Unternehmerisches Ermessen: Zu den Aufgaben und Pflichten von Vorstand und Aufsichtsrat 9783161579448, 316148780X

Die Diskussion über die Funktionsfähigkeit der deutschen Unternehmensverfassung (Corporate Governance) hat einen tiefgre

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Unternehmerisches Ermessen: Zu den Aufgaben und Pflichten von Vorstand und Aufsichtsrat
 9783161579448, 316148780X

Table of contents :
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Titel
Vorwort
Inhaltsübersicht
Inhaltsverzeichnis
Corporate Governance und kein Ende?
1. Teil Das Corporate Governance Problem
A. Unternehmen außer Kontrolle: Das Versagen der Corporate Governance
I. Der empirische Befund
1. Der Fall ARAG
2. Der Fall Metallgesellschaft
3. Der Fall ASS
4. Der Fall Bremer Vulkan
5. Der Fall Balsam
6. Der Fall KHD
7. Der Fall Mannesmann I
8. Der Fall Mannesmann II
9. Der Fall Holzmann
10. Der Fall HypoVereinsbank
II. Der analytische Befund
1. Die unzureichenden Wirkungskräfte der externen Corporate Governance Mechanismen
2. Die Relevanz der internen Corporate Governance Mechanismen
3. Ergebnis
B. Das Kernproblem: Die business judgment rule
I. Der Ausgangspunkt: Weite Entscheidungsfreiräume
II. Die ARAG-Entscheidung des Bundesgerichtshofs
III. Der UMAG-Vorschlag der Bundesregierung
IV. Ergebnis
C. Der Lösungsansatz: Das Konzept der negativen Kontrolle
I. Vergleichbare Problemlagen im Verwaltungsrecht
II. Kompetenzverteilung unter dem Kontrollaspekt
III. Gang der Untersuchung
2. Teil Die Entscheidungsfreiräume des Vorstands und des Aufsichtsrats
A. Ansatzpunkt
I. Die normative Ermächtigungslehre
1. Einschätzungsprärogativen
2. Ermessensspielräume
3. Gestaltungsspielräume?
4. Schlußfolgerung
II. Die gesellschaftsrechtliche Legitimationsgrundlage
1. Regelungstechnik des Aktiengesetzes
2. Konkretisierung der Befugnisnorm
3. Auslegung der Befugnisnorm
a) Das Kriterium der unternehmerischen Entscheidung
b) Der betriebswirtschaftlich absicherbare Befund
c) Operationalisierung
aa) Handlungsbedarf
bb) Handlungsprogramm
4. Rechtsvergleich
5. Ergebnis
B. Vorstand
I. Die Führungsaufgabe des Vorstands
1. Strategische Entscheidungen
2. Operative Entscheidungen
3. Unternehmensorganisatorische Entscheidungen
4. Selbstorganisatorische Entscheidungen
5. Internes Steuerungs- und Überwachungssystem
II. Der Überwachungsbereich des Aufsichtsrats
1. Nicht delegierbare Aufgaben des Vorstands im Lichte des § 90 AktG
2. Delegierbare Aufgaben des Vorstands im Lichte des § 90 AktG
3. Aufgaben des Vorstands im Lichte ergänzender Berichtspflichten
III. Die Entscheidungsfreiräume des Vorstands im Überwachungsbereich des Aufsichtsrats
1. Nicht delegierbare Aufgaben des Vorstands
2. Delegierbare Aufgaben des Vorstands
3. Ergebnis
C. Aufsichtsrat
I. Die Überwachungsaufgabe des Aufsichtsrats aufgrund des § 111 Abs. 1 AktG
1. Überwachung, Kontrolle, Prüfung und Beratung
2. Überwachung beabsichtigter, laufender und abgeschlossener Vorgänge
a) Überwachung beabsichtigter und laufender Vorgänge
b) Überwachung abgeschlossener Vorgänge
3. Ergebnis
II. Die sonstigen Aufgaben des Aufsichtsrats
1. Überwachung und Leitung
2. Einordnung der Aufgaben
3. Ergebnis
III. Die Entscheidungsfreiräume des Aufsichtsrats
1. Die Entscheidungsfreiräume im Rahmen der Überwachungsaufgabe aufgrund des § 111 Abs. 1 AktG
a) Die Erkenntnis einer Pflichtverletzung des Vorstands
aa) Die ARAG-Entscheidung des Bundesgerichtshofs
bb) Die richtige Fragestellung
cc) Der richtige Ansatz
(1) Konkretisierung der Aufgabe
(2) Wahrnehmung der Aufgabe
dd) Rechtsvergleich
ee) Ergebnis
b) Die Erkenntnis einer besseren Entscheidung
aa) Prüfungspflicht
bb) Einschätzungsprärogativen
cc) Ergebnis
c) Die Einwirkung auf den Vorstand
aa) Einwirkungsfälle und Einwirkungsmöglichkeiten
bb) Ermessensspielräume
(1) Entschließungsermessen?
(2) Auswahlermessen?
(a) Heterogenität der Einwirkungsmöglichkeiten
(b) Rechtsvergleich
(c) Spezifische Fragen
(d) Problemeingrenzung
(aa) Das Handlungsprogramm des Aufsichtsrats
(α) Sanktionierung der Unternehmensführung
(β) Optimierung der Unternehmensführung
(i) Erste Einwirkungsstufe
(ii) Zweite Einwirkungsstufe
(iii) Dritte Einwirkungsstufe
(χ) Ergebnis
(bb) Ermessensprärogativen des Aufsichtsrats?
(α) Die ARAG-Entscheidung des Bundesgerichtshofs
(β) Die richtige Fragestellung
(χ) Der richtige Ansatz
(i) Konkretisierung der Aufgaben
(ii) Wahrnehmung der Aufgaben
(δ) Ergebnis
(cc) Evaluationsermessen des Aufsichtsrats?
(α) Die ARAG-Entscheidung des Bundesgerichtshofs
(β) Die richtige Fragestellung
(χ) Der richtige Ansatz
(i) Konkretisierung der Aufgabe
(ii) Wahrnehmung der Aufgabe
(δ) Rechtsvergleich
(ε) Ergebnis
(dd) Auswahlermessen des Aufsichtsrats?
(α) Die problematischen Fallkonstellationen
(β) Die richtige Fragestellung
(χ) Der richtige Ansatz
(δ) Ergebnis
2. Die Entscheidungsfreiräume im Rahmen der sonstigen Aufgaben
a) Personalentscheidungen
b) Sonstige Vorstandsentscheidungen
c) Mitwirkungs- und Initiativentscheidungen
d) Selbstorganisatorische Entscheidungen
e) Überwachungsaufgaben außerhalb des § 111 Abs. 1 AktG
f) Ergebnis
D. Zusammenfassung der Ergebnisse
3. Teil Die Reichweite der Entscheidungsfreiräume des Vorstands und des Aufsichtsrats
A. Ansatzpunkt
I. Die verwaltungsrechtliche Entscheidungsfehlerlehre
1. Die Bedeutung des Verwaltungsverfahrensrechts
2. Die Grundannahmen der Entscheidungsfehlerlehre
a) Trennungsprinzip
b) Fehleridentität
c) Anknüpfungspunkt
d) Zwei Fehlerquellen
3. Die „Fehlerliste“
a) Interpretations- und Feststellungsfehler
aa) Vorliegen des Einschätzungsbegriffs bzw. der Ermessensermächtigung
bb) Reichweite des Einschätzungsbegriffs bzw. der Ermessensermächtigung
cc) Sinngehalt des Einschätzungsbegriffs bzw. Sinn und Zweck der Ermessensermächtigung
dd) Sachverhalt
b) Abwägungsfehler
aa) Vorliegen und Aussage der Wertungsgrundsätze
bb) Verbot unsachlicher Beweggründe
cc) Berücksichtigung der Wertungsgrundsätze
(1) Berücksichtigung der relevanten Gesichtspunkte
(2) Gewicht und Bedeutung der relevanten Gesichtspunkte
(3) Bewertung, Gewichtung und Ausgleich der relevanten Gesichtspunkte
(4) Vorrang der Aussage eines Wertungsgrundsatzes
4. Ein „Systematisierungsversuch“
a) Inhaltliche und strukturelle Fehler
aa) Ergebnisfehler und inhaltliche Vorgangsfehler
bb) Strukturelle Vorgangsfehler erster Stufe
cc) Strukturelle Vorgangsfehler zweiter Stufe
b) „Spezifische Ermessensfehler“
c) Zuordnung zur „Zweck- und Grenzenformel“
aa) „Grenzen“
bb) „Zweck“
(1) „unter anderen Umständen“
(2) „aus anderen Gründen“
(3) „nicht aufgrund der tatsächlichen Motive“
II. Das Konzept einer gesellschaftsrechtlichen Entscheidungsfehlerlehre
1. Grundlegung
2. Fehlerkategorien
a) Typisierung des abstrakten Verhaltensfehlers und der konkreten Verhaltensfehler
b) Bestimmung der konkreten Verhaltensfehler
aa) Abwägungsmangel
bb) Abwägungsunschlüssigkeit
cc) Abwägungsmißorganisation
dd) Mißverhältnis zwischen Ergebnis und Vorgang
ee) Ergebnis
3. Fehlerfolgen
a) Fehlerkausalität
aa) Voraussetzungen
bb) Reichweite
b) Entscheidungskausalität
4. Ein Vergleich mit der U.S. amerikanischen business judgment rule
a) Die U.S. amerikanische Rechtsprechung
aa) Prozessuale Funktionen der business judgment rule
bb) Materiell-rechtliche Voraussetzungen der business judgment rule
(1) business judgment
(2) good faith
(3) disinterested judgment
(4) informed judgment
(5) rational business purpose
cc) Materiell-rechtliche Konsequenzen des Nichteingreifens der business judgment rule
b) Die Vorzüge der gesellschaftsrechtlichen Entscheidungsfehlerlehre
aa) Unterschiede im Konzept
(1) Rechtsvergleich
(2) Würdigung
bb) Unterschiede in den Fehlerkategorien
(1) Rechtsvergleich
(2) Würdigung
cc) Unterschiede im Kontrollmaßstab
(1) Abgrenzungs- und Legitimationsprobleme
(2) Funktion der Aktionärsklage
(3) Verschärfung der business judgment rule
B. Die gesellschaftsrechtliche Entscheidungsfehlerlehre
I. Die Relevanz des Deutschen Kodex
1. Rechtswissenschaft und Betriebswirtschaftslehre
a) Zögerliche Herausbildung von Rechtspflichten
b) Zögerliche Rezeption von Grundsätzen ordnungsgemäßer Unternehmensführung
2. Deutscher Kodex und Aktiengesetz
a) Methodischer Ansatz
b) Ausstrahlungswirkung
c) Rezeptionsprobleme
aa) Zielsetzung
bb) Regelungstechnik
(1) Empfehlungen und Anregungen
(2) Auslegungsfragen
cc) Defizitäre Substantiierung
d) Ergebnis
II. Überschreitung und Abwägungsmangel
1. Generelle Entscheidungsgrenzen
2. Absolute Entscheidungsgrenzen, Ermessensgrenzen und Ermessensrichtlinien
a) Das Konzept von Manfred H. Kessler
aa) Absolute Entscheidungsgrenzen
bb) Ermessensgrenzen
cc) Ermessensrichtlinien
b) Angemessenheit von Leistung und Gegenleistung
aa) Ermessensgrenzen
bb) Ermessensrichtlinien
c) Ermessensrichtlinien für Einzelfragen
3. Allgemeine Abwägungsgrundsätze
a) Gesellschaftsrechtlicher Ausgangsbefund
b) Betriebswirtschaftlicher Befund
c) Rechtsvergleichender Befund
d) Richtlinien für eine sachgemäße Einschätzung, Evaluation und Auswahl
4. Rationalgebot
III. Abwägungsmißorganisation und Abwägungsunschlüssigkeit
1. Bedeutung der informationellen Instrumentarien
2. Erste Konkretisierung
a) Abstrakte Abwägungsmißorganisation
b) Konkrete Abwägungsmißorganisation
c) Abwägungsunschlüssigkeit
3. Weitere Konkretisierung
a) Ansatzpunkt informationelle Instrumentarien
b) Ansatzpunkt Organisationsrecht
c) Problemeingrenzung
aa) Unternehmensberichterstattung und externe Prüfung
(1) Konzernrechnungslegung
(a) Hintergrund
(b) DRS 3 – Segmentberichterstattung
(aa) Segmentierung
(bb) Segmentinformationen
(cc) Verbesserung der Segmentberichterstattung?
(c) DRS 5 – Risikoberichterstattung
(aa) Risikoabgrenzung
(bb) Risikoinformationen
(cc) Verbesserung der Risikoberichterstattung?
(d) DRS 6 – Zwischenberichterstattung
(e) DRS 11 – Berichterstattung über Beziehungen zu nahe stehenden Personen
(f) Schlußfolgerungen
(aa) DRS 11
(bb) DRS 2
(cc) DRS 3, DRS 5 und DRS 6
(dd) Ergebnis
(2) Lageberichterstattung
(a) Kennzahlen
(aa) Finanzielle Kennzahlen
(α) Jüngste Entwicklung
(β) Weitere Entwicklung
(bb) Betriebliche Kennzahlen
(α) Jüngste Entwicklung
(β) Weitere Entwicklung
(b) Ziele, Strategien und Pläne
(aa) Jüngste Entwicklung
(bb) Weitere Entwicklung
(c) Hintergrundinformationen
(aa) Jüngste Entwicklung
(bb) Weitere Entwicklung
(d) Finanzinstrumente und bilanzunwirksame Geschäfte
(aa) Entwicklung in den Vereinigten Staaten
(bb) Entwicklung in Deutschland
(e) Bewertungsunsicherheiten und Bewertungsmethoden
(aa) Entwicklung in den Vereinigten Staaten
(bb) Entwicklung in Deutschland
(f) Aufgliederung der Finanzberichterstattung nach core and noncore activities
(g) Management und Anteilseigner
(h) Schlußfolgerungen
(aa) Management und Anteilseigner
(bb) Hintergrundinformationen
(cc) Sonstige Vorschläge des Special Committee
(dd) Ergebnis
(3) Externe Prüfung
(a) Neuausrichtung der gesetzlichen Vorgaben
(aa) Internationalisierung
(bb) Zukunftsorientierung
(cc) Risikoorientierung
(dd) Aufsichtsratsorientierung
(b) Ausformung der neuen gesetzlichen Vorgaben
(c) Weiterentwicklung des gesetzgeberischen Ansatzes
(d) Ergebnis
bb) Internes Steuerungs- und Überwachungssystem
(1) Der Streit um die Interpretation des § 91 Abs. 2 AktG
(2) Die Auffassung des Instituts der Wirtschaftsprüfer
(a) Risikofrüherkennungssystem und darauf bezogenes Überwachungssystem
(b) Internal Control
(aa) Definition
(bb) Komponenten und Faktoren
(cc) Prüfungsrelevante Dimension
(3) Die im Lichte der §§ 93, 116 AktG zentrale Frage der Risikoidentifikation
(4) Die Integration der Chancen
(5) Ergebnis
cc) Organisation des Aufsichtsrats
(1) Unabhängigkeit und Qualifikation
(a) Die Entwicklung in den Vereinigten Staaten
(aa) New York Stock Exchange
(bb) Securities and Exchange Commission
(b) Weiterentwicklung des deutschen Gesellschaftsrechts
(aa) Europäische Kommission
(bb) Schlußfolgerungen
(2) Aufsichtsratsausschüsse
(a) Die Entwicklung in den Vereinigten Staaten
(aa) New York Stock Exchange
(bb) Securities and Exchange Commission
(b) Weiterentwicklung des deutschen Gesellschaftsrechts
(aa) Europäische Kommission
(bb) Schlußfolgerungen
(3) Strukturierung der Überwachungstätigkeit
(a) Die Entwicklung in den Vereinigten Staaten
(b) Weiterentwicklung des deutschen Gesellschaftsrechts
(4) Ergebnis
C. Zusammenfassung der Ergebnisse
Fazit und Ausblick
Literaturverzeichnis
Sachregister

Citation preview

JUS PRIVATUM Beiträge zum Privatrecht Band 100

Andrea Lohse

Unternehmerisches Ermessen Zu den Aufgaben und Pflichten von Vorstand und Aufsichtsrat

Mohr Siebeck

Andrea Lohse, geboren 1964, 1983-1988 Studium der Rechtswissenschaft an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, 1989—1990 Promotionsstipendium des Landes Schleswig-Holstein, 1991 Promotion, 1990-1993 Juristischer Vorbereitungsdienst in Schleswig-Holstein, 1994-2001 Wissenschaftliche Mitarbeiterin/Assistentin am Institut für deutsches und europäisches Wirtschafts-, Wettbewerbs- und Energierecht der Freien Universität Berlin (Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Dr. rer. pol. Dr. h.c. Franz Jürgen Säcker), 2002-2003 Stipendium der Deutschen Forschungsgemeinschaft, 2003—2004 Rechtsanwältin bei Hengeler Mueller in Frankfurt am Main, 2004 Habilitation, 2004/2005 Lehrstuhlvertretung an der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main, 2005/2006 Lehrstuhlvertretung an der Ruhr-Universität Bochum.

978-3-16-157944-8 Unveränderte eBook-Ausgabe 2019

ISBN 3-16-148780-X ISSN 0940-9610 Qus Privatum)

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. © 2005 Mohr Siebeck Tübingen. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Ubersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Guide Druck in Tübingen aus der Garamond Antiqua gesetzt, auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und von der Buchbinderei Spinner in Ottersweier gebunden.

Fiir Thomas

Vorwort Der Begriff unternehmerisches Ermessen' bezeichnet schlagwortartig das Spannungsfeld zwischen eigenverantwortlicher Aufgabenwahrnehmung (§§76 Abs. 1 AktG, 111 Abs. 1 AktG) und fremdverantwortlicher Haftung (§§93,116 AktG): Unter welchen Voraussetzungen bleiben unternehmerische Entscheidungen des Vorstands und des Aufsichtsrats auch dann pflichtgemäß und haftungsfrei, wenn sie sich später als Fehlentscheidungen erweisen? Diese Frage steht im Mittelpunkt dieser Arbeit. Sie nimmt ihren Ausgangspunkt in der These, daß eine Übernahme der U.S. amerikanischen business judgment rule, wie vom Gesetzgeber mit §93 Abs. 1 Satz 2 AktG idF. des Gesetzes zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG) und vom Bundesgerichtshof in der ARAG/Garmenbeck-Entscheidung (BGHZ 135, 244) favorisiert, nicht zu einer Optimierung der Unternehmensführung beiträgt und deshalb der Steuerungsfunktion der Organhaftung nicht gerecht wird. Ziel und Ergebnis der Arbeit ist eine gesellschaftsrechtliche Entscheidungsfehlerlehre, die funktionalere Anforderungen an den Entscheidungsprozeß und das Entscheidungsergebnis stellt und diese Anforderungen durch strenge haftungsrechtliche Konsequenzen absichert. Sie beruht auf der verwaltungsrechtlichen Ermessenslehre und betriebswirtschaftlichen Erkenntnissen aus der Entscheidungstheorie. Sie bezieht die Rechtsentwicklung auf europäischer Ebene (Aktionsplan Corporate Governance) und in den Vereinigten Staaten (Sarbanes-Oxley Act) ein. Sie trägt unter dem Gesichtspunkt der zukunfts-, problem- und risikoorientierten Informationsversorgung von Vorstand und Aufsichtsrat auch dem Funktionswandel von Unternehmensberichterstattung und Abschlußprüfung (business reporting and audit) und dem Entwicklungsstand der Betriebswirtschaftslehre zu Organisation und Unternehmensführung (Risikomanagement; internal control concept) Rechnung. Diese Schrift ist die überarbeitete Fassung der Arbeit, die unter dem Titel .Corporate Governance und Effizienz der Unternehmensführung - Eine aktienrechtliche Untersuchung der Aufgaben und Pflichten von Vorstand und Aufsichtsrat' im Sommersemester 2003, im Wintersemester 2003/2004 und im Sommersemester 2004 dem Fachbereich Rechtswissenschaft der Freien Universität Berlin als Habilitationsschrift vorlag; Vortrag und Aussprache fanden am 9. Juni 2004 statt. Erstgutachter war Herr Universitätsprofessor Dr. iur. Dr. rer. pol. Dr. h. c. Franz Jürgen Säcker, und Zweitgutachter war Herr Universitätsprofessor Dr. iur. Dieter Heckelmann. Universitätsprofessor Dr. rer. pol. Axel von Werder von der

VIII

Vorwort

Technischen Universität Berlin erstellte ein Kurzgutachten zu dem betriebswirtschaftlichen Teil der Arbeit. Der Abschluß der dem Habilitationsverfahren zugrundeliegenden Fassung dieser Arbeit wurde mit einem Stipendium der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert. Die Überarbeitung für die Drucklegung war dem Umstand geschuldet, daß im Jahr 2003 die Umsetzung des Maßnahmenkataloges der Bundesregierung zur Stärkung der Unternehmensintegrität und des Anlegerschutzes, des Aktionsplans Corporate Governance der Europäischen Kommission und des SarbanesOxley Acts des U.S. amerikanischen Gesetzgebers begann und Ende 2004/Anfang 2005 einen gewissen Abschluß fand. Sie ist charakteristisch für die Entstehung dieser Arbeit: Sie mußte immer wieder im Zuge des Mitte der 90er Jahre einsetzenden Reformprozesses im Gesellschafts-, Bilanz- und Kapitalmarktrecht überarbeitet werden, den die Diskussion über die Funktionsfähigkeit der deutschen Unternehmensverfassung (Corporate Governance) auslöste. In der nun vorliegenden Fassung ist die Rechtsentwicklung bis August 2005 und sind Literatur und Rechtsprechung bis Juni 2005 berücksichtigt; auch während der Drucklegung schritt der Reformprozeß weiter fort: Das UMAG passierte in geänderter Fassung den Bundesrat, und der Deutsche Corporate Governance Kodex wurde zum vierten Mal geändert. Von all denen, denen ich Dank schulde, seien an dieser Stelle nur die genannt, ohne die diese Arbeit in der Sache nicht entstanden wäre: Herr Universitätsprofessor Dr. iur. Dr. rer. pol. Dr. h. c. Franz Jürgen Säcker, der mich über viele Jahre gefördert, das Thema vorgeschlagen und mir bei der Bearbeitung freie Hand gelassen hat, Herr Universitätsprofessor Dr. iur. Hans Hattenhauer, der sehr früh einen interdisziplinären Ansatz angeregt hat, Herr Rechtsanwalt, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater Lebrecht Rürup und Herr Universitätsprofessor Dr. rer. pol. Axel von Werder, ohne deren Gesprächsbereitschaft und Unterstützung die interdisziplinäre Ausrichtung dieser Arbeit nicht möglich gewesen wäre, Herr Rechtsanwalt Dr. h. c. Karlheinz Quack und Herr Rechtsanwalt und Honorarprofessor Dr. iur. Hans-Jürgen Hellwig, die mir einen Einblick in die Unternehmenspraxis gegeben haben, der mich in meinem Ansatz bestärkt und sich in seiner Ausformung niedergeschlagen hat, und Herr Universitätsprofessor Dr. iur. Dr. h. c. Theodor Baums, ohne dessen Bereitschaft, mir im Wintersemester 2004/2005 die Vertretung seines Lehrstuhls anzuvertrauen, die Endfassung so, wie sie nun vorliegt, nicht existieren würde. Frankfurt am Main im August 2005

Andrea

Lohse

Inhaltsübersicht Corporate Governance und kein Ende? 1. Teil: Das Corporate

1 Governance

Problem

A. Unternehmen außer Kontrolle: Das Versagen der Corporate Governance

10

B. Das Kernproblem: Die business judgment rule

37

C. Der Lösungsansatz: Das Konzept der negativen Kontrolle

51

2. Teil: Die Entscheidungsfreiräume des und des Aufsichtsrats

Vorstands

A. Ansatzpunkt I. Die normative Ermächtigungslehre II. Die gesellschaftsrechtliche Legitimationsgrundlage

60 61 70

B. Vorstand I. Die Führungsaufgabe des Vorstands II. Der Überwachungsbereich des Aufsichtsrats III. Die Entscheidungsfreiräume des Vorstands im Überwachungsbereich des Aufsichtsrats

88 90 96

C. Aufsichtsrat I. Die Überwachungsaufgabe des Aufsichtsrats aufgrund des § 111 Abs. 1 AktG II. Die sonstigen Aufgaben des Aufsichtsrats III. Die Entscheidungsfreiräume des Aufsichtsrats 1. Die Entscheidungsfreiräume im Rahmen der Überwachungsaufgabe aufgrund des § 111 Abs. 1 AktG a) Die Erkenntnis einer Pflichtverletzung des Vorstands b) Die Erkenntnis einer besseren Entscheidung c) Die Einwirkung auf den Vorstand 2. Die Entscheidungsfreiräume im Rahmen der sonstigen Aufgaben D. Zusammenfassung der Ergebnisse

101 106 106 112 117 118 120 127 131 171 175

X

Inhaltsübersicht

3. Teil: Die Reichweite

der Entscheidungsfreiräume und des Aufsichtsrats

des Vorstands

A. Ansatzpunkt I. Die verwaltungsrechtliche Entscheidungsfehlerlehre II. Das Konzept einer gesellschaftsrechtlichen Entscheidungsfehlerlehre B. Die I. II. III.

gesellschaftsrechtliche Entscheidungsfehlerlehre Die Relevanz des Deutschen Kodex Überschreitung und Abwägungsmangel Abwägungsmißorganisation und Abwägungsunschlüssigkeit . . . . 1. Bedeutung der informationellen Instrumentarien 2. Erste Konkretisierung 3. Weitere Konkretisierung a) Ansatzpunkt informationelle Instrumentarien b) Ansatzpunkt Organisationsrecht c) Problemeingrenzung aa) Unternehmensberichterstattung und externe Prüfung . bb) Internes Steuerungs- und Uberwachungssystem cc) Organisation des Aufsichtsrats

182 184 210 268 271 294 320 320 321 325 325 328 333 334 427 446

C. Zusammenfassung der Ergebnisse

487

Fazit und Ausblick

497

Literaturverzeichnis

505

Sachregister

535

Inhaltsverzeichnis Corporate Governance und kein Ende ?

1

1. Teil Das Corporate Governance Problem A. Unternehmen Governance

außer Kontrolle: Das Versagen der Corporate 10

I. Der empirische Befund 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10.

Der Der Der Der Der Der Der Der Der Der

Fall Fall Fall Fall Fall Fall Fall Fall Fall Fall

ARAG Metallgesellschaft ASS Bremer Vulkan Balsam KHD Mannesmann I Mannesmann II Holzmann HypoVereinsbank

II. Der analytische Befund 1. Die unzureichenden Wirkungskräfte der externen Corporate Governance Mechanismen 2. Die Relevanz der internen Corporate Governance Mechanismen 3. Ergebnis B. Das Kernproblem: Die business judgment rule I. Der Ausgangspunkt: Weite Entscheidungsfreiräume II. Die ARAG-Entscheidung des Bundesgerichtshofs

10 11 13 13 14 16 17 17 18 24 25 26 28 31 33 37 39 40

III. Der UMAG-Vorschlag der Bundesregierung

42

IV. Ergebnis

47

C. Der Lösungsansatz: Das Konzept der negativen Kontrolle

51

XII

Inhaltsverzeichnis

I. Vergleichbare Problemlagen im Verwaltungsrecht II. Kompetenzverteilung unter dem Kontrollaspekt III. Gang der Untersuchung

52 55 57

2. Teil Die Entscheidungsfreiräume des Vorstands und des Aufsichtsrats A. Ansatzpunkt I. Die normative Ermächtigungslehre 1. 2. 3. 4.

Einschätzungsprärogativen Ermessensspielräume Gestaltungsspielräume? Schlußfolgerung

II. Die gesellschaftsrechtliche Legitimationsgrundlage 1. Regelungstechnik des Aktiengesetzes 2. Konkretisierung der Befugnisnorm 3. Auslegung der Befugnisnorm a) Das Kriterium der unternehmerischen Entscheidung b) Der betriebswirtschaftlich absicherbare Befund c) Operationalisierung aa) Handlungsbedarf bb) Handlungsprogramm

4. Rechtsvergleich 5. Ergebnis B. Vorstand

61 62 65 66 67 70 71 73 73 74 78 79 79 81

83 86 88

I. Die Führungsaufgabe des Vorstands 1. 2. 3. 4. 5.

60

Strategische Entscheidungen Operative Entscheidungen Unternehmensorganisatorische Entscheidungen Selbstorganisatorische Entscheidungen Internes Steuerungs- und Überwachungssystem

II. Der Uberwachungsbereich des Aufsichtsrats 1. Nicht delegierbare Aufgaben des Vorstands im Lichte des § 90 AktG 2. Delegierbare Aufgaben des Vorstands im Lichte des §90 AktG 3. Aufgaben des Vorstands im Lichte ergänzender Berichtspflichten

90 91 92 92 93 94 96 96 99 100

Inhaltsverzeichnis III. Die Entscheidungsfreiräume des Vorstands im Überwachungsbereich des Aufsichtsrats 1. Nicht delegierbare Aufgaben des Vorstands 2. Delegierbare Aufgaben des Vorstands 3. Ergebnis

C. Aufsichtsrat I. Die Überwachungsaufgabe des Aufsichtsrats aufgrund des § 1 1 1 Abs. 1 A k t G

XIII

101 103 104 105

106 106

1. Überwachung, Kontrolle, Prüfung und Beratung 2. Überwachung beabsichtigter, laufender und abgeschlossener Vorgänge a) Überwachung beabsichtigter und laufender Vorgänge b) Überwachung abgeschlossener Vorgänge

108 110 111

3. Ergebnis

111

II. Die sonstigen Aufgaben des Aufsichtsrats 1. Überwachung und Leitung 2. Einordnung der Aufgaben 3. Ergebnis III. Die Entscheidungsfreiräume des Aufsichtsrats

106

112 113 114 116 117

1. Die Entscheidungsfreiräume im Rahmen der Überwachungsaufgabe aufgrund des § 1 1 1 Abs. 1 A k t G a) Die Erkenntnis einer Pflichtverletzung des Vorstands aa) Die ARAG-Entscheidung des Bundesgerichtshofs bb) Die richtige Fragestellung cc) Der richtige Ansatz (1) Konkretisierung der Aufgabe (2) Wahrnehmung der Aufgabe dd) Rechtsvergleich ee) Ergebnis b) Die Erkenntnis einer besseren Entscheidung aa) Prüfungspflicht bb) Einschätzungsprärogativen cc) Ergebnis c) Die Einwirkung auf den Vorstand aa) Einwirkungsfälle und Einwirkungsmöglichkeiten bb) Ermessensspielräume (1) Entschließungsermessen? (2) Auswahlermessen? (a) Heterogenität der Einwirkungsmöglichkeiten (b) Rechtsvergleich (c) Spezifische Fragen (d) Problemeingrenzung

118 120 121 123 123 124 124 126 126 127 127 128 131 131 131 134 134 136 136 139 140 142

Inhaltsverzeichnis

XIV (aa) (a) (ß) (i) (ii) (iii)

Das Handlungsprogramm des Aufsichtsrats . . . Sanktionierung der Unternehmensführung . . . . Optimierung der Unternehmensführung Erste Einwirkungsstufe Zweite Einwirkungsstufe Dritte Einwirkungsstufe

143 143 143 144 144 145

(x) Ergebnis (bb) Ermessensprärogativen des Aufsichtsrats? . . . . (а) Die ARAG-Entscheidung des Bundesgerichtshofs (ß) Die richtige Fragestellung (x) Der richtige Ansatz (i) Konkretisierung der Aufgaben (ii) Wahrnehmung der Aufgaben (б) Ergebnis (cc) Evaluationsermessen des Aufsichtsrats? (а) Die ARAG-Entscheidung des Bundesgerichtshofs (ß) Die richtige Fragestellung (x) Der richtige Ansatz (i) Konkretisierung der Aufgabe (ii) Wahrnehmung der Aufgabe (б) Rechtsvergleich (E) Ergebnis (dd) Auswahlermessen des Aufsichtsrats? (а) Die problematischen Fallkonstellationen (ß) Die richtige Fragestellung (x) Der richtige Ansatz (б) Ergebnis

149 150 150 153 154 155 157 159 160 160 163 163 164 165 166 166 167 167 168 168 170

2. D i e E n t s c h e i d u n g s f r e i r ä u m e i m R a h m e n d e r s o n s t i g e n

D.

Aufgaben

171

a) b) c) d) e) f)

171 172 173 173 174 174

Personalentscheidungen Sonstige Vorstandsentscheidungen M i t w i r k u n g s - u n d Initiativentscheidungen Selbstorganisatorische Entscheidungen Überwachungsaufgaben außerhalb des § 111 Abs. 1 A k t G Ergebnis

Zusammenfassung

der Ergebnisse

175

3.

Teil

D i e Reichweite der E n t s c h e i d u n g s f r e i r ä u m e des Vorstands u n d des Aufsichtsrats A.

Ansatzpunkt I. D i e v e r w a l t u n g s r e c h t l i c h e E n t s c h e i d u n g s f e h l e r l e h r e

182 184

Inhaltsverzeichnis 1. D i e B e d e u t u n g d e s V e r w a l t u n g s v e r f a h r e n s r e c h t s 2. D i e G r u n d a n n a h m e n d e r E n t s c h e i d u n g s f e h l e r l e h r e a) b) c) d)

Trennungsprinzip Fehleridentität Anknüpfungspunkt Zwei Fehlerquellen

3. D i e „ F e h l e r l i s t e " a) Interpretations-und Feststellungsfehler aa) Vorliegen des Einschätzungsbegriffs bzw. der Ermessensermächtigung bb) Reichweite des Einschätzungsbegriffs bzw. der Ermessensermächtigung cc) Sinngehalt des Einschätzungsbegriffs bzw. Sinn und Zweck der Ermessensermächtigung dd) Sachverhalt b) Abwägungsfehler aa) Vorliegen und Aussage der Wertungsgrundsätze bb) Verbot unsachlicher Beweggründe cc) Berücksichtigung der Wertungsgrundsätze (1) Berücksichtigung der relevanten Gesichtspunkte (2) Gewicht und Bedeutung der relevanten Gesichtspunkte (3) Bewertung, Gewichtung u n d Ausgleich der relevanten Gesichtspunkte (4) Vorrang der Aussage eines Wertungsgrundsatzes 4. E i n „ S y s t e m a t i s i e r u n g s v e r s u c h " a) Inhaltliche und strukturelle Fehler aa) Ergebnisfehler und inhaltliche Vorgangsfehler bb) Strukturelle Vorgangsfehler erster Stufe cc) Strukturelle Vorgangsfehler zweiter Stufe b) „Spezifische Ermessensfehler" c) Zuordnung zur „Zweck- und Grenzenformel" aa) „Grenzen" bb) „Zweck" (1) „unter anderen Umständen" (2) „aus anderen G r ü n d e n " (3) „nicht aufgrund der tatsächlichen Motive"

XV 184 186 186 187 187 188 189 190 190 191 192 192 193 194 195 195 197 198 198 199 199 200 202 202 203 204 204 204 205 205 207 209

II. D a s K o n z e p t e i n e r g e s e l l s c h a f t s r e c h t l i c h e n Entscheidungsfehlerlehre

210

1. G r u n d l e g u n g

211

2. F e h l e r k a t e g o r i e n

216

a) Typisierung des abstrakten Verhaltensfehlers und der konkreten Verhaltensfehler b) Bestimmung der konkreten Verhaltensfehler aa) Abwägungsmangel

216 217 218

XVI

Inhaltsverzeichnis bb) cc) dd) ee)

Abwägungsunschlüssigkeit Abwägungsmißorganisation Mißverhältnis zwischen Ergebnis und Vorgang Ergebnis

3. F e h l e r f o l g e n

221 221 224 227 228

a) Fehlerkausalität aa) Voraussetzungen bb) Reichweite b) Entscheidungskausalität

229 229 231 236

4 . E i n V e r g l e i c h m i t der U . S . a m e r i k a n i s c h e n business

B.

j u d g m e n t rule

237

a) Die U.S. amerikanische Rechtsprechung aa) Prozessuale Funktionen der business judgment rule bb) Materiell-rechtliche Voraussetzungen der business judgment rule (1) business judgment (2) good faith (3) disinterested judgment (4) informed judgment (5) rational business purpose cc) Materiell-rechtliche Konsequenzen des Nichteingreifens der business judgment rule b) Die Vorzüge der gesellschaftsrechtlichen Entscheidungsfehlerlehre aa) Unterschiede im Konzept (1) Rechtsvergleich (2) Würdigung bb) Unterschiede in den Fehlerkategorien (1) Rechtsvergleich (2) "Würdigung cc) Unterschiede im Kontrollmaßstab (1) Abgrenzungs- und Legitimationsprobleme (2) Funktion der Aktionärsklage (3) Verschärfung der business judgment rule

238 241

Die gesellschaftsrechtliche

Entscheidungsfehlerlehre

I. D i e R e l e v a n z des D e u t s c h e n K o d e x 1. R e c h t s w i s s e n s c h a f t u n d B e t r i e b s w i r t s c h a f t s l e h r e a) Zögerliche Herausbildung von Rechtspflichten b) Zögerliche Rezeption von Grundsätzen ordnungsgemäßer Unternehmensführung 2. Deutscher K o d e x und Aktiengesetz

244 245 245 246 249 252 255 257 257 258 258 259 259 260 261 261 264 266 268 271 271 271 272 277

a) Methodischer Ansatz

277

b) Ausstrahlungswirkung c) Rezeptionsprobleme aa) Zielsetzung

279 283 283

Inhaltsverzeichnis bb) Regelungstechnik (1) Empfehlungen und Anregungen (2) Auslegungsfragen cc) Defizitäre Substantiierung d) Ergebnis II. Ü b e r s c h r e i t u n g u n d A b w ä g u n g s m a n g e l 1. G e n e r e l l e E n t s c h e i d u n g s g r e n z e n

XVII 285 285 287 291 292 294 297

2. A b s o l u t e E n t s c h e i d u n g s g r e n z e n , E r m e s s e n s g r e n z e n u n d Ermessensrichtlinien

297

a) Das Konzept von Manfred H . Kessler aa) Absolute Entscheidungsgrenzen bb) Ermessensgrenzen cc) Ermessensrichtlinien b) Angemessenheit von Leistung und Gegenleistung aa) Ermessensgrenzen bb) Ermessensrichtlinien c) Ermessensrichtlinien für Einzelfragen

297 300 302 302 304 304 307 309

3. A l l g e m e i n e A b w ä g u n g s g r u n d s ä t z e a) b) c) d)

Gesellschaftsrechtlicher Ausgangsbefund Betriebswirtschaftlicher Befund Rechtsvergleichender Befund Richtlinien für eine sachgemäße Einschätzung, Evaluation und Auswahl

4. R a t i o n a l g e b o t III. Abwägungsmißorganisation u n d Abwägungsunschlüssigkeit . . . . 1. B e d e u t u n g d e r i n f o r m a t i o n e l l e n I n s t r u m e n t a r i e n 2. E r s t e K o n k r e t i s i e r u n g

312 313 313 315 317 319 320 320 321

a) Abstrakte Abwägungsmißorganisation b) Konkrete Abwägungsmißorganisation

323 323

c) Abwägungsunschlüssigkeit

324

3. W e i t e r e K o n k r e t i s i e r u n g a) Ansatzpunkt informationelle Instrumentarien b) Ansatzpunkt Organisationsrecht c) Problemeingrenzung aa) Unternehmensberichterstattung und externe Prüfung (1) Konzernrechnungslegung (a) Hintergrund (b) D R S 3 - Segmentberichterstattung (aa) Segmentierung (bb) Segmentinformationen (cc) Verbesserung der Segmentberichterstattung? . . (c) D R S 5 - Risikoberichterstattung (aa) Risikoabgrenzung (bb) Risikoinformationen

325 325 328 333 334 337 337 344 344 347 348 349 349 354

XVIII

Inhaltsverzeichnis (cc) Verbesserung der Risikoberichterstattung? . . . . (d) D R S 6 - Zwischenberichterstattung (e) D R S 11 - Berichterstattung über Beziehungen zu nahe stehenden Personen (f) Schlußfolgerungen (aa)DRSll (bb) DRS 2 (cc) DRS 3, DRS 5 und DRS 6 (dd) Ergebnis (2) Lageberichterstattung (a) Kennzahlen (aa) Finanzielle Kennzahlen (a) Jüngste Entwicklung (ß) Weitere Entwicklung (bb) Betriebliche Kennzahlen (a) Jüngste Entwicklung (ß) Weitere Entwicklung (b) Ziele, Strategien und Pläne (aa) Jüngste Entwicklung (bb) Weitere Entwicklung (c) Hintergrundinformationen (aa) Jüngste Entwicklung (bb) Weitere Entwicklung (d) Finanzinstrumente und bilanzunwirksame Geschäfte (aa) Entwicklung in den Vereinigten Staaten (bb) Entwicklung in Deutschland (e) Bewertungsunsicherheiten und Bewertungsmethoden (aa) Entwicklung in den Vereinigten Staaten (bb) Entwicklung in Deutschland (f) Aufgliederung der Finanzberichterstattung nach core and noncore activities (g) Management und Anteilseigner (h) Schlußfolgerungen (aa) Management und Anteilseigner (bb) Hintergrundinformationen (cc) Sonstige Vorschläge des Special Committee . . . (dd) Ergebnis (3) Externe Prüfung (a) Neuausrichtung der gesetzlichen Vorgaben (aa) Internationalisierung (bb) Zukunftsorientierung (cc) Risikoorientierung (dd) Aufsichtsratsorientierung (b) Ausformung der neuen gesetzlichen Vorgaben (c) Weiterentwicklung des gesetzgeberischen Ansatzes . (d) Ergebnis

357 358 361 362 363 364 364 365 366 367 369 370 371 373 374 377 378 380 382 386 388 389 389 390 392 396 396 397 399 400 404 404 405 405 407 411 414 414 416 418 419 419 421 425

Inhaltsverzeichnis bb) Internes Steuerungs- u n d Überwachungssystem (1) D e r Streit u m die Interpretation des §91 A b s . 2 A k t G . . (2) Die Auffassung des Instituts der Wirtschaftsprüfer (a) Risikofrüherkennungssystem u n d darauf bezogenes Uberwachungssystem (b) Internal C o n t r o l (aa) Definition (bb) K o m p o n e n t e n u n d Faktoren (cc) Prüfungsrelevante Dimension (3) Die im Lichte der §§93,116 A k t G zentrale Frage der Risikoidentifikation (4) Die Integration der Chancen (5) Ergebnis cc) Organisation des Aufsichtsrats (1) Unabhängigkeit u n d Qualifikation (a) Die Entwicklung in den Vereinigten Staaten (aa) N e w York Stock Exchange (bb) Securities and Exchange Commission (b) Weiterentwicklung des deutschen Gesellschaftsrechts (aa) Europäische Kommission (bb) Schlußfolgerungen (2) Aufsichtsratsausschüsse (a) Die Entwicklung in den Vereinigten Staaten (aa) N e w York Stock Exchange (bb) Securities and Exchange C o m m i s s i o n (b) Weiterentwicklung des deutschen Gesellschaftsrechts (aa) Europäische Kommission (bb) Schlußfolgerungen (3) Strukturierung der Überwachungstätigkeit (a) Die Entwicklung in den Vereinigten Staaten (b) Weiterentwicklung des deutschen Gesellschaftsrechts (4) Ergebnis

C. Zusammenfassung

der Ergebnisse

XIX 427 428 430 430 431 434 435 436 438 440 443 446 447 449 450 452 454 455 456 458 460 463 466 467 470 473 479 479 480 483

487

Fazit u n d Ausblick

497

Literaturverzeichnis

505

Sachregister

535

Corporate Governance und kein Ende? Die Diskussion um die Funktionsfähigkeit der deutschen Corporate Governance setzte Mitte der 90er Jahre ein und wird bis heute lebhaft geführt. Sie ist durch spektakuläre Unternehmenskrisen und Unternehmensskandale - von AEG und Metallgesellschaft über Sachsenmilch und Schneider, ARAG und Balsam, Vulkan und Holzmann, KHD und HypoVereinsbank, Telekom und Mannesmann, Flowtex und EM.TV, Ahold und Babcock sowie Worldcom und Enron bis hin zu Berliner Volksbank und Berliner Bankgesellschaft - ausgelöst und immer wieder neu entfacht worden. Im Mittelpunkt der Diskussion stehen Vorstände, Aufsichtsräte, Abschlußprüfer und Geschäftsbanken. Ihnen wird öffentlich Versagen vorgeworfen: Vorstände würden evidente Fehlentscheidungen treffen und über enorme kriminelle Energien verfügen („Nieten in Nadelstreifen"). Aufsichtsräte würden nie etwas bemerken, bevor es zu spät sei („Weder Aufsicht noch Rat"). Abschlußprüfer würden wegsehen oder gar Vorständen helfen, Verluste zu vertuschen und Risiken zu verschleiern („KPMG: Keiner prüft mehr gründlich"). Geschäftsbanken seien den Interessenkonflikten nicht gewachsen, die aus ihren Funktionen als Anteilseigner, als Vertreter der Kleinaktionäre, als Inhaber von Aufsichtsratsmandaten und als Kreditgläubiger erwachsen. Sie würden überdies aus falsch verstandener Loyalität heraus über das Mißmanagement von Vorständen hinwegsehen („Kungelkapitalismus"). Das intensive öffentliche Interesse hat eine Welle von Reformen des Gesellschafts-, Bilanz- und Kapitalmarktrechts ausgelöst, die in ihrem Ausmaß einzigartig sein dürfte. Die erste Phase zeichnete sich durch ausschließlich gesetzgeberische Aktivitäten aus. Das Ergebnis waren das Gesetz zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit deutscher Konzerne an Kapitalmärkten und zur Erleichterung der Aufnahme von Gesellschafterdarlehen (Kapitalaufnahmeerleichterungsgesetz - KapAEG) vom 20. April 1998,1 das Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (Kontroll- und Transparenzgesetz - KonTraG) vom 27. April 1998,2 das Gesetz zur Durchführung der Richtlinie des Rates der Europäischen Union zur Änderung der Bilanz- und der Konzernbilanzrichtlinie hinsichtlich ihres Anwendungsbereichs (90/605/EWG), zur Verbesserung der Of1 2

BGBl. 1998 I S . 7 0 7 f f . BGBl. 1998 I S . 7 8 6 f f .

2

Corporate Governance und kein Ende?

fenlegung von Jahresabschlüssen und zur Änderung anderer handelsrechtlicher Bestimmungen (Kapitalgesellschaften- und C o - R i c h t l i n i e - G e s e t z -

KapCoRi-

L i G ) v o m 24. Februar 2 0 0 0 3 und das Gesetz zur Namensaktie und zur Erleichterung der Stimmrechtsausübung (Namensaktiengesetz - N a S t r a G ) vom 18. Januar

2001.4 D i e zweite Phase begann im J a h r 2000, als die Debatte über einen Deutschen Corporate Governance K o d e x (im folgenden Deutscher K o d e x ) einsetzte und der C o r p o r a t e Governance Diskussion eine neue Dimension verlieh. D i e G r u n d satzkommission C o r p o r a t e Governance (im folgenden Grundsatzkommission) legte im Frühjahr 2000 einen C o d e of Best Practice vor (im folgenden Frankfurter Kodex). 5 D e r Berliner Initiativkreis G e r m a n C o d e o f C o r p o r a t e Governance (im folgenden Berliner Initiativkreis) veröffentlichte im S o m m e r 2000 einen G e r m a n C o d e o f C o r p o r a t e Governance (im folgenden Berliner Kodex). 6 Sie schlugen damit Standards guter Leitung und Ü b e r w a c h u n g in Unternehmen vor, 7 die zur Optimierung der Leitung und Überwachung in U n t e r n e h m e n beitragen 8 und an die sich die U n t e r n e h m e n durch Verpflichtungserklärungen binden können und sollen. 9 D e r Gesetzgeber fühlte sich durch diese Initiativen auf den Plan gerufen und setzte im S o m m e r 2000 die Regierungskommission „Corporate Governance Unternehmensführung - Unternehmenskontrolle - Modernisierung des Aktienrechts" 1 0 unter dem Vorsitz von Prof. Dr. Dr. h.c. T h e o d o r Baums ein (im folgenden Regierungskommission). Sie legte im Juli 2001 ihren Abschlußbericht vor (im folgenden Kommissionsbericht). 1 1 Sie sprach sich für Gesetzesänderungen und das Modell der verbindlichen Information über die Beachtung der Regeln eines C o r p o r a t e Governance K o d e x aus (Compliance Modell). Sie schlug die Einsetzung einer Folgekommission vor, um einen solchen K o d e x zu erarbeiten. 1 2 Im September 2001 wurde die Regierungskommission Deutscher C o r p o r a t e Governance K o d e x unter dem Vorsitz von Dr. Gerhard C r o m m e eingesetzt (im folgenden Kodexkommission). E t w a zeitgleich ging man im Bundesministerium für Justiz an die erste Stufe der legislatorischen U m s e t z u n g der Empfehlungen der Regierungskommission und bearbeitete die Bereiche Aufsichtsrat, R e c h -

BGBl. 2000 IS. 154ff. BGBl. 2001 I S. 123ff. 5 Abgedruckt etwa bei Schneider/Strenger AG 2000, S. 106, 109ff. 6 Abgedruckt etwa in AG 2001, S. 1, 6ff. 7 So ausdrücklich die Präambel des Berliner Kodex. 8 So ausdrücklich die Präambel des Berliner Kodex. 9 Schneider/Strenger AG 2000, S. 106, 109; Präambel des Berliner Kodex. 10 Tsp.25. Juni 2000, S.21. 11 Baums, Bericht der Regierungskommission Corporate Governance. Siehe dazu insbesondere DAV BB 2003, S. lff. 12 Siehe zu den letzteren beiden Fragen Rdn. 5-17 des Kommissionsberichts. 3 4

Corporate Governance und kein Ende?

3

nungslegung und Abschlußprüfung. 1 3 D e r Deutsche K o d e x wurde im D e z e m b e r 2001 der Öffentlichkeit vorgestellt und im Februar 2002 dem Bundesjustizministerium übergeben; 1 4 er erhielt seine zweite Fassung v o m 7. N o v e m b e r 2 0 0 2 aufgrund einer Neuregelung der directors' dealings in § 15a W p H G . 1 5 Das Ergebnis der gesetzgeberischen Bemühungen war das Gesetz zur weiteren R e f o r m des A k tien- und Bilanzrechts, zu Transparenz- und Publizität (Transparenz- und Publizitätsgesetz - T r a n s P u G ) v o m 19. Juli 2 0 0 2 . 1 6 A u ß e r d e m kamen nach langer Vorbereitung das Gesetz zur Regelung von öffentlichen Angeboten zum E r w e r b von Wertpapieren und von Unternehmensübernahmen (Wertpapiererwerbs-

und

Übernahmegesetz - W p U G ) v o m 20. D e z e m b e r 2 0 0 1 1 7 und das Gesetz zur weiteren Fortentwicklung des Finanzplatzes Deutschland (Viertes Finanzmarktförderungsgesetz) v o m 26. Juni 2 0 0 2 1 8 zustande. 1 9 D i e dritte Phase begann im Frühjahr 2003. D i e Bundesregierung legte am 25. Februar 2003 einen Maßnahmenkatalog zur Stärkung der Unternehmensintegrität und des Anlegerschutzes vor, der zahlreiche weitere Änderungen des Gesellschafts-, Bilanz- und Kapitalmarktrechts noch für die laufende Legislaturperiode in Aussicht nahm (im folgenden Maßnahmenkatalog 2 / 2 0 0 3 ) . 2 0 D i e K o m m i s s i o n der Europäischen Gemeinschaften veröffentlichte am 21. Mai 2003 eine Mitteilung der K o m m i s s i o n an den Rat und das Europäische Parlament mit dem Titel „Modernisierung des Gesellschaftsrechts und Verbesserung der C o r p o r a t e G o vernance in der Europäischen U n i o n - A k t i o n s p l a n " , der in drei Stufen ( 2 0 0 3 2 0 0 5 , 2 0 0 6 - 2 0 0 8 , ab 2009) zahlreiche Maßnahmen und insbesondere den Erlaß von (Änderungs-) Richtlinien auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts vorsah (im folgenden Aktionsplan 5/2003). 2 1 M a n ging hier wie dort zügig an die Umsetzung. Anfang J u n i 2005 lagen bereits die überarbeitete (vierte) Fassung des Deutschen K o d e x v o m 2 . J u n i 2005, 2 2 die Verordnung zur Konkretisierung des Verbotes der K u r s - und Marktpreismanipulation ( K u M a K V ) v o m 18. N o v e m b e r 2003, 2 3 das Gesetz zur Verbesserung des Anlegerschutzes (Anlegerschutzverbesserungsgesetz - A n S V G ) v o m 28. O k t o ber 2 0 0 4 , 2 4 das Gesetz zur Einführung internationaler RechnungslegungsstanAllgemeiner Teil der Begründung zum RegE TransPuG 2/2002. Bundesministerium der Justiz, Mitteilungen für die Presse A 27/01 und Nr. 9/02. Der Deutsche Kodex ist in dieser Fassung abgedruckt in AG 2002, S. 237ff. 15 Basta AG 2003, S. R3. Siehe zu directors' dealings insbesondere Pluskat BKR 2004, S. 467ff. 16 BGBl. 2002 IS. 2681 ff. 17 BGBl. 2001 I S. 3822ff. 18 BGBl. 2002 IS. 201 Off. 19 Siehe dazu auch Ziff. 3.7 des Deutschen Kodex und Rdn. 181 des Kommissionsberichts. 20 Mitteilung für die Presse Nr. 10/03; siehe dazu Schiessl AG 2002, S. 593ff. 21 KOM (2003) 284. Siehe dazu Van Hulle/MaulZGK 2004, S. 484ff. sowie Wiesner ZIP 2003, S.977ff. und BB 2003, S.213ff. 22 Abrufbar unter http://www.corporate-governance-code.de/. 23 BGBl. 2003 I S. 2300ff. 24 BGBl. 2004 I S.2630ff. Siehe dazu: Ziemons NZG 2004, S.537ff.; DuhnkracUHasche DB 13

14

4

Corporate Governance und kein Ende?

dards und zur Sicherung der Qualität der Abschlußprüfung (Bilanzrechtsreformgesetz - BilReG) vom 4. Dezember 2004,25 das Gesetz zur Kontrolle von Unternehmensabschlüssen (Bilanzkontrollgesetz - BilKoG) vom 15. Dezember 2004,26 das Gesetz zur Fortentwicklung der Berufsaufsicht über Abschlußprüfer in der Wirtschaftsprüferordnung (Abschlußprüferaufsichtsgesetz - APAG) vom 27. Dezember 2004,27 der Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG) vom 17. November 2004,28 der Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Einführung von Kapitalanleger-Musterverfahren (Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz - KapMuG) vom 17. November 2004,29 der Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. N o vember 2003 betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG (Wertpapierprospektgesetz - WpPG) vom 3. März 2005,30 der Regierungsentwurf eines Gesetzes über die Offenlegung der Vorstandsvergütungen (Vorstandsvergütungs-Offenlegungsgesetz - VorstOG) vom 18. Mai 2005,31 der Diskussionsentwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der 2004, S. 1351 ff.; Fleischer BKR 2004, S.339ff.; Bürgers BKR 2004, S.467ff.; von Falkenhausen/ Widder BB 2005, S.225ff.; Langenbucher ZIP 2005, S.239ff. 25 BGBl. 2004 I S. 3166ff. Siehe dazu: Kaiser DB 2005, S.345ff.; Wendlandt/Knorr KoR 2004, S. 45ff.; Peemöller/Oehler BB 2004, S.1158ff. und BB 2004, S.539ff.; Großfeld N Z G 2004, S. 393ff.; Veltins DB 2004, S. 445ff.; Lenz BB 2004, S. 707ff.; Hüttemann BB 2004, S. 203ff.; IDW WPg 2004, S. 143 ff., Hochschullehrerarbeitskreis Bilanzrecht BB 2004, S. 546ff. 26 BGBl. 2004 I S.3408ff. Siehe dazu: Ernst BB 2004, S.936ff.; Mattheus/Schwab BB 2004, S. 1099ff.; Hommelhoff/Mattheus BB 2004, S.93ff.; Pellens/Detert/Nölte/Sellhorn KoR 2004, S. 1 ff.; Kilian ZGR 2004, S. 189ff. 27 BGBl. 2004 I S. 3846ff. 28 Abgedruckt in ZIP 2004, S.2455ff.; mit Änderungen vom Bundestag am 16. Juni 2005 angenommen (BR-Drucksache 454/05) [Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG) vom 22. September 2005 - BGBL 2005 I S. 2802ff.]. Siehe dazu: Arnold/Born A G 2005, S. R 198, R 200, R 201; Semler A G 2005, S. 321 ff.; Köhler/Marten/Hülsberg/Bender BB 2005, S. 501 ff.; Schütz N Z G 2005, S. 5ff.; Wilsing DB 2005, S. 35ff.; Gantenberg DB 2005, S.207ff.; Holzborn/Bunnemann BKR 2005, S. 51ti.; Jahn BB 2005, S. 5ff.; Diekmann/ Leuering N Z G 2004, S. 249ff.; Küthe BB 2004, S. 449ff.; DAV ZIP 2005, S. 774ff. und ZIP 2004, S. 1230ff.; IDW WPg 2004, S. 487f.; Hirte ZIP 2004, S. 1091 ff.; Kiethe N Z G 2004, S. 489ff.; Meilicke/Heidel DB 2004, S. 1479ff.; Thümmel DB 2004, S. 471ff. und A G 2004, S. 83ff.; Ulmer DB 2004, S. 859ff.; Kock/Dinkel N Z G 2004, S.441 ff.; Fleischer ZIP 2004, S.685ff.; Peltzer, Festschrift Hadding, S.593ff.; Kinzl DB 2004, S. 1653f. 29 Abgedruckt in ZBB 2004, S. 522ff.; mit Änderungen vom Bundestag am 16. Juni 2005 angenommen (BR-Drucksache 455/05) [Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz vom 16. August 2005 - BGBl. 2005 I S. 2437ff.]. Siehe dazu: Duve/Pfitzner BB 2005, S. 673ff.; Zypries BB 2004, Heft 23, S. I; Braun/Rolter BKR 2004, S. 296ff.; Reuschle N Z G 2004, S. 590ff.; Hess/Michailidou W M 2003, S. 2318 ff. 30 BT-Drucksache 15/4999; mit Änderungen vom Bundestag am 21. April 2005 angenommen (BR-Drucksache 304/05) [Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz vom 22. Juni 2005 - BGBl. 2005 I S. 1698ff.]. Siehe dazu Ekkenga BB 2005, S.561ff. 31 Volltext abrufbar unter http://www.rws-verlag.de/Volltext vom 23. Mai 2005; mit Ände-

Corporate Governance und kein Ende?

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Haftung für falsche Kapitalmarktinformationen (Kapitalmarktinformationshaftungsgesetz - K a p I n H a G ) vom 7. O k t o b e r 2 0 0 4 3 2 vor; ein Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz war angekündigt. 3 3 I m Zuge dieser Maßnahmen wurde auch das Gesetz zur Einführung der Europäischen Gesellschaft ( S E E G ) v o m 22. D e z e m ber 2 0 0 4 verabschiedet. 3 4 A u f europäischer E b e n e wurde die Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in B e z u g auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten M a r k t zugelassen sind, und zur Änderung der Richtlinie 2 0 0 1 / 3 4 / E G („Transparenzrichtlinie") am 11. Mai 2004 erlassen. 3 5 E s wurden der Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Verschmelzung von Kapitalgesellschaften aus verschiedenen Mitgliedstaaten („Verschmelzungsrichtlinie") vom 18. N o v e m b e r 2 0 0 3 , 3 6 der Vorschlag für eine R i c h t linie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Abänderung der Richtlinien 7 8 / 6 6 0 / E W G und 8 3 / 3 4 9 / E W G hinsichtlich der Jahresabschlüsse bestimmter Arten von Unternehmen und konsolidierter Abschlüsse vom 27. O k t o b e r 2 0 0 4 , 3 7 der Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 7 7 / 9 1 / E W G des Rates in B e z u g auf die Gründung von Aktiengesellschaften und die Erhaltung und Änderung ihres Kapitals v o m 21. September 2 0 0 4 , 3 8 die Grundzüge der geplanten 14. Gesellschaftsrechtsrichtlinie über die grenzüberschreitende Verlegung des Satzungssitzstaates von Kapitalgesellschaften v o m 26. April 2 0 0 4 , 3 9 die Empfehlung zu den Aufgaben von nicht geschäftsführenden Direktoren/Aufsichtsratsmitgliedern börsennotierter Gesellrungen vom Bundestag am 30. Juni 2005 angenommen (BR-Drucksache 451/05) [Vorstandsvergütungs-Offenlegungsgesetz vom 3. August 2005 - BGBl. 2005 IS. 2267ff.]. Siehe dazu: Bundesministerium der Justiz, Pressemitteilung vom 11. März 2005; Börsenzeitung 12. März 2005, S.6; Börsenzeitung 8. April 2005, S. 5; Strieder DB 2005, S. 975ff.; Zypries BB 2005, Heft 15, S. I. Siehe dazu auch den Vorschlag eines Gesetzes zur Verbesserung der Transparenz von Vorstandsvergütungen von Baums, abgedruckt in ZIP 2004, S. 1877ff. 32 Abgedruckt in NZG 2004, S.1042ff. Siehe dazu: Sauer ZBB 2005, S.24ff.; Casper BKR 2005, S. 83ff.; Veil BKR 2005, S. 91 ff.; Langenbucher ZIP 2005, S. 239ff.; Gittermann NZG 2004, S. 1081 ff.; Fleischer BKR 2003, S.608ff. und ZGR 2004, S.437ff.; Baums ZHR 167 (2003), S. 139ff.; Baums/Fischer, Haftung des Prospekt- und des Abschlußprüfers gegenüber den Anlegern; Schwark, Festschrift Hadding, S. 1117ff.; Zimmer WM 2004, S. 9ff.; Keusch/Wankerl BKR 2003, S.744ff.; Heppe WM 2003, S. 714ff. und 753ff. Vgl. auch Friedl NZG 2004, S.448ff. 33 Abschnitt I des Allgemeinen Teils der Begründung zum RegE BilReG 4/2004 (Volltext abrufbar unter http://www.rws-verlag.de/Volltext vom 27. April 2004). Siehe dazu nur SchulzeOsterloh ZIP 2004, S. 1128 ff. 34 BGBl. 2004 I S. 3675ff. 35 KOM (2003) 138(01). 36 KOM (2003) 703. Siehe dazu: Kommission, Pressemitteilung IP/04/1405; Müller ZIP 2004, S. 1790ff.; Wiesner DB 2005, S.91ff. 37 KOM (2004) 725. Siehe dazu Kommission, Pressemitteilung IP/04/1318. 38 KOM (2004) 730. Siehe dazu Kommission, Pressemitteilung IP/04/1334. 39 Abrufbar unter http://europa.eu.int/comm/internal_market/company/. Siehe dazu Kommission, Pressemitteilung IP/04/270.

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Corporate Governance und kein Ende?

Schäften sowie zu den Ausschüssen des Verwaltungs-/Aufsichtsrats v o m 15. F e bruar 2005 (Unabhängigkeitsempfehlung), 4 0 die Empfehlung zur Einführung einer angemessenen Regelung für die Vergütung von Mitgliedern der U n t e r n e h mensleitung börsennotierter Gesellschaften vom 14. D e z e m b e r 2004 4 1 und das zweite Konsultationspapier zur Einführung einer angemessenen Regelung zur Stärkung der Aktionärsrechte vom 13. Mai 2005 4 2 vorgelegt. D i e Schaffung der Europäischen Corporate Governance F o r u m s wurde am 18. Januar 2 0 0 4 , die E i n setzung des Sachverständigenausschusses am 28. April 2005 bekanntgegeben. 4 3 I m Zuge dieser Maßnahmen wurden die Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend Ubernahmeangebote („Ubernahmerichtlinie") v o m 21. April 2004 erlassen 4 4 und ein Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Prüfung des Jahresabschlusses und des konsolidierten Abschlusses und zur Änderung der Richtlinien 78/660/EWG und 83/ 3 4 9 / E W G des Rates („Prüferrichtlinie") vom 16. M ä r z 2004 gemacht. 4 5 D e r P r o z e ß der U m s e t z u n g des Maßnahmenkataloges 2/2003 und des A k tionsplans 5/2003 war Anfang J u n i 2 0 0 5 mithin in vollem Gange. Sein E n d e wird allerdings nicht das Ende der R e f o r m e n sein. D i e europäischen M a ß n a h m e n werden weitere deutsche Maßnahmen nach sich ziehen. Zudem gibt es neue nichtstaatliche Initiativen, die die Diskussion nicht zur R u h e k o m m e n lassen werden. So veröffentlichte das Berliner N e t z w e r k Corporate Governance im April 2 0 0 4 „12 Thesen zur Modernisierung der M i t b e s t i m m u n g " 4 6 und legte die gemeinsame Kommission Mitbestimmung von B D I und B D A im N o v e m b e r 2 0 0 4 ihren B e richt „Mitbestimmung modernisieren" vor. 4 7 Diese Untersuchung greift aus dem mit Corporate Governance beschriebenen Problemkreis einen Aspekt heraus, und zwar die Frage nach einer operationalen Interpretation der den Vorständen und Aufsichtsräten bei unternehmerischen Entscheidungen obliegenden Rechtspflichten im Sinne der § § 9 3 , 116 A k t G : Sie müssen so konkretisiert werden, daß sie den Vorständen und Aufsichtsräten hin40 ABl. EG Nr. L 52 S. 51. Siehe zum Arbeitsdokument vom 23. Juli 2004 nur Maul/Lanfermann BB 2004, S. 1861, 1861 ff. 41 ABl. EG Nr. L 385 S. 55. Siehe zum Arbeitsdokument vom 23. Juli 2004 nur Maul/Lanfermann BB 2004, S. 1861, 1866f. 42 Abrufbar unter http://europa.eu.int/comm/internal_market/company/. 43 Kommission, Pressemitteilungen IP/04/1241 und IP/05/500. Die deutschen Mitglieder des Sachverständigenausschusses sind Theodor Baums (Universität Frankfurt) und Daniela WeberRey (Clifford Chance). 44 Abgedruckt in NZG 2004, S. 651 ff. Siehe dazu Maul NZG 2005, S. 151 ff. 45 KOM (2004) 177. Siehe dazu: Maul/Lanf ermann BB 2004, S. 1861, 1865f.; Lanfermann DB 2004, S. 609ff.; Wiesner ZIP 2003, S. 1186ff.; Van Hülle/Lanfermann BB 2003, S. 1323ff.; Schmidt BB2003, S. 779ff. 46 AG 2004, S.200f. Siehe dazu: Von Werder AG 2004, S. 166ff.; Schwark AG 2004, S. 173ff.; Säcker AG 2004, S. 180ff. und BB 2004, S. 1462ff.; Schwalbach AG 2004, S. 186ff.; Windbichler AG 2004, S. 190ff.; Kirchner AG 2004, S. 197ff. 47 BDA-200.

Corporate Governance und kein Ende?

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reichende Anhaltspunkte für eine effiziente Aufgabenwahrnehmung geben, ohne sie durch unübersehbare Haftungsrisiken in ihrem Engagement zu behindern. D e r Bundesgerichtshof hat dem Vorstand in der A R A G - E n t s c h e i d u n g „einen weiten Handlungsspielraum" zugebilligt und ausgeführt, „eine Schadensersatzpflicht" könne „erst in Betracht k o m m e n , wenn die Grenzen, in denen sich ein von Verantwortungsbewußtsein getragenes, ausschließlich am U n t e r n e h m e n s wohl orientiertes, auf sorgfältiger Ermittlung der Entscheidungsgrundlagen beruhendes unternehmerisches Handeln bewegen muß, deutlich überschritten sind, die Bereitschaft, unternehmerische Risiken einzugehen, in unverantwortlicher Weise überspannt worden ist." 4 8 D e r Aufsichtsrat habe daran „insoweit Anteil, wie das Gesetz auch ihm unternehmerische Aufgaben überträgt." 4 9 D e r Bundesgerichtshof hat die Grundlage der Entscheidungsfreiräume des Vorstands in der „Führungsaufgabe" des Vorstands 5 0 und die der Entscheidungsfreiräume des Aufsichtsrats in den „unternehmerischen Aufgaben" des Aufsichtsrats 5 1 gesehen. 5 2 E r hat den Begriff des „autonomen unternehmerischen Ermessensspielraums" geprägt. 53 D e r Bundesgerichtshof hat damit in dogmatischer Hinsicht Neuland betreten und eine intensive Diskussion ausgelöst. 5 4 In der Folge sind einige Vorschläge unterbreitet worden, die zweierlei gemeinsam haben: Sie verankern die Entscheidungsfreiräume des Vorstands und des Aufsichtsrats in den Aufgabenzuweisungen nach den § § 7 6 A b s . l , 111 Abs. 1 A k t G . 5 5 Sie nehmen keine Haftung nach den §§ 9 3 , 1 1 6 A k t G an, wenn Vorstand und Aufsichtsrat Entscheidungen im R a h m e n ihrer Entscheidungsfreiräume treffen, die sich später als Fehlentscheidungen erweisen. 5 6 D e r jüngste Vorschlag stammt von der Bundesregierung. Sie hat vorgeschlagen, in § 9 3 Abs. 1 A k t G den folgenden Satz 2 einzufügen: „Eine Pflichtverletzung liegt nicht vor, wenn das Vorstandsmitglied bei einer unternehmerischen Entscheidung vernünftigerweise annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Information zum Wohle der Gesellschaft zu handeln." 5 7 Alle diese Vorschläge haben noch ein weiteres gemeinsam: Im Detail herrscht Unklarheit, und zwar insbesondere im H i n b l i c k auf drei Fragen: Bei welchen Entscheidungen verfügen Vorstand und Aufsichtsrat über welche EntscheiBGH ZIP 1997, S. 883, 885, 886 - ARAG/Garmenbeck. BGH ZIP 1997, S. 883, 886 - ARAG/Garmenbeck. 50 BGH ZIP 1997, S.883, 886 - ARAG/Garmenbeck. 51 BGH ZIP 1997, S. 883, 886 - ARAG/Garmenbeck. 52 So auch Kindler ZHR 162 (1998), S. 101, 105. 53 BGH ZIP 1997, S. 883, 886 - ARAG/Garmenbeck. 54 Siehe dazu nur Horn ZIP 1997, S. 1129, 1134f. und Roth, Ermessen, S.40ff. sowie Kindler ZHR 162 (1998), S.104, 105f., 106f. 55 Kindler ZHR 162 (1998), S.101, 105f.; Horn ZIP 1997, S.1129, 1134f.; Roth, Ermessen, S.48ff.; Paefgen, Entscheidungen, S.26ff., 35ff. 56 Kindler ZHR 162 (1998), S. 101, 104; Roth, Ermessen, S.48ff.; Paefgen, Entscheidungen, S. 171 ff., 222ff.; Hopt, Festschrift Mestmäcker, S.909, 920; Horn ZIP 1997, S. 1129, 1135. 57 Art. 1 Nr. 1 RegE UMAG 11/2004. 48

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8

Corporate Governance und kein Ende?

dungsfreiräume, oder anders gewendet, was ist eine unternehmerische Entscheidung? 5 8 U n t e r welchen Bedingungen fallen Entscheidungen in diese Entscheidungsfreiräume, oder anders gewendet, wann liegen ermessensfehlerfreie unternehmerische

Entscheidungen

vor? 5 9

U n t e r welchen

Voraussetzungen

sind

Pflichtverletzungen im Sinne der § § 9 3 , 116 A k t G gegeben, wenn Entscheidungen gemessen an diesen Bedingungen nicht von den Entscheidungsfreiräumen gedeckt sind, oder anders gewendet, wann müssen Vorstand und Aufsichtsrat für ermessensfehlerhafte unternehmerische Entscheidungen einstehen? 6 0 Vor diesem Hintergrund befaßt sich diese Untersuchung mit der zentralen dogmatischen Frage im Spannungsfeld zwischen den Aufgabenzuweisungen nach den §§ 76 Abs. 1 , 1 1 1 Abs. 1 A k t G und den Pflichtverletzungen im Sinne der § § 9 3 , 1 1 6 A k t G : Wie können die Entscheidungsfreiräume des Vorstands und des Aufsichtsrats durch Auslegung der §§ 76 Abs. 1 , 1 1 1 Abs. 1 A k t G sachgerecht bestimmt und durch Konkretisierung der den Vorständen und den Aufsichtsräten obliegenden Rechtspflichten im Sinne der § § 9 3 , 116 A k t G angemessen gesichert und begrenzt werden? Sie nimmt ihren Ausgangspunkt in einer kritischen A n a l y se der bisher unterbreiteten Vorschläge und der Grundlegung eines Haftungskonzepts, das die ihm obliegende Steuerungsfunktion tatsächlich erfüllen kann (Teil 1). D i e Ausformung dieses Haftungskonzepts erfolgt entsprechend der dogmatischen Fragestellung in zwei Schritten: E s werden die Voraussetzungen für die A n n a h m e von Entscheidungsfreiräumen des Vorstands und des Aufsichtsrats konkretisiert (Teil 2) und die den Vorständen und Aufsichtsräten insoweit obliegenden Rechtspflichten im Sinne der § § 9 3 , 1 1 6 A k t G präzisiert (Teil 3). Das E r gebnis ist eine deutsche business judgment rule, die wie die U . S . amerikanische business judgment rule eine beschränkte Uberprüfung des Entscheidungsergebnisses mit einer Uberprüfung des Entscheidungsprozesses verbindet, im H i n blick auf die Kontrolldichte und die haftungsrechtlichen Konsequenzen jedoch deutlich strenger ist. D i e Untersuchung belegt, daß es ein Irrtum ist zu glauben, zur „Präzisierung der Haftungsvoraussetzungen" würde „ein rechtsvergleichender B l i c k auf die U . S . amerikanischen Erfahrungen mit der business judgment rule" ausreichen. 6 1

58 Siehe dazu: Begründung zu Art. 1 Nr. 1 RegE UMAG 11/2004; Paefgen AG 2004, S.245, 251; Kock/Dinkel NZG 2004, S.441, 443; Thümmel DB 2004, S.471, 472; Fleischer ZIP 2004, S. 685, 685; Roth BB 2004, S. 1066, 1068; Heermann AG 1998, S.201, 203. 59 Siehe dazu: Ulmer DB 2004, S.859, 859f., 860f.; Fleischer ZIP 2004, S.685, 690f.; Paefgen AG 2004, S.245,252f., 253ff., 255,255f.; ThümmelDB 2004, S.471, 472 und AG 2004, S. 83, 87; Kock/Dinkel NZG 2004, S.441, 443f.; Kinzl DB 2004, S. 1653, 1653f. 60 Siehe dazu: Roth, Ermessen, S.48ff., 135; Kindler ZHR 162 (1998), S. 101, 105; Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung, S. 251 f., 253f., 260f., 266; Fleischer ZIP 2004, S. 685,689; Henze BB 2001, S.53, 57. 61 Vgl. Kindler ZHR 162 (1998), S. 101, 107.

Erster Teil

Das Corporate Governance Problem

A. Unternehmen außer Kontrolle: Das Versagen der Corporate Governance Die Diskussion um die Funktionsfähigkeit der deutschen Corporate Governance hat sich an dem Versagen von Vorständen, Aufsichtsräten, Abschlußprüfern und Geschäftsbanken im Zuge einer ganzen Reihe von spektakulären Unternehmenskrisen entzündet. Dies dürfte der Grund dafür sein, daß die Anforderungen an die Träger von Leitungs- und Uberwachungsaufgaben in den Unternehmen im Mittelpunkt der Reformbemühungen gestanden haben und stehen. Das Ergebnis sind zahlreiche Änderungen des Gesellschafts-, Bilanz- und Kapitalmarktrechts gewesen. Die Frage, ob dies der richtige Ansatzpunkt ist, wurde und wird jedoch selten gestellt. So formulierte etwa Meinhard Dreher im Jahr 1996: „Je mehr Hilfe wir uns vom Organisationsrecht erwarten, desto eher geht es uns vielleicht wie demjenigen, der in einer dunklen Nacht im Schein einer Straßenlaterne nach einer verlorenen Münze sucht. Ein zufällig vorbeikommender Passant fragt ihn, wo er die Münze verloren habe. Der Verlierer weist auf einen finsteren Platz weiter weg auf der anderen Straßenseite. Daraufhin fragt ihn der Passant: Aber warum suchen Sie dann hier? Zur Antwort bekommt er: Weil hier das Licht ist!" 1 Die entscheidende Frage lautet mithin, ob die Lösung des Corporate Governance Problems darin liegt, die Anforderungen an Vorstände, Aufsichtsräte, Abschlußprüfer und Geschäftsbanken und damit an die Leitung und Überwachung in den Unternehmen zu verschärfen. Ein Blick auf die spektakulären Unternehmensskandale und das deutsche Corporate Governance System macht deutlich, daß dies der Fall ist.

I. Der empirische Befund Die Unternehmenskrisen sind zumeist nicht durch eine unglückliche Unternehmenspolitik, sondern durch greifbare Fehlverhaltensweisen der Vorstände, Aufsichtsräte und/oder Abschlußprüfer ausgelöst worden. In einer Reihe von Fällen waren Handlungen unverantwortlich oder sogar kriminell. In anderen Fällen lagen äußerst zweifelhafte Geschäftspraktiken vor oder kamen plötzlich ans Licht, und zwar durch hohe Wertberichtigungen, umfangreiche Rückstellungen und be1

Dreher,

Corporate Governance, S. 60.

A. Unternehmen außer Kontrolle: Das Versagen der Corporate

Governance

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trächtliche Verluste im Zusammenhang mit kritischen Immobilienprojekten. In die erste Fallgruppe fallen etwa die Fälle A R A G , Metallgesellschaft, A S S und B r e mer Vulkan sowie Balsam und K H D , in die zweite die Fälle Mannesmann, H o l z mann und HypoVereinsbank.

1. D e r F a l l A R A G D i e A R A G A G und ihre hundertprozentigen Tochtergesellschaften A R G r u n d G m b H und A R A G Finanz B . V. unterhielten Geschäftsbeziehungen mit der G a r menbeck Ltd. Diese nahm einerseits Kapital zu erheblich über dem Kapitalmarktniveau liegenden Zinsen auf und gewährte andererseits Kredite zu deutlich unterhalb des marktüblichen Zinsniveaus liegenden Zinsen. Sie konnte die Verluste aus ihrer Geschäftstätigkeit nur für eine begrenzte Zeit durch eine Ausweitung der Geschäftstätigkeit auffangen und brach im J a h r 1990 zusammen. D i e A R A G A G und ihre Tochtergesellschaften erlitten mit Blick auf die der G a r m e n b e c k Ltd. gewährten Darlehen („Anlagegeschäft") einen Zinsausfallschaden in H ö h e von rund 4 2 0 T D M . Sie verloren darüberhinaus mit Blick auf die von der G a r menbeck Ltd. zur Verfügung gestellten Darlehen, die die Tochtergesellschaften der A R A G A G vorfinanziert hatten, und zwar vermittels der G a r m e n b e c k Ltd. gewährter (durch Eurokredite finanzierter) Vorschaltdarlehen („Kreditanlagegeschäft"), mehr als 80 M i o . D M (und zwar infolge der Tilgung der Eurokredite nach Nichtauszahlung bereits vorfinanzierter Darlehen durch die G a r m e n b e c k Ltd.). 2 Verantwortlich gemacht wurden insbesondere zwei Mitglieder des Vorstands der A R A G A G , der Vorstandsvorsitzende L.F. (Familienstamm H . H . F . ) und der Finanzvorstand H . H . , die zugleich alleinvertretungsberechtigte

Ge-

schäftsführer der A R G r u n d G m b H und A R A G Finanz B.V. waren. D i e seit J a h ren andauernden Differenzen zwischen den beiden Familienstämmen H . H . F . und W.F. eskalierten, eine wahre P r o z e ß welle brach über die A R A G - G r u p p e herein, und der Finanzvorstand H . H . wurde schließlich rechtskräftig zu einem Schadensersatz in H ö h e von 55,6 Mio. D M und zu einer Freiheitsstrafe von vier J a h ren und acht Monaten verurteilt. 3 O L G Düsseldorf ZIP 1995, S. 1183, 1183ff. - ARAG/Garmenbeck. Aufsichtsratsprozeß: Anfechtung eines Aufsichtsratsbeschlusses des Aufsichtsrats der A R A G AG, mit dem die Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs gegen den Vorstandsvorsitzenden der ARAG AG abgelehnt worden ist, durch unterlegene Mitglieder des Aufsichtsrats der A R A G AG (BGH vom 21. April 1997 - II ZR 175/95 - ZIP 1997, S. 883 ff. - ARAG/Garmenbeck; O L G Düsseldorf vom 22. Juni 1995 - 6 U 104/94 - ZIP 1995, S. 1183ff. - ARAG/Garmenbeck; L G Düsseldorf vom 14. März 1994 - 32 O 158/92 - ZIP 1994, S.628f. - ARAG/Garmenbeck; die Revision führte zur Zurückverweisung der Sache); AFI-Prozeß: Anfechtung eines Gesellschafterbeschlusses der Gesellschafterversammlung der mit einer Kapitalbeteiligung in Höhe von 50% an der A R A G AG beteiligten AFI Verwaltungsgesellschaft mbH, mit dem eine Weisung an den Geschäftsführer der AFI GmbH, die Einberufung einer außerordentlichen Hauptversammlung der A R A G AG mit dem Ziel der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen die Vorstandsmitglieder der A R A G AG zu bewirken, abgelehnt worden ist, 2

3

12

1 Teil: Das Corporate

Governance

Problem

Das O L G Düsseldorf sah die Pflichtverletzung des Finanzvorstands H . H . darin, daß er im Rahmen des 7. und 8. „Kreditanlagegeschäfts" die Auszahlung eines Teilbetrages der bereitgestellten Eurokreditvaluten durch die A R A G Finanz B. V. an eine Tochtergesellschaft der Garmenbeck Ltd., die F I D O R International A G , veranlaßte, obwohl nicht f ü r eine hinreichende Sicherung v o r einem etwaigen Verlust des Kapitals gesorgt w a r und insbesondere die Garantieerklärung der Schweizer Rückversicherung nicht vorlag, v o n der die Auszahlung der Vorschaltdarlehen abhängen sollte. 4 Soweit die Prozesse zum Ende des Jahres 1998 noch nicht rechtskräftig entschieden waren, wurden sie einvernehmlich beendet. 5 Die

durch unterlegene Gesellschafter der AFI GmbH (OLG Düsseldorf vom 14. März 1996 - 6 U 119/94 - ZIP 1996, S. 1083 ff. - ARAG/Garmenbeck II; LG Düsseldorf vom 7. April 1994 - 32 O 225/92 - AG 1994, S.330ff. - ARAG/Garmenbeck II; rechtskräftig, denn der BGH hat mit Beschluß vom 20. Januar 1997 - II ZR 90/96 - die Annahme der Revision mangels grundsätzlicher Bedeutung und Erfolgsaussicht abgelehnt - ZIP 1997, S. 887); erster Schadensersatzprozeß: Schadensersatzklage der ARAG AG, vertreten durch den Aufsichtsrat der ARAG AG, gegen den Finanzvorstand der ARAG AG (OLG Düsseldorf vom 28. November 1996 - 6 U 11/95 ZIP 1997, S. 27ff.; LG Düsseldorf vom 23. November 1994 - 33 O 204/93 - nicht veröffentlicht siehe dazu Grooterhorst ZIP 1999, S.1117, 1118 Fn. 9; rechtskräftig, denn die Revision ist am 9. Juni 1997 zurückgenommen worden - siehe dazu Grooterhorst ZIP 1999, S. 1117, 1118 Fn. 10) und Strafurteil gegen den Finanzvorstand der ARAG AG (LG Aachen vom 19. März 1993 - 86 Kls 31 Js 1420/90 - nicht veröffentlicht - siehe dazu Grooterhorst ZIP 1999, S. 1117,1119 Fn. 16); zweiter Schadensersatzprozeß: Schadensersatzklage der ARAG AG, vertreten durch zwei nach §147 AktG bestellte besondere Vertreter, gegen den Vorstandsvorsitzenden und vier weitere Vorstandsmitglieder der ARAG AG (LG Düsseldorf vom 15. September 1995 - 40 O 226/94 ZIP 1995, S. 1985 ff.); Anfechtungs- und Nichtigkeitsfeststellungsverfahren: Nichtigkeitsklage des Vorstands der ARAG AG gegen den Beschluß der Hauptversammlung der ARAG AG vom 26. Oktober 1994, mit dem auf Veranlassung des Notgeschäftsführers der mit einer Kapitalbeteiligung in Höhe von 50% an der ARAG AG beteiligten FIDA Gesellschaft für Vermögensverwaltung und für Vermittlung GmbH die Erhebung einer Schadensersatzklage der ARAG AG, vertreten durch zwei nach § 147 AktG bestellte besondere Vertreter, gegen den Vorstandsvorsitzenden und vier weitere Vorstandsmitglieder der ARAG AG beschlossen wurde, sowie Nichtigkeits- und Anfechtungsklage des Vorstands der ARAG AG gegen den Beschluß der Hauptversammlung der ARAG AG vom 10. Januar 1995, mit dem die Erhebung dieser Schadensersatzklage noch einmal beschlossen wurde (OLG Düsseldorf vom 24. April 1997 - 6 U 20/96 - ZIP 1997, S. 1153 ff.; LG Düsseldorf vom 28. November 1995 - 1 0 O 66/95 - nicht veröffentlicht - siehe dazu Grooterhorst ZIP 1999, S. 1117,1120 Fn. 28 iVm. 21; rechtskräftig, denn der BGH hat mit Beschluß vom 22. Juni 1998-11 ZR 135/97-die Annahme der Revision abgelehnt-nicht veröffentlicht - siehe dazu Grooterhorst ZIP 1999, S.1117, 1120 Fn.28); FIDA-Prozeß: Antrag eines Gesellschafters der mit einer Kapitalbeteiligung in Höhe von 50% an der ARAG AG beteiligten FIDA Gesellschaft für Vermögensverwaltung und für Vermittlung GmbH auf Abberufung des Notgeschäftsführers dieser Gesellschaft wegen Unstimmigkeiten betreffend die Erhebung einer Schadensersatzklage der ARAG AG gegen den Vorstandsvorsitzenden und vier weitere Vorstandsmitglieder der ARAG AG (OLG Düsseldorf vom 18. April 1997 - 3 Wx 584/96 - ZIP 1997, S. 846ff. - Fida/ARAG; rechtskräftig - ZIP 1997, S.846). Siehe zu den Prozessen, die zu dem ARAG/Garmenbeck-Fall gehören, insbesondere den Beitrag des Rechtsanwalts Grooterhorst, der den Familienstamm L.F. (H.H.F.) vertreten hat, ZIP 1999, S. 1117ff. 4 OLG Düsseldorf ZIP 1997, S.27, 27ff., 30f. 5 Grooterhorst ZIP 1999, S.1117, 1117.

A. Unternehmen außer Kontrolle: Das Versagen der Corporate

Governance

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A R A G - G r u p p e wurde im J a h r 1999 umstrukturiert, und der Familienstamm W.F. übernahm die Beteiligungen des Familienstamms H . H . F . 6 2. D e r F a l l Metallgesellschaft D e r Vorstand der Metallgesellschaft A G ließ sich im J a h r 1993 auf riskante O l t e r mingeschäfte ein, das U n t e r n e h m e n erlitt Verluste in H ö h e von rund 1,3 M r d . D M - und zwar entweder durch die Oltermingeschäfte des Vorstands oder durch die abrupte Abwicklung der Oltermingeschäfte auf Veranlassung des Aufsichtsrats. Es gelang dem neuen Vorstandsvorsitzenden mit einem rigorosen Sanierungskonzept, den K o n k u r s abzuwenden. 7 3. D e r Fall A S S D e r Vorstand der Altenburger und Stralsunder Spielkartenfabriken A G hatte im J a h r 1990 im Zuge der Aufhebung eines Leasingvertragswerks erreicht, daß das (zuvor verkaufte und zurückgeleaste) Betriebsgrundstück in das Eigentum einer neu gegründeten Kommanditgesellschaft fiel (Treuhandvertrag). D i e Altenburger und Stralsunder Spielkartenfabriken A G war an dieser Gesellschaft als einzige Kommanditistin mit einem Kommanditanteil von 9 4 % beteiligt (Kommanditgesellschaftsvertrag). Sie schloß mit ihr einen Mietvertrag über das Betriebsgrundstück ab, der eine fünfzehnjährige Bindung des Vermieters, jedoch eine dreimonatige Kündigungsfrist für den Mieter vorsah (Mietvertrag). D e r Vorstand der A l tenburger und Stralsunder Spielkartenfabriken A G veranlaßte daraufhin, daß das Betriebsgrundstück zur Herstellung der Liquidität der Altenburger und Stralsunder Spielkartenabriken A G zu einem Kaufpreis von 14 M i o . D M verkauft wurde (Kaufvertrag). All diesen Verträgen stimmte der Aufsichtsrat am 26. September 1990 zu, und der Kaufvertrag über das Betriebsgrundstück wurde am 19. D e z e m b e r 1990 notariell beurkundet. Das L G Stuttgart sah eine Pflichtverletzung des v o m Konkursverwalter in A n spruch genommenen Aufsichtsratsmitglieds darin, daß es dem beabsichtigten Verkauf zu einem Kaufpreis von 14 Mio. D M nach Vermietung mit Mietbindung von fünfzehn Jahren auf Vermieterseite zugestimmt hatte, o b w o h l keine längere Vermieterbindung als fünf Jahre vertretbar und das Betriebsgrundstück selbst bei fünfzehnjähriger Vermieterbindung rund 23 M i o . D M wert war. Eine offensichtlich außerhalb vertretbarer kaufmännischer Interessenwahrung liegende E n t scheidung des Vorstands dürfe der Aufsichtsrat nicht billigen. E i n e Nachfrage wäre das Mindeste gewesen, was das beklagte Aufsichtsratsmitglied im R a h m e n seiner Sorgfaltspflicht hätte tun müssen, bevor es - ohne nähere Darlegungen des Tsp. 14. April 2000, S. 27. AG 1994, S. R 44f.; DER SPIEGEL 13/1997, S.104f.; siehe dazu auch Girnghuber, audit committee, S.92ff. 6

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Problem

Vorstands zu dessen etwaigen eigenen Erkundungen - einem Verkauf zu einem Preis von 14 Mio. D M hätte zustimmen dürfen. Das beklagte Aufsichtsratsmitglied habe der Altenburger und Stralsunder Spielkartenfabriken A G durch Verletzung seiner Sorgfaltspflicht einen Schaden in H ö h e von 9 4 % von 15 Mio. D M zugefügt, weil das Betriebsgrandstück statt für 29 Mio. D M nur für 14 Mio. D M verkauft worden sei. Dafür hafte es dem Konkursverwalter der Altenburger und Stralsunder Spielkarten Fabriken AG. 8 4. D e r Fall B r e m e r V u l k a n Der Vorstandsvorsitzende der Holding Bremer Vulkan Verbund A G verwendete Beihilfen für den A u f b a u der Ostwerften in H ö h e von rund 700 Mio. D M , u m den Vulkan Verbund zu einem maritimen Technologiekonzern auszubauen und die Liquiditätsschwierigkeiten einiger Konzerntöchter im Westen zu beseitigen, und - so der Vorwurf - verschleierte auf diese Weise die Existenzkrise des Konzerns seit dem Jahr 1993. 9 Der Konzern räumte im September 1995 Liquiditätsprobleme ein, stellte im Februar 1996 Vergleichsantrag, und im Mai 1996 w u r d e der Anschlußkonkurs eröffnet. Das Bremer Landgericht wies die Schadensersatzklage der BvS (vormals T H A ) gegen vier Vorstandsmitglieder der Bremer Vulkan Verbund A G ab. Es verneinte insbesondere einen Schadensersatzanspruch der M T W (und damit der BvS) nach §823 Abs. 2 B G B iVm. § 2 6 6 StGB. Eine Pflichtverletzung der Bremer Vulkan A G gegenüber der M T W liege nicht vor, weil die „Liquiditätsabflüsse bei der M T W " nicht „zu einer Beeinträchtigung des Stammkapitals geführt hätten" und „es keine Verletzung der gesellschaftlichen Treuepflicht gegenüber einer einzelnen Verbundgesellschaft" darstelle, „wenn die Muttergesellschaft versucht, w i r t schaftliche Schwierigkeiten anderer Verbundgesellschaften und des Konzerns insgesamt durch Zusammenfassung aller Kräfte des Gesamtkonzerns zu beheben." Es verwies darauf, daß „die gesellschafterliche Treuepflicht... gegenüber allen Verbundgesellschaften gleichermaßen" bestand und „regionalpolitische allgemeine Interessen" an einer anderen Gewichtung insoweit bedeutungslos waren. 1 0 Die Berufung gegen dieses Urteil blieb erfolglos. Das O L G Bremen sah z w a r anders als das L G Bremen 1 1 - eine Pflichtverletzung der Bremer Vulkan A G ge8

LG Stuttgart vom 29. Oktober 1999-4 KfH O 80/98 - AG 2000, S. 237ff.; nicht rechtskräf-

tig9 Tsp.26. Oktober 1999, S.18; DER SPIEGEL 26/1996, S.78ff.; DER SPIEGEL 10/1996, S. 104ff.; FOCUS 10/1996, S.256ff.; siehe dazu auch Girnghuber, audit committee, S.96f. Siehe zum Sachverhalt auch LG Bremen vom 19. November 1997 - 4 O 1073/96 - ZIP 1998, S. 561 ff. Bremer Vulkan/MTW und OLG Bremen vom 18. Mai 1999 - 3 U 2/98 - ZIP 1999, S. 1676ff. Bremer Vulkan/MTW sowie BGH vom 17. September 2001 - II ZR178/99 - ZIP 2001, S. 1874ff. - Bremer Vulkan. 10 LG Bremen ZIP 1998, S. 561, 564ff. - Bremer Vulkan/MTW. 11 LG Bremen ZIP 1998, S. 561, 563f. - Bremer Vulkan/MTW.

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genüber der T H A darin, daß ein Betrag in H ö h e von 194 Mio. D M nicht voll für Investitionen bei der M T W Schiffswerft G m b H in Wismar zur Verfügung stand, sondern für den Finanzbedarf der Westwerften ausgegeben worden war. Es bejahte auch eine Gesamtverantwortung der beklagten Vorstandsmitglieder. Es hielt den Schadensersatzanspruch der BvS gemäß § 8 2 3 Abs. 2 B G B iVm. § 2 6 6 S t G B aber für nicht durchsetzbar. 1 2 D i e Revision führte zur Aufhebung und Zurückverweisung. D e r Bundesgerichtshof folgte der dargestellten Ansicht des O L G Bremen nicht, hielt aber insbesondere einen Schadensersatzanspruch der M T W (und damit der BvS) nach § 8 2 3 Abs. 2 B G B iVm. § 2 6 6 S t G B für möglich. E r nahm eine Pflichtverletzung der B r e m e r Vulkan A G gegenüber der M T W an, da sie „das Vermögen von M T W insoweit zu betreuen" hatte, „als sie bei ihren Dispositionen über Vermögenswerte der M T W durch angemessene Rücksichtnahme auf deren Eigeninteresse an der Aufrechterhaltung ihrer Fähigkeit, ihren Verbindlichkeiten nachzukommen, darauf zu achten hatte, daß sie die Existenz der M T W nicht gefährdete", und „dieser Pflicht ... nicht n a c h g e k o m m e n " war. Forderungen der M T W in H ö h e von ca. 590 M i o . D M hätten in der Bilanz per 31. D e z e m b e r 1995 auf N u l l wertberichtigt werden müssen, was zu einer Uberschuldung der M T W in H ö h e von ca. 233 Mio. D M geführt und sie der Fähigkeit beraubt habe, ihren Verbindlichkeiten nachzuk o m m e n und ihr Unternehmen weiter zu betreiben. Das Berufungsgericht müsse allerdings noch die erforderlichen Feststellungen dazu treffen, o b die beklagten Vorstandsmitglieder vorsätzlich gehandelt hätten. 1 3 Das Strafverfahren gegen drei Vorstandsmitglieder der B r e m e r Vulkan Verbund A G führte ebenfalls zur Aufhebung und Zurückverweisung. D e r Bundesgerichtshof führte aus, jedenfalls bei der gegebenen Sachverhaltskonstellation könne die der Alleingesellschafterin B r e m e r Vulkan A G gegenüber der M T W o b liegende Pflicht, ihr das zur Begleichung ihrer Verbindlichkeiten erforderliche Kapital zu belassen, auch eine Vermögensbetreuungspflicht im Sinne des § 2 6 6 Abs. 1 S t G B darstellen. D i e Vermögenswerte der Ostwerften hätten entweder als Festgeldanlagen dem K o n z e r n bzw. seinen Tochtergesellschaften zur Verfügung gestanden oder wären in das Cash-Management-System einbezogen worden, was materiell die Gewährung eines Darlehens bedeutet hätte. Insoweit wäre die B r e mer Vulkan A G , die als Alleingesellschafterin nur in den oben gesteckten Schranken hätte verfügen dürfen, rechtlich gehalten gewesen, eine andauernde Sicherung der Gelder zu gewährleisten. Zwar sei die Errichtung eines Cash-Management-Systems nicht an sich pflichtwidrig. W ü r d e n automatisch ohne Rücksicht OLG Bremen ZIP 1999, S. 1671, 1676ff. - Bremer Vulkan/MTW. BGH ZIP 2001, S. 1874ff. und insbesondere S. 1876f., 1878 ff. - Bremer Vulkan; siehe zu den in diesem Urteil angesprochenen Fragen der Konzernhaftung: Emmerich AG 2004, S. 423 ff.; Henze AG 2004, S.405ff.; Hüffer AG 2004, S.416, 417; Schön ZHR 168 (2004), S.268, 272ff.; Lütter/Banerjea ZGR 2003, S.402, 403ff., 413ff.; Wiedemann ZGR 2003, S.283ff.; Ulmer ZIP 2001, S.2021, 2021 ff. 12

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auf bestehende Verbindlichkeiten Gelder in dieses System eingespeist, löse dies gesteigerte Sicherungspflichten aus, wenn auf diese Weise Vermögenswerte das Unternehmen verlassen und innerhalb des Konzerns transferiert würden. Erreiche der Vermögenstransfer ein solches Ausmaß, daß die Erfüllung der eigenen Verbindlichkeiten des einlegenden Konzernmitglieds im Falle eines Verlustes der Gelder gefährdet wäre, dann treffe die Muttergesellschaft eine Vermögensbetreuungspflicht, die Rückzahlung der Gelder - etwa durch ausreichende Besicherung - zu gewährleisten. Diese Pflicht sei den Angeklagten nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB als Mitgliedern des Organs der Muttergesellschaft zuzurechnen. Der Bundesgerichtshof ließ es im Ergebnis offen, ob die bislang getroffenen Feststellungen eine Untreuehandlung unter dem Gesichtspunkt des existenzgefährdenden Eingriffs tragen würden, weil ihm jedenfalls eine Durchentscheidung zum Schuldspruch verschlossen sei. 14 5. Der Fall Balsam Der Vorstand der Balsam AG ließ die Procedo Gesellschaft für Exportfactoring jahrelang vorgetäuschte und überhöhte Aufträge vorfinanzieren und fügte ihr (und ihren 49 Gläubigerbanken) einen Schaden in Höhe von rund 1,6 Mrd. DM zu. Das Unternehmen stellte im Juni 1994 Konkursantrag. Im Zuge des Konkursverfahrens stellte sich heraus, daß die Balsam AG entgegen dem durch die uneingeschränkt testierten Jahresabschlüsse vermittelten Eindruck bereits seit Jahren überschuldet war; der aufgelaufene Jahresfehlbetrag machte mindestens 1 Mrd. D M aus. Die Balsam AG hatte im operativen Geschäft und im Zusammenhang mit von ihr eingegangenen Devisenoptionsgeschäften erhebliche Verluste erwirtschaftet. Es waren zudem hohe Verbindlichkeiten (Zinsen und Gebühren) daraus entstanden, daß die Balsam AG fortlaufend in großem Umfang zur Liquiditätsbeschaffung fiktive Forderungen im Wege des Factorings verkauft hatte. Die Überschuldung war bis zur Konkursantragstellung auf rund 2,5 Mrd. D M gestiegen. Die Schadensersatzklage des Konkursverwalters gegen ein Aufsichtsratsmitglied war in erster Instanz erfolgreich. Das LG Bielefeld sah die Pflichtverletzung des Aufsichtsratsmitglieds darin, daß es Ende März 1994 eine glaubhafte Information über die Größenordnung des Factoringgeschäfts bekam, aber die anderen Aufsichtsratsmitglieder nicht informierte. So habe der Aufsichtsrat nicht sogleich einschreiten und weitere Factoringgeschäfte und daran (zur vermeintlichen) Kurssicherung anknüpfende Devisenoptionsgeschäfte bis auf weiteres einem Zustimmungsvorbehalt unterwerfen können. Pflichtgemäßes Handeln hätte diese Reaktionen geboten. Die Fehleinschätzung und das daran anknüpfende Fehlverhalten des Aufsichtsratsmitglieds hätten eine Steigerung der Überschuldung und

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BGH vom 13. Mai 2004 - 5 StR 73/03 - DB 2004, S. 1487, 1490f. - Bremer Vulkan II.

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damit einen von ihm zu ersetzenden Schaden mindestens in H ö h e von 5 M i o . D M verursacht. 1 5

6. D e r Fall K H D D e r Vorstand der H u m b o l d t Wedag A G , einer Konzerngesellschaft des K l ö c k n e r - H u m b o l d t - D e u t z - K o n z e r n s , vertuschte jahrelang durch Bilanzmanipulationen Verluste beim Bau von Zementfabriken in H ö h e von rund 650 M i o . D M . E r trieb damit den K l ö c k n e r - H u m b o l d t - D e u t z - K o n z e r n im J a h r 1996 in eine E x i stenzkrise, aus der er sich aus eigener Kraft nicht mehr befreien konnte. D i e wichtigsten Gläubigerbanken einigten sich auf ein Sanierungskonzept, und der K o n zern wurde zerschlagen. 1 6

7. D e r F a l l M a n n e s m a n n I Das Ubernahmeangebot des K o n z e r n s Vodafone Airtouch Plc. an die Aktionäre der Mannesmann A G im N o v e m b e r 1999 führte zu einer öffentlichen „Übernahmeschlacht" 1 7 und veranlaßte einige Aktionäre der Mannesmann A G , eine einstweilige Verfügung gegen ihren Vorstandsvorsitzenden Esser zu beantragen. Sie behaupteten, er wirke mit der Rückendeckung des Aufsichtsrats auf die Bildung eines „harten K e r n s " verkaufsunwilliger Aktionäre hin und unternehme mit G e sellschaftsmitteln eine aufwendige Werbekampagne für eine Ablehnung der Übernahme. Sie machten geltend, er müsse sich neutral verhalten und deshalb alle Maßnahmen unterlassen, die den Interessen der Aktionäre entgegenstünden, das Übernahmeangebot anzunehmen. Das L G Düsseldorf gab dem Antrag nicht statt. D i e gezielte Information bestimmter Aktionärsgruppen (road shows), die Einnahme einer bestimmten Verhandlungsposition gegenüber dem Management von Vodafone A i r t o u c h Plc. und die Darstellung dieser Position sowie die Werbung dafür in den Medien seien ge15 LG Bielefeld vom 16. November 1999 - 15 O 91/98 - ZIP 2000, S.20, 20f., 24f. - Balsam AG; nicht rechtskräftig. Siehe dazu: Brandi ZIP 2000, S. 173ff.; Thümmel AG 2004, S. 83, 85; Girnghuber, audit committee, S.94f.; Peltzer, Festschrift Hadding, S.593, 595f., führt aus, der Insolvenzverwalter habe nicht den Aufsichtsratsvorsitzenden in Anspruch genommen, sondern den zweiten Anteilseignervertreter (das dritte Aufsichtsratsmitglied war eine Arbeitnehmervertreterin), und zwar, weil bei diesem die Vollstreckungsmöglichkeiten besonders günstig erschienen. Der Fall hinterlasse ein schales Gefühl, weil das Aufsichtsratsmitglied verurteilt worden sei, das seinen Pflichten am rührigsten nachgekommen sei und gleichwohl das Komplott nicht habe aufdecken können. 16 Tsp.5. Juni 1996, S. 17; DER SPIEGEL 23/1996, S.96ff.; FOCUS 23/1996, S.214ff.; siehe dazu auch Girnghuber, audit committee, S. 91 f. 17 Tsp.23. November 1999, S.20; Tsp.26. November 1999, S.27; Tsp.29. November 1999, S.20; Tsp.30. November 1999, S. 17; Tsp.6. Dezember 1999, S. 19; Tsp. 10. Dezember 1999, S.25; Tsp. 20. Dezember 1999, S. 17; Tsp. 14. Januar 2000, S. 3; Tsp. 1. Februar 2000, S. 17; Tsp. 4. Februar 2000, S.21; Tsp.5. Februar 2000, S.21; Tsp. 13. April 2000, S.23; Tsp.6. Juni 2000.

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1 Teil: Das Corporate

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Problem

wohnliche Geschäftsführungsmaßnahmen, deren Qualität und Bewertung sich auch nicht dadurch änderten, daß sie in der einen oder anderen Phase einer feindlichen Übernahme erfolgen würden. 18 8. Der Fall Mannesmann II Nachdem Esser bereits 330 Mio. DM zur Abwehr der Übernahme ausgegeben hatte, einigte er sich mit Gent, dem CEO von Vodafone Airtouch Plc., am 2. Februar 2000 mündlich über die Bedingungen der Übernahme. Der Aufsichtsrat der Mannesmann AG beriet am 4. Februar 2000 über seine Zustimmung zu dem am 3. Februar 2000 aufgesetzten schriftlichen term sheet und erteilte sie. Unmittelbar vorher tagte das Aufsichtsratspräsidium. Es waren nur der Aufsichtsratsvorsitzende Funk und Ackermann anwesend; Zwickel war verhindert und Ladberg erkrankt. Nach der von Esser formulierten Beschluß vorläge sollte „Herr Dr. Esser auf Initiative des Großaktionärs Hutchison Whampoa und nach einer zwischen Hutchison und Vodafone getroffenen Abstimmung eine Anerkennungsprämie in Höhe von GBP 10 Mio. erhalten" und sollte „ebenfalls auf Initiative von Hutchison und ebenfalls in Abstimmung mit Vodafone ein weiterer Fonds von GBP 10 Mio. für Herrn Professor Dr. Funk, Aufsichtsratsvorsitzender, und für Mitarbeiter im Telekommunikationsbereich geschaffen werden, die persönlich einen hohen Beitrag zum wertmäßigen Erfolg der Aktionäre geleistet haben und deren weitere Mitarbeit im auf Vodafone übergehenden Verbund von besonderer Bedeutung ist. Dabei soll Herr Professor Funk eine Prämie in Höhe von GBP 3 Mio. erhalten." Funk und Ackermann verständigten sich darauf, und als Zwickel telefonisch erklärte, mit dem Beschluß keine Probleme zu haben, wurde dieser niedergelegt und unterschrieben. Esser wies auf die Ordnungswidrigkeit der Stimmabgabe von Funk in eigener Sache hin, und der Beschluß wurde insoweit kassiert. Am 17. Februar 2000 kam es zu weiteren Beschlüssen des Aufsichtsratspräsidiums. Es wurde zustimmend zur Kenntnis genommen, daß Funk zugesagt hatte, Esser nach seinem Ausscheiden auf Lebenszeit Wagen und Büro zu gewähren (was später durch eine Zahlung in Höhe von 2 Mio. Euro abgelöst wurde), und daß Vodafone Airtouch Plc. Esser eine Anerkennungsprämie in Höhe von 10 Mio. GBP zuerkannt hatte. Zudem wurde „ergänzend zu dem vorhandenen Protokoll des Ausschusses für Vorstandsangelegenheiten vom 04.02.2000 beschlossen, daß - neben verschiedenen nicht dem Vorstand angehörenden Herren - folgende Mitglieder des Vorstands die nachstehend ausgewiesenen Beträge erhalten sollen: Dr. Kinzius 3,7 Mio. DM, Herr Gerard 2,7 Mio. DM, Herr Weismüller 2 Mio. DM, Herr Berg 1,5 Mio. DM." Es folgte der Zusatz: „Die Herren Zwickel 18 LG Düsseldorf vom 14. Dezember 1999 - 14 O 495/99 Q - AG 2000, S.233ff. - Mannesmann/Vodafone; siehe dazu Krause AG 2000, S.217ff. und Menke NZG 2004, S.697ff.

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außer Kontrolle: Das Versagen der Corporate Governance

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und Ladberg weisen daraufhin, daß sie diesen Beschluß aus grundsätzlichen Erwägungen nicht mittragen können und sich deshalb der Stimme enthalten." A m 28. Februar 2000 kam es zu einem Umlaufverfahren für die folgende Beschlußvorlage: „Es w i r d festgestellt, daß die Zahlung des Betrages von G B P 10 Mio. durch die Mannesmann A G an Herrn Dr. Esser von dem Großaktionär Hutchison W h a m p o a mit Herrn Chris Gent (Vodafone Airtouch Plc.) abgestimmt w o r d e n und dem Ausschuß für Vorstandsangelegenheiten vorgeschlagen worden ist. Dieser hat sich am 4.2. 2000 und am 17.2. 2000 mit der Angelegenheit befaßt. Der Ausschuß für Vorstandsangelegenheiten beschließt hiermit, daß der genannte Betrag Herrn Dr. Esser zugewendet werden soll. Nach Auffassung der Herren Zwickel und Ladberg ist die Höhe des genannten Betrages den Arbeitnehmern schwer vermittelbar. Sie nehmen daher die Entscheidung zur Kenntnis." Dieser Beschluß w u r d e von Funk, Ackermann u n d Zwickel, nicht aber von Ladberg unterschrieben. A m 17. April 2000 k a m das Aufsichtsratspräsidium auf die Anerkennungsprämie für F u n k zurück. A n seine Stelle w a r inzwischen Gent getreten. Es w u r d e beschlossen: „In der bisherigen Beschlußfassung des Ausschusses für Vorstandsangelegenheiten z u m sogenannten Appreciation A w a r d ist Herr Professor Dr. Dr. h.c. F u n k nicht berücksichtigt worden. Im Hinblick darauf, daß er in den Jahren 1994 bis 1999 als Vorsitzender des Vorstands maßgeblich z u m Unternehmenserfolg und zur Steigerung des Unternehmenswertes beigetragen hat, w i r d ihm hiermit ein Betrag von D M 6 Millionen zugewendet." Dieser Beschluß w u r d e von Gent, Ackermann und Zwickel, nicht aber von Ladberg unterschrieben. Das Aufsichtsratspräsidium beschloß außerdem Abfindungszahlungen in H ö he von rund 64 Mio. D M auf Pensionsansprüche von achtzehn ehemaligen Vorstandsmitgliedern oder nach ihnen versorgungsberechtigten Personen. Dabei handelte es sich u m Alternativpensionen: Die Versorgungsbezüge richten sich nach einem Prozentsatz des letzten Gehalts, es sei denn, das Gesamteinkommen (Gehalt und Bonus) der jeweils aktiven Vorstandsmitglieder ist höher; dann richten sich die Versorgungsbezüge nach einem Prozentsatz von diesem. Letzteres w a r in der Vergangenheit durchweg der Fall. Da infolge der Übernahme eine deutliche Absenkung des Vergütungsniveaus der aktiven Vorstandsmitglieder zu erwarten w a r und damit eine A b w e r t u n g der Alternativpensionen auf das Niveau der Festpensionen drohte, beschloß man die A b f i n d u n g dieser Pensionsansprüche. A m 27. M ä r z 2000 w u r d e beschlossen: „Die lebenslänglichen Ansprüche der Begünstigten auf die Differenz zwischen den beiden Beträgen für das J a h r 2000 und alle Folgejahre w i r d auf der Basis der Bemessungsgrundlagen, die für die Berechnung der Pensionsrückstellungen z u m 31.12.1999 zugrunde gelegt w o r d e n sind, durch Einmalzahlungen abgefunden. Hierüber ist mit jeder Einzelperson eine Vereinbarung zu treffen." Der Beschluß enthielt eine Auflistung der den achtzehn Berechtigten zugeordneten Einzelbeträge und w u r d e von Ackermann, Zwickel und Ladberg unterschrieben; Funk nahm wegen eigener Betroffenheit

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Problem

nicht an der Sitzung teil. In drei Fällen mußte nachgebessert werden, und zwar von ca. 3,9 M i o . D M auf ca. 4,7 M i o . D M (Beschluß v o m 11. April 2 0 0 0 , unterschrieben von F u n k , A c k e r m a n n und Zwickel, aber nicht von Ladberg), von ca. 7 Mio. D M auf 7,7 M i o . D M (Beschluß v o m 17. April 2 0 0 0 , unterschrieben von allen Ausschußmitgliedern) und von ca. 5,4 M i o . D M auf eine Zeitrente auf Basis dieses Betrages unter Berücksichtigung eines Zinssatzes von 6 % p.a. und einer Steigerungsrate von 2 , 5 % p.a. (Beschluß v o m 5. J u n i 2000, unterschrieben von Ackermann, Zwickel und Ladberg, aber nicht von G e n t ) . D i e Staatsanwaltschaft Düsseldorf erhob mit Anklageschrift v o m 14. Februar 2003 gegen Esser, Ackermann, F u n k , Ladberg, Zwickel und den für die Bearbeitung des Vertragsangelegenheiten in der Direktionsabteilung zuständigen Mitarbeiter D r o s t e den Vorwurf, durch mehrere Handlungen in unterschiedlichen und wechselnden Tatbeteiligungen Untreue (§ 266 Abs. 1 S t G B ) begangen oder Beihilfe dazu verübt zu haben, und zwar jeweils im besonders schweren Fall ( § 2 6 3 Abs. 3 iVm. § 2 6 6 Abs. 2 S t G B ) . 1 9 D i e Angeklagten wurden nach einem aufsehenerregenden P r o z e ß am 22. Juli 2004 freigesprochen, 2 0 das Urteil blieb gerade auch im H i n b l i c k auf die aktienrechtlichen Ausführungen der Strafkammer umstritten, 2 1 und die Staatsanwaltschaft legte Revision ein, der sich im April 2 0 0 5 der Generalbundesanwalt anschloß. Die Strafkammer ging davon aus, daß der Untreuetatbestand zivilrechtsakzessorisch ist: Ein Verstoß gegen eine vermögensbezogene privatrechtliche - ziviloder gesellschaftsrechtliche - Pflicht sei zwingende Voraussetzung der Strafbarkeit. Bei unternehmerischen Entscheidungen der vorliegenden Art sei darüberhinaus eine gravierende vermögensbezogene Pflichtverletzung erforderlich. O b eine vermögensbezogene Pflichtverletzung gravierend iSd. § 2 6 6 S t G B sei, bestimme sich aufgrund einer Gesamtschau insbesondere der gesellschaftsrechtlichen Kriterien. Welche dies mit welchem Gewicht seien, hänge von der jeweils in Rede stehenden Pflichtverletzung und dem konkret gewährten Handlungs- und Ermessensspielraum ab; als Leitlinien könnten die in anderen Entscheidungen genannten Kriterien der Ertrags- und Vermögenslage des Unternehmens, der innerbetrieblichen Transparenz, des Umgangs mit Informations- und Prüfpflichten, der Entscheidungsbefugnisse, der Motive der Handelnden und der A r t und Weise

19 Siehe zum Sachverhalt LG Düsseldorf vom 22. Juli 2004 - XIV 5/03 (28 Js 159/00) - S. 8ff., 21 ff., 32ff., 41 ff., 50ff., 61 f., 62f., 63f., 64ff. und Hüffer BB 2003, Beilage 7, S.2ff. 20 LG Düsseldorf vom 22. Juli 2004 - XIV 5/03 (28 Js 159/00) - S. 161 ff. (zum Teil abgedruckt in ZIP 2004, S. 2044ff.) 21 Martens ZHR 169 (2005), S. 124,131 ff., 139ff.; Hoff mann-Becking ZHR 169 (2005), S. 155, 159ff.; Brauer/Dreier NZG 2005, S. 5ff.; Fonk NZG 2005, S. 249ff.; Schünemann, Organuntreue, S. 49ff., 57ff., 63 ff., 65ff.; Brauer NZG 2004, S. 502ff.; Wollburg ZIP 2004, S. 646ff.; Liebers/Hoefs ZIP 2004, S. 97ff.; Lutter ZIP 2003, S. 737ff.; Hüffer BB 2003, Beilage 7, S. 11 ff.; Thüsing ZGR 2003, S.457ff.

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der Ermittlung der Entscheidungsgrundlagen dienen. 2 2 Die Strafkammer ist ausgehend von dieser Interpretation des § 266 StGB zu dem Ergebnis gelangt, die Mitglieder des Aufsichtsratspräsidiums hätten z w a r „gegen ihre Pflichten aus §§116, 93, 87 A k t G " bzw. „gegen § 8 7 Abs. 1 Satz 1 A k t G " verstoßen, 2 3 aber im Falle der Anerkennungsprämien für die amtierenden Vorstandsmitglieder und der Alternativpensionen seien die Pflichtverletzungen nicht gravierend gewesen und im Falle der Anerkennungsprämie für F u n k habe ein unvermeidbarer Verbotsirrtum vorgelegen. Eine Strafbarkeit von Esser und Droste wegen Beihilfe scheitere im ersten Fall am Fehlen der erforderlichen Haupttat und im zweiten Fall am Fehlen des erforderlichen Gehilfenvorsatzes. 2 4 Z u m Komplex Anerkennungsprämien führt die Strafkammer aus: Zu den originären Befugnissen eines Aufsichtsrats zähle die Ausgestaltung der Anstellungsbzw. Dienstverträge mit den Vorstandsmitgliedern. Dabei handele es sich u m eine eigenständige in seinem ausschließlichen Zuständigkeitsbereich liegende Personalkompetenz. Der Aufsichtsrat habe insbesondere die Vergütungsentscheidungen für die Vorstandsmitglieder in eigener Verantwortung zu treffen. Da derartige Vergütungsentscheidungen Ausdruck unternehmerischen Handelns seien, stehe dem Aufsichtsrat dabei grundsätzlich ein für solches Handeln anerkanntermaßen zuzubilligender Handlungsspielraum zur Verfügung. 2 5 Der Handlungsspielraum sei nicht uferlos. N a c h § 87 Abs. 1 Satz 1 A k t G sei nicht nur dafür Sorge zu tragen, daß die Gesamtbezüge eines Vorstandsmitglieds in einem angemessenen Verhältnis zu seinen Aufgaben und zur Lage der Gesellschaft stehen. § 8 7 Abs. 1 A k t G diene dem Schutz der Aktiengesellschaft, ihrer Aktionäre, Arbeitnehmer und anderer Gläubiger vor sachlich ungerechtfertigten Bezügen des Vorstands. Er weise dem Aufsichtsrat daher auch die ureigene Verantwortung für das Eruieren eines Zahlungsanlasses zu. N a c h den §§116, 93 A k t G sei die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters an den Tag zu legen. Der Aufsichtsrat habe sich bei der Bestimmung der im Sinne des § 87 Abs. 1 Satz 1 A k t G angemessenen (Gesamt-) Vergütung angesichts des ihm obliegenden Sorgfaltsmaßstabs ausschließlich am Unternehmenswohl zu orientieren und eine Entscheidung im Unternehmensinteresse zu treffen. Dabei könne es dahinstehen, ob das Unternehmensinteresse als dem (konkretisierenden) § 87 Abs. 1 A k t G vorgelagert oder als Ausprägung der Angemessenheit anzusehen sei. 26 Bei einer Vergütungsentscheidung müsse stets zunächst die Frage beantwortet werden, ob die in Betracht gezogene Vergütung in der konkret gegebenen SituaL G Düsseldorf vom 22. Juli 2004 - X I V 5/03 (28 Js 159/00) - S. 162, 172f. L G Düsseldorf v o m 22. Juli 2 0 0 4 - X I V 5/03 (28 Js 1 5 9 / 0 0 ) - S . 1 6 2 , 1 6 3 ff., 176ff., 180f., 185. 24 L G Düsseldorf vom 22. Juli 2004 - X I V 5/03 (28 Js 159/00) - S. 173ff., 178, 185, 186, 187; 183 f.; 175, 178, 186f., 187; 184f. 2 5 L G Düsseldorf vom 22. Juli 2004 - X I V 5/03 (28 Js 159/00) - S. 163f. 2 6 L G Düsseldorf vom 22. Juli 2004 - X I V 5/03 (28 Js 159/00) - S. 164. 22 23

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1 Teil: Das Corporate Governance

Problem

tion überhaupt gezahlt werden kann und darf. Dies sei nur der Fall, w e n n die Vergütung sachlich gerechtfertigt sei, und dies sei w i e d e r u m nur der Fall, w e n n sie im Zeitpunkt ihrer Zuwendung im Interesse des Unternehmens erfolge. Dies möge bei der erstmaligen Ausgestaltung des Dienstvertrages und einer darin enthaltenen Vergütungsvereinbarung als Selbstverständlichkeit anzusehen sein. Anders sei es hingegen bei Zahlungen, die freiwillig für zuvor erbrachte Leistungen und erzielte Erfolge sowie zusätzlich zu bereits vorhandenen vertraglich vereinbarten Vergütungen geleistet würden, w e n n das baldige Ausscheiden des Begünstigten aus dem Vorstand feststehe und die die Zahlung gewährende Aktiengesellschaft auf dem Weg zu einer konzernabhängigen Tochtergesellschaft sei. D e m A u f sichtsrat stehe bei der Entscheidung, ob in der jeweiligen Situation ein Unternehmensinteresse für eine Vergütung spreche, ein Beurteilungsspielraum zu, der je nach den tatsächlichen Voraussetzungen durchaus zu einer zeitweisen Bevorzugung einer der im Unternehmensinteresse unstreitig gebündelten Partikularinteressen führen könne. 2 7 Wegen der bei der Mannesmann A G infolge des zugunsten von Vodafone entschiedenen Ubernahmekampfes eingetretenen Situation habe den Mitgliedern des Aufsichtsratspräsidiums allerdings in keinem der fraglichen Fälle ein H a n d lungs-, Ermessens- und Beurteilungsspielraum der dargelegten Art hinsichtlich der Frage zugestanden, ob eine Anerkennungsprämie zu gewähren sei. Es sei ausgeschlossen, daß die beschlossenen Anerkennungsprämien unter Berücksichtigung der Kriterien des § 87 Abs. 1 Satz 1 A k t G im Interesse der Mannesmann A G gelegen hätten. In der am 4. Februar 2000 gegebenen konkreten Situation der Mannesmann A G sei kein im Unternehmensinteresse liegender sachlicher Grund für die zusätzlich zu der übrigen vereinbarten Vergütung zu zahlenden A n e r k e n nungsprämie erkennbar gewesen. § 8 7 Abs. 1 Satz 1 A k t G sei prospektiv ausgerichtet. Es gehe u m die derzeitigen und künftigen Aufgaben der Vorstandsmitglieder und u m die derzeitige und künftige Lage der Gesellschaft. Da die amtierenden Vorstandsmitglieder jedoch nur noch zeitlich und inhaltlich begrenzte Aufgaben vor sich gehabt hätten und ein ehemaliges Vorstandsmitglied gar keine Aufgaben mehr erfüllen würde, hätten die Anerkennungsprämien nicht in einem angemessenen Verhältnis zu den Aufgaben der Vorstandsmitglieder gestanden. Da die finanzielle bzw. wirtschaftliche Lage der Mannesmann A G bereits hervorragend und ihre unternehmerische Lage durch das künftige Dasein als konzernabhängige Tochtergesellschaft geprägt gewesen sei, hätten die Anerkennungsprämien weder für die amtierenden Vorstandsmitglieder noch für andere potentielle Vorstandsmitglieder eine A n r e i z w i r k u n g für die Zukunft entfalten können und damit auch nicht in einem angemessenen Verhältnis zur Lage der Mannesmann A G gestanden. Eine rückwärtsgewandte Betrachtung könnte im Rahmen des § 87 Abs. 1 Satz 1 A k t G allenfalls dann anzustellen sein, wenn Aufgaben erfüllt w o r 27

LG Düsseldorf vom 22. Juli 2004 - XIV 5/03 (28 Js 159/00) - S. 164f.

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außer Kontrolle: Das Versagen der Corporate

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den wären, die neu gewesen wären und bei Abschluß des Dienstvertrages außerhalb der Vorstellungen der Vertragsparteien gelegen hätten, wenn überobligationsmäßige Leistungen erbracht worden wären, die nach den Vorstellungen der Vertragsparteien nicht schon durch die jeweiligen Dienstverträge abgegolten gewesen wären, und/oder wenn Erfolge und Wertsteigerungen erzielt worden wären, die nicht bereits durch die vereinbarte Vergütung honoriert worden wären. Dies sei vorliegend jedoch nicht der Fall gewesen. Die Vorstandsmitglieder hätten weder Aufgaben erfüllt noch Leistungen erbracht, die nicht bereits auf der Grundlage ihrer Dienstverträge zu ihren Pflichten gehört hätten und vergütet worden wären, und auch keine Erfolge und Wertsteigerungen erzielt, die nicht bereits durch die vereinbarte Vergütung abgegolten worden wären. Eine erneute Vergütung im Wege der Anerkennungsprämie stelle sich folglich als eine doppelte Vergütungsleistung für die gleiche Aufgabe dar. 28 Eine gravierende Pflichtverletzung iSd. § 266 StGB habe nur im Falle der Anerkennungsprämie für das ehemalige Vorstandsmitglied Funk vorgelegen: Die Ertrags- und Vermögenslage der Mannesmann AG sei sehr gut gewesen, die Anerkennungsprämien hätten die wirtschaftliche Existenz der Mannesmann AG, ihren Bestand und ihre Rentabilität nicht gefährdet. Die innerbetriebliche Transparenz und Zuständigkeitsordnung sei gewahrt worden. Im Falle der Anerkennungsprämien für die amtierenden Vorstandsmitglieder seien den Mitgliedern des Aufsichtsratspräsidiums die maßgeblichen Entscheidungsgrundlagen bekannt und im Zeitpunkt ihrer Beschlußfassung bewußt gewesen, sie hätten keine sachwidrigen Motive verfolgt. In diesem Fall könne zudem berücksichtigt werden, daß die in der Vergangenheit liegenden Leistungen der amtierenden Vorstandsmitglieder zumindest mitursächlich für den wirtschaftlichen Erfolg der Mannesmann AG gewesen seien und die zukünftige Mehrheitsaktionärin der Mannesmann AG, Vodafone, ihre Zustimmung erklärt habe, sowie im Hinblick auf die Motivation der Mitglieder des Aufsichtsratspräsidiums die jedenfalls 1999/2000 vorherrschende Shareholder Value - Maxime, das Fehlen eines Aktienoptionsplans und der nicht zur Auszahlung gelangte Share Price Bonus. Im Falle der Anerkennungsprämie für das ehemalige Vorstandsmitglied Funk habe es dagegen an einer sorgfältigen Ermittlung der Entscheidungsgrundlagen gefehlt und eine sachwidrige Motivation vorgelegen: Es habe sich um eine willkürliche Zuerkennung einer Anerkennungsprämie gehandelt, weil die Mitglieder des Aufsichtsratspräsidiums lediglich dem Wunsch von Funk gefolgt seien, an dem Prämienfonds beteiligt zu werden. Vor diesem Hintergrund sei zwar nicht im Falle der Anerkennungsprämien für die amtierenden Vorstandsmitglieder, wohl aber im Falle der Anerkennungsprämie für das ehemalige Vorstandsmitglied Funk von einer gravierenden Pflichtverletzung iSd. §266 StGB auszugehen. 29 28 29

LG Düsseldorf vom 22. Juli 2004 - XIV 5/03 (28 Js 159/00) - S. 165ff., 172, 176ff., 180f. LG Düsseldorf vom 22. Juli 2004 - XIV 5/03 (28 Js 159/00) - S. 173ff., 178, 182.

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1 Teil: Das Corporate Governance

Problem

D i e Strafkammer hat zu der Abfindung der Alternativpensionen ausgeführt: „In entsprechender Übertragung der bereits zu § 87 Abs. 1 Satz 1 A k t G dargelegten Grundsätze sind diese als nicht in Einklang mit den aktienrechtlichen Vorgaben stehend anzusehen. Ein Beurteilungs-, Handlungs- und Ermessensspielraum war am 2 7 . 0 3 . 2 0 0 0 auf der Grundlage der festgestellten Tatsachen für die beschlossene Abfindung der Alternativpensionsansprüche nicht eröffnet. Ein Interesse der Mannesmann A G an den Abfindungen war nicht vorhanden. I m U n ternehmensinteresse lag ex ante betrachtet vielmehr das Abschmelzen und die Abschaffung der Alternativpension, was mit Beibehaltung der bestehenden Pensionsregelung erreicht worden wäre. Ein N u t z e n für eines oder für alle in dem B e griff des Unternehmensinteresses gebündelten Interessen an der Begründung einer derartigen Zahlungsverpflichtung war nicht vorhanden. Es wurde ein tatsächlich in Zukunft nicht mehr bestehender Anspruch abgefunden. Das Interesse der Pensionäre und Hinterbliebenen in der gegebenen Situation eine Abfindung zu erhalten und so ihres vertraglichen Risikos enthoben zu werden und stattdessen künftig nicht mehr werthaltige Ansprüche abgegolten zu bekommen, ist zwar unverkennbar, mußte jedoch unberücksichtigt bleiben. Dieses partikulare Interesse stand in deutlichem Gegensatz zu den Interessen der anderen am U n t e r n e h m e n s wohl zu Beteiligenden. E s liegt jedoch keine gravierende Pflichtverletzung vor. Die Ertrags- und Vermögenslage der Mannesmann A G war sehr gut. D e r Bestand und die Rentabilität des Unternehmens wurden nicht durch diese Zahlungen berührt, auch nicht in der Gesamtschau mit den übrigen beschlossenen Zahlungen. D i e innerbetriebliche Transparenz wurde gewahrt, ebenso die Zuständigkeiten. Sachwidrige Motive konnten für keinen der Angeklagten festgestellt werden. Sie gingen im Ergebnis zu R e c h t von einem Vergleich aus." 3 0 9. D e r Fall H o l z m a n n D e r Vorstand der Philipp H o l z m a n n A G mußte im J a h r 1995 mit B l i c k auf das Immobilien-Projektgeschäft angesichts des Verfalls der Mieten und Preise bei den Vorratsgrundstücken und Projekten erhebliche Wertberichtigungen hinnehmen, beträchtliche Verluste übernehmen und zur Risikovorsorge umfangreiche R ü c k stellungen vornehmen. Das Gesamtergebnis war mit 4 6 0 M i o . D M belastet, und die Verbindlichkeiten beliefen sich auf fast 8 Mrd. D M . M i t einem von den Gläubigerbanken unterstützten Sanierungsprogramm wurden in den Jahren 1996 bis 1998 die operativen Ergebnisse verbessert und Schulden im U m f a n g v o n rund 3 Mrd. D M abgebaut. 3 1 Im J a h r 1999 lag ein vom Aufsichtsratsvorsitzenden im S o m m e r 1998 in A u f trag gegebenes Gutachten vor, es wurden weitere Verluste in einer H ö h e von rund 30 31

S.23.

LG Düsseldorf vom 22. Juli 2004 - XIV 5/03 (28 Js 159/00) - S. 185, 186, 187. Hansen AG 1996, S. R 374, R 376; Tsp.27. Oktober 1999, S.27; Tsp.20. November 1999,

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2,4 Mrd. D M aufgedeckt, von denen der überwiegende Teil aus dem ImmobilienProjektgeschäft stammte, und der K o n z e r n geriet erneut in eine Existenzkrise. D i e Gläubigerbanken waren erst nach massivem öffentlichen und politischen D r u c k bereit, ein von ihnen nicht als völlig überzeugend angesehenes Sanierungsprogramm mit einer Summe von rund 4,3 Mrd. D M zu unterstützen. D e r Streit um die Verantwortlichkeit des seit 1997 im A m t befindlichen Vorstands und Aufsichtsrats sowie der K P M G und der Banken begann. 3 2 D e r Sanierungsversuch erwies sich als schwierig. 3 3 I m Geschäftsjahr 2001 entstand ein überraschend hoher Verlust von 2 3 7 M i o . E u r o . A u f einer außerordentlichen Hauptversammlung im D e z e m b e r 2001 war lediglich ein Verlust von 80 Mio. E u r o prognostiziert worden. Das Eigenkapital war nun vollständig aufgebraucht, und es war vorbei: D i e Philipp H o l z m a n n A G stellte am 19. M ä r z 2002 einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens. 3 4 Dieser Insolvenzfall wird als Folge eines jahrelangen Mißmanagements verbunden mit einer unentschlossenen und zögerlichen Sanierung und einer suboptimalen Kontrolle durch Aufsichtsrat und Abschlußprüfer angesehen: N a c h der Wiedervereinigung sei im Projektgeschäft eine erhebliche Expansion mit einer groben Fehleinschätzung des Marktes betrieben worden. E s sei weder ein G e samtkonzept noch eine konstruktive Zusammenarbeit im Management erkennbar gewesen. Ein Risikomanagementsystem sei erst Ende der neunziger Jahre aufgebaut worden. Das Beteiligungsportefeuille sei stark aufgebläht gewesen. D e r angestrebte Zusammenschluß mit H o c h t i e f habe erhebliche Managementkapazitäten gebunden. K P M G habe den Grundbesitz nicht frühzeitig einer realistischeren Bewertung unterzogen. D e r langjährige Vorstandsvorsitzende sei Anfang der neunziger Jahre Aufsichtsratsvorsitzender geworden und habe damit die von ihm zu verantwortenden Entscheidungen zu überwachen gehabt. 3 5 10. D e r Fall H y p o V e r e i n s b a n k I m O k t o b e r 1998 mußte der Vorstandsvorsitzende der Bayerischen H y p o - und Vereinsbank A G , die aus einer Verschmelzung der Bayerischen H y p o t h e k e n und Wechselbank A G auf die Bayerische Vereinsbank A G hervorgegangen war, 32 Hansen AG 2000, S. R 44ff.; Tsp. 16. November 1999, S. 17; Tsp. 18. November 1999, S. 31; Tsp. 20. November 1999, S. 23; Tsp. 22. November 1999, S. 17; Tsp. 23. November 1999, S. 1, 17, 18; Tsp.24. November 1999, S.21; Tsp.25. November 1999, S. 1, 2, 21; Tsp.26. November 1999, S.l, 2, 3, 23; Tsp.27. November 1999, S.21; Tsp.28. November 1999, S.25; Tsp. 10. Dezember 1999, S.21; Tsp. 12. Dezember 1999, S.26; Tsp.3. Januar 2000, S. 17; Tsp. 14. Januar 2000, S.23; Tsp. 2. Februar 2000, S. 20; Tsp. 10. Februar 2000, S. 24; Tsp. 28. Februar 2000, S. 18; Tsp. 14. März 2000, S.22; Tsp. 16. März 2000, S.27; Tsp. 19. Mai 2000, S.23. 33 Hansen AG 2002, S. R 50, R 54; Tsp.28. Juli 2000, S.19; Tsp.l. September 2000, S.24; Tsp. 15. März 2001; Tsp. 18. Mai 2001. 34 Hansen AG 2002, S. R 162. 35 Hansen AG 2002, S. R 162, R 164.

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1 Teil: Das Corporate Governance

Problem

wegen fehlgeschlagener Immobiliengeschäfte der ehemaligen Bayerischen H y p o theken- und Wechselbank A G Wertberichtigungen in H ö h e von rund 3,5 Mrd. D M bekanntgeben. E r warf dem ehemaligen Vorstandsvorsitzenden der Bayerischen H y p o t h e k e n - und Wechselbank A G vor, in unverantwortlicher Weise insbesondere in Ostdeutschland zu hohe Risiken bei G e w e r b e - und Grundstücksprojekten eingegangen zu sein. D i e Bayerische H y p o - und Vereinsbank A G bemühte sich um Schadensbegrenzung und Aufklärung. A u f der Hauptversammlung am 6. Mai 1999 erklärte der Aufsichtsratsvorsitzende, die Bayerische H y p o t h e k e n - und Wechselbank A G sei in Erwartung eines anhaltenden Preisauftriebs in das Developergeschäft eingestiegen. A u f die Investitionsphase seien jedoch schwierige I m m o b i l i e n märkte mit teilweise deutlichen Preiseinbrüchen gefolgt, und überdies hätten fast alle Projekte nicht in der kalkulierten Zeitspanne realisiert werden können. D i e Bilanzansätze hätten auf Planwerten beruht. D a b e i habe das Immobilienmanagement zu lange auf den Immobilienzyklus vertraut und mit einer deutlich positiveren Marktentwicklung gerechnet. Z u d e m sei eine regelmäßige, systematische und vollständige Erfassung und Bewertung der Risiken unterblieben. Es wurde beschlossen, eine Sonderprüfung durchführen zu lassen. D i e A n f e c h tungen der Beschlüsse, mit denen der Sonderprüfer bestellt und die K P M G , die an dem Verschmelzungsgutachten mitgewirkt hatte, zum Abschlußprüfer gewählt wurde, blieben erfolglos. D i e Sonderprüfung ergab, daß der Wertberichtigungsbedarf n o c h höher war. D i e Bayerische H y p o - und Vereinsbank A G nahm im Abschluß für das J a h r 1999 eine weitere Wertberichtigung in H ö h e von 2 M r d . D M vor. Sie überwand die Krise. 3 6

II. Der analytische

Befund

D i e dargestellten Fälle belegen, daß Vorstände mit unvorstellbarem Leichtsinn ( A R A G und Metallgesellschaft), ohne die gebotene Information (ASS), mit krimineller Energie (Bremer Vulkan, Balsam und K H D ) handeln und sich ohne jede Scheu in dem Graubereich des rechtlich gerade noch oder gerade nicht mehr Z u lässigen bewegen (Mannesmann, H o l z m a n n , HypoVereinsbank). Sie zeigen, daß Aufsichtsräte und Abschlußprüfer nichts bemerken, nichts unternehmen oder nicht genug tun. Sie belegen, daß die Geschäftsbanken den Einfluß, den sie aus ihren Beteiligungen, Aufsichtsratsmandaten und Vollmachtsstimmrechten sowie aus den Kredit- und Emissionsgeschäften auf das Management haben, offensichtlich nicht zu Uberwachungszwecken ausüben; sie treten bestenfalls auf den Plan, 36 LG München vom 21. Oktober 1999-5 HKO 9527 /99 - AG 2000, S. 235ff. (nicht rechtskräftig); Hansen AG 1999, S. R 278, R 280, R 282; Tsp.22. März 1999, S.20; Tsp.28. Oktober 1999, S.25; Tsp.20. November 1999, S.23; Tsp. 18. Dezember 1999, S.21; Tsp.23. Februar 2000, S.24; Tsp.27. Oktober 2000, S.24; Tsp.22. Februar 2001, S.25.

A. Unternehmen außer Kontrolle: Das Versagen der Corporate Governance

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wenn die Sanierung ansteht und finanziert werden muß. 37 Vor diesem Hintergrund liegt es auf der Hand, daß der Kern des Corporate Governance Problems die Steuerung des Verhaltens der handelnden Personen ist. Damit ist allerdings noch nicht gesagt, daß die Optimierung der Verhaltenssteuerung gerade durch eine Verschärfung der Anforderungen an Vorstände, Aufsichtsräte, Abschlußprüfer und Geschäftsbanken und damit an die Leitung und Überwachung in den Unternehmen erfolgen muß. Corporate Governance läßt sich am ehesten mit „angemessener Unternehmensorganisation" 38 übersetzen. Der mit Corporate Governance schlagwortartig beschriebene Problemkreis erfaßt aber weit mehr als die Frage, wie die „rechtliche Struktur der Entscheidungs- und Überwachungsorganisation der Unternehmen" 3 9 bzw. der „rechtliche und faktische Ordnungsrahmen für die Leitung und Überwachung eines Unternehmens" 40 so ausgestaltet werden kann, daß zur Optimierung der Leitung und Überwachung in Unternehmen beigetragen wird. 41 Ein Corporate Governance System umfaßt alle Mechanismen, die eine effiziente Unternehmensleitung und Unternehmensüberwachung sicherstellen. Sie zielen darauf, daß die Unternehmensführung fundierte Entscheidungen trifft und in Übereinstimmung mit den Interessen der Anteilseigner handelt.42 Sie sollen eine „verantwortliche, auf langfristige Wertschöpfung ausgerichtete Unternehmensleitung und -kontrolle" 4 3 bzw. eine auf „nachhaltige Steigerung des Unternehmenswerts" zielende Unternehmensführung 44 gewährleisten. Vor diesem Hintergrund zielt die aufgeworfene Frage auf die Wirkungskraft der anderen Elemente des deutschen Corporate Governance Systems. Die Anforderungen an Vorstände, Aufsichtsräte, Abschlußprüfer und Geschäftsbanken und damit an die Leitung und Überwachung in den Unternehmen kennzeichnen die Strukturen der Leitung und Überwachung in den Unternehmen. Sie bilden gemeinsam mit den wirtschaftlichen Verhaltensanreizen für die Unternehmensführer die internen Corporate Governance Mechanismen. Die übrigen Elemente 37 Vgl. zu diesem Problemkreis: Hopt, Corporate Governance, S.243, 244ff., 247ff., 256ff., 260ff.; Westermann, Corporate Governance, S.264,264ff., 275ff., 278ff., 285f.; von Rosen, Corporate Governance, S. 289,294ff., 297f.; Rock AG 1995, S. 291,295f. Er weist daraufhin, daß viele U.S. amerikanische Gesellschaftsrechtler glauben, daß es in Deutschland die Banken sind, die die Überwachung des Managements übernehmen, und daß dieses Modell eine effiziente Überwachung ohne die Kosten feindlicher Übernahmen gewährleistet. Er führt aus, daß „in Frankfurt, the lawyers and bankers... found it extraordinary that American scholars should think that the system worked this way. In their view, the large banks played a far less significant and far less constructive role." 38 39 40 41 42 43 44

Feddersen/Hommelhoff/Schneider, Corporate Governance, S. 1, 1. Schneider/Strenger AG 2000, S. 106, 107. Präambel des Berliner Kodex. Präambel und Ziff. II.4.1 des Berliner Kodex. Vgl. Hess, Corporate Governance, S.9, 10. Schneider/Strenger AG 2000, S. 106, 106, 109. Ziff. 1.2 des Berliner Kodex.

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1 Teil: Das Corporate

Governance

Problem

eines Corporate Governance Systems sind die disziplinierenden Kräfte der Kapitalmärkte, des Unternehmenskontrollmarktes und des Wettbewerbs auf den Güter- und Kapitalmärkten. Sie stellen die externen Corporate Governance Mechanismen dar. Die Strukturen der Leitung und Überwachung in den Unternehmen einschließlich der wirtschaftlichen Verhaltensanreize für die Unternehmensführer und die disziplinierenden Kräfte der Kapitalmärkte, des Unternehmenskontrollmarktes und des Wettbewerbs auf den Güter- und Kapitalmärkten sind Elemente eines beweglichen Systems: Je weniger (mehr) der Unternehmenserfolg und damit die Unternehmensführung von Markt und Wettbewerb abhängen, um so stärker (schwächer) kommen die Strukturen der Leitung und Überwachung in den Unternehmen einschließlich der wirtschaftlichen Verhaltensanreize für die Unternehmensführer zum Tragen und um so eher (weniger) muß die Corporate Governance ausgehend von diesem Ansatzpunkt optimiert werden. 1. Die unzureichenden Wirkungskräfte der externen Corporate Governance Mechanismen Die disziplinierenden Kräfte der Kapitalmärkte erwachsen aus dem weltweiten Wettbewerb um Risikokapital. Er zwingt auch die deutschen Unternehmen angesichts ihres wachsenden Kapitalbedarfs dazu, ihre Strategie auf die Kapitalmärkte auszurichten. Sie müssen auf die Erwartungen der Anleger eingehen und dabei in Rechnung stellen, daß diese Erwartungen von der shareholder value Philosophie geprägt sind. Dahinter steht ein kapitalmarktorientiertes Konzept der strategischen Steuerung und Überwachung von Unternehmen, 45 das Verfahren der dynamischen Investitionsrechnung mit der modernen Kapitalmarktheorie verbindet. 46 Es gipfelt in der Forderung, daß das Management die langfristige Steigerung des Ertragswerts des Unternehmens anzustreben und sich dabei an der Aktienbewertung durch die Kapitalmärkte zu orientieren hat 47 und eine angemessene Dividenden45 Mülbert ZGR1997, S. 129,129,131 f., 171, weist auf S. 130f. daraufhin, daß insbesondere bei Unternehmensleitungen die Vorstellung herrsche, es handele sich um eine unternehmenspolitische Philosophie, wonach den finanzwirtschaftlichen Interessen des Aktionärs größere Bedeutung zuzumessen sei, als dies bislang bei börsennotierten Aktiengesellschaften üblich gewesen sei, und daß die praktische Handhabung des shareholder value - Konzepts dieser Vorstellung entspreche (vgl. dazu auch Kittner DU 1997, S. 2285,2285, der von einer „Diskrepanz verschiedener Shareholder-Value-Verständnisse" spricht und dabei insbesondere die Frage eines „zwangsläufigen Fundamentalkonflikts zwischen den Interessen von Aktionären und Arbeitnehmern" im Blick hat, und Kuhner ZGR 2004, S. 244, 258ff., der von einem „gesellschaftspolitischen Kampfbegriff" und einem „Interessenmonismus" spricht); von Cölbe ZGR 1997, S.271, 272ff., 276, 283ff. 46 Mülbert ZGR 1997, S.129, 130. 47 Mülbert ZGR 1997, S. 129,131f., 134; von Cölbe ZGR 1997, S.271,272ff., 283ff.; Kühnberger/Keßler AG 1999, S.453, 453.

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ausschüttung und einen steigenden Börsenkurs erreichen muß. 4 8 Als Ausfluß des shareholder value Konzeptes läßt sich auch die Forderung nach der G e w ä h r aussagekräftiger Informationen über das U n t e r n e h m e n und damit insbesondere nach einer Erweiterung der Berichtspflichten der Unternehmensleitung und der Pflichtprüfung des Abschlußprüfers ansehen. D e n n sie zielt darauf, es den Anlegern zu ermöglichen, das Unternehmen zu bewerten und eine fundierte Anlageentscheidung zu treffen. 4 9 J e mehr U n t e r n e h m e n nun um Anleger konkurrieren und je mehr Anleger an einer langfristigen Steigerung des Ertragswerts des Unternehmens interessiert sind, um so stärker werden die disziplinierenden Kräfte der Kapitalmärkte: Wenn eine große Zahl von Anlegern bei Enttäuschung ihrer Erwartungen eine „ A b stimmung mit den F ü ß e n " vornimmt und sich dafür entscheidet, Aktien eines anderen Unternehmens zu kaufen und/oder Aktien des betroffenen Unternehmens zu verkaufen, kann der Börsenkurs der Aktien des betroffenen Unternehmens fallen. Dies beraubt das betroffene U n t e r n e h m e n der Möglichkeit einer Eigenkapitalfinanzierung neuer Vorhaben zu guten Konditionen. 5 0 Es wird auch der G e fahr ausgesetzt, daß ein Dritter vermittels eines Aktienaufkaufs einen beherrschenden Einfluß erlangt. In beiden Fällen ist die Unternehmensführung von Entlassung bedroht. 5 1 D i e disziplinierenden Kräfte der Kapitalmärkte beruhen mithin letztlich darauf, daß die Unternehmensführung sinkende Börsenkurse fürchten m u ß und deshalb im eigenen Interesse dafür sorgen wird, daß der E r tragswert des Unternehmens langfristig steigt. 5 2 D i e disziplinierenden Kräfte der Kapitalmärkte sind eng verwandt mit den disziplinierenden Kräften des Unternehmenskontrollmarktes. Sie beruhen auf der Annahme, daß die Führungsteams auf einem Markt um die Kontrolle über die U n t e r n e h m e n konkurrieren und ein effektiver Wettbewerb auf diesem M a r k t die amtierenden Führungsteams zu stärkerem Wettbewerb auf den Gütermärkten veranlaßt, weil sie andernfalls damit rechnen müssen, im Zuge einer feindlichen Ü b e r n a h m e der von ihnen geführten Unternehmen abgelöst zu werden. 5 3 D a h i n ter steht die Vorstellung, daß die amtierenden Führungsteams der konkurrierenVon Cölbe ZGR 1997, S.271, 274. Mülbert ZGR 1997, S. 129,133,170f.; von Cölbe ZGR 1997, S.271,288f.; Kühnberger/Keßler AG 1999, S. 453,453. Dasselbe gilt für die Forderung nach einer Einführung anreizkompatibler Vergütungssysteme für die Unternehmensführung, weil sie darauf zielt, durch Aktienoptionen, aber auch durch Gehaltskürzungen/-erhöhungen in Abhängigkeit vom Aktienkurs oder von kapitalmarktrelevanten Erfolgskennziffern wie etwa dem cash flow einen Gleichlauf der Interessen der Unternehmensführung mit den Interessen der Anleger zu erreichen. Siehe dazu: Kübnberger/Keßler AG 1999, S. 453,453; Mulbert ZGR 1997, S.129,133,170f,-,von Cölbe ZGR 1997, S.271, 288f. 50 Becker, Verwaltungskontrolle, S. 60. 51 Hess, Corporate Governance, S. 9, 11; Becker, Verwaltungskontrolle, S. 59ff. 52 Hess, Corporate Governance, S. 9, 11; Becker, Verwaltungskontrolle, S.59ff. 53 Krause AG 2000, S.217,218f.; vgl. dazu auch Kaplan, Corporate Governance, S.301,301ff. und Becker, Verwaltungskontrolle, S. 59ff. 48 49

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Governance

Problem

den Unternehmen am ehesten dazu in der Lage und daran interessiert sind, eine schlechte Führungsleistung zu erkennen und ihr vermittels einer feindlichen Übernahme des betroffenen Unternehmens abzuhelfen. Sie verfügen nicht nur über die finanziellen Mittel für feindliche Ubernahmen, sondern profitieren auch von den feindlichen Ubernahmen wegen der mit ihnen verbundenen Ausschaltung von Wettbewerbern auf den Gütermärkten. 5 4 Die disziplinierenden Kräfte des Wettbewerbs auf den Güter- und Kapitalmärkten beruhen auf zwei schlichten Erkenntnissen: Herrscht auf den Gütermärkten Wettbewerb (und sind die staatlichen Subventionen gering), können die Unternehmen (und die Unternehmensführer) nicht überleben, wenn sie keine Maximierung betreiben. Herrscht auf den Kapitalmärkten Wettbewerb, so können die Unternehmen (und die Unternehmensführer) keine Finanzierungsmöglichkeiten für ein übersteigertes oder unrentables Wachstum erschließen. Man kann es auch anders herum formulieren: Wenn sich die Unternehmen in marktbeherrschenden Positionen oder in einer Phase der Stagnation befinden, können sie (und die Unternehmensführer) auch ohne Maximierung lange Zeiträume überdauern und dabei beträchtliche Ressourcen verschwenden. 5 5 Dabei ist es eines der Paradoxons des Corporate Governance Problems, daß eine Übernahmekultur, die feindlichen Übernahmen ablehnend gegenübersteht, und eine Wettbewerbspolitik, die feindliche Übernahmen - durch typischerweise marktmächtige U n ternehmen - verhindert, den Unternehmenskontrollmarkt unterminieren, aber die Wettbewerbskräfte der Gütermärkte stärken. 5 6 Wenn es jedoch um die Frage geht, inwieweit diese externen Mechanismen tatsächlich gewährleisten, daß die Unternehmensführung verantwortlich und mit dem Ziel einer langfristigen Wertschöpfung und nachhaltigen Steigerung des U n ternehmenswerts handelt, ergibt sich für Deutschland folgendes Bild: Die disziplinierenden Kräfte der Kapitalmärkte sind angesichts relativ illiquider Kapitalmärkte so gut wie nicht vorhanden. Das gleiche gilt für die disziplinierenden Kräfte des Unternehmenskontrollmarktes wegen des strengen Fusionskontrollrechts und mangels einer Übernahmekultur. Die einen wie die anderen werden in Rock A G 1995, S. 291, 293. Kaplan, Corporate Governance, S.301, 31 Iff.; Rock A G 1995, S.291, 298 formuliert diese Erkenntnis sehr pointiert so: „Where product markets are highly competitive, such as California's high tech industry in Silicon Valley, the sort of concerns that preoccupy corporate law academics in worrying about corporate governance are a nonissue. If managers slack off or steal from the firm or build inefficient empires, the firm fails in short order and a firm without such problems takes its place. In other words, highly competitive product markets root out suboptimal governance structures before corporate law needs to pay any attention." 5 6 Vgl. Rock A G 1995, S.291, 298: „Competition policy and corporate law are intimately linked. O n the one hand, a competition policy that prohibits all horizontal mergers in the interest of maintaining competitive product markets undermines the market for corporate control by removing the most likely aquirers. On the other hand, a competition policy that permits horizontal mergers that create market power undermines the competitiveness of the product markets that hold managers' feet to the fire." 54 55

A. Unternehmen

außer Kontrolle: Das Versagen der Corporate Governance

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naher Zukunft w o h l auch nicht in einem nennenswerten U m f a n g vorhanden sein. 57 Der Wettbewerb auf den Kapitalmärkten spielt nur eine untergeordnete Rolle, weil die Geschäftsbanken, die über Beteiligungen, Aufsichtsratsmandate sowie Emissions- und Kreditgeschäfte mit den Unternehmen verbunden sind, sie auch in schwierigen Situationen mit Fremdkapital unterstützen. 5 8 Die meisten Gütermärkte sind keine idealtypischen Wettbewerbsmärkte, sondern unvollkommene Märkte, die durch wettbewerbsgestörte Marktstrukturen (Oligopole oder M o n o p o l e ) oder staatliche Eingriffe (Subventionen oder Regulierung) gekennzeichnet sind. Das deutsche (und europäische) Kartellrecht vermag daran nichts zu ändern, weil es lediglich eine weitere Verschlechterung der Unternehmens- und Marktstruktur verhindern kann. Vor diesem Hintergrund lautet die abschließende Erkenntnis, daß die Kapitalmärkte, der Unternehmenskontrollmarkt und der Wettbewerb auf den Güterund Kapitalmärkten in Deutschland eine effiziente Unternehmensleitung und Unternehmensüberwachung nicht sicherzustellen vermögen. Der Unternehmenserfolg und damit die Unternehmensführung hängen nicht hinreichend von M a r k t und Wettbewerb ab. Die disziplinierenden Kräfte der Kapitalmärkte, des Unternehmenskontrollmarktes und des Wettbewerbs auf den Güter- und Kapitalmärkten haben eine so geringe Wirkungskraft, daß sie nicht gewährleisten können, daß die Unternehmensführung verantwortlich und mit dem Ziel einer langfristigen Wertschöpfung und nachhaltigen Steigerung des Unternehmenswertes handelt. 2. D i e R e l e v a n z der internen C o r p o r a t e G o v e r n a n c e M e c h a n i s m e n Wenn die externen Corporate Governance Mechanismen versagen, k o m m t es entscheidend auf die internen Corporate Governance Mechanismen - die Strukturen der Leitung und Ü b e r w a c h u n g in den Unternehmen einschließlich der wirtschaftlichen Verhaltensanreize für die Unternehmensführer - an. Damit rücken die strukturellen Unterschiede in den Corporate Governance Systemen in den U S A , Deutschland und Japan ins Blickfeld. Das amerikanische System gilt als marktorientiert. Die Gehälter der Unternehmensleiter sind hoch. Ihre unternehmensinterne Ü b e r w a c h u n g erfolgt durch den üblicherweise von Außenstehenden (outside directors) beherrschten board of directors. Der Unternehmenskontrollmarkt funktioniert. Die Kapitalmärkte sind liquide. Das Eigentum an den Unternehmen ist relativ wenig konzentriert. Das deutsche System und das japanische System werden dagegen als beziehungsorientiert charakterisiert. Die Gehälter der Unternehmensleiter sind bescheiden bzw. niedrig. Ihre unternehmensinterne Ü b e r w a c h u n g erfolgt vor allem durch die Geschäftsbanken Kaplan, Corporate Governance, S.301, 301 ff. Hopt, Corporate Governance, S.243, 246, 254f., 255f.; Kaplan, Corporate Governance, S.301, 302, 310f. 57 58

32

1 Teil: Das Corporate Governance

Problem

und Großaktionäre (bank and corporate directors), die Geschäftspartner und - in Deutschland - die Arbeitnehmer, und zwar vermittels ihrer Repräsentanten im Aufsichtsrat bzw. board. D e r Unternehmenskontrollmarkt funktioniert kaum bzw. gar nicht. D i e Kapitalmärkte sind relativ illiquide. Das Eigentum an den U n ternehmen ist relativ stark konzentriert. 5 9 Steven N. Kaplan

hat einmal untersucht, welche wirtschaftlichen Verhaltensan-

reize in den C o r p o r a t e Governance Systemen in den U S A , Deutschland und Japan die Unternehmensleiter davon abhalten sollen, unwirtschaftliche Investitionen vorzunehmen oder erzielte Uberschüsse zu verschwenden. D i e drei C o r porate Governance Systeme reagieren auf aktuelle Erfolgskennziffern, also auf Aktienkurse und Einnahmen. In allen drei Ländern steigt bei sinkenden Aktienkursen und bei Ertragseinbußen die Zahl der Entlassungen von U n t e r n e h m e n s leitern stark an. D i e C o r p o r a t e Governance Systeme in den U S A und Japan reagieren jedoch auch auf langfristige Erfolgskennziffern, also auf U m s ä t z e und Marktanteile. In diesen Ländern nimmt die Gefahr der Entlassung von U n t e r n e h mensleitern auch dann zu, wenn nur eine geringe Umsatzsteigerung erzielt wird, während die Position deutscher Unternehmensleiter durch eine schlechte U m satzentwicklung nicht gefährdet ist. D i e Gehälter der Unternehmensleiter sind in den U S A und Japan zudem stark abhängig von Aktienkurs, G e w i n n und U m s a t z . In dem von Steven N . Kaplan untersuchten Zeitraum führte eine Standardabweichung beim Wert der Aktien um zwei Punkte in beiden Ländern zu einer Gehaltssteigerung von etwa 8 % und ein Gewinnrückgang zu einer Gehaltskürzung, und zwar in den U S A um 1 8 % und in Japan um 1 3 % . In den U S A verfügen die U n t e r nehmensleiter schließlich über einen viel größeren Anteil am Eigentum an den U n t e r n e h m e n als die Unternehmensleiter in Deutschland und Japan. Das läßt den Schluß zu, daß das C o r p o r a t e Governance System in den U S A die besten wirtschaftlichen Verhaltensanreize bietet, um die Unternehmensleiter dazu anzuhalten, wirtschaftliche Investitionen vorzunehmen oder die von erfolgreichen U n ternehmen erzielten Überschüsse wirtschaftlich zu verwenden. 6 0 Seit der Untersuchung von Steven

N. Kaplan

hat sich im H i n b l i c k auf die wirt-

schaftlichen Verhaltensanreize in Deutschland allerdings einiges getan. D e r G e setzgeber hat die Einführung von Aktienoptionsprogrammen erleichtert ( § § 7 1 , 71 d, 1 9 2 , 1 9 3 A k t G ) , 6 1 allerdings nur zugunsten der Vorstandsmitglieder und der sonstigen Führungskräfte. 6 2 Eine E r h ö h u n g des variablen Anteils der Vergütung Kaplan, Corporate Governance, S.301, 301ff., 31 Of. Kaplan, Corporate Governance, S.301, 301 ff., 304ff., 312ff. 61 Art. 1 Nr. 5f., 26f. KonTraG 4/1998. Siehe dazu auch Ziff. 4.2.3 des Deutschen Kodex, Ziff. II.3.a des Frankfurter Kodex und Ziff. III.6.3 des Berliner Kodex. 62 Begründung zu Art.l Nr.24f. RegE KonTraG 11/1997. Der Bundesgerichtshof ist dieser Auffassung anders als das OLG Schleswig gefolgt; BGH BB 2004, S. 621,622f. - MobilCom und OLG Schleswig NZG 2003, S. 176,178f. - MobilCom. Siehe dazu: Henze BB 2005, S. 165,172f.; Bösl BKR 2004, S. 474ff.; Paefgen WM 2004, S. 1169,1170ff.; Vetter AG 2004, S. 234,236f.; Peltzer NZG 2004, S. 509ff.; Richter BB 2004, S. 949, 950f., 952ff.; Meyer/Ludwig ZIP 2004, S. 940, 59 60

A. Unternehmen

außer Kontrolle:

Das Versagen der Corporate

Governance

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der Aufsichtsratsmitglieder kann auch nicht auf der Grundlage des § 1 1 3 Abs. 3 A k t G durch eine Ausgabe v o n Wandel- oder Optionsanleihen mit geringem Nennbetrag verbunden mit einer Schaffung bedingten Kapitals gemäß § 1 9 2 Abs. 2 Nr. 1 A k t G zur Bedienung der Umtausch- oder Bezugsrechte erfolgen. 6 3 3. Ergebnis Die Kapitalmärkte, der Unternehmenskontrollmarkt und der Wettbewerb auf den Güter- und Kapitalmärkten können in Deutschland eine effiziente Unternehmensleitung und Unternehmensüberwachung nicht gewährleisten. Das deutsche Corporate Governance System kann daher nur ausgehend v o n den Strukturen der Leitung und Überwachung in den Unternehmen einschließlich der w i r t schaftlichen Verhaltensanreize f ü r die Unternehmensführer verbessert werden. Die anreizkompatiblen Vergütungssysteme als selbständige Corporate G o v e r nance Mechanismen 6 4 sollen im Rahmen dieser Untersuchung ebensowenig be942 f.; Hoff WM 2003, S. 910,911,912ff.; Wiechers DB 2003, S. 595f. Siehe zur erfolgsorientierten Vergütung des Vorstands: Hoffmann-Becking ZHR 169 (2005), S.153, 159ff., 163ff.; Martens ZHR 169 (2005), S. 124,13Iff., 139ff., 144ff.; Kramarsch ZHR 169 (2005), S. 113,116f. Siehe zur erfolgsorientierten Vergütung des Aufsichtsrats: Gehling ZIP 2005, S. 141 ff.; Hoffmann-Becking ZHR 169 (2005), S. 153, 174ff., 177ff.; Kramarsch ZHR 169 (2005), S. 113, 118ff. 63 So aber Rdn. 64 des Kommissionsberichts. Der Bundesgerichtshof hat diese Frage offengelassen, aber angemerkt, es erscheine fraglich, ob dieser Weg für Aktienoptionsprogramme zugunsten von Aufsichtsratsmitgliedern noch gangbar sei, da die einschlägigen Neuregelungen einen gegenteiligen Willen des Gesetzgebers nahelegen würden; BGH BB 2004, S.621, 623 - MobilCom. Siehe zu dieser Frage: Paefgen WM 2004, S. 1169,1172f.; Vetter KG 2004, S.234, 237f.; Peltzer NZG 2004, S.509ff.; Richter BB 2004, S.949, 950f., 954, 956; Meyer!Ludwig ZIP 2004, S.940, 943; Hoff WM 2003, S.910, 910, 911 f.; Wiechers DB 2003, S.595, 596ff. Siehe dazu auch Ziff. 5.4.7 des Deutschen Kodex, Ziff. III. 1 .d des Frankfurter Kodex und Ziff. IV.7.3 des Berliner Kodex. Die Rechtslage ist allerdings im Fluß. Zunächst sollte der Anwendungsbereich von § 193 Abs. 2 Nr. 4 AktG erweitert werden und statt „bei Beschlüssen nach § 192 Abs. 2 Nr. 3" künftig „bei Beschlüssen zur Gewährung von Bezugsrechten an Arbeitnehmer oder Mitglieder der Geschäftsführung nach § 192 Abs. 2 Nr. 1 oder 3" gelten; Art. 1 Nr. 15 RefE UMAG 1/2004. Dieser Gesetzgebungsvorschlag ist im RegE UMAG 11/2004 nicht mehr enthalten; siehe zur Bedeutung, die diese Neuregelung für die Zulässigkeit von Aktienoptionsprogrammen zugunsten von Aufsichtsräten gehabt hätte, nur Meyer/Ludwig ZIP 2004, S.940, 943f. Stattdessen wird §221 Abs. 4 Satz 2 AktG neu gefaßt und „§186 gilt sinngemäß" durch „Die §§ 186 und 193 Abs. 2 Nr. 4 gelten sinngemäß" ersetzt; Art. 1 Nr. 17 RegE UMAG 11/2004. Damit soll klargestellt werden, daß Aufsichtsratsmitgliedern auch schuldrechtliche Optionsrechte nicht gewährt werden dürfen; Begründung zu Art. 1 Nr. 17 RegE UMAG 11/2004 und Henze BB 2005, S. 165, 172. 64 Siehe dazu bereits soeben zu Fn. 61 bis 63. Siehe auch: § 160 Abs. 1 Nr. 5 AktG, §§285 Nr. 9a, 314 Abs. 1 Nr. 6a HGB idF. von Art. 1 Nr. 23, Art. 2 Nr. 2 KonTraG 4/1998 (und dazu: LG München AG 2001, S. 376, 377; Kühnberger/Keßler AG 1999, S. 453,458ff.; Hüffer ZHR 161 (1997), S.214,237ff.); §§285 Nr.9a, 314 Abs. 1 Nr.6a HGB idF. von Art.2 Nr. la und Nr. IIa. bb TransPuG 7/2002 (zugleich Aufhebung des § 86 AktG durch Art. 1 Nr. 4 TransPuG 7/2002); Ziff. 3 des Maßnahmenkataloges 2/2003 (und dazu Kiethe BB 2003, S. 1573ff. und WM 2004, S. 458ff.); Ziff. 4.2.2—4.2.4, 5.4.7, 6.6 und 7.1.3 des Deutschen Kodex; Ziff. III.6 und IV.7 des Berliner Kodex; Ziff. II.3 und Ill.l.d und e des Frankfurter Kodex. Vgl. zu diesem Problemkreis: Günther/ Plaschke BB 2004, S. 121 Iff.; Käppiinger/Käppiinger WM 2004, S.712ff.; Paefgen WM 2004,

1 Teil: Das Corporate Governance

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Problem

handelt werden wie die Unabhängigkeit und Haftung der Abschlußprüfer 6 5 oder die Rolle der Geschäftsbanken. 6 6 Diese Untersuchung befaßt sich mit der O p t i mierung der Steuerung des Verhaltens von Vorständen und Aufsichtsräten durch eine Verschärfung der Anforderungen an sie und damit an die Leitung und U b e r wachung in den U n t e r n e h m e n durch sie. D a die Anforderungen an Vorstände und Aufsichtsräte jedoch auch und gerade ihr Zusammenwirken mit den A b schlußprüfern betreffen, können die Anforderungen an die Abschlußprüfung von dem hier gewählten Untersuchungsgegenstand nicht unberührt bleiben. D i e Aufgabenwahrnehmung durch Vorstände und Aufsichtsräte und die damit verbundenen Aufgaben der Abschlußprüfer bilden vielmehr den K e r n der Leitung und Ü b e r w a c h u n g in den U n t e r n e h m e n und des deutschen C o r p o r a t e G o v e r nance Problems. 6 7 Dies entspricht auch dem Reformansatz des Gesetzgebers. Vorstand, A u f sichtsrat und Abschlußprüfung bilden einen Schwerpunkt der R e f o r m b e m ü h u n gen. So stehen die Zusammensetzung, die Organisation und die Instrumentarien von Vorstand und Aufsichtsrat, das Zusammenwirken von Vorstand, Aufsichtsrat und Abschlußprüfer und die Haftung von Vorstand und Aufsichtsrat im M i t telpunkt des K o n t r o l l - und Transparenzgesetzes, 6 8 des Transparenz- und PubliziS. 1169,1173 ff.; Peltzer NZG 2004, S. 509, 511 f.; Hoff WM 2003, S. 910, 910f.; Kühnberger/Keßler AG 1999, S. 453ff.; Schwarz/Michela 1998, S. 489ff.; Kohler ZHR161 (1997), S. 246ff.; Hüffer ZHR 161 (1997), S.214ff,;Feddersen ZHR 161 (1997), S.269ff.; Lutter ZIP 1997,S. \{{.-,Fuchs DB 1997, S.661 ff.; Schneider ZIP 1996, S.1769ff.; Knoll DB 1997, S.2138ff.; Pulz BB 2004, S.1107ff. (zu den Arbeitnehmern). 65 Siehe dazu: §§ 319 Abs. 2 Satz 1 Nr. 8, Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 Nr. 6,323 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 HGB idF. von Art.2 Nr.8, 11 KonTraG 4/1998; §§318 Abs.3, 319, 319a HGB idF. von Art.l Nr.22-24 BilReG 12/2004 (und dazu: Peemöller/OehlerW> 2004, S. 1158, 1159ff. und S.539ff.; Großfeld NZG 2004, S.393, 395f.; Veltins DB 2004, S.445, 447ff.; Lenz BB 2004, S.707ff.); Art.23ff., 30 des Vorschlags einer Prüferrichtlinie 3/2004 (und dazu: Lanfermann DB 2004, S.609, 610, 611; van Hülle/Lanfermann BB 2003, S.1323, 1326f., 1327; Schmidt BB 2003, S. 779ff.); Ziff. 7.2.1 des Deutschen Kodex; Ziff. VI.2.6 des Berliner Kodex. Siehe zum SarbanesOxley Act 7/2002: Block BKR 2003, S. 774,780f.; Lanfermann/Maul DB 2003, S. 349,351,354f.; Hütten/Stromann BB 2003, S.2223, 2224; Kersting ZIP 2003, S.233, 234f.; Niehus DB 2004, S. 885ff. Vgl. zu diesem Problemkreis: BGH NZG 2003, S.216ff.; OLG Frankfurt am Main AG 2004, S.215ff.; BGH ZIP 1997, S. 1162ff. - Allweiler; Marx ZGR 2002, S.292ff., Hellwig ZIP 1999, S.2117ff.; Neumann ZIP 1998, S. 1338ff.; Hommelhoff ZGR 1997, S.550ff.; Weiland BB 1996, S. 1211 ff. 66 Siehe dazu: §§ 128 Abs. 2 Satz 2, Satz 5 und Satz 6,135 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 Satz 6, Abs. 3 Satz 1 AktG, §§285 Nr. 11, 340a Abs.4 HGB idF. von Art.l Nr.17, 21, Art 2 Nr.2c, 12 KonTraG 4/1998; §§ 128,134 Abs. 3 Satz 2 und Satz 3,135 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, Abs. 4 Satz 3, Abs. 7 Satz 1 und Satz 2, Abs. 10 Satz 1 AktG idF. von Art. 1 Nr. 10,13f. NaStraG 1/2001; § 135 Abs.4 Satz 3 idF. von Art. 1 Nr. 10 RegE UMAG 11/2004; Ziff. 2.3.3 des Deutschen Kodex; Ziff. V.l.3 des Berliner Kodex. Vgl. zu diesem Problemkreis: Hopt, Corporate Governance, S. 243 ff.; Westermann, Corporate Governance, S. 264ff.; Kiem, Corporate Governance, S. 287ff.; von Rosen, Corporate Governance, S.289, 294ff., 297f. 67 Siehe dazu grundlegend Götz AG 1995, S.337, 337ff. 68 Art. 1 Nr.8-12,14-16, 22, 24-25, 31, 34 und Art.2 Nr.2-6, 9 KonTraG 4/1998: §90 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AktG - Berichterstattung des Vorstands; §91 Abs. 2 AktG - Risikomanagementsy-

A. Unternehmen

außer Kontrolle:

Das Versagen der Corporate

Governance

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tätsgesetzes, 69 des Deutschen Kodex 7 0 und des Entwurfs eines Gesetzes zur U n ternehmensintegrität und zur Modernisierung des Anfechtungsrechts. 7 1 Der Gestern des Vorstand; § 100 Abs. 2 Satz 3 AktG, §§ 124 Abs. 3 Satz 3,127 AktG, §§ 125 Abs. 1 Satz 3, 127 AktG, §285 Nr. 10 Satz 1 HGB - Zusammensetzung des Aufsichtsrats; § 110 Abs. 3 AktG Aufsichtsratssitzungen; §§111 Abs. 2 Satz 3 AktG, 318 Abs.l Satz 4 und Abs. 7 Satz 5 HGB sowie §§321 Abs.5 Satz 2, 318 Abs.7 Satz 4 HGB - Erteilung des Prüfungsauftrages durch den Aufsichtsrat und Vorlage des Prüfungsberichts an den Aufsichtsrat; §§147 Abs. 3, 315 Satz 2 AktG - Minderheitenrecht auf Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs und Durchführung einer Sonderprüfung; § 170 Abs. 1 Satz 2 AktG gestrichen - Vorlagepflicht des Vorstands für den Prüfungsbericht; § 170 Abs. 3 Satz 2 AktG - Aushändigung der Vorlagen und Prüfungsberichte an Aufsichtsratsmitglieder; §337 Abs. 1 AktG - Angleichung an §170 AktG; §171 Abs.l Satz 1 AktG - Prüfung des Konzernabschlusses und des Konzernlageberichts; § 171 Abs. 1 Satz 2 - Bilanzsitzung des Aufsichtsrats mit dem Abschlußprüfer; § 171 Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz AktG - Aufsichtsratsausschüsse; §§289 Abs. 1,297 Abs. 1,315 Abs. 1,317,321 HGB - Unternehmensberichterstattung und Abschlußprüfung. 69 Art. 1 Nr. 5-10,16-19,26-27 und Art. 2 Nr. 1,4,11-15 TransPuG 7/2002: § 90 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 sowie Abs. 4 Satz 2 AktG - Berichterstattung des Vorstands; §§ 90 Abs. 3 Satz 2 und Abs. 5 Satz 2,110 Abs. 2,170 Abs. 3 Satz 2,314 Abs. 1 Satz 2 AktG - Berichts- bzw. Einberufungsbegehren; § 107 Abs. 3 Satz 3 AktG - Berichterstattung der Aufsichtsratsausschüsse; § 110 Abs. 3 A k t G - Aufsichtsratssitzungen; § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG-Zustimmungsvorbehalt; §§116 Satz 2,404 AktG - Verschwiegenheit; § 161 AktG, §§ 285 Nr. 16,314 Abs. 1 Nr. 8,325 Abs. 1 Satz 1 HGB - Complianceerklärung; §§170 Abs.l Satz 2, 171 Abs.l Satz 2, 171 Abs.2 Satz 5, 171 Abs. 3 Satz 3 2. Halbsatz, 173 Abs. 1 Satz 2 AktG, 316 Abs. 2 HGB - Vorlage, Prüfung und Billigung des Konzernabschlusses durch den Aufsichtsrat (dementsprechend wurde §337 AktG gestrichen); § 297 Abs. 1 Satz 2, 314 Abs. 2, 317 Abs. 4, 321 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 2 HGB - Unternehmensberichterstattung und Abschlußprüfung. 70 Ziff. 3, 5.1.1 - Zusammenwirken von Vorstand und Aufsichtsrat; Ziff. 3.3 - Zustimmungsvorbehalt; Ziff. 3.8 - Selbstbehalt; Ziff. 3.10 - Corporate Governance Bericht; Ziff. 4.2.1, 5.1.2, 5.4.1-5.4.4 - Zusammensetzung von Vorstand und Aufsichtsrat; Ziff. 5.2,5.3 - Aufsichtsratsvorsitzender und Aufsichtsratsausschüsse; Ziff. 5.4.8, 5.6 - Rechenschaftspflichten des Aufsichtsrats; Ziff. 3.5,4.3.4,4.3.5,5.5.2-5.5.4,5.4.7 - Vertraulichkeit und Interessenkonflikte; Ziff. 7.1.1 — Zwischenberichte; Ziff. 7.2.1, 7.2.3 - Zusammenwirken mit Abschlußprüfer. Siehe dazu auch Ziff. II, III.1-5, IV.1-6, VI.2 des Berliner Kodex und Ziff. II.l, II.4, III des Frankfurter Kodex. Vgl. zur D&O-Versicherung: Ziff. 3 des Maßnahmenkataloges 2/2003; von Westphalen DB 2005, S. 431 ff.; Deilmann NZG 2005, S.151ff.; Lange ZIP 2004, S.2221ff.; Kiethe BB 2003, S.537ff.; Dreher/Görner ZIP 2003, S.2321ff.; Dreher ZHR 165 (2001), S.293ff.; Kästner AG 2000, S. 113ff.; Hucke DB 1996, S.2267ff.; Tbümmel/Sparberg DB 1995, S. 1013ff. Vgl. dazu auch Mertens, Festschrift Fleck, S.209ff. 71 Art. 1 Nr. 1, 3, 11-16, 31, 36 RegE UMAG 11/2004: §93 Abs.l Satz 2 AktG - business judgment rule; §117 Abs. 7 Nr. 1 AktG - Haftungseinschränkung entfällt; §§142, 145, 146, 147 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 (Abs. 3 und Abs. 4 entfallen), 148,149,258 Abs. 2 Satz 3 und Satz 4,315 Satz 2 bis Satz 5 AktG - Minderheitenrecht auf Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs und Durchführung einer Sonderprüfung; §§ 142, 145, 148, 149, 315 idF. von Art. 1 Nr. 11, 12, 15, 16, 36 RegE UMAG 11/2004 sind aufgrund der Beschlußempfehlung des Rechtsausschusses vom 15. Juni 2005 (BT-Drucksache 15/5693) durch Gesetzesbeschluß des Bundestages vom 16. Juni 2005 (BR-Drucksache 454/05) geändert worden (für den Schwellenwert wird statt auf den Börsenwert auf den Nennbetrag abgestellt). Siehe zur Haftung auch §§37b, 37c WpHG idF. des Vierten Finanzmarktförderungsgesetzes 6/2002 sowie §§37a, 37b, 37c WpHG idF. des Diskussionsentwurfs eines Kapitalmarktinformationshaftungsgesetzes 10/2004 und den Regierungsentwurf eines Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes 11/2004 (Kapitalmarkthaftung). Vgl. zu diesem Problemkreis: Sauer ZBB 2005, S.24ff.; Casper BKR 2005, S.83ff.; Veil BKR 2005, S. 91 ff.; Langenbucher ZIP 2005, S.239ff.; Gittermann NZG 2004, S. 1081 ff.; Fleischer ZGR

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1 Teil: Das Corporate

Governance

Problem

setzgeber hat in der Begründung zum Kontroll- und Transparenzgesetz besonders deutlich gemacht, daß die Führungsaufgaben und Berichtspflichten des Vorstandes und der Gegenstand und die Funktion der Abschlußprüfung den Erfordernissen einer besseren Überwachung durch den Aufsichtsrat und den Bedürfnissen der Kapitalmärkte angepaßt werden müssen. Er wollte die Gewähr und Prüfung von Informationen über zukünftige Vorhaben und Entwicklungen sowie Risiken und Chancen verbessern. Das sind die Informationen, die im Sinne der shareholder value Philosophie für den langfristigen Ertragswert des Unternehmens ausschlaggebend sind. Auf diese Weise sollten die Möglichkeiten des Aufsichtsrats verbessert werden, den Vorstand zukunfts-, problem- und risikoorientiert zu überwachen. Zugleich sollte den Interessen von Gesellschaftern, Anlegern und Gläubigern Rechnung getragen werden, die das Unternehmen bewerten und eine fundierte Anlageentscheidung treffen wollen. 72

2004, S.437ff. und BKR 2003, S.608ff.; Baums ZHR 167 (2003), S. 139ff.; Schwark, Festschrift Hadding, S. 1117ff.; Zimmer WM 2004, S. 9ff.; Keusch/WankerlBKR 2003, S. 744ff.; Heppe WM 2003, S. 714ff. und S. 753ff.; Duve/Pfitzner BB 2005, S.673ff.; Braun/Rolter BKR 2004, S.296ff.; W M 2003, Zypries BB 2004, Heft 23, S.I; Reuschle NZG 2004, S.590ff.; Hess/Michailidou S.2318ff. Siehe zur Unternehmensberichterstattung und Abschlußprüfung §§285 Satz 1 Nr. 18, Nr. 19 und Satz 2, 289 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 und Abs. 3, 297 Abs. 1, 314 Abs. 1 Nr. 10, Nr. 11 und Abs.2, 315 Abs. 1 und Abs.2 Nr.2, 315a, 317 Abs.2, 321 Abs.2 Satz 3 und Abs.3 Satz 2, 321a, 324a, 331 Nr. la und Nr. 3 HGB, §§170 Abs. 1 Satz 2,171 Abs. 4 AktG idF. von Art. 1 Nr. 5,9,15, 18-21,25, 26,28, 32, Art.4 Nr.2, 3 BilReG 12/2004; §292a HGB ist durch Art. 1 Nr. 11 BilReG 12/2004 aufgehoben werden. 72 Allgemeine Begründung zum RegE KonTraG 11/1997 und Begründung zu Art. 2 Nr. 5, 8,9 RegE KonTraG 11/1997. Siehe dazu: Mattheus ZGR 1999, S.682ff.; Schindler/Rabenhorst BB 1998, S. 1886ff. und S.1939ff.; Hommelhoff BB 1998, S.2567ff. und S.2625ff.; Hommelhoff/ Mattheus AG 1998, S.249, 256ff.; Claussen DB 1998, S. 177,177,180f., 181 ff.; Schulze-Osterloh ZIP 1998, S.2129ff.; Westerfehlhaus DB 1998, S.2078ff.; Strieder/ Graf BB 1997, S. 1943ff.; Dörner DB 1998, S. 1,2ff.; Klar DB 1997, S. 685ff.; Funke ZIP 1996, S. 1602ff. Vgl. dazu auch bereits: Forster AG 1995, S. 1 ff.; Götz AG 1995, S.337, 340ff.; Rürup AG 1995, S.219ff.; Clemm ZGR 1980, S.455ff.

B. Das Kernproblem: Die business judgment rule Ist das Ziel die Optimierung der Steuerung des Verhaltens von Vorständen und Aufsichtsräten und ist der Ansatzpunkt eine Verschärfung der Anforderungen an sie und damit an die Leitung und Überwachung in den U n t e r n e h m e n durch sie, so geht es im K e r n um die operationale Interpretation der den Vorständen und A u f sichtsräten bei unternehmerischen Entscheidungen obliegenden Rechtspflichten im Sinne der §§ 9 3 , 1 1 6 A k t G . Sie müssen so konkretisiert werden, daß sie in optimaler Weise dazu beitragen, Vorstände und Aufsichtsräte dahin zu motivieren, verantwortlich und mit dem Ziel einer langfristigen Wertschöpfung und nachhaltigen Steigerung des Unternehmenswerts zu handeln. Das k ö n n e n sie nur, wenn sie den Vorständen und Aufsichtsräten hinreichende Anhaltspunkte für eine effiziente Aufgabenwahrnehmung geben, ohne sie durch unübersehbare Haftungsrisiken in ihrem Engagement zu behindern. 1 Es ist allgemein anerkannt, daß die gesellschaftsrechtliche Organhaftung nicht nur eine Ausgleichsfunktion, sondern vor allem eine Steuerungsfunktion hat. Sie soll einerseits sicherstellen, daß die Nachteile ausgeglichen werden, die die Gesellschaft durch schuldhafte Pflichtverletzungen der mit der Unternehmensführung betrauten Organmitglieder erleidet. Sie soll die Organmitglieder andererseits dazu anhalten, den ihnen gegenüber der Gesellschaft obliegenden Pflichten nachzuk o m m e n . Die Gesellschaftsrechtler sprechen demgemäß von einer D o p p e l f u n k tion der Organhaftung. 2 I m R a h m e n der Steuerungsfunktion ist zu berücksichtigen, daß den Organmitgliedern nicht durch eine allzu strenge Haftung „jeder M u t zur Tat g e n o m m e n " werden darf. 3 Das Eingehen unternehmerischer Risiken ist der unternehmerischen Tätigkeit immanent und birgt gerade die Erfolgschancen, die es ermöglichen, die Gewinnerwartungen der Gesellschafter zu erfüllen. Eine Risikoaversion der Organmitglieder hätte zudem negative Allokationswirkungen für die gesamte Volkswirtschaft. 4 1 Vgl. Kindler ZHR 162 (1998), S. 101,103 („unternehmerische Initiative nicht durch unüberschaubare Haftungsrisiken" behindern) und Horn ZIP 1997, S. 1129, 1129 („Das Recht muß einerseits Handlungsfreiheit und Selbstverantwortung garantieren, andererseits die Bindung an Sorgfaltspflichten vorsehen."). 2 Siehe dazu nur Goette, Handbuch Corporate Governance, S. 749, 750ff. und Scholz-Schneider, GmbHG, §43 Rdn 7, 12a sowie Kock/Dinkel NZG 2004, S.441, 441. 3 Begründung zu § 84 AktG 193 7, abgedruckt bei Klausing, Gesetz über Aktiengesellschaften, S.71 4 Ulmer DB 2004, S. 859, 859; Fleischer ZIP 2004, S.685, 685; Paefgen AG 2004, S.245, 247;

1 Teil: Das Corporate Governance

38

Problem

Vor diesem Hintergrund geht es um die Zubilligung und Begrenzung von E n t scheidungsfreiräumen bzw. - in der Terminologie des Bundesgerichtshofs - von „autonomen unternehmerischen Ermessensspielräumen". 5 Das Kernproblem ist mithin die dogmatische Verankerung und inhaltliche Ausgestaltung einer business judgment rule. Inzwischen ist weitgehend anerkannt, daß die Entscheidungsfreiräume des Vorstands und des Aufsichtsrats auf den Aufgabenzuweisungen nach den §§ 76 Abs. 1, 111 Abs. 1 A k t G beruhen. 6 D e r Bundesgerichtshof hat die dogmatische Verankerung der Entscheidungsfreiräume des Vorstands in der „Führungsaufgab e " des Vorstands 7 und die der Entscheidungsfreiräume des Aufsichtsrats in den „unternehmerischen Aufgaben" des Aufsichtsrats 8 gesehen. 9 Streitig sind dagegen die dogmatischen Konsequenzen, wenn Vorstand und Aufsichtsrat Entscheidungen im R a h m e n ihrer Entscheidungsfreiräume treffen, die sich später als Fehlentscheidungen erweisen. Es wird diskutiert, ob es dann an einer Pflichtverletzung im Sinne der §§ 9 3 , 1 1 6 A k t G fehlt 1 0 oder o b eine Pflichtverletzung im Sinne des § § 9 3 , 116 A k t G vorliegt, für die aber nicht gehaftet wird („haftungsfreie Pflichtverletzung"). 1 1 Streitig sind die dogmatischen Konsequenzen auch, wenn Vorstand und Aufsichtsrat Entscheidungen treffen, die nicht von ihren Entscheidungsfreiräumen gedeckt sind. Es wird diskutiert, o b dann eine Pflichtverletzung im Sinne der §§ 9 3 , 1 1 6 A k t G vorliegt 1 2 oder o b anhand weiterer Kriterien zu prü-

Kock/Dinkel NZG 2004, S.441, 442f.; Horn ZIP 1997, S. 1129, 1129; Kindler ZHR 162 (1998), S. 101, 103; Schneider DB 2005, S.707, 709. 5 BGH ZIP 1997, S. 883, 886 - ARAG/Garmenbeck; siehe auch BGH BGHZ 136, S. 133,137, 139 - Siemens/Nold und BGHZ 75, S.96, 107f. - Herstatt. 6 Kindler ZHR 162 (1998), S. 101,105f.; Horn ZIP 1997, S. 1129, 1134f.; Thümmel AG 2004, S. 83, 86f.; Kock/Dinkel ZGR 2004, S.441, 442f.; Roth, Ermessen, S.48ff. und BB 2004, S. 1066, 1068; Paefgen, Entscheidungen, S. 26ff., 35ff.; Goette, Handbuch Corporate Governance, S. 749, 756. 7 BGH ZIP 1997, S. 883, 886 - ARAG/Garmenbeck. 8 BGH ZIP 1997, S. 883, 886 - ARAG/Garmenbeck. 9 So auch Kindler ZHR 162 (1998), S. 101, 105. 10 Kindler ZHR 162 (1998), S.101, 104; Roth, Ermessen, S.48ff.; Paefgen, Entscheidungen, S. 171 ff., 222ff.; so auch der Wortlaut von §93 Abs.l Satz 2 AktG idF. von Art. 1 Nr.l RegE UMAG 11/2004. 11 Siehe dazu Fleischer ZIP 2004, S.685, 689f. sowie Roth BB 2004, S. 1066,1068 und Ermessen, S. 85 im Hinblick auf die Kombination subjektiver und objektiver Tatbestandselemente und die Anlehnung an die U.S. amerikanische business judgment rule in §93 Abs. 1 Satz 2 AktG idF. von Art. 1 Nr. 1 RefE UMAG 1/2004 und im Hinblick darauf, daß der Bundesgerichtshof eine Haftung erst bei einer „deutlichen" Überschreitung des Handlungsrahmens annimmt (BGH ZIP 1997, S. 883, 886 - ARAG/Garmenbeck). So bereits Hopt, Festschrift Mestmäcker, S.909, 920 („Haftungsfreiraum bis in den Bereich der groben Fahrlässigkeit hinein") und Horn ZIP 1997, S. 1129, 1135 („auch dann haftungsfrei, wenn sie im Einzelfall aus den bereits allgemein erörterten Gründen als Sorgfaltspflichtverletzung bewertet werden müßten"). 12 Henze BB 2005, S. 165, 166; Roth, Ermessen, S.48ff., 135; Kindler ZHR 162 (1998), S. 101, 105; Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung, S. 251 f., 253f., 260f., 266 (siehe dazu aber auch Abeltshauser, Leitungshaftung, S. 162ff., 169ff.).

B. Das Kernproblem: Die business judgment rule

39

fen ist, o b eine Pflichtverletzung im Sinne der §§ 9 3 , 1 1 6 A k t G angenommen werden kann. 1 3

I. Der Ausgangspunkt:

Weite

Entscheidungsfreiräume

A u c h wenn im Detail noch undeutlich ist, unter welchen Voraussetzungen E n t scheidungen von Vorständen und Aufsichtsräten von ihren Entscheidungsfreiräumen gedeckt sind, 1 4 so herrscht doch in einem Punkt weitgehend Einigkeit: D i e Entscheidungsfreiräume sollen weit sein. Vorstände und Aufsichtsräte sollen nur für „schlechthin unvertretbares H a n d e l n " haften. 1 5 Zur Begründung wird auf das „Anliegen" verwiesen, „die Gerichte aus den unternehmerischen Entscheidungen weitmöglichst heraus zu halten". 1 6 Es könne „nur so ... der Versuchung der Gerichte entgegengewirkt werden, mittels Definition des Unternehmensinteresses konkrete Verhaltenspflichten des Vorstands zu entwickeln." 1 7 Zudem sei eine „Verbesserung der Performance des Vorstands ... nicht durch eine K o n k r e t i sierung rechtlicher Standards, sondern nur durch einen weiten Ermessensspielraum verbunden mit rechtlich unverbindlichen ,best practices' erreichbar." 1 8 D i e se Ansätze liegen auf der Linie der A R A G - E n t s c h e i d u n g des Bundesgerichtshofs 1 9 und des Vorschlags der Bundesregierung, in § 9 3 Abs. 1 Satz 2 A k t G eine business judgment rule zu verankern. 2 0

13 Siehe dazu Fleischer ZIP 2004, S. 685, 689. Für diese Auffassung spricht die Anlehnung an die U.S. amerikanische business judgment rule in §93 Abs. 1 Satz 2 AktG idF. von Art. 1 Nr. 1 RegE UMAG 11/2004 (siehe zum U.S. amerikanischen Recht nur Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung, S. 167f.) und der Umstand, daß der Bundesgerichtshof formuliert hat, eine Haftung „kann erst in Betracht kommen, wenn" eine deutliche Überschreitung des Handlungsrahmens vorliegt (BGH ZIP 1997, S. 883, 886 - ARAG/Garmenbeck). 14 Ulmer DB 2004, S.859, 859f., 860f.; Fleischer ZIP 2004, S.685, 690f.; Paefgen AG 2004, S. 245,252f., 253ff., 255,255f.; Thümmel DB 2004, S. 471,472 und AG 2004, S. 83, 87; Kock/DinkelNZG2004, S. 441,443f.; Kinzl DB 2004, S. 1653,1653f.; Witte/Hrubesch BB 2004, S. 725, 727; Roth BB 2004, S. 1066, 1068f.; Heermann ZIP 1998, S.761, 762f., 763ff. und AG 1998, S.201, 203 ff. 15 So Kindler ZHR 162 (1998), S. 101, 103. Im Ergebnis ebenso: Semler AG 2005, S.321, 324; Henze BB 2005, S.165, 166 und BB 2000, S.209, 215 sowie BB 2001, S.53, 60; Roth, Ermessen, S. 80ff., 97ff., 100 und BB 2004, S. 1066,1068; Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung, S.267ff.; Paefgen AG 2004, S.245, 252f., 253 ff., 255, 255f.; Witte/Hrubesch BB 2004, S.725, 727; Horn ZIP 1997, S. 1129, 1134f.; Heermann AG 1998, S.201, 204. 16 Paefgen, Entscheidungen, S. 176f. 17 Roth, Ermessen, S. 89; ganz ähnlich auch Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung, S. 300ff. 18 Roth, Ermessen, S.93. 19 BGH ZIP 1997, S. 883, 883 ff. - ARAG/Garmenbeck. 20 Art. 1 Nr. 1 RegE UMAG 11/2004.

40

1 Teil: Das Corporate Governance

II. Die ARAG-Entscheidung

Problem

des Bundesgerichtshofs

D e r Bundesgerichtshof hat dem Vorstand bei „unternehmerischen Entscheidungen" einen „weiten Handlungsspielraum" zugebilligt, zu dem „neben dem bewußten Eingehen geschäftlicher Risiken grundsätzlich auch die Gefahr von Fehlbeurteilungen und Fehleinschätzungen" gehöre, und zwar mit der Konsequenz, daß eine Pflichtverletzung im Sinne des § 93 A k t G „erst dann in Betracht k o m m t , wenn die Grenzen, in denen sich ein von Verantwortungsbewußtsein getragenes, ausschließlich am Unternehmenswohl orientiertes, auf sorgfältiger Ermittlung der Entscheidungsgrundlagen beruhendes unternehmerisches Handeln bewegen muß, deutlich überschritten sind, die Bereitschaft, unternehmerische Risiken einzugehen, in unverantwortlicher Weise überspannt worden ist" oder wenn „das Verhalten aus anderen Gründen als pflichtwidrig gelten m u ß . " 2 1 Das „von Verantwortungsbewußtsein oder das „ausschließlich

getragene unternehmerische H a n d e l n "

am Unternehmenswohl orientierte unternehmerische

H a n d e l n " wird mit der Abwesenheit von Interessenkonflikten gleichgesetzt. 2 2 Aus dem „auf sorgfältiger Ermittlung der Entscheidungsgrundlagen beruhenden unternehmerischen H a n d e l n " wird das Erfordernis einer ausreichenden oder sorgsamen Entscheidungsvorbereitung abgeleitet. 2 3 Das „am U n t e r n e h m e n s wohl orientierte unternehmerische H a n d e l n " wird dahin verstanden, daß die Entscheidung im besten Interesse der Gesellschaft liegen muß; 2 4 in dem Hinweis auf eine „deutliche Überschreitung" bzw. „unverantwortliche Ü b e r s p a n n u n g " wird das Erfordernis einer inhaltlichen Bewertung gesehen. 2 5 Z u m Teil wird aber nicht in dieser Weise differenziert, sondern unmittelbar aus dem Hinweis auf eine „deutliche Überschreitung" bzw. „unverantwortliche Überspannung" das E r f o r dernis abgleitet, die Entscheidung dürfe nicht unverantwortlich sein. 2 6 „Andere

BGH ZIP 1997, S. 883, 885f. - ARAG/Garmenbeck. 1. Alternative: Paefgen AG 2004, S.245,252; Henze BB 2001, S.53, 57 und BB 2000, S.209, 215. 2. Alternative: Kock/DinkelNZG 2004, S.441,444; ThümmelDb 2004, S.471, 472; Kindler ZHR 162 (1998), S.101, 106. 23 Henze BB 2001, S.53, 57 und BB 2000, S.209, 215; ThümmelDB 2004, S.471, 472 und AG 2004, S. 83, 87; Roth, Ermessen, S. 80f. 24 Henze BB 2001, S. 53, 57 und BB 2000, S. 209,215. Vgl. auch Thümmel DB 2004, S. 471,472 und AG 2004, S. 83, 87. 25 Henze BB 2005, S. 165,166 und BB 2001, S. 53, 57,60 sowie BB 2000, S. 209,215 („wenn das Handeln schlechterdings nicht zu rechtfertigen ist und ein verantwortungsbewußt denkender und handelnder Kaufmann zu ihrer Durchführung zu keiner Zeit bereit wäre"); Thümmel DB 2004, S.471, 472 und AG 2004, S.83, 87. 26 So Paefgen AG 2004, S.245, 255 (siehe aber auch Entscheidungen, S. 177, 178f., wo er nur von „rational schlichtweg nicht mehr nachvollziehbaren Entscheidungen" spricht und anmerkt, mit dem „deutlich" werde „der durch die Anerkennung des Gedankens der business judgment rule erreichte Verzicht auf eine inhaltliche Uberprüfung des Entscheidungsergebnisses wieder relativiert") sowie Roth BB 2004, S. 1066,1068 und Ermessen, S. 97ff., 100 („fehlende kaufmännische Rechtfertigung mehr als offensichtlich"). Die Terminologie ist uneinheitlich: Siehe etwa 21

22

B. Das Kernproblem: Die business judgment rule

41

G r ü n d e " sollen vorliegen, wenn das Handeln „gegen Gesetz (insbesondere § 93 Abs. 3 A k t G ) und Satzung verstößt." 2 7 D e r Bundesgerichtshof hat dem Aufsichtsrat einen Anteil an dem „weiten Handlungsspielraum" nur insoweit zugebilligt, „wie das G e s e t z auch ihm unternehmerische Aufgaben überträgt, wie z . B . bei der Bestellung und Abberufung von Vorstandsmitgliedern oder im Rahmen des § 1 1 1 Abs. 4 Satz 2 A k t G , d.h. überhaupt überall dort, w o er die unternehmerische Tätigkeit des Vorstands im Sinne einer präventiven Kontrolle begleitend mitgestaltet." D a die Entscheidung über die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen pflichtwidrig handelnde Vorstandsmitglieder nicht zu diesem Aufgabenbereich gehöre, könne der Aufsichtsrat insoweit „ein unternehmerisches Ermessen in dem v o m B e r u fungsgericht angenommen Sinne nicht in Anspruch n e h m e n . " 2 8 D e r Bundesgerichtshof hat dem Aufsichtsrat für diesen Fall eine dreistufige Prüfung aufgegeben. In einem ersten Prüfungsschritt müsse der Aufsichtsrat den zum Schadensersatz verpflichtenden Tatbestand in tatsächlicher wie rechtlicher Hinsicht feststellen. In einem zweiten Prüfungsschritt müsse der Aufsichtsrat eine Analyse des Prozeßrisikos und der Beitreibbarkeit der Forderung vornehmen. Eine Entscheidungsprärogative könne der Aufsichtsrat für diesen Teil seiner E n t scheidung nicht in Anspruch nehmen; es könne allenfalls die Zubilligung eines begrenzten Beurteilungsspielraums in Betracht k o m m e n . In einem dritten Prüfungsschritt dürfe er prüfen, ob „er trotz Erfolgsaussicht einer Haftungsklage aus übergeordneten Gründen des Unternehmenswohles ausnahmsweise von der Durchsetzung des Schadensersatzanspruchs absehen m ö c h t e . " In diesen engen G r e n z e n sei dem Aufsichtsrat ein Entscheidungsermessen zuzuerkennen. D a b e i könnten Gesichtspunkte bedeutsam sein wie „negative Auswirkungen auf G e schäftstätigkeit und Ansehen der Gesellschaft in der Öffentlichkeit, Behinderung der Vorstandsarbeit und Beeinträchtigung des Betriebsklimas" sowie - ganz ausnahmsweise - „einschneidende Folgen für das ersatzpflichtig gewordene Vorstandsmitglied." 2 9 Diese Rechtsprechung hat in der Literatur nicht nur mit Blick auf die Vorstandshaftung weitgehende Zustimmung gefunden 3 0 , sondern auch mit B l i c k auf die These, der Aufsichtsrat könne für die Entscheidung über die Geltendma-

Kindler ZHR 162 (1998), S. 101, 106, 107 („Einhaltung der Grenzen zur schieren Unvernunft") und Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung, S.243ff. („keine plausible Begründung"). 27 Paefgen AG 2004, S.245, 252; Roth BB 2004, S. 1066,1068; ThümmelDB 2004, S.471, 471 und AG 2004, S. 83, 87; Henze BB 2000, S.209, 215. 28 BGH ZIP 1997, S. 883, 886 - ARAG/Garmenbeck. Siehe zu dieser Differenzierung Schneider DB 2005, S. 707, 709. 29 BGH ZIP 1997, S.883, 885, 886, 886f. - ARAG/Garmenbeck. 30 Siehe nur: Kindler ZHR 162 (1998), S. 101, 103ff.; Horn ZIP 1997, S. 1129, 1131ff.; Heermann ZIP 1998, S. 761,762f., 763f.; Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung, S.24ii{.; Roth, Ermessen, S. 97ff., 100; Paefgen, Entscheidungen, S.177.

42

1 Teil: Das Corporate

Governance

Problem

chung von Schadensersatzansprüchen gegen pflichtwidrig handelnde Vorstandsmitglieder kein unternehmerisches Ermessen in Anspruch nehmen. 31 Der Bundesgerichtshof hat die in der ARAG-Entscheidung eingeschlagene Linie fortgesetzt. Während er zuvor noch von „pflichtgemäßem Ermessen" 32 und kurz danach von „unternehmerischem Ermessen" 33 sprach, betonte er in einer jüngeren Entscheidung, daß dem Vorstand einer Aktiengesellschaft wie dem Geschäftsführer einer GmbH ein „grundsätzlich weiter unternehmerischer Ermessensspielraum" zukommt. 3 4

III. Der UMAG-Vorschlag

der

Bundesregierung

Die Bundesregierung hat vorgeschlagen, in § 93 Abs. 1 AktG den folgenden Satz 2 einzufügen: „Eine Pflichtverletzung liegt nicht vor, wenn das Vorstandsmitglied bei einer unternehmerischen Entscheidung vernünftigerweise annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Information zum Wohle der Gesellschaft zu handeln." 3 5 In Art. 1 Nr. 1 RefE U M A G 1/2004 hieß es noch: „Eine Pflichtverletzung liegt nicht vor, wenn das Vorstandsmitglied bei einer unternehmerischen Entscheidung ohne grobe Fahrlässigkeit annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Information zum Wohle der Gesellschaft zu handeln." 3 6 Mit dieser Änderung, die einem Vorschlag von Holger Fleischer entspricht, 37 wollte man den in der Literatur geäußerten dogmatischen Bedenken Rechnung tragen. 38 Es war geltend gemacht worden, die Kombination subjektiver und objektiver Tatbestandsmerkmale trage Verschuldenselemente in die Definition der Pflichtverletzung hinein und es würden zivilrechtliche Kategorien verwoben, die sonst getrennt würden. 3 9

31 Siehe nur: Kindler ZHR 162 (1998), S. 101, 109ff.\Horn ZIP 1997, S.1129, 1136ff.; Heermann AG 1998, S.201, 203ff. 32 BGH BGHZ 75, S.96, 108 - Herstatt. 33 BGH BGHZ 136, S. 133, 140 - Siemens/Nold. 34 BGH AG 2003, S.381, 382. 35 Art. 1 Nr. 1 RegE UMAG 11/2004. 36 Im Maßnahmenkatalog hatte die Bundesregierung zuvor formuliert: „In § 93 AktG ist klarzustellen, daß eine Erfolgshaftung der Organmitglieder gegenüber der Gesellschaft ausscheidet, wenn sie nach bestem Wissen und Gewissen eine Entscheidung getroffen haben, die sich später als unternehmerische Fehlentscheidung erweist; Ziff. 1 des Maßnahmenkataloges 2/2003. Eine inhaltliche Änderung sollte mit der Formulierung im RefE UMAG 1/2004 nach Aussage des zuständigen Referatsleiters im Bundesministerium der Justiz nicht verbunden sein; Seibert/Schütz ZIP 2004, S.252, 254. 37 Fleischer ZIP 2004, S.685, 689. 38 Begründung zu Art. 1 Nr. 1 RegE UMAG 11/2004 („Vermengung von Pflichten- und Sorgfaltsmaßstab"). 39 Fleischer ZIP 2004, S. 685,688,689 und Roth BB 2004, S. 1066,1068. Siehe dazu auch Semler AG 2005, S. 321, 325 und DAV ZIP 2005, S. 774, 775.

43

B. Das Kernproblem: Die business judgment rule

D i e Bundesregierung führt aus, die neue Vorschrift solle den Bereich unternehmerischen Handlungsspielraums aus dem Tatbestand der Sorgfaltspflichtverletzung nach Satz 1 ausgrenzen. D i e Tatbestandseinschränkung setze fünf - teils implizierte - Merkmale voraus: Unternehmerische Entscheidung, Gutgläubigkeit, Handeln ohne Sonderinteressen und sachfremde Einflüsse, Handeln zum W o h l e der Gesellschaft und Handeln auf der Grundlage angemessener Information. Dies entspreche Vorbildern der business judgment rule aus dem angelsächsischen Rechtskreis und finde Parallelen in der neueren höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ( B G H Z 135, S . 2 4 4 f f . - A R A G / G a r m e n b e c k ) . 4 0 Das M e r k m a l der Annahme

zwinge zu einem Perspektivwechsel in der B e u r -

teilung. D i e Voraussetzungen der Entscheidungsfindung müßten aus der Sicht betreffenden

Organs

des

beurteilt werden. Diese Sichtweise werde durch das „ A n -

nehmendürfen" begrenzt und objektiviert.

Als Maßstab für die Uberprüfung, o b

die A n n a h m e des Vorstands nicht zu beanstanden sei, diene das M e r k m a l „vernünftigerweise". 4 1 In der Begründung zu Art. 1 N r . 1 R e f E U M A G 1/2004 hieß es, die A n n a h m e sei ein subjektives nehmendürfen" objektiviert

Tatbestandsmerkmal, welches durch das „ A n -

werde. D i e A n n a h m e müsse frei von groben Sorg-

faltspflichtverletzungen gebildet worden sein, worauf das Tatbestandsmerkmal „ohne grobe Fahrlässigkeit annehmen durfte" hinweise. Eine inhaltliche Ä n d e rung ist mit dem Verzicht auf das Kriterium der groben Fahrlässigkeit erkennbar nicht bezweckt. 4 2 Das zeigen bereits die weiteren Ausführungen an dieser Stelle. Sie sind in der Begründung zu Art. 1 Nr. 1 R e f E U M A G 1/2004 und in der B e gründung zu Art. 1 Nr. 1 R e g E U M A G 11/2004 identisch: Das Vorliegen dieses Tatbestandsmerkmals sei etwa dann zu verneinen, wenn das mit der unternehmerischen Entscheidung verbundene Risiko in völlig

unverantwortlicher

Weise

falsch beurteilt worden sei (vgl. B G H Z 135, S . 2 4 4 , 253, A R A G / G a r m e n b e c k ) . D i e Bundesregierung führt weiter aus, ein Handeln schaft

zum

Wohle

der

Gesell-

liege jedenfalls dann vor, wenn es der langfristigen Ertragsstärkung und

Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens und seiner Produkte oder Dienstleistungen diene. Dies beziehe auch das W o h l von Tochtergesellschaften und des Gesamtkonzerns mit ein. E s gehe dabei nicht um das ex post ermittelte W o h l der

40 Begründung zu Art. 1 Nr. 1 RegE U M A G 11/2004 und - nahezu wortgleich - Begründung zu Art. 1 Nr. 1 RefE UMAG 1/2004. 41 Begründung zu Art. 1 Nr. 1 RegE U M A G 11/2004. 42 Siehe dazu: DAV ZIP 2005, S. 774,775 („Was das Wort bedeutet und ob damit etwas anderes gemeint ist als ohne Fahrlässigkeit, bleibt offen."); Semler AG 2005, S. 321, 325 („Diese Haftungserleichterung ist aus dem Gesetzentwurf gestrichen worden ... Jetzt ist der Verschuldensmaßstab durch den Begriff vernünftigerweise' eingeschränkt worden. Ob das Gesetz damit auch die leichte Fahrlässigkeit bei der Feststellung des Verschuldens einbezieht, sollte vom Gesetzgeber noch einmal geprüft werden."); Holzborn/Bunnemann B K R 2005, S.51, 52 (Schon leichte Fahrlässigkeit könne zu einer aus objektiver Sicht nicht mehr vertretbaren Annahme führen, und zwar insbesondere dann, wenn bei besonders riskanten Geschäften eine Entscheidungsgrundlage leicht fahrlässig falsch beurteilt sei.).

