Ursprüngliche und physikalische Zeit [1 ed.]
 9783428485222, 9783428085224

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EWALD RICHTER

Ursprüngliche und physikalische Zeit

Philosophische Schriften Band 15

Ursprüngliche und physikalische Zeit

Von

Ewald Richter

Duncker & Humblot · Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme

Richter, Ewald: Ursprüngliche und physikalische Zeit I von Ewald Richter. Berlin : Duncker und Humblot, 1996 (Philosophische Schriften ; Bd. 15) ISBN 3-428-08522-1 NE:GT

Alle Rechte vorbehalten © 1996 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: SiB Satzzentrum in Berlin GmbH, Berlin Druck: Druckerei Gerike GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0935-6053 ISBN 3-428-08522-1 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 8

Inhaltsverzeichnis Einführung

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Kapitell

Die Zeit als der "Sinn von Sein" bei Martin Heidegger I.

Vorbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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II.

Heideggers Besinnung auf das traditionell überkommene Verständnis von Zeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 1. Heideggers ,,Rückfrage" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 2. Der "Entwurf' der mathematischen Naturwissenschaft nach Heidegger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 3. Das Einfließen populärwissenschaftlicher Vorstellungen in den alltäglichen Zeitbegriff. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44

III.

Der Rückgang vom vulgären Zeitverständnis zur ursprünglichen Zeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 1. Heideggers Aufweis der wesentlichen Verdeckungen im vulgären Zeitverständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ein erster Blick auf die Verhaltungen des Gewärtigens, Behaltens und Gegenwärtigens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Das Gewärtigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Das Behalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Das Gegenwärtigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Bestimmung der Strukturmomente der im "dann", "damals" und ,jetzt" ausgesprochenen Zeit . . . . . . . . . . . .

47 49 49 49 49 50

6

Inhaltsverzeichnis a) Bedeutsamkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Datierbarkeil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Gespanntheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Öffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die Sorgestruktur und die Zeitlichkeit des Daseins. . . . . a) Verstehen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Befindlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Rede . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vorbemerkung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ß) Zeitlichkeit der Rede. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Verfallen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Sammlung auf den Problemzusammenhang . . . . . . . . . . 6. Die ursprüngliche Zeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

50 51 51 52 53 53 54 54 54 55 56 56 58

IV. Heideggers Weg zum Ereignis-Denken..................

61

1. Der er-eignende Zuwurf... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die eigenliehe Zeit und ihr ,,Zeit-Raum".... . . . . . . . . .

61 66

Kapite/2

Die Zeit in der mathematischen Naturwissenschaft und ihr besonderes Verhältnis zur konstruktiven Mathematik I.

Die Zeit in C. F. v. Weizsäckers Arbeiten zum "Aufbau der Physik"........... .. ............................. 71 1. Weizsäckers Thesen über die Zeitmodi . . . . . . . . . . . . . . 71 2. Weizsäckers Kritik an subjektivistischen Zeittheorien 75 3. Die Ausgangssituation der "Logik zeitlicher Aussagen" in den Überlegungen Weizsäckers zur Physik . . . . . . . . . . . 78

II.

"Konstruktive Mathematik und Naturwissenschaft" und die Offenheit der Zukunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82

Inhaltsverzeichnis I. Vorbemerkung ............... . ................. 2. Zur Methodologie der konstruktiven Naturwissenschaft 3. I. E. J. Brouwer und die konstruktive Mathematik ..... 4. Die "Objektivität" des V nterschiedes "faktisch-möglieh" und der Meßprozeß in der Physik ........ . .. 5. Nähere Bestimmung der zeitlichen Aussagen ......... 6. Zeitliche Aussagen und Naturgesetzlichkeit ..........

III.

7 82 83 87 93 98 99

Darstellung physikalischer Größen als fan . . . . . . . . . . . . . . 105 I. Die Besonderheiten der Quantentheorie und die Darstel-

lung ihrer Größen als fan. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 2. Die Darstellung kommensurabler und inkommensurabler Größen und die Erklärung "maximaler Zustände" . . . . . 111 IV.

Das "Sein der Möglichkeit" und die "Paradoxien der Quantentheorie". . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115

Kapite/3 Begründungsfragen zur modernen Physik

I.

Das Wissenschaftschaftsverständnis der Physik. . . . . . . . . . 128 1. Historische Erinnerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 2. Zeitstruktur und Wahrscheinlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . 132

II.

Logisch-mathematische Beispiele Brouwers und Heytings und die Rolle der Zeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 1. Ein Beispiel Heytings . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135

2. Die Rolle der Zeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 III. Vorläufiges Resümee. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144

8

Inhaltsverzeichnis

IV.

Die empirisch orientierte elementare Quantentheorie und die beim Aufbau eingehaltene Reihenfolge .............. 148

V.

Vergleich der herangezogenen Beispiele aus Mathematik und Physik ......... . . . ......... . .. ... ............ 150

VI.

Wahrscheinlichkeit als Prädikat einer Klasse ........... 152

VII. Weizsäckers Postulate zum Aufbau einer abstrakten Quantentheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 VIII. Bedingungen der Möglichkeit für Mathematik und Physik .... .......... . ... ............ . . . . ... . ... . . .. 158 IX. Schlußbetrachtung-DieNötigung zur Rückfrage...... . 162

Literaturverzeichnis

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Einführung Die im folgenden behandelte Thematik "Ursprüngliche und physikalische Zeit" ist unausweichlich mit der Frage verbunden, wie sich die Zeit, mit der die Physik arbeitet und dabei ein bestimmtes Zeitverständnis zugrunde legt, zur philosophischen Besinnung auf die Zeit verhält. Physikalische Fragen einerseits und traditionsreiche philosophische Problemstellungen andererseits liegen heute scheinbar weit auseinander. Somit ist mit der Zeitthematik implizit zur Diskussion gestellt, ob und wie es möglich ist, das philosophische Fragen für eine Klärung in Anspruch zu nehmen, die ihrerseits im unmittelbaren Interesse der Naturwissenschaft liegt. Nur wenige philosophische Themen dürften so wesentlich und lehrreich sein, wie die Frage nach der Zeit, und dies nicht zuletzt deshalb, weil hier eine Chance gegeben ist, das nicht einfach zu durchschauende Verhältnis von Philosophie und naturwissenschaftlicher Erkenntnis weiterführend zu klären. Die Differenz der beiden unterschiedlichen Bemühungen darf und soll hier nicht übergangen werden. Die Naturwissenschaft kennt einen Fortschritt der Forschung, den die Philosophie nicht in Anspruch nehmen kann. Die Philosophie dagegen kennt einen engsten Bezug zum überlieferten Fragen, der sich vom inneren Zusammenhang fortschreitender Wissenschaft grundlegend unterscheidet. Der Naturwissenschaftler wird darauf zu achten haben, ob neue Erkenntnisse und Sichtweisen sich bewähren. Der philosophisch Bemühte (mag er von Haus aus Philosoph oder Wissenschaftler sein) muß weniger Sorge tragen, daß Neuestes ihm entgeht. Zwar wird auch er sich nicht auf bleibende, absolute Wahrheiten berufen können. Doch ist die Weise, seinen Blick zu schärfen, von allen Bemühungen in der wissen-

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Einführung

schaftliehen Forschung deutlich unterschieden. Es liegt im Wesen des philosophischen Fragens, sich der aufzuhellenden Sache in einer Weise zuzuwenden, bei der für die eigene Arbeit (und gleichsam Zusammenarbeit) von einem Denker der Vergangenheit genauso zu lernen und gegebenenfalls auch mehr zu lernen ist als vom zeitgenössischen Denker. Die "Frage nach der Zeit" ist speziell dadurch ausgezeichnet, daß sie heute gar nicht umfassend behandelt werden kann, ohne daß zugleich Rechenschaft abgelegt würde, wie Philosophie und Naturwissenschaft zusammengehören. Als zwei unterschiedliche Weisen der Bearbeitung des Themas "Zeit" könnten die Frage nach der Zeit als zugehörig zur Kantischen Besinnung auf die "Bedingungen der Möglichkeit der Erkenntnis" und die im meist auffälligen Kontrast zu Kant stehende moderne "Grundlagenforschung" angesehen werden. Man sagt nicht selten, Kants Position habe sich als kaum noch geeignet erwiesen, der veränderten physikalischen Lage gerecht zu werden. Anders stehe es dagegen bei etlichen zeitgemäßen Untersuchungen, die von vornherein bemüht sind, einen engen Kontakt mit den Naturwissenschaften zu wahren und sich dabei auch nicht mehr auf die Kantische Philosophie einlassen. Mit dem Unterlassen der Frage nach den "Bedingungen der Möglichkeit" und deren weiterer "Ermöglichung" ist aber für die Naturwissenschaft ein philosophischer Bezug abgerissen, dem Hinweise zu entnehmen sind, die es nicht verdienen, voreilig beiseite gelegt zu werden. Es gibt gute Gründe für die Behauptung, daß die Besinnung auf das Ermöglichende der Wissenschaften gerade bei der Zeitproblematik zu früh als abgetan angesehen wurde. "Zu früh" einerseits, weil diese Frage eben doch nicht ins Leere greift, "zu früh" andererseits aber auch, weil heute eine Not erfahren wird, die auf den unbesonnenen (und unbesinnlichen) Umgang mit den wissenschaftlichen Erkenntnissen zurückgeht und uns damit auferlegt, nach dem Ermöglichenden bzw. dem letztlich "Gewährenden" der mathematischen Naturwissenschaft zurückzufragen. Daß dort, wo

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naturwissenschaftliche Probleme anstehen, in den diesbezüglichen Diskussionen die Kantische Fragestellung, ja die Rückfrage ins Ermöglichende überhaupt, eine vergleichsweise geringe Rolle spielt, hat wohl in erster Linie seinen Grund darin, daß es schwerer - aber gerade deshalb um so dringlicher geworden ist, hier das gemeinsame Fragen wachzuhalten. Zwei Denker, deren Werke heute von großem Einfluß sind, Martin Heidegger und C. F. v. Weizsäcker, sollen in den nachstehenden Überlegungen an erster Stelle Zeugen dafür sein, daß mit Blick auf das Zeitproblem ein wohl durchdachtes einander Zuarbeiten von philosophischer Besinnung (einschließlich der Besinnung auf "Bedingungen der Möglichkeit") auf der einen Seite, sowie einer speziell ausgerichteten Frage nach den Grundlagen der mathematischen Naturerkenntnis auf der anderen Seite, von unverminderter Relevanz und erhöhter Dringlichkeit ist. Beide Denker sind, wenn auch in einem verschiedenen (obwohl zusammengehörigen) Sinn, auf das "Ermöglichende" der mathematischen Naturerkenntnis bezogen. C. F. v. Weizsäcker hat seine Untersuchungen über die Grundlagen der Quantentheorie in die Nähe der Kantischen Frage nach den "Bedingungen der Möglichkeit" gerückt. 1 Seine besondere Bemühung gilt der Aufklärung des Grundes des "faktischen Erfolges der Wissenschaft".2 Bei M. Heidegger nimmt der Rückgang in das "Ermöglichende" seiner Fragestellung gemäß geringeren Bezug auf wissenschaftliche Einzelergebnisse. Doch wird sich zeigen, daß Heideggers Ausführungen zur "Machenschaft" (dieses Wort zunächst nicht abwertend gemeint) wesentliche Aufschlüsse zum großen Erfolg der Naturwissenschaft bereit halten.

Für beide Denker, sowohl für Heidegger als auch für Weizsäkker, ist die Frage nach der Zeit eine Frage von höchstem Rang. 1 Vgl. u. a.: C. F. v. Weizsäcker, Der Garten des Menschlichen, München 1977,

s. 428.

2 Ebd. S. 426.

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Es seien jetzt einige der zentralen Gesichtspunkte bei Heidegger und bei Weizsäcker kurz angesprochen. Zunächst wird auf Heidegger und dann auf Weizsäcker eingegangen. Es wird für die nachfolgenden Untersuchungen hilfreich sein, wenn im Vorwege, soweit dies möglich ist, die Hauptschritte in Kürze genannt werden, die Heidegger in seinem Denken vollzogen hat. Heideggers Denken gilt - wie weithin bekannt - dem "Sein". Wenn Heidegger in "Sein und Zeit"3 nach dem Sein des Seienden fragt, so ist damit nicht nur die Seiendheit des Seienden gemeint, sondern vielmehr das Sein als solches, das Sein in seinem ihm eigenen Wesen. Es wird in SuZ nach der Weise gefragt, wie sich dem menschlichen Verstehen Sein öffnet ("erschließt"), und wie es möglich ist, daß mit der Daseinserschlossenheil gleichursprünglich ein Sein des nichtdaseinsmäßigen Seienden erschlossen ist. Es geht Heidegger damit um den Aufweis der Möglichkeit der Erschlossenheit von "Sein überhaupt". Auf dem Weg der Daseinsanalytik von SuZ wird schrittweise aufgewiesen, daß die Daseinserschlossenheil und damit zugleich das Verstehen von "Sein überhaupt" in der "ekstatischen Zeitlichkeit" des Daseins gründet. Wenn Dasein dadurch ausgezeichnet ist, daß sich das Sein dem Verstehen öffnet, dann nimmt der verstehende Entwurf eine Offenheit in Anspruch, die sich in ihrer Herkunft näher erschließt, sobald der Rückgang auf die "Zeitlichkeit des Daseins" gelungen ist. Hier zeigt sich, daß der Mensch nicht primär "in" der Zeit ist, sondern daß der Mensch im Bereiche seines Wesens, d. h. als Dasein, zeitlich ist. Der Terminus für die "Offenheit" ist in SuZ die "Erschlossenheit". Heidegger weist, um die Einsicht näher zu bringen, daß der Seinsentwurf des Daseins die ,,Zeit" als eine "Offenheit" in Anspruch nimmt, in einem ersten Schritt die existenzialen Charaktere der Sorgestruktur (Geworfenheit, Entwurf und Sein-bei) 3 Martin Heidegger, Sein und Zeit, Halle 1927 (im Text mit SuZ zitiert). Gesamtausgabe Bd. 2 (GA 2). Die Seitenzahlen beziehen sich auf die Originalausgabe.

