des Agathokles jedenfalls bezeugt eine Entwicklung, die auch andere für Städte stehende Figuren erfuhren: spezifisch römisch wird sie durch die Begründung des für Rom so zentralen Fides-Kultes. Dadurch unterscheidet sie sich von der früheren Rhome, die aus der epischen Tradition der Nostoi in den unterschiedlichen Spielarten hervorgegangen war und sich in ihrer narrativen Ausgestaltung durch nichts spezifisch Lokales auszeichnete, sondern sich nur durch ihren Namen von den anderen Brandstifterinnen abgrenzte. Während Rhome bei Agathokles als Enkelin zur Dynastie des Aeneas gehört, erscheint sie in einer Version, in der sie als Tochter des Telephos bezeichnet wird, als dessen Gattin; wir befinden uns hier im Kontext der etruskischen Ursprungslegenden.254 In einer letzten Version, die sicherlich zu einem frühen Zeitpunkt entstanden ist, erscheint Rhome im Kontext der Euandertradition. Servius gibt an, dass manche sie für die Tochter des arkadischen Heros hielten, während andere in ihr diejenige sahen, die seine Ansiedlung in Rom geweissagt habe.255 Dies sind neben der Notiz des verlorenen Autors *** bei Servius die einzigen eponymen Versionen, in denen keine Verbindung zu den Trojanern hergestellt wird. Gerade bei Plutarch und Servius fehlt wie so oft eine Quellenangabe und die narrative Ausgestaltung, so dass man für die Datierung der Versionen auch hier gänzlich auf den Vergleich mit ähnlichen Genealogien und die Einschätzung der Traditionsstränge angewiesen ist. Bei Plutarch und Servius geht es um den Namen der Stadt, ohne explizite Angabe des Gründers, doch dürfte es sich dabei, wie bei den Versionen der Kallias-Gruppe, jeweils um eine männliche Gestalt handeln, die möglicherweise in den knappen Notizen nicht erwähnt ist – am ehesten um einen Gatten, Sohn oder Vater der weiblichen Eponyme. Entgegen dem Eindruck schließlich, dass Rhome stärker in den Ursprungserzählungen präsent ist als Latinus, ist festzuhalten, dass für alle mythhistorischen Kontexte, in denen die Stadteponyme verortet wurde, auch eine Latinus-Erzählung vorliegt. Der zentrale Unterschied ist, dass Rhome nicht in die kanonische Version eingegangen ist, während Latinus als letzter Vertreter der lokalen Dynastie erhalten blieb, wenn sich auch Genealogie und Narrativ gewandelt haben. Das Gewicht Rhomes zeigt sich jedoch darin, dass hier die Stadteponyme denselben Raum einnimmt wie der ethnische Eponym. 254 Plut. Rom. 2,1; s. u. S. 201 (Zitat). 219 f. 255 Serv. auct. Aen. 1,273. – Üblicherweise ist die Prophetin, die in Rom den Namen Carmenta erhielt und kultisch verehrt wurde, Euanders Mutter. Die Version mit Rhome in dieser Rolle muss also entweder älter oder von dieser Tradition inspiriert sein. Für einen frühen Zeitpunkt spricht ebenso, dass hier Euander allgemein mit Rom und nicht wie üblich mit dem Palatin verbunden ist, sowie nicht zuletzt, dass hier noch keine Spur der allegorischen Benennung der Stadt nach der Kraft, ῥώμη, zu sehen ist, wie in den ebenfalls mit den Arkadern verbundenen Valentia-Erzählungen (s. u.); s. zu dieser Tradition Martínez-Pinna 1997a, 94, der allerdings bereits das wörtliche Verständnis des Namens Rhome voraussetzt.

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Zusätzliche mythische und narrative Verortungen gibt es dagegen für den männlichen Stadteponym Rhomos. Wie bereits gesehen erscheint er ebenfalls in der odysseischen und in der trojanischen Tradition,256 in der er neben Askanios präsentiert wird, sowie neben Rhomylos in der ‚lokalen‘ Gründungsgeschichte, wo er allmählich mit Remus identifiziert wird.257 Zusammen mit Rhomylos erscheint er zudem als Sohn des Aeneas und einer ansonsten nicht bekannten Dexithea, hier bereits mit dem Motiv der Kindsaussetzung in einer Vorversion zur kanonischen Kindheitsgeschichte der Zwillinge.258 Ohne Rhomylos begegnet er wie Rhome als Sohn der Leukaria259 und schließlich als Sohn des Iuppiter in einer einem Antigonos zugeschriebenen Version.260 Schließlich finden sich Spuren der Diskussion über die Eponymie des Rhomos, der durch den im augurium erfolgreicheren Bruder ersetzt wird, bei Varro und Servius, die den Ortsnamen trotz Festhalten an der Vulgata mit einem Rhomos/Romus verbinden.261 3.5.2 Valentia: Etymologische Erklärungen des Stadtnamens Während Rhome in der Mythhistorie in ihrer Funktion als Eponyme der Stadt durch Rhomylos/Romulus und seine Brüder ersetzt wird, ändert sich die Qualität des Rom-Bezuges in zweierlei Weise: Einerseits wird Rhome-Roma zur göttlich verehrten Personifizierung der Stadt, andererseits wird die griechische Wortbedeutung ihres Namens nicht nur zur etymologischen Begründung des Ortsnamens, sondern als Omen für die künftige Größe und Macht der Stadt herangezogen. Die etymologische Deutung des römischen Ortsnamens beruht auf der Bedeutung des griechischen Namens der Stadt ῥώμη gleich „Kraft, Stärke“. Diese sprachliche Koinzidenz war der Ausgangspunkt einer allegorischen Deutung und der Rückprojizierung dieser Eigenschaft auf die Anfänge der künftigen Metropole. Die Benennung der Stadt bezeuge bereits zum Zeitpunkt der Gründung ihre Stärke, der Name wurde als gutes Omen für eine mächtige Zukunft betrachtet. Diese etymologische Andeutung ist ab dem frühen 3. Jahrhundert greifbar und prägte sich in mehreren Spielarten aus. Lykophron bietet den ersten Beleg für diese Bedeutungsverbindung: das Geschlecht der

256 Zur trojanischen, aber auch zu einer auf Argos verweisenden Tradition gehört die Version, in der Rhomos als Sohn eines (seinerseits auf Makedonien verweisenden) Emathion dem Diomedes in Troja als Bote gedient habe (Plut. Rom. 2,1; Emathion ebenso erwähnt bei Dion. Hal. ant. 1,72,6, in einer von mehreren Erzählungen des Dionysios von Chalkis). 257 Auf Griechisch wird Remus noch lange als Rhomos bezeichnet, weshalb die Identifizierung im spezifischen Einzelfall problematisch ist. 258 Plut. Rom. 2,2. 259 s. u. Kap. 4. 260 Fest. 328, 2–5 L = FGrHist 816 F 1, s. H. Beck, comm. ad BNJ. 261 Varr. ling. 5,33,1; Serv. Aen. 1,273 (Texte u. Anm. 282).

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Nachfahren des Aeneas zeichne sich durch Stärke aus, wofür der Dichter das Wort ῥώμη verwendet.262 M. E. liegt hier kein direkter Verweis auf die eponyme Figur Rhome vor.263 Diese Anspielung auf die römische Stärke findet Eingang in die Erzählung der Ursprünge Roms. Es handelt sich hierbei nach der Schiffsbranderzählung um die am häufigsten wiedergegebene Version der römischen Ursprünge. Den Namen Rhome habe die Siedlung laut Plutarch, der möglicherweise auf Kineas, den Vertrauten des Pyrrhus, zurückgeht, von den umherirrenden Pelasgern wegen ihrer Stärke im Kampf erhalten,264 laut Solinus und der cumanischen Chronik von Euander und den griechisch-sprechenden Arkadern. In der arkadischen Tradition handelt es sich zudem um eine Übersetzung des lateinischen Namens Valentia, denn der Ort sei bereits bei der Ankunft der Arkader besiedelt gewesen. Nach der wahrscheinlich von Ateius, einem Zeitgenossen von Sallust, stammenden Version bei Solinus handelt es sich bei den ersten Erbauern und Namengebern der Siedlung allgemein um die iuventus Latina.265 Bei dem cumanischen Autor, dessen Datierung zwischen dem 3. und mittleren 1. Jahrhundert angesetzt wird, seien es die aus Griechen hervorgegangenen Aborigines gewesen, die sich auf dem Palatin niedergelassen und die Siedlung „nach den Kräften ihres Anführers“ lateinisch Valentia genannt hätten. In dieser Version sei der Name der Stadt nicht nur durch Euander, sondern auch durch Aeneas ins Griechische übersetzt worden.266 Diese letzte Entwicklung der Tradition ist für Autoren des 1. Jahrhunderts v. Chr. belegt, allerdings gibt es bereits im 2. Jahrhundert römische Kolonien, die diesen glücksbringenden Namen tragen und wahrscheinlich an den ‚ursprünglichen‘ Namen ihrer Metropolis erinnern.267

262 Lykophr. Alex. 1232 f.: τοιούσδ’ ἐμός τις σύγγονος λείψει διπλοῦς / σκύμνους λέοντας, ἔξοχον ῥώμῃ γένος, „Mein Verwandter wird solche zwei / Löwen-Welpen zurücklassen, ein in seiner Kraft hervorragendes Geschlecht“ (Übers. F. Horn). Ps.-Skymn. 231 f. ersetzte am Ende des 2. Jh.s das Wort ῥώμη durch das Synonym δύναμις, worunter eine Anspielung auf die Etymologie zu verstehen ist; in der ungewöhnlichen Ktisis des Promathion wird dem künftigen Gründer Roms ebenfalls unter anderem ῥώμη prophezeit (Plut. Rom. 2,4–8; s. dazu Kap. 4.3). 263 Einen Verweis auf Rhome sieht Alföldi 1957, 40 Anm. 43. 264 Plut. Rom. 1,1: ἀλλ’ οἱ μὲν Πελασγούς, ἐπὶ πλεῖστα τῆς οἰκουμένης πλανηθέντας ἀνθρώπων τε πλείστων κρατήσαντας, αὐτόθι κατοικῆσαι, καὶ διὰ τὴν ἐν τοῖς ὅπλοις ῥώμην οὕτως ὀνομάσαι τὴν πόλιν. Zu Kineas u. S. 160. 265 Solin. 1,1: Sunt qui videri velint Romae vocabulum ab Evandro primum datum, cum oppidum ibi offendisset, quod extructum antea Valentia dixerat iuventus Latina, servataque significatione inpositi prius nominis, Romam Graece Valentiam nominatam. Nicht erwähnt sind die Namengeber in der dem Ateius (Praetextatus Philologus?) zugeschriebenen Version bei Serv. auct. Aen. 1,273 (Ateius Philologus, FRHist 51 F 1 [?], mit comm.). 266 Fest. 328, 5–16 L (Hyperochos von Kyme [?] FGrHist 576 F 3); Zitat s. u. S. 160 Anm. 321. 267 In Unteritalien die latinische Kolonie Vibo Valentia, das frühere Hipponion, gegründet 192 v. Chr. (möglicherweise eine erste Deduktion bereits 237 v. Chr., s. Musti 1988, 534), in Spanien Valentia Edetanorum, gegründet 138 v. Chr. Zu diesen „‚auspicious’ names“, wie sie auch weitere Kolonien, Placentia (218), Potentia (184) und Florentia (59 v. Chr.), tragen, s. C. J. Smith, comm. ad FRHist 51 F 1 (L. Ateius Philologus), III, 512 mit Lit. – Bei der antiquarischen Suche nach immer weiteren Erklärungen entstand schließlich auch im Kontext der kanonischen Gründungsgeschichte eine

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In diesen Erzählungen spielt die mythhistorische Figur Rhome keine Rolle mehr. Ihr Name wird in den erhaltenen Texten nie mit der Kraft in Verbindung gebracht und als bedeutungstragend angesprochen. Wir bewegen uns mit den Pelasgern, Aborigines und Arkadern im mythhistorischen Kontext der vortrojanischen Wanderungsbewegungen, mit denen Rom und die Latiner wahrscheinlich seit dem späten 4. Jahrhundert verbunden wurden.268 Diese Versionen setzen die wachsende Bedeutung Roms voraus, während dies für die eponyme Figur Rhome nicht grundsätzlich notwendig war, da auch andere Städte mit bei weitem geringerer Bedeutung eponyme Gründer erhalten konnten. Lediglich die Vielzahl der Rhome-Erzählungen kann mit dem zunehmenden Interesse an der Stadt am Tiber in Verbindung gebracht werden, das mit der römischen Expansion einherging. 3.5.3 Stadtpersonifikation und Göttin Nachdem durch die Kraft-Aitiologie die eponyme Heroin Rhome aus der Ursprungsgeschichte der Stadt verbannt wurde, wurde die göttlich verehrte Figur als Thea Rhome bzw. Dea Roma ganz der Geschichte entzogen. Der Kult der Stadtpersonifikation Roms entstand als Variante des hellenistischen Herrscherkultes, im Kontext der diplomatischen Interaktion mit Herrschern, die von Städten göttliche Ehren erhielten. Damit drückten die Städte den hellenistischen Königen ihren Dank aus, meist für die Gewährung der Freiheit oder einer anderen Wohltat. Da im Fall Roms mit Senat und jährlich wechselnden Konsuln keine Einzelperson entsprechend dem hellenistischen Monarchen ansprechbar war, galten die göttlichen Ehren der Stadt Rom.269 Damit griffen die hellenistischen Poleis auf die Vorstellung von Stadtpersonifikationen, die bereits im 5. Jahrhundert anthropomorphe Darstellungen erhalten hatten, zurück.270

alternative etymologische Erklärung des Namens: Die Namen der Zwillinge werden – ebenso wie die noch in der Kaiserzeit neben der Höhle der Wölfin wachsende ficus Ruminalis – von ruma, „Brust“, hergeleitet, da Romulus und Remus von der Wölfin gesäugt worden waren, Plut. Rom. 6,2. Um trotz dieser etymologischen Erklärungen die Rolle des Romulus als Eponym zu erhalten, präzisiert daher Servius, dass der Zwilling nicht der Stadt, sondern den Bürgern – die letztlich in der Vorstellung der civitas ja die Stadt ausmachen – seinen Namen verliehen habe: Serv. Aen. 1,277: ROMANOSQVE SVO DE NOMINE DICET perite non ait Romam, sed Romanos. 268 s. u. Kap. 3.6.1 zu den Aborigines. 269 Zum hellenistischen Herrscherkult in Poleis immer noch grundlegend Habicht 1970. Zum Kult der Thea Rhome s. den Überblick bei Bernhardt 1998, 40 ff.; Salvo 2013, 136. 270 Darstellungen und Kulte für Stadtpersonifikationen gab es in griechischen Städten bereits im 5. Jh., s. Meyer 2006, 133. 140 f. Hierbei handelt es sich – außer in ‚historischen‘ Darstellungen z. B. des Sieges von Salamis mit einer anthropomorphen Darstellung der Insel Salamis – jedoch meist um die Personifikation der eigenen Stadt, z. B. der Göttin Messene in der Stadt Messene oder Megale Polis in Megalopolis (Meyer ebd.), während ein von einer Polis eingerichteter Herrscherkult ja gerade einer Größe außerhalb der Polis gilt.

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Die ersten sicheren Zeugnisse belegen den Roma-Kult im frühen 2. Jahrhundert v. Chr. Der erste Tempel wurde 195 v. Chr. in Smyrna errichtet.271 Im Jahr 191, wurde Roma im euböischen Chalkis zusammen mit Flamininus göttlich verehrt.272 Die größte Verbreitung fand der Kult nach dem Sieg über Antiochos III. in dessen ehemaligem kleinasiatischen Machtbereich sowie nach der Befreiung der von Rhodos beherrschten Städte im Jahr 167. Möglicherweise noch älter als der Tempel für die Göttin Roma in Smyrna ist eine Stiftung für Rhome in Chios: Aus paläographischen Gründen wird sie in das dritte Viertel des 3. Jahrhunderts datiert, die historischen Argumente weisen aber vielmehr in die Zeit nach dem Frieden von Apameia 188 v. Chr.273 Besonders interessant ist der Text der Inschrift aus Chios als Zeugnis für die Bedeutung der Gründungsgeschichte Roms in den griechischen Städten, denn Teil der Stiftung war die Darstellung dieser Geschichte, die explizit die Geburt der Zwillingssöhne beinhaltete.274 Ihr genauer Inhalt ist zwar nicht auf dem Stein erhalten, doch die Ergänzung, dass

271 Tac. ann. 4,56: im Wortlaut des Tacitus allerdings ein Tempel für die Stadt, templum urbis Romae, nicht für eine Göttin. Das Datum, das Konsulat des M. Porcius Cato, präsentieren die Gesandten aus Smyrna am Hof des Tiberius. Mellor 1975, 14 f. und Errington 1987, 100 zum historischen Kontext: Smyrna und das benachbarte Lampsakos riefen 197/196 Rom gegen Antiochos III. zu Hilfe. Mellor betrachtet den Kult als Mittel, um das Wohlwollen Roms zu erlangen, während Lampsakos sich dabei auf die trojanische Verwandtschaft berufen konnte (dazu auch Curty 1995; Battistoni 2010, 89 f.; Hornblower 2018, 190). Errington betont dagegen, dass Rom bereits vor dem Tempelbau Hilfe brachte und der Kult, wie üblich für einen hellenistischen Herrscherkult, erst als Dank für die erbrachte Leistung eingerichtet worden sein muss. 272 Plut. Titus 16,4–7; IG XII 9, 931. Mellor 1975; Pfeilschifter 2005, 271 mit Anm. 70. Es handelt sich um einen Kult aus Dankbarkeit dafür, dass Flamininus den Konsul Glabrio davon abgehalten hatte, die Stadt für die Unterstützung und Unterbringung des Antiochos III. zu bestrafen. Roma erscheint nicht direkt als Empfängerin von Ehren, wird aber im Paian, der noch in Plutarchs Zeit gesungen wurde, neben Zeus, Titus und Pistis angesprochen. Die Göttin erscheint bei Plutarch in einer latinisierten Form als Ῥώμα. 273 SEG XVI 486 (1959); SEG XXX 1073 (1980); Derow/Forrest 1982, 80; SEG XXXIV 863 (1984, J. und L. Robert schließen frühes Datum aus); Errington 1987, 101 f. (schließt frühes Datum aus); Wiseman 1995, 56 f. mit Anm. 99 (für frühes Datum); 161 Nr. 2; zuletzt Salvo 2013 mit weiterer Lit. (spätes Datum); Hornblower 2018, 51 Anm. 9; 116 f. (frühes Datum). Obwohl das Schriftbild deutlich in das 3. Jh. verweist und somit die Möglichkeit früherer, historiographisch nicht belegter Kontakte zwischen Rom und Chios in Erwägung gezogen wurde, ist der historische Kontext wohl eher nach dem römischen Sieg über Antiochos III. zu sehen. 274 Z. 24–29 (Text nach Salvo 2013): … ἐποίησεν ἐκ τῶν] |25 ἰδίων ἀνάθημα τῆι Ῥώμηι ἀπὸ δραχμῶν Ἀλεξ[ανδρείων χιλίων - - c. 6–8 - - πε]|ριέχον τῆς γενέσεως τοῦ κτίστου τῆς Ῥώ[μης Ῥωμύλου καὶ τοῦ ἀδελφοῦ] | αὐτοῦ Ῥέμου· v καθ’ ἣν συμβέβηκεν αὐτοὺ[ς ὑπ’ αὑτοῦ Ἄρεος γεννηθῆναι,] | ἣ καὶ ἀληθῆς δικαίως ἂν νομίζοιτ’ εἶναι δ[ιὰ τὴν τῶν Ῥωμαίων ἀνδρειότη]|τα … Übers. K. Brodersen u. a. (HGIÜ III Nr. 467) mit alternativem Ergänzungsvorschlag für die Abstammung: „In der Absicht, auf jede [Weise kenntlich zu machen die] | Anhänglichkeit und Dankbarkeit des Volkes und zu be[wirken, daß die Bürger wahren] | und mehren, was zu Ruhm und Eh[re gereicht, ließ er herstellen auf] |25 eigene Kosten ein Weihgeschenk für die Roma im Wert von [tausend] Alex[ander-]Drachmen, [das die Geschichte {oder: die bildliche Darstellung} | z]eigt der Herkunft des Gründers von Ro[m, des Romulus und seines Bruders] | Remus, v derzufolge sie [von Ares selbst gezeugt {oder: von einer Wölfin aufgezogen} wurden], | was man mit Recht für wahr halten kann an[gesichts der Tapferkeit der Römer.]“ Zu den Ergänzungen für Z. 25 (ἱστορίαμ, πραγματείαν, ἄγαλμα und

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die Tapferkeit der Römer die Abstammung von Mars als „wahr“ erweise, ist plausibel.275 Gerade diese Betonung der „wahren“ Erzählung, in der Romulus und Remus Söhne des Mars sind, macht deutlich, dass in der Narration die mythhistorische Figur Rhome keine Rolle mehr spielen kann. Für Latinus ist neben der Thea Rhome oder Rhoma, wie in Chalkis und auf der Münze aus Lokroi, freilich kein Platz, Latium – quasi als chora Roms – erhält keine kultischen Ehren. Dazu passt, dass die Latiner, die für den Handel nach Griechenland ziehen, sich selbst als Rhomaioi bezeichnen und sowohl ihre eigene städtische wie ihre ethnische Identität in den Hintergrund rücken. Rhome, die eponyme Heldin, und Rhome, die Empfängerin göttlicher Ehren im griechischen Osten, stellen zwei alternative Konzepte, zwei Möglichkeiten der Ansprache Roms dar. Die eponyme Heldin führte als mythhistorische Gestalt zu den Ursprüngen der siegreichen Stadt und konnte je nach gewählter Erzählung eine Verwandtschaft mit einer anderen Stadt oder einem Volk begründen.276 Die Göttin verkörpert die Stadt am Tiber als Interaktionspartner der griechischen Polis. Sie ist zwar der Mythhistorie enthoben, doch hat sie sich ihre göttliche Verehrung durch ein historisches Eingreifen in die Geschichte der Polis, durch die gegenwärtigen von Rom gewährten Wohltaten verdient.277 Die Unklarheit, ob es sich um eine – göttliche? – Stadtpersonifikation oder eine mythhistorische Gestalt handelt, zeigt jedoch, dass hier möglicherweise doch keine so eindeutigen Grenzen gezogen werden können und sich die Konzepte bisweilen überlagerten bzw. für dieselbe Aussage beide Versionen vorkamen: Agathokles erzählt von der Aeneasenkelin Rhome, die der Fides einen Tempel weihte. Auf der oben angesprochenen Münze aus Lokroi wird Rhoma neben διήγησιμ) s. den kritischen Apparat und die Diskussion über die Art der Weihung in Salvo 2013. Diese kann aufgrund des Wortlauts der Inschrift nicht bestimmt werden, denn für die Adressaten war eine Spezifizierung der Weihung unnötig. Möglicherweise handelte es sich um eine Verbindung von narrativem Text und bildlicher Reliefdarstellung (Salvo 2013, 131 f.). 275 Wir hätten hiermit einen frühen Beleg für die Abstammung der Zwillinge von Mars. Da es sich bei der Angabe des Gottes um eine Ergänzung handelt, ist dieses Zeugnis zwar mit Vorsicht zu behandeln. Für eine Kenntnis der später kanonischen Erzählung spricht jedoch die erhaltene Angabe des Remus, die nicht mehr der griechischen Form Rhomos folgt. Möglicherweise ist hier eine Spur der Lektüre des Werkes von Fabius Pictor (oder seines Vorgängers Diokles von Peparethos, wohl aus der Mitte des 3. Jh.s, s. zuletzt H. Beck, BNJ 820, Biographical Essay; Salvo 2013, 134) zu sehen, der sich ja gerade an ein griechisches Publikum wandte. – Bei einer bildlichen Darstellung wäre als Motiv nach dem Vorbild der Münzen an die Wölfin und die Zwillinge zu denken. Mars selbst wird wohl nicht dargestellt, sondern nur als Teil der Geschichte und Ursache der Tapferkeit angeführt sein. (Anders Salvo 2013, 132, die eine Darstellung von Rhea Silvia und Mars für möglich hält). – s. auch Liv. praef. 7, dass eine Stadt wie Rom zurecht auf göttliche Vorfahren zurückblicke, mit Salvo 2013, 136. 276 s. o. zu der Strategie von Lampsakos, sich auf trojanische Ursprünge zu berufen, obwohl die Stadt zuvor nicht immer als trojanische Gründung galt. 277 Hier ist an den Kultgesang für Demetrios Poliorketes in Athen zu denken, der sich gerade durch seine Präsenz – im Gegensatz zu den abwesenden olympischen Göttern – als Gott erweist, Athen. 6,253b–f; s. hierzu Chaniotis 1995, 153; Chaniotis 2003, 431.

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Pistis präsentiert. Im Paian für Flamininus aus Chalkis wird Pistis neben Rhoma angerufen. Während in dem Paian eindeutig abstrakte Größen, Personifikationen, vorliegen und bei Agathokles eine mythhistorische Gestalt, wurde die Münzdarstellung auf beide Weisen gedeutet.278 Dieser Fall zeigt, dass die Entscheidung schwerfällt, ob hier grundsätzlich unterschiedliche Konzepte nebeneinander existieren oder ob es sich für Rhome-Roma-Valentia um Prozesse der Entnarrativisierung bzw. Entpersonalisierung handelt. 3.5.4 Rhome in Rom? Bisher wurde Rhome ausschließlich im Kontext der griechischen Autoren zugeschriebenen Ursprungserzählungen betrachtet. Was lässt sich demgegenüber über ihre Rolle in Rom sagen? Gibt es Spuren einer lebendigen Konnotation der Rhome als mythhistorische Gestalt im Allgemeinen und als die Trojanerin der Schiffsbrandgeschichte und der Kallias-Gruppe im Besonderen? Ist sie zu irgendeinem Zeitpunkt Teil der römischen und vielleicht latinischen Vergangenheitsvorstellung, möglicherweise gar als „Urmutter“, wie Alföldi annahm?279 Für die Frühzeit ist eine eponyme Vorfahrin, Tochter des Odysseus oder des Telemach oder aus Troja stammend, ebenso wie ihr männliches Pendant Rhomos grundsätzlich vorstellbar. Sie wäre hier im Kontext der aristokratischen Kommunikation in der tyrrhenischen und mediterranen Koine zu sehen. Auch ihre Rolle in der Schiffsbrandgeschichte könnte durchaus in Rom bekannt gewesen sein, die Verbindung von Rom mit den Trojanern muss nicht zwingend als Fremdbeschreibung betrachtet werden. Im Gegensatz zu den epischen Helden der großen Sagenkreise begegnet sie selbst allerdings nie mit einem ‚lokalen‘ Namen. Rhome wird in der Literatur nie zu Roma, sondern behält in der gesamten lateinischen Überlieferung ihre griechische Form, entweder als Rhome oder als Rome, bei.280 Dies legt nahe, dass die lateinischen Autoren

278 Deutung als mythische Figur bei Alföldi 1957, 12; ansonsten ist die Deutung als Göttin vorherrschend, Mellor 1975, 109: „deification of Roma“. Hierbei spielt auch die Chronologie eine Rolle: Alföldi setzt Agathokles’ Erzählung erst im 2. Jh. an, die Münze kurz nach Pyrrhus. Dies spräche gegen eine Entwicklung von der mythischen Figur zur Göttin. Wie angemerkt sind Erzählung und Münze aber nicht eindeutig relativ zueinander zu datieren. Mellor 1975, 19 entscheidet sich plausibel für eine (langfristig erfolglose) Umsetzung der Bedeutung der Fides für Rom in ein mythisches Gewand, die Erzählung wäre also nach der Weihung des Tempels und der Verbreitung des Konzepts bei den griechischen Interaktionspartnern Roms entstanden. 279 Alföldi 1957. Dieser Sicht hat bereits Classen 1963, 452 Anm. 32 widersprochen. 280 Außerhalb der Mythhistorie und im griechischen Kontext wurde bisweilen Rhome zu Rhoma latinisiert, wie in dem Paian für Flamininus und auf der Pistis-Münze aus Lokroi, doch handelt es sich im Paian sicher, auf der Münze wahrscheinlich um die Göttin, nicht um die eponyme Heldin. – Mellor 1975, 132 Anm. 171 mit Lit., hält Rhoma aus Lokroi nicht für eine lateinische Form, sondern erklärt sie mit dem nordwestgriechischen Dialekt der Stadt.

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sie als eine fremde Gestalt betrachteten, und spricht wohl dagegen, dass die weibliche eponyme Figur zu ihrer Zeit Teil der römischen Ursprungserzählung war.281 Allerdings ließe sich dies auch so erklären, dass es zwar zu einem frühen Zeitpunkt auch in Rom Erzählungen über die trojanische Brandstifterin Rhome gegeben hatte, diese aber bereits vor dem Beginn der lateinischen Literatur obsolet geworden sind. Wir hätten hiermit einen Terminus ante quem in der Mitte des 3. Jahrhunderts. Die späteren lateinischen Autoren haben sie somit ihrerseits von griechischen Gewährsleuten übernommen und sie in den Kompendien wieder in Rom eingeführt. Da Rhome nicht Teil der Vulgata wurde, war den lateinischen Autoren die Heldin also nicht mit einer möglichen lateinischen Namensform geläufig. Roma war für sie stets die (göttliche) Personifikation der Stadt und später Göttin. Diese Überlegung ex silentio kann freilich nicht als alleiniges Argument für eine frühe Rhome-Tradition am Tiber dienen. Ein anderes Schicksal hatte vielleicht Rhomos. Die Erwähnungen bei Varro und Servius zeigen, dass eine Figur namens Romus noch grundsätzlich – zumindest für diese antiquarischen Altertumsforscher – denkbar war. Bei Servius erscheint Romus als ursprünglicher Name des Stadtgründers, während Romulus als Koseform betrachtet wird.282 In der Tat ist denkbar, dass sich der lateinische Name Romulus aus dem ‚einfachen‘ Eponym herausgebildet hat, hier also wirklich eine ‚Latinisierung‘ und somit Aneignung eines ursprünglichen ‚griechischen‘ Eponymie-Konzepts stattgefunden hat. Das Diminutiv -(u)lus findet sich bei mehreren weiteren Figuren latinischer Ursprungserzählungen, die jedoch nicht eponym sind, so bei Caeculus, dem lokalen Gründer Praenestes, Erulus, dem praenestinischen Sohn der Feronia und Gegner des Euander, Catillus, dem Gründer Tiburs, oder Faustulus, dem Hirten aus der Kindheitsgeschichte der kanonischen Zwillinge.283 Mit Romulus verwandte Namensformen finden sich in etruskischen Inschriften bereits in der Archaik.284 Es handelt sich hier jedoch um historische Personennamen, die nicht mit der römischen Gründungsgeschichte in Verbindung gebracht werden können. Dies schließt allerdings nicht aus,

281 s. zur Vorliebe der Römer, fremde Namen der eigenen Sprache anzupassen, Manuwald 2001, 147 f. sowie o. Kap. 2.1.3.2 zu den einheimischen Namen für die epischen Helden. 282 Varr. ling. 5,33,1: Romanus dictus unde Roma ab Romo; Serv. Aen. 1,273: […] unde nati sunt Remus et Romus. […] et captatis auguriis urbem condiderunt. sed Remus prior sex vultures vidit, Romus postea duodecim: quae res bellum creavit. in quo extinctus est Remus, et a Romi nomine Romani appellati. ut autem pro Romo Romulus diceretur, blandimenti genere factum est, quod gaudet diminutione. 283 s. z. B. Ampolo ed. Plut. Rom., xxxiii. – Zu Caeculus s. Kap. 2.2.2; Erulus: Verg. Aen. 8,561; Catillus in argivischer und arkadischer Erzählung: u. a. Solin. 2,7 f. (= Cato FRHist 5 F 61 [FRH 3 F 2,26]); Verg. Aen. 7,670–677; Stat. silv. 1,3,100. 284 De Simone 2000, 31 zu dem im etruskischen Volsinii belegten Rumelna, einem Gentilnamen oder als Patronymikon einer Vorstufe zum Gentilnamen, der auf einen Vornamen *Rumele zurückzuführen ist. *Rumele ist seinerseits eine Verkleinerungsform der nicht belegten Form *Rume. Eine Form Romilius hat sich in Rom als Gentilnamen erhalten (Bsp. cos. 455), nach dem auch die tribus Romilia benannt ist.

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dass eine einheimische Namensform mit der schon früh nach Latium gekommenen Vorstellung eines eponymen Gründers verbunden wurde. Alföldi plädierte dafür, in der ‚Roma‘ der ältesten römischen Bronzeprägung von 269 v. Chr. die trojanische Rhome zu sehen. Dies sei motivisch daran erkennbar, so Alföldi, dass sie bis ins späte 2. Jahrhundert bisweilen mit einem phrygischen Helm dargestellt ist.285 Crawford hält zwar an der Deutung der Darstellung als Roma fest, spricht sich jedoch gegen die Identifizierung mit der Trojanerin aus, da Roma in den meisten Fällen einen attischen Helm trägt, den phrygischen hält er dagegen für eine rein künstlerische Variante.286 Gleichzeitig mit der phrygisch behelmten Frauengestalt gehörte zu den frühen römischen Münztypen auch die Wölfin mit den Zwillingen. Falls es sich hier also um eine mythische Gestalt statt einer Stadtpersonifikation handeln sollte, könnte sie nicht selbst als eponyme Heroin auftauchen, da dies nunmehr die Aufgabe des Romulus war. Entsprechend der Entwicklung der Tradition könnte es sich immer noch um eine Rhome in einer anderen Rolle handeln, vielleicht als Mutter der Zwillinge, doch ist dies nicht sehr plausibel.287 Denn auch an der Identifizierung als Roma herrscht Zweifel: Wahrscheinlicher ist, dass es sich um die in Mittelitalien beliebte phrygisch behelmte Minerva handelt, wie sie z. B. in der hellenistischen Architekturplastik im verbündeten Capua erscheint. Roma erscheint demnach erst am Ende des 2. Jahrhunderts, dann in ihrer später üblichen amazonenähnlichen Form, mit Lanze und Schild auf einem Waffenhaufen thronend.288 Eine einmalige Darstellung eines weiblichen Kopfes mit Mauerkrone auf einer römischen Semiunze aus den Jahren 217/215 v. Chr. ist ebenfalls als Roma gedeutet worden. Das Motiv ist an den Stadttyche-Typus nach dem Vorbild der Tyche von Antiocheia angelehnt, wurde von späteren Münzmeistern jedoch nicht wiederaufgenommen.289 Es zeigt sich also, dass mindestens bis in das späte 3. Jahrhundert, wahrscheinlich aber bis zum späten 2. Jahrhundert offenbar noch keine allgemein verbindliche bildliche Darstellung der Stadtpersonifikation existierte, als ein (möglicher) erster Versuch nach griechischem Vorbild zunächst keine Nachahmer fand.290 Alföldis These, dass

285 Alföldi 1957, 1–8. 286 M. Crawford in: RRC II, S. 722 f.; auch Classen 1963, 452 mit Anm. 32. Roma mit phrygischem Helm erscheint in den ersten, gegossenen Aes-Emissionen („cast-Bronze“): RRC 19. 21. 22. 24. 27. 41 zwischen 275–270 und 215–212 v. Chr. 287 s. u. zur Mutter der Zwillinge in der ‚lokalen‘ Tradition. 288 Messerschmidt 2003, 148 f. mit Anm. 847; zuvor Mellor 1975, 162 Anm. 224 mit Lit. – Zur Bauplastik von Capua s. Diss. 2022 von Natalie Wagner. 289 RRC 39/5 mit comm. II, S. 719 Anm. 7 mit Lit., (09.10.2023); Messerschmidt 2003, 149 f.; Meyer 2006, 353. 290 Roma-Darstellungen mit Mauerkrone finden sich erst wieder in der kaiserzeitlichen Münzprägung kleinasiatischer Städte und auf dem Trajansbogen von Benevent, s. Messerschmidt 2003, 149 f. – Erst am Ende des 2. Jh.s v. Chr. bildet sich die später kanonische amazonenähnliche Darstellungsweise heraus. Die älteste sichere Roma-Darstellung findet sich auf den Denaren des M. Fourius Philus aus dem Jahr 119 v. Chr., mit Helm, Schwert und Szepter (Messerschmidt 2003, 146; RRC

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sich an der Münzprägung die Bedeutung der trojanischen Rhome für das römische Selbstverständnis ablesen lasse, ist damit abzulehnen. Wenn also weder Name noch bildliche Darstellungen der mythhistorischen Rhome in Rom belegt sind, bleibt zuletzt, mögliche Spuren ihrer Person in der weiteren Entwicklung der Ursprungserzählungen selbst, d. h. in der lavinatischen und der albanisch-römischen Tradition zu suchen. Wie bereits festgestellt, wird Rhome nicht in die Vulgata aufgenommen. Als Gattin des Latinus ist sie seit Fabius Pictor durch die einheimische Amata/Amita, die Tante des Turnus, die schließlich aus Trauer Selbstmord begeht, ersetzt.291 Bei ihr gibt es keine Berührungspunkte zu Rhome. Als Gattin des Aeneas erscheint Lavinia, die immerhin ebenfalls eine eponyme Gestalt und als Tochter des Latinus eng mit Rhomes einstigem Gatten verbunden ist. In der Verbindung Aeneas-Lavinia wiederholt sich die trojanisch-einheimische Verbindung, wie bei Rhome-Latinus in den hier diskutierten Versionen, wobei hier der Mann der illustre trojanische Neuankömmling ist und Rhome als Zwischenglied zwischen Troja und Latium überflüssig macht. Die Königstochter Lavinia hat darüber hinaus narrativ mit Rhome keine Gemeinsamkeiten. Als Mutter des Rhomylos/Romulus bzw. des/der Gründer(s) Roms wird Rhome zunächst durch Ilia, dann durch Rhea Silvia ersetzt.292 Ilia trägt zwar die ‚Urheimat‘ Troja, Rhea Silvia die Göttin vom Berg Ida bei Troja im Namen, beide folgen insofern der Trojanerin Rhome nach.293 Aber ihre Geschichte als Königstochter und von Mars geschwängerte Vestalin unterscheidet sich gänzlich von der einstigen eponymen Heldin, während sie vielmehr Gemeinsamkeiten mit anderen griechischen und latinischen Figuren hat.294 Was die übrigen Versionen angeht, ist von einer Tochter des Askanios, wie sie in der Version des Agathokles von Kyzikos vorkommt, in der Vulgata ebenfalls nie die Rede, Euander behält als einzigen kanonischen Sohn Pallas, und Telephos fällt wie Rhome aus den römisch-latinischen Geschichten

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281/1); die erste amazonenähnliche Darstellung der auf einem Haufen aus Schilden sitzenden Roma, gegenüber der Wölfin mit den Zwillingen, erscheint auf Münzen des Jahres 115/114 (Messerschmidt 2003, 147; RRC 287/1), hier ist also die Gründungserzählung der nicht der Narration zugehörigen Roma gegenübergestellt, eine Rolle der Stadtpersonifikation innerhalb der Gründungsgeschichte ist hier ausgeschlossen. – Je nach Datierung ist nach Mellor 1975, 162 die Rhoma der Pistis-Prägung aus Lokroi (s. o.) als älteste Roma-Darstellung zu betrachten. Da es sich hierbei jedoch nicht um eine römische Prägung handelt, ist sie für die spezifisch römisch-latinische Sicht der Ursprünge nur indirekt aussagekräftig. Fabius Pictor FRHist 1 F 2 = Serv. Aen. 12,603 (FRH 1 F 6). Bereits Classen 1963, 452 mit Anm. 32 gegen Alföldis Identifizierung der Roma mit Rhome, da jener kein Argument dafür vorbringe, dass die Römer selbst die spätere Ilia bzw. Rhea Silvia zuvor Rhome genannt hätten. s. zur Mutter der Zwillinge zuletzt Martínez-Pinna 2011. Ilia/Rhea Silvia habe neben ihren trojanischen Wurzeln insbesondere die Eigenschaften einer ‚latinischen Heldin‘ geerbt, als Vestalin und über ihre Beziehung zum Wasser, so Martínez-Pinna 1997b; Martínez-Pinna 2004a.

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heraus. Die Schiffsbranderzählung bleibt zwar weiter bekannt, zumindest kann man dies aus ihrer zweimaligen Umwandlung in der Aeneis und den zahlreichen Erwähnungen unter den ktiseis schließen, doch die Brandstifterin wird durch Iris in der Gestalt der Beroe bzw. den Rutuler Turnus ersetzt. Von ihrer Beziehung zu Latinus und den Laertiden sowie all den anderen Erzählungen über die eponyme Heroin bleiben dagegen nur die geringen Spuren, die wir hier untersucht haben. Rhome selbst verschwindet also nicht nur, weil sie sowohl in der lavinatischen als auch in der albanisch-römischen Tradition als Namengeberin obsolet geworden ist, sondern weil in der kanonischen Tradition andere Geschichten erzählt werden. Dies muss jedoch nicht bedeuten, dass ihre Bedeutung in Rom nie nennenswert war, sondern ist deutlich ein Ergebnis der Kanonisierung der lavinatischen und der albanischen Traditionen, der auch andere Figuren und Erzählmotive zum Opfer gefallen sind.295 3.6 Die Herrschaft des Latinus Die Varianten der Telemach-Rhome-Gruppe thematisieren außer der Abstammung und Herkunft der Protagonisten sowie der Gründung Roms die Rolle des Latinus als König der Aborigines (Kallias) bzw. als Herrscher über Italien (Caltinus, Galitas, Kallias bei Synkellos). In einer Zeit, in der Rom von der Forschung ein neues Bewusstsein für seine Ursprünge zugeschrieben wird,296 erscheinen erstmals diese beiden Herrschaftsangaben, die über die naheliegende, dem ethnographischen Muster entsprechende Bezeichnung des Latinus als König/Stammvater der Latiner hinausgehen. Der König der Aborigines führt sagenchronologisch in die früheste Zeit der Besiedlung Italiens und die vorlatinische Vorgeschichte Roms, wie wir sie später auch in der (annalistischen) Vulgata vorfinden, während sich in der Erzählung über die Eroberung Italiens vielmehr der historische Kontext, die diplomatischen und kriegerischen Auseinandersetzungen des späten 4. und frühen 3. Jahrhunderts, niederschlägt.

295 Dies gilt u. a. auch für den römischen Herkules, der ab dem späten 3. Jh. als Vater des Latinus erscheinen konnte. Während Dionysios versucht, diese Abstammung neben der von Faunus über eine komplexe Systematisierung zu retten, erfindet Vergil einen Herkulessohn Aventinus, um die durch die Vulgata geschaffene Leerstelle zu füllen, s. hierzu vorläufig Hagen 2018 und Hagen 2024 im Druck. 296 s. C. Ampolo, Einleitung zu Plut. Rom. 1988, xl.

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3.6.1 König der Aborigines In der Wiedergabe durch Dionysios von Halikarnassos bezeichnet Kallias Latinus als König der Aborigines.297 Diese Angabe entspricht bereits der annalistischen Tradition der Vulgata, in der Latinus als König der Aborigines auftritt und das Volk der Latiner aus dem Zusammenschluss dieser Aborigines mit den Trojanern des Aeneas hervorgeht. Die älteste Erwähnung der Aborigines stammt aus eben dieser Kallias-Paraphrase des Dionysios von Halikarnassos, was uns in das frühe 3. Jahrhundert v. Chr. führt. Anders als bisweilen in der Forschung vorgeschlagen, ist es unwahrscheinlich, dass es sich bei den Aborigines um eine Hinzufügung des Dionysios zum Kallias-Text handelt, auch wenn es die einzige der Versionen in der hier behandelten Gruppe ist, in der Latinus als deren König bezeichnet wird.298 Denn das zeitlich nächste Zeugnis stammt aus der Alexandra des nur wenige Jahrzehnte später schreibenden Lykophron.299 Die nur hier verwendete Wortform Βορείγονοι kann nicht die ursprüngliche sein, da sie eine dem Metrum angepasste Variante und zudem ein für den Dichter typisches Wortspiel darstellt, indem es die Aborigines mit der an die Hyperboreer erinnernden Abstammung vom Nordwind Boreas verbindet.300 Dass Lykophron ein Wortspiel mit den vortrojanischen Ureinwohnern machen kann, deutet darauf hin, dass der Begriff zu seiner Zeit über Latium hinaus bekannt war.301 Es ist also gut vorstellbar, dass bereits der nur wenig zuvor schreibende Kallias dieses Ethnikon kannte.

297 Dion. Hal. ant. 1,72,5 (FGrHist 564 F 5a): Λατίνῳ τῷ βασιλεῖ τῶν Ἀβοριγίνων. Die Aborigines sind Gegenstand zahlreicher Untersuchungen, insbesondere von J. Martínez-Pinna und D. Briquel. Bianchi 2023 konnte nicht mehr berücksichtigt werden. 298 Schwegler 1867, 200; Martínez-Pinna 2004b, 40. – Es ist natürlich nicht ausgeschlossen, dass Dionysios passend zur Vulgata eine ‚Aboriginisierung‘ des Kallias-Zitats vornimmt, vergleichbar der im nächsten Kapitel thematisierten ‚Italisierung‘. Doch findet bei Dionysios eine Aktualisierung v. a. dann statt, wenn eine Quelle so besser seine eigene These untermauern konnte. Die Kallias-Version führt er hingegen als veraltete Version auf, von deren Inhalt er sich abgrenzt. Hier wäre eine Aktualisierung unnötig. Zu Dionysios’ Umgang mit seinen Quellen s. Cornell 2023. 299 Lykophr. Alex. 1253 f. (s. Zitat und Diskussion S. 164 mit Anm. 336); zur Datierung s. S. 31 f. Anm. 90. 300 A. Hurst, comm. ad loc.; Cichorius 1893, 106 f.; Golvers 1989, 202, der die poetica licentia für die Anpassung an das Metrum ins Feld führt. – Schwegler 1867, 200 Anm. 7 dachte an eine verderbte Form des lateinischen Wortes Aborigines: „Die Namensform ‚Boreigonen‘ ist ohne allen Zweifel eine Verstümmelung, durch welche sich der Grieche (sey es Lykophron selbst, sey es sein Gewährsmann Timäus) das fremdartige Wort mundgerecht zu machen suchte.“ 301 s. Martínez-Pinna 1999, 96 mit Anm. 17 zum Forschungsüberblick und zu Autoren, die die Wortform bei Lykophron für die ursprüngliche halten. Er selbst (ebd., 98) geht von einer überregionalen Bekanntheit der ‚römischen‘ Aborigines um 300 v. Chr. aus.

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3.6.1.1 Kreation und Wandlungen der Aborigines Die Aborigines waren allerdings kein historisches Volk mit einem althergebrachten Namen, dessen man sich im späten 4. und am Anfang des 3. Jahrhunderts erinnerte, sondern ein fiktives Ethnos mit einem ‚Pseudo-Ethnikon‘.302 Dass es sich um eine nachträgliche Benennung der Ureinwohner Latiums handelt und nicht um eine ethnische Selbstbezeichnung, nimmt auch Saufeius an, wenn er mit casci eine weitere nicht ethnische Bezeichnung der ersten Bewohner anführt.303 Dieses Pseudo-Ethnos hat zudem im Laufe der Zeit mehrfach Neuinterpretationen erfahren.304 Die Aborigines konnten dabei als die ältesten Bewohner des Landes, autochthon oder eingewandert, oder auch als spätere Einwanderer, die die Ursprungsbevölkerung vertrieben haben, betrachtet werden. Diskussionen über die Bedeutung des Namens bei Dionysios von Halikarnassos, Festus und in der Origo gentis Romanae belegen nicht nur das große Spektrum an Kreationen, sondern auch, dass die Frage nach den Wurzeln der Aborigines großes Interesse hervorrief: Auf die Ursprünge – im Sinne einer Autochthonie oder der ältesten Bewohner des Landes – verweist eine erste antike Etymologie von ab und origo.305 Eine zweite Erklärung leitet den Namen von ab und errare her (Ab-err-igines) und deutet einerseits auf

302 Begriff von Schwegler 1867, 200 f.; s. auch Cichorius 1893, 106: „Was die Alten über die Aborigines berichten trägt deutlich den Charakter von Construktionen aus dem Namen heraus.“ – Golvers 1989, 206: gerade die Tatsache einer abstrakten Begriffsbildung (zusammen mit der Art der Wortschöpfung durch die Zusammensetzung einer Präpositionalgruppe) spreche für eine eher späte Entstehung. 303 Es handelt sich um die Bezeichnung der Vorfahren als casci, „alt“: Serv. auct. Aen. 1,6: Saufeius […] ait […] Casci vocati sunt, quos posteri Aborigines cognominarunt, quoniam aliis ortos esse recognoscebant. ex quibus Latinos etiam dictos. Zu Saufeius s. auch u. S. 169. 304 s. die Visualisierung in Abb. 19 S. 172. 305 Dion. Hal. ant. 1,10,1 (Τοὺς δὲ Ἀβοριγῖνας, ἀφ’ ὧν ἄρχει Ῥωμαίοις τὸ γένος […], „Die Aboriginer aber, von denen die Römer ursprünglich abstammen […]“; Übers. A. Städele); Serv. Aen. 7,181 (AB ORIGINE pro „Aboriginum reges“, sed est metro prohibitus); 8,328; s. Cichorius 1983, 107 f.; Golvers 1989. – Autochthonie bzw. älteste Bewohner Latiums bzw. Italiens: Cato in Serv. 1,6 (= FRHist 5 F 63 [FRH 3 F 1,6]: tamen Cato in originibus hoc dicit, cuius auctoritatem Sallustius sequitur in bello Catilinae, „primo Italiam tenuisse quosdam qui appellabantur Aborigines“); Sall. Catil. 6,1 f. (s. Letta 2008, 174); Dion. Hal. ant. 1,10,1 (οἱ μὲν αὐτόχθονας Ἰταλίας, γένος αὐτὸ καθ’ ἑαυτὸ γενόμενον ἀποφαίνουσιν· […] καὶ τὴν ὀνομασίαν αὐτοῖς τὴν πρώτην φασὶ τεθῆναι διὰ τὸ γενέσεως τοῖς μετ’ αὐτοὺς ἄρξαι, ὥσπερ ἂν ἡμεῖς εἴποιμεν γενεάρχας ἢ πρωτογόνους, „ein Teil der Autoren [erklärt sie] zu Ureinwohnern Italiens, zu einem Volksstamm also, der von sich aus entstand. […] Ihren Namen bekamen die Aboriginer angeblich zuerst, weil sie der Ursprung für ihre Nachkommen waren, so wie wir von Stammvätern oder Erstgeborenen sprechen würden“ [Übers. A. Städele]); Lyd. mag. 1,22: ἀπὸ τῶν λεγομένων Ἀβοριγίνων καὶ αὐτοχθόνων τῆς χώρας; auch in der OGR muss diese Vorstellung vorhanden und bevorzugt gewesen sein, doch ist sie durch die Lücke in 3,7 verloren, s. Briquel 1993, 127 mit Anm. 49; M. Lentano comm. ad OGR 3,7 (2015, 69 Anm. 7); grundlegende Diskussion bei Briquel 1984, 475–477; Briquel 1989; Gabba 1991, 113–116; Martínez-Pinna 1997a, 91; Martínez-Pinna 1999; Letta 2008, 174 f.; T. Cornell, comm. ad FRHist Cato 5 F 49 (III, 95); F 63 (III, 112).

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eine nomadische (also präurbane) Lebensweise, andererseits auf ihre Irrwanderungen auf dem Weg nach Latium hin.306 Eine letzte,307 diesmal lateinisch-griechische Etymologie von ab und ὄρος bezeichnet ihre Siedlungsweise auf Bergen, die sie von ihrer arkadischen Heimat mitgebracht hätten, oder interpretiert den Namen als Zeugnis der Schutzsuche auf den Gipfeln während der Sintflut der frühesten Zeiten.308 Während sich Dionysios von Halikarnassos für die Berg-Etymologie entscheidet,309 haben linguistische Untersuchungen gezeigt, dass das Ethnikon von ab und origo herzuleiten und somit einem Römer oder Latiner zuzuschreiben ist.310 Der Name sollte also zum Zeitpunkt seiner Entstehung die Vorstellung von Ureinwohnern Latiums transportieren.311 In einem zweiten Schritt wurde dem Volk durch die Neuinterpretation über errare ein ‚Migrationshintergrund‘, also außerlatinische Ursprünge, zugeschrieben. Es entstanden nun Varianten, in denen eine gewisse Überschneidung der Aborigines mit den Pe­lasgern stattfand. Bisweilen damit verbunden erhielten sie sabinische,312 ligurische313 306 Dion. Hal. ant. 1,10,2–3; 11,1; OGR 4,1 f.; Fest. 328, 5–16 L (multo errore nominatos); Paul. exc. Fest. 17, 19–21 L (Aborigines appellati sunt, quod errantes convenerint in agrum, qui nunc est populi Romani. Fuit enim gens antiquissima Italiae); s. u. a. Briquel 1984; Martínez-Pinna 1997a, 91. 307 Die Herleitung von Boreas, die Lykophron nahelegt, findet sich an keiner anderen Stelle in der antiken Literatur, was zusätzlich für eine Wortspielschöpfung durch den Dichter und gleichzeitig für das Bedürfnis, diesem Wort eine attraktive Etymologie zu verleihen, spricht. 308 Dion. Hal. ant. 1,9,2; 13,3; OGR 4,1; Eus. chron. 1,267 Schöne; s. Briquel 1984, 58; s. Martínez-Pinna 1999, 98; Briquel 2012b. – Die Vorstellung der Sintflut war verbreitet, so bezeichnet Plinius die Umbrer als antiquissima gens Italiens, die so alt sei, dass sie von vor der Sintflut übriggeblieben sei: Plin. nat. 3,112. 309 Zwar spricht sich Dionysios für diese Etymologie aus, aber ist er bestrebt, alle drei Etymologien zusammenzubringen, um die ältesten Einwanderer nach Italien, die in Bergen lebten und auf dem Weg dorthin umherirrten und sich mit den ebenfalls umherirrenden Pelasgern verbanden, ausfindig zu machen. 310 Golvers 1989; Martínez-Pinna 1999, 97 f. 311 Es ist natürlich nicht ausgeschlossen, dass es sich auch hier um eine passende Etymologie handelt, statt um eine bewusste Neukreation. Allerdings haben wir anhand der Erzählung über Valentia (s. o.) bereits gesehen, dass es durchaus auch Wortschöpfungen gab, die entsprechend den für bereits bestehende Wörter angewandten etymologischen Regeln entstanden sind. 312 Nach Cato (FRHist 5 F 50 [FRH 3 F 2,21] = Dion. Hal. ant. 2,49,2) vertreiben die Sabiner die am Lacus Cutiliae im ager Reatinus angesiedelten Aborigines; Varr. ling. 5,53: Aborigines aus Palati­um im Reatinischen lassen sich auf dem Palatin im späteren Rom nieder; Dion. Hal. ant. 1,19,1–20,2 zur Verbindung von Pelasgern und in der Sabina ansässigen Aborigines, infolge einer Prophezeiung für die Pelasger in Dodona (Dion. Hal. ant. 1,19,3; Macr. sat. 1,7,28; teilweise Lact. inst. 1,21,6–8). Die als romfreundlich gedeutete Tradition entsteht spätestens in der Mitte des 2. Jh.s, zur Zeit Catos, als der Orakelspruch in Dodona auf einem bronzenen Dreifuß verewigt wurde. Die Ver­ knüpfung der beiden legendären Völker geschieht genau über das für die Pelasger charakteristi­ sche Wandern, s. Poucet 1963, 182 ff.; Briquel 1984, 355 ff. 414 f.; Martínez-Pinna 1999, 100 f.; Letta 2008; T. Cornell, in: FRHist I, 211. – Die Bedeutung der Pelasger liegt nicht zuletzt darin, dass sie in der griechischen wie einheimischen Tradition als Vorfahren der Etrusker und insb. Caeres gelten konnten (s. hierzu auch Verg. Aen. 8,600–602). 313 Vielleicht Lykophrons Boreigonoi, so Coppola 1995, 96–98; Dion. Hal. ant. 1,10,3: Aborigines als Siedler der Ligurer (Λιγύων ἀποίκους); s. auch Anm. 316.