44

1 Teil: Das Corporate

Governance

Problem

Gesellschaft, sondern um ein von dem Geschäftsleiter ex ante in gutem Glauben angestrebtes Gesellschaftswohl.43 Im übrigen dürfe in der Regel nur der annehmen, zum Wohle der Gesellschaft zu handeln, der sich frei von Interessenkonflikten, Fremdeinflüssen und unmittelbarem Eigennutz wisse und gutgläubig sei. Anders möge es ausnahmsweise zu beurteilen sein, wenn das Organmitglied zuvor den Interessenkonflikt offengelegt habe und unter diesen Umständen die Annahme, gleichwohl zum Wohle der Gesellschaft zu handeln, vernünftig und nachvollziehbar erscheine.44 Das Annehmendürfen soll gerade auch die Informationsgrundlage erfassen. Die unternehmerische Entscheidung dürfe weder verrechtlicht noch (schein-) objektiviert werden. Es werde auf die vernünftigerweise als angemessen erachtete Information abgestellt und damit dem Entscheidungsträger in den Grenzen seiner Sorgfaltspflichten ein erheblicher Spielraum eingeräumt, den Informationsbedarf abzuwägen und sich selbst eine Annahme dazu zu bilden. Welche Intensität der Informationsbeschaffung im Sinne der Norm „angemessen" sei, sei anhand des Zeitvorlaufs, des Gewichts und der Art der zu treffenden Entscheidung und unter Berücksichtigung anerkannter betriebswirtschaftlicher Verhaltensmaßstäbe von ihm ohne groben Pflichtenverstoß zu entscheiden. Bereits das Tatbestandsmerkmal „angemessene Information" nehme darauf Rücksicht, daß unternehmerische Entscheidungen häufig auch auf Instinkt, Erfahrung, Phantasie und Gespür für künftige Entwicklungen und einem Gefühl für die Märkte und die Reaktion der Abnehmer und Konkurrenten beruhten. Es reflektiere zudem, daß bei Entscheidungen, die unter hohem und nicht selbst erzeugtem Zeitdruck zu fällen seien, eine umfassende Entscheidungsvorbereitung schwierig oder gar unmöglich sein könne.45 An dieser Stelle zeigt sich wiederum, daß mit der Ersetzung des „ohne grobe Fahrlässigkeit annehmen durfte" durch das „vernünftigerweise annehmen durfte" keine inhaltliche Änderung bezweckt ist. Die Ausführungen in der 43 Begründung zu Art. 1 Nr. 1 RegE UMAG 11/2004 und - bis auf den mittleren Satz wortgleich - Begründung zu Art. 1 Nr. 1 RefE UMAG 1/2004. Fleischer ZIP 2004, S. 685, 690 sieht in dem Abstellen auf das Unternehmenswohl kein Abrücken von der - höchst problematischen Figur des Unternehmensinteresses, sondern eine terminologische Lässigkeit. Das dürfte unrichtig sein. Es wird auf die Ertragsstärkung und Wettbewerbsfähigkeit, nicht auf konfligierende oder gemeinsame Interessen der Unternehmensbeteiligten (Aktionäre, Gläubiger, Arbeitnehmer, Öffentlichkeit) abgestellt. Das entspricht der ARAG-Entscheidung. Dort heißt es, Gesichtspunkte des Unternehmenswohls seien negative Auswirkungen auf Geschäftstätigkeit und Ansehen der Gesellschaft in der Öffentlichkeit, Behinderung der Vorstandsarbeit und Beeinträchtigung des Betriebsklimas; BGH ZIP 1997, S. 883, 886 - ARAG/Garmenbeck. 44 Begründung zu Art. 1 Nr. 1 RegE UMAG 11/2004 und - bis auf die Einschränkung nahezu wortgleich - Begründung zu Art. 1 Nr. 1 RefE UMAG 1/2004. Mit der Einschränkung werden möglicherweise die Anregungen von Paefgen AG 2004, S. 245,253,254f., 261 aufgenommen, der eine ergänzende Regelung im Hinblick auf Interessenkonflikte und Informationsgrundlage angesichts der Kollektiventscheidungen für erforderlich hält, da es reichen müsse, daß die entscheidungstragende Mehrheit diese Voraussetzungen erfülle. 45 Begründung zu Art. 1 Nr. 1 RegE UMAG 11/2004 und - bis auf das Wort vernünftigerweise wortgleich - Begründung zu Art. 1 Nr. 1 RefE UMAG 1/2004.

B. Das Kernproblem:

45

Die business judgment rule

Begründung zu Art. 1 Nr. 1 R e f E U M A G 1/2004 und in der Begründung zu Art. 1 N r . 1 R e g E U M A G 11/2004 sind bis auf einen Punkt identisch: E s wird einmal von der vernünftigerweise von der ohne grobe

als angemessen erachteten Information und einmal

Fahrlässigkeit

chen. D a ß der von Peter

als angemessen erachteten Information gespro-

Ulmer ebenso fundiert wie pointiert vorgetragenen Kri-

tik an der „Haftungsfreistellung bis zur Grenze grober Fahrlässigkeit" 4 6 keine Rechnung getragen werden soll, 4 7 zeigt insbesondere die nach wie vor vorhandene Formulierung, was angemessen sei, sei ohne groben

Pflichtenverstoß

zu ent-

scheiden. In der Literatur hat bereits der Regelungsvorschlag des Referentenentwurfs überwiegend grundsätzliche Zustimmung erfahren. 4 8 Abgesehen von Peter mer hat lediglich Roderich

C. Thümmel

Ul-

grundlegende Kritik geäußert, und zwar

daran, daß statt einer objektiven Bewertung, o b die Entscheidung zum maßgeblichen Zeitpunkt geeignet war, das Unternehmenswohl zu fördern, und o b der Vorstand sich eine der Tragweite der Entscheidung angemessene Informationsgrundlage beschafft hatte, eine subjektive Betrachtung maßgeblich sein und es darauf a n k o m m e n soll, o b der Vorstand annehmen durfte, im Sinne des U n t e r n e h m e n s wohls und auf der Basis ausreichender Informationen zu handeln. D a m i t werde der notwendige und unbestrittene Haftungsfreiraum der Organe über das erforderliche M a ß hinaus erweitert. Ein Unternehmensleiter sei ausreichend geschützt, wenn er für eine Entscheidung nicht einstandspflichtig gemacht werden könne, die in dem Zeitpunkt, zu dem sie getroffen worden sei, am U n t e r n e h m e n s wohl orientiert gewesen sei und auf einer situationsentsprechenden Informationsgrundlage beruht habe. Beides könne - bezogen auf den damaligen Zeitpunkt - objektiv festgestellt werden. D a ß dies Schwierigkeiten bereiten könne,

46 Ulmer D B 2004, S. 859, 859, 862f. (Eine solche Haftungsfreistellung bis zur Grenze grober Fahrlässigkeit bei unternehmerischen Fehlentscheidungen sei im Lichte der seltenen Haftungstatbestände des bürgerlichen Rechts, die eine Schadensersatzhaftung erst bei grober Fahrlässigkeit zulassen (§§300, 521, 599, 680, 968 BGB), und im Lichte der aus sozialpolitischen Gründen eingeschränkten, aber nur auf normale Fahrlässigkeit begrenzten Arbeitnehmerhaftung nicht gerechtfertigt. Eine seit Jahren zu beobachtende, nicht unproblematische Entwicklung im Zeichen unverhältnismäßig stark ansteigender Managementvergütungen einschließlich Aktionsprogrammen, großzügiger Abfindungsvereinbarungen und zunehmend verbreiteter D&O-Versicherungen solle hier offenbar ihren gesetzlichen Abschluß finden.). Dieser Kritik hat sich Semler AG 2005, S.321, 325 angeschlossen. Zustimmend dagegen: Paefgen A G 2004, S.245, 254; Roth BB 2004, S. 1066, 1068; Kock/Dinkel N Z G 2004, S.441, 444; Fleischer ZIP 2004, S.685, 689f., 690f.; siehe dazu auch Kinzl DB 2004, S. 1653f.

A.A. Semler KG 2005, S.321, 325 und Holzborn/Bunnemann B K R 2005, S.51, 52. Kock/Dinkel N Z G 2004, S. 441,443 f.; Fleischer ZIP 2004, S. 685,689f., 690f.; Roth BB 2004, S. 1066,1068; Paefgen AG 2004, S. 245,252f., 254f., 255,256. Dabei hat Fleischer ZIP 2004, S. 685, 687f. Zweifel an einer Kodifizierung angemeldet („Eingriff in einen noch nicht abgeschlossenen Dogmatisierungsprozeß, der im Zusammenspiel von Rechtsprechung und Rechtslehre womöglich weitere Präzisierungen hervorgebracht hätte); Semler AG 2005, S.321, 324 bezeichnet die Kodifizierung schlicht als unnötig. 47 48

46

1 Teil: Das Corporate Governance

Problem

dürfe kein G r u n d sein, den Unternehmensleitern auch hier Erleichterungen zu gewähren. 4 9 Diese Überlegungen hat der Bundesrat aufgegriffen. E r hat in seiner Stellungnahme zum Regierungsentwurf vom 18. Februar 2 0 0 5 die folgende Formulierung vorgeschlagen: „Eine Pflichtverletzung liegt nicht vor, wenn das Vorstandsmitglied bei einer unternehmerischen Entscheidung R e c h t und Gesetz, die Bestimmungen der Satzung und rechtswirksame Beschlüsse von Gesellschaftsorganen beachtet sowie auf der Grundlage sellschaft

gehandelt

angemessener

Information

zum Wohle der

Ge-

hat." E r hat dazu ausgeführt, nach dem E n t w u r f solle es auf

das „Annehmendürfen" und damit auf eine subjektive Betrachtung ankommen, eine objektive Bewertung sei jedoch vorzugswürdig. Das Vorstandsmitglied sei hinreichend geschützt, wenn es für eine Entscheidung nicht einstandspflichtig gemacht werden könne, die in dem Zeitpunkt, zu dem sie getroffen worden sei, am Wohl der Gesellschaft (und nicht an Eigeninteressen oder Drittinteressen) orientiert gewesen sei und auf einer situationsentsprechenden Informationsgrundlage beruht habe. Beides könne - b e z o g e n auf den damaligen Zeitpunkt - objektiv festgestellt werden. Eigeninteressen würden, wenn sie vorlägen, offensichtlich sein. D i e Ermittlung des der Tragweite der Entscheidung angemessenen Informationsumfangs möge zwar gelegentlich Schwierigkeiten bereiten, dies sollte aber kein G r u n d sein, in dieser Frage eine subjektive Anknüpfung zu wählen. 5 0 D i e Bundesregierung hat diesen Vorschlag am 9. M ä r z 2 0 0 5 zurückgewiesen. E s sei Kernbestandteil der business judgment rule, daß nicht nur die unternehmerische Entscheidung selbst, sondern auch die Planungs- und Informationsphase der gerichtlichen Uberprüfung teilweise entzogen sei. Deshalb sei die Formulierung „vernünftigerweise annehmen durfte" als bewußter Perspektivwechsel zum Vorstand essentiell. 51 Das kann nicht überraschen. Bereits nach Aussage des zuständigen Referatsleiters im Bundesministerium der Justiz zum Referentenentwurf ist die „subjektive Absicherung des Freiraums" durch das Kriterium des „Annehmendürfens" der entscheidende P u n k t der Neuregelung: Würde man den Ermessensspielraum nur auf die unternehmerische Entscheidung selbst beziehen, die äußeren Voraussetzungen „Gesellschaftswohl" und „angemessene Informat i o n " dagegen objektiv fassen, unterlägen diese objektiven Merkmale der vollen ex p o s t - Ü b e r p r ü f u n g durch die Gerichte und es könnte leicht eine Reduzierung des Ermessens auf N u l l angenommen werden. Dadurch, daß sich die Einschät-

Thümmel DB 2004, S.471, 472. BR-Drucksache 3/05 (Beschluß) [Volltext auch abrufbar unter http://www.rws-verlag.de/ Volltext vom 30. März 2005]. 51 Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrates zum Entwurf eines Gesetzes zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (BR-Drs. 3/05 (Beschluß)) [Volltext abrufbar unter http://www.rws-verlag.de/Volltext vom 30. März 2005], 49

50

B. Das Kernproblem:

Die business judgment

rule

47

Zungsprärogative aber auch auf die genannten Voraussetzungen erstrecke, sei dies nicht möglich. 52 Einen vermittelnden Vorschlag hat dann Jobannes Semler zur Diskussion gestellt. Es bestehe kein Anlaß, auch die angemessene Information zu konditionieren. Eine angemessene Informationsermittlung sei Voraussetzung jeder sorgfältigen Organentscheidung. Wenn ein Geschäftsleiter keine ausreichenden Informationen beschaffen könne, müsse er das Vorhaben unterlassen. Richtig müsse es heißen: „Eine Pflichtverletzung liegt nicht vor, wenn das Vorstandsmitglied bei einer unternehmerischen Entscheidung auf der Grundlage angemessener Information annehmen durfte, zum Wohle der Gesellschaft zu handeln." 53

IV.

Ergebnis

Wenn der Bundesgerichtshof durch Interpretation des geltenden Aktiengesetzes einen wirksamen Beitrag zur Optimierung der Aufgabenwahrnehmung durch Vorstände und Aufsichtsräte leisten wollte, muß sein Versuch als Fehlschlag bezeichnet werden. Er hat die den Vorständen bei unternehmerischen Entscheidungen und die den Aufsichtsräten bei der Entscheidung über die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen pflichtwidrig handelnde Vorstandsmitglieder obliegenden Rechtspflichten im Sinne der §§93, 116 A k t G zwar konkretisiert. Er hat dies aber in einer Weise getan, daß sie den Vorständen und Aufsichtsräten kaum Anhaltspunkte für eine effiziente Aufgabenwahrnehmung geben und die aus ihnen resultierenden Haftungsrisiken so gering sind, daß sie kaum einen Vorstand oder Aufsichtsrat zu mehr Engagement motivieren werden. Der Bundesgerichtshof hat Vorständen und Aufsichtsräten im Ergebnis die Möglichkeit eröffnet, sich unter Berufung auf „weite Handlungsspielräume" 54 ihrer Verantwortung gegenüber der Gesellschaft zu entziehen. Der Bundesgerichtshof erfaßt nur das „schlechthin unvertretbare Vorstandshandeln" 55 als Pflichtverletzung im Sinne des § 93 AktG. Auf der Grundlage seiner Entscheidung kann so gut wie keine Entscheidung des Aufsichtsrats über die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen pflichtwidrig handelnde Vorstandsmitglieder als Pflichtverletzung im Sinne der §§116, 93 A k t G angesehen werden. Es läßt sich „stets" plausibel behaupten, „daß eine gerichtliche Geltendmachung von Innenhaftungsansprüchen zumindest potentiell schädigende Wirkungen für Seibert/Schütz ZIP 2004, S.252, 254. Semler KG 2005, S. 321, 325. Ähnlich bereits Ulmer D B 2004, S. 859, 863: „Eine Pflichtverletzung liegt nicht vor, wenn das Vorstandsmitglied bei einer unternehmerischen Entscheidung auf der Grundlage angemessener Information ohne grobe Fahrlässigkeit annehmen durfte, zum Wohle der Gesellschaft zu handeln." 5 4 B G H ZIP 1997, S.883, 885 - ARAG/Garmenbeck. 55 So zutreffend Kindler Z H R 162 (1998), S. 101, 103. 52 53

1 Teil: Das Corporate Governance

48

Problem

das Image der Gesellschaft" hat und „daß die Geschäftstätigkeit der übrigen Vorstandsmitglieder dadurch beeinträchtigt wird, daß sie entweder selbst bei der Sachverhaltsermittlung durch den Aufsichtsrat in das Verfahren hineingezogen werden oder sie sich aus Furcht vor persönlicher Haftung zukünftig bei riskanten unternehmerischen Entscheidungen eher defensiv verhalten". 5 6 Es k o m m t erschwerend hinzu, daß der Bundesgerichtshof dem Aufsichtsrat das R e c h t zu einer „Gnadenentscheidung" zubilligt, o b w o h l „der Aufsichtsrat als Sachwalter der Aktionärsinteressen" dafür „kein Mandat besitzt". 5 7 D a die Bundesregierung mit § 93 Abs. 1 Satz 2 A k t G idF. des R e g E U M A G 11/ 2004 nicht nur eine Klarstellung vornimmt, 5 8 sondern über die richterrechtliche Haftungsfreistellung noch hinausgeht, 5 9 ist die damit vorgeschlagene business judgment rule noch kritischer zu sehen als die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Die Organhaftung verliert ihre Steuerungsfunktion gerade in dem Graubereich, der sich in der Vergangenheit als besonders problematisch erwiesen hat. M a n denke nur an die Fälle Schneider, H o l z m a n n , HypoVereinsbank, Telek o m und Berliner Bankgesellschaft, in denen äußerst zweifelhafte Entscheidungen getroffen worden sind, und zwar gerade auch aufgrund anscheinend unzureichender Informationsgrundlage. Das Ergebnis ist sogar eine Fehlsteuerung. D i e Organmitglieder brauchen im H i n b l i c k auf die Informationsgrundlage und die Wahrung des Gesellschaftswohls keine festen Regeln einzuhalten. 6 0 D i e von dem Bundesgerichtshof in der A R A G - E n t s c h e i d u n g angelegte objektive Bewertung wird vermittels des „Annehmendürfens" weitgehend durch eine subjektive B e trachtung ersetzt, und im H i n b l i c k auf die Informationsgrundlage sollen dann auch n o c h Instinkt, Erfahrung, Phantasie, Gespür und Gefühl zulässige Entscheidungskriterien sein. D a m i t wird den Organmitgliedern die Möglichkeit gegeben, sich einer sorgsamen Entscheidungsvorbereitung zu entziehen, solange sich ihr Verhalten nicht als „Unbesonnenheit und Leichtsinn auf Kosten der Kapitalgeber und A r b e i t n e h m e r " 6 1 darstellt. D i e Neuregelung steht damit im krassen Widerspruch z u m Bankrecht. N a c h § 1 8 K W G darf ein Kreditinstitut einen Kredit von insgesamt mehr als 2 5 0 . 0 0 0 E u r o nur gewähren, wenn es sich von dem Kreditnehmer die wirtschaftlichen Verhältnisse offenlegen läßt. D e r Bundesgerichtshof hat zu § 2 6 6 Abs. 1 S t G B ausgeführt: „Jede Kreditbewilligung ist ihrer N a t u r nach ein mit einem R i s i k o beSo zutreffend Heermann AG 1998, S.201, 208. So zutreffend Kindler ZHR 162 (1998), S. 101, 114. 58 Begründung zu Art. 1 Nr.l RegE UMAG 11/2004 und-insoweit wortgleich-Begründung zu Art. 1 Nr. 1 RefE UMAG 1/2004. 59 Kock/Dinkel NZG 2004, S.441, 444; Thümmel DB 2004, S.471, 472; Ulmer DB 2004, S. 859, 859. Siehe dazu auch Henze BB 2005, S. 165, 166. 60 Siehe im Hinblick auf die Informationsgrundlage die Beispiele bei Ulmer DB 2004, S. 859, 860, 862. 61 Begründung zu Art. 1 Nr. 1 RegE UMAG 11/2004 und-insoweit wortgleich-Begründung zu Art. 1 Nr. 1 RefE UMAG 1/2004. 56

57

B. Das Kernproblem: Die business judgment rule haftetes Geschäft. Bei einer Kreditvergabe sind auf der Grundlage

49 umfassender

Information diese Risiken gegen die sich daraus ergebenden Chancen abzuwägen. Ist diese Abwägung sorgfältig vorgenommen worden, kann eine Pflichtverletzung nicht deshalb angenommen werden, weil das Engagement später notleidend wird. Tatsächliche Anhaltspunkte dafür, daß die Risikoprüfung nicht ausreichend vorgenommen worden ist, können sich nach der Erfahrung des Senats insbesondere daraus ergeben, daß Informationspflickten

vernachlässigt

wurden

... Aus der Nichtbeachtung oder Verletzung der Vorschrift des § 18 Satz 1 K W G können sich ... Anhaltspunkte dafür geben, daß dieser Pflicht nicht ausreichend Genüge getan wurde ... D e r Schluß, eine Kreditbewilligung sei pflichtwidrig gewesen, s e t z t . . . voraus, daß sich das Tatgericht eingehend lichen

Umständen,

mit allen dafür

maßgeb-

insbesondere den Vermögensverhältnissen des Kreditneh-

mers, der beabsichtigten Verwendung des Kredits und den Aussichten des geplanten Geschäfts auseinandersetzt." 6 2 Ein zentrales P r o b l e m der Neuregelung liegt auch in ihrer Entkopplung von den R e f o r m e n der letzten Jahre. Sie geht über einen Widerspruch zu den R e f o r m bemühungen, die auf eine Verbesserung des Informationsstandes von Vorstand und Aufsichtsrat gezielt haben ( § § 9 0 , 9 1 Abs. 2 , 1 7 0 , 1 7 1 A k t G i V m . d e n § § 3 1 6 f f . H G B ) 6 3 hinaus. D i e Zusammensetzung, die Organisation und die Instrumentarien von Vorstand und Aufsichtsrat sowie das Zusammenwirken von Vorstand, Aufsichtsrat und Abschlußprüfer standen im Mittelpunkt des K o n t r o l l - und Transparenzgesetzes, des Transparenz- und Publizitätsgesetzes und des D e u t schen Kodex. 6 4 Sie sollten die Führung durch den Vorstand und die Ü b e r w a chung durch den Aufsichtsrat verbessern, und zwar gerade im H i n b l i c k auf die Entscheidungsqualität. Diese organisationsrechtlichen Regelungen sollen im H i n b l i c k auf die Haftungsfreistellung für unternehmerische Fehlentscheidungen nun keine Rolle spielen. 6 5 Dieser Befund wiegt um so schwerer, als das Haftungsrisiko für organisatorische Fehlentscheidungen ohnehin gering ist 66 und durch die Neuregelung weiter eingeschränkt wird. Ein elementarer Widerspruch besteht auch zu den Entwicklungen im Kapitalmarktrecht. D i e Verschärfung der Haftung von Vorstand und Aufsichtsrat ist das zentrale Anliegen des Diskussionsentwurfs eines Kapitalmarktinformationshaftungsgesetzes 10/2004 und des Regierungsentwurfs eines Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes

11/2004. 6 7

D i e Haftung von Vorstand und Aufsichtsrat für eine fehlerhafte Stellungnahme

62 BGH ZIP 2000, S. 1210, 1210f. Siehe zur Haftung für Kreditvergaben nach den §§93, 116 AktG nur Kiethe WM 2003, S. 861, 862ff. und Witte/Hrubesch BB 2004, S. 725, 729ff. 63 So zutreffend Ulmer DB 2004, S. 859, 862f. 64 Siehe dazu oben S.34f. Fn. 68-70. 65 Ansätze für eine solche Interpretation der business judgment rule finden sich allerdings bei Kiethe WM 2003, S.861, 864f. und Witte/Hrubesch BB 2004, S.725, 730f. 66 Siehe dazu Thümmel AG 2004, S. 83, 89f. 67 Siehe dazu oben S.35f. Fn.71.

50

1 Teil: Das Corporate

Governance

Problem

gemäß §27 Abs. 1 W p Ü G ist Gegenstand intensiver Diskussion. 68 Es gibt keinen einleuchtenden Grund dafür, daß die Außenhaftung verstärkt und die Innenhaftung beschränkt wird. Im Lichte der Steuerungsfunktion sollte die Verschärfung der Außenhaftung vielmehr mit einer Verschärfung der Innenhaftung einhergehen. 69 Der weitgehende Haftungsausschluß durch die Neuregelung läßt sich auch nicht mit der „Verschärfung des Verfolgungsrechts einer Aktionärsminderheit nach §148 AktG idF. von Art.l Nr. 15 RegE U M A G 11/2004" rechtfertigen. 70 Das Erfordernis eines der Gesellschaft durch Unredlichkeit oder grobe Verletzung des Gesetzes oder der Satzung entstandenen Schadens nach § 148 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AktG idF. von Art. 1 Nr. 15 RegE U M A G 11/2004 71 verhindert, daß eine Aktionärsminderheit eine Haftungsklage unter Hinweis auf zwar nachteilige, jedoch nicht durch Verfolgung persönlicher Interessen beeinflußte unternehmerische Entscheidungen in Gang setzen kann. Denn ausweislich der Begründung zu Art. 1 Nr. 14,15 RegE U M A G 11 /2004, die insoweit klarer als die Begründung zu Art.l Nr. 13, 14 RefE U M A G 1/2004 ist, sollen insbesondere Ersatzansprüche, die aus Treupflichtverletzungen (Unredlichkeiten) von Organmitgliedern herrühren, künftig unter erleichterten Voraussetzungen verfolgt werden können. Es heißt dort weiter, Unredlichkeiten seien stets ins kriminelle reichende Treupflichtverstöße, und mit der Norm sollten vor allem solche Fälle einer gerichtlichen Überprüfung zugeführt werden, in denen wegen der besonderen Schwere der Verstöße, die nicht im Bereich unternehmerischer Fehlentscheidungen liegen, sondern regelmäßig im Bereich der Treupflichtverletzung, eine Nichtverfolgung unerträglich wäre. Angesichts dieser Einschränkung des Verfolgungsrechts einer Aktionärsminderheit bedarf es des weitgehenden Haftungsausschlusses durch die Neuregelung nicht, um den Gefahren eines Mißbrauchs dieses Verfolgungsrechts vorzubeugen. 72

Siehe dazu nur Friedl N Z G 2004, S.448, 449ff., 452f., 453. Genau umgekehrt argumentiert Fleischer ZIP 2004, S. 685, 688, 691f. 7 0 So aber Begründung zu Art. 1 Nr. 1 RegE U M A G 11/2004 und - nahezu wortgleich - Begründung zu Art. 1 Nr. 1 RefE U M A G 1/2004 (mit Blick auf § 147a AktG idF. von Art. 1 Nr. 14 RefE U M A G 1/2004). Fleischer ZIP 2004, S.685, 687 spricht pointiert von einer „rechtspolitischen Gleichgewichtslehre." Diese Argumentationslinie kehrt in der Beschlußempfehlung des Rechtssauschusses vom 15. Juni 2005 (BT-Drucksache 15/5693) wieder, wo die Vorschläge des Bundesrates zur Einschränkung der business judgment rule mit der Begründung zurückgewiesen werden, mit dem Abstellen auf den Nennbetrag anstelle des Börsenwerts für die Haftungsklage sei eine spürbare Anhebung des Schwellenwerts verbunden und damit könnten die Anderungswünsche als erledigt beurteilt werden (Begründung zu § 148 Abs. 1). 71 Wortgleich § 147a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AktG idF. von Art. 1 Nr. 14 des RefE U M A G 1/2004. 72 So zutreffend Ulmer D B 2004, S.859, 863. 68

69

C. Der Lösungsansatz: Das Konzept der negativen Kontrolle Die Frage nach der operationalen Interpretation der den Vorständen und Aufsichtsräten bei unternehmerischen Entscheidungen obliegenden Rechtspflichten im Sinne der §§ 93,116 AktG läßt sich konkretisieren. Es geht darum, bei welchen Entscheidungen der zur originären Entscheidung berufene Vorstand/Aufsichtsrat über welche Entscheidungsfreiräume mit welcher Reichweite verfügt. Sie ist im Lichte ihrer Konsequenzen zu sehen. Die Entscheidungsfreiräume berechtigen den Vorstand/Aufsichtsrat dazu, die zugehörigen Entscheidungen in diesem Rahmen kraft eigener verbandsrechtlicher Legitimation zu treffen. Der Vorwurf einer pflichtwidrigen Aufgabenwahrnehmung im Sinne des §93 AktG/der §§116, 93 AktG ist insoweit ausgeschlossen. Vor diesem Hintergrund lassen sich zwei Problemkomplexe unterscheiden. Zunächst stellt sich die Frage, bei welchen Entscheidungen der zur originären Entscheidung berufene Vorstand/Aufsichtsrat über welche Entscheidungsfreiräume verfügt. Sie zielt auf die Präzisierung der Voraussetzungen für die Annahme und damit auf die Legitimation der Entscheidungsfreiräume von Vorstand und Aufsichtsrat. Im Anschluß daran stellt sich die Frage nach der Reichweite dieser Entscheidungsfreiräume. Diese Frage zielt auf die Konkretisierung der den Vorständen/Aufsichtsräten insoweit obliegenden Rechtspflichten im Sinne der §§ 93,116 AktG und damit auf die Sicherung und Begrenzung der Entscheidungsfreiräume von Vorstand und Aufsichtsrat. Ausgehend von diesen beiden Fragen ist ein in dogmatischer Hinsicht geschlossenes1 und im Hinblick auf die Lösung von Einzelfragen tragfähiges Haftungskonzept zu entwickeln, das die von ihm wahrzunehmende Steuerungsfunktion 2 tatsächlich erfüllen kann. 3 Dies soll hier auf der Grundlage des aus dem Verwaltungsrecht stammenden Konzepts der negativen Kontrolle 4 geschehen. Es ist entwickelt worden, um Entscheidungsfreiräume zu legitimieren und gleichermaßen zu sichern wie zu begrenzen. Dieser Ansatz rechtfertigt sich daraus, daß das Verwaltungsrecht vergleichbaren Problemlagen gegenübersteht, aber anders als Siehe zu den derzeit offenen dogmatischen Fragen oben S. 7f. und S. 3 8 f. Siehe dazu S. 37. 3 Siehe dazu S.33ff.,47ff.. 4 Alexy JZ 1986, S.701, 701 ff.; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, §31; VwGO, §114. 1

2

Kopp/Schenke,

52

1 Teil: Das Corporate Governance

Problem

das Gesellschaftsrecht mit dem Konzept der negativen Kontrolle auch ein Lösungskonzept entwickelt hat, und im Gesellschaftsrecht an dieses Lösungskonzept angeknüpft werden kann.

I. Vergleichbare Problemlagen im

Verwaltungsrecht

Den Weg in das Verwaltungsrecht ebnet der Befund, daß viele aktienrechtliche Kontrollrechte auch dann eingreifen, wenn keine pflichtwidrige Aufgabenwahrnehmung im Sinne des Aktiengesetzes vorliegt. Dies gilt etwa für die Rechte des Aufsichtsrats zur Abberufung des Vorstands aus wichtigem Grund nach §84 Abs. 3 AktG oder zur Ausübung von Zustimmungsvorbehalten für die Vornahme bestimmter Arten von Geschäften durch den Vorstand nach § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG. Von diesen Rechten kann der Aufsichtsrat auch Gebrauch machen, wenn keine pflichtwidrige Aufgabenwahrnehmung durch den Vorstand im Sinne des § 93 AktG gegeben ist. Das hat entscheidende Konsequenzen für die gerichtliche Kontrolle: U m den Bereich der pflichtwidrigen Aufgabenwahrnehmung durch den Aufsichtsrat im Sinne der §§116, 93 AktG zu bestimmen, müssen die Gerichte (auch) den Bereich der einer Uberprüfung an Rechtsmaßstäben nicht zugänglichen Aufgabenwahrnehmung durch den Vorstand (den Bereich der „unternehmerischen Handlungsfreiheit" des Vorstands 5 ) 6 festlegen. Dabei stehen sie vor dem Problem der Abgrenzung des Bereichs der einer Uberprüfung an Rechtsmaßstäben nicht zugänglichen Aufgabenwahrnehmung durch den Vorstand von dem Bereich der pflichtgemäßen bzw. pflichtwidrigen Aufgabenwahrnehmung durch den Vorstand im Sinne des § 93 AktG. Dies läßt sich an den soeben genannten Beispielen belegen. Wird eine pflichtwidrige Wahrnehmung der Kontrollrechte nach den §§ 84 Abs. 3,111 Abs. 4 Satz 2 AktG durch den Aufsichtsrat im Sinne der §§116, 93 AktG von den zu seiner Kontrolle insbesondere berufenen Aktionären gerichtlich geltend gemacht, so 5

So die Formulierung des B G H ZIP 1997, S. 883, 886 - ARAG/Garmenbeck. Im Rahmen einer treuhänderischen Vermögensverwaltung im Zivilrecht (fremdnützige Geschäftsbesorgung/Auftrag) kann es keine echte Entscheidungsfreiheit (im Sinne eines Freiheitsrechts/einer Privatautonomie) geben. Der Entscheidungsträger kann nicht von seiner Pflicht zur Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen befreit sein und nach Willkür (ohne Gründe) oder nach Beheben (aufgrund nur individuell-subjektiver Erwägungen) entscheiden dürfen. Der U m stand, daß die Rechtsordnung es in bestimmten Fällen hinnehmen muß, daß der Entscheidungsträger nach Gutdünken (Fürrichtighalten) entscheidet, ist lediglich die Konsequenz daraus, daß bestimmte Entscheidungen nur in einem begrenzten Ausmaß einer Uberprüfung an Rechtsmaßstäben zugänglich sind. Vor diesem Hintergrund wird hier der Begriff der einer Uberprüfung an Rechtsmaßstäben nicht zugänglichen Aufgabenwahrnehmung verwendet, und zwar als Synonym für das, was im Gesellschaftsrecht üblicherweise mit „unternehmerischer Handlungsfreiheit", „rein unternehmerischen Vorstellungen" bzw. „reinen Zweckmäßigkeits- oder Wirtschaftlichkeitsüberlegungen" bezeichnet wird. 6

C. Der Lösungsansatz:

Das Konzept

der negativen

Kontrolle

53

müssen die Gerichte die Voraussetzungen konkretisieren, unter denen die Annahme eines sonstigen Grundes im Sinne der §§ 84 Abs. 3 , 1 1 1 Abs. 4 Satz 2 A k t G durch den Aufsichtsrat pflichtwidrig im Sinne der §§116, 93 A k t G ist. Sie können sie jedoch nur (abschließend) präzisieren, wenn sie zuvor klären, welche Voraussetzungen vorliegen müssen, damit eine Handlung des Vorstands einen sonstigen Grund im Sinne der §§84 Abs. 3, 111 Abs. 4 Satz 2 A k t G abgibt. Die Gerichte müssen etwa festlegen, daß eine abweichende, aber rechtlich gleichwertige A n sicht des Vorstands über die erfolgreiche Gestaltung der zukünftigen Entwicklung des Unternehmens ein sonstiger Grund im Sinne des § 84 Abs. 3 A k t G ist 7 und daß abweichende, aber rechtlich gleichwertige „rein unternehmerische Vorstellungen" bzw. „reine Zweckmäßigkeits- oder Wirtschaftlichkeitsüberlegungen" des Vorstands einen sonstigen Grund im Sinne des § 111 Abs. 4 Satz 2 A k t G darstellen. 8 Die Annahme eines sonstigen Grundes im Sinne der §§ 84 Abs. 3 , 1 1 1 Abs. 4 Satz 2 A k t G durch den Aufsichtsrat ist dann (auch) pflichtwidrig im Sinne der § § 1 1 6 , 9 3 A k t G , wenn sie auf einer abweichenden, aber rechtlich fehlerhaften unternehmerischen Erwägung beruht oder wenn ihr andere Erwägungen zugrunde liegen als die, wie das Unternehmen am besten zum Erfolg geführt werden kann und welche Entscheidungen im Hinblick auf dieses Ziel die besten sind. Blickt man nun in das Verwaltungsrecht, so stehen sich hier die Ausgangsbehörde 9 und die Fachaufsichtsbehörde gegenüber. Die Kontrollrechte der Fachaufsichtsbehörde greifen auch dann ein, wenn keine rechtswidrige Aufgabenwahrnehmung durch die Ausgangsbehörde gegeben ist. Das hat für die gerichtliche Kontrolle die gleichen Konsequenzen wie soeben dargestellt: U m den Bereich der rechtswidrigen Aufgabenwahrnehmung durch die Fachaufsichtsbehörde zu bestimmen, müssen die Gerichte (auch) den Bereich der einer Überprüfung an Rechtsmaßstäben nicht zugänglichen Aufgabenwahrnehmung durch die Ausgangsbehörde (insbesondere den Bereich des „freien Ermessens" 1 0 ) 1 1 festlegen. Vgl. Mutter, Entscheidungen, S. 78ff. und Mertens, Kölner Kommentar, § 8 4 Rdn. 103. Vgl. Mertens, Kölner Kommentar, § 111 Rdn. 85 und Semler, Überwachung, S. 115f., 120ff. 9 Gegebenenfalls einschließlich der Widerspruchsbehörde, da Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens dann der Verwaltungsakt in der Gestalt ist, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat, und nicht die Frage, ob die Widerspruchsbehörde den Ausgangsbescheid zutreffend beurteilt hat. 10 Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, §31 Rdn. 40. 11 Im Verwaltungsrecht kann es ebensowenig wie im Rahmen einer treuhänderischen Vermögensverwaltung im Zivilrecht (fremdnützige Geschäftsbesorgung/Auftrag) eine echte Entscheidungsfreiheit (im Sinne eines Freiheitsrechts/einer Privatautonomie) geben. Der Entscheidungsträger kann im Verwaltungsrecht nicht von seiner Pflicht, die nach den Gesichtspunkten der Billigkeit und der Zweckmäßigkeit verwaltungsmäßig richtige Entscheidung zu treffen, befreit sein und nach Willkür (ohne Gründe) oder nach Belieben (aufgrund nur individuell-subjektiver Erwägungen) entscheiden dürfen. Der Umstand, daß die Rechtsordnung es in bestimmten Fällen hinnehmen muß, daß der Entscheidungsträger nach Gutdünken (Fürrichtighalten) entscheidet, ist lediglich die Konsequenz daraus, daß bestimmte Entscheidungen nur in einem begrenzten 7 8

54

1 Teil: Das Corporate

Governance

Problem

Dabei stehen sie ebenfalls vor dem Problem der Abgrenzung des Bereichs der einer Uberprüfung an Rechtsmaßstäben nicht zugänglichen Aufgabenwahrnehmung durch die Ausgangsbehörde von dem Bereich der rechtmäßigen/rechtswidrigen Aufgabenwahrnehmung durch die Ausgangsbehörde. Sie können die Voraussetzungen, unter denen etwa die Annahme eines sonstigen Grundes für den Erlaß einer Weisung durch die Fachaufsichtsbehörde rechtswidrig ist, nur (abschließend) präzisieren, wenn sie zuvor klären, welche Voraussetzungen vorliegen müssen, damit eine Handlung der Ausgangsbehörde einen sonstigen Grund für den Erlaß einer Weisung abgibt. Sie müssen etwa festlegen, daß eine abweichende, aber rechtlich gleichwertige „reine Billigkeits- und Zweckmäßigkeitsüberlegung" 1 2 der Ausgangsbehörde ein sonstiger Grund für den Erlaß einer Weisung ist. Die Annahme eines sonstigen Grundes für den Erlaß einer Weisung durch die Fachaufsichtsbehörde ist dann (auch) rechtswidrig, wenn sie auf einer abweichenden, aber rechtlich fehlerhaften Opportunitätserwägung beruht oder wenn ihr andere als Opportunitätserwägungen zugrunde liegen. Vor diesem Hintergrund stellt sich in den Fällen, in denen eine pflichtwidrige Aufgabenwahrnehmung durch den Vorstand/Aufsichtsrat im Sinne des § 9 3 A k t G / d e r §§116, 93 A k t G von den zur Kontrolle insbesondere berufenen Aufsichtsräten/Aktionären geltend gemacht wird, und in den Fällen, in denen eine rechtswidrige Aufgabenwahrnehmung durch die Ausgangsbehörde/Fachaufsichtsbehörde von der zur Kontrolle insbesondere berufenen Fachaufsichtsbehörde/betroffenen Person gerichtlich geltend gemacht wird, die gleiche Frage: Bei welchen Entscheidungen verfügen die zur originären Entscheidung berufenen Organe (Vorstand/Aufsichtsrat) bzw. Verwaltungsbehörden (Ausgangsbehörde/Fachaufsichtsbehörde) über welche Entscheidungsfreiräume mit welcher Reichweite? Die Konsequenzen sind ebenfalls die gleichen: Die Entscheidungsfreiräume berechtigen sie, die zugehörigen Entscheidungen in diesem Rahmen kraft eigener verbandsrechtlicher bzw. verfassungsrechtlicher Legitimation zu treffen. Der Vorwurf einer pflichtwidrigen Aufgabenwahrnehmung im Sinne des § 9 3 A k t G / d e r §§116, 93 A k t G bzw. einer rechtswidrigen Aufgabenwahrnehmung ist insoweit ausgeschlossen. 13 Ausmaß einer Uberprüfung an Rechtsmaßstäben zugänglich sind. Siehe zu diesem Problemkreis Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, §31 Rdn.40 und Alexy J Z 1986, S. 701, 705f. Vor diesem Hintergrund wird hier der Begriff der einer Uberprüfung an Rechtsmaßstäben nicht zugänglichen Aufgabenwahrnehmung verwendet, und zwar als Synonym für das, was im Verwaltungsrecht üblicherweise mit „freiem Ermessen" bzw. „reinen Billigkeits- und Zweckmäßigkeitsüberlegungen" bezeichnet wird. So die Formulierung von Alexy J Z 1986, S. 701, 706. Im Bereich der einer Uberprüfung an Rechtsmaßstäben nicht zugänglichen Aufgabenwahrnehmung durch den Vorstand/Aufsichtsrat bzw. durch die Ausgangsbehörde/Fachaufsichtsbehörde (und damit im Bereich der Entscheidungsfreiräume) - etwa im Rahmen einer Klage auf Feststellung des Vorliegens eines sonstigen wichtigen Grundes im Sinne des § 84 Abs. 3 AktG oder eines sonstigen Grundes für den Erlaß einer Weisung - können sich diese Fragen nicht stellen. Denn dann geht es nicht um die Frage, wer „Recht" hat, sondern lediglich um die 12

13

C. Der Lösungsansatz: Das Konzept der negativen Kontrolle

II. Kompetenzverteilung

unter dem

55

Kontrollaspekt

Anders als das Gesellschaftsrecht hat das Verwaltungsrecht allerdings auch mit dem K o n z e p t der negativen Kontrolle ein Lösungskonzept entwickelt, und zwar vor dem Hintergrund, daß die Verwaltung in vielen Fällen offene N o r m e n k o n kretisieren und eine möglichst gerechte Anpassung des abstrakten Gesetzes an die konkreten Gegebenheiten von Einzelfällen erreichen muß. 1 4 Es beruht auf der Theorie, daß die Kompetenzen zwischen der Verwaltung und den Verwaltungsgerichten unter dem Kontrollaspekt verteilt werden: 1 5 D e r Bestand einer E n t scheidung der Verwaltung im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht hängt entweder davon ab, o b die „rechtlich einzig richtige Entscheidung" 1 6 getroffen worden ist, oder davon, ob eine „im Lichte einer Bandbreite von Entscheidungsmöglichkeiten 1 7 rechtlich vertretbare und in diesem Sinne rechtlich richtige E n t scheidung 1 8 " getroffen worden ist. I m ersten Fall hat das Verwaltungsgericht (und damit der Kontrollträger) die Letztentscheidungskompetenz inne, weil es prüfen muß, ob die Verwaltung die „einzig richtige A n t w o r t " aufgefunden hat. Dies bedeutet nicht, daß Umstände außerhalb der „Entscheidung als solcher" (des Entscheidungstenors) für die Rechtmäßigkeit der Entscheidung ohne Bedeutung sind. Sie können nur nicht zur materiellen Rechtswidrigkeit führen. Eine unzureichende Begründung kann nur den Charakter einer Verfahrensfehlers im Sinne des Verwaltungsverfahrensgesetzes haben. Die Gefahr, daß das Verwaltungsgericht die nach Meinung der Verwaltung „einzig richtige A n t w o r t " nicht durch die an sich „einzig richtige A n t w o r t " , sondern nur durch die nach Meinung des Gerichts „einzig richtige A n t w o r t " ersetzt, wird dabei in Kauf genommen. D e r Begriff der „einzig richtigen A n t w o r t " besagt nichts anderes, als daß eine möglichst weitgehende Annäherung an die „einzig richtige A n t w o r t " zu versuchen ist. Z u m einen muß in einer juristischen Kontroverse jede Partei unabhängig davon, o b eine „einzig richtige A n t w o r t " existiert, den Anspruch erheben, daß ihre A n t w o r t die rechtlich einzig richtige ist. D e n n ihr Vortrag wäre ohne Sinn, ginge sie nicht von der „einzig richtigen A n t w o r t " wenigstens als regulativer Idee aus. Dies setzt nicht voraus, daß es in jedem Fall eine „einzig richtige A n t w o r t " gibt, wohl aber, daß es in irgendwelFrage, wer seine Ansicht durchsetzen darf, und das ist nach der gesetzgeberischen Konzeption der abberufungs-/weisungsberechtigte Entscheidungsträger, wenn die Voraussetzungen für das Vorliegen eines sonstigen wichtigen Grundes im Sinne des § 84 Abs. 3 AktG oder eines sonstigen Grundes für den Erlaß einer Weisung gegeben sind. 14 Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, §31 Rdn. lf., 3f., 5ff., 8ff., 14ff., 31 ff., 34, 35ff. 15 Alexy JZ 1986, S.701, 715f. 16 So die Formulierung von Alexy JZ 1986, S. 701, 714. 17 So die Formulierung von BVerwG BVerwGE 39, S. 197, 203. 18 Vgl. die Formulierungen von Alexy JZ 1986, S.701, 714 und Kopp/Schenke, VwGO, §114 Rdn. la sowie Maurer, Verwaltungsrecht, §7 Rdn.54 und Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, §31 Rdn. 18.

1 Teil: Das Corporate Governance Problem

56

chen Fällen „einzig richtige A n t w o r t e n " geben kann und nicht bekannt ist, in welchen Fällen dies der Fall ist, so daß es sich lohnt, in jedem Fall das Auffinden der „einzig richtigen A n t w o r t " zu versuchen. Z u m anderen ist die „einzig richtige A n t w o r t " , wenn sie existieren sollte, nur unter höchst idealen Bedingungen, nicht aber unter den realen Bedingungen eines Rechtssystems, intersubjektiv zwingend beweisbar oder erkennbar. 1 9 I m zweiten Fall liegt die Letztentscheidungskompetenz dagegen bei der Verwaltung (und damit bei dem Entscheidungsträger), weil das Verwaltungsgericht nicht fragen darf, „was das richtige Ergebnis ist und ob es getroffen wurde, sondern nur, ob Fehler vermieden w u r d e n . " 2 0 D i e K o n t r o l l k o m p e t e n z des Verwaltungsgerichts ist insofern begrenzt, als - etwa im Falle einer Ermessensentscheidung - im H i n b l i c k auf das Ergebnis der Ermessensausübung nur zu fragen ist, ob es sich im Rahmen des rechtlich Möglichen hält. Die K o n t r o l l k o m p e t e n z des Verwaltungsgerichts ist allerdings insofern erweitert, als die Kontrolle der materiellen Rechtmäßigkeit des Gesamtaktes sich - etwa im Falle einer Ermessensentscheidung - nicht nur (auch) auf den Inhalt des Ergebnisses der Ermessensausübung, sondern zudem auf den zu dem Ergebnis der Ermessensausübung führenden Gedanken-, Willens- und Argumentationsprozeß als den Vorgang der Ermessensausübung erstreckt: Das Ergebnis der Ermessensausübung m u ß in einem rechtlich zulässigen Vorgang gewonnen worden sein. D i e rechtliche Freiheit hinsichtlich der Wahl des Ergebnisses wird mit der Pflicht, es in einem rechtlich fehlerfreien Vorgang zu gewinnen, verbunden. D i e K o n s e q u e n z lautet, daß E r gebnis und Vorgang unter dem Gesichtspunkt der materiellen Rechtmäßigkeit des Gesamtaktes eine Einheit bilden. 2 1 H ä n g t der Bestand einer Entscheidung der Verwaltung im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht davon ab, ob die rechtlich einzig richtige Entscheidung getroffen worden ist, spricht man von positiver Kontrolle, weil das Verwaltungsgericht entscheidet, wie die einzig richtige A n t w o r t lautet. H ä n g t der Bestand einer Entscheidung der Verwaltung im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht dagegen davon ab, ob eine im Lichte einer Bandbreite von Entscheidungsmöglichkeiten rechtlich vertretbare und in diesem Sinne rechtlich richtige Entscheidung getroffen worden ist, spricht man von negativer Kontrolle, weil das Verwaltungsgericht nicht entscheiden darf, wie die einzig richtige A n t w o r t lautet, sondern nur fragen darf, o b der gefundenen A n t w o r t im H i n b l i c k auf Ergebnis und Vorgang bestimmte Fehler anhaften. In diesem Fall liegen Verwaltungsspielräume vor, weil die Verwaltung über die A n t w o r t insoweit letztverbindlich entscheiden darf, als sie diese Fehler vermeidet.

19 20 21

Alexy JZ 1986, S.701, 714, 715f. Alexy ]Z 1986, S.701, 714. Alexy JZ 1986, S.701, 706f., 707ff., 711f., 714f., 715f.

C. Der Lösungsansatz: Das Konzept der negativen

Kontrolle

57

Vor diesem Hintergrund wird deutlich, daß die unter dem Aspekt der Kompetenzverteilung zwischen Verwaltung und Verwaltungsgericht entscheidenden Fragen lauten, in welchen Fällen eine positive Kontrolle und in welchen Fällen eine negative Kontrolle stattfinden soll und wann in den Fällen negativer Kontrolle von einem (keinem) rechtlich fehlerfreien Vorgang und Ergebnis ausgegangen werden soll.22 Dabei geht es im Kern um die Frage, nach welchen Kriterien entschieden wird, bei welchen Entscheidungen die zur originären Entscheidung berufene Verwaltung in welcher Hinsicht und in welchem Umfang eine Letztentscheidungskompetenz innehat, die im Verhältnis zu dem die Rechtmäßigkeit der Aufgabenwahrnehmung überprüfenden Verwaltungsgericht durch eine negative Kontrolle abgesichert werden muß. Dieser Ansatz trägt auch im Gesellschaftsrecht: Die Kompetenzen zwischen dem Vorstand/Aufsichtsrat und den zur Kontrolle insbesondere berufenen Aufsichtsräten/Aktionären lassen sich ebenfalls unter dem Kontrollaspekt verteilen. Im Kern geht es auch hier um die Frage, nach welchen Kriterien entschieden wird, bei welchen Entscheidungen der zur originären Entscheidung berufene Vorstand/Aufsichtsrat in welcher Hinsicht und in welchem Umfang eine Letztentscheidungskompetenz innehat, die im Verhältnis zu den eine pflichtwidrige Aufgabenwahrnehmung im Sinne des §93 AktG/der §§116, 93 AktG geltend machenden Aufsichtsräten/Aktionären (und damit auch im Verhältnis zu den von ihnen in Anspruch genommenen berufenen Gerichten) durch eine negative Kontrolle abgesichert werden muß.

III.

Gang der

Untersuchung

Die Untersuchung folgt den beiden dogmatischen Fragen und erfolgt demgemäß in zwei Schritten. Der zweite Teil befaßt sich mit der Frage, bei welchen Entscheidungen der zur originären Entscheidung berufene Vorstand/Aufsichtsrat über welche Entscheidungsfreiräume verfügt. Es geht um die Präzisierung der Voraussetzungen für die Annahme der Entscheidungsfreiräume von Vorstand und Aufsichtsrat und damit um die Legitimation des Eingreifens der negativen Kontrolle. Im ersten Kapitel werden die verwaltungsrechtlichen Konzepte der Entscheidungsfreiräume herausgearbeitet und unter Heranziehung betriebswirtschaftlicher Erkenntnisse für das Gesellschaftsrecht fruchtbar gemacht. Im zweiten und dritten Kapitel wird belegt, daß mit diesem Ansatz die Entscheidungsfreiräume des Vorstands und des Aufsichtsrats im Wege der Interpretation der §§ 76 Abs. 1,111 Abs. 1 AktG ermittelt werden können. Es läßt sich insbesondere die Frage lösen, ob und gegebenen-

22

Alexy JZ 1986, S.701, 715f.

58

1 Teil: Das Corporate

Governance

Problem

falls welche Entscheidungsfreiräume dem Aufsichtsrat im Rahmen der Überwachungsaufgabe aufgrund des §111 A b s . l A k t G zustehen. Der dritte Teil behandelt die Frage nach der Reichweite dieser Entscheidungsfreiräume. Sie zielt auf die Konkretisierung der den Vorständen/Aufsichtsräten insoweit obliegenden Rechtspflichten im Sinne der §§93, 116 A k t G . Es geht um die Sicherung und Begrenzung der Entscheidungsfreiräume von Vorstand und Aufsichtsrat durch sachgerechte Kriterien der negativen Kontrolle. Im ersten Kapitel wird zunächst die verwaltungsrechtliche Entscheidungsfehlerlehre (Ermessensfehlerlehre) aufgearbeitet. Auf dieser Grundlage wird das Konzept einer gesellschaftsrechtlichen Entscheidungsfehlerlehre entworfen. Es werden Grundannahmen gelegt, Fehlerkategorien gebildet und Haftungsfolgen bestimmt. Die Ergebnisse werden im Lichte der U . S . amerikanischen business judgment rule kritisch gewürdigt und abgesichert. Im zweiten Kapitel wird die gesellschaftsrechtliche Entscheidungsfehlerlehre ausgeformt. Es wird zuerst die Frage gestellt, welchen Beitrag der Deutsche Kodex dazu leisten kann. Es werden dann die Anforderungen an den Entscheidungsinhalt und den Entscheidungsprozeß konkretisiert. Dabei werden Erkenntnisse des U.S. amerikanischen Gesellschaftsrechts und der Betriebswirtschaftslehre herangezogen und die Informationspotentiale der Unternehmensberichterstattung und ihrer externen Prüfung verwertet. In den Entscheidungsprozeß werden die Entscheidungsgrundlagen, die Entscheidungsfindung

und

die

Entscheidungsorganisation

eingebunden.

Das

Schwergewicht der Untersuchung liegt insoweit auf den informationellen Instrumentarien von Vorstand und Aufsichtsrat und auf der Zusammensetzung und den Ausschüssen des Aufsichtsrats. Diese Eingrenzung der Untersuchung ist der Diskussion der letzten Jahre geschuldet. Man sich diesseits und jenseits des Atlantiks zur Lösung des Corporate Governance Problems vor allem darum bemüht, eine stärker zukunfts-, problem- und risikoorientierte Informationsversorgung des Vorstands und des Aufsichtsrats bzw. des board of directors und eine Optimierung der Aufgabenwahrnehmung durch Aufsichtsräte und directors über das Organisationsrecht zu erreichen. Im Mittelpunkt dieser Anstrengungen stand die Intensivierung des Zusammenwirkens von Aufsichtsrat bzw. board of directors und externem Prüfer. Abschließend wird der derzeitige Diskussionsstand zur Entwicklung einer deutschen business judgment rule noch einmal aufgegriffen. Die Vorzüge des hier vertretenen Konzepts werden verdeutlicht. Darin liegt zugleich die Zusammenfassung und Bewertung der Ergebnisse dieser Untersuchung.

2. Teil

Die Entscheidungsfreiräume des Vorstands und des Aufsichtsrats

A. Ansatzpunkt Zur Lösung der Frage, bei welchen Entscheidungen der Vorstand und der A u f sichtsrat über welche Entscheidungsfreiräume verfügen, trägt die gesellschaftsrechtliche Rechtsprechung und Literatur bislang wenig bei. E s läßt sich zwar insoweit eine gewisse Einigkeit feststellen, als die Existenz von Entscheidungsfreiräumen des Vorstands und des Aufsichtsrats nicht bestritten wird. 1 Was jedoch die Frage angeht, wann dies der Fall ist, wird zumeist auf das Kriterium der „unternehmerischen E n t s c h e i d u n g " 2 oder der „unternehmerischen T ä t i g k e i t " 3 verwiesen. Das P r o b l e m dabei ist, daß damit - abhängig von der jeweils „eigenen Grenzziehung bei der Bestimmung unternehmerischer Tätigkeit" - ganz unterschiedliches beschrieben wird. 4 Als gesichert kann vor diesem Hintergrund lediglich gelten, daß allein der U m stand, daß der Vorstand die Aktiengesellschaft nach § 76 A k t G unter eigener Verantwortung zu leiten und der Aufsichtsrat nach § 111 Abs. 1 A k t G den Vorstand zu überwachen hat, noch nicht den Schluß erlaubt, daß der Vorstand und der A u f sichtsrat über Entscheidungsfreiräume verfügen. M i t § 76 A k t G wird keine generelle F a c h k o m p e t e n z des Vorstands vermutet, die nicht durch den Aufsichtsrat, 1 Begründung zu Art. 1 Nr. 1 RegE UMAG 11/2004; BGH AG 2003, S.381, 382; BGH ZIP 1997, S. 883, 886 - ARAG/Garmenbeck; OLG Düsseldorf ZIP 1995, S. 1183, 1190f. - ARAG/ Garmenbeck; Semler AG 2005, S.321, 324; Schneider DB 2005, S.707, 707; Ulmer DB 2004, S. 859, 859; Fleischer ZIP 2004, S. 685, 685; Paefgen AG 2004, S. 245, 245f.; Kock/Dinkel NZG 2004, S.441, 442f.; Roth BB 2004, S.1066, 1066,1068 und Ermessen, S.8ff.; Thümmel DB 2004, S. 471, 471 f. und AG 2004, S. 83, 84; Henze BB 2005, S. 165, 166 und BB 2000, S. 209, 211, 214f. sowie BB 2001, S.53,57f., 59f.; Heermann ZIP 1998, S. 761, 762 und AG 1998, S. 201,203; Kindler ZHR 162 (1998), S. 101, 103ff.; Horn ZIP 1997, S.1129, 1133ff., 1136ff.; Lutter ZIP 1995, S. 441,441 f.; Dreher ZIP 1995, S. 628,628f. und ZHR 158 (1994), S. 614,618ff.-Jaeger/Trölitzsch ZIP 1995, S. 1157, 1158f.; Fischer BB 1996, S.225, 226f., 227f. 2 Art. 1 Nr. 1 RegE UMAG 11/2004 und Begründung zu Art. 1 Nr. 1 RegE UMAG 11/2004; OLG Düsseldorf ZIP 1995, S. 1183, 1190 - ARAG/Garmenbeck; Ulmer DB 2004, S.859, 859; Schneider DB 2005, S.707, 707; Fleischer ZIP 2004, S.685, 690; Paefgen AG 2004, S.245, 251; Kock/Dinkel NZG 2004, S.441, 443; Heermann AG 1998, S.201, 203; Horn ZIP 1997, S. 1129, 1133; Fischer BB 1996, S.225, 227; Jaeger/Trölitzsch ZIP 1994, S. 1157, 1158f. 3 BGH ZIP 1997, S. 883, 885f., 886 - ARAG/Garmenbeck; Henze BB 2000, S.209,215; Semler AG 2005, S.321, 324 („unternehmerisches Verhalten"). 4 So zutreffend Heermann AG 1998, S. 201, 203 unter Hinweis auf Mutter, Entscheidungen, S.4 („Der Begriff der unternehmerischen Entscheidung wird im juristischen Alltag gemeinhin unreflektiert gebraucht."); Roth, Ermessen, S. 77ff., hält dieses Kriterium im Hinblick auf die Vorstandstätigkeit sogar für entbehrlich.

A. Ansatzpunkt

61

die Aktionäre oder außenstehende Dritte und damit in letzter K o n s e q u e n z auch durch die Gerichte ersetzt werden kann. 5 I m Aktienrecht findet sich insbesondere keine „eigenständige ... Ermächtigung des Aufsichtsrats, in freier, am U n t e r nehmensinteresse orientierter Verantwortung ... zu entscheiden." 6 Demgegenüber hat das Verwaltungsrecht ein Lösungskonzept entwickelt. D a bei dient die normative Ermächtigungslehre dazu, die Voraussetzungen für die Annahme von Entscheidungsfreiräumen zu präzisieren und damit zugleich ihre Legitimationsgrundlage zu erfassen. A n diesen Ansatz kann im Gesellschaftsrecht angeknüpft werden, um sachlogische Kriterien für die Bestimmung von Entscheidungsfreiräumen der Unternehmensführung zu bilden.

I. Die normative

Ermächtigungslehre

I m Verwaltungsrecht stehen die Entscheidungsfreiräume der Verwaltungsbehörden in dem primär verfassungsrechtlich determinierten Spannungsfeld zwischen der Eigenständigkeit und K o m p e t e n z der Verwaltung (Verwaltungsvorbehalt) und den Grundrechten und damit den Verwaltungsgerichten (Verwaltungskontrolle). A u f der einen Seite stehen die Verwaltungsbehörden. Sie müssen beweglich sein, u m die vielfältigen und legislativ nur ansatzweise typisierbaren Lebenssachverhalte möglichst gerecht beurteilen zu können (effektive und leistungsfähige Verwaltung). A u f der anderen Seite stehen die subjektiven R e c h t e und insbesondere die Grundrechte der Bürger. Es sind die Verwaltungsgerichte, denen im gewaltengeteilten Staat die Verwaltungskontrolle aufgegeben ist. Sie müssen sicherstellen, daß die verfassungsrechtlich geschützte Rechtsschutzgarantie (Art. 19 Abs. 4 G G ) nicht leerläuft (effektiver Rechtsschutz). 7 D i e normative Ermächtigungslehre betont den Parlamentsvorbehalt:

Die

Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 G G zwingt die Verwaltungsgerichte zu einer vollen Nachprüfung der Rechtsanwendung durch die Verwaltung, es sei denn, der Gesetzgeber hat die Letztentscheidungskompetenz in verfassungsrechtlich zulässiger Weise auf die Verwaltung verlagert. 8 D e r Gesetzgeber kann es der Verwaltung vermittels der Zuweisung von Entscheidungsfreiräumen aufgeben, offene N o r m e n kraft eigener verfassungsrechtlicher Legitimation zu k o n kretisieren. D a z u muß er auf der Tatbestandsseite Einschätzungsbegriffe und/ oder auf der Rechtsfolgenseite Ermessensspielräume normieren. Es ist gegebenenfalls durch Auslegung der einer Entscheidung zugrundeliegenden öffentlich5

6

Vgl. dazu Fischer BB 1996, S.225, 226.

Fischer BB 1996, S. 225, 228, vgl. dazu auch Jaeger/Trölitzsch ZIP 1995, S. 1157, 1159.

Kopp/Schenke, VwGO, § 114 Rdn. 1,5,6,24a, 24b; Wolf/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, §31 Rdn.3ff., 16, 24, 31ff., 44. 8 Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, §31 Rdn.3ff.; Kopp/Schenke, V w G O , §114 Rdn. la, 23ff.; Maurer, Verwaltungsrecht, §7 Rdn.5f., 9, 31ff. 7

62

2. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des

Aufsichtsrats

r e c h t l i c h e n B e f u g n i s n o r m z u e r m i t t e l n , o b dies d e r F a l l ist u n d d a m i t die V o r a u s s e t z u n g e n f ü r die A n n a h m e e i n e s o d e r m e h r e r e r E n t s c h e i d u n g s f r e i r ä u m e g e g e ben sind.9

1.

Einschätzungsprärogativen

D i e E i n s c h ä t z u n g s b e g r i f f e z ä h l e n z u d e n T y p e n b e g r i f f e n , die z u m i n d e s t h i n s i c h t l i c h e i n z e l n e r A s p e k t e , die f ü r die S u b s u m t i o n b e d e u t s a m s i n d , e i n e u n t e r w e r t e n d e r A b w ä g u n g g e w o n n e n e B e u r t e i l u n g eines gegebenen L e b e n s s a c h v e r halts e r f o r d e r l i c h m a c h e n . D i e T y p e n b e g r i f f e u m f a s s e n k e i n e ö r t l i c h u n d z e i t l i c h genau b e s t i m m t e n Klassen v o n G e g e n s t ä n d e n . Sie b e s t i m m e n (nur) T a t s a c h e n - , I n t e r e s s e n - o d e r W e r t b e r e i c h e , n i c h t a b e r die G e g e n s t ä n d e d i e s e r B e r e i c h e , s o d a ß i h n e n in v e r s c h i e d e n e n Z u s a m m e n h ä n g e n u n d u n t e r v e r s c h i e d e n e n U m s t ä n d e n s e h r u n t e r s c h i e d l i c h e L e b e n s s i t u a t i o n e n als A u s p r ä g u n g e n u n t e r f a l l e n k ö n nen (unbestimmte Gesetzesbegriffe im engeren Sinne).10 D i e b e s o n d e r e E i g e n a r t v o n E i n s c h ä t z u n g s b e g r i f f e n liegt d a r i n , d a ß d e r S a c h verhalt nicht diskursiv begründbar, sondern nur schätzungsweise subsumierbar ist u n d / o d e r a u f u n g e s i c h e r t e a u ß e r r e c h t l i c h e M a ß s t ä b e v e r w i e s e n w i r d ( M a ß -

9 Wolff/Bachof/Stoher, Verwaltungsrecht I, §31 Rdn.17f., 36ff., 63f.; Kopp/Schenke, VwGO, §114 Rdn. la, 3, 10, 23ff., 31, 33. Die häufig verwendete Auslegungsregel lautet, im Zweifel sei auf der Tatbestandsseite kein Einschätzungsbegriff, wohl aber auf der Rechtsfolgenseite Ermessen anzunehmen; siehe dazu Kopp/Schenke, V w G O , §114 Rdn. la, 24a und auch Wolff/Bachof/ Stober, Verwaltungsrecht I, §31 Rdn. 16,17f. sowie Maurer, Verwaltungsrecht, 6. Auflage 1988, § 7 Rdn. 33 f. Diese Auslegungsregel knüpft daran an, daß der Gesetzgeber im ersten Fall den Tatbestand vermittels zumindest eines Gesetzesbegriffes konkretisiert, während er im zweiten Fall gerade keine Bindung an eine bestimmte Rechtsfolge normiert. Deshalb ist im ersten Fall durch Auslegung zu ermitteln, ob ein Einschätzungsbegriff vorliegt, oder, da diese selten sind, kann man fragen, ob ausnahmsweise ein Einschätzungsbegriff gegeben ist, während im zweiten Fall ein Umkehrschluß zulässig ist: Wenn der Gesetzgeber keine Bindung an eine bestimmte Rechtsfolge normiert, spricht dies dafür, daß die Rechtsetzung in das Ermessen der Verwaltung gestellt ist. 10 Wolff/Bachof/Stoher, Verwaltungsrecht I, §31 Rdn.8ff., 14f., 20; Maurer, Verwaltungsrecht, § 7 Rdn. 27ff. Dabei geht es nicht um schlichte Subsumtionsschwierigkeiten, die daraus resultieren, daß die jeder Rechtsanwendung immanente Verkopplung von Lebenssachverhalt und Rechtsnorm ein menschliches Erkennen und Bewerten voraussetzt, das um so schwieriger ist, je verwickelter der Sachverhalt oder je ferner er dem in der Norm typisierten Sachverhalt oder je unklarer der gesetzliche Tatbestand ist. Zu den Typenbegriffen zählen weder die empirischen Begriffe, deren Unbestimmtheit lediglich auf einer zeitlichen und/oder örtlichen Verschiedenheit von Tatsachen beruht, noch die unbestimmten Gesetzesbegriffe, die die Rechtsprechung im Wege der Auslegung weitgehend objektiv bestimmt gemacht hat; siehe dazu Wolff/Bachof/Stoher, Verwaltungsrecht I, § 31 Rdn. 6,10 und Maurer, Verwaltungsrecht, § 7 Rdn. 27. Die Typenbegriffe sind unvermeidlich, wenn der Gesetzgeber keine bestimmtere Fassung verwenden kann oder dies nicht will, um im Interesse der Einzelfallgerechtigkeit eine Anpassung des abstrakten Gesetzes an den konkreten Lebenssachverhalt zu ermöglichen. Sie finden ihre Rechtfertigung letztlich darin, daß der Gesetzgeber nicht alle denkbaren Lebenssituationen, die im Rechtsstaat rechtliche Beachtung verlangen, im voraus zu übersehen und angemessen zu regeln vermag; siehe dazu Wolff/Bachof/Stoher, Verwaltungsrecht I, §31 Rdn. 12.

A.

Ansatzpunkt

63

geblichkeit von persönlichen Erfahrungen und Eindrücken, von außerhalb des rechtlich exakt faßbaren Bereichs liegenden Erwägungen oder von Abschätzungen zukünftiger Entwicklungen, Risiken, wissenschaftlicher Erkenntnisprozesse, gesamtwirtschaftlicher/politischer Tendenzen; Fehlen hinreichend bestimmter Entscheidungsprogramme oder adäquaterer Erkenntnismöglichkeiten; Unwiederholbarkeit der entscheidungserheblichen Situation). 11 Die Rechtsprechung hat in drei Fallgruppen anerkannt, daß der Gesetzgeber die Verwaltung mit Typenbegriffen zumindest hinsichtlich einzelner Aspekte, die für die Subsumtion bedeutsam sind, nur auf bestimmte Elemente wertender Erkenntnis verweist, deren Ergebnisse nicht vollständig auf eine Anwendung der einschlägigen Normen zurückzuführen sind, und ihr damit eine Einschätzungsprärogative zuweist, die sie entsprechend dem Zweck der Rechtsvorschrift, die sie einräumt, ausfüllen muß. 12 Die erste Fallgruppe umfaßt die Bewertungen des Gesamteindrucks einer Person im Beamten-, Schul- und Prüfungsrecht. Dienstliche Beurteilungen und insbesondere die Feststellung der Eignung im Beamten- und Schulrecht erfordern ein Werturteil aufgrund persönlichen Eindrucks von den charakterlichen Eigenschaften, der Befähigung, der Gewandtheit und ähnlichen Anforderungen. Diese Einschätzung beruht auf außerrechtlichen (pädagogischen, charakterologischen, ästhetischen, wissenschaftlichen) Maßstäben und hängt von der Persönlichkeit des Einschätzenden ab. Sie wird aufgrund der langen Zusammenarbeit dem Dienstvorgesetzten anvertraut und setzt zudem ein prognostisches Urteil voraus. Im Prüfungsrecht wird eine prüfungsspezifische Gesamtwertung vorgenommen, und zwar insbesondere hinsichtlich der Gewichtung von Vorzügen und Mängeln im Rahmen des Gesamtergebnisses. Diese Einschätzung beruht auf außerrechtlichen Maßstäben und auf den Erfahrungen des Einschätzenden mit vergleichbaren Bewertungen. Sie wird gerade deshalb einer sachverständigen Stelle anvertraut. Dagegen sind reine Fachfragen voll überprüfbar. Dies gilt insbesondere für die Fragen, ob der Betroffene sachkundig und qualifiziert ist und ob Prüfungsaufgaben richtig, vertretbar oder falsch gelöst worden sind. 13 Die zweite Fallgruppe umfaßt die Einschätzungen kollektiver Bewertungskommissionen. Wenn der Gesetzgeber die Einschätzung einem weisungsfreien und unabhängigen, nach spezieller Sachkunde und gruppenpluraler bzw. gesellschaftlicher Repräsentanz zusammengesetzten Kollegialorgan überläßt, wird eine Einschätzungsprärogative unter den Gesichtspunkten der Staatsferne und der pluralistischen Meinungsbildung im Interesse eines wirksamen Grundrechts11 Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, §31 Rdn.l4f., 17f., 19ff., 24ff.; Kopp/Schenke, VwGO, §114 Rein.3, 23, 24, 24a, 25ff., 34ff., 37ff., 38. 12 Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, §31 Rdn.l9ff.; Kopp/Schenke, VwGO, §114 Rdn.23, 24a, 25f., 34ff., 37ff., 38; Maurer, Verwaltungsrecht, §7 Rdn.35f., 38ff. 13 Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, §31 Rdn.21f.; Kopp/Schenke, VwGO, §114 Rdn.24a, 25, 30; Maurer, Verwaltungsrecht, §7 Rdn.38ff., 43f.

64

2. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des Aufsichtsrats

schutzes bejaht. 1 4 So hat das B V e r w G zur Entscheidung der Bundesprüfstelle, o b ein Kunstwerk als jugendgefährdend zu indizieren ist, ausgeführt, die wertende Einschätzung des Kunstwerks und die Beurteilung des von ihm ausgehenden jugendgefährdenden Einflusses sei voll nachprüfbar, während die Abwägung der widerstreitenden Verfassungsgüter einer Einschätzungsprärogative der dafür geschaffenen, sachverständigen und unabhängigen Bundesprüfstelle unterliege. F ü r die Abwägung habe das B V e r f G lediglich die Aussage getroffen, daß sie der H e r stellung praktischer K o n k o r d a n z verpflichtet sei (verhältnismäßiger Ausgleich der widerstreitenden Belange). Zwar unterliege dies der gerichtlichen Prüfung. Es sei jedoch zu respektieren, daß der Gesetzgeber die Abwägung der Bundesprüfstelle zugewiesen habe. Das Gericht habe lediglich zu kontrollieren, o b die rechtlichen Vorgaben eingehalten seien, welche die Bundesprüfstelle dabei zu beachten habe. M i t der Bundesprüfstelle sei ein Element der Selbstverwaltung geschaffen, das die Kunstfreiheit in einem rechtlich nur schwer faßbaren Bereich optimiere. K ö n n t e ein Gericht seine Auffassung, welches der widerstreitenden Verfassungsgüter im Einzelfall Vorrang genießen solle, unbeschränkt an die Stelle der E i n schätzung der Bundesprüfstelle setzen, liefe diese institutionelle Grundrechtsabsicherung leer. 15 Die dritte Fallgruppe umfaßt mit den Abschätzungen von zukünftigen E n t wicklungen, Risiken, wissenschaftlichen Erkenntnisprozessen, gesamtwirtschaftlichen oder politischen Tendenzen zukunftsorientierte komplexe Entscheidungsvorgänge. Prognosen bauen auf künftigen Entwicklungen auf, die sich ex ante einer exakten Vorhersage entziehen. Sie sind in gewissem A u s m a ß immer unvermeidbar subjektiv. Risikobeurteilungen entziehen sich aus tatsächlichen Gründen oder mangels allgemein anerkannter Beurteilungskriterien in wesentlichen P u n k ten einer exakten Beurteilung. Sie können deshalb nur auf Wahrscheinlichkeiten und Schätzungen beruhen. All diesen Fällen ist die vorausschauende Einschätzung gemeinsam. 1 6 So gelangt das B V e r f G mit Blick auf das in Art. 7 Abs. 5 G G genannte Tatbestandsmerkmal eines „besonderen pädagogischen Interesses" zu der Annahme einer Einschätzungsprärogative der Verwaltung. D i e Entscheidung der Schulbehörde beruhe teilweise auf prognostischen Erkenntnissen. E s sei vorausschauend festzustellen, o b sich ein pädagogisches K o n z e p t verwirklichen lasse, ob seine E r p r o b u n g zu einer Bereicherung des Schulwesens führe und o b es das Interesse der Schüler gefährde. Eine Uberprüfung solcher Einschätzungen sei ihrem Wesen nach beschränkt. Gerichtliche Kontrolle könne nicht stattfinden, soweit das materielle R e c h t der Verwaltung in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise Entscheidungen abverlange, ohne dafür hinreichend bestimmte Entschei14 Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, §31 Rdn.23; Kopp/Schenke, Rdn.24a, 26; Maurer, Verwaltungsrecht, §7 Rdn.40, 45. 15 BVerwG JZ 1993, S.790, 791 f. 16 Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, §31 Rdn.20; Kopp/Schenke, Rdn.23, 24a, 34ff., 37ff., 38; Maurer, Verwaltungsrecht, §7 Rdn.41.

VwGO, §114 VwGO, §114

A. Ansatzpunkt

65

dungsvorgaben (Entscheidungsprogramme) zu enthalten. D i e Verwaltung handele in einer solchen Lage kraft eigener Kompetenz. D i e Entscheidung verlange eine Gewichtung unterschiedlicher Belange, für die Art. 7 Abs. 5 G G keine vollständige rechtliche Bindung vorgebe. D e n dadurch begründeten Handlungsspielraum müsse die Verwaltung kraft ihrer eigenen verfassungsrechtlichen Legitimation ausfüllen. Sie unterliege insoweit der parlamentarischen, nicht aber der gerichtlichen Kontrolle. 1 7

2.

Ermessensspielräume

Ermessen ist die gesetzliche Unbestimmtheit der Rechtsfolge: D i e Setzung der Rechtsfolge wird dem gesetzlich nicht genau gebundenen Entschluß der Verwaltung überlassen. D e r Verwaltung werden mehrere Handlungsmöglichkeiten angeboten, oder der Verwaltung wird ein nicht näher bestimmter Handlungsbereich zugewiesen. Dies kann ausdrücklich erfolgen, etwa durch Formulierungen wie „kann", „darf", „ist berechtigt" oder „ist befugt". D e n k b a r ist auch das E i n räumen von Alternativen, die Vorgabe rechtlicher Ziele, Grundsätze, Programme und Pläne oder das Bereitstellen von Mitteln für die Erfüllung öffentlicher Aufgaben, ohne ihre Verwendung konkret vorzuschreiben. Ermessen kann schließlich kraft N a t u r der Sache eingeräumt sein, etwa aufgrund der Verteilungsprobleme im Leistungsbereich. D i e besondere Eigenart von Ermessen liegt darin, daß die für die Ermessensausübung maßgeblichen Gesichtspunkte - die privaten und öffentlichen Belange, die nach der jeweiligen Ermessensvorschrift zu berücksichtigen sind - abzuwägen sind, und zwar mit dem Ziel, die zweckmäßigste R e c h t s folge zu setzen. Dabei m u ß nicht nur der Gesetzeszweck durch Verfassungsprinzipien und die jeweils zu beachtenden einfachrechtlichen Zwecke präzisiert werden, es müssen auch unterschiedliche Zwecke gewichtet und etwaige Z w e c k kollisionen aufgelöst werden. 1 8 So lautet etwa § 73 Abs. 1 sh LVerwG (vgl. § 114 V w G O ) : „Die Behörde entscheidet, soweit Rechtsvorschriften nicht bestimmen, daß oder in welcher Weise sie tätig zu werden hat, im Rahmen der ihr erteilten E r mächtigung nach sachlichen Gesichtspunkten unter Abwägung der öffentlichen Belange und der Interessen des einzelnen über die von ihr zu treffenden M a ß n a h men (pflichtgemäßes Ermessen)." BVerfG DVB1. 1993, S.485, 488f. Alexy JZ 1986, S. 701,709f.; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, §31 Rdn.35ff., 39ff., 44ff.; Maurer, Verwaltungsrecht, §7 Rdn.7f., 9, 11 f., 13ff., 22; Kopp/Schenke, VwGO, §114 Rdn. la, 21 ff., 22. Die Eröffnung von Ermessen dient dem Gesetzgeber dazu, im Interesse der Einzelfallgerechtigkeit eine möglichst gerechte, zweckmäßige und flexible Anpassung der konkreten Rechtsgestaltung an die besonderen Gegebenheiten von Einzelfällen und an die politischen Entscheidungen der Regierungs- und Verwaltungsorgane zu ermöglichen. Das Ermessen der Verwaltung ist Ausfluß des Opportunitätsprinzips. Siehe dazu: Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, §31 Rdn. 31; Kopp/Schenke, VwGO, §114 Rdn. 1; Maurer, Verwaltungsrecht, §7 Rdn. 13. 17

18

66

2. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des Aufsichtsrats

3. Gestaltungsspielräume? Mit Blick auf die Vorschriften des Planungsrechts wird die Ansicht vertreten, es handele sich nicht um konditional formulierte Rechtsnormen. Es werde weder die Subsumtion unter Gesetzesbegriffe noch die Setzung einer Rechtsfolge angeordnet. Es handele sich vielmehr um final programmierte Rechtsnormen mit Zielvorgaben. Die Verwaltung solle im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben schöpferisch tätig werden und nach ihren planerischen Vorstellungen gestaltend wirken. Darin liege zugleich ein wesentlicher Unterschied zu den Einschätzungsprärogativen und Ermessensspielräumen. Dies mache die Annahme einer eigenständigen Kategorie der Gestaltungsspielräume erforderlich. 1 9 Wenn man die Planungsnormen strukturiert, zeigt sich allerdings, daß sie sich als konditional formulierte Rechtsnormen strukturieren lassen. Sie ordnen eine Subsumtion unter einen Gesetzesbegriff (die materielle Planrechtfertigung) und eine Rechtsfolge (das Ergehen des Planungsaktes) an, und sie stellen den Inhalt der Rechtsfolge (den Inhalt des Planungsaktes) in das Ermessen des Planungsträgers. Nach § 1 Abs. 3 B a u G B haben die Gemeinden Bauleitpläne aufzustellen, sobald und soweit es für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist. Die materielle Planrechtfertigung („städtebaulich erforderlich") ist die Handlungsvoraussetzung. Sie gewährt nur insoweit Einschätzungsprärogativen, als sie auf Prognosen über künftige Entwicklungen aufbaut (Faktorenlehre 2 0 ). D e r Bauleitplan muß bei Vorliegen der Planrechtfertigung ergehen. Daher steht lediglich der Inhalt des Bauleitplans im Ermessen (§§ 1 Abs. 4 - 6 , la, 2 Abs. 2, 8 Abs. 2 Satz 1, 9 B a u G B , § 5 0 BImSchG). Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 F S t r G darf ein Planfeststellungsbeschluß nur ergehen, wenn er erforderlich ist (Bau oder wesentliche Änderung einer Bundesfernstraße). Das Gesetz nennt keine weitergehenden materiellen Voraussetzungen. Wegen der Auswirkungen auf die Rechte unmittelbar und mittelbar Betroffener (§§17 Abs. 1 Satz 3, 19 Abs. 1 F S t r G ) verlangt die ganz herrschende Meinung aber dennoch eine materielle Planrechtfertigung („objektiv erforderlich" bzw. „objektiv vernünftigerweise geboten") als Handlungsvoraussetzung. Einschätzungsprärogativen werden nur insoweit anerkannt, als die materielle Planrechtfertigung auf Prognosen über künftige Entwicklungen aufbaut. Der Planfeststellungsbeschluß muß bei Vorliegen der Planrechtfertigung ergehen. Der Inhalt des Planfeststellungsbeschlusses steht dagegen im Ermessen (§§ 1 Abs. 1, 4 Satz 1 , 1 0 - 1 2 , 1 6 , 17 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 FStrG, §41 B I m S c h G ) . Es kommt hinzu, daß die für die Planungsspielräume entwickelte Fehlerlehre „strukturell mit der Beurteilungs- und Ermessensfehlerlehre übereinstimmt und 19 Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, §31 Rdn.2, 59; Maurer, Verwaltungsrecht, § 7 Rdn.63. 2 0 Siehe dazu Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, §31 Rdn.20.

A. Ansatzpunkt

67

deshalb am Maßstab des § 1 1 4 V w G O zu beurteilen ist." 2 1 Vor diesem Hintergrund erscheint die A n n a h m e einer eigenständigen dritten Kategorie der Gestaltungsspielräume weder geboten noch hilfreich. 2 2 4. S c h l u ß f o l g e r u n g D i e Einschätzungsbegriffe und das Ermessen führen aufgrund ihrer besonderen Eigenart dazu, daß die Verwaltungsgerichte die Einschätzung/Ermessensausübung der Verwaltung in einem Kernbereich weder aufgrund eigener Sachkenntnis n o c h durch Heranziehung von Sachverständigen oder andere Beweismittel selbständig nachzuvollziehen, deshalb nicht zu widerlegen und also auch nicht zu überprüfen vermögen und daher an sachlogische und damit rechtslogische und letztlich funktionale G r e n z e n stoßen. 2 3 E s läßt sich nicht einwenden, daß es in jedem Einzelfall - das gesetzgeberische Ziel konsequent weitergedacht und fallbezogen konkretisiert - immer nur eine nach dem derzeitigen Erkenntnisstand haltbare Einschätzung und immer nur eine dem Gesetzeszweck entsprechende Ermessensausübung gibt 2 4 und es genügt, wenn das Verwaltungsgericht die Ansicht der Verwaltung im R a h m e n der B e weiswürdigung berücksichtigt und ihr eine indizielle und der prima-facie-Wirkung von Erfahrungssätzen vergleichbare Bedeutung zumißt. 2 5 M a n m u ß zwar in einer juristischen Kontroverse von der „einzig richtigen A n t w o r t " wenigstens als regulativer Idee ausgehen. Dies setzt aber nicht voraus, daß es in jedem Fall eine „einzig richtige A n t w o r t " gibt. Zudem ist die „einzig richtige A n t w o r t " , wenn sie denn existieren sollte, nur unter höchst idealen Bedingungen, nicht aber unter den realen Bedingungen eines Rechtssystems, intersubjektiv zwingend beweisbar oder erkennbar. 2 6 E s führt nichts an der Tatsache vorbei, daß die Überprüfung einer Einschätzung/Ermessensausübung Erkenntnisprobleme aufwerfen kann, die dazu führen, daß zweifelhaft bleibt, was richtig ist, und zwar mit der K o n s e quenz, daß die Einschätzung/Ermessensausübung nicht überprüft, sondern nur ersetzt werden kann. 2 7

Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, §31 Rdn.61. Alexy JZ 1986, S.701, 711 und Fn. 115 zu den Abwägungsfehlern: „Die Grundgedanken dieser Formel gelten für jede Abwägung und damit für jede Art der Ermessensbetätigung.... Es wird häufig gesagt, daß zwischen dem Planungsermessen und dem normalen Ermessen ein qualitativer und nicht nur ein quantitativer Unterschied besteht... die Geltung der Abwägungsregeln in beiden Bereichen ist ein wesentliches Argument dafür, daß ein nur quantitativer Unterschied besteht, die These vom qualitativen Unterschied also falsch ist." 23 Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, §31 Rdn. 18; Maurer, Verwaltungsrecht, 6. Auflage 1988, §7 Rdn.33f.; Kopp/Schenke, VwGO, §114 Rdn.24, 22. 24 Vgl. dazu Maurer, Verwaltungsrecht, § 7 Rdn. 29, 54. 25 Vgl. dazu Kopp, VwGO, 10. Auflage 1994, § 114 Rdn. 24b, 24c. 26 Alexy JZ 1986, S.701, 715. 27 Vgl. dazu Maurer, Verwaltungsrecht, §7 Rdn.29f., 54. 21 22

68

2. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des

Aufsichtsrats

Das ist jedoch nicht die Aufgabe der Verwaltungsgerichte. Im Gegensatz zu den Widerspruchs- und Fachaufsichtsbehörden, die die Rechtmäßigkeit und die Zweckmäßigkeit der Ermessensausübung 2 8 zu beurteilen haben, sind die Verwaltungsgerichte gerade nicht zur originären Rechtsanwendung, sondern nur zur reagierenden Rechtskontrolle berufen. 2 9 Die Garantie effektiven Rechtschutzes macht es nicht erforderlich, daß in den Fällen, in denen mehrere im Lichte der eingeschränkten rechtlichen Uberprüfbarkeit einzelner (mehrerer/aller) Entscheidungsteile „rechtlich vertretbare und in diesem Sinne rechtlich richtige Entscheidungen" 30 (im folgenden rechtlich vertretbare Entscheidungen) existieren, die Auswahl letztverbindlich durch das Verwaltungsgericht vorgenommen wird. 3 1 Es w ü r d e vielmehr die verfassungsrechtlich vorgegebene Funktionentrennung verletzen, müßte das Verwaltungsgericht es in diesen Grenzfällen nicht hinnehmen, daß die Verwaltung eine rechtlich vertretbare Entscheidung getroffen hat/ treffen wird, auch wenn es selbst eine andere, aber gleichermaßen rechtlich vertretbare Entscheidung getroffen hätte/treffen würde. 3 2 Die von dem Verwaltungsgericht zu klärende Frage kann dann nur lauten, ob die Verwaltung eine rechtlich vertretbare Entscheidung getroffen hat/treffen wird. Soweit der Verwaltung bei einer Entscheidung zumindest ein Entscheidungsfreiraum zusteht, hat das Verwaltungsgericht mithin (nur) zu prüfen, ob die Verwaltung die Entscheidungsfehler vermieden hat und/oder vermeiden wird, in denen die eingeschränk-

28 Die im Zusammenhang mit Ermessensentscheidungen genannten Kriterien der Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit bleiben unklar, wenn man sich nicht vergegenwärtigt, daß zwecklose, zweckwidrige und unzweckmäßige Maßnahmen gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verstoßen, weil sie bezogen auf den angestrebten Zweck ungeeignet, nicht erforderlich oder unangemessen sind, und daß deshalb die meisten Zweckmäßigkeitsfehler zugleich Rechtmäßigkeitsfehler sind; siehe dazu Alexy JZ 1986, S. 701, 705f. Das Begriffswirrwarr wird besonders in der Formulierung deutlich, eine unzweckmäßige Maßnahme könne rechtmäßig sein (so Wolff/ Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, § 31 Rdn. 39). Dies ist allerdings richtig, wenn der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz erst dann verletzt sein soll, „wenn das Ermessen eine zwar abstrakt zulässige, im konkreten Falle aber nicht nur unzweckmäßige, sondern ungeeignete, nicht erforderliche, oder unangemessene Rechtsfolge gewährt hat" (so Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, §31 Rdn. 50). Die im Zusammenhang mit Ermessensentscheidungen vieldiskutierte Pflicht zur Zweckmäßigkeit kann - soweit sie nicht in dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit aufgeht nicht nur als eine bloß politische oder moralische Pflicht angesehen werden. Sie kann in einem demokratischen Verfassungsstaat nur eine Rechtspflicht sein. Daher wird im Verwaltungsrecht zwischen gerichtlich kontrollierbaren und gerichtlich nicht kontrollierbaren Rechtspflichten zur „Zweckmäßigkeit" unterschieden (Rechtspflichten im engeren und im weiteren Sinne); siehe dazu Alexy JZ 1986, S. 701, 705f. 29 Wolff/Bachof/Stober,Verwaltungsrecht I, §31 Rdn. 15f.,24,44;Maurer,Verwaltungsrecht, §7 Rdn. 5 f., 17, 58 ff. 30 Vgl. die Formulierungen von: Alexy JZ 1986, S.701, 714; Kopp/Schenke, VwGO, §114 Rdn.la; Maurer, Verwaltungsrecht, §7 Rdn.54; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, §31 Rdn. 18. 31 Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, §31 Rdn. 24. 32 Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, §31 Rdn. 15f., 18, 24, 44; Maurer, Verwaltungsrecht, § 7 Rdn. 5f., 17, 56f.; Kopp/Schenke, VwGO, § 114 Rdn. 1.

A. Ansatzpunkt te

materiell-rechtliche

Überprüfbarkeit

der

69 Entscheidung

zum

Ausdruck

k o m m t 3 3 (im folgenden rechtlich relevante Entscheidungsfehler). D e r große Vorzug der normativen Ermächtigungslehre ist, daß sie für die U n terscheidung von positiver und negativer Kontrolle auf die herkömmliche G r e n z ziehung zwischen gebundenen Entscheidungen und Ermessensentscheidungen verzichtet. D i e These lautet nicht, daß die materielle Rechtmäßigkeit bei gebundenen Entscheidungen davon abhängt, o b die rechtlich einzig richtige Entscheidung getroffen worden ist, während es bei Ermessensentscheidungen darauf ank o m m t , ob eine im Lichte einer Bandbreite von Entscheidungsmöglichkeiten rechtlich vertretbare und in diesem Sinne rechtlich richtige Entscheidung getroffen worden ist. Das Problem der Kompetenzverteilung zwischen Verwaltung und Verwaltungsgericht kann auf diese Weise nicht gelöst werden. Es gibt keinen notwendigen Zusammenhang der Unterscheidung zwischen positiver und negativer Kontrolle mit der Grenzziehung zwischen gebundenen Entscheidungen und Ermessensentscheidungen. 3 4 Dieser Befund wird nicht nur durch den Streit um die Anerkennung einer nur eingeschränkten gerichtlichen Überprüfung von (bestimmten) gebundenen E n t scheidungen 3 5 und die Forderung nach einer vollen gerichtlichen Überprüfung von Ermessensentscheidungen 3 6 belegt. Ungleich wichtiger ist die Erkenntnis, daß bei gebundenen Entscheidungen wie bei Ermessensentscheidungen ein inhaltlicher Verstoß gegen geltendes Recht zur Rechtswidrigkeit der Entscheidung führt, der Gedanken-, Willens- und Argumentationsprozeß in gleicher Weise fehlerhaft sein und eine mögliche und gebotene Abwägung unterbleiben kann. Z u dem ist bei gebundenen Entscheidungen das Gegenteil einer Ermessensunterschreitung, nämlich die irrige A n n a h m e einer Ermessensermächtigung denkbar. E s herrscht, „was die Möglichkeit des V o r k o m m e n s der Fehler betrifft, eine nahezu vollständige, durch die Ermessensunterschreitung nur unerheblich eingeschränkte Fehleridentität." 3 7 Vor diesem Hintergrund m u ß die Unterscheidung zwischen positiver und negativer Kontrolle substantiell getroffen werden. Das Gebotensein einer positiven oder negativen Kontrolle bedarf im H i n b l i c k auf jede Entscheidung einer B e gründung, die mit der Frage, o b es sich um eine gebundene Entscheidung oder ei-

33 Vgl. Alexy JZ 1986, S. 701, 702, 714, 715f. und Wolff/Bacbof/Stober, Verwaltungsrecht I, §31 Rdn.25. 34 Alexy JZ 1986, S. 701,715 f. Maurer, Verwaltungsrecht, § 7 Rdn. 47ff., betont in Rdn. 51, daß in manchen Fällen ein bestimmtes gesetzgeberisches Ziel durch eine entsprechende Regelung auf der Tatbestandsseite ebenso erreicht werden kann wie durch die Normierung von Ermessen auf der Rechtsfolgenseite. 35 Siehe dazu: Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, §31 Rdn. 15,16f.; Kopp, VwGO, 10. Auflage 1994, §114 Rdn.24b, 24c; Maurer, Verwaltungsrecht, §7 Rdn.31 ff., 55ff. 36 Siehe dazu Maurer, Verwaltungsrecht, § 7 Rdn. 54. 37 Alexy JZ 1986, S.701, 713f.

70

2. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des Aufsichtsrats

ne Ermessensentscheidung handelt, nichts zu tun hat. 3 8 Diesem Erfordernis wird die normative Ermächtigungslehre gerecht, weil sie mit der Anknüpfung an die verfassungsrechtlich

vorgegebenen

Funktionentrennung

eine

Legitimations-

grundlage für die Annahme von Entscheidungsfreiräumen der Verwaltung liefert.

II. Die gesellschaftsrechtliche

Legitimationsgrundlage

Knüpft man im Gesellschaftsrecht an die normative Ermächtigungslehre an, so stehen die Entscheidungsfreiräume von Vorstand und Aufsichtsrat in dem Spannungsfeld zwischen der Eigenständigkeit und K o m p e t e n z dieser Verwaltungsorgane (Verwaltungsvorbehalt) und den Kontrollrechten der jeweils anderen Verwaltungsorgane und der Aktionäre (Verwaltungskontrolle). A u f der einen Seite stehen Vorstand und Aufsichtsrat. D e r Vorstand ist das nach § 76 A k t G zur „Leitung der Gesellschaft unter eigener Verantwortung" berufene Gesellschaftsorgan, und der Aufsichtsrat ist das zur „Überwachung der Geschäftsführung" berufene Gesellschaftsorgan (Selbstverwaltung). Sie müssen beweglich sein, um ihre vielfältigen und legislativ nur ansatzweise typisierbaren Aufgaben im Interesse der Gesellschaft wahrzunehmen. A u f der anderen Seite stehen Organrechte des Aufsichtsrats bzw. Vorstands und der Hauptversammlung sowie Mitgliedschaftsrechte der Aktionäre. Sie sind es, die in den aus der Staatsaufsicht entlassenen Verbänden dazu berufen sind, Vorstand und/oder Aufsichtsrat - in letzter K o n s e quenz durch Inanspruchnahme der Gerichte - zu kontrollieren und auf diese Weise die Interessen der Gesellschaft zu schützen (Selbstkontrolle). D e r dadurch begründete K o n f l i k t zwischen der Verwaltung der Gesellschaft durch Vorstand und Aufsichtsrat und der Kontrolle dieser Verwaltung durch die dazu berufenen Gesellschaftsorgane und Aktionäre ist der nach Art. 9 Abs. 1 G G verfassungsrechtlich geschützten Verbandsautonomie immanent. Sie beinhaltet zum einen das R e c h t zur Selbstverwaltung, so daß das R e c h t von Vorstand und Aufsichtsrat zur Verwaltung der Gesellschaft auf der Verbandsautonomie beruht. Sie umfaßt zum anderen die Pflicht zur Selbstkontrolle, so daß auch die K o n t r o l l e dieser Verwaltung durch die dazu berufenen Gesellschaftsorgane und Aktionäre in der Verbandsautonomie gründet. 3 9 Vor diesem Hintergrund ist es irreführend, wenn gefordert wird, es müsse einer zu weitgehenden Einflußnahme der Gerichte auf die eigenverantwortlichen G e sellschaftsorgane vorgebeugt werden, 4 0 da es andernfalls zu einem externen Durchgriff auf die unternehmenspolitische Entscheidungs- und Organisationsautonomie 4 1 und zu einer richterlichen Ersatzvornahme mit B l i c k auf die Wil38 39 40 41

Alexy JZ 1986, S.701, 715f. Vgl. dazu Becker, Verwaltungskontrolle, S. 1 ff., 39ff. OLG Düsseldorf ZIP 1995, S. 1183, 1188 - ARAG/Garmenbeck. Martens, Festschrift für Fischer, S.437, 446.

A.

Ansatzpunkt

71

lensbildungsautonomie der Gesellschaft komme. 4 2 In gleicher Weise geht die Behauptung fehl, nach der Rechts- und Wirtschaftsordnung der Bundesrepublik müsse zum Schutz des Kerns unternehmerischer Eigenverantwortung gewährleistet bleiben, daß autonome unternehmerische Handlungsbefugnisse weder allgemein durch Entscheidungen des Staates noch speziell durch solche der Gerichte ersetzt würden. 4 3 Denn mit diesen Äußerungen wird der Eindruck erweckt, es handele sich hier - wie bei der Zwangsauflösung nach §396 AktG - um einen Konflikt zwischen Verband und Staat und damit zwischen Verbandsautonomie und Staatsaufsicht. Die Aufgabe der Gerichte im Spannungsfeld zwischen Verwaltungsvorbehalt und Verwaltungskontrolle besteht im Verbandsrecht jedoch allein darin, die Rechte der zur Kontrolle von Vorstand und Aufsichtsrat berufenen Gesellschaftsorgane und Aktionäre zu schützen. Die Lage entspricht insoweit dem Verwaltungsrecht: Die Verwaltungsgerichte gewährleisten, daß die Grundrechte der Bürger gewahrt bleiben und die verfassungsrechtlich geschützte Rechtsschutzgarantie nicht leerläuft. Betont man nun den Gesetzesvorbehalt, so ist es der Gesetzgeber, der den verfassungsrechtlich determinierten Konflikt zwischen der Verwaltung der Gesellschaft durch Vorstand und Aufsichtsrat und der Kontrolle dieser Verwaltung durch die dazu berufenen Gesellschaftsorgane und Aktionäre lösen muß. Die Pflicht zur Selbstkontrolle zwingt grundsätzlich zu einer vollen Kontrolle von Vorstand und Aufsichtsrat durch Aufsichtsrat bzw. Vorstand und Hauptversammlung sowie Aktionäre vermittels ihrer Organ- bzw. Mitgliedschaftsrechte. Eine eingeschränkte Kontrolle ist nur ausnahmsweise gerechtfertigt. Dies ist der Fall, wenn der Gesetzgeber Vorstand und Aufsichtsrat Entscheidungsfreiräume zuweist und damit die Letztentscheidungskompetenz auf Vorstand und Aufsichtsrat verlagert. Es ist die Normierung von Einschätzungsbegriffen auf der Tatbestandsseite und/oder von Ermessen auf der Rechtsfolgenseite, vermittels derer der Gesetzgeber es Vorstand und Aufsichtsrat in verbandsrechtlich zulässiger Weise aufgeben kann, offene Normen kraft eigener verbandsrechtlicher Legitimation zu konkretisieren. 1. Regelungstechnik des Aktiengesetzes Diese Regelungstechnik ist dem Aktiengesetz allerdings fremd. Ein flüchtiger Blick auf die beiden zentralen aktienrechtlichen Normen des §76 A b s . l AktG („Der Vorstand hat unter eigener Verantwortung die Gesellschaft zu leiten.") und des § 111 Abs. 1 AktG („Der Aufsichtsrat hat die Geschäftsführung zu überwa-

42

Bungen ZHR 159 (1995), S.261, 271; Dreher ZUR 158 (1994), S.614, 636. OLG Düsseldorf ZIP 1995, S. 1183, 1190 - ARAG/Garmenbeck; vgl. auch Dreher ZHR 158 (1994), S.614, 630 („Kernbereich der unternehmerischen Handlungsfreiheit") und Jaeger/ Trölitzsch ZIP 1995, S. 1157, 1159 („freie unternehmerische Initiative"). 43

72

2. Teil: Die Entscheidungsfreiräume des Vorstands und des Aufsichtsrats

chen.") zeigt, daß der Gesetzgeber nicht einmal zwischen Tatbestand und R e c h t s folge unterscheidet. Ein Vergleich mit der im Verwaltungsrecht diskutierten Ansicht, es handele sich bei den Vorschriften des Planungsrechts u m final programmierte R e c h t s n o r men, die Gestaltungsspielräume eröffnen, drängt sich geradezu auf. Diese A n sicht ist jedoch selbst im Verwaltungsrecht umstritten, und zwar insbesondere, weil sich die Planungsnormen in eine Handlungsvoraussetzung (Beurteilung der Erforderlichkeit der Planung - Planrechtfertigung) und eine Handlungsbefugnis (Entschließung über das „ o b " und „wie" der Planung - Planungsentschluß/Planinhalt) aufspalten lassen. Es ist möglich (und aus systematischen G r ü n d e n auch angebracht), sie als konditional formulierte R e c h t s n o r m e n zu strukturieren, die Einschätzungsprärogativen und Ermessensspielräume eröffnen. Dieser Einwand läßt sich im Aktienrecht aufgreifen. M i t Blick auf § 76 Abs. 1 A k t G liegt die Parallele zu den Planungsnormen besonders nahe, weil die meisten Entscheidungen des Vorstands die Qualität von Planungsentscheidungen haben. § 76 Abs. 1 A k t G läßt sich regelmäßig in zumindest eine Handlungsvoraussetzung (Beurteilung der Erforderlichkeit/Gebotenheit eines Vorhabens - H a n d lungsrechtfertigung) und eine Handlungsbefugnis (Entschließung über das „ o b " und „wie" der Realisierung des Vorhabens - Handlungsentschluß/Handlungsinhalt) untergliedern. Mit Blick auf § 111 Abs. 1 A k t G liegt die Parallele zum Planungsrecht zwar nicht so nahe, aber die Uberwachungsaufgabe hat eine durchaus ähnliche Struktur. D a h e r läßt sich § 111 Abs. 1 A k t G ebenfalls in zumindest eine Handlungsvoraussetzung (Beurteilung der Erforderlichkeit/Gebotenheit einer Einwirkung auf den Vorstand - Handlungsrechtfertigung) und eine Handlungsbefugnis (Entschließung über das „ o b " und „wie" der Einwirkung auf den Vorstand - Handlungsentschluß/Handlungsinhalt) untergliedern. Dies belegt auch die A R A G / G a r m e n b e c k - E n t s c h e i d u n g des Bundesgerichtshofs zu der Entscheidung des Aufsichtsrats über die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen pflichtwidrig handelnde Vorstandsmitglieder.

Der

Bundesgerichtshof

greift die Begriffe „Beurteilungsspielraum" und „Handlungsermessen" auf und spaltet den § 9 3 A k t G ganz im Sinne des Verwaltungsrechts in mehrere H a n d lungsvoraussetzungen und eine Handlungsbefugnis auf („Prüfung des Bestehens und der Durchsetzbarkeit eines Schadensersatzanspruchs" und „Frage, ob der Aufsichtsrat

gleichwohl von einer Verfolgung des Anspruchs

...

absehen

kann").44 D e r Gedanke, daß der Gesetzgeber es Vorstand und Aufsichtsrat vermittels der N o r m i e r u n g von Einschätzungsbegriffen auf der Tatbestandsseite und/oder von Ermessen auf der Rechtsfolgenseite in verbandsrechtlich zulässiger Weise aufgeben kann, offene N o r m e n kraft eigener verbandsrechtlicher Legitimation zu k o n kretisieren, kann mithin im Gesellschaftsrecht fruchtbar gemacht werden. D i e ak44

BGH ZIP 1997, S. 883, 886 - ARAG/Garmenbeck.

A.

73

Ansatzpunkt

tienrechtlichen Befugnisnormen müssen allerdings zuvor in Handlungsvoraussetzungen (Beurteilung der Erforderlichkeit/Gebotenheit eines Vorhabens

-

Handlungsrechtfertigung) und Handlungsbefugnisse (Entschließung über das „ob" und „wie" der Realisierung des Vorhabens - Handlungsentschluß/Handlungsinhalt) untergliedert werden. Sie sind als konditional formulierte Rechtsnormen zu strukturieren und damit als Befugnisnormen, die möglicherweise Einschätzungsprärogativen und Ermessensspielräume eröffnen. Dann kann durch Auslegung der einer Entscheidung zugrundeliegenden Befugnisnorm (und damit in aller Regel einer N o r m des die Verbandsordnung nach § 2 3 Abs. 5 A k t G überwiegend zwingend regelnden Aktiengesetzes) ermittelt werden, ob dem Vorstand/Aufsichtsrat Einschätzungsprärogativen und/oder Ermessensspielräume zustehen. 2. Konkretisierung der Befugnisnorm Allerdings gestaltet sich diese Auslegung schwieriger als im Verwaltungsrecht. Denn zahlreiche aktienrechtliche Normen und insbesondere die beiden zentralen Normen des § 76 Abs. 1 A k t G und des § 111 Abs. 1 A k t G unterscheiden nicht nur nicht zwischen Tatbestand und Rechtsfolge. Sie sind auch im übrigen so unbestimmt, daß die Frage nach Entscheidungsfreiräumen nicht abstrakt und generell beantwortet werden kann. Daher muß die Befugnisnorm zunächst weiter konkretisiert werden. In einem ersten Schritt ist zu klären, welchen sachlichen Anwendungsbereich die aktienrechtliche Vorschrift hat. Es geht um die Frage, ob unterschiedliche Entscheidungsgegenstände von ihr erfaßt werden. Ist dies der Fall, müssen im Wege der inhaltsbezogenen Typisierung Fallgruppen von Entscheidungen gebildet werden. In einem zweiten Schritt sind - gegebenenfalls bezogen auf bestimmte Entscheidungstypen - die Handlungsvoraussetzungen und die Handlungsbefugnisse inhaltlich zu konkretisieren. Erst im Anschluß daran kann die aus dem Verwaltungsrecht vertraute Auslegungsfrage gestellt werden: Es ist zu klären, ob die - gegebenenfalls für bestimmte Entscheidungstypen -

inhaltlich konkretisierten

Handlungsvoraussetzungen

Einschätzungsprärogativen einräumen und/oder ob die - gegebenenfalls für bestimmte Entscheidungstypen - inhaltlich konkretisierten Handlungsbefugnisse Ermessensspielräume eröffnen. 3. Auslegung der B e f u g n i s n o r m Diese Auslegungsfrage wirft ein Problem auf, das wiederum auf dem Unterschied zwischen dem Verwaltungsrecht und dem Aktienrecht beruht. Die Kriterien des Verwaltungsrechts für die Ermittlung von Einschätzungsprärogativen führen im Gesellschaftsrecht nicht weiter. Denn letztlich wird jede in einem Unternehmen

74

2. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des

Aufsichtsrats

getroffene Entscheidung unter Unsicherheit und aufgrund subjektiver Vorstellungen über die Handlungsvoraussetzungen getroffen. 45 Die Kriterien des Verwaltungsrechts für die Ermittlung von Ermessensspielräumen passen ebenfalls nicht. Gesetzliche Vorgaben fehlen im Aktienrecht, ein Bereitstellen von Mitteln durch einen übergeordneten Dritten ist im Aktienrecht nicht denkbar, und die Verteilungsprobleme im Leistungsbereich entsprechen nicht den typischen Problemen der Entscheidungsträger in Unternehmen. Daher müssen im Gesellschaftsrecht eigenständige Kriterien entwickelt werden, um ermitteln zu können, ob dem Vorstand/Aufsichtsrat Einschätzungsprärogativen und/oder Ermessensspielräume zuzubilligen sind. Sie müssen zum einen an der besonderen Eigenart der Einschätzungsbegriffe und des Ermessens und insbesondere den daraus resultierenden Erkenntnis- und Kontrollproblemen ausgerichtet sein. Sie müssen zum anderen dem Regelungsgegenstand des Aktiengesetzes Rechnung tragen. Im Gesellschaftsrecht können Einschätzungsprärogativen und Ermessensspielräume nicht der Verwirklichung von Einzelfallgerechtigkeit dienen, wie es im Verwaltungsrecht der Fall ist. 46 Ihr Zweck kann nur die erfolgreiche Entwicklung des Unternehmens sein, die sich am Unternehmensgegenstand und den in der Satzung zum Ausdruck kommenden Zielvorstellungen orientieren muß. 4 7

a) Das Kriterium der unternehmerischen

Entscheidung

Die gesellschaftsrechtliche Wissenschaft und Praxis stellt auf das Kriterium der unternehmerischen Entscheidung ab. Was darunter zu verstehen sein soll, ist jedoch noch nicht geklärt. Die Bundesregierung führt zu § 9 3 Abs. 1 Satz 2 A k t G idF. von Art. 1 Nr. 1 RegE U M A G 11/2004 aus, die Regelung gehe von der Differenzierung zwischen fehlgeschlagenen unternehmerischen Entscheidungen einerseits und der Verletzung sonstiger Pflichten andererseits (Treuepflichten; Informationspflichten; sonstige allgemeine Gesetzes- und Satzungsverstöße) aus und ein Verstoß gegen diese letztere Pflichtengruppe sei von der Bestimmung nicht erfaßt. Die unternehmerische Entscheidung stehe im Gegensatz zur rechtlich gebundenen Entscheidung; für illegales Verhalten gebe es keinen „sicheren Hafen". Die unternehmerischen Entscheidungen seien infolge ihrer Zukunftsbezogenheit durch Prognosen und nicht justiziable Einschätzungen geprägt, und dies unterscheide sie von der Beachtung gesetzlicher, satzungsmäßiger oder anstellungsvertraglicher Pflichten ohne Beurteilungs- oder Ermessensspielraum. 48

Mutter, Entscheidungen, S.8ff., lOf. Siehe dazu nur Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, §31 Rdn. 12, 31. 47 Abeltshauser, Leitungshaftung, S.32f.; Semler, Überwachung, S.8ff. 48 Begründung zu Art. 1 Nr. 1 RegE U M A G 11/2004 und - bis auf den mittleren Satz nahezu wortgleich - Begründung zu Art. 1 Nr. 1 RefE U M A G 1/2004, wo es allerdings zusätzlich hieß, 45

46

A.

Ansatzpunkt

75

Der mittlere Satz war im Referentenentwurf noch nicht enthalten. Mit ihm soll (wohl) dem gegen die Abgrenzung erhobenen Einwand begegnet werden, eine verbotene Kartellabsprache sei zum einen zukunftsbezogen sowie durch Prognosen wie Einschätzungen geprägt und stelle zum anderen einen Gesetzesverstoß dar.49 Der Bundesrat hat diesen Einwand in seiner Stellungnahme zum Regierungsentwurf vom 18. Februar 2005 aufrechterhalten. Auch verbotene Kartellabsprachen seien unternehmerisches Handeln, und Gesetzes- und Satzungsverstöße müßten deshalb ausdrücklich ausgenommen werden. Er hat die folgende Formulierung vorgeschlagen: „Eine Pflichtverletzung liegt nicht vor, wenn das Vorstandsmitglied bei einer unternehmerischen Entscheidung Recht und Gesetz, die Bestimmungen der Satzung und rechtswirksame Beschlüsse von Gesellschaftsorganen beachtet sowie auf der Grundlage angemessener Information zum Wohle der Gesellschaft gehandelt hat." 50 Die Bundesregierung hat diesen Vorschlag am 9. März 2005 zurückgewiesen. Die Formulierung des Bundesrates bringe keine Verbesserung und schneide die weitere Rechtsentwicklung ab.51 Einen weiteren Einwand läßt die Bundesregierung gänzlich unberücksichtigt: Mit dem Vorliegen einer gesetzlichen, satzungsmäßigen oder anstellungsvertraglichen Pflicht scheidet ein unternehmerischer Handlungsspielraum noch nicht aus,52 und das gleiche gilt für Treupflichtverletzungen. 53 Dies wird durch die Diskussion um die Angemessenheit der Vorstandsvergütung nach § 87 AktG im Mannesmann-Verfahren überdeutlich belegt. 54 Weitgehende Zustimmung findet demgegenüber die These, bei gesellschaftsund kapitalmarktrechtlichen Informationspflichten bestünden keine unterneh-

es gehe allein um die Verletzung von Sorgfaltspflichten bei der Geschäftsführung, soweit es sich dabei um unternehmerische Entscheidungen handele. 49 Schneider DB 2005, S. 707, 710 mit dem zutreffenden Hinweis, daß es nicht in der Entscheidungsfreiheit der Gesellschaft und ihrer Organe liegen könne, ob sie wertorientierte Rechtsnormen beachten oder nicht; Thümmel DB 2004, S. 471,472; Paefgen A G 2004, S.245,251. Siehe dazu aber auch Fleischer ZIP 2005, S. 141, 148f., 149ff., der Ausnahmen von der strengen Rechtsbindung im Innenverhältnis für möglich hält. 50 BR-Drucksache 3/05 (Beschluß) [Volltext auch abrufbar unter http://www.rws-verlag.de/ Volltext vom 30. März 2005], 51 Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrates zum Entwurf eines Gesetzes zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (BR-Drs. 3/05 (Beschluß)) [Volltext abrufbar unter http://www.rws-verlag.de/Volltext vom 30. März 2005], 52 So zutreffend Roth, Ermessen, S.103ff. und BB 2004, S.1066, 1068 sowie Fleischer ZIP 2004, S.685, 690. 53 So zutreffend wohl Thümmel DB 2004, S. 471,472 unter Hinweis auf § 88 AktG (siehe dazu Fleischer A G 2005, S. 336,345: „Erteilung oder Versagung der Einwilligung im Belieben des Aufsichtsrats"); a. A. Fleischer ZIP 2004, S. 685, 690. 54 Brauer/Dreier N Z G 2005, S. 57, 58ff.; Thüsing ZGR 2003, S. 457,469ff., 485ff.; Hüffer BB 2003, Beilage Nr. 7, S. 11 ff.; Wollburg ZIP 2004, S. 646,649ff.; Liehers/Hoefs ZIP 2004, S. 97,99f., 100f.; Schünemann, Organuntreue, S.49ff.; Brauer N Z G 2004, S.502, 503ff.; Lutter ZIP 2003, S. 737, 739f., 740. Siehe zur strafrechtlichen Seite nur Schünemann, Organuntreue, S. 42ff.

76

2. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des

Aufsichtsrats

merischen Handlungsspielräume. 55 Dasselbe gilt für den Ausgangspunkt. In der Literatur wird die Auffassung geteilt, daß eine unternehmerische Entscheidung vorliegt, wenn eine Entscheidung von nicht steuerbaren und nicht vorhersehbaren externen Umständen abhängt und die Entscheidungsfindung ein in die Zukunft gerichteter komplexer Vorgang ist (mangelnde Prognostizierbarkeit und Zukunftsorientierung). 56 Diese Betrachtungsweise wird häufig dahin ergänzt, bei einer unternehmerischen Entscheidung seien Chancen und Risiken gegeneinander abzuwägen. 57 Der Bundesgerichtshof betont ganz in diesem Sinne, eine unternehmerische Tätigkeit sei ohne das bewußte Eingehen geschäftlicher Risiken und die Gefahr von Fehlbeurteilungen und Fehleinschätzungen schlechterdings nicht denkbar. 58 Ausgehend von diesem Ansatz, bleibt das Kriterium der unternehmerischen Entscheidung allerdings außerhalb eines Kernbereichs (schlagwortartig etwa mit Wahrnehmung der freien unternehmerischer Initative bezeichnet 59 ) unscharf.60 Dies hat sich eindrucksvoll an der ganz unterschiedlichen Einordnung der Entscheidung des Aufsichtsrats über die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen pflichtwidrig handelnde Vorstandsmitglieder gezeigt. 61 Den Stand von Wissenschaft und Praxis beschreibt Walter G. Paefgen vor diesem Hintergrund zutreffend wie folgt: Der Begriff der unternehmerischen Entscheidung ergebe sich aus seiner Gegensätzlichkeit zur rechtlich gebundenen Entscheidung, und es sei die Aufgabe der Rechtsprechung, Verwaltungspflichten mit unternehmerischem Ermessen und rechtlich strikt definierte Pflichtenbindungen voneinander abzugrenzen. 62 Dieser Befund wird dadurch belegt, daß auch die Betriebswirtschaftslehre Probleme mit der Definition der unternehmerischen Entscheidung hat63 und der Be55 Schneider DB 2005, S. 707, 710; Fleischer ZIP 2004, S. 685, 690 (mit Hinweis auf mögliche Ausnahmen) und BKR 2003, S.608, 612; Baums ZHR 167 (2003), S. 139,175 (unter der Voraussetzung, daß die Organaußenhaftung auf Fälle vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Falschinformation beschränkt wird). 56 Schneider DB 2005, S.707, 710; Heermann AG 1998, S.201, 203; Jaeger/Trölitzsch ZIP 1995, S. 1157, 1158f.; Horn ZIP 1997, S. 1129, 1133; kritisch Paefgen AG 2004, S.245, 251 und Thümmel DB 2004, S.471, 472. 57 Fleischer ZIP 2004, S. 685, 685; Kock/Dinkel NZG 2004, S. 441, 442f., 443; Horn ZIP 1997, S. 1129, 1133. 58 BGH ZIP 1997, S. 883, 885f. - ARAG/Garmenbeck. 59 Jaeger/Trölitzsch ZIP 1995, S.1157, 1159. 60 Fleischer ZIP 2004, S. 685, 690 Fn. 74 mit Blick auf die Wahrnehmung von Organisationsund Uberwachungspflichten. 61 Siehe dazu etwa: Heermann AG 1998, S. 201,203ff.; Horn ZIP 1997, S. 1129,1136f.; Kindler ZHR 162 (1998), S. 101, 109f.; Dreher ZHR 158 (1994), S.614, 637ff. 62 Paefgen AG 2004, S.245, 251. 63 Theisen, Unternehmensführung, S. 43, der darauf hinweist, daß in bedeutendem Umfang die unternehmerische Entscheidung als kennzeichnende Funktion der Unternehmensführung Verwendung findet, damit jedoch nur eine Problemverlagerung von der Definitionsbedürftigkeit unternehmerischer Handlungen auf den zu bestimmenden Gehalt unternehmerischer Entscheidungen vorgenommen wird.

A.

Ansatzpunkt

77

griff der Führungsentscheidung in Rechtswissenschaft und Betriebswirtschaftslehre schillernd bleibt. Einigkeit herrscht nur darüber, daß die Unternehmensführung die Unternehmensleitung und die Unternehmensüberwachung umfaßt.64 Während in der Rechtswissenschaft mit den Führungsentscheidungen zumeist die unter qualitativen Gesichtspunkten nicht delegierbaren Entscheidungen des Vorstands erfaßt werden,65 legt die Betriebswirtschaftslehre diesem Begriff ein ihrem jeweiligen Verständnis der Unternehmensführung entsprechenden Inhalt zugrunde. So wird als Unternehmensführung etwa „die Gesamtheit der Individuen, Institutionen und Funktionen, welche in einem sozialen, offenen Prozeß die zielentsprechende Gestaltung der wirtschaftlichen Veranstaltung Unternehmung verantwortlich initiieren, koordinieren und steuern," verstanden, wobei „die einzelnen Aktivitäten aus den Teilprozessen Planung, Realisation und Überwachung abgeleitet werden" und womit die Aufgaben des Vorstands und der ihm nachgeordneten Fachinstanzen und Stäbe erfaßt werden.66 Bei diesem Ansatz geht es darum, einen Kreis „echter" Führungsentscheidungen zu bestimmen, die der Vorstand nicht auf nachgelagerte Führungsebenen delegieren darf.67 Mit Unternehmensführung werden aber auch die nicht delegierbaren Aufgaben des Vorstands und die Aufgaben von Aufsichtsrat und Abschlußprüfer erfaßt. Der Vorstand habe die nicht delegierbare „Zuständigkeit für die unternehmungsbezogenen Rahmenhandlungen", wobei „der substantielle Schwerpunktwenn man die Handlungen insgesamt in Entscheidungs-, Realisations- und Kontrollhandlungen ausdifferenziert - nach heutigem Verständnis bei den Entscheidungen" liege. Dem Vorstand oblägen „damit - innerhalb der durch Zuständigkeiten anderer Gremien gezogenen Grenzen - namentlich die oberen Grundlagenbeschlüsse in der Unternehmung, die über die Folgehandlungen auf den nachgelagerten Hierarchieebenen (qua Detailentscheidungen oder Realisationshandlungen) umzusetzen sind." Bei diesem Ansatz werden mit den Führungsentscheidungen die von den genannten Führungsorganen zu treffenden (nicht delegierbaren) Entscheidungen erfaßt.68 Dieses Wirrwarr wird bei Hans-Joachim Mertens besonders deutlich, der von einer „juristischen Eingrenzung der Führungsentscheidungen" spricht,69 aber

Abeltshauser, Leitungshaftung, S.28ff. Semler, Überwachung, S.lOf., 11 f., 13ff., 17ff., 61ff., 66ff.; Mutter, Entscheidungen, S. 15ff., 32ff.; Mertens, Kölner Kommentar, §76 Rdn.4f., der betont, daß diese Abgrenzungsfrage „weniger im Verhältnis der Organe zueinander von Bedeutung" ist, weil die gesamte Geschäftsführung/Leitung zwingend dem Vorstand obliege und die anderen Organe daran nur nach Maßgabe des Gesetzes beteiligt werden könnten. 66 Theisen, Unternehmensführung, S.44, 49ff. 67 Potthoff, Geschäftsführung, S.16. 68 Von Werder zfbf Sonderheft 36.96, S. 1, 2ff., 5ff., 17f., S.27, 43ff., 51ff. 6 9 Kölner Kommentar, §76 Rdn. 5. 64 65

78

2. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands

und des

Aufsichtsrats

auch bei Thomas E. Abeltshauser,70 der unter Bezug auf Johannes Semler71 darauf hinweist, daß das Tagesgeschäft im Schrifttum nicht immer als originäre unternehmerische Funktion bezeichnet wird. b) Der betriebswirtschaftlich

absicherbare

Befund

Dennoch wird mit dem Kriterium der unternehmerischen Entscheidung der richtige Weg gewiesen. Es bleibt die betriebswirtschaftlich abgesicherte Erkenntnis, daß die typischen Problemstellungen des Managements wie etwa Entscheidungen über Akquisitionen neuer Tochtergesellschaften, tiefgreifende Reorganisationen oder strategische Kurswechsel durch eine Vielzahl vernetzter Einflußfaktoren, die Zukunftsbezogenheit wie zeitliche Reichweite ihrer Konsequenzen und die zumeist auftretenden Zielkonflikte gekennzeichnet sind (unabsehbare Problemkomponenten, mangelnde Isolierbarkeit des Problems, unklare Problemstruktur, unbekannte Problemvariable und unbekannte Verknüpfung der Problemvariablen, ungewiße Erwartungen, mehrdeutige Prognosen, unwägbare Risiken und Chancen, subjektive Wahrscheinlichkeitsschätzungen, Konfliktgehalt). Sie sind durch ein hohes Maß an Komplexität und Unstrukturiertheit gekennzeichnet. Aufgrund dieser prinzipiellen Eigenschaften können die Einsichten in die Zusammenhänge derart unstrukturierter Problemstellungen zwangsläufig nur unvollkommen sein. Schon aufgrund der unabdingbaren Selektion der als relevant erachteten Einflußfaktoren, der erforderlichen Prognosen ihrer wahrscheinlichen Entwicklung und der zu treffenden Zielgewichtungen kommen mehrere Lösungen in Betracht. Diese Komplexität unstrukturierter Managementprobleme verhindert, daß eine eindeutig richtige und vollständig exakte Lösung zwingend abgeleitet werden kann. Es verbleibt vielmehr stets ein mehr oder weniger großes Maß an Unsicherheit über die Richtigkeit der gewählten Lösung. Bereits aus diesem Grund müssen Soll-Vorstellungen über eine erfolgversprechende Arbeit des Vorstands und seine Kontrolle durch den Aufsichtsrat an Erkenntnisgrenzen stoßen. Zudem sind die heute vorliegenden Erkenntnisse über die Zusammenhänge zwischen den Modalitäten des Prozesses der Unternehmensführung und den Prozeßergebnissen äußerst lückenhaft. Auffassungen über die Modalitäten des Prozesses der Unternehmensführung können daher keine Richtigkeitsgarantie übernehmen. Dieser Befund läßt nur einen Schluß zu: Steht das Management einem Problem gegenüber, das nicht nur unstrukturierter und komplexer Natur ist, sondern sich auch wegen eines „schwankenden Erkenntnisfundaments" und „unvollständiger Problemeinsichten" einer eindeutig richtigen Lösung entzieht (im folgenden unstrukturiertes hochkomplexes Problem), so sind

70 71

Leitungshaftung, S . 3 2 f . Überwachung, S. 12.

A.

Ansatzpunkt

79

der einfordbaren Entscheidungsqualität inhärente Grenzen gesetzt. 72 Die unabweisbare Konsequenz lautet, daß diese Grenzen dann auch dem Vorwurf einer pflichtwidrigen Aufgabenwahrnehmung durch den Vorstand im Sinne des § 9 3 A k t G oder durch den Aufsichtsrat im Sinne der § § 1 1 6 , 9 3 A k t G gesetzt sein müssen.

c)

Operationalisierung

Diese Erkenntnis führt jedoch noch nicht zu operationalen Kriterien für die Auslegung aktienrechtlicher Befugnisnormen dahin, ob dem Vorstand/Aufsichtsrat Einschätzungsprärogativen und/oder Ermessensspielräume zuzubilligen sind. Sie muß erst auf die Struktur der aktienrechtlichen Befugnisnormen bezogen werden. Die Betriebswirtschaftslehre führt auch hier weiter. Steht das Management einem unstrukturierten hochkomplexen Problem gegenüber, wird der Entscheidungsprozeß in drei Phasen untergliedert. In einem ersten Schritt soll das Entscheidungsproblem identifiziert und analysiert werden; der Entscheidungsgegenstand und die Umweltsituation, unter der die Entscheidung zu treffen ist, sollen beschrieben werden. In einem zweiten Schritt sollen Lösungsalternativen entwikkelt und aufgestellt werden. In einem dritten Schritt sollen die Lösungsalternativen bewertet und soll eine Lösungsalternative abschließend ausgewählt werden. 73 Die Parallele zu konditional formulierten Rechtsnormen mit Handlungsvoraussetzungen und Handlungsbefugnissen, die Einschätzungsprärogativen und Ermessensspielräume eröffnen, drängt sich geradezu auf. Vor diesem Hintergrund erweist sich die betriebswirtschaftlich abgesicherte Erkenntnis, daß das Management bei einer typischen Problemstellung einem unstrukturierten hochkomplexen Problem gegenübersteht, als unscharf. Genau besehen steht das Management in diesen Fällen sowohl bei der Bestimmung der Handlungsvoraussetzung als auch bei der Wahrnehmung der Handlungsbefugnis einer ganzen Reihe von unstrukturierten hochkomplexen Problemen gegenüber.

aa)

Handlungsbedarf

Die Analyse des Handlungsbedarfs erfordert die Einschätzung einer ganzen Reihe unstrukturierter hochkomplexer Probleme. Die Beurteilung der „betriebswirtschaftlichen Gebotenheit/Sinnhaftigkeit" 74 einer Akquisition neuer Tochtergesellschaften, einer tiefgreifenden Reorganisation oder eines strategischen Kurswechsels ist durch die Prüfung und Würdigung von vernetzten Einflußfaktoren und ihrer wahrscheinlichen Entwicklung sowie von Konsequenzen in sachlicher 72 Von Werder zfbf Sonderheft 36.96, S. 1,5ff. und S. 27,31 f., 32ff.; vgl. auch Mutter, Entscheidungen, S.4ff., 15ff., 23ff. 73 Von Werder/Feld R I W 1996, S.481, 490ff. und Mutter, Entscheidungen, S. 6ff., 8ff. 74 Vgl. zu dieser Formulierung Kessler A G 1993, S.252, 269f. und A G 1995, S.61, 65, 74, 75.

80

2. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des

Aufsichtsrats

und zeitlicher Hinsicht und Zielkonflikten geprägt. Sie zeichnen sich dadurch aus, daß sie überwiegend - für sich genommen und in ihren Wechselwirkungen nicht vollständig absehbar oder bekannt sind. Die Prüfung und Würdigung der Einflußfaktoren, Konsequenzen und Zielkonflikte findet im Rahmen der Evaluation der Änderung und der Evaluation der Beibehaltung der bisherigen Beteiligungsstruktur, Organisation oder Strategie und im Rahmen der Ermittlung der überlegenen Alternative statt. Die Würdigung der Einflußfaktoren, Konsequenzen und Zielkonflikte kann in beiden Fällen nicht unabhängig von einer Berücksichtigung anderer Problemstellungen im Unternehmen und - schon aufgrund der unabdingbaren Selektion sowie der aufzulösenden Zielkonflikte - nicht ohne eine Bewertung und Gewichtung und einen Ausgleich der Einflußfaktoren, Konsequenzen und Ziele erfolgen. Die Analyse der Handlungsbedarfs kann wegen der zwangsläufig unvollkommenen Einsicht in die Zusammenhänge einer derartigen Problemstellung nicht zu einem vollständig exakten (zwingend abgeleiteten und einzig richtigen) Ergebnis führen. 7 5 Die Prüfung der vernetzten Einflußfaktoren und ihrer wahrscheinlichen Entwicklung sowie der Konsequenzen in sachlicher und zeitlicher Hinsicht und der Zielkonflikte bezieht sich insbesondere auf Chancen und Risiken, A u f w a n d und Ertrag, Folgen für Marktstellung und Wettbewerbsposition sowie für Finanzkraft und Lage des Unternehmens und Konflikte zwischen primär unternehmensbezogenen Interessen und den Interessen der Anteilseigner. Sie sind - für sich genommen und in ihren Wechselwirkungen - nicht vollständig absehbar (oder bekannt). Die Prüfung der Einflußfaktoren, Konsequenzen und Zielkonflikte verlangt daher die Einschätzung zahlreicher unstrukturierter hochkomplexer Probleme. Dem Vorstand sind insoweit zahlreiche Einschätzungsprärogativen zuzuerkennen (Einschätzungsprärogativen). Die Evaluation der Änderung wie der Beibehaltung der bisherigen Beteiligungsstruktur, Organisation oder Strategie besteht in der Bewertung und Gewichtung der für und gegen die Änderung bzw. Beibehaltung der bisherigen Beteiligungsstruktur, Organisation oder Strategie sprechenden Gesichtspunkte und der abschließenden Entschließung darüber, ob die Änderung bzw. Beibehaltung der bisherigen Beteiligungsstruktur, Organisation oder Strategie dem Unternehmenswohl dient. Beide Evaluationen sind durch die Würdigung der vernetzten Einflußfaktoren und ihrer wahrscheinlichen Entwicklung sowie der Konsequenzen in sachlicher und zeitlicher Hinsicht und der Zielkonflikte geprägt. Diese Würdigung kann nicht unabhängig von einer Berücksichtigung anderer Problemstellungen im Unternehmen und nicht ohne eine Bewertung und Gewichtung und einen Ausgleich der Einflußfaktoren, Konsequenzen und Ziele erfolgen. Jede der beiden Evaluationen verlangt die Einschätzung eines unstrukturierten hoch75 Siehe dazu: Von Werder zfbf Sonderheft 36.96, S. 1, 6f. und S. 27, 33; von Werder/Feld RIW 1996, S.481, 493; Heermann ZIP 1998, S.761, 764f.; Semler, Überwachung, S. llOff., 117f.

A.

Ansatzpunkt

81

komplexen Problems. D e m Vorstand sind insoweit zwei Einschätzungsprärogativen zuzuerkennen (Evaluationseinschätzungsprärogativen). D i e Ermittlung der überlegenen Alternative besteht in der Bewertung und G e wichtung der für und gegen die Änderung wie die Beibehaltung der bisherigen Beteiligungsstruktur, Organisation oder Strategie sprechenden Gesichtspunkte im Verhältnis dieser Alternativen zueinander und der abschließenden Entschließung darüber, o b die Änderung oder die Beibehaltung der bisherigen Beteiligungsstruktur, Organisation oder Strategie dem Unternehmenswohl am besten dient. Sie ist ebenfalls durch die Würdigung der vernetzten Einflußfaktoren und ihrer wahrscheinlichen Entwicklung sowie der Konsequenzen in sachlicher und zeitlicher Hinsicht und der Zielkonflikte geprägt. Diese Würdigung kann nicht unabhängig von einer Berücksichtigung anderer Problemstellungen im U n t e r nehmen und nicht ohne eine Bewertung und Gewichtung und einen Ausgleich der Einflußfaktoren, Konsequenzen und Ziele erfolgen. D i e Ermittlung der überlegenen Alternative verlangt die Einschätzung eines unstrukturierten h o c h k o m plexen Problems. D e m Vorstand ist insoweit eine Einschätzungsprärogative zuzuerkennen (Auswahleinschätzungsprärogative). D i e Analyse des Handlungsbedarfs ist damit weit schwieriger als im Planungsrecht, weil die Beurteilung der materiellen Planrechtfertigung überwiegend klar strukturierte (vorhersehbare und isolierbare) Probleme mit klar strukturierten (vorhersehbaren und isolierbaren) Konsequenzen aufwirft; eine Parallele liegt lediglich darin, daß die materielle Planrechtfertigung insoweit Einschätzungsprärogativen gewährt, als sie auf Prognosen über künftige Entwicklungen aufbaut. 7 6 bb)

Handlungsprogramm

D i e Entwicklung und Bewertung von Handlungsprogrammen und die abschließende Auswahl eines Handlungsprogramms erfordert die Bewältigung einer ganzen Reihe unstrukturierter hochkomplexer Probleme. D i e Regelung einer A k quisition neuer Tochtergesellschaften, einer tiefgreifenden Reorganisation oder eines strategischen Kurswechsels ist durch die Prüfung und Würdigung von vernetzten Einflußfaktoren und ihrer wahrscheinlichen Entwicklung sowie v o n Konsequenzen in sachlicher und zeitlicher Hinsicht und Zielkonflikten geprägt. Sie zeichnen sich dadurch aus, daß sie überwiegend - für sich genommen und in ihren Wechselwirkungen - nicht vollständig absehbar oder bekannt sind. D i e Prüfung und Würdigung der Einflußfaktoren, Konsequenzen und Zielkonflikte findet im R a h m e n der Generierung und Evaluation der einzelnen infragekommenden Maßnahmen/Maßnahmenbündel und im R a h m e n der Ermittlung der überlegenen Maßnahme/des überlegenen Maßnahmenbündels statt. D i e W ü r d i gung der Einflußfaktoren, Konsequenzen und Zielkonflikte kann in allen Fällen

76

Kopp/Schenke, VwGO, § 114 Rdn. 36.

82

2. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des Aufsichtsrats

nicht unabhängig von einer Berücksichtigung anderer Problemstellungen im U n ternehmen und - schon aufgrund der unabdingbaren Selektion sowie der aufzulösenden Zielkonflikte - nicht ohne eine Bewertung und Gewichtung u n d einen Ausgleich der Einflußfaktoren, Konsequenzen und Ziele erfolgen. Die E n t w i c k lung und Bewertung von Handlungsprogrammen und die abschließende A u s wahl eines Handlungsprogramms kann wegen der zwangsläufig u n v o l l k o m m e nen Einsicht in die Zusammenhänge einer derartigen Problemstellung nicht zu einem vollständig exakten (zwingend abgeleiteten und einzig richtigen) Ergebnis führen. Die Prüfung der vernetzten Einflußfaktoren und ihrer wahrscheinlichen Entwicklung sowie der Konsequenzen in sachlicher und zeitlicher Hinsicht und der Zielkonflikte bezieht sich insbesondere auf Chancen und Risiken, A u f w a n d u n d Ertrag, Folgen für Marktstellung und Wettbewerbsposition sowie für Finanzkraft und Lage des Unternehmens und Konflikte zwischen primär unternehmensbezogenen Interessen und den Interessen der Anteilseigner. Sie sind - für sich genommen und in ihren Wechselwirkungen - nicht vollständig absehbar (oder bekannt). Die Prüfung der Einflußfaktoren, Konsequenzen und Zielkonflikte verlangt daher die Einschätzung zahlreicher unstrukturierter hochkomplexer Probleme. Dem Vorstand sind insoweit zahlreiche Einschätzungsprärogativen zuzuerkennen (Ermessensprärogativen). Die Generierung und Evaluation der einzelnen infragekommenden M a ß n a h men/Maßnahmenbündel besteht in der Bewertung und Gewichtung der für u n d gegen die einzelnen infragekommenden Maßnahmen/Maßnahmenbündel sprechenden Gesichtspunkte und der abschließenden Entschließung darüber, ob die einzelnen infragekommenden Maßnahmen/Maßnahmenbündel dem Unternehmenswohl dienen. Sie ist durch die W ü r d i g u n g der vernetzten Einflußfaktoren und ihrer wahrscheinlichen Entwicklung sowie der Konsequenzen in sachlicher und zeitlicher Hinsicht und der Zielkonflikte geprägt. Diese W ü r d i g u n g kann nicht unabhängig von einer Berücksichtigung anderer Problemstellungen im U n ternehmen und nicht ohne eine Bewertung und Gewichtung und einen Ausgleich der Einflußfaktoren, Konsequenzen und Ziele erfolgen. Die Generierung und Evaluation der einzelnen infragekommenden Maßnahmen/Maßnahmenbündel verlangt die Bewältigung eines unstrukturierten hochkomplexen Problems. Dem Vorstand sind insoweit mehrere Ermessensspielräume zuzuerkennen (Generierungs- und Evaluationsermessensspielräume). Die Ermittlung der überlegenen Maßnahme/des überlegenen M a ß n a h m e n b ü n dels besteht in der Bewertung und Gewichtung der für und gegen die einzelnen infragekommenden Maßnahmen/Maßnahmenbündel sprechenden Gesichtspunkte im Verhältnis der einzelnen infragekommenden Maßnahmen/Maßnahmenbündel zueinander und der abschließenden Entschließung darüber, welche Maßnahme/welches Maßnahmenbündel dem Unternehmenswohl am besten dient. Sie ist ebenfalls durch die W ü r d i g u n g der vernetzten Einflußfaktoren und

A.

Ansatzpunkt

83

ihrer wahrscheinlichen Entwicklung sowie der Konsequenzen in sachlicher und zeitlicher Hinsicht und der Zielkonflikte geprägt. Diese Würdigung kann nicht unabhängig von einer Berücksichtigung anderer Problemstellungen im Unternehmen und nicht ohne eine Bewertung und Gewichtung und einen Ausgleich der Einflußfaktoren, Konsequenzen und Ziele erfolgen. Die Ermittlung der überlegenen Maßnahme/des überlegenen Maßnahmenbündels verlangt die Bewältigung eines unstrukturierten hochkomplexen Problems. Dem Vorstand ist insoweit ein Ermessensspielraum zuzuerkennen (Auswahlermessensspielraum). Die Entwicklung und Bewertung von Handlungsprogrammen und die abschließende Auswahl eines Handlungsprogramms ist damit weit schwieriger als im Planungsrecht. Dort müssen nur diejenigen privaten und öffentlichen Belange geprüft und gewürdigt werden, die nach der jeweiligen Ermessensvorschrift zu berücksichtigen sind. Diese Belange sind nicht nur in einem förmlichen Verfahren festzustellen, sie können in aller Regel auch mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden. Eine Parallele liegt lediglich darin, daß das Planungsermessen nach überwiegender Ansicht „gerichtlich nur beschränkt überprüfbare Prognosespielräume" eröffnet, soweit es auf Prognosen über künftige Entwicklungen aufbaut („planungsspezifische Prognosen"). Die Begründung lautet, daß die „Berücksichtigung, Beurteilung, Abwägung und Wertung von zum Teil gleichlaufenden und/oder zum Teil gegenläufigen Belangen mit wesentlichem Bezug auch auf künftige Entwicklungen" für Planungen typisch ist. Die Kontrolle der planungsspezifischen Prognosen wird allerdings den Regeln über die Kontrolle von Einschätzungsprärogativen unterworfen. Es komme darauf an, ob „die Behörde bei ihrer Prognose von zutreffenden Abgrenzungen, Daten, Werten und Zahlen usw. ausgegangen ist, alle erreichbaren Daten berücksichtigt hat, sich einer wissenschaftlich vertretbaren Methode bedient und ihre Entscheidung in einer der Materie angemessenen und methodisch einwandfreien Weise erarbeitet hat" („sorgfältig erstellte, realistische Prognosen"). 7 7 4. Rechts vergleich Das Management hat mithin in typischen Problemsituationen bei der Bestimmung der Handlungsvoraussetzung eine ganze Reihe unstrukturierter hochkomplexer Probleme einzuschätzen und bei der Wahrnehmung der Handlungsbefugnis eine ganze Reihe unstrukturierter hochkomplexer Probleme zu bewältigen. Deshalb sind ihm im Rahmen der Handlungsvoraussetzung und im Rahmen der Handlungsbefugnis entsprechende Einschätzungsprärogativen und Ermessensspielräume zuzuerkennen. Vor diesem Hintergrund ist eine weitere Schlußfolgerung unausweislich: Wie im Verwaltungsrecht ist es denkbar, daß mehrere Handlungsvoraussetzungen ge77

Kopp/Schenke,

VwGO, § 114 Rdn. 34, 34b, 36a, 37, 37a.

84

2. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des Aufsichtsrats

geben sind, die zudem nicht alle und/oder nur im Hinblick auf bestimmte Faktoren Einschätzungsprärogativen einräumen, und/oder daß eine Handlungsbefugnis gegeben ist, die nur im Hinblick auf bestimmte Fragen Ermessensspielräume eröffnet. Mit Blick auf die Handlungsvoraussetzungen und die Handlungsbefugnis sind unstrukturierte hochkomplexe Probleme und klar strukturierte (vorhersehbare und isolierbare) Probleme mit klar strukturierten (vorhersehbaren und isolierbaren) Konsequenzen beliebig kombinierbar. Eine aktienrechtliche Befugnisnorm kann theoretisch umfassende Einschätzungsprärogativen und Ermessensspielräume eröffnen. Sie kann aber auch nur in begrenztem Ausmaß Einschätzungsprärogativen und/oder Ermessensspielräume eröffnen. Dies belegt auch die ARAG/Garmenbeck-Entscheidung des Bundesgerichtshofs zu der Entscheidung des Aufsichtsrats über die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen pflichtwidrig handelnde Vorstandsmitglieder. Denn der Bundesgerichtshof hat den dieser Entscheidung des Aufsichtsrats zugrundeliegenden §93 AktG nicht nur in mehrere Handlungsvoraussetzungen und eine Handlungsbefugnis aufgespalten, sondern auch dem Aufsichtsrat „allenfalls einen begrenzten Beurteilungsspielraum" und „in engen Grenzen ein Entscheidungsermessen" zugebilligt. 78 Die entscheidende und betriebswirtschaftlich abgesicherte Erkenntnis lautet mithin, daß der einfordbaren Entscheidungsqualität und damit auch dem Vorwurf einer pflichtwidrigen Aufgabenwahrnehmung durch den Vorstand im Sinne des §93 AktG oder durch den Aufsichtsrat im Sinne der §§116,93 AktG inhärente Grenzen gesetzt sind, wenn der Vorstand/Aufsichtsrat bei der Bestimmung der Handlungsvoraussetzung/Handlungsvoraussetzungen (Analyse des Handlungsbedarfs) und der Wahrnehmung der Handlungsbefugnis (Entwicklung und Bewertung von Handlungsprogrammen und abschließende Auswahl eines Handlungsprogramms) zumindest einem unstrukturierten hochkomplexen Problem gegenübersteht. Die Lage ist in diesen Fällen die gleiche wie im Verwaltungsrecht im Hinblick auf die besondere Eigenart der Einschätzungsbegriffe und des Ermessens: Informationsdefizite und Erkenntnisprobleme 79 führen dazu, daß die zur Kontrolle der pflichtgemäßen Aufgabenwahrnehmung im Sinne des § 93 AktG/der §§116, 93 AktG insbesondere berufenen Aufsichtsräte/Aktionäre (und damit auch die von ihnen in Anspruch genommenen Gerichte) die Entscheidungen des Vorstands/Aufsichtsrats in einem Kernbereich weder aufgrund eigener Sachkenntnis noch durch Heranziehung von Sachverständigen oder andere Beweismittel selbständig nachzuvollziehen, deshalb nicht zu widerlegen und also auch nicht zu überprüfen vermögen und daher an sachlogische und damit rechtslogische und letztlich funktionale Grenzen stoßen. Die Uberprüfung einer Entscheidung des 78 79

B G H ZIP 1997, S. 883, 886f. - ARAG/Garmenbeck. Eisenberg Der Konzern 2004, S. 386, 393; Schneider DB 2005, S. 707, 710.

A.

Ansatzpunkt

85

Vorstands/Aufsichtsrats kann wie die Überprüfung einer Einschätzung/Ermessensausübung der Verwaltung Erkenntnisprobleme aufwerfen, die dazu führen, daß zweifelhaft bleibt, was richtig ist, und zwar mit der Konsequenz, daß die Entscheidung nicht überprüft, sondern nur ersetzt werden kann. Dies ist nicht die Aufgabe der zur Kontrolle der pflichtgemäßen Aufgabenwahrnehmung im Sinne des § 93 AktG/der §§116, 93 A k t G insbesondere berufenen Aufsichtsräte/Aktionäre. Sie sind mit diesen Kontrollrechten nicht zur originären Rechtsanwendung, sondern nur zur reagierenden Rechtskontrolle berufen. 80 Die der nach Art. 9 Abs. 1 G G verfassungsrechtlich geschützten Verbandsautonomie immanente Pflicht zur Selbstkontrolle macht es nicht erforderlich, daß in den Fällen, in denen mehrere rechtlich vertretbare Entscheidungen existieren, die Auswahl letztverbindlich durch die zur Kontrolle der pflichtgemäßen Aufgabenwahrnehmung i m S i n n e d e s § 9 3 A k t G / d e r § § 1 1 6 , 9 3 A k t G insbesondere berufenen Aufsichtsräte/Aktionäre getroffen wird. Es würde vielmehr die verfassungsrechtlich vorgegebene Funktionentrennung zwischen Selbstverwaltung und Selbstkontrolle verletzen, müßten die Aufsichtsräte/Aktionäre es in diesen Grenzfällen im Lichte des Vorwurfs einer pflichtwidrigen Aufgabenwahrnehmung im Sinne des § 93 AktG/der § § 1 1 6 , 9 3 A k t G nicht hinnehmen, daß der Vorstand/Aufsichtsrat eine rechtlich vertretbare Entscheidung getroffen hat/treffen wird, auch wenn sie selbst eine andere, aber gleichermaßen rechtlich vertretbare Entscheidung getroffen hätten/treffen würden. Die von den Aufsichtsräten/Aktionären (und den von ihnen in Anspruch genommenen Gerichten) zu klärende Frage kann dann nur lauten, ob der Vorstand/Aufsichtsrat eine rechtlich vertretbare Entscheidung getroffen hat/treffen wird. D a dem Vorstand/Aufsichtsrat in diesen Fällen Entscheidungsfreiräume zustehen, hängt der Vorwurf einer pflichtwidrigen Aufgabenwahrnehmung im Sinne der §§ 9 3 , 1 1 6 A k t G davon ab, ob der Vorstand/Aufsichtsrat die rechtlich relevanten Entscheidungsfehler vermieden hat und/oder vermeiden wird. Diese Betrachtungsweise liegt wenn auch nicht konzeptionell, so doch im Ergebnis auf der Linie von Wissenschaft und Praxis. So führt der Bundesgerichtshof aus: „Eine Kapitalerhöhung mit Sacheinlage ... braucht sich nicht bei rückblikkender Betrachtung als eine zur Erhaltung der Gesellschaft unbedingt gebotene, allein mögliche und darum absolut richtige Maßnahme zu erweisen. Abgesehen davon, daß sich eine solche Feststellung mit völliger Sicherheit kaum jemals treffen läßt, kann es nicht Aufgabe der Gerichte sein, die eigene wirtschaftliche Beurteilung nachträglich an die Stelle einer in freier unternehmerischer Verantwor-

80 Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob die Aufsichtsräte/Aktionäre auch bei einer pflichtgemäßen Aufgabenwahrnehmung durch den Vorstand im Sinne des § 93 AktG/durch den Aufsichtsrat im Sinne der §§ 116,93 A k t G eingreifen dürfen. So kann der Aufsichtsrat einen sonstigen wichtigen Grund im Sinne des § 84 Abs. 3 A k t G geltend machen und können die Aktionäre nach § 103 A k t G Aufsichtsratsmitglieder auch aus anderen Gründen abberufen.

86

2. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des

Aufsichtsrats

tung beschlossenen, sachlich abgewogenen Entscheidung zu setzen." 81 In der Literatur wird zudem auf die Problematik des „verzerrten Rückblicks" (hindsight bias) hingewiesen. Die Gerichte müssen die angegriffenen Entscheidungen ex ante beurteilen, tun dies jedoch in Kenntnis der mittlerweile eingetretenen Tatsachen. In der psychologischen Entscheidungsforschung hat sich herausgestellt, daß Menschen rückblickend die Möglichkeiten erheblich überschätzen, Ergebnisse ex ante vorauszusehen. Sie sehen das, was geschehen ist, als das an, was zwangsläufig geschehen mußte. Das Wissen um das Geschehene läßt im Nachhinein die Umstände, die auf den später tatsächlich eingetretenen Verlauf hingedeutet haben, bedeutsamer erscheinen als die Umstände, die auf einen anderen Verlauf hingewiesen haben. Die Figur des unternehmerischen Ermessens schütze davor, daß der Richter im Hinblick auf eine ex ante pflichtgemäße Entscheidung zu dem Fehlurteil verleitet werde, die Entscheidung sei pflichtwidrig gewesen. 82 5. Ergebnis Nach alledem ist durch Auslegung der einer Entscheidung zugrundeliegenden Befugnisnorm zu ermitteln, ob (und inwieweit) dem Vorstand/Aufsichtsrat Einschätzungsprärogativen und/oder Ermessensspielräume zuzubilligen sind. Die entscheidende Frage lautet dabei, ob der Vorstand/Aufsichtsrat bei der Bestimmung der (für diesen Entscheidungstyp inhaltlich konkretisierten) Handlungsvoraussetzung/Handlungsvoraussetzungen (Analyse des Handlungsbedarfs) zumindest ein unstrukturiertes hochkomplexes Problem einzuschätzen hat und/ oder bei der Wahrnehmung der (für diesen Entscheidungstyp inhaltlich konkretisierten) Handlungsbefugnis (Entwicklung und Bewertung von Handlungsprogrammen und abschließende Auswahl eines Handlungsprogramms) zumindest ein unstrukturiertes hochkomplexes Problem zu bewältigen hat. Diese Auslegung zielt auf die Feststellung, ob es (insoweit) keine eindeutig richtige, sondern nur eine plausible und realistische Beurteilung der Erforderlichkeit/Gebotenheit eines Vorhabens (Handlungsrechtfertigung) und/oder ob es keine eindeutig richtige, sondern nur eine erfolgversprechende und sachgemäße Entschließung über das „ob" und „wie" der Realisierung des Vorhabens (Handlungsentschluß/ Handlungsinhalt) gibt. Bei der Frage nach Entscheidungsfreiräumen des Aufsichtsrats stellt sich mit Blick auf die Wahrnehmung des Überwachungsauftrags des § 111 Abs. 1 AktG allerdings ein besonderes Problem. Es beruht auf dem kongruenten Charakter der Überwachung. Jede Überwachung setzt einen Überwachungsgegenstand vor-

BGH BGHZ 71, S.40, 49f. - Kali + Salz. Fleischer ZIP 2004, S.685, 686; Eisenberg Der Konzern 2004, S.386, 393f.; Schneider 2005, S. 707, 708f. 81 82

DB

A.

Ansatzpunkt

87

aus. 83 Der Überwachungsauftrag des §111 Abs.l AktG bezieht sich auf die zu überwachenden Handlungen des Vorstands. Im Hinblick auf die Entscheidungsfreiräume des Aufsichtsrats lautet die kritische Frage, ob die dem Vorstand zuzubilligenden Entscheidungsfreiräume dazu führen, daß dem Aufsichtsrat bei der Überwachung dieser Entscheidungen des Vorstands ebenfalls Entscheidungsfreiräume zuerkannt werden müssen. Dieser Befund macht deutlich, daß die Frage nach Entscheidungsfreiräumen des Aufsichtsrats nicht unabhängig von der Frage nach Entscheidungsfreiräumen des Vorstands im Überwachungsbereich des Aufsichtsrats und von der Bestimmung der Überwachungsaufgabe des Aufsichtsrats aufgrund des § 111 Abs. 1 AktG beantwortet werden kann.

83

Siehe dazu von Werder zfbf Sonderheft 36.96, S. 27,50 und Theisen, Unternehmensführung, S.5ff.,39ff„ 54ff.

B. Vorstand Der Aufsichtsrat hat nach den §§111 Abs. 1, 116, 93 Abs. 1 AktG die Geschäftsführung mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters zu überwachen, und der Vorstand hat nach den §§76 Abs. 1, 93 Abs. 1 AktG die Gesellschaft unter eigener Verantwortung mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters zu leiten. Der Wortlaut dieser Vorschriften wirft die Frage auf, ob die Begriffe Geschäftsführung und Leitung trotz unterschiedlicher Wortwahl inhaltlich übereinstimmen, 1 ob die Leitung nur einen Ausschnitt der Geschäftsführung darstellt 2 oder ob die Geschäftsführung nur ein Ausschnitt der Leitung ist.3 Auch wenn im Schrifttum zu dieser Frage unterschiedliche Auffassungen vertreten werden, 4 soll sie an dieser Stelle nicht vertieft werden. Es wird vielmehr davon ausgegangen, daß das Gesetz mit dem Leitungsauftrag des § 76 Abs. 1 AktG nichts anderes erfassen will als die Geschäftsführungsaufgabe im Sinne des Uberwachungsauftrags des § 111 Abs. 1 AktG. 5 Unabhängig von dem Auslegungsstreit herrscht breite Einigkeit darüber, daß der Aufsichtsrat nicht alles, was im Unternehmen geschieht oder nicht geschieht, 6 und erst recht nicht in allen Einzelheiten 7 zu überwachen hat. Der Überwachungsbereich des Aufsichtsrats ist ausgehend von dem Aufgabenbereich, der dem Vorstand nach § 76 Abs. 1 AktG zugewiesen ist, unter Rückgriff auf die Berichtspflichten des Vorstands und des Abschlußprüfers sowie die Informationsbeschaffungsrechte des Aufsichtsrats zu bestimmen. Alles das, aber auch nur das, was der Vorstand zumindest auf Verlangen des Aufsichtsrats (§§ 90 Abs. 1, 90 Abs. 3,170 Abs. 1 und Abs. 2, 314 Abs. 1 Satz 1 AktG 8 ; unternehmens1

Semler, Überwachung, S. 8. Mertens, Kölner Kommentar, §111 Rdn. 12; Mutter, Entscheidungen, S.32; zustimmend Abeltshauser, Leitungshaftung, S.28f., anders dann aber auf S.29f., 32f., wo er die Leitung wohl mit der Geschäftsführung gleichsetzt. 3 Theisen, Unternehmensführung, S.48. 4 Vgl. nur die Darstellung und die Nachweise bei Semler, Überwachung, S. 5 ff. und Mutter, Entscheidungen, S.30ff. sowie Mertens, Kölner Kommentar, §76 Rdn. 4. 5 Semler, Überwachung, S. 8; vgl. auch Theisen, Unternehmensführung, S. 47. 6 Semler, Überwachung, S. 61; vgl. auch Mutter, Entscheidungen, S.31. 7 Mertens, Kölner Kommentar, §111 Rdn. 12. 8 Die dem § 170 Abs. 1 AktG zugrundeliegenden Vorschriften über den Abschluß und den Lagebericht standen im Zentrum der Reformbemühungen. Hervorzuheben sind an dieser Stelle nur die Risikoorientierung in Lagebericht und Anhang (Art. 2 Nr. 3 und Nr. 5 KonTraG 4/1998 und Art. 1 Nr. 9 und Nr. 19 bzw. Nr. 5 und Nr. 18 BilReG 12/2004), die Internationalisierung des 1

B. Vorstand

89

interne Informationsordnung) und was der Abschlußprüfer dem Aufsichtsrat zu berichten hat (§ 321 H G B 9 ) sowie was der Aufsichtsrat vermittels pflichtgemäßer Wahrnehmung seiner Informationsbeschaffungsrechte ( § § 1 0 9 Abs. 1 Satz 2, 111 A b s . 2 Satz 1 und Satz 2 , 1 7 1 Abs. 1 Satz 2, 314 A b s . 4 A k t G 1 0 ) erfahren kann und aufgrund seines informellen Informationsnetzes tatsächlich erfährt, m u ß der Aufsichtsrat auch überwachen. 1 1 Dies gilt unabhängig davon, o b und inwieweit der Vorstand die im konkreten Fall fragliche M a ß n a h m e selbst vorgenommen hat oder zur Erledigung auf die nachgelagerten Führungs-/Hierarchieebenen delegiert hat, denn die Berichtspflicht und die Verantwortung liegen in jedem Fall beim Vorstand. 1 2 Konzernabschlusses durch §292a HGB (Art. 1 Nr.4 KapAEG 4/1998; Art. 1 Nr. 10 KapCoRiLiG 2/2000; aufgehoben durch Art.l Nr. 11 BilReG 12/2004) und §315 a HGB (eingeführt durch Art. 1 Nr. 20 BilReG 12/2004), die Erweiterung des Konzernabschlusses durch Ergänzung des §297 Abs. 1 HGB (Art.2 Nr.4 KonTraG 4/1998; Art.2 Nr.4 TransPuG 7/2002; Art. 1 Nr. 15 BilReG 12/2004) und die Möglichkeit, statt des Jahresabschlusses einen nach Maßgabe des § 315a HGB aufgestellten und mit einem dem Bestätigungsvermerk entsprechenden Vermerk versehenen Einzelabschluß offenzulegen (Art.l Nr.28 und 29 BilReG 12/2004). §170 Abs.l Satz 2 AktG ist durch das Bilanzrechtsreformgesetz dementsprechend erneut (Art. 1 Nr. 24a KonTraG 4/1998 und Art. 1 Nr. 17 TransPuG 7/2002) geändert worden; Art.4 Nr.2 BilReG 12/2004. 9 Siehe dazu auch Ziff. 7.2.3 des Deutschen Kodex. § 321 HGB stand im Zentrum der Reformbemühungen. Er wurde durch das Kontroll- und Transparenzgesetz neu gefaßt; Art. 2 Nr. 9 KonTraG 4/1998. Durch das Transparenz- und Publizitätsgesetz wurden §321 Abs. 1 Satz 3 und Abs.2 Satz 1 HGB geändert, die Aufgliederungs- und Erläuterungspflicht nach §321 Abs.2 HGB konkretisiert und in §321 Abs.2 HGB die Verpflichtung aufgenommen, auch über Beanstandungen zu berichten, die nicht zur Einschränkung oder Versagung des Bestätigungsvermerks geführt haben, aber für die Überwachung von Bedeutung sind; Art. 2 Nr. 21 TransPuG 7/2002. Durch das Bilanzrechtsreformgesetz ist §321 Abs.2 Satz 3 HGB erneut geändert und §321 Abs. 3 HGB dahin erweitert worden, daß auch auf die angewandten Rechnungslegungsund Prüfungsgrundsätze einzugehen ist; Art 1 Nr. 25 BilReG 12/2004. Zudem ist er durch § 321a HGB ergänzt worden, der eine Offenlegung der Prüfungsberichts in besonderen Fällen gegenüber Gläubigern und Gesellschaftern vorsieht und dem Abschlußprüfer die Erläuterung des Prüfungsberichts ihnen gegenüber gestattet; Art 1 Nr. 26 BilReG 12/2004. 10 § 171 ist durch das Bilanzrechtsreformgesetz ein neuer Absatz 4 angefügt worden: „Die Absätze 1 bis 3 gelten auch hinsichtlich eines Einzelabschlusses nach § 325 Abs. 2a des Handelsgesetzbuchs. Der Vorstand darf den in Satz 1 genannten Abschluß erst nach dessen Billigung durch den Aufsichtsrat offenlegen"; Art.4 Nr.3 BilReG 12/2004. 11 Siehe zu § 90 AktG Semler, Überwachung, S. 61 ff., 66ff.; zu den §§ 90,111 Abs. 2 Satz 1,170 Abs.l Satz 1, 314 Abs.l Satz 1 AktG und dem informellen Informationssystem Mutter, Entscheidungen, S. 37ff.; zu § 111 Abs. 2 Satz 1 AktG und zur Abschlußprüfung Roth AG 2004, S. 1, 7f., 8; zur Informationsordnung Dreher, Corporate Governance, S.33, 52ff. und Ziff. 3.4 des Deutschen Kodex sowie Ziff. II.2.2 und II.2.3 des Berliner Kodex. Siehe zu dem gesamten Problemkreis auch Mertens, Kölner Kommentar, § 111 Rdn. 12. 12 Semler, Überwachung, S. 17ff., 66ff.; Mutter, Entscheidungen, S. 33ff. Der Streit, ob und inwieweit der Aufsichtsrat einzelne Vorstandsmitglieder, leitende Angestellte oder sonstige Mitarbeiter überwachen darf oder muß (siehe dazu jüngst Roth AG 2004, S. 1,2, 5f., 8f., 9f.), soll hier nicht vertieft werden. Es wird davon ausgegangen, daß diese Frage zu verneinen ist, weil dem Aufsichtsrat insoweit vor allem die Grundlagen für eine Überwachung fehlen. Im Falle der Delegation bezieht sich die Berichtspflicht (zunächst) auf die konkrete Maßnahme. Die Verantwortung des Vorstands beruht aber nicht auf der Zurechnung von Fehlern der einzelnen Vorstands-

90

2. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des

I. Die Führungsaufgabe

Aufsichtsrats

des Vorstands

Den Ausgangspunkt für die Bestimmung des Uberwachungsbereichs des Aufsichtsrats bildet der Aufgabenbereich, der dem Vorstand nach § 7 6 Abs. 1 A k t G zugewiesen ist, und damit die Führungsaufgabe des Vorstands. 13 In den Aufgabenbereich des Vorstands fallen damit alle Maßnahmen, grundlegende Vorhaben und laufende Tagesgeschäfte, die zur erfolgreichen, am Unternehmensgegenstand und den in der Satzung zum Ausdruck kommenden Zielvorstellungen orientierten Entwicklung des Unternehmens notwendig sind, soweit sie nicht aufgrund der gesetzlichen Kompetenzordnung dem Aufsichtsrat oder der Hauptversammlung zugewiesen sind. 14 Das ist unabhängig davon, ob und inwieweit der Vorstand diese Maßnahmen selbst vornimmt und vornehmen muß oder zur Erledigung auf die nachgelagerten Führungs-/Hierarchieebenen delegiert und delegieren darf. 15 Im Fall eines größeren, komplexen und arbeitsteilig organisierten Unternehmens muß der Vorstand allerdings diejenigen zentralen Leitungs- und Uberwachungsaufgaben selbst wahrnehmen, die dem Vorstand eines solchen Unternehmens nach dem jeweiligen Stand der Erkenntnis normalerweise und typischerweise obliegen: Der Vorstand muß durch Festlegung der unternehmensinternen Rahmendaten die Richtung der Unternehmensaktivitäten vorgeben und das U n ternehmen in juristischer und betriebswirtschaftlicher Hinsicht so organisieren, daß die Entwicklung und die unternehmensinterne Umsetzung seiner Vorgaben unterstützt werden, insbesondere ein internes Steuerungs- und Überwachungssystem einrichten (strategische und unternehmensorganisatorische Entscheidungen des Vorstands). E r muß die gesetzten unternehmensinternen Rahmendaten selbst durch einzelfallbezogene Festlegungen ausfüllen, wenn und soweit das betreffende operative Problem im Zuge des laufenden Tagesgeschäfts nicht steuermitglieder, leitenden Angestellten oder sonstigen Mitarbeiter, sondern auf seinen eigenen - zumeist organisatorischen - Versäumnissen, die diese Fehler ermöglicht haben. Daher muß der Aufsichtsrat einen besonderen Bericht nach § 90 Abs. 3 AktG anfordern, um festzustellen, ob der Vorstand die ihm insoweit obliegenden Rechtspflichten im Sinne des §93 AktG erfüllt hat, und um gegebenenfalls eine Mängelbeseitigung zu erreichen; siehe dazu nur Semler und Mutter aaO. 13 Siehe dazu jüngst Fleischer ZIP 2003, S. 1, 1 ff., 3, 4ff. 14 Abeltshauser, Leitungshaftung, S. 32f.; Semler, Überwachung, S. 8ff., 13ff. Die Zielentscheidungen des Vorstands spielen in der rechtswissenschaftlichen Diskussion nur eine untergeordnete Rolle. Sie beziehen sich auf das Formalziel des Unternehmens (den Zweck der Gesellschaft), etwa Gewinnerzielung, und nicht auf das Sachziel des Unternehmens (Unternehmensgegenstand), etwa Herstellung und Vertrieb von Kraftfahrzeugen, mit dessen Hilfe das Formalziel erreicht werden soll; vgl. dazu von Werder zfbf Sonderheft 36.96, S.27, 44ff. Im übrigen ist das Formalziel typischerweise die langfristige Wertschöpfung und nachhaltige Steigerung des Unternehmenswerts; vgl. dazu Ziff. 1.2 des Berliner Kodex und Ziff. I des Frankfurter Kodex. Die Konkretisierung dieses Unternehmensziels durch den Vorstand fällt in den Bereich der strategischen Entscheidungen, da sie „durch die Festlegung der grundlegenden Strategien zur Zielerreichung" erfolgt, siehe dazu Ziff. III.2.2 des Berliner Kodex. 15 Siehe dazu jüngst Fleischer ZIP 2003, S. 1, 1 ff., 3, 7ff.

B. Vorstand

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bar ist (operative Entscheidungen des Vorstands). D e r Vorstand muß weiter die Vorbereitung und Ausführung der von ihm getroffenen Entscheidungen durch die Funktionsträger auf den nachgelagerten Führungs-/Hierarchieebenen (insbesondere die konkretisierenden Planungs- und Detailentscheidungen) und ihren Erfolg überwachen. Dasselbe gilt für die unternehmensorganisatorischen und operativen Entscheidungen der Funktionsträger auf den nachgelagerten F ü h rungs-/Hierarchieebenen sowie ihre Vorbereitung, ihre Ausführung und ihren Erfolg. E r m u ß dazu insbesondere das interne Steuerungs- und Überwachungssystem einsetzen und Stichprobenkontrollen durchführen, um die Funktionsfähigkeit des Systems und die Verläßlichkeit der Funktionsträger auf den nachgelagerten Führungs-/Hierarchieebenen zu kontrollieren. 1 6 D e r Vorstand muß zudem seine eigene Tätigkeit so organisieren, daß er die genannten Aufgaben optimal wahrnehmen und mit dem Aufsichtsrat effizient zusammenarbeiten kann (selbstorganisatorische Entscheidungen des Vorstands). D e r Vorstand m u ß den Erfolg dieser Entscheidungen und die eigenständige Tätigkeit der Vorstandsausschüsse überwachen. Jedes Vorstandsmitglied m u ß die Tätigkeit der ihm zugeordneten Stabsstellen und der jeweils anderen Ressortleiter sowie der ihnen zugeordneten Stabsstellen überwachen. 1 7 D e r Vorstand soll schließlich regelmäßig eine Selbstevaluation durchführen. 1. Strategische E n t s c h e i d u n g e n D e r Vorstand m u ß mit den strategischen Entscheidungen die groben M a ß n a h menkategorien vorgeben, aus denen im operativen Tagesgeschäft die zielbezogenen Detailhandlungen abzuleiten sind. Die Geschäftsfeldstrategie legt fest, auf welchen Geschäftsfeldern das Unternehmen tätig werden soll. Sie werden jeweils durch die Art der angebotenen Problemlösungen und des anvisierten Käufersegments definiert. D i e Geostrategie bestimmt die Standorte und die räumliche Reichweite der Unternehmensaktivitäten. E s geht um die Entscheidung, welche der geschäftsfeldstrategisch vorgezeichneten Aufgaben (etwa Produktions- und Absatzaufgaben) in welchen Regionen bzw. an welchen Standorten anzusiedeln sind. D i e Wettbewerbsstrategien heben die besonderen Stärken hervor, mit denen sich das U n t e r n e h m e n auf dem jeweiligen Geschäftsfeld profilieren will (etwa relativ günstige Kostensituation oder ausgeprägte Kundennähe). Funktionalstrate-

16 Vgl. dazu: Ziff. III.2 des Berliner Kodex; von Werder zfbf Sonderheft 36.96, S.27, 43 ff.; Theisen, Unternehmensführung, S.49ff., 56ff.; Potthoff, Geschäftsführung, S. 15f., 71 ff., 155ff.; Götz AG 1995, S.337, 338f.; Semler, Überwachung, S. 17ff., 66ff.; Mutter, Entscheidungen, S.33ff.; Fleischer ZIP 2003, S. 1, 5f. 17 Vgl. dazu: Ziff. III.3.2-3.5 des Berliner Kodex; von Werder zfbf Sonderheft 36.96, S.27, 60ff.; Potthoff, Geschäftsführung, S. 14,41 ff., 48ff.; Götz AG 1995, S. 337,338f.; Mertens, Kölner Kommentar, §77 Rdn. 12ff., 15ff., 39f.

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2. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des

Aufsichtsrats

gien legen die Grundlinien der operativen Entscheidungen entlang der wesentlichen Teilfunktionen eines Unternehmens fest. 18 Zu den strategischen Entscheidungen gehören mithin insbesondere Entscheidungen über Zielkonzeption und Geschäftspolitik (insbesondere über Investitions-, Forschungs-, Entwicklungs-, Beschaffungs-, Produktions- und Lieferprogramme, über Produktionsstätten und Vertriebswege, über Finanzierung und Personalwesen sowie Verwaltung, über Akquisitionen oder Veräußerungen von Tochtergesellschaften, über den Einsatz eigener Mitarbeiter oder die Inanspruchnahme von Fremdleistungen bei notwendigen Erweiterungen, über Rationalisierungsmaßnahmen sowie über langfristige und umfangreiche Liefer- und Abnahmeverträge). 19 2. Operative Entscheidungen Der Vorstand muß mit den operativen Entscheidungen Probleme im Zuge des laufenden Tagesgeschäfts regeln, die nicht vorhersehbar sind und aufgrund ihres Konfliktgehalts den Funktionsträgern auf den nachgelagerten Führungs-/Hierarchiebenen nicht überlassen werden können. Dazu zählen insbesondere Entscheidungen über die Besetzung wichtiger Führungspositionen oder Koordinationsentscheidungen zur Abstimmung interdependenter Aktivitäten verschiedener Unternehmensbereiche. Die operativen Entscheidungen der Funktionsträger auf den nachgelagerten Hierarchieebenen betreffen dagegen die gewöhnliche Wahrnehmung des laufenden Tagesgeschäfts, insbesondere die übliche Abwicklung der Güter-, Leistungs- und Geldströme im Unternehmen. 2 0 3. Unternehmensorganisatorische Entscheidungen Der Vorstand muß mit den unternehmensorganisatorischen Entscheidungen das Unternehmen in juristischer und betriebswirtschaftlicher Hinsicht so organisieren, daß die Entwicklung und die unternehmensinterne Umsetzung seiner Vorgaben unterstützt werden. E r muß die gesellschafts- und konzernrechtlichen Merkmale bestimmen und die Aufbau- und Ablauforganisation festlegen, um die Kompetenzen und Kommunikationsbeziehungen der Organisationseinheiten sowie die raum-zeitliche Abfolge der Arbeitsprozesse zu regeln (etwa Aufgabenund Abteilungsgliederung, Leitungssystem und Führungsmodell). 21 E r muß eine leistungsfähige informationelle Infrastruktur schaffen und dazu InformationssyVon Werder zfbf Sonderheft 36.96, S.27, 46f. Diese Entscheidungen werden auch als strukturbestimmende Entscheidungen bezeichnet: Potthoff, Geschäftsführung, S. 16, 155ff.; Semler, Überwachung, S. 44; Mertens, Kölner Kommentar, §76 Rdn.4f. 20 Von Werder zfbf Sonderheft 36.96, S.27, 49f.; Semler, Überwachung, S. 13. 21 Von Werder zfbf Sonderheft 36.96, S. 27, 48f.; Potthoff, Geschäftsführung, S. 94ff. 18

19

B.

Vorstand

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steme einrichten und weiterentwickeln, insbesondere ein Planungssystem und ein internes Steuerungs- und Uberwachungssystem (einschließlich Rechnungswesen, interner Kontrolle, Innenrevision, Risikomanagement und Controlling). 22 Die unternehmensorganisatorischen Entscheidungen der auf den nachgelagerten Führungs-/Hierarchieebenen tätigen Funktionsträger betreffen dagegen die gewöhnlichen Fragen der festgelegten Aufbau- und Ablauforganisation und der eingerichteten Informationssysteme, die sich im Zuge der üblichen Arbeitsabläufe stellen. 4. Selbstorganisatorische Entscheidungen Der Vorstand muß schließlich mit den selbstorganisatorischen Entscheidungen die Voraussetzungen für die Wahrnehmung seiner Aufgaben schaffen, insbesondere die innere Ordnung des Vorstands und die Zusammenarbeit mit dem Aufsichtsrat regeln. Er muß über die Ressortgliederung und die Befugnisse der Ressortleiter, die Einrichtung und Zuordnung von Stabsstellen sowie die Bildung und Besetzung von Vorstandsausschüssen entscheiden (selbstorganisatorische Entscheidungen des Vorstands). Der Vorstand regelt (zumeist in einem Teil der Geschäftsordnung oder in einem Anhang zur Geschäftsordnung) die horizontale Aufgabenverteilung nach technischen und kaufmännischen Funktionsbereichen und/oder Objekten (Produkte, Produktgruppen, Käufergruppen und/oder Regionen) und das Zusammenwirken der für Funktionsbereiche und der für Geschäftsbereiche zuständigen Vorstandsmitglieder. Er legt fest, ob die einzelnen Vorstandsmitglieder in ihren jeweiligen Verantwortungsbereichen eigene Entscheidungsbefugnisse außerhalb des Gesamtorgans (bereichsbezogene Entscheidungsbefugnisse) haben sollen (Ressortgliederung; Geschäftsverteilungsplan). Der Vorstand regelt (zumeist in einem Teil der Geschäftsordnung oder in einem Anhang zur Geschäftsordnung), ob und inwieweit er der Entlastung durch Stabsstellen bedarf, um Entscheidungen informatorisch und beratend vorzubereiten oder zu konkretisieren und auszuführen (ausführen zu lassen). Die gegebenenfalls einzurichtenden Stabsstellen müssen im Rahmen der Ressortverteilung zugeordnet und gegliedert werden (persönliche Stäbe, etwa Assistenten der Vorstandsmitglieder, und/oder Fachstäbe, etwa für Planung oder Betriebswirtschaft). Dabei ist anzumerken, daß Fachstäbe, die typische Querschnittsaufgaben erfüllen (etwa Organisation, Recht, Innenrevision und Controlling), auch für Funktionsträger auf den nachgelagerten Führungs-/Hierarchieebenen tätig sind und in zentrale und nachgelagerte Stabsstellen untergliedert werden müssen. 23 22 Vgl. dazu von Werder zfbf Sonderheft 36.96, S.27, 49, 51 und Potthoff, Geschäftsführung, S.73ff., 12 8 ff. 23 Vgl. dazu: Ziff. III.3.2-3.5 des Berliner Kodex; von Werder zfbf Sonderheft 36.96, S.27, 60ff.; Potthoff, Geschäftsführung, S.14, 41ff., 48ff., 68; Götz A G 1995, S.337, 338f.; Mertens, Kölner Kommentar, § 7 7 Rdn. 12ff., 15ff., 39f.

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2. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des

Aufsichtsrats

5. Internes Steuerungs- und U b e r w a c h u n g s s y s t e m Unter den zentralen Leitungs- und Überwachungsaufgaben haben die sich um das interne Steuerungs- und Uberwachungssystem und insbesondere das Risikomanagement rankenden Aufgaben in der Diskussion um die Verbesserung der Arbeit von Vorständen und Aufsichtsräten im Zuge des Gesetzes zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich eine besondere Bedeutung gehabt (vgl. §91 Abs. 2 A k t G , §§317 Abs. 4, 321 Abs. 4 H G B ) . Diese Informationssysteme erfordern unternehmensorganisatorische Entscheidungen des Vorstands, soweit die Einrichtung und Weiterentwicklung der Systeme betroffen ist, und selbstorganisatorische Entscheidungen des Vorstands, soweit es um ihre Zuordnung im Rahmen der Ressortverteilung geht. Die dem Vorstand zur Verfügung gestellten Informationen sind nicht nur Grundlage der Unternehmensplanung und Unternehmenssteuerung, sondern auch Grundlage der Erfolgskontrolle, dienen mithin sowohl der Leitung als auch der Überwachung durch den Vorstand. 24 Die interne Kontrolle muß gewährleisten, daß alle Vorgänge erfaßt und überprüft, die gewonnenen Informationen aufbereitet und den zuständigen Verantwortlichen zugeleitet werden; dazu gehört auch die sorgfältige Auswahl, Anleitung und Beaufsichtigung derjenigen Personen, die die Kontrollaufgaben wahrnehmen. Soweit die interne Kontrolle auf das Rechnungswesen bezogen ist, fällt sie in die Verantwortung des Finanzvorstands, soweit sie auf die übrigen Funktionen, die im Unternehmen ausgeführt werden, bezogen ist, fällt sie in die Verantwortung der für die jeweiligen zugehörigen Ressorts zuständigen Vorstandsmitglieder. Jedes Vorstandsmitglied trägt mithin die Verantwortung dafür, daß in seinem Ressort eine leistungsfähige interne Kontrolle besteht; es hat die ihm unterstellten Mitarbeiter mit Blick auf die Kontrollaufgaben zu instruieren und zu überwachen. Dabei folgt allerdings aus der Gesamtverantwortung des Vorstands, daß sich jedes Vorstandsmitglied auch davon überzeugen muß, daß in den Nachbarressorts leistungsfähige interne Kontrollen bestehen, die Führungspositionen in diesem Bereich kompetent besetzt sind und die internen Kontrollen unbeeinflußt und unbehindert arbeiten können. 2 5

24 Vgl. dazu von Werder zfbf Sonderheft 36.96, S.27, 49, 51 und Potthoff Geschäftsführung, S. 73ff., 128ff. der auf S. 73f. darauf hinweist, daß das Rechnungswesen im Idealfall eine getreue quantitative und wertmäßige Abbildung des Unternehmens ist. Die Dokumentationsrechnung diene dazu, alle benötigten Informationen zu sammeln, zu ordnen und aufzubereiten (Buchführung und Jahresabschlußrechnung, Kosten- und Erlösrechnung), die Planungsrechnung der betrieblichen Steuerung durch Vorgabe von Zielgrößen, die Erfolgsrechnung der Kontrolle und die Kontrollrechnung der Analyse von Soll-Ist-Abweichungen zwecks künftiger Gestaltung von Zielvorgaben. 25 O L G Köln A G 2001, S.363, 364; Götz A G 1995, S.337, 338, 339; Lück D B 1998, S.8, 10; Potthoff, Geschäftsführung, S. 128ff.; Mertens, Kölner Kommentar, §77 Rdn.20.

B.

Vorstand

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Das Risikomanagement muß eine systematische Identifikation, Analyse, Bewertung und Steuerung der unternehmerischen Risiken aufgrund einer Risikostrategie gewährleisten. Da Risiken grundsätzlich in allen Unternehmensbereichen auftreten können, müssen sämtliche betrieblichen Prozesse und Funktionen einschließlich aller Hierarchiestufen und Stabsfunktionen als Risikofelder erfaßt werden. Aufgrund des engen Sachzusammenhangs zwischen Risikofeldern und Ressortzuständigkeiten (etwa zwischen Kreditmanagement und Kreditrisikomanagement) fällt das Risikomanagement insoweit in die Verantwortung jedes für ein Ressort zuständigen Vorstandsmitglieds, als es um die ressortzugehörigen Risikofelder geht. Jedes Vorstandsmitglied trägt mithin die Verantwortung dafür, daß in seinem Ressort ein leistungsfähiges Risikomanagement einschließlich der darauf bezogenen internen Kontrolle besteht; es hat die ihm unterstellten Mitarbeiter mit Blick auf die Risikomanagement- und Kontrollaufgaben zu instruieren und zu überwachen. Jedes Vorstandsmitglied muß sich überdies davon überzeugen, daß in jedem Nachbarressort ein leistungsfähiges Risikomanagement einschließlich der darauf bezogenen internen Kontrolle besteht, die Führungspositionen in diesem Bereich kompetent besetzt sind und das Risikomanagement einschließlich der darauf bezogenen internen Kontrolle unbeeinflußt und unbehindert arbeiten kann. 26 Die Innenrevision ist für die ordnungsorientierte Überwachung zuständig. Zu ihren Aufgaben zählen Prüfungen im Bereich des Finanz- und Rechnungswesens (Financial Auditing), Prüfungen im organisatorischen Bereich (Operational Auditing), Prüfungen der Managementleistungen (Management Auditing) und insbesondere Systemprüfungen der Planungs- und (sonstigen) Informationssysteme, aber auch Beratung, Begutachtung und Entwicklung von Verbesserungsvorschlägen (Internal Consulting). Die Innenrevision ist eine selbständige Stabsabteilung mit eigenem Vorstand, weil sie unabhängig sein muß. Die anderen Vorstandsmitglieder müssen sich über die Prüfungsschwerpunkte und Prüfungsergebnisse der Innenrevision informieren und sich davon überzeugen, daß eine leistungsfähige Innenrevision besteht, die Führungspositionen in diesem Bereich kompetent besetzt sind und die Innenrevision unbeeinflußt und unbehindert arbeiten kann. 27 Das Controlling ist für die zielorientierte Koordinierung der Planung und Kontrolle mit der Informationsversorgung zwecks sachgerechter und zielorientierter Unternehmensplanung und Unternehmenssteuerung zuständig. Es sorgt für einen zeitnahen und zuverlässigen Fluß von aufbereiteten Informationen über alle Geschäftsvorfälle mit Darstellung ihrer ergebnismäßigen und finanzwirt26 Vgl. dazu: Ziff. 7f. des I D W PS 340; L G Berlin A G 2002, S. 682, 683f. - H y p o t h e k e n b a n k u n d dazu Preußner/Zimmermann A G 2002, S . 6 5 7 , 6 6 1 f.; O L G Köln A G 2001, S. 363,364; Mertens, Kölner Kommentar, § 7 7 R d n . 2 0 . 27 Götz A G 1995, S.337, 338; Pottboff, Geschäftsführung, S.128ff.; Lück D B 1998, S.8, 10; Mertens, Kölner Kommentar, § 77 Rdn. 20.

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2. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des

Aufsichtsrats

schaftlichen Auswirkungen zu den Entscheidungsträgern, damit sie das Unternehmen zielorientiert an Umweltänderungen anpassen und die dazu erforderlichen Steuerungsmaßnahmen treffen können. Das Controlling ist wie die Innenrevision eine selbständige Stabsabteilung mit eigenem Vorstand, weil es ebenfalls unabhängig sein muß. Die anderen Vorstandsmitglieder müssen sich davon überzeugen, daß ein leistungsfähiges Controlling besteht, die Führungspositionen in diesem Bereich kompetent besetzt sind, die Controllingabteilung unbeeinflußt und unbehindert arbeiten kann und die relevanten Daten vollständig, zuverlässig, zeitnah und managementgerecht aufbereitet werden. 28

II. Der Überwachungsbereich

des

Aufsichtsrats

Ausgehend von dem Aufgabenbereich, der dem Vorstand nach § 76 Abs. 1 AktG zugewiesen ist, wird der Überwachungsbereich des Aufsichtsrats unter Rückgriff auf die Berichtspflichten des Vorstands und des Abschlußprüfers sowie die Informationsbeschaffungsrechte des Aufsichtsrats bestimmt. 1. Nicht delegierbare Aufgaben des Vorstands im Lichte des §90 AktG Nach § 90 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AktG ist über die beabsichtigte Geschäftspolitik und andere grundsätzliche Fragen der Unternehmensplanung (insbesondere die Finanz-, Investitions- und Personalplanung) zu berichten, wobei auf Abweichungen der tatsächlichen Entwicklung von früher berichteten Zielen unter Angabe von Gründen einzugehen ist. Nach § 90 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 3 AktG ist über die Rentabilität der Gesellschaft und insbesondere die Rentabilität des Eigenkapitals, den Gang der Geschäfte und insbesondere den Umsatz sowie die Lage der Gesellschaft, nach § 90 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AktG über Geschäfte, die für die Rentabilität oder Liquidität der Gesellschaft von erheblicher Bedeutung sein können, zu berichten. Nach § 90 Abs. 1 Satz 2 AktG erstrecken sich diese Berichtspflichten auch auf Tochter- und Gemeinschaftsunternehmen, wenn die Gesellschaft ein Mutterunternehmen im Sinne von §290 HGB ist. Nach §90 Abs. 1 Satz 3 AktG ist aus sonstigen wichtigen Anlässen, insbesondere über dem Vorstand bekanntgewordene geschäftliche Vorgänge bei verbundenen Unternehmen, die erheblichen Einfluß auf die Lage der Gesellschaft haben können, zu berichten; es handelt sich dabei um nach § 90 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 AktG nicht berichtspflichtige Vorgänge.29 28 Götz AG 1995, S.337, 338, 347; Lück BB 1998, S.8,10f.; Potthoff Geschäftsführung, S.76, 129; Mertens, Kölner Kommentar, §77 Rdn.20. 29 §90 AktG hat im Zentrum der Reformbemühungen gestanden. Durch das Kontroll- und Transparenzgesetz wurde der Terminus „künftige Geschäftsführung" durch den Terminus „Unternehmensplanung" ersetzt und mit dem Klammerzusatz konkretisiert; Art. 1 Nr. 8 KonTraG

B.

Vorstand

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D e r Ü b e r w a c h u n g s b e r e i c h des A u f s i c h t s r a t s e r f a ß t d e m n a c h die u n t e r q u a l i t a t i v e n G e s i c h t s p u n k t e n n i c h t d e l e g i e r b a r e n A u f g a b e n des V o r s t a n d s . D a z u z ä h l e n die g r u n d l e g e n d e n E n t s c h e i d u n g e n ü b e r Z i e l k o n z e p t i o n , O r g a n i s a t i o n ,

Füh-

rungsgrundsätze,

For-

Geschäftspolitik

(insbesondere

über

Investitions-,

schungs-, Entwicklungs-, Beschaffungs-, Produktions- und

Lieferprogramme,

über Produktionsstätten und Vertriebswege, über Finanzierung und Personalwesen sowie Verwaltung, über Akquisitionen oder Veräußerungen v o n Tochterges e l l s c h a f t e n , ü b e r d e n E i n s a t z e i g e n e r M i t a r b e i t e r o d e r die I n a n s p r u c h n a h m e v o n Fremdleistungen bei notwendigen Erweiterungen, über Rationalisierungsmaßn a h m e n sowie ü b e r langfristige u n d umfangreiche Liefer- u n d A b n a h m e v e r t r ä g e ) u n d ü b e r die B e s e t z u n g d e r d e m V o r s t a n d u n m i t t e l b a r n a c h g e o r d n e t e n rungs-/Hierarchieebene

s o w i e die s o n s t i g e n E n t s c h e i d u n g e n m i t

Füh-

besonderer

T r a g w e i t e f ü r die V e r m ö g e n s - , F i n a n z - , E r t r a g s - u n d B e s c h ä f t i g u n g s l a g e o d e r die m i t t e l - o d e r l a n g f r i s t i g e E n t w i c k l u n g des U n t e r n e h m e n s . 3 0 4/1998. Diese Neuregelung sollte klarstellenden Charakter haben und die besondere Bedeutung der Aufsichtsratstätigkeit hinsichtlich der Unternehmensplanung unterstreichen; Begründung zu Art. 1 Nr. 6 RegE KonTraG 11/1997. Siehe dazu die Stellungnahme des Deutschen Anwaltsvereins, wonach es keine gesetzliche Pflicht des Vorstands gibt, eine Mehrjahresplanung oder gar eine ausgearbeitete langfristige strategische Planung auszuarbeiten und dem Aufsichtsrat vorzulegen; ZIP 1997, S. 163, 164. Durch das Transparenz- und Publizitätsgesetz wurde aufgenommen, daß auch auf Abweichungen der tatsächlichen Entwicklung von früher berichteten Zielen unter Angabe von Gründen einzugehen ist (§90 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AktG), die Regelberichterstattung nach §90 Abs. 1 Satz 1 AktG wurde bei Mutterunternehmen (§290 Abs. 1 und Abs. 2 H G B ) auf Tochterunternehmen und Gemeinschaftsunternehmen (§310 Abs. 1 H G B ) erstreckt (§90 Abs. 1 Satz 2 AktG), es wurde geregelt, daß die Berichte nach § 9 0 Abs. 1 und Abs. 3 AktG möglichst rechtzeitig und mit Ausnahme des Berichts nach § 90 Abs. 1 Satz 3 AktG in der Regel schriftlich zu erstatten sind (§90 Abs. 4 Satz 2 AktG), das in den §§90 Abs. 3 Satz 2, 110 Abs. 2 AktG enthaltene Erfordernis, daß sich ein weiteres Aufsichtsratsmitglied dem Berichts- bzw. Einberufungsbegehren anschließen muß, wurde gestrichen; Art. 1 Nr. 5, 8a TransPuG 7/2002 und dazu Begründung zu Art. 1 Nr. 5, 8a RegE TransPuG 2/2002 sowie Kommissionsbericht Rdn.24, 21, 25f., 27, 30f. 30 Semler, Überwachung, S.lOf., 11 f., 13ff., 43ff., 17ff., 66ff. und insbesondere S.61ff., wonach mit §90 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1-3 AktG die Unternehmensplanung, die Unternehmenskoordinierung (Organisation und Abstimmung) und die Unternehmenskontrolle, mit § 90 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 A k t G auch Geschäfte mit besonderer wirtschaftlicher Tragweite für das Unternehmen und mit § 90 Abs. 1 Satz 3 AktG auch Änderungen in der Besetzung der dem Vorstand unmittelbar nachgeordneten Führungs-/Hierarchieebene erfaßt werden. Vor diesem Hintergrund spricht viel dafür, Änderungen in der Selbstorganisation des Vorstands ebenfalls dem §90 Abs. 1 Satz 3 AktG zuzuordnen; vgl. auch Mertens, Kölner Kommentar, § 90 Rdn. 39, § 111 Rdn. 12, der ernsthafte Störungen der Zusammenarbeit im Vorstand der Berichtspflicht des § 90 Abs. 1 Satz 3 AktG unterwerfen will, und der betont, der Aufsichtsrat müsse sich davon überzeugen, daß die Vorstandsmitglieder sachgerecht zusammenarbeiten. Denkbar ist allerdings auch ein Umkehrschluß: Wenn der Aufsichtsrat eine Geschäftsordnung für den Vorstand erlassen darf, muß er erst recht eine vom Vorstand erlassene Geschäftsordnung überwachen dürfen. Wenn der Aufsichtsrat auf die Zusammensetzung des Vorstands einwirken darf, muß er erst recht auf die Befugnisse und das Zusammenwirken der Vorstandsmitglieder einwirken dürfen. Dies hätte zur Konsequenz, daß der Vorstand die von ihm erlassene Geschäftsordnung dem Aufsichtsrat vorlegen muß, damit dieser seine Rechte wahrnehmen kann. Siehe zu den nicht delegierbaren Aufgaben des Vor-

98

2. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des

Aufsichtsrats

Die nicht delegierbaren Aufgaben des Vorstands werden ausgehend von der Führungsaufgabe des Vorstands nach funktionalen Kriterien und nach Erheblichkeitsgesichtspunkten bestimmt: Zu den in der Betriebswirtschaftslehre hervorgehobenen Funktionen der Unternehmensführung zählen die Unternehmensplanung (Zielsetzung und mittel-/langfristige Festsetzung der Unternehmenspolitik), die unternehmerische Koordinierung (Organisation, Abstimmung und Kontrolle der mit Führungsaufgaben ausgestatteten Teilbereiche des Unternehmens) und die Besetzung von Führungsstellen im Unternehmen. 3 1 Zu den in der Rechtswissenschaft hervorgehobenen Entscheidungen von besonderer wirtschaftlicher Tragweite für das Unternehmen zählen diejenigen Entscheidungen, die nach ihrem Umfang oder Risiko von hoher Bedeutung für die Vermögens-, Finanz-, Ertrags- und Beschäftigungslage sind oder die aufgrund ihrer andauernden Gestaltungswirkung das Unternehmen oder einen Teil des Unternehmens so prägen, daß durch diese Ausrichtung die mittel- oder langfristige Entwicklung des Unternehmens vorgezeichnet wird. 3 2 Die nicht delegierbaren Entscheidungen des Vorstands können, aber müssen nicht Entscheidungen sein, mit denen unstrukturierte hochkomplexe Probleme gelöst werden. Sie werden nicht unter diesem Blickwinkel, sondern im Lichte der Führungsaufgabe des Vorstands unter qualitativen Gesichtspunkten bestimmt. 3 3 Sie betreffen zwar einerseits die in der Betriebswirtschaftslehre hervorgehobenen Aufgaben der Unternehmensführung (wenn auch lediglich insoweit, als sie dem Vorstand durch die gesetzliche Kompetenzordnung zugewiesen sind) und damit stands auch: Mertens, Kölner Kommentar, §76 Rdn. 4 f.; Mutter, Entscheidungen, S. 15ff., 32ff.; Abeltshauser, Leitungshaftung, S.9, 29, 32f.; Potthoff, Geschäftsführung, S. 16, 155ff.; Fleischer ZIP 2003, S . 1 , 6 , 8f. 31 Mertens, Kölner Kommentar, § 76 Rdn. 5; Semler, Überwachung, S. 10f., 13ff.; Mutter, Entscheidungen, S. 15ff.; Abeltshauser, Leitungshaftung, S.29, 32f., der auf S. 10, 30, 34f. kritisch daraufhin weist, daß dieses Kriterium auch auf bestimmte Aufsichtsrats- und Hauptversammlungskompetenzen zutrifft; Fleischer ZIP 2003, S. 1, 4. 32 Mutter, Entscheidungen, S.20f.; vgl. auch Mertens, Kölner Kommentar, § 7 6 Rdn. 5 und Semler, Überwachung, S. 11 f., 43ff.; kritisch Abeltshauser, Leitungshaftung, S.29, der darauf hinweist, daß dieses Kriterium auch auf bestimmte Aufsichtsrats- und Hauptversammlungskompetenzen zutrifft. 33 Mutter, Entscheidungen, S. 14f., 27, der auf S.27 betont, daß wesentliche Kennzeichen der „unternehmerischen Entscheidung" im Sinne „einer Auswahl einer unternehmerischen Handlungsmöglichkeit von besonderer wirtschaftlicher Tragweite aus mehreren Handlungsalternativen" die (nur) regelmäßige Notwendigkeit zur Entscheidung unter Unsicherheit, die (nur) vielfache Ausrichtung auf die Zukunft sowie die (nur) häufig hohe Komplexität seien; Semler, Überwachung, S. 10ff., 13ff., 43ff., der auf S. 43ff. mit Blick auf „unternehmerische Entscheidungen" zwischen Struktur- und Initiativentscheidungen (Änderung der Unternehmensstruktur und selbständiges unternehmerisches Agieren) einerseits, die stets nicht delegierbare Entscheidungen des Vorstands sein sollen, und schlichten Ablauf- und Anpassungsentscheidungen (Rahmenund Einzelentscheidungen zur Abwicklung des laufenden Geschäfts und Reagieren auf veränderte äußere Umstände) andererseits, die nur im Ausnahmefall nicht delegierbare Entscheidungen des Vorstands sein sollen, unterscheidet; vgl. dazu auch Mertens, Kölner Kommentar, § 76 Rdn. 5.

B.

Vorstand

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auch unstrukturierte hochkomplexe Probleme. Sie erfassen andererseits Aufgaben, die von besonderer wirtschaftlicher Tragweite für das Unternehmen und dem Vorstand durch die gesetzliche Kompetenzordnung zugewiesen sind, und damit auch klar strukturierte Probleme. 2. Delegierbare Aufgaben des Vorstands im Lichte des §90 A k t G Nach § 90 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AktG ist über Geschäfte, die für die Rentabilität oder Liquidität der Gesellschaft von erheblicher Bedeutung sein können, nach § 90 Abs. 1 Satz 3 AktG aus sonstigen wichtigen Anlässen, insbesondere über dem Vorstand bekanntgewordene geschäftliche Vorgänge bei verbundenen Unternehmen, die erheblichen Einfluß auf die Lage der Gesellschaft haben können, zu berichten. Nach §90 Abs. 3 AktG ist auf Verlangen des Aufsichtsrats über Angelegenheiten der Gesellschaft, ihre Beziehungen zu verbundenen Unternehmen und geschäftliche Vorgänge bei verbundenen Unternehmen, die erheblichen Einfluß auf die Lage der Gesellschaft haben können, und damit über nach § 90 Abs. 1 AktG nicht berichtspflichtige Vorgänge zu berichten. Der Uberwachungsbereich des Aufsichtsrats umfaßt demnach auch einen Ausschnitt aus den unter qualitativen Gesichtspunkten delegierbaren Aufgaben des Vorstands. Dazu zählen die gewöhnliche Wahrnehmung des laufenden Tagesgeschäfts, insbesondere die übliche Abwicklung der Güter-, Leistungs- und Geldströme im Unternehmen, die gewöhnlichen Fragen der festgelegten Aufbau- und Ablauforganisation und der eingerichteten Informationssysteme, die sich im Zuge der üblichen Arbeitsabläufe stellen, sowie die Vorbereitung und Ausführung der nicht delegierbaren Entscheidungen des Vorstands. 34 Die delegierbaren Aufgaben des Vorstands werden ausgehend von dem Inhalt der Führungsaufgabe des Vorstands und unter negativer Abgrenzung von den nicht delegierbaren Aufgaben des Vorstands bestimmt: Es zählen alle Maßnahmen dazu, die die folgenden beiden Voraussetzungen erfüllen: Sie sind zur erfolgreichen, am Unternehmensgegenstand und den in der Satzung zum Ausdruck kommenden Zielvorstellungen orientierten Entwicklung des Unternehmens notwendig und nicht durch die gesetzliche Kompetenzordnung dem Aufsichtsrat oder der Hauptversammlung zugewiesen. 35 Sie sind keine nicht delegierbaren Aufgaben des Vorstands, weil sie weder zu den in der Betriebswirtschaftslehre hervorgehobenen Funktionen der Unternehmensführung noch zu den in der 34 Semler, Überwachung, S. 10f., 11 f., 13ff., 43ff., 17ff., 66ff. und insbesondere S.61ff., wonach mit § 90 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AktG auch Geschäfte mit Bedeutung für Liquidität oder Rentabilität, aber ohne besondere wirtschaftliche Tragweite für das Unternehmen sowie mit § 90 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 3 AktG auch bzw. nur sonstige Vorgänge ohne besondere wirtschaftliche Tragweite für das Unternehmen erfaßt werden. Siehe zu den delegierbaren Aufgaben des Vorstands auch: Mertens, Kölner Kommentar, § 76 Rdn. 5; Abeltshauser, Leitungshaftung, S. 29, 32f.; Fleischer ZIP 2003, S. 1, 6, 8f. 35 Abeltshauser, Leitungshaftung, S.32f.; Semler, Überwachung, S. 8ff., 13ff.

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2. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des

Aufsichtsrats

Rechtswissenschaft hervorgehobenen Entscheidungen von besonderer wirtschaftlicher Tragweite für das Unternehmen gehören. Die delegierbaren Entscheidungen des Vorstands können, aber müssen nicht Entscheidungen sein, mit denen unstrukturierte hochkomplexe Probleme gelöst werden. Denn sie werden nicht unter diesem Blickwinkel, sondern im Lichte der Führungsaufgabe des Vorstands unter qualitativen Gesichtspunkten bestimmt. 3 6 Sie betreffen einerseits die in der Betriebswirtschaftslehre nicht hervorgehobenen Aufgaben der Unternehmensführung, soweit sie dem Vorstand durch die gesetzliche Kompetenzordnung zugewiesen sind, und damit auch unstrukturierte hochkomplexe Probleme. Sie erfassen andererseits Aufgaben, die ohne besondere wirtschaftliche Tragweite für das Unternehmen und dem Vorstands durch die gesetzliche Kompetenzordnung zugewiesen sind, und damit auch klar strukturierte Probleme. 3. Aufgaben des Vorstands im Lichte ergänzender Berichtspflichten Die unternehmensinterne Informationsordnung, die Vorlagepflichten des Vorstands nach den §§ 170 Abs. 1 und Abs.2, 314 Abs. 1 Satz 1 A k t G und des A b schlußprüfers nach §321 H G B und die Informationsbeschaffungsrechte des Aufsichtsrats nach den §§ 109 Abs. 1 Satz 2, 111 A b s . 2 Satz 1 und Satz 2, 171 Abs. 1 Satz 2, 314 A b s . 4 A k t G ergänzen das Berichtssystem des § 9 0 Abs. 1 und Abs.3 AktG.37 Die unternehmensinterne Informationsordnung dient nicht nur dazu, die Informationsversorgung nach § 90 Abs. 1 und Abs. 3 A k t G auszugestalten und Einzelheiten der Informationsversorgung nach § 90 Abs. 1 und Abs. 3 A k t G festzuschreiben. Der Aufsichtsrat konkretisiert mit dem Erlaß einer Informationsordnung auch den über die gesetzliche Regelinformation hinausgehenden unternehmensspezifischen Informationsbedarf. Auch wenn dieser weitgehend von den Umständen des Einzelfalls abhängt, dürften doch die Daten zur Unternehmensplanung und Soll/Ist- und Früher/Jetzt-Vergleichsberichte zu bestimmten U n ternehmensdaten sowie Zwischeninformationen über wichtige Unternehmenskennzahlen typischerweise zu den regelmäßigen und standardisierbaren relevanten Informationen zählen. Die rechtliche Zulässigkeit der Informationsordnung 36 Mutter, Entscheidungen, S.14f., 27; Semler, Überwachung, S. 10ff., 13ff., 43ff., der auf S. 43ff. mit Blick auf „unternehmerische Entscheidungen" zwischen Struktur- und Initiativentscheidungen (Änderung der Unternehmensstruktur und selbständiges unternehmerisches Agieren) einerseits, die niemals delegierbare Entscheidungen des Vorstands sein sollen, und schlichten Ablauf- und Anpassungsentscheidungen (Rahmen- und Einzelentscheidungen zur Abwicklung des laufenden Geschäfts und Reagieren auf veränderte äußere Umstände) andererseits, die regelmäßig delegierbare Entscheidungen des Vorstands sein sollen, unterscheidet; vgl. dazu auch Mertens, Kölner Kommentar, § 76 Rdn. 5 37 Dreher, Corporate Governance, S.33, 51 f., 52f., 55f.; Mutter, Entscheidungen, S.38f., 51 f., 52f., 53ff.

B. Vorstand

101

folgt daraus, daß das Gesetz mit dem Berichtssystem des § 90 Abs. 1 und Abs. 3 AktG nur Mindestanforderungen regelt. Wegen des sich im Zeitablauf ändernden unternehmensspezifischen Informationsbedarfs empfiehlt es sich, die Informationsordnung nicht in die Satzung, sondern in eine vom Aufsichtsrat nach § 77 Abs. 2 Satz 1 AktG für den Vorstand erlassene Geschäftsordnung aufzunehmen. Dieses Vorgehen ist von dem Recht des Aufsichtsrats gedeckt, nicht nur das Zusammenwirken des Vorstands, sondern auch die Zusammenarbeit des Vorstands mit dem Aufsichtsrat zu gestalten.38 Die Vorlagepflichten des Vorstands nach den §§170 Abs.l und Abs.2, 314 Abs. 1 Satz 1 AktG und des Abschlußprüfers nach den §321 HGB sowie die Informationsbeschaffungsrechte des Aufsichtsrats nach den §§171 Abs.l Satz 2, 314 Abs.4 AktG ergänzen die Berichtspflichten des Vorstands nach §90 Abs.l Satz 1 Nr. 2 und Nr. 3 AktG und nach § 90 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 3 AktG. Der Abschluß (Jahresabschluß, Konzernabschluß, Einzelabschluß), der Lagebericht, der Gewinnverwendungsvorschlag und der Abhängigkeitsbericht des Vorstands sowie der Prüfungsbericht des Abschlußprüfers dokumentieren die Wahrnehmung der Führungsaufgabe durch den Vorstand im Berichtsjahr.39 Die Informationsbeschaffungsrechte des Aufsichtsrats nach den §§ 109 Abs. 1 Satz 2,111 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 AktG, insbesondere das Recht, einen Wirtschaftsprüfer als Sachverständigen zur Beratung über einzelne Geschäftsvorgänge beizuziehen oder mit der Prüfung eines bestimmten Geschäftsvorgangs zu beauftragen, stellen die Funktionsfähigkeit des Berichtssystems des § 90 Abs. 1 und Abs. 3 AktG sicher. Nach der Konzeption des Gesetzes übt der Aufsichtsrat seine Überwachung grundsätzlich aufgrund der ihm vom Vorstand vermittelten Informationen aus. Das Recht, aus konkretem Anlaß unabhängig vom Vorstand Informationen über Geschäftsvorgänge zu erlangen, kompensiert die Gefahr, daß der Vorstand die dem Aufsichtsrat zufließenden Informationen einseitig steuert. Die Informationsbeschaffungsrechte eröffnen dem Aufsichtsrat die Möglichkeit, die Informationen des Vorstands auf ihre Richtigkeit und/oder Plausibilität zu überprüfen. Sie setzen zugleich den Vorstand unter faktischen Druck, den Aufsichtsrat wahrheitsgemäß und umfassend zu unterrichten. 40

III. Die Entscheidungsfreiräume Überwachungsbereich des

des Vorstands im Aufsichtsrats

Betrachtet man den Uberwachungsbereich des Aufsichtsrats, so stehen im Uberwachungsbereich des Aufsichtsrats nicht nur Leitungs-, sondern auch UberwaDreher, Corporate Governance, S.33, 52ff. Mertens, Kölner Kommentar, §90 Rdn. 35; Mutter, Entscheidungen, S. 51. 40 Mertens, Kölner Kommentar, § 111 Rdn. 42; Mutter, Entscheidungen, S. 39, 52f.; vgl. auch Dreher, Corporate Governance, S.33, 51 f., 55f. und Roth AG 2004, S. 1, 7ff. 38 39

102

2. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des Aufsichtsrats

chungsfreiräume des Vorstands in Frage. D e r Vorstand ist im Überwachungsbereich des Aufsichtsrats zunächst etwa für die beabsichtigte Geschäftspolitik und andere grundsätzliche Fragen der Unternehmensplanung (§ 90 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 A k t G ) und damit für die strategischen Entscheidungen und für die grundlegenden unternehmensorganisatorischen Entscheidungen zuständig. E s k o m m e n die Geschäfte, die für die Rentabilität oder Liquidität der Gesellschaft von besonderer Bedeutung sein können und die einem Zustimmungsvorbehalt unterliegen (§§ 90 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 , 1 1 1 Abs. 4 Satz 2 A k t G ) , hinzu und damit insbesondere die grundlegenden operativen Entscheidungen. 4 1 D e r Vorstand ist außerdem für die Rentabilität der Gesellschaft, insbesondere die Rentabilität des Eigenkapitals, für den Gang der Geschäfte, insbesondere den U m s a t z , für die Lage der Gesellschaft und für die sonstigen Geschäftsverhältnisse (§ 90 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Nr. 3, Satz 3, Abs. 3 A k t G ) sowie für die Erstellung des Abschlusses, des Lageberichts, des

Gewinnverwendungsvorschlags

und des Abhängigkeitsberichts

(§§170

Abs. 1 und A b s . 2 , 314 A b s . l Satz 1 A k t G ; § § 1 7 1 A b s . l und A b s . 4 , 314 A b s . 2 Satz 1 und A b s . 4 A k t G ; § § 1 7 1 A b s . 2 Satz 3 und Satz 5 sowie A b s . 4 , 3 1 4 A b s . 2 Satz 2 A k t G ; § § 1 7 1 A b s . 2 Satz 4 und Satz 5 sowie A b s . 3 Satz 3 und A b s . 4 , 314 A b s . 3 A k t G 4 2 ; § 3 2 1 A b s . l bis A b s . 3 und A b s . 5 Satz 2 H G B ) verantwortlich. Darin spiegeln sich der Erfolg der von ihm getroffenen Entscheidungen und der konkretisierenden Planungs- und Detailentscheidungen sowie der sonstigen E n t scheidungen der Funktionsträger auf den nachgelagerten Führungs-/Hierarchieebenen. 4 3 D e r Vorstand m u ß schließlich ein internes Steuerungs- und Ü b e r w a 41 Vgl. Mutter, Entscheidungen, S.48,131, der mit Blick auf §90 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AktG betont, daß die strategische Unternehmensplanung wesentlicher Teil der Unternehmensführungsaufgabe des Vorstands ist; Mertens, Kölner Kommentar, §90 Rdn. 33, betont mit Blick auf §90 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AktG, die beabsichtigte Geschäftspolitik umfasse die unternehmensstrategische Konzeption des Vorstands und die Grundzüge der operativen Umsetzung dieser Konzeption. 42 Vorlagepflicht nach § 170 Abs. 1 AktG, Prüfungspflicht nach § 171 Abs. 1 AktG, Stellungnahme- und Einwendungspflicht nach §171 Abs.2 AktG sind durch das Bilanzrechtsreformgesetz auf den Einzelabschluß nach §325 Abs. 2a H G B erstreckt worden (§170 Abs. 1 Satz 2, 171 Abs.4 AktG); Art.4 Nr.2 und Nr.3 BilReG 12/2004. 43 Semler, Überwachung, S.84ff., 145, führt mit Blick auf §90 Abs.l Satz 1 Nr.2 AktG aus, der Vorstand sei verpflichtet, den Aufsichtsrat über nachhaltig verlustbringende Geschäftszweige und deren Entwicklung zu unterrichten. Der Aufsichtsrat könne nur noch nachträglich feststellen, welcher Erfolg dem Unternehmen beschieden gewesen sei, die Ergebnisse der Geschäftspolitik aber nicht mehr beeinflussen. Er könne lediglich Folgerungen für den Jahresabschluß ziehen und über Maßnahmen zur Verbesserung der zukünftigen Rentabilität nachdenken. Er betont mit Blick auf § 90 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AktG, der Vorstand müsse insbesondere über bestimmte Standziffern (Auftragsbestand, Vorräte, Forderungen, kurzfristige Bankschulden usw.) berichten; Mertens, Kölner Kommentar, §90 Rdn.35ff., führt mit Blick auf §90 Abs.l Satz 1 Nr.2 AktG aus, der Rentabilitätsbericht habe alle maßgeblichen Rentabilitätskennziffern zum Inhalt, außer der Eigenkapitalrendite also auch den cash flow, die Umsatzrentabilität und die Gesamtkapitalrendite. Er betont mit Blick auf §90 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AktG, es sei insbesondere ein detailliertes Bild des Geschäftsganges (Inland, Ausland, Sparten, Produktgruppen) und der Umsatzentwicklung zu vermitteln, auf die Marktlage einzugehen sowie auf wichtige Besonderheiten des

B.