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auf und führt diese auf die Zeitlichkeit des Daseins zurück. Dasein ist ursprünglich "entrückt" in die "Ekstasen der Zeit", d. h. entrückt in das Auf-sich-zukommen, das Zurückkommen auf sein Gewesensein und das Gegenwärtigen. In diesen Ekstasen bekundet sich je ein Offensein. Das Hinausstehen in eine ekstatische Offenheit ist mit dem Existieren unmittelbar verbunden. Im "Ersten Teil" von SuZ (dem bekanntlich allein veröffentlichten Teil dieses Werkes) wendet sich Heidegger im 2. Abschnitt der Thematik "Dasein und Zeitlichkeit" zu. Die ebenfalls mit angekündigte "Explikation der Zeit als des transzendentalen Horizontes der Frage nach dem Sein" ist in SuZ selbst nicht mehr zur Durchführung gelangt. Entscheidende Aufschlüsse zum "Horizontbegriff' und zur "Zeit als transzendentaler Horizont" lassen sich jedoch gewinnen mit Hilfe einer noch im Erscheinungsjahr von SuZ (d. h. 1927) in Marburg gehaltenen Vorlesung, und zwar durch den zweiten Teil dieser Vorlesung. Die genannte Vorlesung wurde unter dem Titel "Grundprobleme der Phänomenologie" im Jahre 1975 im Rahmen der Gesamtausgabe veröffentlicht.4 Auf die Gründe, weshalb ein geplanter und schon fertiggestellter 3. Abschnitt des "ersten Teiles" von SuZ von Heidegger zurückgehalten wurde, wird gleich noch kurz eingegangen werden.5 Zuvor seien noch ein paar Worte zum Horizontbegriff gesagt. Trotz der späteren Eigenkritik am Transzendenz- und Horizontbegriff bleibt das Thema "Zeit als transzendentaler Horizont" ein wichtiges Kernstück der ersten Ausarbeitung der Seinsfrage in SuZ und den "Grundproblemen". Wie soeben angedeutet, geht es entscheidend darum einzusehen, inwiefern Sein sich im Dasein dem Verstehen "öffnet". Vor4 M. Heidegger, Die Grundprobleme der Phänomenologie, Frankf. a. M. 1975, GA24.

5 Vgl. F.-W. v. Hemnann: "Wege ins Ereignis", Frankf. a .M., 1994, Kap. I, (zu diesem Werks. Anm. 14 u. Abschn. IV).- "Hermeneutische Phänomenologie des Daseins", Frankf. a. M. 1987, S. 392 ff (vgl. insbes. den Hinweis aufeine aufschlußreiche Randbemerkung Heideggers).

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greifend sei erwähnt, daß Heidegger später mit Nachdruck "Dasein" die Weise nennt, wie das Offene "west", in der das Sein als "gelichtetes" sich dem Verstehen öffnet. 6 Wenn nun in SuZ und in den "Grundproblemen" zunächst gezeigt wird, wie Dasein ekstatisch entrückt und damit "offen" existiert, wenn derart die Offenheit als "Erschlossenheit von Sein überhaupt" aufgewiesen wird, dann sind dabei die Ekstasen der Zeit nicht einfach Entrückungen zu... "nicht Entrückungen gleichsam in das Nichts".? Das wohin der Ekstase heißt horizontales Schema oder kurz "Horizont" der Ekstase. 8 Die Ekstasen sind in die horizontalen Schemata erstreckt. Insgesamt gehört zur Zeitlichkeit des Daseins die Einheit ihrer Ekstasen, wobei dann zu jeder Ekstase je ein Horizont gehört. Die Zeit, sagt Heidegger, "ist" nicht, die Zeit "zeitigt" sich. Sie "zeitigt" sich in der Einheit ihrer Ekstasen. Und mit der ekstatischen Zeitlichkeit des Daseins ist zugleich die Einheit der horizontalen Schemata "gezeitigt". Diese Einheit der horizontalen Schemata heißt "horizontale Zeit". Die mit der ekstatischen Zeitlichkeit des Daseins gezeitigte horizontale Zeit ist der äußerste Horizont von "Sein überhaupt". Er heißt auch "transzendentaler Horizont". Auf den transzendentalen Horizont hin transzendiert ("überschreitet") das Dasein im vorhinein das Seiende, sofern es letzteres in seinem Sein immer schon versteht. Rückblickend auf SuZ verweist Heidegger 1941 auf den§ 32 und schreibt: "»Sinn« ist nach »Sein und Zeit« der Entwurfbereich für das Verstehen". "Die Frage nach dem »Sinn von Sein«, d. h. nach dem Entwurfbereich, dem Offenen, darin einem Verstehen »Sein« überhaupt (nicht erst ein Seiendes) sich enthüllt, ist die Frage nach der »Wahrheit des Seins«" . 9 6 M. Heidegger, Die Metaphysik des deutschen Idealismus (Schelling), GA 49,

S.60.

7 M. Heidegger, Die Grundprobleme der Phänomenologie, S. 428.

8 Ebd., S. 435 f. 9 M. Heidegger, Die Metaphysik des deutschen Idealismus (Schelling), S. 56.

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Das unmittelbar mit der Existenz vollzogene Seinsverstehen und der diesbezügliche "Entwurf' des Daseins ist in SuZ alles andere als subjektiv. Er beruht auf keinem aktiven Entwurf des vorstellenden Denkens. Wo Wahrsein als Seinsweise des seinsverstehenden, erschlossenen Daseins dem Entdecken des Seienden unmittelbar zugrunde liegt, ist dieses Wahrsein des Daseins als Entdeckend-sein ein "angewiesenes". Der "wahre" Logos läßt Seiendes als Unverborgenes sehen. 10 Aber Dasein verfügt hier nicht- als wäre es ein selbständiges "Subjekt" -über Entdeckung oder Verbergung des Seienden. Und das heißt jetzt überhaupt: Ein seinsverstehender Entwurf kann nur öffnend genannt werden, wenn dieses Öffnen als einbezogen in die sich öffnende Unverborgenheit verstanden wird. Wird mit Blick auf SuZ und auf die "Grundprobleme" ein Entwurf öffnend genannt, dann kann dies nur in dem Sinn von ,mitöffnend' (d. h. einbezogen in das Sich-öffnen) geschehen. Anders wäre auch nicht verständlich, wie die Erschlossenheit des Daseins in der Erschlossenheit des In-der-Welt-seins beruht und als solche nicht nur das eigene Sein des Daseins sondern auch das Sein des nichtdaseinsmäßigen Seienden ursprünglich erschließt. Obwohl der Seinsentwurf des Daseins auch in SuZ nicht subjektiv mißdeutet werden kann, gelangt Heidegger mit Beginn der 30er Jahre mehr und mehr zu der Einsicht, daß die Terminologie des "Transzendierens des Seienden" im Seinsverstehen eines noch nicht gebührend in den Vordergrund stellt: Dasein und Daseinsentwurf sind ganz von der "Wahrheit des Seins" her zu denken, sind Eigentum der letzteren. Sie treten trotz eines "gegenschwingenden" Bezuges nicht aus dieser Wahrheit heraus. Zum fehlenden 3. Abschnitt von SuZ, der im Rahmen der transzendental-horizontalen Sichtweise etwa der Thematik des zweiten Teiles der "Grundprobleme" entspricht, gab es, wie mehr oder weniger bekannt, noch eine schon fertiggestellte AusIO SuZ, S. 33 und S. 219 f.

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arbeitung Heideggers mit dem Titel "Zeit und Sein", die von ihm jedoch zurückgehalten und verworfen wurde, weil nach eigenem Bekenntnis zu der sich anbahnenden neuen Sicht ihm die erforderliche Sprache noch nicht zu Gebote stand. Bei dieser sich anbahnenden neuen Einsicht handelt es sich um den Übergang zum seinsgeschichtlichen Ausarbeitungsweg, der als Ereignis-Denken charakterisiert werden kann. Die "Offenheit oder Wahrheit des Seins" wird in ihr Eigenes zurückgenommen. Das neu Gedachte dieser Sicht kann nicht darin bestehen, daß von einem subjektiv entworfenen Seinsverständnis (von dem ja nie die Rede war) abgegangen wird und nun im Sinne üblicher Subjekt-Objekt-Vorstellungen vom objektiven Sein her gedacht und argumentiert wird. Worin also besteht der Schritt von "Sein und Zeit zum Ereignis"? Hier ist zu fragen, in welchem Sinn Wahrheit von Heidegger "ereignende Wahrheit" und Entwurf "ereigneter Entwurf" genannt wird. Wird die "Offenheit oder Wahrheit des Seins" und das "Innestehen des Menschen in dieser " hervorgehoben, so sind damit aufschlußreiche Worte genannt, zu denen jedoch einige Hinweise angebracht sind. Ein erster Hinweis könnte darin bestehen, daß ja schon die Vorrangigkeit, mit der wir in unserer Darstellung von SuZ zur Erörterung des Verstehens das Augenmerk auf die "Offenheit des Seins" gelenkt haben, die soeben angeführten Formulierungen als naheliegend erscheinen lassen. Dies trifft auch zu und findet seinen Ausdruck in der ihrem Wesen nach in sich bewegten Zeitlichkeit. Wird nämlich Zeitlichkeit in ihrem ekstatischen Wesen als "sich zeitigend" verstanden, dann ist mit ihr zugleich auf ein Offenes der Zeit verwiesen, das in sich west. Als solches ist es der "Vorname" für die "Wahrheit des Seins". 11 Für Heidegger geht es nun darum, den bisher nie gedachten Bezug von Sein und Mensch ganz in die Wahrheit hineinzuneh11

M. Heidegger, Die Metaphysik des deutschen Idealismus (Schelling), S. 57.

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men. Das Sein ist kein vorgestelltes Gegenüber und insofern ist der Bezug auch kein Bezug im üblichen Sinn. Im höchsten Maße unzutreffend ist ein Vergleich mit der Subjekt-ObjektBeziehung.12 Der Hinweis "bisher nie gedachter Bezug" ist keineswegs abwegig oder übertrieben. Dort, wo Heidegger vom Seyn als Ereignis spricht, fährt er fort: Die Er-eignung bestimmt den Menschen zum Eigentum des Seyns. Und einige Seiten zuvor hieß es: "So befremdlich ist das Er-eignis, daß es durch den Bezug zum Anderen erst ergänzt zu werden scheint, wo es doch von Grund aus nicht anders west." 13 Wenn wir also jetzt sagen: Dasein und Daseinsentwwf sind Eigentum der Offenheit des Seins oder der Wahrheit, dann gilt es, die Besonderheit des Bezuges zu bedenken, gilt es, die Einsicht wachzuhalten, daß der Entwurf des Daseins und das, was ihn "zuwirft", trotz ihres Bezuges und Verhältnisses beide "Eigentum der Wahrheit" sind. In einer bisher nie gedachten Weise gehören sie zusammen. 14 Um zu verstehen, was mit diesem "Einander-gehören" gesagt ist, erweist sich das metaphysische Vorstellen als ungeeignet. Es wird jetzt deutlicher, weshalb Heidegger den 3. Abschnitt "Zeit und Sein" zurückgehalten hat. Solange das Denken an die Sprache der Metaphysik gebunden war, konnte Heidegger mit dem Versuch, die Zusammengehörigkeit von Denken und Wahrheit des Seins angemessen vor Augen zu führen, nicht voll durchkommen. Wie nun spricht Heidegger im seinsgeschichtlichen Ausarbeitungsweg genauer besehen von jener Zusammengehörigkeit? Was heißt "Ereignis" und "Ereignen"? Es heißt eben vor allem, daß die Wahrheit des Seins ereignende "Wahrheit des Seins" und der Entwurf des seinsverstehenden Daseins "ereigneter 12 M. Heidegger, Beiträge zur Philosophie (vom Ereignis), GA 65 (1989), S. 254. 13 Ebd. , S. 263 und S. 254. 14 Vgl. F.-W. v. Herrmann, Wege ins Ereignis, S. 55 ff. Durch dieses Werk (vgl. Abschn. IV) ist nunmehr überhaupt die schwierige Aufgabe erleichtert, sich in die "Blick- und Fragebahn" des Ereignis-Denkens Heideggers gründlich einzuarbeiten.

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Entwurf" zu nennen ist. Demgemäß ist das Wesensverhältnis des Menschen zur Wahrheit ein "ereignetes". Diesem Verhältnis liegt der ereignende Bezug der Wahrheit des Seins zum Wesen des Menschen schon zugrunde. Heidegger nennt diesen Bezug den ereignenden Zuwurf 15 Der Mensch "entspricht" dem Sein, insofern das Sein den Menschen "braucht". "Entsprechen" und "Anspruch" gehören - obwohl gegenschwingend - engstens zusammen. Auch in SuZ wurde wohlbegründet der Entwurf ein "geworfener Entwurf' genannt. Als geworfener wird er jetzt als ein "ereigneter" gesehen. Das Ereignen bestimmt den Menschen in seinem "Dasein" und bestimmt ihn so (als geworfen entwerfend) zum Eigentum der Wahrheit des Seins. Der Sache nach wird jetzt das Sein als "Anwesen" in jenen innigen Bezügen von der Wahrheit des Seins her gesehen. Es geht zwar um das Sein des Seienden, jetzt jedoch gedacht aus seiner Herkunft und nicht mehr, wie gleich noch etwas näher angezeigt wird, aus der Transzendenz und dessen Wesen. Wenn gefragt wird, weshalb dies für Heidegger so wichtig wurde, dann könnte u. a. darauf verwiesen werden, welche Kraft des Sagens für die Bestimmung des Verhältnisses vom Denken und Sein in den Worten "übereignet" und "einander gehören" beschlossen liegt. Heidegger hat diesbezüglich die folgenden wertvollen Hinweise gegeben. Das "Zusammen" in "Zusammengehören" ist vom "Gehören" her zu bestimmen. Es besagt nicht, daß im "Zusammen" eine Ordnung ausgedrückt werde, bei der zweierlei (Mensch und Sein) zusammengestellt und vermittelt wird. In seiner Schrift "Identität und Differenz" 16 sagt Heidegger, daß "wir uns noch nicht genügend dort aufhalten, wo wir eigentlich schon sind". 15 v. Herrmann erläutert diesen Punkt durchgehend im zitierten Werk "Wege ins Ereignis". Das diesbezüglich Erörterte wird u. a. noch einmal auf S. 383 f zusammengefaßt. 16 M. Heidegger, Identität und Differenz, Pfullingen 1957, S. 25.