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oder umbrische314 Wurzeln oder sogar eine griechische Herkunft, insbesondere aus Athen, Thespiai und Sikyon sowie Arkadien.315 Im letzten Schritt kamen mit den Sikulern und bisweilen den Ligurern weitere Völ­ ker als Ureinwohner Latiums hinzu, die durch die Aborigines vertrieben wurden.316 Diese Weiterentwicklung zeigt, dass das Verständnis der eigentlichen Wortbedeutung verloren gegangen war und die Bezeichnung Aborigines als Ethnikon wie Latini verwendet wurde. Dadurch eröffnete sich die Möglichkeit, es mit den unterschiedlichen Bedeutungen zu füllen, die letztlich dem ursprünglichen Verständnis widersprechen.317 Die Aborigines begegnen sowohl bei griechischen als auch bei lateinischen Autoren. Bei Letzteren erscheinen sie in vorkanonischen Varianten in antiquarisch-wissenschaftlichen Schriften und bei den Historiographen. Bei Cato, Tuditanus, Varro, Sallust sind sie selbstverständlicher Teil der eigenen Geschichtsvorstellung.318 Anders als bei den bisher behandelten Figuren besteht hier also kein Zweifel darüber, dass die Aborigines eine Rolle auch in römisch-latinischen Diskursen gespielt haben.319 Mit dem von Festus zitierten Autor einer Cumanischen Geschichte haben wir hier zudem den Beleg für eine lokale (griechische) Myth(histori)opoiese, die außerhalb einer prestigeträchtigen überregionalen und daher besser überlieferten griechischen Literatur stattfand. Zu welchem Zeitpunkt die einzelnen Umdeutungen stattgefunden haben, ist im Detail schwer bestimmbar. Für die griechische Literatur erscheinen als Terminus ante quem außer der Kalliasnotiz die Boreigonoi des Lykophron320 sowie die Propagierung

314 Dion. Hal. ant. 1,13,4. 315 Aus Achaia: Dion. Hal. ant. 1,11,1 nach Cato (FRHist 5 F 49 [FRH 3 F 1,4]) und Sempronius Tudi­ tanus (FRHist 10 F 4 [FRH 8 F 1]); Athen, Sikyon, Thespiai über Cumae: Fest. 328, 5–16 L (historiae Cumanae scriptor; Zitat s. Anm. 321). In einer kumulativen Konstruktion behauptet Dionysios eine dichte, umfassende griechische Abstammung der Aborigines. Er verbindet dafür die 17 Generationen vor dem Trojanischen Krieg eingewanderten arkadisch-oinotrischen Aborigines mit den ebenfalls ursprünglich arkadischen Pelasgern, die auf ihrem Weg die gesamte griechische Welt, insb. Thessalien und Dodona besiedelt hatten. 316 Dion. Hal. ant. 1,9,1 f.; 16,1. 4; 1,40,3: Ligurer benachbartes Volk; in Fest. 424 L und Serv. auct. Aen. 11,371 werden die Ligurer, die als älteste Bewohner Roms präsentiert werden, durch die Sacrani ersetzt, die ihrerseits von den Aborigines von dort vertrieben werden; s. Briquel 1984, 45–53; Briquel 1989; Briquel 1993, 129. 317 Dass diese Bedeutung jedoch nicht gänzlich in Vergessenheit geriet, zeigt sich daran, dass der Begriff außerhalb der Grenzen Latiums auf andere Völker im ursprünglichen Sinne von Ureinwohnern angewandt werden konnte, u. a. Plin. nat. 4,120; s. Cichorius 1893, 107 f. 318 s. o. Einführung sowie Abb. 20 zum Unterschied zwischen intentionaler und kompilatorischer Geschichtsdarstellung (zum „Verlust des Wahrheitsanspruchs“). 319 So hat Varro im zweiten Buch seiner Antiquitates Rerum Humanarum explizit De Aboriginibus et Latinis geschrieben. – Contra Beck/Walter, comm. ad Catonem, FRH 3 F 1,20 (I, 170) aufgrund ihrer Schwerpunktsetzung auf die senatorische, stadtrömische Erinnerungskultur: „Bezeichnenderweise blieben ja auch die mythischen Genealogien in die Vor-Gründungszeit ohne Gewicht“. 320 s. o. zur bevorzugten Datierung der Alexandra ins 3. Jh. v. Chr.

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des dodonischen Orakels im 2. Jahrhundert. Die Datierung der Thespiaden-Tradi­ tion des scriptor historiae Cumanae ist umstritten und wird zwischen dem 3. und dem 1. Jahrhundert angesetzt.321 Die Verbindung mit den Pelasgern wird in der Forschung zudem bereits im späten 4. Jahrhundert unter Alexander dem Molosser oder in der Diplomatie des Pyrrhus durch den Gesandten Kineas verortet.322 Was lateinische Autoren betrifft, bezeichnen Cato und Sempronius Tuditanus die Aborigines als Griechen und schreiben ihnen eine Herkunft aus Achaia zu.323 Zu diesem Zeitpunkt ist somit eine (temporäre) Abkehr von der Behauptung der Autochthonie der Aborigines im römischen Diskurs zu konstatieren, es kann sich bei denn Darstellungen bei Cato und Tuditanus also nicht um die ursprüngliche Aborigines-Erzählung handeln.324 Als Vertreter ihrer Herkunft aus bzw. eines zeitweiligen Aufenthalts in der

321 Fest. 328, 5–16 L: historiae Cumanae compositor, Athenis quosdam profectos Sicyonem Thespi[ad]as­ que; ex quibus porro civitatibus, ob inopiam domiciliorum, conpluris profectos in exteras regiones, delatos in Italiam, eosque multo errore nominatos Aborigines; quorum subiecti qui fuerint †caeximparum† viri, unicarumque virium imperio montem Palatium, in quo frequentissimi consederint, appellavisse a viribus regentis Valentiam: quod nomen adventu Euandri Aeneaeque in Italiam cum magna Graece loquentium copia interpretatum, dici coeptum Rhomen. „According to the compiler of the history of Cumae, some people set out from Athens to Sicyon and Thespiae; then from those cities, because of the shortage of dwellings, many of them set out for foreign parts and arrived in Italy. They were called Aborigines from their extensive wandering. Those of their number who were subject to the authority of the man [crux] and his unparalleled strength called the Palatine hill, on which they settled in large numbers, Valentia, after the strength of their ruler. On the arrival in Italy of Evander and Aeneas with a large number of Greek-speakers, the name was translated and began to be called Rhome“ (Übers. T. P. Wiseman 1995, 165 f.). Der cumanische Chronist wird meist mit Hyperochos von Kyme identifiziert (FGrHist 576 F 3), aber weder die Identifizierung (s. D. W. Roller, comm. ad loc. BNJ) noch die Datierung sind sicher. Letta 2008, 175 ordnet ihn nach Ateius, einem Zeitgenossen Sallusts, ein, spätestens im 3. Jh. ist der Autor dagegen nach Briquel 1984, 355 ff.; Briquel 1993, 128 mit Anm. 52 (mit Forschungsdiskussion) und Martínez-Pinna 1999, 100 anzusetzen. 322 Briquel 1984, 507 ff. und Martínez-Pinna 1997a, 91; 1999, 99 bringen die Entstehung der römischen Pelasgererzählung mit der Italienexpedition Alexanders des Molossers in Verbindung, dem diese als Argument für ein Bündnis mit Rom gedient habe. De Sensi Sestito in: D’Alessandro/De Sensi Sestito 2011, 79 schlägt dagegen vor, dass der Thessaler Kineas, der Gesandte des Pyrrhus, die Römer auf die thessalischen Pelasger zurückgeführt habe, nicht zuletzt aufgrund der Charakterisierung des Kineas als sehr kreativ in Mythendingen, so Strab. 7,7,12 = FGrHist 603 F 2a: μυθωδέστερο[ς]. Das molossische Königshaus mit den beiden Königen, die in Italien intervenierten, behauptete eine Abstammung von den Pelasgern, die in der griechischen wie lateinischen Literatur auch mit den Myrmidonen des Achilles identifiziert wurden (s. z. B. in der Ilias Latina, in der Achilleis des Statius oder in den Tragödien des Seneca, ebenso wie z. B. bei Schol. Lykophr. Alex. 245: Πελασγὸς γὰρ καὶ Θετταλὸς ὁ Ἀχιλεύς). 323 Dion. Hal. ant. 1,11,1: Cato, FRHist 5 F 49; C. Sempronius Tuditanus, FRHist 10 F 4 (FRH 3 F 1,4; 8 F 1). Es ist nicht verifizierbar, ob es sich bei Sempronius Tuditanus tatsächlich um den cos. 129 v. Chr. handelt, C. J. Smith FRHist I, 240 f. Unter Achaia ist wahrscheinlich eine größere Region zu verstehen, die spätere Provinz Achaia, in der sowohl Arkadien als auch Sikyon liegen, s. Hall 2005, 262; vgl. auch Hurlet/Müller 2020. 324 Gegen Gotter 2003, der Cato als Erfinder der Aborigines betrachtet. – Dionysios kritisiert Cato und Sempronius dafür, dass sie weder Quellen noch genauere Details angeben. Er bezweifelt explizit die Fundiertheit ihrer Aussagen, möchte aber dennoch nicht ganz ausschließen, dass sie zutreffen

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Sabina erscheinen Cato und Varro.325 Spätestens nach Vergil folgen die Vertreter der Vulgata wieder der Etymologie ab origine und erzählen von der einheimischen laurentinischen Dynastie mit Saturnus, Picus, Faunus und Latinus.326 3.6.1.2 Volk und Land Warum ist die Aborigines-Vorstellung entstanden und welche Funktionen hatte sie? Herrschende Meinung der Forschung ist, dass das Narrativ zum Zeitpunkt seiner Kreation, d. h. mit der Bedeutung ab origine, dazu diente, gleichzeitig trojanische und indigene Ursprünge in den latinischen Stammbaum zu integrieren. Diese Konstruktion der latinischen Ethnogenese sei eine Folge davon, dass die Römer sich bereits die trojanische Abstammung zu eigen gemacht hätten, dieser nun aber autochthone Wurzeln hinzufügen wollten.327 Die Entstehung eines neuen Volkes durch die Verbindung eines einheimischen mit einem eingewanderten Volkes war in der (griechischen) Ethno­

könnten, und baut sogar seine weitere Rekonstruktion darauf auf: Dion. Hal. ant. 1,11,1: […] οὐκέτι μέντοι διορίζουσιν οὔτε φῦλον Ἑλληνικὸν οὗ μετεῖχον, οὔτε πόλιν ἐξ ἧς ἀπανέστησαν, οὔτε χρόνον οὔθ’ ἡγεμόνα τῆς ἀποικίας οὔθ’ ὁποίαις τύχαις χρησάμενοι τὴν μητρόπολιν ἀπέλιπον· Ἑλληνικῷ τε μύθῳ χρησάμενοι οὐδένα τῶν τὰ Ἑλληνικὰ γραψάντων βεβαιωτὴν παρέσχοντο. τὸ μὲν οὖν ἀληθὲς ὅπως ποτ’ ἔχει, ἄδηλον· εἰ δ’ ἐστὶν ὁ τούτων λόγος ὑγιής, οὐκ ἂν ἑτέρου τινὸς εἴησαν ἄποικοι γένους ἢ τοῦ καλουμένου νῦν Ἀρκαδικοῦ. „[…] Sie geben allerdings nicht mehr an, zu welchem griechischen Stamm sie gehörten, aus welcher Stadt sie aufbrachen, auch nicht den Zeitpunkt und den Anführer des Siedlungsunternehmens und welche Umstände sie dazu brachten, ihre Mutterstadt zu verlassen. Obwohl sie auf eine griechische Legende zurückgriffen, führten sie keinen griechischen Historiker als Gewährsmann an. Deshalb bleibt im Dunkeln, wie es sich in Wirklichkeit verhält. Wenn aber ihre Ausführungen stimmen, dann kann es sich bei ihnen nur um Kolonisten aus dem Stamm handeln, der heute Arkader heißt […]“ (Übers. A. Städele). Dass sie keine griechischen Quellen nennen, könnte sich – so es denn solche für die bislang nicht registrierte Version überhaupt gegeben hat – damit erklären, dass sie ja für ein römisches Publikum schrieben und sich von fremden Autoren keinen Autoritätszugewinn für ihre Erzählung erhofften. Es ist nicht nötig dies so zu verstehen, dass sie die Aborigines selbst erfunden haben. Zu Catos Ambivalenz zwischen profunder Kenntnis griechischer Literatur und der kritischen Einschätzung griechischer Einflüsse in Rom s. kurz Beck/Walter, comm. ad FRH 3, S. 150 mit Lit. 325 Cato als Quelle ist problematisch, da dieser als Gewährsmann für eine Herkunft aus Achaia ebenso wie für die Vorstellung der Aborigines als der ersten Bewohner Italiens (FRHist 5 F 63 = Serv. Aen. 1,6, mit Cornell, comm. ad loc.) herangezogen wird. Wenn man die ersten Einwohner als Einwanderer denkt und nicht als Autochthone und den Aufenthalt in der Sabina als Etappe auf der Wanderung, besteht jedoch kein Gegensatz zwischen den Stellen, s. Cornell, FRHist I, 210 (zur Einstellung Catos gegenüber etwaigen griechischen Wurzeln der Bewohner Italiens) und comm. ad FRHist 5 F 63. Varr. ling. 5,53. Zum Orakel s. o. Anm. 312. 326 Zur laurentinischen Dynastie der Vulgata s. o. Kap. 1.2. Vergil ist der erste, der diese in der Folge kanonische Königslinie anführt, doch spricht er selbst nicht von Aborigines, wenn auch möglicherweise nur aus metrischen Gründen, so Serv. Aen. 7,181 (s. Anm. 305). Zur Tatsache, dass Saturnus selbst ein Zugewanderter war, s. Kap. 1.2 und unten S. 169. 327 Grandazzi 1988, 492; Golvers 1989, 206 f. visualisiert dies folgendermaßen: „Trojans + ? → Latini“, die Aborigines werden konstruiert, um die Lücke mit einem einheimischen Volk zu füllen.

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graphie zwar üblich.328 Spezifisch in Hinblick auf Rom wird jedoch betont, dass die Selbstdarstellung als autochthones Volk im Mittelmeerraum ansonsten kaum verbreitet war, wo die Rückführung auf gemeinsame Vorfahren prestigeträchtiger war und im Kontext der syngeneia-Praxis als nützlicher galt, und der Bezug auf die Trojaner eine anti-griechische Facette habe. Wenn wir die zwei bekanntesten Vergleichsbeispiele heranziehen, kann man jedoch sehen, dass die Autochthonie zwei gegensätzliche Stoßrichtungen haben konnte. Während das wohl von griechischer Seite propagierte Autochthonienarrativ im Falle der Etrusker als Ausgrenzungstrategie aus dem Kreise der mit den Griechen mythisch verwandten Völker und Städte zu deuten ist,329 sehen wir hingegen bei den Athenern den umgekehrten Fall einer stolzen Selbstdarstellung als autochthone Bevölkerung Attikas, die mit einem entsprechenden politischen Handeln einherging.330 Die lateinische Etymologie deutet daraufhin, dass hier eher mit einer Kreation nach Athener Vorbild zu rechnen ist, d. h. mit einer Selbstbehauptung autochthoner Ursprünge, statt einer diffamierenden, ausgrenzenden Zuschreibung von außen. Es wäre somit eine römische Strategie, sich der griechischen Vorfahren zu entledigen. Die Rückführung auf trojanische Vorfahren zusätzlich zu einheimischen Wurzeln passt ab dem Zeitpunkt letztlich gut dazu, als Trojaner als Nicht-Griechen betrachtet werden.331 Der Vergleich mit Athen ist insbesondere deshalb plausibel, da beide Städte es sich im Moment der Berufung auf eine exklusive Autochthonie politisch-militärisch leisten konnten, sich außerhalb des üblichen syngeneia-Systems zu stellen, da sie sich in einer Hegemonieposition befanden.332 Möglicherweise kann man das conubium, das zur Eheschlie-

328 Zur Vereinigung (σύμμιξις) verschiedener Völker von αὐτόχθονες bzw. indiginae und ἐπήλυδες bzw. advenae, s. Briquel 1993, passim; Golvers 1989, 206 f.; Martínez-Pinna 2002; Martínez-Pinna 2004b; zur Bedeutung der Mischung verschiedener Völker im römischen Denken s. Moatti 1997, 257 ff. – In der späteren Vulgata ist die Vermischung von Römern und Sabinern unter Romulus und Titus Tatius zentral. 329 s. grundlegend Briquel 1993, der die syrakusische Propaganda des 4. Jh.s als historischen Kontext ausmacht; vgl. zuletzt Cornell 2023 zur Darstellung bei Dionysios von Halikarnassos. 330 s. z. B. Briquel 1993, 82 ff.; Osborne 2012, 30; Hornblower 2018, 171 unterstreicht, dass es sich bei der Behauptung der Autochthonie um eine rassistische Konstruktion handelt. Im Falle der Athener begleitete die Aktualisierung der Selbstdarstellung die Beschränkung des Zugangs zum Bürgerrecht für Nachkommen eines nichtathenischen Elternteils, um so insbesondere die übrigen Mitglieder des Seebundes von der politischen Teilhabe auszuschließen. Durch die neue Politik wurde die übliche Praxis der Heiratsverbindungen über die Polisgrenzen hinweg gerade unter aristokratischen Familien beendet, analog zur Aufkündigung der mythischen Verwandtschaftsbeziehungen (dazu Osborne, ebd.). – Auch in Milet gab es eine lokale autochthone Selbstdarstellung als „Erdgeborene“, s. Novello 2018. 331 Entsprechend der Interpretation bei Momigliano 1984; s. dazu zuletzt Hornblower 2018, 178. 332 Battistoni 2010 betont, dass die Römer das Verwandtschaftsmotiv in ihrer Diplomatie nur selten verwendet haben, mit einigen ausgewählten Städten und Völkern, die sich selbst auf trojanische Ursprünge beriefen. Das unterstreicht den Erfolg der Strategie, sich – durch Einführung der Aborigines und Bewahrung der trojanischen Ursprünge – aus dem mediterranen Verwandtschaftsnetz

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ßung nötig war und, so die annalistische Tradition, den Mitgliedern des neuen Latinerbundes im Foedus Cassianum verliehen worden war, nach dem Latinerkrieg aber stark eingeschränkt wurde, in diesem Sinne lesen. Entgegen der Allgegenwart der Mobilität auch durch Heirat wird – vermutlich zu Beginn der römischen Expansion – eine Zugangsbeschränkung zur römischen Bürgerschaft eingeführt und als Zeichen der Zugehörigkeit zu den Latinern auf die früheren Zeiten zurückprojiziert.333 Dass diese Exklusivität nur einen Aspekt des römischen Selbstverständnisses abbildet, zeigt sich allerdings in dem Narrativ der Integrationsfähigkeit der Stadt,334 im Gegensatz zum athenischen Vorbild. Mit der Entwicklung der Vorstellung von den Aborigines wandelte sich daher in der Folge auch die Vorstellung der latinischen Ethnogenese: Statt von einer autochthonen Gesellschaft erzählen die zahlreichen Irrfahrt-Varianten von dem Zusammenschluss heimisch gewordener Einwanderer früherer Generationen mit den Trojanern als den letzten Einwanderern, mit deren Ankunft die Ethnogenese abgeschlossen ist. Zuletzt kehrt die Vulgata wieder zur Verbindung der einheimischen Aborigines mit den Ankömmlingen zurück, doch mit der Dynastie von Laurentum ist auch dies eine ganz neue Geschichte. In der Version des Kallias ist der Zusammenschluss von Trojanern und Einheimischen durch die Ehe von Rhome und Latinus umgesetzt. Allein aufgrund der Paraphrase des Dionysios von Halikarnassos lässt sich allerdings nicht bestimmen, welche der Aborigines-Vorstellungen hier vorliegt. Da Kallias das früheste Zeugnis für die Aborigines bietet, könnte man vermuten, dass er den Begriff im ursprünglichen Sinne als ‚Ureinwohner‘ bzw. Autochthone verwendet. In diesem Fall werden durch die Angabe der Königsherrschaft über die Aborigines und bei fehlender Genealogie des Latinos die Ursprünge der Latiner und Roms ganz auf das einheimische und das trojanische Element beschränkt. Da wir die Chronologie für Entstehung und Weiterentwicklung der Aborigines aber nicht weiter festmachen können, ist nicht auszuschließen, dass bereits der Übergang von origo zu errare und somit die Hinzufügung griechischer Wurzeln stattgefunden hat.335 Anders als das (Pseudo-)Ethnikon des Volkes auf den ersten Blick nahelegt, sind folglich frühere griechische Wurzeln nicht ein für alle Mal ausgeschlossen. So könnte Latinus, der nun nicht mehr als Laertide bezeichzu verabschieden. Nicht aber ist dies m. E. auf die frühere Zeit zurückzuprojizieren, als Rom noch eine Stadt unter vielen war und auf Verwandte wie Verbündete angewiesen war. 333 Die Historizität der Klauseln des Foedus Cassianum und einer frühen Entstehung des conubium zwischen Rom und den Latinern im frühen 5. Jh. ist umstritten, s. Coşkun 2009, 31–39; Capogrossi Colognesi 2022. Es gab zuvor vielmehr vertikale Ehebeschränkungen, die die Verbindung von plebejischen und patrizischen Familien unterbinden sollten, Ehen zwischen Aristokraten unterschiedlicher Städte waren jedoch möglich. 334 So das zentrale Motiv des Asyls des Romulus und die Aufnahme fremder Menschen und Götter und Kulturpraktiken seit den Anfängen der Stadt, s. Dench 1995; Feeney 2016, 10; Hornblower 2018, 171 mit Lit. 335 Dies wäre der Fall, wenn tatsächlich die Thessaler-Pelasger-Erzählung bereits auf Pyrrhus’ Gesandten Kineas zurückgeht, s. o.

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net wird, dennoch auf eine griechische Herkunft verweisen. Wir haben also anders als zuvor angenommen auch hier keinen zwingenden Hinweis auf einen griechisch-trojanischen Konflikt. Auch wenn wir zwischen Kallias und der Vulgata kein weiteres Zeugnis für Latinus als König der Aborigines haben, muss man annehmen, dass sich mit der Vorstellung, die man sich immer neu von diesem Volk machte, indirekt auch die Vorstellung von Latinus wandelte. Wenn diese Einschätzung zutrifft, dann schließen sich die Laertiden-Genealogie und die Aborigines, die aus unterschiedlichen (auch griechischen) Völker hervorgehen, gegenseitig aus. Erzählungen, die Latinus als Sohn oder Enkel des Odysseus präsentieren, müssen demnach früher sein als diejenigen über die Aborigines. Der Vergleich mit der zeitlich nächsten Nennung bei Lykophron zeigt eine andersgeartete Vorstellung von dem Verhältnis von Aborigines und Latinern. Die Aborigines mit ihrem eponymen König Latinus werden in dem postulierten Ethnogenese-Modell als Vorfahren der Latiner betrachtet, die aus der Verbindung mit den Trojanern hervorgehen. Bei dieser Vorstellung der Ethnogenese dürften diese beiden Völker nie gleichzeitig auftreten, da sie ja aufeinander folgen. Genau dies ist jedoch in der außergewöhnlichen Darstellung Lykophrons der Fall, wo Aeneas sich „jenseits der Latiner und der Daunier“ im Land der Boreigonoi niederlässt.336 Das Nebeneinander der Völker erinnert an Strabons Darstellung der Aborigines als eines der frühen, als „nichtlatinisch“ bezeichneten Völker Latiums, neben den Rutulern aus Ardea und den auch in historischer Zeit als nichtlatinisch geltenden Hernikern, Aequern und Volskern. Doch dort folgt die kanonische Erzählung der Ethnogenese der Latiner.337 Bei Lykophron werden die Latiner mit den Dauniern parallelisiert und räumlich außerhalb Latiums verortet. Die Latiner haben offenbar weder Anteil an dem Land, über das Aeneas herrschen wird,338 noch gehen sie aus der Vereinigung der Einheimischen mit

336 Lykophr. Alex. 1253 f.: κτίσει δὲ χώραν ἐν τόποις Βορειγόνων / ὑπὲρ Λατίνους Δαυνίους τ’ ᾠκισμένην. Die französische Übersetzung von A. Hurst trifft den Sinn besser als die alte deutsche von C. von Holzinger, der zudem die Daunier zu Σαυνίους korrigiert: „Il s’établira dans les parages des ‚Normands‘ / par-delà les Latins et les Dauniens“ bzw. „Und so bleibt er im Land der Aboriginer, / herrscht über Latium’s und Samnium’s Gemark.“ F. Horn lässt den Namen des Volkes in seiner neuen deutschen Übersetzung unübersetzt: „Er wird eine Siedlung in den Gebieten der Boreigonen gründen, jenseits des bewohnten Landes der Latiner und der Daunier“. Gegen die Lesung ‚Samniten‘ zuletzt Hornblower 2015, comm. ad loc.; ein weiterer von den späteren Editoren nicht aufgenommener Verbesserungsvorschlag liest Λαυνίους statt Δαυνίους, nach einer seltenen Form für Lavinium, Golvers 1989, 196; s. Überblick bei Hurst ad loc. 337 Strab. 5,3,2; vgl. z. B. Colum. 1,3,6; Plin. nat. 3,56, wo die Aborigines ebenfalls in der Reihe anderer früherer Völker Latiums (darunter auch die Pelasger) aufgezählt werden. 338 Lykophr. Alex. 1271–1280 beschreibt das künftige Land des Aeneas als zwischen Tiber, dem Lacus Fucinus und Cumae gelegen, es geht somit weit über die Grenzen Latiums hinaus bis zu den Marsern und nach Kampanien. In Vers 1273 errichtet Aeneas eine Festung auf dem Kirkaion, die (an anderer Stelle von Lykophron selbst besungene) Erzählung von Odysseus und Kirke scheint hier keine Bedeutung mehr zu haben, sondern es ist der Trojaner, der auch die Wohnstatt der Heliostochter und die Heimat der Laertiden der früheren Traditionen in Besitz nimmt. – Falls man

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den Trojanern hervor.339 Das trojanische Erbe wird, wie üblich verklausuliert, nur mit den Zwillingen verbunden, die entsprechend der Sicht der Zeit Söhne oder Enkel des Aeneas sind. Die Boreigonoi, in der Nähe des künftigen Roms angesiedelt, sind durch das Wortspiel verfremdet. Entgegen der einfachen Annahme, dass die Aborigines als Vorfahren der Latiner Latium bewohnen, schlägt sich der Variantenreichtum auch in einem großen Spektrum an geographischen Lokalisierungen nieder. Abgesehen von den vielfältigen Herkunftsregionen (Sabina, Arkadien, Thessalien etc.) gibt es für die Lokalisierung innerhalb Latiums unterschiedliche Angaben. Mehrere Autoren verbinden das Volk direkt mit Rom, andere mit der Pontinischen Region im Süden Latiums, die Vulgata zuletzt mit Laurentum. Rom und der Palatin stehen indirekt bereits bei Kallias durch Latinus’ Ehe mit Rhome und die Gründung der Stadt durch seine Söhne im Mittelpunkt. In den unterschiedlichen Ausprägungen der Aborigines-Erzählung bei Lykophron, Varro und Sallust, bei Dionysios von Halikarnassos, Strabon und Cassius Dio sowie bei Festus und Solinus siedeln die Aborigines an der Stelle oder in der Nähe des späteren Rom.340 Während der Palatin in einer Variante den Namen von einem sabinischen Ort namens Palatium erhält, gibt es Aitiologien, in denen der Tiber und der Aventin ihren Namen jeweils von einem König der Aborigines erhalten haben.341 In diesen Versionen ist

die Formulierung wie Holzinger mit der Herrschaft des Aeneas über das Land der Latiner und der Daunier versteht, ergibt sich diese räumliche Trennung der Latiner von Latium nicht. Doch auch in diesem Fall bleibt einerseits der Grund für die Gleichzeitigkeit von Boreigonoi und Latinern sowie die Parallelisierung der Latiner mit den in Unteritalien beheimateten Dauniern ungeklärt. 339 s. auch Schol. Lykophr. Alex. 1254, der Lykophron Irrtum vorwirft, da ja die Latiner aus den Aborigines hervorgegangen seien: φλυαρεῖ καὶ εἰς τοῦτο· αὐτοὶ γὰρ οἱ Ἀβορήγινες ἀπὸ Λατίνου […] Λατῖνοι ἐκλήθησαν. „Auch zu diesem erzählt er [sc. Lykophron] Unsinn: Denn die Aborigines wurden selbst nach Latinos […] Latiner genannt“ (Übers. EH). Freilich bemerkt der Scholiast nicht, dass Lykophron hier offenbar noch nicht die Vulgata, sondern eine andere, vorkanonische Geschichte erzählt. 340 Varro ling. 5,53: aborigines ex agro Reatino, qui appellatur Palatium, ibi conserunt; Sall. Catil. 6,1 f.; Dion. Hal. ant. 1,9,1; Strab. 5,3,2; Cass. Dio apud Zon. 7,1; Solin. 1,1; Serv. Aen. 8,51; Paul. exc. Fest. 17,19–21 L. – Dazu kommt die berühmte Cacus-Erzählung. In der von Dionysios von Halikarnassos wiedergegebenen „mythischen Erzählung“ (μυθικὸς … λόγος) kommt Herakles in das Land der Aborigines und der Arkader und wird von beiden Völkern zum Dank mit göttlichen Ehren bedacht: Dion. Hal. ant. 1,39,1; 40,1: τὴν οἴκαδε πορείαν ποιούμενος ἄλλῃ τε πολλαχῇ τῆς Ἰταλίας ἀφίκετο καὶ τῆς Ἀβοριγίνων γῆς εἰς τὸ προσεχὲς τῷ Παλλαντίῳ χωρίον. – In der Passage ist ansonsten von „Einheimischen“ die Rede, zu denen auch Cacus selbst zählt ebenso wie diejenigen, die dem Alkmeniden für die Befreiung von dem Räuber danken: 1,39,2: λῃστής τις ἐπιχώριος ὄνομα Κάκος περιτυγχάνει; 1,40,3. 6. Mit der Bezeichnung als Aborigines/Einheimische ist also keine moralische Qualifizierung ausgedrückt. 341 Varr. ling. 5,53; Dion. Hal. ant. 1,14,2; Serv. Aen. 7,657: quidam etiam rex Aboriginum, Aventinus nomine, illic et occisus est et sepultus; Serv. [auct.] Aen. 8,72: Thybrin [Tiberim] uero alii a rege Aboriginum dictum uolunt, qui iuxta dimicans interemptus est. Für alle drei Toponyme gibt es in der antiquarischen Literatur der späten Republik zahlreiche Erklärungen; zur möglichen Vorbildfunktion der Aborigines für die Dynastie der Silvii s. u. S. 170. Gerade die beiläufige Erwähnung dieser Könige

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eindeutig Rom – und nicht Latium – der Gegenstand des Interesses. Auch wenn die Latiner (außer bei Lykophron) auf die Aborigines zurückgeführt werden, entsteht hier der Eindruck, dass trotz ihres eponymen Königs Latinus nicht alle Latiner eingeschlossen sind, sondern einzig die Vorgeschichte Roms und damit die ethnischen Zuschreibungen zur urbs verhandelt werden. Wie wir bereits gesehen haben, unterscheiden sich die Erzählungen in Hinblick auf die Sagenchronologie. Entsprechend der Hellanikos-Chronologie findet die Gründung der Stadt bei Kallias als Werk der Söhne von Latinos und Rhome eine Generation nach der Landung der Trojaner statt. Wenn der Aboriginer Latinus als Eponym zusammen mit den Trojanern seiner Gattin für die Entstehung des latinischen Volkes steht, ist die Gründung der Stadt eine Generation nach der latinischen Ethnogenese anzusetzen.342 In den späteren Versionen, in denen die Aborigines Einwanderer sind, gab es dagegen teilweise bereits zuvor eine Siedlung, deren sikulische Bevölkerung vertrieben wurde, und wurde die erste Gründung Roms lange vor der Ankunft der Trojaner und somit der ‚kanonischen‘ latinischen Ethnogenese angesetzt.343 Erst durch die Einführung der silvischen Dynastie von Alba Longa in der Vulgata wird die Gründung Roms von der latinischen Ethnogenese getrennt, und zwar um 300 Jahre. Cato spricht nicht nur über ihre Herkunft aus Achaia und einen Zwischenstopp in der Sabina, sondern betont zuletzt, dass die Aborigines in der Pontinischen Ebene bzw. in dem Gebiet der Volsker zu Hause waren.344 Dionysios berichtet von der Eroberung des gesamten Gebietes zwischen Tiber und Liris zusammen mit den Pelasgern, nach-

der Aborigines zeigt, dass sie eine Rolle in Rom gespielt haben, sie gehören zum Imaginaire, zu den möglichen Standarderklärungen, die man in Aitiologien heranziehen kann. – Anders als Thybris könnte Aventinus rex Aboriginum eine Kreation des Servius sein, um den Namen des Hügels auf einen eponymen Helden zurückzuführen, da Vergil die Namengebung offengelassen hatte, s. Hagen 2024 im Druck. 342 Bezeichnenderweise finden in den Versionen, in denen Latinus als Stadtgründer auftritt (Caltinus, *** bei Serv.), Ethnogenese und Stadtgründung gleichzeitig statt. Möglicherweise haben wir es bei Kallias mit einer Romulisierung zu tun, einer Aktualisierung einer älteren Version durch Hinzufügung des neuen Stadtgründers Romulus, unter Beibehaltung der alten eponymen Heroin Rhome, s. o. zur Entwicklung der Rom-Eponymie und s. u. zu der Romulisierung, analog zur Italisierung. Jedoch kann nicht bestimmt werden, ob die Aborigines oder die Romuluserzählung zuerst entstanden sind. Möglicherweise sind beide demselben römischen Bedürfnis nach einer eigenen Vorgeschichte erwachsen. 343 s. o. zu den Valentia- und den Sabiner-Traditionen. – Die Erzählung des Antiochos FGrHist 555 F 6 (= Dion. Hal. ant. 1,73,4) über die Flucht des Sikelos aus einer Stadt namens Rhome ist möglicherweise bereits als frühe Variante dieses Stranges zu verstehen, auch wenn Dionysios bezüglich der Deutung dieses von ihm zitierten Zeugnisses Zweifel äußert. Allerdings ist bei Antiochos von Opikern und Oinotriern statt von Aborigines die Rede, was innerhalb Dionysios’ Erzählung kohärent ist, da dieser die Aborigines mit den Oinotriern gleichsetzt. Jedenfalls konnte somit die Vorstellung einer frühen Gründung Roms und einer frühesten, prä-sikelischen Bevölkerung aus dem 5. Jh. in einen Strang der Aborigines-Tradition eingehen. 344 FRHist 5 F 24 (FRH 3 F 1,5): Agrum quem Volsci habuerunt, campestris plerus Aboriginum fuit.

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dem sie sich bei Rom niedergelassen hatten.345 Damit könnte (rückwirkend) der römische Anspruch auf die Ebene gegenüber den im 5. Jahrhundert eingefallenen Volskern sowie auf das spätere Latium adiectum gegenüber den dort wohnenden Aurunkern untermauert worden sein. Der Begriff Aborigines bezeichnet hier also ganz Latium346 und ist somit nicht mehr auf Rom beschränkt. Seit ihrer Eroberung durch Rom im späten 4. Jahrhundert konnten die entsprechenden Landschaften als römisch betrachtet werden und somit in die römische Vorgeschichte aufgenommen werden. In der Vulgata wird schließlich Laurentum zum Reich des Latinus. In seiner Bedeutung zwischen Gebiet und Stadt ist der Begriff Laurentum dem aristotelischen Latinion ähnlich.347 Das Volk des Latinus wird nicht mehr nur als Aborigines, sondern auch als Laurentes bezeichnet, es wird somit die Brücke zu Lavinium geschlagen, in der Vulgata Gründung des Aeneas, dessen Bewohner spätestens seit dem späten 6. Jahrhundert Laurentes hießen.348 Diese Verkleinerung des Reiches des Latinus und die Verlegung seines Herrschaftssitzes weg vom Palatin tragen der Tatsache Rechnung, dass inzwischen die Gründung Roms sagenchronologisch viele Generationen später angesetzt und der Palatin nun als Siedlung des Euander angesehen wurde.349 Einige Städte Latiums werden explizit mit den Aborigines verbunden. Im Rahmen des ver sacrum der Aborigines nennt Dionysios Antemnae, Tellenae, Ficulea und Tibur, von wo sie die Sikuler vertrieben hätten.350 Dadurch unterstreicht er das hohe Alter jener Städte. Im Kontext der Kriegszüge des Romulus nennt er noch einige weitere Städte der Aborigines.351 Offenbar handelt es sich auch hier um als sehr alt wahrgenommene Orte, gegründet vor Rom selbst, vor dem Trojanischen Krieg und somit vor der latinischen Ethnogenese, an der sie, wenn sie zu Romulus’ Zeit noch als Aborigines bezeichnet wurden, in Dionysios’ Vorstellung offenbar nicht teilhatten, obwohl sie 345 Dion. Hal. ant. 1,9,2. 346 Latium weitet gleichzeitig selbst seinen Namen auf das Gebiet südlich des Kirkaion bis zum Fluss Liris aus, wozu passt, dass bei Vergil die an der neuen Grenze verehrte Göttin Marica Kirke als Mutter des Latinus ablöst. 347 u. a. Verg. Aen. 7,661 mit Serv.: arva Laurentia. Zu Latinion s. Kap. 3.4.2. 348 s. die wohl auf eine zeitgenössische Inschrift zurückgehende Liste der Gründer eines antirömischen Latinerbundes um 500 v. Chr. bei Cato FRHist 5 F 36 (FRH 3 F 2,28), darunter der populus Laurens. – Die Untrennbarkeit von Laurentum und Lavinium äußert sich in dem Ortsnamen Laurolavinium, s. dazu Serv. Aen. 7,59, der den Namen auf den ansonsten unbekannten Bruder des Latinus zurückführt: LAURUS ERAT Latinus post mortem fratris Lauini cum Lauinium amplificaret, ab inuenta lauro Laurolauinium id appellauit. 349 In der Überlieferung begegnet auch die Überschneidung von Laurentum und dem latinischen Palatin in der der Lorbeer-Etymologie bei Lyd. mens. 4,4 W, der Latinus eine Siedlung namens Daphne auf dem römischen Hügel gründen lässt. Seine möglichen Quellen hierfür sind unbekannt (s. Kap. 2.2.4). – Zur ‚Palatinisierung‘ der römischen Ursprungserzählungen s. Hagen 2018. 350 Dion. Hal. ant. 1,16,5. 351 Cato FRHist 5 F 26 (FRH 3 F 1,21) mit comm. T. Cornell (III, 77): Antemnae; Dion. Hal. ant. 2,35,7: Caenina und Antemnae; 2,50,5: Cameria: die bedeutendste oder eine der bedeutendsten Siedlungen der Aborigines, s. Bourdin 2012, 71. – Bis auf Tibur waren diese Städte schon früh zerstört, aufgegeben oder in Rom selbst aufgegangen.

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ansonsten als Latiner galten. Für die übrigen Städte Latiums ist dagegen keine Erwähnung der Aborigines erhalten, auch wenn ihnen in vielen Traditionen ein höheres Alter als Rom bescheinigt wird.352 Es muss also offen bleiben, ob in diesem Narrativ die Städte dennoch Anteil an der latinischen Ethnogenese hatten, bevor sie in der letzten Entwicklung der albanischen Tradition zu coloniae des Latinus Silvius wurden, oder ob ihnen diese Möglichkeit der Identifizierung narrativ verwehrt blieb.353 3.6.1.3 Mores maiorum In zivilisationsgeschichtlicher Perspektive wurde in der Vulgata eine Entwicklung von den Ureinwohnern hin zu den Latinern, die durch ihr trojanisches Erbe Anteil an hoher Kultur hatten, beschrieben. Dies zeigt sich in den Charakterzuschreibungen wie bei Sallust, wo die Aborigines als wild und gesetzlos bezeichnet werden,354 oder zuvor bei Naevius und vielleicht Ennius, wo den Einheimischen im Vergleich zu den Trojanern kriegerische Unfähigkeit bescheinigt wird.355 Nicht nur der Name Aborigines, sondern auch diese Charakterisierung trägt also einen Alteritätsdiskurs in sich, indem das neue in Latium heimische Volk der Latiner (dank der Veredelung durch die Trojaner!) von den unzivilisierten Ureinwohnern abgegrenzt wird. In der Folge wird allerdings auch diese Charakterisierung als primitive Urbevölkerung wieder ein Stück weit aufgelöst, indem zentrale Kulturleistungen wie Götterkult, mores, Ackerbau und Münzprägung356 in der allerfrühesten Zeit der Bewohner Latiums angesetzt werden.357 Die Protagonisten sind in der Vulgata die ursprünglich göttlichen, nun als Heroen verstandenen ersten Könige der latinischen Dynastie Ianus 352 Eine Ausnahme ist die Erzählung über den Sohn der Danae, der Gründerin Ardeas, hier jedoch mit Rom verbunden, der im Hinterhalt von Aborigines getötet worden sei (Serv. auct. Aen. 8,345, s. zu den argivischen Erzählungen für Rom, Ardea und die Daunia Wiseman 2004, 24 f.). 353 Vgl. die Darstellung bei Vergil, derzufolge die Zugehörigkeit zu den Latinern nicht ganz eindeutig ist, ja die meisten Bewohner Latiums eigene Führer oder Könige hatten und auf Seiten des Rutulers Turnus gegen den (hier nicht eponymen) König der Latiner ins Feld zogen. 354 Sall. Catil. 6,1 f.: genus hominum agreste, sine legibus, sine imperio, liberum atque solutum; s. auch Iust. 38,6,7: pastores Aboriginum mit Briquel 1995, der diese Charakterisierung allerdings auf die antirömische Historiographie Metrodors von Skepsis zurückführt. 355 Naevius fr. 11 Strzelecki = fr. 3 Maltby/Slater = Macr. sat. 6,5,9 (silvicolae homines bellique inertes), s. Martínez-Pinna 2014, 20 mit Lit. in Anm. 52 bezieht die Stelle gegen die communis opinio nicht auf die Aborigines, sondern auf die Latiner, weitere Identifizierungen s. Maltby/Slater comm. ad loc.; OGR 13,1: die Trojaner sind militariter instructos, Latinus’ Heer lapidibus ac sudibus armati, mit M. Lentano comm. ad loc.; M. Sehlmeyer, comm. ad loc. denkt vielmehr an Cato; Dion. Hal. ant. 1,57,3; s. auch Martínez-Pinna 2002, 47 f. 356 So die OGR 3,1–6 auf der Grundlage von Vergils Aeneis. Zum Thema der frühen Könige Latiums s. den grundlegenden Beitrag von Brelich 2010 (1955). 357 Im Rahmen der Vorstellung der frugalitas, der römischen Einfachheit, ist dagegen vielleicht die nur bei Johannes Lydos überlieferte Behauptung des Cethegus zu verordnen, der seine Familie bis auf die Aborigines zurückführte und dies durch den Verzicht auf eine Tunika unter der Toga

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und Saturnus, mit denen ein goldenes Zeitalter verbunden wird. Die Erinnerung an diese Heroen, die für ihre Leistungen entsprechend der euhemeristischen Vorstellung divinisiert wurden, hat sich in die stadtrömische Topographie eingeschrieben.358 Saturnus selbst wird als Kulturbringer schließlich mit ganz Latium verbunden, indem der Name des Landes mit der Notwendigkeit, sich – als latinischer Kronos – vor Iuppiter zu verstecken, erklärt wird.359 Hier wird, wie wir es bereits für Rom gesehen hatten, das Topo- und Ethnonym von der eponymen Figur gelöst und mit einer etymologischen Aitiologie, die ihrerseits unterschiedliche Ausführungen erfährt, von latere hergeleitet.360 Anders als die obsolet gewordene Rhome bleibt Latinus der Ursprungserzählung als letzter König der kanonischen laurentinischen Dynastie erhalten. Aufgrund der sagenchronologisch früheren latere-Aitiologie kann Latinus schließlich bei Vergil bereits über Latiner herrschen, die als Saturni gens bezeichnet werden.361 Die bis hier beobachtete Ethnogenese aus Aborigines und Trojanern wird also ersetzt durch den Zusammenschluss von Trojanern und Latinern. Statt der Benennung des Volkes nach dem König der Einheimischen durch den trojanischen Einwanderer wie ansonsten in der Vulgata üblich steht hier zur Begründung der neuen Realität die Ehe zwischen Aeneas und Lavinia sowie der Vertrag zwischen den Völkern mit dem explizierten Beitrag von beiden Seiten: Name, Sprache und mores der Latiner und sacra der Trojaner.362

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demonstrierte. Außer einer moralischen Qualität implizierte diese Behauptung sicher auch, dass seine Familie eine der ältesten Roms sei (Lyd. mag. 1,22). s. u. S. 186 zum Kapitol als Saturnia und dem Saturntempel am Fuß des Hügels. Saturnus bleibt eine ambivalente Gestalt, die, wenngleich Gründer der einheimischen Dynastie, als latinisierter Kronos selbst ein Einwanderer, gar ein Flüchtling wie Aeneas selbst ist, und zwar hier wohl aus Griechenland, der sich vor dem ihn verfolgenden Sohn versteckte und von dem einheimischen König Ianus aufgenommen wurde. Diese Doppelung unterstreicht die Bedeutung des Migrationsmotivs. Wiseman 2004, 33 verweist darauf, dass der eigentliche Kulturbringer, nach dem ambivalenten Saturnus, Euander ist, der das Alphabet, Musik und Ackerbau eingeführt habe. Hier sind zwei unterschiedliche Momente der Mythopoiese anzunehmen. Latium, weil sich dort Saturnus versteckt habe: Verg. Aen. 8,322 f.: […] Latium vocari / maluit, his quoniam latuisset tutus in oris; Ov. fast. 1,237 f.; OGR 3,3; Serv. Aen. 1,6; 8,322, der zusätzlich auf die Etymologie Varros verweist (ebd., von Funaioli keinem bestimmten Werk zugewiesen, s. M. Lafond, comm. ad loc.), dass sich die Region zwischen den Alpen und den Apenninen verstecke: Varro autem Latium dici putat quod latet Italia inter praerupta Alpium et Appennini. Der Kompilator führt die rationalisierende These des aus Praeneste stammenden Gelehrten Saufeius an, dass sich die frühen Bewohner der Gegend, die Cascei, sich zum Schutz in Höhlen versteckt hätten: Saufeius Latium dictum ait quod ibi latuerant incolae qui, quoniam in cavis montium vel occultis caventes sibi a feris beluis vel a valentioribus vel a tempestatibus habitaverint […] (Serv. auct. Aen. 1,6, s. A. Drummond in: FRHist I, 647). Verg. Aen. 7,203. Verg. Aen. 12,821–840; s. aber auch Iuppiters Prophezeiung, dass Aeneas die mores nach Latium bringen werde: 1,264: moresque uiris et moenia ponet, die Unentschiedenheit und Offenheit des Diskurses wird an solchen Stellen deutlich. – Vergil betrachtet als Latiner diejenigen, die unter dem Zepter des Latinus sind (Verg. Aen. 7,367–370 mit Serv. ad loc.). Turnus und die Rutuler fallen genaugenommen nicht darunter, vergleichbar der gleichzeitigen Nennung der Aborigines und

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Eine Spur der vorstädtischen Lebensweise der silvicolae könnte schließlich in der albanischen Dynastie der Silvii zu sehen sein. Ihr Name wurde zwar aitiologisch von der Geburt ihres Gründers im Wald hergeleitet, mythhistorisch erfüllte sie als ‚konstruierte‘ Königslinie aber einen ähnlichen Zweck wie die Aborigines. Dafür spricht, dass mit Aventinus und Thybris die einzigen bekannten Könige der Aborigines außerhalb der kanonischen Herrscherreihe dieselben Namen wie albanische Könige tragen. Es ist also zu vermuten, dass es vor der Vulgata mehrere Varianten der Herrscherreihe gab, vergleichbar der der albanischen Silvii. Gleichzeitig werden in der kanonischen Tradition durch die Fokussierung auf die von Lavinium und Alba Longa ausgehende Herrschaftsdynastie die Silvii als Erben des Aeneas und der Latinustochter Lavinia in den Mittelpunkt gerückt, so dass die übrigen, eigentlich aus dieser Verbindung hervorgehenden Latiner demgegenüber ihre Bedeutung verlieren. 3.6.1.4 Identität und Integration Wenngleich bei Lykophron noch eine sich gegenseitig ausschließende Nennung von Aborigines und Latinern vorlag und in der Etymologie ab origine durch die Vorstellung einer Autochthonie eine Abgrenzung von griechischen Ursprüngen nicht ausgeschlossen werden kann, gibt es doch eine allgemeine Tendenz hin zu einem integrativen Verständnis dieses ‚Pseudo-Ethnos‘. Trotz seiner Verankerung in der Zeit der Ursprünge ist seine zentrale, teleologische Funktion die Wegbereitung eines neuen Volkes, das bis in die jeweilige Gegenwart reicht und dabei unzählige Völker integrieren konnte. Diese Integration wird in den Quellen explizit angesprochen. Je nach Autor überwiegt dabei die Betonung von Brüchen oder Kontinuitäten.

der übrigen Völker Latiums bei Strabon und Plinius. Die Grenzen zwischen den verschiedenen Völkern im alten Latium, wie den Rutulern, den Praenestinern, den Laurentern, werden daher im letzten Zweikampf symbolisch durch den weggeschleuderten Grenzstein aufgehoben. Das gesamte Latium inklusive Rutuler und der übrigen mit Turnus verbündeten Bewohner wird in den Vertrag mit den Trojanern miteingeschlossen. Es zeigt sich hier die bei Vergil noch einmal gesteigerte Komplexität der Konstruktion: Denn dass auch die Trojaner selbst bereits Latiner sind (s. explizit Serv. Aen. 7,367, Zitat u. Anm. 408), ist Voraussetzung für die Beibehaltung nicht nur der Sprache und Sitten der Latiner, sondern insbesondere ihres Namens, wie im Kompromiss zwischen Iuno und Iuppiter beschlossen wurde (Verg. Aen. 12,823. 834–836). Die gründende Funktion wird nun von der Entstehung des latinischen Namens hin zur Begründung des neuen latinisch-römischen Geschlechtes verschoben, indem er gemäß dem Orakel des Faunus seine Tochter mit dem Größe verheißenden Fremden vermählt (7,98–101. 271 f.). Die Privilegierung der von Lavinia und Aeneas abstammenden albanischen Königsdynastie vor den übrigen Latinern rechtfertigt sich in ihrer teleologischen Bedeutung für die Gründung Roms (6,756–779). Das Zugeständnis ihrer kulturellen Identität an die Latiner durch Iuno wird schließlich dadurch (narrativ) relativiert, dass Turnus und ein bedeutender Teil seiner Verbündeten in der Schlacht gefallen sind und somit selbst nichts mehr zum Wachsen und Gedeihen des neuen Volkes betragen können.