Vorstand

103

chungssystem einrichten, aufrechterhalten, weiterentwickeln und überwachen (vgl. § 91 Abs. 2 AktG, § 321 Abs. 4 und Abs. 5 Satz 2 HGB) und auf der Grundlage der zur Verfügung gestellten Informationen die Unternehmensaktivitäten planen und steuern sowie die Erfolgskontrolle vornehmen. 44 Vor diesem Hintergrund stellt sich nun die Frage nach dem Vorliegen von Entscheidungsfreiräumen des Vorstands im Uberwachungsbereich des Aufsichtsrats. Die entscheidende Frage lautet, ob die Auslegung des den hier interessierenden Entscheidungen zugrundeliegenden §76 Abs.l AktG ergibt, daß der Vorstand bei der Bestimmung der (für die einzelnen Entscheidungstypen inhaltlich konkretisierten) Handlungsvoraussetzung/Handlungsvoraussetzungen zumindest ein unstrukturiertes hochkomplexes Problem einzuschätzen hat und/oder daß der Vorstand bei der Wahrnehmung der (für die einzelnen Entscheidungstypen inhaltlich konkretisierten) Handlungsbefugnis zumindest ein unstrukturiertes hochkomplexes Problem zu bewältigen hat. 1. Nicht delegierbare Aufgaben des Vorstands Betrachtet man zunächst die nicht delegierbaren Aufgaben des Vorstands, so erfüllen die dabei zu treffenden Entscheidungen alle die genannten Voraussetzungen, und zwar sowohl im Hinblick auf die Analyse des Handlungsbedarfs als auch im Hinblick auf die Entwicklung und Bewertung von Handlungsprogrammen und die abschließende Auswahl eines Handlungsprogramms. Dies liegt an der Eigenart dieser Entscheidungen 45 und zeigt sich besonders deutlich an den Zielen, die mit diesen Entscheidungen verfolgt werden. Geschäftsverlaufs und auf außergewöhnliche Risiken für die weitere Entwicklung hinzuweisen. Er nennt mit Blick auf § 90 Abs. 1 Satz 3 AktG als Beispiele etwa eine erhebliche Betriebsstörung, eine Gefährdung größerer Außenstände und ernsthafte Störungen der Zusammenarbeit im Vorstand. 44 Siehe zur Überwachung durch Vorstand und Aufsichtsrat nur Götz A G 1995, S.337, 338, 347f. In der Betriebswirtschaftslehre wird zu den hervorgehobenen Funktionen der Unternehmensführung mit der unternehmerischen Koordinierung die Organisation, Abstimmung und Kontrolle der mit Führungsaufgaben ausgestatteten Teilbereiche des Unternehmens gezählt (Mertens, Kölner Kommentar, §76 Rdn.5; Semler, Überwachung, S. 10f., 13ff.; Mutter, Entscheidungen, S. 15ff.; Abeltshauser, Leitungshaftung, S. 32f.). Dazu ist an dieser Stelle anzumerken, daß sich die Überwachungsaufgabe des Vorstands nicht nur auf die delegierten Führungsaufgaben erstreckt, sondern auch auf die nicht delegierbaren Führungsaufgaben, und zwar etwa im Rahmen des Controllings auf die Unternehmensplanung und im Rahmen des Management Auditings auf die Managementleistungen; so richtig Abeltshauser, Leitungshaftung, S. 33, der von „Selbst-Überwachung von Grundlagenentscheidungen und unternehmenspolitischen Konzepten" spricht, und von Werder zfbf Sonderheft 36.96, S.27, 50f., der die „sachlogischen Kontrollaufgaben der Unternehmungsleitung, die die eigenen Entscheidungen des Top-Managements zum Gegenstand haben," und die „verhaltensbedingten Überwachungsmaßnahmen," die „den Bereich der delegierten Handlungen" betreffen, unterscheidet. 45 Roth, Ermessen, S. 77ff. will im Hinblick auf die Vorstandstätigkeit auf das Kriterium der unternehmerischen Entscheidung verzichten - und das vor diesem Hintergrund auch nicht ganz zu Unrecht.

104

2. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des Aufsichtsrats

Die strategischen Entscheidungen des Vorstands sollen die erfolgreiche, am Unternehmensgegenstand und den in der Satzung zum Ausdruck k o m m e n d e n Zielvorstellungen orientierte Entwicklung des Unternehmens sicherstellen. Sie sollen zugleich bei möglichst geringem Aufwand einen möglichst hohen Ertrag gewährleisten und in der gegebenen geschäftlichen Situation im Verhältnis zu anderen Entscheidungsmöglichkeiten den größtmöglichen Erfolg versprechen, w o bei das geschäftliche Ergebnis, die Verhältnismäßigkeit des Einsatzes der nötigen Mittel, die Wahrscheinlichkeit der Zielerreichung und das Ausmaß möglicher R i siken zu berücksichtigen sind. 4 6 D i e unternehmensorganisatorischen Entscheidungen des Vorstands sollen zur optimalen Leistungsfähigkeit des Unternehmens beitragen, indem sie ein möglichst ausgeglichenes Verhältnis von Beständigkeit und Anpassungsfähigkeit des Unternehmens (der Eigenschaft, auf gleichartige oder ähnliche Vorgänge standardisiert und auf andere Vorgänge flexibel zu reagieren) erreichen, und zwar bei möglichst geringem Mitteleinsatz. 4 7 Sie sollen zugleich möglichst weitgehend sicherstellen, daß überall die Vorgaben beachtet, die Ergebnisse an den angestrebten Zielen gemessen und alle das Vermögen schützenden Maßnahmen getroffen werden, und zwar ebenfalls bei möglichst geringem Mitteleinsatz. 4 8 D i e operativen Entscheidungen des Vorstands dienen der Lösung nicht vorhersehbarer Probleme im Zuge des laufenden Tagesgeschäfts mit h o h e m Konfliktgehalt. Sie sollen in der gegebenen geschäftlichen Situation im Verhältnis zu anderen Entscheidungsmöglichkeiten den größtmöglichen Erfolg versprechen, wobei das geschäftliche Ergebnis, die Verhältnismäßigkeit des Einsatzes der nötigen Mittel, die Wahrscheinlichkeit der Zielerreichung und das Ausmaß möglicher Risiken zu berücksichtigen sind. Die selbstorganisatorischen Entscheidungen des Vorstands sollen zur optimalen Funktionsfähigkeit des Vorstands beitragen, indem sie eine Organisation schaffen, die gemessen an der G r ö ß e und dem Z w e c k des Unternehmens und den K o m p e t e n z e n und der Haltung der Vorstandsmitglieder möglichst funktional

2. D e l e g i e r b a r e A u f g a b e n des Vorstands Betrachtet man dagegen die Aufgaben, die der Vorstand zwar nicht selbst wahrnehmen, über die er aber berichten muß, so ist zu differenzieren. N u r die konkretisierenden Planungs- und Detailentscheidungen 5 0 und die Entscheidungen über

46 47 48 49 50

Vgl. Semler, Überwachung, S.23ff., 110f., l l l f . Potthoff, Geschäftsführung, S.94ff. Potthoff, Geschäftsführung, S. 128ff. Potthoff; Geschäftsführung, S.41ff., 48ff. Siehe dazu von Werder zfbf Sonderheft 36.96, S.27, 43ff.

B. Vorstand

105

die Bilanzpolitik und die Gewinnverwendung 51 , nicht aber die gewöhnlichen operativen und unternehmensorganisatorischen Entscheidungen erfüllen die genannten Voraussetzungen, und zwar im Hinblick auf die Analyse des Handlungsbedarfs und im Hinblick auf die Entwicklung und Bewertung von Handlungsprogrammen und die abschließende Auswahl eines Handlungsprogramms. Dies liegt an der Eigenart dieser Entscheidungen 52 und zeigt sich besonders deutlich an den Zielen, die mit diesen Entscheidungen verfolgt werden. Die konkretisierenden Planungsentscheidungen sind den strategischen und unternehmensorganisatorischen Entscheidungen des Vorstands, die konkretisierenden Detailentscheidungen der Ausführung der strategischen und unternehmensorganisatorischen Entscheidungen des Vorstands vorgeschaltet, und sie teilen daher ihre Eigenarten. 53 Bei den Entscheidungen über die Bilanzpolitik und die Gewinnverwendung spielen auch steuerliche Erwägungen und die künftige Unternehmensplanung eine entscheidende Rolle. 5 4 Demgegenüber erfordern die gewöhnlichen operativen und unternehmensorganisatorischen Entscheidungen, die die Wahrnehmung des laufenden Tagesgeschäfts betreffen und sich im Zuge der üblichen Arbeitsabläufe stellen, typischerweise die Bewältigung klar strukturierter Aufgaben. Denn diese Entscheidungen sind aus den Vorgaben abzuleiten, die der Vorstand mit seinen strategischen und unternehmensorganisatorischen Entscheidungen gegeben hat. 55 3. Ergebnis Die Auslegung des den hier interessierenden Entscheidungen zugrundeliegenden § 7 6 Abs. 1 A k t G ergibt, daß dem Vorstand jedenfalls im Hinblick auf bestimmte Entscheidungstypen Leitungs- und Überwachungsfreiräume zustehen. Es ist der Vorstand, der die ihm mit § 76 Abs. 1 A k t G abverlangten Leitungs- und Überwachungsentscheidungen - soweit die festgestellten Leitungs- und Überwachungsfreiräume reichen - kraft eigener verbandsrechtlicher Legitimation zu treffen hat, und zwar mit der Konsequenz, daß insoweit der Vorwurf einer pflichtwidrigen Aufgabenwahrnehmung im Sinne des § 93 A k t G ausgeschlossen ist.

Siehe dazu Mutter, Entscheidungen, S. 147ff. Roth, Ermessen, S. 77ff. will im Hinblick auf die Vorstandstätigkeit auf das Kriterium der unternehmerischen Entscheidung verzichten - und das vor diesem Hintergrund auch nicht ganz zu Unrecht. 53 Vgl. von Werder zfbf Sonderheft 36.96, S.27, 43 und Mutter, Entscheidungen, S. 18. 54 Vgl. Mutter, Entscheidungen, S. 147ff. 55 Siehe zu diesen Vorstandsentscheidungen von Werder zfbf Sonderheft 36.96, S. 27,43f., 46f. („Richtungs- und Infrastrukturentscheidungen") und auch Semler, Überwachung, S.44 („ablaufbestimmende Entscheidungen"). 51 52

C. Aufsichtsrat Die Frage nach Entscheidungsfreiräumen des Aufsichtsrats setzt nicht nur voraus, daß die Entscheidungsfreiräume des Vorstands im Überwachungsbereich des Aufsichtsrats bestimmt werden. Vielmehr muß auch die damit kongruente Überwachungsaufgabe des Aufsichtsrats aufgrund des § 111 Abs. 1 A k t G konkretisiert werden. Der Auftrag, die Geschäftsführung mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters zu überwachen (§§111 A b s . l , 116, 93 AktG), wirft dabei zwei zentrale Fragen auf. Es geht darum, was unter Überwachung zu verstehen ist und - daran anknüpfend - ob alle dem Aufsichtsrat im einzelnen zugewiesenen Aufgaben dazu dienen, Überwachungsfunktionen im Sinne des § 111 Abs. 1 A k t G wahrzunehmen.

I. Die Überwachungsaufgabe des Aufsichtsrats aufgrund §111 Abs.l AktG

des

Mit Blick auf den Überwachungsauftrag des § 111 Abs. 1 A k t G stellt sich mithin zunächst das Problem, wie der Überwachungsbegriff zu konkretisieren ist. Dies wirft die vieldiskutierte Frage auf, wie sich die Begriffe Überwachung, Kontrolle, Prüfung und Beratung zueinander verhalten, und insbesondere, ob sie inhaltlich übereinstimmen, im Verhältnis zueinander ein Mehr oder Weniger oder etwas Verschiedenes beinhalten. 1. Ü b e r w a c h u n g , Kontrolle, Prüfung und Beratung Dieses Problem könnte nur terminologischer Art zu sein. Denn auf den ersten Blick scheint es lediglich darum zu gehen, wie die Begriffe Überwachung, K o n trolle, Prüfung und Beratung interpretiert werden. Mit den Begriffen Überwachung, Prüfung und Kontrolle werden in der Betriebswirtschaftslehre spezifische Überwachungsfunktionen beschrieben. K o n trolle ist die prozeßabhängige und Prüfung die prozeßunabhängige Überwachung. Dabei kommt es entscheidend darauf an, ob der Überwachungsträger in den Arbeitsablauf integriert und auch für den überwachten Prozeß (und nicht nur für die Überwachung) verantwortlich ist und deshalb festgestellte Mängel selbst beseitigen darf. Controlling ist die zielorientierte Koordinierung der Planung

C.

Aufsichtsrat

107

und Kontrolle mit der Informationsversorgung zwecks Unternehmenssteuerung. 1 Der Überwachungsauftrag des § 111 Abs. 1 AktG läßt sich mit diesem Verständnis nur schwer erfassen. Die Frage, ob und gegebenenfalls in welchen Fällen der Aufsichtsrat in den Arbeitsablauf integriert und für den überwachten Prozeß verantwortlich ist, ist angesichts der gesetzlichen Kompetenzordnung und der Einwirkungsmöglichkeiten des Aufsichtsrats schwer zu beantworten. Auf der einen Seite sind die Aufgabenbereiche von Vorstand und Aufsichtsrat klar getrennt und übt der Aufsichtsrat seine Überwachung gerade deshalb grundsätzlich nur aufgrund der ihm vom Vorstand vermittelten Informationen aus. Daher befremdet die Vorstellung, er sei in die das zu überwachende Verhalten betreffenden Arbeitsabläufe integriert. Auf der anderen Seite verfügt der Aufsichtsrat jedoch über Einwirkungsmöglichkeiten, so daß der Schluß naheliegt, er sei nicht nur für die Überwachung, sondern auch für die überwachte Führung verantwortlich. Daß der Aufsichtsrat Koordinierungsaufgaben wie eine Controllingabteilung wahrnimmt, ist auf den zweiten Blick weniger abwegig als es auf den ersten Blick scheint. Denn bei dem Aufsichtsrat laufen Informationen über die Unternehmensplanung (§90 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AktG), einzelne Vorhaben (§§90 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4,111 Abs. 4 Satz 2 AktG), die Geschäftsergebnisse (§§90 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 3, Satz 3 und Abs. 3 AktG, §§ 170 Abs. 1 und Abs. 2,314 Abs. 1 Satz 1 AktG; §§171 Abs. 1 und Abs.4, 314 Abs.2 Satz 1 und Abs.4 AktG; §§171 Abs. 2 Satz 3 und Satz 5 sowie Abs. 4,314 Abs. 2 Satz 2 AktG; §§171 Abs. 2 Satz 4 und Satz 5 sowie Abs. 3 Satz 3 und Abs. 4,314 Abs. 3 AktG; § 321 Abs. 1 bis Abs. 3 und Abs. 5 Satz 2 H G B ) und das interne Steuerungs- und Überwachungssystem (§321 Abs.4 und Abs.5 Satz 2 H G B ) zusammen, er gestaltet seine Informationsversorgung selbst, und er entscheidet aufgrund der erlangten Informationen über den Einsatz seiner Einwirkungsmöglichkeiten. Letztlich können diese Fragen jedoch dahinstehen. Kontrolle, Prüfung und Controlling sind lediglich spezifische Mittel, derer sich der Vorstand bedient, um die Abläufe und Vorgänge im Unternehmen zu überwachen. 2 Daher scheint es auch mit Blick auf die Aufgabenzuweisung des § 111 Abs. 1 AktG jedenfalls zulässig und sachgerecht, den - auch vom Gesetzgeber gewählten - Oberbegriff der Überwachung zu übernehmen. Die Begriffe Überwachung und Beratung können dann weder inhaltlich übereinstimmen noch im Verhältnis zueinander ein Mehr oder Weniger beschreiben. Sie beinhalten vielmehr etwas Verschiedenes. Während sich die Überwachung auf die Tätigkeiten des Vorstands im Überwachungsbereich des Aufsichtsrats bezieht, erstreckt sich die Beratung auf die Tätigkeiten des Vorstands außerhalb des 1 Götz A G 1995, S.337, 338; Lück DB 1998, S.8, 10f.; Dichtl/Issing, Wirtschaftslexikon, S. 1862f., 1067, 1542, 351f.; Theisen, Unternehmensführung, S.5ff., 7ff., 10ff., 14ff., 57ff. 2 Lück DB 1998, S.8, 10; Theisen, U n t e r n e h m e n s f ü h r u n g , S.5ff., 7ff., 10ff., 14ff., 57ff.

108

2. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des Aufsichtsrats

Überwachungsbereichs des Aufsichtsrats. Eine Beratung ist gegeben, wenn der Aufsichtsrat mit Blick auf Tätigkeiten des Vorstands außerhalb des Ü b e r w a chungsbereichs Anregungen gibt, und zwar aus eigener Initiative oder Erfahrung heraus. D e r Vorstand darf dieses Verhalten des Aufsichtsrats als unverbindlichen Rat eines sachverständigen Dritten werten und braucht es nicht als Einwirkung des ihn überwachenden Organs anzusehen. 3 2. Ü b e r w a c h u n g beabsichtigter, laufender u n d a b g e s c h l o s s e n e r V o r g ä n g e A u f den zweiten Blick liegt der Diskussion, wie sich die Begriffe Ü b e r w a c h u n g , Kontrolle, Prüfung und Beratung zueinander verhalten, allerdings mehr als ein terminologisches Problem zugrunde. E s ist die Überwachung beabsichtigter und laufender Vorgänge, die als Beratung 4 beschrieben wird, und die Ü b e r w a c h u n g abgeschlossener Vorgänge, die als nachträgliche Kontrolle 5 bezeichnet wird. D a hinter steckt ein Unterschied zwischen der Überwachung beabsichtigter und laufender Vorgänge und der Ü b e r w a c h u n g abgeschlossener Vorgänge, der durch die unterschiedlichen Interpretationen der Begriffe Überwachung, Kontrolle, Prüfung und Beratung mehr verdeckt als aufgedeckt wird. In den Überwachungsbereich des Aufsichtsrats fallen etwa die beabsichtigte Geschäftspolitik und andere grundsätzliche Fragen der Unternehmensplanung ( § 9 0 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 A k t G ) sowie die Geschäfte, die für die Rentabilität oder Liquidität der Gesellschaft von besonderer Bedeutung sein können, und die einem Zustimmungsvorbehalt unterliegenden Geschäfte (§§ 90 Abs. 1 Satz 1 N r . 4, 111 Abs. 4 Satz 2 A k t G ) . Dabei handelt es sich um beabsichtigte Vorgänge, weil die Entscheidungen des Vorstands entweder noch nicht getroffen sind, sondern erst geplant werden (anstehende Entscheidungen - Planungsphase), oder zwar bereits getroffen sind, sich aber n o c h nicht in Ausführung befinden (getroffene Entscheidungen - Festlegungsphase). 6 In den Überwachungsbereich des A u f 3 Vgl. dazu Semler, Überwachung, S. 141 f., 142f., 150f., 152f. und Mutter, Entscheidungen, S. 41 ff., der - anders als hier - die Beratung als „Mittel zukunftsorientierter Überwachung" (S.43) bzw. als „kontrollierende Begleitung der unternehmerischen Planung des Vorstands" (S. 108) ansieht. Er betont, daß die so verstandene Beratung die Leitungskompetenz des Vorstands unangetastet lassen und sich im Aufgabenfeld des Aufsichtsrats bewegen muß (S. 44) und daß der Aufsichtsrat sich zur Einschätzung der Planungen des Vorstands über die unternehmerische Zukunftsgestaltung des Unternehmens eigene Gedanken machen, aber nicht losgelöst von allen Planungen des Vorstands eine eigene unternehmerische Konzeption äußern darf (S. 44ff.). 4 Mutter., Entscheidungen, S.43, 27f.; Abeltshauser, Leitungshaftung, S.35. 5 Siehe dazu Semler, Überwachung, S. 144. 6 Vgl. Mutter, Entscheidungen, S.40ff., 130ff., der auf S.49 bezüglich §90 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AktG meint, dieser sehe eine Information des Aufsichtsrats vor Vornahme eines bestimmten Geschäfts vor und stehe damit „funktional in einer Mittellage zwischen der vergangenheits- oder bestenfalls gegenwartsbetonten Orientierung auf die derzeitige wirtschaftliche Lage der Unternehmung entsprechend § 90 Abs. 1 Satz 1 Ziff. 2 und 3 AktG und der nachhaltig zukunftsorientierten Beratung des Vorstands aufgrund §§111 Abs.l, 90 Abs.l Satz 1 Ziff. 1 AktG"; Semler, Überwachung, S. 145, der mit Blick auf § 90 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 4 AktG betont, daß es sich

C.

Aufsichtsrat

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sichtsrats fallen außerdem die Rentabilität der Gesellschaft, insbesondere die Rentabilität des Eigenkapitals, der Gang der Geschäfte, insbesondere der Umsatz, die Lage der Gesellschaft und die sonstigen Geschäftsverhältnisse (§90 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Nr. 3, Satz 3, Abs. 3 AktG) sowie der Abschluß, der Lagebericht, der Gewinnverwendungsvorschlag und der Abhängigkeitsbericht (§§170 Abs. 1 und Abs.2, 314 Abs.l Satz 1 AktG; §§171 Abs.l und Abs.4, 314 Abs.2 Satz 1 und Abs.4 AktG; §§171 Abs.2 Satz 3 und Satz 5 sowie Abs.4, 314 Abs.2 Satz 2 AktG; §§171 Abs.2 Satz 4 und Satz 5 sowie Abs.3 Satz 3 und Abs.4, 314 Abs. 3 AktG; § 321 Abs. 1 bis Abs. 3 und Abs. 5 Satz 2 HGB). Dem liegen laufende und abgeschlossene Vorgänge zugrunde, weil die Entscheidungen getroffen sind und sich (bereits und noch) in Ausführung befinden (in Ausführung befindliche Entscheidungen - Realisationsphase) oder umgesetzt worden sind (umgesetzte Entscheidungen - Evaluationsphase). 7 In den Überwachungsbereich des Aufsichtsrats fällt schließlich die Frage, ob der Vorstand ein internes Steuerungs- und Überwachungssystem eingerichtet hat, aufrechterhält, weiterentwickelt und überwacht (vgl. §91 Abs.2 AktG, §321 Abs.4 und Abs.5 Satz 2 HGB) und auf der Grundlage der zur Verfügung gestellten Informationen plant, steuert und die Erfolgskontrolle vornimmt. Davon sind beabsichtigte, laufende und abgeschlossene Vorgänge betroffen. Der Aufsichtsrat behandelt mithin anstehende Entscheidungen und nimmt Einfluß auf laufende (und gegebenenfalls zugleich auf nachfolgende) Entscheidungsprozesse. Er beurteilt getroffene Entscheidungen und führt Änderungen der Entscheidungen oder der Einzelheiten ihrer Ausführung herbei (und nimmt gegebenenfalls zugleich Einfluß auf nachfolgende Entscheidungsprozesse). Er befaßt sich mit in Ausführung befindlichen Entscheidungen und führt Änderungen der Entscheidungen oder der Einzelheiten ihrer Ausführung herbei (und nimmt gegebenenfalls zugleich Einfluß auf nachfolgende Entscheidungsprozesdabei um „Vorgänge, Rechtsgeschäfte und Maßnahmen handelt, die geplant sind und vorbereitet werden"; Mertens, Kölner Kommentar, §90 Rdn.37, führt mit Blick auf §90 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AktG aus, diese Berichte müsse der Vorstand möglichst so rechtzeitig erstatten, daß der Aufsichtsrat vor der Vornahme solcher Geschäfte Stellung nehmen kann, oder unverzüglich nachtragen, wenn die Entscheidung keinen Aufschub dulde. 7 Vgl. Mutter, Entscheidungen, S. 48f., 136f., der mit Blick auf § 90 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2-3 AktG ausführt, diese Berichte dienten vor allem der „Prüfung früherer unternehmerischer Aktivitäten des Vorstands ausweislich der erkennbaren wirtschaftlichen Verfassung der Unternehmung," so daß durch sie der „vergangenheits- oder bestenfalls gegenwartsorientierte Part der Uberwachungsaufgabe des Aufsichtsrats skizziert" werde, bzw. betont, diese Berichte dienten der „Überwachung der derzeitigen wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft," wobei diese „bedingt durch die Anknüpfung an die aktuellen Unternehmensdaten wie Umsatz, Liquidität oder U m satz- bzw. Eigenkapitalrenditen vergangenheitsorientiert" sei, weil „diese Daten lediglich das Spiegelbild früheren unternehmerischen Verhaltens des Vorstands sind"; Semler, Überwachung, S. 145, der mit Blick auf §90 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AktG ausführt, daß es sich dabei um „Vorgänge, Rechtsgeschäfte und Maßnahmen handelt, die abgeschlossen sind und in der Vergangenheit liegen", und mit Blick auf §90 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AktG wohl meint, daß es sich dabei um „Vorgänge, Rechtsgeschäfte und Maßnahmen handelt, die bereits eingeleitet sind, aber noch andauern".

110

2. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des

Aufsichtsrats

se). Der Aufsichtsrat betrachtet umgesetzte Entscheidungen, übt daran Kritik und verhängt Sanktionen (und zieht daraus gegebenenfalls Folgerungen für die Zukunft). 8 a) Überwachung beabsichtigter und laufender

Vorgänge

Für die Antwort auf die Frage, ob der Aufsichtsrat im Rahmen der Überwachung beabsichtigter und laufender Vorgänge mit Blick auf eine zu überwachende anstehende, getroffene oder in Ausführung befindliche Entscheidung des Vorstands die ihm obliegenden Rechtspflichten im Sinne der §§116, 93 AktG erfüllt hat, spielt zunächst einmal notwendigerweise die Frage eine Rolle, ob der Aufsichtsrat davon ausgehen durfte, daß der Vorstand mit der Entscheidung die ihm obliegenden Rechtspflichten im Sinne des §93 AktG (nicht) erfüllt hatte und/oder erfüllen würde. Stand dem Vorstand bei dieser Entscheidung zumindest ein Entscheidungsfreiraum zu und durfte der Aufsichtsrat annehmen, daß der Vorstand eine rechtlich vertretbare Entscheidung getroffen hatte/treffen würde, so könnte es des weiteren entscheidend darauf ankommen, ob der Aufsichtsrat zu dem Schluß kommen durfte, daß er selbst eine andere, aber gleichermaßen rechtlich vertretbare Entscheidung (nicht) getroffen hätte/treffen würde. Es steht außer Streit, daß der Aufsichtsrat in diesen Fällen nicht nur dann berechtigt ist, auf den Vorstand einzuwirken, wenn er davon ausgehen darf, daß der Vorstand keine rechtlich vertretbare Entscheidung getroffen hat/treffen wird, sondern auch dann, wenn er zu dem Schluß kommen darf, daß er selbst eine andere, aber gleichermaßen rechtlich vertretbare Entscheidung getroffen hätte/treffen würde. Der Aufsichtsrat steht in beiden Fällen (zumindest auch) vor der Frage, ob er etwas unternehmen darf, soll oder muß und was er gegebenenfalls unternehmen darf, soll oder muß, um den Vorstand zu veranlassen, die anstehende Entscheidung nicht oder anders zu treffen bzw. die getroffene oder in Ausführung befindliche Entscheidung (oder die Einzelheiten ihrer Ausführung) zu ändern und mit Blick auf die einer Entscheidung nachfolgenden Entscheidungsprozesse von der bisherigen Strategie abzuweichen. In beiden Fällen ist der Aufsichtsrat berechtigt, etwa eine Stellungnahme abzugeben, einen Zustimmungsvorbehalt (ad hoc für ein Einzelgeschäft und vorausschauend für „bestimmte Arten von Geschäften") anzuordnen und/oder auszuüben (§111 Abs. 4 Satz 2 AktG) und/oder auf die Zusammensetzung, die Befugnisse und das Zusammenwirken des Vorstands einzuwirken (§84 Abs. 1 und Abs. 3 AktG, §77 Abs.l Satz 2 iVm. §77 Abs. 2 Satz 1 AktG, §78 Abs. 3 Satz 2 AktG, §77 Abs. 2 Satz 1 AktG). 9

8

Semler, Ü b e r w a c h u n g , S. 81 ff., 144ff.; siehe auch Theisen, U n t e r n e h m e n s f ü h r u n g , S.66. Semler, Ü b e r w a c h u n g , S. 150f., 147f., 148f., U l f . , 112ff., 124ff.; vgl. auch Mutter, Entscheidungen, S.44ff. 9

C.

Aufsichtsrat

111

b) Überwachung abgeschlossener Vorgänge Für die Antwort auf die Frage, ob der Aufsichtsrat im Rahmen der Überwachung abgeschlossener Vorgänge mit Blick auf eine umgesetzte Entscheidung des Vorstands die ihm obliegenden Rechtspflichten im Sinne der §§116, 93 AktG erfüllt hat, spielt zunächst einmal notwendigerweise die Frage eine Rolle, ob der Aufsichtsrat in der Rückschau davon ausgehen durfte, daß der Vorstand mit der Entscheidung die ihm obliegenden Rechtspflichten im Sinne des § 93 AktG (nicht) erfüllt hatte. Stand dem Vorstand bei dieser Entscheidung zumindest ein Entscheidungsfreiraum zu und durfte der Aufsichtsrat in der Rückschau annehmen, daß der Vorstand eine rechtlich vertretbare Entscheidung getroffen hatte, so könnte es des weiteren entscheidend darauf ankommen, ob der Aufsichtsrat in der Rückschau zu dem Schluß kommen durfte, daß er selbst eine andere, aber gleichermaßen rechtlich vertretbare Entscheidung (nicht) getroffen hätte. Denn es steht außer Streit, daß der Aufsichtsrat in diesen Fällen nicht nur dann berechtigt ist, auf den Vorstand einzuwirken, wenn er in der Rückschau davon ausgehen darf, daß der Vorstand keine rechtlich vertretbare Entscheidung getroffen hat, sondern auch dann, wenn er in der Rückschau zu dem Schluß kommen darf, daß er selbst eine andere, aber gleichermaßen rechtlich vertretbare Entscheidung getroffen hätte. In beiden Fällen dient die Einwirkung (zumindest auch) dem Ziel, aus der Entscheidung des Vorstands Folgerungen für die Zukunft zu ziehen: Der Aufsichtsrat steht in beiden Fällen (zumindest auch) vor der Frage, ob er etwas unternehmen darf, soll oder muß und was er gegebenenfalls unternehmen darf, soll oder muß, um den Vorstand zu veranlassen, mit Blick auf die der Entscheidung nachfolgenden Entscheidungsprozesse von der bisherigen Strategie abzuweichen. In beiden Fällen ist der Aufsichtsrat berechtigt, etwa eine Stellungnahme abzugeben, einen Zustimmungsvorbehalt für „bestimmte Arten von Geschäften" anzuordnen (§111 Abs. 4 Satz 2 AktG) und/oder auf die Zusammensetzung, die Befugnisse und das Zusammenwirken des Vorstands einzuwirken (§ 84 Abs. 1 und Abs. 3 AktG, § 77 Abs. 1 Satz 2 iVm. § 77 Abs. 2 Satz 1 AktG, § 78 Abs. 3 Satz 2 AktG, § 77 Abs. 2 Satz 1 AktG). Im ersten Fall steht der Aufsichtsrat (gegebenenfalls) vor der Frage, ob er gegen den Vorstand einen Schadensersatzanspruch geltend machen darf, soll oder muß, damit die der Gesellschaft durch die Entscheidung des Vorstands (gegebenenfalls) zugefügte Vermögenseinbuße ausgeglichen wird. 10 3. Ergebnis Die Entscheidungsprozesse des Aufsichtsrats sind im Rahmen der Überwachung beabsichtigter und laufender Vorgänge und im Rahmen der Überwachung abgeschlossener Vorgänge mithin weitestgehend, wenn auch nicht vollständig iden10

Vgl. Semler, Überwachung, S. 150f., 147f., 148f., Ulf., 112ff., 124ff.

112

2. Teil: Die Entscbeidungsfreiräume

des Vorstands und des Aufsichtsrats

tisch. In beiden Fällen ist die Ü b e r w a c h u n g grundsätzlich (zumindest auch) zukunftsorientiert, weil es (jedenfalls vorrangig) um die Optimierung der U n t e r nehmensführung durch den Vorstand geht (und daneben gegebenenfalls um die Sanktionierung der Unternehmensführung durch den Vorstand). 1 1 D e r A u f sichtsrat steht immer (zumindest auch) vor der Frage, ob er etwas unternehmen darf, soll oder muß und was er gegebenenfalls unternehmen darf, soll oder m u ß , um den Vorstand zu veranlassen, von der zu überwachenden Handlung u n d / o d e r von künftigen derartigen Handlungen Abstand zu nehmen. D e r einzige U n t e r schied zwischen der Ü b e r w a c h u n g beabsichtigter und laufender Vorgänge und der Ü b e r w a c h u n g abgeschlossener Vorgänge ist, daß der Aufsichtsrat nur im zweiten Fall (gegebenenfalls) vor der Frage steht, o b er gegen pflichtwidrig handelnde Vorstandsmitglieder einen Schadensersatzanspruch ( § 9 3 A k t G ) geltend machen darf, soll oder muß. In diesem Fall ist die Überwachung in der Tat rückwärtsgerichtet, weil es nur (und zwar ausschließlich) um den nachträglichen A u s gleich der Konsequenzen der bereits vergangenen Unternehmensführung durch den Vorstand geht. 1 2

II. Die sonstigen Aufgaben

des Aufsichtsrats

M i t Blick auf den Überwachungsauftrag des § 111 Abs. 1 A k t G stellt sich weiter das Problem, o b alle v o m Gesetz dem Aufsichtsrat im einzelnen zugewiesenen Aufgaben dazu dienen, Überwachungsfunktionen im Sinne des § 111 Abs. 1 A k t G wahrzunehmen, oder o b nicht einige dieser Aufgaben dazu dienen, Leitungsfunktionen oder sonstige Überwachungsfunktionen wahrzunehmen. I m Zentrum dieses Problemkreises stehen die Aufgaben des Aufsichtsrats, - über die personelle Zusammensetzung des Vorstands, die Befugnisse und das Zusammenwirken, die Anstellungsverträge und die Bezüge der Vorstandsmitglieder, die Befreiung der Vorstandsmitglieder v o m Wettbewerbsverbot und die Kreditgewährung an Vorstandsmitglieder zu entscheiden (Bestellung und Abberufung von Vorstandsmitgliedern - § 8 4 Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 3, 105 Abs. 2 A k t G ; Regelung der Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnisse der Vorstandsmitglieder - § 7 7 A b s . l Satz 2 iVm. § 7 7 Abs. 2 Satz 1 A k t G , § 7 8 Abs. 3 Satz 2 A k t G ; Erlaß einer Geschäftsordnung für das Zusammenwirken der Vorstandsmitglieder - § 77 Abs. 2 Satz 1 A k t G ; Abschluß und Kündigung der Anstellungsverträge der Vorstandsmitglieder sowie Gewährleistung angemessener Gesamtbezüge der Vorstandsmitglieder - § § 8 4 A b s . l Satz 5 und Abs. 3 Satz 5, 87 A k t G ; Befreiung der Vorstandsmitglieder v o m Wettbewerbsverbot und Kreditgewährung an Vorstandsmitglieder - §§ 88, 89 A k t G ) ,

11 12

Vgl. dazu Semler, Überwachung, S. 148f. und Mutter, Entscheidungen, S. 78ff. Siehe dazu Semler, Überwachung, S. 149.

C.

Aufsichtsrat

113

- Zustimmungsvorbehalte für die Vornahme bestimmter Arten von Geschäften anzuordnen und auszuüben sowie ad hoc Zustimmungsvorbehalte für die Vornahme von Einzelgeschäften anzuordnen und auszuüben (§111 Abs. 4 Satz 2 AktG), - eine Hauptversammlung einzuberufen (§111 Abs. 3 AktG) sowie - am Abschluß, am Lagebericht, am Gewinnverwendungsvorschlag und am Abhängigkeitsbericht mitzuwirken (§§170 Abs.l und Abs.2, 314 Abs. 1 Satz 1 AktG; §§171 Abs.l und Abs.4, 314 Abs.2 Satz 1 und Abs.4 AktG; §§171 Abs. 2 Satz 3 und Satz 5 sowie Abs. 4,314 Abs. 2 Satz 2 AktG; §§171 Abs. 2 Satz 4 und Satz 5 sowie Abs.3 Satz 3 und Abs.4, 314 Abs.3 AktG; §321 Abs. 1 bis Abs. 3 und Abs. 5 Satz 2 HGB). 13 Es geht aber auch um die Aufgabe des Aufsichtsrats, seine Zusammenarbeit mit dem Vorstand und seine eigene Tätigkeit so zu organisieren, daß er die ihm vom Gesetz zugewiesenen Aufgaben optimal ausüben kann. Er muß im Verhältnis zum Vorstand insbesondere eine leistungsfähige informationelle Infrastruktur schaffen und zu diesem Zweck vor allem eine unternehmensinterne Informationsordnung erlassen, in der er die Informationsversorgung nach § 90 Abs. 1 und Abs. 3 AktG ausgestaltet und im einzelnen festzuschreibt und den über die gesetzliche Regelinformation hinausgehenden unternehmensspezifischen Informationsbedarf konkretisiert (§ 77 Abs. 2 Satz 1 AktG). Er muß die „innere Ordnung des Aufsichtsrats" regeln (§§ 107-110, 115,124 Abs. 3 AktG), insbesondere Ausschüsse bilden und besetzen (§§ 107 Abs.3,171 Abs.2 Satz 2 AktG), über die Kreditgewährung an Aufsichtsratsmitglieder entscheiden (§115 AktG) und Vorschläge zur Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern an die Hauptversammlung unterbreiten (§ 124 Abs.3 AktG). Der Aufsichtsrat muß schließlich nicht nur den Erfolg dieser Entscheidungen, sondern auch die eigenständige Tätigkeit der Ausschüsse (vgl. § 107 Abs. 3 Satz 3 AktG) und die Ausführung seiner Beschlüsse durch den Vorstand (vgl. §107 Abs. 3 Satz 1 AktG) überwachen. Er soll eine Selbstevaluation durchführen, und er muß der Hauptversammlung berichten, „in welcher Art und in welchem Umfang er die Geschäftsführung geprüft hat" (§171 Abs.2 Satz 2 AktG). 1. Überwachung und Leitung Hinter der Frage, ob alle vom Gesetz dem Aufsichtsrat im einzelnen zugewiesenen Aufgaben dazu dienen, Überwachungsfunktionen im Sinne des § 111 Abs. 1 AktG wahrzunehmen, oder ob nicht einige dieser Aufgaben dazu dienen, Leitungsfunktionen oder sonstige Überwachungsfunktionen wahrzunehmen, scheint auf den ersten Blick ebenfalls nur ein terminologisches Problem zu stekken. Denn zunächst geht es darum, ob der Überwachungsbegriff im Sinne des 13

Siehe zu diesem Problemkreis Abeltshauser,

Leitungshaftung, S. 10, 28ff., 34ff.

114

2. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des

Aufsichtsrats

§111 A b s . l A k t G weit oder eng zu interpretieren ist. Dabei lautet die entscheidende Frage, ob vom gesetzlichen Leitbild des Aufsichtsrats als Organ zur Uberwachung des Vorstands, dem keine Leitungsaufgaben (oder sonstigen Überwachungsaufgaben) zukommen sollen (vgl. § 111 Abs. 4 Satz 1 AktG), oder vom Leitungs- oder Überwachungscharakter der dem Aufsichtsrat vom Gesetz im einzelnen zugewiesenen Aufgaben auszugehen ist. Vergegenwärtigt man sich den kongruenten Charakter der Überwachung durch den Aufsichtsrat, so kann eine vom Gesetz dem Aufsichtsrat zugewiesene Aufgabe nur dann (stets oder im Einzelfall) Überwachungscharakter haben, wenn der Aufsichtsrat mit der konkreten Wahrnehmung der Aufgabe (stets oder im Einzelfall) eine einen Unternehmensführungsprozeß begleitende Funktion ausübt oder sich von dem Erfolg einer Entscheidung überzeugt. Eine vom Gesetz dem Aufsichtsrat zugewiesene Aufgabe hat mithin (stets oder im Einzelfall) Leitungscharakter, wenn der Aufsichtsrat mit der konkreten Wahrnehmung (stets oder im Einzelfall) weder eine einen Unternehmensführungsprozeß begleitende Funktion ausübt noch sich von dem Erfolg einer Entscheidung überzeugt. Eine vom Gesetz dem Aufsichtsrat zugewiesene Aufgabe hat demgemäß (stets oder im Einzelfall) Überwachungscharakter im Sinne des § 111 Abs. 1 A k t G , wenn der Aufsichtsrat mit der Wahrnehmung (stets oder im Einzelfall) eine einen Unternehmensführungsprozeß des Vorstands begleitende Funktion ausübt oder sich von dem Erfolg einer Entscheidung des Vorstands überzeugt. 14 Eine vom Gesetz dem Aufsichtsrat zugewiesene Aufgabe hat auch dann (stets oder im Einzelfall) Überwachungscharakter, allerdings nicht im Sinne des § 111 Abs. 1 A k t G , wenn der Aufsichtsrat mit der konkreten Wahrnehmung (stets oder im Einzelfall) eine einen Unternehmensführungsprozeß des Aufsichtsrats oder eines seiner Ausschüsse begleitende Funktion ausübt oder sich von dem Erfolg einer eigenen Entscheidung überzeugt. 2. E i n o r d n u n g der Aufgaben Die Aufgaben des Aufsichtsrats, über die personelle Zusammensetzung des Vorstands, die Befugnisse und das Zusammenwirken, die Anstellungsverträge und 14 Demgegenüber kann es nicht auf die „Einwirkungsintensität" und damit darauf ankommen, ob der Aufsichtsrat eine abweichende Auffassung auch dann durchsetzen darf, wenn der Vorstand „die Grenzen kaufmännischen Ermessens" nicht überschreitet; so aber die übliche Differenzierung zwischen der Wahrnehmung von „Uberwachungsfunktionen" und „Mitentscheidungs- und somit Leitungsfunktionen" (vgl. dazu Semler, Überwachung, S. 55 ff., 117ff. und Mertens, Kölner Kommentar, § 111 Rdn. 25 ff.). Denn „selbst wenn bestimmte Maßnahmen dieser Art nur im Zusammenwirken mit anderen Organen vorgenommen werden können, verbleiben wesentliche unternehmerische Funktionen unabdingbar beim Vorstand (Initiativrecht und Ausführung)... die Leitungsfunktionen auch in diesem Falle in seinen Händen"; so zutreffend Abeltshauser, Leitungshaftung, S. 32f., 34f. Siehe dazu auch Mutter, Entscheidungen, S. 116ff., 44ff., der von einer „Verschiebung der Problemdiskussion" spricht.

C.

Aufsichtsrat

115

die Bezüge der Vorstandsmitglieder, die Befreiung der Vorstandsmitglieder vom Wettbewerbsverbot und die Kreditgewährung an Vorstandsmitglieder zu entscheiden, Zustimmungsvorbehalte für die Vornahme bestimmter Arten von G e schäften anzuordnen und eine Hauptversammlung einzuberufen, haben im Einzelfall entweder Leitungscharakter oder Überwachungscharakter im Sinne des §111 Abs. 1 A k t G . D e r Aufsichtsrat kann über diese Maßnahmen im Hinblick auf zu überwachende Handlungen des Vorstands befinden und sie damit als Einwirkungsmöglichkeiten zu Überwachungszwecken nutzen. Der Aufsichtsrat kann über diese Maßnahmen aber auch unabhängig von zu überwachenden Handlungen entscheiden und sie damit als reine Gestaltungsmittel im Hinblick auf die Förderung der Unternehmensaktivitäten einsetzen. Diese Entscheidungen entsprechen den Personalentscheidungen sowie den strategischen, unternehmensorganisatorischen und operativen Entscheidungen des Vorstands. Hier wie dort geht es um die Besetzung von Führungsstellen im Unternehmen, und über §111 Abs. 3 A k t G (Erörterung von Fragen der Geschäftsführung 15 ) und §111 Abs. 4 Satz 2 A k t G (Recht zur „Mitentscheidung" 1 6 ) kann der Aufsichtsrat auf die strategischen, unternehmensorganistorischen und operativen Entscheidungen des Vorstands Einfluß nehmen. Die Aufgaben des Aufsichtsrats, Zustimmungsvorbehalte für die Vornahme bestimmter Arten von Geschäften auszuüben sowie ad hoc Zustimmungsvorbehalte für die Vornahme von Einzelgeschäften anzuordnen und auszuüben und am Abschluß, am Lagebericht, am Gewinnverwendungsvorschlag und am Abhängigkeitsbericht mitzuwirken, haben stets Überwachungscharakter im Sinne des §111 Abs. 1 A k t G . Sie setzen immer eine zu überwachende Handlung des Vorstands voraus, nämlich ein in den Anwendungsbereich des Zustimmungsvorbehalts fallendes Geschäft bzw. die gesetzlich vorgeschriebenen Vorlageberichte. Die Aufgabe des Aufsichtsrats, seine Zusammenarbeit mit dem Vorstand und seine eigene Tätigkeit so zu organisieren, daß er die ihm vom Gesetz zugewiesenen Aufgaben optimal ausüben kann, hat stets Leitungscharakter. Sie knüpft nie an eine zu überwachende Handlung des Vorstands an. Es handelt sich um eine ausschließlich auf die Aufsichtsratstätigkeit bezogene Gestaltungsaufgabe. Diese Entscheidungen gleichen den selbstorganisatorischen Entscheidungen des Vorstands, durch die er insbesondere die innere Ordnung des Vorstands (vor allem die Ressortgliederung und die Vorstandsausschüsse) und die Zusammenarbeit mit dem Aufsichtsrat regelt. Es besteht aber auch eine Parallele zu den unternehmensorganisatorischen Entscheidungen des Vorstands, durch die er den Funktionsträgern auf den nachgelagerten Führungs-/Hierarchieebenen eigenständige Entscheidungsbereiche zuweist und eine leistungsfähige informationelle Infrastruktur schafft. 15 16

Siehe dazu Mutter, Entscheidungen, S. 92. Siehe dazu Semler, Überwachung, S. 120ff., 128ff.

116

2. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des Aufsichtsrats

Die Aufgabe des Aufsichtsrats, die Ausführung seiner Beschlüsse durch den Vorstand zu überwachen, hat stets Uberwachungscharakter im Sinne des § 111 Abs. 1 A k t G . Sie setzt immer eine zu überwachende Handlung des Vorstands voraus, nämlich die Ausführung bzw. Nichtausführung des Aufsichtsratsbeschlusses durch den Vorstand. Die im Rahmen dieser Aufgabe zu treffenden Entscheidungen des Aufsichtsrats entsprechen den Uberwachungsaufgaben des Vorstands, die an die strategischen, unternehmensorganisatorischen und operativen Entscheidungen des Vorstands anknüpfen, die durch die Funktionsträger auf den nachgelagerten Führungs-/Hierarchieebenen vorbereitet und ausgeführt werden. Der Vorstand muß die Vorbereitung und Ausführung seiner Entscheidungen durch die Funktionsträger auf den nachgelagerten Führungs-/Hierarchieebenen überwachen. Die Aufgaben des Aufsichtsrats, nicht nur den Erfolg der Entscheidungen, mit denen er seine Zusammenarbeit mit dem Vorstand und seine eigene Tätigkeit organisiert, sondern auch die eigenständige Tätigkeit der Ausschüsse zu überwachen, eine Selbstevaluation durchzuführen und der Hauptversammlung zu berichten, haben stets Uberwachungscharakter, allerdings nicht im Sinne des § 111 Abs. 1 A k t G . Sie setzen stets zu überwachende Handlungen voraus, und zwar die eigenen Entscheidungen und Aktivitäten des Aufsichtsrats, die Tätigkeit der Ausschüsse und die Prüfungstätigkeit des Aufsichtsrats. Die damit zu treffenden Entscheidungen ähneln zunächst den an die selbstorganisatorischen Entscheidungen des Vorstands anknüpfenden Uberwachungsaufgaben des Vorstands. D e r Vorstand muß den Erfolg der von ihm getroffenen selbstorganisatorischen Entscheidungen, durch die er insbesondere die innere Ordnung des Vorstands (vor allem die Ressortgliederung und die Vorstandsausschüsse) und die Zusammenarbeit mit dem Aufsichtsrats geregelt hat, und die eigenständige Tätigkeit der Vorstandsausschüsse ebenso überwachen wie jedes Vorstandsmitglied die für die anderen Ressorts zuständigen Vorstandsmitglieder. Es liegt zugleich eine Parallele zu den Überwachungsaufgaben des Vorstands vor, die an die unternehmensorganisatorischen Entscheidungen des Vorstands anknüpfen, durch die die den Funktionsträgern auf den nachgelagerten Führungs-/Hierarchieebenen eigenständige Entscheidungsbereiche zugewiesen werden und durch die eine leistungsfähige informationelle Infrastruktur geschaffen wird. Der Vorstand muß den Erfolg dieser Entscheidungen ebenso überwachen wie die eigenständige Tätigkeit der Funktionsträger auf den nachgelagerten Führungs-/Hierarchieebenen. Schließlich soll auch der Vorstand regelmäßig eine Selbstevaluation durchführen. 3. Ergebnis Auf den zweiten Blick liegt allerdings auch der sich um den Uberwachungsauftrag des § 111 Abs. 1 A k t G rankenden Diskussion, ob alle vom Gesetz dem Aufsichtsrat zugewiesenen Rechte dazu dienen, Uberwachungsfunktionen im Sinne

C.

117

Aufsichtsrat

des § 111 Abs. 1 A k t G wahrzunehmen, oder ob nicht einige dieser Rechte dazu dienen, Leitungsfunktionen oder sonstige Überwachungsfunktionen wahrzunehmen, nicht nur ein terminologisches Problem zugrunde. Es besteht ein Unterschied zwischen der Wahrnehmung von Uberwachungsfunktionen im Sinne des §111 Abs. 1 A k t G und der Wahrnehmung von Leitungsfunktionen und sonstigen Überwachungsfunktionen durch den Aufsichtsrat. Für die Frage, ob der Aufsichtsrat im Einzelfall die ihm obliegenden Rechtspflichten im Sinne der §§116, 93 A k t G erfüllt hat, kann nur dann, wenn der Aufsichtsrat eine Überwachungsfunktion im Sinne des § 111 Abs. 1 A k t G wahrnimmt, die Frage eine Rolle spielen, ob er davon ausgehen durfte, daß der Vorstand mit der zu überwachenden Entscheidung die ihm obliegenden Rechtspflichten im Sinne des § 9 3 A k t G (nicht) erfüllt hatte und/oder erfüllen würde. Dasselbe gilt für die Frage, ob der Aufsichtsrat zu dem Schluß kommen durfte, daß er selbst eine andere, aber gleichermaßen rechtlich vertretbare Entscheidung (nicht) getroffen hätte/treffen würde, wenn dem Vorstand bei der zu überwachenden Entscheidung zumindest ein Entscheidungsfreiraum zustand und der Aufsichtsrat annehmen durfte, daß der Vorstand eine rechtlich vertretbare Entscheidung getroffen hatte/treffen würde. Oder anders gewendet, bei der Frage, ob der Aufsichtsrat im Einzelfall die ihm obliegenden Rechtspflichten im Sinne der §§116, 93 A k t G erfüllt, können nur dann, wenn der Aufsichtsrat eine Leitungsfunktion oder eine sonstige Überwachungsfunktion wahrnimmt, ausschließlich dieselben Fragen eine Rolle spielen wie bei der Frage, ob der Vorstand im Einzelfall die ihm obliegenden Rechtspflichten im Sinne des § 93 A k t G erfüllt, wenn er eine Leitungs- oder Überwachungsfunktion wahrnimmt. 1 7

III.

Die Entscheidungsfreiräume

des Aufsichtsrats

Betrachtet man den Aufgabenbereich des Aufsichtsrats, so stehen nicht nur auf dem Überwachungsauftrag des § 111 Abs. 1 A k t G fußende Überwachungsfreiräume, sondern darüberhinaus Leitungsfreiräume und auf anderen vom Gesetz dem Aufsichtsrat zugewiesenen Aufgaben aufbauende Überwachungsfreiräume in Frage. Vor diesem Hintergrund stellt sich nun die Frage nach dem Vorliegen von Entscheidungsfreiräumen des Aufsichtsrats. Die entscheidende Frage lautet, ob die Auslegung der einer Entscheidung des Aufsichtsrats zugrundeliegenden Befugnisnorm ergibt, daß er bei der Bestimmung der (gegebenenfalls für einzelne Entscheidungstypen

inhaltlich

konkretisierten)

Handlungsvoraussetzung/

Handlungsvoraussetzungen zumindest ein unstrukturiertes hochkomplexes Problem einzuschätzen hat und/oder daß er bei der Wahrnehmung der (gegebenenfalls für einzelne Entscheidungstypen inhaltlich konkretisierten) Handlungsbe17

So auch Abeltshauser,

Leitungshaftung, S. 38.

118

2. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des Aufsichtsrats

fugnis zumindest ein unstrukturiertes hochkomplexes P r o b l e m zu bewältigen hat. D a b e i gebietet der festgestellte Unterschied zwischen dem Uberwachungsauftrag des § 111 Abs. 1 A k t G und den Leitungsaufgaben und den sonstigen Überwachungsaufgaben des Aufsichtsrat eine jeweils gesonderte Behandlung. 1. D i e E n t s c h e i d u n g s f r e i r ä u m e im R a h m e n der U b e r w a c h u n g s a u f g a b e aufgrund des § 111 A b s . 1 A k t G Die besonderen Probleme, die der Überwachungsauftrag des § 111 Abs. 1 A k t G aufwirft, beruhen auf dem kongruenten Charakter der Ü b e r w a c h u n g durch den Aufsichtsrat. D i e Ü b e r w a c h u n g durch den Aufsichtsrat setzt ein schlichtes U n terlassen (völlige Untätigkeit), eine rein tatsächliche (beabsichtigte, laufende oder abgeschlossene) Vorbereitungs- oder Realisationshandlung oder eine Entscheidung des Vorstands voraus. I m letzten Fall kann es sich um eine anstehende E n t scheidung (Planungsphase), eine getroffene Entscheidung (Festlegungsphase), eine in Ausführung befindliche Entscheidung (Realisationsphase) oder eine umgesetzte Entscheidung (Evaluationsphase) handeln. 1 8 F ü r die A n t w o r t auf die Frage, ob der Aufsichtsrat mit B l i c k auf eine zu überwachende Handlung des Vorstands die ihm obliegenden Rechtspflichten im Sinne der § § 1 1 6 , 9 3 erfüllt hat, spielt zunächst einmal notwendigerweise die Frage eine Rolle, ob der Aufsichtsrat davon ausgehen durfte, daß der Vorstand mit der Handlung die ihm obliegenden Rechtspflichten im Sinne des § 93 A k t G (nicht) erfüllt hatte und/oder erfüllen würde. Diese Frage läßt sich noch präzisieren: Durfte der Aufsichtsrat davon ausgehen, und zwar, je nachdem, o b dem Vorstand bei der zu überwachenden Entscheidung zumindest ein Entscheidungsfreiraum zustand oder nicht, daß der Vorstand eine rechtlich vertretbare Entscheidung (nicht) getroffen hatte/treffen würde oder daß der Vorstand „die rechtlich einzig richtige H a n d l u n g " 1 9 (nicht) vorgenommen hatte/vornehmen würde? Stand dem Vorstand bei der zu überwachenden Entscheidung zumindest ein Entscheidungsfreiraum zu und durfte der Aufsichtsrat annehmen, daß der Vorstand eine rechtlich vertretbare Entscheidung getroffen hatte/treffen würde, so könnte es des weiteren entscheidend darauf ankommen, o b der Aufsichtsrat zu dem Schluß k o m m e n durfte, daß er selbst eine andere, aber gleichermaßen rechtlich vertretbare Entscheidung (nicht) getroffen hätte/treffen würde. Ist die zu überwachende Handlung des Vorstands dagegen ein schlichtes U n terlassen oder eine rein tatsächliche Vorbereitungs- oder Realisationshandlung oder eine Entscheidung, bei der dem Vorstand kein Entscheidungsfreiraum zusteht, so kann sich die Frage des „so besser nicht, aber vielleicht s o " nicht stellen. D a n n geht es allein darum, o b der Vorstand mit dem schlichten Unterlassen, der

18 19

Vgl. von Werder zfbf Sonderheft 36.96, S.27, 43ff. und Semler, Überwachung, S. 75f. Vgl. die Formulierung von Alexy JZ 1986, S. 701, 714.

C.

Aufsichtsrat

119

rein tatsächlichen Vorbereitungs- oder Realisationshandlung bzw. der Entscheidung die ihm obliegenden Rechtspflichten im Sinne des § 93 AktG erfüllt hat oder erfüllen wird. Im Falle des schlichten Unterlassens geht es lediglich um die Frage, ob der Vorstand etwas hätte tun müssen/tun müßte. Im Falle der rein tatsächlichen Vorbereitungs- oder Realisationshandlung ist ausschließlich zu klären, ob der Vorstand die Handlung so wie vorgenommen/vorzunehmen beabsichtigt auch tatsächlich vornehmen durfte/darf. 20 Im Falle der Entscheidung, bei der dem Vorstand kein Entscheidungsfreiraum zusteht, stellt sich nur die Frage, ob der Vorstand diese Entscheidung so wie getroffen/zu treffen beabsichtigt auch tatsächlich treffen durfte/darf. Der Aufsichtsrat ist in diesen Fällen allein dann berechtigt, auf den Vorstand einzuwirken, wenn er davon ausgehen darf, daß der Vorstand mit dem schlichten Unterlassen, der rein tatsächlichen Vorbereitungsoder Realisationshandlung bzw. der Entscheidung die ihm obliegenden Rechtspflichten im Sinne des § 93 AktG verletzt hat oder verletzen wird. Vor diesem Hintergrund muß nicht nur geklärt werden, ob dem Aufsichtsrat Einschätzungsprärogativen mit Blick auf die Frage zukommen, ob der Vorstand mit der zu überwachenden Handlung die ihm obliegenden Rechtspflichten im Sinne des §93 AktG erfüllt hat und/oder erfüllen wird und ob dem Aufsichtsrat Ermessensspielräume hinsichtlich des „ob" und „wie" der Einwirkung auf den Vorstand zustehen. Steht dem Vorstand bei der zu überwachenden Entscheidung zumindest ein Entscheidungsfreiraum zu, so stellen sich besondere Fragen: Stehen dem Aufsichtsrat mit Blick auf die Frage, ob der Vorstand eine rechtlich vertretbare Entscheidung getroffen hat/treffen wird, Einschätzungsprärogativen zu? Wenn der Aufsichtsrat davon ausgehen darf, ist er dann zu der Prüfung verpflichtet, ob er selbst eine andere, aber gleichermaßen rechtlich vertretbare Entscheidung getroffen hätte/treffen würde? Sind dem Auf sichtsrat im Rahmen dieser Prüfung Einschätzungsprärogativen zuzubilligen, womit die dem Vorstand zuzubilligenden Entscheidungsfreiräume dazu führen würden, daß auch dem Aufsichtsrat Entscheidungsfreiräume zuerkannt werden müssen? Die Frage nach Entscheidungsfreiräumen des Aufsichtsrats im Rahmen der Uberwachungsaufgabe aufgrund des § 111 Abs. 1 AktG muß mithin bei den folgenden Punkten ansetzen: - Kommen dem Aufsichtsrat Einschätzungsprärogativen mit Blick auf die Frage zu, ob der Vorstand mit der zu überwachenden Handlung die ihm obliegenden Rechtspflichten im Sinne des §93 AktG erfüllt hat und/oder erfüllen wird? - Kommen dem Aufsichtsrat, wenn dem Vorstand bei der zu überwachenden Entscheidung zumindest ein Entscheidungsfreiraum zusteht und der Aufsichtsrat annehmen darf, daß der Vorstand eine rechtlich vertretbare Entschei20 Anders liegt es bei einer konkretisierenden Planungs- oder Detailentscheidung, wo es auch um die Frage geht, ob die Auswahl einer anderen rein tatsächlichen Vorbereitungs- oder Realisationshandlung besser gewesen wäre/sein würde.

120

2. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des Aufsichtsrats

dung getroffen hat/treffen wird, und unter der Voraussetzung, daß der Aufsichtsrat dann zu der Prüfung verpflichtet ist, ob er selbst eine andere, aber gleichermaßen rechtlich vertretbare Entscheidung getroffen hätte/treffen würde, Einschätzungsprärogativen mit Blick auf diese Frage zu? - Kommen dem Aufsichtsrat Ermessensspielräume mit Blick auf die Frage zu, ob und gegebenenfalls wie auf den Vorstand einzuwirken ist? a) Die Erkenntnis einer Pflichtverletzung

des Vorstands

Die Antwort auf die Frage, ob dem Aufsichtsrat Einschätzungsprärogativen mit Blick auf die Frage zukommen, ob der Vorstand mit der zu überwachenden Handlung die ihm obliegenden Rechtspflichten im Sinne des § 93 AktG erfüllt hat und/oder erfüllen wird, entscheidet im Verhältnis zu den zur Kontrolle der pflichtgemäßen Aufgabenwahrnehmung durch den Aufsichtsrat im Sinne der §§116,93 AktG insbesondere berufenen Aktionären (und damit auch im Verhältnis zu den von ihnen in Anspruch genommenen Gerichten) über die Kontrolldichte und damit über die Reichweite der verbandsinternen Kontrollrechte. Die entscheidende Frage lautet, ob es für die Erfüllung der dem Aufsichtsrat im Hinblick auf den Uberwachungsauftrag des §111 Abs. 1 AktG obliegenden Rechtspflichten im Sinne der §§116, 93 AktG darauf ankommt, ob der Vorstand mit der zu überwachenden Handlung die ihm obliegenden Rechtspflichten im Sinne des §93 AktG erfüllt hat und/oder erfüllen wird (insoweit positive Kontrolle der Entscheidung des Aufsichtsrats). Es könnte alternativ darauf ankommen, ob der Aufsichtsrat die sich mit dieser Prüfung stellenden Fragen eingeschätzt hat/einschätzen wird und dabei im Lichte der dann angenommenen eingeschränkten materiell-rechtlichen Uberprüfbarkeit dieser Einschätzungen „rechtlich vertretbare und in diesem Sinne rechtlich richtige Einschätzungen" 21 (im folgenden rechtlich vertretbare Einschätzungen) vorgenommen hat/vornehmen wird (insoweit negative Kontrolle der Entscheidung des Aufsichtsrats). Die Tragweite dieser Frage zeigt sich besonders deutlich in dem Fall, in dem die zu überwachende Handlung des Vorstands eine Entscheidung ist und dem Vorstand bei dieser Entscheidung zumindest ein Entscheidungsfreiraum zusteht. Kommen dem Aufsichtsrat Einschätzungsprärogativen mit Blick auf die Frage zu, ob der Vorstand eine rechtlich vertretbare Entscheidung getroffen hat/treffen wird, so liegen gestufte Entscheidungsfreiräume vor: Der Vorstand verfügt über einen (ersten) Entscheidungsfreiraum, und die Prüfung, ob der Vorstand sich im Rahmen dieses Entscheidungsfreiraums bewegt hat und/oder bewegen wird, fällt in einen (zweiten) Entscheidungsfreiraum des Aufsichtsrats. 21 Vgl. die Formulierungen vonAlexy JZ 1986, S.701, 714 und Kopp/Schenke, Rdn. la sowie Maurer, Verwaltungsrecht, §7 Rdn. 54 und Wolff/Bachof/Stober, recht I, §31 Rdn. 18.

V w G O , §114 Verwaltungs-

C.

aa) Die AR AG-Entscheidung

des

Aufsichtsrat

121

Bundesgerichtshofs

Der Bundesgerichtshof führt zu diesem Fragenkreis aus: „Die Entscheidung des Aufsichtsrats, ob ein Vorstandsmitglied wegen Verletzung seiner Geschäftsführungspflichten auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden soll, erfordert zunächst die Feststellung des zum Schadensersatz verpflichtenden Tatbestandes in tatsächlicher wie rechtlicher Hinsicht sowie eine Analyse des Prozeßrisikos und der Beitreibbarkeit der Forderung. Bei seiner Beurteilung, ob der festgestellte Sachverhalt den Vorwurf eines schuldhaft pflichtwidrigen Vorstandsverhaltens rechtfertigt, hat der Aufsichtsrat zu berücksichtigen, daß dem Vorstand bei der Leitung der Geschäfte des Gesellschaftsunternehmens ein weiter Handlungsspielraum zukommen muß, ohne den eine unternehmerische Tätigkeit schlechterdings nicht denkbar i s t . . . Eine ,Entscheidungsprärogative', die zur Beschränkung der gerichtlichen Nachprüfbarkeit führt, kann der Aufsichtsrat für diesen Teil seiner Entscheidung ... nicht in Anspruch nehmen. Bei der Prüfung des Bestehens und der Durchsetzbarkeit eines Schadensersatzanspruchs steht dem Aufsichtsrat keine andere Aufgabe zu als jedem anderen, der in eigener oder fremder Sache ein Urteil über das Bestehen eines Anspruchs und die Aussichten einer gerichtlichen Geltendmachung desselben abzugeben hat. Die Haltbarkeit und Richtigkeit seiner Beurteilung der Erfolgsaussichten einer gerichtlichen Anspruchsverfolgung sind im Streitfall vor Gericht grundsätzlich voll nachprüfbar, da es bis hierher nicht um Fragen des Handlungs-, sondern allein des Erkenntnisbereichs geht, für die allenfalls die Zubilligung eines begrenzten Beurteilungsspielraums in Betracht kommen kann ... Führt eine solche sorgfältig und sachgerecht von dem Aufsichtsrat vorgenommene Prozeßrisikoanalyse zu dem Ergebnis, daß der Gesellschaft voraussichtlich - Gewißheit kann nach Lage der Dinge insoweit nicht verlangt werden - Schadensersatzansprüche gegen eines ihrer Vorstandsmitglieder zustehen, kann sich ... auf der nächsten Stufe die Frage stellen, ob der Aufsichtsrat gleichwohl von einer Verfolgung des Anspruchs und damit einer Wiedergutmachung des der Gesellschaft zugefügten Schadens absehen kann." 2 2 Der Bundesgerichtshof gibt dem Aufsichtsrat eine dreistufige Prüfung auf. Zuerst hat der Aufsichtsrat eine Schlüssigkeitsprüfung vorzunehmen (Bestehen des Schadensersatzanspruchs; Feststellung des zum Schadensersatz verpflichtenden Tatbestandes in tatsächlicher wie rechtlicher Hinsicht). Des weiteren hat der Aufsichtsrat die Erfolgsaussichten einer Klage zu prüfen und dabei insbesondere etwaige Beweisschwierigkeiten und die Beitreibbarkeit der Klagesumme in Rechnung zu stellen (Durchsetzbarkeit des Schadensersatzanspruchs: Analyse des Prozeßrisikos und Abschätzung der Beitreibbarkeit der Forderung). Schließlich hat er über die Verfolgung des Schadensersatzanspruchs zu befinden (Verfolgung 22

BGH ZIP 1997, S.883, 885f. - ARAG/Garmenbeck.

122

2. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des Aufsichtsrats

des Schadensersatzanspruchs).23 Die Frage, ob und inwieweit dem Aufsichtsrat im jeweiligen Prüfungsabschnitt Entscheidungsfreiräume zustehen, wird kontrovers beurteilt. 24 Hier interessiert nur der erste Prüfungsabschnitt. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs wird ganz überwiegend dahin verstanden, daß dem Aufsichtsrat mit Blick auf das Bestehen eines Schadensersatzanspruchs und damit das Vorliegen einer (drohenden) Pflichtverletzung des Vorstands im Sinne des § 93 AktG keine Einschätzungsprärogativen zukommen sollen.25 So führt Peter Kindler aus: „In grundsätzlicher Hinsicht erläuterungsbedürftig ist hier zunächst die vom Senat unterstrichene volle gerichtliche Nachprüfbarkeit der,Haltbarkeit und Richtigkeit' der gesamten Erfolgschancenprüfung. Dabei bewegt sich der Aufsichtsrat... im kognitiven Bereich. Dort gibt es ... nur zutreffende und unzutreffende Erkenntnisse. Insoweit hat der" Bundesgerichtshof den Aufsichtsrat „lediglich zu der Prüfung aufgefordert, ob der Vorstand bei der zu beurteilenden Maßnahme die Grenzen des Leitungsermessens eingehalten hat oder nicht. Definiert der Aufsichtsrat hierbei die Ermessensgrenzen des Vorstands fehlerhaft und verneint er auf der Grundlage dieses fehlerhaften Prüfungsmaßstabs eine Pflichtverletzung durch den Vorstand, so liegt seinerseits ein Pflichtverstoß durch den Aufsichtsrat vor." 26 Dieses Verständnis befremdet, wenn man sich die Formulierungen des Bundesgerichtshofs anschaut. Er spricht von einer nur „grundsätzlich vollen Nachprüfbarkeit" und von einer „Gewißheit," die nicht verlangt werden könne. Daher erwägt er die „Zubilligung eines begrenzten Beurteilungsspielraums." Vor diesem Hintergrund muß sich der Schluß geradezu aufdrängen, daß der Bundesgerichtshof dem Aufsichtsrat - wenn auch nur ausnahmsweise und lediglich in begrenztem Ausmaß - Einschätzungsprärogativen mit Blick auf die Frage zuerkennen will, ob der Vorstand mit der zu überwachenden Handlung die ihm obliegenden Rechtspflichten im Sinne des §93 AktG erfüllt hat und/oder erfüllen wird. Dies 23 Horn ZIP 1997, S. 1129,1138; Grooterhorst ZIP 1999, S. 1117,1123; Henze BB 2000, S.209, 215; vgl. auch Heermann AG 1998, S.201, 203ff. und Kindler ZHR 162 (1998), S. 101,112ff. 24 Roth, Ermessen, S. 121ff.; Horn ZIP 1997, S.1129, 1136ff., 1138f.; Grooterhorst ZIP 1999, S. 1117,1123f.; Heermann AG 1998, S.201, 203ff.; Kindler ZHR 162 (1998), S. 101,109ff.; Dreher ZHR 158 (1994), S.614, 618ff., 637ff.; Lutter ZIP 1995, S.441, 441 f.; Jaeger/Trölitzsch ZIP 1995, S. 1157, 1158ff.; Nirk, Festschrift für Boujong, S.402ff., 404f., 406ff.; Fischer BB 1996, S. 225,226f., 227f. Die Diskussion hat an einer Problemverschiebung gelitten: Es wurde darüber gestritten, ob und inwieweit eine unternehmerische Entscheidung des Aufsichtsrats vorliege und dem Aufsichtsrat deshalb Entscheidungsfreiräume zustünden; siehe dazu nur: Dreher ZHR 158 (1994), S.614, 618ff., 637ff.; Lutter ZIP 1995, S.441, 441f.; Jaeger/Trölitzsch ZIP 1995, S.1157, 1158ff.; Horn ZIP 1997, S. 1129, 1137; Nirk, Festschrift für Boujong, S.402ff., 404f., 406ff.; Fischer BB 1996, S.225, 226f., 227f. Es ist Heermann AG 1998, S.201, 203, der zutreffend darauf hinweist, daß das Ergebnis dann „freilich von der eigenen Grenzziehung bei der unternehmerischen Tätigkeit abhängt." 25 Horn ZIP 1997, S. 1129, 1138; Grooterhorst ZIP 1999, S. 1117, 1123; Heermann AG 1998, S.201, 203; Kindler ZHR 162 (1998), S. 101, 109, 112f. 26 Kindler ZHR 162 (1998), S. 101, 112f.

C.

Aufsichtsrat

123

erscheint auf den ersten Blick auch überzeugend, weil es Fälle gibt, „in denen sich die Prüfungsstufen a) und b) (Tatbestandsfeststellung und Prüfung der Erfolgsaussichten eines Klageverfahrens) zum einen nicht idealtypisch auseinanderhalten lassen und zum anderen den Aufsichtsrat vor schwerwiegende Probleme stellen werden." 2 7 bb) Die richtige

Fragestellung

Die Ausgangsfrage lautet, ob dem Aufsichtsrat Einschätzungsprärogativen mit Blick darauf zukommen, ob der Vorstand mit der zu überwachenden Handlung die ihm obliegenden Rechtspflichten im Sinne des § 93 A k t G erfüllt hat und/oder erfüllen wird. Man kann es auch anders formulieren: Gibt es nur „zutreffende oder unzutreffende Erkenntnisse" 2 8 und damit nur „richtige und unrichtige" oder auch „haltbare" Erkenntnisse 29 über die „Grenzen, in denen sich ein vom Verantwortungsbewußtsein getragenes, ausschließlich am Unternehmenswohl orientiertes, auf sorgfältiger Ermittlung der Entscheidungsgrundlagen beruhendes unternehmerisches Handeln bewegen muß" 3 0 ? Die Antwort auf diese Frage hängt davon ab, ob der Gesetzgeber den Aufsichtsrat mit der Prüfung des Vorliegens einer (drohenden) Pflichtverletzung des Vorstands im Sinne des § 93 A k t G dazu verpflichtet, (jedenfalls im Hinblick auf bestimmte Entscheidungstypen) bei der Bestimmung einer Handlungsvoraussetzung zumindest ein unstrukturiertes hochkomplexes Problem einzuschätzen. cc) Der richtige Ansatz Eine Überlegung scheint dafür zu sprechen, diese Frage zu bejahen. Die Frage, ob der Vorstand mit der zu überwachenden Handlung die ihm obliegenden Rechtspflichten im Sinne des § 93 A k t G erfüllt hat und/oder erfüllen wird, wird häufig schwierig zu beantworten sein. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Vorstand bei der Bestimmung der Handlungsvoraussetzung/Handlungsvoraussetzungen zumindest ein unstrukturiertes hochkomplexes Problem einschätzen mußte/muß und/oder bei der Wahrnehmung der Handlungsbefugnis zumindest ein unstrukturiertes hochkomplexes Problem bewältigen mußte/muß. Der Uberwachungsauftrag des § 111 Abs. 1 A k t G könnte dem Aufsichtsrat aus diesem Grund Einschätzungsprärogativen verleihen. Dieser Schluß ist jedoch nicht überzeugend. Es besteht nämlich ein entscheidender Unterschied zwischen dem Handeln des Vorstands und der Prüfung des Vorliegens einer (drohenden) Pflichtverletzung des Vorstands im Sinne des § 93 A k t G durch den Aufsichtsrat. Der Erkenntnisakt des Aufsichtsrats zeichnet sich 27 28 29 30

Grooterhorst ZIP 1999, S. 1117, 1123. So die Formulierung von Kindler Z H R 162 (1998), S. 101, 112. Vgl. die Formulierungen des B G H ZIP 1997, S. 883, 887 - ARAG/Garmenbeck. B G H ZIP 1997, S. 883, 886 - ARAG/Garmenbeck

124

2. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des

Aufsichtsrats

durch die Konkretisierung und Wahrnehmung der ihm aufgrund des § 111 Abs. 1 A k t G mit dieser Prüfung obliegenden Aufgabe aus. Die Prüfungsaufgabe ist durch die Interpretation des § 111 Abs. 1 A k t G zu konkretisieren, und dies führt zu dem Ergebnis, daß dem Aufsichtsrat keine andere Prüfung abverlangt wird als jedem anderen, der ein Urteil über das Vorliegen einer (drohenden) Pflichtverletzung des Vorstands im Sinne des §93 A k t G abzugeben hat. 31 Die Konkretisierung und Wahrnehmung dieser Prüfungsaufgabe besteht darin, die Prüfungskriterien zu bestimmen und im Einzelfall anzuwenden. (1) Konkretisierung

der

Aufgabe

Die Frage, aufgrund welcher Kriterien das Vorliegen einer (drohenden) Pflichtverletzung des Vorstands im Sinne des §93 A k t G zu prüfen ist, ist eine reine Rechtsfrage, die keiner Einschätzungsprärogative unterliegen kann. Die Interpretation des Uberwachungsauftrags des § 111 Abs. 1 A k t G ist weder die Aufgabe des Vorstands noch die Aufgabe des Aufsichtsrats, sondern die Aufgabe der Gerichte. 32 Daran ändert auch der Befund nichts, daß zahlreiche Entscheidungen des Vorstands wegen der zwangsläufig unvollkommenen Einsicht in die Zusammenhänge unstrukturierter Managementprobleme und der daraus folgenden „uneinlösbaren Richtigkeitsgewähr" 33 nicht unter „dem Ideal objektiver Richtigkeit" 3 4 stehen können. Der einfordbaren Entscheidungsqualität und damit auch dem Vorwurf einer pflichtwidrigen Aufgabenwahrnehmung durch den Vorstand im Sinne des § 93 A k t G sind in der Tat inhärente Grenzen gesetzt. 35 Die Frage, aufgrund welcher Kriterien das Vorliegen einer (drohenden) Pflichtverletzung des Vorstands im Sinne des § 93 A k t G zu prüfen ist, ist jedoch identisch mit der Frage, welche Rechtspflichten dem Vorstand aufgrund des § 93 A k t G obliegen. Gerade in dem Fall, in dem die Interpretation der einer konkreten Entscheidung zugrundeliegenden Befugnisnorm (etwa des § 76 Abs. 1 AktG) ergibt, daß dem Vorstand aus den soeben genannten Gründen zumindest ein Entscheidungsfreiraum zusteht, werden die dem Vorstand insoweit obliegenden Rechtspflichten im Sinne des § 93 AktG in der Weise konkretisiert, daß (nur) die rechtlich relevanten Entscheidungsfehler bestimmt werden (negative Kontrolle). (2) Wahrnehmung

der

Aufgabe

Die Anwendung der Kriterien, aufgrund derer das Vorliegen einer (drohenden) Pflichtverletzung des Vorstands im Sinne des § 93 A k t G zu prüfen ist, mag häufig 31 32 33 34 35

Vgl. B G H ZIP 1997, S. 883, 886 - ARAG/Garmenbeck. Vgl. dazu nur Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, §31 Rdn.9. So die Formulierungen von von Werder zfbf Sonderheft 36.96, S. 1, 6, 7. Vgl. Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, §31 Rdn. 6. Vgl. die Formulierung von von Werder zfbf Sonderheft 36.96, S. 27, 32.

C. Aufsichtsrat

125

schwierig sein. Sie erfordert aber selbst dann keine Einschätzung unstrukturierter hochkomplexer Probleme. Sie besteht vielmehr in der Anwendung gesicherter rechtlicher Maßstäbe. 3 6 Es sind weder Abschätzungen von zukünftigen E n t w i c k lungen, Risiken, wissenschaftlichen Erkenntnisprozessen und/oder gesamtwirtschaftlichen/politischen Tendenzen noch - wie bei prüfungs- oder dienstrechtlichen Bewertungen - persönliche Eindrücke oder Erfahrungen erforderlich, die die Zubilligung von Einschätzungsprärogativen rechtfertigen könnten. 3 7 D a ß die Anwendung der Kriterien, aufgrund derer das Vorliegen einer (drohenden) Pflichtverletzung des Vorstands im Sinne des § 93 A k t G zu prüfen ist, nicht dieselben Unwägbarkeiten birgt wie (häufig) das Handeln des Vorstands, zeigt sich gerade im Fall der negativen Kontrolle. D e r Vorstand mag seinerseits bei der Bestimmung der Handlungsvoraussetzung/Handlungsvoraussetzungen zumindest ein unstrukturiertes hochkomplexes Problem einzuschätzen gehabt haben/haben und/oder bei der Wahrnehmung der Handlungsbefugnis zumindest ein unstrukturiertes hochkomplexes Problem zu bewältigen gehabt haben/haben. D e r Aufsichtsrat ist jedoch nicht in derselben Lage: E r muß lediglich prüfen, ob der Vorstand die ihm obliegenden Rechtspflichten im Sinne des § 93 A k t G eingehalten hat und/oder einhalten wird und damit eine rechtlich vertretbare E n t scheidung getroffen hat/treffen wird. Das bedeutet, er muß nur prüfen, o b der Vorstand, soweit ihm bei dieser Entscheidung zumindest ein Entscheidungsfreiraum zusteht, die rechtlich relevanten Entscheidungsfehler vermieden hat und/ oder vermeiden wird. Diese Frage kann ihrerseits keine Erkenntnisprobleme (mehr) aufwerfen, die dazu führen, daß zweifelhaft bleibt, was richtig ist. 38 D a h e r ist das Vorliegen der rechtlich relevanten Entscheidungsfehler rechtlich voll nachprüfbar. D e r beste Beleg dafür ist, daß die U . S . amerikanischen Gerichte bei der Ü b e r prüfung von „business decisions" 3 9 (und die Verwaltungsgerichte bei der Ü b e r prüfung von Planungsentscheidungen 4 0 ) auch in schwierigen Fällen keine Probleme mit der Prüfung haben, ob die rechtlich relevanten Entscheidungsfehler vorliegen. Dies zeigt eindrucksvoll, daß die Gerichte zwar nicht die Entscheidung, wohl aber das Vorliegen der rechtlich relevanten Entscheidungsfehler zu prüfen vermögen, ohne dabei an ihre G r e n z e n zu stoßen. D i e negative K o n t r o l l e einer Entscheidung birgt nicht dieselben Unwägbarkeiten wie die Entscheidung selbst.

36 Vgl. Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, §31 Rdn.18 und Kopp/Schenke, VwGO, §114Rdn.la, 23, 24. 37 Vgl. Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, §31 Rdn.20, 21f. und Kopp/Schenke, VwGO, § 114 Rdn.23, 24, 24a, 25, 30ff., 34ff., 37ff., 38. 38 Vgl. Maurer, Verwaltungsrecht, §7 Rdn.29, 54. 39 Siehe dazu von Werder/Feld RIW 1996, S.481, 490ff. iVm. 483ff. zur Frage des informed judgement. 40 Siehe dazu Kopp/Schenke, VwGO, §114 Rdn. 34ff. mit zahlreichen Nachweisen aus der Rechtsprechung.

126

dd)

2. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des Aufsichtsrats

Rechtsvergleich

A n dieser Stelle ist wiederum ein B l i c k ins Verwaltungsrecht lehrreich. D a ß die Anwendung der Kriterien, aufgrund derer das Vorliegen einer (drohenden) Pflichtverletzung des Vorstands im Sinne des § 93 A k t G zu prüfen ist, schwierig sein kann, rechtfertigt für sich genommen nicht die Zubilligung einer Einschätzungsprärogative. D e r Umstand, daß „die jeder Rechtsanwendung obliegende Verkopplung von Lebenssachverhalt und Rechtsfolge ... ein menschliches E r k e n nen, Urteilen, Bewerten und Schließen, das Irrtümern und Fehlern ausgesetzt ist," erfordert, das um so problematischer ist, „je verwickelter der Sachverhalt oder je ferner er dem im Tatbestand typisierten Sachverhalt ist und je unklarer der gesetzliche Tatbestand oder auch die Rechtsfolge ist," läßt noch nicht den Schluß zu, dem Entscheidungsträger k o m m e eine Einschätzungsprärogative zu. D e n n allein aus diesem G r u n d bestehe noch keine Entscheidungsfreiheit, und zwar „weder hinsichtlich der Tatsachenfeststellung noch hinsichtlich der Inhaltsbestimmung des Rechtssatzes noch hinsichtlich der Subsumtion." 4 1 So kann die Beurteilung der gewerberechtlichen Zuverlässigkeit erhebliche Schwierigkeiten bereiten, aber sie unterliegt nach herrschender Ansicht keiner Einschätzungsprärogative, sondern wirft lediglich schlichte Rechtsanwendungsprobleme auf. 42 D i e Prüfung des Vorliegens einer (drohenden) Pflichtverletzung des Vorstands im Sinne des § 93 A k t G und gerade die Prüfung, o b der Vorstand, soweit ihm bei dieser Entscheidung zumindest ein Entscheidungsfreiraum zusteht, die rechtlich relevanten Entscheidungsfehler vermieden hat und/oder vermeiden wird, wirft keine anderen Probleme auf als die Beurteilung der gewerberechtlichen Zuverlässigkeit. Deshalb ist es auch nicht gerechtfertigt, dem Aufsichtsrat insoweit E i n schätzungsprärogativen zuzubilligen. Das an sich naheliegende Verständnis der Entscheidung des Bundesgerichtshofs, für die Prüfung des Vorliegens einer (drohenden) Pflichtverletzung des Vorstands im Sinne des § 93 A k t G könne „die Zubilligung eines begrenzten Beurteilungsspielraums in Betracht k o m m e n " , 4 3 ist vor diesem Hintergrund nicht überzeugend. 4 4

ee)

Ergebnis

D e r Uberwachungsauftrag des § 111 Abs. 1 A k t G verlangt dem Aufsichtsrat mit der Prüfung, o b der Vorstand mit der zu überwachenden Handlung die ihm obliegenden Rechtspflichten im Sinne des § 9 3 A k t G erfüllt hat und/oder erfüllen wird, keine Einschätzung zumindest eines unstrukturierten hochkomplexen P r o blems ab. D e r Aufsichtsrat hat lediglich die Fragen zu klären, welche R e c h t s Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, §31 Rdn.6. Kopp/Schenke, VwGO, §114 Rdn.28; Maurer, Verwaltungsrecht, §7 Rdn.29; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, §31 Rdn. 11. 43 B G H ZIP 1997, S. 883, 886 - ARAG/Garmenbeck. 44 Wie hier Kindler 2 H R 162 (1998), S. 101, 112f. 41 42

C.

Aufsichtsrat

127

pflichten dem Vorstand aufgrund des § 93 AktG obliegen und ob der Vorstand diese Rechtspflichten eingehalten hat und/oder einhalten wird. Die dem Vorstand obliegenden Rechtspflichten im Sinne des § 93 AktG müssen in ihrer Eigenschaft als Haftungsmaßstab rechtlich voll nachprüfbar sein. Die unabweisbare Konsequenz lautet, daß der Uberwachungsauftrag des § 111 Abs. 1 AktG dem Aufsichtsrat mit einer Prüfungsaufgabe, die im Lichte von Rechtspflichten im Sinne des § 93 AktG konkretisiert wird, keine Einschätzungsprärogativen verleiht. In dogmatischer Hinsicht lautet der Befund wie folgt: Die Konkretisierung einer dem Aufsichtsrat aufgrund des § 111 Abs. 1 AktG obliegenden Prüfungsaufgabe im Lichte der dem Vorstand obliegenden Rechtspflichten im Sinne des § 93 AktG dient einer positiven Kontrolle des Aufsichtsrats: Die Prüfung des Aufsichtsrats, ob der Vorstand mit der zu überwachenden Handlung die ihm obliegenden Rechtspflichten im Sinne des §93 AktG erfüllt hat und/oder erfüllen wird, ist rechtlich voll nachprüfbar. Sie dient zugleich in bestimmten Fällen einer negativen Kontrolle des Vorstands: Die Konkretisierung einer dem Aufsichtsrat aufgrund des § 111 Abs. 1 AktG obliegenden Prüfungsaufgabe im Lichte der dem Vorstand obliegenden Rechtspflichten im Sinne des §93 AktG kann Entscheidungsfreiräume des Vorstands sichern und begrenzen. Die Frage, ob dem Aufsichtsrat Einschätzungsprärogativen mit Blick auf die Frage zukommen, ob der Vorstand mit der zu überwachenden Handlung die ihm obliegenden Rechtspflichten im Sinne des §93 AktG erfüllt hat und/oder erfüllen wird, ist nach alledem zu verneinen.

b) Die Erkenntnis einer besseren

Entscheidung

Steht dem Vorstand bei der zu überwachenden Entscheidung zumindest ein Entscheidungsfreiraum zu und darf der Aufsichtsrat annehmen, daß der Vorstand eine rechtlich vertretbare Entscheidung getroffen hat/treffen wird, stellt sich ein besonderes Problem: Ist der Aufsichtsrat zu der Prüfung verpflichtet, ob er selbst eine andere, aber gleichermaßen rechtlich vertretbare Entscheidung getroffen hätte/treffen würde? Wenn dies zu bejahen ist, kommen dem Aufsichtsrat Einschätzungsprärogativen mit Blick auf diese Frage zu?

aa)

Prüfungspflicht

Der Aufsichtsrat ist unter den genannten Voraussetzungen zu der Prüfung verpflichtet, ob er selbst eine andere, aber gleichermaßen rechtlich vertretbare Entscheidung getroffen hätte/treffen würde. Dies läßt sich daraus folgern, daß einige der vom Gesetz dem Aufsichtsrat ausdrücklich zugewiesenen Aufgaben mit Uberwachungscharakter im Sinne des § 111 Abs. 1 AktG diese Prüfung verlangen. Die Abberufung aus einem sonstigen Grund nach § 84 Abs. 3 AktG k a n n - v o r behaltlich der Wichtigkeit des sonstigen Grundes - auf eine abweichende, aber

128

2. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des

Aufsichtsrats

rechtlich gleichwertige Ansicht des Aufsichtsrats darüber gestützt werden, wie die künftige Entwicklung des Unternehmens erfolgreich gestaltet werden soll.45 Die Verweigerung einer nach § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG erforderlichen Zustimmung kann mit abweichenden, aber rechtlich gleichwertigen „rein unternehmerischen Vorstellungen" bzw. „reinen Zweckmäßigkeits- oder Wirtschaftlichkeitsüberlegungen" des Aufsichtsrats begründet werden.46 Der Aufsichtsrat muß zunächst einmal in den gesetzlich geregelten Fällen - prüfen, ob er selbst aufgrund abweichender, aber rechtlich gleichwertiger Ansichten zur künftigen Entwicklung des Unternehmens bzw. „reiner Zweckmäßigkeits- oder Wirtschaftlichkeitsüberlegungen" anders handeln würde als der Vorstand. In diesen Regelungen kommt zum Ausdruck, daß nach der gesetzgeberischen Konzeption auch der Aufsichtsrat für das Unternehmen verantwortlich ist und deshalb auch selbständig überlegen muß, wie das Unternehmen am besten zum Erfolg geführt werden kann und welche Entscheidungen im Hinblick auf dieses Ziel die besten sind. Vor diesem Hintergrund drängt es sich geradezu auf, daß der Aufsichtsrat nicht nur in den gesetzlich geregelten Fällen, sondern in allen Fällen zu prüfen hat, ob er selbst eine andere, aber gleichermaßen rechtlich vertretbare Entscheidung getroffen hätte/treffen würde. Johannes Semler führt mithin zu recht aus: „Wenn der Aufsichtsrat bei der Beurteilung der Wirtschaftlichkeit oder der Zweckmäßigkeit zum Ergebnis kommt, daß der Vorstand mit seinem Vorhaben innerhalb vertretbaren Ermessens bleibt, er selbst aber anders handeln würde, der Aufsichtsrat also zu anderen Zweckmäßigkeits- oder Wirtschaftlichkeitsüberlegungen kommt als der Vorstand, sind dafür andere entscheidungserhebliche Tatsachen oder eine andere Gewichtung der Tatsachen bedeutsam." Der Aufsichtsrat dürfe „die von ihm gesehenen entscheidungserheblichen Momente nicht für sich behalten", und ein Schweigen sei stets als „positive Wertung, als Ubereinstimmung mit der Auffassung des Vorstands" anzusehen. Der Aufsichtsrat sei verpflichtet, „dem Vorstand das Ergebnis seiner Wertung mitzuteilen". Denn „aus der gemeinsamen Verantwortung beider Verwaltungsorgane gegenüber dem Unternehmen" sei zu folgern, „daß jedes Organ die pflichtmäßige Aufgabenerfüllung des anderen Organs unterstützen muß". 47 bb)

Einschätzungsprärogativen

Die Antwort auf die Frage, ob dem Aufsichtsrat Einschätzungsprärogativen mit Blick auf die Frage zukommen, ob er selbst eine andere, aber gleichermaßen rechtlich vertretbare Entscheidung getroffen hätte/treffen würde, entscheidet im 45 Semler, Überwachung, S. 149; Mutter, Entscheidungen, S. 78 ff.; Mertens, Kölner Kommentar, §84 Rdn. 103. 46 Mertens, Kölner Kommentar, § 111 Rdn. 85 und Semler, Überwachung, S. 115f., 120ff. 47 Überwachung, S.115f., siehe auchS.150f., 147f., 148f., U l f . , 112ff., 124ff. und noch deutlicher Überwachungsaufgabe, S. 96, wo er darauf hinweist, für den Aufsichtsrat sei diese Stellungnahme Wahrnehmung seiner Überwachungsaufgabe, bei der er den §§ 116, 93 AktG unterliege.

C. Aufsichtsrat

129

Verhältnis zu den zur Kontrolle der pflichtgemäßen Aufgabenwahrnehmung durch den Aufsichtsrat im Sinne der §§116,93 AktG insbesondere berufenen A k tionären (und damit auch im Verhältnis zu den von ihnen in Anspruch genommenen Gerichten) ebenfalls über die Kontrolldichte und damit über die Reichweite der verbandsinternen Kontrollrechte. Allerdings ist sie leichter zu beantworten. Für die Erfüllung der dem Aufsichtsrat im Hinblick auf den Uberwachungsauftrag des § 111 Abs. 1 AktG obliegenden Rechtspflichten im Sinne der §§116, 93 AktG kommt es darauf an, ob er die mit der Prüfung, ob er selbst eine andere, aber gleichermaßen rechtlich vertretbare Entscheidung getroffen hätte/treffen würde, verbundenen Fragen eingeschätzt hat/einschätzen wird und dabei rechtlich vertretbare Einschätzungen vorgenommen hat/vornehmen wird (insoweit negative Kontrolle der Entscheidung des Aufsichtsrats). Der Gesetzgeber verpflichtet den Aufsichtsrat mit der Erkenntnis einer besseren Entscheidung in den Fällen, in denen dem Vorstand bei der zu überwachenden Entscheidung zumindest ein Entscheidungsfreiraum zusteht und in denen der Aufsichtsrat annehmen darf, daß der Vorstand eine rechtlich vertretbare Entscheidung getroffen hat/treffen wird, dazu, bei der Bestimmung einer Handlungsvoraussetzung (Analyse des Handlungsbedarfs) zumindest ein unstrukturiertes hochkomplexes Problem einzuschätzen. In diesem Prüfungsschritt ist der Aufsichtsrat in derselben Lage wie es der Vorstand war/ist: Der Vorstand mußte/muß bei der Bestimmung der Handlungsvoraussetzung/Handlungsvoraussetzungen zumindest ein unstrukturiertes hochkomplexes Problem einschätzen und/oder bei der Wahrnehmung der Handlungsbefugnis zumindest ein unstrukturiertes hochkomplexes Problem bewältigen. Der Aufsichtsrat, der annehmen darf, daß der Vorstand eine rechtlich vertretbare Entscheidung getroffen hat/treffen wird und deshalb zu prüfen hat, ob er selbst eine andere, aber gleichermaßen rechtlich vertretbare Entscheidung getroffen hätte/treffen würde, steht nun denselben Fragen gegenüber wie der Vorstand. Er kommt gar nicht umhin, wie der Vorstand das (die) bei der Analyse des Handlungsbedarfs auftretende(n) unstrukturierte(n) hochkomplexe(n) Problem(e) einzuschätzen und/oder sich eine eigene Ansicht dazu zu bilden, wie das (die) bei der Entwicklung und Bewertung von Handlungsprogrammen und der abschließenden Auswahl eines Handlungsprogramms auftretende(n) unstrukturierte(n) hochkomplexe(n) Problem(e) zu bewältigen ist (sind). Die Konsequenz liegt auf der Hand: In diesem Prüfungsschritt führen die dem Vorstand zuzubilligenden Entscheidungsfreiräume dazu, daß auch dem Aufsichtsrat Entscheidungsfreiräume zuerkannt werden müssen. Der Grund dafür ist, daß es hier um die Fälle geht, in denen mehrere rechtlich vertretbare Entscheidungen existieren. Der Aufsichtsrat vermag die Auswahl unter diesen Entscheidungen durch den Vorstand zwar nicht zu überprüfen und stößt daher an seine Grenzen. Er muß die Entscheidung des Vorstands in diesen Fällen jedoch in dem beschriebenen Sinne an sich ziehen, weil er die Aufgaben-

130

2. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des Aufsichtsrats

Wahrnehmung durch den Vorstands nicht nur auf eine Pflichtwidrigkeit im Sinne des § 93 A k t G zu überprüfen hat. Das gleiche gilt für die zur Kontrolle des Aufsichtsrats insbesondere berufenen Aktionäre: Sie vermögen die Auswahl unter diesen Entscheidungen durch den Aufsichtsrat nicht zu überprüfen und stoßen deshalb an ihre Grenzen. Sie können die Entscheidung des Aufsichtsrats in diesen Fällen jedoch an sich ziehen und die Aufsichtsratsmitglieder abberufen (§103 AktG). Sie haben die Aufgabenwahrnehmung durch den Aufsichtsrat nicht nur auf eine Pflichtwidrigkeit im Sinne der §§116, 93 A k t G zu überprüfen. Hier zeigt sich mithin die Dualität der Überwachung: Die Entscheidung kann nicht nur überprüft, sondern auch ersetzt werden; es gibt einen Bereich pflichtgemäßer/pflichtwidriger Aufgabenwahrnehmung im Sinne der § § 9 3 , 116 A k t G und einen Bereich einer Uberprüfung an Rechtsmaßstäben nicht zugänglichen Aufgabenwahrnehmung. Soweit der Vorwurf einer pflichtwidrigen Aufgabenwahrnehmung durch den Vorstand im Sinne des § 93 A k t G erhoben wird, müssen die Aufsichtsräte (und die von ihnen in Anspruch genommenen Gerichte) es hinnehmen, daß der Vorstand eine rechtlich vertretbare Entscheidung getroffen hat/treffen wird. Soweit der Vorwurf einer pflichtwidrigen Aufgabenwahrnehmung durch den Aufsichtsrat im Sinne der §§116, 93 A k t G erhoben wird, müssen die Aktionäre (und die von ihnen in Anspruch genommenen Gerichte) es hinnehmen, daß der Aufsichtsrat die mit der Prüfung, ob er selbst eine andere, aber gleichermaßen rechtlich vertretbare Entscheidung getroffen hätte/treffen würde, verbundenen Fragen eingeschätzt hat/einschätzen wird und dabei rechtlich vertretbare Einschätzungen vorgenommen hat/vornehmen wird. Da dem Vorstand und dem Aufsichtsrat in diesen Fällen Entscheidungsfreiräume zustehen, ist der Vorwurf einer pflichtwidrigen Aufgabenwahrnehmung im Sinne der § § 9 3 , 116 A k t G nicht gerechtfertigt, wenn der Vorstand bzw. der Aufsichtsrat die rechtlich relevanten Entscheidungsfehler vermieden hat und/oder vermeiden wird. Vor diesem Hintergrund werden auch die dogmatischen Konsequenzen deutlich: Die dem Aufsichtsrat in diesem Prüfungsschritt aufgrund des Uberwachungsauftrags des § 111 Abs. 1 A k t G obliegende Aufgabe wird nicht im Lichte der dem Vorstand obliegenden Rechtspflichten im Sinne des § 93 A k t G konkretisiert. Die Frage nach einer positiven oder negativen Kontrolle des Vorstands durch den Aufsichtsrat kann sich hier nicht stellen. Die positive wie die negative Kontrolle knüpft an Rechtspflichten an. In diesem Prüfungsschritt geht es aber nicht um den Bereich der pflichtgemäßen/pflichtwidrigen Aufgabenwahrnehmung durch den Vorstand im Sinne des § 93 A k t G , sondern um den Bereich der einer Überprüfung an Rechtsmaßstäben nicht zugänglichen Aufgabenwahrnehmung durch den Vorstand. Dieser Befund hat wichtige Folgen für die Konkretisierung der den Vorständen/Aufsichtsräten in diesen Fällen obliegenden Rechtspflichten im Sinne des § 9 3 A k t G / d e r §§116, 93 A k t G . Die Kriterien für die Erkenntnis einer besseren

C. Aufsichtsrat

131

Entscheidung durch den Aufsichtsrat können grundsätzlich keine anderen sein als die Kriterien für die zugrundeliegende Entscheidung des Vorstands. D i e der Prüfung einer insoweit pflichtwidrigen Aufgabenwahrnehmung durch den A u f sichtsrat im Sinne der § § 1 1 6 , 93 A k t G zugrunde zu legenden Kriterien können grundsätzlich keine anderen sein als die der Prüfung einer pflichtwidrigen Aufgabenwahrnehmung durch den Vorstand im Sinne des § 93 A k t G zugrunde zu legenden Kriterien. D i e den Aufsichtsräten obliegenden Rechtspflichten im Sinne der § § 1 1 6 , 93 A k t G können grundsätzlich keine anderen sein als die den Vorständen obliegenden Rechtspflichten im Sinne des § 93 A k t G . D e r Vorwurf einer insoweit pflichtwidrigen Aufgabenwahrnehmung durch den Aufsichtsrat im Sinne der § § 1 1 6 , 93 A k t G kann grundsätzlich nur auf die Umstände gestützt werden, auf die auch der Vorwurf einer pflichtwidrigen Aufgabenwahrnehmung durch den Vorstand im Sinne des § 93 A k t G gestützt werden könnte. M i t Blick auf die Erkenntnis einer besseren Entscheidung durch den Aufsichtsrat müssen die den Aufsichtsräten obliegenden Rechtspflichten im Sinne der § § 1 1 6 , 93 A k t G im Lichte der den Vorständen obliegenden Rechtspflichten im Sinne des § 93 A k t G bestimmt werden.

cc) Ergebnis D i e Fragen, ob der Aufsichtsrat, wenn dem Vorstand bei der zu überwachenden Entscheidung zumindest ein Entscheidungsfreiraum zusteht und wenn der A u f sichtsrat annehmen darf, daß der Vorstand eine rechtlich vertretbare Entscheidung getroffen hat/treffen wird, zu der Prüfung verpflichtet ist, o b er selbst eine andere, aber gleichermaßen rechtlich vertretbare Entscheidung getroffen hätte/ treffen würde, und, wenn dies zu bejahen ist, ob dem Aufsichtsrat Einschätzungsprärogativen mit Blick auf diese Frage zukommen, sind nach alledem zu bejahen.

c) Die Einwirkung auf den Vorstand D i e A n t w o r t auf die Frage, ob dem Aufsichtsrat Ermessensspielräume mit Blick auf die Frage zukommen, ob und gegebenenfalls wie auf den Vorstand einzuwirken ist, läßt sich nur beantworten, wenn man sich vergegenwärtigt, in welchen Fällen der Aufsichtsrat vor dieser Frage steht und welche Einwirkungsmöglichkeiten ihm in diesen Fällen zur Verfügung stehen.

aa) Einwirkungsfälle

und

Einwirkungsmöglichkeiten

D e r Aufsichtsrat steht in zwei Fällen vor der Frage des „ o b " und „wie" der E i n wirkung auf den Vorstand. Im ersten Fall ist eine pflichtwidrige Aufgabenwahrnehmung durch den Vorstand im Sinne des § 93 A k t G gegeben. Dieser Fall liegt vor, wenn der Vorstand mit der zu überwachenden Handlung die ihm obliegenden Rechtspflichten im Sinne des § 93 A k t G verletzt hat und/oder verletzten wird

132

2. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des Aufsichtsrats

(Vorliegen einer eingetretenen/drohenden Pflichtverletzung des Vorstands). I m zweiten Fall ist eine bloße Meinungsverschiedenheit zwischen dem Vorstand und dem Aufsichtsrat im Bereich der einer Uberprüfung an Rechtsmaßstäben nicht zugänglichen Aufgabenwahrnehmung durch den Vorstand gegeben (Erkenntnis einer besseren Entscheidung durch den Aufsichtsrat). Dieser Fall liegt vor, wenn dem Vorstand bei der zu überwachenden Entscheidung zumindest ein Entscheidungsfreiraum zusteht und er eine rechtlich vertretbare Entscheidung getroffen hat/treffen wird, der Aufsichtsrat aber zu dem Ergebnis gelangt und gelangen darf, daß er selbst eine andere, aber gleichermaßen rechtlich vertretbare Entscheidung getroffen hätte/treffen würde. D e m Aufsichtsrat stehen in beiden Fällen grundsätzlich dieselben E i n w i r kungsmöglichkeiten zur Verfügung. Dies ergibt sich für die R e c h t e zur A n o r d nung und/oder Ausübung von Zustimmungsvorbehalten ( § 1 1 1 Abs. 4 Satz 2 A k t G ) und zur Mitwirkung bei der gesetzlichen Unternehmensberichterstattung ( § § 1 7 0 Abs. 1 und A b s . 2 , 314 Abs. 1 Satz 1 A k t G ; § § 1 7 1 Abs. 1 und A b s . 4 , 3 1 4 A b s . 2 Satz 1 und A b s . 4 A k t G ; § § 1 7 1 A b s . 2 Satz 3 und Satz 5 sowie A b s . 4 , 314 Abs. 2 Satz 2 A k t G ; §§ 171 Abs. 2 Satz 4 und Satz 5 sowie Abs. 3 Satz 3 und A b s . 4, 314 Abs. 3 A k t G ; § 321 Abs. 1 bis Abs. 3 und Abs. 5 Satz 2 H G B ) bereits aus dem R e c h t des Aufsichtsrats zur Mitentscheidung. 4 8 Dasselbe gilt aber auch für das Beanstandungsrecht (Recht zur bloßen Stellungnahme), das Geschäftsführungsund Vertretungsrecht (Recht zur Änderung der Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnisse der Vorstandsmitglieder - § 77 Abs. 1 Satz 2 iVm. § 77 A b s . 2 Satz 1 A k t G , § 78 Abs. 3 Satz 2 A k t G ) , das Geschäftsordnungsrecht (Recht zur A n d e -

48 Vgl. dazu Semler, Überwachung, S. 57, 119ff., 128ff. Siehe zur Anordnung und Ausübung von ad hoc Zustimmungsvorbehalten für die Vornahme von Einzelgeschäften nach § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG: BGH BGHZ 124, S. 111, 127 - Vereinte Krankenversicherung; Henze BB 2005, S. 165,167 und BB 2000, S.209, 215; Boujong AG 1995, S.203, 206. Im Hinblick auf die Anordnungspflicht auch im Rahmen der Zweckmäßigkeits- und Wirtschaftlichkeitskontrolle ist anzumerken, daß die meisten Zweckmäßigkeitsfehler (Maßnahme bezogen auf den angestrebten Zweck ungeeignet, nicht erforderlich oder unangemessen; Maßnahme damit zwecklos, zweckwidrig oder unzweckmäßig) Rechtsfehler sind. In diesen Fällen droht eine Pflichtverletzung des Vorstands im Sinne des § 93 AktG, die der Aufsichtsrat durch Anordnung und Ausübung von ad hoc Zustimmungsvorbehalten nach § 111 Abs.4 Satz 2 AktG verhindern muß, wenn kein anderes Mittel zur Verfügung steht (so wohl auch Boujong AG 1995, S.203, 206). Davon zu trennen ist die Frage, ob der Aufsichtsrat zur Anordnung und Ausübung von ad hoc Zustimmungsvorbehalten für die Vornahme von Einzelgeschäften nach §111 Abs.4 Satz 2 AktG berechtigt ist, wenn keine Pflichtverletzung des Vorstands im Sinne des §93 AktG vorliegt, er jedoch anders handeln würde als der Vorstand. Diese Frage ist zu bejahen, und zwar nicht nur für einzelne Geschäfte „von außerordentlicher Bedeutung" (so aber Mertens, Kölner Kommentar, §111 Rdn.65) oder „in gravierenden Fällen" (so aber Henze BB 2000, S.209, 215). Wenn der Aufsichtsrat ein ganzes Geschäftsfeld von seiner Zustimmung abhängig machen darf, muß er dies auch für ein einzelnes davon umfaßtes Geschäft können, und wenn der Vorstand ein einzelnes Geschäft für so bedeutend hält, daß er selbst entscheidet, muß dies die Überwachung durch den Aufsichtsrat nach sich ziehen (so zutreffend auch Mutter, Entscheidungen, S. 63f.).

C.

Aufsichtsrat

133

rung der Geschäftsordnung des Vorstands - § 77 Abs. 2 Satz 1 AktG), das Vergütungsrecht (Recht zur Änderung der Grundsätze für die Gewährleistung angemessener Gesamtbezüge der Vorstandsmitglieder - § 87 AktG), das Vorteilsrecht (Recht zur Änderung der Grundsätze für die Befreiung der Vorstandsmitglieder vom Wettbewerbsverbot und für die Gewährung von Krediten an Vorstandsmitglieder - §§ 88, 89 AktG), das Nicht-Wiederwahlrecht (Recht zur Nicht-Wiederwahl von Vorstandsmitgliedern - § 84 Abs. 1 AktG), das Abberufungsrecht (Recht zur Abberufung von Vorstandsmitgliedern - §84 Abs. 3 AktG) und das Einberufungsrecht (Recht zur Einberufung einer Hauptversammlung - § 111 Abs. 3 AktG). Dies ergibt sich aus dem Wortlaut (§ 84 Abs. 3 AktG: Ein solcher Grund ist namentlich grobe Pflichtverletzung, Unfähigkeit zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung oder Vertrauensentzug durch die Hauptversammlung) und/oder aus dem Sinn und Zweck der Vorschriften. 49 Das einzige Recht, daß dem Aufsichtsrat ausschließlich im Fall einer pflichtwidrigen Aufgabenwahrnehmung durch den Vorstand im Sinne des § 93 AktG zur Verfügung steht, ist das Recht zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen pflichtwidrig handelnde Vorstandsmitglieder (§ 93 AktG). Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage des „ob" und „wie" der Einwirkung auf den Vorstand im Fall einer pflichtwidrigen Aufgabenwahrnehmung durch den Vorstand im Sinne des § 93 AktG und im Fall einer bloßen Meinungsverschiedenheit zwischen dem Vorstand und dem Aufsichtsrat im Bereich der einer Uberprüfung an Rechtsmaßstäben nicht zugänglichen Aufgabenwahrnehmung durch den Vorstand grundsätzlich in gleicher Weise. Dieses Ergebnis kann auch gar nicht überraschen. Es entspricht dem bereits gewonnenen Befund, daß die Entscheidungsprozesse des Aufsichtsrats im Rahmen der Überwachung beabsichtigter und laufender Vorgänge und im Rahmen der Überwachung abgeschlossener Vorgänge nahezu identisch sind. Die Überwachung ist grundsätzlich (zumindest auch) zukunftsorientiert, weil es (jedenfalls vorrangig) um die Optimierung der Unternehmensführung durch den Vorstand geht (und daneben gegebenenfalls um die Sanktionierung der Unternehmensführung). Der Aufsichtsrat steht deshalb immer (zumindest auch) vor der Frage, ob er etwas unternehmen darf, soll oder muß und was er gegebenenfalls unternehmen darf, soll oder muß, um den Vorstand zu veranlassen, eine zu überwachende anstehende Entscheidung nicht oder anders zu treffen, eine zu überwachende getroffene oder in Ausführung befindliche Entscheidung (oder die Einzelheiten ihrer Ausführung) zu ändern und/oder mit Blick auf die einer Entscheidung nachfolgenden Entscheidungsprozesse von der bisherigen Strategie abzuweichen. Er

4 9 Vgl. dazu Semler, Ü b e r w a c h u n g , S.112ff., 117f., 150f., 147f., 148f. Siehe zu § 1 1 1 A b s . 3 A k t G nur Semler, Ü b e r w a c h u n g , S. 126 Fn. 342 und Mutter, Entscheidungen, S. 90ff. Siehe zu § 8 4 Abs. 1 A k t G nur Henze BB 2000, S.209, 212f. Siehe zu § 8 4 A b s . 3 A k t G nur Mutter, Entscheidungen, S. 79f.

134

2. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des

Aufsichtsrats

steht daneben gegebenenfalls vor der Frage, ob er die zu überwachende Handlung ahnden soll. Der einzige Unterschied hinsichtlich des „ob" und „wie" der Einwirkung auf den Vorstand im Fall einer pflichtwidrigen Aufgabenwahrnehmung durch den Vorstand im Sinne des § 93 AktG und im Fall einer bloßen Meinungsverschiedenheit zwischen dem Vorstand und dem Aufsichtsrat im Bereich der einer Uberprüfung an Rechtsmaßstäben nicht zugänglichen Aufgabenwahrnehmung durch den Vorstand ist derselbe, der als einziger zwischen der Überwachung beabsichtigter und laufender Vorgänge und der Überwachung abgeschlossener Vorgänge besteht: Nur bei Vorliegen einer pflichtwidrigen Aufgabenwahrnehmung durch den Vorstand im Sinne des § 93 AktG und im Rahmen der Überwachung abgeschlossener Vorgänge steht der Aufsichtsrat (gegebenenfalls) vor der Frage, ob er gegen pflichtwidrig handelnde Vorstandsmitglieder einen Schadensersatzanspruch (§ 93 AktG) geltend machen darf, soll oder muß, damit die der Gesellschaft durch den Vorstand (gegebenenfalls) zugefügte Vermögenseinbuße ausgeglichen wird. Die Eigenart dieses Falles liegt darin, daß es nicht (zumindest auch) um die zukunftsorientierte Optimierung der Unternehmensführung durch den Vorstand, sondern nur (und zwar ausschließlich) um die repressive Sanktionierung der Unternehmensführung durch den Vorstand.

bb)

Ermessensspielräume

Betrachtet man nun die Frage, ob dem Aufsichtsrat Ermessensspielräume mit Blick auf die Frage zukommen, ob und gegebenenfalls wie auf den Vorstand einzuwirken ist, so ist im Ausgangspunkt zwischen dem Entschließungsermessen („ob" der Einwirkung auf den Vorstand) und dem Auswahlermessen („wie" der Einwirkung auf den Vorstand) zu unterscheiden.

(1)

Entschließungsermessen?

Ein Entschließungsermessen kann dem Aufsichtsrat nicht zuerkannt werden. Im Fall einer pflichtwidrigen Aufgabenwahrnehmung durch den Vorstand im Sinne des § 93 AktG ist der Aufsichtsrat ebenso zum Eingreifen verpflichtet wie im Fall einer bloßen Meinungsverschiedenheit mit dem Vorstand im Bereich der einer Überprüfung an Rechtsmaßstäben nicht zugänglichen Aufgabenwahrnehmung durch den Vorstand. Die Überwachung des Vorstands durch den Aufsichtsrat erfolgt nicht um ihrer selbst willen und kann sich nicht in bloßen Feststellungen erschöpfen. Die dem Aufsichtsrat eingeräumten umfangreichen Befugnisse zur Einwirkung auf den Vorstand sollen sicherstellen, daß er aufgrund der Ergebnisse seiner Prüfung einschreiten kann, wenn er mit der Auffassung des Vorstands nicht übereinstimmt. Der Aufsichtsrat ist der Sachwalter der Aktionärsinteressen, die ihrerseits angesichts ihrer geringen Einwirkungsmöglichkeiten nur begrenzt zur Überwachung des Vorstands in der Lage sind. Daher muß der Auf-

C.

Aufsichtsrat

135

sichtsrat aufgrund der Ergebnisse seiner Prüfung einschreiten, wenn er mit der Auffassung des Vorstands nicht übereinstimmt. 50 Dies sollte im Fall einer pflichtwidrigen Aufgabenwahrnehmung durch den Vorstand im Sinne des § 93 AktG an sich selbstverständlich sein, geht es hier doch um die Wiederherstellung rechtmäßiger Zustände in der Aktiengesellschaft. 51 Dem entspricht es, daß der Bundesgerichtshof entschieden hat, der Aufsichtsrat müsse einen ad hoc Zustimmungsvorbehalt anordnen und ausüben, wenn er eine gesetzwidrige Geschäftsführungsmaßnahme des Vorstands nur noch auf diese Weise verhindern könne, 52 und der Aufsichtsrat dürfe von der Geltendmachung voraussichtlich begründeter Schadensersatzansprüche gegen einen pflichtwidrig handelnden Vorstand nur ausnahmsweise absehen, weil das Unternehmenswohl grundsätzlich die Wiederherstellung des geschädigten Gesellschaftsvermögens verlange. 53 Diese Entscheidungen haben weitgehend Zustimmung gefunden. 54 Im Fall einer bloßen Meinungsverschiedenheit zwischen dem Vorstand und dem Aufsichtsrat im Bereich der einer Uberprüfung an Rechtsmaßstäben nicht zugänglichen Aufgabenwahrnehmung durch den Vorstand kann nichts anderes gelten. Wie Johannes Semler zutreffend ausführt, ist die Stellungnahme des Aufsichtsrats „Wahrnehmung seiner Überwachungsaufgabe, bei der er den Bestimmungen der §§116, 93 Abs. 1 unterliegt". 55 Es liegt dann auf der Hand, daß der Aufsichtsrat es in den Fällen, in denen ihm das Gesetz weitere Einwirkungsmöglichkeiten zur Verfügung stellt, nicht bei dieser Stellungnahme belassen darf, wenn er den Vorstand nicht von seiner Auffassung zu überzeugen vermag. Im Bereich der einer Überprüfung an Rechtsmaßstäben nicht zugänglichen Aufgabenwahrnehmung durch den Vorstand liegt sogar der Schwerpunkt der Überwachung beabsichtigter und laufender Vorgänge. Ganz in diesem Sinne hat der Bundesgerichtshof betont, daß die Überwachung der „grundsätzlichen Fragen der künftigen Geschäftspolitik" eine „ständige Diskussion mit dem Vorstand ... über die Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit der Geschäftsführung" erfordert. 56 Er ist damit auf Zustimmung gestoßen. 57

50

Vgl. Kindler Z H R 162 (1998), S. 101, 110 und Semler, Überwachung, S. 112 ff. Vgl. Kindler Z H R 162 (1998), S. 101, 110. 52 B G H B G H Z 124, S. 111, 127 - Vereinte Krankenversicherung. 53 B G H ZIP 1997, S. 883, 886 - ARAG/Garmenbeck. 54 Siehe zu B G H B G H Z 124, S. 111, 127 - Vereinte Krankenversicherung etwa Henze BB 2000, S.209, 215 und Boujong A G 1995, S.203, 206; siehe zu B G H ZIP 1997, S.883, 886 ARAG/Garmenbeck etwa Henze BB 2001, S.53, 60 und BB 2000, S.209, 215f. sowie Kindler Z H R 162 (1998), S. 101, 113 und Heermann A G 1998, S.201, 206ff. 55 Semler, Uberwachungsaufgabe, S. 96. 56 B G H B G H Z 114, S. 127, 129f. - Beratungsurteil. 57 Henze BB 2000, S.209, 214 und BB 2001, S.53, 59; Boujong A G 1995, S.203, 204f. 51

136

(2)

2. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des

Aufsichtsrats

Auswahlermessen?

Ein Auswahlermessen scheint dem Aufsichtsrat schon deshalb zuerkannt werden zu müssen, weil die Einwirkungsmöglichkeiten, die dem Aufsichtsrat zur Verfügung stehen, ein sehr differenziertes Bild abgeben. (a) Heterogenität

der

Einwirkungsmöglichkeiten

Die Einwirkungsmöglichkeiten sind von unterschiedlicher Einwirkungsintensität. Sie reicht von der bloßen Stellungnahme über den Eingriff in die Befugnisse und das Zusammenwirken der Vorstandsmitglieder (§77 Abs. 1 Satz 2 iVm. §77 Abs. 2 Satz 1 AktG, § 78 Abs. 3 Satz 2 AktG; § 77 Abs. 2 Satz 1 AktG), die Neuregelung der Vergütung und der geldwerten Sondervorteile der Vorstandsmitglieder (§§ 87, 88, 89 AktG), die Anordnung und/oder Ausübung von Zustimmungsvorbehalten (§111 Abs. 4 Satz 2 AktG), die Mitwirkung bei der gesetzlichen Unternehmensberichterstattung (§§170 Abs. 1 und Abs.2, 314 Abs. 1 Satz 1 AktG; §§ 171 Abs. 1 und Abs. 4, 314 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 4 AktG; §§ 171 Abs. 2 Satz 3 und Satz 5 sowie Abs. 4, 314 Abs. 2 Satz 2 AktG; §§171 Abs. 2 Satz 4 und Satz 5 sowie Abs. 3 Satz 3 und Abs. 4,314 Abs. 3 AktG; § 321 Abs. 1 bis Abs. 3 und Abs. 5 Satz 2 HGB) und die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen pflichtwidrig handelnde Vorstandsmitglieder (§ 93 AktG) bis hin zur schlichten Nicht-Wiederwahl (§ 84 Abs. 1 AktG) und Abberufung von Vorstandsmitgliedern (§ 84 Abs. 3 AktG) sowie zur Einberufung einer Hauptversammlung (§111 Abs. 3 AktG). 58 Die Einwirkungsmöglichkeiten unterscheiden sich weiter im Ansatzpunkt. Die bloße Stellungnahme, die Anordnung und/oder Ausübung von Zustimmungsvorbehalten, die Mitwirkung bei der gesetzlichen Unternehmensberichterstattung und die Einberufung einer Hauptversammlung mit dem Ziel, die Ansicht der Aktionäre über einzelne Fragen der Geschäftsführung zu erkunden, 59 sind handlungsbezogene Einwirkungsmöglichkeiten. Der Aufsichtsrat greift damit unmittelbar auf das Handeln des Vorstands zu. Er wirkt nur auf das Handeln des Vorstands ein, also weder auf den Vorstand als Organ noch auf die Vorstände als Personen. Die Ausübung dieser Rechte ist deshalb nie eine Sanktion gegen die handelnden Vorstandsmitglieder. Der Eingriff in die Befugnisse und das Zusammenwirken der Vorstandsmitglieder, die schlichte Nicht-Wiederwahl und Abberufung von Vorstandsmitgliedern sowie die Einberufung einer Hauptversammlung mit dem Ziel, eine Satzungsänderung, die dem Aufsichtsrat den Erlaß der Geschäftsordnung für den Vorstand nach §77 Abs. 2 Satz 1 AktG überträgt, oder einen Vertrauensentzug durch die Hauptversammlung nach §84 Abs. 3 Satz 2

58 59

Vgl. dazu Semler, Überwachung, S. 124ff., 148f. Siehe dazu nur Mutter, Entscheidungen, S. 92.

C.

Aufsichtsrat

137

A k t G herbeizuführen, 60 sind organisationsbezogene Einwirkungsmöglichkeiten. D e r Aufsichtsrat greift damit nur (zumindest auch) mittelbar auf das Handeln des Vorstands zu. E r wirkt auf den Vorstand als Organ ein, um (zumindest auch) auf das Handeln des Vorstands einzuwirken. Die Ausübung dieser Rechte ist zugleich eine Sanktion gegen die handelnden Vorstandsmitglieder. 61 Die Neuregelung der Vergütung und der geldwerten Sondervorteile der Vorstandsmitglieder und die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen pflichtwidrig handelnde Vorstandsmitglieder sind personenbezogene Einwirkungsmöglichkeiten. Der Aufsichtsrat greift damit - jedoch allein im ersten Fall - nur (zumindest auch) mittelbar auf das Handeln des Vorstands zu. E r wirkt auf die Vorstände als Personen ein, um - allerdings nur im ersten Fall - (zumindest auch) auf das Handeln des Vorstands einzuwirken. Die Ausübung dieser Rechte ist - im ersten Fall auch, zweiten Fall ausschließlich - eine Sanktion gegen das betreffende Vorstandsmitglied. Die Einwirkungsmöglichkeiten unterscheiden sich damit auch in der Zielrichtung. Bei der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen pflichtwidrig handelnde Vorstandsmitglieder geht es ausschließlich um die repressive Sanktionierung der Unternehmensführung durch den Vorstand. Die bloße Stellungnahme, die Anordnung und/oder Ausübung von Zustimmungsvorbehalten, die Mitwirkung bei der gesetzlichen Unternehmensberichterstattung und die Einberufung einer Hauptversammlung mit dem Ziel, die Ansicht der Aktionäre über einzelne Fragen der Geschäftsführung zu erkunden, dienen ausschließlich der zukunftsorientierten Optimierung der Unternehmensführung durch den Vorstand. Der Eingriff in die Befugnisse und das Zusammenwirken der Vorstandsmitglieder, die schlichte Nicht-Wiederwahl und Abberufung von Vorstandsmitgliedern sowie die Einberufung einer Hauptversammlung mit dem Ziel, eine Satzungsänderung, die dem Aufsichtsrat den Erlaß der Geschäftsordnung für den Vorstand nach § 77 Abs. 2 Satz 1 A k t G überträgt, oder einen Vertrauensentzug durch die Hauptversammlung nach § 84 Abs. 3 Satz 2 A k t G herbeizuführen, und die N e u regelung der Vergütung und der geldwerten Sondervorteile der Vorstandsmitglieder dienen (vorrangig) der zukunftsorientierten Optimierung der Unternehmensführung durch den Vorstand und (daneben) der repressiven Sanktionierung der Unternehmensführung durch den Vorstand. Die Einwirkungsmöglichkeiten unterscheiden sich schließlich im Anwendungsbereich. Sie knüpfen zum Teil an spezielle Maßnahmen des Vorstands an, zum Teil aber auch an qualifizierte Erfordernisse. Die Mitwirkung bei der gesetzlichen Unternehmensberichterstattung setzt eben diese voraus. Die Abberufung von Vorstandsmitgliedern ist nur möglich, wenn ein wichtiger Grund vorliegt, und zwar namentlich grobe Pflichtverletzung, Unfähigkeit zur ordnungsmäßi60 61

Siehe dazu nur Mutter, Entscheidungen, S. 91 f. Vgl. dazu Semler, Überwachung, S. 148f. und Mutter, Entscheidungen, S. 78ff.

138

2. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des

Aufsichtsrats

gen Geschäftsführung oder Vertrauensentzug durch die Hauptversammlung, es sei denn, daß das Vertrauen aus offenbar unsachlichen Gründen entzogen worden ist. Die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen pflichtwidrig handelnde Vorstandsmitglieder ist nur möglich, wenn der Schadensersatzanspruch durchsetzbar ist (Analyse des Prozeßrisikos und Abschätzung der Beitreibbarkeit der Forderung). 6 2 Beide Einwirkungsmöglichkeiten setzen - wie auch die Einberufung einer Hauptversammlung (wenn das Wohl der Gesellschaft es fordert) - voraus, daß die berücksichtigungsfähigen Umstände, die für und gegen eine Abberufung/Verfolgung/Einberufung sprechen, ermittelt (Feststellung der für und gegen eine Abberufung/Inanspruchnahme/Einberufung sprechenden Gesichtspunkte) und gegeneinander abgewogen werden (Bewertung und Gewichtung der für und gegen eine Abberufung/Inanspruchnahme/Einberufung sprechenden Gesichtspunkte und abschließende Entschließung darüber, ob die Abberufung/Inanspruchnahme/Einberufung dem Unternehmenswohl dient). 63 Demgegenüber stellen sich die bloße Stellungnahme, der Eingriff in die Befugnisse und das Zusammenwirken der Vorstandsmitglieder, die Neuregelung der Vergütung und der geldwerten Sondervorteile der Vorstandsmitglieder, die Anordnung und/oder Ausübung von Zustimmungsvorbehalten und die schlichte Nicht-Wiederwahl von Vorstandsmitgliedern als allgemeine Eingriffsmöglichkeiten dar. Sie knüpfen weder an spezielle Maßnahmen des Vorstands noch an qualifizierte Erfordernisse an, sondern stehen dem Aufsichtsrat unabhängig davon zur Verfügung, welcher Art die zu überwachende Handlung des Vorstands

6 2 B G H ZIP 1997, S.883, 886 - ARAG/Garmenbeck; Henze B B 2000, S.209, 215; Kindler Z H R 162 (1998), S. 101,112f.; Heermann A G 1998, S. 201,203ff.; Grooterhorst ZIP 1999, S. 1117, \\2y,Hom ZIP 1997, S.1129, 1138. 6 3 Siehe zu §93 A k t G nur B G H ZIP 1997, S. 883, 886f. - ARAG/Garmenbeck und Kindler Z H R 162 (1998), S. 101, 113f. sowie Heermann A G 1998, S. 201,208. Siehe zu §84 Abs. 3 AktG nur Mertens, Kölner Kommentar, § 84 Rein. 104 und auch Rdn. 107. Siehe zu § 111 Abs. 3 AktG nur Meyer-Landrut, Großkommentar, § 111 Anm. 13. 6 4 Vgl. dazu Semler, Überwachung, S.112ff., 120ff., 124ff., 148f. In dem Recht zur Anordnung und/oder Ausübung von Zustimmungsvorbehalten (§111 Abs. 4 Satz 2 AktG) wird hier eine allgemeine (einfache) Eingriffsmöglichkeit gesehen, obwohl es an „bestimmte Arten von Geschäften" anknüpft, so daß auf den ersten Blick alles für das Vorliegen einer an spezielle Maßnahmen des Vorstands anknüpfenden Eingriffsmöglichkeit spricht. Eine solche formale Betrachtung wird der Weite des Anwendungsbereichs des § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG nicht gerecht. Sie zeigt sich nicht nur darin, daß viele, wenn nicht sogar die meisten zu überwachenden Handlungen des Vorstands Geschäfte im Sinne des § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG sind; siehe dazu Mutter, Entscheidungen, S.59f. und Mertens, Kölner Kommentar, § 111 Rdn. 61. Es kommt hinzu, daß § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG das Recht zur Anordnung und Ausübung von ad hoc Zustimmungsvorbehalten für die Vornahme von Einzelgeschäften umfaßt. Der beste Beleg ist jedoch, daß in der Literatur um die Einengung des Anwendungsbereichs des § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG gerungen wird, und zwar mit der Begründung, daß „dem Aufsichtsrat andernfalls in zu starkem Maße ermöglicht würde, Einfluß auf die Geschäftsführung zu nehmen" und „die Einräumung zu umfassender Zustimmungsvorbehalte dem Vorstand die eigenverantwortliche Leitung der Gesellschaft unmöglich mache";

C. Aufsichtsrat (b)

139

Rechtsvergleich

Vor diesem Hintergrund läßt sich ein Auswahlermessen des Aufsichtsrats nicht so einfach verneinen wie im Verwaltungsrecht ein Auswahlermessen der Fachaufsichtsbehörden. D i e Einwirkungsmöglichkeiten der Fachaufsichtsbehörden stehen in einem gesetzlich geregelten Verhältnis zueinander und unterscheiden sich typischerweise nur in der Einwirkungsintensität. D a h e r zwingt bereits der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz dazu, zunächst das jeweils mildere Mittel zu ergreifen und erst, wenn es nicht wirkt, das nächst härtere Mittel einzusetzen. G a n z typisch dafür ist das Eingriffsinstrumentarium der Kommunalaufsicht, das zunächst von der Beanstandung nach § 1 2 3 sh G O , durch die eine M a ß n a h m e der K o m m u n e suspendiert und sie zu ihrer Aufhebung verpflichtet wird, über die Anordnung nach § 124 sh G O , durch die die K o m m u n e zu einem bestimmten Verwaltungshandeln angehalten wird, wenn sie ihre Aufgaben oder Pflichten nicht erfüllt, und die Ersatzvornahme nach § 125 sh G O , durch die die A n o r d nung nach § 124 sh G O auf Kosten der K o m m u n e durchgeführt wird, wenn sie ihr nicht nachgekommen ist, reicht (handlungsbezogene Einwirkungsmöglichkeiten). Erst als letztes Mittel k o m m t die kommissarische Organverwaltung nach § 127 sh G O in Betracht: Ein O r g a n der K o m m u n e wird durch einen Beamten der Kommunalaufsichtsbehörde abgelöst, wenn und solange der ordnungsgemäße Gang der Verwaltung der Gemeinde es erfordert und die Befugnisse der K o m m u nalaufsichtsbehörde nach den §§ 1 2 2 - 1 2 5 s h G O nicht ausreichen (organisationsbezogene Einwirkungsmöglichkeit). Dieser Ansatz läßt sich nicht einmal auf das Verhältnis der qualifizierten und allgemeinen Eingriffsmöglichkeiten zueinander übertragen, die (jedenfalls vorrangig) der zukunftsorientierten Optimierung der Unternehmensführung durch den Vorstand dienen. D e r Aufsichtsrat darf nicht nur auf das Handeln des Vorstands einwirken, indem er Maßnahmen des Vorstands beanstandet/unterbindet und zur Erörterung der Maßnahmen des Vorstands die Hauptversammlung einberuft (handlungsbezogene Einwirkungsmöglichkeiten). E r ist außerdem befugt, gegebenenfalls unter Einschaltung der Hauptversammlung, die Zusammensetzung des Vorstands zu ändern, in die Befugnisse und das Zusammenwirken der Vorstandsmitglieder einzugreifen (organisationsbezogene Einwirkungsmöglichkeiten) sowie die Vergütung und die geldwerten Sondervorteile der Vorstandsmitglieder neu zu regeln (personenbezogene Einwirkungsmöglichkeiten). D e r Aufsichtsrat kann daher sehr wohl vor der Frage stehen, ob er diejenigen handlungs-, organisations- und personenbezogenen Einwirkungsmöglichkeiten nebeneinander ergreifen soll, die im konkreten Fall geeignet sind, (zumindest auch) daraufhin zu wirken, daß der Vorstand von der zu überwachenden Handlung und/oder von künftigen derartigen Handlungen Abstand nimmt. Es mag etwa in so Semler, Überwachung, S. 128ff. und - ganz ähnlich - Mutter, Mertens, Kölner Kommentar, §111 Rdn. 66ff.

Entscheidungen, S.59f. sowie

140

2. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des Aufsichtsrats

Betracht k o m m e n , eine zu überwachende Handlung des Vorstands durch A n o r d nung und/oder Ausübung eines Zustimmungsvorbehalts zu unterbinden, die Z u sammensetzung des Vorstands zu ändern, in die Befugnisse und das Zusammenwirken der Vorstandsmitglieder einzugreifen sowie die Vergütung und die geldwerten Sondervorteile der Vorstandsmitglieder anders zu regeln. Ein klares Stufenverhältnis, wie es für die Einwirkungsmöglichkeiten der Fachaufsichtsbehörden typisch ist, läßt sich daher weder auf die G e b o t e der Sachlogik noch auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz stützen; vielmehr k o m m t eine K u mulation der Einwirkungsmöglichkeiten des Aufsichtsrats in Betracht. Dieser Befund wird noch erhärtet, wenn man die Mitwirkung bei der gesetzlichen U n ternehmensberichterstattung und die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen pflichtwidrig handelnde Vorstandsmitglieder hinzunimmt. Wenn diese Einwirkungsmöglichkeiten in Betracht kommen, stellt sich typischerweise die Frage nach weiteren Konsequenzen für den Vorstand. Dieses Ergebnis kann nicht überraschen. D i e Fachaufsichtsbehörden dürfen grundsätzlich nur auf das nach außen gerichtete Handeln der Ausgangsbehörden einwirken und gegebenenfalls die Entscheidungen der Ausgangsbehörden an sich ziehen. Sie müssen aber die Personal- und Organisationshoheit der Ausgangsbehörden respektieren. Dies beruht im R a h m e n der Kommunalaufsicht auf der Selbstverwaltungsgarantie des Art. 28 G G . Dagegen ist der Aufsichtsrat nicht allein dazu berufen, unmittelbar auf das Handeln des Vorstands zuzugreifen und wenn auch nur in bestimmten Fällen - die Entscheidungen des Vorstands an sich zu ziehen. E r hat auch das Recht, auf den Vorstand als O r g a n oder die Vorstände als Personen einzuwirken. Dieses R e c h t ist Ausfluß der Pflicht zur Selbstkontrolle, die der nach Art. 9 G G verfassungsrechtlich geschützten Verbandsautonomie immanent ist.

(c) Spezifische

Fragen

D i e Frage, ob dem Aufsichtsrat, wenn er in einem konkreten Fall mehrere E i n wirkungsmöglichkeiten ergreifen könnte, ein Auswahlermessen zusteht, soweit das Gesetz das Ergreifen einer dieser Einwirkungsmöglichkeiten nicht zwingend vorsieht (nach § 111 Abs. 3 A k t G hat der Aufsichtsrat eine Hauptversammlung einzuberufen, wenn das Wohl der Gesellschaft es fordert), wird zudem durch zwei vorgelagerte P r o b l e m e und ein nachgelagertes P r o b l e m kompliziert. Im R a h m e n der Abberufung von Vorstandsmitgliedern und der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen pflichtwidrig handelnde Vorstandsmitglieder stellt sich das Problem, ob dem Aufsichtsrat Ermessensprärogativen mit Blick auf die A n n a h m e bestimmter qualifizierter Erfordernisse z u k o m m e n . E s geht zum einen um die Frage, ob ein wichtiger G r u n d vorliegt und o b der Schadensersatzanspruch durchsetzbar ist. Es geht zum anderen - wie auch im R a h m e n der Einberufung einer Hauptversammlung - um die Frage, welche berücksichti-

C.

Aufsichtsrat

141

gungsfähigen Umstände für und gegen eine Abberufung/Verfolgung/Einberufung sprechen. Es kann sich hier nur um Ermessensprärogativen (und keine Einschätzungsprärogativen) handeln, weil die Annahme der genannten qualifizierten Erfordernisse die Frage des „ob" und „wie" der Einwirkung auf den Vorstand betrifft. Das Problem, ob die qualifizierten Erfordernisse gegeben sind, stellt sich zum einen erst dann, wenn der Vorstand als das zu überwachende Organ die ihm obliegenden Rechtspflichten im Sinne des § 93 AktG verletzt hat und/oder verletzen wird oder wenn eine bloße Meinungsverschiedenheit zwischen dem Vorstand und dem Aufsichtsrat im Bereich der einer Überprüfung an Rechtsmaßstäben nicht zugänglichen Aufgabenwahrnehmung durch den Vorstand vorliegt und damit der Einwirkungsfall eingetreten ist. Es stellt sich zum anderen vor der Abwägung der berücksichtigungsfähigen Umstände, die für und gegen eine Abberufung/Verfolgung/Einberufung sprechen (Evaluation der Einwirkungsmöglichkeit). Im Rahmen der Abberufung von Vorstandsmitgliedern, der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen pflichtwidrig handelnde Vorstandsmitglieder und der Einberufung einer Hauptversammlung stellt sich das weitere Problem, ob dem Aufsichtsrat in bestimmten Fällen ein Evaluationsermessen mit Blick auf ein weiteres qualifiziertes Erfordernis zukommt. Es sind die Fälle, in denen der Aufsichtsrat davon ausgehen darf, daß ein wichtiger Grund vorliegt bzw. der Schadensersatzanspruch durchsetzbar ist und/oder berücksichtigungsfähige Umstände für und gegen eine Abberufung/Verfolgung/Einberufung sprechen. Es geht um die Abwägung der berücksichtigungsfähigen Umstände, die für und gegen eine Abberufung/Verfolgung/Einberufung sprechen (Evaluation der Einwirkungsmöglichkeit). Es kann sich hier nur um ein Evaluationsermessen handeln, weil die Abwägung die Frage des „ob" und „wie" der Einwirkung auf den Vorstand betrifft. Die Abwägungsfrage stellt sich erst dann, wenn der Vorstand als das zu überwachende Organ die ihm obliegenden Rechtspflichten im Sinne des §93 AktG verletzt hat und/oder verletzen wird oder wenn eine bloße Meinungsverschiedenheit zwischen dem Vorstand und dem Aufsichtsrat im Bereich der einer Uberprüfung an Rechtsmaßstäben nicht zugänglichen Aufgabenwahrnehmung durch den Vorstand vorliegt und damit der Einwirkungsfall eingetreten ist. Es stellt sich zudem erst nach der Ermittlung der berücksichtigungsfähigen Umstände, die für und gegen eine Abberufung/Verfolgung/Einberufung sprechen (Ermessensprärogative), jedoch vor der abschließenden Entschließung über die zu ergreifende Einwirkungsmöglichkeit/ergreif enden Einwirkungsmöglichkeiten (mögliches Auswahlermessen). Im Rahmen bestimmter Einwirkungsmöglichkeiten kann sich schließlich die Frage nach einem Ausgestaltungsermessen des Aufsichtsrats stellen. Dies betrifft nicht die bloße Stellungnahme, den Eingriff in die Befugnisse oder das Zusammenwirken der Vorstandsmitglieder, die Anordnung und/oder Ausübung von Zustimmungsvorbehalten, die Mitwirkung bei der gesetzlichen Unternehmens-

142

2. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des

Aufsichtsrats

Berichterstattung, die schlichte Nicht-Wiederwahl von Vorstandsmitgliedern und Abberufung von Vorstandsmitgliedern und die Einberufung einer Hauptversammlung. Sind diese Einwirkungsmöglichkeiten im konkreten Fall geeignet, (zumindest auch) daraufhin zu wirken, daß der Vorstand von der zu überwachenden Handlung und/oder von künftigen derartigen Handlungen Abstand nimmt, steht auch Art, Umfang und Inhalt der infragekommenden Maßnahme fest. Dagegen eröffnen die Neuregelung der Vergütung und der geldwerten Sondervorteile der Vorstandsmitglieder wesensnotwendig Ermessensprärogativen und Auswahlermessensspielräume hinsichtlich ihrer Ausgestaltung im konkreten Fall. Diese Frage soll hier nicht vertieft werden. Die Frage nach einem Ausgestaltungsermessen des Aufsichtsrats stellt sich zudem, wenn die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen pflichtwidrig handelnde Vorstandsmitglieder im Raum steht. Der Aufsichtsrat kann vor dem Problem stehen, ob er den Schadensersatzanspruch ganz oder teilweise einklagt, etwa weil das Kostenrisiko hoch ist; 65 diese Frage wird im Rahmen des Evaluationsermessens behandelt. (d)

Problemeingrenzung

Die Frage nach einem Auswahlermessen des Aufsichtsrats wirft nach alledem vier Fragen auf: - Lassen sich die Einwirkungsmöglichkeiten des Aufsichtsrats ähnlich dem Eingriffsinstrumentarium der Fachaufsichtsbehörden in ein Handlungsprogramm umsetzen? - Stehen dem Aufsichtsrat im Rahmen der Abberufung von Vorstandsmitgliedern und der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen pflichtwidrig handelnde Vorstandsmitglieder Ermessensprärogativen mit Blick darauf zu, ob ein wichtiger Grund vorliegt bzw. der Schadensersatzanspruch durchsetzbar ist und - wie auch im Rahmen der qualifizierten Einwirkungsmöglichkeit der Einberufung einer Hauptversammlung - welche berücksichtigungsfähigen Umstände für und gegen eine Abberufung/Verfolgung/Einberufung sprechen? - Stehen dem Aufsichtsrat im Rahmen der Abberufung von Vorstandsmitgliedern, der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen pflichtwidrig handelnde Vorstandsmitglieder und der Einberufung einer Hauptversammlung mit Blick auf die Abwägung der berücksichtigungsfähigen Umstände, die für und gegen eine Abberufung/Inanspruchnahme/Einberufung sprechen, Ermessensspielräume zu? - Steht dem Aufsichtsrat, wenn er in einem konkreten Fall mehrere Einwirkungsmöglichkeiten ergreifen könnte, ein Auswahlermessen zu, soweit das Gesetz das Ergreifen einer dieser Einwirkungsmöglichkeiten nicht zwingend vorsieht? 65

Siehe dazu Heermann

AG 1998, S.201, 208.

C.

(aa) Das Handlungsprogramm

des

Aufsichtsrat

143

Aufsichtsrats

Legt man die bereits genannten Kriterien der Einwirkungsintensität, der Zielrichtung, des Ansatzpunkts und des Anwendungsbereichs zugrunde, so läßt sich ein Handlungsprogramm für den Aufsichtsrat entwickeln.

(a) Sanktionierung

der

Unternehmensführung

Mit Blick auf die Zielrichtung ist zwischen den Einwirkungsmöglichkeiten, die (jedenfalls vorrangig) der zukunftsorientierten Optimierung der Unternehmensführung durch den Vorstand dienen (und daneben gegebenenfalls der repressiven Sanktionierung der Unternehmensführung durch den Vorstand), und der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen pflichtwidrig handelnde Vorstandsmitglieder, die nur (und zwar ausschließlich) der repressiven Sanktionierung der Unternehmensführung durch den Vorstand dient, zu unterscheiden. Die Zielalternativität führt dazu, daß die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen pflichtwidrig handelnde Vorstandsmitglieder einen eigenständigen Problemkreis darstellt. Die Frage, ob der Aufsichtsrat gegen pflichtwidrig handelnde Vorstandsmitglieder einen Schadensersatzanspruch geltend machen darf, soll oder muß, stellt sich zwar nur bei Vorliegen einer pflichtwidrigen Aufgabenwahrnehmung durch den Vorstand im Sinne des § 93 AktG und nur im Rahmen der Überwachung abgeschlossener Vorgänge, dann aber stets als Frage nach dem Ergreifen einer kumulativen Einwirkungsmöglichkeit. Der Aufsichtsrat steht in diesen Fällen nicht nur vor der Frage, ob er die Pflichtverletzung des Vorstands im Sinne des §93 AktG durch eine Schadensersatzklage ahnden soll. Er sieht sich stets zugleich dem Problem gegenüber, welche Folgerungen aus der Pflichtverletzung des Vorstands im Sinne des § 93 AktG für die Zukunft zu ziehen sind. Das ist die Frage, ob er auch Einwirkungsmöglichkeiten ergreifen soll, die (jedenfalls vorrangig) der zukunftsorientierten Optimierung der Unternehmensführung durch den Vorstand dienen. Die Antwort auf die erste Frage wird in keiner Weise durch die Antwort auf die zweite Frage determiniert. Im Hinblick auf die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen pflichtwidrig handelnde Vorstandsmitglieder stellt sich mithin stets (nur) die Frage nach einem Auswahlermessen des Aufsichtsrats.

(ß) Optimierung

der

Unternehmensführung

Die Einwirkungsmöglichkeiten, die (jedenfalls vorrangig) der zukunftsorientierten Optimierung der Unternehmensführung durch den Vorstand dienen (und daneben gegebenenfalls der repressiven Sanktionierung der Unternehmensführung durch den Vorstand), lassen sich in ein gestuftes Handlungsprogramm umsetzen, das dem Eingriffsinstrumentarium der Fachaufsichtsbehörden im Ansatz gleicht, aber auf den unterschiedlichen Stufen ein Auswahlermessen eröffnen könnte.

144

2. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des

Aufsichtsrats

Der Ausgangspunkt ist - wie im Verwaltungsrecht - die unterschiedliche Einwirkungsintensität der Einwirkungsmöglichkeiten. Die Abweichungen gegenüber dem Verwaltungsrecht ergeben sich aus den unterschiedlichen Ansatzpunkten und Anwendungsbereichen der Einwirkungsmöglichkeiten.

(i) Erste

Einwirkungsstufe

In einem ersten Schritt hat der Aufsichtsrat von seinem Beanstandungsrecht Gebrauch zu machen. Die bloße Stellungnahme ist die mildeste Einwirkungsmöglichkeit. Der Aufsichtsrat teilt dem Vorstand nur das Ergebnis seiner Prüfung mit, zieht daraus aber (noch) keine Konsequenzen für den Vorstand. Es bleibt (zunächst) dem Vorstand überlassen, ob und gegebenenfalls wie er Abhilfe schafft. Die bloße Stellungnahme gefährdet die vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen dem Vorstand und dem Aufsichtsrat nicht. Es steht noch nicht die Frage im Raum, wer seine Ansicht gegen den Willen des anderen durchsetzen darf. Es wird lediglich der Weg dafür frei gemacht, über die unterschiedliche Sicht des Problems zu sprechen und zu einer einvernehmlichen Lösung zu kommen.

(ii) Zweite

Einwirkungsstufe

Kann keine Verständigung erzielt werden, kommen in einem zweiten Schritt der Eingriff in die Befugnisse und das Zusammenwirken der Vorstandsmitglieder, die Neuregelung der Vergütung und der geldwerten Sondervorteile der Vorstandsmitglieder sowie die - sich aufgrund ihres unterschiedlichen Anwendungsbereichs wechselseitig ausschließenden - Rechte zur Anordnung und/oder Ausübung von Zustimmungsvorbehalten und zur Mitwirkung bei der gesetzlichen Unternehmensberichterstattung in Betracht. Dies sind etwa gleich schwere Einwirkungsmöglichkeiten, weil sie weder die Zusammensetzung des Vorstands antasten noch die Hauptversammlung in den Konflikt zwischen Vorstand und Aufsichtsrat hineinziehen. Allerdings setzen sie unterschiedlich an. Der Eingriff in die Befugnisse und das Zusammenwirken der Vorstandsmitglieder ist eine organisationsbezogene Einwirkungsmöglichkeit. Die Neuregelung der Vergütung und der geldwerten Sondervorteile der Vorstandsmitglieder ist eine personenbezogene Einwirkungsmöglichkeit. Die Rechte zur Anordnung und/oder Ausübung von Zustimmungsvorbehalten und zur Mitwirkung bei der gesetzlichen Unternehmensberichterstattung sind handlungsbezogene Einwirkungsmöglichkeiten. Vor diesem Hintergrund kommt auf dieser Stufe eine Kumulation von Einwirkungsmöglichkeiten des Aufsichtsrats mit gleicher Einwirkungsintensität und damit ein Auswahlermessen des Aufsichtsrats in Betracht. Soweit die Rechte zur Anordnung und/oder Ausübung von Zustimmungsvorbehalten und zur Mitwirkung bei der gesetzlichen Unternehmensberichterstattung reichen, kann der Aufsichtsrat vor der Frage stehen, ob er nicht nur sein Recht zur Mitentscheidung aus-

C.

Aufsichtsrat

145

üben, sondern auch diejenige(n) organisations- und personenbezogene(n) Einwirkungsmöglichkeit(en) ergreifen soll, die im konkreten Fall geeignet ist (sind), (zumindest auch) daraufhin zu wirken, daß der Vorstand von der zu überwachenden Handlung und/oder von künftigen derartigen Handlungen Abstand nimmt. Soweit der Anwendungsbereich der Rechte zur Anordnung und/oder Ausübung von Zustimmungsvorbehalten und zur Mitwirkung bei der gesetzlichen Unternehmensberichterstattung verlassen ist, kann der Aufsichtsrat vor der Frage stehen, ob er diejenigen organisations- und personenbezogenen Einwirkungsmöglichkeiten nebeneinander einsetzen soll, die im konkreten Fall geeignet sind, (zumindest auch) daraufhin zu wirken, daß der Vorstand von der zu überwachenden Handlung und/oder von künftigen derartigen Handlungen Abstand nimmt. (iii) Dritte

Einwirkungsstufe

Stehen die Rechte zur Anordnung und/oder Ausübung von Zustimmungsvorbehalten und zur Mitwirkung bei der gesetzlichen Unternehmensberichterstattung aufgrund ihres Anwendungsbereichs im konkreten Fall nicht zur Verfügung und sind der Eingriff in die Befugnisse und das Zusammenwirken und die Neuregelung der Vergütung und der geldwerten Sondervorteile der Vorstandsmitglieder im konkreten Fall nicht geeignet, (zumindest auch) daraufhin zu wirken, daß der Vorstand von der zu überwachenden Handlung und/oder von künftigen derartigen Handlungen Abstand nimmt, so bleiben dem Aufsichtsrat in einem dritten Schritt nur noch die Einwirkungsmöglichkeiten der schlichten Nicht-Wiederwahl von Vorstandsmitgliedern, der Abberufung von Vorstandsmitgliedern und der Einberufung einer Hauptversammlung. Die schlichte Nicht-Wiederwahl von Vorstandsmitgliedern kommt allerdings erst nach Ablauf der Amtszeit des betreffenden Vorstandsmitglieds/der betreffenden Vorstandsmitglieder in Betracht. Die Einberufung einer Hauptversammlung ist wie die Abberufung eines Vorstandsmitglieds an qualifizierte Erfordernisse gebunden. Daher scheint das auf dieser Stufe verbleibende Eingriffsinstrumentarium nicht sehr effizient. Dieser Eindruck täuscht jedoch. Denn in den meisten Fällen ist der Aufsichtsrat darauf nicht angewiesen. Der Anwendungsbereich des Rechts zur Anordnung und/oder Ausübung von Zustimmungsvorbehalten ist so weit, daß der Aufsichtsrat seine Ansicht zumeist durchsetzen kann, und zwar wegen der weiten Interpretation des Begriffs der Geschäfte und der Anerkennung des Rechts zur Anordnung und Ausübung von ad hoc Zustimmungsvorbehalten für die Vornahme von Einzelgeschäften. Der Aufsichtsrat gelangt nur in den Fällen schwerwiegender Meinungsverschiedenheiten mit dem Vorstand über die Unternehmenspolitik und insbesondere in dem Fall von nicht beseitigbaren Meinungsverschiedenheiten über die grundsätzlichen Fragen der künftigen Unternehmenspolitik auf die dritte Einwirkungsstufe. Denn die Unternehmenspolitik und die Unternehmensplanung können als solche - anders als ein einzelner Planungsakt wie das jährliche

146

2. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des

Aufsichtsrats

Budget - keinem Zustimmungsvorbehalt unterworfen werden.66 In diesen Fällen genügt es auch nicht mehr, vermittels der Rechte zur Mitentscheidung daraufhin zu wirken, daß der Vorstand von einzelnen Planungsakten und sonstigen auf der Unternehmenspolitik des Vorstands beruhenden Maßnahmen Abstand nimmt. Ein solches Vorgehen würde nur zu einer nicht endenden Kette von Streitereien mit dem Vorstand um die einzelnen Planungsakte und Maßnahmen führen. Schwerwiegende Meinungsverschiedenheiten über die Unternehmenspolitik zwischen Vorstand und Aufsichtsrat lassen eine übereinstimmende Beurteilung einzelner geschäftspolitischer Maßnahmen nicht mehr zu.67 In diesen Fällen genügen auch ein Eingriff in die Befugnisse und das Zusammenwirken und eine Neuregelung der Vergütung und der geldwerten Sondervorteile der Vorstandsmitglieder nicht mehr. Der Aufsichtsrat kann schwerwiegende Meinungsverschiedenheiten über die Unternehmenspolitik mit dem Vorstand nicht auf diese Weise beheben. Die Lage ähnelt der im qualifiziert faktischen Konzern, in dem sich keine Einzelweisungen im Sinne der §§311 ff. AktG mehr feststellen lassen, so daß die an den Einzelfall anknüpfende Ausgleichspflicht versagen und nach anderen Lösungsmöglichkeiten gesucht werden muß. 68 Die dritte Einwirkungsstufe zeichnet sich mithin dadurch aus, daß schwerwiegende Meinungsverschiedenheiten über die Unternehmenspolitik vorliegen und damit die Entwicklung des Unternehmens gefährdet ist.69 Die Einwirkungsmöglichkeiten der zweiten Stufe sind nicht mehr geeignet, das (jedenfalls vorrangige) Ziel der zukunftsgerichteten Optimierung der Unternehmensführung durch den Vorstand zu erreichen. In diesem kritischen Fall steht der Aufsichtsrat (zumindest auch) vor der Frage, ob er etwas unternehmen darf, soll oder muß und was er gegebenenfalls unternehmen darf, soll oder muß, um den Vorstand zu veranlassen, von der Unternehmenspolitik und insbesondere der Unternehmensplanung Abstand zu nehmen. Die Änderung der Unternehmenspolitik und insbesondere der Unternehmensplanung des Vorstands läßt sich nur durch einen Eingriff in die Zusammensetzung des Vorstands und ein Einschalten der Hauptversammlung erreichen. Es geht - wie Johannes Semler formuliert - darum, „die Funktionsfähigkeit des Zusammenwirkens von Vorstand und Aufsichtsrat wiederherzustellen, sei es dadurch, daß die Geschäftspolitik des Vorstands sachlich oder personell geändert wird, sei es dadurch, daß der Aufsichtsrat zurücktritt." 70 Vor diesem Hintergrund erweist sich das auf dieser Stufe zur Verfügung stehende Eingriffsinstrumentarium als sehr effizient. Nur der Eingriff in die Zusammensetzung des Vorstands und das Einschalten der Hauptversammlung sind ge66 Mertens, Kölner Kommentar, §111 Rdn 61, 68; siehe dazu auch Mutter, Entscheidungen, S.47f., 63. 67 Semler, Überwachung, S. 123. 68 Siehe dazu nur Emmerich/Habersack, Konzernrecht, Anh. II §318 Rdn. 5, 7 ff. 69 Semler, Überwachung, S. 123. 70 Semler, Überwachung, S. 123.

C. Aufsichtsrat

147

eignet, (zumindest auch) daraufhin zu wirken, daß die Unternehmenspolitik des Vorstands und insbesondere die Unternehmensplanung des Vorstands geändert wird, 7 1 und genau diese Einwirkungsmöglichkeiten stellt das Gesetz dem A u f sichtsrat zur Verfügung. D i e schlichte Nicht-Wiederwahl und Abberufung von Vorstandsmitgliedern erlauben es dem Aufsichtsrat, die Zusammensetzung des Vorstands zu ändern, und die Einberufung einer Hauptversammlung eröffnet dem Aufsichtsrat die Möglichkeit, die Hauptversammlung in den Konflikt hineinzuziehen und dadurch seiner Position im Verhältnis zum Vorstand mehr G e wicht zu verschaffen. Kein Handlungsbedarf

für eine sofortige Abberufung.

D i e schlichte N i c h t - W i e -

derwahl von Vorstandsmitgliedern und die Einberufung einer Hauptversammlung mit dem Ziel, eine Satzungsänderung herbeizuführen, die dem Aufsichtsrat den Erlaß der Geschäftsordnung für den Vorstand nach § 77 Abs. 2 Satz 1 A k t G überträgt, oder die Ansicht der Aktionäre über einzelne Fragen der Geschäftsführung zu erkunden, sind auf der dritten Einwirkungsstufe die beiden milderen E i n wirkungsmöglichkeiten. Die schlichte Nicht-Wiederwahl von Vorstandsmitgliedern k o m m t in B e tracht, wenn der Aufsichtsrat davon überzeugt ist, der Vorstand agiere glücklos, und deshalb schwerwiegende Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Vorstand und dem Aufsichtsrat über die Unternehmenspolitik bestehen. 7 2 Sie setzt aber keinen Handlungsbedarf für eine sofortige Abberufung des Vorstands voraus. D e r Aufsichtsrat greift in die Zusammensetzung des Vorstands ein, u m zumindest langfristig personelle Konsequenzen daraus zu ziehen, daß er davon überzeugt ist, es mangle dem Vorstand an fortune, und der betreffende Vorstand scheidet/die betreffenden Vorstände scheiden (erst) nach Ablauf ihrer Amtszeit aus. D i e Einberufung einer Hauptversammlung setzt in den genannten Fällen ebenfalls schwerwiegende Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Vorstand und dem Aufsichtsrat über die Unternehmenspolitik voraus, aber keinen H a n d lungsbedarf für eine sofortige Abberufung des Vorstands. D e r Aufsichtsrat zieht die Hauptversammlung in den Konflikt mit dem Vorstand hinein, um in das Z u sammenwirken des Vorstands eingreifen zu können oder um einen Ansatzpunkt zur Konfliktlösung zu finden. D i e schlichte Nicht-Wiederwahl von Vorstandsmitgliedern ist zwar anders als die Einberufung einer Hauptversammlung nicht an qualifizierte Erfordernisse gebunden. Die beiden Einwirkungsmöglichkeiten erweisen sich aber als gleichermaßen schwerwiegend. D i e schlichte N i c h t - W i e derwahl von Vorstandsmitgliedern ist ein Eingriff in die Zusammensetzung des Vorstands, und das Einschalten der Hauptversammlung mit den genannten Zielen läßt für den Fall, daß die vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Vorstand 71 72

Vgl. Semler, Überwachung, S. 123. Siehe dazu nur Henze BB 2000, S.209, 212f.

148

2. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des

Aufsichtsrats

und Aufsichtsrat auf diese Weise nicht wiederhergestellt wird, einen Vertrauensentzug durch die Hauptversammlung nach § 84 Abs. 3 Satz 2 AktG in greifbare Nähe rücken. Die schlichte Nicht-Wiederwahl von Vorstandsmitgliedern und die Einberufung einer Hauptversammlung mit den genannten Zielen setzen allerdings unterschiedlich an. Die Einberufung einer Hauptversammlung mit dem Ziel, die Ansicht der Aktionäre über einzelne Fragen der Geschäftsführung zu erkunden, ist eine handlungsbezogene Einwirkungsmöglichkeit. Die schlichte Nicht-Wiederwahl von Vorstandsmitgliedern und die Einberufung einer Hauptversammlung mit dem Ziel, eine Satzungsänderung herbeizuführen, die dem Aufsichtsrat den Erlaß der Geschäftsordnung für den Vorstand nach § 77 Abs. 2 Satz 1 AktG überträgt, sind organisationsbezogene Einwirkungsmöglichkeiten. Vor diesem Hintergrund kommt auch auf dieser Stufe eine Kumulation von Einwirkungsmöglichkeiten des Aufsichtsrats mit gleicher Einwirkungsintensität und damit ein Auswahlermessen des Aufsichtsrats in Betracht. Der Aufsichtsrat kann vor der Frage stehen, ob er eine Hauptversammlung nicht nur mit dem Ziel, eine Satzungsänderung herbeizuführen, die dem Aufsichtsrat den Erlaß der Geschäftsordnung für den Vorstand nach § 77 Abs. 2 Satz 1 AktG überträgt, sondern auch mit dem Ziel einberufen soll, die Ansicht der Aktionäre über einzelne Fragen der Geschäftsführung zu erkunden, und ob er überdies die schlichte NichtWiederwahl dieses Vorstands/dieser Vorstände beschließen soll, wenn alle diese Einwirkungsmöglichkeiten im konkreten Fall geeignet sind, (zumindest auch) daraufhin zu wirken, daß die Unternehmenspolitik des Vorstands und insbesondere die Unternehmensplanung des Vorstands geändert wird. Handlungsbedarf für eine sofortige Abberufung. Die Abberufung von Vorstandsmitgliedern und die Einberufung einer Hauptversammlung mit dem Ziel, einen Vertrauensentzug durch die Hauptversammlung nach §84 Abs. 3 Satz 2 AktG herbeizuführen, sind die schwerwiegendsten Einwirkungsmöglichkeiten des Aufsichtsrats. Sie setzen nicht nur schwerwiegende Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Vorstand und dem Aufsichtsrat über die Unternehmenspolitik voraus, sondern auch einen Handlungsbedarf für eine sofortige Abberufung des Vorstands. Es wird in die Zusammensetzung des Vorstands eingegriffen, um - im Falle des § 84 Abs. 3 AktG - sofort personelle Konsequenzen aus nicht beseitigbaren Meinungsverschiedenheiten mit dem Vorstand in grundsätzlichen Fragen der künftigen Unternehmenspolitik zu ziehen und um - im Falle des § 111 Abs. 3 AktG - sofort personelle Konsequenzen aus der gemeinsamen Uberzeugung von Aufsichtsrat und Hauptversammlung zu ziehen, der Vorstand agiere glücklos. 73 Beide Einwirkungsmöglichkeiten knüpfen an qualifizierte Erfordernisse an und 73 Siehe zu §84 Abs. 3 AktG nur Mertens, Kölner Kommentar, §84 Rdn. 105 und zu §111 Abs. 3 AktG nur Mutter, Entscheidungen, S.90ff.

C. Aufsichtsrat

149

sind von gleicher Eingriffsqualität, weil sie Eingriffe in die Zusammensetzung des Vorstands darstellen. Sie setzen damit auch in gleicher Weise an; es handelt sich um organisationsbezogene Einwirkungsmöglichkeiten. D e r einzige Unterschied besteht darin, daß ein Vertrauensentzug durch die Hauptversammlung auch dann möglich ist, wenn der Aufsichtsrat die Voraussetzungen für die Annahme eines wichtigen Grundes im Sinne des § 84 Abs. 3 A k t G nicht dartun kann. D e r Vertrauensentzug setzt nicht voraus, daß bereits nicht beseitigbare Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Vorstand und dem A u f sichtsrat in grundsätzlichen Fragen der künftigen Unternehmenspolitik vorliegen, es genügt vielmehr, daß der Aufsichtsrat und vor allem die Hauptversammlung von der mangelnden fortune des Vorstands überzeugt sind. E s ist jedoch das Gesetz, das diese Fälle in § 84 Abs. 3 A k t G gleichstellt, und zwar zu recht, weil das Eingreifen der Hauptversammlung im Verhältnis zum Vorstand besonderes G e wicht hat. Vor diesem Hintergrund scheint eine Kumulation von Einwirkungsmöglichkeiten des Aufsichtsrats mit gleicher Einwirkungsintensität und damit ein A u s wahlermessen des Aufsichtsrats auf dieser Stufe nicht in Betracht zu k o m m e n . Dieser Eindruck täuscht jedoch. D e r Aufsichtsrat kann vor der Frage stehen, ob er sowohl das Vorliegen eines wichtigen Grundes geltend machen als auch eine Hauptversammlung einberufen soll, um einen Vertrauensentzug durch die Hauptversammlung nach § 84 Abs. 3 Satz 2 A k t G herbeizuführen, wenn beides im konkreten Fall geeignet ist, (zumindest auch) daraufhin zu wirken, daß die Unternehmenspolitik des Vorstands und insbesondere die Unternehmensplanung des Vorstands geändert wird. D e n n der Aufsichtsrat m u ß dartun, daß aufgrund nicht beseitigbarer Meinungsverschiedenheiten mit dem Vorstand in grundsätzlichen Fragen der künftigen Unternehmenspolitik ein wichtiger G r u n d im Sinne des § 84 Abs. 3 A k t G gegeben ist, wenn er Vorstandsmitglieder abberufen will. E r kann seine Erfolgsaussichten - gerade bei Gericht - erheblich verbessern, wenn er das Vorliegen eines wichtigen Grundes im Sinne des § 8 4 Abs. 3 A k t G auch auf einen Vertrauensentzug durch die Hauptversammlung nach § 84 Abs. 3 Satz 2 A k t G zu stützen vermag.

(X) Ergebnis D i e Frage nach einem Auswahlermessen des Aufsichtsrats stellt sich zum einen unter dem Gesichtspunkt der Zielalternativität im H i n b l i c k auf die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen pflichtwidrig handelnde Vorstandsmitglieder. Sie stellt sich zum anderen unter dem Gesichtspunkt der unterschiedlichen Ansatzpunkte der Einwirkungsmöglichkeiten im R a h m e n des gestuften Handlungsprogramms, weil auf der zweiten und dritten Stufe eine Kumulation von Einwirkungsmöglichkeiten des Aufsichtsrats mit gleicher Einwirkungsintensität in Betracht k o m m t .

150

2. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

(bb) Ermessensprärogativen

des

des Vorstands und des

Aufsichtsrats

Aufsichtsrats?

Im Rahmen der Abberufung von Vorstandsmitgliedern und der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen pflichtwidrig handelnde Vorstandsmitglieder stellt sich das Problem, ob dem Aufsichtsrat Ermessensprärogativen mit Blick auf die Annahme bestimmter qualifizierter Erfordernisse zukommen. Es geht zum einen um die Frage, ob ein wichtiger Grund vorliegt und ob der Schadensersatzanspruch durchsetzbar ist. Es geht zum anderen - wie auch im Rahmen der Einberufung einer Hauptversammlung - um die Frage, welche berücksichtigungsfähigen Umstände für und gegen eine Abberufung/Verfolgung/Einberufung sprechen. Diese Fragen sollen hier ausgehend von der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen pflichtwidrig handelnde Vorstandsmitglieder geklärt werden. 74 (et) Die ARAG-Entscheidung

des

Bundesgerichtshofs

Der Bundesgerichtshof führt zu diesem Fragenkreis aus: „Die Entscheidung des Aufsichtsrats, ob ein Vorstandsmitglied wegen Verletzung seiner Geschäftsführungspflichten auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden soll, erfordert ... eine Analyse des Prozeßrisikos und der Beitreibbarkeit der Forderung ... Eine ,Entscheidungsprärogative', die zur Beschränkung der gerichtlichen Nachprüfbarkeit führt, kann der Aufsichtsrat für diesen Teil seiner Entscheidung entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht in Anspruch nehmen. Bei der Prüfung ... der Durchsetzbarkeit eines Schadensersatzanspruchs steht dem Aufsichtsrat keine andere Aufgabe zu als jedem anderen, der in eigener oder fremder Sache ein Urteil über ... die Aussichten einer gerichtlichen Geltendmachung desselben abzugeben hat. Die Haltbarkeit und Richtigkeit seiner Beurteilung der Erfolgsaussichten einer gerichtlichen Anspruchsverfolgung sind im Streitfall vor Gericht grundsätzlich voll nachprüfbar, da es bis hierher nicht um Fragen des Handlungs-, sondern allein des Erkenntnisbereichs geht, für die allenfalls die Zubilligung eines begrenzten Beurteilungsspielraums in Betracht kommen kann ... Führt eine solche sorgfältig und sachgerecht von dem Aufsichtsrat vorgenommene Prozeßrisikoanalyse zu dem Ergebnis, daß der Gesellschaft voraussichtlich Gewißheit kann nach Lage der Dinge insoweit nicht verlangt werden - Schadensersatzansprüche gegen eines ihrer Vorstandsmitglieder zustehen, kann sich ... auf der nächsten Stufe die Frage stellen, ob der Aufsichtsrat gleichwohl von einer Verfolgung des Anspruchs ... absehen kann ... Dieses Ermessen kann aber erst dann einsetzen, wenn die gegeneinander abzuwägenden Umstände festgestellt worden sind ... fehlen Feststellungen dazu, ob gewichtige Gründe des Unternehmens74 Die Frage, ob ein „überprüfungsfreier Beurteilungsspielraum des Aufsichtsrats in der Frage, ob ein wichtiger Grund gegeben ist, besteht", wird ganz überwiegend verneint; siehe dazu nur Mertens, Kölner Kommentar, §84 Rdn. 104, 125.

C. Aufsichtsrat

151

wohls vorliegen, die dem Aufsichtsrat eine Ermessensentscheidung darüber eröffnen, ob er ausnahmsweise von der Geltendmachung der Schadensersatzansprüche absehen will." 75 Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs wird zum Teil dahin verstanden, daß dem Aufsichtsrat mit Blick auf die Durchsetzbarkeit des Schadensersatzanspruchs keine Entscheidungsfreiräume zukommen. So führt Peter Kindler aus: „In grundsätzlicher Hinsicht erläuterungsbedürftig ist hier zunächst die vom Senat unterstrichene volle gerichtliche Nachprüfbarkeit der ,Haltbarkeit und Richtigkeit' der gesamten Erfolgschancenprüfung. Dabei bewegt sich der Aufsichtsrat ...im kognitiven Bereich. Dort gibt es keine Handlungsalternativen, sondern nur zutreffende und unzutreffende Erkenntnisse. Insoweit hat der BGH dem Aufsichtsrat keinerlei unternehmerisches Ermessen zugestanden, sondern ihn lediglich zu der Prüfung aufgefordert." 76 Vorherrschend ist jedoch das Verständnis, daß dem Aufsichtsrat insoweit begrenzte Entscheidungsfreiräume zustehen.77 So meint Peter W. Heermann, es handele sich „bei der Bestimmung des entsprechenden Prozeßrisikos und der Chancen einer erfolgreichen Forderungsdurchsetzung um eine Prognoseentscheidung, die im Einzelfall durchaus einen (unternehmerischen) Ermessensspielraum zu eröffnen vermag." Er verweist darauf, daß Eindeutigkeit und Beweisbarkeit eines umstrittenen Sachverhalts in Frage stehen können oder die Position offen sein mag, die die Rechtsprechung hinsichtlich einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage einnehmen wird. 78 In gleicher Weise wird die Entscheidung des Bundesgerichtshofs dahin verstanden, daß der Aufsichtsrat mit Blick auf die Prüfung des Vorliegens der berücksichtigungsfähigen Umstände, die für und gegen eine Verfolgung des Schadensersatzanspruchs sprechen, begrenzte Entscheidungsfreiräume hat.79 Die Annahme, der Bundesgerichtshof wolle dem Aufsichtsrat mit Blick auf die Durchsetzbarkeit des Schadensersatzanspruchs begrenzte Entscheidungsfreiräume zugestehen, liegt nahe. Der Bundesgerichtshof spricht von der Haltbarkeit der Beurteilung des Aufsichtsrats, von einer nur grundsätzlich vollen Nachprüfbarkeit und von einer Gewißheit, die nicht verlangt werden könne. Er erwägt ausdrücklich die Zubilligung eines begrenzten Beurteilungsspielraums. Vor diesem Hintergrund muß sich der Schluß geradezu aufdrängen, daß der Bundesgerichtshof dem Aufsichtsrat - wenn auch nur ausnahmsweise und in begrenztem Ausmaß - Entscheidungsfreiräume mit Blick auf die Frage zuerkennen will, ob der Schadensersatzanspruch durchsetzbar ist. Das erscheint auf den ersten Blick auch überzeugend. Es gibt Fälle, „in denen sich die Prüfungsstufen a) und b) (TatbeBGH ZIP 1997, S. 883, 885ff. - ARAG/Garmenbeck. Kindler ZHR 162 (1998), S. 101, 112f. 77 Grooterhorst ZIP 1999, S. 1117, 1123,1123f.; Heermann AG 1998, S.201, 203, 206; Henze BB 2000, S.209, 215. 78 Heermann AG 1998, S.201, 206. 79 Kindler ZHR 162 (1998), S. 101, 113f.; Heermann AG 1998, S.201, 208. 75

76

152

2. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des

Aufsichtsrats

standsfeststellung und Prüfung der Erfolgsaussichten eines Klageverfahrens) zum einen nicht idealtypisch auseinanderhalten lassen und zum anderen den Aufsichtsrat vor schwerwiegende Probleme stellen werden." 8 0 Es gibt auch Fälle, „in denen man über die Pflichtwidrigkeit eines Verhaltens dem Grunde nach trefflich streiten kann" 8 1 und „die Erfolgsaussichten der gerichtlichen Anspruchsverfolgung ... schon" angesichts „der unterschiedlichen Einschätzung der zahlreichen relevanten Rechtsfragen durch die damit befaßten Gutachter ... als durchaus zweifelhaft zu qualifizieren" sind." 82 Dagegen ist die Annahme, der Bundesgerichtshof wolle dem Aufsichtsrat mit Blick auf das Vorliegen der berücksichtigungsfähigen Umstände, die für und gegen eine Verfolgung des Schadensersatzanspruchs sprechen, begrenzte Entscheidungsfreiräume zugestehen, schwer nachzuvollziehen. Der Bundesgerichtshof trennt zwischen der Ermittlung dieser Umstände und der Abwägung dieser U m stände. Er betont, das Ermessen des Aufsichtsrats könne erst dann einsetzen, wenn die gegeneinander abzuwägenden Umstände festgestellt worden seien. An anderer Stelle führt er aus, das Berufungsgericht hätte Feststellungen dazu treffen müssen, ob gewichtige Gründe des Unternehmenswohls vorliegen, die dem Aufsichtsrat eine Ermessensentscheidung darüber eröffnen, ob er ausnahmsweise von der Geltendmachung der Schadensersatzansprüche absehen will. Vor diesem Hintergrund muß sich eigentlich der Schluß aufdrängen, daß der Bundesgerichtshof dem Aufsichtsrat keine Entscheidungsfreiräume mit Blick auf die Frage zuerkennen will, welche berücksichtigungsfähigen Umstände für und gegen eine Verfolgung des Schadensersatzanspruchs sprechen. Dies gilt um so mehr, als der Bundesgerichtshof mit dem zweigliedrigen Ansatz, daß die berücksichtigungsfähigen Umstände, die für und gegen Verfolgung des Schadensersatzanspruchs sprechen, festgestellt und abgewogen werden müssen, etwas aufgreift, was nach dem Verwaltungsrecht für Ermessensentscheidungen typisch ist. So werden - etwa im Planungsrecht - zwei Fragen sauber getrennt. Es geht zum einen darum, ob „die Behörde ... alle die für ihre Entscheidung maßgeblichen wesentlichen Gesichtspunkte, Belange, Interessen usw. rechtlich zutreffend und vollständig erkannt und ordnungsgemäß, rechtlich und tatsächlich zutreffend bestimmt, ermittelt und festgestellt hat." Es geht zum anderen darum, ob „die Behörde alle betroffenen Belange berücksichtigt, in die Abwägung eingestellt und gewürdigt hat, das Gewicht und die Bedeutung der betroffenen öffentlichen und privaten Belange nicht verkannt hat, sondern sachgerecht angesetzt hat, alle betroffenen öffentlichen und privaten Belange miteinander und gegeneinander unter Beachtung auch des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit abgewogen und den Ausgleich nicht in einer Weise vorgenommen hat, die zur ob80 81 82

Grooterhorst ZIP 1999, S. 1117, 1123. Fischer BB 1996, S.225, 228. Grooterhorst ZIP 1999, S.1117, 1124; siehe dazu auch Heermann

AG 1998, S.201, 203.

C.

Aufsichtsrat

153

jektiven Gewichtigkeit der Belange außer Verhältnis steht." 83 Die Zusammenstellung des Abwägungsmaterials gilt grundsätzlich als rechtlich voll nachprüfbar; eine Ausnahme wird nur für die dabei zu erstellenden planungsspezifischen Prognosen anerkannt. Die Abwägung selbst wird dagegen nur im Lichte der genannten Kriterien als rechtlich nachprüfbar angesehen. 84 Die Ausführungen des Bundesgerichtshofs lassen in diesem Licht nur eine Schlußfolgerung zu. Es soll rechtlich voll nachprüfbar sein, ob gewichtige Gründe des Unternehmenswohls vorliegen, die dem Aufsichtsrat eine Ermessensentscheidung eröffnen. In der Terminologie des Verwaltungsrechts ist das die Frage, ob der Aufsichtsrat die für und gegen eine Inanspruchnahme sprechenden Gesichtspunkte „rechtlich zutreffend und vollständig erkannt und ordnungsgemäß, rechtlich und tatsächlich zutreffend bestimmt, ermittelt und festgestellt" hat. Dagegen soll rechtlich nur eingeschränkt nachprüfbar sein, ob der Aufsichtsrat ausnahmsweise von der Geltendmachung der Schadensersatzansprüche absehen will. Das ist in der Terminologie des Verwaltungsrechts die eigentliche Abwägung und damit die Bewertung und Gewichtung und der Ausgleich der für und gegen eine Inanspruchnahme sprechenden Gesichtspunkte.

(ß) Die richtige

Fragestellung

Die Ausgangsfrage lautet, ob dem Aufsichtsrat Ermessensprärogativen mit Blick darauf zukommen, ob der Schadensersatzanspruch durchsetzbar ist und welche berücksichtigungsfähigen Umstände für und gegen eine Verfolgung des Schadensersatzanspruchs sprechen. Die Antwort auf diese Frage hängt davon ab, ob der Gesetzgeber den Aufsichtsrat mit der Prüfung der Durchsetzbarkeit des Schadensersatzanspruchs und des Vorliegens der berücksichtigungsfähigen Umstände dazu verpflichtet, bei der Wahrnehmung der Handlungsbefugnis jeweils ein unstrukturiertes hochkomplexes Problem zu bewältigen. Die Evaluation einer Maßnahme kann auf der Prüfung von vernetzten Einflußfaktoren und ihrer wahrscheinlichen Entwicklung, von Konsequenzen in sachlicher und zeitlicher Hinsicht und/oder von Zielkonflikten aufbauen, die überwiegend - für sich genommen und in ihren Wechselwirkungen - nicht vollständig absehbar oder bekannt sind. Die Entschließung über die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen pflichtwidrig handelnde Vorstandsmitglieder erfordert eine Abwägung der berücksichtigungsfähigen Umstände, die für und gegen eine Verfolgung des Schadensersatzanspruchs sprechen, und damit eine Evaluation. Sie baut auf der Prüfung der Durchsetzbarkeit des Schadensersatzanspruchs und des Vorliegens der berücksichtigungsfähigen Umstände auf. Die Prüfung der Durchsetzbarkeit des Schadensersatzanspruchs könnte durch die Kopp, VwGO, 10. Auflage 1994, §114 Rdn.35. Kopp/Schenke, VwGO, § 114 Rdn. 35f. sowie - zu den planungsspezifischen Prognosen Rdn.34, 34b, 36a, 37, 37a. 83

84

154

2. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des Aufsichtsrats

Prüfung von vernetzten Einflußfaktoren und ihrer wahrscheinlichen E n t w i c k lung geprägt sein, die überwiegend - für sich genommen und in ihren Wechselwirkungen - nicht vollständig absehbar oder bekannt sind. Die Prüfung des Vorliegens der berücksichtigungsfähigen Umstände, die für und gegen eine Verfolgung des Schadensersatzanspruchs sprechen, könnte durch die Prüfung von K o n sequenzen in sachlicher und zeitlicher Hinsicht geprägt sein, die überwiegend für sich genommen und in ihren Wechselwirkungen - nicht vollständig absehbar oder bekannt sind. Diese Prüfungen könnten dem Aufsichtsrat die Einschätzung unstrukturierter hochkomplexer Probleme abverlangen, und zwar mit der K o n sequenz, daß dem Aufsichtsrat insoweit Ermessensprärogativen zuzuerkennen wären. Sie würden den im Verwaltungsrecht im R a h m e n des Planungsermessens anerkannten Prognosespielräumen - den planungsspezifischen Prognosen - entsprechen.

(%) Der richtige Ansatz Eine Überlegung scheint dafür zu sprechen, diese Fragen zu bejahen. D i e Fragen, ob der Schadensersatzanspruch durchsetzbar ist und welche berücksichtigungsfähigen Umstände für und gegen eine Verfolgung des Schadensersatzanspruchs sprechen, werden häufig schwierig zu beantworten sein. So liegt es insbesondere dann, wenn - im ersten Fall - eine umstrittene Tatsachen- und/oder Rechtslage gegeben ist und wenn - im zweiten Fall - negative Auswirkungen auf Geschäftstätigkeit und Ansehen der Gesellschaft in der Öffentlichkeit und eine Behinderung der Vorstandsarbeit und Beeinträchtigung des Betriebsklimas 8 5 und damit indirekte wie schwer kalkulierbare Effekte 8 6 zu besorgen sind. D e r Ü b e r w a chungsauftrag des § 111 Abs. 1 A k t G iVm. § 93 A k t G , der dem Aufsichtsrat die Prüfungen abverlangt, ob der Schadensersatzanspruch durchsetzbar ist und welche berücksichtigungsfähigen Umstände für und gegen eine Verfolgung des Schadensersatzanspruchs sprechen, könnte dem Aufsichtsrat aus diesem G r u n d mit Blick auf diese Prüfungen Ermessensprärogativen verleihen. Dieser Schluß ist jedoch nicht überzeugend. D e r Bundesgerichtshof gibt in diesem Zusammenhang einen wichtigen und zutreffenden Hinweis, wenn er betont, bei der Prüfung der Durchsetzbarkeit eines Schadensersatzanspruchs stehe dem Aufsichtsrat keine andere Aufgabe zu als jedem anderen, der in eigener oder fremder Sache ein Urteil über die Aussichten einer gerichtlichen Geltendmachung eines Anspruchs abzugeben habe. D e r Erkenntnisakt des Aufsichtsrats zeichnet sich durch die Konkretisierung und Wahrnehmung der ihm aufgrund des § 1 1 1 Abs. 1 A k t G iVm. § 93 A k t G mit den Prüfungen, o b der Schadensersatzanspruch durchsetzbar ist und welche berücksichtigungsfähigen Umstände für und gegen eine Verfolgung des Schadensersatzanspruchs sprechen, obliegenden Aufgaben 85 86

B G H ZIP 1997, S. 883, 886 - ARAG/Garmenbeck. Heermann AG 1998, S.201, 209.

C.

Aufsichtsrat

155

aus. Diese Prüfungsaufgaben sind durch die Interpretation des § 111 Abs. 1 AktG iVm. § 93 AktG zu konkretisieren. Dies führt zu dem Ergebnis, daß die dem Aufsichtsrat obliegende Prüfungsaufgabe im ersten Fall dem einem Anwalt aufgrund des §675 BGB obliegenden Auftrag zur Prüfung der Erfolgsaussichten eines gerichtlichen Vorgehens entspricht 87 und im zweiten Fall im Lichte der aus § 111 Abs. 1 AktG abzuleitenden Bindung des Aufsichtsrats an das Unternehmenswohl konkretisiert werden kann. 88 Die Konkretisierung und Wahrnehmung dieser Prüfungsaufgaben besteht darin, die Prüfungskriterien zu bestimmen und im Einzelfall anzuwenden. (i) Konkretisierung

der Aufgaben

Die Fragen, aufgrund welcher Kriterien zu prüfen ist, ob der Schadensersatzanspruch durchsetzbar ist und welche berücksichtigungsfähigen Umstände für und gegen eine Verfolgung des Schadensersatzanspruchs sprechen, sind reine Rechtsfragen, die keiner Einschätzungsprärogative unterliegen können. Sie sind identisch mit den Fragen, welche Rechtspflichten dem Anwalt bei der Prüfung der Erfolgsaussichten eines gerichtlichen Vorgehens aufgrund des §276 BGB obliegen und welche für und gegen eine Rechtsverfolgung sprechenden Gründe im Lichte des § 93 AktG berücksichtigungsfähig und berücksichtigungsbedürftig sind. Es gibt eine gefestigte Rechtsprechung zu der Frage, welche Rechtspflichten dem Anwalt bei der Prüfung der Erfolgsaussichten eines gerichtlichen Vorgehens aufgrund des § 276 BGB obliegen. Der Anwalt hat im Interesse seines Mandanten den sichersten Weg zu wählen, und zwar insbesondere dann, wenn die Rechtslage streitig oder unklar ist. Er muß über die für die Beurteilung des Falles erforderlichen Rechtskenntnisse verfügen, den Palandt einsehen, sich grundsätzlich an den Ergebnissen der höchstrichterlichen Rechtsprechung orientieren, auch wenn sie in der Literatur umstritten sind und eine Änderung der Rechtsprechung nicht auszuschließen ist, eine sich abzeichnende Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung berücksichtigen, den Mandanten umfassend und eindringlich belehren, wenn er oder der Mandant einer von der obergerichtlichen Rechtsprechung oder der herrschenden Meinung abweichenden Rechtsansicht folgen will. Er muß die Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung sorgfältig prüfen und den Mandanten über das Ausmaß des Prozeßrisikos informieren, insbesondere im Falle eines Beweisrisikos oder einer zweifelhaften Rechtslage, und nachdrücklich darauf hinweisen, wenn es sicher oder in hohem Maße wahrscheinlich ist, daß der Mandant den Prozeß verlieren wird. Dagegen ist der Anwalt für eine nicht abseh-

87

So zutreffend Kindler Z H R 162 (1998), S. 101, 113. So zutreffend B G H ZIP 1997, S.883, 886 - ARAG/Garmenbeck und Kindler Z H R 162 (1998), S. 101, 113. 88

156

2. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des

Aufsichtsrats

bare Änderung der Rechtsprechung nicht verantwortlich, und auch eine positive Vorhersage des Prozeßausgangs wird nicht von ihm verlangt. 89 Es gibt eine höchstrichterliche Rechtsprechung zu der Frage, welche für und gegen eine Rechtsverfolgung sprechenden Gründe im Lichte des § 93 AktG berücksichtigungsfähig und berücksichtigungsbedürftig sind. Der Bundesgerichtshof hat in der ARAG-Entscheidung ausgeführt, das Unternehmenswohl verlange grundsätzlich die Wiederherstellung des geschädigten Gesellschaftsvermögens, und als Gegengründe könnten Gesichtspunkte wie negative Auswirkungen auf Geschäftstätigkeit und Ansehen der Gesellschaft in der Öffentlichkeit, die Behinderung der Vorstandsarbeit, die Beeinträchtigung des Betriebsklimas, die Schonung eines verdienten Vorstandsmitglieds und das Ausmaß der mit der Beitreibung für das Mitglied und seine Familie verbundenen sozialen Konsequenzen Bedeutung erlangen.90 Diese Rechtsprechung hat allerdings in der Literatur Widerspruch erfahren. Die Ansicht des Bundesgerichtshofs, negative Auswirkungen auf Geschäftstätigkeit und Ansehen der Gesellschaft in der Öffentlichkeit, eine Behinderung der Vorstandsarbeit und eine Beeinträchtigung des Betriebsklimas könnten die Nichtverfolgung des Schadensersatzanspruchs rechtfertigen, wird als nicht operational kritisiert. Exemplarisch sei hier Peter W. Heermann zitiert: „Fast scheint es, als böten selbst die begrenzten und hier als maßgeblich erachteten Kriterien einem Aufsichtsrat stets eine Rechtfertigung, von der Durchsetzung etwaiger Ersatzansprüche der Gesellschaft gegen Vorstandsmitglieder abzusehen. Ist es überhaupt vorstellbar, daß eine gerichtliche Geltendmachung von Innenhaftungsansprüchen ohne zumindest potentiell schädigende Wirkungen für das Image der Gesellschaft bleibt? Ist es nicht naheliegend, daß die Geschäftstätigkeit der übrigen Vorstandsmitglieder dadurch beeinträchtigt wird, daß sie entweder selbst bei der Sachverhaltsermittlung durch den Aufsichtsrat in das Verfahren hineingezogen werden oder sie sich aus Furcht vor persönlicher Haftung zukünftig bei riskanten unternehmerischen Entscheidungen eher defensiv verhalten? Vielmehr scheint es, als würde die Durchsetzung von Innenhaftungsansprüchen sich stets belastend auf die Arbeitsfähigkeit und Motivation des Vorstands auswirken. Und wenn die genannten Effekte gleichwohl einmal nicht eintreten sollten, so ließen sich doch leicht entsprechende, vordergründig plausible Behauptungen aufstellen."91 Die Ansicht des Bundesgerichtshofs, auch andere Gründe als die Wahrung des Unternehmenswohls 92 könnten die Nichtverfolgung des SchadensersatzanHeinrichs, Palandt, §276 Rdn.41f., 43f. BGH ZIP 1997, S. 883, 886 - ARAG/Garmenbeck. 91 Heermann AG 1998, S.201 (siehe dazu auch S.208). 92 Der Gesichtspunkt des Unternehmenswohls wird in der Literatur grundsätzlich anerkannt; siehe dazu nur Kindler ZHR 162 (1998), S. 101, 113f. und Heermann AG 1998, S.201, 207f., 208ff. 89

90

C. Aufsichtsrat

157

spruchs rechtfertigen, etwa die Schonung eines verdienten Vorstandsmitglieds oder das Ausmaß der mit der Beitreibung für das Mitglied und seine Familie verbundenen sozialen Konsequenzen, 9 3 wird zum Teil abgelehnt. Exemplarisch sei hier Peter

Kindler

zitiert: „Widerspruch verdient weiter die Andeutung, auch

,andere Gesichtspunkte' als das Unternehmenswohl, und zwar G r ü n d e in der Person des ersatzpflichtig gewordenen Vorstandsmitglieds ^einschneidende F o l gen') vermöchten eine Absehung von Verfolgung zu rechtfertigen. Zu einer solchen ,Gnadenentscheidung' besitzt der Aufsichtsrat - als Sachwalter der A k t i o närsinteressen - kein Mandat. Dies folgt schon aus § 93 Abs. 4 Satz 2 und 3 A k t G . Zudem sind auch kaum Fälle vorstellbar, in denen ein Vorstandsmitglied bei Überschreitung des ohnehin denkbar weit gefaßten Leitungsermessens ,erlaßwürdig' sein k ö n n t e . " 9 4 Welche Ansicht man auch immer zu der Frage vertritt, welche für und gegen eine Rechtsverfolgung sprechenden Gründe im Lichte der § 93 A k t G berücksichtigungsfähig und berücksichtigungsbedürftig sind, „eine exakte qualitative und quantitative Bewertung der möglichst genau zu umschreibenden drohenden Nachteile wird selten durchzuführen und deshalb auch nicht zu fordern sein, vielmehr wird regelmäßig eine plausible Darlegung der maßgeblichen U m s t ä n d e genugen.

«95

(ii) Wahrnehmung

der

Aufgaben

D i e Anwendung der Kriterien, aufgrund derer zu prüfen ist, o b der Schadensersatzanspruch durchsetzbar ist und welche berücksichtigungsfähigen U m s t ä n d e für und gegen eine Verfolgung des Schadensersatzanspruchs sprechen, mag häufig schwierig sein. Sie erfordert aber selbst dann keine Einschätzungen unstrukturierter hochkomplexer Probleme. Sie besteht in der Anwendung gesicherter rechtlicher Maßstäbe, so daß die Zubilligung von Ermessensprärogativen nicht gerechtfertigt ist. D e r Aufsichtsrat muß lediglich die Rechtspflichten, die dem Anwalt bei der Prüfung der Erfolgsaussichten eines gerichtlichen Vorgehens aufgrund des § 2 7 6 B G B obliegen, einhalten und beachten, welche für und gegen eine Rechtsverfolgung sprechenden Gründe im Lichte des § 9 3 A k t G berücksichtigungsfähig und berücksichtigungsbedürftig sind. D i e Einhaltung der Rechtspflichten, die dem Anwalt bei der Prüfung der E r folgsaussichten eines gerichtlichen Vorgehens aufgrund des § 2 7 6 B G B obliegen, erfordert keine Abschätzung einer zukünftigen Entwicklung im Sinne einer planungsspezifischen Prognose. Dies gilt gerade auch für die Beurteilung, ob es sicher oder in hohem M a ß e wahrscheinlich ist, daß der Mandant den P r o z e ß verlie-

93

94

B G H ZIP 1997, S. 883, 886 - ARAG/Garmenbeck. Kindler Z H R 162 (1998), S. 101, 114; ebenso Heermann

Horn ZIP 1997, S. 1129, 1138. 95

Vgl. dazu Heermann

A G 1998, S.201, 208, 209.

A G 1998, S.201, 207f.; zweifelnd

158

2. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des

Aufsichtsrats

ren wird, und damit für die Beurteilung von Beweisrisiken oder zweifelhaften Rechtslagen. Der Anwalt ist für eine nicht absehbare Änderung der Rechtsprechung nicht verantwortlich, und auch eine positive Vorhersage des Prozeßausgangs wird ihm nicht aufgegeben. 96 Eine Abschätzung einer zukünftigen Entwicklung im Sinne einer planungsspezifischen Prognose wird vom Anwalt mithin gar nicht verlangt, und zwar mit der Konsequenz, daß die Frage nach der Einhaltung der Rechtspflichten, die dem Anwalt bei der Prüfung der Erfolgsaussichten eines gerichtlichen Vorgehens aufgrund des § 276 BGB obliegen, keine Erkenntnisprobleme aufwerfen kann, die dazu führen, daß zweifelhaft bleibt, was richtig ist. Daher ist die Einhaltung dieser Rechtspflichten rechtlich voll nachprüfbar. Der beste Beleg dafür ist, daß die Gerichte auch in schwierigen Fällen keine Probleme mit der Frage haben, ob die Anwaltspflichten im Sinne des §276 BGB eingehalten worden sind. Denn dies zeigt eindrucksvoll, daß die Gerichte eine Beurteilung der Erfolgsaussichten eines gerichtlichen Vorgehens durch einen Anwalt zu überprüfen vermögen, ohne dabei an ihre Grenzen zu stoßen. Daß der Aufsichtsrat beachten muß, welche für und gegen eine Rechtsverfolgung sprechenden Gründe im Lichte der § 93 AktG berücksichtigungsfähig und berücksichtigungsbedürftig sind, erfordert ebenfalls keine Abschätzung einer zukünftigen Entwicklung im Sinne einer planungsspezifischen Prognose. Dies gilt gerade auch für die Beurteilung, ob die vom Bundesgerichtshof in der A R A G Entscheidung genannten Gesichtspunkte - negative Auswirkungen auf Geschäftstätigkeit und Ansehen der Gesellschaft in der Öffentlichkeit, Behinderung der Vorstandsarbeit, Beeinträchtigung des Betriebsklimas, Schonung eines verdienten Vorstandsmitglieds und Ausmaß der mit der Beitreibung für das Mitglied und seine Familie verbundenen sozialen Konsequenzen - vorliegen. Welche Ansicht man auch immer zu der Frage vertritt, welche für und gegen eine Rechtsverfolgung sprechenden Gründe im Lichte des §93 AktG berücksichtigungsfähig und berücksichtigungsbedürftig sind, eine exakte Vorhersage des Ausmaßes der indirekten und schwer kalkulierbaren Effekte in qualitativer und quantitativer Hinsicht wird dem Aufsichtsrat nicht aufgegeben. Eine Abschätzung einer zukünftigen Entwicklung im Sinne einer planungsspezifischen Prognose wird vom Aufsichtsrat mithin gar nicht verlangt, und zwar mit der Konsequenz, daß die Frage, ob der Aufsichtsrat beachtet hat, welche für und gegen eine Rechtsverfolgung sprechenden Gründe im Lichte des § 93 AktG berücksichtigungsfähig und berücksichtigungsbedürftig sind, keine Erkenntnisprobleme aufwerfen kann, die dazu führen, daß zweifelhaft bleibt, was richtig ist. Daher ist diese Frage rechtlich voll nachprüfbar. Vor diesem Hintergrund wird deutlich, warum der Bundesgerichtshof hat erkennen lassen, daß er keine Schwierigkeit darin sieht, zu überprüfen, ob der Aufsichtsrat beachtet hat, welche für und gegen eine Rechtsverfolgung sprechenden 96

Heinrichs,

Palandt, §276 Rdn.41f., 43 f.

C.

Aufsichtsrat

159

Gründe im Lichte des § 93 AktG berücksichtigungsfähig und berücksichtigungsbedürftig sind. Er betont, das Ermessen könne erst dann einsetzen, wenn die gegeneinander abzuwägenden Umstände festgestellt worden seien, und rügt, es fehlten Feststellungen dazu, ob gewichtige Gründe des Unternehmenswohls vorlägen, die dem Aufsichtsrat eine Ermessensentscheidung darüber eröffnen würden, ob er ausnahmsweise von der Geltendmachung der Schadensersatzansprüche absehen wolle. Der Bundesgerichtshof meint mithin, eine Beurteilung des Vorliegens der berücksichtigungsfähigen Umstände, die für und gegen eine Verfolgung des Schadensersatzanspruchs sprechen, durch den Aufsichtsrat aufgrund eigener Sachkenntnis oder durch Heranziehung von Sachverständigen überprüfen zu können, ohne dabei an seine Grenzen zu stoßen. Nach alledem ist die Auffassung des Bundesgerichtshofs, im Hinblick auf die Prüfung der Durchsetzbarkeit des Schadensersatzanspruchs könne die Zubilligung eines begrenzten Beurteilungsspielraums in Betracht kommen, weit weniger überzeugend als seine Ansicht, das Vorliegen der berücksichtigungsfähigen Umstände, die für und gegen eine Verfolgung des Schadensersatzanspruchs sprechen, sei rechtlich voll nachprüfbar. 97 (b) Ergebnis Der Uberwachungsauftrag des § 111 Abs. 1 AktG iVm. § 93 AktG verlangt dem Aufsichtsrat mit den Prüfungen, ob der Schadensersatzanspruch durchsetzbar ist und welche berücksichtigungsfähigen Umstände für und gegen eine Verfolgung des Schadensersatzanspruchs sprechen, keine Einschätzungen unstrukturierter hochkomplexer Probleme ab. Der Aufsichtsrat hat lediglich die Fragen zu klären, welche Rechtspflichten dem Anwalt bei der Prüfung der Erfolgsaussichten eines gerichtlichen Vorgehens aufgrund des § 276 BGB obliegen und welche für und gegen eine Rechtsverfolgung sprechenden Gründe im Lichte des § 93 AktG berücksichtigungsfähig und berücksichtigungsbedürftig sind, und sich an die ihm danach obliegenden Rechtspflichten zu halten. Die dem Aufsichtsrat obliegenden Rechtspflichten müssen in ihrer Eigenschaft als Haftungsmaßstab rechtlich voll nachprüfbar sein. Die unabweisbare Konsequenz lautet, daß der Uberwachungsauftrag des § 111 Abs. 1 AktG dem Aufsichtsrat mit einer Prüfungsaufgabe, die im Lichte von Rechtspflichten im Sinne der §§116, 276 BGB bzw. der §§116, 93 AktG konkretisiert wird, keine Einschätzungsprärogative verleiht. Die Frage, ob dem Aufsichtsrat Ermessensprärogativen mit Blick auf die Fragen zukommen, ob der Schadensersatzanspruch durchsetzbar ist und welche berücksichtigungsfähigen Umstände für und gegen eine Verfolgung des Schadensersatzanspruchs sprechen, ist nach alledem zu verneinen. Da mit Blick auf die Abberufung von Vorstandsmitgliedern und die Einberufung einer Hauptver97

Im ersten Punkt wie hier Kindler Z H R 162 (1998), S. 101,112f. Im zweiten Punkt anders als hier Kindler Z H R 162(1998), S. 101, 112f. und Heermann A G 1998, S. 201,203ff.

160

2. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des

Aufsichtsrats

Sammlung nichts anderes gelten kann, stehen dem Aufsichtsrat auch keine Ermessensprärogativen mit Blick darauf zu, ob ein wichtiger Grund vorliegt und/oder welche berücksichtigungsfähigen Umstände für und gegen eine Abberufung bzw. Einberufung sprechen.

(cc) Evaluationsermessen

des Aufsichtsrats?

Im Rahmen der Abberufung von Vorstandsmitgliedern, der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen pflichtwidrig handelnde Vorstandsmitglieder und der Einberufung einer Hauptversammlung stellt sich das weitere Problem, ob dem Aufsichtsrat in bestimmten Fällen ein Evaluationsermessen mit Blick auf ein weiteres qualifiziertes Erfordernis zukommt. Es sind die Fälle, in denen der Aufsichtsrat davon ausgehen darf, daß ein wichtiger Grund vorliegt bzw. der Schadensersatzanspruch durchsetzbar ist und/oder berücksichtigungsfähige Umstände für und gegen eine Abberufung/Verfolgung/Einberufung sprechen. Es geht um die Abwägung der berücksichtigungsfähigen Umstände, die für und gegen eine Abberufung/Verfolgung/Einberufung sprechen (Evaluation der Einwirkungsmöglichkeit). Diese Frage soll hier ausgehend von der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen pflichtwidrig handelnde Vorstandsmitglieder geklärt werden. 98

(a) Die ARAG-Entscheidung

des

Bundesgerichtshofs

Der Bundesgerichtshof führt zu diesem Fragenkreis aus: Es „kann sich ... die Frage stellen, ob der Aufsichtsrat gleichwohl von einer Verfolgung des Anspruchs und damit einer Wiedergutmachung des der Gesellschaft zugefügten Schadens absehen k a n n . . . D a diese Entscheidung allein dem Unternehmenswohl verpflichtet ist, das grundsätzlich die Wiederherstellung des geschädigten Gesellschaftsvermögens verlangt, wird der Aufsichtsrat von der Geltendmachung voraussichtlich begründeter Schadensersatzansprüche gegen einen pflichtwidrig handelnden Vorstand nur dann ausnahmsweise absehen dürfen, wenn gewichtige Interessen und Belange der Gesellschaft dafür sprechen, den ihr entstandenen Schaden ersatzlos hinzunehmen. Diese Voraussetzung wird im allgemeinen nur dann erfüllt sein, wenn die Gesellschaftsinteressen und -belange, die es geraten erscheinen lassen, keinen Ersatz des der Gesellschaft durch den Vorstand zugefügten Schadens zu verlangen, die Gesichtspunkte, die für eine Rechtsverfolgung sprechen, überwiegen oder ihnen zumindest annähernd gleichwertig sind ... Die vorstehenden Überlegungen führen zu der Schlußfolgerung, daß die Verfolgung der Schadensersatzansprüche gegenüber einem Vorstandsmitglied die Regel sein muß. Hinge-

98 Die Frage, ob „der Aufsichtsrat ein Ermessen in der Frage" hat, „ob er das Vorstandsmitglied bei gegebenem wichtigen Grund abberuft", wird ganz überwiegend bejaht; siehe dazu nur Mertens, Kölner Kommentar, § 84 Rdn. 104 und auch Rdn. 107.

C.