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Dies besagt, daß Mensch und Sein einander ursprünglich übereignet sind, obwohl der Mensch noch nicht "eigentlich" in sein Eigenstes "eingekehrt" ist, um so das Einander-geeignet-sein schlicht erfahren zu können. Das Überschreiten des Seienden, das Transzendieren, erweist sich nun für Heidegger als noch unzureichendfür jene "Einkehr", da diese beim Transzendieren und ebenso der Begriff des Horizontes vom Seienden her gedacht würde (vgl. den Literaturhinweis in Anm. 5). Auf keinen Fall aber kann unterstellt werden, es handele sich bei dem, was mit den Worten "übereignet-sein" gesagt ist, um eine der üblichen, vorgestellten Beziehungen. Wäre dies der Fall, dann würde sich in der Rede vom "Übereignet-sein" nichts anderes ausdrücken als der oft vermutete Rückfall in eine Relation von Mensch und Sein, diesmal vom Sein her geknüpft. Der Ausdruck "Kehre" wäre das Zugeständnis, daß nunmehr in einer Kehrtwendung der Position das Denken mit dem Sein derart in Relation zu setzen sei, daß das Sein (im metaphysischen Sinn) das Denken bestimmt. Heidegger selbst jedoch sagt von der "Kehre" anderes. Die Zusammengehörigkeit von ereignendem Zuwurf und ereignetem Entwurf ist in sich gegenschwingend. Heidegger schreibt, der nun eingeschlagene Weg beinhalte ein Hineingelangen "in die Ortschaft der Dimension", von der her SuZ erfahren ist (Bemerkungen zur Kehre im Humanismusbriet)P Wird das, wovon in "Identität und Differenz" an der zitierten Stelle die Rede ist, wird also der Hinweis auf jenes "Eigene, worin Mensch und Sein einander ge-eignet sind" im Sinne Heideggers aufgegriffen, dann muß das in SuZ Gesagte nicht als "Irrtum" abgetan werden. Vielmehr bleibt mit SuZ eine erste entscheidende Wegstrecke Heideggers verbunden, und in dieser Weise aufgenommen kann SuZ durchaus vom neuem Orte her gesehen und verstanden werden. Und was bedeutet dies für die Frage nach der Zeit? 17 M. Heidegger, Über den Humanismus, Frankf. a. M. 1949, S. 17. 2 •

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Ziehen wir zunächst noch einmal den Rückblick auf SuZ aus dem Jahre 1941 zu Rate. Die Zeit, schreibt Heidegger hier, habe sich - sofern sie in ihrem Wesen ekstatisch begriffen ist - "als das Offene des Entwurfs von Sein" erwiesen. Insofern sei der Name ,,Zeit" der "Vorname für die Wahrheit des Seins" (s. Anm. 11 ). Im Ereignis-Denken wird die ,,zeit" ins Ereignis zurückgenommen.18 Wenn Heidegger jetzt vom "Zeit-Raum" und seinen Dimensionen spricht, dann versteht er unter "Dimensionen" Weisen der Zeit als "Weisen der Anwesenheit", in die das Dasein ekstatisch entrückt ist. In IV,2 wird kurz erläutert werden, was es heißt, wenn Heidegger jetzt sagen kann, daß die ,,Entrückung" in Künftigkeil entrückt und damit in ein Gewesendes aufbricht, derart daß Künftiges und Gewesendes die Versammlung in eine Gegenwart ausmachen. Die zugrundeliegenden Zeitdimensionen reichen sich einander und werden uns als solche gereicht. 19 Heidegger schreibt, das Einander-sich-reichen von Zukunft, Gewesenheil und Gegenwart beruhe letztlich im "Eigenen" des Zeit-Raumes. Er betont zugleich, daß die Auslegung von Raum und Zeit aus dem Zeit-Raum "nicht das bisherige Wissen von Raum und Zeit als »falsch« erweisen" will. Vielmehr wird es "erst in den freilich begrenzten Bezirk seiner Richtigkeit eingefügt und deutlich gemacht, daß Raum und Zeit so unerschöpflich sind im Wesen wie das Seyn selbst. " 20 Was besagt der Rückgang, durch den wir hingeführt werden zu einer "in sich bewegten Zeitlichkeit" und weiter zum "in sich wesenden Offenen des Seins", zur Wahrheit, der wir "innestehen"? Hier geht es um die Grundfrage, wer wir sind als diejenigen, denen das Denken vergönnt ist. Diese fragt nach dem, was 18 Vgl. hierzu und zum ,,zeit-Raum" F.-W. v. Herrmann, Wege ins Ereignis, S. 38 u. S. 96. 19 M. Heidegger, Zeit und Sein, in: Zur Sache des Denkens, Tübingen 1969, s. 14 ff. 20 M. Heidegger, Beiträge zur Philosophie (vom Ereignis), S. 378.

Einführung

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das Denken "erst an uns vergtbt", was uns dem Denken (als unserer Wesensbestimmung) "vereignet".21 C. F v. Weizsäcker gehört gewiß zu denjenigen Denkern, die den Ausgang von der Physik ftir ihr persönliches Frage.n hech einstufen. Wenn Weizsäcker dann darauf besteht, von diesem Ausgangspunkt aus "weiterdenken" zu dürfen, so tut er dies jedoch nicht ohne Rückbesinnung auf die Methode der Physik. Dies wird gerade bei der Frage nach der Zeit ein sehr wichtiger Gesichtspunkt für ihn. Es erweist sich ihm als unumgänglich, sich bei der Frage nach der Zeit darauf zu besinnen, was überhaupt ,,Erfahrungsgewinnung" in der Physik heißt. Weizsäcker schreibt: "Erfahrung gewonnen haben" heißt in der Physik (wie ja auch in der üblichen Rede): "aus der Vergangenheit für die Zukunft gelernt" haben. 22 Wird genau beachtet, was dies besagt, so zeigt sich, daß hier die Zeitmodi der Vergangenheit und Zukunft schon vorausgesetzt sind. Besinnt man sich dann näher darauf, wie die Physik (z. B. in Bezug zum 2. Hauptsatz der Thermodynamik) die Zeitrichtung erklärt, dann wird man Weizsäcker gern folgen, wenn er die Aussagen der Physik sehr ernst nimmt und sie einer genauen Prüfung unterzieht. Man wird aber nicht verwundert darüber sein, wenn diese gerrauere Prüfung zu dem Ergebnis kommt, daß die Physik für ihre Bestimmungen von Zeitrichtung u. ä. auf eine vorwissenschaftliche Zeit zurückgreifen muß, um in der physikalischen Bestimmung dann die "exakte" Erklärung rechtfertigen zu können, und um zugleich die Zusammengehörigkeit mit der vorwissenschaftliehen Zeit unter dem Gesichtspunkt der " semantischen Konsistenz" (Weizsäcker) konkret aufzuhellen.

Wenn die physikalisch festgelegte Zeit eine Zeit im vorgängigen Sinn schon voraussetzt, dann wird eine gut verstandene Physik in sich Ansatzpunkte bereithalten, die über die Physik M. Heidegger, Was heißt Denken?, Tübingen 1954, S. 86. C. F. v. Weizsäcker, Aufbau der Physik, München/Wien, 1985, S. 47 (zitiert nach dtv 10899). Im folgenden wird ,,Aufbau der Physik" durch AP abgekürzt. 21

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Einführung

hinaus (besser: hinter die Physik zurück) weisen. Die Physik als solche wird den damit angezeigten Weg nicht zuende gehen können, aber wie sooft ist ein erster Schritt für eine weiterführende Einsicht ausschlaggebend. Von der Physik ausgehend hat v. Weizsäcker diesen Schritt mit dem Nachweis der Bedeutung des erwähnten "Prinzips der semantischen Konsistenz" geleistet. Für Weizsäcker geht es zunächst darum, daß eine Zeitstruktur für die Physik und ihre physikalischen Aussagen schon verstanden sein muß. Eine vorwissenschaftliche Zeit einschließlich des Unterschiedes ihrer Zeitmodi liegt zugrunde, soll Physik und damit die physikalische Bestimmung einer Zeitrichtung (z. B. unter Bezugnahme auf den Entropiebegriff) möglich sein. Aus dem Gesagten läßt sich entnehmen, daß die physikalische Zeit zur "ursprünglichen Zeit" (Heidegger) einen Abstand aufweist, der als solcher hier bisher nicht angesprochen war. Es ist - um es kurz vorwegzunehmen - die Rückgründung der vorwissenschaftlichen Zeit in die Zeit des "besorgten Umganges mit Zuhandenem" (die Weltzeit) ein wichtiges Zwischenstück. Denn das ist der hier relevante Punkt: Im naturwissenschaftlichen Entwurf vollzieht sich ein Umschlag vom umsichtigen Besorgen zum theoretischen Besorgen und Entdecken. Und die besorgte Weltzeit ihrerseits? Sie gründet in der genannten ursprünglichen Zeit. Die im folgenden durchgeführten Überlegungen und Untersuchungen nehmen nicht zuletzt auf Fragen der Logik Bezug. Weizsäcker hat schon vor längerer Zeit auf eine enge Verknüpfung von Fragen der Logik mit der Zeitproblematik und mit wichtigen Fragen zur Quantentheorie hingewiesen. In seiner "Logik zeitlicher Aussagen" unterscheidet Weizsäcker die "futurischen Aussagen" von den Aussagen über "Faktisches". In der vorliegenden Abhandlung versuche ich eine Brücke zur Konstruktiven Logik zu schlagen. Dies sei hier im Vorwege in aller Kürze erläutert. In der klassischen Logik wurde eine Disjunktion "a oder b" bisweilen verstanden als eine Verknüpfung, die wahr ist, wenn mindestens eine der beiden Aussagen wahr

Einführung

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ist. Unausgesprochen unterstellt wurde dabei, daß die Aussage "an sich" wahr ist, daß man aber eventuell nicht weiß, welche es ist. Konstruktivisten verlangen für die Behauptung der Wahrheit einer Aussage einen Beweis. Für die Wahrheit der Aussage "a oder b" muß ein Beweis von a bzw. ein Beweis von b vorliegen. Als sinnlos wird die Rede bezeichnet, eines sei beweisbar, man wisse jedoch nicht welches. Die doppelte Negation von "a oder b" ist auch für den Konstruktivisten äquivalent mit: "non (non(a) et non(b))". Aus der Absurdität der Absurdität beider Aussagen kann aber nicht - in Analogie zum klassisch gleichen Ausdruck - auf "a oder b" geschlossen werden. Auch ist hier nicht von einem "Nichtwissen von etwas, das gleichwohl wahr ist" die Rede. Nimmt man nun im Sinne der "Logik zeitlicher Aussagen" Weizsäckers einmal an, es seien a und b zwei "formal mögliche" Aussagen einer binären Alternative, dann ist damit gesagt, daß bei jeder künftigen Entscheidung nur genau einer der beiden Fälle wahr sein kann. Wenn ich sage: "Ich weiß nicht, welche der beiden Aussagen bei einer Entscheidung wahr sein wird", dann ist dies keine Behauptung, die ein Nichtwissen über etwas, das jetzt wahr ist, ausdrückt, sondern vielmehr eine Behauptung, die ein Nichtwissen ausdrückt über das, was wahr sein wird. Angenommen es sei für zeitliche Aussagen jetzt nur widerlegt, daß sowohl a als auch b (faktisch) falsch ist, dann ist es analog zur konstruktiven Logik sinnlos, daß jetzt an sich eine der beide Aussagen wahr sei. Andererseits ist eine künftige Entscheidung keineswegs ausgeschlossen. Dabei aber ist unter den üblichen Bedingungen offen, welche der beiden Aussagen sich bei Entscheidung als wahr erweisen wird. Hier aber geht es, und das ist der wichtige Punkt, nicht um ein Nichtwissen in Bezug auf etwas, das "an sich" wahr ist, sondern um ein Wissen in Bezug auf etwas, das künftig wahr sein kann. Es läßt sich legitim eine Möglichkeit erklären, die der Weizsäckerschen Theorie der futurischen Aussagen zuzurechnen wäre. Es erweist sich die Einführung einer "totalen Negation" als fundamental, die derjenigen analog ist, die schon seit längerem

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Einführung

als "quantenlogische Negation" bezeichnet wurde. Die Analogie zwischen konstruktiver Mathematik und Physik besteht etwas näher beschrieben in folgendem Sinn. In der konstruktiven Mathematik gibt es den Fall, daß z. B. eine Aussage, nach der mittels eines vorgelegten Verfahrens eine rationale Zahl definiert ist, nicht bewiesen, aber auch nicht widerlegt ist, sondern vielmehr künftig noch bewiesen werden könnte. Erst die Widerlegung der Rationalitätsbehauptung berechtigt zur konstruktiven Negation. Solange aber kein Beweis und keine Widerlegung vorliegt, ist eine An-sich-Behauptung konstruktiv sinnlos. Die Feststellung "z. Zt. nicht bewiesen" enthält ein schwächeres "nicht" als der Absurditätsbeweis. Analog wird es in der Quantentheorie in mancher Hinsicht höchst problematisch, über einen nicht gemessenen Wert einer Größe eine An-sich-Behauptung des Vorliegens eines Wertes zu machen. Dann liegt jetzt weder dieser noch jener Wert vor. Aber die Behauptung, daß einer der beiden Werte jetzt nicht vorliegt (und auch nicht "an sich" vorliegt), ist schwächer, als wenn auf Grund der Messung eines anderen Wertes gesagt werden kann, dieser Wert liege (nachweislich auf Grund einer Messung) nicht vor. In der konstruktiven Mathematik war die starke Legitimation aus einem Beweis (eventuell Absurditätsbeweis) zu gewinnen. In der Physik entspricht dem Beweisverfahren hier das Meßveifahren. Wenn die schwache Negation nicht durch eine An-sich-Behauptung verstärkt werden darf (dies soll näher begründet werden), so schließt dies doch keineswegs künftige Beweise oder Widerlegungen aus. Die schwache Negation läßt sich mit Sinn erfüllen, wenn sie von vomherein futurisch verstanden und legitimiert wird. Mit Hilfe der soeben andeutungsweise beschriebenen Erklärung einer futurischen Möglichkeit lassen sich in der Quantentheorie Kommensurabilität und Komplementarität so einführen, daß diese Einführung einer unmittelbaren Übertragung des inhaltlich Geforderten in die formale Sprache der Theorie gleichkommt.