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Grundlegend ist dafür das Verständnis des Verhältnisses zwischen dem Namen des Volkes und seiner Konstitution als solches. Die Latiner bzw. Römer schufen sich spätestens im 4. Jahrhundert v. Chr. eine eigene Vorgeschichte. In der ursprünglichen Bedeutung des Begriffs Ab-origines entsteht das Volk der Latiner gewissermaßen aus namenlosen Vorfahren, es handelt sich schlicht um die Menschen, „die zu Beginn da waren“. Erst ab dem Zeitpunkt, an dem sie ihren Namen erhalten, beginnt ihre Identität, erst zu dem Zeitpunkt handelt es sich bei den Bewohnern des Landes nicht mehr um an-onyme, indifferente Menschen, die zufällig an demselben Ort gesiedelt hatten, sondern um sie selbst und ihre eigene Geschichte. Den Namen erhielten sie – analog zu Rom von dem ebenfalls ‚lokalen‘ Romulus – von einem eponymen Heros, unserem Latinus. Erst in einem zweiten Schritt wird die Aborigines-Erzählung um die Verbindung mit den Trojanern ergänzt. Anders als in der Forschung üblicherweise angenommen, halte ich nach den Überlegungen in diesem Kapitel die Ankunft der Trojaner nicht mehr für unabdingbar für die Konstruktion dieser Urbevölkerung. Die Verbindung mit den Trojanern stellt für die Erfinder dieser Ethnogenese-Erzählung vielmehr ein zusätzliches Mittel der eigenen Selbstbeschreibung dar. Sobald der Begriff der Ureinwohner zu einem von seiner Bedeutung abstrahierten (Pseudo)Ethnikon wurde und so in seiner lateinischen Form auch im Griechischen erschien, konnte auf die Bewohner Latiums das Prinzip der Metonomasie von Völkern entsprechend der mytho- und ethnographischen Vorgehensweise angewandt und dadurch eine Abfolge der Völker über ihre eponymen Gründer konstatiert werden.363 Während also im früheren Verständnis der Wandel von Aborigines zu Latinern ein qualitativer war und eine neue Identität schaffen sollte, dies umso mehr durch die Verbindung mit den stets als kulturell höherstehend angesehenen Trojanern, ist es später für Dionysios möglich zu behaupten, dass das Volk selbst nur den Namen, nicht aber sein Wesen geändert habe. Er postuliert somit eine Kontinuität über den Namenswechsel hinweg, in seiner Vorstellung sind Aborigines, Latiner und Römer tatsächlich identisch.364

363 Die Metonomasie, die Namensänderung durch einen eponymen Heros, war ein weiteres beliebtes Mittel der Aitiologie, die die Integration mehrerer Heroen für denselben Ort erlaubte. 364 z. B. Dion. Hal. ant. 1,9,3 f.: καὶ διέμειναν ἐπὶ τῆς αὐτῆς οἰκήσεως οὐκέτι πρὸς ἑτέρων ἐξελαθέντες, ὀνομάτων ἀλλαγαῖς διτταῖς οἱ αὐτοὶ ἄνθρωποι προσαγορευόμενοι, μέχρι μὲν τοῦ Τρωικοῦ πολέμου τὴν ἀρχαίαν τῶν Ἀβοριγίνων ὀνομασίαν ἔτι σώζοντες, ἐπὶ δὲ Λατίνου βασιλέως, ὃς κατὰ τὸν Ἰλιακὸν πόλεμον ἐδυνάστευε, Λατῖνοι ἀρξάμενοι καλεῖσθαι. Ῥωμύλου δὲ τὴν ἐπώνυμον αὑτοῦ πόλιν οἰκίσαντος […], ἣν νῦν ἔχουσιν ὀνομασίαν μεταλαβόντες. „Sie siedelten dann dauernd an demselben Ort, ohne nochmals von anderen Stämmen vertrieben zu werden. Allerdings machten sie, obwohl es sich um dieselbe Bevölkerung handelte, zwei Namensänderungen mit: Bis zum Trojanischen Krieg behielten sie noch die alte Bezeichnung Aboriginer bei, unter ihrem König Latinus aber, der während des Kriegs um Iios an der Herrschaft war, bezeichnete man sie allmählich als Latiner. Als dann Romulus […] die nach ihm benannte Stadt gründete, übernahmen sie den jetzigen Namen […]“ (Übers. A. Städele).

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Latinus, Sohn des Telemach, und Rhome Ethnogenese 1:

Name des Volkes von Latinus (Laertide) (Theogonie, Telegonie?)

Erfindung der Aborigines: ab origine

namenlose autochthone Vorfahren der Römer

Trojanische Tradition Schiffsbranderzählung, ktisis für Rom, eponyme Heldin Rhome Sikeloi und Opikoi in Rom (Antiochos)

Ethnogenese 2:

Entstehung der Latiner aus den Trojanern durch Migration Ehe von Latinus und Rhome Name von einheimischem Heros

Gründung Roms durch Romulus

Bedeutung gerät in Vergessenheit

Gründung Roms durch Romulus, Sohn von Latinus und Rhome

Ethnogenese 3:

Ethnogenese 4:

Name des Volkes von Latinus (König der Aborigines)

Bedeutungswandel 1: ab + errare

Laertiden fallen weg

Immigration der Aborigines nach Latium

Entstehung des Volks durch Zusammenschluss von Ureinwohnern mit den Trojanern Name vom König der Aborigines

Ethnogenese 5:

Verschieden e Identifizierun gen

Aborigin

Bedeutungswandel 2: ab + oros

von den Bergen (arkadisch, Sintflut)

es treffe n auf P elasgi Konflik t und Zusam mensch luss (Orakel von Do dona)

Identi Arkad fizierung m ern un it d Oin otrern

Zusammenschluss früherer Einwanderer mit den Trojanern Name vom Anführer der Einwanderer oder von späterem König

Frühere Ureinwohner: Siculi und Ligures werden von den Aborigines aus Latium vertrieben

se?

er Pha

Rückbesinnung?

in welch

Laurentinische Dynastie Saturnus, Picus, Faunus, Latinus

Ethnogenese 6: Vulgata

Verbindung von Aborigines mit den Trojanern nach Schlacht gegen Rutuler, Ehe von Aeneas und Lavinia, Vertrag, Name nach Latinus durch Aeneas

Abb. 19 Entwicklung der Aborigines-Erzählungen

Frühe Dynastien eponymer Heroen? Aventinus, Thybris, Latinus

Silvii

Wiederaufnahme von Aventinus und ThybrisTiberinus in der albanischen Königsreihe

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Gleichzeitig wurde mithilfe der Aborigines ein Modell für einen kulturellen Wandel in Richtung einer kompletten Integration geschaffen. Bei Cato und Sallust wuchsen die als höchst gegensätzlich charakterisierten Völker, die wilden und gesetzlosen Aborigines und die Trojaner, erstaunlich schnell in Einigkeit in einer gemeinsamen Bürgerschaft zusammen.365 Dionysios berichtet davon, dass sich bereits vor der Ankunft der Trojaner zahlreiche Völker an der Stelle des späteren Rom niederließen und mit den Aborigines kulturell, religiös und rechtlich verschmolzen, so dass sie „für ein und dasselbe Volk gehalten wurden“,366 und dass dies nach der Ankunft der Trojaner unter Umbenennung in Latiner vollendet wurde.367 In dieser Vergangenheitsvorstellung konnte der jeweilige Erzähler dem Stammbaum der Latiner – und letztlich der Römer – immer weitere (ethnische) Bestandteile hinzufügen, um eine kulturelle Bereicherung bereits in die Frühzeit zu projizieren,368 aber ohne dies gleichzeitig durch spezifische, kulturelle Spuren belegen zu müssen. Die identitätsstiftende und integrierende Bedeutung des Namens ist nicht nur ein griechisches Konzept. Die Wahl der Bezeichnung nomen Latinum für die Gesamtheit der Städte latinischen Rechts, seien es die Städte Latiums oder die coloniae Latinae im übrigen Italien, zeigt, dass es – jenseits einer möglichen ethnischen Realität – eben der latinische Name war, der zählte. Die Integration der verschiedensten Völker in den vorlatinischen Stammbaum hat dabei mehrere mögliche Stoßrichtungen: Bei Kineas oder bereits Alexander dem Molosser wie in vielen späteren Fällen konnte diese Version der Aborigines-Erzählung im politisch-diplomatischen Austausch eine in graue Vor365 Serv. Aen. 1,6 (= FRHist 5 F 63; FRH 3 F 1,6); Sall. Catil. 6,2: Hi postquam in una moenia convenere, dispari genere, dissimili lingua, alius alio more viventes, incredibile memoratu est quam facile coaluerint: ‹ita brevi multitudo diversa atque vaga concordia civitas facta erat.› 366 s. Dion. Hal. ant. 1,44,2: Arkader, Pelasger und die Begleiter des Herakles: συνέβησαν ὁμοεθνεῖς νομίζεσθαι. Zwar wird die Aussage durch das νομίζεσθαι leicht relativiert, so dass man den Eindruck einer nur vorgeblichen Einheit gewinnen könnte (man hielt es für ein einziges Volk, nicht: es wurde ein einziges Volk). Doch muss man dies möglicherweise so verstehen, ‚dass man es für ein s e i t j e h e r e i n i g e s Volk halten möchte‘. – Die Art und Weise der Ankunft einzelner Völker konnte dabei in narrativer und mythhistorischer Hinsicht variiert werden, so findet sich neben den Begleitern des Herakles aus dem ersten Trojanischen Krieg auch die offenbar einem ver sacrum entsprungene iuventus Latina vergleichbar den Ethnogenese-Erzählungen der samnitischen Völker (Solin. 1,1; vgl. Dion. Hal. ant. 1,16,1 f.). 367 Dion. Hal. ant. 2,2,2: ὄνομα δὲ κοινὸν οἱ σύμπαντες οὗτοι Λατῖνοι ἐκλήθησαν ἐπ’ ἀνδρὸς δυναστεύσαντος τῶν τόπων Λατίνου τὰς κατὰ ἔθνος ὀνομασίας ἀφαιρεθέντες. „Sie alle gemeinsam wurden nach Latinos, der über diese Orte als König herrschte, ‚Latiner‘ genannt und gingen ihrer alten Stammesbezeichnung verlustig“ (Übers. A. Städele). Der Kontext ist hier freilich der kanonische der Albaner, und Dionysios gesteht den Latinern hier noch einmal explizit, wenn auch widerwillig, zu, dass diese neben den von ihm favorisierten griechischen auch einheimische Wurzeln hatten. Bei diesen angedeuteten Einheimischen handelte es sich um die Aborigines, auch wenn er diese Bezeichnung an der Stelle vermeidet: εἰκὸς δέ τι καὶ βαρβαρικὸν ἐκ τῶν προσοίκων ἢ παλαιῶν οἰκητόρων ὑπολιπὲς τῷ Ἑλληνικῷ συγκαταμιγῆναι. „Wahrscheinlich war jedoch auch ein barbarischer Bestandteil, der von den benachbarten oder alten Bewohnern überlebt hatte, mit dem griechischen vermengt“ (Übers. A. Städele). 368 s. Martínez-Pinna 1999, 107.

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zeit rückgehende Verwandtschaft der Kontrahenten begründen. Sie konnte später als Integrationsangebot an die entsprechenden ‚historischen‘ Völker Italiens und später Griechenlands verstanden werden, vielleicht gerade von den nach Rom übergesiedelten Italioten und Italikern gestaltet. Über die von Dionysios bevorzugten Oinotrier als Vorfahren konnten sich beispielsweise die Latiner in die süditalische (eigentlich vorgriechische, bei ihm griechische und vorsamnitische) Bevölkerung eingliedern und somit die Unterschiede nivellieren.369 Die sabinischen Ursprungsgeschichten finden ihr Echo in zahlreichen weiteren Elementen in der römischen Mythhistorie. Insbesondere Varro ist für sein Bestreben bekannt, die Ursprünge Roms mit seiner sabinischen Heimat zu verbinden.370 Retrospektiv zeigt sich in der Erzählung somit auch ein Reflex der römischen Expansion, in deren Verlauf unzählige Völker im römischen Herrschaftsbereich aufgingen, ebenso wie die frühen Siedler im späteren Rom, und schließlich in der augusteischen Italia die jeweilige lokale Identität verloren. Es handelt sich um die Rückprojektion der ‚Romanisierung‘ auf die Ursprünge371 – im Guten wie im Schechten. In der Bezeichnung der Aborigines als Ureinwohner Italiens bei Cato schlägt sich umgekehrt die im nächsten Kapitel untersuchte Tendenz zur ‚Italisierung‘ der latinischen Ursprungserzählungen nieder, d. h. die Ersetzung Latiums als Heimat und Bezugsgröße Roms durch ganz Italien. Spätestens dadurch war eine Gleichsetzung der Aborigines mit den Oinotriern durch Dionysios von Halikarnassos möglich geworden.372 Das friedliche Bild wird durch die Betonung von Konflikten in der Frühzeit getrübt: Außer der innerlatinischen Abgrenzung der Latiner von ihren vorgeschichtlichen Vorfahren in einem Teil der Erzählungen findet sich eine solche Feststellung von Alterität in zwei Fällen gegenüber den Sikulern und den Umbrern. Dionysios spricht von ihrer Vertreibung durch die Aborigines, der Umbrer aus der Sabina, der Sikuler aus dem nördlichen Latium und insbesondere der Gegend des späteren Roms. Hier wird kein Anknüpfungspunkt geboten, es findet ein deutlicher ethnischer Bruch der Bevölkerung statt und die besiegten Völker ziehen sich aus den eroberten Gebieten zurück.373

369 Dion. Hal. ant. 1,11,1–12,1. 370 Dieser Prozess der ‚sabinisation‘, der bereits lange vor Varro anfing, ist insbesondere bei Poucet analysiert, s. zuerst Poucet 1967, s. a. Smith 2014b. 371 Dench 2013, 261 Anm. 27 vergleicht dieses Aufgehen der vortrojanischen Völker in den Aborigines mit der Situation in Kleinasien unter der Herrschaft wechselnder hellenistischer Könige und Roms, wo die meisten Völker ihre Dialekte und ihren Namen verloren; cf. Ando 2010; s. auch Dupont 2013 zum Niederschlag dieses Prozesses in der Vulgata. 372 Cato FRHist 5 F 63 = Serv. Aen. 1,6. Zur ‚Italisierung‘ s. u. Kap. 3.6.2. Vgl. auch Vergil, der Italus als einen auf die Oinotrier folgenden Anführer und zusammen mit Sabinus als einen der Vorfahren des Latinus präsentiert (Verg. Aen. 1,533; 7,178). Hier ist die Zugehörigkeit des Italus zur (nicht explizit so bezeichneten) Dynastie der Aborigines angedeutet. s. auch die nächste Anm. 373 Dion. Hal. ant. 1,16; auch Serv. auct. Aen. 7,752; s. aber auch die gegensätzliche Erwähnung in Serv. Aen. 8,328: hier vertreiben die Sikuler die Aborigines und übernehmen die Herrschaft über Italien. Vertrieben werden die Aborigines in einer ebenfalls bei Servius überlieferten Notiz durch die Ar-

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Welches Schicksal ist schließlich für die Latiner selbst angedeutet? Was geschieht bei der Umbenennung der Latiner in Römer, die Dionysios mit der Gründung Roms und der Benennung durch Romulus anführt? Führt die Umbenennung zu Römern zum Verschwinden der Latiner oder nur zur Ausgliederung der Römer aus dem Kreise der Stammesgenossen? Da Dionysios den Fokus wie die meisten griechischen Autoren ab einem bestimmten Zeitpunkt auf Rom richtet, entschwinden die übrigen Latiner seinem Blick. Die Schwierigkeit liegt in dem Nebeneinander der ‚ethnischen‘ und der städtischen Identität, die in der Abfolge der Völker auf dieselbe Ebene gestellt werden. In dieser Vorstellung der römischen Ursprünge erscheinen die Latiner als nichts anderes als die noch nicht ganz ausgereifte Zwischenstufe zwischen den Ureinwohnern und den künftigen Herrschern der Welt.374 Es wurde in diesem Kapitel deutlich, dass sich anhand der bei Kallias angeführten Aborigines in den darauffolgenden Jahrhunderten ein reicher Diskurs über die Ursprünge der Bevölkerung Latiums und somit um die Teilhabe an Rom entspann. Dieser intensive, höchst dynamische Diskurs konnte hier nicht in extenso vorgeführt und historisch kontextualisiert werden, doch sind einige Stoßrichtungen sichtbar geworden. Außer der postulierten Verwendung der Pelasgerherkunft durch die epirotischen Könige sind die Variationen wohl in der Zeit nach Kallias entstanden, als sich allmählich die Vulgata herausbildete, in der Latinus als König der Aborigines seinen festen Platz behielt. Zum Abschluss muss die Vorstellung der weitgehend exklusiven Anknüpfung Roms an die Trojaner relativiert werden. Wenngleich also die Vorstellung vorherrschte, dass die Römer Nachfahren der Trojaner waren und in den Erzählungen die Verbindung zwischen Troja und den Ureinwohnern Latiums hergestellt wurde, belegen die vielfältigen Traditionen über die Aborigines die Bemühungen – und zwar von Seiten griechischer wie römischer Erzähler –, die unterschiedlichsten griechischen und nichtgriechischen Völker an Rom anzubinden.375 kader des Euander (8,51), es zeigt sich hier erneut die Vielfalt, denn diese Tradition widerspricht offensichtlich der des Dionysios, in der die Aborigines selbst ursprünglich Arkader sind. Servius erklärt die Präsenz des Italus unter den Vorfahren des Latinus, indem er ihn in die vor-aboriginische Phase einordnet und dabei (im Gefolge früherer Autoren wie Cassius Hemina) die Richtung der sikulischen Wanderung umkehrt: Serv. Aen. 1,2: Italus enim rex Siculorum profectus de Sicilia venit ad loca, quae sunt iuxta Tiberim, et ex nomine suo appellavit Italiam; 1,533: ITALIAM Italus rex Siciliae ad eam partem venit in qua regnavit Turnus, quam a suo nomine appellavit Italiam; 3,500 (in einer Etymologie des Tibers). Es handelt sich hier um einen Fall von Italisierung, s. u. 374 Dass auf diese Zwischenstufe jedoch auch verzichtet werden konnte, zeigt sich in der frühen Darstellung durch Lykophron, der Latiner und Aborigines gleichzeitig und getrennt voneinander auftreten lässt (s. o.). Die Aborigines konnten hier auch einfach die Ureinwohner Roms sein, also im (durch das Wortspiel um die Herkunft aus dem Norden oder eine Anspielung auf die Hyperboreer bereicherten) ursprünglichen Wortsinn. Diese wurden dann ihrerseits durch die Verbindung mit den Trojanern direkt zu Römern, nicht zu Latinern. Der Gedanke der Metonomasie bleibt erhalten, es wird lediglich eine Etappe übersprungen. 375 Dabei konnte innerhalb desselben Konfliktes mal die eine und mal die andere Erzählung als erfolgsversprechender eingeschätzt werden, s. die Interpretation der Verwendung der römischen

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3.6.2 Imperium Italiae – ‚Italisierung‘ der Ursprünge In den bei Festus überlieferten, Galitas und Caltinus zugeschriebenen Varianten der Erzählung tritt Latinus nicht wie bei Kallias als König der Aborigines, sondern als Herrscher über Italien in Erscheinung: Bei Galitas erringt Aeneas das imperium Italiae, Latinus erscheint als dessen Nachfolger.376 Bei Caltinus nimmt Latinus, hier als Trojaner bezeichnet, selbst Italien in Besitz.377 Während diesen Angaben in der Forschung bisher kaum Interesse entgegengebracht wurde, sollen sie hier narrativ und historisch kontextualisiert werden. Das zentrale Thema ist die Integration Italiens in die römisch-latinische Ursprungsgeschichte. Aus der bisherigen Perspektive, in der die Erzählungen über Latinus und Rhome als Teil der Vorgeschichte Latiums betrachtet wurden, überrascht die neue Hinwendung zu Italien. In der Behandlung des Telemach-Motivs war bereits Italos in Erscheinung getreten, der eponyme Heros der Italia. Doch hatten wir gesehen, dass die Autoren archaischer und klassischer Zeit unter Italia die Südwestspitze der Apenninenhalbinsel, die Sizilien gegenüberliegende Spitze des heutigen Kalabrien, verstanden.378 Außer von dem eponymen Heros kannten griechische Mythographen und Ethnographen auch die Herleitung des Namens von dem verlorenen Kalb aus der Rinderherde des Herakles, die Ursprünge Italiens wurden überdies eng mit der Geschichte Siziliens verbunden.379 Auf den ersten Blick erinnert die Konstellation Latinus-Italien in unseren Varianten an die möglicherweise auf Eugammon zurückgehende Parallelisierung von Latinus und Italus als Nachkommen der Odysseussöhne Telemach und Telegonos. Dafür spricht nicht zuletzt, dass Latinus bei Galitas Sohn des Telemach ist und die Erzählung somit in der Telegonie-Tradition steht. Doch hat sich die Beziehung zwischen Latium – in der Person des Latinus – und Italien – hier nun als Land, nicht mehr vertreten durch die eponyme Figur – grundlegend geändert.380 Es handelt sich nicht mehr um eine ‚neutrale‘ Anbindung zweier eponymer Helden auf Augenhöhe an eine epische Erzählung. Vielmehr liegt hier ein hierarchisches Verhältnis vor, bei dem aus dem Hel-

376 377 378

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Ursprünge durch Pyrrhus bei De Sensi Sestito in: D’Alessandro/De Sensi Sestito 2011, 79: zu Beginn zog Pyrrhus als Achilles-Erbe guten Mutes gegen die Gründung der einst seinem Vorfahren in der Schlacht unterlegenen Trojaner (Paus. 1,12,1), nach der Schlacht von Herakleia bemühte sich sein Gesandter Kineas womöglich mit Verweis auf die pelasgischen Ursprünge der Römer um einen freundschaftlichen Ausgleich (s. o., Plut. Rom. 1,1). Fest. 329, 15–20 L (FGrHist 818 F 1), s. o. Kap. 3.1.1. Fest. 329, 1–5 L (FGrHist 564 F 5b), s. o. Kap. 3.1.4, auch zum Verständnis von potiri. Zentrale Diskussionen der ursprünglichen Italía und ihrer allmählichen Ausweitung bei Strab. 6,1,4: […] οὗτος μὲν οὖν ἁπλουστέρως εἴρηκε καὶ ἀρχαϊκῶς, denn „er [=Antiochos, FGrHist 555 F 3a] redet allgemein und altertümlich […]“ (Übers. S. Radt); s. zu Antiochos’ Vorstellung auch F 5 = Dion. Hal. ant. 1,35,1. s. o. Kap. 3.2.2. s. auch u. zu Italus in der Leukaria-Erzählung (Kap. 4).

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den Italos, über den sogar eigene res gestae existierten, ein zum Objekt degradiertes, erobertes und beherrschtes Land geworden ist. Eine solche in mythhistorisches Gewand gekleidete Beziehung passt nicht zur archaischen Italía und nicht zur Telegonie-Tradition. Die Eroberung des fernen Südens durch Latium ist zu diesem Zeitpunkt kaum vorstellbar, sondern rückt die Erzählungen vielmehr in den Kontext des historischen Ausgreifens Roms Richtung Süden ab der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts. Tatsächlich bieten die beiden Versionen einen deutlichen Hinweis auf einen späteren Zeitpunkt dieses Italienmotivs: Die Eroberung bzw. Herrschaft über Italien erscheint jeweils als Voraussetzung für die anschließende Gründung Roms. Die nach Latinus’ Gattin benannte Stadt und somit auch Latium selbst müssen also ihrerseits in Italien liegen. Wir befinden uns also in einer historischen Zeit, in der die Italia ihre ursprünglichen Grenzen überschritten hatte und große Teile, wenn nicht die gesamte Apenninenhalbinsel umfasste und Rom als die herausragende Stadt Italiens im Zentrum des Interesses stand. Wie später noch ausführlicher diskutiert wird, führt uns das in eine Zeit ab dem zweiten Viertel des 3. Jahrhunderts. Es ergibt sich somit eine zeitliche Diskrepanz zwischen dem Italien-Motiv und der Abstammung des Latinus von Telemach bei Galitas sowie der exzeptionellen Variante des trojanischen Latinus bei Caltinus, die beide wie gesehen vor diesem Zeitpunkt entstanden sein dürften, und zwar deutlich vor dem Aborigines-Motiv bei Kallias. Diese erklärt sich am besten durch eine Aktualisierung einer älteren Erzählung ab dem 3. Jahrhundert: Es lässt sich in der Folge eine Tendenz feststellen, alle möglichen Ereignisse der Mythhistorie „in Italien“ statt in den spezifischeren, ursprünglich nicht Italien zugehörigen Regionen zu verorten, offensichtlich ein Niederschlag der historischen Ausweitung des Italienbegriffs in den Ursprungsnarrativen. Diese Tendenz ist in der nach dem 3. Jahrhundert entstandenen Literatur deutlich sichtbar, so bei Herakleides Lembos oder Cato und allen voran den Autoren der augusteischen Zeit wie Dionysios und Vergil. Für all diese Autoren waren Rom und Latium selbstverständlicher Teil Italiens. Weniger eindeutig ist es dagegen bei den früheren Autoren. Hier schwanken die Angaben zwischen spezifischeren Ortsbezeichnungen – wie Latinion und Tyrrhenia – und allgemein „Italien“. Diese allgemeinen Italien-Angaben finden sich dabei stets in der indirekten Überlieferung. Beispiele hierfür finden sich bei bei Herodot und Theophrast: In seiner Ausführung über die Herkunft der Etrusker schreibt Herodot, dass die Lyder sich „bei den Ombrikoi“ niedergelassen haben. Dionysios hingegen zitiert seinen frühen Mitbürger, dass sich die Lyder „in Italien“ niedergelassen haben.381 Theophrast verortet ein Aischylos-Zitat in tyrrhenischem Kontext, welches Plinius allgemeiner in Italien lokalisiert.382 Für die meisten 381 Hdt. 1,94; Dion. Hal. ant. 1,27,3 f.: zunächst schreibt Dionysios von Italien, erwähnt dann aber auch der Vollständigkeit halber die Ombrikoi Herodots. 382 Theophr. h. plant. 9,15,1; Plin. nat. 25,11.

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der frühen Autoren haben wir dagegen den Originalwortlauf verloren und können höchstens indirekt überprüfen, welche geographischen Vorstellungen hinter den in der indirekten Überlieferung erhaltenen Formulierungen standen. So zitiert Plutarch Aristoteles, demzufolge Odysseus nach dem Freiermord und dem Schiedsspruch des Neoptolemos nach Italien aufgebrochen sei. Es ist hier nun nicht nötig, wie bisweilen vorgeschlagen, Italia in Aitolia zu korrigieren.383 Es handelt sich vielmehr um eine ‚Italisierung‘ der Tyrrhenia; dahinter steht die bei Theopomp und im aristotelischen Peplos überlieferte Geschichte über Odysseus in Gortynaia.384 Aristoteles selbst hätte, wie aus seiner Politik hervorgeht, Tyrrhenia nicht als Italien bezeichnet, es muss sich also um eine Aktualisierung durch Plutarch oder eine seiner Quellen handeln. Die geographischen Vorstellungen des Aristoteles – und wohl seiner Zeitgenossen – zeigen sich auch in der Nennung von Latinion als Ort des Schiffsbrands.385 Die Lokalisierung des Kirkaion „in Italien“ dürfte in diesem Sinne gegen eine allzu frühe Datierung der pseudoaristotelischen Schrift De mirabilibus auscultationibus sprechen.386 Gleichzeitig ist ein Konservativismus und die Beibehaltung veralteter Bezeichnungen möglich.387 Die Konsequenz aus diesen Beobachtungen ist, dass es sich bei Italia meist um eine Aktualisierung einer spezifischeren Ortsangabe handelt, sie also jeweils nicht als Terminus für die ganze Erzählung herangezogen werden darf. Stattdessen zeugt eine solche Angabe in Zitaten früherer Autoren von einer Aktualisierung in späterer Zeit, ist also die Spur einer mehrstufigen Überlieferung.388 Man kann anhand des Befundes bei Dionysios von Halikarnassos sogar mit Sicherheit sagen, dass dieser Austausch einer spezifischen Ortsangabe durch Italia nicht immer erst den erhaltenen zitierenden oder paraphrasierenden Autoren zuzuschreiben ist, sondern auf Zwischenquellen im Rahmen einer indirekten Konsultierung der Autoritäten zurückgeht. Wie in der bereits erwähnten Herodotparaphrase findet sich nämlich für Hellanikos und Damastes eine Italienangabe – ebenso übrigens für Kallias, der vermutlich kurz vor der ‚Italisierung‘ Latiums wirkte –, während Aristoteles wie gesehen mit der Ortsangabe Latinion zitiert wird. Dionysios hat also für Hellanikos und Kallias eine indirekte Tradition herangezogen, Aristoteles aber selbst konsultiert bzw. hier eine wortgetreue Überlieferung vorgefunden. Für Hellanikos bestätigt Dionysios diese Sicht sogar selbst, indem er für die Erzählung über den Schiffsbrand und die Gründung Roms durch Aeneas nicht nur auf Hellanikos und Damastes, sondern eben auf eine ganze Reihe von Autoren verweist. Das Zeugnis aus augusteischer Zeit steht also am Ende einer langen Tradition, 383 384 385 386 387

Aristot. Ithak. pol. fr. 507 Rose = Plut. qu. G. 14, mor. 294D; s. o. S. 107 Anm. 104. s. o. Kap. 3.2. s. o. Kap. 3.4.2. Ps.-Aristot. mir. 78 mit G. Vanotti comm. ad loc. So ist Tarent noch bei Ps.-Skymn. 330–332 im 2. Jh. v. Chr. als glückliche und größte Stadt Italiens bezeichnet, was auf eine Quelle vor der Plünderung der Stadt durch Rom 272 v. Chr. hindeutet, s. Kap. 2.2.1. 388 s. für unseren Fall das Schaubild u. S. 180 Abb. 20.

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in deren Verlauf an einem bestimmten Zeitpunkt eine spezifische Angabe durch die übergeordnete, auch Latium beinhaltende Italien-Angabe ersetzt wurde. Demensprechend kann man wohl auch im Fall von Verrius Flaccus bzw. Festus von der Verwendung von aktualisierenden Zwischenquellen ausgehen. Zwar kann keine der Erwähnungen anhand des Originalwortlautes eindeutig als Aktualisierung erwiesen werden, wie dies bei Dionysios für Herodot und indirekt für Aristoteles und auch Hellanikos der Fall war, da in der Aufzählung der unterschiedlichen ktiseis Roms durchgehend von „Italien“ als Ziel der potenziellen Gründer Roms die Rede und keine der Erzählungen im Originalwortlaut erhalten ist. Da aber gezeigt werden konnte, dass Verrius Flaccus für seine zahlreichen Originalzitate aus der frührömischen Dichtung – zum Zweck der Erklärung nicht mehr gebräuchlicher Wörter – aus Kompendien schöpfte,389 ist naheliegend, dass er auch für die griechischen Erzählungen über die Gründung Roms auf Sammlungen zurückgriff, die wie die Quellen des Dionysios bereits Italien als Ort der Landung der Ankömmlinge beinhalteten. Statt wie meist in der Forschung ‚schlechte‘ Zwischenquellen für die ‚Verstümmelung‘ der Kallias-Erzählung mit dem Ergebnis der vorliegenden Galitas- und Caltinus-Version verantwortlich zu machen, ist also auch in den bei Festus überlieferten Varianten – statt der Konzentration (und Beschränkung) auf eine ‚richtige‘ Originalversion – die Entwicklung der Vorstellungen und Narrativen in den Blick zu nehmen und in den Veränderungen Spuren von Beiträgen zum Latinerdiskurs und der mündlichen wie literarischen Überlieferung zu sehen. In Abbildung 20 sind die Etappen der Entwicklung der Erzählungen schematisch dargestellt. Im Zusammenspiel verschiedener Motive kristallisiert sich eine Version heraus, die von einem Autor aufgeschrieben wird, also den Weg in die literarische Überlieferung nimmt. Diese verschriftlichte Erzählung sei als ‚Originalversion‘ bezeichnet, aber nur in dem Sinne, als sie mit einem Autorennamen verbunden ist; sie ist nicht aus dem Nichts entstanden, sondern stellt die Materialisierung einer Stimme innerhalb des Diskurses zu einem bestimmten Zeitpunkt dar. Das Zusammenspiel der Motive ist ebenso Teil eines lebendigen Diskurses wie die darauffolgende literarische Weiterentwicklung, solange die Geschichte als relevante Erzählung verstanden wird, als intentionale Darstellung der Vergangenheit durch den jeweiligen Autor. Änderungen an der Erzählung in dieser Phase sind Aktualisierungen, um der Wahrheit, d. h. einer möglichst glaubwürdigen, plausiblen Vorstellung der Ursprünge, möglichst nahe zu kommen, die am besten zu der jeweiligen, sich wandelnden historischen Situation passt. Die nächsten Phasen sind die der Kompilation und im Fall lateinischer Autoren wie Verrius Flaccus die Übersetzung aus dem Griechischen. In der Kompilationsphase hat die Erzählung ihren Gültigkeitsanspruch bereits verloren und wird zusammen mit anderen als Meinungen früherer Autoren (oder Gruppen) aufgelistet und ggf. der

389 North 2007; T. J. Cornell in: FRHist I, 67.

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Lebendiger Diskurs, Aktualisierung durch Aufnahme und Wegfall von Motiven, Systematisierung

Erzählung Motiv 1

Motiv 3

Motiv 2 ‚Originalversionen‘, (z. B. Caltinus, Galitas) Verlust des Wahrheitsanspruchs

Italisierung?

Kompilation, Paraphrasierung, Übersetzung, Textüberlieferung

Aufnahme in eine griechische Kompilation

Übersetzung ins Lateinische

Verrius Flaccus

Exzerpierung, Textüberlieferung

Festus

mündlich oder/und schriftlich schriftlich

(Paul. Diac.: aussortiert) Codex Farnesianus, 11. Jh.

denkbarer Moment der Italisierung wahrscheinlichster Moment der Italisierung

Abb. 20 Entwicklungsschritte der bei Festus überlieferten Erzählungen, mögliche Momente der Italisierung

eigentlichen Sicht des kompilierenden Autors gegenübergestellt. Veränderungen in dieser Phase sind primär die Folge der Paraphrasierung und damit der Kürzung längerer, in sich tendenziell kohärenter Erzählungen. Aufgrund des gewandelten Kenntnisstandes und Horizonts oder der Darstellungsabsicht der Autoren kann es dabei zu Verfälschungen der ‚Originalversion‘ durch im Sinne der ‚Originalversion‘ anachronis-

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tischen Anpassungen und zu Missverständnissen kommen.390 Verrius Flaccus gehört in diesen Kontext, Festus steht am Ende der Kompilationsphase. Beide wählen aus vorliegenden Aufzählungen aus und kürzen ggf. weiter. Die Phase der Textüberlieferung, in der der Text durch den Kopiervorgang Schaden nehmen kann, setzt bereits mit der ersten Verschriftlichung einer Erzählung ein. Die Italisierung kann nun, wie in dem Schaubild verdeutlicht, an unterschiedlichen Zeitpunkten stattgefunden haben, doch am wahrscheinlichsten ist m. E., dass sie eingetreten ist, als die Erzählung noch einen Wahrheitsanspruch erhob und Teil der intentionalen Geschichte war. Es sind somit zwei Varianten der Erzählungen zu untersuchen: die ‚ursprüngliche‘ und die italisierte Version. 3.6.2.1 Latium? Wenden wir uns zunächst der ‚ursprünglichen‘ Version zu. In beiden Erzählungen war wahrscheinlich eine eponyme Komponente vorhanden, die in den vorliegenden Paraphrasen nicht mehr explizit ausgeführt ist. Bei Caltinus 391391 liegt damit eine ganz einfache Erzählung vor: der trojanische Flüchtling Latinus kommt in „…“392 an und gründet eine Stadt, der er den Namen Rom nach seiner Frau Rhome gibt. Statt Italien dürfte er spezifischer die Landschaft des späteren Latiums in Besitz genommen haben. Analog zu seiner Gattin Rhome, die der von ihm gegründeten Stadt den Namen gibt, wäre seine Rolle die des Namengebers der Region und der Latiner. Es liegt also das einfache Schema des eponymen (ethnischen) Königs vor, vergleichbar dem Tyrrhenos oder dem Oinotros. Seine Herkunft aus Troja rückt ihn zusätzlich in die Nähe der genannten Eponyme, die ihrerseits

390 s. z. B. V. Costa, comm. ad BNJ 45 F 9 (Hegesianax): „[B]ut Festus – who clearly derives the quotation of Kephalon at second hand (as shown by the remark ‚qui de adventu Aeneae in Italiam videtur conscribisse‘) – could simply have misunderstood his source(s).“ 391 Zum Verständnis von ut Italia sit potitus s. o. S. 89 Anm. 33. 392 Wie der Ort der Ankunft ‚ursprünglich‘ hieß, ist unbekannt. Wenn die Namengebung erst durch den Heros selbst erfolgte, wäre an Tyrrhenia (entsprechend der Herrschaft des hesiodeischen Latinos über die Tyrsenoi), Hesperia (wie vielleicht das Ziel des Aeneas bei Stesichoros), Ausonia (s. Dion. Hal. ant. 1,35,3) oder die Opike (der Landungsort bei Aristoteles) zu denken. Bei einer Bezeichnung als Latinion bzw. Latine hätte Latinos aufgrund der Konstellation und Sagenchronologie nicht die Eponymie inne. – Diese Überlegungen erklären, warum es zu Konstruktionen wie den Aborigines oder allgemeinen Bezeichnungen wie Hesperia kommen konnte: Man benötigt einen Namen vor der eigentlichen Benennung durch den ersten eponymen König, wenn man über dessen Ankunft in seinem zukünftigen Land sprechen möchte. In Ausnahmen wurde angemerkt, dass ein Ort, hier der kampanische Fluss Sarno, vor der Ankunft der neuen Siedler namenlos gewesen sei, z. B. Konon in Serv. auct. Aen. 7,738: Conon in eo libro, quem de Italia scripsit, quosdam Pelasgos aliosque ex Peloponneso conuenas ad eum locum Italiae uenisse dicit, , cui nullum antea nomen fuerit, [et flumini quem incolerent], Sarro nomen inposuisse ex appellatione patrii fluminis, et se Sarrastras appellasse.

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aus Lydien (Tyrrhenos) oder Arkadien eingewandert sind, entsprechend der ethnographischen Vorliebe für Ethnogenesen als Folge von Wanderungsbewegungen.393 Der Verzicht auf Aeneas und die ungewöhnliche Bezeichnung des Latinus selbst als Trojaner könnte dabei als Vereinfachung einer stärker ausgearbeiteten Version,394 aber genauso auch als einfachste denkbare Form einer mytho-ethnographischen Beschreibung verstanden werden. Zwar treten keine epischen Helden auf, doch über das Motiv der Flucht der Trojaner ist die Erzählung in den Kontext der Nostoi eingeordnet. Die Erzählung des Galitas ist vor der Italisierung ebenfalls plausibel. Wie im Zusammenhang mit dem Schiffsbrand diskutiert, kommt auch Aeneas wie andere Heroen an einem spezifischen Ort an, den er durch seine Niederlassung in Besitz nimmt. Die Verbindung eines Helden mit einer bestimmten, begrenzten Region und einer Stadt ist dabei die Regel.395 Das Motiv der Herrschaftsübergabe zwischen Helden unterschiedlicher Herkunft ist in der Mythographie archaischer und klassischer Zeit ebenfalls bekannt, so übergibt nach Antiochos der Oinotrier Italos seine Herrschaft dem Morges unbekannter Herkunft und dieser Sikelos, einem Flüchtling aus Rom. Ebenso kann auch Aeneas dem Laertiden Latinos seine Herrschaft über das Land weitergeben. Das Volk und das Land erhalten den Namen von Aeneas’ Nachfolger. Die Geschichte dient somit ebenfalls der Rückführung der Latiner auf trojanische Ursprünge, hier in der Variante des epischen Aeneas, und gleichzeitig der Erklärung des Namens der Latiner sowie der Ursprünge Roms, womit sie den Bogen bis zur Gegenwart des Erzählers schlägt. Das zentrale Motiv in diesen beiden Erzählungen über die Inbesitznahme des Landes, explizit bei Caltinus (potiri), indirekt durch die Erwähnung der Herrschaft des Aeneas bei Galitas (imperium),396 findet sich auch in den anderen Ursprungserzählungen der zeitgenössischen Mythographie. Dabei gibt es, wie bereits bei der Diskussion des Schiffsbrandes gesehen, einerseits die Möglichkeit, dass die Einheimischen, deren Land erobert wird, verschwiegen werden oder dass die Ankömmlinge explizit auf ein

393 Die trojanische Herkunft des Latinus bedeutet, dass die laertidische oder eine mögliche ‚einheimische‘ Abstammung nicht mehr bekannt waren oder aber dass die Anbindung an die Trojaner zu dem Zeitpunkt der Entstehung und für das Publikum attraktiver (inhaltlich begründet oder einfach moderner?) war und die Identität des Latinus daher intentional abgewandelt wurde. 394 Dies wäre der Fall, wenn es sich tatsächlich um einen ‚verstümmelten‘ Kallias handeln würde. Doch die Erzählung macht in sich nicht den Eindruck eines Torsos, sondern ist mit Protagonisten und Handlung entsprechend den Vergleichsbeispielen vollständig narrativ ausgearbeitet. Die Kürze ist der Paraphrase geschuldet, s. o. 395 Am berühmtesten ist die Ankunft des Diomedes in der Daunia, wo er Schwiegersohn des eponymen König Daunos wird und die Stadt Argyrippe (Arpi) gründet; zu Diomedes s. bereits o. S. 125 Anm. 185. 396 Vgl. die Herrschaft des Oinotros: Dion. Hal. ant. 1,12,1, wo das neugewonnene Land Oinotria und οἱ ἄνθρωποι πάντες ὅσων ἦρξεν Oinotroi genannt werden.

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unbewohntes Land treffen, wie teilweise bei den Oinotriern;397 andererseits kann der Sieg über frühere Bewohner bzw. die kriegerische Hinzugewinnung von Land in den eponymen Erzählungen betont werden, wie ebenfalls bei Oinotros,398 aber auch bei Tyrrhenos399 und Italos400 der Fall. Das Ergebnis der Eroberung ist stets die Benennung eines Landes und des sich dort niedergelassenen Volkes nach dem siegreichen König bzw. seinem Nachfolger.401 Die postulierten ‚ursprünglichen‘ Erzählungen des Caltinus und des Galitas vor der Italisierung folgen also dem üblichen Schema mythischer Ursprünge in ethnographischer Perspektive und sind gut im Kontext des 5. und 4. Jahrhunderts vorstellbar. 3.6.2.2 Italia Mit der ‚Italisierung‘ ändert sich genau diese Funktion der Erzählungen: Latinus verliert seine explizite eponyme Funktion und der Schauplatz der Erzählung ist nicht mehr das ‚natürliche‘ Königreich des eponymen Helden. Der Fokus geht dafür über Latium hinaus, die Eroberung und die Herrschaft der trojanischen Ankömmlinge gilt – ganz – Italien. Anders als bei den postulierten früheren Versionen wird also ein großes Reich erobert, das selbst Heimat für viele Völker war. Die Besonderheit der Erzählungen über die Trojaner, in den Aeneas-Versionen oder wie rekonstruiert solchen über Latinus, ist, dass anders als in den ebenfalls italisierten Ursprungsgeschichten anderer Regionen hier keine Spezifizierung innerhalb der Italia angegeben ist. So wird bei den expliziten Angaben der Eroberung des Tyrrhenos sein Herrschaftsbereich auf „einen Teil Italiens“ beschränkt.402 Im Fall des Italos wird die alte Bedeutung des Namens betont und sein Reich durch spezifische geographische Angaben in seinen Ausmaßen relativiert. Bei Caltinus und Galitas ist dagegen lediglich Italia angegeben ist und bei 397 Weite Teile der späteren Oinotria waren unbewohnt: Dion. Hal. ant. 1,12,1: Εὑρὼν δὲ χώραν […] ἔρημον δὲ τὴν πλείστην, „Er fand viel Land vor […]. Der größte Teil davon war aber menschenleer […].“ 398 Dion. Hal. ant. 1,12,1: […] οὐδὲ τὴν οἰκουμένην πολυάνθρωπον, ἀνακαθήρας τὸ βάρβαρον ἐκ μέρους τινὸς αὐτῆς ᾤκισε πόλεις […], „[…] auch der besiedelte [Teil war] nicht dicht bevölkert. Das säuberte er teilweise von den Barbaren und gründete […] Städte.“ 399 z. B. Dion. Hal. ant. 1,27,2; Fest. 430, 9–14 L. 400 Antiochos (FGrHist 555 F 5 = Dion. Hal. ant. 1,35,1); s. aber o. S. 100 zur Besonderheit des Italos, der vielmehr ein topographischer als ein ethnischer Eponym war, da es in historischer Zeit zwar eine Italía, aber keine Italoí gab, die wie der eponyme Held erst aus der Notwendigkeit der Erklärung des Choronyms entstanden waren („ghost people“, Begriff N. Luraghi). 401 Dass bei Galitas die Eponymie erst durch den zweiten König erfolgt, weicht von dem Schema ab. Es deutet aufgrund des kumulativen Charakters der Erzählung auf eine spätere Entstehung hin. 402 Dion. Hal. ant. 1,27,2: Τυρρηνὸν δὲ τῆς ἀποικίας ἡγησάμενον πολλὴν κτήσασθαι τῆς Ἰταλίας καὶ τοῖς συναραμένοις τοῦ στόλου ταύτην θέσθαι τὴν ἐπωνυμίαν. Tyrrhenos habe „das Siedlungsunternehmen angeführt, einen großen Teil Italiens erobert und den Teilnehmern an dem Zug seinen Namen gegeben“ (Übers. A. Städele); Fest. 430, 9–14 L.

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Agathokles von Kyzikos heißt es, die Phryger hätten „Italien und besonders die Gegend um das spätere Rom“ erobert. Das Publikum des Galitas, des Caltinus und des Agathokles muss also nicht mehr nur an die Gegend um Rom, sondern an die ‚römische‘ Italia denken, wenn von den Ursprüngen der urbs die Rede ist. Die Inkongruenz von König, Latinus, und Herrschaftsgebiet, Italia, ist die Folge der Einordnung einer zuvor ‚normalen‘ ethnographisch-aitiologischen Ursprungsgeschichte der Latiner in einen übergeordneten, größeren Kontext. Latinus herrscht nun über ein Territorium, in welchem auch viele weitere Völker leben. Die Komplexität des Italienbegriffs der latinischen Ursprungserzählung zeigt sich am deutlichsten bei Vergil, der zwar als Hauptvertreter der Vulgata Jahrhunderte nach Caltinus und Galitas schreibt, aber die hier eingeleitete Entwicklung bezeugt. Die Götter erteilen Aeneas den Auftrag zur Gründung eines neuen Trojas und prophezeien ihm die Herrschaft über Italien. Dies wird in den ersten Büchern der Aeneis immer wieder eindringlich wiederholt, nicht zuletzt angesichts der Verlockungen Karthagos.403 Die trojanischen Flüchtlinge ersehnen daher die Ankunft an der italischen Küste. Doch Helenos warnt vor einer Ansiedlung am Ort der ersten Landung – da dieses Land von Griechen besiedelt sei.404 Das gelobte Land, dessen Erreichen die Trojaner mit Jubel und Dankopfern für die Götter feiern,405 ist nur scheinbar das Ende der Reise, die erst nach den Stationen in Sizilien und Karthago zu einer erneuten Ankunft in Italien, in Kampanien, führen wird, bis sie in Latium ihr Ziel findet.406 Zwar wird im Folgen403 s. gleich zu Beginn den Dualismus zwischen Italien und Latium: Verg. Aen. 1,2. 6; Auftrag der Gründung Trojas in Italien: 1,261–266. 551–554; 3,158 ff.; Verheißung der italischen Herrschaft: u. a. 3,158–160; 4,272–276; 9,267 f.; Aeneas soll nicht die verheißene Herrschaft über Italien gegen die in Karthago eintauschen: 4,105 f. 404 Verg. Aen. 3,389: cuncta malis habitantur moenia Grais; 3,550: Graiugenumque domos. – Der trojanisch-griechische Gegensatz, den Vergil betont, ist, wie wir bereits sahen, nicht schon immer Bestandteil der Tradition. Es handelt sich hier um eine Aktualisierung. In einigen Städten Süditaliens gab es bereits vor der römischen Expansion trojanische Traditionen, so sicher im griechischen Siris (Strab. 6,1,14), wahrscheinlich im daunischen Luceria (Strab. 6,1,14) sowie im apulischen Castrum Minervae. Die Identifizierung dieses Ortes mit dem von Vergil und Dion. Hal. ant. 1,51,3 erwähnten Athenaheiligtum ist durch den Fund des Torsos einer Athena-Statue aus dem späten 4. oder frühen 3. Jh. v. Chr. in Castro wahrscheinlich geworden, s. D’Andria 2020. 405 Verg. Aen. 3,521–531, s. insb. die an den Thalassa-Ruf der Griechen bei Xenophon erinnernden Verse 3,522–524: cum procul obscuros collis humilemque uidemus / Italiam. Italiam primus conclamat Achates, / Italiam laeto socii clamore salutant, „[…] als wir in der Ferne dunkle Hügel erblicken und flach daliegend Italien. Italien, ruft als erster Achates, Italien, grüßen mit Jubelgeschrei die Gefährten“ (Übers. E. und G. Binder). – s. auch Dion. Hal. ant. 1,51,3 (ταῖς δὲ λοιπαῖς κατὰ τὸ καλούμενον Ἀθήναιον, ἔνθα καὶ αὐτὸς Αἰνείας ἐτύγχανεν ἐπιβὰς Ἰταλίας). 406 s. die Prophezeiung durch Helenos: Verg. Aen. 3,381 ff.: erst das Land jenseits des Kirkaion werde sicher für die Niederlassung sein. Die endgültige Ankunft in Italien findet bei Verg. Aen. 6,1 ff. vor Cumae, bei Dion. Hal. ant. 1,53,2 und C. Iulius Hyginus fr. 7 Funaioli südlich von Paestum am später nach Aeneas’ Steuermann Palinurus genannten Hafen statt. – In manchen Versionen der Vulgata erreicht auch Anchises Italien, womit Latium gemeint ist, s. insb. Cato FRHist 5 F 6 a–e (in FRH nur eines der Zeugnisse aufgenommen: 3 F 1,9a). In allen Varianten dieser Catostelle ist Italien der Ort der Ankunft und schließlich der Bestattung von Aeneas’ Vater; s. auch OGR 10,5;

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den ausführlich der Kampf um die Herrschaft in Latium (als Kampf um die Hand der Königstochter) besungen, in dem die Heere aller Völker Italiens involviert werden,407 doch das Ergebnis der erzählten Handlung ist die Erneuerung des latinischen Volkes durch den Zusammenschluss der Latiner mit den Trojanern, nicht die Eroberung Italiens. Ist diese auch Teil der Prophezeiung für die Trojaner, wird sie elliptisch aus dem Epos ausgegliedert. Während also die Identität zwischen dem apulischen und dem latinischen Italien auf diese Weise aufgebrochen wird, beruht die vergilianische Erzählung, dass Italien in Wahrheit die Heimat der Trojaner sei und Aeneas in das Land des Dardanus zurückkehren solle, auf der Identität von Tyrrhenia und Latium als Teilen Italiens.408 Obwohl uns hier in Bezug auf Latinus insbesondere der Aspekt der latinischen Herrschaft über Italien interessiert, sollen auch weitere Folgen der Italisierung der Mythographie angesprochen werden. Denn die eben angesprochene Vorstellung der italischen Heimat der dardanischen Trojaner bei Vergil erklärt sich nur als ein Ergebnis dieses Prozesses. Nicht nur wurden Latium und die übrigen zunächst unabhängigen Regionen der Apenninenhalbinsel in das große Italien eingeordnet, so dass die jeweiligen Vorfahren stets ‚nach Italien‘ gekommen waren, wie wir bereits sahen. Da Rom nun das Zentrum Italiens war, wurden die lokalen Erzählungen durch die Italisierung Teil der römisch-latinischen Ursprünge. Auf diese Weise wurde Corythus, „König Italiens“ aus dem tyrrhenischen Cortona, der Vorfahr der dardanischen Flüchtlinge aus Troja und die Oinotrier als Aborigines die vortrojanischen Vorfahren der Latiner.409 Die

11,1; 13,3. Bei Vergil erreicht Anchises durch die doppelte Ankunft der Trojaner zwar wie zuvor Italien, aber nur das Epirus gegenüberliegende Castrum Minervae, bevor er in Sizilien verstirbt, wo er unter Leichenspielen epischer Tradition am Eryx bestattet wird (in einer anderen Tradition verstirbt Anchises in der thrakisch-makedonischen Gründung Aineia/Aineades, s. Lykophr. Alex. 1236 mit Schol. ad loc. und Steph. Byz. s. v. Aineia). 407 In der Aeneis wird an mehreren Stellen explizit auf den Reichtum an Völkern hingewiesen: So soll die Sibylle von Cumae Aeneas die Völker zeigen, gegen die er kämpfen wird (Verg. Aen. 3,458– 460); in der Heeresschau im 7. Buch werden die einzelnen Völker Italiens und ihre Heere, die meisten von ihnen allerdings als Verbündete des Turnus, vorgestellt. 408 s. o. S. 108 und Verg. Aen. 3,166–171. Latinus spricht in Laurentum davon, dass Dardanus „von hier, von dem etruskischen Sitz des Corythus“ aufgebrochen sei (Verg. Aen. 7,209: hinc illum Corythi Tyrrhena ab sede profectum), man sieht also die selbstverständliche Einvernahme Etruriens durch Rom. In der Interpretation des Turnus in Serv. Aen. 7,367 wird Aeneas selbst aufgrund seiner Abstammung von Dardanus sogar zum „Latiner“, wodurch die Gleichung Etrurien = Italien um Latium erweitert und der Kreis geschlossen wird: nam dicendo originem considerandam, docet et Turnum Graecum esse ab Inacho et Acrisio, et Aenean Latinum a Dardano. Diese Stelle von zentraler Bedeutung, weil dort die ethnische Identität eines Helden von den Ursprüngen seiner Vorfahren, nicht von dem aktuellen Wohnort bestimmt wird, allerdings ist sie im Kontext des Orakels zu sehen, das Latinus vor einem einheimischen Schwiegersohn warnte und somit die Ehe des Turnus mit Lavinia verhinderte. 409 Serv. Aen. 7,207: Iuppiter cum Electra, Atlantis filia, Corythi regis Italiae uxore, concubuit. sed ex Iouis semine natus est Dardanus, ex corythi Iasius […].