Aufsichtsrat

161

gen bedarf es gewichtiger Gegengründe und einer besonderen Rechtfertigung, von einer - voraussichtlich - aussichtsreichen Anspruchsverfolgung ... abzusehen; sie muß die Ausnahme darstellen... N u r in diesen engen Grenzen kann dem Aufsichtsrat... ein Entscheidungsermessen für die Frage zuzubilligen sein, ob er trotz Erfolgsaussicht einer Haftungsklage aus übergeordneten Gründen des U n ternehmenswohls ausnahmsweise von der Durchsetzung des Schadensersatzanspruches absehen möchte ... Ferner fehlen Feststellungen dazu, ob gewichtige Gründe des Unternehmenswohls vorliegen, die dem Aufsichtsrat eine Ermessensentscheidung darüber eröffnen, ob er ausnahmsweise von der Geltendmachung der Schadensersatzansprüche absehen will." 9 9 Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs wird ganz überwiegend dahin verstanden, daß dem Aufsichtsrat mit Blick auf die Abwägung der berücksichtigungsfähigen Umstände, die für und gegen eine Verfolgung des Schadensersatzanspruchs sprechen, ein „Ausnahmeermessen" zukommen soll. 1 0 0 Dieses Verständnis liegt nahe, wenn man sich die Formulierungen des Bundesgerichtshofs anschaut. Er betont den Ausnahmecharakter der Nichtverfolgung des Schadensersatzanspruchs. Er hebt hervor, das Entscheidungsermessen könne nur in engen Grenzen für die Frage zuzubilligen sein, ob der Aufsichtsrat trotz Erfolgsaussicht einer Haftungsklage aus übergeordneten Gründen des Unternehmenswohls ausnahmsweise von der Durchsetzung des Schadensersatzanspruchs absehen möchte. Vor diesem Hintergrund muß sich der Schluß geradezu aufdrängen, daß der Bundesgerichtshof dem Aufsichtsrat einen begrenzten Ermessensspielraum mit Blick auf die Abwägung der berücksichtigungsfähigen Umstände, die für und gegen eine Verfolgung des Schadensersatzanspruchs sprechen, zuerkennen will. Dies gilt um so mehr, als der Bundesgerichtshof genau das beschreibt, was im Verwaltungsrecht als regelreduziertes Ermessen bezeichnet wird. E r hebt hervor, die Verfolgung des Schadensersatzanspruchs sei die Regel und von der Anspruchsverfolgung dürfe nur bei Vorliegen gewichtiger Gegengründe und einer besonderen Rechtfertigung abgesehen werden. Er betont, daß das Vorliegen der gewichtigen Gründe des Unternehmenswohls dem Aufsichtsrat die Ermessensentscheidung darüber eröffne, ob er ausnahmsweise von der Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs absehen wolle.

B G H ZIP 1997, S. 883, 886f. - ARAG/Garmenbeck. Horn ZIP 1997, S. 1129, 1138; Grooterhorst ZIP 1999, S. 1117,1123; Heermann A G 1998, S.201, 203, 206ff.; Kindler Z H R 162 (1998), S. 101, 109, 113f.; Henze B B 2000, S.209, 215f.; anders noch Dreher Z H R 158 (1994), S. 614,637ff. und Mertens, Kölner Kommentar, § 111 Rdn. 37 iVm. § 93 Rdn. 51 mit dem ergänzenden Hinweis, das Verschulden müsse bei einer Nichtverfolgung um so eher ausgeschlossen sein, je begründeter die Befürchtung ist, bei einer Verfolgung selbst mit in die Haftung genommen zu werden, denn „Selbstaufopferung kann das Recht nun einmal nicht verlangen." 99

100

162

2. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des Aufsichtsrats

Ein regelreduziertes Ermessen wird angenommen, wenn nach dem maßgeblichen Fachrecht für den Regelfall eine bestimmte Entscheidung gewollt ist und davon nur in besonders begründeten Ausnahmefällen abgewichen werden darf. Es geht um atypische Fällen, in denen besondere berücksichtigungsfähige Gründe für das Abgehen von der N o r m sprechen und deshalb die für den Normalfall geltende Regelung von der ratio legis nicht gefordert wird. Es zeichnet sich dadurch aus, daß eine Abwägung der widerstreitenden Interessen nicht erforderlich ist, wenn es bereits an einem ermesseneröffenden Ausnahmefall fehlt; Ermessenserwägungen sind mithin nur unter diesen besonderen Voraussetzungen anzustellen. So darf etwa von einem Erlaß wegen unbilliger Härte (§ 135 Abs. 5 Satz 1 BauGB: „Im Einzelfall kann die Gemeinde auch von der Erhebung des Erschließungsbeitrages ganz oder teilweise absehen, wenn dies im öffentlichen Interesse oder zur Vermeidung unbilliger Härten geboten ist.") nur ausnahmsweise dann abgesehen werden, wenn dies trotz der unbilligen Härte wegen besonderer berücksichtigungsfähiger Gründe gerechtfertigt ist.101 Die Ausführungen des Bundesgerichtshofs lassen sich in diesem Licht eigentlich nur in dem folgenden Sinne verstehen: Von der für den Regelfall vorgesehenen Rechtsfolge darf nur ausnahmsweise abgewichen werden, und zwar dann, wenn dies trotz der für die regelmäßige Rechtsfolge sprechenden Gesichtspunkte wegen besonderer berücksichtigungsfähiger Gründe gerechtfertigt ist. Die für den Regelfall vorgesehene Rechtsfolge ist die Verfolgung des Schadensersatzanspruchs (§135 Abs. 5 Satz 1 BauGB: der Erlaß). Die für die regelmäßige Rechtsfolge sprechenden Gesichtspunkte ergeben sich aus dem Vorliegen der gesetzlichen Normanforderungen sowie dem Sinn und Zweck der Regelreduzierung. Die Normanforderungen sind hier erfüllt, wenn ein schlüssiger und durchsetzbarer Schadensersatzanspruch vorliegt. Der Sinn und Zweck der Regelreduzierung läßt sich dahin beschreiben, daß die Verfolgung eines solchen Schadensersatzanspruchs der Wiederherstellung des geschädigten Gesellschaftsvermögens und damit regelmäßig auch dem Unternehmenswohl dient (§ 135 Abs. 5 Satz 1 BauGB: Vorliegen einer unbilligen Härte - Erlaß wegen unbilliger Härte dient der Einzelfallgerechtigkeit und damit regelmäßig auch den Planungszielen). Die Rechtfertigung der Abweichung wegen besonderer berücksichtigungsfähiger Gründe setzt voraus, daß der Sinn und Zweck der Regelreduzierung im Einzelfall nicht greift. Dies ist hier der Fall, wenn die Verfolgung eines schlüssigen und durchsetzbaren Schadensersatzanspruchs zwar der Wiederherstellung des geschädigten Gesellschaftsvermögens dient, aber damit aufgrund atypischer Umstände nicht zugleich dem Unternehmenswohl (§135 Abs. 5 Satz 1 BauGB: Erlaß wegen unbilliger Härte dient zwar der Einzelfallgerechtigkeit, aber damit aufgrund atypischer Umstände nicht zugleich den Planungszielen).

101

Kopp/Schenke,

V w G O , §114 Rdn.21, 21b

C.

Aufsichtsrat

163

In der Terminologie des Verwaltungsrechts würden die Ausführungen des Bundesgerichtshofs mithin lauten: Im Regelfall ist die Verfolgung des Schadensersatzanspruchs gewollt, und davon darf nur in besonders begründeten Ausnahmefällen abgewichen werden, und zwar in den Fällen, in denen überwiegende oder gewichtige Gründe für das Abweichen vom Regelfall sprechen. In diesen Ausnahmefällen ist dem Aufsichtsrat ein Entscheidungsermessen zuzubilligen. (ß) Die richtige Fragestellung Die Ausgangsfrage lautet, ob dem Aufsichtsrat ein Evaluationsermessen mit Blick auf die Abwägung der berücksichtigungsfähigen Umstände zukommt, die für und gegen eine Verfolgung des Schadensersatzanspruchs sprechen. Die Antwort auf diese Frage hängt davon ab, ob der Gesetzgeber den Aufsichtsrat mit dieser Abwägung dazu verpflichtet, bei der Wahrnehmung der Handlungsbefugnis ein unstrukturiertes hochkomplexes Problem zu bewältigen. Die Evaluation einer Maßnahme kann durch die Würdigung von vernetzten Einflußfaktoren und ihrer wahrscheinlichen Entwicklung sowie von Konsequenzen in sachlicher und zeitlicher Hinsicht und Zielkonflikten geprägt sein. Eine solche Würdigung kann nicht unabhängig von einer Berücksichtigung anderer Problemstellungen im Unternehmen und nicht ohne eine Bewertung und Gewichtung und einen Ausgleich der Einflußfaktoren, Konsequenzen und Ziele erfolgen. Die Entschließung über die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen pflichtwidrig handelnde Vorstandsmitglieder (§ 93 AktG) erfordert eine Abwägung der berücksichtigungsfähigen Umstände, die für und gegen eine Verfolgung des Schadensersatzanspruchs sprechen, und damit eine Evaluation. Diese Abwägung könnte durch die Würdigung von vernetzten Einflußfaktoren und ihrer wahrscheinlichen Entwicklung sowie von Konsequenzen in sachlicher und zeitlicher Hinsicht und Zielkonflikten geprägt sein, die zwar nicht - für sich genommen und in ihren Wechselwirkungen - unabsehbar oder unbekannt sind, die aber dennoch dazu führen, daß die Evaluation nicht zu einem vollständig exakten (zwingend abgeleiteten und einzig richtigen) Ergebnis führen kann. Die Abwägung der Umstände, die für und gegen eine Verfolgung des Schadensersatzanspruchs sprechen, könnte dem Aufsichtsrat die Bewältigung eines unstrukturierten hochkomplexen Problems abverlangen, und zwar mit der Konsequenz, daß dem Aufsichtsrat insoweit ein Ermessensspielraum zuzuerkennen wäre. (x) Der richtige Ansatz Der Erkenntnisakt des Aufsichtsrats zeichnet sich durch die Konkretisierung und Wahrnehmung der dem Aufsichtsrat aufgrund des § 111 Abs. 1 AktG iVm. § 93 AktG mit der Abwägung der berücksichtigungsfähigen Umstände, die für und gegen eine Verfolgung des Schadensersatzanspruchs sprechen, obliegenden Aufgabe aus. Diese Abwägungsaufgabe ist durch die Interpretation des §111

164

2. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des Aufsichtsrats

Abs. 1 A k t G iVm. § 93 A k t G zu konkretisieren. Dies führt zu dem Ergebnis, daß sie im Lichte der aus § 111 Abs. 1 A k t G abzuleitenden Bindung des Aufsichtsrats an das Unternehmenswohl konkretisiert werden kann. D i e Konkretisierung und Wahrnehmung der Abwägungsaufgabe besteht darin, die Kriterien zu bestimmen, aufgrund derer die für und gegen eine Rechtsverfolgung sprechenden (nach § 93 A k t G berücksichtigungsfähigen und berücksichtigungsbedürftigen) G r ü n d e im Lichte des § 111 Abs. 1 A k t G gegeneinander abzuwägen sind, und diese A b w ä gungskriterien im Einzelfall anzuwenden. 1 0 2 (i) Konkretisierung

der

Aufgabe

D i e Frage, aufgrund welcher Kriterien die für und gegen eine Rechtsverfolgung sprechenden Gründe im Lichte des § 111 Abs. 1 A k t G gegeneinander abzuwägen sind, ist eine reine Rechtsfrage, die keinem Ermessensspielraum unterliegen kann. Allerdings hat der Bundesgerichtshof diese Frage in der A R A G - E n t s c h e i d u n g nicht geklärt. E r betont lediglich das Regel-Ausnahme-Verhältnis und schließt jede schematische Lösung aus: Wenn gewichtige Interessen und Belange der Gesellschaft dafür sprechen, den ihr entstandenen Schaden ersatzlos hinzunehmen, ist nicht nur die Verfolgung des Schadensersatzanspruchs ermessensfehlerfrei. D e r Bundesgerichtshof erkennt dem Aufsichtsrat das Entscheidungsermessen gerade im Hinblick darauf zu, o b er trotz Erfolgsaussicht einer Haftungsklage aus übergeordneten Gründen des Unternehmenswohls ausnahmsweise von der D u r c h setzung des Schadensersatzanspruchs absehen möchte. Dies wird am deutlichsten in der Formulierung, daß das Vorliegen der gewichtigen G r ü n d e des U n t e r n e h menswohls dem Aufsichtsrat die Ermessensentscheidung darüber eröffne, o b er ausnahmsweise von der Durchsetzung des Schadensersatzanspruchs

absehen

wolle. Diese Interpretation entspricht der Rechtslage im Verwaltungsrecht im H i n b l i c k auf das regelreduzierte Ermessen. 1 0 3 Daher wird in der Literatur ausdrücklich angemerkt, daß auf dem Weg zu einer ermessensfehlerfreien Entscheidung des Aufsichtsrats neben dem in der Diskussion einseitig in den Vordergrund gerückten, letztendlich aber zu kurz greifenden Regel-Ausnahme-Verhältnis ergänzende Standards gefunden werden müßten, die als Leitlinien bei der sachgerechten Gewichtung der Vermögensinteressen der Gesellschaft und dem auf unternehmensbezogene Aspekte gestützten E r m e s sensspielraum des Aufsichtsrats dienten. 1 0 4 Vor diesem Hintergrund schlägt W. Heermann

Peter

vor: J e erfolgversprechender die Geltendmachung des Schadenser-

satzanspruchs oder je schwerer der dem Vorstand vorgeworfene Verstoß sei, um so gravierender und stichhaltiger müßten die Gegengründe sein. 1 0 5 D e r Rechtfer-

102 103 104 105

Heermann AG 1998, S.201, 208, 208f. Siehe dazu Kopp/Schenke, VwGO, § 114 Rdn.21, 21b Heermann AG 1998, S.201, 208. Heermann AG 1998, S.201, 207, 208.

C. Aufsichtsrat

165

tigungsbedarf sei bei einem Verstoß gegen die Gebote der Unparteilichkeit oder der ausreichenden Information und bei einem rechtswidrigen Handeln des Vorstands besonders hoch.106 Die Höhe des erlittenen Schadens im Verhältnis zur Ertragslage und Finanzkraft der Gesellschaft sei dagegen nur bedingt aussagekräftig. Auf der einen Seite blieben die jeweiligen Umstände der Schadensentstehung unberücksichtigt und würden Vorstände umsatzstarker und wirtschaftlich gesunder Unternehmen in ungerechtfertigter Weise bevorzugt. Auf der anderen Seite stiegen mit der absoluten Schadenshöhe im Hinblick auf das zu erwartende Publikumsinteresse und das Ansehen der Gesellschaft in der Öffentlichkeit die Anforderungen an die Überzeugungskraft und Nachweisbarkeit der Gegengründe.107 Mit zunehmender Schadenshöhe wachse die Wahrscheinlichkeit, daß ein öffentlich ausgetragener Schadensersatzprozeß mehr negative als positive mittelbare Auswirkungen nach sich ziehe.108 Hans-Joachim Mertens hat bereits im Jahr 1988 ausgeführt, es wäre gänzlich kontraproduktiv, Vorstände, die insgesamt mit Glück, Geschick und Erfolg agierten, wegen einzelner Unsorgfältigkeiten in Haftungsprozesse zu verwickeln und sich damit ihrer Dienste zu berauben.109 Welche Ansicht man auch immer zu der Frage vertritt, aufgrund welcher Kriterien die für und gegen eine Rechtsverfolgung sprechenden Gründe im Lichte des § 111 Abs. 1 AktG gegeneinander abzuwägen sind, es führt nichts an der Erkenntnis vorbei, daß sich nur Abwägungsgrundsätze (Richtlinien, an denen sich eine sachgemäße Abwägung ausrichten muß) formulieren lassen. (ii) Wahrnehmung der Aufgabe Die Anwendung der Kriterien, aufgrund derer die für und gegen eine Rechtsverfolgung sprechenden Gründe im Lichte des § 111 Abs. 1 AktG gegeneinander abzuwägen sind, verlangt mithin von dem Aufsichtsrat, die Abwägungsgrundsätze zu beachten, die im Lichte der ihm aufgrund des § 111 Abs. 1 AktG obliegenden Bindung an das Unternehmenswohl insoweit gelten. Sie erfordert die Bewältigung eines unstrukturierten hochkomplexen Problems: Dem Aufsichtsrat wird eine typische Ermessensausübung abverlangt. Die Einhaltung von bloßen Abwägungsgrundsätzen ist rechtlich nicht voll nachprüfbar. Die Uberprüfung einer Abwägung, die nur mit Abwägungsgrundsätzen konkretisiert zu werden vermag, kann Erkenntnisprobleme aufwerfen, die dazu führen, daß zweifelhaft bleibt, was richtig ist, und zwar mit der Konsequenz, daß die Abwägung nicht überprüft, sondern nur ersetzt werden kann. Es ist rechtlich nur eingeschränkt nachprüfbar, ob der Aufsichtsrat die Abwägungsgrundsätze beachtet hat, die im Lichte der ihm aufgrund des § 111 Abs. 1 AktG obliegenden Bindung an das Unternehmenswohl Heermann AG 1998, S.201, 208. Heermann AG 1998, S.201, 208, 209. 108 Heermann AG 1998, S.201, 209; siehe dazu auch Mertens, Rdn.37. 109 Mertens, Kölner Kommentar, §111 Rdn.37. 106

107

Kölner Kommentar, §111

166

2. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des Aufsichtsrats

für die Abwägung der für und gegen eine Rechtsverfolgung sprechenden G r ü n d e gelten. D e r Bundesgerichtshof hat dem Aufsichtsrat zu recht ein Entscheidungsermessen für die Frage zugebilligt, ob er trotz Erfolgsaussicht einer Haftungsklage aus übergeordneten Gründen des Unternehmenswohls ausnahmsweise von der Durchsetzung des Schadensersatzanspruchs absehen möchte.

(ö)

Rechtsvergleich

A n dieser Stelle ist wiederum ein Blick ins Verwaltungsrecht lehrreich. D i e Regelung von Abwägungsgrundsätzen als gesetzlichen Richtlinien, an denen sich eine sachgemäße Ermessensausübung ausrichten muß, gilt als gesetzgeberisches M i t tel zur Steigerung der Kontrolldichte bei Ermessensentscheidungen. Das G e r i c h t darf sie zwar nicht selbst anwenden, muß aber prüfen, ob die Verwaltung die E r messensrichtlinien ermessensfehlerfrei angewendet hat. Das klassische Beispiel sind die Planungsleitsätze, etwa das G e b o t gerechter Abwägung aller von der Planung berührten öffentlichen und privaten Belange oder der Grundsatz der K o n flikt" und Problembewältigung. 1 1 0

(e) Ergebnis D e r Uberwachungsauftrag des § 111 Abs. 1 A k t G iVm. § 93 A k t G verlangt dem Aufsichtsrat mit der Abwägung der berücksichtigungsfähigen Umstände, die für und gegen eine Verfolgung des Schadensersatzanspruchs sprechen, die Bewältigung eines unstrukturierten hochkomplexen Problems ab. D e r Aufsichtsrat hat die Frage zu klären, welche Abwägungsgrundsätze im Lichte der aus § 111 A b s . 1 A k t G abzuleitenden Bindung des Aufsichtsrats an das U n t e r n e h m e n s w o h l insoweit gelten, und diese Abwägungsgrundsätze zu beachten. D i e Abwägungsgrundsätze entsprechen jedoch nicht den dem Aufsichtsrat bei dieser Abwägung obliegenden Rechtspflichten im Sinne der § § 1 1 6 , 93 A k t G und müssen anders als diese in ihrer Eigenschaft als Haftungsmaßstab nicht rechtlich voll nachprüfbar sein. Die unabweisbare K o n s e q u e n z lautet, daß der Überwachungsauftrag des § 1 1 1 A b s . l A k t G dem Aufsichtsrat mit einer Abwägungsaufgabe, die nicht im Lichte von Rechtspflichten im Sinne der §§ 1 1 6 , 9 3 A k t G , sondern durch die Festlegung von bloßen Abwägungsgrundsätzen im Lichte der ihm aufgrund des § 111 Abs. 1 A k t G obliegenden Bindung an das Unternehmenswohl

konkretisiert

wird, einen Entscheidungsfreiraum verleiht. D i e Frage, o b dem Aufsichtsrat mit B l i c k auf die Abwägung der berücksichtigungsfähigen Umstände, die für und gegen eine Verfolgung des Schadensersatzanspruchs sprechen, ein Evaluationsermessen z u k o m m t , ist nach alledem zu bejahen. D a mit Blick auf die Abberufung von Vorstandsmitgliedern und die E i n b e r u fung einer Hauptversammlung nichts anderes gelten kann, sind dem Aufsichtsrat 110

Kopp/Schenke, VwGO, § 114 Rdn.46, 36, 42.

C.

Aufsichtsrat

16 7

auch mit Blick auf die Abwägung der berücksichtigungsfähigen Umstände, die für und gegen eine Abberufung bzw. Einberufung sprechen, Evaluationsermessensspielräume zuzuerkennen. (dd) Auswahlermessen

des

Aufsichtsratsf

Schließlich stellt sich die Frage, ob dem Aufsichtsrat, wenn er in einem konkreten Fall mehrere Einwirkungsmöglichkeiten ergreifen könnte, ein Auswahlermessen zusteht, soweit das Gesetz das Ergreifen einer dieser Einwirkungsmöglichkeiten nicht zwingend vorsieht. (a) Die problematischen

Fallkonstellationen

Die Frage nach einem Auswahlermessen des Aufsichtsrats stellt sich zum einen unter dem Gesichtspunkt der Zielalternativität. Dabei geht es um das Verhältnis der Einwirkungsmöglichkeiten, die (jedenfalls vorrangig) der zukunftsorientierten Optimierung der Unternehmensführung durch den Vorstand dienen, zu der Einwirkungsmöglichkeit, die nur (und zwar ausschließlich) der repressiven Sanktionierung der Unternehmensführung durch den Vorstand dient, der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen pflichtwidrig handelnde Vorstandsmitglieder. Die Frage nach einem Auswahlermessen des Aufsichtsrats stellt sich zum anderen unter dem Gesichtspunkt der unterschiedlichen Ansatzpunkte der Einwirkungsmöglichkeiten im Rahmen des gestuften Handlungsprogramms und damit im Hinblick auf die Einwirkungsmöglichkeiten, die (jedenfalls vorrangig) der zukunftsorientierten Optimierung der Unternehmensführung durch den Vorstand dienen. Auf der zweiten und dritten Stufe kommt eine Kumulation von Einwirkungsmöglichkeiten des Aufsichtsrats mit gleicher Einwirkungsintensität in Betracht. Dies betrifft auf der zweiten Stufe den Eingriff in die Befugnisse und das Zusammenwirken der Vorstandsmitglieder, die Neuregelung der Vergütung und der geldwerten Sondervorteile der Vorstandsmitglieder, die Anordnung und/ oder Ausübung von Zustimmungsvorbehalten bzw. die Mitwirkung bei der gesetzlichen Unternehmensberichterstattung. Auf der dritten Stufe geht es zum einen um die schlichte Nicht-Wiederwahl von Vorstandsmitgliedern und die Einberufung einer Hauptversammlung mit dem Ziel, eine Satzungsänderung herbeizuführen, die dem Aufsichtsrat den Erlaß der Geschäftsordnung für den Vorstand nach § 77 Abs. 2 Satz 1 A k t G überträgt, oder die Ansicht der Aktionäre über einzelne Fragen der Geschäftsführung zu erkunden. Auf der dritten Stufe geht es zum anderen um die Abberufung von Vorstandsmitgliedern und die Einberufung einer Hauptversammlung mit dem Ziel, einen Vertrauensentzug durch die Hauptversammlung nach § 84 Abs. 3 Satz 2 A k t G herbeizuführen. Die Fallkonstellationen der dritten Stufe sind allerdings zum Teil gesetzlich geregelt: Die Eingriffsmöglichkeit nach § 111 Abs. 3 A k t G kann der Aufsichtsrat in einem konkre-

168

2. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des

Aufsichtsrats

ten Fall nur ergreifen, w e n n das Wohl der Gesellschaft es fordert. Da das Gesetz das Ergreifen dieser Einwirkungsmöglichkeit dann aber zwingend vorsieht (der Aufsichtsrat hat eine Hauptversammlung einzuberufen), kann sich die Frage eines Auswahlermessens nur auf das Ergreifen weiterer Einwirkungsmöglichkeiten beziehen. (ß) Die richtige

Fragestellung

Die A n t w o r t auf die Frage nach einem Auswahlermessen des Aufsichtsrats hängt davon ab, ob der Gesetzgeber den Aufsichtsrat mit der Entschließung über das „wie" der Einwirkung auf den Vorstand insoweit dazu verpflichtet, bei der Wahrnehmung der Handlungsbefugnis ein unstrukturiertes hochkomplexes Problem zu bewältigen. Die Ermittlung der überlegenen Maßnahme/des überlegenen M a ß n a h m e n b ü n dels kann durch die W ü r d i g u n g von vernetzten Einflußfaktoren und ihrer w a h r scheinlichen Entwicklung sowie von Konsequenzen in sachlicher und zeitlicher Hinsicht und Zielkonflikten geprägt sein. Eine solche W ü r d i g u n g kann nicht unabhängig von einer Berücksichtigung anderer Problemstellungen im Unternehmen und nicht ohne eine Bewertung und Gewichtung und einen Ausgleich der Einflußfaktoren, Konsequenzen und Ziele erfolgen und damit nicht zu einem vollständig exakten (zwingend abgeleiteten und einzig richtigen) Ergebnis führen. Die Entschließung über das „wie" der Einwirkung auf den Vorstand könnte eine solche Ermittlung der überlegenen Maßnahme/des überlegenen M a ß n a h menbündels erfordern. Sie w ü r d e dem Aufsichtsrat dann die Bewältigung eines unstrukturierten hochkomplexen Problems abverlangen, und zwar mit der Konsequenz, daß dem Aufsichtsrat insoweit ein Ermessensspielraum zuzuerkennen wäre (Auswahlermessen). (x) Der richtige

Ansatz

So liegen die Dinge hier allerdings nicht. Die Entschließung über das „wie" der Einwirkung auf den Vorstand verlangt von dem Aufsichtsrat keine Ermittlung der überlegenen Maßnahme/des überlegenen Maßnahmenbündels. Die Frage, ob die Ermittlung der überlegenen Maßnahme/des überlegenen M a ß n a h m e n b ü n dels dem Aufsichtsrat die Bewältigung eines unstrukturierten hochkomplexen Problems abverlangt, kann sich deshalb gar nicht stellen. Der Grund dafür ist, daß in den Fällen, in denen der Aufsichtsrat mehrere Einwirkungsmöglichkeiten ergreifen könnte, die einzelnen infragekommenden Maßnahmen alle in gleicher Weise und zudem gerade in ihrer Kumulation dem Unternehmenswohl dienen. Daher muß der Aufsichtsrat sie alle ergreifen, und die unabweisbare Konsequenz lautet, daß dem Aufsichtsrat kein Auswahlermessen zuzubilligen ist. Dies w i r d besonders deutlich im Rahmen des abgestuften Einwirkungsinstrumentariums und damit im Hinblick auf die Einwirkungsmöglichkeiten, die (je-

C.

Aufsichtsrat

169

denfalls vorrangig) der zukunftsorientierten Optimierung der Unternehmensführung durch den Vorstand dienen. Der Aufsichtsrat kann in den aufgezeigten Fällen jede Einwirkungsmöglichkeit nur unter zwei Voraussetzungen ergreifen. Die Einwirkungsmöglichkeit muß zunächst im konkreten Fall geeignet sein, (zumindest auch) daraufhin zu wirken, daß der Vorstand von der konkret zu überwachenden Handlung und/oder von künftigen derartigen Handlungen Abstand nimmt. Sie muß konkret geeignet sein, (jedenfalls vorrangig) die zukunftsorientierte Optimierung der Unternehmensführung durch den Vorstand zu erreichen (Überwachungsziel). Die Einwirkungsmöglichkeit muß außerdem im konkreten Fall dem Unternehmenswohl dienen, sei es, daß das Gesetz diese Prüfung vermittels qualifizierter Erfordernisse gesondert verlangt, 111 sei es, daß das Gesetz dies unterstellt, weil es diese Prüfung nicht gesondert verlangt und damit auch nicht erlaubt. Der entscheidende Gesichtspunkt ist nun, daß die jeweils in Betracht kommenden Einwirkungsmöglichkeiten als Maßnahmenbündel das Uberwachungsziel am besten erreichen und damit gerade in ihrer Kumulation dem Unternehmenswohl dienen. Denn die handlungs-, organisations- und personenbezogenen Einwirkungsmöglichkeiten setzen nicht nur im Verhältnis zueinander unterschiedlich an, indem sie auf das Handeln des Vorstands, den Vorstand als Organ oder die Vorstände als Personen einwirken. Die organisationsbezogenen Einwirkungsmöglichkeiten setzen, soweit sie nebeneinander in Betracht kommen, überwiegend auch im Verhältnis zueinander unterschiedlich an. So geht es auf der zweiten Stufe um einen Eingriff in die Befugnisse und in das Zusammenwirken der Vorstandsmitglieder und auf der dritten Stufe um einen Eingriff in die Zusammensetzung des Vorstands (die schlichte Nicht-Wiederwahl von Vorstandsmitgliedern) und in das Zusammenwirken der Vorstandsmitglieder (Einberufung einer Hauptversammlung mit dem Ziel, eine Satzungsänderung herbeizuführen, die dem Aufsichtsrat den Erlaß der Geschäftsordnung für den Vorstand nach § 77 Abs. 2 Satz 1 A k t G überträgt). Dasselbe gilt für die personenbezogenen Einwirkungsmöglichkeiten. So geht es auf der zweiten Stufe um die Neuregelung der Vergütung und der geldwerten Sondervorteile der Vorstandsmitglieder. Es ist kein vernünftiger Grund ersichtlich, warum sich der Aufsichtsrat darauf beschränken dürfen soll, nur einen oder nur einige Ansatzpunkte zu wählen, um (jedenfalls vorrangig) die zukunftsorientierte Optimierung der Unternehmensführung durch den Vorstand zu erreichen, wenn gerade die Kumulation der Ansatzpunkte am besten dazu geeignet ist, das Uberwachungsziel zu verwirklichen und dem Unternehmenswohl zu dienen.

111 §§84 Abs. 3,111 Abs. 3 AktG: Feststellung sowie Bewertung und Gewichtung der für und gegen eine Abberufung/Einberufung sprechenden Gesichtspunkte und abschließende Entschließung darüber, ob die Abberufung/Einberufung dem Unternehmenswohl dient.

170

2. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des Aufsichtsrats

Dasselbe Bild zeigt sich unter dem Gesichtspunkt der Zielalternativität mit Blick auf das Verhältnis der soeben behandelten Einwirkungsmöglichkeiten, die (jedenfalls vorrangig) der zukunftsorientierten Optimierung der U n t e r n e h m e n s führung durch den Vorstand dienen, zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen pflichtwidrig handelnde Vorstandsmitglieder. D e r Aufsichtsrat kann auch diese Einwirkungsmöglichkeit nur unter zwei Voraussetzungen ergreifen. D i e Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs muß zunächst im konkreten Fall geeignet sein, einen nachträglichen Ausgleich der Konsequenzen der bereits vergangenen Unternehmensführung durch den Vorstand herbeizuführen. 1 1 2 Sie m u ß konkret geeignet sein, die repressive Sanktionierung der U n ternehmensführung durch den Vorstand zu erreichen (Überwachungsziel). D i e Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs m u ß außerdem im konkreten Fall dem Unternehmenswohl dienen, weil das Gesetz diese Prüfung vermittels qualifizierter Erfordernisse gesondert verlangt. 1 1 3 D e r entscheidende Gesichtspunkt ist nun wiederum, daß die Einwirkungsmöglichkeiten, die (jedenfalls vorrangig) der zukunftsorientierten Optimierung der Unternehmensführung durch den Vorstand dienen, und die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen pflichtwidrig handelnde Vorstandsmitglieder als Maßnahmenbündel das Uberwachungsziel am besten erreichen und damit gerade in ihrer Kumulation dem Unternehmenswohl dienen. Wenn eine pflichtwidrige Aufgabenwahrnehmung durch den Vorstand im Sinne des § 93 A k t G gegeben ist, steht der Aufsichtsrat nicht nur vor den Frage, ob er die Pflichtverletzung des Vorstands im Sinne des § 93 A k t G durch eine Schadensersatzklage ahnden soll, sondern auch vor der Frage, welche Folgerungen er aus der Pflichtverletzung des Vorstands im Sinne des § 93 A k t G für die Zukunft ziehen soll. E s ist kein vernünftiger G r u n d ersichtlich, warum sich der Aufsichtsrat auf das eine oder das andere beschränken dürfen soll. E r muß sich sowohl um die zukunftsgerichtete Optimierung als auch um die repressive Sanktionierung der Unternehmensführung durch den Vorstand bemühen, weil ein solches Vorgehen am besten dazu geeignet ist, das Uberwachungsziel zu verwirklichen und dem Unternehmenswohl zu dienen. (ö)

Ergebnis

D i e Frage, ob dem Aufsichtsrat, wenn er in einem konkreten Fall mehrere E i n wirkungsmöglichkeiten ergreifen könnte, ein Auswahlermessen zusteht, soweit das Gesetz das Ergreifen einer dieser Einwirkungsmöglichkeiten nicht zwingend vorsieht, ist nach alledem zu verneinen.

D e r Schadensersatzanspruch muß durchsetzbar sein. D i e Evaluation muß ergeben, daß die Verfolgung des Schadensersatzanspruchs dem U n ternehmenswohl dient. 112

113

C.

Aufsichtsrat

171

2. Die Entscheidungsfreiräume im R a h m e n der sonstigen A u f g a b e n Dem Aufsichtsrat obliegt nicht nur der Überwachungsauftrag des §111 A b s . l AktG, sondern ihm obliegen darüberhinaus Leitungsaufgaben und auf anderen vom Gesetz dem Aufsichtsrat im einzelnen zugewiesenen Aufgaben aufbauende Überwachungsaufgaben. Vor diesem Hintergrund stellt sich ebenfalls die Frage nach dem Vorliegen von Entscheidungsfreiräumen des Aufsichtsrats. Die entscheidende Frage lautet, ob die Auslegung der den hier interessierenden Entscheidungen zugrundeliegenden Befugnisnormen ergibt, daß der Aufsichtsrat bei der Bestimmung der (gegebenenfalls für einzelne Entscheidungstypen inhaltlich konkretisierten) Handlungsvoraussetzung/Handlungsvoraussetzungen zumindest ein unstrukturiertes hochkomplexes Problem einzuschätzen hat und/oder daß der Aufsichtsrat bei der Wahrnehmung der (gegebenenfalls für einzelne Entscheidungstypen inhaltlich konkretisierten) Handlungsbefugnis zumindest ein unstrukturiertes hochkomplexes Problem zu bewältigen hat. Die Leitungsentscheidungen und die nicht auf dem Überwachungsauftrag des § 111 Abs. 1 AktG beruhenden Überwachungsentscheidungen erfüllen die genannten Voraussetzungen, und zwar sowohl im Hinblick auf die Analyse des Handlungsbedarfs als auch im Hinblick auf die Entwicklung und Bewertung von Handlungsprogrammen und die abschließende Auswahl eines Handlungsprogramms. Dies liegt an der Eigenart dieser Entscheidungen 114 und zeigt sich besonders deutlich an den Zielen, die mit diesen Entscheidungen verfolgt werden.

a)

Personalentscheidungen

Die Entscheidungen des Aufsichtsrats über die personelle Zusammensetzung des Vorstands (Bestellung und Abberufung von Vorstandsmitgliedern - §§ 84 Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 3, 105 Abs. 2 AktG) ohne Überwachungscharakter im Sinne des § 111 Abs. 1 AktG sind Leitungsentscheidungen. Sie dienen dem Aufsichtsrat dazu, bereits vorausschauend eine optimale Unternehmensführung zu gewährleisten, unternehmenspolitische Akzente zu setzen und in einem gewissen Rahmen die zukünftige Unternehmenspolitik zu bestimmen. 115 Sie zeichnen sich insbesondere dadurch aus, daß der Aufsichtsrat im Lichte des Unternehmenswohls über die Erforderlichkeit einer Bestellung oder Abberufung befinden muß. Er muß dann konkrete Bewerber finden, indem er den Kreis der infragekommenden Personen umfassend sichtet, ohne daß unverhältnismäßig viel Zeit und Geld auf114 Roth, Ermessen, S. 77ff. will im Hinblick auf die Vorstandstätigkeit auf das Kriterium der „unternehmerischen Entscheidung" verzichten - und das vor diesem Hintergrund (hier bezogen auf die den Aufgaben des Vorstands gleichenden sonstigen Aufgaben des Aufsichtsrats) auch nicht ganz zu Unrecht. 115 Krieger, Personalentscheidungen, S. 1. Siehe dazu auch Ziff. II.1.1 des Berliner Kodex.

172

2. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des

Aufsichtsrats

gewandt wird, Entscheidungen in die Länge gezogen werden und besonders qualifizierte Bewerber abgeschreckt werden. Er muß neue Vorstandsmitglieder auswählen, ohne daß sich die abstrakten Anforderungen an einen optimalen Bewerber mit dem Anspruch objektiver Richtigkeit als rechtlich geboten formulieren lassen. Die Fragen, ob eine bestimmte Person die allgemeinen Eigenschaften und Fähigkeiten einer Führungskraft erfüllt und wie sie im konkreten Fall zu gewichten sind und ob andere Eigenschaften im Lichte der konkreten Unternehmenspolitik erforderlich oder auch nur nützlich sind, kann nicht objektiv und eindeutig beurteilt werden. 116 b) Sonstige

Vorstandsentscheidungen

Die Entscheidungen über die Befugnisse und das Zusammenwirken der Vorstandsmitglieder (Regelung der Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnisse der Vorstandsmitglieder - §77 Abs. 1 Satz 2 iVm. §77 Abs. 2 Satz 1 AktG, §78 Abs. 3 Satz 2 AktG; Erlaß einer Geschäftsordnung für das Zusammenwirken der Vorstandsmitglieder - § 77 Abs. 2 Satz 1 A k t G ) ohne Uberwachungscharakter im Sinne des § 111 Abs. 1 A k t G sind Leitungsentscheidungen. Sie sollen zur optimalen Funktionsfähigkeit des Vorstand beitragen, indem sie eine Organisation schaffen, die gemessen an der Größe und dem Zweck des Unternehmens und den Kompetenzen und der Haltung der Vorstandsmitglieder möglichst funktional ist. 117 Die Entscheidungen über die Anstellungsverträge und die Bezüge der Vorstandsmitglieder und über die Befreiung der Vorstandsmitglieder vom Wettbewerbsverbot und die Kreditgewährung an Vorstandsmitglieder (Abschluß und Kündigung der Anstellungsverträge der Vorstandsmitglieder sowie Gewährleistung angemessener Gesamtbezüge der Vorstandsmitglieder - §§ 84 Abs. 1 Satz 5 und Abs. 3 Satz 5, 87 AktG; Befreiung der Vorstandsmitglieder vom Wettbewerbsverbot und Kreditgewährung an Vorstandsmitglieder - §§ 88, 89 A k t G ) ohne Uberwachungscharakter im Sinne des § 111 Abs. 1 A k t G sind ebenfalls Leitungsentscheidungen. Sie sollen sich an den individuellen Leistungen der Vorstandsmitglieder orientieren, sicherstellen, daß die Vorstandsmitglieder ihre Arbeitskraft voll und ganz in den Dienst der Gesellschaft stellen, und eine Selbstbereicherung der Vorstandsmitglieder unterbinden. 118

116 Krieger, Personalentscheidungen, S.lOf., 24f., 32ff., 129ff.; siehe dazu auch Mutter, Entscheidungen, S.68ff., 78ff., 83, 154f. und Ziff. II.l. des Berliner Kodex. 117 Potthoff, Geschäftsführung, S.41 ff., 48ff.; siehe dazu auch Mutter, Entscheidungen, S. 65ff., 88ff., 153f., 158f. und Ziff. III.3 des Berliner Kodex. 118 Krieger, Personalentscheidungen, S. 164ff.; siehe dazu auch Mutter, Entscheidungen, S. 83ff., 156ff. und Ziff. III.6.1 des Berliner Kodex.

C.

c) Mitwirkungs-

und

Aufsichtsrat

173

Initiativentscheidungen

Die Entscheidungen des Aufsichtsrats über die Anordnung von Zustimmungsvorbehalten für die Vornahme bestimmter Arten von Geschäften (§111 Abs. 4 Satz 2 AktG) und über die Einberufung einer Hauptversammlung (§111 Abs. 3 AktG) ohne Uberwachungscharakter im Sinne des § 111 Abs. 1 AktG sind Leitungsentscheidungen. Sie sollen die erfolgreiche, am Unternehmensgegenstand und den in der Satzung zum Ausdruck kommenden Zielvorstellungen orientierte Entwicklung des Unternehmens sicherstellen. Sie zeichnen sich dadurch aus, daß der Aufsichtsrat zwar an den strategischen, unternehmensorganisatorischen und operativen Entscheidungen des Vorstands und der Hauptversammlung mitwirken bzw. sie initiieren kann, aber keinen zu starken Einfluß auf die Unternehmensführung erlangen darf. 119 d) Selbstorganisatorische

Entscheidungen

Die Entscheidungen des Aufsichtsrats darüber, wie er seine Zusammenarbeit mit dem Vorstand und seine eigene Tätigkeit so organisieren will, daß er die ihm vom Gesetz im einzelnen zugewiesenen Aufgaben optimal ausüben kann, sind Leitungsentscheidungen. Es geht darum, im Verhältnis zum Vorstand insbesondere eine leistungsfähige informationelle Infrastruktur zu schaffen und vor allem die Informationsversorgung nach § 90 Abs. 1 und Abs. 3 AktG auszugestalten und im einzelnen festzuschreiben sowie den über die gesetzliche Regelinformation hinausgehenden unternehmensspezifischen Informationsbedarf zu konkretisieren (unternehmensinterne Informationsordnung - § 77 Abs. 2 Satz 1 AktG). Es geht auch darum, wie die innere Ordnung des Aufsichtsrats geregelt werden soll (§§107-110, 115, 124 Abs. 3 AktG) und insbesondere, ob Ausschüsse gebildet und wie sie gegebenenfalls besetzt werden sollen (§§ 107 Abs. 3,171 Abs. 2 Satz 2 AktG) sowie ob und zu welchen Bedingungen Kredite an Aufsichtsratsmitglieder gewährt werden sollen (§115 AktG). In diesen Bereich fällt auch die Aufgabe, Vorschläge zur Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern an die Hauptversammlung auszuarbeiten (§124 Abs. 3 AktG). Die selbstorganisatorischen Entscheidungen sollen zur optimalen Funktionsfähigkeit des Aufsichtsrats beitragen, indem sie eine Organisation schaffen, die gemessen an der Größe und dem Zweck des Unternehmens und den Kompetenzen und der Haltung der Aufsichtsratsmitglieder möglichst funktional ist.120

119

Siehe zu §111 Abs.4 Satz 2 AktG nur Semler, Überwachung, S.128ff. und Mutter, Entscheidungen, S.58ff. Siehe zu § 111 Abs. 3 AktG nur Semler, Überwachung, S. 126 Fn.342 und Mutter, Entscheidungen, S. 92. 120 Vgl. dazu Potthoff, Geschäftsführung, S.41ff., 48ff. Siehe dazu auch Ziff. IV.3, IV.4 und IV.5 des Berliner Kodex.

174

2. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

e) Überwachungsaufgaben

des Vorstands und des Aufsichtsrats

außerhalb des §111 Abs. 1 AktG

Die Entscheidungen des Aufsichtsrats darüber, wie er den Erfolg der Entscheidungen, mit denen er seine Zusammenarbeit mit dem Vorstand und seine eigene Tätigkeit so organisiert, daß er die ihm vom Gesetz im einzelnen zugewiesenen Aufgaben optimal ausüben kann, und die eigenständige Tätigkeit der Ausschüsse überwacht (vgl. §107 Abs. 3 Satz 3 AktG), sind Überwachungsentscheidungen, die nicht auf dem Überwachungsauftrag des § 111 Abs. 1 AktG beruhen. In diesen Bereich fällt auch die Aufgabe des Aufsichtsrats, der Hauptversammlung zu berichten, in welcher Art und in welchem Umfang er die Geschäftsführung geprüft hat (§171 Abs. 2 Satz 2 AktG). Sie sollen zur optimalen Funktionsfähigkeit des Aufsichtsrats beitragen, indem sie ein Überwachungssystem schaffen, das sicherstellt, daß die organisationsbezogenen Vorgaben des Aufsichtsrats eingehalten werden und daß die Organisation des Aufsichtsrats gemessen an den funktionalen Anforderungen optimal ist.121 f ) Ergebnis Die Auslegung der den Leitungsentscheidungen und den nicht auf dem Uberwachungsauftrag des § 111 Abs. 1 AktG beruhenden Überwachungsentscheidungen zugrundeliegenden Befugnisnormen ergibt, daß dem Aufsichtsrat im Hinblick auf alle Entscheidungstypen Leitungs- und Überwachungsfreiräume zustehen. Es ist der Aufsichtsrat, der die ihm mit diesen Befugnisnormen abverlangten Leitungs- und Überwachungsentscheidungen - soweit die festgestellten Leitungsund Überwachungsfreiräume reichen - kraft eigener verbandsrechtlicher Legitimation zu treffen hat, und zwar mit der Konsequenz, daß insoweit der Vorwurf einer pflichtwidrigen Aufgabenwahrnehmung im Sinne der §§116, 93 AktG ausgeschlossen ist.

121

Vgl. dazu Potthoff, Geschäftsführung, S.41ff., 48ff. Siehe dazu auch Ziff. II.2 und II.3 des Berliner Kodex.

D. Zusammenfassung der Ergebnisse 1. Die Frage, bei welchen Entscheidungen der Vorstand und der Aufsichtsrat über welche Entscheidungsfreiräume verfügen, bewegt sich im Spannungsfeld zwischen den Aufgabenzuweisungen (§§ 76, 111 Abs. 1 A k t G ) und der pflichtwidrigen Aufgabenwahrnehmung (§§93, 116 AktG). 1 2. Im Verwaltungsrecht dient die normative Ermächtigungslehre dazu, im Rahmen des Konzeptes der negativen Kontrolle die Voraussetzungen für die Annahme von Entscheidungsfreiräumen zu präzisieren und damit zugleich ihre Legitimationsgrundlage zu erfassen. An diesen Ansatz kann im Gesellschaftsrecht angeknüpft werden, um sachlogische Kriterien für die Bestimmung von Entscheidungsfreiräumen der Unternehmensführung zu bilden. 2 3. Nach der normativen Ermächtigungslehre kann es der Gesetzgeber der Verwaltung vermittels der Normierung von Einschätzungsbegriffen und Ermessensspielräumen in verfassungsrechtlich zulässiger Weise aufgeben, offene N o r m e n kraft eigener verfassungsrechtlicher Legitimation zu konkretisieren. Die besondere Eigenart der Einschätzungsbegriffe und des Ermessens besteht in der begrenzten Widerlegbarkeit und Uberprüfbarkeit der Einschätzungen und Ermessensausübungen. Es sind Erkenntnisprobleme, die dazu führen, daß zweifelhaft bleibt, was richtig ist, und zwar mit der Konsequenz, daß die Entscheidung nicht überprüft, sondern nur ersetzt werden kann. Darin liegt die Legitimation der Entscheidungsfreiräume, die in ihrer Konsequenz eine Zuweisung der Letztentscheidungskompetenz an den Entscheidungsträger beinhalten. 3 4. Es ist eine betriebswirtschaftlich abgesicherte Erkenntnis, daß die Unternehmensführung einem Problem gegenüberstehen kann, das nicht nur unstrukturierter und komplexer Natur ist, sondern sich auch wegen eines schwankenden E r kenntnisfundaments und unvollständiger Problemeinsichten einer eindeutig richtigen Lösung entzieht (sogenanntes unstrukturiertes hochkomplexes Problem). In diesem Fall sind der einfordbaren Entscheidungsqualität und damit auch dem Vorwurf einer pflichtwidrigen Aufgabenwahrnehmung durch den Vorstand im Sinne des § 9 3 A k t G oder durch den Aufsichtsrat im Sinne der §§116, 93 A k t G inhärente Grenzen gesetzt. 4 1 2 3 4

Siehe Siehe Siehe Siehe

dazu dazu dazu dazu

S.6ff.,37ff., 51 ff. S. 60f., 70f. S. 61 ff. S. 78f.

176

2. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des

Aufsichtsrats

5. Die aktienrechtlichen Befugnisnormen lassen sich in Handlungsvoraussetzungen (Beurteilung der Erforderlichkeit/Gebotenheit eines Vorhabens - Handlungsbedarf) und Handlungsbefugnisse (Entschließung über das „ob" und „wie" der Realisierung des Vorhabens - Handlungsentschluß) gliedern. Es liegen dann konditional formulierte Rechtsnormen vor, die Einschätzungsprärogativen und Ermessensspielräume eröffnen können. 5 6. Zahlreiche aktienrechtliche Normen und insbesondere die beiden zentralen Normen des § 76 Abs. 1 AktG und des § 111 Abs. 1 AktG sind sehr unbestimmt. Daher müssen im Wege der inhaltsbezogenen Typisierung die Fallgruppen der von ihnen erfaßten Entscheidungen bestimmt werden, damit - bezogen auf bestimmte Entscheidungstypen - die Handlungsvoraussetzungen und die Handlungsbefugnisse konkretisiert werden können. 6 7. Es ist durch Auslegung der einer Entscheidung zugrundeliegenden Befugnisnorm zu ermitteln, ob dem Vorstand/Aufsichtsrat Einschätzungsprärogativen und/oder Ermessensspielräume zuzubilligen sind. Die entscheidende Frage lautet, ob der Vorstand/Aufsichtsrat bei der Bestimmung der (für diesen Entscheidungstyp konkretisierten) Handlungsvoraussetzung/Handlungsvoraussetzungen zumindest ein unstrukturiertes hochkomplexes Problem einzuschätzen hat und/oder bei der Wahrnehmung der (für diesen Entscheidungstyp konkretisierten) Handlungsbefugnis zumindest ein unstrukturiertes hochkomplexes Problem zu bewältigen hat. 7 8. Der Gesetzgeber weist dem Vorstand mit der Führungsaufgabe nach §76 Abs. 1 AktG im Uberwachungsbereich des Aufsichtsrats (nur) im Hinblick auf bestimmte Entscheidungen Leitungs- und Uberwachungsfreiräume zu. Er ordnet dem Aufsichtsrat mit den Leitungsaufgaben (§§84 Abs. 1 bis Abs. 3, 105 Abs. 2, §§ 77 Abs. 1 Satz 2 iVm. § 77 Abs. 2 Satz 1, 78 Abs. 3 Satz 2, 77 Abs. 2 Satz 1 AktG; §§84 Abs.l Satz 5 und Abs. 3 Satz 5, 87, 88, 89 AktG; §§111 Abs. 3 und Abs. 4 Satz 2 AktG; Informationsordnung nach §77 Abs. 2 Satz 1 AktG und Selbstorganisation nach den §§107 bis 110, 115, 124 Abs. 3 AktG) und mit der Überwachung der eigenen Entscheidungen und der Ausschüsse im Hinblick auf alle Entscheidungen Leitungs- und Uberwachungsfreiräume zu. Der Vorstand und der Aufsichtsrat verfügen insoweit über vergleichbare Entscheidungsfreiräume. 8 9. Der Gesetzgeber weist dem Aufsichtsrat mit der Überwachungsaufgabe des §111 Abs. 1 AktG (nur) im Hinblick auf bestimmte im Rahmen der Uberwachungsentscheidung vorzunehmende Prüfungsschritte Entscheidungsfreiräume zu.

5 6 7 8

Siehe Siehe Siehe Siehe

dazu dazu dazu dazu

S. 71 ff. S. 73. S.73ff.,83ff.,86f. S.88ff., 112ff., 117f., 171ff.

177

D. Zusammenfassung der Ergebnisse

a) Die Analyse des Handlungsbedarfs verlangt von dem Aufsichtsrat die Prüfung, ob der Vorstand mit der zu überwachenden Handlung die ihm obliegenden Rechtspflichten im Sinne des § 93 A k t G erfüllt hat und/oder erfüllen wird (Erkenntnis einer Pflichtverletzung des Vorstands). D e m Aufsichtsrat stehen insoweit keine Einschätzungsprärogativen zu. Diese Prüfung birgt nicht dieselben Unwägbarkeiten wie gegebenenfalls die zu überwachende Entscheidung des Vorstands. Der Vorstand mag seinerseits bei der Bestimmung der Handlungsvoraussetzung/Handlungsvoraussetzungen zumindest ein unstrukturiertes hochkomplexes Problem einzuschätzen haben und/oder bei der Wahrnehmung der Handlungsbefugnis zumindest ein unstrukturiertes

hochkomplexes

Problem

zu

bewältigen haben. Der Aufsichtsrat ist jedoch nicht in derselben Lage: Wenn dem Vorstand ein Entscheidungsfreiraum zusteht und deshalb nur eine negative K o n trolle stattfindet, muß der Aufsichtsrat lediglich prüfen, ob der Vorstand eine rechtlich vertretbare Entscheidung trifft. Diese Frage kann keine Erkenntnisprobleme, sondern allenfalls Rechtsanwendungsprobleme aufwerfen. 9 b) Die Analyse des Handlungsbedarfs verlangt von dem Aufsichtsrat in den Fällen, in denen dem Vorstand bei einer zu überwachenden Entscheidung zumindest ein Entscheidungsfreiraum zusteht und der Vorstand eine rechtlich vertretbare Entscheidung trifft, die Prüfung, ob er selbst eine andere, aber gleichermaßen rechtlich vertretbare Entscheidung treffen würde (Erkenntnis einer besseren Entscheidung). D e m Aufsichtsrat stehen insoweit Einschätzungsprärogativen zu. Diese Prüfung birgt dieselben Unwägbarkeiten wie die zu überwachende Entscheidung des Vorstands. Der Vorstand muß bei der Bestimmung der Handlungsvoraussetzung/Handlungsvoraussetzungen

zumindest

ein

unstrukturiertes

hochkomplexes Problem einschätzen und/oder bei der Wahrnehmung der Handlungsbefugnis zumindest ein unstrukturiertes hochkomplexes Problem bewältigen. Der Aufsichtsrat ist in derselben Lage: E r kommt gar nicht umhin, wie der Vorstand jedes bei der Analyse des Handlungsbedarfs auftretende unstrukturierte hochkomplexe Problem einzuschätzen und/oder sich eine eigene Ansicht dazu zu bilden, wie jedes im Rahmen des Handlungsentschlusses auftretende unstrukturierte hochkomplexe Problem zu bewältigen ist. D e r Aufsichtsrat steht vor denselben Erkenntnisproblemen wie der Vorstand. 1 0 c) Die Entschließung über das „ob" der Einwirkung auf den Vorstand eröffnet kein Entschließungsermessen. Aus der Funktion des Aufsichtsrats als Sachwalter der Aktionärsinteressen ist zu folgern, daß der Aufsichtsrat nicht nur einschreiten kann, sondern auch muß, wenn ein Einwirkungsfall gegeben ist (Vorliegen einer Pflichtverletzung des Vorstands oder Erkenntnis einer besseren Entscheidung). 1 1

Siehe dazu S.106ff., 117f., 118ff., 120ff. Siehe dazu S. 106ff., 117f., 118ff., 127ff. 11 Siehe dazu S. 106ff., 117f., 118ff., 131 ff., 134f.

9

10

178

2. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des Aufsichtsrats

d) Die Entschließung über das „wie" der Einwirkung auf den Vorstand eröffnet kein Auswahlermessen. Die Einwirkungsmöglichkeiten des Aufsichtsrats lassen sich in ein Handlungsprogramm umsetzen. Es beinhaltet unter dem Gesichtspunkt der Optimierung der Unternehmensführung durch den Vorstand ein gestuftes Einwirkungsinstrumentarium. D e r Ausgangspunkt ist wie im Verwaltungsrecht die unterschiedliche Einwirkungsintensität der Einwirkungsmöglichkeiten. Die Abweichungen gegenüber dem Verwaltungsrecht ergeben sich aus der Heterogenität der Einwirkungsmöglichkeiten (Einwirkung auf Handlungen des Vorstands, auf den Vorstand als Organ und auf die Vorstände als Personen; A n knüpfen an spezielle Maßnahmen des Vorstands). Das Handlungsprogramm eröffnet auf mehreren Einwirkungsstufen die Möglichkeit einer Kumulation von Einwirkungsmöglichkeiten mit gleicher Einwirkungsintensität. Die Frage eines Auswahlermessens und damit die Frage nach der überlegenen Maßnahme stellt sich in diesen Fällen jedoch nicht. Die jeweils fraglichen Einwirkungsmöglichkeiten dienen gerade in ihrer Kumulation dem Uberwachungszweck und damit dem Unternehmenswohl. Der Aufsichtsrat darf sich auch nicht darauf beschränken, eine Pflichtverletzung des Vorstands im Sinne des § 9 3 A k t G durch eine Schadensersatzklage zu ahnden, wenn er daneben Einwirkungsmöglichkeiten im Rahmen des gestuften Einwirkungsinstrumentariums ergreifen kann, um aus der Pflichtverletzung die erforderlichen Folgerungen für die zukünftige Arbeit des Vorstands zu ziehen. 1 2 e) Die Entschließung über das „wie" der Einwirkung auf den Vorstand verlangt von dem Aufsichtsrat vor der abschließenden Entscheidung in bestimmten Fällen besondere Prüfungen. Im Rahmen der Abberufung von Vorstandsmitgliedern ( § 8 4 Abs. 3 A k t G ) muß er beurteilen, ob ein wichtiger Grund vorliegt. Im Rahmen der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen pflichtwidrig handelnde Vorstandsmitglieder (§ 93 A k t G ) muß er beurteilen, ob der Anspruch durchsetzbar ist. In beiden Fällen und bei der Einberufung einer Hauptversammlung (§111 Abs. 3 A k t G ) muß er die Umstände ermitteln und abwägen, die für und gegen eine Abberufung des Vorstands, eine Verfolgung des Schadensersatzanspruchs bzw. eine Einberufung einer Hauptversammlung sprechen, um festzustellen, ob das Ergreifen der Einwirkungsmöglichkeit dem Unternehmenswohl dient. Bei der Neuregelung der Vergütung und der geldwerten Sondervorteile der Vorstandsmitglieder (§§87, 88, 89 A k t G ) muß der Aufsichtsrat den Inhalt der Maßnahme festlegen. 13 Entscheidungsfreiräume kommen dem Aufsichtsrat nur im Hinblick auf die nach den § § 8 4 Abs. 3, 93, 111 Abs. 3 A k t G erforderlichen Abwägungen und auf die nach den § § 8 7 , 88, 89 erforderliche Ausgestaltung der Maßnahmen zu. D e m Aufsichtsrat werden nur in diesen Fällen typische Ermessenserwägungen abver12 13

Siehe dazu S. 106ff., 117f., 118ff., 131ff., 136ff., 139f., 142f., 143ff., 167ff. Siehe dazu S. 106ff., 117f., 118ff., 131ff., 140ff., 142f., 150ff., 160ff.

D. Zusammenfassung

der Ergebnisse

179

langt. Im übrigen hat der Aufsichtsrat - etwa mit Blick auf § 93 AktG - nur die Rechtspflichten einzuhalten, die einem Anwalt nach gefestigter Rechtsprechung bei der Prüfung der Erfolgsaussichten eines gerichtlichen Vorgehens obliegen, und zu beachten, welche für und gegen eine Rechtsverfolgung sprechenden U m stände nach höchstrichterlicher Rechtsprechung zu berücksichtigen sind. Eine Abschätzung einer zukünftigen Entwicklung im Sinne einer planungsspezifischen Prognose wird dabei nicht verlangt: Eine Vorhersage des Prozeßausgangs wird ebensowenig gefordert wie eine exakte qualitative und quantitative Vorhersage der indirekten und schwer kalkulierbaren Effekte der Rechtsverfolgung. Der Aufsichtsrat steht nicht vor Erkenntnisproblemen, sondern vor Rechtsanwendungsproblemen. 14 f) Im Ergebnis stehen dem Aufsichtsrat im Rahmen der Überwachung nach § 111 Abs. 1 AktG nur bei der Erkenntnis einer besseren Entscheidung und der Evaluation und Ausgestaltung bestimmter Einwirkungsmöglichkeiten Entscheidungsfreiräume zu, die denen des Vorstands vergleichbar sind. 10. In dogmatischer Hinsicht ergibt sich das folgende Gesamtbild: Die Konkretisierung einer dem Aufsichtsrat aufgrund des §111 Abs.l AktG obliegenden Prüfungsaufgabe im Lichte der Rechtspflichten des Vorstands im Sinne des § 93 AktG (Erkenntnis einer Pflichtverletzung des Vorstands) und im Lichte von Rechtspflichten im Sinne der §§116 AktG, 276 BGB bzw. §§116, 93 AktG (Prüfung der Durchsetzbarkeit des Schadensersatzanspruchs und des Vorliegens der für und gegen eine Verfolgung des Schadensersatzanspruchs sprechenden U m stände) dient einer positiven Kontrolle des Aufsichtsrats: Diese Prüfungen des Aufsichtsrats sind rechtlich voll nachprüfbar. Sie kann in bestimmten Fällen zugleich einer negativen Kontrolle des Vorstands dienen: Die Konkretisierung der dem Aufsichtsrat obliegenden Prüfungsaufgabe im Lichte der Rechtspflichten des Vorstands im Sinne des §93 AktG kann Entscheidungsfreiräume des Vorstands sichern und begrenzen (Erkenntnis einer Pflichtverletzung des Vorstands). 15 Die Konkretisierung einer dem Aufsichtsrat aufgrund des Überwachungsauftrags des § 111 Abs. 1 AktG obliegenden Prüfungsaufgabe im Lichte der einer Überprüfung an Rechtsmaßstäben nicht zugänglichen Aufgabenwahrnehmung durch den Vorstand (Erkenntnis einer besseren Entscheidung) oder durch Festlegung von bloßen Abwägungsgrundsätzen im Lichte der ihm aufgrund des § 111 Abs. 1 AktG obliegenden Bindung an das Unternehmenswohl (Evaluation der Verfolgung des Schadensersatzanspruchs) dient dagegen einer negativen Kontrolle des Aufsichtsrats: Diese Prüfungen des Aufsichtsrats sind rechtlich nur eingeschränkt nachprüfbar. Die bei diesen Prüfungen einzuhalten-

14 15

Siehe dazu S.lOóff., 117f., 118ff., 131ff., 140ff., 142f., 150ff., 160ff. Siehe dazu S. 124f., 126f., 157ff., 159f.

180

2. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des Aufsichtsrats

den Rechtspflichten im Sinne der §§116,93 AktG sichern und begrenzen die Entscheidungsfreiräume des Aufsichtsrats. 16 11. Da Vorstand und Aufsichtsrat über vergleichbare Entscheidungsfreiräume verfügen, können die vom Aufsichtsrat insoweit einzuhaltenden Rechtspflichten im Sinne der §§116, 93 AktG grundsätzlich keine anderen sein als die vom Vorstand insoweit einzuhaltenden Rechtspflichten im Sinne des § 93 AktG. Die Kriterien, die der Prüfung einer insoweit pflichtwidrigen Aufgabenwahrnehmung durch den Aufsichtsrat im Sinne der §§116, 93 AktG zugrunde zu legen sind, müssen grundsätzlich dieselben sein wie die Kriterien, die der Prüfung einer insoweit pflichtwidrigen Aufgabenwahrnehmung durch den Vorstand im Sinne des § 93 AktG zugrunde zu legen sind. Der Vorschlag der Bundesregierung, die Grenzen des unternehmerischen Ermessens in § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG idF. von Art. 1 Nr. 1 RegE U M A G 11/2004 (in Verbindung mit § 116 Satz 2 AktG) für Vorstand und Aufsichtsrat einheitlich anzulegen, ist vom Ansatz her richtig.

16

Siehe dazu S.128ff., 165f., 166f.

3. Teil

Die Reichweite der Entscheidungsfreiräume des Vorstands und des Aufsichtsrats

A. Ansatzpunkt In den Fällen, in denen die Interpretation der einer konkreten Entscheidung zugrundeliegenden Befugnisnorm (insbesondere der § § 7 6 Abs. 1 , 1 1 1 Abs. 1 A k t G ) ergibt, daß dem Vorstand/Aufsichtsrat bei dieser Entscheidung zumindest ein Entscheidungsfreiraum zusteht, stellt sich die Frage nach der Reichweite der E n t scheidungsfreiräume. Diese Frage zielt auf die Konkretisierung der den Vorständen/Aufsichtsräten insoweit obliegenden Rechtspflichten im Sinne des

§93

AktG/der § § 1 1 6 , 93 A k t G . Zur Lösung dieser Frage trägt die gesellschaftsrechtliche Rechtsprechung und Literatur bislang wenig bei. Vor der A R A G - E n t s c h e i d u n g des Bundesgerichtshofs beschränkte man sich auf die „Auflistung einzelner haftungsbegründender Aspekte." 1 Bis heute wird darauf verzichtet, die seit jeher genannten Entscheidungskritierien der „Rechtmäßigkeit, Wirtschaftlichkeit und Z w e c k m ä ß i g k e i t " hinreichend zu präzisieren. 2 Diejenigen, die in der A R A G - R e c h t s p r e c h u n g des Bundesgerichtshofs eine Ü b e r n a h m e der U . S . amerikanischen business judgment rule sehen, haben erst damit begonnen, die Reichweite der - aufgrund der jeweils zugrundegelegten Kriterien - angenommenen Entscheidungsfreiräume zu bestimmen. 3 Es k o m m t erschwerend hinzu, daß die gesellschaftsrechtliche R e c h t sprechung und Literatur ein ungeordnetes Bild vermittelt. Es wird ganz überwiegend - und dies zumeist nur ergebnisorientiert - an Einzelfragen angeknüpft und erörtert, ob der Vorstand/Aufsichtsrat diese oder jene konkrete M a ß n a h m e ergreifen darf, soll oder muß. 4 E s geht etwa um die Konzernbildung und K o n z e r n führung, 5 die A b w e h r oder Herbeiführung von Übernahmen, 6 Schmiergelder So zutreffend Heermann AG 1998, S.201, 204. Siehe nur die Darstellung bei Semler, Überwachung, S. 106ff. 3 Roth, Ermessen, S.44f., 74ff., 107ff.; Paefgen, Entscheidungen, S. 171 ff.; Heermann AG 1998, S.201, 208f. und ZIP 1998, S.761, 762f., 763f. 4 Dies wird besonders deutlich bei Kessler AG 1995, S. 61, 66. 5 Dabei steht im deutschen Gesellschaftsrecht die Frage der Vorstandskompetenz unter dem Blickwinkel etwaiger Mitwirkungsrechte der Hauptversammlung im Vordergrund; siehe dazu nur Kessler AG 1995, S. 61,66ff. sowie BGH BB 2004, S. 1182ff. - Gelatine und dazu Bungert BB 2004, S. 1345 ff. 6 Diese Diskussion ist durch das Inkrafttreten des Wertpapiererwerbs- und Ubernahmegesetzes zum 1. Januar 2002 (BGBl. 2001 I S. 3822ff.) und insbesondere durch die §§27,33 dieses Gesetzes (Stellungnahme des Vorstands und Aufsichtsrats der Zielgesellschaft; Handlungen des Vorstands der Zielgesellschaft - eingeschränkte Neutralitätspflicht des Vorstands während des Ubernahmeverfahrens und Vorratsermächtigung durch die Hauptversammlung vor dem Uber1

2

A. Ansatzpunkt

183

und Spenden, 7 Geschäfte zwischen dem U n t e r n e h m e n / K o n z e r n u n t e r n e h m e n einerseits und Vorstandsmitgliedern/Aufsichtsratsmitgliedern, ihnen nahestehenden Personen/Unternehmen andererseits, 8 Kompensationsleistungen für und N u t z u n g von Gesellschaftsresourcen durch Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder, 9 die Bildung von Rücklagen, 1 0 die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen pflichtwidrig handelnde Vorstandsmitglieder ( § 9 3 A k t G ) 1 1 und - zumeist kasuistisch 1 2 - um die Geschäftstätigkeit. 1 3 E s fehlt an „systembilnahmeverfahren) entschärft worden (vgl. auch Ziff. 3.7 des Deutschen Kodex). Siehe dazu: Bayer ZGR 2002, S. 588ff.; Hirte ZGR 2002, S. 623 ff.; Hopt ZGR 2002, S. 333ff. Siehe zur vorangegangenen Diskussion: LG Düsseldorf AG 2000, S. 233 ff. - Mannesmann/Vodafone und dazu Krause AG 2000, S.217ff.; Merkt ZHR 165 (2001), S.224ff.; Maier-Reimer ZHR 165 (2001), S.258ff.; Becker ZHR165 {2QQl),$.2%0ii.-,Baudisch/Götz A G 2 0 0 1 , S . 2 5 1 f f . ; ß r c W A G 1999, S. 481 ff.; Wolf AG 1998, S.212ff.; Barthelmeß/Braun AG 2000, S.172ff.; Thümmel DB 2000, S.461ff.; Hopt ZHR 161 (1997), S.368ff.; Kallmeyer ZHR 161 (1997), S.435ff.; Weisgerber ZHR 161 (1997), S.421 ff.; Wirth/Weiler DB 1998, S. 117ff.; Schuster EuZW 1997, S.237ff.; Michalski AG 1997, S. 152ff.; Schander BB 1997, S. 1801ff.; Schilling BB 1997, S. 1909ff.; Paefgen, Entscheidungen, S.335ff., 412ff.; Abeltshauser, Leitungshaftung, S. 102ff., 230ff. und Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung, S. 111 ff., 292ff. (auch zum U.S. amerikanischen Recht); Bungert AG 1994, S. 297ff. und Trockels AG 1990, S.139, 142, 142ff. sowie Frank/Moreland RIW 1989, S.761, 761ff. und von Werder/Feld RIW 1996, S.481, 481, 483ff. (nur zum U.S. amerikanischen Recht). 7 Siehe dazu: BGH AG 2002, S.347ff. und dazu Laub AG 2002, S.308ff.; Kessler AG 1995, S. 120,126,131 f.; Fleischer ZIP 2005, S. 141 ff. und AG 2001, S. 171 ff.; Mertens AG 2000, S. 157ff. und Philipp AG 2000, S.62ff. sowie Roth, Ermessen, S. l l l f . (insbesondere zur Entschädigung von Zwangsarbeitern); Abeltshauser, Leitungshaftung, S. 75ff., 195ff. (auch zum U.S. amerikanischen Recht). 8 Siehe dazu: Ziff. 4.3.4 des Deutschen Kodex; Ziff. II.4.C und III.4.C des Frankfurter Kodex; Ziff. III.5.2 und IV.6.2 des Berliner Kodex; Roth, Ermessen, S.60f.; Abeltshauser, Leitungshaftung, S.274ff., 336ff., 317ff., 381 ff. (auch zum U.S. amerikanischen Recht). 9 Siehe dazu: Ziff. 4.2.2,4.2.3 und 5.4.7 des Deutschen Kodex; Ziff. II.3 und Ill.l.d des Frankfurter Kodex; Ziff. III.6.1-6.3 und IV.7.1-7.3 des Berliner Kodex; Hoffmann-Becking ZHR 169 (2005), S. 155ff.; Kramarsch ZHR 169 (2005), S.112ff.; BGH BB 2004, S.621ff. - MobilCom; OLG Schleswig NZG 2003, S. 176ff. - MobilCom; Hoff WM. 2003, S. 910ff.; Peltzer NZG 2004, S. 509ff.; Paefgen WM 2004, S. 1169ff.; Wiechers DB 2003, S.595ff.; Vetter AG 2004, S.234ff.; Richter BB 2004, S. 949ff.; Meyer/Ludwig ZIP 2004, S. 940ff.; Martens ZHR 169 (2005), S. 124ff.; Käppiinger/Käppiinger WM 2004, S.712ff.; Kiethe BB 2003, S.1573ff. und WM 2004, S.458ff.; Brauer/Dreier NZG 2005, S.57ff.; Liebers/Hoefs ZIP 2004, S.97ff.; Lutter ZIP 2003, S.737ff.; Brauer NZG 2004, S.502ff.; Wollburg ZIP 2004, S.646ff.; Hüffer BB 2003, Beilage 7, S. 11 ff.; Thüsing ZGR 2003, S.457ff.; Theisen RWZ 2001, S.157, 160ff.; Heermann ZIP 1998, S.761, 763f.; Mertens, Kölner Kommentar, §93 Rdn.62ff.; Roth, Ermessen, S.59f.; Abeltshauser, Leitungshaftung, S.285ff., 345ff., 293ff., 353f., 357ff. (auch zum U.S. amerikanischen Recht). 10 Siehe dazu: Kessler AG 1995, S.61, 73 und Abeltshauser, Leitungshaftung, S.69ff., 179ff. (auch zum U.S. amerikanischen Recht). 11 Siehe dazu: Roth, Ermessen, S.119ff.; Heermann AG 1998, S.201ff.; Kindler ZHR 162 (1998), S. lOlff.; Horn ZIP 1997, S. 1129,1136ff.; Henze BB 2001, S. 53, 59f. und BB 2000, S.209, 215f.; Grooterhorst ZIP 1999, S. 1117,1123f.; Dreher ZHR 158 (1994), S. 614{{.-,Jaeger/Trölitzsch ZIP 1995, S. 1157ff; Fischer BB 1996, S. 225ff.; Nirk, Festschrift Boujong, S. 393ff.; Rittner EWiR §116 1/95; Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung, S. 235. 12 Siehe dazu Abeltshauser, Leitungshaftung, S. 169f. und Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung, S.266f. 13 Siehe dazu: OLG Düsseldorf ZIP 1997, S.27ff. - ARAG/Garmenbeck (ungesicherte Vor-

184

3. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des Aufsichtsrats

dender Grundlagenarbeit" 14 und damit an einem geschlossenen und tragfähigen Lösungskonzept. 15 Demgegenüber hat das Verwaltungsrecht ein Lösungskonzept entwickelt. Dabei dient eine komplexe Entscheidungsfehlerlehre dazu, die Entscheidungsfreiräume zu sichern und zu begrenzen und die insoweit maßgeblichen Rechtspflichten zu konkretisieren. An diesen Ansatz kann im Gesellschaftsrecht angeknüpft werden, um sachlogische Kriterien für die Reichweite von Entscheidungsfreiräumen der Unternehmensführung zu bilden.

I. Die verwaltungsrechtliche

Entscheidungsfehlerlehre

Die verwaltungsrechtliche Entscheidungsfehlerlehre knüpft an die - nach Fehlergegenstand und Fehlerfolgen - strikte Trennung zwischen dem formellen Verwaltungsverfahrensrecht und dem materiellen Verwaltungsrecht an. 16 1. Die Bedeutung des Verwaltungsverfahrensrechts Der Einhaltung des Verwaltungsverfahrensrechts kommt eine besondere Bedeutung zu, wenn der Verwaltung Entscheidungsfreiräume zustehen. Es wird betont, der Gesetzgeber habe, wenn er in verfassungsrechtlich zulässiger Weise einen Verwaltungsspielraum eröffnen wolle, „im Interesse eines effektiven Grundrechtsgewährung ... für eine angemessene Verfahrensgestaltung zu sorgen, damit Beurteilungsfehler möglichst vorbeugend vermieden" würden. 17 Es wird von einer „mittelbaren Ermessens- und Beurteilungskontrolle durch Kontrolle des Verwaltungsverfahrens" sowie von einer „Nachprüfung der Einhaltung von Verfahrensbestimmungen" als einem „gewissen Ersatz für die fehlende Möglichkeit unmittelbarer Kontrolle" gesprochen. 18 schaltdarlehen); LG Stuttgart A G 2000, S.237ff. (nachteilige Vertragsgestaltung); LG Bielefeld ZIP 2000, S.20ff. - Balsam (existenzgefährdende Geschäftspraktiken); B G H ZIP 2001, S. 1874, 1876f. - Bremer Vulkan (konzerninterner Liquiditätsverbund); Kiethe W M 2003, S. 861 ff.; Witte/Hrubesch BB 2004, S. 725 ff.; Semler, Überwachung, S. 23 ff., 31 ff., 106ff., 118; Heermann ZIP 1998, S. 761,762f., 763ff.; Roth, Ermessen, S. 125ff,;Abeltshauser, Leitungshaftung, S. 60ff., 71ff., 162ff., 190ff. (auch zum U.S. amerikanischen Recht mit den sich daraus ergebenden Modifizierungen) und insbesondere die Rechtsprechungsübersicht auf S. 149, 163ff., 190ff.; Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung, S.242ff. und insbesondere die Rechtsprechungsübersicht auf S.232ff., 249f., 251 ff. 14 Dreher Z H R 158 (1994), S.614, 631. 15 Siehe dazu auch Abeltshauser, Leitungshaftung, S. 169f. und auch S. 182,193f., 199f. sowie Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung, S.267f., aber auch Roth, Ermessen, S. 74ff., 107ff. und Paefgen, Entscheidungen, S.171ff. sowie Heermann A G 1998, S.201, 208f. und ZIP 1998, S.761, 762f., 763f. 16 Alexy JZ 1986, S.701, 706f. 17 Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, §31 Rdn.24. 18 Kopp/Schenke, V w G O , §114 Rdn.47.

A. Ansatzpunkt

185

D i e verfahrensrechtlichen Anforderungen bestehen darin, daß die Verwaltung eine den rechtlichen und insbesondere auch den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügende verfahrensrechtliche Rechtsgrundlage zur Verfügung haben und das vorgeschriebene und/oder nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen gebotene Verfahren, jedenfalls soweit es den Interessen des Betroffenen zu dienen bestimmt ist, einhalten muß. Dies gilt insbesondere für das Erfordernis der U n p a r teilichkeit der zur Entscheidung berufenen Amtsträger ( § § 2 0 , 21 V w V f G ) sowie für die Verpflichtung zur Anhörung der Beteiligten ( § 2 8 V w V f G ) und zur B e gründung der Entscheidung ( § 3 9 V w V f G ) . 1 9 D i e Begründung ist bei Verwaltungsakten, denen Einschätzungsprärogativen bzw. Ermessensspielräume zugrundeliegen, sowohl unter formell verwaltungsverfahrensrechtlichen als auch unter materiell-rechtlichen Aspekten relevant. Das Fehlen einer Begründung oder das Vorliegen einer Begründung, in der wesentliche Erwägungen keinen Ausdruck finden (unvollständige Begründung), führt (vorbehaltlich einer Heilung nach den § § 4 5 V w V f G , 73 A b s . l Satz 1, 79 Abs. 1 Nr. 1 V w G O ) zur formellen Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes. Das Vorliegen einer zwar formell ausreichenden (den §§ 39 V w V f G , 73 Abs. 3 Satz 1 V w G O genügenden), aber inhaltlich unrichtigen Begründung führt dagegen (vorbehaltlich einer Ersetzung fehlerhafter durch fehlerfreie Erwägungen aufgrund eines zulässigen Nachschiebens von Gründen) zur materiellen Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes. In der Praxis lassen sich allerdings häufig die Fälle einer formell fehlerhaften Begründung nicht von den Fällen einer materiell fehlerhaften Begründung unterscheiden. Dementsprechend lassen sich auch die Fälle des Nachholens der Begründung und die Fälle des Nachschiebens von Gründen nur schwer voneinander trennen. D a h e r wird das Fehlen einer den § § 3 9 V w V f G , 73 Abs. 3 Satz 1 V w G O genügenden Begründung als ein Indiz für eine fehlerhafte Einschätzung bzw. Ermessensausübung angesehen, und zwar insbesondere dann, wenn die Gründe sonst nicht ersichtlich sind und die Verwaltung ihre G r ü n d e nachträglich nicht offenlegt. 2 0

19 Kopp/Schenke, VwGO, §114 Rdn.la, 11, 15, 30, 47f.; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, §31 Rdn.26, 47 sprechen von formellen Vorbeurteilungs-/Vorermessensfehlern. 20 Kopp/Schenke, VwGO, §114 Rdn.48, 51, §113 Rdn.60f. (insbesondere Fn.89), 63, 70, 71; Alexy JZ 1986, S. 701, 706 (insbesondere Fn. 73). Zur Unbeachtlichkeit aufgrund einer nachträglichen Heilung im weiteren Verlauf des Verfahrens nach § 45 VwVfG oder durch eine Widerspruchsentscheidung nach den §§73 Abs. 1 Satz 1, 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO siehe Kopp/Schenke, VwGO, §114 Rdn.6a, §113 Rdn. 59, 60ff., aufgrund eines Nachschiebens von Gründen siehe Kopp/Schenke, VwGO, §113 Rdn.62ff., aufgrund einer Umdeutung des Verwaltungsaktes gemäß § 47 VwVfG siehe Kopp/Schenke, VwGO, § 113 Rdn. 79 (und insbesondere zu § 114 Satz 2 VwGO siehe Kopp/Schenke, VwGO, § 114 Rdn. 49ff.).

186

3. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des

Aufsichtsrats

2. D i e Grundannahmen der Entscheidungsfehlerlehre Die verwaltungsrechtliche Entscheidungsfehlerlehre entwickelt die rechtlich relevanten Einschätzungsfehler (Ergebnis- und Vorgangsfehler) und die rechtlich relevanten Ermessensfehler (Ergebnis- und Vorgangsfehler) auf der Grundlage mehrerer Annahmen. a)

Trennungsprinzip

Die erste Annahme lautet, daß die einer konkreten Entscheidung zugrundeliegende Befugnisnorm in ihre Handlungsvoraussetzung(en) und ihre Handlungsbefugnis aufzuspalten ist und „beide Seiten je nach ihren eigenen Regeln zu beurteilen sind." 2 1 Dies hat zur Konsequenz, daß in den Fällen, in denen Rechtsnormen sowohl Einschätzungsprärogativen als auch Ermessensspielräume eröffnen, die Einschätzungen und die Ermessensausübungen jeweils für sich genommen zu überprüfen sind. Mit Blick auf jede einzelne Einschätzung bzw. Ermessensausübung ist zu prüfen, ob die Verwaltung eine rechtlich vertretbare Einschätzung bzw. Ermessensausübung vorgenommen hat/vornehmen wird. Nach dem Konzept der negativen Kontrolle ist die rechtliche Freiheit hinsichtlich der Wahl des Ergebnisses mit der Pflicht verbunden, es in einem rechtlich fehlerfreien Vorgang zu gewinnen. Daher ist mit Blick auf jede einzelne Einschätzung bzw. Ermessensausübung zu prüfen, ob die Verwaltung „ein rechtlich mögliches Ergebnis auf rechtlich zulässige Weise" gewonnen hat und/oder gewinnen wird, oder anders gewendet, die rechtlich

21 Maurer, Verwaltungsrecht, § 7 Rdn.48; so auch Kopp/Schenke, V w G O , § 114 Rdn.33. Allerdings kann sich die Einschätzung in den Fällen, in denen eine Norm auf der Tatbestandsseite eine Einschätzungsprärogative und auf der Rechtsfolgenseite einen Ermessensspielraum aufweist („kombinierter Tatbestand"), auf die Ermessensausübung auswirken. Die Einschätzungsprärogative kann in Wahrheit dem Ermessensspielraum zuzurechnen sein, weil sie Inhalt und Grenzen des Ermessensspielraums bestimmt (und gleichsam von ihm aufgesogen wird). Es können auch bereits bei der Einschätzung alle Gesichtspunkte zu berücksichtigen sein, die für die Ermessensausübung maßgeblich wären, so daß für die Ermessensausübung nichts mehr übrig bleibt (Ermessensschwund); siehe dazu Maurer, Verwaltungsrecht, § 7 Rdn. 49f. Diese Fälle sind streng zu unterscheiden von den Fällen, in denen ein Ermessensspielraum auf einer Ermessensprärogative aufbaut und sich daher die Ermessensausübung an der Einschätzung zu orientieren hat. So liegt etwa die Einstellung und Auswahl von Beamtenbewerbern im Ermessen, das sich aber an der Einschätzung der Eignung, Befähigung und Leistung der Bewerber zu orientieren hat (unechte Kopplung); siehe dazu Maurer, Verwaltungsrecht, § 7 Rdn.48 und zum Planungsermessen Kopp/Schenke, V w G O , § 114 Rdn. 34, 34b, 36a, 37, 37a. Vergleichbar ist die Lage, wenn voll nachprüfbare unbestimmte Gesetzesbegriffe auf Einschätzungen aufbauen (Faktorenlehre); siehe etwa zum dienstlichen Bedürfnis für die Versetzung Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, § 31 Rdn. 20 und Maurer, Verwaltungsrecht, § 7 Rdn. 48, sowie zur materiellen Planrechtfertigung Kopp/Schenke, V w G O , § 114 Rdn. 36, und Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, §31 Rdn. 20.

A.

Ansatzpunkt

187

relevanten Ergebnis- und Vorgangsfehler vermieden hat und/oder vermeiden wird. 2 2

b)

Fehleridentität

Die zweite Annahme ist, daß es keine rechtlich relevanten Entscheidungsfehler (Ergebnis- und Vorgangsfehler) gibt, die bei Ermessensausübungen, nicht aber bei Einschätzungen vorkommen können. „Was die Möglichkeit des Vorkommens der Fehler betrifft," bestehe „eine nahezu vollständige Fehleridentität." 23

c)

Anknüpfungspunkt

Die dritte Annahme lautet, daß die rechtlich relevanten Entscheidungsfehler (Ergebnis- und Vorgangsfehler) an die einzelnen Schritte der Rechtsanwendung im Falle eines Einschätzungsbegriffs bzw. einer Ermessensermächtigung anknüpfen. Der Vorgang der Normanwendung stellt sich wie folgt dar: In einem ersten Schritt muß der Sinngehalt des Einschätzungsbegriffs bzw. der Sinn und Zweck der Ermessensermächtigung durch Auslegung und Interpretation bestimmt werden. Der Typenbereich des Einschätzungsbegriffs bzw. der Ermessensbereich ist unabhängig vom konkreten Einzelfall festzustellen und insbesondere (negativ) abstrakt auslegend abzugrenzen. In einem zweiten Schritt müssen die relevanten tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte vollständig und zutreffend festgestellt werden. In einem dritten Schritt erfolgt die Subsumtion bzw. die Setzung der Rechtsfolge. Die Subsumtion besteht in einer unter wertender Abwägung der festgestellten relevanten tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte gewonnenen Gesamtbewertung des gegebenen Lebenssachverhalts im Lichte des durch Auslegung und Interpretation ermittelten Sinngehalts des Einschätzungsbegriffs. Die Setzung der Rechtsfolge geschieht aufgrund einer wertenden Abwägung der angesichts der festgestellten relevanten tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte für und gegen die infragekommenden Verhaltensweisen sprechenden Gründe (und insbesondere aller betroffenen öffentlichen und privaten Belange) im Lichte des durch Auslegung und Interpretation ermittelten Sinn und Zwecks der Ermessensermächtigung. 24

AlexyJZ 1986, S. 701, 714. Alexy JZ 1986, S. 701,713f.; siehe dazu auch Kopp/Schenke, VwGO, § 114 Rdn. 3,5,23,31b, 34, 39ff. und Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, §31 Rdn.63 („weitgehend identische Fehlertypologie") und Verwaltungsrecht I, 10. Auflage 1994, §31 Rdn.45 („Die Typologie der Ermessensfehler entspricht strukturell grundsätzlich der Systematik der Beurteilungsfehler"). 24 Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, §31 Rdn.9f., 14f., 46ff. 22 23

188 d) Zwei

3. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des Aufsichtsrats

Fehlerquellen

D i e daraus zu ziehende Konsequenz lautet, daß das Verwaltungsgericht zwar berechtigt ist, die G r e n z e n des Typenbereichs des Einschätzungsbegriffs bzw. des Ermessensbereichs in eigener Verantwortung (negativ) abstrakt auslegend abzustecken, aber die im Typenbereich des Einschätzungsbegriffs verbleibende E i n schätzung bzw. die im Ermessensbereich verbleibende

Ermessensausübung

durch die Verwaltung nur eingeschränkt überprüfen darf. Das Verwaltungsgericht hat die G r e n z e n des Typenbereichs des Einschätzungsbegriffs bzw. des Ermessensbereichs in eigener Verantwortung (negativ) abstrakt auslegend abzustecken, weil die Interpretation des Einschätzungsbegriffs bzw. der Ermessensermächtigung wie jede Auslegung eine Rechtsfrage ist und deshalb darauf abzielt, den Inhalt des abstrakten objektiven Rechts zu konkretisieren. Das Verwaltungsgericht hat daher zu prüfen, ob die Verwaltung den gesetzlich gezogenen äußeren Rahmen des Einschätzungsbegriffs bzw. der Ermessensermächtigung und damit die Grenzen des Einschätzungsbegriffs bzw. der E r messensermächtigung überschritten hat oder überschreiten wird (Überschreitung). 2 5 Es darf keine Einschätzung bzw. Ermessensausübung vorliegen, die durch den Einschätzungsbegriff bzw. die Ermessensermächtigung in keinem Fall gedeckt ist (abstrakter Verhaltensfehler). 2 6 Dagegen darf das Verwaltungsgericht die im Typenbereich des Einschätzungsbegriffs verbleibende Einschätzung bzw. die im Ermessensbereich verbleibende Ermessensausübung durch die Verwaltung nur insoweit überprüfen, als es nicht an diejenigen sachlogischen und damit rechtslogischen und letztlich funktionalen G r e n z e n stößt, die sich aus der besonderen Eigenart der Einschätzungsbegriffe bzw. der Ermessensermächtigungen ergeben. 2 7 D a h e r ist die gerichtliche K o n trolle der Subsumtion bzw. der Setzung der Rechtsfolge im konkreten Einzelfall darauf beschränkt, o b die Verwaltung die rechtlich gezogenen inneren Schranken des Einschätzungsbegriffs bzw. der Ermessensermächtigung verletzt hat und/ oder verletzen wird und damit von dem Einschätzungsbegriff bzw. der E r m e s sensermächtigung „nicht im Sinne des Gesetzes, dh. der im einzelnen G e s e t z und in der Rechtsordnung insgesamt zum Ausdruck k o m m e n d e n Zwecksetzungen" 2 8 Gebrauch gemacht hat und/oder Gebrauch machen wird (Fallgruppen des

25 Wolff/Bacbof/Stober, Verwaltungsrecht I, § 31 Rdn. 9,14f., 26, 40, 45, 46 und Kopp/Schenke, VwGO, § 114 Rdn. la, 3,4, 7,30,39ff.; siehe auch Maurer, Verwaltungsrecht, § 7 Rdn. 20,23. 26 Wolff/Bacbof/Stober, Verwaltungsrecht I, §31 Rdn. 46; zudiAlexy JZ 1986, S.701, 702 bezeichnet „die abstrakt/konkret-Dichotomie" als „wichtig und weiterführend." 27 Siehe dazu Wolff/Bacbof/Stober, Verwaltungsrecht I, §31 Rdn. 15f., 18, 24, 44 und Kopp/ Schenke, VwGO, § 114 Rdn. 24 und - zum Ermessen - Rdn. 22 („freie Wahl zwischen allen sachlich geeigneten, praktikablen und zweckmäßigen Lösungen") sowie Maurer, Verwaltungsrecht, §7 Rdn. 5f., 17, 29, 54. 28 Kopp/Schenke, VwGO, § 114 Rdn. 8.

A. Ansatzpunkt

189

Fehlgebrauchs). 2 9 E s darf keine Einschätzung bzw. Ermessensausübung vorliegen, die durch den Einschätzungsbegriff bzw. die Ermessensermächtigung zwar „unter anderen Umständen oder aus anderen Gründen, nicht aber unter den tatsächlich vorliegenden Umständen, auf G r u n d der tatsächlich angestellten E r w ä gungen oder der tatsächlichen M o t i v e " gedeckt wäre (konkrete Verhaltensfehler). 3 0 Diese Differenzierung zwischen Uberschreitung/abstraktem Verhaltensfehler und Fehlgebrauch/konkreten Verhaltensfehler wird auf die gesetzlich normierte „Zweck- und G r e n z e n f o r m e l " 3 1 gestützt. §114 VwGO: „Soweit die Verwaltung ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsaktes rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist." §40 VwVfG: „Ist die Behörde ermächtigt, nach ihrem Ermessen zu handeln, hat sie ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten ." §73 sh LVerwG: „Die Behörde entscheidet, soweit Rechtsvorschriften nicht bestimmen, daß oder in welcher Weise sie tätig zu werden hat, im Rahmen der ihr erteilten Ermächtigung nach sachlichen Gesichtspunkten unter Abwägung der öffentlichen Belange und der Interessen des einzelnen über die von ihr zu treffenden Maßnahmen (pflichtgemäßes Ermessen). Die Maßnahme darf nicht zu einer Beeinträchtigung des einzelnen oder der Allgemeinheit führen, die zu dem beabsichtigten Erfolg in einem offenbaren Mißverhältnis steht. Die Behörde hat unter mehreren zulässigen und geeigneten Maßnahmen tunlichst diejenigen anzuwenden, die die Allgemeinheit und den einzelnen am wenigsten beeinträchtigen." 3. D i e „ F e h l e r l i s t e " D i e Frage, welche und wieviele rechtlich relevante Einschätzungsfehler (Ergebnis- und Vorgangsfehler) und rechtlich relevante Ermessensfehler (Ergebnis- und Vorgangsfehler) es gibt und wie sie zu systematisieren und insbesondere der gesetzgeberischen Z w e c k - und Grenzenformel zuzuordnen sind, bereitet der Verwaltungswissenschaft erhebliche Schwierigkeiten. 3 2 „Worauf man stößt, ist ein terminologischer Wirrwarr und ein Uberangebot an oft schwer zu durchschauenden Definitionen und Klassifikationen" 3 3 und auf

„Systematisierungsversu-

29 Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, §31 Rdn.Hf., 24, 27ff., 40, 44f., 47ff.; Kopp/ Schenke, VwGO, § 114 Rdn. la, 3, 4f., 8ff., 30, 39ff.; siehe auch Maurer, Verwaltungsrecht, §7 Rdn. 21ff. 30 Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, §31 Rdn. 49. 31 So die Formulierung von Alexy JZ 1986, S. 701, 701; siehe dazu auch Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, §31 Rdn.45. 32 Siehe dazu nur die Analyse von Alexy ]X 1986, S.701, 701ff. 33 Alexy JZ 1986, S.701, 701.

190

3. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des Aufsichtsrats

c h e " , 3 4 in denen „für die Ermessensfehlerlehre fundamentale Unterscheidungen wie die zwischen Ergebnis- und Vorgangsfehlern ... keine systematisch bedeutsame R o l l e " spielen. 3 5 In der Sache ist man sich jedoch über die rechtlich relevanten Einschätzungs- bzw. Ermessensfehler trotz aller terminologischer, klassifikatorischer und systematischer Unterschiede weitgehend einig („Fehlerliste" 3 6 ).

a) Interpretations-

und

Feststellungsfehler

Einige rechtlich relevante Einschätzungs- bzw. Ermessensfehler sind reine Interpretations- und Feststellungsfehler. Sie beruhen darauf, daß sich die Einschätzungsprärogative bzw. der Ermessensspielraum weder auf die Auslegung und I n terpretation des Einschätzungsbegriffs bzw. der Ermessensermächtigung n o c h auf die vollständige und zutreffende Feststellung der relevanten tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte bezieht. D a h e r m u ß rechtlich voll nachprüfbar sein, o b die Verwaltung den Einschätzungsbegriff bzw. die Ermessensermächtigung nach Vorliegen und Reichweite sowie Sinngehalt bzw. nach Sinn und Z w e c k richtig erkannt hat und o b die Verwaltung den Sachverhalt rechtlich zutreffend und vollständig erkannt sowie ordnungsgemäß ermittelt und festgestellt hat. Diese Prüfung zielt darauf festzustellen, ob die Verwaltung „überhaupt eine Abwägung der nach dem Z w e c k der Ermächtigung zu berücksichtigenden öffentlichen und privaten Belange vorgenommen hat, sich bei ihrer Entscheidung, insbesondere bei der dabei vorzunehmenden Abwägung, an den dafür maßgeblichen rechtlichen R a h m e n gehalten hat, alle die für ihre Entscheidung maßgeblichen wesentlichen Gesichtspunkte, Belange, Interessen usw. rechtlich zutreffend und vollständig erkannt und ordnungsgemäß, rechtlich und tatsächlich zutreffend bestimmt, ermittelt und festgestellt h a t " 3 7 . 3 8

aa) Vorliegen des Einschätzungsbegriffs

bzw. der

Ermessensermächtigung

Ein rechtlich relevanter Einschätzungs- bzw. Ermessensfehler liegt vor, wenn der Verwaltung gar nicht bewußt gewesen ist, daß ihr eine Einschätzungsprärogative bzw. ein Ermessensspielraum zusteht und sie eine Abwägung vorzunehmen hat, oder wenn sie aus anderen Gründen die ihr vorbehaltene und aufgegebene A b w ä gung nicht vorgenommen hat. Dies ist etwa der Fall, wenn sie „das Vorliegen des ermessensbegründenden Tatbestandes zu U n r e c h t verneint oder sich zu U n r e c h t für gebunden h ä l t " 3 9 (Ausfall - N i c h t v o r n a h m e einer vorzunehmenden A b w ä AlexyjT. 1986, S.701, 701. Alexy }2 1986, S.701, 705. 36 Alexy ]Z 1986, S.701, 705. 37 Kopp/Schenke, VwGO, § 114 Rdn. 35. 38 Siehe dazu Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, §31 Rdn. 9, 17, 26f., 40, 45, 46ff. 39 Kopp/Schenke, VwGO, §114 Rdn. 14 sprechen von Ermessensnichtgebrauch; siehe auch Rdn. 35 für den Planungsspielraum. 34 35

A.

191

Ansatzpunkt

gung). Ein rechtlich relevanter Einschätzungs- bzw. Ermessensfehler liegt ebenfalls vor, wenn die Verwaltung - vice versa - irrigerweise eine Einschätzungsprärogative bzw. einen Ermessensspielraum angenommen hat oder wenn sie aus anderen Gründen eine Abwägung vorgenommen hat, die ihr weder vorbehalten noch aufgegeben war. Dies ist etwa der Fall, wenn sie das Vorliegen des ermessensbegründenden Tatbestandes zu Unrecht bejaht oder sich zu Unrecht für nicht gebunden gehalten hat (Anmaßung - Vornahme einer nicht vorzunehmenden Abwägung). 40 bb) Reichweite des Einschätzungsbegriffs

bzw. der

Ermessensermächtigung

Ein rechtlich relevanter Einschätzungs- bzw. Ermessensfehler liegt vor, wenn sich die Verwaltung über die gesetzliche Reichweite der Einschätzungsprärogative bzw. des Ermessensspielraums geirrt hat. Dies ist der Fall, wenn sie die gesetzliche Reichweite der Einschätzungsprärogative bzw. des Ermessensspielraums unterschätzt hat - etwa aufgrund der Annahme einer in Wahrheit nicht bestehenden Beschränkung der Einschätzungsprärogative bzw. des Ermessensspielraums; typisch ist eine Anwendung nichtiger Rechtsvorschriften und rechtswidriger Verwaltungsvorschriften (Unterschreitung - Unterschätzen der Reichweite des Einschätzungsbegriffs bzw. der Ermessensermächtigung). Dies ist auch der Fall, wenn sie die gesetzliche Reichweite der Einschätzungsprärogative bzw. des Ermessensspielraums überdehnt hat - etwa aufgrund des Ubersehens einer in Wahrheit tatsächlich bestehenden Beschränkung der Einschätzungsprärogative bzw. des Ermessensspielraums; typisch ist eine Nichtbeachtung des Verhältnismäßig-

40 Alexy J Z 1986, S.701, 702 F n . 9 ; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, § 3 1 R d n . 2 7 , 47, 48, 62. Es ist nach hier vertretener Ansicht unrichtig, einen Ermessensfehler anzunehmen, wenn die Verwaltung zu Unrecht das Vorliegen des Tatbestands bejaht (Anmaßung) oder verneint (Ausfall) und deshalb eine Abwägung vorgenommen hat, die ihr weder vorbehalten noch aufgegeben war, oder die ihr vorbehaltene und aufgegebene Abwägung nicht vorgenommen hat. In diesen Fällen ist ein Tatbestandsfehler gegeben, und zwar mit der Konsequenz, daß sich die Frage nach einer rechtmäßigen Ermessensausübung nicht mehr stellt kann. Vor diesem Hintergrund wirkt es eher gekünstelt, neben dem Tatbestandsfehler auch noch einen Ermessensfehler anzunehmen: Daß die Ermessensausübung rechtswidrig ist, wenn der Tatbestand fehlerhaft subsumiert worden ist, ist eine eher schlichte Erkenntnis und hat auch im Hinblick auf die Frage der Rechtswidrigkeit der Entscheidung keine über den Tatbestandsfehler hinausgehenden Konsequenzen. Es kommt erschwerend hinzu, daß in der verwaltungsrechtlichen Literatur eine gewisse Unsicherheit über die systematische Erfassung des Falles, in dem die Verwaltung zu Unrecht das Vorliegen des Tatbestands verneint, besteht (er wird auch als Überschreitung eingeordnet) und der problematische Fall, in dem die Verwaltung das Vorliegen des Tatbestandes lediglich fehlerhaft bejaht (etwa eine fehlerhafte Gefahrenbeurteilung vornimmt) und deshalb eine fehlerhafte Abwägung vornimmt (zur Beseitigung der fehlerhaft beurteilten Gefahr), kaum Beachtung findet. Auch dieser Befund spricht dafür, auf diese Ermessensfehler von vornherein zu verzichten. Siehe zu diesem Problemkreis Alexy J Z 1986, S.701, 702 (insbesondere F n . 9 ) und Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, § 3 1 R d n . 4 7 , 62, die einmal von „materiellen Vorermessensfehlern" - was die Sache sehr gut trifft - und einmal von „Abwägungsüberschreitung" sprechen.

192

J. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des Aufsichtsrats

keitsgrundsatzes 4 1 (Überschreitung - Überdehnung der Reichweite des Einschätzungsbegriffs bzw. der Ermessensermächtigung). 4 2 cc) Sinngehalt

des Einschätzungsbegriffs

bzw. Sinn und Zweck

der

Ermessensermächtigung Ein rechtlich relevanter Einschätzungs- bzw. Ermessensfehler liegt vor, wenn die Verwaltung den Sinngehalt des Einschätzungsbegriffs bzw. den Sinn und Z w e c k der Ermessensermächtigung verkannt hat. Darunter ist nicht nur „der engere Z w e c k der isoliert betrachteten Vorschriften zu verstehen ..., in der die E r m ä c h t i gung ... enthalten ist." Es sind vielmehr „im R a h m e n des primären Z w e c k s der E r m ä c h t i g u n g . . . alle der Gesamtheit der Sätze des geschriebenen und ungeschriebenen Rechts ... für die in Frage stehende Entscheidung zu entnehmenden Z w e k k e " zu berücksichtigen, „vor allem auch die sich aus den Wertentscheidungen des Verfassungsrechts, insbesondere auch aus den Grundrechten für die gesamte Rechtsordnung ergebenden Z w e c k e " 4 3 (Fehleinschätzung des Einschätzungsbegriffs bzw. der Ermessensermächtigung - Verkennung des Sinngehalts des E i n schätzungsbegriffs bzw. des Sinn und Zwecks der Ermessensermächtigung). 4 4 dd)

Sachverhalt

Ein rechtlich relevanter Einschätzungs- bzw. Ermessensfehler liegt vor, wenn die Verwaltung die relevanten tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte und damit den relevanten Sachverhalt nicht zutreffend oder nicht vollständig ermittelt hat. Dies ist der Fall, wenn die Verwaltung „von unzutreffenden, in Wahrheit nicht gegebenen, unvollständigen oder falsch gedeuteten tatsächlichen oder rechtlichen Voraussetzungen" (Tatsachen und Rechtsprinzipien) ausgeht. 4 5 Eine gängige Formulierung lautet, daß die Verwaltung nicht „alle die für ihre Entscheidung maßgeblichen Gesichtspunkte, Belange, Interessen usw. rechtlich zutreffend und vollständig erkannt und ordnungsgemäß, rechtlich und tatsächlich zutreffend bestimmt, ermittelt und festgestellt" hat 4 6 (Unvollständigkeit der E r 41 Alexy JZ 1986, S.701, 702, merkt zutreffend an, daß die „Grundrechte und Grundsätze wie der der Verhältnismäßigkeit... als ,objektive Schranken des Ermessens' im Rahmen der Ermessensüberschreitung und als zu beachtende Gesichtspunkte im Rahmen des Ermessensfehlgebrauchs eine zweifach ergänzende Rolle spielen" sollen und daß der „dadurch bewirkte Problemschub ... durch bloße Ergänzungen der herkömmlichen Fehlerdogmatik kaum adäquat aufgefangen werden" kann; siehe dazu auch Maurer, Verwaltungsrecht, §7 Rdn.23. 42 Alexy JZ 1986, S. 701,708,709; Kopp/Schenke, VwGO, § 114 Rdn. 7,14,30,39ff.; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, §31 Rdn.26f., 46, 48, 62. 43 Kopp/Schenke, VwGO, § 114 Rdn. 8f.; siehe dazu auch Alexy JZ 1986, S. 701, 709f. 44 Kopp/Schenke, VwGO, § 114 Rdn. 30 benennen diesen rechtlich relevanten Einschätzungsfehler nicht; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, §31 Rdn. 26 nehmen für die Verkennung des anzuwendenden Begriffs eine Überschreitung an. 45 Kopp/Schenke, VwGO, § 114 Rdn. 12. 46 Kopp/Schenke, VwGO, § 114 Rdn. 35.

A.

Ansatzpunkt

193

k e n n t n i s g r u n d l a g e - u n z u t r e f f e n d e o d e r u n v o l l s t ä n d i g e E r m i t t l u n g der r e l e v a n ten Gesichtspunkte).47

b)

Abwägungsfehler

D i e ü b r i g e n r e c h t l i c h r e l e v a n t e n E i n s c h ä t z u n g s - b z w . E r m e s s e n s f e h l e r sind A b w ä g u n g s f e h l e r . Sie k n ü p f e n daran an, d a ß sich die E i n s c h ä t z u n g s p r ä r o g a t i v e b z w . der E r m e s s e n s s p i e l r a u m auf die S u b s u m t i o n b z w . auf die S e t z u n g der R e c h t s f o l g e i m k o n k r e t e n E i n z e l f a l l b e z i e h t . D i e e n t s c h e i d e n d e F r a g e lautet, w e l c h e r e c h t l i c h e n M a ß s t ä b e f ü r eine E i n s c h ä t z u n g b z w . E r m e s s e n s a u s ü b u n g gelten, w i e i h r e B e r ü c k s i c h t i g u n g im R a h m e n d e r A b w ä g u n g ü b e r p r ü f t w e r d e n k a n n ( u n d soll) u n d w e l c h e r e c h t l i c h r e l e v a n t e n E i n s c h ä t z u n g s - b z w . E r m e s s e n s f e h l e r sich auf dieser G r u n d l a g e ableiten lassen. D e n A n s a t z p u n k t f ü r die A n t w o r t auf diese F r a g e liefert die E r k e n n t n i s , d a ß die V e r w a l t u n g d e n n a c h V o r l i e g e n u n d R e i c h w e i t e s o w i e S i n n g e h a l t r i c h t i g v e r s t a n d e n e n E i n s c h ä t z u n g s b e g r i f f b z w . die n a c h V o r l i e g e n u n d R e i c h w e i t e s o w i e S i n n u n d Z w e c k richtig v e r s t a n d e n e E r m e s s e n s e r m ä c h t i g u n g auf den r e c h t l i c h zutreffenden und vollständig erkannten sowie ordnungsgemäß ermittelten und festgestellten S a c h v e r h a l t a n w e n d e n u n d d a b e i a l l g e m e i n g ü l t i g e W e r t u n g s g r u n d sätze des h ö h e r r a n g i g e n R e c h t s , etwaige b e s o n d e r e W e r t u n g s g r u n d s ä t z e des einf a c h e n R e c h t s u n d i n s b e s o n d e r e das V e r b o t u n s a c h g e m ä ß e r o d e r u n s a c h l i c h e r Erwägungen

s o w i e das V e r b o t u n s a c h l i c h e r B e w e g g r ü n d e 4 8

berücksichtigen

47 Kopp/Schenke, VwGO, § 114 Rdn. 12, 15, 30, 35 benennen diesen rechtlich relevanten Einschätzungs- bzw. Ermessensfehler nicht; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, § 31 Rdn. 26, 47, 62 nehmen für Tatsachen einen Vorbeurteilungs-/Vorermessens-/Vorplanungsfehler an. 48 Der Terminus „Verbot sonst unsachgemäßer Erwägungen" ist wenig weiterführend, wenn nicht sogar irreführend. Das Verbot, in der Abwägung sachbezogene (durch den Gesetzeszweck gedeckte) Gesichtspunkte außer acht zulassen oder sachfremde (nicht durch den Gesetzeszweck gedeckte) bzw. unsachliche (auf rechtlich nicht zu billigenden Beweggründen beruhende) Gesichtspunkte zu berücksichtigen, ist Bestandteil des Gebotes gerechter Abwägung. Dasselbe gilt für das Verbot, unsachgemäße (durch den Gesetzeszweck nicht gerechtfertigte) Erwägungen oder unsachliche (auf rechtlich nicht zu billigenden Beweggründen beruhende) Erwägungen anzustellen. Vgl. dazu Kopp/Schenke, VwGO, § 114 Rdn. 12,13,30 und Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, § 31 Rdn. 28. Dagegen beruht das - umstrittene - Verbot, bei unsachlichen Beweggründen überhaupt eine Abwägung vorzunehmen, auf der Annahme, bei unsachlichen Beweggründen sei das Vorliegen einer sachgemäßen Abwägung ausgeschlossen; vgl. dazu Kopp/ Schenke, VwGO, § 114 Rdn. 15. Es geht mithin einmal um die „äußere Seite des Abwägungsvorgangs" im Sinne der objektiv in die Abwägung einzustellenden Belange und einmal um die „innere Seite des Abwägungs Vorgangs" im Sinne der der Abwägung zugrundliegenden Beweggründe; siehe dazu Kopp/Schenke, VwGO, § 114 Rdn. 15 Fn. 31 und BVerwG BVerwGE 64, S. 33,38. Vgl. dazu 3.uc\i Alexy J Z 1986, S. 701, 703, 704, 708, 712, der auf S. 704 von „einer vieldeutigen, aber in der Ermessensfehlerlehre gängigen dritten Dichotomie, der objektiv/subjektiv Dichotomie", spricht und auf S. 712 davon ausgeht, wenn „Gesichtspunkten, die die Entscheidung nicht beeinflussen dürfen, ... Einfluß auf das Ergebnis eingeräumt" werde, liege entweder ein inhaltlicher Verstoß gegen eine Rechtsregel oder eine Fehlgewichtung, also eine Abwägungsdisproportionalität vor."

194

3. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des

Aufsichtsrats

muß. 4 9 Zu den Wertungsgrandsätzen zählen das Gleichbehandlungsgebot bzw. Willkürverbot, 50 der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der Grundsatz der Systemgerechtigkeit, der Grundsatz der Zumutbarkeit, die Grundsätze von Treu und Glauben und des Vertrauensschutzes sowie sonstige allgemeine Rechtsgrundsätze (Verbot des venire contra factum proprium, Gebot der Folgenbeseitigung, Kopplungsverbot) und von den Gerichten für bestimmte Bereiche entwikkelte Rechtsgrundsätze (Prüfungen: Chancengleichheit, Fairneß, Sachlichkeit, 51 allgemeine Prüfungs- und Bewertungsgrundsätze; Zulassungsverfahren: Auswahl nach Priorität oder „bekannt - bewährt"; Planungsrecht: Gebot gerechter Abwägung aller von der Planung berührten öffentlichen und privaten Belange, Grundsatz der Konflikt- und Problembewältigung). 52 Vor diesem Hintergrund knüpfen die zugehörigen rechtlich relevanten Einschätzungs- bzw. Ermessensfehler daran an, daß die Aussage der Wertungsgrundsätze durch Auslegung und Interpretation bestimmt und im Rahmen der Abwägung berücksichtigt sowie das Verbot unsachlicher Beweggründe beachtet werden muß. aa) Vorliegen und Aussage der

Wertungsgrundsätze

Da sich die Einschätzungsprärogative bzw. der Ermessensspielraum nicht auf die Auslegung und Interpretation des Wertungsgrundsatzes bezieht, muß zunächst rechtlich voll nachprüfbar sein, ob die Verwaltung den Wertungsgrundsatz nach Vorliegen und Aussage richtig erkannt hat. Ein rechtlich relevanter Einschätzungs- bzw. Ermessensfehler liegt vor, wenn die Verwaltung einen im Einzelfall relevanten Wertungsgrundsatz in der Abwägung gar nicht berücksichtigt hat (Verkennung der Wertungsgrundsätze - Nichtberücksichtigung eines Wertungs49 Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, §31 Rdn. 10,15, 2 4 , 2 7 i L , 40, 44ff.; Kopp/Schenke, V w G O , § 114 Rdn. la, 4, 7ff., 15, 30f., 39ff. 5 0 „Willkür im objektiven Sinn"; vgl. dazu Kopp/Schenke, V w G O , § 114 Rdn. 15, 41. 51 Kopp/Schenke, V w G O , § 114 Rdn. 15,44 lassen offen, ob die Befangenheit ein mißbilligtes subjektives Motiv oder die Verletzung dieses Wertungsgrundsatzes ist; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, §31 Rdn.28f. nehmen letzteres an. 52 Siehe dazu Kopp/Schenke, V w G O , § 114 Rdn. 8f., 39ff. und Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, §31 Rdn. 28f., 50ff. Zu den Maßstäben, an denen sich die Entscheidungsfindung auszurichten hat, zählen außerdem die beurteilungs- bzw. ermessenslenkenden Verwaltungsvorschriften und die ständigen Verwaltungsgebräuche. Sie binden dadurch, daß die Verwaltung und die Gerichte den Art. 3 G G beachten müssen, der alle Differenzierungen ohne sachlichen Grund verbietet. Diese Grundsätze gelten nicht für Verwaltungsvorschriften, die für die Auslegung voll nachprüfbarer unbestimmter Gesetzesbegriffe gelten und zumeist für technische Bereiche von Sachverständigen erarbeitet worden sind. Das Verwaltungsgericht kann ihnen aber wegen ihrer sachverständigen Aussagekraft eine besondere Indizwirkung bei der eigenen Entscheidungsfindung zuerkennen. Siehe dazu Kopp/Schenke, V w G O , §114 Rdn. 10a, 41 f. (Fn. 159: „technische Richtlinien als ,antizipierte' Verwaltungspraxis ... ,indizielle' Bedeutung technischer Richtlinien für eine sachverständige Beurteilung") und Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, §31 Rdn. 41, 50.

A. Ansatzpunkt

195

grundsatzes). 5 3 Ein rechtlich relevanter Einschätzungs- bzw. Ermessensfehler liegt vor, wenn die Verwaltung die rechtliche Aussage eines Wertungsgrundsatzes verkannt und deshalb in der Abwägung nicht zutreffend berücksichtigt hat (Fehleinschätzung der Wertungsgrundsätze - Verkennung der rechtlichen Aussage eines Wertungsgrundsatzes). bb)

Verbot

unsachlicher

Beweggründe

Unsachliche Beweggründe schließen „grundsätzlich die A n n a h m e " aus, „daß der betroffene Verwaltungsakt auf der gebotenen sachgemäßen Abwägung des F ü r und Wider aller für die Entscheidung einschlägigen Gesichtspunkte beruht." 5 4 Es handelt sich mithin um eine der Abwägung vorgelagerte Frage, die von der Einschätzungsprärogative bzw. dem Ermessensspielraum nicht erfaßt wird. D a h e r muß es rechtlich voll nachprüfbar sein, o b die Verwaltung gegen das Verbot unsachlicher Beweggründe verstoßen hat. Ein rechtlich relevanter Einschätzungsbzw. Ermessensfehler liegt vor, wenn die Verwaltung trotz unsachlicher Beweggründe (rechtlich nicht zu billigender subjektiver Motive, innerer Vorstellungen oder Haltungen wie etwa böser Absicht, „Willkür im subjektiven S i n n " 5 5 , Eigensüchtigkeit, Freundnützigkeit, Schikane, Laune, Sympathie, Antipathie, Befangenheit, Parteilichkeit) eine Abwägung vorgenommen hat. 5 6 cc) Berücksichtigung

der

Wertungsgrundsätze

D i e Berücksichtigung der Wertungsgrundsätze im R a h m e n der Abwägung ist zwar nur begrenzt überprüfbar, aber es kann immerhin festgestellt werden, (i) o b die im Lichte der Wertungsgrundsätze relevanten tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte (alle und nur diese) berücksichtigt, in die Abwägung eingestellt und gewürdigt worden sind (Verbot, sachbezogene Gesichtspunkte außer acht zu lassen oder sachfremde/unsachliche Gesichtspunkte zu berücksichtigen), 5 7 (ii) ob 53 Führt ein Sachverhaltsirrtum zu einer Nichtberücksichtigung des Gebots gerechter Abwägung aller von der Planung berührten öffentlichen und privaten Belange, so liegt (auch oder ausschließlich) der rechtlich relevante Einschätzungs- bzw. Ermessensfehler der Unvollständigkeit der Erkenntnisgrundlage vor (Bsp.: Verwaltung hat die durch das Planungsvorhaben Betroffenen völlig übersehen). 54 Kopp/Schenke, VwGO, § 114 Rdn. 15. 55 Kopp/Schenke, VwGO, § 114 Rdn. 15. 56 Kopp/Schenke, VwGO, §114 Rdn. 15, 44 benennen diesen rechtlich relevanten Einschätzungs- bzw. Ermessensfehler nicht und lassen offen, ob die Befangenheit ein mißbilligtes subjektives Motiv oder die Verletzung eines Wertungsgrundsatzes (Gebot der Sachlichkeit) ist; Wolff/ Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, §31Rdn. 53, 28f. sprechen von Ermessensunschlüssigkeit/ Ermessenswillkür und nehmen im Falle der Befangenheit die Verletzung eines Wertungsgrundsatzes (Gebot der Sachlichkeit) an; Alexy]Z 1986, S.701, 703, 704, 708. 57 Alexy J Z 1986, S.701, 712 spricht von Defizit und Uberhang („Nichtberücksichtigung des zu Berücksichtigenden" und „Berücksichtigung des Nichtzuberücksichtigenden"); Kopp/ Schenke, VwGO, §114 Rdn. 12, 30, 35 benennen diesen rechtlich relevanten Einschätzungs-

196

3. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des

Aufsichtsrats

den relevanten tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkten (allen und nur diesen) das Gewicht und die Bedeutung zugemessen worden ist, die ihnen nach den Wertungsgrundsätzen (dem Verbot unsachgemäßer und unsachlicher Erwägungen) zukommen, (iii) ob die relevanten tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte (alle und nur diese) miteinander und gegeneinander auch im Lichte der Wertungsgrundsätze (des Verbots unsachgemäßer und unsachlicher Erwägungen) abgewogen und der Ausgleich zwischen ihnen nicht in einer Weise vorgenommen worden ist, der zu ihrer objektiven Gewichtigkeit außer Verhältnis steht, 58 und (iv) ob es erkannt worden ist, daß die Aussage eines Wertungsgrundsatzes in dem fraglichen Einzelfall eindeutig vorrangig gewesen ist und zu einem ganz bestimmten Ergebnis gezwungen hat. 59 Das BVerwG hat dazu ausgeführt: „Das Gebot gerechter Abwägung ist verletzt, wenn eine sachgerechte Abwägung überhaupt nicht stattfindet. Es ist verletzt, wenn in die Abwägung an Belangen nicht eingestellt wird, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muß. Es ist ferner verletzt, wenn die Bedeutung der betroffenen privaten Belange verkannt oder wenn der Ausgleich zwischen den von der Planung berührten öffentlichen Belangen in einer Weise vorgenommen wird, die zur objektiven Gleichgewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht. Innerhalb des so gezogenen Rahmens wird das Abwägungsgebot jedoch nicht verletzt, wenn sich die zur Planung berufene Gemeinde in der Kollision zwischen verschiedenen Belangen für die Bevorzugung des einen und damit notwendig für die Zurückstellung eines anderen entscheidet." 60 An anderer Stelle stellt es darauf ab, „daß - erstens - eine Abwägung überhaupt stattfindet, bzw. Ermessensfehler nicht; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, §31 Rdn.27, 53, 62 nehmen für nicht berücksichtigte Gesichtspunkte ein Beurteilungsdefizit/eine Ermessensunschlüssigkeit, beim Planungsermessen für nicht berücksichtigte Gesichtspunkte ein Abwägungsdefizit und für das Einbringen planfremder Ziele und Belange einen Abwägungsüberschuß an. 58 Siehe dazu Kopp/Schenke, VwGO, § 114 Rdn. 13,30,35f., 46, die vom Gebot gerechter Abwägung sprechen, aber die einzelnen rechtlich relevanten Einschätzungs- bzw. Ermessensfehler nicht benennen; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, §31 Rdn.28f., 49f., 62 sprechen von Beurteilungsmißbrauch und von Ermessensmißbrauch sowie von Abwägungsfehleinschätzung und Abwägungsdisproportionalität; Alexy JZ 1986, S. 701, 712 spricht von Gewichtungsfehlern und insbesondere von Abwägungsdisproportionalität. 59 Kopp/Schenke, VwGO, § 114 Rdn. 6, 31b, 35 sprechen von Reduktion auf Null; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, §31 Rdn. 29, 56 sprechen von Beurteilungsreduzierung auf Null und von Ermessensreduzierung auf Null. Eine Ermessensreduzierung wird etwa angenommen, wenn der Tatbestand in besonders intensiver Weise erfüllt ist (besonderes Ausmaß der Gefahr für besonders wichtige Rechtsgüter) - siehe dazu Kopp/Schenke, VwGO, § 114 Rdn. 6 und Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, §31 Rdn.56 sowie Maurer, Verwaltungsrecht, §7 Rdn. 24 - oder wenn eine Norm eine Einschätzungsprärogative und einen Ermessensspielraum aufweist und bereits bei der Einschätzung alle Gesichtspunkte zu berücksichtigen sind, die auch für die Ermessensausübung maßgeblich wären, weil dann keine Gesichtspunkte mehr denkbar sind, die eine andere Entscheidung rechtfertigen würden (Ermessensschwund) - siehe dazu Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, §31 Rdn.38 und Maurer, Verwaltungsrecht, §7 Rdn. 49. 60

BVerwG BVerwGE 45, S.309, 314f.

A.

Ansatzpunkt

197

daß - zweitens - in die Abwägung an Belangen eingestellt wird, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muß, und daß - drittens - weder die Bedeutung der betroffenen öffentlichen und privaten Belange verkannt noch der Ausgleich zwischen ihnen in einer Weise vorgenommen wird, die zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht ... Die ... Gewichtung der von der Planung berührten öffentlichen und privaten Belange i s t . . . ein wesentliches Element der planerischen Gestaltungsfreiheit und als solches der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle entzogen." 6 1 Daher ist nach gängiger Formulierung rechtlich voll nachprüfbar, ob die Verwaltung „alle betroffenen Belange berücksichtigt, in die Abwägung eingestellt und gewürdigt hat, das Gewicht und die Bedeutung der betroffenen öffentlichen und privaten Belange nicht verkannt hat, sondern sachgerecht angesetzt hat, alle betroffenen öffentlichen und privaten Belange miteinander und gegeneinander unter Beachtung auch des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit abgewogen und den Ausgleich nicht in einer Weise vorgenommen hat, die zur objektiven Gewichtigkeit der Belange außer Verhältnis steht", und es erkannt hat, wenn „das Planungsermessen ... angesichts der besonderen Umstände des Falles ausnahmsweise auf Null reduziert ist." 6 2 (1) Berücksichtigung

der relevanten

Gesichtspunkte

Ein rechtlich relevanter Einschätzungs- bzw. Erssensfehler liegt vor, wenn die Verwaltung nicht alle oder nicht nur die im Lichte der Wertungsgrundsätze relevanten tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte berücksichtigt, in die A b wägung eingestellt und gewürdigt hat (sachbezogene Gesichtspunkte außer acht gelassen oder sachfremde/unsachliche Gesichtspunkte berücksichtigt hat). Dies ist der Fall, wenn sie „Gesichtspunkte tatsächlicher oder rechtlicher Art, die nach Sinn und Zweck des zu vollziehenden Gesetzes oder aufgrund anderer Rechtsvorschriften oder allgemeiner Rechtsgrundsätze dabei keine Rolle spielen können oder dürfen," berücksichtigt oder „umgekehrt Gesichtspunkte ..., die zu berücksichtigen wären", außer acht gelassen hat 63 (Abwägungsdefizit - Nichtberücksichtigung relevanter Gesichtspunkte bzw. Abwägungsüberhang - Berücksichtigung nicht relevanter Gesichtspunkte). 6 4 BVerwG BVerwGE 48, S. 56, 63f. Kopp, V w G O , 10. Auflage 1994, §114 Rdn.35. 63 Kopp/Schenke, V w G O , § 114 Rdn. 12. 64 Führt ein unsachlicher Beweggrund zu einem Abwägungsüberhang, so liegt (auch oder ausschließlich) dieser rechtlich relevante Einschätzungs- bzw. Ermessensfehler vor. An dieser Stelle zeigt sich der Zusammenhang zwischen dem Verbot unsachlicher Beweggründe und dem Verbot, unsachliche Gesichtspunkte zu berücksichtigen. Die unsachlichen Beweggründe können zur Berücksichtigung unsachlicher Gesichtspunkte führen. Führt ein Sachverhalts- oder Rechtsirrtum zu einem Abwägungsdefizit, so liegt (auch oder ausschließlich) der rechtlich relevante Einschätzungs- bzw. Ermessensfehler der UnVollständigkeit der Erkenntnisgrundlage (Bsp.: Gebot gerechter Abwägung: Verwaltung hat die durch das Planungsvorhaben Betroffenen nicht 61 62

198 (2)

3. Teil: Die Entscheidungsfreiräume Gewicht

und

Bedeutung

der relevanten

des Vorstands und des

Aufsichtsrats

Gesichtspunkte

E i n r e c h t l i c h r e l e v a n t e r E i n s c h ä t z u n g s - b z w . E r m e s s e n s f e h l e r liegt v o r , w e n n d i e V e r w a l t u n g es v e r s ä u m t h a t , d e n r e l e v a n t e n t a t s ä c h l i c h e n u n d r e c h t l i c h e n G e s i c h t s p u n k t e n (allen u n d n u r d i e s e n ) das G e w i c h t u n d die B e d e u t u n g z u z u m e s s e n , die i h n e n n a c h d e n W e r t u n g s g r u n d s ä t z e n ( d e m V e r b o t u n s a c h g e m ä ß e r u n d unsachlicher Erwägungen) z u k o m m e n (Abwägungsdisproportionalität -

Ver-

kennung von G e w i c h t und Bedeutung der relevanten Gesichtspunkte).65 (3)

Bewertung,

Gewichtung

und Ausgleich

der relevanten

Gesichtspunkte

E i n r e c h t l i c h r e l e v a n t e r E i n s c h ä t z u n g s - b z w . E r m e s s e n s f e h l e r liegt v o r , w e n n die V e r w a l t u n g es v e r s ä u m t h a t , die r e l e v a n t e n t a t s ä c h l i c h e n u n d r e c h t l i c h e n

Ge-

s i c h t s p u n k t e n (alle u n d n u r d i e s e ) m i t e i n a n d e r u n d g e g e n e i n a n d e r a u c h i m L i c h t e der W e r t u n g s g r u n d s ä t z e (des V e r b o t s u n s a c h g e m ä ß e r u n d u n s a c h l i c h e r E r w ä g u n g e n ) a b z u w i e g e n u n d d e n A u s g l e i c h z w i s c h e n i h n e n in e i n e r W e i s e v o r z u n e h m e n , der zu ihrer o b j e k t i v e n G e w i c h t i g k e i t nicht außer Verhältnis steht ( A b w ä gungsfehlgewichtung - unverhältnismäßiger Ausgleich der relevanten Gesichtspunkte).66 oder nicht vollständig festgestellt, ihre Entfernung zum Planungsvorhaben und/oder die Windrichtung falsch beurteilt und deshalb bestimmte Belange gar nicht berücksichtigt) oder (auch oder ausschließlich) der rechtlich relevante Einschätzungs- bzw. Ermessensfehler der Verkennung/Fehleinschätzung der Wertungsgrundsätze vor (Bsp: Verwaltung hat das Gebot gerechter Abwägung übersehen oder fehlinterpretiert und deshalb bestimmte Belange nicht berücksichtigt). 6 5 Im Rahmen dieser Fehlerkategorie geht es vorrangig um die normierten und allgemein anerkannten Wertungsgrundsätze; siehe dazu Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, §31 Rdn. 62. Führt ein Abwägungsdefizit oder ein Abwägungsüberhang (auch aufgrund eines unsachlichen Beweggrundes) zu einer Abwägungsdisproportionalität, so liegt (auch oder ausschließlich) dieser (und liegen gegebenenfalls ihnen zugrundeliegende) rechtlich relevante Einschätzungs- bzw. Ermessensfehler vor. An dieser Stelle zeigt sich der Zusammenhang zwischen dem Verbot, sachbezogene Gesichtspunkte außer acht zu lassen oder sachfremde bzw. unsachliche Gesichtspunkte zu berücksichtigen, und dem Verbot unsachgemäßer und unsachlicher Erwägungen sowie in letzter Konsequenz dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz: Die Berücksichtigung sachfremder Gesichtspunkte wie die Nichtberücksichtigung sachbezogener Gesichtspunkte kann zu unsachgemäßen Erwägungen und die Berücksichtigung unsachlicher Gesichtspunkte kann zu unsachlichen Erwägungen und in letzter Konsequenz auch zu einer Verletzung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes führen, etwa bei einer Versammlungsauflösung mit dem Ziel, eine bestimmte Meinungsäußerung zu behindern (vgl. Kopp/Schenke, V w G O , §114 Rdn. 13 Fn. 28) oder den Veranstalter aus persönlichen Gründen zu schikanieren. Führt ein Rechtsirrtum zu einer Abwägungsdisproportionalität, so liegt (auch oder ausschließlich) der rechtlich relevante Einschätzungs- bzw. Ermessensfehler der Verkennung/Fehleinschätzung der Wertungsgrundsätze vor (Bsp.: Verwaltung hat das Gebot gerechter Abwägung übersehen oder etwa im Hinblick auf die Gleichwertigkeit der öffentlichen und privaten Belange fehlinterpretiert und deshalb bestimmten Belangen nicht das Gewicht und die Bedeutung zugemessen, die ihnen zukommen, etwa die Interessen von betroffenen Anwohnern vernachlässigt, weil es wenige an der Zahl waren). 66

Im Rahmen dieser Fehlerkategorie geht es vorrangig um die verfassungsrechtlichen Wer-

A.

(4) Vorrang der Aussage eines

Ansatzpunkt

199

Wertungsgrundsatzes

Ein rechtlich relevanter Einschätzungs- bzw. Ermessensfehler liegt vor, wenn die Verwaltung es nicht erkannt hat, daß die Aussage eines Wertungsgrundsatzes in dem fraglichen Einzelfall eindeutig vorrangig gewesen ist und deshalb zu einem ganz bestimmten, von der Verwaltung nicht gewählten Ergebnis gezwungen hat (Übersehen des einzig richtigen Abwägungsergebnisses). 67 4. Ein „Systematisierungsversuch" Eine systematische Betrachtung der rechtlich relevanten Einschätzungs-/Ermessenfehler muß an die „für die Ermessensfehlerlehre fundamentale Unterscheidung ... zwischen Ergebnis- und Vorgangsfehlern" 68 anknüpfen.

tungsgrundsätze wie den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz; siehe dazu Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, §31 Rdn. 62. Führt ein Abwägungsdefizit oder ein Abwägungsüberhang (auch aufgrund eines unsachlichen Beweggrundes) zu einer Abwägungsfehlgewichtung, so liegt (auch oder ausschließlich) dieser (und liegen gegebenenfalls ihnen zugrundeliegende) rechtlich relevante Einschätzungs- bzw. Ermessensfehler vor. An dieser Stelle zeigt sich wiederum der Zusammenhang zwischen dem Verbot, sachbezogene Gesichtspunkte außer acht zu lassen oder sachfremde bzw. unsachliche Gesichtspunkte zu berücksichtigen, und dem Verbot unsachgemäßer und unsachlicher Erwägungen sowie in letzter Konsequenz dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Führt ein Rechtsirrtum zu einer Abwägungsfehlgewichtung, so liegt (auch oder ausschließlich) der rechtlich relevante Einschätzungs- bzw. Ermessensfehler der Verkennung/Fehleinschätzung der Wertungsgrundsätze und (oder) der Fehleinschätzung des Einschätzungsbegriffs bzw. der Ermessensermächtigung und (oder) der Überschreitung vor (Bsp.: Verwaltung hat das Gebot gerechter Abwägung übersehen oder im Hinblick auf die Relevanz von Grundrechten fehlinterpretiert und eine Planungsvariante gewählt, die zu einem unverhältnismäßigen Grundrechtseingriff führt). 67 Im Rahmen dieser Fehlerkategorie geht es vorrangig um die verfassungsrechtlichen Wertungsgrundsätze wie den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz; siehe dazu Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, §31 Rdn. 62. Führt ein Abwägungsdefizit oder ein Abwägungsüberhang (auch aufgrund eines unsachlichen Beweggrundes) zum Ubersehen des einzig richtigen Abwägungsergebnisses, so liegt (auch oder ausschließlich) dieser (und liegen gegebenenfalls ihnen zugrundeliegende) rechtlich relevante Einschätzungs- bzw. Ermessensfehler vor. An dieser Stelle zeigt sich wiederum der Zusammenhang zwischen dem Verbot, sachbezogene Gesichtspunkte außer acht zu lassen oder sachfremde bzw. unsachliche Gesichtspunkte zu berücksichtigen, und dem Verbot unsachgemäßer und unsachlicher Erwägungen sowie in letzter Konsequenz dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Führt ein Rechtsirrtum zum Ubersehen des einzig richtigen Abwägungsergebnisses so liegt (auch oder ausschließlich) der rechtlich relevante Einschätzungs- bzw. Ermessensfehler der Verkennung/Fehleinschätzung der Wertungsgrundsätze und (oder) der Fehleinschätzung des Einschätzungsbegriffs bzw. der Ermessensermächtigung und (oder) der Uberschreitung vor (Verwaltung hat das Gebot gerechter Abwägung übersehen oder im Hinblick auf die Relevanz von Grundrechten fehlinterpretiert und deshalb nicht die einzige Planungsvariante gewählt, die nicht zu einem unverhältnismäßigen Grundrechtseingriff führt). 68

Alexy JZ 1986, S. 701, 705.

200

3. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

a) Inhaltliche und strukturelle

des Vorstands und des Aufsichtsrats

Fehler

Die Differenzierung zwischen Ergebnis- und Vorgangsfehlern hat ihren deutlichsten Ausdruck im Planungsrecht gefunden. Die Rechtsprechung unterscheidet zwischen dem „Planen als Vorgang" und dem „Plan als Produkt", dem „Abwägen von Belangen" und dem „inhaltlichen Abgewogensein eines Plans", dem „Abwägungsvorgang" und dem „Abwägungsergebnis". 69 Sie trennt damit zwischen den sich im Plan niederschlagenden und damit äußerlich beweisbaren Festsetzungen und der anhand der Planungsakten und Sitzungsmitschriften zu ermittelnden Durchführung des Planungsverfahrens (siehe auch §214 Abs.3 Satz 2 BauGB). Ein Ergebnisfehler liegt vor, wenn das Ergebnis der Einschätzung bzw. Ermessensausübung (und damit in der Regel der Tenor der Entscheidung) seinem Inhalt nach gegen geltendes Recht verstößt. Ein Vorgangsfehler ist ein Fehler des zum Ergebnis der Einschätzung bzw. Ermessensausübung (und damit in der Regel des zum Tenor der Entscheidung) führenden Gedanken-, Willens- und Argumentationsprozesses. Ein Vorgangsfehler ist nicht unmittelbar auf den Inhalt des Ergebnisses der Einschätzung bzw. Ermessensausübung (und damit in der Regel auf den Tenor der Entscheidung) bezogen, sondern auf die Gewinnung des Ergebnisses der Einschätzung bzw. Ermessensausübung (und damit in der Regel des Tenors der Entscheidung). Die Differenzierung zwischen den Ergebnis- und Vorgangsfehlern knüpft daran an, daß das Ergebnis fehlerfrei, der Vorgang aber fehlerhaft sein kann. Ein Ergebnis ist erst dann fehlerhaft, wenn alle denkbaren Begründungen fehlerhaft sind, es also nicht begründbar ist. Dagegen ist eine Begründung schon dann fehlerhaft, wenn diese eine Begründung unter einem Fehler leidet, das Ergebnis also durch sie nicht fehlerfrei begründet wird. Die Fehlerhaftigkeit der Begründung impliziert nicht die Fehlerhaftigkeit des Ergebnisses, weil es für das Ergebnis trotz vorliegender fehlerhafter Begründung eine oder mehrere fehlerfreie Begründungen geben kann. Dagegen impliziert die Fehlerfreiheit der Begründung die Fehlerfreiheit des Ergebnisses, weil nicht alle denkbaren Begründungen fehlerhaft sind, wenn es eine fehlerfreie Begründung gibt, und weil es ein fehlerhaftes Ergebnis mit einer auf dieses Ergebnis bezogenen fehlerfreien Begründung nicht geben kann. Die Konsequenz lautet, daß eine positiv verlaufene Ergebniskontrolle die Vorgangskontrolle nicht überflüssig macht, wohl aber eine positiv verlaufene Vorgangskontrolle die Ergebniskontrolle. 70 Innerhalb der Klasse der Vorgangsfehler lassen sich zwar die Begründungsfehler und die Motivationsfehler unterscheiden. Ein Begründungsfehler bezieht sich auf die nach außen getretene Begründung - der Entscheidungsgrund ist sprachlich formuliert und in diesem Sinne aktuell oder potentiell zur Kenntnis gegeben; es handelt sich um einen Fehler des als Argument Geäußerten. Ein Motivations69 70

BVerwG BVerwGE 45, S.309, 312f. Alexy JZ 1986, S.701, 707ff., 713.

A. Ansatzpunkt

201

fehler bezieht sich auf den inneren Vorgang der Motivation - der Entscheidungsgrund ist Bestandteil des Gedanken-, Willens- und Argumentationsprozesses; es handelt sich um einen Fehler des Gedachten und Gewollten. D i e Motivationsfehler als solche sind aber nur von theoretischem Interesse. Zwischen den Begründungs- und Motivationsfehlern besteht, was die Art der möglichen Fehler angeht, nämlich eine vollständige Fehleridentität. Motivationsfehler können als Begründungsfehler auftreten, Begründungsfehler können Motivationsfehler zum A u s druck bringen. D a h e r können die Motivationsfehler vollständig auf der E b e n e der Begründungsfehler behandelt werden. Das liegt auch deshalb nahe, weil die in der Begründung objektivierten Gründe leichter zugänglich sind und vorbehaltlich gegenteiliger Anhaltspunkte davon ausgegangen werden kann, daß die M o t i vation der Begründung entspricht. D i e Motivationsfehler sind mithin nicht als solche, sondern nur unter dem Gesichtspunkt der Nichtübereinstimmung von Motivation und Begründung von systematischem Interesse. 7 1 D i e Differenzierung zwischen (inhaltlichen) Ergebnisfehlern,

inhaltlichen

Vorgangsfehlern und strukturellen Vorgangsfehlern knüpft daran, daß einige Vorgangsfehler notwendig zu einem (inhaltlich) fehlerhaften Ergebnis führen, andere dagegen nicht. Ein (inhaltlicher) Ergebnisfehler liegt vor, wenn das Ergebnis seinem Inhalt nach gegen geltendes R e c h t verstößt; ein Ergebnisfehler ist immer ein inhaltlicher Fehler. Ein inhaltlicher Vorgangsfehler ist gegeben, wenn die B e gründung ihrem Inhalt nach so beschaffen ist, daß sie nur ein seinem Inhalt nach gegen geltendes R e c h t verstoßendes Ergebnis tragen kann, oder anders gewendet, wenn ein Vorgangsfehler den Charakter eines Ergebnisfehlers annehmen kann. Strukturelle Vorgangsfehler betreffen nicht den Inhalt des Ergebnisses oder der Begründung, sondern haften der F o r m des zum Ergebnis führenden Gedanken-, Willens- und Argumentationsprozesses an. Sie zeichnen sich dadurch aus, daß sie bereits per definitionem mit einem Ergebnis einhergehen, das ein mögliches E r gebnis eines fehlerfreien Vorgangs ist (strukturelle Fehler zweiter Stufe), oder zumindest aufgrund ihrer Eigenart mit einem Ergebnis einhergehen können, das ein mögliches Ergebnis eines fehlerfreien Vorgangs ist. Sie k ö n n e n zwar zusammen mit einem inhaltlich fehlerhaften Ergebnis und/oder einer inhaltlich fehlerhaften Begründung auftreten und dies auch verursacht oder mitverursacht haben (unechte strukturelle Fehler erster Stufe), aber zwischen ihnen und den inhaltlichen Fehlern besteht keine notwendige Verbindung. Sie schließen es nicht aus, daß man sich für eines von mehreren möglichen Ergebnissen mit einer inhaltlich feh-

71 AlexyJZ1986, S. 701,707ff., 713,714 nimmt vier Fälle der Nichtübereinstimmung von Motivation und Begründung an: Die Begründung kann fehlerhaft, die Motivation aber fehlerfrei sein, die Begründung und die Motivation können trotz Nichtübereinstimmung fehlerhaft sein, die Begründung kann fehlerfrei, die Motivation aber fehlerhaft sein, die Begründung und die Motivation können trotz Nichtübereinstimmung fehlerfrei sein; siehe zum Vorwand auch Wolff/ Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, §31 Rdn. 53, die von Ermessensunschlüssigkeit sprechen.

202

3. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des

Aufsichtsrats

lerfreien Begründung und damit inhaltlich fehlerfrei entscheidet (echte strukturelle Fehler erster Stufe).72 aa) Ergebnisfehler

und inhaltliche

Vorgangsfehler

Der einzige reine (inhaltliche) Ergebnisfehler ist die Überschreitung. Die Fehleinschätzung des Einschätzungsbegriffs bzw. der Ermessensermächtigung (Verkennung des Sinngehalts des Einschätzungsbegriffs bzw. des Sinn und Zwecks der Ermessensermächtigung - reine Interpretationsfehler), die Verkennung der Wertungsgrundsätze (Nichtberücksichtigung eines Wertungsgrundsatzes - Abwägungsfehler), die Fehleinschätzung der Wertungsgrundsätze (Verkennung der rechtlichen Aussage eines Wertungsgrundsatzes - Abwägungsfehler), die Abwägungsdisproportionalität (Verkennung von Gewicht und Bedeutung der relevanten Gesichtspunkte - Abwägungsfehler), die Abwägungsfehlgewichtung (unverhältnismäßiger Ausgleich der relevanten Gesichtspunkte - Abwägungsfehler) und das Ubersehen des einzig richtigen Abwägungsergebnisses (Abwägungsfehler) sind dagegen (inhaltliche) Ergebnisfehler/inhaltliche Vorgangsfehler. Sind die Wertungsgrundsätze im Ergebnis nicht oder nicht zutreffend berücksichtigt worden oder die relevanten tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte (alle und nur diese) im Ergebnis im Lichte der Wertungsgrundsätze (des Verbots unsachgemäßer und unsachlicher Erwägungen) in ihrem Gewicht oder ihrer Bedeutung verkannt oder gemessen an ihrer objektiven Gewichtigkeit in unverhältnismäßiger Weise ausgeglichen worden (inhaltlicher Ergebnisfehler), ist das Ergebnis dieser Abwägung (inhaltlich) fehlerhaft. Sind die Wertungsgrundsätze in der Abwägung nicht oder nicht zutreffend berücksichtigt worden oder die relevanten tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte (alle und nur diese) in der Abwägung im Lichte der Wertungsgrundsätze (des Verbots unsachgemäßer und unsachlicher Erwägungen) in ihrem Gewicht oder ihrer Bedeutung verkannt oder gemessen an ihrer objektiven Gewichtigkeit in unverhältnismäßiger Weise ausgeglichen worden (inhaltlicher Vorgangsfehler), ist - vorbehaltlich eines strukturellen Vorgangsfehlers zweiter Stufe (Mißverhältnis von Vorgang und Ergebnis) - notwendig das Ergebnis dieser Abwägung (inhaltlich) fehlerhaft.73 bb) Strukturelle

Vorgangsfehler

erster Stufe

Als strukturelle Vorgangsfehler erster Stufe sind der Ausfall (Nichtvornahme einer vorzunehmenden Abwägung - reiner Interpretationsfehler), die Unterschreitung (Unterschätzen der Reichweite des Einschätzungsbegriffs bzw. der ErmesVgl. AlexyjZ 1986, S.701, 708, 709, 711, 711 f., 713, 714. Vgl. AlexyjZ 1986, S.701, 712, 713 und - zur Überschreitung - S.702, 703. 709, 711. Das Verbot unsachlicher Beweggründe führt nicht zu einem Gewichtungsfehler. Es entspricht dem Fall, in dem die Begründung fehlerfrei, die Motivation aber fehlerhaft ist und damit ein struktureller Vorgangsfehler zweiter Stufe vorliegt (Vorwand; S. 708). 72

73

A.

Ansatzpunkt

203

sensermächtigung - reiner Interpretationsfehler), die Unvollständigkeit der Erkenntnisgrundlage (unzutreffende oder unvollständige Ermittlung der relevanten Gesichtspunkte - reiner Feststellungsfehler), das Abwägungsdefizit (Nichtberücksichtigung relevanter Gesichtspunkte - Abwägungsfehler) und der Abwägungsüberhang (Berücksichtigung nicht relevanter Gesichtspunkte - Abwägungsfehler) anzusehen. Es kann ein (inhaltlich) fehlerfreies Ergebnis mit einer inhaltlich fehlerfreien Begründung getroffen werden, auch wenn sich der Entscheidungsträger irrtümlich für gebunden/eingeschränkt hält oder nicht alle relevanten tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte zutreffend festgestellt/nicht alle oder nicht nur die relevanten tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte gewürdigt (sachbezogene Gesichtspunkte außer acht gelassen oder sachfremde/unsachliche Gesichtspunkte berücksichtigt) hat. 74 Wenn dies der Fall ist (und damit ein echter struktureller Fehler erster Stufe gegeben ist), verstößt das Ergebnis dieses Vorgangs nicht dem Inhalt nach gegen geltendes Recht. cc) Strukturelle Vorgangsfehler zweiter Stufe Als strukturelle Vorgangsfehler zweiter Stufe sind das Mißverhältnis von Motivation und Begründung (fehlerhafte Motivation bei fehlerfreier Begründung und fehlerfreiem Ergebnis/Vorwand) und das Mißverhältnis von Vorgang und Ergebnis (fehlerhafte Begründung bei fehlerfreiem Ergebnis) anzusehen. 75 In diesen 7 4 Vgl. Alexy]Z 1986, S.701, 708, 709, 711f., 712, der als strukturelle Fehler erster Stufe die Unterschreitung (S. 708, 709, 711 f., 714), den Abwägungsausfall (S. 712) und das Abwägungsdefizit (S. 712) ansieht, weil sich die „Behörde... für eines von mehreren zulässigen Ergebnissen mit einer inhaltlich fehlerfreien Begründung" entscheiden kann, auch „wenn sie sich irrtümlich für gebunden hält", weil die Behörde ... wissen und dartun kann, daß sie zur Ermessensbetätigung berechtigt ist, aber dennoch, etwa in ausschließlicher Orientierung an einem für sie schlagenden Grund, auf eine Abwägung verzichten" und „das Ergebnis trotz dieses Vorgangsfehlers wegen des Gewichts des von der Behörde allein beachteten Grundes ein mögliches Ergebnis einer fehlerfreien Abwägung sein kann", und weil „einerseits aus einem bloßen Erwägen und Erörtern nicht schon die im Ergebnis richtige Abwägung folgt und andererseits ein fehlerfreies Ergebnis getroffen werden kann, ohne daß zu berücksichtigende Gesichtspunkte tatsächlich erwogen und erörtert wurden" (S. 712), nicht aber den Abwägungsüberhang (S. 712 - „Die bloße Tatsache, daß Gesichtspunkte, die die Entscheidung nicht beeinflussen dürfen, erwogen und erörtert werden, macht die Abwägung noch nicht fehlerhaft. Sie können erwogen, erörtert und als gänzlich unbeachtlich zurückgewiesen werden. Wird ihnen aber Einfluß auf das Ergebnis eingeräumt, so liegt entweder ein inhaltlicher Verstoß gegen eine Rechtsregel oder eine Fehlgewichtung, also eine Abwägungsdisproportionalität vor"). Die Anmaßung ist kein rechtlich relevanter Einschätzungs- bzw. Ermessensfehler; siehe dazu bereits oben S. 191 Fn. 40. 7 5 Vgl. Alexy J Z 1986, S.701, 708, 712, 713, 714, der sechs strukturelle Fehler zweiter Stufe anerkennt, und zwar vier bezogen auf die Nichtübereinstimmung von Motivation und Begründung und zwei bezogen auf die Nichtübereinstimmung von Vorgang und Ergebnis, aber selbst einräumt, daß in den Fällen, in denen die Begründung fehlerhaft, die Motivation aber fehlerfrei ist, und in denen die Begründung und die Motivation trotz Nichtübereinstimmung fehlerhaft sind, auf die fehlerhafte Begründung abzustellen ist, weil „eine fehlerhafte Begründung stets zur Rechtswidrigkeit des Gesamtaktes führt" (S. 708). Was den Fall angeht, in dem Begründung und

204

3. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des

Aufsichtsrats

Fällen verstößt das Ergebnis des Vorgangs bereits per definitionem nicht dem Inhalt nach gegen geltendes Recht. b) „Spezifische

Ermessensfehler"

Die Differenzierung zwischen (inhaltlichen) Ergebnisfehlern, inhaltlichen Vorgangsfehlern und strukturellen Vorgangsfehlern führt zu der Erkenntnis, daß allein die strukturellen Vorgangsfehler „spezifische Ermessensfehler" sind. Sie treten ausschließlich als Vorgangsfehler auf. Sie können nicht den Charakter von Ergebnisfehlern annehmen und deshalb nur bei Verwaltungsakten, denen Einschätzungsprärogativen/Ermessensspielräume zugrundeliegen, zur materiellen Rechtswidrigkeit des Gesamtaktes führen. 76 c) Zuordnung

zur „ Zweck-

und

Grenzenformel"

Die Differenzierung zwischen (inhaltlichen) Ergebnisfehlern, inhaltlichen Vorgangsfehlern und strukturellen Vorgangsfehlern erlaubt eine Einordnung der Fehlerkategorien in die gesetzgeberische Zweck- und Grenzenformel. aa)

„Grenzen"

Ist das charakteristische Element des abstrakten Verhaltensfehlers (Überschreitung), daß die Einschätzung bzw. Ermessensausübung den gesetzlich gezogenen äußeren Rahmen des Einschätzungsbegriffs bzw. der Ermessensermächtigung überschritten hat oder überschreiten wird, so ist die Überschreitung als die Überdehnung der Reichweite des Einschätzungsbegriffs bzw. der Ermessensermächtigung und als der einzige reine (inhaltliche) Ergebnisfehler erfaßt. Ergebnis fehlerhaft sind, aber nicht an denselben Fehlern leiden (Nichtübereinstimmung bei Fehlerhaftigkeit), kann nichts anderes gelten; außerdem kann es eine „fehlerhaftes Ergebnis mit einer auf dieses Ergebnis bezogenen fehlerfreien Begründung nicht geben" und liegt „bei fehlerfreier Begründung eines fehlerfreien Ergebnisses ... stets eine Ubereinstimmung" vor (S.712). Der Fall, in dem Begründung und Motivation trotz Nichtübereinstimmung fehlerfrei sind (Nichtübereinstimmung bei Fehlerlosigkeit), dürfte kein praktische Relevanz haben und soll deshalb hier vernachlässigt werden. Übrig bleiben damit nur die fehlerhafte Begründung eines fehlerfreien Ergebnisses (S. 712) und der Fall, in dem die Begründung fehlerfrei, die Motivation aber fehlerhaft ist (Vorwand; S. 708). Dem entspricht die hier vorgenommene Differenzierung zwischen dem Verbot, sachbezogene Gesichtspunkte außer acht zu lassen oder sachfremde bzw. unsachliche Gesichtspunkte zu berücksichtigen, und dem Verbot unsachgemäßer und unsachlicher Erwägungen einerseits und dem Verbot unsachlicher Beweggründe andererseits. Die ersten beiden Verbote führen zu strukturellen Vorgangsfehlern erster Stufe bzw. (inhaltlichen) Ergebnisfehlern/inhaltlichen Vorgangsfehlern. Das Verbot unsachlicher Beweggründe führt als Vorwand dagegen zu einem strukturellen Vorgangsfehler zweiter Stufe. Auch A/exy ]Z 1986, S. 701, 712, geht davon aus, wenn „Gesichtspunkten, die die Entscheidung nicht beeinflussen dürfen,... Einfluß auf das Ergebnis eingeräumt" werde, liege entweder ein inhaltlicher Verstoß gegen eine Rechtsregel oder eine Fehlgewichtung, also eine Abwägungsdisproportionalität vor." 76 Alexy J Z 1986, S.701, 711, 713, 713f., 714ff.

A.

bb)

Ansatzpunkt

205

„Zweck"

Das charakteristische Element der konkreten Verhaltensfehler (Fallgruppen des Fehlgebrauchs) ist, daß die Einschätzung bzw. Ermessensausübung durch den Einschätzungsbegriff bzw. die Ermessensermächtigung „zwar unter anderen Umständen oder aus anderen Gründen, nicht aber unter den tatsächlich vorhandenen Umständen, auf Grund der tatsächlich angestellten Erwägungen oder der tatsächlichen Motive" gedeckt wäre.77 (1) „unter anderen

Umständen"

Mit dem Kriterium „unter anderen Umständen, nicht aber unter den tatsächlich vorhandenen Umständen" lassen sich zunächst die Fehleinschätzung des Einschätzungsbegriffs bzw. der Ermessensermächtigung und die Gewichtungsfehler (Verkennung/Fehleinschätzung der Wertungsgrundsätze, Abwägungsdisproportionalität und -fehlgewichtung, Übersehen des einzig richtigen Abwägungsergebnisses) erfassen, soweit sie als (inhaltliche) Ergebnisfehler und damit - wegen der Grund-Relation - auch als auf diese (inhaltlichen) Ergebnisfehler bezogene inhaltliche Vorgangsfehler (kongruente Begründungsfehler) auftreten.78 Sind der Sinngehalt des Einschätzungsbegriffs bzw. der Sinn und Zweck der Ermessensermächtigung im Ergebnis und in der auf dieses Ergebnis bezogenen Abwägung verkannt worden oder sind die Wertungsgrundsätze im Ergebnis und in der auf dieses Ergebnis bezogenen Abwägung nicht oder nicht zutreffend berücksichtigt worden oder sind die relevanten tatsächlichen und rechtlichen GeWolff/Bacbof/Stober, Verwaltungsrecht I, §31 Rdn.49. Vgl. dazu Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, §31 Rdn.49 („Ein Ermessensgebrauch ist unter den gegebenen Umständen objektiv unzulässig, wenn Verfassungs- und sonstige Rechtsgrundsätze, wie Freiheitsrechte, Gleichheit und Verhältnismäßigkeit oder Wertentscheidungen verletzt werden ... Der Rechtsgrundsatz der Verhältnismäßigkeit ist verletzt, wenn das Ermessen eine zwar abstrakt zulässige, im konkreten Falle aber nicht nur unzweckmäßige, sondern ungeeignete, nicht erforderliche oder unangemessen Rechtsfolge gewährt hat... Die sich aus dem Sinn und Zweck des anzuwendenden Gesetzes und der Verfassung ergebenden Wertentscheidungen werden z.B. dann verkannt, wenn das Abwägungsgebot verletzt wird.") sowie Alexy J Z 1986, S. 701,703 („Dies dürfte so zu verstehen sein, daß es das Ergebnis der Ermessensbetätigung ist, das die genannten Prinzipien verletzt... Das Ergebnis einer Ermessensausübung kann nicht nur deshalb rechtswidrig sein, weil es vom Wortlaut der ermessensgewährenden Norm nicht gedeckt ist. Neben dem abstrakten Ergebnis- bzw. objektiven Fehler gibt es den konkreten Ergebnis- bzw. objektiven Fehler, der dann vorliegt, wenn das Ergebnis sich zwar im Spielraum der ermessensgewährenden Norm hält, wegen der gegebenen Umstände aber gegen andere Normen, insbesondere gegen Verfassungsprinzipien, verstößt."), S. 709 („... Definition der Fehlerhaftigkeit des Ergebnisses durch den Begriff der mangelnden Begründbarkeit... Dereren Richtigkeit zeigt sich daran, daß ein Ergebnis, das gegen geltendes Recht verstößt, nicht begründbar ist. Ihre Fruchtbarkeit liegt darin, daß sie erlaubt, sämtliche Ergebnisfehler als Begründungsfehler zu formulieren.") und S. 712 („Zwischen dem Ergebnis und dem Vorgang besteht kein Verhältnis der Entsprechung oder der Parallelität, sondern eine Relation der Stützung oder des Grundes. Diese Grund-Relation hat zur Folge, daß es ein fehlerhaftes Ergebnis mit einer auf dieses Ergebnis bezogenen fehlerfreien Begründung nicht geben kann."). 77

78

206

3. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des Aufsichtsrats

sichtspunkte (alle und nur diese) im Ergebnis und in der auf dieses Ergebnis bezogenen Abwägung im Lichte der Wertungsgrundsätze (des Verbots unsachgemäßer und unsachlicher Erwägungen) in ihrem Gewicht oder ihrer Bedeutung verkannt oder gemessen an ihrer objektiven Gewichtigkeit in unverhältnismäßiger Weise ausgeglichen worden, so liegen im konkreten Fall ein Ergebnis und eine auf dieses Ergebnis bezogene Begründung mit einem gegen geltendes Recht verstoßendem Inhalt vor. Sie könnten jedoch im Falle anderer tatsächlicher und/oder rechtlicher Gesichtspunkte im Lichte der Wertungsgrundsätze sehr wohl gerechtfertigt sein. Dies wird an einem Beispiel deutlich: Hat die Verwaltung bei der Planung einer Industrieanlage/einer Bundesautobahn im Ergebnis und in der auf dieses Ergebnis bezogenen Abwägung die Interessen von Anwohnern vernachlässigt, indem sie (i) ein Ziel verfolgt hat, das im konkreten Fall dem Sinn und Zweck der Ermächtigung nicht entspricht, (ii) das Gebot der Abwägung öffentlicher und privater Belange, den Grundsatz der Konflikt- und Problembewältigung, das Optimierungsgebot verletzt hat, (iii) einen unverhältnismäßigen Grundrechtseingriff in Kauf genommen hat oder (iv) unsachgemäße/unsachliche Erwägungen angestellt hat, so könnten das Ergebnis und die auf dieses Ergebnis bezogene Begründung ihrer Planung im Falle anderer tatsächlicher und/oder rechtlicher Gesichtspunkte im Lichte der Wertungsgrundsätze gerechtfertigt sein. Dies ist der Fall, wenn das verfolgte Ziel aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls dem Sinn und Zweck der Ermächtigung entspricht oder wenn keine Anwohner oder keine schutzbedürftigen Anwohner (keine relevanten Auswirkungen infolge tatsächlicher Umstände oder ausreichender Schutzvorkehrungen) oder keine schutzwürdigen Anwohner (keine Wohngebiete/keine „schweren und unerträglichen" Situationsänderungen) vorhanden sind oder wenn sich die Erwägungen aufgrund besonderer Umstände als sachgemäß/sachlich darstellen. Mit dem Kriterium „unter anderen Umständen, nicht aber unter den tatsächlich vorhandenen Umständen" lassen sich auch der Ausfall, die Unterschreitung, die Unvollständigkeit der Erkenntnisgrundlage, das Abwägungsdefizit und der Abwägungsüberhang einordnen, soweit sie als induzierende unechte strukturelle Vorgangsfehler erster Stufe auftreten. Sie müssen mit einem von ihnen verursachten oder mitverursachten (inhaltlich) fehlerhaften Ergebnis und damit - wegen der Grund- Relation - mit einer von ihnen verursachten oder mitverursachten auf dieses Ergebnis bezogenen inhaltlich fehlerhaften Begründung einhergehen. In diesem Fall liegt zugleich eine Fehleinschätzung des Einschätzungsbegriffs bzw. der Ermessensermächtigung oder ein Gewichtungsfehler vor, und zwar sowohl als (inhaltlicher) Ergebnisfehler als auch - wegen der Grund-Relation - als auf diesen (inhaltlichen) Ergebnisfehler bezogener inhaltlicher Vorgangsfehler (kongruenter Begründungsfehler).79 79

Alexy J Z 1986, S.701, 708, 709, 711, 711 f.

A.

Ansatzpunkt

207

Der entscheidende Punkt dieser Fallgruppe ist letztlich, daß das Ergebnis im konkreten Fall nicht begründbar ist und deshalb - wegen der Grund-Relation auch durch die im konkreten Fall vorliegende auf dieses Ergebnis bezogene Begründung nicht fehlerfrei begründet wird. (2) „aus anderen

Gründen"

Mit dem Kriterium „aus anderen Gründen, nicht aber auf Grund der tatsächlich angestellten Erwägungen" lassen sich zunächst der Ausfall, die Unterschreitung, die Unvollständigkeit der Erkenntnisgrundlage, das Abwägungsdefizit und der Abwägungsüberhang erfassen, soweit sie als echte strukturelle Vorgangsfehler erster Stufe auftreten. Dies ist der Fall, wenn sie mit einem (inhaltlich) fehlerfreien Ergebnis und einer auf dieses Ergebnis bezogenen inhaltlich fehlerfreien Begründung einhergehen. 80 Wird ein (inhaltlich) fehlerfreies Ergebnis mit einer inhaltlich fehlerfreien Begründung getroffen, obwohl sich der Entscheidungsträger irrtümlich für gebunden/eingeschränkt hält oder nicht alle relevanten tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte zutreffend festgestellt/nicht alle oder nicht nur die relevanten tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte gewürdigt (sachbezogene Gesichtspunkte außer acht gelassen oder sachfremde Gesichtspunkte berücksichtigt) hat, 81 so liegt im konkreten Fall eine Begründung vor, die trotz eines strukturellen Vorgangsfehlers erster Stufe inhaltlich fehlerfrei ist und mit einem Ergebnis einhergeht, das ein mögliches Ergebnis eines fehlerfreien Vorgangs ist. Hier läßt sich auch das Mißverhältnis von Vorgang und Ergebnis als struktureller Vorgangsfehler zweiter Stufe einordnen, der per definitionem (fehlerhafte Begründung bei fehlerfreiem Ergebnis) mit einem Ergebnis einhergeht, das ein mögliches Ergebnis eines fehlerfreien Vorgangs ist. 82 Damit werden zugleich die Fehleinschätzung des Einschätzungsbegriffs bzw. der Ermessensermächtigung sowie die Gewichtungsfehler erfaßt, soweit sie als inhaltliche Vorgangsfehler mit einem Mißverhältnis von Vorgang und Ergebnis einhergehen (reine Begründungsfehler). 83 Alexy J Z 1986, S.701, 708, 709, 711, 711 f. Alexy J Z 1986, S.701, 708, 709, 711 f., 712. 82 Alexy J Z 1986, S.701, 708, 712, 714. 83 Vgl. dazu Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, §31 Rdn.51, 53 („Ein Ermessensgebrauch ist subjektiv unzulässig, wenn ... die ihm zugrundeliegenden Erwägungen ihn nicht rechtfertigen... Ermessenserwägungen rechtfertigen eine Entscheidung nicht, wenn die gegen sie sprechenden Gründe unberücksichtigt oder unsachgemäß gewürdigt worden sind, wenn insbesondere aus zutreffenden Gründen unrichtige Folgerungen gezogen worden sind ...") sowie Alexy J Z 1986, S. 701, 703 („Wesentlich schwerer zu durchschauen ist die Wolff/Bachofsche Kategorie der konkreten subjektiven Fehler ... Mit dieser Formel wird höchst Unterschiedliches zusammengefaßt. Das Spektrum reicht von ... über die fehlerhafte Begründung und den Vorwand ... Damit sind zwar die Fehlertatbestände weitgehend erfaßt, von einer Systematisierung kann aber kaum die Rede sein. Immerhin ist aber deutlich, daß es bei den konkreten subjektiven 80

81

208

3. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des

Aufsichtsrats

Wird ein (inhaltlich) fehlerfreies Ergebnis mit einer inhaltlich fehlerhaften Begründung getroffen, weil der Entscheidungsträger den Sinngehalt des Einschätzungsbegriffs bzw. den Sinn und Zweck der Ermessensermächtigung zwar in der Abwägung, nicht aber im Ergebnis verkannt hat oder die Wertungsgrundsätze zwar in der Abwägung, nicht aber im Ergebnis nicht oder nicht zutreffend berücksichtigt hat oder die relevanten tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte (alle und nur diese) zwar in der Abwägung, nicht aber im Ergebnis im Lichte der Wertungsgrundsätze (des Verbots unsachgemäßer und unsachlicher Erwägungen) in ihrem Gewicht oder ihrer Bedeutung verkannt oder gemessen an ihrer objektiven Gewichtigkeit in unverhältnismäßiger Weise ausgeglichen hat, so liegt im konkreten Fall eine Begründung mit einem gegen geltendes Recht verstoßendem Inhalt vor, die mit einem Ergebnis einhergeht, das ein mögliches Ergebnis eines fehlerfreien Vorgangs ist. Es ist ein Mißverhältnis von Vorgang und Ergebnis als struktureller Vorgangsfehlers zweiter Stufe (fehlerhafte Begründung bei fehlerfreiem Ergebnis) gegeben. Dies wird wiederum an einem Beispiel deutlich: Hat die Verwaltung bei der Planung einer Industrieanlage/einer Bundesautobahn zwar in der Abwägung, nicht aber im Ergebnis die Interessen von Anwohnern vernachlässigt, indem sie (i) ein Ziel verfolgt hat, das im konkreten Fall dem Sinn und Zweck der Ermächtigung nicht entspricht, (ii) das Gebot der Abwägung öffentlicher und privater Belange, den Grundsatz der Konflikt- und Problembewältigung, das Optimierungsgebot verletzt hat, (iii) einen unverhältnismäßigen Grundrechtseingriff in Kauf genommen hat oder (iv) unsachgemäße/unsachliche Erwägungen angestellt hat, so kann das Ergebnis aufgrund der im konkreten Fall relevanten tatsächlichen und/oder rechtlichen Gesichtspunkte im Lichte der Wertungsgrundsätze gerechtfertigt werden, obwohl die Begründung aufgrund der im konkreten Fall relevanten tatsächlichen und/oder rechtlichen Gesichtspunkte im Lichte der Wertungsgrundsätze nicht zu rechtfertigen ist. Denn das Ergebnis könnte auf eine Begründung gestützt werden, mit der im konkreten Fall ein Ziel verfolgt wird, das dem Sinn und Zweck der Ermächtigung entspricht, oder die keine Anwohner oder keine schutzbedürftigen Anwohner (keine relevanten Auswirkungen infolge tatsächlicher Umstände oder ausreichender Schutzvorkehrungen) oder keine schutzwürdigen Anwohner (keine Wohngebiete/keine „schweren und unerträgFehlern im wesentlichen um Vorgangs- und nicht um Ergebnisfehler geht.") und S. 709 („Der für das Verhältnis von Ergebnis- und Begründungsfehlern entscheidende Punkt ist, daß das Ergebnis richtig, die Begründung aber falsch sein kann. Dies erklärt sich daraus, daß ein Ergebnis erst dann fehlerhaft wird, wenn alle denkbaren Begründungen fehlerhaft sind, es also nicht begründbar ist, während eine Begründung schon dann fehlerhaft ist, wenn sie, d.h. diese eine Begründung, unter einem Fehler leidet, das Ergebnis also durch sie nicht fehlerfrei begründet wird. Damit ist deutlich, weshalb die Fehlerhaftigkeit der Begründung noch nicht die Fehlerhaftigkeit des Ergebnisses impliziert. Es kann für das Ergebnis trotz vorliegender fehlerhafter Begründung eine oder mehrere fehlerfrei Begründungen geben. Nur dann, wenn sämtliche möglichen Begründungen fehlerhaft sind, ist auch das Ergebnis fehlerhaft.").

A.

Ansatzpunkt

209

liehen" Situationsänderungen) in ihren rechtlich geschützten Interessen verletzt oder die nur sachgemäße/sachliche Erwägungen beinhaltet. M i t dem Mißverhältnis von Vorgang und Ergebnis als strukturellem Vorgangsfehler zweiter Stufe werden schließlich auch der Ausfall, die Unterschreitung, die Unvollständigkeit der Erkenntnisgrundlage, das Abwägungsdefizit und der A b wägungsüberhang erfaßt, soweit sie als nicht-induzierende unechte strukturelle Vorgangsfehler erster Stufe auftreten. Dies ist der Fall, wenn sie mit einer von ihnen verursachten oder mitverursachten inhaltlich fehlerhaften Begründung und einem Mißverhältnis von Vorgang und Ergebnis einhergehen. In diesem Fall liegt zugleich eine Fehleinschätzung des Einschätzungsbegriffs bzw. der Ermessensermächtigung oder ein Gewichtungsfehler als inhaltlicher Vorgangsfehler vor. 84 D e r entscheidende Punkt dieser Fallgruppe ist, daß das Ergebnis lediglich durch die vorliegende Begründung nicht fehlerfrei begründet wird, oder anders gewendet, daß es für das Ergebnis trotz vorliegender fehlerhafter Begründung eine oder mehrere fehlerfreie Begründungen gibt. 8 5 (3) „ nicht aufgrund

der tatsächlichen

Motive"

M i t dem Kriterium „nicht aber auf G r u n d der tatsächlichen M o t i v e " wird das Mißverhältnis von Motivation und Begründung als struktureller Vorgangsfehler zweiter Stufe erfaßt und damit die fehlerhafte Motivation bei fehlerfreier Begründung und fehlerfreiem Ergebnis (Vorwand). 8 6 Wird ein (inhaltlich) fehlerfreies Ergebnis mit einer auf dieses Ergebnis bezogenen inhaltlich fehlerfreien Begründung getroffen, weil sich der Entscheidungsträger zwar in der Motivation, aber weder in der Abwägung noch im Ergebnis von rechtlich nicht zu billigenden subjektiven Motiven, inneren Vorstellungen oder

Alexy J Z 1986, S.701, 708, 709, 711, 711 f., 712. Alexy J Z 1986, S.701, 709. 86 Vgl. dazu Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, §31 Rdn.51, 53 („Ein Ermessensgebrauch ist subjektiv unzulässig, wenn ... die ihm zugrundeliegenden Erwägungen ihn nicht rechtfertigen ... Ermessenserwägungen rechtfertigen eine Entscheidung nicht, wenn ... die angeblichen Gründe gar nur Vorwände sind (Ermessensunschlüssigkeit). Mißbräuchlich ist endlich eine Entscheidung, deren Motive rechtlich nicht zu billigen sind, weil sie z.B. selbstsüchtig, nur freundnützig, schikanös oder sonstwie unsachlich sind (Ermessenswillkür).") sowie Alexy J Z 1986, S.701,703 („Wesentlich schwerer zu durchschauen ist die Wolff/Bachofsche Kategorie der konkreten subjektiven Fehler... Mit dieser Formel wird höchst Unterschiedliches zusammengefaßt. Das Spektrum reicht von ... über die fehlerhafte Begründung und den Vorwand bis zum Motivationsfehler, etwa dem schikanösen Handeln. Damit sind zwar die Fehlertatbestände weitgehend erfaßt, von einer Systematisierung kann aber kaum die Rede sein. Immerhin ist aber deutlich, daß es bei den konkreten subjektiven Fehlern im wesentlichen um Vorgangs- und nicht um Ergebnisfehler geht.") und S. 708, 708f. („Die These der Fehleridentität impliziert, daß eine Motivation dann und nur dann fehlerhaft ist, wenn sie als Begründung fehlerhaft wäre. Dies bedeutet, daß der Inhalt der Motivationsfehler vollständig auf der Ebene der Begründungsfehler behandelt werden kann ... Von systematischem Interesse sind die Motivationsfehler daher nur unter dem Gesichtspunkt der Nichtübereinstimmung von Begründung und Motivation."). 84 85

210

3. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des Aufsichtsrats

Haltungen hat leiten lassen, so liegen im konkreten Fall ein Ergebnis und eine auf dieses Ergebnis bezogene Begründung vor, die ihrem Inhalt nach nicht gegen geltendes Recht verstoßen. Sie gehen jedoch mit einer Motivation einher, die von der Rechtsordnung mißbilligt wird. Es liegt ein Mißverhältnis von Motivation und Begründung als struktureller Vorgangsfehlers zweiter Stufe vor (fehlerhafte M o tivation bei fehlerfreier Begründung und fehlerfreiem Ergebnis/Vorwand). Dies wird wiederum an einem Beispiel deutlich: Hat die Verwaltung bei der Planung einer Industrieanlage/einer Bundesautobahn weder noch im Ergebnis

in der

Abwägung

die Interessen von Anwohnern vernachlässigt, dabei aber aus

unsachlichen Beweggründen heraus gehandelt, so sind das Ergebnis und die auf dieses Ergebnis bezogene Begründung aufgrund der im konkreten Fall relevanten tatsächlichen und/oder rechtlichen Gesichtspunkte im Lichte der Wertungsgrundsätze gerechtfertigt, obwohl die Motivation nicht zu rechtfertigen ist. Das Ergebnis und die auf dieses Ergebnis bezogene Begründung könnten im konkreten Fall von einer Motivation begleitet werden, in der sachliche Beweggründe zum Ausdruck kommen. Der entscheidende Punkt dieser Fallgruppe ist, daß das Ergebnis im konkreten Fall nicht nur begründbar ist, sondern auch durch die im konkreten Fall vorliegende auf dieses Ergebnis bezogene Begründung fehlerfrei begründet wird. Es wird lediglich die zugrundeliegende Motivation von der Rechtsordnung mißbilligt. Das Ergebnis und die im konkreten Fall vorliegende auf dieses Ergebnis bezogene Begründung wären bei rechtlich zu billigender Motivation rechtlich nicht zu beanstanden.

II. Das Konzept einer gesellschaftsrechtlichen

Entscheidungsfehlerlehre

Uberträgt man die Grundannahmen der verwaltungsrechtlichen Entscheidungsfehlerlehre in das Gesellschaftsrecht, so haben die zur Kontrolle der pflichtgemäßen Aufgabenwahrnehmung durch den Vorstand/Aufsichtsrat im Sinne des § 9 3 AktG/der §§116, 93 A k t G insbesondere berufenen Aufsichtsräte/Aktionäre (und damit auch die von ihnen in Anspruch genommenen Gerichte) zwei Fragen zu prüfen: Hat der Vorstand/Aufsichtsrat mit seiner Einschätzung bzw. Ermessensausübung den gesetzlich gezogenen äußeren Rahmen der Einschätzungsbzw. Ermessensermächtigung und damit die Grenzen der Einschätzungs- bzw. Ermessensermächtigung überschritten, oder wird er dies tun (Überschreitung)? Hat der Vorstand/Aufsichtsrat mit seiner Einschätzung bzw. Ermessensausübung die rechtlich gezogenen inneren Schranken der Einschätzungs- bzw. Ermessensermächtigung verletzt und damit von der Einschätzungs- bzw. Ermessensermächtigung nicht im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht, und/oder wird er dies tun (Fallgruppen des Fehlgebrauchs)? Diese Prüfung zielt auf die Frage, ob die Einschätzung bzw. Ermessensausübung des Vorstands/Aufsichtsrats

A.

Ansatzpunkt

211

durch die Einschätzungs- bzw. Ermessensermächtigung in keinem Fall gedeckt ist (abstrakter Verhaltensfehler) oder zwar unter anderen Umständen oder aus anderen Gründen, nicht aber unter den tatsächlich vorhandenen Umständen, auf Grund der tatsächlich angestellten Erwägungen oder der tatsächlichen Motive gedeckt wäre (konkrete Verhaltensfehler). 1. Grundlegung Die verwaltungsrechtliche Entscheidungsfehlerlehre entwickelt den abstrakten Verhaltensfehler (Überschreitung) und die konkreten Verhaltensfehler (Fallgruppen des Fehlgebrauchs) auf eine bestimmte Weise. Es knüpft an den zu bestimmenden Sinn und Zweck des Gesetzes 87 und damit insbesondere an normierte, allgemein anerkannte sowie verfassungsrechtliche Beurteilungs- bzw. Ermessensgrenzen und Wertungsgrundsätze 88 sowie an die - nach Fehlergegenstand und Fehlerfolgen - strikte Trennung zwischen dem formellen Verwaltungsverfahrensrecht und dem materiellen Verwaltungsrecht an. Dieser Ansatz läßt sich nicht in das Gesellschaftsrecht übertragen. Im Gesellschaftsrecht können die für das Verwaltungsrecht typischen Probleme nicht auftreten. Denn sie ranken sich um die Bestimmung des Sinn und Zwecks der Ermächtigung im Lichte des Sinn und Zwecks des Gesetzes und damit der „der Gesamtheit der Sätze des geschriebenen und ungeschriebenen Rechts ... für die in Frage stehende Entscheidung zu entnehmenden Zwecke" 89 . 90 Im Gesellschaftsrecht stellen sich lediglich Probleme der Zweckpräzisierung, nicht aber Probleme der Zweckbestimmung. Der Zweck der einer konkreten Entscheidung des Vorstands/Aufsichtsrats zugrundeliegenden Befugnisnorm ist „ausschließlich" bzw. „allein" das „Unternehmenswohl". 91 Es kommt erschwerend hinzu, daß es im Gesellschaftsrecht kaum normierte oder allgemein anerkannte Beurteilungsbzw. Ermessensgrenzen und Wertungsgrundsätze gibt.92

87 Überschreitung infolge einer Fehleinschätzung des Einschätzungsbegriffs bzw. der Ermessensermächtigung, Fehleinschätzung der Norm, Handeln aus unsachlichen Beweggründen. 88 Überschreitung infolge einer Verkennung/Fehleinschätzung normierter, allgemein anerkannter oder verfassungsrechtlicher Beurteilungs-/Ermessensgrenzen, Verkennung/Fehleinschätzung normierter, allgemein anerkannter oder verfassungsrechtlicher Wertungsgrundsätze, Abwägungsdisproportionalität/Abwägungsfehlgewichtung/Übersehen des einzig richtigen Abwägungsergebnisses, Abwägungsdisproportionalität/Abwägungsfehlgewichtung/Übersehen des einzig richtigen Abwägungsergebnisses infolge einer Verkennung/Fehleinschätzung normierter, allgemein anerkannter oder verfassungsrechtlicher Wertungsgrundsätze. 89 Kopp/Schenke, V w G O , § 114 Rdn. 8 f. 90 Siehe dazu nm Alexy JZ 1986, S.701, 709f. 91 Siehe dazu nur B G H ZIP 1997, S. 883, 886 - ARAG/Garmenbeck. 92 Siehe dazu Abeltshauser, Leitungshaftung, S.169f., 182, 193f., 199f. und Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung, S.267f., aber auch Roth, Ermessen, S. 74ff., 107ff. und Paefgen, Entscheidungen, S. 171ff. sowie Heermann A G 1998, S.201, 208f. und ZIP 1998, S.761, 762f., 763f.

212

3. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des

Aufsichtsrats

Das Gesellschaftsrecht kennt auch keine dem Verwaltungsrecht vergleichbare Trennung zwischen formellem Verfahrensrecht und materiellem Recht nach Fehlergegenstand und Fehlerfolgen. Im Hinblick auf §108 AktG werden lediglich Beschlußmängel aufgelistet: „Beschlußunfähigkeit, Kompetenzüberschreitung, gesetzwidrig zusammengesetzter Aufsichtsrat" („kompetentielle Mängel"); „Nichterreichung der erforderlichen Mehrheit und Teilnahme Unbefugter an der Abstimmung" unter der Voraussetzung, daß ohne die nichtige Stimmabgabe/die Stimme des Unbefugten „das Beschlußergebnis nicht zustande gekommen wäre" („Gültigkeitsvoraussetzungen der Stimmabgabe"); Verstöße „gegen solche Regeln, die sich auf die Einberufung, den Sitzungsablauf und die Art und Weise der Abstimmung beziehen," unter der Voraussetzung einer „Auswirkung auf das Beschlußergebnis oder Beeinträchtigung von Teilnahmerechten eines Aufsichtsratsmitglieds" und Verstöße „dem Inhalt nach gegen das Gesetz oder die Satzung" oder „die Grenzen pflichtgemäßer Ermessensausübung" („Verfahrensfehler"). Es wird zudem mit Blick auf die Folgen „bei kompetentiellen und inhaltlichen Mängeln" betont, der „Gedanke, daß Verstöße gegen solche Regeln, die zur Disposition der Aufsichtsratsmitglieder stehen, nicht nichtig, sondern nur vernichtbar sind," sei „auch auf inhaltliche Mängel anwendbar." Daher solle der Fall, in dem „ein Aufsichtsratsausschuß ohne Verletzung seiner gesetzlichen Kompetenzgrenzen den ihm vom Plenum erteilten Auftrag überschreitet" ebenso „dem Bereich vernichtbarer Beschlüsse zugerechnet werden" wie die „Besetzung eines Aufsichtsratsausschusses unter ungenügender Beachtung des Diskriminierungsschutzes der Arbeitnehmerseite." 93 Das Gesellschaftsrecht bietet im Lichte des Verwaltungsrechts mithin ein ungeordnetes Bild. Dabei ist auch augenfällig, daß nur von Beschlußmängeln (und nicht von Entscheidungsfehlern) gesprochen wird. Dabei führen Beschlußmängel zur Fehlerhaftigkeit des Beschlusses und, da der Aufsichtsrat durch Beschluß entscheidet, 94 konsequenterweise auch zur Fehlerhaftigkeit der durch den Beschluß getroffenen Entscheidungen. Im Gesellschaftsrecht stehen bislang ganz andere Fragen im Vordergrund, und zwar, ob und wie zwischen Nichtigkeit und Anfechtbarkeit zu unterscheiden ist und wer auf welche Weise innerhalb welcher Fristen die Fehlerhaftigkeit geltend machen kann. 95 Vor diesem Hintergrund muß ein eigenständiger gesellschaftsrechtlicher Ansatz entwickelt werden, um den abstrakten Verhaltensfehler (Überschreitung) als den einzigen reinen (inhaltlichen) Ergebnisfehler zu typisieren und zu konkretiMertens, Kölner Kommentar, § 108 Rdn. 68ff., 72ff., 82ff. Siehe dazu nur Mertens, Kölner Kommentar, §108 Rdn. 6ff. 95 Siehe dazu nur Mertens, Kölner Kommentar, §108 Rdn. 68, 88ff. und - zur Ansicht des BGH ZIP 1997, S. 883,885 - ARAG/Garmenbeck, „daß der Aufsichtsrat der Beklagten zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen den Vorstandsvorsitzenden verpflichtet ist und die Aufsichtsratsbeschlüsse..., mit denen das abgelehnt worden ist, daher nichtig sind" - insbesondere Kindler ZHR 162 (1998), S. 101,114ff. 93

94

A.

Ansatzpunkt

213

sieren und die konkreten Verhaltensfehler (Fallgruppen des Fehlgebrauchs) zu typisieren und die davon erfaßten (inhaltlichen) Ergebnisfehler/inhaltlichen Vorgangsfehler und strukturellen Vorgangsfehler zu bestimmen und - mit Ausnahme der nicht konkretisierungsbedürftigen strukturellen Vorgangsfehler zweiter Stufe - zu konkretisieren. E r läßt sich entwickeln, indem man die Erkenntnisse aus dem Corporate Governance Prozeß heranzieht: Die Betriebswirtschaftslehre und das U . S . amerikanische Gesellschaftsrecht haben sachlogische Kriterien für die Sicherung und Begrenzung der Entscheidungsfreiräume der Unternehmensführung entwickelt. Die spektakulären Unternehmenskrisen und die Diskussion um Corporate Governance Standards liefern wertvolle Hinweise darauf, wie die Entscheidungsfreiräume des Vorstands und des Aufsichtsrats begrenzt werden können und müssen. Die Prüfung der Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsführung nach § 53 H G r G sowie die Entwicklung der Unternehmensberichterstattung und ihrer externen Prüfung in Deutschland wie in den Vereinigten Staaten geben in ergiebiger Weise insbesondere darüber Aufschluß, welche Informationen es ermöglichen, die Unternehmensführung risiko-, problem- und zukunftsorientiert zu gestalten und zu überwachen. Die Übertragung der Grundannahmen der verwaltungsrechtlichen Entscheidungsfehlerlehre in das Gesellschaftsrecht hat zur Konsequenz, daß es strukturelle Vorgangsfehler gibt. Sie begründen auch dann die Pflichtwidrigkeit der auf den zugehörigen Einschätzungen bzw. Ermessensausübungen beruhenden Entscheidungen des Vorstands/Aufsichtsrats im Sinne des § 9 3 AktG/der §§116, 93 A k t G , 9 6 wenn es bei pflichtgemäßem Verhalten des Vorstands/Aufsichtsrats im Sinne des § 9 3 AktG/der §§116, 93 A k t G zu demselben Entscheidungstenor gekommen wäre. 97 Diese Konsequenz ist gerechtfertigt. § 46 V w V f G schließt in diesen Fällen in Konsequenz des Grundsatzes „dolo agit, qui petit, quod statim redditurus est" nur den Beseitigungsanspruch aus, stellt nach heute herrschender Meinung aber nicht die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes infrage (siehe auch § 59 Abs. 2 96 Und damit in aller Regel auch - bei Schuldfähigkeit der pflichtwidrig handelnden Vorstandsmitglieder/ Aufsichtsratsmitglieder - die Annahme, daß die pflichtwidrig handelnden Vorstandsmitglieder/Aufsichtsratsmitglieder schuldhaft gehandelt haben; siehe zum Verschulden als Haftungsvoraussetzung nach § 93 AktG/§§ 116, 93 AktG nur Mertens, Kölner Kommentar, § 93 Rdn.7, 98 f., 101 f. und §116 Rdn.7, 57. 97 Dies entspricht allerdings der vorherrschenden Ansicht im Gesellschaftsrecht zu den Beschlußmängeln im Rahmen des § 108 AktG insoweit nicht, als Verstöße gegen die „Gültigkeitsvoraussetzungen der Stimmabgabe" nur dann zur Fehlerhaftigkeit des Beschlusses führen sollen, wenn ohne die nichtige Stimmabgabe/die Stimme des Unbefugten „das Beschlußergebnis nicht zustandegekommen wäre", und Verstöße „gegen solche Regeln, die sich auf die Einberufung, den Sitzungsablauf und die Art und Weise der Abstimmung beziehen", nur dann zur Fehlerhaftigkeit des Beschlusses führen sollen, wenn dadurch ein „Aufsichtsratsmitglied behindert worden" oder „eine Auswirkung auf das Beschlußergebnis anzunehmen ist"; siehe dazu nur Mertens, Kölner Kommentar, § 108 Rdn. 69, 74, 76, 77 mit weiteren Nachweisen. Die hier angesprochene Frage wird immerhin von Roth, Ermessen, S. 134, gestreift.

214

J. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des

Aufsichtsrats

Nr. 2 VwVfG). Dem Betroffenen verbleibt - bei bestehendem Rechtsschutzinteresse - die Möglichkeit, die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts in analoger Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 V w G O feststellen zu lassen. 98 Im Gesellschaftsrecht besteht ebenfalls ein Bedürfnis dafür, daß der Vorstand/Aufsichtsrat in diesen Fällen nach §256 Z P O bei berechtigtem Interesse - insbesondere bei Wiederholungsgefahr - eine Klage auf Feststellung der Pflichtwidrigkeit der Entscheidung des Aufsichtsrats/Vorstands im Sinne der §§116, 93 AktG/des §93 A k t G erheben kann. Ein umfassender Rechtsschutz im Hinblick auf fehlerhafte Vorstands-/Aufsichtsratsbeschlüsse (und damit auf im Sinne des § 93 AktG/der §§116, 93 A k t G pflichtwidrige Entscheidungen) besteht aus Beschlußmängelklagen (Nichtigkeits- und Anfechtungsklagen), Vornahmeklagen, Abwehrklagen (Unterlassungs- und Folgenbeseitigungsklagen) und Schadensersatzklagen. Die Argumente, die dagegen vorgebracht werden," können - wie die Untersuchung von Michael Becker eindrucksvoll belegt 100 - nicht überzeugen. Es geht nicht darum, „daß das in der Sache unzuständige Organ - also der Aufsichtsrat in Geschäftsführungsfragen, der Vorstand in der Frage, wie der Aufsichtsrat seine Kontrollaufgabe wahrzunehmen hat - mit gerichtlicher Hilfe das Verhalten des anderen Organs festlegt." 101 Es ist vielmehr festzuhalten, daß es zur „Leitung gehört ..., daß der Vorstand rechtswidrigen Beschlüssen anderer Organe entgegentritt". Die „oberste Amtspflichts des Aufsichtsrats" ist „die Überwachung der Geschäftsführung, die sich auch in Beschlüssen niederschlagen kann". 1 0 2 „In dem Maße, in dem die Kompetenzen des Vorstands zunehmen" und die Verantwortung des Aufsichtsrat wächst, erhöht sich „das Interesse an einer befriedigenden Bewältigung von Beschlußfehlern". 103 Dabei ist „Bezugspunkt einer gerichtlichen Nachprüfung nicht das Beschlußergebnis und seine Zweckmäßigkeit, sondern die Vereinbarkeit" des Beschlusses „mit Gesetz, Satzung und untersatzungsmäßigen Rechtsnormen, wie etwa einer Geschäftsordnung" und damit die „Rechtmäßigkeitsaufsicht". 104 Erst die - angemessen auszugestaltenden 105 - Vornahme- und Abwehrklagen runden „den Rechtsschutz gegen fehlerhafte Beschlüsse" ab und führen damit zu einem „effektiven Rechtsschutz". 1 0 6

Kopp/Schenke, V w G O , § 113 Rdn. 55, § 114 Rdn. 36b, § 42 Rdn. 32. Siehe etwa Mertens, Kölner Kommentar, §93 Rdn. 190ff., 193f. und § 108 Rdn.95. 100 Becker, Verwaltungskontrolle, S.485ff., 599ff., 649f. 101 Mertens, Kölner Kommentar, §93 Rdn. 191. 102 Becker, Verwaltungskontrolle, S.495, 504. 103 Vgl. Becker, Verwaltungskontrolle, S.500. 104 Becker, Verwaltungskontrolle, S. 492,505,506,509, merkt auf S. 492 zutreffend an, daß ein Urteil, das feststellt, daß die Abberufung eines Vorstandsmitglieds unwirksam gewesen ist, Inzident den Aufsichtsratsbeschluß aufhebt oder seine Nichtigkeit feststellt, und verweist auf S. 507f. auf die Entlastungs- und die Berichterstattungsklage. 105 Siehe dazu insbesondere Becker, Verwaltungskontrolle, S.485ff., 598ff., 647ff., 701 ff. 106 Vgl. Becker, Verwaltungskontrolle, S.613, 649f. zur Folgenbeseitigung (mit zahlreichen 98

99

A. Ansatzpunkt

215

U n t e r dem Gesichtspunkt der Konsequenzen stellt sich im Gesellschaftsrecht ein ganz anderes Problem. Die Tragweite der gesellschaftsrechlichen Entscheidungsfehlerlehre hängt entscheidend davon ab, unter welchen Voraussetzungen welche rechtlich relevanten Einschätzungsfehler (Ergebnis- und Vorgangsfehler) und rechtlich relevanten Ermessensfehler (Ergebnis- und Vorgangsfehler) dazu führen, daß Schadensersatzansprüche gegen pflichtwidrig handelnde Vorstandsmitglieder/Aufsichtsratsmitglieder ( § 9 3 A k t G / § § 116, 93 A k t G ) begründet sind. Diese Frage hat im Verwaltungsrecht angesichts des umfassenden Primärrechtsschutzes gegen Entscheidungen (Anfechtungs-, Verpflichtungs-, Feststellungsund Unterlassungsklagen) und ihre Folgen (Fortsetzungsfeststellungs- und U n terlassungs-/Beseitigungsklagen) nicht dieselbe Bedeutung. Es k o m m t hinzu, daß im Hinblick auf den Sekundärrechtsschutz und insbesondere auf die Regelung des § 839 B G B sowie das ungeschriebene Staatshaftungsrecht ganz andere Fragen im Vordergrund stehen. Daher muß auch insoweit ein eigenständiger gesellschaftsrechtlicher Ansatz entwickelt werden. Dies soll aufgrund einer Folgenbetrachtung und in Anlehnung an die verwaltungsrechtliche Auswirkungslehre (§§ 46 V w V f G , 214 Abs. 3 B a u G B ) und die zivilrechtlichen Grundsätze der Schadenszurechnung geschehen. Vor diesem Hintergrund sollen nun zunächst die beiden Grundfragen der gesellschaftsrechtlichen Entscheidungsfehlerlehre geklärt werden. E s sollen der abstrakte Verhaltensfehler (Überschreitung) als der einzige reine (inhaltliche) E r gebnisfehler typisiert und die konkreten Verhaltensfehler (Fallgruppen des Fehlgebrauchs) typisiert und die davon erfaßten (inhaltlichen) Ergebnisfehler/inhaltlichen Vorgangsfehler und strukturellen Vorgangsfehler bestimmt werden. E s soll zudem die Frage geklärt werden, unter welchen Voraussetzungen welche rechtlich relevanten Einschätzungsfehler (Ergebnis- und Vorgangsfehler) und rechtlich relevanten Ermessensfehler (Ergebnis- und Vorgangsfehler) dazu führen, daß Schadensersatzansprüche gegen pflichtwidrig handelnde Vorstandsmitglieder/ Aufsichtsratsmitglieder (§ 93 A k t G / § § 1 1 6 , 9 3 A k t G ) begründet sind. D i e Fehlerkategorien und die Fehlerfolgen erlauben es dann, die Tragweite der hier entwikkelten gesellschaftsrechtlichen Entscheidungsfehlerlehre zu bestimmen und im Lichte der U . S . amerikanischen Rechtsprechung noch einmal kritisch zu würdigen und damit auch abzusichern. I m Anschluß daran sollen der abstrakte Verhaltensfehler (Überschreitung) als der einzige reine (inhaltliche) Ergebnisfehler und die konkreten Verhaltensfehler (Fallgruppen des Fehlgebrauchs) und damit die (inhaltlichen) Ergebnisfehler/inhaltlichen Vorgangsfehler und die strukturellen Vorgangsfehler erster Stufe k o n kretisiert werden. Darin liegt die Ausformung des Konzepts der hier entwickelten gesellschaftsrechtlichen Entscheidungsfehlerlehre. Beispielen, S . 6 1 4 , und dem Hinweis, auf den daraus resultierenden Vollstreckungsdruck könne nicht verzichtet werden, S. 616).

216

3. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des Aufsichtsrats

2. Fehlerkategorien Das eine Grundproblem der gesellschaftsrechtlichen Entscheidungsfehlerlehre besteht darin, den abstrakten Verhaltensfehler (Überschreitung) als den einzigen reinen (inhaltlichen) Ergebnisfehler zu typisieren und die konkreten Verhaltensfehler (Fallgruppen des Fehlgebrauchs) zu typisieren und die davon erfaßten (inhaltlichen) Ergebnisfehler/inhaltlichen Vorgangsfehler und strukturellen Vorgangsfehler zu bestimmen.

a) Typisierung des abstrakten Verhaltensfehlers und der konkreten Verhaltensfehler Die Typisierung des abstrakten Verhaltensfehlers (Überschreitung) und der konkreten Verhaltensfehler (Fallgruppen des Fehlgebrauchs) fällt im Lichte der bisher gewonnenen Erkenntnisse leicht. Der abstrakte Verhaltensfehler als der einzige reine (inhaltliche) Ergebnisfehler zeichnet sich dadurch aus, daß das Ergebnis der Einschätzung bzw. Ermessensausübung (und damit in der Regel der Entscheidungstenor) durch die Einschätzungs- bzw. Ermessensermächtigung (und damit durch die diese Einschätzungsprärogative bzw. diesen Ermessensspielraum einräumende Befugnisnorm) im Lichte des Unternehmenswohls, präzisiert durch die normierten und die bereits anerkannten gesetzlich abgeleiteten Vorgaben, aber auch durch die darüberhinaus als sachlogisch gesetzlich abzuleitenden Vorgaben in keinem Fall gedeckt ist. Die Grundlage der sachlogischen Vorgaben bilden insbesondere Erkenntnisse aus der Betriebswirtschaftslehre, dem U.S. amerikanischen Gesellschaftsrecht, den spektakulären Unternehmenskrisen und Unternehmensskandalen sowie der Diskussion um Corporate Governance Standards. Die konkreten Verhaltensfehler (Fallgruppen des Fehlgebrauchs) und die davon erfaßten (inhaltlichen) Ergebnisfehler/inhaltlichen Vorgangsfehler und strukturellen Vorgangsfehler zeichnen sich dadurch aus, daß das Ergebnis der Einschätzung bzw. Ermessensausübung (und damit in der Regel der Entscheidungstenor) und/oder der zum Ergebnis (und damit in der Regel zum Entscheidungstenor) führende Gedanken-, Willens- und Argumentationsprozeß (der Vorgang der Einschätzung bzw. Ermessensausübung) durch die Einschätzungsbzw. Ermessensermächtigung (und damit durch die diese Einschätzungsprärogative bzw. diesen Ermessensspielraum einräumende Befugnisnorm) im Lichte des Unternehmenswohls, präzisiert durch die normierten und die bereits anerkannten gesetzlich abgeleiteten Vorgaben, aber auch durch die darüberhinaus als sachlogisch gesetzlich abzuleitenden Vorgaben lediglich im konkreten Fall nicht gedeckt ist/sind, aber in einem anderen Fall hätte/hätten gedeckt sein können oder im konkreten Fall hätte/hätten gedeckt sein können. Die Grundlage der sachlogischen Vorgaben bilden insbesondere Erkenntnisse aus der Betriebswirtschafts-

217

A. Ansatzpunkt

lehre, dem U . S . amerikanischen Gesellschaftsrecht, den spektakulären U n t e r n e h menskrisen und Unternehmensskandalen, der Diskussion um C o r p o r a t e G o v e r nance Standards, der Prüfung der Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsführung nach § 5 3 H G r G sowie der Entwicklung der Unternehmensberichterstattung und ihrer externen Prüfung in Deutschland wie in den Vereinigten Staaten. 1 0 7 Dabei ist zur Typisierung der konkreten Verhaltensfehler (Fallgruppen des Fehlgebrauchs) und der davon erfaßten (inhaltlichen) Ergebnisfehler/inhaltlichen Vorgangsfehler und strukturellen Vorgangsfehler folgendes anzumerken. Mit der ersten Alternative werden die (inhaltlichen) Ergebnisfehler erfaßt, die wegen der G r u n d - R e l a t i o n - mit auf diese (inhaltlichen) Ergebnisfehler b e z o genen inhaltlichen Vorgangsfehlern einhergehen (kongruente inhaltliche Vorgangsfehler), auch verursacht durch (induzierende unechte) strukturelle Vorgangsfehler erster Stufe. Das sind damit die Fälle, in denen

im konkreten Fall fehlerhaft

Ergebnis

und

Vorgang

sind und nicht fehlerfrei hätten sein können. Mit der

zweiten Alternative werden zum einen die (echten) strukturellen Vorgangsfehler erster Stufe erfaßt, die nicht mit einem (inhaltlichen) Ergebnisfehler und nicht mit einem auf dieses Ergebnis bezogenen inhaltlichen Vorgangsfehler einhergehen. E s wird zum anderen das Mißverhältnis von Vorgang und Ergebnis als struktureller Vorgangsfehler zweiter Stufe erfaßt. Dies ergreift die inhaltlichen Vorgangsfehler, die mit einem Mißverhältnis von Vorgang und Ergebnis einhergehen (reine inhaltliche Vorgangsfehler), auch verursacht durch (nicht-induzierende unechte) strukturelle Vorgangsfehler erster Stufe. Es wird schließlich der Vorwand als struktureller Vorgangsfehler zweiter Stufe erfaßt. Das sind damit die Fälle, in dem

im konkreten Fall das Ergebnis fehlerfrei ist und der Vorgang zwar fehlerhaft aber fehlerfrei hätte sein können. b) Bestimmung der konkreten

ist,

Verhaltensfehler

D i e Bestimmung der konkreten Verhaltensfehler und damit der (inhaltlichen) E r gebnisfehler/inhaltlichen Vorgangsfehler sowie der strukturellen Vorgangsfehler liegt dagegen nicht auf der Hand. Auszugehen ist von den verwaltungsrechtlichen Fehlerkategorien.

107 D i e letzten beiden Erkenntnisquellen können nur im Rahmen der konkreten Verhaltensfehler von N u t z e n sein, weil sie insbesondere für die Frage relevant sind, welche Informationen es ermöglichen, die Unternehmensführung risiko-, problem- und zukunftsorientiert zu gestalten und zu überwachen, und damit ein Sachzusammenhang nur zu bestimmten strukturellen und (inhaltlichen) Ergebnisfehlern/inhaltlichen Vorgangsfehlern besteht, und zwar - in der T e r m i n o logie des Verwaltungsrechts - zu dem Abwägungsdefizit/dem Abwägungsüberhang/der U n vollständigkeit der Erkenntnisgrundlage und den von ihnen indizierten Gewichtungsfehlern (Verbot unsachgemäßer und unsachlicher Erwägungen).

218

aa)

3. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des

Aufsichtsrats

Abwägungsmangel

Mit Blick auf die (inhaltlichen) Ergebnisfehler/inhaltlichen Vorgangsfehler stellt sich die Frage, ob die gesellschaftsrechtlichen Fehlerkategorien den verwaltungsrechtlichen Fehlerkategorien (Fehleinschätzung des Einschätzungsbegriffs bzw. der Ermessensermächtigung, grundsätze,

Verkennung/Fehleinschätzung

der

Wertungs-

Abwägungsdisproportionalität/Abwägungsfehlgewichtung/Uber-

sehen des einzig richtigen Abwägungsergebnisses, Vorliegen unsachlicher Beweggründe) in ihrem Differenzierungsgrad nachgebildet werden sollen. Denn sie resultieren aus dem Problemschub, den die verwaltungsrechtliche Entscheidungsfehlerlehre durch die erforderliche Bestimmung des Sinn und Zwecks der Ermächtigung im Lichte des Sinn und Zwecks des Gesetzes und insbesondere durch die Einbeziehung verfassungsrechtlicher Wertungsgrundsätze erleidet. 1 0 8 Wie bereits dargelegt, können im Gesellschaftsrecht lediglich Probleme der Zweckpräzisierung, nicht aber Probleme der Zweckbestimmung auftreten. Daher kann es eine Fehleinschätzung des Einschätzungsbegriffs bzw. der Ermessensermächtigung/der Wertungsgrundsätze und damit eine Fehlinterpretation der Norm/der Wertungsgrundsätze im Sinne des verwaltungsrechtlichen Verständnisses im Gesellschaftsrecht nicht geben. Denkbar ist lediglich eine Fehlinterpretation des Zwecks der einer konkreten Entscheidung des Vorstands/Aufsichtsrats zugrundeliegenden Befugnisnorm (Zweckverkehrung: Verfolgung eines anderen Zwecks als des Unternehmenswohls 1 0 9 ) oder eine Fehlinterpretation eines bei einer konkreten Entscheidung des Vorstands/Aufsichtsrats zu berücksichtigenden Wertungsgrundsatzes im klassischen zivilrechtlichen Sinne. Die erste Alternative dürfte nur von geringer praktischer Relevanz sein. Die zweite Alternative ist nur von theoretischem Wert, weil sie bereits im Verwaltungsrecht in der Abwägungsdisproportionalität/der Abwägungsfehlgewichtung/dem Ubersehen des einzig richtigen Abwägungsergebnisses infolge einer Fehleinschätzung normierter, allgemein anerkannter oder verfassungsrechtlicher Wertungsgrundsätze aufgeht. Eine Differenzierung zwischen normierten und allgemein anerkannten Wertungsgrundsätzen einerseits und verfassungsrechtlichen Wertungsgrundsätzen andererseits macht im Gesellschaftsrecht zudem keinen Sinn. Das Verwaltungsrecht knüpft mit der Verkennung normierter und allgemein

anerkannter

Wertungsgrundsätze und der Abwägungsdisproportionalität an normierte und allgemein anerkannte Wertungsgrundsätze an. Die Verkennung verfassungsrechtlicher Wertungsgrundsätze und die Abwägungsfehlgewichtung sowie das Ubersehen des einzig richtigen Abwägungsergebnisses finden ihre Grundlage daVglAlexy J Z 1986, S.701, 702. Siehe zur Ermessensverkehrung als Verfolgung eines sachlich falschen Zwecks als eines Zwecks, der dem des ermächtigenden Gesetzes nicht entspricht, und insbesondere zur Verfolgung fiskalischer Interessen Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, §31 Rdn.52 („Polizeibefehl zu fiskalischen Zwecken"). 108

109

A. Ansatzpunkt

219

gegen insbesondere in den Grundrechten und dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. 1 1 0 E i n e solche Differenzierung k o m m t im Gesellschaftsrecht nicht in B e tracht. Eine Differenzierung zwischen Wertungsgrundsätzen wie dem Willkürverbot und dem G e b o t der Sachlichkeit einerseits und von der Rechtsordnung mißbilligten subjektiven Motiven, inneren Vorstellungen und Haltungen andererseits 1 1 1 ist im Gesellschaftsrecht auch wenig sinnvoll. Sie ist - wie gesehen - bereits im Verwaltungsrecht nicht überzeugend. Das Verbot, in der Abwägung sachbezogene (durch den Gesetzeszweck gedeckte) Gesichtspunkte außer acht zulassen oder sachfremde (nicht durch den Gesetzeszweck gedeckte) bzw. unsachliche (auf rechtlich nicht zu billigenden Beweggründen beruhende) Gesichtspunkte zu berücksichtigen, ist Bestandteil des Gebotes gerechter Abwägung. Es führt nach hier vertretener Auffassung zu strukturellen Vorgangsfehlern erster Stufe. Das Verbot, unsachgemäße (durch den Gesetzeszweck nicht gerechtfertigte) oder unsachliche (auf rechtlich nicht zu billigenden Beweggründen beruhende) E r w ä gungen anzustellen, ist ebenfalls Bestandteil des G e b o t s gerechter Abwägung. E s führt nach hier vertretener Auffassung zu Gewichtungsfehlern. Das Verbot, bei unsachlichen Beweggründen eine Abwägung vorzunehmen, führt nach hier vertretener Auffassung zu einem strukturellen Vorgangsfehler zweiter Stufe (Mißverhältnis von Motivation und Begründung). Gerade in den im Lichte des Verbots unsachlicher Beweggründe neuralgischen Fallkonstellationen ( K o m p e n sationsleistungen für und N u t z u n g von Gesellschaftsressourcen durch Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder sowie Spenden) liegt typischerweise kein Vorwand, sondern eine Überschreitung oder ein Gewichtungsfehler vor, so daß sie sich besser (auch) über die Herausbildung dieser Fehlerkategorien erfassen lassen. In letzter Konsequenz geht es bei allen (inhaltlichen) Ergebnisfehlern/inhaltlichen Vorgangsfehlern um die Bewertung, die Gewichtung und den Ausgleich der relevanten tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte (aller und nur dieser) im Lichte der Wertungsgrundsätze (des Verbots unsachgemäßer und unsachlicher Erwägungen). Vor diesem Hintergrund ist es im Gesellschaftsrecht völlig ausreichend, in Parallele zur Verkennung der Wertungsgrundsätze, zur Abwägungsdisproportionalität, zur Abwägungsfehlgewichtung und zum Ubersehen des einzig richtigen Abwägungsergebnisses im Verwaltungsrecht nur eine einzige Fehlerkategorie anzunehmen, den Abwägungsmangel. 1 1 2 D e r Abwägungsmangel soll auch den Fall erfassen, in dem die relevanten tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte nicht oder nicht vollständig zutrefSiehe dazu Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, §31 Rdn.62 Kopp/Schenke, VwGO, §114 Rdn.13, 15, 30, 41, 44; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, §31 Rdn.28f., 53. 112 Siehe - mit anderem Verständnis - zum Ermessensmangel Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, §31 Rdn. 48. 110 111

220

3. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des Aufsichtsrats

fend bestimmt worden sind und deshalb die Bewertung, die Gewichtung und der Ausgleich der relevanten tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte im Lichte der objektiven Umstände und des Verbots unsachgemäßer Erwägungen nicht gerechtfertigt ist. 1 1 3 D e r Abwägungsmangel soll schließlich den Fall erfassen, in dem „eine engagierte Auseinandersetzung mit den jeweils anstehenden Leitungs- und U b e r w a chungsfragen" bzw. eine „ausführliche und ausgewogene E r ö r t e r u n g " , die „die Expertise der Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder" ausschöpft, 1 1 4 nicht stattfindet. Das gleiche gilt für den Fall, in dem „Managemententscheidungen" nicht durch eine „systematische Ausschöpfung des Standes des zugänglichen Wissens analytisch ... vorbereitet" und insbesondere nicht „über eine Globalbegründung hinaus argumentativ gestützt' ' werden 1 1 5 . 1 1 6 In diesem Fall ist die Bewertung, die Gewichtung und der Ausgleich der relevanten tatsächlichen und rechtlichen G e sichtspunkte im Lichte ihres Rationalgehaltes nicht gerechtfertigt. 1 1 7 D i e E i n b e ziehung dieser Fallgruppe ist aus zwei Gründen geboten. Z u m einen entspricht es der ganz herrschenden Auffassung in der Management- und Betriebswirtschaftslehre, daß gut vorbereitete Problemlösungen im Durchschnitt erfolgsträchtiger sind als rein intuitive Entwicklungen von Entschlußideen. Sie setzen jedoch E i n sichten in die fraglichen Problemzusammenhänge und Analysen zur Entscheidungsfundierung voraus. 1 1 8 Z u m anderen führt allein die Verbesserung der Informationsströme nicht zu einer entscheidenden Verbesserung der Aufgabenwahrnehmung. E s k o m m t vor allem auf die sachgerechte N u t z u n g dieser O r d n u n g und damit auf die Informationsaufnahme, die Informationsverarbeitung und die Informationsumsetzung an. 1 1 9 Ein Abwägungsmangel liegt mithin vor, wenn die relevanten tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte (alle und nur diese) nicht in einer Weise bewertet, gewichtet und ausgeglichen worden sind, die im Lichte der objektiven Umstände, der Wertungsgrundsätze (des Verbots unsachgemäßer und unsachlicher E r w ä gungen) und/oder ihres Rationalgehaltes gerechtfertigt werden kann. 113 Die Frage, ob diese Konstellation im Verwaltungsrecht von den Gewichtungsfehlern erfaßt wird, ist nicht ganz klar; siehe etwa Kopp/Schenke, VwGO, § 114 Rdn. 12f., 35f., und Wolff/ Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, §31 Rdn. 47, 62. Nach hier vertretener Auffassung ist das zwingend. Denn die Unvollständigkeit ist wie das Defizit ein struktureller Vorgangsfehler, der einen inhaltlichen Fehler verursachen kann und können muß. Dies kann nur ein Gewichtungsfehler sein, der den durch ein Abwägungsdefizit implizierten Gewichtungsfehlern (unsachgemäße Erwägungen) entspricht. 1 , 4 Ziff. II.4.1 des Berliner Kodex. 115 Von Werder zfbf Sonderheft 36/96, S.27, 53, 58. 116 Siehe dazu von Werder zfbf Sonderheft 36/96, S. 27, 51 ff. und DB 1995, S. 2177,2181 ff. sowie von Werder/Feld RIW 1996, S. 481,489, 490ff. und Ziff. II.3.2, II.4, III.4.2, III.4.3 des Berliner Kodex. 117 Von Werder zfbf Sonderheft 36/96, S.27, 53ff. 118 Von Werder zfbf Sonderheft 36/96, S.27, 52f. 119 Dreher, Corporate Governance, S.33, 56f. (siehe auch S.37f., 42f.).