Einführung

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Wenn es gelingt, auf diese Weise deutlich zu machen, daß Logik, Mathematik und Physik in engstem Kontakt den Ansprüchen eines Entwurfes genügen, und wenn dabei zugleich der Rückgriff auf eine vorwissenschaftliche Zeit als wesentliches Moment eingeht, dann wird auch die Rückfrage hinter die vorwissenschaftliche Zeit sehr im Interesse der Wissenschaften liegen. Die Wissenschaft Physik baut ihren Forschungsbereich aus unter einem speziellen Entwurf, dem Entwurf der "Gegen-ständigkeif der Gegenstände" (Heidegger). Sie baut ihn damit aus in einem schon offenen Wahrheitsbereich.

Kapitell

Die Zeit als der "Sinn von Sein" bei Martin Heidegger I. Vorbetrachtung

In seinem ersten Hauptwerk und Grundwerk "Sein und Zeit" (1927) 1 hat Martin Heidegger die Frage nach dem "Sinn von Sein" gestellt. In der Einführung wurde kurz erläutert, daß nach Heideggers eigenen Worten der "Sinn" der ,,Entwurtbereich für das Verstehen" ist. Die Frage nach dem Sinn von Sein gilt also der Zeit als dem "Offenen", "aus dem her dergleichen wie Sein überhaupt verständlich ist".2 Es konnte der Einführung ebenfalls schon entnommen werden, daß die Frage "eigentlicher" nach jener Offenheit (Wahrheit) des Seins fragt, der die Zeit insofern "zugehört", als sie im Ereignen "gereicht" ist. Die Frage nach der "Wahrheit des Seins" und dem "Hinausstehen" des Menschen in die Wahrheit des Seins ist mehr und mehr zum zentralen Leitmotiv des Heideggerschen Denkens geworden. Im folgenden soll es darum gehen, Heideggers Thesen aus "Sein und Zeit" (kurz als SuZ bezeichnet) im einzelnen näher zu bringen und dabei zugleich das Verhältnis des von Heidegger Gesagten zu naturwissenschaftlichen Bestimmungen deutlich werden zu lassen. 1 Mit Recht spricht v. Hemnann in Bezug auf SuZ vom "ersten Hauptwerk" und "Grundwerk" Heideggers (Wege ins Ereignis, S. 6). 2 M. Heidegger, Die Metaphysik des deutschen Idealismus (Schelling), S. 56.

I. Vorbetrachtung

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Der Hauptgesichtspunkt liegt im wesentlichen Bezug des Menschen zur Zeit als Offenem für das Seinsverstehen. Der Zeitbezug des Menschen scheint auf der Hand zu liegen. Jedoch ist hier primär nicht seine Innerzeitigkeif gemeint. Vielmehr geht es um die Zeitlichkeit des Dasein, geht es darum, daß die Zeit das Dasein bestimmt. Hier beherrschen die Mißdeutungen des von Heidegger Aufgezeigten in großem Umfang das Feld. Heidegger hat seinem Unmut darüber in folgendem Satz Ausdruck verliehen: "Die Zeit", schreibt er, "ist in Bezug auf das Da-sein nicht eine nur um dieses herumgelegte Dimension, die als neutraler Rahmen bereitliegt, damit darin ein Leben, von Bewußtsein begleitet, abschnurre wie eine aufgezogene Feder".3 Heidegger kritisierte damit eine Auffassung, die offensichtlich keine Kritik an Fehlschlüssen und daraus resultierenden falschen Ergebnissen ist. Seine Kritik ist vielmehr eine Kritik arn Verfehlen des rechten Zugangs zur Frage nach der Zeitlichkeit des Daseins und damit Kritik an einer Nichtbeachtung des sachbezogenen Aufweises. Wenn wir uns jetzt näher auf Heideggers Frage nach der Zeit einlassen, geht es dabei um keine Gedanken, die im luftleeren Raum ersonnen sind. Vielmehr wird u. a. ersichtlich, mit welcher Gründlichkeit sich Heidegger den großen Denkern der abendländischen Philosophie zugewandt hat, einer Gründlichkeit, die gerneinhin nicht vermutet wird. Platon, schreibt Heidegger, habe etwas entdeckt, "zu dessen Entdeckung es Jahrhunderte der Entwicklung der antiken Philosophie bedurfte" .4 Platon fragt im Dialog "Sophistes" nach dem Wesen des Sophisten, und es ist unübersehbar, daß er in diesem Dialog ausdrücklich einer Grundlehre des Parmenides entgegentritt. Hierzu wird dann üblicherweise festgestellt, daß Platon Nichtseiendes als Verschiedenseiendes verstanden wissen will und damit zu einer eigenen Erklärung der falschen Rede käme. 3

Ebd. S. 50.

4 M. Heidegger, Grundprobleme der Philosophie, S. 295.

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Kap. 1: Die Zeit als der "Sinn von Sein" bei Martin Heidegger

Diese Feststellung ist jedoch noch nicht am Ort des Problems, auf das es hier letztlich ankommt. Die Frage lautet nämlich: Was besagt es, daß jeder Logos ein Logos über etwas ist, daß er Seiendes selbst intendiert, so daß sich im falschen Logos etwas zeigt, das sich als solches ausgibt, das es nicht ist. Bevor hierin vorschnell ein Zuordnungsproblem im Sinne der Theorie der Wahrheit als "Adaequatio" gesehen wird, ist zu fragen: Was heißt es überhaupt, daß Seiendes selbst sich zu zeigen vermag. Die Schwierigkeit, die Platon erörtert, ist dann eine tiefgreifende Schwierigkeit, deren Lösung dennoch nach einer im gewissen Sinne einfachen Antwort verlangt. Die Frage lautet: Was besagt es, daß der Logos ein "Offenbarmachen" ist, und daß ein falscher Logos somit ein "verdeckendes Sehenlassen ", ein "versperrendes Öffnen" ist. 5 Hier ist ein großes Thema von SuZ angesprochen: Etwas vermag sich zu zeigen als etwas, was es ist, und es vermag sich zu zeigen, als etwas, was es nicht ist. Auch wer Falsches spricht, ist auf Seiendes bezogen, das sich in seinem Sein selbst zeigt. Der hier angesprochene Punkt wird in der nachfolgenden Untersuchung aus gleich ersichtlichen Gründen eine nicht unwichtige Rolle spielen. Aristoteles hat für Heidegger gewiß keine geringere Bedeutung als Platon gehabt. Viele Denker - Plotin, Augustin, Kant und Hegel - werden von Heidegger genannt als diejenigen, von denen er sagt, er habe von ihnen gelernt, und er lerne immer dazu - "aber alles in Bezug auf die eine Frage: »Sein und Zeit«".6 In speziellerem Zusammenhang werden hier Kierkegaards wichtige Einsichten genannt, und dann folgt der für manchen wohl erstaunlichste Satz: Viel habe er, Heidegger, von jenem gelernt, aber längst nicht soviel wie von der maßgebenden Abhandlung des Aristoteles über die Zeit in der Physik~ 10-14.1 Es ist aufschlußreich zu sehen, in welcher Weise Hei5 6 7

M. Heidegger, Platon: Sophistes, GA 19, S. 407. M. Heidegger, Die Metaphysik des Deutschen Idealismus (Schelling), S. 48. Ebd.

I. Vorbetrachtung

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degger von Aristoteles dort gelernt hat, wo letzterer in .L\, 219 b f der Physik die Zeit als Meßzahl der Bewegung bestimmt. "Lernen" muß hier verstanden werden als denkende Auseinandersetzung mit dem Text. Heidegger schreibt8, Aristoteles habe jene Definition echt geschöpft. Wer allerdings versucht, den Aristotelischen Zeitbegriff mit der Vorstellung einer Zeitkoordinate und eines an dieser entlanggleitenden menschlichen Lebens zu verbinden, wer insbesondere dabei dem Jetzt einen Punkt oder ein verschwommenes Intervall zuordnet, wird diesem Urteil kaum zustimmen. Heidegger jedoch hat "lernend" gesehen, daß Aristoteles die Zeit mittels der Zeit erklärt, dies jedoch nicht im Sinne einer platten Tautologie. Es liegt in der Aristotelischen Erklärung der Zeit ein von Aristoteles selbst nicht voll erkannter und damit auch nicht weiter verfolgter Hinweis, daß der natürliche Zeitbegriff nur unter Bezugnahme auf eine ursprünglichere Zeit verstanden werden kann. In Abschnitt III dieses Kapitels werden wir darauf zurückkommen. In vorläufiger Form sei an dieser Stelle mit kurzen Worten das Wichtigste schon angeführt.9 Nach Aristoteles macht das ,)etzt" den eigentlichen Zusammenhalt der Zeit aus. Das Jetzt verweist auf ein "jetzt nicht mehr" und ein "jetzt noch nicht". Es hat als solches Übergangscharakter und kann daher auch keinem isolierten Punkt zugeordnet werden. Die Zeit ist Meßzahl der Bewegung, sofern letztere im Hinblick auf das "vor" und "nach" steht. Wird die Zeit derart als Meßzahl der Bewegung bestimmt, so ist sie, wie Heidegger stark betont, weder an den Sachgehalt des Bewegten und seine Seinsart, noch an die Bewegung als solche gebunden. Dennoch begegnet die Zeit gerade dann als Gezähltes, wenn wir eine Bewegung zählend verfolgen. Als Gezähltes kann die Zeit ihrerseits zählen, nämlich messen, indem sie ein bestimmtes 8 SuZ, S. 421. Im folgenden wird ein Gedankengang in geschlossener Form aufgegriffen, den Heidegger auf den Seiten 352-361 der "Grundprobleme der Philosophie" näher ausgeführt hat. 9

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Kap. 1: Die Zeit als der "Sinn von Sein" bei Martin Heidegger

Soviel zusammennimmt. In diesem Sinne ist die Zeit als Zahl ein Gezähltes-Zählendes. Aber dies zu sagen, genügt nicht. Die Zeit ist das Gezählte an der Bewegung, sofern letztere im Hinblick auf das" vor" und "nach" steht, also im Horizont von Zeit steht. Einen fehlerhaften Zirkel wird keiner dem Aristoteles hier zumuten wollen. Dennoch ist an dieser Stelle der entscheidende Punkt erreicht, an dem über Aristoteles hinaus gegangen werden muß. Der Horizont der Zeit, der schon in Anspruch genommen ist, weist auf eine ursprünglichere Zeit zurück. Daß Aristoteles die Erklärung der Zeit "echt geschöpft" hat, heißt gerade, daß er sich in ihr von der Sache her sicher ist, obwohl der Verdacht des fehlerhaften Zirkels so nahe liegt. "Echt geschöpft" heißt dann auch, daß das Charakteristische der Zeit angemessen herauskommt. Das Jetzt als Übergang wird von der Zahl umgriffen, indem das Äußerste seiner Erstreckung nach beiden Seiten hin festgelegt ist. Durch die Zeit wird eine bestimmte Bewegung ausgegrenzt. Jede Bewegung - im weiten Sinne des Überganges - hat Dehnung, dies gehört zu ihr. So kann das Gezählte der Bewegung im Horizont einer schon ursprünglicher erfahrenen Zeit seinerseits zählen, kann Seiendes messen. Ja, Seiendes ist derart überhaupt "in" der Zeit und wird durch Zeit "gemessen". Hier findet Heideggers Begriff der "Innerzeitigkeit" seine legitime Verwendung. ,,Zugleich" - schreibt Heidegger- "ergibt sich aus dem Zahlcharakter der Zeit das Eigentümliche, daß sie das Seiende, das in ihr ist, umgreift oder umhält, daß sie mit Bezug auf die Objekte in gewisser Weise objektiver ist als diese selbst" . 10 D. h., die Aristotelische Interpretation der natürlichen Zeiterfahrung sagt uns etwas über den Seinscharakter der Zeit. Zwar gibt es ohne die Seele keine Zeit (als Gezähltes-Zählendes). Doch wird von Heidegger mit Recht angemerkt, daß alle Subjekt-Objekt-Dialektik über das Sein der Zeit nichtssagend ist, solange nicht erhellt ist, "wie das Sein des Daseins selbst 10 Ebd., S. 361.