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Italisierung erklärt zudem sowohl die konkurrierenden, sich eigentlich ausschließenden Bezeichnungen der Ausones,410 Oinotroi,411 Aborigines und Ombrikoi412 als jeweils ältestes Volk Italiens als auch die Ausweitung weiterer Namen von einzelnen Landschaften auf die gesamte Halbinsel und ihre Bewohner, wie Ausonia und die Ausonii413 und Oenotri und Oenotria.414 In die andere Richtung konnten die zunächst mit der römisch-latinischen Geschichte und Topographie verbundenen Segnungen des Saturnus auf ganz Italien ausgeweitet werden, so dass Saturnia nun nicht mehr nur als ein früher Name des Kapitols, sondern auch als Bezeichnung (Latiums und) der ganzen Apenninenhalbinsel verstanden wurde.415 (Ein) Latinos selbst herrschte schließlich, so der Mythograph Konon, als König der Italer im griechischen Lokroi und traf dort auf Herakles.416 Wir haben es also mit einer Italisierung der unterschiedlichen regionalen Ursprungserzählungen zu tun, indem deren Handlungen nun ‚in Italien‘ angesiedelt werden. Gleichzeitig kann man allerdings von einer Romanisierung der Geschichten sprechen, da die Konsequenz oder auch das Ziel die Integration der Erzählungen in die Ursprünge Roms (und Latiums) ist. Was ihre Entstehung betrifft, kann man, während oben italische Aktualisierungen besprochen wurden, in vielen Fällen statt von einer Italisierung einer bereits existierenden Geschichte von einem Italismus sprechen, bei dem eine Erzählung in italischer Perspektive, aber letztlich stets mit Blick auf Rom entstanden ist.417

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Serv. Aen. 11,253. Dion. Hal. ant. 1,11,1; 13,2; Verg. Aen. 3,165. Plin. nat. 3,112. z. B. Serv. auct. Aen. 3,171: Ausonia […] primo pars, postea omnis Italia nominata. z. B. Verg. Aen. 1,532 = 3,165; 7,85; Sil. It. passim. Fest. 430, 30–432, 2 L: Saturnia Italia, et mons, qui nunc est Capitolinus, Saturnius appellabatur, quod in tutela Saturni esse existimantur Saturni quoque dicebantur, qui castrum in imo clivo Capitolino incolebant, ubi ara dicata ei deo ante bellum Troianum videtur […]; Kapitol: Enn. ann. 1,21 Skutsch mit Varr. ling. 5,42. 45; Ov. fast. 6,31; Plin. nat. 3,68; OGR 3,1; Italien: Serv. (auct.) Aen. 8,328 (Latium als Saturnia: Serv. Aen. 8,322); 7,180: ergo Saturnus rex fuit Italiae. – Der Tempel des Saturn aus den ersten Jahren der Republik zeigt deutlich, dass der Gott ebenso wie Faunus seit jeher in Rom verehrt wurde. Beide wurden jedoch ab dem 2. Jh. im Gefolge des Euhemerus als vergöttlichte Heroen gedacht; zu diesem Aspekt s. Brelich 2010 (1955). 416 Konon, FGrHist 26 F 1 (3). 417 Weitere mögliche Fälle von Italisierung bzw. ‚Italismus‘ auch in historischeren Kontexten können hier nicht behandelt werden, so die chronologisch unmögliche, aber dennoch einflussreiche Erzählung über Numa als Schüler des Pythagoras. Pythagoras spielte als Identifikationsfigur über die Jahrhunderte hinweg eine wichtige Rolle auch bei Samniten und Römern, s. die Statue, die ihm aufgrund eines delphischen Orakels als sapientissimus Graiae gentis zusammen mit einer weiteren für Alkibiades, dem fortissimus, während der Samnitenkriege auf dem römischen Comitium aufgestellt wurde, Plin. nat. 34,26; Plut. Numa 8,20; s. J. Briscoe, comm. ad Cass. Heminam, FRHist 6 F 35 [FRH 6 F 40] = Plin. nat. 13,84–88; Dench 1995; Humm 2014.

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3.6.2.3 Datierung und historischer Kontext Die meisten genannten Beispiele von Italisierung und Italismus stammen aus dem 2. und 1. Jahrhundert v. Chr., insbesondere Vergil spielt hierbei eine zentrale Rolle. Doch m. E. stammt die italische Aktualisierung der Erzählungen des Galitas und des Caltinus aus der Zeit der Eroberung der italienischen Halbinsel und haben wir es somit mit einem der frühesten (mythographischen) Niederschläge der nun weit über Latium hinausgehenden römischen Machtposition zu tun. Für die Datierung müssen also zwei Entwicklungen vollendet sein: Einerseits wie bereits betont die geographische Ausweitung des Italienbegriffs unter Einbeziehung Roms und Latiums, andererseits die römische Eroberung Italiens, wenn wir annehmen, dass sich eine solche historische Entwicklung als intentionale Aktualisierung in der Erzählung niedergeschlagen hat. Erst als Rom und Latium als Teil Italiens betrachtet werden, kann von der Gründung Roms in Italien gesprochen werden. Aufgrund der Überlieferungssituation stammt der erste sichere literarische Terminus von Cato, der Italien als die gesamte Halbinsel zwischen den Alpen und dem Ionischen Meer bezeichnet.418 Dieses geographische Italienbild ist jedoch zweifellos bereits lange vor Cato und ebenfalls lange vor dem Zweiten Punischen Krieg allgemein verbreitet, als die Alpen Italien nicht ausreichend Schutz vor Hannibal gewährten.419 Alles spricht dafür, dass die Vorstellung eines ‚großen‘ Italiens vor dem Ersten Punischen Krieges entstanden ist und dass sie zu diesem Zeitpunkt, d. h. vor den erstmaligen militärischen Handlungen außerhalb Italiens, bereits untrennbar mit der römischen (Vor)Herrschaft verbunden war. Diese Sicht geht nicht nur aus der Einschätzung des Polybios mehr als hundert Jahre nach den Ereignissen hervor,420 man konnte ein solches Italienbild wohl bereits in dieser Zeit als Gemälde in dem 268 v. Chr. geweihten Tempel der Tellus in Rom betrachten. Bei der in Varros Res rusticae erwähnten Italia picta handelte es sich höchstwahrscheinlich um eine Darstellung der Apenninenhalbinsel.421 Die Italia picta muss als Monu-

418 Cato FRHist 5 F 150 (FRH 3 F 4,10) zu den Alpen, allerdings nur als Quellenangabe für Serv. Aen. 10,13. Von den Geographen des 3. Jh.s wie Eratosthenes ist keine Erwähnung Italiens erhalten. 419 So durchgehend bei Polybios und allen späteren Autoren über den Hannibalkrieg. Es ist anzunehmen, dass Rom bereits bei Fabius Pictor zu Italien gehörte, wenn er davon schrieb, wie Herakles nach Italien kam. Aus römischer Perspektive, d. h. der des Geschichtsschreibers, ist hier sicher bereits der Besuch des Herakles an der Stelle des späteren Roms gemeint. Das Zeugnis stammt aus der Inhaltsangabe des Geschichtswerkes aus dem hellenistischen Gymnasium von Taormina (FRHist 1 T 7, FRH 1 F 1) aus dem frühen 2. Jh. v. Chr., ist also kurz nach der Veröffentlichung entstanden (Battistoni 2006). 420 Pol. 1,5,2: Vereinigung Italiens durch Rom: πότε συστησάμενοι τὰ κατὰ τὴν Ἰταλίαν. 421 Varr. rust. 1,2,1. Die Datierung der Italia picta ist vielfach diskutiert worden, s. Simon 2011, 143 ff. mit Lit., gegen die Meinung, dass die Italia picta Teil der Restaurierung des Tempels durch Cicero war (u. a. Brodersen 1995, 152–155). Man kann nicht mit Sicherheit sagen, um was es für eine Art der

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ment für Roms Erringung der Vorherrschaft in Italiens verstanden werden422 und zeigt somit, dass Rom nicht nur eine zentrale Machtposition gegenüber den verschiedenen Völkern der Apenninenhalbinsel eingenommen hatte, sondern seinen Einflussbereich mit dem übergeordneten Italienbegriff konzeptualisierte. Zu Beginn des Ersten Punischen Krieges und versinnbildlicht in der Italia Picta hatte also ein Ausweitungsprozess seinen Abschluss gefunden, in dessen Verlauf Italia, ausgehend von der Spitze der Apenninenhalbinsel,423 und der römische Einflussbereich, ausgehend von Latium, Kampanien und Südetrurien, deckungsgleich geworden waren. Aus der geographischen Vorstellung der Italia, die ihrerseits sowohl überethnisch (sie enthielt sowohl die griechischen Italiotai als auch die nichtgriechischen Italoi der unterschiedlichen Völker Mittel- und Süditaliens sowie Etrusker und Latiner) als auch eng mit den griechischen Städten des Italiotenbundes unter wechselnder Hegemonie verbunden war, wurde der Herrschaftsbereich Roms. Über den Italienbegriff konnte somit die neue Herrschaft benannt werden, die nicht mehr dem Charakter und der Größenordnung eines Stadtstaates wie Rom und eines ethnisch definierten Verbandes wie Latium und der Latiner entsprach und gerade viele verschiedene Völker umfasste.424 Diese ‚Romanisierung‘ Italiens schlug sich nicht zuletzt in den sakralen Regeln Roms nieder, denn es war dem Pontifex maximus verboten, Italien zu verlassen.425 Wann nun diese Überschneidung von römischem Herrschaftsbereich und Italia stattgefunden hat, ist in der Forschung umstritten. Sie hängt eng mit der Einschätzung des Charakters der römischen Expansion und der Historiographie zu dieser Entwicklung zusammen. Einer Charakterisierung als Folge eher reaktiver, ungeplanter Eroberungen, wenn auch geschürt von der außerordentlichen Bedeutung militärischer Erfolge für die Mitglieder der meritokratischen patrizisch-plebejischen Nobilität, steht die Annahme gegenüber, dass den römischen Aktionen Richtung Süden bereits recht

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Darstellung es sich bei der Italia picta handelte, allerdings ist ein Vergleich mit dem Nilmosaik von Palestrina denkbar. Russo 2010, 104 für Datierung ins Jahr 268 v. Chr. oder kurz nach Einweihung des Tempels: „Tale immagine avrebbe celebrato anche ‚visivamente‘ il dominio di Roma sull’Italia“, auch Hölscher 1978, 352 wertet sie als „Ausdruck der römischen Expansion“. Dieser Ausweitungsprozess begann bereits im 4. Jh., zunächst im Kontext des Italiotenbundes gegen die Expansion der oskischen Völker Richtung Küste (s. Lomas 1993, 32 f.). Eine frühzeitige und großzügige Einvernahme der ganzen Halbinsel unter den Landschaftsbegriff Italien findet sich bei Iust. 20,1 bereits für die Herrschaftszeit des Dionysios von Syrakus, s. o. S. 133 f., und auch Agathokles wird eine Verwendung des Begriffs zugeschrieben, s. Humm 2010, 48: „Or cet intérêt pour Rome ne se comprend que dans le cadre de la politique expansionniste d’Agathoclès en Grande Grèce et dans celui de sa tentative de donner un contenu politique au concept unificateur d’Italie.“ Die Römer übernahmen diesen überethnischen Italienbegriff von den Griechen, s. u. a. Simon 2011, 434. Die römische Vorstellung operierte üblicherweise mit Völkern als Kriegsgegnern, wie es aus den Triumphalfasten hervorgeht, in denen stets Siege über Völker oder Städte, nie aber über Italien angegeben waren. Liv. 28,38,12 (frühestes Zeugnis zum Jahr 205 v. Chr.); s. auch Serv. auct. Aen. 8,552 (für die Flamines); dazu grundlegend Catalano 1978, 528 f.; Dench 2005, 160; Simon, 2011, 80 f.

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früh die Hegemonie in Italien als Kriegsziel zugrunde lag.426 Entscheidende Momente zur Zeit der Samniten- und Pyrrhuskriege sind, in der Sicht der antiken Historiographie und auch der Forschung, die deditio Capuas noch vor dem Latinerkrieg im Jahr 343,427 das foedus aequum mit Neapel 326,428 wechselnde Bündnisse zwischen Rom und Dauniern bzw. Apulern (326, Eroberung 319)429 und Lukanern (326, aber nur von kurzer Dauer)430 und der Bau der Via Appia zum schnellen Truppentransport Richtung Kampanien und Hirpinien sowie die Deduktion zahlreicher Kolonien in den samnitischen, marsischen, daunischen Gebieten und somit die dauerhafte Präsenz von Latinern in großen Teilen der Appeninenhalbinsel. Von besonderer Bedeutung ist der Vertrag zwischen Rom und Karthago aus dem Jahr 306 v. Chr., der regelte, dass sich Karthago von Italien und Rom von Sizilien fernzuhalten habe. Während Polybios diesen sogenannten Philinos-Vertrag als ahistorisch bezeichnet, schätzt ihn die Forschung heute weitgehend als historisch plausibel ein, wobei aber eher an Einflussbereiche (Sizilien für Karthago, Italia für Rom) als an eine effektive Herrschaft zu denken sei.431 Dass die Römer in jenen Jahren als Herren über Italien oder zumindest einen gewissen Teil Italiens betrachtet werden konnten, zeigt zudem die Nachricht von einer Gesandtschaft von Demetrios Poliorketes – und nach Strabon bereits von Alexander (dem Großen oder dem Molosser?) –, der Rom dazu anhielt, die von ihm beherrschten Antiaten von der Piraterie abzuhalten.432 Einem Vertrag mit

426 Die Debatte kann an dieser Stelle nicht entschieden werden; s. zuletzt Terrenato 2019 zur Forschungsgeschichte zur Eroberung Italiens und zum römischen Imperialismus. 427 Liv. 7,29–31 mit comm. Oakley 1997–2006, II, 284 ff. 428 Liv. 8,25,5–27,5; Dion. Hal. ant. 15 H–I Pittia (= 15,5–10 Jacoby). 429 Liv. 8,25,3; 27,2 f.; 9,20,7–10: Befriedung Apuliens; lt. Strab. 5,4,2 ist Daunien der griechische Name der Region, Apulien der lokale, s. Pouzadoux 2013, 20. 430 Liv. 8,25,3; 27,4–11. Oakley 1997–2006, II, 651 hält die Allianz für möglicherweise nicht historisch, da die Lukaner nur wenig später sowie in 9,20,9 als Gegner Roms in Erscheinung treten. 431 Liv. 9,43,26; Philinos FGrHist 178 F 1 = Pol. 3,26,2–7; s. auch comm. ad Diod. 23 fr. 2,3 ed. P. Goukowsky 2006, Anm. 8; zuletzt Simon 2011, 87–89 mit Lit., eher positiv bzgl. des Vertragsschlusses (ebenso Ferrary 1988, 33–40), vorsichtig bzgl. der Italien-Vorstellung; Scardigli 1991, 143–145 denkt bei Italien an die von Rom bereits eroberten Gebiete, aber auch solche, deren Eroberung noch ausstand, also die Westküste zwischen Latium und Kampanien, nicht aber ‚ganz‘ Italien; skeptisch z. B. Oakley 1997–2006, II, 258, da die karthagischen Zugeständnisse nicht der römischen Macht­ expansion und die Roms nicht ihren s. E. noch bescheidenen Ambitionen entsprochen hätten. – Zu den früheren Beziehungen zwischen Rom und Karthago (s. z. B. die Sendung eines Kranzes aus Karthago anlässlich des ersten römischen Sieges über die Samniten 341 v. Chr., Liv. 7,38) s. Scardigli 1991. 432 Strab. 5,3,5 (s. Zitat o. S. 74 Anm. 185, hier insb. στρατηγεῖν […] τῆς Ἰταλίας) mit De Sensi Sestito in: D’Alessandro/De Sensi Sestito 2011, 478 mit Anm. 129 mit Lit.; der bei Strabon erwähnte König Alexander ist entweder Alexander der Große selbst (s. Humm 2016, 90 mit Anm. 13) oder der Molosser; die Gesandtschaft von Demetrios Poliorketes wird entweder 306–301 (während dem Krieg gegen Rhodos, Mele 2004, 301 f.) oder nach der Schlacht von Sentinum 295 (Humm 2006, 179; Humm 2016, 89 f.) angesetzt; Russo 2010, 101 Anm. 68 folgt Strabon, dass Rom bereits zu dieser Zeit eine strategeia in Italien innehatte.

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Tarent (303/302)433 folgte nach dem Sieg im Samnitenkrieg ein Bündnis mit Thurii (285 gegen die Lukaner)434 und schließlich der Krieg gegen Tarent und Pyrrhus. Wie im Philinos-Vertrag mit Karthago spielt Italien auch als Schauplatz des Krieges mit Pyrrhus eine zentrale Rolle, da die von Appius Claudius Caecus vorgebrachte römische Position war, dass der König von Epirus Italien verlassen solle, bevor es zu Verhandlungen komme. Während es in den Ereignisberichten der Historiographen noch teilweise zu Inkonsistenzen hinsichtlich des Italienbegriffs kommt, indem Tarent mal innerhalb und mal außerhalb der Region erscheint,435 ist die römische Devise einheitlich angegeben und sicher in dem Sinne zu deuten, dass Pyrrhus die Halbinsel, nicht nur einen kleinen Teil der Magna Graecia verlassen solle.436 Da diese Ansage aus Rom kam, zeigt sich hier der Anspruch auf die Hegemonie in einem erweiterten Italien. Kurz nach dem Sieg über Pyrrhus bei Benevent und der Eroberung des alten Hegemons Tarent war dieses Ziel erreicht, und man darf annehmen, dass der Herrschaftsbereich als Italien bezeichnet wurde. 272 v. Chr., nur wenige Jahre vor der Weihung des Tellus-Tempels und der Italia picta, hatte Rom somit Italien erobert und umfasste die Vorstellung von Italien die nördlichen Gegenden der Latiner, Etrusker und Samniten. 3.6.2.4 Hegemoniediskurse Die Eroberung Italiens durch Rom hat sich zweifellos in zeitgenössischen Diskursen aller Art niedergeschlagen, in der (west-)griechischen Welt ebenso wie in Latium und im übrigen Italien. Die Tatsache, dass sich gerade die Rede des Appius Claudius Caecus anlässlich der Gesandtschaft des Pyrrhus bis in Ciceros Zeit erhalten haben soll, zeugt sicher nicht nur von seiner Redekunst, sondern auch von der Bedeutung, die man in Rom seinen Aussagen wie derjenigen gegenüber Pyrrhus beimaß.437 Die anzunehmenden Diskurse sind kaum mehr greifbar, da der größte Teil der (griechischen) Literatur des späten 4. und 3. Jahrhunderts verloren, nur fragmentarisch erhalten (d. h. ggf. der Italisierung ausgesetzt) oder in seiner Authentizität und Datierung umstritten ist. Die späteren romanozentrischen Berichte über diesen Zeitabschnitt sind bereits teleologisch mit Kenntnis der weiteren Entwicklungen im Rückblick auf den Erfolg 433 434 435 436

App. Samn. 7,1. Lomas 1993, 51 mit Anm. 68. Zu Pyrrhus und Italien: Pittia 2010. Ineditum Vaticanum, FGrHist 839, 2; App. Samn. 10,6; 11,4 f.; Plut. Pyrrhus 18,7–19,5; Plut. an seni respublica gerenda sit 21, mor. 794D–E; s. Cornell 1995, 364; Humm 2005, 61 ff.; Simon 2011, 90–93. 437 FRL III 1 Ap. Claudius Caecus F 4–11. Die Rede ist vor der ältesten lateinischen Literatur entstanden, s. Simon 2011, 91: „premier témoignage de l’éloquence nationale et était […] un monument fondateur de l’histoire littéraire“. Zur Authentizität (d. h. der Übereinstimmung der erhaltenen Wiedergaben mit dem Original) s. Humm 2005.

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der römischen Eroberung Italiens hin verfasst. Die erhaltenen Texte über diese Zeit zeichnen sich dabei vor allem dadurch aus, dass sie den Kampf um die Vorherrschaft bereits im 4. Jahrhundert beginnen lassen. Die Samnitenkriege,438 der Pyrrhuskrieg439 und noch der Hannibalkrieg440 werden auf diese Weise gedeutet.441 Das belegt nicht, dass die Römer tatsächlich bereits im 4. Jahrhundert die Herrschaft über ganz Italien anstrebten oder dass dieses Ziel zu einem frühen Zeitpunkt überhaupt konzeptualisierbar war. Doch es bedeutet, dass eine solche Sicht der Geschichte durch den Erfolg der Eroberung ab einem nicht genau bestimmbaren Zeitpunkt nicht nur möglich, sondern gewollt war. Zwar herrschte später das unter anderem von Fabius Pictor propagierte Narrativ vor, dass die Expansion Roms primär eine Nebenwirkung der Selbstverteidigung gegen aggressive Nachbarn im Sinne eines bellum iustum gewesen sei.442 Doch es gab auch andere Deutungen, prominent in Polybios’ Urteil, dass die Römer sich bereits vor dem Krieg gegen Pyrrhus und der Vollendung der Eroberung Italiens als die Herren der Halbinsel betrachteten – also nach dem Sieg über Etrusker und Samniten sowie den ersten Erfolgen gegen die Gallier –, die sie nach dem Sieg über Pyrrhus und über Tarent tatsächlich geworden waren.443

438 Bei Livius (8,23,9) erscheint bereits im Jahr 327 Italien als Ziel der Auseinandersetzung zwischen Rom und den Samniten: […] Samnis Romanusne imperio Italiam regat decernamus; Oakley 1997– 2006, comm. ad loc. (II, 657) und Grossmann 2009, 42 Anm. 77 halten die Herrschaft über Italien als Kriegsziel an diesem frühen Zeitpunkt für „selbstverständlich anachronistisch“, gegen u. a. Salmon 1967, 214; Briquel/Brizzi 2000, 269, mit dem Argument, dass die Konfliktherde überall auf der Halbinsel verteilt waren; Liv. 10,16,7; Diodor schreibt im Bericht über das Jahr 314/313 ebenfalls über den Kampf zwischen Samniten und Römern um die Hegemonie, bezeichnet diese jedoch nur indirekt als Vorherrschaft über Italien, in 19,72,3 allgemein mit der Angabe des Schauplatzes gemäß seiner üblichen Darstellungsweise bei einem Ortswechsel in seinem Bericht (κατὰ δὲ τὴν Ἰταλίαν), in 19,101,1 mit der Angabe, dass es sich bei den um die Hegemonie rivalisierenden Samniten und Römern um die kämpferischsten Völker Italiens handelte (τὰ γὰρ μαχιμώτατα τῶν κατὰ τὴν Ἰταλίαν ἐθνῶν περὶ ἡγεμονίας φιλοτιμούμενα); s. auch Diod. 20,80,3 (πολλὰ γὰρ ἔτη τῆς Ῥώμης πρὸς τοῦτο τὸ ἔθνος [sc. ῶν Σαμνιτῶν] διαπολεμούσης ὑπὲρ τῆς ἡγεμονίας […], „Rom hatte schon viele Jahre mit ihnen Krieg um die Vorherrschaft geführt […]“, Übers. G. Wirth); App. Samn. 4,2. 14. 439 Pol. 1,6,8; Cic. Lael. 28. 440 z. B. Cic. Lael. 28. 441 In seiner Überlegung, ob Alexander der Große gegen Rom siegreich gewesen wäre, stellt Livius (9,17,2–19,16) dem Eroberer des Perserreichs schließlich bereits neben dem populus Romanus ein invictum imperium Romanum, unter der Leitung des römischen Senats, gegenüber, s. Simon 2011, 294 ff. zu der anachronistischen Diskussion bei Livius, da der Geschichtsschreiber nicht nur den Status Quo zum Zeitpunkt von Alexanders Tod, sondern auch die spätere Entwicklung anführt. Demnach hätte es ein durch die Orientalisierung geschwächter Alexander mit einem Heer, das sich auch aus den im 4. Jh. noch nicht besiegten Völkern Italiens zusammensetzte, zu tun gehabt. 442 s. Walbank 1957, comm. ad Pol. 1,6,6 mit Lit. 443 Pol. 1,6,6: […] οὐχ ὡς ὑπὲρ ὀθνείων, ἐπὶ δὲ τὸ πλεῖον ὡς ὑπὲρ ἰδίων ἤδη καὶ καθηκόντων σφίσι πολεμήσοντες […]. „[…] die übrigen Teile Italiens, um die sie nicht mehr als um fremdes Land kämpften, vielmehr bereits mit „dem Anspruch, es gehöre ihnen zu eigen […]“; 1,6,8: γενόμενοι δὲ παραδόξως ἁπάντων ἐγκρατεῖς καὶ ποιησάμενοι τοὺς τὴν Ἰταλίαν οἰκοῦντας ὑφ᾽ αὑτοὺς πλὴν Κελτῶν. „Als ihnen so das Unerhörte gelungen war, aller ihrer Feinde Herr zu werden und sich die Bewohner Italiens mit Ausnahme der Kelten untertan zu machen […]“ (Übers. H. Drexler).

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Vor dem historischen und auch dem ideologischen Hintergrund halte ich es also für höchst plausibel, dass eine allgemeine Erzählung über die Ursprünge Roms und der Latiner unter der Hinzufügung der Eroberung Italiens aktualisiert wurde. Durch die Erzählung wurde somit die soeben tatsächlich erreichte Eroberung Italiens in die Zeit der Ursprünge zurückversetzt, ja die Latiner hätten bereits vor der Gründung der Stadt über den Rest Italiens geherrscht, ihre aktuelle Herrschaft sei demnach nur legitim. Aufgrund der chronologischen Notwendigkeit, dass die Aktualisierung erst nach der tatsächlichen Eroberung Italiens und der damit verbundenen Ausweitung des Italienbegriffs stattgefunden haben kann, ist auch die Stoßrichtung der Geschichte deutlich: Es kann sich nicht um die mythhistorische Begründung des Ziels der Hegemonie im Vornherein handeln, für das in der Tat die methodisch nicht mögliche Feststellung eines Zieles nötig wäre, sondern vielmehr um eine Beschreibung, ggf. zum Zweck der Legitimation im Nachhinein. Die Übereinstimmung der Erzählung mit der historischen Situation legt eine positive Darstellungsabsicht nahe. Mir scheint ebenso wie eine neutrale ethnographische Ursprungserzählung eine romkritische Position ausgeschlossen. Fragen wir also nach dem Urheber der Aktualisierung, ist an ein romfreundliches Umfeld oder Rom selbst zu denken. Dies schließt Kallias, den Historiographen aus Syrakus aus, da sein König Agathokles selbst Interessen in der Italia verfolgt und mehrfach Kriegszüge dorthin unternommen hatte.444 Kallias hätte als sein ‚Hofschreiber‘ sicher nicht die Position des Königs geschwächt, indem er die der Römer durch eine mythhistorische Legitimierung stärkte. Die Aktualisierung stammt also vielmehr aus einem Umfeld, das der römischen Hegemonie positiv gegenüberstand, ggf. als alte Verbündete von der neuen Situation profitierte oder sich zumindest soweit damit abgefunden hatte, dass es den Status quo, sogar vielleicht um Rom zu schmeicheln, akzeptierte und in die mythhistorische Erzählung überführte.445 Von der positiven, legitimatorischen Stoßrichtung her kommt am ehesten Rom bzw. Latium als Entstehungsort dieser Erzählung in Frage, wo sie in eine Reihe mit anderen Monumenten des Triumphes über die Völker Italiens gestellt werden könnte. Da die Aeneastradition dort sicher bereits seit langem bekannt war und auch Latinus sicher – seit Hesiod? – stets eine Rolle spielte, ist dies nicht auszuschließen, auch wenn Geschichten dieser Art in der Forschung oft als griechisch und den Römern fremd eingeschätzt werden.

444 s. Humm 2010, 48. 445 Der Vergleich mit der Erzählung des Agathokles von Kyzikos, wie sie bei Festus überliefert ist (s. S. 143), zeigt, dass man möglicherweise doch auch an eine Entstehung in der Ferne denken kann, in der die Autoren von den Geschehnissen in Italien nicht so direkt betroffen sind wie die Griechen Italiens oder Siziliens selbst. Denn Agathokles schrieb vielleicht am Hof des Ptolemaios II., der höchstwahrscheinlich die römische Hegemonie (einschließlich der Einnahme Tarents 272 v. Chr.) billigte und ein Bündnis mit Rom schloss, s. die Gesandtschaft des Ptolemaios II. nach Rom, 273 v. Chr.: Dion. Hal. ant. 20 O Pittia (= 20,14,1 f. Jacoby); Liv. per. 14 (cum Ptolemaeo, Aegypti rege, societas iuncta est).

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Welche Aussage treffen die italisierten Erzählungen schließlich über die Latiner? Da es sich um eine ktisis handelt, steht zunächst Rom im Zentrum. Dies passt zum historischen Kontext, da es schließlich Rom ist, das die Expansion Richtung Italia betreibt. Doch gleichzeitig erscheint hier Latinus jeweils in der bedeutenden Rolle des Stadtgründers,446 was innerhalb der Vielzahl von römischen ktiseis selten vorkommt, und er erobert bzw. erbt die Herrschaft über Italien. Er nimmt also die Rolle ein, die in der späteren Vulgata die eindeutige Hauptperson Aeneas innehat. Obwohl dies sicher weitgehend aus der ‚ursprünglichen‘ Version vor der Italisierung stammt, in der nur von den Ursprüngen Latiums über den eponymen König erzählt wurde, ist festzuhalten, dass Latinus in dieser italisierten Version beibehalten wurde, also zumindest zum Zeitpunkt der Aktualisierung der Erzählung von Bedeutung war. In den vorliegenden Erzählungen ist es somit Latinus, der über Italien herrscht, und nicht Rom. Wenngleich die Analogie zwischen der Mythhistorie und der historischen Ereignisse nicht zu weit getrieben werden soll, liegt hier eindeutig eine Hierarchie zwischen Latium und (dem übrigen) Italien vor. Dies kann allgemein auf Rom als latinische Stadt bezogen werden, in Abgrenzung zu den besiegten Völkern, sowie zu einer zuvor zugeschriebenen etruskischen,447 einer italischen, beispielsweise opischen oder eben einer griechischen Identität Roms. Es kann aber auch bewusst die Latiner, und zwar die innerhalb und außerhalb Latiums miteinschließen. Denn einerseits waren die römischen Machtressourcen infolge des Sieges über Latium durch den latinischen Beitrag zum römischen Heer nach dem Latinerkrieg stark angewachsen, was erst den römischen Erfolg in Italien ermöglichte. Andererseits könnte hier auch auf die latinischen Kolonien angespielt werden, die gerade dazu dienten, die römische Position in den verschiedenen Teilen Italiens zu sichern und auszubauen. Die Bedeutung der Kolonien war offenkundig und hat sich früh in der Mythhistorie niedergeschlagen. So wird Italien selbst in der Alexandra des Lykophron zwar an keiner Stelle erwähnt, dafür erscheint Aeneas als Erbauer von dreißig Burgen, für die möglicherweise die Kolonien Pate standen.448 In der Erzählung ist somit eine latinische Ethnizität der übergeordneten Reichsvorstellung gegenübergestellt. Die Latiner herrschen über das weit über Latium hinausgehende Italien, das, wie später bei Vergil explizit gemacht, von verschiedenen Völkern besiedelt ist.

446 In der Erzählung des Galitas ist die Angabe des Stadtgründers zwar nicht erhalten, aber bei der sonstigen Betonung der Rolle des Latinus könnte ihm auch diese Aufgabe zuerkannt worden sein. 447 s. unten Kap. 4. 448 Lykophr. Alex. 1255 f. Es handelt sich hier um die früheste Version des Sauprodigiums, die die Anzahl der 30 Ferkel mit ebenso vielen Gründungen (seien damit die Städte Latiums oder die latinischen Kolonien gemeint) erklärt; s. u. Kap. 4.2.

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Latinus, Sohn des Telemach, und Rhome

3.7 Ergebnis Die Untersuchung der einzelnen Motive hat uns in die Zeit zwischen der Abfassung des letzten Kyklischen Epos, der Telegonie, in der Mitte des 6. Jahrhunderts und der Kanonisierung der späteren Vulgata zwischen dem späten 3. und dem 2. Jahrhundert v. Chr. geführt. Das Ergebnis der Analyse ist ein differenzierteres und sehr viel reicheres Bild der latinischen Ursprungsdiskurse als bisher in der Forschung angenommen. Die fünf (bzw. sechs) Fragmente wurden zuvor meist als wenig bedeutsame Zeugnisse gewertet, die zudem zum größten Teil als verderbte Versionen einer ‚richtigen‘ Erzählung, der des Kallias von Syrakus, betrachtet wurden. Zudem schloss man aus, dass es sich bei den Erzählungen um Spuren latinischer Selbstbeschreibung handeln könnte, weil man annahm, dass ‚griechische‘ Erzählstrategien den Latinern fremd waren, oder aber man verortete sie im Kontext des Latinerkrieges, weil man die griechische Abstammung des Latinus als Zeichen der Opposition der Latiner gegen das trojanische Rom im Latinerkrieg interpretierte. Schließlich kommt auch in diesem Fall immer wieder das Urteil vor, dass es sich um antiquarische Konstruktionen handele, die somit intentional irrelevant seien.449 Diesen Einschätzungen lag jedoch weder eine grundlegende Analyse der einzelnen Fragmente noch eine weitergehende Einordnung der Motive zugrunde. Die einzelnen Motive der Erzählungen wurden daher hier in Hinblick auf ihre chronologische Einordnung und ihren kulturellen Kontext, d. h. die Vorstellungswelt und narrative Traditionen, aus denen sie stammen, untersucht. Zudem galt die Aufmerksamkeit den Modalitäten der Entwicklung und der Überlieferung der Erzählungen. Die einzelnen Versionen, zunächst in der Reihenfolge der Untersuchung aufgeführt, speisen sich aus den folgenden Erzähltraditionen, die grob in eine zeitliche Abfolge ihres ersten Auftretens gebracht sind (Tab. 3): die Abstammung des eponymen Heros von Odysseus oder Telemach, das Auftreten von Trojanern und Trojanerinnen allgemein und des Aeneas im Besonderen, die Schiffsbranderzählung, die später kanonischen Söhne Romulus mit Brüdern, die Aborigines und die Herrschaft über Italien. Eine erste Umsortierung, entsprechend der ungefähren Reihenfolge des Auftretens der Erzähltraditionen, ergibt folgendes Bild (Tab. 4), wobei die erst aus dem 3. Jahrhundert stammende Herrschaft über Italien aufgrund der Entdeckung der ‚Italisierung‘ nicht gewertet wird. Die größten Schwierigkeiten bietet hier zunächst die Positionierung der außergewöhnlichen Erzählung des Caltinus, die zwar wie die des Kallias kein Motiv der Laertidentradition aufweist, aber dafür auch keine der späten Elemente wie die Kinder des Paares Latinus und Rhome und die Aborigines.

449 Martínez-Pinna 1997a, 90, führt für die anonyme Erzählung bei Plutarch, Galitas und die in Kap. 2.3.2 behandelte Erzählung des Xenagoras das ‚Jucken in den Fingern der Antiquare‘ ins Feld („prurito anticuario”).

(Kleinias) *** bei Serv. auct.

Kallias x

Caltinus Schiffsbrand (5. Jh.) Romulus (& Brüder) (Ende 4. Jh.)

x x

x x x x

Kallias x (x) x

Caltinus x

x x x

x

x

Galitas x x

Anon. Plut.

x

x

x

x

x

(x)

x

x x Herrschaft über Italien (frühes 3. Jh., Italisierung)

Aeneas (6. oder 5. Jh.)

x

Herrschaft über Italien (frühes 3. Jh., Italisierung)

Aborigines (Mitte/Ende 4. Jh.)

Telemach (Mitte 6. Jh.) Trojaner (6. oder 5. Jh.)

Odysseus (8./7. Jh.)

Galitas

Anon. Plut.

Aborigines (Mitte/Ende 4. Jh.)

x

Romulus (& Brüder) (Ende 4. Jh.)

x

Schiffsbrand (5. Jh.)

Aeneas (6. oder 5. Jh.)

(Kleinias)

Trojaner (6. oder 5. Jh.)

*** bei Serv. auct.

Telegonie (Mitte 6. Jh.)

Hesiod (8./7. Jh.)

Ergebnis

195

Tab. 3 Versionen und Motive 1

x

x x

x x

Tab. 4 Versionen und Motive 2

x

x

x

Es ist daher nötig, noch etwas tiefer zu gehen. In Tab. 5 werden die einzelnen Erzählkontexte nach Details differenziert und auch die Sagenchronologie berücksichtigt.

196

Latinus, Sohn des Telemach, und Rhome

Tab. 5 Versionen und Motive 3

x

Caltinus x

Anon. Plut.

x

Latinus x

Aeneas?

x

?

x

Selbst Latinus erlangt

x

x

?

(x)

x

x

x

x

(x?)

x

x

(x)

x

x

x

von Aeneas

x (x)

?

Rhomos u. Rhomyl.

x

x x

Rhomyl. x

Spätere Generation

Nostos-Generation

Gründer Roms

Sagenchronologie Herrschaft über Italien

Aborigines

Romulus (& Brüder)

?

‚Lokal‘

Schiffsbrand

(x)

Aeneas

x

Latinus Trojaner

x

Trojaner

Rhome Trojanerin

x

verheiratet

x

?

Galitas

Kallias

Geschwister

(Kleinias)

Kirke (-Verweis)

*** bei Serv. x auct.

Rhome & Latinus

Rhome Laertidin

Telemach

Odysseus

Laertiden

x x

Durch diese differenziertere Betrachtung werden weitere Unterschiede in fast allen Kontexten deutlich. Die Vielfalt der Gestaltung im Einzelnen, ausgehend von den drei nachtrojanischen Erzählungen der Odyssee, Telegonie und der Suche der Trojaner nach einer neuen Heimat sowie der Aktualisierung über die Hinzufügung der eponymen Söhne spricht eindrücklich für einen lebendigen Diskurs über die Ursprünge der Latiner und Roms vor der Herausbildung der kanonischen Erzählung. Außer den Erzählungen des Galitas und bei Plutarch ergänzen sich die vorliegenden Versionen weder komplementär noch können sie in eine einfache Abfolge gebracht werden. Es ergibt sich das Bild eines Diskurses, in dem verschiedene Versionen nebeneinander existierten und alte Motive neben aktualisierenden Elementen weiterbestehen blieben, bevor sie schließlich durch weitere Neuerungen obsolet wurden. Zuletzt werden daher die einzelnen Versionen in ihrer postulierten Entwicklung dargestellt, wobei ich die Aufnahme von Aeneas, Romulus (und Brüder) und Italien als einzelne Schritte auffasse. Die jeweils letzten, d. h. in den Quellen überlieferten Phasen erscheinen in Kapitälchen, um ihre Abweichung von der ansonsten deutlich gewordenen Entwicklung zu markieren. Die einzelnen Stränge werden zudem durch die Grauschattierung deutlich gemacht.

197

Ergebnis

Tab. 6 Versionen und Motive 4

x

x

(x)

?

(Kleinias)

x

x

(x)

?

x

x x

Aeneas?

Caltinus*

?

x

?

x

Latinus

Caltinus

?

x

?

x

Latinus

Spätere Generation

Gründer Roms ?450

(Kleinias*)

Aborigines

Latinus

Aeneas

x

Latinus Trojaner

x

verheiratet

x

Nostos-Generation

Sagenchronologie Herrschaft über Italien

Romulus (& Brüder)

‚Lokal‘

Geschwister

Rhome Trojanerin

Trojaner

Kirke (-Verweis)

x

Rhome & Latinus

Rhome Laertidin

*** bei Serv. auct.

Telemach

Odysseus

Laertiden

(x)

x

x x

x

Galitas*

x

x

x

?

x

?

x

Galitas**

x

x

x

?

x

x

?

x

Galitas

x

x

x

?

x

x

?

Anon. Plut.

x

(x)

x

x

x

Rhomyl.

(?)

x

x

x

Kallias

x

Rhomos u. Rhomyl.

x

x x x

Das folgende Schaubild (Abb. 21) zeigt schließlich als Ergebnis die überzeugendste Abfolge der Erzählungen und ihrer Verhältnisse zueinander, auf der Grundlage der Analysen in diesem Kapitel. Da es sich um mündliche wie schriftliche Diskurse handelt, zeigen die Pfeile keine direkte Abhängigkeit zwischen den so verbundenen Versionen, sondern deuten auf Einflüsse und gemeinsame Motive hin. Die vorliegenden Versionen sind zeitlich über das jüngste datierbare Motiv einzuordnen. Für Galitas und Caltinus ist dies die Herrschaft über Italien, die vermutlich die Folge einer Aktualisierung zwischen dem Pyrrhuskrieg und dem Ersten Punischen Krieg ist und eine frühere Phase der Erzählung, in der es um die Herrschaft über Latium

450 Wenn Aeneas in einer ersten Version (analog zu *** bei Serv auct.) nicht auftaucht, muss der ebenfalls nicht belegte, sondern nur erschlossene Latinus als Gründer angenommen werden?

198

Latinus, Sohn des Telemach, und Rhome Hesiod Telegonie

(Laertiden im Westen, Latinus Sohn des Telemach?)

Telemach

Rhome

*** (Serv. 1,273) (Rhome Schwester des Latinus)

Trojaner

Trojaner im Westen

Kleinias* (Rhome Laertidin, Latinus?, ohne Aeneas)

Achäer im Westen?

Caltinus*

(Achaier?)

Hellanikos, Damastes u. a.

Kleinias

Aeneas

Schiffsbrand

(Stesichoros?)

(Rhome ∞ Latinus Schiffsbrand* (Troj.), ohne Italien) (Achäer mit Latinern?, Latinion?)

(Rhome und Aeneas)

(Rhome ∞ Aeneas)

Galitas*

(Rhome ∞ Latinus, Telem's Sohn, Aeneas, ohne Romulus, ohne Italien)

Galitas**

Romulus u. Brüder

(mit Romulus, ohne Italien)

Aristoteles, Herakleides etc.

Anonym. (Plut. Rom. 2,3) (mit 1,2)

Kallias

Aborigines Laertiden

Galitas

Italien

(mit Italien)

(Aborigines, Nostos-Chronologie, keine Laertiden, Sohn Telegonos)

Caltinus

(mit Italien)

Galitas*: erschlossene Version Galitas: vorliegende Version Kleinias: Latinus nicht erwähnt

Abb. 21 Entwicklung der Telemach-Rhome-Gruppe

ging, vermuten lässt. Die Erwähnung der eponymen Söhne Romulus/Rhomylos und ggf. Rhomos bei Galitas, dem anonymen Autor bei Plutarch und bei Kallias führen frühestens in die Mitte des 4. Jahrhunderts. Zu diesem Zeitpunkt erscheint der Held dieses Namens bei Alkimos, während auf einem etruskischen Spiegel eine Darstellung der Lupa mit den Zwillingen gefertigt wird. Terminus ante quem ist für diese Genealogien die Einführung des großen Generationenabstandes zwischen Aeneas und Romulus vor der Gründung Roms durch die Dynastie der Silvii im späten 3. Jahrhun-

Ergebnis

199

dert. Doch auch eine spätere Romulisierung ist möglich.451 Die Aborigines erscheinen in dieser Gruppe nur bei Kallias, dem einzigen bekannten Autor, und haben darüber das frühe 3. Jahrhundert als Terminus ante quem. Die anonyme Version bei Servius, die des Kleinias und des Caltinus haben keinen solch eindeutigen Terminus. Einzig die Behauptung trojanischer Ursprünge der Latiner ist für Letzteren nötig. Sie ähnelt z. B. der Erzählung über Tyrrhenos, den spätestens seit Herodot bekannten lydischen Vorfahren der Etrusker. Für die Ersteren, den anonymen Autor bei Servius und Kleinias, in denen die eponymen Figuren Latinus und Rhome Geschwister sind (wenn Latinus bei Kleinias ergänzt werden kann) und Rhome als Laertidin erscheint, liegt als Vergleich z. B. die Erzählung über die laertidischen Gründer von Ardea, Antium und Rom nahe, die allerdings nicht abschließend datiert werden können. Aufgrund einer unstimmigen Sagenchronologie dürfte die Erzählung des Kleinias eine frühere Phase ohne Aeneas voraussetzen, die etwas jünger als die anonyme bei Servius wäre, die noch der hesiodeischen Genealogie folgt. Die Präsenz des Telemach aus der Telegonie belegt jedoch, dass die Erzähltraditionen über Latinus in viel frühere, nämlich archaische Zeit zurückweisen.

451 Zu Alkimos und der Romulisierung s. Kap. 4.3. Die Literatur zu Romulus ist erwartungsgemäß sehr umfangreich. Besonders zu nennen sind Classen 1963; Cornell 1975; Bremmer 1987a; Poucet 1989; Mastrocinque 1993; Wiseman 1995; Martínez-Pinna 1997b; Fraschetti 2002; Raaflaub 2006; De Sanctis 2021; s. auch oben Kap. 1.2.

4 Latinus, Vater der Leukaria 4.1 Überlieferung In seiner Aufzählung der veralteten, griechischen Erzählungen über die Gründung Roms führt Dionysios von Halikarnassos ohne Quellenangabe eine Tradition an, in der Latinus der Vater einer Leukaria ist. Diese erscheint als Mutter des Stadtgründers Rhomos, der hier als Sohn des Italos bezeichnet wird (Abb. 22): Εἰσὶ δέ τινες οἳ τὴν Ῥώμην ἐκτίσθαι λέγουσιν ὑπὸ Ῥώμου τοῦ Ἰταλοῦ, μητρὸς δὲ Λευκαρίας τῆς Λατίνου θυγατρός.1 Latinos

Italos



Leukaria

Rhomos

Abb. 22 Dion. Hal. ant. 1,72,6

Zwei Varianten dieser Erzählung sind überliefert, in denen Latinos jedoch nicht genannt ist. In der Romulus-Biographie des Plutarch ist das Paar Italos und Leukaria ohne Quellenangabe erwähnt. Es werden keine Vorfahren der Leukaria angegeben und statt des Sohnes Rhomos erscheint die Tochter Rhome, nach der die Stadt benannt worden sei (Abb. 23):

1

Dion. Hal. ant. 1,72,6 = FGrHist 840 F 11: „Es gibt aber auch Leute, die behaupten, Rom sei von Rhomos, einem Sohn des Italos, gegründet worden; seine Mutter sei Leukaria, die Tochter des Latinus“ (Übers. A. Städele).

201

Überlieferung

Ἄλλοι δὲ Ῥώμ ην, Ἰτα λ ο ῦ θ υγατέρα καὶ Λ ευ καρίας , οἱ δὲ Τηλέφου τοῦ Ἡρακλέους, Αἰνείᾳ γαμηθεῖσαν, οἱ δ’ Ἀσκανίου τοῦ Αἰνείου λέγουσι τοὔνομ α θέσ θαι τ ῇ πόλ ει .2

Ein letztes Mal ist dieses Paar in einem Scholion des Tzetzes zur Alexandra des Lykophron belegt. Der byzantinische Gelehrte erklärt den Namen der Ausones mit dem Sohn des Italos und der Leutaria (Abb. 24): Αὔσονες δὲ λέγονται κατά τινας μὲν ἀπὸ Αὔσονος τοῦ Ὀδυσσέως καὶ Κίρκης παιδὸς καθ’ ἑτέρους δὲ ἀπὸ Α ὔ σο νο ς το ῦ Ἰτα λ ο ῦ καὶ Λ ευ ταρίας υἱοῦ ἄλλοι δὲ ἐξ Αὔσονος ἑτέρου φασί.3 Italos



Leukaria

Rhome

Abb. 23 Plut. Rom. 2,1

Italos



Leutaria

Auson

Abb. 24 Schol. Lykophr. Alex. 702

Die drei Varianten bestehen ausschließlich aus eponymen Figuren. Während uns Latinos, Italos, Rhomos, Rhome und Auson bereits in den vorangegangenen Untersuchungen begegnet sind, tritt Leukaria nur an diesen Stellen in Erscheinung. Es gilt also, die Identität dieser wohl ebenfalls eponymen Heroin zu klären und darüber hinaus die Frage nach der Entstehung und der Bedeutung der Erzählungen in einem möglichen historischen Kontext zu beantworten.

2

3

Plut. Rom. 2,1 = FGrHist 840 F 40e (ed. R. Flacelière): „Some say that the Rhome who had her name placed on the city was the daughter of Italus and Leucaria; others that she was the daughter of Telephus the son of Herakles, wedded to Aeneas; others that she was the daughter of Ascanius the son of Aeneas“ (Übers. G. S. Bucher, BNJ). Die Bezüge zwischen den zahlreichen Heroen in Plutarchs Aufzählung sind nicht ganz eindeutig. Insbesondere das Verhältnis von Rhome zu Askanios wird unterschiedlich gedeutet. Die Handschriften bieten den Genitiv δ’ Ἀσκανίου, Rhome ist also die Tochter des Aeneassohnes Askanios, wofür sich Flacelière in seiner Edition, F. Jacoby in FGrHist 840 F 40e, Wiseman 1995, 50, Martínez-Pinna 1997a, 86 und G. S. Bucher, BNJ 840 F 40e aussprechen. K. Ziegler (ed.) und C. Ampolo (ed.) verbessern dagegen in den Dativ Ἀσκανίῳ, was Rhome zur Gattin des Askanios macht: „Wieder andere sagen, Rome, die Tochter des Italus und der Lucania [sic!] (oder des Heraklessohnes Telephos) und Gattin des Aeneas oder des Ascanius, Sohnes des Aeneas, habe der Stadt ihren Namen gegeben“ (Übers. K. Ziegler). M. E. ist der Lesung nach den Manuskripten der Vorzug zu geben. Es bleibt die Schwierigkeit, ob die mögliche Ehe mit Aeneas zu der Leukaria-Erzählung gehört (so Ziegler und Ampolo), oder vielmehr zur Telephos-Version (Flacelière u. a.). Die einfachste Lösung ist, dass es sich um drei durch οἱ δὲ voneinander getrennte Erzählungen über Rhome handelt (s. die Übers. von Bucher); die kompliziertere Struktur mit den doppelten Alternativen bei Ziegler und Ampolo ist für den Leser nur schwer nachvollziehbar und daher abzulehnen. Demnach ist für die Rhome der Leukaria-Version kein Gatte genannt; es liegt somit keine trojanische Variante vor. Schol. Lykophr. Alex. 702: „Die Ausones heißen manchen Autoren zufolge so wegen Auson, dem Sohn von Odysseus und Kirke, nach anderen aber wegen Auson, dem Sohn von Italos und Leutaria, andere sagen wiederum nach einem weiteren Auson“ (Übers. EH).

202

Latinus, Vater der Leukaria

In dem für uns wichtigsten Zeugnis des Dionysios ist der Name der Latinostochter Leukaria Ergebnis einer Konjektur. Die Handschriften bieten Elektra und Leuktra; in der Nebenüberlieferung bei Eusebius und Synkellos erscheint Leuke.4 Die erstmals von Kiessling5 vorgeschlagene Korrektur in Leukaria beruht auf den Stellen bei Plutarch und Tzetzes. Die Textüberlieferung bei Plutarch ist ebenfalls uneinheitlich. In zwei späten Handschriften steht Leukania, alle übrigen Handschriften bieten jedoch Leukaria.6 Leukaria ist aufgrund der größeren Anzahl der Zeugnisse sowie als lectio difficilior zu bevorzugen. Das von Ziegler bevorzugte Leukania stellt dagegen eine Vereinfachung dar, da der Name der Lukaner über die Antike hinaus verwendet wurde und somit wahrscheinlich im Gegensatz zu der unbekannten Heroin Leukaria auch den Kopisten bekannt war. Die Schreibweise Leutaria bei Tzetzes ergibt sich höchstwahrscheinlich aus einem Fehler in der Textüberlieferung.7 Die weitgehende Übereinstimmung zwischen dem Namen bei Plutarch und bei Tzetzes sowie die Ähnlichkeit mit der Lesart Leuktra in einem Teil der Dionysios-Überlieferung8 sprechen also dafür, mit Kiessling in der Dionysios-Stelle Leukaria zu lesen, das von Eusebius und Synkellos zu Leuke vereinfacht worden ist, und die drei Stammbäume miteinander zu untersuchen. Berechtigung findet diese Lesung in dem allen drei Fragmenten gemeinsamen Paar aus Italos und Leukaria.9 Es wurden verschiedene Deutungsvorschläge zur Identifizierung der nur an diesen drei Stellen überlieferten Leukaria gemacht. Ziegler hatte die Lesung der beiden Plutarch-Handschriften übernommen, dass es sich hier um Leukania handele, sprich eine Personifizierung der süditalischen Region und des Volkes der Lukaner (Leukanoi). Ampolo liebäugelt ebenfalls mit dieser Deutung, da die Lukaner sich ja gerade im Land des Italos niedergelassen hatten und zudem eine Notiz bei Servius diesen als ih-

4

5 6 7

8 9

s. V. Fromentin, krit. App. ad loc.: Hauptüberlieferung: δ’ Ἠλέκτρας (A), Λεύκτρας (Bb, S); Nebenüberlieferung: exc. Eus.: Λεύκης; Eus. arm.: Leuka; Synk. chron. 228, 3: Καὶ ἕτεροι ὑπὸ Ῥώμου τοῦ Ἰταλοῦ καὶ Λ εύκης τῆς μητρὸς αὐτοῦ φασιν ἐκτίσθαι τὴν πόλιν Ἑλλήνων συγγραφεῖς καὶ ἄλλοι ἄλλως διαφερόμενοι. „And there are other Greek historians who state that the city was founded by Remus the son of Italus and his mother Leuke, whereas others have different explanations“ (Übers. Adler/Tuffin). – Bei Eusebius und Synkellos ist Latinus selbst weggefallen, wie dies in der indirekten Überlieferung immer wieder der Fall war. Λευκαρίας konjiziert von A. Kiessling, 1860. Die Handschriften Baroccianus 137 und Hunterianus 424, jeweils aus dem 14. Jh. K. Ziegler übersetzt den Namen auf dieser Grundlage mit Lucania. Der Text ist in allen Handschriften der Scholia einheitlich. Unsicherheiten zwischen τ und κ gibt es z. B. auch in der Lykophronüberlieferung, so in der wichtigen Stelle über die Latiner (Lykophr. Alex. 1254): in den Handschriften erscheint das wohl korrekte Λατίνους, in der Nebenüberlieferung des Stephanus von Byzanz ist dagegen Λακίου überliefert. Möglich ist auch eine Anpassung an den Ort Leutarnia bei Siris, der in Lykophr. Alex. 978 erwähnt ist, so Lepore 1989, 63. Die Schreibweise δ’ Ἠλέκτρας (d|ilektras) lässt sich durch veränderte Worttrennung und die Aussprache des Griechischen in byzantinischer Zeit leicht aus der originalgetreueren Form δὲ Λεύκτρας (de|lefktras) erklären: d-e|le(f)ktras. Es sind keine sonstigen Gattinnen des Italos überliefert.