A. Ansatzpunkt

bb)

221

Abwägungsunschlüssigkeit

Mit Blick auf die strukturellen Vorgangsfehler stellt sich zunächst die Frage, ob die gesellschaftsrechtlichen Fehlerkategorien den verwaltungsrechtlichen Fehlerkategorien der strukturellen Vorgangsfehler erster Stufe (Ausfall, Unterschreitung, Unvollständigkeit der Erkenntnisgrundlage, Abwägungsdefizit, Abwägungsüberhang) in ihrem Differenzierungsgrad nachgebildet werden sollen. Nicht einmal in der verwaltungsrechtlichen Literatur wird sauber zwischen dem Ausfall und der Unterschreitung und zwischen der Unvollständigkeit der Erkenntnisgrundlage und dem Abwägungsdefizit getrennt. 120 Es kommt erschwerend hinzu, daß der Ausfall (Nichtvornahme einer vorzunehmenden Abwägung), die Unterschreitung (Unterschätzen der Reichweite des Einschätzungsbegriffs bzw. der Ermessensermächtigung), die Unvollständigkeit der Erkenntnisgrundlage (unzutreffende oder unvollständige Ermittlung der relevanten Gesichtspunkte), das Abwägungsdefizit (Nichtberücksichtigung relevanter Gesichtspunkte) und der Abwägungsüberhang (Berücksichtigung nicht relevanter Gesichtspunkte) in letzter Konsequenz alle dazu führen, daß nicht gewürdigt wird, was gewürdigt werden muß. 121 Daher ist es im Gesellschaftsrecht völlig ausreichend, in Parallele zum Ausfall, zur Unterschreitung, zur Unvollständigkeit der Erkenntnisgrundlage, zum Abwägungsdefizit und zum Abwägungsüberhang nur eine einzige Fehlerkategorie anzunehmen, die Abwägungsunschlüssigkeit. 1 2 2 Eine Abwägungsunschlüssigkeit liegt vor, wenn die relevanten tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte nicht, nicht vollständig oder nicht ausschließlich gewürdigt werden oder zwar gewürdigt werden, aber zuvor nicht oder nicht vollständig zutreffend bestimmt worden sind (sachbezogene Gesichtspunkte nicht berücksichtigt; sachbezogene Gesichtspunkte zwar berücksichtigt, aber nicht zutreffend erkannt; sachfremde Gesichtspunkte berücksichtigt).

cc)

Abwägungsmißorganisation

Des weiteren stellt sich die Frage, ob im Gesellschaftsrecht zusätzliche Fehlerkategorien gebildet werden müssen. Dies betrifft zunächst die strukturellen Vorgangsfehler erster Stufe. Denn im Verwaltungsrecht wird (auch) mit den strukturellen Vorgangsfehlern erster Stufe an die - nach Fehlergegenstand und Fehlerfolgen - strikte Trennung zwischen dem formellen Verwaltungsverfahrensrecht und dem materiellen Verwaltungsrecht angeknüpft, was dem Gesellschaftsrecht fremd ist. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob neben der Abwägungs-

120 Siehe dazu Alexy JZ 1986, S.701, 709, 711 f., 713 sowie S.712 und Kopp/Schenke, VwGO, §114 Rdn. 14 („Beide Varianten werden häufig gleichgesetzt") sowie Rdn. 12, 35. 121 Vgl. zu dieser Formulierung Alexy JZ 1986, S.701, 711. 122 Siehe - mit etwas anderem Verständnis - zur Ermessensunschlüssigkeit Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, §31 Rdn.53.

222

3. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des Aufsichtsrats

unschlüssigkeit im Gesellschaftsrecht weitere Fehlerkategorien anzuerkennen sind. Diese Frage ist zu bejahen. E s entspricht zwar der ganz herrschenden Meinung im Gesellschaftsrecht, daß die Geschäftsführung 1 2 3 des Vorstands ordnungsmäßig sein muß, während die unternehmerischen Entscheidungen des Vorstands rechtmäßig, wirtschaftlich und zweckmäßig sein müssen. 1 2 4 Dementsprechend wird das Kriterium der Ordnungsmäßigkeit nicht auf die Entscheidungen des Vorstands/Aufsichtsrats bezogen, und zwar mit der Konsequenz, daß der A u f sichtsrat lediglich „ganz allgemein" die Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsführung überwachen muß. 1 2 5 Dabei wird nicht übersehen, daß die mangelnde O r d nungsmäßigkeit eine der Ursachen ist, „die häufig zu unternehmerischen F e h l entscheidungen f ü h r e n . " 1 2 6 G e h t man einmal von der Definition der Ordnungsmäßigkeit in dem am 14. F e bruar 2 0 0 0 verabschiedeten I D W PS 720 (Fragenkatalog zur Prüfung der O r d nungsmäßigkeit der Geschäftsführung und der wirtschaftlichen Verhältnisse nach § 53 H G r G ) aus, so geht es dabei u m die Zusammensetzung und Selbstorganisation des Vorstands und des Aufsichtsrats („Geschäftsführungsorganisation"), das Instrumentarium des Vorstands („Geschäftsführungsinstrumentarium") und das Zusammenwirken des Vorstands mit dem Aufsichtsrat sowie die Vorbereitung und Ü b e r w a c h u n g von grundlegenden Entscheidungen des Vorstands zur Geschäftspolitik („Geschäftsführungstätigkeit"). 1 2 7 Vor diesem Hintergrund ist der entscheidende Gesichtspunkt, daß die Zusammensetzung, die Selbstorganisation und die Instrumentarien einerseits und die Entscheidungsfindung und gerade auch die Entscheidungsfundierung andererseits nicht beziehungs- und zusammenhangslos nebeneinander stehen. Vielmehr haben die Entscheidungsfindung und vor allem die kognitive Basis der Entscheidung

(Entscheidungsgrundlagen/Entscheidungsfundierung)

organisatorische

Voraussetzungen (Entscheidungsorganisation). D i e Entscheidungsorganisation hat nachhaltigen Einfluß auf die Qualität der Entscheidungsfundierung und der Entscheidungsfindung 1 2 8 und damit in letzter Konsequenz auch auf die Qualität der Entscheidung. 1 2 9 M a n kann es auch etwas pointierter formulieren: J e k o m p e tenter das O r g a n zusammengesetzt ist, je effektiver es den Sachverstand seiner Mitglieder einsetzt und je effektiver seine informationellen Instrumentarien sind,

123 124 125 126 127 128

346. 129

346.

Siehe zur Problematik des Begriffs der Geschäftsführung nur Semler, Überwachung, S. 5ff. Siehe exemplarisch die Darstellung bei Semler, Überwachung, S. 108ff. Siehe dazu Semler, Überwachung, S. 107f. und Mertens, Kölner Kommentar, § 111 Rdn. 12. So ausdrücklich Semler, Überwachung, S. 108. Ziff. 16ff. des IDW PS 720. Vgl. dazu von Werder/Feld RIW 1996, S.481, 489 und auch Kaiser DB 2005, S.345, 345, Vgl. dazu von Werder/Feld RIW 1996, S.481, 493 und auch Kaiser DB 2005, S.345, 345,

A.

223

Ansatzpunkt

um so besser werden die Entscheidungsfundierung und die Entscheidungsfindung und damit in letzter Konsequenz auch seine Entscheidungen sein. Der beste Beleg für diese These ist der Umstand, daß die Berliner Bankgesellschaft und die Philipp Holzmann A G nach weit verbreiteter Ansicht gerade deshalb in Schwierigkeiten geraten sind, weil kein effizientes oder sogar gar kein Risikomanagementsystem vorhanden war. Es hätte die Informationen liefern können, auf deren Grundlage die risikobehafteten Entscheidungen nicht getroffen worden wären oder rechtzeitig Entscheidungen zur Risikosteuerung hätten getroffen werden können. 1 3 0 Ein weiteres Argument, aus diesem Befund Konsequenzen zu ziehen, folgt aus dem Verwaltungsrecht. Das formelle Verwaltungsverfahrensrecht soll gerade auch sicherstellen, daß die Entscheidung auf der Grundlage aller Informationen über die entscheidungsrelevanten Gesichtspunkte getroffen wird. Dies wird im Planungsrecht besonders deutlich. Das Planfeststellungsverfahren beginnt mit einem Verwaltungsakt (Eröffnung des Planfeststellungsverfahrens) und endet mit einem Verwaltungsakt

(Planfeststellungsbe-

schluß) und beinhaltet ein umfassendes formalisiertes Anhörungsverfahren, das (auch) sicherstellen soll, daß die Planfeststellungsbehörde alle entscheidungsrelevanten Informationen erhält. Das Planfeststellungsverfahren ist ein informationelles Instrumentarium im oben beschriebenen Sinne. Vor diesem Hintergrund ist im Gesellschaftsrecht unter dem Gesichtspunkt der strukturellen Fehler erster Stufe neben der Abwägungsunschlüssigkeit eine weitere Fehlerkategorie anzuerkennen, die Abwägungsmißorganisation. 131 Es handelt sich um einen strukturellen Vorgangsfehler, weil er nicht den Inhalt des Ergebnisses oder der Begründung betrifft, sondern der Form des zum Ergebnis führenden Gedanken-, Willens- und Argumentationsprozesses anhaftet. E r ist ein struktureller Vorgangsfehler erster Stufe, weil er aufgrund seiner Eigenart mit einem Ergebnis einhergehen kann, das ein mögliches Ergebnis eines fehlerfreien Vorgangs ist. Das Bedürfnis dafür, diesen strukturellen Fehler anzuerkennen, folgt auch daraus, daß es gerade die strukturellen Vorgangsfehler sind, die zu einer Haftung für proper decisions that turn out badly führen können und sollen, deren Vermeidung vice versa aber auch sicherstellen kann und soll, daß nur für bad decisions gehaftet wird. 132 Sie gleichen den Umstand aus, daß im Rahmen der negativen 130 Siehe dazu einerseits L G Berlin A G 2002, S. 682, 682ff. und dazu Preußner/Zimmermann A G 2002, S. 657, 657ff. sowie andererseits Hansen A G 2002, S. R 162. 131 Vgl. dazu die Ansätze von Kiethe WM 2003, S. 861, 865 („... setzt die Feststellung, daß sich die Eingehung eines riskanten Kreditgeschäfts noch innerhalb der Grenzen des haftungsfreien unternehmerischen Ermessens bewegt, neben der Verantwortbarkeit des eingegangenen Risikos weiter voraus, daß der angestellten Risikoprognose ausreichende Informationen zugrundeliegen, die Organisationspflichten durch die Einrichtung und Überwachung eines ordnungsgemäßen Risikocontrollings bzw. -managements gewahrt sind.") und - ähnlich -von Witte/Hrubesch B B 2004, S. 725, 730f. 132 Siehe zu dieser Terminologie und diesem Konzept Eisenberg, business judgment rule,

224

3. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des Aufsichtsrats

Kontrolle die K o n t r o l l k o m p e t e n z im H i n b l i c k auf das Ergebnis einer Einschätzung bzw. Ermessensausübung (und damit in der Regel im H i n b l i c k auf den Ten o r der Entscheidung) begrenzt ist. Sie sind nicht nur Ausdruck des Umstandes, daß im R a h m e n der negativen Kontrolle die Kontrolle der materiellen R e c h t m ä ßigkeit des Gesamtaktes auf den zum Ergebnis (und damit in der Regel z u m Tenor der Entscheidung) führenden Vorgang der Einschätzung bzw. Ermessensausübung erstreckt wird. Sie bringen auch die Konsequenzen am deutlichsten zum Ausdruck, weil sie selbst dann die Pflichtwidrigkeit der auf den zugehörigen E i n schätzungen bzw. Ermessensausübungen beruhenden Entscheidungen des Vorstands/Aufsichtsrats im Sinne des § 9 3 A k t G / d e r § § 1 1 6 , 93 A k t G begründen, wenn sie mit einer Begründung und einem Entscheidungstenor einhergehen, die (inhaltlich) fehlerlos sind. D i e Rechtfertigung dafür liegt letztlich darin, daß die beschränkte gerichtliche Uberprüfbarkeit des Entscheidungstenors

(mit der

Konsequenz einer Haftung nur für bad decisions, nicht für proper decisions that turn out badly) durch eine gerichtliche Überprüfung des Entscheidungsprozesses (mit der K o n s e q u e n z einer Haftung für proper decisions that turn out badly) kompensiert und legitimiert wird. Vor diesem Hintergrund kann die Erkenntnis, daß die Entscheidungsorganisation die Qualität der Entscheidung nachhaltig beeinflußt, nicht folgenlos bleiben. Sie m u ß vielmehr dazu führen, daß die K o m p e n sation und Legitimation der beschränkten gerichtlichen Uberprüfbarkeit des Entscheidungstenors durch eine Verstärkung der gerichtlichen U b e r p r ü f u n g des Entscheidungsprozesses unter dem Gesichtspunkt der Entscheidungsorganisation verstärkt wird. E i n e Abwägungsmißorganisation liegt vor, wenn im H i n b l i c k auf die Zusammensetzung, die Selbstorganisation und das Instrumentarium des O r g a n s , dem die Abwägung aufgegeben ist, die organisatorischen Voraussetzungen der A b w ä gung nicht gegeben sind. dd) Mißverhältnis

zwischen

Ergebnis

und

Vorgang

D i e Frage, o b im Gesellschaftsrecht zusätzliche Fehlerkategorien gebildet werden müssen, betrifft auch die strukturellen Vorgangsfehler zweiter Stufe. D e n n im Verwaltungsrecht werden die strukturellen Vorgangsfehler zweiter Stufe vor dem Hintergrund der einzelnen Abwägung (Einschätzungsprärogative bzw. E r messensspielraum) gebildet. 1 3 3 D a b e i wird durchaus anerkannt, daß sich die E r messensausübung in den Fällen, in denen ein Ermessensspielraum auf einer E r messensprärogative aufbaut, an dem Einschätzungsergebnis zu orientieren hat. 1 3 4

S.43ff. und Der Konzern 2004, S. 386,392 („Unterscheidung zwischen schlechten Entscheidungen und vernünftigen Entscheidungen mit schlechtem Ausgang"). 133

Alexy JZ 1986, S.701, 708, 712, 713.

So liegt etwa die Einstellung und Auswahl von Beamtenbewerbern im Ermessen, das sich aber an der Einschätzung der Eignung, Befähigung und Leistung der Bewerber zu orientieren hat 134

A.

Ansatzpunkt

225

Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob neben dem Mißverhältnis von Motivation und Begründung (fehlerhafte Motivation bei fehlerfreier Begründung und fehlerfreiem Ergebnis/Vorwand) und dem Mißverhältnis von Vorgang und Ergebnis (fehlerhafte Begründung bei fehlerfreiem Ergebnis) im Gesellschaftsrecht weitere Fehlerkategorien anzuerkennen sind. Diese Frage ist zu bejahen. Denn das, was im Verwaltungsrecht mit der Ermessensausübung, die sich an einem Einschätzungsergebnis zu orientieren hat, eher die Ausnahme ist, ist im Gesellschaftsrecht in den hier interessierenden Fällen die Regel: D e m Vorstand und dem Aufsichtsrat stehen typischerweise eine ganze Reihe von Entscheidungsfreiräumen zu. Bei den typischen Managemententscheidungen des Vorstands erfordert die Analyse des Handlungsbedarfs die Einschätzung von vernetzten Einflußfaktoren und ihrer wahrscheinlichen Entwicklung sowie von Konsequenzen in sachlicher und zeitlicher Hinsicht und Zielkonflikten, die Evaluation der Änderung und Beibehaltung des bisherigen Zustandes und die Ermittlung der überlegenen Alternative. Die Entwicklung und Bewertung von Handlungsprogrammen und die abschließende Auswahl eines Handlungsprogramms erfordert die Einschätzung von vernetzten Einflußfaktoren und ihrer wahrscheinlichen Entwicklung sowie von Konsequenzen in sachlicher und zeitlicher Hinsicht und Zielkonflikten, die Generierung und Evaluation der einzelnen infragekommenden Maßnahmen oder Maßnahmenbündel und die Ermittlung der überlegenden Maßnahme oder des überlegenen Maßnahmenbündels. Dem Aufsichtsrat stehen bei der Wahrnehmung der Uberwachungsaufgabe aufgrund des § 111 Abs. 1 A k t G im Rahmen seiner Analyse des Handlungsbedarfs unter dem Gesichtspunkt der Erkenntnis einer besseren Entscheidung dieselben Entscheidungsfreiräume wie dem Vorstand und im Rahmen seiner Bewertung von Handlungsprogrammen und abschließenden Auswahl eines Handlungsprogramms im Hinblick auf die Evaluation/Ausgestaltung bestimmter einzelner infragekommender Maßnahmen Entscheidungsfreiräume zu. Bei der Wahrnehmung der sonstigen Aufgaben sind ihm den Entscheidungsfreiräumen des Vorstands vergleichbare Entscheidungsfreiräume zuzubilligen. Der innere Zusammenhang zwischen Einschätzung, Evaluation und Auswahl liegt in den Fällen, in denen Einschätzungs-, Evaluations- und Auswahlfreiräume gegeben sind, auf der Hand: 1 3 5 Leidet die Einschätzung (etwa der Risiken einer Option) an einem (inhaltlichen) Ergebnisfehler (Abwägungsmangel), so leidet bei folgerichtigem Vorgehen - die nachfolgende Evaluation (dieser Option) an einem strukturellen Vorgangsfehler (Abwägungsunschlüssigkeit). Denn sachbezogene Gesichtspunkte werden zwar berücksichtigt, sind aber nicht zutreffend er-

(unechte Kopplung); siehe dazu Maurer, Verwaltungsrecht, §7 Rdn. 48 und zum Planungsermessen Kopp/Schenke, V w G O , §114 Rdn. 34, 34b, 36b, 37, 37a. 135 Vgl. dazu von Werder/Feld R I W 1996, S.481, 493.

226

3. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des Aufsichtsrats

kannt worden (das Ausmaß der Risiken). Sie leidet dann auch - vorbehaltlich eines echten strukturellen Fehlers erster Stufe - an einem dadurch verursachten oder mitverursachten inhaltlichen Vorgangsfehler (Abwägungsmangel) und vorbehaltlich eines Mißverhältnisses von Vorgang und Ergebnis (fehlerhafte B e gründung bei fehlerfreiem Ergebnis) - an einem dadurch verursachten (inhaltlichen) Ergebnisfehler (Abwägungsmangel). D e n n die relevanten tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte (die Chancen und Risiken dieser O p t i o n ) werden nicht in einer Weise bewertet, gewichtet und ausgeglichen, die im Lichte der objektiven Umstände, der Wertungsgrundsätze (des Verbots unsachgemäßer und unsachlicher Erwägungen) und/oder ihres Rationalgehalts zu rechtfertigen ist. Dies setzt sich nun fort: D i e nachfolgende Auswahl (unter den O p t i o n e n ) leidet bei folgerichtigem Vorgehen - an einem strukturellen Vorgangsfehler ( A b w ä gungsunschlüssigkeit). D e n n sachbezogene Gesichtspunkte werden zwar berücksichtigt, sind aber nicht zutreffend erkannt worden (es wird ein fehlerhaftes Evaluationsergebnis gewürdigt). Sie leidet dann auch - vorbehaltlich eines echten strukturellen Fehlers erster Stufe - an einem dadurch verursachten oder mitverursachten inhaltlichen Vorgangsfehler (Abwägungsmangel) und - vorbehaltlich eines Mißverhältnisses von Vorgang und Ergebnis (fehlerhafte Begründung bei fehlerfreiem Ergebnis) - an einem dadurch verursachten (inhaltlichen) Ergebnisfehler (Abwägungsmangel). D e n n die relevanten tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte (etwa die Chancen und Risiken der O p t i o n e n im Verhältnis zueinander) werden nicht in einer Weise bewertet, gewichtet und ausgeglichen, die im Lichte der objektiven Umstände, der Wertungsgrundsätze (des Verbots unsachgemäßer und unsachlicher Erwägungen) und/oder ihres Rationalgehaltes zu rechtfertigen ist. 1 3 6 D i e entscheidende K o n s e q u e n z lautet, daß die auf eine an einem (inhaltlichen) Ergebnisfehler (Überschreitung/Zweckverkehrung/Abwägungsmangel)

leiden-

de (erste) Abwägung folgende (zweite) Abwägung - bei folgerichtigem Vorgehen - an einem strukturellen Vorgangsfehler (Abwägungsunschlüssigkeit) leidet, weil das vorangegangene Abwägungsergebnis zwar berücksichtigt wird, aber nicht zutreffend erkannt worden ist. Infolgedessen liegt auch - vorbehaltlich eines echten strukturellen Fehlers erster Stufe - ein dadurch verursachter oder mitverursachter inhaltlicher Vorgangsfehler (Abwägungsmangel) und - vorbehaltlich eines Mißverhältnisses von Vorgang und Ergebnis (fehlerhafte Begründung bei feh-

1 3 6 Betrifft dies die Analyse des Handlungsbedarfs, so liegt ein Auswahlergebnis (abschließende Entschließung darüber, welche O p t i o n dem Unternehmenswohl am besten dient, ist nicht zu rechtfertigen) vor, auf dessen Grundlage sich die Frage, o b die im Rahmen der Entwicklung und Bewertung von Handlungsprogrammen und der abschließenden Auswahl eines Handlungsprogramms bestehenden Ermessensspielräume (Ermessensprärogativen, Evaluationsermessensspielräume und Auswahlermessensspielraum) pflichtgemäß im Sinne des § 9 3 A k t G wahrgen o m m e n worden sind, nicht mehr stellt. D i e Anmaßung ist nach hier vertretener Auffassung kein rechtlich relevanter Einschätzungs-/Ermessensfehler; siehe dazu S. 191 F n . 4 0 .

A.

Ansatzpunkt

227

lerfreiem Ergebnis) - ein dadurch verursachter (inhaltlicher) Ergebnisfehler (Abwägungsmangel) vor. Da in diesem Fall (auch) diese (zweite) Abwägung an einem (inhaltlichen) Ergebnisfehler (Abwägungsmangel) leidet, gilt dasselbe - unter den genannten Voraussetzungen - für die dieser Abwägung nachfolgende (dritte) A b wägung. Vor diesem Hintergrund ist ein weiterer struktureller Vorgangsfehler zweiter Stufe anzuerkennen, der an das aufeinander aufbauende Verhältnis einander nachfolgender Abwägungen anknüpft: Bei folgerichtigem Vorgehen geht das fehlerhafte Ergebnis der vorangegangenen Abwägung in den Vorgang der nachfolgenden Abwägung ein und führt zu einer Abwägungsunschlüssigkeit und - vorbehaltlich eines echten strukturellen Fehlers erster Stufe - zu einem dadurch verursachten oder mitverursachten Abwägungsmangel als inhaltlichem Vorgangsfehler und - vorbehaltlich eines Mißverhältnisses von Vorgang und Ergebnis (fehlerhafte Begründung bei fehlerfreiem Ergebnis) - zu einem Abwägungsmangel als einem dadurch verursachten (inhaltlichen) Ergebnisfehler. Wenn trotz des fehlerhaften Ergebnisses der vorangegangenen Abwägung der Vorgang der nachfolgenden Abwägung strukturell fehlerfrei ist (keine Abwägungsunschlüssigkeit), so liegt ein struktureller Vorgangsfehler zweiter Stufe vor, der dem Mißverhältnis von Vorgang und Ergebnis (fehlerhafte Begründung bei fehlerfreiem Ergebnis) ähnelt: Ein übergreifendes Mißverhältnis von Ergebnis und Vorgang (fehlerfreie Begründung bei vorangegangenem fehlerhaftem Ergebnis). Es zeichnet sich dadurch aus, daß es per definitionem mit einem nachfolgendem strukturell fehlerfreien Vorgang und damit - vorbehaltlich etwaiger (inhaltlicher) Ergebnisfehler - auch mit einem nachfolgenden Ergebnis einhergeht, das ein mögliches Ergebnis eines fehlerfreien Vorgangs ist.

ee) Ergebnis Nach alledem sind - neben dem abstrakten Verhaltensfehler (Überschreitung) als dem einzigen reinen (inhaltlichen) Ergebnisfehler - als konkrete Verhaltensfehler zwei (inhaltliche) Ergebnisfehler/inhaltliche Vorgangsfehler, - die Zweckverkehrung - der Zweck der einer konkreten Entscheidung des Vorstands/Aufsichtsrats zugrundeliegenden Befugnisnorm wird fehlinterpretiert (Verfolgung eines anderen Zwecks als des Unternehmenswohls), und - der Abwägungsmangel - die relevanten tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte (alle und nur diese) werden nicht in einer Weise bewertet, gewichtet und ausgeglichen, die im Lichte der objektiven Umstände, der Wertungsgrundsätze (des Verbots unsachgemäßer und unsachlicher Erwägungen) und/oder ihres Rationalgehaltes gerechtfertigt werden kann, zwei strukturelle Vorgangsfehler erster Stufe, - die Abwägungsmißorganisation - im Hinblick auf die Zusammensetzung, die Selbstorganisation und das Instrumentarium des Organs, dem die Abwägung

228

3. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des

Aufsichtsrats

aufgegeben ist, sind die organisatorischen Voraussetzungen der Abwägung nicht gegeben, und - die Abwägungsunschlüssigkeit - die relevanten tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte werden nicht, nicht vollständig oder nicht ausschließlich gewürdigt oder werden zwar gewürdigt, sind aber zuvor nicht oder nicht vollständig zutreffend bestimmt worden (sachbezogene Gesichtspunkte nicht berücksichtigt; sachbezogene Gesichtspunkte zwar berücksichtigt, aber nicht zutreffend erkannt; sachfremde Gesichtspunkte berücksichtigt), und drei strukturelle Vorgangsfehler zweiter Stufe, - das Mißverhältnis von Motivation und Begründung (fehlerhafte Motivation bei fehlerfreier Begründung und fehlerfreiem Ergebnis/Vorwand), - das Mißverhältnis von Vorgang und Ergebnis (fehlerhafte Begründung bei fehlerfreiem Ergebnis), und - das Mißverhältnis von Ergebnis und Vorgang (fehlerfreie Begründung bei vorangegangenem fehlerhaftem Ergebnis) und damit insgesamt acht Fehlerkategorien anzuerkennen. 3. Fehlerfolgen Das zweite Grundproblem der gesellschaftsrechtlichen Entscheidungsfehlerlehre besteht darin, die Voraussetzungen zu klären, unter denen welche rechtlich relevanten Einschätzungsfehler (Ergebnis- und Vorgangsfehler) und rechtlich relevanten Ermessensfehler (Ergebnis- und Vorgangsfehler) dazu führen, daß Schadensersatzansprüche gegen pflichtwidrig handelnde Vorstandsmitglieder/Aufsichtsratsmitglieder (§93 A k t G / § § 1 1 6 , 93 A k t G ) begründet sind. Im Lichte der Folgenbetrachtung verkürzt die übliche Formulierung, es komme darauf an, ob der fragliche Schaden auch bei pflichtgemäßem Verhalten des Vorstands/Aufsichtsrats im Sinne des § 93 AktG/der §§116, 93 A k t G eingetreten wäre, 1 3 7 das Problem. 1 3 8 Die aufgeworfene Frage wirft nämlich eine ganze Reihe von Problemen auf. Der Grund dafür ist, daß (i) der Zusammenhang zwischen dem/den rechtlich relevanten Einschätzungs- bzw. Ermessensfehler(n) und der auf der/den zugehörigen Einschätzung(en) bzw. Ermessensausübung(en) beruhenden Entscheidung des Vorstands/Aufsichtsrats und (ii) der Zusammenhang zwischen der auf der/den zugehörigen Einschätzung(en) bzw. Ermessensausübung(en) beruhenden Entscheidung des Vorstands/Aufsichtsrats und dem fraglichen Schaden zu berücksichtigen ist. Auf dieser Grundlage lassen sich drei verschiedene Einwände des Vorstands/Auf sichtsrats gegen die Haftung ableiten, die mit ganz unterschiedlichen Problemen behaftet sind.

137 138

Siehe nur Mertens, Kölner Kommentar, §93 Rdn. 101, 106 und §116 Rdn.60. Siehe dazu in Ansätzen auch Roth, Ermessen, S. 137, 137f.

A. a)

Ansatzpunkt

229

Fehlerkausalität

Aus dem Zusammenhang zwischen dem/den rechtlich relevanten Einschätzungsbzw. Ermessensfehler(n) und der auf der/den zugehörigen Einschätzung(en) bzw. Ermessensausübung(en) beruhenden Entscheidung des Vorstands/Aufsichtsrats kann der Einwand abgeleitet werden, daß es bei pflichtgemäßem Verhalten des Vorstands/Aufsichtsrats im Sinne des § 9 3 A k t G / d e r § § 1 1 6 , 93 A k t G zu demselben Entscheidungstenor (und damit auch zu demselben Schaden) gek o m m e n wäre. aa)

Voraussetzungen

D a b e i stellt sich zunächst die Frage, auf welche rechtlich relevanten Einschätzungsfehler (Ergebnis- und Vorgangsfehler) und rechtlich relevanten Ermessensfehler (Ergebnis- und Vorgangsfehler) dieser Einwand gestützt werden kann. D i e A n t w o r t lautet, daß er nur bei den strukturellen Vorgangsfehlern in Betracht k o m m t , die mit einem Entscheidungstenor einhergehen, der als solches (inhaltlich) fehlerlos ist. 1 3 9 D e r (inhaltliche) Ergebnisfehler (Überschreitung) und die (inhaltlichen) E r gebnisfehler/inhaltlichen Vorgangsfehler (Zweckverkehrung und Abwägungsmangel) zeichnen sich per definitionem dadurch aus, daß das Ergebnis seinem I n halt nach gegen geltendes R e c h t verstößt bzw. daß die Vorgangsfehler - vorbehaltlich eines strukturellen Fehlers zweiter Stufe (Mißverhältnis von Vorgang und Ergebnis) - den Charakter von Ergebnisfehlern annehmen. In diesen Fällen verstößt - vorbehaltlich bestimmter weiterer echter struktureller Vorgangsfehler erster Stufe (Abwägungsunschlüssigkeit) und zweiter Stufe (Mißverhältnis von Vorgang und Ergebnis; übergreifendes Mißverhältnis von Ergebnis und Vorgang) - auch der Entscheidungstenor seinem Inhalt nach gegen geltendes R e c h t . 1 4 0 D a n n ist es völlig ausgeschlossen, daß es bei pflichtgemäßem Verhalten des Vorstands/Aufsichtsrats im Sinne des § 9 3 A k t G / d e r § § 1 1 6 , 93 A k t G zu demselben Entscheidungstenor (und damit auch zu demselben Schaden) gekommen wäre. Dies wird an dem zentralen (inhaltlichen) Ergebnisfehler/inhaltlichen Vorgangsfehler, dem Abwägungsmangel, besonders deutlich: Sind die relevanten tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte (alle und nur diese) in der

Abwägung

nicht in einer Weise bewertet, gewichtet und ausgeglichen worden, die im Lichte der objektiven Umstände, der Wertungsgrundsätze (des Verbots unsachgemäßer und unsachlicher Erwägungen) und/oder ihres Rationalgehaltes gerechtfertigt werden kann (inhaltlicher Vorgangsfehler), so ist - vorbehaltlich eines Mißverhältnisses von Vorgang und Ergebnis - notwendig das Ergebnis dieser Abwägung 139 Siehe dazu in Ansätzen auch Roth, Ermessen, S. 137,137f., der zwischen „inhaltlich fehlerhaften Entscheidungen" und „bloßen Verfahrensfehlern" unterscheidet. 140 Vgl. Alexy JZ 1986, S.701, 711, 712, 713, 714.

230

3. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des Aufsichtsrats

(inhaltlich) fehlerhaft. Sind die relevanten tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte (alle und nur diese) im Ergebnis nicht in einer Weise bewertet, gewichtet und ausgeglichen worden, die im Lichte der objektiven Umstände, der Wertungsgrundsätze (des Verbots unsachgemäßer und unsachlicher Erwägungen) und/ oder ihres Rationalgehaltes gerechtfertigt werden kann (inhaltlicher Ergebnisfehler), so ist das Ergebnis dieser Abwägung (inhaltlich) fehlerhaft. In beiden Fällen sind dann - vorbehaltlich eines übergreifenden Mißverhältnisses von Ergebnis und Vorgang - notwendig der Vorgang der nachfolgenden Abwägung strukturell fehlerhaft und - vorbehaltlich einer echten strukturellen Fehlers erster Stufe notwendig der Vorgang der nachfolgenden Abwägung inhaltlich fehlerhaft und vorbehaltlich eines Mißverhältnisses von Vorgang und Ergebnis - notwendig das Ergebnis der nachfolgenden Abwägung (inhaltlich) fehlerhaft. Infolgedessen ist unter den genannten Voraussetzungen - auch das Ergebnis jeder gegebenenfalls weiter nachfolgenden Abwägung und damit in letzter Konsequenz der Entscheidungstenor (inhaltlich) fehlerhaft. 141 Ganz anders sieht es im Hinblick auf die strukturellen Vorgangsfehler aus. Sie zeichnen sich zum Teil dadurch aus, daß sie bereits per definitionem mit einem Ergebnis einhergehen, das ein mögliches Ergebnis eines fehlerfreien Vorgangs ist (Mißverhältnis von Vorgang und Ergebnis und Mißverhältnis von Motivation und Begründung). Zum Teil ziehen sie zumindest per definitionem einen nachfolgenden strukturell fehlerfreien Vorgang nach sich und damit - vorbehaltlich etwaiger (inhaltlicher) Ergebnisfehler - ein nachfolgendes Ergebnis, das ein mögliches Ergebnis eines fehlerfreien Vorgangs ist (übergreifendes Mißverhältnis von Ergebnis und Vorgang). Die übrigen können zumindest aufgrund ihrer Eigenart mit einem Ergebnis einhergehen, das ein mögliches Ergebnis eines fehlerfreien Vorgangs ist (Abwägungsunschlüssigkeit und Abwägungsmißorganisation). Dies wird etwa an der Abwägungsunschlüssigkeit deutlich: Es kann ein (inhaltlich) fehlerfreies Ergebnis mit einer inhaltlich fehlerfreien Begründung getroffen werden, auch wenn die relevanten tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte nicht, nicht vollständig oder nicht ausschließlich gewürdigt worden sind oder zwar gewürdigt worden sind, aber zuvor nicht oder nicht vollständig zutreffend bestimmt worden waren (sachbezogene Gesichtspunkte nicht berücksichtigt; sachbezogene Gesichtspunkte zwar berücksichtigt, aber nicht zutreffend erkannt; sachfremde Gesichtspunkte berücksichtigt). 142 Wenn dies der Fall ist (und damit ein echter struktureller Vorgangsfehler erster Stufe gegeben ist), verstoßen das Ergebnis dieser Abwägung und - vorbehaltlich etwaiger nachfolgender (inhaltlicher) Ergebnisfehler/inhaltlicher Vorgangsfehler und unechter struktureller Vorgangsfehler erster Stufe - notwendig das Ergebnis jeder gegebenenfalls nachfolgenden Abwägung und damit in letzter Konsequenz der Entscheidungstenor 141 142

V%\.Alexy]Z 1986, S.701, 712, 713. Vgl. Alexy J Z 1986, S.701, 708, 709, 711 f., 712.

A.

Ansatzpunkt

231

nicht dem Inhalt nach gegen geltendes Recht. Die unabweisbare Konsequenz lautet, daß es dann auch nicht von vornherein ausgeschlossen ist, daß es bei pflichtgemäßem Verhalten des Vorstands/Aufsichtsrats im Sinne des §93 AktG/der §§116, 93 AktG zu demselben Entscheidungstenor (und damit auch zu demselben Schaden) gekommen wäre. bb)

Reichweite

Des weiteren stellt sich die Frage, wie die Anforderungen an den Einwand zu bestimmen sind, daß es bei pflichtgemäßem Verhalten des Vorstands/Aufsichtsrats im Sinne des §93 AktG/der §§116, 93 AktG zu demselben Entscheidungstenor (und damit auch zu demselben Schaden) gekommen wäre. 143 Man kann den Einwand eng fassen und den Nachweis verlangen, daß es bei pflichtgemäßem Verhalten des Vorstands/Auf sichtsrats im Sinne des §93 AktG/ der §§116, 93 AktG sicher zu demselben/unmöglich zu einem anderen Entscheidungstenor (und damit auch sicher zu demselben/unmöglich zu keinem oder einem anderen Schaden) gekommen wäre. Denkbar ist jedoch auch, ihn weit zu fassen und lediglich den Nachweis zu verlangen, daß es bei pflichtgemäßem Verhalten des Vorstands/Auf sichtsrats im Sinne des §93 AktG/der §§116, 93 AktG möglicherweise zu demselben/nicht zwingend zu einem anderen Entscheidungstenor (und damit auch möglicherweise zu demselben/nicht zwingend zu keinem oder einem anderen Schaden) gekommen wäre. 144 Da der Einwand nur in Betracht kommt, wenn ein struktureller Vorgangsfehler vorliegt, der mit einem Entscheidungstenor einhergeht, der als solches (inhaltlich) fehlerlos ist, ist der Nachweis nur im zweiten Fall bereits damit erbracht, daß diese Umstände dargelegt und bewiesen werden. Dann steht nämlich fest, daß es bei pflichtgemäßem Verhalten des Vorstands/des Auf sichtsrats im Sinne des §93 AktG/der §§116, 93 AktG zwar nicht sicher, wohl aber möglicherweise zu demselben Entscheidungstenor (und damit auch möglicherweise zu demselben Schaden) gekommen wäre. Die entscheidende Frage lautet mithin, ob mehr darzulegen und zu beweisen ist: Ist nachzuweisen, daß ein struktureller Vorgangsfehler nicht nur keinen (inhaltlich) fehlerhaften Entscheidungstenor, sondern auch den konkreten Entscheidungstenor nicht verursacht oder mitverursacht hat? An dieser Stelle ist wiederum ein Blick in das Verwaltungsrecht lehrreich. Denn die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, dem zumindest eine Einschätzungsprärogative und/oder ein Ermessensspielraum zugrundeliegt, kann unter bestimmten Voraussetzungen nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter eiDiese Frage w i r d immerhin von Roth, Ermessen, S. 134, gestreift. Diese Frage w i r d von Roth, Ermessen, S. 137, 137f. gesehen und dahin beantwortet, der Vorstand könne sich nicht pauschal darauf berufen, daß seine Entscheidung sachlich vom unternehmerischen Ermessen gedeckt sei und er die Entscheidung auch unter Beachtung aller zu Rate zu ziehenden Informationen so und nicht anders getroffen hätte, u n d es k o m m e darauf an, ob das Gericht nach seinem eigenen Ermessen eine zumindest ähnliche Entscheidung getroffen hätte. 143

144

232

3. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des Aufsichtsrats

nem rechtlich relevanten Verfahrens- oder Vorgangsfehler („Mängel der Sachverhaltsfeststellung, des Verfahrens, der Abwägung und Wertung" 145 ) 146 zustandegekommen ist. Dies ist der Fall, wenn der rechtlich relevante Verfahrensfehler nach §46 VwVfG (oder nach entsprechenden Vorschriften) „offensichtlich ... die Entscheidung in der Sache nicht beeinflußt hat." Dasselbe gilt, wenn sich der rechtlich relevante Vorgangsfehler seiner Art nach oder aus anderen Gründen (etwa im Fall einer Reduktion auf Null) oder nach dem in §46 VwVfG zum Ausdruck kommenden allgemeinen Rechtsgrundsatz (oder nach entsprechenden Vorschriften) nicht auf den Verwaltungsakt auswirken konnte bzw. nicht ausgewirkt hat. 147 §46 VwVfG lautet: „Die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, der nicht nach § 44 nichtig ist, kann nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustandegekommen ist, wenn offensichtlich ist, daß die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflußt hat." In §214 Abs. 3 Satz 2 BauGB heißt es: „Mängel im Abwägungsvorgang sind nur erheblich, wenn sie offensichtlich und auf das Abwägungsergebnis von Einfluß gewesen sind." §46 VwVfG geht grundsätzlich davon aus, daß der rechtlich relevante Verfahrensfehler „die Entscheidung in der Sache ... beeinflußt hat." 148 Deshalb entfällt der Beseitigungsanspruch nur dann, wenn es angesichts der besonderen Umstände des Falles ausgeschlossen ist, daß die Verwaltung bei fehlerfreiem Verfahren zu einem anderen Ergebnis hätte kommen können. 149 §46 VwVfG erfaßt zwar keine 145

Kopp/Schenke, V w G O , §114 Rdn.31a. In der verwaltungsrechtlichen Literatur wird keine Eingrenzung der Vorgangsfehler auf die strukturellen Vorgangsfehler vorgenommen; siehe dazu nur Wolff/Bachof/Stoher, Verwaltungsrecht I, §31 Rdn.62 und Kopp/Schenke, V w G O , §114 Rdn.6a, 18, 31a, §113 Rdn.58. Es wird zwar durchaus erkannt, daß die zentralen strukturellen Vorgangsfehler (Ausfall/Unterschreitung, Unvollständigkeit/Abwägungsdefizit) das Abwägungsergebnis beeinflußt haben können und daß die Gewichtungsfehler (Verkennung/Fehleinschätzung der Wertungsgrundsätze, Abwägungsdisproportionalität, Abwägungsfehlgewichtung, Ubersehen des einzig richtigen Abwägungsergebnisses) - vorbehaltlich eines etwaigen Mißverhältnisses von Vorgang und Ergebnis - stets von Einfluß auf das Abwägungsergebnis sind. Daraus wird aber nicht die Konsequenz gezogen, daß bei den Gewichtungsfehlern - vorbehaltlich eines etwaigen Mißverhältnisses von Vorgang und Ergebnis - notwendig auch ein (inhaltlicher) Ergebnisfehler gegeben ist und sich deshalb die Frage stellt, ob die §§46 VwVfG, 214 Abs. 3 Satz 2 BauGB in diesen Fällen von vornherein nicht anwendbar sind, weil sich die Frage nach der Auswirkung gar nicht stellt. 146

147 Kopp/Schenke, V w G O , § 113 Rdn. 55ff., § 114 Rdn. la, 6a, 18, 31a. Zur Unbeachtlichkeit aufgrund einer nachträglichen Heilung im weiteren Verlauf des Verfahrens nach §45 VwVfG oder durch eine Widerspruchsentscheidung nach den §§ 73 Abs. 1 Satz 1, 79 Abs. 1 Nr. 1 V w G O siehe Kopp/Schenke, V w G O , § 114 Rdn. 6a, §113 Rdn. 59, 60ff., aufgrund eines Nachschiebens von Gründen siehe Kopp/Schenke, V w G O , § 113 Rdn. 62ff., aufgrund einer Umdeutung des Verwaltungsaktes gemäß § 47 VwVfG siehe Kopp/Schenke, V w G O , § 113 Rdn. 79 (und insbesondere zu § 114 Satz 2 V w G O siehe Kopp/Schenke, V w G O , § 114 Rdn. 49ff.). 148 Kopp/Schenke, V w G O , § 114 Rdn. 6a. 149 Vgl. Kopp/Schenke, V w G O , § 113 Rdn. 56 („Der Begriff der Offensichtlichkeit verlangt, daß die fehlende Kausalität klar erkennbar ist, gleichsam ,ins Auge springt' und für die fehlende Kausalität tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen. Fehlt es am Vorliegen einer offensichtlich feh-

A.

Ansatzpunkt

233

Verstöße gegen materielles Recht, aber wenn sich ein rechtlich relevanter Vorgangsfehler nicht auf den Verwaltungsakt auswirken konnte bzw. nicht ausgewirkt hat, kann sich aus dem G r a n d s a t z „dolo agit, qui petit, quod statim redditurus est" ein Ausschluß des Beseitigungsanspruchs ergeben. 1 5 0 In diesem Fall wird ebenfalls grundsätzlich davon ausgegangen, daß sich der rechtlich relevante Vorgangsfehler auf den Verwaltungsakt ausgewirkt hat. 151 D a h e r entfällt der Beseitigungsanspruch wiederum nur dann, wenn es angesichts der besonderen U m s t ä n de des Falles ausgeschlossen ist, daß die Verwaltung bei fehlerfreiem Vorgang zu einem anderen Ergebnis hätte k o m m e n können. 1 5 2 Dies ist etwa der Fall, wenn sie ihre Entscheidung auf mehrere Ermessenserwägungen gestützt hat, von denen einzelne fehlerhaft sind, aber zum Ausdruck gebracht hat, daß bereits jede einzelne der Ermessenserwägungen sie dazu veranlaßt hat, so zu entscheiden, und damit jede einzelne der Ermessenserwägungen bereits allein tragend gewesen ist. 1 5 3 Diese Frage wird im Planungsrecht ( § § 2 1 4 Abs. 3 Satz 2 B a u G B , 75 Abs. l a Satz 1 V w V f G ) im Ergebnis ähnlich gesehen. Wenn sich ein rechtlich relevanter Vorgangsfehler nicht auf das Ergebnis auswirken konnte bzw. nicht ausgewirkt hat, kann die Nichtigkeitsfeststellung ausgeschlossen sein. D a b e i wird zwar grundsätzlich davon ausgegangen, daß sich der rechtlich relevante Vorgangsfehler nicht auf das Ergebnis ausgewirkt hat („gesetzliche Vermutung der Unerheblichkeit"), 1 5 4 aber von der Rechtsprechung eine verfassungskonforme Auslegung vorgenommen: D e r Begriff der Offensichtlichkeit wird ebenso extensiv („äußerlich erkennbar") verstanden wie der Begriff der Einflußnahme („möglicher E i n fluß"). Dies hat zur Folge, daß die Nichtigkeitsfeststellung bereits dann eröffnet ist, wenn lediglich die konkrete Möglichkeit nachgewiesen werden kann, daß die lenden Kausalität, bestehen diesbezüglich insbesondere nur Zweifel, wird der Anspruch auf Beseitigung des Verwaltungsaktes durch §46 VwVfG jedoch nicht eingeschränkt.") und §114 Rdn. 6a, 18, 31a. 150 Kopp/Schenke, VwGO, §113 Rdn. 58. 151 Kopp/Schenke, VwGO, § 114 Rdn. 6a. 152 Kopp/Schenke, VwGO, § 114 Rdn. 18 (siehe auch § 114 Fn. 15 - „Das Übersehen eines richtigen Lösungsansatzes bei einer Prüfung ist unerheblich, wenn eine Nachkorrektur für die Prüfungsbewertung insgesamt zu keinem anderen Ergebnis führt." - und § 114 Fn. 123 - „Es genügt bei einer Prüfung, daß die Prüfer bei einer nochmaligen Beurteilung im Ergebnis zur gleichen Bewertung kommen." - sowie § 113 Rdn. 58 - Aufhebung, wenn „nicht auszuschließen ist", daß der Verwaltungsakt nicht erlassen worden wäre). 153 Kopp/Schenke, VwGO, § 114 Rdn. 6a. 154 Kopp/Schenke, VwGO, § 114 Rdn. 6a, 36b (Auch diese Normen betreffen nicht „die Frage der Rechtmäßigkeit des Planungsakts, sondern nur die Fehlerfolgen des Rechtswidrigkeit", so „daß, soweit eine verfassungskonforme Interpretation noch Differenzierungen zwischen den Fällen,offensichtlicher Abwägungsmängel' und ,einfacher Abwägungsmängel' zuläßt,... jedenfalls bei berechtigtem Interesse eine Feststellung der Rechtswidrigkeit eines Planfestellungsbeschlusses nicht a limine ausgeschlossen ist. Soweit offensichtliche Mängel bei der Abwägung in einem Planfeststellungsbeschluß feststellbar sind, die aber auf dessen Ergebnis keinen Einfluß haben, muß auf jeden Fall bei berechtigtem Interesse eine Klage auf Festellung der Rechtswidrigkeit des Planfeststellungsbeschlusses analog § 113 Abs. 1 Satz 4 zulässig sein, was insbesondere bei Wiederholungsgefahr bedeutsam werden kann."; siehe dazu auch §42 Rdn. 32).

234

3. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des

Aufsichtsrats

Verwaltung bei fehlerfreiem Vorgang zu einem anderen Ergebnis hätte kommen können. So formuliert das Bundesverwaltungsgericht: „Zieht man in Betracht, daß die Planungsmotive und Planungsvorstellungen der einzelnen Ratsmitglieder sich ohnehin einer verläßlichen Aufklärung entziehen ..., so wird der Sinn des Begriffs eines offensichtlichen Mangels im Abwägungsvorgang deutlich: Unverändert bleibt alles das beachtlich, was zur äußeren Seite des Abwägungsvorgangs derart gehört, daß es auf objektiv erfaßbaren Sachumständen beruht. Fehler und Irrtümer, die z.B. die Zusammenstellung und Aufbereitung des Materials, die Erkenntnis und die Einstellung aller Belange in die Abwägung oder die Gewichtung der Belange betreffen und die sich etwa aus Akten, Protokollen ... ergeben, sind offensichtlich ... Was dagegen zur inneren Seite des Abwägungsvorgangs gehört, was also die Motive, die etwa fehlenden oder irrigen Vorstellungen der an der Abstimmung beteiligten Mitglieder des Planungsträgers betrifft, gehört ... zu den nicht offensichtlichen Mängeln... Würde man den positiven Nachweis verlangen, daß gerade wegen eines Fehlers so und nicht anders geplant worden ist, so ließe sich kaum ein Fall feststellen, in dem der offensichtliche Abwägungsmangel auf das Abwägungsergebnis von Einfluß gewesen ist. Im Ergebnis würden dann Mängel im AbwägungsVorgang kaum jemals erheblich sein... Eine auf den Zweck der Vorschrift ausgerichtete Interpretation führt deshalb zu dem Ergebnis, daß ein Mangel im Abwägungsvorgang schon dann auf das Abwägungsergebnis von Einfluß gewesen ist, wenn die Möglichkeit besteht, daß ohne den Mangel anders geplant worden wäre ... Eine solche konkrete Möglichkeit besteht immer dann, wenn sich anhand der Planungsunterlagen oder sonst erkennbarer oder naheliegender Umstände die Möglichkeit abzeichnet, daß der Mangel im Abwägungsvorgang von Einfluß auf das Abwägungsergebnis gewesen sein kann .,." 1 5 5 Vor diesem Hintergrund läßt sich die entscheidende Frage konkretisieren: Muß nachgewiesen werden, daß ein struktureller Vorgangsfehler nicht nur keinen (inhaltlich) fehlerhaften Entscheidungstenor, sondern auch den konkreten Entscheidungstenor nicht verursacht oder mitverursacht hat und sich damit im Sinne des Verwaltungsrechts auf den Entscheidungstenor nicht auswirken konnte bzw. ausgewirkt hat bzw. ohne Einfluß auf den Entscheidungstenor gewesen ist ? Dann ginge der Einwand bereits dann fehl, wenn es bei pflichtgemäßem Verhalten des Vorstands/Aufsichtsrats im Sinne des § 93 AktG/der §§116, 93 AktG möglicherweise zu einem anderen/nicht zwingend zu demselben Entscheidungstenor (und damit auch möglicherweise zu keinem oder einem anderen/nicht zwingend zu demselben Schaden) gekommen wäre.156 155 BVerwG BVerwGE 64, S.33, 38ff.; siehe dazu Kopp/Schenke, V w G O , § 114 Rdn.6a („daß die Möglichkeit einer anderen Entscheidung in concreto positiv nachzuweisen ist") und §42 Rdn. 32 („wenn nach den Umständen des Einzelfalls die konkrete Möglichkeit eines solchen Einflusses bestand"). 156 Und nicht erst dann, wenn es bei pflichtgemäßem Verhalten des Vorstands/Aufsichtsrats

A.

Ansatzpunkt

235

Im Gesellschaftsrecht besteht - entsprechend der Lage im Verwaltungsrecht ein Bedürfnis dafür, den Einwand, daß es bei pflichtgemäßem Verhalten des Vorstands/Aufsichtsrats im Sinne des §93 AktG/der §§116, 93 AktG zu demselben Entscheidungstenor (und damit auch zu demselben Schaden) gekommen wäre, zu begrenzen. Angesichts der beschränkten gerichtlichen Uberprüfbarkeit von Entscheidungen, bei denen dem Vorstand/Aufsichtsrat zumindest ein Entscheidungsfreiraum zusteht, ist es geboten, die übrigen - neben der Pflichtwidrigkeit des Vorstands im Sinne des §93 AktG/des Aufsichtsrats im Sinne der §§116, 93 AktG - bestehenden Haftungsvoraussetzungen eng zu fassen. Darin liegt ein gewisser Ausgleich für die negative Kontrolle dieser Entscheidungen, oder anders gewendet, für die fehlende Möglichkeit einer positiven Kontrolle dieser Entscheidungen. Man kann es auch etwas pointierter formulieren: Wenn die Entscheidung nur beschränkt gerichtlich kontrollierbar ist, dann dürfen im Wege der Interpretation der weiteren Haftungsvoraussetzungen nicht noch zusätzliche Haftungsfreiräume für Vorstände und Aufsichtsräte eröffnet werden. Dem entspricht im Ergebnis die vorherrschende Ansicht im Gesellschaftsrecht: Die bloße Möglichkeit, das der fragliche Schaden auch bei pflichtgemäßem Verhalten des Vorstands/Aufsichtsrats im Sinne des §93 AktG/der §§116, 93 AktG eingetreten wäre, soll die Vorstände/Aufsichtsräte nicht entlasten können. 157 Das pflichtwidrige Verhalten des Vorstands/Aufsichtsrats im Sinne des §93 AktG/der §§116, 93 AktG soll in aller Regel die Annahme begründen, daß die pflichtwidrig handelnden Vorstandsmitglieder/Aufsichtsratsmitglieder schuldhaft gehandelt haben. 158 Eine solche Interpretation macht die negative Kontrolle der Entscheidungen, bei denen dem Vorstand/Aufsichtsrat zumindest ein Entscheidungsfreiraum zusteht, im Ergebnis effizienter. Vorstände/Auf sichtsräte werden mangels zusätzlicher Haftungsfreiräume nachhaltig zur Vermeidung der rechtlich relevanten Einschätzungsfehler (Ergebnis- und Vorgangsfehler) und rechtlich relevanten Ermessensfehler (Ergebnis- und Vorgangsfehler) angehalten. Das Wesen der negativen Kontrolle spricht ebenfalls dafür, den Einwand, daß es bei pflichtgemäßem Verhalten des Vorstands/Aufsichtsrats im Sinne des §93 AktG/der §§116,93 AktG zu demselben Entscheidungstenor (und damit auch zu demselben Schaden) gekommen wäre, eng zu fassen. Die strukturellen Vorgangsfehler, die mit einem Entscheidungstenor einhergehen können, der als solches (inhaltlich) fehlerlos ist, verkörpern den Ansatz der Vorgangskontrolle am deutlichsten: Sie und nur sie sind die spezifischen Einschätzungs- bzw. Ermessensfehler, im Sinne des §93 AktG/der §§116, 93 AktG sicher zu einem anderen/unmöglich zu demselben Entscheidungstenor (und damit auch sicher zu keinem oder einem anderen/unmöglich zu demselben Schaden) gekommen wäre. 157 Siehe nur Mertens, Kölner Kommentar, §93 Rdn.23 („hypothetische Schadensverursachung durch rechtmäßiges Alternativverhalten") und § 116 Rdn.60. 158 Siehe nur Mertens, Kölner Kommentar, §93 Rdn.7, 98f., lOlf. und §116 Rdn.7, 57.

236

3. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des Aufsichtsrats

und (auch) sie begründen die Pflichtwidrigkeit der auf den zugehörigen Einschätzungen bzw. Ermessensausübungen beruhenden Entscheidungen des Vorstands/ Aufsichtsrats im Sinne des § 93 AktG/der §§116 AktG. Diese Wertung würde geradezu konterkariert, wenn diese Entscheidungen dann nicht auch in der Regel zum Schadensersatz führen würden. Das wäre der Fall, wenn man den Einwand, daß es bei pflichtgemäßem Verhalten des Vorstands/Aufsichtsrats im Sinne des §93 AktG/der §§116, 93 AktG zu demselben Entscheidungstenor (und damit auch zu demselben Schaden) gekommen wäre, bereits dann zuließe, wenn dargelegt und bewiesen wird, daß ein struktureller Vorgangsfehler vorliegt, der mit einem Entscheidungstenor einhergeht, der als solches (inhaltlich) fehlerlos ist. b)

Entscheidungskausalität

Schlägt der Einwand fehl, daß es bei pflichtgemäßem Verhalten des Vorstands/ Aufsichtsrats im Sinne des §93 AktG/der §§116, 93 AktG sicher zu demselben Entscheidungstenor (und damit auch sicher zu demselben Schaden) gekommen wäre, weil ein struktureller Vorgangsfehler zwar keinen (inhaltlich) fehlerhaften Entscheidungstenor, wohl aber den konkreten Entscheidungstenor verursacht oder mitverursacht hat, oder kommt dieser Einwand nicht in Betracht, weil kein struktureller Vorgangsfehler vorliegt, der mit einem Entscheidungstenor einhergeht, der als solches (inhaltlich) fehlerlos ist, stellt sich die Frage nach weiteren Einwänden. Aus dem Zusammenhang zwischen der auf der/den zugehörigen Einschätzung(en)/Ermessensausübung(en) beruhenden Entscheidung des Vorstands/Aufsichtsrats und dem fraglichen Schaden können zwei Einwände abgeleitet werden. Der erste Einwand lautet, daß es bei pflichtgemäßem Verhalten des Vorstands/ Aufsichtsrats im Sinne des §93 AktG/der §§116, 93 AktG zwar nicht sicher zu demselben Entscheidungstenor (und damit zu der pflichtwidrigen Entscheidung im Sinne des § 93 AktG/der §§116,93 AktG) gekommen wäre, aber ein vergleichbarer Schaden entstanden wäre. Es wird geltend gemacht, daß es bei pflichtgemäßem Verhalten des Vorstands/Aufsichtsrats im Sinne des § 93 AktG/der §§116,93 AktG zwar möglicherweise zu einem oder mehreren anderen Entscheidungstenor(en) gekommen wäre, der/die aber zu einem vergleichbaren Schaden/zu vergleichbaren Schäden geführt hätte/hätten („alternativer Schaden"). 159 Der zweite Einwand lautet, daß es bei pflichtgemäßem Verhalten des Vorstands/Aufsichtsrats im Sinne des §93 AktG/der §§116, 93 AktG zwar nicht si159 Vgl. Mertens, Kölner Kommentar, §93 Rdn.23 („hypothetische Schadensverursachung durch rechtmäßiges Alternatiwerhalten"), 101,106 und § 116 Rdn. 60. Siehe dazu auch Roth, Ermessen, S. 138, der ausführt, der Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens sei uneingeschränkt anwendbar, wenn der Vorstand eine informierte unternehmerische Entscheidung getroffen habe, greife bei Verfahrensfehlern aber nur durch, wenn das Gericht nach seinem eigenen Ermessen eine zumindest ähnliche Entscheidung getroffen hätte.

A.

Ansatzpunkt

237

eher zu demselben Entscheidungstenor (und damit zu der pflichtwidrigen Entscheidung im Sinne des §93 AktG/der §§116, 93 AktG) gekommen wäre, aber der fragliche Schaden der pflichtwidrigen Entscheidung des Vorstands/Aufsichtsrats im Sinne des §93 AktG/der §§116, 93 AktG aufgrund außerordentlicher Umstände nicht zugerechnet werden könne. Es wird geltend gemacht, daß es bei pflichtgemäßem Verhalten des Vorstands/Aufsichtsrats im Sinne des §93 AktG/der §§116, 93 AktG zwar möglicherweise zu einem oder mehreren anderen Entscheidungstenor(en) gekommen wäre, dies aber irrelevant sei, weil der fragliche Schaden aufgrund außergewöhnlicher Umstände eingetreten sei („atypischer Schaden"). 160 Im Hinblick auf diese Einwände lautet die entscheidende Frage, unter welchen Voraussetzungen davon auszugehen ist, daß es gerade die pflichtwidrige Entscheidung des Vorstands/Aufsichtsrats im Sinne des §93 AktG/der §§116, 93 AktG gewesen ist, die den fraglichen Schaden herbeigeführt hat. Dabei handelt es sich jedoch nicht um ein spezifisch gesellschaftsrechtliches Problem. Es geht vielmehr um allgemeine zivilrechtliche Fragen der Schadenszurechnung. Der erste Einwand zielt auf die Folgen möglicher pflichtgemäßer Entscheidungen des Vorstands/Aufsichtsrats im Sinne des §93 AktG/der §§116,93 AktG unter dem Gesichtspunkt des rechtmäßigen Alternativverhaltens. 161 Der zweite Einwand zielt auf die außerordentlichen Umstände des durch die pflichtwidrige Entscheidung des Vorstands/Auf sichtsrats im Sinne des §93 AktG/der §§116, 93 AktG verursachten Schadenseintritts unter dem Gesichtspunkt der adäquaten Kausalität, des Schutzzwecks der Norm und der hypothetischen Schadensursachen. 162 Diese Fragen sollen hier nicht vertieft werden. 4. Ein Vergleich mit der U.S. amerikanischen business judgment rule Im Hinblick auf die Konkretisierung der den directors und officers und der den Vorständen und Aufsichtsräten bei unternehmerischen Entscheidungen obliegenden Rechtspflichten hat eine Angleichung der sich um die Corporate Governance rankenden Problemkreise stattgefunden. Sie hat inzwischen durch das Eingreifen von Rechtsprechung und Gesetzgebung einen gewissen Abschluß gefunden. Die ARAG-Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist als Übernahme der U.S. amerikanischen business judgment rule interpretiert worden. 163 §93 Abs. 1 160 Vgl. Mertens, Kölner Kommentar, 93 Rdn.23 („Adäquanztheorie) und Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung, S.178f. („... ob und wie bestimmte Schäden bei komplexeren Kausalketten ... zugerechnet werden können ..."). 161 Siehe dazu nur Heinrichs, Palandt, Vorbem v §249 Rdn.65, 105 ff. 162 Siehe dazu nur Heinrichs, Palandt, Vorbem v §249 Rdn.58ff., 62ff., 66ff., 96ff. 163 Schneider DB 2005, S.707, 707; Thümmel DB 2004, S.471, 471; Paefgen A G 2004, S.245, 247; Kock/Dinkel NZG 2004, S. 441,443; Fleischer ZIP 2004, S. 685,686; Kiethe W M 2003, S. 861, 864; Witte/Hruhesch BB 2004, S. 725, 728; Kinzl DB 2004, S. 1653, 1653; Luttermann BB 2001, S.2433, 2436; Kindler ZHR 162 (1998), S. 101, 107; Henze BB 2005, S. 165, 166 und BB 2001,

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3. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des Aufsichtsrats

Satz 2 AktG idF. von Art. 1 Nr. 1 RegE U M A G 11/2004 „entspricht Vorbildern der business judgment rule aus dem angelsächsischen Rechtskreis und findet Parallelen in der neueren höchstrichterlichen Rechtsprechung des B G H (Urteil vom 21. April 1997, B G H Z 135, 244 ,ARAG/Garmenbeck')." 1 6 4 Vor diesem Hintergrund soll die hier entwickelte gesellschaftsrechtliche Entscheidungsfehlerlehre im Hinblick auf Abweichungen wie Ubereinstimmungen mit der U.S. amerikanischen Rechtsprechung kritisch gewürdigt und abgesichert werden. a) Die U.S. amerikanische

Rechtsprechung

Im U.S. amerikanischen Recht wird zwischen den standards of conduct (Verhaltensmaßstäben) und den standards of review (Kontrollmaßstäben) unterschieden. Sie sind in der Regel identisch, fallen aber gerade und insbesondere im Gesellschaftsrecht auseinander. Die beiden wichtigsten standards of conduct für directors und officers sind die duty of care (disinterested conduct) und die duty of loyalty (self-interested conduct). Im Hinblick auf die duty of care ist vorrangig die business judgment rule und nachrangig der entire (intrinsic) fairness test 165 der einschlägige standard of review. Im Hinblick auf die duty of loyalty ist vorrangig der entire (intrinsic) fairness test und nachrangig der fraud/waste/gift test, der disinterested ratification test bzw. der just and reasonable test 166 der einschlägige standard of review.167

S.53, 57 sowie BB 2000, S.209, 215; Grooterhorst ZIP 1999, S. 1117, 1123; Heermann AG 1998, S.201, 204; Horn ZIP 1997, S. 1129, 1134. 164 Begründung zu Art. 1 Nr. 1 RegE UMAG 11/2004. 165 Siehe dazu an dieser Stelle nur Abeltshauser, Leitungshaftung, S. 176f. und Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung, S.35ff., 167f., 168 ff. 166 Siehe dazu an dieser Stelle nur Abeltshauser, Leitungshaftung, S.276ff., 281 ff., 290ff., 306ff., 315ff., 319ff. und Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung, S.54f., 66ff., 68f., 167f., 168ff., 175 ff. 167 Eisenberg, business judgment rule, S.35f., 38f. und Der Konzern 2004, S.387, 387f., 389ff. Siehe dazu auch: CRLC, Business Judgment Rule, S. 8; Paefgen AG 2004, S. 245,248,248f.; Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung, S. 13ff., 17f., 31 f.; Roth, Ermessen, S. 37f. Siehe zu der Frage, ob die business judgment rule auch für officers gilt, CRLC, Business Judgment Rule, S. 17f. und Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung, S. 97f., und zu der Frage, ob im Rahmen der duty of care und der business judgment rule zwischen inside directors und outside directors und ob im Rahmen der duty of care zwischen den Leitungs- und Uberwachungsaufgaben der directors zu differenzieren ist, nur Eisenberg Der Konzern 2004, S. 387, 390ff., 396ff. sowie Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung, S. 13, 18f., 33f., 45ff., 97 und - insbesondere zu der Differenzierung zwischen dem personal business affairs Standard (Leitungsaufgaben) und dem reasonable care Standard (Uberwachungsaufgaben) - Abeltshauser, Leitungshaftung, S. 24, 55f., 69, 73, 75, 111 ff., 130f.

A.

Ansatzpunkt

239

Standard of Careful Conduct (especially Right of Inquiry and Reliance) §8.30 (§8.42) Revised Model Business Corporation Act 1998 (a) Each member of the board of directors (officer with discretionary authority), when discharging the duties of a director (an officer with discretionary authority) shall act (1) in good faith, and (2) in a manner the director (officer with discretionary authority) reasonably believes to be in the best interest of the corporation. (b) The members of a board of directors or a committee of the board (officers with discretionary authority), when becoming informed in connection with their decisionmaking function oder devoting attention to their oversight function, shall discharge their duties with the care that a person in a like position would reasonably believe appropriate under similiar circumstances. 168 § 4.01 ALI Principles of Corporate Governance 1994 (a) A director or officer has a duty to the corporation to perform the director's or officer's functions in good faith, in a manner that he or she reasonably believes to be in the best interests of the corporation, and with the care that an ordinarily prudent person would reasonably be expected to exercise in a like position and under similiar circumstances. This Subsection (a) is subject to provisions of Subsection (c) - the business judgment rule - where applicable. (1) The duty in Subsection (a) includes the obligation to make, or cause to be made, an inquiry when, but only when, the circumstances would alert a reasonable director or officer to the need therefore. The extent of such inquiry shall be such as the director or officer reasonably believes to be necessary. (2) In performing any of his or her functions (including oversight functions), a director or officer is entitled to rely on materials and persons in accordance with §§4.02 and 4.03 (reliance on directors, officers, employees, experts, other persons, and committes of the board). 169 §309 California Corporations

Code

(a) A director shall perform the duties of a director, including duties as a member of any committee of the board upon which the director may serve, in good faith, in a manner such director believes to be in the best interests of the corporation and its shareholders and with such care, including reasonable inquiry, as an ordinarily prudent person in a like position would use under similiar circumstances. (b) In performing the duties of a director, a director shall be entitled to rely on information, opinions, reports or statements, including financial statements and other financial data, in each case prepared or presented by any of the following: 168 Siehe dazu Eisenberg Der Konzern 2004, S. 387, 388f. und Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung, S. 15,18,24. Siehe zu dem right of reliance nach dem Revised Model Business Corporation Act nur Buxbaum, Corporate Governance, S. 65,77 und Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung, S. 93 sowie von Werder/Feld RIW 1996, S.481, 491 f. 169 Siehe dazu Eisenberg, business judgment rule, S. 38 und zu dem right of reliance nach den ALI Principles of Corporate Governance nur Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung, S.93.

240

3. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des Aufsichtsrats

(1) One or more officers or employees of the corporation whom the director believes to be reliable and competent in the matters presented. (2) Counsel, independent accountants or other persons as to matters which the director believes to be within such person's professional or expert competence. (3) A committee of the board upon which the director does not serve, as to matters within its designated authority, which committee the director believes to merit confidence, so long as, in any such case, the director acts in good faith, after reasonable inquiry when the need therefore is indicated by the circumstances and without knowledge that would cause such reliance to be unwarranted. 170 Business Judgment Rule § 8.31 Revised

Model Business Corporation

Act 1998

(a) Ein director ist seiner Gesellschaft oder ihren Aktionären gegenüber nicht für die Entscheidung, eine Handlung vorzunehmen oder zu unterlassen, oder für die Unterlassung einer Handlung haftbar, wenn nicht die die Haftung behauptende Partei im Verfahren nachweist, daß ... (2) das in Frage stehende Verhalten nicht in gutem Glauben vorgenommen wurde, oder eine Entscheidung war, - von welcher der director vernünftigerweise nicht annehmen konnte, daß sie im besten Interesse der Gesellschaft liegt, oder - hinsichtlich welcher der director nicht in einem Maße informiert war, das er vernünftigerweise als angemessen angesehen hat, oder - welche aufgrund von familiären, finanziellen oder geschäftlichen Beziehungen des directors zu einer anderen Person, die ein wesentliches Interesse an dem fraglichen Verhalten hat, oder aufgrund einer fehlenden Unabhängigkeit des directors aufgrund einer Beherrschung oder Kontrolle durch eine derartige Person nicht unvoreingenommen war, sofern vernünftigerweise anzunehmen ist, daß diese Beziehung oder diese Beherrschung oder Kontrolle die Meinungsbildung des directors hinsichtlich des fraglichen Verhaltens in einer für die Gesellschaft ungünstigen Weise beeinflußt hat, und der director diese Annahme nicht durch den Nachweis widerlegt, daß er vernünftigerweise davon ausgehen konnte, daß das fragliche Verhalten im besten Interesse der Gesellschaft lag, oder - welche durch einen finanziellen Vorteil, der dem director nicht zustand, oder durch eine sonstige Verletzung der Verpflichtung des directors, sich der Gesellschaft und ihren Aktionären gegenüber fair zu verhalten, sofern diese nach dem jeweils geltenden Recht gerichtlich durchsetzbar ist, beeinflußt worden ist. 171 54.01

ALI Principles of Corporate

Governance

1994

(c) A director or officer who makes a business judgment in good faith fulfills his duty of care if - he is not interested in the subject of his business judgment, - he ist informed with respect to the subject of his business jugment to the extent he reasonably believes to be appropriate under the circumstances, and

Siehe dazu Eisenberg, business judgment rule, S.49f. Siehe dazu Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung, S.24ff., der unter Rückgriff auf die Begründung hervorhebt, daß diese Vorschrift „keine vollständige Formulierung der business judgment rule darstellen soll, ihre wesentlichen Elemente aber wiedergibt." 170 171

A. Ansatzpunkt

241

- he rationally believes that the business judgment is in the best interests of the corporation. 172 §320

California

Corporation

Code (Proposal

1998)

(a) A director of a corporation who makes a business judgment is deemed to have satisfied Section 309 if all of the following conditions are satisfied: - The director acts in good faith. - The director is not interested (Section 321) in the subject of the business jugment. - The director is informed with respect to the subject of the business judment to the extent the director believes is appropriate, and that belief is reasonable, under the circumstances. - The director believes that the business judgment is in the best interests of the corporation and its shareholders, and that belief is rational. (b) A person challenging the conduct of a director as a breach of Section 309 has the burden of proving - that the director failed to satisfy the requirements of subdivision (a), and - if that burden is sustained, that the director failed to satisfy the requirements of Section 309, and - in a damage action against the director based on the director's failure to satisfy the requirements of Section 309, that the failure was the proximate cause of damage suffered by the corporation or its shareholders. 173

aa) Prozessuale

Funktionen

der business judgment

rule

U m die prozessualen Funktionen der business judgment rule zu beschreiben, wird die business judgment rule oft als Vermutung bezeichnet. 1 7 4 Die prozessualen Funktionen der business judgment rule liegen jedoch zunächst in einer Regelung der Darlegungs- und Beweislast. 1 7 5 Es ist grundsätzlich zuerst 1 7 6 der Kläger, der etwas darlegen und beweisen muß, und zwar in der Regel 172 Siehe dazu Kock/Dinkel NZG 2004, S.441, 445f. und Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung, S. 26f., der den Anlaß der Kritik hervorhebt, nämlich den Umstand, „daß das American Law Institute die prozessualen Wirkungen der business judgment rule und die Beweislastverteilung, die durch sie vorgenommen wird, nicht hinreichend beachtet hat." 173 CRLC, Business Judgment Rule, S.21f. 174 CRLC, Business Judgment Rule, S.22; Paefgen AG 2004, S.245, 256; Abeltshauser, Leitungshaftung, S. 132ff.; Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung, S.35; Trockels AG 1990, S. 139, 141; Kronstein/Hawkins RIW 1983, S. 249,252; Frank/Moreland RIW 1989, S. 761, 763; Bangert AG 1994, S.297, 301; von Werder/Feld RIW 1996, S.481, 482. 175 Abeltshauser, Leitungshaftung, S. 132ff.; Paefgen AG 2004, S.245, 256f.; Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung, S.33, 35ff., 167ff.; Bungen AG 1994, S.297, 301; Heermann AG 1998, S.201, 205; Mutter, Entscheidungen, S.215. 176 Nach dem Unocal Standard - intermediate Standard (Anwendung der business judgment rule auf Verteidigungsmaßnahmen gegen Ubernahmeversuche) müssen zunächst die directors darlegen und beweisen, daß sie vernünftige Gründe für die Annahme hatten, die Geschäftspolitik, der wirtschaftliche Kurs und die Effektivität der Gesellschaft seien gefährdet bzw. die Gesellschaft und die Aktionäre in ihrer Gesamtheit seien bedroht, und daß die beschlossenen Verteidigungsmaßnahmen im Verhältnis zu der drohenden Gefahr angemessen waren, bevor die business judgment rule eingreift und sich die Darlegungs- und Beweislast auf den Kläger verlagert. Siehe zu diesem Problemkreis nur: CRLC, Business Judgment Rule, S. 16f., 23; Paefgen AG 2004,

242

3. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des Aufsichtsrats

(zur demand rule sogleich), daß die Voraussetzungen der business judgment rule nicht erfüllt sind, 1 7 7 es also am good faith, am disinterested judgment, am informed judgment und/oder am rational business purpose fehlt. Es genügt allerdings, daß er auf den ersten Anschein das Fehlen des good faith plausibel macht und/ oder erhebliche Zweifel am disinterested judgment und/oder am informed judgment aufkommen läßt. 1 7 8 Gelingt es dem Kläger, darzulegen und zu beweisen, daß die Voraussetzungen der business judgment rule nicht erfüllt sind, so verlagert sich nach überwiegender Ansicht die Darlegungs- und Beweislast auf die Beklagten. 1 7 9 Sie müssen nun darlegen und beweisen, daß ihre Entscheidung dem entire (intrinsic) fairness test genügt und im Falle eines interested judgment gegebenenfalls zudem dem fraud/waste/gift test, dem disinterested ratification test und dem just and reasonable test standhält. 1 8 0 N a c h der demand rule ist der klagewillige Aktionär allerdings erst dann klageberechtigt, wenn (i) er zuvor den board of directors aufgefordert hat, die gewünschte Abhilfemaßnahme (erforderlichenfalls auch die Klageerhebung) selbst vorzunehmen, und die daraufhin ergehende A n t w o r t des board of directors (ins-

S. 245,259f.; Bungen AG 1994, S. 297,302f., 304; Trockels AG 1990, S. 139,143; Frank/Moreland RIW1989, S.7b\,76iii.; Abeltshauser, Leitungshaftung, S. 105ff., 123f.; Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung, S. 117ff. Nach dem Revlon Mode - level playing field rule (Anwendung der business judgment rule auf Verteidigungsmaßnahmen, sobald die Übernahme als solche feststeht) handeln die directors pflichtgemäß, wenn sie (1) sorgfältig und wachsam die angestrebte Transaktion kritisch prüfen, und zwar insbesondere, ob die Bedingungen der angestrebten Transaktion den den Aktionären der Gesellschaft zur Verfügung gestellten Gesamtwert beeinträchtigen, andere Angebote behindern oder ermutigen, im Lichte der Treuepflichten der directors durchsetzbare vertragliche Verpflichtungen darstellen und die Verpflichtungen der directors der Gesellschaft, den höchsten unter den gegebenen Umständen erzielbaren Wert für die Aktionäre der Gesellschaft sicherzustellen, fördern oder behindern, (2) in gutem Glauben handeln, (3) sorgfältig alle wesentlichen und vernünftigerweise verfügbaren Informationen sammeln und verwenden, insbesondere solche, die für den Vergleich der Angebote bzw. einer potentiellen weiteren Alternative im Hinblick auf die Realisierung des bestmöglichen Wertes für die Aktionäre notwendig sind, (4) aktiv und gutgläubig auf dieses Ziel gerichtet sowohl mit dem angestrebten Partner als auch mit den Dritten verhandeln. Siehe zu diesem Problemkreis nur: CRLC, Business Judgment Rule, S. 16f., 23; Paefgen AG 2004, S. 245,260; Bungert AG 1994, S.297,303f., 305,306f.; Trockels AG 1990, S. 139, 143f.; Frank/Moreland RIW 1989, S. 761, 766f., 767ff.; Abeltshauser, Leitungshaftung, S. 111 Fn.235, 123f.; Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung, S. 123ff. 177 Abeltshauser, Leitungshaftung, S. 132ff.; Paefgen AG 2004, S.245, 256; Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung, S.33, 35,167; Trockels AG 1990, S. 139,141,142; Kronstein/Hawkins RIW 1983, S. 249,252; Frank/Moreland RIW 1989, S. 761,763; Bungert KG 1994, S. 297,301; von Werder/Feld RIW 1996, S.481, 482. 178 Abeltshauser, Leitungshaftung, S. 132ff., 120. 179 Abeltshauser, Leitungshaftung, S. 132ff.; Paefgen AG 2004, S.245, 256; Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung, S.35ff., 167ff.; Trockels AG 1990, S. 139, 142; Frank/Moreland RIW 1989, S.761, 763; Bungert AG 1994, S.297, 304, 309; Heermann AG 1998, S.201, 205; Mutter, Entscheidungen, S. 215f.; a.A. CRLC, Business Judgment Rule, S. 22, 15f. 180 Siehe dazu an dieser Stelle nur Abeltshauser, Leitungshaftung, S. 176f. und S. 276ff., 281 ff., 290ff., 306ff., 315ff., 319ff. sowie Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung, S.35ff., 167f., 168ff. und S. 54f., 66ff., 68f., 167f., 168ff., 175ff.

A.

Ansatzpunkt

243

besondere die Ablehnung der gewünschten Abhilfemaßnahme) unrechtmäßig ist oder (ii) eine solche Aufforderung vergeblich wäre und damit entbehrlich ist. Das eine wie das andere muß der klagewillige Aktionär gegebenenfalls gerichtlich klären lassen. In beiden Fällen greift die business judgment rule ein. Macht der klagewillige Aktionär die Unrechtmäßigkeit der Antwort des board of directors geltend, muß er in Delaware darlegen und beweisen, daß „berechtigte Zweifel" daran bestehen, daß die Antwort der im Hinblick auf die Antwort als unabhängig und unbefangen geltenden directors „ansonsten das Ergebnis der zulässigen Ausübung unternehmerischer Beurteilung ist." Dahinter steht die Überlegung, daß der klagewillige Aktionär mit der Aufforderung zugesteht, daß keine gegen die Unbefangenheit und Unabhängigkeit der directors (zum Zeitpunkt der Antwort) und damit für die Vergeblichkeit der Aufforderung sprechenden Umstände vorliegen. Es wird davon ausgegangen, daß von den directors (zum Zeitpunkt der Antwort) eine unvoreingenommene Antwort erwartet werden kann, weil sie kein Eigeninteresse an der angegriffenen Maßnahme hatten und weil sie bei der angegriffenen Maßnahme sorgfältig vorgegangen sind. Macht der klagewillige Aktionär die Vergeblichkeit der Aufforderung geltend, muß er in Delaware darlegen und beweisen, daß „berechtigte Zweifel" daran bestehen, daß die directors im Hinblick auf die angegriffene Maßnahme „unbefangen und unabhängig und daß das angefochtene Rechtsgeschäft ansonsten das Ergebnis der zulässigen Ausübung unternehmerischer Beurteilung ist." Dahinter steht die Überlegung, daß die directors im Falle fehlender Unbefangenheit und Unabhängigkeit (zum Zeitpunkt der Antwort) geneigt sein könnten, die gewünschte Abhilfemaßnahmen abzulehnen. Es wird davon ausgegangen, daß von den directors (zum Zeitpunkt der Antwort) keine unvoreingenommene Antwort erwartet werden kann, wenn sie ein Eigeninteresse an der angegriffenen Maßnahme hatten und/oder wenn sie bei der angegriffenen Maßnahme unsorgfältig vorgegangen sind.181 Vor diesem Hintergrund läßt sich die business judgment rule als eine Vermutung pflichtwidrigen Verhaltens verstehen, die durch die Darlegungen und Beweise des Klägers ausgelöst wird und durch die Darlegungen und Beweise der Beklagten widerlegt werden kann.182 Die business judgment rule nur deshalb als eine Vermutung pflichtgemäßen Verhaltens anzusehen, weil es der Kläger ist, der

181 Siehe zu diesem Problemkreis und insbesondere zu der Rechtslage in anderen Staaten und den Special Litigation Committees (Ausschuß des board of directors, der ausschließlich mit nicht an der angegriffenen Maßnahme beteiligten directors besetzt ist) und zur Modifizierung der business judgment rule im Rahmen der Uberprüfung der Antwort eines solchen Ausschusses nur Coffee, Corporate Governance, S.180ff., 187ff., 190, 190ff., 192ff., 195ff., 198 und Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung, S.137f., 138ff., 142ff., 148f. Siehe dazu auch §148 Abs. 1 Satz 2 Nr.2 AktG idF. von Art. 1 Nr. 15 RegE U M A G 11/2004, wonach die Klage der Aktionärsminderheit nur zugelassen werden kann, wenn sie „die Gesellschaft unter Setzung einer angemessenen Frist vergeblich aufgefordert haben, selbst Klage zu erheben." 182 Abeltshauser, Leitungshaftung, S. 132ff.

244

3. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des Aufsichtsrats

darlegen und beweisen muß, daß ihre Voraussetzungen nicht erfüllt sind, 1 8 3 ist dagegen wenig überzeugend. D e n n es entspricht allgemeinen Grundsätzen, daß der Kläger die ihm günstigen U m s t ä n d e darlegen und beweisen muß. 1 8 4 D i e prozessualen F u n k t i o n e n der business judgment rule sind indes nicht auf eine Regelung der Darlegungs- und Beweislast beschränkt. 1 8 5 Gelingt es dem Kläger nämlich nicht, darzulegen und zu beweisen, daß die Voraussetzungen der business judgment rule nicht erfüllt sind, so wird die Klage ohne weitere gerichtliche Überprüfung der Entscheidung abgewiesen (safe harbour). 1 8 6 D e r Kläger wird insbesondere nicht mit dem Vortrag gehört, es habe eine Pflichtverletzung vorgelegen, o b w o h l die Voraussetzungen der business judgment rule erfüllt gewesen seien. Vor diesem Hintergrund läßt sich die business judgment rule auch als unwiderlegliche Vermutung pflichtgemäßen Verhaltens ansehen. 1 8 7 bb) Materiell-rechtliche

Voraussetzungen

der business judgment

rule

In materiell-rechtlicher Hinsicht werden zumeist - und insbesondere von dem Comittee on C o r p o r a t e Laws der American Bar Association (Revised M o d e l B u siness C o r p o r a t i o n A c t 1998), dem American L a w Institute (Principles o f C o r p o rate Governance 1994) und der California L a w Revision C o m m i s s i o n (Proposal California Corporations C o d e 1998) - als Elemente der business judgment rule das business judgment, der good faith, das disinterested judgment, das informed judgment und der rational business purpose genannt. 1 8 8 183 Trockels AG 1990, S. 139,141 Kronstein/Hawkins RIW1983, S. 249,252; Frank/Moreland RIW 1989, S.761, 763; Bungert AG 1994, S.297, 301; von Werder/Feld RIW 1996, S.481, 482; Mutter, Entscheidungen, S.215. 184 CRLC, Business Judgment Rule, S. 15f. 185 Vgl. dazu: Bungert AG 1994, S.297, 301; Heermann AG 1998, S.201, 205; Mutter, Entscheidungen, S.215. 186 CRLC, Business Judgment Rule, S.23; Abeltshauser, Leitungshaftung, S. 131 \Paefgen AG 2004, S.245,256; Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung, S.35,167f.; Kronstein/Hawkins RIW 1983, S. 249, 252; Frank/Moreland RIW 1989, S. 761, 763; Bungert AG 1994, S. 297, 301; von Werder/ Feld RIW 1996, S.481, 482; Heermann AG 1998, S.201, 205; Mutter, Entscheidungen, S.208. 187 Vgl. dazu: CRLC, Business Judgment Rule, S. 15£.; Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung, S.35; Mutter, Entscheidungen, S.215. 188 Eisenberg, business judgment rule, S.40ff. und Der Konzern 2004, S.386, 390, 391 ££.; Abeltshauser, Leitungshaftung, S. 132f.; Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung, S. 45ff.; Kock/Dinkel NZG 2004, S.441, 446f. So wohl auch Bungert AG 1994, S.297, 301 und Heermann AG 1998, S.201,205;™« Werder/Feld RIW 1996, S.481,482 und Trockels KG 1990, S. 139,141 sowie Mutter, Entscheidungen, S. 211 ff., die allerdings von due care und nicht von informed judgment sprechen, damit aber dasselbe meinen, und die von no abuse of discretion und nicht von rational business purpose sprechen, was aber inhaltsgleich ist (siehe dazu Trockels AG 1990, S. 139, 142 und Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung, S.43f.); Paefgen AG 2004, S.245, 251, 25Iff. und Kronstein/ Hawkins RIW 1983, S.249,252, die allerdings von process due care bzw. due care und nicht von informed judgment sprechen, damit jedoch dasselbe meinen. Siehe auch Frank/Moreland, RIW 1989, S. 761, 763, die auf den rational business purpose verzichten und ausschließlich auf den good faith abstellen, worin aber kein Unterschied im Sinne eines ausschließlich subjektiven Maßstabes liegt, weil - so zutreffend Eisenberg, business judgment rule, S.4If. und Oltmanns, Ge-

A. Ansatzpunkt (1) business

245

judgment

Ein business judgment ist eine „Handlung oder Unterlassung, die auf einem bewußten und unternehmerische Belange betreffenden Entscheidungsprozeß ber u h t " . 1 8 9 Damit werden die Maßnahmen in dem eigentlichen Aufgabenbereich des board of directors nicht erfaßt, nämlich die Überwachung der Wahrnehmung von Managementaufgaben durch die officers und die Funktionsträger auf den nachgelagerten Führungs-/Hierarchieebenen einschließlich der Einrichtung und Weiterentwicklung der zugehörigen Informationssysteme und insbesondere des internen Uberwachungssystems. Außerdem werden das schlichte Unterlassen und die rein tatsächlichen Vorbereitungs- und Realisationshandlungen aus dem Anwendungsbereich der business judgment rule ausgegrenzt. 1 9 0 Es überrascht nicht, daß Kritik an der generellen Ausgrenzung der Uberwachungsaufgaben des board of directors geübt wird und die Gerichte diese Einschränkung der business judgment rule durch eine großzügige Interpretation des dann geltenden Haftungsmaßstabs (negligence - ordinarily prudent person reasonably in a like position under similiar circumstances) ausgleichen. 191 (2) good

faith

D e r good faith umfaßt alle Aspekte der Ehrenhaftigkeit und Integrität. 1 9 2 Daran fehlt es etwa, wenn ein director mit Schädigungsabsicht handelt 1 9 3 oder weiß, daß schäftsleiterhaftung, S.43f., 102f. - ein fehlender rational business purpose ein Indiz für einen fehlenden good faith ist. 189 Von "Werder/Feld RIW 1996, S.481,482. Siehe dazu auch Eisenberg, business judgment rule, S. 40 und Der Konzern 2004, S. 386,390; Kock/Dinkel NZG 2004, S. 441,446 und Paefgen AG 2004, S.245, 251. Siehe zu der Problematik und der Erforderlichkeit dieses Merkmals insbesondere Roth, Ermessen, S. 75ff., 77ff. 190 Siehe dazu: Eisenberg Der Konzern 2004, S. 386, 390, 390ff., 396ff.; Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung, S.33f., 45f., 49f.; Kock/Dinkel NZG 2004, S.441, 446; Paefgen AG 2004, S.245, 251. Siehe auch: Eisenberg, business judgment rule, S.40; Trockels AG 1990, S. 139,141; Mutter, Entscheidungen, S.211; Abeltshauser, Leitungshaftung, S.88f., 89ff., 115f., 119,130f., 221ff.,der allerdings hinsichtlich der Einrichtung und Weiterentwicklung der Informationssysteme unklar bleibt (siehe einerseits S. 88f., 89f. und andererseits S. 119,225). Das ist nachvollziehbar, weil die Einrichtung und Weiterentwicklung der Informationssysteme zwar unternehmensorganisatorische Entscheidungen erfordert, was für die Anwendung der business judgment rule spricht, aber auch der Überwachung der officers und der Funktionsträger auf den nachgelagerten Führungs-/ Hierarchieebenen dient, was gegen die Anwendung der business judgment rule spricht (siehe zu den Funktionen der Informationssysteme nur von Werder zfbf Sonderheft 36.96, S.27, 49, 51 und Potthoff, Geschäftsführung, S.73ff., 128ff.). 191 Eisenberg Der Konzern 2004, S.386, 397f.; Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung, S.46ff., 49f.; Roth, Ermessen, S. 76f. 192 Trockels AG 1990, S. 139, 142. Dieses Element wird zum Teil der duty of care (Kronstein/ Hawkins RIW 1983, S.249, 25If.) und zum Teil der duty of loyalty zugeordnet (Bungert AG 1994, S. 297, 300; Paefgen, Entscheidungen, S. 167; so wohl auch Abeltshauser, Leitungshaftung, S. 132 und Trockels AG 1990, S. 139, 142). 193 Abeltshauser, Leitungshaftung, S. 133.

246

3. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des Aufsichtsrats

das fragliche business judgment gegen ein Gesetz verstößt, 194 oder wenn das fragliche business judgment so abwegig ist, daß es nur aufgrund zweifelhafter Motive getroffen worden sein kann. 195 Die praktische Relevanz des good faith liegt vor allem darin, daß unredliches Handeln von satzungsmäßigen Haftungsbegrenzungs- und Freistellungsklauseln nicht erfaßt wird. 196 Die besondere Brisanz dieses Ausnahmetatbestands folgt daraus, daß die Gerichte von drei fiduciary duties ausgehen (duty of care, duty of loyalty und duty of acting in good faith) und bei bestimmten Verletzungen der duty of care die Annahme eines acting in good faith ausschließen. Nach dieser Rechtsprechung überschneidet sich die duty of acting in good faith mit der duty of care.197 (J) disinterested

judgment

Ein disinterested judgment ist nur gegeben, wenn die directors unabhängig und unbefangen sind, oder anders gewendet, keine Eigeninteressen an dem fraglichen business judgment haben. 198 Dieses Element der business judgment rule wird allerdings nicht der duty of care, sondern der duty of loyalty zugeordnet. 199 Es finde seine Rechtfertigung darin, daß der Schutz der business judgment rule in diesen Fällen nicht gerechtfertigt sein soll: Das Gericht könne sich nicht darauf verlassen, daß ausschließlich der Sachverstand der directors für das fragliche business judgment ausschlaggebend gewesen sei.200 Vielmehr begründe die fehlende Unbefangenheit und/oder Unabhängigkeit der directors erhebliche Zweifel daran, daß das fragliche business judgment im besten Interesse der Gesellschaft gelegen habe.201

194 Eisenberg, business judgment rule, S.40. Sehr anschaulich das Beispiel von Greenhow, The statutory business judgment rule, S. 46: „A director may not have a material personal interest, may have been fully informed and rationally believed the judgment was in the best interests of the company but the decision was to engage in tax evasion." 195 Kock/Dinkel NZG 2004, S. 441, 447; vgl. auch Eisenberg, business judgment rule, S.42. 196 Eisenberg Der Konzern 2004, S.386, 401; Paefgen AG 2004, S.245, 256. 197 Eisenberg Der Konzern 2004, S.386, 401. 198 Eisenberg, business judgment rule, S.40 und Der Konzern 2004, S.386, 390; Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung, S. 50f.; Abeltshauser, Leitungshaftung, S. 132; Eisenberg, business judgment rule, S.40 und Der Konzern 2004, S.390; Paefgen, Entscheidungen, S. 158ff. und AG 2004, S.245,252f.; Kock/Dinkel NZG 2004, S.441, 446; Trockels AG 1990, S. 139,141f.; Mutter, Entscheidungen, S.211f.; Bungert AG 1994, S.297, 301. 199 Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung, S. 52; Abeltshauser, Leitungshaftung, S. 74f., 281,290f.; Paefgen, Entscheidungen, S. 159 und AG 2004, S.245, 252; Bungert AG 1994, S.297, 300; Trokkels AG 1990, S.139, 141 f. 200 Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung, S. 51. 201 Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung, S.51; Trockels AG 1990, S. 139, 141f.

A.

Ansatzpunkt

247

Disinterested Directors §1.23

ALI Principles of Corporate

Governance

1994

A director is interested in a transaction or conduct in any of the following circumstances: (1) The director or an associate of the director is a party to the transaction or conduct. (2) The director has a business, financial, or familiar relationship with a party to the transaction or conduct, and that relationship would reasonably be expected to affect the director's judgment with respect to the transaction or conduct in a manner adverse to the corporation. (3) The director, an associate of the director, or a person with whom the director has a business, financial, or familiar relationship, has a material pecuniary interest in the transaction or conduct (other than usual and customary directors' fees and benefits) and that interest and (if present) that relationship would reasonably be expected to affect the director's judgment with respect to the transaction or conduct in a manner adverse to the corporation. (4) The director is subject to a controlling influence by a party to the transaction or conduct or by a person who has a pecuniary interest in the transaction or conduct, and the controlling influence could reasonably be expected to affect the director's judgment with respect to the transaction or conduct in a manner adverse to the corporation. 20 §321 California

Corporation

Code (Proposal

1998)

(a) For the purpose of Section 320, a director is interested' in a transaction or conduct that is the subject of a business jugment only if any of the following conditions is satisfied: (1) The director, or an associate of the director, is a party to the transaction or conduct. (2) The director, or an associate of the director has a material economic interest in the transaction or conduct (other than usual and customary directors' fees and benefits) of which the director knows or should be aware, that would reasonably be expected to affect the director's jugment in a manner adverse to the corporation or its shareholders. (3) The director is subject to controlling influence by a party to the transaction or conduct (other than the corporation) or by a person who has a material economic interest in the transaction or conduct of which the director knows or should be aware, and that controlling influence would reasonably be expected to affect the director's judgment with respect to the transaction or conduct in a manner adverse to the corporation or its shareholders. (b) As used in this section,,associate' means any of the following persons: (1) The spouse of the director; a child, grandchild, parent, sibling, uncle, aunt, nephew, niece, step-child, stepparent, or step-sibling of the director, including adoptive relationships, and the spouse of such a person; a mother-in-law, father-in-law, brother-in-law, or sister-inlaw of the director; a person, other than a domestic employee, having the same home as the director, and a trust or estate of which the director or a person designated in this paragraph is a substantial beneficiary. (2) A trust, estate, incompetent, conservatee, or minor of which the director is a fiduciary. (3) A person with respect to whom the director has a business or economic relationship except a person described in paragraph (1) or (2), but if and only if the relationship would reasonably be expected to affect the director's judgment with respect to the transaction or conduct in question in a manner adverse to the corporation or its shareholders. (c) Nothing in this section limits the authority of the court to determine whether and to

202

Siehe dazu CRLC, Business Judgment Rule, S. 12f., 27.

248

3. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des Aufsichtsrats

what extent a director is ,interested' in the subject of a business judgment in the following circumstances: (1) Where the challenge to the business judgment seeks injunctive or other relief, other than damages, for conduct alleged to be an unreasonable response to an unsolicited tender offer. (2) Where the conduct challenged is a board or committee request for dismissal of a derivative action as not in the best interests of the corporation. 203

Dabei herrscht weitgehend Einigkeit darüber, wann es an einem disinterested judgment fehlt. Dies ist der Fall, wenn ein director oder eine Person, zu der ein director geschäftliche, finanzielle/wirtschaftliche oder familiäre Beziehungen hat, Partei des von der Entscheidung betroffenen Geschäfts ist. Dies ist auch der Fall, wenn ein director oder eine Person, zu der ein director geschäftliche, finanzielle/ wirtschaftliche oder familiäre Beziehungen hat, ein erhebliches finanzielles/wirtschaftliches Interesse an dem von der Entscheidung betroffenen Geschäft hat. Dies ist schließlich der Fall, wenn ein director durch eine Partei des von der Entscheidung betroffenen Geschäfts oder eine Person, die ein erhebliches finanzielles/wirtschaftliches Interesse an dem von der Entscheidung betroffenen Geschäft hat, beherrscht wird. 204 Als Fallgruppen werden In-sich-Geschäfte der Gesellschaft mit den directors und den ihnen verbundenen oder sie beherrschenden Dritten, 205 die Festsetzung der eigenen Gehälter durch die directors, 206 die Ausnutzung der Organstellung durch die directors für eigene Zwecke oder für die Zwecke der ihnen verbundenen oder sie beherrschenden Dritten einschließlich der Wahrnehmung von Geschäftschancen der Gesellschaft sowie Verstöße gegen das Wettbewerbsverbot genannt. 207 Unklar ist dagegen, wer außer den Personen, zu denen directors geschäftliche, finanzielle/wirtschaftliche oder familiäre Beziehungen haben, als associate anzusehen ist. Diese Frage ist von erheblicher praktischer Relevanz: Ist jemand als associate zu qualifizieren, ist die Annahme eines disinterested judgment ausgeschlossen, wenn er Partei des von der Entscheidung betroffenen Geschäfts ist oder ein erhebliches finanzielles/wirtschaftliches Interesse an dem von der Entscheidung betroffenen Geschäft hat. 208 Noch ungewisser ist, ob directors als interested anzusehen sind, wenn das business judgment eine Verteidigungsmaßnahme gegen einen Übernahmeversuch oder eine Aufforderung eines Aktionärs, im CRLC, Business Judgment Rule, 1998, S.26f. Siehe nur § 1.23 ALI Principles of Corporate Governance und §321 (a) California Corporation Code (Proposal 1998) sowie Aheltshauser, Leitungshaftung, S.272ff. und Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung, S.50ff. 205 Siehe dazu und insbesondere zu den Geschäften zwischen der Gesellschaft und einer Gesellschaft, in der ein director als director oder officer tätig oder an der er beteiligt ist, sowie zu Geschäften zwischen der Gesellschaft und einem sie beherrschenden Gesellschafter Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung, S.52, 53ff., 60ff. und Aheltshauser, Leitungshaftung, S.274ff., 317ff., 321ff. 206 Siehe dazu Aheltshauser, Leitungshaftung, S.285ff. 2 0 7 Siehe dazu Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung, S.58ff. und Aheltshauser, Leitungshaftung, S.293ff., 298ff., 312ff., 326ff., 328ff. 208 Siehe nur §321 (b) (2) California Corporation Code (Proposal 1998). 203

204

A. Ansatzpunkt

249

H i n b l i c k auf die angegriffene Maßnahme eine Abhilfemaßnahme zu ergreifen, betrifft. 2 0 9 In beiden Fällen sind die directors gewissermaßen „Richter in eigener Sache." Es stellt sich die Frage, o b von ihnen ein unvorgenommenes business judgment erwartet werden kann, wenn es um das eigene Überleben geht 2 1 0 oder wenn sie die angegriffene Maßnahme selbst getroffen haben. 2 1 1 (4) informed

judgment

Ein informed judgment liegt vor, wenn das business judgment auf der Grundlage angemessener Information über die entscheidungsrelevanten U m s t ä n d e getroffen wird. 2 1 2 Dieses Erfordernis beinhaltet nicht nur Anforderungen an das Ausmaß der I n formationen, sondern auch an die Vorbereitungs- und Sitzungszeiten, die Qualität und die Quellen der Informationen sowie die Bewertung der Informationen. 2 1 3 E i n e kurzfristige Anberaumung der Sitzung des board of directors läßt das Vorliegen eines informed judgment fragwürdig erscheinen. Sie begründet Zweifel an einer hinreichenden Vorbereitung der directors, und zwar insbesondere dann, wenn vorab keine schriftlichen Unterlagen verteilt worden sind oder der Entscheidungsgegenstand nicht mitgeteilt worden ist. 2 1 4 E i n e hastige D u r c h f ü h rung und kurze D a u e r der Sitzung lassen das Vorliegen eines informed judgment fragwürdig erscheinen. Sie begründen Zweifel daran, daß die directors über ausreichende Informationen verfügen und insbesondere die Möglichkeit zur U b e r prüfung von Informationen und zur Inanspruchnahme weiterer oder unabhängiger Beratung haben. Dies gilt vor allem dann, wenn die Sitzung des board of directors als Telefon- oder Videokonferenz abgehalten wird. 2 1 5 Das Vorliegen eines informed judgment hängt letztlich davon ab, o b sich die directors anhand aller wesentlichen Informationen, die ihnen in zumutbarem R a h men zur Verfügung stehen, mit dem Gegenstand des business judgments auseinandersetzen. Dies ist nur der Fall, wenn die directors die wesentlichen InformaCRLC, Business Judgment Rule, S. 16f., 23, 28. Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung, S. 109ff., 111 ff.; Bungert AG 1994, S.297, 302f.; Trokkels AG 1990, S.139, 142; Mutter, Entscheidungen, S.212; Frank/Moreland RIW 1989, S.761, 763. 211 Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung, S. 109ff., 133f., 137f., 138ff., 142ff., 149f. 212 Eisenberg, business judgment rule, S.40 und Der Konzern 2004, S.386, 390, 394ff.; Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung, S. 70ff., 72ff., 79ff.; Abeltsbauser, Leitungshaftung, S.79ff., 132; Paefgen, Entscheidungen, S. 154ff. und AG 2004, S.245, 253ff. (auch zu der Diskussion, ob das Kriterium überflüssig ist - abstention doctrine); Kock/Dinkel NZG 2004, S.441, 446f.; Heermann AG 1998, S.201,205; Trockels AG 1990, S. 139,142;Bungert AG 1994, S.297,301;Mutter, Entscheidungen, S.212f. 213 Von Werder/Feld RIW 1996, S.481, 489f., 490ff.; Kock/Dinkel NZG 2004, S.441, 446f.; Paefgen, Entscheidungen, S. 154ff.; Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung, S.89ff.; Mutter, Entscheidungen, S.212f. 214 Von Werder/Feld RIW 1996, S.481, 489; Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung, S.90f. 215 Von Werder/Feld RIW 1996, S.481, 489f.; Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung, S.90. 209 210

250

3. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des Aufsichtsrats

tionen, die ihnen in zumutbarem R a h m e n zur Verfügung stehen, zusammentragen, aufnehmen, überprüfen, bewerten und diskutieren. Die directors müssen den Gegenstand des business judgments gründlich untersuchen, Lösungsalternativen in einem gut fundierten und abwägenden P r o z e ß entwickeln und bewerten und schließlich die - gemessen an den gewonnenen Erkenntnissen - überlegene Lösungsalternative abschließend auswählen. E s geht im K e r n um ein informiertes und aktives Verhalten der directors. Gerade mit B l i c k auf die damit geforderte Kommunikationsintensität kann es negativ ins G e w i c h t fallen, wenn die Sitzung des board of directors als Telefon- oder Videokonferenz abgehalten wird. I m übrigen stellen die Gerichte durchaus in Rechnung, daß business jugments häufig unter Zeitdruck getroffen werde müssen. Sie gehen davon aus, daß die Angemessenheit der Information über die entscheidungsrelevanten Umstände im Lichte der verfügbaren Zeit zu beurteilen ist, hinterfragen aber die Einschätzung der Dringlichkeit durch die directors und lassen Zeitdruck nicht als Rechtfertigung gelten, wenn der Verzicht auf elementare Informationen ein unkalkulierbares R i siko begründet. 2 1 6 U n t e r dem Gesichtspunkt der Informationsbeschaffung k o m m t dem right of reliance eine herausragende Bedeutung zu. Ein director darf sich unter der Voraussetzung des good faith und des reasonable belief auf Informationen von Rechtsberatern, Wirtschaftsprüfern und sonstigen Fachleuten verlassen, wenn sie sorgfältig ausgewählt worden sind und der director berechtigterweise davon ausgeht, daß sie über einschlägiges Expertenwissen verfügen. U n t e r denselben Voraussetzungen darf er sich auf Informationen von officers und sonstigen A n g e stellten verlassen, wenn er berechtigterweise davon ausgeht, daß sie zuverlässig sind und über einschlägige Sachkompetenz verfügen. Dasselbe gilt für I n f o r m a tionen von Ausschüssen des board of directors, wenn und soweit der director berechtigterweise davon ausgeht, daß das Vertrauen in diesen Ausschuß berechtigt ist. 2 1 7 Dies gilt allerdings nur unter der weiteren Voraussetzung, daß der director sich mit den Informationen so weit auseinandersetzt, daß er ihre Tragweite für die Entscheidung beurteilen kann. D e r director m u ß sich davon überzeugen, daß die Informationen auf fundierten Fakten und Argumenten sowie auf allen relevanten Umständen beruhen und dem Entscheidungsgegenstand angemessen sind. E r m u ß die Informationen hinterfragen, inhaltlich nachvollziehen, mit den übrigen directors diskutieren und gegebenenfalls eine unabhängige Beratung einholen. Gerade die intensive Auseinandersetzung mit Dritten, die über einschlägigen Sachverstand verfügen, spricht für das Vorliegen eines informed judgment. Das Vertrauen auf die Qualifikation und die Erfahrung des Dritten genügt also 2,6 Von Werder/Feld RIW 1996, S.481, 482, 489f., 490ff.; Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung, S.91f.; Kock/Dinkel NZG 2004, S.441, 446, 447. 217 Von Werder/Feld RIW 1996, S.481, 490f.; Abeltshauser, Leitungshaftung, S.79ff., 117f., 135f.; Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung, S.92ff.; Buxbaum, Corporate Governance, S. 65, 76ff.; Kock/Dinkel NZG 2004, S.441, 447.

A. Ansatzpunkt

251

nicht. 2 1 8 D e r Delaware Supreme C o u r t bringt es wie folgt auf den Punkt: G u t e r Glaube ist gestattet, blindes Vertrauen nicht. 2 1 9 D i e Gerichte haben zumeist sehr detailliert dazu Stellung genommen, ob in den ihnen unterbreiteten Einzelfällen die business judgments der board of directors auf der Grundlage angemessener Information über die entscheidungsrelevanten Umstände getroffen worden sind. Verallgemeinerungsfähige Aussagen darüber, wie die Anforderungen an das Ausmaß der Informationen, die Vorbereitungs- und Sitzungszeiten, die Qualität und die Quellen der Informationen sowie die Bewertung der Informationen positiv zu konkretisieren sind, haben die Gerichte jedoch nicht gemacht. 2 2 0 G e w i ß ist lediglich, daß die Gerichte insoweit keine überzogenen Vorstellungen entwickelt haben. 2 2 1 Dies zeigt sich etwa daran, daß die Gerichte es im Falle einer Ü b e r n a h me als ein gewichtiges Indiz für das Vorliegen eines informed judgment ansehen, wenn zur Frage des angemessenen Ubernahmepreises die Meinung eines Investmentbankers eingeholt wird. 2 2 2 Zudem richten sich A r t und U m f a n g der einzuholenden Informationen nach dem reasonable belief test, der den directors einige Spielräume läßt. D i e Bestimmung der einzuholenden Informationen nach Maßgabe der Bedeutung der E n t scheidung für das U n t e r n e h m e n (Transaktionsbezug), des zeitlichen Rahmens, der für die Informationsbeschaffung zur Verfügung steht (Zeitbezug), der Kosten der Informationsbeschaffung (Kostenbezug), der Geschäftslage des U n t e r n e h mens (Unternehmensbezug), des Verkehrskreises, dem das U n t e r n e h m e n angehört (Verkehrskreisbezug), und des Unternehmensinteresses 2 2 3 genießt möglicherweise sogar als business judgment ihrerseits den Schutz der business judgment rule. 2 2 4 D i e Zubilligung der Spielräume zeigt sich etwa daran, daß die Gerichte im Falle einer Ü b e r n a h m e das Vorliegen eines informed judgment nicht als fragwürdig ansehen, wenn zur Frage des angemessenen Übernahmepreises 218 Von Werder/Feld RIW 1996, S.481, 491f.; Abeltshauser, Leitungshaftung, S.79ff., 117f., 135f.; Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung, S. 92ff. 219 Siehe zu dieser Leitentscheidung (Smith v. Van Gorkom): Von Werder/Feld RIW 1996, S.481, 482ff.; Paefgen, Entscheidungen, S.156ff.; Abeltshauser, Leitungshaftung, S.79ff.; Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung, S. 71, 72ff.; Kock/Dinkel NZG 2004, S.441, 447. 220 Kock/Dinkel NZG 2004, S. 441,446f.; von Werder/Feld RIW 1996, S. 481,489,493 mit instruktiven Beispielen aus der Rechtsprechung auf den S.485, 487, 487f., 488. 221 Siehe dazu Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung, S. 86, der betont, daß das Urteil Smith v. Van Gorkom nicht zu einer Flut von Schadensersatzklagen geführt hat. 222 Von Werder/Feld RIW 1996, S.481, 491. 223 Abeltshauser, Leitungshaftung, S. 83. Siehe dazu auch Greenhow, The statutory business judgment rule, S.47: „A director should be informed about the business reasons for the transaction, the impact of the transaction on the shareholders, employees, customers and other constituencies, management's view as to the price and factors affecting the price including forecasts and the fairness of the transaction." 224 Siehe dazu: Eisenberg Der Konzern 2004, S. 386, 395f.; Greenhow, The statutory business judgment rule, S.47; von Werder/Feld RIW 1996, S.481,490; Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung, S.95.

252

J. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des Aufsichtsrats

nicht die Meinung eines Investmentbankers eingeholt wird, sofern die notwendigen Informationen von den - oft besser informierten - officers und sonstigen A n gestellten erlangt werden können. 2 2 5 D i e Gerichte haben aber immerhin Orientierungshilfen dafür gegeben, wie die Anforderungen an das A u s m a ß der Informationen, die Vorbereitungs- und Sitzungszeiten, die Qualität und die Quellen der Informationen sowie die B e w e r tung der Informationen negativ zu konkretisieren sind. Sie haben sehr klar gemacht, unter welchen Voraussetzungen diese Anforderungen auf keinem Fall erfüllt sind, weil der board of directors sich nicht hinreichend mit dem Gegenstand des business judgments befaßt hat. 2 2 6 Dies zeigt sich etwa daran, daß die Gerichte im Falle einer Ü b e r n a h m e das Fehlen eines informed judgment annehmen, wenn der Fusionsvorschlag und insbesondere die H ö h e des vorgeschlagenen U b e r n a h mepreises ohne jede Überlegung akzeptiert werden. 2 2 7 (5) rational business

purpose

Ein rational business purpose fehlt, wenn sich das business judgment nicht mit der Verfolgung von irgendeinem nachvollziehbaren Geschäftszweck begründen läßt (cannot be attributed to any rational business purpose). 2 2 8 E s handelt sich hier um das gesellschaftsrechtliche Pendant zum perverse j u r y test. 2 2 9 In diesem Zusammenhang m u ß man den - in den Übersetzungen ins Deutsche häufig verwischten 2 3 0 - Unterschied zwischen rational und reasonable ernst nehmen. E s wird nämlich zwischen the reasonableness of the decision-making process und the reasonableness o f the decision streng getrennt: Bei der Überprüfung der reasonableness o f the decision-making process gilt der reasonable belief test und bei

Von Werder/Feld RIW 1996, S. 481, 491. Siehe dazu von Werder/Feld RIW 1996, S. 481,493 und Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung, S. 95, der vom Unterschreiten absoluter Mindesterfordernisse spricht. 227 Siehe dazu die zahlreichen instruktiven Beipiele aus der Rechtsprechung bei von Werder/ Feld RIW 1996, S.481, 483f. 484, 485, 485f., 486f. 228 Eisenberg, business judgment rule, S.40ff. und Der Konzern 2004, S.386, 390ff.; Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung, S. 102f.; Aheltshauser, Leitungshaftung, S. 132f.; Paefgen, Entscheidungen, S. 165f. und AG 2004, S. 245,255; Kock/Dinkel~NZG 2004, S. 441,447; Luttermann BB 2001, S.2433, 2436. Vgl. auch Mutter, Entscheidungen, S.214 und Bungert AG 1990, S. 139, 142. 229 Greenhow, The statutory business judgment rule, S. 48. 230 Siehe etwa Mutter, Entscheidungen, S.214f., der von reasonableness spricht, und Kronstein/Hawkins RIW 1983, S. 249,252, die von vernünftigerweise sprechen, sowie Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung, S. 25, der im Hinblick auf des informed judgment und den rational business purpose von vernünftigerweise spricht. Heermann AG 1998, S.201, 205 kommt der Sache viel näher; er spricht von vernunftwidrig und von einer pauschalen, an allgemeinen Vernunftmaßstäben sowie am Unternehmensinteresse auszurichtenden Schlüssigkeitsprüfung zur Ausschaltung ebenso krasser wie evidenter Fehlentscheidungen. Dasselbe gilt für Kindler ZHR 162 (1998), S. 101,107, der von der Einhaltung der Grenzen zur schieren Unvernunft spricht. 225

226

A.

Ansatzpunkt

253

der Überprüfung der reasonableness of the decision der um vieles großzügigere rational business purpose test. So führt Melvin Aron Eisenberg aus: „Despite the apparently demanding quality of the standard of careful conduct, in practice the standard of review of disinterested conduct by directors or officers is often significantly less stringent, especially when the substance or quality of a decision - that is, the reasonableness of the decision, as opposed to the reasonableness of the decision-making process that has been used - is called into question. In such cases, a much less demanding standard of review may apply, under the business judgment rule. The business judgment rule consists of four conditions and a special standard of review that is applicable, if the four conditions are satisfied, in suits that are based on the substance or quality of a decision a director or officer has made ... then the substance or quality of the director's or officer's decision will be reviewed, not under the standard of careful conduct to determine whether the decision was prudent or reasonable, but under a much more limited standard." 231 Ganz ähnlich heißt es bei der California Law Revision Commission: „The rationality standard is relatively easy to satisfy - conduct that may be imprudent or unreasonable is not necessarily irrational... The rationality standard allows a wider range of discretion than a reasonableness standard would impose; it gives the director a safe harbour from liability for a business judgment that might not be reasonable, so long as it is not so removed from the realm of reason when made that liability should be incurred ... The rationality standard of subdivision (a) (4) is drawn from ALI Principles of Corporate Governance Section 4.01 (c). The ALI's comment to Section 4.01 notes: This standard is intended to provide directors and officers with a wide ambit of discretion. It is recognized that the word Rational', which is widely used by the courts, has a close etymological tie to the word reasonable' and that, at times, the words have been used almost interchangeably. But a sharp distinction is being drawn between the words here. The phrase ,rationally believes' is intended to permit a significantly wider range of discretion than the term Reasonable', and to give a director or officer a safe harbour from liability for business judgments that might arguably fall outside the term Reasonable' but are not so removed from the realm of reason when made that liability should be incurred." 232 Dies zeigt sich am deutlichsten an den Fallgruppen. Es geht zum einen um decisions that cannot be coherently explained:233 „For example, in Selheimer v. Manganese Corp. of America, managers poured a corporations's funds into the development of a single plant even though they knew the plant could not be operated 231

Eisenberg, business judgment rule, S.40. Vgl. auch Eisenberg Der Konzern 2004, S. 386,

390. 232

CRLC, Business Judgment Rule, 1998, S. 14, 24f., 25. Eisenberg, business judgment rule, S. 42f. und Der Konzern 2004, S. 386,391; CRLC, Business Judgment Rule, S. 14. 233

254

3. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des Aufsichtsrats

profitably because of various factors, including lack of a railroad siding and proper store areas. The court imposed liability, because the managers' conduct defied explanation; in fact, the defendants have failed to give any satisfactory explanation or advance any justification for the expenditures." 2 3 4 Es geht weiter um decisions that waste the corporation's assets. 2 3 5 Dabei geht es häufig u m Fälle, in denen überhöhte Gehälter der directors infragestehen 2 3 6 oder in denen Tochtergesellschaften weit unter Wert (etwa 4 0 % ) verkauft werden: 2 3 7 „I take it that so long as the inadequacy of price may reasonably be referred to as an honest exercise of sound judgment, it cannot be denominated as fraudulent. When the price proposed to be accepted is so far below what is found to be a fair one that it can be explained only on the theory of fraud, or a reckless indifference to the rights of others interested, it would seem that it should not be allowed to stand." 2 3 8 Es geht schließlich um decisions that have no direct or indirect benefit for the corporation, 2 3 9 weil sie Zielen dienen, die nicht im Interesse der Gesellschaft liegen. 2 4 0 Dabei wird unter dem Interesse der Gesellschaft nicht nur die Gewinnmaximierung (direct benefit test) verstanden, sondern auch der langfristige Bestand und die Rentabilität des Unternehmen unter Berücksichtigung der Belange ver-

234 Eisenberg, business judgment rule, S. 42f. und Der Konzern 2004, S.386,391; siehe zu diesem Fall auch Aheltshauser, Leitungshaftung, S. 71 f. Sehr instruktiv auch die von Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung, S. 106, angeführte Fallgruppe der Geschäfte, mit denen die Gesellschaft unter keinen Umständen einen Gewinn machen kann, etwa weil „sie Wertpapiere erwirbt und dem Verkäufer gestattet, diese innerhalb von sechs Monaten zum selben Preis zurückzukaufen." 235 Eisenberg, business judgment rule, S. 42; Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung, S. 104ff.; Aheltshauser, Leitungshaftung, S.71ff., 79; Mutter, Entscheidungen, S.215; Trockels AG 1990, S. 139, 142. 236 Thüsing ZGR 2003, S.457, 463, der auf S.504f. darauf hinweist, daß U.S. amerikanische Gerichte nachträgliche Anerkennungsprämien gebilligt haben, das Schriftum dem aber kritisch gegenübersteht und einen unzulässigen waste of corporate assets annimmt, und die Diskussion um die Höhe von Abfindungen dazu geführt hat, daß Zahlungen, die anläßlich des Wechsels der Kontrolle der Gesellschaft gezahlt werden und die höher sind als das Dreifache der durchschnittlichen Jahresbezüge innerhalb der letzten fünf Jahre, als excess parachute payments die Steuerlast der Gesellschaft nicht mindern (Deficit Reduction Act von 1984); Brauer NZG 2004, S. 502, 505 mit dem Hinweis, daß in jüngerer Zeit verschiedene Gerichte in Delaware bei Vergütungen von einem waste of corporate assets ausgegangen sind, wenn kein Mensch mit gesundem Geschäftsführungssinn annehmen könne, daß das, was die Gesellschaft bekommen habe, dem gleichwertig sei, was sie dafür bezahlt habe, die „Schmerzgrenze" der Gerichte aber „außerordentlich hoch" sei - so habe im Fall Walt Disney Michael Ovitz eine Abfindung von über $ 140 Mio. erhalten, obwohl er nach vierzehn Monaten wegen unzulänglicher Geschäftsführung abberufen worden sei, ohne daß das Gericht einen waste of corporate assets angenommen habe. 237 Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung, S. 104ff.; Aheltshauser, Leitungshaftung, S.98f.; Trokkels AG 1990, S.139, 142. 238 Siehe dazu Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung, S. 104f. 239 Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung, S. 106f.; Aheltshauser, Leitungshaftung, S. 69f., 75ff., 79, 133; Frank/Moreland RIW 1989, S.761, 763. 240 Frank/Moreland RIW 1989, S. 761, 763.

A.

255

Ansatzpunkt

s c h i e d e n s t e r m i t d e m U n t e r n e h m e n v e r b u n d e n e r I n t e r e s s e n t r ä g e r (indirect b e n e fit test). 2 4 1 cc) Materiell-rechtliche judgment

Konsequenzen

des Nichteingreifens

der

business

rule

D e r entire (intrinsic) f a i r n e s s test k o m m t i n s b e s o n d e r e d a n n z u r A n w e n d u n g , w e n n es an e i n e m d i s i n t e r e s t e d j u d g m e n t u n d / o d e r an e i n e m i n f o r m e d j u d g m e n t f e h l t . 2 4 2 E r b e i n h a l t e t z w e i K r i t e r i e n , d a s fair d e a l i n g u n d d e n fair price. Sie s t e h e n nicht isoliert n e b e n e i n a n d e r , s o n d e r n e r g e b e n ein G e s a m t b i l d d e r f a i r n e s s . D a b e i ist v o n b e s o n d e r e r B e d e u t u n g , d a ß ein m a n g e l n d e s fair d e a l i n g als ein I n d i z f ü r ein e n m a n g e l n d e n fair p r i c e a n g e s e h e n w i r d . 2 4 3 D a s K r i t e r i u m d e s fair d e a l i n g b e z i e h t s i c h - w i e d a s K r i t e r i u m d e s i n f o r m e d j u d g m e n t - auf the r e a s o n a b l e n e s s of the d e c i s i o n - m a k i n g p r o c e s s u n d spielt in d e n F ä l l e n d e s i n t e r e s t e d j u d g m e n t eine b e s o n d e r e R o l l e : D i e i n t e r e s t e d d i r e c t o r s m ü s s e n ihre E i g e n i n t e r e s s e n u n d die z u g e h ö r i g e n r e l e v a n t e n I n f o r m a t i o n e n o f f e n b a r e n , u n d sie d ü r f e n d i e E n t s c h e i d u n g nicht z u i h r e n G u n s t e n b e e i n f l u s 244

sen. D a s K r i t e r i u m d e s fair p r i c e b e z i e h t sich - w i e d a s K r i t e r i u m d e s rational b u s i n e s s p u r p o s e - auf the r e a s o n a b l e n e s s of the d e c i s i o n u n d spielt in d e n F ä l l e n d e s i n t e r e s t e d j u d g m e n t u n d d e s u n i n f o r m e d j u d g m e n t eine R o l l e . I n d e n F ä l l e n d e s i n t e r e s t e d j u d g m e n t w i r d g e p r ü f t , o b eine „ u n a n g e m e s s e n e B e n a c h t e i l i g u n g d e r G e s e l l s c h a f t " 2 4 5 v o r l i e g t . D a b e i w i r d i m H i n b l i c k auf I n - s i c h - G e s c h ä f t e , K o m 241 Abeltshauser, Leitungshaftung, S. 69f., 75ff., 79, 133; Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung, S. 106f.; Fleischer A G 2001, S. 171, 174, 175, 177. Sehr instruktiv sind die bei Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung, S. 107 angeführten Urteilsgründe mit Blick auf die Entscheidung des board of directors eines Baseball Teams, mit Rücksicht auf die Nachbarschaft keine Beleuchtungsanlage aufzustellen und keine Abendspiele zu veranstalten. Das Gericht führte aus, es sei nicht dargetan, daß die Sorge um die Nachbarschaft nicht im langfristigen Interesse der Gesellschaft liege, denn es sei denkbar, daß die Besucher ausblieben oder der Grundstückswert fiele. Das Gericht betonte überdies zum einen, daß es die Entscheidung nicht als richtig bezeichnen würde, sondern hinnehmen müsse, und zum anderen, daß es auf die abweichende Praxis der anderen Baseball Teams nicht ankomme, da es auch für verlustbringende Unternehmen keine Verpflichtung gebe, die Praxis erfolgreicher Unternehmen zu übernehmen. 242

Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung, S. 167 weist zutreffend daraufhin, daß sich in den Fällen des fehlenden rational business purpose die Frage nach der fairness der angegriffenen Maßnahme nicht mehr ernsthaft stellt; dasselbe dürfte in den Fällen des fehlenden good faith gelten. Siehe zum entire (intrinsic) fairness test auch: Eisenberg Der Konzern 2004, S. 386,391 f.; Kock/Dinkel N Z G 2004, S.441, 447; Paefgen A G 2004, S.245, 249. 243 Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung, S. 169, 172, 174. 244 Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung, S. 169. In den Fällen des uninformed judgment kann ein fair dealing gegeben sein, wenn andere Umstände - etwa harte Preisverhandlungen mit dem Vertragspartner - für ein fair dealing sprechen und den Mangel des uninformierten und/oder passiven decisionmaking durch die directors überwiegen; vgl. dazu Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung, S. 171 f., 172 f. 245 So die Formulierung von Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung, S.68.

256

J. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des

Aufsichtsrats

pensationsleistungen und Nutzungen von Gesellschaftsressourcen auf die Angemessenheit von Leistung und Gegenleistung und dabei auch auf einen Vergleichstest abgestellt. 246 Es wird allerdings eingeräumt, daß „diese Kriterien relativ unbestimmt sind". 2 4 7 In den Fällen des uninformed judgment kommt es auf die Bedeutung des business judgments für das Unternehmen (Transaktionsbezug), die Geschäftslage des Unternehmens (Unternehmensbezug) und den Verkehrskreis, dem das Unternehmen angehört (Verkehrskreisbezug), an. 2 4 8 Dabei ist allerdings festzustellen, daß die Grenzen zwischen dem fehlenden rational business purpose (waste of corporation's assets) und dem fehlenden fair price häufig fließend sind, 2 4 9 und zwar insbesondere bei der Überprüfung von Risikogeschäften, vom Rückererwerb eigener Aktien/Anteile, von Gewinnausschüttungen und Vermögenverlagerungen sowie von Spenden. 2 5 0 Es kommt erschwerend hinzu, daß letztlich die Uberzeugungskraft der Argumente der Parteien den Ausgang des entire (intrinsic) fairness tests bestimmt. 2 5 1 Dies zeigt sich etwa daran, daß im Rahmen von Unternehmensverkäufen zwar marktübliche Bedingungen und Preise vereinbart werden müssen, aber jede Bewertungsmethode angewendet werden darf, die in Finanzkreisen akzeptiert wird. 2 5 2 N u r unter den speziellen Voraussetzungen, daß es an einem disinterested judgment fehlt und der entire (intrinsic) fairness test fehlschlägt, folgen weitere Prüfungsschritte. Zunächst kommt der fraud/waste/gift test zur Anwendung. Es wird geprüft, ob ein Fall von fraud (Betrug), waste of corporations's assets (Verschwendung) oder gift (Geschenk) vorliegt. Ist dies der Fall, ist die Prüfung zuende und der Pflichtverstoß steht fest. Andernfalls kommt nunmehr der disinterested ratification test zum Zuge. Es wird geprüft, ob eine Zustimmung durch disinterested directors oder shareholders gegeben ist. Ist dies der Fall, ist die Prüfung zuende und es liegt kein Pflichtverstoß vor. Andernfalls kommt schließlich der

246 Aheltshauser, Leitungshaftung, S.281f., 344, 290ff., 346f., 357f., 360, 318, 384, 387f. Siehe zu den Fällen, in denen überhöhte Vergütungen infragestehen, auch Brauer N Z G 2004, S. 502, 505: „Die Gerichte gehen davon aus, daß die Vergütung nicht in einem unangemessenen (excessive) oder unvernünftigen (unreasonable) Verhältnis zu den geleisteten Diensten und zur Einkommenssituation der Gesellschaft stehen darf." 2 4 7 So die Formulierung von Aheltshauser, Leitungshaftung, S. 358 (siehe auch S. 352, 378f.). 248 Aheltshauser, Leitungshaftung, S.62, 68f., 91f., l l l f . , 172f., 1 7 7 , 1 8 2 , 1 8 9 , 1 9 4 , 2 0 0 f . , 219f. 2 4 9 Dies wird auch an den Ubersetzungsversuchen ins Deutsche deutlich. So spricht Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung, S.68, 104f., 168, 172 im Hinblick auf den rational business purpose von Irrationalität und im Hinblick auf den fair price von Angemessenheit und Aheltshauser, Leitungshaftung, S.68f., 79, 273, 276, 281 f. im Hinblick auf den rational business purpose von Angemessenheit und im Hinblick auf den fair price von Fairness. 2 5 0 Dies belegt besonders deutlich die Darstellung bei Aheltshauser, Leitungshaftung, S.60ff./169ff., 63ff./176f., 69ff./182f. und 187ff., 75ff./197 und 200. 2 5 1 So ausdrücklich Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung, S. 175. 252 Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung, S.36, 168f., 169, 172, 173f.

A. Ansatzpunkt

257

just and reasonable test zur Anwendung. E s wird geprüft, o b die angegriffene M a ß n a h m e just and reasonable ist. 2 5 3 Hinter dem der just and reasonable test steckt erkennbar die Logik, daß etwa ein In-sich-Geschäft, dessen „Konditionen der Gesellschaft gegenüber" nicht „hinreichend fair" 2 5 4 sind, trotzdem „ausgewogen" 2 5 5 sein kann und dann hinzunehmen ist, es sei denn, es liegt ein Fall von fraud (Betrug), waste of corporations's assets (Verschwendung) oder gift (Geschenk) vor. 2 5 6 Die erste These ist nicht leicht nachzuvollziehen, weil sich das Kriterium des just and reasonable - wie die Kriterien des rational business purpose und des fair price - auf the reasonableness o f the decision bezieht und gerade im Verhältnis zum Kriterium des fair price A b grenzungsschwierigkeiten aufwirft. 2 5 7 D i e zweite These ist insoweit konsequent, als hier der Gedanke des besonders schweren Falls wiederkehrt, wie er auch im Verhältnis des fehlenden good faith und des fehlenden rational business purpose (waste o f corporation's assets/no direct or indirect benefit for the Corporation) einerseits zu dem fehlenden fair price andererseits zum Ausdruck k o m m t .

b) Die Vorzüge der gesellschaftsrechtlichen

Entscheidungsfehlerlehre

D i e hier entwickelte gesellschaftsrechtliche Entscheidungsfehlerlehre weist zwar einige grundsätzliche Ubereinstimmungen mit der U . S . amerikanischen R e c h t sprechung auf, aber es bestehen erhebliche Abweichungen im Detail. D i e E n t scheidungsfreiräume werden stärker begrenzt, die rechtlich relevanten Entscheidungsfehler härter sanktioniert, und es wird auf eine Ausdifferenzierung verschiedener Kontrollmaßstäbe verzichtet. D i e Konsequenz ist eine strengere und stringentere Haftung als nach der U . S . amerikanischen Rechtsprechung.

aa) Unterschiede im Konzept I m H i n b l i c k auf das K o n z e p t liegt nur eine grundsätzliche Übereinstimmung vor. D i e U . S . amerikanische Rechtsprechung geht ebenfalls von dem K o n z e p t der negativen Kontrolle aus, zieht daraus jedoch nicht dieselben Konsequenzen. 253 Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung, S.54f., 66ff., 68f., 168ff., 175ff. und Abeltshauser, Leitungshaftung, S.276ff., 281ff., 292f., 308ff., 320f.; vgl. auch Paefgen, Entscheidungen, S. 162ff. 254 So die Formulierung von Abeltshauser, Leitungshaftung, S. 273. 255 So die Formulierung von Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung, S. 69. 256 In der Literatur bleibt häufig die Frage offen, warum eine ratification by shareholder vote nur im Falle einer fehlenden disinterestedness in Frage kommen soll; siehe dazu - völlig unkritisch -Abeltshauser, Leitungshaftung, S.276ff. und Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung, S. 54f., 69 einerseits und S. 175ff. andererseits, aber auch Paefgen AG 2004, S.245, 253, 254f., 261. 257 Dies klingt bei Abeltshauser, Leitungshaftung, S.319f. an und wird auch an den Ubersetzungsversuchen ins Deutsche deutlich. So spricht Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung, S. 68f., 104f., 168,172 im Hinblick auf den rational business purpose von Irrationalität, im Hinblick auf den fair price von Angemessenheit und im Hinblick auf den „just and reasonable" test von Ausgewogenheit.

258 (1)

3. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des Aufsichtsrats

Rechtsvergleich

Im U.S. amerikanischen Recht wird zwischen the reasonableness of the decisionmaking process und the reasonableness of the decisión unterschieden. Im Anwendungsbereich der business judgment rule gilt im ersten Fall als rechtlicher Kontrollmaßstab der strengere reasonable belief test und im zweiten Fall der großzügigere rational business purpose test. Dies entspricht dem Ansatz der hier entwickelten gesellschaftsrechtlichen Entscheidungsfehlerlehre, die Kontrollkompetenz im Hinblick auf das Ergebnis einer Einschätzung bzw. Ermessensausübung (und damit in der Regel im Hinblick auf den Tenor der Entscheidung) zu begrenzen und auf den Vorgang der Einschätzung bzw. Ermessensausübung zu erstrecken. Die Gemeinsamkeit im konzeptionellen Ansatz besteht mithin darin, daß die beschränkte gerichtliche Uberprüfung des Entscheidungstenors durch eine gerichtliche Uberprüfung des Entscheidungsprozesses kompensiert und damit auch legitimiert wird. Die U.S. amerikanische Rechtsprechung geht jedoch nicht von einer Pflichtverletzung aus, wenn die Voraussetzungen der business judgment rule nicht erfüllt sind, sondern ermittelt sie in einem zweiten Prüfungsschritt aufgrund des entire (intrinsic) fairness tests. Dies entspricht nicht den Konsequenzen der hier entwickelten gesellschaftsrechtlichen Entscheidungsfehlerlehre. Danach führen die rechtlich relevanten Entscheidungsfehler stets ohne weitere Prüfung zur Pflichtwidrigkeit der auf den zugehörigen Einschätzungen bzw. Ermessensausübungen beruhenden Entscheidungen des Vorstands/Aufsichtsrats im Sinne des §93 AktG/der §§116, 93 AktG und grundsätzlich auch zur Haftung. 258 Da nicht nur ein fehlerhafter Entscheidungstenor, sondern auch ein fehlerhafter Entscheidungsprozeß die Pflichtwidrigkeit der Entscheidung des Vorstands/Aufsichtsrats und in der Regel die Haftung begründet, sind die haftungsrechtlichen Konsequenzen der hier entwickelten gesellschaftsrechtlichen Entscheidungsfehlerlehre mithin deutlich strenger. (2)

Würdigung

Die strengeren haftungsrechtlichen Konsequenzen rechtfertigen sich letztlich daraus, daß die Verschärfung des Kontrollmaßstabes ohne Sinn wäre, würden Vorstände und Aufsichtsräte zur Einhaltung der ihnen damit obliegenden Rechtspflichten im Sinne der §§93, 116 AktG nicht auch durch effektive Sanktionsmöglichkeiten angehalten. Dies ist auch in dogmatischer Hinsicht konsequent: Ist eine Entscheidung des Vorstands/Aufsichtsrats nur beschränkt gerichtlich kontrollierbar, so müssen die begrenzten rechtlichen Anforderungen auch durchgesetzt werden. Es dürfen keine zusätzlichen Haftungsfreiräume eröffnet werden. Die hier entwickelte gesellschaftsrechtliche Entscheidungsfehlerlehre 258

Zu den Enthaftungsgründen siehe oben S.228ff.

A.

Ansatzpunkt

259

macht gewissermaßen ernst mit dem U.S. amerikanischen Ansatz, daß directors und officers nur für bad decisions, nicht aber für proper decisions that turn out badly haften sollen. Denn sie begründet nicht nur Haftungsfreiräume, sondern auch damit korrespondierende Haftungsrisiken. bb) Unterschiede in den

Fehlerkategorien

Im Hinblick auf die Fehlerkategorien liegt ebenfalls nur eine grundsätzliche Ubereinstimmung vor. Die U.S. amerikanische Rechtsprechung nimmt ähnliche Fehlerkategorien an, bleibt jedoch im Konkretisierungsgrad hinter der hier entwickelten gesellschaftsrechtlichen Entscheidungsfehlerlehre zurück. (1)

Rechtsvergleich

Die Abwägungsunschlüssigkeit, die Abwägungsmißorganisation und der Abwägungsmangel weisen Parallelen zu dem informed judgment im Rahmen der business judgment rule und zu dem ähnlich gelagerten fair dealing im Rahmen des entire (intrinsic) fairness tests auf. Sie beinhalten nach der U.S. amerikanischen Rechtsprechung Anforderungen an das Ausmaß der Informationen, die Vorbereitungs- und Sitzungszeiten, die Qualität und die Quellen der Informationen sowie die Bewertung der Informationen. Die Abwägungsunschlüssigkeit liegt vor, wenn die relevanten tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte nicht, nicht vollständig oder nicht ausschließlich gewürdigt werden oder zwar gewürdigt werden, aber zuvor nicht oder nicht vollständig zutreffend bestimmt worden sind. Sie bezieht sich damit ebenfalls auf das erforderliche Ausmaß und die erforderliche Qualität der Informationen. Der Abwägungsmangel liegt vor, wenn die relevanten tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte nicht in einer Weise bewertet, gewichtet und ausgeglichen worden sind, die im Lichte der objektiven Umstände, der Wertungsgrundsätze und/oder ihres Rationalgehaltes gerechtfertigt werden kann. Sie erfaßt unter dem Gesichtspunkt des Rationalgehalts das Erfordernis, daß die wesentlichen Informationen, die in zumutbarem Rahmen zur Verfügung stehen, aufgenommen, überprüft, bewertet und diskutiert werden. Dies entspricht dem U.S. amerikanischen Erfordernis, den Gegenstand des business judgments gründlich zu untersuchen, Lösungsalternativen in einem gut fundierten und abwägenden Prozeß zu entwickeln und zu bewerten und die gemessen an den gewonnenen Erkenntnissen überlegene Lösungsalternative auszuwählen. Die Abwägungsmißorganisation liegt vor, wenn im Hinblick auf die Zusammensetzung, die Selbstorganisation und das Instrumentarium des Organs, dem die Abwägung aufgegeben ist, die organisatorischen Voraussetzungen der Abwägung nicht gegeben sind. Sie beruht auf der Erkenntnis, daß die Entscheidungsorganisation die Qualität der Entscheidung nachhaltig beeinflußt. Dieser Ansatz kommt auch in dem informed judgment zum Ausdruck. Denn nur kompetenten

260

3. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des Aufsichtsrats

directors ist das geforderte informierte und aktive Verhalten möglich. Die Frage der Vorbereitungs- und Sitzungszeiten betrifft die organisatorischen Voraussetzungen der Entscheidungsfundierung und der Entscheidungsfindung. 259 Unter dem Gesichtspunkt der Informationsbeschaffung werden vermittels des right of reliance (auch) die Informationssysteme/Informationsordnungen und damit die informationellen Instrumentarien in bezug genommen. 2 6 0 Die Abweichungen werden deutlich, wenn man sich vergegenwärtigt, daß die U.S. amerikanischen Gerichte die Anforderungen an das Ausmaß der Informationen, die Vorbereitungs- und Sitzungszeiten, die Qualität und die Quellen der Informationen sowie die Bewertung der Informationen nicht positiv konkretisiert haben und die Frage, ob ein director ausreichende Informationen eingeholt hat und/oder sich auf Informationen Dritter hat verlassen dürfen, nicht für voll nachprüfbar halten (reasonable belief test/business judgment rule). Wie schon an der Definition der Abwägungsunschlüssigkeit, der Abwägungsmißorganisation und des Abwägungsmangels und der Herausbildung mehrerer Fehlerkategorien erkennbar wird, sind die Anforderungen der hier entwickelten gesellschaftsrechtlichen Entscheidungsfehlerlehre präziser und darüberhinaus voll nachprüfbar und damit auch höher. Die Überschreitung, die Zweckverkehrung und der Abwägungsmangel weisen Parallelen zum rational business purpose im Rahmen der business judgment rule auf. Die Überschreitung als Überdehnung der Befugnisnorm und die Zweckverkehrung als Verfolgung eines anderen Zwecks als des Unternehmenswohls erfassen die Fälle, in denen decisions that have no direct or indirect benefit for the Corporation angenommen werden. Die Überschreitung und der Abwägungsmangel erfassen die Fälle, in denen decisions that cannot be coherently explained or that waste the corporation's assets angenommen werden. Wie schon an der Definition der Überschreitung, der Zweckverkehrung und des Abwägungsmangels und der Ausdifferenzierung mehrerer Fehlerkategorien erkennbar wird, sind die Anforderungen der hier entwickelten gesellschaftsrechtlichen Entscheidungsfehlerlehre präziser - und damit auch höher. Im Lichte des Rechtsvergleichs liegen sie eher auf der Linie des fair price im Rahmen des entire (intrinsic) fairness tests. (2)

Würdigung

Die im Verhältnis zur U.S. amerikanischen business judgment rule deutlich erhöhte Kontrolldichte der hier entwickelten gesellschaftsrechtlichen Entscheidungsfehlerlehre rechtfertigt sich aus der Steuerungsfunktion der Organhaftung heraus. Die rechtlich relevanten Entscheidungsfehler müssen so konkretisiert werden, daß sie in optimaler Weise dazu beitragen, Vorstände und Aufsichtsräte Von Werder/Feld R I W 1996, S.481, 489. Vgl. dazu von Werder/Feld R I W 1996, S.481, 491 und Aheltshauser, S. 135. 259

260

Leitungshaftung,

A. Ansatzpunkt

261

dahin zu motivieren, verantwortlich und mit dem Ziel einer langfristigen Wertschöpfung und nachhaltigen Steigerung des Unternehmenswerts zu handeln. Das können sie nur, wenn sie den Vorständen und Aufsichtsräten hinreichende A n haltspunkte für eine effiziente Aufgabenwahrnehmung geben, ohne sie durch unübersehbare Haftungsrisiken in ihrem Engagement zu behindern. D i e hier entwickelte Entscheidungsfehlerlehre vermag dies anders als die U . S . amerikanischer business judgment rule zu leisten. Ihre Anforderungen an den Entscheidungsprozeß und den Entscheidungstenor sind konkreter und damit für Vorstände wie Aufsichtsräte „greifbarer". Zugleich beschränken sie sich auf das, „was einer Überprüfung an Rechtsmaßstäben zugänglich ist" 2 6 1 und verwirklichen damit das von der U . S . amerikanischen Rechtsprechung verfolgte Anliegen, einem risk-averse decisionmaking vorzubeugen. 2 6 2 D i e im Verhältnis zur U . S . amerikanischen business judgment rule deutlich erhöhte Kontrolldichte ist auch in dogmatischer Hinsicht konsequent: Es wird nur die betriebswirtschaftlich absicherbare beschränkte gerichtliche Überprüfbarkeit der Entscheidung respektiert, oder anders gewendet, was im H i n b l i c k auf den Entscheidungstenor und den Entscheidungsprozeß gerichtlich überprüfbar ist, wird auch überprüft. cc) Unterschiede

im

Kontrollmaßstab

D e r zentrale Unterschied liegt allerdings darin, daß die hier entwickelte gesellschaftsrechtliche Entscheidungsfehlerlehre die U . S . amerikanische Differenzierung zwischen dem informed judgment und dem rational business purpose einerseits (business judgment rule) und dem fair dealing und dem fair price andererseits (entire (intrinsic) fairness test) nicht übernimmt. E s wird nur ein einziger K o n trollmaßstab zugrundegelegt. D e r G r u n d dafür ist, daß das differenzierende K o n z e p t schon im U . S . amerikanischen R e c h t nicht völlig überzeugt und in das deutsche R e c h t bereits vor diesem Hintergrund, aber auch aus anderen Ü b e r l e gungen heraus nicht übernommen werden sollte. (1) Abgrenzungs-

und

Legitimationsprobleme

I m U . S . amerikanischen Recht sind unterschiedlich weite rechtliche K o n t r o l l maßstäbe und Haftungsfreiräume gewollt. 2 6 3 Es wird zwischen dem informed

So die Formulierung von Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, §31 Rdn.25. CRLC, Business Judgment Rule, S. 8f.; Eisenberg, business judgment rule, S. 43ff. und Der Konzern 2004, S.386, 392ff., 394; Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung, S.21ff.; Abeltshauser, Leitungshaftung, S. 131; Trockels AG 1990, S. 139, 140; von Werder/Feld RIW 1996, S.481, 482. 263 So wird etwa geltend gemacht, daß ein großzügiger rechtlicher Kontrollmaßstab bei der Uberprüfung der reasonableness of the decision im Falle eines interested judgments nicht gerechtfertigt sei; vgl. dazu Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung, S. 51 und Trockels AG 1990, S. 139, 141 f. 261 262

262

3. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des Aufsichtsrats

judgment und dem rational business purpose einerseits (business judgment rule) und dem fair dealing und dem fair price andererseits (entire (intrinsic) fairness test) differenziert. D i e Gerichte begründen den der business judgment rule innewohnenden juridical self restraint damit, daß sie die reasonableness of business decisions im übrigen - apart from the rational business purpose test - nicht besser beurteilen könnten als die dazu berufenen directors und officers (institutional incompetence). Sie ziehen daraus den Schluß, daß sie ihre Urteile über die reasonableness o f business decisions an die Stelle der Urteile der directors und officers setzen würden, wenn sie mit Blick auf die reasonableness o f business decisions nicht nur den rational business purpose test durchführen würden (second guess decisions). 2 6 4 D i e Problematik der Differenzierung zwischen den beiden unterschiedlich weiten Kontrollmaßstäben zeigt sich vor diesem Hintergrund bereits daran, daß die Gerichte den juridical self restraint (business judgment rule) in der Praxis nicht durchhalten. D i e G r e n z e n zwischen dem fehlenden rational business purpose (waste of corporation's assets) und dem fehlenden fair price sind fließend. So k o m m t in vielen Fällen eines informed disinterested business judgments bei der Uberprüfung der reasonableness of the decision statt des rational business purpose tests (in der dargelegten Interpretation) der entire (intrinsic) fairness test (im Gewand des rational business purpose tests) zur Anwendung. I m Fall eines (informed or uninformed) interested business judgments und im Fall eines uninformed disinterested judgments k o m m t der entire (intrinsic) fairness test zwar ausdrücklich zur Anwendung, führt aber - entgegen einer unter deutschen G e sellschaftsrechtlern weit verbreiteten Auffassung - nicht zu einer vollinhaltlichen Überprüfung der reasonableness of the decision. 2 6 5 I m H i n b l i c k auf ein interested judgment sind die Kriterien unbestimmt (und, was den nachgelagerten just and reasonable test angeht, höchst zweifelhaft). I m H i n b l i c k auf ein uninformed judgment entscheidet letztlich die Uberzeugungskraft der Argumente der Parteien über den Ausgang des entire (intrinsic) fairness tests.

264 Siehe dazu: Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung, S.22; Aheltshauser, Leitungshaftung, S. 130f.; Mutter, Entscheidungen, S.208; Trockels AG 1990, S. 139, 140; von Werder/Feld RIW 1996, S. 481, 482. 265 Siehe zum Meinungsstand: Paefgen, Entscheidungen, S. 168f. („umfassende gerichtliche Uberprüfung sowohl des Entscheidungsverfahrens einschließlich der Entscheidungsgrundlagen und der vom board verwendeten Informationen wie auch des Entscheidungsergebnisses in allen seinen unternehmerischen Aspekten") und S. 185 („volle gerichtliche Uberprüfung") und AG 2004, S. 245, 249 („umfassende gerichtliche Uberprüfung der Entscheidung, was die Umstände ihres Zustandekommens, vor allem aber auch die Vereinbarkeit ihres Ergebnisses und ihrer Auswirkungen mit dem Interesse der Gesellschaft und ihrer Aktionäre beinhaltet"); Aheltshauser, Leitungshaftung, S. 172,183 („weitergehende richterliche Inhaltskontrolle") und S. 177,182,189, 194,201 („inhaltliche Uberprüfung"); Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung, S. 167 („genaue inhaltliche Uberprüfung").

A. Ansatzpunkt

263

Dieser Befund belegt aber nicht nur erhebliche Abgrenzungsprobleme zwischen dem rational business purpose und dem fair price. 2 6 6 E r wirft auch ein Schlaglicht auf das sachlogische Problem der Differenzierung zwischen den beiden unterschiedlich weiten Kontrollmaßstäben. D i e Gerichte lassen sich letztlich nicht davon leiten, o b bei der Uberprüfung der reasonableness of the decision ein großzügiger rechtlicher Kontrollmaßstab (der rational business purpose test) oder ein strenger rechtlicher Kontrollmaßstab (der entire (intrinsic) fairness test) zur Anwendung k o m m e n soll. D e r der business judgment rule innewohnende juridical self restraint und damit der rational business purpose test (in der dargelegten Interpretation) ist mithin keine sachlogische K o n s e q u e n z einer business decision 2 6 7 und entspricht daher auch keiner inhärenten G r e n z e , die der einfordbaren Entscheidungsqualität gesetzt ist. Bei der Überprüfung der reasonableness of the decision kann ein strengerer rechtlicher Kontrollmaßstab als der rational business purpose test (in der dargelegten Interpretation) zugrundegelegt werden, ohne daß das Urteil der directors und officers über die reasonableness o f business decisions bereits ersetzt (und nicht mehr nur überprüft) würde. 2 6 8 Es sei nur angemerkt, daß gerade wegen der ganz erheblichen Probleme bei der Interpretation der business judgment rule (in funktioneller und inhaltlicher H i n sicht) und - auch daraus resultierend - bei der Konkretisierung des entire (intrinsic) fairness tests die Kodifizierungsbemühungen des C o m m i t t e e on Corporate Laws der American B a r Association (Revised Model Business Corporation A c t 1998) unvollständig gewesen sind, die Kodifizierungsbemühungen des American L a w Institute (Principles of C o r p o r a t e Governance 1994) umstritten geblieben sind 2 6 9 und die Kodifizierungsbemühungen der California L a w Revision C o m i s sion (Recommendation - Business Judgment Rule 1 9 9 3 - 1 9 9 8 ) bislang zu keinen Ergebnissen geführt haben. 2 7 0

266 Die gleichen Abgrenzungsprobleme zeigen sich auch bei dem Versuch von Roth, Ermessen, S. 97ff., 103 ff., zwischen „spezialgesetzlich geregeltem Ermessen" (das typische Fälle der duty of loyalty und damit des entire (intrinsic) fairness tests erfaßt; siehe dazu S. 58ff.) und „unternehmerischem Ermessen" (das typische Fälle der duty of care und damit der business judgment rule erfaßt; siehe dazu S.74ff.) und daran anknüpfend zwischen den Kontrollmaßstäben der „Unvertretbarkeit" („offenkundig und eindeutig unrichtig"; so S.306) und der „Unverantwortlichkeit" („fehlende kaufmännische Rechtfertigung offensichtlich"; so S. 99f.) zu unterscheiden, weil dies unscharf bleibt, wie die Ausführungen auf den S. 121 ff., 123 ff. besonders deutlich belegen. Siehe dazu auch Roth BB 2004, S. 1066, 1068. 267 Ganz in diesem Sinne meint auch Trockels AG 1990, S. 139,140, es sei zweifelhaft, ob sich das Ziel der Nichteinmischung in Geschäftsentscheidungen erreichen lasse, denn auch zur Abgrenzung des Anwendungsbereichs der business judgment rule müßten sich die Gerichte intensiv mit wirtschaftlichen und geschäftspolitischen Fragestellungen beschäftigen. 268 Siehe dazu: Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung, S.22; Abeltsbauser, Leitungshaftung, S. 130f.; Mutter, Entscheidungen, S.208; Trockels AG 1990, S. 139, 140; von Werder/Feld. R I W 1996, S.481, 482. 269 Siehe dazu Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung, S.23ff., 28ff. 270 CLRC, Business Judgment Rule, S. 16, 23, 26, 28.

264

3. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

(2) Funktion

der

des Vorstands und des

Aufsichtsrats

Aktionärsklage

Es gibt nicht viele Urteile, in denen die Frage des rational business purpose eine entscheidende Rolle gespielt hat 271 und in denen es dann auch noch um die „Bewertung allgemein betriebswirtschaftlicher Führungsentscheidungen" 272 oder „regulärer unternehmerischer Entscheidungen ... wie die Einführung eines neuen Produktes oder die Eröffnung eines neuen Werkes" 2 7 3 gegangen ist. 274 Es gibt auch nicht viele Urteile, in denen der entire (intrinsic) fairness test zur Anwendung gekommen ist, ohne daß ein interested judgment vorgelegen hat, und in denen es dann um etwas anderes als die Bewertung eines Unternehmensverkauf ge275

gangen ist. Dafür gibt es einen Grund: Die Aktionärsklage wird im Hinblick auf ihre Erfolgschancen gewöhnlich nur wegen außerordentlichen oder irregulären business decisions oder wegen möglicher Verletzungen der duty of loyalty, die nicht in den Anwendungsbereich der business judgment rule fallen (kein business judgment oder kein disinterested judgment), erhoben. 2 7 6 Die besonderen Erfolgschancen dieser Klagegründe beruhen auf den unterschiedlichen rechtlichen Kontrollmaßstäben: Im Hinblick auf die duty of care (disinterested conduct) gilt vorrangig der großzügige rechtliche Kontrollmaßstab der business judgment rule mit der Konsequenz grundsätzlich geringerer Erfolgschancen. Im Hinblick auf die duty of loyalty (self-interested conduct) gilt dagegen vorrangig der strenge rechtliche Kontrollmaßstab des entire (intrinsic) fairness tests mit der Konsequenz grundsätzlich höherer Erfolgschancen. Dies ist kein Zufall. Die Aktionärsklage dient in funktionaler Hinsicht vor allem der Durchsetzung der duty of loyalty. Dahinter steht die Uberzeugung, daß die duty of loyalty ohne gerichtliche Überprüfung praktisch undurchsetzbar wäre, während zur Durchsetzung der duty of care die Kräfte des Marktes im allge271 So ausdrücklich Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung, S. 103. Siehe dazu auch Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung, S. 103ff., der von „Irrationalität" und „Verfolgung gesellschaftszweckfremder Interessen" spricht, sowie Aheltshauser, Leitungshaftung, S.60ff., 169ff., 63ff., 176f., 69ff., 182f., 187ff. sowie S. 71ff., 192ff., 75ff., 196ff., der von „Unternehmensinteresse und Verhältnismäßigkeit" und (ausschließlich oder ergänzend) von „waste of corporation's assets" spricht.

So die Formulierung von Aheltshauser, Leitungshaftung, S. 193. So die Formulierung von Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung, S. 179. 2 7 4 Siehe dazu Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung, S. 179 und Aheltshauser, Leitungshaftung, S.71ff„ 192 ff. 2 7 5 So ausdrücklich Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung, S. 174. In diesen Fällen wurde regelmäßig nicht um das Vorliegen eines informed judgment, sondern um das Vorliegen eines rational business purpose gestritten (siehe dazu Aheltshauser, Leitungshaftung, S.60ff., 63ff., 69ff., 71 ff., 75ff.), und zwar mit der Konsequenz, daß der entire (intrinsic) fairness test nicht ergänzend eingreifen kann, weil die Klage entweder ohne weitere Uberprüfung der Entscheidung abgewiesen wird (safe harbour) oder weil die Frage nach der Fairneß der angegriffenen Maßnahme nicht mehr ernsthaft gestellt werden kann (Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung, S. 167). 272

273

276 Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung, S. 179 und Aheltshauser, Leitungshaftung, S. 60ff., 63ff., 69ff„ 71 ff., 75ff„ 98ff„ 102ff. und S.274ff„ 285ff„ 293ff., 298ff., 312ff„ 317ff.

A.

Ansatzpunkt

265

meinen wirksamer seien; die duty of loyalty ist historisch gesehen immer einer schärferen gerichtlichen Uberprüfung unterworfen gewesen.277 Dieser Dualismus ist durch den Sarbanes-Oxley Act 7/2002 noch verstärkt worden. Zur Vermeidung von Interessenkonflikten ist die direkte und indirekte Vergabe von Krediten an directors, executive officers und vergleichbare Funktionsträger nunmehr mit Ausnahme von bestimmten üblichen Verbraucher- und Bankkrediten schlicht verboten (Section 402 SOA). 2 7 8 Eine höhere Kontrolldichte in den Fällen, in denen nach U.S. amerikanischem Recht ein Verstoß gegen die duty of loyalty in Rede steht, ist im deutschen Recht nicht geboten. Denn typischen Interessenkonflikten wird durch Zuständigkeitsregeln vorgebeugt. Dies erfolgt im Hinblick auf In-sich-Geschäfte, Kompensationsleistungen und Nutzungen von Gesellschaftsressourcen durch die §§78 Abs. 1 AktG, 112 AktG, 181 B G B iVm. einer Gestattung des Aufsichtsrats nach § 78 Abs. 3 Satz 1 und Satz 2 AktG analog (oder einem Einwilligungsvorbehalt des Aufsichtsrats nach §89 Abs. 3 und Abs. 4 AktG) und durch die §§84, 87, 88, 89 AktG. 2 7 9 Eine Übernahme der U.S. amerikanischen Rechtsprechung zur höheren Kontrolldichte bei möglichen Verstößen gegen die duty of loyalty als bei möglichen Verstößen gegen die duty of care ist mithin mangels vergleichbarer Ausgangs- und Gefährdungslage nicht gerechtfertigt. 280

277 Coffee, Corporate Governance, S. 165,200ff. In diesem Zusammenhang spielt die demand rule in Verbindung mit den Special Litigation Committees eine besondere Rolle. Hier spiegeln sich zum einen die unterschiedlichen rechtlichen Kontrollmaßstäbe: Denn angesichts der sich aus der Aufforderung ergebenden Nachteile (Geltung des board of directors als disinterested zum Zeitpunkt der Antwort sowie im übrigen Anwendung der business judgment rule auf die Antwort) richten die Kläger zumeist keine Aufforderung an den board of directors, sondern machen die Vergeblichkeit der Aufforderung (wegen fehlender disinterestedness des board of directors zur Zeit der Antwort) geltend; siehe dazu Coffee, Corporate Governance, S. 165,187. Hier zeigt sich zum anderen der Unterschied zwischen Theorie und Praxis: „Die richterliche Verweisung auf das Sonderausschußverfahren unterhöhlt jeden wirksamen prozessualen Rechtsbehelf gegen Insichgeschäfte. Wie gravierend die Verletzung der Treuepflicht auch ist, für von fähigen Rechtsanwälten unterstützte Beklagte ist es anscheinend möglich, einen Sonderausschuß einzusetzen (der erforderlichenfalls mit neu ernannten directors besetzt wird, wobei zwischen diesen und den Beklagten kein leicht erkennbares Beziehungsgeflecht besteht) und die letztendlich günstige Entscheidung des Ausschusses abzuwarten"; Coffee, Corporate Governance, S. 165, 201. 2 7 8 Siehe dazu: Hütten/Stromann B B 2003, S. 2223,2227; Block B K R 2003, S. 774,787; Donald W M 2003, S. 705, 710; Kersting ZIP 2003, S.233, 235. 279 Abeltshauser, Leitungshaftung, S.337f., 340ff., 345ff., 351f., 353f., 357ff. (wobei er allerdings übersieht, daß § 87 A k t G auch „Nebenleistungen jeder Art" erfaßt); siehe dazu auch Paefgen, Entscheidungen, S. 192ff. („Kompetenzbeschränkung") und S.200ff. („Stimmverbote") sowie Rdn.264 des Kommissionsberichts. 280 Paefgen, Entscheidungen, S. 192ff., 217, sieht dieses Problem, will aber bei der U.S. amerikanischen Lösung bleiben und dies durch eine „restriktive Handhabung des Kompetenzentzuges und des Stimmrechtsausschlusses" (S.206f.) erreichen, und zwar mit der Begründung, die „damit verbundenen Konzessionen an die Präzision der Rechtsanwendung" („Ausmaß der judiziellen Kontrolldichte") sei „der Art von Gefährdung der Rechtssicherheit vorzuziehen, die sich aus weitherzigen Analogien zu den gesetzlichen Regeln" ergebe (S.217).

266

3. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

(3) Verschärfung

der business judgment

des Vorstands und des Aufsichtsrats rule

Das U . S . amerikanische Recht gibt mit dem Hinweis auf die F u n k t i o n der A k t i o närsklage einen G r u n d dafür an, daß die reasonableness o f the decision im Falle eines informed disinterested business judgments nur auf der Grundlage des rational business purpose tests (in der dargelegten Interpretation) überprüft wird, o b wohl sie auch auf der Grundlage des entire (intrinsic) fairness tests und damit wie die möglichen Verletzungen der duty of loyalty und insbesondere wie ein informed interested business judgment überprüft werden könnte. Dies rechtfertigt jedoch nicht die Absenkung der Kontrolldichte auf ein so geringes M a ß wie es die U . S . amerikanische business judgment rule bislang beinhaltet. Das belegen die jüngsten Entwicklungen in den Vereinigten Staaten. M a n ist zu der Erkenntnis gelangt, daß der rational business purpose test (in der dargelegten Interpretation) in Verbindung mit dem right of reliance den directors und officers einen übermäßigen Schutz vor Haftung gewährt, 2 8 1 und hat daraus erste Konsequenzen gezogen. E s gibt zwar vereinzelte Stimmen, die Kontrolldichte der U . S . amerikanischen business judgment rule abzusenken. So wird gefordert, die business judgment rule im Sinne einer abstention doctrine zu verstehen und auf die Anforderung des informed judgment zu verzichten 2 8 2 oder von dem Erfordernis eines rational business purpose abzusehen. 2 8 3 Dies entspricht jedoch nicht dem überwiegenden Trend in Schrifftum und Rechtsprechung. 2 8 4 D i e Gerichte in Delaware haben eindeutig eine andere Richtung eingeschlagen, und zwar mit der Konsequenz, daß die Diskussion eingesetzt hat whether the business judgment rule is still alive. D i e Gerichte scheinen business judgments künftig eingehender prüfen und die H a f tung der directors ausweiten zu wollen. E s wird angenommen, daß die Gerichte den geänderten rechtlichen, gesellschaftlichen und sozialen Rahmenbedingungen nach den Skandalen um E n r o n und W o r l d c o m Rechnung tragen. 2 8 5 Diese E n t wicklung zeigt sich etwa an den Fällen Walt D i s n e y C o m p a n y und Oracle. Bei der Walt D i s n e y C o m p a n y wurde der erfolglose president nach nur vierzehnmonatiger Amtszeit v o m board o f directors mit einer Abfindung im Wert von 140 M i o . U . S . Dollar verabschiedet. D e r Delaware Chancery C o u r t gab dem Antrag der directors auf Abweisung der Schadensersatzklage statt. E r prüfte eine Verletzung der duty of care, weil der board of directors möglicherweise keine nähere Prüfung vornahm und alle Einzelheiten dem president und dem C E O überließ, und eine Verletzung der duty of acting in good faith, weil bewußte oder absichtliche Gleichgültigkeit eines directors gegenüber seiner Pflicht, gewissenhaft

281 282 283 284 285

Hess, Corporate Governance, S. 9,17f.; Buxbaum, Corporate Governance, S. 65, 76ff. Siehe dazu Paefgen AG 2004, S.245, 254. Siehe dazu Eisenberg Der Konzern 2004, S.386, 391 f. Paefgen AG 2004, S.245, 254; Eisenberg Der Konzern 2004, S.386, 391 f. Kock/Dinkel NZG 2004, S.441, 445.

267

A. Ansatzpunkt

und mit der erforderlichen Sorgfalt zu handeln, kein ehrliches und redliches Verhalten im Interesse der Gesellschaft sei. D a m i t wäre sowohl die satzungsmäßige Haftungsfreistellung als auch der Schutz durch die business judgment rule entfallen. 2 8 6 I m U . S . amerikanischen Schrifftum wird die Auffassung vertreten, daß das Gericht vor dem Enron-Skandal in diese Prüfung nicht eingestiegen wäre. 2 8 7 D e r Delaware C h a n c e r y C o u r t wies in dem Verfahren Oracle den Antrag eines Special Litigation C o m m i t t e e auf Klageabweisung zurück. E r nahm an, daß der Ausschuß nicht unabhängig gewesen sei, weil zwei Ausschußmitglieder an der Universität lehrten, der drei der vier beklagten directors hohe Beträge gespendet hatten oder als Professoren angehörten. E r hat damit das Erfordernis des disinterested judgments enger als bisher interpretiert und auf diese Weise den Weg zu einer intensiveren Prüfung von business judgments freigemacht. 2 8 8 In dieses Bild paßt auch ein weiterer Befund. D i e Einschränkung der Klagemöglichkeiten bei Wertpapierbetrug in der Mitte der 90er J a h r e hat möglicherweise den Weg zu den Führungs- und Rechnungslegungsskandalen

Enron,

W o r l d C o m , Adelphia und X e r o x geebnet. Damals war eine Begrenzung von offensichtlich unbegründeten Klagen und exzessiven Schadensersatzforderungen gegen Emittenten und Abschlußprüfer das erklärte Ziel. D e r Supreme C o u r t sah im J a h r 1994 bei bloßer Beihilfe zum Wertpapierbetrug nach § 10 Abs. (b) Securities Exchange A c t of 1934 keinen Klagegrund mehr, und der Private Securities L i tigation R e f o r m A c t o f 1995 schloß eine Privatklage gegen Abschlußprüfer oder andere Marktteilnehmer bei bloßer Beihilfe aus. Daraufhin setzte die größte B ö r senhausse der U . S . amerikanischen Geschichte ein. D i e Folgen sind bekannt, das Ergebnis auch: M i t dem Sarbanes-Oxley A c t 7/2002 wurde gerade die Haftung des C E O und des C F O verstärkt. 2 8 9 Vor diesem Hintergrund liegt die hier entwickelte gesellschaftsrechtliche E n t scheidungsfehlerlehre sogar auf der Linie der U . S . amerikanischen Rechtsprechung. Eine strengere und stringentere Haftung ist auch in den Vereinigten Staaten das erklärte Ziel.

286 Siehe dazu: Eisenberg Der Konzern 2004, S.386, 401 f., 402ff.; Kock/Dinkel N Z G 2004, S.441, 445; Paefgen AG 2004, S.245, 254; FAZ 11. August 2005. 287 Kock/Dinkel NZG 2004, S.441, 445. 288 Kock/Dinkel NZG 2004, S.441, 446. 289 Donald WM 2003, S.705, 705f., 707f.; siehe zur Haftung auch Block BKR 2003, S.774, 776f., 777.

B. Die gesellschaftsrechtliche Entscheidungsfehlerlehre Das aufgezeigte K o n z e p t einer gesellschaftsrechtlichen Entscheidungsfehlerlehre bedarf der Ausformung. D a b e i lautet die entscheidende Frage, wie die U b e r schreitung als der einzige reine (inhaltliche) Ergebnisfehler (abstrakter Verhaltensfehler) und der Abwägungsmangel als der praktisch relevante (inhaltliche) Ergebnisfehler/inhaltliche Vorgangsfehler (konkreter Verhaltensfehler) sowie die Abwägungsmißorganisation und die Abwägungsunschlüssigkeit als die strukturellen Vorgangsfehler erster Stufe (konkrete Verhaltensfehler) zu konkretisieren sind. Zwischen der Abwägungsmißorganisation, der Abwägungsunschlüssigkeit und dem Abwägungsmangel besteht ein spezifischer Zusammenhang, der für die Konkretisierung der konkreten Verhaltensfehler bedeutsam ist. D i e Abwägungsmißorganisation kann eine Abwägungsunschlüssigkeit verursachen oder mitverursachen. D e n n nicht existente oder nicht effektive informationelle Instrumentarien können dazu führen, daß die relevanten tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte nicht, nicht vollständig oder nicht ausschließlich gewürdigt werden oder zwar gewürdigt werden, aber zuvor nicht oder nicht vollständig zutreffend bestimmt worden sind (unechter struktureller Vorgangsfehler erster Stufe). Dies ist nicht zwingend. A u f der einen Seite stellen auch effektive informationelle Instrumentarien nicht notwendig sicher, daß die relevanten tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte vollständig und zutreffend bestimmt gewürdigt werden. A u f der anderen Seite schließen I n k o m p e t e n z oder ineffiziente Selbstorganisation es nicht aus, daß die relevanten tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte vollständig und zutreffend bestimmt gewürdigt werden (echter struktureller Vorgangsfehler erster Stufe). 1 D i e Abwägungsunschlüssigkeit kann ihrerseits einen Abwägungsmangel verursachen oder mitverursachen. D i e Berücksichtigung sachfremder bzw. unsachlicher Gesichtspunkte kann zu unsachgemäßen bzw. unsachlichen Erwägungen, und die Nichtberücksichtigung sachbezogener Gesichtspunkte kann zu unsachgemäßen Erwägungen führen. Die Berücksichtigung nicht zutreffend bestimmter sachbezogener Gesichtspunkte kann eine im Lichte der objektiven Umstände 1 Siehe dazu von Werder/Feld R I W 1996, S.481, 489 („strenggenommen nicht vollkommen unabhängig voneinander") und Alexy J Z 1986, S. 701, 712, der darauf hinweist, daß der „Abwägungsausfall ... häufig zusammen mit der Ermessensunterschreitung" auftritt, „aber mit dieser nicht identisch" ist.

B. Die gesellschaftsrechtliche

Entscheidungsfehlerlehre

269

und des Verbots unsachgemäßer Erwägungen nicht zu rechtfertigende Abwägung nach sich ziehen (unechter struktureller Vorgangsfehler erster Stufe). Dies ist ebenfalls nicht zwingend. Die „Gesichtspunkte, die die Entscheidung nicht beeinflussen dürfen,... können erwogen, erörtert und als gänzlich unbeachtlich zurückgewiesen werden." Zudem kann es an einem Abwägungsmangel fehlen, obwohl „zu berücksichtigende Gesichtspunkte tatsächlich" nicht „erwogen und erörtert wurden" (echter struktureller Vorgangsfehler erster Stufe). 2 Dieser Zusammenhang hat eine wichtige Konsequenz für die Konkretisierung der konkreten Verhaltensfehler: Das Verbot unsachgemäßer und unsachlicher E r wägungen ist ein Wertungsgrundsatz, der die Richtlinien flankiert, an denen sich eine sachgemäße Einschätzung bzw. Ermessensausübung ausrichten muß (Abwägungsgrundsätze). Es ist demzufolge in negativer Abgrenzung zu ihnen zu konkretisieren. Das Verbot unsachgemäßer und unsachlicher Erwägungen o d e r vice versa - die Abwägungsgrundsätze ist/sind im Hinblick auf die Abwägungsunschlüssigkeit der Maßstab dafür, was als sachfremder, sachbezogener und unsachlicher Gesichtspunkt anzusehen ist. Die Antwort auf die Frage, unter welchen Voraussetzungen im Hinblick auf den Abwägungsmangel eine im Lichte der objektiven Umstände und des Verbots unsachgemäßer Erwägungen nicht zu rechtfertigende Abwägung vorliegt und im Hinblick auf die Abwägungsunschlüssigkeit die sachbezogenen Gesichtspunkte nicht zutreffend bestimmt worden sind, hängt ihrerseits von den Anforderungen ab, die den Schluß erlauben, daß der Vorstand/Aufsichtsrat die sachbezogenen Gesichtspunkte „rechtlich zutreffend ... erkannt und ordnungsgemäß, rechtlich und tatsächlich zutreffend bestimmt, ermittelt und festgestellt hat." 3 Diese Anforderungen zielen (auch) auf die Leistungsfähigkeit der informationellen Instrumentarien und damit auf die Anforderungen, die das Vorliegen einer Abwägungsmißorganisation ausschließen. Vor diesem Hintergrund soll der Abwägungsmangel wegen seiner Rückwirkung auf die beiden strukturellen Vorgangsfehler vor diesen und aufgrund seiner Verwandtschaft mit der Überschreitung (es handelt sich bei beiden um inhaltliche Fehler) gemeinsam mit dieser konkretisiert werden. Dabei wird der Schwerpunkt auf die Herausbildung von Abwägungsgrundsätzen und die Ausformung des Rationalgebots gelegt. Die Abwägungsmißorganisation und die Abwägungsunschlüssigkeit sollen wegen der zwischen ihnen bestehenden Wechselwirkung, die über die informationellen Instrumentarien vermittelt wird, gemeinsam und gerade im Lichte dieser besonderen Beziehung konkretisiert werden. Da dies unter Rückgriff auf Erkenntnisse aus der Betriebswirtschaftslehre und dem U . S . amerikanischen Gesellschaftsrecht, aus den spektakulären Unternehmenskrisen und Unternehmensskandalen und der Diskussion um Corporate G o 2 3

Alexy]Z 1986, S. 701, 712. So die Formulierung von Kopp/Schenke,

V w G O , § 114 Rdn. 35.

270

3. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des Aufsichtsrats

vernance Standards sowie aus der Prüfung der Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsführung nach § 53 H G r G sowie der Entwicklung der Unternehmensberichterstattung und ihrer externen Prüfung in Deutschland wie in den Vereinigten Staaten geschehen soll, stellt sich zuvor allerdings noch ein methodisches Problem. Die Möglichkeit eines Rückgriffs auf Erkenntnisse des U.S. amerikanischen Gesellschaftsrechts wird nicht mehr ernsthaft bezweifelt werden können. Die ARAG-Entscheidung des Bundesgerichtshofs wird als Übernahme der U.S. amerikanischen business judgment rule verstanden.4 Die Bundesregierung lehnt sich mit § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG idF. von Art. 1 Nr. 1 RegE U M A G 11/2004 ausdrücklich an die „business judgment rule aus dem angelsächsischen Rechtskreis" an.5 Eine Reihe von Monographien zielt auf die Herausbildung einer deutschen business judgment rule.6 Die Möglichkeit eines Rückgriffs auf Erkenntnisse aus den spektakulären Unternehmenskrisen und Unternehmensskandalen, aus der Diskussion um Corporate Governance Standards sowie aus dem Bereich der Unternehmensberichterstattung und ihrer externen Prüfung (unter Einschluß der Prüfung der Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsführung nach §53 H G r G und der U.S. amerikanischen Rechtsentwicklung) läßt sich ebenfalls nicht mehr mit guten Gründen infragestellen. Es ist der Gesetzgeber, der die Verbesserung der Überwachung durch den Aufsichtsrat im Zusammenwirken mit dem Abschlußprüfer in den Vordergrund seiner Bemühungen gerückt hat.7 Die Möglichkeit eines Rückgriffs auf Erkenntnisse der Betriebswirtschaftslehre wird nicht grundsätzlich bezweifelt; so ist etwa weitgehend anerkannt, daß der Vorstand das Unternehmen „unter Berücksichtigung gesicherter und praktisch bewährter betriebswirtschaftlicher Erkenntnisse" zu führen hat. 8 Ein solcher Rückgriff wurde und wird von der Rechtswissenschaft allerdings kaum ernsthaft in Betracht gezogen, und dies, obwohl sich heute niemand mehr der Frage nach dem Verhältnis zwischen den im Deutschen Kodex ausgeformten (nicht die Gesetzesnormen rekapitulierenden) Corporate Governance Standards (im folgenden echte Corporate Governance Standards) und den Gesetzesnormen verschließen kann. Dabei ist die neuralgische Frage die nach der Relevanz der echten Corporate Governance Standards für die Interpretation der den Vorständen/Auf4 Paefgen AG 2004, S.245, 247; Fleischer ZIP 2004, S.685, 686; Kock/Dinkel NZG 2004, S.441, 443; Kiethe WM 2003, S.861, 864; Witte/Hruhesch BB 2004, S.725, 728; Roth BB 2004, S. 1066, 1066; Luttermann BB 2001, S.2433, 2436; Kindler ZHR 162 (1998), S. 101, 107; Henze BB 2005, S. 165, 166 und BB 2001, S.53, 57 sowie BB 2000, S.209, 215; Grooterhorst ZIP 1999, S. 1117, 1123; Heermann AG 1998, S.201, 204; Horn ZIP 1997, S.1129, 1134. 5 Begründung zu Art. 1 Nr. 1 RegE UMAG 11/2004. 6 Paefgen, Entscheidungen, S. 171 ff.; Abeltshauser, Leitungshaftung, S. 161 ff.; Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung, S.230ff., 277ff.; Roth, Ermessen, S.74ff., 107ff. 7 Siehe dazu oben S.34f. 8 Siehe dazu nur Mertens, Kölner Kommentar, §93 Rdn. 45.

B. Die gesellschaftsrechtliche

Entscheidungsfehlerlehre

271

sichtsräten obliegenden Rechtspflichten im Sinne des § 9 3 A k t G / d e r § § 1 1 6 , 93 A k t G . 9 Dagegen ist eine andere Frage inzwischen geklärt: E s liegt eine Pflichtverletzung des Vorstands/Aufsichtsrats im Sinne des § 93 A k t G / d e r § § 1 1 6 , 9 3 A k t G vor, wenn der Vorstand/Aufsichtsrat gegen einen in einer Geschäftsordnung, in einem Vertrag, in der Satzung oder durch tatsächlich geübte Praxis für ihn verbindlich gemachten und umgesetzten 1 0 C o r p o r a t e Governance Standard verstößt. 1 1 Es ist jedoch die Relevanzfrage, die für die Konkretisierung der Ü b e r schreitung und des Abwägungsmangels sowie der Abwägungsmißorganisation und der Abwägungsunschlüssigkeit entscheidend ist. Sie ist daher zuvor zu klären.

I. Die Relevanz des Deutschen Kodex D i e Frage nach der Relevanz der echten C o r p o r a t e Governance Standards für die Interpretation der R e c h t s n o r m e n und insbesondere der den Vorständen/Aufsichtsräten obliegenden Rechtspflichten im Sinne des § 9 3 A k t G / d e r § § 1 1 6 , 93 A k t G stellt sich vor dem Hintergrund eines schwierigen Verhältnisses zwischen Rechtswissenschaft und Betriebswirtschaftslehre. 1. R e c h t s w i s s e n s c h a f t u n d B e t r i e b s w i r t s c h a f t s l e h r e Das Verhältnis zwischen Rechtswissenschaft und Betriebswirtschaftslehre zeichnet sich dadurch aus, daß es in der Rechtswissenschaft bislang nur einen zögerlichen Rückgriff auf Erkenntnisse der Betriebswirtschaftslehre gibt, während sich die Betriebswirtschaftslehre bereits seit langem eingehend mit dem Aktienrecht beschäftigt, damit aber nur wenig G e h ö r gefunden hat. a) Zögerliche

Herausbildung

von

Rechtspflichten

N u r wenige betriebswirtschaftliche Erkenntnisse haben Eingang in die R e c h t s wissenschaft gefunden und zur Herausbildung von Rechtspflichten geführt. So ist im R a h m e n der Interpretation des § 7 6 A b s . l A k t G die betriebswirtschaftliche Erkenntnis übernommen worden, daß der Vorstand die U n t e r n e h mensplanung (Zielsetzung sowie mittel- und langfristige Festsetzung der U n t e r nehmenspolitik), die unternehmerische Koordinierung (Organisation, A b s t i m mung und Kontrolle der mit Führungsaufgaben ausgestatteten Teilbereiche des

Siehe zum aktuellen Diskussionsstand nur Seidel ZIP 2004, S. 285, 290. So Rdn. 17 des Kommissionsberichts. 11 Borges ZGR 2003, S.508, 527f.; Ulmer ZHR 166 (2002), S.150, 168ff.; Seiht AG 2002, S.249, 254ff.; Lutter ZHR 166 (2002), S.523ff. und ZGR 2001, S.224, 236; Schiessl AG 2002, S.593, 595. 9

10

272

3. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des Aufsichtsrats

Unternehmens) und die Besetzung von Führungsstellen im Unternehmen 12 nicht delegieren darf.13 Die Forderung, der Vorstand müsse Produktion, Absatz, Investitionen, Liquidität und Erträge planen, ist inzwischen ebenso weitgehend als Rechtspflicht anerkannt wie das Erfordernis, der Aufsichtsrat müsse sich über diese Planungen unterrichten, sie darauf überprüfen, ob sie der Situation des Unternehmens angemessen seien, und das Fehlen einer für Kontrollzwecke ausreichenden strategischen Planung rügen.14 Die Forderung, der Vorstand müsse ein internes Steuerungs- und Überwachungssystem einrichten, aufrechterhalten, weiterentwickeln und überwachen und auf der Grundlage der zur Verfügung gestellten Informationen das Unternehmen steuern und die Erfolgskontrolle vornehmen, 15 hat sogar zum Teil Eingang in das Gesetz gefunden (§91 Abs. 2 AktG, §§317 Abs.4, 321 Abs.4, 321 Abs.5 Satz 2 HGB). Sie ist damit als Rechtspflicht anerkannt worden, die als spezielle Ausprägung des § 93 AktG zu qualifizieren ist. 16 Sucht man nach dem Grund für diese zögerliche Herausbildung von Rechtspflichten unter Rückgriff auf Erkenntnisse der Betriebwirtschaftslehre, so gelangt man zu der Erkenntnis, daß es sich in all diesen Fällen - in Anlehnung an einen Gedanken von Manuel René Theisen - nicht nur um „betriebswirtschaftlich Wünschenswertes bzw. Effizientes", sondern vor allem um „interdisziplinär Plausibles" handelt.17 So hat doch auch - in Anlehnung an einen Gedanken von Peter Hommelhoff und Martin Schwab - „der Jurist ... zumindest rudimentäre Vorstellungen davon, wie man ein Unternehmen führen oder doch zumindest, wie man es jedenfalls nicht führen soll." 18 b) Zögerliche Rezeption Unternehmensführung

von Grundsätzen

ordnungsgemäßer

Ganz im Gegensatz dazu steht der Befund, daß in der Betriebswirtschaftslehre seit nahezu vierzig Jahren über Grundsätze ordnungsgemäßer Unternehmensführung (Grundsätze ordnungsgemäßer Unternehmensleitung und Grundsätze ordnungsgemäßer Unternehmensüberwachung) diskutiert wird. Die Zielsetzung ist seit jeher gewesen, im Rahmen der jeweils geltenden Rechtsvorschriften für eine aus betriebswirtschaftlicher Sicht effiziente Leitung und Überwachung deut-

12 Mertens, Kölner Kommentar, § 76 Rdn. 5; Semler, Überwachung, S. 1 Of.; Mutter, Entscheidungen, S. 15ff.; Abeltshauser, Leitungshaftung, S.29, 32f. 13 Hommelhoff/Schwab zfbf Sonderheft 36.96, S. 149,162f. 14 Hommelhoff/Schwab zfbf Sonderheft 36.96, S. 149, 164f. 15 Siehe dazu von Werder zfbf Sonderheft 36.96, S.27, 48f., 51 und Potthoff Geschäftsführung, S.73ff., 94ff., 128ff. sowie Hommelhoff/Schwab zfbf Sonderheft 36.96, S. 149, 164. 16 Siehe dazu Kiethe WM 2003, S. 861, 862 und Mertens, Kölner Kommentar, §93 Rdn. 7. 17 Theisen RWZ 2001, S. 157, 165. 18 Hommelhoff/Schwab zfbf Sonderheft 36.96, S. 149, 160.

B. Die gesellschaftsrechtliche

Entscheidungsfehlerlehre

273

scher Unternehmen und Konzerne zu sorgen. 19 Es sollte „eine vernünftige Eingrenzung und praktikable Konkretisierung" der den Vorständen/Aufsichtsräten obliegenden Rechtspflichten im Sinne des § 93 AktG/der §§116,93 AktG erreicht werden. 20 Man wollte und will „zur Steigerung der Führungsqualität" und „zur gelegentlich gebotenen Sanktionierung grober Fehlverhaltensweisen von Führungsorganen bzw. ihren Mitgliedern" beitragen. 21 Exemplarisch sei hier Axel von Werder zitiert: „... kann eine Entwicklung von Grundsätzen ordnungsgemäßer Unternehmensführung ... als sowohl durchführbar als auch wichtig angesehen werden. Zunächst erscheinen derartige Grundsätze durchaus geeignet, als Orientierungsleitlinien für die Führungsorgane zu dienen und tendenziell zu einer Qualitätsverbesserung der Unternehmensführung beizutragen. Ferner kann den existierenden Rechtsnormen für die Aufgaben und Pflichten der Führungsorgane nur dann rechtstatsächlich größere Geltung und Steuerungskraft verschafft werden, wenn die anzuwendende Sorgfalt und die zu tragende Verantwortung genauer als bisher konkretisiert werden. Andernfalls läßt sich das gesetzte Recht einschließlich der Haftungsvorschriften für Fälle grober Pflichtverletzungen nicht überzeugend zur Anwendung bringen. Für eine Konkretisierung der Aufgaben- und Pflichtenstellungen aber bietet sich gerade die Aufstellung von Führungsgrundsätzen an, die die gesetzlich verankerten Generalklauseln (überwiegend) außerhalb des Gesetzestextes ausfüllen." 22 Dabei lassen sich sogar einige Parallelen zwischen Rechtswissenschaft und Betriebswirtschaftslehre feststellen. Sie gründen wohl darin, daß - um eine Formulierung von Axel von Werder aufzugreifen - einige aktienrechtliche Prinzipien aus betriebswirtschaftlicher Sicht als überzeugend angesehen worden sind. 23 So zählt zu den Organisationsgrundsätzen nicht nur der Grundsatz der mehrköpfigen Unternehmensleitung, sondern auch der Grundsatz der arbeitsteiligen Unternehmensleitung. Danach müssen die Aufgaben dauerhaft den einzelnen Vorstandsmitgliedern zugewiesen werden. Es kommt der Grundsatz der kollegialen Unternehmensleitung hinzu, wonach die Vorstandsmitglieder im Kern gleichberechtigt sein müssen und insbesondere keine Weisungsbeziehungen eingerichtet werden dürfen. Hierher gehört schließlich der Grundsatz der mehrdimensionalen Gliederung. Danach sind im Regelfall nur Modelle der horizontalen Arbeitsteilung zulässig, die mehrere Gliederungskriterien (insbesondere Merkmale der Funktionen, Produkte und Märkte des Unternehmens) verwenden und Zuständigkeitsbereiche für unterschiedliche Dimensionen der Aufgabe des Vor-

19

Theisen RWZ 2001, S. 157, 164; von Werder zfbf Sonderheft 36.96, S.27, 32ff. Von Werder/Maly/Pohle DB 1998, S. 1 1 9 3 , 1 1 9 3 ; siehe dazu auch von Werder zfbf Sonderheft 36.96, S. 1, 9f. und S.27, 31f. und Theisen, Unternehmensführung, S.238ff. 21 Von Werder zfbf Sonderheft 36.96, S. 1, 9. 22 Von Werder zfbf Sonderheft 36.96, S. 1, 9f. 23 Von Werder zfbf Sonderheft 36.96, S.27, 64. 20

274

3. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des Aufsichtsrats

stands bilden (etwa für bestimmte F u n k t i o n e n und bestimmte Produktgruppen oder für bestimmte Produkte und bestimmte Regionen). 2 4 Diese Grundsätze finden sich im Gesetz oder in der Interpretation des geltenden Rechts. N a c h § 76 Abs. 2 Satz 2 A k t G hat der Vorstand bei Gesellschaften mit einem Grundkapital von mehr als 3 M i o . E u r o vorbehaltlich einer anders lautenden Satzungsregelung aus mindestens zwei Personen zu bestehen. N a c h § 7 7 Abs. 1 Satz 2 A k t G kann weder die Satzung n o c h die Geschäftsordnung bestimmen, daß ein Vorstandsmitglied/mehrere Vorstandsmitglieder

Meinungsver-

schiedenheiten gegen die Mehrheit der Vorstandsmitglieder entscheiden k a n n / können. Aufgrund des § 77 Abs. 2 A k t G kann der Vorstand eine Geschäftsordnung erlassen. Es entspricht der ganz herrschenden Ansicht, daß der Vorstand berechtigt ist, in einem Teil der Geschäftsordnung oder in einem Anhang zur G e schäftsordnung die horizontale Aufgabenverteilung nach Funktionsbereichen und/oder Geschäftsbereichen zu regeln. D a b e i kann auch das Zusammenwirken der für Funktionsbereiche und der für Geschäftsbereiche zuständigen Vorstandsmitglieder festgelegt und bestimmt werden, o b die einzelnen Vorstandsmitglieder bereichsbezogene Entscheidungsbefugnisse haben sollen. 2 5 I m R a h m e n der I n terpretation des § 93 A k t G wird unter dem Gesichtspunkt der „Pflicht zur sorgfältigen Wahrnehmung der O r g a n f u n k t i o n e n " die Pflicht zur kollegialen Zusammenarbeit und die Aufsichtspflicht bei Geschäftsverteilung betont. 2 6 Zu den Personalgrundsätzen zählen nicht nur der Grundsatz der adäquaten Qualifikation der Vorstandsmitglieder, sondern auch der Grundsatz der vorrangigen Auswahl der Vorstandsmitglieder durch den Aufsichtsrat, der Einflußnahmen des Vorstands zuläßt, soweit sie nicht zu einer faktischen K o o p t a t i o n erstarken. 2 7 Dies entspricht der Interpretation des geltenden Rechts. Gerade auch im H i n b l i c k auf § 93 A k t G wird betont, die Vorstandsmitglieder hätten für die F ä higkeiten und Kenntnisse einzustehen, die für die Erfüllung der ihnen obliegenden Rechtspflichten im Sinne des § 9 3 A k t G erforderlich sind. 2 8 N a c h § 8 4 Abs. 1 A k t G obliegt dem Aufsichtsrat - und nur ihm - die Besetzung des Vorstands. N a c h überwiegender Ansicht ist eine sachliche Stellungnahme des Vorstands lediglich bei der Meinungsbildung des Aufsichtsrats zu berücksichtigen, und zwar, weil sie nicht zu einer Vorstandsbesetzung durch K o o p t a t i o n führen darf. 2 9 D i e Ansätze der Betriebswirtschaftslehre zur Konkretisierung der den Vorständen/Aufsichtsräten obliegenden Rechtspflichten im Sinne des § 9 3 A k t G / d e r § § 1 1 6 , 93 A k t G wurden und werden von der Rechtswissenschaft ganz überwie-

24 25 26 27 28 29

Von Werder zfbf Sonderheft 36.96, S.27, 60f. Siehe dazu nur Mertens, Kölner Kommentar, §77 Rdn. 12ff., 15ff., 39f. Siehe dazu nur Mertens, Kölner Kommentar, §93 Rdn. 43, 54. Von Werder zfbf Sonderheft 36.96, S.27, 64f. Siehe dazu nur Mertens, Kölner Kommentar, §93 Rdn. 99. Siehe dazu nur Mutter, Entscheidungen, S. 68ff.

B. Die gesellschaftsrechtliche

Entscheidungsfehlerlehre

275

gend „eindrucksvoll und nachhaltig ignoriert". 30 Exemplarisch sei hier Hans-Joachim Mertens zitiert: „Lassen Sie mich ... meine Genugtuung darüber bekunden, daß Phantome wie ,Grundsätze ordnungsgemäßer Unternehmensführung, Unternehmenskontrolle und Informationsversorgung', die sich in der Köpfen der Betriebswirte als angeblich wissenschaftlich fundierte und zur Anwendung parate Regelungssysteme schon fest eingenistet haben und dabei sind - sei es mit Hilfe, sei es unter Umgehung des Gesetzgebers - , ein rechtsnormatives Dasein zu erschleichen, nirgendwo in bezug genommen werden."31 Daran ändert auch der Befund nichts, daß von der Rechtswissenschaft im Rahmen der Interpretation des §93 AktG auf die „Regeln sorgfältiger Unternehmensleitung" bezug genommen wird.32 Denn darunter wird keinesfalls das verstanden, was in der Betriebswirtschaftslehre unter den Grundsätzen ordnungsgemäßer Unternehmensleitung diskutiert wird. Es handelt sich bei den „Regeln sorgfältiger Unternehmensleitung" vielmehr um „eher vage Auslegungsskizzen der erforderlichen Sorgfalt," in denen die Inhalte der Grundsätze ordnungsgemäßer Unternehmensleitung „allenfalls rudimentär angedeutet" werden.33 Es sind in der Terminologie der Grundsätze ordnungsgemäßer Unternehmensleitung Vorstellungen über die Aufgabeninhalte der Unternehmensführung,34 die allerdings in ihrer Praktikabilität und Konkretheit weit hinter den Aufgabengrundsätzen ordnungsgemäßer Unternehmensleitung zurückbleiben. Dies erhellt bereits ein kurzer Vergleich. In der Rechtswissenschaft wird unter dem Gesichtspunkt der „Regeln sorgfältiger Unternehmensleitung" verlangt, die Vorstandsmitglieder hätten das Unternehmen unter Berücksichtigung gesicherter und praktisch bewährter betriebswirtschaftlicher Erkenntnisse und unter Beachtung aller maßgeblichen Rechtsvorschriften zu leiten. Sie müßten sich stets ein genaues Bild von der Lage des Unternehmens, insbesondere seiner Rentabilität und Liquidität, dem Gang der Geschäfte, der Umsatzentwicklung, der Marktstellung und der Konkurrenzfähigkeit seines Angebots machen. Sie hätten sich über alle unternehmenspolitisch relevanten wirtschaftlichen und politischen Umstände zu orientieren und die grundlegenden Fragen der Unternehmenspolitik, insbesondere der Organisation des Unternehmens, der Investitions-, der Finanz- und der Personalpolitik zu entscheiden. Es sei ihre Aufgabe, für die Funktionsfähigkeit der Unternehmenspla30 Theisen RWZ 2001, S. 157,164. Der beste Beleg dafür ist der Umstand, daß die (thematisch einschlägigen) rechtswissenschaftlichen Monographien der letzten Jahre fast ausnahmslos allenfalls ein - in rechtlicher Hinsicht beziehungsloses - Nebeneinander von Sorgfaltspflicht und betriebswirtschaftlichen Grundsätzen annehmen; siehe dazu etwa Roth, Ermessen, S. 93 und wohl auch Paefgen, Entscheidungen, S.4f., anders aber Mutter, Entscheidungen, S.227ff. 31 Mertens, A G Sonderheft 1997, S. 70, 72; vgl. auch Mertens, Kölner Kommentar, §111 Rdn. 30 und Semler, Überwachung, S. 54f. 32 Mertens, Kölner Kommentar, §93 Rdn. 45ff. 33 Von Werder zfbf Sonderheft 36.96, S.27, 29. 34 Von Werder zfbf Sonderheft 36.96, S.27, 43.

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3. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des Aufsichtsrats

nung, der internen Revision und der Zusammenarbeit mit den betriebswirtschaftlichen Gremien zu sorgen und den internen Informationsfluß so zu organisieren, daß ihnen Fehlentwicklungen nicht verborgen blieben. Sie müßten Risiken sorgfältig einschätzen und nach Möglichkeit minimieren. 3 5 In der Betriebswirtschaftslehre werden unter den Grundsätzen ordnungsgemäßer Unternehmensleitung dagegen nicht nur Aufgabengrundsätze verstanden, die die Inhalte der Aufgabenstellung der Unternehmensleitung detailliert beschreiben, sondern auch - unter anderem - Handlungsgrundsätze, die sich auf die Art der Erfüllung dieser Aufgaben beziehen. 3 6 Zu den Aufgabengrundsätzen zählt zunächst der Grundsatz der Strategiefestlegung. D e r Vorstand m u ß insbesondere entscheiden, auf welchen Geschäftsfeldern das U n t e r n e h m e n tätig werden soll (Geschäftsfeldstrategie), welche der damit vorgezeichneten Aufgaben in welchen Regionen bzw. an welchen L o k a t i o nen anzusiedeln sind (Geostrategie), mit welchen Stärken sich das U n t e r n e h m e n auf dem jeweiligen Geschäftsfeld gegenüber den Mitbewerbern profilieren will (Wettbewerbsstrategien), und wie die Grundlinien der operativen Entscheidungen entlang der wesentlichen Teilfunktionen des Unternehmens aussehen sollen (Funktionalstrategien). 3 7 E s k o m m t der Grundsatz der Etablierung einer I n frastruktur hinzu. Danach hat der Vorstand insbesondere die gesellschafts- und konzernrechtlichen Merkmale und die Aufbau- und Ablauforganisation (etwa Aufgaben- und Abteilungsgliederung, Leitungssystem und Führungsmodell) festzulegen, eine leistungsfähige informationelle Infrastruktur zu schaffen und Informationssysteme einzurichten. 3 8 Hierher gehört schließlich der Grundsatz der notwendigen Einzelentscheidungen. Danach hat der Vorstand diejenigen Probleme im Zuge des laufenden Tagesgeschäfts zu regeln, die unvorhersehbar sind und einen hohen Konfliktgehalt aufweisen. 3 9 Zu den Handlungsgrundsätzen gehört insbesondere der Grundsatz der R a t i o nalität, wonach die Entscheidungen fundiert werden und damit objektiv nachvollziehbar sein müssen. Dieser Grundsatz führt zu der Forderung, daß Entscheidungen detailbegründet sein müssen. Globale Konsequenzaussagen über M a ß nahmenwirkungen müssen - wenn auch ohne vollständige Ausschöpfung des zugänglichen Wissens - begründet werden (Grundsatz der Detailbegründung). D a bei dürfen sie nicht einseitig zugunsten der empfohlenen Maßnahme untermauert werden. Vielmehr müssen ihre Chancen und Risiken vorurteilsfrei ausgeglichen

Mertens, Kölner Kommentar, §93 Rdn.45f., 48. Von Werder zfbf Sonderheft 36.96, S.27, 34, 43, 51. 37 Von Werder zfbf Sonderheft 36.96, S.27, 46f. 38 Vgl. dazu von Werder zfbf Sonderheft 36.96, S. 27,48f., 51 und Potthoff S. 73ff., 94ff., 128 ff. 39 Von Werder zfbf Sonderheft 36.96, S.27, 49f. 35 36

Geschäftsführung,

B. Die gesellschaftsrechtliche

Entscheidungsfehlerlehre

277

(wenn möglich im Vergleich zu anderen infragekommenden Maßnahmen) dargelegt werden. 4 0 2. D e u t s c h e r K o d e x und A k t i e n g e s e t z Vor dem Hintergrund dieses schwierigen Verhältnisses zwischen Rechtswissenschaft und Betriebswirtschaftslehre stellt sich die Frage nach der Relevanz der echten C o r p o r a t e Governance Standards für die Interpretation der R e c h t s n o r men und insbesondere der den Vorständen/Aufsichtsräten obliegenden Rechtspflichten im Sinne des § 9 3 AktG/der § § 1 1 6 , 93 A k t G .

a) Methodischer

Ansatz

Es ist das Verdienst von Peter Hommelhoff

und Martin

Schwab,

sich als erste mit

der Frage beschäftigt zu haben, welche Relevanz (ausgeformte und subsumtionsfähige) Grundsätze ordnungsgemäßer Unternehmensführung für die Interpretation der den Vorständen/Aufsichtsräten obliegenden Rechtspflichten im Sinne des § 9 3 AktG/der § § 1 1 6 , 93 A k t G haben könnten. 4 1 Sie halten eine Rezeption des sich in Grundsätzen ordnungsgemäßer U n t e r nehmensführung manifestierenden betriebswirtschaftlichen Sachverstandes über die Heranziehung der Rechtsfigur des antezipierten Sachverständigengutachtens für möglich. Dies k o m m e aber nur in Betracht, wenn die Grundsätze ordnungsgemäßer Unternehmensführung von einem hochkarätig besetzten Gremium, in dem sämtliche einschlägige Fachdisziplinen vertreten seien und Interessenbindungen einzelner Gremienmitglieder neutralisiert würden, unter Beachtung bestimmter verfahrensrechtlicher Anforderungen (insbesondere der Begründungsund Dokumentationspflicht und der Einräumung einer Gelegenheit zur Stellungnahme für die Betroffenen) aufgestellt würden. 4 2 Dieses Ergebnis begründen sie wie folgt: Indem der Betriebswirt den Satz aufstelle, der Vorstand einer Aktiengesellschaft habe seine Produkt-, Absatz-, Finanz-, Liquiditäts-, Investitions- und E r tragsplanung für das laufende oder das nächste Geschäftsjahr in F o r m eines Zahlenwerks vorzulegen, impliziere er eine bestimmte Auffassung. E r sage damit, ein solches Verhalten sei einerseits erforderlich, andererseits aber auch ausreichend, Von Werder zfbf Sonderheft 36.96, S.27, 51 ff. Hommelhoff/Schwab zfbf Sonderheft 36.96, S. 149, 151 f.; später hat dann insbesondere Theisen RWZ 2001, S. 157, 163 darauf hingewiesen, daß das Verhältnis zwischen den Gesetzesnormen und ihrer Interpretation einerseits und den Grundsätzen ordnungsgemäßer Unternehmensführung geklärt werden müsse. Dies ist bislang - soweit ersichdich - nur ansatzweise geschehen; siehe dazu im Hinblick auf den Deutschen Kodex: Seidel ZIP 2004, S. 285,290f.; Borges ZGR 2003, S.508, 514ff.; Lutter ZHR 166 (2002), S.523, 542; Ulmer ZHR 166 (2002), S. 150, 166ff.; Seibt AG 2002, S.249, 250f. 42 Hommelhoff/Schwab zfbf Sonderheft 36.96, S. 149, 154ff., 156ff., 166ff., 171ff. 40

41

278

3. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des Aufsichtsrats

u m das Unternehmen davor zu bewahren, sich mit unrealistischen Unternehmenszielen zu übernehmen und Risiken einzugehen, deren Eintritt das Unternehmen finanziell nicht verkraften könne. Diese Wertung sei zunächst eine sachverständige, da sie auf Erkenntnissen der Betriebswirtschaftslehre beruhe. Sie enthalte aber auch eine Komponente, die über den Rahmen fachspezifischer Deduktion hinausgehe, nämlich eine Stellungnahme zu der Frage, ob das Unternehmen bei Befolgung dieser Regel hinreichend geschützt sei („Wie sicher ist sicher genug?"). Diese Stellungnahme sei keine sachverständige, sondern eine juristische. Diese „juristische" Risikobewertung dürfe nicht unbesehen von den Betriebswirten übernommen werden. Es müsse vielmehr dem demokratisch legitimierten staatlichen Rechtsanwender vorbehalten bleiben, das aus betriebswirtschaftlicher Sicht für erforderlich und ausreichend angesehene unternehmerische Verhalten aus rechtlicher Sicht nicht als erforderlich bzw. nicht als ausreichend anzusehen. Die Interpretation der §§ 9 3 , 1 1 6 A k t G könne ergeben, daß das Recht eine Optimierung der Unternehmensleitung, wie sie die Betriebswirtschaftslehre anstrebe, gar nicht z u m Maßstab für das rechtlich Gebotene erhebe. Das Recht könne dem Vorstand bzw. Aufsichtsrat einen weniger streng begrenzten Spielraum unternehmerischen Ermessens einräumen. U m gekehrt könne der Jurist zu dem Ergebnis kommen, die von den Betriebswerten gestellten Anforderungen seien zu wenig streng und in rechtlicher Hinsicht müsse mehr gefordert werden. Die dargelegte spezifisch juristische Komponente, die in jeder Bewertung unternehmerischen Verhaltens als ordnungsgemäß oder nicht ordnungsgemäß liege, sei dem Sachverständigenbeweis nicht zugänglich. Daher müsse die Idee des antizipierten Sachverständigengutachtens im Hinblick auf ihren Stellenwert im Prozeß der richterlichen Entscheidungsfindung neu definiert werden. Als Sachverständigenaussage dürfe der Richter nicht den von den Betriebswirten aufgestellten Sollenssatz als solchen übernehmen, sondern lediglich die in ihm z u m Ausdruck kommende betriebswirtschaftliche Erkenntnisgrundlage. Der Betriebswirt könne dem Juristen nicht sagen, was die rechtlichen Anforderungen an eine ordnungsgemäße Unternehmensführung sind. Er könne lediglich zur U n t e r stützung der Entscheidungsfindung vermitteln, w a s aus betriebswirtschaftlicher Sicht als erforderlich (bzw. ausreichend) angesehen w i r d und w a r u m es als erforderlich (bzw. ausreichend) angesehen w i r d . Die fachspezifische Begründung der von den Betriebswirten aufgestellten Anforderungen (im Sinne einer auf Plausibilität überprüfbaren und nachvollziehbaren Begründung mit spezifisch betriebswirtschaftlicher Argumentation) müsse der Jurist kennen, u m beurteilen zu können, ob die Verhaltensgebote auch aus rechtlicher Sicht als unbedingt z w i n g e n d (bzw. darüber hinausgehende M a ß n a h m e n unternehmerischer Vorsicht als entbehrlich) anzusehen seien. J e unabweisbarer die ökonomischen Erwägungen bei der Statuierung von Grundsätzen ordnungsgemäßer Unternehmensführung seien, desto näher liege es für den Juristen, die betriebswirtschaftliche Bewertung

B. Die gesellschaftsrechtliche

Entscheidungsfehlerlehre

279

unverändert in eine rechtliche zu transformieren. In jedem Fall aber bleibe es dabei: Ein rechtlich verbindlicher Grundsatz ordnungsgemäßer Unternehmensführung existiere erst dann, wenn der Richter in Auslegung und Anwendung der § § 9 3 , 116 A k t G einen solchen anerkannt habe. 4 3

b)

Ausstrahlungswirkung

D i e Ausstrahlungswirkung der echten Corporate Governance Standards auf die Interpretation der Rechtsnormen und insbesondere der den Vorständen/Aufsichtsräten obliegenden Rechtspflichten im Sinne des § 9 3 AktG/der § § 1 1 6 , 93 A k t G folgt aus der Intention und der faktischen Wirkung des Deutschen Kodex. E s gibt zwar kein Kollisionsproblem zwischen den Gesetzesnormen und den echten Corporate Governance Standards; 4 4 es liegt aber in der Intention des Deutschen Kodex, im R a h m e n der jeweils geltenden Rechtsvorschriften für eine effiziente Leitung und Überwachung zu sorgen. 4 5 Dieser Ansatz lag bereits dem Berliner K o d e x zugrunde und fand dort seinen deutlichsten Ausdruck: Soweit es sich bei den C o r p o r a t e Governance Standards nicht um gesetzesrekapitulierende Bestimmungen handele, sei zwischen gesetzesausfüllenden und gesetzesergänzenden Regelungen zu unterscheiden. D i e ersteren würden zur zweckmäßigen Ausfüllung von O p t i o n e n Stellung nehmen, die gesetzlich offenstünden. Zu denken sei etwa an einen C o r p o r a t e Governance Standard des Inhalts, daß der Vorstand einer (größeren) Aktiengesellschaft mehrköpfig auszugestalten sei; nach den geltenden Rechtsvorschriften sei auch ein Einmannvorstand zulässig. D i e letzteren würden sich auf Gestaltungsfelder erstrecken, für die das R e c h t keine (hinreichenden) Vorgaben mache. Dies betreffe 43 Hommelhoff/Schwab zfbf Sonderheft 36.96, S. 149,168 ff., 171 f. weisen zu Recht daraufhin, daß das Baurecht dem staatlichen Rechtsanwender vorschreibt, die „juristische" Risikobewertung und damit die Auffassung des Technikers zu übernehmen, das Restrisiko sei hinnehmbar, wenn die Landesbauordnungen die Errichtung nach den „allgemein anerkannten Regeln der Baukunst" vorschreiben und auf diese Weise den staatlichen Rechtsanwender auf Regeln festlegen, die von Technikern erarbeitet und mit der Uberzeugung angewendet werden, diese gewährleisteten eine ausreichende Sicherheit. Vgl. dazu auch Borges Z G R 2003, S. 508, 517f., 519f., der die Empfehlungen der Kodices als Fachnormen wie DIN-Normen einordnet und ihnen eine tatsächliche Wirkung für die Konkretisierung gesetzlicher Anforderungen aufgrund einer Indizwirkung für die Verkehrsanschauung oder einer überzeugenden Argumentation zuerkennen will. Seiht A G 2002, S. 249, 250f. will den Empfehlungen der Kodices nur dann Einfluß auf die Auslegung ausfüllungsbedürftiger Blankettnormen zugestehen, wenn sie in der Praxis ganz überwiegend befolgt werden. Lutter Z H R 1 6 6 (2002), S.523,542 erwartet, daß die Anerkennung des Kodex eine gewisse Indizwirkung für sorgfaltsgemäßes Organverhalten entfaltet. Seidel ZIP 2004, S. 285,290 meint, aufgrund der Akzeptanz der Kodex-Empfehlungen durch die Praxis und der besonderen Autorität der Bundesregierung, der sie zuzurechnen seien, könnten sie gar nicht unberücksichtigt bleiben, wenn im Einzelfall generalklauselartige gesetzliche Anforderungen zu konkretisieren seien.