I. Vorbetrachtung

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ist". Denn das gerade wurde deutlich: Die Frage nach der Zeit weist auf eine Frage zurück, deren Beantwortung wir nur über die Frage nach der Zeitlichkeit des Daseins näher kommen können. Dies jedoch heißt gerade nicht, daß ins Subjektive zurückgefragt wird. Die Erörterung der Aristotelischen Zeitinterpretation läßt erkennen, wie eng beieinander die Fragen liegen, die auch die Hauptbereiche der nachfolgenden Untersuchungen ausmachen werden. Zusammen mit dem Umgriffenwerden des "innerzeitigen Seienden" von der Zeit als Zahl verweist der Übergangscharakter des Jetzt auf zweierlei: 1. Das Kontinuum der Zeit hat einen besonderen Charakter, der speziell auch einen eigenen mathematischen Zugriff nahelegt (Brouwer, v. Weizsäcker) . 2. ergibt sich, daß die Rückgründung der natürlichen Zeit nicht ins Subjektive führt. Bei Beachtung des von Heidegger klar Herausgearbeiteten legt der Aristotelische Ansatz nahe, sich auf die besonders gelagerte Frage nach dem "Horizont" des Früher und Später einzulassen. Und hier dürfte die Einsicht nicht allzu fern sein, daß die Rückgründung der gemessenen Zeit auf Heideggers "eine" Grundfrage hinleitet, auf die Frage nach der ursprünglichen Offenheit des Seins. I. Kant ist der dritte Zeuge, den ich im Sinne der These des wesentlichen Bezuges zu bedeutenden Denkern der Vergangenheit nennen möchte. Kants Terminus der "Bedingung der Möglichkeit der Erfahrung" ist aus der philosophischen Diskussion nicht mehr fort zu denken. Es fragt sich jedoch, wann mit diesem Kantischen Terminus angemessen umgegangen wird. Sagt man, die Kantischen "Bedingungen" seien von ihm als subjektive (oder intersubjekive) Bedingungen konzipiert, die in die Erkenntnis der Gegenstände als Erscheinungen einflössen, dann entsteht sofort die Frage, ob damit die Erkenntnis nicht gegen Kants ausdrückliche Erklärung abgewertet wird.

Kant ging es zweifellos um die Möglichkeit der wissenschaftlichen Erkenntnis, und zwar um eine Problemstellung, die Erkenntnisbemühungen der Wissenschaftler nicht mit falscher

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Kap. 1: Die Zeit als der "Sinn von Sein" bei Martin Heidegger

Münze entlohnen will. Hier ist es hilfreich, sich skeptisch vor Augen zu halten, ob die philosophische Rückfrage in das Ermöglichende sich immer wieder nur mit der Frage des Wechselspieles von Subjekt und Objekt abmühen sollte. Heidegger sagt in der schon zitierten Vorlesung: Die Wahrheit ist nichts, "was erst durch ein Zusammentreffen eines vorstellenden Subjektes mit einem Objekt als Beziehung entsteht und im Bestand dieser Beziehung der Adaequatio aufgeht". 11 Das Zusammentreffen von Subjekt und Objekt setzt vielmehr ein "wesendes Offenes", dessen "Offenheit einen eigenen, von aller bisherigen Philosophie noch nie erfragten Wesensursprung hat", schon voraus.12 Was Heidegger hier vom Offenen sagt, betrifft wiederum das zentrale Thema seines Denkens, das nachzuvollziehen dem "längst verwirrten Blick" so schwerfalle. 13 Wird von Heidegger, als er "Sein und Zeit" schrieb, nach dem Offenen gefragt, aus dem heraus Sein überhaupt verständlich ist, so wird nach der Zeit als dem Sinn von Sein gefragt (Sinn = Entwurfbereich für das Verstehen). Und wird hierbei die Zeit ekstatisch begriffen, dann kommt der Charakter des "Hinausstehens" (letztlich des ekstatischen Aufenthaltes des Menschen in einem Offenen) explizit zum Ausdruck . Wenn Heideggers Frage nach der Zeit als dem Offenen des Entwurfs von Sein und weiter nach der Wahrheit des Seins, in der dem Menschen ein Aufenthalt gewährt ist, die von ihm genannten Schwierigkeiten bereitet, und wenn diese Schwierigkeiten zu einem wesentlichen Teil dafür verantwortlich sind, daß Heideggers Bemühung insgesamt die ihr gebührende inhaltliche Beachtung noch immer nicht gefunden hat, dann ist es geboten, sich im verstärkten Maß dem Thema der ekstatischen Zeitlichkeit des Daseins als eines ersten Schrittes zuzuwenden. Und hier ist besonders darauf zu achten, wie die zeitliche 11 12

M. Heidegger, Die Metaphysik des deutschen Idealismus (Schelling), S. 56. Ebd.

13 Ebd., S. 43.

Il. Heideggers Besinnung auf das traditionelle Verständnis von Zeit

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"Gespanntheit" auf das zeitliche "Entrückt-sein" des Daseins zurückgeführt wird. Das zeitliche Entrücktsein betrifft uns ursprünglich und ganz, kann nicht abgestritten werden, ohne Dasein selbst zu leugnen.

II. Heideggers Besinnung auf das traditionell überkommene Verständnis von Zeit 1. Heideggers "Rückfrage" Unter "Rückfrage" verstehen wir den schrittweisen Rückgang in das Gründende. Den Ausgangspunkt nehmen wir beim Phänomen der Jetzt-Zeit. Die Zeit als Jetzt-Folge gründet nach Heidegger in der besorgten Zeit (auch Weltzeit), und die besorgte Zeit gründet ihrerseits in der ursprünglichen oder "eigentlichen" Zeit. 14 Worin liegt die Bedeutung eines solchen Rückganges? Bevor wir ihn im einzelnen nachzeichnen, dürften einige grundlegende Orientierungen angebracht sein. Dabei ist es unvermeidlich, Vorgriffe mit einzubeziehen, deren volle Bedeutung sich erst im Nachfolgenden erschließen wird. Der Entwurf des Seins nimmt nach Heidegger die "Zeit" als Entwurfbereich für das Sein in Anspruch. Dies heißt nichts anderes, als daß ein Verstehen von Sein überhaupt nur möglich ist im "Offenen der Zeit", in dem Sein sich enthüllt. Entrückt in das ekstatisch Offene der Zeit ist der Mensch sich in seinen Möglichkeiten vorweg und er kommt in diesen Möglichkeiten auf sich zu. Die sich in der Zeitlichkeit zeitigende Zeit bestimmt dergestalt das Da-sein des Menschen. Gerade auch Gegenwärtiges könnte nicht "sein", wenn Dasein nicht zuvor verstehend (entwerfend) auf sein "Gewesen" 14 Vgl. den sehr hilfreichen Überblick in: F.-W. v. Hemnann, Augustinus und die phänomenologische Frage nach der Zeit, Frankf. a. Main 1992, § 24. 3 Richter

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Kap. 1: Die Zeit als der "Sinn von Sein" bei Martin Heidegger

zurückkäme, und wenn nicht Zukunft und Gewesenheit sich in eine Gegenwart "versammelten". Der Versuch einer Besinnung auf die Offenheit, die Daseinserschlossenheit, macht deutlich, daß diese Besinnung nicht unvermittelt, wohl aber über die Daseinsanalytik (SuZ) möglich ist. Wir wenden uns am Leitfaden von SuZ und der "Grundprobleme der Phänomenologie" der Zeitlichkeit des Daseins zu und beginnen hier mit dem, was "zunächst und zumeist" unser eigenes Dasein bestimmt, d. h. mit der Zeit der Alltäglichkeit (als "besorgter Zeit" und als "Jetzt-Zeit"). Wird die Rückfrage mit der Jetzt-Zeit begonnen, so besteht sie keineswegs darin, daß dieses Phänomen im Fortgang zugunsten tiefer gelegener Phänomene verlassen wird. Gäbe es nicht die hartnäckigen Verdeckungen, die zu den heute herrschenden Vorstellungen von der Jetzt-Zeit geführt haben, dann müßte die Rückfrage die Jetzt-Zeit überhaupt nicht verlassen. Sie muß sie eben nur hinreichend verstehen. Sicherlich zeigt Heidegger auch, daß jene Verdeckungen nicht von ungefähr kommen. Gleichwohl hat er selbst seinen Ausgang von Aristoteles und dessen natürlichem Zeitbegriff genommen. Er vermittelt uns sogar im zweiten Teil der "Grundprobleme" einen klaren Eindruck, wie die Rückfrage in seinem Sinne anzusetzen ist, wenn wir von Aristoteles ausgehen. Im vorangehenden Abschnitt wurde Aristoteles' Zeitbegriff schon kurz angesprochen. Es wurde ein besonderer Wert auf die Einsicht gelegt, daß Aristoteles mit dem Jetzt unverkennbar einen Übergangscharakter verband und hieraus die Konsequenzen zog. Doch verbleibt auch Aristoteles bei der Charakterisierung der Zeit als einer Folge von Jetzen. Was es mit diesen Jetzen auf sich hat, ist zwar von Aristoteles mit ungewöhnlichem Scharfsinn verfolgt worden. Dennoch bleibt das "Jetzt" nach Heidegger im Grunde unverstanden. Nichts anderes unternimmt er zunächst, als angemessener sehen zu wollen (und eben auch noch angemessener als dies schon Aristoteles gelang), was eigentlich bei einer Zeitablesung geschieht. Wir dürfen hier

II. Heideggers Besinnung auf das traditionelle Verständnis von Zeit

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durchaus an die Zeitablesung bei einer Uhr denken, obwohl es dabei nicht auf die Kompliziertheit unserer modernen Taschenuhren ankommt. Schrittweise führt Heidegger sich und. uns dahin, zunächst zu verstehen, daß beim Blick auf die Uhr weder die Uhr noch auch die Zeit das Thema der Betrachtung ist, daß also etwas ganz anderes gemeint ist,- und weiter, daß die Frage in das Ermöglichende in besonderer Weise das Dasein in den Blick rückt. Daß es in der Tat um nichts anderes als um das konsequente Weiterfragen geht, wollen wir jetzt kurz aufzeigen, damit im weiteren diese Grundorientierung bereit steht. Heidegger fragt ganz konkret: Was sagt uns die Uhr, wenn wir nach der Uhrzeit schauen? Ich stelle etwa fest, daß es 11 Uhr ist. Aber es geht mir gar nicht um die Zeit als solche. Vielmehr erfahre ich, daß es 11 Uhr und damit, daß es "Zeit zu" ist. Und Heidegger fragt noch genauer 15 , "woher wir eigentlich das nehmen, was wir mit dem Jetzt meinen, ohne daß wir es zum Gegenstand machen". Es ist angemessen, mit dem "dann" zu beginnen. "Dann" heißt: ich bin einer bestimmten Sache gewärtig, die von sich aus kommen wird, oder ich bin dessen gewärtig, was ich mir zu tun vorgenommen habe. Im "damals" liegt das Sichaussprechen eines Behaltens eines Vor- und Ehemaligen. Sage ich "jetzt", dann verhalte ich mich zu Anwesendem, das in meiner Gegenwart ist. Im "jetzt" spricht sich also ein Dahaben eines Anwesenden aus. Dieses Verhalten zu Anwesendem nennt Heidegger das "Gegenwärtigen". Mit dem "jetzt", "dann" und "damals" spricht sich ein Gegenwärtigen, Gewärtigen und Behalten aus. Diesen Verhaltungen, die in dieser Weise zum "jetzt", "dann" und "damals" gehören, liegt eine Struktur der ausgesprochenen Zeit zugrunde. Auf die hier gemeinten Strukturmomente werden wir aufmerksam, wenn wir uns näher darauf besinnen, inwiefern eine "Zeit-zu" geeignet oder ungeeignet ist und inwiefern "jetzt", "damals" , "dann" immer schon 15

3 •

M. Heidegger, Grundprobleme der Phänomenologie, S. 366 ff.

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Kap. l: Die Zeit als der "Sinn von Sein" bei Martin Heidegger

unausgesprochen meint: "Jetzt, da das und das", "damals, als ...", "dann, wann". Die Ausführung dieses Punktes sei auf einen späteren Abschnitt verschoben. Im Moment achten wir, wie gesagt, auf die generelle Vorgehensweise Heideggers, auf seine unmittelbar sachbezogene Rückfrage. Sobald eine Verhaltung wie das Gewärtigen voll im Blick ist, ist als nächstes aufzuzeigen, wie in der Gewärtigung unser eigenes Dasein immer "mit gewärtigt". Einer Möglichkeit gewärtig kommt Dasein auf sich zu, indem es sein Seinkönnen gewärtigt. Dasein ist zu seinem Seinkönnen "entrückt". So zeitigt sich hier die ursprüngliche Zeit. Als zukünftig ist Dasein "entrückt", und ebenso "in sich ekstatisch" erweist sich die Zeitlichkeit des Daseins bei Gewesenheit und Gegenwart. Besonders wichtig ist: "Zur Ekstase gehört eine eigentümliche Offenheit, die mit dem Außer-sich gegeben ist". 16 Das Wohinein dieser Offenheit nennt Heidegger den zur Ekstase gehörenden Horizont. Es wird sich uns alsbald die Frage stellen, weshalb Heidegger eine geplante weitere Ausarbeitung zur ekstatischen Zeitlichkeit zurückgehalten hat. Hier sei folgendes vorweggenommen: Heidegger selbst hat in starker Orientierung an Aristoteles eine wiederholende Besinnung des griechischen Anfangs unternommen. Dabei ergab sich ihm: Das "Ungeheure" des ersten Anfanges ist für sich mit einem Sich-verdecken verbunden. So läßt sich "für das anfängliche Denken einzig das Un-geheure des Aufganges, der ständigen Anwesung in der Offenheit (aA:ft'tEta.) des Seienden selbst, die Wesung ausmachen". 17 Bei der wiederholenden Besinnung leuchtet dann "zunächst" die Zeit als" Wahrheit des Seyns" auf Daß aber "zunächst die Zeit als Wahrheit des Seyns aufleuchtet, sagt nicht, daß die ursprüngliche volle Wahrheit des Seyns nur auf die Zeit gegründet werden könnte". 18 So wird verständ16

Ebd., S. 378.