Überlieferung

203

ren König bezeichnet.10 Doch wie gesehen, handelt es sich bei der Schreibweise Leukania um eine späte Ausnahme innerhalb der Textüberlieferung, und die beiden Formen in der Dionysios-Überlieferung lassen sich nicht als Korruptelen von Leukania erklären. Niese dachte seinerseits an die daunische Stadt Luceria, die nach der Eroberung durch Rom im Jahr 314 als latinische Kolonie neugegründet wurde.11 Allerdings wird die Stadt in den griechischen Quellen Lukaria oder Lukeria genannt, eine Schreibung als Leukaria ist nicht belegt.12 Auch wenn für Luceria eine reiche Mythopoiese überliefert ist,13 ist also auch dieser Vorschlag aus sprachlichen Gründen abzulehnen. Die attraktivste Deutung stammte bislang von Schwegler, der Leukaria aufgrund ihrer Verbindung mit Latinus und dem Eponym Roms sowie der Vereinfachung zu Leuke bei Eusebius und Synkellos mit Alba Longa identifiziert, dessen Name ebenfalls mit ‚weiß‘ erklärt wird.14 Als Beleg für die Präsenz Albas in Ursprungserzählungen zieht er, wie viele nach ihm, eine bei Festus überlieferte Genealogie des Alkimos heran, in der Alba als Tochter des Romulus, Enkelin von Tyrrhenia und Aeneas sowie Mutter eines als Rhomus zu deutenden Rhodius auftritt (Abb. 25): Alcimus ait, Tyrrhenia Aeneae natum filium Romulum fuisse, atque eo ortam Albam Aeneae neptem, cuius filius nomine Rhodius condiderit urbem Romam.15

Anders als die anonym überlieferten Leukaria-Varianten kann die Erzählung über Alba anhand ihres Autors in die erste Hälfte des 4. Jahrhunderts v. Chr. datiert werden.16 Dieser Stammbaum gilt als das erste datierte literarische Zeugnis sowohl für Alba als 10 11 12 13

14 15

16

Serv. auct. Aen. 1,533: alii a Veneris filio, rege Lucanorum; s. C. Ampolo, comm. ad Plut. Rom. 2,1. Niese 1888, 490 ff.; römische Eroberung von den Samniten und Koloniegründung: Liv. 9,26,1–5. z. B. in Pol. 3,88: Λουκαρία; Strab. 6,1,14; 3,9: Λουκερία. – Die Möglichkeit der griechischen Form Leukaria lässt sich freilich nicht gänzlich ausschließen, entsprechend der genannten griechischen Form für Lucania sowie der Wiedergabe des lateinischen Namens Lucius als Leukios. Luceria erscheint als Gründung des Diomedes, zudem gab es dort mit dem Athena-Ilias-Heiligtum eine trojanische Tradition (Strab. 6,1,14; 3,9). Überdies liegt Luceria näher an der Italía, ein Italos-Bezug ist daher auf den ersten Blick überzeugender als bei einer Erzählung über Rom. Als inhaltliches Argument gegen Luceria betont Wiseman 1995, 183 Anm. 40 jedoch, dass das in der Genealogie zum Ausdruck gebrachte Verhältnis zwischen den beiden Städten nicht das historische zwischen Mutterstadt (Rom) und latinischer Kolonie (Luceria) widerspiegele. Schwegler 1867, 400 mit Anm. 1. Alkimos, FGrHist 560 F 4 = 840 F 12 = Fest. 326, 35 – 328, 2 L: „Alkimos sagt, dass dem Aeneas von Tyr­rhenia der Sohn Romulus geboren war und dass ihm Alba, die Enkelin des Aeneas, geboren wurde, deren Sohn mit Namen Rhomus die Stadt Rom gründen sollte“ (Übers. EH). Das Rhodius der farnesinischen Handschrift wird seit Orsini zu Rhomus korrigiert. Datierung um 350/340, F. Jacoby FGrHist 840 F 12; D. G. Smith, comm. ad loc. BNJ etwas vorsichtiger, indem der Autor dort nur relativ als wohl etwas älter als Theopomp und Platon eingeschätzt wird. Vanotti 2006, 224–228 zur Datierung von Alkimos; sie spricht sich dafür aus, dass er bereits ab 380 am Hof des Dionysios I. wirkte. – Gruen 1992, 15 verortet ihn im späten 4. Jh., betont aber, dass die Datierung unsicher sei. Da er die Hellanikos-Erzählung nicht für authentisch hält und die (in ihrer Datierung ebenfalls unsichere) Justinus-Stelle (20,1,12) nicht zur Kenntnis nimmt, betrachtet er die Version des Alkimos als (wahrscheinlich) ältestes Zeugnis für Aeneas im Zusammenhang mit der Gründung Roms.

204

Latinus, Vater der Leukaria Tyrrhenia



Aeneas

Romulus Alba Rhodius (Rhomus)

Abb. 25 Stammbaum nach Alkimos

auch für Romulus. Latinus selbst wird dagegen im Gegensatz zur Leukaria-Version bei Dionysios bei Alkimos nicht erwähnt. Aus diesem Identifikationsvorschlag ergeben sich folgende Fragen: Ab wann wurde der Name der mythhistorischen Stadt Alba Longa mit der Farbe Weiß verbunden, ist eine solche Übertragung des Ortseponyms ins Griechische denkbar, und wenn ja, ab wann? Was für eine Erzählung liegt im Fall der Leukaria und der Alba des Alkimos vor und welche Bedeutung hat die eponyme Heroin jeweils? Was bedeutet ihre Verbindung mit den übrigen geographischen und ethnischen Eponymen? Wie verortet sich diese Geschichte in Hinblick auf die reiche Mythopoiese zu Alba Longa und welche Relevanz hat sie für die Latiner? 4.2 Etymologie, Eponymie und Personifizierung Es ist verführerisch, die Konstruktion der Heroin Leukaria/Alba mit der Stadt Alba Longa zu verknüpfen. Die Voraussetzung dafür wären die Existenz und Verbreitung der Etymologie des Städtenamens von der Farbe Weiß. Die tatsächliche Etymologie des Namens, mit dem der latinische Vulkan, der Vul­ kansee sowie die einst dort siedelnde Gemeinschaft der Albenses oder Albani bezeichnet wurden, war in historischer Zeit nicht bekannt17 und die Herleitung des Ortsnamens von einem früheren Namen des Tibers ist nur bei Diodor zu finden.18 In der 17

18

Der Name Alba ist vielleicht mit dem keltischen und ligurischen alb-, Höhe, verwandt, passend zu der Lage am Albaner Berg, s. Bernardi 1964, 234; G. D’Anna in: EV I, 1984, 78 s. v. Alba Longa. – Zu den populi Albenses bzw. Albani, die Plinius (nat. 3,69) in der Liste der an den Feriae Latinae teilnehmenden präurbanen Gemeinden erwähnt, s. Grandazzi 2008, 625 ff. mit ausführlicher Forschungsdiskussion. Diod. 7,5,3; auch dieser Name konnte seinerseits mit der Farbe erklärt werden: Serv. Aen. 8,332: Albula nomen: antiquum hoc nomen a colore habuit. Vanotti 2005, 223 verweist hierzu auf die Praxis in Sizilien und Unteritalien, griechische Kolonien nach nahegelegenen Flüssen zu benennen, wie auch Duris FGrHist 76 F 59 und Strab. 6,1,12 (s. o. Kap. 3.3.2) bereits beobachtet hatten. Vanotti

Etymologie, Eponymie und Personifizierung

205

Vulgata wurde der Name der Stadt allerdings mit einer Erzählung über das erste Opfer des Aeneas auf latinischem Boden erklärt. Dem ersten römischen Historiographen Q. Fabius Pictor zufolge benennt Ascanius seine Neugründung nach der Farbe der Sau, die sein Vater Aeneas dreißig Jahre zuvor nach der Ankunft in Italien opfern sollte. Diese riss jedoch aus und warf dreißig Ferkel, was Aeneas in einem Traum als Anzahl der Jahre bis zur Gründung einer Stadt an der Stelle des Wunders gedeutet wurde.19 Das sogenannte Sauprodigium ist fester Bestandteil der Vulgata. Es gab jedoch unterschiedliche Varianten über den Ort der Gründung,20 die Deutung der dreißig Ferkel und sogar die Farbe des Opfertieres.21 Dass Lykophron einige Jahrzehnte vor Fabius Pictor die Sau als schwarz bezeichnete, verdeutlicht die Schwierigkeit bei der Datierung der Alba-Etymologie: Lykophron verbindet das Wunder ausschließlich mit Lavinium und da die Sau auch nicht die richtige Farbe aufweist, scheint alles auf eine frühe Tradition hinzudeuten,22 in der Alba keine Rolle spielte. Allerdings stellt sich die Frage, warum überhaupt eine Farbe genannt sein sollte, wenn nicht die Relevanz dieser Eigenschaft des Opfertieres bekannt wäre. Es könnte sich in diesem Fall um eine bewusste Umkehrung einer bekannten Erzählung über Latium handeln. Lykophrons Vorliebe für Wortspiele und seinen eigensinnigen, bewussten Umgang mit lokalen und allgemein bekannten Erzählungen sahen wir bereits in der Verbindung der Aborigines

19

20

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ebd. liest schließlich OGR 12,5 so, dass laut Cato der Name der Stadt wie im Fall von ῥώμη als ominös zu verstehen sei: Troianos […] urbem clarissimi nominis in Italia condituros, da sich clarissimi auf die Farbe Weiß beziehe. Q. Fabius Pictor FRHist 1 F 3 (FRH 1 F 5) = FGrHist 809 F 2 = Diod. 7,5,4–6. Die Farbe des Opfertieres ist die übliche Erklärung des Ortsnamens in der lateinischen Literatur: s. z. B. Varr. ling. 5,144: hinc post triginta annos oppidum alterum conditur, Alba; id ab sue alba nominatum. haec e navi Aeneae cum fuisset Lavinium, triginta parit porcos; ex hoc prodigio post Lavinium conditum annis triginta haec urbs facta, propter colorem suis et loci naturam Alba Longa dicta. hinc mater Romuli Rhea, ex hac Romulus, hinc Roma; Prop. 4,1,35; OGR 17,1. Die Niederkunft der wundersamen Sau bezeichnet in einem Teil der Tradition den Ort, an dem Lavinium gegründet wurde: Cato FRHist 5 F 10 (FRH 3 F 1,14b) = OGR 12,5; Verg. Aen. 3,390–393; Dion. Hal. ant. 1,55,4 (das Tier ist hier nicht weiß und nur unspezifisch als Vierfüßler bezeichnet); Schol. Lykophr. Alex. 1232. Dazu passt die Notiz über die Bedeutung des Tieres in der Erinnerungskultur von Lavinium: Lykophr. Alex. 1259 f. (s. D’Anna 1978, 283); Varr. rust. 2,4,18; s. Hartmann 2010, 235. Bei Lykophr. Alex. 1255–1259 verweisen die Ferkel auf 30 Festungen, die Aeneas bauen würde (s. o. S. 193), somit nicht auf die Zeitspanne bis zur Gründung Albas, zudem ist die Sau dort noch schwarz (s. u.). – Cassius Hemina FRHist 6 F 14 (FRH 6 F 14) löst schließlich das Sauprodigium ganz von der Episode des ersten Opfers des Aeneas nach der Landung in Latium und bringt es mit Romulus in Verbindung. Es handelt sich hierbei um ein verbreitetes Muster, das sowohl in griechischen (z. B. in der Gründung Thebens an dem Ort, an dem sich die von Kadmos verfolgte Kuh niederließ) als auch in italischen Erzählungen (in den Traditionen über das ver sacrum, bei dem die auswandernde Jugend einem Totemtier folgte) vorkommt; s. V. Fromentin comm. ad Dion. Hal. ant. 1,55,4; M. Lentano comm. ad OGR 11,2 (2015, 83 f.). – Als Quelle Lykophrons für das Sauprodigium sowie seine Erwähnung der sacra, für die Aeneas einen Schrein errichtet habe (v. 1261 f.), wird Timaios vorgeschlagen, s. Vanotti 2005, 224 f.; Humm 2016, 96 f.

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mit dem Nordwind oder auch der tragischen Umkehr des ‚Happy Ends‘ der Telegonie. Möglich ist auch, dass hier eine übertragene Bedeutung des Adjektivs vorliegt, ohne Verweis auf die Farbe Weiß.23 Entsprechend der Deutung seiner Wortwahl kann die Lykophron-Stelle nur unter Vorbehalt als Terminus ante quem für die Verbreitung der Etymologie des Städtenamens, die der Übertragung von Alba Longa zu Leukaria zugrunde läge, herangezogen werden.24 Als Terminus ist daher Fabius Pictor festzuhalten, der nicht nur die Aitiologie des Ortsnamens, sondern seiner griechischen Leserschaft vermutlich bereits die Übersetzung anbot.25 Ab dem mittleren oder späten 3. Jahrhundert war also die Alba-Etymologie mit der Erzählung über das Sauprodigium nicht nur in Latium, sondern auch in der griechischen Welt verbreitet. Allerdings haben wir mit Leukaria ebenso wie mit der Alba des Alkimos statt eines Motivs in einer etymologischen Aitiologie eine Figur vor uns, die ihren Namen von dem latinischen Toponym erhalten hat.26 Die Figur mit dem Namen Alba kann dabei entweder eine eponyme Heroin oder eine Ortspersonifikation sein, da sie wie Rhome unmittelbar den Namen des Ortes trägt. Auch eine ausführlichere narrative Ausgestaltung ist denkbar, in der die griechische Namengebung thematisiert wird. Für solche Erzählungen gibt es mehrere Beispiele in Latium und Umgebung: So wurde erzählt, dass Euander oder Aeneas den ursprünglichen lateinischen Ortsnamen Valen-

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Tatsächlich bedeutet das Adjektiv κελαινός nicht nur die Farbe Schwarz, sondern auch schattig, dunkel oder wild, wütend. Lykophron verwendet es elfmal, meist in makabrem Kontext: u. a. für Thetis, die Menschenopfer wünscht (325), eine Eiche, unter der Kastor seinen Tod findet (554), den Styx (706), für Blut des am Altar ermordeten Sohnes der Priesterin von Siris (992). Die Bedeutung in einem Abschnitt, der meist als romfreundlich gedeutet wird, im Kontext der Ankunft des Aeneas am Ziel seiner Reise, ist nicht klar. Eine den anderen Stellen entsprechende Situation lässt sich hier nicht erkennen, möglicherweise erklärt das Opfer, dem die Sau geweiht ist, diese Charakterisierung. Die unheilvolle Nuance könnte darüber hinaus auf die Gründung der 30 Festungen (latinische Städte oder latinische Kolonien, s. o.) bezogen werden, doch auch dies wäre deutlich antirömisch zu verstehen, was nicht zu dem Tenor des römischen Abschnitts passen mag. Zur Forschungsdebatte Vanotti 2005, 224 mit Anm. 44; S. Hornblower 2015, ad loc. S. Hornblower 2015 comm. ad loc. sieht eine zeitliche Priorität Fabius Pictors und deutet das Spiel mit der Tradition als subtile Allusion auf Alba Longa. Die bei Lykophron erwähnte Verehrung von Reliquien belegt allerdings, dass es bereits eine ältere Geschichte in Lavinium gegeben hat, an die dadurch erinnert wurde. Der Dichter kennt ebenfalls das Tische-Orakel (Lykophr. Alex. 1250– 1252). Möglicherweise hat sich also dieser Teil der Vulgata bereits vor dem Besuch des Timaios im Zusammenhang mit der Monumentalisierung des Tumulus zum Heroon des Aeneas zur Zeit des Latinerkrieges herausgebildet. In der Folge – bis zu Fabius Pictor – kann sich die Erzählung durchaus gewandelt haben und das Sauprodigium auf Alba Longa bezogen worden sein. Q. Fabius Pictor FRHist 1 F 3 = Diod. 7,5,7: „Askanus […] urbem Albam appellauit, ad porcae colorem: nam Latini secundum suam linguam τὴν Λευκὴν Albam uocant“ (lat. Übers. Petermann aus Eus. arm., verbessert A. Cohen-Skalli). Die Erklärung des Wortes alba findet sich danach ebenfalls bei Dion. Hal. ant. 1,66,1 (ohne Verweis auf das Opfertier) und Cass. Dio in Schol. Lykophr. Alex. 1232. Vanotti 2005, 225: „toponimo antropico, non risulta affatto riconducibile al colore di un quadrupede ominale“.

Etymologie, Eponymie und Personifizierung

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tia ins Griechische übersetzten.27 Die von den Pelasgern Agylla genannte Stadt habe ihren etruskischen Namen Caere durch ein Missverständnis von dem griechischen Gruß χαῖρε! erhalten.28 Der Name Praeneste stamme, wenn nicht von dem Enkel des Odysseus,29 von dem griechischen Wort für die Eiche, da die am Ort der Gründung feiernden Bauern Kränze aus Eichenzweigen getragen hätten.30 Eine solche Geschichte stand vielleicht auch hinter dem angeblich ursprünglichen Namen Stephane oder Polystephanos der Strabon zufolge griechischen Stadt Praeneste.31 Diese Erzählungen belegen eine Freude an dem Spiel mit den Sprachen. All diese Aitiologien entstehen aus dem Interesse für lokale Toponyme, sie erscheinen zudem eingeordnet in die bekannten Gründungsgeschichten.32 Wir können also für den Schöpfer der Leukaria einen Erzähler annehmen, der Freude an solchen Sprachspielen und etymologischen Kreationen hat. Anders als in den genannten Fällen erklärt er jedoch keinen lokalen, wohl nichtgriechischen Ortsnamen mit einem griechischen Wort, sondern er kreiert auf der Grundlage der lateinischen Bedeutung des Toponyms eine griechische Entsprechung. Am besten damit vergleichbar ist die späte Erzählung des Johannes Lydos, Latinus habe wegen der Lorbeerbäume auf dem Palatin eine Stadt namens Daphne gegründet, was deutlich von Laurentum abgeleitet ist, das ansonsten auch in griechischen Texten immer mit seinem lateinischen Namen bezeichnet wurde.33 Übersetzungen von Namen unterschiedlicher Sprachen gab es bereits vor dem Beginn der lateinischen und insbesondere vor dem Aufkommen der antiquarischen Literatur.34 Dies zeigt sich nicht zuletzt an der

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s. o. Kap. 3.5.2 zu Valentia; Fest. 328 L (historiae Cumanae scriptor); Serv. auct. Aen. 1,273. Briquel 2012a, 282 f. mit Quellen und Lit. Die Aitiologien berichten von der Begegnung zwischen der pelasgischen Bevölkerung und den lydischen Neuankömmlingen, die auf die Frage nach dem Namen der Stadt von der Stadtmauer auf Griechisch begrüßt worden seien (Strab. 5,2,3), oder zwischen den grüßenden griechischsprachigen Stadtbewohnern und römischen Reisenden (C. Iulius Hyginus, De Italicis urbibus, FRHist 63 F 12 = Serv. Aen. 8,597). Aus dem syrakusischen Umfeld des Dionysios I. stammt vermutlich die alternative Herleitung der Tyrrhenoi-Tyrsenoi von den Türmen (tyrseis) der als etruskische Metropolis bezeichneten Hafenstadt Pyrgi, so Briquel 1993, 201 ff. auf der Grundlage von Serv. Aen. 10,184. s. o. Kap. 3.2.3. Eine dritte, lateinische Etymologie leitete den Namen der Stadt von ihrer exponierten Position am Berghang her: Cato FRHist 5 F 68 (FRH 3 F 2,30) = Serv. auct. Aen. 7,682: Cato dicit: quia is locus montibus praestet, Praeneste oppido nomen dedit; Paul. exc. Fest. 250, 22 f. L. In der für Cato überlieferten Erzählung der Stadtgründung durch Caeculus wird der Name nicht erklärt (s. o. Kap. 2.2.2). Serv. Aen. 7,678. 681; Ps.-Plut. parall. min. 41B; s. o. Kap. 3.2.3: der Gründer der Stadt ist in dieser Aitiologie der Odysseussohn Telegonos. Strab. 5,3,11; Plin. nat. 3,64. Insofern unterscheiden sich diese Fälle von dem des hesiodeischen Agrios, dessen Kreation auch ohne tiefergehende Kenntnis lokaler Verhältnisse und insbesondere der Figuren des lokalen Mythos denkbar ist, s. o. S. 42 mit Anm. 46. Lyd. mens. 4,4 W; s. dazu o. Kap. 2.2.4. Die in Rom tätigen Autoren haben die Praxis der Etymologie bereits seit Livius Andronicus aus Alexandria übernommen, s. O’Hara 1996, 42 f.

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interpretatio im Zusammenhang mit lokalen Gottheiten. So wird die von Dionysios I. bestohlene Göttin im etruskischen Pyrgi, ebenso wie die des Heiligtums am Forum Boarium, Mater Matuta, mit der griechischen Göttin Leukothea gleichgesetzt.35 Und auch das erste Werk der lateinischen Literatur, die Odusia des Livius Andronicus beginnt mit einer solchen interpretatio, wenn er statt der Muse Camena anruft. Für einen von der Farbe Weiß ausgehenden Personennamen stand schließlich vielleicht auch Leukosia bzw. Leukasia Patin, die südlich von Poseidonia am heutigen Punta Licosia verortet und entweder als eine der Sirenen, auf die Odysseus gestoßen war, oder als Cousine des Aeneas betrachtet wurde.36 Eine direkte, inhaltliche Verbindung zwischen dieser Figur und Alba scheint zwar ausgeschlossen, doch es könnte hier dieselbe Vorgehensweise bei der Erklärung der Namengebung vorliegen, wie insbesondere im Fall des Palatins, bei dem Städte ähnlichen Namens in Arkadien und in der näheren Umgebung herangezogen wurden.37 4.3 Alkimos 4.3.1 Sizilien und Latium im 4. Jahrhundert v. Chr. Alkimos’ Bericht über die Genealogie des Gründers Roms ist in der ersten Hälfte des 4. Jahrhunderts in Syrakus entstanden, wo er wohl seit den letzten Herrschaftsjahren des Dionysios I. und vor allem unter Dionysios II. und Timoleon wirkte. Wir befinden uns somit rund 100 Jahre vor der Entstehung der Alexandra des Lykophron und 150 Jahre vor dem historiographischen Wirken von Fabius Pictor. Die Erwähnung Roms und Albas durch Alkimos wird entweder noch in die Tage des ersten Dionysios oder erst in die Mitte des Jahrhunderts datiert.38 Dionysios I. zeigte in den 380er Jahren deutliches Interesse am Tyrrhenischen Italien: Zum einen plünderte er 384/383 das Heiligtum von Pyrgi, dem Hafen der mit Rom

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In Pyrgi gab es sowohl eine interpretatio punica, nach der die Hauptgöttin Uni mit Astarte gleichgesetzt wurde (so auf den Goldblechen von Pyrgi), als auch zwei griechische: Nach Aristot. oec. 2,20 p. 1349b Bekker plünderte Dionysios I. das Heiligtum der Leukothea, nach Strab. 5,2,8 handelt es sich bei der Göttin um Eilethyia, in Inschriften ist der etruskische Name der Göttin Thesan belegt. Allerdings wurde hier keine wörtliche Übersetzung vorgenommen, sondern die vergleichbaren Eigenschaften der jeweiligen Gottheit berücksichtigt. Serv. Aen 7,83 nimmt hingegen eine wörtliche Übertragung vor, wenn er die Nymphe Albunea ebenfalls mit Leukothea identifiziert. Sirene: Ps.-Aristot. mir. 103 p. 839a Bekker; Lykophr. Alex. 723; Strab. 6,1,1; Cousine des Aeneas: Dion. Hal. ant. 1,53,2. Die Konsonanten R und S könnten ausgetauscht worden sein, wie bei den Varianten Ausones und Aurunci. Pallantion in Arkadien: u. a. Dion. Hal. ant. 1,31,4; Palatium in der Sabina: Varr. ling. 5,53. s. o. Anm. 16; Vanotti 2006 setzt die Entstehung von Alkimos’ Erzählung bereits unter Dionysios I. an, Fraschetti 1981 unter Dionysios II.; Überblick über die historische Entwicklung im 4. Jh. bei Scardigli 1991, 96–98; Cornell 1995, 318–326; Terrenato 2019, 79–86.

Alkimos

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verbündeten etruskischen Stadt Caere,39 zum anderen schloss er bereits kurz nach der gallischen Eroberung Roms ein Bündnis mit den Galliern des Brennus.40 Dionysios ging es nicht nur um die bei Aristoteles zitierten Reichtümer der Göttin von Pyrgi41 und die Beschneidung der Seemacht der Caeretaner, sondern gerade auch um Rom. Dieses hatte durch die Eroberung Vejis stark an Machtressourcen gewonnen und war nicht nur mit Caere,42 sondern auch mit Massalia43 und wahrscheinlich mit Karthago verbündet, mit dem Syrakus in ständigem Konflikt stand.44 Ebenso konflikthaft war seit dem Beginn des 4. Jahrhunderts aber auch die Beziehung zwischen Rom und manchen Städten Latiums: Die großen Städte Tibur und Praeneste gingen sogar soweit, sich die Söldnerdienste der Gallier zunutze zu machen,45 und waren somit indirekt auch mit Syrakus verbunden. In den Jahrzehnten nach der Schlacht an der Allia fielen daher immer wieder gallische Heere in Latium ein.46 Der am häufigsten angenommene Zeitpunkt für die Entstehung der Erzählung des Alkimos ist das mittlere 4. Jahrhundert. Für diese Zeit ist die Präsenz einer griechischen Flotte vor der Küste Latiums überliefert, die wahrscheinlich aus Syrakus kam.47 Livius berichtet für das Jahr 350/349, dass, während jene griechische Flotte vor der latinischen Küste lag, der Albaner Berg ein gallisches Heer beherbergte und zum Schauplatz der entscheidenden Schlacht zwischen Galliern und Römern wurde. Zuvor hatten sich eben jene Gallier und die Griechen der Flotte, die ebenfalls das Land zwischen Tibermündung und Antium plünderten, ein Gefecht geliefert.48 In diesem historischen Moment hatten also Syrakuser Gelegenheit, die latinische Geographie und die Städte aus erster Hand kennenzulernen, und waren insbesondere Zeugen der Ereignisse um den Albaner Berg. Nachrichten darüber waren sicher auch bis nach Syrakus zu Alkimos durchgedrungen. 39 40 41 42

Cornell 1995, 320 f.; Briquel 1993. Überblick bei Cornell 1995, 315–318. Zu der Göttin s. o. Gemeinsame oder koordinierte Aktionen Roms und Caeres zeigen sich in den Bemühungen um Koloniegründungen auf Sardinien und Korsika, Cornell 1995, 321. 326. 43 Iust. 43,5,3. 8–10; s. u. a. Briquel 1997, 16; Scardigli 1991, 97 zu dem Bündnis aus der Zeit des Galliersturms; bereits für die Zeit des vorletzten Königs Servius Tullius sind Beziehungen zu Massalia überliefert, das der Stadt am Tiber das Kultbild für den neuen Tempel der Diana Aventinensis geschenkt habe, Strab. 4,1,5, s. Scardigli 1991, 58 f.; zu Massalia zuletzt Terrenato 2019, 93–97. 44 Die Zweifel an dem ersten römisch-karthagischen Vertrag aus dem Jahr 509 v. Chr. (Pol. 3,22,1–13; 23,1–6) sind mittlerweile weitgehend ausgeräumt, s. Scardigli 1991, Kap. II; Cornell 1995, 210 ff.; Smith 2019, 57. Der Vertrag wurde 348/347 v. Chr. erneuert, s. Liv. 7,27,2; Scardigli 1991, Kap. III. 45 Liv. 7,11,1; 12,8; 8,14,9; Cornell 1995. 46 Liv. 6,42,5–8; 7,9,6–11,1; 23,2–26,9; s. Cornell 1995, 324 f. In diesen Kontext gehört der zum exemplum gewordene Zweikampf gegen den Gallier, dem Manlius sein Cognomen Torquatus verdankte. 47 Liv. 7,25,4. 13; 26,10 f. 13–15. Scardigli 1991, 98 liest zu Unrecht in Liv. 7,26,15, dass die Flotte auf Wunsch der latinischen Städte vor die latinische Küste gekommen war. Zur Diskussion darüber, ob es nicht doch vielleicht phokäische oder kampanische Schiffe waren, s. Vanotti 2006. 48 Liv. 6,42,6; 7,24,8 f.; 25,4.

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Doch bereits zu Beginn des 4. Jahrhunderts war der Albaner Berg Protagonist einer denkwürdigen Episode, die vielleicht weit über Latium hinaus bekannt geworden sein könnte. Der annalistischen Überlieferung zufolge war während der Belagerung der Nachbarstadt Veji durch die Römer der Wasserspiegel des Albaner Sees unnatürlich hoch gestiegen. Sowohl das Orakel von Delphi als auch ein aus Veji geraubter Seher schlugen, so die Geschichtsschreibung, als Lösung einen Abflusskanal von dem See in die Ebene vor, der zur Bewässerung dienen sollte. Ebenso mahnten sie die erneute Pflege der vorväterlichen Heiligtümer von Alba an. Erst dann würde Rom Veji besiegen.49 Geologische Untersuchungen haben gezeigt, dass vulkanische Vorgänge im Albaner Gebirge durchaus ein solches geo-hydrologisches Phänomen bewirkt haben können.50 Wenngleich die annalistischen Traditionen gerade zu den Ereignissen jener Jahrzehnte mit Vorsicht behandelt werden müssen,51 könne, so Grandazzi, dieses prodigium also grundsätzlich stattgefunden und die Berühmtheit des Berges auch außerhalb Latiums gesteigert haben. Der Albaner Berg beherbergte schließlich das zentrale Heiligtum der Latiner, in dem Iuppiter Latiaris verehrt wurde und seit der Königszeit die Feriae Latinae gefeiert wurden.52 Die Teilnahme an dem Fest war – so die Vorstellung in der Zeit Ciceros und der antiquarischen Autoren – untrennbar mit der Zugehörigkeit zu den Latinern verbunden. Es gilt daher als Ausdruck, Kristallisationspunkt und Zentrum der latinischen Identität und damit zusammenhängend als Ort, an dem die latinischen Ursprünge zelebriert wurden. Die sakrale Bedeutung des Albaner Berges wurde daher auch in den späteren Erzählungen der Vulgata immer wieder thematisiert, so auch in den Orakeln anlässlich des Hochwassers.53 Es bestand zudem eine ideelle Nähe zwischen dem Iuppiter-Heiligtum auf dem Albaner Berg und dem römischen Kult auf dem Kapitol, so dass im 3. Jahrhundert ein alternativer Triumphzug auf den Albaner Berg eingerichtet wurde für solche Feldherren, denen der Senat keinen vollwertigen Triumph in Rom 49 50 51

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Liv. 5,15,2–12. Grandazzi 2008, 83–85. Insbesondere zu Camillus und der literarischen Gestaltung der Tradition u. a. Bruun 2000. – Auch der kausale Zusammenhang zwischen dem Hochwasser und dem Bau des albanischen Emissärs ist nicht gesichert. Da dieser auffallend einem entsprechenden Kanal am benachbarten Nemisee aus dem späten 6. Jh. ähnelt, sei, so Grandazzi 2008, ein früherer Zeitpunkt als das beginnende 4. Jh. ins Auge zu fassen. Die technische Meisterleistung des Kanals mit der logistischen Gemeinschaftsarbeit eines Systems unzähliger Bewässerungskanäle zwischen den Albaner Bergen und der Küste sei zudem eher vor der Eroberung durch die Volsker im frühen 5. Jh. verwirklicht worden. Diese Interpretation überzeugt, auch wenn die Vorstellung vom Volskereinfall zugunsten der Annahme von ethnischen Konflikten zwischen bereits zuvor in der Gegend wohnenden Bevölkerungsgruppen nuanciert werden muss, s. Gnade 2009, 414. 426; Di Fazio 2020. Zu den Feriae Latinae Pasqualini 1996; Grandazzi 2008, 625 ff.; zuletzt mit Überblick und weiterführenden Fragen Smith 2014a. Die annalistische Tradition erzählt von prodigia, die eingetreten waren, weil die Römer nach der Zerstörung Alba Longas unter Tullus Hostilius aufgegeben hatten, die Kulte der Vorfahren zu pflegen, Liv. 5,16,11.

Alkimos

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zugestehen wollte.54 Die identitätsstiftende und rituelle Bedeutung des albanischen Gebirges mit seinen Seen für die Latiner legt also seine Integration in mythhistorische und aitiologische Erzählungen nahe. Der Anlass für Alkimos kann dabei die mit der griechischen Flottenblockade zusammenfallende gallische Invasion gewesen sein. Aus der Paraphrase bei Festus geht nicht hervor, ob Alba wie Rhomos für eine Stadt steht. Die Genealogie besteht ansonsten aus dem epischen Helden Aeneas, den städtischen Eponymen Romulus und Rhomus sowie mit Tyrrhenia einer Landschaftspersonifikation. Es ist also denkbar, dass Alba nicht für die legendäre Stadt Alba Longa steht, sondern für das eindrucksvolle latinische Gebirge.55 Vergleichbar wäre der Fall des Misenos, des Gefährten des Aeneas, von dem das kampanische Vorgebirge am Golf von Neapel seinen Namen erhalten hatte, der Setaia aus der Schiffsbrandgeschichte bei Sybaris oder – für die stadtrömische Topographie – des Heros Aventinus. Dafür kann sprechen, dass die erhaltenen Fragmente aus dem Werk des Alkimos gerade ein Interesse an Bergen und speziell Vulkanen belegen, die wie üblich in die mythischen Genealogien eingegliedert sind. So spielt bei ihm wie bei vielen anderen Autoren Aitna, die eponyme Heroin des sizilianischen Vulkans, die er als Tochter von Uranos und Gaia bezeichnet,56 ebenso eine Rolle wie die dort heimische Nymphe Galatea und der Kyklop Polyphem.57 Außersizilische und wundersame vulkanologische Phänomene gingen in seine Behandlung der lykischen Chimaira ein, wobei hier anders als bei Aitna eine rationalisierende Beschreibung des bereits bei Homer und Hesiod als Monster beschriebenen Berges vorliegt.58 Alkimos, dessen Werk aufgrund der spärlichen Fragmente nicht eindeutig einer Literaturgattung zuzuordnen ist,59 ist also ein gewisses narratives Spektrum im Umgang mit Landschaften zu bescheinigen, eine schematische Deutung der Alba-Erzählung ist aufgrund der kurzen Paraphrase daher nicht möglich. Man kann festhalten, dass in der Mitte des 4. Jahrhunderts die Ereignisse in Latium Alkimos dazu bewegt haben können, eine Erzählung über die Ursprünge Roms zu verfassen, in die er auch eine eponyme Gestalt bzw. Personifizierung des zentralen

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Der erste Triumph in monte Albano fand im Jahr 231 statt, Fasti Triumphales, CIL I2 1, p. 47; s. Rosenberger 2009, 31. Cato gibt die entgegengesetzte Richtung an, wenn er den Namen des Berges von dem der Stadt ableitet, FRHist 5 F 73 (FRH 3 F 1,15) = Serv. auct. Aen. 12,234. Alkimos FGrHist 560 F 5; s. D. G. Smith, BNJ, comm. ad loc. zu den zahlreichen Genealogien der Nymphe Aitna. Alkimos FGrHist 560 F 10; dieses Liebespaar war zentral in der Mythopoiese der Zeit des Dionysios I. Es wurde von dem Dichter Philoxenos als Parodie auf den Tyrannen umgestaltet und in der Folge von Anhängern wie Gegnern mannigfaltig bemüht. Von besonderer Bedeutung ist die ethnische Dimension; denn die Kinder des Paares wurden zu den Stammvätern der Gallier und der Illyrer, der Verbündeten des Dionysios (Timaios FGrHist 566 F 69: Γαλατία· χώρα· ὠνομάσθη, ὥς φησι Τίμαιος, ἀπὸ Γαλάτου, Κύκλωπος καὶ Γαλατείας υἱοῦ; App. Ill. 2), s. Briquel 1997, 22 f. 28 ff. Alkimos FGrHist 560 F 9 mit D. G. Smith, BNJ, comm. ad loc. D. G. Smith, Alkimos BNJ 560, Biographical Essay.

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Gebirges aufnahm. Ob er der erste war, der diese Geschichte erzählte oder ob er einer bereits existierenden Tradition folgte, ist nicht zu bestimmen, da sein Zeugnis das einzige für diese Version ist. Es ist nicht nötig anzunehmen, dass er eine lokale Tradition über Alba Longa kannte und diese nach griechischem Vorbild umgestaltete. Aus den späteren, andersgearteten Erzählungen über die latinische Metropolis kann man m. E. nicht darauf schließen, dass es sich bei Alba um die eponyme Heroin einer Stadt handelt. 4.3.2 Tyrrhenia Werfen wir nun einen Blick auf Stammbaum. Indem er Aeneas zum Ahnherrn der Genealogie macht, folgt Alkimos wie bereits Hellanikos und die Quelle des Justinus-Pompeius Trogus der trojanischen Tradition über die Ursprünge Roms. Auf die Schiffsbranderzählung oder sonst eine narrative Einbettung gibt es jedoch keine Hinweise. Mit Romulus, seinem Sohn in der Wiedergabe des Festus, beschäftigen wir uns später, denn er wird neben Alba als Beleg für eine Kenntnis lokaler Erzählungen herangezogen. Rhomus, der Sohn Albas und Gründer der Stadt am Tiber, ist dagegen wie Rhome ein häufig angeführter eponymer Heros. Besonderes Interesse verdient Tyrrhenia, Aeneas’ Gattin und Mutter des Romulus, die hier wie Alba das erste und auch einzige Mal vorkommt. Die weibliche Form Tyr­ rhenia entspricht der griechischen Bezeichnung für Etrurien.60 Während der eponyme Heros der Tyrrhener entsprechend Latinos stets Tyrrhenos ist, der Lyder bzw. Sohn des Telephos, ist Tyrrhenia als Personifikation oder eponyme Heldin in einer Gründungsgeschichte nur hier belegt. Die weibliche Form lässt sich auf funktionaler Ebene damit erklären, dass der Erzähler eine Gattin für den epischen Helden Aeneas gesucht hat; sie entspricht insofern der Rhome in anderen Erzählungen.61

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Tyrrhenia findet sich im PHI-Corpus der lateinischen Literatur genau fünfmal (dreimal zusammen mit dem Eponym Tyrrhenos bei Servius, einmal bei Ovid, einmal in der Alkimosstelle), gegenüber 306 Erwähnungen von Etruria und 46 von Tuscia (davon 42 bei Servius). Im Corpus des TLG gibt es 100 Erwähnungen von Tyrsenia und 237 von Tyrrhenia. – s. aber u. erneut zu der Differenz zwischen der v. a. frühen griechischen Vorstellung der Tyrrhenia als Landschaft und Kulturraum zwischen Etrurien und Kampanien und dem lateinischen Etrurienbegriff, der tatsächlich nur die Heimat der Etrusker in römischer Zeit bezeichnete. Eine weibliche Form von Tyrrhenos ist als mythische Gestalt nicht überliefert. Während einerseits herausragende Landschaftsmarker, also Berge, Flüsse oder Quellen häufig personifiziert bzw. mit eponymen Heroen erklärt wurden und andererseits Städte und Völker ihren Namen von solchen Helden herleiteten, ist eine ethnisch verstandene Landschaftsbezeichnung in mythischen Genealogien in archaischer und klassischer Zeit unüblich, wie wir bereits bei der Italía gesehen haben, für die mit Italos eine eponyme Figur geschaffen wurde (s. o. S. 100 und Kap. 3.4.2 zu den Schwierigkeiten von Bezeichnungen von Regionen und Landschaften). Zu Beginn des 3. Jh.s erscheinen die ersten Personifizierungen von Ländern, allen voran ist hier die Skulptur der Aitolia zu nennen,

Alkimos

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Welche Bedeutung, welchen Zweck hat die Tyrrhenia als Ahnherrin des Gründers von Rom? Es gibt prinzipiell mehrere Möglichkeiten: Eine Integration Roms in die etruskischen Herkunftserzählungen neben den trojanischen Wurzeln, die Zuschreibung etruskischer Identität und (stereotyper) etruskischer Charakterzüge, eine mythische Umsetzung aktueller Ereignisse oder eine simple geographische Angabe. Dass Rom als tyrrhenische Stadt bezeichnet wurde, betont Dionysios von Halikarnassos.62 Die Heirat der Tyrrhenia mit Aeneas sowie die Erwähnung der Stadtgründung durch den Urenkel Rhomos deuten zunächst auf eine narrative Ausgestaltung dieser Ktisis hin. Aufgrund der außergewöhnlichen Wahl des Landschaftsnamens scheint mir jedoch keine direkte Anknüpfung an die tyrrhenische, sprich lydisch-mysische Herkunftserzählung intendiert. Zwar kann nicht ausgeschlossen werden, dass in dem ausführlicheren Text des Alkimos noch weitere Figuren zu dem Stammbaum gehörten, doch in der erhaltenen Paraphrase des Festus ist von einem lydischen Hintergrund nichts mehr zu sehen. Viele Forscher interpretieren diesen Stammbaum so, dass den Römern damit eine etruskische Identität zugeschrieben werden sollte. Durch die Abstammung von Tyr­ rhenia und dem Trojaner Aeneas werde Rom zu einer doppelt barbarischen und den Griechen gegenüber feindlichen Stadt.63 Nach Briquel stamme die Vorstellung der Autochthonie der Etrusker wohl aus der syrakusischen Propaganda zur Zeit der Plünderung Pyrgis, wodurch ihre Verwandtschaft mit den Griechen über die pelasgischen Vorfahren aufgekündigt werden sollte.64 Die Zuschreibung der etruskischen Identität habe, so eine verbreitete Sicht, auch eine entsprechende Charakterisierung der Römer mit sich gebracht. In der Angabe der Tyrrhenia (und des orientalischen Aeneas) müsse zu Alkimos’ Zeit die Vorstellung der tryphe mitgeschwungen haben.65 Dieser Gedanke scheint auf den ersten Blick berechtigt, weil Alkimos laut Athenaios selbst im Sinne dieses Stereotyps über den Luxus der Tyrrhener geschrieben hat.66 Da in einem weiteren Fragment anhand eines Beispiels aus Kroton von dem Weinverbot für die italischen Frauen die Rede ist, hat man vermutet, dass Alkimos die Tugendhaftigkeit der Italiker der etruskischen tryphe gegenübergestellt habe und somit die Bezeichnung als tyrrhenisch durchaus eine solcherart diffamierende Intention auch gegenüber Rom

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die nach dem Sieg über die Gallier 278 v. Chr. in Delphi geweiht wurde, s. LIMC I, 1981, 432 f. s. v. Aitolia. Dion. Hal. ant. 1,29,2: τήν τε Ῥώμην αὐτὴν πολλοὶ τῶν συγγραφέων Τυρρηνίδα πόλιν εἶναι ὑπέλαβον. Die Pluralangabe bei den leider nicht namentlich genannten Autoren deutet darauf hin, dass nicht nur Alkimos Rom mit Tyrrhenien verband, sondern dass es sich um eine verbreitete Sicht handelte. Wir wissen nicht, welche Autoren er meint, in den vollständig überlieferten Werken des Herodot und des Thukydides ist von Rom jedenfalls nicht die Rede. Humm 2013, 450 mit Forschungsdiskussion. Briquel 1993; s. o. S. 162. Fraschetti 1981, 103; Briquel 1993; ausführlich zur tryphe der Etrusker s. Liébert 2006. Alkimos, FGrHist 560 F 3.

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offenbarte.67 Vieles spricht jedoch gegen diese Überlegung: Zunächst galt das Weinverbot gerade auch in Rom, die Stadt am Tiber müsste also zu jenen italischen Städten gezählt werden, wenn auch eine Stereotypisierung nicht von tatsächlichen Verhältnissen ausgehen musste.68 Doch auch der tryphe-Vorwurf war nicht ethnisch eindeutig, denn er konnte genauso an griechische Städte gerichtet werden. Er war nicht nur mit den Lydern und den mit ihnen (gemäß der Lyderthese) verwandten Etruskern, sondern auch mit vielen ionischen Städten in der Ägäis und in Unteritalien sowie auf Sizilien verbunden. In der im 4. Jahrhundert erfolgreichen Propaganda Tarents, das sich den Pythagoreismus zu eigen gemacht hatte und mit Verweis auf die spartanischen Ursprünge Vertreter der Austerität war, konnte der tryphe-Vorwurf auch Syrakus selbst gemacht werden.69 Die Abgrenzung verlief hier also nicht entlang der simplen Dichotomie von griechisch vs. barbarisch-etruskisch. Allerdings waren die Römer sensibel gegenüber dem Thema, da sie sich später selbst das von Tarent propagierte Ideal der frugalitas aneigneten.70 Zuletzt besteht sogar Zweifel daran, dass Alkimos wirklich über die tryphe schrieb, wie Athenaios behauptet. Vielmehr könnte es sich wie bei Aristoteles auch um eine ethnographische Notiz handeln, der Athenaios den tarantinischen, später römischen Stereotypen folgend, unter der Überschrift des Luxus eine negative Färbung gegeben hat.71 Diese ethnisch-moralische Deutung der Tyrrhenia in der Alkimos-Erzählung hängt demnach maßgeblich davon ab, ob man aus der Tatsache, dass Alkimos am Hof in Syrakus wirkte, zwangsläufig eine negative Darstellung aller 67

Alkimos, FGrHist 560 F 2; s. Pearson 1987, 33, der grundsätzlich auch eine Etrusker-freundliche Deutung für möglich hält. – Alkimos schreibt (zumindest in den erhaltenen Fragmenten) nicht vom Weingenuss der Etruskerinnen, obwohl dieser zum Standardrepertoire der Beschreibungen der Etrusker gehörte, so bei Theopomp FGrHist 115 F 222. Weitere Lit. s. in comm. ad BNJ 560 F 2. 68 Da in denselben Jahrzehnten auch Aristoteles über Sitten von Frauen, und zwar in Rom, schreibt (s. o. Kap. 3.3.2 zum ius osculi, das ja – wenn auch nicht von Aristoteles – ebenfalls mit dem Weinverbot erklärt wurde), lässt sich nicht klar entscheiden, ob Alkimos Rom nun zu den Städten der tryphe oder der Strenge zählte – zumal aufgrund des sich wandelnden Italienbegriffs nicht einmal klar ist, wer zu den letzteren zählte. Kroton gehört als griechische Stadt zu den Italioten, doch auch die Nachbarstadt Sybaris müsste zu dieser Gruppe gezählt werden und war doch selbst das Musterbeispiel für tryphe. Zum Italienbegriff s. o. und u. 69 Dench 1995, 12. 82; die Zuschreibung und Ablehnung von tryphe war dabei meist losgelöst von tatsächlichem Reichtum, so Dench ebd.: „austerity was promoted as a positive value in the later fourth century by Tarentine Pythagoreans, and fourth-century Tarentum is hardly noteworthy for poverty and cultural isolation.“ – Liébert 2006, 118 f. zu Athenaios als Quelle für die Informationen über die tryphe und als eine Art „Guide de la τρυφή ancienne“, der die Lydier, die ionischen Städte allgemein, Sybaris, Sizilien und Kyme beinhaltete. 70 s. Dench 1995, 58. 82–88 dazu, dass auch das Rom des 4. und 3. Jh.s weit entfernt war von der bäuerlich-kargen Gesellschaft, als die sich die späteren Nachfahren präsentierten, wie nicht zuletzt die Lex Oppia gegen Luxus zeige. Das spätere römische Selbstverständnis verstärkte seinerseits das Bild der etruskischen luxuria, während die bei Fabius Pictor selbst noch mit Reichtum verbundenen Sabiner zum Vorbild der frugalitas stilisiert wurden (der Reichtum der Sabiner spielt eine zentrale Rolle in der Tarpeia-Episode bei Fabius Pictor FRHist 1 F 7 [FRH 1 F 10] = FGrHist 809 F 6 = Cincius FRHist 2 F 3 = Dion. Hal. ant. 2,38,3). 71 Liébert 2006, 221 f. mit Anm. 676.

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Gegner der Tyrannen ableiten muss und ob das Label ‚tyrrhenisch‘ auch mit anderem Inhalt als der tryphe gefüllt werden kann. Die andere Deutung sieht in dem Stammbaum eine mythische Umsetzung historischer Verhältnisse. In einer Perspektive, die für die Königszeit und den Beginn der Republik von einer etruskischen Vorherrschaft in Latium ausging, war die Deutung des Stammbaums einfach, da sie diese These zu stützen schien. Ebenso wäre die trojanische Erzählung von den etruskischen Herren nach Latium gebracht worden.72 Da sich aber mittlerweile die Einschätzung der etruskisch-latinischen Geschichte des späten 7. bis frühen 5. Jahrhunderts gewandelt hat und die Vorstellung einer historischen etruskischen Vorherrschaft ad acta gelegt wurde,73 ist auch die Lesart des Stammbaums anzupassen. Die Verbindung von Aeneas, dem Vorfahren von Alba und Rhomus, mit Etrurien in der Erzählung des Alkimos kann dennoch als Zeichen einer wie auch immer gearteten Nähe Roms bzw. Latiums zu seinen etruskischen Nachbarn verstanden werden. Ein langlebiges Bündnis zwischen Caere und Rom bestand bereits unter Tarquinius Superbus und war insbesondere zur Zeit der Gallischen Katastrophe von zentraler Bedeutung für Rom. Beim Galliereinfall gewährten die Caeretaner Rom existenzielle Unterstützung, wofür die Römer ihnen mit einem privilegierten Verhältnis dankten.74 Die Aeneas-Gattin Tyrrhenia des Alkimos bezeichnet durch ihren Namen allerdings ganz Etrurien, nicht nur Caere. So sehr Rom mit Caere befreundet war, war das Verhältnis zu vielen anderen etruskischen Städten eher von Rivalitäten und Konflikten geprägt. Jahrhundertelange Streitigkeiten mit Veji um uneingeschränkten Tiber-Zugang in Fidenae und an der Mündung kulminierten in der 10-jährigen Belagerung und anschließenden Eroberung samt Zerstörung Vejis im Jahr 396. Nicht nur betrieb Rom eine differenzierte Politik gegenüber den etruskischen Städten. In dem Krieg zwischen Veji und Rom wurde zudem deutlich, wie wenig selbst die etruskischen Städte mit einer der ihren solidarisch waren.75 Eine einfache Übertragung von Tyrrhenia auf historische Beziehungen zwischen Rom und Etrurien insgesamt ist daher auf den ersten Blick nicht angebracht. Vor dem Hinter-

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Alföldi 1977, 249 ff. mit Aufzählung der trojanisch-etruskischen Erzählungen, s. auch u. Ampolo 2009, 9 mit Lit. Am Ende des 6. Jh.s bestand die Beziehung zwischen dem Tyrannen von Caere und Tarquinius Superbus, der sich nach seiner Vertreibung zunächst dorthin, dann nach Veji, Tarquinii, Tusculum und zuletzt Cumae zurückzog (Überblick Cornell 1995, 216). Während der Gefahr durch die Gallier nahmen die Caeretaner die römischen sacra und die Vestalinnen zum Schutz in Gewahrsam. Diese Evakuation der für das Überleben der Stadt unverzichtbaren heiligen Gegenstände und Priesterinnen scheint zu den ältesten Elementen des ansonsten stark ausgearbeiteten Berichts über die Gallierkatastrophe zu gehören, ebenso wie die Nachricht über den Sieg des caeretanischen Heeres über die Gallier, worauf Rom sein Lösegeld zurückerhielt (Cornell 1995, 313 ff.). Caere erhielt aus Dank als erste Stadt die civitas sine suffragio, eine mit dem hospitium publicum verbundene Art der Ehrenbürgerschaft, lange bevor diese als Mittel der Bestrafung umgedeutet und so 273 auch auf Caere angewandt wurde (Cornell 1995, 320 ff.); s. auch Humm 2013, 430–436. Cornell 1995, 312.

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grund der Ursprungserzählungen über die Etrusker ist dies dennoch denkbar, denn auch für diese gibt es neben spezifischen ktiseis einzelner Städte wie in Latium auch alle Etrusker beinhaltende Traditionen. So ist Tyrrhenos gleichzeitig als archegetes der lydischen Einwanderer der Stammvater aller Etrusker und explizit Gründer Caeres. Wie für Alkimos’ Geschichte über Alba liegen hier wohl auch in vielen Fällen griechische Konstruktionen vor, doch ist sich die Forschung darin einig, dass sich die Etrusker diese Ursprungserzählungen bis zu einem gewissen Grad angeeignet haben.76 Falls sich in der Erzählung des Alkimos die Beziehungen zwischen Rom und einigen etruskischen Städten niederschlägt, lässt sich – anders als im Fall des tryphe-Vorwurfs – nicht bestimmen, ob es sich dabei um eine negative Propaganda aus Syrakus handelt oder um eine von Rom (und den Etruskern) tatsächlich verwendete Erzählung. Denn mehr noch als mit den Griechen, mit denen Rom in der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts noch intensiver in Kontakt treten sollte, war die Beziehung zu den etruskischen Nachbarn sicher stets von größter Bedeutung. Eine Verbundenheit zwischen den Städten dies- und jenseits des Tibers konnte durchaus in integrierenden Ursprungserzählungen zum Ausdruck gebracht werden. In einer dritten Lesart könnte die Erwähnung der Tyrrhenia einen römischen Machtanspruch markieren. Anders als beim tryphe-Vorwurf würde hier die Tyrrhener-Angabe auf die etruskische See- und Handelsmacht Bezug nehmen.77 Durch die Zerstörung Vejis hatte Rom nicht nur dessen Territorium gewonnen, sondern letztendlich auch uneingeschränkten Zugang zur Tibermündung. Kurz danach wurde durch die Gründung Ostias der Grundstein für den Ausbau der eigenen römischen See- und Handelsmacht gelegt.78 Rom trat also das Erbe der etruskischen Stadt Veji an,79 was durch den Stammbaum des Alkimos ausgedrückt sein könnte. Tyrrhenia wäre in diesem Fall als Äußerung des Machtanspruchs (oder Beschreibung der gewonnenen Position), nicht als ethnische oder moralische Identitätsbeschreibung Roms zu verstehen. Die Stadt, die kurz zuvor ihre Rivalin aus dem Weg geräumt hatte, konnte so selbstbewusst auf trojanische und etruskische Wurzeln zurückblicken, die jeweils durch die einheimische, als Personifizierung des Berges als extrem ortsverbunden anzunehmende Alba lokal verankert wurden. Kurz nach der Beendigung der

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Tyrrhenos als Gründer Caeres: Serv. Aen. 8,479. Zu den Etrusker-Stereotypen der Piraterie (die negative Wendung der Seemacht) und der grausamen Tyrannen s. Liébert 2006; Humm 2013; das Bild der tyrrhenischen Piraten findet sich auch in dem Homerischen Hymnus für Dionysos, s. o. S. 47, und vielleicht beinhaltete der Tyrrhenerbegriff tatsächlich, wie De Simone 1996 und Riva 2010 meinen, von Anfang an genau diese Facetten, bevor er zu einer ethnischen Bezeichnung wurde. s. die Zeugnisse für eine von Rom geduldeten Piraterie: die Hinrichtung eines Postumius unter Timoleon (Diod. 16,82,3) und die Klagen von Alexander (dem Großen oder dem Molosser) und Demetrios Poliorketes über die Piraterie durch Roms Untergebene aus Antium (s. o. S. 74 Anm. 189). Cornell 1995, 310. 321 f.