44 45

Theisen RWZ 2001, S. 157, 163. Theisen RWZ 2001, S. 157, 164; von Werder zfbf Sonderheft 36.96, S.27, 32ff.

280

3. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des Aufsichtsrats

insbesondere die Modalitäten der Vorstandsarbeit, die im Aktiengesetz nur sehr rudimentär geregelt seien. 4 6 Einen ganz ähnlichen Eindruck vermitteln die Formulierungen im A b s c h l u ß bericht der Regierungskommission. D o r t heißt es, der Deutsche K o d e x k ö n n e eine „gesetzesunterstützende W i r k u n g " entfalten und werde „gesetzesergänzende R e g e l n " enthalten. 4 7 Das gleiche gilt für den Deutschen K o d e x selbst: I n der Präambel wird klargestellt, daß der Deutsche K o d e x drei Arten von Regelungen enthält. E s gibt Empfehlungen, von denen abgewichen werden kann, was dann aber offenzulegen ist (sprachlich gekennzeichnet durch „soll"). Es gibt Anregungen, von denen ohne Offenlegung abgewichen werden kann (sprachlich gekennzeichnet durch „sollte" oder „kann"). E s gibt Bestimmungen, die als geltendes G e s e t zesrecht zu beachten sind (sprachlich nicht so gekennzeichnet). D i e E m p f e h l u n gen und Anregungen werden als „optionale Bestimmungen" und „gesetzesergänzende Regelungen" begriffen. 4 8 D i e Diskussion über echte Corporate Governance Standards hatte von Anfang an diese Zielrichtung. Sie sollte nicht - u m eine Formulierung von Marcus

Lutter

aufzugreifen - auf eine bloße „Zusammenstellung von Sollens-Sätzen ... auf der G r e n z e zwischen der Evokation geltenden Rechts und S o f t - L a w " 4 9 hinauslaufen. Sie sollte vielmehr zu „handhabbaren Beurteilungsmaßstäben" mit Blick auf „die Aufforderung des Vorstands zur sorgfältigen Unternehmensleitung" im Sinne des § 9 3 A k t G führen. 5 0 So hat dann auch der Gesetzgeber dem Deutschen K o d e x zwar „einen besonderen N a c h d r u c k durch die Pflicht zu einer Entsprechenserklärung" verschafft, 5 1 aber auf „gesetzliche Sanktionen bei N i c h t - E r f ü l l u n g " 5 2 verzichtet. D e r D e u t sche K o d e x dient der Entwicklung allgemeingültiger Corporate Governance R e geln, 5 3 und zwar in den Bereichen, in denen es schwerfällt, „allgemein akzeptierte Corporate Governance Regeln auf A n h i e b zu finden." 5 4 D e r Gesetzgeber hat sich mit den echten Corporate Governance Standards von seiner Regelungsverantwortung in den Bereichen entlastet, in denen sich die C o r p o r a t e Governance R e geln im Wettbewerb der Märkte, U n t e r n e h m e n und Rechtsordnungen n o c h entwickeln und es infolgedessen sinnvoll erscheint, schnelle und flexible Anpassun-

Von Werder, German Code of Corporate Governance, S. 6. Rdn. 7, 8, 14, 17 des Kommissionsberichts. 48 Von Werder, Kodex-Kommentar, Präambel Rdn. 96, 97. 49 Lutter ZGR 2001, S. 224, 225. 50 Von Werder zfbf Sonderheft 36.96, S.27, 31; siehe auch von Werder/Maly/Pohle DB 1998, S. 1193, 1193. 51 Begründung zu Art. 1 Nr. 16 RegE TransPuG 2/2002. 52 So die Formulierung der Bundesjustizministerin Däubler-Gmelin nach FAZ.NET vom 26. Februar 2002 „Ein Kodex für Spitzenmanager". 53 Hommelhoff ZGR 2001, S.238, 265. 54 Lutter ZGR 2001, S.224, 233. 46

47

B. Die gesellschaftsrechtliche

Entscheidungsfehlerlehre

281

gen der Corporate Governance Regeln an diese Entwicklungen zu ermöglichen.55 Es führt auch nichts an der Erkenntnis vorbei, daß sich - um eine Formulierung von Peter Hommelhoff aufzugreifen - „für prospektive Modernisierung, und zwar in Einzelpunkten immer wieder und in voraussichtlich kürzeren Zeitabständen ... ein mit vielfältigen Aufgaben belegter Gesetzgeber schwerlich sensibilisieren und zur Tat gewinnen" läßt.56 Die Kodexkommission will die sich auf nationaler und internationaler Ebene ständig fortentwickelnden echten Corporate Governance Standards denn auch zum Anlaß nehmen, mindestens einmal im Jahr zusammenzutreten, um die erforderlichen Anpassungen des Deutschen Kodex an die jüngsten nationalen und internationalen Entwicklungen vorzunehmen.57 Der Gesetzgeber hat mithin aus gutem Grund davon abgesehen, eine dem § 342 Abs. 2 H G B entsprechende Regelung zu treffen, aufgrund derer die Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters/Aufsichtsratsmitglieds vermutet würde, soweit die im Bundesanzeiger elektronisch bekannt gemachten echten Corporate Governance Standards der Kodexkommission beachtet worden wären. Er hat damit aber auch darauf verzichtet, dem staatlichen Rechtsanwender vorzuschreiben, im Hinblick auf die Interpretation der §§93, 116 AktG die „juristische" Risikobewertung der Kodexkommission zu übernehmen. Gerade deshalb stellt sich jedoch das von Peter Hommelhoff und Martin Schwab benannte Problem, ob die echten Corporate Governance Standards als rechtlich verbindlich zu qualifizieren sind, weil sie in Auslegung und Anwendung der §§ 93,116 AktG nunmehr als Konkretisierung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters/Aufsichtsratsmitglieds anzuerkennen sind:58 Die Corporate Governance Standards spiegeln den jeweiligen Erkenntnisstand der mit Experten und Vertretern der betroffenen Wirtschafts55 Vgl. dazu Lutter Z G R 2001, S.224, 227 und Hommelhoff Z G R 2001, S.238, 242f., 244f., 253f., 255f., 258, 256. Er weist ausdrücklich daraufhin, daß der Gesetzgeber keinesfalls aus Gründen der Überlastung oder gar wegen erwiesenen Versagens gehalten sei, seine Regelungsverantwortung für Corporate Governance zu reduzieren, und daß den börsennotierten Aktiengesellschaften insbesondere auch im Gesetz - etwa mit der neuen Kategorie der Anregungsnormen (so zur Einrichtung von Aufsichtsratsausschüssen nach §171 Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz AktG) - mehr Regelungsverantwortung zugewiesen werden könne. Im Kern gehe es vielmehr darum, einen Freiraum für eine schnelle, unaufwendige und flexible Modernisierung der Corporate Governance zu eröffnen, sobald dies im Wettbewerb der Märkte, Unternehmen und Rechtsordnungen notwendig werde (S. 242f., 244f.). Dies sei aber nicht zulässig, soweit die Einzelfragen (etwa zur Absicherung der Prüferunabhängigkeit) nach den deutschen Erfahrungen von so großem rechtspolitischen Gewicht seien, daß sie der Gesetzgeber in Händen behalten sollte, oder soweit es um Ausprägungen der mitgliedschaftlichen Mitverwaltungsrechte jedes einzelnen Aktionärs gehe, die Teil des gesetzlichen Individual- und Minderheitenschutzes und nicht bloß Kennzeichen praktischer Vernunft seien (S.260, 261).

Hommelhoff Z G R 2001, S.238, 245. Ausführungen von Cramme anläßlich der Veröffentlichung des Entwurfs des Deutschen Kodex am 18. Dezember 2001. Dies entspricht einer Anregung der Regierungskommission; Rdn. 17 des Kommissionsberichts. 58 Siehe dazu Hommelhoff/Schwab zfbf Sonderheft 36.96, S. 149, 172. 56

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3. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des Aufsichtsrats

kreise besetzten Regierungskommission dazu wieder, was z u m Standard guter Unternehmensleitung und Unternehmensüberwachung gehört („Regeln von der Wirtschaft für die W i r t s c h a f t " 5 9 ) . 6 0 D i e Rechtswissenschaft k ö n n t e die durch den Deutschen K o d e x angestrebte Entwicklung allgemeingültiger C o r p o r a t e G o v e r nance Regeln konstruktiv dadurch begleiten, daß sie Stellung zu der Frage bezieht, ob das von der Kodexkommission für erforderlich und ausreichend angesehene unternehmerische Verhalten auch im Lichte der § § 9 3 , 116 A k t G einerseits als erforderlich, andererseits als ausreichend anzusehen ist. 6 1 Dafür, daß zumindest die Rechtsprechung dies tun wird, spricht vor allem die faktische Wirkung des Deutschen Kodex. E r trägt zur Veränderung der Praxis in den U n t e r n e h m e n bei, 6 2 und zwar nicht zuletzt, weil er auf D r u c k der Kapitalmärkte eine gewisse faktische Zwangswirkung entfaltet. 6 3 D i e Rechtsprechung kann sich dieser Entwicklung nicht verschließen. 6 4 D i e Erfahrungen aus anderen Ländern belegen, daß die C o r p o r a t e Governance Kodices in dieser Weise wirken: Einige C o r p o r a t e Governance Standards finden sich bereits in Gesetzen wieder, und andere C o r p o r a t e Governance Standards werden mittlerweile von der R e c h t sprechung zur Interpretation des geltenden Rechts herangezogen. 6 5 Es spricht nichts dafür, daß die Entwicklung in Deutschland anders verlaufen wird. 6 6 Erste Ansätze sind auch schon erkennbar. So hat das O L G Schleswig jüngst ausgeführt, die gesetzliche Anerkennung des Deutschen K o d e x durch § 161 A k t G müsse auf die Interpretation anderer Vorschriften des Aktienrechts zurückwirken. I m L i c h te des Deutschen K o d e x verweise die Nichterwähnung von Aufsichtsratsmitgliedern als Begünstigten von Aktienoptionsprogrammen in § 192 Abs. 2 N r . 3 A k t G nicht auf eine generelle aktienrechtliche Ablehnung von Aktienoptionsprogrammen zugunsten von Aufsichtsratsmitgliedern hin. 6 7 59 So die Formulierung von Cromme nach FAZ.NET vom 26. Februar 2002 „Ein Kodex für Spitzenmanager". 60 Rdn. 5 des Kommissionsberichts. 61 Siehe dazu Hommelhoff/Schwah zfbf Sonderheft 36.96, S. 149, 168ff., 171 f. 62 Von Werder/Talaulicar/Kolat DB 2003, S. 1857, 1863. Siehe zur Akzeptanz des Deutschen Kodex: Von Werder/Talaulicar DB 2005, S.841, 842ff.; von Werder/Talaulicar/Kolat DB 2004, S. 1377, 1378ff.; Oser/Orth/Wader BB 2004, S.1121, 1122ff.; von Werder/Talaulicar/Kolat DB 2003, S. 1857, 1858ff.; Oser/Orth/Wader DB 2003, S.1337ff.; Ihrig/Wagner BB 2003, S.1625, 1626ff. 63 Seidel ZIP 2004, S. 285,290; Lutter ZHR 166 (2002), S. 523, 535; Seiht AG 2002, S. 249,255; zweifelnd Borges ZGR 2003, S.508, 537f. 64 Vgl. dazu die Stellungnahme des DAV zum Fragenkatalog der Regierungskommission Corporate Governance unter I. 1. a) auf S. 3: „Die Unternehmen würden faktisch gezwungen, den halbamtlichen Kodex anzuerkennen, und die Gerichte würden ihn zur Konkretisierung der gesetzlichen Sorgfaltspflichten der Organe heranziehen. Im Ergebnis würde der Kodex zu einer verdeckten Ausweitung des zwingenden Rechts führen." 65 Siehe dazu Wymeersch ZGR 2001, S.294, 315. 66 Seidel ZIP 2004, S.285, 290; Hommelhoff ZHR 166 (2002), S. 150, 166f.; Seiht AG 2002, S.249, 250f.; Schiessl AG 2002, S.593, 595. 67 OLG Schleswig NZG 2003, 176, 179 - MobilCom.

B. Die gesellschaftsrechtliche c)

Entscheidungsfehlerlehre

283

Rezeptionsprobleme

Allerdings steht die Rechtswissenschaft vor ganz erheblichen Problemen, wenn sie die echten Corporate Governance Standards zur Interpretation der den Vorständen/Aufsichtsräten obliegenden Rechtspflichten im Sinne des § 93 A k t G / d e r § § 1 1 6 , 93 A k t G heranziehen will. Diese P r o b l e m e gründen in der Zielsetzung, der Regelungstechnik und der defizitären Substantiierung des Deutschen K o d e x . aa)

Zielsetzung

D i e Zielsetzung des Deutschen K o d e x wirft dabei n o c h die geringsten P r o b l e m e auf. Das erklärte Ziel der K o d e x k o m m i s s i o n war es, „den Standort Deutschland für internationale und nationale Investoren attraktiver" zu „machen, i n d e m . . . die wesentlichen - vor allem internationalen - Kritikpunkte an der deutschen U n t e r nehmensverfassung und -führung aufgegriffen und einer Lösung zugeführt" werden. Diese Kritikpunkte waren: „Mangelhafte Ausrichtung auf Aktionärsinteressen, duale Unternehmensverfassung mit Vorstand und Aufsichtsrat, mangelnde Transparenz deutscher Unternehmensführung, mangelnde Unabhängigkeit deutscher Aufsichtsräte und eingeschränkte Unabhängigkeit des Abschlußprüfers." 6 8 U m eine stärkere Ausrichtung auf die Aktionärsinteressen zu erreichen, sollte den Aktionären die Wahrnehmung ihrer R e c h t e und insbesondere die Stimmrechtsausübung erleichtert werden (Ziff. 2.3.3, 2.3.4 des Deutschen Kodex). I m H i n b l i c k auf die duale Unternehmensverfassung sollte die Entwicklung unterstützt werden, daß sich das duale System und das B o a r d - oder Verwaltungsratssystem aufeinander zu bewegten. D a z u sollte die Zusammenarbeit von Vorstand und Aufsichtsrat und insbesondere die offene und intensive Diskussion von U n ternehmensfragen im Aufsichtsrat und im Austausch zwischen Vorstand und Aufsichtsrat gefördert werden (Ziff. 3 . 1 - 3 . 1 0 , 5.1.1 des Deutschen Kodex). U m eine höhere Transparenz deutscher Unternehmensführung zu erreichen, sollten das U n t e r n e h m e n und die Unternehmensführung sowie die Vergütungen und Leistungsüberprüfungen den Anlegern transparent gemacht werden (Ziff. 7.1.17.1.5, 6.4-6.6 4 . 2 . 2 ^ . 2 . 4 , 5.4.7 des Deutschen K o d e x ) . 6 9 U m die Unabhängigkeit des Aufsichtsrats zu sichern, sollte erreicht werden, daß dem Aufsichtsrat nicht mehr als zwei ehemalige Vorstandsmitglieder angehören (und der Wechsel in einen Vorsitz nicht die Regel ist) und Aufsichtsratsmitglieder keine Organfunktionen oder Beratungsaufgaben bei wesentlichen Wettbewerbern des U n t e r n e h m e n ausüben. Zudem sollte die Unabhängigkeit der J a h resabschlußprüfung durch den Aufsichtsrat gestärkt werden (Ziff. 5.4.2, 5.4.4, 5.3.2 des Deutschen Kodex). I m H i n b l i c k auf Interessenkonflikte und die U n a b -

68 Ausführungen von Cromme anläßlich der Veröffentlichung des Entwurfs des Deutschen Kodex am 18. Dezember 2001. 69 Siehe dazu die Ausführungen von Cromme aaO.

284

3. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des Aufsichtsrats

hängigkeit des Abschlußprüfers sollte auf das Prinzip von Transparenz und O f fenlegung gesetzt werden (Ziff. 4.3.4, 5.5.2, 7.2.1 des Deutschen K o d e x ) . 7 0 Vor diesem Hintergrund wird deutlich, daß der Deutsche K o d e x primär eine Kapitalmarktfunktion hat. Sie gründet darin, daß die Analyse der jeweiligen C o r porate Governance der einzelnen U n t e r n e h m e n durch die institutionellen Investoren angesichts der wachsenden Vielfalt der Anlagewerte nicht mehr unternehmensindividuell erfolgen kann. D a h e r greifen die institutionellen Investoren zunehmend auf standardisierte nationale Corporate Governance Kodices zurück, u m die Corporate Governance der einzelnen U n t e r n e h m e n zu analysieren. Das hat zur Folge, daß die U n t e r n e h m e n , die auf der Suche nach den günstigsten F i nanzierungskonditionen sind und institutionelle Investoren überzeugen wollen, ihnen die dringend benötigten Finanzmittel zur Verfügung zu stellen, die Beachtung eines standardisierten nationalen Corporate Governance K o d e x als die geeigneteste Lösung für dieses P r o b l e m ansehen. 7 1 D i e Kapitalmarktfunktion des Deutschen K o d e x ist eine Transparenz- und Kommunikationsfunktion. 7 2 Das schließt die Optimierungsfunktion jedoch nicht aus, sondern ein. D e r Deutsche K o d e x dient auch und gerade im Hinblick auf die Erfordernisse des K a pitalmarktes der Optimierung der Leitung und Überwachung in den U n t e r n e h men. D e r beste Beleg dafür ist, daß die Kritikpunkte an der deutschen U n t e r n e h mensverfassung und Unternehmensführung in dem Deutschen K o d e x aufgegriffen werden und dem Kapitalmarkt mit dem Deutschen K o d e x ein Beurteilungskatalog für gute Unternehmensführung an die H a n d gegeben wird. D e r Deutsche K o d e x hat mithin keine reine Kapitalmarktfunktion, sondern auch und gerade eine Optimierungsfunktion. D a m i t läuft er von der Zielsetzung her dem Z w e c k der § § 9 3 , 116 A k t G nicht nur nicht zuwider, er stimmt mit ihr überein. Das wird gelegentlich unter Hinweis darauf bestritten, daß es im R a h men der § § 9 3 , 116 A k t G nur u m Mindestvorgaben für die Unternehmensführung und damit letztlich nur u m die Verhinderung von Mißbräuchen gehe, nicht aber um eine optimale Unternehmensführung. 7 3 Diese Argumentation ist jedoch irreführend. D e n n im R a h m e n der § § 9 3 , 116 A k t G kann es wie im R a h m e n des Siehe dazu die Ausführungen von Cromme aaO. Siehe dazu: Schneider/Strenger AG 2000, S. 106,107; Davies ZGR 2001, S.268, 278f.; Wymeersch ZGR 2001, S. 294,314,316; Hommelhoff ZGR 2001, S.238,242f., 243f.; Seiht AG 2002, S. 249, 255; Seidel ZIP 2004, S. 285,290. Ob die Unternehmen dann auch einen höheren Aktienkurs ausweisen und entsprechend niedrigere Eigenkapitalkosten haben, ist umstritten; siehe dazu Schneider/Strenger AG 2000, S. 106,107 sowie Lutter ZHR 166 (2002), S. 523, 535 einerseits und Wymeersch ZGR 2001, S.294, 314 Fn.38 sowie Theisen RWZ 2001, S. 157,165 andererseits. Es liegen noch keine belastbaren empirischen Befunde dazu vor, ob die Befolgung von Corporate Governance Kodices den institutionellen Investoren höhere Erträge verschafft; siehe dazu Borges ZGR 2003, S.508, 537f. und Wymeersch ZGR 2001, S.294, 316. 72 Vgl. Rdn. 8 des Kommissionsberichts und Begründung zu Art. 1 Nr. 16 RegE TransPuG 2/2002. 73 Vgl. dazu Theisen RWZ 2001,157,163, der andererseits aber auf S. 165 „die Adaption derartiger Überlegungen durch die Rechtswissenschaft" für denkbar hält. 70 71

B. Die gesellschaftsrechtliche Entscheidungsfehlerlehre

285

§ 2 7 6 B G B weder um das schlechthin unverzichtbare M i n i m u m n o c h um das theoretisch denkbare O p t i m u m gehen, sondern nur u m den tatsächlich erreichbaren Standard im Sinne der von den betroffenen Verkehrskreisen im Durchschnitt erzielbaren „best practice". 7 4 Vor diesem Hintergrund stimmt die Zielsetzung des Deutschen K o d e x mit dem Z w e c k der § § 9 3 , 116 A k t G überein: D e r Deutsche K o d e x dient zwar (auch) einer Optimierung der Leitung und Ü b e r w a c h u n g in den Unternehmen, aber nur mit dem Ziel „guter" Unternehmensführung 7 5 und nicht etwa mit dem Ziel „optimaler" im Sinne bestmöglicher Unternehmensführung. 7 6 Diese Intention kam im Berliner K o d e x besonders deutlich z u m Ausdruck: „ D i e Kodexregelungen verstehen sich als Leitungs- und Überwachungsstandards, die sich nach heutigem Stand des Managementwissens vielfach bewähren (best practices)." 7 7 I m H i n b l i c k auf die Interpretation der §§ 9 3 , 1 1 6 A k t G stellt sich allerdings das Problem, daß der Deutsche K o d e x - gerade wegen seiner Kapitalmarktorientierung - nur bestimmte Kritikpunkte aufgreift. E r beinhaltet bereits aus diesem G r u n d keine abschließende Regelung guter Unternehmensführung. D i e K o n s e quenz lautet, daß die echten Corporate Governance Standards für die Interpretation der den Vorständen/Aufsichtsräten obliegenden Rechtspflichten im Sinne des § 9 3 A k t G / d e r § § 1 1 6 , 93 A k t G nur im H i n b l i c k auf die von ihnen erfaßten Themenbereiche relevant sein können. D i e Beachtung der echten C o r p o r a t e G o vernance Standards kann nicht implizieren, daß alle den Vorständen/Aufsichtsräten obliegenden Rechtspflichten im Sinne des § 9 3 A k t G / d e r § § 1 1 6 , 9 3 A k t G erfüllt worden sind. bb)

Regelungstechnik

Anders als die Zielsetzung wirft die Regelungstechnik des Deutschen K o d e x ganz erhebliche Probleme auf, will man Stellung zu der Frage beziehen, ob das von der K o d e x k o m m i s s i o n für erforderlich und ausreichend angesehene unternehmerische Verhalten auch im Lichte der §§ 9 3 , 1 1 6 A k t G einerseits als erforderlich, andererseits als ausreichend anzusehen ist. (1) Empfehlungen

und

Anregungen

D e r Deutsche K o d e x differenziert mit Blick auf die echten C o r p o r a t e Governance Standards zwischen Empfehlungen, von denen abgewichen werden kann, was aber offenzulegen ist (sprachlich gekennzeichnet durch „soll"), und Anregungen,

Deutsch, Haftungsrecht, S.248f., 249ff., 259f. Ausführungen von Cramme anläßlich der Veröffentlichung des Entwurfs des Deutschen Kodex am 18. Dezember 2001. 76 Vgl. zu diesem Begriff nur Theisen RWZ 2001, 157, 163. 77 Präambel des Berliner Kodex. 74

75

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3. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des Aufsichtsrats

von denen ohne Offenlegung abgewichen werden kann (sprachlich gekennzeichnet durch „sollte" oder „kann"). 7 8 D a h e r stellt sich die Frage, o b nur die ersteren oder auch die letzteren für die Interpretation der den Vorständen/Aufsichtsräten obliegenden Rechtspflichten im Sinne des § 93 A k t G / d e r §§ 116, 93 A k t G herangezogen werden können. Sie führt zu der Frage nach dem G r u n d für diese Differenzierung. N i m m t man die zur Verfügung stehenden Quellen zur Hilfe, so werden in den Empfehlungen „international und national anerkannte" Corporate Governance Standards berücksichtigt und mit den „Anregungen für eine gute und verantwortungsvolle Unternehmensführung und -Überwachung" 7 9 „weiche Verhaltensempfehlungen, die mehr Ermahnungen und D e n k a n s t ö ß e sind", gegeben. 8 0 Diese Regelungen sind nach Auffassung der K o d e x k o m m i s s i o n „ebenfalls Ausdruck guter U n t e r nehmensführung", sie hätten sich lediglich „noch nicht auf breiter F r o n t in der Praxis durchgesetzt" und sollten „proaktive A n s t ö ß e für die weitere E n t w i c k lung der C o r p o r a t e Governance in Deutschland geben, ohne die U n t e r n e h m e n bereits heute zu sehr zu binden." 8 1 D i e Differenzierung folgt mithin allein aus der Kapitalmarktfunktion des Deutschen Kodex. D i e institutionellen Investoren sehen es kritisch, wenn sich die U n t e r n e h m e n nicht einmal zur Beachtung der international und national anerkannten C o r p o r a t e Governance Standards äußern wollen. 8 2 Gerade deshalb ist nach § 161 A k t G jährlich zu erklären, daß den Empfehlungen der K o d e x k o m m i s sion entsprochen wurde und wird oder welche Empfehlungen nicht angewendet wurden oder werden. 8 3 D i e Differenzierung berührt mithin nicht die O p t i m i e rungsfunktion des Deutschen K o d e x . Sie beruht insbesondere nicht darauf, daß die Anregungen im Verhältnis zu den Empfehlungen als weniger geeignet angesehen worden sind, eine gute Unternehmensführung zu gewährleisten. D a h e r sind die Empfehlungen und die Anregungen im Lichte des Zwecks der § § 9 3 , 116 A k t G in gleicher Weise für die Interpretation der den Vorständen/Auf sichtsräten obliegenden Rechtspflichten im Sinne des § 93 A k t G / d e r §§ 116, 93 A k t G heranziehbar.

Präambel des Deutschen Kodex. Ausführungen von Cromme anläßlich der Veröffentlichung des Entwurfs des Deutschen Kodex am 18. Dezember 2001; siehe auch die Präambel des Deutschen Kodex 80 Bundesministerium der Justiz, Mitteilung für die Presse A 27/01. 81 Von Werder, Kodex-Kommentar, Präambel Rdn. 101. 82 Davies ZGR 2001, S.268, 278f.; Wymeersch ZGR 2001, S.294, 316. 83 Siehe zum eingeschränkten Anwendungsbereich der Compliance-Erklärung Begründung zu Art. 1 Nr. 16 RegE TransPuG 2/2002 und zu den Problemen der Compliance-Erklärung Borges ZGR 2003, S. 508, 524ff. und Strieder DB 2004, S. 1325ff. 78

79

B. Die gesellschaftsrechtliche Entscheidungsfehlerlehre (2)

287

Auslegungsfragen

D i e Formulierung der Empfehlungen des Deutschen K o d e x als Sollenssätze (Grundsätze) 8 4 wirft eine weit schwierigere Frage auf: Handelt es sich hier um das, was in der Rechtswissenschaft unter einer Regelreduzierung verstanden wird? D i e Konsequenz wäre eine Bindung für den Regelfall; eine Abweichung wäre nur in den Ausnahmefällen gestattet, in denen aufgrund besonderer angebbarer überwiegender G r ü n d e die für den Normalfall geltende Regelung von der ratio legis nicht gefordert wird. 8 5 In die Richtung eines solchen Regel-/Ausnahmeverhältnisses deuten folgende Formulierungen: D e r Deutsche K o d e x solle Empfehlungen enthalten, von denen „bei B e d a r f " abgewichen werden könne. Dies käme in Betracht, wenn „besondere Gegebenheiten ( G r ö ß e ; Anteilseignerstruktur; branchenbedingte Besonderheiten; internationale Anlegerschaft und Anforderungen ausländischer Kapitalmärkte u.a.m.) dies als wünschenswert oder geboten erscheinen lassen." 8 6 D i e U n t e r n e h m e n sollten „im Einzelfall" von den Empfehlungen abweichen k ö n nen. 8 7 D e n U n t e r n e h m e n werde „in Fällen, in denen sie es für sinnvoll oder geboten halten, die Möglichkeit gelassen, von den K o d e x - R e g e l n abzuweichen." 8 8 E i ne Ersetzung aktienrechtlicher Vorschriften durch Empfehlungen eines D e u t schen K o d e x könne sich nur „auf solche Vorschriften, etwa Verfahrens- und Verhaltensvorschriften beziehen, die einer flexiblen Anpassung an besondere Verhältnisse bedürfen." 8 9 Andere Formulierungen suggerieren jedoch, daß die Empfehlungen des D e u t schen K o d e x generalklauselartigen Charakter haben und daher in jedem Fall der unternehmensindividuellen Anpassung bedürfen. So heißt es etwa, es handele sich um Empfehlungen „zur unternehmensindividuellen U m s e t z u n g . " 9 0 Sie sollten „als Modellkatalog geeignet sein, damit die U n t e r n e h m e n ihre jeweils spezifischen Verhältnisse abbilden können." 9 1 Sie sollten es den U n t e r n e h m e n ermöglichen, „einen auf die unternehmensindividuellen Verhältnisse zugeschnittenen , C o d e of best Practice' zu entwickeln." 9 2 D i e „Darstellung unternehmensindividueller Modifikationen und Abweichungen" solle in einem gesonderten Bericht erfolgen, und es erscheine wünschenswert, wenn die „Darstellung der unterneh84 Siehe zu dieser Terminologie etwa Lutter ZGR 2001, S.224,225 und Hommelhoff/Schwab zfbf Sonderheft 36.96, S. 149,160,169,171 f., die auf S. 166 auch von „typischerweise erforderlich bzw. typischerweise ausreichend" sprechen. 85 Kopp/Schenke, VwGO, § 114 Rdn.21, 21b. 86 Rdn. 7 des Kommissionsberichts. 87 Rdn. 8 des Kommissionsberichts. 88 Begründung zu Art. 1 Nr. 16 RegE TransPuG 2/2002. 89 Rdn. 7 des Kommissionsberichts. 90 Rdn. 6 des Kommissionsberichts. 91 Rdn. 7 des Kommissionsberichts. 92 Rdn. 10 des Kommissionsberichts; ebenso Begründung zu Art. 1 Nr. 16 RegE TransPuG

2/2002.

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3. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des Aufsichtsrats

mensindividuellen Praxis zu den betreffenden Empfehlungen des K o d e x in den Geschäftsbericht aufgenommen w ü r d e . " 9 3 D i e im Aktiengesetz zu verankernde Erklärungspflicht mache nicht die Empfehlungen ihrem Inhalt nach verbindlich, da „die U n t e r n e h m e n von diesen Empfehlungen ohne weiteres auch abweichen können sollen." 9 4 M i t dem „Optionsrecht in der Sache" eröffne der D e u t s c h e K o dex den U n t e r n e h m e n „den notwendigen Spielraum, u m Governancemodalitäten auf ihre individuellen Gegebenheiten hin zuzuschneiden." 9 5 Ein Blick in die Entstehungsgeschichte spricht für ein Regel-/Ausnahmeverhältnis. Das Ziel der C o r p o r a t e Governance Diskussion war, daß die „Befolgung" der echten C o r p o r a t e Governance Standards „zwar im Regelfall exkulpiert, jedoch nicht zwingend ist", 9 6 weil „im Einzelfall mit guter Begründung abgewichen werden k a n n . " 9 7 I m Berliner K o d e x heißt es: „Selbst bei einer K o n z e n t r a tion auf die P u b l i k u m s - A G k ö n n e n generelle Regeln nicht sämtlichen Eigenheiten eines Unternehmens R e c h n u n g tragen. I m Einzelfall kann daher von den Kodexempfehlungen auch abgewichen werden, wenn hierfür gute G r ü n d e vorlie«98 gen. D i e Intention des Deutschen K o d e x spricht ebenfalls dafür, daß die E m p f e h lungen einen Regel-/Ausnahmecharakter haben. D e n n der Deutsche K o d e x hat primär eine Kapitalmarktfunktion. D e r Gesetzgeber hat sich für einen Deutschen K o d e x entschieden, weil eine international nachvollziehbare Standardisierung der deutschen C o r p o r a t e Governance geeignet ist, den deutschen U n t e r n e h m e n die Einwerbung von Risikokapital zu erleichtern: „Ein solcher K o d e x bietet die Möglichkeit, die geltende Unternehmensverfassung für deutsche Aktiengesellschaften und die ... Verhaltensmaßstäbe für Unternehmensleitung und U n t e r n e h mensüberwachung in einer gerade auch für ausländische Investoren geeigneten F o r m zusammenfassend und übersichtlich darzustellen und die Besonderheiten und Vorzüge der dualistischen Unternehmensverfassung zu verdeutlichen. Gerade im H i n b l i c k auf die Information ausländischer Anleger erschien es unvermeid-

Begründung zu Art. 1 Nr. 16 RegE TransPuG 2/2002. Rdn. 17 des Kommissionsberichts. 95 Von Werder, Kodex-Kommentar, Präambel Rdn. 97. 96 Von Werder zfbf Sonderheft 36.96, S. 1, 9. 97 Von Werder/Maly/Pohle DB 1998.S.1193,1193. Siehe dazu auch Seibt AG 2002, S. 249,251 („safe haven") und Ulmer ZHR166 (2002), S. 150,167. Vgl. dazu auch Hommelhoff/Schwah zfbf Sonderheft 36.96, S. 149, 166f.: „Sollte es der Betriebswirtschaftslehre gar gelingen, Standardsituationen unternehmerischer Entscheidung herauszuarbeiten, in denen ein bestimmtes Verhalten typischerweise erforderlich bzw. ausreichend ist, so wäre weitergehend zu erwägen, ob die Verletzung bzw. Einhaltung dieser Regeln nicht den Beweis des ersten Anscheins ermöglicht, daß ein Pflichtverletzung vorliege bzw. fehle. Die,Standardsituation' wäre der,typische Geschehensablauf', aus dem mangels gegenteiliger Anhaltspunkte geschlossen werden könnte, daß das beklagte Organ auch im konkreten Fall zu einem ganz bestimmten Verhalten verpflichtet war." 98 Präambel des Berliner Kodex. 93 94

B. Die gesellschaftsrechtliche

Entscheidungsfehlerlehre

289

lieh einen maßgebenden Corporate Governance K o d e x für Deutschland zu initi«99 leren. Soll vermittels des Deutschen K o d e x eine international nachvollziehbare Standardisierung der deutschen Corporate Governance erreicht werden, so liegt es in der Intention des Deutschen Kodex, daß möglichst wenige U n t e r n e h m e n in m ö g lichst wenigen Punkten von den Empfehlungen abweichen. D e n n der D e u t s c h e K o d e x wird sein Standardisierungsziel verfehlen, wenn eine Mehrzahl der U n t e r nehmen ihn überwiegend nicht übernimmt, sondern auf die unternehmensindividuellen Verhältnisse zugeschnittene eigene Corporate Governance Kodices entwickelt. M a n ist auch davon ausgegangen, daß die U n t e r n e h m e n den Deutschen K o d e x übernehmen werden. D i e Kapitalmarktteilnehmer würden ihn vielfach als „faktisch verbindlich" ansehen und sich die U n t e r n e h m e n infolgedessen „einem gewissen D r u c k des Marktes ausgesetzt sehen," sich an den Deutschen K o d e x zu halten. 1 0 0 E s würden „Sanktionen bei Nicht-Erfüllung ... über den M a r k t erfolgen," weil „man dann diese Aktien nicht k a u f t " 1 0 1 . Vor diesem Hintergrund spricht für einen Regel-/Ausnahmecharakter der Empfehlungen des weiteren, daß in den Materialien immer wieder betont wird, die Abweichungen von den Empfehlungen seien zu begründen 1 0 2 und der Kapitalmarkt müsse die „Gleichwertigkeit" der Abweichungen von den E m p f e h l u n gen bewerten. 1 0 3 D e n n dies ist für die Fälle der Regelreduzierung insofern t y pisch, als eine Abweichung nur in Fällen gestattet ist, in denen besondere angebbare überwiegende G r ü n d e für das Abgehen von der N o r m sprechen. 1 0 4 Schließlich läßt auch der Inhalt der Empfehlungen den Schluß zu, daß sie einen Regel-/Ausnahmecharakter haben. Sie beinhalten international und national anerkannte Corporate Governance Standards, und es gibt keinen vernünftigen Grund, warum sich nicht auch die deutschen U n t e r n e h m e n grundsätzlich an derartige Standards halten sollten. Sie sind teilweise sehr offen ausgestaltet (sie f o r dern nur, daß in einem bestimmten Bereich überhaupt etwas getan wird, aber nicht oder nur ansatzweise genau, was oder wie) 1 0 5 und verlangen dann ganz überwiegend nur, was heute schon selbstverständlich sein sollte (siehe etwa die Empfehlungen zu Informationsordnung, Geschäftsordnung und Ausschußbil99 Begründung zu Art. 1 Nr. 16 RegE TransPuG 2/2002; ebenso Rdn. 8 des Kommissionsberichts. 100 Rdn. 17 des Kommissionsberichts. 101 So die Bundesjustizministerin Däubler-Gmelin nach FAZ.NET vom 26. Februar 2002 „Ein Kodex für Spitzenmanager"; siehe auch Börsenzeitung 16. August 2005. 102 Rdn. 9, 10, 17 des Kommissionsberichts; Begründung zu Art. 1 Nr. 16 RegE TransPuG 2/2002; Ziff. 3.10 des Deutschen Kodex. 103 Rdn. 10, 12, 17 des Kommissionsberichts; von Werder, Kodex-Kommentar, Präambel Rdn. 97. 104 Kopp/Schenke, VwGO, § 114 Rdn. 21, 21b. 105 Lutter ZGR 2001, S. 224,229: „Die Formulierungen" zur Ausschußbildung „in den Papieren der Grundsatzkommission sind so weich, daß jeder doch wieder machen kann, was er will."

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3. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des

Aufsichtsrats

dung in Ziff. 3.4, 4.2.1, 5.1.3, 5.3.1 des Deutschen Kodex). Soweit die Empfehlungen detailliert ausgestaltet sind, beinhalten sie in der Sache überzeugende oder sogar der bestehenden Praxis entsprechende Regelungen 1 0 6 (siehe etwa die Empfehlungen zu Vergütung und Interessenkonflikten der Vorstände/Aufsichtsräte sowie zur Unabhängigkeit des Abschlußprüfers in Ziff. 4.2.2-4.2.4, 4.3.4, 4.3.5, 5.4.7, 5.5.2-5.5.4, 7.2.1 und die Empfehlungen zu Aufsichtsratsvorsitz, Prüfungsausschuß, Aufsichtsratsmitgliedern und Berichtspflicht des Abschlußprüfers in Ziff. 5.2, 5.3.2, 5.4.1, 5.4.2, 5.4.4, 7.2.3 des Deutschen Kodex). Demnach ist davon auszugehen, daß die Empfehlungen des Deutschen Kodex einen Regel-/Ausnahmecharakter haben: N u r bei Vorliegen atypischer Gegebenheiten kann sich die Frage stellen, ob und gegebenenfalls welche Abweichungen von den Empfehlungen wegen dieser Umstände gerechtfertigt sind; fehlt es am Vorliegen atypischer Gegebenheiten, so ist die Einhaltung der Empfehlungen zwingend. Mit diesem Befund sind die Probleme, die die Formulierung der Empfehlungen im Hinblick auf die Interpretation der den Vorständen/Aufsichtsräten obliegenden Rechtspflichten im Sinne des § 93 A k t G / d e r § § 1 1 6 , 9 3 A k t G aufwerfen, allerdings noch nicht gelöst. Die entscheidende Frage lautet nämlich: Wann liegen atypische Gegebenheiten vor? Die Antwort auf diese Frage birgt eine erhebliche G e fahr: Sie kann die Ausnahme zur Regel werden lassen, weil die individuellen Verhältnisse der einzelnen Unternehmen so verschieden und so vielgestaltig sind, daß ein großer Spielraum für die Annahme atypischer Gegebenheiten eröffnet ist. D a mit schließt sich in gewisser Weise der Kreis. Die Formulierungen in den Materialien zum Deutschen Kodex deuten zum Teil daraufhin, daß die Empfehlungen einen Regel-/Ausnahmecharakter haben, und sprechen zum Teil dafür, daß sie von generalklauselartiger Natur sind und daher in jedem Fall der unternehmensindividuellen Anpassung bedürfen. D e m entspricht es, daß die Antwort auf die Frage derzeit völlig offen ist, wie regelreduziert die Regelreduzierung wirklich ist, oder anders gewendet, ob im Gewand der Regelreduzierung nicht doch eine konkretisierungsbedürftige Generalklausel einherkommt. Die Formulierung der Anregungen als „Sollte"-/„Kann"- Bestimmungen wirft ganz ähnliche Fragen auf. Nimmt man die zur Verfügung stehenden Quellen zur Hilfe, so haben die Anregungen weniger Bindungskraft als die Empfehlungen. Ihnen ist kein Regel-/Ausnahmecharakter, sondern ein Ermessenscharakter zuzumessen, und zwar angesichts des Fehlens ermessensleitender Gesichtspunkte 106 Siehe dazu nur Theisen, Deutscher Corporate Governance Kodex: Regelungsinhalte, 2002 (unveröffentlicht), wonach die Ziff. 3.6.1, 5.1.3, 5.2.2.1 eine „Kenntnisnahme der bestehenden Praxis" darstellen, die Ziff. 3.2,3.4, 3.10,4.2.3,4.2.4, 4.3.4, 4.3.5, 5.1.2, 5.3.1, 5.3.2.1 eine „Erweiterung der bestehenden Praxis" beinhalten, die Ziff. 3.6.2, 5.1.1, 5.2.2.2, 5.3.2.2, 5.4.2, 5.4.3.2, 5.4.4,5.4.5,5.4.6,5.5.3,6.6, 7.1.3,7.1.5, 7.2.1 eine „Veränderung der bestehenden Praxis" bedeuten und die Ziff. 5.6, 7.2.3 des Deutschen Kodex idF. vom 26. Februar 2002 eine „Innovation" sind, die „bisher keine Praxis" ist.

B. Die gesellschaftsrechtliche

Entscheidungsfehlerlehre

291

ein sehr diffuser Ermessenscharakter. 107 Die entscheidende Frage bleibt auch hier offen: Unter welchen Umständen ist die Übernahme welcher Anregungen geboten und unter welchen Umständen sind welche Abwandlungen der Anregungen gerechtfertigt? Die Antwort auf diese Frage birgt ebenfalls eine erhebliche Gefahr: Das Ermessen kann sich zur Regelreduzierung verdichten, aber sich auch in einem ganz weiten Ermessen und damit im Ungreifbaren verflüchtigen. cc) Defizitäre

Substantiierung

Die zum Teil defizitäre Substantiierung wirft wie die Regelungstechnik des Deutschen Kodex ganz erhebliche Probleme im Hinblick auf die Interpretation der den Vorständen/Aufsichtsräten obliegenden Rechtspflichten im Sinne des §93 AktG/der §§116,93 AktG auf. Zentrale Fragen der Leitung und Überwachung in den Unternehmen werden nur rudimentär geregelt, was besonders deutlich wird, wenn man den Deutschen Kodex mit dem erheblich detaillierteren Berliner Kodex vergleicht. So gibt der Deutsche Kodex mit Blick auf die zustimmungspflichtigen Geschäfte lediglich die Interpretation des geltenden Rechts 108 wieder, 109 während der Berliner Kodex eine detaillierte Regelung enthält. 110 Der Deutsche Kodex macht kaum Vorgaben für die Geschäftsordnungen 111 und keine Vorgaben für die Informationsordnung, 112 während der Berliner Kodex detaillierte Regelungen zu den Geschäftsordnungen 113 und der Informationsordnung enthält. 114 Die offenen echten Corporate Governance Standards werfen im Lichte der §§ 93,116 AktG die Frage auf, ob es auch im Lichte der §§ 93,116 AktG einerseits als erforderlich, andererseits als ausreichend anzusehen ist, daß Geschäftsordnung, Zustimmungsvorbehalt und Informationsordnung überhaupt vorhanden sind und - nimmt man noch die Regelung über die Ausschußbildung in Ziff. 5.3.1-5.3.4 des Deutschen Kodex hinzu - zumindest ein Prüfungsausschuß eingesetzt ist. Dies hätte die Konsequenz, daß es für die Konkretisierung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters/Aufsichtsratsmitglieds in Auslegung und Anwendung der §§93, 116 AktG weder auf den Inhalt von Geschäftsordnung, Zustimmungsvorbehalt und Informationsordnung noch auf die Bildung anderer Ausschüsse als des Prüfungsausschusses ankäme. 115 Diese Frage stellen, heißt sie verneinen. Der Deutsche Kodex greift - gerade wegen seiner Ka107 Vgl. dazu die Terminologie von HommelhoffXGK 2001, S.238,243, der im Hinblick etwa auf §171 Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz AktG von „der neuen Kategorie der .Anregungsnormen'" spricht, und zwar in diesem Fall „zur Einrichtung von Aufsichtsratsausschüssen." 108 Siehe dazu etwa Mertens, Kölner Kommentar, § 111 Rdn. 66. 109 Ziff. 3.3 des Deutschen Kodex. 110 Ziff. II.3.4 des Berliner Kodex. 111 Ziff. 4.2.1, 5.1.3 des Deutschen Kodex. 112 Ziff. 3.4 des Deutschen Kodex. 113 Ziff. III.3.2-111.3.5, IV.3.1, IV.5.1, IV.5.4, IV.5.5 des Berliner Kodex. 114 Ziff. II.2.2, II.2.3 des Berliner Kodex. 115 Siehe dazu Hommelhoff/Schwab zfbf Sonderheft 36.96, S. 149, 168ff., 171f.

292

3. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des

Aufsichtsrats

pitalmarktorientierung - nicht nur lediglich bestimmte Kritikpunkte auf, sondern er regelt auch „nicht jedes Thema in allen Einzelheiten". 1 1 6 E r beinhaltet auch aus diesem Grund keine abschließende Regelung guter Unternehmensführung. Die Frage, ob die echten Corporate Governance Standards als rechtlich verbindlich anzusehen sind, weil sie in Auslegung und Anwendung der §§93, 116 AktG nunmehr als Konkretisierung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters/Aufsichtsratsmitglieds anzusehen sind, 117 kann sich ernsthaft nur insoweit stellen, als diese Corporate Governance Standards bestimmte Themen in allen Einzelheiten regeln. 118 Vor diesem Hintergrund lautet die entscheidende Frage: Welche Relevanz können die offenen echten Corporate Governance Standards für die Interpretation der den Vorständen/Aufsichtsräten obliegenden Rechtspflichten im Sinne des § 93 AktG/der §§116, 93 A k t G haben? Die Antwort liegt auf der Hand: Sie geben im Hinblick auf die von ihnen erfaßten Themenbereiche Anhaltspunkte dafür, worin die Mindestvorgaben für die Unternehmensführung bestehen, die im Rahmen der Konkretisierung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters/Aufsichtsratsmitglieds in Auslegung und Anwendung der §§93, 116 A k t G überschritten werden müssen. Das hat zur Konsequenz, daß die Empfehlungen und Anregungen des Deutschen Kodex insoweit grundsätzlich zu befolgen sind und in diesem Sinne fast ausnahmslos zu einer Ermessensreduzierung auf Null führen. Es ist kaum vorstellbar, aus welchen Gründen ein Unternehmen etwa auf den Erlaß von Geschäftsordnung, Zustimmungsvorbehalt und Informationsordnung oder die Einsetzung eines Prüfungsausschusses im Lichte der §§ 93, 116 A k t G verzichten dürfen sollte. Die Frage, wie die den Vorständen/Auf sichtsräten obliegenden Rechtspflichten im Sinne des §93 AktG/der §§116, 93 A k t G im Hinblick etwa auf den Inhalt von Geschäftsordnung, Zustimmungsvorbehalt und Informationsordnung und die Bildung weiterer Ausschüsse als des Prüfungsausschusses zu konkretisieren sind, ist dann allerdings derzeit offen. d)

Ergebnis

Die Frage nach der Relevanz der echten Corporate Governance Standards für die Interpretation der Rechtsnormen und insbesondere der den Vorständen/Auf-

116 Ausführungen von Cromme anläßlich der Veröffentlichung des Entwurfs des Deutschen Kodex am 18. Dezember 2001. 117 Siehe dazu Hommelhoff/Schwab zfbf Sonderheft 36.96, S. 149, 172. 118 Siehe dazu Hommelhoff/Schwab zfbf Sonderheft 36.96, S. 149, 160, 171, 172, die ausgeformte und subsumtionsfähige Grundsätze sowie eine fachspezifische Begründung (im Sinne einer auf Plausibilität überprüfbaren und nachvollziehbaren Begründung mit spezifisch betriebswirtschaftlicher Argumentation) verlangen, um in Auslegung und Anwendung der §§93, 116 AktG rechtlich verbindliche Grundsätze ordnungsgemäßer Unternehmensführung anerkennen zu können.

B. Die gesellschaftsrechtliche

Entscheidungsfehlerlehre

293

sichtsräten obliegenden Rechtspflichten im Sinne des § 9 3 AktG/der §§116, 93 A k t G führt nach alledem zu dem folgenden Befund: Die Rechtswissenschaft kann und w i r d die durch den Deutschen Kodex angestrebte Entwicklung allgemeingültiger Corporate Governance Regeln konstruktiv begleiten, indem sie Stellung zu der Frage bezieht, ob das von der Kodexkommission für erforderlich und ausreichend angesehene unternehmerische Verhalten auch im Lichte der §§93, 116 A k t G einerseits als erforderlich, andererseits als ausreichend anzusehen ist. Derzeit sind allerdings insbesondere die folgenden beiden Punkte als völlig offen anzusehen. - Die Formulierung der Empfehlungen als Regelreduzierung wirft die Frage auf, welche besonderen angebbaren gewichtigen Gründe dazu führen, daß geklärt werden muß, ob und gegebenenfalls welche Abweichungen von den Empfehlungen gerechtfertigt sind. In gleicher Weise wirft die Formulierung der Anregungen als diffuses Ermessen die Frage auf, unter welchen Umständen die Übernahme der Anregungen geboten ist und unter welchen Umständen welche A b w a n d l u n g e n der Anregungen gerechtfertigt sind. - Der Deutsche Kodex greift - gerade wegen seiner Kapitalmarktorientierung nur bestimmte Kritikpunkte (mangelhafte Ausrichtung auf Aktionärsinteressen, duale Unternehmensverfassung mit Vorstand und Aufsichtsrat, mangelnde Transparenz deutscher Unternehmensführung, mangelnde Unabhängigkeit deutscher Aufsichtsräte und eingeschränkte Unabhängigkeit des Abschlußprüfers) auf und regelt darüberhinaus auch nicht jedes Thema in allen Einzelheiten. Vor dem Hintergrund des begrenzten Regelungsbereichs und der defizitären Substantiierung bleibt die Frage unberührt, wie die den Vorständen/ Aufsichtsräten obliegenden Rechtspflichten im Sinne des § 9 3 AktG/der §§116, 93 A k t G im übrigen bzw. insoweit zu konkretisieren sind. Als einigermaßen gesichert können nur drei Schlußfolgerungen gelten. - A u f g r u n d des begrenzten Regelungsbereichs und der defizitären Substantiierung kann die Beachtung der echten Corporate Governance Standards nicht implizieren, daß alle den Vorständen/Auf sichtsräten obliegenden Rechtspflichten im Sinne des § 93 AktG/der §§116, 93 A k t G erfüllt worden sind. - Die Frage, ob die echten Corporate Governance Standards als rechtlich verbindlich anzusehen sind, weil sie in Auslegung u n d A n w e n d u n g der § § 9 3 , 1 1 6 A k t G nunmehr als Konkretisierung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters/Aufsichtsratsmitglieds anzusehen sind, kann sich ernsthaft nur insoweit stellen, als diese Corporate Governance Standards bestimmte Themen in allen Einzelheiten regeln. - Die offen echten Corporate Governance Standards geben im Hinblick auf die von ihnen erfaßten Themenbereiche lediglich Anhaltspunkte dafür, w o r i n die Mindestvorgaben für die Unternehmensführung bestehen, die im Rahmen der Konkretisierung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Ge-

294

3. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des Aufsichtsrats

schäftsleiters/Aufsichtsratsmitglieds in Auslegung und Anwendung der §§ 93, 116 AktG überschritten werden müssen. Die Rechtswissenschaft verfügt mithin über erhebliche Spielräume, wenn sie die echten Corporate Governance Standards zur Interpretation der den Vorständen/ Aufsichtsräten obliegenden Rechtspflichten im Sinne des §93 AktG/der §§116, 93 AktG heranzieht. Sie wird zur Ausfüllung der Spielräume gerade auf den Berliner Kodex zurückgreifen können und dürfen. Der Deutsche Kodex bleibt zwar in Regelungstechnik, Regelungsbereich und Substantiierungsgrad hinter dem Berliner Kodex und damit hinter den Erkenntnissen der Betriebswirtschaftslehre weit zurück, dies dürfte aber nur an dem Kompromißcharakter und der vorläufigen Natur des Deutschen Kodex liegen.119 Der Berliner Kodex ist von einem hochkarätigen Expertenteam entwickelt worden, 120 und Peter Hommelhoff und Martin Schwab haben die methodischen Grundlagen für eine Rezeption des sich in Grundsätzen ordnungsgemäßer Unternehmensführung manifestierenden betriebswirtschaftlichen Sachverstandes gelegt.121 Es liegt geradezu im Wesen der Diskussion um Corporate Governance Standards, sich der Frage eines Rückgriffs auf die Erkenntnisse der Betriebswirtschaftslehre stärker als bisher zu stellen.122

II. Überschreitung

und

Abwägungsmangel

Die Überschreitung als der einzige reine (inhaltliche) Ergebnisfehler (abstrakter Verhaltensfehler) und der Abwägungsmangel als der praktisch relevante (inhaltliche) Ergebnisfehler/inhaltliche Vorgangsfehler (konkreter Verhaltensfehler) sind nunmehr zu konkretisieren. Da es sich bei der Überschreitung um eine Überdehnung der Einschätzungs-/ Ermessensermächtigung handelt, ist sie in der Regel am Entscheidungstenor er119 Vgl. dazu die Ausführungen von Cromme anläßlich der Veröffentlichung des Entwurfs des Deutschen Kodex am 18. Dezember 2001: „Die Ergebnisse unserer Beratungen in der KodexKommission ... Zusätzlich sind die Corporate Governance Grundsätze der Frankfurter Grundsatzkommission Corporate Governance aus Juli 2000 und die Vorarbeiten des Berliner Initiativkreises zum,German Code of Corporate Governance' 2000 als wertvolle Vorarbeiten in die Diskussion einbezogen worden." 120 Siehe zu diesem Erfordernis Hommelhoff/Schwab zfbf Sonderheft 36.96, S. 149,160f., 167, 172ff., 174 f. 121 Hommelhoff/Schwab zfbf Sonderheft 36.96, S. 149, 154ff., 156ff., 161ff., 172ff. 122 Dagegen sprechen nicht die Feststellungen von Theisen RWZ 2001, S. 157ff., daß angesichts der unterschiedlichen Vorschläge im Rahmen der „Diskussion über Grundsätze ordnungsgemäßer Unternehmensführung" noch nicht „von einem generellen Lösungsansatz" gesprochen werden kann. Denn - wie Hommelhoff/Schwab zfbf Sonderheft 36.96, S. 149, 164f., 166 zutreffend ausführen - einige Forderungen der Betriebswirtschaftslehre sind bereits als Rechtspflicht anerkannt, obwohl es der Betriebswirtschaftslehre noch nicht gelungen ist, „Standardsituationen unternehmerischer Entscheidung herauszuarbeiten, in denen ein bestimmtes Verhalten typischerweise erforderlich bzw. typischerweise ausreichend ist."

B. Die gesellschaftsrechtliche

295

Entscheidungsfehlerlehre

kennbar. Daher zielt die Frage nach ihrer Konkretisierung auf die Typisierung von Entscheidungen, die der Vorstand/Aufsichtsrat unter gar keinen Umständen treffen darf. Die Überschreitung umfaßt mithin insbesondere die Fälle, in denen eine Entscheidung schon ihrer Art nach und damit der zugehörige Entscheidungstenor (das Endergebnis des gesamten Entscheidungsprozesses) bereits

aufgrund

seines Typs im Lichte des § 9 3 AktG/der §§116, 93 A k t G zu beanstanden ist. Die Konkretisierung der Überschreitung erfolgt durch die Herausbildung von abwägungsfesten Vorgaben. D a es sich bei dem Abwägungsmangel um einen Fehlgebrauch der Einschätzungs-/Ermessensermächtigung handelt, ist er in den typischen Fällen (kein Mißverhältnis von Vorgang und Ergebnis; kein übergreifendes Mißverhältnis von Ergebnis und Vorgang) ebenfalls in der Regel am Entscheidungstenor erkennbar. Daher umfaßt er insbesondere die Fälle, in denen eine Entscheidung und damit der zugehörige Entscheidungstenor (das Endergebnis des gesamten Entscheidungsprozesses) lediglich

im konkreten

Fall im Lichte des § 93 AktG/der §§116,

93 A k t G zu beanstanden ist. Der Umstand, daß in diesen Fällen die Entscheidung nicht schon ihrer Art nach und damit der zugehörige Entscheidungstenor nicht bereits aufgrund seines Typs im Lichte des § 9 3 AktG/der §§116, 93 A k t G pflichtwidrig ist (also kein abstrakter Verhaltensfehler vorliegt), schließt es gerade nicht aus, daß die Entscheidung und damit der zugehörige Entscheidungstenor im konkreten Fall im Lichte des § 9 3 AktG/der §§116, 93 A k t G pflichtwidrig ist (also ein konkreter Verhaltensfehler vorliegt). Die Konkretisierung des Abwägungsmangels erfolgt durch die Herausbildung von (bloßen) Abwägungsgrundsätzen (Richtlinien, an denen sich eine sachgemäße Einschätzung/Ermessensausübung ausrichten muß) sowie durch die Ausformung des Rationalgebots. Während es auf der Hand liegt, daß es sich bei dem Rationalgebot um einen für jede Abwägung geltenden Maßstab handelt, ist bei den abwägungsfesten Vorgaben und den Abwägungsgrundsätzen zu differenzieren. Es gibt abwägungsfeste Vorgaben, an denen Entscheidungen unabhängig vom Entscheidungsgegenstand zu messen sind (generelle Entscheidungsgrenzen). 123 Es lassen sich daneben abwägungsfeste Vorgaben formulieren, an denen Entscheidungen mit einem bestimmten Entscheidungsgegenstand zu messen sind. Sie legen fest, welche Entscheidungen der Vorstand/Aufsichtsrat gar nicht treffen darf 123 Diese Fälle entsprechen im Verwaltungsrecht der Überschreitung infolge einer Fehleinschätzung des Einschätzungsbegriffs bzw. der Ermessensermächtigung (etwa Uberdehnung des Gebührenrahmens oder Erteilung einer unbefristeten Sondernutzungserlaubnis entgegen § 8 Abs.2 Satz 1 FernStrG; siehe dazu Wolff/Bachof/Stoher, Verwaltungsrecht I, §31 Rdn.46 und Alexy J Z 1986, S.701, 702, 709) oder einer Verkennung/Fehleinschätzung normierter Beurteilungs-/Ermessensgrenzen (etwa Verletzung der Vorgaben des Flächennutzungsplans nach § 8 Abs. 2 BauGB oder Nichteinhaltung der denkbaren Festsetzungen eines Bebauungsplans nach § 9 BauGB). Sie fallen im U. S. amerikanischen Recht in den Anwendungsbereich der duty of care und damit (jedenfalls zunächst) unter die business judgment rule und (wenn es an deren Voraussetzungen fehlt) unter den entire (intrinsic) fairness test.

296

3. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des

Aufsichtsrats

(absolute Entscheidungsgrenzen)124 und welche Entscheidungen der Vorstand/ Aufsichtsrat nur unter bestimmten Voraussetzungen treffen darf (Ermessensg r e n z e n f ü r die i m L i c h t e d e r a b s o l u t e n E n t s c h e i d u n g s g r e n z e n

verbleibenden

oder anderweitig bestimmten Generierungs- und Evaluationsermessensspielräum e des V o r s t a n d s u n d die d a m i t g e g e b e n e n f a l l s k o r r e s p o n d i e r e n d e n E r m e s s e n s s p i e l r ä u m e des A u f s i c h t s r a t s / E r m e s s e n s g r e n z e n f ü r b e s t i m m t e A u s g e s t a l t u n g s ermessensspielräume des Aufsichtsrats).125 I n g l e i c h e r W e i s e g i b t es A b w ä g u n g s g r u n d s ä t z e , die f ü r E i n s c h ä t z u n g s - , E v a luations- und Auswahlfreiräume unabhängig von dem Gegenstand der zugehörigen E n t s c h e i d u n g gelten (allgemeine A b w ä g u n g s g r u n d s ä t z e ) . 1 2 6 D a n e b e n treten A b w ä g u n g s g r u n d s ä t z e , die f ü r e i n z e l n e E r m e s s e n s f r a g e n i m R a h m e n v o n E n t scheidungen mit einem bestimmten Entscheidungsgegenstand

gelten

(Ermes-

sensrichtlinien für bestimmte Generierungs- und Evaluationsermessensspielräum e des V o r s t a n d s u n d die d a m i t g e g e b e n e n f a l l s k o r r e s p o n d i e r e n d e n E r m e s s e n s 124 Diese Fälle entsprechen im Verwaltungsrecht der Überschreitung infolge einer Verkennung/Fehleinschätzung verfassungsrechtlicher Beurteilungs-/Ermessengrenzen (etwa Einkesselung von Demonstranten statt Auflösung der Demonstration; siehe dazu Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, §31 Rdn.46 und Alexy J Z 1986, S. 701, 702, 709f.). Sie fallen im U.S. amerikanischen Recht in den Anwendungsbereich der duty of care und damit (jedenfalls zunächst) unter die business judgment rule und (wenn es an deren Voraussetzungen fehlt) unter den entire (intrinsic) fairness test). Eine gewisse Parallele zu diesem Ansatz ist hier darin zu sehen, daß zum Teil zunächst spezifische Entscheidungs- und/oder Ermessensgrenzen und sodann spezifische Ermessensrichtlinien definiert werden. Der entscheidende Unterschied liegt jedoch darin, daß sie kumulativ zu beachten sind; es werden also gerade nicht zwei unterschiedlich weite rechtliche Kontrollmaßstäbe zugrundegelegt - und damit die Abgrenzungsfragen (fehlender rational business purpose/fehlender fair price) und Anwendungsprobleme (erhebliche interpretationsbedingte Entscheidungsfreiräume beim entire (intrinsic) fairness test statt vollinhaltlicher Uberprüfung) vermieden. 125 Diese Fälle entsprechen im Verwaltungsrecht der Überschreitung infolge einer Verkennung/Fehleinschätzung allgemein anerkannter Beurteilungs-/Ermessengrenzen (etwa Einsatz straßenrechtlicher Mittel zu verkehrsrechtlichen Zwecken; siehe dazu Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, §31 Rdn.46). Sie fallen im U.S. amerikanischen Recht überwiegend in den Anwendungsbereich der duty of loyalty und damit - mangels eines disinterested judgments nicht unter die business judgment rule, sondern (jedenfalls zunächst) unter den entire (intrinsic) fairness test. Eine gewisse Parallele zu der Differenzierung zwischen der duty of care und der duty of loyalty ist hier darin zu sehen ist, daß zunächst spezifische (auf einen Vergleichstest oder auf ein Modell abstellende) Ermessensgrenzen und sodann spezifische Ermessensrichtlinien definiert werden. Siehe zu dem entscheidenden Unterschied soeben Fn. 124. 126 Diese Fälle finden eine gewisse Entsprechung im Planungsrecht, weil der „Bürger ... bei Plan- bzw. Planungsgenehmigungen (iwS) grundsätzlich Anspruch... auch darauf" hat, „ daß die Entscheidung... auf sorgfältig erstellten, realistischen Prognosen und einer sachgemäßen Abwägung aller Wahrscheinlichkeiten und möglichen Folgen beruht" (Kopp/Schenke, V w G O , § 114 Rdn. 36a). Sie finden auch eine gewisse Entsprechung im U.S. amerikanischen Recht, wenn und soweit man der Rechtsprechung zum informed judgment eine Differenzierung zwischen Einschätzung, Evaluation und Auswahl entnimmt, so daß die directors den Gegenstand des business judgments gründlich untersuchen, Lösungsalternativen in einem gut fundierten und abwägenden Prozeß entwickeln und bewerten und schließlich die gemessen an den gewonnenen Erkenntnissen überlegene Lösungsalternative abschließend auswählen müssen.

B. Die gesellschaftsrechtliche

Entscheidungsfehlerlehre

297

Spielräume des Aufsichtsrats/Ermessensrichtlinien für bestimmte Evaluationsund Ausgestaltungsermessensspielräume des Aufsichtsrats). 127 Sie bauen zum Teil auf den Ermessensgrenzen für die im Lichte der absoluten Entscheidungsgrenzen verbleibenden oder anderweitig bestimmten Generierungs- und Evaluationsermessensspielräume des Vorstands und die damit korrespondierenden Ermessensspielräume des Aufsichtsrats bzw. auf den Ermessensgrenzen für bestimmte Ausgestaltungsermessensspielräume des Aufsichtsrats auf. 1. Generelle Entscheidungsgrenzen Die abwägungsfesten Vorgaben, an denen Entscheidungen unabhängig von dem Entscheidungsgegenstand zu messen sind, sind unproblematisch. Eine Uberschreitung infolge einer Verletzung von generellen Entscheidungsgrenzen liegt insbesondere bei Entscheidungen vor, die Gesetzesvorschriften oder rechtliche Grenzen verletzen, die sich aus der Satzung, aus dem Anstellungsvertrag, aus Verhaltensrichtlinien, aus Geschäftsordnungen, aus Beschlüssen der Hauptversammlung, im Falle des Vorstands aus Beschlüssen des Aufsichtsrats und im Falle eines Vertragskonzerns aus Beschlüssen des herrschenden Unternehmens ergeben. 128 2. Absolute Entscheidungsgrenzen, Ermessensgrenzen und Ermessensrichtlinien Wegen ihres zum Teil gegebenen inneren Zusammenhangs sollen zunächst die abwägungsfesten Vorgaben, an denen Entscheidungen mit einem bestimmten Entscheidungsgegenstand zu messen sind (absolute Entscheidungsgrenzen und Ermessensgrenzen), und die Abwägungsgrundsätze für einzelne Ermessensfragen im Rahmen von Entscheidungen mit einem bestimmten Entscheidungsgegenstand bestimmt werden (Ermessensrichtlinien). Dabei geht es im Kern um die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Entscheidungstenor im Hinblick auf einen bestimmten Entscheidungsgegenstand (das Endergebnis der Ermessensausübung) im Lichte der §§93, 116 AktG zu beanstanden ist. a) Das Konzept von Manfred H. Kessler Es ist - soweit ersichtlich - allein Manfred H. Kessler, der ein umfassendes Konzept vorgelegt hat, um zu klären, an welchen Maßstäben sich Entscheidungen des 127 Diese Fälle fallen im U.S. amerikanischen Recht überwiegend in den Anwendungsbereich der duty of loyalty und damit - mangels eines disinterested judgments - nicht unter die business judgment rule, sondern (jedenfalls zunächst) unter den entire (intrinsic) fairness test. Zu einer gewissen Parallele des hier entwickelten Ansatzes siehe soeben Fn. 125. 128 Siehe dazu nur: Heermann ZIP 1998, S.761, 762f.; Semler, Überwachung, S. 108f.; Roth, Ermessen, S.72f.; Paefgen, Entscheidungen, S. 17ff.

298

3. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des Aufsichtsrats

Vorstands mit einem bestimmten Entscheidungsgegenstand zu orientieren haben. 1 2 9 Es beruht auf der These, daß die „Individualziele aller am U n t e r n e h m e n Interessierten ... den Vorstand via § § 7 6 Abs. 1, 93 ... stärker" verpflichten „als U n t e r nehmensziele dies k ö n n t e n . " D e n n sie seien geeignet, „den G r u n d für das Interesse am U n t e r n e h m e n und für die individuelle Teilnahmeentscheidung aufzudekken, ohne die das U n t e r n e h m e n nicht existent und der Vorstand nicht im A m t wäre." A u f dieser Grundlage lasse sich auch das Unternehmensinteresse f o r m u lieren. 1 3 0 E s beruht weiter auf der Annahme, daß „dem Vorstand aus betriebswirtschaftlicher Sicht die A u f g a b e " obliegt, „sich an den Zielsystemen der A n spruchsgruppen, die auf das U n t e r n e h m e n aufgrund seines speziellen Tätigkeitsbereiches in besonderem M a ß e Einfluß haben (Kapitaleigner, Arbeitnehmer, Gläubiger, Lieferanten, Kunden), zu orientieren und ihnen je nach Einschätzung der Geschäftslage und entsprechend den gesetzlichen Vorgaben durch eine optimale Unternehmenspolitik Rechnung zu tragen." A u f diese Weise lasse sich „die Leistungsfähigkeit des U n t e r n e h m e n dem Auftrag des Vorstands gemäß auf langfristige Sicht steigern." 1 3 1 Dieser Ansatz geht über die herkömmliche gesellschaftsrechtliche Auffassung hinaus. Danach hat der Vorstand für die Rentabilität des Unternehmens und damit für Bestand, Erfolg und Gewinn zu sorgen und das Unternehmensinteresse zu berücksichtigen. 1 3 2 E r hat aber inzwischen in das Aktienrecht Eingang gefunden. So heißt es in Ziff. 4.1.1 des Deutschen K o d e x , der Vorstand sei an das U n t e r nehmensinteresse gebunden und der Steigerung des nachhaltigen U n t e r n e h m e n s wertes verpflichtet. N a c h Ziff. 1.2 und 3 des Berliner K o d e x ist das Ziel der U n t e r nehmensführung die nachhaltige Steigerung des Unternehmenswertes, der sich nach dem Ausmaß seiner Fähigkeit bemißt, die Ansprüche seiner Bezugsgruppen zu erfüllen; die „Aufgabe des Unternehmensführung ist es folglich, die Wertschöpfungsaktivitäten des Unternehmens im Sinne einer ,multiplen Exzellenz' für sämtliche Bezugsgruppen so attraktiv zu gestalten, daß diese jeweils möglichst weitgehend zur Prosperität des Unternehmens beitragen." 1 3 3 In § 93 Abs. 1 Satz 2 A k t G idF. von A r t . l N r . l R e g E U M A G 1 1 / 2 0 0 4 wird auf ein Handeln z u m Wohle der Gesellschaft abgestellt, und nach der Begründung zu Art. 1 Nr. 1 R e g E U M A G 1 1 / 2 0 0 4 liegt ein Handeln zum Wohle der Gesellschaft jedenfalls dann vor, „wenn es der langfristigen Ertragsstärkung und Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens und seiner Produkte oder Dienstleistungen dient."

Kessler KG 1993, S.252ff. und AG 1995, S.61ff., 120ff. Kessler AG 1993, S.252, 272, 268. 131 Kessler AG 1993, S.252, 259, 258. 132 Siehe dazu nur: Semler, Überwachung, S. 23ff., 31 ff.; Mertens, Kölner Kommentar, §76 Rdn.6ff., 10ff-, 16ff.; Paefgen, Entscheidungen, S.36ff., 38ff. 133 Vgl. zum Diskussionsstand Kuhner ZGR 2004, S.244ff. 129

130

B. Die gesellschaftsrechtliche

Entscheidungsfehlerlehre

299

Manfred H. Kessler entwickelt ein „Prüfungsschema..., das es erlaubt, eine Leitungsmaßnahme ... daraufhin zu prüfen, ob sie noch von der dem Vorstand gemäß §76 Abs. 1 AktG eingeräumten Leitungskompetenz gedeckt ist oder ob der Vorstand zu ihrer Vornahme eines Hauptversammlungsbeschlusses bedarf, bzw. ob ihrer Vornahme rechtsnorminduzierte Restriktionen entgegenstehen." 134 Danach darf der Vorstand eine „Leitungsmaßnahme" treffen, wenn sie die folgenden vier Voraussetzungen erfüllt. Sie darf zunächst die wesentlichen Ziele der Unternehmensbeteiligten nicht verletzen. Das sind die Sicherheitsziele der Kapitaleigner (Auslegungsregel: Kl ist nicht tangiert, „wenn die beabsichtigte Maßnahme den satzungsmäßigen Unternehmensgegenstand der Aktiengesellschaft fördern würde") und die Beteiligungs- und Mitwirkungsinteressen der Kapitaleigner (Auslegungsregel: K3 ist nicht tangiert, „wenn die beabsichtigte Maßnahme nicht dazu geeignet ist, das eignerspezifische, mit dem Kapitalanteil verbundene Stimmrecht mindestens teilweise zu entwerten"). 135 Sie darf weiter den Wesenskern der sonstigen beachtlichen Ziele der Unternehmensbeteiligten nicht beeinträchtigen. Das sind die Erwerbsinteressen der Kapitaleigner (Auslegungsregel: K2 ist nicht tangiert, „wenn aufgrund einer beabsichtigten Maßnahme der Abnahme von Kapitalertrag/Dividende eine Zunahme von Kapitalzuwachs/Geldanlage/Kurs korrespondiert, und insbesondere, wenn einer Maßnahme, die eine Dividendenkürzung zur Folge hat," eine „Steigerung des Anteilswertes gegenübersteht"). 136 Sie muß dann „zugunsten des Zielsystems mindestens einer Anspruchsgruppe des sachzielspezifischen Umsystems beabsichtigt und dadurch mit einem der antizipierten Unternehmensziele positiv korreliert" sein. Die Anspruchsgruppen sind die Gläubiger einschließlich der Banken als Fremdkapitalgeber und der Lieferanten als Warenkreditgeber (Gl - Sicherheitsinteresse, G2 - Erwerbsinteresse, G3 - Unternehmens- und Betriebsinteresse), die Lieferanten (LI - Erwerbsinteresse, L2 - Allgemeine Geschäftsbeziehungen) und die Kunden (Kul - Produktinteresse, Ku2 - Allgemeine Geschäftsbeziehungen). 137 Die antizipierten Unternehmensziele sind die Sicherheitsziele (Ul), die Erfolgsziele (U2) und die Expansionsziele (U3). 138 Schließlich dürfen etwaige rechtsnorminduzierte Restriktionen ausnahmsweise nicht zu berücksichtigen sein. Die Auslegungsregel lautet: Wenn die beabsichtigte Maßnahme mit den Sicherheitszielen der Kapitaleigner (Kl), den antizipierten Unternehmenszielen (U1-U3), dem Sicherheitsin134

Kessler A G 1995, S.61, 64. Kessler A G 1993, S.252, 260,265, 266, 268 (unter Hinweis auf B G H B G H Z 83, S. 122ff. Holzmüller). 136 Kessler KG 1993, S.252,260,265f.,268f.,270-mit der Konsequenz: „Die Verfolgung von Arbeitnehmerzielen liegt - bis zur Überschreitung der vorstehend gezogenen Grenzen - im Ermessen des Vorstands" (siehe zu den Arbeitnehmerzielen auch S.260f., 266f.). 137 Kessler A G 1993, S.252, 261 f., 267, 269f. 138 Kessler A G 1993, S.252, 261, 262ff., 267f., 269f. 135

300

3. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des Aufsichtsrats

teresse der Gläubiger ( G l ) und den Arbeitnehmerzielbereichen „Existenzsicherung", „Betriebsklima/Soziale Beziehungen", „Verbesserung der Arbeitsbedingungen" ( A I , A 3 , A 5 ) „positiv korreliert ist, kann der Vorstand ... davon ausgehen, daß diese dann auch rechtlich zulässig ist; hinsichtlich der in diesem D i a grammkern enthaltenen Arbeitnehmerziele g e n ü g t . . . bereits Zielneutralität." 1 3 9 A u f dieser Grundlage geht Manfred

H. Kessler der Frage nach, welche „Lei-

tungsmaßnahmen" der Vorstand ergreifen darf. 1 4 0 E r k o m m t zu dem Ergebnis, sein „ K o n z e p t " sei „dazu angetan, juristisch vertretbare

Lösungsvorschläge

durch eine betriebswirtschaftliche K o m p o n e n t e zu untermauern, wodurch diesen ein höherer Erklärungswert und damit eine größere A k z e p t a n z durch die jeweiligen Zielgruppen zuteil w e r d e n " könne. 1 4 1 Das ist jedoch noch nicht alles. D e n n sein „ K o n z e p t " erlaubt auch die Herausbildung von abwägungsfesten Vorgaben, an denen Entscheidungen mit einem bestimmten Entscheidungsgegenstand zu messen sind und die festlegen, welche Entscheidungen der Vorstand/ Aufsichtsrat gar nicht treffen darf und welche Entscheidungen der Vorstand/Aufsichtsrat nur unter bestimmten Voraussetzungen treffen darf, sowie von A b w ä gungsgrundsätzen für einzelne Ermessensfragen im R a h m e n von Entscheidungen mit einem bestimmten Entscheidungsgegenstand. aa) Absolute

Entscheidungsgrenzen

E i n e Überschreitung infolge einer Verletzung von absoluten - aus dem U n t e r n e h mensgegenstand, den Unternehmenszielen und/oder dem U n t e r n e h m e n s w o h l folgenden 1 4 2 - Entscheidungsgrenzen liegt insbesondere bei folgenden Entscheidungen vor: - Bildung eines gemischten K o n z e r n s (Verletzung von K l ) ; Vornahme von Investitionen zwecks Diversifizierung durch internes Wachstum (Verletzung von K l ) ; Ü b e r n a h m e eines Wettbewerbers, bei der das herrschende U n t e r n e h m e n keine dem Kaufpreis entsprechende Stimmrechtsmacht erhält oder bei der mit dem Abfluß der zum Ankauf benötigten Mittel keine Wertzunahme auf Seiten des übernehmenden Unternehmens verbunden ist (Verletzung von K 2 und K 3 ) ; Ü b e r n a h m e eines vor- oder nachgelagerten Unternehmens, die nicht mit vertikalen Synergieeffekten einhergeht oder die dazu führt, daß der U m s a t z /

Kessler AG 1993, S.252, 259ff., 262ff., 270f. Kessler KG 1995, S.61, 65f., 66ff., 120ff. 141 Kessler AG 1995, S. 61, 66. 142 Kessler KG 1993, S. 252ff. und AG 1995, S. 61 ff., 120ff. sowie - insbesondere zu Unternehmensgegenstand, Unternehmenszielen und (neu definiertem) Unternehmensinteresse - AG 1993, S. 152, 268, 272. Unternehmensgegenstand, Unternehmensziele und (im herkömmlichen Sinn verstandenes) Unternehmensinteresse werden überwiegend von der Rechtswissenschaft als Kriterien akzeptiert. Siehe dazu: Semler, Überwachung, S.23ff., 31 ff.; Mertens, Kölner Kommentar, §76 Rdn.6ff., 10ff., 16ff.; Heermann ZIP 1998, S.761, 763; Kessler AG 1995, S.61, 66f., 67ff., 69, 69f., 70f., 71 ff.; Paefgen, Entscheidungen, S.36ff., 38ff. 139

140

B. Die gesellschaftsrechtliche

Entscheidungsfehlerlehre

301

Gewinn des übernehmenden Unternehmens nicht mehr mindestens 5 0 % des Konzernumsatzes/Konzerngewinns beträgt (Verletzung von K l ) oder bei der das übernehmende U n t e r n e h m e n keine dem Kaufpreis entsprechende Stimmrechtsmacht erhält oder bei der mit dem Abfluß der zum A n k a u f benötigten Mittel keine Wertzunahme auf Seiten des übernehmenden U n t e r n e h m e n s verbunden ist (Verletzung von K 2 und K 3 ) . 1 4 3 - Vollabspaltung aller Tätigkeitsbereiche und deren Verwaltung durch eine zu diesem Z w e c k gegründete Holdinggesellschaft (keine positive Korrelation mit U 2 ) ; Ausgliederung eines Betriebsteils, bei der die Muttergesellschaft nach der Ausgliederung nicht zu 1 0 0 % Stimmrechts- und kapitalmäßig an der Tochtergesellschaft beteiligt wird bzw. keine dem Wert des ausgegliederten Betriebsteils entsprechende Beteiligung an dem Gemeinschaftsunternehmen

über-

nimmt (Verletzung von K 3 ) oder der Teil des Gewinns, der nicht für Investitionen in dem ausgegliederten Betriebsteil benötigt wird, nicht vollständig an die Muttergesellschaft abgeführt wird (Verletzung von K 2 ) oder die lediglich organisatorischen Charakter hat (keine positive Korrelation mit U 1 und/oder U2).144 - Kapitalerhöhung in einer Tochtergesellschaft, bei der sich die ursprüngliche Beteiligungssituation ändert (Verletzung von K 3 ) oder die nicht ausschließlich aus den freien Rücklagen oder durch teilweise oder gänzliche Auflösung stiller Rücklagen der Tochtergesellschaft oder der Muttergesellschaft finanziert wird (Verletzung von K 2 ) . 1 4 5 - B u y o u t unter Finanzierung durch die Zielgesellschaft (rechtsnorminduzierte Restriktionen durch die § § 7 1 a Abs. 1 Satz 1, 57 Abs. 1 Satz 1 A k t G nach Sinn und Z w e c k nicht überwindbar). 1 4 6 - Auskauf eines opponierenden Aktionärs, dem keine Erpressung durch den opponierenden Aktionär zugrundeliegt und der keinem Ausgleich eines durch Hauptversammlungsbeschluß eintretenden oder eingetretenen Vermögensnachteils zugunsten des betroffenen opponierenden Aktionärs dient (rechtsnorminduzierte Restriktionen durch die §§ 57, 71 A k t G wegen K l nicht überwindbar). 1 4 7 - Spende (an einen externen Dritten 1 4 8 ), die nicht der Imagewerbung (Förderung der Akzeptanz der Produkte des Unternehmens) dient (Verletzung von K l insbesondere anonyme Spenden) oder die ein von der Hauptversammlung

Kessler AG 1995, S.61, 68, 73f. Kessler AG 1995, S.61, 68f., 74f. 145 Kessler AG 1995, S.61, 72, 76. 146 Kessler KG 1995, S.120, 120f., 129f. 147 Kessler KG 1995, S.120, 122ff., 130f. 148 Freiwillige Sozialleistungen an die Arbeitnehmer sind keine Spenden in diesem Sinne; siehe zu diesem Sonderproblem: Kessler AG 1995, S.120, 127; Fleischer AG 2001, S. 171, 172, 174; Abeltshauser, Leitungshaftung, S.75ff., 195ff. (auch zum U.S. amerikanischen Recht). 143 144

302

3. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des Aufsichtsrats

nach §58 Abs. 3 Satz 2 AktG festgelegtes Werbebudget überschreitet und deshalb als Gewinnverwendung und nicht als Aufwand zu qualifizieren ist (Verletzung von K2) oder die nicht die Beziehungen zu Gläubigern, Lieferanten und/ oder Kunden verbessert (keine positive Korrelation mit U1-U3 - insbesondere Parteispenden). 149 - Schmiergeldzahlung (Verletzung von Kl). 150 bb)

Ermessensgrenzen

Eine Überschreitung infolge einer Verletzung von - aus dem Unternehmensgegenstand, den Unternehmenszielen und/oder dem Unternehmenswohl folgenden - Ermessensgrenzen für die im Lichte der absoluten Entscheidungsgrenzen verbleibenden Generierungs- und Evaluationsermessensspielräume des Vorstands und die damit gegebenenfalls korrespondierenden Ermessensspielräume des Aufsichtsrats liegt insbesondere bei folgender Entscheidung vor: - Spende, die zwar der Imagewerbung dient, ein von der Hauptversammlung nach § 58 Abs. 3 Satz 2 AktG festgelegtes Werbebudget nicht überschreitet und die Beziehungen zu Gläubigern, Lieferanten und/oder Kunden verbessert, aber der Höhe nach mehr als 25% über der verkehrsüblichen Höhe von Spenden an diese Empfängergruppe durch vergleichbare Unternehmen dieser Branche liegt (Verletzung von Kl und K2).151 cc)

Ermessensrichtlinien

Ein Abwägungsmangel infolge einer Verletzung von - aus dem Unternehmensgegenstand, den Unternehmenszielen und/oder dem Unternehmenswohl folgenden - Ermessensrichtlinien für bestimmte Generierungs- und Evaluationsermessensspielräume des Vorstands und die damit gegebenenfalls korrespondierenden

149 Kessler A G 1995, S. 120, 126f., 131f. Siehe dazu auch: B G H A G 2002, S.347, 348f., 349; Laub A G 2002, S. 308, 308f., 309f.; Fleischer A G 2001, S. 171,175,176,177,179ff., der auf S. 173 zutreffend darauf hinweist, daß sich die Frage nach der „internen Statthaftigkeit unentgeltlicher Zuwendungen durch den Vorstand" nicht „in ihrer ganzen Zuspitzung" stellt, „wenn die Satzung eine Gemeinwohlkausel" enthält; Abeltshauser, Leitungshaftung, S. 75ff., 195ff. (auch zum U.S. amerikanischen Recht). 150 Kessler A G 1995, S. 120, 127ff., 132; differenzierend dagegen Fleischer ZIP 2005, S. 141, 141, 148ff. 151 Kessler A G 1995, S. 120, 126f., 131f. („in vernünftiger Höhe"); siehe dazu auch Fleischer A G 2001, S. 171,178 („Darüberhinaus wird man auch den Gesichtspunkt des Verkehrsüblichen heranziehen können, weil Unternehmensspenden die Akzeptanz der Aktiengesellschaft innerhalb ihrer sozialen Gemeinschaft sichern sollen und deren Verhaltenserwartungen durch bisherige Gepflogenheiten maßgeblich vorgeprägt sind."). Das 25%-Erfordernis entstammt dem im Kartellrecht im Rahmen der Preishöhenkontrolle aufgrund des Vergleichsmarktkonzepts nach § 19 GWB anerkannten „Mißbrauchszuschlag"; siehe dazu Möschel, Immenga/Mestmäcker, § 19 Rdn. 159.

B. Die gesellschaftsrechtliche

Entscheidungsfehlerlehre

303

Ermessensspielräume des Aufsichtsrats liegt insbesondere bei folgenden E n t scheidungen vor: - Auskauf eines opponierenden Aktionärs, dem zwar eine Erpressung durch den opponierenden A k t i o n ä r zugrundeliegt oder der zwar einem Ausgleich eines durch Hauptversammlungsbeschluß eintretenden oder eingetretenen Vermögensnachteils zugunsten des betroffenen opponierenden Aktionärs dient, bei

dem aber die Zahlung der Höhe nach unangemessen ist (rechtsnorminduzierte Restriktionen durch die § § 5 7 , 71 A k t G wegen K l nicht überwindbar), 1 5 2 und zwar gemessen an A r t und U m f a n g der durch die Verzögerung entstehenden Opportunitätskosten (einschließlich der P r o z e ß k o s t e n ) und des im Falle des Obsiegens des opponierenden Aktionärs entstehenden Schadens (in absoluter H ö h e und im relativen Verhältnis zur Vermögens-, Finanz- und Ertragslage, der wirtschaftlichen Lage, dem Erfolg und den Zukunftsaussichten, der G r ö ß e und Bedeutung sowie der Wertsteigerung des Unternehmens), an dem B ö r s e n kurs der Aktien des opponierenden Aktionärs, an der Wahrscheinlichkeit eines Obsiegens des opponierenden Aktionärs, an dem Ausmaß der Nachahmungsgefahr sowie des Imageschadens im Erpressungsfall und an der H ö h e des eintretenden oder eingetretenen Vermögensnachteils im Ausgleichsfall. - Spende, die zwar der Imagewerbung dient, ein von der Hauptversammlung nach § 58 Abs. 3 Satz 2 A k t G festgelegtes Werbebudget nicht überschreitet, die Beziehungen zu Gläubigern, Lieferanten und/oder Kunden verbessert und der H ö h e nach nicht mehr als 2 5 % über der verkehrsüblichen H ö h e von Spenden an diese Empfängergruppe durch vergleichbare U n t e r n e h m e n dieser Branche liegt, aber der Höhe

nach unangemessen

ist, und zwar gemessen an der Vermö-

gens-, Finanz- und Ertragslage, der wirtschaftlichen Lage, dem Erfolg und den Zukunftsaussichten, der G r ö ß e und Bedeutung sowie der Wertsteigerung des Unternehmens, 1 5 3 der N ä h e zum Unternehmensgegenstand, 1 5 4 der Wahrscheinlichkeit einer Verbesserung der Beziehungen zu Gläubigern, Lieferanten und/oder Kunden nach A r t (Bindung) und A u s m a ß (Gewinnsteigerung) 1 5 5 Kessler AG 1995, S. 120, 122ff., 130f. („der Höhe nach angemessene Zahlung"). Kessler AG 1995, S. 120,126f., 131 f. („in vernünftiger Höhe"); siehe dazu auch: BGH AG 2002, S. 347,349f.; Laub AG 2002, S. 308,312f.; Fleischer AG 2001, S. 171,178; Abeltshauser, Leitungshaftung, S.200 (auch zum U.S. amerikanischen Recht). 154 Siehe dazu: BGH AG 2002, S.347, 349; Laub AG 2002, S.308, 312f.; Fleischer AG 2001, S. 171,178 („Die Förderung naturwissenschaftlicher Fakultäten durch ein Chemieunternehmen mit dem Fernziel verbesserter Nachwuchsrekrutierung... ist danach in größerem Umfange möglich als mildtätige Zuwendungen, denen jeder Bezug zur Förderung des Unternehmenserfolges fehlt."); Abeltshauser, Leitungshaftung, S.200 (auch zum U.S. amerikanischen Recht). 155 So kann insbesondere das Ausmaß der Imageförderung zweifelhaft sein, etwa bei einer Schockwerbung im Sinne der Benetton-Rechtsprechung (vgl. dazu: Kort WRP 1997, S. 526, 531; Hartwig WRP 1997, S. 825, 828, 834; Bülow ZIP 1995, S. 1289, 1290) oder bei Spenden mit eindeutigem Tendenzcharakter. Die Wahrscheinlichkeit einer Verbesserung der Beziehungen zu Gläubigern, Lieferanten und/oder Kunden kann sich auch aus einem Vergleich mit der hypothetischen Situation der Nichtvornahme der Spende ergeben, falls der öffentliche Druck oder das 152 153

304

J. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des Aufsichtsrats

und der verkehrsüblichen H ö h e von Spenden an diese Empfängergruppe durch vergleichbare U n t e r n e h m e n dieser Branche. 1 5 6 b) Angemessenheit

von Leistung

und

Gegenleistung

Einen weiteren Ansatzpunkt zur Lösung der Frage, an welchen Maßstäben sich Entscheidungen des Vorstands/Aufsichtsrats mit einem bestimmten Entscheidungsgegenstand zu orientieren haben, liefert der folgende Befund: Bei Geschäften zwischen U n t e r n e h m e n / K o n z e r n u n t e r n e h m e n einerseits und Vorstands-/ Aufsichtsratsmitgliedern sowie ihnen nahestehenden

Personen/Unternehmen

andererseits, bei Geschäften und Maßnahmen im Verhältnis verbundener U n t e r nehmen zueinander, bei Kompensationsleistungen für Vorstandsmitglieder und der N u t z u n g von Gesellschaftsressourcen durch Vorstands-/Aufsichtsratsmitglieder wird auf die Angemessenheit insbesondere von Leistung und Gegenleistung und dabei auch auf einen Vergleichstest abgestellt. 1 5 7 Dies erlaubt die H e r ausbildung von abwägungsfesten Vorgaben, an denen Entscheidungen mit einem bestimmten Entscheidungsgegenstand zu messen sind und die festlegen, welche Entscheidungen der Vorstand/Aufsichtsrat nur unter bestimmten Voraussetzungen treffen darf, sowie von Abwägungsgrundsätzen für einzelne Ermessensfragen im R a h m e n von Entscheidungen mit einem bestimmten Entscheidungsgegenstand. aa)

Ermessensgrenzen

E i n e Überschreitung infolge einer Verletzung von - aus dem Angemessenheitserfordernis folgenden - Ermessensgrenzen für bestimmte Generierungs- und Evaluationsermessensspielräume des Vorstands und die damit gegebenenfalls korrespondierenden Ermessensspielräume des Aufsichtsrats/Ermessensgrenzen

für

öffentliche Interesse besonders hoch ist (etwa im Hinblick auf die Entschädigung der Zwangsarbeiter oder der Opfer von Naturkatastrophen oder Terroranschlägen). 156 Fleischer AG 2001, S. 171, 178. 157 Siehe dazu vor allem - auch zum U.S. amerikanischen Recht - Aheltshauser, Leitungshaftung, S.281f., 344,290ff., 346f., 351f., 357f., 360, 318,384, 387f., 390ff. Siehe zum marktbezogenen Vergleichstest bei Geschäften zwischen dem Unternehmen/Konzernunternehmen einerseits und Vorstandsmitgliedern/Aufsichtsratsmitgliedern, ihnen nahestehenden Personen/Unternehmen andererseits auch: Ziff. 4.3.4 des Deutschen Kodex („branchenübliche Standards") und dazu Ringleb, Kodex-Kommentar, Ziff. 4.3.4 Rdn.586f.; Ziff. III.5.2 und IV.6.2 des Berliner Kodex („übliche Marktkonditionen"); Ziff. II.4.C und III.4.C des Frankfurter Kodex („branchenübliche Standards"). Siehe zum Angemessenheitserfordernis bei Kompensationsleistungen auch: Ziff. 4.2.2, 4.2.3 und 5.4.7 des Deutschen Kodex und dazu Ringleb, Kodex-Kommentar, Ziff. 4.2.2 Rdn.510ff., Ziff. 4.2.3 Rdn.541ff. sowie Kremer, Kodex-Kommentar, Ziff. 5.4.5 Rdn.746ff.; Ziff. III.6.1-6.3 und IV.7.1-7.3 des Berliner Kodex; Ziff. II.3 und Ill.l.d des Frankfurter Kodex. Siehe zum Angemessenheitserfordernis bei der Nutzung von Gesellschaftsressorcen nur Heermann ZIP 1998, S. 761, 764 und Mertens, Kölner Kommentar, §93 Rdn. 62ff.

B. Die gesellschaftsrechtliche

Entscheidungsfehlerlehre

305

bestimmte Ausgestaltungsermessensspielräume des Aufsichtsrats liegt insbesondere bei folgenden Entscheidungen vor: - Direktes oder indirektes 1 5 8 Geschäft zwischen dem Unternehmen/Konzernunternehmen einerseits und Vorstandsmitgliedern/Aufsichtsratsmitgliedern sowie ihnen nahestehenden natürlichen/juristischen Personen 1 5 9 andererseits (insbesondere nach den §§89, 114, 1 1 5 A k t G ) , dessen Konditionen nicht den üblichen Marktkonditionen entsprechen. 1 6 0 - Geschäft oder Maßnahme im Verhältnis verbundener Unternehmen zueinander ( § § 3 1 1 , 3 1 2 Abs. 1 und A b s . 3 A k t G ) , dessen/deren Konditionen nicht den üblichen Marktkonditionen/konzerninternen Bedingungen entsprechen oder dessen/deren Nachteile nicht vollständig ausgeglichen werden. 1 6 1 - Kompensationsleistungen f ü r Vorstandsmitglieder, die der Höhe nach mehr als 2 5 % über der durchschnittlichen Höhe v o n Kompensationsleistungen an Vorstandsmitglieder mit vergleichbarem Aufgabenbereich in vergleichbaren U n ternehmen dieser Branche liegen. 162 158 Dieses Erfordernis entspricht der Regelung in den §§89 Abs. 3 Satz 2, 115 Abs. 2 AktG, wonach auch Geschäfte mit Dritten, die für Rechnung der genannten Personen/Unternehmen handeln, erfaßt werden. 159 Dieses Erfordernis ist angesichts der Tragweite von Interessenkonflikten so weit zu interpretieren wie im U. S. amerikanischen Recht. Vgl. auch Ziff. 6 des DRS 11: „Dazu zählen die Mitglieder des Vorstands und Aufsichtsrats des berichtenden Unternehmens sowie dessen Führungskräfte, die direkt an den Vorstand berichten und für die Planung, Leitung und Kontrolle des Konzerns zuständig und verantwortlich sind ... auch nahe Angehörige einer nahestehenden Person . . v o n denen angenommen werden kann, daß sie in Bezug auf Geschäftsvorfälle mit dem Unternehmen auf diese Person Einfluß ausüben oder von ihr beeinflußt werden können."; Ringleb, Kodex-Kommentar, Ziff. 4.3.4 Rdn. 601 ff. betont, daß der im Deutschen Kodex verwandte Begriff der nahestehenden Person seinem Inhalt nach nicht identisch sei mit dem Begriffsinhalt der Publizitätsvorschriften zu Related Party Transactions, weshalb in der englischen Fassung des Deutschen Kodex auch nicht von related parties, sondern von persons they are close to gesprochen werde; entscheidend sei, ob der berechtigte Eindruck entstehe, daß das betroffene Vorstandsmitglied auf diese Personen und Unternehmungen unmittelbar Einfluß nehmen könne. 160 Siehe dazu: Ziff. 4.3.4 des Deutschen Kodex und dazu Ringleb, Kodex-Kommentar, Ziff. 4.3.4 Rdn. 586f.; Ziff. III.5.2 und IV.6.2 des Berliner Kodex; Ziff. II.4.C und III.4.C des Frankfurter Kodex; Abeltshauser, Leitungshaftung, S.344, 318, 387f. (auch zum U.S.amerikanischen Recht). Diese Ermessensgrenze führt in letzter Konsequenz immer zu einer - in der Terminologie des Verwaltungsrechts - Ermessensreduzierung auf Null. 161 Siehe dazu - auch zum U.S. amerikanischen Recht - Abeltshauser, Leitungshaftung, S.390ff. Diese Ermessensgrenze führt in letzter Konsequenz ebenfalls immer zu einer - in der Terminologie des Verwaltungsrechts - Ermessensreduzierung auf Null. 162 Siehe dazu: Ziff. 4.2.2 des Deutschen Kodex („unter Berücksichtigung seines Vergleichsumfelds") und dazu Ringleb, Kodex-Kommentar, Ziff. 4.2.2 Rdn. 510; Abeltshauser, Leitungshaftung, S.352 (zum U.S. amerikanischen Recht); kritisch Thüsing ZGR 2003, S.457, 487f. und Lutter ZIP 2003, S. 737, 740. Das 25%-Erfordernis entstammt dem im Kartellrecht im Rahmen der Preishöhenkontrolle aufgrund des Vergleichsmarktkonzepts nach §19 GWB anerkannten „Mißbrauchszuschlag"; siehe dazu Möschel, Immenga/Mestmäcker, §19 Rdn. 159. Eine Eingrenzung der Gestaltungsmöglichkeiten ist aufgrund der Erfahrungen mit zum Teil extremen Erhöhungen der Vorstandsbezüge (bei der Deutschen Telekom im Jahr 2002 um 90%, bei der Allianz im Jahr 2001 um 67%, bei Schering im Jahr 2001 um 79% und bei der Deutschen Post um

306

3. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des

Aufsichtsrats

- Kompensationsleistungen f ü r Vorstandsmitglieder, die auf Aktienoptionsprogrammen oder vergleichbaren aktienkursorientierten Modellen beruhen, die (i) nicht auf einen vorher festgelegten Vergleichsparamter (Entwicklung v o n Branchen- oder Aktienindex, Erreichen eines Kursziels) bezogen sind und zugleich sicherstellen, daß Optionsgewinne nur eintreten, wenn die langfristige durchschnittliche Kursentwicklung des Unternehmens darüber liegt, die (ii) eine nachträgliche Änderung der Optionsbedingungen (insbesondere eine Senkung der Optionspreise oder eine Änderung der Erfolgsziele) zulassen, (iii) die nicht langfristig angelegt sind (Ausübung nach einer Wartefrist v o n mindestens zwei Jahren; Verkauf nach einer Haltefrist v o n mindestens drei Jahren) und/ oder die (iv) keine obere Grenze f ü r die Gewinne der einzelnen Vorstandsmitglieder (cap) enthalten. 1 6 3 - Nutzung v o n Gesellschaftsressourcen durch Vorstands-/Aufsichtsratsmitglie11,5%; siehe dazu Tsp.6. August 2002, S. 15 und Tsp. 19. Juni 2002, S. 17) und die daran anknüpfende öffentliche Diskussion dringend geboten (siehe dazu Tsp.6. August 2002, S. 15, Tsp.22. November 2002, S. 17 und Tsp. 28. März 2003, S. 17) und liegt auch auf der Linie des Maßnahmenkataloges 2/2003 („Ziff. 1 ... Auch an die Einführung einer Verpflichtung zur Rückzahlung auf der Basis falscher Bilanzen gezahlter Vergütungen und überzogener Abfindungen ist zu denken. Alternativ könnte dem Aufsichtsrat analog § 87 Abs. 2 AktG eine gesetzliche Ermächtigung eingeräumt werden, auch ohne entsprechenden vertraglichen Vorbehalt in den Vertrag des Vorstands ex post einzugreifen."). Nichts anderes kann im Grundsatz für Kompensationsleistungen an Aufsichtsratsmitglieder gelten (auch wenn deren Festsetzung in die Zuständigkeit der Hauptversammlung fällt): Sie dürfen der Höhe nach nicht mehr als 25% über der durchschnittlichen Höhe von Kompensationsleistungen an Dritte für vergleichbare Dienstleistungen liegen; siehe dazu Ziff. IV.7.1 des Berliner Kodex. 163 Siehe dazu: Ziff. 4.2.3 des Deutschen Kodex und dazu Ringleb, Kodex-Kommentar, Ziff. 4.2.3 Rdn. 527ff., 530f., 532f., 540 sowie - zu den Möglichkeiten des Repricings - Käppiinger/ Käppiinger WM 2004, S. 712ff.; Ziff. III.6.3 des Berliner Kodex; Ziff. II.3.a des Frankfurter Kodex; Thüsing ZGR 2003, S.457, 493ff., 495f., 498f. Eine Eingrenzung der Gestaltungsmöglichkeiten ist entgegen den Empfehlungen der Regierungskommission (Ziff. 42f., 44 des Kommissionsberichts) aufgrund der bisherigen Erfahrungen dringend geboten (man denke nur an die Diskussion um das Aktienoptionsprogramm der Deutschen Telekom, die zu einem Verzicht der Vorstände führte; siehe dazu Tsp. 19. Juni 2002, S. 17 und Tsp.6. August 2002, S. 15 - „Vorstände und Aufsichtsräte würden sich gegenseitig in die eigenen Taschen wirtschaften und die Anleger schädigen." - sowie Tsp. 27. August 2002 mit dem Titel „Manager dürfen sich selbst bedienen Studie der Union Invest: Aktienoptionsprogramme der meisten Unternehmen haben Fehler/ Lob für Lufthansa" und dem Ergebnis, die „Programme fast aller im Deutschen Aktienindex Dax notierten Unternehmen haben ,grobe handwerkliche Fehler', orientieren sich an viel zu niedrigen Renditehürden und werden in der Gewinn- und Verlustrechnung nicht als Kosten verbucht ..., manche Programme haben eher die Tendenz zur Selbstbedienung als das Ziel, den Marktwert des Unternehmens zu steigern.") und liegt auch auf der Linie des Maßnahmenkataloges 2/2003 („(„Ziff. 1 ... Eine persönliche Haftung der Aufsichtsräte gegenüber der Gesellschaft sollte geprüft werden, wenn diese unangemessene Aktienoptionspläne zulassen; Ziff. 3 ... Es könnten sich auch Höchstgrenzen, sog. ,Caps' empfehlen. Eine stärkere Anbindung der Erfolgsziele an relative Vergleichsparameter - also nicht allein an den Kurs von Aktien der Gesellschaft, sondern an Branchenindizes etc. - sollte forciert werden ... § 87 Abs. 1 AktG sollte ergänzt werden. Anreizorientierte Vergütungskomponenten sollten ausdrücklich dem Angemessenheitsgebot der Vorschrift unterworfen werden."). Siehe dazu Kiethe BB 2003, S. 1573,1574ff. und WM 2004, S.458, 460ff.

B. Die gesellschaftsrechtliche

Entscheidungsfehlerlehre

307

der, die eine rein private Nutzziehung zu nicht marktüblichen Konditionen oder zwar keine rein private Nutzziehung darstellt, aber branchenunüblich

bb)

Ermessensrichtlinien

Ein Abwägungsmangel infolge einer Verletzung von - aus dem Angemessenheitserfordernis folgenden - Ermessensrichtlinien für bestimmte Generierungs- und Evaluationsermessensspielräume des Vorstands/Ermessensrichtlinien für bestimmte Ausgestaltungsermessensspielräume des Aufsichtsrats liegt insbesondere bei folgenden Entscheidungen vor: - Kompensationsleistungen für Vorstandsmitglieder, die zwar der Höhe nach nicht mehr als 25% über der durchschnittlichen Höhe von Kompensationsleistungen an Vorstandsmitglieder mit vergleichbarem Aufgabenbereich in vergleichbaren Unternehmen dieser Branche liegen, aber nicht,, in einem angemessenen Verhältnis zu den Aufgaben des Vorstandsmitglieds und zur Lage der Gesellschaft stehen" (§ 87 Abs. 1 Satz 1 AktG), und zwar gemessen an den Aufgaben und der Verantwortung des Vorstandsmitglieds, der Beurteilung der Leistung des Vorstandsmitglieds durch den Aufsichtsrat (Beurteilungsmaßstab ist die zielgerichtete Entwicklung des Unternehmens und der individuelle Beitrag des Vorstandsmitglieds hierzu), der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage, der wirtschaftlichen Lage, dem Erfolg und den Zukunftsaussichten, der Größe und Bedeutung sowie der Wertsteigerung des Unternehmens, der Höhe von Kompensationsleistungen an Vorstandsmitglieder mit vergleichbarem Aufgabenbereich in vergleichbaren Unternehmen dieser Branche und der Relation zur H ö he der Kompensationsleistungen für die übrigen Vorstandsmitglieder und die nachgeordneten obersten Führungskräfte des Unternehmens. 165 164 Zu denken ist hier etwa an die Gartenpflege auf dem Privatgrundstück durch Mitarbeiter einerseits und eine nach Art und Umfang branchenunübliche Repräsentation andererseits (nicht aber an die problematischen Mischfälle wie etwa die Nutzung der Dienstreise zu Ferienzwecken oder die Bewirtung von Dritten bei Geschäftsessen; dazu sogleich). Vgl. dazu: Heermann ZIP 1998, S.761, 764; Mertens, Kölner Kommentar, §93 Rdn.62ff.; Aheltshauser, Leitungshaftung, S.353f., 357ff. (auch zum U.S.amerikanischen Recht). 165 Siehe dazu: Ziff. 4.2.2 des Deutschen Kodex und dazu Ringleb, Kodex-Kommentar, Ziff. 4.2.2 Rdn.510ff.; Ziff. III.6.1-6.2 des Berliner Kodex; Aheltshauser, Leitungshaftung, S.346ff., 351 f. (auch zum U.S. amerikanischen Recht); Hoffmann-Becking Z H R 1 6 9 (2005), S. 155,156ff.; Kramarsch Z H R 169 (2005), S. 112, 115f.; Wollburg ZIP 2004, S. 646, 657f.; Thüsing Z G R 2003, S.457, 469ff. Eine Eingrenzung der Gestaltungsmöglichkeiten ist dringend geboten; siehe dazu bereits soeben Fn. 162. Nichts anderes kann wiederum im Grundsatz für Kompensationsleistungen an Aufsichtsratsmitglieder gelten, denn auch sie sollen nach § 113 Abs. 1 Satz 3 AktG „in einem angemessenen Verhältnis zu den Aufgaben der Aufsichtsratsmitglieder und zur Lage der Gesellschaft stehen", was sich am besten messen läßt an den Aufgaben und der Verantwortung des Aufsichtsratsmitglieds (insbesondere unter Berücksichtigung des Vorsitzes und des stellvertretenden Vorsitzes im Aufsichtsrat, der Anzahl von Mitgliedschaften in Ausschüssen, der Sitzungshäufigkeit, der Häufigkeit der Sitzungsteilnahme), der Beurteilung der Leistung des Auf-

308

3. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des

Aufsichtsrats

- Kompensationsleistungen f ü r Vorstandsmitglieder, die auf A k t i e n o p t i o n s p r o grammen oder vergleichbaren aktienkursorientierten Modellen beruhen und die z w a r (i) auf einen v o r h e r festgelegten Vergleichsparamter bezogen sind und zugleich sicherstellen, daß Optionsgewinne nur eintreten, w e n n die langfristige durchschnittliche Kursentwicklung des Unternehmens darüber liegt, die (ii) keine nachträgliche Ä n d e r u n g der Optionsbedingungen zulassen, die (iii) langfristig angelegt sind und die (iv) eine obere G r e n z e f ü r die G e w i n n e der einzelnen Vorstandsmitglieder enthalten, aber einen

pensationsleistungen sind,166

ausmachen

und/oder

unangemessenen

der Höhe

Teil der

nach

Kom-

unangemessen

und z w a r - im ersten Fall - gemessen an der intendierten langfristigen

A n r e i z w i r k u n g f ü r die Vorstandsmitglieder, 1 6 7 dem Bezug z u m individuellen Erfolgsbeitrag des einzelnen Vorstandsmitglieds 1 6 8 sowie der Branchenüblichkeit 1 6 9 und - im zweiten Fall - gemessen an der konkreten Ausgestaltung der A k t i e n o p t i o n s p r o g r a m m e oder vergleichbaren aktienkursorientierten M o d e l le (Vergleichsparamter/Erfolgsziele, Warte- und Haltefristen, Ausübungspreis in Relation z u m Börsenkurs, H ö h e des cap, und z w a r in absoluten G r ö ß e n und in Relation z u r Vermögens-, Finanz- und Ertragslage, der wirtschaftlichen Lage, dem Erfolg und den Zukunftsaussichten, der G r ö ß e und Bedeutung sowie der Wertsteigerung des Unternehmens) 1 7 0 und an der konkreten Ausgestaltung sichtsratsmitglieds durch den Aufsichtsrat (Beurteilungsmaßstab ist die zielgerichtete Entwicklung des Unternehmens und der individuelle Beitrag des Aufsichtsratsmitglied an dem Gesamtbeitrag des Aufsichtsrats hierzu), der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage, der wirtschaftlichen Lage, dem Erfolg und den Zukunftsaussichten, der Größe und Bedeutung sowie der Wertsteigerung des Unternehmens, der durchschnittlichen Höhe von Kompensationsleistungen an Dritte für vergleichbare Dienstleistungen und der Relation zur Höhe der Kompensationsleistungen für die übrigen Aufsichtsratsmitglieder; siehe dazu: Ziff. 5.4.7 des Deutschen Kodex und dazu Kremer, Kodex-Kommentar, Ziff. 5.4.5 Rdn. 746ff.; Ziff. IV.7.1-7.2 des Berliner Kodex; Ziff. Ill.l.d des Frankfurter Kodex; Hoffmann-BeckingZHR 169 (2005), S. 155,174ff.; Kramarsch ZHR 169 (2005), S. 112, 120ff. Siehe zum Sonderproblem des Anerkennungs- und Abfindungszahlungen: Hoffmann-Becking ZHR 169 (2005), S.155, 159ff.; Martens ZHR 169 (2005), S.124, 131ff., 141ff.; Liehers/Hoefs ZIP 2004, S.97ff.; Brauer NZG 2004, S.502, 503ff.; Wollburg ZIP 2004, S. 649ff.; Hüffer BB 2003, Beilage 7, S. 11 ff.; Thüsing ZGR 2003, S.457, 502ff. 166 Siehe dazu: Ziff. 4.2.3 des Deutschen Kodex und dazu Ringleb, Kodex-Kommentar, Ziff. 4.2.3 Rdn. 541 ff.; Ziff. III.6.2-6.3 des Berliner Kodex; Fuchs DB 1997, S.661, 667; Hüffer ZHR 161 (1997), S.214, 234f.; Kohler ZHR 161 (1997), S.246, 254ff.; Schneider ZIP 1996, S.1769, 1770ff. Eine Eingrenzung der Gestaltungsmöglichkeiten ist dringend geboten; siehe dazu bereits soeben Fn. 163. 167 Siehe dazu: Ziff. 4.2.3 des Deutschen Kodex und dazu Ringleb, Kodex-Kommentar, Ziff. 4.2.3 Rdn. 525; Ziff. II.3.a des Frankfurter Kodex; Kühnberger/Keßler AG 1999, S.453, 453, 454ff.; Kohler ZHR 161 (1997), S. 246, 254; Schneider ZIP 1996, S.1769, 1769f. 168 Siehe dazu Hüffer ZHR 161 (1997), S.214, 235 und Kohler ZHR 161 (1997), S.246, 254ff. 169 Siehe dazu Schwarz/Michel BB 1998, S.489, 490. 170 Siehe dazu: §193 Abs. 2 Nr. Nr. 4 AktG sowie Ziff. 4.2.3 des Deutschen Kodex und dazu Ringleb, Kodex-Kommentar, Ziff. 4.2.3 Rdn. 541 ff.; Ziff. III.6.2-6.3 des Berliner Kodex; Ziff. II.3.a des Frankfurter Kodex; Kühnberger/Keßler AG 1999, S.453, 456ff.; Hüffer ZHR 161 (1997), S.214,234ff.; Kohler ZHR 161 (1997), S.246, 257ff.; Lutter ZIP 1997, S. 1, 5 („Immerhin zeigt der letztlich gescheiterte Fall einer geplanten Ausgabe solcher Optionen durch die Hegener

B. Die gesellschaftsrechtliche

Entscheidungsfehlerlehre

309

der Aktienoptionsprogramme oder vergleichbaren aktienkursorientierten M o delle zugunsten von Vorstandsmitgliedern mit vergleichbarem Aufgabenbereich in vergleichbaren Unternehmen dieser Branche. - N u t z u n g e n von Gesellschaftsressourcen durch Vorstands-/Aufsichtsratsmitglieder, die zwar weder rein private Nutzziehungen zu nicht marktüblichen Konditionen noch branchenunüblich sind, 1 7 1 aber nach Art und Ausmaß gemessen

unan-

sind, und zwar gemessen an der N u t z u n g von Gesellschaftsressourcen

durch Vorstands-/Aufsichtsratsmitgliedern mit vergleichbarem Aufgabenbereich in vergleichbaren Unternehmen dieser Branche, 1 7 2 der Vermögens-, F i nanz- und Ertragslage, der wirtschaftlichen Lage, dem Erfolg und den Z u kunftsaussichten, der G r ö ß e und Bedeutung sowie der Wertsteigerung des U n ternehmens, 1 7 3 der Bedeutung des geschäftlichen Anlasses und der Relation des geschäftlichen Zwecks zu dem privaten Z w e c k , 1 7 4 der Relevanz von Aspekten wie Erleichterung der Amtsausübung, Ersparnis von Zeit, Gewährleistung der persönlichen Sicherheit oder Ausgleich einer besonderen Inanspruchnahme. 1 7 5

c) Ermessensrichtlinien für

Einzelfragen

Einen weiteren Ansatzpunkt zur Lösung der Frage, an welchen Maßstäben sich Entscheidungen des Vorstands/Aufsichtsrats mit einem bestimmten Entscheidungsgegenstand zu orientieren haben, liefern die Überlegungen zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen pflichtwidrig handelnde Vorstandsmi tglieder ( § 9 3 A k t G ) 1 7 6 und zur Geschäftstätigkeit. 1 7 7 D e n n dies erlaubt die und Glaser AG (1989) die Grenzüberschreitung zur Unangemessenheit: Hier hatten Vorstand und Auf sichtsrat vorgeschlagen, daß die bedingte Kapitalerhöhung 13 % des Grundkapitals betragen und daß der Ausgabekurs der von den Berechtigten zu beziehenden Aktien um 100 DM unter dem Börsenkurs am Tag der Beschlußfassung durch die Hauptversammlung liegen sollte."); Schneider ZIP 1996, S. 1769, 1770ff.; Schwarz/Michel BB 1998, S.489, 491; OLG Stuttgart AG 2001, S. 540,541,543 und LG Stuttgart AG 2001, S. 152,153 f. - DaimlerChrysler sowie LG München AG 2001, S. 376, 377. 171 Zu denken ist hier an die problematischen Mischfälle wie etwa die Nutzung der Dienstreise zu Ferienzwecken oder die Bewirtung von Dritten bei Geschäftsessen (und nicht etwa an die Gartenpflege auf dem Privatgrundstück durch Mitarbeiter einerseits und eine nach Art und Umfang branchenunübliche Repräsentation andererseits). Vgl. dazu: Heermann ZIP 1998, S. 761, 764; Mertens, Kölner Kommentar, § 93 Rdn. 62ff.; Abeltshauser, Leitungshaftung, S. 353f., 357ff. (auch zum U.S. amerikanischen Recht). 172 Vgl. dazu Heermann ZIP 1998, S.761, 764 und Mertens, Kölner Kommentar, § 93 Rdn. 65. 173 Vgl. dazu Heermann ZIP 1998, S. 761, 764 und Mertens, Kölner Kommentar, § 93 Rdn. 65. 174 Vgl. dazu Heermann ZIP 1998, S. 761, 764 und Mertens, Kölner Kommentar, § 93 Rdn. 65. 175 Vgl. dazu Mertens, Kölner Kommentar, §93 Rdn.63 sowie - auch zum U.S. amerikanischen Recht - Abeltshauser, Leitungshaftung, S. 354. 176 Roth, Ermessen, S.119ff.; Heermann AG 1998, S. 201 ff.; Kindler ZHR 162 (1998), S. 101 ff.; Horn ZIP 1997, S. 1129,1136ff.; Henze BB 2001, S.53, 59f. und BB 2000, S.209, 215f.; Grooterhorst ZIP 1999, S. 1117, 1123f.; Dreher ZHR 158 (1994), S. 614ff.; Jaeger/Trölitzsch ZIP 1995, S. 1157ff.; Fischer BB 1996, S.225ff.; Nirk, Festschrift Boujong, S.393ff.; Rittner EWiR §116 1/95; Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung, S. 235. 177 OLG Düsseldorf ZIP 1997, S.27ff. - ARAG/Garmenbeck (ungesicherte Vorschaltdarle-

310

J. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des Aufsichtsrats

Herausbildung von Abwägungsgrundsätzen für einzelne Ermessensfragen im Rahmen von Entscheidungen mit einem bestimmten Entscheidungsgegenstand. Ein Abwägungsmangel infolge einer Verletzung von - aus der Bindung an das Unternehmenswohl folgenden - Ermessensrichtlinien für bestimmte Evaluationsermessensspielräume des Aufsichtsrats liegt insbesondere bei folgenden Entscheidungen vor: - Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen pflichtwidrig handelnde Vorstandsmitglieder (§ 93 AktG), die dem Unternehmenswohl nicht dienen kann, und zwar gemessen an dem Ausmaß des Schadens (in absoluter Höhe wie im relativen Verhältnis zur Vermögens-, Finanz- und Ertragslage, der wirtschaftlichen Lage, dem Erfolg und den Zukunftsaussichten, der Größe und Bedeutung sowie der Wertsteigerung des Unternehmens) und den Umständen seiner Entstehung (insbesondere einer Mitverantwortung des Aufsichtsrats im Falle eines Überwachungsversagens), der Schwere der Pflichtverletzung (wobei eine Treupflichtverletzung, eine gewichtige Sorgfaltspflichtverletzung, ein Gesetzesverstoß, ein strafrechtlich relevantes Verhalten sowie eine Alleinverantwortung für die Pflichtverletzung besonders schwer wiegen), der Wahrscheinlichkeit eines Prozesses, dem Ausmaß des Prozeßrisikos (insbesondere unter Berücksichtigung von Existenz und Ausmaß von Beweisrisiken und Rechtsunsicherheiten), dem Ausmaß des Vollstreckungsrisikos (insbesondere unter Berücksichtigung der Bonität des Vorstandsmitgliedes und etwaiger Vollstreckungshindernisse), dem Ausmaß der Opportunitätskosten einschließlich der Prozeßkosten (in absoluter Höhe und im relativen Verhältnis zur Vermögens-, Finanz- und Ertragslage, der wirtschaftlichen Lage, dem Erfolg und den Zukunftsaussichten, der Größe und Bedeutung sowie der Wertsteigerung des Unternehmens; im Hinblick auf die Prozeßkosten auch unter Berücksichtigung einer nur teilweise gerichtlichen Geltendmachung der Schadenssumme) und dem Ausmaß der indirekten Effekte für das Image des Unternehmens (unter Berücksichtigung ihres Plausibilitätsgrades).178

hen); LG Stuttgart AG 2000, S.237ff. (nachteilige Vertragsgestaltung); LG Bielefeld ZIP 2000, S.20ff. - Balsam (existenzgefährdende Geschäftspraktiken); BGH ZIP 2001, S.1874, 1876f. Bremer Vulkan (konzerninterner Liquiditätsverbund); Kiethe WM 2003, S. 861 ff.; Witte/Hrubesch BB 2004, S.725ff.; Semler, Überwachung, S.23ff., 31ff., 106ff., 118; Heermann ZIP 1998, S.761, 762f., 763ff.; Roth, Ermessen, S.125ff.; Aheltshauser, Leitungshaftung, S.60ff., 71 ff., 162ff., 190ff. (auch zum U.S. amerikanischen Recht mit den sich daraus ergebenden Modifizierungen) und insbesondere die Rechtsprechungsübersicht auf S. 149, 163 ff., 190ff.; Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung, S. 242ff. und insbesondere die Rechtsprechungsübersicht auf S. 232ff., 249f., 251 ff. 178 Vgl. dazu: Heermann AG 1998, S.201,207f., 208ff.; Dreher ZHR158 (1994), S. 614,637ff., (AOi.-Jaeger/ Trölitzsch ZIP 1995, S. 1157,1162f.; Fischer BB 1996, S. 225,226f. Siehe zu den Opportunitätskosten insbesondere Schwark, LM AktG 1965, § 93 Nr. 10 Bl. 7, der einen drohenden Kursverfall, ein voraussichtliches Abspringen von Geschäftspartnern und verschlechterte Kreditkonditionen als mögliche Opportunitätsgesichtspunkte nennt; auch Jaeger/Trölitzsch ZIP

B. Die gesellschaftsrecbtliche

311

Entscbeidungsfehlerlehre

- Abberufung von Vorstandsmitgliedern (§ 84 Abs. 3 A k t G ) , die dem menswohl

nicht dienen

kann,

Unterneh-

und zwar gemessen an dem Ausmaß eines etwai-

gen Schadens (in absoluter H ö h e wie im relativen Verhältnis zur Vermögens-, Finanz- und Ertragslage, der wirtschaftlichen Lage, dem Erfolg und den Z u kunftsaussichten, der G r ö ß e und Bedeutung sowie der Wertsteigerung des U n ternehmens) und den Umständen seiner Entstehung (insbesondere einer M i t verantwortung des Aufsichtsrats im Falle eines Überwachungsversagens), der Schwere der Pflichtverletzung (wobei eine Treupflichtverletzung, eine gewichtige Sorgfaltspflichtverletzung, ein Gesetzesverstoß, ein strafrechtlich relevantes Verhalten sowie eine Alleinverantwortung für die Pflichtverletzung besonders schwer wiegen) oder des sonstigen Abberufungsgrundes, dem Grad eines etwaigen Verschuldens, dem Wert des Vorstandsmitglieds für die zielgerichtete Entwicklung des U n t e r n e h m e n und für die wirtschaftliche Lage, den Erfolg und die Zukunftsaussichten des Unternehmens, der Wahrscheinlichkeit eines Prozesses, dem Ausmaß des Prozeßrisikos (insbesondere unter Berücksichtigung von Existenz und Ausmaß von Beweisrisiken und Rechtsunsicherheiten), dem Ausmaß der Opportunitätskosten einschließlich der P r o z e ß k o s t e n (in absoluter H ö h e und im relativen Verhältnis zur Vermögens-, Finanz- und E r tragslage, der wirtschaftlichen Lage, dem Erfolg und den Zukunftsaussichten, der G r ö ß e und Bedeutung sowie der Wertsteigerung des U n t e r n e h m e n s ) und dem Ausmaß der indirekten Effekte für das Image des Unternehmens (unter Berücksichtigung ihres Plausibilitätsgrades). Ein Abwägungsmangel infolge einer Verletzung von - aus der Bindung an das Unternehmenswohl folgenden - Ermessensrichtlinien für bestimmte Generierungs- und Evaluationsermessensspielräume des Vorstands und die damit gegebenenfalls korrespondierenden Ermessensspielräume des Aufsichtsrats liegt insbesondere bei folgenden Entscheidungen vor: - Ungesicherte Vorleistung des Unternehmens, die nicht dienen

kann,

dem

Unternehmenswohl

und zwar gemessen an dem Ausmaß des möglichen Ausfall-

schadens (in absoluter H ö h e wie im relativen Verhältnis zur Vermögens-, F i nanz- und Ertragslage, der wirtschaftlichen Lage, dem Erfolg und den Z u kunftsaussichten, der G r ö ß e und Bedeutung sowie der Wertsteigerung des U n ternehmens), dem erkennbaren Grad der Kreditwürdigkeit des Vertragspartners, 1 7 9 der - etwa auf langjährigen guten Vertragsbeziehungen beruhenden Vertrauenswürdigkeit des Vertragspartners und der Bedeutung des Vertragspartners im H i n b l i c k auf künftige Vertragsbeziehungen (in absoluter H ö h e wie im relativen Verhältnis zur Vermögens-, Finanz- und Ertragslage, der wirt-

1995, S. 1157,1162 stellen etwa darauf ab, ob „mit der Person des Vorstandsmitglieds Kreditzusagen von Banken oder bedeutende Aufträge verbunden sind." 179 Vgl. dazu: Roth, Ermessen, S. 125ff.; Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung, S.233f., 251 ff., 257f., 258ff.; Abeltsbauser, Leitungshaftung, S. 149, 163f., 165, 165ff., 190ff., 192.

312

3. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des Aufsichtsrats

schaftlichen Lage, dem Erfolg und den Zukunftsaussichten, der G r ö ß e und B e deutung sowie der Wertsteigerung des Unternehmens). - Nachteilige oder marktunübliche Vertragsgestaltung zu Lasten des U n t e r n e h mens, die dem

Unternehmenswohl

nicht dienen

kann,

und zwar gemessen an

dem Ausmaß des Schadens (in absoluter H ö h e wie im relativen Verhältnis zur Vermögens-, Finanz- und Ertragslage, der wirtschaftlichen Lage, dem Erfolg und den Zukunftsaussichten, der G r ö ß e und Bedeutung sowie der Wertsteigerung des Unternehmens) 1 8 0 und der Bedeutung des Vertragspartners im H i n blick auf künftige Vertragsbeziehungen (in absoluter H ö h e wie im relativen Verhältnis zur Vermögens-, Finanz- und Ertragslage, der wirtschaftlichen Lage, dem Erfolg und den Zukunftsaussichten, der G r ö ß e und Bedeutung sowie der Wertsteigerung des Unternehmens). - Reines Spekulationsgeschäft, das dem

Unternehmenswohl

nicht dienen

kann,

und zwar gemessen an dem Ausmaß des möglichen Schadens (in absoluter H ö he wie im relativen Verhältnis zur Vermögens-, Finanz- und Ertragslage, der wirtschaftlichen Lage, dem Erfolg und den Zukunftsaussichten, der G r ö ß e und Bedeutung sowie der Wertsteigerung des Unternehmens), der N ä h e zum U n ternehmensgegenstand und der Branchenüblichkeit. 1 8 1 3. A l l g e m e i n e A b w ä g u n g s g r u n d s ä t z e D i e allgemeinen Abwägungsgrundsätze gelten für Einschätzungs-, Evaluationsund Auswahlfreiräume unabhängig von dem Gegenstand der zugehörigen E n t scheidung. D i e Einschätzungs-, Evaluations- und Auswahlfreiräume beziehen sich auf unterschiedliche Fragestellungen. Diese sind ihrerseits jedoch nicht davon abhängig, ob der betreffende Einschätzungs-, Evaluations- und Auswahlfreiraum im R a h m e n der Analyse des Handlungsbedarfs oder im R a h m e n der E n t wicklung und Bewertung von Handlungsprogrammen und der abschließenden Auswahl eines Handlungsprogramms besteht. F ü r die Einschätzungs-, Evaluations- und Auswahlfreiräume sind mithin spezifische Abwägungsgrundsätze zu formulieren (Richtlinien für eine sachgemäße

Einschätzung/Evaluation/Aus-

wahl). D a b e i geht es im Kern um die Frage, unter welchen Voraussetzungen der über Einschätzungs-, Evaluations- und Auswahlfreiräume zum Entscheidungstenor führende Entscheidungsprozeß im Lichte der § § 9 3 , 116 A k t G (und damit in den typischen Fällen in der Regel der Entscheidungstenor als das Endergebnis des gesamten Entscheidungsprozesses) zu beanstanden ist.

180 Vgl. dazu: Roth, Ermessen, S. 129f., 131; Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung, S.249f. 255ff.; Abeltshauser, Leitungshaftung, S. 149, 164f., 192. 181 Vgl. dazu Roth, Ermessen, S. 130f. sowie Abeltshauser, Leitungshaftung, S. 149, 165.

B. Die gesellschaftsrechtliche

a) Gesellschaftsrechtlicher

Entscheidungsfehlerlehre

313

Ausgangsbefund

Die Suche nach Ansatzpunkten zur Lösung der Frage, an welchen Richtlinien sich eine sachgemäße Einschätzung/Evaluation/Auswahl unabhängig von dem Gegenstand der zugehörigen Entscheidung ausrichten muß, bleibt im Gesellschaftsrecht nahezu erfolglos. Es finden sich nur vereinzelte Hinweise. So führt Johannes Semler aus, die dem Vorstand zuzugestehende Ermessensfreiheit sei überschritten, wenn die notwendigen Mittel im Verhältnis zum erwarteten Erfolg unverhältnismäßig hoch seien oder vom Unternehmen ohne finanzielle Anspannung nicht aufgebracht werden könnten. Das gleiche gelte, wenn das angestrebte Ziel mit den vorgesehenen Mitteln wahrscheinlich nur schwer erreicht werden könne, die mit dem Geschäft verbundenen Risiken unter Berücksichtigung der erwarteten Chancen außer Verhältnis seien oder die mit dem Geschäft verbundenen Risiken dem Unternehmen ganz allgemein nicht zugemutet werden könnten. 182 Bei Peter W. Heermann heißt es, je höher der aus einer unternehmerischen Entscheidung resultierende Schaden im Verhältnis zur Finanzkraft des Unternehmens sein könne, desto geringer müsse die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts sein.183 b) Betriebswirtschaftlicher

Befund

Etwas weiter führt ein Blick in die Betriebswirtschaftslehre. So differenziert etwa Axel von Werder zwischen der „Bewertung" und der „Auswahl" von „alternativen Problemlösungsmöglichkeiten." Die „Alternativenevaluation" bestehe in der „Bewertung der Lösungsalternativen bezüglich ihrer Eignung, das Entscheidungsproblem im besten Interesse" des Unternehmens zu lösen, und müsse „konsistent mit der Informationsbasis" erfolgen. Die Alternativenauswahl ziele darauf, daß „gemessen an den in der Definitions- und Analysephase entwickelten Kriterien im Ergebnis die überlegene Alternative gewählt wird." 184 Seinen Ausführungen lassen sich auch erste Bewertungskriterien entnehmen. Er schlägt vor, daß die „Chancen und Risiken" jeder Alternative „vorurteilsfrei ausgeglichen" sowie die „Stärken und Schwächen" jeder Alternative im Alternativenvergleich „deutlich gemacht" und „möglichst effektive und effiziente Maßnahmen als Mittel zur Zweckerreichung" ergriffen werden müßten. Dabei bedeuten „die Forderungen nach Effektivität und Effizienz, daß die gewählten Maßnahmen die gesetzten Ziele möglichst weitgehend (Effektivität) und mit einer möglichst günstigen Output: Input-Relation (Effizienz) erfüllen sollen." 185 Semler, Überwachung, S. 118 (siehe auch S. 110, 111). Heermann ZIP 1998, S.761, 765. 184 Von Werder/Feld RIW 1996, S. 481, 492,493 und auch von Werder zfbf Sonderheft 36/96, S.27, 59. 185 Von Werder zfbf Sonderheft 36/96, S.27, 59, 39, 37. 182

183

314

3. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des Aufsichtsrats

D i e Prüfung der Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsführung nach § 53 H G r G erstreckt sich nach verbreiteter Auffassung nicht auf die „Zweckmäßigkeit der unternehmenspolitischen E n t s c h e i d u n g e n " 1 8 6 oder die „Beurteilung der G e schäftspolitik und des geschäftspolitischen Erfolges" bzw. „der Managementqualität." 1 8 7 Sie erfaßt jedoch den „Entscheidungsprozeß" 1 8 8 und damit insbesondere die Vorbereitung von grundlegenden Entscheidungen des Vorstands zur G e schäftspolitik („Geschäftsführungstätigkeit"). 1 8 9 So ist nach Maßgabe des am 14. Februar 2 0 0 0 verabschiedeten I D W P S 720 (Fragenkatalog zur Prüfung der Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsführung und der wirtschaftlichen Verhältnisse nach § 53 H G r G ) zu prüfen, o b (i) „Investitionen (in Sachanlagen, Beteiligungen, sonstige Finanzanlagen, immaterielle Anlagewerte und Vorräte) angemessen geplant und vor Realisierung auf Rentabilität/ Wirtschaftlichkeit, Finanzierbarkeit und Risiken geprüft" wurden, (ii) die „ U n terlagen/Erhebungen zur Preisermittlung ausreichend" waren, „um ein Urteil über die Angemessenheit des Preises zu ermöglichen ( z . B . bei E r w e r b bzw. Veräußerung von Grundstücken oder Beteiligungen)", (iii) „Konkurrenzangebote eingeholt und berücksichtigt" wurden („bei Konzernunternehmen auch innerhalb des K o n z e r n s " ) und (iv) „wichtige Liefer- und Abnahmeverträge vor A b schluß und während ihrer Abwicklung auf ihre innerbetrieblichen Auswirkungen untersucht" wurden. 1 9 0 E s wird „für prüfbar gehalten, o b die Geschäftsführung vor ihren Entscheidungen die Möglichkeiten einer rationalen und nach betriebswirtschaftlichen E r kenntnissen sinnvollen Entscheidungsvorbereitung ausgeschöpft hat," und zwar „unter dem Aspekt der Risikominimierung als auch unter dem der Wirtschaftlichkeit" und im H i n b l i c k auf die „Untersuchung von Alternativen." 1 9 1 Was die „erwarteten zukünftigen Erträge und/oder K o s t e n " angeht, wird auf die Verfahren der Investitionsrechnung verwiesen; im H i n b l i c k auf die Finanzierung und die Beteiligungserwerbe werden die Finanzierungsrechnungen bzw. die B e w e r tungsgrundsätze und Bewertungsrechnungen in Bezug genommen. 1 9 2 Dieses Bild wird vollständig, wenn man die Diskussion um die Prognoseprüfung und das Risikomanagementsystem einbezieht. So geht der Arbeitskreis „ E x terne und Interne Ü b e r w a c h u n g " e.V. der Schmalenbach-Gesellschaft für B e triebswirtschaft davon aus, daß „Prognosen auf objektivierbaren Urteilen beruh e n " müssen. Prognosen müßten realistisch und plausibel sein. Dies erfordere die

Potthoff, Geschäftsführung, S.12. Bolsenkötter, Geschäftsführung, S. 12f. 188 Potthoff Geschäftsführung, S.12. 189 Potthoff Geschäftsführung, S.156ff., 168f., 169f., 170f.; Bolsenkötter, Geschäftsführung, S. 39; Loitz BB 1997, S.1835, 1840f. 190 Ziff. 18 des IDW PS 720. 191 Bolsenkötter, Geschäftsführung, S. 39. 192 Potthoff.; Geschäftsführung, S. 162f., 163ff., 168f., 170f. 186 187

B. Die gesellschaftsrechtliche

Entscheidungsfehlerlehre

315

Erhebung der zugrundezulegenden Fakten und die Entwicklung von Annahmen über wahrscheinliche Zukunftslagen (insbesondere unter Rückgriff auf Erfahrungswerte und Aussagen von Prognoseinstituten). Die Anwendung von erfahrungswissenschaftlichen Hypothesen sei geboten („Wenn-Dann-Aussagen"). Die Prognoseprüfung bestehe in einer kritischen Hinterfragung der zugrundegelegten Daten und Indikatoren sowie der Methoden, die bei der Herleitung der Prognose verwendet worden seien (insbesondere des Prognoseverfahrens und der logischen Haltbarkeit der Ableitung der Prognose). 193 Das Risikomanagementsystem umfaßt - nach hier vertretener Auffassung - die Bewertung der Risiken aufgrund einer Risikostrategie. Die Betriebswirtschaftslehre hat Konzepte zur Bewertung (Quantifizierung) der Einzelrisiken/Einzelchancen und der aggregierten Wechselwirkungen (Gesamtrisiko) entwickelt, etwa zur Bestimmung der Schadenserwartungswerte der Einzelrisiken/der Ertragserwartungswerte der Einzelchancen und des Value-at-Risk des Gesamtrisikos. 194 Vor diesem Hintergrund läßt sich festhalten, daß die Betriebswirtschaftslehre für die Einschätzung der Risiken, der Chancen, des Aufwands (einschließlich der Finanzierungskosten) und des Ertrags (einschließlich der Wertzuwächse) „anerkannte und verläßliche Methoden" 195 entwickelt hat, auf die im Gesellschaftsrecht zurückgegriffen werden kann.

c) Rechtsvergleichender

Befund

Auch ein Blick in das U.S. amerikanische Recht und in das Verwaltungsrecht ist hilfreich. Soweit auf der Grundlage des entire (intrinsic) fairness tests unter dem Gesichtspunkt des fair price gefordert wird, es müßten marktübliche Bedingungen und Preise vereinbart werden, darf jede Bewertungsmethode angewendet werden, die in Finanzkreisen akzeptiert wird. 196 Dies entspricht dem gerade gewonnenen Ergebnis ebenso wie dem verwaltungsrechtlichen Ansatz, der Bürger habe im Hinblick auf eine Entscheidung, die auf Prognosen aufbaut, einen Anspruch darauf, daß sie „auf sorgfältig erstellten, realistischen Prognosen beruht"; es wird überprüft, „ob die Behörde ... sich einer wissenschaftlich vertretbaren Methode bedient und ihre Entscheidung ,in einer der Materie angemessenen und methodisch einwandfreien Weise' erarbeitet hat." 197 Diese einhellige Ansicht kann im Gesellschaftsrecht nicht folgenlos bleiben. DB 2003, S. 105, 106, 108, 109. Füser/Gleißner DB 1999, S. 753,753,755f., 756f.; Eggemann/Konradt BB 2000, S. 503,505; Holst/Holtkamp BB 2000, S. 815, 816f., 819; Lück DB 1998, S. 1925,1927 und DB 2000, S. 1473, DB 1998, 1476 sowie - zur Chancenbewertung - BB 2001, S.2312, 2313f.; Kromschröder/Lück S. 1573, 1574; Weidemann/Wieben DB 2001, S. 1789, 1792. 195 Ziff. 9, 16f„ 18ff. d e s D R S 5 . 196 Siehe dazu oben S.255f. 197 Kopp/Schenke, VwGO, § 114 Rdn. 36a, 37a. 193 194

316

3. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des

Aufsichtsrats

Im Rahmen des entire (intrinsic) fairness tests kommt es unter dem Gesichtspunkt des fair price in den Fällen des uninformed judgment auf die Bedeutung des business judgments für das Unternehmen (Transaktionsbezug), die Geschäftslage des Unternehmens (Unternehmensbezug) und den Verkehrskreis, dem das U n ternehmen angehört (Verkehrskreisbezug), an. 1 9 8 Einem

„systematisierenden

Einbau der U . S . amerikanischen Beurteilungskriterien in das deutsche Recht s t e h t . . . nichts entgegen und könnte zu mehr Rechtssicherheit in diesem Bereich führen." 1 9 9 Im Verwaltungsrecht wird im Rahmen der Richtlinien, an denen sich eine sachgemäße Einschätzung/Ermessensausübung ausrichten muß, zwischen den A b wägungsgeboten, den Optimierungsgeboten und dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz unterschieden. Ein Abwägungsgebot findet sich etwa in § 1 Abs. B a u G B („Bei der Aufstellung der Bauleitpläne sind die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen.") und ein Optimierungsgebot in § 5 0 B I m S c h G („Bei raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen sind die für eine bestimmte Nutzung vorgesehenen Flächen einander so zuzuordnen, daß schädliche Umwelteinwirkungen ... auf die ausschließlich oder überwiegend dem Wohnen dienenden Gebiete sowie auf sonstige schutzwürdige Gebiete soweit wie möglich vermieden werden."). Die Abwägungsgebote dienen dazu, alle berührten Belange zu einem Ausgleich zu bringen; die Optimierungsgebote sind bei dem Ausgleich zwischen den Belangen zu berücksichtigen. 2 0 0 Eine solche Regelungstechnik empfiehlt sich im Gesellschaftsrecht, um Richtlinien für eine sachgemäße Einschätzung/Evaluation/Auswahl herauszubilden. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz erfordert zunächst, daß die Maßnahme geeignet sein muß, den Zweck zu erreichen oder wenigstens zu fördern (keine zwecklosen, zweckwidrigen oder untauglichen Maßnahmen). Die Maßnahme muß weiter erforderlich sein, weil sie diejenige Maßnahme ist, die den einzelnen und die Allgemeinheit am wenigsten belastet (keine Möglichkeit einer geringeren Belastung zur Erreichung desselben Zwecks). Die Maßnahme muß schließlich angemessen sein, weil sie keinen Nachteil herbeiführt, der erkennbar außer Verhältnis zu dem verfolgten Zweck steht; die mit der Maßnahme bezweckten Vorteile dürfen nicht deutlich weniger Gewicht haben als die von ihr herbeigeführten Nachteile. Dabei dürfen um so mehr Nachteile in Kauf genommen werden, je bedeutsamer der Zweck der Maßnahme ist. 201 Eine Anlehnung an diese Prüfungsfolge bietet sich zur Strukturierung und Aufarbeitung der oben dargestellten gesellschaftsrechtlichen Überlegungen zur Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit an. Siehe dazu oben S.255f. Abeltshauser, Leitungshaftung, S. 173 (siehe auch S. 182f., 189, 194). 200 Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, §31 Rdn.59f. nennt das Abwägungsgebot einerseits und die Gebote der Rücksichtnahme, des möglichen Lastenausgleichs und der optimalen Interessenbefriedigung (Optimierungsgebot) andererseits. 201 Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, § 30 Rdn. 8. 198 199

B. Die gesellschaftsrechtliche d) Richtlinien für eine sachgemäße

Entscheidungsfehlerlehre

Einschätzung, Evaluation

317

und Auswahl

Vor diesem Hintergrund lassen sich zumindest einige Abwägungsgrundsätze formulieren, die für Einschätzungs-, Evaluations- und Auswahlfreiräume unabhängig von dem Gegenstand der zugehörigen Entscheidung gelten. Ein Abwägungsmangel infolge einer Verletzung von - unabhängig vom Gegenstand der zugehörigen Entscheidung geltenden - Richtlinien für eine sachgemäße Einschätzung liegt insbesondere bei einem Verstoß gegen das Methodengebot (Einschätzung vermittels einer angemessenen Methode) vor, und damit etwa bei einer Einschätzung - der keine betriebswirtschaftlich vertretbare Methode (im Hinblick auf Risiken und Chancen insbesondere zur Bestimmung der Schadens-/Ertragserwartungswerte und des Value at Risk sowie im Hinblick auf Aufwand und Ertrag insbesondere zur Erarbeitung der Investitions-, Finanzierungs- und Bewertungsrechnungen) zugrundeliegt; - der zwar eine betriebswirtschaftlich vertretbare Methode (im Hinblick auf Risiken und Chancen insbesondere zur Bestimmung der Schadens-/Ertragserwartungswerte und des Value at Risk sowie im Hinblick auf Aufwand und Ertrag insbesondere zur Erarbeitung der Investitions-, Finanzierungs- und Bewertungsrechnungen) zugrundeliegt, die aber nicht in einer methodisch einwandfreien Weise erarbeitet worden ist; - der keine betriebswirtschaftlich vertretbare Methode zugrundegelegt werden kann und die in sich nicht folgerichtig und damit hinsichtlich der Ableitung des Ergebnisses unplausibel und/oder die gemessen an Erfahrungswerten und Aussagen von Prognoseinstituten im Ergebnis unrealistisch ist. Ein Abwägungsmangel infolge einer Verletzung von - unabhängig vom Gegenstand der zugehörigen Entscheidung geltenden - Richtlinien für eine sachgemäße Evaluation liegt insbesondere bei einem Verstoß gegen das Abwägungsgebot (Evaluation vermittels eines angemessenen Ausgleichs der relevanten Gesichtspunkte) vor, und damit etwa bei einer Evaluation (Bewertung und Gewichtung der für und gegen eine infragekommende Option sprechenden Gesichtspunkte und abschließende Entschließung darüber, ob die Option im Lichte dieser Gesichtspunkte im Unternehmenswohl liegt), - die nicht von der Gleichwertigkeit von Chancen und Risiken und/oder von Aufwand und Ertrag ausgeht; - die im Verhältnis zu den Chancen unangemessene Risiken und/oder im Verhältnis zum Ertrag einen unangemessen Aufwand und/oder im Verhältnis von Chancen und Risiken einerseits und von Aufwand und Ertrag andererseits eine gemessen an der Wahrscheinlichkeit der Zielerreichung unangemessene Output-Input Relation in Kauf nimmt, und zwar auch gemessen an den Unsicherheiten der zugrundeliegenden Einschätzungen, der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage, der wirtschaftlichen Lage, dem Erfolg und den Zukunftsaussich-

318

3. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des

Aufsichtsrats

ten, der Größe und Bedeutung sowie der Wertsteigerung des Unternehmens (Unternehmensbezug), der Bedeutung der zugehörigen Entscheidung für das Unternehmen (Transaktionsbezug) und dem Verkehrskreis, dem das Unternehmen angehört (Verkehrskreisbezug). Ein Abwägungsmangel infolge einer Verletzung von - unabhängig vom Gegenstand der zugehörigen Entscheidung geltenden - Richtlinien für eine sachgemäße Auswahl liegt insbesondere bei einem Verstoß gegen das Abwägungsgebot (Auswahl vermittels eines angemessenen Ausgleichs der relevanten Gesichtspunkte) und/oder das Optimierungsgebot (Ermittlung der überlegenen Option) vor, und damit etwa bei einer Auswahl (Bewertung und Gewichtung der für und gegen die einzelnen infragekommenden Optionen sprechenden Gesichtspunkte im Verhältnis der einzelnen infragekommenden Optionen zueinander und abschließende Entschließung darüber, welche Option im Lichte dieser Gesichtspunkte dem Unternehmenswohl am besten dient), - die nicht von der Gleichwertigkeit von Chancen und Risiken und/oder von Aufwand und Ertrag ausgeht; - die im Verhältnis zu den Chancen unangemessene Risiken und/oder im Verhältnis zum Ertrag einen unangemessen Aufwand und/oder im Verhältnis von Chancen und Risiken einerseits und von Aufwand und Ertrag andererseits eine gemessen an der Wahrscheinlichkeit der Zielerreichung unangemessene Output-Input Relation in Kauf nimmt, und zwar auch gemessen an den Unsicherheiten der zugrundeliegenden Einschätzungen und Evaluationen, der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage, der wirtschaftlichen Lage, dem Erfolg und den Zukunftsaussichten, der Größe und Bedeutung sowie der Wertsteigerung des Unternehmens (Unternehmensbezug), der Bedeutung der zugehörigen Entscheidung für das Unternehmen (Transaktionsbezug) und dem Verkehrskreis, dem das Unternehmen angehört (Verkehrskreisbezug); - die nicht auf die Ermittlung der Option mit dem optimalen Verhältnis von Risiko und Aufwand einerseits und Chancen und Ertrag andererseits und daher mit der gemessen an der Wahrscheinlichkeit der Zielerreichung optimalen Output-Input Relation zielt, weil übersehen wird, daß die weniger riskante Option dieselben Chancen hat bzw. die riskantere Option überproportional größere Chancen hat und daß die weniger aufwendige Option ebenso ertragreich ist bzw. die aufwendigere Option zu einem überproportional höheren Ertrag führt, und zwar auch gemessen an den Unsicherheiten der zugrundeliegenden Einschätzungen und Evaluationen, der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage, der wirtschaftlichen Lage, dem Erfolg und den Zukunftsaussichten, der Größe und Bedeutung sowie der Wertsteigerung des Unternehmens (Unternehmensbezug), der Bedeutung der zugehörigen Entscheidung für das Unternehmen (Transaktionsbezug) und dem Verkehrskreis, dem das Unternehmen angehört (Verkehrskreisbezug).

B. Die gesellschaftsrechtliche Entscheidungsfehlerlehre

319

4. R a t i o n a l g e b o t D i e Ausformung des Rationalgebots, das für jede Abwägung gilt, knüpft daran an, daß die Bewertung, die Gewichtung und der Ausgleich der relevanten tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte im Lichte ihres Rationalgehaltes gerechtfertigt sein muß. D a s Rationalgebot erweist sich als Optimierungsgebot, weil es auf das Erzielen einer möglichst weitgehenden Argumentationsrationalität (Argumentationsbreite und Argumentationstiefe) in der Abwägung zielt: 2 0 2 „Die Uberzeugungskraft solcher Detailbegründungen variiert (unter anderem) mit der Breite und Tiefe der Argumentation. D i e Breite einer Argumentation bildet die Zahl der zur Begründung einer Aussage eingebrachten Argumente ab und gibt damit Auskunft über die Menge der jeweils berücksichtigten Problemaspekte. D i e M a ß g r ö ß e der Argumentationstiefe hingegen beruht auf der unterschiedlichen Zuverlässigkeit argumentativer Aussagen. D a n a c h müssen Aussagen, die weder als wahr noch als bewährt belegbar sind, ihrerseits (auf der nächst tiefergelegenen Argumentationsebene) eine Begründung erfahren, wenn sie wenigstens plausibel (und nicht bloß theoretisch-möglich) sein sollen. Detailbegründungen können sich somit über mehrere,Begründungsrunden' erstrecken, so daß sich die entsprechende Hauptstufe der Argumentationsrationalität weiter in Detailstufen ausdifferenzieren läßt. Dabei kann der Rationalgehalt detailbegründeter P r o blemlösungen im Prinzip um so höher angesetzt werden, je größer die Zahl der durchlaufenen Begründungsrunden ist." 2 0 3 Ein Abwägungsmangel infolge einer Verletzung des - unabhängig vom Gegenstand der zugehörigen Entscheidung für jede Abwägung geltenden - Rationalgebots als eines Optimierungsgebots (Erzielen einer möglichst weitgehendenen A r gumentationsrationalität in der Abwägung) liegt etwa vor bei einer Abwägung, - deren Argumentationsbreite über ein Argument nicht hinausgeht und/oder deren Argumentationstiefe über bloße Behauptungen und nicht weiter begründete globale Aussagen nicht hinausgeht; - deren Argumentationsbreite und Argumentationstiefe unangemessen ist, und zwar gemessen an der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage, der wirtschaftlichen Lage, dem Erfolg und den Zukunftsaussichten, der G r ö ß e und Bedeutung sowie der Wertsteigerung des Unternehmens (Unternehmensbezug), der B e deutung der zugehörigen Entscheidung für das U n t e r n e h m e n (Transaktionsbezug), dem Verkehrskreis, dem das U n t e r n e h m e n angehört (Verkehrskreisbezug), dem zeitlichen Rahmen, der für die Abwägung zur Verfügung steht (Zeitbezug), und den Kosten der Entwicklung von Argumenten und Begründungen (Kostenbezug).

202 203

Siehe dazu von Werder zfbf Sonderheft 36/96, S.27, 51 ff. und DB 1995, S.2177, 2181ff. Von Werder zfbf Sonderheft 36/96, S.27, 56f.

320

3. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

III. Abwägungsmißorganisation

des Vorstands und des Aufsichtsrats

und

Abwägungsunschlüssigkeit

Die Abwägungsmißorganisation und die Abwägungsunschlüssigkeit als die strukturellen Vorgangsfehler erster Stufe (konkrete Vorgangsfehler) sind nunmehr zu konkretisieren. Im Mittelpunkt sollen dabei die informationellen Instrumentarien stehen. 2 0 4 1. Bedeutung der informationellen Instrumentarien Die über die informationellen Instrumentarien vermittelte Wechselwirkung zwischen der Abwägungsmißorganisation und der Abwägungsunschlüssigkeit kann in ihrer Bedeutung gar nicht überschätzt werden. Sie ist der entscheidende Ansatzpunkt, um die Anforderungen an die einzuholenden Informationen nicht nur sachgerecht zu bestimmen, sondern auch zu begrenzen. Sie liefert die Grundlage dafür, den Verdacht zu entkräften, es würden überzogene oder ungerechtfertigte Anforderungen an die Informationsbeschaffung gestellt. 205 Dies zeigt sich zunächst an der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage, der wirtschaftlichen Lage, dem Erfolg und den Zukunftsaussichten, der Größe und Bedeutung sowie der Wertsteigerung des Unternehmens. Dieser Einflußfaktor ist im Rahmen der allgemeinen Abwägungsgrundsätze, der Ermessensrichtlinien und des Rationalgebots als relevanter tatsächlicher Gesichtspunkt zutreffend zu bestimmen (sachgerecht zu beurteilen) und zu würdigen (Abwägungsunschlüssigkeit im Lichte der zutreffenden Bestimmung der relevanten Gesichtspunkte) und angemessen auszugleichen (Abwägungsmangel im Lichte der objektiven Umstände und des Verbots unsachgemäßer Erwägungen). Die Frage nach der Abwägungsunschlüssigkeit zielt (auch) auf die Voraussetzungen, unter denen die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage, die wirtschaftliche Lage, der Erfolg und die Zukunftsaussichten, die Größe und Bedeutung sowie die Wertsteigerung des Unternehmens als zutreffend bestimmt (sachgerecht beurteilt) angesehen werden können. Diese Anforderungen zielen ihrerseits auf das erforderliche Ausmaß und die erforderliche Qualität der insoweit zugrundezulegenden Informationen. Sie lassen sich gerade im Lichte der Leistungsfähigkeit der informationellen Instrumentarien sachgerecht bestimmen und begrenzen. Dies zeigt sich auch an den Chancen und Risiken sowie an dem Aufwand und Ertrag. Diese vier Einflußfaktoren sind im Rahmen der Optionenevaluation/auswahl als relevante tatsächliche Gesichtspunkte zutreffend zu bestimmen (methodengerecht einzuschätzen) und zu würdigen (Abwägungsunschlüssigkeit im Lichte der zutreffenden Bestimmung der relevanten Gesichtspunkte) und ange-

Siehe dazu S.268f. Siehe dazu: Paefgen A G 2004, S. 245, 254; Roth, Ermessen, S. 80ff.; Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung, S.279ff.; von Werder/Maly/Pohle/WolfD'B 1998, S. 1193, 1193. 204 205

B. Die gesellschaftsrechtliche

Entscheidungsfehlerlehre

321

messen auszugleichen (Abwägungsmangel im Lichte der objektiven Umstände und des Verbots unsachgemäßer Erwägungen). Die methodengerechte Einschätzung (und damit die zutreffende Bestimmung) von Risiken und Chancen sowie von Aufwand und Ertrag besteht ihrerseits in einer unter wertender Abwägung der relevanten tatsächlichen Gesichtspunkte (Risiko-/Chancenfaktoren und Einzelrisiken/-chancen sowie Kosten- und Gewinnposten) gewonnenen quantitativen Gesamtbewertung der Einzelrisiken/Einzelchancen und ihrer aggregierten Wechselwirkungen sowie des Aufwands und Ertrags. Sie leidet mithin an einer Abwägungsunschlüssigkeit und/oder an einem Abwägungsmangel, wenn die Risiko-/Chancenfaktoren sowie die Kosten- und Gewinnposten als die insoweit relevanten Gesichtspunkte nicht zutreffend bestimmt (sachgerecht beurteilt) und gewürdigt (Abwägungsunschlüssigkeit im Lichte der zutreffenden Bestimmung der relevanten Gesichtspunkte) und/oder nicht angemessen ausgeglichen (Abwägungsmangel im Lichte der objektiven Umstände und des Verbots unsachgemäßer Erwägungen) worden sind. Die Frage nach der Abwägungsunschlüssigkeit zielt (auch) auf die Voraussetzungen, unter denen die Risiko-/Chancenfaktoren sowie die Kosten- und Gewinnposten als zutreffend bestimmt (sachgerecht beurteilt) angesehen werden können. Diese Anforderungen zielen ihrerseits auf das erforderliche Ausmaß und die erforderliche Qualität der Informationen zu den abwägungsrelevanten Gesichtspunkten (insbesondere der zugrundezulegenden Fakten, Daten, Indikatoren und Annahmen). Sie lassen sich gerade im Lichte der Leistungsfähigkeit der informationellen Instrumentarien sachgerecht bestimmen und begrenzen. 2. Erste Konkretisierung Die Abwägungsmißorganisation bezieht sich auf die Zusammensetzung, die Selbstorganisation und die Instrumentarien von Vorstand und Aufsichtsrat. Sie erfaßt damit insbesondere die Ressortgliederung/das Überwachungsprogramm, das Verfahren für Einberufung, Sitzungsablauf und Abstimmung, die Stabsstellen und die Vorstands-/Aufsichtsratsausschüsse, den Zustimmungsvorbehalt nach §111 Abs. 4 Satz 2 AktG sowie die informationellen Instrumentarien. Betrachtet man die Abwägungsmißorganisation im Hinblick auf die Abwägungsunschlüssigkeit, so wird deutlich, daß sie fast ausnahmslos zwei Dimensionen hat. Zum einen stellt sich unabhängig von dem Gegenstand der zugehörigen Abwägung (und damit auch unabhängig von dem konkreten Entscheidungsgegenstand) die Frage, ob Vorstand und Aufsichtsrat kompetent besetzt und die Selbstorganisation und die Instrumentarien von Vorstand und Aufsichtsrat effektiv ausgestaltet sind. Die Regelungen der Ressortgliederung/des Uberwachungsprogramms, des Verfahrens für Einberufung, Sitzungsablauf und Abstimmung, der Stabsstellen und der Vorstands-/Aufsichtsratsausschüsse, des Zustimmungsvorbehalts nach § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG sowie der gesetzlich nicht geregelten infor-

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3. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des

Aufsichtsrats

mationellen Instrumentarien (insbesondere des internen Steuerungs- und Uberwachungssystems einschließlich des Risikomanagementsystems bzw. der - die Berichterstattung nach §90 Abs. 1 und Abs. 3 AktG und die Unternehmensberichterstattung einschließlich ihrer externen Prüfung - ergänzenden Informationsordnung des Aufsichtsrats im Verhältnis zu Vorstand und Abschlußprüfer) müssen angemessen sein (abstrakte Dimension der Abwägungsmißorganisation). Zum anderen stellt sich abhängig von dem Gegenstand der zugehörigen Abwägung (und damit auch abhängig von dem konkreten Entscheidungsgegenstand) die Frage, ob die Selbstorganisation und die Instrumentarien von Vorstand und Aufsichtsrat im konkreten Fall funktioniert haben. Die Regelungen der Ressortgliederung/des Uberwachungsprogramms, des Verfahrens für Einberufung, Sitzungsablauf und Abstimmung, der Stabsstellen und der Vorstands-/Aufsichtsratsausschüsse, des Zustimmungsvorbehalts nach § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG müssen im konkreten Fall eingehalten worden sein. Die gesetzlich geregelten und nicht geregelten informationellen Instrumentarien (insbesondere das interne Steuerungs- und Uberwachungssystem einschließlich des Risikomanagementsystems bzw. die Berichterstattung nach § 90 Abs. 1 und Abs. 3 AktG, die Unternehmensberichterstattung und ihre externe Prüfung, die - die Berichterstattung nach § 90 Abs. 1 und Abs. 3 AktG und die Unternehmensberichterstattung einschließlich ihrer externen Prüfung - ergänzende Informationsordnung des Aufsichtsrats im Verhältnis zu Vorstand und Abschlußprüfer) müssen die von ihnen zu liefernden Informationen zu den abwägungsrelevanten Gesichtspunkten im konkreten Fall vollständig und zutreffend bestimmt geliefert haben (konkrete Dimension der Abwägungsmißorganisation). Die beiden Dimension der Abwägungsmißorganisation haben für die Abwägungsunschlüssigkeit, die stets abhängig von dem Gegenstand der zugehörigen Abwägung (und damit auch von dem konkreten Entscheidungsgegenstand) ist, eine wichtige Konsequenz: Eine Abwägungsunschlüssigkeit liegt jedenfalls dann vor, wenn die Informationen, die effektive informationelle Instrumentarien im konkreten Fall zu den abwägungsrelevanten Gesichtspunkten vollständig und zutreffend bestimmt hätten liefern können, der Bestimmung der abwägungsrelevanten Gesichtspunkte (insbesondere der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage, der wirtschaftlichen Lage, des Erfolgs und der Zukunftsaussichten, der Größe und Bedeutung sowie der Wertsteigerung des Unternehmens und der Risiko-/ Chancenfaktoren sowie der Kosten- und Gewinnposten) nicht zugrundegelegt worden sind. Die Abwägungsmißorganisation und die Abwägungsunschlüssigkeit lassen sich auf dieser Grundlage bereits näherungsweise konkretisieren, wenn man noch eine Erkenntnis aus dem U.S. amerikanischen Recht hinzunimmt: Das erforderliche Ausmaß und die erforderliche Qualität der Informationen zu den abwägungsrelevanten Gesichtspunkten ist abhängig von der Bedeutung des business judgments für das Unternehmen (Transaktionsbezug), dem zeitlichen Rahmen,

B. Die gesellschaftsrechtliche

Entscheidungsfehlerlehre

323

der für die Informationsbeschaffung zur Verfügung steht (Zeitbezug), den Kosten der Informationsbeschaffung (Kostenbezug), der Geschäftslage des Unternehmens (Unternehmensbezug) und dem Verkehrskreis, dem das Unternehmen angehört (Verkehrskreisbezug). 206 a) Abstrakte

Abwägungsmißorganisation

Eine Abwägungsmißorganisation liegt insbesondere bei einem Verstoß gegen das Existenz- und Effektivgebot vor (abstrakte Dimension), und damit etwa dann, wenn unabhängig von dem Gegenstand der zugehörigen Abwägung (und damit auch von dem konkreten Entscheidungsgegenstand) - der Vorstand/der Aufsichtsrat nicht kompetent besetzt ist; - die Regelungen der Ressortgliederung/des Überwachungsprogramms unangemessen sind; - die Regelungen des Verfahrens für Einberufung, Sitzungsablauf und Abstimmung unangemessen sind; - die Regelungen der Stabsstellen und der Vorstands-/Aufsichtsratsausschüsse unangemessen sind; - die Regelungen des ZustimmungsVorbehalts nach §111 Abs. 4 Satz 2 AktG unangemessen sind; - die Regelungen der gesetzlich nicht geregelten informationellen Instrumentarien (insbesondere des internen Steuerungs- und Uberwachungssystems einschließlich des Risikomanagementsystems bzw. der - die Berichterstattung nach § 90 Abs. 1 und Abs. 3 AktG und die Unternehmensberichterstattung einschließlich ihrer externen Prüfung - ergänzenden Informationsordnung des Aufsichtsrats im Verhältnis zu Vorstand und Abschlußprüfer) unangemessen sind; und zwar in den letzten fünf Fällen auch gemessen an der Vermögens-, Finanzund Ertragslage, der wirtschaftlichen Lage, dem Erfolg und den Zukunftsaussichten, der Größe und Bedeutung sowie der Wertsteigerung des Unternehmens (Unternehmensbezug), der Bedeutung der Regelungen für das Unternehmen (Transaktionsbezug) und dem Verkehrskreis, dem das Unternehmen angehört (Verkehrskreisbezug). b) Konkrete

Abwägungsmißorganisation

Eine Abwägungsmißorganisation liegt insbesondere bei einem Verstoß gegen das Funktionsgebot vor (konkrete Dimension), und damit etwa dann, wenn bezogen auf den Gegenstand der zugehörigen Abwägung (und damit auch auf den konkreten Entscheidungsgegenstand) 206

Siehe dazu S. 251 f.

324

3. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des Aufsichtsrats

- die existenten und effektiven Regelungen der Ressortgliederung/des Überwachungsprogramms nicht eingehalten worden sind; - die existenten und effektiven Regelungen des Verfahrens für Einberufung, Sitzungsablauf und Abstimmung nicht eingehalten worden sind; - die existenten und effektiven Regelungen der Stabsstellen und der Vorstands-/ Aufsichtsratsausschüsse nicht eingehalten worden sind; - die existenten und effektiven Regelungen des Zustimmungsvorbehalts nach § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG nicht eingehalten worden sind; - die existenten und effektiven gesetzlich geregelten und nicht geregelten informationellen Instrumentarien (insbesondere das interne Steuerungs- und Uberwachungssystem einschließlich des Risikomanagementsystems bzw. die Berichterstattung nach § 90 Abs. 1 und Abs. 3 AktG, die Unternehmensberichterstattung und ihre externe Prüfung, die - die Berichterstattung nach § 90 Abs. 1 und Abs. 3 AktG und die Unternehmensberichterstattung einschließlich ihrer externen Prüfung - ergänzende Informationsordnung des Aufsichtsrats im Verhältnis zu Vorstand und Abschlußprüfer) die von ihnen zu liefernden Informationen zu den abwägungsrelevanten Gesichtspunkten nicht vollständig und zutreffend bestimmt geliefert haben. c)

Abwägungsunschlüssigkeit

Eine Abwägungsunschlüssigkeit liegt insbesondere bei einem Verstoß gegen das Sachgebot (Verbot, sachbezogene Gesichtspunkte außer acht zu lassen oder sachfremde/unsachliche Gesichtspunkte zu berücksichtigen) oder das Fundierungsgebot (Gebot, der Bestimmung der abwägungsrelevanten Gesichtspunkte die erforderlichen Informationen zugrundezulegen) vor, und damit etwa dann, wenn bezogen auf den Gegenstand der zugehörigen Abwägung (und damit auch auf den konkreten Entscheidungsgegenstand) - Gesichtspunkte außer acht gelassen worden sind, die im Lichte der einschlägigen Abwägungsgrundsätze oder - vice versa - des diese flankierenden Verbots unsachgemäßer und unsachlicher Erwägungen als sachbezogen hätten berücksichtigt werden müssen, - Gesichtspunkte berücksichtigt worden sind, die im Lichte der einschlägigenen Abwägungsgrundsätze oder - vice versa - des diese flankierenden Verbots unsachgemäßer und unsachlicher Erwägungen als unsachlich oder sachfremd hätten außer acht gelassen werden müssen; - die Informationen, die effektive informationelle Instrumentarien zu den abwägungsrelevanten Gesichtspunkten vollständig und zutreffend bestimmt hätten liefern können, der Bestimmung der abwägungsrelevanten Gesichtspunkte (insbesondere der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage, der wirtschaftlichen Lage, des Erfolgs und der Zukunftsaussichten, der Größe und Bedeutung sowie der Wertsteigerung des Unternehmens und der Risiko-/ Chan-

B. Die gesellschaftsrechtliche

Entscheidungsfehlerlehre

325

cenfaktoren sowie der Kosten- und Gewinnposten) nicht zugrundegelegt worden sind; - die Informationen, die im übrigen der Bestimmung der abwägungsrelevanten Gesichtspunkte hätten zugrundegelegt werden müssen, nicht zugrundegelegt worden sind, und zwar gemessen an der Bedeutung der zugehörigen Entscheidung für das Unternehmen (Transaktionsbezug), dem zeitlichen Rahmen, der für die Informationsbeschaffung zur Verfügung steht (Zeitbezug), den Kosten der Informationsbeschaffung (Kostenbezug), der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage, der wirtschaftlichen Lage, dem Erfolg und den Zukunftsaussichten, der Größe und Bedeutung sowie der Wertsteigerung des Unternehmens (Unternehmensbezug) und dem Verkehrskreis, dem das Unternehmen angehört (Verkehrskreisbezug). 3. Weitere Konkretisierung Neben die Frage, wie die strukturellen Vorgangsfehler im Lichte der über die informationellen Instrumentarien vermittelten Wechselwirkung zwischen der Abwägungsmißorganisation und der Abwägungsunschlüssigkeit weiter zu konkretisieren sind, tritt die Frage, welche Anforderungen an die Zusammensetzung, die Selbstorganisation und die nichtinformationellen Instrumentarien von Vorstand und Aufsichtsrat zu stellen sind. a) Ansatzpunkt

informationelle

Instrumentarien

Um die strukturellen Vorgangsfehler im Lichte der über die informationellen Instrumentarien vermittelten Wechselwirkung zwischen der Abwägungsmißorganisation und der Abwägungsunschlüssigkeit weiter zu konkretisieren, muß die Frage beantwortet werden, welche Informationen effektive informationelle Instrumentarien zu abwägungsrelevanten Gesichtspunkten liefern können und müssen. Das ist die zentrale Frage. Denn davon hängt es ab, ob die Informationen, die effektive informationelle Instrumentarien im konkreten Fall zu den abwägungsrelevanten Gesichtspunkten vollständig und zutreffend bestimmt hätten liefern können, der Bestimmung der abwägungsrelevanten Gesichtspunkte zugrundegelegt worden sind (Fundierungsgebot der Abwägungsunschlüssigkeit). Davon hängt es auch ab, ob die informationellen Instrumentarien im konkreten Fall die von ihnen zu liefernden Informationen zu den abwägungsrelevanten Gesichtspunkten vollständig und zutreffend bestimmt geliefert haben (konkrete Dimension der Abwägungsmißorganisation). Davon hängt es schließlich ab, wie die gesetzlich nicht geregelten informationellen Instrumentarien ausgestaltet werden müssen (abstrakte Dimension der Abwägungsmißorganisation). Im Rahmen dieses Problemkreises stehen in jüngster Zeit zwei Fragen im Vordergrund. Es geht zum einen darum, welche Informationen die Unternehmens-

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3. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des Aufsichtsrats

berichterstattung und ihre externe Prüfung, das interne Steuerungs- und Ü b e r w a chungssystem einschließlich des Risikomanagementsystems sowie die daran anknüpfende ergänzende Informationsordnung des Aufsichtsrats im Verhältnis zu Vorstand und Abschlußprüfer als effektive informationelle Instrumentarien zu abwägungsrelevanten Gesichtspunkten liefern müssen (konkrete D i m e n s i o n der Abwägungsmißorganisation und Fundierungsgebot der Abwägungsunschlüssigkeit). Es geht zum anderen — eng damit zusammenhängend - darum, wie das interne Steuerungs- und Überwachungssystem einschließlich des Risikomanagementsystems und die - an die Unternehmensberichterstattung und ihre externe Prüfung sowie das interne Steuerungs- und Uberwachungssystem einschließlich des Risikomanagementsystems

anknüpfende -

ergänzende

Informationsordnung

des Aufsichtsrats im Verhältnis zu Vorstand und Abschlußprüfer als effektive informationelle Instrumentarien ausgestaltet werden müssen (abstrakte D i m e n s i o n der Abwägungsmißorganisation). 2 0 7 D e r G r u n d dafür ist, daß man sich diesseits und jenseits des Atlantiks zur L ö sung des C o r p o r a t e Governance Problems vor allem darum bemüht hat und bemüht, vermittels einer Änderung der externen Berichtspflichten des U n t e r n e h mens und der Prüfungspflichten des externen Prüfers eine stärker zukunfts-, p r o blem- und risikoorientierte Informationsversorgung des Aufsichtsrats/board of directors und auf diese Weise eine Optimierung der Ü b e r w a c h u n g der Vorstände/ officers zu erreichen. 2 0 8 In den Vereinigten Staaten begann die öffentliche Auseinandersetzung um das Versagen von officers, directors und certified public accountants im Zuge von spektakulären Unternehmenskrisen und aufsehenerregenden Betrugs-, Spendenund Bestechungsfällen bereits in den siebziger J a h r e n . 2 0 9 D e r Schutzzweck der externen Unternehmensberichterstattung besteht in den Vereinigten

Staaten

nicht - wie (bislang) im deutschen R e c h t - in der G e w ä h r eines Einblicks für die Aktionäre, die Gläubiger, die Arbeitnehmer und die Öffentlichkeit, in der im I n teresse der Kapitalbindung und Kapitalerhaltung vorsichtigen Ermittlung eines ausschüttbaren Gewinns und in der Darstellung von Vermögen und Kapital. 2 1 0 E s 207 Auf die Berichterstattung nach § 90 Abs. 1 und Abs. 3 AktG und die diese gesetzlichen Berichtspflichten ergänzende Informationsordnung des Aufsichtsrats ist oben S. 96ff. eingegangen worden. 208 Siehe zu den Reformbemühungen in Deutschland oben S.34ff. 209 Siehe dazu Girnghuber, audit committee, S.29ff. und Berndlmaier/Klein DB 1997, S. 1089, 1089 sowie Rigos, The family of fraud and the CPA. 210 Berndlmaier/Klein DB 1997, S.1089, 1092, 1095; Claussen/Korth, Kölner Kommentar, Vorb. §238 HGB Rdn.35ff., §264 HGB Rdn. 14ff.: „Unter diesen Adressaten haben die Aktionäre Priorität."; Möllers ZGR 1997, S. 334, 340ff., 350ff., meint, daß die Rechnungslegungs- und Prüfungsnormen zumindest mittelbar den Schutz des Kapitalanlegers verwirklichten; Dörner/ Schwegler DB 1997, S. 285, 285, sprechen von den „fundamental unterschiedlichen Bilanzierungsprinzipien des Anlegerschutzes und des Gläubigerschutzes"; Rückle zfbf Sonderheft 36/ 1996, S. 107,129, meint, daß die Rechnungslegungs- und Prüfungsnormen insbesondere im Sinne des Anlegerschutzes zur Gewährleistung eines funktionsfähigen Kapitalmarktes wirken sollten.

B. Die gesellschaftsrechtliche

Entscheidungsfehlerlehre

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geht vielmehr um die G e w ä h r entscheidungsrelevanter Informationen für Kapitalanleger. 2 1 1 D i e Öffentlichkeit ist in den Vereinigten Staaten gerade auch wegen des kapitalmarktorientierten Altersversorgungssystems sehr stark an Kapitalmarktangelegenheiten interessiert. 2 1 2 Daher überrascht es nicht, daß das A m e r i can Institute of Certified Public Accountants ( A I C P A ) unter den ersten war, die das P r o b l e m des expectation gap erkannten. 2 1 3 D i e Erwartungslücke beruhte auf einer Diskrepanz zwischen den Vorstellungen der Öffentlichkeit von Gegenstand und F u n k t i o n der externen Prüfung und ihrer Realität. Sie zeigte sich vor allem in der irrigen Annahme, die externe Prüfung diene einer nachhaltigen Insolvenzprophylaxe und einer Aufdeckung doloser Manipulationen. 2 1 4 Bei der Schließung des expectation gaps berücksichtigte man auch in den Vereinigten Staaten zwei zentrale Einsichten. Z u m einen k ö n n e n die Aufgaben des externen Prüfers nur im Zusammenhang mit den Aufgaben der Unternehmensorgane und insbesondere der Überwachungsträger bestimmt werden. 2 1 5 Z u m anderen dient der externe Prüfer den Interessen der externen Berichtsadressaten am besten, wenn er auch die Arbeit der Unternehmensorgane und insbesondere der Überwachungsträger unterstützt. 2 1 6 D a h e r begann man nicht nur damit, Gegenstand und F u n k t i o n der externen Prüfung zu ändern. M a n dehnte auch die externen Berichtspflichten des Unternehmens aus, soweit die Ä n derungen von Gegenstand und F u n k t i o n der externen Prüfung dies erforderten. M a n konkretisierte zudem die Führungsaufgaben der Unternehmensleitung, soweit die Änderungen von Gegenstand und F u n k t i o n der externen Prüfung dies erforderten und/oder die Ausdehnung der externen Berichtspflichten dies erforderte; dies betraf vor allem das interne Steuerungs- und Überwachungssystem und insbesondere das Risikomanagementsystem. Diese Entwicklung ist im R a h m e n dieser Untersuchung von besonderem Interesse, weil sie diesseits und jenseits des Atlantiks zwar bereits zu Ergebnissen geführt hat, aber weder hier noch dort abgeschlossen ist. E s k o m m t hinzu, daß die Änderung der externen Berichtspflichten des Unternehmens und der Prüfungs211 Claussen/Korth, Kölner Kommentar, §264 HGB Rdn.14; Berndlmaier/Klein DB 1997, S. 1089, 1092, 1095; Ruckle zfbf Sonderheft 36/1996, S. 107, 108; Möllers ZGR 1997, S.334, 351; Dörner/Schwegler DB 1997, S.285, 285. 212 Siehe dazu Rückle zfbf Sonderheft 36/1996, S. 107, 108. 213 Rigos, The family of fraud and the CPA; Berndlmaier/Klein DB 1997, S. 1089,1089. 214 Rigos, The family of fraud and the CPA; Rückle zfbf Sonderheft 36/1996, S.107, 108f.; Berndlmaier/Klein DB 1997, S. 1089,1089. Siehe zur Erwartungslücke im deutschen Recht: Rodewald BB 2001, S. 2155,2156; Götz AG 1995, S.337,337,340; Lenz/Ostrowski BB 1997, S. 1523, 1523, 1527; Dörner/Schwegler DB 1997, S.285, 286ff., 289; Rückle zfbf Sonderheft 36/1996, S. 107, 108f., 129ff.; Loitz BB 1997, S. 1835, 1835, 1841; Forster AG 1995, S. 1, lf.; Rürup AG 1995, S.219, 219; Weißenherger BB 1997, S.2315, 2315,2321. 215 Vgl. dazu Rückle zfbf Sonderheft 36/1996, S. 107, 108. 216 Vgl. dazu: Rückle zfbf Sonderheft 36/1996, S.107, 134, 138; Hommelhoff ZGR 1983, S. 551,552,563,565,576f.; Clemm ZGR 1980, S. 455,456ff., 459ff., 462f., 463 ff.; Lenz! Ostrowski BB 1997, S. 1523, 1523; Dörner/Schwegler DB 1997, S.285, 285.

328

3. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des Aufsichtsrats

pflichten des externen Prüfers auf Informationen zu zentralen abwägungsrelevanten Gesichtspunkten zielt - auf Informationen zu der Vermögens-, Finanzund Ertragslage, der wirtschaftlichen Lage, dem Erfolg und den Zukunftsaussichten, der G r ö ß e und Bedeutung sowie der Wertsteigerung des U n t e r n e h m e n s und den R i s i k o - / C h a n c e n f a k t o r e n sowie den K o s t e n - und Gewinnposten. D a h e r liefert gerade die Entwicklung der Unternehmensberichterstattung und ihrer externen Prüfung entscheidende Hinweise darauf, welche Informationen effektive informationelle Instrumentarien zu abwägungsrelevanten Gesichtspunkten liefern und wie die informationellen Instrumentarien ausgestaltet werden müssen. b) Ansatzpunkt

Organisationsrecht

D i e Frage, welche Anforderungen an die Zusammensetzung, die Selbstorganisation und die nichtinformationellen Instrumentarien von Vorstand und Aufsichtsrat zu stellen sind, zielt auf die Voraussetzungen, unter denen Vorstand und A u f sichtsrat kompetent besetzt sind (Zusammensetzung) und die Regelungen der Ressortgliederung/des Uberwachungsprogramms, des Verfahrens für E i n b e r u fung, Sitzungsablauf und Abstimmung sowie der Stabsstellen und der Vorstands-/ Aufsichtsratsausschüsse (Selbstorganisation) und des Zustimmungsvorbehalts nach § 111 Abs. 4 Satz 2 A k t G (nichtinformationelle Instrumentarien) angemessen sind (abstrakte und/oder konkrete D i m e n s i o n der Abwägungsmißorganisation). I m R a h m e n dieses Problemkreises steht heute der Aufsichtsrat im Vordergrund. 2 1 7 D e r G r a n d dafür ist, daß man sich diesseits und jenseits des Atlantiks zur Lösung des Corporate Governance Problems gerade auch darum bemüht hat und bemüht, vermittels einer Änderung der Zusammensetzung und Selbstorganisation des Aufsichtsrats/board of directors die Aufgabenwahrnehmung dieser Organe zu optimieren. I m Mittelpunkt dieser Anstrengungen steht die Verbesserung der Ü b e r w a c h u n g der Vorstände/officers durch eine Intensivierung des Z u sammenwirkens von Aufsichtsrat/board of directors und externem Prüfer. 2 1 8 D e r Hintergrund dieser Entwicklung in den Vereinigten Staaten ist, daß sich in funktioneller, institutioneller und sogar personeller Hinsicht das U . S . amerikanische Verwaltungsratsmodell auf das Vorstands-/Aufsichtsratsratsmodell zubewegt hat. 2 1 9 217 Auf den Vorstand (Zusammensetzung sowie Regelungen der Geschäftsordnung unter dem Gesichtspunkt der Ressortgliederung und der Binnenstruktur unter dem Gesichtspunkt der Stabsstellen und Vorstandsausschüsse) ist bereits oben S.93, 104, 171f. eingegangen worden. 218 Siehe zu den Reformbemühungen in Deutschland oben S. 34ff. 219 DonaldWiA 2003, S. 705,712ff.; Theisen RWZ 2001, S. 157,158; Buxbaum, Corporate Governance, S.65, 68f.; Holzer/Makowski DB 1997, S.688, 689f.; siehe zur Angleichung auch bereits Windbichler ZGR1985, S. 50,62ff., 71 ff. Davies ZGR 2001, S. 268,282ff. (zur Lage in Großbritannien) betont demgegenüber, daß der board of directors neben der Uberwachungsfunktion eine Leitungsfunktion hat, während der Aufsichtsrat eine „networking function" hat, und zwar

B. Die gesellschaftsrechtliche

Entscheidungsfehlerlehre

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In der Nachkriegszeit ging man von der Vorstellung aus, der board of directors habe eine unmittelbare Führungsaufgabe. E s stellte sich allerdings bald heraus, daß sich die Unternehmenspraxis zunehmend von diesem theoretischen Ansatz entfernte. Dies führte vor gut dreißig Jahren zur Entwicklung des monitoring model, das nun das gesetzliche Leitbild ist. Danach wählen die shareholder einen board of directors, der die notwendigen Befugnisse und Anweisungen erhält, um die Angelegenheiten der Gesellschaft zu regeln (wobei einige grundlegende E n t scheidungen der Genehmigung durch die shareholder bedürfen). D e r board of directors hat das R e c h t und die Pflicht zur Unternehmensführung. Darunter wird jedoch vor allem die Aufgabe verstanden, (i) die eigentlichen Führungskräfte (die officers) einzustellen, zu beurteilen und zu entlassen, (ii) die Wahrnehmung der Managementaufgaben durch die officers fortlaufend zu beurteilen, (iii) wichtige Unternehmensentscheidungen zu treffen und wichtige Unternehmensstrategien zu entwickeln oder diese zu prüfen und zu genehmigen oder abzulehnen. D e m board of directors obliegt also neben einer gewissen Richtlinienkompetenz insbesondere die Organisation und Überwachung der Wahrnehmung von Managementaufgaben durch die officers. Dies bedeutet nicht, daß der board o f directors nur begrenzte Managementfunktionen besitzt. E r bleibt vielmehr Träger der E n t scheidungsgewalt. Das zeigt sich am deutlichsten daran, daß der board o f directors die Managementfunktionen nicht nur delegieren, sondern auch jederzeit wieder an sich ziehen kann. Ein weiterer Beleg ist, daß die officers ihre Befugnisse unter Beachtung der Beschlüsse des board of directors wahrnehmen und die E n t scheidungen des board of directors umsetzen müssen; zudem hat der board of directors die Wahrnehmung von Managementaufgaben durch die Funktionsträger auf den nachgelagerten Führungs-/Hierarchieebenen zu überwachen. D e r F u n k tionsmechanismus des monitoring model beruht letztlich darauf, daß die officers von dem board o f directors und die directors von den shareholders abhängig sind: D i e shareholder haben die Möglichkeit, die directors auszutauschen, die dann ihrerseits andere officers einsetzen können. 2 2 0

mit der Konsequenz, daß im ersten Fall eine eingliedrige Struktur angebracht ist, weil eine möglicherweise mangelnde Uberwachungseffizienz durch Informationsvorteile ausgeglichen wird, und im zweiten Fall eine zweigliedrige Struktur angezeigt ist, weil die Aktionäre den Interessengruppen keine Leitungsfunktionen übertragen wollen. 220 Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung, S. 1 Off.; Hess, Corporate Governance, S. 9,10f.; Kraakman, Corporate Governance, S. 129, 130f.; Buxbaum, Corporate Governance, S.65, 73f., 74f.; Lorsch zfbf Sonderheft 36/1996, S.199, 206ff.; Rock AG 1995, S.291, 292; Abeltshauser, Leitungshaftung, S. 19ff., 55f., 88f., 89f., 111 ff., 119,136,202,221,221 ff. Siehe dazu auch: Windhichler ZGR1985, S. 50,51 f., 54,56f.; Kronstein/Hawkins RIW1983, S. 249,250f.; Bungert AG 1994, S. 297,300. Siehe zum „Aufkommen des Monitoring Board in Großbritannien" nur Davies ZGR 2001, S. 268, 270ff.

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3. Teil: Die Entscheidungsfreiräume des Vorstands und des Aufsichtsrats

§8.01 Revised Model Business Corporation Act 1998 (b) Alle gesellschaftsrechtlichen Befugnisse werden durch das board of directors oder durch von ihm Bevollmächtigte ausgeübt, und die unternehmerischen Entscheidungen werden unter seiner Leitung getroffen. 221 §3.02 ALI Principles of Corporate Governance 1994 Funktionen und Befugnisse des board of directors - Vorbehaltlich anderweitiger Satzungsregelungen (a) hat der board of directors eines sich in Streubesitz befindlichen Unternehmens die folgenden Funktionen wahrzunehmen: (1) die Auswahl, regelmäßige Beurteilung, Gehaltsfestsetzung und, wenn notwendig, die Abberufung der principal senior executives; (2) die Überwachung der geschäftlichen Aktivitäten der Gesellschaft im Hinblick darauf, ob diese ordnungsgemäß geführt werden; (3) die Uberprüfung und, wo angemessen, die Genehmigung der finanziellen Zielsetzungen der Gesellschaft sowie der maßgeblichen Gesellschaftspläne und -maßnahmen; (4) die Überprüfung und, wo angemessen, die Genehmigung von wesentlichen Veränderungen in, sowie die Festlegung anderer Grundsatzfragen in Zusammenhang mit, den angessenen Prüfungs- und Rechnungslegungspraktiken, die bei der Erstellung der Bilanzen der Gesellschaft angewendet werden sollen; (5) alle weiteren Funktionen, die gesetzlich vorgeschrieben sind oder dem board durch die Gesellschaft zugewiesen wurden; (b) Der board of directors hat weiterhin die Befugnis, (1) Unternehmenspläne, -zusagen und -maßnahmen zu veranlassen oder zu übernehmen; (2) Veränderungen in Bilanzierungsgrundsätzen und -praktiken zu veranlassen oder zu übernehmen; (3) die principal senior officers zu beraten; (4) Anweisungen an Gesellschaftsausschüsse, principal senior officers oder andere officers zu geben sowie Handlungen von Ausschüssen, principal senior officers oder anderen officers zu überprüfen; (5) den Anteilseignern Empfehlungen zu geben; (6) die geschäftlichen Aktivitäten der Gesellschaft zu leiten; (7) alle anderen gesellschaftlichen Dinge wahrzunehmen, die nicht an die Zustimmung der Anteilseigner gebunden sind. §3.01 ALI Principles of Corporate Governance 1994 Die Leitung der geschäftlichen Aktivitäten der Gesellschaft: Funktionen und Befugnisse der principal senior executives und anderer officers - Die Leitung der geschäftlichen Aktivitäten einer in Streubesitz befindlichen Gesellschaft soll ausgeübt werden durch oder unter der Aufsicht der principal senior executives, die durch den board of directors dazu ernannt wurden, und durch diejenigen anderen officers und Angestellten, auf welche entwe-

221

Siehe dazu Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung, S. lOf. und - zur gleichlautenden Vorläufervorschrift des Model Business Corporation Act - Buxbaum, Corporate Governance, S. 65, 74.

B. Die gesellschaftsrechtliche

Entscheidungsfehlerlehre

331

der der board oder die vorgenannten executives, vorbehaltlich der Funktionen und Befugnisse des boards gemäß Abschnitt 3.02, solche Leitungsfunktionen übertragen haben. 222 Allerdings hat die Unternehmenspraxis auch dem gesetzlichen Leitbild des m o n i toring model nie entsprochen. 2 2 3 In der Praxis werden die Gesellschaften von den officers beherrscht. Sie sitzen in den boards o f directors. Sie bestimmen in der R e gel die Tagesordnungen für die Sitzungen des board o f directors. Sie verfügen über die relevanten Informationen. Ihre Position wird durch das p r o x y - S t i m m recht n o c h verstärkt: D i e Gesellschafter erteilen üblicherweise den officers die Stimmrechtsvollmachten, so daß die officers über die Zusammensetzung des board of directors entscheiden. 2 2 4 Dieser Befund hat zu einer Reihe von (noch nicht abgeschlossenen) E n t w i c k lungen geführt, die das Ziel haben, den board of directors zu stärken. 2 2 5 Dabei ist hier weniger von Interesse, daß die institutionellen Anleger an Bedeutung gewinnen und die wachsende Konzentration von Stimmrechtsmacht in der H a n d der institutionellen Anleger (insbesondere der Pensions- und Investmentfonds) den Handlungsspielraum des board of directors immer weiter einengt. 2 2 6 D e r ent222 Siehe dazu: Eisenberg Der Konzern 2004, S. 386,387f.; Buxbaum, Corporate Governance, S. 65, 75f.; Windbichler ZGR 1985, S. 50, 62f. (zum Entwurf). 223 Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung, S. 11 ff.; Kraakman, Corporate Governance, S. 129, 131 f., der anmerkt, daß das Rechtsmodell die Machtverhältnisse genau umgekehrt wiedergibt; Hess, Corporate Governance, S. 9,1 Of., 15f.; Rock AG 1995, S. 291,292, der mit Blick auf § 141 (a) des Delaware statute „the business and affairs of the corporation shall be managed by or under the direction of a board of directors" betont, daß „the managers run the show, choosing the directors and operating free of any shareholder scrunity"; Abeltshauser, Leitungshaftung, S.23. Vgl. dazu auch: Theisen RWZ 2001, S. 157,158; Windbichler ZGR 1985, S. 50,56f.; Davies ZGR 2001, S.268, 271 (zur Lage in Großbritannien). 224 Hess, Corporate Governance, S.9,10f., \5{.; Abeltshauser, Leitungshaftung, S.23. Vgl. dazu auch: Donald WM 2003, S. 705,713; Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung, S. 11 ff.; Theisen RWZ 2001, S. 157, 158; Windbichler ZGR 1985, S.50, 56; Davies ZGR 2001, S.268, 271 (zur Lage in Großbritannien). 225 Kraakman, Corporate Governance, S. 129, 132 („mit dem Ziel, die Überwachungsfunktion des board wiederherzustellen"); Hess, Corporate Governance, S.9,10f., 16f.; Abeltshauser, Leitungshaftung, S.23 („Forderung, den Board verstärkt als ,Überwachungsorgan' auszubauen"). Vgl. dazu auch: Theisen RWZ 2001, S.157, 158; Windbichler ZGR 1985, S.50, 57; Davies ZGR 2001, S.268, 270, 270ff. (zur Lage in Großbritannien). 226 Sie nehmen zunehmend aktiven Einfluß, um die Ergebnisse und Leistungsfähigkeit der Unternehmen zu verbessern, und fordern etwa die Umstrukturierung der Gesellschaft oder die Veräußerung von Tochtergesellschaften mit dem Ziel der Konzentration auf das Kerngeschäft, den Rücktritt des chief executive officer, die Aufrechterhaltung einer angesichts der Ertragslage völlig unangemessen hohen Dividende, Veränderungen in der Zusammensetzung des board of directors, oder sie drohen, auf der Hauptversammlung gegen alle Vorschläge des board of directors und insbesondere gegen alle Wahlvorschläge zu stimmen; siehe dazu: Perkins, Corporate Governance, S.25ff.; Hess, Corporate Governance, S. 9,16,14f. 19f., 21 f.; Rock AG 1995, S.291, 294f., 296ff. Bei dieser Entwicklung hat eine Änderung der Vorschriften der Securities and Exchange Commission (SEC) im Jahr 1992 eine wesentliche Rolle gespielt, mit der es den institutionellen Anlegern erlaubt worden ist, die Ausübung ihrer Stimmrechte zu koordinieren; siehe dazu Perkins, Corporate Governance, S.25, 27 und Hess, Corporate Governance, S.9, 12, 14f., 20f., der auf die Einschränkungen des gemeinsamen Vorgehens hinweist, und zwar durch die Offenle-

332

3. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des Aufsichtsrats

scheidende Gesichtspunkt ist vielmehr, daß im board of directors die outside directors an Bedeutung gewinnen. 2 2 7 Das Ergebnis ist eine zunehmende personelle Trennung zwischen der Wahrnehmung von Managementaufgaben durch die officers und der Unternehmensführung durch den board o f directors und (insbesondere) eine Entwicklung von Strukturen und Prozessen, die kritische Fragen den outside directors vorbehalten. 2 2 8 D i e Mehrheit der Mitglieder des board of directors sind heute outside directors; in vielen Gesellschaften ist heute sogar nur noch ein einziges Mitglied ein inside director, nämlich der Vorsitzende des board o f directors (der zugleich der chief executive officer ist). M a n glaubt, die outside directors seien besser in der Lage zu beurteilen, was im bestem Interesse der Gesellschafter ist. 2 2 9 D i e Erfahrungen deuten daraufhin, daß Aktionäre von Übernahmeinteressenten mit höherer Wahrscheinlichkeit Gewinne aus der Ü b e r n a h m e erzielen werden, wenn in ihrem board of directors eine größere Anzahl von outside directors vertreten ist. D e r Markt scheint auf Strategien zur A b w e h r einer Ü b e r n a h m e positiver zu reagieren, wenn outside directors im board of directors des Übernahmekandidaten dominieren. Es zeigt sich auch, daß outside directors den Opportunismus von inside directors bei In-sich-Geschäften einzuschränken vermögen. Es läßt sich schließlich eine positive Korrelation zwischen der Anzahl der outside directors

gungspflichten nach der Schedule 13 D, die Einschränkungen der freien Verkäuflichkeit von Aktien nach dem Securities Act von 1933 und die Regeln des Insiderhandels. Die institutionellen Anleger haben bislang davon abgesehen, in den boards of directors vertreten zu sein, und zwar wegen der daraus resultierenden Interessenkonflikte; siehe dazu: Davies ZGR 2001, S. 268, 281 (zur Lagein Großbritannien);Hess, Corporate Governance, S. 9,21;Rock AG 1995, S.291,294f.; Lorsch zfbf Sonderheft 36/1996, S. 199, 202f. Außerdem wollen sie sich nicht der Gefahr aussetzen, zum Controlling shareholder mit den daraus resultierenden Haftungsrisiken zu werden; siehe dazu Davies ZGR 2001, S. 268,280f. (zur Lage in Großbritannien) und auch Hess, Corporate Governance, S.9, 21. 227 Donald WM 2003, S. 705,712; Kraakman, Corporate Governance, S. 129,130,132ff.; Hess, Corporate Governance, S.9, 13, 16f.; Lorsch zfbf Sonderheft 36/1996, S.199, 201ff.; Rock AG 1995, S.291, 292f.; siehe dazu auch bereits Windbichler ZGR 1985, S. 50, 53, 57ff. 228 Donald WM 2003, S.705, 712; Kraakman, Corporate Governance, S.129, 130, 132ff., 135f.; Buxbaum, Corporate Governance, S. 65,68f., 78ff.; Hess, Corporate Governance, S. 9,13, 16f.; Lorsch zfbf Sonderheft 36/1996, S. 199,201ff., 212ff.; Rock AG 1995, S.291,292f.; siehe dazu auch bereits Windbichler ZGR 1985, S.50, 53, 59ff. 229 Kraakman, Corporate Governance, S. 129,132ff.; Lorsch zfbf Sonderheft 36/1996, S. 199, 201, der darin einen „obvious contrast with Germany, where all employee members and many members representing owners have other connections to the company" sieht, aber einräumt, daß „members of a supervisory board with their closer connections to their company are likely to have a deeper knowledge of its affairs than their independent U.S. counterparts" (S.201f.); Rock AG 1995, S.291, 292. Davies ZGR 2001, S.268, 281f. (zur Lage in Großbritannien) weist allerdings auf die Zweifel an der Effektivität der outside directors hin, die in ihrer fehlenden Abhängigkeit von den Aktionären und von den institutionellen Anlegern gründen, und wirft die Frage auf, welches die Anreize für die outside directors sind, ihre Aufgaben gut zu erfüllen.

B. Die gesellschaftsrechtliche

Entscheidungsfehlerlehre

333

und der Entlassung von chief executive officers in Unternehmen feststellen, die über längere Zeit schlechte Ergebnisse erzielt haben. 2 3 0 Vor diesem Hintergrund sind die U . S . amerikanischen Überlegungen, vermittels einer Änderung des Organisationsrechts eine Optimierung der Aufgabenwahrnehmung des board of directors zu erreichen und insbesondere die Ü b e r w a chung der officers durch den board of directors im Zusammenwirken mit dem externen Prüfer zu verbessern, im R a h m e n dieser Untersuchung von besonderem Interesse. Dies gilt um so mehr, als die Überlegungen zur Zusammensetzung und Selbstorganisation des Aufsichtsrats/board of directors und insbesondere zur Intensivierung des Zusammenwirkens von Aufsichtsrat/board o f directors und externem Prüfer diesseits und jenseits des Atlantiks zwar bereits zu Ergebnissen geführt haben, aber weder hier noch dort abgeschlossen sind. Es k o m m t hinzu, daß auch dieser Ansatz in letzter Konsequenz darauf zielt, eine stärker zukunfts-, problem- und risikoorientierte Informationsversorgung des Aufsichtsrats/board of directors zu erreichen. Darin k o m m t wiederum die über die informationellen Instrumentarien vermittelte Wechselwirkung zwischen der Abwägungsmißorganisation und der Abwägungsunschlüssigkeit zum Ausdruck.

c)

Problemeingrenzung

N a c h alledem liegt der Schwerpunkt der weiteren Konkretisierung der A b w ä gungsmißorganisation und der Abwägungsunschlüssigkeit zum einen auf den Informationen, die die Unternehmensberichterstattung und ihre externe Prüfung, das interne Steuerungs- und Überwachungssystem einschließlich des R i s i k o m a nagementsystems sowie die daran anknüpfende ergänzende Informationsordnung des Aufsichtsrats im Verhältnis zu Vorstand und Abschlußprüfer als effektive informationelle Instrumentarien zu abwägungsrelevanten Gesichtspunkten liefern müssen (konkrete Dimension der Abwägungsmißorganisation und F u n dierungsgebot der Abwägungsunschlüssigkeit). Dabei geht es zugleich darum, unter welchen Voraussetzungen das interne Steuerungs- und Überwachungssystem einschließlich des Risikomanagementsystems und die - an die U n t e r n e h mensberichterstattung und ihre externe Prüfung sowie das interne Steuerungsund Überwachungssystem einschließlich des Risikomanagementsystems

an-

knüpfende - ergänzende Informationsordnung des Aufsichtsrats im Verhältnis zu Vorstand und Abschlußprüfer als effektive informationelle Instrumentarien angemessen ausgestaltet sind (abstrakte Dimension der Abwägungsmißorganisation).

230 Kraakman, Corporate Governance, S. 129,136ff., der aber anmerkt, daß es zwar in etlichen Fällen die outside directors waren, die die Entlassung des chief executive officer betrieben, aber daß sie es auch erst taten, nachdem das Unternehmen bereits erhebliche langfristige Verluste erlitten hatte und sie von institutionellen Anlegern zum Handeln gedrängt worden waren.

334

3. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands

und des

Aufsichtsrats

Der Schwerpunkt der weiteren Konkretisierung liegt zum anderen auf den Voraussetzungen, unter denen der Aufsichtsrat kompetent besetzt ist (Zusammensetzung) und die Regelungen des Uberwachungsprogramms des Aufsichtsrats sowie der Aufsichtsratsausschüsse (Selbstorganisation) und des Zustimmungsvorbehalts nach § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG (nichtinformationelle Instrumentarien) angemessen sind (abstrakte und/oder konkrete Dimension der Abwägungsmißorganisation).

aa) Unternehmensberichterstattung

und externe

Prüfung

Im Hinblick auf die Unternehmensberichterstattung und ihre externe Prüfung lautet die entscheidende Frage, welche Informationen zu abwägungsrelevanten Gesichtspunkten der Vorstand/Aufsichtsrat bei voller Ausschöpfung dieser informationellen Instrumentarien erhalten und sich darüberhinaus durch eine ergänzende Berichterstattung sachgerechterweise verschaffen kann (und deshalb auch muß). In Betracht kommen ergänzende Berichtspflichten des Vorstands an den Aufsichtsrat und des Abschlußprüfers an den Vorstand (Management Letter) bzw. den Aufsichtsrat (Monitoring Letter), 231 aber auch eine erweiternde Ausgestaltung des Prüfungsauftrags 232 und/oder die Erteilung zusätzlicher Prüfungsaufträge 233 an den Abschlußprüfer. 234 Im Mittelpunkt des Interesses stehen dabei Informationen zu der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage, der wirtschaftlichen Lage, dem Erfolg und den Zukunftsaussichten, der Größe und Bedeutung sowie der Wertsteigerung des Unternehmens und zu den Risiko-/Chancenfaktoren sowie den Kosten- und Gewinnposten. Den entscheidenden Ansatzpunkt liefert dabei der Wandel der Unternehmensberichterstattung vom financial reporting zu einem umfassenden business reporting (Wertorientierte Unternehmensberichterstattung/value reporting 235 ) und der externen Prüfung vom financial audit zu einem umfassenden business audit 231 Siehe dazu Peemöller/Finsterer/Mahler DB 1999, S.1565, 1565f., 1568 und Ziff. 17 des IDW PS 450. 232 Siehe dazu Ziff. 7.2.3 des Deutschen Kodex und dazu Kremer, Kodex-Kommentar, Ziff. 7.2.3 Rdn.952. 233 Siehe dazu Ziff. 19 des IDW PS 450 und Ziff. 20 des IDW PS 220. 234 Siehe dazu Peemöller/Finsterer/Mahler DB 1999, S. 1565,1566: „Hat der Aufsichtsrat den Prüfungsauftrag erteilt, so rückt er nach §321 Abs. 5 HGB in die Rolle eines Primärempfängers des Prüfungsberichts, während der Vorstand nur noch als Zwischenempfänger anzusehen ist, dem die Aufgabe einer Stellungnahme zu den Berichtsinhalten zuwächst." 235 Die Terminologie ist noch uneinheitlich. Es wird davon gesprochen, es handele sich hier um die „Entwicklung des Financial Accounting zum Business Reporting" ( C o e n e n h e r g KoR 2003, S. 165, 165; Rüting BB 2000, S.451, 452; so wohl auch Böcking/Orth DB 1998, S.1873, 1875), aber auch davon, die „Erweiterung des klassischen Financial Reporting um das unternehmensbezogene Business Reporting" führe zum Value Reporting ( K a j ü t e r DB 2004, S. 197, 197; Kirsch/Scheele BB 2003, S.2733, 2733, 2736; Fischer/Becker/Wenzel DB 2001, S.2001, 2001; so wohl auch Günther/Beyer BB 2001, S.1623, 1623 und Coenenherg/Matter BB 2000, S.1827, 1827).

B. Die gesellschaftsrechtliche

Entscheidungsfehlerlehre

335

(von der prüfungsrisikoorientierten zur geschäftsrisikoorientierten Abschlußprüfung 2 3 6 ). Diese Entwicklung hat mit dem Jenkins-Report (Improving Business Reporting - a Customer Focus: Meeting the Information Needs of Investors and Creditors: a Comprehensive Report of the Special Committee on Financial Reporting) des Special Committee on Financial Reporting des American Institute of Certified Public Accountants (im folgenden Special Committee bzw. A I C PA) 2 3 7 entscheidende Impulse erhalten: Wie bereits die terminologische A b k e h r v o m financial reporting zugunsten des business reporting zeigt, sollen die externen Berichtspflichten sowie Gegenstand und Funktion der externen Prüfung so erweitert werden, daß es Investoren und Kreditgebern möglich wird, das Unternehmen zu bewerten bzw. das Kreditrisko einzuschätzen (valuing companies or assessing credit risk). 238 Dies gilt auch diesseits des Atlantiks: Die an den Informationsbedürfnissen der Investoren und Kreditgeber orientierte Sichtweise des Special Committee entspricht dem Wandel der Unternehmensberichterstattung und der externen Prüfung, der durch die Globalisierung der Unternehmensaktivitäten und die damit einhergehende zunehmende Kapitalmarktorientierung der Unternehmen ausgelöst w o r d e n ist. 239

236 Siehe dazu: Ruhnke DB 2002, S.437,439f.; Schindler/Rahenhorst BB 1998, S. 1939,1943f.; Pollanz DB 2001, S. 1317, 1319f. 237 AICPA, Jenkins-Report („background and foundation: chapter 1 - introduction: effective capital allocation process and dramatic changes, reporting standards play an important role in helping the market mechanism work effectively for the benefit of companies, users, and the public, but business reporting must keep up with the changing needs or it will lose its relevance, focusing on users' needs and finding costeffective ways of better aligning reporting with those needs; chapter 2 - study of users' needs for information: types of users and the study; chapter 3 central themes underlying the information needs of investors and creditors: investors form opinions about the absolute and relative value of companies and their equity securities, creditors assess the ability of a company to meet its obligations related to current or future debt, or other financial instruments, seven concepts underlying users' needs for information: five types of company-specific information for which management is the best source and that users need: 1. financial and nonfinancial data, 2. management's analysis of financial and nonfinancial data, 3. forwardlooking information, 4. information about management and shareholders, 5. Background about a company, twelve needs related to financial statements: 1. display of information in financial statements, 2. unusual or nonrecurring transactions or events, 3. disclosures related to unconsolidated entities, 4. accounting for intangibles, including goodwill, 5. measurement uncertainties, 6. reporting financial information by segment, 7. purchasing and pooling methods of accounting for business combinations, 8. limiting the range of accounting alternatives, 9. offbalancesheet financing agreements, 10. accounting for leases and other executory contracts, 11. accounting and disclosures for innovative financial instruments, 12. value information in financial statements; chapter 4 - benefits and costs of business reporting: allocating and pricing capital, consumer protection, cost of developing and disseminating information, of litigation and of competitive disadvantage, competitive effects of disclosure on the economy"). Zur Entstehung des Jenkins-Reports siehe nur Berndlmaier/Klein DB 1997, S. 1089, 1089f.