17

M. Heidegger, Beiträge zur Philosophie, S. 189.

18 Ebd.

Il. Heideggers Besinnung auf das traditionelle Verständnis von Zeit

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lieh, inwiefern die große Einsicht von SuZ allerdings ein erster entscheidender Schritt ist, dieser Schritt jedoch später von Heidegger noch einmal weiter zurückverlegt werden wird. Wer das in der Einleitung Gesagte präsent hat, wird wissen, welche Rolle der genannte Schritt in den vorliegenden Überlegungen spielen wird. Es geht darum, zu sehen, wie und woher Heidegger in der "Wahrheit des Seins", im "eigentlichen Wesen des Seins" eine "Offenheit" für das Verstehen sieht. In der Literatur wird dies zum großen Teil entweder unterbetont oder aber hineinverlegt in ein angebliches "Geraune" Heideggers um die Unverborgenheit. So mag es denn erlaubt sein, diesen zentralen Punkt an dieser Stelle noch einmal zu unterstreichen und anzukündigen, daß er am Schluß des Durchganges durch die Rückgründung der Jetzt-Zeit wiederum als dasjenige aufgenommen werden wird, zu dem der Rückgang wesentlich hinführte. "Entrückung" und ,,Eröffnung" gehören unmittelbar zusammen. Dasein selbst ist ekstatische Zeitigung der Zeit, 19 und die horizontal gezeitigte Zeit (als Einheit der Horizonte) ist in ihrem ekstatischen Charakter das Offene des Entwurfs von Sein,- ist ursprüngliche Ermöglichung des Seinsverständnisses. Dasein verhält sich aus seinem Seinsverständnis heraus zum Seiendem, das es selbst ist, und zu Seiendem, das es nicht selbst ist. Seine Zeitlichkeit ist als solche streng zu unterscheiden von dem durch sie erst ermöglichten "In-der-Zeit-sein" des Seienden. Wenn Heidegger also vom Menschen "in" der "Offenheit des Seins" spricht, dann handelt es sich ersichtlich um eine Einsicht von SuZ, von der wir vorgreifend gesagt haben, daß sie später vertieft werden wird. Wie aus dem Gesagten weiter hervorgeht, heißt dies nicht, daß Heidegger erst später das "Hinausstehen" und "Innestehen" vom Verdacht des Subjektiven befreit hat. Wer dies behauptet, verkennt das in SuZ Geleistete, verkennt insbesondere das, was mit der Erschlossenheit von "Welt" (und dem ln-der-Welt-sein) bereits im Blick ist. Schon SuZ ist zu entneh19

M. Heidegger, Die Metaphysik des deutschen Idealismus (Schelling), S. 53.

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Kap. 1: Die Zeit als der "Sinn von Sein" bei Martin Heidegger

men, daß Dasein nicht eigenmächtig entwerfend ist, und gerade dies wird, wie wir sehen werden, später "ursprünglicher" erfahren. Ein Weg der Rückgründung - ausgehend vom Aristotelischen Zeitbegriff und damit auch schon von der Zeit als bloßer Folge von Jetzen- war und bleibt gangbar. Wird er mit Heidegger gegangen, dann kann die "Analytik des Daseins" eine geeignete Hinführung sein zur ursprünglich verstandenen "Wahrheit des Seins". Der Ausgangspunkt, die Zeit als Jetzt-Zeit, gibt Anlaß zu einer weiteren Anmerkung, da dieser Ausgang bei Heidegger mit einer Wortprägung verbunden ist, die besonders Physiker nicht ganz zu Unrecht abschrecken könnte, Heidegger auf seinem Weg zu folgen. Im Verständnis der Zeit als Jetzt-Zeit sind, wie erwähnt, wesentliche Strukturen der ursprünglichen Zeit "verdeckt". Angesichts dieser Verdeckungen spricht Heidegger von der "vulgären Zeit". Er verwendet diesen Terminus jedoch ohne der Jetzt-Zeit an ihrem legitimen Ort ihre Bedeutung nehmen zu wollen. In den Ohren eines Physikers, der sich mehr oder weniger auf die Jetzt-Zeit bezieht, könnte die Formulierung "vulgäre Zeit" dennoch als Verunglimpfung seiner Wissenschaft empfunden werden. Alle Versicherung, daß dies der Auffassung Heideggers nicht gerecht wird, könnte - so ist zu befürchten - eine gewisse Voreingenommenheit, die aus dieser Wortprägung entspringt, nicht verhindern. Daher werde ich diesen Ausdruck erst an der Stelle benutzen, an der ich zugleich näher Gelegenheit habe, deutlich zu machen, daß die Jetzt-Zeit, obwohl die Verdeckungen bestehen und als solche aufzuweisen sind (dies ist sogar einer der wichtigsten Gesichtspunkte!), den Rückgang in das Gründende nicht nur nicht verbaut, sondern gerade selbst ein geeigneter Ansatzpunkt für die Rückfrage ist. Es dürfte im übrigen bereits klar geworden sein, welche entscheidende Rolle der natürliche Zeitbegriff des Aristoteles für Heidegger selbst gespielt hat. Der von ihm aufgezeigte - vom Durchdenken des Aristotelischen Zeitbegriffes wesentlich mit

II. Heideggers Besinnung auf das traditionelle Verständnis von Zeit

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angeregte - Weg der Befreiung für das Gründende liegt nicht zuletzt auch im Interesse der Wissenschaft. Wird in einem ersten Schritt der Rückfrage (ausgehend von der "vulgären Zeit") die "besorgte Zeit" in den Blick gebracht, dann sind die in der vulgären Zeit verdeckten Momente der "Bedeutsamkeit" und "Datierbarkeit" freizulegen. Im besorgenden Umgang mit Zuhandenern spielen diese eine ausschlaggebende Rolle. Da nun das "Besorgen von Zuhandenem" in weitem Ausmaß von Heidegger zwar nicht mehr als vulgäres, wohl aber als "alltägliches" gekennzeichnet wird, sei ausdrücklich hervorgehoben, daß "Alltäglichkeit" und "Uneigentlichkeit" erst recht keine abwertenden Termini sind. Die alltägliche Zeit und das alltägliche Besorgen betreffen "ein bestimmtes Wie der Existenz, das »zeitlebens« das Dasein durchherrscht". 20 Die "uneigentliche Zeit" ist in diesem Sinne als Modus der eigentlich ekstatischen Zeit das am meisten Vorherrschende und uns Durchherrschende. Das Gesagte läßt die systematischen Zusammenhänge erkennen: Die Zeit, mit der die Physiker es in ihrer Wissenschaft zu tun haben, ist weitgehend die Jetzt-Zeit, dargestellt als Parameter t und gelegentlich als Operator mit Eigenwerten. Hierin darf keine Festschreibung der wissenschaftlichen und wissenschaftstheoretischen Bemühungen um die physikalische Zeit gesehen werden. Wohl aber geht es um einen Hinweis auf die besonders gelagerte Rückfrage in das Gründende. Der Weg in das Gründende führt über die angesprochene besorgte Zeit zur urprünglichen, ekstatisch-horizontalen Zeit. In den nachfolgenden Erörterungen steht dieser Weg stets hinter dem Ausgeführten, obwohl ich mich äußerlich nicht immer streng an ihn werde halten können. Der Einstieg bei der vulgären Zeit ist nicht nur wegen der abschätzig klingenden Bezeichnung "vulgäre Zeit" mißverständlich, er ist im vorliegenden Zusammenhang auch deshalb zu eng, weil er den vollen Entwurf der mathematischen 20 SuZ, S. 370.

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Kap. 1: Die Zeit als der "Sinn von Sein" bei Martin Heidegger

Naturwissenschaft verkürzt oder aber dazu nötigt, diesen nachträglich einzubringen. Dieser Entwurf ist zwar selbst ein sekundärer, aber seine Einführung kann so geschehen, daß sogleich mit Modifikation des Zugrundeliegenden begonnen wird. 2. Der "Entwurf" der mathematischen Naturwissenschaft nach Heidegger

Die mathematische Naturwissenschaft "entdeckt" Seiendes in spezifischer Weise. Der theoretischen Haltung des Wissenschaftlers liegt dabei das besorgende In-der-Welt-sein schon zugrunde, insofern nämlich die Naturwissenschaft sich aus ihm erhebt und sich von ihm durch einen umfassenden eigenen Entwurf absetzt. Es muß hier unterstrichen werden, daß die Wissenschaftshaltung durch und durch neu geprägt ist. Die JetztZeit ist, wenn die Einzelheiten der Neuprägung nicht im Detail erörtert werden, eine Art Grundvorstellung, die als solche mit dem vulgären Zeitverständnis übereinkommt. Aber auch die naturwissenschaftliche Zeit ist als Jetzt-Zeit nicht hinreichend charakterisiert, weil nämlich in dieser Vorstellung die genuinen Wissenschaftsprägungen überhaupt nicht herausgearbeitet sind. Insofern könnte ein Physiker sich jetzt mit Recht als doppelt verkannt ansehen, wenn ihm die vulgäre Zeitvorstellung zugesprochen wird. Wird dem Rechnung getragen, dann spricht dies gleichwohl nicht gegen einen unmittelbaren Anschluß an die Vorgehensweise Heideggers. Nur bietet es sich jetzt an, dort zu beginnen, wo Heidegger selbst seine Aufmerksamkeit auf die Entstehung der Wissenschaft richtet (d. h. auf die ,,Ermöglichung" und letztere verstanden im Rahmen einer Daseinsanalytik). Richten wir also unser Augenmerk auf das alltägliche umsichtige Besorgen und fragen nach Möglichkeit und Ausgestaltung der mathematischen Naturwissenschaft. Mit der Ausgestaltung der mathematischen Naturwissenschaft unter einem sie leiten-

II. Heideggers Besinnung auf das traditionelle Verständnis von Zeit

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den Entwurf vollzieht sich nach Heidegger ein sog. "Umschlag" im Seinsverständnis. Dieser Umschlag im Seinsverständnis erstreckt sich auf das Seiende insgesamt. Es handelt sich um einen Umschlag vom Besorgen des Zuhandenen zum theoretischen Entdecken und Erforschen des Vorhandenen. Die großen Möglichkeiten der Naturwissenschaft sind verbunden mit der Verdeckung des Seienden als Zuhandenem. Die Verdekkung ist als solche für die Naturwissenschaft nicht rückgängig zu machen, denn diese verdankt ihre Erfolge gerade ihrem besonderen Seinsverständnis, in dem die Gegenstände für sie in spezifischer Weise erforschbar sind. Dennoch kommt es auch der Wissenschaft in ihrem Selbstverständnis zugute, wenn auf dem Weg einer Rückgründung im Ursprünglicheren deutlich wird, welcher Art im speziellen Wissenschaftsentwurf einerseits die Einschränkung ist und welcher Art die nun damit zugleich erfolgte Entschränkung und Umgrenzung einer Region des Vorhandenen. Wird Zuhandenes zum Gegenstand der objektiven Erkenntnis gemacht, dann wird das "zuhandene Womit des Zutunhabens der Verrichtung" zum "Worüber" der aufzeigenden Aussage. 21 Das Zuhandene wird auf das Subjekt der Aussage hin abgeblendet, um es auf die dem Gegenstand zukommenden Eigenschaften hin neu bestimmen zu können. Das auf Eigenschaften des Vorhandenen gerichtete Entdecken und der mit der theoretischen Sicht eröffnete Horizont für die mathematische Bestimmung von "Größen" prägt das Wesen der naturwissenschaftlichen Forschung. Ihr geht es um Beherrschbarkeil der Natur nach festen Regeln, die auf Beständiges bezogen sind, und zwar auf Beständiges, das Exaktheit und Sicherheit von Prognosen verbürgt. Die mathematische Naturwissenschaft entstand erst in der Neuzeit. Sie unternimmt es, Gesetze der erforderlichen Strenge auf die körperliche Welt zu beziehen (einfaches Beispiel: das Fallgesetz!). Aufhimmlische Ordnungen wurden Zah21 SuZ, S. 158.

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Kap. 1: Die Zeit als der "Sinn von Sein" bei Martin Heidegger

lenverhältnisse seit langem bezogen. Auch stand die Einsicht mehr oder weniger deutlich vor Augen, daß ein bloßes Zählen von Objekten festliegend möglich ist unter der alleinigen Voraussetzung der Trennbarkeil der Objekte und der entsprechenden Ausnahmebestimmungen. Hier war bereits nahegelegt, daß es für Gegenstände etwas apriori Erfülltes geben kann, nämlich in diesem Fall den Größenvergleich von Anzahlen, der nicht mehr zu erschüttern ist, wenn er korrekt durchgeführt wurde. Dennoch war es ein großer Schritt, von demjenigen, was wir offenkundig in geeigneter Weise veranstaltet haben, zu solchem überzugehen, das eine empirische Wissenschaft nicht beweist, sondern feststellt, - bei dem wir aber die Mathematik zu Hilfe nehmen können, um die festgestellten Zusammenhänge mathematisch verstehen zu können (seinerseits befahigt dies zur Herstellung analoger Modelle, modern formuliert: zur Simulation). Nach Heidegger ist es der "logische Begriff' der Wissenschaft, der auf den Begründungszusammenhang wahrer Sätze der Wissenschaft zielt. Der existenziale Begriff der Wissenschaft dagegen richtet den Blick auf die "Entstehung" des theoretischen Entdeckens nach "existenzial notwendigen Bedingungen der Möglichkeit" für die Weise der wissenschaftlichen Forschung_22 Dieser existenziale Begriff versteht die Wissenschaft "als Weise der Existenz und damit als Modus des In-der-Weltseins". 23 Dahinter steht letztlich die Absicht, "zur zeitlichen Konstitution des In-der-Welt-seins überhaupt vorzudringen" .24 Wenn das Entdecken des Vorhandenen von Heidegger als pures Hinsehen auf Vorhandenes charakterisiert wird, dann ist dieses Hinsehen nicht als reine Betrachtung gemeint. Vielmehr ist damit gesagt, daß beim puren Hinsehen, die Bezüge des umsichtigen Besorgens zugunsten der Eigenschaftsbestimmung entfallen. "Umschlag des umsichtigen Besorgens" besagt, daß 22 SuZ, S. 357. 23 Ebd. 24 Ebd.