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Ständekämpfe nahm Rom schließlich Kriegshandlungen auch gegen Caere und weitere etruskische Städte auf. Als besonders grausam wurden die Auseinandersetzungen mit Tarquinii im Jahr 358 v. Chr. erinnert, als 307 römische Gefangene auf dem Platz der Stadt hingerichtet wurden.80 Ab diesem Zeitpunkt und bei wachsendem Selbstbewusstsein Roms ist zu erwarten, dass die Rolle der Etrusker in den römisch-latinischen Ursprungserzählungen zurückgedrängt wurde. In entgegengesetzter Richtung lassen sich mancherorts in Etrurien nun rom-feindliche Aussagen greifen, und zwar über eine negative Darstellung von Trojanern. Das Zeugnis für eine solche Verwendung der Traditionen im späten 4. Jahrhundert sind die Wandmalereien in der ‚tomba François‘ in Vulci, in denen sowohl Opfer von Trojanern als auch Bestrafungen von vermutlich aus Rom stammenden Personen durch Achäer und Etrusker dargestellt sind.81 Gleichzeitig wurden weiterhin auch die Etrusker mit Aeneas verbunden, wodurch sich erneut das heterogene Bild der etruskischen Städtewelt bestätigt. Die letzte und einfachste Lesart der Tyrrhenia in dem Stammbaum nach Alkimos ist schließlich als Angabe der (kultur-)geographischen Verortung. Wie wir schon mehrfach gesehen haben, wurde bis mindestens ins 4. Jahrhundert der Etrurien, Latium und Kampanien umfassende Teil der Apenninenhalbinsel als ‚Tyrrhenien‘ bezeichnet.82 Die Alkimosstelle ist in diesem Sinne mit den Versen der Theogonie vergleichbar.83 Letztere dürfen, wie wir gesehen haben, nicht als Zeugnis für eine historische Herrschaft der Latiner über die Tyrsenoi verstanden, sondern müssen als narrativisierte Geographie angesehen werden. Mit deren Hilfe sollte die Liebschaft zwischen Odysseus und Kirke mit Lokalkolorit versehen werden, möglicherweise vor dem Hintergrund der Interaktionen in der orientalisierenden Zeit.84 Innerhalb der Koine des Tyrrhenischen Italiens erschien ein Latiner auch als Tyrrhener und Rom als polis tyrrhenis.85 Die Teilhaber an der Koine waren zudem neben den schon erwähnten Bündnissen und jenseits der Stereotype auch durch kulturelle Gemeinsamkeiten verbunden, und im Rahmen einer Selbstbeschreibung konnte diese Verbundenheit zum Ausdruck kommen. Vor diesem Hintergrund kann Tyrrhenia, die Gattin des Aeneas, ohne weitergehende Implika­ tionen als Allegorie jenes Teils von Italien in Erscheinung treten. Das so verstandene Tyrrhenien stellte also die geographische Region dar, in der sich Aeneas’ Geschlecht

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Tarquinii: Liv. 7,12,5 f.; 17,6; Caere 353 v. Chr.: Liv. 7,19 f.; s. Scardigli 1991, 97; Cornell 1995, 318–322. Zuletzt mit Lit. Humm 2013, 445 f. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass die Ermordung der Römer in Tarquinii eine Parallele darstellt. s. o. zu dem Begriff für die orientalische und archaische Zeit; Dench 1995, 53 zu einer Betrachtung der Tyrrhener als pars pro toto für die nichtgriechischen Bewohner Italiens auch in späteren Jahrhunderten. An einen Einfluss der hesiodeischen Verse denkt F. Jacoby comm. ad FGrHist 560 F 4; s. auch Vanotti 2006, 223 und Martínez-Pinna 2014, 4. Dasselbe galt für das mögliche gemeinsame Auftreten von Latinus und Italus in der Telegonie des Eugammon, nach Hyginus, s. o. Kap. 3.2.1. Zur Darstellung Roms als polis tyrrhenis durch Alkimos s. Humm 2016, 94.

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niederließ. Rom und die (bei Alkimos nicht genannten) Latiner wurden durch eine solche Erzählung nicht zu Etruskern, doch sie präsentierten sich als Teil dieser über Latium hinausgehenden Gemeinschaft von Völkern. Vor der Herausbildung der Vulgata über Alba Longa als Stadt des Ascanius und der Silvii, aus der Romulus und Remus stammten, gab es einige Erzählungen, in denen Alba bzw. die Latiner gemeinsam mit Tyrrhenien in Erscheinung traten. Zum einen zeigen sich hier sehr unterschiedliche Erzählformen, zum anderen lässt sich an ihnen eine gewisse Entwicklung bis hin zu einer Emanzipation vom tyrrhenischen Namen ablesen: 1) Von den hesiodeischen Versen war bereits die Rede. In ihnen sahen wir nicht nur die Anbindung an eine beliebte epische Narration, sondern mit der Herrschaft des Latinus über die Tyrrhener auch die Präsenz eines ethnischen Eponyms und eines historischen Volkes. 2) Die einzige weitere Erzählung, in der sowohl Alba als auch Tyrrhener sowie der künftige Gründer Roms vorkommen, ist bei Plutarch überliefert und einem ansonsten unbekannten Promathion über die Herkunft des Gründers Roms zugeschrieben.86 Es handelt sich in der überlieferten Form eindeutig um ein Patchwork aus verschiedenen Motiven. Die Datierung der einzelnen Elemente und der Gesamterzählung ist in der Forschung umstritten und oszilliert zwischen dem 6. und dem 1. Jahrhundert v. Chr.87 Es handelt sich wie bei der Vulgata um eine narrativ ausgestaltete Erzählung, nicht um eine Allegorie. Alba ist keine Nymphe oder eponyme Heldin wie bei Alkimos, sondern der Name der Stadt, die als Schauplatz des ersten Teils der Handlung dient. Die Erzählung dieses ersten Teils wird üblicherweise als zur indoeuropäischen oder spezifischer latinischen Vorstellungswelt gehörig bezeichnet, da das Hauptmotiv auch in der Erzählung über Servius Tullius enthalten ist.88 Die Erwähnung eines etruskischen Orakels und der wegen der Ähnlichkeit mit Tarquinius wahrscheinlich etruskische Name des Königs von Alba, Tarchetius, sowie der einer weiteren Figur belegen eine gewisse Bedeutung der Etrusker.89 Während der König von Alba dabei Züge des ste-

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Plut. Rom. 2,4–8 = FGrHist 817 F 1. s. u. a. C. Ampolo comm. ad loc. (1988, 273); Wiseman 1995, 57–61. 58; Martínez-Pinna 2004a, 177; Dardenay 2012, 80; De Sanctis 2021, 47–49. 219. Die höchst außergewöhnliche Geschichte an sich kann hier nicht ausführlich diskutiert werden, die wichtigsten Beobachtungen für unser Thema sollen genügen. Es handelt sich um das Herdphallusmotiv, bei dem ein Phallus aus dem königlichen Feuer erschien und mit einer Magd den künftigen König bzw. den Stadtgründer zeugte. Damit verwandt ist zudem die Geschichte des praenestinischen Gründers Caeculus, auch wenn der mysteriöse Phallus in den erhaltenen Quellen nicht erwähnt wird; ausführlich zu diesem Motiv und seiner Einordnung in indoeuropäische Erzählmotive s. Briquel 1981 und Bremmer 1987b; Martínez-Pinna 1997b und Martínez-Pinna 2004a betont die Bedeutung des Feuers in latinischen Erzählungen. Liébert 2006, 93 konstatiert einen „effort pour étrusquiser les origines de Rome“; er hält es sogar für möglich, dass die Phallusszene mit etruskischen Fruchtbarkeitskulten in Verbindung steht.

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reotypen etruskischen Tyrannen aufweist,90 stellt das Orakel eine Autorität dar. Daher ist eine schematische Qualifizierung des Etruskerverweises hier nicht möglich. Eine neutrale Lösung wäre auch in diesem Fall der Verweis auf die tyrrhenische Koine, also eine geographisch allgemeine statt einer ethnisch etruskischen Deutung, auch wenn dies angesichts der Komplexität und Eigentümlichkeit der Erzählung nicht zufriedenzustellen vermag. Es werden schließlich weder Latiner (oder Aborigines) noch Trojaner erwähnt; tatsächlich gibt es keine ‚epischen‘ Anknüpfungspunkte. Dafür existieren bereits albanische Könige, wobei der König Tarchetius nicht in der Liste der silvischen Könige auftaucht und er dazu passend auch nicht als Silvius bezeichnet wird. Die Erzählung des Promathion – zumindest ihr albanischer Teil – ist also offenbar unabhängig von der Vulgata, in der die Silvii als albanische Könige eingeführt wurden, um den chronologisch notwendig gewordenen Abstand zwischen Aeneas (und Latinus) und Romulus zu überbrücken. Wir haben somit Spuren einer dritten ‚latinischen‘ Dynastie neben den Aborigines und den Silvii und somit einen weiteren Traditionsstrang über die Ursprünge Roms (und der Latiner?), in dem statt der bisher untersuchten Trojaner, Laertiden und sonstigen Wurzeln eine etruskische Facette eine Rolle spielte. 3) Konventioneller sind zwei weitere Erzählungen, in denen indirekt eine Nähe Roms bzw. Latiums zu Etrurien vorliegt, allerdings ohne Erwähnung Albas. Es handelt sich um die Abstammung Rhomes bzw. des Latinus von dem Herakliden Telephos. Die Notiz über Rhome findet sich ohne Autorenangabe bei Plutarch,91 die über Latinus erscheint das erste Mal bei Malalas in einem sehr unsicheren Kontext.92 Die Abstammung von Telephos ist bei Lykophron für Tyrrhenos und Tarchon erwähnt, bei Servius ist Tyrrhenos, Sohn des Telephos, einer der möglichen Gründer Caeres.93 Auch wenn also an dieser Stelle bei Plutarch die etruskische Dimension nicht explizit gemacht ist, ist sie höchstwahrscheinlich mitgedacht. Passend zu der Darstellung bei Lykophron, wo Tyrrhenos und Tarchon dem Aeneas zu Hilfe kommen, ist die Telephostochter mit Aeneas verheiratet. Hinter dem einfachen Stammbaum bei Plutarch, der in demselben Satz wie die Leukaria-Genealogie aufgeführt ist, könnte sich also eine narrative Fassung verbergen, in der die Telephossöhne als Zeichen des Bündnisses ihre Schwester Rhome mit Aeneas verheiraten, welcher dann seinerseits seine

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Zum Tyrannentopos Liébert 2006. – Der etruskische Tyrann par excellence in der römisch-latinischen Mythhistorie ist Mezentius aus Caere, der als Verbündeter des Turnus gegen Latinus und Aeneas narrativ bereits zur Vulgata gehört. Siehe Kap. 1.2 zu den frühen Spuren der Figur. Plut. Rom. 2,1, s. o. S. 201. Malal. 6,18 (162); in einer Weiterentwicklung dieser Version in der Suda s. v. Λατῖνοι wird Latinos gar zum Beinamen des Telephos selbst und die beiden Personen werden zu einer einzigen vereinigt. Lykophr. Alex. 1245–1249; nur Tyrrhenos: Dion. Hal. ant. 1,28,2; Serv. Aen. 8,479 (Gründer Caeres); nur Tarchon: Steph. Byz s. v. Ταρχώνιον.

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Latinus, Vater der Leukaria

Neugründung nach seiner Braut nennt.94 In dieser Erzählung ginge die Beziehung zu den Tyrrhenern, und zwar besonders mit Caere, auf die Zeit vor der Stadtgründung zurück. Es gibt keine kritischen Töne in dieser Geschichte, die auf eine negative Darstellung von Seiten griechischer Autoren hindeuten. Der Bezug auf Telephos könnte auch in den Beziehungen Roms zu Pergamon, dessen Gründung durch den Sohn der Auge in vielfältiger Weise gefeiert wurde, eine Rolle gespielt haben.95 Letztlich wird auf diese Weise eine Abstammung von Herkules propagiert, wie sie auch in einer Variante der Vulgata seit der Zeit des Zweiten Punischen Krieges für Latinus vorliegt.96 4) Eine ebenfalls nur ein einziges Mal erwähnte Erzählung handelt von dem latinischen Tyrannen Rhomis. Dieser, so heißt es erneut ohne Quellenangabe bei Plutarch, habe die Etrusker, die aus Thessalien über Lydien nach Italien gekommen seien, vertrieben.97 Hier liegt eine Narration über einen eponymen Helden Roms vor, auch wenn die Stadtgründung selbst gerade aus seinem Namen und aus dem Kontext abgeleitet werden muss. Für die Tyrrhener ist eine kumulative Herkunft als (thessalische) Pelasger aus Lydien angegeben. Das Motiv der Vertreibung erinnert an die Erzählungen über die Aborigines, die wahlweise selbst vertrieben werden (durch die Pelasger, Sabiner und Umbrer) oder vertreiben (insbesondere die Sikuler).98 Während die Erzählung auf den ersten Blick das Narrativ von der Etruskerherrschaft in Latium stützen könnte, ist sie doch sicher nicht als Erinnerung an ein historisches Ereignis zu deuten, sondern als intentionale Geschichte. Der direkte Bezug auf die Vertreibung der Könige und den Krieg gegen Porsenna ist unwahrscheinlich. In den Auseinandersetzungen zu Beginn der Republik verliefen die Frontlinien losgelöst von ethnischen Kriterien, da Porsenna Rom in Besitz genommen hatte, das sich seinerseits im Krieg gegen die Latiner und den ‚etruskischen‘ König Tarquinius befand. Erst die spätere Erinnerungskultur hat diese Polarisierung betont.99 Rhomis ist dagegen Vertreter der Latiner, es besteht also kein Graben zwischen der Stadt und dem Volk. Plausibler ist die Interpretation einer mythhistorischen Umsetzung der Abnabelung bzw. Emanzi94

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Nach Martínez-Pinna 2008, 18 f. müsse man Tyrrhenos, Tarchon und Rhome als Geschwister betrachten. Wie wir bei den Stammbäumen der ‚Kallias-Gruppe‘ gesehen haben, stellt sich jedoch die Frage, ob fragmentarisch erhaltene Stammbäume komplementär miteinander verbunden werden dürfen oder ob es sich nicht um jeweils eigene, voneinander losgelöste Varianten handelt. Hier spricht immerhin weder die Sagenchronologie noch die innere Logik gegen eine solche Ergänzung. Da weder die Notiz über Rhome noch die über Latinus datiert werden kann, muss die Reihenfolge des Telephosbezugs zwischen Caere, Rom und Pergamon letztlich offenbleiben. Datierbar sind lediglich die Erwähnung bei Lykophron und die später anzusetzende Monumentalisierung der Ktisis von Pergamon (vgl. zu Pergamon Scheer 1993). Der Tradition über Latinus als Heraklide wird eine zukünftige Untersuchung gewidmet, s. bereits Hagen 2018, 600 mit Taf. 1 und o. S. 26. Plut. Rom. 2,1 (Zitat o. S. 140 Anm. 237). s. o. Kap. 3.6.1. s. u. a. Cornell 1995. – Zu Porsenna und der Schwierigkeit, mythische Genealogien mit dieser Episode der römischen Geschichte festzumachen, s. auch Kap. 3.2.2 und 3.2.3.

Leukaria und Alba

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pation vom tyrrhenischen Italien, das Ende der Tyrrhenia, als Rom und die Latiner aus dem Schatten der nun besiegten und beerbten Etrusker traten. Wir bewegen uns mit dieser Erzählung also möglicherweise in die Richtung der Leukaria-Erzählung, in der weder von Aeneas noch von den Etruskern die Rede ist. Halten wir fest, dass wir vor der Kanonisierung der Vulgata einen bunten Strauß unterschiedlicher Erzählungen greifen können, in denen die Beziehung zwischen Rom bzw. den Latinern und den Etruskern sowie die Teilhabe Roms an der tyrrhenischen, überethnischen Koine verhandelt wurde und in denen als Zentrum Latiums Alba eine Rolle spielte. Dieser herausragende Ort in der latinischen Landschaft mit seinem Heiligtum hatte früh eine zentrale Bedeutung für die Latiner und wurde dementsprechend bereits vor der Vulgata auf vielfältige Weise Gegenstand von Erzählungen. 4.4 Leukaria und Alba Wenden wir uns nun den Leukaria-Erzählungen zu. Die Einschätzung über Nähe und Unterschiede zwischen der Leukaria- und der Alba-Erzählung ist sehr uneinheitlich. In Aufzählungen früher Ursprungserzählungen werden sie meist weitgehend undifferenziert miteinander erwähnt und Leukaria wird dabei als Alter Ego der (als Alba Longa verstandenen) Alba bezeichnet. Andere Untersuchungen versuchen das Verhältnis der beiden zueinander zu bestimmen, doch über eine kurze Einschätzung geht dies meist nicht hinaus. Im Folgenden soll daher der Blick auf die Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen den beiden Versionen gelenkt und auch den Leukaria-Stammbäumen ihr jeweiliger Platz im Imaginaire zugewiesen werden. Vor dem Hintergrund der Erkenntnisse zur Italisierung der Mythhistorie und der uneinheitlichen Verwendung ethnischer Bezeichnungen ist die Genealogie auch im Kontext der römischen Expansion zu betrachten. Die Leukaria-Erzählung kennt im Gegensatz zu der des Alkimos keinen epischen Protagonisten. Somit ist außer einer narrativen Gestaltung, die sich immer hinter den paraphrasierten und auf das Nötigste beschränkten Genealogien stehen können, auch eine Allegorie möglich. Zudem gibt es keine trojanische und auch keine etruskische Komponente. Sie unterscheidet sich also deutlich von der Alba-Erzählung. Doch es gibt auch über die Präsenz einer Alba-Figur hinaus Gemeinsamkeiten. Wie bei Alkimos geht es in der Leukaria-Version um die Ursprünge Roms, vertreten durch Rhomos bzw. Rhome. In der Folge soll diese Version in einen bestimmten Traditionsstrang eingeordnet werden. Nur bei Dionysios hat Leukaria mit Latinus einen Vater. Da sich die Versionen bei Dionysios und Plutarch ansonsten weitgehend entsprechen (Rhome oder Rhomos als Eponym der Stadt am Tiber), ist wohl anzunehmen, dass sie beide dieselbe ‚ursprüngliche‘ Version mehr oder weniger vollständig wiedergeben. In einer allegorischen Deutung, die sich aufdrängt, wäre somit Rom eine von Alba gegründete Stadt in Latium

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Latinus, Vater der Leukaria

bzw. der Latiner. In einem genealogisch-narrativen Verständnis müsste man Rom als Gründung des Sohnes einer Alba und Enkels des Stammvaters Latinus betrachten. In der Version des Plutarch könnte außer dem Stammvater auch der tatsächliche Stadtgründer fehlen, da wir sahen, dass Rhome stets nur als Patin auftritt, während ein männlicher Protagonist in ihrem Umfeld die Stadt gründet. Diese Figur könnte ein Bindeglied zu einer anderen Tradition sein, vielleicht war hier beispielsweise Aeneas genannt. Eine Ehe mit Aeneas wäre denkbar, wie sie ja auch von Ziegler und Ampolo explizit angenommen wurde.100 Hier dürfen aufgrund des Schweigens der Quellen keine weitergehenden Rekonstruktionen vorgenommen werden, genauso wie die Behauptung einer Opposition zur trojanischen Tradition nur unter Vorbehalt aufgestellt werden kann. Für Latinus selbst ist keine Abstammung angegeben. Zusammen mit dem Fehlen epischer Heroen führt das dazu, dass der Stammbaum nicht in die allgemeine Sagenchronologie oder in eine Erzähltradition eingeordnet werden kann. Entsprechend den Ergebnissen des letzten Kapitels könnte es sich bei Latinus entweder um den Sohn des Telemach oder des Odysseus oder aber um den König der Aborigines handeln. Dass die Abstammung des Latinus nicht erwähnt wird, kann hier wie immer bei diesen Paraphrasen als Folge der Überlieferung (Kompilation, Übersetzung, Auswahl) oder bereits als die ‚ursprüngliche‘ Version betrachtet werden. Da Latinus selbst nur in einer der drei Varianten erscheint, ist er demnach entweder in den übrigen beiden weggefallen, er wäre also für diese (in komplementärer Vorgehensweise) zu ergänzen, oder er war nie Teil der Erzählungen und ist in der bei Dionysios überlieferten Version hinzugekommen. Italos ist ebenfalls nicht genealogisch verortet. Anders als die Tyrrhenia der Alkimos-Erzählung erscheint er aber offenbar als eponymer Heros. Wiseman sieht in ihm den Sohn des Telegonos aus der Telegonie des Eugammon und gleichzeitig in Latinus den Sohn des eugammischen Telemachs.101 Es würde sich in dem Fall um eine tendenziell alte Variante der Telemach-Rhome-Gruppe handeln, die Erzählung wäre als eine Äußerung im Kontext der Laertidentradition zu verstehen. Auch wenn wahrscheinlich gemacht werden konnte, dass Italos und Latinos bereits in dem Epos des Kyreners auftraten, überzeugt eine Leukaria beinhaltende Weiterführung der Genealogie zu einem frühen Zeitpunkt nicht. Häufiger belegt ist die süditalisch-sizilische Einordnung des Italos über die Nähe zu Sikelos, Morges und den Oinotriern.102 Doch diese Lokalisierung des Italos in seiner alten, auf die Spitze der Halbinsel beschränkten Italía lässt sich kaum in Einklang bringen mit einer für das latinische Alba, also das zentrale Heiligtum der Latiner, stehenden Gattin. Wahrscheinlicher liegt hier wieder ein ‚Italismus‘ vor, 100 s. o. S. 201 Anm. 2 zur Lesung von Plut. Rom. 2,1. 101 Wiseman 1995, 50; auch Debiasi 2004. Sie folgen damit der Darstellung des Hyginus, s. o. die Diskussion in Kap. 3.2.1; contra Martínez-Pinna 1997a, 96. 102 s. o. S. 100 f.

Leukaria und Alba

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die Erzählung ist also nach der Ausweitung des Italienbegriffs zu Beginn des 3. Jahrhunderts entstanden, als der Italienverweis für alle möglichen Erzählkontexte verfügbar wurde.103 Es ist sicherlich möglich, dass Italus auch weiterhin mit dem Süden verbunden blieb und als der Kulturheros betrachtet wurde, als den ihn Aristoteles präsentiert, doch stammt die Verbindung mit Leukaria selbst aus einer späteren Phase. Möglicherweise liegt aber doch sogar eine Italisierung vor, wie wir später sehen werden. Eine Besonderheit der hier diskutierten Version ist jedoch die Präsenz einer Gattin: Anders als für Latinus ist für Italus außerhalb der Leukaria-Tradition nie eine Ehefrau erwähnt. Die Tatsache, dass die Abstammung von Latinus, Italus und bei Plutarch und Tzetzes auch von Leukaria weggefallen ist, lässt sich am besten damit erklären, dass ja Rom im Zentrum der Erzählung steht. Die jeweils genannten Vorfahren des eponymen Helden sind also ausreichend, um Rom mit sinnstiftenden Ursprüngen zu versehen und als Stadt von Latinern, für die Alba eine große Rolle spielt, einzuordnen. Latinus, Italus und Leukaria erscheinen somit in den drei Zeugnissen auf derselben Stufe wie Aeneas, Askanios oder Telephos. Die Alkimos-Erzählung gilt als das älteste literarische Zeugnis für Romulus, den Protagonisten der lokalen Traditionen zugeschriebenen Gründungsgeschichte.104 Im Vergleich mit den zahlreichen Rhome- und Rhomos-Varianten ‚griechischer Prägung‘ erscheint der Beginn des 4. Jahrhunderts allerdings noch sehr früh für ein Auftreten des Romulus.105 Seine Erwähnung wird mit der besonderen Kenntnis erklärt, die Alkimos über Rom gehabt habe, während ihm auf der anderen Seite syrakusische Propa­ganda vorgeworfen wird. Wir haben am Beispiel der möglicherweise originellen Schöpfung der Alba-Figur gesehen, dass Alkimos durchaus lokale Informationen hatte, die sich aus dem historischen Kontext erklären lässt. Wie stets werden dem griechischen Autor auch bezüglich Romulus Fehler zugeschrieben. Es liege eine zerstreute Wiedergabe der lokalen, römischen Erzählung vor oder Alkimos habe das Zwillingspaar bewusst auf zwei weit voneinander entfernte Generationen verteilt, um die Erzählung griechischen Chronologien anzupassen.106 Wiseman interpretiert schließlich die Positionen der einzelnen Eponyme als Zeichen für eine Hierarchie zwischen historischen Protagonisten. Er bewertet die Position des Romulus als Vater der Alba als Zeichen für die Herrschaft Roms über die Latiner (für die Alba stehe) und verortet die Erzählung daher nach dem

103 s. o. Kap. 3.2.2, wo bereits auf die vielfältigen Identifizierungen des Italus hingewiesen wurde, mit Serv. auct. Aen. 1,533. Hier ist insbesondere die Erzählung über die Ankunft des Italus in Latium zu erwähnen (Serv. Aen. 1,2. 533), die m. E. nicht, wie Martínez-Pinna 1997a, 96 annimmt, bereits aus derselben Zeit wie der aus Rom zu Italos geflohene Morges des Antiochos stammen kann. 104 s. den Stammbaum o. S. 204 Abb. 25. 105 s. o. Kap. 1.3 und S. 198 f. zu den frühestens Zeugnissen für Romulus und den Anfängen der Romulustradition. 106 Classen 1963, 448; Vanotti 2006, 223 Anm. 4 mit Lit.

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Latinus, Vater der Leukaria

römischen Sieg im Latinerkrieg.107 Diese Lesart vermag nicht zu überzeugen, da üblicherweise die Vorfahren als Bereicherung der Nachfahren betrachtet werden. Intergenerationelle Konflikte dieser Art wären ja gerade hier nicht angebracht, denn eine in derselben Genealogie intendierte Herrschaft des Aeneas über Rom wäre widersinnig. Mein Vorschlag ist nun, dass wir vor der von Festus überlieferten Version des Alkimos eine frühere Version annehmen, in der Alba die Tochter von Aeneas und Tyr­ rhenia ist, und dass Romulus erst sekundär in die Erzählung eingefügt wurde. Dies kann durch den zitierten Alkimos selbst oder in einer späteren Phase im Laufe der Weiterentwicklung des Diskurses geschehen sein, wobei auch die neue Variante mit dem Namen der sizilischen Autorität verbunden blieb. Entsprechend der Italisierung zeigt diese Romulisierung somit einen weiteren, zuvor nicht sichtbaren Schritt in der Mythopoiese an.108 Für beide angenommenen Generationenfolgen gibt es Parallelen, für den Fall des Romulus als Sohn des Aeneas und für Rhomos als dessen Enkel. Und auch die Verdoppelung von römischen Eponymen war sehr weit verbreitet, wie wir für die Versionen mit Rhome, Rhomos und Romulus bereits sahen.109 Der Vorteil der Annahme einer Romulisierung ist, dass die beiden Versionen sich leichter vergleichen lassen und man so insgesamt einem Verständnis der einzelnen Elemente näherkommen kann (Abb. 26). Bei allen Unterschieden gibt es deutliche Gemeinsamkeiten: Alba bzw. Leukaria und Rhomos erscheinen in beiden Varianten. Dazu kommen zwei Figuren, die für überregionale und überethnische Größen stehen, Italos und Tyrrhenia. Die unterschiedliche Position der beiden im Stammbaum lässt sich leicht durch das Geschlecht erklären, im Verhältnis zu Rom ändert sich dadurch nichts. Zuletzt haben wir zwei Heroen als Stammväter, Latinus und Aeneas. Wie Aeneas kann Latinus, der hier ohne Vorfahren in Erscheinung tritt, als epischer Heros

107 Tatsächlich betrachtet Wiseman 1995, 52 die Leukaria-Erzählung als die ältere, da hier Latinus über Alba und Rhomos herrschen würde („Alba Longa symbolised the Latins, but Rome’s eponym as her son implied a power relation that the victory of 338 BC had reversed forever. So now, Romulus must be her father, and Alcimus’ genealogy combines old and new in revealing confusion“). Doch eine solche Interpretation passt ihrerseits nicht zur Situation vor dem Latinerkrieg, es sei denn als Ziel der Latiner in ihrem Aufstand. In den Latinus-Rhome-Erzählungen, die ebenfalls mit dem Latinerkrieg in Verbindung gebracht werden, lässt sich wegen der Ehe der beiden Helden die Darstellung eines Konflikts geradezu ausschließen. 108 Die Tatsache, dass Romulus in den frühen Versionen meist zusammen mit Rhomos, manchmal mit weiteren Brüdern (Telegonos, Askanios, Euryleon) auftritt, zeigt, dass auch hier erst sekundär eine Kanonisierung eingetreten ist. 109 Vgl. insbesondere die möglicherweise aus den römischen Annales stammende vorkanonische Notiz, in der jedoch Ascanius bereits als Gründer Albas auftritt (Dion. Hal. ant. 1,73,3 = FRHist Annales Maximi 7). – Gruen 1992, 15 spricht sich aufgrund der nicht der kanonischen Tradition entsprechenden Präsentation der römischen Eponyme dagegen aus, dass Alkimos genaue Kenntnis lokaler Erzählungen gehabt habe, da es sich nicht um Zwillinge handele. Er hat allerdings keine alternative Erklärung für die Namenswahl und übersieht, dass es sich in den frühen Versionen nur selten um Zwillinge handelt; s. insbesondere Wiseman 1995 zur Herausbildung der kanonischen Zwillingserzählung.

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Leukaria und Alba Tyrrhenia Latinos Italos



Leukaria

Rhomos



Aeneas

Romulus Alba Rhomus

Figur unverändert Figur ausgetauscht Figur hinzugefügt

Abb. 26 Gegenüberstellung von Leukaria-Erzählung links (Dion. Hal.) und Alkimos rechts (Festus)

aufgefasst werden. Dazu berechtigt nicht nur sein erstes Erscheinen im Epos des He­ siod, sondern auch die spätere Weiterentwicklung in der Vulgata, in der er stets als handelnde Person, nicht nur als Personifikation auftritt. Latinus wird hier also tatsächlich als Stammvater dargestellt, und zwar anstelle des Aeneas der Alba-Erzählung. Der Vergleich ergibt also jeweils eine Erzählung über die Stadt Rom, ihre überregionale geographische Lokalisierung (Tyrrhenien bzw. Italien), ihren Stammvater (Latinus bzw. Aeneas) sowie den zentralen Kultort (des Volkes) und herausragendes geographisches Merkmal (Alba bzw. Albaner Berg). Der Verweis auf Tyrrhenien und Italien legt nahe, dass die Leukaria-Erzählung später entstanden ist, und zwar, als Rom nicht mehr als eine Stadt Tyrrheniens, d. h. eine unter mehreren Städten zwischen Etrurien und Kampanien, wahrgenommen wurde, sondern nunmehr zum Machtzentrum Italiens aufgestiegen war. Es ist also eine Italisierung der Alba-Geschichte eingetreten. Wir befinden uns mit der Integration des Italus in den römisch-latinischen Stammbaum somit im späten 4. bis frühen 3. Jahrhundert. Der Übergang von der Tyrrhenia zur Italia könnte schon früher eingeleitet worden sein, wie Justinus’ Aufzählung der Griechen Italiens zeigt, gegen die Dionysios ins Feld gezogen sei. Damit wären wir in der Zeit des Alkimos, der mit der unbekannten Quelle des Pompeius Trogus übereinstimmt, wenn er Aeneas als Stammvater bezeichnet. Alkimos schreibt in unserem Fragment allerdings nicht über Italia und, falls das Tyr­ rhenerfragment wie von Athenaios präsentiert tatsächlich einen tryphe-Verweis enthält, stellt er deutlich die Etrusker den Italikern gegenüber. Dass Italos also bereits zur Alkimos-Version gehörte, z. B. als Gatte der Alba wie in der Leukaria-Erzählung, und nur in der Überlieferung weggefallen wäre, ist nicht plausibel. Folglich ist auch die These Humms abzulehnen, dass Alkimos selbst Urheber der Ausweitung des Italien-Begriffs gewesen sei.110

110 Humm 2010, 46 f.

226

Latinus, Vater der Leukaria

Im Vergleich der beiden Erzählungen erscheint Latinus als der Nachzügler, da er Aeneas ersetzt. Tatsächlich wissen wir ja, dass Latinus bereits seit Hesiod als eponymer Heros existierte, und wir haben ihn auch immer wieder hinter den Erzählungen vermutet, in denen er – aufgrund der Schwerpunktsetzung der jeweiligen Autoren bei ihrer Paraphrase – nicht explizit erwähnt ist. Ist er dementsprechend auch hinter der Alkimos-Erzählung anzunehmen? Ich halte in diesem Fall die alternative Erklärung für wahrscheinlicher, dass Latinus hier bewusst aus der Erzählung ausgegrenzt und stattdessen sowohl Tyrrhenia als auch Alba eingefügt wurden. In den Erzählungen der Telemach-Rhome-Gruppe sahen wir, dass üblicherweise eine Beziehung zwischen dem trojanischen Ankömmling mit dem lokalen Heros gestiftet wurde. Dies waren in den meisten Fällen die Trojanerin Rhome und Latinus als Vertreter der Einheimischen, der die Flüchtlinge in Empfang nahm. Wenn sich nun der Trojaner Aeneas mit Tyrrhenia verbindet, fallen die lokalen Einheimischen zugunsten der allgemeinen, übergeordneten und primär geographisch statt ethnisch konstituierten Bevölkerung weg. An die Stelle des lokalen ethnischen Heros tritt nun Alba, die für den zentralen Berg und das zentrale Heiligtum der Latiner steht. Vor dem Hintergrund der Ereignisse des frühen bis mittleren 4. Jahrhunderts könnte sich hier nun wirklich ein historischer Konflikt niedergeschlagen haben. Der Wegfall des Latinus und die erstmalige (oder erstmals bezeugte) Aufnahme Albas in den Stammbaum Roms kann eine Reaktion auf den Abfall der latinischen Städte von Rom zu Beginn des 4. Jahrhunderts darstellen. Es ist eine Art der lokalen ethnischen Anbindung innerhalb der größeren Einheit der Tyrrhenia, ohne die Latiner mit dem Prestige der Vorfahren Roms oder gar der Verwandtschaft zu ehren. Bei einer solchen Interpretation stünde nun Alba und damit das Heiligtum der Latiner im Zentrum der Selbstvergewisserung der ethnischen Zusammengehörigkeit. Diese Erzählung könnte somit zum einen ein Ausdruck der römischen Dominanz bei den Feriae Latinae sein, die nach dem Latinerkrieg durch das konsularische Opfer endgültig im römischen Sinne institutionalisiert wurden.111 Zum anderen könnte sich in der Betonung Albas auch eine noch konkretere Dominanz äußern: Im Laufe des 4. Jahrhunderts gemeindete Rom alle am Fuß des Gebirges liegenden Städte ein. Nachdem das Gebiet von Alba bereits in der Königszeit von Rom erobert worden war,112 folgten im 4. Jahrhundert zunächst Tusculum, dann das volskische Velitrae, Lanuvium und Aricia. Das (Wieder-) Erscheinen des Latinus in der Leukaria-Erzählung ist somit als Gegenbewegung zur ‚römischen‘ Variante zu bewerten. Die Latiner werden damit wieder selbstbewusster

s. zuletzt die Überlegungen bei Smith 2014a, 25 zur römischen Vorherrschaft bei den Feriae Latinae. Die Fasti Feriarum Latinarum setzen in der Mitte des 5. Jh.s ein und verzeichnen von Beginn an v. a. römische Magistrate (Grandazzi 2008, 561). Zu den Feriae Latinae und dem zweiten latinischen Heiligtum in Lavinium im Rahmen einer Sakrallandschaft und zum Opfer der römischen Konsuln zum Amtsantritt seit dem Latinerkrieg Grandazzi 2010. 112 Cornell 1995, 71 mit Lit. 111

Auson

227

Teil der Kultgemeinschaft auf dem Albaner Berg, indem sie ihren Stammvater Latinus an die Stelle des Aeneas stellen.113 Dass in unserer Variante von Leukaria die Rede ist, muss nicht ausschließen, dass es auch eine lateinische Version gegeben haben könnte, die den lokalen latinischen Anspruch auf Teilhabe illustrierte. Die vorliegende Version wäre also ihrerseits eine latinisierte, italisierte und hellenisierte Version einer römischen Legitimationsstrategie über die Vormachtstellung in Latium in der ersten Hälfte des 4. Jahrhunderts. 4.5 Auson Nach der Einordnung der Leukaria-Erzählung in die innerlatinischen Konflikte des 4. Jahrhunderts ist noch die Frage nach Auson offen geblieben. Die Variante des Tzetzes gibt Leukaria (Leutaria) und Italos als Eltern des Auson an.114 In der Forschung wurde dieser Stammbaum kaum behandelt, es sei denn als drittes Zeugnis für das Elternpaar. Es stellt sich zunächst die Frage nach den von Auson repräsentierten Ausones und ihrem Bezug zu Italus und Alba. Wenn wir die römisch-latinische Erzählung für die ältere halten, liegt auch hier aller Wahrscheinlichkeit nach ein ‚Italismus‘ vor, d. h. Italus ist erst nach der Ausweitung des Italienbegriffs in die Genealogie aufgenommen worden. Diese zeitliche Reihenfolge scheint zudem durch Alba selbst bestätigt, da Alba zu allererst eine Bezugsgröße für die Latiner darstellen dürfte. Für den tendenziell im Süden anzusiedelnden Auson ist dies nicht der Fall. In der Tat ist der Ausones-Begriff sehr offen und wandelbar und kann nur schwer mit einer konkreten Bevölkerung verbunden werden. In der ältesten Erwähnung bei Hekataios wird Nola am Fuß des Ve­ suvs als ausonische Stadt bezeichnet.115 Ausonisch wird bei Pindar das Ionische Meer,116 bei Apollonios Rhodios Skylla genannt.117 Auch die Region Daunia, die Diomedes auf-

113 In der Forschung ist immer wieder vorgebracht worden, dass Latinus ursprünglich mit Alba und nicht mit Lavinium verbunden war. Eine ausführliche Diskussion würde hier den Rahmen sprengen, allein aus den erhaltenen Quellen ist diese Frage jedenfalls nicht zu beantworten. Zentral dafür ist die ohne Quellenangabe bei Festus überlieferte Erzählung über die Entrückung des Latinus in der Schlacht gegen Mezentius, den König von Caere und Verbündeten des Turnus, und seine Verwandlung in Iuppiter Latiaris (Fest. 212, 19–22 L: qui praelio, quod ei[s] fuit adversus Mezentium, Caeritum regem, nusquam apparuerit). Die Erzählung (bisweilen ins 4. Jh. datiert) konkurriert ebenfalls mit der Vulgata über Aeneas, der in Lavinium am Fluss Numicus entrückt worden sei (Paul. exc. Fest. 94, 19–21 L: cum pugnans cum Mezentio nusquam apparuisset). Sie setzt ansonsten die Entstehung der Geschichte über die Schlacht in Latium voraus (s. o. Kap. 1.2). 114 Schol. Lykophr. Alex. 702. Wegen der fehlenden Quellenangabe kann auch in diesem Fall die Datierung nur aus der Erzählung selbst hergeleitet werden. 115 Hekataios, FGrHist 1 F 61 (= Steph. Byz. s. v. Νῶλα). 116 Pind. fr. 140b, 6 ed. Maehler. 117 Apoll. Rhod. 4,828; s. auch die ausonische Lokalisierung der Skylla bei Lykophr. Alex. 44 f.

228

Latinus, Vater der Leukaria

nimmt, wird von Lykophron in Ausonien lokalisiert.118 Bei Hellanikos und Philistos handelte es sich bei den Sikelern ursprünglich um Ausones, die von Iapygiern aus Italien nach Sizilien vertrieben worden waren.119 Auson ist in der Mythhistorie zudem als Vater des Liparos mit den Äolischen Inseln verbunden.120 Diese südliche Orientierung des Auson erklärt sein Auftreten in der Leukaria-Erzählung nicht. Zwar könnte man wie in anderen Fällen wieder einen Italismus anführen, und in der Tat wird Italus sogar selbst in der Erzählung erwähnt. Doch das Erscheinen der in Latium verwurzelten Alba-Leukaria scheint dem entgegen zu stehen.121 Wie wir schon bei der Diskussion des aristotelischen Latinion gesehen haben, gibt es aber auch ein nördliches Verständnis der Ausones. Apollonios Rhodios und Lykophron bezeichnen nicht nur Skylla, sondern auch die Insel der Kirke und den Avernersee bei Kyme als ausonisch,122 und es gab auch für Auson eine Tradition über die Abstammung von Odysseus – wahlweise von Kirke oder von Kalypso.123 Wie Latinus und die übrigen eponymen Helden konnte also auch Auson in unterschiedliche Traditionsstränge aufgenommen werden. Es sind diese Ausones, die von Ps.-Skymnos als Nachbarn der Latiner, und zwar am Kirkaion an Latium angrenzend, von Aristoteles gar als Nachbarn der Tyrrhener bezeichnet werden, an die wir hier denken müssen. Die einfachste Lösung ist demnach, dass wir bei Tzetzes ein weiteres Zeugnis für ungefähre geographische Angaben vorfinden, entsprechend der Angabe des Aristoteles über Latinion in der Opike.124 Wir haben es in diesem Fall also mit einer variierenden Wiedergabe einer vermeintlich ‚richtigen‘, ‚ursprünglichen‘ Erzählung zu tun, bei der die spezifische Stadt Rom durch die unspezifischen, überregionalen Ausones ersetzt wurde. Der Albaner Berg liegt also nicht nur in der Tyrrhenia oder später in der Italia, sondern auch in der Ausonia, und tatsächlich wird Ausonia im Laufe der Zeit zu einem Synonym von Italien.125 Möglich wäre auch wie im Fall der Telephos-Nachkommen, dass die Leukaria-Kinder aus den verschiedenen Varianten, Rhomos/Rhome und Auson, als Geschwister gedacht waren und wir hier erneut eine komplementäre Lesart der Fragmente annehmen können. Dies führt uns zu den Aurunci, die zwischen den Volskern und den 118 119 120 121 122 123 124 125

Lykophr. Alex. 593; 615. Hellanikos FGrHist 4 F 79 a. b; Philistos FGrHist 556 F 46. Diod. 5,7,5 f. Dies ist nur ein hypothetisches Element, da ja, wie wir bereits z. B. für die Erzählung des Konon über einen Latinus in Lokroi gesehen haben (s. o. S. 186), auch entfernte Orte sich mit dem latinischen Eponym oder der Teilhabe an Saturns Reich schmückten. Lykophr. Alex. 702–704; Apoll. Rhod. 4,590. s. o. S. 59 Anm. 128. s. o. Kap. 3.4.2. Dion. Hal. ant. 1,35,6; Schol. Lykophr. Alex. 44: […] συχνοὶ δὲ μέχρι τοῦ Λατίου Αὐσονίαν εἶναι ἐνόμισαν ὥστε καὶ πᾶσαν Ἰταλίαν ἀπ’ αὐτῆς. οἱ δὲ καὶ ἡμᾶς τοὺς Γραικοὺς Ἕλληνας Αὔσονας λέγοντες αὐθεντικῇ ἀδείᾳ καὶ οὐ ποιητικῇ τοῦτο ποιοῦσιν; Serv. auct. Aen. 8,328: […] at Italia plura nomina habuit, dicta est enim Hesperia, Ausonia, Saturnia, Italia.

Auson

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Kampanern angesiedelt waren, sowie zu den Volskern selbst.126 Die Aurunci wurden als Ausones betrachtet, man hielt die beiden Wörter für die jeweilige Bezeichnung im Griechischen und im Lateinischen.127 Die Römer führten im 4. Jahrhundert sowohl gegen die Volsci als auch gegen die Aurunci Krieg. In der Mitte des Jahrhunderts eroberte Rom die im frühen 5. Jahrhundert volskisch gewordenen Gebiete zwischen dem Albaner Berg und dem Kirkaion (zurück). Die Latiner hatten sich zwischenzeitlich mit den Volskern verbündet, obwohl die Volsker im 5. Jahrhundert noch der gemeinsame Feind des Latinerbundes einschließlich Roms gewesen waren. Kurz danach, bereits vor dem Latinerkrieg, richteten sich die Römer gegen die Aurunci, die Livius als populus innerhalb des nomen Latinum bezeichnet, vermutlich weil sie sich im Latinerkrieg auf die Seite der Gegner Roms gestellt hatten.128 Im Jahr 314 wurde das Volk, so schreibt Livius, ausgelöscht.129 Das Gebiet der Volsci und Aurunci wurde annektiert und hieß nun Latium adiectum. Die konkreten ethnischen Bezeichnungen sind auch hier unscharf und überlagern sich. Deutlich sichtbar ist dies z. B. bei Plinius, der unter den Völkern in der Region Latium et Campania sowohl Aurunci, und zwar nördlich des Kirkaion, als auch Ausones südlich davon aufzählt und zudem Volsci, Osci (d. h. die alten Opikoi) und die vorzeitlichen Völker der Aborigines, Pelasger und Sikuler als Bewohner Latiums erwähnt.130 Man kann also abschließend die Leukaria-Auson-Erzählung in den Kontext der Auseinandersetzungen des 4. Jahrhunderts einordnen, als eine Koalition aus Latinern, Volskern, Aurunkern und zahlreichen benachbarten Völkern, von den Griechen zusammenfassend Ausones genannt, sich das letzte Mal gegen Rom auflehnten. Es ist möglich, dass es sich um gegenseitig ausschließende Erzählungen handelt, wobei sich die Ausones auf die Latiner mit ihrem Heiligtum in Alba beziehen und den Platz Roms in dem Stammbaum einnehmen, und ebenso, dass wir es mit einer integrierenden Version zu tun haben, in der die eponymen Heroen Roms und der Ausones Geschwister sind und somit eine Solidarität angedeutet und gar eingefordert wird.

126 s. zu den Volskern Di Fazio 2020. 127 Schol. Lykophr. Alex. 44 (nach Cass. Dio): […] Αὐσονία δὲ κυρίως, ὡς Δίων γράφει ὁ Κοκκειανός, ἡ τῶν Αὐρούγκων γῆ μόνη λέγεται μέσον Καμπανῶν καὶ Οὐολκῶν παρὰ θάλασσαν κειμένη […]. 128 Liv. 7,28,1 f. mit Oakley comm. ad loc. 129 Liv. 9,25,9. 130 Plin. nat. 3,56: colonis saepe mutatis tenuere alii aliis temporibus, Aborigines, Pelasgi, Arcades, Siculi, Aur unci , Rutuli et ultra Cerceios Volsci, Osci, A us one s, unde nomen Lati processit ad Lirim amnem.

5 Fazit … illud accipiendum est Hygini, qui ait Latinos plures fuisse? Am Ende dieser Untersuchung können wir Servius mit Heraklit und dem Bild über den sich stets verändernden und dabei doch gleichbleibenden Fluss antworten:1 Die Erzählungen ändern sich, doch immer geht es um den Heros Latinus, von dem die Latiner ihren Namen erhalten haben und über den die Zusammengehörigkeit der populi Latini zwischen dem Tiber und der Insel der Kirke zum Ausdruck gebracht wurde. In diesem Buch ist es durch eine sorgfältige Analyse der kargen literarischen Zeugnisse gelungen, die Vorstellungen, die man sich zwischen der archaischen Zeit und dem Beginn der römischen Expansion über Latium hinaus von den Ursprüngen des Volkes und seines Stammvaters machte, näher zu beleuchten und teilweise erst überhaupt sichtbar zu machen. Um erneut die Fluss-Metapher zu verwenden: Wir haben nicht nur einen mäandrierenden Fluss vor uns, sondern eine Flusslandschaft voll größerer und kleinerer Nebenarme. Der ursprüngliche Gedanke dieser Arbeit, die Vielfalt in relativen Stratigraphien in ein zeitliches Nacheinander aufzulösen, ließ sich nur zum Teil umsetzen. Wie bei den Etruskern, über die zu demselben Zeitpunkt mindestens zwei einander widersprechende Erzählungen im Umlauf waren, muss man auch für Latinus und seine Latiner immer wieder ein Nebeneinander verschiedener Erzählstränge konstatieren. Im ersten Kapitel wurden die Verse des Hesiod oder einer späteren Interpolation zur Theogonie diskutiert. Die aktuelle Forschungsmeinung, nach der das Zeugnis über Odysseus und Kirke und ihre tyrrhenischen Söhne tendenziell früh ist, wurde als überzeugend angenommen. Wir können nicht belegen, dass die Latiner die Verse und die illustre Abstammung ihres Stammvaters selbst kannten. Doch aufgrund der archäologisch dokumentierten intensiven Beziehungen zwischen den Bewohnern Latiums, ihren etruskischen Nachbarn und den Griechen des Mittelmeerraumes ist es sehr plausibel, dass die Latiner selbstverständlich teilhatten an der Kommunikation, die nun mal über diese Art Erzählungen verlief. Es ist sehr wahrscheinlich, dass die la-

1

Die Flussmetapher findet sich bereits bei Horsfall 1991, Kap. 5, und Gehrke 2005, 20 f.

Fazit

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tinischen Adligen sich wie ihre griechischen peers auf epische Heroen als Stammväter bezogen und das Angebot der odysseischen Abstammung annahmen. Die epischen Vorfahren Kirke und Odysseus finden sich nach Hesiod in zahlreichen weiteren Genealogien von Gründern latinischer Städte und Stammvätern der Nachbarvölker. Dies kann, wie meist angenommen, eine Adaption der literarisch überlieferten hesiodeischen Genealogie durch spätere Autoren auch fern von Latium sein. Doch ist es wahrscheinlicher, dass manche dieser Erzählungen auch in Italien selbst eine Rolle spielten. Somit bezeugt dieser Befund das Prestige, das diese Abstammung den Nachfahren verlieh, und deutet auf ihre mögliche Verwendung in der Kommunikation zwischen Latinern, Marsern und Ausonen und zwischen den latinischen Städten hin, im Sinne der syngeneia, wie sie bisher vor allem für Griechen angenommen wurde. Die Feststellung einer großen Nähe zwischen Griechen und Latinern seit der archaischen Zeit sowie die Infragestellung der trennenden Funktion ethnischer Identitäten in der Forschung der letzten Jahrzehnte erlaubt schließlich, viele Vorannahmen über Bord zu werfen, die die Herangehensweisen an die hier untersuchten Quellen vielfach geprägt haben. Zunächst betrifft dies die Bedeutung von griechischen Erzähl­ inhalten, in unserem Fall der epischen Traditionen. Seit dem 7. Jahrhundert finden wir im tyrrhenischen Italien bildliche Darstellungen der ‚griechischen‘ Mythen vor, die somit Allgemeingut waren, und trotz des verhältnismäßig späten Einsetzens der lokalen Literaturproduktion widmeten sich die ersten Werke in lateinischer Sprache ‚griechischen‘ Themen. Eine vermeintlich mangelhafte Kenntnis jener Mythen kann also nicht als Argument für eine späte Datierung der Aneignung solcher Erzählungen im Tyrrhenischen Italien herangezogen werden. Dies gilt ebenso für die hier nur gestreiften vielfältigen Gründungsgeschichten der latinischen Städte, in denen aus griechischem Epos, Lyrik und Tragödie bekannte Gestalten auftreten (Odysseus und seine Söhne, Herkules, Danae, die Amphiariden, Telephos, Diomedes). Einzelne ktiseis können späte Kreationen sein, doch eine frühere Bezugnahme auf die bekannten Helden ist grundsätzlich möglich. Wie bei den griechischen Städten Unteritaliens, die sich neben ihren historischen Stadtgründern ebenfalls auf Heroen aus dem Trojanischen Krieg bezogen, ist es möglich, auch hier von epischen Identitäten zu sprechen, während eine ethnische Identität nur zweitrangig war. Eine Betrachtung der griechischen Erzählungen über Latium unter dieser Prämisse wirkt sich auch auf die Einschätzung der Tradition der trojanischen Wurzeln der Latiner aus, die spätestens im 5. Jahrhundert, vielleicht auch schon früher in Latium in Erscheinung tritt. Die Polarisierung zwischen Trojanern und Griechen wurde meist auch in die Abstammungsmythen hineingelesen. Die Rechtfertigung dafür lag in dem Zeugnis über die propagandistische Verwendung dieses Gegensatzes durch Pyrrhus, der sich selbst auf Achilles zurückführte. Doch könnte auch Pyrrhus hier primär in epischen Dimensionen gedacht haben, indem er sich als Nachfahre des Achill und die Römer als Gründung der Trojaner betrachtete. Dieser Gegensatz ist jedoch nicht zwangsläufig auch in früheren Zeiten in diesem Ausmaß vorhanden gewesen.