AICPA, Jenkins-Report, chapter 1, p.3f., chapter 2, p.6ff. Vgl. dazu: Kirsch/Scheele WPg2004, S. 1,10; Backing/Orth DB 1998, S. 1873, 1875 Fn.26; Günther/Beyer BB 2001, S. 1623,1624f., 1625f.; Küting BB 2000, S.451, 454, 452 (insbesondere 238

239

336

3. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des

Aufsichtsrats

Das Special Committee hat einen Muster-Unternehmensbericht (comprehensive model of business reporting) vorgeschlagen, der zehn Elemente innerhalb fünf allgemeiner Informationsklassen enthält (ten elements within five broad categories of information). 240 Die Unternehmensberichterstattung soll mehr Informationen über zukünftige Vorhaben, Chancen, Risiken und Unsicherheiten sowie über Faktoren, die einen langfristigen Unternehmenswert generieren, gewähren und stärker am unternehmensinternen Berichtswesen ausgerichtet werden. 241 Dabei wird ein flexibler Ansatz zugrundegelegt: Es sollen nicht alle Unternehmen in gleichem Umfang und in gleicher Weise (type of information; frequency, time frame and timeliness of reporting) berichten, sondern - abgesehen von dem financial Statement element - lediglich in dem Umfang und in der Weise, die das Unternehmen und die Adressaten miteinander vereinbaren (flexible reporting). In gleicher Weise sollen der Prüfungsumfang (the elements on which auditors report) und das Prüfungsniveau (the level of auditor involvement with those elements) zwischen dem Unternehmen und den Adressaten abgestimmt werden (flexible auditor association). Dabei soll das Prüfungsniveau für das financial Statement element and the related system of internal control das höchstmögliche •

242

sein. In den Vereinigten Staaten ist es vor allem die Securities and Exchange Commission (im folgenden SEC), die die Neuausrichtung der Unternehmensberichterstattung und die Änderung von Gegenstand und Funktion der externen Prüfung vermittels der von ihr zu erlassenden Offenlegungspflichten gefördert hat und fördert. In Deutschland hat der Gesetzgeber den Wandel der Unternehmensberichterstattung vom financial reporting zu einem umfassenden business reporting und der externen Prüfung vom financial audit zu einem umfassenden business audit angestoßen und prägt sie bis heute. Er hat vor allem zwei Ansatzpunkte Fn. 15). Siehe zur Entwicklung in Deutschland insbesondere die Studie von Burger/Ulbrich KoR 2004, S.235ff. 240 AICPA, Jenkins-Report, chapter 5, p. If., Appendix I, p. 1, chapter 5, p.3ff., Appendix II, p.5f., 6ff. 241 AICPA, Jenkins-Report, chapter 1, p. 5 („Business reporting must: (a) Provide more information with a forwardlooking perspective, including management's plans, opportunities, risks, and measurement uncertainties, (b) Focus more on factors that create longer term value, including nonfinancial measures indicating how key business processes are performing, (c) Better align information reported externally with the information reported to senior mangement to manage the business."). Siehe dazu Berndlmaier/Klein DB 1997, S. 1089, 1090, 1091f. („mehr prospektive Unternehmensinformationen gewährt und mehr strategische, operative und damit unternehmenswertbestimmende Größen enthält"). 242 ;4/CPy4, Jenkins-Report, chapter 5, p. 3f., Appendix II, p. 2, p. 6 - 1 (A) 1 (a), chapter 7, p. 2, 4, chapter 7, p.3ff., 5f., 6ff., 8ff., Appendix I, p. 3 (Recommendation 1: Allow for flexible auditor association with business reporting, whereby the elements of information on which auditors report and the level of auditor involvement with those elements are decided by agreement between a company and the users of its business reporting... Recommendation 2: The auditing profession should prepare to be involved with all the information in the comprehensive model, so companies and users can call on it to provide assurance on any of the model's elements ...).

B. Die gesellschaftsrechtliche

Entscheidungsfehlerlehre

337

gewählt, und zwar zum einen eine Internationalisierung der Konzernrechnungslegung und der externen Prüfung und zum anderen eine Optimierung der Lageberichterstattung und der externen Prüfung des Lageberichts. Diese Entwicklung soll nunmehr insoweit rechtsvergleichend untersucht werden, als sie Aufschluß darüber geben kann, welche Informationen zu abwägungsrelevanten Gesichtspunkten der Vorstand/Aufsichtsrat bei voller Ausschöpfung der Unternehmensberichterstattung und ihrer externen Prüfung erhalten und sich darüberhinaus durch eine ergänzende Berichterstattung sachgerechterweise verschaffen kann und muß. Das Ziel ist, dem Ansatz entsprechend, eine stärker zukunfts-, problem- und risikoorientierte Informationsversorgung von Vorstand und Aufsichtsrat. (1)

Konzernrechnungslegung

D i e Vorschriften über den Konzernabschluß und den Konzernlagebericht haben auf der Grundlage des Kapitalaufnahmeerleichterungsgesetzes v o m 20. April 1998, des K o n t r o l l - und Transparenzgesetzes v o m 27. April 1998, des Kapitalgesellschaften- und C o - R i c h t l i n e - G e s e t z e s v o m 24. Februar 2000, des Transparenzund Publizitätsgesetzes v o m 19. Juli 2002 und des Bilanzrechtsreformgesetzes v o m 4. D e z e m b e r 2 0 0 4 bedeutsame Annäherungen an die Offenlegungspflichten der S E C im H i n b l i c k auf das (quaterly) segment reporting, 2 4 3 die forwardlooking information (liquidity risk), 2 4 4 das quaterly/interim reporting 2 4 5 und die related party transactions 2 4 6 erfahren. (a)

Hintergrund

D i e Internationalisierung der Konzernrechnungslegung steht seit 1998 auf der Agenda des Gesetzgebers. 2 4 7 I m J a h r 1998 wurden kapitalmarktorientierte M u t terunternehmen mit § 292a H G B bis zum 31. D e z e m b e r 2004 davon befreit, einen Konzernabschluß und einen Konzernlagebericht nach dem H G B aufzustellen, wenn - unter einigen weiteren Voraussetzungen - „der Konzernabschluß und der Konzernlagebericht nach international anerkannten Rechnungslegungsgrundsätzen aufgestellt worden sind." 2 4 8 Das erklärte Ziel war, ihnen „eine teure und Ver-

SEC, Proposed Rule: Segment Reporting. SEC, Commission Statement about Management's Discussion and Analysis of Financial Condition and Results of Operations, II.A, ILA. 1. 2 4 5 Siehe dazu etwa SEC, Final Rule: Audit Committee Disclosure, I., III. A und Proposed Rule: Segment Reporting, II. C sowie Proposed Rule: Disclosure in Management's Discussion and Analysis about the Application of Critical Accounting Policies, Summary. 246 SEC, Commission Statement about Management's Discussion and Analysis of Financial Condition and Results of Operations, U.C. 2 4 7 Siehe dazu nur Kirsch/Scheele WPg 2004, S. 1, 2 f. 2 4 8 Art. 1 Nr. 4 KapAEG 4/1998, insoweit erweitert durch Art. 1 Nr. 10 KapCoRiLiG 2/2000. 243 244

338

3. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des Aufsichtsrats

wirrung stiftende doppelte Rechnungslegung zu ersparen." 249 Zeitgleich wurde mit § 342 H G B das Deutsche Rechnungslegungs Standards Committee e.V. (im folgenden DRSC) ins Leben gerufen. Es sollte „Empfehlungen zur Anwendung der Grundsätze über die Konzernrechnungslegung" entwickeln, deren Beachtung die Vermutung der „Beachtung der die Konzernrechnungslegung betreffenden Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung" nach sich zieht. 250 Auf diese Weise sollte „bis zum Ablauf des Jahres 2004 ... eine Anpassung der deutschen Konzernrechnungslegungsvorschriften an internationale Standards" erreicht werden. 251 Mit dem Bilanzrechtsreformgesetz ist § 292a H G B gestrichen worden. 252 Der neue §315a Abs. 1 H G B sieht für kapitalmarktorientierte Mutterunternehmen, die nach Art. 4 der Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Juli 2002 betreffend die Anwendung internationaler Rechnungslegungsstandards (im folgenden IAS-Verordnung) 253 ab 2005 ihren Konzernabschluß nach den in das EU-Recht übernommenen internationalen Rechnungslegungsstandards aufstellen müssen, 254 ergänzende Berichtspflichten vor. 255 Sie müssen die Angaben zum Beteiligungsbesitz nach §313 Abs. 2 bis 4 H G B und die Angaben zur Beschäftigtenzahl und zum Personalaufwand sowie zu den Bezügen der Organmitglieder und zu den diesen gewährten Vorschüssen und Krediten sowie zur Compliance-Erklärung und zur Vergütung des Abschlußprüfers nach §314 Abs. 1 Nr. 4, 6, 8, 9 H G B idF. von Art. 1 Nr. 17f. BilReG 12/2004 machen. 256 Zudem haben sie einen Konzernlagebericht nach §315 H G B

Schildbach DB 1999, S.645, 645. Art. 2 Nr. 14 KonTraG 4/1998. 251 Pellens/Bonse/Gassen DB 1998, S.785, 785. 252 Art. 1 Nr. 11 BilReG 12/2004. Siehe dazu auch die Übergangsregelung in Art. 2 Nr. 5 BilReG 12/2004. 253 ABl. EG Nr. L 243 S.l. 254 Siehe zur Umstellung der Rechnungslegung etwa Zwirner/Boecker/Reuter KoR 2004, S.217, 218ff., 227ff. 255 Art. 1 Nr. 20 BilReG 12/2004. 256 §295 HGB ist entsprechend der Aufhebung des Art. 14 Konzernbilanzrichtlinie (Siebente Richtlinie 83/349/EWG des Rates vom 13. Juni 1983 aufgrund von Artikel 54 Absatz 3 Buchstabe g) des Vertrages über den konsolidierten Abschluß, ABl. EG Nr. L 193 S. 1) durch Art. 2 Nr. 5 Modernisierungsrichtlinie (Richtlinie 2003/51/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Juni 2003 zur Änderung der Richtlinien 78/660/EWG, 83/349/EWG, 86/635/EWG und 91/674/EWG über den Jahresabschluß und den konsolidierten Abschluß von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen, von Banken und anderen Finanzinstituten sowie von Versicherungsunternehmen, ABl. EG Nr. L 178 S. 16) aufgehoben worden; Art. 1 Nr. 14 BilReG 12/2004. Demgemäß ändert sich der Verweis in § 313 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 HGB; Art. 1 Nr. 17 BilReG 12/2004. § 314 Abs. 1 HGB hat eine neue Nr. 9 erhalten: „9. soweit es sich um ein Mutterunternehmen handelt, das einen organisierten Markt im Sine des §2 Abs. 5 des Wertpapierhandelsgesetzes in Anspruch nimmt, für den Abschlußprüfer des Konzernabschlusses im Sinne des §319 Abs. 1 Satz 1, 2 das im Geschäftsjahr als Aufwand erfaßte Honorar für a) die Abschlußprüfungen, b) sonstige Bestätigungs- oder Bewertungsleistungen, c) Steuerberatungsleistungen, d) sonstige Leistungen, die 249

250

B. Die gesellschaftsrechtliche

Entscheidungsfehlerlehre

339

idF. von A r t . 1 Nr. 19 BilReG 12/2004 aufzustellen. 2 5 7 Der Anwendungsbereich der IAS-Verordnung ist auf die Fälle beschränkt, in denen das Mutterunternehmen als Wertpapieremittentin auftritt; anders als nach § 2 9 2 a Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 H G B lösen „weder entsprechende Aktivitäten einer Konzerntochter noch ein von der Mutter gestellter Antrag auf Börsenzulassung ... die Verpflichtung zur Rechnungslegung nach IAS aus." 258 Daher erweitern die neuen § 3 1 5 a A b s . 2 und Abs. 3 H G B den Anwendungsbereich: Mutterunternehmen, die bis zum Bilanzstichtag die Zulassung eines Wertpapiers zum Handel am inländischen amtlichen oder geregelten Markt beantragt haben, müssen und nicht kapitalmarktorientierte Mutterunternehmen können einen „Konzernabschluß nach den in Absatz 1 genannten internationalen Rechnungslegungstandards und Vorschriften aufstellen." 259 In § 2 9 7 Abs. 1 Satz 2 H G B wurden „in Anpassung an IAS-Regelungen" und „internationale Rechnungslegungsgrundsätze" im Jahr 1998 eine Kapitalflußrechnung sowie eine Segmentberichterstattung und im Jahr 2002 ein Eigenkapitalspiegel als „eigenständige Bestandteile des Jahresabschlusses" vorgesehen. Die Konkretisierung dieser Elemente wurde dem D R S C überantwortet. 2 6 0 Mit dem Bilanzrechtsreformgesetz hat § 2 9 7 Abs. 1 H G B die folgende Fassung erhalten: „Der Konzernabschluß besteht aus der Konzernbilanz, der K o n z e r n - G e w i n n für das Mutterunternehmen oder Tochterunternehmen erbracht worden sind"; Art. 1 Nr. 18a BilReG 12/2004. 257 Siehe dazu Wendlandt/Knorr KoR 2004, S.45, 45 und Hüttemann BB 2004, S.203, 204. 258 Begründung zu Art. 1 Nr. 20 RegE BilReG 4/2004. 259 Siehe dazu Begründung zu Art. 1 Nr. 20 RegE BilReG 4/2004 und Rdn.268 des Kommissionsberichts sowie Hüttemann BB 2004, S. 203,204,205ff. Im Hinblick auf den Jahresabschluß ist großen Kapitalgesellschaften (§267 Abs. 3 HGB) das Recht eingeräumt worden, „für die IASAnwendung in einem nur zu Informationszwecken dienenden, vom Jahresabschluß zu unterscheidenden Einzelabschluß zu optieren"; sie können diesen Einzelabschluß nach §325 Abs. 2 HGB bekanntmachen und sind dann von der Verpflichtung, „den (HGB-) Jahresabschluß im Bundesanzeiger bekannt zu machen, befreit", Begründung zu Art. 1 Nr. 29a RegE BilReG 4/2004. Siehe dazu §§ 285,289,294,317 Abs. 2,324a, 325,328 HGB und §§ 170 Abs. 1 Satz 2,171 Abs. 4,175 AktG idF. von Art. 1 Nr. 5,9,13b, 21 a, 28f., 31 und Art. 4 Nr. 2-4 BilReG 12/2004 und dazu Begründung zu Art. 1 Nr.5, 9,13, 21a, 28f., 31 und zu Art.4Nr.2-4 RegE BilReG 4/2004 sowie Wendlandt/Knorr KoR 2004, S.45, 46 und Hüttemann BB 2004, S.203, 204f., 205ff. 260 Art. 2 Nr. 4 KonTraG 4/1998 und Art. 2 Nr. 4 TransPuG 7/2002 sowie Begründung zu Art. 2 Nr. 4 RegE TransPuG 2/2002 und Rdn.272 des Kommissionsberichts. Siehe zur Einführung einer Kapitalflußrechnung und einer Segmentberichterstattung Böcking/Orth DB 1998, S. 1873, 1874f. und Pellens/BonsetGassen DB 1998, S.785, 788f. Der Gesetzgeber hat zugleich die in der Literatur im Hinblick auf die Segmentberichterstattung geforderte „Querverbindung zu den eng verwandten Anhangangaben nach §314Abs.l Nr. 3 HGB sowie deren Befreiung gemäß §314 Abs.2 HGB" (so etwa Strobel DB 1999, S.2017, 2017) hergestellt. Er hat mit einer Neufassung des §314 Abs. 2 HGB die „Mutterunternehmen, die den Konzernabschluß um eine Segmentberichterstattung gemäß §297 Abs. 1 zu erweitern haben oder dies freiwillig tun ... von der Angabepflicht gemäß §314 Abs. 1 Nr. 3 befreit"; Art.2 Nr. IIb TransPuG 7/2002. Er hat von der „Schutzklausel ... Abstand genommen", weil „in international anerkannten Rechnungslegungsgrundsätzen ... Schutzklauseln für Segmentinformationen unbekannt" sind; Begründung zu Art.2 Nr. IIb RegE TransPuG 2/2002.

340

3. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des Aufsichtsrats

und Verlustrechnung, der Kapitalflußrechnung und dem Eigenkapitalspiegel. E r kann um eine Segmentberichterstattung erweitert w e r d e n . " 2 6 1 D e r G r u n d für diese Änderung ist, daß kapitalmarktorientierte Mutterunternehmen künftig zumeist bereits nach den internationalen Rechnungslegungsstandards den K o n zernabschluß u m eine Kapitalflußrechnung, eine Segmentberichterstattung und einen Eigenkapitalspiegel erweitern müssen. D a zusätzliche Berichtspflichten grundsätzlich nur n o c h bei Kapitalmarktorientierung des Mutterunternehmens begründet sein sollen, wurden lediglich die Kapitalflußrechnung und der Eigenkapitalspiegel als „verbreitet genutzte Analyseinstrumente" für alle K o n z e r n a b schlüsse vorgeschrieben. D i e Segmentberichterstattung soll dagegen einen „optionalen Bestandteil des Konzernabschlusses bilden," und zwar, weil sie „häufig besonders sensitive Informationen beinhaltet." 2 6 2 I m H i n b l i c k auf den Konzernlagebericht ( § 3 1 5 Abs. 1 H G B ) wurde im J a h r 1998 die Verpflichtung normiert, auch auf die Risiken der künftigen Entwicklung einzugehen. 2 6 3 Dabei wurde das D R S C nicht ausdrücklich in die Pflicht genommen, die Anforderungen an diesen Risikobericht zu präzisieren. 2 6 4 M i t dem B i lanzrechtsreformgesetz ist § 3 1 5 H G B in diesem P u n k t erneut geändert worden. In Absatz 1 wurde ein Satz 5 aufgenommen, wonach die voraussichtliche E n t wicklung mit ihren wesentlichen C h a n c e n und Risiken zu beurteilen und zu erläutern ist sowie zugrundeliegende A n n a h m e n anzugeben sind. Absatz 2 Nr. 2 ist wie folgt neu gefaßt worden: „2. a) die Risikomanagementziele und -methoden des Konzerns einschließlich seiner Methoden zur Absicherung aller wichtigen Arten von Transaktionen, die im R a h m e n der Bilanzierung von Sicherungsgeschäften erfaßt werden, sowie b) die Preisänderungs-, Ausfall- und Liquiditätsrisiken sowie die Risiken aus Zahlungsstromschwankungen, denen der K o n z e r n ausgesetzt ist, jeweils in Bezug auf die Verwendung von Finanzinstrumenten durch den K o n z e r n und sofern dies für die Beurteilung der Lage oder der voraussichtlichen Entwicklung von Belang ist." 2 6 5 Mit diesen Zusatzangaben sollte sichergestellt werden, daß die zukunftsbezogene Risikoberichterstattung auch die Finanzinstrumente erfaßt. 2 6 6 I m H i n b l i c k auf die Absicherungsmethoden heißt es in der Begründung zum Regierungsentwurf, in B e z u g auf Finanzinstrumente gehe es insbesondere um „die sog. Hedge-Geschäfte in ihren verschiedenen A u s prägungen"; erfaßt würden aber „auch alle wichtigen Arten geplanter Transaktionen, soweit sie im R a h m e n der Bilanzierung von Sicherungsgeschäften verbucht 261 Art. 1 Nr. 15 BilReG 12/2004. §314 Abs.2 HGB hat die folgende Fassung erhalten: „Mutterunternehmen, die den Konzernabschluß um eine Segmentberichterstattung erweitern (§297 Abs. 1 Satz 2), sind von der Angabepflicht gemäß Absatz 1 Nr. 3 befreit;" Art. 1 Nr. 18b BilReG 12/2004. 262 Begründung zu Art. 1 Nr. 15 RegE BilReG 4/2004. 263 Art. 2 Nr. 5 KonTraG 4/1998. 264 Begründung zu Art. 2 Nr. 4 RegE KonTraG 11/1997. 265 Art. 1 Nr. 19 BilReG 12/2004. 266 Wendlandt/Knorr KoR 2004, S.45, 48.

B. Die gesellschaftsrechtliche

Entscheidungsfehlerlehre

341

werden." 2 6 7 D a b e i wird ausdrücklich darauf hingewiesen, zur weiteren Vereinheitlichung und besseren Vergleichbarkeit der

Konzernlageberichterstattung

könne das D R S C beitragen. 2 6 8 I m H i n b l i c k auf die §§ 292a, 342 H G B wurden viele Fragen diskutiert; 2 6 9 wobei anzumerken ist, daß die sich um § 2 9 2 a H G B rankenden Fragen angesichts der Übergangsregelung in A r t . 5 7 f . E G H G B idF. von Art. 2 Nr. 5 B i l R e G 12/2004 nach wie vor relevant sind. H i e r ist allerdings nur eine Frage von Interesse, nämlich die Frage, was in diesen Vorschriften unter Rechnungslegungsgrundsätzen verstanden wird. D i e Bezugnahme des § 342 Abs. 2 H G B auf die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung im Sinne der § § 2 4 3 Abs. 1, 2 6 4 Abs. 2 Satz 1, 2 9 7 Abs. 2 Satz 2 H G B 2 7 0 spricht dafür, daß nur die Regelungen über die Aufstellung des Konzernabschlusses gemeint sind. D a ß die internationalen Rechnungslegungsstandards U S - G A A P und I A S / I F R S kein dem Lagebericht vergleichbares Berichtsinstrument kennen 2 7 1 und lediglich die Regulation S - K der S E C vergleichbare Offenlegungspflichten enthält, 2 7 2 spricht ebenfalls für diese Einschätzung.

Diese Auffassung hat zwei wichtige Konsequenzen. Z u m einen müssen

die U n t e r n e h m e n einen Konzernabschluß nach den internationalen Rechnungslegungstandards U S - G A A P oder I A S / I F R S und einen Konzernlagebericht nach § 3 1 5 H G B aufstellen, um die Befreiung nach § 2 9 2 a H G B in Anspruch nehmen zu können. 2 7 4 Diese Schlußfolgerung wird durch den neuen § 315a H G B idF. v o n Art. 1 Nr. 20 B i l R e G 12/2004 gestützt: Danach müssen die Unternehmen, die ihren Konzernabschluß nach den internationalen Rechnungslegungsstandards aufstellen, daneben einen Konzernlagebericht nach § 3 1 5 H G B offenlegen. Z u m anderen ist die Erarbeitung von Empfehlungen durch das D R S C - wie es der Rechtsausschuß des Bundestages formuliert hat - „ausdrücklich auf den K o n zernabschluß beschränkt," und zwar nicht zuletzt deshalb, weil „die E n t w i c k Begründung zu Art. 1 Nr. 19 iVm. Begründung zu Art. 1 Nr. 9b RegE BilReG 4/2004. Begründung zu Art. 1 Nr. 19 RegE BilReG 4/2004. 269 Moxter DB 1998, S. 1425ff.; Schildbach DB 1999, S.645ff.; Ebke ZIP 1999, S. 1193ff.; Pellens/Bonse/Gassen DB 1998, S. 785ff.; Weber BB 2001, S. 140ff.; Böcking/Orth DB 1998, S. 1873, 1875ff., 1877; Baetge/Krumnow/Noelle DB 2001, S.769ff. 270 Siehe dazu: Böcking/Orth DB 1998, S. 1873,1877; Pellens/Bonse/Gassen DB 1998, S. 785, 786ff.; Moxter DB 1998, S.1425, 1425f.; Ebke ZIP 1999, S. 1193, 1195. 271 Baetge/Krumnow/Noelle DB 2001, S. 769, 770 weisen daraufhin, daß jedoch „beide international akzeptierten Rechnungslegungskonzepte umfangreiche Angaben retrospektiver und prospektiver Art in den notes" vorsehen; Böcking/Orth DB 1998, S. 1873,1875,1876 merken auf S. 1875 an, daß „durch einzelne IAS im Lagebericht enthaltene Berichtsbestandteile verlangt werden." 272 Böcking/Orth DB 1998, S. 1873, 1875 bezeichnen die MD&A (Managemente Discussion and Analysis) „als dem deutschen Lagebericht ähnelnd", weil sie „im wesentlichen auch eine Einschätzung der künftigen Finanz- und Ertragslage ermöglichen soll." 273 Vgl. dazu: Schildbach DB 1999, S.645, 645, 645f., 646f., 648ff.; Pellens/Bonse/Gassen DB 1998, S. 785, 786ff.; Böcking/Orth DB 1998, S. 1873, 1877; Moxter DB 1998, S. 1425, 1425. 274 Baetge/Krumnow/Noelle DB 2001, S. 769,770; Böcking/Orth DB 1998, S. 1873,1876; Weber BB 2001, S. 140, 140f. 267 268

342

3. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des Aufsichtsrats

lung solcher Empfehlungen in engem Zusammenhang mit der internationalen Standardisierungsarbeit des IASC" stehen sollte. 275 Das DRSC ist dem gesetzgeberischen Auftrag, „Empfehlungen zur Anwendung der Grundsätze über die Konzernrechnungslegung" zu entwickeln, gefolgt und hat Deutsche Rechnungslegungsstandards/German Accounting Standards (DRS/GAS) erarbeitet. Zur Konkretisierung der neuen gesetzgeberischen Vorgaben in den §§297 Abs. 1, 315 Abs. 1 H G B wurden im Mai 2000 der DRS 2 (Kapitalflußrechnung) und der DRS 3 (Segmentberichterstattung), im Juni 2001 der DRS 5 (Risikoberichterstattung) und im Januar 2005 der DRS 15 (Lageberichterstattung) durch das Bundesministerium der Justiz nach §342 Abs. 2 H G B bekanntgemacht. Im Hinblick auf den DRS 5 (Risikoberichterstattung) ist anzumerken, daß in der Begründung zu §315 H G B idF. von Art. 1 Nr. 20 BilReG 12/2004 auf den DRS 15 (Lageberichterstattung) verwiesen wird. 276 Er enthält jedoch keine Regelung der „Berichterstattung über die Risiken der voraussichtlichen Entwicklung und die Risikoberichterstattung in bezug auf die Verwendung von Finanzinstrumenten", sondern verweist insoweit auf den DRS 5 (Risikoberichterstattung). 277 Neben diese vier traten insbesondere zwei weitere. Im Februar 2001 wurde der DRS 6 (Zwischenberichterstattung) bekanntgemacht, der sich auf die Verpflichtung zur Erstellung eines Zwischenberichts nach §44b BörsG iVm. den §§53-62 BörsZulV, den Börsenordnungen der regionalen Börsen und den Regelwerken der Deutschen Börse A G bezieht. 278 Er entspricht einer Empfehlung der Regierungskommission. 279 Im April 2002 wurde der DRS 11 (Berichterstattung über Beziehungen zu nahe stehenden Personen) bekanntgemacht. Er gleicht den Umstand aus, daß der Bericht des Vorstands über Beziehungen zu verbundenen Unternehmen mit Ausnahme der in den Lagebericht aufzunehmenden Schlußerklärung nur dem Aufsichtsrat zugänglich zu machen ist (§§312 Abs. 1 und Abs. 3, 314 Abs. 1 AktG). 2 8 0 Das D R S C hat sich allerdings nicht darauf beschränkt, die U S - G A A P oder die IAS/IFRS zu übernehmen, wie es in der Literatur gefordert worden war 281 und

275 Siehe dazu Moxter DB 1998, S. 1425,1425 und Schildbach DB 1999, S. 645, 645; a.A. wohl Weher BB 2001, S. 140ff. und Kajüter DB 2001, S. 105ff. 276 Begründung zu Art. 1 Nr. 19 RegE BilReG 4/2004. 277 Ziff. 83 des DRS 15. 278 Ziff. 3f. des DRS 6. Siehe dazu von Cölbe BB 2000, S.2194, 2194f., der kritisch anmerkt, daß der DRS 6 nicht für alle Konzerne gilt, die einen organisierten Markt iSd. §2 Abs. 5 WpHG durch von ihnen oder von ihren Tochterunternehmen ausgegebene Wertpapiere in Anspruch nehmen. Siehe dazu auch Ziff. 7.1.1 und 7.1.2 des Deutschen Kodex. 279 Rdn.269f. des Kommissionsberichts. 280 Schütte DB 2003, S.457, 457. 281 Siehe zu dieser Diskussion nur Schildbach DB 1999, S. 645, 645f., wonach das DRSC sich auf „eine Befürwortung der von den Standard-Setting-Bodies IASC und FASB verabschiedeten Standards beschränken" muß und Baetge/Krumnow/Noelle DB 2001, S. 769, 769f., 771, die die

B. Die gesellschaftsrechtliche

Entscheidungsfehlerlehre

343

dem gesetzgeberischen Ziel einer Anpassung an internationale Standards entsprochen hätte. 2 8 2 Es hat vielmehr German G A A P geschaffen. So führt der D R S 2 ( K a pitalflußrechnung) „zu einer Abkopplung einer deutschen Variante der Kapitalflußrechnung von den gültigen internationalen Standards und damit zu einer ,hausgemachten Abweichung' von den internationalen Grundsätzen." 2 8 3 D e r D R S 3 (Segmentberichterstattung) stellt „eine sachlich wenig sinnvolle Mixtur von Elementen unterschiedlicher K o n z e p t i o n e n " - der des Statement of Financial Accounting Standards (im folgenden S F A S ) 131 und der des International A c counting Standards (im folgenden I A S ) bzw. des International Financial R e p o r ting Standards (im folgenden I F R S ) 14 - „dar." 2 8 4 In dem D R S 15 (Lageberichterstattung) wird der Versuch des D R S C gesehen, Einfluß auf das Vorhaben des International Accounting Standards Board (im folgenden I A S B ) zu nehmen, die im H i n b l i c k auf ein dem Lagebericht vergleichbares Berichtsinstrument bestehende Regelungslücke durch das P r o j e k t M a n a g e m e n t s Discussion and Analysis ( M D & A ) mittelfristig zu schließen. 2 8 5 D e r D R S 6 (Z wischenberichterstattung) bleibt „mit seinen geforderten Bestandteilen hinter der internationalen E n t w i c k lung zurück." 2 8 6 D e r D R S 11 (Berichterstattung über Beziehungen zu nahe stehenden Personen) „scheint nicht zuletzt aufgrund fehlender Konkretisierungen bzw. der Schaffung neuer ,unbestimmter Rechtsbegriffe' und teilweiser A b w e i chungen von den I A S - N o r m e n ... weniger übersichtlich und operationalisierbar als der I A S Gegenpart." 2 8 7 Lediglich im H i n b l i c k auf den D R S 5 (Risikoberichterstattung) ist festzustellen, daß es zwar „an vergleichbaren Regelungen in den I A S und - p a u s c h a l b e t r a c h t e t - auch in den U S - G A A P " fehlt, jedoch „die „Regulation S - K der S E C durchaus im einzelnen vergleichbare Regelungen" vorsieht. 2 8 8 Ansicht vertreten, deutsche Standards mit höheren Qualitätsanforderungen sollten bei der Fortentwicklung der IAS Berücksichtigung finden. 282 Vgl. von Cölbe BB 2000, S.2194, 2195. 283 Von Wysocki DB 1999, S. 2373,2376. In dem IDW RS HFA 1 heißt es, im Rahmen der Darstellung der Finanzlage könne im Hinblick darauf, daß sie über die Einzelangaben im Jahresabschluß hinaus ein Gesamtbild der finanziellen bzw. liquiditätsmäßigen Verhältnisse erkennen lassen solle, eine Kapitalflußrechnung aufgenommen werden. Diese Anforderungen würden jedoch im Hinblick auf den Konzernlagebericht nach §315 HGB wegen §297 Abs. 1 Satz 2 HGB nicht gelten; Ziff. 27, 51 und Teil B. 2 der Anlage. 284 Mujkanovic AG 2000, S. 122,126. Siehe dazu auch Naumann BB 1999, S.2288, 2291 und Baetge/Krumnow/Noelle DB 2001, S. 769, 770f. sowie - zur externen Prüfung - Geiger BB 2002, S. 1903, 1903 ff. 285 Kirsch/Scheele BB 2003, S.2733, 2733. 286 Von Cölbe BB 2000, S.2194, 2195. 287 Schütte DB 2003, S.457, 461. 288 Weber BB 2001, S. 140,144. Siehe dazu auch Baetge/Krumnow/Noelle DB 2001, S. 769,772 („Allerdings werden gewisse ähnliche Risikoinformationen wie nach E-DRS 5 von an der NYSE gelisteten Unternehmen nach den Vorschriften der SEC in der Management Discussion and Analysis (MD&A) verlangt.") und Kajüter/Winkler KoR 2003, S.217,226 („Die US-GAAP und IAS wurden zwar in den vergangenen Jahren durch eine Reihe von Einzelvorschriften zur Offenlegung von Risiken ergänzt, einen geschlossenen Risikobericht sehen diese Rechnungslegungssysteme indes nicht vor").

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3. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des Aufsichtsrats

Das D R S C versteht seine (selbstdefinierte) Aufgabe der „Ermittlung, Festsetzung und Auslegung der deutschen Standards der Rechnungslegung" 2 8 9 überdies in einem über den Konzernabschluß hinausgehenden Sinne. Dies belegen der D R S 5 (Risikoberichterstattung) und der D R S 15 (Lageberichterstattung), die den Konzernlagebericht nach § 315 H G B betreffen, 2 9 0 aber auch der D R S 6 (Zwischenberichterstattung), weil er lageberichtsbezogene Angaben enthält. (b) DRS 3 -

Segmentberichterstattung

D e r D R S 3 (Segmentberichterstattung) gleicht in vielerlei Hinsicht dem S F A S 131 2 9 1 und den daran anknüpfenden Offenlegungspflichten der S E C . 2 9 2 (aa)

Segmentierung

D e r D R S 3 legt operative Segmente im Sinne des S F A S 131 zugrunde: „Ein operatives Segment ist ein Teil eines Unternehmens, a) der geschäftliche Tätigkeiten entfaltet, die potentiell oder tatsächlich zu externen bzw. intersegmentären U m satzerlösen führen, und b) der regelmäßig von der Unternehmensleitung überwacht wird, um seine wirtschaftliche Lage zu beurteilen." 2 9 3 Dies geschieht unter der Prämisse, daß die sich „aus der internen Organisations- und Berichtsstruktur des U n t e r n e h m e n s " ergebende Segmentierung „auf die unterschiedlichen C h a n cen und Risiken der Aktivitäten des Unternehmens abstellt." Danach werde „sich in der Regel eine produktorientierte oder eine geographische Segmentierung er289 Siehe dazu Ebke ZIP 1999, S. 1193,1196, der auf S. 1195 anmerkt, daß das DRSC nach dem ausdrücklichen gesetzgeberischen Willen (eigentlich) darauf beschränkt ist, den Inhalt der Grundsätze über die Konzernrechnungslegung im Wege der Auslegung zu ermitteln. 290 Nach Ziff. 8 des DRS 5 wird zudem „eine entsprechende Anwendung dieses Standards auf den Lagebericht nach §289 Abs. 1 2. Hs. HGB ... empfohlen"; siehe dazu Weber BB 2001, S. 140, 141. In gleicher Weise wird nach Ziff. 5 des DRS 15 „eine entsprechende Anwendung dieses Standards auf den Lagebericht gemäß §289 HGB ... empfohlen." 291 Baetge/Krumnow/Noelle DB 2001, S.769, 770f.; Mujkanovic AG 2000, S.122ff.; Naumann BB 1999, S.2288ff. 292 SEC, Proposed Rule: Segment Reporting. 293 Ziff. 8 des DRS 3. Vgl. dazu SEC, Proposed Rule: Segment Reporting, II. A: „ Specifically, SFAS No. 131 states that an operating segment is a component of a business, that engages in activities from which it may earn revenues and incur expenses (including revenues and expenses relating to transactions with other components of the same business); whose operating results are regularly reviewed by the enterprise's,chief operating decision maker' to make decisions about resources to be allocated to the segment and assess its performance, and for which discrete information is available. Under SFAS No. 131, a company generally must report separately information about an operating segment that meets any of the following thresholds: Its reported revenue, including both sales to external customers and intersegment sales and transfers, is 10 percent or more of the combined revenue of all reported operating segments, whether generated inside or outside of the company; Its reported profit or loss is 10 percent or more of the greater of: (1) the combined reported profit of all operating segments that did not report a loss or (2) the combined reported loss of all operating segments that did report a loss; or Its assets are 10 percent or more of the combined assets of all operating segments."

B. Die gesellschaftsrechtliche

Entscheidungsfehlerlehre

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geben." Dies geschieht weiter mit der Maßgabe, daß „die Unternehmensleitung," wenn „in der internen Organisations- und Berichtsstruktur mehrere Segmentierungen bestehen," die Segmentierung zu wählen hat, „die annahmegemäß die C h a n c e n - und Risikostruktur des Unternehmens am besten widerspiegelt." 2 9 4 Darin liegt eine Verbindung des Management Approach des S F A S 131 (Abgrenzung nach der internen Segmentierung für operative Entscheidungen und den internen wirtschaftlichen Bewertungen) und des Risks and Rewards Approach des I A S / I F R S 14 (Abgrenzung nach der marktbezogenen C h a n c e n - und Risikostruktur - Berichterstattung über business segments und geographical segments). 2 9 5 Es werden zudem - unter bestimmten Voraussetzungen - Angaben über P r o dukt- oder Dienstleistungsgruppen, unternehmensrelevante geographische R e gionen und externe Kunden verlangt: „Soweit ein primär anzugebendes Segment nicht produktorientiert abgegrenzt ist, sind die Umsatzerlöse je Produkt- oder Dienstleistungsgruppe in einem Betrag anzugeben. Entsprechendes gilt für das Segmentvermögen und die Investitionen in das langfristige Vermögen. Soweit ein primär anzugebendes Segment produktorientiert oder nach anderen Kriterien abgegrenzt ist, sind für die unternehmensrelevanten geographischen Regionen zumindest die Umsatzerlöse, abgegrenzt nach Standort der Kunden, sowie das Vermögen und die Investitionen in das langfristige Vermögen, abgegrenzt nach Standort des Vermögens, anzugeben ... Übersteigen die Umsatzerlöse mit einem externen Kunden 1 0 % der gesamten externen und intersegmentären A u ß e n u m satzerlöse, sind zumindest die Größenordnung sowie die betroffenen Segmente anzugeben." 2 9 6 294 Ziff. 8, 9ff. des DRS 3. Siehe auch Ziff. 2 des DRS 3: „Die so gekennzeichneten Geschäftsfelder haben in der Regel unterschiedliche Rentabilität, Wachstumschancen und Zukunftsaussichten oder weisen spezifische Chancen und Risiken auf. Entsprechend gegliederte Informationen erlauben daher eine bessere Einschätzung der Risiken und Ertragsaussichten eines Unternehmens ..." 295 Baetge/Krumnow/Noelle DB 2001, S.769, 771; Mujkanovic AG 2000, S.122, 123, 123f., 124f., der darauf hinweist, „daß entgegen der wohlüberlegten Vorgehensweise des US-amerikanischen Standard Setters keine Einengung der berichtspflichtigen Segmente auf diejenigen vorgenommen wird, für die zuverlässige Daten vorliegen"; Naumann BB 1999, S.2288, 2289f. Siehe dazu auch: Nardmann BB 2003, S.1947, 1947f.; Kirsch DB 2001, S. 1513, 1513; Coenenherg/ Mattner BB 2000, S. 1827,1827. Siehe zu SFAS 131 nurS£C, Proposed Rule: Segment Reporting, II. A und zu IAS/IFRS 14 nur Pejic DB 2038, 2039f. 296 Ziff. 38ff. des DRS 3. Siehe dazu Mujkanovic AG 2000, S. 122,125 (der anmerkt, daß diese „Vorgehensweise, die auch der U.S. amerikanische Standard Setter bei seiner Umsetzung des Management Approach in SFAS 131 gewählt hat und die als ,spray and pray' kommentiert wurde, ... heißt, überschütte den Adressaten mit Daten, dann wird schon irgendetwas Passendes dabei sein") und Naumann BB 1999, S.2288, 2290, die beide den Ansatz des IAS/IFRS 14 für vorzugswürdig halten, wonach eine Berichterstattung über business segments und geographical segments vorzunehmen und zwischen einem primären Berichtsformat (mit hohen Offenlegungspflichten) und einem sekundären Berichtsformat (mit geringen Offenlegungspflichten) zu unterscheiden ist; siehe dazu auch Pejic DB 1997, S. 2038, 2039f.

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3. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des

Aufsichtsrats

Dies entspricht den Offenlegungspflichten der SEC. Sie erfordern anders als SFAS 131 „a discussion, b y segment of the principal products produced and services rendered b y the issuer, as well as the principal markets f o r and methods of distribution of each segment's products and services." Sie verlangen mit den „amounts of revenues f r o m each class of similiar products and services based on quantitative thresholds" unter engeren Voraussetzungen mehr Angaben als SFAS 131 („revenues f r o m external customers f o r each product and service or each group of similiar products and services unless its impracticable to do so"). Sie f o r dern wie SFAS 131 bestimmte Angaben im Hinblick auf the issuer's country of domicile („all foreign countries, in total; an individual foreign country, if material"). Sie sehen mit der identity mehr Angaben im Hinblick auf major customers als SFAS 131 v o r („amount of revenues f r o m each external customer that amounts to 10 percent or more of its revenue as well as the identity of the segment(s) reporting the revenues"). 297 Diese Segmentierung liegt durchaus auf der Linie der Vorschläge des Special Committee. Sie gehen zwar nicht von operating segments, sondern v o n industry segments aus. Sie fordern jedoch, daß „industry segments f o r business reporting are defined in a manner consistent with the companies' definitions for internal reporting to senior management or the board of directors." Sie gehen überdies dav o n aus, daß „many, if not most, companies manage their businesses and develop internal financial reports along industry lines." Geographic segment information solle nur gegeben werden, „if that information is useful to users in understanding opportunities and risks that a segment faces." 298

SEC, Proposed Rule: Segment Reporting, II.A. l.a, II.B. AICPA, Jenkins-Report, chapter 3, p. 3ff., 17, chapter 5, p.8f., chapter 6, p.2ff. („Recommendation 1: Improve disclosure of business segment information ... Basis of segmentation ... The goal of segment reporting is to provide additional insight into the opportunities and risks a company faces. Thus, in concept, companies should determine the segments to be reported based on opportunities and risks: those activities having similiar opportunities and risks should be aggregated while those having diverse opportunities and risks should be reported as separate segments ... The Committee believes the primary means to improving industry segment reporting should be to align business reporting with internal reporting... information about groups of related products and services on which senior management or board members choose to focus in analyzing a company's performance and managing and overseeing a company's operations. Users also would benefit from reporting on those segments because of the insight it would provide into a company's opportunities and risks ... Because the usefulness of geographic segment information varies, the Committee recommends flexible standards. Those standards should: Require geographic segment information only when it provides insight into the opportunities and risks a company faces. Align geographic segment information reported internally to senior management or the board of directors, to the extent possible. Require that companies consider disclosing geographic segment information based on market locations or operating locations, or both, depending on which provides insight into opportunities and risks.), chapter 6, p.29f., Appendix I, p. 1, Appendix II, p. 2, 3, 4f., 9ff. - I (A) 7. 297 298

B. Die gesellschaftsrechtliche

(bb)

Entscheidungsfehlerlehre

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Segmentinformationen

Von dem D R S 3 werden schließlich nahezu alle der von SFAS 131 geforderten betragsmäßigen Segmentinformationen (einschließlich der Überleitungsrechnungen) verlangt: „Für jedes anzugebende Segment und die zusammengefaßten sonstigen Segmente sind anzugeben: a) Umsatzerlöse unterteilt nach Umsatzerlösen mit Dritten und mit anderen Segmenten, b) Segmentergebnis sowie die darin enthaltenen aa) Abschreibungen, bb) andere nicht zahlungswirksame Posten, cc) Ergebnis aus Beteiligungen an assoziierten Unternehmen, dd) Erträge aus sonstigen Beteiligungen, c) Vermögen einschließlich der Beteiligungen, d) Investitionen in das langfristige Vermögen, e) Schulden. Wird als Segmentergebnis das Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit ausgewiesen, sind zusätzlich Zinsertrag und Zinsaufwand anzugeben. Wird als Segmentergebnis das Periodenergebnis ausgewiesen, sind zusätzlich Zinsertrag, Zinsaufwand und Ertragssteuern anzugeben ... Finanzschulden und entsprechende Zinsaufwendungen sind nur insoweit anzugeben, als sie den Segmenten für die interne Steuerung zugeordnet sind. Es wird empfohlen, zusätzlich den Cashflow aus laufender Geschäftstätigkeit je Segment anzugeben. In einem solchen Fall kann auf die Angabe der Abschreibungen sowie anderer wesentlicher nicht zahlungswirksamer Posten ... verzichtet werden ... Die Gesamtbeträge der a) Segmentumsatzerlöse, b) Segmentergebnisse, c) Segmentvermögen, d) Segmentschulden sowie e) sonstigen wesentlichen Segmentposten sind auf die entsprechenden Abschlußzahlen überzuleiten. Wesentliche Überleitungsposten sind anzugeben und zu erläutern." 2 9 9 Der D R S 3 bleibt allerdings zum einen hinter dem SFAS 131 zurück, weil die unusual and extraordinary items und damit vor allem die ungewöhnlichen und außerordentlichen Erträge und Aufwendungen nicht berichtspflichtig sind; dies entspricht dem IAS/IFRS 14. Der D R S 3 geht auf der anderen Seite aber über den SFAS 131 hinaus, und zwar insbesondere im Hinblick auf den segmentbezogenen Cashflow; dies entspricht wiederum dem I A S / I F R S 14. 300 2 9 9 Ziff. 3Iff., 35f., 37 des D R S 3. Vgl. dazu SEC, Proposed Rule: Segment Reporting, II. A: „SFAS No. 131 requires that a company provides for each reportable segment quantitative disclosure of two basic items - total assets and a measure of profit or loss ... companies must disclose the following items for each segment, but only if management includes them in measuring segment profit or loss: revenues from other operating segments; interest income; interest expense; depreciation, depletion, and amortization; unusual items; equity in net income of equity method investees; income taxes; extraordinary items, and significant non-cash items other than depreciation, depletion, and amortization. The company also must disclose for each segment the amount of investment in equity-method investees and total expenditures for additions to long-lived assets if it includes the amount in its determination of segment assets. The company must reconcile the totals of the reportable segments' amounts for all of these listed items to consolidated amounts." 3 0 0 Siehe dazu: Nardmann B B 2003, S. 1947,1949; Mi«mi.;Dörner/SchweglerDB 1997, S.285,286; Clemm ZGR 1980, S.455, 464f. Dem entsprach auch die Auffassung des I D W im Fachgutachten 1/1998 (Grundsätze ordnungsmäßiger Durchführung von Abschlußprüfungen), WPg 1989, S.9, lOf. 525 Art. 2 Nr. 6 und Nr. 9 KonTraG 4/1998 und Begründung zu Art. 2 Nr. 8 RegE KonTraG 11/ 1997. §321 Abs. 1 Satz 3 H G B wurde durch Art. 2 Nr. 14a TransPuG 7/2002 noch einmal geändert; siehe dazu Begründung zu Art.2 Nr. 14 RegE TransPuG 2/2002: „Die mit dem KonTraG eingefügte ,Negativerklärung' wird zugunsten einer ,Positiverklärung' ersetzt. Demzufolge hat der Prüfer künftig nicht mehr zu berichten, ,ob' er bei Durchführung seiner Prüfung Unrichtig-

B. Die gesellschaftsrechtliche

Entscheidungsfehlerlehre

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Diese Gesetzesänderungen dienten dem erklärten Ziel, einen Grundsatz, der internationalen Maßstäben entspricht, zum gesetzlichen Maßstab werden zu lassen, und zwar, um die Qualität der Prüfung abzusichern und - wo nötig - zu verbessern. 526 Ihnen lag - ganz ähnlich wie im U . S . amerikanischen Recht 5 2 7 - auch keiten oder Verstöße gegen gesetzliche Vorschriften oder aber bestandsgefährdende oder die Entwicklung des Unternehmens wesentlich beeinträchtigende Tatsachen festgestellt hat. Vielmehr hat der Prüfer künftig nur positiv über entsprechende Feststellungen zu berichten. Eine Einschränkung des Prüfungsinhalts ist damit nicht verbunden. In Erweiterung der bisherigen Regelung hat der Prüfer künftig aber nicht nur über Tatsachen zu berichten, die schwerwiegende Verstöße der gesetzlichen Vertreter oder Arbeitnehmer gegen Gesetz, Gesellschaftsvertrag oder Satzung ,darstellen', sondern bereits über solche Tatsachen, die entsprechende Verstöße erkennen lassen.' Eine rechtliche Subsumtion ist künftig nicht mehr in dem bisherigen Maß erforderlich." Siehe dazu Gross/Möller WPg2004, S. 317,318f. In der - als Teil des Bestätigungsvermerks zugleich eingeführten - problemorientierten Beurteilung des Prüfungsergebnisses nach § 322 Abs. 1 Satz 2 iVm. § 322 Abs. 2 und Abs. 3 H G B idF. von Art. 2 Nr. 10 KonTraG 4/1998 ist auf Risiken, die den Fortbestand des Unternehmens gefährden, gesondert einzugehen (§322 Abs. 2 Satz 2 H G B idF. von Art.2 Nr. 10 KonTraG 4/1998). §322 H G B ist durch das Bilanzrechtsreformgesetz neu gefaßt worden. Die problemorientierte Beurteilung des Prüfungsergebnisses ist nun in § 322 Abs. 1 Satz 2 iVm. § 322 Abs. 2 Satz 2 bis Satz 4 und Abs. 6 H G B geregelt. Der neue § 322 Abs. 2 Satz 2 H G B lautet: „Auf Risiken, die den Fortbestand des Unternehmens oder eines Konzernunternehmens gefährden, ist gesondert einzugehen. Auf Risiken, die den Fortbestand eines Tochterunternehmens gefährden, braucht im Bestätigungsvermerk zum Konzernabschluß des Mutterunternehmens nicht eingegangen werden, wenn das Tochterunternehmen für die Vermittlung eines den tatsächlichen Verhältnissen entsprechenden Bildes der Vermögens-, Finanzund Ertragslage des Konzerns nur von untergeordneter Bedeutung ist"; §322 Abs. 2 Satz 3 und Satz 4 H G B idF. von Art. 1 Nr. 27 BilReG 12/2004. Begründung zu Art.2 Nr.5 RegE KonTraG 11/1997. In den Vereinigten Staaten wird es seit langem als Aufgabe der certified public accountants angesehen, diejenigen Umstände aufzudecken, die sich der family of fraud zuordnen lassen, und - eng damit zusammenhängend, da gerade diese Umstände indizieren können, daß die den financial statements als Bewertungsgrundsatz zugrundezulegende going concern assumption nicht gerechtfertigt ist (Rigos, The family of fraud and the CPA) - eine Evaluation vorzunehmen „of whether audit procedures have identified conditions or events that, in the aggregate, indicate that there could be substantial doubt concerning entity continuity" (Goldstein, Documenting Compliance with SAS 59). Diese Entwicklung läßt sich sehr gut anhand der Statements on Auditing Standards nachvollziehen. Bereits aus dem April 1988 stammen SAS 53 (The Auditor's Responsibility to Detect and Report Errors and Irregularities) - „The audit must be designed to provide reasonable assurances that any material errors and irregularities will be detected. This includes intentional or unintentional misstatement (falsification, alteration or manipulation) by management or omissions. Misappropriation of assets (embezzlement) by employees is also covered under the standard." - und SAS 54 (Illegal Acts by Clients) - „SAS 54 creates an affirmative duty of the auditor to detect client-originated illegal acts that have a material effect on the financial statements. This duty relates more to financing and accounting aspects than operating areas. This standard refers to violations of laws or government regulations and directs the auditor to understand those that apply to the entity. The question of whether an act is, in fact, illegal, may be beyond the auditor's professional competence. This determination would generally be based on the advice of an informed expert qualified to practice law in the jurisdiction. The standard does not adress whether the auditor should retain counsel to make his evaluation or can rely upon the opinion of the client's attourney." - sowie SAS 59 (The Auditor's Consideration of an Entity's Ability to Continue as a Going Concern) - „GAAP and the historical cost-based valuation method assume the enterprise is a,going concern' ... Going-Concern Assumption: SAS 59 requires the au526 527

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3. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des

Aufsichtsrats

die Erwägung zugrunde, daß Unrichtigkeiten und Rechtsverstöße eine Bestandsoder Entwicklungsgefährdung indizieren und damit die nach § 2 5 2 Abs. 1 Nr. 2 H G B bei der Bewertung der im Jahresabschluß ausgewiesenen Vermögensgegenstände und Schulden zugrundezulegende going concern assumption in Frage stellen können. 5 2 8

(bb)

Zukunftsorientierung

Durch das Kontroll- und Transparenzgesetz und das Bilanzrechtsreformgesetz w u r d e die Prüfung des Lageberichts/Konzernlageberichts deutlich problem- und insbesondere zukunftsorientierter ausgestaltet. Der Gesetzgeber legte die Grundlage dafür, indem er die zukunftsorientierte Ausrichtung des Lageberichts/des Konzernlageberichts verstärkte. Es w u r d e zunächst vorgeschrieben, daß im Lagebericht/Konzernlagebericht „auch auf die Risiken der künftigen Entwicklung" einzugehen ist (§§289 Abs. 1 , 3 1 5 Abs. 1 H G B idF. von A r t . 2 Nr. 3 und Nr. 5 KonTraG 4/1998). Die Zukunftsorientierung des Lageberichts w u r d e dann weiter verstärkt. Nach den § § 2 8 9 A b s . l Satz 4, 3 1 5 Abs. 1 Satz 5 H G B idF. v o n A r t . 1 Nr. 9 und Nr. 19 BilReG 12/2004 „ist im Lagebericht/Konzernlagebericht die voraussichtliche Entwicklung mit ihren wesentditor to evaluate whether there is a substantial doubt the enterprise will be in business a year hence. SSAR 7 applies the going-concern question to reviews and compilations. If serious insolvency warnings exist, the CPA should inquire about correction plans. If they are insufficient, the CPA should make disclosure in the financial statements including an additional final paragraph in the opinion to reflect this concern. If management will not approve sufficient disclosures, the auditor should issue either a qualified or an adverse opinion." Im Februar 1997 wurde SAS 53 durch SAS 82 (Consideration of Fraud in a Financial Statement Audit) - „SAS 82 specifies that management's characteristics and influence over the control environment is the first risk factor category. The second factor is industry conditions involving the economy and the firm's regulatory environment. The client's operating characteristics and financial stability is the third factor ... The CPA's professional skepticism must now specifically include a fraud risk assessment focused on the control risk factors of the client. If there is a heightened risk of fraud, tests of revenue recognition, verification of asset additions, etc., is affirmatively required." - noch einmal deutlich verschärft. Siehe dazu Rigos, The family of fraud and the CPA, sowie zu SAS 53 und SAS 54 und den daran angelehnten ISA 240 (Fraud and Error) und ISA 250 (Consideration of Laws and Regulations in an Audit of Financial Statements) Lenz/Ostrowski BB 1997, S. 1523, 1526. 528 Bei einer sachgerechten Auslegung der Vorschriften zur Berichterstattung und Prüfung mußte der Abschlußprüfer allerdings auch schon vor dem Kontroll- und Transparenzgesetz prüfen, „ob mit der Unternehmensfortführung zu rechnen ist. Denn ohne eine Urteil hierüber kann der Prüfer nicht beurteilen, ob der normalerweise anzuwendenden Bewertung unter der Prämisse der Fortführung der Unternehmenstätigkeit... nicht tatsächliche oder rechtliche Gegebenheiten entgegenstehen' (§252 Abs. 1 Nr. 2 HGB), ob der Jahresabschluß/Konzernabschluß ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage vermittelt (§§264 Abs. 2 Satz 1, 297 Abs. 2 Satz 2, 317 Abs. 1 Satz 2, 321 Abs. 1 Satz 2, 322 Abs. 1 HGB), ob nicht... die voraussichtliche Entwicklung der Kapitalgesellschaft/des Konzerns irreführend dargestellt wird (§§289 Abs. 2 Nr. 2,315 Abs. 2 Nr. 2,317 Abs. 1 Satz 3,321 Abs. 1 Satz 2 HGB), ob er wegen Bestandsgefährdung der geprüften Unternehmung die Redepflicht gemäß §321 Abs.2 HGB zu erfüllen hat."; Rückle zfbf Sonderheft 36.96, S. 107, 129ff.

B. Die gesellschaftsrechtlicbe

Entscbeidungsfehlerlehre

417

liehen C h a n c e n und Risiken zu beurteilen und zu erläutern; zugrundeliegende Annahmen sind anzugeben." M i t den § § 2 8 9 Abs. 2 Nr. 2, 315 Abs. 2 Nr. 2 H G B idF. von A r t . 1 Nr. 9 und Nr. 19 R e g E B i l R e G 4 / 2 0 0 4 kam eine „Finanzinstrumente betreffende Risikoberichterstattung" 5 2 9 hinzu. 5 3 0 D e r Lagebericht/Konzernlagebericht ist seither nicht mehr nur darauf zu prüfen, o b er mit dem Jahresabschluß/Konzernabschluß in Einklang steht, sondern auch darauf, o b er „mit den bei der Prüfung gewonnenen Erkenntnissen des A b schlußprüfers in Einklang" steht. Es genügt auch nicht mehr zu prüfen, o b die sonstigen Angaben im Lagebericht/Konzernlagebericht nicht eine falsche Vorstellung von der Lage des U n t e r n e h m e n s / K o n z e r n s erwecken. Vielmehr m u ß jetzt festgestellt werden, o b „der Lagebericht insgesamt eine zutreffende Vorstellung von der Lage des Unternehmens und der Konzernlagebericht insgesamt eine zutreffende Vorstellung von der Lage des K o n z e r n s vermittelt" und „ob die Chancen und Risken der künftigen Entwicklung zutreffend dargestellt sind" ( § 3 1 7 A b s . 2 H G B idF. von A r t . 2 N r . 6 K o n T r a G 4 / 1 9 9 8 , Art. 1 N r . 2 1 b B i l R e G 12/2004). D e r Gesetzgeber hat darauf hingewiesen, daß es sich insbesondere bei der Darstellung der künftigen Entwicklung sowie der Risiken dieser E n t w i c k lung u m prognostische Einschätzungen handelt. D e r Abschlußprüfer könne sich nur eine hinreichende Gewißheit darüber verschaffen, o b die grundlegenden A n nahmen realistisch und in sich widerspruchsfrei sind und Prognoseverfahren richtig gehandhabt wurden. E s handele sich somit weitgehend um eine Plausibilitätsprüfung. 5 3 1 D e r Abschlußprüfer hat im Prüfungsbericht nach § 321 Abs. 1 Satz 2 H G B nun vorweg zu der Beurteilung der Lage des Unternehmens oder Konzerns durch die gesetzlichen Vertreter Stellung zu nehmen. D a b e i ist insbesondere auf die B e u r teilung des Fortbestandes und der künftigen Entwicklung des Unternehmens unter Berücksichtigung des Lageberichts und bei der Prüfung des K o n z e r n a b schlusses von Mutterunternehmen auch des K o n z e r n s unter Berücksichtigung des Konzernlageberichts einzugehen, soweit die geprüften Unterlagen und der Lagebericht oder der Konzernlagebericht eine solche Beurteilung erlauben. 5 3 2 Begründung zu Art. 9b RegE BilReG 4/2004. Siehe zu diesen Neuregelungen bereits oben S. 340f., 350, 353f., 357. 531 Begründung zu Art. 2 Nr. 5 RegE KonTraG 11/1997. 5 3 2 Art. 2 Nr. 9 KonTraG 4/1998. Der Abschlußprüfer hat des weiteren in der - als Teil des Bestätigungsvermerks zugleich eingeführten - problemorientierten Beurteilung des Prüfungsergebnisses nach §322 Abs. 1 Satz 2 iVm. §322 Abs. 2 und Abs. 3 H G B idF. von Art. 2 Nr. 10 KonTraG 4/1998 darauf einzugehen, ob der Lagebericht/Konzernlagebericht insgesamt nach der Beurteilung des Abschlußprüfers eine zutreffende Vorstellung von der Lage des Unternehmens/ Konzerns vermittelt und die Risiken der künftigen Entwicklung zutreffend dargestellt sind (§322 Abs.3 H G B idF. von Art.2 Nr. 10 KonTraG 4/1998). §322 H G B ist durch das Bilanzrechtsreformgesetz neu gefaßt worden. Die problemorientierte Beurteilung des Prüfungsergebnisses ist nun in §322 Abs. 1 Satz 2 iVm. §322 Abs. 2 Satz 2 bis Satz 4 und Abs. 6 H G B geregelt. Der neue §322 Abs. 6 H G B lautet: „Die Beurteilung des Prüfungsergebnisses hat sich auch darauf zu erstrecken, ob der Lagebericht oder der Konzernlagebericht nach dem Urteil des Ab529 530

418

3. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des Aufsichtsrats

D e r Gesetzgeber spricht von einer selbständigen Beurteilung durch den A b schlußprüfer. 5 3 3 Diese Gesetzesänderungen dienten dem erklärten Ziel, sicherzustellen, daß der Aufsichtsrat künftig umfassender über die Lage des U n t e r n e h m e n s / K o n z e r n s und dessen mögliche Gefährdung unterrichtet wird. Überdies sollte die Prüfung des Lageberichts stärker an die Erwartungen der Öffentlichkeit angepaßt werden. 5 3 4 (cc)

Risikoorientierung

D e r Abschlußprüfer hat seit dem K o n t r o l l - und Transparenzgesetz auch zu beurteilen, ob der Vorstand die ihm nach § 9 1 Abs. 2 A k t G obliegenden M a ß n a h m e n in einer geeigneten F o r m getroffen hat und o b das danach einzurichtende U b e r wachungsystem seine Aufgaben erfüllen kann ( § 3 1 7 Abs. 4 H G B ) . E r hat im Prüfungsbericht das Ergebnis dieser Beurteilung darzustellen und darauf einzugehen, o b M a ß n a h m e n erforderlich sind, um das interne Überwachungssystem zu verbessern ( § 3 2 1 Abs. 4 H G B ) . 5 3 5 D e r Gesetzgeber hat hierzu ausgeführt, der Abschlußprüfer solle (lediglich) zu einem Urteil darüber gelangen, ob die erforderlichen M a ß n a h m e n getroffen und zweckentsprechend sind sowie wirksam ausgeführt werden und o b das Ü b e r w a chungssystem während des gesamten zu prüfenden Zeitraums bestanden hat. 5 3 6 Diese Gesetzesänderungen dienten ausdrücklich dem Z w e c k einer verbesserten Unterrichtung des Aufsichtsrats; es sollte sichergestellt werden, daß der A u f sichtsrat künftig ganz wesentliche Informationen und Erkenntnisse über mögliche Fehlerquellen und Schwachstellen im U n t e r n e h m e n erhält. 5 3 7

schlußprüfers mit dem Jahresabschluß und gegebenenfalls mit dem Einzelabschluß nach §325 Abs. 2a oder mit dem Konzernabschluß in Einklang steht und insgesamt ein zutreffendes Bild von der Lage des Unternehmens oder des Konzerns vermittelt. Dabei ist auch darauf einzugehen, ob die Chancen und Risiken der zukünftigen Entwicklung zutreffend dargestellt sind."; §322 Abs. 6 HGB idF. von Art. 1 Nr. 27 BilReG 12/2004. 533 Begründung zu Art.2 Nr.8 RegE KonTraG 11/1997. 534 Begründung zu Art.2 Nr.5, 8, 9 RegE KonTraG 11/1997; vgl. auch Begründung zu Art. 1 Nr. 9 RegE BilReG 4/2004. Siehe zu den Neuregelungen des KonTraG 4/1998: Rodewald BB 2001, S.2155, 2158f.; Pollanz DB 2001, S.1317, 1320; Günther/Beyer BB 2001, S.1623, 1628f., 1629; Lange BB 1999, S.2447, 2449,2452f.; Baetge DB 1998, S. 937,939ff., 943ff.; Böcking/Orth DB 1998, S. 1873, 1875; Dörner/Schwegler DB 1997, S.285, 286; Lenz/Ostrowski BB 1997, S. 1523, 1527; Küting/Hütten AG 1997, S.250, 251 ff.; Strie der/ Graf BB 1997, S. 1943, 1945. 535 Art.2 Nr.6 und Nr.9 KonTraG 4/1998. §317 Abs.4 HGB wurde durch das Transparenzund Publizitätsgesetz noch einmal geändert; Art. 2 Nr. 13 TransPuG 7/2002. Siehe dazu Begründung zu Art.2 Nr. 13 RegE TransPuG 2/2002: „Das Prüfungs- und Berichtserfordernis hinsichtlich eines vom Vorstand nach §91 Abs. 2 AktG einzurichtenden Risikoüberwachungssystems (§317 Abs.4, 321 Abs.4 HGB)" wird „auf alle (auch nicht amtlich) börsennotierten Aktiengesellschaften ausgedehnt." 536 Begründung zu Art.2 Nr.5 RegE KonTraG 11/1997. 537 Begründung zu Art.2 Nr.5 und Nr.8 RegE KonTraG 11/1997.

B. Die gesellschaftsrechtliche

(dd)

Entscheidungsfehlerlehre

419

Aufsichtsratsorientierung

D e r Abschlußprüfer hat seit dem Transparenz- und Publizitätsgesetz im H a u p t teil des Prüfungsberichts auch über Beanstandungen zu berichten, die nicht zur Einschränkung oder Versagung des Bestätigungsvermerks geführt haben, soweit dies für die Überwachung der Geschäftsführung und des geprüften U n t e r n e h mens von Bedeutung ist ( § 3 2 1 Abs. 2 Satz 2 H G B ) . 5 3 8 D e r Gesetzgeber wollte auch damit mehr R a u m für eine problemorientierte Darstellung geben. 5 3 9 Diese Regelung wird durch Ziff. 7.2.3 des Deutschen K o d e x flankiert. D a n a c h „soll" der Aufsichtsrat vereinbaren, daß der Abschlußprüfer über alle für die Aufgaben des Aufsichtsrats wesentlichen Feststellungen und Vorkommnisse unverzüglich berichtet, die sich bei der Durchführung der Abschlußprüfung ergeben. I n diesem Zusammenhang ist auch die zugleich erfolgte Neuregelung in § 3 2 1 Abs. 2 Satz 4 und Satz 5 H G B zu sehen, wonach auf wesentliche Bewertungsgrundlagen sowie darauf einzugehen ist, welchen Einfluß Änderungen in den B e wertungsgrundlagen einschließlich der Ausübung von Bilanzierungs- und B e wertungswahlrechten und der Ausnutzung von Ermessensspielräumen sowie sachverhaltsgestaltende Maßnahmen insgesamt auf die Darstellung der V e r m ö gens-, Finanz- und Ertragslage haben, und hierzu die Posten des Jahres- und Konzernabschlusses aufzugliedern und ausreichend zu erläutern sind. 5 4 0 D e n n auch diese Neuregelung dient ausschließlich dazu, den Prüfungsbericht stärker auf eine problemorientierte Unterstützung des Aufsichtsrats hin auszurichten und den Abschlußprüfer weiter als Helfer des Aufsichtsrats in die Pflicht zu nehmen. 5 4 1

(b) Ausformung der neuen gesetzlichen

Vorgaben

D e r Hauptfachausschuß des Instituts der Wirtschaftsprüfer hat diese gesetzlichen Neuregelungen im Sinne der gesetzgeberischen Vorstellungen in neuen I D W Prüfungsstandards ausgeformt ( I D W PS 210 vom 8. Mai 2 0 0 3 - Zur A u f deckung von Unregelmäßigkeiten im R a h m e n der Abschlußprüfung; I D W PS 2 7 0 v o m 8. Mai 2003 - D i e Beurteilung der Fortführung der Unternehmenstätigkeit im R a h m e n der Abschlußprüfung; I D W R S H F A 1 mit Stand v o m 26. J u n i 1998 - Aufstellung des Lageberichts; I D W PS 350 mit Stand v o m 26. J u n i 1998 Prüfung des Lageberichts; I D W PS 340 vom 25. Juni 1999 - D i e Prüfung des Risikofrüherkennungssystems nach § 3 1 7 A b s . 4 H G B ; I D W PS 2 6 0 vom 2. Juli 2001 - Das interne Kontrollsystem im R a h m e n der Abschlußprüfung; I D W PS 4 5 0 Art. 2 Nr. 14b TransPuG 7/2002. Begründung zu Art. 2 Nr. 14 RegE TransPuG 2/2002. Siehe dazu auch Rdn. 324 des Kommissionsberichts. 540 Art. 2 Nr. 14b TransPuG 7/2002. Siehe dazu bereits oben S.398 und Rdn. 292, 324 des Kommissionsberichts. 541 Gross/Möller WPg 2004, S. 317, 317, 319ff., 323f. 538

539

420

3. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des Aufsichtsrats

vom 29. September 2003 - Grundsätze ordnungsgemäßer Berichterstattung bei Abschlußprüfungen). D e r Hauptfachausschuß hat betont, daß der Prüfungsbericht den Aufsichtsrat bei seiner Überwachungsaufgabe unterstützen soll. 5 4 2 D e r Berichtspflicht nach § 3 2 1 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 H G B sei durch eine ausführlich geregelte „vorangestellte Berichterstattung" Rechnung zu tragen. 5 4 3 D i e Berichtspflicht nach § 3 2 1 Abs. 2 Satz 4 und 5 H G B wird eingehend konkretisiert. 5 4 4 Es wird eine kritische Grundhaltung des Abschlußprüfers gefordert, 5 4 5 aber auch betont, in der Tatsache, daß der Abschlußprüfer im Bestätigungsvermerk nicht auf bestandsgefährdende Risiken hingewiesen habe, könne keine Garantie dafür gesehen werden, daß die Fortführung der Unternehmenstätigkeit gesichert sei. 5 4 6 E r hat überdies in dem I D W PS 3 5 0 in Verbindung mit der Stellungnahme des Fachausschusses R e c h t F A R 1/1996 (Empfehlungen zur Uberschuldungsprüfung bei Unternehmen) und in dem I D W PS 2 6 0 mit Blick auf die Prüfung des R i sikofrüherkennungssystems nach dem I D W PS 340 klargestellt, daß nunmehr auch nicht rechnungslegungsbezogene Feststellungen zu treffen sind und insbesondere eine intensive Auseinandersetzung mit prognostischen Angaben vorzunehmen ist. 547 D a b e i zeigt sich eine deutliche Übereinstimmung mit den von dem A I C P A in dem S S A E 8 aufgestellten Anforderungen: „Die in den § § 3 1 7 , 321 und 322 H G B aufgestellten Anforderungen bewirken, daß sämtliche Angaben im L a gebericht in die Prüfung einzubeziehen sind. Bei prognostischen Angaben kann zwar nicht die Übereinstimmung

mit den Angaben

des Jahresabschlusses

geprüft

werden, wohl aber, ob sie mit dem Jahresabschluß in dem Sinne ,im Einklang

ste-

hendaß sie vor dem Hintergrund der Jahresabschlußangaben plausibel erscheinen, und ob die für die Prognoseerstellung grundlegenden Annahmen und Wirkungszusammenhänge, die Art der Schätzung sowie deren Zeithorizont hinreichend

erläutert

wurden

... hat der Abschlußprüfer auch zu beurteilen, o b der

Lagebericht die in dem I D W R S H F A 1 aufgeführten Pflichtangaben

vollständig

enthält." 5 4 8 542 Ziff. 1 des IDW PS 450 und Ziff. 2 des IDW PS 470. Siehe zu §321 Abs. 2 Satz 2 HGB die Ziff. 62 des IDW PS 450. 543 Ziff. 128ff., 35ff., 42ff. des IDW PS 450. Siehe dazu auch Ziff. 73ff., 77ff. des IDW PS 400. 544 Ziff. 74ff., 78ff., 89ff., 94ff., 97ff. des IDW PS 450. 545 Ziff. 16f. des IDW PS 200. Siehe dazu bereits Ziff. 73ff. des IDW PS 400. 546 Ziff. 14 des IDW PS 270. Kritisch zur gegenwärtigen Praxis Kajüter/Winkler WPg 2004, S.249, 249. 547 Ziff. 2f., 4ff., 13 ff. des IDW PS 350 und Ziff. 10 des IDW PS 260. 548 Ziff. 4,3 des IDW PS 350. Nach Ziff. 14 sind „bei wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Gesellschaft ... prognostische und wertende Angaben im Lagebericht besonders kritisch zu prüfen. In diesem Fall sind erforderlichenfalls die für die Uberschuldensprüfung entwickelten Grundsätze der (Prognose-) Prüfung von Unternehmenskonzepten heranzuziehen. Vor allem die Frage, ob die kurz- und mittelfristige Erfolgs- und Finanzplanung des Unternehmens, die der Aufrechterhaltung der Annahme der Unternehmensfortführung zugrundeliegt, realistisch ist, bedarf besonderer Aufmerksamkeit." Siehe dazu Teil2 des FAR 1/1996: „... sind die Uberlebenschan-

B. Die gesellschaftsrechtliche

(c) Weiterentwicklung

des gesetzgeberischen

Entscheidungsfehlerlehre

421

Ansatzes

Der Hauptfachausschuß hat darüberhinaus mit der Weiterentwicklung der prüfungsrisikoorientierten Abschlußprüfung zur geschäftsrisikoorientierten Abschlußprüfung 549 begonnen und das Geschäftsumfeld, die Geschäftsprozesse und die Geschäftsrisiken des Unternehmens (statt der Abschlußposten und Geschäftsvorfälle) in den Vordergrund des Prüfungsansatzes gerückt. 550 Er hat bereits im Jahr 1998 betont, daß bei der Einschätzung der Lage des Unternehmens die Rahmenbedingungen der Unternehmenstätigkeit, das Unternehmensumfeld, die unternehmensinternen Erfolgsfaktoren, die interne Organisation und Entscheidungsfindung, die Beziehungen zu Lieferanten, Abnehmern und Kapitalgebern sowie das Ansehen des Unternehmens in der Öffentlichkeit zu berücksichtigen sind. 551 Er hat im Jahr 1999 ausgeführt, daß für die Beurteilung der von der Unternehmensleitung getroffenen Maßnahmen nach § 91 Abs. 2 AktG die vom Abschlußprüfer im Rahmen seiner Prüfungsplanung erworbenen Kenntnisse der Geschäftstätigkeit und des wirtschaftlichen und rechtlichen Umfeldes von wesentlicher Bedeutung sind (insbesondere Kenntnisse über die wirtschaftliche Lage des Unternehmens und die Branche, in der das zu prüfende Unternehmen tätig ist, sowie spezifische Kenntnisse des Geschäftsbetriebes). 552 Er hat diesen Ansatz in den am 28. Juni 2000 verabschiedeten IDW PS 230 (Kenntnisse über die Geschäftstätigkeit sowie das wirtschaftliche und rechtliche Umfeld des zu prüfenden Unternehmens im Rahmen der Abschlußprüfung) 553 cen des Unternehmens in einer Fortbestehensprognose zu beurteilen. Dabei ist auszugehen von einem Unternehmenskonzept. Die zahlenmäßigen Auswirkungen der Umsetzung dieses Konzeptes werden in der Finanzplanung unter dem Gesichtspunkt der Liquidität abgebildet. Diese Finanzplanung bildet sodann die Grundlage zur Beurteilung der Fortbestehensprognose. Das Ergebnis der Fortbestehensprognose gibt Aufschluß darüber, ob das Unternehmen in der konzeptgemäßen Form fortgeführt werden kann." Siehe zu den Problemen der Prognoseprüfung auch Schmalenbach-Gesellschaft DB 2003, S. 105ff. (unter ausdrücklichem Bezug auf die Forderungen des Special Committee im Jenkins-Report) und Coelen/Schlecht KoR 2004, S. 60, 61 f., 62f., 63, 64f. (zu ISA 810). 549 Das Prüfungsrisiko ist das Risiko der Abgabe eines positiven Prüfungsurteils trotz vorhandener Fehler in der Rechnungslegung und setzt sich aus den Fehlerrisiken (inhärente Risiken: Anfälligkeit eines Prüffeldes für das Auftreten von Fehlern; Kontrollrisiken: Gefahr, daß die inhärenten Risiken durch das interne Kontrollsystem nicht verhindert oder aufgedeckt und korrigiert werden) und dem Entdeckungsrisiko (Risiko, daß der Abschlußprüfer durch seine aussagebezogenen Prüfungshandlungen Fehler in der Rechnungslegung nicht entdeckt) zusammen. Der Abschlußprüfer hat in Abhängigkeit davon, wie wirksam das interne Kontrollsystem auf die inhärenten Risiken reagiert, Art, Umfang und zeitlichen Ablauf der aussagebezogenen Prüfungshandlungen festzulegen oder anzupassen, um das Prüfungsurteil mit hinreichender Sicherheit treffen zu können. Siehe dazu Ziff. 23ff., 27ff. des IDW PS 260 und Ziff. 14ff., 18ff. des I D W PS 300. 550

Ruhnke DB 2002, S.437, 440. Ziff. lOf. des I D W PS 350. 552 Ziff. 20 des I D W PS 340. 553 Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, daß der I D W PS 230 dem International Standard on Auditing (ISA) N o . 310 (Knowledge of the Business) entspricht; Ziff 4 des I D W PS 230. 551

422

3. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des Aufsichtsrats

und I D W PS 2 4 0 (Grundsätze der Planung von Abschlußprüfungen) vertieft. E s werden ausdrücklich die Unternehmensrisiken und die Prüfungsrisiken als v o m Abschlußprüfer zu berücksichtigende Risikofaktoren angesprochen. 5 5 4 Spezifisches Wissen über die Geschäftstätigkeit des Unternehmens (insbesondere die Unternehmensstrategie, die Geschäftsrisiken, den Umgang mit den Geschäftsrisiken, die Abläufe bzw. Geschäftsprozesse im U n t e r n e h m e n ) sei erforderlich, und zwar insbesondere für (i) die Einschätzung von inhärenten Risiken und K o n trollrisiken, (ii) die Würdigung von Unternehmensrisiken und der diesbezüglichen Reaktionen der gesetzlichen Vertreter, (iii) die Beurteilung des Risikofrüherkennungssystems, (iv) die Würdigung von Schätzungen der gesetzlichen Vertreter, die sich in Jahresabschluß und Lagebericht niederschlagen einschließlich der Beurteilung der Unternehmensfortführungsannahme und der Risiken der künftigen Entwicklung, (v) die Beurteilung der Angemessenheit von Bilanzierungsund Bewertungsmethoden sowie von Angaben in Jahresabschluß und Lagebericht und (vi) das Erkennen ungewöhnlicher Umstände ( z . B . Hinweise auf Täuschungen, Vermögensschädigungen oder sonstige Gesetzesverstöße; U n s t i m migkeiten zwischen Unternehmensstatistiken und Angaben in Jahresabschluß oder Lagebericht). 5 5 5 D e r Hauptfachausschuß hat schließlich im J a h r 2001 ausgeführt, daß als A n satzpunkte zur Ausgestaltung des risikoorientierten Prüfungsansatzes vor allem die Systematik der Rechnungslegung (abschlußpostenorientierte Prüfung), die betrieblichen Funktionsbereiche (tätigkeitskreisorientierte Prüfung) sowie die Geschäftsrisiken (geschäftsrisikoorientierte Prüfung) in Betracht k o m m e n : 5 5 6 „Eine risikorientierte Prüfung kann an der Systematik der Rechnungslegung ansetzen oder von den Unternehmensfunktionen und -prozessen ausgehen. Bei einer Ausgestaltung des risikoorientierten Prüfungsansatzes, die sich an der Systematik der Rechnungslegung orientiert, werden die Prüffelder in Anlehnung an 554 Ziff. 15, 16 des IDW PS 240 („Zur Entwicklung der Prüfungsstrategie hat der Abschlußprüfer die Risikofaktoren (Unternehmensrisiken, Prüfungsrisiken) zu identifizieren und zu analysieren... Bei der Entwicklung der risikoorientierten Prüfungsstrategie sind vor allem folgende Aspekte zu berücksichtigen ...: Kenntnisse über das Unternehmen und seine Tätigkeit..., Verständnis für das rechnungslegungsbezogene interne Kontrollsystem..., Risiko- und Wesentlichkeitseinschätzungen . . A r t , zeitlicher Ablauf und Ausmaß der Prüfungshandlungen... Koordination, Leitung, Überwachung und Nachschau."); siehe dazu auch Ziff. 20 des IDW PS 200 und Ziff. 27-29, 38-40 des IDW PS 260. 555 Ziff. 2,7 des IDW PS 230. Der IDW PS 230 enthält einen ausführlichen Anhang „Relevante Aspekte im Zusammenhang mit den Kenntnissen über die Geschäftstätigkeit sowie das wirtschaftliche und rechtliche Umfeld des Unternehmens", der zwischen gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen, Branchenentwicklung mit Einfluß auf das Unternehmen und unternehmensspezifischen Merkmalen (Eigentümerstruktur; Führung und Überwachung des Unternehmen; Geschäftsaktivitäten - Produkte, Märkte, Zulieferer, Aufwandsstruktur; finanzielle Leistungskraft - Analyse von für die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage bedeutsamen Einflußfaktoren; Externe Faktoren von wesentlichem Einfluß auf die Berichterstattung des Unternehmens; rechtlicher Rahmen) unterscheidet. 556

Siehe dazu Ruhnke DB 2002, S.437, 438.

B. Die gesellschaftsrechtliche

Entscheidungsfehlerlehre

423

die Posten und Angaben der Rechnungslegung und deren Zusammenhänge untereinander bestimmt. Bei funktionsorientierter Ausgestaltung des Prüfungsansatzes werden die Prüffelder in Anlehnung an die betrieblichen F u n k t i o n e n des Unternehmens bestimmt ( z . B . Einkauf, Verkauf, Materialwirtschaft). Dieser A n satz kann erweitert werden zu einer Orientierung an den Geschäftsprozessen des Unternehmens, bei dem die Prüffelder prozeßorientiert festgelegt werden. I m Mittelpunkt stehen in diesem Falle z . B . finanzwirtschaftliche, personalwirtschaftliche oder Produktionsprozesse, die sich auf unterschiedliche betriebliche F u n k t i o n e n auswirken." 5 5 7 I m H i n b l i c k auf die Weiterentwicklung der prüfungsrisikoorientierten zur geschäftsrisikoorientierten Abschlußprüfung sind Wissenschaft und Praxis dem R e c h t bereits weit voraus. 5 5 8 D i e Bedeutung einer Neuorientierung des Prüfungsansatzes wird betont. 5 5 9 E r müsse sich durch (i) eine stärker zukunftsgerichtete und qualitative Prüfung und Berichterstattung, (ii) eine dynamisch-prozeßorientierte anstelle einer statisch-stichtagsbezogenen Prüfung, (iii) eine Einbeziehung nicht-finanzieller Daten und (iv) eine Ausrichtung an der Sichtweise des Managements auszeichnen. Diese Neuorientierung erfordere es, ein verändertes Verständnis von Prüfungshandlungen und Prüfungsnachweisen zu entwickeln, und erlaube es, zur kontinuierlichen Verbesserung der Aktivitäten des geprüften U n ternehmens beizutragen (erweiterte Angaben im Management Letter; Einsatz von Prüfungsverfahren wie Balanced Scorecard und Benchmarking, die das M a nagement für die Reflektion seiner Strategien und Prozesse sowie weitergehende Analysen nutzen kann). 5 6 0 D i e großen Prüfungsgesellschaften habe diese Neuorientierung des Prüfungsansatzes schon vollzogen und dabei ähnliche K o n z e p t e entwickelt. 5 6 1 E s handelt sich u m Drei-Phasen-Modelle, die dem folgenden Muster folgen: „Die Analyse der Strategie zielt darauf ab, einen U b e r b l i c k über die strategischen Geschäftsziele des Unternehmens, die zur Verwirklichung eingesetzten Strategien, die operative Umsetzung durch Prozesse sowie die Geschäftsrisiken zu gewinnen. D e r Prüfer m u ß das Geschäft des Mandanten und seinen U m g a n g Ziff. 37 des IDW PS 260. Vgl. dazu Ruhnke DB 2002, S.437, 437, der als Triebfeder des Wandels der Abschlußprüfung die bestehenden Erwartungslücken in den Bereichen der externen Rechnungslegung und der Abschlußprüfung sowie die stärkere Ausrichtung dieser beiden Bereiche auf die Informationsbedürfnisse der internationalen Finanzmärkte nennt. 559 Pollanz DB 2001, S. 1317,1319f. und Schindler/Rabenhorst BB 1998, S. 1939, 1943f. Siehe dazu auch Hartmann/Finck DB 2004, S. 717ff. (Fast Close Scorecard) und zur damit eng zusammenhängenden Änderung der Managementkonzepte Lahbé/Langen DB 2004, S. 720ff. und Wittmann/Reuter/Littwin KoR 2003, S. 465ff. 560 Schindler/Rabenhorst BB 1998, S. 1939, 1943f. und Ruhnke DB 2002, S.437, 440ff. Siehe zum Management Letter Peemöller/Finsterer/Mahler DB 1999, S. 1565,1565f. und zum Einsatz der Balanced Scorecard im Rahmen einer geschäftsprozess- und geschäftsfeldorientierten Prüfung Pollanz DB 2001, S. 1317, 1324. 561 Ruhnke DB 2002, S.437, 441. 557 558

424

3. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des

Aufsichtsrats

mit den Geschäftsrisiken verstehen. Bereits die Formulierung von Strategien beeinflußt die Entscheidung, mit welchen Risiken man sich auseinandersetzen will. Demnach sind zunächst einmal die spezifischen Aktionsprogramme der gewählten Strategie zu identifizieren und zu analysieren, da diese wiederum mögliche Gründe für das Scheitern der Strategie darstellen. Weiterhin geht es darum, die auf eine Reduktion externer Geschäftsrisiken ausgerichteten high level Kontrollen auf der Managementebene zu identifizieren und deren Wirksamkeit zu prüfen. Die Durchführung der Analyse kann durch verschiedene betriebswirtschaftliche Verfahren ... unterstützt werden ... Um das Geschäft des Mandanten zu verstehen, läßt sich auch das Konzept der Balanced Scorecard einsetzen ... Weiterhin sind die Auswirkungen der Geschäftsrisiken auf den Abschluß (z.B. die Notwendigkeit, Schätzungen zu tätigen sowie bestimmte Sachverhalte im Anhang zu erläutern) zu betrachten sowie für den Abschluß wesentliche Geschäftsvorfälle und Schlüsselprozesse zu identifizieren. Schlüsselprozesse steuern und kontrollieren die Geschäftsrisiken und lösen wesentliche Geschäftsvorfälle aus. Für diese Geschäftsvorfälle und die in diesem Zusammenhang relevanten Abschlußposten werden zugleich Prüfungsziele entwickelt, die sich an den jeweils relevanten Abschlußaussagen orientieren müssen. Im Rahmen der Prozeßanalyse geht es darum, auf der Basis der zuvor identifizierten strategischen Geschäftsrisiken sowie wesentlichen Geschäftsvorfälle ein Verständnis hinsichtlich der Handhabung der Schlüsselprozesse durch den Mandanten zu erlangen. Dabei ist zu untersuchen, ob die Prozeßziele in Einklang mit den Unternehmenszielen stehen und ob die Prozesse wirksam sind. Die Messung der Wirksamkeit der Prozesse kann ersatzweise anhand von leistungsbezogenen Schlüsselindikatoren erfolgen ... Bei einem Einzelhändler kann die Auftragsabwicklung einen geeigneten Schlüsselindikator darstellen... Weiterhin trägt die Beschäftigung mit diesem Schlüsselindikator dazu bei, eine unabhängige Erwartungshaltung hinsichtlich verschiedener Abschlußposten wie z.B Vorräte, Umsätze und umsatzbezogene Herstellungskosten zu entwickeln ... Von Vorteil ist auch, daß die Indikatoren wiederum die Möglichkeit des benchmarking bieten. Prozeßrisiken und deren Kontrollen sind zu beurteilen. Der Einfluß des verbleibenden prozeßbezogenen Risikos auf das Risiko einer wesentlichen Falschaussage im Jahresabschluß ist zu beurteilen. Werden weiterhin Feststellungen hinsichtlich der Existenz und der Wirksamkeit abschlußbezogener Kontrollen in das Kalkül einbezogen, ergibt sich das für die Durchführung der weiteren Prüfungshandlungen letztlich relevante Risiko einer wesentlichen Falschaussage im Jahresabschluß. In Abhängigkeit von den zuvor ermittelten strategischen und Prozeßrisiken sowie den bestehenden Kontrollen sind die verbleibenden Prüfungshandlungen zu planen. Hat sich z.B. das Käuferverhalten hinsichtlich der Akzeptanz eines bestimmten Produkts geändert (Geschäftsrisiko), dann ist festzustellen, inwieweit die Marktforschungsabteilung des Mandanten dies erkannt hat und bereits auf

B. Die gesellschaftsrechtliche

Entscheidungsfehlerlehre

425

den neuen Kundengeschmack abgestimmte Produktentwicklungen betrieben werden (high level Kontrollen). Weiterhin ist u.a. zu prüfen, inwieweit der Mandant diese schwer absetzbaren Produkte noch auf Lager hat und welche Maschinen zur Produktion eingesetzt werden. In Folge ist festzustellen, ob und in welchem Umfang die Vorräte und die Maschinen außerplanmäßig abzuschreiben sind ... Existieren wirksame Kontrollen und bestätigen analytische Prüfungen die vorläufige Einschätzung eines niedrigen Risikos einer wesentlichen Falschaussage, so kann auf Einzelfallprüfungen weitgehend verzichtet werden. In allen anderen Fällen sind Einzelfallprüfungen zwingend." 562 (d)

Ergebnis

Im Lichte des Rechtsvergleichs ist festzustellen, daß das Verständnis von Gegenstand und Funktion der externen Prüfung des Lageberichts gemessen an den Prüfungsvorgaben den Vorstellungen des AICPA von der Prüfung der M D & A entspricht. Der Hauptfachausschuß stellt auf die Vollständigkeit der Pflichtangaben, den Einklang mit dem Jahresabschluß und die Plausibilität der grundlegenden Annahmen ab. Er hält eine ausreichende Kenntnis des Abschlußprüfers über das Unternehmen für erforderlich. Das AICPA läßt prüfen, ob „the required elements of the disclosure are included, the financial amounts have been accurately derived from the financial statements and the underlying information, determinations, estimates and assumptions provide a reasonable basis für the disclosure." Es geht davon aus, daß der externe Prüfer „therefore must have sufficient knowledge about the Company and its Operations." Die Weiterentwicklung der prüfungsrisikoorientierten zur geschäftsrisikoorientierten Abschlußprüfung liegt zudem auch ganz auf der Linie des Special Committee. Der Wandel der externen Prüfung vom financial audit zu einem umfassenden business audit trägt in besonderer Weise dazu bei, daß der Vorstand und der Aufsichtsrat mehr Informationen zu abwägungsrelevanten Gesichtspunkten erhalten. Dies gilt gerade im Hinblick auf die hier interessierenden Informationen zu der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage, der wirtschaftlichen Lage, dem Erfolg und den Zukunftsaussichten, der Größe und Bedeutung sowie der Wertsteigerung des Unternehmens und zu den Risiko-/Chancenfaktoren sowie den Kostenund Gewinnposten. Der Vorstand und der Aufsichtsrat können nicht von der Verpflichtung befreit werden, sich die Möglichkeiten der externen Prüfung umfassend zu nutze zu machen. Man mag eine unzureichende Aussagekraft des Bestätigungsvermerks beklagen. 563 Das betrifft aber ausschließlich die externe Publizitätspraxis. Im HinRuhnke DB 2002, S.437, 441 f. Kajüter/Winkler WPg 2004, S. 249,249. § 322 H G B ist durch Art. 1 Nr. 27 BilReG 12/2004 neu gefaßt worden. Im Hinblick auf die Aussagekraft des Bestätigungsvermerks ist hervorzuheben, daß nun auch die angewandten Rechnungslegungs- und Prüfungsgrundsätze anzugeben 562 563

426

3. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des Aufsichtsrats

blick auf das Zusammenwirken von Vorstand, Aufsichtsrat und Abschlußprüfer im Innenverhältnis kann es keine defizitäre Prüfung und Berichterstattung geben. Da die - pflichtigen oder eingeschränkt pflichtigen oder nicht pflichtigen - Prüfungsvorgaben auf Informationen zu abwägungsrelevanten Gesichtspunkten zielen, müssen Vorstand und Aufsichtsrat sicherstellen, daß der Abschlußprüfer ihnen nachkommt und sie die daraus resultierenden Informationen erhalten. Die Anforderungen an die externe Prüfung spiegeln die Anforderungen an die zukunfts-, problem- und risikoorientierte Informationsversorgung von Vorstand und Aufsichtsrat und damit die Anforderungen an die Entscheidungsfundierung und die Entscheidungsfindung - und in letzter Konsequenz an die Entscheidungsqualität. Der Vorstand/Aufsichtsrat kann und muß eine den gesetzlichen Vorschriften idF. des BilReG 12/2004 und den IDW Prüfungsstandards entsprechende Berichterstattung durch den Abschlußprüfer vermittels der Instrumente der externen Prüfung und/oder seines Informationssystems (Management Letter, Monitoring Letter, Ausgestaltung des Prüfungsauftrags, Erteilung zusätzlicher Prüfungsaufträge) sicherstellen. Der Vorstand/Aufsichtsrat kann und muß eine diese Informationen im Lichte der in der Praxis entwickelten Konzepte der geschäftsrisikoorientierten Abschlußprüfung ergänzende Berichterstattung durch den Abschlußprüfer vermittels seines Informationssystems sicherstellen. Vor diesem Hintergrund lassen sich die Abwägungsmißorganisation und die Abwägungsunschlüssigkeit nun weiter konkretisieren. Eine Abwägungsmißorganisation liegt insbesondere bei einem Verstoß gegen das Funktionsgebot (konkrete Dimension) im Lichte der informationellen Instrumentarien vor/eine Abwägungsunschlüssigkeit liegt insbesondere bei einem Verstoß gegen das Fundierungsgebot (Gebot, der Bestimmung der abwägungsrelevanten Gesichtspunkte die erforderlichen Informationen zugrundezulegen) im Lichte der informationellen Instrumentarien vor, und damit etwa dann, wenn bezogen auf den Gegenstand der zugehörigen Abwägung (und damit auch auf den konkreten Entscheidungsgegenstand)

sind (§ 322 Abs. 1 Satz 2 HGB), daß die Beurteilung des Prüfungsergebnisses zweifelsfrei ergeben muß, ob ein uneingeschränkter Bestätigungsvermerk erteilt wird, ob ein eingeschränkter Bestätigungsvermerk erteilt wird, ob der Bestätigungsvermerk aufgrund von Einwendungen oder deshalb versagt wird, weil der Abschlußprüfer nicht in der Lage ist, ein Prüfungsurteil abzugeben (§ 322 Abs. 2 Satz 1 HGB), daß der Abschlußprüfer einen Hinweis auf Umstände aufnehmen kann, auf die er in besonderer Weise aufmerksam macht, ohne den Bestätigungsvermerk einzuschränken (§322 Abs. 3 Satz 2 HGB), daß ein eingeschränkter Bestätigungsvermerk nur erteilt werden darf, wenn der geprüfte Abschluß unter Beachtung der vom Abschlußprüfer vorgenommenen, in ihrer Tragweite erkennbaren Einschränkung ein den tatsächlichen Verhältnissen im wesentlichen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage vermittelt (§322 Abs. 4 Satz 4 HGB), und daß der Bestätigungsvermerk auch dann zu versagen ist, wenn der Abschlußprüfer nach Ausschöpfung aller angemessenen Möglichkeiten zur Klärung des Sachverhalts nicht in der Lage ist, ein Prüfungsurteil abzugeben (§322 Abs. 5 Satz 1 HGB).

B. Die gesellschaftsrechtliche

Entscheidungsfehlerlehre

427

- der Vorstand/Aufsichtsrat die Informationen zu abwägungsrelevanten Gesichtspunkten, die er sich aufgrund einer den gesetzlichen Vorschriften idF. des BilReG 12/2004 und den IDW-Prüfungsstandards entsprechenden Berichterstattung des Abschlußprüfers hätte verschaffen können, sich nicht auch tatsächlich vollständig und zutreffend bestimmt vermittels der Instrumente der externen Prüfung und/oder seines Informationssystems verschafft/der Bestimmung der abwägungsrelevanten Gesichtspunkte nicht zugrundegelegt hat; - der Vorstand/Auf sichtsrat die Informationen zu abwägungsrelevanten Gesichtspunkten, die er sich aufgrund einer die Informationen nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften idF. des BilReG 12/2004 und der IDW Prüfungsstandards im Lichte der in der Praxis entwickelten Konzepte der geschäftsrisikoorientierten Abschlußprüfung ergänzenden Berichterstattung des Abschlußprüfers hätte verschaffen können, sich nicht auch tatsächlich vollständig und zutreffend bestimmt vermittels seines Informationssystems verschafft/der Bestimmung der abwägungsrelevanten Gesichtspunkte nicht zugrundegelegt hat. Eine Abwägungsmißorganisation liegt insbesondere bei einem Verstoß gegen das Existenz- und Effektivgebot (abstrakte Dimension) im Lichte der informationellen Instrumentarien vor, und damit etwa dann, wenn unabhängig von dem Gegenstand der zugehörigen Abwägung (und damit auch von dem konkreten Entscheidungsgegenstand) - das Informationssystem des Vorstands/Aufsichtsrats in den Fällen, in denen die externe Prüfung den gesetzlichen Vorschriften idF. des BilReG 12/2004 und den IDW-Prüfungsstandards nicht vollständig entspricht, keine diesen Vorgaben vollständig entsprechende Berichterstattung des Abschlußprüfers zu abwägungsrelevanten Gesichtspunkten sicherstellt; - das Informationssystem des Vorstands/Auf sichtsrats keine die Informationen nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften idF. des BilReG 12/2004 und der IDW Prüfungsstandards im Lichte der in der Praxis entwickelten Konzepte der geschäftsrisikoorientierten Abschlußprüfung ergänzende Berichterstattung des Abschlußprüfers zu abwägungsrelevanten Gesichtspunkten sicherstellt. bb) Internes Steuerungs- und

Uberwachungssystem

Im Hinblick auf das interne Steuerungs- und Uberwachungssystem einschließlich des Risikomanagementsystems lautet die entscheidende Frage, welche Informationen zu abwägungsrelevanten Gesichtspunkten sich der Vorstand bei voller Ausschöpfung dieser informationellen Instrumentarien/der Aufsichtsrat vermittels einer die Berichterstattung nach §90 Abs. 1 und Abs. 3 AktG in dieser Hinsicht ergänzenden Informationsordnung sachgerechterweise verschaffen kann (und deshalb auch muß). Im Mittelpunkt des Interesses stehen dabei - wie gesehen - Informationen zu der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage, der wirtschaftlichen Lage, dem Erfolg und den Zukunftsaussichten, der Größe und Bedeutung

428

3. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des

Aufsichtsrats

sowie der Wertsteigerung des Unternehmens und zu den Risiko-/Chancenfaktoren sowie den Kosten- und Gewinnposten. Den entscheidenden Ansatzpunkt liefert hier die Erkenntnis, daß fehlende oder ineffiziente Informationssysteme ein zentrales Merkmal einer schlechten Corporate Governance sind. So hat dann auch der Gesetzgeber mit dem Kontroll- und Transparenzgesetz den §91 Abs. 2 A k t G geschaffen, wonach der Vorstand „geeignete Maßnahmen zu treffen, insbesondere ein Uberwachungssystem einzurichten" hat, „damit den Fortbestand der Gesellschaft gefährdende Entwicklungen früh erkannt werden." Er wollte die „Verpflichtung des Vorstands, für ein angemessenes Risikomanagement und für eine angemessene interne Revision zu sorgen" verdeutlichen. Er hat den §91 Abs. 2 A k t G zugleich zur „Grundlage für die korrespondierende Erweiterung der Prüfung" und des Prüfungsberichts durch die §§317 Abs. 4,321 Abs. 4 H G B gemacht. Der Abschlußprüfer hat nunmehr zu prüfen, „ob der Vorstand die ihm nach § 91 Abs. 2 des Aktiengesetzes obliegenden Maßnahmen in einer geeigneten Form getroffen hat und ob das danach einzurichtende Uberwachungssystem seine Aufgaben erfüllen kann." E r hat das „Ergebnis in einem besonderen Teil des Prüfungsberichts darzustellen" und „darauf einzugehen, ob Maßnahmen erforderlich sind, um das interne Uberwachungssystem zu verbessern." 5 6 4 (1) Der Streit um die Interpretation des §91 Abs. 2 AktG Die Frage, welche Maßnahmen der Gesetzgeber mit §91 Abs. 2 A k t G fordert, wird seither kontrovers diskutiert. Nach hier vertretener Auffassung umfaßt das Risikomanagementsystem diejenigen Ziele und Maßnahmen, die sich auf die systematische Analyse von und den Umgang mit den unternehmerischen Risiken (Möglichkeit einer negativen Abweichung des tatsächlichen von dem erwarteten Ergebnis einer unternehmerischen Entscheidung) 565 eines Unternehmens beziehen (Identifikation, Analyse, Bewertung und Steuerung von Risiken aufgrund einer Risikostrategie), und wird durch das Risikocontrolling unterstützt. Das auf das Risikomanagementsystem bezogene Uberwachungssystem besteht aus einem Teilbereich des internen Kontrollsystems und einem Teilbereich der Innenrevision und wird ebenfalls durch das Risikocontrolling unterstützt. 566 5 6 4 Art. 1 Nr. 9c und Art. 2 Nr. 6 und Nr. 9 KonTraG 4/1998 und Begründung zu Art. 1 Nr. 7 RegE KonTraG 11/1997. §317 Abs.4 H G B wurde durch das Transparenz und Publizitätgesetz noch einmal geändert; siehe dazu bereits S.418 Fn.535. 565 Lück D B 1998, S. 1925, 1925. Siehe zu diesem sog. engen Risikobegriff im Sinne von Verlustgefahr auch Kromschröder/Lück D B 1998, S. 1573,1573 und Pollanz D B 2001, S. 1317,1318. 5 6 6 Siehe zu dem hier zugrundegelegten Verständnis des Risikomanagementsystems: Dichtl/ Issing, Wirtschaftslexikon, S.1613, 1612; Kaiser D B 2005, S.345, 348ff.; Bühner/Oberndörfer D B 2004, S.941, 943ff.; Kromschröder/Lück D B 1998, S.1573, 1574f., die das Risikoüberwachungssystem und das Risikocontrolling in das - im übrigen wie hier verstandene - Risikomanagementsystem einbeziehen und das gesamte Risikomanagementsystem als vom Gesetzgeber mit § 91 Abs. 2 A k t G gefordert ansehen; Vogler/Gundert D B 1998, S. 2377,2378,2382,2382f., die das

B. Die gesellschaftsrechtliche

Entscheidungsfehlerlehre

429

Nach der weitesten Auffassung ist nicht nur das Risikomanagementsystem einschließlich des zugehörigen internen Uberwachungssystems und des Risikocontrollings mit §91 Abs. 2 A k t G gefordert. Es wird auch das übrige (und damit im Ergebnis das gesamte) interne Uberwachungssystem unter dem Gesichtspunkt seiner Präventiv- und Korrekturfunktion im Hinblick auf Schwachstellen und Fehler in den Unternehmensabläufen, aus denen sich Risiken für das Unternehmen ergeben können, einbezogen. 567 Nach hier vertretener Auffassung sind das Risikomanagementsystem, das darauf bezogene Uberwachungssystem und das Risikocontrolling Teilsysteme des internen Steuerungs- und Uberwachungssystems. Nach der engsten Auffassung gehören nur das Risikofrüherkennungsystem und ein eng definiertes Uberwachungssystem zu den mit §91 Abs. 2 A k t G geforderten Maßnahmen. 5 6 8 Das sogenannte Früherkennungssystem ist in betriebswirtschaftlicher Hinsicht eher ein Frühwarnsystem. 5 6 9 Es gehört in dem hier zugrundegelegten Modell des Risikomanagementsystems zur Risikoidentifikation570 und ist der eigentlichen Risikoanalyse und Risikobewertung vorgelagert. Risikocontrolling in das - im übrigen wie hier verstandene - Risikomanagementsystem einbeziehen und das gesamte Risikomanagementsystem als vom Gesetzgeber mit § 91 Abs. 2 AktG gefordert ansehen. Ein vergleichbares Verständnis liegt der Interpretation des §25a Abs. 1 KWG zugrunde: Preußner N Z G 2004, S.57, 57 und S.303, 305; Kiethe WM 2003, S.861, 863f.; Witte/ Hrubesch BB 2004, S. 725, 730f. Siehe dazu insbesondere das Rundschreiben 34/2002 der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Mindestanforderungen an das Kreditgeschäft der Kreditinstitute). 567 Lück DB 1998, S. 1925,1925 ff., 1928f., 1929f. In diesem Punkt ähnlich, wenn auch im Hinblick auf die Einbeziehung der Präventivfunktion des internen Uberwachungssystems etwas unklar: Schäfer, Uberwachungssystem, S.54,62ff., 75,113ff., 110,161,196,253,256, der einerseits von der Begrenzung aller Risiken „aufgrund von Defiziten auf der Ebene des operativen Managements" (S. 113), und andererseits von Bestandsgefährdungen, die „nicht nur von den eigentlichen risikobehafteten Entwicklungen ausgehen, sondern auch von der Unfähigkeit, diese wahrzunehmen bzw. angemessen auf sie zu reagieren" (S. 253), spricht. Vgl. auch Lück DB 1998, S. 8, 8f., 13, der an dieser Stelle das gesamte interne Uberwachungssystem, das gesamte Controlling und das Frühwarnsystem als vom Gesetzgeber mit §91 Abs. 2 AktG gefordert ansieht. 568 Ballwieser, Handbuch Corporate Governance, S. 429,434; Zimmer/Sonnehorn, Risikomanagement, S. 38, 42f., 49ff.; Eggemann/Konradt BB 2000, S. 503, 506, die das Risikoüberwachungssystem und das Risikocontrolling in das Risikomanagementsystem einbeziehen, das aus dem Risikofrüherkennungssystem (Identifikation, Analyse und Kommunikation), dem Risikoüberwachungssystem (Kontrollen und Revision) und der Risikobewältigung bestehen soll, und nur das Risikofrüherkennungssystem und das Risikoüberwachungssystem als vom Gesetzgeber mit §91 Abs. 2 AktG gefordert ansehen; Schäfer, Uberwachungssystem, S.9,71,72f., 75, wonach das Risikomanagementsystem aus dem Risikofrüherkennungssystem (Analyse, Bewertung, kommunikative Verständigung) und der Bewältigung der Gefahren besteht und nur das Risikofrüherkennungssystem und das interne Uberwachungsystem (ganz oder teilweise; siehe zu den Unklarheiten bereits soeben Fn. 567) als vom Gesetzgeber gefordert anzusehen sind. 569

So zutreffend Pollanz DB 2001, S. 1317, 1318. Siehe dazu nur Lück DB 1998, S. 1925, 1926, 1927. Dies wird besonders deutlich bei den Ausführungen von Schäfer, Uberwachungssystem, 145 ff., zur Konkretisierung des Früherkennungssystems (insbesondere auf S. 147, wo er von Frühwarnsystemen, Früherkennungssystemen im engeren Sinne und strategischen Frühaufklärungssystemen spricht). 570

430

3. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des Aufsichtsrats

Allerdings ist einzuräumen, daß im R a h m e n der Risikoidentifikation eine erste Risikoanalyse und -bewertung vorgenommen wird und sich daher die Risikoidentifikation und die eigentliche Risikoanalyse und -bewertung nicht vollständig voneinander trennen lassen. 571

(2) Die Auffassung des Instituts der

Wirtschaftsprüfer

D e r Hauptfachausschuß des Instituts der Wirtschaftsprüfer hat die gesetzlichen Neuregelungen im Sinne der gesetzgeberischen Vorstellungen 5 7 2 zum Anlaß genommen, in dem am 25. J u n i 1999 verabschiedeten I D W PS 3 4 0 (Die Prüfung des Risikofrüherkennungssystems nach § 3 1 7 Abs. 4 H G B ) seine Auffassung zu der Frage niederzulegen, welche Maßnahmen mit § 9 1 Abs. 2 A k t G gefordert sind und welche Prüfung mit § 3 1 7 Abs. 4 H G B verlangt ist.

(a) Risikofrüherkennungssystem

und darauf bezogenes

Uberwachungssystem

Das Risikomanagementsystem bestehe aus dem Risikofrüherkennungssystem (Risikoerkennung, Risikoanalyse, R i s i k o k o m m u n i k a t i o n ) sowie der R i s i k o b e wältigung und werde durch ein geeignetes Uberwachungssystem flankiert. D e r Gesetzgeber fordere mit § 9 1 Abs. 2 A k t G nur das Risikofrüherkennungssystem und das darauf bezogene Überwachungssystem. 5 7 3 Bei der verlangten Prüfung handele es sich „um eine Systemprüfung und nicht um eine Geschäftsführungsprüfung ... D i e Beurteilung der Eignung der getroffenen Maßnahmen erfordert eine Prüfung, o b alle wesentlichen Risiken bzw. Risikoarten vom System zutreffend und frühzeitig erfaßt, bewertet und k o m m u n i ziert werden ... o b das eingerichtete Überwachungssystem, dh. die integrierten Kontrollmaßnahmen und die vorgesehene Prüfungstätigkeit der internen Revision ausreichen, um die Funktionsfähigkeit des Systems zu gewährleisten ... Soweit die Unternehmensleitung geeignete Maßnahmen nach § 9 1 Abs. 2 A k t G getroffen hat, sind diese nach den allgemeinen Grundsätzen einer Systemprüfung auf ihre Wirksamkeit und kontinuierliche Anwendung im zu prüfenden G e schäftsjahr zu prüfen." 5 7 4 571 So zutreffend Füser/Gleißner/Meier DB 1999, S.753, 754, 755 und Weidemann/Wieben DB 2001, S. 1789, 1792. 572 Siehe dazu auch Dörner/Schweiler DB 1997, S. 285,286f., die meinen, „daß eine derartige Prüfung nicht nur eine Prüfung des internen Kontrollsystems, sondern alle Unternehmensabläufe erfaßt," und Lenz/Ostrowski BB 1997, S. 1523,1527, die meinen, dies „geht über die bisherige Prüfung des internen Kontrollsystems hinaus." 573 Ziff. 3 ff., 7ff., 15 f. des IDW PS 340. Dabei wird wie hier ein enger Risikobegriff zugrundegelegt: „Jede unternehmerische Betätigung ist aufgrund der Unsicherheit künftiger Entwicklungen mit Chancen und Risiken verbunden. Unter Risiko ist allgemein die Möglichkeit ungünstiger künftiger Entwicklungen zu verstehen"; Ziff. 3 des IDW PS 340. 574 Ziff. 19, 24, 27, 29, 31 des IDW PS 340. Siehe zur Systemprüfung: Ziff. 14ff. des IDW PS 300; Pollanz DB 2001, S. 1317,1318, 1321ff., der auf S. 1321 betont, der unternehmerische Umgang mit Risiken im Sinne von Maßnahmen zur Risikobewältigung sei nicht Gegenstand der

B. Die gesellschaftsrechtliche

Cb) Internal

Entscheidungsfehlerlehre

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Control

Der Hauptfachausschuß ist dabei allerdings nicht stehengeblieben. E r hat mit dem am 2. Juli 2001 verabschiedeten I D W PS 260 (Das interne Kontrollsystem im Rahmen der Abschlußprüfung) eine Entwicklung des U.S. amerikanischen Rechts nachvollzogen 575 und das bisherige (enge) Verständnis des internen Kontrollsystems aufgegeben. 576 Die Anforderungen an die Prüfung der internal control over financial reporting durch die certified public accountants waren in den Vereinigten Staaten deut-

Prüfung und insofern handele es sich nicht um eine Prüfung der Geschäftsführung; Schäfer, Überwachungssystem, S.209f., 218f., der auf S.218f. ebenfalls betont, die Abschlußprüfung könne sich nicht darauf beziehen, welche Instrumente und Verfahren zur Früherkennung von Risiken einzusetzen sind, da diese unternehmerisch und gesellschaftsrechtlich zu begründen seien, und zwar mit der Konsequenz, daß der Abschlußprüfer vorrangig zu prüfen habe, ob die Instrumente richtig eingesetzt worden seien, und weniger, ob die richtigen Instrumente eingesetzt worden seien, es sei denn ihre fehlende Eignung sei offensichtlich oder es müsse eine mißbräuchliche Auswahl ungeeigneter Instrumente vermutet werden; Loitz B B 1997, S. 1835, 1840f. (zu den Möglichkeiten der Systemprüfung). 5 7 5 Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, daß der I D W PS 260 dem International Standard on Auditing (ISA) 400 (Risk Assessment and Internal Control) entspricht; Ziff. 3 des I D W PS 260. 5 7 6 Bis dato war die Prüfung des internen Kontrollsystems darauf gerichtet, „eine Aussage über die ordnungsgemäße Erfassung der Geschäftsvorfälle und der Verarbeitung, Speicherung, Ausgabe und Dokumentation des Buchungsstoffes (einschließlich Jahresabschluß) und über die Sicherung des Buchungsstoffes gegen Verlust und Verfälschung zu ermöglichen" und ein Urteil darüber abzugeben, ob die erforderlichen internen Kontrollen in den Arbeitsablauf eingebaut und zweckentsprechend sind sowie wirksam ausgeführt werden und während des gesamten zu prüfenden Zeitraums bestanden"; siehe dazu IDW, Fachgutachten 1/1988, D.II.2. Zu dem bisherigen Verständnis des internen Kontrollsystems siehe Dichtl/Issing, Wirtschaftslexikon, S. 913 („internes Kontrollsystem: besteht aus der Summe der zueinander in Beziehung stehenden Überwachungen (Kontrollen), die von Mitarbeitern der Unternehmung ausgeführt werden und fest in die betrieblichen Arbeitsabläufe eingebaut sind oder bei denen der Uberwacher auch Verantwortung für die überwachten Istobjekte und nicht nur für sein Überwachungsergebnis trägt ... Häufig wird das interne Kontrollsystem primär auf das Rechnungswesen bezogen und als Gesamtheit der in betriebliche Prozesse eingebauten Überwachungen gekennzeichnet, die das Vermögen der Unternehmungen sichern und die Richtigkeit und Zuverlässigkeit des Rechnungswesens garantieren sollen ... Ein internes Kontrollsystem kann niemals isoliert betrachtet werden, sondern immer nur im Zusammenhang mit dem Ver- oder Bearbeitungssystem, in das es integriert ist. Es entsteht durch einen geeigneten organisatorischen Aufbau und entsprechende Arbeitsabläufe, in denen einzelne Kontrollelemente enthalten sind (Kontrollorganisation). Die Wirksamkeit eines internen Kontrollsystems wird bestimmt durch die organisatorische Anordnung der einzelnen Be- oder Verarbeitungs-, Kontroll- und Korrekturschritte, die Zuverlässigkeit (dh. Fehlerfreiheit), mit der diese Schritte ausgeführt werden, flankierende organisatorische Maßnahmen und die vorhandenen personellen, sachlichen und finanziellen Rahmenbedingungen.") und S. 1067 („Kontrolle: fest in den betrieblichen Arbeitsablauf eingebaute Überwachung durch Vergleich eines Istobjekts mit einem Vergleichsobjekt. Der Vergleich kann in einer Abstimmung, Gegenrechnung oder Vollständigkeitsfeststellung bestehen. Der Kontrolleur ist i.d.R. für die Zuverlässigkeit des Istobjekts bzw. der Istobjekte verantwortlich. Er darf am Istobjekt festgestellte Mängel auch selbst beseitigen, soweit ihm die Korrektur übertragen ist.").

432

3. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des

Aufsichtsrats

lieh verschärft worden. 577 Dies läßt sich sehr gut anhand der Statements on Auditing Standards (SAS) und der Statements on Standards for Attestation Engagements (SSAE) des Auditing Standards Boards (ASB) des AICPA nachvollziehen. So stammt SAS 55 (Consideration of Internal Control in a Financial Statement Audit) bereits aus dem April 1988, und SSAE 2 (Reporting on an Entity's Internal Control Over Financial Reporting) geht auf den Mai 1993 zurück. Im Dezember 1995 wurde SAS 55 durch SAS 78 (Consideration of Internal Control in a Financial Statement Audit: An Amendment to Statement on Auditing Standards No. 55) deutlich erweitert. SSAE 2 wurde im Dezember 1995 durch SSAE 6 (Reporting on an Entity's Internal Control Over Financial Reporting: An Amendment to Statement on Standards for Attestation Engagements No. 2) geändert. 578 Die Verschärfung der Anforderungen an die Prüfung der internal control over financial reporting erfolgte durch die Einbindung der internal control over financial reporting in ein umfassendes internal control concept. Auf diese Weise wurden die Führungsaufgaben des board of directors konkretisiert, die externen Berichtspflichten des board of directors erweitert sowie Gegenstand und Funktion der externen Prüfung geändert. 579 Diese Änderungen bauten auf der im September 1992 veröffentlichten Studie „Internal Control - Integrated Framework" des Committee of Sponsering Organizations of the Treadway Commission ( C O S O Report) auf, die die verschiedenen Konzepte von internal control zusammengeführt und Kriterien einer effective internal control aufgezeigt hatte: 580 „The C O SO report expands the definition of internal control by discussing fundamental concepts of control ... provides guidance for the entity in establishing controls. This guidance is a welcome addition to management and organizational literature in which internal control has been largely ignored in the past. We often find control being listed as one of the functions of management, but we find little guidance on how to establich control or even what to control. For too long, it has been as5 7 7 Ein dem bisherigen deutschen Verständnis des internen Kontrollsystems vergleichbares Verständnis der internal control lag dem Foreign Corrupt Practices Act von 1977 zugrunde und wurde durch Aufnahme in den Securities Exchange Act von 1943 für alle bei der S E C gelisteten Gesellschaften verbindlich („All publicly owned corporations are required to keep books which accurately and fairly reflect transactions and dispositions of assets and devise and maintain a system of internal accounting controls sufficient to provide reasonable assurance that transactions are authorized by management, transactions are recorded so G A A P statements can be prepared and maintain accountability for assets, access to assets is authorized by management and periodic inventory is required to compare recorded assets with existing assets."); siehe dazu Buxbaum, Corporate Governance, S. 65, 84f. und Girnghuber, audit committee, S.40f. (insbesondere Fn. 123).

Siehe dazu Holzer/Makowski D B 1997, S.688, 691 f. Siehe zu den internal control Aufgaben des board of directors, dem „Management Report über das Internal Control" und den Prüfungsstandards nur Holzer/Makowski D B 1997, S.688, 690f., 691 f. 5 8 0 Siehe dazu Holzer/Makowski D B 1997, S.688, 690, 691 und Frazier/Spradling, The New SAS No. 78, sowie C P E resources and newsletters, SAS No. 78: AICPA Revises Guidance O n Internal Controls und SAS No. 78 Amending SAS No. 55. 578

579

B. Die gesellschaftsrechtliche

Entscheidungsfehlerlehre

433

sumed that weaknesses in internal control could be solved through annual audits. N o w there is a recognition that management must w o r k with and without its auditors to implement effective controls in all areas of the organization, and the C O S O report provides practical guidance." 5 8 1 D e r Hauptfachausschuß hat diesen konzeptionellen Ansatz nun ü b e r n o m m e n , und das kann in der Tragweite gar nicht überschätzt werden. D e n n nach U . S . amerikanischem Verständnis ist internal control ein Teilbereich der management control 5 8 2 und Controlling die Wahrnehmung von C o n t r o l ; das, was nach deutschem Verständnis Controlling ist, wird als Controllership bezeichnet und hat auch organisatorische Aspekte. 5 8 3 D i e Management C o n t r o l umfaßt die G e s a m t heit aller Führungsaufgaben, die der Durchsetzung und Ü b e r w a c h u n g geplanter Entscheidungen dienen, 5 8 4 und damit - legt man das bisherige deutsche Verständnis zugrunde - Lenkung, Steuerung und Regelung, 5 8 5 Kontrolle, 5 8 6 Innenrevision, 5 8 7 Controlling und Überwachung des Controllings 5 8 8 sowie Risikomanage581

trols.

CPE resources and newsletters, SAS No. 78: AICPA Revises Guidance On Internal Con-

Siehe dazu Holzer/Makowski DB 1997, S.688, 692. Dichtl/Issing, Wirtschaftslexikon, S.351. 584 Dichtl/Issing, Wirtschaftslexikon, S. 1215. 585 Dichtl/Issing, Wirtschaftslexikon, S.351. 586 Dichtl/Issing, Wirtschaftslexikon, S. 1215. Siehe zum bisherigen deutschen Verständnis bereits soeben Fn. 576. 587 Dichtl/Issing, Wirtschaftslexikon, S. 912; vgl. dazu auch Ziff. 60 des IDW PS 260 und Kaiser DB 2005, S.345, 351f. sowie Holzer/Makowski DB 1997, S.688, 691. Siehe zum bisherigen deutschen Verständnis nur Dichtl/Issing, Wirtschaftslexikon, S. 912 („Interne Revision (Innenrevision, internal audit): Teilgebiet der Prüfung (Revision), verstanden als ,eine von natürlichen, prozeßunabhängigen Personen durchgeführte Veranstaltung, ... die in dem Vergleich von sog. Istobjekten mit entsprechenden Sollobjekten (Normen) und einer Beurteilung der Istobjekte in Hinblick auf ihre Normenentsprechung besteht' (Klaus v. Wysocki). Interne Revision ist im Gegensatz zur externen eine von unternehmensangehörigen Personen durchgeführte Prüfung. Die Begriffe Prüfung (Revision) und Kontrolle werden dabei als Unterbegriffe von Überwachung verstanden. Prüfungen erfolgen prozeßunabhängig, Kontrollen prozeßabhängig. Die Kontrolle ist also ein systeminterner Vorgang, die Prüfung dagegen eine Überwachung eines Systems von außen. Controlling und Interne Revision ergänzen sich funktional dergestalt, daß Controlling Systeme schafft und in Gang hält, während die Interne Revision diese Systeme prüft... Die Interne Revision hat sich von einer auf den Finanzbereich gerichteten Tätigkeit zu einer Aufgabe entwickelt, die sich heute auf alle betrieblichen Aktivitäten einschließlich der Führungsaufgaben erstreckt."), S. 1542 („Prüfung (Revision): nicht fest in den Arbeitsablauf eingebaute Überwachung. Der Prüfer ist nicht für die Richtigkeit des Istobjekts verantwortlich. Außerdem darf er festgestellte Mängel am Istobjekt nicht selbst beseitigen.") und S. 1607 („Revisionsfunktion: ... betriebliche Strukturen und Abläufe im Hinblick auf ihre Zweckmäßigkeit/Wirtschaftlichkeit, Ordnungsmäßigkeit und Sicherheit zu überprüfen. Sie soll dabei Diskrepanzen zwischen Soll und Ist aufdecken und Hinweise zu ihrer Beseitigung liefern... In ihren Anfängen war sie ein reines Überwachungsorgan der Führung, das sich auf den Vermögens- und Finanzbereich konzentrierte. Später wurde immer mehr die Notwendigkeit erkannt, den Aktivitätsbereich auf alle Funktionen des Unternehmens auszudehnen."). 582 583

588 Vgl. dazu Kaiser DB 2005, S. 345,351 und Holzer/Makowski DB 1997, S. 688,691,692. Siehe zum bisherigem deutschen Verständnis nur Dichtl/Issing, Wirtschaftslexikon, S.351 f. („Con-

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3. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des

Aufsichtsrats

mentsystem, das darauf bezogene Überwachungssystem und die Unterstützung dieser beiden Systeme durch das Risikocontrolling. 589 (aa) Definition Der Hauptfachausschuß geht in dem I D W PS 260 nun davon aus, daß das (in irreführender Weise als internes Kontrollsystem bezeichnete 590 ) interne Steuerungsund Überwachungssystem „die von der Unternehmensleitung im Unternehmen eingeführten Grundsätze, Verfahren und Maßnahmen (Regelungen)" erfaßt, „die gerichtet sind auf die organisatorische Umsetzung der Entscheidungen der Unternehmensleitung zur Sicherung der Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit der Geschäftstätigkeit (hierzu gehört auch der Schutz des Vermögens, einschließlich der Verhinderung und Aufdeckung von Vermögensschädigungen), zur Ordnungsmäßigkeit und Verläßlichkeit der internen und externen Rechnungslegung sowie zur Einhaltung der für das Unternehmen maßgeblichen rechtlichen Vorschriften." Es besteht aus „Regelungen zur Steuerung der Unternehmensaktivitäten ... und Regelungen zur Überwachung der Einhaltung dieser Regelungen." Das „Risikomanagementsystem ist ein Teilbereich" des internen Steuerungs- und Überwachungssystems. 591 trolling: Teilaufgabe der Führung, die Planung und Kontrolle (Controller-Planungsbeteiligung) mit der Informationsversorgung zielorientiert koordiniert. Controlling ermöglicht es der Führung, die Unternehmung durch Planung zielorientiert an Umweltänderungen anzupassen und die dazu erforderlichen Steuerungsaufgaben wahrzunehmen (Controllingkonzept)... Die Koordinationsaufgabe des Controlling umschließt zwei Aspekte, nämlich Controllingsystem und Controllingaufgaben: Einerseits bedeutet sie Entwurf und Implementierung von Planungs- und Kontrollsystemen sowie von Informationsversorgungssystemen. Andererseits sind innerhalb des bestehenden Systemzusammenhangs auch laufend Dispositionen und Abstimmungen vorzunehmen, Störungen zu beseitigen und die erforderliche Informationsversorgung sicherzustellen... Controlling befaßt sich mit der Gestaltung von Systemen, der internen Revision obliegt die Uberprüfung dieser Systeme auf Wirtschaftlichkeit, Ordnungsmäßigkeit und Sicherheit."), S. 353 („Controllingfunktion:... Die Funktion des Controlling besteht darin, Planung und Kontrolle sowie Informationsversorgung zu koordinieren... Unter Koordination wird hier zunächst die Gestaltung von Planungs- und Kontrollsystemen sowie von Informationsversorgungssystemen verstanden (,systembildende Koordination'). Weiter ist die Funktionsfähigkeit dieser Systeme, insb. bei Störungen aufrechtzuerhalten (,systemkopplende Koordination'). Die Controllingfunktion nimmt die Abstimmung von Informationsverwendung (Planung und Kontrolle) und Informationsversorgung im Rahmen der Führung wahr. Diese Koordination (,Sekundärkoordination') setzt die Führung in die Lage, das Unternehmensgeschehen zu koordinieren (,Primärkoordination').") und S. 354f. („Controllingsystem:... Das Controllingsystem ist ein Subsystem des Führungssystems. Das Planungs- und Kontrollsystem sowie das Informationsversorgungssystem sind gleichzeitig sowohl Output (systembildende Koordination) als auch Teil (systemkopplende Koordination) des Controllingsystems."). 5 8 9 Ziff. 10 des I D W PS 260; Pollanz D B 2001, S.1317, 1318; Holzer/Makowski D B 1997, S.688, 691. Siehe zu dem hier zugrundegelegten Verständnis bereits soeben S.428ff. 5 9 0 So ausdrücklich auch Holzer/Makowski D B 1997, S.688, 690 und Lück D B 1998, S. 8, 9. 591 Ziff. 5f., 10 des I D W PS 260. Siehe zu SAS 78 („... a process designed to provide reasonable assurance regarding the archievement of objectives in three categories: 1. reliability of financial reporting; 2. effectiveness and efficiency of Operations, and 3. compliance with applicable laws

B. Die gesellschaftsrechtliche (bb)

Komponenten

und

Entscheidungsfehlerlehre

435

Faktoren

Das interne Steuerungs- und Überwachungssystem besteht aus fünf K o m p o n e n ten, die zueinander in wechselseitiger Beziehung stehen und bei deren konkreter Ausgestaltung sechs Faktoren zu berücksichtigen sind. 5 9 2 Das Kontrollumfeld „stellt dabei den R a h m e n dar, innerhalb dessen die Grundsätze, Verfahren und Maßnahmen eingeführt und angewendet werden," und ist „durch die Grundeinstellungen, das Problembewußtsein und das Verhalten der Unternehmensleitung in Bezug auf das interne K o n t r o l l s y s t e m " geprägt. D u r c h Risikobeurteilungen werden die Risiken, „die die Erreichung der U n t e r nehmensziele in Übereinstimmung mit der von der Unternehmensleitung festgelegten Geschäftsstrategie gefährden k ö n n e n , . . . erkannt und analysiert"; sie „sind die Grundlage für die Entscheidungen der Unternehmensleitung über den U m gang mit den Risiken unternehmerischer Betätigung." Kontrollaktivitäten sind „Grundsätze und Verfahren, die sicherstellen sollen, daß die Entscheidungen der Unternehmensleitung beachtet werden;" sie „tragen dazu bei, daß notwendige Maßnahmen getroffen werden, um den Unternehmensrisiken zu begegnen." Information und K o m m u n i k a t i o n dienen dazu, „daß die für die unternehmerischen Entscheidungen der Unternehmensleitung erforderlichen Informationen in geeigneter und zeitgerechter F o r m eingeholt, aufbereitet und an die zuständigen Stellen im U n t e r n e h m e n weitergeleitet werden;" dies „umfaßt auch die für die R i sikobeurteilungen notwendigen Informationen." U n t e r „Überwachung des internen Kontrollsystems ist die Beurteilung der Wirksamkeit des internen K o n trollsystems durch Mitarbeiter des U n t e r n e h m e n s " zu verstehen; dabei „ist zu beurteilen, o b das interne Kontrollsystem sowohl angemessen ist als auch kontinuierlich funktioniert." 5 9 3 and regulations.") CPE resources and newsletters, SAS No. 78: AICPA Revises Guidance On Internal Controls; siehe dazu auch CPE resources and newsletters, SAS No. 78 Amending SAS No. 55, und Holzer/Makowski DB 1997, S.688, 690. 592 Ziff. 13,15ff., 41,44ff. des IDW PS 260. Siehe zu SAS 78 („... five interrelated components ... the entity needs to achieve its objectives ... that should be considered in the context of six factors.") CPE resources and newsletters, SAS No. 78: AICPA Revises Guidance On Internal Controls; siehe dazu auch CPE resources and newsletters, SAS No. 78 Amending SAS No. 55, und Holzer/Makowski DB 1997, S.688, 690. 593 Ziff. 15ff. des IDW PS 260. Siehe zu SAS 78 („Internal control consists of 5 interrelated components. These include: 1. Control environment - sets the tone of an organization, influencing the control consciousness of its people. It is the foundation for all of the other components of internal control, providing discipline and structure. 2. Risk assessment - the entity's identification and analysis of relevant risks affecting the achievement of its objectives, forming a basis for determining how the risks should be managed. 3. Control activities - the policies and procedures that help ensure that management's directives are carried out. 4. Information and communication - the identification, capture, and exchange of information in a form and time frame that enable people to carry out their responsibilities. 5. Monitoring - a process that assesses the quality of internal control performance over time.") CPE resources and newsletters, SAS No. 78 Amending SAS No. 55; siehe dazu auch CPE resources and newsletters, SAS No. 78: AICPA Revises Guidance On Internal Controls, und Holzer/Makowski DB 1997, S.688, 690f.

436

3. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des

B e i d e r A u s g e s t a l t u n g des i n t e r n e n S t e u e r u n g s - u n d

Aufsichtsrats

Überwachungssystems

s i n d die „ G r ö ß e u n d K o m p l e x i t ä t des U n t e r n e h m e n s , R e c h t s f o r m u n d O r g a n i s a t i o n des U n t e r n e h m e n s , A r t d e r G e s c h ä f t s t ä t i g k e i t des U n t e r n e h m e n s , K o m p l e xität u n d Diversifikation der Geschäftstätigkeit, M e t h o d e n der Erfassung, Verarbeitung, Aufbewahrung und Sicherung von Informationen" zu

(cc)

Prüfungsrelevante

berücksichti-

Dimension

D e r H a u p t f a c h a u s s c h u ß l e g t in d e m I D W P S 2 6 0 z w a r e i n u m f a s s e n d e s K o n z e p t des i n t e r n e n S t e u e r u n g s - u n d Ü b e r w a c h u n g s s y s t e m s z u g r u n d e , b e f a ß t s i c h a b e r i m ü b r i g e n n u r m i t d e r B e d e u t u n g des i n t e r n e n S t e u e r u n g s - u n d Ü b e r w a c h u n g s s y s t e m s f ü r die P l a n u n g u n d D u r c h f ü h r u n g d e r A b s c h l u ß p r ü f u n g . E r f o r d e r t d e s h a l b , d a ß s i c h die A b s c h l u ß p r ü f e r m i t d e m i n t e r n e n S t e u e r u n g s - u n d Ü b e r w a c h u n g s s y s t e m ( n u r ) „ i n s o w e i t b e s c h ä f t i g e n , als es f ü r die P l a n u n g u n d D u r c h f ü h r u n g d e r A b s c h l u ß p r ü f u n g e r f o r d e r l i c h i s t . " E r v e r l a n g t , d a ß s i c h die A b s c h l u ß p r ü f e r d i e j e n i g e n K e n n t n i s s e ü b e r das i n t e r n e S t e u e r u n g s - u n d Ü b e r w a c h u n g s s y s t e m v e r s c h a f f e n , die e r f o r d e r l i c h s i n d , u m i m R a h m e n d e r P r ü f u n g s p l a n u n g die angemessene Ausgestaltung (Aufbau) und Wirksamkeit (Funktion: ordnungsgem ä ß e u n d k o n t i n u i e r l i c h e A n w e n d u n g ) des i n t e r n e n S t e u e r u n g s - u n d Ü b e r w a c h u n g s s y s t e m s , s o w e i t f ü r die A b s c h l u ß p r ü f u n g r e l e v a n t , a u f d e r G r u n d l a g e v o n A u f b a u - u n d F u n k t i o n s p r ü f u n g e n beurteilen zu k ö n n e n . 5 9 5 E r geht d a v o n aus, 5 9 4 Ziff. 13 des I D W PS 260. Siehe zu SAS 78 („The components should be considered in the context of the following: 1. The entity's size. 2. The entity's Organization and ownership characteristics. 3. The nature of the entity's business. 4. The diversity and complexity of the entity's Operations. 5. The entity's methods of transmitting, processing, maintaining, and accessing information. 6. Applicable legal and regulatory requirements.") C P E resources and newsletters, SAS No. 78 Amending SAS No. 55; siehe dazu auch C P E resources and newsletters, SAS N o . 78: AICPA Revises Guidance O n Internal Controls. 5 9 5 Ziff. 21 ff., 38ff. des I D W PS 260. Siehe dazu auch - die in Ziff. 38 in bezug genommene Ziff. 17 sowie die Ziff. 18,20 des I D W PS 240, wonach dem Abschlußprüfer im Rahmen der Entwicklung einer risikoorientierten Prüfungsstrategie insbesondere ein Gesamteindruck vom internen Steuerungs- und Uberwachungssystem abverlangt wird, der es ihm erlaubt, die erforderliche Gewichtung von Systemprüfungen und aussagebezogenen Prüfungshandlungen vorzunehmen - und zwar im Sinne der Ziff. 14ff. des I D W PS 300, wonach sich die Durchführung der Systemprüfungen des auf die Rechnungslegung bezogenen internen Steuerungs- und Uberwachungssystems insbesondere darauf zu erstrecken hat, (i) ob das interne Steuerungs- und Uberwachungssystem angemessen gestaltet ist, um wesentliche falsche Angaben in den zu prüfenden Unterlagen zu verhindern bzw. zu entdecken und zu berichtigen (Aufbauprüfung), (ii) ob das interne Steuerungs- und Uberwachungssystem während des zu prüfenden Geschäftsjahrs kontinuierlich bestanden hat und wirksam war (Funktionsprüfung) und (iii) ob die Buchführung als Teil des internen Steuerungs- und Uberwachungssystems den gesetzlichen Anforderungen entspricht. Systemprüfungen wirken sich auf den Umfang der aussagebezogenen Prüfungshandlungen aus, und der Abschlußprüfer hat im Rahmen der Erstellung eines Prüfungsprogramms zur Umsetzung der Prüfungsstrategie insbesondere Art, Umfang und zeitlichen Ablauf der Prüfungshandlungen für die Systemprüfungen und das erforderliche Ausmaß von aussagebezogenen Prüfungshandlungen festzulegen. Auch SAS 78 legt auf der einen Seite ein umfassendes Kon-

B. Die gesellschaftsrechtliche

Entscheidungsfehlerlehre

437

d a ß n u r die R e g e l u n g s b e r e i c h e des i n t e r n e n S t e u e r u n g s - u n d Ü b e r w a c h u n g s s y s t e m s G e g e n s t a n d der A b s c h l u ß p r ü f u n g sind, „die die O r d n u n g s m ä ß i g k e i t u n d V e r l ä ß l i c h k e i t d e r R e c h n u n g s l e g u n g , d e n F o r t b e s t a n d des U n t e r n e h m e n s s o w i e d e n S c h u t z des v o r h a n d e n e n V e r m ö g e n s e i n s c h l i e ß l i c h d e r V e r h i n d e r u n g o d e r A u f d e c k u n g v o n V e r m ö g e n s s c h ä d i g u n g e n s i c h e r s t e l l e n s o l l e n , " u n d d a ß die K o m p o n e n t e n des i n t e r n e n S t e u e r u n g s - u n d U b e r w a c h u n g s s y s t e m s lediglich i m L i c h t e dieser Z i e l e zu p r ü f e n s i n d . 5 9 6 D e m g e g e n ü b e r w i r d in d e m a m 14. F e b r u a r 2 0 0 0 v e r a b s c h i e d e t e n I D W P S 7 2 0 ( F r a g e n k a t a l o g z u r P r ü f u n g der O r d n u n g s m ä ß i g k e i t der G e s c h ä f t s f ü h r u n g u n d zept der internal control zugrunde und regelt auf der anderen Seite nur, nach welchen Grundsätzen die certified public accountants die internal control in einem audit of financial statements zu berücksichtigen haben. Er geht davon aus, daß eine Beurteilung der internal control für die Planung und Durchführung eines audit of financial statements erforderlich ist, und wird deshalb im Zusammenhang mit dem second Standard of fieldwork gesehen („A sufficient understanding of internal control is to be obtained to plan the audit and to determine the nature, timing, and extent of tests to be performed"). Er fordert, daß sich die certified public accountants diejenigen Kenntnisse über internal control verschaffen, die erforderlich sind „to plan the audit by performing procedures to understand the design of controls relevant to an audit of financial statements and whether those controls have been placed in operation." (CPE resources and newsletters, SAS No. 78: AICPA Revises Guidance On Internal Controls; siehe dazu auch CPE resources and newsletters, SAS No. 78 Amending SAS No. 55). Allerdings geht der I D W PS 260 über den SAS 78 in einem Punkt hinaus. Der SAS 78 verlangt lediglich „to understand the design of controls relevant to an audit of financial statements, and whether a control has been placed in operation," und damit keine Prüfung der „operating effectiveness (how the controls are applied, the consistency with which they are applied, and by whom they were applied"); siehe dazu CPE resources and newsletters, SAS No. 78 Amending SAS No. 55 und AICPA Revises Guidance On Internal Controls. Dagegen fordert der I D W PS 260 eine Aufbau- und Funktionsprüfung des internen Steuerungs- und Uberwachungssystems, soweit für die Abschlußprüfung relevant, und damit nicht nur eine Beurteilung der angemessenen Ausgestaltung, sondern auch der Wirksamkeit, verstanden ganz im Sinne der von SAS 78 nicht erfaßten operating effectiveness; siehe dazu Ziff. 31 f., 65 ff. (insbesondere Ziff. 67: „Funktionsprüfungen betreffen die Art der Anwendung bestimmter organisatorischer Regelungen, die Kontinuität in der Anwendung im abgelaufenen Geschäftsjahr und die Frage, welche Personen für die Durchführung bestimmter Maßnahmen verantwortlich waren und wer diese tatsächlich durchgeführt hat.") des I D W PS 260; siehe dazu auch Ziff. 14ff. des I D W PS 300. 5 9 6 Ziff. 7ff., 41 ff., 65ff. des I D W PS 260. Auch SAS 78 geht davon aus, daß nur die controls relating to objectives relevant to an audit of financial statements berücksichtigt werden müssen und daß die components of internal control lediglich im Lichte der financial reporting objectives zu prüfen sind (CPE resources and newsletters, SAS No. 78 Amending SAS No. 55 und AICPA Revises Guidance On Internal Controls). Allerdings geht der I D W PS 260 im Gegensatz zu dem ausschließlich rechnungslegungsbezogenen SAS 78 über die Prüfung des rechnungslegungsbezogenen internen Steuerungs- und Uberwachungssystems hinaus, weil der Gesetzgeber die Frage, „ob der Vorstand die ihm nach § 91 Abs. 2 des Aktiengesetzes obliegenden Maßnahmen in einer geeigneten Form getroffen hat und ob das danach einzurichtende Uberwachungssystem seine Aufgaben erfüllen kann" zum Gegenstand der Abschlußprüfung und das Ergebnis dieser Beurteilung einschließlich einer Stellungnahme zu der Frage, „ob Maßnahmen erforderlich sind, um das interne Uberwachungssystem zu verbessern," zum Gegenstand des Prüfungsberichts gemacht hat (§§317 Abs.4, 321 Abs.4 HGB), und zwar mit der unabweisbaren Konsequenz, daß die Prüfung des internen Steuerungs- und Uberwachungssystems auch darauf zielt, „nichtrechnungslegungsbezogene Feststellungen zu treffen;" Ziff. 10 des I D W PS 260.

438

3. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des Aufsichtsrats

der wirtschaftlichen Verhältnisse nach § 53 H G r G ) von einer umfassenden Prüfung des internen Steuerungs- und Überwachungssystems ausgegangen. D e n n unter dem Gesichtspunkt des Geschäftsführungsinstrumentariums ist zu prüfen, (i) o b „das Rechnungswesen der G r ö ß e und den besonderen Anforderungen des U n t e r n e h m e n s " entspricht, (ii) ob ein Controlling „besteht" und „alle wesentlichen U n t e r n e h m e n - / K o n z e r n b e r e i c h e " umfaßt, (iii) ob das „Rechnungs- und Berichtswesen eine Steuerung und/oder Ü b e r w a c h u n g der Tochterunternehmen und der Unternehmen, an denen eine wesentliche Beteiligung besteht," ermöglicht, (iv) o b „das interne Informationssystem die Voraussetzungen dafür" bietet, „daß die Führungsebenen die für ihre Tätigkeit notwendigen Informationen von der Geschäfts-/Konzerngeschäftsführung zeitnah erhalten," und (v) o b „diese ausreichend genutzt w e r d e n . " 5 9 7 Diese Prüfung zielt auf „die Eignung des Ü b e r wachungssystems als Instrument der Geschäftsführung" und ist in diesem Sinne eine „Zweckmäßigkeitsuntersuchung". 5 9 8 (3) Die im Lichte der §§93, 116 AktG zentrale Frage der

Risikoidentifikation

Wissenschaft und Praxis haben den § 9 1 A b s . 2 A k t G und/oder die § § 3 1 7 A b s . 4 , 321 Abs. 4 H G B ebenfalls zum Anlaß genommen, das Risikomanagementsystem unter Einbeziehung auch betriebswirtschaftlicher Erkenntnisse auszuformen. E s besteht zwar Uneinigkeit darüber, welche Elemente des Risikomanagementsystems mit § 9 1 A b s . 2 A k t G gefordert und nach den § § 3 1 7 A b s . 4 , 321 Abs. 4 H G B der Abschlußprüfung unterworfen sind und wie das Risikomanagementsystem und das interne Steuerungs- und Überwachungssystem zueinander in Beziehung stehen. Diese Fragen sind jedoch im Lichte der § § 1 1 6 , 93 A k t G letztlich irrelevant, weil § 9 1 Abs. 2 A k t G nur als spezielle Ausprägung des § 9 3 Abs. 1 Satz 1 A k t G anzusehen ist. Ein effektives internes Steuerungs- und Ü b e r wachungssystem (auf der Grundlage des internal control concepts) und - gegebenenfalls daneben - ein effektives Risikomanagementsystem (auf der Grundlage des internal control concepts und betriebswirtschaftlicher Erkenntnisse) ist bereits (oder jedenfalls) nach § 9 3 Abs. 1 Satz 1 A k t G einzurichten, aufrechtzuerhalten, weiterzuentwickeln und zu überwachen. 5 9 9 E s existieren zudem unbestreitbar neben den strategischen Risiken auch operative Risiken (aus Defiziten auf der E b e n e des operativen Managements und insbesondere aus der Unfähigkeit, die eigentlichen

risikobehafteten

Entwicklungen

wahrzunehmen und angemessen auf sie zu reagieren). Es läßt sich - gegebenenfalls - trefflich darüber streiten, welche Risiken dem internen Steuerungs- und Überwachungssystem und welche Risiken dem Risikomanagementsystem zuzu597 Ziff. 17 des IDW PS 720. Siehe dazu: Potthoff,Geschäftsführung, S.73ff., 128ff.; Bolsenkötter, Geschäftsführung, S.35ff.; Loitz BB 1997, S.1835, 1840f., 1841. 598 Loitz BB 1997, S. 1853, 1837, 1840, 1841. 599 Vgl. dazu Kiethe WM 2003, S.861, 862.

B. Die gesellschaftsrechtliche

Entscheidungsfehlerlehre

439

ordnen sind. 6 0 0 Dies ist letztlich jedoch aus den genannten Gründen ebenfalls gleichgültig. Ungleich wichtiger ist die Erkenntnis, daß Risiken aufgrund einer Risikostrategie identifiziert, analysiert, bewertet und gesteuert werden müssen (und dieser Prozeß durch das Controlling unterstützt und durch das interne Kontrollsystem und die Innenrevision überwacht werden muß). Gerade die Risikoidentifikation ist das entscheidende Instrument, um die Voraussetzungen zu konkretisieren, die den Schluß erlauben, daß die Risikofaktoren „rechtlich zutreffend ... erkannt und ordnungsgemäß, rechtlich und tatsächlich zutreffend bestimmt, ermittelt und festgestellt" 6 0 1 worden sind. Die Anforderungen an die Risikoidentifikation dienen dazu, das erforderliche Ausmaß und die erforderliche Qualität der zugrundezulegenden Informationen (insbesondere der zugrundezulegenden Fakten, Daten, Indikatoren und Annahmen) sachgerecht zu bestimmen und zu begrenzen. In der Betriebswirtschaftslehre werden vier Generationen von Frühwarnsystemen zur Risikoidentifikation unterschieden. Die Frühwarnsysteme der ersten Generation fußen auf Hochrechnungen, Kennzahlen- und Bilanzanalysen (Diskriminanzanalysen, neuronale Netze). 6 0 2 Die Frühwarnsysteme der zweiten Generation beruhen auf Frühwarnindikatoren (Ermittlung von Beobachtungsbereichen, Bestimmung von Frühwarnindikatoren für jeden Beobachtungsbereich, Festlegung von Sollwerten und Toleranzen für jeden Beobachtungsbereich, Festlegung der Informationsverarbeitung, Ausgestaltung der Informationskanäle). 6 0 3 Die Frühwarnsysteme der dritten Generation knüpfen an sog. „schwache Signale" als noch unbekannte mögliche Einflußfaktoren an (Zeitreihenanalyse - Extrapolation historischer Entwicklungen, Vorreiteranalyse - Beobachtung bestimmter Nationen/Regionen, Medienanalyse - systematische Auswertung bestimmter Publikationen, Delphi Methode - Expertenbefragung und Expertenunterrichtung, Netzwerke - Treffen mit internen und externen Experten, Szenarioanalyse - Entwicklung alternativer Zukunftsbilder). 6 0 4 Die Frühwarnsysteme der vierten Generation bauen auf dem Performance Measurement auf, das auf einer breiten Basis die unterschiedlichen Einflußgrößen in Kennzahlen operationalisiert und integriert (Balanced Scorecard/Risk Adjusted Balanced Scorecard). 6 0 5 600

256.

Siehe dazu nur Schäfer, Überwachungssystem, S.54, 62ff., 75, 113ff., 110, 161, 196, 253,

So die Formulierung von Kopp/Schenke, VwGO, § 114 Rdn. 35. Schäfer, Überwachungssystem, S. 147,148ff.; siehe zu den neuronalen Netzen auch Gleißner/Füser D B 2000, S.933, 936ff. 603 Schäfer, Überwachungssystem, S. 147,157ff.; siehe dazu auch: Lück D B 1998, S. 8,11 f. und S. 1925, 1927 sowie D B 2000, S.1473, 1476; Eggemann/Konradt BB 2000, S.503, 505; Holst/ Holtkamp BB 2000, S.815, 815f. 604 Schäfer, Überwachungssystem, S. 147, 163; siehe dazu auch Günther/Beyer BB 2001, S. 1623, 1629f. 605 Schäfer, Überwachungssystem, S. 186, 188ff., 190,191 ff., 194,195; siehe dazu auch: Eggemann/Konradt BB 2000, S.503, 505; Pollanz DB 2001, S. 1317, 1324 (auch bereits D B 1999, 601

602

440

3. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des Aufsichtsrats

Alle diese Frühwarnsysteme (und M e t h o d e n ) haben ihre Stärken und Schwächen. 6 0 6 I m H i n b l i c k auf die Frühwarnindikatoren und die Balanced Scorecard wiegt besonders schwer, daß sie die Identifikation schwacher Signale nicht ermöglichen, weil diese per definitionem schlecht strukturiert und unbekannt sind und sich deshalb nicht in Indikatoren/Kennzahlen umsetzen lassen. 6 0 7 Dieser B e fund erklärt nicht nur, warum der I D W P S 340 gerade im H i n b l i c k auf diese Frage sehr abstrakt bleibt. 6 0 8 E r zwingt auch zu der Schlußfolgerung, daß der Vorstand den ihm obliegenden Rechtspflichten im Sinne der § § 9 1 Abs. 2, 93 Abs. 1 Satz 1 A k t G nur genügt, wenn er ein mehrdimensionales Frühwarnsystem einrichtet, aufrechterhält, weiterentwickelt und überwacht. Ein solches mehrdimensionales Frühwarnsystem m u ß jedenfalls eine Überprüfung (i) der Vollständigkeit der den strategischen Planungen zugrundeliegenden Prämissen (etwa vermittels der Szenarioanalyse durch das strategische Controlling), (ii) der Validität der den strategischen Planungen zugrundeliegenden Prämissen und der Richtigkeit der strategischen Pläne (etwa vermittels der R i s k Adjusted Balanced Scorecard durch das strategische Controlling), (iii) der Realisierung der strategischen Pläne (etwa vermittels H o c h r e c h n u n g e n und Kennzahlenanalysen durch das operative C o n t r o l ling) und (iv) der Umsetzung der strategischen und normativen Vorgaben auf der operativen E b e n e (etwa vermittels einer Prüfung des internen Kontrollsystems durch die Innenrevision) gewährleisten. 6 0 9

(4) Die Integration der Chancen Das interne Steuerungs- und Überwachungssystem m u ß - über das herkömmliche Verständnis hinaus - auch eine chancenorientierte D i m e n s i o n haben. Zu den Teilsystemen des internen Steuerungs- und Überwachungssystems gehört auch ein Chancenmanagementsystem, das diejenigen Ziele und M a ß n a h m e n umfaßt, die sich auf die systematische Analyse von und den U m g a n g mit unternehmerischen C h a n c e n beziehen (Identifikation, Analyse, Bewertung und Steuerung von Chancen aufgrund einer Chancenstrategie), ein darauf bezogenes

Uberwa-

chungssystem (Teilbereich des internen Kontrollsystems und der Innenrevision) und ein Chancencontrolling, das diese beiden System unterstützt. 6 1 0

S. 1277, 1279ff.); Gleißner DB 2000, S.1625, 1628f.; Günther/Beyer BB 2001, S.1623, 1629; Weiss/Heiden BB 2000, S.35, 39. 606 Schäfer, Überwachungssystem, S.154ff., 162, 174ff.; Gleißner/Füser DB 2000, S.933, 934f., 935f., 941; Holst/Holtkamp BB 2000, S. 815, 815f. (zu indikatororientierten Frühwarnsystemen); Günther/Beyer BB 2001, S. 1623, 1629f. (zur Balanced Scorecard). 607 Vgl. Schäfer, Überwachungssystem, S. 162,164; Holst/Holtkamp BB 2000, S.815,815f. (zu indikatororientierten Frühwarnsystemen); Günther/Beyer BB 2001, S. 1623, 1629f. (zur Balanced Scorecard). 608 Ziff. 5, 9 des IDW PS 340; siehe dazu auch Schäfer, Überwachungssystem, S. 209f., 218f. 609 Vgl. Schäfer, Überwachungssystem, S. 194ff. 610 Lück BB 2001, S.2312, 2312ff.

B. Die gesellschaftsrechtliche Entscheidungsfehlerlehre

441

Diese Erweiterung des internen Steuerungs- und Uberwachungssystems beruht letztlich darauf, daß die Führungsaufgabe des Vorstands darin besteht, die erfolgreiche, am Unternehmensgegenstand und den in der Satzung zum Ausdruck kommenden Zielvorstellungen orientierte Entwicklung des Unternehmens sicherzustellen. Die Unternehmensleitung muß unternehmerische Chancen wahrnehmen, weil das von entscheidendem Einfluß auf den wirtschaftlichen Erfolg ist. Dazu muß sie im Rahmen der Unternehmensstrategie eine Chancenstrategie entwickeln und insbesondere festlegen, welche Chancen wahrgenommen werden sollen, welches Verhältnis zwischen Chancen und Risiken in den einzelnen Unternehmensbereichen eingehalten werden soll, ab welchem Chancenpotential Maßnahmen zur Chancensteuerung eingeleitet werden sollen und wie das Chancenmanagementsystem ausgestaltet werden soll, damit die Chancen erkannt werden, die Möglichkeiten zur Realisierung der erkannten Chancen ermittelt werden, das Ausmaß der Chancen festgestellt wird und die Chancen genutzt werden. 611 Die Verpflichtung, ein effektives Chancenmanagementsystem einschließlich Uberwachungssystem und Chancencontrolling einzurichten, folgt vor diesem Hintergrund ebenfalls aus §93 Abs. 1 Satz 1 AktG. Das hat der Gesetzgeber mittelbar auch anerkannt. Nach den §§289 Abs. 1 Satz 4,315 Abs. 1 Satz 5 H G B idF. von Art. 1 Nr. 9 und Nr. 19 BilReG 12/2004 „ist im Lagebericht/Konzernlagebericht die voraussichtliche Entwicklung mit ihren wesentlichen Chancen und Risiken zu beurteilen und zu erläutern; zugrundeliegende Annahmen sind anzugeben." Nach §317 Abs.2 H G B idF. Art. 1 Nr.21b BilReG 12/2004 ist der Lagebericht/Konzernlagebericht auch darauf zu prüfen, „ob die Chancen und Risken der künftigen Entwicklung zutreffend dargestellt sind." Der Gesetzgeber hat damit „die durch das Kontroll- und Transparenzgesetz eingeführte Risikofocussierung im Unternehmensführungsprozeß durch eine chancenspezifische Komponente ergänzt." 612 Diese Neuregelungen setzen voraus, daß die unternehmensinternen Informationssysteme diese Informationen liefern, und das können sie nur, wenn sie eine chancenorientierte Dimension haben. 613 Daran vermag der Befund nichts zu ändern, daß der Gesetzgeber darauf verzichtet hat, auch den § 91 Abs. 2 AktG zu erweitern und den Vorstand zu verpflichten, ein System für die Erkennung und Nutzung von Chancen einzurichten. 614 §91 Abs. 2 AktG ist nur eine spezielle Ausprägung des § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG, so daß der Vorstand bereits aufgrund seiner Sorgfaltspflicht ein effektives Chancenmanagementsystem einschließlich Uberwachungssystem und Chancencontrolling einzurichten, aufrechtzuerhalten, weiterzuentwickeln und zu überwachen hat. 611

Lück BB 2001, S.2312, 2312, 2312ff. Kaiser DB 2005, S.345, 345. 613 Vgl. Kaiser DB 2005, S. 345, 345f., 346f. 614 Kaiser DB 2005, S. 345,345 merkt dazu an: „Kein Gleichlauf erfolgt hier aufgrund des ungleich höheren Bedrohungspotentials von bestandsgefährdenden Risiken im Vergleich zu der aus der Nicht-Nutzung von Chancen resultierenden Gefahr." 612

442

3. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des Aufsichtsrats

In praktischer Hinsicht bietet sich angesichts der sachlichen N ä h e von R i s i k o managementsystem (einschließlich Uberwachungssystem und R i s i k o c o n t r o l ling) und Chancenmanagementsystem (einschließlich Uberwachungssystem und Chancencontrolling) eine Erweiterung des Risikomanagementsystems in R i c h tung auf ein integriertes Chancen-Risikomanagementsystem an. 6 1 5 R i s i k o - und Chancenidentifikation unterscheiden sich letztlich nicht. Das integrierte Frühwarnsystem zielt auf die Möglichkeit einer Streuung des Zukunftserfolgs wirtschaftlicher Aktivitäten, dh. einer positiven Abweichung oder einer negativen Abweichung des tatsächlichen Ergebnisses von dem erwarteten Ergebnis (in der Betriebswirtschaftslehre treffend als Risiko im weiteren Sinne bezeichnet). 6 1 6 R i s i k o - und Chancenanalyse unterscheiden sich nur darin, daß einmal die beeinflußbaren und nicht beeinflußbaren Ursachen und einmal die beeinflußbaren und nicht beeinflußbaren Realisierungsmöglichkeiten ermittelt werden. 6 1 7 R i s i k o - und Chancenbewertung zielen darauf, das Ausmaß des Risikos bzw. der Chance festzustellen. E s geht um eine ganz ähnliche Quantifizierung. D e r Schadenerwartungswert ist das Produkt aus der H ö h e des drohenden Vermögensverlustes (Quantitätsdimension) und der Wahrscheinlichkeit des drohenden V e r m ö gensverlustes (Intensitätsdimension). D e r Ertragserwartungswert ist das Produkt aus der H ö h e des erwarteten Ertrags (Quantitätsdimension) und der Wahrscheinlichkeit des Ertragseintritts (Intensitätsdimension). 6 1 8 R i s i k o - und C h a n c e n steuerung sind ebenfalls eng verwandt. Das U n t e r n e h m e n kann auf ein risikobehaftetes Geschäft ebenso wie auf die N u t z u n g einer Chance verzichten (Risikovermeidung/Chancenignorierung). E s kann Maßnahmen treffen, die die Wahrscheinlichkeit und/oder die H ö h e des erwarteten Vermögensverlustes verringern bzw. die Wahrscheinlichkeit und/oder die H ö h e des erwarteten Ertrags steigern sollen (Risikoverminderung/Chancenentwicklung). Es kann das R i s i k o übernehmen (abgesichert oder unabgesichert) und die C h a n c e wahrnehmen ( R i s i k o k o m pensation/Chancenrealisierung). 6 1 9 Selbst die Risikoüberwälzung (Übertragung des Risikos auf einen Dritten, etwa auf eine Versicherung) 6 2 0 hat ein Äquivalent in der Chancensteuerung, wenn man die Möglichkeit in Betracht zieht, das Wissen u m die Chance an einen Dritten (etwa an einen Wettbewerber) zu verkaufen (Chancentransfer). D i e Aufgabe des integrierten Controllings besteht vor allem darin, unternehmensweit den Chancen-Risikostatus etwa mit einem konsolidierten Chancen-Risikobericht transparent zu machen, die Auswirkungen des eingeKaiser DB 2005, S.345, 346f., 347ff., 351 f. Lück DB 1998, S. 1925, 1925,1927 und BB 2001, S.2312, 2312, 2313. Siehe dazu auch den Vorschlag von Kaiser DB 2005, S. 345, 348 f. 617 Lück DB 1998, S. 1925, 1927 und BB 2001, S.2312, 2313. 618 Lück DB 1998, S. 1925, 1927 und BB 2001, S.2312, 2313f. Siehe dazu auch den Vorschlag von Kaiser DB 2005, S. 345, 349f. 6,9 Lück DB 1998, S. 1925,1927f. und BB 2001, S.2312, 2314f. Siehe dazu auch den Vorschlag von Kaiser DB 2005, S. 345, 350f. 620 Siehe dazu Lück DB 1998, S. 1925, 1927f. und Kaiser DB 2005, S.345, 350. 615 6,6

B. Die gesellschaftsrechtliche Entscheidungsfehlerlehre

443

setzten chancen- und risikopolitischen Instrumentariums zu beobachten, A b w e i chungen von den Zielvorgaben zu analysieren, die Angemessenheit des C h a n c e n Risikomanagementprozesses zu prüfen und bei Bedarf Anpassungsmaßnahmen vorzuschlagen, die Grenzwerte für die Chancen-Risikosteuerung zu überwachen und ihre Angemessenheit zu prüfen. 6 2 1 (5)

Ergebnis

D e r Gesetzgeber hat mit dem § 9 1 Abs. 2 A k t G und den § § 3 1 7 Abs. 4, 321 Abs. 4 H G B einen entscheidenden A n s t o ß dazu gegeben, daß Wissenschaft und Praxis das interne Steuerungs- und Uberwachungssystem auf der Grundlage des internal control concepts des C O S O - R e p o r t s und dabei insbesondere das Chancenund Risikomanagementsystem unter Einbeziehung auch betriebswirtschaftlicher Erkenntnisse ausgeformt und einer Systemprüfung (angemessene/zweckentsprechende/geeignete und ausreichende Ausgestaltung sowie ordnungsgemäße und kontinuierliche F u n k t i o n 6 2 2 ) zugänglich gemacht haben. Diese Entwicklung trägt in besonderer Weise dazu bei, daß Vorstand und A u f sichtsrat mehr Informationen zu abwägungsrelevanten Gesichtspunkten erhalten. Dies gilt gerade im H i n b l i c k auf die hier interessierenden Informationen zu der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage, der wirtschaftlichen Lage, dem Erfolg und den Zukunftsaussichten, der G r ö ß e und Bedeutung sowie der Wertsteigerung des Unternehmens und zu den R i s i k o - / C h a n c e n f a k t o r e n sowie den K o s t e n und Gewinnposten. Vorstand und Aufsichtsrat können nicht von der Verpflichtung befreit werden, sich die Möglichkeiten des internen Steuerungs- und Uberwachungssystems und insbesondere des C h a n c e n - und Risikomanagementsystems umfassend zu nutze zu machen. Diese Verpflichtung ist sogar besonders zu betonen, weil verschiedene empirische Untersuchungen in den letzten Jahren gezeigt haben, daß der P r o zeß des Risikomanagements noch immer in vielen U n t e r n e h m e n Schwachstellen aufweist und Chancenmanagementsysteme n o c h kaum verbreitet sind. 6 2 3 Daran kann auch der Befund nichts ändern, daß die S E C für den nunmehr geforderten Management R e p o r t on Internal C o n t r o l over Financial R e p o r t i n g 6 2 4 ein enges Verständnis von internal control zugrundelegt. Erfaßt werden nur die Prozesse zur Generierung und Weiterverarbeitung von Informationen, die in die Finanzberichterstattung einfließen 6 2 5 (detaillierte, zutreffende und notwendige 621 Kaiser DB 2005, S.345, 351. Siehe dazu auch Lück DB 1998, S. 1925,1929f. und BB 2001, S.2312, 2315. 622 Vgl. dazu Ziff. 30ff., 31 ff., 41 ff, 65ff. des IDW PS 260 und Ziff. 19ff. des IDW PS 340 und Ziff. 14ff. des IDW PS 300. 623 Siehe dazu Kaiser DB 2005, S.345, 346 mit instruktiven Nachweisen. 624 SEC, Final Rule: Management's Reports on Internal Control over Financial Reporting and Certification of Disclosure in Exchange Act Periodic Reports, II.B. 3. 625 Hütten/Stromann BB 2003, S.2223, 2225.

444

3. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des

Aufsichtsrats

D o k u m e n t a t i o n der Geschäftsvorfälle; E i n n a h m e n - , Ausgaben- und Verfügungsk o n t r o l l e n 6 2 6 ) : „ A p r o c e s s designed by, o r u n d e r the supervision o f , the registrant's principal executive and principal financial officers, o r p e r s o n s p e r f o r m i n g similiar functions, and effected b y the registrant's b o a r d o f directors, m a n a g e m e n t and other personnel, to provide reasonable assurance regarding the reliability o f financial reporting and the preparation o f financial statements for external p u r p o ses in a c c o r d a n c e w i t h g e n e r a l l y a c c e p t e d a c c o u n t i n g p r i n c i p l e s a n d i n c l u d e s t h o se p o l i c i e s a n d p r o c e d u r e s t h a t : ( 1 ) P e r t a i n t o t h e m a i n t e n a n c e o f r e c o r d s t h a t in reasonable detail accurately and fairly reflect the transactions and dispositions o f t h e assets o f t h e r e g i s t r a n t ; ( 2 ) P r o v i d e r e a s o n a b l e a s s u r a n c e t h a t t r a n s a c t i o n s a r e r e c o r d e d as n e c e s s a r y t o p e r m i t p r e p a r a t i o n o f f i n a n c i a l s t a t e m e n t s in a c c o r d a n c e with generally accepted accounting principles, and that receipts and expenditures o f t h e r e g i s t r a n t a r e b e i n g m a d e o n l y in a c c o r d a n c e w i t h a u t h o r i z a t i o n s o f m a n a gement and directors o f the registrant, and (3) Provide reasonable assurance regarding prevention o r timely detection of unauthorized acquisition, use or dispos i t i o n o f t h e r e g i s t r a n t ' s assets t h a t c o u l d h a v e a m a t e r i a l e f f e c t o n t h e f i n a n c i a l s t a tements."627 D i e S E C ist d a m i t z u d e m i n t e r n a l c o n t r o l c o n c e p t des F o r e i g n C o r r u p t P r a c t i ces A c t v o n 1 9 7 7 u n d des S A S 5 5 z u r ü c k g e k e h r t . 6 2 8 S i e ist b e w u ß t v o n d e m i n t e r nal c o n t r o l c o n c e p t des C O S O - R e p o r t s u n d d e m S A S 7 8 ( k o d i f i z i e r t als A U § 3 1 9 ) a b g e r ü c k t . I h r V o r s c h l a g , s i c h an S A S 7 8 z u o r i e n t i e r e n , 6 2 9 w a r a u f e r h e b l i -

Block B K R 2003, S. 774, 776. Siehe dazu auch Gruson/Kuhicek A G 2003, S. 393, 396ff. SEC, Final Rule: Management's Reports on Internal Control over Financial Reporting and Certification of Disclosure in Exchange Act Periodic Reports, ILA. 3. Siehe dazu auch Sec. 404 Sarbanes-Oxley Act 7/2002. Daneben treten disclosure controls and procedures: „controls and procedures of a company that are designed to ensure that information required to be disclosed by the company in the reports that it files or submits under the Exchange Act is recorded, processed, summarized and reported, within the time periods specified in the Commission's rules and forms;" SEC aaO. II.D. Siehe dazu auch Sec. 302 Sarbanes-Oxley Act 7/2002 sowie SEC, Certification of Disclosure in Companies' Quaterly and Annual Reports, III. 626 627

6 2 8 Siehe dazu bereits oben S.355f. sowie S.431f. Fn.576, 577 und SEC, Final Rule: Management's Reports on Internal Control over Financial Reporting and Certification of Disclosure in Exchange Act Periodic Reports, II.A. 1 („Under the F C P A companies ... are required to devise and maintain a system of internal accounting controls sufficient to provide reasonable assurances that: transactions are executed in accordance with management's general or specific authorization; transactions are recorded as necessary (1) to permit preparation of financial statements in conformity with generally accepted accounting principles or any other criteria applicable to such statements, and (2) to maintain accountability for assets; access to assets is permitted only in accordance with management's general or specific authorization; and that recorded accountability for assets is compared with the existing assets at reasonable intervals and appropriate action is taken with respect to any differences.") und H.A. 3. 629 SEC, Final Rule: Management's Reports on Internal Control over Financial Reporting and Certification of Disclosure in Exchange Act Periodic Reports, II.A. 1: „Controls that pertain to the preparation of financial statements for external purposes that are fairly presented in conformity with generally accepted accounting principles as adressed by the Codification of Statements

B. Die gesellschaftsrechtliche

Entscheidungsfehlerlehre

445

che Bedenken gestoßen: „The c o m m o n concern ... was that A U § 3 1 9 does not provide any measure or standard b y which a Company's management can determine that internal control is effective, n o r does it define what constitutes effective internal c o n t r o l . " 6 3 0 D i e Begründung der S E C 6 3 1 macht deutlich, daß ihr die R e gelung von Berichterstattung und Prüfung im H i n b l i c k auf die internal control over financial reporting schwierig erscheint. 6 3 2 Vor diesem Hintergrund mag das A b r ü c k e n der S E C von dem K o n z e p t eines umfassenden internen Steuerungs- und Überwachungssystems gerade auch angesichts der kapitalmarktrechtlichen Sanktionen 6 3 3 verständlich sein, im Lichte der § § 9 3 , 116 A k t G können Vorstand und Aufsichtsrat jedoch nicht davon absehen, die Informationspotentiale dieses Systems zu nutzen. Wenn und soweit ein internes Steuerungs- und Überwachungssystem Informationen zu abwägungsrelevanten Gesichtspunkten liefern kann, müssen Vorstand und Aufsichtsrat sicherstellen, daß sie sie erhalten. D i e Anforderungen an das interne Steuerungs- und Überwachungssystem spiegeln insoweit die Anforderungen an die zukunfts-, problem- und risikoorientierte Informatiosnversorgung von Vorstand und A u f sichtsrat und damit die Anforderungen an die Entscheidungsfundierung und die Entscheidungsfindung - und in letzter Konsequenz an die Entscheidungsqualität. I m H i n b l i c k auf die Offenlegungspflichten der S E C gilt insoweit nichts anderes als im Hinblick auf den Streit um die Interpretation des § 9 1 Abs. 2 A k t G : D i e Beschränkung der externen Prüfung führt nicht zu einer Beschränkung der dem Vorstand und dem Aufsichtsrat im Innenverhältnis zur Gesellschaft obliegenden Pflichten. D e r Vorstand kann und m u ß ein internes Steuerungs- und Überwachungssystem auf der Grundlage des internal control concepts des C O S O - R e p o r t s und insbesondere ein Chancen- und Risikomanagementsystem auch unter Einbeziehung betriebswirtschaftlicher Erkenntnisse einrichten, aufrechterhalten, weiterentwickeln und überwachen sowie die dadurch eröffneten Informationspotentiale voll ausschöpfen und damit auch eine entsprechende Informationsversorgung vermittels seines Informationssystems sicherstellen. D e r Aufsichtsrat kann und m u ß eine die Berichterstattung nach § 9 0 Abs. 1 und Abs. 3 A k t G in dieser H i n sicht ergänzende Berichterstattung des Vorstands vermittels seines Informations-

on Auditing Standards §319 or any superseding definition or other literature that is issued or adopted by the Public Company Accounting Oversight Board." 630 SEC, Final Rule: Management's Reports on Internal Control over Financial Reporting and Certification of Disclosure in Exchange Act Periodic Reports, II.A.2 und II.A.3. 631 SEC, Final Rule: Management's Reports on Internal Control over Financial Reporting and Certification of Disclosure in Exchange Act Periodic Reports, H.A. 632 Lanfermann/Maul DB 2003, S.349, 352f. 633 Siehe zur neuen zivil- und strafrechtlichen Zertifizierungspflicht: Gruson/Kubicek AG 2003, S.393, 401 ff.; Block BKR 2003, S.774, 775ff.; Donald WM 2003, S. 705, 707f.

446

3. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des

Aufsichtsrats

systems sicherstellen. Vor diesem Hintergrund lassen sich die Abwägungsmißorganisation und die Abwägungsunschlüssigkeit nunmehr weiter konkretisieren. Eine Abwägungsmißorganisation liegt insbesondere bei einem Verstoß gegen das Funktionsgebot (konkrete Dimension) im Lichte der informationellen Instrumentarien vor/eine Abwägungsunschlüssigkeit liegt insbesondere bei einem Verstoß gegen das Fundierungsgebot (Gebot, der Bestimmung der abwägungsrelevanten Gesichtspunkte die erforderlichen Informationen zugrundezulegen) im Lichte der informationellen Instrumentarien vor, und damit etwa dann, wenn bezogen auf den Gegenstand der zugehörigen Abwägung (und damit auch auf den konkreten Entscheidungsgegenstand) - der Vorstand/Aufsichtsrat die Informationen zu abwägungsrelevanten Gesichtspunkten, die er sich aufgrund einer vollen Ausschöpfung der durch ein internes Steuerungs- und Überwachungssystem auf der Grundlage des internal control concepts des COSO-Reports und insbesondere durch ein Chancenund Risikomanagementsystem auch unter Einbeziehung betriebswirtschaftlicher Erkenntnisse eröffneten Informationspotentiale/aufgrund einer die Berichterstattung nach §90 Abs. 1 und Abs. 3 AktG in dieser Hinsicht ergänzenden Berichterstattung des Vorstands hätte verschaffen können, sich nicht auch tatsächlich vollständig und zutreffend bestimmt vermittels seines Informationssystems verschafft hat/der Bestimmung der abwägungsrelevanten Gesichtspunkte nicht zugrundegelegt hat. Eine Abwägungsmißorganisation liegt insbesondere bei einem Verstoß gegen das Existenz- und Effektivgebot (abstrakte Dimension) im Lichte der informationellen Instrumentarien vor, und damit etwa dann, wenn unabhängig von dem Gegenstand der zugehörigen Abwägung (und damit auch von dem konkreten Entscheidungsgegenstand) - das Informationssystem des Vorstands/Aufsichtsrats keine volle Ausschöpfung der durch ein internes Steuerungs- und Uberwachungssystem auf der Grundlage des internal control concepts des COSO-Reports und insbesondere durch ein Chancen- und Risikomanagementsystem auch unter Einbeziehung betriebswirtschaftlicher Erkenntnisse eröffneten Informationspotentiale/keine die Berichterstattung nach § 90 Abs. 1 und Abs. 3 AktG in dieser Hinsicht ergänzende Berichterstattung des Vorstands zu abwägungsrelevanten Gesichtspunkten sicherstellt. cc) Organisation

des

Aufsichtsrats

Im Hinblick auf die Organisation des Aufsichtsrats lautet die entscheidende Frage, wie vermittels einer Änderung des Organisationsrechts eine Optimierung der Aufgabenwahrnehmung durch den Aufsichtsrat erreicht werden kann. Der entscheidende Gesichtspunkt ist dabei, daß die Anforderungen an die kompetente Besetzung des Aufsichtsrats (Zusammensetzung), das Uberwachungsprogramm

B. Die gesellschaftsrechtliche Entscheidungsfehlerlehre

447

und die Ausschüsse des Aufsichtsrats (Selbstorganisation) und den Zustimmungsvorbehalt nach § 111 Abs. 4 Satz 2 A k t G (nichtinformationelle Instrumentarien) in ihrer Kumulation letztlich auf eine bessere Informationsversorgung und eine bessere Informationsverarbeitung durch den Aufsichtsrat zielen. E s geht im K e r n um die Entscheidungsorganisation, die Optimierung der Entscheidungsfundierung und der Entscheidungsfindung (und damit der Entscheidungsqualität) mit den Mitteln des Organisationsrechts. D e n Ansatzpunkt liefert der Befund, daß das deutsche Gesellschaftsrecht in zentralen Fragen zum einen weit hinter dem U . S . amerikanischen R e c h t und der U . S . amerikanischen Praxis zurückbleibt. D o r t sind strenge und/oder komplexe Anforderungen an die vorrangig mit der Ü b e r w a c h u n g der officers betrauten directors (Unabhängigkeit und Qualifikation), die Bildung und Ausformung von Ausschüssen des board of directors (Besetzung; Geschäftsordnung mit Aufgabenbeschreibung und Verpflichtung zur Selbstevaluation) sowie an die Zuständigkeit des board of directors für wichtige Unternehmensentscheidungen und die Strukturierung der Uberwachungstätigkeit ausgebildet worden. Das deutsche Gesellschaftsrecht bleibt in zentralen Fragen zum anderen hinter den Erkenntnissen der Betriebswirtschaftslehre zurück. D i e Betriebswirtschaftslehre hat zwar zumeist nicht so strenge und/oder komplexe Anforderungen wie das U . S . amerikanische R e c h t und die U . S . amerikanische Praxis entwickelt. Sie hat aber erheblich präzisere Vorstellungen von den Aufsichtsratsausschüssen, dem U b e r w a chungsprogramm und dem Zustimmungsvorbehalt als das Gesellschaftsrecht.

(1) Unabhängigkeit

und

Qualifikation

D i e Anforderungen an die Aufsichtsratsmitglieder sind in den §§ 100, 105 A k t G nur rudimentär geregelt. Allerdings läßt § 100 Abs. 4 A k t G es zu, in der Satzung weitergehende Voraussetzungen festzulegen. Es kann geregelt werden, daß kein Aufsichtsratsmitglied sein kann, wer in geschäftlichen Beziehungen zur Gesellschaft steht oder bestimmte Verbindungen zu konkurrierenden U n t e r n e h m e n hat. Es kann auch bestimmt werden, daß die Wahl in den Aufsichtsrat bestimmte, für dieses U n t e r n e h m e n besonders wichtige Sachkenntnisse oder Fähigkeiten voraussetzt. 6 3 4 D e r Gesetzgeber hat die Höchstzahl der Aufsichtsratsmandate weiter k o n k r e tisiert (Einfügung des § 100 Abs. 2 Satz 3 A k t G ) . 6 3 5 E r hat mit zwei Änderungen des § 110 Abs. 3 A k t G zwei Sitzungen des Aufsichtsrats im Kalenderhalbjahr zu erreichen versucht. 6 3 6 E r hat im übrigen auf eine Erweiterung der Transparenz gesetzt. In der Bekanntmachung der Tagesordnung der Hauptversammlung m u ß nun der ausgeübte B e r u f (tatsächlich ausgeübte hauptberufliche Tätigkeit, bei 634 635 636

Dreher, Festschrift für Boujong, S. 71, 74. Art. 1 Nr. 10b KonTraG 4/1998. Art. 1 Nr. 11 KonTraG 4/1998 und Art. 1 Nr. 8b TransPuG 7/2002.

448

3. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des Aufsichtsrats

Angestellten auch das U n t e r n e h m e n ) der vorgeschlagenen Aufsichtsratsmitglieder angegeben werden (§§ 124 Abs. 3 Satz 3 A k t G , 127 A k t G ) . Bei börsennotierten Gesellschaften müssen in der Mitteilung der Einberufung der Hauptversammlung einem Vorschlag zur Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern Angaben zu deren Mitgliedschaft in anderen gesetzlich zu bildenden Aufsichtsräten beigefügt werden; Angaben zu ihrer Mitgliedschaft in vergleichbaren in- und ausländischen Kontrollgremien von Wirtschaftsunternehmen sollen beigefügt werden ( § § 1 2 5 Abs. 1 Satz 3, 127 A k t G ) . Entsprechende Angaben müssen im Anhang gemacht werden ( § 2 8 5 Nr. 10 Satz 1 H G B ) . 6 3 7 Etwas weiter ist der Deutsche K o d e x idF. v o m 21. Mai 2003 gegangen. Bei den Wahlvorschlägen an die Hauptversammlung „soll" darauf geachtet werden, daß dem Aufsichtsrat jederzeit Mitglieder angehören, die über die zur ordnungsgemäßen Wahrnehmung der Aufgaben erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und fachlichen Erfahrungen verfügen und hinreichend unabhängig sind. E s „sollen" die internationale Tätigkeit des Unternehmens, potentielle Interessenkonflikte und eine festzulegende Altersgrenze berücksichtigt werden (Ziff. 5.4.1). 6 3 8 D e m Aufsichtsrat „sollen" nicht mehr als zwei ehemalige Vorstandsmitglieder angehören, und die Aufsichtsratsmitglieder „sollen" keine Beratungsaufgaben bei w e sentlichen Wettbewerbern des Unternehmens ausüben (Ziff. 5.4.2). 6 3 9 Wer dem Vorstand einer börsennotierten Gesellschaft angehört, „soll" insgesamt nicht mehr als fünf Aufsichtsratsmandate in konzernexternen börsennotierten Gesellschaften wahrnehmen (Ziff. 5.4.3). D i e K o d e x k o m m i s s i o n hat damit die Überlegungen der Regierungskommission aufgegriffen. Sie hatte die Aufsichtsratsmandate in Konkurrenzunternehmen und die mangelnde Unabhängigkeit der Aufsichtsratsmitglieder im Sinne des angelsächsischen Rechts als problematisch und unbefriedigend bezeichnet. Sie hatte zudem in der Qualifikation der Aufsichtsratsmitglieder „die wesentliche Voraussetzung für eine effektive Aufsichtsratsarbeit" gesehen. Sie hatte überdies darauf hingewiesen, daß es den Unternehmen freistehe, „im Interesse einer P r o fessionalisierung der Aufsichtsratstätigkeit" auch formale Qualifikationen zu verlangen (insbesondere eine - über die im Lichte des § 171 A k t G erforderliche hinreichende Sachkunde in den Bereichen Unternehmensberichterstattung und Abschlußprüfung hinausgehende - formale Qualifikation im Sinne einer financial literacy). Sie hatte dabei aber auch angemerkt, daß in der Praxis die für die A u f sichtsratsarbeit erforderliche Qualifikation der Arbeitnehmervertreter durch ent-

637 Art. 1 Nr. 14, 15, 16 und Art.2 Nr.2b KonTraG 4/1998. Siehe dazu Begründung zu Art. 1 Nr. 14-16 und Art.2 Nr.2b RegE KonTraG 11/1997. 6 , 8 Siehe dazu Kremer, Kodex-Kommentar, Ziff. 5.4.1 Rdn.709, 710ff. 639 Siehe dazu Kremer, Kodex-Kommentar, Ziff. 5.4.2 Rdn. 721 ff., 724ff. und auch Ziff. IV. 4. des Berliner Kodex sowie Ziff. III. 1 des Frankfurter Kodex.

B. Die gesellschaftsrechtliche

Entscheidungsfehlerlehre

449

sprechende Schulungen sichergestellt werde, soweit sie nicht bereits aufgrund entsprechender Ausbildung und Erfahrung vorhanden sei. 640 (a) Die Entwicklung in den Vereinigten

Staaten

Blickt man in die Vereinigten Staaten, so wurden und werden die Anforderungen an die Unabhängigkeit und Qualifikation der directors zunehmend verschärft, 641 und zwar insbesondere durch die New York Stock Exchange (im folgenden N Y SE) vermittels der Börsenzulassungsregeln und durch die S E C vermittels der O f fenlegungspflichten. 642

Rdn.54f., 310f. des Kommissionsberichts. Allerdings hat diese Entwicklung den board of directors noch nicht hinreichend gestärkt (Kraakman, Corporate Governance, S. 129, 136ff., 138ff.; Hess, Corporate Governance, S.9, 14ff.). Denn die Leistungsfähigkeit der outside directors wird dadurch beeinträchtigt, daß ihre Rekrutierung und Auswahl von den officers beeinflußt wird (und sie weder von den shareholdern oder ihren Vertretern noch von einem von einer externen Beratungsfirma unterstützten nominating committee gewählt werden), daß sie zu wenig Zeit aufwenden, um ihre Aufgaben professionell wahrnehmen zu können (im Schnitt 14 Tage pro Jahr einschließlich Reisezeiten), daß sie im Vergleich zu Spitzenkräften, Investmentbankern und Unternehmensberatern geringfügige Vergütungen und zudem Pauschalhonorare statt leistungsabhängiger Vergütungen wie Aktienoptionen erhalten, daß sie über keinerlei back office verfügen, daß ihre Aufgaben bei der Gestaltung der künftigen Ausrichtung des Unternehmens, bei der Beurteilung der Leistungen der officers und bei der Diskussion der wichtigsten Unternehmensentscheidungen und strategischen Pläne unter aktiver Einbeziehung der Unternehmensleitung noch zu wenig präzisiert sind (Kraakman, Corporate Governance, S. 129,138ff.; Davies Z G R 2001, S. 268,281 f. - zur Lage in Großbritannien - weist zudem auf die Zweifel an der Effektivität der outside directors hin, die in ihrer fehlenden Abhängigkeit von den Aktionären und von den institutionellen Anlegern gründen, und wirft die Frage auf, welches die Anreize für die outside directors sind, ihre Aufgaben gut zu erfüllen) und daß sie übermäßig vor Haftung geschützt werden, und zwar (i) durch die Rechtsprechung vermittels der business judgment rule in Verbindung mit dem right of reliance, wonach sich ein director auf Informationen von Ausschüssen des board of directors, officern und sonstigen Angestellten sowie von bestimmten Fachleuten verlassen darf, und (ii) durch die Gesellschaften vermittels weitreichender Haftungsfreistellungen und des Abschlusses von D & O Versicherungen (Hess, Corporate Governance, S. 9, 17f.; Buxbaum, Corporate Governance, S. 65,76ff., der anmerkt, daß das right of reliance „einen formellen Rahmen für den nach oben gerichteten Informationsfluß sowie für den Fluß von Anregungen für entsprechende Maßnahmen des Boards" schafft und „die Realität der amerikanischen Board-Praxis mit der gewissermaßen als Köder wirkenden Haftungsimmunität für fehlerhafte Maßnahmen dazu führt, daß zu einer Tagesordnungs-Kontrolle (,Agenda-Control') durch das Büro des chief executive officers ermutigt wird."; Coffee, Corporate Governance, S.165, 174ff., 208). Vor diesem Hintergrund zeigt sich, daß die US. amerikanische Kritik am board of directors mit den entsprechenden Einschätzungen des Aufsichtsrats weitgehend deckungsgleich ist und die jeweiligen Reformvorschläge häufig austauschbar scheinen (Theisen RWZ 2001, S. 157, 158). Die zentralen Themenbereiche, die im Hinblick auf eine Optimierung der Aufgabenwahrnehmung durch Aufsichtsräte heute diskutiert werden, sind die Zusammensetzung des Aufsichtsrats, die Intensivierung der Aufsichtsratsarbeit, die erfolgsabhängige Vergütung der Aufsichtsräte und die Sorgfaltspflichten der Aufsichtsräte (siehe nur Theisen RWZ 2001, S. 157,158, 160ff.). 640 641

642 Hess, Corporate Governance, S. 9, 12, 13, 16; siehe dazu auch bereits Windbichler 1985, S. 50, 58f.

ZGR

450

3. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

(aa) New York Stock

des Vorstands und des Aufsichtsrats

Exchange

D i e N Y S E verlangte zunächst, daß mindestens zwei outside directors im board of directors sitzen. 6 4 3 A m 6. J u n i 2002 legte das C o r p o r a t e Accountability and L i sting Standards C o m m i t t e e der N Y S E dann erheblich weitreichendere E m p f e h lungen vor; 6 4 4 am 4. N o v e m b e r 2 0 0 3 wurden die Final N Y S E C o r p o r a t e G o v e r nance Rules verabschiedet. 6 4 5 N u n m u ß die Mehrheit im board of directors aus outside directors bestehen. 6 4 6 D i e besondere Bedeutung dieser Vorschläge liegt in der Einengung des Begriffs des outside directors und seiner Ergänzung durch Qualifikationserfordernisse. Ein director ist nun nicht mehr bereits deshalb ein outside director, weil er in dem betroffenen U n t e r n e h m e n keine Managementaufgaben wahrnimmt (also insbesondere kein officer ist). 6 4 7 E r ist erst dann ein outside director, wenn er keinerlei Beziehungen zu dem betroffenen U n t e r n e h m e n hat, die seine Unabhängigkeit im Verhältnis zu dem U n t e r n e h m e n und zu dem Management (also insbesondere den officers) gefährden könnten. D e r Grundsatz lautet: „ N o director qualifies as ,independent' unless the board of directors affirmatively determines that the director has no material relationship with the listed company (either directly or as a partner, shareholder or officer of an organization that has a relationship with the listed company). Companies must disclose these determinations." Es k o m m e n konkrete Vorgaben hinzu. Ein director ist nicht unabhängig, wenn er oder eines seiner Familienmitglieder in den letzten drei Jahren (i) in einem „employment relationship" gestanden oder mehr als „$ 100.000 per year in direct compensation" erhalten hat, (ii) für einen „former internal or external auditor o f the c o m p a n y " oder als ein „executive officer o f another c o m p a n y where any o f the listed company's present executives serve on that company's compensation c o m m i t t e e " tätig gewesen ist, (iii) bei einem U n t e r n e h m e n beschäftigt gewesen ist „that makes payments to, or receives payments from, the listed c o m p a n y f o r p r o perty or services in an amount which, in any single fiscal year, exceeds the greater o f $ 1 million, or 2 % of such other company's consolidated gross revenues." 6 4 8 643 Hess, Corporate Governance, S. 9, 13; siehe dazu auch bereits Windbichler ZGR 1985, S. 50, 58f. 644 Corporate Accountability and Listing Standards Committee, Report 2002/June 6. Siehe dazu auch NYSE, Press Release 2002/June 6 und The Exchange, June 2002, p. 1-3,8 und zu den vorausgegangenen Vorschlägen des Blue Ribbon Committee on Improving the Effectiveness of Corporate Audit Committees aus dem Jahr 1999 nur Niehus DB 1999, S. 1765ff. 645 Siehe dazu auch NYSE, Press Release 2003/November 4. 646 Ziff. 1 der Final NYSE Corporate Governance Rules. 647 Siehe dazu: Kraakmann, Corporate Governance, S. 130 („hauptberuflich im Unternehmen tätige Führungskraft"); Hess, Corporate Governance, S.9, 15, 16f. („Mitglied des Managements"); Windbichler ZGR 1985, S. 50, 56 („Manager, die zusätzlich noch einen Direktorensitz innehaben"); Niehus DB 1999, S. 1765, 1766 („Personen, die keine Geschäftsführungsfunktion und -Verantwortlichkeit in dem Unternehmen innehaben"). 648 Ziff. 2 der Final NYSE Corporate Governance Rules. Siehe dazu Vater KoR 2004, S.78,

B. Die gesellschaftsrechtliche

Entscheidungsfehlerlehre

451

I m H i n b l i c k auf die Qualifikation der members o f the audit committee führt die N Y S E aus: „Each m e m b e r of the audit committee must be financially literate, as such qualification is interpreted b y the company's board in its business judgment, or must b e c o m e financially literate within a reasonable period of time after his or her appointment to the audit committee. In addition, at least one m e m ber of the audit committee must have accounting or related financial management expertise, as the company's board interprets such qualification in its business j u d g m e n t . " 6 4 9 I m übrigen bemüht sich die N Y S E um „director education". Sie hat vorgeschlagen, ein „ N Y S E Directors Institute" zu gründen und in den U n t e r nehmen „orientation programs for new directors" einzuführen. 6 5 0 „We end with a word about director education. It is not enough that, through our recommendations and otherwise, directors will be given the tools they need to do their jobs. Rather, steps must be taken to assure that directors will actually know how to use all the instruments in their toolboxes. 78f. und Schäfer ZGR 2004, S. 416, 418ff. Siehe zu den vorausgegangenen Vorschlägen des Blue Ribbon Committee on Improving the Effectiveness of Corporate Audit Committees aus dem Jahr 1999 nur Niehus DB 1999, S. 1765,1766. In der Literatur sind ebenfalls strengere Anforderungen verlangt worden. Siehe dazu etwa Windbichler ZGR 1985, S.50, 58f. und Lorsch zfbf Sonderheft 36/1996, S. 199,201 („in no other way connected to that company"); auch Hess, Corporate Governance, S. 9, 15 weist daraufhin, daß die Dominierung des board of directors durch die officers auch darauf beruht, daß in den board of directors Personen sitzen, „die in irgendeiner Geschäftsbeziehung zu der Gesellschaft stehen und deren eigener wirtschaftlicher Erfolg daher vom Wohlwollen und der Gunst des Managements abhängt." Es sei angemerkt, daß in dieser Entwicklung eine Annäherung an die Anforderungen an einen disinterested director und damit an ein disinterested judgment im Sinne der business judgment rule zum Ausdruck kommt. Commentary to Ziff. 7a der Final NYSE Corporate Governance Rules. Corporate Accountability and Listing Standards Committee, Report 2002/June 6, p.29; siehe dazu auch NYSE, The Exchange, June 2002, p.3. In der U.S. amerikanischen Literatur wird zur Professionalisierung des board of directors etwa vorgeschlagen, die Amateurrolle der outside directors nicht allmählich und schrittweise, sondern abrupt und vollständig zu beseitigen und eine von institutionellen Anlegern finanzierte Clearing-Stelle erfolgreiche Führungskräfte, Wirtschaftsprüfer und Unternehmensberater als directors rekrutieren zu lassen, die dann hauptberuflich im board of directors von bis zu sechs Gesellschaften arbeiten und damit jedem board of directors mindestens vierzig Tage im Jahr widmen könnten; sie würden ihre Stellung als professionelle directors der Clearing-Stelle und ihren Trägern und nicht den officers der betroffenen Gesellschaften verdanken - sie wären von Aktionärsinteressen abhängige professionelle directors (Kraakman, Corporate Governance, S. 129, 138ff.). In diese Richtung geht auch die Einschätzung, trustee directors, die anders als bisher bestellt und abberufen würden, seien der nächste Schritt in der Entwicklung der Corporate Governance (Donald WM 2003, S. 705, 714). Auch in Deutschland kann man sich letztlich nicht der Erkenntnis verschließen, daß die voranschreitende Professionalisierung der Unternehmensführung durch den Vorstand zu einer wachsenden Autonomie des Vorstands im Verhältnis zu der nicht professionell ausgeübten Unternehmensüberwachung durch den Aufsichtsrat führt (Theisen RWZ 2001, S. 157, 158; siehe zu diesem Problem auch Möllers ZIP 1995, S. 1725, 1732ff.), und zwar mit der Konsequenz, daß (auch) eine Professionalisierung des Aufsichtsrats angestrebt werden müßte. Das Problem liegt aber auf der Hand: Dies könnte mit dem Charakter als Nebenamt unvereinbar sein (siehe zu diesem Problemkreis nur Schröder, Corporate Governance, S. 149, 150f. und Mülbert, Corporate Governance, S.99, 102ff.). 649 650

452

3. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des Aufsichtsrats

We therefore recommend that the NYSE encourages all public companies to establish orientation programms for their new directors. Each company is unique, and an executive or directorial background with one company may not adequately prepare a person for a directorship with another company. An effective orientation programm will familiarize new directors with the company's strategic plans: Its significant financial, accounting and riskmanagement issues, its compliance programs; its conflict policies and other controls; its principal officers; and its internal and independent auditors. Through such orientation programs, directors can be fully informed as to their responsibilities and the means at their disposal for the effective discharge of those responsibilities. We recommend that the NYSE and the New York Stock Exchange Foundation enhance their existing support to continuing education programs for corporate directors and officers at universities such as those at Duke University, New York University and Stanford University. In addition, we recommend that the NYSE develops an institute offering continuing education forums around the United States for both current and new-elected directors. We envision an NYSE Directors Institute giving presentations in major cities throughout the country, with the participation of experienced directors, academic experts in corporate governance, and organizations with relevant expertise (e.g., the American Bar Association, the Business Roundtable, the Conference Board, the Investor Responsibility Research Center, and the National Association of Corporate Directors)." 6 5 1 Diese Pläne wurden in die Tat umgesetzt; das Director's Institute on C o r p o r a t e Governance nahm im J a h r 2003 seine Arbeit auf. 6 5 2 (bb)

Securities and Exchange

Commission

D i e S E C ist aufgrund des Sarbanes-Oxley Acts 7 / 2 0 0 2 tätig geworden. N a c h Section 3 1 0 S O A „a m e m b e r of an audit committee of an issuer may not, other than in his or her capacity as a member of the audit committee, the board o f directors, or any other board committee, accept any consulting, advisory, or other c o m p e n satory fee from the issuer; or be an affiliated person o f the issuer or any subsidiary thereof." D i e S E C hat diese Vorgaben konkretisiert. 6 5 3 D i e S E C hat etwa klargestellt, daß „disallowed payments to an audit committee member include payments made either directly or indirectly." So sind etwa „payments f o r services to law firms, accounting firms, consulting firms, investment banks or financial advisory firms in which audit committee members are partners, members, executive officers or hold similiar positions ... kinds of payments that were intended to be precluded." Sie geht davon aus, daß „indirecte acceptance o f

Corporate Accountability and Listing Standards Committee, Report 2002/June 6, p. 29. nyse magazine: Back to school, 2003/January 5. 653 Siehe dazu: Altmeppen ZGR 2004, S.390, 400ff.; Gruson/Kubicek AG 2003, S.337, 341, 350f.; Block BKR 2003, S. 774, 781; Donald WM 2003, S. 705, 711; Lanfermann/Maul DB 2003, S.249,351 f.; Hütten/Stromann BB 2003, S.2223,2223; Kersting ZIP 2003, S.233,234 und S. 2010, 201 Of.; Krause WM 2003, S. 762, 763. 651

652

B. Die gesellschaftsrechtliche

Entscheidungsfehlerlehre

453

compensatory payments includes payments to spouses, minor children or stepchildren or children or stepchildren sharing a home with the member." 654 Die SEC hat die affiliated person wie folgt definiert: „We are defining affiliate of, or a person affiliated with, a specified person, to mean a person that directly or indirectly through one or more intermediaries, controls, or is controlled by, or is under common control with, the person specified." Dabei wird control verstanden als „the possession, direct or indirect, of the power to direct or cause the direction of the management and policies of a person, whether through the ownership of voting securities, by contract, or otherwise." Zu diesem Personenkreis zählen insbesondere „executive officers, directors that are also employees of an affiliate, general partners and managing members of an affiliate." Diese Regelung wird von einer safe harbor rule flankiert: „A person who is not an executive officer or a shareholder owning 10% or more of any class of voting securities of a specified person will be deemed not to control such specified person." 655 Nach Section 407 SOA soil die SEC „issue rules., to require each issuer... to disclose whether or not, and if not, the reasons therefore, the audit committee of that issuer is comprised of at least one member who is a financial expert." Bei der Definition des financial expert soli die SEC berücksichtigen „whether a person has, through education and experience as a public accountant or auditor or a principal financial officer, controller, or principal accounting officer of an issuer, or from a position involving the performance of similiar functions, an understanding of generally accepted accounting principles and financial statements; experience in the preparation or auditing of financial statements of generally comparable issuers, and the application of such principles in connection with the accounting for estimates, accruals, and reserves; experience with internal accounting controls; and an understanding of audit committee functions." Die SEC hat auch diese Vorgaben umgesetzt. 656 Es muß offengelegt werden, daß der „board of directors has determined that the company either has at least one audit committee financial expert serving on its audit committee, or does not have an audit committee financial expert serving on its audit committee." Im zweiten Fall müssen die Gründe der Entscheidung benannt werden. Weiter muß offengelegt werden „whether the person or persons identified as the audit committee financial expert is independent of management." Sie hat den financial expert wie folgt definiert: „A person who has the following attributes: An understanding of generally accepted accounting principles and financial statements;

654

SEC, Final Rule: Standards relating to listed company audit committees, ILA. 2. SEC, Final Rule: Standards relating to listed company audit committees, II.A. 3. 656 Siehe dazu: Altmeppen Z G R 2004, S.390, 397ff.; Schäfer ZGR 2004, S.416, 421; Luttermann BB 2003, S.745, 746; Block BKR 2003, S.774, 781f.; Lanfermann/Maul DB 2003, S.249, 352; Hütten/Stromann BB 2003, S.2223, 2224; Kersting ZIP 2003, S.233, 234; Gruson/Kubicek A G 2003, S. 337, 351 f. 655

454

3. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des Aufsichtsrats

T h e ability to assess the general application o f such principles in connection with the accounting for estimates, accruals and reserves; Experience preparing, auditing, analyzing or evaluating financial statements that present a breadth and level o f complexity of accounting issues that are generally comparable to the breadth and complexity of issues that can reasonably be expected to be raised b y the registrant's financial statements, or experience actively supervising one or more persons engaged in such activities; A n understanding o f internal controls and p r o c e dures f o r financial reporting; and A n

understanding

of audit

committee

functions." Diese attributes müssen auf bestimmte Weise erworben sein: „Education and experience as a principal financial officer, principal accounting officer, controller, public accountant or auditor or experience in one or m o r e positions that involve the performance of similiar functions; Experience actively supervising a principal financial officer, principal accounting officer, controller, public accountant, auditor or person performing similiar functions; Experience overseeing or assessing the performance o f companies or public accountants with respect to the preparation, auditing or evaluation of financial statements, or other relevant experience." 6 5 7 (b) Weiterentwicklung

des deutschen

Gesellschaftsrechts

Vor dem Hintergrund des stringenten und konsequenten Ansatzes des U . S . amerikanischen Rechts zur Stärkung der Unabhängigkeit und Qualifikation der vorrangig mit der Überwachung der officers betrauten directors wird deutlich, daß das deutsche Gesellschaftsrecht insoweit n o c h keine überzeugenden Lösungen anbietet. D e r Befund lautet vielmehr, daß „gemessen an der zunehmenden Internationalisierung und Globalisierung der Unternehmenstätigkeit" und angesichts des allseits geforderten „größeren Engagements der Aufsichtsratsmitglieder ... die gesetzlichen Mindestanforderungen praktisch unzureichend sind, um eine effiziente Kontrolle und Begleitung des Vorstands sicherzustellen." 6 5 8 D a b e i kann man sich letztlich auch hier nicht der Erkenntnis verschließen, daß nur eine genügende Anzahl unabhängiger Aufsichtsräte eine unabhängige Ü b e r w a c h u n g des Vorstands gewährleistet. 6 5 9

657 SEC, Final Rule: Disclosure required by Sections 406 and 407 of the Sarbanes-Oxley Act of 2002, ILA. 2-4. 658 Kremer, Kodex-Kommentar, Ziff. 5.4.1 Rdn.709. 659 Siehe dazu nur Kremer, Kodex-Kommentar, Ziff. 5.4.1 Rdn. 710ff. und Ziff. 5.4.2 Rdn.721ff., 724ff. (insbesondere Rdn. 725: „Dennoch dürfte unbestritten sein, daß eine offene Diskussion im Aufsichtsrat kaum stattfinden wird, wenn ,ein Mann von der Konkurrenz' daran beteiligt ist. Die Modellpolitik der C-Klasse oder E-Klasse bei DaimlerChrysler wird sich nur schwerlich erörtern lassen, wenn ein ,Mann von B M W dabeisitzt.") sowie Ziff. III. 1 .b des Frankfurter Kodex und Rdn. 55 des Kommissionsberichts.

B. Die gesellschaftsrechtliche

(aa) Europäische

Entscheidungsfehlerlehre

455

Kommission

Dies gilt um so mehr, als die Europäische Kommission die U.S. amerikanische Entwicklung nachvollzieht. Sie hat eine Empfehlung vorgelegt, 6 6 0 die vorsieht, daß der Aufsichtsrat und der Vorstand so zusammengesetzt sein „sollten", daß sich die geschäftsführenden und nicht geschäftsführenden Mitglieder insgesamt die Waage halten (Ziff. 3.1). Die Geschäftsführungsaufgaben, die der Aufsichtsratsvorsitzende in der Vergangenheit wahrgenommen habe, „dürfen" seine Fähigkeit zur objektiven Wahrnehmung seiner Aufsichtsfunktionen nicht beeinträchtigen. Dies „könnte" dadurch erreicht werden, daß der Vorstandsvorsitzende nicht sofort den Posten des Aufsichtsratsvorsitzenden übernehme oder Schutzvorkehrungen getroffen würden (Ziff. 3.2). D e m Aufsichtsrat „sollte" eine ausreichende Anzahl unabhängiger Mitglieder angehören (Ziff. 4). D e r A u f sichtsrat „sollte" im Hinblick auf Struktur und Tätigkeitsfeld der Gesellschaft seine Idealbesetzung festlegen und dafür sorgen, daß seine Mitglieder in ihrer Gesamtheit über die zur ordnungsgemäßen Wahrnehmung erforderlichen Fachkenntnisse, Urteilsfähigkeiten und Erfahrungen verfügen (Ziff. 11.1). Dem Prüfungsausschuß „sollten" Mitglieder angehören, die in ihrer Gesamtheit aufgrund ihres fachlichen Hintergrunds und ihrer individuellen Erfahrungen über zeitnahe, einschlägige Kenntnisse im Bereich Finanzen und Rechnungslegung börsennotierter Gesellschaften verfügen (Ziff. 1 1 . 2 ) . Ein Mitglied „gilt" als unabhängig, wenn es in keiner geschäftlichen, familiären oder sonstigen Beziehung zu der G e sellschaft, ihrem Mehrheitsaktionär oder deren Geschäftsführung stehe, die einen Interessenkonflikt begründe, der sein Urteilsvermögen beeinflussen könnte (Ziff. 13.1). 6 6 1 660 Empfehlung der Kommission vom 15. Februar 2005 zu den Aufgaben von nicht geschäftsführenden Direktoren/Aufsichtsratsmitgliedern börsennotierter Gesellschaften sowie zu den Ausschüssen des Verwaltungs-/Aufsichtsrats, ABl. EG Nr. L 52 S. 51. Siehe zum Arbeitspapier Maul/Lanfermann BB 2004, S. 1861 ff. 661 Der Anhang II der Empfehlung betrifft das „Profil der unabhängigen Aufsichtsratsmitglieder" und weist deutliche Parallelen zum U.S. amerikanischen Recht auf. Das Aufsichtsratsmitglied „darf" kein Vorstandsmitglied der Gesellschaft oder einer verbundenen Gesellschaft sein und dies auch in den letzten fünf Jahren nicht gewesen sein. Es „darf" von der Gesellschaft oder einer verbundenen Gesellschaft keine zusätzliche Vergütung in bedeutendem Umfang erhalten oder erhalten haben. Es „darf keinesfalls" ein Anteilseigner mit einer Kontrollbeteiligung sein oder einen solchen vertreten. Es „darf" zu der Gesellschaft oder einer verbundenen Gesellschaft kein Geschäftsverhältnis in bedeutendem Umfang unterhalten (weder direkt noch als Partner, Anteilseigner, Direktor oder als leitender Angestellter eines Unternehmens oder einer Organisation). Es „darf" kein Partner oder Angestellter des derzeitigen oder früheren externen Abschlußprüfers der Gesellschaft oder einer verbundenen Gesellschaft sein oder in den letzten drei Jahren gewesen sein. Es „darf" kein Vorstandsmitglied in einer anderen Gesellschaft sein, in der ein Vorstandsmitglied der Gesellschaft ein Aufsichtsratsmitglied ist; es „darf" keine anderen bedeutsamen Verbindungen zu Vorstandsmitgliedern der Gesellschaft durch die Beteiligung in anderen Gesellschaften unterhalten. Es „darf" nicht länger als drei Amtszeiten tätig sein. Es „darf" kein enger Familienangehöriger eines Vorstandsmitglieds oder von Personen sein, die sich in einer zuvor beschriebenen Position befinden.