II. Heideggers Besinnung auf das traditionelle Verständnis von Zeit

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sich ein völlig neues Seinsverständnis insgesamt auf das Seiende erstreckt. Einige von Heidegger aufS. 361 von SuZ (mittlerer Absatz) selbst formulierte Einwände scheinen dem flüchtig Lesenden zunächst die Radikalität des Umschlages wieder abmildern zu wollen. Das Gegenteil ist der Fall, denn keines der selbst aufgebauten Gegenargumente sagt etwas Nivellierendes zum Umschlag des Seinsverständnisses selbst. Doch heißt dies auch nicht, daß das Ursprüngliche für das Sekundäre irrelevant werde und nunmehr das Fundament dessen, woraus der Umschlag erfolgt, wegzudenken sei. Denn trotz des durchgreifenden Charakters des Umschlages im Seinsverständnis vermag die ursprüngliche Zeit sich durch alle Verdeckungen hindurch zu offenbaren, wie dies z. B. an der Nichtumkehrbarkeil der Richtung bei der Abfolge der fetze deutlich wird. Der Umschlag beinhaltet also nicht, daß der Rückgang auf die Zeitlichkeit des Daseins abgeschnitten wird. Die Gegenständigkeit der Gegenstände wäre aus ihrem Boden gerissen, sie wäre entwurzelt und einer für sie unerläßlichen Rückbesinnung beraubt. "Pures Hinsehen" auf das Vorhandene heißt natürlich auch nicht, daß nur beobachtet wird. Diese These würde einen Physiker mit Recht irritieren. Die Wissenschaft sieht ganz offenkundig nicht nur beobachtend hin, sondern sie stellt primär Hypothesen auf, die sich zu bewähren haben, insofern sich aus ihnen mögliche Meßergebnisse herleiten lassen. Heidegger würde dies, wie sich zeigt, nicht bestreiten, sondern er hat es nach einigen zwischengeschalteten Ausführungen sogar voll unterstrichen. Der wissenschaftliche Entwurf der Natur "objektiviert", d. h. er gibt das Seiende so frei, daß es objektiv befragbar und bestimmbar wird.25 Bei der mathematischen Physik als dem klassischen Beispiel ist nicht die höhere Schätzung der Beobachtung das Entscheidende, sondern der mathematische Entwurf der Natur als solcher selbst. Erforderlich ist die vorgängige Entdeckung eines ständig Vorhandenen. Damit geschieht die Öff25

Vgl. SuZ, S. 363.

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Kap. 1: Die Zeit als der "Sinn von Sein" bei Martin Heidegger

nung des Horizontes für den leitenden Hinblick auf quantitativ bestimmbare konstitutive Momente. 26 Bloße Tatsachen gibt es hier grundsätzlich nicht. Seiendes kann nur entdeckt werden im vorgängigen Entwurf der Seinsverfassung, und das ist der apriorimathematische Entwurf (ebd.). Mit der Ausarbeitung des Seinsverständnisses determinieren sich Methoden und Begrifflichkeit einer Wissenschaft. Thematisierung wird das Ganze dieses Entwerfens genannt. Beim Umschlag zur theoretischen Erkenntnis wird nicht zuletzt auch das, was Heidegger den "Platz" des Zeugs nennt27 , durch eine Bestimmung vermittels der Größen Ort und Zeit ersetzt.

3. Das Einfließen populärwissenschaftlicher Vorstellungen in den alltäglichen Zeitbegriff Eine Wissenschaft wie die Physik findet ihre Legitimation im mathematischen Entwurf ihrer Forschung. Es kann jedoch nicht ausbleiben, daß wissenschaftliche Begriffe und allgemeine Vorstellungen auch in alltägliche Wendungen einfließen. Hier erwächst eine große Gefahr. Die Wissenschaft verfügt über eine eindeutige Rechtfertigung. Die Begrenztheit auf Grund ihres besonders gelagerten Entwurfes ist für sie kein Mangel , denn sie ist bedingt durch das, was ihre Wissenschaftlichkeit verbürgt. Sie muß ihre Begriffe nicht mit vagen Vorstellungen aufbessern. Was die Zeit betrifft, so ist es für die Physik unabdingbar, diese als physikalische und d. h. als mathematisch formulierte Größe der Physik zu fassen. Es geht dabei um die meßbare Größe t und- falls es sich für die Quantentheorie als sinnvoll erweist - um einen Operator mit Eigenwerten und Unbestimmtheiten für gewisse Systemzustände. Außerhalb der Wissenschaft wird die Begrenztheit der Wissenschaft oft als Mangel 26

27

SuZ, S. 362. SuZ, S. 361 f.

II. Heideggers Besinnung auf das traditionelle Verständnis von Zeit

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empfunden. Die Wissenschaft selbst aber sollte - sofern sie sich ihres Ortes gewiß ist - den Tönen des Mißfallens an diesem sog. Mangel durchaus nicht beipflichten. Für sie besteht kein echter Bedarf nach inhomogenen Erweiterungen, die geduldet oder herangezogen werden, um dem Vorwurf der Einseitigkeit besser entgehen zu können. Auch der Philosophie wird durch diese Nachgiebigkeit ein schlechter Dienst erwiesen, denn derartige Erweiterungen können kein Ersatz für ihre genuine Fragestellung sein. Selbst philosophische Untersuchungen, die in anderer Hinsicht "wertvolle Anstrengungen" bekunden (wie nach Heideggers Worten z. B. Bergsons Unterscheidung von Zeit und Dauer) sind dennoch als vorgebliche Überwindungen einer Aristotelischen Einseitigkeit abwegig, weil in ihnen die Möglichkeit, zu einem eigentlichen Zeitphänomen vorzudringen, nicht ergriffen wird. 28 Die Zurückweisung müßte noch schärfer ausfallen, wenn an solche Anhänger Bergsons gedacht wird, die subjektive Erlebnisse gegen den physikalischen Zeitbegriff sinnvoll auszuspielen gedenken. Die Ad-hoc-Erweiterungen zur Zeitproblematik verhindern, daß die Thematik der Zeit zum Angelpunkt einer echten Zusammenarbeit von Philosophie und Wissenschaft wird. Eine "subjektive Zeit" ist ein Fehlbegriff und kein Gegenstand der Physik, es sei denn, eine so benannte Zeit läßt sich auf die physikalische Zeit durch Transformation rückbeziehen. Im letztgenannten Fall stellt sie eo ipso keine wesentliche Neuerung der Physik dar. Sie fällt als vorgeblicher philosophischer Gegenbegriff zur physikalischen Zeit in sich zusammen und vermag auch sonst nichts Belangvolles ans Licht zu bringen. Nicht zuletzt versuchen populärwissenschaftliche Vorstellungen oft den Anschein zu erwecken, zweierlei mühelos zusammenbringen zu können: Einerseits die Zeit als Größe, über deren wissenschaftliche Bedeutung sich kaum streiten läßt, und andererseits die menschliche Erfahrung, daß wir eine "durchlaufene 28 M. Heidegger, Grundprobleme der Phänomenologie, S. 328 f.

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Kap. 1: Die Zeit als der "Sinn von Sein" bei Martin Heidegger

Zeit" in verschiedener Weise erleben. Doch dies sollte beachtet werden: Schwankende Vorstellungen, die auf Grund dieser oder jener Anleihen aus verschiedenen Bereichen mit Neuigkeitsanspruch auftreten, eignen sich wenig als Ausgangspunkt für den Rückgang zur ursprünglichen Zeit. Anders steht es, wenn Heidegger bei der Erörterung einer "vulgären Zeit" eine Verdekkung der wesentlichen Strukturmomente der besorgten Zeit (nämlich der Momente der "Bedeutsarnkeit" und der "Datierbarkeit") aufzeigt, und zugleich den Rückgang zur "Weltzeit" und schließlich zur "ursprünglichen Zeit" vollzieht.

111. Der Rückgang vom vulgären Zeitverständnis zur ursprünglichen Zeit

Vorbemerkung Die klassische Physik hat den vulgären Zeitbegriff in ihre mathematisch-wissenschaftliche Begrifflichkeit ohne allzu große, d. h. ohne ins Wesentliche reichende Korrekturen einbezogen. An dieser klassischen Zeitvorstellung wird auch von heutigen Wissenschaftlern weitgehend festgehalten. Daß dies jedoch keine zwangsläufige Festschreibung ist, werden die Untersuchungen C. F v. Weizsäckers zeigen, in denen auf eine vorwissenschaftliche Zeit in einem unvermeidlichen Bezug zurückgegriffen wird. Damit ist eine Tür aufgestoßen worden, die für die Zusammenarbeit von Philosophie und Wissenschaft sehr bedeutsam ist. Auf Weizsäckers Theorie wird nach der Darstellung der Thesen Heideggers zur Zeitproblematik näher eingegangen werden. Dabei wird nicht zuletzt deutlich werden, daß Weizsäcker mit gutem Grund Heideggers Terminus "Gegenständigkeit der Gegenstände" für seinen Aufbau der Physik aufgreift.

III. Der Rückgang vom vulgären Zeitverständnis zur ursprünglichen Zeit 47

1. Heideggers Aufweis der wesentlichen Verdeckungen im vulgären Zeitverständnis

Heideggers Erörterungen zur "vulgären Zeit" konzentrieren sich auf diejenigen Charakteristika, an Hand derer das typische Merkmal der Verdeckung der entscheidenden Strukturmomente aufgewiesen werden kann. Wie im Anschnitt II bereits ein Stück weit erläutert wurde, fehlt der vulgären Jetzt-Zeit (im Sinne einer Verdeckung) die Bezugsstruktur, die sich im "dann" verstanden als "dann, wann", im "damals" verstanden als "damals, als" und im "jetzt" verstanden als "jetzt, da" bekundet. Es fehlt, wie sich zeigen wird, die Struktur der Datierbarkeit. Ebenso fehlt der Jetztfolge die Bedeutsamkeit, die einem datierbaren Jetzt als geeignetem bzw. ungeeignetem in einer besorgten Zeit zukommt. Orientieren wir uns bei einer Jetztfolge an einem Bewegungsablauf (etwa an der Abfolge der Orte), dann erscheint das "jetzt" jeweils "an anderem". Die Jetze der Jetztfolge werden dabei in gewisser Weise selbst zu Vorhandenem, nämlich zu je verschiedenem Vorhandenen, das als dieses und jenes gezählt wird. Das Auffällige am so vorgestellten Jetzt ist aber, daß es nicht nur ein je verschiedenes ist. "Wir sagen: in jedem Jetzt ist Jetzt, in jedem Jetzt verschwindet es auch schon".29 Mit der Verschiedenheit der Jetze ist Entscheidendes verschwiegen: Das Jetzt west offenbar in seinem Wechsel ständig als Selbiges an. Es ist das "jetzt" in seinem Was-sein "immer dasselbe". 30 Es liegt nahe, das Sein der Zeit als ständige Anwesenheit anzusehen, so daß das Bewegte in seiner Herkunft aus ewigem Sein verständlich würde. Dies hat - wie Heidegger weiter ausführt- in der Tat Platon in einem Gleichnis versucht, im Bilde des Gottes nämlich, der die Zeit als bewegtes Abbild der Ewigkeit schuf. Die noch nicht voll verstandene Unterschiedenheit des Was- und 29 SuZ, S. 423. 30 M. Heidegger, Grundprobleme der Phänomenologie, S. 350.