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Fazit

Der vermeintliche Gegensatz zwischen Griechen und Trojanern war in dem Kapitel über die Erzählungen über Telemach, Rhome und Latinus von zentraler Bedeutung. In diesen Zeugnissen stammte Latinus zunächst von Telemach ab, dem Sohn des Odysseus, der in der epischen Erzählung der Telegonie nach Italien gekommen war und sich dort wie zuvor sein Vater mit der in Latium angesiedelten Kirke verbunden hatte. Diese Latinuserzählung fügt sich in eine rege Mythopoiesis in Etrurien ein, wo die Laertiden in der Tradition der nachhomerischen Entwicklungen ebenfalls sehr beliebt waren. Mit Rhome kommt hier allerdings eine in den meisten Versionen trojanische Gattin hinzu. Wie bei Hellanikos Odysseus und Aeneas gemeinsam als Gründer Roms in Erscheinung treten, können sich die Nachfahren mit dem Laertiden Latinus und der Trojanerin Rhome auf griechische und trojanische Wurzeln zurückführen. Es liegt nahe, dass hier statt einer in sich widersprüchlichen Identitätsstiftung eine besonders prestigeträchtige Genealogie vorliegt. Ob der griechisch-trojanische Gegensatz bereits im Latinerkrieg, also ein halbes Jahrhundert vor Pyrrhus eine Rolle spielte, kann nicht entschieden werden, da vor dem Ende des 4. Jahrhunderts Telemach aus dem latinischen Stammbaum verschwindet und stattdessen autochthone Wurzeln buchstäblich erfunden wurden. Latinus erschien nun als König der Aborigines, während sich möglicherweise zur selben Zeit die einzelnen latinischen Städte auf ihre jeweils eigenen griechischen Wurzeln beriefen, wie zum Beispiel Tusculum auf Telegonos. Innerhalb der einzelnen Versionen ist dagegen kein Konflikt festzustellen, Latinus erscheint stets in enger Beziehung zu seiner Gattin oder Schwester Rhome. Über das weit verbreitete Schiffsbrandmotiv, mit dem die Ankunft der Trojaner in Italien narrativ ausgestaltet wurde, war es schließlich möglich, neben den speziell laertidischen auch allgemein achäische Wurzeln der Latiner zu postulieren. Gegen die Einschätzung, dass die trojanischen Gefangenen, die die Schiffe der Achäer anzündeten, eine antirömische Stoßrichtung hätten, ließ sich einwenden, dass dies vielmehr die Adaption eines beliebten Motivs aus der Nostos-Tradition war und dadurch praktischerweise sowohl eine trojanische als auch eine griechische Abstammung begründet werden konnte. Die Verknüpfung der Latinus-Rhome-Erzählung mit der Schiffsbrandtradition ermöglichte den Blick auf die Entwicklung der Geschichte vor ihrer Verschriftlichung. Es ist wahrscheinlich, dass Latinus bereits in dieser Erzählung in Erscheinung trat, um die Fremden in Empfang zu nehmen. Der Vergleich von Parallelstellen zeigte, dass ausführlichere Erzählungen bei ihrer Aufnahme in Sammlungen von Gründungsgeschichten paraphrasiert und mehr oder weniger stark auf ihr genealogisches Gerüst zusammengestutzt wurden. Dies ermöglichte die Reintegration der Rhome-Erzählungen in die durch Hellanikos bekannte Schiffsbranderzählung. Es erlaubte überdies einen differenzierten Umgang mit den in Kompilationen überlieferten Fragmenten. So konnte in der Untersuchung der Herr­ schaft des Aeneas und des Latinus eine Italisierung des Diskurses und auch der Überlieferung der früheren Texte identifiziert werden. Durch diesen Vorgang, der in der Zeit

Fazit

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der römischen Eroberung des italischen Südens angesetzt werden muss, wurde eine lokale Angabe, wie die zu Latinus passende Herrschaft in Latium, durch eine überregionale Angabe, hier die Herrschaft über Italien, ersetzt. Dies konnte eine rein formale Aktualisierung darstellen, aber auch eine intentionale Aussage, da die hierarchische Position Roms und der Latiner gegenüber dem übrigen Italien auch im Mythos zum Ausdruck gebracht worden sein könnte. Die Entdeckung der Italisierung ermöglichte, die Entwicklung des Latinus-Rhome-Diskurses um einige Momentaufnahmen zu ergänzen. Ein möglicher weiterer Prozess dieser Art dürfte eine Romulisierung sein, die bereits den Wendepunkt zur Herausbildung der Vulgata markiert. Hinter den sechs Fragmenten, die in dem Kapitel über Telemach und Rhome diskutiert wurden, konnte also ein lebendiger Diskurs ans Licht gebracht werden. Ein solcher erklärte den Variantenreichtum, der bisher als Resultat einer korrupten Überlieferung beurteilt wurde. Stattdessen ist deutlich geworden, dass die einzelnen Varianten demselben Diskurs entstammen, wobei sich die Details in der konkreten Äußerung leicht unterscheiden können. Der Wegfall von Elementen wie der Abstammung von Telemach und die Aufnahme von anderen zeigt dabei die Lebendigkeit und die Relevanz, denn nur bei intendierter Wirksamkeit lohnte es sich, die Geschichte den aktuellen Interessen anzupassen. Erst wenn die Geschichte an sich nicht mehr von intentionaler Bedeutung war, wanderte sie gleichsam als Fossil in die Kompilationen, wo sie der Paraphrasierung anheimfiel. Während die Fragmente, die wir in den späteren Kompilationen vorfinden, selbst als solche Fossile zu betrachten sind, waren die ersten Autoren, die sie niederschrieben, Zeugen dieser lebendigen Diskurse und ihrerseits Akteure. Selbstverständlich gab es immer auch die Erfindung am Schreibtisch, d. h. eine rein literarische Erzählung, sowie den Fall, dass eine sogenannte Zwischenquelle als Urheber angegeben wurde, doch ist anzunehmen, dass die ersten ‚Autoren‘ vielmehr Vertreter und Zeugen überpersonaler Diskurse waren. Ihre Aufgabe war außer der simplen Niederschrift, das Erzählte und Gehörte zu systematisieren und verschiedene Traditionen auf der Grundlage ihrer Lektüre zusammenzubringen. So ist Hellanikos wahrscheinlich nicht selbst auf die Idee gekommen, Odysseus mit Aeneas nach Rom zu schicken, sondern dies ergab sich aus seinen vielfältigen Quellen, die er miteinander vereinbaren wollte. Der Diskursbegriff bringt den Vorteil, dass er die Erzählungen nicht auf Text auf Schriftrollen reduziert, die sich nur auf dem Weg der literarischen Überlieferung weiterverbreiteten, sondern sie zurück in den sozialen Raum führt. Denn um die in der Einleitung vorgestellten zentralen Funktionen für die Identitätsstiftung und die inter-politische und inter-nationale Interaktion zu erfüllen, müssen die Traditionen bekannt sein oder neu bekannt gemacht werden. Damit ein Latiner sich als Latiner fühlte, der mit Stolz auf seine Vorfahren Latinus, Kirke und Odysseus blickte, musste er die Geschichten überhaupt erst kennen. In der Diplomatie musste schließlich ein Konsens über die grundsätzliche Wirksamkeit der herangezogenen Ursprungsgeschichten bestehen, sonst wären sie wirkungslos. Leider können die Diskursräume,

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Fazit

also die Arenen, in denen bestimmte Traditionen als relevant betrachtet, bekanntgemacht und weiter ausgehandelt wurden, meist nicht bestimmt werden. Doch wie bereits für die archaische Zeit ist auch danach mit ‚transnationalen Diskursräumen‘ zu rechnen, da auch vor der römischen Expansion in den griechischen Süden stets latinisch-römisch-etruskisch-griechische Kontakte gepflegt wurden. Im letzten behandelten Fall der Erzählungen über Alba und Leukaria konnten dagegen tatsächlich lokale Diskurse postuliert werden. Die Genealogien, hinter denen keine ausführliche Erzählung ausfindig gemacht werden konnte und die somit eher allegorischen Charakter haben, könnten aus dem römisch-latinischen Konflikt des 4. Jahrhunderts v. Chr. stammen. In diesen Erzählungen erscheint das erste Mal Alba, die ihren Namen von dem zentralen latinischen Gebirge erhielt, wo sich das wichtigste Heiligtum der Latiner befand. Es ist möglich, dass diese Geschichte vor der kanonischen Vorstellung von der latinischen Metropolis Alba Longa entstanden ist und dass sie ins Feld geführt wurde, um Latinus, der bezeichnenderweise und wohl nicht nur aufgrund der fragmentarischen Überlieferung fehlt, durch eine andere quasiethnische Gestalt zu ersetzen. Die Leukaria-Erzählung könnte die latinische Antwort sein, da hier nun Latinus ohne Vorfahren wie ein epischer Heros aus eigenem Recht als Stammvater sowie als Vater der von römischer Seite ins Spiel gebrachten Alba-Leukaria in Erscheinung tritt. Neben Alba treten in diesen Erzählungen eine ansonsten unbekannte Tyrrhenia sowie Italos und Auson auf. Diese aus Landschaftsbezeichnungen abgeleiteten Namen verweisen auf einen überethnischen Charakter. Tyrrhenia stand hier nicht nur für die Etrusker, mit denen es in Latium seit jeher vielfältige Kontakte gab, sondern auch für den Kulturraum zwischen Etrurien und Kampanien, bevor die Bezeichnung Italien von ihrer Südwestspitze auf die gesamte Apenninenhalbinsel übertragen wurde. ­Auson stand selbst wohl für unterschiedliche Völker, da dieser Name sowohl mit Süd­ italien als auch mit Kampanien und Latium in Verbindung gebracht wurde. Er hatte mit Latinus mehrere genealogische Verortungen gemein, und Aristoteles bezeichnete die Ausones als Nachbarn der Tyrrhener. Hier zeigt sich, dass bei aller Bedeutung ethnischer Eponyme die Grenzen zwischen Völkern bis zu einem gewissen Grad unscharf waren und sich dies auch in den Ursprungserzählungen niederschlug. Abschließend ist anhand der Terminierung der Alba-Erzählungen deutlich geworden, dass es mehrere nebeneinander verlaufende Latinerdiskurse und somit eine Vielfalt der Ursprungserzählungen gegeben haben muss. Denn aus den spärlichen Autorenangaben in der Telemach-Rhome-Gruppe und der Leukaria-Gruppe ergibt sich, dass beide insbesondere im 4. Jahrhundert anzusiedeln sind. Dazu kommen die wahrscheinlich weiterlaufende Kirke-Odysseus-Tradition sowie die individuellen Stadtgründungsgeschichten. Eine glatte Stratigraphie ist somit unmöglich, man muss anders mit dem Befund umgehen. Die Vielfalt an Erzählungen und der Variantenreichtum waren offenbar ein zentraler Zug der antiken Weltsicht. Wie dies gerade die systematisierenden Autoren wie Hellanikos oder Strabo, der eine große Anzahl von Helden

Fazit

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namens Herakles konstatierte, belegen, gehörte die Vielfalt der mythischen Erzählungen zur antiken, griechischen wie römischen Realität. Diese ‚kumulative Sinnstiftung‘ ermöglichte ein Nebeneinander unterschiedlicher Erzählungen, die in ihrem jeweiligen Kontext, ihrer Funktion, ihren Diskursen betrachtet, sinnvoll und relevant waren.2

2

s. hierzu Hagen 2018; Hagen 2024 im Druck.

Anhang Abbildungen und Tabellen © Eva Hagen Abb. 1 Stammbaum des Latinos nach Hes. theog. 956 f.; 1011–1016; 1017 f. . . . . . . . . . . . . . . . . Abb. 2 Stammbaum des Latinos nach Pseudo-Skymnos. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abb. 3 Stammbaum des Praenestes nach Zenodotos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abb. 4 Stammbaum des Latinus nach *** (Serv. auct. Aen. 1,273). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abb. 5 Stammbaum des Latinos nach Lyd. mens. 1,13. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abb. 6 Stammbaum des Latinos nach Lyd. mens. 4,4. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abb. 7 Synthese aus Lyd. mens. 1,12; 1,13 und 4,4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abb. 8 Nachkommen von Odysseus und Kirke nach Xenagoras. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abb. 9 Nachkomme von Odysseus und Kirke nach anon. in Plut. Rom. 2,1. . . . . . . . . . . . . . . Abb. 10 Übersicht über die Varianten der Kirke-Odysseus-Gruppe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abb. 11 Galitas, Fest. 329 L. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abb. 12a Plut. Rom. 2,3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abb. 12b ergänzt aus Plut. Rom. 1,2 und Galitas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abb. 13 Kallias von Syrakus: a) Dion. Hal. ant. 1,72,5; b) Synkell. chron. 227, 18–25. . . . . . . . . Abb. 14 Caltinus, Fest. 329 L. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abb. 15a Kleinias, Serv. auct. Aen. 1,273. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abb. 15b Kleinias, Ergänzungsvorschlag. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abb. 16 Stammbaum in der Telegonie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abb. 17 Gründung Roms nach Hellanikos. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abb. 18 Entwicklung der römischen Schiffsbranderzählung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abb. 19 Entwicklung der Aborigines-Erzählungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abb. 20 Entwicklungsschritte der bei Festus überlieferten Erzählungen, mögliche Momente der Italisierung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abb. 21 Entwicklung der Telemach-Rhome-Gruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abb. 22 Dion. Hal. ant. 1,72,6. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abb. 23 Plut. Rom. 2,1. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abb. 24 Schol. Lykophr. Alex. 702. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abb. 25 Stammbaum nach Alkimos. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abb. 26 Gegenüberstellung von Leukaria-Erzählung und Alkimos. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

39 58 61 65 67 68 69 71 76 79 83 85 85 87 89 91 91 96 110 135 172 180 198 200 201 201 204 225

238 Tab. 1 Tab. 2 Tab. 3 Tab. 4 Tab. 5 Tab. 6

Anhang

Übersicht über die Telemach-Rhome-Gruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Römische Schiffsbranderzählungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Versionen und Motive 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Versionen und Motive 2. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Versionen und Motive 3. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Versionen und Motive 4. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

94 119 195 195 196 197

Quellen Im Folgenden sind die zitierten Editionen und Übersetzungen aufgeführt. Fragmentarisch erhaltene Autoren werden in den Anmerkungen angegen, Kommentare erscheinen im Literaturverzeichnis. Quellenstellen sind nach DNP abgekürzt. Appius Claudius Caecus Fragmentary Republican Latin (FRL) III, Oratory, part 1, edited and translated by Gesine Manuwald, Cambridge, Mass./London 2019. Apollodoros Apollodorus, Götter und Helden der Griechen, griechisch und deutsch, übers. von Kai Brodersen, Darmstadt 2004. Apollodoro, I miti greci (Biblioteca), a cura di Paolo Scarpi, traduzione di Maria Grazia Ciani, Mailand 112013. Aristoteles Aristoteles, Die historischen Fragmente, übersetzt und erläutert von Martin Hose, Berlin 2002. Aristotelis qui ferebantur librorum fragmenta, collegit Valentin Rose, Leipzig 31886. Aristotele, Racconti meravigliosi, introduzione, traduzione, note e apparati di Gabriella Vanotti, Mailand 2007. Diodor Diodore de Sicile, Bibliothèque historique. Fragments I, Livres VI–X, texte établi, traduit et commenté par Aude Cohen-Skalli, Paris 2012. Diodore de Sicile, Bibliothèque historique. Fragments II, Livres XXI–XXVI, texte établi, traduit et commenté par Paul Goukowsky, Paris 2006. Diodoros, Griechische Weltgeschichte, Buch XVIII–XX. Teilband A: Einleitung und Übersetzung von Otto Veh und Gerhard Wirth, Stuttgart 2005. Dionysios von Halikarnassos Denys d’Halicarnasse, Antiquités romaines I, Introduction générale, livre I, texte établi et traduit par Valérie Fromentin, Paris 1998. Dionysii Halicarnasei Antiquitatum Romanarum quae supersunt, edidit Carolus Jacoby, I, Stuttgart 1885 (Nachdruck 1995). Dionysi Halicarnasensis Antiquitatum Romanarum quae supersunt, recensuit Adolphus Kiessling, Leipzig 1860–1870. Denys d’Halicarnasse, Rome et la conquête de l’Italie aux IVe et IIIe s. avant J.-C., textes traduits et commentés sous la direction de Sylvie Pittia, Paris 2002. Dionysius von Halikarnass, Römische Frühgeschichte. Griechisch und deutsch, hrsg., eingel. und übers. von Alfons Städele, Darmstadt 2020.

Quellen

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Dionysius von Halikarnass, Römische Frühgeschichte I–II, Bücher 1 bis 3. Bücher 4 bis 6, eingeleitet, übersetzt und kommentiert von Nicolas Wiater, Stuttgart 2014–2018. Ephoros und Timaios Die Fragmente der Historiker: Ephoros von Kyme (FGrHist 70) und Timaios von Tauromenion (FGrHist 566), übersetzt, eingeleitet und kommentiert von Barbara Gauger und Jörg-Dieter Gauger, Stuttgart 2015. Epischer Kyklos Poetarum epicorum Graecorum testimonia et fragmenta, edidit Albertus Bernabé, Leipzig 21996. Homer. Dichtung und Sage. Zweiter Band: Odyssee, Kyklos, ed. Erich Bethe, Leipzig/Berlin 1922. The Greek Epic Cycle, Second edition by Malcolm Davies, London 22003. Greek Epic Fragments from the Seventh to the Fifth Centuries B. C., edited and translated by Martin L. West, Cambridge, Mass./London 2003. Eusebius Excerpta Eusebiana, Anecdota graeca e codicibus manuscriptis Bibliothecae regiae Parisiensis II, ed. J. Cramer, Oxford 1839. Eustathius Eustathii Archiepiscopi Thessalonicensis commentarii ad Homeri Odysseam, edidit Johann G. Stallbaum, Leipzig 1825/1826. Festus Sexti Pompei Festi de verborum significatu quae supersunt cum Pauli epitome, edidit Wallace M. Lindsay, Leipzig 1897. Glossaria Latina IV: Placidus, Festus, Placidi glossae, ediderunt J. W. Pirie et W. M. Lindsay, Paris 1930. Sexti Pompei Festi de verborum significatione quae supersunt cum Pauli epitome, edidit Karl O. Müller, Leipzig 1880. M. Verrii Flacci quae extant et Sex. Pompei Festi de verborum significatione libri XX. Josephi Scaligeri, Julii Caesaris f., in eosdem libros castigationes recognitae et auctae, Paris 1576. Herakleides Lembos Heraclidis Lembi excerpta, edited and translated by Mervin R. Dilts, Durham, N. C. 1971. Herodian Grammatici Graeci III.1, Herodiani Technici reliquiae, collegit disposuit emendavit explicavit praefatus est Augustus Lentz, Tomus I, Praefationem et Herodiani Prosodiam catholicam continens, Leipzig 1867 (Nachdruck Hildesheim/New York 1979). Grammatici Graeci III.2, Herodiani Technici reliquiae, collegit disposuit emendavit explicavit praefatus est Augustus Lentz, II.1 Reliqua scripta prosodiaca, Pathologiam, Orthographica continens; II.2 Scripta de nominibus verbis pronominibus adverbiis et librum monadicorum continens, Leipzig 1869/1870 (Nachdruck Hildesheim/New York 1979). Pseudo-Arcadius’ Epitome of Herodian’s De Prosodia Catholica, edited with an introduction and commentary by Stephanie Roussou, Oxford 2019. Hesiod Esiodo, Opere, Testi introdotti, tradotti e commentati da Graziano Arrighetti, Turin 1998. Hésiode, Théogonie, les travaux et les jours, le bouclier, texte établi et traduit par Paul Mazon, Paris 1928. Hesiod, Theogony, Work and Days, Testimonia, edited and translated by Glen W. Most, London/ Cambridge, Mass., revised edition 2018.

240

Anhang

Hesiod, The Shield. Catalogue of Women and Other Fragments, edited and translated by Glen W. Most, London/Cambridge, Mass., revised edition 2018. Hesiod, Theogonie, Werke und Tage: griechisch und deutsch, herausgegeben und übersetzt von Albert von Schirnding, Darmstadt 1991. Hesiod, Theogony, Edited with Prolegomena and Commentary by M. L. West, Oxford 1966. Hesiodi Theogonia, Opera et dies, Scutum, edidit Friedrich Solmsen. Fragmenta selecta, edide­ runt Reinhold Merkelbach et Martin L. West, Oxford 31990. Historikerfragmente BNJ: Brill’s New Jacoby, edited by Ian Worthington, 2006–2023, (07.10.2023). BNJ2: Brill’s New Jacoby, Second Edition, edited by Ian Worthington, seit 2016, (07.10.2023). FGrHist: Die Fragmente der griechischen Historiker, ed. Felix Jacoby u. a., Leiden seit 1923. FRH: Die frühen römischen Historiker, herausgegeben, übersetzt und kommentiert von Hans Beck und Uwe Walter, Darmstadt 2001/2004. FRHist: Tim J. Cornell (Hrsg.), The Fragments of the Roman Historians, Oxford 2013. Homer Homeri Odyssea, recognovit P. von der Muehll, Stuttgart 31962. Homer, Ilias und Odyssee, deutsch von Johann H. Voss, bearbeitet von H. Rupé und E. R. Weiß, Köln 2000. Hyginus Hygin, Fables, texte établi et traduit par Jean-Yves Boriaud, Paris 1997. Grammaticae Romanae Fragmenta, collegit recensuit Hyginus Funaioli I, Leipzig 1907. Igino, Miti, a cura di Giulio Guidorizzi, Mailand 2000. Hyginus, Fabulae, Sagen der Antike, ausgewählt und übersetzt von Franz P. Waiblinger, München 2007. Johannes Lydos Ioannes Lydus, On Powers or Magistracies of the Roman State, translated and edited by Anastasius C. Bandy, Lewiston u. a. 2013. Jean le Lydien, Des magistratures de l’État romain, texte établi, traduit et commenté par Michel Dubuisson et Jacques Schamp, Paris 2006. Ioannis Lydi de magistratibus populi Romani libri tres, edidit Richard Wünsch, Leipzig 1903. Justinus Iustin, Römische Weltgeschichte I: lateinisch und deutsch, eingeleitet, übersetzt und kommentiert von Peter Emberger, unter Mitarbeit von Antonia Jenik, Darmstadt 2015. Iustin, Römische Weltgeschichte II: lateinisch und deutsch, eingeleitet, übersetzt und kommentiert von Günter Laser, unter Mitarbeit von Antonia Jenik, Darmstadt 2016. Justin. Abrégé des Histoires Philippiques de Trogue Pompée, texte établi, traduit et commenté par Bernard Mineo, notes historiques par Giuseppe Zecchini, Paris 2016–2020. Livius Titus Livius, Römische Geschichte. Buch I–III, übers. von Hans Jürgen Hillen, München 1987. Titi Livi ab urbe condita, recognovit et adnotatione critica instruxit Robertus Maxwell Ogilvie, Tomus I. Libri I–V, Oxford 51990 (1974). Lykophron Lykophron’s Alexandra, griechisch und deutsch, mit erklärenden Anmerkungen von Carl von Holzinger, Leipzig 1895.

Quellen

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Anhang

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Forschungsliteratur

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Forschungsliteratur Zeitschriften werden nach der Année Philologique abgekürzt. Aberson 2014: Michel Aberson (Hrsg.), E pluribus unum? L’Italie, de la diversité préromaine à l’unité augustéenne, Bern 2014. Alföldi 1957: Andreas Alföldi, Die trojanischen Urahnen der Römer, Basel 1957. Alföldi 1977: Andreas Alföldi, Das frühe Rom und die Latiner, Darmstadt 1977 (engl. 1963). Alston 2008: Richard Alston, History and Memory in the Construction of Identity in Early Second-Century Rome, in: Bell/Hansen 2008, 147–159. Altheim 1951: Franz Altheim, Römische Religionsgeschichte I, Baden-Baden 1951. Ampolo 1976/1977: Carmine Ampolo, Demarato, osservazioni sulla mobilità sociale arcaica, Dialoghi di Archeologia 9/10, 1976/1977, 333–345. Ampolo 1983: Carmine Ampolo, La storiografia su Roma arcaica e i documenti, in: Gabba, Emilio (Hrsg.), Tria Corda. Scritti in onore di Arnaldo Momigliano, Como 1983, 9–26. Ampolo 1992: Carmine Ampolo, Enea ed Ulisse nel Lazio da Ellanico (FGrHist 4 F 84) a Festo (432 L), PP 47, 1992, 321–342. Ampolo 1994: Carmine Ampolo, La ricezione dei miti greci nel Lazio. L’esempio di Elpenore ed Ulisse al Circeo, PP 49, 1994, 268–280. Ampolo 2009: Carmine Ampolo, Presenze etrusche, koinè culturale o dominio etrusco a Roma e nel Latium Vetus in età arcaica?, in: Della Fina 2009, 9–41. Ampolo 2013: Carmine Ampolo, Il problema delle origini di Roma rivisitato: concordismo, ipertradizionalismo acritico, contesti. I, ASNP 5/1, 217–284. Ampolo 2018: Carmine Ampolo, Medea in didascalia (‚Label‘): Appunti su Medea in Etruria ed a Roma, in: Pizzo, Antonio / Nizzo, Valentino (Hrsg.), Antico e non antico. Scritti multidisciplinari offerti a Giuseppe Pucci, Mailand/Udine 2018, 23–35. Ampolo 2021: Carmine Ampolo, Odisseo in Occidente. L’esempio del Lazio (Tusculum, Roma e dintorni), Mediterranea 18, 2021, 51–74. Ando 2010: Clifford Ando, Imperial Identities, in: Whitmarsh, Tim (Hrsg.), Local Knowledge and Microidentities in the Imperial Greek world, Cambridge 2010, 17–45. Antonaccio 2010: Carla M. Antonaccio, (Re)Defining Ethnicity. Culture, Material Culture, and Identity, in: Hales, Shelley / Hodos, Tamar (Hrsg.), Material Culture and Social Identities in the Ancient World, Cambridge/New York 2010, 32–53. Antonaccio 2013: Carla M. Antonaccio, Networking the Middle Ground? The Greek Diaspora, Tenth to Fifth Century BC, Archaeological Review from Cambridge 28, 2013, 237–251. Assmann 1988: Jan Assmann, Kollektives Gedächtnis und kulturelle Identität, in: Assmann, Jan / Hölscher, Tonio (Hrsg.), Kultur und Gedächtnis, Frankfurt am Main 1988, 9–19. Assmann 1997: Jan Assmann, Das kulturelle Gedächtnis. Schrift, Erinnerung und politische Identität in frühen Hochkulturen, München 21997. Assmann 2009: Aleida Assmann, Erinnerungsräume. Formen und Wandlungen des kulturellen Gedächtnisses, München 42009. Bagnasco Gianni 2012: Giovanna Bagnasco Gianni, Origine degli Etruschi, in: Bartoloni, Gilda (Hrsg.), Introduzione all’etruscologia, Mailand 2012, 47–81. Bär 2018: Silvio Bär, Herakles im griechischen Epos. Studien zur Narrativität und Poetizität eines Helden, Stuttgart 2018.

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Stellenregister Literarische Quellen Fettdruck bezeichnet wörtliche Zitate und Übersetzungen. Agathokles von Kyzikos (FGrHist 472) F 5 = 840 F 18–19: 84 (Anm. 9) F 5a = 840 F 18–19a: 143 (Anm. 244) F 5b = 840 F 18–19b: 131 (Anm. 209) Aischylos Psychagogoi fr. 274 Radt: 95 (Anm. 55) Alkimos (FGrHist 560) F 2: 126 (Anm. 190), 214 (Anm. 67) F 3: 213 (Anm. 66) F 4 = FGrHist 840 F 12: 203 (Anm. 15) F 5: 211 (Anm. 56) F 9: 211 (Anm. 58) F 10: 211 (Anm. 57) Alkman fr. 80 Campbell = iv 223 Erbse: 36 (Anm. 13), 40 (Anm. 35) Annales Maximi (FRHist) F 7: 84 (Anm. 9), 224 (Anm. 109) Antiochos (FGrHist 555) F 2: 101 (Anm. 78) F 4: 123 (Anm. 177) F 3a: 176 (Anm. 378) F 5: 101 (Anm. 78), 176 (Anm. 378), 183 (Anm. 400) F 6: 123 (Anm. 177), 166 (Anm. 343) F 7: 122 (Anm. 174) Apollodoros bibl. 1,38 (= 1,6,2): 42 (Anm. 48) 2,84 (= 2,5,4): 42 (Anm. 48) epit. 6,15c: 117 (Anm. 151), 132 (Anm. 212) 7,16: 97 (Anm. 60) 7,24: 59 (Anm. 128), 98 (Anm. 68) 7,27: 42 (Anm. 48) 7,34–37: 97 (Anm. 60) 7,37: 96 (Anm. 58) 7,38 f.: 108 (Anm. 104)

Apollonios Rhodios 3,311: 113 (Anm. 129) 4,828: 227 (Anm. 117) 4,590: 228 (Anm. 122) Appian Samn. 4,2: 191 (Anm. 438) 4,14: 191 (Anm. 438) 7,1: 190 (Anm. 433) 10,6: 190 (Anm. 436) 11,4 f.: 190 (Anm. 436) Aristokles (FGrHist 831) F 2: 104 (Anm. 89) Aristoteles und Pseudo-Aristoteles Fragmente (ed. Rose) fr. 506: 102 f. (Anm. 82) fr. 507: 108 (Anm. 104), 178 (Anm. 383) fr. 604: 130 (Anm. 205) fr. 607: 122 (Anm. 175) fr. 608: 122 (Anm. 175) fr. 609 = FGrHist 840 F 13a: 118 (Anm. 160), 120 (Anm. 166) fr. 610: 130 (Anm. 205) fr. 611: 125 (Anm. 187) fr. 640 Nr. 12: 107 (Anm. 100) fr. 658a: 131 (Anm. 209) mir. 78: 178 (Anm. 386) 103: 208 (Anm. 36) 109: 117 (Anm. 155), 121 (Anm. 169) oec. 2,20 p. 1349b Bekker: 208 (Anm. 35) pol. 7,9,2 . p. 1329b Bekker: 101 (Anm. 78), 122 (Anm. 174) Aristoxenos fr. 124 Wehrli: 122 (Anm. 175) L. Ateius Philologus (FRHist 51) F 1 (?): 147 (Anm. 265)

Stellenregister

Athenaios 6,253b–f: 150 (Anm. 277) 10,440e–441b: 126 (Anm. 190), 127 (Anm. 195) 14,623a–b: 122 (Anm. 175) Augustinus civ. 18,16: 26 (Anm. 64) Cassius Dio apud Zon. 7,1: 165 (Anm. 340) apud Schol. Lykophr. Alex. 44: 229 (Anm. 127) 1232: 206 (Anm. 25) Cassius Hemina (FRHist 6) F 2: 25 (Anm. 58) F 14: 205 (Anm. 21) Cato FRHist 5 T 11: 28 (Anm. 73) F 4. 5: 115 (Anm. 139) F 6–10: 27 (Anm. 68) F 6 a–e: 26 (Anm. 66), 184 (Anm. 406) F 7: 27 (Anm. 69) F 8: 26 (Anm. 67) F 10: 205 (Anm. 20) F 20: 158 (Anm. 312) F 24: 166 (Anm. 344) F 26: 167 (Anm. 351) F 36: 75 (Anm. 187), 167 (Anm. 348) F 49: 159 (Anm. 315), 160 (Anm. 323) F 61: 152 (Anm. 281) F 63: 157 (Anm. 305), 161 (Anm. 325), 173 (Anm. 365), 174 (Anm. 372) F 65: 113 (Anm. 130) F 67: 62 (Anm. 143) F 68: 207 (Anm. 29) F 70: 125 (Anm. 185) F 73: 211 (Anm. 55) F 74: 101 (Anm. 78) F 150: 187 (Anm. 418) De medicina fr. 1: 122 (Anm. 176) Charax von Pergamon (FGrHist 103) F 63: 115 (Anm. 139) Cicero div. 2,87: 64 (Anm. 150)

Lael. 28: 191 (Anm. 439 f.) nat. deor. 3,19,48: 53 (Anm. 107) Tusc. 2,48–50: 97 (Anm. 61) Cincius Alimentus (FRHist 2) F 3: 214 (Anm. 70) F 10: 25 (Anm. 58) Ap. Claudius Caecus F 4–11: 190 (Anm. 437) Columella 1,3,6: 164 (Anm. 337) Damastes (FGrHist 5) F 3: 109 (Anm. 110) Diktis von Kreta (FGrHist 49) F 10: 97 (Anm. 61) F 10,8: 97 (Anm. 62) Diodor 4,56,6: 117 (Anm. 148) 5,7,5 f.: 228 (Anm. 120) 7,5,3: 204 (Anm. 18) 7,5,4: 205 (Anm. 19) 7,5,7: 206 (Anm. 25) 7,5,9: 28 (Anm. 72), 106 (Anm. 97) 14,102,4: 53 (Anm. 106) 16,82,3: 216 (Anm. 78) 19,72,3: 191 (Anm. 438) 19,101,1: 191 (Anm. 438) 20,80,3: 191 (Anm. 438) 21,8: 88 (Anm. 29) 21,16,5: 88 (Anm. 30) 21,17,4: 86 (Anm. 17) 23,1,4: 144 (Anm. 250) 27,4,1: 144 (Anm. 250, 252) Dionysios von Chalkis FGrHist 840 F 10: 59 (Anm. 129), 140 (Anm. 236) Dionysios von Halikarnassos ant. 1,9,1 f.: 159 (Anm. 316) 1,9,1: 123 (Anm. 177), 165 (Anm. 340) 1,9,2: 158 (Anm. 308), 167 (Anm. 345) 1,9,3 f.: 87 (Anm. 22), 171 (Anm. 364) 1,10,1: 157 (Anm. 305) 1,10,2–3: 158 (Anm. 306) 1,10,3: 158 (Anm. 313)

263

264 1,11,1–1,12,1: 174 (Anm. 369) 1,11,1: 158 (Anm. 306), 159 (Anm. 315), 160 f. (Anm. 323 f.), 186 (Anm. 411) 1,12,1: 182 (Anm. 396), 183 (Anm. 367 f.) 1,13,1: 101 (Anm. 78) 1,13,2: 186 (Anm. 411) 1,13,3: 158 (Anm. 308) 1,13,4: 159 (Anm. 314) 1,14,2: 165 (Anm. 341) 1,16: 174 (Anm. 373) 1,16,1 f.: 173 (Anm. 366) 1,16,1. 4: 159 (Anm. 316) 1,16,5: 167 (Anm. 360) 1,19,1–20,2: 158 (Anm. 312) 1,20,4: 108 (Anm. 105) 1,22,5 f.: 123 (Anm. 177) 1,25,5: 44 (Anm. 59) 1,26,1: 108 (Anm. 105) 1,26,2: 44 (Anm. 55) 1,27,2: 183 (Anm. 399, 401) 1,27,3 f.: 177 (Anm. 381) 1,28,2: 219 (Anm. 93) 1,28,3: 47 (Anm. 73), 108 (Anm. 105) 1,28,4: 108 (Anm. 105) 1,29,2: 44 (Anm. 59), 213 (Anm. 62) 1,31,2: 25 (Anm. 58) 1,31,4: 208 (Anm. 37) 1,32,1: 26 (Anm. 67) 1,35: 26 (Anm. 62) 1,35,1: 176 (Anm. 378), 183 (Anm. 400) 1,35,3: 113 (Anm. 129), 181 (Anm. 392) 1,35,6: 228 (Anm. 125) 1,39,1: 165 (Anm. 340) 1,39,2: 165 (Anm. 340) 1,40,1: 165 (Anm. 340) 1,40,3: 159 (Anm. 316), 165 (Anm. 340) 1,40,6: 165 (Anm. 340) 1,44,2: 173 (Anm. 366) 1,45,2: 28 (Anm. 72), 106 (Anm. 97) 1,47,5: 143 (Anm. 243) 1,48,2: 114 (Anm. 133) 1,51,3: 184 (Anm. 404 f.) 1,52,4: 117 (Anm. 147) 1,53,2: 184 (Anm. 406), 208 (Anm. 36) 1,53,3: 113 (Anm. 130), 115 (Anm. 139) 1,55,4: 205 (Anm. 20) 1,57,3: 168 (Anm. 355)

Anhang

1,59,3: 26 (Anm. 67) 1,66,1: 206 (Anm. 25) 1,72,1: 11 (Anm. 3) 1,72,2–6: 72 (Anm. 175) 1,72,2: 109 (Anm. 110), 119, 139 (Anm. 229) 1,72,3 f.: 118 (Anm. 160), 119, 120 (Anm. 166), 127 (Anm. 194) 1,72,4: 132 (Anm. 211) 1,72,5: 71 (Anm. 169), 86 (Anm. 18), 87, 140 (Anm. 236), 156 (Anm. 297) 1,72,6: 59 (Anm. 129), 140 (Anm. 236), 146 (Anm. 256), 200 (Anm. 1) 1,73,3: 84 (Anm. 9), 224 (Anm. 109) 1,73,4: 123 (Anm. 177), 166 (Anm. 343) 2,2,2: 173 (Anm. 367) 2,35,7: 167 (Anm. 351) 2,38,3: 214 (Anm. 70) 2,45: 128 (Anm. 196) 2,49,1: 62 (Anm. 140, 144), 63 (Anm. 146) 2,49,2: 158 (Anm. 312) 2,50,5: 167 (Anm. 351) 2,75: 144 (Anm. 245) 4,45,1: 104 (Anm. 87) 4,63: 53 (Anm. 106) 5,36,2: 73 (Anm. 182) 5,61,3: 75 (Anm. 187) 9,59,2: 75 (Anm. 190) 10,16: 105 (Anm. 95) 12,16,1–3 (exc. 22): 112 (Anm. 123) 15,5–10 = 15 H–I Pittia: 189 (Anm. 428) 20,14,1 f. = 20 O Pittia: 192 (Anm. 445) Duris von Samos (FGrHist 76) F 21: 108 (Anm. 104) F 59: 204 (Anm. 18) Ennius ann. fr. 1,21 Skutsch: 186 (Anm. 415) fr. 20 Skutsch: 113 (Anm. 129) fr. 23–24 Skutsch: 25 (Anm. 60) Epischer Kyklos (s. auch Eugammon, Photios, Proklos, Stesichoros) Arktinos, Iliupersis fr. 1d West: 114 (Anm. 133) Parva Ilias fr. 30 West: 111 (Anm. 118) Ephoros (FGrHist 70) F 134b: 59 (Anm. 131)

Stellenregister

Eratosthenes (FGrHist 241) F 45 = 840 F 20 = fr 102 Wehrli: 27 (Anm. 70), 59 (Anm. 129) Eusebius exc. Eus. u. Eus. arm. 87 (Anm. 20), 121 (Anm. 167) chron. Ol. 4/1: 95 (Anm. 53) Ol. 53/2: 95 (Anm. 52) 1,267 Schöne: 158 (Anm. 308) Eustathios Hom. Od. 11,133: 97 (Anm. 62) 16,117–120: 102 (Anm. 82) 16,118: 41 (Anm. 41), 42 (Anm. 45), 57 (Anm. 122), 96 (Anm. 58), 98 (Anm. 67), 99 (Anm. 69) Fabius Pictor (FRHist 1) T 7: 26 (Anm. 61), 116 (Anm. 143), 187 (Anm. 419) F 2: 26 (Anm. 67), 154 (Anm. 291) F 3: 205 (Anm. 19), 206 (Anm. 25) F 4 a. b: 27 (Anm. 70) F 7: 214 (Anm. 70) (F 27): 26 (Anm. 63) Festus (Paulus Diaconus) Paul. exc. Fest. 16 L: 59 (Anm. 128) Paul. exc. Fest. 17, 19–21 L: 158 (Anm. 306), 165 (Anm. 340) Paul. exc. Fest. 94, 19–21 L: 227 (Anm. 113) 116, 7–9 L: 104 (Anm. 86) Paul. exc. Fest. 117, 28 f.: 104 (Anm. 86) 212, 19–22 L: 227 (Anm. 113) 253 L: 28 (Anm. 72), 106 (Anm. 97) 326, 35 – 328, 2 L: 203 (Anm. 15) 328, 2–5 L: 146 (Anm. 260) 328, 5–16 L: 147 (Anm. 266), 158 (Anm. 306), 159 (Anm. 315), 160 (Anm. 321), 207 (Anm. 27) 328, 16 – 329, 1 L: 143 (Anm. 244) 329, 1–5 L: 89 (Anm. 33), 176 (Anm. 376) 329, 6–15 L: 118 (Anm. 161), 119 329, 15–20 L: 82 (Anm. 4), 83, 126 (Anm. 189), 176 (Anm. 376) 424 L: 159 (Anm. 316) 430, 9–14 L: 183 (Anm. 399, 401) 430, 30 – 432, 2 L: 112 (Anm. 123), 186 (Anm. 415)

265

FGrHist 816 F 1: 146 (Anm. 260) Galitas (FGrHist 818) F 1: 82 (Anm. 4), 126 (Anm 189), 176 (Anm. 376) A. Gellius 6,11,1: 79 (Anm. 168) Cn. Gellius (FRHist 14) F 18: 70 (Anm. 168) Hekataios (FGrHist 1) F 61: 72 (Anm. 178), 227 (Anm. 115) F 62: 139 (Anm. 233) F 64–71: 72 (Anm. 178) Hellanikos (FGrHist 4) F 4: 47 (Anm. 73), 108 (Anm. 105) F 61: 143 (Anm. 243) F 79 a. b: 228 (Anm. 119) F 84: 109 (Anm. 110), 139 (Anm. 229) F 111: 26 (Anm. 62), 100 (Anm. 76) F 156: 102 (Anm. 82) F 170: 103 (Anm. 82) Herakleides Lembos FGrHist 840 F 13b: 118 (Anm. 161) exc. Aristot. pol. 44. 48: 125 (Anm. 187) Herakleides Pontikos fr. 102 Wehrli = fr. 49 Schütrumpf = FGrHist 840 F 23: 134 (Anm. 218) Herodian Peri odysseiakes prosodias III.2, 150, 23–25: 97 (Anm. 62) Peri orthographias III.2, 478, 13: 71 (Anm. 170) Peri paronymon III.2, 879, 3: 121 (Anm. 170) pros. cath. III.1, 36, 5: 59 (Anm. 128) III.1, 223, 21 f.: 62 (Anm. 139) III.1, 276, 31–34: 71 (Anm. 170), 74 (Anm. 184) III.1, 284, 14 f.: 71 (Anm. 170) III.1, 337, 26–29: 117 (Anm. 153) III.1, 358, 21: 121 (Anm. 170) Herodot 1,94: 47 (Anm. 73), 125 (Anm. 185), 177 (Anm. 381) Hesiod erg. 636: 122 (Anm. 173)

266

Anhang

Fragmenta fr. 5 M./W. = fr. 2 Most: 66 (Anm. 158) fr. 7 M./W. = fr. 7 Most: 37 (Anm. 16) fr. 10 (a), 52: 42 (Anm. 48) fr. 141,14 M./W. = fr. 90 Most: 36 (Anm. 13) fr. 145, 2. 15: 40 (Anm. 32) fr. 204,17 M./W. = fr. 155,17 Most: 36 (Anm. 13) fr. 221 M./W. = fr. 168 Most: 102 (Anm. 82) fr. 241 M./W. = fr. 252 Most: 40 (Anm. 31) theog. 306: 36 (Anm. 12) 374 f.: 36 (Anm. 12) 380: 36 (Anm. 12) 405: 36 (Anm. 12) 625: 36 (Anm. 12) 822: 36 (Anm. 12) 923: 36 (Anm. 12) 941: 36 (Anm. 12) 944: 36 (Anm. 12) 945: 36 (Anm. 13) 951–954: 38 (Anm. 25) 956 f.: 39, 40 (Anm. 32) 956–962: 40 (Anm. 30) 961: 36 (Anm. 12) 962: 36 (Anm. 12) 965–968: 34 (Anm. 1) 980: 36 (Anm. 12) 992–1002: 38 (Anm. 25) 1001: 37 (Anm. 15) 1004: 37 (Anm. 15) 1005: 36 (Anm. 12) 1006 f.: 38 (Anm. 25) 1008–1010: 38 (Anm. 25) 1011–1016: 34 (Anm. 2) 1011: 40 (Anm. 30) 1011–1013: 41 1012: 36 (Anm. 12) 1013: 67 1014: 36 (Anm. 12), 41 1017 f.: 35 (Anm. 3), 38 (Anm. 25), 59 (Anm. 127) 1019 f.: 34 (Anm. 1) Hesychios s. v. ἄγριοι θεοί: οἱ Τιτᾶνες: 42 (Anm. 48) Homer Il. 3,193: 112 (Anm. 122)

6,436: 36 (Anm. 13) 11,466: 36 (Anm. 13) 17,716: 36 (Anm. 13) 18,55: 36 (Anm. 13) 20,307 f.: 112 (Anm. 124) 21,546: 36 (Anm. 13) Od. 1,87: 36 (Anm. 13) 2,19: 42 (Anm. 49) 6,120 f.: 45 (Anm. 66) 8,502: 36 (Anm. 13) 8,575 f.: 45 (Anm. 66) 9,19: 42 (Anm. 49) 9,175 f.: 45 (Anm. 66) 9,494: 42 (Anm. 49) 10,135–574: 35 (Anm. 3) 10,137 f.: 40 (Anm. 30, 32) 10, 551–560: 52 (Anm. 101) 11,51–83: 52 (Anm. 101) 11,119–137: 95 (Anm. 55) 12,1–145: 35 (Anm. 3) 12,3 f.: 41 (Anm. 36) 12,9–15: 52 (Anm. 101) 12,119: 42 (Anm. 49) 13,73 ff.: 107 (Anm. 101) 13,201 f.: 45 (Anm. 66) 19,108–111: 45 (Anm. 64) 19,111–114: 46 (Anm. 68) 19,332–334: 46 (Anm. 70) 23,264–287: 95 (Anm. 55) Homerische Hymnen Aphrod. 196–198: 112 (Anm. 124) Apoll. 100: 36 (Anm. 13) Horaz (mit comm. Porph und Ps. Acro) carm. 3,29,8: 104 (Anm. 86), 105 (Anm. 94) epod. 1,29 f.: 104 (Anm. 86) Hyginus De Italicis urbibus FRHist 63 F 12: 207 (Anm. 28) fab. pr. 4: 42 (Anm. 48) 80,5: 100 (Anm. 74) 125,10: 97 (Anm. 60), 99 (Anm. 71)

Stellenregister

127: 95 (Anm. 51), 96 (Anm. 58, 59), 97 (Anm. 60) 255,2: 100 (Anm. 74) 256,2: 100 (Anm. 74) 261: 100 (Anm. 74) 274,21: 100 (Anm. 74) Fragmenta ed. Funaioli fr. 7: 99 (Anm. 73), 184 (Anm. 406) fr. 10: 11 (Anm. 1), 99 (Anm. 73) Hyperochos von Kyme (FGrHist 576) F 3: 147 (Anm. 266), 159 (Anm. 315), 160 (Anm. 321) Ineditum Vaticanum (FGrHist 839) 2: 190 (Anm. 436) Johannes Lydos mag. 1,22: 169 (Anm. 357) mens. 1,12 W: 69, 70 (Anm. 166) 1,22 W: 157 (Anm. 305) 1,13 W: 66 (Anm. 157, 158), 69 (Anm. 165), 121 (Anm. 167) 4,4, W: 66 (Anm. 157), 68 (Anm. 167), 69, 167 (Anm. 349), 207 (Anm. 33) Justinus 20, 1,4–2,1: 134 (Anm. 217) 20,1,11: 125 (Anm. 185), 134 (Anm. 217) 20,1,12: 134 (Anm. 217), 203 (Anm. 16) 38,6,7: 168 (Anm. 354) 43,5,3. 8–10: 209 (Anm. 43) Kallias (FGrHist 564) T 2: 88 (Anm. 30) T 3: 86 (Anm. 17) F 1: 88 (Anm. 30) F 3: 88 (Anm. 30) F 4: 88 (Anm. 30) F 5a: 86 (Anm. 18), 156 (Anm. 297) F 5b: 89 (Anm. 32, 33), 176 (Anm. 376) F 6: 86 (Anm. 17), 88 (Anm. 30) Kineas (FGrHist 603) F 2a: 160 (Anm. 322) Kleinias (FGrHist 819) F 1: 90 (Anm. 37), 91, 115 (Anm. 138) Konon (FGrHist 26) F 1 (3): 186 (Anm. 416) F 1,13: 117 (Anm. 153)

Lactantius inst. 1,21,6–8: 158 (Anm. 312) Livius praef. 7: 150 (Anm. 275) 1,1,4: 115 (Anm. 139) 1,3,1: 142 (Anm. 241) 1,3,7: 106 (Anm. 97) 1,13,1–4: 128 (Anm. 196) 1,21,4: 144 (Anm. 245) 1,49,9: 104 (Anm. 87) 1,56: 53 (Anm. 106) 1,57,1–3: 73 (Anm. 184) 2,39: 53 (Anm. 106) 3,1,7: 75 (Anm. 190) 3,18 f: 105 (Anm. 95) 3,29,6: 105 (Anm. 95) 3,71 f.: 75 (Anm. 187) 5,15,2–12: 210 (Anm. 49) 5,16,11: 210 (Anm. 53) 5,24,4: 53 (Anm. 106) 6,42,6: 209 (Anm. 48) 6,45,2–8: 209 (Anm. 46) 7,24,8 f.: 209 (Anm. 48) 7,9,6–11: 209 (Anm. 46) 7,11,1: 209 (Anm. 45) 7,12,5 f.: 217 (Anm. 80) 7,12,8: 209 (Anm. 45) 7,17,6: 217 (Anm. 80) 7,19 f.: 217 (Anm. 80) 7,23,2–26,9: 209 (Anm. 46) 7,25,4: 209 (Anm. 47 f.) 7,25,13: 209 (Anm. 47) 7,26,10–15: 209 (Anm. 47) 7,27,2: 209 (Anm. 44) 7,28,1 f.: 229 (Anm. 128) 7,29–31: 189 (Anm. 427) 7,38: 189 (Anm. 431) 8,14,8: 75 (Anm. 190) 8,14,9: 209 (Anm. 45) 8,23,9: 191 (Anm. 438) 8,25,3: 189 (Anm. 429 f.) 8,25,5–27,5: 189 (Anm. 428) 8,27,2 f.: 189 (Anm. 429) 8,27,4–11: 189 (Anm. 430) 9,17,2–19,16: 191 (Anm. 441)

267

268 9,20,7–10: 189 (Anm. 429) 9,20,9: 189 (Anm. 430) 9,25,9: 229 (Anm. 129) 9,26,1–5: 203 (Anm. 11) 9,43,26: 189 (Anm. 431) 10,16,7: 191 (Anm. 438) 10,23: 28 (Anm. 76) per. 14: 192 (Anm. 445) 28,38,12: 188 (Anm. 425) 29,18,4: 144 (Anm. 250, 252) 29,18,19: 144 (Anm. 252) 45,44,8 f.: 64 (Anm. 150) Lutatius (FRHist 32) F 8: 26 (Anm. 67) Lykophron Alex. 44 f.: 227 (Anm. 117) 45: 42 (Anm. 49) 325: 206 (Anm. 23) 554: 206 (Anm. 23) 593: 228 (Anm. 118) 615: 228 (Anm. 118) 694: 113 (Anm. 130) 702–704: 228 (Anm. 122) 706: 206 (Anm. 23) 723: 208 (Anm. 36) 737: 113 (Anm. 130) 795–798: 97 (Anm. 61 f.) 805–811: 97 (Anm. 61) 805 f.: 107 (Anm. 100) 807–811: 70 (Anm. 167), 103 (Anm. 83) 921: 117 (Anm. 151) 978: 202 (Anm. 7) 992: 206 (Anm. 23) 1075–1082: 117 (Anm. 152) 1232 f.: 147 (Anm. 262) 1232: 205 (Anm. 20) 1236: 185 (Anm. 406) 1242–1246: 112 (Anm. 122) 1245–1249: 219 (Anm. 93) 1250–1252: 206 (Anm. 24) 1253 f.: 125 (Anm. 185), 156 (Anm. 299), 164 (Anm. 336) 1254: 202 (Anm. 7) 1255–1259: 205 (Anm. 21) 1255 f.: 193 (Anm. 448) 1259 f.: 205 (Anm. 20)

Anhang

1261–1269: 116 (Anm. 141) 1261 f.: 205 (Anm. 22) 1271–1280: 164 (Anm. 338) 1274: 117 (Anm. 148) 1355: 122 (Anm. 175) Macrobius sat. 1,7,28: 158 (Anm. 312) 6,5,9: 168 (Anm. 355) Malalas 5,19: 70 (Anm. 166) 5,21: 97 (Anm. 61) 6,18: 219 (Anm. 92) Martianus Capella 6,642: 62 (Anm. 139, 143) Mimnermos F 22 West = 23 Allen = 17 Gentili/Prato: 125 (Anm. 185) Myrsilos von Lesbos (FGrHist 477) F 9: 108 (Anm. 105) Naevius fr. 11 Strzelecki = fr. 3 Maltby/Slater: 168 (Anm. 355) M. Octavius (FRHist 107) F 1: 112 (Anm. 123) Origo gentis Romanae 3,1–6: 168 (Anm. 356) 3,1: 186 (Anm. 415) 3,3: 169 (Anm. 360) 3,7: 157 (Anm. 305) 4,1 f.: 158 (Anm. 306, 308) 5,4: 26 (Anm. 63) 9,5: 26 (Anm. 67) 9,6–8: 113 (Anm. 130) 10,4: 117 (Anm. 148) 10,5: 184 (Anm. 406) 11,1: 185 (Anm. 406) 12,2: 112 (Anm. 123) 12,5: 205 (Anm. 18, 20) 13,1: 168 (Anm. 355) 13,3: 185 (Anm. 406) 16: 142 (Anm. 241) 17,1: 205 (Anm. 19) 17,6: 28 (Anm. 72), 106 (Anm. 97) Ovid fast. 1,237 f.: 169 (Anm. 360)

Stellenregister

3,92: 104 (Anm. 86) 4,71: 104 (Anm. 86) 6,31: 186 (Anm. 415) Ibis 567 f.: 105 (Anm. 94) met. 13,898–14,74: 80 (Anm. 202) 13,904 ff.: 40 (Anm. 35) 14,1 ff.: 40 (Anm. 35) 14,308–414: 80 (Anm. 202) 14,313 ff.: 40 (Anm. 35) 14,449: 26 (Anm. 64) 14,527–566: 118 (Anm. 159) trist. 1,1,114: 105 (Anm. 94) Pacuvius Niptra fr. 190–202: 97 (Anm. 61) Paulus Diaconus s. Festus Pausanias 1,12,1: 176 (Anm. 675) Pherekydes (FGrHist 3) F 156: 101 (Anm. 78) Philinos (FGrHist 178) F 1: 189 (Anm. 431) Philistos (FGrHist 556) F 46: 101 (Anm. 78), 228 (Anm. 119) Photios bibl. 152b, 34–36: 107 (Anm. 101) 319a, 22–30: 95 (Anm. 54) Pindar fr. 140b, 6 Maehler: 227 (Anm. 116) Piso (FRHist 9) F 1: 101 (Anm. 78) Plato Brief 8 (353e): 122 (Anm. 176) Plinius nat. 3,51: 104 (Anm. 90) 3,56: 73 (Anm. 180), 164 (Anm. 337), 229 (Anm. 130) 3,64: 207 (Anm. 31) 3,68: 186 (Anm. 415) 3,69: 204 (Anm. 17) 3,112: 158 (Anm. 308), 186 (Anm. 412) 4,120: 159 (Anm. 317)