456

3. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des Aufsichtsrats

D i e Prüfungsausschüsse sind auch Gegenstand des von der Europäischen K o m m i s s i o n vorgelegten Vorschlags einer Prüferrichtlinie: Art. 39 A b s . 1 (iVm. Art. 2 Nr. 11) des Richtlinienvorschlags bestimmt, daß börsennotierte Gesellschaften einen Prüfungsausschuß „haben", dem mindestens ein unabhängiges Mitglied mit Sachverstand in Rechnungslegung und/oder Abschlußprüfung angehört. 6 6 2 (bb)

Schlußfolgerungen

Im deutschen Gesellschaftsrecht wird zwar seit langem um die Lösung von Interessenkonflikten gerungen. M a n hat sich jedoch bislang weder auf umfassende Inkompatibilitätsregeln n o c h auf weitreichende Voraussetzungen für einen Stimmrechtsausschluß analog § 3 4 B G B oder einen Rücktritt/eine Abberufung nach § 1 0 3 Abs. 3 A k t G einigen können. D a b e i wird gern darauf verwiesen, die F u n k tionsfähigkeit der Mitbestimmung könne in Gefahr geraten. Zudem würde ein Widerspruch zum fehlenden Wettbewerbsverbot für Aufsichtsratsmitglieder (§ 105 Abs. 2 Satz 4 A k t G ) entstehen. Schließlich seien weitreichende Verbote im Interesse der Rechtssicherheit und angesichts der Gesamtverantwortung aller Aufsichtsratsmitglieder und der Treupflicht des einzelnen Aufsichtsratsmitglieds nicht geboten. 6 6 3 D i e Reaktion auf die Vorstellungen der S E C und der Europäischen K o m m i s sion ist insoweit bezeichnend: M a n ist nicht etwa in die Diskussion eingetreten, ob eine größere Unabhängigkeit der Aufsichtsratsmitglieder zu einer Verbesserung der deutschen C o r p o r a t e Governance führen könnte. Man hat vielmehr auf die Unvereinbarkeit des Sarbanes-Oxley Acts 7/2002 mit dem deutschen C o r p o rate Governance System hingewiesen 6 6 4 und bei der S E C eine Ausnahme für deutsche U n t e r n e h m e n erreicht: 6 6 5 „We understand that some countries, such as 662 Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Prüfung des Jahresabschlusses und des konsolidierten Abschlusses und zur Änderung der Richtlinien 78/ 660/EWG und 83/349/EWG des Rates vom 16. März 2004. 663 Hopt ZGR 2004, S.l, 31 ff.; Paefgen, Entscheidungen, S.200ff.; Mülbert, Corporate Governance, S. 99, 117ff. Siehe dazu auch: Decken DZWir 1996, S. 406ff.; Herkenroth AG 2001, S. 33ff.; Mertens, Kölner Kommentar, § 108 Rdn. 59ff. Vorschläge für einen Inkompatibilitätskatalog in § 100 Abs. 2 AktG bei Säcker AG 2004, S. 180,183. Siehe zu der Frage, wie der Interessenkonflikt eines Gewerkschaftsfunktionärs, der einen Streik gegen das Unternehmen führt, bei dem er im Aufsichtsrat sitzt, zu lösen ist Ruzik NZG 2004, S. 455,457ff. Siehe zur Aufsichtsratstätigkeit des Vorstands eines im Wettbewerb stehenden Unternehmens OLG Schleswig ZIP 2004, S. 1143,1144 - MobilCom und dazu Triebet ZIP 2004, S. 156, 157. Siehe zum Wechsel aus dem Vorstand in den Aufsichtsrat Lange NZG 2004, S.265, 266ff. 664 Kersting ZIP 2003, S.233, 238f. und S.2010, 2012f.; Krause WM 2003, S.762, 768ff., 770f.; Gruson/Kubicek AG 2003, S. 337,350f. Siehe dazu aber auch Ziff. 5.4.2,5.4.4. des Deutschen Kodex idF. vom 2. Juni 2005, die Ziff. 4, 13.1, 3.2 der Kommissionsempfehlung entsprechen. 665 Schäfer ZGR 2004, S. 416,418; Kersting ZIP 2003, S. 2010,2012f.; Krause WM 2003, S. 762, 770; Hütten/Stromann BB 2003, S.2223, 2223; Lanfermann/Maul DB 2003, S.349, 351 f.; Gruson/Kubicek AG 2003, S.337, 350f.

B. Die gesellschaftsrechtliche

Entscheidungsfehlerlehre

457

Germany, require that non-management employees, w h o would not be viewed as independent under the requirements, serve on the supervisory board or audit committee. Having such employees serve on the board or audit committee can provide an independent check on management, which itself is one of the purposes of the independence requirements under the Sarbanes-Oxley Act. Accordingly, we are adopting as proposed a limited exemption from the independence requirements to adress this c o n c e r n . " 6 6 6 Das gleiche gilt im H i n b l i c k auf die K o m m i s sion. In der Empfehlung heißt es: „Das Aufsichtsratsmitglied darf in der Gesellschaft oder einer verbundenen Gesellschaft nicht als Arbeitnehmer beschäftigt sein und auch in den vergangenen Jahren nicht als Arbeitnehmer beschäftigt gewesen sein, es sei denn, es gehört nicht zu den Führungskräften der Gesellschaft und ist im R a h m e n eines gesetzlich anerkannten Systems der Arbeitnehmervertretung ... in den Aufsichtsrat gewählt w o r d e n . " 6 6 7 D e r Vorstoß, vor dem H i n t e r grund der internationalen Entwicklung eine Abschaffung des mitbestimmten Aufsichtsrats zu erreichen, 6 6 8 ist zunächst gescheitert. Im H i n b l i c k auf die Qualifikation der Aufsichtsratsmitglieder wird geltend gemacht, es bestehe kein Regelungsbedarf. Jedes Aufsichtsratsmitglied habe dafür einzustehen, daß es an der Tätigkeit des Aufsichtsrats sachgerecht mitzuwirken in der Lage sei und der Aufsichtsrat insbesondere seiner Zusammensetzung nach seinen Aufgaben gerecht werde. 6 6 9 Es wird sogar verlangt, daß der Gesetzgeber eine Professionalisierung der Aufsichtsratsarbeit mit einer Haftungseinschränkung verbinden müsse; „eine haftungsrechtliche Bestrafung für bessere Arbeit k o m m e nicht in Betracht." 6 7 0 Vorschläge zu einer Verbesserung der Qualifikation der Aufsichtsratsmitglieder haben sich bislang nicht durchsetzen können. 6 7 1 Trotz aller Einwände wird man sich angesichts der Bedeutung von U n a b h ä n gigkeit und Qualifikation der Aufsichtsratsmitglieder für eine effektive A u f sichtsratsarbeit in diesen Fragen bewegen müssen. D e n entscheidenden Ansatzpunkt liefert die mitgliedschaftliche Treupflicht. Sie ist das Korrektiv für das in der Mitgliedschaft verkörperte Einflußpotential. Jeder Gesellschafter ist verpflichtet, seine Rechte unter Beachtung des gemeinsamen Zwecks auszuüben, und zwar nicht nur im Verhältnis zur Gesellschaft, sondern auch zu den Mitge-

SEC, Final Rule: Standards relating to listed Company audit committees, II.F. 3.a.i. Anhang II der Empfehlung. 668 Vorschlag des Berliner Netzwerks Corporate Governance zum sog. Konsultationsratsmodell AG 2004, S.200f. Siehe dazu: Von Werder KG 2004, S. Säcker AG 2004, S. 180,184ff.; Kirchner AG 2004, S. 197ff. 669 Siehe dazu: Kremer, Kodex-Kommentar, Ziff. 5.4.1 Rdn. 707; Mertens, Kölner Kommentar, §116 Rdn.7. 670 Mutter!Gayk ZIP 2003, S.1773, 1776. 671 Vorschläge zu einer Verbesserung der Qualifikation und Professionalität bei Säcker AG 2004, S. 180,181 f., 184 und Lutter ZIP 2003, S. 417,418f. (kritisch dazu Sünner ZIP 2003, S. 834ff. und Mutter/Gayk ZIP 2003, S. 1773ff.). Siehe dazu aber auch Ziff. 5.3.2 des Deutschen Kodex idF. vom 2. Juni 2005 (financial literacy). 666

667

458

3. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des

Aufsichtsrats

seilschaftern. 672 Die mitgliedschaftliche Treupflicht läßt sich dahin verdichten, daß jeder Gesellschafter verpflichtet ist, seine Rechte im Hinblick auf die Bestellung der Aufsichtsratsmitglieder ( § 1 1 9 Abs. 1 Nr. 1 A k t G ) so auszuüben, daß strukturelle Interessenkonflikte und eine inkongruente Aufsichtsratsbesetzung vermieden werden. 6 7 3 Ein struktureller Interessenkonflikt ist anzunehmen, wenn ein potentielles Aufsichtsratsmitglied bei einem Unternehmen des sachzielspezifischen U m s y stems 674 (Eigen- und Fremdkapitalgeber, Unternehmen der vor- und nachgelagerten Marktstufen sowie aktuelle und potentielle Wettbewerber im Sinne der kartellrechtlichen Kategorien) in der Unternehmensführung tätig ist oder auf die Unternehmensführung in sonstiger Weise 6 7 5 zumindest einen wettbewerblich erheblichen Einfluß im Sinne des § 3 7 Abs. 1 Nr. 4 G W B ausüben kann. 6 7 6 Von einer inkongruenten Aufsichtsratsbesetzung ist auszugehen, wenn die einzelnen A u f sichtsratsmitglieder nicht über den einzelnen Vorstandsmitgliedern korrespondierende Qualifikationen und auf die Überwachung der jeweiligen Vorstandsressorts abgestimmte besondere Fähigkeiten und Erfahrungen verfügen. 6 7 7

(2)

Aufsichtsratsamschüsse

Die Aufsichtsratsausschüsse sind in § 1 0 7 Abs. 3 A k t G nur rudimentär geregelt. D e r Gesetzgeber hat sich im übrigen darauf beschränkt, in § 171 Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz A k t G eine „Anregungsnorm" 6 7 8 zur Einrichtung von Aufsichtsratsausschüssen zu schaffen 6 7 9 und in § 1 0 7 Abs. 3 Satz 3 A k t G eine Verpflichtung zur reSiehe dazu nur Lutter ZHR 162 (1998), S. 164ff. und Henze ZHR 162 (1998), S. 186,187ff. Dieser Ansatz liegt auf der Linie des Gesetzgebers, der ausgeführt hat, da die Hauptversammlung in Kenntnis anderer Tätigkeiten des Aufsichtsratsratskandidaten über seine Bestellung beschließe, erscheine eine ausdrückliche über §103 AktG hinausgehende Regelung zu einem Verbot von Tätigkeiten in konkurrierenden Unternehmen verzichtbar. Die Bewertung, ob eine Tätigkeit in einem anderen Unternehmen, das in Teil- oder Kernbereichen im Wettbewerb stehe, die Arbeitsfähigkeit des betreffenden Aufsichtsratsmitglieds und damit des Gremiums als Ganzes beeinträchtige, bleibe damit hinsichtlich der Anteilseignervertreter zunächst den Eigentümern der Gesellschaft überlassen. Die Frage, ob im Einzelfall eine Inkompatibilität anzunehmen sei und welche Rechtsfolgen daran zu knüpfen seien, könne der Rechtsprechung überlassen bleiben; Begründung zu Art. 1 Nr. 12 RefE KonTraG 11/1996. 674 Siehe dazu nur Kessler AG 1993, S.252, 257ff. 675 Dieses Erfordernis entspricht den Regelungen in den §§89 Abs. 3 Satz 2,115 Abs. 2 AktG, wonach auch Geschäfte mit Dritten, die für Rechnung der genannten Personen/Dritten handeln, erfaßt werden. 676 Vgl. dazu Säcker AG 2004, S. 180, 183. 677 Säcker AG 2004, S. 180,182; Lutter ZIP 2003, S. 417, 418. Vgl. dazu auch: Herkenroth AG 2001, S. 33, 40, der im Hinblick auf die Bankenvertreter als Aufsichtsratsmitglieder für eine antizipierte Konfliktvermeidung durch Verzicht auf die Übernahme von Aufsichtsratsmandaten eintritt; Lutter ZHR 159 (1995), S.287, 303; Bernhardt ZHR 159 (1995), S.310, 317f.; Scheffler AG 1995, S.207, 209. 678 So die Formulierung von Hommelhoff ZGR 2001, S.238, 243. 679 Art. 1 Nr. 25b KonTraG 4/1998. 672 673

B. Die gesellschaftsrechtliche

Entscheidungsfehlerlehre

459

gelmäßigen Berichterstattung über die Arbeit der Ausschüsse an den Gesamtaufsichtsrat aufzunehmen. 6 8 0 D i e Pflicht zur Berichterstattung über die Aufsichtsratsausschüsse in § 171 Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz A k t G solle behutsam verhaltenssteuernd auf eine vermehrte Bildung von Ausschüssen und eine höhere Sitzungsfrequenz in den Fällen hinwirken, in denen dies sinnvoll sei. 681 M i t dem § 1 0 7 Abs. 3 Satz 3 A k t G solle der Gefahr begegnet werden, daß die umfangreiche Übertragung von Aufgaben auf Aufsichtsratsausschüsse in der Praxis zu einem Informationsdefizit des Gessamtaufsichtsrats führe, das den Aufgaben und Pflichten des Gesamtaufsichtsrats nicht gerecht werde. 6 8 2 D e r Deutsche K o d e x geht einen Schritt weiter. D e r Aufsichtsrat „soll" abhängig von den spezifischen Gegebenheiten des Unternehmens und der Anzahl seiner Mitglieder fachlich qualifizierte Ausschüsse bilden und „kann" weitere Sachthemen (Strategie des Unternehmens, Investition und Finanzierung) zur Behandlung in einen oder mehrere Ausschüsse verweisen (Ziff. 5.3.1, 5.3.3). Ausdrücklich angesprochen werden der Nominierungs- und Vergütungsausschuß sowie der Prüfungsausschuß. D e r Aufsichtsrat „soll" einen Prüfungsausschuß einrichten, der sich insbesondere mit Fragen der Rechnungslegung und des Risikomanagements, der erforderlichen Unabhängigkeit des Abschlußprüfers, der Erteilung des Prüfungsauftrags an den Abschlußprüfer, der Bestimmung von Prüfungsschwerpunkten und der Honorarvereinbarung befaßt. Weder der Aufsichtsratsvorsitzende n o c h ein ehemaliges Vorstandsmitglied der Gesellschaft „sollte" der Vorsitzende des Prüfungsausschusses sein (Ziff. 5.3.2, 5.2.2). Vor Unterbreitung des Wahlvorschlags „soll" der Aufsichtsrat bzw. der Prüfungsausschuß eine E r klärung des vorgesehenen Prüfers einholen, o b und ggfs. welche geschäftlichen, finanziellen, persönlichen oder sonstigen Beziehungen zwischen dem Prüfer und seinen Organen und Prüfungsleitern einerseits und dem Unternehmen und seinen Organmitgliedern andererseits bestehen, die Zweifel an seiner Unabhängigkeit begründen können; der Vorsitzende des Aufsichtsrats bzw. des Prüfungsausschusses „soll" über während der Prüfung auftretende mögliche Ausschluß- und Befangenheitsgründe unverzüglich unterrichtet werden (Ziff. 7.2.1). D e r A u f sichtsrat „kann" die Vorbereitung der Bestellung von Vorstandsmitgliedern einem Ausschuß übertragen, der auch die Bedingungen des Anstellungsvertrages einschließlich der Vergütung festlegt; der Aufsichtsratsvorsitzende „soll" Vorsitzender dieses Ausschusses sein (Ziff. 5.1.2, 5.2.2, 5.3.3). 6 8 3 D i e K o d e x k o m m i s s i o n hat damit im H i n b l i c k auf den Prüfungsausschuß die Überlegungen der Regierungskommission aufgegriffen. Sie hatte ausgeführt, die Frage der Einrichtung, G r ö ß e , Zusammensetzung, Aufgaben und Arbeitsweise Art. 1 Nr. 7 TransPuG 7/2002. Begründung zu Art. 1 Nr.23b RegE KonTraG 11/1997. 682 Begründung zu Art. 1 Nr. 7 RegE TransPuG 2/2002. 683 Siehe dazu Kremer, Kodex-Kommentar, Ziff. 5.1.2 Rdn.649ff., Ziff. 5.2 Rdn.671f., Ziff. 5.3.1 Rdn.681,682f., Ziff. 5.3.2 Rdn.690, 691, 692f., 694f., 696f. und Ziff. 7.2.1 Rdn.940ff., 945f. 680 681

460

3. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des

Aufsichtsrats

eines P r ü f u n g s a u s s c h u s s e s u n d s e i n e r Z u s a m m e n a r b e i t m i t d e m A b s c h l u ß p r ü f e r u n d der Innenrevision sollte - w e n n ü b e r h a u p t - i m D e u t s c h e n K o d e x geregelt w e r d e n . 6 8 4 Sie h a t t e z u d e m v o r g e s c h l a g e n , d a ß d e r A b s c h l u ß p r ü f e r e i n e U n a b h ä n g i g k e i t s e r k l ä r u n g a b z u g e b e n u n d die V e r g ü t u n g e n aus P r ü f u n g s - u n d N i c h t p r ü f u n g s l e i s t u n g e n des v o r a u f g e g a n g e n e n u n d l a u f e n d e n G e s c h ä f t s j a h r s d a r z u l e g e n h a t . S i e h a t t e d i e s e E m p f e h l u n g z u r U n a b h ä n g i g k e i t des A b s c h l u ß p r ü f e r s a b e r n i c h t an die K o d e x k o m m i s s i o n , s o n d e r n an d e n G e s e t z g e b e r g e r i c h t e t . 6 8 5 Sie h a t t e ü b e r d i e s d i e A n r e g u n g e n n i c h t a u f g e n o m m e n , die B e f u g n i s z u r U n t e r b r e i t u n g v o n V o r s c h l ä g e n f ü r die P r ü f e r a u s w a h l u n d z u r F e s t l e g u n g v o n P r ü f u n g s s c h w e r p u n k t e n d e m A u f s i c h t s r a t s p l e n u m v o r z u b e h a l t e n . Sie hatte d a z u darauf h i n g e w i e s e n , w ü r d e d e r V o r s c h l a g f ü r die P r ü f e r a u s w a h l z w i n g e n d d e m P l e n u m vorbehalten, würde der Prüfungsausschuß zweckmäßigerweise u m Vorschläge g e b e t e n . A u ß e r d e m sei das P l e n u m frei, z u s ä t z l i c h z u d e n v o m P r ü f u n g s a u s s c h u ß vorgeschlagenen oder beschlossenen Prüfungsschwerpunkten weitere festzulegen o d e r i h m diese B e f u g n i s wieder zu entziehen.686 (a) Die Entwicklung

in den Vereinigten

Staaten

B l i c k t m a n in die V e r e i n i g t e n S t a a t e n , s o w u r d e n u n d w e r d e n die A n f o r d e r u n g e n an die B i l d u n g u n d A u s f o r m u n g v o n A u s s c h ü s s e n ( B e s e t z u n g ;

Geschäftsord-

nung mit Aufgabenbeschreibung, Vorgaben zur Arbeitweise und Verpflichtung zur Selbstevaluation) zunehmend verschärft.687

Rdn. 312ff. des Kommissionsberichts. Rdn. 303, 307f. des Kommissionsberichts. 6 8 6 Rdn. 316f. des Kommissionsberichts. Siehe dazu auch Kremer, Kodex-Kommentar, Ziff. 5.3.2 Rdn. 693, der ebenfalls darauf hinweist, daß der Aufsichtsrat dem Prüfungsausschuß (audit committee) die Aufgabe zuweisen kann, Empfehlungen zum Vorschlag des Aufsichtsrats an die Hauptversammlung zur Auswahl des Abschlußprüfers zu erarbeiten. 6 8 7 Es sei nur angemerkt, (i) daß im Hinblick auf die Größe des board of directors inzwischen eine Mitgliederzahl von acht bis zwölf für ideal gehalten wird, um bedeutungsvolle Erörterungen zu ermöglichen und gleichzeitig die Bandbreite der benötigten Erfahrungen und Kenntnisse zu gewährleisten, vor allem aber ein Gefühl der Zusammengehörigkeit und der gemeinsamen Zweckverfolgung zu erzeugen (Lorsch zfbf Sonderheft 36/1996, S. 199, 203 f., 212), (ii) daß sich die boards of directors fünf oder sechs Mal im Jahr treffen, manche sogar monatlich (Lorsch zfbf Sonderheft 36/1996, S. 199, 204), (iii) daß die outside directors zum Teil sogar dazu übergangen sind, sich anläßlich eines jeden Treffens des board of directors oder zwei bis dreimal im Jahr unter der Leitung eines aus ihrer Mitte gewählten lead directors zu executive sessions zusammmenzufinden, um frei diskutieren und insbesondere ein gemeinsames Urteil über die Leistung des chief executive officer finden zu können (Lorsch zfbf Sonderheft 36/1996, S. 199,213f,;Hess, Corporate Governance, S.9,17; Kraakman, Corporate Governance, S. 129,136; vgl. dazu auch Ziff. 3 der Final N Y S E Corporate Governance Rules: „3. Empower non-management directors to serve as a more effective check on management, the non-management directors of each company must meet at regularly scheduled sessions without managment."), und (iv) daß immer mehr boards of directors eine jährliche Prüfung ihrer eigenen Leistung vornehmen, insbesondere ihrer Verfahrensweisen oder auch der individuellen Leistungen, etwa in der Weise, daß Fragebögen an alle verschickt und von einem Dritten ausgewertet werden (Lorsch zfbf Sonderheft 36/1996, S. 199, 684 685

B. Die gesellschaftsrechtliche

Entscheidungsfehlerlehre

461

D i e board o f directors haben seit längerem mehrere ständige Ausschüsse (executive committee, audit committee, compensation committee, nominating c o m mittee/committee on directors affairs/corporate governance committee, finance committee, environmental affairs committee, technology committee). 6 8 8 Das executive committee, das audit committee, das compensation committee und das n o minating committee wurden zunehmend mehrheitlich oder gar ausschließlich mit outside directors besetzt. 6 8 9 Das executive committee nimmt eine herausragende Rolle ein, weil es innerhalb bestimmter Grenzen in der Zeit zwischen den Sitzungen des board o f directors für den gesamten board of directors zu handeln befugt ist. 6 9 0 Das audit committee ist ebenfalls von besonderer Bedeutung, weil in ihm das zentrale organisatorische Mittel des board of directors gesehen wird, um die Ü b e r w a c h u n g der officers durch die directors im Zusammenwirken mit den certified public accountants (und den internal auditing executives) zu verbessern. 6 9 1 D i e Aufgaben und Funktionen des audit committees haben sich im Zuge dieser Entwicklung stark gewandelt. Sie erstrecken sich zwar noch nicht auf Gebiete außerhalb der Unternehmensberichterstattung und ihrer externen Prüfung (external reporting und external audit) und des internen Steuerungs- und U b e r wachungssystems (internal control, insbesondere internal accounting control/internal financial audit) und damit insbesondere n o c h nicht auf die strategischen Maßnahmen der Unternehmensführung. 6 9 2 Sie haben sich aber bereits „von der speziellen Betrachtung der Schwachpunkte bei der Rechnungslegung hin zu einer 214f.; siehe dazu auch Ziff. 5.6 des Deutschen Kodex und Seibt DB 2003, S.2107, 2109f., 21 lOf. mit einer Checkliste). 688 Lorsch zfbf Sonderheft 36/1996, S.199, 204f.; Buxbaum, Corporate Governance, S.65, 78ff.; Kraakman, Corporate Governance, S. 129, 135f.; Holzer/Makowski DB 1997, S.688, 690; Rock AG 1995, S.291, 292f.; siehe dazu auch bereits Windbichler ZGR 1985, S.50, 53, 58, 59ff. 689 Kraakman, Corporate Governance, S. 129, 135f.; Hess, Corporate Governance, S. 9, 13, 16f.; Rock AG 1995, S.291, 292f.; siehe dazu auch bereits Windbichler ZGR 1985, S. 50, 59ff. 690 Buxbaum, Corporate Governance, S. 65,78ff.; siehe dazu auch Kraakman, Corporate Governance, S. 129, 135f., der betont, mit diesem Ausschuß sollten die outside directors „eine durchgreifendere Rolle im board erhalten." 691 Siehe zur Entstehungsgeschichte des audit committees und seiner besonderen Funktion im U.S. amerikanischen Verwaltungsratsmodell: Girnghuber, audit committee, S.23-79, 85; Lück DB 1999, S.441,441 f.; Langenbucher/Blaum DB 1994, S.2197,2198, 2198f.; Coenenberg/Reinhart/Schmitz DB 1997, S.989, 989, 989f. 692 Girnghuber, audit committee, S. 79f., 38 („Gebiete außerhalb der Finanz- und Rechnungslegung"; „Aufgabe des Performance Audit, also der Bewertung von Geschäftsführung und Geschäftspolitik"); Buxbaum, Corporate Governance, S.65, 89 („effektiver Uberblick über die breiteren, eher strategischen Aspekte von Management-Aktivitäten"); Langenbucher/Blaum DB 1994, S.2197,2199. Allerdings wird als Aufgabe des audit committe häufig die Sicherung der Einhaltung des Code of Conduct genannt, worin bereits eine Ausweitung des skizzierten Aufgabenbereichs zu sehen ist; siehe dazu Girnghuber, audit committee, S. 40, und Langenbucher/ Blaum DB 1994, S. 2197,2199. Scheffler ZGR 2003, S. 235,242 sieht nicht nur die Anregung oder kritische Würdigung eines Code of Conduct als Sonderaufgabe des audit committee an, sondern auch die kontrollierende Begleitung großer Investitionsvorhaben.

462

3. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des

Aufsichtsrats

g r u n d s ä t z l i c h e r e n B e t r a c h t u n g der g e s e l l s c h a f t s i n t e r n e n K o n t r o l l s t r u k t u r e n , die ihrerseits die e h e r qualitativen u n d b e w e r t b a r e n A s p e k t e v o n G e s c h ä f t s l e i t u n g s prozessen und -ergebnissen erhellt",693 fortentwickelt.694 D i e P r i n c i p l e s o f C o r p o r a t e G o v e r n a n c e des A m e r i c a n L a w I n s t i t u t e aus d e m Jahr 1994 (Abschnitt 3A.03 - Funktionen und Befugnisse von Prüfungsausschüss e n ) b e s c h r e i b e n die A u f g a b e n des P r ü f u n g s a u s s c h u s s e s b e r e i t s w i e f o l g t : E r soll - dasjenige Unternehmen empfehlen, welches als externer Prüfer der Gesellschaft dienen soll, und die vorgeschlagene Entlassung eines solchen Unternehmens überprüfen; - die Vergütung der externen Prüfer, die vorgeschlagenen Bedingungen ihrer Beauftragung und deren Unabhängigkeit überprüfen; - die Ernennung und Auswechslung des Senior Internal Auditing Executive überprüfen; - als Kommunikationsmedium dienen zwischen dem externen Prüfer und dem Board sowie zwischen dem Senior Internal Auditing Executive und dem Board; - die Ergebnisse einer jeden externen Prüfung der Gesellschaft, den Prüfungsbericht, den möglicherweise beigefügten Geschäftsleitungsbericht, die Antworten der G e schäftsleitung auf Anregungen durch den externen Prüfer in Zusammenhang mit der Prüfung, die Berichte der internen Prüfungsabteilung, die für die Gesellschaft als ganzes wichtig sind, und die Antworten der Geschäftsleitung auf solche Berichte überprüfen; - die Jahresabschlüsse der Gesellschaft, jegliche Bestätigungen, Berichte, Meinungen oder Überprüfungen durch den externen Prüfer in Zusammenhang mit den Jahresabschlüssen, sowie jegliche Meinungsverschiedenheit zwischen der Geschäftsleitung und dem externen Prüfer aufgrund und in Zusammenhang mit der Erstellung der genannten Jahresabschlüsse überprüfen; - die Angemessenheit der internen Kontrollmechanismen der Gesellschaft kritisch würdigen, und zwar unter Zuhilfenahme des externen Prüfers und des Senior Internal Auditing Executive; - wesentliche Veränderungen und andere Fragen von maßgeblicher Bedeutung in ZuBuxbaum, Corporate Governance, S.65, 87. Girnghuber, audit committee, S.33ff., 47ff., nennt auf S.49f. fünf Funktionen des audit committees, nämlich „Erleichterung der Pflichterfüllung des Board of Directors hinsichtlich des Internen und Externen Prüfungsprozesses unter gleichzeitiger Verminderung des Haftungsrisikos für den Board, Stärkung der Unabhängigkeit des Abschlußprüfers, Stärkung der Unabhängigkeit der Internen Revision, Sicherstellung der Adäquanz des internen Kontrollsystems und Gewährung der Objektivität und Integrität der Finanzberichterstattung"; Lück D B 1999, S. 441, 441, 442, spricht von der „zielorientierten Koordination der Aktivitäten von Aufsichtsrat, Abschlußprüfer und darüberhinaus auch der Internen Revision zur Sicherung und Verbesserung der Unternehmensüberwachung" und von einem „integrative link"; Langenbucher/Blaum DB 1994, S. 2197,2199, nennen die „Stärkung der Unabhängigkeit des Abschlußprüfers vom Management des Unternehmens, die Sicherung der Qualität der Abschlußprüfung,... Sicherstellung der Effektivität und Effizienz der Internen Revision"; Coenenberg/Reinhart/Schmitz D B 1997, S. 989, 989, 989f., gehen davon aus, daß audit committees „in erster Linie das Rechnungswesen und die Rechnungslegung zu überwachen sowie die Aufgaben der internen und externen Revision zu koordinieren und ... die unabhängige Berufsausübung der Prüfer zu sichern und zu stärken haben." Siehe dazu auch: SchäferZGK 2004, S. 416,421 ff.; Scheffler Z G R 2003, S. 236,239ff., 248ff.; Buxbaum, Corporate Governance, S.65, 8Iff. 693 694

B. Die gesellschaftsrechtliche

Entscheidungsfehlerlehre

463

sammenhang mit den angemessenen Prüfungsprinzipien und -praktiken für die Erstellung der Jahresabschlüsse kritisch würdigen, wenn diese herangetragen werden durch den externen Prüfer, einen Principal Senior Executive oder sonstwen. 695 D i e s e E n t w i c k l u n g wurde und wird durch die N Y S E vermittels der B ö r s e n z u l a s sungsregeln und durch die S E C vermittels der Offenlegungspflichten vorangetrieben. 6 9 6 (aa) New

York Stock

Exchange

D i e N e w Y o r k S t o c k E x c h a n g e verlangte zunächst, daß ein audit c o m m i t t e e eingerichtet ist, das mehrheitlich aus outside directors zusammengesetzt ist. 6 9 7 A m 6. J u n i 2 0 0 2 legte das C o r p o r a t e A c c o u n t a b i l i t y and Listing Standards C o m m i t t e e der N e w Y o r k S t o c k E x c h a n g e erheblich weiterreichendere

Empfehlungen

vor, 6 9 8 am 4. N o v e m b e r 2 0 0 3 wurden die Final N Y S E C o r p o r a t e G o v e r n a n c e R u les verabschiedet. 6 9 9 N u n müssen listed companies ein nominating c o m m i t t e e , ein Siehe dazu Buxbaum, Corporate Governance, S. 65, 82 f. Buxbaum, Corporate Governance, S.65, 67, 70; Hess, Corporate Governance, S.9,13,16; siehe dazu auch bereits Windbichler ZGR 1985, S. 50, 60. 697 Buxbaum, Corporate Governance, S. 65, 67,70; Hess, Corporate Governance, S. 9,13; siehe dazu auch bereits Windbichler ZGR 1985, S.50, 60. 698 Siehe zu dem vorausgegangenen Report und den zehn Recommendations of the Blue Ribbon Committee on Improving the Effectiveness of Corporate Audit Committees aus dem Jahr 1999 („1. Revise Definition of Independent Director. 2. Require Independent Audit Committee. 3. Mandate Minimum Audit Committee Size and Increased Financial Literacy. 4. Mandate Written Charter Detailing Responsibilities and Duties. 5. Mandate Annual Public Disclosure of Audit Committee's Activities. 6. Clarify Oversight Responsibility for Outside Auditor's Engagement. 7. Mandate Discussion with Outside Auditor Regarding Independence. 8. Require Outside Auditor to Discuss Quality of Financial Reporting. 9. Require Audit Committee Annual Letter to Shareholders. 10. Mandate Interim Review of Quaterly Financial Reporting.") nur Niehus DB 1999, S. 1765, 1766ff. und Ranzinger/Blies AG 2001, S.455, 456f. 695 696

699 In dem Report of the Blue Ribbon Committee on Improving the Effectiveness of Corporate Audit Committees aus dem Jahr 1999 wurde darüberhinaus vorgeschlagen, das Statement on Accounting Standards No. 61 (SAS 61 - April 1988 - Communication with Audit Committees) auch noch in anderer Hinsicht (siehe Recommendation 8) zu ändern und eine aktivere Rolle der certified public accountants vorzusehen; die certified public accountants hätten in der Vergangenheit zu häufig keine Veranlassung gesehen, mit dem audit committee Kontakt aufzunehmen, und sollten sich künftig mit dem audit committee in Verbindung setzen müssen, unabhängig davon, ob es nach ihrer Auffassung überhaupt etwas zu berichten gebe; Niehus DB 1999, S. 1765, 1768. Das ASB des AICPA änderte im Jahr 1999 den SAS 61 (Communication with Audit Committees) durch den SAS 89 (Audit Adjustments) und den SAS 90 (Audit Committee Communications) sowie den SAS 71 (Interim Financial Information) durch den SAS 90 (Audit Committee Communications). Bis dahin hatte sich der certified public accountant im Rahmen der Erörterung seiner Prüfungsergebnisse mit dem audit comittee über the auditor's responsibility, significant accounting policies, management judgments and accounting estimates, significant audit adjustments, other information in documents containing audited financial statements, disagreement with management, consultation with other accountants, major issues discussed with management prior to retention und difficulties encountered in performing the audit zu äußern; siehe dazu Niehus DB 1999, S. 1765,1768. Nun gilt folgendes: The amendment to SAS 61 through SAS 89 „requires an auditor to inform the audit committee about uncorrected misstatements aggrega-

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J. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des Aufsichtsrats

c o m p e n s a t i o n c o m m i t t e e u n d ein a u d i t c o m m i t t e e h a b e n u n d sie a u s s c h l i e ß l i c h m i t o u t s i d e d i r e c t o r s b e s e t z e n . D i e s e A u s s c h ü s s e m ü s s e n eine G e s c h ä f t s o r d n u n g mit A u f g a b e n b e s c h r e i b u n g u n d V e r p f l i c h t u n g z u r S e l b s t e v a l u a t i o n h a b e n . 7 0 0 D e r A u f g a b e n b e r e i c h d e s n o m i n a t i o n c o m m i t t e e b e s t e h t z u m i n d e s t d a r i n „(i) t o i d e n t i f y i n d i v i d u a l s q u a l i f i e d t o b e c o m e b o a r d m e m b e r s , c o n s i s t e n t w i t h criteria a p p r o v e d b y the b o a r d , a n d t o select, o r t o r e c o m m e n d that the b o a r d selects, the d i r e c t o r n o m i n e e s f o r t h e n e x t a n n u a l m e e t i n g of s h a r e h o l d e r s ; (ii) t o d e v e l o p a n d r e c o m m e n d t o t h e b o a r d a set o f c o r p o r a t e g o v e r n a n c e p r i n c i p l e s a p p l i c a b l e t o the c o r p o r a t i o n ; a n d (iii) t o o v e r s e e t h e e v a l u a t i o n of t h e b o a r d a n d m a n a g e ment."701 D e r A u f g a b e n b e r e i c h des c o m p e n s a t i o n committee besteht z u m i n d e s t darin „(i) t o r e v i e w a n d a p p r o v e c o r p o r a t e g o a l s a n d o b j e c t i v e s relevant t o C E O c o m p e n s a t i o n , t o e v a l u a t e the C E O ' s p e r f o r m a n c e in light of t h o s e g o a l s a n d o b j e c t i v e s , a n d , either as a c o m m i t t e e o r t o g e t h e r w i t h t h e o t h e r i n d e p e n d e n t d i r e c t o r s (as d i r e c t e d b y t h e b o a r d ) , d e t e r m i n e a n d a p p r o v e t h e C E O ' s c o m p e n s a t i o n level b a s e d o n this e v a l u a t i o n ; (ii) t o m a k e r e c o m m e n d a t i o n s t o the b o a r d w i t h r e s p e c tive t o n o n - C E O c o m p e n s a t i o n , i n c e n t i v e - c o m p e n s a t i o n p l a n s a n d e q u i t y - b a s e d

ted by the auditor during the current engagement and pertaining to the latest period that were determined by management to be immaterial, both individually and in the aggregate, to the financial statements as a whole", Ratcliffe/Grice, Evaluating Audit Differences, und AICPA, Practice Alert 2000-2: Quality of Accounting principles - Guidance for Discussions with Audit Committees. The amendment to SAS 61 through SAS 90 „requires an auditor to discuss certain information relating to the auditor's judgments about the quality, not just the acceptability, of the company's accounting principles with the audit committees of S E C clients ... the discussion should include such matters as the consistency, clarity and completeness of accounting policies and disclosures/items that have a significant impact on whether the financial statements are representationally faithful, verifiable, neutral and consistent" and „encourages a three-way discussion among the auditor, management, and the audit committee"; AICPA, SAS No. 90: Summary, und AICPA, Practice Alert 2000-2: Quality of Accounting principles - Guidance for Discussions with Audit Committees. The amendment to SAS 71 through SAS 90 „clarifies that the accountant should communicate to the audit committee or be satisfied, through discussions with the audit committee, that matters described in SAS 61 have been communicated to the audit committee by management when they have been identified in the conduct of interim financial reporting" and „requires the accountant of an S E C client to attempt to discuss with the audit committee the matters described in SAS No. 61 prior to the filing of the Form 10-Q"; AICPA, SAS N o . 90: Summary. Dabei ist die Änderung des SAS 61 durch SAS 90 von besonderer Bedeutung (siehe dazu die kritischen Anmerkungen von Niehus D B 1999, S. 1765,1768), weil die Bewertung der quality, not just the acceptability of the company's accounting principles dem certified public accountant eine Beurteilung der Zweckmäßigkeit und nicht nur der Ordnungsmäßigkeit abverlangt. Siehe zu dem Gegensatz zwischen Ordnungsmäßigkeit (Richtigkeit/Gesetzmäßigkeit der Darstellung der Geschäftstätigkeit) und Zweckmäßigkeit (Optimalität/Angemessenheit/Qualität der Geschäftsführung) in der Abschlußprüfung: Rückle zfbf Sonderheft 36/1996, S. 107,111, 128ff.; Rürup A G 1995, S.219, 220; Loitz BB 1997, S.1835, 1835. 700 701

Ziff. 4-7 der Final N Y S E Corporate Governance Rules. Ziff. 4 der Final N Y S E Corporate Governance Rules.

B. Die gesellschaftsrechtliche

Entscheidungsfehlerlehre

465

plans; and (iii) and to produce a compensation committee report as required b y the S E C . " 7 0 2 D e r Aufgabenbereich des audit committee besteht zumindest darin ,,(i) to assist board oversight of the integrity of the company's financial statements, the company's compliance with legal and regulatory requirements, the independent auditor's qualifications and independence, and the performance of the company's internal audit function and independent auditors; (ii) to prepare the report required by the S E C ; (iii) at least annually, to obtain and review a report by the independent auditor describing: the firm's internal quality control procedures; any material issues raised b y the most recent internal quality-control review, or peer review, of the firm, or b y any inquiry or investigation b y governmental or professional authorities, within the preceding five years, respecting one or more independent audits carried out b y the firm, and any steps taken to deal with any such issues; and (to assess the auditor's independence) all relationships between the independent auditor and the company; (iv) to discuss the annual audited financial statements and quaterly financial statements with management and the independent auditor, including the company's disclosures under ,Management's Discussion and Analysis of Financial Condition and Results of Operations;' (v) to discuss the company's earnings press releases, as well as financial information and earnings guidance provided to analysts and rating agencies; (vi) to discuss policies with respect to risk assessment and risk management; (vii) to meet separately, periodically, with management, with internal auditors (or other personnel responsible f o r the internal audit function), and with independent auditors; (viii) to review with the independent auditor any audit problems or difficulties and management's response; (ix) to set clear hiring policies for employees or former employees of the independent auditors; and (x) to report regularly to the board o f directors.

«703

Ziff. 5 der Final NYSE Corporate Governance Rules. Ziff. 7 der Final NYSE Corporate Governance Rules. Siehe dazu auch die dort angegebenen Commentaries und SEC, Final Rule: Audit Committee Disclosure, I. („Accordingly, the new rules and amendments require that companies include reports of their audit committees in their proxy statements, in the report, the audit committee must state whether the audit committee has: (i) reviewed and discussed the audited financial statements with management; (ii) discussed with the independent auditors the matters required to be discussed by Statement on Auditing Standards No. 61, as may be modified or supplemented; and (iii) received from the auditors disclosures regarding the auditor's independence required by Independence Standards Board Standard No.l, as may be modified or supplemented, and discussed the auditor's independence; require that the report of the audit committee also include a statement by the audit committee whether, based on the review and discussions noted above, the audit committee recommended to the Board of Directors that the audited financial statements be included in the company's Annual Report on Form 10-K or 10-KSB (as applicable) for the last fiscal year for filing with the Commission; require that companies disclose in their proxy statements whether their Board of Directors has adopted a written charter for the audit committee, and if so, include a copy of the charter as an appendix to the company's proxy statements at least once every three years.") und III. B und III.C. 702 703

466 (bb)

3. Teil: Die Entscheidungsfreiräume Securities and Exchange

des Vorstands und des Aufsichtsrats

Commission

D i e S E C ist aufgrund des Sarbanes-Oxley Acts 7 / 2 0 0 2 tätig geworden. In Section 301 S O A sind Zuständigkeiten des audit committees geregelt. Es ist verantwortlich für „the appointment, compensation, and oversight of the w o r k o f any registered public accounting firm employed b y the issuer (including resolution o f disagreements between management and the auditor regarding financial reporting) for the purpose of preparing or issuing an audit w o r k or related w o r k , and each such registered public accounting firm shall report directly to the audit committee ... E a c h audit committee shall establish procedures for the receipt, retention, and treatment o f complaints received by the issuer regarding accounting, internal accounting controls, or auditing matters and the confidential, anonymous submission b y employees o f the issuer o f concerns regarding questionable accounting or auditing matters ... Each audit committee shall have the authority to engage independent counsel and other advisers (authority to engage advisers)." Aus den Sections 201 und 2 0 2 S O A ergeben sich weitere Zuständigkeiten des audit c o m m i t tees. Das audit committee m u ß (vorbehaltlich einer de minimus exception) „all auditing services (which may entail providing c o m f o r t letters in connection with securities underwritings or statutory audits required for insurance companies for purposes o f State law) and non-audit services" (soweit sie nicht nach Section 201 S O A verboten sind 7 0 4 ) vorab genehmigen. 7 0 5 D i e S E C hat diese Vorgaben umgesetzt. 7 0 6 D i e S E C hat darüberhinaus neue disclosure requirements für nominating c o m mittees geschaffen. Sie betreffen insbesondere „(i) the charter (or the fact that the nominating committee does not have a charter), (ii) the independence o f the m e m bers o f the nominating committee, (iii) the policy with regard to the consideration of any director candidates recommended b y security holders (or the fact that the nominating committee does not have such a policy and the reasons thereof) and the procedures to be followed by security holders in submitting such r e c o m m e n dations, (iv) the minimum qualifications that must be met b y a nominating c o m mittee-recommended nominee for a position on the board of directors and speci704 „It shall be unlawful... to provide to that issuer, contemporaneously with the audit, any non-audit service, including (1) bookkeeping or other services related to the accounting records or financial statements of the audit client; (2) financial information systems design and implementation; (3) appraisal or valuation services, fairness opinions, or contribution-in-kind reports; (4) actuarial services; (5) internal audit outsourcing services; (6) management functions or human resources; (7) broker or dealer, investment adviser, or investment banking services; (8) legal services and expert services unrelated to the audit; and (9) any other service that the Board determines, by regulation, is impermissable." 705 Siehe dazu: Block BKR 2003, S. 774, 778ff.; Gruson/Kuhicek AG 2003, S. 337, 340f.; Kersting ZIP 2003, S.233, 239ff. und S.2010, 2013f.; Lanfermann/Maul'DK 2003, S.349, 351, 354f.; Hutten/Stromann BB 2003, S. 2223, 2224; Donald WM 2003, S. 705, 710f. 706 SEC, Final Rule: Standards relating to listed companies audit committees, II.B.-D. und Final Rule; Strengthening the Commission's requirements regarding auditor independence, II. B.

B. Die gesellschaftsrechtliche

Entscheidungsfehlerlehre

467

fic qualities or skills necessary f o r one or more directors, (v) the process f o r identifying and evaluating nominees f o r director and differences in the evaluation of directors based on whether the nominee is recommended b y a security holder; (vi) the function performed b y third parties payed a fee to identify or evaluate or assist in identifying or evaluating potential nominees." 707

(b) Weiterentwicklung

des deutschen

Gesellschaftsrechts

Vor dem Hintergrund der äußerst detaillierten Vorgaben f ü r Ausschüsse (insbesondere im Hinblick auf Bildung und Besetzung sowie Geschäftsordnung mit Aufgabenbeschreibung, Vorgaben zur Arbeitsweise und Verpflichtung zur Selbstevaluation) im U.S. amerikanischen Recht wird deutlich, daß das deutsche Gesellschaftsrecht immerhin im Hinblick auf den Prüfungsausschuß (audit committee) im Deutschen Kodex durchaus vergleichbare Regelungen enthält. 708 Dabei ist allerdings zu betonen, daß der Gesetzgeber dies erst ermöglicht hat, weil er versuchte, die Überwachung der Vorstände durch die Aufsichtsräte im Zusammenwirken mit den Abschlußprüfern zu verbessern, und dabei dem A u f sichtsrat wichtige Kompetenzen zuwies, die denen des audit committee im U.S. amerikanischen Recht weitgehend entsprechen. 709 707 SEC, Final Rule: Disclosure regarding nominating comittee functions and communications between security holders and boards of directors, II.A.2. 708 Der Aufsichtsrat (Prüfungsausschuß) darf - anders als das audit committee nach U.S. amerikanischem Recht - die Überwachung des internen Steuerungs- und Überwachungssystems und damit auch der Innenrevision (insbesondere „eine laufende Diskussion des Revisionssystems, der Prüfungsplanung der Internen Revision und der Adäquanz des Internen Kontrollsystems mit dem Revisionspersonal sowie die ständige Überwachung aller Prüfungsergebnisse"; Girnghuher, audit committee, S. 191) nicht übernehmen, weil dies eine Aufgabe des Vorstands (und die Innenrevision ein Überwachungsinstrument des Vorstands) ist (Peemöller/Warncke DB 2005, S. 401,403f.; Kersting ZIP 2003, S. 2010,2011; Girnghuher, audit committee, S. 190f.; Götz AG 1995, S. 337, 338, 347f.; Kremer, Kodex-Kommentar, Ziff. 5.3.2 Rdn.691). Der Aufsichtsrat darf und muß lediglich überprüfen, ob der Vorstand diese seine Aufgabe erfüllt und ein internes Steuerungs- und Überwachungssystem eingerichtet hat, aufrechterhält, weiterentwickelt und überwacht, und kann dazu den Leiter der Innenrevision nach § 109 Abs. 2 Satz 1 AktG hinzuzieCoenenberg/Reinhart/ hen. Siehe dazu auch die Ergebnisse der empirischen Untersuchung von Schmitz DB 1997, S. 989, 992. Dieser Aspekt wird in dem Kommissionsbericht vernachlässigt (Rdn. 314) und in der betriebswirtschaftlichen Literatur häufig übersehen; siehe dazu etwa: Theisen BB 2003, S. 1426,1427ff.; Ranzinger/Blies AG 2001, S. 455,459,459f., die von einer „funktionalen und disziplinarischen Unterstellung der Innenrevision" unter das audit committee sprechen, obwohl sie erkennen, daß „Audit Committees im angloamerikanischen Corporate Governance-Kontext auch solche Aufgaben innehaben, die nach dem deutschen Aktienrecht üblicherweise dem Kompetenzbereich des Vorstands zuzuordnen sind" (S.458); Lück DB 1999, S. 441, 443; Langenhucher/Blaum DB 1994, S.2197,2204f.; Forster AG 1995, S. 1, 6. Die Untersuchung von Peemöller/Warncke DB 2005, S. 401,403 zeigt, daß sich die Funktion des Prüfungsausschusses auch in Deutschland bereits wandelt: Im Jahr 2004 wurden „von einzelnen Prüfungsausschüssen der untersuchten Gesellschaften auch Aufgaben in den Bereichen Compliance und Mergers & Acquisitions sowie die Beratung und Zustimmung zu wesentlichen Geschäftsvorfällen und der Unternehmensplanung wahrgenommen." 709

Vgl. dazu auch Girnghuher,

audit committee, S. 201 f.

468

3. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des Aufsichtsrats

Mit dem Kontroll- und Transparenzgesetz wurde (i) die Erteilung des Prüfungsauftrages dem Aufsichtsrat zugewiesen (§§111 Abs. 2 Satz 3 AktG, 318 Abs. 1 Satz 4 und Abs. 7 Satz 5 HGB), (ii) die Vorlage des Prüfungsberichts an den Aufsichtsrat vorgeschrieben (§§321 Abs. 5 Satz 2, 318 Abs. 7 Satz 4 HGB), (iii) dem Aufsichtsrat die Prüfung des Konzernabschlusses und des Konzernlageberichts aufgegeben (§171 Abs. 1 Satz 1 AktG), (iv) die Aushändigung der Vorlagen und Prüfungsberichte an die Aufsichtsratsmitglieder in der Weise neu geregelt, daß sie jedem Aufsichtsratsmitglied oder, soweit der Aufsichtsrat dies beschlossen hat, den Mitgliedern eines Ausschusses auszuhändigen sind (§ 170 Abs. 3 Satz 2 AktG), (v) dem Abschlußprüfer die Teilnahme an den Verhandlungen des Aufsichtsrats oder eines Ausschusses über die Vorlagen und die Berichterstattung über die wesentlichen Ergebnisse seiner Prüfung zur Pflicht gemacht (§171 Abs. 1 Satz 2 AktG) und (vi) der §337 Abs. 1 AktG dem § 170 AktG angegeglichen.710 Durch das Transparenz- und Publizitätsgesetz wurden aus der Änderung des §171 Abs. 1 Satz 1 AktG logisch folgenden Gesetzesänderungen vorgenommen: Es wurde (i) mit § 170 Abs. 1 Satz 2 AktG auch die Vorlage des Konzernabschlusses und des Konzernlageberichts an den Aufsichtsrat vorgesehen, (ii) §337 Abs. 1 AktG aufgehoben und (iii) § 171 Abs. 1 Satz 2 AktG auf den Fall erstreckt, daß der Konzernabschluß durch einen Abschlußprüfer zu prüfen ist. 711 Zugleich wurde entsprechend den Vorschriften über den Jahresabschluß - eine Billigung des Konzernabschlusses durch den Aufsichtsrat oder die Hauptversammlung vorgesehen. Die Berichtspflichten des Aufsichtsrats nach §171 Abs. 2 Satz 3 und Satz 4 AktG wurden durch Einfügung des § 171 Abs. 2 Satz 5 AktG und die Fristenregelung zur Billigung des Jahresabschlusses in § 171 Abs. 3 Satz 3 AktG durch Ergänzung dieser Vorschrift auf den Konzernabschluß erstreckt. Nach § 173 Abs. 1 Satz 2 AktG entscheidet die Hauptversammlung über die Billigung des Konzernabschlusses, wenn der Aufsichtsrat ihn nicht gebilligt hat. 712 Durch das Blianzrechtsreformgesetz wurde (i) mit §170 Abs. 1 Satz 2 AktG auch die Vorlage eines Einzelabschlusses nach §325 Abs. 2a H G B an den Auf710 Art. 1 Nr. 12, 24b, 25a, 34 und Art. 2 Nr. 7, 9 KonTraG 4/1998. Der Gesetzgeber hat dazu ausgeführt, (i) die Hilfsfunktion des Abschlußprüfers für den Aufsichtsrat bei der Bewältigung seiner Überwachungstätigkeit und die Unabhängigkeit des Abschlußprüfers vom Vorstand solle unterstrichen werden, (ii) ohne Kenntnis der Prüfungsberichte sei eine sinnvolle Erfüllung der Überwachungsaufgaben und Unterstützung durch den Abschlußprüfer kaum möglich und, wo dies sinnvoll erscheine, könne der Aufsichtsrat beschließen, daß die Unterlagen nur den Mitgliedern eines Ausschusses, etwa eines Bilanzausschusses auszuhändigen seien, (iii) die Abschlußprüfer hätten in der Vergangenheit nicht in wünschenswertem Ausmaß an den Bilanzsitzungen des Aufsichtsrats teilgenommen; Begründung zu Art. 1 Nr. 10, 22, 23 RegE KonTraG 11/1997. 711 Art. 1 Nr. 17, 18a.bb, 26 TransPuG 7/2002; siehe zur Bilanzsitzung Neuling BB 2003, S. 166ff. und AG 2002, S.610ff. 712 Art. 1 Nr. 18b, 18c, 19 TransPuG 7/2002 (siehe auch die daran anknüpfenden Änderungen der §§ 131 Abs. 1,175 AktG, §§316 Abs.2,325 Abs. 3 H G B und die daraus folgende Aufhebung des §337 AktG; Art.l Nr. 14, 21, 26 und Art.2 Nr. 12, 15b TransPuG 7/2002); vgl. dazu auch Rdn. 274f. des Kommissionsberichts.

B. Die gesellschaftsrechtliche

Entscheidungsfehlerlehre

469

sichtsrat vorgesehen und (ii) mit § 171 Abs. 4 AktG die Prüfungspflicht des Aufsichtsrats (§171 Abs. 1 Satz 1 AktG), die Teilnahme- und Berichtspflicht des Abschlußprüfers (§171 Abs. 1 Satz 2 AktG), die Berichtspflicht des Aufsichtsrats (§171 Abs. 2 Satz 3 und Satz 4 AktG) und die Fristenregelung zur Billigung des Jahresabschlusses und des Konzernabschlusses in § 171 Abs. 3 Satz 3 AktG auf einen Einzelabschluß nach § 325 Abs. 2a H G B erstreckt; durch das Bilanzrechtsreformgesetz wurde demgemäß auch vorgeschrieben, daß ein Einzelabschluß nach §325 Abs. 2a H G B erst nach dessen Billigung durch den Aufsichtsrat offengelegt werden darf. 713 Allerdings bietet das deutsche Gesellschaftsrecht noch keine umfassende Lösung an. Dabei kann man sich auch hier letztlich nicht der Erkenntnis verschließen, daß es „nahezu communis opinio ist, daß die Effektivität der Aufsichtsratsarbeit und die Zeitnähe seiner Maßnahmen ... durch die Delegation von Aufgaben auf Ausschüsse" steigt.714 Gerade die Ausschußbildung kann strukturelle Mängel des Vorstands-/Aufsichtsratsmodells im Verhältnis zum U.S. amerikanischen Verwaltungsratsmodell ausgleichen, weil sie dazu dient, „die Aufsichtsratsmitglieder zeitgerechter, engagierter und kompetenter in das Unternehmensgeschehen einzubinden." 715 Dieser Befund wiegt um so schwerer, als eine Studie aus dem Jahr 2002 belegt, daß zwar 65% der befragten DAX-, MDAX- und Nemax 50-Unternehmen neben dem rechtlich vorgeschriebenen Vermittlungsausschuß und dem üblicherweise vorhandenen Präsidialausschuß weitere Ausschüsse hatten, aber in 20% der Unternehmen nur ein weiterer Ausschuß existierte und in 25,6% der Unternehmen lediglich zwei weitere Ausschüsse vorhanden waren. 716 Neuere Studien zeigen, daß sich immerhin der Prüfungsausschuß weitgehend durchgesetzt hat: Er war im Jahr 2004 bei allen DAX 30-Unternehmen und bei 66% der MDAX-Unternehmen eingerichtet 717 und ist im Jahr 2005 bei allen 713 Art. 4 Nr. 2,3 BilReG 12/2004. Zugleich wurde in § 324a H G B die entsprechende Anwendung der Vorschriften über die Abschlußprüfung (§§316-324 HGB) auf den Einzelabschluß nach §325 Abs. 2a H G B vorgesehen; Art. 1 Nr. 28 BilReG 12/2004. Zur Billigung des Einzelabschlusses nach §325a H G B heißt es: „Anders als für den Konzernabschluß (§173 Abs. 1 Satz 2, 175 Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 AktG) ist für den IAS-Einzelabschluß die Möglichkeit einer Billigung durch die Hauptversammlung statt durch den Aufsichtsrat nicht vorgesehen. Da der Entwurf die Offenlegung des IAS-Einzelabschlusses nach § 325 Abs. 2a H G B von dessen Billigung abhängig macht, würde ein solches Verfahren die Offenlegung deutlich verzögern und sollte daher unterbleiben"; Begründung zu Art. 4 Nr. 4 RegE BilReG 4/2004. 714 Lutter Z H R 159 (1995), S.287, 298; siehe dazu auch: Bernhardt Z H R 159 (1995) S.310, 312f.; Scheffler A G 1995, S. 207,210; Möllers ZIP 1995, S. 1725,1730ff.; Deckert ZIP 1996, S. 985, 985f., 986f., 988f.; Dreher, Corporate Governance, S.33, 45ff., 47f. 715 Kremer, Kodex-Kommentar, Ziff. 5.3.1 Rdn.678ff. 716 Ruhwedel/Epstein BB 2003, S. 161,162f.; siehe dazu auch die Untersuchung von Veit DB 2003, S.2021, 2022f. 717 Peemöller/Warncke DB 2005, S.401, 401. Siehe dazu auch von Werder/Talaulicar/Kolat DB 2004, S. 1377,1380. Die Untersuchung von Peemöller/Warncke DB 2005, S.401 ff., 404 zeigt weiter, daß der Prüfungsausschuß bei den D A X 30-Unternehmen drei bis sechs Mitglieder hatte, bei 60% der Unternehmen paritätisch und bei 33% der Unternehmen mit mindestens einem Ar-

470

J. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des Aufsichtsrats

D A X 3 0 - U n t e r n e h m e n sowie bei 8 0 , 6 % der M D A X - U n t e r n e h m e n

vorhan-

den. 7 1 8 Weitere Fachausschüsse existieren im J a h r 2 0 0 5 dagegen kaum. 7 1 9 (aa) Europäische

Kommission

E s k o m m t hinzu, daß die Europäische K o m m i s s i o n die U . S . amerikanische E n t wicklung nachvollzieht. Sie hat eine Empfehlung vorgelegt, 7 2 0 die vorsieht, A u f sichtsräte „sollten" so beschaffen sein, daß eine ausreichende Anzahl unabhängiger Aufsichtsratsmitglieder in Schlüsselbereichen, in denen das Potential für I n teressenkonflikte besonders h o c h ist, k o n k r e t Einfluß nehmen kann. Zu diesem Z w e c k „sollten" innerhalb des Aufsichtsrats Nominierungs-, Vergütungs- und Prüfungsausschüsse eingerichtet werden (Ziff. 5). In Gesellschaften mit einem kleinen Aufsichtsrat „ k ö n n e n " die Funktionen der drei Ausschüsse v o m A u f sichtsrat selbst übernommen werden. I m übrigen „sollten" Gesellschaften genau begründen, warum sie sich gegen die Einsetzung der drei Ausschüsse entschieden haben, und erläutern, wie die Wahrnehmung der Aufgaben der drei Ausschüsse gewährleistet wird (Ziff. 7). D e r Nominierungsausschuß „sollte" mehrheitlich, der Vergütungs- und der Prüfungsausschuß „sollten" zumindest mehrheitlich mit unabhängigen Aufsichtsratsmitgliedern besetzt sein (Anhang I Ziff. 2.1.2, 3.1.2,4.1). D i e drei Ausschüsse „sollten" eine Geschäftsordnung haben (Ziff. 6.2). D i e Kommission beschreibt auch die Art und Weise, in der die Ausschüsse arbeiten „sollten" (Anhang I. Ziff. 2.3, 3.3, 4.3, insbesondere Zusammenwirken mit dem Vorstandsvorsitzenden und Einsatz externer Berater), und den Mindestumfang des Aufgabenbereichs, der den Ausschüssen übertragen werden „sollte" (Anhang I Ziff. 2.2, 3.2, 4.2). D e r Aufgabenbereich des Nominierungsausschusses „sollte" zumindest darin bestehen, (i) dem Aufsichtsrat einen Vorschlag zur Nominierung der B e w e r b e r beitnehmervertreter besetzt war, durchschnittlich 3,9mal im Jahr tagte und daß der Finanzvorstand und der Abschlußprüfer bei allen, der Vorstandsvorsitzende bei 86% der Unternehmen an den Sitzungen teilnahm. Sie belegt auch, daß der Prüfungsausschuß bei den MDAX-Unternehmen zwei bis acht Mitglieder hatte, bei 36% der Unternehmen paritätisch und bei 36% der Unternehmen mit mindestens einem Arbeitnehmervertreter besetzt war, durchschnittlich 2,2mal im Jahr tagte, daß der Finanzvorstand und der Abschlußprüfer bei 93% der Unternehmen, der Vorstandsvorsitzende bei 64% der Unternehmen an den Sitzungen teilnahm. Sie ergibt schließlich, daß die Arbeitsschwerpunkte - in absteigender Reihenfolge der Nennungen - die Prüfung des Jahres- und Konzernabschlusses, das Risikomanagement, die Zusammenarbeit mit dem Abschlußprüfer, die Durchsicht der Quartalsberichte, das interne Kontrollsystem und die Innenrevision waren. Im Ergebnis konnte eine Annäherung an die Tätigkeiten der audit committees U.S. amerikanischer Gesellschaften festgestellt werden. Von Werder/Talaulicar D B 2005, S. 841, 843f. Das belegt die Erhebung von von Werder/Talaulicar DB 2005, S. 841, 843f. zu den Empfehlungen, qualifizierte Ausschüsse und „insbesondere" einen Prüfungsausschuß einzurichten. 7 2 0 Empfehlung der Kommission vom 15. Februar 2005 zu den Aufgaben von nicht geschäftsführenden Direktoren/Aufsichtsratsmitgliedern börsennotierter Gesellschaften sowie zu den Ausschüssen des Verwaltungs-/Aufsichtsrats, ABl. E G Nr. 52 S. 51. 718

719

B. Die gesellschaftsrechtliche

Entscheidungsfehlerlehre

471

für die Besetzung frei werdender Mandate in Aufsichtsrat und Vorstand zu machen, 7 2 1 (ii) regelmäßig die Struktur, G r ö ß e und Zusammensetzung des A u f sichtsrats und Vorstands zu prüfen, (iii) regelmäßig die Fähigkeiten, Kenntnisse und Erfahrung der einzelnen Mitglieder der Vorstands zu bewerten, (iv) sich mit Fragen der Nachfolgeplanung zu befassen und (v) die Strategie des Vorstands im H i n b l i c k auf die Auswahl und Bestellung von Führungskräften der Gesellschaft zu verfolgen (Anhang I Ziff. 2.2). D e r Aufgabenbereich des Vergütungsausschusses „sollte" zumindest darin bestehen, (i) dem Aufsichtsrat Vorschläge zur Vergütungspolitik für Vorstandsmitglieder zu unterbreiten, 7 2 2 (ii) dem Aufsichtsrat im Einklang mit der Vergütungspolitik der Gesellschaft und der Leistungsbewertung der betreffenden Personen Vorschläge für die individuelle Vergütung der Vorstandsmitglieder zu unterbreiten, (iii) dem Aufsichtsrat Vorschläge für geeignete Musterverträge für Vorstandsmitglieder zu unterbreiten, (iv) zusammen mit dem Aufsichtsrat die Offenlegung vergütungsbezogener Informationen zu kontrollieren, (v) an die Vorstandsmitglieder Empfehlungen zur H ö h e und Struktur der Vergütung für Führangskräfte zu richten; (vi) anhand geeigneter Informationen der Vorstandsmitglieder die H ö h e und Struktur der Vergütung für Führungskräfte zu kontrollieren (Anhang I Ziff. 3.2.1, 3.2.2). D e r Aufgabenbereich des Prüfungsausschusses „sollte" zumindest darin bestehen, den Aufsichtsrat zu unterstützen bei (i) der Kontrolle der Verläßlichkeit und Vollständigkeit der von der Gesellschaft vorgelegten Finanzinformationen, insbesondere durch Überprüfung der Relevanz und Kontinuität der von der Gesellschaft und ihrer Gruppe angewandten Rechnungslegungsmethoden, (ii) der zumindest jährlichen Überprüfung der internen K o n t r o l l - und Risikomanagementsysteme, 7 2 3 (iii) der Gewährleistung der Effizienz der internen Prüfung durch

721 „Dabei beurteilt der Nominierungsausschuß die Ausgewogenheit der Kentnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen in Aufsichtsrat und Vorstand, beschreibt die mit dem zu besetzenden Posten in diesen Organen verbundenen Anforderungen und wägt den hierfür erforderlichen Zeitaufwand ab." 722 „Diese Vorschläge sollten sich auf alle Vergütungsformen erstrecken: Fixum, erfolgsbezogene Vergütungssysteme, Ruhegehalt und Abfindungen. Vorschläge zu erfolgsbezogenen Vergütungssystemen sollten Empfehlungen zu den Zielvorgaben und Bewertungskriterien enthalten, um die Vergütung der Vorstandsmitglieder angemessen an den langfristigen Interessen der Aktionäre und den vom Aufsichtsrat vorgegebenen Unternehmenszielen ausrichten zu k ö n nen." Siehe dazu auch Anhang I Ziff. 3.2.3: „In Bezug auf Aktienoptionen und andere aktienbezogene Incentive-Leistungen für Mitglieder der Unternehmensleitung, Führungskräfte oder sonstige Angestellte sollte der Ausschuß zumindest die allgemeine Politik in Bezug auf solche Vergütungssysteme (insbesondere Aktienoptionen) erörtern und dem Aufsichtsrat diesbezügliche Vorschläge unterbreiten; gegebenenfalls die entsprechenden Angaben überprüfen, die im Jahresabschluß und auf der Hauptversammlung offengelegt werden; dem Aufsichtsrat Vorschläge zur Wahl zwischen Zeichnungs- und Bezugsoptionen unterbreiten unter Angabe der G r ü n d e für diese Wahl und deren Konsequenzen." 7 2 3 „um eine umfassende Analyse und angemessene Steuerung und Offenlegung der Hauptri-

472

3. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des

Aufsichtsrats

Empfehlungen zur Auswahl, Bestellung, Wiederbestellung und Entlassung des Leiters der für die interne Prüfung zuständigen Abteilung sowie zu deren Mittelausstattung. Der Prüfungsausschuß „sollte" zudem zumindest (iv) Empfehlungen an den Aufsichtsrat zur Auswahl, Bestellung, Wiederbestellung und Entlassung des externen Abschlußprüfers sowie zu seinem Prüfungsauftrag richten, (v) die Unabhängigkeit und Objektivität des externen Abschlußprüfers überprüfen, insbesondere im Hinblick auf die Einhaltung der geltenden Leitlinien für den Wechsel der Prüfungspartner und die H ö h e des von der Gesellschaft gezahlten Honorars, (vi) Art und Umfang der Nichtprüfungsleistungen überwachen, unter anderem anhand der vom externen Abschlußprüfer offengelegten Vergütungen, die von der Gesellschaft und ihrer Gruppe an die Prüfungsfirma und deren N e t z werk gezahlt werden, (vii) die Effizienz der externen Prüfung kontrollieren und darauf achten, wie der Vorstand auf die Empfehlungen im Bericht des externen Abschlußprüfers reagiert und (viii) den Fragen nachgehen, die sich nach Kündigung des Prüfungsauftrags durch den externen Abschlußprüfer stellen, und gegebenenfalls Empfehlungen für das weitere Vorgehen abgeben (Anhang I Ziff. 4.2). Die besondere Nähe zum Sarbanes-Oxley Act 7/2002 kommt vor allem in zwei Regelungen zum Ausdruck: Der Prüfungsausschuß „sollte im Einklang mit den Grundsätzen und Leitlinien der Empfehlung 2 0 0 2 / 5 9 0 / E G der Kommission 7 2 4 verbindlich festlegen, welche Nichtprüfungsleistungen ausgeschlossen, nach Prüfung durch den Ausschuß zulässig und ohne Einschaltung des Ausschusses zulässig sind" (Anhang I Ziff. 4.2). E r „sollte überprüfen, wie die Gesellschaft ihrer rechtlichen Verpflichtung nachkommt, ihren Arbeitnehmern die Möglichkeit zu geben, mutmaßliche Unregelmäßigkeiten in der Gesellschaft durch Beschwerden oder anonyme Mitteilungen in der Regel an ein unabhängiges Mitglied der Unternehmensleitung anzuzeigen, und dafür sorgen, daß Vorkehrungen für eine angemessene, unabhängige Untersuchung und Verfolgung der Angelegenheit getroffen werden" (Anhang I Ziff. 4.3.8). Die Prüfungsausschüsse sind auch Gegenstand des von der Europäischen Kommission vorgelegten Vorschlags einer Prüferrichtlinie: Art. 39 Abs. 2 (iVm. Art. 2 Nr. 11) des Richtlinienvorschlags bestimmt, daß börsennotierte Gesellschaften einen Prüfungsausschuß „haben", dessen Aufgaben unter anderem darin bestehen, (i) den Rechnungslegungsprozeß zu überwachen, (ii) die Wirksamkeit der internen Kontrolle, gegebenenfalls der Innenrevision und des Risikomanagements des Unternehmens zu kontrollieren, (iii) die Prüfung des Jahres- und des konsolidierten Abschlusses zu beaufsichtigen, (iv) die Unabhängigkeit des A b schlußprüfers oder der Prüfungsgesellschaft, insbesondere die von diesen für das

siken (einschließlich jener, die mit der Beachtung der geltenden Rechts- und Verwaltungsvorschriften zusammenhängen) sicherzustellen" 7 2 4 Empfehlung der Kommission vom 16. Mai 2002 „Unabhängigkeit des Abschlußprüfers in der E U - Grundprinzipien", 2002/590/EG, ABl. E G Nr. L 191 S.22.

B. Die gesellschaftsrechtliche

Entscheidungsfehlerlehre

473

geprüfte U n t e r n e h m e n erbrachten zusätzlichen Leistungen zu überprüfen und zu überwachen und (v) dem Aufsichtsrat einen Vorschlag für die Bestellung des Abschlußprüfers oder der Prüfungsgesellschaft zu unterbreiten. N a c h A r t 39 Abs. 3 des Richtlinienvorschlags haben der Abschlußprüfer oder die Prüfungsgesellschaft dem Prüfungsausschuß über die wichtigsten bei der Abschlußprüfung gewonnenen Erkenntnisse, insbesondere über wesentliche Schwächen bei der internen Kontrolle des Rechnungslegungsprozesses, zu berichten und ihn bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben zu unterstützen. 7 2 5

(bb)

Schlußfolgerungen

Im deutschen Gesellschaftsrecht wird zwar seit langem um eine L ö s u n g der A u s schußfrage gerungen. M a n hat sich jedoch bislang nicht auf detaillierte Vorgaben für Ausschüsse einigen können. 7 2 6 Dabei wird gern darauf verwiesen, daß die Ausschußbildung unter die Selbstorganisationspflicht des Aufsichtsrats falle. 7 2 7 Zudem bestehe die Gefahr eines Ausschlusses

der

Arbeitnehmervertreter.

Schließlich sei ein Informationsgefälle im Aufsichtsrat zu besorgen. 7 2 8 Dies ist in der Literatur einer der am häufigsten genannten Einwände gegen die Bildung von Prüfungsausschüssen. 7 2 9 M a n hat auch die Vorstellungen von den Aufsichtsratsausschüssen ignoriert, die die Betriebswirtschaftslehre entwickelt hat und die etwa in dem Berliner K o dex zum Ausdruck k o m m e n : „Der Aufsichtsrat bildet zur Steigerung seiner A r beitseffizienz Ausschüsse. D i e Ausschüsse sollen mindestens drei und höchstens fünf Mitglieder haben. D e r Vorsitzende des Aufsichtsrats koordiniert in A b s t i m mung mit den Ausschußvorsitzenden die Aktivitäten zwischen den Ausschüssen. I m Regelfall sind zumindest ein Geschäftsausschuß

für

unternehmerische

Grundsatzfragen, ein Personalausschuß für alle personellen Angelegenheiten des Vorstands und gegebenenfalls ein Ausschuß nach § 2 7 Abs. 3 Mitbestimmungsgesetz 1976, ein Investitions- und Finanzausschuß, ein Bilanzausschuß (audit c o m mittee) und ein Ausschuß für C o r p o r a t e Governance vorzusehen. D a n e b e n k o m -

725 Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Prüfung des Jahresabschlusses und des konsolidierten Abschlusses und zur Änderung der Richtlinien 78/ 660/EWG und 83/349/EWG des Rates vom 16. März 2004. Siehe dazu Lauf ermann/Maul BB 2004, S. 1861, 1866 und Lanfermann DB 2004, S.609, 612 726 LutterZHR 159(1995),S.287,298f.;BernhardtZHR159(1995)S.310,312f.;SchefflerAG 1995, S.207, 210; Möllers ZIP 1995, S. 1725,1730ff.; Decken ZIP 1996, S.985, 985f., 986f., 988f.; Dreher, Corporate Governance, S. 33, 45ff., 47f. 727 Siehe dazu nur Lutter ZHR 159 (1995), S.287, 298 und Dreher, Corporate Governance, S. 33, 46f. 728 Siehe dazu nur Decken ZIP 1996, S.985, 987. 729 Siehe dazu etwa Rdn. 313 des Kommissionsberichts und Girnghuber, audit committee, S. 195f. Ranzinger/Blies AG 2001, S.455, 461 und Lück DB 1999, S. 441,443 sprechen in diesem Zusammenhang von einem Eingeständnis der „Uberwachungsunfähigkeit" des Aufsichtsrats.

474

3. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des Aufsichtsrats

men Ausschüsse für besonders wichtige F u n k t i o n e n ( z . B . Forschung & E n t w i c k lung), Produkte und Märkte des Unternehmens in B e t r a c h t . " 7 3 0 D i e Reaktion der Gesellschaftsrechtler auf die Vorstellungen der S E C und der Europäischen K o m m i s s i o n ist insoweit bezeichnend. M a n ist nicht etwa in die Diskussion eingetreten, o b bei börsennotierten Gesellschaften mit großen A u f sichtsräten ein Nominierungs- und Vergütungsausschuß und ein Prüfungsausschuß zwingend eingerichtet werden sollten. D i e Frage, o b Mindestanforderungen für die Ausschußtätigkeit (Geschäftsordnung) im H i n b l i c k auf Aufgabenbereich, Arbeitsweise und Selbstevaluation verbindlich formuliert werden sollten, wird nicht gestellt. 7 3 1 M a n hat vielmehr problematisiert, o b die deutschen U n t e r nehmen die Vorstellungen der S E C von einem audit committee ohne Verstoß gegen das deutsche Aktienrecht erfüllen könnten. 7 3 2 Symptomatisch ist in diesem Zusammenhang auch, daß man bei der S E C gegen das „up-the-ladder reporting" durch Rechtsanwälte opponiert 7 3 3 und eine Ausnahme für „non-appearing f o reign attorneys" erreicht hat. 7 3 4 D a m i t ist zugleich die Notwendigkeit entfallen, ein Qualified Legal Compliance C o m m i t t e e einzurichten. 7 3 5 D e r Gesetzgeber hat Ziff. IV.3.3, IV.3.4 des Berliner Kodex. Siehe dazu auch Ziff. III.3 des Frankfurter Kodex. Siehe aber Bender/Vater KoR 2003, S. 490, 493ff., 495, die eine Umsetzung des audit committees angloamerikanischer Form als geeignet ansehen, spezifisch deutsche Funktionsdefizite in der Unternehmensüberwachung zu mildern. 732 Gruson/Kubicek AG 2003, S.337, 346ff.; Kersting ZIP 2003, S.233, 239ff. und S.2010, 2013ff.; Hütten/Stromann BB 2003, S.2223, 2224; Lanfermann/Maul DB 2003, S.349, 351. 733 Siehe dazu Section 307 SOA: „The Commission shall issue rules ... setting forth minimum standards of professional conduct for attorneys appearing and practicing before the Commission in any way in the representation of issuers including a rule (1) requiring an attorney to report evidence of a material violation of securities law or breach of fiduciary duty or similiar violation by the company or any agent therof, to the chief legal counsel, or the chief executive officer of the company (or the equivalent thereof), and (2) if the counsel or officer does not appropriately respond to the evidence (adopting, as necessary, appropriate remedial measures or sanctions with respect to the violation), requiring the attorney to report the evidence to the audit committee of the board of directors of the issuer or to another committee of the board of directors comprised solely of directors not employed directly or indirectly by the issuer, or to the board of directors." Die SEC hat dem Folge geleistet: SEC, Final Rule: Implementation of Standards of Professional Conduct for Attorneys, II. Section 205.2. Siehe dazu: Block BKR 2003, S.774, 783ff.; Gruson/ Kuhicek AG 2003, S. 393, 399f.; Lanfermann/Maul DB 2003, S. 349, 355. 730 731

734 SEC, Final Rule: Implementation of Standards of Professional Conduct for Attorneys, II. Section 205.2 (a) und (j). Siehe dazu Block BKR 2003, S. 774, 784 und Lanfermann/Maul DB 2003, S.349, 355. 735 SEC, Final Rule: Implementation of Standards of Professional Conduct for Attorneys, Section 205.2 (k): „A committee of an issuer (which may also be an audit committee or other committee of the issuer) that: (1) Consists of at least one member of the issuer's audit committee (or, if the issuer has no audit committee, one member from an equivalent committee of independent directors) and two or more members of the issuer's board of directors who are not employed, directly or indirectly, by the issuer...; (2) Has adopted written procedures for the confidential receipt, retention, and consideration of any report of evidence of a material violation under §205.3; (3) Has been duly established by the issuer's board of directors, with the authority and responsibility (i) to inform the issuer's chief legal officer and chief executive officer ... of any report of evidence of a material violation ...; (ii) to determine whether an investigation is necessary

B. Die gesellschaftsrechtliche

Entscheidungsfehlerlehre

475

aus dem gesamten Problemkreis nur einen einzigen Aspekt herausgegriffen, und zwar die Unabhängigkeit des Abschlußprüfers. Mit dem Bilanzrechtsreformgesetz sind die Unabhängigkeitsregeln gerade auch im H i n b l i c k auf „die E m p f e h lung der E U - K o m m i s s i o n ,Unabhängigkeit des Abschlußprüfers in der E U

-

Grundprinzipien ( A B l . E U N r . L 191/22 v o m 19. Juli 2 0 0 2 - 2 0 0 2 / 5 9 0 / E G ) ' , den Vorschlag der K o m m i s s i o n für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Prüfung des Jahresabschlusses und des konsolidierten A b schlusses und zur Änderung der Richtlinien 7 8 / 6 6 0 / E W G und 8 3 / 3 4 9 / E W G K O M (2004) 177endg. und den am 30. Juli 2002 unterzeichneten Sarbanes-Oxley A c t " durch Neufassung des § 319 H G B und Einfügung des § 319 a H G B erweitert und konkretisiert worden. 7 3 6 D i e § § 3 1 9 A b s . 2 und A b s . 3 N r . 3 , 319 a A b s . l Nr. 2, Nr. 3 und Nr. 4 H G B idF. von Art. 1 Nr. 23, 24 des B i l R e G 12/2004 gehen mithin unmittelbar auf die europäischen und/oder U . S . amerikanischen Regelungen zurück. 7 3 7 E s ist bezeichnend, daß es wiederum die Betriebwirtschaftslehre ist, die die Frage nach der Bildung und Ausformung von Ausschüssen (Besetzung, Aufgabenbereich, Arbeitsweise und Selbstevaluation) aufgegriffen hat. Das Berlin Center of C o r p o r a t e Governance hat einen Leitfaden zur Best Practice von Bilanzprüfungsausschüssen (audit committees) erarbeitet und im Frühjahr 2 0 0 5 vorgestellt. 7 3 8 D a n a c h „soll" das audit committee vier bis fünf Mitglieder haben, der Vorsitzende sachverständig, nicht zugleich Aufsichtsratsvorsitzender und „im Regelfall" kein ehemaliges Vorstandsmitglied sein und das audit committee über M i t glieder verfügen, die Spezialkenntnisse über Abschlußprüfung, Bilanzierung, Branche des Unternehmens oder Risikomanagement einbringen können oder sonstige Qualifikationen haben wie etwa Erfahrungen aus anderen börsennotierten und eventuell internationalen Unternehmen oder spezielle Expertise hinsicht-

... and, if it determines an investigation is necessary or appropriate, to: (A) Notify the audit committee or the board of directors; (B) Initiate an investigation, which may be conducted either by the chief legal officer... or by outside attorneys; and (C) Retain such additional expert personnel as the committee deems it necessary; and (iii) At the conclusion of any such investigation, to: (A) Recommend, by majority vote, that the issuer implements an appropriate response to evidence of a material violation; (B) Inform the chief legal officer and the chief executive officer ... and the board of directors of the results of any such investigation under this section and the appropriate remedial measures to be adopted; and (C) Has the authority and responsibility, acting by majority vote, to take all other appropriate action, including the authority to notify the Commission in the event that the issuer fails in any material respect to implement an approriate response that the qualified legal compliance committee has recommended the issuer to take." Siehe dazu Block BKR 2003, S.774, 784f. und Gruson/Kubicek AG 2003, S.393, 399f. 736 6. Abschnitt des Allgemeinen Teils der Begründung zum RegE BilReG 4/2004 und Begründung zu Art. 1 Nr. 23, 24 RegE BilReG 4/2004. 737 Begründung zu Art. 1 Nr. 23, 24 RegE BilReG 4/2004. Siehe dazu auch Peemöller/Oehler BB 2004, S. 539, 539, 540, 541 f., 543f., 544 und Ziff. 7.2.1 des Deutschen Kodex. 738 Pohle/von Werder DB 2005, S.237, 237.

476

3. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des

Aufsichtsrats

lieh rechtlicher und regulatorischer Rahmenbedingungen; mindestens ein Mitglied „soll" die Qualifikation eines Finanzexperten haben (ZusammensetZUng)/39 « Das audit committee „soll" den Jahresabschluß einschließlich des Lage- und Risikoberichts sowie die Quartalsberichte vor ihrem Erscheinen kritisch durchsehen, die Ausübung bedeutsamer Bilanzierungs- und Bewertungswahlrechte diskutieren, das interne Kontrollsystem prüfen, die gegenwärtigen und zukünftigen Geschäftsrisiken mit wesentlichen materiellen Auswirkungen auf den Jahresabschluß erörtern, den Wirtschaftsprüfer beauftragen, das Prüfungshonorar vereinbaren und die Prüfungsweise festlegen (Aufgabenstellung). 7 4 0 Das audit committee „soll normalerweise" fünfmal im Jahr tagen (Prüfungsauftrag, Quartalsberichte, Jahresabschluß). Vorstandsmitglieder, insbesondere der Vorstandsvorsitzende und der Finanzvorstand (bei Banken und Versicherungen auch der für das Risikomanagement zuständige Vorstand), „sollen" auf Aufforderung an den Sitzungen teilnehmen. Der Wirtschaftsprüfer „soll" bei der Sitzung über den Jahresabschluß anwesend sein, und der Ausschußvorsitzende „soll" mit dem Wirtschaftsprüfer ein Gespräch über seine wesentlichen Feststellungen führen, falls der Wirtschaftsprüfer bei der Durchsprache der Quartalsbilanz nicht anwesend ist. Die Berichte an das audit committee „sollen" im Hinblick auf Umfang und Häufigkeit über die Berichterstattung für den Aufsichtsrat hinausgehen und sich auch auf die Finanzsteuerung und Liquiditätsplanung erstrecken. Weitere Empfehlungen zur Arbeitsweise betreffen Befragungen des Wirtschaftsprüfers, die Festlegung der Prüfungsschwerpunkte, die Unabhängigkeit des Wirtschaftsprüfers, den Konzernwirtschaftsprüfer, das Whistleblowing und die Innenrevision, die Evaluation und die Berichte an den Aufsichtsrat. 741 Trotz aller Einwände wird man sich angesichts der Bedeutung von Ausschüssen für eine effektive Aufsichtsratsarbeit auch im Gesellschaftsrecht in der Frage der Anforderungen an die Bildung und Ausformung von Ausschüssen (Besetzung; Geschäftsordnung mit Aufgabenbeschreibung, Vorgaben zur Arbeitsweise und Verpflichtung zur Selbstevaluation) bewegen müssen. Dabei mag die Frage, ob und inwieweit bestimmte Aufsichtsratsausschüsse mit unabhängigen Aufsichtsratsmitgliedern besetzt werden müssen, im Rahmen dieser Arbeit dahinstehen. Dies kann jedoch nicht für die Frage gelten, ob bestimmte Ausschüsse mit einem Mindestaufgabenbereich - vorbehaltlich einer De-minimis-Regel für Gesellschaften mit kleinen Aufsichtsräten (bis zu 3 Personen) 742 - zwingend eingerichtet werden sollten. Den entscheidenden dogmatischen Ansatzpunkt liefert die Optionslösung des §107 Abs. 3 AktG in Verbindung mit den dem Aufsichtsrat obliegenden Rechts739 740 741 742

Pohle/von Werder DB 2005, S.237, 238. Pohle/von Werder DB 2005, S.237, 238. Pohle/von Werder DB 2005, S.237, 238f. Siehe zu diesem Problem auch von Werder/Talaulicar

DB 2005, S. 841, 843f.

B. Die gesellschaftsrechtliche

477

Entscheidungsfehlerlehre

pflichten im Sinne der § § 1 1 6 , 93 A k t G . In § 107 Abs. 3 A k t G „ k o m m t der Gedanke zum Ausdruck, daß allein der Aufsichtsrat nach pflichtgemäßem Ermessen entscheiden kann und soll, wie er seine Arbeit zweckmäßigerweise einrichtet, um seinen gesetzlichen Funktionen und seiner Allgemeinverantwortung am besten gerecht zu werden, inwieweit er deshalb seine Aufgaben im Plenum erledigen oder einem Ausschuß übertragen will und welche Personen aus seiner Mitte ihm aus sachlichen Gründen jeweils besonders dazu berufen erscheinen, in einem solchen Ausschuß mitzuwirken." 7 4 3 Im Lichte der Bedeutung von Ausschüssen für eine effektive Aufsichtsratsarbeit läßt sich dieses „pflichtgemäße E r m e s s e n " vermittels einer Konkretisierung der dem Aufsichtsrat obliegenden Rechtspflichten im Sinne der § § 1 1 6 , 93 A k t G zu einer „Ermessensreduzierung auf N u l l " verdichten: D e r Aufsichtsrat ist verpflichtet, neben dem gegebenenfalls nach § 2 7 Abs. 3 M i t b e s t G erforderlichen Vermittlungsausschuß 7 4 4 für bestimmte zentrale Leitungs- und Überwachungsaufgaben zuständige Ausschüsse einzurichten und ihnen eine Geschäftsordnung mit Aufgabenbeschreibung, Vorgaben zur Arbeitsweise und Verpflichtung zur Selbstevaluation zu geben. Zu bilden sind danach - angesichts der geringen Sitzungsfrequenz des Aufsichtsrats und der herausragenden Bedeutung der laufenden Überwachung der Unternehmensstrategie für eine effektive Aufsichtsratsarbeit ein Präsidial-

und Strategieausschuß,

der

zumindest für die Vorbereitung von Aufsichtsratssitzungen, die Entscheidung in Eilfällen und die Ü b e r w a c h u n g der strategischen Planungen und Entscheidungen des Vorstands zuständig ist; 7 4 5 - angesichts der Bedeutung der Unternehmensberichterstattung, der externen Prüfung, des internen Steuerungs- und Überwachungssystems einschließlich der Innenrevision, des Controllings sowie des Chancen- und Risikomanagementsystems für eine effektive Aufsichtsratsarbeit und der Erforderlichkeit von besonderen fachlichen Qualifikationen für die damit verbundene Aufgabenwahrnehmung ein Prüfungsausschuß europäischem

Muster

nach

und betriebswirtschaftlichem

U.S. amerikanischem Standard

Vorbild,

(audit c o m m i t -

tee), der sich zumindest mit der Erteilung und Ausgestaltung von Prüfungsaufträgen, der Qualifikation und Unabhängigkeit des Abschlußprüfers, der Prüfung der Unternehmensberichterstattung und des Prüfungsberichts sowie der Erarbeitung von Beschlußempfehlungen an den Aufsichtsrat, der Prüfung der - nach hier vertretener Auffassung anzuordnenden - ergänzenden Berichterstattung des Vorstands und des Abschlußprüfers insbesondere im H i n b l i c k auf das interne Steuerungs- und Überwachungssystem einschließlich der InnenreBGH BGHZ 83, S. 106, 115 - Siemens. Siehe dazu nur Ziff. IV.3.4 des Berliner Kodex und Ziff. III.3 des Frankfurter Kodex sowie Kremer, Kodex-Kommentar, Ziff. 5.3.2 Rdn. 683. 745 Siehe dazu nur: Ziff. IV.3.4 des Berliner Kodex; Ziff. III.3 des Frankfurter Kodex; Möllers ZIP 1995, S. 1725, 1730f.; Decken ZIP 1996, S.985, 986f., 988f.; Kremer, Kodex-Kommentar, Ziff. 5.3.1 Rdn.683 und Ziff. 5.3.3 Rdn. 700. 743

744

478

3. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des Aufsichtsrats

vision, des Controllings sowie des C h a n c e n - und Risikomanagementsystems befaßt und dessen Mitglieder über einschlägige fachliche Qualifikationen verfügen; 7 4 6 - angesichts der herausragenden Bedeutung der Ü b e r w a c h u n g von Investitionen und Finanzen für eine effektive Aufsichtsratsarbeit und der Erforderlichkeit von besonderen fachlichen Qualifikationen für die damit verbundene Aufgabenwahrnehmung ein Investitions-, ausschuß,

Beteiligungs-,

Kredit-

und

Finanzierungs-

der zumindest für die Prüfung der Bedingungen sowie der C h a n c e n

und Risiken von Investitions-, Beteiligungs-, Kredit- und Finanzierungsmaßnahmen, die Prüfung der Anordnung und Ausübung von Zustimmungsvorbehalten im Investitions-, Beteiligungs-, Kredit- und Finanzierungsbereich sowie der Erarbeitung von Beschlußempfehlungen an den Aufsichtsrat zuständig ist und dessen Mitglieder über einschlägige fachliche Qualifikationen verfügen; 7 4 7 - angesichts der herausragenden Bedeutung der Bestellung und A b b e r u f u n g von Vorstands-/Aufsichtsratsmitgliedern für eine effektive Vorstands-/Aufsichtsratsarbeit und der Erforderlichkeit von Vertraulichkeit für die damit verbundene Aufgabenwahrnehmung ein NominierungsU. S. amerikanischem

Vorbild

und europäischem

und

Vergütungsausschuß

Muster,

nach

der zumindest für die

Vorbereitung der Bestellung/Abberufung von Vorstandsmitgliedern, den A b schluß und die Ausgestaltung sowie die Aufhebung der Anstellungsverträge und die Erarbeitung von Wahlvorschlägen für Aufsichtsratsmitglieder an die Hauptversammlung zuständig ist; 7 4 8 - angesichts der Notwendigkeit einer an der Aufgabenverteilung im Vorstand ausgerichteten sachbezogenen Uberwachungstätigkeit für eine effektive A u f sichtsratsarbeit und der Erforderlichkeit von besonderen fachlichen Qualifikationen für die damit verbundene Aufgabenwahrnehmung neben dem Prüfungsausschuß

(audit

committee)

weitere Fachausschüsse,

die

Prüfungsausschuß (audit committee) nicht erfaßten Vorstandsressorts spondieren

den

vom korre-

und die auf diese Vorstandsressorts bezogenen Aufgaben des A u f -

sichtsrats wahrnehmen und deren Mitglieder über einschlägige fachliche Q u a lifikationen verfügen. 7 4 9

746 Siehe dazu nur: Ziff. 5.3.2 des Deutschen Kodex; Ziff. IV.3.4 des Berliner Kodex; Ziff. III.3 des Frankfurter Kodex; Decken ZIP 1996, S. 985, 988f.; Kremer, Kodex-Kommentar, Ziff. 5.3.2 Rdn.688ff., 691, 692f., 696f. und Ziff. 5.3.3 Rdn.699. 747 Siehe dazu nur: Ziff. IV.3.4 des Berliner Kodex; Ziff. III.3 des Frankfurter Kodex; Kremer, Kodex-Kommentar, Ziff. 5.3.1 Rdn.683 und Ziff. 5.3.3 Rdn.699. 748 Siehe dazu nur: Ziff. 5.2.2, 5.1.2, 5.3.3 des Deutschen Kodex; Ziff. IV.3.4 des Berliner Kodex; Ziff. III.3 des Frankfurter Kodex; Deckert ZIP 1996, S. 985, 988; Kremer, Kodex-Kommentar, Ziff. 5.1.2 Rdn.649ff., Ziff. 5.3.1 Rdn.683 und Ziff. 5.3.3 Rdn.699. 749 Siehe dazu nur Ziff. IV.3.4 des Berliner Kodex und Kremer, Kodex-Kommentar, Ziff. 5.3.1 Rdn.681.

B. Die gesellschaftsrechtliche Entscheidungsfehlerlehre

(3) Strukturierung der

479

Überwachungstätigkeit

Der Zustimmungsvorbehalt ist in § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG nur rudimentär geregelt, und das Überwachungsprogramm wird im Aktiengesetz gar nicht angesprochen. Der Gesetzgeber hat sich mit dem Transparenz- und Publizitätsgesetz allerdings immerhin dazu durchgerungen, die Anordnung des Zustimmungsvorbehalts zwingend vorzuschreiben. 750 Der Deutsche Kodex geht nicht darüberhinaus. Er gibt lediglich die Interpretation des geltenden Rechts wieder.751 (a) Die Entwicklung in den Vereinigten Staaten Blickt man in die Vereinigten Staaten, so enthält § 3.02 ALI Principles of Corporate Governance 1994 eine dem Zustimmungsvorbehalt vergleichbare Regelung. Danach obliegt dem board of directors die Genehmigung der finanziellen Zielsetzungen der Gesellschaft, der maßgeblichen Gesellschaftspläne und -maßnahmen sowie von wesentlichen Veränderungen in (sowie die Festlegung anderer Grundsatzfragen in Zusammenhang mit) den angemessenen Prüfungs- und Rechnungslegungspraktiken. Er hat die Befugnis, (i) Unternehmenspläne, -zusagen, und -maßnahmen sowie Veränderungen in Bilanzierungsgrundsätzen und -praktiken zu veranlassen, (ii) die geschäftlichen Aktivitäten der Gesellschaft zu leiten und Anweisungen an Gesellschaftsausschüsse, principal senior officers oder andere officers zu geben sowie (iii) alle anderen gesellschaftlichen Dinge wahrzunehmen, die nicht den Anteilseignern vorbehalten sind. Diese Regelung geht über einen Zustimmungsvorbehalt hinaus, weil sie das Initiativrecht der Unternehmensleitung umfaßt: Der board of directors ist nicht nur dafür zuständig, wichtige Unternehmensentscheidungen und Unternehmensstrategien zu prüfen und zu genehmigen oder abzulehnen. Er ist (auch) dafür zuständig, wichtige Unternehmensentscheidungen zu treffen und wichtige Unternehmensstrategien zu entwikkeln. Der Grund dafür ist, daß es der board of directors ist, dem die Unternehmensführung obliegt und der deshalb trotz Delegation von Managementfunktio-

750

Art. 1 Nr. 9 TransPuG 7/2002. Ziff. 3.3: „Für Geschäfte von grundlegender Bedeutung legen die Satzung oder der Aufsichtsrat Zustimmungsvorbehalte zugunsten des Aufsichtsrats fest. Hierzu gehören Entscheidungen oder Maßnahmen, die die Vermögens-, Finanz- oder Ertragslage des Unternehmens grundlegend verändern." Siehe dazu Lutter, Kodex-Kommentar, Ziff. 3.3 Rdn.255f. Die Regierungskommission hatte angeregt, in § 111 Abs. 4 AktG einen Satz 3 einzufügen, und zwar des Inhalts „Hierzu sollten in der Gesellschaft oder in abhängigen Unternehmen getroffene Entscheidungen oder Maßnahmen rechnen, die die Ertragsaussichten der Gesellschaft oder ihre Risikoexposition grundlegend verändern."; Rdn. 34 des Kommissionsberichts. Siehe zur bisherigen Interpretation etwa Mertens, Kölner Kommentar, §111 Rdn. 66, der betont, „daß der Zustimmungspflicht nur solche Geschäfte unterworfen werden dürfen, die nach Umstand, Gegenstand, Bedeutung oder Risiko für ein Unternehmen der betreffenden Art und Größe aus dem routinemäßigen Geschäftsbetrieb signifikant herausragen oder von spezifischer unternehmensstrategischer Bedeutung sind." 751

480

3. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des Aufsichtsrats

nen der Träger der Entscheidungsgewalt bleibt. 7 5 2 Dieser Befund darf jedoch nicht den Blick darauf verstellen, daß § 3 . 0 2 A L I Principles of C o r p o r a t e G o v e r nance 1994 eine deutlich konkretere Regelung für die Genehmigung von wichtigen Unternehmensentscheidungen enthält als sie § 1 1 1 Abs. 4 Satz 2 A k t G darstellt. D i e U . S . amerikanische Praxis hat auch damit begonnen, einem Ü b e r w a chungsprogramm vergleichbare Überwachungsprozesse

herauszubilden.

Die

boards of directors setzen bei ihrer Überwachungstätigkeit zunehmend Schwerpunkte. Sie prüfen dabei die Strategie (Planung) und die Entwicklung des U n t e r nehmens bei der U m s e t z u n g dieser Strategie (Ergebnisse). Viele boards o f directors ziehen sich dazu einmal im J a h r mit den officers zu einer ein- oder mehrtägigen intensiven Erörterung zurück (annual Strategie retreats). Sie prüfen auch die Leistung des chief executive officer in besonderer Weise (evaluation of the Performance of the chief executive officer). Sie befassen sich dabei nicht nur mit seinen Fähigkeiten im H i n b l i c k auf die Entwicklung und U m s e t z u n g von Strategien und mit der Angemessenheit seiner Vergütung im Verhältnis zur Entwicklung des Unternehmens. E s werden auch bedeutsame anstehende Maßnahmen erörtert, etwa Akquisitions- und Nachfolgefragen. Gerade dies wird als besonders wichtig angesehen, weil der chief executive officer eine konstruktive Rückmeldung erhält und im board of directors die Meinungen darüber ausgetauscht werden (müssen), was gut läuft und was anders laufen sollte. 7 5 3

(h) Weiterentwicklung

des deutschen

Gesellschaftsrechts

Vor dem Hintergrund der Zuständigkeitsregeln für wichtige Unternehmensentscheidungen im U . S . amerikanischen Recht und der Herausbildung von Ü b e r w a chungsprozessen in der U . S . amerikanischen Praxis wird deutlich, daß das deutsche Gesellschaftsrecht weit hinter dieser Entwicklung zurückbleibt. D a b e i kann man sich auch hier letztlich nicht der Erkenntnis verschließen, daß eine Ausformung des Zustimmungsvorbehalts nach § 111 Abs. 4 Satz 2 A k t G und eines Ü b e r wachungsprogramms die Effektivität der Aufsichtsratsarbeit erheblich steigern kann, und zwar nicht zuletzt deshalb, weil der Aufsichtsrat dadurch gezwungen wird, sich mit wichtigen Unternehmensentscheidungen und Unternehmensfragen zu befassen. 7 5 4 Dies gilt um so mehr, als diese Erkenntnis letztlich der G r u n d dafür ist, daß die S E C und die Europäische K o m m i s s i o n nicht nur Vorstellungen zu den Mindestaufgabenbereichen bestimmter Ausschüsse, sondern auch zu ihrer Arbeitsweise entwickelt haben.

Siehe dazu bereits ausführlich oben S. 329ff. Lorsch zfbf Sonderheft 36/1996, S. 199, 212f. 754 Siehe zu § 111 Abs.4 Satz 2 AktG nur: Dreher, Corporate Governance, S. 33, 48f.; Lutter ZHR 159 (1995), S.287, 300f.; Bernhardt ZHR 159 (1995), S.310, 313. 752 753

B. Die gesellschaftsrechtliche

Entscheidungsfehlerlehre

481

I m deutschen Gesellschaftsrecht wird seit langem um eine Konkretisierung des Zustimmungsvorbehalts nach § 111 Abs. 4 Satz 2 A k t G gerungen. 7 5 5 M a n hat sich jedoch bislang nicht auf detaillierte Vorgaben für zustimmungspflichtige G e schäfte einigen können. D a b e i wird gern darauf verwiesen, daß die Ausformung des Zustimmungsvorbehalts unter die Selbstorganisationspflicht des Aufsichtsrats falle. 7 5 6 E s wird auch geltend gemacht, der Zustimmungsvorbehalt sei nicht standardisierbar und Standardkataloge könnten zu Mißverständnissen führen. 7 5 7 M a n hat zudem die Vorstellungen der Betriebswirtschaftslehre ignoriert, die etwa in dem Berliner K o d e x zum Ausdruck k o m m e n . D o r t findet sich der Vorschlag, daß bedeutsame Veränderungen der Unternehmensziele,

strategische

Neuausrichtungen des Geschäftsfeldportfolios, Mergers & Acquisistions-Transaktionen, Veräußerungen maßgeblicher Beteiligungen, Grundsatzentscheidungen zu Ubernahmeangeboten für das Unternehmen, weitreichende N e u o r d n u n gen der R e c h t s - und Organisationsstrukturen, massive Aufstockungen oder R e duzierungen der Belegschaft und Investitionen ab einer konkret festgelegten G r ö ß e n o r d n u n g zustimmungspflichtig sein sollten. 7 5 8 D o r t findet sich auch ein Vorschlag zum Uberwachungsprogramm. Es soll die Abfolge und Schwerpunkte der auf den einzelnen Sitzungen des Aufsichtsrats und seiner Ausschüsse näher zu erörternden Gegenstände festlegen und dabei zwischen periodisch zu erörternden Kontrollthemen und den permanenten Kontrollaspekten trennen. Als T h e m e n , die sukzessiv auf den Sitzungen einer in der Regel zweijährigen Ü b e r wachungsperiode abgearbeitet werden können, werden die Erfüllung der verschiedenen Kernaufgaben des Vorstands, die Vorstandsorganisation, die personelle Besetzung des Vorstands und seine Kooperation mit den anderen O r g a n e n des Unternehmens genannt. 7 5 9 T r o t z aller Einwände wird sich angesichts der Bedeutung einer Ausformung des Zustimmungsvorbehalts nach § 1 1 1 Abs. 4 Satz 2 A k t G und eines U b e r w a chungsprogramms für eine effektive Aufsichtsratsarbeit auch das Gesellschaftsrecht in diesen Fragen bewegen müssen. D a b e i ist dem Argument mangelnder Standardisierbarkeit des Zustimmungsvorbehalts entgegenzuhalten, daß ernsthaft nur ein Mindestkatalog in Rede stehen kann, der die Anforderungen an den Zustimmungsvorbehalt zusammenfaßt, der unabhängig von den individuellen 755 Siehe zu §111 Abs.4 Satz 2 AktG nur: Berrar DB 2001, S.2181, 2182f., 2184ff.; Dreher, Corporate Governance, S.33, 48ff.; Lutter ZHR 159 (1995), S.287, 300f.; Bernhardt ZHR 159 (1995), S. 310, 313; Scheffler AG 1995, S.207, 211. 756 Dreher, Corporate Governance, S.33, 49. 757 Siehe dazu nur Berrar DB 2001, S.2181, 2183 f. 758 Ziff. II.3.4 des Berliner Kodex. Siehe dazu auch Ziff. III.2.b des Frankfurter Kodex: „Es handelt sich dabei insbesondere um Investitionsvorhaben, Kredite, die Gründung von Tochtergesellschaften sowie den Erwerb bzw. die Veräußerung von Beteiligungen ab einer bestimmten Größenordnung." 759 Ziff. IV.5.4, 5.5 des Berliner Kodex (siehe zu den Kernaufgaben des Vorstands Ziff. III.2.1-2.6).

482

J. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des

Aufsichtsrats

Eigenarten für alle Aktiengesellschaften gelten muß. 7 6 0 Die Lage ist hier keine andere als bei den Ausschüssen, wo (auch nur) Mindestaufgabenbereiche formuliert werden können. Den entscheidenden dogmatischen Ansatzpunkt liefert wiederum die Verkopplung des mit der Selbstorganisationspflicht verbundenen „pflichtgemäßen Ermessens" 7 6 1 mit den dem Aufsichtsrat obliegenden Rechtspflichten im Sinne der §§116, 93 A k t G . Denn das „pflichtgemäße Ermessen" läßt sich angesichts der Bedeutung einer Ausformung des Zustimmungsvorbehalts nach § 111 Abs. 4 Satz 2 A k t G und eines Überwachungsprogramms für eine effektive Aufsichtsratsarbeit vermittels einer Konkretisierung der dem Aufsichtsrat obliegenden Rechtspflichten im Sinne der § § 1 1 6 , 93 A k t G zu einer „Ermessensreduzierung auf N u l l " verdichten: D e r Aufsichtsrat ist verpflichtet, „bestimmte Arten von G e schäften" einem Zustimmungsvorbehalt nach § 111 Abs. 4 Satz 2 A k t G zu unterwerfen und ein Überwachungsprogramm mit einem angemessenen Inhalt aufzustellen. Zustimmungspflichtig sind demnach 7 6 2 - angesichts der herausragenden Bedeutung der Überwachung der Unternehmensstrategie für eine effektive Aufsichtsratsarbeit die Strategie-, Investitions-, Produktions-, Absatz-, Umsatz-, Finanz-, Organisations- und Personalpläne 7 6 3 sowie die Chancen- und Risikostrategie, die dem Chancen- und Risikomanagementsystem zugrundegelegt werden soll; - angesichts der herausragenden Bedeutung der Überwachung von Investitionen und Finanzen für eine effektive Aufsichtsratsarbeit der Erwerb und die Veräußerung von Unternehmensbeteiligungen und Unternehmen oder Unternehmensteilen, Geschäfte mit derivativen Finanzinstrumenten und vergleichbare Siehe dazu nur Berrar D B 2001, S. 2181, 2184. Siehe dazu nur Dreher, Corporate Governance, S.33, 49. 7 6 2 Siehe dazu auch den Vorschlag von Lutter, Kodex-Kommentar, Ziff. 3.3 Rdn. 257: „Unter Berücksichtigung dieser und anderer Aspekte könnte ein Katalog zustimmungspflichtiger Maßnahmen wie folgt aussehen: (1) Die Jahresplanung (Budget) und die Investitionsplanung sowie deren Änderungen und Uberschreitungen; (2) Gründung von Tochtergesellschaften und Niederlassungen im In- und Ausland, soweit diese nicht nur reine Vertriebsaufgaben haben, sowie deren Auflösung oder Veräußerung; (3) Erwerb und Veräußerung von Unternehmen und Unternehmensteilen über x Euro hinaus; (4) Erwerb und Veräußerung von Grundbesitz über x Euro hinaus; (5) Aufnahme von Krediten über x Euro hinaus; (6) Gewährung von Krediten über x Euro hinaus; (7) Einführung und Änderung von Optionsplänen gleich welcher Ausgestaltung für Mitarbeiter; (8) Aufnahme neuer Produkte und Dienstleistungen sowie deren Aufgabe; (9) Bestellung und Abberufung von Vorständen und Geschäftsführern in wesentlichen Tochtergesellschaften; (10) Erteilung von Beratungsaufträgen an den Abschlußprüfer oder Konzernabschlußprüfer." 7 6 3 Siehe dazu: Ziff. II.3.4 des Berliner Kodex; Dreher, Corporate Governance, S. 33,49f.; Lutter Z H R 159 (1995), S.287, 301; Albach Z G R 1997, S. 32ff. Es sei angemerkt, daß weder die Unternehmenspolitik als solche noch die Unternehmensplanung als solche - anders als ein einzelner Planungsakt - einem Zustimmungsvorbehalt unterworfen werden kann; siehe dazu Mertens, Kölner Kommentar, §111 Rdn. 61, 68 und Mutter, Entscheidungen, S.47f., 63. 760 761

B. Die gesellschaftsrechtliche

Entscheidungsfehlerlehre

483

nicht unmittelbar der Verwirklichung des Unternehmensgegenstandes dienende spekulative Geschäfte sowie Geschäfte (insbesondere Investitionen und Kredite), deren Wert oder U m f a n g 5 % des Umsatzes des vergangenen G e schäftsjahres und/oder 1 0 % der Aktiva des U n t e r n e h m e n s 7 6 4 überschreitet; 7 6 5 - angesichts der herausragenden Bedeutung der Überwachung der U n t e r n e h menssteuerung und -Überwachung das Jahresprüfungsprogramm der Innenrevision sowie die Einstellung und Entlassung des Leiters der Innenrevision. 7 6 6 Das Überwachungsprogramm muß die Abfolge und die Schwerpunkte der auf den einzelnen Sitzungen des Aufsichtsrats und seiner Ausschüsse zu erörternden Überwachungsthemen festlegen. D i e Unternehmensführung durch den Vorstand muß laufend überwacht und die berichtspflichtigen Fragen müssen berichtsnah behandelt werden (permanente Überwachungsthemen). D i e Zusammensetzung und die Organisation des Vorstands und seiner Instrumentarien müssen - vorbehaltlich aufgrund konkreter U m s t ä n d e erkennbar werdender Defizite oder M i ß stände - innerhalb einer zweijährigen Überwachungsperiode geprüft werden (periodische (4)

Überwachungsthemen). 7 6 7

Ergebnis

Vor diesem Hintergrund läßt sich die Abwägungsmißorganisation nun weiter konkretisieren. E i n e Abwägungsmißorganisation liegt insbesondere bei einem Verstoß gegen das Existenz- und Effektivgebot (abstrakte Dimension) vor, und damit etwa dann, wenn unabhängig von dem Gegenstand der zugehörigen Abwägung (und damit auch von dem konkreten Entscheidungsgegenstand) - der Aufsichtsrat nicht kompetent besetzt ist, - weil zumindest ein struktureller Interessenkonflikt gegeben ist (ein A u f sichtsratsmitglied ist bei einem Unternehmen des sachzielspezifischen U m systems - Eigen- und Fremdkapitalgeber, Unternehmen der vor- und nachgelagerten Marktstufen sowie aktuelle und potentielle Wettbewerber im Sinne der kartellrechtlichen Kategorien - in der Unternehmensführung tätig oder kann auf die Unternehmensführung in sonstiger Weise zumindest einen wettbewerblich erheblichen Einfluß im Sinne des § 37 Abs. 1 Nr. 4 G W B ausüben) und/oder Siehe dazu Berrar DB 2001, S.2181, 2185f. Siehe dazu Ziff. II.3.4 des Berliner Kodex und Ziff. III.2.b des Frankfurter Kodex. Es sei nur angemerkt, daß viele, wenn nicht sogar die meisten konkret zu überwachenden Handlungen des Vorstands als Geschäfte im Sinne des § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG angesehen werden; siehe dazu Mutter, Entscheidungen, S.59f. und Mertens, Kölner Kommentar, §111 Rdn. 61. 766 Siehe dazu Peemöller/Warncke DB 2005, S. 401,403f., die daraufhinweisen, daß dieser Zustimmungsvorbehalt zweckmäßigerweise zugunsten des Prüfungsausschusses beschlossen werden sollte. 767 Siehe dazu Ziff. IV.5 des Berliner Kodex. 764

765

484

3. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des Aufsichtsrats

- weil der Aufsichtsrat inkongruent besetzt ist (die einzelnen Aufsichtsratsmitglieder verfügen nicht über den einzelnen Vorstandsmitgliedern korrespondierende Qualifikationen und auf die Überwachung der jeweiligen Vorstandsressorts abgestimmte besondere Fähigkeiten und Erfahrungen). Eine Abwägungsmißorganisation liegt insbesondere bei einem Verstoß gegen das Existenz- und Effektivgebot (abstrakte Dimension) bzw. das Funktionsgebot (konkrete Dimension) vor, und damit etwa dann, wenn unabhängig von dem G e genstand der zugehörigen Abwägung (und damit auch von dem konkreten Entscheidungsgegenstand) bzw. bezogen auf den Gegenstand der zugehörigen A b wägung (und damit auch auf den konkreten Entscheidungsgegenstand) - die Regelungen der Aufsichtsratsausschüsse (vorbehaltlich der De-minims-Regel für Gesellschaften mit kleinen Aufsichtsräten bis zu drei Personen) unangemessen sind, und zwar auch gemessen an der Vermögens-, Finanz- und E r tragslage, der wirtschaftlichen Lage, dem Erfolg und den Zukunftsaussichten, der Größe und Bedeutung sowie der Wertsteigerung des Unternehmens (Unternehmensbezug), der Bedeutung der Regelungen für das Unternehmen (Transaktionsbezug) und dem Verkehrskreis, dem das Unternehmen angehört (Verkehrskreisbezug), - weil kein Präsidial- und Strategieausschuß eingerichtet ist, der (i) eine G e schäftsordnung mit Aufgabenbeschreibung, Vorgaben zur Arbeitweise und Verpflichtung zur Selbstevaluation hat und (ii) zumindest für die Vorbereitung von Aufsichtsratssitzungen, die Entscheidung in Eilfällen und die Überwachung der strategischen Planungen und Entscheidungen des Vorstands zuständig ist, und/oder - weil kein Prüfungsausschuß nach U . S . amerikanischem Vorbild, europäischem Muster und betriebswirtschaftlichem Standard (audit committee) eingerichtet ist, (i) der eine Geschäftsordnung mit Aufgabenbeschreibung, Vorgaben zur Arbeitsweise und Verpflichtung zur Selbstevaluation hat, (ii) der sich zumindest mit der Erteilung und Ausgestaltung von Prüfungsaufträgen, der Qualifikation und Unabhängigkeit des Abschlußprüfers, der Prüfung der Unternehmensberichterstattung und des Prüfungsberichts sowie der E r arbeitung von Beschlußempfehlungen an den Aufsichtsrat, der Prüfung der - nach hier vertretener Auffassung anzuordnenden - ergänzenden Berichterstattung des Vorstands und des Abschlußprüfers insbesondere im Hinblick auf das interne Steuerungs- und Überwachungssystem einschließlich der Innenrevision, des Controllings sowie des Chancen- und Risikomanagementsystems befaßt und (iii) dessen Mitglieder über einschlägige fachliche Qualifikationen verfügen, und/oder - weil kein Investitions-, Beteiligungs-, Kredit- und Finanzierungsausschuß eingerichtet ist, (i) der eine Geschäftsordnung mit Aufgabenbeschreibung, Vorgaben zur Arbeitsweise und Verpflichtung zur Selbstevaluation hat, (ii) der zumindest für die Prüfung der Bedingungen sowie der Chancen und Risiken von Investitions-, Beteiligungs-, Kredit- und Finanzierungsmaßnahmen,

B. Die gesellschaftsrechtliche

Entscheidungsfehlerlehre

485

die Prüfung der Anordnung und Ausübung von Zustimmungsvorbehalten im Investitions-, Beteiligungs-, Kredit- und Finanzierungsbereich sowie der Erarbeitung von Beschlußempfehlungen an den Aufsichtsrat zuständig ist und (iii) dessen Mitglieder über einschlägige fachliche Qualifikationen verfügen, und/oder - weil kein Nominierungs- und Vergütungsausschuß nach U.S. amerikanischem Vorbild und europäischem Muster eingerichtet ist, (i) der eine Geschäftsordnung mit Aufgabenbeschreibung, Vorgaben zur Arbeitweise und Verpflichtung zur Selbstevaluation hat und (ii) der zumindest für die Vorbereitung der Bestellung/Abberufung von Vorstandsmitgliedern, den Abschluß und die Ausgestaltung sowie die Aufhebung der Anstellungsverträge und die Erarbeitung von Wahlvorschlägen für Aufsichtsratsmitglieder an die Hauptversammlung zuständig ist, und/oder - weil neben dem Prüfungsausschuß (audit committee) keine weiteren Fachausschüsse eingerichtet sind, (i) die eine Geschäftsordnung mit Aufgabenbeschreibung, Vorgaben zur Arbeitsweise und Verpflichtung zur Selbstevaluation haben, (ii) die den vom Prüfungsausschuß (audit committee) nicht erfaßten Vorstandsressorts korrespondieren und die auf diese Vorstandsressorts bezogenen Aufgaben des Aufsichtsrats wahrnehmen und (iii) deren Mitglieder über einschlägige fachliche Qualifikationen verfügen, bzw. die existenten und effektiven Regelungen der Aufsichtsratsausschüsse nicht eingehalten worden sind; - die Regelungen des Zustimmungsvorbehalts unangemessen sind, - weil die Strategie-, Investitions-, Produktions-, Absatz-, Umsatz-, Finanz-, Organisations- und Personalpläne und/oder - weil die Chancen- und Risikostrategie, die dem Chancen- und Risikomanagementsystem zugrundegelegt werden soll, und/oder - weil der Erwerb und die Veräußerung von Unternehmensbeteiligungen und Unternehmen oder Unternehmensteilen und/oder - weil Geschäfte mit derivativen Finanzinstrumenten u n d vergleichbare nicht unmittelbar der Verwirklichung des Unternehmensgegenstandes dienende spekulative Geschäfte und/oder - weil Geschäfte (insbesondere Investitionen u n d Kredite), deren Wert oder U m f a n g 5 % des Umsatzes des vergangenen Geschäftsjahres und/oder 10% der Aktiva des Unternehmens überschreitet und/oder - weil das Jahresprüfungsprogramm der Innenrevision sowie die Einstellung und Entlassung des Leiters der Innenrevision nicht zustimmungspflichtig sind bzw. die existenten und effektiven Regelungen des Zustimmungsvorbehalts nach § 111 Abs. 4 Satz 2 A k t G nicht eingehalten worden sind; - die Regelungen des Uberwachungsprogramms unangemessen sind, - weil die Abfolge und die Schwerpunkte der auf den einzelnen Sitzungen des Aufsichtsrats und seiner Ausschüsse zu erörternden Uberwachungsthemen

486

3. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des

Aufsichtsrats

nicht in der Weise festgelegt sind, daß die Unternehmensführung durch den Vorstand laufend überwacht wird und die berichtspflichtigen Fragen berichtsnah behandelt werden (permanente Überwachungsthemen) und die Zusammensetzung und die Organisation des Vorstands und seiner Instrumentarien - vorbehaltlich aufgrund konkreter Umstände erkennbar werdender Defizite oder Mißstände - innerhalb einer zweijährigen Überwachungsperiode geprüft werden (periodische Überwachungsthemen), bzw. die existenten und effektiven Regelungen des Überwachungsprogramms nicht eingehalten worden sind.

C. Zusammenfassung der Ergebnisse 1. In den Fällen, in denen die Interpretation der einer konkreten Entscheidung zugrundeliegenden Befugnisnorm (insbesondere der §§76 Abs. 1, 111 Abs. 1 AktG) ergibt, daß dem Vorstand/Aufsichtsrat bei dieser Entscheidung zumindest ein Entscheidungsfreiraum zusteht, stellt sich die Frage nach der Reichweite dieser Entscheidungsfreiräume. Diese Frage zielt auf die Konkretisierung der den Vorständen/Aufsichtsräten insoweit obliegenden Rechtspflichten im Sinne des §93 AktG/der §§116, 93 AktG. 1 2. In dogmatischer Hinsicht stellt sich dabei nicht nur die Frage, unter welchen Voraussetzungen Entscheidungen von Vorstand und Aufsichtsrat in ihre Entscheidungsfreiräume fallen. Von entscheidender Bedeutung ist auch die Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Pflichtverletzung im Sinne der §§93, 116 AktG vorliegt, wenn Vorstand und Aufsichtsrat Entscheidungen treffen, die nicht von ihren Entscheidungsfreiräumen gedeckt sind.2 3. Im Verwaltungsrecht dient eine Entscheidungsfehlerlehre dazu, im Rahmen des Konzeptes der negativen Kontrolle die Entscheidungsfreiräume sachgerecht zu sichern und zu begrenzen. An diesen Ansatz kann im Gesellschaftsrecht angeknüpft werden, um die Einhaltung der Entscheidungsfreiräume von Vorstand und Aufsichtsrat zu kontrollieren. 3 4. Die Untersuchung der verwaltungsrechtlichen Entscheidungsfehlerlehre führt zu drei zentralen Erkenntnissen. a) Im Lichte der „für die Ermessensfehlerlehre fundamentalen Entscheidung zwischen Ergebnis- und Vorgangsfehlern"4 ist zwischen (inhaltlichen) Ergebnisfehlern, inhaltlichen Vorgangsfehlern und strukturellen Vorgangsfehlern zu unterscheiden. Ein (inhaltlicher) Ergebnisfehler liegt vor, wenn das Ergebnis der Einschätzung bzw. Ermessensausübung (und damit in der Regel der Tenor der Entscheidung) seinem Inhalt nach gegen geltendes Recht verstößt. Ein Vorgangsfehler ist ein Fehler des zum Ergebnis der Einschätzung bzw. Ermessensausübung führenden Gedanken-, Willens- und Argumentationsprozesses. Ein inhaltlicher Vorgangsfehler ist gegeben, wenn die Begründung ihrem Inhalt nach so beschaffen ist, daß sie nur ein seinem Inhalt nach gegen geltendes Recht versto1 2 3 4

Siehe dazu S. 51 ff., 182ff. Siehe dazu S.7f., 3 7ff. Siehe dazu S. 184 ff. So Alexy JZ 1986, S. 701, 705.

488

3. Teil: Die Entscheidungsfreiräume des Vorstands und des Aufsichtsrats

ßendes Ergebnis tragen kann. Der inhaltliche Vorgangsfehler kann den Charakter eines Ergebnisfehlers annehmen. Ein struktureller Vorgangsfehler haftet der Form des zum Ergebnis führenden Gedanken-, 'Willens- und Argumentationsprozesses an. Der strukturelle Vorgangsfehler kann nicht den Charakter eines Ergebnisfehlers annehmen. Er kann zwar mit einem inhaltlich fehlerhaften Ergebnis und/oder einer inhaltlich fehlerhaften Begründung zusammen auftreten und dies auch verursacht haben, aber zwischen ihm und den inhaltlichen Fehlern besteht keine notwendige Verbindung. Er schließt es gerade nicht aus, daß sich der Entscheidungsträgerfür eines von mehreren möglichen Ergebnissen mit einer inhaltlich fehlerfreien Begründung und damit inhaltlich fehlerfrei entscheidet,5 b) Im Lichte der gesetzgeberischen „Zweck- und Grenzenformel" 6 ist zwischen dem abstrakten Verhaltensfehler (Überschreitung) und den konkreten Verhaltensfehlern (Fallgruppen des Fehlgebrauchs) zu unterscheiden. Die Einschätzung/Ermessensausübung wird durch den Einschätzungsbegriff/die Ermessensermächtigung entweder in keinem Fall oder zwar „unter anderen Umständen oder aus anderen Gründen, nicht aber unter den tatsächlich vorhandenen U m ständen, auf Grund der tatsächlich angestellten Erwägungen oder der tatsächlichen Motive" 7 gedeckt. 8 c) Der abstrakte Verhaltensfehler (Überschreitung) ist der einzige reine (inhaltliche) Ergebnisfehler. Die konkreten Verhaltensfehler (Fallgruppen des Fehlgebrauchs) sind (inhaltliche) Ergebnisfehler/inhaltliche Vorgangsfehler oder strukturelle Vorgangsfehler. 9 5. Werden die Grundannahmen der verwaltungsrechtlichen Entscheidungsfehlerlehre in das Gesellschaftsrecht übertragen und mit einem eigenständigen gesellschaftsrechtlichen Ansatz verbunden, so lassen sich die Überschreitung und die Fallgruppen des Fehlgebrauchs typisieren. a) Der abstrakte Verhaltensfehler (Überschreitung) zeichnet sich dadurch aus, daß das Ergebnis der Einschätzung bzw. Ermessensausübung (und damit in der Regel der Entscheidungstenor) durch die Einschätzungs- bzw. Ermessensermächtigung im Lichte des Unternehmenswohls, präzisiert durch die normierten und die bereits anerkannten gesetzlich abgeleiteten Vorgaben, aber auch durch die darüberhinaus als sachlogisch gesetzlich abzuleitenden Vorgaben in keinem Fall gedeckt ist. Die Grundlage der sachlogischen Vorgaben bilden insbesondere Erkenntnisse aus der Betriebswirtschaftslehre, aus dem U.S. amerikanischen Gesellschaftsrecht, aus den spektakulären Unternehmenskrisen und Unternehmensskandalen sowie aus der Diskussion um Corporate Governance Standards. 10 Siehe dazu S.199ff. So Alexy\Z 1986, S. 701, 701. 7 Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, §31 Rdn.46, 49. 8 Siehe dazu S. 204ff. 9 Siehe dazu S. 202 ff. 10 Siehe dazu S.210f., 211 ff., 215, 216, 269f., 295. 5

6

C. Zusammenfassung

der

489

Ergebnisse

b) Die konkreten Verhaltensfehler (Fallgruppen des Fehlgebrauchs) zeichnen sich dadurch aus, daß das Ergebnis

der Einschätzung bzw. Ermessensausübung

(und damit in der Regel der Entscheidungstenor) und/oder

der zum Ergebnis

führende Gedanken-, Willens- und Argumentationsprozeß durch die Einschätzungs- bzw. Ermessensermächtigung im Lichte des Unternehmenswohls, präzisiert durch die normierten und die bereits anerkannten gesetzlich abgeleiteten Vorgaben, aber auch durch die darüberhinaus als sachlogisch gesetzlich abzulei-

tenden Vorgaben lediglich im konkreten Fall nicht gedeckt ist/sind, aber in einem anderen Fall hätte/hätten gedeckt sein können oder im konkreten Fall hätte/hätten gedeckt

sein können.

Die Grundlage der sachlogischen Vorgaben bilden insbe-

sondere Erkenntnisse aus der Betriebswirtschaftslehre, aus dem U . S . amerikanischen Gesellschaftsrecht, aus den spektakulären Unternehmenskrisen und U n ternehmensskandalen, aus der Diskussion um Corporate Governance Standards, aus der Prüfung der Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsführung nach § 53 H G r G sowie aus der Entwicklung der Unternehmensberichterstattung und ihrer externen Prüfung in Deutschland wie in den Vereinigten Staaten. 11 6. Die zentralen gesellschaftsrechtlichen Fehlerkategorien sind neben der Überschreitung (inhaltlicher Ergebnisfehler) der Abwägungsmangel (inhaltlicher Ergebnisfehler/inhaltlicher Vorgangsfehler) sowie die Abwägungsmißorganisation und die Abwägungsunschlüssigkeit (strukturelle Vorgangsfehler). a) Ein Abwägungsmangel liegt vor, wenn die relevanten tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte nicht in einer Weise bewertet, gewichtet und ausgeglichen worden sind, die im Lichte der objektiven Umstände, der Wertungsgrundsätze und/oder ihres Rationalgehaltes gerechtfertigt werden kann. 12 b) Eine Abwägungsunschlüssigkeit liegt vor, wenn die relevanten tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte nicht, nicht vollständig oder nicht ausschließlich gewürdigt werden oder zwar gewürdigt werden, aber zuvor nicht oder nicht vollständig zutreffend bestimmt worden sind. 13 c) Eine Abwägungsmißorganisation ist gegeben, wenn im Hinblick auf die Zusammensetzung, die Selbstorganisation und das Instrumentarium des Organs, dem die Abwägung aufgegeben ist, die organisatorischen Voraussetzungen der Abwägung nicht gegeben sind. 14 7. Zur Konkretisierung der Fehlerkategorien vermag der Deutsche Corporate Governance Kodex wenig beizutragen. Vor allem die Regelungstechnik (Empfehlungen als Regelreduzierungen/Anregungen als diffuses Ermessen), der begrenzte Regelungsbereich (Kapitalmarktorientierung) und die zum Teil defizitäre Substantiierung begründen erhebliche Spielräume für die Antwort auf die Frage, ob das von der Kodexkommission als erforderlich und ausreichend angesehene Ver11 12 13 14

Siehe Siehe Siehe Siehe

dazu dazu dazu dazu

S.210f., 211 ff., 215, 216f., 269f., 295. S.218ff. S. 221. S. 221 ff.

490

3. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des Aufsicbtsrats

halten auch im Lichte der § § 9 3 , 1 1 6 A k t G als erforderlich und ausreichend anzusehen ist. 1 5 8. D i e Konkretisierung der Überschreitung und des Abwägungsmangels führt zur Herausbildung von abwägungsfesten Vorgaben und (bloßen) Abwägungsgrundsätzen sowie zur Ausformung des Rationalgebots. a) Es gibt abwägungsfeste Vorgaben, an denen Entscheidungen unabhängig v o m Entscheidungsgegenstand und an denen Entscheidungen mit einem bestimmten Entscheidungsgegenstand zu messen sind (etwa Verstoß gegen Gesetz oder Satzung im Gegensatz zum Verstoß gegen Spendenverbote oder Vorgaben zur absoluten O b e r g r e n z e von Spenden). In gleicher Weise ist zwischen A b w ä gungsgrundsätzen zu unterscheiden, die für Entscheidungsfreiräume unabhängig v o m Gegenstand der zugehörigen Entscheidung und die für Entscheidungsfreiräume im R a h m e n von Entscheidungen mit einem bestimmten Entscheidungsgegenstand gelten (etwa Verstoß gegen die Gleichwertigkeit von C h a n c e n und Risiken im Gegensatz z u m Verstoß gegen Vorgaben zur Angemessenheit von Spenden). D a n e b e n tritt das Rationalgebot, das für jede Abwägung gilt, und A n forderungen an die Argumentationsbreite und Argumentationstiefe begründet (Argumentationsrationalität). 1 6 b) D i e abwägungsfesten Vorgaben und die Abwägungsgrundsätze, die für E n t scheidungsfreiräume im R a h m e n von Entscheidungen mit einem bestimmten Entscheidungsgegenstand gelten, lassen sich exemplarisch an den Entscheidungen zur Konzernstruktur, z u m Auskauf opponierender Aktionäre, zur Zahlung von Spenden und Schmiergeldern, zu Geschäften zwischen dem U n t e r n e h m e n und Vorstands-/Aufsichtsratsmitgliedern und zwischen verbundenen U n t e r n e h men, zu Kompensationsleistungen, zur N u t z u n g von Gesellschaftsressourcen durch Vorstands-/Aufsichtsratsmitglieder, zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen pflichtwidrig handelnde Vorstandsmitglieder, zur A b b e rufung von Vorstandsmitgliedern, zu Vorleistungen und Vertragsgestaltungen sowie zu Spekulationsgeschäften konkretisieren. 1 7 c) I m H i n b l i c k auf die Abwägungsgrundsätze, die für Entscheidungsfreiräume unabhängig v o m Gegenstand der zugehörigen Entscheidung gelten, lassen sich Richtlinien für eine sachgemäße Einschätzung, Evaluation und Auswahl entwikkeln, und zwar Methodengebote, Abwägungsgebote und Optimierungsgebote. 1 8 9. Zwischen der Abwägungsmißorganisation, der Abwägungsunschlüssigkeit und dem Abwägungsmangel besteht ein spezifischer Zusammenhang. D i e A b w ä gungsmißorganisation kann eine Abwägungsunschlüssigkeit verursachen oder mitverursachen. D e n n nicht existente oder nicht effektive informationelle Instrumentarien können dazu führen, daß die relevanten tatsächlichen und rechtlichen 15 16 17 18

Siehe Siehe Siehe Siehe

dazu dazu dazu dazu

S. 271 ff. S. 294ff. S. 297, 297ff. S.312ff., 319.

C. Zusammenfassung der Ergebnisse

491

Gesichtspunkte nicht, nicht vollständig oder nicht ausschließlich gewürdigt werden oder zwar gewürdigt werden, aber zuvor nicht oder nicht vollständig zutreffend bestimmt worden sind. Die Abwägungsunschlüssigkeit kann einen Abwägungsmangel verursachen oder mitverursachen. Denn die Berücksichtigung nicht zutreffend bestimmter und die Nichtberücksichtigung sachbezogener Gesichtspunkte können zu einer im Lichte der objektiven Umstände und/oder des Verbots unsachgemäßer Erwägungen nicht zu rechtfertigenden Abwägung führen. 19 10. Bei der Konkretisierung der Abwägungsmißorganisation und der Abwägungsunschlüssigkeit spielt die über die informationellen Instrumentarien zwischen ihnen vermittelte Wechselwirkung eine entscheidende Rolle. Betrachtet man vor diesem Hintergrund die Abwägungsmißorganisation im Hinblick auf die Abwägungsschlüssigkeit, so erweist sich, daß die Abwägungsmißorganisation fast ausnahmslos eine abstrakte und eine konkrete Dimensionen und dies für die Abwägungsunschlüssigkeit eine wichtige Konsequenz hat. 20 a) Es stellt sich unabhängig von dem Gegenstand der zugehörigen Abwägung (und damit auch von dem konkreten Entscheidungsgegenstand) die Frage, ob Vorstand und Aufsichtsrat kompetent besetzt und ob die Regelungen (i) der Ressortgliederung/des Uberwachungsprogramms, (ii) des Verfahrens für Einberufung, Sitzungsablauf und Abstimmung, (iii) der Stabsstellen und der Vorstands-/ Aufsichtsratsausschüsse, (iv) des Zustimmungsvorbehalts nach § 111 Abs. 4 Satz 2 A k t G sowie (v) der gesetzlich nicht geregelten informationellen Instrumentarien (insbesondere des internen Steuerungs- und Uberwachungssystems einschließlich des Chancen- und Risikomanagementsystems bzw. der - die Berichterstattung nach § 90 Abs. 1 und Abs. 3 A k t G und die Unternehmensberichterstattung einschließlich ihrer externen Prüfung - ergänzenden Informationsordnung des Aufsichtsrats im Verhältnis zu Vorstand und Abschlußprüfer) im Lichte des Gebots einer effektiven Ausgestaltung angemessen sind.21 b) Es stellt sich abhängig von dem Gegenstand der zugehörigen Abwägung (und damit auch von dem konkreten Entscheidungsgegenstand) die Frage, ob die effektiven Regelungen (i) der Ressortgliederung/des Uberwachungsprogramms, (ii) des Verfahrens für Einberufung, Sitzungsablauf und Abstimmung, (iii) der Stabsstellen und der Vorstands-/Aufsichtsratsausschüsse, (iv) des Zustimmungsvorbehalts nach § 111 Abs. 4 Satz 2 A k t G im konkreten Fall eingehalten worden sind und ob (v) die effektiven gesetzlich geregelten und nicht geregelten informationellen Instrumentarien (insbesondere das interne Steuerungs- und Uberwachungssystem einschließlich des Chancen- und Risikomanagementsystems bzw. die Berichterstattung nach § 90 Abs. 1 und Abs. 3 AktG, die Unternehmensberichterstattung und ihre externe Prüfung, die - die Berichterstattung nach § 90

19 20 21

Siehe dazu S.268f.,320f. Siehe dazu S. 269, 321 ff. Siehe dazu S.321f., 322f., 323.

492

3. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des Aufsichtsrats

Abs. 1 und Abs. 3 A k t G und die Unternehmensberichterstattung einschließlich ihrer externen Prüfung - ergänzende Informationsordnung des Aufsichtsrats im Verhältnis zu Vorstand und Abschlußprüfer) die von ihnen

mationen zu den abwägungsrelevanten Gesichtspunkten ständig und zutreffend bestimmt geliefert haben.22

zu liefernden

Infor-

im konkreten Fall voll-

c) Eine Abwägungsunschlüssigkeit liegt insbesondere dann vor, wenn die In-

formationen, die effektive informationelle Instrumentarien im konkreten Fall zu den abwägungsrelevanten Gesichtspunkten vollständig und zutreffend bestimmt hätten

liefern

können,

te nicht zugrundegelegt

der Bestimmung der abwägungsrelevanten Gesichtspunkworden

sind. I m Mittelpunkt des Interesses stehen dabei

Informationen zu der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage, der wirtschaftlichen Lage, dem Erfolg und den Zukunftsaussichten, der G r ö ß e und Bedeutung sowie der Wertsteigerung des Unternehmens und zu den R i s i k o - und Chancenfaktoren sowie den K o s t e n - und Gewinnposten. 2 3 11. Eine Konkretisierung der Abwägungsmißorganisation und der A b w ä gungsunschlüssigkeit läßt sich vor diesem Hintergrund im Lichte der informationellen Instrumentarien erreichen. D a b e i steht die Frage im Vordergrund, welche Informationen effektive informationelle Instrumentarien zu abwägungsrelevanten Gesichtspunkten liefern können und müssen. Dies ist zugleich der entscheidende Ansatzpunkt, um die Anforderungen an die einzuholenden Informationen nicht nur sachgerecht zu bestimmen, sondern auch zu begrenzen;

es dürfen keine

überzogenen Anforderungen an die Informationsgrundlage gestellt werden. 2 4 a) D i e Untersuchung zeigt im einzelnen auf, über welche Informationen zu abwägungsrelevanten Gesichtspunkten Vorstand und Aufsichtsrat bei voller A u s schöpfung der Informationspotentiale der Unternehmensberichterstattung und ihrer externen Prüfung verfügen. D i e Analyse der Internationalisierung der K o n zernrechnungslegung, der Optimierung der Lageberichterstattung und der Risikoorientierung der Abschlußprüfung belegt, daß der Wandel der externen U n t e r nehmensberichterstattung vom financial reporting zu einem business reporting und der externen Prüfung vom financial audit zu einem business audit einen geradezu idealen Ansatzpunkt bietet, um eine stärker zukunfts-, problem- und risikoorientierte Informationsversorgung von Vorstand und Aufsichtsrat zu erreichen. Vorstand und Aufsichtsrat können nicht von der Verpflichtung befreit werden, sich diese Informationspotentiale umfassend zu nutze zu machen. M a n mag eine defizitäre Publizitätspraxis beklagen und über die Aussagekraft des Bestätigungsvermerks streiten. Diese Probleme betreffen aber ausschließlich die externe

Un-

ternehmensberichterstattung und sind mit den Mitteln des E n f o r c e m e n t s und/ oder strengerer gesetzlicher Regelungen zu lösen. I m H i n b l i c k auf die interne

22 23 24

Siehe dazu S. 322, 322 f., 323 f. Siehe dazu S. 322, 322 f., 324 f. Siehe dazu S . 3 2 0 f . , 3 2 5 f f . , 3 3 3 f .

Be-

C. Zusammenfassung

der Ergebnisse

493

richterstattung durch Vorstand und Abschlußprüfer gelten die §§93, 116 AktG. Wenn und soweit Unternehmensberichterstattung und externe Prüfung Informationen zu abwägungsrelevanten Gesichtspunkten liefern können, müssen Vorstand und Aufsichtsrat sicherstellen, daß sie sie erhalten.25 b) Die Untersuchung belegt weiter, daß die Fortentwicklung des internen Kontrollsystems auf der Grundlage des internal control concepts des COSO-Reports zu einem (umfassenden) internen Steuerungs- und Überwachungssystem und insbesondere die Entwicklung eines (umfassenden) Chancen- und Risikomanagementsystems unter Einbeziehung betriebswirtschaftlicher Erkenntnisse gerade auch zur Chancen- und Risikoidentifikation ebenfalls mit einer erheblichen Ausweitung der Informationspotentiale einhergeht. Diese Systeme sind in der Lage, eine stärker zukunfts-, problem- und risikoorientierte Informationsversorgung von Vorstand und Aufsichtsrat sicherzustellen. Der Streit um die Interpretation des §91 Abs. 2 AktG ist insoweit irrelevant. Ein effektives internes Steuerungsund Überwachungssystem und insbesondere ein effektives Chancen- und Risikomanagementsystem ist jedenfalls nach §93 Abs. 1 Satz 1 AktG einzurichten, aufrechtzuerhalten, weiterzuentwickeln und zu überwachen. Vorstand und Aufsichtsrat sind im Lichte der §§ 93,116 AktG verpflichtet, sich auch diese Informationspotentiale umfassend zu nutze zu machen. 26 12. Eine weitere Konkretisierung der Abwägungsmißorganisation läßt sich im Lichte des Organisationsrechts vornehmen. Dabei lautet die entscheidende Frage, wie eine Optimierung der Aufgabenwahrnehmung durch den Aufsichtsrat erreicht werden kann. Die zentralen Problemkreise sind die Zusammensetzung des Aufsichtsrats, die Aufsichtsratsausschüsse, der Zustimmungsvorbehalt und das Überwachungsprogramm des Aufsichtsrats. 27 a) Die Untersuchung belegt, daß das deutsche Gesellschaftsrecht in diesen Fragen weit hinter dem U.S. amerikanischen Recht, der U.S. amerikanischen Praxis, den Vorstellungen der Europäischen Kommission und dem Stand der Betriebswirtschaftslehre zurückbleibt. Man kommt jedoch auch im deutschen Gesellschaftsrecht nicht an der Erkenntnis vorbei, daß die Unabhängigkeit und Qualifikation der Aufsichtsratsmitglieder, die Bildung und Ausformung von Ausschüssen (Geschäftsordnung mit Aufgabenbeschreibung, Vorgaben zur Arbeitsweise und Verpflichtung zur Selbstevaluation) sowie die Strukturierung der Überwachungstätigkeit (Zustimmungsvorbehalt und Überwachungsprogramm) für eine effektive Aufsichtsratsarbeit von entscheidender Bedeutung sind.28 b) Bei der Besetzung des Aufsichtsrats müssen zumindest strukturelle Interessenkonflikte und - gemessen an den Vorständen und den Vorstandsressorts - inkongruente Qualifikationen, Fähigkeiten und Erfahrungen vermieden werden. 25 26 27 28

Siehe Siehe Siehe Siehe

dazu dazu dazu dazu

S.334ff., 337ff., 366ff., 411 ff. S.427ff. S.328ff., 333f. S.446ff.

494

3. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des Aufsichtsrats

Vorbehaltlich einer De-minimis-Regel für Gesellschaften mit kleinen Aufsichtsräten bis zu drei Personen sind zumindest

(insbesondere) ein Präsidial- und Stra-

tegieausschuß sowie ein Nominierungs- und Vergütungsausschuß und ein Prüfungsausschuß nach U . S . amerikanischem Vorbild und europäischem Muster zu bilden. Sie müssen eine Geschäftsordnung mit Aufgabenbeschreibung, Vorgaben zur Arbeitsweise und Verpflichtung zur Selbstevaluation haben; ein bestimmter Mindestaufgabenbereich einem Mindestkatalog

ist dabei einzuhalten. D e r Zustimmungsvorbehalt muß Rechnung tragen; zumindest

(i) die Strategie-, Investi-

tions-, Produktions-, Absatz-, Umsatz-, Finanz-, Organisations- und Personalpläne, (ii) die Chancen- und Risikostrategie, die dem Chancen- und Risikomanagementsystem zugrundegelegt werden soll, (iii) der Erwerb und die Veräußerung von Unternehmensbeteiligungen und Unternehmen oder Unternehmensteilen, (iv) Geschäfte mit derivativen Finanzinstrumenten und vergleichbare nicht unmittelbar der Verwirklichung des Unternehmensgegenstandes dienende spekulative Geschäfte sowie Geschäfte (insbesondere Investitionen und Kredite), deren Wert oder Umfang 5 % des Umsatzes des vergangenen Geschäftsjahres und/oder 1 0 % der Aktiva des Unternehmens überschreitet, und (v) das Jahresprüfungsprogramm der Innenrevision sowie die Einstellung und Entlassung des Leiters der Innenrevision müssen zustimmungspflichtig sein. Der Aufsichtsrat hat ein Ü b e r wachungsprogramm zu erstellen, daß zumindest

die Abfolge und Schwerpunkte

der zu erörternden permanenten und periodischen Überwachungsthemen regelt. 29 13. Im Hinblick auf die Fehlerfolgen hat die hier entwickelte gesellschaftsrechtliche Entscheidungsfehlerlehre zwei zentrale Konsequenzen. a) Alle rechtlich relevanten Entscheidungsfehler begründen die Pflichtwidrigkeit der Entscheidungen von Vorstand und Aufsichtsrat im Sinne der § § 9 3 , 116 A k t G , und zwar auch dann, wenn es - wie bei der Abwägungsmißorganisation und der Abwägungsunschlüssigkeit möglich - bei pflichtgemäßen Verhalten zu demselben Entscheidungstenor gekommen wäre. Diese Konsequenz ist im Lichte eines umfassenden Rechtsschutzes im Hinblick auf fehlerhafte Entscheidungen von Vorstand und Aufsichtsrat gerechtfertigt. 3 0 b) Der Einwand, daß es bei pflichtgemäßem Verhalten des Vorstands/Aufsichtsrats im Sinne des § 9 3 A k t G / d e r §§116, 93 A k t G zu demselben Entscheidungstenor (und damit auch zu demselben Schaden) gekommen wäre, ist jedoch als Enthaftungsgrund anzuerkennen. Dieser Einwand ist allerdings eng zu fassen.

Es muß sicher und nicht nur möglich sein, daß es bei pflichtgemäßem Verhalten des Vorstands/des Aufsichtsrats im Sinne des § 93 AktG/der §§116, 93 A k t G zu demselben Entscheidungstenor (und damit auch zu demselben Schaden) gekommen wäre (Einwand der fehlenden Fehlerkausalität). Da die Entscheidung nur be29 30

Siehe dazu S.456ff., 473ff., 480ff. Siehe dazu S. 213 f.

C. Zusammenfassung

der

Ergebnisse

495

schränkt gerichtlich kontrollierbar ist, dürfen im Wege der Interpretation der weiteren Haftungsvoraussetzungen keine zusätzlichen Haftungsfreiräume geschaffen werden. Ein weiterer Enthaftungsgrund ist der Einwand, daß es bei pflichtgemäßem Verhalten des Vorstands/Aufsichtsrats im Sinne des §93 A k t G / der §§116, 93 A k t G zwar nicht sicher zu demselben Entscheidungstenor gekommen wäre, aber ein vergleichbarer Schaden entstanden wäre oder der fragliche Schaden der Entscheidung des Vorstands/Aufsichtsrats aufgrund außerordentlicher Umstände nicht zugerechnet werden kann (Einwand der fehlenden Entscheidungskausalität). 31 14. Die hier entwickelte gesellschaftsrechtliche Entscheidungsfehlerlehre hat gegenüber der U.S. amerikanischen Rechtsprechung entscheidende Vorzüge. a) Die Fehlerkategorien der Abwägungsunschlüssigkeit, des Abwägungsmangels und der Abwägungsmißorganisation sind im Verhältnis zum informed judgment (business judgment rule) und fair dealing (entire (intrinsic) fairness test) differenzierter und präziser. Die Frage, ob die dadurch begründeten Anforderungen erfüllt sind, ist zudem voll nachprüfbar. Demgegenüber hält das U.S. amerikanische Recht die Frage, ob ein director ausreichende Informationen eingeholt hat und/oder sich auf Informationen Dritter hat verlassen dürfen, nicht für voll nachprüfbar (reasonable belief test/business judgment rule). Die Fehlerkategorien der Überschreitung und des Abwägungsmangels sind im Verhältnis zum rational business purpose (business judgment rule) ebenfalls präziser; sie liegen im Lichte des Rechtsvergleichs eher auf der Linie des fair price im Rahmen des entire (intrinsic) fairness tests. 32 b) Die rechtlich relevanten Entscheidungsfehler führen stets ohne weitere Prüfung zur Pflichtwidrigkeit der Entscheidung im Sinne der §§93, 116 A k t G und vorbehaltlich des Eingreifens eines Enthaftungsgrunds - zur Haftung. Die U.S. amerikanische Rechtsprechung geht nicht von einer Pflichtverletzung aus, wenn die Voraussetzungen der business judgment rule nicht erfüllt sind, sondern ermittelt sie in einem zweiten Prüfungsschritt aufgrund des entire (intrinsic) fairness tests. 33 c) Es wird ein einheitlicher Kontrollmaßstab zugrundegelegt. Die das U.S. amerikanische Recht kennzeichnenden Abgrenzungsprobleme zwischen dem informed judgment und dem rational business purpose (business judgment rule) einerseits und dem fair dealing und dem fair price (entire (intrinsic) fairness test) andererseits werden auf diese Weise vermieden. 34 d) Die hier entwickelte gesellschaftsrechtliche Entscheidungsfehlerlehre führt im Ergebnis zu einer strengeren Kontrolle und stringenteren Haftung als das U.S. amerikanische Recht. Sie liegt damit auf der Linie der jüngsten Tendenzen in der 31 32 33 34

Siehe Siehe Siehe Siehe

dazu dazu dazu dazu

S.215, 228ff. S.237ff.,259ff. S.237ff.,257ff. S.237ff., 261, 261 ff., 264ff.

496

3. Teil: Die Entscheidungsfreiräume

des Vorstands und des Aufsichtsrats

U.S. amerikanischen Rechtsprechung. Die Gerichte beginnen gerade damit, der in den Vereinigten Staaten wachsenden Erkenntnis Rechnung zu tragen, daß die business judgment rule einen übermäßigen Schutz vor Haftung gewährt. 3 5

35

Siehe dazu S.237ff.,266f.

Fazit und Ausblick 1. Die Kapitalmärkte, der Unternehmenskontrollmarkt und der Wettbewerb auf den Güter- und Kapitalmärkten gewährleisten in Deutschland keine effiziente Unternehmensleitung und Unternehmensüberwachung. Das deutsche Corporate Governance System kann daher nur ausgehend von den Strukturen der Leitung und Überwachung in den Unternehmen verbessert werden. Das Kernproblem ist die operationale Interpretation der den Vorständen und Aufsichtsräten bei unternehmerischen Entscheidungen obliegenden Rechtspflichten (§§93, 116 AktG). Sie müssen den Vorständen und Aufsichtsräten auf der einen Seite hinreichende Anhaltspunkte für eine effiziente Aufgabenwahrnehmung geben und dürfen sie auf der anderen Seite nicht durch übermäßige Haftungsrisiken von unternehmerischen Wagnissen abhalten. Der Lösungsansatz liegt in der sachgerechten Begrenzung der unternehmerischen Entscheidungsfreiräume. 2. Die Entscheidungsfreiräume des Vorstands und des Aufsichtsrats lassen sich in den Aufgabenzuweisungen der §§76 Abs. 1, 111 Abs. 1 AktG verankern. Der Bundesgerichtshof hat die Entscheidungsfreiräume des Vorstands aus der „Führungsaufgabe" des Vorstands und die des Aufsichtsrats aus den „unternehmerischen Aufgaben" des Aufsichtsrats abgeleitet. Während dies heute als anerkannt gelten darf, sind die dogmatischen Konsequenzen noch weitgehend unklar. Treffen Vorstand und Aufsichtsrat Entscheidungen im Rahmen ihrer Entscheidungsfreiräume, so stellt sich die Frage, ob es an einer Pflichtverletzung fehlt oder ob eine Pflichtverletzung im Sinne des §§ 93,116 AktG vorliegt, für die lediglich nicht gehaftet wird. Treffen Vorstand und Aufsichtsrat Entscheidungen, die nicht von ihren Entscheidungsfreiräumen gedeckt sind, stellt sich die Frage, ob bereits aus diesem Grund eine Pflichtverletzung angenommen werden kann oder ob dies aufgrund einer gesonderten Prüfung festgestellt werden muß; im zweiten Fall ergibt sich das bislang ungelöste Problem, nach welchen Kriterien diese Prüfung erfolgen soll. 3. Die ARAG-Entscheidung des Bundesgerichtshofs und §93 Abs. 1 Satz 2 AktG idF. des Regierungsentwurfs eines Gesetzes zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG) vom 17. November 2004 leisten keinen wirksamen Beitrag zu einer Operationalisierung der den Vorständen und Aufsichtsräten obliegenden Rechtspflichten. a) Der Bundesgerichtshof hat dem Vorstand bei „unternehmerischen Entscheidungen" einen „weiten Handlungsspielraum" zugebilligt, zu dem „neben dem

498

Fazit und Ausblick

bewußten Eingehen geschäftlicher Risiken grundsätzlich auch die Gefahr von Fehlbeurteilungen und Fehleinschätzungen" gehöre, und zwar mit der Konsequenz, daß eine Pflichtverletzung im Sinne des § 93 AktG „erst dann in Betracht kommt, wenn die Grenzen, in denen sich ein von Verantwortungsbewußtsein getragenes, ausschließlich am Unternehmenswohl orientiertes, auf sorgfältiger Ermittlung der Entscheidungsgrundlagen beruhendes unternehmerisches Handeln bewegen muß, deutlich überschritten sind, die Bereitschaft, unternehmerische Risiken einzugehen, in unverantwortlicher Weise überspannt worden ist". Er sieht damit nur das schlechthin unvertretbare Vorstandshandeln als Pflichtverletzung im Sinne des § 93 AktG an und beläßt überdies dem Aufsichtsrat bei der Entscheidung über die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen pflichtwidrig handelnde Vorstandsmitglieder nicht der Diktion nach, wohl aber im Ergebnis einen sehr weiten Ermessensspielraum. §93 Abs. 1 Satz 2 AktG idF. von Art. 1 Nr. 1 RegE U M AG 11/2004 lautet: „Eine Pflichtverletzung liegt nicht vor, wenn das Vorstandsmitglied bei einer unternehmerischen Entscheidung vernünftigerweise annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Information zum Wohle der Gesellschaft zu handeln." Damit geht die Bundesregierung über die richterrechtliche Haftungsfreistellung noch hinaus und weist Vorstand und Aufsichtsrat noch größere Entscheidungsfreiräume zu. b) Die Bundesregierung hebt damit die Steuerungsfunktion der Organhaftung in dem rechtspolitisch wichtigen Vorfeld krimineller Energie auf - in dem Graubereich von Mißmanagement, in dem in den letzten Jahren die meisten Unternehmenskrisen entstanden sind. Das ist jedoch noch nicht alles. Das Ergebnis der Neuregelung ist sogar eine Fehlsteuerung. Vorstände und Aufsichtsräte brauchen im Hinblick auf die Informationsgrundlage und die Wahrung des Gesellschaftswohls keine festen Regeln einzuhalten. Die von dem Bundesgerichtshof in der ARAG-Entscheidung angelegte objektive Bewertung wird vermittels des Annehmendürfens weitgehend durch eine subjektive Betrachtung ersetzt, und im Hinblick auf die Informationsgrundlage sollen dann auch noch - ausweislich der Entwurfsbegründung - Instinkt, Erfahrung, Phantasie, Gespür und Gefühl zulässige Entscheidungskriterien sein. Vorständen und Aufsichtsräten wird damit die Möglichkeit gegeben, sich einer sorgsamen Entscheidungsvorbereitung zu entziehen, solange sich ihr Verhalten nicht - in der Formulierung der Entwurfsbegründung - als Unbesonnenheit und Leichtsinn auf Kosten der Kapitalgeber und Arbeitnehmer darstellt. Daß dies nicht der richtige Weg ist, zeigt ein Blick in die Vereinigten Staaten. Dort ist nach den Skandalen um Enron und Worldcom die Erkenntnis gewachsen, daß die business judgment rule - gerade auch in Verbindung mit dem right of reliance - einen übermäßigen Schutz vor Haftung gewährt. Die für die Entwicklung des U.S. amerikanischen Gesellschaftsrechts wichtige Rechtsprechung in Delaware hat bereits damit begonnen, den Weg für eine eingehendere Prüfung von business judgments und damit für eine schärfere Haftung der officers und directors frei zu machen.

499

Fazit und Ausblick

4. Das der U . S . amerikanischen business judgment rule zugrundeliegende Prinzip besteht darin, eine beschränkte

inhalts mit einer gerichtlichen binden

gerichtliche

Uberprüfung

des

Entscheidungs-

Uberprüfung des Entscheidungsprozesses

zu ver-

und damit auch zu legitimieren. Diesem konzeptionellen Ansatz sind der

Bundesgerichtshof mit der A R A G - E n t s c h e i d u n g und die Bundesregierung mit § 9 3 Abs. 1 Satz 2 A k t G idF. von Art. 1 Nr. 1 R e g E U M A G 11/2004 gefolgt. Das läßt sich in dogmatischer Hinsicht begründen, wenn man das aus dem Verwaltungsrecht stammende K o n z e p t der negativen Kontrolle heranzieht. E s verbindet die rechtliche Freiheit hinsichtlich der Wahl des Ergebnisses mit der Pflicht, es in einem rechtlich fehlerfreien Vorgang zu gewinnen. D i e K o n t r o l l k o m p e t e n z wird im H i n b l i c k auf das Ergebnis eingeschränkt und im H i n b l i c k auf den zum E r g e b nis führenden Vorgang erweitert. Ergebnis und Vorgang bilden unter dem G e sichtspunkt der materiellen Rechtmäßigkeit der Entscheidung eine Einheit. 5. D i e U . S . amerikanische Rechtsprechung, die A R A G - E n t s c h e i d u n g des B u n desgerichtshof und § 93 Abs. 1 Satz 2 A k t G idF. von Art. 1 Nr. 1 R e g E U M A G 11/ 2004 knüpfen das Eingreifen der negativen Kontrolle an das Vorliegen einer unternehmerischen

Entscheidung

an. D i e Frage, was darunter zu verstehen ist, wird

im deutschen Gesellschaftsrecht zwar derzeit n o c h kontrovers diskutiert, mit diesem Kriterium aber der richtige Weg gewiesen. Dies zeigt sich, wenn man im Lichte der gesellschaftsrechtlichen Problematik verwaltungsrechtliche und betriebswirtschaftliche Erkenntnisse heranzieht und miteinander verbindet. a) D i e verwaltungsrechtlichen Entscheidungsfreiräume knüpfen an die N o r mierung von Einschätzungsbegriffen und Ermessensspielräumen an. D i e besondere Eigenart der Einschätzungsbegriffe und des Ermessens besteht in der begrenzten Widerlegbarkeit und Uberprüfbarkeit der Einschätzungen und Ermes-

sensausübungen. Erkenntnisprobleme führen dazu, daß zweifelhaft bleibt, was richtig ist, und zwar mit der Konsequenz, daß die Entscheidung nicht überprüft, sondern

nur ersetzt

werden

kann.

Blickt man in die Betriebswirtschaftslehre, so

kann es als gesichert gelten, daß Managemententscheidungen typischerweise P r o bleme betreffen, die nicht nur unstrukturierter und komplexer N a t u r sind, sondern sich auch wegen eines schwankenden Erkenntnisfundaments und unvollständiger Problemeinsichten einer eindeutig richtigen Lösung entziehen. Das unstrukturierte

hochkomplexe

Problem

führt zu den Erkenntnisproblemen, die im

Verwaltungsrecht die Annahme von Entscheidungsfreiräumen legitimieren und die im Gesellschaftsrecht die A n n a h m e von Entscheidungsfreiräumen legitimieren können. Wenn und soweit Vorstand und Aufsichtsrat bei ihren Entscheidungen unstrukturierten hochkomplexen Problemen gegenüberstehen, sind ihnen Entscheidungsfreiräume zuzubilligen. b) A u f der Grundlage dieses Ansatzes können die Entscheidungsfreiräume des Vorstands und des Aufsichtsrats durch Auslegung der § § 7 6 Abs. 1, 111 Abs. 1 A k t G sachgerecht bestimmt werden. E s läßt sich vor allem die umstrittene Frage überzeugend lösen, welche Entscheidungsfreiräume dem Aufsichtsrat bei der

500

Fazit und Ausblick

Entscheidung über die Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs gegen Vorstandsmitglieder nach § 93 A k t G zustehen. Dabei zeigt sich, daß eine Strukturierung der Befugnisnormen und damit der Entscheidungen zu einer Abschichtung der Probleme führt, die durch eine business judgment rule nach U . S . amerikanischem Vorbild nicht erreicht werden kann. 6. Die U.S. amerikanische Rechtsprechung prüft im Falle des Eingreifens der negativen Kontrolle ifthe director makes the business judgment is not interested

in the subject of bis business judgment,

spect to the subject of bis business judgment be appropriate

under the circumstances

ness judgment

is in the best interests

ifhe

in goodfaitb, is informed

to the extent he reasonably

and ifhe

rationally

of the Corporation.

believes

ifhe

with believes

that the

reto busi-

Diese Prüfungskriterien

haben der Bundesgerichtshof in der ARAG-Entscheidung und die Bundesregierung in § 93 Abs. 1 Satz 2 A k t G idF. von Art. 1 Nr. 1 RegE U M A G 11/2004 zum Vorbild genommen. Darin liegt der Hauptgrund für den Verlust der Steuerungsfunktion der Organhaftung. J e weiter die Entscheidungsfreiräume sind, um so geringer ist die Steuerungsfunktion, und die Weite der Entscheidungsfreiräume wird durch die Ausformung des Kontrollmaßstabes bestimmt. Durch die Prüfungskriterien nach U.S. amerikanischem Vorbild geraten die Entscheidungsfreiräume zu weit. Man kann die Reichweite der Entscheidungsfreiräume allerdings auch in einer Weise bestimmen, die dazu führt, daß die Organhaftung die ihr obliegende Steuerungsfunktion erfüllen kann. a) Anknüpfungspunkt für die hier entwickelte gesellschaftsrechtliche Entscheidungsfehlerlehre ist die hochdifferenzierte verwaltungsrechtliche Ermessensfehlerlehre. Sie zeichnet sich im Kern dadurch aus, daß im Hinblick dungsinhalt

und den Entscbeidungsprozeß

fung an Rechtsmaßstäben

zugänglich

überprüft

auf den

wird, was einer

EntscheiÜberprü-

ist, und daß die rechtlich relevanten Ent-

scheidungsfehler stets zur Rechtswidrigkeit der Entscheidung und grundsätzlich zur Haftung führen. b) Dieser Ansatz führt im Lichte der gesellschaftsrechtlichen Problematik zu vier zentralen rechtlich relevanten Entscheidungsfehlern. Sie zielen auf die Ü b e r schreitung der Befugnisnorm (Überschreitung), auf die Bewertung, Gewichtung und den Ausgleich der relevanten tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte (Abwägungsmangel), auf die Vollständigkeit und Richtigkeit der abzuwägenden tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte (Abwägungsunschlüssigkeit) und auf die organisatorischen Voraussetzungen der Abwägung (Abwägungsmißorganisation). Damit wird in den zu überprüfenden Entscheidungsprozeß nicht nur die Entscheidungsfundierung, sondern auch die Entscheidungsfindung Entscheidungsorganisation

einbezogen.

und

die

Dies ist der Erkenntnis geschuldet, daß

die Entscheidungsorganisation die Qualität der Entscheidungsfundierung und damit der Entscheidungsfindung und so in letzter Konsequenz auch die Entscheidungsqualität nachhaltig beeinflußt. Der auf diese Weise konkretisierte Kontrollmaßstab zeichnet sich zudem dadurch aus, daß nicht die Annahme

der

Einhai-

Fazit und Ausblick

501

tung der mit den rechtlich relevanten Entscheidungsfehlern aufgestellten Anforderungen an den Entscheidungsinhalt und den Entscheidungsprozeß überprüft wird, sondern die Einhaltung dieser Anforderungen. Das Ergebnis ist eine im Verhältnis zu einer business judgment rule nach U.S. amerikanischem Vorbild deutlich erhöhte Kontrolldichte. b) Die rechtlich relevanten Entscheidungsfehler führen nach dem hier entwickelten Haftungskonzept stets zur Pflichtwidrigkeit der Entscheidung im Sinne der §§93,116 AktG. Dies gilt gerade auch dann, wenn - wie bei der Abwägungsmißorganisation und der Abwägungsunschlüssigkeit möglich - ein fehlerhafter Entscheidungsprozeß mit einem Entscheidungsinhalt einhergeht, der als solches fehlerlos ist. Die Konsequenz lautet, daß die rechtlich relevanten Entscheidungsfehler grundsätzlich zur Haftung führen; der Einwand, daß es bei pflichtgemäßem Verhalten des Vorstands/Aufsichtsrats im Sinne des §§ 93,116 AktG zu derselben Entscheidung (und damit auch zu demselben Schaden) gekommen wäre, ist als Enthaftungsgrund anzuerkennen. Diese im Verhältnis zu einer business judgment rule nach U.S. amerikanischem Vorbild deutlich strengeren haftungsrechtlichen Konsequenzen finden ihre Rechtfertigung letztlich darin, daß die Verschärfung des Kontrollmaßstabes ohne Sinn wäre, würden Vorstände und Aufsichtsräte zur Einhaltung der damit aufgestellten Anforderungen an die Entscheidung nicht auch durch effektive Sanktionsmöglichkeiten angehalten. c) Der zentrale Unterschied zu einer business judgment rule nach U.S. amerikanischem Vorbild besteht darin, daß der hier entwickelte Kontrollmaßstab auch dann zur Anwendung kommt, wenn ein Interessenkonflikt vorliegt. Die U.S. amerikanische Rechtsprechung, die in diesen Fällen nicht die business judgment rule, sondern den strengeren entire (intrinsic) fairness test anwendet, gründet darin, daß die duty of loyalty - anders als die duty of care - ohne eine effektive Aktionärsklage praktisch undurchsetzbar wäre. Im deutschen Gesellschaftsrecht wird typischen Interessenkonflikten - anders als im U.S. amerikanischen Recht - bereits durch die Zuständigkeitsordnung vorgebeugt. Das Verfolgungsrecht der Aktionärsminderheit dient im deutschen Recht zwar ebenfalls gerade auch der Durchsetzung der Treupflicht, es ist aber bei nachteiligen nicht durch die Verfolgung persönlicher Interessen beeinflußten unternehmerischen Entscheidungen gar nicht eröffnet (Unredlichkeit iSv. § 147 Abs. 3 AktG bisheriger Fassung bzw. §148 A b s . l Satz 2 Nr. 3 AktG idF. von Art. 1 Nr. 15 RegE U M A G 11/2004). Eine Übernahme der U.S. amerikanischen Rechtsprechung zur höheren Kontrolldichte bei möglichen Verstößen gegen die duty of loyalty als bei möglichen Verstößen gegen die duty of care ist damit mangels vergleichbarer Gefahren- und Ausgangslage weder erforderlich noch geboten. 7. Die hier entwickelte Entscheidungsfehlerlehre stellt die längst überfällige Verbindung zwischen „Geschäftsführungsorganisation und Geschäftsführungsinstrumentarium" auf der einen Seite und „Geschäftsführungsentscheidung" auf der anderen Seite her. Man kann es entgegen der unter Gesellschaftsrechtlern vor-

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herrschenden Auffassung nicht dabei belassen, daß der Aufsichtsrat lediglich ganz allgemein die Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsführung überwachen muß. Die Rechtspflichten des Vorstands und des Aufsichtsrats zur Selbstorganisation sowie zur Ausgestaltung und Ausschöpfung ihrer informationellen Instrumentarien müssen vielmehr in die Entscheidungshaftung einbezogen werden. Das leistet die hier entwickelte gesellschaftsrechtliche Entscheidungsfehlerlehre mit den Fehlerkategorien der Abwägungsmißorganisation und der Abwägungsunschlüssigkeit. Gerade (und vielleicht nur) auf diese Weise kann die 'Wirkungskraft der organisationsbezogenen Rechtspßichten verstärkt werden. Dies gilt um so mehr, als der Gesetzgeber mit den Novellierungen des Aktien- und Handelsrechts in den letzten Jahren gerade an diesem Punkt angesetzt hat, um eine effizientere Uberwachungstätigkeit des Aufsichtsrats und vor allem eine intensivere Zusammenarbeit zwischen Aufsichtsrat und Abschlußprüfer zu erreichen; er wollte zudem gerade die Einrichtung eines internen Steuerungs- und Uberwachungssystems und insbesondere eines effektiven Chancen- und Risikomanagementsystems sicherstellen. Die Einbindung der informationellen Instrumentarien in die Entscheidungshaftung ist zugleich der entscheidende Ansatzpunkt, um die Anforderungen an die einzuholenden Informationen nicht nur sachgerecht zu bestimmen, sondern auch zu begrenzen. Auf diese Weise kann dem Vorwurf begegnet werden, es würden überzogene Anforderungen an die Informationsbeschaffung gestellt. 8. Die hier entwickelte Entscheidungsfehlerlehre trägt auch der zunehmenden Kapitalmarktorientierung des Kapitalgesellschaftsrechts Rechnung. Man kann entgegen der unter Gesellschaftsrechtlern weit verbreiteten Auffassung die Unternehmensberichterstattung und ihre externe Prüfung nicht aus dem Problemkreis der Entscheidungshaftung ausgrenzen. Das ist angesichts des Wandels der externen Unternehmensberichterstattung vom financial reporting zu einem business reporting und der externen Prüfung vom financial audit zu einem business audit nicht mehr zu rechtfertigen. Die Untersuchung der Internationalisierung der Konzernrechnungslegung, der Optimierung der Lageberichterstattung und der Risikoorientierung der Abschlußprüfung in den letzten Jahren belegt, daß die Unternehmensberichterstattung und ihre externe Prüfung inzwischen geradezu ideal geeignet sind, eine zukunfts-, problem- und risikoorientierte Informationsversorgung von Vorstand und Aufsichtsrat zu gewährleisten. Vorstand und Aufsichtsrat können im Lichte der §§93, 116 AktG nicht von der Verpflichtung befreit werden, sich diese Informationspotentiale umfassend zu nutze zu machen. Das stellt die hier entwickelte gesellschaftsrechtliche Entscheidungsfehlerlehre mit den Fehlerkategorien der Abwägungsmißorganisation und der Abwägungsunschlüssigkeit sicher. Angesichts der defizitären Publizitätspraxis könnte der Gesetzgeber die Einbindung der Unternehmensberichterstattung und ihrer externen Prüfung in die Entscheidungshaftung über das Enforcement der Rechnungslegungsregeln hinaus wirkungsvoll unterstützen. Er müßte dem auf Eis liegenden Kapitalmarktinformationshaftungsgesetz wieder näher treten und sich

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einmal des Problems der nur eingeschränkt pflichtigen und nicht pflichtigen Angaben in der Lageberichterstattung annehmen. 9. Die hier entwickelte Entscheidungsfehlerlehre wirkt weiter der Gefahr einer gutachtenbasierten Enthaftung entgegen, die in den Vereinigten Staaten eine Konsequenz des right of reliance ist. Die Bundesregierung hat in der Begründung zu § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG idF. von Art. 1 Nr. 1 RegE UM AG 11/2004 ausgeführt, der Entwurf ziele keinesfalls darauf, daß durch routinemäßiges Einholen von Sachverständigengutachten, Beratervoten oder externen Marktanalysen eine rein formale Absicherung stattfinde. Dieses Anliegen ist berechtigt. Die hier entwikkelte Entscheidungsfehlerlehre wirkt dieser Gefahr mit der Fehlerkategorie der Abwägungsmangels entgegen. Sie zielt auf die Entscheidungsfindung und damit insbesondere auf die Informationsverarbeitung. Rein formale Absicherungsstrategien würden mithin stets einen rechtlich relevanten Entscheidungsfehler begründen. 10. Die hier entwickelte gesellschaftsrechtliche Entscheidungsfehlerlehre hat schließlich in dogmatischer Hinsicht den großen Vorzug, daß sich die Frage erübrigt, ob eine Pflichtverletzung im Sinne der §§93,116 AktG gegeben ist, wenn Vorstand und Aufsichtsrat Entscheidungen im Rahmen ihrer Entscheidungsfreiräume treffen, die sich später als Fehlentscheidungen erweisen. In diesem Fall liegt nach der hier entwickelten gesellschaftsrechtlichen Entscheidungsfehlerlehre keine Pflichtverletzung im Sinne der §§93, 116 AktG vor. Es stellt sich auch nicht die Frage, anhand welcher Kriterien zu prüfen ist, ob eine Pflichtverletzung im Sinne der §§93,116 AktG gegeben ist, wenn Vorstand und Aufsichtsrat Entscheidungen treffen, die nicht von ihren Entscheidungsfreiräumen gedeckt sind. In diesem Fall liegt nach der hier entwickelten gesellschaftsrechtlichen Entscheidungsfehlerlehre stets eine Pflichtverletzung im Sinne der §§93, 116 AktG vor. 11. Die im Lichte der Ergebnisse dieser Untersuchung kritische Frage ist, ob sie auch im Rahmen des neuen § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG zum Tragen kommen können. a) Dies ist in dogmatischer Hinsicht nicht ausgeschlossen. Das Kriterium der informierten Entscheidung beinhaltet nach der U.S. amerikanischen Rechtsprechung neben Elementen der Abwägungsunschlüssigkeit (Entscheidungsgrundlagen) auch Elemente der Abwägungsmißorganisation (Entscheidungsorganisation) und des Abwägungsmangels (Entscheidungsfindung und insbesondere Informationsverarbeitung). Das Kriterium des Handelns zum Wohle der Gesellschaft läßt nicht nur eine Interpretation im Sinne des fehlenden rational business purpose nach U.S. amerikanischem Vorbild zu, sondern auch eine Konkretisierung im Sinne der Überschreitung und des Abwägungsmangels (Entscheidungsinhalt). Das Tatbestandsmerkmal des Annehmendürfens bietet ebenfalls einen Ansatzpunkt zur Einbindung der Abwägungsmißorganisation. Man könnte es so interpretieren, daß nur der annehmen darf, auf der Grundlage angemessener Information oder zum Wohle der Gesellschaft zu handeln, der sich des Vorliegens der organisatorischen Entscheidungsvoraussetzungen sicher weiß. Ansätze für

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eine solche Interpretation einer business judgment rule nach U.S. amerikanischem Vorbild finden sich bereits heute in Literatur und Rechtsprechung zur Haftung für Kreditvergaben im Lichte der §§ 18, 25a KWG. b) Eine solche Interpretation des neuen § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG erscheint in naher Zukunft aber eher unwahrscheinlich. Die Tendenz geht derzeit eindeutig in die Richtung, Vorständen und Aufsichtsräten möglichst weite Entscheidungsfreiräume zuzuerkennen. Die Gründe liegen im rechtspolitischen Bereich. Das in der Entwurfsbegründung der Bundesregierung angeführte Argument, eine business judgment rule nach U.S. amerikanischem Vorbild sei mit Blick auf die Verschärfung des Verfolgungsrechts der Aktionärsminderheit erforderlich, ist dabei noch am wenigstens überzeugend. Das Minderheitenrecht in § 147 Abs. 1 AktG bisheriger Fassung entfällt nach Art. 1 Nr. 14 RegE U M A G 11/2004. Das Verfolgungsrecht nach § 148 AktG idF. von Art. 1 Nr. 15 RegE U M A G 11/2004 ist auf Fälle von Unredlichkeit und damit - ausweislich der Entwurfsbegründung - auf ins Kriminelle reichende Treupflichtverstöße beschränkt. Das Verfolgungsrecht der Aktionärsminderheit wird im Hinblick auf unternehmerische Entscheidungen mithin nicht erweitert, sondern eingeschränkt. Die Auswirkungen dieses Modells einer eingeschränkten Kontrolle der unternehmerischen Entscheidungen von Vorstand und Aufsichtsrat wird man abwarten müssen. Sollte sich - was angesichts der in den Vereinigten Staaten gemachten Erfahrungen zu erwarten ist - erweisen, daß dies nicht der richtige Weg ist, wird es - wie in den Vereinigten Staaten - zu einem Umdenken kommen müssen. Dann wird man sich an diejenigen erinnern, die den Gesetzgeber davor gewarnt haben, in einen noch nicht abgeschlossenen Dogmatisierungsprozeß einzugreifen und die Spielräume der Rechtsprechung einzuschränken, im Wege der Interpetation der §§ 76 Abs. 1, 93 Abs. 1 Satz 1 AktG eine deutsche business judgment rule anhand von Einzelfällen zu entwickeln.

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Sachregister Abberufung aus wichtigem Grund 52f., 127 f., 133, 136f., 137 f., 140f., 142, 145 ff., 150, 159f., 160, 166f., 171 f., 178f., 311,478, 485, 490 Abspaltung und Ausgliederung 301, 490 Abwägungsgebot 317f., 318, 490 Abwägungsgrundsätze 165, 165f., 166, 269,295, 296f., 297ff., 312ff., 320, 404, 490 Abwägungsmangel 218ff., 225ff., 227, 229f., 259f., 260, 268f., 294ff., 320f., 404, 489, 490f., 495, 500, 503 Abwägungsmißorganisation 221 ff., 227f., 230, 259f., 268f., 320f., 325ff., 328ff., 489, 490f., 492f., 494, 495, 500, 502, 503 - abstrakte 321f., 323, 325, 366, 410f., 427, 446, 483f., 484ff., 491 - konkrete 322, 323f., 325, 365f., 408ff., 426f., 446, 484ff., 491 f. Abwägungsunschlüssigkeit 221, 225ff., 228, 2 2 9 f f , 259f., 268f., 320f., 324f„ 325ff., 489, 490f., 492f., 494, 495, 500, 502, 503 - Fundierungsgebot 324, 325, 365f., 408ff., 426f., 446, 492 - Sachgebot 322f., 324f. AICPA 335, 366f„ 404 - audit committee 463 f. - Bewertungsunsicherheiten und Bewertungsmethoden 396, 398 - core and noncore activities 399f., 404, 407 - Externe Prüfung 411, 412ff., 420, 425, 431 ff., 434f., 435f., 436f., 443ff. - Finanzinstrumente und bilanzunwirksame Geschäfte 389f., 393, 395f. - Hintergrundinformationen 386f., 388, 389, 404, 405

- Kennzahlen 367f., 370, 373, 377,404, 405 f. - Management und Anteilseigner 400, 403, 404 - Prognose- und Strategiebericht 378f., 380, 383, 384, 404, 406f. - Risikoberichterstattung 350, 351f., 354 - Segmentberichterstattung 346, 348, 349 - Zwischenberichterstattung 359f., 361 Aktionsplan (EU) 3 Altenburger und Stralsunder Spielkarten Fabriken 11, 13 f.,26 Alternativenauswahl 79f., 81, 81 f., 82f., 141, 167ff., 225, 225f., 312ff., 317f., 320, 490 Alternativenevaluation 79f., 80f., 81 f., 82, 141, 153, 160ff., 225, 2 2 5 f , 296f., 302, 302ff., 304ff., 307ff., 309ff„ 312ff., 317f., 320, 490 ARAG-Entscheidung 7, 1 lf., 26, 39, 40ff., 43, 44, 47f., 72, 76, 84,121 ff., 126, 135, 150ff., 158f., 160 ff., 164f., 166, 182, 237, 238, 270, 497f., 499, 500 Aufsichtsratsausschüsse 113, 115, 116, 173, 176, 32Iff., 325, 328, 333, 334, 446f., 458ff., 483ff„ 491f., 493, 493f. - Anregungsnorm 458, 459 - Ausschußbildung 458ff., 467, 467ff., 469f., 473ff., 483 ff. - corporate governance rules (NYSE) 463, 463 ff. - Entwicklung in den USA 460ff. - Investitions-, Beteiligungs-, Kredit- und Finanzierungsausschuß 478, 484 f. - Korrespondierende Fachausschüsse 478,485 - listing rules (SEC) 463, 466ff. - Nominierungs- und Vergütungsausschuß 4 5 9 , 4 7 8 , 4 8 5 , 4 9 4

536

Sachregister

- Präsidial- und Strategieausschuß 477, 484, 494 - Prüfungsausschuß 459f., 467ff., 475ff., 477f., 4 8 4 , 4 9 4 - Reformprozeß 458ff., 467ff., 474ff. - Unabhängigkeitsempfehlung ( E U ) 470ff. Ausgestaltungsermessen des Aufsichtsrats 141 f., 178f., 179, 225, 296f., 304ff., 307ff. Auskauf opponierender Aktionäre 301, 303, 490 Auslegung der Befugnisnorm 71 ff., 73, 73ff., 83f., 86, 176 Auswahlermessen des Aufsichtsrats 134, 136ff., 139f., 140ff., 1 4 2 , 1 4 3 f f „ 149, 167ff., 178 Balsam 1 1 , 1 6 f . , 2 6 Bayerische H y p o - und Vereinsbank 11, 25f., 26 Begründungsfehler 185, 200f., 203f., 207, 209f. Beratung durch Aufsichtsrat 106, 107f., 108 Berichtspflichten 88f., 96, 99, lOOf., 322, 323, 324, 325f., 327, 333, 334ff., 432 Berliner Bankgesellschaft 223 Berliner Center of Corporate Governance 475 Berliner Initiativkreis 2 Berliner Kodex 2 Berliner Netzwerk Corporate Governance 6 Bremer Vulkan 11, 14ff.,26 business judgment rule (Dogmatik) 7f., 37ff., 51 f., 54, 57f., 60f., 74ff., 175, 182ff., 199ff„ 257ff„ 259ff„ 261ff., 487, 494ff., 497, 499, 499f., 500f., 501 f., 502f., 503 business judgment rule ( U M A G ) 7, 39, 42ff., 48ff., 74f., 237f., 270, 298, 497, 498, 499, 500, 503f. business judgment rule ( U S A ) 43, 182, 237ff., 270, 499, 500f., 503 - abstention doctrine 249, 266 - benefit for the corporation 254f., 260 - business judgment 244, 245

- demand rule 242, 242f., 247f., 248f., 265 - disinterested judgment 242, 244, 246ff., 451 - disinterested ratification test 238, 242, 256f. - duty of acting in good faith 246 - duty of care 238, 239f., 246, 264f. - duty of loyalty 238, 2 4 6 , 2 6 4 f . - entire (intrinsic) fairness test 238, 242, 255f., 258, 259f., 261ff„ 264, 315f., 495, 501 - fiduciary duties 246 - fraud/waste/gift test 238, 242, 256f. - Funktion der Aktionarsklage 264f., 266, 501 - good faith 242, 2 4 4 , 2 4 5 f. - informed judgment 242, 244, 249ff., 259f., 261 ff., 495, 503 - just and reasonable test 238, 242, 256f. - Oracle 267 - prozessuale Funktion 2 4 I f f . - rational business purpose 242, 244, 252ff., 258, 260, 261 ff., 264, 266, 495, 503 - reasonable belief test 251 f., 252f., 258, 260 - Revlon mode 242 - right of reliance 239 f., 250 f., 266, 498, 503 - safe harbour 244 - special litigation committee 243, 265 - standard of conduct 238, 239f., 253 - standard of review 238, 240f., 253 - Unocal standard 241 f. - Walt Disney 254, 266f. - waste of corporation's assets 254, 260 Buyout 3 0 1 , 4 9 0 Controlling 93, 95f., 106f., 433f., 477f., 484 Corporate Governance 27 Corporate Governance Systeme 27f., 3 Iff. C O S O - R e p o r t 431ff., 434f., 435f., 436f., 443 ff.

Sachregister Delegation durch Vorstand I i i . , 89, 90, 97f., 99f., 103f., 104f., 271 f. Deutscher Kodex 2, 448f., 456f., 459f., 479

537

Entscheidungsinhalt 56f., 58, 499, 500, 501, 503 Entscheidungskausalität 236f., 495 Entscheidungsorganisation 58, 222f., 259, 500, 503

Deutscher Kodex und § 9 3 A k t G 270f., 271 ff., 292ff., 489f. - Auslegungsfragen 283, 287ff., 489f. - Ausstrahlungswirkung 279ff. - Echte Corporate Governance Standards 270, 277, 279ff., 285, 285ff., 291 f., 292 ff. - Empfehlungen und Anregungen 283, 285f. - Methodische Probleme 277ff. - Substantiierung 283, 291f., 489f. - Zielsetzung 2 8 3 , 2 8 3 f f .

Entscheidungsprozeß 56f., 58, 224, 258, 2 6 1 , 4 9 9 , 500, 500f., 501 Entscheidungsqualität 49, 78f., 84, 222f., 259, 408, 426, 445, 447, 500 Entschließungsermessen des Aufsichtsrats 134, 134f., 177 Ergebnisfehler 56f., 199ff., 202, 204, 205f., 212f., 215, 216f., 219, 225ff., 229f., 268, 294, 294f., 487f., 489, 499 Erkenntnis einer besseren Entscheidung durch Aufsichtsrat 119f.,

Einberufung einer Hauptversammlung 113, 1 1 5 , 1 3 3 , 136f., 137, 138, 140f., 142, 145 ff., 150, 159f., 160, 166f., 167, 169, 173, 178 f.

127ff., 177, 179, 179f., 225 Erkenntnis einer Pflichtverletzung des Vorstands durch Aufsichtsrat 119f., 120ff., 177, 179 Erkenntnisprobleme 67, 84ff., 129f., 158,

Einschätzungsprärogative 79f., 80f., 119f., 120ff., 127ff„ 176, 177, 225, 225f., 312ff.,317f., 320, 3 2 1 , 4 9 0 Einwirkung auf den Vorstand 119f., 131 ff., 177ff. Einwirkungsfälle 131f., 133f., 141, 177 Einwirkungsmöglichkeiten 132f. - allgemeine 138, 139 - handlungsbezogene 136, 139, 144, 148, 169, 178 - organisationsbezogene 136f., 139, 144, 145,148, 149, 1 6 9 , 1 7 8 - personenbezogene 137, 139, 144, 145, 169, 178 - spezielle 137, 178 - qualifizierte 137f., 139, 145, 147, 148, 150, 160, 169, 170, 178 Entscheidungsfindung 58, 222f., 260, 408, 426, 445, 447, 500, 503 Entscheidungsfreiräume 37ff., 39, 40ff., 42ff., 51 ff., 70ff., lOlff., 117f., 118ff., 171 ff., 176, 176ff., 180, 497, 499f., 500 Entscheidungsfundierung 408, 426, 445, 447, 500 Entscheidungsgrenzen 490

220, 222f., 260,

295f., 297, 297ff.,

Entscheidungsgrundlagen 40, 58, 498, 503

165, 175, 177, 499 Ermessensgrenzen 296, 297ff., 363, 404, 490 Ermessensprärogativen 81 f., 82, 225, 225f., 312ff., 317f., 320, 490 - Abwägungsfähige Umstände (§§ 84, 93, 111 Abs.3 A k t G ) 140f., 142, 150ff., 178f., 179 - Durchsetzbarkeit (§ 93 A k t G ) 140f., 142, 150ff., 178 f., 179 - Wichtiger Grund ( § 8 4 A k t G ) 140f., 142, 150ff„ 178 f. Ermessensrichtlinien 166, 296f., 297ff., 320, 404, 490 Erwartungslücke/expectation gap 326f., 423 Evaluationsermessen 81 f., 82, 142,153, 160ff., 225, 225f., 296f., 302, 302ff., 304ff., 307ff., 309ff., 312ff., 317f„ 320, 490 - Abwägung aller Umstände (§§ 84, 93, 111 Abs.3 A k t G ) 141, 142, 153,160ff., 178f., 179, 179f., 225 Externe Prüfung 334ff., 436ff., 411 ff., 492f., 502f. - Aufsichtsratsorientierung 419, 425 ff. - I D W 419ff.,421ff.,425ff.

538

Sachregister

- Internationalisierung 414ff., 425ff. - Neuorientierung in der Praxis 423 ff., 425 ff. - Reformprozeß 334ff., 414ff., 416ff., 418,419, 419f., 421 ff. - Risikoorientierung 418,425ff., 428, 437, 438 - Zukunftsorientierung 416ff., 425ff. Fehlerfolgen 215, 228ff., 494f., 501 Fehlerkausalität 229ff., 494f. Fehlgebrauch/konkrete Verhaltensfehler 210f., 211 ff., 215, 216f., 217ff., 227, 268, 294,295, 489 Frankfurter Kodex 2 Führungsaufgabe des Vorstands 77f., 88f., 90ff., 98, 99,101,176, 327, 432, 433f., 441 Geschäftsbanken 1, 10, 26f., 27, 31, 31 f., 34 Geschäftsführung 88 Geschäftsrisikoorientierte Abschlußprüfung/business audit 334, 335, 421 ff., 423 ff., 425, 432, 502 Geschäftstätigkeit 183, 309, 311 f., 490 Grundsätze ordnungsgemäßer Unternehmensführung (Unternehmensleitung und Unternehmsüberwachung) 272ff. Grundsatzkommission 2 Handlungsbedarf 72f., 79ff., 84f., 86, 176, 186, 225,312 Handlungsprogramm 72f., 81 ff., 84f., 86, 176, 186, 225,312 - Aufsichtsrat 139f., 142, 143ff., 149, 167ff., 178 Informationelle Instrumentarien 92 f., lOOf., 113, 116, 173, 222f., 224, 227, 259f., 268f., 276, 320f., 322, 323ff., 325ff., 334ff., 365ff., 407ff., 425ff., 427ff., 443ff., 489, 491 f., 492f., 502 Informationsordnung 88f., 100f., 113, 173, 176, 322, 323f., 326, 333, 334, 4 2 7 f , 491 f.

Inhaltliche Fehler 201, 202, 204, 205f., 207ff„ 212f„ 215, 216f„ 219, 225ff„ 229ff., 268f., 294, 294f., 487f., 489 Innenrevision 93, 95, 433f., 462f., 465, 467, 470, 471 f., 477f., 483, 484, 485, 494 In-sich-Geschäfte/related party transactions 183, 265, 304, 305, 361 f., 363, 490 Institutionelle Anleger 331, 333, 449 Interne Kontrolle 93, 94, 421ff., 433f„ 461 ff., 465, 466, 467, 470, 471 f., 473, 476 Internes Steuerungs- und Überwachungssystem 90, 91, 93, 94ff., 102f., 109, 272, 322, 323, 324, 325f., 333, 383, 427ff., 477f., 484, 491 f., 502 - Begriff 428ff., 430, 431 ff., 438, 443ff. - C O S O - R e p o r t 431ff., 434f., 435f., 346f., 443ff. - Integration der Chancen 440ff., 443 ff. - internal control (IDW) 42Iff., 43Iff., 443 ff. - internal control (SEC) 336, 355f., 413, 416, 443 ff., 461 ff. - Risikoidentifikation 438ff., 443ff. Jenkins-Report 335, 336, 366f., 404 - Bewertungsunsicherheiten u n d Bewertungsmethoden 396, 398 - core and noncore activities 399f., 404, 407 - Externe Prüfung 411, 412ff., 420, 425, 43Iff., 435f.,436f., 443ff. - Finanzinstrumente und bilanzunwirksame Geschäfte 389f., 393, 395f. - Hintergrundinformationen 386f., 388, 389, 404, 405 - Kennzahlen 367f., 370, 373, 377, 404, 405 f. - Management und Anteilseigner 400, 403, 404 - Prognose- und Strategiebericht 378f., 380, 383, 384, 404, 406f. - Risikoberichterstattung 350, 351 f., 354 - Segmentberichterstattung 346, 348, 349 - Zwischenberichterstattung 359f., 361 Kapitalmärkte 28, 28f., 30, 31, 33, 36, 497 Kapitalmarkthaftung 35, 49f., 407, 502f.

Sachregister

Kapitalmarktorientierung 28, 335, 423, 502 f. Klagezulassungsverfahren (UMAG) 35, 50, 501,504 Klöckner-Humboldt-Deutz 11,17,26 Kodexkommission 2 Kommissionsbericht 2 Kontrolle 106f., 108 Konzernbildung und -führung 14ff., 182, 300f., 490 Konzernrechnungslegung 334ff., 337ff., 492f., 502 - DRSC 338, 339, 340,341, 341 ff., 360 - Eigenkapitalspiegel 339, 340, 359f., 372 - Kapitalflußrechnung 339,340,342, 343, 362f., 364, 365f., 372 - Reformprozeß 334ff., 337ff. - related party transactions 342, 343, 361 f., 362f., 363,400 - Risikoberichterstattung 340f., 342, 343, 344, 349ff„ 360, 362f„ 364, 365f„ 378, 380, 393, 416f., 418 - Segmentberichterstattung 339, 340, 342, 343, 344ff., 359f., 362f., 364, 365f., 367f., 372, 381, 383, 388 - Zwischenberichterstattung 342, 343, 344, 358ff., 362f., 364, 365f., 372 Kreditbewilligung 48f., 504 Lageberichterstattung 334ff., 342, 343, 344, 349, 360, 364, 366ff., 492f., 502 - Balanced Scorecard 384ff., 439, 440 - Bewertungsunsicherheiten und Bewertungsmethoden 396ff., 404, 407, 407ff. - core and noncore activities 399f., 404, 407, 407ff. - Finanzinstrumente und bilanzunwirksame Geschäfte 340f., 353f., 357, 389ff., 404, 407, 407ff.,417 - Hintergrundinformationen 3 86 ff., 404, 405 - I D W 369f., 373, 379f., 387f., 392f., 393ff. - intellectual capital S t a t e m e n t 374ff.,

377f., 406, 409f. - Kennzahlen 367ff., 404, 405 f., 407ff. - Konzentration auf nachhaltige Wertschaffung 380

539

- Management Approach 345, 348, 380, 382 - Management und Anteilseigner 400ff., 404 - Prognose- und Strategiebericht 378ff., 404, 406f., 407ff., 441 - Reformprozeß 334ff., 340f., 350, 353f., 357, 366f., 370f., 374ff., 380f., 382f., 388f., 392ff., 398, 400ff., 441 - Risikoberichterstattung 340f., 342, 343, 344, 349ff., 360, 364, 365f., 378, 380, 393, 416f., 418, 441 - Umweltempfehlung (EU) 374 - Vorstandsvergütungs-Offenlegungsgesetz 402 f. Leitung 88, 90ff., 113f„ 115, 116f., 117f., 171 ff., 176 Letztentscheidungskompetenz 55ff., 61 f., 65, 71 f., 105, 175 Mannesmann/Vodafone 11, 17f., 18ff., 26 Maßnahmenkatalog 3 Metallgesellschaft 11,13, 26 Methodengebot 317,490 Mißverhältnis zwischen Ergebnis und Vorgang 224ff., 228, 229f., 230 Mißverhältnis zwischen Motivation und Begründung/Vorwand 203f., 209f., 219, 225,228 Mißverhältnis zwischen Vorgang und Ergebnis 203f., 207ff., 208, 225, 225ff., 228, 229f„ 230 Mitbestimmung 6, 456, 457, 473, 476 Mitentscheidungsrecht 114, 115, 132, 144, 146 Mitwirkung bei der Unternehmensberichterstattung 89, lOOf., 102, 107, 109, 113, 115, 132, 136, 137, 140, 141 f., 144f., 145, 167 Motivationsfehler 200f., 202, 203f., 209ff., 218, 219 Nachteilige Vertragsgestaltung 312, 490 Negative Kontrolle 51f., 55ff., 69f., 84ff., 120, 124, 125, 127, 129ff., 175, 177, 179f., 186f., 199ff., 213f., 216f., 223f., 229ff., 235f., 257ff., 260f., 499, 499f., 500f.

540

Sachregister

N u t z u n g von Gesellschaftsressourcen 183,219, 265, 304, 306f., 309, 363, 490 NYSE 449,463 - audit committee 464, 465 - compensation committee 463, 464 f. - director education 449, 45If. - financial literacy 449,450,451 - independence 449, 450 - nominating committee 463, 464 Operatives Geschäft 77f., 90, 90f., 92, 102, 104, 105, 115, 276 Optimierung der Unternehmensführung 2,27, 34, 37ff., 47, 49, 109f., 111 f., 133f., 137, 139, 143 ff., 167, 168f., 170, 171 f., 172, 173, 178, 273, 278, 279, 284f., 286, 326, 328, 333, 447, 449 Optimierungsgebot 318, 319, 490 Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsführung 213, 222, 270, 314, 437f., 489 Organisationsrecht 10, 27f., 3Iff., 33ff., 49, 58,222f., 273f„ 321ff„ 326ff„ 328ff„ 446ff., 493 f., 497, 501f. outside director 31, 238, 332f., 449ff., 461, 463f., 466f., 470, 474f. Personal- und Vorstandsentscheidungen des Aufsichtsrats 110, 111, 112, 114f., 132f., 136f., 137, 138, 140, 141, 142, 144f., 145 ff., 167, 169, 171f., 172, 176, 274, 361 f., 363, 404, 478,485 Pflichtwidrigkeit der Entscheidung 119f., 120ff., 213f., 223f., 235f., 494, 495, 503 Philipp H o l z m a n n 11, 24f., 26, 223 Prüfung 106 f. Rationalgebot 220, 225f., 227, 229f., 259, 269, 276, 295, 319, 320, 404, 489, 490 Rechtlich relevante Entscheidungsfehler 68 f. Rechtlich vertretbare Einschätzung 120 Rechtlich vertretbare Entscheidung 68 Reformprozeß Iff., 34ff., 42ff., 49f., 58, 325ff., 328ff., 334ff., 337ff., 502, 502f. Regelreduzierung 161 ff., 287ff. Regierungskommission 2

Risikomanagement 93, 95, 223, 314f., 322, 323, 324, 325f., 333, 340, 355ff., 357f., 418, 427f., 437, 465, 467, 471f., 476, 477f., 482, 484, 485, 491 f., 493, 494, 502 - Begriff 428ff., 430, 434, 435, 438ff., 441, 443 ff. - Integration der Chancen 440ff., 443 ff. - Risikoidentifikation 438ff., 443ff. Rücklagen 183 Sanktionierung der Unternehmensführung 109f., l l l f . , 133f., 136f., 137, 143, 170,273 Schadensersatzanspruch (§ 93 A k t G ) 111, 112, 121 ff., 133,134, 137, 138, 140, 140f., 142, 143, 149, 150ff., 160ff., 167, 170, 178f., 179, 183, 215, 228ff., 309, 310, 490, 500 Schmiergelder 182f., 302, 490 SEC 336, 337, 366, 404, 412ff., 443ff., 449, 463 - audit committee 466, 474f. - Bewertungsunsicherheiten und Bewertungsmethoden 396f., 398, 404, 407 - Externe P r ü f u n g 411, 412ff., 415f. - Finanzinstrumente und bilanzunwirksame Geschäfte 390ff., 393, 395f., 404, 407 - independence 449, 452f., 456f. - internal control 431ff., 434f., 435f., 436f., 443 ff. - legal expert 449, 453 f. - nominating committee 466f., 474f. - qualified legal compliance committee 474 f. - related party transactions 337, 362 - Risikoberichterstattung 337, 349, 350f., 351,354, 355f. - Segmentberichterstattung 337, 344, 346, 347, 348f. - Zwischenberichterstattung 337, 358, 359f., 360, 360f., 361 Selbstorganisation 91, 93f., 104, 113, 115, 173, 176, 222, 224, 227,259, 268, 32Iff., 325ff., 328ff., 446ff., 489, 491 f., 501 f. shareholder value 28f., 36 Special Committee 335, 336, 366f., 404

Sachregister - Bewertungsunsicherheiten und Bewertungsmethoden 396, 398 - core and noncore activities 399f., 404, 407 - Externe Prüfung 411, 412ff., 420, 425, 43Iff., 435f.,436f., 443ff. - Finanzinstrumente und bilanzunwirksame Geschäfte 389f., 393, 395f. - Hintergrundinformationen 386f., 388, 389, 404, 405 - Kennzahlen 367f., 370, 373, 377, 404, 405f. - Management und Anteilseigner 400, 403, 404 - Prognose- und Strategiebericht 378f., 380, 383, 384, 404, 406f. - Risikoberichterstattung 350, 351 f., 354 - Segmentberichterstattung 346, 348, 349 - Zwischenberichterstattung 359f., 361 Spekulationsgeschäfte 312, 482f., 485, 490, 494 Spenden 182f., 219, 301f., 302, 303, 490 Stellungnahme des Aufsichtsrats 110, 111,128, 132, 135, 136, 137, 138, 144, 149 Steuerungsfunktion der Organhaftung 37, 48, 50, 260f., 498, 500 Strategie 90, 91 f., 102, 104,115, 276, 441, 477, 480, 482, 484, 485, 494 Strukturelle Vorgangsfehler 201 f., 202f., 203f., 204, 206, 207ff., 209f., 213, 213f., 215, 216, 219, 221, 221ff., 224ff., 229, 2 3 0 f , 23Iff., 235f., 236, 268f., 320ff., 325, 487f., 489 Übernahmen 182, 300f. Überschreitung/abstrakter Verhaltensfehler 210f., 21 Iff., 215, 216, 226, 229, 260, 268, 269, 294ff., 363, 404, 488, 489, 500, 503 Überwachung 86f., 90, 94ff., 106ff., 108ff., l l l f . , 113, 113f., 115, 116, 116f., 117f., 118ff., 171, 174, 176, 327, 329 Überwachungsaufgabe des Aufsichtsrats 106 ff., 176ff. Überwachungsbereich des Aufsichtsrats 88f., 90, 96ff., lOlff.

541

Überwachungsprogramm des Aufsichtsrats 32Iff., 325, 328, 333, 334, 446f., 479, 480, 481, 481f., 483, 483ff., 491f., 493, 494 Unabhängigkeit des Abschlußprüfers 34, 459f., 462, 465, 466, 472f., 475, 477f., 489 Unabhängigkeitsempfehlung (EU) - Nominierungsausschuß 470, 470f., 474f., 480 - Kenntnisse in Finanzen und Rechnungslegung 455 - Prüfungsausschuß 470, 471 f., 474f., 480 - Unabhängigkeit 455, 456f. - Vergütungsausschuß 470, 471, 474f., 480 Ungesicherte Vorleistung 311 f., 490 Unstrukturiertes hochkomplexes Problem 78f., 175,499 Unternehmensberichterstattung und externe Prüfung 89, lOOf., 102,107, 109, 113, 115,132, 136, 137, 140, 141f., 144f., 145, 167, 213, 217, 270, 322, 323, 324, 325ff., 333, 334ff., 477, 484, 489, 491 f., 492, 502 f. Unternehmensführung 77f., 98, 103 Unternehmenskontrollmarkt 28, 29f., 30, 3 1 , 3 3 , 497 Unternehmensorganisation 90, 92 f., 102, 104, 105, 115,276 Unternehmenswohl 40f., 42, 43, 43f., 80f., 82f., 138, 156f., 168ff., 211, 216f., 218, 227, 298 Unternehmerische Entscheidung 8, 60f., 74ff., 98, 499 Verbandsautonomie 70f., 140 Verbot unsachgemäßer und unsachlicher Erwägungen 219f., 225f., 227, 229f., 269, 321 f., 324 Vergütung 18ff., 27, 28, 29, 31ff., 33,183, 219, 265, 304, 305ff., 307ff., 361f., 363, 400ff., 404, 459, 461, 464, 470, 471, 478, 480, 485, 490 Verwaltungsratsmodell 328ff., 479f. Verwaltungsrecht - Abwägungsdefizit 152, 153, 195ff., 197, 198, 198f., 203, 206, 207, 209, 221

542

Sachregister

- Abwägungsdisproportionalität 152, 195ff., 198,202, 205,218 - Abwägungsfehlgewichtung 152 f., 195ff., 198, 202, 205, 218, 218f. - Abwägungsgebot 166, 193, 194, 198f., 205, 206, 208,219,316 - Abwägungsüberhang 197,198,199, 203, 206, 207, 209, 221 - Anmaßung 191,203 - Ausfall 190f., 191, 202, 206, 207, 209, 221 - Auswahlermessen 139 - Beseitigungsanspruch 213 f., 231 ff. - Einschätzungsprärogative 61,62ff., 67ff., 84f., 125, 126, 175, 187, 188f., 499 - Einzig richtige Entscheidung 196,197, 199, 202, 205, 207, 218, 218f. - Entscheidungsfehlerlehre 184ff., 487f. - Ermessensrichtlinien 166 - Ermessensspielraum 61, 65, 67ff., 84f., 175, 187, 188f., 499 - Faktorenlehre 66, 186 - Fehleinschätzung 192, 194f., 198, 199, 202, 205, 206, 207,218 - Fehlgebrauch/konkrete Verhaltensfehler 188f., 205, 211, 488 - Gestaltungsspielraum 66f., 72 - Gewichtungsfehler 205,206,207,209, 217,219 - Normative Ermächtigungslehre 61 f., 69f., 175 - Optimierungsgebot 206,208,316 - Planungsrechtliche Prognosen 66, 81, 83,153, 154,157f., 179, 315 - Problemlage 52ff., 83ff. - Rechtswidrigkeit 185, 213f. - Regelreduziertes Ermessen 161 f., 289 - Überschreitung/abstrakter Verhaltensfehler 188f., 191 f., 199, 202, 204, 211, 219,488 - Unterschreitung 191, 202f., 206, 207, 209, 221 - Unvollständigkeit 192 f., 197, 203, 206, 207, 209, 221 - Verbot unsachgemäßer/unsachlicher Er-

wägungen 193f., 197ff., 202, 206, 207, 208,217,219, 268f., 320f. - Verbot unsachlicher Beweggründe 193 f., 195, 197f., 198, 199, 202, 203f., 209f., 218, 219 - Verfahrensrecht 184f., 211, 221, 223, 23 Iff. - Verhältnismäßigkeitsgrundsatz 139, 140, 191 f., 194, 195 ff., 198, 198f., 199, 202, 205, 206, 208, 219, 316f. - Verkennung 194f., 198, 199, 202, 205, 218, 218f. - V o r w a n d 195, 202, 203f., 209f., 219 Vorgangsfehler 56f., 199ff., 202, 202f., 203f., 204, 205f., 207ff„ 213, 213f„ 215, 216f., 219, 225ff., 229ff., 231ff., 268, 294, 294ff., 320ff., 487f., 489, 499 Vorwand 201, 202, 203f., 209f., 217, 225 Wertorientierte Unternehmensberichterstattung/business bzw. value reporting 334,335,411,502 Wettbewerb 2 8 , 3 0 , 3 1 , 3 3 , 4 9 7 Zusammensetzung des Aufsichtsrats 113, 115, 173, 222, 224, 227, 259, 321ff„ 325, 328, 333, 334, 446f., 447ff., 483ff., 489, 491 f., 493f. - corporate governance rules (NYSE) 449, 450ff. - listing rules (SEC) 449, 452 ff. - Qualifikation 447ff., 454, 457, 457f., 475f., 483ff. - Reformprozeß 447ff., 456f., 457 - Unabhängigkeit 447ff., 454, 456f., 457f., 483ff. - Unabhängigkeitsempfehlung (EU) 455 Zustimmungsvorbehalt 52f., 102, 108, 110, 111, 113, 115,127f., 132, 135, 136, 137, 138,140, 141,144f., 145f., 167, 173, 321 ff., 325, 328, 333, 334, 446f., 478, 479, 479f., 480, 481, 481f., 482f., 483ff., 485, 491 f., 493, 494 Zweckverkehrung 218, 226, 227, 229, 260

Jus Privatum Beiträge zum Privatrecht - Alphabetische Übersicht

Adolpbsen, Jens: Internationale Dopingstrafen. 2003. Band 78. Assmann, Dorothea: Die Vormerkung (§ 883 BGB). 1998. Band 29. Barnert, Thomas: Die Gesellschafterklage im dualistischen System des Gesellschaftsrechts. 2003. Band 82. Bayer, Walter: Der Vertrag zugunsten Dritter. 1995. Band 11. Beater, Axel: Nachahmen im Wettbewerb. 1995. Band 10. Beckmann, Roland Michael: Nichtigkeit und Personenschutz. 1998. Band 34. Benecke, Martina: Gesetzesumgehung im Zivilrecht. 2004. Band 94. Berger, Christian: Rechtsgeschäftliche Verfügungsbeschränkungen. 1998. Band 25. Berger, Klaus: Der Aufrechnungsvertrag. 1996. Band 20. Bittner, Claudia: Europäisches und internationales Betriebsrentenrecht. 2000. Band 46. Bodewig, Theo: Der Rückruf fehlerhafter Produkte. 1999. Band 36. Braun, Johann: Grundfragen der Abänderungsklage. 1994. Band 4. Brors, Christiane: Die Abschaffung der Fürsorgepflicht. 2002. Band 67. Bruns, Alexander: Haftungsbeschränkung und Mindesthaftung. 2003. Band 74. Busche, Jan: Privatautonomie und Kontrahierungszwang. 1999. Band 40. Casper, Matthias: Der Optionsvertrag. 2005. Band 98. Dauner-Lieb, Barbara: Unternehmen in Sondervermögen. 1998. Band 35. Dethlojf, Nina: Europäisierung des Wettbewerbsrechts. 2001. Band 54. Dreier, Thomas: Kompensation und Prävention. 2002. Band 71. Drexl, Josef: Die wirtschaftliche Selbstbestimmung des Verbrauchers. 1998. Band 31. Eberl-Borges, Christina: Die Erbauseinandersetzung. 2000. Band 45. Ebert, Ina: Pönale Elemente im deutschen Privatrecht. 2004. Band 86. Einsele, Dorothee: Wertpapierrecht als Schuldrecht. 1995. Band 8. Ekkenga, Jens: Anlegerschutz, Rechnungslegung und Kapitalmarkt. 1998. Band 30. Ellger, Reinhard: Bereicherung durch Eingriff. 2002. Band 63. Escher-Weingart, Christina: Reform durch Deregulierung im Kapitalgesellschaftsrecht. 2001. Band 49. Giesen, Richard: Tarifvertragliche Rechtsgestaltung für den Betrieb. 2002. Band 64. Gotting, Horst-Peter: Persönlichkeitsrechte als Vermögensrechte. 1995. Band 7. Gruber, Urs Peter: Methoden des internationalen Einheitsrechts. 2004. Band 87. Gsell, Beate: Substanzverletzung und Herstellung. 2003. Band 80. Habersack, Mathias: Die Mitgliedschaft - subjektives und sonstiges' Recht. 1996. Band 17. Haedicke, Maximilian: Rechtskauf und Rechtsmängelhaftung. 2003. Band 77. Hanau, Hans: Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als Schranke privater Gestaltungsmacht. 2004. Band 89. Hau, Wolfgang: Vertragsanpassung und Anpassungsvertrag. 2003. Band 83. Heermann, Peter W.: Drittfinanzierte Erwerbsgeschäfte. 1998. Band 24.

Jus Privatum - Beiträge zum Privatrecht

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Jus Privatum - Beiträge zum Privatrecht

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