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Kap. 1: Die Zeit als der "Sinn von Sein" bei Martin Heidegger

des Wieseins des Jetzt verweist jedoch grundlegend auf Undurchdachtes in diesem Zeitbegriff. Die Hauptschwierigkeit entsteht dadurch, daß die Zeit als je Verschiedenes auch selbst "in" die Zeit einrückt. Heidegger selbst ist demgegenüber der Frage, was eigentlich geschieht, wenn wir auf die Uhr schauen, weit sachgerechter nachgegangen, und dies gerade auch dort, wo auch er zunächst nur die Jetzt-Zeit verstehen will (s. Abschn. II). Wie hängt jedes Jetzt mit Früherem und Späterem zusammen? Gelingt es, bei dieser Frage die Verdeckungen zu durchschauen, dann wird sich dies erweisen als Einblick-gewinnen in eine "ekstatische Erstrecktheit" der Zeitlichkeit. In der bloßen Jetzt-Folge sind die Jetze eingeebnet und ihres eigentlichen Seins beraubt. Die Jetzt-Folge wird als solche als unendliche Erstreckung gedacht, denn von sich aus setzt die Folge weder Anfang noch Ende. In der Vorstellung der Zeit als unendlicher Strecke zeigt sich die Nivellierung und Verdeckung der ursprünglichen Zeitlichkeit am schärfsten. Aber dies ist der wichtigste Gesichtspunkt im vorliegenden Zusammenhang: Das schwache Durchscheinen einer ursprünglichen Zeiteifahrung dort, wo die Nichtumkehrbarkeif derJetztfolge festgestellt wird. Obwohl der Zeitfluß ein in sich unterschiedsloser ist, indem die Jetze den Charakter der Geeignetheit oder Ungeeignetheil für etwas verloren haben, gibt es eine Erfahrung jener Nichtumkehrbarkeit. Heidegger schreibt in § 81 von SuZ: "Aber selbst noch an dieser an sich vergehenden, reinen Jetztfolge offenbart sich durch alle Nivellierung und Verdeckung hindurch die ursprüngliche Zeit. Die vulgäre Auslegung bestimmt den Zeitfluß als ein nichtumkehrbares Nacheinander. Warum läßt sich die Zeit nicht umkehren? An sich ist, und gerade im ausschließlichen Blick auf den Jetztfluß, nicht einzusehen, warum die Abfolge der Jetzt sich nicht einmal wieder in der umgekehrten Richtung einstellen soll. Die Unmöglichkeit der Umkehr hat ihren Grund in der Herkunft der öffentlichen Zeit aus der Zeitlichkeit, deren Zeitigung, primär zukünftig, ekstatisch zu ihrem Ende »geht«, so zwar, daß sie schon zum Ende »ist«."31

III. Der Rückgang vom vulgären Zeitverständnis zur ursprünglichen Zeit 49

2. Ein erster Blick auf die Verhaltungen des Gewärtigens, Behaltens und Gegenwärtigens

a) Das Gewärtigen Wie wir gesehen haben, spricht sich im "dann" genauer bestimmt ein "dann ist es Zeit zu" aus. Wenn wir dabei weder die Uhr noch die Zeit zum Gegenstand machen, woher - so fragt Heidegger - nehmen wir dann das, was wir meinen. 32 Heidegger erläutert, daß ich in dieser Rede einer bestimmten Sache gewärtig bin, die kommen wird oder die ich mir vorgenommen habe. Auf dieses Kommende bin ich bezogen, obzwar zunächst "nicht eigens". Doch ist es das existierende Dasein, von dem allein gesagt werden kann, daß es einer Sache "gewärtig" ist. Der nähere zeitliche Sinn ist hier noch nicht ausgemacht. b) Das Behalten Wie ebenfalls kurz erörtert wurde, spricht sich im "damals" ein "damals, als" aus. Dies besagt, daß sich derart ein "Behalten eines Vor- und Ehemaligen " 33 ausspricht. Auch hier zeigt sich eine bestimmte Verhaltung, wobei das Vergessen mit einbegriffen ist. c) Das Gegenwärtigen Ein wesentlicher Konzentrationspunkt der von Aristoteles ausgehenden Darlegungen Heideggers betraf das Jetzt. Im 31 SuZ, S. 426. 32 M. Heidegger, Grundprobleme der Phänomenologie, S. 366. 33 Ebd., S. 366 f.

4 Richter

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Kap. 1: Die Zeit als der "Sinn von Sein" bei Martin Heidegger

"Jetzt" spricht sich ein "Jetzt, da" (es Zeit zu ... ist) aus. Das Jetzt-sagen bekundet ein Verhalten zu Anwesendem im Sinne des "Da-habens". Dieses Da-haben ist nicht auf einen isolierten einzelnen Zeitpunkt zu beziehen. Es ist ein Verhalten zu Anwesendem, das Heidegger das Gegenwärtigen nennt. Das Dasein spricht im Ansprechen von Besorgtem ein "jetzt, da" aus (ebenso wie ein "dann, wann" und "damals, als"), weil das auslegende Ansprechen "sich mit ausspricht" (d. h. das "umsichtig verstehende Sein bei Zuhandenem", insofern es Seiendes "entdeckend begegnen läßt"), und weil das "sich mit auslegende Ansprechen und Besprechen in einem Gegenwärtigen" gründet und "nur als dieses möglich" ist. 34 Wie seine Verwurzelung in der Zeitlichkeit näher zu bestimmen ist, wird sich zeigen müssen. Die genannten Verhaltungen lassen ihren zeitlichen Charakter erkennen. Sie müssen als solche jedoch noch genauer bestimmt werden durch Aufweis der Strukturmomente der ausgesprochenen Zeit.

3. Bestimmung der Strukturmomente der im "dann", "damals" und "jetzt" ausgesprochenen Zeit a) Bedeutsamkeil Das im Besorgen verstandene (obwohl "nicht als solches erfaßte") "jetzt, da" ist je geei§net oder ungeeignet, zeigt mit dieser Struktur Bedeutsarnkeit.3 Bedeutsamkeil ist von Heidegger als Begriff eingeführt worden, der die "Welt als Welt überhaupt" charakterisiert, indem "in ihm ein Ganzes von Bezügen gemeint ist, die den Charakter des Um-zu haben." (Bedeutsam34 Ebd., S. 367; SuZ. 35 SuZ, S. 422.

S. 407 f.

III. Der Rückgang vom vulgären Zeitverständnis zur ursprünglichen Zeit 51

keit ist "Ganzheit von Bezügen des Um-zu, Umwillen, Hierzu und Dazu"). 36 b) Datierbarkeit Daß der Datierungsbezug im ,,Jetzt, da", "dann, wann" und "damals, als" nicht unterschlagen werden kann, wenn die Ungereimtheiten der bloßen Jetzt-Folge vermieden werden sollen, konnte dem bereits Erörterten entnommen werden. Das heißt aber nicht, daß damit die zugrundeliegende Struktur der Datierbarkeil schon voll im Blick war. Wir sehen nunmehr genauer, daß das Gegenwärtigen im "jetzt" in Einheit mit dem Gewärtigen im "dann" und dem Behalten im "damals" ausgesprochen wird. Derart sind das Jetzt, das Dann und das Damals nicht gleichsam nackt, sondern insgesamt von etwas her "datierbar", obwohl diese Datierung kaiendarisch ganz unbestimmt sein kann. So ergibt sich jetzt umfassend, daß die weitere Rückfrage ausgehend von den schon genannten Bezügen und Strukturen auf eine grundlegende Erhellung der Zeitlichkeit des Daseins hinlenkt. Dasjenige aber, worauf unser Fragen letztlich abzielt, die "ekstatische Zeitlichkeit" ist in der Datierbarkeit nur erst "unthematisch und als solche unkenntlich" verstanden. 37

c) Gespanntheit Wenn das Jetzt auf das Dann von vornherein bezogen ist, dann ist das Dann im Verstehen des Jetzt ein "noch nicht". 38 Durch das Dann wird zugleich eine "Erstreckung" vom Jetzt bis zum 36 M. Heidegger, Grundprobleme der Phänomenologie, S. 370.

37 SuZ, S. 408.

38 M. Heidegger, Grundprobleme der Phänomenologie, S. 372. 4 •

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Kap. I: Die Zeit als der "Sinn von Sein" bei Martin Heidegger

Dann artikuliert, und zwar - wie Heidegger mit gutem Grund stark hervorhebt, keinesfalls erst nachträglich. Die Charaktere des Inzwischen, Während und Bis-dahin bezeichnen eine Gespanntheit der Zeit. Diese Gespanntheit zeugt von einer Herkunft aus der ursprünglichen Zeit. d) Öffentlichkeit Das Besorgen von Zeit hat Bezug auf ein "Wozu". Im Um-zuBezug· offenbart sich die Bedeutsamkeit der besorgten Zeit. Als erschlossenes existiert das Dasein jedoch im Mitsein mit Anderen. Im alltäglichen Miteinandersein wird jedes "jetzt" gesprochen in der Öffentlichkeit des Miteinander-in-der-Welt-seins. 39 Dasein ist im Entwurf je für sich als geworfenes enthüllt, verfällt jedoch besorgend an die Welt. Der Welt überlassen, besorgend auf sie angewiesen, ist Dasein seines In-der-Welt-seinkönnens gewärtig, rechnet allgemein mit der Zeit, muß mit dem Zuhandenen innerhalb des Vorhandenen im Miteinander besorgend umgehen können. Das Besorgen der Zeit geschieht öffentlich, d. h. die besorgte Zeit ist von vomherein öffentlich besorgte Zeit. Eine öffentliche Zeit "gibt" es, weil es für das geworfen-verfallende Dasein (also für das Dasein in seiner Alltäglichkeit) zuhandenes Seiendes gibt, das besorgt wird und zwar in eins mit der Zeit. Mit dem alltäglichen Besorgen des Seienden wird derart zugleich allgemein die Zeit besorgt, und es muß eine öffentlich besorgte, vorfindliehe Zeit sein, nach der man sich allgemein richten kann. Die allgemein besorgte Zeit , die als besorgte die Struktur der Bedeutsamkeit hat, wird von Heidegger besorgte Weltzeit genannt. Als öffentliche Zeit ist sie diejenige, in der Zuhandenes und Vorhandenes als "innerzeitiges" begegnet. Daß das Besorgen von Zeit von der astronomischen und kalendarischen Zeitrechnung geleitet ist, ist nach Heidegger 39 SuZ, S. 411.

ill. Der Rückgang vom vulgären ZeitverstänW:ris zur 111rsprünglichen Zeit 53

nicht zufallig. Weil Dasein "als geworfenes verfallend existiert, legt es seine Zeit in der Weise einer Zeitrechn1:1ng besorgend aus".40 Die bisherigen Hinweise, daß es nunmehr gilt, die zugrunde liegende Zeitlichkeit des Daseins aufzuweisen, können insbesondere dort vertieft werden, wo es um eine Begründung der Sorgestruktur aus der Zeitlichkeit des Daseins geht. 4. Die Sorgestruktur und die Zeitlichkeit des Daseins

Die genaueren zeitlichen Bestimmungen des Kommenden, Gewesenden und Gegenwärtigen sind nach den vorangehenden Erörterungen näher in den Blick gerückt. Die Zeitlichkeit des Daseins kann hier zunächst formal indifferent charakterisiert werden, d. h. absehend vom Unterschied der eigentlichen und uneigentlichen Zeitlichkeit. Wenn Heidegger vom Auf-sich-zukommen, Auf-sich-zurückkommen und Gegenwärtigen des Daseins spricht, dann dürften die Bezüge nach einigen Zusatzbemerkungen unmittelbar einleuchten. Ausschlaggebend ist die bereits mehrfach angesprochene Einsicht, daß die Zeitlichkeit des Daseins nicht im Sinne der Innerzeitigkeit zu verstehen ist. Dasein selbst ist "entrückt" in das Kommende, Gewesende und Gegenwärtige. Als konstitutive Momente der Daseinserschlossenheit (als sog. Existenzialien) werden von Heidegger Verstehen und Befindlichkeit an erster Stelle genannt. a) Verstehen Im Verstehen liegt die Seinsart des Daseins als Seinkönnen. Ihm entspricht als Strukturmoment der Sorge der Entwurf, das 40

SuZ, S. 412.

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Kap. 1: Die Zeit als der "Sinn von Sein" bei Martin Heidegger

Auf-sich-zukommen im Entwurf. Mit dem Entwurfbegriff ist ein Fundamentalbegriff Heideggers genannt, dessen zeitlicher Charakter unverkennbar ist: Im Gewärtigen liegt die Zeitlichkeit des entwerfenden alltäglichen Verstehens. Im Verstehen geht es dabei dem Dasein nicht schon eigens um sein Seinkönnen. Es ist hier zunächst uneigentliches Verstehen, d. h. in ihm ist Dasein seiner nur gewärtig, meint sich "nicht eigens". Es legt sich aber in der beschriebenen Weise im "dann, wann" selbst aus. b) Befindlichkeit In der Befindlichkeit ist das Dasein vor sich selbst gebracht. Ihre Gestimmteit erschließt ihm seine Geworfenheil (Faktizität). Das "eigentliche Seinkönnen" aber ist zunächst verschlossen. Somit ist das Sich-aussprechen des "damals, als" ein Sichaussprechen des bloßen Behaltens eines "Vor- und Ehemaligen". Im Aussprechen des Vor- und Ehemaligen kommt Dasein in der Weise des Behaltens auf sich zurück. c) Rede a) Vorbemerkung

Die Rede wird von Heidegger angeführt als drittes- mit Verstehen und Befindlichkeit gleichursprüngliches - Existenzial. Die Struktur der Rede betrifft die Erschlossenheit als solche. Die Erschlossenheit artikuliert sich durch Rede, und Rede spricht sich in Sprache aus. Letzteres geschieht zunächst in der Weise des besorgend-beredenden Ansprechens der Umwelt. "Sprache" wird später von Heidegger noch in einem ursprünglicheren Sinn gebraucht, wobei es dann um die Frage nach dem Wesen der Sprache geht. Es könnte irritieren, daß Heidegger die Rede gleichursprünglich mit Befindlichkeit und Verstehen

III. Der Rückgang vom vulgären Zeitverständnis zur ursprünglichen Zeit 55

nennt, obwohl doch die Daseinserschlossenheit einer "zueignenden" und "ausdrücklich machenden" Auslegung vorangeht. F. W v. Herrmann hat hier auf die Notwendigkeit verwiesen, daß ein primär entwerfendes vorn auslegenden Verstehen zu unterscheiden sei (letzteres ist in ersterem fundiert). 41 Es kann daher von gegliederter (bzw. artikulierter) Verständlichkeit gesprochen und dabei zugleich unterstrichen werden, daß "Verständlichkeit schon vor der zueignenden Auslegung immer schon" gegliedert ist.

ß) Zeitlichkeit der Rede Insofern die Rede Artikulation der Erschlossenheit ist und "die volle, durch Verstehen, Befindlichkeit und Verfallen konstituierte Erschlossenheit des Da"42 betrifft, zeitigt sich die Rede nicht in einer bestimmten Ekstase. Doch dort, wo es um die Weise der Alltäglichkeit geht, wo sich die Rede im "besorgendberedenden Ansprechen der Umwelt" ausspricht, dort hat das Gegenwärtigen eine bevorzugte Funktion. Im Abschnitt über die Rede in SuZ f