269

7,15: 42 (Anm. 45), 70 (Anm. 168) 14,89: 126 (Anm. 190) 15,119: 52 (Anm. 102) 25,10: 53 (Anm. 107) 25,11: 42 (Anm. 45), 70 (Anm. 168), 78 (Anm. 198), 177 (Anm. 381) 29,14: 122 (Anm. 76) 34,26: 186 (Anm. 417) Plutarch und Pseudo-Plutarch Alex. fort. 1,6 (mor. 326B): 131 (Anm. 209) An seni respublica gerenda sit 21 (mor. 794 D–E): 190 (Anm. 436) Camillus 22,3: 134 (Anm. 218) 22,4: 130 (Anm. 205) Numa 8,20: 186 (Anm. 417) 16,1: 144 (Anm. 245) parall. min. 41B (mor. 316A): 62 (Anm. 143), 104 (Anm. 89), 207 (Anm. 30) Pyrrhus 18,7–19,5: 190 (Anm. 436) qu. G. 14 (mor. 294D): 108 (Anm. 104), 178 (Anm. 383) Quomodo adolescens poetas audire debeat 8 (mor. 27E): 107 (Anm. 101) qu. R. 6 (mor. 265C): 116 (Anm. 146), 118 (Anm. 160), 119, 120 (Anm. 165), 124 (Anm. 181), 129 (Anm. 200) 10 (mor. 266C): 112 (Anm. 123) Rom. 1,1: 129 (200), 147 (Anm. 264), 176 (Anm. 375) 1,2: 85, 124 f. (Anm. 184) 1,2–4: 118 (Anm. 162), 119, 120 (Anm. 165) 1,3: 129 (Anm. 200) 1,4: 126 (Anm. 191) 2,1: 76, 91, 140 (Anm. 237), 145 (Anm. 254), 146 (Anm. 256), 201 (Anm. 2), 219 (Anm. 91), 220 (Anm. 97) 2,2–4: 147 (Anm. 262) 2,2: 85 (Anm. 15), 146 (Anm. 258) 2,3: 84, 85, 91, 2,4–8: 218 (Anm. 86)

270 6,2: 148 (Anm. 267) 14,7 f.: 62 (Anm. 140), 63 (Anm. 144 f.) 19,2–9: 128 (Anm. 196) Titus 16,4–7: 149 (Anm. 272) virt. mulier. 1: 118 (162), 119, 120 (Anm. 165), 124 (Anm. 182 f.), 126 (Anm. 191) Polyainos 7,47: 117 (Anm. 153) 8,25,2: 118 (Anm. 162), 119 Polybios 1,5,2: 187 (Anm. 420) 1,6,6: 191 (Anm. 443) 1,6,8: 191 (Anm. 439, 443) 1,7,7. 12: 144 (Anm. 250) 3,22,1–13: 209 (Anm. 44) 3,22,11: 72 (Anm. 179), 74 (Anm. 186), 121 (Anm. 168) 3,23,1–6: 209 (Anm. 44) 3,24,5: 74 (Anm. 184) 3,24,16: 72 (Anm. 179), 74 (Anm. 184), 121 (Anm. 168) 3,26,2–7: 189 (Anm. 431) 3,88: 203 (Anm. 12) 6,11 a1: 26 (Anm. 67), 126 (Anm. 190), 127 (Anm. 195) 34,11,7: 122 (Anm. 174) Proklos chres. 306: 96 (Anm. 58), 97 (Anm. 60) Promathion (FGrHist 817) F 1: 218 (Anm. 86) Properz 2,32,4: 104 (Anm. 86) 3,18,3: 113 (Anm. 130) 4,1,35: 205 (Anm. 19) Pseudo-Skylax 5–12: 123 (Anm. 178) 8: 52 (Anm. 102) Pseudo-Skymnos 109–138: 59 (Anm. 129) 134: 60 (Anm. 132) 217–219: 60 (Anm. 132) 220 f.: 60 (Anm. 132) 227–235: 58 (Anm. 124) 231 f.: 147 (Anm. 262)

Anhang

234: 121 (Anm. 168) 236: 59 (Anm. 131) 330–332: 178 (Anm. 387) 330: 60 (Anm. 133) Sallust Catil. 6,1 f.: 157 (Anm. 305), 165 (Anm. 340), 168 (Anm. 354) 6,1: 115 (Anm. 137) 6,2: 173 (Anm. 365) Scholia in Apollonium Rhodium 2,399–401: 41 (Anm. 36) 3,200: 40 (Anm. 33), 41 (Anm. 41), 42 (Anm. 45), 57 (Anm. 122) Scholia in Aristophanem Plut. 303: 97 (Anm. 62) Scholia in Euripidem Andr. 14: 111 (Anm. 118) Scholia in Hesiodum theog. 1013: 41 (Anm. 41), 42 (Anm. 45), 57 (Anm. 122) Scholia in Homerum Schol. T Hom. Il. 16,236: 36 (Anm. 13), 40 (Anm. 35) Schol. vulg. Hom. Od. 11,134: 97 (Anm. 62) Scholia in Lycophronem (Tzetzes) 44: 228 (Anm. 125), 229 (Anm. 127) 245: 160 (Anm. 322) 592: 125 (Anm. 185) 694: 113 (Anm. 130) 772: 108 (Anm. 104) 702: 201 (Anm. 3), 227 (Anm. 114) 798: 103 (Anm. 83) 805: 84 (Anm. 12), 103 (Anm. 83), 107 (Anm. 103) 806: 107 (Anm. 100) 808: 84 (Anm. 12), 103 (Anm. 83) 811: 103 (Anm. 83) 921: 117 (Anm. 152), 118 (Anm. 162), 119, 127 (Anm. 193), 132 (Anm. 212) 921b: 117 (Anm. 151) 1075: 117 (Anm. 152), 118 (Anm. 162), 119, 127 (Anm. 193) 1232: 111 (Anm. 118), 206 (Anm. 25)

Stellenregister

1236: 185 (Anm. 406) 1241: 104 (Anm. 90) 1242: 112 (Anm. 122) 1254: 121 (Anm. 170), 165 (Anm. 339) 1268: 111 (Anm. 118) Scholia in Theocritem 4,24a. b: 117 (Anm. 151) Sempronius Tuditanus (FRHist 10) F 4: 159 (Anm. 315), 160 (Anm. 323) F 5: 117 (Anm. 148) Servius (auctus) Aen. 1,2: 175 (Anm. 373), 223 (Anm. 103) 1,5: 115 (Anm. 139) 1,6: 157 (Anm. 303), 161 (Anm. 325), 169 (Anm. 360), 173 (Anm. 365), 174 (Anm. 372) 1,273: 27 (Anm. 70), 59 (Anm. 129), 65 (Anm. 153), 90 (Anm. 37), 91 (Anm. 38), 115 (Anm. 138), 118 (Anm. 161), 119, 140 (Anm. 236), 141 (Anm. 239), 145 (Anm. 255), 146 (Anm. 261), 147 (Anm. 265), 152 (Anm. 282), 207 (Anm. 27) 1,277: 148 (Anm. 267) 1,380: 108 (Anm. 107) 1,530: 113 (Anm. 129) 1,533: 175 (Anm. 373), 203 (Anm. 10), 223 (Anm. 103) 2,166: 112 (Anm. 123) 3,104: 108 (Anm. 107) 3,170: 108 (Anm. 107) 3,171: 59 (Anm. 128), 186 (Anm. 413) 3,500: 175 (Anm. 373) 3,545: 112 (Anm. 123) 5,564: 113 (Anm. 130) 6,760: 26 (Anm. 67), 142 (Anm. 241) 7,1: 117 (Anm. 148) 7,19: 43 (Anm. 52), 70 (Anm. 166) 7,47: 11 (Anm. 1 f.), 57 (Anm. 122), 99 (Anm. 73) 7,59: 167 (Anm. 348) 7,83: 208 (Anm. 35) 7,158: 115 (Anm. 139) 7,180: 186 (Anm. 415) 7,181: 157 (Anm. 305), 161 (Anm. 326) 7,207: 185 (Anm. 409) 7,367: 169 f. (Anm. 362), 185 (Anm. 408)

7,372: 73 (Anm. 180) 7,657: 165 (Anm. 341) 7,661: 167 (Anm. 347) 7,678: 207 (Anm. 30) 7,681: 207 (Anm. 30) 7,682: 207 (Anm. 29) 7,738: 181 (Anm. 392) 7,750: 70 (Anm. 168) 7,752: 174 (Anm. 373) 8,51: 165 (Anm. 340), 175 (Anm. 373) 8,72: 165 (Anm. 341) 8,322: 169 (Anm. 360), 186 (Anm. 415) 8,328: 59 (Anm. 128), 174 (Anm. 373), 186 (Anm. 415), 228 (Anm. 125) 8,332: 204 (Anm. 18) 8,345: 168 (Anm. 352) 8,479: 104 (Anm. 90), 105 (Anm. 93), 216 (Anm. 76), 219 (Anm. 93) 8,552: 188 (Anm. 425) 8,597: 207 (Anm. 28) 9,10: 108 (Anm. 107) 10,13: 187 (Anm. 418) 10,167: 102 (Anm. 80) 10,179: 117 (Anm. 149), 125 (Anm. 185) 10,184: 207 (Anm. 28) 10,719: 108 (Anm. 107) 11,253: 186 (Anm. 410) 11,316: 115 (Anm. 139) 11,371: 159 (Anm. 316) 12,161–164: 80 (Anm. 204) 12,164: 11 (Anm. 2), 57 (Anm. 122) 12,234: 211 (Anm. 55) 12,603: 26 (Anm. 67), 154 (Anm. 291) georg. 1,10: 25 (Anm. 58) 1,11: 25 (Anm. 58) Silenos FRHist 175 F 8: 26 (Anm. 61) Silius Italicus 7,692: 104 (Anm. 86) 8,495–501: 70 (Anm. 168) 12,535: 104 (Anm. 86) Sisenna (FRHist 26) F 3: 27 (Anm. 69) Solinus 1,1: 147 (Anm. 265), 165 (Anm. 340), 173 (Anm. 366)

271

272

Anhang

1,2: 118 (Anm. 161), 119 1,3: 131 (Anm. 209), 143 (Anm. 244) 1,15: 26 (Anm. 61) 2,5: 73 (Anm. 180) 2,7 f.: 152 (Anm. 283) 2,7: 104 (Anm. 90) 2,9: 61 (Anm. 138), 62 (Anm. 143) 2,28–30: 70 (Anm. 168) Sophokles Laokoon fr. 373 Radt: 114 (Anm. 133) Odysseus Akanthoplex fr. 453–461 Radt: 95 (Anm. 56), 97 (Anm. 61) Statius silv. 1,3,83: 104 (Anm. 86) 1,3,100: 152 (Anm. 283) Stephanus von Byzanz s. v. Aineia: 185 (Anm. 406) s. v. Ἄντεια: 71 (Anm. 170), 74 (Anm. 184) s. v. Ἀρδέα: 115 (Anm. 139) s. v. Δαύνιον: 121 (Anm. 170) s. v. Καπύα: 139 (Anm. 233) s. v. Νῶλα: 227 (Anm. 115) s. v. Πραίνεστος: 62 (Anm. 139) s. v. Σηταῖον: 117 (Anm. 152) s. v. Σκιώνη: 117 (Anm. 153) s. v. Ταρχώνιον: 219 (Anm. 93) Stesichoros fr. 105: 112 (Anm. 127), 113 (Anm. 130), 140 (Anm. 234) Strabon 1,2,18: 113 (Anm. 130) 4,1,5: 209 (Anm. 43) 5,2,3: 207 (Anm. 28) 5,2,5: 117 (Anm. 149) 5,2,8: 208 (Anm. 35) 5,3: 121 (Anm. 168) 5,3,2: 164 (Anm. 337), 166 (Anm. 340) 5,3,5: 74 (Anm. 185), 189 (Anm. 432) 5,3,6: 52 (Anm. 102), 53 (Anm. 107) 5,3,11: 207 (Anm. 31) 5,4,2: 189 (Anm. 429) 5,4,3: 122 (Anm. 174) 6,1,1: 208 (Anm. 36) 6,1,2: 122 (Anm. 175) 6,1,4: 176 (Anm. 378)

6,1,5: 88 (Anm. 29), 113 (Anm. 130) 6,1,12: 117 (Anm. 151), 132 (Anm. 212), 133 (Anm. 216), 204 (Anm. 18) 6,1,14: 116 (Anm. 141, 146), 117 (Anm. 149), 184 (Anm. 404), 203 (Anm. 12 f.) 6,3,9: 203 (Anm. 12 f.) 7 fr. 25: 117 (Anm. 153) 7,7,12: 160 (Anm. 322) Suda s. v. Ἀνδοκίδης: 103 (Anm. 82) s. v. Καλλίας: 86 (Anm. 17) s. v. Λατῖνοι: 219 (Anm. 92) s. v. Ναύαιθος: 117 (Anm. 151) s. v. Nymphis: 72 (Anm. 174) s. v. Οἱ Κρῆτες τὴν θυσίαν: 117 (Anm. 154) s. v. Ὅμηρος: 102 (Anm. 82) Synkellos chron. 227, 4–8: 111 (Anm. 116) 227, 9–17: 118 (Anm. 160) 227, 12: 121 (Anm. 167) 227, 18–23: 86 (Anm. 19), 78 227, 24 f.: 87 (Anm. 22) 227, 26–28: 71 (Anm. 171) 228, 3: 202 (Anm. 4) Tacitus ann. 4,56: 149 (Anm. 271) Theophrast h. plant. 5,8,1: 121 (Anm. 168) 5,8,3: 52 (Anm. 102) 9,15,1: 78 (Anm. 198), 121 (Anm. 168), 177 (Anm. 382) Theopomp (FGrHist 115) F 222: 214 (Anm. 67) F 354: 107 (Anm. 100, 102) Thukydides 6,2,4: 101 (Anm. 78), 123 (Anm. 177) 6,4,5: 122 (Anm. 173) Timaios (FGrHist 566) F 42a. b: 101 (Anm. 78) F 69: 211 (Anm. 57) Varro bei Aug. civ. 18,16: 26 (Anm. 64)

Stellenregister

bei Serv. Aen. 1,11: 25 (Anm. 58) 8,322: 169 (Anm. 360) FRHist 52 F 3: 112 (Anm. 123) ling. 5,33,1: 146 (Anm. 261), 152 (Anm. 282) 5,42: 186 (Anm. 415) 5,45: 186 (Anm. 415) 5,53: 158 (Anm. 312), 165 (Anm. 340 f.), 208 (Anm. 37) 5,74: 144 (Anm. 245) 5,144: 205 (Anm. 19) 7,70: 130 (Anm. 205) rust. 1,2,1: 187 (Anm. 421) 2,1,9: 101 (Anm. 78) 2,4,18: 205 (Anm. 20) Vergil Aen. 1,2: 184 (Anm. 403) 1,6: 184 (Anm. 403) 1,261–266: 184 (Anm. 403) 1,264: 169 (Anm. 362) 1,380: 108 (Anm. 107) 1,530: 113 (Anm. 129) 1,532 f.: 101 (Anm. 78) 1,532: 186 (Anm. 414) 1,533: 174 (Anm. 372) 1,551–554: 184 (Anm. 403) 3,94–98: 108 (Anm. 107) 3,158 ff.: 184 (Anm. 403) 3,163: 113 (Anm. 129) 3,165 f.: 101 (Anm. 78) 3,165: 186 (Anm. 411, 414) 3,166–171: 185 (Anm. 408) 3,167–171: 108 (Anm. 107) 3,381 ff.: 184 (Anm. 406) 3,389: 184 (Anm. 404) 3,458–460: 185 (Anm. 407) 3,521–531: 184 (Anm. 404) 3,545 f.: 112 (Anm. 123) 3,550: 184 (Anm. 404) 3,390–3,393: 205 (Anm. 20) 4,105 f.: 184 (Anm. 403) 4,272–276: 184 (Anm. 403)

5,606 ff.: 117 (Anm. 147) 5,606–663: 118 (Anm. 158) 5,615–617: 117 (Anm. 147) 5,623–637: 117 (Anm. 147) 5,685–699: 118 (Anm. 158) 5,729 f.: 118 (Anm. 158) 6,1 ff.: 184 (Anm. 406) 6,232–235: 113 (Anm. 130) 6,756–779: 170 (Anm. 362) 7,1–4: 117 (Anm. 148) 7,10–24: 80 (Anm. 203) 7,19: 43 (Anm. 52) 7,85: 186 (Anm. 414) 7,98–101: 170 (Anm. 362) 7,102 f.: 26 (Anm. 64) 7,178: 174 (Anm. 372) 7,187–191: 80 (Anm. 204) 7,203: 169 (Anm. 361) 7,206–211: 108 (Anm. 107) 7,209: 185 (Anm. 408) 7,271 f.: 170 (Anm. 362) 7,367–370: 169 (Anm. 362) 7,409 f.: 73 (Anm. 180) 7,661: 167 (Anm. 347) 7,670–677: 152 (Anm. 283) 8,322: 169 (Anm. 360) 8,561: 104 (Anm. 91), 152 (Anm. 283) 8,600–602: 158 (Anm. 312) 9,69–125: 118 (Anm. 159) 9,267 f.: 184 (Anm. 403) 10,219–235: 118 (Anm. 159) 10,635: 60 (Anm. 165) 12,161–164: 80 (Anm. 204) 12,821–840: 169 (Anm. 362) 12,823: 170 (Anm. 362) 12,834 ff.: 122 (Anm. 174) 12,834–836: 170 (Anm. 362) Verona-Scholiast ad Verg. Aen. 7,681: 62 (Anm. 143) Xenagoras (FGrHist 240) F 29: 71 (Anm. 169), 140 (Anm. 236) Zenodotos (FGrHist 821) F 1: 61 (Anm. 138) F 2: 62 (Anm. 140), 63 (Anm. 145) F 3: 62 (Anm. 140, 144), 63 (Anm. 145)

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Anhang

Epigraphische und numismatische Quellen XII Tafeln 8,21: 144 (Anm. 248) BMC Greek Coins Italy 365 f. Nr. 15–17: 144 (Anm. 251) CIL I² 1 p. 47: 211 (Anm. 54) 2843: 116 (Anm. 141) VI 40930 p. 4847: 142 (Anm. 241) X 6422: 53 (Anm. 107) XI 5088: 89 (Anm. 31) 7939: 89 (Anm. 31) XIV 39: 75 (Anm. 187) 2067. 2068: 142 (Anm. 241) 2649: 103 (Anm. 85) 2650: 103 (Anm. 84) ET Cr 2.23: 37 (Anm. 19) Ve 2.4: 37 (Anm. 19) IG XIV 1284: 112 (Anm. 127)

Jameson/Malkin 1998 S. 113 (Anm. 131) Maras 2002 S. 52 (Anm. 99), 115 (Anm. 135) RRC 1/1: 77 (Anm. 193) 2/1: 76 (Anm. 192) 13/1. 2: 76 (Anm. 192) 16/1a. b: 76 (Anm. 192) 19: 153 (Anm. 286) 20/1: 77 (Anm. 195) 21: 153 (Anm. 286) 22: 153 (Anm. 286) 24: 153 (Anm. 286) 27: 153 (Anm. 286) 39/5: 153 (Anm. 289) 41: 153 (Anm. 286) 149/1–5: 104 (Anm. 88) 281/1: 154 (Anm. 290) 287/1: 154 (Anm. 290) 362: 104 (Anm. 88) 454/1–2: 144 (Anm. 251) SEG XVI 486 = XXX 1073 = XXXIV 863: 149 f. (Anm. 273 f.) XLII 899: 55 (Anm. 117)

Personenregister Mythische Figuren, historische Personen und Autoren sind angegeben. Latinus/ Latinos ist nicht aufgenommen. Achates 184 Achilles  36, 38, 44, 46, 114, 160, 176, 231 Aeneas  11, 13, 23, 26–28, 38, 44, 48, 66–69, 80, 82–85, 88–91, 93, 103, 108–119, 121, 124– 126, 128–131, 134–138, 140–143, 145–147, 150, 154, 156, 160, 164 f., 167, 169 f., 172, 176, 178, 181–185, 192–199, 201, 203–206, 208, 211–213, 215, 217, 219, 221–227, 232 f. Agamemnon  112, 117, 134 Agathokles von Syrakus  86, 88 f., 92, 188, 192

Agathokles von Kyzikos  84, 131, 143, 145, 150 f., 154, 184, 192 Agrios  25, 34 f., 38 f., 42 f., 45, 57, 59, 67, 69 f., 77, 101, 207 Aietes  40 f., 70, 117 Aigestοs (Acestes)  112, 117 Aischylos  78, 95, 177 Aithilla 117 Aitna 211 Alba  203 f., 211 f., 215 f., 221–228, 234

Personenregister

Albunea s. Leukothea Alexander der Große  74, 121, 189, 191, 216 Alexander der Molosser  74, 160, 173, 189, 216 Alkibiades 186 Alkimos  28, 60, 122, 126, 198 f., 203 f., 206, 208 f., 211–218, 221–226 Alkinoos  38, 46, 102 Amata  26, 154 Amphiariden s. Catillus Amulius 27 Anchises  26, 48, 51, 114 f., 184 f. Andokides 103 Angitia 70 Antenor  36, 112 Antias  70 f., 123 Antikleia 39 Antiochos III. 149 Antiochos von Syrakus  101, 122 f., 166, 172, 176, 182, 223 Aphrodite s. Venus Apollodoros  96–99, 107 Apollonios Rhodios  41, 227 Apsyrtos 103 Ardias  70 f., 123 Argonauten  38, 40, 43, 50 f., 103, 148 Aristodemos  73, 106 Aristonothos  49, 55 Aristoteles (Pseudo-Aristoteles)  60, 72, 88, 106, 108, 118–135, 137 f., 141, 167, 178 f., 181, 198, 209, 214, 223, 228, 234 Aristoxenos  122, 125 Arkesilaos II. 98 Arktinos 114 Arruns 73 Artemis s. Diana Ascanius (Askanios, Iulus)  26 f., 51, 131, 142 f., 146, 154, 201, 205 f., 218, 223 f. Astarte 208 Ateius  147, 160 Athena (Minerva)  53, 96, 105, 116 f., 153, 184, 203 Athenaios  213 f., 225 A. Atilius Calatinus  144 Atlas  59, 70, 185 Augustus  23, 27, 51, 99 Auson  58–60, 69 f., 79, 99, 122, 201, 227–229, 234 Aventinus  92, 155, 165 f., 170, 172, 211

275

Baia (Baios) 113 Beroe  118, 155 Boreas (Nordwind)  156, 158, 206 Brennus 209 Cacus 165 Caeculus  62, 64, 104, 152, 207, 218 Caelius s. Uranos Caesar  23, 27 L. Caesar  117 Caltinus  88–92, 94, 114, 136–138, 141, 155, 166, 176 f., 179–184, 187, 194–199 Camena 208 Camillus  130, 210 Capys s. Kapys Carmenta 145 Cassius Dio  165 Cassius Hemina  25, 175, 205 Castor u. Pollux s. Dioskuren Catillus (Amphiariden)  152, 231 Cato  21, 26–28, 62 f., 65, 101, 115, 122, 125 f., 149, 152, 157–161, 166–168, 173 f., 177, 184, 187, 205, 207, 211 Cethegus 168 Cicero  25, 187, 190, 210 Cincius Alimentus  25 Circe s. Kirke Appius Claudius Caecus  190 Coriolanus  53, 75 Corythus (Korythos)  108, 185 Daidalos  50 f. Damastes  72, 109 f., 119 f., 135, 178, 198 Danae  73, 168, 231 Dardanus  108, 185 Daunus  125, 139, 142, 182 Decius Campanus  144 Demaratos 105 Demetrios Poliorketes  74, 150, 189, 216 Deukalion 66 Dexithea  85, 146 Diana (Artemis)  40, 75, 209 Diktys von Kreta  97 Diodor  28, 191, 204 Diokles von Peparethos  28, 60, 150 Diomedes  39, 112, 125, 142, 146, 182, 203, 227, 231

276

Anhang

Dionysios I. 133, 188, 203, 207–209, 225 Dionysios II. 208 Dionysios von Chalkis  50, 72, 140, 146 Dionysios von Halikarnassos  11, 17, 31 f., 63, 71 f., 81, 86–88, 92, 111, 113, 120, 123 f., 126–129, 134 f., 139, 140, 155–160, 162 f., 165–167, 171, 173–175, 177–179, 200, 202, 204, 213, 221 f. Dionysios von Milet  40 Dionysos  47, 216 Dioskuren (Castor u. Pollux)  74, 100, 206 Diphilos 103 Doros 51 Egerius Baebius  75 Eilethyia 208 Electra 185 Elpenor  52, 78 Emathion 146 Ennius  25–27, 31, 113, 168 Eos s. Thesan Epeios 117 Ephoros  59 f. Eratosthenes  27, 59, 187 Erulus  104, 152 Euander  25 f., 42, 104, 145, 147, 152, 154, 160, 167, 169, 175, 206, 222 Eugammon von Kyrene  39, 41, 69, 79, 95– 98, 100 f., 105, 112, 139, 176, 217, 222 Euhemeros (euhemeristisch)  25, 42, 169, 186 Eusebius  87, 111, 118, 135, 202 f. Eustathios  41, 96, 98 Fabii 105 Fabius Pictor  26–28, 126, 150, 154, 187, 191, 205 f., 214 Faunus (Fauna, Fatua, Phaunos)  11, 25 f., 42, 99, 142, 155, 161, 170, 172, 186 Faustulus 152 Feronia 152 Festus (Verrius Flaccus)  12, 31 f., 62, 81–84, 89, 92, 120, 126, 135, 143, 157, 159, 165, 176, 179–181, 192, 203, 211–213, 224 f., 227 Fides (Pistis)  143–145, 150 Flamininus  149, 151 Fortuna Primigenia  62, 64 M. Furius Philus  153

Gaia  95, 211 Galatea 211 Galitas  68, 82–85, 87–89, 91 f., 94, 98, 126, 136–138, 142 f.,155, 176 f., 179 f., 182 f., 187, 193–198 Glabrio 149 Glaukon 103 Graikos 66–69 Hannibal  26, 31 f., 187, 191 Hegesianax (Kephalon von Gergis) 181 Hekataios von Milet  47, 72, 108, 139 f., 227 Hekate 40 Hektor 114 Helenos  112, 143, 184 Helios (Sol)  12, 34 f., 39–41, 57, 69 f., 164 Hellanikos  26, 47, 65, 72, 79, 85, 88, 91, 93, 98, 100–103, 106, 108–112, 115–120, 123 f., 127–131, 133–136, 139–141, 143, 166, 178 f., 198, 203, 212, 228, 232 f., 234 Hephaistos s. Vulcanus Herakleides Lembos  117–119, 121, 123 f., 128 f., 131, 135, 177, 198 Herakleides Pontikos  134 Herakles (Herkules)  26, 38, 42–44, 49, 52, 100 f., 105, 126, 130, 155, 165, 173, 176, 186 f., 201, 220, 231, 235 Heraklit 230 Herkules s. Herakles Hermes 40 Herodian  32, 62, 71 Herodot  20, 59 f., 100, 177–179, 199, 213 Hersilia  63, 128 Hesiod (hesiodeisch)  11, 13 f., 18, 25, 28, 31, 34–47, 49, 55–57, 59 f., 63–70, 72–81, 84, 92, 94 f., 98–102, 105, 108, 113 f., 121 f., 125, 136–139, 181, 192, 195, 198 f., 207, 211, 217 f., 225 f., 230 f. Hieron 144 Homer (homerisch)  31, 35–37, 39–43, 46, 49 f., 53, 56, 102, 106, 108, 211 Horatier und Curiatier  28 Hyginus  11, 82, 95–100, 217, 222 Hyperion  34, 39 f. Hyperochos von Cumae  160

Personenregister

Ianus  25, 168 f. Ilia (Rhea Silvia)  28, 150, 154, 205 Ion 51 Iris  118, 155 Ishtar 40 Italos (Italus)  96, 98–101, 108, 123, 139, 174–177, 182 f., 200–203, 212, 217, 222–225, 227 f., 234 Iulii  27, 142 Iulus s. Ascanius Iuno  112, 170 Iuppiter (Iuppiter Latiaris, Zeus)  29, 66 f., 75, 118, 122, 146, 149, 169 f., 185, 210, 227 Jason  38, 40 f., 50 f., 103 Johannes Lydos  66–70, 78 f., 168, 207 Justinian  68, 77 Justinus (Pompeius Trogus)  31, 133 f., 203, 212, 225 Kadmos 205 Kallias  69, 72, 77, 81, 83, 86–90, 92–94, 98 f., 105 f., 109, 111, 119 f., 125, 135–138, 141, 143, 145, 151, 155 f., 159, 163–166, 175–179, 182, 192, 194–199, 220 Kalypso  35, 38 f., 41 f., 49, 57–59, 70, 98 f., 122, 228 Kapys (Capys)  77, 139 Karneades 64 Kassandra 125 Kassiphone  77, 84, 103 Kephalon von Gergis s. Hegesianax Kinaithion  95, 98 Kineas  147, 160, 163, 173, 176 Kirke (Circe)  11, 13 f., 25, 34–36, 38–46, 49 f., 52 f., 56–59, 61 f., 64 f., 67–73, 75–85, 87, 90–101, 103–107, 111, 122, 138, 140 f., 164, 167, 196 f., 201, 217, 228, 230–234 Kleinias  65, 90–92, 94, 98, 115, 136, 141 f., 195–199 Konon  181, 186, 228 Korythos s. Corythus Kronos s. Saturnus Kybele 118 Laertes 39 Laertiden  35, 44, 58, 81, 90 f., 95, 99, 101, 115, 119, 137, 140 f., 155, 163 f., 172, 182, 194, 196–199, 219, 222, 232 Lanoios 116

277

Lares 116 Latinus Silvius  17, 27 f., 93, 106, 142, 168 Lavinia  26 f., 88, 115, 142, 154, 169 f., 172, 185 Leukaria  14, 101, 146, 176, 200–204, 206 f., 219, 221–229, 234 Leukasia/Leukosia s. Sirenen Leukothea (Ino, Mater Matuta, Albunea) 49, 208 Liparos 228 Livius  17, 26, 191, 209, 229 Livius Andronicus  106, 207 f. Lykophron  31, 84, 97 f., 103, 106 f., 109, 112, 116 f., 122, 125, 127, 134, 146, 156, 158 f., 164– 166, 170, 175, 193, 202, 205 f., 208, 219 f., 228 Makedon 37 Malalas 219 Mamilii  28, 105 C. Mamilius Limentanus  104 L. Mamilius  105 L. Mamilius (Münzmeister)  104 f. Octavius Mamilius  73, 102, 104 f. Manlius Torquatus  209 Marica  11, 167 Mars  150, 154 Marsus (?)  42, 70, 79, 164 Mater Matuta s. Leukothea Medea  38, 40, 50–52, 70 Medeios  36 f. Menelaos  36, 112 Metrodor von Skepsis  168 Mezentius  26 f., 219, 227 Mimnermos  125, 139 Minerva s. Athena Minos  36, 40 Minotauros  40, 49 Misenos (Misenus)  92, 113, 140, 211 Mithridates VI.  60, 132 Morges  101, 123, 182, 222 f. Myrsilos von Lesbos  108 Naevius  26 f., 31, 168 Nanas (Nanos)  108, 112 Nausikaa  102 f. Nausithoos u. Nausinoos  35, 38 f., 42, 59, 99 Neoptolemos  111 f., 178 Nestor  45, 56, 102, 117

278

Anhang

Nikomedes II. (Nikomedes III.)  57 f., 61 Nonnos von Panopolis  42 Numa  130, 144, 186 Numitor  27 f. Odysseus  11, 13, 31, 34–36, 38–47, 49–52, 56–65, 67–80, 82, 84, 91–120, 122, 124 f., 131, 134–138, 140–142, 151, 164, 178, 194–197, 201, 207 f., 217, 222, 228, 230–234 Ogulnii  28, 62 Okeanos  39 f. Oinotros  139, 181–183 Orestes 100 Ovid  26, 80, 118, 135, 212 Pacuvius  97, 105 Palinurus 184 Pallas 154 Pandora 66 Paris 49 Pasiphae 40 Pater Indiges  27, 121 Peisistratiden 105 Pelasgos 105 Penelope  39, 42, 46, 96, 98, 102, 107 Perseis  39 f. Perseus  40, 73 Phaunos s. Faunus Pherekydes  101, 139 Philinos  189 f. Philipp V. 143 Philistos  101, 228 Philoktet 112 Phokos  37, 51 Photios 95 Picus  25, 40, 42, 80, 161, 172 Pindar 227 Pistis s. Fides Platon  90, 122, 203 Pleminius 144 Plinius  62, 158, 170, 177, 204, 229 Plutarch (Pseudo-Plutarch)  12, 31 f., 63, 76 f., 81, 83–85, 87 f., 92–94, 98, 104, 107, 118–120, 123–133, 135–140, 142 f., 145, 147, 149, 178, 194, 196, 198, 200–202, 218–223 Polyainos  117, 135 Polybios  126, 187, 189, 191

Polyphem  42, 45, 49, 51, 55, 106, 125, 211 Pomponius Mela  62 Pompeius Trogus s. Justinus Porsenna  73, 102, 105, 220 Poseidon  107, 112 Potnia Theron (Herrin der Tiere)  40, 50 Praenestes (Prainestos)  61–64, 104, 123, 207 Priamos  36, 117 Proklos  95–97, 107 Promathion  147, 218 f. Protesilaos 117 Prusias II.  64 Pseudo-Aristoteles s. Aristoteles Pseudo-Skylax  52, 123 Pseudo-Skymnos  31, 57–60, 72, 79, 228 Ptolemaios II.  32, 131, 143, 192 Ptolemaios III.  131, 143 Ptolemaios Chennos  107 Pyrrhus  31 f., 86, 88, 114, 134, 147, 150 f., 160, 163, 176, 190 f., 231 f. Pythagoras  186, 214 Remus (s. auch Rhomos)  20, 24, 28, 76, 84, 146, 148–150, 152, 218 Rhea Silvia s. Ilia Rhomanos  70, 76 f. Rhome  14, 26, 65, 76, 79, 81–95, 105 f., 109 f., 115, 119, 123–125, 127, 131, 133, 135–155, 160, 163, 165 f., 169, 172, 176, 181, 194, 196–201, 206, 212, 219–224, 226, 228, 232–234 Rhomis  140, 220 Rhomos  70 f., 76, 85–87, 94, 123, 138–140, 143, 146, 150–152, 196–198, 200 f., 211, 213, 221, 223–225, 228 Rhomylos s. Romulus Roma (Dea Roma)  139, 144, 146, 148–154 Romulus (Rhomylos)  20 f., 23 f., 27 f., 58, 60 f., 63 f., 76, 78, 82–87, 91, 94, 128, 131 f., 136, 138 f., 142 f., 146, 148–150, 152–154, 162 f., 166 f., 171 f., 175, 194–199, 203–205, 211 f., 218 f., 223–225 Sabinus 174 Sallust  91, 115, 147, 157, 159 f., 165, 168, 173 Saturnus (Kronos)  25, 161, 169, 172, 186, 228 Saufeius  157, 169 Sempronius Tuditanus  117, 159 f. Seneca 160

Personenregister

Servius (Servius auctus)  11 f., 31, 65, 70, 81, 90 f., 102, 104, 120, 135–137, 145 f., 148, 152, 166, 174 f., 199, 202, 212, 219, 230 Servius Tullius  109, 218 Setaia  117, 127, 132, 134, 141, 211 Sibylle von Cumae  185 Sikelos  101, 123, 166, 172, 182, 222 Silvanus 42 Silvii  23, 27 f., 42, 142 f., 165 f., 170, 172, 198, 218 f. Silvius 42 Silvius Postumus  27 Sirenen (Leukosia)  49 f., 57, 208 Skylla (Scylla)  40, 42, 49 f., 80, 227 f. Sol s. Helios Solinus  12, 31, 61 f., 79, 131, 135, 147, 165 Sophokles  95, 97 f., 114 Statius 160 Stephanus von Byzanz  62, 202 Stesichoros  26, 112 f., 140, 181, 198 Strabon  71, 74, 116 f., 133, 164 f., 170, 189, 207, 234 Sueton 62 Synkellos  71, 79, 86 f., 105, 111, 135, 155, 202 f. Tarchetius  218 f. Tarchon  125, 219 f. Tarpeia 214 Tarquinius Superbus  29, 52 f., 73, 102, 104 f., 215, 218, 220 Teiresias 95 Telegonos  28, 34 f., 38 f., 41 f., 59, 62, 64, 68–70, 73, 77, 86 f., 93–99, 101–109, 143, 176, 207, 222, 224, 232 Telemach  14, 18, 39, 42, 66, 70, 79, 81 f., 84 f., 87, 90 f., 93–99, 101–104, 108 f., 115, 137 f., 141 f., 151, 155, 176 f., 195–199, 222, 232–234 Telephos  77, 91, 105, 108, 145, 154, 201, 212, 219 f., 223, 228, 231

279

Tellus  187, 190 Theopomp  59, 106–108, 125, 178, 203, 214 Theophrast  52, 78, 177 Thesan (Eos)  41, 208 Thukydides  20, 98, 122, 213 Tiberinus (Thybris)  92, 165 f., 170, 172 Tiberius 149 Timaios  19, 32, 59, 86, 101, 116, 134, 205 f., 211 Timoleon  208, 216 Titus Tatius  162 Troilos 114 Tullus Hostilius  28, 210 Turnus  26 f., 73, 75, 118, 135, 142, 154 f., 168– 170, 175, 185, 219, 227 Tyrrhenia  203 f., 211–217, 222, 224–226, 234 Tyrrhenos  60, 104 f., 125, 181–183, 199, 212, 216, 219 f. Tzetzes  127, 135, 201 f., 227 f. Uni 208 Uranos (Caelius)  25, 95, 211 Varro  25 f., 62 f., 65, 69, 144, 146, 152, 159, 161, 165, 169, 174, 187 Venus (Aphrodite)  23, 27, 40, 48, 53, 75, 112, 114, 118 Vergil  11 f., 24–26, 31, 41, 70, 73, 80 f., 99, 108, 112, 118, 122, 127, 135 f., 155, 161, 166–170, 174, 177, 184 f., 187, 193 Verrius Flaccus s. Festus Vulcanus (Hephaistos)  36, 62, 64, 97 Xenagoras  71–75, 77, 79, 140, 194 Xenophon 184 Zenodotos  61–64, 79 Zeus s. Iuppiter

280

Anhang

Ortsregister Orte, Regionen, Flüsse, Meere und Völker sowie davon abgeleitete Adjektiv sind angegeben. Rom/Römer, Latium/Latiner, Griechen und (teilweise) Italien sind nicht aufgenommen. Aborigines  14, 26 f., 80 f., 86 f., 93 f., 125 f., 138, 147 f., 155–177, 181, 185 f., 194–199, 205, 219 f., 222, 229, 232 Achäer (Achaier, achäisch)  37, 39, 47, 88, 117–121, 124 f., 127–129, 131–136, 138, 140, 198, 217, 232 Achaia  159–161, 166, 198 Aequi  30, 164 Ägäis  44 f., 116, 120, 214 Agylla s. Caere Aiaia (Insel der Kirke, s. auch Kirkaion)  40 f., 45, 78, 84, 95 f., 107 f., 111, 228, 230 Aineia  121, 185 Aitolia  108, 178, 212 Alalia 37 Alba Longa (Albaner, albanisch)  14, 17, 23, 27 f., 42, 80, 106, 142, 154 f., 166, 168, 170, 172 f., 203–206, 208, 210–212, 216, 218 f., 221, 224–228, 234 Albaner Berg (Mons Albanus, Albaner See)  29, 209–211, 221 f., 225–229, 234 Albenses (Albani) 204 Alexandria  36, 97, 109, 143, 207 Allia 209 Alpen  100, 169, 187 Antemnae 167 Antiocheia 153 Antium  71–75, 140, 199, 209, 216 Äolische Inseln (Liparische Inseln)  88, 228 Apenninen 169 Apuler (s. auch Daunier)  142, 184 f., 189 Ardea (Ardeates, s. auch Rutuler)  28, 55, 71–73, 75, 115, 140, 164, 168, 199 Argos (argivisch)  73, 80, 146, 152, 168 Aricia  73, 75, 100, 102, 105, 226 Arkader (Arkadien, arkadisch)  24, 26, 80, 101, 109, 145, 147 f., 152, 158–161, 165, 172–175, 182, 208, 229 Athen (Athener, athenisch, Attika)  32, 98, 103, 130, 134, 150, 159 f., 162 f.

Ätna 211 Aurunker (Aurunci)  167, 208, 228 f. Ausonia (Ausonien)  59, 122, 181, 186, 228 Ausonier (Ausones, ausonisch)  57–59, 61, 72, 76, 101, 122, 186, 201, 208, 222–229, 231, 234 Aventin  92, 165 f. Avernersee  59, 228 Benevent  153, 190 Bithynien  57, 60, 64 Bolsena 28 Boreigonoi  125, 156, 158 f., 164 f. Bovillae 113 Caenina 167 Caere (Agylla, caeretanisch)  26 f., 37, 49, 50 f., 55, 63, 104 f., 122, 158, 207, 209, 215–217, 219 f., 227 Caieta  92, 117, 120 Cameria 167 Campania s. Kampanien Capua (Kapua, Kapye)  55, 77, 139 f., 153, 189 Castel di Decima  48, 114 Castel Gandolfo  106 Castellina in Chianti  52 Castelluccio La Foce  37 Castrum Minervae  184 f. Chalkis 149–151 Chimaira 211 Chios  60, 149 f. Chiusi s. Clusium Circeii (s. auch Kirkaion)  29, 52 f., 78, 229 Civita Castellana  48 Clusium (Chiusi)  49 f., 102, 108 Cora 73 Corioli 75 Cortona (Gortynaia, Perge)  106–109, 115, 125, 178, 185 Cumae s. Kyme

Ortsregister

Daphne  68, 167, 207 Dardaner (Dardaniden)  108, 117, 140 Daunia  117, 121, 182, 189, 227 Daunier (Dauni, daunisch, s. auch Apuler)  121, 125, 164 f., 168, 184, 189, 203 Delphi  54, 124, 186 Dodona  158–160, 172 Eleusis 49 Elymer s. Segesta Epirus (epirotisch)  111 f., 175, 185, 190 Eryx 185 Esquilin 54 Etrurien (Tuscia, Toskana, s. auch Tyrrhenia)  37, 42, 44, 48–52, 54 f., 60, 95, 102, 104, 106–108, 114, 116, 122, 130, 185, 188, 212, 215–217, 219, 225, 232, 234 Etrusker (etruskisch, s. auch Tyrrhener) 14, 29 f., 35, 37, 44, 46 f., 49–52, 54–56, 63, 102, 106–108, 114 f., 122, 124 f., 130, 133 f., 139, 145, 152, 158, 162, 177, 185, 188, 190 f., 193, 198 f., 207–209, 212–221, 225, 230, 234 Euböer (euböisch)  38, 45, 52, 55, 149 Felsina  49 f. Ficuleia 167 Fidenae 215 Florentia 147 Forum Boarium (Sant’Omobono)  54, 105, 208 Gabii  49, 55 Gallier (Kelten, gallisch, keltisch)  30, 130, 134, 191, 204, 209, 211, 213, 215 Gortynaia s. Cortona Griechenland  44, 49–51, 53, 55, 64, 74, 80, 111, 128, 150, 169, 174, Herakleia 176 Hesperia  100, 112 f., 181, 228 Hipponium s. Vibo Valentia Hirpinien 189 Hyperboreer  156, 175 Iapygier 228 Ida  114, 154

281

Ilion s. Troja Illyrer 211 Italia (Italía, Italíe, Italien [Auswahl], s. auch Tyrrhenisches Italien)  66, 69, 74, 82, 84, 86, 96, 100 f., 108, 110, 113, 126, 129, 143, 157 f., 160, 169, 174–178, 181, 183–191, 194–198, 203, 205, 212, 214, 220, 222 f., 225, 228, 233 f. Italiker (Italoi, italisch)  33, 54 f., 61 f., 67, 78, 99 f., 108, 122, 126, 129, 133, 139, 174, 186 f., 193, 205, 213 f., 225 Italioten  174, 188, 214 Italoi s. Italiker Ithaka  35, 39, 41, 95 f., 107 f. Kampanien (Campania, Kampaner, kampanisch)  11, 16, 38, 44, 46, 50, 52, 54 f., 60, 69, 113, 122 f., 130, 139 f., 164, 181, 184, 188 f., 209, 211 f., 217, 225, 228 f., 234 Kapitol  144, 169, 186, 210 Kapye s. Capua Karthago (punisch, Phönizier)  54, 72, 74, 88, 108, 112, 184, 189, 208 f. Kelten s. Gallier Kenturipe 116 Kirkaion (Monte Circeo, s. auch Aiaia, Circeii)  41, 52 f., 121, 164, 167, 178, 184, 228 f. Kolchis  40 f. Korinth (korinthisch)  52 f. Korsika 209 Kreta  117, 134 Kroton  117, 120, 126, 132 f., 141, 213 f. Kyme (Cumae)  37 f., 41, 45 f., 53–55, 59, 63, 73, 79, 102, 106, 113, 122, 139 f., 159, 164, 184, 214 f., 228 Kyme Aiolis  122 Lacus Cutiliae  158 Lacus Fucinus  164 Lacus Regillus  29, 104 Lampsakos  149 f. Lanuvium  30, 73, 116, 226 Latinion  119–123, 125, 128, 130, 134–137, 167, 177 f., 181, 198, 228 Latium adiectum  167, 229 Laurentum (Laurenter, laurentinisch)  25 f., 28, 69, 115, 121, 137, 161, 163, 165, 167, 169 f., 172, 185

282

Anhang

Lavinium (Pratica di Mare, lavinatisch) 13, 26–28, 30, 54, 69, 75, 91, 115 f., 121, 137, 142, 154 f., 164, 167, 170, 205, 226 f. Ligurer  125, 159 f., 172, 204 Lindos s. Rhodos Äolische Inseln s. Liparische Inseln Liris  166 f., 229 Lissabon 106 Lokroi Epizephyrioi  144, 150 f., 154, 186, 228 Lucania (Lucani, Lukaner)  60, 122 f., 125, 189 f., 201–203, 208 Luceria (Lukaria, Lukeria)  121, 184, 203 Lydien (Lyder, lydisch)  47, 60, 102, 105, 124 f., 140, 177, 181, 199, 207, 212–214, 216, 220 Magna Graecia  110, 117, 122, 132, 136, 190 Marser (Marsi, marsisch)  42, 70, 76, 189, 231 Massalia 209 Megalopolis 148 Messene 148 Messina 144 Mevania 89 Milet 162 Misenum 92 Molosser  109, 111, 160 Myrmidonen  46, 160 Nauaithos (Neaithos)  117, 132, 133 Neapel (Golf von Neapel)  140, 189, 211 Nemi  75, 210 Neoptolemos  111 f., 178 Nola  50, 227 Numicus  27, 116, 227 Oinotria (Oenotria)  182 f. Oinotroi (Oenotri, Oinotrier)  60, 72, 98, 101, 123, 166, 172, 174, 182 f., 185 f., 222 Olympia 54 Ombrikoi s. Umbrer Opike (opisches Land)  69, 119–122, 128, 130, 135, 137, 181, 228 Opiker (Opikoi, opisch, Osci)  60, 66, 122 f., 166, 172, 188, 193, 229 Osci s. Opiker Ostia 216

Paestum s. Poseidonia Palatin (Pallantion, Palatium)  26, 68 f., 82–85, 94, 99, 119, 143–145, 147, 158, 160, 165, 167, 207 f. Palatium (Sabina)  165, 208 Palestrina s. Praeneste Palinurus 184 Pallantion (Arkadien)  208 Pelasger (Pelasgi, pelasgisch)  47, 60, 63, 101, 104, 108 f., 124 f., 134, 147 f., 158–160, 163 f., 166, 172 f., 175 f., 181, 207, 213, 220, 229 Peloponnes 181 Pergamon 220 Perge s. Cortona Perser  18, 134, 191 Perusia 134 Phäaken  38, 46, 102, 107 Phokäer (phokäisch) 209 Phönizier s. Karthago Phryger s. Trojaner Pisa  117, 125 Pithekussai  38, 41, 43, 45 f., 55, 113 Placentia 147 Po 100 Politorium 113 Pontecagnano  55, 63 Pontinische Ebene  165 f. Poseidonia (Paestum)  122, 184, 208 Potentia 147 Praeneste (Palestrina)  30, 51, 54, 61, 75, 104 f., 123, 140, 152, 169, 179, 188, 207, 209, 218 Prisci Latini 106 Pyrgi  207–209, 213 Reatinische Ebene  63, 158, 165 Rhegion  32, 113, 144 Rhodos (Lindos)  72, 149, 189 Rutuler (Rutuli)  28, 75, 155, 164, 168–170, 172, 229 Sabina  158, 161, 165 f., 174, 208 Sabiner, Sabinerinnen (sabinisch)  24, 63, 105, 127 f., 132 f., 144, 158, 162, 166, 174, 214, 220 Sacrani 159 Samniten  16, 30, 60, 123, 164, 173, 186, 189–191 Sant’Omobono s. Forum Boarium

Ortsregister

Sardinien 209 Sarno 181 Saturnia  169, 186, 228 Segesta (Elymer)  117, 118 Sentinum 189 Setaion 117 Setia 29 Signia 29 Sikeler (Sikeloi, Sikuler, Siculi)  80, 98, 101, 123, 159, 166 f., 172, 174 f., 220, 228 f. Sikelioten 133 Sikyon  159 f. Siris  117, 184, 202, 206 Sizilien (sizilisch)  28, 88, 110, 113, 116–118, 120, 122, 130, 135 f., 175 f., 184 f., 189, 192, 204, 208, 211, 214, 222, 228 Skione  117, 141 Smyrna 149 Sperlonga 106 Spina 125 Sybaris  117, 132, 211, 214 Syrakus (syrakusisch)  81, 86, 88, 133, 162, 188, 192, 207–209, 213 f., 216, 223 Tauromenion (Taormina) 187 Tarent (Tarantiner)  50, 60, 90, 122, 178, 190–192, 214 Tarquinii (Tarquinia)  52, 106, 215, 217 Tellenae 167 Temesa 113 Theben 205 Thespiai  159 f. Thesprotien (thesprotisch)  42, 111 Thessalien (Thessaler)  82, 125, 140, 147, 159, 160, 163, 165, 220 Thurii 190 Tiber  69, 109, 119 f., 127 f., 164–166, 175, 204, 209, 215 f., 230 Tibur  30, 73, 152, 167, 209 Tor Tignosa  116

283

Tragliatella 114 Troia (Latium)  115 Troja (Ilion, Troas)  39, 43, 84, 89, 108, 111–115, 117, 124, 131 f., 134, 143, 146, 151, 154, 175, 181, 184 Trojaner, Trojanerinnen (Phryger, trojanisch)  11, 14, 24, 26 f., 37, 39, 48, 52, 65, 78, 80 f., 83, 85–94, 106, 108–110, 112, 114–143, 145 f., 149–154, 156, 161–166, 168–173, 175–177, 181–185, 194–199, 201, 203, 212 f., 215–217, 219, 221 f., 226, 231 f. Tuscia, Toskana s. Etrurien Tusculum (Tusculaner)  28, 73, 93, 102–106, 215, 226, 232 Tyrrhener (Tyrsenoi, Tyrrhenoi, tyrrhenisch, s. auch Etrusker)  34–37, 39, 41, 43–47, 52, 57, 74, 80, 84, 100 f., 105, 107–109, 113, 122 f., 125, 140, 151, 177, 181, 185, 207, 212 f., 215–221, 225, 228, 230, 234 Tyrrhenia (Tyrrhenien, Tyrsenia, s. auch Etrurien)  38, 57, 60, 107 f., 122, 177 f., 181, 185, 212 f., 217 f., 221, 224–226, 228, 234 Tyrrhenisches Italien  19, 34 f., 44–52, 55, 76–79, 95, 101 f., 114, 122, 139, 208, 217, 231 Tyrrhenisches Meer  41, 78, 120, 122 Tyrsenia/Tyrsenoi s. Tyrrhenia/Tyrrhener Umbrer (Ombrikoi)  57 f., 63, 89, 125, 158 f., 174, 177, 186, 220 Valentia  26, 145–147, 151, 158, 160, 166, 207 Valentia Edetanorum  147 Veji  30, 37, 52, 114 f., 209 f., 215 f. Velitrae 226 Vetulonia  50, 52 Vibo Valentia (Hipponium) 147 Volsinii 152 Volsker (Volsci, volskisch)  13, 30, 53, 74 f., 123, 164, 166 f., 210, 226, 228 f. Vulci  50, 217

Einer der berühmtesten antiken Mythen erzählt von der Ankunft des Trojaners Aeneas in Latium; eines der bekanntesten Daten der Geschichte ist die Gründung Roms durch seinen Nachfahren Romulus im Jahr 753 v. Chr. Doch vor der Etablierung dieser kanonischen Erzählungen gab es einen großen Reichtum an mythhistorischen Vorstellungen über die Ursprünge Roms und der Latiner, an deren Anfang Hesiods Verse über den eponymen Heros Latinos als Sohn des Odysseus und der Kirke stehen. Eva Hagen untersucht drei vorkanonische Traditionsstränge über den Stammvater Latinus zwischen Hesiod

ISBN 978-3-515-13615-0

9 783515 136150

und dem 3. Jahrhundert v. Chr. Aktualisierungen und Variationen zwischen archaischem griechischem Epos und den Anfängen der römischen Vulgata geben Aufschluss über die Entwicklung ethnischer Identitäten im Tyrrhenischen Italien und die Verhältnisse zwischen Latium und Rom, der herausragendsten Stadt der Region. Aus den weitgehend fragmentarisch überlieferten Genealogien und Erzählungen rekonstruiert die Autorin lebendige Diskurse über epische, ethnische und städtische Identitäten sowie göttliche, einheimische, griechische und trojanische Wurzeln und diskutiert mögliche politische und soziale Funktionen.

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